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Full text of "Berliner Klinische Wochenschrift 1919 56 Teil 2 Ab 625"

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BERLINER 



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Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 


Redigiert 


Prof. Dr. G. Posner, und Prof. Dr. Hans Kohn, 

Geh. Med.-Rat, Berlin. Berlin. 


SECHSUNDFÜNFZIGSTER JAHRGANG. 

H. HALBJAHR. 


BERLIN 1919. 

Verlag von August Hirschwald. 

NW. Unter den Linden 68. 


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Dte HwliMrStinli^aWotlMiiiaiurift «rsohelat jodan 
Montag in Knianant von etwa 8—6 Bogna gr. 4. — 
Praia nartaliihrlieh 10 Mark. Baatallangtn aatuaaa 
alla BuehhandÄnagan and Postanstallen aa. 


BERLINER 


Alla Binaandangaa für dia Badaktion and Bxpaditioa 
wolle man portofrei an dia Varlagsbaehhaadlnag 
Aogast Hirsehwald, Barlin NW., Untar dan Lindan 68* 
adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinaigesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. MaLrHit Prot Br, C. Pesatr aad Prot Pr. Haas Kolm ___ Aogast Hirsehwald, Veriagabadthindlang u Btrlit 

Montag, den 7. Juli 1919. M27. Sechsimdfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origiaaliea: Kirchner: Neue Wege der Seuchenbekämpfung. S. 625. 
Gutstein: Maassn&hmen zur Bekämpfung der Tuberkulose. S. 680. 
Leppmann: Polyneuritis nach (diphtheriseher?) Wundinfektion. 
S. 638. 

Hirsohberg: Zur Kusuistik Ton Tetanie bei Pylorusstenose. (Aus 
dem Beserrelasarett Dillingen [Ghefarst: Oberstabsarzt Dr. Moraht].) 
S. 684. 

Hirsohberg: Galen und seine zweite Anatomie des Auges. (Schluss.) 
S. 685. 

Blckerbespreehugea: Brugsoh: Allgemeine Prognostik oder die Lehre 
▼on der ärztlichen Beurteilung des gesunden und kranken Mensohen. 
(Bef. Nobiling.) S. 688. — Kraus: Die allgemeine und spezielle 
Pathologie der Person. Klinische Syzygiologie. (Ref. y. Hanse¬ 
mann.) S. 688. 

Literatir-Aisitge: Physiologie. S. 689. — Pharmakologie. S. 639. — 
Therapie. S. 689. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 


tomie. S. 641. — Parasitenkunde und Serologie. S. 641. — Innere 
Medizin. S. 642. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 648. — 
Kinderheilkunde. S. 648. — Chirurgie. S. 643. — Röntgenologie. 
S. 644. — Urologie. S. 644. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. 
S. 644. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 645. — Augenheilkunde. 
S. 645. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 645. — Hygiene 
und Sanitätswesen. S. 645. — Unfallheilkunde und Versicherungs¬ 
wesen. S. 645. 

Verhaadlugei ärztlicher Gesellschaften: Berliner orthopädische 
Gesellschaft S. 645. — Berliner urologisohc Gesell¬ 
schaft. S. 646. — Aerztlioher Verein zu Hamburg. S. 647. 
— Verein für wissenschaftliche Heilkunde su Königsberg 
i. Pr. S. 647. 

Tagesgesohiohtliohe Notisen. S. 648. 

Amtliohe Mitteilungen. S.648. 


Neue Wege der Seuchenbekämpfung. 

Von 

Martii Kirekier. 

ln Nr. 19 dieser Wochenschrift — 1919, 8. 488 — habe 
ich mich n Ueber den Ausbau der Seuchenbekämpfung mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung der Tuberkulose" geäussert und dar¬ 
gelegt, nach welchen Richtungen meines Erachtens die Seuchen¬ 
bekämpfung im 'nteresse der Volksgesundheit weiter entwickelt 
werden sollte. Gespannt war ich daher auf den Vortrag, den 

Herr Professor W. G. Jürgens am 14. Mai in der Berliner 
Medizinischen Gesellschaft über „Nene Wege der Seuchen¬ 
bekämpfung“ gehalten hat. Ich hoffte ans ihm Fingerzeige 
für das, was nottat, in gewinnen und in Jürgens einen Bundes¬ 
genossen za finden. Za meinem Bedauern war es mir nicht 
möglich, dem Vortrage beiinwohnen und mich an einer Erörterung 
so beteiligen. Inzwischen ist der Vortrag in Nr. 28 dieser 

Wochenschrift erschienen und hat mich nicht wenig enttäuscht. 
Nach nenen Wegen habe ich mich darin vergeblich umgesehen, 
dagegen eine Kritik unserer staatlichen Senchengesetze gefunden, 
die jede Kenner der Voraassetzungen, von denen diese Gesetze 
aasgehen, and der Ziele, die sie verfolgen, zum Widerspruch ver¬ 
anlassen muss. Die Erörterung, die sich an den Vortrag geknüpft 
bat, hat nur wenig meinen Erwartungen entsprochen. Ich möchte 
daher selbst das Wort ergreifen, nicht nur, weil ich an der Aus¬ 
arbeitung sowohl des Reichs- als des preussischen Gesetzes am 
meisten beteiligt gewesen bin, sondern auch, weil Jürgens auf 
meinen Aufsatz in Nr. 19 nicht Bezug genommen, dagegen aneh 
an mit Kritik geübt hat. Er sagte: „Kurz vor unserem Zu¬ 
sammenbroch ist an leitender Stelle wohl in etwas übertriebener 
Aengstlichkeit gesagt worden, dass es wie in dem Kampfe gegen 
den militärischen Feind, so auch in der Abwehr der Senchen 
nur zweierlei gibt, nämlich Sieg oder Untergang 41 . Er meinte 
damit eine Aeossernng von mir, die jedoch etwas anders gelautet 
hat. Ich habe, wie der Leser meines Aufsatzes in Nr. 19 sieh 
erinnern wird, in der Versammlung der Aerztlichen Abteilungei 
"TT'der Wafifenbrüderlichen Vereinigungen von Ungarn, Oesterreich, 
m Deutschland, der Türkei and Balgarien, die am 21. September 1918 
! in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest 
stattfand, getagt: „Alles das aber wird nur möglich sein, wenn 


wir siegen. Ohne Sieg werden wir die für die Durchführung der 
Aufgaben des Gesundheitswesens erforderlichen grossen Mittel 
nicht znr Verfügung haben. Eine Niederlage würde uns nicht 
nur zur politischen Ohnmacht verurteilen, sondern auch znr Ver¬ 
elendung unserer Völker führen. Es gibt nur eine Wahl für 
ans: Sieg oder Untergang:“ Von Aengstlichkeit zeugen diese 
Worte nicht, auch enthalten sie nichts über die Abwehr der 
Sencheo, sondern beziehen sich lediglich anf unsere militärischen 
Feinde. Ueber diese aber habe ich in bestimmter Absicht ge¬ 
sprochen. Ich wusste, dass unsere Bundesgenossen in ihrer Treue 
zu wanken begannen. Ich hoffte, mit meinen Worten dem Abfall 
entgegen wirken zu können. Befanden sich doch unter den etwa 
1000 Personen, die an der Versammlung teilnahmen, führende 
Männer aus allen verbündeten Ländern, zumal aus Ungarn and 
Oesterreich, darunter ein Erzherzog, eine Erzherzogin sowie 
mehrere Minister. Allein ich habe mich in dieser Hoffnung 
getäuscht. Schon am 22. September verliessen die bulgarischen 
Aerzte, die an der Versammlung teilgenommen hatten, anf tele¬ 
graphische Weisung ihrer Regierung Budapest, Bulgarien fiel ab, 
wenige Tage später folgten die Türkei und Oesterreich-Ungarn 
nach. Anf meiner Rückreise über Pistyan and Trencsin-TepUc 
sab ich den Zasammenbruch in die Erscheinung treten, und bei 
bei meiner Rückkehr erfuhr ich von Herrn Staatsminister 
Dr. Drews, wie es in Deutschland stand. Am 80. September 
erfolgte der kaiserliche Erlass über die parlamentarische Re¬ 
gierung, am 5. Oktober unsere Bitte am Waffenstillstand, am 
12. Oktober sah ich den Kaiser zum letzten Male, und am 
9. November kam die Revolution. Dass der Verzicht auf den 
Sieg uns den Untergang gebracht hat, wird hente kaum jemand 
lengnen. Als ich es am 21. September in Budapest voraussagte, 
wollten es noch viele nicht glauben. Es tut mir wehe, recht 
behalten zu haben. 

Ich will nun zu Jürgens 1 Vortrag zurückkehren. Wer 
diesen Vortrag liest, muss unsere ganze staatliche Seuchen¬ 
bekämpfung für fehisam halten, während ich und, wie ich hoffe, 
viele Aerzte mit mir sie für eine der grössten hygienischen 
Errungenschaften halten, um die wir von unseren Feinden be¬ 
neidet werden, und der wir m in erster Linie zu verdanken 
haben, dass während des Friedens und des Krieges Heer and 
Volk von nennenswerten Seachenausbrücben verschont geblieben 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 21. 


sind. Auch im einzelnen fordert der Vortrag Widerspruch 
heraus. 

Im ersten Absafe heisst es: „Vermeidbar sind alle diese 
Krankheiten, denn ihre Erreger sind ausserhalb des 
menschlichen Organismus dem Untergange preis¬ 
gegeben, vermieden werden sie aber trotxdem nicht, 
denn dieser Kampf gegen die Krankheitserreger kann nicht 
bis zur Vernichtung geführt werden.* 1 In diesem einen 
Satze sind drei'mit der£modernen Seuchenlehre nicht vereinbare 
Behauptungen enthalten. 

Erstens kennen wir Krankheitserreger, die ausserhalb des 
menschlichen Organismus nicht ohne weiteres dem Untergänge 
preisgegeben sind. Abgesehen von den Sporen von Milzbrand, 
Oedem, Tetanus, sei nur an die Cholera- und Typhusbakterien 
«fintiert, die sich auf feuchter Wäsche, in W'asser und Milch 
längere Zeit lebensfähig und virulent erhalten, an die Diphtherie- 
und Tuberkelbasillen, die im Staube lebensfähig bleiben, vor 
allem an die Erreger von Pieckfieber. Rekurrens, Gelbfieber, 
Malaria, Schlafkrankheit usw., die im Körper blutsaugender In¬ 
sekten einen Entwicklungsgang dnrcbmachen. 

Zweitens werden diese Krankheiten sogar sehr oft vermieden. 
Uhsere Seuchenbekämpfung hat ja gerade die Erkenntnis, dass 
es ^leichter ist, Infektionskrankheiten zu verhüten als zu heilen, 
zum Ausgangspunkt aller Schutzmaassregeln gemacht. Wenn eine 
Cbbleraepidemie früher Tausende und Abertausende von Opfern 
forderte, im Jahre 1905 aber in ganz Deutschland nur 88 Todes¬ 
fälle verursachte, so ist das ein glänzender Beweis dafür, dass 
Krankheiten vermieden werden können. 

Drittens muss der Kampf gegen die Krankheitserreger un¬ 
bedingt bis zu ihrer Vernichtung geführt werden, wenn er erfolg¬ 
reich sein soll. Zah 1 reiche Wasserepidemien von Cholera und 
Typhus wurden durch Desinfektion yon Brunnen oder Wasser¬ 
leitungen, Milchepidemien durch entsprechende Maassregeln in 
Ställen und Molkereien zum Erlöschen gebracht. Die Beseitigung 
von Peatberden durch systematische Ratten Vernichtung, von 
Malariaherden durch Mückenbekämpfung und Chininbehandlung 
gründet sich auf restlose Vernichtung der Krankheitserreger. 
Dass die Erreichung dieses Zieles bei exotischen Krankheiten, 
wie Pest und Cholera, die nur vorübergehend zu uns kommen, 
leichter ^ist als bei Typhus und Tuberkuh se, die sich bei uns 
eingenistet haben, ist zusugeben, aber auch bei diesen ist die 
Vernichtung möglich, wenn nur geeignete Verfahren zielbewusst 
durcbgeführt werden. Das sollte man einem Manne wie Jürgens 
nicht zu sagen brauchen, der sich mit Hingabe und Erfolg an 
der Seuchenbekämpfung im Felde beteiligt hat. 

Jürgens sagt weiter: „Und schon allein aus diesem Be¬ 
kenntnis** — d. h. aus der von mir gar nicht getanen 
Aeusserung. dass es in der Abwehr der Seuchen nur zweierlei 
gibt, nämlich Sieg oder Untergang! — „erwächst uns die Pflicht, 
der Seuchengefahr erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken und die 
Wahrung unserer Volksgesundhei t nicht ausschliesslich 
einem System anzuvertrkuen, das einem Militärstaat 
angepasst war, zur Zeit aber, wo ein Volksstaat im 
Aufbau begriffen ist, seine Grundlagen zu verlieren 
droht.** Wenn alle, besonders die Aerzte, der Seuchengefahr 
erhöhte Aufmerksamkeit zu wenden, so kann man sich nur freuen. 
Wieso aber unsere Seuchengesetze dem Militärstaat angepasst 
und mit einem Volksstaat nicht vereinbar sind, ist nicht klar. Es 
gibt Volksstaaten, in denen ähuliche oder noch strengere Seuchen¬ 
gesetze beobachtet werden wie bei uns. Allerdings unmittelbar 
nach der Revolution vom 9 . 'November ging es bei uns drunter 
und drüber, leider in erster Linie bei dem vordem so wohl- 
diszipliniert gewesenen Heere, infolge davon kehrte sich niemand 
ah die seuchenpolizeiliehen Vorschriften. Inzwischen ist jedoch, 
wenn auch noch nicht in wünschenswertem Umfange, Rohe und 
Ordnung wieder bei uns eingekehrt und infolgedessen eine 
rationelle Seuchenbekämpfung wieder möglich. Die Annahme, 
dass man in Deutschland über kurz oder lang an einen Umsturz 
oder eine wesentliche Abschwächung der Seuchengesetze heran- 
gehen wird, wird hoffentlich nicht zutreffen. Wenigstens spricht 
die Erfahrung dafür, dass die Freiheit der Einzelnen hinter den 
Forderungen der Allgemeinheit in einem sozialistischen Gemein¬ 
wesen weiter zurücktreten muss als in einem monarchisch oder 
konstitutionell regierten Staat; es unterliegt daher keinem Zweifel, 
dass in Deutschland, auch wenn die Reicbsleitung bleibt wie sie 
ist, die Seuchengesetze nicht weniger werden beachtet werden als 
unter dem sogenannten „alten Regime**. Allerdings ist dazu er¬ 
forderlich, dass die Aerzte die Bevölkerung immei wieder über 


die Notwendigkeit der Seuchenbekämpfung aufklären und ihr 
namentlich eine zielbewusste Seuchenverhütung ans Herz legen. 
Wenn Übrigens Jürgens es nicht für an der Zeit hält, „die Be¬ 
deutung der Seuchenbekämpfung und die Zweckmässigkeit unserer 
Seucheoge8etze zu kritisieren**, so bedauere ich das. Wir hätten 
gern erfahren, was man daran besser machen sollte. Statt dessen 
begnügt sich Jürgens, „die Aufmerksamkeit auf die Mittel und 
Wege zu lenken, die dem Volke helfen können, und die uns be¬ 
fähigen, die Volksgesundheit einer gedeihlichen Entwicklung ent- 
gegenzuführen**. Jürgens gibt zu diesem Zweck „einen kurzen 
Ueberblick über die wichtigsten Volksseuchen und ihre Be¬ 
deutung für die Volksgesundheit 4 *, auf den ich näher eingehen 
möchte. 

Bei den Pocken erkennt Jürgens zwar die Wirksamkeit 
der Impfung an, erklärt aber die Frage der Wiederimpfung einer 
erneuten objektiven Nachprüfung für bedürftig.*! „Denn sie ist 
nur efhe Verlegenheitsmaassnahme, die zwar statistisch, im 
übrigen aber wissenschaftlich nicht genügend begründet 
ist.** Vorher sagt er, „dass die Vakzination den Menschen immun 
gegen Variola macht, dass aber trotzdem eine erneute Ansteckung 
erfolgen kann**. 

Alle genau untersuchten Pockenausbrüche lehren, dass es 
wenn auch nur wenige Menschen gibt, die von Natur völlige 
Immunität gegen Pocken besitzen, dass sie bei anderen geringer 
ist und bei wieder'anderen ganz fehlt. Die überwiegende Mehr¬ 
heit der Menschen, die keine oder eine unzureichende angeborene 
Immunität besitzen, müssen durch die Pockenschutzimpfung 
immunisiert werden. Die Dauer dieser künstlichen Immunität, 
die Jenner noch für das ganze Leben, Hufeland und auch 
noch Kussmaul für eine Zeit von durchschnittlich 10 Jahren 
annahmen, ist verschieden: ein Teil der einmal geimpften Per¬ 
sonen bleibt bis ans Lebensende immun; bei einem anderen wird 
die Immunität von Jahr zu Jahr schwächer und sinkt nach 
einiger Zeit, nach 30—35 Jahren oder weniger so weit herab, dass 
der Infektion eine Erkrankung folgt; bei wieder anderen dauert der 
Schutz noch erheblich kürzere Zeit, nur einige Jahre und ganz 
ausnahmsweise noch weniger. Diese Abnahme der durch die 
Impfung erzeugten künstlichen Immunität unter das zum Schutze 
gegen die Erkrankung erforderliche Niveau zu verhüten, dazu ist 
die Wiederimpfung bestimmt, deren Zeitpunkt rein mechanisch 
durch das Impfgesetz auf 10 Jahre nach der erfolgreich vor¬ 
genommenen Erstimpfung festgesetzt ist, zweckmässig aber für 
jeden einzelnen individuell nach Feststellung des noch vorhan¬ 
denen Maasses von Immunität festgesetzt werden sollte. Im all¬ 
gemeinen nimmt man an, dass der durch die Wiederimpfung ge¬ 
setzte Pockenschutz für weitere 10 Jahre ausreicht, und führt 
deswegen bei dem Eintritt der Rekruten in das Heer eine zweite 
Wiederimpfung aus. Im Heere bemisst man die Dauer der durch 
diese gesetzte Immunität nur auf 4—5 Jahre und hatte bei 
Ausbruch des Krieges angeordnet, dass alle Heeresangehörige 
nochmals geimpft werden mussten, die nicht vor; mindestens vier 
Jahren mit Erfolg revakziniert waren oder die natürlichen Blattern 
überstanden hatten. 

Ich habe in einem Vortrage, den ich zur Eröffnung der 
Pockenausstellung im Kaiserin Friedrich-Hause am 18. Sep¬ 
tember 1917 hielt 1 )* bezüglich der deutschen Pockenepidemie 
von 1917 au8geffihrt: „Von je 1000 der erkrankten Personen be¬ 
fanden sich 105 im Lebensalter von 0—5 Jahren, 28 im Lebens¬ 
alter von 5—10 Jahren, 18 im Lebensalter von 10—20 Jahren 
und 4 im Lebensalter von 20—80 Jahren. Dagegen wächst nun¬ 
mehr die Zahl im Lebensalter von 30—40 Jahren auf 41, von 
40— 50 Jahren auf 73, von 50—60 Jahren auf 882, von 70 bis 
80 Jahren auf 105 und von 80 —90 Jahren auf 64. Sie sehen 
also, das« die Pocken in den ersten 30—85 Lebensjahren so gut 
wie gar keine Rolle spielten, dass sie erst vom 35. Lebensjahre 
an zugenommen, sich in den 40er und 50er Jahren schnell ver¬ 
mehrt und dass sie das Alter über 60 und 70 Jahre ausserordent¬ 
lich verhängnisvoll betroffen haben. Ganz ähnlich verhält es Bich 
in bezug auf die Todesfälle. Wir haben während dieser Epidemie 
Todesfälle in den ersten Lebensjahren nur ganz vereinzelt gehabt; 
auch in den späteren Lebensjahren waren nur sehr wenige. Da¬ 
gegen nahm vom 41. Lebensjahre ab die Sterblichkeit an den 
rocken von Jahr zu Jahr zu und erreichte ihren Höhepunkt in 
den höheren Lebensaltern, ln dem Alter von 5—10 Jahren 
starben 7 v. H. ■ der Erwachsenen, in dem Alter von 10—20 Jahren 
5 v. H., in dem Alter von 20—80 Jahren 1 v. H., in dem Alter 


1) Zsohr. f. ärztl: Fortbildung, 1918, Nr. 3. . 


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7. Juli 1010. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


von 80—40 Jahren 5,6 v. H. and in dem Lebensalter von 40 bis 
50- Jahren 4 v. H. Non aber nimmt die Sterblichkeit zu. Im 
Alter von 50—60 Jahren starben 10,2 v. H., im Alter von 60 
bis 70 Jahren 27,3 v. H., im Alter von 70—80 Jahren 25,8 v. H. 
and im Alter von 80—90 Jahren 56,0 v. H. der Erkrankten. 
Also von 100 Personen, die sieb im Alter von 80—90 Jahren 
befanden, sind mehr als die Hälfte an den Pocken gestorben. 
Vergleicht man die Zahlen im eimelnen weiter, so stellt sich 
herans, dass die Schutzwirkung der Pockenimpfung viel 
länger dauert, als wir bisher angenommen haben. Es 
ist richtig, ein gleich langer und absolut sicherer Schafs wird 
für jeden einzelnen Geimpften durch die Pockenschutiimpfung 
nicht gegeben. Denn in jedem Lebensalter erkrankten einige 
Personen trotz der Impfung, manche wenige Jahre nach der 
Impfung und der Wiederimpfang. Wohl aber kann man mit 
Sicherheit sagen, dass die überwiegende Mehrzahl der 
Geimpften sicher bis zur Wiederimpfung im 12. Lebens¬ 
jahre und die überwiegende Mehrzahl der Wieder- 
geimpften bis in die Mitte der dreissiger Jahre des 
Lebens hinein mit ausserordentlich grosser Wahrschein¬ 
lichkeit gegen eine Pockenerkrankung geschützt ist! M 

Wenn daher Jürgens die Wiederimpfung eine „Verlegen- 
beitsmaassnahme“ nennt, so muss ich ihm widersprechen; ich 
muss es sogar als wünschenswert bezeichnen, dass alle älteren 
Personen, etwa vom 35. Lebensjahre ab, sich freiwillig einer 
zweiten Wiederimpfung untersieben, um den Schatz, den wir 
dnreh die Erstimpfung und die Wiederimpfung im 12. Lebens¬ 
jahre erworben haben, der aber seitdem im allmählichen Abklingen 
begriffen ist, wieder aufgefrischt und so verstärkt wird, dass sie 
bis an ihr Lebensende gegen eine Pockenerkrankung gefeit sind. 

Den breitesten Raum in Jürgen’s Vortrag nimmt das Fleck¬ 
fieber ein, mit dem er sich ja eingehend beschäftigt bat, aber 
auch mit diesen Ausführungen bin ich nicht einverstanden. Zwar 
gebe ich die Anweisung des Bundesrats zur Bekämpfung des 
Fleckfiebers aus dem Jahre 1904 preis, da sie dem heutigen 
Stande der Wissenschaft nicht mehr entspricht. Die neue An 
Weisung aber, die inzwischen im Reichsgesundheitsrat unter Mit¬ 
wirkung von Jürgens ausgearbeitet worden ist und demnächst 
in Kraft gesetzt wird, trägt den neueren Forschungen Rechnung 
und ist zur Abwendung der Fteckfiebergefahr geeignet, da sie 
sich keineswegs auf einen „bis ins einzelne, ausgearbeiteten Ent- 
lausnngsplan u beschränkt. Wenn Jürgens meint, dass dazu die 
Seuchenbekämpfung sich aus den bürokratischen Gewohn¬ 
heiten erheben und auf den Boden praktischen Handelns 
stellen müsse, so vermisse*ich den Nachweis des Bürokratismus 
und bedaure, nicht zu erfahren, worin der Boden des praktischen 
Handelns bestehen soll. Das einzige, was Jürgens darüber sagt, 
ist, dass „die Aerzte sich dieser Sache annehmen“ sollen. Will 
denn das Seuchengesetz und die Ausführungsanweisung etwa die 
Aerzte aussehalten? Das Gegenteil ist der Fall, was schon die 
der Anweisung beigegebenen „Ratschläge an Aerzte zur Be¬ 
kämpfung des Fleckfiebers und zu ihrem eigenen Schutz bei der 
Behandlung von Fleckfieberkranken“ beweisen. Aber es fordert 
mit Recht, dass die Aerzte nicht nur die ausgesprochenen Fälle 
von Fleckfieber, sondern auch die fleckfieber verdächtigen Er¬ 
krankungen zur Anzeige bringen, damit unverzüglich zur Unter¬ 
stützung der Diagnose die Weil-Feilsche Reaktion und zur 
Beseitigung der Ansteckungsgefahr die Entlausung veranlasst 
werden kann. Jürgens empfiehlt dagegen den Aerzteo, in ver¬ 
dächtigen Fällen sofort und schon vor Ausführung der Weil- 
Felix’schen Reaktion die erforderlichen Scbutzmaassregeln selbst 
zu treffen, dagegen im Interesse des Kranken verdächtige Fälle 
nicht zur Anzeige zu bringen. Wollten die Aerzte diesen Rat 
befolgen, so würde die wichtigste Errungenschaft der neueren 
Seuchenbekämpfung, durch Inangriffnahme der verdächtigen Er¬ 
krankungen die Bekämpfung der Seuche so früh als möglich zu 
eröffnen, illusorisch werden. Dass dadurch, wie Jürgens an- 
nimmt, die Aerzte der Seuchenbekämpfung entfremdet werden, 
glaube ich nicht. Ebensowenig teile ich seine Auffassung, dass 
in der gegenwärtigen Seuchenbekämpfung l der Kranke nicht zu 
seinem Rechte kommt. Vielmehr hat auch nach dem Seuchen¬ 
gesetz der behandelnde Ar>t das ungeschmälerte Recht, für seine 
Kranken zu sorgen. Bei der* Ermittelung der Krankheit durch 
den beamteten Arzt ist nach § 7 Abs. 2 des Gesetzes der be¬ 
handelnde Arzt berechtigt, den Untersuchungen beizuwobnen; 
wird die Absonderung des Kranken verfügt, so hat sie nach § 14 
Abs. 2 so zu erfolgen, dass dem Arzt ungehinderter Zutritt zum 
Kranken ermöglicht wird; werden auf Erfordern der Polizei- 


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bebörde in der Behausung des. Kranken die nach dem Gutachten 
des beamteten Arztes zum Zwecke der Absonderung notwendigen 
Einrichtungen nicht getroffen, so kann nach § J4 Abs. 2 die 
Ueberfübrung des Kranken in ein geeignetes Krankenhaus oder 
in einen anderen geeigneten Unterkunftsraum nur dann angeordnet 
werden, wenn der behandelnde Arzt es ohne Schädigung des 
Kranken für zulässig erklärt. Kann man sich eine grössere 
Wahrung der Rechte des Kranken und seines behandelnden Arztes 
denken? 

Wenn die Aerzte dem Rate folgen wollten, eine fleckfieber- 
verdäebtige Erkrankung erst dann, „wenn der Fleckfieberverdacht 
feste Formen annimmt, wenn der Arzt es verantworten 
kann, dass alle Maassnahmen der gesetzlichen Seuchenbekämpfung 
auf den Kranken und seine Familie in Anwendung gebracht 
werden“, die Anzeige an die Polizei zu erstatten, so würden sie 
eine schwere Verantwortung auf sich laden. Jürgens sieht in 
der Anzeigeerstattung für den Arzt nur den Zwang, „die Ffihrupg 
aus der Hand zu geben und der Obrigkeit die von ihm bereite 
in die rechten Wege geleitete Fürsorge zu überlassen“, und über¬ 
sieht, dass es Aerzte gibt, die das Seuchengesetz und seine im 
Interesse der Allgemeinheit unerlässlichen Bestimmungen un¬ 
genügend kennen oder mit dem Fleckfieber unvollkommen ver¬ 
traut sind. Ich weiss aus langjähriger Erfahrung, dass ein 
grosser Bruchteil der Aerzte in der Mitwirkung des beamteten 
Arztes eine dankbar begrüsste Unterstützung und eine wertvolle 
Teilung der Verantwortung sieht. So wenig nach dem Gesetz der 
beamtete Arzt den behandelnden Arzt aussehalten darf, so wenig 
wohlgetan wäre es, wenn der behandelnde Arzt sich dazu verführen 
Hesse, die Mitwirkung des beamteten Arztes zu hintertreiben oder als 
Eingriff in seine Rechte oder in diu seiner Kranken anzusehen. 
Eine gedeihliche Seuchenbekämpfung, die die Interessen sowohl 
der Kranken als der Allgemeinheit berücksichtigt, kommt nur 
zustande, wenn der behandelnde und der beamtete Arzt freund- 
willig zusammen arbeiten. * 

Von dem, was Jürgens über die Masern sagt, ist manches 
zutreffend, sein Vorwurf aber, dass .unsere Seuchenbekämpfung 
„ausschliesslich auf den Parasitenkampf eingestellt“ ist und sich 
um den Kranken nicht bekümmert, ist nicht berechtigt. Als ich 
den Entwurf des preussiseben Seuchengesetzes ausarbeitete, legte 
ich mir die Frage vor, ob ich die Bestimmung des Regulativs 
vom 8. August 1835 aufneAmen sollte: „Bei den Masern, Schar¬ 
lach und Röteln sind die Aerzte bei der ip § 41 bestimmten 
Geldstrafe zur Anzeige alsdann verpflichtet, wenn besonders 
bösartige und besonders zahlreiche Fälle ihnen Vor¬ 
kommen. “ Ich lehnte es ab, weil mit dieser Vorschrift keine 
Epidemie zu verhüten ist. Ich machte bei Scharlach alle Er¬ 
krankungen anzeigepflichtig, bei Masern und Röteln dagegen keine, 
schuf aber in § 5 die Möglichkeit, auch bei Masern und Röteln 
die Anzeigepflicht vorübergebend einzuführen, wenn und solange 
diese Krankheiten in epidemischer Ausbreitung auftreten. Diese 
Bestimmung fand die Zustimmung aller,befragten Sachverständigen, 
insonderheit der Kinderärzte, und bat sich durchaus bewährt. 
Ich traf diese Regelung, obwohl mir bekannt war, dass die 
Masern viele Opfer fordern. Dass sie richtig war, geht daraus 
hervor, dass seit Durchführung des Gesetzes die Todesfälle au 
den Masern von Jahr zu Jahr abgenommen haben; es starben in 
Preussen von je 100 000 Lebenden im Jahre 1896 : 81,7, 1901: 
81,8, 1906: 24,4 und 1911: 18,6. Hieran ist auch wohl die 
Tatsache schuld, dass ich io die Anweisung zur Verhütung der 
Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die Schulen vom 
9. Juli 1907 eingehende Vorschriften über die Bekämpfung der 
Maseru aufgenommen habe. Sollte man bei Neubearbeitung des 
Seuchengesetzes zur Einführung der Anzeigepflicht für die Masern 
kommen, so hätte ich nichts dagegen. Ich wundere mich aber 
darüber,, dass Jürgens bei Pocken und Fleckfieber über ein 
Zuviel der staatlichen Seuchenbekämpfung klagt, bei den Masern 
dagegen ein Zuwenig tadelt und daraus die Berechtigung zu dem 
Vorwurf entnehmen zu dürfen glaubt, „dass sie sich um die 
Kranken nicht kümmert“. 

Bei der^Diphtherie empfiehlt Jürgens Absonderung der 
Kranken und ihre Behandlung mit Hei'serum, was man nur billigen 
kann. Sicherlich würden nicht noch so viele Kinder an Diph¬ 
therie qrkranken, wenn für sichere Absonderung der Erkrankten 
von ihren Geschwistern und Mitschülern gesorgt würde, und nicht 
noch so viele sterben, wenn nicht noch in so zahlreichen Fällen 
vom Serum kein oder ein za später Gebrauch gemacht würde. 
Wissen wir doch, dass die Anwendung des Serums nur in den 
ersten 24—48 Stunden einen durchschlagenden Erfolg erzielt, 

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UNIVERSUM OF IOWA 






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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


von 3. Tage ab dagegen mehr and mehr versagt. Aach halte 
ich es mit Jürgens für unnütz alle infisierten Kinder in Kranken¬ 
häuser tu schicken. Daran denkt übrigens niemand. Das Seuchen- 
gesetz schreibt vor, dass nnr diese Kranke, die in ihrer Behau¬ 
sung nicht sicher abgesondert werden können, in ein Kranken¬ 
haus übergeführt werden sollen. Nicht einverstanden aber kann 
man mit Jürgens sein, wenn er schreibt, dass Kinder, die dem 
Krankenbause überwiesen sind, aus demselben sehon nach Hause 
entlassen werden sollen, bevor die Untersuchung ihrer Rachen¬ 
organe auf Bazilen zweimal ein negatives Ergebnis gehabt hat, 
weil die Krankenhäuser nicht Platz genug hätten, um alle Diph¬ 
therierekonvaleszenten bis zur Erlangung der Bazillenfreiheit 
darin belassen zu können. Das ist meines Erachtens kein hin¬ 
reichender Grund gegen die wobldurcbdachte Vorschrift der 
Seuchenbekämpfung, denn Diphtherische können auch nach klini¬ 
scher Genesung »och virulente Bakterien bei sich beherbergen 
und daher die Krankheit auf gesunde Personen übertragen; es 
wäre daher ein unverzeihliches Unrecht, wenn man sie mit ihren 
Bakterien in ihre Familie oder die Schule zuröckkehren Hesse. 
Reichen die Krankenhäuser nicht aus, so errichte man für die 
Diphtherierekonvaleszenten Genesungsheime, was ich schon vor 
Jahren empfohlen habe. Solange man das nicht will oder kann, 
belasse man die Rekonvaleszenten im Krankenbause, wenn man 
nicht neue Ausbreitungen der Diphtherie in den engen und un- 
hygienischen Wohnungen der Grossstädte erleben will. Würde 
man dies auch in Berlin beherzigen, so würde die seit einigen 
Jahren unter dankenswerter Mitwirkung des Medizinalamtes in 
Angriff genommene energische Dipbtheriebekämpfung viel schneller 
zum Ziele führen. 

Wenn Jürgens zum Schluss seiner Ausführungen noch ein¬ 
mal warm dafür eintritt, dass die Aerzte in jedem Falle sobald 
als möglich und vor Feststellung des Ergebnisses der bakterio¬ 
logischen Untersuchung zur Anwendung des Dipbtberieserums 
schreiten, so bin ich ihm von Herzen dafür dankbar. Noch 
dankbarer wäre ich, wenn er die gleichzeitige prophylaktische 
Behandlung der gesunden Personen in der Umgebung der Erkrankten 
mit Serum ebenso warm empfohlen hätte. 

Jürgens bespricht dann Typhus, Cholera und Ruhr als 
drei Krankheiten, „die wegen ihrer Eigentümlichkeit, in be¬ 
grenzten Epidemien aufzutreten, von jeher als eine besondere 
Gruppe zusammengefasst worden sind“. Diese Eigentümlichkeit 
zeigten sie jedoch früher, ehe man durch das genaue Studium 
»ihrer Epidemiologie den Nachweis führte, dass die Epidemien 
nur besonders in die Augen springende Episoden in der Verbrei¬ 
tung der drei Krankheiten darstellen, dass sie dagegen in Gegen¬ 
den, in denen sie einheimisch (endemisch) sind, in Form ununter¬ 
brochener Ketten von Einzelfällen auftreten, die vielfach durch Ba¬ 
zillenträger unterbrochen und dadurch verschleiert werden. Das 
ist zuerst bei der Cholera durch Dunbar, bei dem Typhus durch 
Lentz, 'v. Drigalski’ und ConVaui ^dd demnächst auch bei 
der Ruhr nacbgewiesen .wprden. Nur durch das Auftreten und 
Unscbädlichmachen der Bazillenträger können wir die Einzel¬ 
erkrankungen und ihr Auswachsen zu Epidemien verhüten, wie 
die systematische Typhusbekämpfung im Südwesten des Reiches 
gelehrt bat. Schade, dass Jürgens die Bazillenträger nicht er¬ 
wähnt! Ihre . Verfolgung stellt einen ebenso neuen als erfolg¬ 
reichen Weg der Seuchenbekämpfung dar. 

Bei der Ruhr berührt Jürgens einen schwachen Punkt der 
Seuchenbekämpfung. Wenn er jedoch sagt: „Die Ruhr ist aus- 
geschieden aus dieser Gruppe der Kriegs- und Volksseuchen, 
die man bakteriologisch in der Hand zu haben glaubte“, so ist 
dieses Urteil verfrüht. Richtig ist, dass der Krieg uns in dieser 
Beziehung Ueberraschungen gebracht hat. Trotz aller bakterio¬ 
logischen Untersuchungen gelang es häufig nicht, Ausbrüche zu 
verhüten und Herde zu beschränken. Trotz aller Sorgfalt gelang 
es in zahlreichen Fällen nicht einmal, den Erreger bakteriologisch 
nachzuweisen. Trotzdem ist das Urteil, die Krankheit sei aus¬ 
geschieden aus dieser Gruppe, verfrüht. Wie Typhus von Para¬ 
typbus, wie Cholera asiatica von Cholera nostras lange schwer 
unterscheidbar waren, bis die geeigneten Untersuchungsver¬ 
fahren entdeckt und .pfadführend wurden, so sind wir zur Zeit 
*üoch nicht io der Lage, die Krankheitsfälle, die einerseits durch 
Amöben, andererseits durch Shiga-Kruse-, Flexner-, Y-Bazillen 
verursacht werden, mit genügender Schnelligkeit und Sicherheit 
klinisch, bakteriologisch und epidemiologisch von einander zu 
trennen. Hier muss die Forschung einsetzen; ich zweifle nicht, 
dass sie über kurz oder lang Klarheit bringen wird. Dann wird 
sich wieder ein „neuer Weg der Seuchenbekämpfung“ ergeben. 


Was für neue Wege empfiehlt nun Jürgens bei der Cholera? 
Zunächst gibt er eine Kritik. „Schutzimpfungen in grossem Maass- 
stabe sollten die Seuchen verhüten und bakteriologische Unter¬ 
suchungen die Epidemien umgrenzen, und es wird diesen 
Maas8nabmen nicht jede Bedeutung abgesprochen 
werden können“. Wie kühl und ablehnend, wie widerwillig 
klingt diese Anerkennungwird diesen Maassnahmen nicht 
jede Bedeutung abgesprochen werden können. Ich weiss nicht, 
ob Jürgens von Kriegsausbruch ab im Felde gewesen ist und 
österreichische Choleralazarette besucht bat, wie ich im Spät¬ 
sommer 1914. War er dort, so. würde er haben sehen können, 
wie furchtbar die Seuche in einer Troppe au ft ritt, die keine 
Schutzimpfung genossen hat. Die Cholerascbutzimpfung der ganzen 
Armee, zu der der wissenschaftliche Senat der Kaiser Wilhelms- 
Akademie geraten hatte, hat eine enorme Bedeutung für die 
Schlagfertigkeit unserer Heere gehabt. Personen, die sich ihr zu 
entziehen gewusst batten, sind dabei schwer erkrankt oder elend 
zugrunde gegangen. 

Jürgens fährt fort: „Wichtig ist aber zu wissen, dass auch 
dort, wo man mit diesen Eingriffen zu spät kam, die Cholera 
spontan verlöschte. Die Cholera wird zu den gemeingefähr¬ 
lichen Seuchen gerechnet, sie ist aber in einem hygienisch auf¬ 
geklärten Volke eine ganz und gar ungefährliche Seuche, die, 
einmal über die Grenzen geworfen, kaum die Möglichkeit findet 
zu weiterer Ausbreitung“. Kennt Jürgeos nicht die Geschichte 
der Cholera? Hat er die Verheerungen vergessen, die sie 1866 
im Deutschen Kriege, 1892 in Hamburg angerichtet hat, und die 
von Epidemie zu Epidemie deutlicher zutage tretende Abnahme 
der Erkrankungen und Todesfälle, seitdem Koch und seine Schüler 
die Abwehr der Cholera geleitet haben? Wo ist die Cholera 
jemals von selbst erloschen? Jürgens antwortet: „Erst die 
jüngste Einschleppung in Berlin hat gezeigt, dass die Cholera, 
tagelang unbeachtet, doch auf ihren ursprünglichen Herd be¬ 
schränkt bleibt, und dass die bakteriologische Untersuchung erst 
nachträglich ein ungefähres Bild ihrer Ausbreitung entwerfen 
kann, aber weder den Ursprung noch das Ende der bakteriellen 
Infektion mit Sicherheit festzulegen imstande ist.“ Hier irrt 
Jürgens. Er meint die Choleraerkrankungen vom September 1918. 
Die Sache liegt aber anders. Sofort als Herr Stadtmedixinalrat 
Weber von der ersten Cholerafeststei lang erfuhr, teilte er sie mir 
durch Fernsprecher mit; ich veranlasste unverzüglich eine Be¬ 
sprechung mit ihm, dem Vorsteher der bakteriologischen Abtei¬ 
lung Dr. Seligmann, dem Regierungs- und Medizinalrat 
Dr. Schlegtental und den zuständigen Kreisärzten Weissen¬ 
born, Gehrke und Grimm. Bald war festgestellt, dass fast 
alle Erkrankte und Krankheitsverdächtige Rossfieisch aus einer 
Fleischerei in der Linienstrasse genossen hatten; die Fleischerei 
wurde geschlossen, alle Erkrankten worden aufgesucht und soweit 
sie nicht dem Krankenhause zugeführt waren oder wurden,hinter 
Beobachtung gestellt. Es wurde festgestellt, •däffe Nlas Ftöihoh 
aus Westpreussen stammte, und dort das Erforderliche veranlasst. 
Es wurde weiter festgestellt, dass auch einige Choleraerkrankungen 
auf den märkischen Wasserstrassen in Beziehung zu der Fleischerei 
standen, und sie wurden durch geeignete Maassregeln unschädlich 
gemacht. In weniger als 10 Tagen war die ganze kleine Epidemie 
erloschen. Ich stelle in Abrede, „dass weder der Ursprung noch 
das Ende der bakteriologischen Infektion“ festgestellt worden ist, 
ebenso bestreite ich, dass „die Beachtung der gewöhnlichen 
Regeln der Reinlichkeit ihr ein rasches Ende bereitet“ bat. Es 
handelte sich um eine Winkelschlächterei und um Personen, die 
sich keineswegs durch Reinlichkeit ausgezeichnet haben. Ohne 
das schnelle Eingreifen aller zuständigen^ Persönlichkeiten wäre 
die kleine Epidemie, die offenbar durch abgeschwächte Cholera¬ 
vibrionen erzeugt war, keinesfalls von selbst erlosch. Was für 
einen neuen Weg der Cholerabekämpfung hat uns nun Jürgens 
zeigen wollen? Sollen wir in Zukunft im Vertrauen auf die 
hygienische Aufklärung des Volkes und auf die Beachtung der 
gewöhnlichen Regeln der Reinlichkeit Zusehen, ob. die Cholera 
„ganz und gar ungefährlich“ sein wird, oder sollen wir nicht viel¬ 
mehr durch die Maassregeln, die sich hundertfach bewährt haben, 
verböten, dass sie gemeingefährlich wird? Ich habe in dem 
VolkBstaat, der „im Aufbau begriffen ist“, nichts zu sagen, aber 
ich hoffe, dass man künftig auch itfibm keine neuen Wege wandeln, 
sondern den einzig richtigen Weg'der Cholerabekämpfung finden 
wird. 

Ebenso wenig wie bezüglich der Cholera befriedigen mich 
Jürgens 1 Ausführungen übet den Typbus. „Auch hier läuft 
die bakteriologische Untersuchung nach. Der bakterio- 


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UNIVERSUM OF IOWA 



?. Juli 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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logische Herd hat längst seine Keime ausgestreut, wenn die 
Seuchenbekämpfung sich seiner annimmt“, sagt Jürgens. Es 
ist insngeben: Wollte man jede Ausstreuung von Keimen ver¬ 
hindern, so müsste man das ganze Volk auf Typhusbazillen unter¬ 
suchen und alle dabei entdeckten Bazillenträger hinter Schloss 
ond Riegel setzen; das ist unmöglich; sobald man aber von der 
typhös verdächtigen Erkrankung erfahren und sie durch die bak¬ 
teriologische Untersuchung als Typhus festgestellt hat, kann man 
die kranken und die krankheitsverdächtigen Personen in seiner 
Umgebung absondern, Ansteckungsverdächtige unter Beobachtung 
stellen und durch Umgebungsuntersuchungen nach Bazillenträgern 
fahnden; man kann verhüten, dass Infektionen von Brunnen, 
Wasserleitungen oder Milch erfolgen und so die Entstehung von 
Epidemien verhüten. Heisst das, mit der bakteriologischen Unter¬ 
suchung den Ereignissen nachlaufen, oder bedeutet es nicht viel¬ 
mehr, dass man ihnen zuvorkommt? 

Was rät nun Jürgens? „Von grösstem Interesse würde es 
der Typhusbekämpfung sein, wenn die Aerzte für eine wirksame 
Mitarbeit gewonnen werden könnten.“ Das ist ja aber seit Jahren 
das heisse Bemühen der Medizinalverwaltung, das, wie ich der 
Wahrheit gemäss sagen kann, in weiten Teilen unseres Vater¬ 
landes auch erreicht worden ist. „Allerdings geht das nicht auf 
dem alten ausgefahrenen Wege“, sagt Jürgens. Warum nicht? 
Wenn in der Tat, wie Jürgens meint, manche Aerzte dadurch, 
dass man ihnen die Ausführung der Widal’schen Reaktion in der 
bakteriologischen Untersuchung der Diagnose erleichtert, sich 
dazu verführen lassen, verdächtige Erkrankungen nicht eher als 
Typhus zu behandeln, als bis sie das Ergebnis der Untersuchung 
io Händen haben, so ist das nicht die Folge davon, dass die Be¬ 
hörden „die ärztliche Verantwortung in Gesetzesbestimmungen 
swängen“, sondern die Schuld der Aerzte, die von dem ihnen Ge¬ 
botenen nicht den richtigen Gebrauch machen. Die von mir. im 
Jahre 1907 durchgeführte Errichtung leistungsfähiger Institute 
rar bakteriologischen Untersuchung, die Niederlegung von Ent- 
nahmeapparaten in allen Apotheken des Landes, ihre kosten¬ 
freie Verabfolgung an alle Aerzte, womit ich die Anerkennung 
der Aerzteschaft erworben zu haben hoffte, sehe ich zu meiner 
schmerzlichen Enttäuschung von Jürgens als einen „alten aus¬ 
gefahrenen Weg“ bezeichnet, durch den mehr geschadet als 
genützt worden ist! Was setzt Jürgens an seine Stelle? Worin 
besteht der neue Weg der Seuchenbekämpfung, den er uns zeigen 
will? Er sagt: „Auch hier wäre eine Aufklärung dringend nötig. 
Nicht der Ajzt soll sich durch das Seuchengesetz führen lassen, 
sondern er selbst soll der Führer bleiben und der staatlichen 
Organisation frühzeitig Anweisungen geben, wo sie einzugreifen 
hat“ Nun, an Belehrung auch der Aerzte lassen es weder die 
Aoaführungsbestimmungen des Seuchengesetzes noch die beamteten 
Aerzte fehlen. Wenn die Fortbildungskurse für Aerzte sich derer 
•och mehr annehmen wollen als bisher, so ist das verdienstvoll. 
Aber das kann man doch nicht als „neuen Weg der Seuchen¬ 
bekämpfung“ bezeichnen. Auch der von Jürgens mit Recht 
empfohlene „Ausbau der Volks Wohlfahrtspflege und der Volks- 
erziehung“ und die „zielbewusste Entwicklung der Volksgesund- 
beitspflege“ werden zur Bekämpfung des Typhus wie aller epi¬ 
demisch auftretenden Volksseuchen beitragen, ohne dass man hoffen 
dürfte, dadurch die „alten ausgefahrenen Wege der staatlichen 
Seuchenbekämpfung“ entbehrlich zu machen! 

Ich kann es mir versagen, auf das einzugehen, was Jürgens 
über die Bekämpfung der übertragbaren Genickstarre, des 
Scharlachs und der Grippe sagt, und möchte nur noch einiges 
zu seinen Ausführungen über die Tuberkulose bemerken, die 
•och ieh für die wichtigste Seuche halte, die an unserem Volke 
zehrt, und in deren Pathogenese und Bekämpfung auch meiner 
Ansicht nach Lebensführung, Ernährung, Kleidung und Wohnung 
•ine überaus wichtige Rolle spielen. Dagegen gehen sowohl 
hinsichtlich der jetzt empfohlenen Tuberkulosebekämpfung als 
mach bezüglich der von Jürgens empfohlenen neuen Wege unsere 
Ansichten weit auseinander. 

„Es ist kaum zu verstehen“, sagt Jürgens, „wie man noch 
hoffen kann, durch Isolierung eine Krankheit wirksam bekämpfen 
so können, die so eng mit dem Volkskörper verwachsen ist, dass 
kaum eine Familie und sicher keine grössere Arbeitsstätte ganz 
frei von Ansteckungsgefahr bleibt. Die Quellen der bakterischen 
Infektion fliessen überall, verstopft werden können sie aber nur 
dort, wo sie entdeckt werden, und das geschieht auf bakterio¬ 
logischem Wege immer erst, wenn die Ausstreuung der Keime 
bereits im Gange ist. Darin liegt die Aussichtslosigkeit dieses 
BamiJlenkmmpf68. M 


Ich habe schon gesagt, dass der Kampf gegen eine Krankheit, 
die sich so in das Mark unseres Volkes eingefressen hat, wie die 
Tuberkulose, viel schwieriger ist als derjenige gegen eine von 
aussen vorübergehend eingeschleppte Krankheit, wie z. B. Cholera 
oder Pest. Aussichtslos ist dieser Kampf trotzdem nicht, wenn 
er nur tatkräftig, zielbewusst und unter Aufwendung ausreichender 
Mittel durcbgeführt wird. Die Ansicht von Jürgens, „die 
Quellen der bakteriellen Infektion fliessen überall“, war richtig, 
solange man an ein ubiquitäres Vorkommen der Tuberkelbazillen 
glaubte, trifft aber nicht mehr zu, seitdem wir« wissen, dass sie 
nur in der Umgebung tuberkulöser Personen Vorkommen. Sobald 
eine tuberkulöse Person als solche festgestellt und in eine Lage 
versetzt ist, dass die von ihr ausgeschiedenen Bazillen unschädlich 
beseitigt werden, ist sie für ihre Umgebung ungefährlich. Dies 
kann auf verschiedene Weise erreicht werden, entweder durch 
Absonderung des Kranken in seiner Behausung oder durch eine 
Ueberführung in ein Krankenhaus, aber auch durch Unterweisung 
und Beobachtung des Kranken innerhalb der Familie, wie die 
Auskünfte- und Fürsorgestellen es sich zur Aufgabe gesetzt haben. 
Auch in unserem an Tuberkulose reichen Lande birgt keineswegs 
jedes Haus oder jede Familie einen Tuberkulösen oder sind etwa 
gar ganze Familien verseucht. Vielmehr findet man in der Regel 
nur einzelne und nur unter besonders traurigen Verhältnissen 
mehrere Kranke in einer Familie. Ich erinnere mich eines 
solchen Falles aus meiner Stabsarztzeit in Hannover. Ich war 
Hausarzt in einer Familie, die mich zuerst wegen eines Sohnes 
zu Rate zog. Ich stellte diesen als tuberkulös fest und beschwor 
den Vater, den Kranken so zu lagern, dass er seine 6 Geschwister 
nicht gefährden könnte; man hörte nicht auf mich, der Kranke 
blieb in enger Gemeinschaft seiner Geschwister, und im Laufe 
von 2 Jahren gingen der erkrankte Sohn und 6 seiner Geschwister 
an Tuberkulose zugrunde. In anderen Familien — ich hatte 
damals eine ausgedehnte Praxis gerade in Tuberkulose — 
gelang es durch entsprechende, immer aufs neue wiederholte 
Vorschriften und Desinfektionsmaassregeln Tuberkulöse für ihre 
Umgebung unschädlich zu machen. Kranke mit Lungen- und 
Kehlkopftuberkulose im Interesse ihrer Familie wirksam abxu- 
sondern, ist bei einiger Grösse der Wohnung und nur einigem 
Verständnis der Familie nicht schwierig; es gehört allerdings 
Ausdauer und Ueberredungsgabe seitens der Aerzte dazu. Es 
gehört noch dazu, dass die gesunde Umgebung des Kranken 
regelmässig untersucht und zur Beobachtung gewisser Vorsichta- 
maassregeln angehalten wird. 

„Man bat“, fährt Jürgens fort, „den Begriff der offenen 
und geschlossenen Tuberkulose geschaffen und für die offene 
Form die unbedingte Absonderung gefordert. Aber auch diesen 
Weg führt uns ein Irrlicht. Offen ist fast jede klinisch 
nachweisbare Tuberkulose, auch wenn zeitweise kein Auswurf 
vorhanden ist oder im Auswurf keine Bazillen gefunden werden.“ 
Das ist nicht richtig. Die systematischen Untersuchungen ganzer 
Schulen und Truppenteile mit Tuberkulin nach v. Pirquet haben 
gezeigt, dass die Tuberkulose namentlich im jugendlichen Alter 
jahrelang geschlossen sein, d. h. bestehen kann, ohne dass 
Tuberkelbazillen ausgescbieden werden. Kinder, die durch Leicht¬ 
ermüdbarkeit, Schlaffheit, Blässe und Blutarmut auffalleo, bei 
der physikalischen und bakteriologischen Untersuchung noch 
kaum etwas Greifbares zeigen, können auf Tuberkulin positiv 
reagieren und über kurz oder lang offene Tuberkulose zeigen, 
wenn sie nicht rechtzeitig in geeignete Behandlung kommen. Die 
Erfahrungen der Lungenheilstätten sind bekanntlich am besten bei 
denjenigen Kranken, die noch keine Tuberkelbazillen im Aus¬ 
wurfe ausscheiden. Ich halte daher die Unterscheidung der offenen 
und geschlossenen Tuberkulose für sehr glücklich. Jürgens 
wendet sich dann gegen die Vorschrift, in Krankenhäusern die 
Kranken mit offener Tuberkulose abzusondern, weil sie nicht 
durchführbar sei und auch nirgends durchgeführt werde. Ich 
weiss nicht, ob er damit recht hat, würde das aber im Interesse 
der Bevölkerung sehr beklagen. Denn es ist nicht erwünscht, 
wenn Kranke, die einer anderen Krankheit wegen das Kranken¬ 
haus aufsuchen, sich dort mit Tuberkulose infizieren. Wenn es 
wahr wäre, „dass eigentlich keine grössere Abteilung jemals frei 
von Tuberkulose ist“, so würfe das kein gutes Licht auf die 
Leitung der Abteilung und das Krankenhaus. Wie übrigens der 
Zwang der Absonderung dazu beitragen soll, „die Bazillen furcht 
im Volke unnötig zu steigern und den Glauben an die Wirk¬ 
samkeit der Selbstsucht und Selbstverantwortuog zu erschüttern“/ 
ist mir nicht verständlich. Meines Erachtens ist das Gegenteil' 
der Fall. 

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UNIVERSUM OF fOWA 




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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Was sind nnn die neuen Wege der Tuberkulosebekämpfung, 
die nns Jürgens weist? Sie sind in folgenden beiden Sätzen 
enthalten; „Ohne verständige und hingebende Mitwirkung 
der Aerzte sind also Volkskrankheiten nicht zu be¬ 
kämpfen 14 . . . . „Erst die Erziehung und Belehrung befähigt 
den erwachsenen Menschen, mit seinem Auswurf so umzugehen, 
dass die Gefahren für die eigene Person und für die Umgebung 
auch ohne Polizei Vorschriften vermieden werden“. Also auch bei 
der Tuberkulose wie bei allen anderen Volksseuchen ist Jürgens 
für tunlichste Vermeidung von gesetzlichen und polizeilichen Vor¬ 
schriften, dagegen für tunlichst hingebende und verständnisvolle 
Mitwirkung der Aerzte und für eingehende Belehrung der Be¬ 
völkerung. Das ist das A und das 0 seiner Ratschläge, das sind 
die von ihm empfohlenen neuen Wege der Seuchenbekämpfung. 
Er schliesst mit den Worten: „Wird die Seuchenbekämpfung in 
diesem Sinne ansgebaut, so erleben wir keinen Niedergang, 
sondern dürfen auch in diesen schweren Zeiten auf ein Erstarken 
und Aufblühen der Volksgesundheit vertrauen“. Mit diesen 
Binsenwahrheiten glaubt Jürgens über lange und wohl erprobte 
Maassregeln zur Tagesordnung übergehen zu können. 

In den Ausführungen von Jürgens vermisse ich eine Aeusse- 
rung über die Malaria, die uns jetzt wieder beunruhigt, nach¬ 
dem sie seit 20 bis 80 Jahren ganz in den Hintergrund getreten 
war. Wir haben wieder zwei grosse Malariaherde, den einen in 
Oberschlesien im Kreise PleBs, den andern in Ostfriesland in 
und in der Umgebung von Emden. Ich habe in beiden Herden 
eine energische Bekämpfung eingeleitet, die unter Aufwendung 
erheblicher staatlicher und kommunaler Mittel vor sich geht und 
Bchon jetzt einen merklichen Rückgang der Zahl und der Schwere 
der Krankheitsfälle erkennen lässt. Nach Einführung der An¬ 
zeigepflicht und Einrichtung kleiner bakteriologischer Unter- 
sucbungsämter werden die Kranken herausgesucht, die An¬ 
steckungsverdächtigen in ihrer Umgebung heraüsgesucbt, Kranke 
und Krankheitsverdächtige therapeutisch, Gesunde prophylaktisch 
mit Chinin behandelt und die Anophelesmücken tunlichst ver¬ 
nichtet. Der Kampf, an dem sich die praktischen Aerzte mit Eifer 
beteiligen, geht ganz nach den von Koch empfohlenen und von 
Nocht und anderen ausgebauten Bekämpfungsmethoden vor sich. 

Auch über die übertragbaren Geschlechtskrankheiten 
hat Jürgens sich nicht geäussert, obwohl sie im Vordergründe 
des Interesses stehen. Was würden wir gegen sie ohne tatkräftige 
Anwendung der modernen Seuchenbekämpfung vermögen? Wie 
wollten wir ohne den Nachweis der von Schaudinn entdeckten 
Spirochäte, ohne die von Wassermann angegebene Reaktion und 
ohne das von Ehrlich erfundene Salvarsan und ohne die sich 
mehr und mehr einbürgernden Beratungsstellen zum Ziele kommen? 
Und wie würden wir ohne Berücksichtigung des Gonokokkus 
Neisser den Tripper mit Erfolg bekämpfen können? Aber auch 
hier haben wir die bisherigen Erfolge nur erreichen können, 
weil die Aerzte sich bewusst auf den Boden der neuen Tatsachen 
gestellt haben. 

Jürgens ist 17 Jahre jünger als ich. Gegenüber seinen 
Ausführungen könnte ich mich als den „auf dem alten ausge¬ 
fahrenen Wege“ wandernden, rückständigen Arzt fühlen, wenn 
mir nicht die Erinnerung vor Angen stände, dass vor etwa 
30 Jahren, als Robert Koch und seine Schüler ihrerseits neue 
Wege der Seuchenbekämpfung zeigten, dieselben Einwürfe da¬ 
gegen erhoben wurden, wie sie jetzt Jürgens erhebt. Damals 
verstanden viele Aerzte das Neue noch nicht, heute verstehen 
manche Aerzte es nicht mehr, das ist der ganze Unterschied. 
Was die staatliche Seuchenbekämpfung vorschreibt, bedarf regel¬ 
mässiger Ueberprüfung in bezug darauf, ob und inwieweit es mit 
den Fortschritten der Wissenschaft in Uebereinstimmung bleibt 
oder in diesem oder jenem Punkte einer Abänderung bedarf; 
im grossen und ganzen aber ist sie weder veraltet noch abge¬ 
fahren. Die Aerzte aber, insonderheit die Kliniker, dürfen über¬ 
zeugt sein, dass ihre verständnisvolle Mitwirkung bei der Seuchen¬ 
bekämpfung jederzeit hochwillkommen sein wird. Voraussetzung 
dabei ist allerdings, dass sie die Voraussetzungen, auf denen die 
staatliche Seuchenbekämpfung fusst, sich klar machen, die Be¬ 
stimmungen der Gesetze und Ausführungsanweisungen genau 
kennen lernen und keine Gelegenheit vorübergehen lassen, sich 
selbst, ihre Kollegen und die Bevölkerung über den Inhalt und 
die Ziele der Seuchenbekämpfung zu unterrichten. Ich hoffe, 
dass die Zukunft anchf Jürgens dafür gewinnen wird. Von 
diesem Wunsche aus habe ich mir die vorstehenden Bemerkungen 
gestattet, da mir daran liegt, die Aerzte für die Seuchenbekämp¬ 
fung zu gewinnen. 


Ich habe, solange ich hygienisch und epidemiologisch tätig 
bin, die Ansicht vertreten, dase Ziel und Angelpunkt der 
gesamten Hygiene die Seuchenbekämpfung sein muss. 
Sie muss jetzt nach den schweren Wunden, die uns der Welt¬ 
krieg und die Revolution geschlagen haben, mit doppeltem Eifer 
in Angriff genommen werden, wenn das deutsche Volk sich in 
seinem Bestände- erhalten und die ihm bevorstehenden furchtbar 
schweren Aufgaben lösen können soll. 


M&assnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose. 

Von 

Dr. med. M. tiitsteli-Berlin. 

Trotz der während des Krieges vielfach unternommenen Be¬ 
schönigungsversuche über die angeblich günstige Wirkung der 
Kriegskost auf die gesundheitlichen Verhältnisse der Bevölkerung 
herrscht im In- und Auslande über die den Praktikern schon 
lange bekannte Tatsache kein Zweifel mehr, dass der Krieg 
geradezu verheerend auf die Gesundheit der deutschen Bevölkerung, 
insbesondere der Stadtbewohner gewirkt hat. Hauptsächlich hat 
die verbreitetste Infektionskrankheit, die Tuberkulose, während 
der letzten Kriegsjahre eine früher nicht für möglich gehaltene 
Ausdehnung genommen. Nicht nur die Mortalität an Tuberkulose 
hat, wie bereits statistisch nachgewiesen, eine Verdoppelung er¬ 
fahren; noch verhältnismässig viel grösser dürften die Morbiditäts¬ 
zahlen an dieser Krankheit ausfallen. Eine genaue Statistik über 
die Zunahme der tuberkulösen Erkrankungen während des Krieges 
existiert zwar noch nicht. Doch weiss jeder Praktiker, dass die 
Tuberkulose der Lungen und auch die äusseren Tuberkulosen 
(z. B. Drüsentuberkulose) in erschreckendem Maasse zugenommen 
haben und in weiterem Zunehmen begriffen sind. Auch ist es be¬ 
merkenswert, dass diese Infektionskrankheit während des Krieges 
nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Beziehung 
eine Aenderung aufzuweisen hat. So ist es mir anfgefallen, dass 
in den letzten Jahren verhältnismässig häufig die prognostisch 
ungünstigen Formen der Unterlappenerkrankungen, in allen 
möglichen Lebensaltern, aufgetreten sind. Ausserdem muss man 
bedenken, dass in der schon jetzt nachweisbaren Zunahme der 
Mortalität und Morbidität an Tuberkulose noch nicht der gesamte 
Effekt der durch die ungünstigen Kriegsverhältnisse bedingten 
Schädigungen enthalten ist. Vielmehr ist es sehr wahrscheinlich, 
wenn nicht fast ganz sicher, dass während des Krieges eine ziem¬ 
lich grosse Anzahl von tuberkulösen Neuinfektionen stattgefnnden 
hat, die vorläufig noch latent verlaufen, deren volle Auswirkungen 
aber erst in den folgenden Jahren und Jahrzehnten sich geltend 
machen dürften. 

Angesichts der gewaltigen Verbreitung, die die Tuberkulose 
in den letzten Jahren genommen hat, dürfte es jedem Einsichtigen 
klar sein, dass der Kampf gegen diese Volkskrankheit mit viel 
wirksameren und durchgreifenderen Mitteln, als es bisher ge¬ 
schehen ist, aufgenommen werden müsste. Die bislang getroffenen 
Maassnahmen reichen bei weitem nicht aus. Die Grundlage der 
modernen Schwindsuchtsbekämpfung, die Heilstättenbewegung, 
leistet in bezug auf Verminderung der Tuberkuloseausbreitung 
verhältnismässig sehr wenig: vom Bestreben geleitet, eine mög¬ 
lichst günstige Statistik in bezug auf Behandlungserfolge zu er¬ 
halten, haben die Heilstätten sich in der Hauptsache auf inzipiente 
und wenig fortgeschrittene offene und geschlossene Fälle mit 
günstiger Prognose, zu einem erheblichen Teil sogar nur auf 
Lungensuspekte beschränkt, während die eigentlichen Infektions¬ 
herde, die ihre Umgebung äusserst gefährdenden Bazillenspucker 
des II. und ni. Stadiums, von Fürsorgemaassnabmen kaum be¬ 
rührt worden sind. Die unheilvollen Infektionsträger und Wobnungs- 
verpester konnten also trotz Heilstättenbewegung ihren unheim¬ 
lichen Einfluss auf ihre Umgebung, sei es in der Familie, sei es 
auf die Arbeitsgenossen in den Arbeitsstätten, besonders auf die 
leicht empfänglichen Kinder, fortsetzen. Es unterliegt aber nicht 
dem geringsten Zweifel, dass vom Standpunkte der öffentlichen 
Gesundheitspflege die Versorgung und gleichzeitige Unschädlich¬ 
machung der BazillenVerbreiter, also die Verhinderung der Tnber- 
kuloseverbreitung, d. h. der Neuinfektionen, eine conditio sine 
qua non jeder wirksamen Tuberkulosebekämpfung darstellt. 

Nun soll zwar nicht geleugnet werden, dass Ansätze zur 
Versorgung der an offener Tuberkulose Leidenden in der Ein¬ 
richtung der Lungenfürsorgestellen (Dispensaires) bereits gemacht 
worden sind. Doch ist man über die ersten Ansätze nicht hinaus- 


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Gougle 


Original frn-m 

UNIVERSITÄT OF IOWA 



7, Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


gekommen. Denn einerseits ist von diesen Stellen ans nur ein 
geringer Teil der Tuberkulosekranken erfasst worden, wie es 
statistisch vom Leiter der Fürsorgestelle in Stettin, Bräuning, 
Kiachgewiesen worden ist. Andererseits sind die von den Für- 
aorgestellen getroffenen Maassnahmen aus mannigfachen Gründen 
lange nicht ausreichend, um einen auch nur einigermaassen an¬ 
sehnlichen Erfolg zu gewährleisten. 

Man muss sich daher darüber völlig im klaren sein, dass 
der drohenden weiteren Ausbreitung der Tuberkulose nur dann 
kräftig gesteuert werden kann, wenn man sich nicht mit halben 
Maassregeln begnügt, sondern durch grosszügige und umfassende 
Maassnahmen die Bekämpfung der die meisten Todesopfer fordernden 
Krankheit auf neue und vor allem sichere Grundlagen stellt. 

Vor allen Dingen muss man mit Kraus 1 ) die Zentralisierung 
des gesamten Lungenfürsorgewesens verlangen. Es wäre demnach 
ein Reichsamt zur Bekämpfung der Tuberkulose als selbständige 
Behörde zu errichten oder besser noch einem neu zu gründenden 
Reichsgesundheitsministerium — selbstverständlich mit einem Arzt 
als Leiter — als selbständige Abteilung unterzuordnen. Von 
diesem Institute aus wäre das gesamte Deutsche Reich mit einem 
dichten Nets von Fürsorgestellen zu versehen, die nach von der 
Zentralstelle ausgearbeiteten einheitlichen Gesichtspunkten den 
Kampf gegen die Tuberkulose durcbzuführen hätten. 

Die erste und wichtigste Maassnahme dieser Reichsbehörden 
wäre die statistische Erfassung sämtlicher Tuberkulosekranken 
(innere und äussere Tuberkulosen), einschliesslich der Infizierten 
und Lungensuspekten. Der praktischen Ausführung dieser Statistik, 
die sich in erster Linie auf die werktätige, der Krankenversiche¬ 
rung unterliegenden Bevölkerungsschichten zu erstrecken hätte, 
müsste die Einführung der obligatorischen Familienkranken¬ 
versicherung vorausgeschickt werden. Alsdann müssten die 
Krankenkassen im Verordnungswege verpflichtet werden, bei ihren 
sämtlichen Pflicht- und freiwilligen Mitgliedern, einschliesslich 
deren Familien, innerhalb eines vorzuschreibenden Zeitabschnittes 
eine spezielle Untersuchung auf das Bestehen einer tuberkulösen 
Erkrankung vornehmen zu lassen. Die Untersuchung, die sinn¬ 
gemäss auf alle nach dem Verordnungstage neueintretenden Mit¬ 
glieder au 8 zudehnen wäre, könnte in bestimmten Intervallen, z. B. 
einmal jährlich, wiederholt werden. Der ärztlichen Untersuchung — 
natürlich durch einen selbstgewählten Kassen- oder Privatarzt — 
dürften sich die Kassenmitglieder ohne besonderen Zwang unter¬ 
werfen; eventuell könnte im Weigerungsfälle eine der üblichen 
Ordnungsstrafen vom Kassen Vorstand verhängt werden. Das Er¬ 
gebnis der genauen allgemeinen und Lungenuntersuchung könnte 
in vorgedrnckte Formulare eingetragen werden. Das gesamte 
Material wäre zweckmässigerweise in vier Gruppen einzuteilen: 

Gruppe A: Tuberkulosegesunde, 

„ B: Tuberkuloseverdächtige und Infizierte, 

n G: Inaktive und geschlossene Tuberkulosen, 

„ D: Offene Tuberkulosen. 

In die erste Gruppe (A) gehörten alle diejenigen nicht 
hereditär belasteten Menschen, bei denen eine gründliche Unter¬ 
suchung für das Bestehen einer tuberkulösen Erkrankung keine 
Anhaltspunkte ergeben hat, und die auch sonst keine auf ein 
solches Leiden hinweisenden Krankheitserscheinungen (Gewichts- 
starx, Nachtschweisse, chronischer Husten usw.) auf weisen. Diese 
Personen, die von den zugehörigen Kassenverwaltungen in einem 
bestimmten Register geführt werden, scheiden von vornherein 
für die weiter unten zu besprechenden Fürsorgemaassnahmen aus. 
Dieselben brauchten, abgesehen von einer eventuell später an- 
zuordnenden erneuten allgemeinen Untersuchung einer Kontrolle 
nicht mehr unterworfen werden. Beim Uebertritt eines Kassen¬ 
mitgliedes in eine andere Kasse, z. B. beim Wechsel des Arbeits¬ 
gebers oder des Arbeitsortes, dürfte die Angabe der bis dahin 
zuständigen Kassenverwaltung, dass das betreffende Mitglied bei 
ihr unter der Gruppe A geführt worden ist, eine erneute Unter¬ 
suchung unnötig machen. 

In die zweite Gruppe (B) wären zu rechnen diejenigen Personen, 

1. die zur Familie eines an offener Tuberkulose Leidenden 
gehören, 

2. sonstige mit einem Tuberkulosekranken in gemeinsamen 
Wohnungen Lebende (Aftermieter, Dienstboten, sonstiges 
Hauspersonal usw.), 

3 . bei denen auf Grund von Krankheitserscheinungen oder 
des klinischen Befundes — eventuell des Röntgenbefundes 


1 ) Kraus, Zsohr. f. Tbc., Bd. 29, H. 2. 


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Gck igle 


081 


— der Verdacht einer tuberkulösen Erkrankung aus¬ 
gesprochen werden muss. 


In die Gruppe C wären diejenigen Krankenkassenmifglieder 
einzureihen, bei denen die ärztliche Untersuchung das Bestehen 
einer tuberkulösen Erkrankung ergeben hat, die aber infolge 
ihres inaktiven oder geschlossenen Charakters und des fehlenden 
Auswurfes eine direkte Gefahr für ihre Umgebung nicht bilden. 

Endlich wären unter die wichtigste Gruppe D diejenigen 
Personen zu registrieren, die an offener Tuberkulose leiden, also 
die Bazillenausscheider (Lungen-, Darm-, Nierentuberkulose, 
fistelnde Knochen- und Drüsen tuberkulöse). Unter diese Rubrik 
wären m. E. auch diejenigen tuberkulösen Kranken zu rechnen, 
die an chronisch - infiltrativen, klinisch als Tuberkulose an- 
zusprechepden Lungenprozessen mit Auswurf leiden, selbst 
wenn im Spntum noch keine säurefesten Stäbchen bislang nach¬ 
gewiesen worden sind. 

Man wird mir entgegenhalten, dass die praktische Ausführung 
einer so grossen Massenuntersuchung auf grosse, wenn nicht gar 
unberwind liebe Schwierigkeiten stossen durfte. Doch ist dem 
durchaus nicht so. Legt man beispielsweise die Verhältnisse in 
Gross-Berlin zugrunde, und nimmt man die Einwohnerzahl zu 
rund 3000000 an, so dürfte die Zahl der versicherungspflichtigen 
Mitglieder, einschliesslich der Familienmitglieder — nach der 
jüngst vorgenommenen Erhöhung der Versiehernngsgrenze — etwa 
# /4 * 3000000 = 2 V 4 Mil 1. Personen betragen. Natürlich müssten, 
da eine ausschliessliche Untersuchung durch Fach-(Lungen)Aerzte 
völlig ausgeschlossen ist, sämtliche praktischen Aerzte, nicht 
nur die jeweiligen Krankenkassenärzte zu deren Ausführung her-, 
angezogen werden. Schätzt man die Zahl der Gross-Berliner 
Aerzte auf etwa 3000, so entfallen auf jeden Arzt 2250000 : 8000 
= 750 Personen. Sollte nun die gesamte Massenuntersuchung inner¬ 
halb eines halben Jahres ausgeführt werden, so müssten von jedem 


750 

Arzt täglich = rund 4, oder mit der Abrechnung der Sonntage 
loJ 


—■ = rund 5 Personen untersucht werden. 
152 


Bedenkt man nun, 


dass normaliter jeder Arzt täglich mindestens von 1—2 neuen 
Kassenpatienten konsultiert wird, so leuchtet es ohne weiteres 
ein, dass die durch eine solche Massenuntersuchung entstehende 
Mehrbelastung der Aerzte die Grenzen des praktisch Ausführbaren 
durchaus nicht überschreitet, selbst wenn dieselbe innerhalb eines 
noch kürzeren Zeitabschnittes (z. B. etwa l / 4 Jahr) vorgenommen 
werden sollte. 

Soll jedoch die Statistik ein genaues Bild der tatsächlichen 
Verhältnisse ergeben, so müssen zwei Punkte ganz genau be¬ 
achtet werden. Erstens muss der Tatsache Rechnung getragen 
werden, dass die Diagnose einer inzipienten Lungentuberkulose 
selbst einem auf diesem Gebiete besonders bewanderten Facharzt 
erhebliche Schwierigkeiten zuweilen bereiten kann. Wenn man 
daher die praktischen Aerzte zur Untersuchung heranzieht, so 
muss verlangt werden, dass ihnen reichlich Gelegenheit gegeben 
wird, ihre Kenntnisse auf diesem schwierigsten Gebiete der inneren 
Medizin zu erweitern und zu vertiefen. Es kann dieser Forderung 
in der Weise genügt werden, dass man in allen grösseren Städten 
zahlreiche Tuberkulosefortbildungskurse einrichtet und den prak¬ 
tischen Aersten deren Besuch nach Möglichkeit zu erleichtern 
versucht. Ferner wäre es angebracht, von einer einzuberufenden 
Konferenz der Tuberkuloseärzte ein Merkblatt herstellen zu 
lassen, das die wichtigsten Punkte der Diagnose und Prognose 
der Lungentuberkulose ausführlich behandelt und auf die häufigsten 
Irrtümer und Fehldiagnosen aufmerksam macht, und dasselbe 
sämtlichen Aerzten zugänglich zu machen. 

Ein zweiter nicht minder wichtiger Punkt ist die Bezahlung 
der allgemeinen Massenuntersnchung. Da die Untersuchung, wenn 
das Ergebnis auf Zuverlässigkeit Anspruch erbeben soll, eine 
durchaus genaue und gründliche sein muss, so kann man billiger¬ 
weise nicht verlangen, dass die Aerzte diese schwierige Extra¬ 
untersuchung, die bei der Festsetzung der kärglichen Kassen¬ 
honorare nicht berücksichtigt worden ist, im Rahmen der all¬ 
gemeinen ärztlichen Versorgung ohne besondere Entschädigung 
aasführen sollen. Eine gerechte Entschädigung der unter¬ 
suchenden Aerzte, die zur Erreichung exakter Resultate unbedingt 
erforderlich ist, dürfte wohl auch im Interesse der Kassenverwal- 
tungen selbt liegen. 

Ist erst durch eine solche Untersuchung sämtlicher ver¬ 
sicherten Mitglieder, die nötigenfalls durch später anzuordnenden 
Neuuntersuehungen ergänzt werden könnte, eine zuverlässige 


2 * 


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682 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


statistische Erfassung aller Tuberkulosen (offene, geschlossene, 
inaktive einschliesslich der Suspekten) erfolgt, so sind damit die 
Grundlagen für deren Bekämpfung geschaffen. Den Grundstein 
jeder Tuberkulosefürsorge muss — ein Zweifel kann darüber 
nicht bestehen — die Verhütung von Neuinfektionen bilden. Neo¬ 
infektionen können begieiflicherweise nur dann vermieden werden, 
wenn die Infektionsherde hinreichend bekannt sind. Deshalb 
muss unter allen Umständen in Deutschland die Anceigepflicht 
für offene Tuberkolosefälle eingeführt werden. Die grosse Zahl 
der anzuzeigenden Fälle kann die Ausführung dieser dringend 
erforderlichen Maassnab me zwar erschweren, jedoch nicht un¬ 
möglich machen, wie die Erfahrungen, die man in den skandi¬ 
navischen Ländern und in England gemacht hat, beweisen. Die 
Einwände, die man gegen die Anzeigepflicht erhoben hat^ sind, wie 
Lindhagen 1 ) ausführt, unbegründet. Nach demselben Autor hat 
sich diese Maassnabme in Schweden durchaus bewährt, wenn auch 
begreiflicherweise ein sofortiger Einfluss auf die Mortalität an 
Tuberkulose sich nicht bemerkbar machen kann. Nach erfolgter 
Anzeige, die beim Kreisarzt oder der zuständigen Lungenfürsorge¬ 
stelle erfolgen kann, müsste in jedem einzelnen Falle dafür Sorge 
getragen werden, dass der Basillenspucker nach Möglichkeit iso¬ 
liert wird. Bei der grossen Zahl der an offener Tuberkulose 
Leidenden dürfte die Realisierung dieser selbstverständlichen 
Forderung mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft sein. Je¬ 
doch muss unbedingt verlangt werden, dass durch eine Reihe 
verschiedener, auf den einen Zweck gerichteter Maassnahmen 
versucht würde, die Isolierung mit möglichster Vollkommenheit 
durchzuführen. Zunächst kann man jedem Tuberkulosekranken 
ein, ähnlich dem bei der Diphtherie bereits üblichen, Merkblatt 
.zusenden, das alle denkbaren Vorsichtsmaassregeln zur Vermeidung 
einer Infektion, Angaben zur Beseitigung des Sputums, der Un¬ 
schädlichmachung der Wäsche und dergleichen mehr enthält, 
und in dem ganz besonders, wie Neufeld 2 3 ) mit Recht hervor¬ 
hebt, auf die Wichtigkeit der Tröpcheninfektion beim Husten 
sowie die besondere Empfänglichkeit der Rinder für die 
Tuberkuloseinfektion’ eindringlichst hingewiesen wird. Diese 
leicht auszuführende Maassnahme dürfte in einem grossen Teil 
der Fälle ausreichen, um den Kranken, der ja an der Nicht¬ 
infektion seiner Familie am meisten interessiert ist, zu einer 
freiwilligen Isolierung in einem besonders für ihn eingerichteten 
Zimmer zu veranlassen. Erfolgt diese jedoch nicht freiwillig, so 
muss sie nötigenfalls erzwungen werden. Deshalb muss die Für¬ 
sorgestelle ermächtigt werden, die' ansteckenden Tuberkulose¬ 
kranken in ihren Wohnungen durch untergeordnete Organe (Für- 
aorgeschwester usw.) des öfteren in bezug auf ausreichende Iso¬ 
lierung des Kranken zu kontrollieren und eventuell durch 
Androhung von Zwangsmaassnahmen (Unterbringung in einer 
Krankenanstalt usw.) deren Durchführung zu erzwingen. Freilich 
dürfte bei dem in den Städten jetzt herrschenden Wohnungsmangel 
es in vielen Fällen nicht leicht sein, jedem Tuberkulösen einen 
besonderen Raum bereitznstellen. Aus diesem Grnnde muss es 
als eine dringliche und unaufschiebliche Aufgabe der Kommunen 
bezeichnet werden, durch geeignete Zuschüsse an Bauunternehmer, 
Baugesellschaften und ähnliche Interessenten für eine ausreichende 
Errichtung von Neubauten Sorge zu tragen. Speziell zur Unter¬ 
bringung arbeitsfähiger Tuberkulöser ist von Taubert 8 ) die Her¬ 
stellung von Kleinhäuserwohnungen in Vorschlag gebracht worden, 
in denen zweckmässigerweise an den höchsten Stellen des Hauses 
die Kranken unter äusserst günstigen Bedingungen (Licht, Sonne, 
Luft) untergebracht werden könnten [Fronz 4 )]. Daneben muss 
die Möglichkeit geschaffen werden, eine ziemlich grosse Zahl von 
offenen Tuberkulosen in Krankenanstalten unterzubringen. In 
erster Linie sind die gut ausgestatteten Lungenheilstätten vorzugs¬ 
weise für diese Kranke und weniger, wie es bis jetzt leider ge¬ 
schieht, für Leichtkranke und sogar für nicht Tuberkulosekranke, 
sogenannte Prophylaktiker, zu reservieren. Da jedoch die vor¬ 
handenen Heilanstalten für diesen Zweck bei weitem nicht aus- 
reichen, ist es dringend erforderlich, neue Krankenanstalten, 
spezielle Tuberkulosekrankenhäuser in vielen grösseren Städten 
zur Aufnahme der zahlreichen noch besserungsfähigen, sowie In¬ 
validenheime für die nicht besserungsfähigen Fälle herrichten zu 
lassen [Koranyi 5 6 ), Maixner*)]; auch könnten bequem an die 

1) Lindhagen, sit. Int. Zbl. f. Tbk., 1918, Nr. 1. 

2) Neufeld, Zsohr. f. Tbk., Bd. 29. 

3) Taubert, zit. nach Fronz 1. o. 

4) Fronz, Int. Zbl., 1918, Nr. 11 u. 12. 

5) Koranyi, sit. Int. Zbl., 1918, Nr.8. 

6) Maixner, Int. Zbl., 1918, Nr. 3. 


bereits bestehenden Krankenhäuser besondere Tuberkulosepavillons 
unter fachmännischer Leitung angeschlossen werden [Mager 1 )]. 
Die Unterbringung in einem Spezialkrankenhaus zwecks aus¬ 
reichender Isolierung ist besonders nachdrücklichst für solche 
alleinstehende Personen anzustreben, die, wie beispielsweise Dienst¬ 
boten, Aftermieter, Hauslehrer u. dgl. die Repräsentanten der 
äusserst gefährlichen, weil meistens nicht bekannten extra- 
familiären Tuberkuloseinfektion bilden [Hamburger 2 )], und die 
nur durch Beschränkung der Freizügigkeit aufhören, ihre Um¬ 
gebung weiter zu gefährden. 

Im Vergleich zu der soeben besprochenen Gruppe D erfordern 
die beiden vorhergehenden Gruppen B und G verhältnismässig 
weniger Fürsorgemaassnahmen, und letztere Bind mit viel ge¬ 
ringerem Kostenaufwande zu bestreiten. Was zunächst die Gruppe 
der Lungensuspekten betrifft, so ist es vom Standpunkte der 
öffentlichen Gesundheitspflege nur erforderlich, bei ihnen eine 
häufige klinische Untersuchung, am besten durch einen spezia- 
1 istisch ausgebildeten Arzt, eventuell unter Zuhilfenahme des 
Röntgen bi ldes, ausführen zu lassen. Nach meinen Erfahrungen 
gelangt man in solchen Fällen am besten durch eine häufige 
physikalische Untersuchung zu einer sicheren Diagnose. Man bat 
es dann nicht nötig, zur probatorischen Tuberkulininjektion seine 
Zuflucht zu nehmen, die, wie allgemein bekannt, bei positiver 
Allgemeinreaktion einen aktiveo, behandlungsbedürftigen vom 
inaktiven Lungenprozess zu unterscheiden nicht imstande ist. Ist 
aber durch eine vorgenommene Tuberkulininjektion eine Herd¬ 
reaktion gesetzt, so ist damit zwar die Aktivität des Lungen¬ 
prozesses erwiesen; doch scheint es nicht ausgeschlossen, dass 
gerade durch die genügend grosse Tuberkulindosis ein früher in¬ 
aktiver Prozess in einen aktiven verwandelt werden kann. Auch 
beobachtet man zuweilen direkt im Anschluss an eine solche 
Tuberkulinreaktion ein rasches Fortschreiten des bis dahin statio¬ 
nären Prozesses. Deshalb wird man einer allgemeinen Ver¬ 
wendung der probatorischen Tuberkulininjektion nicht das Wort 
reden können. Glücklicherweise genügt bei länger dauernder 
Beobachtung die blosse physikalische Untersuchung einschliess¬ 
lich des Röntgen Verfahrens vollständig. Ergibt nämlich die ge¬ 
nügend lange fortgesetzte genaue klinische Beobachtung keine 
Verschärfung der ursprünglichen Verdachtsmomente, und steht 
dieser Befund mit dem sonstigen Allgemeinbefinden des betreffenden 
Individuums nicht im Widerspruch, so kann man getrost solche 
Lungensuspekte zu der Gruppe A hinzurechnen und, abgesehen 
von der Aufforderung zu einer hygienischen Lebensweise, von 
weiteren Fürsorgemaassnahmen Abstand nehmen. Ergibt jedoch 
die weitere Beobachtung eines solchen Suspekten Anhaltspunkte 
für das Vorliegen eines tuberkulösen Prozesses, so muss das be¬ 
treffende Individuum in die jetzt zu besprechende Gruppe G ein¬ 
gereiht werden. 

Was die erste Unterabteilung dieser Groppe, die Inaktiv¬ 
tuberkulösen, betrifft, so ist eine spezielle Behandlung nach all¬ 
gemeiner Ansicht nicht erforderlich. Für solche Personen kommen 
nur prophylaktische Maassnahmen in Frage. Neben der Ge¬ 
währung massiger Nahrungsmittelzulagen durch die Kommunen 
wäre die Bewilligung eines mehrwöchigen Aufenthalts auf dem 
Lande, in Walderholungsstätten oder sonstigen Erholungsheimen 
durch die zuständigen Kassenverwaltungen oder Land es Versiche¬ 
rungsanstalten für die Inaktivtuberkulösen zu fordern. Ausserdem 
müssten solche Kassenmitglieder durch ihre behandelnden Aerzte 
zu einer hygienischen Lebensweise und einer Abhärtungstherapie 
ermahnt werden. Wünschenswert wäre es auch, dass solche 
KaBsenmitglieder lange in ärztlicher Beobachtung blieben, um ein 
eventuelles Wiederaufflackern des inaktiven Prozesses rechtzeitig 
zu erkennen und ungesäumt die erforderliche Behandlung ein¬ 
zuleiten. 

Für die zweite und wichtigere Unterabteilung der Gruppe G, 
die die geschlossenen aktiven Tuberkulosen (Drüsen, geschlossene 
Knochentuberkulose, Lungentuberkulose ohne Auswurf) umfasst, 
kommt, da für eine stationäre Behandlung nicht ausreichende 
Heilstätten oder andere Krankenanstalten vorhanden sein dürften, 
nur eine ambulatorische Behandlung in Betracht. Je nach Aus¬ 
dehnung des tuberkulösen Prozesses und der Vorliebe des be¬ 
treffenden behandelnden Arztes für das eine oder andere Ver¬ 
fahren könnten die Patienten dieser Gruppe einer längeren 
Behandlung, sei es mit einem der vielen Tuberkuline, den Deycke- 
Much’sehen Partigenen oder der mit Recht beliebten Strahlen- 


1) Mager, Int. Zbl., 1918, Nr. 2. 

2) Hamburger, lut. Zbl., 1918, Nr. 7. 


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7. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


68 3 


therapie (Ultraviolettlicht-, Röntgentiefentherapie) unterworfen 
werden. Mit einer dieser Behandlungsmethoden, die natürlich 
durch die bekannten physikalisch-diätetischen Heilfaktoren zu 
unterstützen sind, dürfte es io einer recht erheblichen Zahl von 
Füllen gelingen, den tuberkulösen Prozess sum Stillstand und 
sogar zur Ausheilung und loaktivitüt zu bringen. Refraktäre 
Fälle dieser Gruppe müssten allerdings trotz fehlender Infektiosität 
einer Heilstätte überwiesen werden. 

Die hier entwickelten Grundsätze zur Bekämpfung der Tuber¬ 
kulose stellen ein Mindestpregramm dar. Dass daneben 
sonstige allgemeine, auf die Verbesserung der öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege und die Hebung der Volksgesondheit gerichtete Maass¬ 
nahmen, die ja indirekt ebenfalls der Tuberkulosebekämpfung 
zugute kommen, nicht vernachlässigt werden dürfen, braucht 
nidit erst ausdrücklich betont zu werden. Die letzteren sind 
von Ranke 1 ) in der Muncbn. med. Wochenschr. ausführlich ge¬ 
würdigt worden. Ich habe mich in diesem Artikel absichtlich 
auf unbedingt erforderliche, unaufschiebbare Maassnahmen be¬ 
schränkt, deren praktische Ausführung, zwar schwierig und 
mit bedeutenden Kosten verbunden, aber immerhin durchaus 
möglich ist. 

Einige Bemerkungen habe ich noch hinsichtlich meines Vor¬ 
schlages, die gesamte werktätige, der Versicherungspflicht unter¬ 
liegende Bevölkerung einer Untersuchung zu unterwerfen, hinzu¬ 
zufügen. Es steht natürlich der Absicht nichts im Wege, die 
allgemeine Untersuchung auf Tuberkulose auch auf den Rest der 
nicht versicherungspflichtigen Bevölkerungskreise auszudehnen, 
der nach Einführung der obligatorischen Familienkrankenver¬ 
sicherung nur etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen 
dürfte. Nur dürfte die Durchführung bedeutend schwieriger alB 
bei den Kassenmitgliedern sein. Damit müssten nämlich die 
Polizeibehörden beauftragt werden, die die Listen über die nicht 
werktätigen Einwohner aufzustellen und die einseihen Personen 
bsw. Familien aufzufordern hätten, eine ärztliche Bescheinigung 
über die vorgenommene Untersuchung auf Tuberkulose und deren 
Ergebnis beizubringen. Im Weigerungsfälle müssten die Polizei¬ 
behörden ermächtigt werden, durch Verhängung von Geldstrafen 
die Beibringung der Bescheinigung zu erzwingen. Auch habe ich 
vorläufig die Frage offen gelassen, wann eine solche allgemeine 
Massenuntersuchung wiederholt werden sollte. Ich glaube die 
Entscheidung darüber am besten der zu gründenden Zentral¬ 
behörde für Tuberkulosebekämpfung Überlassen zu können, die 
nach den bei der ersten Massenuntersuchung gemachten Er¬ 
fahrungen den genauen Zeitpunkt festsetzen könnte. Die Wieder¬ 
holung einer solchen allgemeinen Untersuchung kann nämlich 
wegen des grossen damit verbundenen Kostenaufwandes nicht oft 
vorgenommen werden. Vielleicht würde es ausreichen, wenn 
sie einmal in 2—8 Jahren wiederholt würde. 

Zum Schluss möchte ich nur noch betonen, dass es eine 
dringende und unabweisbare Pflicht der Regierung ist, den 
Kampf gegen die Tuberkulose durch ein umfassendes und lücken¬ 
loses System von Fürsorgemaassnahmen nicht nur in absehbarer 
Zeit, sondern so schnell als möglich aufzunehmen, damit 
nicht diese verbreitetste Infektionskrankheit ihren verheerenden 
und später vielleicht nicht wieder gutzumachenden Einfluss auf 
die gesundheitlichen Verhältnisse der Bevölkerung weiter unauf¬ 
haltsam fortsetzt: videant senatores, ne quid detrimenti salus 
publica capiat. 


Polyneuritis nach (diphtherischer?) Wund¬ 
infektion. 

. .Von 

Dr. Friedrich Leppmaaa, Nervenarzt in Berlin. 

Dass Nervenentzündungen, die sich über die verschiedensten 
Gebiete des Körpers ausbreiten, von Wundinfektionen ausgehen 
können, ist seit langer Zeit einigermaassen sichergestellt. Aber 
die bisher veröffentlichten Belegfälle sind sehr spärlich und lassen 
manche wichtige Fragen ungeklärt. Es wäre zu verwundern, 
wenn die Kriegsbeobachtungen, die unsere Kenntnisse über Ver- 
leteungsfolgen jeder Art so sehr erweitert haben, nicht auch auf 
diesem Gebiete eine Vervollständigung der bisherigen Erfahrungen 
gebracht haben sollten, ln der Tat haben schon Jolly und Oppen¬ 
heim den bisher bekannten Fällen von infektiös-traumatischer all- 


1) Ranke, M.m.W., 1918, Nr. 12. 


gemeiner Polyneuritis neue hinzugefügt, und im Folgenden soll 
über zwei weitere derartige Beobachtungen kurz berichtet werden. 
Ihre Mitteilung in einer nicht bloss für Fachärzte, sondern für 
einen grossen Leserkreis bestimmten Zeitschrift rechtfertigt sich 
dadurch, dass auch eine nichtneurologische Frage der Wund¬ 
infektion besprochen, und dass gerade wegen der geringen Ausbeute 
an ähnlichen Fällen aus der bisherigen ärztlichen Literatur die 
Aufmerksamkeit der vielen Aerzte, welche in den letzten Jahren 
mit Verwundungen und ihren Folgen beschäftigt gewesen sind, .auf 
die Frage der Polyneuritis nach Wundinfektion gelenkt werden soll. 

Fall 1. Ein 19jähriger bisher gesunder Musketier erleidet am 
18. XI. 17 zahlreiche kleine Verletzungen durch Minenexplosion, darunter 
eine etwas grossere Wunde an der Streokseite des linken Oberarms. 
Die Wunde sohliesst sich durch trockenen Schorf, ihre Umgebung bleibt 
leiobt infiltriert und druckschmerzhaft, Temperatur dauernd unter 37,5°. 
Erst am 4. XII. 17 geht die Temperatur bis 88,2°. Da die Schmerzen 
und die Entzündung zunehmen, wird die Wunde erweitert, man kommt 
in eine grosse, an der Beugemuskulatur entlangziehende Höhle, die mit 
sohlaffen, schmutzigen Granulationen ausgekleidet ist. Eiter ist fast 
nicht vorhanden. Am nächsten Tage 89,2°. Roseartige Entzündungs- 
ersoheinungen, die dann unter Abflauen der Temperatur auf Brust und 
Rücken übergehen. Vom 9. XII. 17 ab normale Temperatur, Rüokgang 
der Entzündung. Ans der Wunde kommen in der Folgezeit nnter ge¬ 
ringer WuDdabsondernng reiohliobe nekrotische Fetzen heraus. 

Anfang Januur etwa gleichzeitig auffallende Sohwächeersoheinungen 
im linken Arm und Augenstörungen. Der Arm kann im Schultergelenk 
nicht ganz bis zur Wagerechten gehoben werden, die aktive Beweglich¬ 
keit im Eilenbogengelenk ist minimal, die passive besser, doch unter 
Schmerzen, die aktiven Hand- und Fingerbewegangen sind leioht be¬ 
hindert, der ganze Arm ist sohmerzhaft, zeitweise leioht geschwollen 
und gerötet. Auf beiden Augen besteht Akkommodationslähmung, so- 
dass feine Druckschrift nur mit + 4,0 D. gelesen werden kann. 

In einigen Woehen ist die Sehstörung verschwunden, die angebliche 
Sohmerzhafiigkeit und ansserordentliche Schwache des linken Arms 
bleiben bestehen. Linker Ober- und Unterarm sind je 2 cm dünner 
als rechter; passiv ist nur die Beugung des Unterarms behindert, die 
Wunde ist mit narbiger, in die Tiefe gehender Verdickung geheilt. Am 
81.1. 18 erweckt dieses Krankheitsbild in solchem Maasse. den Verdacht 
einer überwiegend psychogenen Schonung des linken Arms, dass eine 
„aktive Therapie“ in Aussicht genommen wird. Aber innerhalb der 
nächsten Wochen klärt sich die Saohlage. Es stellen sieh Störungen 
an beiden Beinen heraus, subjektiv dauerndes Gelühl, als ob die Füsse 
eingeschlafen seien, objektiv Sohleudergang, Mangel der Knie-, Aohilles- 
und Sohlenrefiexe. 

Am 21. II. 18 wird im wesentlichen folgender Befand erhoben: 
Mittlere Ernährung und Muskulatur. Innere Organe einwandfrei, ebenso 
Hirnnerven. Harn frei von Eiweiss und Zucker. Narbe oberhalb des 
Ellenbogens leicht verwachsen. Der linke Arm wird beim An- und 
Ausziehen kaum mitgebrauoht, im Schultergelenk wenig, im Ellen¬ 
bogengelenk gar nicht aktiv bewegt, Druokkraft der Hand gleich Null. 
Umfang des Oberarms links 22, rechts 27, des Unterarms links 28,2, 
rechts 25 om. Starke Herabsetzung der faradischen Erregbarkeit nur 
am Bizeps. Hautgefühl ungestört, Gang breitbeinig, schwankend, starkes 
Schwanken bei Fuss-Augenschluss, bei leichter Unterstützung gebessert, 
Knie-Hacken versuch ganz gut, aber beim Aufstehen aus liegender Hal¬ 
tung ausfahrende ungeordnete Bewegungen des Körpers. Hautreflexe 
regelrecht, Sehnenreflexe an Armen and Beinen fehlen. Wassermann 
im Blute negativ. 

Behandlung: Jeden zweiten Tag abwechselnd ein Schwitzbad und 
eine Injektion von 0,001 Strychninum nitricum. Tägliche Faradisatlon 
des linken Arms. 

Anfangs werden die Störungen der elektrischen Erregbarkeit noch 
deutlicher; Herabsetzung der faradischen Erregbarkeit an den ganzen 
oberen linken Gliedmaassen einschliesslich des Schulterblatts, träge gal¬ 
vanische Zuckung am linken Bizeps und Daumenballen, beginnender 
Muskelschwund an der linken Hand, Störungen des Lagegefühls an der 1, 
selben. Dann fortschreitende Besserung auch naoh Weglassung der 
Sohwitxbäder (20. UL). Am 5. IV. ist der Gang gut, die aktive Beweg¬ 
lichkeit des Arms in allen Gelenken ganz kräftig. Am 8. V. schwitzt 
die linke Hand nooh mehr als die rechte, die Nervenstämme am linken 
Arm sind mässig überempfindlich, die Umfangsuntersohiede sind unver¬ 
mindert. Am 11. 6. hat die Kräftigung des linken Armes weitere Fort¬ 
schritte gemacht, die faradisohe Erregbarkeit ist an den Oberarmmuskeln 
und am Supinator loogus nooh vermindert, weniger und z. T. gar nicht 
an den Unterarmmuskeln, die Knie- . und Achillesreflexe sowie der 
rechte Trizepsreflex sind wieder erzielbar, die übrigen Armsehnenreflexe 
fehlen nooh. 

Später habe ich den Verletzten nicht mehr gesehen. 

Fall 2. Der etwa zwanzigjährige gesunde Z. zog sich Ende November 
1917 am Drahtverhau eine unbedeutende Verletzung an der Streokseite 
des Grundgliedes des rechte Mittelfingers zu. Naoh 8 Tagen schwoll 
die Hand stark an und sohmerzte, die Aehseldrüsen schwollen an. Es 
finden sioh an der verletzten Stelle nunmehr mehrere schmutzig belegte 
Geschwüre, das Grandglied ist im Ganzen geschwollen, der Handrüoken 
ödematps, stark druckempfindlich, Haut in der Aohselhöble and z. T. am 

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684 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Unterarm roseartig gerötet. Spaltung der Geschwüre, Insision am Hand- 
rücken, Alkohol verband, Suspension. 

Binnen 2 V 2 Wochen gehen die Entsündungsersoheinnngen gans 
zurück, die Wanden granulieren kräftig and sesernieren viel. 9. II. Wunden 
vernarbt. 

Im Laufe des Februars 1918 fängt Z. an über Schmerzen im linken 
Bein zu klagen, dessen NerYenstämme druokempfindlioh sind. Nach¬ 
träglich gibt er an, etwa in der zweiten Januarwoche in die Nähe so 
sohlecht gesehen zu haben, dass er sich seine Post habe yorlesen lassen 
müssen, während das Sehen in die Ferne gut gewesen sei. Nach 
14 Tagen sei die Sehstörung vergangen, aber m seien erst Schmerzen 
und Steifigkeit im Genick, dann Schwäche in den Beinen eingetreten. 
Am 7.111. schwerfälliger Gang, die Füsse werden kaum vom Erdboden 
gehoben, die Kniereflexe fehlen, ebenso die Sohlenreflexe, etwas Herab¬ 
setzung des Hautgeiühls an den Beinen. Unsicherheit bei Fusssohluss, 
einerlei, ob die Augen geöffnet oder geschlossen sind. Bei genauer 
Durchuntersuchung des Nervensystems keine Hirnstörungen, keine Atro¬ 
phien. Aohillesreflexe fehlen ebenfalls. 

Im April 1918 verschiebt sich, während die Reflexstörungen nooh 
fortbestehen, das Krankheitsbild nach der Seite des Psychogenen; all¬ 
gemeine Abstumpfung des Schmerzgefühls, fast bis zur Unempfindlich¬ 
keit, Umfallen bei Augenschluss mit gespreizten Beinen, vorsichtiger, 
kleinscbrittiger Gang mit Nachziehen des linken Fusses. Im Juni 1918 
sind die Knie- und Achillesreflexe wieder vorhanden, die Gehstörung be¬ 
schränkt sioh auf ein leichtes Naohziehen des linken Beins. Später bei 
fehlenden organischen Störungen Watschelgang mit Einknicken in den 
Hüften, daroh aktive Therapie im wesentlichen beseitigt. 

Oer erste dieser beiden Fälle stellt in reiner Form das Auf¬ 
treten einer allgemeinen Nervenentzündung im Anschluss an eine 
Wundinfektion dar; bei dem zweiten Fall wurde die Reinheit des 
Krankheitsbildes nachträglich verwischt, indem die organischen 
Störungen zum Teil durch seelisch bedingte allmählich substi¬ 
tuiert wurden, aber auch hier ist aus der Krankengeschichte die 
Diagnose einer Polyneuritis mit vorübergehender Akkommo¬ 
dationslähmung, später eintretenden Schmerzen, Parästhesien, 
Bewegungs- und Reflexstörangen an den Beinen mit Sicherheit 
zu folgern. 

Das Krankheitsbild und der Krankheitsverlauf waren beide 
Male in gans auffälliger Weise ähnlich den manchmal zu beob¬ 
achtenden Fällen von schwerer Polyneuritis nach Diphtherie. 
Diese Aehnlichkeit ist auch den behandelnden Aersten aufgefallen, 
und man hat nachgeforscht, ob die Kranken vielleicht in den 
letzten Monaten vor den Lähmungserscbeinungen Halsschmersen 
oder dergleichen gehabt haben. Es fehlte dafür aber objektiv 
und subjektiv jeder Anhalt. Nach Stellung der richtigen Diagnose 
haben wir uns daher begnügt, die Erkrankungen zunächst unter 
die Bezeichnung „Polyneuritis nach septischer Wundinfektion“ 
im Anschluss an die bisher herrschende Auffassung zu rubri¬ 
zieren. Bei genauer Ueberlegung und Literaturdurcbsicht ergab 
sich aber noch eine andere Möglichkeit, ja man kann wohl sagen 
Wahrscheinlichkeit: dass es sich um eine echte diphtherische 
Polyneuritis infolge von Wunddiphtherie gehandelt habe. 

Wie schon gesagt, erinnerte der Verlauf — vorübergehende 
Akkommodationslähmung einige Wochen nach der Verletzung, Bein¬ 
lähmung einige Wochen später, günstiger Gesamtverlauf — gans 
auffällig an postdiphtherische Lähmung. Die Häufigkeit der 
Wunddipbtherie ist nun neuerdings von Weinert 1 2 ) betont worden, 
und E. F. Schmidt 1 ) hat den diphtherischen Charakter der 
Wundinfektion bei manchen schwer heilenden Wunden durch den 
Nachweis von Diphtheriebazillen und durch die rasche Heilung 
nach Injektion von Diphtherieheilserum höchst wahrscheinlich 
gemacht. Diese Wunden zeigten aber keineswegs äusserlich ein 
so typisches Bild, wie eine diphtherisch belegte Mandel, sondern 
sehr verschiedenes Aussehen: das eine Mal schlaffe, an ihrer 
Spitze grauverfärbte Granulationen mit mässiger, mehr seröser 
als eitriger Absonderung; das andere Mal speckiggrauen Grund; 
dann wieder trocknen braunen Schorf, umgeben von erysipel¬ 
artiger Schwellung, bei der Spaltung speckig derbes rotes Gewebe, 
durchsetzt von einem grauen Strich. In unserem ersten Falle 
entsprach der einen hier beschriebenen Gruppe das Vorhandensein 
schmutzig aassehender Granulationen ohne richtige Eiterung in 
der Wundhöble. Bei Fall 2 dagegen erinnerte die Beschreibung 
der Wunde, die Schwellung der Umgebung und die starke Lymph- 
drüsenschwellung an den üblichen Befand der Halsdiphtherie. Bei 
den früher veröffentlichten Fällen von vielfacher Nervenentzündung 
nach Wundinfektionen hat man auch gelegentlich vorübergehende 
Augen- und Gaumenmuskelläbmungen gesehen, und die Frage 
der Diphtherie ist bei ihrer Erörterung gestreift worden, doch 


1) M. m.W„ 1918, Nr. 51. 

2) M.m.W., 1919, Nr. 8. 


nur in einem von Ross und Bury beschriebenen Falle wird das 
Aussehen der Wunde geoauer gekennzeichnet: es habe ein asch¬ 
farbener Schorf bestanden. Auch dies würde zu der Annahme 
einer Wunddiphtberie wohl passen. 

Man hat freilich Polyneuritiden auch nach rein eitrigen In¬ 
fektionen, nämlich nach Panaritien, Furunkulosen und .Wochen¬ 
bettfieber, beobachtet. Wir selbst sahen einen derartigen Pall 
bei einer langwierigen Stumpfeiterung nach Amputation eines 
zerschossenen Beins. Hier war das Krankheitsbild ganz anders 
als bei den oben beschriebenen beiden Fällen: die Hirnnerven 
blieben dauernd frei, während in zwei kurz aufeinander folgenden 
Schüben Beine, Rumpf und Arme gelähmt wurden, und die 
Besserung vollzog sich sehr langsam und unvollständig. Doch 
ist auch vielfache Nervenentzündung mit günstigem Verlauf, an¬ 
fänglicher Beteiligung von Hirnnerven und späterem Uebergreifen 
auf die Beine nach eitriger Infektion beschrieben. Wir können 
also noch nicht sagen, ob die von uns und anderen beobachteten 
posttraumatiscben Lähmungen auf dem Diphtheriegift oder auf 
anderen Wundinfektionen beruhten, und inwiefern etwa die ver¬ 
schiedenen Formen von Polyneuritis, die nach Wundinfektion 
beobachtet worden sind, verschiedenen Arten der Infektion ent¬ 
sprechen. Es wäre sehr erwünscht, zu erfahren, ob während des 
Krieges von anderer Seite Beobachtungen zur Lösung dieser Frage 
gemacht worden sind. Vielleicht regt die vorliegende Arbeit zur 
Bekanntgabe solcher Erfahrungen an. 

Für den Praktiker ist die Kenntnis der Polyneuritis nach 
Wundinfektion als einer zeitweise mit recht schweren Störungen 
verbundenen, aber prognostisch günstigen und bezüglich ihrer 
Dauer anscheinend therapeutisch beeinflussbaren Krankheit gewiss 
nicht unwichtig. Besondere Aufmerksamkeit verdient in unserem 
Fall 1 — im Gegensatz zu dem zweiten Falle — die hervor¬ 
ragende Beteiligung der verletzten Gliedmaasse an den Lähmungs- 
erscheinunge'n. Die Augenmuskelstörungen waren rasch vergangen 
und wenig beachtet worden, die Bewegungsstörungen an den 
Beinen waren noch nicht vorhanden, die elektrische Erregbarkeit 
war anfangs nur wenig beeinträchtigt, und so konnte es kommen, 
dass die fast völlige Leistungsunfähigkeit des linken Arms als 
rein seelisch bedingt aufgefasst wurde. Wäre unser Verletzter 
nicht in ständiger Lazarettbebandlung gewesen, sondern nach 
Abschluss der Wundheilung nur noch einzelnen Untersuchungen 
unterzogen worden, so hätte er leicht zeitweise als Simulant 
aufgefasst werden können. Andererseits kann bei posttrau¬ 
matischer Polyneuritis, wenn, wie in unserem zweiten Falle die 
verletzte Gliedmaasse an den Lähmungserscheinungen nicht teil¬ 
nimmt, auf Grund des mangelnden örtlichen nnd des sehr ent¬ 
fernten zeitlichen Zusammenhangs ein Unkundiger leicht dazu 
kommen, die ursächliche Beziehung zwischen Verletzung und 
Nervenkrankheit zu verneinen. 


Aus dem Reservelazarett Dillingen (Chefarzt: Ober¬ 
stabsarzt Dr. Moraht). 

Zur Kasuistik von Tetanie bei Pylorusstenose. 

Von 

Dr. Fritz Hirsekherg, Oberarzt d. Bes. 

Wegen der Seltenheit derartig beobachteter Fälle — bis 1911 
waren gegen 50 Fälle veröffentlicht — verdient folgender auf der 
internen Station des Reservelazaretts Dillingen beobachteter Fall 
publiziert zu werden. 

Es handelt sich um einen 2Sjährigen Obermatrosen, der bereits im 
Jahre 1918 längere Zeit wegen Magenbesohwerden in ärztlicher Behand¬ 
lung stand. Damals soll der Stuhl pechschwarz gewesen sein. Auf 
ärztliohen Rat beobaobtete Patient eine vorgeschriebene Diät, worauf 
eine wesentliche Besserung eintrat. Die Magenbesohwerden verschwanden, 
die Stühle nahmen wieder braune Farbe an. 

Im Jahre 1915 wurde Patient zur Marine ausgeboben, vertrug damals 
gewöhnliche Kost ohne Beschwerden. Im Jannar 1917 bekam er ganz 
plötzlich starke, krampfartige Schmerzen in der Magengegend und heftiges 
Erbrechen nicht kaffeesatzartiger Massen. Die Stühle sollen von da ab 
einige Zeit sohwarz gewesen sein. Trotz Einhaltens von vorsichtiger 
Kost steigerten sioh die Beschwerden zusehends; es traten nach der 
Nahrungsaufnahme Magenkrämpfe auf, die Speisen wurden erbrooheu, 
naehts hatte Pat. Ruhe. 

Befund des Krankenblatts als Sohiffskranker: 

17. VII. 1918: Mittelgrosser, stark abgemagerter junger Mann, Gesichts¬ 
farbe blass, sichtbare Schleimhäute sohleoht durchblutet. Zunge nicht 
belegt. Hers und Lungen 0 . B. Leib weich, durch die dünnen Bauoh- 


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UNIVERSUM OF IOWA 



7. Juli 19X9. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


635 


decken sind die Darmbewegungen deutlieb sichtbar. Untere Magengrenze 
mittels Perkussion 2 Querfinger oberhalb des Nabels festzustellen. Deut* 
liebes Plätschern in der Magengegend (letzte Nahrungsaufnahme gestern 
abend). Druokempfindliohkeit in der linken oberen Bauohgegend, keine 
Resistenz im Epigastriam fühlbar. Beim Aushebern entleert sioh braun¬ 
rote Flüssigkeit. Zum Schloss weist das Spülwasser deutliche Blut- 
beimengung auf. Verlegung ins Marinelazarett Hamburg. 

Auszüge aus der Krankengesohiohte des Marinelazaretts: 

25. VIII. 1918: Die Beschwerden haben sioh gesteigert. Pat. hat haupt¬ 
sächlich nach dem Essen krampfartige Schmerzen, die von der Magen¬ 
grube nach dem Rücken ausstrahlen, viel saures Anfstossen, Sodbrennen 
und Erbrechen, jetzt auch nachts. Nach dem Erbreohen stets Er¬ 
leichterung. 

31. VIII.: Stuhl sch warsbraun, breiig, Blut pos. (Benzidin, Perhydrol). 

1. IX.: Erbrochenes 800 oom, freie Salzsäure 52, Gesamtazidität 94. 
Mikroskopisch: Massenhaft Sarsine, wenig Stärkekörner, Hefesellen. 

2. IX.: Nüchternaasheberung 8 oom trübe, etwas flockige Flüssig¬ 
keit, Kongo stark gebläut. — Ausheberung 45 Min. nach Probefrühstüok: 
100 com feinkörnige, wenig sohleimige Flüssigkeit. Freie Salzsäure 34, 
Gesamtazidität 48, Stuhl braun, diokbreiig, Blut pos. 

8. IX.: Röntgenbefund: Der Magen ist nüchtern stark mit Flüssig¬ 
keit gefüllt, trotzdem sehr langsames Tiefertreten des Breies. Es kommt 
eine völlig abnorme Magenform zustande, an der Pars pylorioa besteht 
ein völlig zerfressener Füllungsdefekt. Geringe Entleerung ins Duo¬ 
denum, ohne dass die Art des Austritts des Breies festgestellt wird. 
Die kleine Kurvatur ist im unteren Teil unregelmässig zerrissen. Kein 
Druokpunkt. Ein Hineinmassieren des Breies in den Defekt ist nicht 
möglich. Rigidität der Wandung daselbst nicht siohtbar. Naoh zwei 
Stunden mächtiger Rest, im stark erweiterten unteren Pol, dessen Pars 
pylorioa weit nach reohts reicht und den beschriebenen Defekt nicht 
mehr erkennen lässt. 

Behandlung: Schleimsuppen, Breikost, Wismut, Belladonna. 

Ueberweisungsbefund naoh dem Reservelazarett Dillingen vom 5. X.: 
Magengeschwür (Pars pylorioa). Im Stuhl okkultes Blut pos. Röntgen¬ 
befund spricht für Ulkus; Saperazidität. Da duroh Diätkur Wismut, 
Belladonna, Magnesia usta keine Besserung erzielt wurde, erscheint Ope¬ 
ration noch notwendig. Gewichtszunahme während des Lazarettaufent- 
halts 6 Pfund. 

Auszüge aus dem Krankenblatt des Reservelazaretts Dillingen: 

10. X.: Jetzige Klagen: Starkes Durstgefühl, krampfartige, anfalls¬ 
weise Schmerzen in der Magengegend, die nach dem Essen auftreten und 
in letzter Zeit stets mit Erbrechen endigen. Danach Erleichterung. 
Manchmal auoh nachts Magenkrämpfe. Rückenlage bevorzugt Stuhl 
nur auf Einlauf möglich, nioht schwarz. Im Erbrochenen soll in letzter 
Zeit Blut gewesen sein. Saures Aufstossen, Sodbrennen, sohlechter 
Appetit 

Befund: 1,70 m grosser Mann von reduziertem Ernährungszustand, 
auffallend blasser Gesichtsfarbe, schlecht durchbluteten Schleimhäuten. 
Gewicht 57 kg. Magengegend nioht druckempfindlich. Kein Dorsal- 
druokpunkt. Ausgiebige Sukkusions- und Plätaohergeräusche (1 Stunde 
naoh dem Essen). Stand der grossen Kurvatur naoh Magenaufblähung 
anderthalb Querfinger oberhalb des Nabels. Leicht siohtbare Magen¬ 
steif uog; in der S flexur harte Skybala fühlbar. 

12. X.: Einige Stunden naoh jeder Nahrungsaufnahme überreiches 
Erbreohen, starkes Durstgefühl. 

13. X.: Magenaushebung 1 Stunde naoh Ewald-Boas’sohem Probe¬ 
frühstüok: Menge 155 ccm, Speisen gut verdaut, freie Salzsäure 50, 
Gesamtasidität 65. Im Anschluss an die Ausheberung bekommt Pat 
heftigste Magenkrämpfe. . Morphium subkutan. 

14. X.: Auf Einlauf Stuhl. Weber’sohe Probe leicht positiv. Auf 
Grand der vorhergegangenen Krankengeschichten und des jetzigen Be¬ 
fundes wird die Diagnose kallöses Magengeschwür, gutartige Pylorus¬ 
stenose gestellt und dem Pat eine sofortige Operation anempfohlen. 
Vorläufige Ablehnung. 

19. X.: Nachmittags bekommt Pat. plötzlich starke Krämpfe in den 
Unterarmen, Händen und Füssen. Die Unterarme werden flektiert, Ge¬ 
burtshelferstellung der Hände, Karpopedalspasmen. Hochgradige Blässe, 
spitzes Gesiebt, kalte Sohweisse, Puls beschleunigt, doch kräftig. Sofort 
Morphium 0,02 subkutan, Wärmflaschen, Infusion von 2 Liter physiol. 
Kochsalzlösung, rektale Miloheinläufe, für die Nacht Chloralbydrat rektal. 

Sehon auf Morphium lösen sioh die Spasmen. Am Abend fühlt sich 
Pal wieder wohl. Pal hat reiohlioh Urin gelassen. Wir erfahren jetzt, 
dass Pal 8 Tage lang anurisch war. Duroh Ueberlastung der Station 
und Ausfall an Wärtern durch Grippe wurde die Annrie nioht beob¬ 
achtet. 

20. X.: Allgemeinbefinden sehr gut, Puls kräftig. Keine Wieder¬ 
holung des Tetanieanfalles. Der hinzugezogene Chirurg empfiehlt die 
Operation. 

Operationsbericht: In Ohloräthyl- und Aethernarkose wird ein 
18,5 cm langer Schnitt ausgeführt zwischen Nabel und Sch wert fortsatz. 
Das vorliegende Querkolon ist sehr stark gebläht, Magen vergrössert, 
seine Wandung verdickt, ln der Pylorusgegend fühlt man einen gut 
bohnengrossen, derben Tumor, offenbar ein kallöses, den Pylorus stark 
verengerndes Ulkus. Typische Gastroenterostomie retrocolioa. 

Die nächsten Tage noch leichtes Erbrechen und Aufstossen. Sub¬ 
kutane Kooh8alzinfusionen, Milohklystiere. Die Diurese kommt gut 
in Gang. 

20. X.: Urinmenge 400 oom. 


21. X.: Urinmenge 2000 com. 

22. X.: Urin menge 1400 ccm. 

23. X.: Urinmenge 1000 oom. 

25. X.': Wunde bis auf eine kleine sezernierende Fistel gut geheill 
Pal macht einen frischen Eindruck, hat kein Erbreohen mehr, keine 
krampfartigen Magensobmerzen, nur nooh geringes, nioht mehr saures 
Aufstossen. Appetit gut. Von nun an schnell fortschreitende Besserung. 

5. Xi.: Stuhl auf okkultes Blut negativ. 

10. X(.: Stuhl auf okkultes Blut negativ. 

11. XI.: Gewicht 59*/« kg (5 1 /* Pfand Gewichtszunahme). 

13. XL: Allgemeines Wohlbefinden, eine nooh eingehaltene Schonungs¬ 
kost wird ohne Beschwerden vertragen. 

15. XL: Stuhl auf okkultes Blut negativ. 

18. XI.: Gewicht 61V 4 kg. 

Ausgezeichnetes Allgemeinbefinden. Von seiten des Magens keine 
Beschwerden. Pal wird voraussichtlich bald aus dem Lazarett entlassen. 

Vorliegender Fall schien uns insofern allgemeines Interesse 
zu bieten, als hier wohl mit Sicherheit die Austrocknung von 
Nerven und Muskeln und die durch das heftige Erbrechen be¬ 
dingte Blnteindickung für den Ausbruch der Tetanie verantwortlich 
gemacht werden müssen. Man möge bei überreichem anhaltenden 
Erbrechen immer die Diurese genügend überwachen, um die stets 
gefährliche Komplikation der Tetanie zu vermeiden. 


Galen und seine zweite Anatomie des Auges. 

Von 

Jalias Hlrschkerg. 

(Schluss.) 

Nachdem ich also den ersten Teil meiner Aufgabe, nämlich 
Galen’s Bedeutung zu skizzieren, erledigt habe; komme ich zu 
dem zweiten Teil, seine zweite Anatomie des Auges zu er¬ 
örtern. 

Zu besserem Verständnis will ich über die Entwicklung 
der Kenntnisse vom Bau des Auges, wie die griechische 
Literatur sie uns an die Hand gibt, einige kurze Bemerkungen 
vorausschicken. 

Die Anatomie des Auges war vor den Alexandrinern noch 
wenig entwickelt 1 ). Das zeigt sich in den Schriften der hippo¬ 
kratischen Sammlung, die einerseits aus der blossen Be¬ 
trachtung des lebenden Auges nur das Weisse und das Schwarze 
des Auges sowie die Papille kennen und andrerseits die drei 
Häute des Auges nebst einem flüssigem Inhalt andeuten, wohl 
nach Zergliederung von Thier-Augen, wie kurz bemerkt wird 3 ). 

Auch in den Schriften der Aristotelischen Sammlung 
finden wir nur eine ganz kurze Bemerkung 3 ). 

Unter der Stirn sind die doppel¬ 
ten Augenbrauen. Unter diesen die 
Augen. Diese sind naturgemäss zwei 
an der Zahl. Die Teile eines jeden 
von den beiden sind die folgenden: 
das Oberlid und das Unterlid, die 
Haare an deren Rand, die Wimpern; 
ferner das Innere des Auges, einer¬ 
seits die Feuchtigkeit, womit die 
Pupille sieht 4 ), andrerseits das dar¬ 
um befindliche Schwarze; endlich 
das, was nach aussen davon sioh 
befindet, das Weisse. 

Das Schwarze ist bei Einigen 
wirklich schwarz, bei Andren aber 
hellblau. 


1) Unbrauchbar ist „die Anatomie des Auges in ihrer geschicht¬ 
lichen Entwiokelung“ von Prof. Dr. Hugo Magnus, Breslau 1900. Von 
seiner lebhaften Einbildungskraft fortgerissen, vermochte der Verf. grie¬ 
chische Texte nioht unbefangen und riohtig aufzufassen. Vergl. Gbl. L 
Augenh., 1917, S. 189. 

2) M. Gesch. d. Augenh., §. 83. 

3) Historia animalium, I, o. 8 bis 10; Seite 491 • Z. 14 flgd. der 

Ausgabe der Berliner Akademie; Ausgabe von Aubert u. Wimmer, 
1868, I, S. 216. 1 

4) Aubert und Wimmer haben ein Komma vor xopy und über¬ 
setzen: „mit welchem es sieht, die Pupille, um diese herum eine schwarze 
Haut“. Diese Uebersetzung ist unrichtig. Auoh die Ausgabe der Preuss. 
Akademie hat das Komma und bringt eine lateinische Uebersetzung (von 
Julius Caesar Soaliger), die frei und ungenau ist. Das Komma 
ist zu tilgen, da einerseits ßXixsi ein Subjekt fordert, das nur xopyj 
sein kann; andrerseits die beiden inneren Bestandtheile, duroh rb pku 
und rb dl deutlich einander gegenübergestellt, nur die Feuchtigkeit und 
die schwarze Haut sein können: die Pupille ist ja auoh kein Bestand* 
teil, sondern nur ein Loch in dem einen derselben. 

8* 


* Tixd bk tw ptTwizw o<ppotq buposlq 
. . . ö<p atq dip&aXpoi. obroi xarä 
<pu(nv buo. Tourcuv pipy] ixa&ipou 
ßXifapov rb ayw xat ro xarw. zouzou 
rpfyeg al icr/arai ßXetpapibeq. rb d* 
ivrbg rou bp&aXpou, ro pkv bypov, 
w ßXixet xöpij, rb de mpt zobropiXav' 
rb b'ixrbq toutou Xsoxov. . . . 

r b bk piXav . . . rotq pkv piXav t 
rolg bk yXaüxbv, 


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UMIVERSITY OF IOWA 




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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Man kann nicht leugnen, dass der grosse Stagirite hier 
gans ausserordentlich dürftig erscheint, so dass der Fortschritt, 
den die Alexandriner herbeigeführt, ans klar vor Angen tritt. 

Die Anatomie des Auges, wie sie von den Alexandrinern 
begründet worden, hat eine weit grössere Bedeutung in der 
Kultur-Geschichte der Menschheit gewonnen, als die Optik der 
Griechen. Nicht nur, dass formal die damals eingeführten 
Namen der Augentheile noch heute von uns angewendet und auch 
in der Krankheitslebre, durch die beliebte Anhängung von -tns 
an die anatomischen Namen, noch heutzutage verwertet werden; 
auch stofflich hat die mittelgriechische Anatomie ihre unbe¬ 
strittene Geltung über mehr als anderthalb Jahrtausende behauptet. 

Keineswegs bei dem Wiedererwachen der Wissenschaft, im 
Beginn der Neuxeit, auch nicht durch den grossen Vesal ist sie 
entthront worden, wie diejenigen, die ihn nie gelesen, zu be¬ 
haupten pflegen; sondern erst im 18. Jahrhundert wurde eine 
neue und bessere Anatomie des Auges geschaffen, welche 
die Grundlage für die weiteren Forschungen des 19. und 20. Jahr¬ 
hunderts bildet. " 

Der grosse Herophilos aus Chalcedon (325—280 v. Chr.), 
der zu Alexandria wirkte, der eigentliche Schöpfer der Anatomie, — 
soviel wir wissen, der erste, welcher ein Buch vom Auge verfasst und 
die Anatomie des Seh-Organes genauer bearbeitet hat, ist nach 
dem Zeugnis des Rufus, welcher in der ersten Hälfte des 2. Jahr¬ 
hunderts n. Chr. wirkte, der Urheber der Namen Netzhaut, Ader¬ 
baut, Traubenhaut. Die andren Namen der Augentheile dürften 
wohl auch dem Kreise des Herophilos entstammen. 

Diese Namen der Augentheile, die also im wesentlichen über 
zweitausend Jahre alt sind, haben sich bis zu unsren Tagen er¬ 
halten. Den Arabern ist die Uebersetzung in ihre Sprache an¬ 
standslos gelangen. Aus den mittelalterlichen, lateinisch-bar¬ 
barischen Üebersetzungen der arabischen Schriften stammen die 
Namen conjunctiva, sclerotica, cornea, uvea, retina, vitreus, die 
wir hauptsächlich dem Gerard von Cremona (1147—1187 u. Z.) 
verdanken. 

Der Erneuerer der Anatomie, Andreas Vesalius, bringt 
(1548) in seinen Namen der Augentheile rein lateinische Ueber- 
. Setzungen der griechischen und verschmäht die barbarischen (wie 
conjunctiva, retina). Aber schon Fabricius ab Aquapendente 
(1600) bat wieder die Namen Conjunctiva, Cornea, Sclerotica, 
Retina. So ist es verblieben, als das 18. Jahrhundert die 
Wiedergeburt der Augenheilkunde einleitete, — sowohl in' 
augenärztlichen Schriften, wie in der von Maitre Jan aus 
dem Jahre 1707, als auch in anatomischen, wie in der 
Descriptio anatomica oculi humani von J. G. Zinn aus dem 
Jahre 1755, der ersten Sonderschrift über die Anatomie des Seb- 
Organs. 

Schliesslich haben diese Namen in unsren Tagen gewisser- 
maassen eine gesetzliche Anerkennung erhalten durch die 
Nomenklatur, welche die anatomische Gesellschaft im 
Jahre 1895 herausgegeben. 

Diejenige anatomische Beschreibung des Seh-Organs, welche 
die Jahrhunderte beherrscht hat, jedenfalls bis zum 16. Jahr¬ 
hundert, ist die des Galenos, im zehnten Buche seiner Schrift 
vom Nutzen der Teile. Diese Schrift hat Galenos im Be¬ 
ginn seines Mannesalters verfasst, im vierten Jahrzehnt 
seines Lebens, etwa von 168 ab bis nach 166, d. h. nach seiner 
Rückkehr in die Hauptstadt. Wir besitzen eine kritische Aus¬ 
gabe von G. Helmreich aus dem Jahre 1909. 

Die Darstellung des Galen ist wortreich, ja hier und da 
sogar etwas langweilig, da er stets den teleologischen Stand¬ 
punkt in den Vordergrund drängt und unablässig der Weisheit 
des Demiurgos seinen Lobspruch spendet. Aber die Beschreibung ist 
genau und eingehend und für die ärztliche Diagnose seiner 
Zeit vollkommen ausreichend. Allerdings war sie mit zwei 
Fehlern behaftet: sie versetzte den Krystall-Körper in die Mitte 
des Augapfels und gab auch dem menschlichen Auge den 
Musculus retractor bulbi, der allerdings den Wiederkäuern 
xukommt; aber diese beiden Fehler hat auch Vesal noch zuerst 
wiederholt. Ferner waren damals unsrem Galen die Lid- 
muskeln noch nicht klar geworden. 

Aber die drei Häute sind zutreffend beschrieben, die Netzhaut 
als Ausbreitung des Sehnerven, die Aderhaut als Fortsetzung der 
weichen, die harte Haut (Lederhaut) als Fortsetzung der harten 
Hirnhaut; die Gefässlosigkeit des Krystall- und des Glas-Körpers 
erkannt, die Strahlkörper-Fortsätze als wimperähnliche Bildungen 
geschildert, wie sie ja auch beute noch den Namen der Ciliar- 
Fortsätze führen. 


Dieses sehnte Buch aus Galen’s Schrift vom Nutzen der 
Teile bildet die Hauptquelle über die Anatomie des Auges 
für die folgenden vierzehn Jahrhunderte. Die späteren 
Griechen, wie Oreibasios und Theopbilos, haben sie einfach 
ausgeschrieben. Die Araber, welche eine Uebersetzung dieser 
Schrift des Galenos besassen, setzten diese Anatomie des Auges 
an die Spitze ihrer Lehrbücher der Augenheilkunde: das beginnt 
schon in dem ersten, von Hu na in zu Bagdad (808—873); setzt 
sich fort durch die besten und klassischen, von Ali b. Isa und 
von Am mar um das Jahr 1000; durch die späten, umfassenden 
von Halifa und Salah ad-din aus dem dreizehnten Jahrhundert 
bis zu dem letzten aus dem vierzehnten. 

Ja, der ausgezeichnete Tabari aus der zweiten Hälfte des 
zehnten Jahrhunderts, Verfasser eines trefflichen Lehrbuchs der 
Heilkunde („Buch der Hippokratischen Behandlungen“), erklärt 
ausdrücklich, dass die Augenärzte bezüglich der Anatomie des 
Auges lediglich auf Galen’s zehntes Buch vom Nutzen der Teile 
sich stützen 1 ). 

Die Arabisten im europäischen Mittelalter schrieben ab, was 
ihnen von Darstellungen der Araber in barbarisch-lateinischen 
Üebersetzungen zugänglich war. 

Selbst der Erneuerer der Anatomie, der berühmte Vesal 
(1543) ist, wie wir gesehen, auf dem Gebiet der Anatomie des 
Seh-Organs in etlichen Hauptpunkten nicht weit über diese Dar¬ 
stellung Galen's hinausgekommen. 

Galen bat nun noch eine zweite Anatomie des Seh-Organs 
verfasst, im sehnten Buch seines umfangreichen Werkes über die 
anatomischen Präparationen, das seiner reifsten Zeit an¬ 
gehört und jedenfalls lange nach der Schrift vom Nutzen der Teile 
herausgegeben worden ist. Die uns vorliegende Redaktion dürfte 
um 191 fertig geworden sein, als Galen bereits das 60. Lebens¬ 
jahr überschritten hatte. Obwohl diese zweite Darstellung viel¬ 
fach weit besser ist, als die erste; so hat sie nur geringen Ein¬ 
fluss auf die Entwicklung der Wissenschaft geübt. 

Der griechische Text der zweiten Hälfte der anatomischen 
Präparationen ist nämlich verloren gegangen, — aber doch nicht 
so ganz frühzeitig. Denn im 9. Jahrh. n. Chr. ist das ganze 
Werk ins Arabische übersetzt worden, von Hunain, einem christ¬ 
lichen Arzt in Bagdad, welcher der griechischen, „der heiligen 
Sprache“, vollkommen mächtig war und natürlich auch der 
arabischen; er hatte sich der Beihilfe seines Neffen Hubaiä zu 
erfreuen. 

Ganz neuerdings ist diese Uebersetzung herausgegeben worden: 
Sieben Bücher der Anatomie des Galen, AS ATOM IR QS ErXEl- 
PfflQS BIBAIOS 9- JE, zum erstenmal veröffentlicht nach den 
Handschriften einer arabischen Uebersetzung des neunten Jahr¬ 
hunderts, ins Deutsche übersetzt und kommentiert von Max 
Simon, Dr. med. I. Band: arabischer Text. Leipzig 1906, 
J. C. Hinrich’sche Buchhandlung. (862 S.) II. Band: deutscher 
Text, Kommentar. Leipzig 1906. (366 S.) Eine höchst verdienst¬ 
liche Arbeit, deren Verfasser leider in der Jugendblüte hinweg¬ 
gerafft ist. 

Sehen wir zu, was Galen uns hier bietet, indem wir seine 
Weitschweifigkeit nach Kräften beschneiden; vergessen wir 
aberdahei nicht, dass dieses sein Werk eine Präparations-Lehre 
darstellt — natürlich an Thieren, an lebenden wie an toten. 

Wenn Du den Brauenknochen (d. i. der Orbital-Theil des 
Stirnbeins) so weit durchschnitten hast, dass Du in die Tiefe ge¬ 
langst; so treten Dir die beiden Nerven entgegen, die zum Auge 
ziehen. Und wenn Du den stärkeren von beiden durch¬ 
schneidest,so wird der Gesichts-Sinn ^dieses Auges> des 
Thieres vernichtet. Und schneidest Du den schwächeren 
durch, so siehst Du das Auge auf der Stelle bewegungs¬ 
los bleiben*). 

Solange das Auge noch in Verbindung mit dem Schädel 
geblieben, siebst Du, wie Arterie und Vene mit dem <Seh-)> Nerven 
herab zum Auge steigen, und erblickst zahlreiche Gefässe, welche 
von den das Auge umgebenden Teilen und von den beiden Winkeln 
aus zu den beiden Augenlidern und zu der das Auge umkleidenden 
Hülle kommen. Diese geht zum Auge von dem umgebenden 

1) Die arabischen Darstellungen der gesamten Anatomie, die P. de 
Koning gesammelt und ins Französische übersetzt bat (Leiden 190S), 
stützen sioh bezüglich der Beschreibnng des Auges gleichfalls auf 
Galen’s 10. Buch vom Nutzen der Teile. 

2) Dies ist eine Entdeckung Galen’s, wenngleioh Alomaeon viel¬ 
leicht schon den „Kanal“ vom Augapfel zum Gehirn durohtrennt hat. 
(§ 29.) Erst naoh 1500 Jahren wurden diese Versuche Galen’s fort¬ 
gesetzt und erweitert. (Vgl. § 1016, S. 56.) 


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7. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


687 


Knochen ans: weshalb sie Periost oder Perikraniam, aber auch 
die aufgewachsene (imxtpuxwg) genannt wird 1 ). 

An dem heransgenommenen Auge unterscheidest Du zu¬ 
erst die zarte Hülle*), welche die Muskeln umkleidet und sich 
mit ihnen verbindet. Sie heftet sich an’s Auge in der kreis¬ 
förmigen 1 * ) Begrenzung des Weissen, die Kranz oder Regenbogen 
genannt wird. 

An den Wurzeln des Augapfels ist ein Muskel, welcher 
den Sehnerven bedeckt 4 ). Zwischen den an den Augapfel sich 
heftenden Muskeln findet sich Fett und auch zwei Drüsen 8 ) mit 
Allsführungsgängen, in deren jede man eine Schweinsborste ein- 
führen kann. Kein Anatom erwähnt diese Drüsen und 
ihre Gänge, noch ferner das Loch 6 ), das in jedem der beiden 
Lider sich findet. 

Vier gerade Muskeln sind vorhanden, deren Sehnen sich 
nahe zum Kranz an’s Auge heften, ein oberer, ein unterer, und 
zwei, die den beiden Augenwinkeln entsprechen. Diese vier 
Muskeln setzen das Auge in geradlinige Bewegungen. Ausser¬ 
dem sind noch zwei Muskeln vorhanden, die dem Auge eine 
schräg-neigende Bewegung 7 ) verleihen, wie auf einem Kreis¬ 
bogen. Der eine dreht das Auge aufwärts, der andre abwärts. 

Hast Du diese sechs Muskeln weggeschnitten, so siebst Du, 
dass der Augapfel in Wahrheit der Mohn-Hülle an Gestalt 
ähnelt. Die Decke, welche den ganzen Augapfel umhüllt, wird 
entweder als eine einfache oder als eine zwiefache beschrieben. 
Von der Durchbohrung durch den Sehnerven an bis zum Kranz 
Ist sie hart und weiss und wird so 8 ) genannt; vom Kranz an 
aber nach vorn ist sie hornähnlich 9 ). Die letztere lässt 
sich in vier Schichten zerlegen. Zuerst spaltest Du die 
obere Schicht 1 *) ab, welche gleichsam eine Hülle der horn- 
ähnlichen Decke ist. 

Wenn Du die vierte Schicht abtrennen willst, reisst sie 
ein, und eiweissähnliche Flüssigkeit fliesst aus. 

Die zweite Haut des Augapfels heisst die weinbeeren¬ 
ähnliche 11 ); sie ähnelt nämlich einer Weinbeere durch Glätte 
von aussen und durch Zottigkeit von innen 12 * ). Sie wird auch 
die durchbohrte genannt. 

Das Loch ist bei manchen Thieren rund, wie auch beim 
Menschen; bei manchen länglich, wie bei dem Rinde. In dem 
Loch erblickst Du die ei8-ähnliche 11 ) Feuchtigkeit. Sie hat den 
Namen nach der Aehnlichkeit im Aussehen. Befühlst Du sie, so 
findest Du sie viel weicher, als Eis. 

Die weinbeer-ähnliche Haut ist nur am Kranz mit der 
horn-ähnlichen Decke verbunden, während sie an allen übrigen 
Teilen frei vorder letzteren absteht; sie erscheint schwarz oder 
grau oder blau. 

Beiden, der horn- und der weinbeer-ähnlichen Haut, haftet 
am Kranz, mit ihnen verwachsend, auch die eis-ähnliche Feuchtig¬ 
keit an 14 ). 

Auch die zweite Decke ist, wie die erste, aus zwei ein¬ 
ander unähnlichen Teilen zusammengesetzt: somit haben einige 
vier, andere nur zwei Häute unterschieden. 

Derjenige Teil der zweiten Decke, welcher vom Kranz nach 
hinten bis zum Sehnerven reicht, ist mit der ersten (der harten) 


1) Diese Auffassung wurde widerlegt, und die Selbständigkeit der 
Bindehaut erwiesen durch Berengario da Carpi (1470—1580) und 
Niool. Massa (f-1569). Vgl. § 805 d. G. d. A. 

2) Heutzutage Tenon’sahe Kapsel genannt. Vgl. diese im Reg.- 
Band d. G. d. A. 

8) «Es ist kein Kreis, sondern eine Linie, die einen Kreis umgibt.* 
Das ist eine mathematische Tüftelei von Galen. 

4) Retraetor. Siehe § 119. 

5) Also die beiden Thränendrüsen und ihre Ausführungsgänge sowie 
die Thränenpunkte hat Galen erörtert, bzw. gefunden. 

6) Das soheint uns allerdings seltsam, dass die Thränenpunkte den 
früheren Anatomen entgangen seien. 

7) Offenbar hat Galen die Versuche schon begonnen, die im 19. Jahr¬ 
hundert genauer ausgeführt wurden, von Rnete, von Bonnet u. a., 
nämlich durch mechanische Anspannung des Muskels seine lebendige 
Wirkung su erschliessen. Vgl. § 485, S. 180 u. 148. 

8) Griechisch oxkrjpd. 

9) Griechisch xepaToet&rjg. 

10) Bindehaut der Hornhaut, mit Bowman’soher Haut und wohl 
noch mit einer oberflächlichen Sohioht des eigentlichen Hornhaut-Gewebes. 

11) fiaroetftjg, griechisch; uvea in den mittelalterlichen Ueber- 
Setzungen aus dem Arabischen. 

12) Bei Säugethieren setzen sich die Faltungen des Strahlenkörpers 
weiter fort auf die Hinterfläohe der Regenbogenhaut. 

18) Griechisch zputnaXXoetäeg. 

14) Andeutung des Aufhängebandes der Linse. 


durch Fasern und Fäden verbunden, die noch tiefer schwarz sind, 
als die zweite Decke selber. Aber die Verbindung der 
zweiten Decke mit dem Kranz 1 ) geschieht nicht durch Faser¬ 
werk, sondern ist fest und schwer zu lösen. 

Jetzt trenne die ganze erste Decke ab von der zweiten; dann 
zeigt sich die zweite zusammengesetzt. Durch das vorn befind¬ 
liche Loch erblickt jemand, der das Auge ansieht, sein Abbild, 
wie in einem Spiegel*). 

Nun musst Du auch die zweite Decke, nachdem Du sie von 
dem Loche aus emporgezogen, bis zum Kranze hin ablösen. Dann 
siehst Du, dass die eiweissähnliche Flüssigkeit, welche nach Ab¬ 
lösung der letzten Schicht der Hornhaut abgefiossen war, an¬ 
gesammelt gewesen in dem Raume zwischen der ersten und der 
zweiten Decke (Hornhaut und Regenbogenhaut) und in dem Raume 
zwischen der zweiten Decke und der eis ähnlichen Feuchtigkeit 8 ). 

Du musst auch die in die erste Decke übergehenden Ge- 
ffls§§ 4 ) verfolgen, und zwar wiederholt, am besten an einem 
Pferde, das infolge starken Rennens eingegangen war; oder in¬ 
dem Dn ein Tier mit der Schlinge erstickst 5 ). Alle Venen kommen 
aus denen des Gehirns und sind in den Bezirken des Auges 
schwächer. So wirst Du auch wohl die Vene erhalten, die mit 
dem Nerven zusammen zum Auge zieht 6 ). 

Allein in diesen Nerven befindet sich ein wahrnehmbarer 
Hohlgang 7 ). 

Der Nerv ist dreifach geschichtet. Innen liegt der eigent¬ 
liche Körper, der mit dem Hirn in Zusammenhang steht; darum 
die zarte Hülle; und, nach aussen von dieser, die harte Hülle. 
Die harte Hülle steht mit der ersten Decke (Sklera) in Zusammen¬ 
hang, die zarte mit der zweiten Decke (Chorioides). 

Was sich nach innen von der letzteren befindet, ist die Sub¬ 
stanz des eigentlichen Sehnerven, die sich verbreitert zu einer 
— der zweiten Decke nach innen zu aufliegenden — dritten 
Decke (Netzhaut), deren ^vordereGrenze von äusserster Fein¬ 
heit ist. 

Diese Ausbreitung, bzw. die dieselbe darstellende Decke setzt 
sich am Kranze an; denn diese Stelle ist das Band für sämt¬ 
liche Teile des Augapfels: auch für die äussere Hülle, welche 
die Muskeln umfasst, und auch für den Krystall. 

Endlich sprossen <^dort)> von der zweiten Decke nach innen 
zu wimperähnliche Fäden 8 ) aus, nach der von der netz-artigen 
Decke umschlossenen, glas-ähnlichen Feuchtigkeit, und ver-r. 
schmelzen innig mit derselben 9 ). 

Die Glas-Feuchtigkeit ist kugelförmig, mit Ausnahme des 
vorderen Teiles, welcher die <hintere / > Hälfte der eis-artigen 
umfasst. Auch die letztere ist kugelförmig, aber der Quere 
nach etwas abgeplattet, weshalb sie auch von manchen Anatomen 
als linsen-artige 10 ) bezeichnet wird. 

ln ihrer Mitte (Mittel-Ebene) befindet sich ihr grösster Kreis. 
Vermittelst desselben tritt sie in Verbindung 11 ) mit dem Kranz. 
Ihre Vorderfläche hat eine zarte Hülle, die hintere 12 ) nur eine 
solche, wie eine (Seifen-)Schanmblase. 


1) Andeutung des Strahlenkörpers. 

2) Galen ist der einsige (bis zum 19. Jahrhundert, d. h. bis su 
Purkinje), der das Spiegelbild von der vorderen Linsenfläohe beschreibt. 
Nach Abtrennung der Hornhaut ist dies ja leicht sichtbar. Das 
am lebenden Auge ohne weiteres siobtbare Spiegelbild rührt ja von 
der Hornhaut her. wurde aber von den Griechen auf den Krystall be¬ 
zogen. Erst Pater Soheiner hat es (1619) als Spiegelbild von der Horn¬ 
haut erkannt. (§ 810.) 

3) Also vordere und hintere Augenkammer werden unterschieden. 
Die letztere stellten die Griechen sich sehr tief vor. Diese Anschauung 
hat auch Vesal noch übernommen. Erst im 17. Jahrhundert kam die 
richtigere Vorstellung auf. Hier, in der wirklichen Zergliederung, 
spricht Galen nioht mehr von der Luft in der Pupille, die er in 
seiner Sohrilt vom Nutzen der Teile uns annehmbar zu machen sioh be¬ 
müht hatte. 

4) Die Ciliar-Arterien und Venen. 

5) Auoh hier zeigt sich die Experimentier-Kunst Galen’s. 

6) Die Central-Gefässe der Netzhaut. 

7) nopog, griechisch. Den Griechen galt dieser im Sebnerv^grösserer 
Säugethiere bequem sichtbare Kanal als Pfad des Sehgeistes (öddg meuparog 
ahr&ynxoö, Galen, VII, S. 89). Tatsächlich ist es der für die Netzhaut- 
Blutgefässe bestimmte Central-Kanal. 

8) Ciliar-Fortsätze. 

9) Die hinteren Fasern der Zonula. 

10) (paxosidig. Die Brillengläser hat J. B. Porta (1607) und 
Jo. Kepler (1611) als lentes bezeichnet und G. Bidloo (1685) den 
Krystall-Körper wiederum lens orystallina benannt. (Reg.-Band, S. 8.) 

11) Zonula. 

12) Im «Nutzen der Teile* war sie nackt. (§ 118.) 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Die glas-ähnliche Feuchtigkeit ist an ihrer Aossengrense zäher 
und dichter als in der Tiefe; dies ist wohl nur eine Eindickung, 
nicht aber etwas besonderes, nach Art der Hüllen, wie die auf 
der Vorderfläche des Krystalls. 

Hier möohte ich eine Bemerkung einschieben. Galen zergliedert 
den Augapfel von aussen nach innen, durch Abaohälung der verschiedenen 
Häute und Schichten. Von einem Durohschnitt des Augapfels, sei es 
in der wagereohten, sei es in der senkrechten Ebene, ist nicht die Rede. 
Erst der Araber Halifa hat (um 1266 n. Ghr.) einen wagereohten 
Durohschnitt durch das Gehirn, die beiden Sehnerven und die 
beiden Augäpfel veröffentlicht, »um seine Häute, die Feuchtigkeiten 
und ihre Lage, zu veranschaulichen, soweit es möglioh ist, dies auf 
einer Ebene, nioht auf einer Kugel 1 )* 1 3 , darzustellen (§ 278). Der 
Araber Salah ad din hat (um 1296) uns einen Kreuz-Schnitt des Aug¬ 
apfels abgebildet (§ 288), der also den wagerechten und den senk¬ 
rechten Durchschnitt schematisch aneinander legt, nioht perspektivisch 
darstellt. 

Auch der Neubegründern der Anatomie, Andreas Vesalius, zer¬ 
gliedert (1543), wie Galen, dessen zweite Anatomie des Auges ihm ja 
unbekannt geblieben, das Auge von aussen naoh innen; aber er sohenkt 
uns einen wagereohten Durchschnitt des Augapfels, welcher aller¬ 
dings weit besser ist, als der von Halifa, der ihm gleichfalls unbekannt 
gewesen; jedooh die Lage des Krystalls hat auch er noch ganz irrtümlich 
in die Mitte des Augapfels versetzt. 

Die richtige Topographie des Augapfels wurde erst durch Ge- 
frier-Sohnitte erreicht, im 17.Jahrhundert (durch Fabrioius ab 
Aquapendente, M. Lyser, Descartes, § 305), und im 18. Jahr¬ 
hundert sohon zu einem hohen Grade der Vollendung ausgebildet (durch 
Dr. Petit, § 337). Erst die Reform-Zeit in der zweiten Hälfte des 
19. Jahrhunderts brachte dann die Erhärtung des Augapfels in chemi¬ 
schen Lösungen (Müller’sche Flüssigkeit, 1855, § 1181 Z). 

Befriedigende Abbildungen des Augapfel-Durohschnitts wurden erst 
im 19. Jahrhundert veröffentlicht, von S. Tb. Soemmering, 1801 (§464), 
von Ernst Brücke, 1847 (§ 1005), von F. Arlt, 1857, u. a. 

Galen fährt fort: Was die Lider betrifft, so findest Da 
bei manchen Tieren, dass die Knochenhaut sich fortsetzt za 
dem Knorpel des Oberlids and nar ein geringer Teil vorn 
darüber binzieht; and dass eine andre ähnliche Hülle vom enteren 
Teil des Knorpels aaswächst, mit der die oberflächliche Schicht 
sich verbindet. Am freien Lidrand schlägt sich die Hülle am 
and beide Schichten verwachsen miteinander. 

Die Wimpern sind eingesetzt in den knorpel-ähnlichen Kürper. 

Der Ort, wo <(oben^> jene beiden Hüllen sich trennen, ist der 
Kopf (der obere Rand) des Lides. Mit diesem verwächst die 
Sehne des Muskels, welcher das Lid erhebt. 

Bei fettleibigen Tieren sieht man, wenn man die von der 
Braue herabsteigende Hülle getrennt hat, nar das Fett; bei 
weniger fetten Tieren ist der Muskel deutlich erkennbar. Ver¬ 
mehrung dieses Fettes macht das Leiden der Blase*). Wird die 
letztere unvorsichtig operiert, so bleibt der Muskel unfähig, das 
Lid zu heben, — zur Schande des Arztes. Der Muskel ist sehr 
dünn und fein. Es gibt ferner zwei Muskeln 8 ), die noch dünner 
sind, von den Augenwinkeln nach dem Saume des Lides ziehen 
und die Lider schliessen, durch Senkung des oberen Augen¬ 
lids, — denn das untere Lid ist unbeweglich. 

Die Knochenhaut (Bindehaut) wendet sich vom Lidsaum 
zurück und faltet sich in sich selbst 4 5 ). Dann spreizt sie sich 
wieder und überkleidet die Muskeln bis zum Kranz 6 ). Dies siebst 
Du ohne Präparation, auch beim Menschen. Ebenso die Löcher 6 ). 
Diese siebst Du besser, wenn Du den kleinen (den Schläfen-) 
Winkel nach aussen verziehst. Bei Tieren kannst Du Borsten 
einführen. 

Ohne Präpara^on siehst Du auch im inneren Augenwinkel 
einen sehnigen Fleisch-Theil 7 ). Und bei der Zergliederung siehst 
Du ein Loch (Kanal) 8 ) in dem der Nase benachbarten Knochen. 

Wie sehr hat Galen sich getäuscht, als er die Ueberzeugung 
aassprach, sein anatomisches Hauptwerk werde besonders be¬ 
herzigt werden! Weder Griechen noch Araber wollten seine fast 
in jedem Kapitel ausgesprochenen Ermahnungen beherzigen, 
durch wiederholte Präparation sich selber von den Dingen zu 
überzeugen; sie zogen es vor, die Dogmen aus dem ersten Werk, 
vom Nutzen der Teile, gläubig nachzubeten. 


1) D. h. im Modell. 

2) Griechisch ödaxsg, 

3) Kreismuskel, Muse, orbicularis. 

4) Umsohlags-Theil. 

5) Augapfel-Bindehaut. 

6) Thräuen-Punkte. 

7) Karuukel (mit Falte). 

8) Thräoeu-Nasen&anal. 


So ist fast nichts von den Verbesserungen, welche in den 
Präparationen sich finden, der Wissenschaft zunutze geworden. 

Der Lidhebe-Muskel erscheint allerdings in der arabischen 
Literatur; aber nicht, wie M. Simon meint (S. XLV1II), aus 
Galen’s Augenheilkunde, — diese war ja ein Jugendwerk, das 
nur die Namenerklärungen enthielt (§ 304), sondern aus der¬ 
jenigen Augenheilkunde (I, c. 4), die der Uebersetzer der Prä¬ 
parationen, Hunain selber, geschrieben, und die bis gegen Ende 
der arabischen Zeit des höchsten Ansehens sich erfreut hat. (§267.) 

Wir aber wollen bekennen, dass Galen’s zweite Anatomie 
des Auges eine tüchtige Leistung darstellt, mit wichtigen Neu¬ 
funden, und wohl geeignet ist, gegen die ungünstigen Beu Hei¬ 
lungen mancher Philologen mit in die Wagschale gelegt zu werden. 


BQcherbesprechungen. 

Theodor Bragsek: Allgeneine Prognostik oder die Lehre von der 
ärztlichen Beurteilung des gesunden und kranken Menschen. Berlin- 
Wien 1918. Verlag von Urban & Schwarzenberg. 498 Seiten. Preis 
ungeb. 24 M. 

Während bisher eine Menge medizinischer Bücher sich mit der Thera¬ 
pie und Diagnose befasst hat, ist die Prognostik, die Verf. als Lehre 
von der Beurteilung des Individuums unter gesunden und krankhaften 
Verhältnissen definiert, nur ganz wenig oder gar nioht methodisch be¬ 
handelt worden. Das lag wor allem daran, dass bisher eine prognosti¬ 
sche Methodik vollkommen fehlte. Da die Statistik nur eine methodische 
Stütze ist, die individuell nicht verwertbar, machte sich Verf. daran, 
selbst eine Methodik zu schaffen. Ausgehend von dem Gesichtspunkt, 
dass der Arzt es mit Vertretern einer Populationsgruppe zu tun hat, 
wird versuoht, gewissermaassen alle Vertreter einer Populationsgruppe 
generell zu beurteilen, was zunächst nach der Wuchsform (dem Habitus) 
esohieht, wobei nioht nur die in die Norm fallenden, sondern auch die 
avon abweichenden Personen Berücksichtigung finden. Jedes Indivi¬ 
duum wird in Bezug auf andere gruppiert, und auf Grund dieser Grup¬ 
pierung wird der Versuch durchgefübrt, das Individuum nach seiner 
Organisation zu beurteilen. Es wird nur auf solche Organisationsunter- 
sohiede eingegangen, die konstitutionelle Gesichtspunkte der Beurteilung 
gestatten. So sind 2 Abschnitte des Buches bereits gegeben: 1. Habitus 
und Organisation. 2. Konstitution. Der 3. Abschnitt ist der Person 
gewidmet, indem aus dem Studium von Habitus, Organisation und Kon¬ 
stitution die Möglichkeit zur einheitlichen Beurteilung der Person naoh 
ihrer Personalität gegeben ist. Es wird geprüft, wie sich die Person 
krankhaften Einflüssen gegenüber resistent verhält, und zwar, ob sie 
vordem gesund oder am Ende bereits geschädigt war. Der Zweck des 
Buches soll vorwiegend ein praktischer sein. Die allgemeine metho¬ 
dische Prognostik ist wichtig: 1. bei Lebensversicherungen für die Be¬ 
urteilung gesunder, aber auch vorwiegend nioht ganz gesunder Indivi¬ 
duen, 2. zur Hebung der Ertüchtigung der Nachkommenschaft, 3. als 
Schulung des Arztes in der Beurteilung eines Individuums nach seiner 
Konstitution. Das Buoh gibt von der grossen Belesenheit und dem 
enormen Fleiss des Verf. rühmliohes Zeugnis. Nobiling. 


Die allgeaeiae ud spezielle Pathologie der Persoz. Kliaisehe 
8yzygiologie. Naoh gehaltenen Vorlesungen von Prof. Fr. Kraus- 
Berlin. Allgemeiner Teil. Leipzig 1919. Verlag von Georg Thieme. 
Preis 20 M. 

Ein eigentliches Referat des vorliegenden Werkes ist wegen der Art 
seines Inhaltes nioht möglioh. Man kann nur im allgemeinen angeben, 
was der Verf. beabsichtigt, und worauf er hinaus will. 

Sysygiologie bedeutet Zusammenhangslehre, ein Ausdruok, den 
Hesse für die Beziehungen zwisohen Form und Funktion der Organe, 
für die Korrelation im Körper, die funktionelle Anpassung usw. erfunden 
hat. K. verlässt mit dieser Arbeit den gewohnheitsgemässen und, wie 
man anerkennen muss, allmählich einseitig gewordenen Standpunkt der 
Betrachtung der einzelnen Organe für sich und stellt die Gesamtheit 
der Organe als Person in den Vordergrund. Aber er beschränkt sich 
nioht allein darauf, die Gemeinsamkeit der Organe zu betrachten, 
sondern er sieht auch deren Funktion mit hinein und betont ganz be¬ 
sonders, dass man nioht allein die rein animalischen körperlichen Eigen¬ 
schaften der Person zur Grundlage der allgemeinen Pathologie machen 
soll, sondern auoh ganz besonders die psychischen Erscheinungen als 
gleichwertige Teile der Ersoheinung hinzuziehen muss. Der grösste Teil 
des Buches ist der Definition der Person gewidmet, und es ist hier alles 
hinein gesogen, was überhaupt irgendwie denkbar ist, von den Be¬ 
ziehungen der Teile untereinander, sowie der Person mit ihrer Um¬ 
gebung. Dabei entwickelt der Verfasser eine ungeheure Kenntnis der 
Literatur, nicht bloss deijenigen, die sich auf die menschliche Physio¬ 
logie und Pathologie bezieht, sondern auoh aller sonstigen Disziplinen, 
die nur irgendwie zu seinem Thema Beziehung gewinnen könnten. Dass 
dies von der Chemie selbstverständlich ist, brauoht nicht besonders 
hervorgehoben zu werden. Aber auoh die Physik, die Mathematik, die 
vergleichende Anatomie, die Zoologie, auch botanische Betrachtungen 
finden sich in grosser Zahl. Man steht bewundernd vor der ungeheuren 


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7. Juli 1019. 


BfeftLlNBft KLINISCHE WOCflfcNSCttROT. 


089 


Menge von Kenntnissen. Lesen lässt sich das Werk nicht. Man muss 
es durchstudieren, und zwar durften sich wohl wenige finden, die sich 
ohne weiteres in das Verständnis einsuarbeiten verstehen. Denn es 
setzt Vorkenntnisse voraus, die nur wenige besitzen dürften, und für die 
die Erklärungen in dem Buche selber fehlen, so dass man geswungen 
ist, bei der Lektüre andere Nachschlagewerke zu verwenden, oder auch 
gelegentlich zitierte Originalarbeiten durohsusehen, um zu begreifen, 
was der Autor meint. Auoh sonst weist das Werk für die Lektüre be¬ 
deutende Schwierigkeiten auf. Dieselben liegen nicht bloss in der für 
uns vielfach fremdartigen Ausdruoksweise, sondern ganz besonders in 
der ungeheuren Ueberlastung mit Fremdwörtern zum Teil ungewöhn¬ 
licher Art, die auf manohen Seiten bis über 25 pCt. der Worte steigen. 

Da es sioh hier nur um den allgemeinen Teil handelt, so darf man 
gespannt sein, was der in Aussicht gestellte spezielle Teil bringen wird. 

v. Hansemann. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

E. Blum-Zürich: Die Qaersehaittsheziekugen zwischen 8tam 
und Aestea im Arterieasystem. (Pflüg. Aroh., Bd. 175, Ein. 2.) 
Der Grad, in welchem sich die Strombabn mit jeder Verzweigung ver¬ 
breitet, ist für die Widerstandsverhältnisse im Kreislauf von einschnei¬ 
dender Bedeutung. Die vorliegende Untersuchung arbeitet mit einer 
neuen Methodik, die von der Voraussetzung ausgeht, dass das Arterien¬ 
wandungsmaterial durchschnittlich auf gleiche Belastung eingestellt ist, 
und die in der genauen Auswägung von Arterienaussohnitten 
besteht. Das Resultat wird in Beziehung gesetzt zu Berechnungen, 
welohe bereits W. K. Hess (unter dem die Arbeit gemacht ist) über 
den Einfluss des Quersohnittsquotienten auf den Widerstand eines Ver¬ 
teilungssystems angestellt hat. Es kann festgestellt werden, dass im 
Arteriensystem in bezug auf die Progression, in weloher sioh die Strom¬ 
bahn mit zunehmender Aufzweigung verbreitert, Verhältnisse obwalten, 
bei welchen der Widerstand des Systems einem absoluten 
Minimum äusserst nahe ist. 

0. Meyerhof-Kiel: Zur VerbreiBBBg der Milehslare in der Er- 
helaflgsperiode des Mukels. (Pflüg. Arch., Bd. 175, H. 1 u. 2.) M. 
stellt duroh einige Versuohe fest, dass während der Erholungspause das 
Verhältnis der gebildeten C0 2 zum verbrauchten 0 2 genau gleich 1 
ist, also nicht allein bo viel 0 2 aufgenommen, sondern auch so viel 
C0 2 entstanden ist, als die Verbrennung der verschwundenen Miloh- 
säuremenge erfordert. Dies ist eine weitere Stütze dafür, dass in 
der Tat die Milchsäure in der Erholungszeit restlos 
verbrennt, woraus mit Wahrscheinlichkeit folgt, dass gleichzeitig 
eine „physikalische" Restitutionsarbeit mit starker Bindung von 
Wärme geleistet wird, deren Natur völlig unbekannt ist. 

T. Neugarten-Frankfurt a. M.: Der Einfluss der H-ItB6BkOB£6B- 
traticB und der Phosphorsftnre auf Erregbarkeit und Leistangsflhig- 
keit der Maskela. (Pflüg. Arch., Bd. 175, E. 1 u. 2.) Ein Muskel 
gerät in Kontraktur duroh Verweilen in Lösungen von bestimmter 
H-Ionenkonzenträtion und verliert seine Erregbarkeit: die vorliegende 
Untersuchung stellt systematisch (am Frosch) den Einfluss noch nicht 
kontrakturierender Lösungen auf Dauer der Erregbarkeit und 
Grösse der Leistungsfähigkeit lest. Diese Prozesse gehen einander nioht 
parallel. Wesentliche Resultate sind folgende: Alkalische Reaktion setzt 
bei seltenen Prüfungsreihen die Erregbarkeit schneller herab als saure, 
bei Dauerreizung kehrt sioh dieses Verhältnis um, indem die Dauer 
der Leistungsfähigkeit in alkalischen Lösungen ungefähr gleioh gross, in 
sauren sehr viel geringer als in reiner Ringerlösung ist. Ringer- 
glykokollgemische wirken auf die Grösse der Leistung ungefähr 
gleich wie reine Ringer-Lösung; Ringer-Phosphatgemisohe wirken 
dagegen bei saurer Reaktion herabsetzend, letzteres ein Hinweis darauf, 
dass zu der Wirkung der H- Ionen eine spezielle Phosphatwirkung dazu¬ 
kommt, was vielleicht für die Wichtigkeit der Phosphorsäure für den 
Stoffweohsel des Muskels (Embden) spricht. Der Skelettmuskel erweist 
•ich viel weniger empfindlich als das Herz. 

0. Meyerhof-Kiel: Ueber die Atfluug der FroschMaskalatar. 
(Pflüg. Arch., Bd. 175, H. 1 u. 2.) ln der Muskelatmung stecken 
2 Probleme: 1. der (allen Zellarten gemeinsame) Atemmeohanismus, 
2. die Umwandlung der Oxydationsenergie in mechanische Arbeit, die 
nur dem Muskel sukommt. Die vorliegende Arbeit studiert die „Atem¬ 
erregung" durch eine Art „Koferment" (von M. früher als „Atmungs¬ 
körper" bezeichnet) und versuoht eine Grundlage zu schaffen zu einem 
genauen Studium von 0 2 -Verbrauch, Milchsäure- und Wärmebildung. 
Es kann hier nur das Wesentliche der umfassenden Untersuchung (66 S.), 
die im Original studiert werden muss, wiedergegeben werden. Nach 
Festlegung der absoluten Atemgrösse des intakten Muskels ergibt die 
Untersuchung der „zerschnittenen Muskulatur" ein enormes An¬ 
steigen des Gasweehsels, dessen nähere Bedingungen duroh spe¬ 
zielle Versuche theoretisch ergründet werden. Eine entsprechende Vor¬ 
nahme von Lebersellen ergibt nioht regelmässig, und eine nur kurz 
bestehende geringe Atmungssteigerung. Die Muskulatur wird duroh 
erschöpfende Wasserextraktion atmungsunwirksam, kann jedooh duroh 
„Muskelkochsaft" wieder bis zu 50pCt. aktiviert werden. Der Muskel- 
koehsaft wird durch Konzentration im Vakuum wirksamer, durch Erhitzen un¬ 
wirksam. Der „Atmungskörper" wird duroh Alkohol gefällt, ist nioht 


extrahierbar duroh Aether. Aehnlioh verhält sich der „Atmungskörper" 
der Leberselle. Die Oxydation dureh die Muskulatur erstreckt sich auoh 
auf organische Säuren und geht teilweise bis zur C0 2 . Die merkwürdige 
Erscheinung, dass auch „Hefekochsaft" eine Atmungserregung der ge¬ 
waschenen Muskulatur hervorruft, ist auf Oxydation von Bernsteinsäure 
(infolge Autolyse der Hefe) zurückzuführen. Auoh völlig abgebautes 
Fleisch (Erepton-Abderhalden) wirkt atmungserregend. Das gleiche 
Resultat wird für Milohsäure, Glyoxalsäure, organische Phosphorsäure 
gefunden, wobei C0 2 zu etwa Vs des 0 2 -Verbrauches entsteht. M. stellt 
die Hypothese auf, „dass der Atmungskörper als Koferment sich bei der 
Verkuppelung der organischen Moleküle mit Pbosphorsäure betätigt und 
sie dadurch für die Stoffweohselfermente angreifbar macht". 

G. Wachtel-Breslau: Die Allgfiltigkeit des zweites fi&aptfaizes 

der TkenBfdyBBBuk. (Pflüg. Arch., Bd. 175, H. 1 u. 2.) Einige kurze 
Bemerkungen über die Frage, welche Bedeutung den Nernst’schen 
Wärmetheorien für die Behandlung physiologischer Vorgänge zukommt, 
indem es duroh eine Art von „Ueberschlagsrechnung" die Prüfung er¬ 
möglicht, ob die Annahme gewisser chemischer Reaktionen im Organis¬ 
mus vom energetischen Standpunkt aus als möglioh oder wahrscheinlich 
anzusehen ist. Hasebroek. 

A. Loewy: Statistische ErhebaBgea Aber die Kriegskest im 
dritten Kriegsjahr. (Zsohr. f. physikal. diät. Therapie, März 1919.) L. 
lässt früheren statistischen Erhebungen über die Kriegtkost im Jahre 
1916 ebensolohe aus dem dritten Kriegsjahre folgen. Es handelt sioh 
dabei lediglich um statistisches Material, die Zuträglicbkeitsfrage soll 
einem späteren Artikel des Verf. Vorbehalten bleiben. E. Tobias. 

H. E. Hering-Köln: Die Bedeutung der Begriffe, Ursache, Be- 
diigug und FaiktiOB für den Mediziner. (M.m.W., 1919, Nr. 19.) 
Studie aus dem Gebiete der Logik. Kurze Inhaltsangabe kaum möglioh. 
Der konditionale Standpunkt hat für den Mediziner die gleiche Berechti¬ 
gung wie der kausale und der funktionale. Der Mediziner hat das 
Recht, sich je nach Bedürfnis auf einen der 8 Standpunkte zu stellen. 
Er muss sich nur hüten, den Standpunkt zu weohseln. Geppert. 

Pharmakologie. 

J. Mo rgenroth-Berlin: Ueber eheHetherapeatische Antisepsis. 
(D.ra.W., 1919, Nr. 1, 1. Mitteilung.) Zur experimentellen Begründung 
der Vuzintiefenantisepsis. Die bedeutsame Arbeit muss von jedem, der 
die Morgenroth’sohen Untersuchungen verfolgt, im Original studiert 
werden. M. löst einwandfrei die Frage, wieso das Vuzin tiefen antisep- 
tisohe Eigenschaften im Gegensätze zum Optochin besitzt, welches sioh 
mehr für allgemeine innere Desinfektion eignet. Die Tierversuche zeigen, 
dass das Vuzin bei subkutaner und intramuskulärer Injektion vom Orte 
der Injektionsstelle aus resorbiert wird. Es tritt mit den Gewebszellen 
in Reaktion und wird in mehr oder minder starkem Maasse auf und in 
ihnen gebunden. Dazu kommt noch eine Reaktion mit dem Eiweiss der 
Gewebsflüssigkeit. So erklärt es sich, dass man verhältnismässig grosse 
Dosen subkutan und intramuskulär — aber nicht intravenös — spritzen 
kann. Diese für die antiseptisohe Therapie äusserst wichtige Tatsache 
kann man in Reagensglasversuchen nioht feststellen. Parallelversuohe 
von Vuzin und Optochin am Tier zeigen deutlich das gegensätzliche 
Verhalten der beiden Substanzen hinsichtlich ihrer „Organotropie" am 
Orte der Iojektion. _ Dünner. 


Therapie. 

H. Zuntz-Hamburg: Wiederbelebung duroh intrakardiale Iijektioa. 
(M.m.W., 1919, Nr. 21.) Duroh intrakardiale Injektion von 1 oem 
Adrenalin gelang es, eine Frau, bei der es infolge Narkoseshooks zu 
schon 4—5 Minuten dauerndem völligen Herzstillstand mit maximaler 
Pupillenerweiterung gekommen war, wieder ins Leben zurüokzurufen und 
dauernd am Leben zu erhalten. Einstiohstelle: 4. lnterkostalraum, 
8 Querfinger links vom linken Sternalrand. Ob die Spritze in den Ven- 
trikelhohlraum oder in die Muskulatur des rechten Ventrikels gelangt 
war, blieb unbekannt. 

W. Hesse-Halle: Zur intrakardiales IsjektifB. (M.m.W., 1919, 
Nr. 21.) Als intrakardiales Exzitana wird V 2 mg Strophantin, in 15 bis 
20 00 m pbysiologisoher Kochsalzlösung gelöst, verwendet. Nur die In¬ 
jektion direkt in das Lumen des linken Ventrikels ist berechtigt. Die 
Einstiohstelle dafür liegt im 4.-5. lnterkostalraum an der linken 
relativen Herzgrenze oder 1 Querfinger innerhalb davon. Die Indikation 
dazu bildet die völlig fehlende Blutzirkulation mit unfühlbarem Pulse 
und fehlenden Herztönen. Die intrakardiale Injektion hat nur Aussicht 
auf Erfolg bei akutem Versagen eines vorher völlig gesunden Herzens 
infolge Narkose, Shock oder Vergiftung oder bei chronischer, bisher noch 
nioht behandelter Herzmuskelsohwäche. R. Neu mann. 

Christopherson-Khartum: AitiMOibehaidlaag der Bilharsia- 
krankheit und Tachykardie. (Brit. med. journ., Nr. 8042.) Die ver¬ 
schiedentlich beobachtete Tachykardie bei Bilharziakranken, die mit 
Breohweinsteineinspritsongen behandelt worden waren, bat nicht ihren 
Grund in der Antimonbebandlung, sondern in äusseren Zufälligkeiten, 
so u. a. in den in Aegypten ausserordentlioh verbreiteten Wurmerkran¬ 
kungen. Schreiber. 

R. Klingor-Zürich: Neue Vorschläge zur Prophylaxe des Badeni¬ 
sche! Krepfes. (Sohweis. Korr.-Bl., 1919, Nr. 17.) Verf. empfiehlt 
naoh den günstigen Erfahrungen der Kropfpropbylaxe in Amerika, jäbr- 


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BKRUNEft KLINISCHE WOCÜENSCMRlET. 


Nr. 21. 


lieh zweimal för 10 Tage den Sohulkindern täglioh 0,2 g Jodnatrium zu 
geben. Die Gefahr einer Intoxikation besteht nach Ansicht des Verf. 
nioht. Die Ausbildung stärkerer Drüsenwuohernngen wird dadurch ver¬ 
hindert. 

K. Frankenthal: Ueber die Behandlung der Taberkilase, ins¬ 
besondere der Lymphome mit Kryselgai. (Ther. d. Gegenw., Mai 1919.) 
Verf. berichtet über Versuohe aus dem Krebsforschungsinstitut der 
Charite. Das Präparat ist das Natriumsalz einer komplexen Aurophenol- 
säure und enthält 50pCt. Gold. Es wurden 20 Fälle von Lymphomen 
mit Krysolganinjektionen behandelt, ebenso 15 Fälle von Tuberkulose. 
Im allgemeinen wurde das Präparat gut vertragen, geringe Neben¬ 
erseheinungen. Günstige Wirkung auf das Allgemeinbefinden. Das 
Krysolgan scheint neben der katalytischen und herderweiohenden auch 
eine bakterizide Wirkung zu entfalten. Verf. empfiehlt, die Krysolgan- 
tberapie mit der Jodmedikation zu verbinden. Bei der Kombination mit 
Queoksilber ist Vorsicht geboten. 

G. Klemperer und L. Dünner: Behandlung der Erkrankungen 
der AteBOrgaae. (Fortsetzung.) (Ther. d. Gegen**.. Mai 1919.) Repeti¬ 
torium der Therapie. R. Fabian. 

E. D usoh ak: Zur konservativen Behandlung der Epilepsie. (W.m.W., 
1919, Nr. 18.) Mit 15—20 oem einer 5proz. Lösung von Magnesium 
sulfuricum, subkutan injiziert, wurden Epileptiker erfolgreich behandelt. 
Die Injektionen werden täglich wochen- und monatelang fortgesetzt. 

G. Eisner-Berlin. 

F. Schilling-Lerpsig: Oxyuriasis, (Ther. d. Gegenw., Mai 1919.) 
Die Hauptsaohe bei der Behandlung liegt in der fortgesetzten Säuberung 
des Dünn- und Dickdarms, bis die Schleimhaut, besonders das Zökum, 
frei von Eiern und Würmern ist. Häufige Waschungen des Afters. 
Meistens führt folgende Fünftagekur zum Ziel: 1. Tag: früh und nach¬ 
mittags abführen (Galomel Jalape ana 0,25); 2. Tag: früh nach dem 
Kaffee 2—3 Pulver Santonin oder Naphthalin a 0,1 in zweistündigen 
Pausen, naohmittags Einlauf oder Rizinusöl; 3. Tag ebenso; 4. und 
5. Tag: früh und nachmittags Darmspülung, zum Schluss ein Vollbad. 
Diät: breiige Kost. Pause und Wiederholung bei Misserfolg in 1—2 Wochen. 

R. Fabian. 

W. Löwenfeld und E. Pulay-Wien: Zur Frage der spezifischen 
and an8pezifischen Trichophytie. (W.kl.W., 1919, Nr. 19.) Triebon 
ist diagnostisch verwertbar, da sowohl tiefe als oberflächliche Formen, 
jene meist stärker als diese, auf die Iojektion positiv reagieren. Einer 
diagnostischen Verwertung von Neutuberkuiin, Alttuberkulin oder 
albumosefreiem Tuberkulin kann nicht das Wort geredet werden, da 
sich einerseits in den Quantitäten des einverleibten Stoffes bis zur 
positiven Reaktion zu weitgehende Differenzen zeigen, andererseits doch 
die Möglichkeit einer bestehenden Tuberkulose nioht mit Sicherheit ganz 
auszusohliessen ist. Bei therapeutischer Anwendung des albumose- 
freien Tuberkulins war in keinem Fall gänzliche Abheilung zu beob¬ 
achten. Auch mit Neutuberkulin erzielt man keine vollkommene 
Ausheilung. Versuche mit Alttuberkulin ergaben ebenfalls nur mehr 
oder minder weitgehende Besserung. In fünf mit intramuskulären 
Terpentininjektionen behandelten Fällen war viermal deutliche 
Besserung, bei einer oberflächlichen Trichophytie keine Aenderung fest¬ 
zustellen. Glaserfeld. 

F. Levy: Kr&txebehaadlaag Bit PetroleaM. (La Presse m£d., 
April 1919, Nr. 22, S. 206.) Einreibung mit Petroleum; 20 Minuten 
darauf Auflegen von Zinkpasta. Wäschewechsel. Dieser Vorgang wird 
2—5 Tage wiederholt. Rezidive sind Ausnahmen. 

K r a k a u e r - Breslau. 

Low London: Aatimeabehaidlisg der aBerikaaiseken HaatLeisb- 

BABiasIs. (Brit. med. journ., Nr. 3042.) Bericht über einen seit 8 Jahren 
bestehenden, jeder Behandlung trotzenden Fall dieses Leidens, der durch 
Adereinspritzungen von Antimon, tartarat. in wenigen Monaten aus¬ 
geheilt wurde» Sohreibe r. 

L. Zimmermann-Darmstadt: Ueber die Bebaadlaig der Typhus- 
basilleatriger Bit Cystiial naoh Stüber. (M.m.W., 1919, Nr. 21.) 
Cystinal (= Gystinquecksilberchlorid) hat in allen Fällen — es wurden 
15 Typhus- und Paratyphusbasillen träger damit behandelt — völlig 
versagt. In allen Fällen traten ausserdem leichtere toxische Hg-Erschei- 
nungen (Stomatitis, Durchfälle, Leibschmerzen, Nierenreizung) auf. 

R. Neumann. 

M. Türk-Dortmund: Säagliagsernährug Bit BattermchlschBclsc. 
(D.m.W., 1919, Nr. 19.) Die Buttermehlschmelze naoh Czerny-Klein- 
Schmidt kann allein bei Frühgeborenen und untergewichtigen Neu¬ 
geborenen im ersten Lebensmonat die Muttermilch nioht vollkommen 
ersetzen, sie ergibt aber in Verbindung mit Muttermilch sehr günstige 
Resultate. Bei jungen Säuglingen kann man auch mit verdünnter 
Buttermehlschmelze ein Gedeihen erzielen. Kriegsmehl kann nioht ver¬ 
wendet werden. Kräftige Neugeborene und Säuglinge jenseits des ersten 
Lebensmonats machen bei Buttermehlsohmelze gute Fortschritte. 

Kirstein-Marburg: Die Milehprobe an der Plazenta. (D.m.W., 
1919, Nr. 20.) Die Probe wird derart angestellt, dass man 100 ccm 
Miloh in die Nabelvene spritzt. Spritzt diese nun an irgendeiner Stelle 
der Plazenta Kotyledonen heraus, so beweist das einen Plazentardefekt, 
d. h. es ist im Uterus noch ein Rest, der entfernt werden muss. Ein¬ 
gehende Nachprüfungen haben nun gezeigt, dass die Probe nioht zu¬ 
verlässig ist. 


K. W. Eunicke-Elberfeld: Zur Bewertung der Rfiatgeatiefea- 
therapie. (D.m.W., 1919, Nr. 19.) Nicht alle Fälle der gleichen Er¬ 
krankung reagieren gleich gut auf Röntgenstrahlen. E. sah u. a. Günstiges 
bei Nachbestrahlung von Mammakarzinom, ferner bei ulzeröser Kolitis 
und Drusen tuberkulöse. Dünner. 

v. Dalmady: Simultane Bestrahlung Bit Tieflaadseane and 
Qiarzlaape. (Zsohr. f. physik. diät. Ther., April 1919.) Verf. bedient 
sich folgenden Vorgehens: Die Quarzlampe wird mit Blaufilter im freien 
Sonnenbad aufgestellt, der Patient gleichzeitig beiden Strahlungen aus¬ 
gesetzt Daduroh wird der fehlende oder schwache ultraviolette Teil 
des Spektrums der Tieflandsonne ergänzt. Die Erfolge sind befriedigend. 

E. Tobias. 

G. Liljestrand-Stockholm und R. Magnus-Utrecht: Warum wird 
die lskale Maskelstarre heia Waadstarrkraapf durch Novokain auf¬ 
gehoben? (M.m.W., 1919, Nr. 21.) Io den starren Muskeln selbst ent¬ 
stehen bei Tetanus „propriozeptive, sensible Erregungen*, die die lokale 
Moskelstarre reflektorisch auslösen und unterhalten. Novokain löst die 
Starre, ohne die aktive Beweglichkeit des Muskels und seine indirekte 
Erregbarkeit vom Nerven aus aufzuheben, weil es die propriozeptiven, 
sensiblen Nervenenden im Muskel lähmt ohne Beeinträchtigung der 
motorischen Innervation und dadurch den Reflex aufhebt. 

R. Neumann. 

P. Korb Liegnits: Egeetagen gegen Flatulenz und andere Gärungs- 
erscheinnngen im Darm. (D.m.W., 1919, Nr. 19.) Dreimal täglich 2 
bis 3 Tabletten. Die Tablette besteht aus Kalsiumkarbonat, Bolus alba, 
präpariertem Pflanzensohleim und Phenolphthalein. 

R. Salomon-Frankfurt a. M.: Malafehria, ein wirksames Mittel 
gegen die Grippe. (D.m.W., 1919, Nr. 20.) Das Malafebrin besteht aus 
Pitayin sulfuricum, Pyrazolon phenyldimethylicum cum Thein, Galoium 
phosphoricum, Magnesia usta. Jede Komponente hat ihren besonderen 
Zweck. Naoh den Mitteilungen von S. vermag das Mittel ausserordent¬ 
liches. Unter 1000 Fällen nur 0,6 pCt. Mortalität. Auoh soll es nach 
S. ein glänzendes Prephylaktikum sein. Dosierung vier- bis fünfmal 
eine Tablette an den beiden ersten Tagen, dann dreimal eine Tablette. 
(Sohade, dass wir Malafebrin nicht schon im Juli 1918 hatten. Ref.) 

W. Knopf und 0. Sinn-Bonn: Silbersalvarsaa nebst Bemerkungen 
über konzentrierte Altsalvarsaneinspritzungen. (D.m.W., 1919, Nr. 19.) 
Lösung des Silbersalvarsans in 15—20 com Wasser, langsam injizieren, 
Dosis: 1. Tag 0,1; 3. und 5. Tag je 0,2; dann jeden 4. Tag bei Männern 
0,3, bei Frauen 0,2. Insgesamt 2,5—3,0. Der Umschlag der Wasser- 
mann’sohen Reaktion bei reiner Silbersalvarsantherapie wurde ver¬ 
hältnismässig nioht oft gefunden; die klinischen Erscheinungen bildeten 
sich prompt zurück. Ob das Silbersalvarsan die kombinierte Salvarsan- 
Queoksilbertherapie überflüssig macht, bleibt abzuwarten. Versuche mit 
konzentrierten Altsalvarsanlösungen mussten wegen Nebenerscheinungen 
wieder aufgegeben werden. Dünner. 

G. Klemperer-Berlin: Verstärkung der therapeutischen Kalk- 
Wirkung durch Magnesia. (Ther. d. Gegenw., Mai 1919.) Günstige 
Erfahrungen mit Gamagol (Schering). Das Präparat kommt in 
Tabletten in den Handel, enthält 0,1 g Galc. laotic. und 0,01 Magnesia. 
Dosis 1—2 stündlich 1 Tablette. Mit Erfolg wurde das Präparat an¬ 
gewandt bei allen Ernährungsstörungen der Kinder, insbesondere bei 
exsudativer Diathese und bei Raohitis, bei Bronchialasthma, Supraorbital¬ 
neuralgie, bei Hämoptoe, bei einem Fall von Morbus maculosus, bei 
nervösen Diarrhoen und bei 5 Fällen von Morbus Basedow. 

A. Waetzoldt-Berlin: Ueber Maltaaia (Aluminium subtannieum). 
(Ther. d. Gegenw., Mai 1919.) . Günstige Erfahrungen. Das Multanin ist 
den Tanninpräparaten gleichwertig, bei den Influenzafällen überlegen. 
Dosis 3—10 g pro die in Tabletten ä 0,5. 

W. Mittenzwey-Obersohlema: Therapeutisches aus dem RadiUB- 
kad ObersekleBa ha Erzgebirge. (Ther. d. Gegenw., Mai 1919.) 

R. Fabian. 

W. Brieger: Zur Gesohichte der physikalischen HeilBethedea. 
Materialien aus chemischen Quellenschriften. (Zsohr. f. physik. diät. 
Ther., März 1919.) 

Determann: Die Bedeutung der Kriegsenihrang für Stoffwechsel 
und Gesundheit. (Zsohr. f. physik. diät. Ther., Jan.—April 1919.) Die 
Kriegsnahrung hat einen viel zu geringen Gesamtbrennwert; sie ist ei- 
weissarm, fettarm, arm an anregenden Stoffen, gering an Auswahl, vor¬ 
wiegend vegetabilisch und daher zellulosereich. Das Schwerwiegendste 
ist die Kalorienarmut. Ihr gegenüber tritt die Eiweissarmut an Be¬ 
deutung zurück. Das Kriegsbrot bietet wegen der hochprozentigen Aus¬ 
mahlung des Korns, des Zusatzes von Streckungsmitteln und der 
schlechteren Zubereitung erhebliche Nachteile. Die Kartoffel ist eine 
ausgezeichnete und biologisch zweckmässig zusammengesetzte Grundlage 
der Volksnahrung. Soviel wie möglich sind Leguminosen und Körner¬ 
präparate, Tierblut, Knochenmehl zu verwenden. Nährhefe und Materna 
sind brauchbare Zusatzpräparate, Gemüse und Obst erwünschte Beikost, 
Pilze in geeigneter Zubereitung hochwertig. Ersatzmittel sind u. a. zu 
verwerfen. Die Krankenernährung ist sehr erschwert. Die wichtigste 
Folge kommt vom zu geringen Gesamtbrennwert. Abmagerung, Schwäche, 
verminderte Widerstandsfähigkeit haben die Mortalität sehr gesteigert. 
Häufiger geworden sind Hernien, Ileus, Senkungen der Eingeweide. Viele 
Frauen leiden an Amenorrhoe. Die Geburtenzahl hat gewaltig ab- 
gtnommen. Das gewaltige Anschwellen der Sterblichkeit an Tuberkulose 
ist grösstenteils der Kalorien- und Eiweissarmut der Nahrung zu- 


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7. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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zuaohr eiben. Zum Sohluss nennt D. die Mittel zur möglichsten Sicherung 
der Gesamtnahrungsmenge: Verständige Einschränkung der Sohweine- 
und sonstigen Tierzucht, Steigerung des Bodenertrages durch restloses 
Erfassen der Oedländereien, Kleinbesiedelung des Landes, rationelle 
Düngung, richtiges Saatgut, weitgehende maschinell* Bearbeitung des 
Bodens, passende Preise der Produkte usw. E. Tobias. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

Harpuder: Arteriosklerose, Sckrupfiiere iid Blatdnek. 

(D. Aroh. f. klin. M., 1919, Bd. 129, H. 1 u. 2.) Die Arbeit stammt 
aus der 1. medizinsehen Klinik in Mönchen. An der Hand von 1165 
Fallen wurde folgendes über die Beziehungen swisohen Blutdruck, 
Arteriosklerose und Sohrumpfniere festgestellt: Die Arteriosklerose allein 
verursacht dauernde Hypertonie nioht, auch nicht, wenn sie die kleinen 
Arterien von Niere und Herz ergreift. Erst die Schädigung, welche die 
Niere durch Sklerose ihrer kleinen Gefässe erfährt, fuhrt zur Druck¬ 
steigerung. Der Eintritt derselben ist unabhängig von dsr Schwere, 
mit der gleichzeitig die Funktion der Harnbereitung gestört ist, und ist 
unabhängig von der Ausdehnung der anatomischen Läsion. Bei jedem 
Kranken mit dauernder Hypertonie, d. h. über 160 mml Hg erhöhtem 
Mitteldruok ist man berechtigt, eine Nierensobädigung anzunehmen. 

Zinn. 

K. Walz: Pleuritis adhaesiva ebliteraas ui Iaflieisapaeamoiie. 

(M.m.W., 1919, Nr. 19.) Von 56 Sektionsfällen von Influenza fanden 
sioh 86mal Pleuraadhäsionen, davon 34 pCt. totale Synechien. Bei 
militärischen Sektionen fand sioh nooh ein grösserer Prozentsatz von 
Pleuraadhäsionen. Die meist auf alter Tuberkulose beruhenden Pleura¬ 
verwachsungen begünstigen die Ausbreitung der Bronchopneumonien. 
Verf. steht deshalb auf dem Standpunkt, dass gerade Tuberkulöse für 
sohwere Grippe besonders disponiert sind, was von anderer Seite be¬ 
kanntlich vielfach bestritten wurde. Geppert. 

Cursohmann: Ueber den atoio- ud pliriglaadaliren Syiiptoaea- 
koaplex der niohtpuerperalen Osteomalazie. (D. Aroh. f. klin. M., 1919, 
Bd. 129, H. 1 u. 2.) Gur sch mann beschreibt eine Reihe Fälle nicht 
puerperaler Osteomalazien. Hinsiobtlich der Pathogenese kommt er zu 
folgenden Schlüssen: Die relative Häufigkeit der Osteomalaoia senilis, 
tarda et amenorrhoioa widerlegt zwingend die einseitige Theorie von 
der Hyperfunktion der Ovarien als überwiegender oder alleiniger Ursache 
der Osteomalazie. Ziemlioh häufige Kombination der Osteomalazie mit 
Basedow könnte zur Annahme eines Hyperthyreoidismus als Hauptsache 
der postklimakterischen oder amenorrhoisohen Osteomalazie verführen, 
wenn nioht auf der anderen Seite Fälle vorkämen, bei denen Myxödem, 
also Hypofunktion der Schilddrüse besteht. Eine Hypofunktion des 
Adrenalsystems und damit ein Ueberwiegen der vagotonisierenden 
Wirkung des Ovars war zum mindesten in allen hyperthyreoiden Fällen 
nioht zu finden. Im Gegenteil zeigten fast alle eine grössere Reihe 
sympathikotonischer Stigmata. Die Bossi’sohe Theorie ist deshalb für 
die senile und Spätosteomalazie zu verwerfen. Die Epithelkörperchen 
sind sicher häufig funktionsgestört. — Eine einseitig ein innersekre¬ 
torisches Organ bevorzugende Pathogenese der niohtpuerperalen Osteo¬ 
malazie ist also durchaus unzulässig; die Osteomalazie ist vielmehr eine 
pluriglanduläre Erkrankung mit verschiedenartigen Kombinationsformen, 
bei der ebenso Hyperfunktion als Hyperfunktion derselben Organe (Ovar, 
Schilddrüse, ohromaffines System, Epithelkörperchen) gefunden werden. 
Zum Schluss teilt Verf. einen Fall von multipler Neurofibromatose 
Reoklingshausen’s mit. Zinn. 

S. Gatsoher: Ueber die Beziehung des Statt« thyaieas lynphaticas 
(hypoplastious) zur Pathogenese von optischen intrakraniellen Prozessen. 
(W.m.W., 1919, H. 17.) Beim Status lymphaticns findet man Brachy- 
zephalie und Hirnhypertropbie. Diese ist durch eine abnorme Weite der 
Lymphraume verursacht. Daduroh ist die Disposition für Infektionen 
erhöht. G. Eisner - Berlin. 

E. jennioke - Eisenaoh Seltene pathologisch-aaateaiseheBefilde. 
(D.m.W., 1919, Nr. 19.) 8 Fälle von Pulmonalsklerose. 

G. Strassraann - Berlin: Bemerkenswerter Befund bei einem 

18jährigen Selbstmörder. (D.m.W., 1919, Nr. 20.) Hochgradige Ver¬ 
änderung der linken Niere, die nur nooh aus einer Anzahl mit käsigen 
Massen gefüllter Höhlen bestand. Schrumpfung und Entzündung der 
Harnblase, Verkäsung des linken Nebenhodens. Erweiterung des rechten 
Harnleiters und Nierenbeckens nebst Veränderungen der reohten Niere. 
Linker Nebenbode, Blase und linke Niere sind tuberkulös. Die rechte 
Niere ist durch Harnstauung erkrankt. Dünner. 

H. Straub und K. Meier: Blutgasaaalysoa. VI Mitteilung (von 
K. Meier). (D. Aroh. f. klin. M., 1919, Bd. 129, H. 1 u. 2.) Die Arbeit 
der Verf. behandelt die Bestimmung der Blutreaktion aus der Kohlen¬ 
säurebindungskurve. Es wird die Teobnik der angewandten Unter- 
suchungsmethode angegeben und über die Ergebnisse der Beobachtungen 
bei normalen Personen und bei einigen Kranken berichtet. Zum Sohluss 
wird über die Veränderungen der Biodungskurve ausserhalb des Körpers 
gesprochen. 

Bauer und Spiegel: Ueber das Bilirabii ia Bitte und seine 
pbarmakologisohe Beeinfiussbarkeit. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 129, 
H. 1 u. 2.) Die Verf. kommen nach eingehenden Versuchen zu fol¬ 
gendem Resultat: Der Bilirubingebalt des Blutes ist normalerweise 
individuell verschieden, für ein und dasselbe Individuum aber ausser- 


ordentlioh konstant. Der Bilirubingehalt des Blutes wird vorübergehend 
herabgesetzt durch Adrenalin, Atropin, Kokain, Extrakte der Hypophyse, 
in geringerem Maasse durch Hodenextrakt, gesteigert duroh Natrium 
salicylioum, Natrium benzoicum, Podophyllin und Agobilin bsw. Bilan. 
Für Pilokarpin, Physostigmin, weiter für Schilddrüsen-, Thymus- und 
Ovarialextrakt konnte keine gesetzmässige, für Morphium und Chloral- 
hydrat gar keine Wirkung festgestellt werden. Die experimentell er¬ 
zeugten Schwankungen des Bilirubinspiegels im Blut gehen parallel den 
Schwankungen der Gallenproduktion durch die Leberzellen. Wahr¬ 
scheinlich kommt die Wirkung des Adrenalins und Kokains auf den 
Bilirubinspiegel duroh Sympathikusreizung, die des Atropins durch 
Vaguslähmung zustande. Das Bilirubin gelangt wahrscheinlich auf die 
Weise in die Blutbahn, dass ein individuell verschiedener Teil des von 
der Leber produzierten Gallenfarbstoffes statt in die Gallenwege in die 
perizellolären Lymphspalten nnd damit in den Kreislauf gelangt. Man 
kann also gewissermaassen von einer physiologischen Paracholie sprechen, 
die der Ausdruck einer Unvollkommenheit des gallesezernierenden 
Apparates zu sein scheint. Je grösser diese Unvollkommenheit, desto 
stärker die Paracholie. Die konstitutionelle physiologische Hyper- 
bilirubinämie ist somit ein chemisch fassbares Merkmal einer konsti¬ 
tutionellen Lebersobwäohe. Hohe Bilirubinwerte im Blute fanden sich 
bei Behinderung des Gallenabfiusses, Herzmuskelschwäche und Stauungs¬ 
leber, traumatischem Hämatothorax, geringe Werte bei diffusen Nieren¬ 
erkrankungen, Tuberkulose, Kachexie duroh Karzinom und Inanition. 

Beoher: Ueber Iadikanreteatioi ia lei Gewebe*. <D. Arch. f. 
klin. M., 1919, Bd. 129. H. 1 u. 2.) Im Gegensatz zum Rest-N ent¬ 
halten die Gewebe normalerweise kein Indikan. Beim nephrektomierten 
Hund und beim im Stadium der Niereninsuffizienz gestorbenen Nephri- 
tiker konnte Indikan in relativ sehr geringen Mengen in den Geweben 
naebgewiesen werden. Während sich hierbei der weitaus grösste Teil 
des abiureten Stickstoffes in den Geweben ablagert, findet sich das 
retinierte Indikan vorwiegend im Blut. Duroh Vergleichen des gesamten 
in Blut und Geweben nach der Nephrektomie angebäuften Indikans mit 
dem unter gleichen Verhältnissen normalerweise im Harn ausgeschiedenen 
konnte keine Mehrbildung von Indikan im Gegensatz zum Rest-N fest¬ 
gestellt werden. Die bei manchen Nierenkranken im Vergleich zum 
Rest-N frühzeitiger erfolgende Erhöhung des Blutindikans bei beginnen¬ 
der Niereninsuffizienz und die relativ stärkere Vermehrung desselben im 
Gegensatz zum Harnstoff und Rest-N kann durch die vorwiegende An¬ 
häufung des Indikans im Blut und die des Rest-N und Harnstoffs in den 
Geweben erklärt werden. 

Becher: Ueber das Verhältnis des Rest-N na Geaaat-N im Blut¬ 
serum und in den Geweben. (D. Aroh. f. klin. M., 1919, Bd. 129, 
H. 1 u. 2.) Der Rest-N eines Gewebes ist bis zu einem gewissen Grade 
vom Gesamt-N und somit auch vom Eiweissgehalt desselben abhängig. 
Die Gewebe mit relativ hohem Rest N-Gehalt zeigen auch die grössten 
Werte für den Gesamt-N und umgekehrt. Das Verhältnis des Rest-N 
zum Gesamt-N ist bei den Geweben ziemlich dasselbe, nur bei Lunge 
und Blutserum ist es etwas geringer. Nach Nephrektomie oder bei an 
Niereninsuffizienz gestorbenen Leichen macht der Rest N einen etwas 
höheren Prozentsatz aus als bei normalen Geweben. Zinn. 


Parasitenkunde und Serologie. 

G. Lookemann - Berlin: Beiträge zur Biologie der Taberkeibaiillea. 

(D.m.W., 1919, Nr. 19, 4. Mitt») Züchtungsversuohe mit Nährlösungen 
verschiedener ohemisoher Zusammensetzung. Grösserer Säuretiter der 
Nährlösung ist günstig für das Wachstum der Tuberkelbazillen, ver¬ 
hindert gleichzeitig das Trübewerden der Lösung. Zusatz von Chloriden 
zur Nährlösung ist ohne Einfluss. Als Stickstoffquelle ist Asparagin am 
geeignetsten. Es lässt sich bei Gegenwart von Zitronensäure durch 
‘Glykokoll und auch duroh Ammonsalz (Chlorid, Sulfat) ersetzen; doch 
ist das Wachstum dabei geringer, am geringsten bei Ammonsalzen. 
Neben dem unentbehrlichen Glyzerin sind nooh andere bydroxylhaltige 
chemische Verbindungen erwünscht. Dünner. 

W. Jost-Barmelweill: Abderhalden’sDialysierverfahreabeiLaagea- 
taberkilose. (Beitr. z. Klin. <L Tbc, Bd. 41, H. 1 u. 2.) Ausser der 
Lungentuberkulose zeigen auch andere progrediente Lungenerkrankungen 
positive Reaktion. Dagegen ist die Abderhaldenprobe negativ bei 
Lungengesunden und stillstehenden oder geheilten Fällen von Lungen¬ 
tuberkulose. Die Reaktion erlaubt auoh eine Unterscheidung zwischen 
aktiver und inaktiver Lungentuberkulose. F. Glaser. 

M. Münster: Untersuchungen und Erfahrungen mit der 8aehs- 
Georgi’sekea Reaktion znr Serodiagiostik der Syphilis. (M.m.W., 
1919, Nr. 19.) Die Sachs Georgi’sohe Reaktion ist bei genauer Aus¬ 
lührung eine vorzügliche Ergänzungsmethode der Wassermann'scben 
Reaktion, als Indikator für das Ergebnis der antiluetischen Therapie 
übertrifft sie sogar die letztere. Beaohtet werden muss allerdings, dass 
bei FiebersuBtänden unspezifische Reaktionen Vorkommen. Geppert. 

H. Lorenz • Hamburg: Goaokokkeiifiehtaag in verdünnter Lift 

(M.m.W., 1919, Nr. 18.) Bei der Prüfung einer grösseren Anzahl Nähr¬ 
böden erwies sioh die Rinderserumplatte mit einem frischen Blutüberzug 
als das günstigste Medium für Gonokokkenzüchtung. Schloss man die 
Kultur in eine Kapsel und verdünnte die Luft bis zu einem Manometer¬ 
stand von 60 om, so erfolgte ein wesentlich üppigeres Wachstum der 
Kolonien. Geppert 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


W. Silberschmidt - Zürich: Kritik unserer Ansebanungen über 
Desinfektion nnd Desinfektionsmittel. (Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 18.) 
Verf. empfiehlt den Hanptwert nioht auf die Schluss-, sondern auf eine 
laufende konsequente Desinfektion zu richten, die einfachen Verfahren 
sind zu bevorzugen. Bei den Infektionskrankheiten ist möglichst baldige 
und strenge Isolierung geboten, strenge Reinlichkeit des Kranken¬ 
zimmers. Von den Desinfektionsmitteln sind die alten bewährten Mittel 
ausreichend. Neue Mittel sind nur dann anzuwenden, wenn sie die 
alten an Wirksamkeit, Bequemlichkeit und Ungiftigkeit wesentlich über¬ 
treffen. R. Fabian. 


Innere Medizin. 

L. Stein: Die Typen des nasalen Kopfschmerzes. (W.m.W., 1919, 
H. 16.) Man unterscheidet 6 Formen: 1. deu durch Nebenhöhlen bzw. 
Sekretstauung bedingten Schmerz, 2. den durch Verlegung des Neben- 
höhlenostiums lediglich durch Resorption der Luft, also negativen Luft¬ 
druck bedingten Sohmerz, 3. den durch Druck auf das Septum aus- 
gelösten, 4. den durch Dehnung der Muschelsohleimhaut und Zerrung 
der Nerven bedingten, 5. den durch Behinderung des Abflusses des 
Lymphstromes aus dem Schädel hervorgerufenen, 6. den reflex-neuro¬ 
tischen Schmers. Kurse Beschreibung der einzelnen Typen und Angabe 
der therapeutischen Maassnahmen. 

K. F. Wenkebaoh: Ueber die Nenrosen des Herzeis. (W.m.W., 

1919, H. 16.) Vortrag. Besprechung der einzelnen Krankheitsbilder. 
Zum kurzen Referat ungeeignet. G. Eisner-Berlin. 

R. Drachter: Die Bedeutung der Interkostalmnskelatrophie bei 
RauMausgleichnng im Thorax und der Begriff der Langei stütz funk tiei. 
(M.m.W., 1919, Nr. 18.) Die respiratorische Funktion der Lunge und 
die der Thoraxwand sind in der Regel voneinander unabhängig. Pneu¬ 
mothorax, Lungensohrumpfung, angeboren oder durch Phrenikotomie her- 
vorgerufen, bedingen keineswegs eine Interkostalmuskelatrophie. Vor¬ 
aussetzung für das Erhaltenbleiben der Muskelfunktion ist, dass sich in 
dem Thoraxraum ein variables Medium befindet. Dagegen kann eine 
Interkostalmuskelatrophie auftreten, wenn das Thoraxmedium inkom- 
pressibel ist in Form eines Exsudates oder einer Plombe. Die normale 
Lunge übt auf die Thoraxwand eine stützende Funktion aus, die aber 
nicht so absolut ist wie die einer Plombe. Geppert. 

A. Ghon und G. Pototsohnig-Prag: Ueber den primären fnber- 
kalisei Lnigeiherd beim Erwachsenen nach initialer Kiadheitsinfek- 
tiei und nach initialer Spätinfektion und seine Beziehungen zur endo¬ 
genen Reinfektion. (Beitr. z. Klin. d. Tuberk., Bd. 41, H. 1 u. 2.) Es 
gibt Fälle von initialer tuberkulöser Spätinfektion beim Erwachsenen, 
die pathologisch-anatomisch im primären Komplex das gleiche Bild zeigen 
wie die Fälle primärer Lungeninfektion bei der Tuberkulose der Kinder. 
Sie sind aber ungleich seltener als diese. Der Weg der Ausbreitung 
der Tuberkulose führt lymphogen zu den Venenwinkeln und damit durch 
die venöse Blutbahn zurück zu den Lungen. 

L. Kare zag-Budapest: Ueber die künstliohe Beeinflussung der 
Allergie bei Tnberkalose. (Beitr. z. Klin. d. Tuberk., Bd. 41, H. 1 u. 2.) 
Da allergische Mensohen gewöhnlich an chronischer Phthise erkranken, 
niohtallergische der Gefahr der akuten Miliartuberkulose besonders aus¬ 
gesetzt sind, wurden Untersuchungen angestellt, ob überhaupt Mittel 
gefunden werden können, welche die Tuberkulose-Allergie zu beeinflussen 
imstande sind. Die Versuche entschieden diese Frage im positiven Sinne; 
kleine Benzoldosen, Jodkalinm, Thyreoidin wirken allergieerhöhend. 
Reichliche Ernährung und Licht steigern die Allergie, während un¬ 
genügende Ernährung und Dunkelheit diese herabsetzen. F. Glaser. 

G. Deut sch-Rostock; Grippe und Lungentuberkulose. (M.m.W., 

1919, Nr. 17.) Lungentuberkulose disponieren keineswegs mehr zur 
Grippeinfektion als Gesunde. Bei 4 /s der beobachteteten Fälle (35) wurde 
die Grippe ungünstig beeinflusst, in Vs der Fälle wurde sogar die Ten¬ 
denz zur Ausheilung durch die Grippe nioht gehemmt. Andererseits 
machte auch Verf. die auffallende Beobachtung, dass die Grippe bei 
Tuberkulösen einen milden Verlauf nimmt, so dass anzunehmen ist, dass 
die Tuberkulose einen gewissen Schutz gegen Grippe und die Mischin- 
fektionen verleiht. Geppert 

F. Umber-Charlottenburg: Zur Klinik der aknten beaw. snbaknten 
Leberatrophie. (D.m.W., 1919, Nr. 20.) Vortrag gehalten im Verein 
für innere Medizin und Kinderheilkunde in Berlin, am 24. III. 19. Siehe 
Gesellschaftsberioht derB.kl.W., 1919, No. 19.) Dünner. 

H. Salomon-Wien: Ueber Psendoikterus nach Mohrrübengenuss. 
(M.m.W., 1919, Nr. 21.) Kurze Bemerkung zu den Arbeiten von Kaupe 
und Stöltzner in H. 12 u. 15 der M.m.W. Die Aehnliohkhit zwischen 
der Karottenxanthose, als welche S. den Pseudoikterus nach Mohrrüben 
aufführt, und der Xanthose bei Diabetes und mitunter bei Gesunden 
ist sowohl eine biologische als auch klinische. Beide beruhen auf einem 
gelben, exogenen Farbstoff im Serum, dem sogenannten Lutein. 

R. Neumannn. 

H. 0eh ne 11-Stockholm: Verdainngsstörnngen naoh Gastroente- 
restoaio. (M.m.W., 1919, No. 18.) Gastroenterostomisohe zeigen mehr 
oder weniger herabgesetzte Magenverdauung. Die nach Gastroenteros¬ 
tomie auftretenden Diarrhoen sind nach dem Typus der gastrogenen Dys¬ 
pepsien zu bewerten. Ausserdem beobachtete Verf. naoh Gastroenteros¬ 
tomie eine schlechtere Ausnutzung des Fettes. Geppert. 

M. Lüdin: Klinisehe und experimentelle Untersuchungen über die 
Einwirkung &nsserer lokaler Wärmeapplikationen auf die Funktion 


des Magens. (Zsobr. f. d. ges. exp. Med., Bd. 8, H. 1 u. 2.) Verf. prüft 
experimentell die Tiefenwirkung der auf die Bauchhaut applizierten 
Wärme. Es wurde zunächst die Innentemperatur des Magens während 
der Anwendung der Diathermie, der Kataplasmen und des Stangerotherms 
gemessen und festgestellt, dass diese erheblich gesteigert wird. Ferner 
werden die Sekretionsverbältnisse unter dem Einfluss der Wärme festge¬ 
stellt und zwar Gesamtazidität, freie Salzsäure und Labferment. Weder 
durch lokale Wärmeapplikation auf die Magengegend, nooh durch allge¬ 
meine Sohwitzprozeduren (elektr. Glühliohtbad, Dampfkastenbad) konnte 
eine Veränderung der Sekretionsverhältnisse festgestellt werden. Rönt¬ 
genologische Untersuchungen zeigten eine deutliche Beschleunigung der 
Magenentleerung, also eine vermehrte Peristaltik durch Wärmeapplika¬ 
tionen. Diese Befunde wurden durch experimentelle Untersuchungen 
am Kaninchen bestätigt. Schliesslich wurde durch röntgenologische 
Untersuchungen festgestellt, dass mehrstündige Wärmeanwendung den 
krampfhaften Verschluss des Pylorus beseitigen kann. 

H. Haberer: Zur Kasuistik der inkarxoriorten Treiti’oeken Honion. 
(W.m.W., 1919, H. 17.) Mitteilung und Besprechung eines Falles. 

G. Eisner-Beriin. 

L. R. Müller-Würzburg: Ueber Magensehmersen und über deren 
Zustandekommen. (M. m. W., 1919, H. 21.) Bei Ulous ventriouli sind 
die Magenschmerzen in der Austreibungszeit des Speisebreias, 
also Y 2 --l Std. naoh der Nahrungsaufnahme, auf übermässig starke, 
schmerzhafte Kontraktionen der Pars pyloriea zurüokzuführen. Ursaohe: 
Organische Pylorusstenose oder reflektorische Pylorustenose, ausgelöst 
durch Ulous am Pylorus oder dessen Nähe. — Der Hungerschmerz 
entsteht nicht durch die Einwirkung der Salzsäure auf das Ulkus direkt, 
sondern durch die Reizung des Geschwürgrundes kommt es zu einer 
krampfhaften Kontraktion des entsprechenden Magensegmentes, und diese 
Kontraktion der Magenwand bedingt erst die Sohmerzen. — Bei Ulcus 
penetrans, das zu Verwachsungen mit der Bauchwand geführt hat, 
entstehen meist Sohmerzen, die auf einer Reizung des entzündlich 
veränderten Peritoneum paritale an dieser Stelle beruhen, meistens im 
Epiga8trium, hie und da auoh im Rücken. Eine weitere EntBtehungs- 
weise für die Schmerzen bei Magenerkrankungen ist auf den viszero-sen- 
sorischen Reflex Mackenzies zurüokzuführen; d. h. Uebererregung der 
zugehörigen Hautsegmente bei Erkrankungen viszeraler Organe. Da alle 
Erklärungen in vielen Fällen nooh nioht befriedigen, muss man mit 
Goldsoheider an die Möglichkeit einer Nervenumstimmung des Magens 
denken und vermuten, dass ein vorher unempfindliches Organ im Zu¬ 
stand der Entzündung oder krankhaften Störung empfindlich werden 
kann. — Vielleicht spielen schliesslioh auoh nooh die Gefassschmerzen 
bei Ulcus peptioum eine Rolle. — Die Magensohmerzen bei anderen 
Magenerkrankungen als bei Ulcus ventriouli, also z. B. bei Tabes, bei 
Karzinom, bei Gastritis werden alle durch einen krankhaften Spannungs¬ 
zustand der Magenmuskulatur, wie er dabei leioht auftreten kann, her- 
gerufen, die Magenschleimhaut selbst macht sicherlich keine Schmerzen. 
Dagegen können von allen Bauchorganen durch starke Zusammenziehung 
der glatten Muskulatur Sohmerzen ausgelöst werden. Die Sohmerzen 
werden höchstwahrscheinlich durob den sympathischen N. splanchnious 
dem Zentralnervensystem zugeleitet, während der N. vagus dafür nioht 
in Betracht kommt. Er vermittelt nur das Gefühl der Uebelkeit und 
des Brechreizes. R. Neumann. 

G. Lepehne-Königsberg: Ein Fall von aknter aleukämischer 
Lymphadenose. (D.m.W., 1919, Nr. 19.) Schwerste Anämie bei massiger 
Lymphdrüsenschwellung, ohne Milztumor. Vermehrung der weissen Blut¬ 
körperchen mit starkem Ueberwiegen der Lymphozyten (92pCt.). Keine 
Angina, keine Blutungen. Anatemisoh: lymphatische Infiltration der 
Drüsen, Milz, Knochenmarks, Leber und Nieren. 

A. Fromme-Göttingen: Ueber eine endemisoh auftretende Erkran¬ 
kung des Kneekensystems. (D. m. W., .1919, Nr. 19.) Nach einem am 
10. IV. in der medizinischen Gesellschaft in Göttigen gehaltenen Vortrag. 

Dünner. 

F. Franke: Papillenstörung naoh Grippe. (M.m.W., 1919, Nr. 18.) 
Bei einem Falle von Grippe mit Erscheinungen von Enzephalomyelitis 
konnte Verf. Entrundung, Ungleichheit und Reaktionsloaigkeit der Pupillen 
beobachten. Nach 3 Monaten waren die Pupillen nooh immer ungleich 
und verzogen, die Reaktion noch nicht prompt. 

K. May er-Konstantinopel: Schitlkörpermaigel bei Grippe nach 
Beobachtungen über die Grippe 1918 unter den deutschen Truppenteilen 
in Konstantinopel. (M. m. W., 1919, Nr. 17.) Es handelte sich bei der 
Epidemie in K. im September 1918 um ein vielgestaltiges Bild von 
Misohinfektionen. Begünstigt wurde der Ausbruch der Epidemie erstens 
durch die für deutsche Truppen ungünstigen klimatischen Verhältnisse 
und die vielfache körperliche Erschöpfung durch Ueberanstrengung. 
Hierdurch kam es zu einem allgemeinem Sohutskörpermangel, und viele 
bereits im Organismus vorhandene Krankheitserreger konnten zur Wir¬ 
kung kommen. 

Ohlborn-Hamburg: Unerkannte Malaria als Komplikation bei 
anderen fieberhaften Erkrankungen. (M. m. W„ 1919, No. 17.) 
Nicht nur die M. tropica verläuft oft unter ganz atypischem Bilde be¬ 
sonders in den schweren Formen; es gibt auoh bei der K. tertiana lar- 
vierte Fälle, die allein durch die Blutuntersuohung entdeckt werden 
können. Verf. stellt den Begriff der „geographischen Malariaverdächtig¬ 
keit* auf, womit er auf die Tatsache aufmerksam maoht, dass alle in 
Malariagegenden gewesenen Truppen, ob sie klinische Symptome dar- 


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7. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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bieten oder nioht Plasmodienträger sein können. Bei 40pCt. der ver¬ 
schiedenartigsten fieberhaften Erkrankungen konnte Verf. in einem Feld¬ 
lazarett in Nordlivland im Blute Malariaplasmodien nachweisen, Fälle, 
die bis dahin vollkommen latent verlaufen waren. 

Schilling: Zusammenwirken von Blitbild und Weil-Felix-Renk- 
ti«l bei der Laboratoriumsdiagnose des Fleekfieben. (M.m.W., 1919, 
Nr. 18.) Zerlegt man bei der Auszählung die grossen weissen Blutzellen 
methodisoh in neutrophile Myelozyten, jugendliche, stabkernige und seg¬ 
mentkernige, so findet man beim Fleckfieber eine auffällige Verschiebung 
von jugendlich regenerativem Charakter. In Verbindung mit diesem 
charakteristischen Blutbild und der Weil-Felix’schen Reaktion erfährt 
die Diagnose in zweifelhaften Fällen eine stärkere Sicherheit. 

Geigel-Würzburg: Energie des Lage- nnd Blutkreislaufs. (M.m.W., 
1919, Nr. 17.) Physiologisoh-physikalisohe Studie, die eine kurze Zu¬ 
sammenfassung nioht gestattet. Geppert. 

H. Citron-Berlin: Hamtuffkestirauig im Blit ud Harn. (D. 
m.W., 1919, Nr. 20.) Beschreibung des relativ einfachen ,Amidometer“. 

Dünner. 

H. Elias und R. Singer-Wien: Kriegsknst and Diabetes. (W. 
kl. W., 1919, Nr. 19). Nichts Neues. Polemik gegen Falta (W. kl. W., 
1919, Nr. 15.) 

H. Salom on-Wien: Ueber Xantkose der Hant, namentlich bei 
gesunden Leuten, und über XanthSmie. (W.kl.W., 1919, Nr. 19.) Be¬ 
schreibung von 4 Fällen von Hautxanthose bei Leuten, die, abgesehen 
von vorübergehender Obstipation und Hyperaziditätsbeschwerden, völlig 
gesund waren. Der Farbstoff der Xanthose gehört zu den Lipoiden, er 
ist im Blutserum an eine saure Komponente gebunden. Spektroskopisch 
stimmt er mit den ausserhalb des Körpers sich findenden Lipochromen 
überein. Der Farbstoff gelangt aus der Nahrung in den Körper. Xanth- 
ämie ist viel häufiger als Xanthose. Keine Xanthose ohne Xanthämie, 
wohl aber umgekehrt. Zum Zustandekommen der Xanthose müssen zwei 
Vorbedingungen vorhanden sein: 1. Anhäufung des Lipochroms im Blut, 
2. Disposition der Haut. Glaserfeld, 

V o 11 o 1 i n i - Naumburg a. Bober: Ist (Pseudu-)Grippe Typhus? (Ther. 
d. Gegenw., Mai 1919.) Auf Grund seiner Erfahrungen, die durch bak- 
teriologisehe und serologische Untersuchungen gestützt wurden, kommt 
Verf. zu dem Ergebnis, dass Typhus sehr stark verbreitet auftritt; be¬ 
sonders in der Kombination mit Paratyphus. Die Hälfte aller „Grippe¬ 
fälle*, alle Fälle von „Pseudogrippe* stellen nach Ansicht des Verf. 
einen Typhus dar. _ R. Fabian. 

Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

A. Reinhart-Kiel: Encephalitis noi purulent* (lethargica). 

(D.m.W., 1919, Nr. 19.) Die Krankheit beginnt ähnlich wie Influenza. 
Sie zeiohnet sich besonders durch Sohlafsuoht und Augenmuskelstörun^en 
(Ptosis, Strabismus) aus. Erscheinungen von seiten der Meningen sind 
weniger vorhanden. Schwindel tritt meist auf, ebenso Romberg. Die 
Lumbalpunktion ergibt im grossen und ganzen keine wesentlichen Ver¬ 
änderungen. Anatomisch findet man im Gehirn perivaskuläre Infiltrate, 
bestehend aus Lymphozyten, Leukozyten und Plasmasellen. Haupt¬ 
sächlich betroffen ist das zentrale Höhlengrau des 8. und 4. Ventrikels 
und des Aquaduotus Sylvii. Einige der 10 von R. beobachteten Fällen 
worden gesund. 

A. Knapp-Düsseldorf: Apeplektiforwe allgemeine Hypeteiie. 
(D.m.W., 1919, Nr. 20.) Einen allgemeinen Verlust des Muskeltonus 
gibt es bei Herderkrankungen des Schläfenlappens, bei Meniöre, Chlo¬ 
rose usw. Plötzlich auftretende, ohne sohwere Allgemeinerscheinungen 
einhergehende apoplektiforme Hypotonien können von Herabsinken des 
Augenlides begleitet sein. Da anzunehmen ist, dass die Ptosis duroh 
einen Druck in der Richtung der Hirnschenkel hervorgerufen ist, so ist 
die gleiche Ursaohe auch für die Hypotonie anzusohuldigen. Es werden 
die Blutgefässe in den Hirnschalen vorübergehend komprimiert: die 
apoplektiforme transitorische Hypotonie kommt duroh eine vorüber¬ 
gehende Anämisierung der in den Häuten verlaufenden zentripetalen 
Bahnen zustande. Dünner. 

Chr. Greve-München: Die chronisch siperfilielle Glossitis — 
eine Rcflexneirose. (M.m.W., 1919, Nr. 17.) Auf Grund eingehender 
Beobachtungen ist Verf. zu der Anschauung gelangt, dass die von 
Moeller beschriebene Glossitis eine Refiexneurose ist, die vom Splan* 
ohnikus ausgeht. Der anatomische Weg für die nervösen Erscheinungen 
führt über das Ganglion oervioale supremum des Sympathicus und das 
Ganglion Gasseri. Die Rötung der Zunge und die Veränderung der 
Paffillen sind auf Reizung vasomotorischer Fasern zurückzuführen. 

Geppert 

J. Bauer und P. Sohilder: Ein prinzipieller Versuch zur Neu- 
rusemlekre. (W.kl.W., 1919, Nr. 19.) Es gelang an drei Personen, 
welche sich in tiefer Hypnose befanden, duroh Suggestion des Dreh¬ 
schwindels den Bäräny’sohen Zeigeversuch so hervorzurufen, als ob die 
betreffende Person das entsprechende Sohwindelgefühl im wachen Zu¬ 
stand bekommen hat Daraus folgt, dass komplizierte, der Willkür ent¬ 
zogene nervöse Mechanismen suggestiv beeinflusst werden können. Der¬ 
artige Beziehungen zu suggerierten psyohisohen Vorgängen waren bisher 
nur für den vasomotorisch-sekretorischen Apparat bekannt. 

Glaserfeld. 

K. Singer: Das Kriegsende und die Neireseifrage. (Neurol. Zbl., 
1919, Nr. 10.) Vortrag, gehalten in der Berliner Gesellschaft für Psy¬ 
chiatrie und Nervenkrankheiten am 14. April 1919. 


Kühn: Hysterie als Komplikation der Epilepsie im Kindesalter. 
(Neurol. Zbl., 1919, Nr. 9.) K. schildert das Hinzutreten der Hysterie 
bei einer jugendlichen Epileptischen während einer interkurrierenden 
akuten Steigerung der Krankheit. Eine Exazerbation der Grundkrankheit 
setzte den duroh die Pubertätszeit geringer gewordenen psychischen 
Tonus noch weiter herab. 

Reimann: Zur Frage der Behandlung hysterischer Anfälle. 
(Neurol. Zbl., 1919, Nr. 9.) Der Krieg hat gelehrt, dass die Grenzen 
zwisohen bysterisohen und epileptischen Anfällen nicht so scharf ge¬ 
zogen werden können. Einen ganz sicheren Beweis für die spezielle Art 
kann man durch die Hypnose erbringen. Die Untersuchung bzw. Aus¬ 
tragung wurde im Wach- und hypnotischen Zustande vorgenommen, die 
Angaben verglichen. Zur Heilung versuchte man, den Kranken in die 
Lage zu bringen, in der er den ersten Anfall gehabt hat. Ein epilepti¬ 
scher Anfall kann nie ausgelöst werden. 

H. Haenel: Die hysterische Parakiaesie. (Neurol. Zbl., 1919, 
Nr. 9.) H. schildert die verschiedenen Formen der männlichen Hysterie 
der Kriegsteilnehmer. Neben dem Tremor in seinen verschiedenen Ab¬ 
wandlungen, den Tics, den spastischen und sohlaffen hysterischen Läh¬ 
mungen, der Reflexlähmung und der Akinesia amnestica sieht man eine 
eigenartige Motilitätstörung, die H. näher skizziert, eine Parakinesia mit 
einem Chaos von Innervationen, die er Parakinesia amnestica nennt, 
weil die normale Innervation nur vergessen ist, oder hypermnestioa, 
wenn die freie, natürliche Innervation überbrüokt ist durch die über¬ 
triebene Erinnerung an eine frühere Störung. 

P. Kronthal: Zur Biologie and Leistaag der Nerveazelle. 
(Neurol. Zbl., 1919, Nr. 10.) Es bestehen falsche Vorstellungen über 
Wesen und Leistung der Nervenzelle. Die Nervenzelle setzt keine Stoffe 
um. Sie pflanzt sich nioht fort. Ihre Reaktionsfähigkeit ist nicht duroh 
ihr Leben bedingt. Sie ist kein Organismus, weil die wichtigsten Lebens¬ 
erscheinungen an ihr nioht zu konstatieren sind. Die Nervenzelle hebt 
die Isolierung der Leitungen auf. Sie ändert im lebenden Organismus 
dauernd ihre Form. Die Nervenzelle ist kein Ernährungszentrum für 
die Nervenfaser. 

P. Sohilder: Projektion eigener Körperdefekte in Tragwahr- 
aekmaagea. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 9.) In dem ersten der mitge¬ 
teilten Fälle nimmt der erblindete Kranke seine Blindheit an halluzi¬ 
nierten Köpfen wahr; während jedoch seine Bulbi erhalten sind, haben 
die Köpfe leere Augenhöhlen. Bemerkenswerter ist der zweite Fall, bei 
dem es sich um eine schwere Verwundung des rechten Ellbogengelenks 
handelte. Der Patient empfand während eines septischen Fiebers eine 
illusionäreVerkrüppelung einer fremden Persönlichkeit, die bei Bewegungen 
derselben von der linken zur rechten Seite übersprang. Beide Beob¬ 
achtungen sind scharf dadurch charakterisiert, dass ein Defekt, den man 
von sich selbst wegzuwünschen allen Grund hat, an einer anderen Person 
erscheint. ___ E. Tobias. 

Kinderheilkunde. 

J. Bon di-Wien: Das Gewicht des Neagehereaea aad die Er- 
aähraag der Matter. (W.kl.W., 1919, Nr. 19.) Kriegserfahrungen 
sowie Untersuchungen an Ratten erhärteten den schon vor dem Krieg 
von einigen Autoren aufgestellten Satz, dass das Gewioht des Fötus von 
der Ernährung der Mutter unabhängig ist, und zwar nioht nur von der 
Masse der Nahrungsstoffe, sondern auoh von ihrer Qualität. Der Fötus 
entzieht dem Muttertier die zu seinem Haushalt notwendigen Mittel ohne 
Rücksicht auf den Zustand der Mutter und geht zugrunde, wenn der 
mütterliohe Vorrat in einer der lebenswichtigen Substanzen auf ein 
Minimum herabsinkt. Glaserfeld. 

F. Hamburger-Graz: Ueber die Verwertaag der saureu Milch 
bei der Säuglingsernährung. (M.m.W., 1919, Nr. 21.) Sauer gewordene 
Mileh, die beim Erwärmen sofort in dioken Klumpen gerinnt, lässt sich 
für die Säuglingsernährung noch auf folgende Weise ohne Schaden nutz¬ 
bar machen: Man bereitet sich eine dicke Sohleimabkochung von Mehl, 
Rollgerste, Griess, Haferreis usw. und mischt diese erkaltete Abkochung 
mit der nicht kochfähigen sauren Milch in dem gewünschten Verhältnis 
und kocht naoh Zuokerzusatz nunmehr auf dem Herde oder im Wasser¬ 
bad, wobei dann nur noch Gerinnung in feinen Flocken auftritt. 

R. Neumann. 

H. Sohenk-Poppf-Freiburg: Mastticke Hikeasoane hei Erysipel 
und anderen Infektionen im Säuglingsalter. (M.m.W., 1919, Nr. 21.) 
Bei allen oberflächlichen Erkrankungen von Erysipel, Nabelinfektionen, 
Phlegmonen hatte die Strahlentherapie guten Erfolg, mitunter sobon am 
1.—2. Bestrahlungstage, dagegen versagte sie in allen Fällen, wo die 
Infektion schon weitgehend auf den Blut- oder Lymphweg fortgeschritten 
war. Für Bestrahlung wurde die künstliche Höhensonne der Quarz- 
lampengellsohaft ohne Glühbirnenring und die Kromeyer’scbe Lampe be¬ 
nutzt. Bestrahlung des ganzen Körpers. Abstand der Lampe 50 om. 

_ R. Neumann. 

Chirurgie. 

H oh mann: Pscadarthrssen und duroh Kiteheidcfckt bedingte 
Scklottcrgeleake. (M.m.W., 1919, Nr. 19.) Die meisten einknochigen 
Pseudarthrosen sind duroh Knochen naht heilbar. Eine Verkürzung ist 
dabei mit in Kauf zu nehmen. Bei der doppelknochigen Extremität tritt 
die Transplantation in ihre Rechte, viel seltener die Naht. Bei beiden 
Methoden ist Hauptbedingnng die Möglichkeit der Knochenregenera- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


tion. Hierxu ist notig, dass das Transplantat Knochen und Mark 
mitbringt. Geppert. 

Kofmann*. Zur Behandlung der 8ehlfisselheiihrfiche. (Zbl. f. 
Chir., 1919, Nr. 18.) Verf. macht zunächst gar nichts. Er lasst den Arm 
der kranken Seite in den Aermel stecken und die Hand an einer Knopf* 
spalte halten. Naoh 4—5 Wochen ist dann der Bruch geheilt. Jetst 
stören die vorspringenden Fragmente die senkreohte Elevation des Arms. 
Nunmehr vird der Knochen operativ freigelegt und der störende Kallus 
entfernt Verf. glaubt, dass dieses Verfahren natörlich und pbysio- 
logisch sei. 

Boruhaupt: Zwei geheilte Fälle von totaler Oesophageplastik. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 111, H. 1.) Ausführliche Wiedergabe der 
Krankengeschichte und kurxe Literaturübersicht von 2 Fällen totaler Oeso- 
pbagoplastik bei einem 15 Jahre alten Knaben und einer 35 jährigen 
Frau. 

Blauel: Zur aitetkorakalei Oesopbagmsplastik mittelst Haut* 
Darmsohlauohbildung. (Zbl. f. Ghir., 1919, Nr. 18.) Technische Einzel- 
heiten su den vom Verf. operierten Fällen. 

Erkes: Zur 8phiaktorplaatik. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 18.) Erkes 
hat die Sphinkterplastik nach Shoemaker abgeändert: Shoemaker um¬ 
greift den Mastdarm mit swei seitlichen Lappen, die er in Form einer 
halben Aobtertour um den Darm herumlegt. Erkes benutst nur einen 
Lappen, den er kreisförmig um den Darm legt und dessen Ende er mit 
der Basis vereinigt. Der Erfolg war sehr zufriedenstellend. 

ten Korn: Die Plikation des Zökin als Behandlung der Obsti¬ 
pation. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 19.) Die Faltung des Zökums wird in 
der Weise ausgeführt, dass die vordere und die seitliche Tänie mit ein¬ 
ander vernäht weiden. Bei Appendisitis ist die Zökoplikation als Begleit¬ 
operation sehr zu empfehlen. Hayward. 

R. M ü h s a m - Berlin: Ueber Prostatahypertrephie. (Ther. d. Gegen w., 
Mai 1919.) Vortrag an dem wissenschaftlichen Abend des Krankenhauses 
Moabit 19. 111. 1919. Verf. benutzt als operative Methode fast aus¬ 
schliesslich die Freyer’sehe suprapubisohe Prostatektomie mit Beoken- 
hochlagerung unter Anwendung von Lumbalanästhesie. 

P R. Fabian. 

Katzenstein: Bemerkungen zur Mitteilung von A. Reich «Vor¬ 
bereitungen des Empfangsbodens bei freier Traaeplaatatiea*. (Zbl. f. 
Chir., 1919, Nr. 19.) 

Miloslavioh: Bemerkungen zur operative! Behandlung der Ruhr 
duroh Appendikostomie. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 19.) Bei einem Fall 
von Appendikostomie wegen chronischer Ruhr war durch die Fistel ein 
Katheter eingeführt und duroh diesen mit einer Argentumlösung gespült 
worden. Bei der Autopsie fand sich ein Druckgeschwür im Zökum an 
der Stelle, an der der Katheter gelegen hatte, und eine erhebliche Strecke 
des Dünndarms hinauf waren Verätzungen duroh die Argentumlösung 
naohweisbar. Duroh Anlegung der Fistel kommt es su einer Insuffizienz 
der Zökumklappe, was bei der Wahl der Spülflüssigkeit sehr su berück¬ 
sichtigen ist. 

Walsberg: Die Behandlung schlecht heilender Haatgeeekwfire auf 
narbiger Grundlage. (Zbl. f. Chir., 1919. Nr. 18.) Eb wurde erfolgreich 
eine Modifikation des Marwedel’sohen Verfahrens angewendet: das Ge¬ 
schwür wird exstirpiert, die umgebende Narbe duroh subkutane Lösung 
von der Unterfläche abgehoben und dann die Gesohwürsstelle vernäht. 
Wenn die Nähte nicht halten, dann wird der Rest der Granulation unter 
Anwendung von Heftpflasterstreifen belassen. Hayward. 

Dönges und Elfeldt-Rostock: Beiträge zum Befund von Diphtherie- 
basillei in Waiden. (D.m.W., 1919, Nr. 20.) Bei 100 Fällen fanden 
sich Diphtheriebazillen in 21,8 pCt. mit besonderer Häufigkeit in Höhlen¬ 
oder wenigstens in Weiohteilknoohenwunden. 20 pCt. der Fälle waren 
als schwere lokale Infektionen ansusehen. Im allgemeinen waren die 
Diphtheriebazillen harmlose Wundbewohner. Sie waren stets mit anderen 
Bakterien vergesellschaftet. Die Ausgangsquelle der Diphtheriebazillen 
war nicht mit Sicherheit festzustellen. Immerhin verdient die Tatsache 
Erwähnung, dass in Rachenabstrichen einzelner Pfleger Bazillen gefunden 
wurden. Dünner. 

Menkens: Ueber primäre Versorgung der Kriegewanden. (Zbl. f. 
Chir., 1919, Nr. 18.) 

Teske: Bemerkungen zu den Aufsatz von W. Wolff „Kritische Be¬ 
trachtungen zur Frage der primären Versorgung der Kriegs Windei“, 
Zbl. f. Chir., 1919, Nr. .3. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 18.) Ergänzende 
Bemerkungen der genannten Arbeit. Hayward. 

Pybus, Flade und Lawa-Newcastle: Bakterienbefnnde an Ge» 
sekeMea im Körper. (Brit. med. Journ., Nr: 3042.) Bakteriologische 
Untersuchungen an Geschossen oder Teilen von solchen, die aus irgend¬ 
welchen Gründen operativ entfernt worden waren, ergaben in 50pCt 
der Fälle das Vorhandensein von Keimen, die klinisch keine Erschei¬ 
nungen gemacht hatten, und zwar fanden sich am häufigsten Staphylo¬ 
kokken und Fäulnisbakterien, vereinzelt auoh Streptokokken und Tetanus- 
baziilen. Auffallender weise waren Granatsplitter häufiger keimfrei, als 
Gewehrkugeln. Schreiber. 

Sgalitzer: Der Wert der Röntgenaatenaehang hei Sehaisver- 
letnagen des Rttekenmareks. (Aroh. f. klin. Chir., Bd. 111, H. 1.) 
Die Röntgenuntersuohung von Wirbelsäulensohussverletsungen ist von 
erheblfoh grösserer Bedeutung, als gewöhnlich angenommen wird, nament¬ 


lich seitdem es möglich ist, auch seitliche Bilder in vollkommener Weise 
herzustellen. Verf. hat in 97pCL einen positiven Befund bei Rüoken- 
markschüssen erheben können. Der Wert dieser Feststellung ist um so 
bedeutungsvoller als hierdurch eine weitere Klärung der organischen 
und funktionellen Formen möglich ist 

Kirsohner: Ueber in letzter Zeit beobachtete Häufung übler Zu¬ 
fälle der Lanhalaniatheeie. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 18.) Im letzten 
halben Jahre wurden an der Königsberger chirurgischen Klinik wieder¬ 
holt Versager und Halbversager und Kopfschmerzen nach der Lumbal¬ 
anästhesie gesehen. Dreimal musste wegen Atemstillstand künstliohe 
Atmung ausgeführt werden, und in einem dieser Fälle erfolgte nach 
12 Stunden der Tod unter den Zeichen der Atemlähmung. Verf. glaubt 
dass unter den Verhätnissen des Krieges das Präparat nicht mehr so 
zuverlässig ist wie früher, und rät dazu, die Lumbalanästhesie zurzeit 
auf die dringlichste Indikation su beschränken. 

Brunn: Ueber verschiedene Narkeseverfakrei. (Zbl. f. Chir., 1919, 
Nr. 19.) Verf. hat selbst eine Reihe von Narkosen durohmaohen müssen 
und gibt seine Erfahrungen über die Vorteile der einzelnen Methoden 
wieder. Als ideal bezeichnet er die Aethersauerstoffn arkose mit dem 
Roth-Dräger’schen Apparat. _ Hayward. 

Röntgenologie. 

Rumpf: Röntgenuntersuchungen bei ahneni beweglichem Herfei 
(Wanderhers). (D. Aroh. f. klin. M., 1919, Bd. 129, H. 1 u. 2.) 3 Fälle 
von stark beweglichem Herzen. Das Wanderhers wird nicht sehr häufig 
gefunden und ist auf starke Abmagerung zurücksuführen. Verf. sieht 
in dieser abnormen Beweglichkeit des Herzens einen der Enteroptose des 
Bauches verwandten Prozess der Brusteingeweide. Das abnorm beweg¬ 
liche Hers findet sich sowohl bei normalem Herzbefund als bei den ver¬ 
schiedensten pathologischen Zuständen. Als besondere Symptome 
kommen ihm zu: Herzschwäche mit kleinerem beschleunigten Puls, 
Sohwindelanfälle und Störungen, die an Angina pectoris erinnern. Das 
Wanderhers ist geeignet, verschiedenartige funktionell mechanische 
Störungen auszulösen. Zum Schluss folgen einige Bemerkungen zur 
Behandlung der abnormen Herzbeweglichkeit. Zinn. 

Seitz und Wintz: Die Abhängigkeit der Röntgeaamenorrhee 
vem Meastraatieasiyklu sowie von der Grösse und Verteilung der 
Dosis. (M. m. W., 1919, Nr. 18.) Verff. machten folgende interessante 
Beobachtungen. Bei Applikation der Kastrationsdosis in der ersten 
Hälfte des Intermenstruums bleibt die Periode sofort aus; gibt man da¬ 
gegen die Kastrationsdosis in der zweiten Hälfte des Intermenstruums, 
so erfolgt regelmässig nooh einmal die Periode. Bei verzettelter Ver¬ 
abreichung der Kastrationsdosis kehrt die Menstruation je naoh der 
Zyklusphase einmal, meist jedooh zweimal oder mehrmals wieder. Auf 
Grund dieser Beobachtungen haben Verff. eine neue Hypothese auf¬ 
gestellt über die zeitlichen Beziehungen der Menstruation zum Follikel¬ 
sprung, über die sie an anderer Stelle beriohten werden. Geppert. 


Urologie. 

A. Förster-Würzburg: Ueber MarsehhftaitgUbiaaHc. (M.m.W n 
1919, H. 21.) Beobachtung von 8 Fällen, bei denen es im Anschluss 
an grössere Märsche su steter Hämoglobinorie kommt Im Gegensata 
zur paroxysmalen oder Kältehämoglobinurie fehlten Störungen des All¬ 
gemeinbefindens und Lues. Auch der Donath-Land stein ergehe Kälte¬ 
ambozeptor war nioht naohweisbar. Im Serum war im Anfall gelöstes 
Hämoglobin spektroskopisch vorhanden, ebenso Oxyhämoglobin und 
Hämatin im dunkelroten Urin, während Blutkörperchen und Blutkörper¬ 
schatten hier fehlten, ln 2 Fällen bestanden regelmässig vor dem An¬ 
fall starke, krampfartige Muskelsohmerzen. Als Erklärung für die 
Hämoglobinurie muss man mit französischen Autoren annehmen, dass 
es infolge des Marschierer su einer sohweren Muskelschädigung kommt, 
die eine Auslaugung des Muskelhämoglobins naoh sioh zieht. In Ueber» 
einstimmung damit wurde sohon wiederholt das Auftreten von leiohter 
Hämoglobinämie und Hämoglobinurie im Anschluss an Armeegepäck- 
märsche bei einer grossen Anzahl der Teilnehmer, also fast physiologisch, 
beobachtet. Therapeutisch licss sieh Marsehämoglobinurie nioht beein¬ 
flussen. R. Neumann. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

E. Zurhelle-Bonn: Zur Kenntnis der Altpeeia diffus nach 
Grippe. (D.m.W., 1919, Nr. 20.) Die Grippeerkrankung führt zu einer 
Ernäbrungs- und Wachstumsstörung des Haares, die zum akuten und 
zum subakuten Absterben der Papille führt. Die. Prognose ist günstig. 
Therapie: Elarson, Höhensonne und Haarwasser. Rp. Aoid. aalic., 
Menthol ana 1,0, Reraorcin alb., Anthrasol ana 4,0—5,0, Spiritus vini 
ad 200, oder Rp. Sublimat 0,4, Anthrasol 10,0, Perkaglyzerin 1,0—3,0, 
Spiritus vini (70pCt.) ad 200. 

M. Käppis-Kiel: Die aiehtspezifiaehe primäre Kpididymitk» 
(D.kl'W*, 1919, Nr. 20.) Es gibt akute, subakute und chronische Epidi- 
dymitiden, die durch gewöhnliohe Eitererreger bedingt sind, bei denen 
ein greifbarer Ausgangspunkt oder eine klare Ursache nicht zu erkennen 
ist. Die Eitererreger kommen in die Epididymis auch der hinteren 
Urethra auf dem Wege über das Vas deferens. Bei den akuten Fällen 
kann der Samenstrang beteiligt sein. Es finden sieh immer; Leukozyten 
im Urin. Dünner. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



7. Juli 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


646 


G. Nobl: Haatiastäade endokriner Voraussetzung und ihre orgsno- 
tberapeutisehe Beeinflussung. (W.m.W., 1919, Nr. 18.) Vortrag. Be¬ 
sprechung der Abhängigkeit dermaler Vorgänge von funktioneilen und 
Gewabsstörungen der Drusen mit innerer Sekretion. Bs bestehen s. B. 
Beziehungen zwischen Sklerodermie und Sohilddrüsenerkrankungen. 

_G. Bisner - Berlin. 

Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Hodiesne - Leipzig: Zur Teohnik der Abortbehaadlaag. (M.m.W., 
1919, Nr. 21.) Angabe eines bimanuelten Handgriffs sur Bzpression 
der Biteile, wobei die äussere Hand den Fundus uteri umgreift, während 
der Zeige- und Mittelfinger der inneren Hand hoch hinauf ins hintere 
Seheideagewölbe geführt wird. Das öftere Bingehen mit dem Finger 
oder der Abortsange wird dadurch vermieden und die Infektionsgefahr 
vermindert. R. Neu mann. 

Augenheilkunde. 

Sidler-Huguenin-ZQriob: Zur Frage des tranaatischea Herpes 
eeneae. (Sohweis. Korr.-Bl., 1919, Nr. 17.) Nach den Erfahrungen an 
100 Herpesfallen nimmt Verf. für das Entstehen des Herpes corneae 
stets eine fieberhafte Erkrankung an. Im Anschluss an eine Hornbaut- 
Verletzung kann ein Herpes auftreten, sofern Fieber hinsukommt 

_ R. Fabian. 

Hals-, Nasen- und Ohrenkrankhelten. 

H. Hersog-Innsbruck: Ohr-, Nasen- and Halserkrankangen bei 
Orippt. (M.m.W., 1919, Nr. 21.) Im Gegensats zu früheren Grippe¬ 
epidemien hat bei der jetsigen das Gehörorgan, ebenso die Nase mit 
ihren Nebenhöhlen wenig gelitten. Dagegen steht der Larynx und die 
Trachea mit im Vordergrund der Erkrankung. Am häufigsten findet 
Bich die einfache akute katarrhalische Tracheitis und Laryngitis, mit¬ 
unter bestehen dabei typische weisse, plaqueartige Verfärbungen auf 
den geröteten Stimmbändern. Neben dieser oberflächlichen Entzündung 
kommt es mitunter auch zu tiefen phlegmonösen Larynxentzündungen. 
Hier gibt es wieder eine milde, zirkumskripte Form mit einer meist 
einseitigen, wurstartigen Schwellung der aryepiglottiscben Falte ausser 
allgemeiner Rötung des Larynx. Diese harmlose Form kann aber plötz¬ 
lich in die obere diffuse Larynxphlegmone übergehen. Dabei sind meist 
endolaTyngeale Inzisionen erforderlich, häufig auch die Tracheotomie. 

_ R. Neumann. 

Hygiene und Sanltitswesen. 

E. Martini: Gegen die Fleckfiebereiaschleppaag über östliche 
Grenzbabnhöfe. (Dltt.W., 1919, Nr. 19.) M. empfiehlt, an den östlichen 
Grensbabnhöfen Entlausungsanstalten einsuriohten. Dünner. 

Unfallheilkunde und Versicherungswesen, 

En ge len -Düsseldorf: Zur Objekt! vier« lg nervöser Znstäide. 
Die AtBingMchwaakingca der Pilskirvei. (Aerztl. Saohverat. Ztg., 
1919, Nr. 9.) Reproduktion von Puls- und Atmungskurven, die zeigen, 
dass bei Gesunden keine respiratorischen Schwankungen der Pulskurve 
Vorkommen,, während sie bei nervösen Individuen sehr deutlich aus- 
ggpsägt sind, beih Simulation nervöser Zustände dagegen fehlen. 

- K. Sin ger-Berlin: Die zukünftige Begutachtung traiMatischer 
Nervenkrankheiten. Richtlinien. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1919, Nr. 9 
u. 10.) Die ungeheuren Erfahrungen des Krieges über die traumatischen 
Nervenkrankheiten geben uns neue Richtlinien zur Beurteilung und 
Behandlung der Unfallnervenkrankheiten des Friedens. Unter diesen 
Gesichtspunkten bespricht Verf. die Kopfverletzungen, die Rückenmarks- 
Verletzungen und dann das so wiohtige Kapitel der Neurosen. Die 
Arbeit gibt nicht nur theoretische Erörterungen, sondern enthält auch 
praktische.Vorschläge sur Beurteilung und Behandlung besonders der 
Neurosen. 

K. Hasebroek-Hamburg: Tabes lld Tnuma. (Aerztl. Sachverst- 
Ztg., 1919, Nr. 10.) H. teilt zwei Fälle mit, in welchen sich anscheinend 
im unmittelbaren Anschluss an ein Trauma deutliche und schwere 
Tabessymptome zeigten. Der erste Fall ist dadurch bemerkenswert, 
dass ein unmittelbarer und lückenloser Zusammenhang der rapiden 
Verschlimmerung einer Tabes mit dem Trauma klar und einwandfrei 
besteht, und schliesslich aus der Tabes eine Taboparalyse wurde; im 
zweiten Falle zeigte sioh als unmittelbare Folge einer Fusskontusion 
eise Arthropathie als Initialsymptom der Tabes. 

Kühne-Cottbus: Ueber die «rsichliehei Beziehungen zwischen 
pregreseiver Paralyse and Unfällen. (Msohr. f. Unfallheiik., 1919, 

H. 5 u. 4.) Ausführliche Erörterung des Themas. Da jede Paralyse 
auf Syphilis beruht, gibt es keine rein traumatische Aetiologie dieser 
Krankheit. Lässt sioh naohweisen, dass zur Zeit des Unfalls Paralyse 
noch nicht bestanden hat, so ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen 
Paralyse uifd Unfall ansunehmen. Je schwerer der Unfall, um so wahr¬ 
scheinlicher der Zusammenhang. War bei dem Unfall der Schädel nioht 
getroffen, so ist derselbe lediglich ein zufällig zeitlich zusammentreffendes 
Ereignis oder böohstens eine unwesentliche Hilfsursache. Die Länge 
des Zeitraums swisehen Unfall und Paralyse spielt keine wesentliche 
Rolle, wenn der Verletzte in der ganzen Zwischenzeit Erscheinungen 


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zeigte, die als Folgen der Kopfverletzung aufzufassen waren. Je schneller 
der Ausbruch der Paralyse an den Tag des Unfalls heranrüokt, desto 
unwahrscheinlicher ist ein ursächlicher Zusammenhang. 

H. Hirsohfeld. 


Verhandlungen Ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner orthopädische Gesellschaft. 

General-Versammlung vom 20. Januar 1919. 

Vorsitzender: Herr Gooht. 

Schriftführer: Herr Böhm. 

Hr. Gocht teilt der Gesellschaft mit, da98 Herr Bourwieg, der 
seit der Gründung der Gesellschaft angehörte, gestorben ist. Die Ge¬ 
sellschaft erbebt sich zu seinen Ehren. Der Vorsitzende beglückwünscht 
nachträglich Herrn Biesalski zum 50. Geburtstag und Herrn Fränkel 
zur Verleihung des Prädikats „Professor“. 

Bericht des Schriftführers. 

Hr. BähB: Der letzte Band unserer Verhandlungen Nr. 3 ist Ende 

1918 über das Gesellschaftsjahr 1913 erschienen. Im Jahre 1914 fanden 
nur im ersten Halbjahr Sitzungen statt. Am 1. August 1914 wurde 
durch den Krieg das Gesellsohaftsleben jäh unterbrochen. Der Vorstand 
beschloss eine Angliederung unserer Gesellschaft an die vereinigten 
Berliner ärztlichen Gesellschaften. Die Geschäfte des ins Feld gerüokten 

1. Schriftführers übernahm vertretungsweise der 2. Schriftführer. Der 
Verhandlungsband über das Jahr 1914 erschien nicht, er befindet sioh 
sur Zeit im Druck (Bd. 4). Während der Zeit 1. Aug. 1914—Juli 1918 
fanden keine Sitzungen statt. Sodann beschloss der Vorstand, wieder 
zu tagen. Es fanden im 2. Halbjahr 1918 noch 2 Sitzungen statt. Es 
empfiehlt sich wohl, für 1918 keinen eigenen Verhandlungsband heraus- 
sugeben, sondern den Bericht über die genannten 2 Sitzungen zum Bd. 5 

1919 zu sohlagen. 

Erwähnenswert bleibt, dass während des Krieges fast alle Mitglfeder 
im Heeresdienste standen und teilweise an der Front wie in der Etappe 
und in der Heimat in ganz hervorragenden Stellen dem Vaterland grossen 
Nutzen erwiesen haben. 

Ueber den Mitgliederbestand kann sur Zeit keine klare Auskunft 
erteilt werden. 

In das Geschäftsjahr 1914 traten wir mit 68 Mitgliedern ein. Kurz 
darauf starb unser verehrter erster Vorsitzender Joaobimsthal. Im 
Krieg fiel, durch Fliegerbombe getötet, das Mitglied Fritz Waohsner. 
1918 sohliesslioh starb das Mitglied der Aufnahmekommission Bourwieg. 
Ihren Austritt erklärten die Herren: Joseph, Kann - Oeynhausen, 
Wolfsohn, Paul Zander II, Gluck und Reiche, jetzt Braunsobweig. 
Unbekannt verzogen, also wohl als ausgeschieden zu betrachten sind die 
Herren Kardamatis und Oppenheim. Aufgenommen sind keine peuen 
Mitglieder, mithin ist der offizielle Bestand 59. Ob aber von diesen 
59 Herren sich heute noch alle als Mitglieder betrachten, Ist zweifelhaft 
und muss erst durch Anfrage festgestellt werdeo. 

Bericht des Kassenwarts. 

Hr. Biesalski: Wir haben seit 1914 insgesamt eingenommen 
Mark 2406.75 und ausser den laufenden kleinen Aufgaben drei grosse 
Beträge abgefobrt, insgesamt Mark 1800.—, nämlich:, an das Zentral¬ 
komitee des Roten Kreuzes Mark 500.—. an den Verband' der Aerzte 
Deutschlands, Ortsgruppe Berlin Marlr 500.—, an das Kuratorium für 
Kriegsentschädigung für Gross-Berliner Aerzte Mark 300.—. Es ver¬ 
bleiben uns jetzt noch Mark 870 48 1 /*; ich gebe der Erwägung anheim, 
ob davon noch einmal etwas an die kriegsgescbädigten Aerzte oder an 
die Witwen- und Waisenkasse abgeführt werden soll. Die Versammlung 
besobliesst, dass die vorstehende Summe, in pwei gleiobe Teile geteilt, 
an beide genannten Instanzen abgegeben wird. 

Die Herren Selberg und Peltesohn prüfen die Kasse und erteilen 
dem Kassenwart Entlastung. 

Der Verstaad wird duroh Akklaaattai wiedergewählt. 

In die Aufnahmekommission wird an Stelle von Herrn Bourwieg 
Herr Peltesohn gewählt. Aufgenommen werden die Herren: Dr. Her¬ 
mann Engel, Karlstr. 8, und San.-Rat Dr. Schanj, Dresden, Räcknitz- 
strasse 18. 

Hr. Radike: Bericht über Lohafragea iai Orthopädie Merhaaiher- 
Gewerbe. Vortr. berichtet über eine Reihe von Verhandlungen, die 
zwischen Aersten und Orthopädie Mechanikern einerseits und den ortho¬ 
pädischen Arbeitern andererseits über Lohnfragen stattgefunden haben. 
Er weist auf die Notwendigkeit des Anschlusses aller derjenigen Aerzte, 
die eine orthopädische Werkstatt haben, an den Verein für Chirurgie- 
Mechanik hin. 

Hr. Wellenberg: Grob-aaatiHische Befände bei Nerveaeperatieaea. 

(Erschien unter den Originalen in Nr. 17 dieser WoohenBcbrift.) 

Hr. E. Unger: Elektrische Untersnchaagea an freigelegtea Nerven. 
Vortr. hat auf dem Gebiete der Nervenohirurgie dadurch wettere Er¬ 
fahrungen sammeln können, dass Cr die Operationen grösstenteils in 
Lokalanästhesie ausgefübrt hat; selbst Operationen am Pltxus brachialis 
oder hoch am Stamm des Ischiadicus lassen sich bei Beobachtung ge¬ 
wisser Vorsicbtsmaassregeln völlig in lokaler Betäubung durchführen. 
Reist man jetzt, so kann man nioht nur die motorischen Effekte beob- 

Original frn-m 

UNiVERSITY OF IOWA 






646 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


achten, sondern hört auch von dem Kranken, was er empfindet, erhält 
also Aufschluss über die sensiblen Bahnen und ihre Störung. 

Der faradisohe Strom erzeugt Pieken, Stechen, Kribbeln, der gal¬ 
vanische — langsam sich verstärkend — Wärmegefühl bis zum Hitze¬ 
gefühl gesteigert, beim Absohwäohen Kältegefühl. 

Solche Beobachtungen wurden am Medianus, Ulnaris und Tibialis 
gemacht. Legt man gleichzeitig Elektroden mit faradisobem und galva¬ 
nischem Strom an, so empfinden die Kranken ein Druckgefühl. (»Als 
wenn ein Zentner auf das Handgelenk drückt.“) — Hitzegefühl wird 
auoh erzeugt durch Injektion von Flüssigkeit in den Nerv. Diese Auf¬ 
schwemmungen ändern die Leitungsfähigkeit des Nerven. Bei Ex¬ 
stirpationen von Neuromen können gesunde Bahnen nach Angabe des 
Kranken deutlioh von den nicht mehr leitungsfähigen unterschieden 
werden. 

So ist das Operieren in lokaler Betäubung von Vorteil, sowohl in 
diagnostischer wie therapeutischer Hinsicht. 


Berliner urologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 4. Februar 1919. 

1. Hr. Wilhelm Baener: Die Kriegsverletzungen der Harnergane* 

Vortragender hatte in dreijähriger Fronttätigkeit in den verschiedenen 
kriegssanitären Formationen, später im Heimatgebiet reichliche Gelegen¬ 
heit zu einschlägigen Beobachtungen, die allerdings zuweilen durch den 
Mangel des notwendigen Instrumentariums, des Zystoskops und oft genug 
auch des Röntgenapparates ersohwert wurden. 

Die Sohussverletzungen der Nieren: Die Schädigungen sind 
ausser von der Art des Projektils und seiner Bewegung im besonderen 
Maasse abhängig von dem anatomischen Bau der Niere. Diese ist ein 
weiohes, in eine Kapsel eingeschlossenes Organ, in dem Sprengwirkungen 
platzgreifen. Die Infanteriegescbosse machen in der Regel glatte Durch¬ 
schüsse. Aus der Nähe als Querschläger zerreissen sie das Parenchym. 
Streifschüsse machen tiefe, rinnenformige Furchen. Umfangreiche Ver¬ 
letzungen maohen Explosivgeschosse. Besonders zu erwähnen sind in¬ 
direkte Schädigungen durch fortgeleitete Gewaltwirkung. Relativ häufig 
sind Steckschüsse. Eine grosse Reihe von Schüssen heilt unter Zurück¬ 
lassung einer geringen Narbe. Oft ist die Heilung durch Nekrose und 
Infektion gestört. Die grösste Zahl der Nierenverletzungen ist kompliziert 
duroh Mitverletzung anderer Organe, besonders der Brust- und der 
Bauchhöhle. Symptomatologie ist sehr präzise. Der frisch eingelieferte 
Nierenverletzte steht unter Schockwirkung und Wirkung des akuten 
Blutverlustes. Die diagnostisch wichtigste und häufigste Begleit¬ 
erscheinung ist Hämaturie, daneben Blutung naoh aussen durch die 
äussere Wunde. , Bei ausgedehnten Weichteilwunden Prolaps der Niere 
naoh aussen; bei Verlegung des Schusskanals retroperitoneales Hämatom. 
Bei Mitverletzung des Peritoneums fliesst Blut in die freie Bauchhöhle, 
eine weitere Begleiterscheinung ist Austritt von Urin aus der Wunde. 
Die Infektion ist eine häufige oft bedenkliche Folge der Nierenscbuss- 
. wunde. Steckschüsse beobachtet man im Nierenbecken und Parenchym; 
oft heilen sie reaktionslos ein, zuweilen kommt es zur spontanen Aus- 
stossung oder zu Spätabszedierung und Konkrementbildung. Die klinische 
Diagnose ist im allgemeinen leicht, schwer dagegen die anatomische. 
Die Prognose ist oft eine sehr ernste durch die häufige Mitverletzung 
anderer Organe, die Blutung und die Infektion. Die dringliche Neph¬ 
rektomie mit unkompliziertem Verlauf ist kein so schlimmer Ausgang. 
Allgemeine therapeutische Anzeichen lassen sich schwer festlegen. Ein¬ 
fache, unkomplizierte Nierenschüsse unterliegen grundsätzlich der kon¬ 
servativen Behandlung. Kümmel fordert in jedem Falle zur diagnosti¬ 
schen Wundrevision Freilegung der Niere. Demgegenüber betont Baezner 
seinen konservativen Standpunkt, wenn die Bedingungen für denselben 
erfüllt werden können, sorgfältige Ueberwachung, jederzeitige Möglichkeit 
saohgemässer, chirurgischer Hilfe, absolute Vermeidung eines Transports. 
Blutungen zwingen zu sofortigem operativem Eingreifen. Auoh die In¬ 
fektion zwingt zu aktivem Vorgehen. Die Sohussverletzungen der Ureteren 
sind vereinzelte Vorkommnisse, selten isoliert, meistens kompliziert. 
Diagnose ist leioht durch eingeführten Katheter, der auf ein Hindernis 
stösst und durch Indigkarminprobe. Spontane Heilung ist tnöglioh. Bei 
eintretender Infektion sofortige Freilegung und Drainage zur Sicherung 
freien Urinabflusses nach aussen. Bei fortgeschrittenen Urinphlegmonen 
soll man sich von vornherein zur Opferung der Niere entsohliessen. 

Die Kriegsverletzungen der Harnblase: Infanteriegeschosse 
machen glatte Durchschüsse, Querschläger erzeugen oft furchtbare Quetsch¬ 
wirkung. Eine wichtige Rolle spielt der Füllungszustand der Blase im 
Moment der Verletzung, die Geschosswirkung bei gefüllter Blase ist eine 
intensivere. Kontusionsverletzungen der gefüllten Blase entstehen duroh 
Tangentialsohüsse. Die in allen Teilen der Blase vorkommenden Schüsse 
sind meistens begleitet von Verletzungen anderer Organe. Kleine glatte 
Blasenwunden heilen leioht. Sonst ist die Heilung gestört duroh Infektion, 
Nekrose und Gewebszerfall. Allgemeine Symptome sind Anurie, Blutung, 
Urinabfluss aus der Wunde und Veränderungen des Füllungszustandes 
der Blase. Von Steckschüssen der Blase findet man Wandsteokschüsse 
und solche, bei denen das Geschoss im Hohlraum liegt. Diese maohen 
im allgemeinen die Beschwerden des Blasensteins. Prognostisch heilen 
viele Blasensohüsse glatt aus, ernster sind sie bei Mitverletzung der 
Knochen, Weichteile und Baucheingeweide. Therapeutisch ist das 
Wichtigste die Schaffung und Sicherung ungehinderten Urinabflusses. 
Beste Maassnahme ist Verweilkatbeter mit Nelaton. Bei anhaltender 


Blasenblutung Sectio alta und Tamponade, Freilegung von Abszessen. 
Urinphlegmonen verlangen weitestgehende Freilegung der infiltrierten 
Gewebe und Schaffung ausreichender Urinverhältnisse. Konservative Be¬ 
handlung von einfachen, glatten, extraperitonealen Bauch- und Steck¬ 
schüssen, bei intraperitonealen Blasensohüssen Laparotomie. Steckschüsse 
der Blase im Hohlraum sind grundsätzlich zu entfernen nach Feststellung 
durch Zystoskop und Röntgen. Sohussverletzungen der Harnröhre sina 
gewöhnlich begleitet duroh Mitverletzung der Geschlechts- und Becken¬ 
organe. Das klinische Bild ist prägnant. Diagnose gewöhnlich leicht. 
Urinentleerung ist aufgehoben oder wesentlich eingeschränkt. Blutungen 
aus dem Kanal bei Sohmerxhaftigkeit duroh Blasenfflllung. Als Spät¬ 
folge bleiben bei Abschuss grösserer Stücke oft hartnäckige Fisteln oder 
Strikturen zurück. Erste Forderung ist Schaffung ungehinderten Urin¬ 
abflusses. Katheterismus meistens nicht möglich. Bei der Schussver* 
letzung des freien Teils der Harnröhre drei operative Wege: direkte In¬ 
zision auf die Sohussstelle mit primärer Naht des Kanals und Dauer¬ 
katheter, Urethrotomie hinter der Verletzung, suprapubische Zystotomie 
mit Heberdrainage. Bei Verletzungen am prostatisohen Teil Eröffnung 
der Harnröhre vom Damm aus. Entfernung von Steckschüssen duroh 
E 5 nschnitt. 

2. Hr. H. Straus : Ueber die Kriegssehidigaagei der Haraergaie 
(vom Stsadpuikto der fiteres Medizin). 

Vortragender beschränkt sich auf solche Erfahrungen, welohe im 
Kriege entweder besonders auffällig in die Beobachtung getreten sind 
oder im besonderen Grade entweder zu einer Erweiterung unserer Kennt¬ 
nisse oder zu neuen Fragestellungen Anlass gegeben haben. Besonders 
interessieren die sog. Kriegsnephritiden, hierzu sind auch die prä- 
edatierenden Nephritiden der Kriegsteilnehmer zu rechnen. Die bei 
letzteren gemachten Erfahrungen sind im allgemeinen besser ausgefallen, 
als man erwartete. Freilich sind auoh manohe Fälle verschlimmert und« 
insbesondere Herzkompensationsstörungen beobachtet worden. Die akuten 
Prozesse waren teils infektiöse oder auch postinfektiöse Nierenreizungen 
oder ausgeprägte Nierenentzündungen. Diese Fälle von »Kriegsnephritis* 
treten gehäuft, an manchen Stellen sogar gruppenweise auf. Charakte¬ 
ristisch ist ein relativ kurzes Höbestadium, gefolgt von einem mehr¬ 
monatlichen Beharrungsstadium und einem vielwöohigen oder mehr¬ 
monatigen Abklingungsstadium. Im Höhestadium meist plötzlicher, 
oft fieberhafter Beginn mit Kopf-, Glieder- und Schienbeinsohmersen, in 
manchen Gegenden auch Milzschwellungen. Erscheinungen von Seiten 
des Harns entsprechen einer Glomerulonephritis mit reichlichem Eiweiss- 
gebalt und Harnverminderung. Naoh rasohem Verschwinden der Hy- 
dropsien mit Absinken der Albuminurie Steigerung der Urinmenge, Be¬ 
harrungsstadium mit wenig Eiweissgehalt und meist nur mikroskopisch 
feststellbarer Hämaturie bei allgemeinen Erschlaffungsersoheinungen. 
Im Abklingungsstadium besteht Steigerung des Eiweissgebalts und der 
Formelemente beim Verlassen des Betts. Erst nach Verschwinden ab¬ 
normer Beimengungen zum Urin oder Stabilwerden ganz geringer patho¬ 
logischer Abscheidungen auch nach Verlassen des Betts beginnt das 
Abheilungsstadium, wobei eine »völlige* und eine nur »relative* Heilung 
resp. »Defektheilung* zu unterscheiden ist. Der Verlauf war im ganzen 
ein gutartiger. Exitus 0,7—3,3pCt. Mehr als a / 4 aller Fälle .heilte im 
Laufe von Vz— 8 /« Jahren völlig oder fast völlig. Eine geringe Zahl von 
Fällen sind zu chronischen Nephritikern geworden. Urämie und Eklampsie 
waren ganz vereinzelt. Der Reststickstoff des Bluts war im Höhestadium 
meist auf 50—150 mg in 100 com gesteigert, im Abklingungsstadium 
häufig 40 und 60 mg, selten 80 mg und mehr. Im Spätstadium war 
häufig ein Funktionsbild vorhanden, wie bei Nephrosklerose. Der Blut¬ 
druck, in den Anfangsstadien häufig erhöht, zeigte in den Spätstadien 
etwa 130—140 mm Hg. Werte von 180 mm Hg erregten den Verdicht 
schon früher bestandener chronischer Indurationsprozesse. Grössere Herz¬ 
veränderungen waren in den Spätstadien selten, häufiger war das Auf¬ 
treten von Retinitis albuminurica 10—20 pCt. Häufig waren Kreuz¬ 
schmerzen, die sich zu echten Nierenkoliken steigerten, bei Vorhanden¬ 
sein von Eiweiss und Erythrozyten war hier differentialdiagnostisoh mit 
Urolithiasis zu rechnen, Koliknephritis (Gasper). Ihr Auftreten bangt 
mit der Frage der Starrwandigkeit bxw. mangelnder Dehnbarkeit der 
Nierenkapsel zusammen, ferner mit einem besonders starken Grad vpn 
Anschoppung. Völlige Heilung ist erreicht bei subjektiv nur noch ge¬ 
ringer Müdigkeit oder geringer Verminderung der Leistungsfähigkeit, 
objektivem Fehlen von Herzstörungen und Blutdruoksteigerung, Freisein 
des Urins von Eiweiss, Formelementen und Erythrozyten. Monatelang 
besteht noch Neigung zu Rückfällen, Sicherstellung duroh Belastungs¬ 
proben. Diese Auffassungen sind festgelegt in den »Richtlinien* der 
Heeressanitätsverwaltung. Das Vorhandensein von 2—4 Erythrozyten 
im Präparat oder Blutschatten ist ohne Bedeutung. Bei Heranziehung 
des Funktionsbefundes zur Kritik der Heilung ist vor Schematismus zu 
warnen; auch bei klinisch Geheilten kann man nioht ganz selten Ab¬ 
weichungen in der Funktion von der Norm feststellen, der Begriff des 
Normalen ist überhaupt ein sehr dehnbarer. Bezüglich der Aetiologie 
der Kriegsnephritis sind die Meinungen geteilt zwischen Unitaristen und 
Pluralisten. Strauss rechnet sich zu letzteren. Er nimmt in der kalten 
Nässe den »Sensibilisator* für die Erkrankung an, dazu kommt noch 
ein Infekt auf sensibilisiertem Boden. Bei der anatomischen Grundlage 
der Erkrankung, einer Glomerulonephritis, kommen wahrscheinlich ver¬ 
schiedene Bakterien und Gifte als Erreger in Frage. Bezüglich der Ein¬ 
trittspforte der Erreger spielt weder Angina noch Influenza eine hervor¬ 
ragende Rolle, dagegen die im Anschluss an Ungeziefer auftretenden 


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164913 

BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 647 


7. Juli 1919. 


Pyodermien. Hierfür sprioht die häufig vorhandene Vermehrung der 
eosinophilen Zellen im Blut, die man auch bei Dermatosen findet. 
Pathologisoh-aoatomisch findet man Glomerulonephritis, nach mehrwöohent- 
liehem Bestände auch Mitbeteiligung des Tubulusapparates. Therapeutisch 
hab$n die Kriegsnephritiden unsere Erfahrungen nioht wesentlich ge¬ 
fordert In der §pätbehandlung haben sich die neueren Anschauungen 
bewährt. Bei Kombination von Oligurie und Urämie hat die Nieren- 
dekapsuiation oft Gutes geleistet. Der Aderlass kommt in Frage bei 
Retentionsurämie und Niereneklampsie. Der Faktor der Niereokongestion 
im Zusammenhang mit den Elastizitätsverhältnissen der Nieren kapsel 
spielt eine Rolle bei den zahlreichen Fällen von Nieren- und B lasen- 
besohwerden ohne klinisch nachweisbare Nephritis sowohl bei Kriegs¬ 
teilnehmern als auch bei der Heimatbevölkerung. Daneben besteht 
Polyurie, Pollakisurie, Enuresis, unangenehmer Harndrang und andere 
Blasenbeschwerden. Rothschild sucht die Ursache der Polyurie in 
der reichlichen Flüssigkeitszufuhr und dem Salzgehalt der Speisen, dies 
reicht aber zur restlosen Erklärung für die Blasenhyperästhesie in vielen 
Fällen nioht aus. Hier mag die Hyperästhesie im Zusammenhang stehen 
mit Nierenkongestion, in manchen Fällen auoh mit Abspaltung von 
Ammoniak (Freudenberg). Oft wird aber eine lokale Erhöhung der 
Reizbarkeit der Blase anzunehmen sein. Die Ursache ist in manohen 
Fällen eine Erkältung, in anderen abgeheilte Zystitis im Sinne einer 
psychogenen Fixation bzw. überlagerten Neurose. Es handelt sich meist 
um eine Koordinationsstörung der einzelnen beim Blasenversohluss und 
bei der Blasenentleerung in Frage kommenden recht verwickelten Nerven¬ 
apparate, wobei bald mehr das spastisohe, bald mehr das paretische 
Moment in Wirkung treten dürfte. Ein Teil der Fälle ist auf psychogener 
Grundlage entstanden (Nervenschock). Die Ursaohen dieser Zustände 
können recht zahlreich und verschiedenartig sein. Zystitis und Pyelitis 
unterscheiden sioh nioht von den im Frieden gemachten Erfahrungen. 
Gelegentlich sind sie im Anschluss an die gehäuft auftretenden Infektionen, 
Typhus, Paratyphus, Dysenterie usw. entstanden. Bilharziaerkrankung 
kam auf dem asiatischen Kriegsschauplatz vereinzelt zur Beobachtung. 
Schliesslich sind zu erwähnen die Marsobbämoglobinurie und die Oedem- 
krankheit, bei der es sioh mehr um eine Stoffweohsel- als um eine Nieren¬ 
krankheit bandelt. L. Lipman-Wulf. 


Amtlicher Verein in Hamburg. 

Sitzung vom IS. Februar 1919. 

Die Versammlung ist infolge des Hooh- und Strassenbahnerstreike 
nur mässig besucht Auch mehrere Demonstrationen müssen infolge¬ 
dessen auafallen. 

Demonstrationen. 

1. Hr. Armilg stellt einen Fall von Erythema iadirat. Baiia vor, 
eine besondere Form der Hauttuberkulose, die sioh besonders im Verlauf 
der Lympbgefässe ansiedelt. 

2. Hr. Weygandt stellt einen 28 jährigen jungen Mann vor, der nach 
Granatexplosion in seiner Nähe binnen weniger Tage ergraute. 

&. Hr. Belebe zeigt Bilder von einem jungen Menschen, der an 
8krephnloderma (Tiberkulese der SabkntU) im Gesicht und an beiden 
Ahnten erkrankt war; ausserdem bestanden Spinae ventosae an sämt¬ 
lichen Fingern und Zehen und ausgedehnte Hilusdrüsentuberkulöse. 
I 1 /*jährige Behandlung nach Ponndorf, im letzten Vierteljahr mit 
Tutförkulineinspritzungen, haben sämtliohe Krankheitserscheinungen er¬ 
heblieh beeinflusst; die Veränderungen sind so weit zurückgegangen, 
dass der Patient als fast geheilt vorgestellt werden kann. 

* 4. Hr. Heiler zeigt Bilder von der ziemlioh primitiven chirurgischen 
Behandlung (Ferrim candeas, Foataaelle, bestehend aus einer Erbse 
und einem darüber gelegten Weinblatt, Sohienung eines Bruches mit 
Reisigem und Bindfaden) in Palästina und der Sinaiwüste; er weist hin 
auf die besondere Neigung der Araber zu Gangrän; auffallend rasch 
tritt bei zu fest angelegten Verbänden Mummifikation und Gangrän aut; 
aber auch bei Infektionskrankheiten wurde diese Neigung zur Gangrän¬ 
bildung nicht selten beobaohtet, so in 5- pCt. der Fleckfieberiälle. 
Aetiologisoh für die Neigung zu Gangränbildung schon bei jungen Leuten 
kommt in Betracht der Nikotinabusus bei den Arabern (80—100—140! 
Zigaretten am Tag). Spontane Gangrän ist wohl eine Folge von vaso- 
konstriktorisohen Neurosen; auoh Raynaud’sche Krankheit sieht man 
nioht selten bei den Arabern. 

• Vortr. sprioht dann noch von der Häufigkeit infektiöser Prozesse 
der Mundhöhle (Gingivitis, Plaut-Vinoent’sohe Angina) und zeigt ein 
^Id von Noma. 

5. Hr. LlppM» weist auf den übermässigen, unnötigen Kalorien- 
▼erbraieh hin, zu dem alle arbeitenden Hamburger jetzt durch den 
Streik der Verkehrsangestellten geswungen sind. Wir erhalten etwa 
1600 Kalorien, von denen bei täglich 2 ständigem Fussmarsch sohon 
mindestens ein Viertel verbraucht wird. 

L. schlägt deshalb vor, eine Erklärung abzugeben, dass durch den 
nun sohon 8 Tage dauernden Streik die Allgemeinheit sohwer an ihrer 
Gesundheit gesohädigt werde. 

Die Erklärung findet einmütige Zustimmung der ganzen Versamm¬ 
lung und wird mit dem Zusatz, dass die Aerste auch verhindert würden, 
allen sehwerkranken Patienten ordnuBgsmässig. Hilfe angedeihen zu lassen* 
täatliehen Tageszeitungen zur Veröffentlichung übergeben. 


Vortrag. 

Hr. Zeittier: Ueber Rauschhraid. 

Der RauBobbrand ist eine in der Veterinärmedizin seit langem be¬ 
kannte Seuche; das Interesse der humanen Medizin für diese Erkrankung 
ist durch den Krieg waebgerufen, weil ihr Erreger sich auch zuweilen 
bei den durch den Krieg hervorgerufenen Wundinfektionen des Menschen 
findet. Der Rausohbrand wird hervorgerufen durch 4 gut charakterisierte 
Bakterienarten; er befällt hauptsächlich das junge Rindvieh im 1. bis 
8. Lebensjahre; die Erkrankung ist endemisch, verläuft ausserordentlich 
foudroyant, vom Beginn der ersten Krankheitserscheinungen bis zum 
Tode in 24—36 Stunden. Die Krankheitskeime sitzen in den Muskeln 
und im Unterbautzellgewebe; sie sind sebwarzrot, meist ganz trocken, 
wie verkohlt, nur selten etwas feucht; in ihrer Umgebung findet sieh 
schwarzrotes Oedem; die Herde strahlen einen süssliohen Geruch aus. 
Ueber den Infektionsmodus ist nichts bekannt; die Erkrankung tritt bei 
jungen Rindern ganz unvermittelt auf. Im Gegensatz hierzu befällt der 
von Wunden ausgehende traumatische oder Geburtsrauschbrand nur 
ältere Rinder. 

Streng zu trennen vom Rausohbrand ist das — auoh beim Mensohen 
vorkommende — maligne Oedem, als dessen Erreger eine grössere Zahl 
von Bakterienstämmen bekannt ist, unter anderen das von Ghon und 
Sachs gezüchtete Bakterium. 

Nahe verwandt dem Rausohbrand ist der Brazzot (= sohneile 
Seuche); er befällt Schweine, Schafe und Ziegen. Bei Untersuchung der 
Organe daran gefallener Tiere findet man im Magen, besonders zu Beginn 
der Erkrankung, sehr dichte Bakterienrasen; das spricht entschieden 
für Infektion durch Fütterung. 

Vortr. demonstriert zahlreiche Diapositive von Kulturen des Rausch¬ 
brands, Brazzots und malignen Oedems und von mikroskopisohen Präpa¬ 
raten derselben und verwandter Anaerobier (Gasgangrän, deren Erreger 
nie begeisselt sind, Tetanus, dessen Erreger im Gegensatz zum Rausch¬ 
brand endständige, knopfförmige Sporen tragen). Der Bazillus des Rausoh- 
brands liegt einzeln oder in Paaren, der des Brazzot in langen Fäden. 

Vortr. tand bei seinen Untersuchungen in 10 Fällen mensch¬ 
licher Wundinfektion den Rausohbrandbazillus, in 1 Fall den des 
Brazzot; in 4 Fällen beim Rind, in 6 Fällen beim Menschen Misoh- 
infektion von Rauschbrand und FVaenkel’scher Gasgangrän. 

_ M. Fraenkel. 

Verein für wissenschaftliche Heilkunde zu Königsberg i. Pr. 

Sitzung vom 10. März 1919. 

Vorsitzender: Herr Winter. 

1. Hr. Telenaui: Demoastratie* über Lagebestiauuug innerhalb 
der Brasthtible. 

Im Anschluss an sechs mit Erfolg operierte Fälle von herznahen 
bezw. Herzsohüssen bespricht Vortragender die Diagnostik bezw. Lokali¬ 
sation von Fremdkörpern innerhalb der Brusthöhle. Erstens und vor 
allen Dingen muss dieselbe mit Rücksicht auf die chirurgische Indikations- 
stellung eine topographisch anatomische sein und ist als solche nur 
mittels der Durchleuchtung ausführbar. Zweitens muss die genauere 
Lokalisation eine geometrische sein und ist als solohe auoh in der 
Durchleuchtung aus durch Röhrenverschiebung zu gewinnenden Maass- 
Werten nach dem Strahlensatz exakt zu errechnen. 

2. Hr. Rautenberg: Ueber pneuvoperitoneale Rtfn^eidiagnoitik. 

Die pneumoperitoneale Röntgendiagnostik ist zunächst für 

ein enges Krankheitsgebiet erdaoht worden, nämlich für Erkrankungen 
mit Aszites, bei denen naob der Punktion Luft in die Bauchhöhle ein¬ 
gelassen wurde, um die Bauohorgane, besonders die Leberoberfläohe, der 
Röntgendiagnostik zugänglich zu machen. Die grosse diagnostische Aus¬ 
beute veranlasste den Verfasser, schon bei seiner ersten Mitteilung 
(Wiesbaden 1914) darauf hinzuweisen, dass diese Methode auch bei 
trockener Peritonealhöhle angewandt werden könne. Er hat verschiedent¬ 
lich (zuletzt 1916, Berl. Med. Ges.) darüber gesprochen und publiziert. 
Die Methode wird in Rückenlage des Patienten durch Einstich in der 
Mittellinie unterhalb des Nabels ausgeführt, die Einblasung durch Doppel¬ 
gebläse wird merkwürdig gut vertragen, Verletzungen hat Verfasser bei 
Tieren oder Menschen nicht beobachtet. Eine ausgiebige Durchleuchtung 
des Patienten hinter dem Röntgensohirm in Seitenlage, Rüokenlage usw. 
lässt besonders die soliden Organe der Bauohböhle in ihren Konturen 
in Gestalt- und Formveränderungen erkennen. Besonders wird die Dia¬ 
gnose von Leber-Erkrankungen durch diese Methode gefördert (Leber¬ 
zirrhose, Stauungsleber, Eohinokokkus, akute gelbe Leberatropftie); ferner 
kann man Gestaltveränderungen, VergtösseTungen a> Udd'?obrQmp!ungen 
der Milz und der Niere.n-wrktftmen.;-s : ‘irn\letite#'^eit hat Ghetto 
(Halle) auoh über diese Methode ^erfebtöt;- ebne ’diV vorliegenden Ver¬ 
öffentlichungen von*Rautenberg genügen ft. fu;btirüoksiohtigen. — Es 
empfiehlt sioh, diese Methode zpnäphst bör Asiitks-Kranken zur Samm¬ 
lung eigener Erfahrung zu erprol^eVs. Je 'grösser ’ die Erfahrung, desto 
leichter die Indikationsstellung und ,dj«.Vsrai?ssäfo diagnostischer Aus¬ 
beute. Vor indikationsloser AnwenduüA W7Ö gtfVärqt.' (S. diese Wochen- 
sehr., 1914, Nr. 86, 1917, Nr. 1, l,23?«19*,*Nr. 9.) 

3. Hr. Emst: Theerie der Narkose. 

(Erscheint als Originalartikel in dieser Woohensobrift.) Riedel. 


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048 


BERLINER KLINISCHE W0CHEN8CHRIFT. 


Hr.27. 


T&gesgeschlchtliche Notizen. 

Berlin.' In der am Dienstag, den 20. Mai, abgelialtenen Sitzung der 
Berliner Dermatologischen Gesellschaft stellte nach einleitenden 
Worten des Vorsitzenden Herrn 0. Rosenthal Herr Aümann eine 
Kranke mit Recklinghausen’scher Krankheit, Herr Joffe ein- Kind mit 
Lichen sorophulosum vor. Herr Brüh ns seigte die Moulage eines 
Kranken mit Liohen verrucosus neben Lichen chronicus Widal. Dann 
seigte Herr L. Pulvermacher einen Kranken mit Erythrodermie con¬ 
genitale iehthyosiforme Brocq. Hierauf hielt Herr Br uh ns seinen Vor¬ 
trag: Zur Frage der Encephalitis haemorrbagioa nach Salvarsan und die 
Dosierung des Salvarsans (Aussprache: die Herren F. Pinkus, Frits 
Lesser, 0. Rosenthal, Brunns, 0. Rosenthal, Frits Lesser). 
Zum Schluss hielt Herr Stutsin sein Referat über Grensgebiete der 
Dermatologie und Urologie. — ln der Sitsung am 17. Juni seigte Rerr 
Heller nach einleitenden Worten des Vorsitsenden 0. Rosenthal 
einen Fall sur Diagnose, Herr A. Alexander einen Fall von Ulerythema 
sycosiforme (Aussprache zu beiden Fällen: Herren Blaschko, Arndt, 
Saalfeld, Blaschko, Heller). Herr Löhe stellte Kranke mit 
exsessiver Komedonenbildung im Gesicht infolge von Beschäftigung in 
einer Schuhmacherei vor (Ausspraohe: Herren Blaschko, Löhe). Herr 
Thoms seigte einen Fall von Sklerodermia circumscripta (Aussprache: 
Herr Saalfeld). Dann folgten die Ausspraohen über das Referat der 
Herren Ledermann und Pinkus: Haarausfall nach Grippe (Herren 
Saalfeld, 0. Rosenthal, Heller, Saalfeld) und die Ausspraohe 
über das Referat des Herrn Stutsin (Herren Heller, Stutsin). Zum 
Sohluss der Vortrag des Herrn Sprinz: Zur pathologischen Anatomie 
der Heurofibromatosa (Ausspraohe: Herr Pinkus) und der Vortrag des 
Herrn F. Lesser: Eine neue Modifikation der Meineke’schen Reaktion. 

— Der an der Spitze dieser Nummer abgedruokte Aufsatz des 
Herrn Kirchner sohliesst sich unmittelbar an die Erörterungen an, 
welohe im Anschluss an den Vortrag des Herrn Jürgens über „Neue 
Wege der Seuchenbekämpfung“ in der Berliner medisinisohen 
Gesellschaft stattfanden. Hierauf auoh an dieser Stelle noch einmal 
zurüoksukommen, veranlasst uns der jetzt in grösserem Umfang als bis¬ 
her geplante Versuch der Tuberkulosebekämpfung mit dem Fried- 
mann’schen Mittel. Die Bekämpfung einer Infektionskrankheit wird 
im Sinne Robert Kooh’s und Kirohner’s selber, des Begründers 
unserer Seuohengesetsgebung, am wirksamsten dann ausgelührt werden 
können, wenn es gelingt, die Infektionsträger („Basillenstreuer“) für 
ihre Umgebung unschädlich zu maohen, ferner aber möglichst viele dis¬ 
ponierte Menschen durch Sohutsimpfung, gleichviel ob durch Vakzine 
oder Serum, su immunisieren; für beide Methoden kennen wir ja jetst 
eine grosse Reihe von Beispielen. In der erwähnten Ausspraohe hat 
Herr Bönninger betr. der Tuberkulose, wie vor Jahren schon Herr 
Erich Müller, gerade auf letztere Möglichkeit hingewiesen. Hier wird 
in der Tat die wiohtigste Aufgabe zu losen sein; seit die Unschädlichkeit 
des Friedmann’sohen Mittels erwiesen ist, darf man hier ein Problem 
von allergrösster Bedeutung für die Gesundung unseres Volkskörpers 
erblicken, dessen Lösung im günstigen Sinne uns einen Ausgleich bieten 
könnte für den sonst bei der Tuberkuloseverhütung entscheidenden 
Faktor der sozialen Verhältnisse. P* 

— Kürslioh ging duroh die Tagespresse die Bemerkung, dass in 
Breslau die Zahl der duroh Alkohol erkrankten Geisteskranken und die 
duroh Alkohol verursachten Todesfälle während des Krieges von Jahr su 
Jahr abgenommen haben. Zuverlässige Zahlen liegen uns noch nicht vor, 
doch ist schon interessant, die Zahlen zu betrachten, die aus den Berliner 
städtischen Anstalten darüber veröffentlicht werden (naoh Veröff. d. Ges.- 
Amts). Nach dem Bericht des Berliner Magistrats wurden aufgenommen 
in die Irren- und Idiotenanstalten Dalldorf vom 1. IV. 1915 bis 31. III. 1916 
von 756 Neuaufnahmen 65 wegen chronischen Alkoholismus (8,6 pCt.), 
vom 1. IV. 1916 bis 31.111. 1917 von 754 Neuaufnahmen 38 (4,4 pCt.), 
Hersberge vom 1. IV. 1915 bis 31. III. 1916 von 1227 Neuaufnahmen 176 
(14,8 pCt.), vom 1. IV. 1916 bis 81.11L 1917 von 991 Neuaufnahmen 121 
(13,1 pCt.), Buch vom 1. IV. 1915 bis 81. III. 1916 von 691 Neuaufnahmen 
140 (20,2 pCt.), vom 1. IV. 1916 bis 31.1U. 1917 von 724 Neuaufnahmen 
122 (16,7 pCt.), Wühl garten vom 1. IV. 1915 bis 81. III. 1916 von 499 Neu¬ 
aufnahmen 13 (2,6 pCt.), vom l.IV. 1916 bis 81. UI. 1917 von 469 Neu¬ 
aufnahmen 17 (3,6 pCt). Hiernach wäre hier in den drei ersten An¬ 
stalten eine Abnahme, in der letzten eine geringe Zunahme vorhanden. 
Die Breslauer Abnahme scheint sioh entgegen dem von den Tagesblättern 
gesogenen Schlüsse nur auf die Todesfälle infolge von Alkoholismus 
(Delir, trem.) zu beziehen, deutlioh ging dies aus dem laienhaften Referat 
nicht fc$rvor. 

Vf 4 Atpfcripnzäszte, .und Medisinalkraktikanten von Gross-Duisburg 
haben stbh;*d. tthferprtfs8*D!fu38jt)uiTgei.AjiV f stenten-Vereinigung 
snsammengeschtossbtr. ’Diä .Vereinigung b*aVflie;Alufcabe, die wirtschaft¬ 
lichen und ideellAnvIntcsqssep ihrer Mitgliedes, hoaieit sie sioh aus ihrem 
Beruf ergeben, zV.Vbrtceteit..* Sie'j^latot den Anschluss an den deutschen 
Assistenzarztbund *dnd den Hj. V.; ^Zuschriften an Dr. Wienskowitz, 
Diakonissenkran^eh^äps.jJqisbpyg.. 

— VolkskVasfkhvitbÄ. , ..J 70 cIen: Deutsches Reioh (15. bis 
21. VI.) 43, nachträglich (E—Vv.VSJJö and (8.—14. VL) 82. Deutsch- 
Oesterreich (l.—7. VI.) 9. Fleokfieber: Deutsches Reioh 
(15.—21. VI.) 77, nachträglich (1.—7. VI.) 6 und (8.—14. VI.) 6. 


Deutsch-Oesterr oh (1.—7. VL)15. Ungarn (21.—27. IV.) 92 und 
(19.—25. V.) 25. Genickstarre: Preussen 8.—14. VL) 7 und 8 f. 
Sohweis (25.—31. V.) 8. Ruhr: Preussen (8.—14. VL) 15 und 2 f, 
nachträglich (1.—7. VL) 14. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen 
starb an Masern und Röteln in Elbing, an Typhus in Halberstadt und 
Pforzheim. (Veröff. d. Reichs-Gen.-Amte.) 

Hochschul nachriobteo. 

Frankfurt a.Main: Prof. K. Ludloff wurde sum ordentlichen 
Professor ernannt. — Freiburg: Dr. W. Sohoelier hat den Titel 
a.o. Professor erhalten. — Hamburg: Dr. Fressei hat den Titel 
a.o. Professor erhalten. —> Jena: Geheimrat Lexer hat den Ruf 
nach Freiburg abgenommen. — Köln: Der Oberbürgermeister Herr 
Adenauer wurde sum Ehrendoktor der medisinisohen Fakultät ernannt. 
Münohon: Habilitiert: Dr. Fritz Lens für Hygiene, Dr. Stierlin 
für Chirurgie. — Wien: Prof. R. Doerr ist an das deuteohe Reichs- 
gdfundheiteamt berufen. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennung: Wissenschaftl. Mitglied des Institute für Infektionskrank¬ 
heiten „Robert Koch* in Berlin Dr. Ernst Walter sum Kreisarzt 
in Waldbröl. 

Versetzungen: Reg.- und Med.-Rat Dr. Matthes von Gumbinnen an 
die Regierung in Koblenz; Reg.- und Med.-Rat Dr. Rath mann von 
Marienwerder an die Regierung in Potsdam; Kreisarzt Dr. Glaubitt 
von Waldbröl nach Memel; Kreisarzt Dr. Wessling von Wollstein 
nach Soran; Kreisarzt Dr. Hübner von Zabikowo (Kr. Posen West) 
nach Waldenburg; Kreisarzt Med.-Rat Dr. v. Gizycki von Brieg nach 
Breslau; Kreisarzt Dr. Kutsky von Steinas a. 0. nach Brieg. 

Ausgesohieden aus dem Staatsdienste: Kreisarzt Dr. Stoll in 
Gerdauen. 

In den Ruhestand getreten: Ministerialdirektor im Ministerium des 
Innern Wirkl. Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Martin Rirohner; Reg.- 
und Geh. Med.-Rat Dr. V. Grisar in Koblenz; Reg.- und Geh.-Med.- 
Rat Dr. S. Wo 1 ff borg in Breslau; Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. 

J. Dybowski in Waldenburg; Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. W. Volk¬ 
es uth in Saarburg. 

Niederlassungen: Max Weiss in Kallningken (Kr. Heydekrug), 
F. Zondervan in Insterburg, Dr. E. Sohreyer in Neuwedell (Kr. 
Arnswalde), E. Fuhr in Fürstl. Drehna (Kr. Luckau), Dr. H. Staffier 
in Ziebingen (Kr. Weststernberg), Dr. J. H. Bensler in Spantekow 
(Kr. Anklam), Dr. 0. Jabms in Eggesin (Kr. Ueokermünde), U. Thur 
in Kolberg, Dr. Jul. Lewinsohn in Stolp in Pomm., Dr. E. Petssoh 
in Bergen a. Rüg., Dr. H. Volkmann in Damgarten (Kr. Fransburg), 

K. Wronke, U. Saalfeld, F. Janus, Dr. W. Hülse, Dr. G. Mats¬ 
dorff, Dr. K. Wiener, Dr. H. Gorke, Dr. K. Wachtel, F. Kempf, 
Dr. 0. Nieber, Dr. K. Rother, Dr. Riohard Levy, Dr. H. Strang, 
Dr. E. Degner und Dr. F. Loewenhardt in Breslau, R. Kemper 
in Mittelsteine (Kr. Neurode), Karl Krüger in Görbersdorf (Kr. 
Waldenburg). 

Verzogen: Dr. 0. Better und Dr. ILFrick von Berlin-Wilmersdorf, 
Dr. Paul Hirsch von Gut Seehof, Dr. Ludw. Joseph von Wannsee, 
Dr. Friedr. Landauer von Augsburg, San.-Rat Dr. Siegfried 
Löwenstein von Berlin-Steglitz, Dr. Paul Meyer von Lilientbal 
sowie Dr. Kurt Rosenthal und Dr. R. Spiegel von Berlin-Liohtenbäig 
nach Berlin, W. Pilz von Berlin naoh Neukölln, San.-Rat Dr. Karl 
Abel von Berlin naoh Berlin-Wilmersdorf, Dr. W. Ginsberg ton 
Berlin naoh Bad Nauheim, Gräfin Lisa Mandelsloh geb. Pieteoh von 
Berlin naoh Hamburg, Dr. Ernst Meyer von Berlin naoh Freiburg 
i. B. ; Dr. J. Raefier von Berlin naoh Heidelberg, Dr. Otto Schütze 
von Owinsk naoh Kortau, Dr. Th. v. Gruchalla von Bornim naoh Vier¬ 
raden (Kr. Angermünde), Dr. Jul. Kats von Berlin naoh Schwedt a. Q., 
Dr. Adolf Ltncke von Berlin naoh Berlin-Tegel, Dr. W. Wörpel 
von Berlin-Reinickendorf naoh Neuenhagen (Kr. Niederbarnim)} Dr. 
A. Soholinus von Hagen i. W. naoh Freienwalde a..O., 0fc.»§t»~$&ht 
a. D. Prof. Dr. Erich Hübener von Berlin nach Luckenwalde, Dr. 
F. Appel von Spantekow (Kr. Anklam) naoh Preozlau, Alois Hoppe 
von Rosenberg (Westpr.) naoh Landsberg a. W., Dr. Max Renner 
von Jena naoh Sonnenburg (Kr. Oststernberg), Dr. Horst Arnold 
von Sonnenburg nach Chemnitz, Dr. J. Heiliger von Kempfeld naoh 
Kleinich (Kr. Bemoastel), Dr. K. Kar oh von Cöln nach Jünkerath 
(Kr. Prüm), Dr. Nikolaus Lang von Halsburg (Bayern) naoh Dann, 
A. Reoktenwald von Strassburg i. Eis. und Dr. H. Philippi von 
Sulsbach nach Neunkirohen, Dr. P. Walldorf von Neunkirchen und 
Dr. Th. Busen von Bitsoh (Lothr.) naoh Saarbrücken, Dr. K. Vogeler 
von Hildesheim und A. E. Schönmeyer von Singen-Hohentwiel naoh 

: Quierschied (Ldkr. Saarbrücken). 

Praxis aufgegeben: Geh. San.-Rat Dr. Paul Blume in Freien¬ 
walde a. 0., jetzt in Lagow (Kr. Oststernberg). 

GeBtorben: Dr. F. Struck in Freienwalde a. 0., Dr. Max Gärtner 
in'Breslau, Geh. San.-Rat Dr. Paul Hildebrandt in Frankenstein, 
Reg.- u. Geh. Med.-Rat Dr. Josef Schlecht in Trier. 

Fttr di« .Redaktion vorantvörtlich Prot Qr. Hans Mohn, Berüa Bayronthor Str. 41. 


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alle Bnehhandlnngen and Postanstalten an. 


BERLINER 


Ille Einsendungen für die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
Angnst Hirschwald, Berlin NW., Unter den Linden (SS, 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geb. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posier und Prot Dr. Hais Kohl August Birsohwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin 

Montag, den 14. Juli 1919. M28. Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origiialleii : Fahr: Ueber Nieren Veränderungen bei Influenza. (Ans 
dem pathologischen Institut des Allgemeinen Krankenhauses 
Barmbeok.) S. 649. 

Bittorf: Endemisches Auftreten von Spätraohitis. (Ans der medi¬ 
zinischen Universitäts-Poliklinik Breslau.) (Illustr.) S. 652. 
Rosenstein: Ueber die Behandlung der Mastitis mit Eoknpin und 
Yuzin. S. 654. 

Bieherbespreehuigea: Sohminoke: Die Kriegserkrankungen der quer¬ 
gestreiften Mosknlatnr. (Ref. Pick.) S. 657. — Hoffa und Gras hei: 
Yerbandlehre. S. 657. Hochenegg and Payr: Lehrbuoh der 
speziellen Chirurgie für Studierende und Aerzte. S. 658. Ziegner: 
Yademeknm der speziellen Chirurgie und Orthopädie för Aerzte. 
(Ref. Simon.) S. 658. — Kraepelin: Hundert Jahre Psychiatrie. 
(Ref. Kramer.) S. 658. 


Aus dem pathologischen Institut des Allgemeinen 
Krankenhauses Barmbeck. 

Ueber Nierenveränderungen bei Influenza. 

Von 

Th. Fahr. 

Die iweite grosse Welle unserer Influenzaepidemie scheint 
in der Hauptsache abgeläufen zn sein, and es ist infolgedessen 
heute an der Hand des dabei beobachteten übergrossen Materials 
möglich, über viele hier in Betracht kommende Fragen ein ab¬ 
schliessendes Urteil zn fällen. Zn den Fragen, die nach dem 
Stande nnserer heutigen Kenntnisse in diesem Sinne spruchreif 
sind, gehört meines Erachtens die Feststellung, inwieweit die 
Influenza zn Nierenschädignngen Anlass gegeben hat. In der 
Literatur liegen darüber schon eine ganze Reihe von Mitteilungen 
vor, die meist allerdings nur kurz über die Frage binweggehen, 
da die betreffenden Autoren die Nierenschädigung nicht in den 
Mittelpnnkt ihres Interesses gestellt haben; dieses Interesse war, 
wie ganz natürlich, in erster Linie den Yerändernngen an den 
Atmungsorganen zugewandt. 

Oberndorfer schreibt: die Nieren sind hyperämisch, deut¬ 
lich gezeichnet, ohne Yorquellen der Rinde, Gruber und Sim- 
monds sahen trübe Schwellung; Busse schreibt: die Nieren 
waren in vielen Fällen ganz unbeteiligt, in anderen fand ich 
eine leichte Trübung des Epithels der gewundenen Harnkanälchen, 
sehr viel seltener war die Degeneration stärker ausgebildet, die 
Glomeruli erwiesen sich fast immer als unverändert; Wegelin 
gibt an, dass bei den Nieren ebenso wie in der Leber die trübe 
Schwellung bei weitem vorwiegt, ausgedehnte Yerfettung kommt 
viel seltener zur Beobachtung. Eiweissausscheidung in den 
Kanälchen ist etwas gewöhnliches, dagegen bat er bisher keine 
echte Nephritis gesehen. Dasselbe betont Löh lein. Hanne¬ 
mann sah einmal mnltiple Nierenabszesse, sonst keine sekundären 
Nierenerkrankongen. Auch nach Glans und Pritsche sind die 
Nieren seltener schwerer affiziert, nur einmal fanden sie „ausge¬ 
sprochene frische Tubnlonepbritis mit hyalin-tropfiger vaknolärer 
Degeneration der Epitheiien der Tubuli contorti und mit zahl¬ 
reichen hyalinen Zylindern. Das interstitielle bindegewebige 


ALT. 

Literatir-Aisifige: Physiologie. S. 658. — Therapie. S. 659.— Allge¬ 
meine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 659. — Parasiten¬ 
kunde und Serologie. S. 660. — Innere Medizin. S. 660. — Psychiatrie 
and Nervenkrankheiten. S. 661. — Kinderheilkunde. S. 661. — 
Chirurgie. S. 661. — Röntgenologie. S. 662. — Haut- und Ge¬ 
schlechtskrankheiten. S. 662. — Geburtshilfe und Gynäkologie. 
S. 663. — Augenheilkunde. S. 663. — Hals-, Nasen- und Ohren¬ 
krankheiten. S. 668. — Schiffs- und Tropenkrankheiten. S. 663. 

Verhaidliigei ärztlicher Geseilsehafte«: Berliner Gesellschaft 
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 664. — Aerzt- 
lioher Verein zn Hamburg. S. 666. — Medizinische Ge¬ 
sellschaft zu Göttingen. S. 667. — Natnrhistorisoh-medi- 
zinisoher Verein zu .Heidelberg. S. 668. 

Cassirer: Hermann Oppenheim f. S. 669. 

Tageagesohiohtl. Notizen. S. 671.— Amtl. Mitteilungen. S. 672. 


Stroma wies ab und zu vereinzelte Lymphozyten nnd Plasma¬ 
zellen auf, in einigen Fällen fand man kleine Abszesse“. 
Knack, der über unser Material bei der ersten Welle der Io- 
fluenzaepidemie berichtete, konnte damals auch nur einen Fall 
von Abszessbildung buchen, während es sich sonst am trübe 
Schwellang handelte, die sich klinisch nur als Albuminurie prä¬ 
sentierte. Auf seine sonstigen klinischen Befunde komme ich 
später noch zu sprechen. Etwas mehr werden von March and 
die Veränderungen an den Nieren betont. Er sab recht häufig 
parenchymatöse Trübung und ziemlich verbreitete fettige Ent¬ 
artung der Epitheiien, in einzelnen Fällen auch reichlich Eiweiss¬ 
ausscheidung in den Glomernluskapseln und Zylinderbildung ohne 
stärkere Zellanbäufung in den Glomerulusschlingen. Er hält 
diesen Zustand für den Anfang entzündlicher Veränderungen. 

In sehr bemerkenswerter Weise wurden von einigen Autoren, 
die über Beobachtungen an Kriegsteilnehmern berichten, die 
Nieren Veränderungen in den Vordergrund gestellt. Sigmund' 
hat unter nur 38 Inflaenzatodesfälien mehrere Male frische 
hämorrhagische Glomerulonephritis festgestelit. Dünner und 
Pnpko führen Nephritisf&lle bei Soldaten, die auf dem Rück¬ 
marsch ans dem Feld erkrankten, auf Influenza zurück. Vor 
allem sind hier aber die Untersuchungen von Dietrich und 
seinem Schüler Kncsynski 1 ) zu erwähnen, die bei einem relativ 
kleinen Material von 49 Inflaenzatodesfälien auffallend häufig, 
nämlich 20mal, Nierenverändernngeo feststellen konnten. Zu¬ 
nächst hat Dietrich über die Befände an 40 Todesfällen be¬ 
richtet. Er sah dabei 3 mal aoeh klinisch festgestellte aknte 
Glomerulonephritis, aber in mehr als einem Drittel seiner Fälle 
waren die Nieren in Mitleidenschaft gezogen. „Es zeigte sich 
dies in Erhöhung des Nierengewichtes, Trübung und Verbreite¬ 
rang der Rinde, mikroskopisch boten einzelne Glomerulas- 
schlingen Leukozytenansammlungen oder Untergang einzelner 
Zellen, wechselnde Blutfüllung nnd geronnenes Kapselexsudat; es 
bestand auch leichte Trübung und etwas Exsudat in den Haupt¬ 
stücken. Ueber einfache febrile Störung der Nieren geben diese 
Veränderungen hinaus gegen die Anfänge entzündlicher Verände¬ 
rungen“. Auf die Frage, ob es sich bei diesen leichten ent- 


1) D. Aroh. f. klin. M., Bd. 128. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


ländlichen Veränderungen um eine beginnende Glomerulonephritis 
im Löh lein'sehen Sinne bandelt, wollen wir nacher an der 
Hand der Kuczynski'schen Mitteilung Stellung nehmen und 
einstweilen nur kurz auf die Frage eingehen, wie es bei der In¬ 
fluenza mit den Fällen steht, die man als ausgesprochene 
Glomerulonephritis auffassen muss. Dass es sich bei den 3 von 
Dietrich mitgeteilten Fällen um eine solche Glomerulonephritis 
handelt, unterliegt wohl keinem Zweifel. Die Zahl dieser Fälle 
scheint auffallend hoch, wenn man sie mit dem Material der 
Autoren vergleicht, die über Beobachtungen in der Heimat be¬ 
richten, bei denen es sich nicht um Kriegsteilnehmer gehandelt 
hat. Alle diese Beobachtungen wissen nichts von Glomerulo¬ 
nephritis zu sagen, obwohl sie über ein unendlich viel grösseres 
Material verfügen als Dietrich. Das kann doch nur damit Zu¬ 
sammenhängen, dass das LebeA im Felde eine ganz besondere 
Disposition zum Auftreten der Glomerulonephritis schafft. Man 
hat bei dem gehäuften Auftreten der Kriegsnephritis immer nach 
einer speziellen Ursache gesucht, ich glaube, das ist nicht 
nötig; die gleiche Noxe, die unter den Bedingungen, unter denen 
die Bevölkerung in der Heimat lebte, nur ganz gelegentlich 
Glomerulonephritis verursachte, führte im Felde abnorm häufig 
zu Solchen Veränderungen. Was die besondere Affinität zwischen 
Gift und Kapillarendothelien verursacht, ob die häufigen Er¬ 
kältungen oder was sonst, vermag ich nicht zu sagen, aber an 
der Tatsache selbst scheint mir angesichts des Vergleiches 
zwischen dem Influenzamaterial an Kriegsteilnehmern und Zivil¬ 
personen nicht zu zweifeln. Auch ich habe in dieser Beziehung 
sehr bemerkenswerte Erfahrungen gesammelt. Im Krankenhause 
habe ich während der Epidemie bis jetzt 342 Influenzafälle 
seziert, vorwiegend stammten die Fälle aus der Zivilbevölkerung, 
66 mal handelte es sich um Soldaten, die aber nur zum aller¬ 
geringsten Teil aus dem Felde kamen, bei der Mehrzahl der 
Fälle handelte es sich um Rekruten und Leute aus der Etappe. 
Unter diesen 342 Fällen sah ich zweimal Glomerulonephritiden, 
eine ganz frische Glomerulonephritis bei einer 45jährigen Frau 
und eine im Abklingen begriffene bei einem im Lazarettzug aus 
dem Felde eingelieferten Soldaten. Ansserdem habe ich in 
meiner Eigenschaft als fachärztlicher Beirat noch einige zwanzig 
Influenzasektionen an Heeresangehörigen vorgenommen, die aber 
auch zum grössten Teil nie im Felde gewesen waren; hier sah 
ich 2 Glomerulonephritisfäile, und zwar beide Male bei Leuten, 
die gerade aus dem Felde eingeliefert worden waren. Der Unter¬ 
schied ist eklatant. Bei rund 860 Influenzatodesfällen, die sich 
auf 270 Zivilpersonen und 90 Soldaten verteilen, habe ich 
4 Glomerulonephritisfälle gesehen. Genau konnte ich leider bei 
der gegenwärtigen Verwirrung nicht feststellen, wie viele von 
den unter diesem Material befindlichen Soldaten im Felde waren; 
es ist aber sicher kaum die Hälfte gewesen, jedenfalls ist die 
Zahl der aus dem Felde stammenden Influenzatodesfälle nicht 
grösser wie bei dem Material von Dietrich. Wir sehen dabei 
3 Glomerulonephritiden, unter den übrigen Fällen, die mindestens 
ein 6mal so grosses Material umfassen, nur einen Fall. Die 
Häufung der Glomerulonephritisfälle bei den infiuenzakranken 
Soldaten gibt uds einen Hinweis darauf, dass das Leben im 
Felde als solches, vielleicht durch die vielen Abkühlungen, die 
Disposition zur Glomerulonephritis steigert, denn was die Noxe 
als solche anbelangt, so dürfen wir wohl annehmen, dass bei den 
Influenzafällen in der Heimat die gleichen Gifte wie bei denen 
im Felde in Frage kommen, wenigstens ist die Schilderung des 
übrigen Krankheitsbildes bei Dietrich die gleiche wie bei den 
anderen Autoren. 

Ich wundere mich also auf Grund meiner eigenen Beob¬ 
achtungen durchaus nicht, ich finde es im Gegenteil sehr plau¬ 
sibel, wenn Dietrich in seinem aus dem Felde stammenden 
Material in eioem so hohen Prozentsatz Glomerulonephritiden im 
Anschluss an die Influenza auftreten sah. Weiterhin scheint mir 
nun die Frage von Interesse^ inwieweit die Fälle, die Dietrich 
vorläufig in vorsichtiger Weise als über die gewöhnliche Form 
febriler Störung im Sinne der Entzündung hinausgehend ansprach, 
als Frühstadien der Glomerulonephritis aufzufassen sind, wie 
Kuczynski dies angegeben hat. Ich will, ehe ich zu dieser 
Ansicht Stellung nehme, kurz über mein eigenes Material be¬ 
richten : 

Wie oben schon erwähnt, habe ich im Krankenhause Barm- 
beck 842 Influenzafälle auf dem Sektionstische gesehen, dabei 
sind, wenn ich die allerleicbtesten hinzunehme, 157 mal Nieren¬ 
veränderungen gesehen worden. Ein Fall muss allerdings aus- 
scheiden, es handelte sich dabei um eine 32 jährige Frau mit 


diffuser Glomerulonephritis, die aller Wahrscheinlichkeit nach 
schon vor der Influenza bestand. 111 mal handelte es sich nur 
um eine Trübung des Parenchyms ohne Vergrösserung des Organs. 
Mikroskopisch fand sich dabei nur eine leichte Ei Weissausscheidung 
in die Kanälchen mit Schwellung der Epithelien. In 45 weiteren 
Fällen wurde eine deutliche Vergrösserung der Niere festgestellt, 
aber nur 19 mal handelte es sich dabei mikroskopisch um er¬ 
heblichere Veränderungen wie die eben angegebenen, und nur 
über diese 19 Fälle soll im folgenden etwas genauer berichtet 
werden. Diese Veränderungen waren, das sei vorweggenommen, 
ganz ungleichartig. Kuczynski meint, die Bedeutung seines, 
des Influenzamaterials, liege in seiner ätiologischen und epidemio¬ 
logischen Geschlossenheit. Ich kann diese ätiologische Ge¬ 
schlossenheit nicht zugeben, denn wie Kuczynski selbst schreibt, 
und wie ich in Uebereinstimmung mit allen bisherigen Beob¬ 
achtern ebenfalls betonen möchte, handelt es sich bei den tödlich 
verlaufenen Influenzafällen regelmässig um Mischinfektionen, 
als deren Erreger Strepto-, Staphylo- und Pneumokokken in 
Frage kommen. Das Material ist also ätiologisch keineswegs 
einheitlich. Es handelt Bich um septische Zustände verschiedener 
Aetiologie, und wie immer bei derartigen Infektionen haben wir 
bei jeder Binzelart der Infektion immer auch noch die Alternative, 
dass das betreffende Bakterium selbst oder vermittelst seiner 
Toxine an der Niere eingreifen kann. 

Bei den 19 Fällen, bei denen erheblichere Veränderungen angetroffen 
wurden, handelt es sich, wie ich schon erwähnte, zweimal um eine 
Glomerulonephritis, einmal um einen ganz frischen Fall von höchstens 
5 Tagen Dauer — die ganze Erkrankung hatte nicht länger gedauert —; 
die Patientin wurde sterbend eingeliefert, eine genaue klinische Unter¬ 
suchung nioht mehr vorgenommen. Mikroskepisch beherrscht die an 
sämtlichen Glomerulusschlingen hervortretende Wucherung der Endothelien 
durchaus das Bild. Die Schlingen sind blutleer, ihre Wandungen deut¬ 
lich gegeneinander abgesetzt, aber etwas verdickt und plump, kleine 
Gefässe und Kapillaren gut gefüllt, Glomeruli sind nur leioht vergrössert, 
aber durch die Endothelwucherung auffallend kernreich, Kapselexsudate 
ebenso wie Leukozytenexsudation sind ganz geringfügig, etwas stärker 
ist die Exsudation in die Kanälchen, die im übrigen leicht erweitert 
sind, aber sonst ein völlig erhaltenes Strukturbild zeigen. Makro- 
skopisoh waren die Nieren nur wenig gesohwollen, sehr blutreioh, 
braunrot, mit einer Anzahl kleinster Blutpünktchen überstreut. In dem 
anderen Falle handelte es sich offenbar um eine abklingende Glomerulo¬ 
nephritis, die im Felde allem Anschein nach mitjriner Influenzapneu¬ 
monie erworben war; bei der Aufnahme bestanden nooh Oedeme, die 
bald abklangen, dagegen schied Pat. in den 9 Tagen, in denen er nooh 
im Krankenhause war, reichlich Blut, Leukozyten und granulierte 
Zylinder aus. Makroskopisch waren die Nieren beträchtlich vergrössert 
(links 210, rechts 200 g), stark durchfeuchtet, weich, von zahlreichen 
punktförmigen Blutungen übersät Mikroskopisch fanden sich reichlich 
Kapselblutungen und Blutungen in die Kanälohen, aber die Glomeruli 
waren nur zum Teil vergrössert und kernreich. Ganz vereinzelt Kapsel¬ 
verklebungen. 

In einem weiteren Falle bestand eine Nephrose. Bei einem 
29 jährigen Manne, der 16 Tage an Influenza krank war, fiel eine sehr 
reichliche Eiweissausscheidung bis zu 28 pM. auf, im Sediment fanden 
sich grosse Mengen von Zylindern, Oedeme bestanden nioht Makro¬ 
skopisch waren die Nieren etwas vergrössert, von graurot-gelb lieber 
Schnittfläche, sonst ohne nennenswerten Befund. Mikroskopisch fand 
sich eine starke Sohwellung der Epithelien an den Hauptstüoken mit 
ausgedehnten Verfettungen, stellenweise auch tropfige Degeneration. 
Zylinder. Wandungen der Glomerulussohlingen leicht verdiokt, aber 
keine Kern Vermehrung; Kapillaren an Glomerulus und Interstitium 
strotzend gefüllt. 

In 6 Fällen bestand weiterhin eine typische interstitielle Herd¬ 
nephritis, die klinisch nur geringe Erscheinungen, Albuminurie, 
Zylindrurie, gelegentlich auch geringfügige Hämaturie gemaoht hatte, in 
einem Falle bestanden überhaupt keine Erscheinungen von seiten der 
Niere. Mikroskopisch fanden sich die übliohen lymphozytären und 
plasmazellulären Infiltrate, vielfach in Anlehnung an die Gefässe, an 
den Glomeruli Hessen sich in 2 Fällen gelegentlich leichte Zellvermeh¬ 
rungen durch Wuoherung der Endothelien an vereinzelten Glomerulus¬ 
sohlingen nachweisen, einmal bestand eine Kombination mit embolischer 
Nephritis, doch waren die Embolien spärlich, die interstitielle Nephritis 
stand ganz im Vordergrund der Erscheinung. 

In 5 weiteren Fällen fand sioh eine bakteriell bedingte Aus¬ 
scheidungsnephritis, viermal eitriger, einmal nichteitriger Natur; 
bei den eitrigen Nephritiden fanden sich auch gelegentlich embolisobe 
Prozesse, bei der niohteitrigen Aussoheidungsnephritis, die nach meiner 
Nomenklatur der bakteriell bedingten herdförmigen Glomerulonephritis 
zuzurechnen ist, scheint mir ein Punkt bemerkenswert. Im allgemeinen 
bot der Fall das Bild, wie ich es in meinem Aufsatz über herdförmige 
Glomerulonephritis 1 ) bei der niohteitrigen Aussoheidungsnephritis ge¬ 
schildert habe. Es handelte sich um eine 42 jährige Frau, die 5 Wochen 


1) Virchow's Aroh., Bd. 225. 


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14. Juü 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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krank war, sie hatte ursprünglich eine akute Otitis, bekam dann In- 
flnensapneumonie mit Empyem und als Komplikation dann noch im 
Anschluss an Injektionen in den Oberschenkel ein Erysipel. Leider war 
der Urin su Lebzeiten nicht beobachtet worden. Bei der Sektion war 
die Niere makroskopisch stark durchfeuchtet, von zahllosen kleinen 
Btutungen durchsetzt. Schnittfläche dunkelbräuDltch, Zeichnung ver¬ 
waschen. Mikroskopisch fand sich in einer Anzahl Glomeruluskapseln 
Blut, Fibrin und Leukozyten, das Ganze manohmal zu kleinen Kon¬ 
voluten verbacken; die zugehörigen Kanälchen sind dann mit Blut voll¬ 
gestopft, Mehrzahl der Glomeruli intakt. Interstitielle Infiltrate fehlen, 
an den Glomerulusschlingen lassen sich nirgends embolische Verstopfungen 
nach weisen wohl aber finden sich, und darauf möchte ich besonders 
hinweisen, kleine Bakterienbäufchen in den interstitiellen Kapillaren, 
doch fehlte jegliche entzündliche Reaktion in der Umgebung dieser 
kleinen Bakterienthromben, und ich nehme deshalb an, dass es sich um 
eine agonale oder postmortale Vermehrung von Keimen handelt, die 
einzeln, sei es direkt, sei es durch die Glomerulusschlingen, dahin ge¬ 
kommen waren. Neben der fehlenden Reaktion spricht für die Richtig¬ 
keit meiner Annahme, dass die Bakterien im vorliegenden Falle nicht 
in Form embolischer PfrÖpfchen, sondern einzeln in die Niere ein¬ 
geschwemmt wurden, auch die Tatsache, dass in den Glomerulusschlingen 
derartige PfrÖpfchen vermisst wurden. Wäre die Einsohwemmung in 
Form kleiner Emboli erfolgt, so wären die Emboli wohl hauptsächlich 
in den Glomerulusschlingen hängen geblieben. 

Bei 8 weiteren Fällen fand sich das Bild, das Asch off als 
Nephritis serosa-exsudativa bezeichnet, eine Bezeichnung, die ich 
für derartige Fälle für sehr zutreffend halte. Makroskopisch sind 
die Nieren stark geschwollen und durchfeuchtet, mikroskopisoh fällt 
vor allem eine starke Verbreiterung der Interstitien auf, die locker mit 
lymphozytären und leukozytären Elementen durchsetzt sind. Es hat 
eine starke seröse Exsudation in Kapseln und Kanälchen stattgefunden. 
Die Glomeruli sind blutreiob, in einem Falle sonst ganz unverändert, 
in einem Falle sind die Glomeruli zum Teil blutarm, die Schlingen¬ 
grenzen unscharf, vielfach ineinandergewasohen, leicht körnig, aber ohne 
Vermehrung der Kerne, in dem 3. Falle fand sich an einzelnen Schlingen¬ 
teilen auch eine Kern Vermehrung. Klinisch fanden sich in diesem Falle 
im Urin Erythrozyten, Leukozyten und Zylinder, während die beiden 
anderen nur eine leichte Albuminurie aufwiesen. 

Man könnte die geschilderten Veränderungen m. E. auch zweck¬ 
mässig als entzündliches Oedem bezeichnen. Die nahe Verwandt¬ 
schaft dieser Fälle mit der eitrigen Aussrheidungsnepbritis hat Aschoff 
schon betont, ioh schliesse mich ihm darin völlig an. 

Einen 4. Fall von entzündlichem Oedem scheide ich aus, da hier 
gleichzeitig eine Schwangerschaft bestand und ich die hier beobachteten, 
nioht näher zu schildernden Glomerulusveränderungen mit der Schwanger¬ 
schaft in ursächlichem Zusammenhang bringen möchte. Es handelt sich 
hier um eine Frage, die uns an den Rahmen der hier zur Diskussion 
stehenden Erörterungen zu weit herausführen würde. 

Das entzündliche Oedem der Niere, die serös-exsudative Form, 
habe ich früher nicht oft gesehen, aus dem einfachen Grunde, weil 
man seither noch nie Gelegenheit hatte, so viele rasch verlaufende Fälle 
von Sepsis zu beobachten, wie bei der grossen Influenzaepidemie. 

Im letzten Falle endlich lagen die Verhältnisse wieder etwas 
anders. Das betreffende Individuum, ein 18 jähriger junger Mann, war 
18 Tage krank. Klinisch fand sich eine leichte Eiweisstrübung. Makro- 
skopisch waren die Nieren geschwollen (je 195 g). Mikroskopisoh 
fand sioh eine auffallend starke Exsudation in Kapseln und Kanälchen, 
die Glomerulusschlingen sind im ganzen strotzend gefüllt, vielfach sind 
die Schlingen gebläht, stellenweise bestand ein vermehrter Leukozyten¬ 
gehalt, an ganz vereinzelten Stellen auch leichte Vermehrung der endo¬ 
thelialen Kerne. In manchen Schlingen sind die Grenzen verwaschen, 
körnig, es findet sioh hier eine stärkere Ansammlung von Kernen, 
während die übrigen Schlingen des betreffenden Knäuels eine scharf 
kontarierte Wand besitzen und mit Blut gefüllt sind. 

Ich rechnete zunächst sehr mit der Möglichkeit, dass es sich 
hier um eine beginnende diffuse Glomerulonephrtis handeln möchte, 
doch bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass man dies nur 
dann tun kann, wenn man hier einen atypischen Verlauf der 
diffusen Glomerulonephritis annimmt. Das Gleiche glaube ich 
von den Fällen Kuczynski’s, die er als allererste Stadien der 
Glomerulonephritis bezeichnet hat, annebmen zu müssen und zwar 
aus folgenden Gründen: 

^In den Fällen, die Kuczynski als ganz frische Fälle von 
Glomerulonephritis aufgefasst hat (siehe Fall 1 und 2 seiner 
Arbeit), steht ebenso, wie in dem oben mitgeteilten Fall die Exsu¬ 
dation stark in Vordergrund, und was die Veränderungen am 
Gewebe des Glomerulus selbst anbelangt, so überwiegen die dege- 
nerativen Veränderungen über die proliferativen. 

Nun haben allerdings Herxbeimer und Dietrich bei ihren 
Frühfällen von Kriegsnephritis darauf hingewiesen, dass die 
Glomerulu8endothelien zu Beginn geschädigt werden, die degene- 
rativen den proliferativen Veränderungen vorangehen, aber Herx¬ 
heim er hat doch auch sehr stark betont, dass diese degenera- 
tiven Veränderungen nur ein sehr kurzes Durchgangsstadium 
darstellen, dass sie nur in sehr geringem Maasse direkt nach¬ 


weisbar sind, dass die Proliferation sich gleich anschliesst. Sie 
kommt, wie Herxheimer sagt, „schon sehr bald, d. h. für die 
Untersuchungsmöglichkeit von menschlichem Material hinzu, man 
findet sie stets schon“. Ferner betont Herxheimer bei seinen 
Frübfällen, dass die allermeisten Glomeruli in diffuser Verteilung 
von vornherein ergriffen sind. Schliesslich macht er, und das 
scheint mir besonders wichtig, dhrauf aufmerksam, dass das ma¬ 
kroskopische Bild absolut uncharakteristisch ist, von der Norm 
in vielen Fällen so gut wie gar nicht abweicht. 

Demgegenüber ist in den Fällen von Kuczynski die starke 
Schwellung der Nieren besonders betont, sie war das Symptom 
das auf die mikroskopische Untersuchung der Nieren hinleitete^ 
Nun glaubt Kuczynski gezeigt zu haben, „dass die vollentwickelte, 
diffuse Glomerulonephritis im besonderen Fall allmählich und 
schrittweise aus diskontinuierlichen Erkrankungsherden durch 
weitere Ausdehnung und Zusammenfluss entsteht“. Ich möchte 
auf das „im besonderen Fall“ besonderes Gewicht legen. Wäre 
der geschilderte. Verlauf nämlich die Regel, so müsste die Niere 
bei frischer diffuser Glomerulonephritis stets mächtig geschwollen 
sein, denn wenn die starke Schwellung schon besteht, im Falle 
erst ein Teil der Glomeruli ergriffen ist, wie gross muss dann 
die Schwellung sein, wenn alle Knäuel befallen sind. Nun ist 
eine solche auffällige Schwellung bei der ganz frischen diffussen 
Glomerulonephritis keineswegs die Regel, wie aus den zahlreichen 
Frühfällen von Herxheimer (Ziegler’s Beitr., Bd. 64, H. 3) her¬ 
vorgeht, eine Beobachtung die ich auf Grund eigener Unter¬ 
suchungen durchaus bestätigen kann, siehe x. B. den oben mit¬ 
geteilten Fall von akuter Glomerulonephritis von 5 Tagen Dauer, 
bei dem alle Schlingen aller Knäuel ergriffen waren, und bei 
dem trotzdem die Niere keine nennenswerte Vergrösserung bot. 

Ich bin der Meinung, dass man Fälle wie diesen als typisch 
auffasRen kann, Fälle, bei denen, wie Löh lein sagt, alle Schlingen 
aller Knäuel beider Nieren ergriffen werden. Die Veränderung 
spielt sich dabei, wie das ja seit Löh lein von allen Untersuchern 
immer betont wurde, im Schlingen innern ab, Exsudation in den 
Kapselraum und in die Kanälchen tritt demgegenüber zurück, 
und das makroskopische Aussehen verändert sich zunächst wenig, 
die Glomerüli vergrössern sich zwar, und das führt zu einer Aus¬ 
füllung der Kapsel; solange aber das Parenchym in der Haupt¬ 
sache unbeteiligt ist und die Exsudation zurücktritt, braucht 
keine Vergrösserung dea .Organs aus den . Veränderungen zu 
resultieren, erst allmählich, wenn die erwähnten Prozesse stärker 
in Erscheinung treten, kommt es auch su einer immer auffälligeren 
Vergrösserung des Organs, die im Stadium der sogenannten 
„grossen weissen Niere“ sehr erhebliche Grade erreichen kann. 

Mit dieser typischen diffusen Glomerulonephritis sollte man 
m. E. die Fälle, bei denen trotz längeren Bestehens der Albu¬ 
minurie nur ein Teil der Schlingen histologisch erkennbare Ver¬ 
änderungen aufweist, nicht ohne weiteres identifizieren, die Glome¬ 
rulonephritis wäre sonst jedenfalls ihres charakteristischen Ge¬ 
wandes entkleidet. Langhans schrieb vor Jahren: „in allen 
Fällen, wo der Kliniker im Gefolge von akuten, fieberhaften 
Krankheiten anderer Organe, namentlich infektiöser Natur eine 
irgendwie erheblichere Albuminurie beobachtet, lassen sich an 
den Glomeruli Veränderungen nachweisen“. Ich unterschreibe 
das durchaus, möchte dabei aber sofort betonen, dass man nicht 
bei jeder Glomeruloschädigung auch gleich von einer Glome¬ 
rulonephritis im Sinne Löhlein's sprechen darf 1 ). Andererseits 
will ich im Prinzip durchaus nicht bestreiten, dass es milde 
beginnende, schleichend verlaufende Fälle von Glomeruloneph¬ 
ritis gibt, bei denen die diffuse Glomerulonephritis allmäh¬ 
lich und schrittweise aus diskontinuierlichen Erkranknngs- 
berden durch weitere Ausdehnung und Zusammenfluss entsteht 
(Kuczynski). Ich selbst habe bei meiner ersten Besprechung 
der herdförmigen Glomerulonephritis die Frage erwogen, ob es 
sich dann, wenn man herdförmige Veränderungen am Glomerulus 
findet, nicht um ein gelegentliches Vorstadium der diffusen Glome¬ 
rulonephritis bandelt, bei der man unter dieser Voraussetzung 
einmal einen plötzlichen Beginn, das andere Mal eine mehr 
schleichende Entwicklung annehmen müsse. leb bin hier ver¬ 
schiedentlich falsch verstanden worden, indem man glaubte, dass 
ich diskontinuierliche Glomeruluserkrankungen schlechthin als 
herdförmige Glomerulusnephritis bezeichne. Das lag und liegt 

1) Man müsste konsequenterweise sonst schliesslich auoh die Stau¬ 
ungsniere als Glomerulonephritis auffassen, denn dass erhebliohere Albu¬ 
minurie dabei beobachtet wird, lässt sich nicht bestreiten, und man 
kann wohl auoh eine Glomerulussohädigung (Ernährungsstörung der 
Kapillarschlingen) dabei ohne weiteres roraussetzen. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28 


mir fern, ich wollte im Gegenteil darauf hinweisen, dass man 
eine schleichend beginnende diffuse Glomerulonephritis mit einer 
herdförmigen verwechseln könnte, und ich habe unterdessen ja 
(I. c.) ausführlich auseinandergesetit, was ich unter herdförmiger 
Glomerulonephritis verstehe. 

Ich halte es für sehr verdienstlich, dass Dietrich und 
Kucsynski diese milden, schleichend verlaufenden, diskontinuier- 
lieh beginnenden Glomerulonephritisfälle näher untersucht haben 
gerade von dem Gesichtspunkt ans, den Dietrich betont, dass 
man auf diese Weise evt. imstande ist, chronische Nephritiden, 
deren Anfang im Dunkel liegt, in ihrer Pathogenese besser 
zu verstehen. Andererseits gibt es, wie ich gezeigt habe, Fälle, bei 
denen absolut keine Tendenz besteht, dass aus den herdförmigen 
GlomerulusVeränderungen eine diffuse Glomerulonephritis wird. 
Herdförmige Glomerulusveränderungen der Art kommen teils als 
einziger nennenswerter Prozess, teils als Nebenbefund anderweitiger 
charakteristischer Nieren Veränderungen, wie bei der interstitiellen 
Nephritis zum Beispiel (siehe oben) vor, und ich, halte nach wie 
vor daran fest, diese herdförmigen Glomerulusveränderungen prinzi¬ 
piell von der diffusen Glomerulonephritis absutrennen. Io der 
Mitte zwischen dieser herdförmigen Glomerulonephritis, die bak¬ 
teriell oder durch einen toxischen Schub bedingt —, keine Ten¬ 
denz bat, diffus zu werden und der stets toxisch bedingten von 
vornherein alle Schlingen aller Knäuel beider Nieren angreifenden 
typischen Glomerulonephritis steht gewissermaassen als lieber- 
gang83tadium diese milde einsetzende Glomerulonephritis, die erst 
allmählich alle Schlingen ergreift oder sagen wir vorsichtiger¬ 
weise ergreifen kann, denn dass diese Form häufig in Heilung 
fibergeht, ohne dass alle Knäuel von entzündlichen Veränderungen 
ergriffen wurden, gibt ja auch KuczynBki zu. Diese Fälle stehen 
der herdförmigen Glomerulonephritis natürlich besonders nabe, 
und ich halte es nach wie vor für richtig, wenn Knack in 
seinen Fällen, in denen er vom Beginn bis zur Heilung trotz 
genauester Beobachtung nur Hämaturie, aber nie ein auf eine 
diffuse Glomerulonephritis hinweisendes Symptom fand, nicht von 
diffuser, sondern von herdförmiger Glomerulonephritis redet. Ich 
gebe ohne weiteres zu, dass das Kardinalsymptom der diffusen 
Glomerulonephritis, die Blutdrucksteigerung, io leichten Fällen 
ein ungemein flüchtiges sein kann und leicht zu übersehen 
ist; fehlt es aber bei genau darauf gerichteter klinischer Beob¬ 
achtung durchaus, ist man seiner Sache völlig sicher, dass vom 
ersten Beginn der Erkrankung bis zur erfolgten Heilung 
Albuminurie und Hämaturie die einzigen Symptome waren, so 
würde ich es stets für berechtigt halten, die Diagnose auf herd¬ 
förmige und nicht auf diffuse Glomerulonephritis zu stellen. 

Die Sonderstellung der Fälle, die in der von Kucsynski 
beschriebenen Weise beginnen, ist auch in dem Vorwiegen der 
starken Exsudation gegeben, die schon im ersten Beginn des Pro¬ 
zesses zu einer bei der typischen diffusen Glomerulonephritis ganz 
ungewohnten Vergrösserung des Organs führt (sie nähern sich 
darin dem Vorstadium der eitrigen Ausscheidungsnephritis, der 
serös-exsudativen Nephritis Asch off’s). 

Zwischen dieser vorwiegend alterativ-exsudativen, die Glo- 
meruli im Sinne ausgesprochener Entzündung (Proliferation) zu¬ 
nächst nur teilweise, herdförmig ergreifenden Form und der typi¬ 
schen diffusen Glomerulonephritis besteht etwa dasselbe Verhält¬ 
nis, wie zwishen der herdförmig beginnenden, mit Oeden einher¬ 
gehenden Influenzapneumonie, die allmählich lobär wird oder 
werden kann, und der kroupö-en Pneumonie, die stets und schnell 
zu gleichmässiger Hepatisation eines ganzen Lappens führt 

Kuczynski hat vorgeschlagen, den von ihm beschriebenen 
Prozess als toxische Schwellniere zu bezeichnen. Ich bin sehr 
damit einverstanden, der Besonderheit des Prozesses durch einen 
besonderen Namen Ausdruck zu geben, man könnte ja von atypi¬ 
scher Glomerulonephritis reden, doch kommt bei dieser Bezeich¬ 
nung die zur Schwellung führende Exsudation nicht zum Ausdruck. 
Der Ausdruck serös exsudative Nephritis ist von Asch off schon 
für das entzündlich interstitielle Oedem, das gelegentliche Vor¬ 
stadium der eitrigen Ausscheidungsnephritis, beschlagnahmt, auch 
wären bei diesem Ausdruck die Glomerulusveränderungen nicht 
berücksichtigt Andererseits ist der Ausdruck toxische Scbwell- 
niere etwas allgemein, auch die trübe Schwellung, die die Nephrose 
einleitet, ist ja toxisch bedingt, könnte also auch als toxische 
Schwellniere bezeichnet werden, natürlich muss man aber die 
beiden Zustände (siehe zum Vergleich z. B. den oben wieder mit¬ 
geteilten Fall von frischer Nephrose) streng auseinander halten. 

Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um früheren Angaben 
von mir präziseren Ausdruck zu geben. Ich habe die trübe 


Schwellung als das erste Stadium der Nephrose bezeichnet, das 
trifft insofern zu, als die Nephrose mit trüber Schwellung beginnt; 
dagegen lässt sich der Satz nicht in der Weise umkehren, dass 
man sagen könnte: jede trübe Schwellung ist das erste Stadium 
der Nephrose. Es beginnen verschiedene Formen des Morbus Brightii 
mit trüber Schwellung des Organs, vor allem ja auch die serös¬ 
exsudative Nephritis; die Schwellung bei dieser letzteren Form 
ist in der Regel sehr viel erheblicher, wie bei der trüb geschwol¬ 
lenen Niere, die das erste Stadium der Nephrose darstellt (siebe 
meine früheren diesbezüglichen Angaben). Aber eine sichere Ent¬ 
scheidung wird man auf Grund des makroskopischen Befundes 
allein nicht fällen können, dies wird nur auf Grund der mikro¬ 
skopischen Untersuchung möglich sein. 

Vielleicht könnte man die toxische Schwellniere Kuczynski’s 
noch am zweckmässigsten als exsudative Glomerulonephritis im 
Gegensatz zur proliferierenden bezeichnen, und diese serös-txsu- 
dative Glomerulonephritis als atypische Form der typischen Glome¬ 
rulonephritis gegenüberstellen, die von vornherein ganz diffus 
und proliferierend ist und bei der die Exsudation von vornherein 
ausgesprochen zellulären Charakter trägt. 

Kehren wir nun zum Ausgangspunkt unserer Untersuchungen 
zurück, so können wir sie dahin zusammen fassen, dass bei den 
in der Heimat beobachteten Influenzafällen erheblichere Niereo¬ 
veränderungen selten sind im Gegensatz zu den Influenzafällen im 
Felde, bei denen eine dem Leben im Felde zukommende besondere 
Schädlichkeit (Abkühlungen?) offenbar die Disposition zur Glome¬ 
rulonephritis erhöht, so dass diese Form des Morbus Brightii bei 
den an Influenza erkrankten Soldaten relativ häufig gefunden 
wurde. Bei meinen bei der Zivilbevölkerung erhobenen Beobach¬ 
tungen waren die Nierenveränderungen, soweit sie überhaupt in 
beachtenswerter Weise auftraten, ganz ungleicbmässig in ihrer 
Form, was bei den wechselvollen seiner Natur nach septischen 
(Mischinfektionen der Influenza), aber ätiologisch keineswegs ein¬ 
heitlichen Grundleiden (verschiedene Kokkeninfektionen) nicht 
wundemebmen kann. 


Aus der medizinischen Universitäts-Poliklinik Breslau. 

Endemisches Auftreten von Spfttrachitis 1 ). 

Von 

A. Bittsrf. 

In den letzten Wochen suchten eine Reihe Kranker die Poli¬ 
klinik wegen Rheumatismus auf, der seit */a— 2 Jahre bestand 
und vergeblich behandelt war. B Fälle kamen im April, 5 weitere 
Fälle in den ersten 12 Tagen des Mai zur Beobachtung. Und 
einer dieser Kranken berichtete, dass noch mehrere Lehrlinge 
seines Betriebes an denselben Beschwerden litten. 

Es handelte sich stets um 15—18jährige männliche 
Individuen. Stets handelte es sich um Lehrlinge, meist in 
Berufen (vielfach Schlosser), bei denen sie schwer arbeiten und 
viel stehen mussten. Sie stammten zum grössten Teil bisher aus 
kleineren Provinzstädten. 

Die Krankheit hatte sich immer schleichend entwickelt, war 
nie mit Fieber verbunden. Zum Teil liess sich feststellen, dass 
in den Wintermonaten die Erkrankung begann oder eine Zunahme 
der Beschwerden zeigte. 

Die Klagen waren sehr charakteristisch. Es handelte sich 
stets um Schmerzen in den Beinen, gewöhnlich zuerst in 
den Kniegegenden, später auch auf Fuss- und Hüftgegend über¬ 
greifend. Bei den ältesten Fällen wurde auch über Schmerzen 
in der Lendengegend und in den Armen, Hand Ellenbogengegend 
geklagt. 

Dis Schmerzen traten stets nur beim Geben, Stehen, 
schweren Heben und Arbeiten auf und steigerten sich im 
Laufe des Tages immer mehr, ln der Ruhe, beim Liegen, nachts 
waren sie sofort verschwunden. Auch die Schmerzen in den 
Armen traten nur bei der Arbeit auf. Die Schmerzen, anfangs 
gering, hatten allmählich an Stärke zugenommen. Längeres 
Gehen, Treppensteigen, wurde besonders als schmerzsteigernd 
empfunden. Sie wurden dadurch mitunter so stark, dass der 
Patient sich setzen, ausruhen musste, um nach längerer .Zeit 
wieder etwas gebessert weiter stehen, bzw. gehen zu können. 


1) Demonstration in der med. Sektion der Schles. Gesellschaft für 
vaterländische Cultur zu Breslau am 16. Mai 1919. 


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14. Juli 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


653 


Von der Witterung zeigten sie mitunter insofern sich ab¬ 
hängig, als bei schlechtem Wetter angeblich die Schmerzen 
stärker waren. 

Gelenkschwellungen wurden nie beobachtet, nur einem 
Kranken war seit einem Jahre Schwellung der Kniegegend auf¬ 
gefallen. 

Abbildung 1. 



Abbildung 2. 



Alle Kranken gaben übereinstimmend an, keine besonderen, 
ernsthaften Krankheiten durchgemacht zu haben. Magendarm¬ 
störungen hatten nicht bestanden. 

In der Kindheit hatte ein Teil der Kranken vielleicht leichte 
Rachitis gehabt, doch lernten angeblich alle frühzeitig laufen, 
Verkrümmungen der Beine u. dergl. sollen nicht bestanden haben. 

Der Befund war bei den am kürzesten währenden Fällen 
ein völlig negativer. Höchstens bestand eine geringe Druck- 
empfindlichkeit der Epiphysengegend. In den meisten Fällen 
(Vs — ljährige Dauer) dagegen fand sich doch bei darauf ge- 
ricüteter Aufmerksamkeit meist eine deutliche Druckempfind¬ 
lichkeit der Epiphysengrenzen, besonders am Knie, aber 
auch Fussgelenk, mitunter Empfindlichkeit gegen Druck auf die 
Trochanteren und die Handgelenke. Diese Gegenden waren 


Abbildung 3. 



wohl auch alle etwas verdickt, besonders deutlich oft das 
untere Radius-, Olna- und obere Tibiaende. Die Veränderungen 
waren stets doppelseitig, wenn auch mitunter einseitig stärker. 

ln diesen Fällen war auch vielfach ein mehr oder weniger 
deutlicher Rosenkranz der Rippen nachweisbar. Eine Empfind¬ 
lichkeit des Brustkorbs gegen Druck bestand nicht; ebensowenig 
des Beckens. 

In den ältesten Fällen war die Auftreibung der Epi¬ 
physengrenzen, d.h. besonders Diaphysenenden deutlich, 
besonders am Knie, Knöchel und Handgelenk. Es erschienen 
dadurch bei flüchtiger Betrachtung zunächst die ganzen Gelenke 
etwas verdickt. Im schwersten Falle (2 Jahre bestehend) war 
die Pronation und Streckung im Ellenbogengelenk durch die Ver¬ 
dickung der Knochen beschränkt, und die Druckempfindlicbkeit 
erstreckte sich bis auf die Fingerknochen und die Metatarsal¬ 
knochen. Der Rosenkranz an den Rippen war zum Teil recht 
deutlich. Aber auch hier war Brustkorb und Becken nicht 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


schmerzhaft. Der Schädel bot nichts Abnormes. Die Wirbelsäule 
zeigte aber eine etwas verstärkte Lendenlordose mit gewisser 
Steifigkeit beim Bucken. 

Der Gang war, besonders in den schweren Fällen, typisch: 
vorsichtig, in kleinen Schritten und vielfach deutlich 
watschelnd. 

ln diesen Fällen war auch zum Teil eine mässige Plattfass-, 
geringe X- und O-Beinbildung nachweisbar. 

Die Körpergrösse war wechselnd; zum Teil betraf die Er¬ 
krankung hochgewachsene, zum Teil auch ihrem Alter ent¬ 
sprechende, nie besonders auffallend kleine Individuen. Das 
Körperwachstum war scheinbar in den kürzer bestehenden Fällen 
nicht beeinträchtigt, jedoch liess sich bei dem am längsten er¬ 
krankten Patienten, der ein gross gewachsenes Individuum war, 
feststellen, dass er seit einem Jahr nur um knapp 1 cm gewachsen 
war (mit 17 Jahren bei militärischer Musterung 165 cm, jetzt 
knapp 166 cm). 

Der Ernährungszustand war meist befriedigend, doch vielfach 
die Maskulatur etwas schwach. 


Abbildung 4. 



Eine mässige bis mittlere Anämie wurde stets beobachtet: 
50— 72 pCt. Hämoglobin (gegenüber 80 pCt. normal). Die teil¬ 
weise ausgeführte Blutuntersuchung ergab meist Lymphozytose 
(21—46 pCt.) und Eosinophilie (8—7 pCt.). 
i.In einem Falle bestanden seit einigen Wochen Zeichen einer 
beginnenden Lungentuberkulose. 

In fast allen Fällen fanden sich ausserdem Zeichen einer 
Tetanie in Form erhöhter mechanischer Erregbarkeit der Nerven 
(Chvostek, Uebererregbarkeit der Armnerven: bei Druck im 
Sulc. bicip. mit Zuckungen in den Fingern), in 2 Fällen hatten 
zeitweise typische Tetaniefälle (mit Steifheit, Vertaubung, Geburts¬ 
helferstellung der Hände, vasomotorischen Störungen) bestanden. 
An sonstigen Störungen der innersekretorischen Drüsen wurde 
einmal eine ganz geringe Struma mit leicht basedowoiden Zeichen 
gefunden. Ein auffallendes Zurückbleiben der Genitalentwicklung 
bestand nicht. 

Die Röntgenphotographie zeigte nun in allen Fällen, 
natürlich am deutlichsten in den ältesten und schwersten Fällen, 
erhebliche Veränderungen, besonders der Diaphysenenden, Auf¬ 
hellung, unregelmässige Gestaltung der Wachstumszone und der 
Knochenbildung, Auftreibung und Verdickung, Ausfranzung. Auch 
sonst zeigte der Knochen vielfach auffallende Dünne der Kom- 
pakta und der Knochenbälkchen (vgl. Abbildung 1—4). 

Es bandelt sich also um typische rachitische Veränderungen 
und nm endemisches Auftreten einer Spätrachitis. 


Die Ursache ist zweifellos die Blockade mit der dadurch 
bedingten schlechten bzw. ungenügenden Ernährung. Sie macht 
sich zuerst bei diesen wachsenden, schwer arbeitenden 
Individuen jetzt bemerkbar. 

Alle Kranken gaben übereinstimmend an, in diesen Jahren 
keine Milch, selten einmal Käse oder Eier, wenig Fleisch, Butter, 
vielfach auch wenig grünes Gemüse bekommen zu haben. Es 
fehlen also gerade die Nahrungsmittel, die durch ihren Kalk- 
und Phosphorgebalt zum Aufbau des Knochens notwendig sind. 
Dabei ist aber offenbar nicht allein oder vorwiegend die absolute 
Menge, sondern die Art der Zufuhr bzw. der Ernährung von 
grosser Bedeutung. Ich möchte glauben, dass gerade auch die 
Fettsäuren und Lipoide für die Resorption und den Anbau sowohl 
des Kalkes als des Phosphors von grosser Bedeutung sind. Und 
gerade auch diese haben gefehlt. Jedenfalls handelt es sich um 
recht komplizierte Stoffwechselvorgänge. Es ist leicht verständ¬ 
lich, warum gerade im Winter alle Erscheinungen zunehmen. 
Die für die Entwicklung der kindlichen Rachitis sonst noch an¬ 
geschuldigten Momente fehlen, soweit feststellbar, vollkommen. 
Dass das männliche Geschlecht so überwiegt (bzw. allein befallen 
ist), hängt mit der funktionellen Inanspruchnahme zusammen. 

Dagegen ist hier wie bei der Säuglingsracbitis die Tetanie 
eine sehr häufige Begleiterscheinung. Auch für ihre Entstehung 
sind sicher die Störungen des Kalkstoffwechsels — sei es nun 
auf dem Wege über die Nebenschilddrüse oder nicht — an¬ 
zuschuldigen. 

Es schliessen sich diese Beobachtungen eng an die kürzlich 
aus Wien (Edelmann, Schiff, Schlesinger, Wenkebach) 
mitgeteilte Endemie von Osteomalazie an, die ebenfalls vielfach 
mit Tetanie verbunden ist. Dort handelt es sich aber meist um 
ältere weibliche Individuen, doch berichtet Wenkebach kurz 
über einen Fall von Spätrachitis, den er jetzt auch beobachtet 
hat. Ich möchte erwähnen, dass ich bisher nur einen Fall von 
Osteomalazie bei einer älteren (etwa 60jährigen) Frau sah. 

Die nahe anatomische Verwandtschaft von Osteomalazie und 
Rachitis tritt hier auch klinisch hervor. Die wesentlichen Unter¬ 
schiede sind dadurch bedingt, dass die eine bei wachsenden, 
die andere bei fertigen bzw. bereits in Rückbildung begriffenen 
Individuen auftritt. 

Die Therapie ist durch die Klärung der Genese’’gegeben. 
Möglichst ist die Ernährung (Milch, Käse, Eier, Butter, grüne 
Gemüse) zu bessern und, soweit vorhanden, Phosphor-Lebertran 
zu geben. Daneben können Calcium lacticum oder chloratum, 
Calcantabletten verordnet werden. Den Patienten ist ausserdem 
eine mehrwöchige körperliche Ruhe zu verschaffen. 

Nachschrift. Nach Ankündigung des Vortrages erschien in der 
D.m.W., 1919, Nr. 19, der Aufsatz Fromme’s über eine endemische 
Erkrankung des Knochensystems, die über ganz entsprechende Beob¬ 
achtungen aus der Göttinger Gegend berichtet. 


Ueber die Behandlung der Mastitis mit Eukupin 
und Vuzin 1 ). 

Von 

Dr. Paul Rosenstein, 

leitender Arrt der chirurgischen Poliklinik rnn Krankenhaus der jüdischen Gemeinde 
in Berlin. 

In einem am 18. November 1917 in hiesiger Gesellschaft 
gehaltenen Vortrage habe ich über Versuche berichtet, die ich 
in der chirurgischen Poliklinik des Krankenhauses der jüdischen 
Gemeinde mit den von Morgenroth angegebenen Chininderivaten 
Enknpin und Vuzin bei eitrigen Prozessen gemacht habe. Ich 
konnte damals das Mittel schon empfehlen, aber immerhin nur 
mit grosser Reserve an die Oeffentlicbkeit treten, da ich für 
meine Versuche nur einige erfolgreich behandelte Fälle von 
Abszessen, fortschreitenden Phlegmonen, Mastitis, Schweissdrüsen- 
eiterungen und ähnlichen infektiösen Krankheiten zur Verfügung 
hatte. Die Versuche waren ausserordentlich vielversprechend, 
hatte man doch mit den Ghininabkömmlingen Mittel in die Hand 
bekommen, die znm Unterschiede von den bisherigen Desinfizientien 
in einer für die Bakterien längst tödlichen Dosis für den mensch¬ 
lichen Körper vollkommen ungiftig blieben, und die man un¬ 
beschadet ihrer Wirksamkeit auch in die ei weisshaltigen Körper- 


1) Vortrag, gehalten am 18. Juni 1919 in der Sitzung der Berliner 
medizinischen Gesellschaft. 


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14. Joli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


655 


gewebe einspritzen konnte. Ich bin inzwischen mit meinen Ver¬ 
suchen und in der Methode der Behandlung ein ganzes Stück 
weiter gekommen, and wenn ich auch heute noch mit einer ge¬ 
wissen Zurückhaltung über die Therapie mit Chininderivaten 
spreche, so geschieht es einmal, weil mein Material lauge nicht 
ausreichend ist, um ein definitives Urteil abzugeben, zweitens 
aber auch, weil eine Empfehlung der allgemeinen Anwendung 
zwar dem Patienten keinen direkten Schaden, znfügen, aber in¬ 
folge des Ausbleibens des erwarteten Heilerfolges bei falscher 
Handhabung das Mittel unnütz diskreditieren würde. 

Denn es kommt eine besondere Technik der An¬ 
wendung und eine Erfahrung in der Beurteilung der 
jedesmal eintretenden Reizerscheinungen hinzu, um 
eine Behandlung richtig durchzuführen. 

Um einem Kreise praktischer Aerzte die Wirkung und den 
Wert der Chininderivate für die Chirurgie vor Augen zu führen, 
habe ich heute ein Krankheitsgebiet zur Besprechung gewühlt, 
das Ihnen allen geläufig ist, und in dessen Behandlung Sie alle 
gleichmässig eine grosse Erfahrung besitzen, nämlich 

die akute Mastitis säugender Frauen. 

Es wird Ihnen daher unschwer zu beurteilen möglich sein, 
ob wir wirklich mit der unblutigen Bekämpfung der Mastitis 
einen Schritt nach vorwärts getan haben, oder ob wir es lieber 
bei der alten und bisher bewährten Methode des operativen Ein¬ 
griffs lassen wollen. Ich möchte vorausschicken, dass das 
Eukupin und Vuzin — letzteres noch einmal so stark desinfizierend 
wie das erstere — in ihrer Handhabung so unschädlich sind, 
dass man von einer x / 2 proz. bzw. x / 5 proz. Lösung des salzsauren 
Salzes bis zu 200 ccm dem menschlichen Körper anf einmal ein¬ 
verleiben kann. Da beide Mittel noch in einer Dosis von 1: 40000 
bzw. 1 :80000 Kokken abtöten, so wird es ohne weiteres klar, 
dass ein wesentlicher Unterschied in der Wirkung beider Mittel 
nicht bestehen kann, wenn man bei einer x / 2 proz. Lösung des 
Eukupins die Desinfektionsgrenze um das 200fache und bei einer 
x / 6 proz. Lösung des Vuzins um das 160fache überschreitet. Die 
Anwendung geschieht in Form einer wässerigen Lösung oder in 
Kochsalz, und zwar wird, da die Lösungen nicht lange haltbar 
sind, nach den Vorschriften Morgenroth's eine lOproz. alko¬ 
holische Stammlösung hergestellt, aus der man sich jedesmal die 
erst zur Anwendung notwendige Frischlösung bereitet. Auch diese 
Stammlösung ist nach Angabe Morgenroth’s nicht unbegrenzt 
haltbar, daher ist die Herstellung nur kleinerer Vorratsmengen 
zu empfehlen. Zweckmässig verwendet man als die andere Hälfte 
des Lösungsmittel eine lproz. Novokainlösung, so dass die ge¬ 
brauchfähige Eukupin- bzw. Vuzinlösung x / 2 pCt., bzw. x / 5 pOt. 
des Chininderivates und x / 2 pCt. Novokain enthält. In Folgendem 
gelten alle Angaben gleichmässig für Eukupin und Vuzin. 

Wenn nun eine Patientin mit einer Mastitis zur Behandlung 
kommt, so richtet sich die Therapie selbstverständlich nach der 
Art der Brustdrüsenerkrankung. Handelt es sich um leichte, 
akute Entzündungen, die mit Hochbinden der Brust, Abführ¬ 
mitteln und Umschlägen zu beseitigen sind, so mache ich natürlich 
auch nichts anderes. Die Vuzintherapie kommt lediglich zur An¬ 
wendung in Fällen, die nach gewöhnlichen chirurgischen Begriffen 
operatiotionsreif sind. Hier kommen, wenn wir die sehr seltene 
gangränöse Mastitis, die mir niemals begegnet ist, ausschliessen, 
im wesentlichen 2 Arten in Betracht: 

Der umschriebene Mammaabszess und die parenchy¬ 
matöse oder interstitielle Mastitis. 

Der Abszess wird, wie alle anderen abgeschlossenen Eiter- 
ansammluogen, mit einer nicht zu dünnen Nadel punktiert und 
durch Aspiration mit der Spritze möglichst entleert. Dann wird 
die Spritze mit der gleichen Menge Vuzin gefüllt, und die Lösunng 
durch die in der Abszesshöhle liegen gebliebene Nadel ein- 
gespritzt; die dabei eintretende mässige und schmerzhafte Spannung 
lässt sehr schnell wieder nach, da immer etwas Vuzin aus der 
Injektiont; teile zurückfliesst. Die Brust wird hochgebunden und 
in einen Umschlag mit essigsaurer Tonerde getan. Eine solche 
Punktion und Injektion wird (stets durch dieselbe Oeffnung) so 
oft wiederholt, als es erforderlich erscheint. Ich hatte .noch 
niemals nötig, häufiger als 5mal Vuzin zu injizieren und zwar 
in Abständen von 2—S Tagen. Die Ausheilung eines solchen 
Abszesses erfolgt auf verschiedene Weise. Entweder bildet sich 
an der Stelle der Punktionsöffnung eine der Dicke der Nadel 
entsprechende Fistel, durch welche sich der Eiter entleert und 
auch Nekrosen abstossen, oder aber die Punktionsöffnung schliesst 


sich jedesmal wieder, und der Abszess wandelt sich in eine 
sterile, seröse Flüssigkeitsansammlung um, die sich allmählich 
aufsaugt. Diese Art der Heilung ist die bei weitem schnellere, 
da das Vuzin in geschlossener Höhle intensiver wirkt als wie 
bei vorhandener Fistelöffnung. Die bakteriologischen Unter¬ 
suchungen haben ergeben, dass der Eiter, der sich infolge der 
hämolytischen Wirkung des Vuzins bereits nach der zweiten 
Punktion bräunlich zu verfärben pflegt, allmählich steril wird. 
Aehnlich sind die Fälle von Mastitis, bei denen mehrere, 
d. h. vielkammerige Abszessherde vorhanden sind. In diesen 
Fälllen wird von derselben Punktionsöffnung aus, wie ich 
das schon in meinem ersten Vortrage geschildert habe, jeder 
Abszess durch Wandern der Nadel in der Mamma aufgesucht, in 
gleicher Weise entleert und angefüilt; natürlich bleibt die Nadel 
während dieser Prozedur in der Punktionsöffnung liegen. Diese 
Behandlung geschieht recht schnell und ziemlich schmerzlos, da 
nur der erste Einstich in die Brust schmerzhaft ist, dagegen das 
Wandern mit der Nadelspitze ia der Brustdrüse zum Aufsuchen 
der anderen Abszesse nicht als sonderlich schmerzhaft empfunden 
wird. Im übrigen steht natülich nichts im Wege, bei ängstlichen 
Patentinnen das erste Mal genau wie zur Inzision, einen Aether- 
rausch oder eine kurze Chloräthylnarkose zu machen. Der Aus¬ 
gang dieser Eiterungen ist meist so, dass durch die Behandlung 
ein einheitlicher Kongestionsabszess erreicht wird, der sich durch 
die Punktionsöffnung entleert und wie ein gewöhnlicher Abszess 
auBheilt. 

Etwas anders gestaltet sich das Vorgehen bei der inter¬ 
stitiellen oder parenchymatösen Mastitis, bei der eine lokalisierte 
Eiterung nicht vorhanden ist und wo nur ausgiebige und ent¬ 
stellende Operationen sonst die Heilung bringen, während bei 
dem Mammaabszess auch die Bier’sche Saugbebandlung bei 
richtiger Technik gute Erfolge aufzuweisen bat. In den Fällen 
von parenchymatöser Mastitis mit Neigung zu allgemeiner Sepsis 
ist bisher die Operation nach Angerer, die in tiefen, radiären 
Inzisionen und rücksichtslosem Zerreissen aller Brücken besteht, 
oder die Aufklappung der Brust nach Bardenheuer am Platze 
gewesen. Beides Eingriffe, die nicht gerade zu den harmlosesten 
Operationen gehören, und die, namentlich durch die langdauernde 
Tamponade, schwere Entstellungen der Brust hinterlassen. Ich 
habe die Hoffnung, auch in diesen Fällen mit der Vuzinbehandlung 
zum Ziele zu kommen, da das von mir ausgearbeitete Verfahren 
in den bisher behandelten 4 Fällen vollständige Heilung ge¬ 
bracht hat; ein fünfter, der resistenter ist, ist noch in Be¬ 
handlung. Mit einer langen Nadel wird an der unteren 
Umrandung der Brust submammär eingegangen und ungefähr 
50—100 ccm der Vuzinlösung in den lockeren submammären Raum 
eingespritst. Dabei macht man regelmässig die Beobachtung, 
dass sich die Brust etwas aufrichtet. Dann sticht man die 
Nadel von unten in das Drüsengewebe ein und injiziert noch¬ 
mals so viel Vuzin, als sich ohne zu grosse Spannung in die 
Mamma hinein drängen lässt. Die Menge ist verschieden, da 
nicht jede Brust gleich aufnahmefähig ist. Es passiert dabei 
mitunter, dass sich das Vuzin im Strahl aus der Mammille ent¬ 
leert. In solchen Fällen zieht man die Nadel zweckmässig zu¬ 
rück, da man die Infiltration des Gewebes oicht erreicht, wenn 
man in den Ausführungsgang direkt hineinspritzt. Meist ge¬ 
nügen 10—20 ccm; wenn man die Spannung nicht zu stark 
werden lässt, ist auch die Schmerzempfindung nicht bedeutend; 
dagegen ist es nicht unerwünscht, in Fällen, bei denen sich eine 
verdünnte Hautstelle bereits markiert, die Vuzinlösung nach 
dieser Hautstelle von innen heraus zu dirigieren, bis sich eine 
gewisse Spannung dureh Anämie der Hautstelie bemerkbar macht. 
Die Brust wird dann unter Hochbinden und Umschlägen in den 
nächsten Tagen sich selbst überlassen. In 2 Fällen trat glatte 
Heilung ein, in 2 anderen Fällen unter Bildung eines einheitlichen 
Abszesses, der durch Punktion geheilt wurde. Der eine Fall ist 
besonders bemerkenswert dadurch, dass es sich um eine von 
anderer Seite beiderseits mehrfach operierte Dame handelte, die 
unter den Zeichen schwerer Sepsis mit Schüttelfrösten und 41,3° 
Fieber in die Klinik eingeliefert wurde. Eine Unterspritzung 
und Durchtränkung erst der einen Mamma, nach 2 Tagen auch 
der anderen Brust stellte die Patientin in nicht ganz 14 Tagen 
völlig wieder her. Der 5. Fall, der noch in Behandlung ist, ist 
ebenfalls entfiebert, sondert aber noch stark ab, da sich Nekrosen 
abstossen; auch ist die Brust noch stark infiltriert, aber auch 
bei ihm komme ich ohne Inzision aus. 

Ich möchte binzufügen, dass ich es für einen grossen Vorteil 
der Vuzinbehandlung halte, dass die quälende Tamponade unter- 


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656 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


bleibt. In keinem Falle habe ich einen Gasestreifen oder Drain 
nötig gehabt. Auch bei Nekrosen habe ich sum Unterschiede 
von Bibergeil, dem ich sonst beipflichte, nicht so insidieren 
brauchen; sie stossen sich bei etwas Geduld durch die Punktions¬ 
fistel ab. 

Wenn man die Behandlung eines eitrigen Prosesses mit Vusin, 
d. h. ohne Operation durchführen will, so muss man genau wissen, 
wie sich das Krankheitsbild unter der Behandlung gestaltet. Ich 
halte es für zweckmässig, swei Stadien der Heilung zu unter¬ 
scheiden, 

1. das Stadium der akuten Reifung, 

2. das Stadium der Infiltration. 

Stadium der akuten Reisung. 

Jeder Injektion von Eukupin oder Vusin in das Gewebe folgt 
eine 2—5 tätige Reisperiode. Das injizierte Gebiet schwillt an, 
die Haut wird rot, oft zum Verwechseln ähnlich mit erysipelatöser 
Entzündung. Es tritt Fieber ein, das über 40° erreichen kann, 
ein Oedem der Nachbarschsft, kurz alle Erscheinungen einer stark 
gesteigerten Entzündung. Schüttelfröste sind niemals beobachtet 
worden, ebenso wenig Schädigungen allgemeiner Natur, wie Albu¬ 
minurie, Herzbeschwerden usw. Zum Unterschiede von diesen 
objektiven, allgemeinen Entzündungserscbeinungen macht sich be¬ 
reits vom zweiten oder dritten Tage an erhebliche Herabminde- 
rund der Schmerzhaftigkeit geltend. Diese Eigenschaften dürfen 
dem Chininanteil der Präparate sususchreiben sein. Bei der 
Mastitis kann in diesen Tagen der Reizperiode die Schwellung 
der Brust eine ausserordentliche Grösse annehmen, und ich kann 
mir wohl vorstellen, dass ein Arzt, der ohne Kenntnis dieser 
regelmässig eintretenden Erscheinungen eine Patientin nach der 
Injektion zum ersten Male zu Gesiebt bekommt, sein Gewissen 
belastet fühlen würde, wenn er nicht dringend zur sofortigen 
Operation riete. In Wirklichkeit aber ist diese Zunahme aller 
Entzündungserscheinungen durchaus heilsam und macht nach 
wenigen Tagen dem zweiten Stadium Platz, in dem ein Rückgang 
der Erscheinungen eintritt. 

Stadium der Infiltration. 

Das Stadium der Infiltration kann man als eine langdauernde 
subakute Entzündung der Gewebsteile bezeichnen. Während aus 
der Punktionsöffnung mehr oder weniger dünnflüssiger oder zäher 
Eiter rinnt, oder aber auch eine Rückbildung des eitrigen Pro¬ 
zesses ohne Einsehmeliung eintritt, nimmt das Gewabe, das von 
der Entzündung betroffen war, eine immer stärkere Härte an. 
Das Fieber hat nachgelassen. Es kommen anfänglich Tempe¬ 
raturen bis zu 37,5 und 37,8 vor, die aber bald ganz normal 
werden. Die Patientinnen fühlen sich wohler und sind vor 
allen Dingen über die Schmerzlosigkeit des entzündeten Organs 
ausserordentlich erfreut. Die bedeckende Haut bleibt rot und 
nimmt allmählich eine rötlich livide Farbe an. Dieses Stadium 
kann einige Wochen anhalten, und so habe ich in einem Falle 
gesehen, dass es 3 Monate gedauert hat, ehe die Brust nach 
vollständiger Heilung des Infiltrationsprozesses ihre alte Form 
und Weichheit wieder erhalten hat. Einer solchen Brust würde 
später keiner mehr den überstaodenen Entzündungsprozess an- 
sehen. Dementsprechend ist das kosmetische Resultat erheblich 
besser als nach Operationen, da nur in wenigen Fällen obeifläch- 
liche Narben Zurückbleiben. 

Ich habe heute gerade die Mastitis auch noch aus einem 
anderen Grunde zur Besprechung gewählt. Wenn man die Vuzin- 
therapie in die chirurgische Praxis einführen will, so tut man gut 
daran, die Wirkungsweise des Mittels an einer Krankheit klar zu 
machen, die allen geläufig ist. Das wäre schliesslich auch bei 
anderen x Eiterungen möglich gewesen, die Mastitis bietet aber 
für die Besprechung den grossen Vorzug, dass man es hier mit 
einem an der Oberfläche liegenden Organ zu tun bat, das von 
allen Seiten zugänglich ist und das einer Infektion besonders 
häufig ausgesetzt ist. Mit grosser Präzision kann man an ihm 
jeden Fortschritt bzw. Rückgang der Infektion verfolgen. Des¬ 
halb wird man auch hier alle Scheinwirkungen ausschliessen 
und mir nicht einwenden können, wie das in der Medizin leider 
so oft geschieht, dass man auch ohne die empfohlene Therapie 
zum Ziele gelangt wäre. Aber es gehört auch dazu die genaue 
Kenntniss der ersten Folgen einer solchen Behandlung, damit 
man nicht das Stadium der Reizung fälschlich als Fortschritt 
der Infektion deutet und eventuell veranlasst wird, sofort aus¬ 
giebig zu operieren. Gans besonders stark wird dieses Stadium 


der Reizung hervortreten in den Fällen, bei denen es noeh zu 
keiner Abszedierung gekommen war, sondern wo die Vuzin- 
injektion die bestehende eitrige Infiltration noch verstärkt hat 
Ich habe dabei in erster Linie die parenchymatöse Mastitis im 
Auge; aber auch der umschriebene Mammaabszess kann ausser¬ 
ordentliche Entzündungsgrade zeigen, wenn der Eiter nicht gleich 
wieder durch die Punktionsöffnung abfliesst; gerade diese Fälle 
aber halten das Vusin länger an Ort und Stelle zurück und 
werden durch den Verbleib desselben in der geschlossenen 
Eiterhöhle schneller und wirksamer beeinflusst, als wie die 
fistelnden Abszesse, Man ist daher auch mehrfach bestrebt 
gewesen, die Punktionsöffnung nach Einverleibung des Vuzins 
wieder zu schliessen oder es durch Stauungsbinde länger am 
Orte der Injektion zu halten (vgl. Rosenstein, 1. c., S. 161). 

Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Behandlung mit 
dem Vuzio und Eukupin nicht so einfach ist, dass man sie ohne 
weiteres allgemein empfehlen könnte. Die Erfahrungen, die ich 
bisher gemacht habe, beziehen sich auf 45 Fälle von Mastitis, 
darunter 35 von Mastitis säugender Frauen. In 30 Fällen bandelt 
es sich um einen, resp. mehrkammerige Abszesse, von deneo 24 
ausheilten, die meisten darunter unter Bildung einer eiterigen 
Fistel, die sich dann später schloss. Eine Patientin entzog sich 
der ambulanten Behandlung nach der ersten Injektion; was aus 
ihr geworden ist, habe ich nicht erfahren können. 5 Fälle sind 
noch in Behandlung, aber in Kürze wiederhergestellt, da die 
Heilung gute Fortschritte macht. Die übrigen 5 Fälle gehören 
zu der Gruppe der parenchymatösen Mastitis; sie sind alle bis 
auf den einen noch behandelten Fall geheilt, wie ich anfangs 
bereits berichtet habe. 10 Fälle waren Mastitis aus anderen 
Gründen; darunter waren einige Fälle von Mastitis bei jungen 
Mädchen mit Drüsenschwellung in der Achselhöhle, die aus un¬ 
bekannter Ursache entstanden waren. Sie sind nach derselben 
Methode behandelt und ohne Schwierigkeit ausgeheilt. Bei einem 
sehr ängstlichen Manne trat nach der Injektion sehr starkes Fieber 
auf, so dass er sich auf die Station auf nehmen liess. Dort ist der 
oberflächliche, fluktuierende Abszess inzidiert worden. Die Zahl ist 
noch viel zu gering, um auf ihr schon mit Sicherheit eine Therapie 
aufzubauen, die so seht' mit alten, eingefleischten Grundsätzen 
der Chirurgie bricht. Deshalb möchte ich natürlich auch nicht 
behaupten, dass es in jedem Falle von Mastitis lactantium ge¬ 
lingen muss, die Operation mit Sicherheit zu vermeiden. Was 
ich heute hier aber vertreten kann, ist, dass das Mittel als ein 
unschädliches Desinfiziens, das man dem Körper durch Injektion 
einverleiben kann, unerreicht ist, und dass der Ausbau der Technik 
eine Vermeidung der Operation bei der Mastitis und zahlreichen 
anderen Infektionen sicher zu stellen verspricht. Dass eine solche 
lnjektionsbehandlung gerade bei der Mastitis grosse Vorteile 
gegenüber den entstellenden Inzisionen anfweist, brauche ich nicht 
erst zu begründen. 

Ich bin darauf gefasst, dass gegen die unblutige Behandlung 
der eiterigen Mastitis in dem hier vorgetragenen Sinne mancher¬ 
lei Bedenken werden erhoben werden; der ganze Gedankengang 
ist zu neu, ist zu umwälzend und auch geeignet, nicht nur auf 
das besprochene Krank hei tsgebiet beschränkt zu bleiben, als dass 
er nicht Widerspruch und Kritik hervorrufen dürfte; darüber bin 
ich mir vollständig im Klaren, und ich habe meine Versuche und 
die Mitteilung meiner Resultate daher auch im Gefühl dieser 
Verantwortung gemacht. Es wäre aber falsch, wollte man gleich 
übertriebene Erwartungen an die Chininderivate knüpfen; ich bin 
vielmehr der Meinung, dass die Anwendungs- und Wirkungsbreite 
des Eukupin und Vozin immer auf bestimmte Infektionen be¬ 
schränkt bleiben wird, und dass nach meinen Erfahrungen nur 
lokalisierte Eiterungen und Phlegmonen beeinflusst werden können. 
Auch hier soll meine Methode nicht als unabänderliche Vorschrift 
gelten, sondern ich hoffe, dass sie verbesserungsfäbig in Technik, 
Konzentration usw. sein wird. Deshalb soll sie erst einmal von 
objektiven und erfahrenen Chirurgen nachgeprüft werden, ehe 
wir sie für die Allgemeinheit freigeben. Ich stelle aber anderer¬ 
seits an die Kritik, wenn wirklich eventuelle Eibwände von Wert 
und für die Beurteilung der Wirksamkeit des Chininderivats von 
Bedeutung sein sollen, auch bestimmte in 3 Punkten zusammen- 
gefasste Forderungen: 

1. Die angewandte Vuzin-, bezw. Eukupinlösung muss stark 
genug, d. h. mindestens in der von mir benutzten Konzentration 
versucht worden sein, da selbstverständlich auf Versager mit 
schwächeren Lösungen garnichts zu geben ist. 

2. Die Behandlung muss richtig zu Ende geführt worden sein, 
es darf nicht als Misserfolg gelten, wenn der Arzt in Verkennung 


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14. Juli 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


667 


der ersten Reifungen operiert, statt das Abklingen der Reisperiode 
absnwarten. 

S. Die Methode der Anwendung muss sich, wenn auch nicht 
genau an die meinige anlebnen, so doch in denselben Bahnen der 
Aspiration und Auffüllung der Abssesse, der Um> und Unter- 
spritsung der infixierten Gewebsteile bewegen. Alle anderen 
Verwendungsarten, spetiell die auf dem Blutwege (Keppler, 
Breslauer, Manninger) gehören nicht hierher, da das Yusin 
intravenös oder intraarteriell eine gans andere Wirkung entfaltet, 
als bei der direkten Injektion in den Eiterherd. 

Für die Unschädlichkeit des Eukupins und Yusins bei der 
subkutanen Anwendung sind meine Erfahrungen beweisend; denn 
ich l habe ja nicht nur bei der Mastitis die Chininderivate ange¬ 
wandt, sondern bei allen möglichen Eiterungen an anderen Körper¬ 
stellen. Ee wird sich Gelegenheit bieten, darüber in einem 
grösseren Rahmen zu berichten. Vermieden habe ich die Appli¬ 
kation an den Fingern (mit Ausnahme einiger Sehnenscheiden¬ 
phlegmonen), Ohren usw., kurz an Stellen, bei denen nach der 
Injektion eine so starke Spannung der bedeckenden Haut ein¬ 
trete n würde, dass aus dem Zusammenwirken des mechanischen 
und chemischen Prozesses die Ernährung gefährdet werden 
könnte. Wenn Schöne auf Grund seiner Tierexperimente, bei 
denen er vielfach Gewebsnekrosen sah, zu grösserer Yorsicht bei 
Anwendung des Yusins rät, so möchte ich zunächst darauf hin- 
weisen, dass auch aus der mir unterstellten Poliklinik in kurzer 
Zeit eine Arbeit des Assistenten Herrn Dr. Klein erscheinen 
wird, der über die Gewebsschädigungen des Eukupins und Vuzins 
in der Mamma der Meerschweinchen wird berichten können. 
Schon heute aber kann ich trotz der Schöne’schen Beobach¬ 
tungen auf Grund meiner praktischen Erfahrungen sagen, dass 
die Schädigungen an der Mamma und an anderen Körperstellen 
klinisch ohne Bedeutung sind und den Heilungsprozess in keiner 
Weise beeinträchtigen. 

Heute kam es mir nur darauf an, ein engbegrenzteB Krank¬ 
heitsgebiet herauszugreifen, um Ihnen darzulegen, in welcher Weise 
die Chininderivate wirken, und welche Aussichten die Inangriff¬ 
nahme dieser Therapie eitriger Prozesse für die fernereZukunft 
bietet. 

Literatur. 

Breslauer, Die intravenöse Methode der lokalen Behandlung ent¬ 
zündlicher Prozesse. Zb). f. Chir., 1918, Nr. 17. — Manninger, Zur 
intravenösen Methode der lokalen Behandlung entzündlicher Prozesse, 
Zbl. f. Chir., 1918, Nr. 24. — Keppler, Die intravenöse Methode der 
lokalen Behandlung entzündlicher Prozesse. Zbl. f. Chir., 1918, Nr. 24. 
— Rosenstein, Paul, Die unblutige Bekämpfung eitriger Prozesse 
duroh Morgenroth’sche Chininderivate (Eukupin und Vuzin). B.kl.W., 
1918, Nr. 7, S. 168. — Morgenroth, B. m. Ges. 6. 2. 1918. B.kl.W., 
1918, Nr. 8, S. 191. — Bibergeil, Das Vuzin in der Wundbehandlung. 
D.m.W., 1918, Nr. 35, S. 966. — Schöne, Ueber die Einwirkung einiger 
Antiseptika auf die Gewebe. D.m.W., 1919, Nr. 18, S. 502. 


BQcherbesprechungen. 

Alexander Sekmiaeke: Die Kriegserkraakaagea der gaergestreiftea 
Maskatatar. Volkmann’s Sammlung klinischer Vorträge Nr. 758 und 
759. 1918. 85 S. Preis 1,80 M. 

Eine sehr verdienstliche, zusammenfassende Darstellung des im Kriege 
gesammelten Materials der pathologisoh-anatomisoben Befunde an der 
Skelettmuskulatur. Verf. vermag dabei aus seiner Tätigkeit als Armee¬ 
pathologe vielfach Eigenes zu geben. Bei den Sohussverletzungen der 
Muskeln wird mit Borst neben dem Schusskanal und der umgebenden 
durchbluteten nekrotischen Gewebszone nooh eine dritte peripherische Zone, 
die der „molekularen Erschütterung*, unterschieden. Sie entsteht durch 
Fortleitung der vom Geschoss ausgehenden Stosswelle auf die Nachbar¬ 
schaft und tritt lediglich mikroskopisch (degenerative Zellveränderung, 
kleinste Blutungen) in Erscheinung. Unter den Verletzungen duroh 
stumpfe Gewalt hat der Krieg als besonders charakteristisch die ischämi¬ 
schen Nekrosen an Extremitäten- und Brustmuskeln bei der Verschüttung 
kennen gelehrt. Sie haben grosse Neigung zu schneller Verkalkung und 
heilen mit knotenförmigen Narben. Sie sind nioht Folge des unmittel¬ 
baren traumatischen Insults und Druckes auf die Substanz der Fasern, 
sondern durch traumatische Beeinflussung der Gefässnerven, duroh 
spastische Gefässkontraktionen, Dilatationen und Stasen bedingt. Auch 
die stets mit der VersohüttuDgsnekrose vergesellschafteten Blutungen 
sind wesentlich solche vasomotorischer Art. In gleioher Weise sind 
übrigens nach Verf. auch bei Durchschüssen von Extremitäten die oft 
ausgedehnten, von der Stelle des Traumas weit entfernten ischämisohen 
Mnskelnekrosen zu erklären. / 

Besondere Bedeutung kommt den perforierenden Sohussverletzungen 
des Zwerchfells wegen des Vorfalls von Bauoheingeweiden in den 
Brustraum — falsche Zwerchfellhernien, links häufiger als rechts — zu. 


Bemerkenswerterweise kann die Einklemmung der prolabierten Eingeweide 
erst naoh Monaten oder Jahren erfolgen. Die narbige Schrumpfung und 
Verengerung der „Bruohpforte* führt erst dann unter Umständen aus 
geringfügiger Ursache zur Iokarzeration. 

Die Erfrierungen stellen sich in der Regel in Form des trocknen 
Brandes (Mumifikation) dar; feuchte Gangrän wird bei akzidentellen 
Infektionen in Fällen beobachtet, wo Schussverletzung und Erfrierung 
denselben Körperteil betroffen haben. Nekrose des Muskelgewebes 
durch heisse Geschosse oder Geschosssplitter ist nicht allein Effekt der 
Hitze, also nicht allein Verbrennungsnekrose, sondern möglicherweise 
auch Sprengwirkung duroh den in wasserreichen Geweben bei der Er¬ 
hitzung plötzlich sich entwickelnden Wasserdampf. Die duroh Leucht¬ 
pistolengeschosse (Leuchtkugeln, Leuchtsterne) bei Nahverletzungen im 
Muskelgewebe gesetzten Verbrennungen sind stets sohwere, da der Leuoht- 
satz, der selbst genügend Sauerstoffmeegen enthält, im Gewebe ver¬ 
brennt und nicht sohnell genug entfernt werden kann. 

Für die Störung des Wundverlaufs in dem reiohliöh mortifizierten 
aus der Zirkulation ausgeschalteten Muskelgewebe sind von besonderer 
Bedeutung die in die Wundtiefe verlagerten Fremdkörper als massige 
Bakteriendepots; das gilt auch für Steokgesohosse. Pyämie ist bei der 
Muskelwundeneiterung selten. Die im Krieg im Anschluss an das ein¬ 
malige akute Trauma einer Schuss- oder Stiohverletzung häufig beob¬ 
achtete Knoohenbildung in Muskelnarben ist teils auf traumatisch ver¬ 
lagerte Perioststüokchen zurückzuführen, teils entzündlich-metaplastisch 
aus dem Granulationsgewebe der Muskelwunde entstanden. Hier dürfte 
als Ursache der Metaplasie eine Konkurrenz von Reizen (Bluterguss, 
zerfallendes Muskelmaterial, Bakterien und ihre Toxine) anzusehen sein, 
doch wäre bei der relativen Seltenheit des Krankheitsbildes noch an 
individuelle Momente, die die Verknöcherung fördern, zu denken. 

Beim Tetanus können duroh die krampfhaften Muskelkontraktionen 
Muskelzerreissungen mit Blutungen bewirkt werden; die wachsartige 
Degeneration mit Blutungen im Musoulus ileopsoas ist für Tetanus 
pathognomonisch, wird aber freilioh in einem Teil der Fälle vermisst. 

Beim Gasbrand, dem malignen Oedem und verwandten Zuständen 
ist der verletzte Muskel das wesentliche Substrat; die Zahl ent¬ 
sprechender Erkrankung anderer Körpergewebe als der Muskulatur ist 
eine verschwindend geringe. Die Veränderungen stellen sich in drei 
Stadien dar: farblose oder hämolytische ödematöse Gewebsdurohtränkung 
(Aussenzone), starke hämolytische Oedembildung des Muskelgewebes mit 
partieller Nekrose und Gasbildung (mittlere Zone), weitgehende Nekrosen 
und Erweichungen mit Gasbildung (eigentliches Wundgebiet). Mikro¬ 
skopisch zeigen die nekrotischen Fasern vakuoläre und besonders wachs- 
artige Degeneration mit Zerfall der Fasern in ungleichmässige Bruch¬ 
stücke; im einzelnen kann die Querstreifung lange erhalten bleiben; 
Verfettung ist gewöhnlich nioht nachweisbar. 

Neben den zahllos beobachteten neurotischen und funktionellen 
Atrophien verdient die „akute reflektorische Muskelatrophie* (z. B. im 
Quadriceps femoris nach Verletzungen der Kniegelenksgegend) besondere 
Erwähnung; diese Form der Muskelatrophie ist in Veränderungen der 
Nerven („traumatische Blutungen in die Nervenscheiden und molekulare 
Erschütterungen in den Nervenfasern mit sekundärer Degeneration*) be¬ 
gründet. Waohsartige Degeneration und Hämatombildung in den geraden 
Bauohmuskeln, auch in anderen Muskeln, fand sich ausser bei Typhus 
auch bei Paratyphus A und B, bei Dysenterie, bei Grippe, bei Cholera, 
vereinzelt auch bei Fleckfieber; die Hämatome können vereitern. 

Sehr bemerkenswert ist eine durch Meningokokken bedingte Poly¬ 
myositis, ein Analogon zu einigen bereits berichteten Fällen polymyosi- 
tisoher Erkrankung duroh Strepto- und Gonokokken. Bei dem infektiösen 
Ikterus (der Weil’sehen Krankheit) werden zum Teil erhebliche Blu¬ 
tungen in den Wadenmuskeln, aber auch in andere Muskelgruppen, teils 
subfaszial, teils in den Muskeln selbst gefunden. Mikroskopisch wird 
vakuoläre, hyaline und waohsartige Veränderung der Muskelfasern fest¬ 
gestellt; öfters sind ganze Fasergruppen befallen, die sich auch zu um¬ 
fangreichen Trümmerfeldern mit zahlreichen interstitiellen Blutungen 
zusammensohliessen. Bei der Weil’sehen Krankheit gehören diese Ver¬ 
änderungen der Muskeln im Verein mit dem Ikterus, den multiplen 
Blutungen und der akuten Nephritis zu den anatomischen Kardinal- 
befunden; sie sind zugleich Grundlage der im klinisohen Bild stark 
her vor tretenden Wadenschmerzen. 

Die im Vorstehenden gegebene Auslese zeigt die Fülle der Kriegs¬ 
erfahrungen auf diesem Gebiet, zugleich auch ihre nioht gering an- 
zusohlagende praktische Bedeutung. Ludwig Piok. 


A. HelTa und R. Grashey: Verbaadlekre. Lehmann’s med. Handatlanten. 

Bd. 13. 6. Aufl. mit 167 Taf. und 209 Textabbildungen. München 1918. 

Verlag von J. F. Lehmann. 218 Seiten. Preis geb. 12 M. 

Die neue Auflage der Verbandlehre sohliesst sich früheren Auflagen 
würdig an. Es ist erstaunlich, wie viel auf engbegrenxtem Raum ge¬ 
boten wird. Abgesehen von den typischen’Verbänden, die schon in der 
früheren Auflage, durch die beigegebenen schematischen Skizzen, ausser¬ 
ordentlich instruktiv sind, findet man in dem Buch wohl alles, was sioh 
in der Verbandlehre als wertvoll erwiesen hat. Vor allem hat Grashey 
den Schienen- und Gipsverbänden ein weites Feld eingeräumt. Ueber 
die blosse technische Verbandlehre herausgehend gibt der Verf. aber 
auch ein vollständiges Bild des gegenwärtigen Standpunktes der Wund¬ 
behandlung überhaupt, besonders der Behandlung der Kriegswünden. 
Doppelt wertvoll sind die kurzen und dabei prägnanten und streng 

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UNIVERSUM OF IOWA 







BERLINER RLlMSCttfi WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28 


m 


wissenschaftlichen Ausführungen daroh die zahlreichen Literaturhinweise. 
Der Verlag hat es verstanden, trots der Eriegssohwierigkeiten auoh 
die Ausstattung des Buches (Abbildungen usw.) auf der alten Hohe au 
halten. Mit einem Wort, es ist ein ausgezeichnetes Buch, dem wir die 
weiteste Verbreitung besonders unter den Studenten wünsohen. 


J. t. Heeheiegg und E. Payr: Lehrbuch der speziellen Chirurgie flr 
Studierende und Aerzte. Unter Mitarbeit von Rudolf v. Aberle f* 
Gustav Alexander, Paul Albreoht, Karl Ewald, Alfred 
Exner, Friedrich R. v. Friedländer, Max Gnesda, Leopold 
Harmer, Hans Hejrovsky, Karl Jarisch, Robert Lenk f, 
Adolf Lorenz, Hans Lorenz, Max Reiner +, Julius Sohnitaler, 
HansSpitzy, Otto Zuokerkandl. Zweite neu bearbeitete Auflage, 
2. Bd. Mit 582 Tertabbild. und 14 Taf. Berlin-Wien 1918. Verlag 
von Urban-ASohwarzenberg. 1168 Seiten. Preis geheftet 80 M. 

Durch den Krieg um 4 Jahre verzögert ist jetzt zunächst der 2. Band 
(Chirurgie des Unterleibes und der Extremitäten) der zweiten neu be¬ 
arbeiteten Auflage des v. Hoohenegg’sehen Lehrbuches erschienen, 
das diesmal auoh Payr als Mitherausgeber zeichnet Das vorliegende 
Werk will ein reines Lehr huch sein, daher ist relativ wenig auf 
sohwebende wissenschaftliche Fragen eingegangen. Auoh Literaturhin¬ 
weise finden sich nur vereinzelt. Dagegen haben die Verff. Wert darauf 
gelegt das, was die Chirurgie als bleibend wertvoll anerkannt hat, in 
fesselnder Weise vorzutragen. Trots der Bearbeitung duroh mehrere 
Autoren erscheint dooh im ganzen das Buoh als aus einem einheitlichen 
Guss hervorgegangen. Referent möchte anregen, dass dem noch zu er¬ 
wartenden 1. Band ein ausführliches alphabetisches Sachregister beige¬ 
geben wird. Das Buch wird dadurch gerade für den Studenten, der 
sioh sohnell über eine Frage orientieren will, doppelt wertvoll. Viel¬ 
leicht könnten auch in späteren Auflagen an den Rand gedruckte Schlag¬ 
worte die Orientierung etwas erleichtern, besw. mindestens im Text die 
Sohlagworte der einzelnen Abschnitte fett gedruckt werden. Der Nach¬ 
trag über die Erfahrungen des letzten Krieges ist wohl etwas zu kurz 
ausgefallen. Hoffentlich wird auoh der 1. Band des Lehrbuches, das 
sich sicherlich viel Freunde erwerben wird, bald erscheinen können. 


Henzanz Ziegner-Küstrin: Vadeaekza 4er spezielles Chirurgie izd 
Orthopädie für Aerzte. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Klapp. 
4. Aufl. Leipzig 1918. Verlag von F. C. W. Vogel. 259 Seiten. Preis 
geheftet 9 M. 

Dass das Büchlein sich Freunde erworben hat, ist aus der raschen 
Folge der Auflagen ersiohtlioh. Zweifellos hat es der Autor mit grossem 
Geschick verstanden, das grosse Gebiet der Chirurgie bei systematisch- 
logischem Aufbau in knappen Umrissen darzustellen. Das Buch anstelle 
eines Lehrbuchs benutzen zu wollen, wäre natürlich verfehlt; ein solches 
will es nicht ersetzen und könnte es auoh schon darum nicht, da bei 
der kompendiösen Form vor allem die Praxis zu ihrem Recht kommen 
sollte und auf die wissenschaftliche Seite wie auf die Pathologie nicht 
eingegangen werden konnte. Sehr geeignet aber ist es, einem früher 
Gelerntes wieder ins Gedächtnis zurüokzurufen und dürfte so besonders 
auoh dem zum Examen sich vorbereitenden jungen Kollegen, aber auch 
den der Chirurgie ferner stehenden praktischen Aerzten manohen Nutzen 
bringen. W. V. Simon-Frankfurt a. M. 


Eztil Kraepelin: Hzzdert Jahre Psychiatrie. Ein Beitrag zur Ge¬ 
schichte menschlicher Gesittung. Berlin 1918. Verlag von Julius 
Springer. 

Die vorliegende Schrift gibt in wesentlich erweiterter Form den 
Vortrag wieder, den K. auf der Eröffnungssitzung der deutschen For- 
schungsanstalt für Psychiatrie gehalten bat. Verf. führt uns in ein¬ 
drucksvoller Schilderung duroh die Geschichte der Psyohiatrie des letzten 
Jahrhunderts, die er in sorgfältigen Quellenstudien durchforscht hat. Er 
zeigt, wie im Anfänge des 19. Jahrhunderts die Geisteskranken mit 
Zwangsmaassregeln behandelt, in Ketten und Käfigen verwahrt, einem 
rohen und gewaltsamen Wartepersonal ausgeliefert waren, wie sie bei 
Mangel geeigneter Unterkunft und ärztlicher Fürsorge allen möglichen 
Quälereien ausgesetzt waren. Die Uebelstände beruhten zum grossen 
Teil auf dem niedrigen Niveau, auf dem die wissenschaftliche Psychiatrie 
dieser Zeit stand, die sich lediglioh auf Spekulationen, nioht auf Er¬ 
fahrung und Krankenbeobaohtung stützte. Einander gegenüber standen 
die Ansichten der Psychiker und Somatiker. Jene suchten die Ursaohen 
der Geisteskrankheiten in Veränderungen der Seele, insbesondere sahen 
sie in ihnen den Ausfluss einer persönlichen Sohuld, die Folgen eines 
unmoralischen Lebens, während diese körperliche Ursaohen annahmen, 
sioh aber auoh hierin in phantastischen spekulativen Vorstellungen be¬ 
wegten. Den unklaren Vorstellungen von dem Wesen der Krankheiten 
entsprach auch die Behandlung; Zwangsmittel, gewaltsame Beruhigungs¬ 
mittel, oft von bemerkenswerter technischer Erfindungsgabe, Brech¬ 
mittel u. ä. machten die Therapie aus, unter der man nur in wenigen 
Punkten, wie z. B. in der Bäderbehandlung, die Anfänge einer zweck¬ 
mässigen Behänd lungsweise erblickt. Entscheidend für den Fortschritt 
war die Errichtung von Irrenanstalten und die dadurch ermöglichte 
Schaffung eines irren ärztlichen Berufes, ferner der Sieg der naturwissen¬ 
schaftlichen Beobachtung über die philosophierende und moralisierende 
Betrachtungsweise, auf Grund dessen sioh die Ansohauung immer mehr 


Bahn braoh, dass die Geisteskrankheiten Erkrankungen des Gehirns 
seien. 

Verf. zeigt dann in dem Schlussteil, wie die neuere Forschung zu 
klareren Vorstellungen von dem Wesen der Geisteskrankheiten ge¬ 
kommen ist, wie die Untersuchungen des Gehirnbaues, der Histologie 
des Gehirns, das Studium der Stoffwechselvorgänge, der Vererbung zu 
fruchtbringenden Resultaten geführt haben. Er schildert den Gegensatz 
der jetzigen Methode der Behandlung der Geisteskrankheiten zu dem 
betrübenden Bilde vor 100 Jahren, wie die Befreiung von Zwangsmitteln, 
die Bettbehandlung, Dauerbäder, Beruhigongsmittel, Arbeitstherapie, 
Familienpflege, den Irrenanstalten einen völlig anderen Charakter ge¬ 
geben haben. 

Verf. gibt zum Schluss der Hoffnung und Erwartung Ausdruck, dass 
die weitere Forschung es uns ermöglichen wird, die Zahl der Geistes¬ 
kranken duroh Prophylaxe und zweckmässige Therapie in erheblichem 
Grade zu vermindern. Kramer-Berlin. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

H. Thierfelder und E. v. Cramm-Tübingern Ueber glatawii- 
haltlge Polypeptide und zur Frage ihres Vorkommens im Eiweiss. 
(Zschr. f. physiol. Chem., Bd. 105, B. 1—2, S. 58—82.) Bisher waren 
Polypeptide, an deren Aufbau Glutamin beteiligt ist, unbekannt. Die 
Verf. stellten vier Dipeptide (Glyzyl-d-glutamin, d-Alanyl-d-glutamin, 
1-Leuzyl-d-glutamin) und ein Tripeptid (Glyzyl-d-glutaminyl-glyoin) dar 
nach den von Emil Fischer angegebenen Verfahren. Diese Polypeptide 
wurden zur Prüfung der Frage nach dem Vorkommen des Glutamin im 
Eiweiss benutzt, indem vergleichende Versuche über das Verhalten von 
Eiweissstofien, von glutaminhaltigen Polypeptiden und von Glutamin bei 
unvollkommener Hydrolyse angestellt wurden. Die Substanzen spalten 
bei unvollkommener Hydrolyse durch dünne Salzsäurelösung unter 
gleichen Versuchsbedingungen Ammoniak ab, deren Mengen, in Prozent 
der maximal abspaltbaren Mengen ausgedrückt, übereinstimmen. Dieses 
gleichartiges Verhalten spricht zugunsten der Annahme, dass Glutamin 
im Eiweissmolekül enthalten ist. Die Bereitung der neu dargestellten 
Polypeptide wird im experimentellen Teile der Arbeit ausführlich be¬ 
schrieben. 

E. Winterstein-Zürich: Ueber die Kontitutien des SoriiMiis. 
(Zschr. f. physiol. Chem., Bd. 105, H. 1—2, S. 20—24.) Als wirksamer 
Bestandteil der früher als Wurmmittel gebrauchten Rinde von Geoffroya 
surinamensis wird das Andirin, Geoffroyin oder Surinamin beseiobnet. 
Dieses liefert bei der Kalisöhmelze Paraoxybenzoesäure und beim Er¬ 
hitzen eine Base von der Konstitution des Oxyphenylätbylmethylamin. 
Surinamin gibt mit Millon’sohem Reagens Rotfärbung und lässt sioh 
durch sein Kupfersais als N-Methyltyrosin C OH 

h<Tch 

HC^CH 

CCH 2 CH.NH (CB.) COOH 

identifizieren. Im Gegensatz zum inaktiven (physiologisch unwirksamen) 
synthetischen N-Methyltyrosin, das aus Anisalmalonsäure dargestellt wird, 
ist das Surinamin optisch aktiv; es zersetzt sioh bei 280° C. 

I. Hirsohberg und H. WinterBtein-Rostook: Ueber den Unaatz 
TOI Fettsubstanzei in den nervösen Zentralorganen. (Zschr. f. physiol. 
Chem., Bd. 195, H. 1—2, S. 1—19.) Die Verff. bestimmen den „Fett¬ 
gehalt“ des isolierten Froschrüokenmarkes durch die Menge der alkali¬ 
bindenden Substanzen. Der Fettgehalt des überlebenden Rückenmarks 
nimmt in Sauerstoffatmosphäre allmählioh ab. Der Fettumsatz beruht 
also auf Oxydationsvorgängen. Elektrische Reizung erzeugt eine Steige¬ 
rung des Fettverbrauches bis zum Dreifachen des Umwertes. Duroh 
Zufuhr von Zuoker wird eine bedeutende Verminderung des Fettumsatzes 
herbeigeführt. Die Grösse der duroh verschiedene Zuoker in der Ruhe 
und bei Reizung bewirkten Fettersparnis steht im Verhältnis zu der 
Grösse des Zuokerumsatzes unter den gegebenen Bedingungen. Bei Zu¬ 
fuhr von Traubenzucker wird der Erregungsumsatz gänzlich von diesem 
bestritten; der sonst zu beachtende Mehrverbrauch an Fettsubstanzen 
fällt gänzlioh fort. Die Uebereinstimmung zwischen der duroh Glukose- 
zufuhr bewirkten Verminderueg des Umsatzes alkalibindender und stick¬ 
stoffhaltiger Substanzen maoht es wahrscheinlich, dass die ersteren in 
der Hauptsache nioht von einfachen Fetten, sondern von Phosphatiden 
oder Phosphatid - Eiweissverbindungen dargestellt werden. 

F. Valentin-Wien: Ueber die fettähiliehea Sibstaazei in Glas¬ 
körper des Pferdeaages. (Zschr. f. physiol. Chem., Bd. 105, H. 1 u. 2. 
S. 88— 57.) In der normalen Glaskörperflüssigkeit des Pferdeauges sind 
Seifen enthalten, die verschiedene lipoide Substanzen in Lösung halten. 
Als solche konnten naobgewiesen werden: Glyzerinester (Neutralfett), 
Cholesterinester, freies Cholesterin und cholinenthaltendes Phosphatid. 
Unter abnormen Verhältnissen kommen diese Substanzen in Form von 
Tropfen bezw. krystalloiden Gebilden als Niedersohläge zur Ausscheidung. 
Ausserdem kommen auch Ausscheidungen von Seifen als trübende Sub¬ 
stanzen vor. ln der Regel werden die Trübungen nioht duroh eine ein¬ 
heitliche Substanz verursaoht, sondern durch ein Gemenge mehrerer 
Substanzen, die alle lipoide Natur aufweisen. Die Trübungen im Glas- 


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14. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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körper scheinen demnaoh lediglich auf einer analogen Grundlage su 
beruhen, wie die Aussoheidong von Gallensteinen aus der Galle. 

E. Winterst ein-Zürich: Ueber einen Bestaidteil 4 m Fettes 
Til Btssift lengifeli* L. (Illipe Malabrorum Kon.) und Bassin latifelia. 
(Zschr. f. pbysiol. Obern», Bd. 105, H. 1—2, S. 81—82.) Die bei der 
Bereitung des Bassiaol (Mowrabutter) aus dem Samen von Bassi» longi- 
folia und Bassia latifolia gewonnenen Pressrüokstände enthalten, neben 
dem surückgebliebenen Fett, freie Fettsäuren, die als freie Palmitinsäure 
identifiziert werden. 

E. Winterstein -Zürich: Ueber die Bestandteile des Emmentaler 
Eines, 5. Mitteilung. (Zschr. f. physiol. Chem., Bd. 105, H. 1—2, S. 25 
bis 80.) Beim Beifungsproiess des Käses zerfallen die Eiweisskörper 
der Milch in gleicher Weise wie unter der Einwirkung von Fermenten 
und Bakterien. Es können dabei alle beschriebenen Eiweissspaltungs¬ 
produkte mit Ausnahme des Arginin isoliert werden. Dagegen gelang 
es dem Verf. aus Magerkäse Harnstoff und Ornithin, Zerfallsprodukte 
des Arginin, darzustellen. Harnstoff wird als Harnstoffdixanthyl, Orni¬ 
thin (über sein Pikrat) als Platindoppelsalz nachgewiesen. Daneben 
scheint auoh Agmatin vorzukommen. J. Hirsoh. 


Therapie. 

E. Falk-Berlin: Rnkodal, ein neues Narkotikum. (Ther. Mb., 
Mai 1919.) Referat der Berichte zahlreicher Autoren über ihre Er¬ 
fahrungen mit Eukodal, deren Ergebnis folgendes ist: Als schmerz¬ 
stillendes Mittel wirkt Eukodal günstig bei Koliken jeder Art und 
Neuralgien, am besten als subkutane Injektion von 0,01. Nur bei un¬ 
genügender Wirkung naoh 20—30 Minuten Wiederholung der Injektion. 
Bei langdauernden Sohmerxen, bei Karzinom, schwerer Dysmenorrhoe, 
postoperativen Schmerzen, Ohrenerkrankungen eventuell innerlich zwei 
Tabletten zu 0,005 vorsuziehen. Wertvoll ist Eukodal zur Vornahme 
kleinerer Operationen, 20 Minuten a. o. 0,02 subkutan, und zur Unter¬ 
stützung der Lokalanästhesie. Bei alten Leuten lassen sioh naoh 0,02 
Eukodal subkutan auoh ohne Lokalanästhesie Hernien operieren. Bei 
ambulanter Behandlung ist Eukodal zu widerraten. Als reizmildernd 
bewährte sioh Eukodal in innerlicher Einzelgabe von 0,005 (bis viermal 
täglich) bei Katarrhen des Rachens und der Luftwege, nervösem Husten¬ 
reiz, Asthma, Keuohhusten und ganz besonders Heuschnupfen. Als 
Sohlafmittel wirkt Eukodal besonders günstig bei nervöser Schlaf¬ 
losigkeit oder Schlaflosigkeit infolge von Herzbeschwerden. Bei einzelnen 
Menschen auftretende Nebenerscheinungen (Brechreiz, Sohwindelgefühl) 
kann man durch vorsichtige Dosierung vermeiden. Eukodal ist ein 
vollwertiger Ersatz des Morphiums, diesem duroh stärker betäubende' 
Wirkung und seltenere Nebenwirkungen überlegen, aber nur auf genaue 
ärztliohe Indikation und nioht in jeder beliebigen Menge su geben. 

Bertkau. 

Wetterer-Mannbeim: Erfahrungen mit meinem „Brandpnlver“. 
(Denn. Wschr., 1919, Bd. 68, H. 19.) Verf. empfiehlt bei allen Ver¬ 
brennungen 1. und 2. Grades Trookenbehandlung mit seinem „Brand¬ 
pulver“, welches aus Wismuth, Bolus und Zykloform besteht und von 
der Löwenapotheke in Mannheim hergestellt wird. 

R. E. Liesegang-Frankfurt a. M.: Die Texidermie duroh einige 
kautschukfreie Pflaster. (Denn. Wschr., 1919, Bd. 68, H. 18.) Verf. 
hat infolge des Kautsohukmangels eine ganze Anzahl von Pflastern ohne 
Kautschuk hergestellt, und zwar hauptsächlich aus Dammar und Kolo¬ 
phonium, welche mit und ohne Zusatz von Zinkoxyd nur eine geringe 
Hautreizung hervorrufen, während andere Harze oder Ersatzstoffe die 
Haut stärker reizen. 

R. E. Sohäder-Freiburg i. Br.: Zur Behandln* voi Haatdefektei 
mittels „feuchter Kammer*. (Derm. Wschr., 1919, Bd. 68, H. 21.) Die 
feuchte Kammer ist in geeigneten Fällen ein vorzügliches Mittel, um 
eine rasche und dauerhafte Regeneration von oberflächlichen und tiefen 
Hautläsionen zu erzielen. Besonders hervorzuheben ist die Anregung 
zur Granulationsbildung und zur Epithelisierung. Immerwahr. 

E. Nathan und H. Rein ecke-Frankfurt a. M.: Zur Behandlung 
der akaten Pyelitis mit NeesalvarsaiiBjektieaea. (M.m.W., 1919, 
Nr. 22.) Neosalvarsaninjektionen hatten einen ausgesprochen guten 
Erfolg bei der akuten Pyelitis im Anschluss an weibliche Gonorrhoe. 
Bisher lagen nur gute Erfahrungen von Gross bei der chronischen 
Zystopyelitis bei männHoher Gonorrhoe vor. Der heilsame Einfluss trat 
schon nach wenigen Tagen in dem subjektiven Befinden, in der Abnahme 
der Empfindlichkeit der Nierengegend, im Verlauf der Temperaturkurve 
und in der Aufklärung des Urins hervor. Dosis: 0,15 jeden 2. bis 
8. Tag; erforderlich waren 2—3 Injektionen. Die Wirkung ist auf Ab¬ 
spaltung von Formaldehyd aus dem Neosalvarsan zurüoksuführen. 

F. Lux-Mannheim: Zur Behandlung der Gonorrhoe mit Kollargol. 
(M.m.W., 1919, H. 22.) Die intravenöse Behandlung der Gonorrhoe mit 
Kollargol nach Menzi ergab im allgemeinen keine sehr günstigen Er¬ 
folge. Sie versagte meistenteils bei Urethralgonorrhoe mit Zervixbetei- 
ligung. Bei Graviden, Kindern und reiner Urethralgonorrhoe wurde das 
Mittel bei einer zu geringen Zahl angewendet, um ein Urteil abgeben 
zu können. Günstige Beeinflussung wurde bei Komplikationen männ¬ 
licher Gonorrhoe, wie Zystitis, Prostatitis, Epididymitis, ganz besonders 
aber bei Arthritis gonorrhoica gesehen. Die angewandte Dosis, zweimal 
wöchentlich, betrag 2—10 com einer 2 proz. Kollargollösung, nur selten 
bis 4 oom einer 5 proz. 


H. B ab -München: Methyloiklaisilber Argtehrtm als Antigonor- 

rhoikim beim Weibe. (M.m.W., 1919, Nr. 22.) Vorläufige Mitteilung 
über die antigonorrboisohe Wirkung des Argoohroms. Der günstige 
Allgemeineindruok — es wurden allerdings nur 8 Fälle bisher be¬ 
handelt — regt zu allgemeinerer Nachprüfung an. Die Anwendung 
muss aber kombiniert sein aus intravenöser, interner, urethraler, äervi- 
kaler und vaginaler Methode. Intravenös sollen jeden 4. bis 5. Tag 5 ccm 
einer 1 proz. erwärmten Argochromlösung injiziert werden* 

R. Neumann. 

A. Sommer-Altona: Ueber einen duroh intravenöse Arthlgon- 
Injektion auffallend sohnell geheilten Fall von Gonjunotivitis gonorrhoica. 
(Derm. Wschr., 1919, Bd. 68, H. 21.) Die schnelle Heilung des Falles, 
der im ganzen nur 5 Tage bis zur vollständigen Heilung gebrauchte, 
ist sicherlich auf die Vakzinetherapie surüokzuführen. 

Schönke-Frankfurt a. 0.: Erfahrungen über „8anabe“-Gonerrkoe- 
bekandlnng. (Derm. Wschr., 1919, Bd. 68, H. 20.) Verf. empfiehlt 
den „Sanabo“-Rücklaufkatheter, um möglichst hoch temperierte Aus¬ 
spülungen bei Gonorrhoe su machen. 

Stein er-Duisburg: Zur Kasuistik und Helling der Gonorrkee, 
besonders der chronischen, unter Anwendung des ,,8anabo“- Katheters. 
(Derm. Wschr., 1919, Bd. 68, H. 20.) Gleichfalls Empfehlung des „Sanabo“- 
Katheters. Immerwahr. 

E. Beiss-Frankfurt a. M.: Ueber Sernmtherapie 4m Scharlachs- 
Bemerkungen zu der Arbeit von Dr. Griesbach in Nr. 1, 1919, dieser 
Hefte. (Ther. Mh., Mai 1919.) Griesbach hatte unter 21 mit Rekon¬ 
valeszentenserum behandelten Fällen viermal schwere Kollapse, von 
denen 2 tödlich endeten. R. hatte unter 221 Fällen weder so schwere 
Kollapse noch Todesfälle, trotzdem er viel grössere Dosen anwandte. 
Die Erklärung vermutet R. in der verschiedenartigen Zubereitung des 
Serums und glaubt, dass die von Griesbach angewandte Kerzenfiltration 
das Toxisohwerden des Serums verschuldet habe. Auoh hat er im 
Gegensatz zu Griesbach ein stärker gefärbtes Serum verwandt. 

C. Klieneberger*Zittau: Pnenmokokkensernm ud krnppöse 
Pneimokokkenpneumonie. (Ther. Mh., Mai 1919.) Naoh Erfahrungen 
an 35 morphologisch und kulturell als Pneumokokkeninfektionen nach¬ 
gewiesenen Fällen beeinflusst frühzeitig eingeleitete Pneumokokken¬ 
serumbehandlung häufig, später einsetzende Immunisierung mitunter 
den Krankheitsverlauf und -ausgang günstig im Sinne erheblicher Fieber- 
und Krankheitsverkürzung. Für die allgemein praktische Anwendung 
als Pneumoniebehandlungsmetbode ist das Verfahren noch nicht brauch¬ 
bar, weil wiederholt grössere Serummengen intravenös injiziert werden 
müssen und serumrefraktäre Erkrankungen relativ häufig sind. Bei 
chronisch septischen Pneumokokkenerkrankungen, akuter Pneumokokken¬ 
sepsis, Pneumokokkenmeningitis, vielleicht auoh Pneumokokkenperitonitis, 
hält Verf. einen Immunisierungsversuoh für absolut indiziert. Dosierung 
und Anwendungsdauer sind individuell abzustufen. Verf. sieht keine 
Veranlassung, über 8x15 ccm Serum = 900 I.-E. im Mittel hinaus¬ 
zugehen. Zwisohenräume zwischen den Einspritzungen 11—24 Stunden. 

Gräfin v. Linden-Bonn: Ueber die bisherigen Tatsachen und die 
therapeutischen Aussichten der Knpfertherapie. (Ther. Mb., Mai 1919.) 
Die neuere Forschung bestätigt sam grossen Teil die dem Kupfer seit 
Alters zugesohriebene Heilwirkung. Kupferbehandlung scheint aussichts¬ 
reich bei akuten und chronischen Darmerkrankungen: Cholera, Ruhr, 
Typhus, Kolitiden, Wurminfektionen und ganz besonders bei Tuber¬ 
kulose. Bei chirurgischer uad Hauttuberkulose hat Kupferbehandlung 
nooh Heilungen erzielt, wo andere Methoden versagen. Als beste Prä¬ 
parate zur Lokalbehandlung tuberkulöser Herde werden Lekutyl (zimt- 
saures Kupferlezitbin) und Urokarb (Kupferkohle) bezeichnet, die auch 
innerlich gegeben werden können und auch bei Urogenitaltuberkulose 
günstig gewirkt haben sollen. Bei Lungentuberkulose sind bisher die 
besten Erfolge duroh intravenöse Injektion von Dimethylglykokollkupfer 
erzielt, für die sich schwere chronische Fälle mit normalen oder sub¬ 
febrilen Temperaturen, nioht aber hooh fieberhafte, progrediente Phthisen 
eignen. Bertkau. 

H. Beul-Bad Elster: Beitrag zur Wirkung der künstlichen Höhen- 
scnne auf die Haut und ihre Funktionen. (M.m.W., 1919, Nr. 22.) Die 
Quarzliohtbestrahlung verursacht Pigmentbildung in der Haut. Sie regt 
ferner sämtliche physiologischen Funktionen der Haut, wie Resorptions¬ 
tätigkeit, Hautatmung, Sohweiss- und Talgsekretion, Regelung des Wärme¬ 
haushalts des Körpers, ihre Leistungen als Sinnesorgan (Sympathikus), 
an. Bei den innigen Wechselbeziehungen zwischen Haut und inneren 
Organen ist es klar, dass der spezifische Hautreiz duroh ultraviolette 
Strahlen auch spezifische Wirkungen auf den Gesamtorganismus aus- 
losen kann. So erklärt sioh die günstige Wirkung bei Gicht, Rheuma¬ 
tismus, Neuralgien, bei Herz- und Nierenerkrankungen. Ob ausserdem 
nooh die ultravioletten Lichtenergien durch direkte Fortleitung auf dem 
Blutwege oder duroh Transformation in rote Strahlen auf innere Organe 
wirken, ist nooh Hypothese. Die Annahme Kisch's, dass die Erfolge 
der Heliotherapie nioht auf den ultravioletten, sondern auf den Wärme- 
strahlen beruhen, ist unrichtig. R. Neumann. 


Allgemeine Pathologie u, pathologische Anatomie, 

M. Labor und E. v. Balogh-Lemberg: Zytologische vnd sero¬ 
logische Untersnehingen der 8ynovia, im besonderen bei akuten Gelenk¬ 
entzündungen. (W. kl.W., 1919, Nr. 20.) Untersuchungen entzündlicher 

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BERLIIfER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


Ergösse ergaben sämtlich eine polymorphkernige Pleozytose. Absinken 
der absoluten Zahl der Exsudatzellen deutet auf Besserung der Erkran¬ 
kung. Bei septischen Prozessen kommt es zu einer Desquamation der 
Syoovialendotbelien. Transsudatbildung fuhrt nicht zu Endotheliose wie 
in serösen Höhlen. Bei der Polyarthritis dysenterica konnten in sehn 
Fällen die spezifischen Agglutinine in den Gelenkergüssen nachgewiesen 
werden. Der Ergussagglutinationstiter scheint von dem Stadium der 
Entzündung abhängig zu sein; mit Abnahme der Entzündung war ein 
deutliches Absinken des Titers zu beobachten. 40 Untersuchungen zur 
Prüfung der Hämolysinreaktion zeigten, dass bei akuten Gelenkentzün¬ 
dungen die normalen Anteile des Blutserums in die Gelenkergüsse über¬ 
gehen; besonders ist die nötige Menge des Komplements während der 
Zunahme der Entzündung in dem unverdünnten Erguss anwesend. Die 
Hämolysinreaktion erreicht zu Beginn der Entzündung bei Ruhrpoly- 
artbritiden einen hohen Titer, um schnell mit der klinischen Genesung 
zu versohwinden. Mit dem Erscheinen der Antikörper in den Gelenk¬ 
ergüssen war gleichseitig eine auffallende Vermehrung der Globulin Stoffe 
mittels der Nonne-Apel’schen Reaktion nachweisbar. 

F. Schlagenhaufer-Wien: Anatomisches Präparat einer totllei 
Oeftiphagoplastik (Dermato-Koloplastik). (W.kl.W., 1919, Nr. 20.) Die 
Kranke, deren Ernährung durch die künstliche Speiseröhre ausgezeichnet 
von statten ging, starb an Lungen tuberkulöse* Das anatomische Prä¬ 
parat der neuen Speiseröhre zeigte an den Verbindungsstellen zwischen 
Magen—Kolon, Kolon—Haut, Haut—Speiseröhrenrest feste Verwachsung. 
Die Verbindungsstellen sind sämtlich durchgängig, nur die Partie zwischen 
Haut und SpeiseröhreDrest ist leicht verengt. Histologisch zeigt die 
Dickdarmsoh leim haut völlig normales Verhalten. Die Haut, welohe Kolon 
und Speiseröhrenrest verbindet, ist in ihren oberen wie tieferen Schichten 
stark von entzündlichen Infiltraten durchsetzt; ihr Epithel ist unver¬ 
ändert. An den Verbindungsstellen grenzten die verschiedenen Epithelien 
scharf aneinander, odrr es war eine bindegewebige Zone dazwischen. 

E. Spiegel-Wien: Myelitis nach Grippe. (W.kl.W., 1919, Nr. 10.) 
Die Sektion der i Tage nach Beginn der Lähmungserscheinnngen ver¬ 
storbenen Patientin ergab über da9 ganze Rüokenmark verstreut hämor- 
rhagisch-myelitische Herde mit akut entzündlichem Oedem; am intensiv¬ 
sten ist der Prozess an der Halsanschwellung. Histologisoh waren ent¬ 
zündliche Herde nachweisbar, welohe bis auf Einzelheiten den Herden 
bei der Encephalitis lethargica (v. Econo m*s) glichen; daneben be¬ 
standen malaiische Herde, wie sie bei der akuten multiplen Sklerose 
beschrieben Bind. Glaserfeld. 

0. KeBtner und C. Rennen: KrlegstideMe ud Rthr. (Aroh. f. 
Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 28, H. 8, S. 148—156.) Die Verff. fanden 
bei allen 42 in ihrem Lazarett beobachteten Oedemkranken eine, in 
18 Fällen durch die Sektion bestätigte, chronische Ruhr. Dabei hatten 
Vorgeschichte. und Klagen der Kranken niemals an Ruhr denken lassen. 
8ie fassen die Kriegsödeme danach als Folge und Symptom dieses Darm¬ 
leidens auf. Ueber das Wie des Zusammenhangs lässt sioh allerdings 
nichts Sioheres sagen. Weber. 

W. Stöltzner-Halle: Die ChroMreiktiu des ehronaffliei Ge¬ 
webes als Adrenalinreaktion. (M.m.W., 1919, Nr. 22.) Adrenalin und 
ebenso seine Bildungsstätte, das Nebennierenmark, reduzieren Gold- und 
Silbersalzlösungen unter Abscheidung von metallisohem Gold und Silber. 
In analoger Weise gibt Adrenalin mit Chromsäure die typisohe Chrom¬ 
reaktion des ohromaffinen Gewebes. Offenbar ist also auch die Cbrom- 
reaktion des chromaffinen Gewebes eine Adrenalinreaktion. 

R. Neumann. 


Parasitenkunde und Serologie. 

R. Dörr und A. Schnabel-Wien: Experimentelle Untersuchungen 
über Iifektioa nid ImmmitAt bei Fleckfieber. (W.kl.W., 1919, Nr. 20.) 
Trotz vielfacher Variationen der Versuchsbedingungen gelang es nicht,- 
Meerschweinchen durch zwei- oder dreimalige subkutane Einspritzung 
verschiedener Impfstoffe gegen eine starke Dosis Fleckfieberviius (Gehirn¬ 
emulsion von Passagemeersohweinohen) sicher zu schützen. Die Impf¬ 
stoffe wurden teils aus virulentea Organen fleokfieberinfizierter Meer¬ 
schweinchen, teils aas infizierten Kleiderläusen dargestelit, indem die in 
solohem Material enthaltenen Fleckfiebererreger durch Zusalx von 0,1 bis 
0,5 pCt. Phenol, durch rasches Trooknen oder duroh längeres Stehen¬ 
lassen abgetötet wurden. 

F. Hamburger-Graz: Ueber die Aisscheidiig artfreudei Anti¬ 
toxins. (W.kl.W., 1919, Nr. 10.) In dieser kurzen Notiz stellt Verf. 
gegenüber Hempl und Reymann (W.kl.W., 1917, Nr. 8) fest, dass beim 
Menschen, Kaninchen und Hund artfremdes Antitoxin, gemessen an prä- 
zipitabler Substanz und antitoxisohem Schutz, duroh Tage hinduroh sich 
in ungefähr gleiober Menge hält Lund am 4.—7. Tag post injectionem 
plötzlich bis zu 90 pCt. des bisherigen Gehaltes abnimmt; dann folgt 
wieder ein Gleicbbleiben des Antitoxingehalts durch 2—3 Tage und 
endlich abermals ein starker Abfall. Glaser fei d. 

H. Hecht-Prag: Zur Methodik der Wtsserniii’sehei Reaktisi. 
(Derm. Wscbr., 1919, Bd. 68, H. 19.) Die Methode H.’s beruht auf dem 
Prinzip (Sormanis), mit austitriertem Komplement bei konstantem 
Ambozeptorübersohuss zu arbeiten. Das Antigen muss dabei alkohol¬ 
frei sein. Immerwahr. 

B. Galli-Vabrio -Lausanne: Beobachtungen über Kilisidoi. 
(Schweiz. Korrbl., 1919, Nr. 19.) Untersuchungen über Brutplätze und 


Verbreitung der Stechmücken in der Umgebung von Lausanne und in 
der übrigen Schweiz. _ R. Fabian. 


Innere Medizin. 

Klewitz: Beiträge zur kliiiiehei Elektrokardiographie. (D. Arch. 
f. klin. Med., 129. Bd., 1. u. 2. H.) Autor behandelt die Bedeutung 
der T-Zacke und den Vagusdruckversuoh. — Die Form der T-Zacke bei 
organisch Herzkranken gibt brauchbare Anhaltspunkte für die prognostische 
Beurteilung des Herzleidens. Eine negative T-Zacke kommt anscheinend 
nur bei organischen Herzleiden vor, speziell bei Erkrankung des Herz¬ 
muskels; sie ist von übler prognostischer Bedeutung. Dasselbe gilt mit 
einiger Einschränkung von den Fällen mit fehlender T-Zacke, wenn auch 
hier die Prognose etwas günstiger zu sein scheint. Eine positive 
T-Zacke Bohliesst selbstverständlich selbst ein schweres Herzleiden nicht 
aus, doch ist hier die Prognose im ganzen günstiger. Chronotroper Vagus¬ 
druckeffet kommt bei Herzkranken und Gesunden vor, dromotroper 
Effekt nur bei organisch Herzkranken. Stärkerer chronotroper oder 
dromotroper Vaguseffekt bei organisch Herzkranken muss zu einer vor¬ 
sichtigen — im ganzen wenig günstigen — prognostischen Beurteilung 
des Leidens Veranlassung geben, ,vor allem dann, wenn gleichzeitig die 
T-Zacke fehlt oder gar negativ ist. Zinn. 

Gerber- Königsberg: Ein Frühsymptom bei Erkrukugei der Atrti 
lld des Herieis. (M.m.W., 1919, Nr. 22.) Der Rekurrenslähmung 
eilen in einer grösseren Anzahl sensible Reizerscbeinungen im Rekurrens- 
gebiet weit voraus. Besonders bei Männern vom 45. Jahr ab sollen 
Klagen über Trockenheit, Drücken, Brennen, Kratzen, Steohen im Hals, 
oder Kitzeln und Hustenreiz sowie Schluckbeschwerden usw. ohne ört¬ 
lichen Befund stets an eine Erkrankungen der Aorta oder Mitralerkran¬ 
kung denken lassen und zur Untersuchung des Herzens auffordern. 

M. Allinger-Stein-München: Herdreaktion bei der Pirqiet’sehei 
Kltai probe. (M.m.W, 1919, Nr. 22.) Bei 69 auf Pirquet positiv rea¬ 
gierenden Fällen zeigten 5 neben den Hauterscheinungen eine deutlich 
nachweisbare Herdreaktion, bestehend in Auftreten bzw. Zunahme einer 
Dämpfung und Auftreten von Rasselgeräuschen. In 4 Fällen trat eine 
Allgemeinreaktion in Form einer Temperatursteigerung auf. Die Herd¬ 
reaktion stellte sich in 24—48 Stunden nach der Impfung ein. Bei ge¬ 
nauer Beobachtung kann also sohon eine Pirquetreaktion die Aktivität 
eines Prozesses sioherstellen. 

Brenner-Kiel: Ueber Balutldleieiteritis und ihre Behandlung 
(M.m.W., 1919, Nr. 22.) In 4 Fällen von hartnäckigem, schwerem Dick- 
darmkatarrh, der der gewöhnlichen Behandlung trotzte, wurde reichlioh 
'Balantidinm coli gefunden. Nach dessen Abtreibung heilte die Ente¬ 
ritis sohnell. Das Balanti'iium, das im allgemeinen als harmloser 
Schmarotzer bei uns gilt, ist als Erreger dieser Kolitis anzusehen. Jeder 
länger dauernde Diokdarmkatarrh sollte also Verdacht auf Balantidiose 
erweoken. Die Therapie ist einfach und sehr dankbar; am besten hat 
sich Ipekakuanhawurzel, 1 g mehrere Tage hintereinander, bewährt. Auch 
Chinineinläufe wirken gut 

Schüssler-Zwiokau: Ueber Hiitverftrbiig direkt Mohrrtbei- 

geilM. (M.m.W., 1919, Nr. 22.) Bei drei älteren Männern, die sich angeb¬ 
lich hauptsächlich von Mohrrüben ernährt batten, wurde eine gelblich¬ 
bräunliche Hautverfärbung, ähnlich der von Kampe, Stöltzner und 
Klose vor kurzem bei Säuglingen und kleinen Kindern als Ikterus nach 
Mohrrübengenuss beschriebenen, beobachtet. Auoh hier wird die Ver¬ 
färbung auf den Farbstoff der Mohrrüben zurüokgeführt. 

Schweriner und Selberg: Sind die nach Unfällen auftretenden 
Glykosiriei diabetisch? (Beobachtungen an abgestürzten Fliegern). 
(M.m.W., 1919, Nr. 11.) Bei 18 abgestürzten Fliegein wurde 7 mal vor¬ 
übergehende Zuckerausscheidung beobachtet, die unabhängig von der 
Art und Schwere der Verletzung war. Auch auf Nierenschädigung war 
sie nicht zurückzuführen. Die Zuckerausscheidung war stets nur sehr 
gering, hielt mitunter 4—8 Wochen mit freien Intervallen an und war 
stets unabhängig von der Nahrungszufuhr, auf Zulage von 150 g Mehl 
oder 100 g Traubenzucker stieg sie nur unwesentlich. Es handelte sioh 
also nur um vorübergehende Glykosurie, bedingt durch das psychische 
Trauma, und nicht um echten Diabetes. R. Neumann. 

S. Bondi-Wien: Ueber Habitus im allgemeinen und den Hthitis 
des Diabetikers im Besonderen. (W.kl.W., 1919, Nr. 20.) Verf. unter¬ 
suchte an 4000 Soldaten die Körperlänge, den proportionellen Brust¬ 
umfang, die Brustbehaaruog und die Kombination des Merkmals Breit¬ 
wuchs mit Brustbehaarung. Nachdem er die einzelnen Zahlen für den 
gesunden Menschen in allen Altersklassen gefunden bat, vergleicht er 
damit die Zahlen bei Diabetikern. Völlige Gleichheit besteht in der 
Zusammensetzung naoh Körperlänge bei Gesunden und Diabetikern. 
Dagegen findet man bei den Diabetikern fast dreimal soviel Menschen 
mit grossem proportionalen Brustumfang als bei Gesunden, und 
fast anderthalb soviel brustbebaarte Individuen. Ferner finden sich 
unter Diabetikern nahezu fünfmal soviel Menschen, die eine starke 
Breitendimension mit Igleiobzeitig starker Brustbehaarung haben. Die 
wichtigsten Merkmale des Habitus diabeticus sind demnach Breitwucbs 
mit Neigung zu Adipositas, starke Brustbehaaruog, dazu kommen 
noch Gesiohtsröte, vorstehende Augen bei normaler Lidspalte und 
andere weniger wichtige Symptome. Glaserfeld. 

IKelling-Dresden: Zur Frage der irthistatisehei ÄlVuriiirta. 
(Zbl. f. inn. Med., 1919, Nr. 20.) Abgesehen von mechanischen Störungen 


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14. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


661 


nimmt man mit Jehle Zirknlationsanomalien bedingt durch Lordose als 
Ursache der orthostatisqhen Albuminurie an. E. diskutiert nun die Frage, 
ob es sich hierbei niobt um eine nur halbseitige, hauptsäohlich die linke 
Niere betreffende Störung handeln könne, bis es durch die Lordose 
su einer, ihrem anatomischen Verlauf naoh leicht erklärbaren Kom¬ 
pression der linken Nierenyene kommt. Ferner wäre es möglich, dass 
bei schlechter Füllung des Abdomens durch den Zug des Dünndarmgekröses 
eine Kompression der Nieren zwischen Aorta und Art. mesent. sup. zu¬ 
stande käme. Der Uretherenkatheterismus könnte die B'rage der ein¬ 
seitigen Eiweissausscheidung in diesen Fällen leicht entscheiden. 

C. Kayser-Berlin-Wilmersdorf. 

A. Krokiewicz-Krakau: Carcinosis miliaris aeata, imolge Magen¬ 
krebses. (W.kLW., 1919, Nr. 21.) 22 jährige Dienstmagd erkrankte 

plötzlich mit Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und Seitensteoben 
links. 7 Wochen nach Beginn der ersten Krankheitssymptome starb die 
absolut nicht kachektische Kranke. Das klinisohe Bild imponierte als 
allgemeine Tuberkulose der Lungen und Baucheingeweide. Die Sektion 
ergab einen geschwungen Pyloruskrebs mit Metastasen in den Lungen, 
Drüsen, Pankreas, Nieren. Die Leber war metastasenfrei. 

H. Sohlesinger-Wien: Zur Kenntnis der gehäuften osteonialazie- 
Ihiliekea Zustände in Wien. (W.kl.W., 1919, Nr. 10.) Krankheits¬ 
symptome: Heftige Schmerzen in der Brust und Wirbelsäule, Gang- 
störangen, Druckempfindlichkeit der Rippen, erhebliche Knoohendeformi- 
tüten, Kyphose der Brustwirbelsäule, sehr reduzierter Ernährungszustand. 
Als Ursache dieser „Hungermalazie der Knochen“ muss die chronische 
Unterernährung mit nachfolgender Schädigung des endokrinen Systems 
und unzureichende Kalkphosphorzufuhr mit der Nahrung angesehen 
werden. Glaserfeld. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

E. Sch ul tze-Göttingen: Die Gewerbestenerpflieht der Privatirren- 
anstalten. (Aroh. f. Psyoh., Bd. 60, H. 2 u. 3.) Gutachten. — Verf. 
lehnt für einen besonderen Fall die Gewerbssteuerpflioht der Privat¬ 
irrenanstalten ab. 

E. Siemerling-Kiel: Beitrag zur Verantwortlichkeit des Irren- 
irstes. (Arch. f. Psyoh., Bd. 60, H. 2 u. 3.) Darstellung eines Falles 
von Wochenbettpsyohose, in dessen Verlauf es im Anschluss an eine 
Körperverletzung, welche die Patientin sioh durch Sprung aus dem 
Fenster zugezogen hatte, zu einer Klage auf Schadenersatz gekommen 
int. Die Klage wurde abgewiesen. Wiedergabe sämtlicher über den 
Fall erstatteter Gutachten. 

J. Raecke-Frankfurt a. M.: Ueber Aggravation «nd Simalatioa 
geistiger Störung. (Aroh. f. Psyoh., Bd. 60, H. 2 u. 3.) Allgemein 
herrscht heute die Ansioht, dass nur reine Simulation selten ist, dass 
aber Täusohnngsversuohe auf psychopathischer Grundlage häufig Vor¬ 
kommen. — Mitteilung einiger einschlägiger Fälle und Besprechung der 
früheren Literatur. Gründliche Aufdeckung der Vorgeschichte, vor¬ 
sichtige Nachprüfung etwa früher erstatteter Gutachten, sorgsame körper¬ 
liche Untersuchung und geduldige Ueberwachung und Beobachtung sind 
die sichersten Mittel, um einer Simulation auf die Spur zu kommen. 

Mönkemöller-Langenhagen: Die Simulation psychischer Krank- 
heitssutände in militärforensischer Beziehung. (Aroh. f. Psych., Bd. 60, 
H. 2 u. 3.) An einem militärforensisohen Material von über 700 Fällen 
musste bei 55 Mann die Frage der Simulation ernsthaft erwogen werden; 
hiervon werden in der vorliegenden Arbeit 25 Fälle eingehend be¬ 
sprochen. Unter den Krankheitsformen, die mit besonderer Vorliebe 
simuliert werden, steht die geistige Schwäche, und zwar besonders die 
angeborene Geistesschwäche mit an erster Stelle. Weiterhin kommen 
Epilepsie und vornehmlich Hysterie in Betracht. Vortäuschung von 
Dämmerzuständen ist nicht selten. Die Simulation erwächst fast aus¬ 
nahmslos auf einem Geistesboden, der nicht als normal bezeichnet 
werden kann. Die Entscheidung der Frage, ob Simulation vorliegt, ist 
sehr schwierig. „Ist einmal, abgesehen von den vorgetäusohten Erschei¬ 
nungen, eine Krankheit naohgewiesen, die über das Maass der gewöhn¬ 
lichen Psyobopatbie hinausgeht, ist festgestellt, dass ein bemerkens¬ 
werter Grad von angeborenem Schwachsinn vorliegt, dass eine Hysterie 
nicht nur in Einzelsymptomen erkennbar ist, dann wird man sioh im 
allgemeinen unbedingt davor hüten müssen, die Simulationsfrage zu 
bejahen, auch wenn man im Innersten nooh so fest davon über- 
zeogt ist, dass der Täter in erheblichem Maasse sich der Uebertreibung 
und Vortäuschung schuldig gemacht hat, und wenn man auch die Frage 
der Zurechnungsfähigkeit unbedenklich bejaht.“ 

E. Meyer-Königsberg i. Pr.: Einwirkung äusserer Ereignisse auf 
pyekogene Däamerziutände. (Arch. f. Psyoh., Bd. 60, H. 2 u. 3.) 
Schilderung von 4 Fällen psychogener Dämmerzustände bei Kriegsteil¬ 
nehmern; der Eintritt der Revolution, durch die mit einem Schlage der 
Zwang des militärischen Dienstes sowie die etwaigen Folgen militärischer 
Vergehen beseitigt wurden, bewirkte reoht bezeichnenderweise ein 
schnelles Nachlassen der Krankheitserscheinungen. 

K. Bonhoeffer-Berlin: Einige Schlussfolgerungen aus der psychi¬ 
atrische! Krankenhewegnng während des Krieges. (Aroh. f. Psyoh., 
Bd. 60, H. 2 u. 3.) Die prozentualen Berechnungen für das Material 
der Charitö ergaben eine Zunahme der psychopathischen Konstitutionen 
und des Morphinismus, ein Absinken des Alkoholismus. Sohizophrenie, 
manisch-depressives Irresein und progressive Paralyse blieben in ihrem 
Käafigkeiteverhältni8 unverändert. 


C. Fürst: Ueber die Abnahme de« Alkoholisnias an der psychi¬ 
atrischen und Nervenklinik zu Königsberg i. Pr. während des Krieges. 
(Arch. f. Psych., Bd. 60, H. 2 u. 8.) Statistische Uebersicht. —- Das 
Sinken des Alkoholismus beruht in der Hauptsache auf der Beschränkung 
der Gelegenheit zum Trinken und auf der abnormen Verteuerung des 
Alkohols. ^ 

A. H. Hübner-Bonn: Ueber die manisch depressive Anlage und 
einige ihrer Ausläufer. I. Teil. (Arch. f. Psych., Bd. 60, H. 2 u. 3.) 
Ausführliche Studie, in der die verschiedenen Typen manisch depressiver 
Anlage unter Beifügung von Krankengeschichten geschildert werden. 
Verf. weist auf die Notwendigkeit einer ausgiebigeren Familienforschung 
hin. — Aus den Untersuchungen des Verf.’s geht hervor, dass alle geschil¬ 
derten Anlagevanationen und die ausgesprochenen Phasen des manisch- 
depressiven Irreseins ätiologisch durchaus zusammengebören. 

A. Sioli-Bonn: Die Spirochaete pallida bei der progressiven Para¬ 
lyse. (Arch. f. Psych., Bd. 60, H. 2 u. 3.) Dem Verf. ist es in 50 pCt. 
seiner Paralysefälle gelungen, die Spirocbaeta pallida im Schnittpräparat 
nach der Methode II von Jahnel (Pyridin-Uranmethode) nachzu reisen. 
Das ist nach den bisherigen Erfahrungen ein verhältnismässig hoher 
Prozentsatz. Die Paralyse ist vielleicht als eine ektodermale im Gegen¬ 
satz zur Hirnlues als einer mesodermalen Spirochätenerkrankung des 
Gehirns aufzufassen. 

A. Westphal: Ueber eigenartige Einschlüsse in den Ganglien¬ 
zellen (Corpora amylacea) bei einem Falle von Myoklonusepilepsie. 
(Arch. f. Psych., Bd. 60, H. 2 u. 3.) In Uebereinstimmuog mit einem 
schon früher von Lafora erhobenen Befund wurden bei einem Fall von 
Myoklonusepilepsie Amyloidkörperchen naohgewiesen. Eine Deutung 
dieser Befunde ist nicht möglich. 

F. Pfabel-Königsberg i. Pr.: Zwei Fälle von Haaraasfall nach 
Kepfzchnzsverletznng. (Arch. f. Psych., Bd. 60, H. 2 u. 3.) Die beiden 
Fälle gehören in das Gebiet der neurotischen Alopezie. — Aus Tier¬ 
experimenten und den Erscheinungen bei Hypophysenerkrankungen des 
Menschen kann man mit einiger Sicherheit schliessen, dass die Funktion 
des Hypophysenvorderlappens in einiger Beziehung zum Haarwuchs steht: 
bei Hyposekretion des Hormons kommt es zu Hemmung des Haar¬ 
wuchses, bei Hypersekretion zu Hypertriohosis. 

M. Kas tan-Königsberg i. Pr.: Beitrag zur Kenntnis der mit Er¬ 
holung der Rigidität der Maskein einhergebenden erworbenen Krank¬ 
heiten des Nervensystems (Pseudosklerose). (Arch. f. Psych , Bd. 60, 
H. 2 u. 3.) Genaue Beschreibung eines einschlägigen Falles, der 8 Jahre 
hindurch klinisch beobachtet werden konnte. Der Fall beleuchtet, gut 
die Schwierigkeiten der Differentialdiagnose. — Die Pseudosklerose ist 
jetzt als identisch mit der Wilson’schen Linsenkerndegeneration anzu¬ 
sehen. 

A. Westphal-Bonn: Ueber doppelseitige Athetoseund verwandte 
Krankheitszustähde. (ArcB. f. Psych., Bd. 60, H. 2 uv 3 ) Mitteilung, 
dreier Fälle mit „striären“ Motilitätsstörungen. Zwei boten den von 
Strümpell geschilderten „amyostatischen“ Symptomenkomplex: doppel¬ 
seitige Athetose, Muskelspasmen, „Fixationsrigidität“ der Muskeln, durch 
welche dieselben in den eigenartigsten Stellungen zeitweilig festgebalten 
werden, Bewegungsarmut in Verbindung mit einzelnen Symptomen der 
Paralysis agitans; der dritte Fall wies das Bild einer Paralysis agitans 
sine agitatione auf. Die Sektion ergab in 2 Fällen, die tödlich endeten, 
eine Erkrankung des Corp. striatum. A. Münzer. 


Kinderheilkunde. 

L. Frank-Zürich: Ueber Affektstfrnngen hei Kindern. (Schweiz. 
Korr. Bl., Nr. 19.) Bei den Affektstörungen der Kinder spielen die 
Angstzustände eine wesentliche Rolle. Bei rechtzeitiger Behandlung 
kommt es nicht zur Ausbildung von schwereren Neurosen. Von den 
Angstzuständen sind in erster Linie die thymopathischen Schlafstörungen, 
Störungen vor dem Einschlafen, während des Schlafes oder Störungen 
im Traumleben, die ersten Symptome einer beginnenden Neurose. Eine 
Reihe von Störungen zeigen sich als Unlustneurosen mit zeitweiligen 
Depressionsersoheinungen. Hierzu gehören die Tiks, die Aerger-, Wut- 
und Trotzneurosen sowie die Kleptomanie. Von Wichtigkeit für die 
Behandlung ist eine rechtzeitige klinische Beobachtung und Behandlung, 
daneben suggestive Therapie. R. Fabian. 


Chirurgie. 

D. Pupovac-Wien: Ueber die tranmatisehe Rnptar der Sehne 
des langen Daumenstreckers und ihre Therapie. (W.kl.W., 1919, Nr. 21.) 
Beschreibung eines einschlägigen Falles und Literaturbesprechung. Bei 
maximaler Dorsalflexion der Hand erfährt die Sehne des langen Daumen¬ 
streckers in radialer Riohtung die stärkste Abknickung, welche durch 
Daumenflexion noch erhöbt wird. Ist die Hand in solcher Stellung beim 
Sturze durch den Widerstand des Bodens fixiert, und spannt der Stürzende 
seine Muskeln reflektorisch stark an, so kann die normale Zugfestigkeit 
der Sehne überwunden werden, und sie reisst an ihrer Knickungsstelle 
ein oder durch. Die beste Behandlung besteht in der Kirschner- 
schen freien Faszientransplantation, wodurch der Daumenstrecker wieder 
voll funktionsfähig wird. Glaserfeld. 

J. 0ehler- Hannover: Snggilationen an der Fnsseehle als Symptom 
der Kalkaneuafraktur. (M.m.W., 1919, Nr. 22.) Suggilationen an der 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


Fusssohle sind pathognomonisoh für Frakturen der Fusswurzelknochen, 
besonders des Kalkaneas, im Qegens&tz zu den Knöchelfrakturen, wo die 
Hautblutungen in der Umgebung der Knöohel, nie aber an der Fuss- 
sohle sitzen. E. Neu mann. 

Baruoh: Plastischer Ersatz des Malleolas exterans. (Zbl. f. Chir,, 
1919, Nr. 20.) Der Malleolus externus lässt sich aus der unteren Tibia¬ 
epiphyse leicht ersetzen. Die Einzelheiten des Verfahrens sind aus der 
beigegebenen Zeichnung leicht zu ersehen. Hayward. 

Buoura: Tuberkulose des Schambeines beim Weibe. (W.kl.W., 
1919, Nr. 20.) Bei einer 60jähr., lungentuberkulösen Frau bildete sich 
ein tuberkulöser Prozess am Schambein aus. Dieser führt') zu kalten 
Abszessen, von denen der obere, kleinere in direkter Verbindung mit 
dem Knoohenherd stand, während der untere das linke grosse Labium 
vordrängte und als isolierter Senkangsabszess, anzuspreohen war. Ope¬ 
ration und Röntgenbestrahlung braohten den Enoohenprozess zur Aus¬ 
heilung. Glaserfeld. 

Schwalbaoh: Zum Aneurysma der Arterla vertebralis suboed- 
pitale. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 20.) Die Mitteilung von Kausch, dass 
bei dem Sitz des Aneurysmas hart am Sohädel die periphere Unterbin¬ 
dung des Gefässes nicht ausführbar ist, hat Verf., wie er in einer aus¬ 
führlichen Krankengeschichte beschreibt, bestätigt gefunden. 

v. Eicken: Strumaoperationen bei eingeführtem Traoheoskop. (Zbl. 
f. Chir., 1919, Nr. 20.) Bei erheblicher Kompression der Trachea durch 
den Kropf, namentlich bei mediastinal gelegener Struma, hat sich die 
Einführung eines Tracheoskops während der Operation sehr bewährt. 
Jede Atemnot hört auf, und die Entfernung des Kropfes gelingt ohne 
irgendwelche üble Zufälle. Hayward. 

O. Beck-Frankfurt a. M.: Granateplittersteeksehuss in der Wand 
des linken Ventrikels. (M.m.W., 1919, Nr. 22.) Beschreibung eines Falles 
von Granatsplittersteokschuss in der linken Ventrikelwand, der zunächst 
völlig Symptom los verlief, der Patient ging sogar umher. Erst nach 
24 Stunden setzte eine schwere Infektion ein, die zu jauohiger Perikar¬ 
ditis und Tod durch Herztamponade führte. Nach Ansicht des Verf. 
hätte eine frühzeitige Operation lebensrettend wirken können. 

R. Neumann. 

E. Ranzi: Ueber totale Oesophagoplastik. (W.kl.W., 1919, Nr. 10.) 
Es gelang bei einer Patientin, welohe infolge Trinkens von Laugenessenz 
eine totale Oesophagusstenose erworben hatte, nach der Lexer-Wull- 
stein’schen Methode einen gut funktionierenden Oesophagus anzulegen. 
Der erste Akt der Operation bestand in Mobilisation einer Jejunum- 
sohlinge; danach wurde sie vor das Kolon gelagert, durch einen vorn am 
Thorax, zwischen Haut und Sternum tunnelierten Kanal bis in die Höhe 
der Mammillen hinaufgezogen und ihr oberes Ende an die Haut fixiert. 
Nach 4 Woohen wurde der Hautschisuch von der Höhe der Mammillen 
bis zum Jugulum gebildet. Wieder nach einigen Wochen kam die Ver- 
näbung des Haut- mit dem Dünndarmösophagus. Endlich wurde nach 
Freilegung des Oesophagus derselbe in der Höhe des Jugulum durch¬ 
schnitten und mit dem häutigen Abschnitt des neuen Oesophagus ver¬ 
näht. Die Nahrung passiert die neue Speiseröhre glatt. Seit der Plastik 
sind 3 Jahre vergangen, und das gute Resultat ist geblieben. Ausser¬ 
dem beschreibt Verf. nooh 2 Fälle von Oesophagoplastik, bei denen 
aber an den Operationsverbindungsstellen Fisteln bestehen blieben. 

Glaserfeld. 

E. Bir oh er-Aarau: Die operative Behandlung der Ulkuskrankheit. 

(Schweiz. Korrbl., 1919, Nr. 20.) Referat, gehalten in der Schweizer 
chir. Gesellschaft am 18. V. 1918 in Luzern. Für die Indikation zur Ope¬ 
ration sind neben früherer ergebnisloser interner Behandlung zu berück¬ 
sichtigen a) der Einfluss des vegetativen Nervensystems (Vagotonie), 
b) der Röntgenbefund, o) die Gefahr der Perforation, der malignen De¬ 
generation und der Blutung, d) Vorhandensein multipler Ulzera. Das 
Ziel einer völligen Dauerheilung wird am sichersten durch die Resektion 
erreicht, dann folgen die Gastroenterostomie, die Exzision des Geschwürs, 
die plastischen Operationen (Heinecke-Mikulicz). Die Resektion 
erzielt die besten Dauerresultate. Mortalität relativ nioht grösser als die 
anderer Operationsmethoden. Anwendung bei kallösen, penetrierenden 
Geschwüren und bei geringstem Karzinom verdacht. Die Gastroentero¬ 
stomie leistet ausgezeichnete Resultate bei allen stenosierenden Ge¬ 
schwüren des Pylorus. Sind die Geschwüre nicht stenosierend, so ist 
der Gastroenterostomie eine Pylorusexklusion anzufügen. Die Exzision 
führt zu Veränderungen der Magenform und macht häufig Nachopera¬ 
tionen notwendig. Die Operation nach Heinecke-Mikulios leistet 
gute Resultate beim Pylorospasmus. 

E. Kumm er-Genf: Die chirurgische Behandlung des chroiischei 
Geschwürs des Ingens und des Zwölffingerdarms. (Schweiz. Korrbl., 
1919. Nr, 20.) Uebersichtsreferat, gehalten in der Schweizer chir. Gesell¬ 
schaft in Luzern am 17.—18. V. 1918. R. Fabian. 

P. Dena-Innsbruck: Beitrag zur Operatioa des Ganglion Gasseri. 

(W.kl.W., 1919, Nr. 10.) Krankengeschichten von fünf durch v. Haberer 
operierten Fällen, von denen vier bis 4 Jahre nach der Operation voll¬ 
ständig schmerzfrei geblieben sind. GlaBerfeld. 


Röntgenologie. 

R. Lenk-Wien: Der röntgenologische Nachweis von Gas in den 
Weiohteilen und seine diagnostische Bedeutung. (W.kl.W., 1919, Nr. 21.) 
Bei Verletzung der Atemwege kommt dem röntgenologischen Nachweis 


von Luft in den Weichteilen in jenen Fällen eine diagnostische Bedeutung 
zu, bei denen die Luftansammlung einer Palpation nicht zugänglich ist, 
wie s. B. bei Ansammlung im hinteren Mediastinum. Aehnliohes gilt für 
manche Fälle retroperitonealer Darm Verletzung. Für die Frühdiagnose 
der Gaspblegmone kommt der Röntgenbefund nicht in Betracht. 

Glaserfeld. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

S. Mod des d ? Costa-Amsterdam: Riagkrciso hei Psoriasis. (Denn. 
W., 1919, Bd. 68, Nr. 27.) Die Ausbreitung der Psoriasis in Ringkreisen 
spricht dafür, dass sie die Hautreaktion auf ein fortschreitendes und 
um sich greifendes Agens ist, welohes wahrscheinlich ein lebendes 
Wesen ist. 

W. Lutz-Basel: Zur Kenntnis des Booek’soheu Miliarlupoids. 
(Arch. f. Derm. u. Sypb.. 1919, Bd. 126, H. 8.) Bericht über 2 typische 
Fälle. 

E. Hoffman und W. Frieboes-Bonn: Zur Kenntnis der Schwoiss- 
drfisennaevi mit besonderer Berücksichtigung des Naevus syringderma- 
todes papilliferus und Bemerkungen über epitheliiale Naevi. (Derm. 
Zschr., Mai 1919.) Der beschriebene Naevus ist bisher nur in 2 Fällen 
beobachtet worden. Histologisch ist derselbe charakterisiert durch adenom¬ 
artig erweiterte Schweissdrüsenknäuel und zystisoh erweiterte Schwefos- 
drüsenausführungsgänge. Die ganze Bildung ist als angeborener Naevus 
der Schweissdrusen aufzufassen. 

E. Krompec her -Budapest: Zur Kenntnis der Geschwttlsto and 
Hypertrophien der Schweissdrfisei. (Aroh. f. Derm. u. Syph., Bd. 126, 
H. 3.) Im vorliegenden Falle waren ausgesprochene pathologische Ver¬ 
änderungen an den gewucherten Drüseosohlünden nicht vorhanden, so 
dass der Fall im Gegensatz zu den zystisohen Adenomen als reines 
diffases Ademon der Schweissdrüsen, oder wohl richtiger als diffuse 
Hidroadenomatosis aufgefasst werden kann. 

F. Callomon-Bromberg: Haurausfoll nach Grippe. (Derm. Zschr., 
Mai 1919.) Der starke Haarausfall nach Grippe unterscheidet sioh in 
keiner Weise von dem Haarausfall nach anderen Infektionskrankheiten. 
Zweifellos handelt es sioh hier um rein bakterielle Wirkungen. Die 
Regeneration erfolgt meist vollständig. Therapeutisch empfiehlt Verf. 
Bestrahlungen mit der Kromayer’schen Quarzlampe. 

L. Arzt-Wion: Beiträge zur Xanthom - (Xantbomatosis) - Frage. 
(Aroh. f. Derm. u. Syph., 1919, Bd. 126, H. 3.) Die Abtrennung einer 
einzelnen Gruppe unter der Bezeichnung „Fibroxanthoma juvenile“ ist 
mit Rücksicht auf histologische und klinische Momente vollständig ge¬ 
rechtfertigt. Die Xanthomzelle ist mesodormaler Natur. Bei den Xan¬ 
thomatosen Affektionen handelt es sioh wahrscheinlich sowohl um einen 
Infiltrations- als auoh Dekonstitutionsprozess, ein Vorgang, den man als 
„Xanthomatose Diatbese“ bezeichnen kann. Der Begriff einer echten 
Geschwulst ist nur für die Xanthomatosen Mischgesobwülste feststehend, 
während für die Gruppe der „reinen Xanthose“ eine sichere Entschei¬ 
dung noch nioht getroffen werden kann. 

Bruck-Altotaa: Ueber die Verbreitung der Geschlechtskrank¬ 
heiten durch den Krieg. (Derm. W., 1919, Bd. 68, Nr. 19.) Die Ge¬ 
fahren liegen nicht in einer Zunahme der absoluten Geschlechtskrank¬ 
heitenziffer, sondern in der erhöhten Infektionsmöglichkeit für oft ältere 
Verheiratete und für solche Bevölkerungskreise, die im Frieden einer 
Ansteckungsgefahr relativ wenig ausgesetzt waren. 

W. Schön fei d-Würzburg: Ueber den Zusammenhang zwischen 
Haut- und Liquorverfinderungen bei Syphilis, insbesondere bei Alopecia 
specifica und Leucoderma syphiliticum. (Derm. W., 1919, Bd. 68, Nr.17.) 
Zwisohen den verschiedenen Exanthemformen und Liquorveränderungen 
ist kein sicherer Zusammenhang naohxuweisen. Bei Alopecia syphilitica 
treten, auch ohne nachweisbare nervöse Symptome, Liquorveränderungen 
bis su 70pCt auf. Bei Leukodermfällen ist ein derartig gehäuftes Auf¬ 
treten von Liquorveränderungen nicht deutlioh naohzuweisen. 

Boas-Kopenhagen: Ein Fall von tertiärem Erythem bei einem 
Kinde mit kongenitaler Syphilis. (Derm. W., 1919, Bd. 68, Nr. 18.) 
Das typische Aussehen des Erythems, erythematöse Ringe, welche bei 
Fingerdruck verschwinden, sein wechselndes Auftreten, seine relative 
Resistenz gegen Behandlung sind für das tertiäre Erythem charakteristisch. 

P. Schrumpf-Berlin: Ueber Häufigkeit, Diagnose und Behandlung 
der syphilitischen Aortitis. (Aroh. \ Derm. u. Syph., 1919, Bd. 126, 
H. 3.) Die Aortitis syphilitica und ihr Folgezustand, das Aneurysma 
der Aorta stellt die häufigste Manifestation der Syphilis des Zirkulations¬ 
apparates dar. Die syphilitische Aortitis ist ebenso wie die syphilitische 
Arteriitis selten diffus, sondern vielmehr eher segmentär, indem der 
syphilitische Prozess meistens auf den Brustteil der Aorta beschränkt 
bleibt, und zwar besonders auf den unteren Teil der Aorta ascendens. 
Diese Aortitis supra-sigmoidea ist meist zirkulär, segmentär. Ihre früh¬ 
zeitige Erkennung ist schwierig. Ihr Hauptsymptom ist der Retrosternal- 
sohmerz, der Angor pectoris. Diese, verbunden mit einer pulsatorisohen 
Plethora und einer positiven Wassermann’sohen Reaktion genügen zur 
Sicherstellung der Diagnose. Die Syphilis der Aorta hat nun eine aus¬ 
gesprochene Neigung auf das Orifioium aortae und die Aortenklappen 
überzugehen. So entsteht die syphilitische Aorteninsulfizienz. Die mehr 
diffuse Aortitis der Brustaorta, die zur Bildung grosser Aneurysmen führt, 
sowie die disseminierte gummöse Aortitis, deren Folge zahlreiche kleino 
Aneurysmen sind, ist im Anfangsstadium sohwer zu erkennen, und erst 


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14. Juli 1010. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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der Nachweis des Aneurysmas gestattet die Diagnose. Die Lues der 
Bauehaorta ist relativ selten. Therapeutisch ist eine kombinierte Jod- 
Queoksilber-Salvarsankur am Platze, daneben die gebräuchlichen Herz¬ 
mittel. 

Hetter8dorf-München: Ueber Gefisssehädigaogei bei intravenösen 
fqjektio&en. (Derm. Wschr., 1919, Bd. 68, H. 20.) Es kommen vor 
allen Dingen Entzündungen im perivaskulären Gewebe und dann auch 
Entzündungen der Vene mit und ohne Thrombosenbildung zustande. 

W. J. Schmidt-Bonn: Einige Versuche mit Bruno Bloch’s „Dopa“ 
an Amphibienhaut. (Derm. Zsohr., Mai 1919.) Der Ablauf der Dopa¬ 
reaktion in der Haut von Salamander und Triton lässt keinerlei Bezie¬ 
hung zur Pigmentbildung erkennen, und kann daher auch nicht die 
Anschauung stützen, die kutanen Melanophoren der Amphibien seien 
unfähig, Pigment zu bilden. Die Eutismelanophoren der Amphibien 
sind wielmehr nicht nur Träger, sondern Bildner des in ihnen enthaltenen 
Pigments. _ Immerwahr. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Gustav Deusoh: Elinas aid Myxödem. (M.m.W., 1919, H. 22.) 
Beschreibung eines Falles von Myxödem bei einer 50 jährigen Frau im 
Anschluss an die Cessatio mensium, die nach Exstirpation eines Myoma 
uteri eintrat. Durch Thyreoidin wurde der Fall gut beeinflusst. Klimak¬ 
terisches Myxödem ist bisher nur in wenigen Fällen von H. G ursch- 
mann beschrieben worden. Der Zusammenhang zwischen Myxödem und 
Klimakterium ist so zu erklären, dass das Erlöschen der Funktion der 
Keimdrüsen zu einer erhebliohen und dauernden Hemmung der Schild¬ 
drüsenfunktion und damit zum Myxödem führen kann. 

R. Neumann. 

P. Gail-Triest: Einseitige und abdominale Schwangerschafts- 
uterbrceklBg und Sterilisation. (W.kl.W., 1919, Nr. 21.) Die gleich¬ 
zeitige Operation wurde an 10 Frauen, von denen 8 an Tuberkulose 
litten, folgendermaa8sen ausgefübrt: Pfannenstiel-Querschnitt, Eröffnung 
der Bauchhöhle, Exzision der Tuben oder Resektion eines 2 cm laugen 
Stückes derselben. Uterusöffnung durch Längsschnitt im Fundus, digi¬ 
tale Lösung und Herauswälxung des Eies, Kurettement der Uterus¬ 
höhle, Drainage dieser mit einem Gazestreifen, welcher mittelst eines 
Bougies duroh die Vagina hinausgeleitet wird, Naht des Uterus, der 
Bauohdecken. Operationserfolge sind gute. Glaserfeld. 


Augenheilkunde. 

Lex er: Wimpernersatx duroh freie Transplantation behaarter Haut. 
(Klin. MbL f. Aughlk., März-April 1919, Bd. 62.) Ausführliche Be¬ 
schreibung des Verfahrens, mit dem Verf. seit etwa 8 Jahren fast regel¬ 
mässig einen sehr guten Erfolg erzielt hat. 

Ohm: Ueber die Beiiehaagea der Aageanaskeli zu den Ampullen 
der Bogengänge beim Menschen und Kaninchen. (Klin. Mbl. f. Aughlk., 
März-April 1919, Bd. 62.) Verf. vergleicht zum Sohlusse seiner um¬ 
fangreichen Arbeit die Verhältnisse beim Menschen und Kaninchen und 
findet zwei wesentliche Unterschiede, die durch die nach vorn gerichtete 
parallele Lage der Augen beim Mensohen, die seitliche beim Kaninchen 
bedingt sind. Die von den Ampullen veranlassten senkrechten und 
rollenden Augenbewegungen sind beim Mensohen gleichsinnig, beim 
Kaninchen gegensinnig. Die Gleiohsinnigkeit wird beim Menschen durch 
den binokularen Sehakt gefordert, der beim Kaninchen nicht besteht. 

Jess: Liaseatrübiigea bei Kupfer- und Messingsplittern im Auge. 
(Klin. Mbl. f. Aughlk., März-April 1919, Bd. 62.) Es ist nioht un¬ 
wahrscheinlich, dass gerade Messingstüokohen infolge ihres geringeren 
Kupfergehalts länger reisfrei im Auge vertragen werden und deshalb 
eher die Beobachtung der vom Verf. beschriebenen Linsentrübung er¬ 
möglichen könnten. Bemerkenswert ist aber auch, dass es sich stets 
um jugendliche Individuen handelte im Alter von 15—25 Jahren. Es 
ist denkbar, dass auch die Konsistenz der Linse für das Zustandekommen 
der Erscheinung von Bedeutung ist. 

Fuchs: Myopische Aagea mit dicker Sklera. (Klin. Mbl. f. Aughlk., 
Man-April 1919, Bd. 62.) Im jugendlichen Alter findet infolge des 
Missverhältnisses zwischen dem Augendruck und der Festigkeit der noch 
wachsenden Sklera eine Ausbuchtung der letzteren statt, welche sich 
bei stärkerem Grade mit Verdünnung verbindet. Die Dehnung der 
Sklera wirkt nun als Waohstumsreiz und veranlasst die Neubildung 
skleraler Lamellen, wodurch die Verdünnung wieder ausgeglichen oder 
sogar überkompensiert wird. 

Behr: Ueber Kircsichtigkeit bei Affen. (Klin. Mbl. f. Aughlk., 
März-April 1919, Bd. 62.) Die Kurzsichtigkeit bei Affen ist häufiger, 
als man es bisher angenommen hat. Naoh den bis jetzt vorliegenden 
Untersuchungen ist jeder sechste bis siebente Affe kurzsichtig. Einzelne 
Rassen scheinen eine besondere Disposition zur Kurzsichtigkeit zu be¬ 
sitzen. Weder ophthalmoskopisch noch anatomisch lassen sioh an den 
bis jetzt untersuchten Augen Veränderungen nachweisen, wie wir sie 
bei der menschlichen Achsenmyopie zu sehen gewohnt sind. Die Myopie 
bei Affen gehört höchstwahrscheinlich, wenigstens in allen bis jetzt be¬ 
kannten und untersuchten Fällen, in das Gebiet der Brechungsmyopien. 

Fuchs: Myopie ind Glaukom. (Klin. Mbl. f. Aughlk., März- 
April 1919, Bd. 62.) Die den veröffentlichten Fall auszeiohnende Be¬ 
sonderheit ist die Ausbuchtung einer an die Papille angrenzenden Zone 


der Sklera duroh den erhöhten Augendruck. Diesen Zustand hat zuerst 
v. Graefe ophthalmoskopisch erkannt und beschrieben. 

Jess: Nachtblindheit nach Gaserkrankung. (Klin. Mbl. f. Aughlk., 
März-April 1919, Bd. 62.) Verf. veröffentlicht 4 Fälle von Hemeralopie 
naoh Gaserkrankung, welche im Felde einwandfrei festgestellt werden 
konnten, ln den ersten drei Fällen handelt es sioh um Leute, die 
schon vorher lange Zeit im Felde waren, stets gutes Dunkelsehen hatten 
und bei erster Gelegenheit naoh der Erkrankung ihre Hemeralopie fest¬ 
stellten. Im vierten, dem schwersten Falle, ist zwischen der Gas¬ 
erkrankung und der ersten Aufnahme in eioe Augenstation ein Zeitraum 
von 6 Monaten verstrichen, doch hat der Mann bereits 10 Tage naoh 
der Gaseinwickung eine Abnahme seines Sehvermögens bemerkt. Auf 
welche Weise die Kampfgase schädigend auf das Neuroepithel einwirken, 
ist noch nicht fesfgestellt. 

Triebenstein: Ueber Heterotopio des Sehaervei und der Fovea 
ceatralis. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Mais-April 1919, Bd. 62.) Den be¬ 
reits bekannten vier Fällen von angeborener Ektopie des Sehnerven und 
der Macula centralis werden zwei neue hinzugefügt. Aus dem gleich¬ 
förmigen Auftreten bei Mutter und Sohn und der Tatsache, dass bei 
einer grossen Zahl von Mitgliedern derselben Familie ein positiver 
Winkel Gamma gefunden wurde, ergibt sich, dass es sioh um eine erbliohe 
Missbildung handelt. Die gefundenen Gefässanomalien stehen mit grosser 
Wahrscheinlichkeit in kausalem Konnex mit der atypischen Lage des 
Optikus und der Makula. 

Streiff: Beobachtungen und Gedanken zum Heterochromieproblem 
und über Symphatikusglaukom. (Klin. Mbl. f. Aughlk., März-April 1919, 
Bd. 62.) Zum Referat nioht geeignet. F. Mendel. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankhelten. 

J. P. Karplus: Zur Pathologie des Halssympathikas. (W.kl.W., 
1919, Nr. 21.) An der Hand von 32 Fällen werden diq okulo pupillären * 
Symptome, die vasomotorischen Erscheinungen, die Sekretionsstörungen 
und allgemeinen Symptome eingehend besprochen. Glaserfeld. 


Schiffs- und Tropenkrankheiten. 

P.J. du Toit: Experimentelle Studien über die Pferdepireplaamose. 

II. Mitteilung: Uebertragungsversuche mit Ixodes ricinus L. bei der 
Nuttallia equi-lnfektion. (Arch. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 28, 

H. 8, S. 141—147.) Sämtliche mit den verschiedenen Entwicklungs¬ 
stadien des einheimischen Holzbooks vorgenommenen Versuche, die 
Nuttallia equi zu übertragen, fielen negativ aus, obwohl die Empfäng¬ 
lichkeit der betr. Pferde für die Infektion durch naohträgliohe Impfung 
mit Piroplasmoseblut bewiesen wurde. 

P. J. du Toit: Experimentelle Studien über die Pferdepiroplasmose. 

I. Mitteilung: Kreuzimpfungsversuche mit Nuttallia equi (Laveran, 1901) 
und Piroplasma caballi Nussali, 1910. (Arch. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 
1919, Bd. 23, H. 7, S. 121—135.) Die Ablehnung, die die Annahme 
von zwei verschiedenen Erregern für die als Kriegstierversuche 
praktisch recht wichtig gewordene Pferdepiroplasmose durch C. Schilling 
erfahren hat, veranlasste den Verf., die Frage mittelst der von Laveran 
und Mesnil in die Trypanosomenforsohung eingeführten Methode der 
sog. Kreuzimpfung oder Kreuzimmunisierung klarzustellen. Das Wesen 
dieser Methode besteht darin, dass man 2 Trypanosomenstämme als 
artverschieden ansieht, wenn ein gegen den einen von ihnen immunes 
Tier duroh den anderen krank gemacht wird. Die Tierversuche des 
Verf., deren interessante Einzelheiten im Original nachzulesen sind, 
sprachen sämtlich entschieden für die Verschiedenheit der beiden 
Erreger der Pferdepiroplasmose. 

W. Möller: Beitrag zur Kenntnis des Sehaftrypaaosomas. (Arch. 
f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 23, H. 5, S. 99—100.) Es gelang \ 
dem Verf., durch künstliche Züchtung in Blutbouillonröhrchen und auf 
SchafblutagarrÖhrohen aus dem Blute eines mit Sobafläusen besetzten 
Schafes Schaftrypanosomenkulturen zu gewinnen, die an Formen den 
trypanosomenäbnliohen Flagellaten, mit denen fast jede Schaflausfliege 
(Melophagus ovinus L.) infiziert ist, morphologisch völlig gleiohen. 
Damit wäre der Beweis erbracht, dass die Vermutung richtig war, dass 
die als Gritbidia melophagia bezeichneten Flagellaten nichts anderes 
sind als eine Entwicklungsform des Scbaftrypanosomas. 

E. Adelmann: Beitrag zur Kenntnis des Papatacifiebera. (Arch. 
f. Schiff- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 23, H. 5, S. 81—99.) Nichts wesent¬ 
lich Neues bringende Beobachtungen betr. Ueberträger, Klinik, Epidemio¬ 
logie, die 1916 und 1917 in den Dardanellen gemacht wurden. 

O. Kestner: Zur Frage der Chiaiaprophylaxe. (Aroh. f. Schiffs« 
u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 23, H. 6, S. 104—110.) Bei der Ghininprophy- 
laxe mit alltäglich 0,3, sonntäglich 0,9 g, durchgeführt vom April bis 
Ende November 1917 bei einer Heeresgruppe in Rumänien, machte K. 
die Erfahrung, dass eine erhebliche Anzahl von Ersterkrankungen ver¬ 
schoben und in solche von Rezidivcbarakter verwandelt wurde. 

H. Heine mann: Ein Fall von durch Malaria bedingter Metritis 
■ad Perimetritis? (Aroh. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 28, H. 6, 

S. 111—112.) Erscheinungen von Darm Verschluss, die offenbar duroh 
den stark vergrösserten und entzündeten Uterus verursacht waren, 
sohwanden auf die wegen gleichseitigen reichlichen Tertianaparasiten- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


befundes im Blute angewendeteu intramuskulären Chinineinspritzungen 
so verbfüffend schnell unter Abschwellung der Gebärmutter, dass sich 
die Vermutung einer ursächlichen Beziehung der Genitalerkrankung zur 
Malaria aufdrängte. Vielleicht gibt der Fall einen Hinweis für genauere 
ätiologisohe Forschung bezüglich der in den Tropen häufigen „klimatisch“ 
bedingten weiblichen Genitalstörungen. 

Der Gesundheitszustand unserer Marine im Kriege. Bearbeitet in 
der Medizinalabteilung des Reichs-Marine-Amts. (Arch. f. Schiffs- u. 
Trop.Hyg., 1919, Bd. 23, H. 7, S. 136—138) Der Gesamtkrankenzugang 
hielt sich in allen 4 Kriegsjahren unter dem Durchschnitt der letzt- 
bearbeiteten 5 Friedensjahie. Die Zahl der mechanischen Ver¬ 
letzungen ist auffallend niedrig, weil die sofort Getöteten nicht ein¬ 
berechnet sind. Bemerkenswert ist die Zunahme der Lungentuber¬ 
kulose auf durchschnittlich 2,10 pM. gegen 1,37 pM. im Frieden, besonders 
haben auch die Todesfälle an diesem Leiden zugenommen (auf 18,4 pCt. 
im 4. Kriegsjahre). Die Zahl der „allgemeinen Erkrankungen“ ist im 
4. Kriegsjahre durch die Grippepandemie gewaltig in die Höhe ge¬ 
trieben worden, bis zum 1. August 1918 26 162 Erkrankungen mit 
24 Todesfällen. Weber. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 10. Februar 1919. 

Vorsitzender: Herr Moeli. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

Neuwahl des Vorstandes: Zum ersten Vorsitzenden wird Herr 
Liepmann, zum zweiten Herr Bonhöffer, zum dritten und Schatz* 
meist r Herr Cassierer, zum Bibliothekar Herr Stier, zu Schriftführern 
Herr Henneberg und Herr Förster, in die Aufnahmekommission die 
Herrn Sander, Oppenheim, Jakobsohn und Falkenberg gewählt. 

Tagesordnung. 

1. Aussprache um Vortrag Henneberg: Zur Irrengesetsgebung. 

Hr. Moeli bespricht einleitend noch eine frühere gerichtliche Ent¬ 
scheidung über die Rechtsstellung der Arztes bei Beschränkung der 
Freiheit durch nicht freiwillige Aufnahme. Wenn, nachdem der frühere 
Zusammenhang zwischen Behaltung in einer Anstalt und Entmündigung 
seit der Reiohzivilgesetzgebung gefallen ist, eine behördliche Mitwirkung 
bei der aus dem Privaten heraustretenden Vorgänge aber nötig erscheint, 
so liegt die „Statthafterklärung“ oder Zulassung einer nicht freiwilligen 
und nicht polizeilichen Aufnahme nahe. Gegen das badische Gesetz vom 
25. 6. 1910 könnte bei ganz kurzdauerndem oder alsbald in freiwilligen 
Verbleib übergehendem Anstaltsaufenthalt die Bestätigung wegfallen. 
Das Reoht der Klage gegen Aufnahme und Behaltung würde tunlichst 
auoh dem Kranken selbst einzuräumen sein (wieKlage nach §664Z.P.O.). 
Der am 19. 3. 1917 eingebrachte Entwurf zu § 80 d. Bayr. Pol.Str.Gesb., 
der sich nicht an die Geschäftsfähigkeit band, wird in seiner Wirkung 
abgesohätzt. Bei der „Verwahrung“ wegen psychischer Abweichungen 
nicht verurteilter sicherheitsgefährlicher Täter gemäss Gerichtsbeschluss 
soll die Zurückhaltung von der Landespolizeibehörde bis zu zwei Jahren 
bestimmt werden; eine einheitliche (reichsgesetzliche) Ordnung des Ver¬ 
fahrens und der Rechtsmittel dürfte zur Erwägung kommen. (Ausführ¬ 
lich in Nr. 17 dieser Woohenschrift erschienen.) 

Hr. Rechtsanwalt Werthauer (als Gast): Ich habe bereits vor Jahren 
auf Grund eines anderen Falles den Vorzug gehabt, in dem Psychiatri¬ 
schen Verein auszuführen, dass die Angriffe, welche gegen angeblich 
unberechtigte Unterbringung von Geisteskranken in Irrenanstalten gegen 
Aerzte erhoben werden, reohtlioh nicht begründet sind. So hat sich in 
neuerer Zeit ein Vorfall ereignet, in welchem ein Psychiater, Professor 
Henneberg, eine Ehefrau, deren Ehemann abwesend war, wegen 
anstaltspflegebedürftiger Geisteskrankheit einer Privatirrenanstalt über¬ 
wiesen hatte und in welchem der Arzt demnächst von dem zurüok- 
gekommenen Ehemann auf Schadensersatz verklagt war. Die Gründe 
der in dieser Sache ergangenen Entscheidungen geben zu den lebhaftesten 
Bedenken Anlass, so dass, wenn auch sonst in Preussen seit jenem Vor¬ 
trage an der Rechtslage sich nichts geändert hat, ich gleichwohl gern 
der Aufforderung Ihres Vorstandes gefolgt bin, um angesichts dieser 
Urteilsgründe nochmals über die rechtliche Seite der Sache zu sprechen. 
In der Angelegenheit liegen mir vor ein Urteil des Landgerichts vom 
Jahre 1913, welches den Anspruch gegen den Arzt abweist, ein Urteil 
des Kammergeriohts vom Jahre 1916, welches die Berufung zurückweist, 
und ein Urteil des Reichsgerichts vom Jahre 1917, das dieses Urteil 
aufhebt und die Sache zur anderweiten Verhandlung in die Vorinstanz 
zurückverweist. Das erste Urteil des Landgerichts und das nunmehr 
ergangene Urteil des Kammergerichts vom Jahre 1918 enthalten Aus¬ 
führungen, welche geeignet sind, eine Beunruhigung für den Stand der 
Aerzte herbeizuführen, wenn auch im Endergebnis schliesslioh die Klage 
abgewiesen ist. Es wird namentlich ausgeführt, dass durch die preussi- 
sche Verfassung die Freiheit jedes Menschen garantiert sei, soweit nicht 
durch ein Gesetz eine Beschränkung möglich sei. Als solches Gesetz 
wird erwähnt das Preussisohe Gesetz vom 12. Februar 1850 über politische 
Schutzhaft. Es ist bekannt, dass z. B. beim Besuche des Kaisers von 
Russland in Berlin Personen, die als Gefahr erachtet wurden, auf kurze 


Zeit vorübergehend in Schutzhaft genommen werden konnten. Die Straf¬ 
prozessordnung bestimmt, dass, wenn ein Arzt einen Angeklagten unter¬ 
sucht hat und Zweifel an der Beurteilung hat, welche erst durch Anstalts- 
beobachtung behoben werden können, das Gericht, wenn der Arzt einen 
diesbezüglichen Antrag stellt, den Angeklagten einer Anstalt überweisen 
kann. Es bestimmt endlich für das Entmündigungsverfahren in der 
Zivilprozessordnung eine diesbezügliche Befugnis des Amtsgerichts. Alle 
diese Bestimmungen werden von dem Urteil erwähnt, und es wird aus¬ 
geführt, dass dieses hier nicht in Frage käme, was unzweifelhaft richtig 
ist. Dann schliesst sich aber die Bemerkung daran, dass, weil ein 
anderes politisches Gesetz nicht bestehe, jeder Eingriff in die Freiheit 
somit unzulässig und als Freiheitsberaubung zu erachten sei. Die 
ministerielle Verfügung vom 26. März 1901 entbehre der gesetzlichen 
Bindungskraft und könne nur subjektiv den Betreffenden entschulden, 
soweit er irrtümlich geglaubt habe, dass sie gesetzliche Kraft habe, wes¬ 
halb im vorliegenden Falle der subjektive Tatbestand der Freiheits¬ 
beraubung, der objektiv vorliege, verneint sei. In den weiteren Urteils¬ 
gründen ist dann ausgeführt, dass die Klage des Ehemannes unbegründet 
sei, weil der Schaden nur der Ehefrau entstanden sei. Dies wiederum 
hat das Reichsgericht bezüglich der Transportkosten verneint, welohe 
der Ehemann als solcher geltend machen könne, ohne dass das Reichs¬ 
gericht auf die oben angegebene Rechtsfrage eingegangen ist, und das 
Kammergerioht hat in der jetzt endgültig vorliegenden Entscheidung vom 
12. August 1918 wiederum direkt ausgelührt, dass mangels einer gesetz¬ 
lichen Grundlage auch dem Arzt kein Recht zustehe, einen Kranken 
ohne seinen oder seines Vertreters Zustimmung einer Irrenanstalt zu 
überweisen. Diese Entscheidungen übersehen, dass für Preussen ein 
diesbezügliches Gesetz gegeben ist, und es ist nur anzunehmen, dass im 
Laufe des Verfahrens von keiner Seite auf die diesbezügliche Rechtslage 
hingewiesen ist. Der preussische Obrigkeitstag vom Jahre 1850 bat 
nämlich besonders eingehend im Gesetz vom 11. Marz 1850 über die 
Polizeiverwaltung zu den Gegenständen, die der ortspolizeiliohen Vor¬ 
schrift unterliegen, gerade den Schutz der Person und des Eigentümers 
bestimmt. Danach ist das polizeiliche Einschreiten aus politischen und 
verwaltungsrechtliohen Gründen, auch wenn es mit Freiheitsbeschränkung 
und Beraubung der Freiheit verbunden ist, der Polizeibehörde gestattet, 
und es haben die Mimsterialinstanzen gemäss dem Landesverwaltungs¬ 
gesetz §§ 136, 138 in Verbindung mit §§ 11, 12 und 13 des Gesetzes 
vom 11. März 1850 durchaus die gesetzliche Befugnis, die näheren An¬ 
ordnungen zu treffen. Demgemäss sind in Preussen eine Reihe Ministerial¬ 
erlasse ergangen, welche den Schutz der Allgemeinheit bei plötzlich auf¬ 
tretender Geisteskrankheit sicher stellen, wie dies ja an sich in jedem 
kultivierten Staat erforderlich ist. Es ist nicht möglich, z. B. den 
plötzlich geisteskrank gewordenen Amokläufer, der in der Friedriohstrasse 
in Berlin die Leute anfällt, der sofortigen Anstaltsbehandlung nioht zu 
überweisen, weil etwa seine eigene Genehmigung oder die seines gesetz¬ 
lichen Vertreters oder ein genohtliches Einschreiten nicht sofort zu er¬ 
langen ist. Für solche Fälle dringendster Gefahr genügt nach der 
Ministerialentscheidung das Attest eines approbierten Arztes und im 
anderen Falle das Attest eines Kreisarztes, um für den Inhaber der 
Anstalt die Aufnahme des anstaltspflegebedürftigen Geisteskranken za 
rechtfertigen. Es wäre ja auoh auffallend, dass drei Ministerien, nämlich 
das der Justiz, der Medizin und des Innern, die ganze eingehende letzte 
Anordnung vom 26. März 1901, die in allen Einzelheiten die Aufnahme 
und Entlassung von Geisteskranken im geschlossenen Teil von Anstalten 
behandelt, erlassen haben würden, wenn alle ihre Anordnungen ohne 
gesetzlichen Boden in der Luft sohweben. Die Ministerien haben genau 
gewusst, dass sie gemäss der Verfassungsurkunde und dem Gesetz vom 
11. März 1850 zum Erlass des Ausführungsgesetzes ebenso berechtigt 
wie verpflichtet sind. Man kann darüber streiten, ob es in einem 
modernen Staat wünschenswert ist, dass wichtige gesetzliche Be¬ 
stimmungen durch das Gesetz selbst der Ministerialinstanz überwiesen 
sind; man kann aber nicht, wie die Urteile in der vorerwähnten Sache, 
das Bestehen dieses Gesetzes und der Ausführungsanordnung vollkommen 
unerwähnt lassen, um auszuführen, dass eine gesetzliche Grundlage nioht 
bestände. Wenn nun die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, so hat 
der Leiter der Anstalt die Aufnahme zu bewirken. Diese Aufnahme ist 
ein Akt der Staatshoheitsausübung, welcher dem Anstaltsleiter übertragen 
ist. Es kann nur im ersten Augenblick befremden, dass ein Privatmann 
öffentlich-rechtliche Befugnisse hat. Dies findet sich aber auoh auf zahl¬ 
reichen anderen Gebieten, z. B. Gründung einer Aktiengesellschaft, der 
Adoptierende gegenüber dem Adoptierten, Schaffung eines neuen Reohts- 
subjektes bzw. den Ersatz der rechtserheblichen Vaterschaft aus reinem 
ihnen erlaubten Privatwillen unter Beobachtung derNormativbestimmungen, 
indem sie so öffentlich-rechtliche Folgen hervorrufen durch Ausübung 
einer erlaubten Privattätigkeit. Nach der Gewerbeordnung und den 
Ausführungsanweisungen erhält der Leiter des geschlossenen Teiles einer 
Anstalt die Sukzessive zur Führung derselben. Als solcher hat er den 
Akt der Anfnabme zu bewirken, wenn die Voraussetzungen vorliegen. 
Das ärztliche Attest ist nur eine der Voraussetzungen. Der Arzt ver¬ 
bringt durch sein Attest gar nicht in die Anstalt, da er nur ein Attest 
ausstellt, welohes eine der Vorbedingungen für die Aufnahme ist. 
Der Anstaltsleiter ist es, welcher zu prüfen hat die Zuständigkeit, die 
ärztliche Voraussetzung, den etwaigen Willen, falls es erforderlich ist» 
des Kranken oder seines gesetzlichen Vertreters, das Vorliegen des dring¬ 
lichen Falles. Es fehlt sogar jeder ursächliche Zusammenhang zwischen 
der Attestierung duroh den Arzt und der Aufnahme in die Anstalt» 
Schon die Hervorhebung eines Attestes hätte alle weiteren Erörterungen 


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14. Juli 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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über die angeblich nnriohtige Handlung des Amtes, der ohne gesetzliohe 
Grundlage das Attest zur Verbringung in die Anstalt ausgestellt habe, 
erspart. Wenn deshalb das letztergangene Urteil eine angebliche Lücke 
des Gesetzes konstruiert, so beruht dies nur darauf, dass es selbst die 
gesetzlich vorliegende Bestimmung übersehen hat. Es mag aber auch 
noch hervorgehoben werden, dass die Ausführung des Urteils, dass der 
Amt objektiv die Freiheitsberaubung bewirkt habe und nur subjektiv 
entschuldbar sei, strafrechtlich unrichtig ist. Wer im Vorbeigehen durch 
ein Fenster sehend einen Mann einem Knaben in den Arm schneiden 
siebt, weise natürlich nioht, ob das ein Arzt oder ein Sadist ist; niemals 
aber kann man sagen, dass objektive Körperverletzung vorläge und sub¬ 
jektiv der Betreffende eventuell straffrei sei. Wer eine strafbare Hand¬ 
lung begeht, muss alle Tatbestandsmerkmale in sioh fühlen und aus¬ 
führen. Deshalb kann weder von einer objektiven noch von einer sub¬ 
jektiven Körperverletzung oder Freiheitsberaubung die Rede sein, wenn 
ein Amt in Ausübung seiner Pflicht die Verbringung in eine Anstalt 
erlorderlieh hält. Angesichts des gleichwohl ergangenen Erkenntnisses 
ist wiederum zu befürchten, dass dasselbe, um angeblioh die Freiheits¬ 
beraubung zu beweisen, gegen die ärztliche Welt in der Presse verwandt 
wird. Deshalb ist es vielleicht möglich, dass der Verein als solcher, 
namentlich wenn das Urteil rechtskräftig ist, bei dem Kammergerioht 
vorstellig wird, um die Interessen der ärztlichen Welt zu wahren, jedooh 
nur, wenn der Verein seiner ganzen Konstruktion naoh dies zu seinen 
Aufgaben reohnet. Andernfalls ist der Fall nur ein Anlass, von neuem 
zu der Frage Stellung zu nehmen, ob nicht eine gesetzliohe Regelung 
der Aufnahmebehandlung und Entlassung von Geisteskranken in Anstalten 
zu erstreben ist. Diese gesetzliche Regelung in Preussen erscheint ge¬ 
nügend und hinreichend. Die Frage, ob für Deutschland dieselbe zu 
kultivieren ist, ist eine politische, je naohdem man Reiohsgesetz oder 
Einzelstaatsgesetz vorzieht Der Umstand, dass in einem Staat die 
Gesetzgebung anders gebandbabt wird, als in dem anderen, könnte nur 
dazu führen, das Beste als künftig maassgebend in das neue Gesetz ein¬ 
zuverleiben. Eine Ergänzung bedürfte die Gesetzgebung vielleicht, soweit 
der Begriff der gemeingefährlichen Anstaltspflegebedürftigen zu präzisieren 
und eventuell auch die Anstaltsbehandlung im Interesse der Kranken 
bei Ungefährliohkeit zu regeln wäre. Naoh der Ministerialverordnung 
gilt als gemeingefährlich ein Kranker, welcher als für sich oder für 
andere gefährlioh oder als für die öffentliche Ordnung störend anzusehen 
ist Die Entwicklung z. B. der modernen Waffen zeigt, dass die Gemein- 
gefahrliohkeit eine weit grössere im Laufe der Zeiten geworden ist, wenn 
man daran denkt, dass ein labiler Kranker mit einer Browningpistole 
umgeht, wie sie vor 100 Jahren etwa war, zu welcher Zeit dem Dorf¬ 
kranken nur ein Knüppel zur Verfügung stand. In dieser Beziehung 
ist deshalb die Judikatur und die ärztliche Ansicht in fortgesetzter Fort¬ 
entwicklung sehr weit gegangen. Dagegen ist es zur Zeit nicht möglich, 
Personen nur zu Heilzwecken, die nioht gemeingefährlich sind, wider 
ihren Willen in der Anstalt festznhalten und auoh dies dürfte in einer 
künftigen gesetzlichen Regelung mit zu erörtern sein. 

Hr. A. Leppmann: Die Kenntnisnahme des befremdlichen Kammer- 
geriohtsurteils kann uns in unserer Ueberzeugung, dass wir das Recht 
haben, gutgläubig gemäss den Vorschriften der Ministerialverordnung 
vom 86. März 1901, Kranke durch unser Dringliohkeitsgutaohten in 
Privatanstalten zu überweisen, nicht erschüttern. Wissen wir doch aus 
früheren Erörterungen über diesen Gegenstand, welche Herr Justizrat 
Werthauer in so übersichtlicher und verständlicher Weise heute zu- 
aammengefasst hat, dass diese Verfügung in dem Gesetz über die Be¬ 
fugnisse der Polizei ihre ausreichende Stütze hat. In einem Punkte 
bleibt allerdings die Angelegenheit zweifelhaft, das ist bei der Unter¬ 
bringung der nicht gemeingefährlichen Fälle, bei denen es mindestens 
fraglioh ist, ob das betreffende Polizeigesetz der Behörde das Recht gibt, 
über die Unterbringung und Festhaltung derselben zu verfügen. Dadurch 
bleibt es dann auoh zweifelhaft, ob die Möglichkeit besteht, in solchen 
Fallen den anweisenden Arzt bzw. den Inhaber der Privatirrenanstalt 
mit der Ausführung eines solohen Rechtes zu beauftragen. Freilich kann 
der Begriff der Gemeingefährlichkeit recht weit gefasst werden. Er wird 
auch bedingt durch die Gefahr, die der Kranke sioh selbst bereitet, teils 
durch absiohtliobe Selbstbesobädigung, teils duroh unabsichtliche Preis¬ 
gabe seines körperlichen und seelischen Wohles infolge seiner Krankheit, 
also z. B. durch Verwahrlosung. Der Staat, der wohl naoh dem all¬ 
gemeinen Landrecht die Pflicht hat, für den „Schutz jeder Person aus 
dem Publiko" zu sorgen, wird also auoh die Gefährdung eines Einzelnen 
duroh sioh selbst als gemeine Gefahr anerkennen müssen. Es ist dies 
übrigens bereits vor mehr als 40 Jahren im Reglement der Schlesischen 
Provinzial-Irrenanstalten zum Ausdruck gekommen. Immerhin bleiben 
einzelne Fälle übrig, wo nur die ärztliohe Ueberzeugung, dass die be¬ 
stehende seelisohe Erkrankung, wenn überhaupt, am schnellsten und 
sichersten durch Verbringung in eine Anstalt geheilt werden kann, aus* 
sohlaggebend für die Dringlichkeit der Einweisung ist und wir Aerzte, 
die ja in erster Reihe Helfer ihrer Kranken sein sollen, werden diesen 
privaten Punkt immer besonders betonen müssen. Deshalb ist die einzige 
Möglichkeit zur Behebung der bestehenden Unsicherheit, die Schaffung 
eines Gesetzes, welohes Aufnahme in und Entlassung aus 
Irrenanstalten regelt. Herr Justisrat Werthauer hat gemeint, ob 
wir nicht von Vereins wegen dem Kammergerioht unsere Bedenken gegen 
die Entscheidung mitteilen sollten. Ich würde dies für zwecklos halten, 
zumal wir ja keine Juristen mit Fachkenntnis sind. Wichtiger erscheint 
es mir, wenn wir betreffs der baldigen Schaffung eines Irrenanstalts* 


gesetzes bei der Reiohsregierung vorstellig würden. Welobes sollen die 
Grundzüge eines solohen Gesetzes sein? 1. Es soll ein Reiohsgesetz 
sein, damit nioht duroh Buntsoheckigkeit der Bestimmungen in den ver¬ 
schiedenen Staaten die Grundsätze, namentlich bei der Verwahrung ge- 
meinschädlioher Kranker so verschieden ausfallen, dass, wie es jetzt vor¬ 
kommt, ein Kranker, der aus der Irrenanstalt eines Staates wegläuft, in 
einem anderen ohne weiteres freien Aufenthalt erhält, bis er neue Auf¬ 
fälligkeiten begeht. 8. Soll grundsätzlich zunäohst eine vorläufige Auf¬ 
nahme und erst naoh einer kurzen Beobachtungszeit eine endgültige 
duroh behördliche Verfügung erfolgen. Dadurch schafft man auoh die 
so notwendige Beobaohtungsfrist für Fälle, die geistig zweifelhaft bzw. 
für Einzeluntersuchungen nicht genügend erkennbar sind. Heutzutage 
gibt es für die Aufnahme geistig Zweifelhafter eine gesetzliche Grundlage 
eigentlich nur für die aus den einschlägigen Paragraphen der Straf- und 
Zivilprozessordnung, sonst ist eine Einweisung nur bei der fertigen 
Diagnose einer Geisteskrankheit möglich. 3. Es muss sowohl den An¬ 
gehörigen wie dem eventuellen gesetzlichen Vertreter des Kranken, end¬ 
lich aber auch dem Kranken selbst Gelegenheit gegeben werden, gegen 
seine Einweisung bzw. Festhaltung auf dem Wege der gerichtlichen Ent¬ 
scheidung loszugehen. Diese soll aber ein reines Verwaltungsgerichts¬ 
streitverfahren sein, gänzlich getrennt von der sonstigen bürgerlichen 
Gerichtsbarkeit Es soll auch die Unterbringung bzw. Festbaitung in 
der Anstalt ganz unabhängig von der Einschränkung seiner Geschäfts¬ 
fähigkeit durch unter Pflegsohaftsstellung bzw. Entmündigung bleiben. 
Die Voraussetzungen für die Beschränkung der persönlichen Freiheit 
deoken sioh durchaus nicht immer mit der Einschränkung und Aufhebung 
der Fähigkeit, seine Angelegenheiten zu besorgen. Eine Verquiokung 
dieser beiden Dinge würde nur Unklarheiten sohaffen. Man könnte mir 
noch einwerfen, dass die jetzige Zeit der Umwälzung, welohe sehr weit¬ 
gehende Forderungen an die persönliche Freiheit aufstellt nicht günstig 
für die Schaffung eines geeigneten Irrenanstatsgesetzes sei. Demgegenüber 
möchte ioh aber darauf hinweisen, dass gerade die Rechtsunsicherheit 
für die Irrenanstaltspflege im neuen Reich viel gefährlicher ist, und dass 
die zielbewusste und eifrige Arbeit der Irrenärzte selbst manohe Wider 
stände überwinden kann. / 

Hr. Weiler (Westend): Bei Besprechung dieser Materie vor 8 Jahren 
habe ioh schon darauf aufmerksam gemaoht, dass die Bestimmungen in 
den verschiedenen Bundesstaaten für die Aufnahme Geisteskranker sich 
nicht nur auf gemeingefährliche Geisteskranke beziehen, sondern auf 
Geisteskranke im allgemeinen, so dass also die Lücke im Gesetz, welche 
der Herr Vorredner erwähnte, nach meiner Ansicht nicht besteht In 
dem badischen Irrenfürsorgegesetz vom 35. Juli 1910 ist nur die Rede 
von Geisteskranken, welche gegen ihren Willen in einer Irrenanstalt 
untergebracht werden sollen, und im Absatz 2 des § 1 dieses Gesetzes 
heisst es: „Als Geisteskranke im Sinne dieses Gesetzes gelten auoh die 
Geistesschwachen.“ — Auoh aus dem § 7 „Fürsorgliche Unterbringung 
im Dringlichkeitsverfabren“, demzufolge in dringlichen Fällen die Inter¬ 
nierung ohne Antrag eines Anfragbereohtigten und ohne bezirksamtliche 
Statthafterklärung oder Anordnung erfolgen kann, wenn die Geistes¬ 
krankheit und die Notwendigkeit der sofortigen Aufnahme zum Zwecke 
der Heilung des Kranken oder zur Vermeidung von Gefahren duroh den 
zuständigen Bezirksarzt bestätigt werden, geht hervor, dass das badische 
Gesetz sioh auf Geisteskranke und Geistesschwache im allgemeinen bezieht 
und nicht nur auf gemeingefährliche Geisteskranke. Das Gleiche trifft 
auf die Anweisungen aller Bundesstaaten zu. Aus den einschlägigen 
Bestimmungen habe ich nirgends ersehen können, dass die Vorschriften 
nur für gemeingefährliche Geisteskranke gelten sollen, ln Sachsen ist 
es sogar zulässig, dass in ganz besonderen Ausnahmefallen, in denen die 
Zurückweisung nicht ohne dringende Gefahr für den Kranken oder für 
andere tunlich ist, die Aufnahme vorläufig ohne ärztliohes Zeugnis 
erfolgen kann. In der preussischen Ministerialanweisung vom 26. März 1901 
lautet der § 12: „Soll ein Kranker, welcher für sioh oder für andere 
gefährlich oder für die öffentliche Ordnung störend anzusehen ist, ent¬ 
lassen werden, so ist unter Vorlegung einer Aeusserung des leitenden 
Arztes über den Zustand des Kranken die Zustimmung der Ortspollzei- 
bebörde des künftigen Aufenthaltsortes einzubolen.“ Wenn also für die 
Entlassung gemeingefährlicher Geisteskranker besondere Bestimmungen 
getroffen sind, so ist wohl der Schluss berechtigt, dass die Ministerial¬ 
anweisung bei der Aufnahme nur Geisteskranke im allgemeinen im Auge 
hat. Den Standpunkt des Kammergerichts in der Prozesssaobe des Herrn 
Professors Henneberg habe ioh von Anfang an als unzulässig an¬ 
gesehen. Im übrigen halte ich ein Irrengesets an Stelle der Ministerial¬ 
anweisung für durchaus wünschenswert zur Beruhigung der öffentlichen 
Meinung und zur Vermeidung der immer wiederkehrenden Angriffe gegen 
die Psychiater. — 

Hr. Bonhoeffer rät Ueberweisung an eine Kommission an. 

8. Hr. Ltiwy: Demonstration eines an Bechterewscher Kriakheit, 
leidenden Kranken mit hochgradiger Versteifung und Kyphose der oberen 
Brustwirbelsäule, während alle anderen Gelenke, besonders auoh das 
Becken, frei sind. Röntgenbild ohne krankhaften Befund. 

3. Hr. Hencherg: Ungewöhnlicher Hiraabsxess. 20jähr. Pionier 
Handlungsgehilfe, aufgenommen Juli 1918 in das Res.-Laz. Haus Schönow 
(Prof. M. Lachr), seit Kindheit Ekzem an Kopf und Armen, seit Mai 1918 
in Lazarettbehandlung wegen Erbrechen, Diagnose zunächst Gastritis 
acuta, dann Neurose. Befund in Haus Schönow: Kopfschmerzen im 
Hinterkopf, Pat. hält den Kopf zeitweilig steif, bisweilen leiohte Nacken¬ 
steifigkeit, zeitweilig geringes Schwindelgefühl, Erbreohen anfallsweise, 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


leichte Demenz, zeitweilig Apathie, Verlauf völlig fieberfrei bis auf das 
agonale Stadium, Puls 60 bis 70, einmal 48, Wassermann negativ, 
Lumbalpunktat: keine Lymphozytose, keine Eiveissvermehrung, Kopf 
nicht klopfempfindlioh, Spraohe ungestört, Pupillendifferenz, Liohtreaktion 
herabgesetzt, Neuritis optica, Abducensparese links, später auch rechts, 
Nystagmus, Parese des rechten Mundtazialis, Fehlen des Kornealreflexes, 
Geruch herabgesetzt, sehr geringfügige Schwäche des reohten Armes und 
Beines, geringe Unsicherheit bei Wendungen, remittierender Krankheits¬ 
verlauf, im terminalen Stadium: Benommenheit, Nackensteifigkeit, De¬ 
viation nach rechts, Hemiparese rechts. Exitus Dezember 19l8. Diagnose: 
Tumor an der Basis. Sektionsbefund: Unter der Kopfhaut über dem 
rechten (!) Scheitelbein umschriebener alter Eiterherd, links Stirnhirn 
stark geschwollen, im Mark des Stirnhirnes 7 kirsch- bis überwallnuss¬ 
grosse und 5 etwa bohnengrosse Abszesse, diese bilden ein Konglomerat, 
das vom Pol des Stirnlappens bis in die vordere Zentralwindung reicht, 
die Abszesse sind verschieden alt, die meisten haben eine dünne, aber 
derbe Kapsel, den Kapseln angelagert finden sich zahlreiche etwa linsen¬ 
grosse Abszesse. Mikroskopisch findet sich das gewöhnliche Bild. Im 
Eiter zahlreiche Staphylokokken und Diplokokken vom Aussehen des 
Meningokokkus. Hochgradiges Oedem der linken Hemisphäre, Hydro¬ 
zephalus rechts massigen Grades. Die Sektion ergibt keinen weiteren 
Eiterherd. Die Infektionsquelle bildete wahrscheinlich das Ekzem. Die 
Abszesse sind nacheinander entstanden, die Eitererreger durchdrangen 
die Kapsel und bedingten in der Umgebung zahlreiche neue Abszesse. 
Verf. bezeichnet diesen Abszesstypus als KoDglomeratabszess. Die Ab¬ 
szesse entstanden aus kleinstem Umfange. Ihr Wachstum ist ein ex¬ 
pansives, es kommt nicht zur Einschmelzung von Hirngewebe, daher das 
Zurüoktreten von Lokalsymptomen. Keine motorische Aphasie trotz Ein¬ 
lagerung von Abszessen in die 8. Stirnwindung. Vortr. erörtert andere 
Formen der Abszessentstehung. In klinischer Hinsioht ist bemerkenswert: 
das frühzeitige Hervortreten von Fernsymptomen infolge von Druck¬ 
wirkung (multiple Hirnnervenparese), das Fehlen von aphasisohen 
Störungen, die Lokalisation des Kopfschmerzes im Hinterkopf, das Fehlen 
der Klopfempfindlichkeit an der Abszessgegend. Vortr. betont die 
Schwierigkeit der Diagnose und Lokalisation der nicht durch Fortleitung 
entstehenden Abszesse, insonderheit der Stirnhirnabszesse. 

Aussprache. 

Hr. Schuster: loh möohte den Herrn Vortragenden fragen, ob in 
seinem Falle Fieber bestanden hat. Bekanntlich fehlt ja auffälliger weise 
in der Mehrzahl der Fälle von Hirnabszess das Fieber dauernd. Sodann 
möchte ich wissen, ob bei dem Patienten eine Röntgenaufnahme des 
Schädels gemacht worden ist. Bei der Massenhaftigkeit der Abszesse in 
der vorderen Hirnhälfte bestand vielleicht die Möglichkeit eines positiven 
Befundes bei der Röntgenaufnahme. Vielleicht hätte in diesem Falle 
die Röntgenaufnahme auch eine umschriebene Verdünnung des Schädel¬ 
daches, wie wir sie aus den Untersuchungen von Schüller kennen, 
ergeben. Schliesslich bitte ich den Herrn Vortragenden um Auskunft 
darüber, ob die sehr erhebliche Vergrösserung, welche das linke Stim- 
hirn zeigt, in der Tat nur auf einer serösen Durohtränkung beruht. Die 
Vergrösserung des Hirns erinnert auf dem Präparat sehr an die Ver¬ 
grösserung bei diffusem Gliom. 

Hr. Louis Jacobsohn meint, dass im vorliegenden Fall auch durch 
Operation eines oder mehrerer Abszesse keine Heilung eingetreten wäre, 
da der Kranke dann an den übrigen Abszessen gestorben wäre. 

Hr. Liepmann fragt, ob vielleicht Linkshändigkeit vorlag. 

Hr. Henneberg (Schlusswort): Linkshändigkeit dürfte mit Sicher¬ 
heit auszuschliessen sein. Das Fehlen von Aphasie wurde mehrfach bei 
Abszess des Sprachgebietes beobachtet. Eine Röntgenaufnahme wurde 
nioht gemacht. Das Oedem in der Umgebung des Abszesses ist ein ge¬ 
wöhnlicher Befund, es kann sehr hochgradig sein. Der Sektionsbefund 
lässt den Fall als inoperabel erscheinen. Im Anfangsstadium hätte eine 
Operation vielleicht Erfolg haben können. 


Aeraüicher Verein n Hamburg« 

Sitzung vom 4. März 1918. 

1. Hr. Albanas zeigt Patienten und Bilder von Tuberkulose der 
Schleimhäute der oberen Luftwege, einem Krankbeitsbild, das jetzt 
infolge der Unterernährung häufig mehr progredient auftritt als früher. 

2. Hr. Kropeit zeigt einen Patienten mit Tuberkulose der rechten 
uid Nephritis der linken Niere, bei dem er 1913 die Exstirpation der 
tuberkulösen Niere, welche eitrigen, tuberkelbazillenhaltigen Urin entleert 
hatte, vorgenommen hat. Der Urin enthält noch jetzt, wie vor der 
Operation der aus dem linken Ureter gewonnene, etwas Eiweiss und 
Zylinder. Das Allgemeinbefinden ist aber gut geblieben. 

3. Hr. Jakob zeigt eine Reihe von histologisohen Bildern betr. akute, 
stark progrediente und mit miliaren Gammen komplizierte Paralysen. 
Letztgenannten Befund konnte er unter 50 Fällen 20 mal erheben. Die 
Bilder zeigen an Befunden, die über das Gewöhnliche hinausgehen, 
Lymphosytenherde im Nervenparenohym, ausserhalb der Gefäss- 
soheiden („Ausstreuen“ von letzteren aus), ferner infiltrierte Gefässe mit 
starker Endothelwucherung sowie mit erhebliohen progressiven 
Veränderungen an den Bindegewebsfasern, welohe den Uebergang zu 
den miliaren Gummen bilden, ln solchen finden sich Plasmasellen 
mit epitheloiden Zellen untermischt, einmal auch Riesensellen, stets in 
Verbindung mit Bindegewebswuoherungen. 


4. Hr. Reiche zeigt ein 14jähriges Mädohen mit Mikuliei’scher 
Krankheit, bei der sioh jedoob, abgesehen von den charakteristischen 
Schwellungen der Parotis, Sublingualis, Submaxillaris und der Tränen¬ 
drüsen ein Milztumor sowie eine Leukopenie von 800—2000 Leuko¬ 
zyten (darunter 90 pCt. Lymphozyten und zwar 72,5 pCt. kleine) fand, 
ein Beweis für die neuere Auffassung, dass diese Affektion ein Sym- 
ptomenkomplex, keine Krankheit sui generis ist. Die bisher nur apf 
einer Seite vorgenommene Röntgenbehandlung, welohe wegen der 
Leukopenie sehr vorsichtig, unter Kontrolle des Blutbilds, erfolgen 
musste, erzielte einen durch den Vergleich mit der unbehandelten Seite 
sehr deutlichen Rüokgang der Schwellungen. 

5. Hr. Lorey zeigt eine Reihe von Röntgeibildern abgesaekter 
Pleuraergüsse: Intensive Schatten, die sich sobarf gegen das normale 
Lungengewebe absetzen, unterscheiden die Bilder von pneumonischen 
Herden und Abszessen; besonders wichtig sind diese Bilder zur Er¬ 
kennung der Ergüsse im Interlobärspalt. 

6. Hr. Trümier berichtet zunächst, dass bei einem vor 1 Jahr vor¬ 
gestellten Fall von Plexuslähmung infolge von Halirippe nach opera¬ 
tiver Entfernung der letzteren keine weitere Verschlechterung einge¬ 
treten sei (mehr war nioht zu erwarten), und stellt dann zwei weitere 
in dies Gebiet gehörige Fälle vor: Im ersten bestanden Parästhesien im 
kleinen Finger sowie eine Klumpke’sohe Plexuslähmung mit Herab¬ 
setzung der elektrischen Erregbarkeit und Andeutung von EaR. Das 
Röntgenbild ergab eine Halsrippe an der gesunden Seite, an der 
kranken nur stark entwickelten Querfortsatz. Operativer Ein¬ 
griff würde wegen der Schwierigkeit desselben hier nur bei ungewöhn¬ 
licher Progredienz der Lähmung in Frage kommen. Im zweiten Fall 
war eine wahrscheinlich von Geburt an bestehende Verkrüppelung der 
rechten Hand mit Atrophie der kleinen Handmuskeln im Krieg ver¬ 
schlimmert. Die elektrische Erregbarkeit war herabgesetzt, im Daumen 
erloschen. Röntgenaufnahme ergab keine Halsrippe, wohl aber die 
bei solchen oft zu beobachtende Skoliose der Halswirbelsäule mit 
Aneinanderdrtickung des 5. und 6. Querfortsatzes, wodurch die Kom¬ 
pression des Plexus bedingt wird. Therapie kann hier nur symptoma¬ 
tisch sein. 

7. Hr. Bestroem zeigt das Präparat eines intra vitam diagnosti¬ 
zierten Solitärtuberkels des reckten vorderen Vierhtigels. Bei dem 
5jährigen Mädchen, das über starke Kopfschmerzen klagte, hatte eine 
rechtsseitige Okulomotoriuslähmung (innere und äussere) sowie links¬ 
seitige Hemiataxie bei doppelseitiger Stauungspapille bestanden. Sensi¬ 
bilität intakt, keine Pyramidenbahnsymptome. Röntgen: Hilusdrüsen- 
tuberkulose. Pirquet +. Exitus nach */< Jahr an Miliartuberkulose und 
Meningitis tuberoulosa. Die Sektion bestätigte die Diagnose. Im 
Anschluss hieran berichtet Vortragender über einen Fall von Vier¬ 
hügelblutung. Diese Patientin hatte eine rechtsseitige Trochlearis- 
und Abduzenslähmung gehabt, kombiniert mit linksseitiger Hemiataxie, 
sowie Pyramidenbahnensymptome und Sensibilitätsstörungen links. 
Hier lagen also Fern Symptome durch Druok auf den Hirnsohenkel 
und die Schleife vor. Bemerkenswert ist, dass in beiden Fällen Hör- 
und Sehstörungen fehlten. 

8. Hr. Fahr demonstriert die Mikroskopischen Veränderungen, die 
intra vitam vorgenommene Röntgenbestrahlung an Lebermeta- 
stasen eines besonders in den mesenterialen und retroperitonealen 
Lymphdrüsen lokalisierten Lymphosarkoms verursaoht hatte. Die 
Leber zeigte eine Reihe tiefer strahliger Einziehungen wie bei einem 
Hepar lobatum syphiliticum, sowie neben unveränderten Tumormeta¬ 
stasen strukturlose braune Herde, welohe aus Bindegewebe, Gefässen, 
ganz vereinzelten Lymphozyten sowie reiohliohem Pigment bestanden, das 
vermutlich teils Melanin, teils Hämosiderin ist. Die Regenerations¬ 
fähigkeit des Tumorgewebes bleibt aber doch unangetastet. Von 
den wenigen übrigbleibenden Lymphozyten gehen neue mächtige Herde 
aus. 

9. Hr. Oekleeker: Bluttransfusion von Vene n Vene hei perni- 
niiser Anämie. 

Da die Transfusion eines mechanisch durch Defibrinieren oder che- 
misch durch Natriumzitrat maltraitierten Blutes unangenehme Zufälle 
mit sioh bringt, kommt heute nur die direkte Transfusion des 
nativen Blutes in Frage, bei der die Reaktion viel milder verläuft. 
Vortr. zieht den verschiedenen Methoden der Ueberleitung von Arterie 
zu Vene oder von Arterie zu Arterie eine solohe von Vene zu Vene 
vor, bei der durch eine Spritze, die duroh Hahnstellung sowohl mit der 
Vene des Spenders wie mit der des Empfängers verbunden werden kann, 
je 50 com entnommen und eingespritzt werden können; die Spritze wird 
dann gewechselt und das System mit Kochsalz ausgespritzt. Vorteile 
der Methode sind, dass sie schneller geht (von der Arterie flieset das 
Blut viel langsamer ein, als aus der gestauten Vene), dass man genau 
weise, wieviel man injiziert hat, und dass jederzeit unterbrochen 
werden kann, um die Wirkung auf den Patienten zu beobachten, ln 
30 Fällen versagte die Methode niemals; irgendwelche schwerere Stö¬ 
rungen sah Vortr. nie. Nur einmal musste er unterbrechen wegen Er¬ 
brechens bei einer Patientin, die auch vorher schon oft erbroohen hatte. 
Naoh der Transfusion trat häufig gar keine Reaktion, bisweilen Schüttel¬ 
frost, etwas Fieber und Unbehagen auf, das naoh 1—2 Tagen ver- 
sohwand. Wenn möglich, sollen Blut des Spenders und des Empfängers 
vorher serologisch auf Hämolyse und Agglutination untersuoht 
werden; dooh sah Vortr. auch, wenn eine von diesen beiden Erschei¬ 
nungen vorhanden war, keine nachhaltigen Folgen für den Empfänger. 
Für die Indikation der Bluttransfusion muss man die Fälle, bei denen 


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14. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ein akuter Blutverlust raaoh ersetst werden soll, von denjenigen 
unterscheiden, bei denen die Blutbildung angeregt werden soll. 
Im enteren Fall sind die Erfolge schwer su beurteilen, weil hier die 
Hebung des Blutdrucks eine grosse Rolle spielt und durch NaCl- 
oder Ringerlösung oft ebensoviel su erreichen ist. Dagegen sind die 
Erfolge bei pernisiöser Anämie oft sehr frappant, und awar gerade 
auch in Fällen, die vorher mit subkutanen oder intramuskulären Blut* 
Injektionen wie auch intravenös mit defibriniertem oder natriumsitrat- 
versetstem Blut erfolglos behandelt waren. Von 17 einschlägigen Fällen 
des Vortr. scheiden drei aus, die moribund aufgenommen und nur auf 
dringenden eigenen Wunsch behandelt wurden. Von den übrigen 14 
seifte die Hälfte teils keinen oder nur geringen Erfolg, teils zunächst 
sehr gute Besserung, der jedoch ein Rückfall folgte, der duroh erneute 
Transfusion nicht su beeinflussen war. Die übrigen 7 zeigten ausge¬ 
zeichnete Besserungen, die jetzt bis su 14 Monaten dauern. Neben der 
Hebung der Erythrozyten- und Hämoglobin werte ist besonders die Zu¬ 
nahme des Appetits hervorzuheben. F. Wohlwill-Hamburg. 


Medizinische Gesellschaft zu Göttin gen. 

Sitzung vom 13. Mars 1919. 

1. Hr. Rieeke: Demonstration eines Falles voi sekiadlrer Lies 

mit Rupia syphilitica an Gesicht, Oht und Handtellern, die inmitten einer 
kombinierten Salvarsan-Hg-Kur aufgetreten ist und daher anfangs den 
Verdacht einer interkurrenten Hauterkrankung aufkommen liess. 

2. Hr. v. Hippel: Demonstration von mikroskopischen Schnitten 
duroh einen Bulbus, der entfernt wurde wegen einer eitrigen Uveitis, 
die im Gefolge einer typisohen, auf Tuberkulin stark positiv reagierenden 
Iridozyklitis aufgetreten war. Im Präparat findet sich ein typischer 
Zystizerkus. 

3. Hr. Meyer gibt in seinem Vortrag „über willkürlich bewegliche 
Kanstglieder“ zunächst einen geschichtlichen Ueberbliok über die Ent¬ 
wicklung der künstlichen Gtiedmaassen, beginnend mit der schon zum 
Festhalten des Schwertes fähigen „eisernen Faust“ des Götz von Berli- 
chingen. Arbeitsansätze, für jeden Beruf passend, wurden noch in diesem 
Kriege verwandt. Erst Sauerbruch erfand die Ausnutzung der im 
Amputationsstumpf liegenden Kraft im Gegensatz zur Gelenkkraft. Nach 
dem obersten Grundsatz: „Keine Schädigung des näohstliegenden Ge¬ 
lenkes durch die Anbringung des Kunstarmes“ werden Streoker und 
Beuger an genau bestimmter Stelle durohbohrt, ein Hautkanal durchge¬ 
sogen, durch diesen Elfenbeinstifte durchgesteckt, an denen dann der 
Arm befestigt wird. Vortr. erläutert an Lichtbildern die Operation und 
führt nach dieser Methode von ihm selbst operierte Patienten vor mit 
bedeutend verfeinerter Bewegungsfähigkeit gegenüber der reinen Gelenk¬ 
bewegung der früheren Prothesen. 

4. Hr. ßrins berichtet über seine Erfahrungen an der Westfront mit 
der „masedonisehen Malaria nid ihre Behaadlug“. Bei den in Maze¬ 
donien infizierten Soldaten wurden durch die mannigfachsten körperlichen, 
klimatischen und seelischen Sohädigungen mit oder ohne vorhergehende 
Aura, bestehend aus Kopf-, Glieder- und Milzschmerzen, entweder Erst- 
lingsfieber oder Malariarezidive hervorgerufen, d. h. das „Gleichgewicht“ 
zwischen Infektion und gebildeten Abwehrstoffen gestört. Die prophy¬ 
laktisch gegebenen kleinen Chinindosen bieten keinen Sohutz. Sie wirken 
wie die su verwerfenden künstlichen Provokationsmethoden auf die im 
peripheren Blut kreisenden Plasmodien abtötend, zugleich aber auch 
fördernd auf die Gametenbildung. Die Diagnose wurde in zweifelhaften 
Fallen aus Milzsohwellung, Plasmodienbefund und Mononukleose über 
5 pCt. und typischen Regenerationsformen im Blut gestellt. Die thera¬ 
peutischen Erfahrungen mit Neosalvarsan, im Anfall injiziert, waren 
weniger günstig, da dasselbe neben plasmatizider Wirkung eine provo¬ 
katorische entfaltete, die sich in bestimmten Fiebererscheinungen äusserte. 
Dagegen erwies sioh eine kombinierte Chinin-Salvarsankur als sehr günstig. 
Das im Anfall und in den ersten Tagen in hohen Dosen verabreichte 
Chinin tötet nicht nur die Plasmodien, sondern auch die am 4. Tage 
duroh Salvarsaninjektion aasgeschwemmten Gameten, ehe diese in Dauer¬ 
formen übergehen. 5 Wochen lang wird in 10 tägigen Intervallen die 
Neosalvarsaninjektion von 0,45—0,6 wiederholt, zugleich mit absteigender 
Zahl der Chinindosen. Die Entlassenen werden nooh 2 1 /* Monate lang 
2 mal wöchentlich mit Chinin behandelt. Die orzielten Resultate waren 
befriedigend, besonders auoh in Hinblick auf die Heilung der Malaria¬ 
anämie. 

5. Hr. Tilgt berichtet über seine z. T. schon in den Therapeutischen 

Monatsheften vom November 1917 und 1918 veröffentlichten Versuohe 
mit intravenösen Injektienen von kolloidalem Jodsilber bei Strumen, 
Gelenkrheumatismus, Arthritis deformans, die durchweg befriedigend 
waren in bezug auf Absohwellung, Schmerzen und Bewegungsfähigkeit 
nach relativ kleinen Dosen Jod. Beim Skorbut war die Wirkung gleich¬ 
falls bedeutend sicherer als bei den Parallel versuchen mit Diät allein 
oder mit Jodkali. Im allgemeinen fand sioh naoh der Injektion eine 
Leukozytenvermehrung, gelegentlieh mit staffelförmigem Anstieg derselben 
bei Reinjektion. _ 


Sitzung vom 10. April 1919. 

1. Hr. Schmidt: Demonstration eines Patienten mit einer im An¬ 
schluss an Typhus aufgetretenen kombinierten Erkrankung von Mnskel- 
atrophle im Sinne der Dystrophia musoulosum unter Mitbeteiligung des 
M. maaseter und M. temporalia und von Myotonie im Sinne der Thomsen- 


schen Krankheit, objektiv nur in der Handmuskulatur, elektrisoh auch 
in anderen Muskel gebieten nachweisbar: das seltene Bild der atrophi¬ 
schen Myotonie, in dem auoh die Störung in der Tränensekretion 
und eine gewisse Hodenatrophie nioht fehlen, wohl aber die auoh be¬ 
schriebene Kataraktbildung. 

2. Hr. Henbner demonstriert seinen eigenen Assistenten mit einer 
eigenartigen Atropinvergiftnng: nach dem Genuss eines am Tage vorher 
mit 2 dg Atropin vergifteten Kaninchens. 

3. Hr. Igerskeimer demonstriert an mehreren Patienten als Ergän¬ 
zung zu seiner früher hier mitgeteilten Therapie der Hemianopsie duroh 
Spiegelbrillen eine Erweiterung der Konstruktion auch für die Hemi- 
anopsia inferior, sowie für die verschiedenen Ansprüche der Naharbeit 
oder der Orientierung auf der Strasse. 

4. Hr. Oehme: Demonstration eines Patienten mit multiplen Tamoren 
in der Snbkntis mit Drüsensohwellung, duroh Röntgenbestrahlung geheilt, 
jetzt naoh 3 Jahren wieder aufgetreten. Blutbefund: Erythrozyten normal, 
Leukozyten 4000—6000 mit 40—50 pCt. Lymphozyten. Die anfangs 
gestellte Diagnose auf Lymphadenose musste duroh den pathologischen 
Befund zugunsten einer generalisierten Sarkomatose fallen gelassen 
werden. Therapie: Arsen, Röntgen. Allgemein ist dazu su bemerken, 
dass auf eine relative Lymphozytose nicht zu viel Wert su legen ist. 

5. Hr. Lehmann: a) Demonstration einer Kriegsverletzung mit plötz- 
lioher Steifheit im Ellenbogengelenk und einer nach Stellung und Sensi¬ 
bilität anmutenden Radialis-Ulnarislähmung; wegen gut erhaltener elek¬ 
trischer Erregbarkeit und fehlender Atrophie aber als traumatische 
Neurose, Akinesia amnestiea, anzusprechen. 

In der Diskussion wird von neurologischer Seite die Berechtigung 
der Trennung der traumatischen Neurose von der Hysterie im Sinne 
Oppenheim’s angezweifelt. 

b) Bericht und Demonstration von Röntgenphotographien von einem 
Patienten, bei dem im 21. Jahre eine teigige Schwellung des linken 
Beines mit 4 cm Verlängerung und Abkühlung der Extremität aufge¬ 
treten ist. Am unteren Rumpf befindet sich linksseitig ein ausgedehnter 
pigmentierter Naevus, der auoh in Analogie zu einem von Biegler ver¬ 
öffentlichten analogen Fall mit als ursächliches Moment angesprochen wird. 

Hr. Fromme berichtet über eine „endemisch anftretende Erkraa- 
knng des Knochensystems“. Im Ausgang dieses Winters mehrten sich 
in der Poliklinik die Klagen junger fast ausschliesslich männlicher immer 
stark körperlich arbeitender Personen zwischen 11 und 18 Jahren über 
Knie- und Hüftsohmerzen, Unfähigkeit, die früheren gewohnten Lasten su 
tragen, Treppen zu steigen, leichte Ermüdbarkeit. Die Röntgenbilder 
von Femur und Tibia wiesen, anfangs nur sehr schwach sichtbar, 
später in stärkerem Maasse eine Verdünnung der Kortikalis auf, stellen¬ 
weise mit völligem Schwund derselben, ferner eine auffallende Verbrei¬ 
terung der Epiphysenlinie, in 8 Fällen eine Spontanfraktur etwas ober¬ 
halb der Epiphyse mit Einkeilung der dünneren Diaphyse in die breitere 
Epiphyse. Der einzige weibliohe Patient wies ein in gleicher Weise 
verändertes Becken auf mit einem osteomalazischem Gang. Bei den 
anderen bestand z. T. Verkrümmung naoh Art des X-Beines, der Goxa 
vara, des Plattfusses u. dergl. Nur aus Wien wurden kürzlich ähnliche 
Erkrankungen berichtet, allerdings meist bei Frauen in der Menopause, 
teils mit positivem Trousseau- und Chvostekpbänomen. Als Ursache 
dieser mit Entkalkung einhergehenden Knochenerkrankung führt Vor¬ 
tragender folgendes an: 1. allgemeine Unterernährung, 2. Mangel an 
Kalk, was vielleicht in unserer kalkreichen Gegend und bei fehlender 
Erkrankung in den Zeiten des grössten Kalkraubes, der Gravidität und 
der Laktation, weniger in Betracht kommt. Eher 3. Mangel an Phos¬ 
phorsäure, die in steigenden Mengen in Käse, Reis, Fisch, Eigelb, Fleisch 
und Butter enthalten ist. 4. Fehlen von Vitaminen. Daher das Auf¬ 
treten am Ende des Winters bei Fehlen des frischen Gemüses und bei 
der jetzigen Gemüsebereitung in Form des Kochens, gegenüber dem 
früheren Dämpfen. 5. Beziehung zu den endokrinen Drüsen, bei denen 
Hyperfunktion raohitisartige Erscheinungen auftreten. 6. Mitwirkung 
der infektiösen Komponenten, was nach dem grippereicben Winter nicht 
unwahrscheinlich erscheint, duroh Tierversuche bestätigt ist und, wie 
Herr Stich in der Diskussion hervorhebt, in einer ähnlichen Epidemie 
von Knoohenerkrankungen im Jahre 1895 von Franke auch mit als 
ursächliches Moment angesehen wurde. Als Therapie kommen in Frage: 
Luft und Sonne, Verringerung der Arbeit, bessere und vielseitigere Er¬ 
nährung, Zufuhr von Kalk in Form von Calo. laot. und Phosphor, Zu¬ 
fuhr von Vitaminen. Analog der Schmerslinderung bei Osteomalazie kommt 
Adrenalin in Betracht. 

Vortr. sohliesst mit der Verlesung eines Rundschreibens an die 
übrige Aerztesohaft zwecks Feststellung gleioher Erfahrungen, das ev. 
der Reichsregierung vorgelegt werden soll als praktischer Beweis für die 
verheerende Wirkung der Hungerblockade, als Handhabe in der Friedens¬ 
konferenz. 

An der sehr lebhaften Ausspraohe beteiligten sioh u. a.: 

Hr. Heubner: Insuffisienzversnohe mit P. bei empfindlichen Tieren, 
allerdings mit gleichzeitigem Mangel an Vitaminen weisen ähnliche Er¬ 
scheinungen auf. Bei uns aber kann kein Mangel an P. vorliegen, weil 
die überhaupt geringe erforderliche Menge in unserer Nahrung insbe¬ 
sondere im Kriegsbrot, enthalten ist. Auoh Vitamine sind in Form von 
Kleie in unserem Brote reichlich vorhanden. P-Lebertran kann nioht 
zur Phosphorbereioherung dienen, da er P. in Substanz enthält, der 
Organismus aber Phospborsäure bedarf. Therapeutisch su empfehlen wäre 
Genuss von Rübensaft, Hefe, Apfelsinensaft. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


Hr. Göppert: So wie das Wesen der Rachitis, so ist wohl auch 
das Wesen dieser Krankheit nioht als Mangel an Nahrung allein auf- 
xufassen, sondern als eine Summe von Schädlichkeiten, die einen dasu 
disponierten Organismus trifft. Das Alter zwischen IS und 18 Jahren 
verlangt oa. 80 Kal. pro kg und nicht 30—40 wie der Erwachsene. 
Nioht da9 susammengekochte Gemüse ist su verwerfen, sondern die 
Unsitte, die Gemüsebrühen mit den Extraktivstoffen fortsugiessen. Die 
bei uns im Kriege gegenüber Friedensseiten so gehäuft auftretende 
Raohitis lässt sich in Parallelen setsen su der Tatsache, dass das er¬ 
nährungsgestörte Kind viel leichter an Rachitis erkrankt als das gesunde. 
Auch darin ist eine Analogie dieser neuen Erkrankung sur Raohitis, dass 
beide im Ausgang des Winters sum Ausbruch kommen. 

Hr. Blühdorn betont die analoge ungeheure Häufung (ca. 50pCt. 
aller kleinen Kinder) der Spasmophilie nach dem letzten trüben Sommer 
in diesen letzten Monaten, trotz unserer kalkreiohen Gegend. Es kommt 
eben auf resorbierbaren Kalk an. Der einzig sicher wirksame Kalk ist 
das Calo, ohiorat. in grossen Dosen, mit dem sogar manifeste Tetanie 
geheilt wird. 

Hr. Lehmann (Landwirtschafte Institut): Unsere Nahrung enthält 
reichlich Kalk und Phosphorsäure. Kalkdüngung ist ohne Einfluss da¬ 
rauf. Bei durch Eiweissmastkur hervorgerufener «Knochensteifheit“ bei 
Tieren wurde, auoh bei stärkster Anspannung, der Krankheit vorgebeugt 
duroh Fisohfutter, 20 pCt. Kalk enthaltend. Wesentlich ist, dass der 
Kalk in resorbierbarer Form sugeführt wird. Analog dem Tierversuch 
wäre su versuchen, unserer Wurst fein verteilte Knoohensubstans junger 
Tiere sususetsen. Boeder. 


Natarhistorlsch-medixlnischer Tereln sn Heidelberg. 

(Medizinische Sektion.) 

Sitzung vom 11. Februar 1919. 

1. Hr. P. Schneider demonstriert mikroskopische Präparate frischer 
Fleck!eberreseelei ; die Befunde decken sieh mit denen FränkelV 
Hamburg (1913). 

2. Hr. Petersei: Heber die Herkunft der Kieeheiflbrillei. (Eignet 
sich nicht zum Referat.) 

Sitzung vom 25. März 1919. 

1. Hr. Bettnm: Demonstration eines Falles von ▼irislifsrmea 
Syphilid und eines Falles von varioliformer Impetigo. 

2. Hr. Kossel : In den letzten Wochen sind in Heidelberg und Um¬ 
gegend über 45 Erkrankungen an Peckei gemeldet. Er bespricht die 
bakteriologische Diagnose. Die Guamieri’aohen Körperchen, die durch 
Kuhpocken, auoh filtriert, in der Kornea des Kaninchens erzeugt werden 
können, sind auoh duroh menschliche Pookenpusteln su erzielen. Doch 
ist dieser Naohweis zurzeit wegen der Kaninohenknappheit schwierig. 
Qb die Pasche n’schen Körperchen, die im Ausstrich von Pustelinhalt 
nach Löf Herrscher Geisselkörperfärbung und Nachfärbung mit Karbol- 
fucbsin gefunden werden, ebenfalls pathognomonisoh für Variola sind 
oder auoh bei Varizellen Vorkommen, bedarf weiterer Untersuchung. 
K. fand sie in 3 Fällen. 

3. Hr. Flciier: Die Klinik der Viriola, wie er sie in der Pooken- 
baraoke beobachten konnte, ergab niohts Neues. Die verschiedenen 
Formen: Variola discreta, V. oonfluens, Purpura variolosa primaria (von 
Anfang an keine Pusteln!), V. pustulosahaemorrbag. (»schwarze Pooken“), 
V. sine exanthemate, Varioloid, kamen alle sur Beobachtung. Die 
Prognose ist ernst, besonders bei kleinen Kindern, Schwangeren und 
alten Leuten. 

Aussprache. 

Hr. Holl berichtet über die Verteilung der Krankheitsfälle auf 
die einzelnen Ortschaften. 

Hr. Holthusen berichtet über einen Fall von Purpura variolosa, 
der am 6. Krankheitstag in die Klinik kam und starb; in demselben 
Hause war auoh ein typischer Variolafall. 

Hr. Marohand: Das Blutbild ist nicht charakteristisch, auf dem 
Höhepunkt Hyperleukosytose, in sohweren Fällen Leukopenie, stets Ver¬ 
mehrung der Mononukleären. 

Hr. Kassbaum macht darauf aufmerksam, dass bei Erwachsenen 
zuweilen die zweite oder dritte Impfung positiv ausfiel, wenn die erste 
negativ war. 

Hr. Kossel erlkärt das damit, dass zuerst schlechte Lymphe ver¬ 
wendet wurde. 


Sitzung vom 8. April 1919. 

1. Hr. Baisek zeigt ein Röitgenbild dies Fasses mit ukiesserisehea 
Os tiklale und Os peroaenm; er weist darauf hin, dass solche ak¬ 
zessorische Skelettteile lälsohlioh als Knochenabsprengungen gedeutet 
werden können und deshalb in der Unfallgutachtung eine Rolle spielen. 
Io diesem Fall waren sie an beiden Füssen vorhanden. — 

Sodann führt er einen Patienten mit einem sehr kurzen Unter- 
sohenkelstumpf vor, in dessen Prothese eine sog. «Schiebehülse 11 
verwendet wird; daduroh wird erreioht, dass die Prothese festsitst und 
am Stumpf die Reibung vermindert wird. 

Bei Amputation nach Cbopart empfiehlt er an dem künstlichen 
Fuss keine feste Sohle, sondern ein Gelenk in der Gegend der Meta- 
tarsophalangealgrense; das Abwiokeln des Fubscs wird daduroh leichter. 


Mehrere Pat., bei denen wegen irreparabler Radialislähmung 
Sehnentransplantationen gemacht wurden, werden vorgestellt. 
Vortr. bespricht die Indikationen (unüberbrückbarer Defekt des Nerven, 
lang anhaltende Eiterungen) und die Operationsmetboden (Ueberpflansung 
der Flexoren mit oder ohne Tenodese der Extensoren; in Betraoht kommen 
der Flex. carpi radialis brevis, longus und Flex. oarpi ulnaris. Ueber- 
pfiansuug auf die Daumenmuskeln und Fingerstreoker. Die Hand muss 
in leichter Dorsalflexion (20°) stehen, damit voller Faustschluss zu¬ 
stande kommt). Erfolg gut. 

Zum Schluss zeigt der Vortr. 2 Patienten mit Ellenbogen- 
ankylose bsw. Sohlottergelenk der Sohulter. Operativ (Aus- 
meisselung des ankylotischen Gelenkes und Einschlagen des Muse, trlceps, 
bsw. Zwisohenlagerung eines Faszienlappens) wurde zufriedenstellende 
Funktion erreioht 

Aussprache: Herr Enderlen weist darauf hin, dass er nooh 
12 Jahre nach der Verletzung die Funktion des N. radialis wiederkehren 
sah. Auf die Tenodese würde er nioht verzichten; Ueberpflansung beider 
Beuger hält er für gewagt. 

2. Hr. Sack: Haaraisfall nach Grippe. 

Der Vortr. beobachtete im Januar und Februar d. J. sehr häufig, 
„epidemieartig“, bei jungen Leuten, meist weiblichen Gesohleohts starken 
Haarausfall. Die Pat. hatten im Oktober oder November 1918 Influenza 
durchgemacht Das Haar war glanzlos, brüohig, fiel in Büscheln aus; 
aus Einschnürungen am Haarschaft und Querfurchen der Fingernägel 
(trophisohe Störungen) liess sich die Zeit, die seit der Grippe verflossen 
war, genau berechnen. Gute Prognose (Restitution in 6—8 Wochen). 
Stimulierende Behandlung. 

3. Hr. Freud: Ueker Giftwirkuugei des deflkriiiertea Blatts. 

Die Wirkungen von Seruminjektionen und Bluttransfusionen, die 
als «Transfusionserscheinungen* bekannt sind, beruhen sum Teil auf 
der Giftwirkung artfremden Blutes; auoh arteignes Blut kann ähnliche 
Wirkungen ausüben: Isolysine, Isoagglutinine. Darüber hinaus treten 
aber schwere Erscheinungen auf, wenn selbst körpereigenes Blut frisch 
nach der Defibrinierung reinjisiert wird, bei den verschiedenen Tierarten 
verschieden ausgesprochen, am stärksten beim Kaninchen, weniger stark 
bei Hunden und Katzen usw. Es handelt sich dabei, wie sich beim 
Kaninchen zeigen liess, um vorübergehende Wirkungen, je nach der 
Zeit, die swisohen Defibrinierung und Reirjektion liegt. In der ersten 
Viertelstunde tritt bei der Reinjektion der Tod ein. Etwas spätere 
Reinjektion führt zu Kollapsen, nach etwa einer halben Stunde bewirkt 
sie Fieber, und etwa 20 Stunden später werden sie ohne Aenderung der 
Körpertemperatur vertragen. Früher konnte gezeigt werden, dass es 
nioht das Fibrinferment ist, dem diese Wirkungen zukommen, auoh nioht 
der Gerinnungsvorgang als solcher, sondern dass die schwere Giftwirkung 
immer dann zustande kommt, wenn die Blutplättchen entweder im 
Zitratplasma mechanisch oder isoliert duroh destilliertes Wasser zerstört 
werden. 

Ausser der Fieberwirkung sind Wirkungen auf Gefässe, Darm und 
Uterus bekannt, die dem Zitratplasma fehlen und im Serum nachweisbar 
sind. Die vorliegenden Untersuchungen richten sich darauf, die vorüber¬ 
gehenden chokartigen Wirkungen pharmakologisch su studieren und ihren 
Zusammenhang mit Blutplättchenserfall und Gerinnung su entscheiden. 

Es zeigte sich, dass immer der Plättohenzerfall das Entscheidende 
war, auch wenn die Gerinnung nicht eintrat. Es ist also für das Auf¬ 
treten der untersuchten Wirkungen gleichgültig, ob die Blutplättchen 
meobanisch zerstört werden, oder ob sie im Zusammenhang mit dem 
Gerinnungsvorgang zerfallen; auf die Kolloidlällung bei der Gerinnung 
kommt es nicht an. 

Ferner gelang es, zwei einander entgegengesetzte Wirkungstypen 
festsustellen, von dem der eine sich nur ganz vorübergehend, etwa 
10—20 Minuten nach der Blättchenserstörung, naohweisen lässt, und 
dann versohwindet, oder duroh die antagonistische Wirkung über¬ 
troffen wird. 

Die Frühwirkung besteht am Trendelenburg’sohen Frosobgefäss- 
präparat in einer erhebliohen Vasodilatation, die dann erst durch die 
bekannte vasokonstriktorisohe Wirkung abgelöst wird. 

Am Froschherzen bewirkt die intravenöse Injektion frisoher Prä¬ 
parate leichte Peristaltik, mit allmählich immer schlechter gefülltem, 
schlaffem Herzen, schlechte Systole und schlechte Diastole, in Einzel¬ 
fällen Stillstand in Mittelstellung — ein Bild, das am ehesten mit aus¬ 
gebluteten Frosohhersen verglichen werden kann. Die Wirkung nach 
längerem Stehen war eine ganz andere: sofort nach der Injektion stärkste 
Füllung von Vorhof und Ventrikel, zuweilen obokartiger diastolischer 
Stillstand, der aber meist nach zwei bis zehn Minuten vorüberging und 
einer sehr starken Peristaltik Platz machte. In einzelnen Fällen konnte 
diese nooh zwei Tage lang bestehen bleiben, dasu häufig Rhythmus- 
Störungen, die, soweit die Beobachtung einen Schluss erlaubte, auf 
Dissoziation swisohen Vorhof und Ventrikel beruhte. Systolischer Still¬ 
stand wurde nioht beobachtet, jedoch glich das Bild im übrigen sehr 
der Digitaliswirkung. Dieser Eindruok bestätigte sich bei der Kombination 
unseres Präparates mit Gitalinlösung von bekannter Wirksamkeit, und 
zwar trat hier der Antagonismus der beiden Wirkungen sehr deutlich 
hervor, frisch geschlagenes Plättchenplasma hemmte das Auftreten des 
systolischen Stillstandes naoh einer sonst sioher wirksamen Dosis; statt 
in 90pCt. der Versnobe trat der systolische Stillstand nun in 48pGt. 
ein (25 mal in 54 Versuchen). Umgekehrt trat bei längerem Stehen¬ 
lassen die oben geschilderte digitalisahnliohe Wirkung in einem deut- 


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14. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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liehen Synergismus mit der halben Gitalinmenge hervor; während die 
halbe Git&lindosis allein nur in 13pCt. der Versuche zum systolischen 
Stillstand führte, trat bei der Injektion der Mischung mit altem Plättoben¬ 
plasma der Stillstand in 47 pCt. der Versuche (11 mal von 24 Versuchen) 
ein. — Nebenbei sei erwähnt, dass auch Extrakte aus Katzenleber und 
auch Pferdeerythrozyten die gleiche Wirkung zeigten wie die Spätwirkung 
der Katzenblutplättohen. Das ist beachtenswert für die Versuche, io 
Extrakten aus Organbrei oder Blut Digitaliskörper mit biologischen Me¬ 
thoden quantitativ iu bestimmen. 

Am Katzendarm wurden die von Dittler im Serum gefundenen, 
beiden antagonistischen Wirkungen — anfängliche Hemmung und nach- 
herige Erregung — auoh für den Blutplättchenzerfall bestätigt; hier 
war die hemmende Wirkung nur bei frisoh geschlagenen Plättchen und 
ganz unabhängig von der Gerinnung nachweisbar. Bei älteren Plättchen- 
plasma wurde nur reine Erregung gefunden, während die anfängliche 
Hemmung fehlte. Am Katzenuterus Hess sioh nur eine Wirkung — 
starke Erregung — nachweisen. 

Die Blutplättohenzerfallsprodukte stellen vielleicht nur einen Spezial¬ 
fall vor; dass sioh z. B. die Herzwirkung auoh aus anderen Zellextrakten 
darstellen lässt, wurde ja erwähnt. Die Bedeutung liegt darin, dass die 
Blutplättchen eine besonders leicht lädierbare Zellart sind, deren Zerfall 
unter den verschiedensten toxischen oder infektiösen Einwirkungen statt¬ 
finden kann. Es sei nur an die Befunde beim infektiösen Fieber — 
Plättohenschwund beim Fieberanstieg, Plättchenvermebrung nach Fieber¬ 
abfall — erinnert. Gerade die Ablösung antagonistischer Wirkungen an 
autonomen Organen ist vielleicht geeignet, sowohl das Auftreten mancher 
infektiöser Symptome, als auoh die Möglichkeit ihrer Beeinflussung durch 
Normalserum, ferner die „Transfusionserscheinungen“ unserem Verständ¬ 
nis näher zu bringen. Hoffmann. 


Hermann Oppenheim f. 

Gedenkrede, gehalten in der Sitzung der Berliner Gesellschaft für 
Psychiatrie und Nervenkrankheiten am 16. Juni 1919 

von 

Prof. Dr. R. Cassirer. 

Wenn ich in diesem Kreise versnobe, ein Bild der wissenschaftlichen 
Lebensarbeit Oppenheim's zu geben, könnte dies als ein überflüssiges 
Beginnen ersoheinen. Sie haben ihn ja alle an der Arbeit gesehen. Er 
hat Ihnen selbst die Früchte seiner Tätigkeit vielmals vorgelegt. Sie 
kennen einen grossen Teil seiner Leistungen aus eigener Anschauung. 
Und doch ist es vielleicht berechtigt, zu glauben, dass, so genau sich 
die Einzelheiten eingeprägt haben, gerade die unmittelbare Nähe, aus 
der wir die Tätigkeit des Verewigten sahen, das Gesamtbild Beines 
Sohaffens nioht überall in voller Deutlichkeit hervortreten lässt. Und 
so will ich mich bemühen, es in einigen Strichen zu zeiohnen. 

Der wissenschaftliche Entwicklurgsgang Oppenheim's war sehr 
einfach. Am 1. Januar 1858 in Warburg in Westfalen geboren, studierte 
er in Göttingen, Berlin und Bonn Medizin. Unter seinen Lehrern nennt 
er selbst Pflüger, Zunts, v. Leyden, Busch, Veit, Sämisch und 
Westpbal. 1881 promovierte er mit einer Arbeit Beiträge zur Physio¬ 
logie und Pathologie der Harnstoffaussoheidungen, die unter Zunts’ 
Leitung aogefertigt wurde und als gekrönte Preissohrift erschien. Die 
Arbeit stellt nach der Ansicht kompetenter Forscher einen wertvollen 
Beitrag zu der behandelten Frage dar. 

Nach einer kurzen Assistentenzeit an der Maison de Sante unter 
dem älteren Levinstein wurde er Assistent an der Nervenklinik der 
Charite, habilitierte sich von hier aus 1886 und blieb bis zu Westphal’s 
Tode in seiner Stellung. 

Während dessen langer Krankheit leitete er die Nervenabteilung und 
hielt die Klinik ab. 

Kurz vorher bin ioh zuerst mit ihm in Berührung gekommen. Er 
galt uns Studenten sohon damals als einer der besten Untersucher und 
Lehrer. Montags und Mittwochs vormittags nach 10 Uhr hielt er in 
dem alten Gerhardt’sohen Auditorium die Nervenpoliklinik ab. Hier 
habe ich ihn zuerst untersuchen sehen, hier habe ioh den ersten tiefen 
und naohhaltigen Eindruck von ihm empfangen. 

Nach Westphal’s Tode ging er von der Charitö weg und gründete 
eine eigene Poliklinik. 

Naturgemäss floss ihm das Material zunächst spärlioh zu, ein grosser 
Unterschied gegenüber der unerschöpflichen Fülle, die er von der Klinik 
her gewohnt war. An verschiedenen Krankenhäusern und namentlich 
am städtischen Siechenhause in der Fröbelstrasse fand er Gelegenheit 
zu klinischen und anatomischen Beobachtungen. 

Allmählich wurde das Material umfangreicher, das poliklinische wie 
das klinisohe. Seine Mitarbeit wurde von hervorragenden Klinikern, 
insbesondere von Bergmann, gesucht. Aber ich brauche in diesem 
Kreise nicht darauf binzuweisen, dass sich an allen Ecken und Enden 
Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten für Forschung und Lehre er¬ 
gaben, und nach beiden Seiten bin empfand Oppenheim diese Beengung 
bitter. Fast mehr noch als die Behinderung seiner wissenschaftlichen 
Arbeit drückten ihn die Hemmnisse, die sich seiner Lehrtätigkeit 
entgegensetzten. Er musste empfinden, dass er ein ausgezeichneter 
Lehrer war. In seine Poliklinik kamen die Aerzte aus aller Herren 
Länder, um seine Untersuchungstechnik zu sehen und von ihm zu lernen, 


darunter Männer mit sehr bekanntem Namen. Er fühlte den Beruf zu 
lehren in sich. In früheren Jahren hielt er Vorlesungen und Ferien¬ 
kurse ab, die weithin berühmt waren. Aber die stets erneut wieder 
auftretenden Schwierigkeiten veranlassten ihn, seine Lehrtätigkeit immer 
weiter einzuschränken, schon vor dem Kriege hat er Bie fast vollständig 
aufgegeben; und darüber kam er nioht hinweg. Er hörte nicht auf, es 
als eine Kränkung und Zurücksetzung zu empfinden, dass der Staat 
ihm keine Gelegenheit zu umfangreicher Lehrtätigkeit geschallen batte. 
Es war aber nioht der Aerger über das Ausbleiben äusserer Anerkennung. 
Die war ihm meiner festen UeberzeuguDg nach für ihn selbst nie wichtig, 
so wie sie ihm bei anderen nie imponiert hat. Was ihn grämte, war 
das Bewusstsein, dass eine Seite seiner Begabung, die ihm wertvoll 
schien, brach liegen musste. Und wir werden keinen Augenblick im 
Zweifel sein können, dass diese Ausschaltung Oppenheim’s als Lehrers 
für die Universität wie für den Staat ein unwiederbringlicher Verlust 
gewesen ist, der tief bedauerlich ist. Althoff’s bedenkenloser Eigen¬ 
wille gönnte ihm nicht einmal die karge Genugtuung einer Ernennung 
zum Extraordinarius, zu der ihn die Fakultät einstimmig vorgesohlagen 
hatte. 

Alle diese äusseren Schwierigkeiten haben seine wissenschaftliche 
Entwicklung nicht aufgehalten, haben seinen Aufstieg zum Führer der 
deutschen Neurologie nicht gehemmt. Er hatrich seine wissenschaft¬ 
liche Laufbahn aus Allereigenstem selbst gestaltet in mühseliger, treuer 
und erfolgreicher Arbeit. 

Aus der kurzen Assistentenzeit in der Maison de santö stammen 
kleinere Publikationen, unter anderem Beiträge zum Studium des 
Gesichtsausdrucks bei Geisteskranken. Dann kamen die Arbeitsjahre in 
der hiesigen Nervenklinik. Noch in späteren Jahren hat er von dem 
Glück dieser von jugendlicher Energie und jugendlichem Tätigkeitsdrang 
getragenen Schaffenszeit mit frohem Erinnern gesprochen. 

Das Fundament der Nervenheilkunde war zu dieser Zeit fest ge¬ 
gründet durch die Arbeiten der damaligen Meister Charcot, Leyden, 
Westphal, Erb; um ihren Ausbau bemühte sich Oppenheim in er¬ 
folgreicher Weise. Noch erwies sich das Studium des einzelnen Falles 
oder einer Gruppe von Fällen als wertvoll und lohnend, genauestes 
klinisches Erforschen, dem keine Einzelheit entging im Verein mit einem 
ebenso genau durchforschten anatomischen Material förderte wertvolle 
Ergebnisse. 

Hierher gehören die umfangreichen Untersuchungen zur Klinik und 
pathologischen Anatomie der Tabes, die die Kenntnis der 
Pharynxkrisen, der Feststellung der häufigen Erkrankung des Solitär¬ 
bündels des Vagus und die Veränderungen der peripheren Nerven er¬ 
brachte, hierher der Naohweis einer Beteiligung der Vorderhornzellen 
bei der Bleilähmung und der erste Sektionsbefund bei einer Polio¬ 
myelitis anterior ohronica. 

Einen breiten Raum nahmen in diesen Jahren Forschungen über 
die Lues cerebri und cerebrospinalis ein, die Pseudotabes syphi¬ 
litica wird beschrieben, die Symptomatologie der Meningitis gummosa 
basalis erweitert; ein besonders schönes Beispiel ausdauernder und ziel¬ 
bewusster klinischer Beobachtung bildet hier der Nachweis der flüchtigen 
bzw. in ihrer Intensität von einem Tag zum andern wechselnden Hemi¬ 
anopsie, die auf das seiner Natur nach unbeständige pathologisch- 
anatomisohe Substrat der syphilitischen Neubildung bezogen wird. 

In mehreren monographischen Darstellungen wird das Kapitel be¬ 
handelt, am erschöpfendsten in-der zum Nothnagel’schen Sammelwerk 
gehörenden Monographie. 

Die multiple Sklerose, die in klinischer und auch in patho¬ 
logisch anatomischer und ätiologischer Beziehung viel Wesen verwandtes 
mit der Lues aufweist, wird zuerst Mitte der achtziger Jahre in den 
Kreis der Beobachtungen gezogen. Sie hat sein Interesse dauernd ge¬ 
fesselt. 

Oppenheim bat wesentlich dazu mitgewirkt, den Reichtum der 
Symptomatologie und der wechselnden Verlaufsformen dieser Krankheit 
kennen zu lernen, er hat die Deutung des Zwanglachens gegeben, er 
hat als einer der ersten auf die dominierende Bedeutung der Optikus¬ 
symptome, ebenso wie sehr früh schon auf die Häufigkeit der Blasen- 
und sensiblen Symptome hingewiesen, hat die bulbären, zervikalen, 
sakralen Formen beschrieben, zuletzt noch auf das frühzeitige Auftreten 
von Gesichtslähmungen hingewiesen. Einer seiner letzten Vorträge in 
unserer Gesellschaft galt der Abgrenzung des Leidens von der Pseudo¬ 
sklerose. In einer Kontroverse mit Leyden bat er sich gegen die 
Einbeziehung der Sklerose in die übrigen Myelitisformen gewehrt und 
dabei seinen klinischen Scharfsinn auch diesem eminenten Forscher 
gegenüber dokumentiert. Den schwierig zu beurteilenden Beziehungen 
zu disseminierten Enzephalomyelitisformen anderer Art, die voraus¬ 
sichtlich erst auf Grund neuer ätiologischer Erkenntnisse definitiv geklärt 
werden dürften, bat er seine Aufmerksamkeit gewidmet: Er wurde dabin 
auoh von seinen Enzepbalitisforschungen her geführt. 

Die grosse Grippeepidemie von 1889/90 batte, in einigem Gegensatz 
zu der jüngsten Epidemie, zu zahlreichen Enzephalitiserkrankungen An¬ 
lass gegeben. Oppenheim konnte beobaohteD, dass“ die Prognose 
dieser anscheinend so schweren Krankheitsfälle relativ günstig war. Er 
hat die otogene Unterforra der Krankheit beschrieben^ und ihre Ab¬ 
grenzung vom Hirnabszess festgelegt. Eine monosraphische Darstellung 
des schwierigen Gebietes erfolgte in Nothnagel’s Handbuch, für das er 
auoh nooh das ebenso heikle Kapitel des Hirnabszesses behandelte. 

Einen wesentlichen Fortschritt verdankt ihm die Lehre von den 
bulbärparalytisohen Erscheinungen. Er hat zusammen mit 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 26. 


Siemerling die arteriosklerotischen sog. Pseudoformen dieses Leidens 
anatomisch studiert, er hat als erster die infantile Form der zerebralen 
Glossopharyngolabialparalyse, hat einige neue, für diese Formen charak¬ 
teristische Einzelsymptome, den Fressreflex, die akustiko-motorische 
Uebererregbarkeit beschrieben, er bat bei Mutter und Kind ein ähn¬ 
liches Kraokheitsbild gesehen, das erst 25 Jahre später in einer Arbeit 
mit Gecile Vogt zusammen als striärer Genese festgestellt wurde; 
und er hat vor allem am Aufbau der Bulbärparalyse ohne anatomischen 
Befund entscheidend mitgewirkt, indem er einen klinisch und anatomisch 
genau untersuchten Fall von chronisoh progressiver Bulbärparalyse ohne 
anatomischen Befund mitteilte. Das Fehlen von Atrophie und Ea.R., 
die Beteiligung gewisser Muskelgruppen hat er erkannt, während der 
Nachweis der pathologischen Ermüdbarkeit und der elektrischen 
myasthenischen Erregbarkeit erst anderen Autoren gelang. 

Es gibt wohl kein Gebiet der organischen Neurologie, für das er 
nicht Beiträge geliefert hat; am geringsten ist die Zahl der für die 
Aphasie in Betracht kommenden, er hat in einer frühen Abhandlung 
sich mit dem Verhalten der musikalischen Ausdrucksbewegung bei 
motorischer Aphasie beschäftigt und hat später auf das praktisch- 
diagnostisch bedeutsame Vorkommen der sog. optisohen Aphasie beim 
Hirnabszess hingewiesen. Dagegen hat er an dem Ausbau der Lehre 
von der Polyneuritis sehr wesentlich mitgewirkt. Zu Beginn seiner 
wissenschaftlichen Tätigkeit lagen hier noch grosse Lüoken vor, die 
seine Arbeiten auszufüllen geeignet waren. Er hat arteriosklerotische 
und senile Formen des Leidens beschrieben, hat hier wie auch sonst 
überall der Prognose besondere Aufmerksamkeit gesohenkt — sohon 
seine Fälle beweisen, dass der Ausgang des Leidens keineswegs immer 
ein günstiger ist, was neuere Erfahrungen meines Eraohtens vielfach be¬ 
stätigen. Auoh in den letzten Jahren ist er'nochmals auf das Thema 
zurückgekommen. 

Auf einen viel beachteten Vortrag in der Hufeland’sohen Gesell¬ 
schaft über das interessante Krankbeitsbild der Polymyositis, die 
jetzt erneut unser Interesse fesselt und immer noch viel verkannt wird, 
sei im Anschluss darauf hingewiesen. Neben der Beteiligung der Haut 
hat er auch die der Schleimhaut, die bis dahin der Aufmerksamkeit 
entgangen war, hervorgehoben. 

Auoh die Lehre von den chronischen Muskelerkrankungen bat er 
bereichert. Eine wichtige Arbeit zeigt, dass die neurotisohe Muskel¬ 
atrophie kein einheitliches anatomisches Substrat hat. 

In dem sehr schwierigen Kapitel der frühinfantilen Bewegungs¬ 
störungen hat er. duroh die Aufstellung der Myatonia congenita 
einen wesentlichen Fortschritt erreicht. 

Die wenigen Seiten, auf denen er diese seine Entdeckung mitteilt, 
lassen seine klinischen Fähigkeiten im hellsten Lichte erstrahlen; er 
konnte sich nicht auf ein grosses Material klinisch beobachteter Fälle 
stützen, es waren kleine Kinder, die er nur das eine oder andere Mal 
gesehen hatte, deren Untersuchung unvollständig sein musste, patho¬ 
logisch-anatomisches Material stand ihm nicht zur Verfügung, aber aus 
seinem enormen und sorgfältig auswählenden Gedächtnis schöpfte er 
ohne weitere Grundlagen die Anhaltspunkte für die Umgrenzung des 
neuen Begriffs: Angeborene Hypotonie bzw. Atonie der Muskeln, Fehlen 
der Sehnenphänomene, Lähmungserscheinungen, Herabsetzung der elek¬ 
trischen Erregbarkeit und Neigung zu allmählicher Restitution waren 
die Kennzeichen. Die Stellung der Krankheit im System ist auch heute 
noch unklar. Aber die Affektion, die die auswärtigen Autoren all¬ 
gemein als Oppenheim’sche Krankheit bezeichnen, hat doch volles 
klinisches Bürgerrecht erworben. Unter ähnlichen Bedingungen gelang 
ihm die Abgrenzung einer anderen Affektion, der von ihm als Dystonie 
muscul. progr., von anderen als progressiver Torsionsspasmus be~ 
zeichneten Affektion. Auoh hier waren es Kranke, die er meist nur 
ein oder einige wenige Male konsultativ sab, die ihm unter der Diagnose 
Hysterie zugesandt wurden. 

Zwei grossen Gruppen von Erkrankungen hat er fast vom Beginn 
seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an seine besondere Aufmerksamkeit 
zugewendet, den Erkrankungen nach Traumen und den Neu¬ 
bildungen des Zentralnervensystems. Seine erste Arbeit über 
Hirntumoren stammt aus dem Jahre 1885; sie ist ein einfacher 
kasuistischer Beitrag. Im Jahre 1889 stellte er in der Gesellschaft der 
Charitöärzte den ersten exakt lokalisierten Fall von Kleinhirn- 
Brücken winkeltumor vor; er batte vor der Sektion dem Obduzenten die 
Zeichnung überreicht, auf der der Tumor eingetragen war, und hatte 
die Freude, die Diagnose durch die Autopsie völlig bestätigt zu sehen 
(B. kl. W., 1890, Nr. 2). Das Präparat hat er noch jahrzehntelang auf¬ 
bewahrt und mit berechtigtem Stolz gezeigt. Schon in dieser Arbeit 
sieht man angedeutet das Bestreben zu exakter Lokalisation zum Zweck 
operativer Behandlung. Ueber den ersten in Deutschland operativ ent¬ 
fernten Hirntutaor, der in der rechten motorischen Region sass, konnte 
er kurze Zeit danach berichten. Die Operation hatte Köhler aus¬ 
geführt. In einer grossen Arbeit beriohtet er bald darauf über 23 genau 
beobachtete Tumoren des Grosshirns. Die Frage der Operabilität wurde 
eingehend erörtert, bei keinem war ein Operationsversuch gemacht 
worden. Noch galt Bergmannes Satz: die Chirurgie der Hirntumoren 
ist die Chirurgie der Tumoren der motorischen Zone. Auch in der ein 
paar Jahre später erschienenen Monographie: Geschwülste des Gehirns 
ist eine wesentliche Aenderung dieser Auffassung noch nicht möglich. 
Aber nun geht es langsam vorwärts. In eifrigster Zusammenarbeit mit 
unseren ersten Chirurgen — zuerst hauptsächlich mit v. Bergmann, 
der Oppenheim hoch schätzte und überall hinzuzog — wird das Ge¬ 


biet der therapeutischen Eingriffe zu erweitern versucht, immer auf 
Grund umfangreichster und mühseligster Vorarbeiten. Diese mussten 
nach verschiedenen Richtungen geleistet werden; die Allgemeindiagnose 
musste sichergestellt werden; hier gab es Schwierigkeiten, die sich ent 
allmählich horausstellten. In einer Arbeit: «Die Prognose der Ge¬ 
hirnkrankheiten im Kindesalter“ wies er auf Affektionen hin, die 
das Krankheitsbild der Neubildung der motorischen Zone darboten, 
deren weiterer Verlauf aber diese Diagnose nicht bestätigen konnte, da 
sich die Erscheinungen wieder zurückbildeten. Ueber die pathologische 
Grundlage konnte Oppenheim bei dem Mangel an anatomischen Be¬ 
funden sich nur vermutungsweise äussern. Verwandte Beobachtungen 
anderer Autoren lieferten weitere Bausteine zum Aufbau der Lehre vom 
Pseudotumor, dessen schwierige Abgrenzung vom echten Tumor um 
so wichtiger ersohien, als gerade in diesen Fällen die Neigung zu Kon¬ 
vulsionen vom Jackson’schen Typus die Frage der operativen Behand¬ 
lung sehr nahe legte. Die Pathogenese dieser Affektionen ist bekannt¬ 
lich auch heute noch nicht gelöst, Reichardt’s Lehre von der Hirn¬ 
schwellung hat ein neues Moment der Betrachtung hineingebraoht 

Eine weitere diagnostische Schwierigkeit ergab sich gegenüber der 
Meningitis serosa chronica. Auoh hier verdanken wir Oppen¬ 
heim die erste genauere Beobachtung, indem er 1888 einen Fall von 
primärem, idiopathischem, chronischem Hydrozephalus mitteilte. Alle 
Erscheinungen deuteten, wie er sohreibt, auf einen endokraniellen 
Tumor, nur eine langjährige Remisssion sprach gegen diese Annahme. 
Diese eigentümliche Verlaufsform muss auch heute noch als das wesent¬ 
lichste diagnostische Kriterium gelten. Oppenheim hat das Krank¬ 
heitsbild zusammen mit anderen Forschern weiter auszugestalten ge¬ 
sucht. Es musste ja gerade bei seinen dauernden Bemühungen, die 
Grenze der operativen Behandlung der raumbeschränkenden Prozesse im 
Schädelinnern weiterzustecken, stets von neuem auf diese Schwierig¬ 
keiten stossen und Fällen begegnen, in denen die Allgemeindiagnose im 
Gegensatz zur vorigen Gruppe sicher war, aber nun wieder die Be¬ 
stimmung des Sitzes der Neubildung, die die zweite Voraussetzung zur 
erfolgreichen operativen Behandlung darstellte, unmöglich wurde. Dass 
es auoh umschriebene Formen dieser Meningitis serosa gab, stellte sich 
dabei alsbald heraus. 

In den letzten Jahren vor dem Kriege war sein Material in dieser 
Beziehung ein unerhört grosses. Der leider so häufig eintretende un¬ 
günstige Ausgang verschaffte ihm viel Gelegenheit zum Vergleich zwisohen 
anatomischen und klinischen Befunden. Jeder einzelne Fall wurde ihm 
da zum Problem. Er rang und stritt mit den schier unüberwindlichen 
Schwierigkeiten der Materie bis zu den Grenzen seiner körperlichen 
Leistungsfähigkeit, ja, wie wir jetzt trauernd sagen müssen, bis darüber 
hinaus. 

Wie oft kam er morgens, nachdem er schon einige Stunden am 
Schreibtisch zugebracht hatte, vielleicht auch sohon einer neuen Ope¬ 
ration beigewohnt hatte — denn er war immer bei diesen Operationen 
anwesend, beobachtete und gab Ratschläge —, wie oft kam er in die 
Poliklinik, verglich aufs genaueste in angestrengter geistiger Arbeit 
klinischen und anatomischen Befund, suchte Fehlerquellen zu entdecken, 
alle die komplizierten minutiösen Details prägten sich ihm unauslösch¬ 
lich ein, wurden nie vergessen und lagen zum Gebrauch immer wieder 
bereit, wenn er sich einem neuen Kranken gegenüber sah. Er hat in 
sehr zahlreichen Arbeiten über dieses Gebiet berichtet, hat eine Reibe 
von Einzelsymptomen entdeckt, beschrieben, gewertet, ich nenne nur 
den Nachweis der Areflexie der Kornea bei Tumoren der hinteren 
Schädelgrube, den Einfluss der Körper- und Kopfhaltung auf die Sym¬ 
ptome der Neubildung. Er hat sich alle von anderer Seite angegebenen 
diagnostischen Hilfsmittel zunutze gemacht, hat als erster die Erweite¬ 
rung der Sella turcioa bei Hypophysistnmoren im Röntgenbild kennen 
gelehrt, hat mit grösster Anerkennung und Begeisterung die Forschungen 
Bäräny’s verwertet. 

Er hat es selbst schmerzlich empfunden, dass die Resultate aller 
dieser unablässigen Bemühungen in therapeutischer Beziehung nicht 
allzu günstige waren. In einer Arbeit aus dem Jahre 1907 berichtet er, 
dass von neun oder zehn für die chirurgische Therapie sorgfältig aus¬ 
gewählten und grösstenteils richtig diagnostizierten Fällen von Gehirn¬ 
geschwulst nur einer Aussioht auf vollen Erfolg der operativen Behand¬ 
lung hat. In der letzten Auflage seines Lehrbuches meint er, man 
könne sehr zufrieden sein, wenn es gelänge, von 12—13 operierten 
Fällen einen zur Heilung zu bringen. Wieviel Resignation steckt in 
diesem Ausspruch! Aber auoh wieviel sichere Selbstkritik! Zum kritik¬ 
losen Therapeuten ist er 4reder hier noch an anderen Stellen je ge¬ 
worden. In seinen diagnostischen Bemühungen bat er nicht nachge¬ 
lassen, buchstäblich nicht bis zum letzten Augenblick, dem Sterbenden 
entsanken die Korrekturbogen einer Arbeit über multiple Tumoren des 
Gehirns. 

Reichere praktische Erfolge zeitigte seine Arbeit auf dem Gebiet 
der Rüokenmarksgeschwülste. Auoh hier hat sein Bemühen sehr 
frühzeitig eingesetzt. loh erinnere mich noch sehr wohl des ersten von 
ihm richtig diagnostizierten, von Sonnenburg operierten Falles, der 
Freude über die zunächst glücklioh verlaufene Operation, der Trauer 
über den durch einen unglücklichen Zufall verursachten, schliesslich 
doch ungünstigen Ausgang. Die Zahl der dann von ihm richtig dia¬ 
gnostizierten und mit vollem Erfolg chirurgisch angegriffenen Tumoren 
stieg alsbald an. Die typischen Fälle boten der Erkenntnis und der 
Beseitigung allmählioh keine so grossen Schwierigkeiten, aber dann 
kamen in steigender Zahl die abweichenden Beobachtungen, die sich 


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14. Jdi 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


671 


dem ursprünglichen Sohema nicht fügten, vo die Sensibilitätsstörungen 
nieht dem orsprünglioh geseiehneten Bilde entsprachen, die Schmerzen 
fehlten und anderes mehr. Da setzten dann wieder seine diagnostischen 
Forschungen ein. 1906 beschreibt er das Bild der Meningitis serosa 
spinalis circumscripta, an dessen Realität nach den Erfahrungen 
auoh anderer Forscher ein Zweifel nicht erlaubt ist. Die Frage, ob es 
ein dem xerebralen Pseudotumor äbnliohes Krankheitsbild im Rücken¬ 
mark gibt, wird aufgeworfen und harrt noch ihrer Lösung. In wieder¬ 
holten Publikationen, die bis in die letzten Jahre reichen, kommt er 
auf ungeklärte Krankheitsfälle zurück, die hauptsächlich in oder an der 
Cauda equina sitzen, das Bild einer Kompression derselben her vor¬ 
rufen, zum operativen Eingreifen auffordern, in denen dann aber nicht 
die erwartete Neubildung sich findet, sondern andersartige, zum Teil 
noeh unklare Prozesse, Einklemmung und Strangulation der Cauda 
equina-Wurzeln, Entzündungsprozesse am unteren Rückenmarksabschnitt 
in Form einer traumatisoh entstandenen Meningitis spinalis chronioa 
serofibrinosa ciroumsoripta. Auch die intramedullären Neubildungen, 
deren klinisohe Unterscheidung von den extramedullären trotz aller 
darauf gerichteten Bemühungen nioht gelingen will, werden, dem Vor¬ 
gang anderer folgend, in den Bereich der chirurgischen Therapie ge¬ 
sogen. Wer sich ein wenig genauer mit dieser äusserst mühsamen, bis 
in die feinsten Details gehenden diagnostischen Arbeit Oppenheim’s 
bekannt machen will, der mag etwa seine Arbeit über spinale Hemi¬ 
plegie lesen; auch der kleinste Anhaltspunkt wird hier nicht übersehen, 
und dooh sind es nicht etwa diagnostische Spielereien, die er da treibt, 
nieht unnütze Spekulationen, sondern wichtigste ärztliche Arbeit zum 
Wohle des Kranken. 

Mit diesen Arbeiten auf dem Gebiete der Neurochirurgie war 
Oppenheim hauptsächlich, wenn auoh keineswegs ausschliesslich be¬ 
schäftigt, als der Krieg ausbraoh, der ihn vor neue Aufgaben stellen 
sollte. Er wurde Leiter des ersten grossen Nervenlazaretts, und hier 
fand er sioh nun erneut Krankheitsbildern gegenüber, die ein Mensoben- 
alter zuvor seine ganze leidenschaftliche Aufmerksamkeit auf sioh ge¬ 
zogen hatten, hier zog ihn die traumatische Neurose wieder in ihren 
Bann. Es liegt da ein sehr merkwürdiges psychologisches Phänomen 
vor. Zwanzig Jahre lang hatte er sich in voller Absichtlichkeit und 
Bewusstheit von diesen Erkrankungsformen abgewendet, hatte jede 
Untersuchung, jede Begutachtung eines Traumatikers, soweit er nur 
irgend konnte, abgelehnt, und nun, als die Fülle dieser Erscheinungen 
aufs neue auf ihn wirkte, da packte ihn seine alte wissenschaftliche 
Jugendliebe, um die er sohon einmal so viel gelitten und gestritten 
hatte. 

Seine erste grosse Arbeit an der Nervenklinik betraf schon das 
Thema der traumatischen Erkrankungen, sie handelte über das Vor¬ 
kommen und die Bedeutung der sensorischen Anästhesien bei Erkran¬ 
kungen des Zentralnervensystems und erschien 1885. 1889 folgte die 

Monographie: Die traumatischen Neurosen, 1892 in zweiter Auf¬ 
lage. Diese Sohrift hat Oppenheim zuerst in weiten Kreisen bekannt 
gemacht hat ihm aber auch alsbald eine wissenschaftliche Gegnerschaft 
zugezogen, unter der sich Träger klangvoller Namen befanden. Charcot 
und seine Schule trat ihm entgegen, sie sahen in den traumatischen 
Neurosen nur Manifestationen der Hysterie, am heftigsten wurde der 
Streit hier in Berlin auf dem Internationalen medizinischen Kongress 
1890 geführt. Mit jugendlichem Eifer und mit rücksichtslosem Ungestüm 
trat der damals eben Dreissigjährige seinen Widersachern, unter denen 
sioh Sohulze, Seeligmüller, Mendel befanden, entgegen. Es ging 
damals hauptsächlich um die Frage der Simulation, die freilich mit der 
Frage der Pathogenese letzten Endes eng verbunden ist. Was steht 
nun darüber in der ersten Auflage seiner Monographie? Ich zitiere 
wörtlich: „Für die Entstehung der Krankheit ist das physische Trauma 
nur zum Teil verantwortlich zu machen, die Hauptrolle spielt das 
psychische, der Schreck, die Gemütsersohütterung. Die Verletzung 
schafft allerdings direkte Folgezustände, die aber in der Regel keine 
wesentliche Bedeutung gewinnen würden, wenn nioht die krankhaft alte- 
rierte Psyche in ihrer abnormen Reaktion auf diese körperlichen Be¬ 
schwerden die dauernde Krankheit schüfe“. Wenn man diese Zeilen 
liest und weiterhin sieht, dass diese hier kurz skizzierte Lehre Oppen¬ 
heim’* von ihm in weiteren Ausführungen im selben Sinne, immer 
unter sehr starker Betonung des psychischen Faktors ausgebaut wird, 
dann will es Bohemen, als ob die Differenzen zwisohen ihm und den 
anderen Forschern sioh allzu sehr in den Vordergrund gedrängt hätten, 
das Einigende und Gemeinsame allzu sehr vernachlässigt wurde. 
Oppenheim ist, wie er selbst betont, seinem ursprünglich einge¬ 
nommenen Standpunkt auoh auf Grund seiner neuen Erfahrungen treu 
geblieben, und es mag gewiss sein, dass er sioh von der Bewertung des 
mechanischen Momentes niemals ganz frei gemacht hat, es zeitweilig in 
den Diskussionen noch mehr in den Vordergrund stellte als in seinen 
grundlegenden Schriften selbst, und dass er für diese Mechanismen Ver¬ 
gleiche bevorzugte, die die Sachlage nioht klärten, sondern nur ver¬ 
schleierten. Aber der psyohische Faktor blieb doch auoh für ihn die 
Hauptsache, und über dem Streit über die Pathogenese darf nicht ver¬ 
gessen werden, dass er die Symptomatologie auoh dieser Krankbeits- 
bilder reicher ausgestaltet und unsere Kenntnisse auch hier ver¬ 
mehrt hat. 

Am meisten hat er in der Prognose geirrt. Von den Erfolgen, 
die andere hier erzielten, hat absr auoh er dann sioh durohaus über¬ 
zeugen lassen und in vollster Aufrichtigkeit gegen sioh selber in den 
beiden letzten Jahren an der Revision seiner Anschauungen gearbeitet, 


getreu dem stolzen Wort, das er in seiner Schlussbemerkung auf der 
Münchener Tagung, nach allen Seiten sioh wehrend, aussprach: Die Steine, 
die man gegen mich schleudert, verwende ich zum Bau meines Hauses. 

Auch abgesehen von den traumatischen Neurosen hat Oppenheim 
das Gebiet der Neurosen vielfach zum Gegenstände seiner Arbeiten 
gemacht. Ueber das Wesen der Hysterie hat er sich vielfaoh geäussert; 
von besonderer Bedeutung ist seine Lehre von den psychasthenischen 
Krämpfen geworden, eine interessante Anregung gab eine seiner 
spätesten Publikationen: Gibt es euch eine psyohopathisohe Höher¬ 
wertigkeit? 

Ich muss alle Einzelheiten übergehen. Wo immer ein neurologisches 
Thema zur Diskussion stand, griff er ein in Wort und Sohrift; stets 
aufmerksam, stets schlagfertig, unter vollster Beherrschung des Stoffes 
und aller Mittel der Darstellung. So kannten Sie ihn ja alle, so haben 
Sie ihn hier so oft vor sioh gesehen. 

Er war für die Aerzte der Stadt und des Landes, ja darüber hin¬ 
aus der sichere Führer in den Fährnissen neurologischer Diagnostik. 
Er hat das oberste Gesetz des Arztes, dem Kranken Hilfe zu suchen, 
nie aus den Augen verloren, er hat sioh dem Geringsten mit dem¬ 
selben Eifer zur Verfügung gestellt, wie dem sozial Höherstehenden und 
immer bis in seine letzten Jahre haben wir Assistenten seiner Poliklinik 
mit der höchsten Bewunderung gesehen, wie er auch dort, wo alles einfaoh 
und klar ersohien, die Untersuchung bis in alle Einzelheiten genau durch¬ 
führte, um dann erst seine therapeutischen Anordnungen zu geben, 
die stets bestimmt und zielsicher, aber stets frei von überflüssiger Pose 
waren. In einer kleinen, sehr interessanten Broschüre über Behandlung 
schwerer Neurosen bat er die Erfolge seiner Behandlung anschaulich 
geschildert. Das Handwerkliche seiner Kunst beherrschte er souverän 
bis in alle Einzelheiten und entging dooh unbedingt der Gefahr, der so 
viele unterliegen, jemals Routinier zu werden. 

Wir wissen, wir haben in ihm den Führer der deutschen Neurologie 
uod einen der bedeutendsten Vertreter der deutschen Klinik überhaupt 
verloren. Als Lehrer wie als Forscher erwies er sich als der wahre 
Kliniker, allen klinischen Fragen wandte er seine gleichmässige Sorgfalt 
zu, an der Grenze ihres Reiches erlahmte sein Interesse. Im hellsten 
Lichte erscheinen alle seine Eigenschaften in seinem Lehrbuch, das 
1892 in erster, 1903 in seohster Auflage erschien, nachdem es inzwischen 
in alle Sprachen übersetzt worden war. Es ist ein Buch von wahrhaft 
internationaler Bedeutung, aus dem wir alle in zweifelhaften Fällen Be¬ 
lehrung soböpfen; es vereint alle Vorzüge Oppenheim’s, die Verwertung 
der enormen persönlichen Erfahrung, die vollkommene Beherrschung der 
Literatur, die Fähigkeit, sioh in ursprünglich fremde Gebiete hinein- 
zufühlen, und alles, eigene wie fremde Forschungen, in klassischer Klar¬ 
heit zur Darstellung zu bringen. Wir hier in unserem Kreise können 
am besten beurteilen, welohe riesige geistige Leistung in diesem Buobe 
steckt, das mit der Erweiterung des Umfanges unserer Wissenschaft von 
Auflage zu Auflage wuchs, und in unübertrefflicher Weise sowohl als 
Lehrbuoh für den Werdenden, wie als Quelle für den weiterstrebenden 
Nearologen dient. Mit diesem Buch ist er der Lehrer und Berater zahl¬ 
loser Aerzte geworden und in ihm wird er für lange Zeit über seinen 
Tod hinans als solcher fortleben. 

Er liebte seine Wissenschaft glühend, mit all der Leidenschaft, die 
in diesem äusserlich ruhigen, aber nur durch energische Willensanspannung 
zur Ruhe gebändigten Manne lebte. Auch die der Neurologie und ihren 
Vertretern gebührende äussere Stelle suchte er ihr zu erringen. In 
diesem Bestreben gründete er mit einigen anderen Forschern zusammen 
die Gesellschaft Deutscher Nervenärzte, er wurde ihr Vor¬ 
sitzender, über ihre rasche Entwiokelung konnte er berechtigte Genug¬ 
tuung empfinden. 

Bis vor kurzem ersohien er dem Fernerstehenden voller Leistungs¬ 
fähigkeit und ungebrochener Kraft. Seine nächste Umgebung freilich 
sah die rasoh deutlicher werdenden Zeiohen körperlicher Ermattung, und 
auch er selbst bewährte an sich die Schärfe der Diagnose, die er seinen 
Kranken gegenüber so oft bewiesen hatte. Er fühlte sich am Ende, aber 
er konnte nicht rasten. In ihm brannte der wenig ungestillte, weil 
ewig unstillbare Drang nach Erkenntnis, die tiefe Sehnsucht nach Wahr¬ 
heit, die nie ganz erfüllt werden kann und ohne die doch keine wahrhaft 
grosse Leistung entsteht. Der Tod traf diesen bis zuletzt auf¬ 
rechten Mann nioht unvorbereitet Er starb zu früh, nioht nur für seine 
nächste Familie, seine Freunde und Schüler, auch für seine Wissenschaft 
Wir aber danken ihm noch einmal für das, was er ihr gewesen ist: 
Führer und Förderer. Er wird uns oft fehlen, wir werden seiner nioht 
vergessen. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Herr Ministerialdirektor Dr. Kirchner empfing am 8. d. M. 
in seiner Wohnung einige Abordnungen, die erschienen waren, um ihm bei 
seinem Scheiden aus dem Amt Dank und Anerkennung für seine Ver¬ 
dienste auszusprechen. Eine Adresse, die über 400 Unterschriften 
soloher Aerzte trug, die Kirchner in den verschiedensten Zweigen 
seiner Tätigkeit zur Seite gestanden hatten, wurde von Herrn Geh. Rat 
Stoter als Vorsitzenden des Aerztekammeraussohusses überreioht; Herr 
Geh. Obermedizinalrat Dietrioh überbraohte eine Adresse der wissen¬ 
schaftlichen Deputation und, gemeinsam mit Herrn Geh.-Rat Fröhlich 
eine solohe des Apothekerrats; namens des ärztliohen Ehrengerichtshofs 


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UNIVERSUM OF IOWA 





672 _ __BERLINER KLINISC HE WOCHENSCHRIFT. _ Nr. 26. 


sprach Herr Geh. Rat Sei her g; namens des Sanitätskorps Herr General¬ 
arzt Sohmidt. Herr Geh. Obermedizinalrat v. Waldeyer-Hartz über» 
brachte das Diplom als Ehrenmitglied des Zentralkomitees für das ärzt¬ 
liche Fortbildungswesen. Herr Kirchner dankte in tiefer Bewegung für 
diese Zeichen der Anhänglichkeit und Anerkennung treuer Pflichterfüllung 
während seiner langjährigen Laufbahn und schloss mit dem Versprechen, 
auoh in dieser schweren Zeit unserem Vaterlande und dem Aerztestaode 
seine Kräfte weiterhin widmen zu wollen. 

Die von Geheimrat Stoeter überreichte Adresse hatte folgenden 
Wortlaut: 

Hochgeehrter Herr Ministerialdirektor! 

Wir Unterzeichneten, die in der erfreulichen Lage waren, während 
langer Jahre an den Arbeiten teilzunehmen, welche unter Ihrer Leitung 
oder Förderung auf eine Hebung der Volksgesundheit in Preussen wie 
im Deutschen Reiche abzielten, empfinden es als eine Ehrenpflicht, 
Ihnen bei Ihrem Scheiden aus dem Staatsdienste unseren wärmsten 
Dank und unsere grösste Anerkennung für Ihr erfolgreiches Wirken 
aussuspreohen. Wenn wir den Umfang Ihrer Tätigkeit überblicken 
und alles dessen gedenken, was Sie auf dem Gesamtgebiet der öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege, insbesondere durch Bekämpfung der Tuber¬ 
kulose, der Cholera, des Typhus, der Geschlechtskrankheiten, durch 
die lmpfge8etzgebung, durch die Fürsorge für Krebskranke, durch die 
Maassnahmen zur Minderung der Säuglingssterblichkeit und zur Ge¬ 
sundung der heranwachsenden Jugend, sowie durch Unterstützung 
aller anderen sozialhygienischen Bestrebungen oft unter den schwierigsten 
Umständen geleistet haben, so erfüllt es uns mit tiefem Bedauern, 
dass wir Ihre amtliche Mitwirkung beim Wiederaufbau unserer Volks¬ 
kraft nach Abschluss des Weltkrieges missen sollen. Wir sind aber 
dessen gewiss, dass aus Ihrer grosszügigen und umfassenden Arbeit 
auoh für die neuen, grossen Aufgaben der Zukunft Tielgestaltiger 
Segen erwachsen wird. 

Durch Ihr stetes Eintreten für die Ziele der wissenschaftlichen 
Medizin und duroh die Förderung ihrer Standesinteressen, insbesondere 
des ärztlichen Fortbildungswesens, haben Sie die Aerzte zu beson¬ 
derem Danke verbunden. Wir hoffen und wünschen, dass Sie, auoh 
der amtlichen Pflichten ledig, uns fürderhin zur Seite stehen werden, 
wo es gilt, auf den so erfolgreich betretenen Wegen fortzuschreiten 
und die Errungenschaften eines ruhmvollen Zeitabschnittes zu wahren! 

— Das medizinische Warenhaus, eine von Aerzten gegründete 
Aktiengesellschaft, hat am 11. Juli sein 25 jähriges Gesohäftsjnbiläum 
begangen. 

— Die Fürsorgestellenkommission des Deutschen- Zentralkomitees 
zur Bekämpfung der Tuberkulose veranstaltet vom 1. September bis 
25. Oktober im Dienstgebäude der Landesversicherungsanstalt Berlin 
einen achtwöchigen Lehrgang für Tuberkulosefürsorgerinnen. 
Es ist in Aussicht genommen, dass Teilnehmerinnen, die anerkannte 
Krankenpflegerinnen oder Säuglingspflegerinnen sind, nach Abschluss 
des Lehrgangs das Zeugnis als Tuberkulosefürsorgerinnen erhalten sollen. 
Die Ausbildung erfolgt unentgeltlich; die Teilnehmerinnen haben nur 
die Kosten für Wohnung und Verpflegung selbst zu tragen; im Falle 
der Bedürftigkeit können hierzu Beihilfen bewilligt werden. Zur Teil¬ 
nahme werden ausser den staatlich anerkannten Krankenpflegerinnen 
und Säuglingspfiegerinnen auch andere Personen zugelassen, die schon 
längere Zeit in sozialer Fürsorge tätig sind und den Nachweis geeigneter 
Vorkenntnisse erbringen. Anmeldungen sind bis spätestens 20. August 
an die Geschäftsstelle des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung 
der Tuberkulose, Berlin W. 9, Linkstr. 29, zu richten. Ueber die Zu¬ 
lassung zur Teilnahme ergebt besonderer Besoheid. 

— Der verstorbene Hofrat Hessing hat für die Erhaltung der nach 
ihm benannten „Hofrat Friedrich Qessing’schen Orthopädischen Heil- 
anstalt“ zwölf Millionen Mark gestiftet, die vom Magistrat der Stadt 
Augsburg verwaltet werden. 

— Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege 
wird seine diesjährige Tagung Ende September oder Anfang Oktober in 
Weimar abhalten und dabei folgende Gegenstände behandeln: 1. Hebung 
der Volkskraft durch Ernährung und Körperpflege. 2. Die Frage der 
Sozialisierung des Heilwesens. 3. Wie weit kann das Wohnungswesen 
vergesellschaftet werden? Genaue Zeit der Tagung und die Namen der 
Berichterstatter werden demnächst bekannt gegeben werden. 

— Für die Zulassung zum Studium im Wintersemester 1919/20 
an der Universität Tübingen sind einschneidende beschränkende 
Bestimmungen getroffen worden. Die in Tübingen befindlichen Stu¬ 
dierenden haben sich bis 15. Juli durch persönliche Anmeldungen vor¬ 
merken zu lassen, eine Versäumnis schliesst vom Studium im Herbst aus. 
Neuzugeiassen werden männliche Kriegsteilnehmer und Württenberger 
beiderlei Geschlechts, andere nur insoweit, als die Plätze reichen. Aus¬ 
länder siqd grundsätzlich ausgeschlossen und werden nur in Ausnahme¬ 
fällen vom Ministerium zugelassen. Als Kriegsteilnehmer gilt, wer mindestens 
6 Monate gedient und in seinem Studium beeinträchtigt worden ist, nicht, 
wer erst Sommer 1918 in den Militärdienst eingetreten ist und spätestens 
im Zwischensemester 1919 sein-Studium beginnen konnte. Der Ueber- 
füllung von Stadt und Universität im kommenden Wintersemester soll 
dadurch vorgebeugt werden. 


— Volkskrankheiten. Pooken: Deutsches Reich (22. bis 
28. VI) 47, nachträglich (23.11. bis 10. VL) 106, (8.—14. VI.) 4 und 
(15.—21.VI.) 112. Deutsoh-Oesterreich (8.—14.VI) 18. Fleck¬ 
fieber: Deutsches Reich (22.—28. VL) 34, nachträglich (1.—7.VL) 15. 
Rüokfallfieber: Deutsches Reich (22.—29. VI.) 1. Deutsoh- 
Oesterreich (8.—14. VI.) 7. Genickstarre: Preussen (15. bis 
21. VI.) 6 und 4 f, nachträglich (8.—14. VI.) 2. Sohweiz (8. bis 
14. VI.) 1. Ruhr: Preussen (15.—21. VI.) 52 und 4 f, nachträglich 
(L—7. VI.) 4 und (8.—14. VI.) 8. Mehr als ein Zehntel aller Ge¬ 
storbenen starb an Diphtherie und Krupp in Buer, an Typhus in Graudenz. 

(Veröff. d. Reichs-Ges.-Amts.) 

Hoohschulnachrichten. 

Berlin: Habilitiert: Dr. Brünig (Chirurgie). — Breslau: Prof. 
Roh mann, ordentlicher Honorarprofessor für physiologische Chemie, ist 
im 63. Lebensjahre gestorben. — Frankfurt a. M.: Prof. E. Göppert 
hat den Ruf nach Marburg als Ordinarius für Anatomie abgelehnt — 
Freiburg: Prof. Wilhelm von Möllendorf, Prosektor am anatomi¬ 
schen Institut, erhielt den Titel a.o. Professor. — Marburg: Dr. Walter 
Vogt erhielt einen Ruf nach Würzburg als Prosektor des anatomischen 
Instituts. — München: Habilitiert: Dr. F. Lens (Hygiene), Dr. 

E. Stierlin (Chirurgie). — Würzburg: Dr. P. Vonwiller, Prosektor 
am anatomischen Institut, erhielt einen Ruf naoh Zürich. — Basel: Prof. 
A. Burckhardt, Direktor des hyg. Instituts, tritt am 1. X. von seinem 
Amt surüok. Habilitiert: Dr. F. Rohr er (Physiologie). — Innsbruck: 
Privatdoz. F. Herrenschwand hat den Titel a.o. Professor erhalten. 


Amtliche Mitteilungeil. 

Pertsonallen, 

Ernennungen: Stadtrat Geh. San.-Rat Prof. Dr. Gottstein in Char¬ 
lottenburg zum Ministerialdirektor in der Medisinalabteilung des 
Ministeriums des Ionern; ord. Honorarprofessor in der medizinischen 
Fakultät der Universität in Frankfurt a. M. Dr. K. Ludloff zum 
ordentl. Professor in derselben Fakultät; Dr. med. Friedr. Frans 
Fried mann in Berlin zum ausserordentl. Professor in der medizini¬ 
schen Fakultät der dortigen Universität. 

Niederlassungen: Dr. A. Möllmann in Pritswalk (Kr. Ostprignits), 
R. Bohrmann in Berlin-Grunewald, Dr. F. W. Massur in Greifswald, 

L. Skupin und Dr. Siegfried Rosenbaum in Breslau, Emanuel 
Winkler in*Frankenstein i. Sohl., Dr. Eduard Schulz in Glogau, 
Dr. Georg Kramer und Dr. A. Malinowski in Görlitz, J. Wronka 
in Kotzenau (Kr. Lüben). Dr. E. Würfel in Giersdorf i. R. (Kr. 
Hirschberg i. Schl.), Dr. Eriob Klose in Hirsohberg i. Sohl.-Buoh- 
wald, B. Wilozek und Dr. Georg Krause in Hindenburg, Dr. 

F. Hefftner und Dr. W. Thorbecke in Kattowitz, P. Rodewald 
in Kreuzburg O.-S., Dr. H. Gospos in Neisse, Dr. A. Kaul in Ratibor, 
Dr. Ernst Bötticher, E. Craney, W. Grävingehoff, Gust. 
Huth, W. Haug, Dr. W. Mobitz, F. Romeick, Dr. Albreoht 
Wagner, Gen.-A. z. D. Dr. Gust. Brandt, Dr. W. Geisaler, 

G. Spangenberg, Otto Sommer und Dr. M. Tsohermak in 
Magdeburg, Bernb. Franke und Dr. F. K. Dallwig in Salzwedel, 
Dr. F. Klages in Uohtspringe, Dr. K. Agthe in Eckartsberga, Dr. 
W. Kloeters in Wiehe (Kr. Eokartsberga), Dr. G. Fromme in 
Kölleda (Kr. Eokartsberga), Dr. Theod. Keil in Mühlberg (Kr. 
Liebenwerda), E. Kimborn und Dr. W. Ehrhardt in Merseburg, Dr. 
A. Jähne in Naumburg a. S., Dr. R. Liohtenstein in Ariern (Kr. 
Sangerhausen), Dr. U. Löbner in Herzberg a. E. (Kr. Schweinitz), 
Dr. H. Schick in Hohenmölsen (Ldkr. Weissenfels), Dr. E. Hineke 
in Halle a. S., Dr. F. Falksen, Dr. W. Külz, Dr. Max Sohlosser, 
P. Woormann, Dr. Anton Henze und Th. Hark in Erfurt, Dr. 

M. Wertheim in Langensalza, Dr. 0. Sust in Tennstedt, (Kr. Langen¬ 
salza), W. Kynast und Dr. Simon Levy in Mühlhausen i. Thür., 
Dr. F. Gareis in Gesell (Kr. Ziegenrück), Konrad Kooh in Ranis 
(Kr. Ziegenrüok), Dr. K. Bottler in Wiebelskirchen (Kr. Ottweiler). 

Verzogen: Dr. H. Röttges von Wadgassen naoh Heusweiler (Ldkr. 
Saarbrücken), Dr. A. Sehn von Bettingen und Dr. Th. Reisenthel 
von Neunkirchen naoh Sulzbach (Ldkr. Saarbrücken), Dr. W. Baggerd 
von Posen nach Belgard, San.-Rat Dr. H. Vollrath von Berlin naoh 
Neustettin, Dr. G. Denzer von Berlin und Prof. Dr. 0. Creite von 
Göttingen nach Stolp i. Pomm., Dr. K. A. Uhthoff von Marburg, Dr. 
K. Klause von Frankfurt a. M. und R. Singer von Ziegenhals naoh 
Breslau, Dr. J. Bohns von Breslau naoh Zittau, Dr. G. Heidenfeld 
von Breslau nach Canth (Kr. Neumarkt), Dr. W. Wiohura von 
Breslau naoh Trebnitz, Dr. W. Sch meid ler von Konstadt 0. S. nach 
Altheide, K. Piltz von Wohlau und San.-Rat Dr. F. A. Linke von 
Kreuzburg 0. S. nach Leubus Dorf (Kr. Wohlau). 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. F. Guthke 
von Vierraden (Kr. Angermünde), Dr. A. Böhl au von Stargard i. Pomm., 
Dr. W. Schürmann von Halle a. S. 

Praxis aufgegeben: Dr. P. Stubbe bisher in Neustettin jetzt in 
- Hamburg. 

Gestorben: San.-Rat Dr. J. Fethke in Oppeln, Dr. H. Mehliss und 
San.-Rat Dr. R. Gremse in Magdeburg. 

Ffir die Redaktion verantwortlich Prot Dr. Bane Roh n, Berlin W„ Bajreather Str. 41. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



Di« Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Monteg In Nummern von etwa 8—6 Bogen gr. 4. — 
Preis rierteljahrlieh 10 Mark. Bestellnngen nehmen 
alle Bnehhandlongen and Postanstaiten an. 


BERLINER 


Alle Einaendnngen ftr die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagtbnehhandlnng 
Aagost Hlrsehwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Met-Hai Prof. Dr. C. Posner und Prot Dr. Hans Kohl Aagost Hirsehwald, Verlagsbuchhandlang io Berlin. 

Montag, den 21. Juli 1919. JiS. 29. Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Originalton: Kleinsohmidt: Die Verwendung von Buttermehlnahrnng 
»ur Säuglingsernährung. (Aus der Uaiversitäts-Kinderklinik in 
Berlin.) S. 673. 

E. Möller and P. Müller: Ein Kraft- und Mineralstoff weohsel an 
der Nordsee. S. 676. 

Hasebroek: Ueber das Problem der selbständigen extrakardialen 
Blutbewegung. (Illustr.) S. 678. 

Deets: Einige Worte »um Thema der Seuohenbekämpfung. S. 683. 
Zondek: Nephritis oolica? S. 684. 

Bf eherbesprechnngen: Robert: Ueber kieselsäurehaltige Heilmittel, in¬ 
sonderheit ’bei Tuberkulose. (Ref. Samson.) S. 686. — Strümpell: 
Lehrbuch der spesiellen Pathologie und Therapie der inneren Krank¬ 
heiten. (Ref. Dünner.) S. 686. — Reder: Das Fleokfieber nach 
dem jetsigen Stande seiner Lehre und nach Beobachtungen in der 
Epidemie des k. k. Flüchtlingslagers Gmünd. (Ref. Jürgens.) S. 686. 


Aus der Universitäts-Kinderklinik in Berlin. 

Die Verwendung von Buttermehlnahrung zur 
Säuglingsernährung. 

Von 

Prof. H. Kleinschmidt. 

Die guten Resultate bei der Verwendung einer Buttermehl- 
nahrnng für Säuglinge, über die Czerny und ich im vergangenen 
Jahre berichtet haben, sind nunmehr bereits von verschiedenen 
Seiten bestätigt worden (Berend, Ochsenius, Stolte, Aron, 
Rietschel, Türk). Erfreulicherweise zeigt sich auch in gewissen 
Einzelheiten eine weitgehende Uebereinstimmufig, über die erst 
umfangreichere Erfahrungen gesammelt werden mussten. Sind 
doch die Anforderungen, die wir heute an eine zweckmässige 
Säuglingsnahrung stellen, so vielseitige, dass nur ihre Verwendung 
unter den verschiedenartigsten Bedingungen und eine lange Be¬ 
obachtungsdauer ein endgültiges Urteil gestatten. 

Das Prinzip der neuen Nahrung ist, um das an dieser Stelle 
noch einmal für weitere Kreise zu wiederholen, eine Fettanreiche- 
rnng der üblichen Kuhmilchverdünnung in einem ungefähr dem 
Fettgehalte der Frauenmilch entsprechenden Mengenverhältnis. 
Diese Fettanreicherung wird in unschädlicher Form erreicht durch 
Herstellung einer Einbrenne aus gleichen Teilen Butter und 
Weizenmehl, die dem als Verdünnungsflüssigkeit der Kuhmilch 
dienenden Wasser zugefügt wird. 

Die Eignung der Buttermehlnahrnng zur Säuglingsernährnng 
konnte von uns schon auf Grund der Beobachtung an 40 Fällen 
wahrscheinlich gemacht werden, weil sich zeigte, dass auch ganz 
junge und untergewichtige Säuglinge mit dieser Nahrung zu 
einer ausgezeichneten Entwicklung zu bringen sind. Nachdem 
diese wichtige Bedingung erfüllt war, durfte ohne weiteres erwartet 
werden, dass die Nahrung sich auch in anderen Situationen be¬ 
währen würde. Die Erfahrungen haben unsere Annahme bestätigt. 

Wenn wir uns aber seiner Zeit ganz besonders mit der Er¬ 
nährung schwachgeborener Säuglinge und solcher, welche in den 
ersten Lebenswochen durch Krankheiten reduziert waren, be¬ 
schäftigt haben, so geschah das nicht nur, um ein sicheres 
Kriterium für die Eignung der Buttermehlnahrung zu besitzen, 


ALT. 

— Burgl: Hilfshuoh für den bayerischen Landgerichtsarst. (Ref. 
Marx.) S. 686. 

Literatur-Aisifge: Physiologie. S. 687. — Pharmakologie. S. 687. — 
Therapie. S. 687. — Allgemeine Pathologie and pathologische Ana¬ 
tomie. S. 688. — Parasitenkunde und Serologie. S. 689. — Innere 
Medizin. S. 689. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 689. — 
Kinderheilkunde. S. 690. — Chirurgie. S. 690. — Röntgenologie. 
S. 691. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 692. — Geburts¬ 
hilfe und Gynäkologie. S. 692. — Gerichtliche Medizin. S. 692. — 
Unfallheilkunde und Versicherungswesen. S. 692. — Technik. S. 692. 
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Physiologische Gesell¬ 
schaft zu Berlin. (Illustr.) S. 693. — Berliner orthopädische 
Gesellschaft. S. 694. 

Tagesgesohiohtliche Notizen. S. 695. 

Amtliche Mitteilungen. S. 696. 


sondern auch, weil gerade in diesen Fällen bislang die Frauen¬ 
milch nicht entbehrt werden konnte, das Bedürfnis nach einer 
vollwertigen künstlichen Nahrung also ganz besonders vorlag. 
Nachdem wir jetzt ein weit grösseres Beobachtungsmaterial über¬ 
sehen, bleiben gleichwohl diese Fälle das Hauptindikations¬ 
bereich für die Buttermehlnahrung. 

Dass man in der lodikatioosstellung nicht zu weit geben 
darf, ist kaum nötig besonders hervorznheben. Wir hatten in 
unserer ersten Beobachtungsreihe kein Kind jünger als 13 Tage 
und unter 2000 g Körpergewicht. In der Folge sind von uns 
und anderen die Versuche weiter ausgedehnt worden. Es sind 
frühgeborene Kinder mit einem Gewicht von 1700 nnd 1800 g 
mit Buttermehlnahrnng ernährt worden. Dabei bat sich gezeigt, 
dass man besser mit einer weniger konzentrierten Mischung fährt, 
als sie sonst zur Verwendung gelangt. Wir gebrauchten statt 
7 pCt. Butter und Mehl nur 5 pCt. und reduzierten auch den 
Zuckerzusatz von 5 auf 4 pCt. Wenngleich auf diese Weise be¬ 
friedigende Erfolge erzielt wurden, sollte man doch die künstliche 
Ernährung bei schwachen Frühgeburten nur im Notfälle durch¬ 
führen, zum mindesten raten wir zur Zwiemilchernährung mit 
Frauenmilch, über die sich auch Ochsenius, Stolte und Türk 
günstig aussprechen. Aeholichee gilt von den Kindern der ersten 
Lebenswoche. Auch hier haben wir, zumal wenn die Ernährung 
sogleich am 2. Lebenstage mit Buttermehlnahrung begonnen wurde, 
die dünnere Mischung gewählt. Bekanntlich hat bislang die 
künstliche Ernährung von Geburt an bei Anstaltskindern grosse 
Schwierigkeiten bereitet, and ihre komplikationslose Durchführung 
gilt daher mit Recht als ein Prüfstein für die Zweckmässigkeit 
eines Nahrungsgemisches. Die Buttermehlnahrung hat ans io 
dieser Hinsicht nicht enttäuscht, trotzdem möchten wir auch hier 
raten, nur im Notfälle von ihr Gebrauch zu machen. 

Am meisten verwandt wurde, wie gesagt, von uns die Butter- 
mehlnahrung bei Kindern der ersten Lebensmonate, die entweder 
schwacbgeboren oder aus irgend welchen Gründen in ihrer Ent¬ 
wicklung gehemmt waren. Gerade solche Kinder werden in grosser 
Zahl den Säuglingsanstalten überwiesen, damit ihnen hier die 
Wohltat der natürlichen Ernährung suteil werden kann. Doch 
bereiten auch schon die Brustkinder io den ersten Wochen 
nicht so selten Schwierigkeiten, sei es, dass die Nahrung nicht 


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674 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


ausreicht, am sie tu dem erwünschten Gedeihen su bringen, sei 
es dass konstitutionelle Anomalien ihre Entwicklung beeinträch¬ 
tigen. ln beiden Fällen ist manchesmal die Zwiemilchernährung 
nicht zu umgehen. Handelt es sich nm ein einfaches Nahrungs- 
defixit, so genügen im allgemeinen die gewöhnlichen Milch¬ 
mischungen xur Ergänzung. Doch sieht man von der Buttermehl¬ 
nahrung in solchen Fällen vielfach besonders Gutes, was ich 
darauf suröckfuhren möchte, dass unter dem Einfluss der heutigen 
Ernährung die Frauenmilch nicht selten einen auffallend geringen 
Fettgehalt aufweist. Wurde früher grosser Wert auf die Ver¬ 
abreichung kohlebydratreicher Mischungen, s.B. gezuckerter Butter¬ 
milch neben der Frauenmilch gelegt, so müssen wir heute eher 
für eine Fettanreicherung durch die Beikost eintreten. Unter den 
konstitutionell bedingten Störungen ist es vor allem die mit 
mangelhafter Gewichtszunahme verbundene Neigung zu häufigen 
dünnen Stühlen bei Frauenmilchernäbrung, welche zur Einfüh¬ 
rung der Zwiemilchernährung Veranlassung gibt. Auch hier haben 
wir die Buttermehlnahrung schätzen gelernt Sie bewirkt nicht 
nur eine Verbesserung der Stuhlkonsistenz, sondern führt auch 
zu der sehnlichst erwarteten regelmässigen Gewichtszunahme. In 
der Anstaltspraxis geben gewöhnlich andere Gründe zur Zwie¬ 
milchernährung Veranlassung. Freilich das quantitative Moment 
spielt auch hier häufig eine Rolle — es steht nicht soviel Ammen¬ 
milch zur Verfügung, wie an sich notwendig erscheint (s. Türk), 
— im übrigen machen wir aber im Reparationsstadium von 
schweren Ernährungsstörungen gerne von der Zwiemilch¬ 
ernährung Gebrauch. Denn es ist eine bekannte Tatsache, dass 
dadurch die Repaiationszeit abgekürzt wird. Die Frauenmilch 
allein vermag die eingetretenen Verluste nur allzu langsam aus¬ 
zugleichen. Unter diesen Umständen haben wir die Buttermehl¬ 
nahrung oft mit Vorteil angewandt und sind dann allmählich 
ganz zu ihr übergegangen. Manchesmal brachte sogleich der 
nächste Tag den ersten Gewichtsanstieg nach langdauerndem 
Stillstand, und es folgte eine regelmässige Weiterentwicklung. 

Unter den kranken Kindern der ersten Lebensmonate, bei 
denen wir die ausschliessliche Ernährung mit Butter- 
mehlnahrung durchführten, sind wiederum in erster Linie die 
Rekonvaleszenten von akuten Ernährungsstörungen zu 
nennen. Hier war es bisher üblich, wenn keine Frauenmilch zur 
Verfügung stand, eine kohlehydratreiche Mischung unter Ein¬ 
haltung knapper Milch mengen su verabreichen. Denn es zeigte 
sieb, dass solche Kinder nach Ablauf der akuten Erscheinungen 
nicht mehr bei einer Nahrung, wie sie einem gesunden Kinde 
-von gleichem Alter und gleicher Entwicklung zukommt, zu nor¬ 
malem Gedeihen zu bringen sind, es musste wie beim Milchnähr¬ 
schaden eine Reduktion der Milch, und eine Anreicherung mit 
Kohlehydraten vorgenommen werden, um die zurückbleibende 
Stoffwechselstörung auszugleichen. Die Buttermehlnahrung teilt 
offenbar infolge ihrer eigenartigen Zusammensetzung die schädliche 
Wirkung der einfachen Milchmischung nicht, sie ist ähnlich wie die 
Frauenmilch trotz ihres hohen Fettgehaltes als Heilnahrnng in 
solchen Fällen zu gebrauchen, zeigt sich jedenfalls den Kohlehydrat- 
mischungen zumal im frühen Säuglingsalter weit überlegen. 
Natürlich ist es notwendig, erst dann zu ihr überxugehen, wenn 
die Durchfälle bei Schleimdiät oder Buttermilch abgeklungen sind, 
und auch hier sollte man in den ersten Tagen vorsichtshalber 
nicht das Maximum des Butter- und Mehlzusatzes wählen, sondern 
mit der oben erwähnten dünneren Mischung beginnen. Den Zucker 
kann man vorübergehend sogar ganz ausschalten. 

Eine weitere Indikation für die neue Nahrung gibt das Vor¬ 
handensein von Infekten bei jungen Säuglingen ab. Es ist seit 
langem bekannt, dass der Fettgehalt der Nahrung von grosser 
Bedeutung für die natürliche Immunität des Menschen ist, und 
Czerny hat in überzeugender Weise dargetan, dass die natürliche 
Resistenz des Brustkindes mit dem hohen Fettgehalt der Frauen¬ 
milch in Zusammenhang steht. Gleichgültig nun, ob wir mit 
Czerny die grobchemische Zusammensetzung des Organismus, 
wie sie unter dem Einfluss der Fettnahrung entsteht, hierfür ver¬ 
antwortlich machen, oder ob wir mit Aron an lipoidartige, mit 
dem Fett der Milch zugeführte akzessorische Nährstoffe denken, 
auf jeden Fall ist es erwünscht, sich diese wichtige Fettwirkung 
auch bei der künstlichen Ernährung zunutze zu machen. So 
haben wir denn eine grosse Zahl von jungen Kindern, die mit 
verschiedenerlei Infekten in die Klinik eingeliefert wurden, sofort 
auf Buttermehlnahrung überführt und dabei in der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle gute Erfolge erzielt. Am häufigsten handelt 
es Bich um Infekte der Haut, Pyodermie, Furunkulose, Phleg¬ 
monen und Abszesse, die auch Türk besonders günstig beeinflusst 


sah; in zweiter Linie kamen rezidivierende Katarrhe der Luft¬ 
wege, Lues und Osteomyelitis in Betracht. Natürlich darf man 
bei solchen Erkrankungen nicht sogleich ein üppiges Gedeihen 
erwarten, es kommt in der Regel zum Gewicbtsstillstand bis zur 
Ausheilung des Infektes, und dann erst schliesst sich eine schnelle 
Rekonvaleszenz an. Wir haben aber den Eindruck, dass die 
Ausheilung durch die Art der Ernährung befördert und be-. 
schleunigt wird; ausserdem brauchen wir nicht in gleichem 
Maasse wie bei den Zuckermehlmischungen eine parenterale Er¬ 
nährungsstörung zu befürchten. Einen vollkommenen Misserfolg 
sahen wir freilich bei einem Kinde, das schon bei der Brust- 
nahrung an schwerer Pyodermie erkrankt war und nebenbei eine 
Lues congenita aufwies; ein weiteres Kind mit Lues ging an 
Nasendiphtherie zugrunde, ein Kind mit multipler Osteomyelitis 
starb nach wenigen Tagen, und auch in einem Luesfall, der mit 
Gelenkeiterung kombiniert war, konnte der Tod nicht aufgehalten 
werden. Derartige Vorkommnisse können nicht wundernehmen, 
sie hätten bei Frauenmilchernährung in gleicher Weise eintreten 
können. Bei den Ernährungsstörungen ist neben der kongenitalen 
Anlage die Art der Ernährung der einzig ausschlaggebende Faktor 
für die Ausheilung der Erkrankung, beim Infekt ist ihr nur eine 
unterstützende Rolle zuzusprechen. Jedenfalls waren die Er¬ 
fahrungen mit Buttermehlnahrung auf diesem Gebiete im all¬ 
gemeinen bo günstige, dass wir uns veranlasst sahen, sie auch 
älteren Säuglingen in gleicher Situation, also bei Furunkulose,Tuber¬ 
kulose, in der Rekonvaleszenz von Pneumonien zu verabreichen. 

Eine letzte Gruppe von jungen Kindern, bei denen eine Ver¬ 
besserung der bisher üblichen künstlichen Ernährung wünschens¬ 
wert erscheint, sind jene konstitutionell Abnormen, die von 
Hause aus mager, zumal im 1. Halbjahr, d. h. solange sie auf 
rein flüssige Kost angewiesen sind, nur höchst langsame Fort¬ 
schritte in ihrer Entwicklung machen. Es handelt sich hier vor 
allem um Kinder mit exsudativer Diathese, bei denen Niemann 
eine Steigerung des Umsatzes im Stoffwechselversuch nachgewiesen 
hat, um Neuropathen, bei denen man ebenfalls übermässige Ver¬ 
luste einerseits durch die Hyperagilität dieser Kinder, andererseits 
durch ihre Neigung zum Speien und zu häufigen dünnen Stuhl¬ 
entleerungen annebmen muss, und schliesslich um die sogenannten 
Hypotrophiker, d. h. schwach geborene Kinder mit einer abnorm 
geringen Wachstumstendenz. Wir haben schon oben hervor¬ 
gehoben, dass solche Kinder nicht selten selbst bei der Mutter¬ 
brust Schwierigkeiten machen, nm soviel ungünstiger liegen die 
Verhältnisse natürlich, wenn man zur künstlichen Ernährung ge¬ 
zwungen ist. Unsere Erfahrungen mit der Buttermehlnahrung 
lassen jedoch eine Besserung in dieser Beziehung erwarten. Ins¬ 
besondere zeigen unsere Beobachtungen in Uebereinstimmung 
mit den Angaben Niemann’s, dass die Anreicherung der Nahrung 
mit Butter keine Verstärkung exsudativer Erscheinungen zur 
Folge bat, wie man vielleicht annehmen möchte, sondern dass 
diese bei fortschreitendem Gedeihen sich in mässigen Grenzen 
halten oder gar völlig verschwinden. Voraussetzung ist allerdings 
dabei, dass maft durch knappe Dosierung der Nahrungsmengen 
einen regelmässigen langsamen Gewichtsanstieg herbeiführt. Bei 
den Neuropathen ist, wie ich mit Ochsenius glauben möchte, 
vor allem das starke Sättigungsgefühl, das das konzentrierte 
Nahrungsgemisch bewirkt, für den Erfolg ausschlaggebend, da¬ 
neben ist die Einwirkung auf die Stuhlbeschaffenbeit von Be¬ 
deutung. Die Kinder mit habituellem Speien oder Brechen be¬ 
reiten freilich auch bei der Buttermehlnahrung grosse Schwierig¬ 
keiten. Wir haben zwar in Uebereinstimmung mit den anderen 
Autoren nicht gesehen, was man nach mancherlei Angaben der 
Literatur nnd eigenen Erfahrungen befürchten musste, dass die 
Neigung zum Erbrechen bei dieser Fettnahruug zunimmt, wir 
glauben sogar im Gegenteil beobachtet zu haben, dass sie manches¬ 
mal infolge der knappen Dosierung der Flüssigkeitsmengen günstig 
wirkt, aber, wenn wir unser gesamtes Material übersehen, so sind 
es doch gerade diese Kinder, bei denen die Erfolge hinter dem 
sonst gesehenen am auffälligsten zurückstehen. Unter diesen 
.Umständen sind wir wiederholt zu anderer Nahrung, auch Frauen¬ 
milch übergegangen, mussten uns aber davon überzeugen, dass 
damit nichts gewonnen wurde. Tatsächlich sind eben viele Kinder 
dieser Art erst dann wirklich gut vorwärtszubringen, wenn es 
gelingt, sie ausschliesslich mit Brei zu ernähren. Mit Rücksicht 
auf Stolte’s Misserfolg bei Pylorospasmus will ich übrigens be¬ 
merken, dass wir Kinder mit dieser Erkrankung lediglich in der 
Rekonvaleszenz mit Buttermehlnahrung ernährt haben. 

Ueber die Art des Ansatzes, über die Beschaffenheit der 
Haut und des Fettpolsters, über Turgor und statische Funktionen 


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21. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


67B 


habe ich unserer früheren Mitteilung nichts neues hinxuxufügen. 
Die Blutbildung sahen wir wiederum in xwei Fällen ätiologisch 
unklarer Anämie des ersten Halbjahres günstig beeinflusst. 
Raehitis machte sich xwar, zumal bei einigen frühgeborenen 
Kindern in Form einer geringfügigen Kraniotabes bemerkbar, 
doch kann dies kaum auf eine nachteilige Wirkung der Butter- 
mehlnahrung xurückgeführt werden, da wir das gleiche bei Frauen- 
oilchernährung kennen; auch war bei älteren Rachitikern eine 
ungünstige Beeinflussung nicht wahrzunehmen. Ebenso ist zu er- 
wlhnen, dass bei 2 frühgeborenen Kindern mit 4 bzw. 6 Monaten 
Laryngospasraen auftraten, ein Vorkommnis, das x. B. Lang¬ 
stein sogar nicht so selten bei natürlicher Ernährung in seiner 
Frühgeburtenabteilung beobachtete. Ausführlicher muss ich auf 
sonstige interkurrente Störungen eingehen, welche die mit Butter¬ 
mehlnahrung ernährten Kinder gelegentlich trafen. Nach dem, 
was wir oben über den Zusammenhang zwischen Fettnahrung und 
natürlicher Immunität gesagt haben, und nach den praktischen 
Erfahrungen, die über die Verwendung der Nahrung als Heil¬ 
nahrung bei Infekten vorliegen, ist es nämlich von grossem 
Interesse festxustellen, wie sich unsere Kinder bei interkurrenten 
Infekten verhielten. Diese insbesondere für den Anstaltsarxt 
wichtige Frage konnten Czerny und ich schon in unserer ersten 
Mitteilung dahin beantworten, dass zwar bei manchen Kindern 
akzidentelle Infekte verschiedener Art auftraten und vereinzelt 
einen üblen Ausgang nahmen, dass aber im ganzen die Morbidität, 
und Mortalität, insbesondere wenn man die Art des Kranken¬ 
materials berücksichtigt, nicht gross war. Unsere neueren Er¬ 
fahrungen entsprechen dem vollständig. Wir beobachten bei der 
Battermehlnahrung keine jähen Gewichtsstürze, sondern Gewichts¬ 
stillstand oder langsame und mässige Abnahme, wir sehen nicht 
oft Durchfälle parenteraler Natur, viel häufiger nur eine 
leichte Vermehrung der Stublzabl und verminderte Konsistenz. 
Demgemäss ist es in der Regel möglich, die Ernährung unver¬ 
ändert beixubehalten, in anderen Fällen genügt es, für einige Tage 
eine dünnere Buttermehlkonzentration (s. o.) zu wählen oder den 
Zucker auszuschalten, nur vereinzelt waren wir zu Korrekturen 
mit Buttermilch oder Eiweissmilch gezwungen. Das sind Unter¬ 
schiede gegenüber den mit Kohlehydraten angereicherten Milcb- 
mischungen, die in die Augen springend sind. Rietschel, der 
die gleichen Erfahrungen wie wir gemacht hat, erklärt das Ver¬ 
halten der mit Fettmischungen ernährten Kinder gegenüber 
parenteralen Infektionen für den wesentlichen Effekt dieser Er- 
näbrungsmethode und empfiehlt sie zur allgemeinen Verwendung 
in Krippen und Anstalten, wo den Kindern die Gefahren solcher 
interkurrenter Erkrankungen besonders drohen. 

Von Störungen der Darmfunktion, die auf die Nahrung 
selbst bezogen werden müssen, haben wir seinerzeit berichtet, dass 
bei einzelnen Kindern Kalkseifenstuhlbildung beobachtet wurde. 
Sie ist jedoch ohne besondere Bedeutung und gewöhnlich leicht 
durch Vermehrung des Zuckerzusatzes zur Nahrung zu beheben, 
einige Male haben wir statt dessen auch Malzsuppenextrakt ge¬ 
braucht. Das Auftreten von Durchfällen beschreibt Berend bei 
Verwendung von saurer Milch zur Mischung, Türk beim Ge¬ 
brauch des scbwarzen Kriegsmehles, Stolte bei hochgradiger 
Stagnation der Nahrung im Magen infolge Pylorospasmus, aber 
auch ohne nachweisbare Ursache bei zwei Kindern, die bis dahin 
gut gediehen waren. Die Angaben von Berend können wir in¬ 
sofern bestätigen, als auch bei uns nach Verwendung einer nicht 
einwandfreien Milch, wie sie uns leider im vergangenen Sommer 
vorübergehend nur zur Verfügung stand, Durchfälle auftraten, sie 
batten aber nicht schleimig-eitrigen oder blutigen Charakter wie 
in Berend’s Fällen. Einige Male kam es zu akuten Störungen, 
ohne dass wir Veranlassung gehabt hätten, die Beschaffenheit der 
Milch so beanstanden. Besonders Speikinder scheinen hierzu 
so disponieren, also Kinder, bei denen wir mit einem sehr sen¬ 
siblen Magendarmnervensystem rechnen müssen. Auch mag bei 
ihnen die stets vorhandene Motilitätsstörung des Magens von Be¬ 
deutung sein, die beim Pylorospasmus ihre höchsten Grade erreicht. 
Andere Male handelte es sich um Kinder, die von vorangegangenen 
Ernährungsstörungen noch nicht genügend repariert waren. Die 
Störung leitet sich ein durch Blässe, Mattigkeit und Gewichts¬ 
abnahme; die Stuhlzahl nimmt allmählich zu, der Leib wird auf- 
getrieben, und schliesslich folgen stark saure, dünne, gelbe bzw. 
schmierig-graue Stühle. Wir sahen uns wiederholt veranlasst, in 
solchen Fällen zur Frauenmilchernährung überzugehen, und raten 
dies bei jungen, schwachen Kindern schon zu ton, wenn sich die 
eben gekennzeichneten Allgemeinsymptome geltend machen. Die 
Reparation bei Frauenmilch tritt dann oftmals so schnell und 


vollständig ein, dass man schon bald wieder zur Bottermebl- 
nahrung zurückkehren kann 1 ). Diese Vorkommnisse, so bedauer¬ 
lich sie sind, sollten jedoch nicht vor dem Gebrauch der neuen 
Nahrung zurückschrecken. Sie waren zu den Zeiten, als wir 
Mehlzuckermischungen in der Hauptsache verwandten, so häufig, 
dass wir eigentlich dauernd mit Nahrungskorrekturen beschäftigt 
waren. Die reichliche Verwendung von Buttermehlnahrung hat 
hierin einen vollständigen Wandel geschaffen, die Notwendigkeit, 
einen Nahrungswechsel oder eine Nahrungskorrektur vorzunehmen, 
ist wesentlich seltener geworden. Um aber in dieser Hinsicht 
noch sicherer zu gehen, möchten wir vorschlagen (s. auch Klein- 
Schmidt, Therapeutisches Vademekum für die Kinderpraxis), die 
angegebene Mischung von 7 g Butter und Mehl auf 100 g Wasser 
als Maximum anzusehen und zumal bei Kindern, über die man 
sich bislang noch kein genügendes Urteil hat bilden können, mit 
einer geringeren Konzentration zu beginnen, wie wir sie auch 
oben schon wiederholt empfohlen haben. Ausserdem besteht die 
Möglichkeit, den Zucker vorübergehend gänzlich auszuschalten 
und durch Saccharin zu ersetzen. Das Auftreten von alimentärem 
Oedem, welches Stolte erwähnt, haben auch wir inzwischen 
einmal gesehen. Es liegt auf der Hand, dass man mit dieser 
Möglichkeit rechnen muss, wenn der Salzgehalt der verwandten 
Butter über das übliche Maass hinausgeht. Es ist auch nach 
unseren Kenntnissen von der individuell verschiedenen Reaktion 
auf Kochsalzzufuhr verständlich, wenn bei gleicher Nahrung nur 
einzelne Kinder Oedeme bekommen. Jedenfalls wird man den 
Salzgehalt der Butter nicht ganz unbeachtet lassen dürfen. Ebenso 
wie Berend darauf aufmerksam macht, dass die Benutzung unge¬ 
salzener Butter das Ernährungsresultat beeinträchtigt, muss auf 
der anderen Seite vor zu stark gesalzener Butter gewarnt werden. 

Wo es möglich ist, sollte man die Ernährung mit Butter¬ 
mehlnahrung monatelang fortführen. Der Uebergang zu 
anderer Nahrung gestaltet sich am schönsten, wenn man in 
dem entsprechenden Alter des Kindes zunächst eine Mahlzeit durch 
einen Milchbrei ersetzt und nun allmählich statt der anderen 
Mahlzeiten Milch-Mehlmischungen mit Zucker bzw. Malzsuppen¬ 
extrakt verabreicht. Auch bei Kindern, die in ihrem Körper¬ 
gewicht noch rückständig sind, ist die Zugabe von Brei empfehlens¬ 
wert, wenn sie nur das entsprechende Lebensalter (etwa 6 Monate) 
erreicht haben. Säuglingen des zweiten Halbjahres haben wir stets 
neben der Battermehlnahrung Brei geben lassen. Auf jeden Fall 
muss man bei dem Uebergang auf andere Nahrung daran denken, 
dass die Nahrungszufuhr keine Verminderung erfährt. Zwar 
braucht man nach den StoffWechseluntersuchungen von Stolte, 
die recht erhebliche Fettverluste im Kot aufgedeckt haben, nicht 
eine Nahrung von gleichem Kaloriengehalt zu wählen, aber dieser 
darf doch nicht knapp bemessen sein, wenn man eine fort¬ 
schreitende Gewichtskurve erzielen will. Das aber wird am 
ehesten bei Breizulage gewährleistet. 

Die praktisch wichtigen Fragen, die bei dem Gebrauch der 
Battermehlnahrung auftauchen, sind damit erörtert. Die er¬ 
wähnten Stoffwechseluntersuchungen haben uns eine Vorstellung 
davon gegeben, worauf wir die guten Ernährungserfolge zurück¬ 
zuführen haben. Es kommt bei der Nahrung zu einer günstigen 
Stickstoffausnutzung, zu einer ansehnlichen Fettresorption und 
einer Mineralstoffbilanz, wie wir sie nicht besser erwarten können. 
Es sind also tatsächlich alle Bedingungen gegeben, die wir für 
den Gebrauch eines Nährgemisches als Dauernahrung fordern 
müssen. Offenbar sind es mehrere Komponenten der Nahrung, 
die vereint dieses gute Resultat zur Folge haben. 

Literatur. 

Czerny und Kleinsohmidt, Jb. f. Kindhlk., 1918, Bd. 87. — 
Berend, Msehr. f. Kindhlk., 1918, Bd. 14. — Oehsenius, D. m.W., 
1919, Nr. 2. — Stolte, Jb. f. Kindhlk., 1919, Bd. 89. — Aron, B.klW., 

1918, Nr. 28. — Rietschel, Krippenztg., Jan. 1919. — Türk, D.m.W., 

1919, Nr. 19. — Czerny, M. Kl., 1918, Nr. 23. — Niemann, Der 
Stoffveohsel bei exsudativer Diathese, Bonn 1914. — Langstein, B.kl.W., 
1915, Nr. 24. 


1) Wohlgemerkt gibt aber die Stuhlbesohafienbeit allein noch keine 
Indikation zu solohem Nahrungsweohsel ab, denn es kommt vor, dass 
ähnlioh wie bei Frauenmilohernährung trotz vorzüglichen Gedeihens eine 
vermehrte Zahl dünnbreiiger Stühle entleert wird. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





676 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Br. 20 . 


Ein Kraft- und Mineralstoffwechsel 
an der Nordsee. 

Beiträge zur Physiologie des Stoffwechsels im Knaben¬ 
alter. 

Von 

Erleb Miller and Prass Müller*). 

Im Jahre 1913 haben wir versucht in umfassenderer Weise, 
als es von Franz Müller allein im Arbeiterhaushalt Charlotten- 
burgs (1912), in der Erholungsstätte Eichkamp (1912) und mit 
Haeberlin in Wyk (1912) geschehen war, den Stoff- und Kraft¬ 
umsatz von Kindern unter dem Einfluss von Klimaänderungen 
zu studieren. Wir haben 15 Knaben des Waisenhauses Rummels¬ 
burg im Alter von 5—15 Jahren von Ende April bis Ende 
August 1913 in Beobachtung genommen. Es wurden Kinder aus¬ 
gesucht, die erfahrungsgemäss auch sonst vom Arzt als erholungs¬ 
bedürftig einem Seeaufenthalt zugeführt werden, keine eigentlichen 
Rekonvaleszenten, alles Kinder aus den arbeitenden Ständen. 
Sie kamen vom 17. Mai bis 1. Juli nach Norderney in das grosse 
Seehospiz. Wir trennen auf den beifolgenden Tabellen die 
15 Knaben nach dem Alter in drei Gruppen: Gruppe A die 
die 6—8jährigen (5), Gruppe B die 10—12jährigen (7), Gruppe C 
die 13—15jährigen (3) mit den Durchschnittsgewichten: A: 18,1, 
B; 27,0, C: 32,7 kg. Aus der Gesamtbeobachtungszeit schnitten 
wir drei Stoffwechselperioden von je 7 Tagen heraus, die sich in 
die ganze Zeit mit bestimmter, kontrollierter Ernährung ein¬ 
schoben: Periode I Rummelsburg 2. bis 8. Mai, 11 Norderney 
20. bis 26. Juni, 111 Rummelsburg 14. bis 20. August 1918. 
Jeder Periode voraus gingen 2—3 Versuchstage mit genau der¬ 
selben Ernährung wie in den 7 Versuchstagen, aber — und 
darauf glauben wir besonderen Wert legen zu müssen — in der 
ganzen Zeit war die Ernährung möglichst genau so, wie in 
diesen Perioden, so dass wir z. B. schon am zweiten Vortage die 
gleiche Harn-Stickstoffausscheidung hatten wie an den Versucbs- 
tagen, ein Beweis dafür, dass die in der Zwischenzeit gegebene 
Nahrung, wenigstens im Eiweissgehalt, nicht erheblich von der 
Ernährung im eigentlichen Stoffwechsel versuch verschieden ge¬ 
wesen ist. 

Man muss bei Beurteilung der Ernährung von vornherein 
alle Erfahrungen, die wir im Laufe des Krieges gesammelt haben, 
ausschalten. Wir sprechen vom Jahre 1913 und müssen be¬ 
denken, dass damals die Volksernährung auf einer ganz anderen 
Stufe stand als jetzt. Man wird sich heute über Zahlen wundern, 
die damals als relativ niedrig galten. Durften wir doch Kindern, 
die unserer Fürsorge anvertraut waren, nur eine durchaus aus¬ 
reichende Nahrung geben, zumal die Kinder sich ja bei dem See¬ 
aufenthalt erholen sollten. 

Der Kaloriengehalt der Nahrung musste schon in Rummels- 
bnrg sicher ausreichend sein, da wir annehmen durften, dass die 
Kinder sich an der Nordsee freier herumtummeln würden und so 
auch mehr Brennwert brauchten. Wenn wir den Brennwert dort 
hätten erheblich erhöben müssen, um die Kinder zu sättigen, so 
hätte ein Ansatz von Körpersubstanz uns nichts über eine even¬ 
tuelle Wirkung der Klimaänderung ausgesagt. Sowohl der Ei- 
weiss- wie Kaloriengehalt sollte sich ungefähr in der Norm 
halten, wie ihn die früheren Untersuchungen in Charlottenburg 
und Eichkamp ergeben hatten. So setzten wir ihn niedriger an 
als bei zahlreichen älteren Untersuchungen aus Kinderkliniken, 
bei denen besonders die Eiweisszufuhr sehr erheblich grösser 
gewesen war. Es kam uns ferner besonders darauf an, das 
Knochenwachstum chemisch zu verfolgen, d. h. den Phosphor¬ 
säure- und Kalkstoffwechsel zu untersuchen. Zu diesem Zweck 
mussten wir den Kalkgehalt der Nahrung möglichst niedrig halten 
und ungefähr den Zahlen anpassen, die 0. Herbst als gerade 
ausreichend befunden hatte. Wir gaben den Kindern eine ge¬ 
mischte Kost, hatten selbstverständlich alle Nahrungsmittel, ab¬ 
gesehen von Butter, Brot und Fleisch, für alle Perioden zuvor 
beschafft, so dass in jeder Periode genau die gleiche Nahrung 
gegeben wurde. Die Butter wurde dauernd von der gleichen 
Quelle, das Fleisch an Ort und Stelle iu möglichst gleicher Be¬ 
schaffenheit bezogen. Die grössten Schwierigkeiten bot, wie 
immer bei Stoffwechsel versuchen, die Verschiedenheit in der 


1) Naoh einem am 14. April 1919 von Frans Müller im Verein 
für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin gehaltenen Vortrage. 
Der ausführliche Berioht ersoheint in den Veröffentl. d. Zentralst. L 
Balneologie, 1919, Bd. 8, H. 6. 


Brotzusammensefzung an verschiedenen Orten. Am sichersten 
wäre es gewesen, mit Zwieback oder Keks auszukommen, aber 
man kann keine normale Ernährung durch Monate hindurch er¬ 
reichen, wenn man so stark von der üblichen Nahrung abweicht. 
Wenn wir die Einnahme pro Kilogramm und Tag im Vergleich 
zu den Zahlen im Jahre 1912 betrachten, so ergibt sich an¬ 
nähernd die gleiche Höhe wie in Eicbkamp und dabei im 
Mai 1913 eine mässige, im August eine auffallend grosse Gewichts¬ 
zunahme. Man kann danach behaupten, dass man bei Massen- 
ernährung in Krankenhäusern und Heilstätten mit etwa 
2g Eiweiss pro Kilogramm bei 90 Kalorien unter nor¬ 
malen Friedensbedingungen ausreicht. Die Gewichts¬ 
änderung zeigt, dass wir in Norderney nicht gemästet haben, 
dass wir also, wie beabsichtigt, nicht zu viel gegeben haben 
(Tabelle 1 u. 2). 

Tabelle 1. 


Ort 

Alter 

Jahre 

Eiweiss 

pro kg 

Kal. 

pro kg 

Kal. 

pro qm 

Gewiohts- 
änderung 
pro Tag 
* 

Charlottenburg . 

6—14 

1,9 

75 

1750 

=fc 0 

Eichkamp . . . 

6—14 

2,4 

i 86 

1879 

+ 28 

Wyk .... 

6—14 

3,9 

i 121 

3715 

+ 68 

Rummelsburg 1 . 

5—15 

2,8 

i 86 

2059 

t 9 

Norderney 11 . . 

5-15 

2,3 

i 92 

2212 

+ 9 

Rummelsburg III 

5-15 

2,5 

! 89 

2152 l 

+ 4* 


Tabelle 2. 

Eiweiss pro Tag und kg. 


Gruppe 

Periode I 

Periode II 

Periode m 

GioDabme 

Retention 

Einnahme 

Retention 

Einnahme 

Retention 

A 

2,91 

0,44 

2,55 

0,51 

2,69 

0,40 

B 

2,76 

0,42 

2,50 

0,41 

2,49 

0,26 

C 

2,54 

0,38 

2,31 

0,88 

2,25 

0,27 

Durch¬ 
schnitt (15) 

2,77 

0,42 

2,27 

0,43 

2,51 

0,81 


Die starke Gewichtszunahme im August bei gleicher Ein¬ 
nahme wie im Mai war für uns nicht verwunderlich. Schon in 
früheren Untersuchungen hatte sich gezeigt, dass der Ansatz von 
Körpersubstanz im Herbst ein viel grösserer als im Frühjahr ist. 
Wenn man berechnet, wieviel die Kinder im ganzen von Anfang 
Mai bis Ende Juni, am Schluss der zweiten Periode, als sie aus 
Norderney zurückgekommen waren, und von Anfang Juli bis 
Ende August zugenommen hatten, so ergibt sich im Mai/Juni 8,5 g, 
Juni/August 15,1 g pro Tag, d. h. fast das Doppelte unter durch¬ 
aus gleichen Ernährungsverhältnissen! 

Verglichen mit dem Ruheumsatz von 1100 Kalorien, wie ihn 
Erich Müller bei seinen Ruhe-Nüchtern-Respirationsversuchen 
an Kindern des gleichen Alters gefunden hat, und mit dem Um¬ 
satz von 1300 Kalorien, den Rubner im Kalorimeterkasten fest¬ 
stellte, ist unser Umsatz (nach Abzug von Kot und Harn) fast 
doppelt so gross: 


Periode 

| Gruppe 

A 

B 

C 

I 

1959 

1944 

1885 

m 

2056 

2023 

1919 


Wir sehen nicht nur pro Kilogramm, sondern auch bei Um¬ 
rechnung pro Quadratmeter Körperoberfläche ein Absinken des 
Umsatzes mit zunehmendem Lebensalter (etwa 6 pCt. zwischen 
6—15 Jahren), und zwar ist diesmal Harn und Kot auch direkt 
kalorisch bestimmt. Dasselbe hatte F. M. 1912 gefunden, damals 
unter Berechnung des Harn- und Kotabzuges. Es ist das eine 
Abweichung vom sog. Oberflächengesets von Rubner. 
Schon Magnus-Levy hat behauptet, in der Jugend gäbe es 
eine gesteigerte Zellenergie. Rubner hatte, durchaus mit 
Recht, die Tigerstedt’schen Zahlen, die das gleiche be¬ 
weisen sollten, bestritten. Sie sind nicht maassgebend. Gegen 
Magnus-Le vy's Ruhe-Nüchtern versuchen liess sich aber kein 
Ein wand erheben. Auch Camerer hat an seinem Sohne dieselbe 
Abnahme des Umsatzes mit zunehmendem Lebensalter gefunden. 

Die Längenzunahme war im Mai bis Juni 0,7 cm, im Juli 
bis August 1,1 cm. Das ist auffallend, denn nach den Statistiken 


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21. Juli 1219. 


BEHLMER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


von Schmid-Monnard, Daffner o. a. and den früheren Er¬ 
fahrungen von Frans Müller lässt das Längenwachstum im 
Herbst nach. Es musste sich teigen, ob sich das Gleiche im 
Mineral Stoffwechsel aasdrücken würde. 

Bevor wir aaf ihn eingehen, noch einige Worte über den Bi- 
weissstoffwechsel (Tabelle 2). Die absolute Retention war im 


677 


30 pCt aus dem Brt>t, 20 pCt. aus der Milch, 15 pCt. aus dem 
Fleisch. 0. Herbst batte bei Kindern von 14—15 Jahren 
0,06 and 0,07 g pro kg als aasreichend beseicbnet. Wir haben 
etwas bühere Werte, trotzdem war der Verlust im Harn nicht 
grösser (bis 48 pCt.), sondern kleiner als bei ihm (70 pCt.) 
(Tab. 4). Die Retention, die schon einen Hinweis aaf die Ver- 


T ab eile 8. Schwefel (SO#) pro Tag und kg. 


Gruppe 

Periode I 


Periode 

u 



Periode III 

Einnahme 

pCt. Verlast 1 

Retention 1 

Einnahme 

pCt. Verlust 

1 Retention 1 

Einnahme 

i pCt. Verlust 1 Retention 



Kot j 

Hirn 

1 absolut 

pCt. d. E.| 

Kot 

Harn 

! absolut | 

nCt. d R 

, Kot 

Harn , absolut | pCt. d. E. 

A 

0,100 

7 

70 

0028 

22,7 

0,086 

12 

60 

0,024 

28.5 

0,103 

9 

1 ' 

60 0.083 32,4 

B 

0 088 

6 

72 

0,020 

22,1 

0,078 

9 

66 

0,020 1 

1 25,6 

0,090 

9 

62 1 0,027 30,1 

C 

0,088 

6 

70 

0,020 

28,7 

0,066 

6 

70 

0,017 | 

28,9 

0,085 

10 

59 ! 0,026 29,9 

Gesamt 

0,090 

7 

71 

0,021 

22,8 

0,077 

9 

65 

0,020 

25,9 

0,093 

9 

60 j 0,029 : 30,8 


Tabelle 4. Phosphor (P#0#) pro Tag und kg. 


Gruppe 

Periode I 

Periode 11 

Periode III 

Einnahme 

pCt. V 
Kot 

'erlust 
Harn j 

Retention 
absolnt | pCt. d.E. 

Einnahme 

pCt. Verlust 
Kot | Harn 

Retention * 
absolut | pCt. d.E 

Einnahme j 

pCt. Verlust 
Kot ; Harn 

Rete 

absolut 

ntion 
pCt. d. E. 

A 

0,117 

20 

47 

1 

0,040 

33,6 

0,112 ^ 


1 

39 

0 048 

42,9 

i 

0,115 

20 

' 45 

0,040 

34,8 

B 

0,103 

| 18 

49 

0.034 

82,9 

0,108 s 

16 

42 

0,043 ! 

42,0 

0,102 : 

19 

1 49 1 

0,034 

33,1 

C 

0,095 

18 

1 

49 

0,081 

33,1 

0,093 , 

i 

16 

44 

0,088 | 

40,2 

0,092 

20 

43 

0,034 

1 36,8 

Gesamt 

0,105 

| 19 

48 

0,085 


0,103 l 

17 

42 

0,043 | 

41,7 

0,104 

20 

46 

0,036 

34,6 


Tabelle 5. Kalk (CaO) pro Tag und kg. 


Groppe 

Periode I 

Periode II 

Periode 

111 


Einnahme 

pCt. Verlust 
Kot | Harn 

Retention 
absolnt j pCt. d.E 

Einnahme 

pCt. Verlust 1 Rete 

Kot j Harn | absolut 

ntion 
pCt. d.E 

Einnahme! P Ct ‘ Verla8t 
| Kot 1 Harn 

1 Retention 

! absolut IpCt. d.E. 

A 

0038 

53 

[ 

24 

0,008 

24,0 

0,033 

53 ; 13 0,012 

36,7 

0,036 51 

16 

0,015 

38,8 

B 

0,027 ! 

38 

23 

0.011 

40,7 

0,029 

35 17 j 0.016 

48,1 

0,033 1 30 

16 

0,018 

l 53,2 

C 

0,024 | 

42 

10 

0,013 

51,7 

0,027 

88 4 ! 0,016 

i 1 j 

58,7 

0,031 |* 36 

10 

0,017 

1 58,1 

Gesamt 

0,028 

44 

19 

0,011 

38,8 

0,080 

| 42 j 11 | 0,015 

47,8 

0,088 i 39 

14 

0,017 

1 50,0 


Durchschnitt in Norderney nur verglichen mit der Herbstperiode, 
höher als in Rommelsburg. Wenn wir sie aber prozentual be¬ 
rechnen, so haben wir im Mai 15,2 pCt, und Norderney 17,4 pCt. 
and im August 12,4 pCt. — also immerhin ein kleines Pias, 
ln der Ernährung kann der Grund dafür nicht gesucht werden. 
Das Nährstoffverhältnis war in Norderney 1:8,6, in Rummels¬ 
barg 1:7,6, die Kalorieneinnahme fast gleich, ebenso die Aus¬ 
nutzung, in der ersten Periode 92 pCt., in der zweiten Periode 
89 pCt., in der dritten Periode 89pCt. 

Wir wenden uns jetzt zu dem Mineralstoffwechsel und beginnen 
mit der Schwefelbilanz. Es gibt in der Kinderheilkunde nur 
wenige Stoffwechseluntersachungen, bei denen der Schwefel unter¬ 
sucht worden ist, es erschien daher interessant, ihn mit zu be¬ 
rücksichtigen (Tab. 8). Die Retention, beträgt bei fast gleicher 
Einnahme in Periode I: 23 pCt., II: 26 pCt., III: 81 pCt. der 
Einnahme. Es fand eine Zunahme der Schwefelretention zum 
Herbst hin statt. Das erschien merkwürdig, weil die Schwefel¬ 
retention der Eiweissretention nicht genau parallel geht, ist aber 
verständlich, da das Verhältnis von Stickstoff zu Schwefel in 
Nägeln und Haaren anders ist, als beim Biweiss. Eiweiss: 16:1, 
Nägel: 16:2,5, Haare: 16:4,5. So wird durchaus begreiflich, 
dass in der heisseren Jahreszeit, in der erfahrungsgemäss diese 
Gebilde viel stärker wachsen, mehr Schwefel als Stickstoff ange- 
setzt wurde. 

Phosphorsäure: Die Phosphorsäarbestimmung in Nahrung 
and Kot ist bei kleinen Mengen ausserordentlich schwer. Die 
alte Fresenius’sche Methode, die bis 1918 meist ausgeführt wurde, 
bietet Gelegenheit zu grossen Fehlern, die man zunächst nicht 
erkennen kann. Häufig wird nicht Magnesiumpyrophospbat 
sondern Mono* oderTrimagnesiumphosphat zur Wägung gebracht. 
Das wird bei der Lorenz’schen Methode, die jetzt in der Nah¬ 
rungsmittelchemie allgemein anerkannt ist, durch Wägung von 
Ammoniumphosphormolybdat vermieden. Es ist also gegen die 
in der Literatur vorhandenen Phosphorsäurewerte die grösste 
Kritik am Platze. Von dem aafgenommenen Phosphor stammten 


hältnisse auf das Knochenwacbstum gibt, betrug 33 pCt. im Mai, 
42 pCt. in Norderney und 35 pCt. im August. Auch absolut ist 
ja der Unterschted erheblich: I. 0,035, II. 0,043, III. 0,086 pro 
kg. Da aber der Phosphoransatz nicht allein in Form von 
phosphorsaurem Kalk stattfiudet, sondern auch bei anderen Zell¬ 
bestandteilen in Betracht kommt, ist erst die Kalkbilanz ent¬ 
scheidend in Fragen des Knochen Wachstums. Vom Kalk stammten 
89pCt. aus der Milch, 17pCt. aas dem Wasser, 17 pCt. aus 
Gemüse, 15 pCt. aus Brot. Der Kalkgehalt des Wassers im 
Binnenlande und an der See ist nicht gleich, wir mussten es durch 
Abkochen und Absetzenlassen ausgleicben. Es ist bedeutungsvoll 
und für spätere Untersuchungen beachtenswert, wie erheblich die 
im Trink- und Kocbwasser eingenommene Kalkmenge ist. Die 
Gesamteinnahme betrug im Durchschnitt pro Tag absolut I. 0,6, 
II. 0,8, 111. 0,9 g. Herbst hat für Kinder von 5—8 Jahren 0,8 
bis 0,5, von 14—16 Jahren 0,9 g als ausreichend angegeben. 
Die niedrige Einnahme haben wird dadurch erreicht, dass wir 
die ganzen 4Va Monate täglich nur ’/* Liter Milch gaben, für 
damalige Zeit wenig (Tab. 5). Die Retention beträgt trotz 
der kleinen Zufuhr 0,011, 0,015, 0,017 g pro kg, nimmt also 
in der zweiten und auch in der dritten Periode zu. Wenn wir 
die einzelnen Gruppen vergleichen, so fällt auf, wie mit zunehmen¬ 
dem Alter die Retention grösser wird. Die älteren haben — ceteris 
paribnt — mehr Kalk retiniert. 

Wir hatten vorher erwähnt, dass das Längenwachstum in 
der zweiten Hälfte der gesamten Beobachtüngszeit, im Jali-August, 
grösser war als in den ersten zwei Monaten, obwohl erfahrungs¬ 
gemäss das Längenwachstum zum Herbst hin abnimmt. Dem 
entspricht die bis in den Herbst weitergebende stärkere Retention 
von Kalk bei fast gleicher Aufnahme. Damit ist, wie wir glauben, 
ein zahlenmässiger Beweis erbracht, dass der Knochen¬ 
ansatz in der Norderneyer Periode sowohl absolut, wie 
prozentual grösser war als im Mai. Das gesteigerte Wachs¬ 
tum hat über die normale Zeit hinaus, in der sonst das Längen¬ 
wachstum geringer wird, angehalten. 

2 


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678 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 20. 


Wenn wir die Resultate zusammen fassen, so muss nochmals 
darauf hingewiesen werden, das a die Kinder in Norderney durch¬ 
aas nicht schwerer geworden sind. Sie haben aber Eiweiss, also 
Muskulatur angesetxt. Wir haben twar die Perspiratio insenei- 
bilis aus äusseren Gründen nicht bestimmt, aber beobachtet, wie 
die Erfahrung auch sonst immer lehrt, dass die Kinder an der 
See nicht so stark schwitzten, wie in den heissen AugOsttagen 
im Binnenlande. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Wochen 
in Norderney in Zeiten fielen, in denen selten Landwind herrschte 
und die Temperatur lange nicht so hoch war, wie nachher im 
Jnli und August in Rummelsburg. Eine stärkere Wasserabgabe 
durch die Haut kann also nicht stattgefunden haben. Dagegen 
wäre es möglich. — und darauf weisen manche neuere Unter¬ 
suchungen über den Einfluss körperlicher Arbeit auf den Wasser¬ 
haushalt hin —, dass der Gesamtwassergehalt des Körpers in 
Norderney abgenommen hat. Besonders auffallend waren, obwohl 
die Kinder nicht geschwitzt haben, in Norderney die niedrigen 
Harnmengen. Die Verbesserung der Retention war hauptsächlich 
durch die geringeren Verluste im Harn bedingt. Nur nebenbei 
sei bemerkt, dass wir auch den Chlorstoffwechsel untersucht haben. 
Es hat sich keine Aenderung an der See, kein Hinweis auf Chlor - 
aufnahme durch die Seeluft gezeigt. Die Verbesserung der 
Phosphorsäure- und der Kalkretention iy Norderney und im 
August in Rummelsburg beweist, dass in den Wochen des zweiten 
und dritten Versuchs im Stoffwechsel Aenderungen im Sinne 
stärkeren Knochen Wachstums stattgefunden haben. 

Wir wollen uns bezüglich der Ursachen möglichst vorsichtig 
ausdrücken. Ob das Klima selbst den ausschliesslichen oder 
einen entscheidenden Einfluss bat, lässt sich schwer mit Sicher¬ 
heit sagen, noch schwerer, ob die stärkere Besonnung und der 
Wind vor allem wirksam sind, zweifellos dürfte wohl die sehr 
viel stärkere körperliche Betätigung der Kinder an der See von 
Bedeutung sein. Es wäre sehr wünschenswert, wenn die Ver¬ 
suche von Röder und Wienicke wiederholt werden könnten. 
Diese Autoren haben behauptet, dass kurzdauernde, anstrengende 
Wanderungen einen sich über viele Wochen erstreckenden Anstoss 
zu stärkerem Stoffansatz hervorrufen. Leider sind diese Unter¬ 
suchungen aber gerade in die Jahreszeit gefallen, in der dieser 
Ansatz an sich schon stärker ist. Ihre Zahlen sind daher 
nicht beweisend. Wenn es sich nach Berücksichtigung des jahres¬ 
zeitlichen Faktors zeigen sollte, dass diese stärkere körperliche 
Betätigung von erheblichem, nachwirkenden Einfluss auf den 
Stoffansats und den Ansatz von Mineralstoffen ist, so wird es 
sich fragen ob die Klimaänderung selbst ausserdem als Faktor 
zu berücksichtigen ist. Sollte sich dagegen berausstellen, dass 
die körperliche Betätigung nicht so stark wirkt, dann darf man 
vielleicht sagen, dass unsere Versuche einen günstigen Einfluss 
des „Seeklimas“ auf den Stoffansatz und das Knochen Wachstum 
ergeben haben. 


Ueber das Problem der selbständigen extra¬ 
kardialen Blutbewegung. 

Von 

K. HasekrQek-Hamburg. 

Es liegen aus neuerer Zeit eine Reihe von physikalischen 
und klinischen Arbeiten vor mit dem Resultlt, dass für die 
untersuchten Bedingungen die Annahme einer aktiven Mitwirkung 
des extrakardialen Betriebes für die Strömung nicht erforderlich 
und daher nicht berechtigt ist. Gegen die von den Autoren vor¬ 
gebrachten Argumente lässt sich nichts einwenden: so muss man 
z. B. die in dieser Wochenschrift veröffentlichten Auseinander¬ 
setzungen von Hans Kohn 1 ) über den Sektionsfall von Fahr 2 * * * ) 
mit thrombotischem Verschluss grosser zentraler Gefässe ohne 
Störung der Ernährung der betreffenden Extremität anerkennen. 
Das Gleiche gilt von den Versuchsresultaten von Hess, insofern 
diese keinen Anhalt für eine stromtreibende aktive Pressions¬ 
reaktion der Arterien Wandungen auf die Pulswelle ergeben 8 ) und 


1) HansKohn, Zur Frage der extrakardialen Blutbewegung. B.kl.W., 
1918, Nr. 81. 

2) Fahr, Zur Frage der extrakardialen Blutbewegung. Zbl. f. 

Herskrankb., 1918, Nr. 8. 

' 3) Hess, Die Arterienmuskulatur als peripheres Herz? Pflüg. Arcb., 

1916, Bd 168, S. 555. 


den bekannten selbständigen Pulsationen der Kaninebenohrarterien 
ihre Bedeutung als „peripheres Herz u genommen 1 ) haben. 

Es liegt aber in derartigen, für bestimmte Verhältnisse be¬ 
rechtigten Zurückweisungen der Hypothese von der Eigenarbeit 
der Peripherie die Gefahr, dass man verallgemeinert. Man würde 
über das Ziel hiuausscbiessen, wenn man nach diesen konkreten 
Fällen die Frage des extrakardialen Kreislaufs schon für erledigt 
betrachtete oder das Problem als ein Truggebilde, dem nur seine 
kritiklosen Anhänger nachjagen, ganz leugnete. 

Es ist eine eigene Sache mit der Kritik auf diesem Gebiet, wo die 
Verhältnisse physikalisch sowohl als biologisch ungemein verwickelt 
liegen. Auch falsche Auslegungen laufen mit unter und werden ver¬ 
hängnisvoll für die Wahrheit, wenn sie an exponierter Stelle als Referat 
zum Ausdruok kommen: so musste ich z. B. seinerzeit dagegen pro¬ 
testieren, dass im Zentralblatt für Herzkrankheiten der Tenor des Urteils 
Hürthle’s über die Niohtberechtigung meiner positiven Schlüsse aus 
hydraulischen Versuchen als eines nur „Möglichen*, aber keineswegs 
„Notwendigen*, eine „vernichtende Kritik* der Lehre vom extra¬ 
kardialen Kreislauf verkehrt wurde. 

Es ist sehr zu beachten, dass das Problem sich vielfach um 
diese Angel dreht: um die Beziehung eines nachweisbar „Mög- 
lichen u zum hypothetischen „Wahrscheinlichen*. Das positive 
Beweismaterial der Neuzeit ist überwiegend so beschaffen, dass 
auch die Gegner nicht umhin können, die Möglichkeit einer 
extrakardialen Stromförderung anzuerkennen, und dies fällt um 
so mehr ins Gewicht, als die Gegner keineswegs in der Lage 
sind, mit grösserer Sicherheit zu deklarieren, dass unter allen 
Umständen die Zirkulation sich ohne peripherische Stromtrieb¬ 
kräfte abspielt. Auch sie sind ebenfalls auf eine indirekte Be¬ 
weisführung angewiesen. 

Das bisher Gesagte wird illustriert durch eine neuere Arbeit 
Hürthle’s 2 ), aus der man zugleich die Schwierigkeiten des 
Problems erkennt. 

Hürthle sagt: „Zur Entscheidung dieser Frage wurde von mir 
selbst eine Reihe von Tatsachen beigebracht, die im Sinne einer aktiven 
Mitwirkung der Gefässe gedeutet werden konnten 1 ). Bei der weiteren 
Verfolgung hat sich aber für die Mehrzahl dieser Tatsachen gezeigt, 
dass sie auoh in anderer Weise gedeutet und auf bekannte Eigenschaften 
des Gefässsystems und des Blutes zurüokgeführt werden höhnen. Da es 
sioh um verwickelte Erscheinungen handelt und ein Experimentum 
cruois zur Entscheidung der schwebenden Fragen bis heute 
nioht beigebracht werden konnte, ist es zweckmässig, eine Klärung 
von weiteren Gesichtspunkten zu versuchen.* Diese Klärung versuoht 
Hürth Ie dann „in der Beantwortung der Frage, ob unsere heutigen 
theoretischen Kenntnisse über die Strömung von Flüssigkeiten in einem 
Röhrensystem ausreichend sind zur Berechnung der Kraft, welche zur 
Unterhaltung der Strömung erforderlich ist*. Die physikalischen Unter¬ 
lagen für diese Berechnung sind naoh Hürthle gegeben in den unter 
Ludwig seinerzeit mit genügender Genauigkeit ausgemessenen Blut¬ 
bahnen in der Arteria mesenterioa und der Arteria pulmonalis 
des Hundes. „Als Gesetz für die Beziehungen zwischen Druck, Ge¬ 
schwindigkeit und Widerstand kommt nur das Poiseui 11 e'sohe in Be¬ 
tracht.* Hürthle zeigt zunächst, dass dieses Gesetz auoh für die 
Systeme naoh Art der Blutbahn zusammengesetzter Röhren Geltung hat, 
wenn „man die Form und Dimension einer gegebenen natürlichen Blut¬ 
bahn feststellt, wie sie sioh unter einem bestimmten lnjektionsdruok 
gestaltet*: alsdann kann man mit Hilfe des Poiseuille’schen Gesetzes 
berechnen, wieviel Flüssigkeit in der Zeiteinheit unter dem vorbenutzten 
Druok hindurohfliesst, oder man kann umgekehrt den Druck berechnen, 
wenn man die durchlaufene Flüssigkeitsmenge kennt. Dies „genügt zur 
Beantwortung der Frage, ob der mittlere arterielle Blutdruck zur 
Unterhaltung der Strömung bei einem mittleren Tonus der Gefässe 
genügt oder nioht*. Und nun kommt Hürthle durch Rechnung zu 
dem Ergebnis, dass tatsächlich in Darm- und Lungenbahn sowohl naoh 
der gefundenen Geschwindigkeit in den Stammarterien als nach dem 
Gesamtdruckverlust „die vom Herzen aufgebrachte und in der Höhe des 
arteriellen Druckes gemessene Kraft zur Unterhaltung der Strömung 
bei mittlerer Geschwindigkeit vollkommen ausreioht und die An¬ 
nahme einer weiteren aktiven, von der Arterienwand selbst herrührenden 
Kraft zur Erklärung des Blutstroms überflüssig ist*. 

Trotz dieser an sich einwandfreien Argumentation bleibt 
auch die Beweisführung Hürthle’s eine indirekte. Das Resultat 
seiner Berechnung könnte an die Benutzung der „Mittelwerte“ 
von Druck, Geschwindigkeit und Tonus gebunden sein. Es be¬ 
stehen Zweifel, ob nicht in konkreten Fällen dennoch ausser der 
Poiseuille’schen Formel treibende Kräfte anzunehmen sind, die 
aus der Labilität des Tonus abgeleitet werden können. Es gibt 


1) Hess, Untersuchungen über den Antrieb des Blutstroms durch 
aktive Gefässpulsation. Pflüg. Arch., 1919, Bd. 178, S. 516. 

2) Hürthle, Vergleich der gemessenen und berechneten Kräfte des 
Blutstroms. D.m.W., 1918, Nr. 35. 

8) Hürthle, D.mW., 1918, Nr. 8, 1914, Nr. 1, 1917, Nr. 4 u. 25. 


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21. Juli 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


879 


nämlich Tatsachen, die darauf hinweisen, dass das Poiseuille'sche 
Gesetz nicht immer das Ausschlaggebende sein kann. Ich bitte 
solche Tatsachen mit mir vorurteilsfrei in folgendem za prüfen: 

Wir kennen toxisohe Storungen während der Veron&lagone — 
vorwiegend am Mesenterialkreislauf studiert —, die nach der experi¬ 
mentellen Pharmakologie in einer isolierten Lähmung der Kapi llaren 
ihren Grund haben 1 ). Die Zirkulation kommt allmählioh xum Stillstand 
Unter starker Ueberfüllung der Kapillaren und Venen, trotzdem das 
stromaufwärts gelegene Arteriensystem vasomotorisch intakt bleibt und 
ebenso das Herz. Der Kreislauf soll durch „Verblutung“ in das er¬ 
schlaffte Kapillarsystem versagen, indem duroh die Blutversohiebung der 
Zufluss zum Herzen aufhört und darauf der Blutdruck unaufhaltsam 
sinkt Die Störung kann beseitigt werden duroh das antagonistische 
Chlorbaryum. Der Baryt soll die „Wirkung durch eine Konstriktion 
(bis zu V 4 Stunde!) der eine grosse Blutmasse enthaltenden, den Haupt¬ 
widerstand der Zirkulation darstellenden Kapillaren erzielen“, wodurch 
dem Herzen wieder Blut zugeführt und ein genügendes Sohlagvolumen 
ermöglicht wird. 

Lässt diese Auffassung nicht etwas Wesentliches unberück¬ 
sichtigt? Wenn man überlegt, dass das Kapillarsystem des 
ganzen Körpers nur einen kleinsten Bruchteil des Gesamtsystems 
beträgt — beim Menschen hat man 1—2 Schlagvolumina be¬ 
rechnet — *), so kann eine Veronal-Blutverschiebung kaum grösser 
sein als bei nicht zum Tode führenden starken Blutverlusten und 
anderen Verschiebungen, z. B. bei der Verdauung, Muskelarbeit 
(Blutansammlung in den Muskeln bis 66*/ s pCt.)’), die der Orga¬ 
nismus spielend bewältigt, ohne dass der Zufluss zum Herzen 
aufhört. Andererseits versteht man nicht, wie die Baryt¬ 
kontraktion in Dauer von 1 3 / l Stunde — also eines Vielfachen 
der Zeit eines Blutumlaufs — die Zirkulation in Betrieb zu halten 
vermag, wo doch grösste Widerstände gesetzt werden. Das 
Poi8euille’8che Gesetz kann hier kaum die Situation beherrschen, 
es muss noch etwas hinzukommen, und das kann nur die 
biologische Teilnahme der Kapillarwände am Weiter¬ 
betrieb sein: diese wird durch das Veronal aufgehoben 
und durch den Baryt wieder eingesetzt. 

Dass so die Verhältnisse liegen, wird durchaus wahrschein¬ 
lich durch die von den Autoren betonte Analogie der Erschei¬ 
nungen bei der Peritonitis als einem Entzüdungsvorgang. 
Denn auch zur Deutung der Verlangsamung und des Stillstandes 
des Blutes bei der lokalen Entzündung kommen wir mit dem 
Poiseuille'schen Gesetz allein nicht aus. Noch immer sind 
hierüber die Akten nicht geschlossen. . Man geht über diesen 
wichtigen Punkt merkwürdig leicht hinweg. Nirgends findet man 
in den neueren autoritativen Arbeiten über die Entzündung eine 
sichere mechanische Deutung, weshalb die Strömung verlangsamt 
ist. Man scheint sich vielfach des Problems gar nicht mehr be¬ 
wusst zu werden, obgleich hier ein zu lösendes Rätsel noch eben¬ 
so vorhanden ist wie zur Zeit Cohnheim’s, der als erster an 
keiner Stelle Lumenwiderstände, vielmehr „Arterien, Kapil¬ 
laren und Venen überall und sämtlich weit, sogar über 
die Norm erweitert 4 * fand. Cohnheim selbst kam nur bis 
zur Annahme einer nicht nachweisbaren und in ihrer Natur nicht 
erforschbaren Alteration der Gefässwände durch „molekulare Ver¬ 
änderungen 444 ). Auch v. Recklinghausen kommt nicht zu 
einer Gewissheit! Indem dieser die mechanisch ebenso unklare 
initiale spontane Zuströmung nach einer Entzündungsstelle hin 
(anch in einem stromaufwärts ligierten Gebiet, also ab¬ 
geschnitten von der Herzkraft! H. Weber, Buchheim, 
Brücke, Guning) aus einer „Diffusionswirkung 44 deutet, 
verlegt er — unter mancherlei Fragezeichen — den Schwerpunkt 
bei der Stase in das Blut: durch Vermutung einer schwereren 
Beweglichkeit der Blutkörperchen 5 ). Seitdem gibt man sich an¬ 
seheinend damit zufrieden, die Ursache des Blutstillstandes in 
erhöhter Reibung schlechthin zu suchen. Das ist aber nur 
eine Möglichkeit! Ebenso möglich ist es, eine Veränderung 
der Gefässwände in dem Ausfall irgendwelcher wahrer 
Stromtriebkräfte, die normalerweise zur Verfügung stehen, zu 
erblicken. 


1) Jacoby und Römer, Aroh. f. exper. Path. u. Pharm., 1911, 
Bd. 66, S. 841 ff., und Holsbaoh, ebenda, 1912, Bd. 70, und M.m.W., 
1912, Nr. 48. 

2) Nicolai, Nagel’s Handb. d. Pbysiol., Bd. 1, S. 767. 

3) Ranke, Die Blutverteilung und der Tätigkeitswechsel der Organe. 
Leipzig 1871. 

4) Cohnheim, Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Berlin 1877, 
S. 905. 

5) v. Recklinghausen, Handbuch der allgemeinen Pathologie 
des Kreislaufs. Stuttgart 1883, S. 58—68. 


Man ignoriert, dass in dieser Hinsioht inzwischen die gründliche 
Bxperimentalantersuohung von Natus vorliegt, der auf Grund von nioht 
weniger als 68 Versuchen am lebenden Kaninohenpankreas, unter Ab¬ 
lehnung der v. Reoklinghausen’sohen Theorie, ein Verständnis 
nur für möglioh hält, wenn man „in der Blutbewegung.die Arbeit 
nicht allein des HerzenB, sondern auoh der Gefässe und 
Kapillaren sieht, deren Betrag wie beim Herzen, erhöht und 
und erniedrigt werden kann“ 1 ). 

Bei der Entscheidung über diese Möglichkeiten misst man 
nicht mit gleichem Maass: denn gegenüber dem ganz unbestimmten 
Faktor einer keineswegs bewiesenen erschwerten inneren oder 
Wandreibung fallen noch andere Tatsachen so sehr für das prin¬ 
zipielle Vorhandensein eines eigen-motorischen Betriebes ins Ge¬ 
wicht, dass die zweite Möglichkeit gegenüber der ersteren die 
annehmbarere wird. Ich will ganz abseben von meinen eigenen 
früheren zellmolekularen Erörterungen und entsprechenden Aus¬ 
deutungen gewisser Organfunktionen — z. B. der Niere —, eben¬ 
so von den Bi ergehen und von denjenigen Beobachtungen von 
Natus, die bei einer Unabhängigkeit der Stromge¬ 
schwindigkeit von der Lumenweite der Kapillaren die 
Abhängigkeit von der mit der vitalen Funktion verknüpften 
Tätigkeit der Vasomotoren wahrscheinlich machen, und die im 
Sinne treibender Kräfte von mir ausgelegt worden sind. Ich ver¬ 
weise auf die betreffenden Arbeiten 2 ). Ich will hier nur neuere 
Beobachtungen heranzieben. _ 

So wird aus dem Göttinger physiologischen Institut in einer exakten 
Untersuchung über die „lokale vasomotorische Reaktion* 1 ) an 
der marmorierten und fleckig hyperämisohen Haut direkt von dem 
„rythmisohen Wechsel“ der lokalen Arterien und Kapillaren be¬ 
richtet und zwar als Ausdruck der Gewebeatmung; dass hierbei mo¬ 
torische Stromtriebkräfte entwickelt werden, kann kaum zweifelhaft sein, 
um so weniger, als nach dieser Arbeit sogar die erweiternde Mechanik 
der Gefässe als Erregungs- und nicht als Hemmungswirkung aufgefasst 
werden muss. Es wird weiter die Tatsaohe gefunden, dass ausser der 
Haut auch an Leber, Niere, Milz, Herz die gleichen Phänomene, d. h. 
alle Arten der „lokalen vasomotorischen Reaktion“ nachweisbar sind, 
dass also die Erscheinung allgemein verbreitet ist. Endlich wird fest¬ 
gestellt, dass unmittelbare Stoffwechselprodukte der Organgewebe das 
Auslösende sind, speziell in den Kapillaren, und dass hormonale Ein¬ 
flüsse auf nervös-vasomotorischem Wege für die Arteriolen hinzukommeu, 
unter einem Antagonismus zwischen Kapillaren und Arterien. 

Wenn der Antor selbst alle diese Momente nnr für die Blut- 
verteilung aaswertet und sie für das Problem- der extrakardialen 
Strombewegnng nicht in Erwägung zieht, so scheint er mir als 
physiologischer Untersucher nicht ganz gerecht zu sein. Es hat 
allerdings mittlerweile — wie eingangs schon erwähnt — Hess 
den Eigenpulsationen der grösserkalibrigen Arterien am Kaninchen- 
ohr jegliche stromfördernde Wirkung absprechen müssen, aber 
bei den kleinsten Arterien und den Kapillaren bandelt es sich 
beim Eigenrhythmus um Verschluss und Oeffnung des Lumens; 
hier wird man physikalisch — zumal bei anzunehmender aktiver 
Oeffnung — eine Stromförderung kaum bezweifeln dürfen. 

Aehnlich steht es mit den neueren Beobachtungen in vivo 
nach der Lombard-Müller-Weiss’schen Methode der mikro¬ 
skopischen Darstellung der Kapillaren. Wenn man hier bei sorg¬ 
samer Beobachtung findet, dass nicht selten einzelne Kapillar¬ 
schlingen sich plötzlich vorübergehend völlig entleeren, 
indem sich der arterielle Schenkel zusammenziebt und der venöse 
Teil entsprechend erweitert; dass darauf nach einem Moment 
kurzer Stase das Blut abfliesst, so dass die Kapillarschlinge 
gänzlich dem Gesichtsfeld entschwindet — so spricht 
dies, auch wenn die grosse Flüchtigkeit der Erscheinung und die 
zweifellose Subtilität der Beobachtung (nur nach dem optischen 
Kontrast der Blutsäule) zu grosser Vorsicht eines Urteils mahnt, 
für die Wahrscheinlichkeit einer von uns geforderten 
lokalen Triebkraft im Kapillargebiet, die nicht ignoriert 
werden dürfte. Die Gegner müssen doch stutzig werden, wenn 
ferner von zwei Untersuchern 4 ) in offenbarer gegenseitiger Kon¬ 
trolle folgendes mitgeteilt wird: 

„Man wird nun öfters bemerken, dass auf einmal in dem zu¬ 
führenden Sohenkel der Kapillarsohlioge eine blutleere Stelle entsteht: 


1) Maximilian Natus, Beiträge zur Lehre von der Stase usw. 
Viroh. Arch., 1910, Bd. 199, S. 79. 

2) Extrakardialer Kreislauf, Kap. II u. in. Jena 1914. — Natus, 
a. a. 0. Hasebroek, Ueber extrakardiale Kreislauftriebkräfte usw* 
B.kl.W., 1915, Nr. 10. 

3) Bbbeoke, Die lokale vasomotorische Reaktion der Haut und 
der inneren Organe. Pflüg. Aroh., 1917, Bd. 169. 

4) Ludwig Thaller und E. v. Draga, Die Bewegungen der 
Hautkapillaren. Vorläufige Mitteilung ., W.U.W., 1917, Nr. 22, S. 687. 

2 * 


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080 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 29. 


die Arterie kontrahiert sioh so, dass sie blutleer wird; die Kontraktions¬ 
welle wandert ähnlich einer peristaltischen Welle bis iu dem 
sichtbaren Ende der venösen Schlinge. Bei einem Falle von 
Aorteninsuffisienz entstand diese peristaltische Welle rhythmisch, doch 
war dieser Rhythmus etwa 4—5 mal langsamer als der Herzrhythmus, 
sonst sehen wir sie in regellosen Intervallen entstehen. Ausserdem 
konnte man beobachten, dass sich manchmal eine solche kontrahierte 
Stelle ausbuohtete und so ähnlich einer wahren Welle herankam, ver¬ 
längert, manchmal wieder spitzer oder auch stumpfer. Sehr oft bekam 
man den Eindruck, als ob sich die Schlinge direkt erigieren wurde. Die 
Bewegungen konnten auch anderen demonstriert werden/ 

Ich gebe gern zu, dass, wie es scheint, diese Beobachtung 
von Rhythmus und Peristaltik von anderen noch nicht gemacht 
ist, aber die Angaben lauten so bestimmt, dass in diesem Falle 
besondere Bedingungen Vorgelegen haben können. Jedenfalls wird 
aber auch hier die plötzlich eintretende Blutleere des zuföhrenden 
Schenkels der Kapillarschlinge erwähnt. Ich wüsste nicht, wie 
man dies anders deuten könnte, als durch irgendwelche 
aktive Verengerung des Lumens, die einen Vorwärts¬ 
trieb des Blutes in die Venen bewirken muss. 

Eine weitere Beobachtung liegt aus dem Utrechter physio¬ 
logischen Institut vor, die den Gegnero zu denken geben sollte: 
dass nämlich in objektiv registrierenden Kurven für die Bewegung 
kleinster Gefässe ein rhythmisches Zentrum in der Medulla 
etwas oberhalb des Atemzentrums nachgewiesen werden konnte, 
und dass diese rhythmische Bewegung neben einer statisch kon- 
striktorischen Sympathikusreizung und Adrenalinwirkung (1:8000) 
herläuft 1 ). 

Die Registrierung am Kymograpbion erfolgte hier mittelbar von den 
Inhaltssohwankungen des Tränenkanals aus, wie diese duroh die Be¬ 
wegungen der umliegenden Blutgefässe hervorgerufen wurden: die Gefässe 
blieben also selbst unberührt vom Eingriff, was methodisch von Be¬ 
deutung ist. Die Autoren halten die Beobachtung für eine direkte 
Stütze der Annahme einer grösseren selbständigen Rolle des peripheren 
Gefässsystems. Hier haben wir übrigens zum ersten Male auch den 
Nachweis eines medullären Zentrams für automatische Gefässrhythmik, 
nach dem man bisher vergebens gesucht hat. 

Für mich persönlich bedeutet es zugleich sehr viel, dass die Autoren 
gewisse, wenn auch noch nioht klare Beziehungen der automatischen 
Rhythmik zum Sympathikus bzw. Adrenalin festgestellt haben: es würde 
das ganz dem entsprechen, was sich wie ein roter Faden duroh das von 
mir aufgestellte extrakardiale System der Blutbewegung als das Treibende 
hindurchzieht 2 ). 

Alle diese Tatsachen sprechen mindestens für die Möglich¬ 
keit einer selbständigen Betriebsförderung der Blutströmung. 
(Jnd wenn auch nach der Berechnung Hürthles die Poiseuille- 
sche Formel möglicherweise ausreicbt, um die Vorgänge der 
Organdurchströmung „bei mittlerer“ Geschwindigkeit und „mitt¬ 
lerem“ Tonus zu erklären, so scheint sie in den von mir an¬ 
geführten Fällen eben nicht zu genügen zur Deutung der Er¬ 
scheinungen, deren Rätsel andererseits sich leicht löst, sobald 
man irgendwelche Mitwirkung der Gefässe annimmt. 

Ebenso erscheint es fraglich, ob die Schlüsse Hürthles auf 
so hohe und höchste Geschwindigkeiten anwendbar sind, wie wir 
sie während der eigentlichen Funktion, bzw. biologisch gestei¬ 
gerten Funktion des betreffenden Körperbezirkes ein- 
treten sehen. Hiermit komme ich auf einen Punkt, den bereits 
Mares berücksichtigt bat 3 ), und der imstande ist, die ganze 
Problemstellung des extrakardialen Kreislaufes zu verändern. 
Es wäre nämlich denkbar, dass die peripheren Betriebskräfte 
erst unter der biologischen Anregung der Organtätigkeiten nennens¬ 
wert zum Ausdruck kommen, dass sie aber während der Ruhe 
der Organe so wenig in Erscheinung treten, dass in diesem 
Stadium der Durchfluss tatsächlich annähernd demPoiseuille’schen 
Gesetz, das nur mit Lumenwiderständen rechnet, untersteht. In 
Hinsicht auf die von Hürthle angezogenen Organbezirke des 
Mesenteriums und der Lunge lässt sich diese Auffassung be¬ 
gründen: Zunächst betreffen die von mir oben gestreiften direkten 
Feststellungen von Natus über die Abhängigkeit der Strom¬ 
geschwindigkeit lediglich von der Funktion des Parenchyms einen 
Teil des Mesenterialkreislaufes, das Pankreas. Und fast 
noch eklatanter liegen die Verhältnisse beim Lungenkreislauf 
in den Resultaten der bekannten Bindungsexperimente: hier 
stossen wir auf Erscheinungen, die unter der Funktion der Lunge 
mit den landläufigen Lumenwiderständen nur höchst gezwungen 

1) Benjamins und Roohat, Eine neue vasomotorisohe Automatic 
am Tränenkanal. Pflüg. Arch., Bd. 164. 

2) Extrakard. Kr., Kap. IX u. X. 

3) Franz Mare§, Der allgemeine Blutstrom und die Förderung 

der Darobströmung usw. Pflüg. Arch., 1916, Bd. 165, S. 178 ff. 


gedeutet werden können, während die Hinsunahme irgendwelcher 
selbständiger motorischer Gefässtriebkräfte alles leicht verständlich 
macht. Bei der Wichtigkeit dieses Punktes führe ich einen der 
klassischen Versuche unter Cohn heim genauer an 1 ). 

„Kaninchen, künstliche Atmung. Druck in der Karotis 100—120 mm 
Hg. In der Pulmonalis 20 mm Hg. Zubindung von 8 linken Lungen¬ 
venen bewirkt weder in der Karotis einen Abfall noch in der 
Pnlmonalis eine Steigerung des Druckes. Erst Unterbindung 
der rechten Venen, welohe vom oberen und mittleren Lappen kommen, 
bewirkt, ohne Einwirkung auf die Karotis, 4 mm Erhöhung in der Pul¬ 
monalis/ 

Also bis etwa */ 4 der das Blot abführenden Lungengefäss- 
bahnen kann gesperrt werden, ohne dass eines neoneoswert 
höheren Druckes benötigt wird, um durch den Restteil der Longen 
eine dreifach grössere Blutmenge passieren zu lassen. Bei 
einem derartigen Zahlenverhältnis die Konstanz des Druckes mit 
einer kompensatorischen Erweiterung der Gefässe im Testierenden 
Lungenlappen erledigen so wollen, erscheint mir trotz Cohn- 
heim 2 ) sehr gewagt, wenn man bedenkt, dass es ''mit einer der¬ 
artigen Blutüberfüllung ohne gleichzeitige wesentliche Strom- 
besebieuniguog unmöglich getan sein kann; letztere kann ich mir 
unter diesen Umständen nur durch das Hinzutreten eigener 
Stromtriebkräfte gut denken. Ist dies aber der Fall, so könnte 
die von Hürthle gegebene Berechnung vielleicht für einen 
experimentell vorhandenen Mittelbetrieb der Lunge — bzw. des 
überlebenden Organes — zur Hydraulik in toten Röhren stimmen, 
aber für einen biologischen Höchstbetrieb im weit ein¬ 
geschränkten Lungenbezirk müsste sie versagen. Ich 
habe übrigens für das Lnngengewebe auch auf ganz anderem 
Wege neuerdings versucht, dessen selbständige Mitwirkung an 
der Durebströmung wahrscheinlich zu machen, indem ich bei 
der Untersuchung der Blutzirknlation der Vögel die sonst schwer 
zu erklärende besonders grosse Geräumigkeit des 1. Ventrikels 
anf die Funktion der Lange als wechseltätigen Stauweihers mit 
eigenen Betriebskräften znrückgeführt habe 8 ). 

Bis hierher handelte es sich im wesentlichen am den Betrieb 
der Kapillaren and kleinsten Arterien. Bei den grösseren Arterien 
wiederholen sich die Zweifel an einer aktiven Mitwirkung für 
die Strömung in einer präziseren Form: es handelt sich um die 
. einfache Frage, ob die Arterien Wandungen an der vom Herzen 
bewirkten passiven Pnlsbewegung aktiv teilnehmen oder nicht. 
Wenn ich absehe von einer wandungsperistaltiscben Förderung 
des Stromes, deren physikalische Möglichkeit für die grösseren 
Gefässe neuerdings bestritten wird 4 ), so bleibt doch die „Mög¬ 
lichkeit“ einer über den Gefässbaam sich erstreckenden Pres- 
sionsreaktioD der Wandungen auf die andrängende 
Pols welle unbestreitbar,. Eire derartige pnlsatorische Reaktion 
müsste bei der Art der Aortenklappenmechanik eine Förderang 
der Strömung peripherwärts mit sieb bringen, in ähnlicher Weise 
wie wir eine solche nach dem Herztode sich vollziehen sehen. 
Der direkte Nachweis einer solchen pulsatorischen Pression ist 
noch neuerdings wieder missglückt 5 ). Man ist somit anf eine 
indirekte Beweisführung angewiesen. 

Seinerzeit waren es die von Hürthle undBittorf ziemlich gleich¬ 
zeitig entdeckten Aktionsströme, die eine Eigentätigkeit der Arterien 
schon direkt bewiesen zu haben schienen. Mittlerweile bat die Tatsache, 
dass solohe Ströme auoh an durohflossenen toten Arterien sich naoh- 
weisen lassen, die Beweiskraft wieder aufgehoben. Ist die Beweiskraft 
aber wirklich schon abgetan? loh erinnere daran, dass auch beim 
Herzen die gleiobe Frage aufgeworfen wurde — weil das isolierte ab¬ 
sterbende Froschberz fortfahren kann, rhythmisch das EKG zu regi¬ 
strieren, während jede Spur von Systole schon verschwunden ist — 
dass aber trotzdem von Einthoven selbst in einer neueren Arbeit „die 
Hypothese, dass der Zusammenhang swisoben Aktionsstrom 
und Kontraktion unverbrüchlich ist, auf festeren Boden 
gestellt“ ist*). 

Nun liegt nach dem vorhandenen Beweismaterial auch bei 
den Arterien die Sache wieder so, dass die Gegner die Möglich- 


1) Welch, Zur Pathologie des Lungenödems. Virch. Arch., 1878, 
Bd. 72. 

2) Cobnheim, Allg. Path., Berlin 1878, S. 70. 

3) Hasebroek, Die Entwicklungsmechanik des Herzwachstums, 
svwie der Hypertrophie und Dilatation des Herzens und das Problem 
des extrakardialen Kreislaufes. Pflüg. Aroh., 1917, Bd. 168. 

4) Hess, Die Arterienmuskulatur als „peripheres Herz“? Pflüg. 

Arch., 1916, Bd. 163. I 

5) Hess, a. a. 0. 

6) W.Einthoven und Rademaker, Pflüg.Arch., 1917,Bd.l66,S. 142. 


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21. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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keit der arterio-pressorischen Förderung des Blutes unter allen 
Umständen ignoriert haben wollen. Sie halten die indirekten 
Beweise für nicht eindeutig genug, um sie als ausschlaggebend 
im positiven Sinne su bewerten. Hiergegen wäre an sich nichts 
su sagen; die Gegner sehen aber nicht den Balken im eigenen 
Auge, wenn sie ihrerseits gewisse Erscheinungen in einer Weise 
ausdCuten, die mit ihren eigenen physikalischen Grundlagen be¬ 
denklich im Widerspruch steht. Ein weitumfassendes Beispiel 
hierfür ist die herrschende Ausdeutung der klinischen Blut¬ 
drucksteigerung durch die arterielle „Hypertension M . Ich 
habe seit langem auf die fundamentalen Unterschiede der Art 
dieser klinischen Blutdrucksteigerung gegenüber einer analogen 
hydraulischen Drucksteigerung, wie sie am toten elastischen 
System beim pulsatorischen Durchfluss nur durch eine zentrale 
Triebkraft und Lumenwiderstände bestimmt wird, aufmerksam 
gemacht. Die derzeitige Klinik übergebt oder übersieht diesen 
Unterschied. Sonst könnte sie unmöglich den typischen Ne¬ 
phritishochdruck, das vornehmste Paradigma einer Drucksteigerung, 
in modernen autoritativen Arbeiten immer wieder durch eine 
Steigerung der peripheren Widerstände, sei es durch allgemeine 
Verengerung peripherer Arteriolen oder erhöhten Tonus aller 
Körperarterien, erklären, denn die hydraulischen Schlauch- 
versuche mit systematischer Prüfung einer Zunahme sowohl von 
Wandspannung als Lumen Verengerung ergeben niemals einen 
Hochdruck wie bei der Nephritis mit sich vergrössernder, sondern 
ausnahmslos sich verkleinernder Amplitude 1 ). Es könnte aller¬ 
dings für die klinische Drucksteigerung noch die physikalische 
Möglichkeit in Betracht kommen, dass die grosse Amplitude durch 
irgendwelche im gegebenen Moment der Herzdiastole eintretende 
periphere Widerstandsherabsetzung entstände. In der Tat konnte 
man nach Versuchen an der normalen Niere die Ueberlegenheit 
von rhythmischen über kontinuierliche Durchströmungen auf 
ähnliche Vorgänge zurückführen 2 3 ). Schwer aber wird dies 
verständlich bei Annahme einer Kontraktion der kleinen 
Arterien, und bliebe ausserdem immernoch die Möglichkeit der 
Mitwirkung auch einer aktiven Komponente bei der momentanen 
Widerstandsherabsetzung durch Erweiterung übrig. Ich meiner¬ 
seits komme zu dem Schluss: Das Wahrscheinlichere und die 
einfachere Deutung bleibt für die nephritische Druckampli¬ 
tude die gesteigerte aktiv pressorische Reaktion der 
Gefässwände, speziell der Aorta, wie sie von mir im physika¬ 
lischen Experiment künstlich nachgemacht werden konnte. Mir 
scheint, dass man alle Tatsachen für und wider nicht mit gleichem 
Maass misst! 

Nooh eines kommt hinzu in diesem Fall: es würde gerade unsere 
Annahme der pressorischen Mitarbeit des Arteriensystems als Ursache 
des Hochdruckes zugleich am besten einer — heutzutage allgemein an¬ 
genommenen — Kompensationsbestrebung des Körpers als einer 
wahren Zirkulationszunabme in der Niere entsprechen, weil in dieser 
Beziehung eine analoge Experimentalgrundlage bei der überlebenden 
Niere vorliegt: wendet man nämlich bei deren künstlich rhythmisoher 
Durchströmung durch eine bestimmte Apparattechnik den von uns ver¬ 
langten Pressionsdruok auf das zuführende System an, so entsteht mit 
der möglichst grossen Druckamplitude eine Steigerung des Durchflusses 
der Niere bis auf das 12 fache gegenüber der Durohströmung ohne diesen 
Druok 8 ). Auch kann es keine Frage sein, dass, wie ich von jeher be¬ 
tont habe, im Fall die Klinik von einer Kompensationsmission des Hoch¬ 
druckes sprechen will, sie weder nach Ludwig noch nach Hei den hain 
es tun darf, wenn sie den Hochdruck als Staudruck durch erhöhteWider- 
stände entstehen lässt 4 ). 

Nun entsteht auch bei den Arterien hinsichtlich des fehlenden 
direkten Nachweises der pressorischen Mitarbeit die Frage: ob 
diese nicht — ähnlich wie es entsprechend beim Kapillarbetrieb 
der Fall vielleicht ist — so sehr von der biologisch vollen oder 
gesteigerten Funktion eines oder mehrerer Organe abhängig ist, 
dass aus diesem Grunde den Physiologen der Nachweis entgeht. 
Nach meiner Gesamtauffassung spielt die funktionell gesteigerte 
hormonale Reizbarkeit des Systems eine grösste Rolle, wie ich 
systematisch dargelegt habe 5 ). Die Drucksteigerung bei der Ne¬ 
phritis könnte sehr hierfür sprechen, denn niemand wird leugnen 


1) Hasebroek, Physikalisch experimentelle Einwände gegen die 
sogenannte Hypertension usw. Pflüg. Arch., 1912, Bd. 148, und Extra- 
kard. Kr., S.96 ff. 

2) Fleisch (unter Hess), Die relative Ueberlegenheit der rhyth¬ 
mischen Durohströmungsart. Pflüg. Arch., 1919, Bd. 174, S. 177 ff. 

3) Hüne, Zur Frage der Förderung des Blutstromes duroh pulsa- 
torische Tätigkeit der Blutgefässe. Pflug. Arch., 1916, Bd. 165. 

4) B.kLW., 1915, Nr. 10, und Extrakard. Kr., S. 248. 

5) Extrakard. Kr., Kap. VIII u. IX. 


können, dass auch die „Hypertonie“ der Gefässe einen solcher 
Art gesteigerten Reizzustand voraussetzt. Nach dieser Richtung 
ist es schon bezeichnend, dass der nephritische Hochdruck, wie 
Strassburger bereits Vorjahren hervorgehoben hat, vollkommen 
dem Hochdruck des muskelarbeitenden Menschen gleicht, also 
einem Zustande gesteigerter Funktion des ganzen Systems. Dass 
hier Parallelen bestehen, geht daraus hervor, dass auch der Hyper¬ 
toniker bei Muskelarbeit den Typus des Hochdrucks des normalen 
Muskelarbeiters sich bewahrt 1 ). 

Hiermit komifle ich auf die Beweiskraft ähnlicher am nor¬ 
malen Körper vorhandener arterieller Druck- und Strömungs¬ 
erscheinungen, deren Deutung bis jetzt ebenfalls am besten durch 
eine aktive Pression der Arterienwand „möglich“ ist. Es wäre 
zunächst die für Muskelarbeit typische Blutdrucksteigerung zu 
erwähnen: hier geht die Analogie meiner physikalischen Modell¬ 
resultate so weit, dass ausser der gleichen Druckform — mit 
sich vergrössernder Amplitude — sogar die künstliche Schlauch¬ 
pulskurve mit der Arbeitspulskurve des Körpers übereinstimmt. 
Man vergleiche Kurve 1, eine typische Muskelarbeitskurve — sie 
ist eine der bekannten OerterscbenBergsteigekorven 2 ) —, mit dem 
zweiten Abschnitt der Kurve 2, einer von mir am Schlauohapparat 
nach eingeschalteter Pressionsmechanik erhaltenen Kurvenform 8 ): 
man wird mir zugeben müssen, dass angesichts dieser Ueber- 
einstimmung zwischen Kurve 2 und 1 — welch letztere zugleich 
eine Maximalleistung des Systemes mit 40 mm Hg systolischer 
Drucksteigerung repräsentiert, mehr als eine Möglichkeit, ja 
schon die Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass wir es an der 
lebenden Arterie mit der gleichen Mechanik w j e Lei 
meinen Schläuchen zu tun haben. 


Kurve 1, 



vor nach 

eingeschalteter Pression. 


Um so mehr glaube ich berechtigt zu sein, hier für die An¬ 
erkennung einer „Wahrscheinlichkeit“ zu plädieren, als am 
Gefässsystem noch eine andere ähnliche Erscheinung, nämlich die¬ 
jenige des exakt (blutig) festgestellten lokalen Anschwellens 
von Amplitude und Druckscbwankung in der Art. cru- 
ralis vorliegt 4 ). Noch nach Hürthle’s heutiger Ansicht ist die 
einzige sonst mögliche Deutung durch Wellenreflexion nicht ex¬ 
perimentell belegbar, und Hürthle selbst muss sich zunächst für 
angewiesen halten auf die Hypothese, dass die Welle in ihrem 
Verlauf durch die Aorta durch aktive Beteiligung der Wand an¬ 
schwelle: auch diese Erscheinung habe ich ganz analog durch 
meine Schlauchmechanik nachmacben können 5 ). 

Mit der Anerkennung dieser Art Mechanik würde die Klinik mühe¬ 
los die schon seit langem aufgefallene und genau verfolgte Tatsache 
erklären können, dass der (unblutig gemessene) Blutdruok am Unter¬ 
schenkel um 32—44 mm Hg höher ist als am Oberarm und zwar, ganz 
entsprechend unserer Mechanik, im Maximum, also mit vergrösserter Am¬ 
plitude 4 ). 

Das» irgendwelche kinetische Mitwirkung der Arterienwan- 
dungen im Sinne einer aktiven Anpassung an die Pulswelle 


1) Israel, Klinische Beobachtungen über das Symptom der Hyper¬ 
tension. Volkmann’s klin. Vortr., S. 449 u. 450. 

2) Oertel, Therapie der Kreislaufstörungen. Leipzig, Vogel. 3. Aufl., 
S. 156. 

8) Hasebroek, Ueber die Dikrotie des Arterienpulses nach Ver¬ 
suchen mit ihrer künstlichen Erzeugung an elastischen Röhren. Pflüg. 
Arch., 1912, S. 147. Näheres auch in einem weiteren Kurvenbeispiel. 
Extrakard. Kr., S. 116ff. 

4) Siehe Hürthle’s Arbeiten. 

5) Extrakard. Kr., S. 105. 

6) Williamson, Klinisohe Beobachtungen über den Einflass der 
Gefasswaud usw. Deutsch von Schütz, Fortsohr. d. Med., 1910. 

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682 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. __Nr. 20. 


als Mitbedingung zur physiologischen Fanktionssteigerang des 
zugehörigen Organgewebes angesehen werden muss, dass ergibt 
ferner die klinische Analyse einer pathologischen Funktions¬ 
störung, nämlich des Intermittierenden Hinkens, an der 
Hand eines von Erb selbst als rätselhaft mitgeteilten Falles, bei 
welchem die Symptome akut einsetxten und völlig wieder zorück- 
gingen. Hier kann es sich nur um eine rein funktionelle Affek- 
tion der Gefässe gehandelt haben, wobei objektiv nnr die Pulse 
fehlten, während das rauschende Durchfliessen des Blutes mit 
dem Stethoskop festgestellt werden konnte 1 }. Liegt es hier 
nicht nahe, anzunehmen, dass die ßeinmuskulatur beim Hinken 
nur deshalb versagte, weil die f&r gesteigerte Ansprüche not¬ 
wendige Quote an peripherer Betriebsarbeit fehlte, die in der 
motorischen Hülfe der Arterien steckt? Ich habe dies an anderem 
Orte ausführlicher dargelegt 2 3 ) und auch im Hinweis auf den Zu¬ 
sammenhang des intermittierenden Hinkens mit der Nikotin¬ 
vergiftung als eine Lähmung der sogenannten Synapsen, d. h. 
des Neurons mit dessen efferenten Nerven, weiter su begründen 
versucht 8 ). 

Wenn man meine Heranziehung dieses Erb'sehen Falles glaubt da¬ 
mit zurückweisen zu dürfen, dass man dem Fehlen der Arterienpulsation 
jede ursächliche Bedeutung für eine Stromtriebsohädigung duroh den 
Hinweis auf die eingangs erwähnten Fälle von Fahr und Hans Kohn 
absprechen will 4 ), so ist das nicht berechtigt: denn beim intermittierenden 
Hinken steht ja ganz allgemein gerade ein Versagen jeder Funktions- 
Steigerung des arteriellen Betriebes im Vordergrund der 
Erscheinungen. 

Als weiteres Beweismaterial zum Kapitel der Eigenarbeit 
der arteriellen Gefässwandungen führe ich Folgendes an: 
Hürthle hat durch geniale Registrierung von Druck und Strom¬ 
geschwindigkeit die „systolische Stromschwellung“ entdeckt, 
die auch nach seiner Ansicht bis beute am bequemsten durch die 
Annahme einer Eigenpression der Aortenwandungen erklärt werden 
kann, wenngleich zugegebenermaassen eine zweite Möglichkeit 
noch offen ist, dass diese Erscheinung durch gewisse bisher unbe¬ 
kannte, pulsatorische Veränderungen der stromabwärts gelegenen 
Lnmenwiderstände hervorgerufen wird. Beim Abwägen der beiden 
„Möglichkeiten“ kann zugunsten der ersteren manches angeführt 
werden. Dies ist folgendes: Eine pressorische Ei ge nreaktion der 
Gefässwandungen auf den andrängenden Polsdruck, und wäre 
letzterer anch noch so momentan, gehört so sehr zur allge¬ 
meinen Reaktionsweise der lebendigen reizbaren Sub¬ 
stanz auf Druck, dass dies schon genügen könnte, um 
deren Vorhandensein auch für die Gefässelemente an¬ 
zuerkennen. Wenn man also schon dem „elastischen“ Wind¬ 
kesseldruck der Aorta in der neueren Kreislaufphysiologie eine 
grösste Rolle zuspricht, so sollte man sich doch mehr dessen 
erinnern, dass die Elastizität des lebendigen Gewebes etwas ganz 
anderes ist als die energetisch gewissermaassen nnr passive 
Elastizität toten Materials. Buttersack hat in seiner vorzüg¬ 
lichen Monographie dies ausführlich dargelegt 5 ). Auch habe ich 
vergleichend physiologisch nachweisen können, dass eine aktive 
Reaktion auf erhöhten Innendruck bei allen als Blutleiter dienenden 
Röhrenorganen der niederen Tiere prinzipiell und verbreitet vor¬ 
liegt 6 ). An der überlebenden Aortenwand des Kaninchens konnte 
übrigens Wybauer plethysmographisch unter Adrenalin- und 
Morphiumwirkung eine resp. Verstärkung und ein Verschwinden 
desjenigen Kurvenabschnittes im Plethysmogramm festkalten, der 
der Phase einer aktiven Pression der Wandung entspricht. Jeden¬ 
falls sieht dieser Experimentator in den Veränderungen den Aus¬ 
druck einer gesteigerten und herabgesetzten Aktivität 7 ). 

Am schwierigsten liegt das Problem der extrakardialen Blut- 
bewegung bei den Venen. Obgleich selbständige, strom¬ 
fördernde 8 ) Pulsationen am Fledermausflügel in bekannten 

1) Erb, Klinisohe Beiträge zur Pathologie des intermittierenden 
Hinkens. M.m.W., 1910, Nr. 22. 

2) Hasebroek, Ueber die Selbstständigkeit der Peripherie usw. 
D. Aroh. f. klin. Med., Bd. 102, S. 576, und Extrakard. Kr., S. 168. 

3) Näheres siehe Extrakard. Kr., S. 169. 

4) Aug. Hoffmann, Zirkulationskrankheiten. Jahreskurse f. arztl. 
Fortbildung, Febr.-Heft, 1919, Münohen, Lehmann. 

5) Buttersaok, Die Elastizität eine Grundfunktion des Lebens. 
Stuttgart 1910. 

6) Extrakard. Kr., Kap. IV. 

7) Wybauer, Quelques expöriences relatives ä la oiroulation arte¬ 
rielle. Ann. soc. royal, des soiene. med. et nat Bruxelles LXXII, 5. 
Ref. Zbl. f. Phys., 1914, S. 670. 

8) Hess, Pfiüger's Aroh., Bd. 178, H. 5 u. 6. 


Untersuchungen sicher nachgewiesen sind, so hält dennoch die 
derzeitige Physiologie für den Menschen Triebkräfte von seiten 
des Venensystems für am wenigsten diskutabel. In der Tat könnte 
beim träge dahinfliessenden Venenstrom der Skeptiker sieh mit 
den bekannten Hilfsmecbanismen der Inspiration, der Braune¬ 
schen Fasziensaugkraft und mit den von mir neuerdings als sehr 
wirksam hervorgehobenen arteriopulsatorischen Triebkräften 0 zu¬ 
frieden geben. Ausserdem sind, wie zugegeben werden muss, die 
experimentellen Grundlagen nach der Richtung des vasomotorischen 
Geschehens bei den Venen noch nicht derartig, um .von hier ans 
mit genügender Sicherheit das Problem angreifen zu können. 
Dessenungeachtet tauchen einem bei näherer Betrachtung vieler 
klinischer Erscheinungen immer von neuem berechtigte Zweifel 
auf, ob es mit einem passiven Verhalten der Venen getan ist. 
Ich will mich darauf beschränken, einige Punkte anzuführen. 

Es kann sich im wesentlichen wieder nur um die Frage 
drehen, ob möglicherweise ein Wechsel im wandungsmuskulären 
„Tonus“, mit dem die Phsysiologie auch für die Venen rechnet, 
mit irgendwelcher aktiv kinetischer Potenz für die 
Strömung verknüpft ist oder nicht, ln dieser Beziehung 
ist es bemerkenswert, dass die Fledermausvenenpnlsationen nur 
als Reaktion auf eine gewisse Höhe des Innendruckes erscheinen. 
Hiernach wäre an die Möglichkeit einer ähnlichen, vielleicht 
graduell nur sehr viel geringeren Reaktion auch beim Menschen 
su denken, denn die Venen zeigen hier ebenfalls bedeutende 
Schwankungen in ihren Innendrücken und Füllungen. Ferner 
zeigt das Verhalten der Muskulatur bei den Venen doch su deutlich, 
dass sie eine andere Mission su erfüllen hat, als nur 
diejenige einer passiven Anpassung durch einen 
„Tonus“. Zweierlei möchte ioh in dieser Hinsicht anführen: 
Zunächst sind die ansehnlichen, in die Vena cava sup. mündenden 
Venenstämme des Halses und Oberrumpfes völlig muskelloB 2 ). 
Weshalb gerade diese Venen, unter denen s. B. die Jugulares 
notorisch so besonders wechselnde Füllung haben? Aus „tonischen“ 
Gründen sollte man dann doch gerade reichlich Muskeln erwarten! 
Nur wenn man die Muskulatur in Beziehung zur Stromförderung 
selbst bringt, wird die Muskellosigkeit verständlich: weil hier 
durch die Stellung des Kopfes als des höchsten Punktes des 
Körpers in den Jugulares ein grösstes Stromgefälle mit Hilfe der 
Schwere eine Mitwirkung der Wandungen überflüssig macht. Und 
aus dem umgekehrten Grunde sehen wir bei den Hautvenen der 
unteren Extremitäten die stärksten Muskeln: ich wüsste nicht, 
dass an den Beinen ein annähernd so häufiger Wechsel in der 
Füllung stattfindet wie an den Halsvenen z. B. beim Sprechen, 
Singen, Pressen usw. 

Ferner: Weshalb haben die Venen im allgemeinen viel reicher 
entwickelte Längsmuskeln als die Arterien? 8 ) Dieser Befund 
passt auffallend gut zur Forderung einer besonders vorteilhaften 
aktiven Dilatationskomponente, denn ich konnte in meinen 
Arbeiten zeigen, dass bei den niederen Tieren ohne Hers die 
Gefässpulsationen erst mit dem Auftreten der Längsmuskeln 
selbständig werden 4 ). 

Nun muss man auch bei den Venen wieder die Frage er¬ 
heben: ob nicht die bisherige Unmöglichkeit eines direkten 
physiologisch-experimentellen Nachweises einer Eigentätigkeit nur 
darin seinen Grund hat, dass eine solche erst bei einem gewissen 
Grade der Funktion des Gewebes offenbar wird? Von diesem 
Gesichtspunkt ans kann man einer rein energischen Betrachtungs¬ 
weise, wie sie Hornberger angestellt hat 6 ), das Wort reden. 
Dessen für mich überzeugender, grundlegender Gedankengang ist 
folgender: Bei der Bi er'sehen heissen Stauung wird bei einer 
leichten Umschnürung des Gliedes Wärme erzeugt, was nur da¬ 
durch möglich ist, dass eine bessere Durchblutung stattfindet. 
Diese kommt dadurch zustande, dass der Venenquerschnitt sich 
stark erweitert, ohne dass eine Stase eintritt. Hierzu 
müssen — wie Hornberger ausführt — irgendwelche aktive 
Betriebskräfte im ansaugenden Sinn verlangt werden, um für die 
Blutbewegung Energien zu gewinnen. Mit der herrschenden An¬ 
nahme, dass die Blutbewegung nur durch eine Druckpumpe unter¬ 
halten wird, komme man hier nicht aus. Hornberger zieht 
den Vergleich mit der Technik heran, wo in einem Verbrennungs- 


1) Hasebroek, Ueber die Bedeutung der Arterienpulsationen für 
die Strömung in den Venen usw. Pfiüger's Aroh., 1916, Bd. 163. 

2) Henle, Anatomie IV, S. 285. 

3) Stöhr, Lebrb. d. Histol., U.Aufi. (Zit naoh Hornberger a.a.0.) 

4) Extrakard. Kr., Kap. IV. 

5) Hornberger, Die Energielehre der Blutgefässe. Würzburger 
Abhandlungen. Kabitsch, 1914. 


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21. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ofen nur weite Absäge mit Sangmotoren eine lebhafte Verbrennung 
garantieren. In der Tat: arbeitet, wie niemand bezweifelt, der 
lebende Organismus wirklich ideal ökonomisch, so könnte es 
keine bessere Lösung der energetisch gestellten Aufgabe geben 
als durch aktive Betriebskräfte in den das Blut abführenden 
Venen während des Stadiums einer verlangten Funktionssteigerung 
des Gewebes. 

Zum Schluss möchte ich noch kurt Argumente anführen, die 
das Problem von einer gani neuen Seite aufsufassen gestatten, 
indem sich aufseigen lässt, wie der sentrale Hersbetrieb mit 
einem gesamten extrakardialen Eigen betriebe in Wechsel¬ 
wirkung steht. Ich habe kürzlich nachgewiesen 1 ) dass, von 
der embryonalen Entstehung des Kreislaufes an, rechnerisch die 
Körperinasse bsw. deren Stoffwechselgrösse mit Hilfe der 
Zuflussmenge xumHerzen die Muskelmasse des rechten Herzens, 
wie sie in deren Arbeitsleistung zum Austrag kommt, genauestens 
bestimmt Diese Parallele ist gar nicht anders zu deuten, als 
dass der den Ausschlag gebende Zuflussbetrieb sum Herren zu¬ 
gleich unter einer gewissen Herrschaft eines vom linken Herzen 
unabhängigen Eigenbetriebes der Peripherie steht. Als 
Beleg für die Richtigkeit dieser Auffassung und als Beweis dafür, 
dass wir hier ein biologisches Prinzip vor uns haben, kann das 
Zirkulationssystem der Vögel 2 ) dienen; hier vermittelt die ana¬ 
tomisch höchste Ausbildung des Venensystems mit seinen eigen¬ 
artigen Verhältnissen in den grossen Drüsen Leber und Nieren, 
einem stärksten selbständigen Zuflussbetrieb zum Herzen, wie er 
energetisch bei dem hohen Stoffwechsel betriebe der Vögel und 
deren hoher Körpertemperatur verlangt wird. Die Wechsel¬ 
wirkung dieses Peripheriebetriebes mit dem Herzen besteht darin, 
dass ersterer durch hoch gesteigerte Fflllungsspannungen den 
zentralen Herzantrieb zu verstärken vermag, wodurch Schlag¬ 
volumen und arterieller Propulsivbetrieb ihrerseits eine ent¬ 
sprechende Verstärkung erfahren. So eröffnet sich uns zugleich 
eine klare Entwicklungsmechanik sowohl des normalen Herz¬ 
wachstums als der pathologischen Herzhypertropbie, die ich als 
neuen schwerwiegenden Indizienbeweis für das Vor¬ 
handensein eines selbständigen extrakardialen Kreis¬ 
laufes anzusprechen mich für berechtigt halte. Die 
weiteren Konsequenzen dieser Anschauungen bieten zudem wieder 
der Klinik grösste Vorteile für die Deutung mancher bisher un¬ 
geklärter Erscheinungen, so dass ich auch von diesem Standpunkt 
aus mir von einer klinischen Nachprüfung meiner Schlüsse 
manches positive zur Anerkennung unseres Problems verspreche. 
Es mag hinzugefügt werden, dass unabhängig von mir ein neuerer 
Autor zu dem ähnlichen Resultat kommt, dass das Hers 
betreffs der Menge dessen, was es empfängt, mit auf extrakardiale 
Triebkräfte angewiesen ist 3 ). 


Einige Worte zum Thema der Seuchen¬ 
bekämpfung. 

Von 

Dr. Deetz-Arolsen. 

Der Vortrag von Jürgens in der Berliner Medizinischen 
Gesellschaft über „Neue Wege der Seuchenbekämpfung“ bringt 
zwar nur wenig neues, er hatte aber das Gute, dass er die ganze 
Frage erneut zur Diskussion stellte. 

Die Erörterung darüber, welche sich durch mehrere Sitzungen 
hinzog, liess für den Aussenstehenden erkennen, dass die Verhält¬ 
nisse in Berlin doch anders zu liegen scheinen, wie im übrigen 
Reich, und es macht mir den Eindruck, dass das Problem der 
Seuchenbekämpfung, soweit es die praktischen Aerzte angeht, 
ausserhalb Berlin viel tiefer in das ärztliche Bewusstsein ein¬ 
gedrungen ist. 

Gesetzliche Maassnahmen allein können nichts nützen, sondern 
der Arzt muss durch frühzeitige Diagnose und rechtzeitige rieh 
tige Therapie die ansteckenden Krankheiten schon bei ihrer Ent¬ 
stehung zu unterdrücken suchen, das ist etwa der Leitgedanken 
des Jürgens’schen Vortrags. 


1) Hasebroek, Die Entwioklungsmeohanik des Herzwaehstums 
usw. Pflüg. Arch., 1917, Bd. 168, und Zentralbl. f. Herzkrankh., 1917, 
H. 13 u. 14. 

2) Ebenda. 

8) Kautsky, Zur normalen und pathologischen Physiologie des 
Kreislaufes. Pflüg. Arch. 1918, Bd. 171. 


„Unerlässlich ist“, sagt er, „beim Fleckfieber eine aufmerk¬ 
same Krankenbeobacbtung und ein Verantwortungsgefühl, das sich 
auf eigenes Können gründet“. Jeder Versuch diese Verantwortung 
auf den Ausfall serologischer Untersuchungen absebieben zu 
wollen, gefährdet den Erfolg. 

Bei der Diphtheriebekämpfung mahnt er den Arzt wieder, 
„selbst zu handeln, ohne fremde Bevormundung, nicht den bak¬ 
teriologischen Befund abzuwarten. Die Entschlussfähigkeit des 
Arztes ist das Wichtigste“. 

Nicht richtig ist aber, wenn Jürgens meint, dass die Be¬ 
deutung der Widal'schen Reaktion und die Sicherung der Diagnose 
durch Bazillennachweis bei Typhus dazu geführt habe, die gesetz¬ 
liche Diagnose von diesen Untersuchungen abhängig zu machen. 
In keiner deutschen Ausführungsbestimmung der seuchenpolizei¬ 
lieben Vorschriften steht ein Wort darin, dass die gesetzliche 
Diagnose vom Resultat der bakteriologischen Untersuchung ab¬ 
hängt, es steht nur, dass sie zu veranlassen sei. Das sind doch 
zwei verschiedene Dinge. Wenn er an anderer Stelle schreibt, 
„nur selten hält der Arzt sich für verpflichtet, eine Typhus- 
erkrankung polizeilich zu melden, bevor die gesetzlich vor¬ 
geschriebene Untersuchung ausgefallen ist“, so mag das für Berlin 
gelten, zum Glück ist das aber doch nicht im ganzen Reich 
Aerztemode . . . 

Ein so erfahrener Pädiater wie Ritter ist auch ganz in dem 
Gedanken befangen, dass für den Praktiker zu einer rechtzeitigen 
Diphtheriediagnose und rechtzeitigen Therapie bakteriologische 
Untersuchung nötig sei. Er verlangt deshalb, dass die Unter¬ 
suchungsämter abends und Sonntag nachmittags offen seien. Ist 
denn wirklich dazu ein Bedürfnis da? Ganz gewiss nicht. Hat 
der Arzt einen diphtherieverdächtigen Belag, dann spritzt er eben 
ein, ganz gleichgültig ist es, ob später Diph'heriebazillen wachsen 
oder nicht. Wer je bakteriologischer und klinischer Assistent 
war, weiss es und sieht täglich wieder Fälle, dass klinisch Diph- 
theritis vorliegt und dass keine Bazillen nachgewiesen werden. 
Er kennt die Fehlerquellen, die bei der Entnahme schon gemacht 
werden, und kennt die Fehlerquellen, die auch in besten Labo¬ 
ratorium ab und zu Vorkommen. Wir sind alle nur Menschen. 

Der Systemfehler liegt darin, dass der Arzt sich der bakte¬ 
riologischen Untersuchung als einer Eselsbrücke bedient, aber 
selbst bar jeden eigenen Verantwortungsgefühls ist . . . Damit 
komme ich auf den Punkt der Bewertung der bakteriologischen 
Untersuchung. Das ist ein Punkt, wo Besserung im Unterricht 
und in Fortbildungsvorträgen einsetzen muss. Ein Paar Beispiele 
mögen folgen. 

Positiver Nachweis von Ruhrbazillen ist in der Regel nur zu 
erwarten, wenn das Untersuchungsmaterial frisch oder wenigstens 
bald nach der Entleerung verarbeitet wird. Es folgt daraus, dass 
Ruhrmaterial, welches mit der Post nach auswärts versandt wird, 
nur in den seltensten Fällen positives Resultat ergibt. Wann 
Typhusbazillen im Blut, im Stuhl, im Urin zu erwarten sind, 
wann Widal eintritt, ist vielen Praktikern gänzlich unbekannt. 
Dass Wassermann in der ersten Zeit nach der Infektion noch 
negativ ist, und dass gerade dieses Stadium das günstigste für 
die Behandlung darstellt, ist absolut nicht Gemeingut der Aerzte 
bis jetzt. Zu welchen falschen Schlussfolgerungen dadurch die 
Behörden geführt werden können, mag daraus erhellen, dass einer 
Behörde von amtsärztlicher Seite vorgeschlagen wurde, die Be¬ 
handlungskosten bei Syphilis nur dann zu übernehmen, weon 
Wassermann positiv sei. 

Wie falsch die jetzige Aerztegeneration durch einseitige bakte¬ 
riologische Auffassung beeinflusst wird, dafür führte Zad eck in 
der Diskussion ein krasses Beispiel an. Diesen Fall eines ärzt¬ 
lichen Stümpers soll man nicht verallgemeinern. 

Ich komme zur Anzeigepflicht. 

Ihr Zweck ist, dass die Behörde den Namen des Erkrankten 
erfährt, um im Interesse der Allgemeinheit Schutsmaassnahmen 
ergreifen zu können. Eine Anzeige, auf die nichts geschieht, ist 
fast immer verfehlt. Die Anzeige geht wohl in allen Bundes¬ 
staaten an die Ortspolizeibehörde und von dieser an den beam¬ 
teten Arzt. Bei dieser Reihenfolge ging man von der Ansicht 
aus, dass die Ortspolisei in erster Linie wissen müsse, was in 
ihrer Gemeinde vorginge. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass 
es zweckmässiger wäre, die Anzeige an den beamteten Arzt zu 
schicken, und dass dieser sie mit der Anweisung, was im ein¬ 
zelnen Fall zu geschehen hat, an die Ortspolizeibehörde gibt. 
Er unterstreicht also z. B. auf der Karte: Desinfektion nach Tod 
oder Desinfektion nach Verbringung in ein Krankenhaus, oder 
Desinfektion nach Wohnungswechsel und ähnliches. Die Orts- 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


Polizeibehörde schickt die Karte, nach Erledigung des Auftrags 
zurück. Der beamtete Arzt hätte dann eine Kontrolle, ob seinen 
Anordnungen auch wirklich nachgekommen ist. Dass die An¬ 
zeigen noch einmal an die Landratsämter geben, halte ich für 
gänzlich überflüssig, es würde meines Erachtens genügen, wenü 
der beamtete Arzt einen Durchschlag der wöchentlichen Melde¬ 
karte für den Regierungs-Medizinalrat dem Landrat mitschickte. Man 
muss sich vor Angen halten, dass die Bürgermeister der Land¬ 
gemeinden wechseln, dass auf den Amtsstuben der Städte seit 
dem Achtstundentag vieles liegen bleibt und dass dadurch un¬ 
nötige Verzögerungen in der Seuchenbekämpfung eintreten. 

Was soll angezeigt werden? Ich sehe vom Reichsgesetz ab. 
Es soll die erkannte Krankheit und der Tod gemeldet werden, 
besagen die preussiscben Vorschriften. Im Gesetzentwurf war 
seiner Zeit auch der Verdacht bei bestimmten Krankheiten vor¬ 
gesehen, es gelang aber bei der Unvernunft des preussiscben 
Landtags nicht, diese wichtige Forderung durchzusetzen. Andere 
Bundesstaaten, welche die Anzeigepflicht teils durch Gesetz, teils 
durch Landespolizeiverordnung einführen konnten, hatten diese 
Schwierigkeiten nicht zu überwinden, und so sehen wir bei einer 
Reihe deutscher Bundesstaaten, dass die Verdachtsmeldung für 
Typhus, Kindbettfieber, Rotz, Genickstarre und Rekurrens verlangt 
wird und Bich seit vielen Jahren bewährt hat. 

Wann habe ich sanitätspolizeilich gedacht, z. B. Verdacht 
auf Typbus? Wenn ein Kranker mehrere Tage hoch fiebert, 
vielleicht verstopft ist, kein objektiver Befund da ist, dann 
entschliesse ich mich Untersuchungsmaterial zum ersten Male ein¬ 
zuschicken. Entsteht ein Typbus daraus, gut, wird ein Fleck¬ 
typhus daraus, auch gut. Wird beides nicht daraus, so schadet 
das doch nicht im geringsten. Es ist doch gar keine Schande 
für den Arzt, wenn sich der Verdacht nicht bestätigt. Als vor¬ 
sichtiger Mann kann er ja sagen, ich habe gehört, dass derartige 
Fälle in der Nähe sind, und wolle den Kreisarzt einmal mitbringen. 

Gerade die Wasser- und Milchinfektionen bei Typhus können 
ja nur aufgehalten werden, wenn so bald als möglich einbegriffen 
wird. Die ausserordentlich wertvollen Erfahrungen, die man bei 
der Typhusbekämpfung im Südwesten des Reiches gemacht hat, 
und die im Band 41 der Arbeiten aus dem Gesundheitsamt nieder¬ 
gelegt sind, zeigen uns, wie eine Seuche systematisch bekämpft 
werden kann, wenn die Aerzte wirklich mitarbeiten. 

Ich gebe zu, dass die Frühdiagnose jetzt durch das Bild der 
Grippe etwas schwieriger geworden ist, 

Bei Kindbettfieber ist die Sache in Preussen dadurch etwas 
einfacher, dass die Hebammen nach dem Lehrbuch dem Kreisarzt 
jede Temperaturerhöhung über 38 Grad mitteilen müssen, ganz 
gleichgültig, ob es dem behandelnden Arzt passt oder nicht, und 
es passt ihm sehr oft nicht. Da die Körpertemperaturen der 
Wöchnerinnen in den ersten 10 Tagen in das Tagebuch der 
Hebamme geschrieben werden müssen, so bat der Kreisarzt eine 
gewisse Kontrolle. Ich weiss nicht genau, inwieweit diese Be¬ 
stimmung in die Lehrbücher bezw. Hebammendienstanweisungen 
der andern Bundesstaaten übergegangen ist, erinnere mich nur 
noch, dass bei den Verhandlungen im Gesundheitsamt seiner Zeit 
darüber nicht Einstimmigkeit zu erreichen war. Wenn von ärzt¬ 
licher Seite die Anzeige bei Kindbettfieber unterlassen wird, so 
liegt es nicht daran, dass der Betreffende nicht von der Gefahr 
der Erkrankung überzeugt wäre, sondern es liegt daran, dass es 
ihm peinlich ist, dass bei der Geburt Fehler in der Asepsis vor¬ 
gekommen sind, handelt es sich doch in der Mehrheit um Ge¬ 
burten, bei denen Kunsthilfe geleistet wurde. Strenge Asepsis 
übt nur derjenige Arzt aus, welcher selbst immer operativ tätig 
ist und die Fehler der Asepsis sieht, wenn er sie in seinem Be¬ 
trieb nicht streng durchführt. 

Bei Genickstarre liegen die Verhältnisse so, dass der Arzt 
und die Familie des Patienten, durch die Schwere der Erkrankung 
bewogen, baldige Ueberführung in ein Krankenhaus wünschen 
oder ein zweiter Arzt, der in der Technik der Lumbalpunktion 
die nötige Erfahrung besitzt, zugezogen wird. Hier wird es prak¬ 
tisch am häufigsten Vorkommen, dass das Resultat der bakterio¬ 
logischen Untersuchung abgewartet wird, ehe die Anzeige erfolgt, 
zumal bei jugendlichen Individuen nnd sporadischen Fällen die 
Diagnosen zwischen epidemischer und tuberkulöser Meningitis 
doch in sehr enge Konkurrenz treten. 

Eine viel umstrittene Streitfrage bietet die Anzeige bei 
Tuberkulose. Die Todesfälle zeigen wohl alle Bundesstaaten an. 
Diese Anzeigepflicht versagt häufig deshalb, weil die Lungen- 
kränken zur Zeit des Todes nicht mehr in ärztlicher Behandlung 
stehen und die Angehörigen von der Anzeigepflicht gar nichts 


wissen. Ich' stehe auf dem Standpunkt, dass jeder Basillenstreuer 
anzuseigen ist, und habe dies schon vor 10 Jahren in den Fürsten¬ 
tümern Waldeck und Pyrmont eingeführt. Voraussetzung ist 
kostenlose Untersuchung des Auswurfs. Weshalb wollen wir diese 
Leute wissen? Damit desinfiziert werden kann, wenn diese 
Kranken ihre Wohnung wechseln, sei es dass sie ausziehen, oder 
io eine Heilstätte oder Krankenhaus kommen. Zweitens wollen 
wir die Leute wissen, damit die Tuberkulosefürsorge mit ihrem 
ganzen Drum und Dran einsetzen kann. Die Kosten sämtlicher 
Desinfektionen müssen bei uns, falls die Leute nicht zahlungs¬ 
fähig sind, von der Gemeinde getragen werden, die vom Staat 
und vom Kreis je ein Fünftel zurückvergütet bekommt. Für die 
Anzeigepflicht bei Tuberkulose gerade bewährt sich, dass die 
Pflicht nicht nur den Aerzten auferlegt ist, sondern dass Gemeinde¬ 
schwestern, Fürsorgescb wester mithelfen. Durch fortwährende 
Kontrolle, durch die Besuche der Fürsorgeschwester bei den 
Aerzten, durch die Arbeit mit den Gemeindeschwestern, die wir 
zum Glück zahlreich im Lande haben, die von mir selbst aus- 
gebildet sind, und die ich im Landkrankenhaus oder in ihrem 
Diakonissenmutterhaus ven Zeit zu Zeit wiedersehe, gelingt es 
fast lückenlos, die Listen über die Tuberkulösen zu führen. 

Schwierig ist das Kapitel der Dauerunterbringung der nicht 
mehr für Heilstätten geeigneten Tuberkulösen, vor 'allem der¬ 
jenigen im 3. Stadium. Die Versicherungsanstalt Hessen-Nassau 
hatte ein Heim für diese Kranken eingerichtet, das vor dem Krieg 
nie voll belegt werden konnte, jetzt aber belegt ist. Ich habe 
schon vor einer Reihe von Jahren mit der Landesversicherungs¬ 
anstalt für derartige Versicherte ein Abkommen getroffen, auf 
Grund dessen die Versicherungsanstalt die Kranken zu dauerndem 
Aufenthalt ins Landkrankenhaus einweist, gegen Abtretung der 
Rente. Die Angehörigen bekommen wenn nötig die Unterstützung. 
Dadurch dass auch leichte Lungenkranke dort sind, auch die¬ 
jenigen, die zur Heilstättenbehandlung ausgewählt werden, lasse 
ich meist durch’s Krankenhaus gehen, behält der schwer Tuber¬ 
kulöse mit seinem Optimismus das Gefühl, dass er dauernd in 
einem Krankenhaus sei und nicht in einem Sterbehaus, wie es bei 
den Heimen der Fall ist. Während der Kriegszeit, wo wir viel 
lungenkranke Soldaten batten und mit Schwerverwundeten über¬ 
belegt waren, hat es sich leider nicht so durchführen lassen, 
wie die Jahre vor dem Krieg. 

Noch ein Wort über die Anzeigepflicht bei Granulöse. Ich 
komme darauf, weil Adam in einem kürzlich ebenfalls in der 
Berliner Med. Gesellschaft gehaltenen Vortrag gerade diese Er¬ 
krankung herausgegriffen hat, um zu beweisen wie verschieden 
die einzelnen Bundesstaaten darüber dächten. Das Beispiel war 
unglücklich gewählt, weil die meisten der angeführten Vorschriften 
zum Glück seit langen Jahren ausser Kurs gesetzt und durch 
bessere ersetzt sind. 

Kraus hat ganz recht. Gewisse Mängel in der Ausbildung 
der Aerzte in der Diagnostik der Infektionskrankheiten bestehen. 
Je mehr beim einzelnen Arzt das Können gehoben wird, desto 
mehr wächst sein Verantwortungsgefühl und seine Verantwortungs¬ 
freude, und desto besser wird er ein freiwilliger Helfer in der 
Unterdrückung der ansteckenden Krankheiten. Gewisse Kenntnis 
und gewisses Verständnis für sanitätspolizeiliche Vorschriften 
sind nötig. So wie Kirchner für sämtliche deutschen Staaten 
die Wege der Seuchenbekämpfung gewiesen hat, so ist er jetzt 
auch wieder der erste, der zur Prüfung der bestehenden Vor¬ 
schriften mahnt und zur Abänderung des Ueberholten. Was ihm 
Deutschland während des Krieges dankt, das sich selber und 
allen Laien wieder klar zu machen, sei allen Kollegen ans 
Herz gelegt. 


Nephritis colica? 

Vom 

Prof. Dr. M. Zeadek-Berlin. 

In den letzten beiden Jahrzehnten ist über ein Krankheitsbild 
in Wort und Schrift viel gesprochen worden, das man mit 
Nöphralgie hdmaturique, essentielle Nierenblutungen oder Angio¬ 
neurose der Niere bezeichnet hat. Schon die Benennung weist 
auf die mangelhafte Kenntnis der Aetiologie und Pathologie der 
Erkrankung hin. Besagen doch die Bezeichnungen Nöphralgie 
hömaturique oder essentielle Nierenblutung nichts anderes als 
Symptome der Erkrankung. Die Benennung Angioneurose ist ein 
Ausfluss hypothetischer Betrachtungsweise. Israel führt die 
Erkrankung auf primäre, hämatogen entstandene, chronisoh ent- 


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81. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


686 


zündliche Veränderungen zurück; er betrachtet die Störungen als 
Folgen von kongestiver Blutüberfüllung mit plötzlicher Blutdruck¬ 
steigerung. G. Rosenfeld beschreibt die Erkrankung in einem 
beachtenswerten Artikel unter dem Namen „Colica nephritica u . 
Bei zweifelloser Nephritis könnten Nierenschmerzen „kolikartig 
auftreten und sogar einseitig, bzw. einseitig stärker sein“. Diffe¬ 
rentialdiagnostisch komme Nierensteinkolik oder Nierenent¬ 
zündungsschmerz in Betracht. Gasper geht darauf näher ein. 

Therapeutisch ist in einigen Fällen früher die Nephrotomie, in 
den letzten Jahren die Dekapsulation mit Erfolg ausgeführt worden. 

Da ich auf Grund anatomischer, klinischer und experimen¬ 
teller Erfahrungen hinsichtlich der Aetiologie der Erkrankung, 
der Indikation zur Operation und ihrer Technik eine besondere 
Auffassung vertrete, sei es gestattet, kurz darauf einzugehen. 

In der Zeit, in der die in Rede stehende Erkrankung fest¬ 
gestellt wurde, war die Diagnose Nierenstein noch nicht so 
sicher wie jetzt zu stellen. Die Röntgenphotograpbie war erst 
erfunden. Sie ist noch nicht sehr lange so weit entwickelt, dass 
wir den Stein im Röntgenbild sehen können. Vordem kam mehr¬ 
fach folgendes vor: Ein Nierenstein wurde vermutet. Man schnitt 
die Niere ein, zerlegte-sie in zwei Schalen, fand aber keinen 
Stein. Daraus folgerte man, was auch jetzt noch zuweilen 
geschieht: In der Niere ist kein Stein vorhanden. Israel 
schnitt ein Gewebsscheibchen aus der solcher Art freigelegten 
Niere heraus. Io ihm waren glomerulonepbritische Veränderungen 
vorhanden. Bei diesen Entzündungserscheinungen, so nahm er 
an, sollten kongestive Blutüberfüllung solche plötzlichen Druck- 
Steigerungen in der Niere veursachen, dass die Tunica fibrosa 
nicht hinreichend nachgeben könne. Dadurch entstehe Kolik und 
Blutung. 

Dagegen habe ich in der Diskussion zum Vortrage von 
Senator im Jahre 1902 1 ) nacbgewiesen, dass man selbst an einer 
in zwei Schalen zerlegten Niere leicht einen in einem der vom 
Schnitt nicht getroffenen kleinen Kelche verborgen liegenden 
Stein übersehen kann. Dieser vermag, wenn er auch noch so 
klein ist, die schwersten Koliken, Hämaturie und entzündliche 
Veränderungen in dem benachbarten Nierengewebe zu verursachen. 
Man kann also mit Sicherheit das Vorhandensein eines kleinen 
Steins nur an einer sezierten Niere ausschHessen. 

Dies auch, seitdem man Nierensteine im Röntgenbild sicht¬ 
bar machen kann. Das gelingt etwa in 96—97 pCt. aller Fälle. 
Im übrigen aber sind es kleine Steine, insbesondere Harnsäure¬ 
konkremente, die im Röntgenbild nicht zur Erscheinung kommen. 
In Fällen, in denen ich auf Grund des klinischen Gesamtbildes 
einen Nierenstein annehme, begnüge ich mich nicht mit einem 
zunächst negativen Röntgenbefund. Die Röntgenaufnahme wird 
wiederholt. Dabei war gelegentlich doch ein Stein zu sehen, der 
im ersten Röntgenbild nicht sichtbar war. In einem erst unlängst 
beobachteten Fall war in der Nierengegend ein Schatten vor¬ 
handen, der von zwei auf diesem Gebiete besonders erfahrenen 
Röntgenologen und von mir nicht als Steinschatten angesehen 
wurde. Bei einer nach einigen Monaten erfolgten neuen Auf¬ 
nahme war der Schatten zweifellos als Steinschatten zu beur¬ 
teilen. Auch darf man sich nicht auf die Aufnahme nur der 
Niere beschränken. Die Schmerzen bei Nierenstein sind nämlich 
von denen beim Ureterstein nicht zu unterscheiden. Sie können 
ferner bei Nierensteinerkrankung auch in der gesunden Nieren¬ 
gegend auftreten. Im allgemeinen sind sie dann zwar auf der 
gesunden Seite schwächer als auf der kranken Seite, doch treten 
sie auch ausnahmsweise auf der gesunden Seite besonders stark 
anf, oder sie sind auf sie allein beschränkt. Es sind daher 
stets Röntgenaufnahmen beider Nieren und Ureteren zu machen. 
Gelegentlich finden sich im Bereich des Ureters Beckenflecke. 
Durch ihre scharfe Umrandung, ihren dichten Kern sind sie in 
der Regel als solche zu erkennen.. Im Zweifelsfalle führe ich 
einen schattengebenden oder mit Mandrin versehenen Katheter in 
den Ureter. Die darauf folgende Röntgenaufnahme, und zwar, 
worauf ich hinweisen möchte, nicht immer die einfache, sondern 
zuweilen erst die stereoskopische, gibt dann einwandfreien Auf¬ 
schluss. 

Führen alle diese Untersuchungen nicht zum Nachweis eines 
Steins in Niere oder Ureter, dann müssen wir, wie oben dar¬ 
gelegt, immer noch an die Möglichkeit denken, dass in der Niere 
doch ein Stein vorhanden ist, der Koliken und Hämaturie ver¬ 
ursacht hat. 


1) Senator, Nierenkolik, Nierenblutung und Nephritis, Verein für 
innere Medizin in Berlin, Sitzung vom 20.1. 1902. D.m.W., 1902, Nr. 9. 


Es sind nun in früherer Zeit in einigen Fällen von Häma¬ 
turie und Koliken die Nieren operativ entfernt worden, und man 
bat auch hinterher ln ihnen keinen Stein vorgefunden. Auch 
eine andere Erkrankung, die die Koliken und Hämaturie hätte 
verursachen können, war nicht nachweisbar. Die Niere erschien 
vielmehr vollkommen gesund. Man sprach dann von Blutung 
aus gesunder Niere, oder man betrachtete die krankhafte Er¬ 
scheinung als Folge von Gefässspasmen und bezeichnete sie mit 
Angioneurose. Ich möchte für diese Fälle auf eine von mir an¬ 
gegebene Erklärung hinweisen, die meines Erachtens am nächsten 
liegt, in gewissem Maasse anatomisch begründet ist und mir eine 
Erklärung für den Verlauf und eine Grundlage für die Therapie 
der Erkrankung gab. 

Bei intermittierender Hydronephrose kann besonders nach 
einem Anfall der Harn mehr oder weniger stark blutig sein. Die 
Hydronephrose entsteht durch vorübergebende und häufig wieder¬ 
kehrende Behinderung des Harnabflusses. DasOrificiumpelvicum oder 
eine physiologische Enge des Ureters sind zuweilen so eng, dass 
schon eine geringe Anschwellung der Schleimhaut infolge ent¬ 
zündlicher oder kongestiver Störungen den Kanal verlegen kann. 
Dem Becken sind nun die Kelche homologe Teile des Harntraktus. 
Sie sind histiogenetisch, histiologisch, morphologisch und funk¬ 
tionell gleichweitig dem Becken. Die Kelche stellen gewisser- 
maassen die Becken der Renculi dar. Gelegentlich ist nun, wie 
ich weiter habe feststellen können, der eine oder andere Kelch¬ 
hals so eng, dass eine geringe Anschwellung seiner Schleimhaut 
zur Verlegung des Lumens binreicht. Es kann dann im Kelch 
ebenso leicht wie im Becken mit engem Ostium uretericum zu 
einer Stauung und sekundären Hämaturie kommen. Wenn nun 
in solchen Fällen die Niere in der anfallsfreien Zeit exstirpiert 
wurde, dann war es begreiflich, dass, wenn die Anschwellung 
der Schleimhaut und die akuten Entzündungserscheinungen ge¬ 
schwunden waren, nichts Krankhaftes in der Niere vorgefunden 
wurde. 

Was versteht man nun unter Nephritis colica?' M. E. etwas 
anderes als die entzündlichen Veränderungen, die man an während 
der Operation aus der Niere herausgeschnittenen Gewebsteilchen 
festgestellt hat Hervorgehoben sei, dass nicht in allen Fällen 
in den Gewebsscheibchen die entzündlichen Veränderungen vor¬ 
gefunden wurden. Das exstirpierte Nierengewebe war vielmehr 
oft normal. Das ist m. E. sehr gut mit der Entstehungsursache 
der Koliken und Hämaturie zu erklären, wie ich sie oben dar¬ 
gelegt habe. Die entzündlichen Veränderungen treten nur in dem 
Teil der Niere auf, der zu dem Kelche gehört, in dem durch 
Verschluss durch den Stein oder durch Schwellung der Schleim¬ 
haut des Kelchhalses die Harnstauung aufgetreten war. Wurde 
aus diesem Teil der Niere ein Stückchen Gewebe entfernt, so 
waren in ihm entzündliche Veränderungen nachweisbar, nicht aber 
in einem Gewebsscheibchen, das aus einem von dem Erkrankungs¬ 
herd weit entfernten Teile der Niere gewonnen war. Diese herd¬ 
förmige entzündliche Erkrankung der Niere hat offenbar G. Rosen¬ 
feld bei Betrachtung der von ihm beschriebenen Fälle nicht im 
Auge, vielmehr die bereits von ihm vor 30 Jahren festgestellten 
und besonders im Kriege oft beobachteten Fälle, bei denen im 
Anschluss an eine Nephritis mit ihren typischen Erscheinungen 
und Absonderung von Zylindern eine ausschliessliche Hämaturie 
sich zeigt. Es besteht dabei allgemeines Mattigkeitsgefühl, leichte 
dumpfe Schmerzhaftigkeit in beiden Nierengegenden. Die Schmerzen, 
die sonst unbedeutend sind, traten in der Kriegszeit in den Vorder¬ 
grund der Erscheinungen. Sie können auf einer Seite stärker 
sein als auf der anderen, ja sogar als starke Koliken auftreten. 
Diese Fälle sind aber m. E. verhältnismässig recht selten. In 
der Friedenszeit und besonders während des Krieges habe ich 
viele Fälle von Hämaturie nach Nephritis, niemals aber dabei 
eine Kolik beobachtet. Ich kann mich daher nicht des Eindrucks 
erwehren, dass bei ihnen, was Rosen feid auch nebenbei bemerkt, 
eine Kombination von Hämaturie nach Nephritis mit 
einer Kolik auslösenden Störung vorliegt, die durch einen 
kleinen nicht entdeckten Stein oder Anschwellung der 
Schleimhant eines oder einiger engen Kelchhälse ver¬ 
ursacht ist, beides Vorkommnisse, die gar nicht selten sind. 

Zur Behandlung der Beschwerden machte man früher die 
Nephrotomie, jetzt wohl nur die Dekapsulation. Was erreicht 
man mit dieser? An einer im Zustand künstlich erzeugter akuter 
hochgradiger venöser Hyperämie befindlichen Niere, wie ich ex¬ 
perimentell nachgewiesen habe, eine Druckentlastung und eine 
Blut- und Lymphentziehung. Zieht man an einer solchen Niere 
die Tunica fibrosa ein Stückchen ab, dann quillt das Nieren- 


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686 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. _Nr. 29. 


Parenchym aas dem Kapselspalt hervor, and zieht man die Kapsel 
noch weiter ab, dann spriessen an der Nierenoberflflcbe Blut- und 
Lymphtröpfchen hervor, eine Erscheinung, die ich mit „Blut- und 
Lymphschwitzen u und in ihrer Wirkung mit „Blut- und Lymph- 
aderlass der Niere u bezeichnet habe. Dekapsuliert man aber die 
Niere in situ, indem man sorgfältig jede Drehung des Stiels ver¬ 
meidet, dann drängt nicht das Parenchym hervor, es zeigen sich 
an der Nierenoberfläche nur vereinzelte kleine Bluttröpfchen und 
die Nierenoberfläche wird kaum feucht. ‘Die Druckentlastung, und 
der Blut- und Lymphaderlass der Niere haben offenbar einen 
therapeutischen Zweck nur dann, wenn die Niere in einem Zu¬ 
stand krankhafter Spannung ist. let dies aber bei der Nephritis 
haemorrbagica der Fall? Das scheint mir doch nicht erwiesen 
zu sein. Ferner ist nicht ausser acht zu lassen, dass die De¬ 
kapsulation gewisse schädliche Folgen hat. Es bildet sich nach 
meinen Beobachtungen um die Niere eine neue fibröse Schicht, 
die dicker, fester, derber und weniger elastisch als die normale 
Tunica fibrosa ist. Bei interstitieller Nephritis habe ich wohl die 
Tunica fibrosa verdickt vorgefunden, doch scheint mir ihre 
Elastizität zum mindesten nicht geringer zu sein als die der 
fibrösen Kapsel, die sich nach der Dekapsulation gebildet hat. 
Ferner werden bei der Operation Kapselgefässe zerrissen, die ich 
ffir einen der Regulatoren für den Blutdruck innerhalb der Niere 
ansehe. Ihre Verletzung muss daher störend auf die Regulierung 
wirken. Diese Schädigungen werden allerdings wesentlich ge¬ 
mindert, wenn man nach meinem Vorschläge die Dekapsulation 
nur teilweise oder wenn man bei Verwachsung der Tunica fibrosa 
mit der Nierenoberfläche die Skarifikation ausfuhrt. Wenn 
Strauss bei anderweitig angeführten Dekapsulationen den Ein¬ 
druck gewonnen hat, dass die Operation für den Patienten kein 
so harmloser Eingriff ist, als welcher er im allgemeinen an¬ 
gegeben wird, so dürfte dies, insbesondere bei subkostal liegender 
Niere, dann zutreffen, wenn sie, wie es oft geschieht, zur De¬ 
kapsulation laxiert wird. Die Luxation des Organs ist aber 
m. E. nicht nötig, ja sogar unzweckmässig. Ich dekapsuliere die 
Niere in situ und kann dabei noch den wirklichen Spannungs¬ 
zustand erkennen. An der laxierten Niere ist das nicht zu er¬ 
kennen. Dadurch bereits, dass man die Niere weit heraussieht, 
wird die dünnwandige Nierenvene stärker als die Art. ren. kom¬ 
primiert und künstlich ein Spannungszustand der Niere verursacht. 
Auf Grund dieser Feststellungen halte ich die Dekapsulation 
nach vergeblicher interner Behandlung, bei starker Pyelonephritis, 
bei länger währender Anurie oder hochgradiger Oligurie für 
angezeigt. 

Wenn bei als Nephritis colica angesprochenen Nieren¬ 
koliken die Nephrotomie und nach neueren Erfahrungen die De¬ 
kapsulation die Beschwerden beseitigt haben, so dürfte das nur 
so zu erklären sein, dass die entzündliche Schwellung der 
Schleimhaut geschwunden und die statischen Verhältnisse in der 
Niere so verändert worden sind, dass der Harnabfluss durch einen 
kleinen Stein oder eine hochgradige Enge nicht mehr behindert 
war. Mit der Dekapsulation kann man also wohl in solchen Fällen 
die Koliken beseitigen, man wird aber m. E. damit nicht, wie es 
mehrfach behauptet worden ist, die Nephritis heilen. 


BQcherbesprechungen. 

R. Robert: Ueber kieselsäarehaltige Heilmittel, insonderheit bei Tnber- 
knlose. Zweite erweiterte und verbesserte Auflage. Rostock, Morkentien’s 
Verlag. 

Das kieselsaure Natrium wird gut vertragen, auch vom Uüterhaut- 
zellgewebe aus, und zwar in Dosen, die viel höher sind, als zu thera¬ 
peutischen Zwecken in Betracht kommen. Bei lokaler Anwendung wirkt 
die Kieselsäure ine ein Adstringens; bei innerlicher Anwendung werden 
alle Bestandteile des Blutes von der Kieselsäure in höchst bemerkens¬ 
werter Weise beeinflusst. Insonderheit ist eine Leukozytose und eine 
Verminderung der Lymphozyten im Blute zu bemerken. Die wesent¬ 
liche Ausscheidung der Kieselsäure aus dem menschlichen Organismus 
erfolgt durch die Dickdarmschleimhaut. Die Niere kommt erst in zweiter 
Linie in Frage. Der Verfasser glaubt diese interessante Tatsache durch 
Versuche an der Dickdarmschleimhaut festgestellt zu haben, indem er 
die Schleimhaut aus einem ausgeschalteten Darmstück abscbabte und 
ihren Gehalt an Kieselsäure untersuchte. Der Schluss, dass die tuber¬ 
kulöse Lunge im Gegensatz zu der gesunden ihre Fähigkeit zur Retention 
der Kieselsäure verliert, wobei sich der Verfasser wesentlich auf die 
Arbeit des französischen Autors Robin stützt, scheint nicht mit zwingender 
Notwendigkeit aus seinen Ausführungen hervorzugehen. 

Wenigstens entbehrt die Kobert’sehe Schrift der Tatsache, die 
diese Anschauung einwandfrei feststellt. Die Kieselsäure soll die Wir¬ 


kung ausüben, tuberkulöse Lungenprozesse zur fibröses Induration zu 
bringen. Für diese Behauptung stützt sich der Verfasser vorwiegend 
auf die Arbeiten von Kahle und Rössle. Besonders der letztere will 
nachgewiesen haben, dass tuberkulöse, schwer infizierte Tiere, die scheinbar 
rettungslos verloren waren, aber doch noch mit Kieselsäurepräparaten 
behandelt wurden, am fünften Tage der Behandlung im Gegensatz zu 
den Kontrollieren deutliche Bindegewebsneubildungen in den erkrankten 
Gewebsabschnitten und vernarbende Vorgänge zeigten, welche an die 
bei geheilter Tuberkulose des Menschen erinnern. Der Verfasser empfiehlt, 
da die in älteren Werken sich befindenden Angaben über die Giftigkeit 
der Kieselsäure seiner Meinung nach unrichtig sind, die Kieselbehand¬ 
lung in Form von Kiesel Wasserkuren bei Lungentuberkulosen durch- 
zutühren, wobei er sich auch günstige Wirkungen für die vielen Kriegs¬ 
tuberkulösen verspricht. 

Manche Behauptung in den Kobert’schen Schriften ist nicht so 
sicher erwiesen, wie in der Arbeit dargestellt wird, doch kann man sich 
natürlich den Hoffnungen des Verfassers nur anschliessen, dass die 
KieBelsäurebehandlung ein Unterstützungsmittel bei der Ausheilung der 
Tuberkulose sein soll, wenn man auch seine Erwartuogen in Rücksicht 
auf das Schicksal der Kalktherapie, die unter gleich günstigen und 
scheinbar wohlbegründeten Voraussetzungen begonnen wurde, nicht all¬ 
zu hoch einstellen wird. J. W. Samson. 


A. Strünpell-Leipzig: Löhrbach der spezielle! Pathologie aad The¬ 
rapie der ianeren Kraakheitea. 2 Bände. 20. vielfach verbesserte 
und vermehrte Auflage. 1918. Verlag von F. C. W. Vogel. 

An und für sich würde es genügen, kurz die Mitteilung zu maohen, 
dass Strümpell abermals eine Neuauflage seines bei Student und 
Arzt gleioh beliebten Buches vornehmen musste. Das Lehrbuch, das 
besonderen Wert auf genaue Pathologie und erschöpfende Dar¬ 
stellung der Symptomatologie legt, hat seit langen Jahren einem 
sehr grossen Teil der Studenten das Verständnis der inneren 
Medizin ermöglicht. Dem Rezensenten bleibt nur übrig, darauf hinzu- 
weisen, dass einzelne Kapitel, wie das der Nierenkrankheiten und der 
blutbereitenden Organe, von Strümpell umgearbeitet worden sind. 
Dabei hat St. bei den Nierenkrankheiten die modernen Forschungen be¬ 
rücksichtigt. Wer den Abschnitt genau studiert, der wird merken, dass 
St. sich nicht ohne weiteres von dem Althergebrachten trennen will, 
für ihn sind die früher üblichen Untersuchungen die Hauptsache. Freilioh 
erwähnt er die modernen Funktionsprüfungen. Da er sie aber nicht 
so darstellt, dass ein Lernender sie ohne weiteres anwenden könnte, 
möchte man fast den Schluss daraus ziehen, dass sie dem Verf. nicht 
zum unentbehrlichen Werkzeug für Diagnose und Prognose geworden sind. 
Auch die Bcharfe Trennung in Nephritis und Nephrose will er an¬ 
scheinend nicht restlos anerkennen. So kommt es denn auch, dass die 
Behandlung dieser beiden Formen nicht so schematisch angegeben wird, 
wie es in den letzten Jahren üblich geworden ist. Dünner. 


J. Reder*. Das Fi eckfieber aaeh den jetziges Staade seiner Lehre 
aad aaeh Beobachtenden ia der Epidemie des k. k. Flüchtlings¬ 
lagers Gmünd. Mit 26 Kurven und 6 Tabellen im Anhang. Leipzig 
und Wien 1918, Verlag von F. Deuticke. 117 S. Preis 9,50 M. 

Verf. gibt eine ausführliche Darstellung der Geschichte, Klinik, 
Aetiologie und Epidemiologie des Fleckfiebers unter Berücksichtigung 
aller neuesten Forschungsergebnisse. Die Symptomatologie ist sehr sorg¬ 
fältig zusammengestellt, und alle Erscheinungen werden kritisch ge¬ 
würdigt. Merkwürdigerweise wird die petechiale Umwandlung des Ex¬ 
anthems durch kapilläre Blutungen erklärt, während schon Murchison 
darauf aufmerksam macht, dass solche Hautblutungen für Fleckfieber 
nicht charakteristisch sind. Auch Aetiologie und Epidemiologie werden 
ausführlich und gewissenhaft behandelt, und ein sorgfältig susammen- 
gestelltes Literaturverzeichnis erhöht die Brauchbarkeit des Buches. 

- Jürgens. 

B«r*l, Regierungs- und Medizinalrat in Regensburg: Hilfsbaeh für dei 
bayerischen Landgerichtsarzt. Münohen 1918, Verlag von J. S. Springer. 
102 S. Preis 4M. 

In Bayern sind unter dem 24. März 1911 besondere Bestimmungen 
für den landgerichtsärztlichen Dienst ergangen, die man als eine ge- 
ricbtsärztliohe Dienstanweisung bezeichnen kann. Von besonderem 
Interesse sind darin die Beziehungen der Geiichtsärzte zu den Gerichts¬ 
behörden, so findet die Verpflichtung des Gerichtsarztes durch den 
Landgerichtspräsidenten statt, der zugleich bei der Qualifikation des Ge¬ 
richtsarztes mitwirkt, der Landgerichtspräsident gilt neben dem Re¬ 
gierungspräsidenten als Vorgesetzter des Gerichtsarztes. Die Ernennung 
der Gerichtsärzte erfolgt auf gemeinschaftlichen Vorschlag der Minister 
des Inneren und der Justiz. Das feste Gehalt der bayerischen Geriohts- 
ärste ist wesentlich höher als in Preussen. Eine begrüssenswerte Neue¬ 
rung ist darin zu sehen, dass den Gerichtsärzten für den Staatsdienst 
geprüfte Aerzte als Hilfsärzte beigegeben werden können. Im übrigen 
enthält das recht brauchbare Hilfsbuoh die für den Gerichtsarzt wesent¬ 
lichen gesetzlichen Bestimmungen und allgemeine Anleitungen für die 
Ausführung der dem Gerichtsarzte obliegenden Untersuchungen. Die 
bayerischen Bestimmungen können sehr wohl brauchbare Unterlagen für 
eine Dienstanweisung abgeben, die für die preussischen Geriohtsärzte 
nooh fehlt. Marx-Berlin. 


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21. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


887 


Llteratur-AuszQge. 

Physiologie. 

W. Heubner und P. Rona-Berlin: Ueber den Kalkgehalt des 
Bitte« bei kalkbehandelten Katzen. (Bioohem. Zschr., 1919, Bd. 93, 
EL 3—4, S. 187.) Die Versuche ergaben für den Zusammenhang zwischen 
Kalkkonzentration im Blute und Kalkwirkung folgendes: Der Blutkalk 
gesunder Katzen beträgt im Mittel 11 mg und schwankt von 9,5 bis 
13,5 mg CaO pro 100 ccm. Das Serum enthält im Mittel 16 mg CaO 
pro 100 ocm. In den Blutkörperchen wechselt der Kalk von Null bis 
mindestens 6 mg CaO pro 100 com. Nach intravenöser Zufuhr hoher 
Kalkdosen bleibt der Blutkalk geraume Zeit auf das 2—3 fache der 
Norm erhöht. Nach subkutaner Zufuhr steigt der Blutkalk im Lauf der 
ersten Stunde auf etwa das P/r fache der Notm und hält diese Höhe 
stundenlang fest. Vom Rektum wird Kalzium sehr schlecht, von der 
Traohea sehr gut resorbiert. Durch Inhalation von Chlorkalziumlösungen 
lassen sioh Kalkwirkungen und Steigerungen des Blutkalkes um Vs über 
die Norm erzielen. Die Kalkwirkungen zerfallen in zwei Gruppen: solche, 
die von der lonenkonzentration des Kalziums im Blutplasma abbängen, 
und solche, die unabhängig davon sind. Die Annahme einer „gefäss- 
dichtenden Wirkung des Kalziums ist noch nicht hinreichend gestützt. 
Der Zerstäubungsapparat nach Spiess-Dräger liefert einen dichteren 
Inhalationsnebel als der nach Tan er 6. 

P. Rona und W. Heubner-Berlin: Ueber den Kalkgehalt einiger 
Katxenorgaie. (Bioohem. Zschr., 1919, Bd. 93, H. 5—6, S. 353.) Bei 
5 Katzen fanden Verff. in der Lunge 17—35 mg CaO auf 100 g Frisoh- 
g« wicht, im Gehirn 11—24 mg, im Enddarm 25—39 mg CaO. Die vor¬ 
hergehende Injektion von Chlorkalzium hatte keinen Einfluss auf den 
Kalkgehalt der Organe. 

M. Richter-Quittner-Wien: Eine Mikromethode der Azeton- 
bestimmung. (Bioohem. Zschr., 1919, Bd. 93, H. 3—4, S. 162.) ln An¬ 
betracht des Laugenmangels hat Verf. eine MikroazetonbestimmuDg aus¬ 
gearbeitet, die es gestattet, mit 1—2 ccm Harn, also mit 1,5—3 com 
Lauge auszukommen. Es ist zweimalige Destillation notwendig, und zwar 
das erste Mal mit Wasserdampf unter Zusatz von verdünnter Essigsäure, 
das zweite Mal mit verdünnter Schwefelsäure. 1 com Harn wird mit der 
Präsisionswasoh Mikropipette nach Pregl in ein Kölbchen von 100 com 
Volumen gemessen, mit 10 ccm Wasser verdünnt und mit 1 ccm 50proz. 
Essigsäure versetzt. Naoh 10 Minuten währender Daropfdestillation fügt 
man 1 ccm Schwefelsäure hinzu und destilliert abermals. Verf. konnte 
nach dieser Methode noch 0,1 mg Azeton in 100 ccm sicher naohweisen. 
Auch für die Azetonbestimmung im Blut ist die Methode geeignet. 

R. Lewin. 

Kugler: Beiträge zur Verdatnig and Resorption des Eiweisses. 
(Zschr. f. BioL, 1919, Bd. 69, H. 10 u. 11) Untersuchungen über die 
Zusammensetzung des Inhaltes in den einzelnen Abschnitten des Ver¬ 
damm gstraktus zu verschiedenen Zeitpunkten der Verdauung. Die Ver¬ 
suche wurden an Hunden mit reiner Fleischernährung vorgenommen und 
setzten sioh vor allem Aufklärung der bei der Zerlegung der Eiweiss¬ 
körper obwaltenden Verhältnisse zum Ziel. 

Stepp: Ueber Versuche mit lipoidfreier Ernikroig an Ratten und 
Hunden. (Zschr. f. Biol., 1919, Bd. 69, H. 10 u. 11.) Bei Ernährung mit 
alkoholextrahiertem, lipoid- und vitaminfreiem Hundekuchen gehen Hunde 
an Inanition, von der besonders die Drüsenorgane betroffen werden, zu¬ 
grunde. Werden diesem Futter Vitamine beigegeben, so tritt vorüber¬ 
gehende Besserung ein, und es bleiben solche Tiere länger am Leben, 
als die ohne Vitamine und Lipoide gefütterten. 

Stepp: Beobachtungen über den Cholesteringehalt des Blotes nad 
der Galle bei lipoidfrei ernährten Tieren. (Zschr. f. Biol., 1919, Bd. 69, 
H. 10 u. 11.) Bei Entzug der Vitamine und Lipoide in der Nahrung 
wurden in Blut und Galle zumeist unter der Norm liegende Cholesterin¬ 
werte gefunden. A. Sohmidt. 

H. Sertz-Helmstedt: Ueber die Veränderung der Stickstoffforaei 
in keimender Lnpine, insbesondere über das Verhältnis von formoltitrier- 
barem und Formalinstickstoff zum Gesamtstiokstoff. (Biochem. Zschr., 
1919, Bd. 93, H. 8—4, S. 253.) In keimender Lupine erfolgt eine Zu¬ 
nahme des formol titrier baren Stickstoffs und eine Abnahme des Formalin- 
stickstoffs. Die Summe beider entsprach annähernd etwa dem Gesamt¬ 
stickstoff. Ein bestimmtes Verhältnis bzw. näherer Zusammenhang 
zwischen beiden Stiokstoffformen konnte nicht festgestellt werden. 

F. Netolitzky-Czernowitz: Eine Methode zur makroehemiseken 
Untersuchung von Zellinhaltskörpern. (Biochem. Zschr., 1919, Bd. 93, 
H. 3 —4, S. 226.) Die Methode besteht in der Aussohüttelung des pulve¬ 
risierten Präparates mit Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff. So gelang 
es, aus dem Pulver der Seifenrinde (Cortex quillajae) die Quillajakristalle 
abzuscheiden. Ebenso kann man auch Zystolithen, verkieselte Membrane 
und Haare absoheiden. 

L. Bercze 11 er-Budapest: Ueber Adsorption und Adsorptionsvor- 
bftndungen. 5. Mitteilung. Die Adsorptionsverbin düngen des Kupfer¬ 
hydroxyds. (Biochem. Zschr., 1919, Bd. 93, H. 8—4, S. 280.) Die 
Lösungen von Cu(OH)2 in SaccharoselösuDgen sind kolloid, weil sie nicht 
durch Pergamentmembranen dialysieren. Bei den unlöslichen Hydraten 
dee Kapferhydroxyds spielen Adsorptionsverbindungen eine wichtige Bolle, 
die sowohl den Ionen wie den Zuckern zukommt. Bei der Reduktion 
des Ca(OH)f durch Zucker wird die ReduktionsWirkung durch höhere, 
wahnoheinlioh kolloide Kondensationsprodukte verursaoht, die sioh aus 
dom Zucker erst gebildet hatten. 


J. Abelin-Bern: Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Wir- 
k.ig 4er proteinogenen Amine. I. Mitteilung. Wirkung der proteino¬ 
genen Amine auf den Stickstoffwechsel sebilddrüsenloser Hunde. (Biochem. 
Zsohr., 1919, Bd. 93, H. 3—4, S. 128.) Phenyläthylamin und p-Oxy- 
phenylätbylamin bewirken bei Schilddrüsen losen Hunden eine bedeutende 
Steigerung des Stickstoffwecbsels und eine Zunahme der Diurese. Auch 
eine je naoh dem Ernährungszustände wechselnde Abnahme des Körper¬ 
gewichts wurde beobachtet. Die beobachteten Erscheinungen entsprachen 
vollkommen den Folgen der Zufuhr von Scbilddrüsenpräparaten. Den 
proteinogenen Aminen kommt demnach eine hohe bioiogi. ehe Bedeutung 
zu, vor allem wegen ihrer nahen Beziehung zu den innersekretorischen 
Prodakten. Die Stoffweohselwirkung der Schilddrüse scheint nach diesen 
Beziehungen nicht auf der Wirkung eines Eiweisskörpers zu beruhen; 
vielmehr sind die Schilddrüseneiweisskörper als die Muttersubstanzen 
der wirksamen Stoffe anzusehen. 

R. Meissner-Breslau: Physiologische Vernebe mit aromatiacbon 
Diaminen. (Biochem. Zschr., 1919, Bd. 93, H. 3—4, S. 149.) Frösohe 
vertragen Ortho- und Metapbenylendiaroin in grossen Mengen ohne 
Schaden. Orthophenylendiamin wird auch von Kaninchen ohne Naohteil 
vertragen, Katzen dagegen bekommen danach die für die Paraverbindung 
typischen Oedeme an Hals und Kopf. Nach Metapheoylendiamin trat 
bei Katzen starke Salivation und heftiges Niesen auf; Oedeme blieben 
aus. Kaninchen zeigten nach der Metaverbiodung ebenfalls keine Oedeme, 
regelmässig aber Aszites. Die Para-, Ortho- und Metaverbindung zeigt 
also binsiohtlich der Wirkung auf die Ausscheidung pathologischer 
Flüssigkeit ziemliche Uebereinstimmung. Die methylierten Derivate be¬ 
wirken zerebrale Erscheinungen und Exitus sohon nach sehr kleinen 
Dosen. Oedeme an Hals und Kopf blieben aus. Nach Diäthyl- und 
Monoacethylderivaten dagegen bildeten sioh sulzige Schwellungen an 
Kopf und Hals. Das unlösliche Diacethyl- und Aethoxy-p-Phenylendiamin 
geht reaktionslos durch den Tierkörper. Triaminobenzol, -toluol und 
-phenol bilden keine Oedeme, rufen aber bei Katzen Methämoglobin- 
urie hervor. 

R. Koritschoner und 0. Morgenstern-Wien: Ueber Fehler¬ 
quellen der Ninbydrinreaktion naoh Enteiweissung in saurer Lösung. 
(Bioohem. Zeitscbr., 1919, Bd. 93, H. 8—4, S. 172.) Verff. suchten naoh 
quantitativen Unterschieden bei den Reaktionen der Abderhalden'schen 
Fermente und unterzogen die Fehlerquellen der Freund-Kaminer- 
Modifikation einer Prüfung. Zunächst wurde der Einfluss der zur Eiweiss¬ 
koagulation verwendeten Reagentien auf die Ninhydrinreaktiou geprüft. 
Es fand sich, dass io der Nähe der Sättiguogsgrenze liegende Natrium- 
sulfatkonzentrationen bei niedrigem Peptongebalt einen geringen, aber 
immerhin nachweisbaren ungünstigen Einfluss auf die Farbintensität der 
Ninbydrinreaktion ausüben. Bei höherem Peptongehalt wurde ein soloher 
Einfluss nicht konstatiert. Weniger hohe Salzkouzentrationen beeinflussen 
die Ninbydrinreaktion, auoh bei niedriger Peptonkonzentration nicht 
nachweisbar. Sehr geringe Säurekonzentration beeinflusst die Ninbydrin¬ 
reaktion iu hohem Grade. Eine zu hohe Wasserstoffionenkonzeutration 
kann negative Ninhydrinreaktion vortäusohen. Die Reaktion gibt selbst 
naoh Ausschaltung der hier ermittelten Fehlerquellen ungefähr 30 pCt. 
Fehlresultate. R. Lewin. 

E. Seligmann-Berlin: Zur Biologie der Knbmilch. Alkohol und 
Koohprobe. (Zschr. f. Hyg., 1919, Bd. 88, H. 2.) Die in alternder Milch 
zu beobaohteude Gerinnungsneigung ist duroh die Wirkung von bakte¬ 
riellem Lab bedingt. _ Schmitz. 


Pharmakologie. 

H. Fühner-Königsberg: 8kopoliawunel als Gift und Heilmittel 
bei Littauern und Letten. (Ther. Mh., Juni 1919.) In mehrfacher Hin¬ 
sicht interessante Mitteilung über die in weiteren Kreisen bisher un¬ 
bekannte, bei Letten und Littauern gebräuchliche Verwendung des 
Wurzelstooks der Skopolia earniolioa Jacqu., die sie in Gärten ziehen, 
als Ber&uschungsmittel, Gilt und Heilmittel. Besonders interessant ist 
die Mitteilung, dass ein litauischer Bauer das Mittel 30 Jahre lang 
mit regelmässigem Erfolge gegen Paralysis agit&ns verwendete. 

Bertkau. 


Therapie. 

F. Baum - Königsberg: Unsere Erfahrungen mit Enkodll. (Ther. Mb., 
Juni 1919.; Naoh Erfahrungen an etwa 50 Fällen ist Eakodal dem 
Morphium in vielen Fällen gleiohwertig, bisweilen überlegen. Schädlicher 
Einfluss auf das Gefässsystem wurde nicht beobachtet, Gefahr der Ge¬ 
wöhnung liegt nicht vor. Bertkau. 

Watson - Glasgow: Akriflavin bei Tripper. (Brit. Med. Jonrn., 
Nr. 3045.) Einspritzungen und Spülungen mit Akriflavinlösung (1:4000) 
übertreffen an Heilwirkung alle gegen akuten Tripper bisher angewandten 
Verfahren. Akriflavin tötet im Bakterienversuch Tripperkeime innerhalb 
von 2 Minuten. Sohreiber. 

H. Sohmerz und F. Wiseho: Wertbestimmungen der blnt- 
gerinnungsbefördernden Kraft einer Reihe von gebräuchlichen, duroh 
das lujektionsverfahren einverleibten Körpern. (W.kl.W., 1919, Nr. 28.) 
Die intravenöse Anwendung der einzelnen Mittel bietet vor der sub¬ 
kutanen keine besonderen Vorteile. Den grössten Wirkungswert fanden 
die Verff. bei der mit 1 pCt. Calcium laotioum versehenen Kalzium¬ 
gelatine. In der Wertigkeitsskala folgen: 5pros. Klaudenaufsohwemmong, 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 



688 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


normales Pferdeserum mit 0,1 Calcium laoticum vermischte, hyper¬ 
tonische Kochsalzlösung mit CaCI 2 in Ringerkonzentration nach Ebstein. 
Der geringste Wirkungswert findet sich bei der einfachen hypertonischen 
Kochsalzlösung. Kalziumgelatine und Klauden verursachen subkutan 
starken Spannungsschmerz, haben aber keinerlei ernstere Folgen oder 
unangenehme Nebenerscheinungen. Giaserfeld. 

A. Vollbrandt-Freiburg i. Br.: Zur iitrufentfsei Kollurgol- 
bebandlung der kindlichen Vulvovaginitis gonorrhoica. (M.m.W., 1919, 
Nr. 24.) In Anlehnung an die Menzi’sche Behandlung weiblicher 
Gonorrhoe wurden 2 pros. intravenöse Kollargolinjektionen bei 3 Kindern 
mit Vulvovaginitis angewandt. Bei 2 Kindern verschwanden die Gono¬ 
kokken vorübergehend. Eine Dauerheilung wurde nicht erzielt. Die 
Leukozytenzahl blieb unbeeinflusst. Schädigung trat nicht ein. 

R. Neumann. 

F. Blumenthal-Berlin: Die Behandlung der Trichophytie. 
(D.m.W., 1919, Nr. 21.) Die Behandlung ist namentlich bei der tiefen 
Trichophytie schwierig. Neben heissen Breiumschlägen, desinfizierenden 
Wasohungen und der Epilation mit der. Pinzette ist die Röntgenepilation 
und die einschmelzende Wirkung der Röntgenstrahlen bei der tiefen 
Trichophytie von Nutzen. B. schildert die Vorsichtsmaassregeln, die bei 
der Röntgenbestrahlung notwendig sind. Er hat auch Versuche mit der 
Aureollampe gemacht, ferner wandte er die spezifische Behandlung mit 
Triohophytin an, die zwar Besserung, aber keine Heilung brachte. 

Dünner. 

A. Knauer - Würzburg: Ueber die Behandlung der Paralyse und 
der Hirnsyphilis mit Salvarsaninjektionen in die Karotiden. (M. m. W., 
1919, Nr. 28.) Anfangs nach Freilegung der Karotis, dann mit Injek¬ 
tionen durch die Haut direkt ins Gefäss, was technisch einfach und 
gefahrlos ist, wurde eine grössere Anzahl von Paralytikern und Hirn¬ 
luetikern mit Neosalvarsan und Silbersalvarsannatrium in wiederholten 
Gaben behandelt. Es wurden teilweise weitgehende Remissionen mit 
teilweisem Schwinden der Liquorreaktionen und auch der Wassermann- 
schen Reaktion im Blut erzielt. Es wird empfohlen, die Karotis- 
injektionen auch mit anderen spezifischen Mitteln und auch bei anderen 
Hirnstörungen wie Status epileptious zu versuchen. 

Wichura-Blankenburg: Zur spezifischen Behandlung der Tabes 
dorsalis. (M. m. W., 1919, Nr. 23.) Behandlung von SO Tabesfällen 
nach der kombinierten Methode von Dreifuss. ln 18 Fällen trat weit¬ 
gehende Besserung auf, die sich zeigte in allgemeiner Kräftigung, Ge¬ 
wichtszunahme, Besserung der Funktionen und Beschwerden, besonders 
der Ataxie und Schmerzen, Stillstand des Krankheit&prozesses und teil¬ 
weisem Rückgang der spezifischen Blut- und Liquorreaktionen. Die 
spezifische Behandlung ist in allen Fällen angezeigt, muss aber indivi¬ 
dualisierend und sehr schonend vorgenommen werden. Verf. verwandte 
viel kleinere Gaben als Dreifuss, so statt Salvarsan das Neosalvarsan 
in Dosen von 0,075—0,45 alle 2—3 Tage, insgesamt 4—5 g. Hg und 
Jod soll möglichst schonend erst nach allgemeiner Kräftigung an¬ 
gewandt werden. Wiederholung der Kur bei Verschlechterung. 

R. Neumann. 

J. Müller- Schmargendorf: Epilepsiebehandlnng Bit Luminal. 
(D.m.W., 1919, Nr. 21.) Verf. hält das Luminal für besser als Brom¬ 
präparate, die unangenehme Nebenwirkungen haben. Man kann Luminal 
lange Zeit geben und erreioht oft mit sehr kleinen Dosen wesentliche 
Besserung. 

P. Karger-Berlin: Zar Behandlung der Diphtherie mit anti¬ 
toxinfreiem Pferdeserum. (D.m.W., 1919, Nr. 22.) Bei einem Kinde, 
das ziemlich grosse Mengen gewöhnlichen Pferdeserums erhielt, ent¬ 
wickelte sich eine reguläre Diphtherie. Die Mitteilung interessiert 
namentlich im Hinblick auf die Bingel’schen Publikationen, der 
Diphtherie mit antitoxinfreiem Serum behandelt. 

Diesing-Hamburg: Behaadlaag der Katarrhe der Atmungs- 
organe lit Nebennierenextrakt. (D.m.W., 1919, Nr. 21.) D. benützt 
das Adrenocbrom, das duroh Extraktion der von Fett befreiten Neben¬ 
niere des Kalbes, Schafes oder Schweines mit Aether, Alkohol und Benzin 
gewonnen und in einer ganz schwachen, dialysierenden neutralen Seifen¬ 
lösung gelöst wird. Das Präparat soll besonders durch seinen Gehalt 
an Schwefel auf die Schleimhaut anämisierend und auch verflüssigend 
wirken. Nach D. kann das Mittel sehr viel: er hat nicht nur manche 
prompte Heilung bei Fällen des ersten und zweiten Stadiums gehabt, 
sondern auch noeh bei weit vorgeschrittener Lungentuberkulose Still¬ 
stand des örtlichen Krankheitsprozesses, Senkung des Temperatur¬ 
niveaus und weitgehende Besserung des Allgemeinbefindens erzielen 
können“. (!!! Ref.) Dünner. 

Cahn-Bronner - Strassburg i. E.: Die Behandlung der Lungen¬ 
entzündung mit subkutanen Ghinininjektionen. (Zschr. f. klin. M., Bd. 87, 
H. 3 u. 4.) Schon früher hatten Gähn und Aufrecht über die erfolg¬ 
reiche Behandlung der Pneumonie mit subkutanen Ghinininjektionen 
berichtet. Jetzt hat Verf. diese Versuche an einem grossen Material 
wieder aufgenommen. Es wurden 156 Fälle mit Ghinininjektionen, 188 
ohne solohe in der bisher üblichen Form behandelt und als Kontroll- 
fälle betrachtet» Die Resultate waren ausgezeichnete: Das Allgemein¬ 
befinden besserte sioh auffällig, die Mortalität betrug nur 6,4 pGt. gegen¬ 
über 10 pGt. der Kontrollfälle, in 60 pGt. aller Frischfälle trat eine 
vorzeitige Entfieberung ein, bei einem Viertel der Fälle eine direkte 
Kupierung. Komplikationen waren bei den Kontrollfällen doppelt so 
häufig. Pneumonien duroh andere Erreger (Friedländer’s Streptokokken, 


lofluenzabazillen) verhielten sich refraktär. Ein Vergleich mit den 
Optochinfällen der Literatur ergab, dass 85,7 pCt. Erfolge mit Optechin, 
60 pGt. mit Ghinin gegenüberstehen. Versuche ergaben, dass Ghinin bei 
subkutaner Injektion im Gegensatz zur oralen Darreichung im Blute 
und in der pneumonisch infiltrierten Lunge angereichert wird. 

H. Hirsohfeld. 

Haultain: Vakzinebehandlung der Lungenentzündung. (Brit. 
med. journ., Nr. 3043.) Bericht über günstige Heilwirkungen einer 
Stammvakzine auf an Lungenentzündung Erkrankte. Die Vakzine wurde 
hergestellt von Kulturen eines grampositiven Streptodiplokokkus aus 
dem Auswurf von Influenzakranken mit Lungenentzündung. Die Zahl 
der Todesfälle bei den nicht mit der Vakzine Behandelten war mehr als 
doppelt so hoch wie bei denen, die die Vakzine bekommen hatten. 

Schreiber. 

P. Rosenstein - Berlin: Die Behandliag akiter Plenrienpyene 
mit Chininderivaten. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 22.) Die im Anschluss 
an Grippe auftretenden Pleuraempyeme bat Rosenstein erfolgreich 
mit Ghininderivaten behandelt. Er entleert das Exsudat mit Neben¬ 
drainage und füllt 100 ccm einer VfiP™ 2 - Vuzin- oder V2 pros. Eukupin- 
lösung durch den Trokar in die Empyemböhle ein. Naoh Bedarf wird 
diese Behandlung ein- bis zweimal wiederholt. Hayward. 

W. Stoeltzner-Halle: Ueber Behandlung der kindlichen Skrofule- 
tnherknlose mit Tebelon. (M.m.W., 1919, Nr. 24.) Tebelon, ein auf 
Grund zahlreicher Versuche des Verf. hergestelltes synthetisches Wachs¬ 
präparat, der Isobutylester der OeLäure, hat bei kindlicher Skrofulo- 
tuberkulose günstige Heilerfolge ergeben. Es wird von den Ghemischen 
Werken in Grenzach in Ampullen hergestellt und zu Versuchszwecken 
abgegeben. Alle 3—4 Tage wird 1 ccm subkutan eingespritst. Die 
Wirkung wird so erklärt, dass der Körper auf das injizierte Wachs mit 
der Bildung von Wachsantikörpern oder waohsspaltenden Fermenten 
reagiert. Diese sollen dann die Tuberkelbazillen, die ja zu 40pCt. aus 
Wachs bestehen, zur Auflösung bringen. R. Neu mann. 

A. Basset: Subkutane Einspritzung von polyvalentem Sernm 
(nach Leolainobe und Vallee) bei Behandlung der Gesichtsrose. 
(La Presse mäd., 1919, Nr. 25, S. 237.) Nach einer oder einigen Ein¬ 
spritzungen von 10—40 ccm des Serums trat bei 9 Erisypelfällen rasche 
Heilung ein; örtliche Maassnabmen dürfen nioht vernachlässigt werden. 

Krakauer - Breslau. 

Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

G. Herxheimer-Wiesbaden: Ueber den „Reiz-“, „Entzüudungs-“ 
und „Krankheits-“Begriff. (Ziegler’s Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, 
H. 1.) Eignet sioh nicht zu einem kurzen Referat. 

E. Krompecher Budapest: Ueber die Basalzelleu-Tumorea 4er 
Zylinderepithelsehleimhünte mit besonderer Berücksichtigung der 
„Karzinoide“ des Darms. (Ziegler’s Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, 
H. 1.) Durch geschwulstartige Wucherung der Basalzellen der Zylinder- 
epithelsohleimhäute entstehen die mehr oder weniger gut- und bösartigen 
Basalzellengeschwülste der Zylinderepithelschleimhäute, wobei sich die 
gewucherten Zellen nicht zu Zylinderepithelien differenzieren, sondern 
ihren Basalzellencharakter bewahren. Man kann auch hier solide adenoide 
und zystische Typen unterscheiden wie bei den Tumoren der Platten- 
epitheloberfiächen. Es werden 20 einschlägige Fälle aus den verschie¬ 
denen Organen mitgeteilt. Solide Basalzellenkrebse wurden im Magen 
und Ikterus beobachtet. Auch die multiplen kleinen Dünndarmkarzinome 
gehören hierher. Adenoide Basalzellenkrebse wurden verhältnismässig 
häufig beobachtet am Magendarmkanal und am Endometrium, wobei 
diese Tumoren das Bindeglied bilden zwischen den soliden Basalzellen¬ 
krebsen und den Zyiinderzellkrebsen. Die kleinen Dünndarmkarzinome 
gehen teilweise vom Basalepithel der Lieberkuhn’schen Krypten aus, 
die Uterusbasaliome z. T. vom Basalepithel der Drüsen. An der Innen¬ 
nase entstehen die Tumoren aus Polypen, während sie an der Prostata 
und Brustdrüse aus der Basalschicht der grossen Ausführungsgänge 
ihren Ursprung nehmen. 

K. Nicol: Ein Fall von „Xanthelasma“ der Haut naoh Ghinin- 
exanthem. (Ziegler’s Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 1.) Im An¬ 
schluss an ein duroh Ghininintoxikation bedingtes, mit Fieber und 
Ikterus verbundenes, schuppendes Exanthem der Haut ist infolge einer 
Störung des Cholesterinhaushaltes eine Ausschüttung von Cholesterin- 
estern in den Kreislauf erfolgt, die von den Makrophagen der Kutis 
aufgespeichert wurden. Hierdurch ist eine allgemeine xanthelasmaartige 
Veränderung der Haut zustande gekommen, die sich dem Auge in Form 
eines fast negerfarbenen Aussehens der Haut darbietet 

0. Troel: Ein Fall von multiplem Hämangiom, kombiniert mit 
Hauthorn. (Ziegler’s Beitr. z. path. Anat. 1919, Bd. 65, H. 1.) Bei einem 
8jährigen Mädchen fand Bich am rechten Fusse ein kongenitales multiples 
kavernöses Angiom, kombiniert mit einer stark gesteigerten zirkum¬ 
skripten Hornbildung sowie einer allgemeinen Vergrösserung der ganzen 
Extremität. Die Genese dieser Kombination von pathologischen Er¬ 
scheinungen hyperplastisoher und gesohwulstartiger Natur ist am un¬ 
gezwungensten duroh die Annahme angeborener Gewebsanomalien zu 
deuten. 

K. Nicol: Pathologisch-anatomische Studien bei Fleekfieber. 
(Ziegler’s Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 1.) Beim Fleekfieber 
fehlt ein charakteristischer oder gar spezifischer makroskopischer Ob- 


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UNIVERSUM OF IOWA 







21. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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duktionsbefund; die anatomische Diagnose kann nur mikroskopisch mit 
Sicherheit gestellt werden. Es handelt sich hierbei um eine System- 
erkranknng der kleinen Gefässe mit Proliferation und Nekrose der Endo- 
thelien, Vermehrung von Lymphozyten und adventitiellen Zellen, Exsnda- 
tion von Leukozyten. Namentlich die Gefasse der Haut und des Zentral¬ 
nervensystems (Medulla oblongata) und in zweiter Stelle die Herzmusku- 
latur bilden die Prädilektionsstellen. Die histologisohen Befunde, die 
konstant und für das Fleckfieber spezifisch sind, bilden sich später sum 
grössten Teil wieder zurück. Der Tod wird in den ersten Stadien duroh 
die Prozesse im Zentralnervensystem oder im Herzmuskel bedingt. Als 
Komplikationen werden Pneumonien und Sekundärinfektionen beobachtet. 
Die Fleokfiebergangrän ist in erster Linie auf Vasomotorenschädigung 
zurüokzuführen und neigt zu schnellen septischen Infektionen. In Kill 
und Knoohenmark findet man schon frnhzeitg eine hochgradige Myelose. 

Schönberg. 

E. Jennioke-Eisenaoh: Seltene pathologisch anatomische Befinde. 
(D.m.W., 1919, Nr. 22.) I. Akute Phosphorvergiftung. II. Akute gelbe 
Leberatrophie bei Empyem der Gallenblase und der erweiterten Gallen¬ 
gänge in der Leber. Bakteriologisch fanden sioh Koli, die eine Infektion 
der Gallenwege bedingt hatten. 

Velhagen-Chemnitz: Abdizensläbmang bei Nephritis, mit Sek¬ 
tionsbefund. (D.m.W., 1919, Nr. 22.) V. fand in der Höbe der linken 
Eminenta abducentis ein ganz kleines Aneurysma, welohes 9 mm von 
der Ventrikeloberfläohe und 3 mm von der Baphe im Gewebe des Pons 
seinen Sitz hatte. Dünner. 


Paraaitenkunde und Serologie. 

J. Hook-Würzburg: Wnnddiphtherie. (M.m.W., 1919, Nr. 28.) 
Im Anschluss an die Arbeiten von Ansohütz, Kisskalt, Weinert 
und Schmid untersuchte der Verf. verdächtige Wunden auf Diphtherie¬ 
basillen. Von 88 Fällen waren 5, also 13,7 pCt. positiv. In allen 
Fällen bestand ein Zusammenhang der Diphtherie mit Grippeempyemen, 
teils fanden sioh die Dipbtheriebazilten in den Empyemwunden selbst, 
teils in Wunden von Patienten, die neben den diphtherieinfizierten 
Empyemen lagen; also Uebertragung duroh Luft- oder Kontaktinfektion. 
Für das Aussehen der diphtherisohen Wunden kann kein klinisobes 
Kriterium festgelegt werden, nur die Anwesenheit der Löffler’schen Ba¬ 
zillen entscheidet. In den meisten Fällen bandelt es sioh lediglich um 
schmarotzende Diphtheriebazillen avirulenter Art im Gegensatz zu 
Ansohütz und Weinert, die eine Reihe schwerster Formen von Wund¬ 
diphtherie beobachteten. 

J. ZeissI er - Altona: Die Differenzierung der anaerohei Gastidem- 
bakteriei. (M.m.W., 1919, Nr. 28.) Entgegnung auf den gleichlautenden 
Artikel Schlossberger’s in Nr. 13 der M.m.W., aus der hervorgeht, 
dass auf der Mensohenblut-Traubenzuoker-Agarplatte der Fränkel’scbe 
Gasbasilius spezifisches Waohstum zeigt, und dass manche Anaeroben- 
kulturen im Kolle’sohen Institut falsche Artbezeichnung tragen. 

R. Neumann. 

H. Braun und W. Li er s-Frankfurt: Ueber die Kolitisbaziljen ein 
Beitrag zur Bakteriologie der Pseidodyseateriehasillea. (Zsohr. f. Hyg., 
Bd. 88, H. 2.) Verff. wollen die Bezeichnung Kolitisbazillen für die 
Pseudodysenterierassen einführen und berichten summarisch über ihre 
Beobachtungen. Schmitz. 

W. Gross-Dorpat und Heidelberg: Untersuchungen über die 
Basillearahr. (M.m.W., 1919, Nr. 24.) Bei 18 Ruhrleiohen wurden 
11 mal die Ruhrerreger im Darm gefunden, in 5 weiteren Fällen liess 
sioh die Infektion noch duroh die Agglutination naohweisen, nur 2 Fälle 
waren negativ. In den meisten dieser letal verlaufenen Ruhrerkrankungen 
handelte es sich um Shiga Kruse-Bazillen. Selten können auoh die 
giftarmen Pseudodysenterie (T und Flexner-Stämme) ebenso sohwere 
Veränderungen machen. Immer kommt es ausserdem noch zu einer 
Misohinfektion z. B. mit Baoterium coli, Paratyphus B und Streptokokken. 
Dadurch verschlimmert sioh der Krankheitsprozess im Darm, oder er 
führt zu einer Allgemeininfektion. Diese Bakterien finden sioh auch 
noch nach dem Verschwinden der spezifischen Ruhrerreger, die meist 
schon am 11.—16. Krankeitstage nicht mehr nachweisbar sind. Die 
Shiga-Kru8e-Bazillen finden sich nur im Darm, und zwar nur in den 
anatomisch erkrankten Abschnitten. Die giftarmen Stämme können 
auoh in Leber, Milz und mesenteriellen Lymphknoten gefunden werden. 

R. Neumann. 

R. Deussing-Barmbeok-Hamburg: Zur Kenntnis der Mischiaftk- 
Hob bei Diphtherie. (Zsohr. f. Hyg., Bd. 88, H. 2.) Ref. unterscheidet 
primäre und sekundäre Mischinfektion. Die primären sind manchmal 
keine schweren Komplikationen, sondern können zu einer Absohwäohung 
der Intoxikation führen, so dass der Verlauf milde wird. 

Schmitz. 

G. P. Hatziwassiliu-Charlottenburg: Zur Frage der Wasser- 
■aai’sehea Reaktion. (D.m.W., 1919, Nr. 22.) H. empfiehlt die Kaup- 
sche Modifikation, bei der das Komplement austitriert wird, als sehr 
brauchbar. 

M. Löns-Dortmund: Die Reaktionen naeh Wassermann und Saehs- 
Oeorgi. (D.m.W., 1919, Nr. 21.) Die Sachs-Georgi’sohe-Reaktion ist prak¬ 
tisch brauchbar. Unter 540 Fällen hat die Reaktion nur bei einem 
sicheren Syphilisfall versagt. Dünner. 


Innere Medizin. 

M. Berliner-Berlin: Der tastbare Kapillarpnls. (D.m.W., 1919, 
Nr. 2.) Der untersuchte Finger — am meisten ist der Mittelfinger zu 
empfehlen — ruht auf dem Mittelfinger der tastenden Hand des Arztes. 
Man tastet dann je nach der Intensität ein mehr oder minder reiohes 
diffuses, pulsatoriBch klopfendes Schwellen und Kollabieren, das sich 
ganz wesentlich unterscheidet von dem Tastgefühl über einer pulsierenden 
Arterie. Dünner. 

Grob er-Dorpat: Ueber die Fortieitug dos Hensehalles. (M.m.W., 
1919, Nr. 24.) Die Verfolgung der Herztöne am Brustkorb lässt nur 
in einzelnen Fällen die Herzfigur umgrenzen. Dagegen kann man mit 
dieser Methode häufiger krankhafte Zustände der anliegenden Gewebe 
und Besonderheiten des Körperbaues erkennen. R. Neumann. 

A. Edel-Wilmersdorf: Können die Erfahraagoa der praktischen 
Aerzte der medizinischen Wissenschaft nützen? (D.m.W., 1919, Nr. 21.) 
E. tritt dafür ein, dass die praktischen Aerzte ihre Beobachtungen 
kurz mitteilen, die sie im Laufe langer Jahre machen können. 

Dünner. 

Paul Weill-Beelitz: Ueber Leakoiytea and Langentnberkilose. 

4. Zur Frage der Tuberkulinwirkung auf das weisse Blutbild. (Zsohr 

f. Tbkl., Bd. 80, H. 8.) Eine besondere Einwirkung des Tuberkulins 
auf die Gestaltung der Leukozytenwerte liess sich nicht feststellen. Ins¬ 
besondere fehlte eine nachweisbare Beeinflussung der kleinen Lympho¬ 
zyten. K. Grau-Honnef. 

0. Wiese-Landeshut: Dürfen Taberkaltise, speziell Lungentuber¬ 
kulose, der Pockeaschatzimpfang unterzogen werden. (D.m.W., 1919, 
Nr. 21.) W. hat bei seinen Pat. auf dem einen Arm die Pookenimpfung, 
auf den anderen die Pirquet’sohe Impfung ausgeführt: es zeigte sich 
keinerlei wesentliche Differenz im ungünstigen Sinne. Er kann nach 
dem genannten klinischen Ablauf die Empfehlung der Pookenschutz- 
impfung auoh für Tuberkulose verantworten. Dünner. 

Brüggemann-Dorpat u. Giessen: Perichoadritis dos Kehlkopfs 
nach Grippe. (M.m.W., 1919, Nr. 24.) Beschreibung von 4 Fällen von 
Periohondritis des Kehlkopfs, dreimal des Sohildknorpels, einmal des 
Ringknorpels im Anschluss an Grippe. Die Perichondritis verläuft ent¬ 
weder unter dem Bilde einer akuten, häufig abszedierenden Entzündung 
meist mit Knorpelnekrose oder mehr ohronisch mit Infiltration der 
Knorpelumgebung, die unter langdauernder Eiterung zur Sequesterbildung 
im Knorpel führt. In leichteren Fällen ist die Behandlung zu wartend 
und antiphlogistisch, in sohweren chirurgisch. Spaltung der Abszesse und 
Entfernung des nekrotischen Knorpels. R. Neu mann. 

H. Nothnagel-Wien: Doppelseitige Mastitis bei Grippe. (W.kl.W., 
1919, Nr. 23.) Bei einer 46jähr. Pat., welche an Empbysen, Residuen 
einer abgelaufenen Pleuritis und einer luetischen Dilatation der Aorta 
ascendens leidet, tritt eine Influenza mit Bronchialkatarrh auf; das Fieber 
zeigt remittierenden und intermittierenden Charakter, Milzschwellung 
fehlt. Im Verlauf der Grippe tritt unter Ansteigen der Leukozytenzahl, 
Steigerung des Fiebers, an beiden Brustdrüsen gleichzeitig eine Ent¬ 
zündung des Drüsengewebes auf, die nicht zur Vereiterung führt, sondern 
in kurzer Zeit spontan bei kritischem Fieberabfall zurüokgeht. 

Glaserfeld. 

W. Förster-Suhl: Ein Fall von jahrelang im Dana verwelleadeii 
Fremdkörper. (M.m.W., 1919, Nr. 23.) Bei einem 17jährigen Mädchen, 
das seit dem 3. Jahre an Verstopfung litt, wurde per anum mittels 
Kornzange ein kastaniengrosser, harter Fremdkörper entfernt, dessen 
Kern ein Pfennigstüok bildete, das offenbar in frühester Kindheit ver- 
sohluokt worden war. R. Neumann. 

F. Rosenthal-Breslau: Chelesteariaverarmaag der menschlichen 
roten Blutkörperchen unter dem Einfluss der Kriegsernährung. (D.m.W., 
1919, Nr. 21.) R. fand eine sicher bestehende Verarmung der roten 
Blutkörperchen an Gesamtcholestearin bei einem Teil chronisch Unter¬ 
ernährter im Verlaufe der Kriegsjahre. R. weist auf die Bedeutung hin, 
die die Verteilung des freien und gebundenen Cholestearins in den roten 
Blutkörperchen der Unterernährten hat. Diese Untersuchungen sind aber 
nooh nicht spruchreif. 

F. C. R. Sohulz-Goldap: Zwei geheilte Fälle von Tetaias. (D. 
m.W., 1919, Nr. 21.) Bei beiden Fällen wurden relativ geringe Serum - 
mengen nach dem Auftreten der ersten Tetanussymptome verabfolgt. 

5. sorgte für saubere Wund Verhältnisse, und tupfte die Wunde mit 

Kampferphenol (9, o/25. 0 ) gründlich aus bzw. suchte die Tetanusbazillen 
mit schwacher Karbol-Kaliumpermanganioum- oder H 2 0 2 -Lösuog zu ver¬ 
nichten. Bei Wunden an den Extremitäten wendet man mit Vorteil ein 
Dauerbad mit lauwarmem Seifenwasser an, dem einige Esslöffel Lysol 
zugesetst werden. _ Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

M. Reiohardt-Würzburg: Psychisch vermittelte Eiawirkaagea 
als Ursachen psyohiseher Erkrankungen. (D.m.W., 1919, Nr. 21.) Die 
ursächliche Rolle der psychisch vermittelten Aussenwelt bei geistigen 
Erkrankungen ist gering. Psyohisohe Einwirkung im Sinne von Schreck¬ 
motion usw. wirken im allgemeinen nioht in langdauernder Weise krank¬ 
machend, mit Ausnahme der sog. psychogenen Krankheiten, d. h. der 
pathologischen psychischen Krankheiten. Man bezeichnet sie besser als 
psychischen Ausnahmezustand. Das psyohogen Entstandene ist auoh 
durch psyohisohe Beeinflussung wieder zu beseitigen. Was oessante 


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UMIVERSITY OF IOWA 





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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 20. 


causa durch psychische Behandlung nicht weicht, dies hat keinen psycho¬ 
genen Ursprung mehr. Dünner. 

J. Lewin - Berlin: Die Psychopathien. Ein Beitrag so ihrer 
Charakteristik und Einteilung. (Mschr. f. Psych., Bd. 45, H. 6.) L. teilt 
die Psychopathien ein in Hysterie (bzw. den hysterischen Reaktionstyp), 
Asthenie, Neurasthenie, Psyohogenien (psyohogene Zustände ausserhalb 
der Hysterie), umschriebene Anomalien, besonders des Trieb* und 
Willenslebens und die pathologischen Charaktere. Zu den Psyohogenien 
rechnet er eine pathologische Weiterentwicklung der Persönlichkeit 
durch die Ungunst der Umstände, eine Exacerbation des sonstigen patho¬ 
logischen Habitualsustandes und Episoden im Leben des Individuums 
(Situationspsyohosen). Die übrigen Darlegungen bieten dem Paohmann 
nichts Neues, sind aber für den Praktiker woh) etwas schwer verständlich. 

A. Ser ko-Laibach: Die Involatioisparapheaie. (Mschr. f. Psyoh., 
Bd. 45, H. 5 u. 6.) S. unterscheidet mit Kleist in den Involutions¬ 
jahren drei paranoide Krankheitsformen: die Spätform der -Dementia 
paranoides, die Involutionsparanoia und die Involutionsparaphenie. Er 
bringt mehrere Beispiele dieser letzten Erkrankung und erörtert des 
längeren die schwierige Differentialdiagnose zu den anderen paranoiden 
Formen. Wer sich für die Frage des Sohizophreniebegriffs und der 
Paranoia interessiert, lese diese Ausführungen im Original. Er bringt 
auch bemerkenswerte Ideen zur Frage der Abgrenzung einer Psychose 
überhaupt und spricht die Meinung aus, dass z. B. dem gleichen neuro¬ 
logischen Vorgang einer Paralyse verminderte psychotische Formen ept- 
spreohen können, die nicht einfach gleioh zu sehen wären. 

J. Donath-Budapest: Kortikale Seasibilitätsstdraag der Unter- 
extrenitStev nach Sohädelschussverletzung. (Mschr. f. Psych.. Bd. 45, 
H. 6.) In einem Falle fand sich nach Schussverletzung der Hirnrinde 
eine bis zu den Glutäen hinaufreiohende paralytische Anästhesie der 
Beine, die D. für ein Analogon der kortikal bedingten organischen Hemi- 
anästhesie hält. ' E. Loewy. 


Kinderheilkunde. 

E. Feer: Betrieb und Leistungen des neueo lafektioasbaases der 
Zürcher Kinderklinik. (Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 21.) 

R. Fabian. 

J. Pick-Charlottenburg: Ein weiterer Beitrag über den initialen 

Wftraieverlast bei Neugeborenen. (D.m.W., 1919, Nr. 21.) P. zeigt 
zahlenmässig, dass der Neugeborene eine zu grosse Oberfläohe besitzt 
und dadurch von vornherein ungünstiger gestellt ist als der ausgewachsene 
Organismus. Dünner. 

G. Fuhge-Berlin-Rummelsburg: Untersuchungen über den Einfluss 
des BaseasftareaverkMtaisses auf den Eiweissbedarf. (Aroh. f. Kindhlk., 
1919, Bd. 67, H. 3 u. 4.) Stoff Wechsel versuche bei 3 Knaben zur Nach¬ 
prüfung der Befunde Ragnar Berg’s, nach denen der Körper bei einer 
Kost, die mehr saure anorganisohe Valenzen enthält wie alkalisohe, einen 
rösseren N-Bedarf hat, wie bei einer Kost entgegengesetzter Beschaffen¬ 
en. Als Kriterium für die alkalische oder saure Qualität der Nahrung 
wurde die Berg’sohe Titrationsmethode des UrinB benutzt. Alkalisoh 
im genannten Sione war die gewöhnliche, naoh Brennwert und N-Gehalt 
eben ausreichende Waisenhauskost. In der sauren Periode wurden täglich 
3 g CaClg gegeben, das nach Berg im Körper als Säure wirkt. Der 
Urin wurde auch in dieser Periode sauer, sein Ammoniakgehalt war 
gegenüber der alkalischen Periode sowohl absolut als auch relativ zum 
Gesamt-N stark vermehrt, seine Asche enthielt viel weniger Basen, die 
Kotasche aber viel mehr. Das Chlorkalzium hatte also als Säure gewirkt 
im Stoffwechsel, weshalb Verf. vor seiner länger dauernden Anwendung 
warnt. Eine Abhängigkeit des N-Bedarfs vom Ueberwiegen saurer oder 
alkalischer Valenzen im Körper liess sich bei diesen Versuchen, die die 
Frage noch nioht endgültig entscheiden können, nicht nachweisen. 

Herbst. 

K. Kisskalt*Kiel: Zur Sterblichkeit der Kinder im ersten und 
zweiten Lebensjahre, insbesondere an Magendarmkrankheiten. (D.m.W., 
1919, Nr. 21.) Die Sterblichkeit an Magendarmkrankheiten geht im 
ersten und zweiten Lebensjahre auffallend parallel. Daraus muss man 
folgern, dass beiden Erscheinungen die gleiche Ursache zugrunde liegt. 
Es geht also nioht an, für die Steigerung der Säuglingssterblichkeit im 
Hochsommer Ursaohen anzuscbuldigen, die nicht auch im zweiten Lebens¬ 
jahre wirksam sind. K. denkt vielmehr an bakteriell verdorbene 
Nahrungsmittel und Ansteckung als gemeinsame Ursache. Dünner. 

E. Schlesinger-Frankfurt a. M.: Wachstum and Gewicht der 
Kinder and der herangewachsenen Jagend während des Krieges. 
(M.m.W., 1919, Nr. 24.) Systematische Reihenuntersuchungen an Säug¬ 
lingen und grösseren Kindern gut and wenig bemittelter Volksklassen. 
Im 3. Kriegsjahr wurden in allen Altersstufen und in allen Gruppen 
kleinere Längenzablen als in den vorangegangenen Jahren festgestellt. 
Besonders deutlich aber war das Zurückbleiben des Längenwachstums 
bei jüngeren Rindern vermögender Familien und solcher aus dem oberen 
Mittelstände. Ebenso fand ein allgemeiner Gewichtsverlust statt von 
6—7 pCt. gegenüber 20 pCt. bei den meisten Erwachsenen. Den grössten 
Gewiohtsrückstand zeigten auffälligerweise die 14 jährigen und älteren 
Schüler gerade des Gymnasiums. R. Neu mann. 

E. Müller und G. Singer-Berlin-Rummelsburg: Bericht über das 
Schicksal ausgiebig behandelter Lneskinder, nebst einer Statistik über 
die Mortalität luetischer Säugling?. (Aroh. f. Kindhlk., 1919, Bd.*67, 


H. 3 u. 4.) In der Station, welche die Stadt* Berlin 1909 im Waisen¬ 
hause Rummelsburg für syphilitische Kinder vom 2. Lebensjahre ab ein¬ 
gerichtet hatte, wurden 202 Kinder behandelt. Die Mortalität betrug 
22,8 pOt. Doch starb kein Patient an der Syphilis selbst, sondern fast 
alle an akuten Infektionen. Die Behandlung geschah in den letzten 
Jahren nur noch mit energischer kombinierter Hg-Neosalvarsankur. Sie 
wurde nur dann als beendet angesehen, wenn noch 2 Kuren trotz der 
schon negativ gewordenen Wassermann’schen Reaktion durchgeführt 
worden waren. Die Symptome aktiver Lues gingen schnell zurück, mit 
Ausnahme der Keratitis. Bei 84 Kindern konnten Nachuntersuchungen 
angestellt werden, meist nach 3—5 Jahren, bei einigen Kindern sogar 
naoh 5—9 Jahren. Bei den 69 ganz zu Ende behandelten Kindern 
ergab sich das günstige Resultat, dass alle bei der letzten Nachunter¬ 
suchung negative Wassermann’sohe Reaktion hatten. Geistig normal 
waren bei dieser Untersuchung 73,8 pCt. Von 9,5 pCt. der Kinder war 
zu erwarten, dass sie wegen starker geistiger Defekte sozial unbrauchbar 
bleiben würden. Syphilitische Säuglinge wurden 281 behandelt mit 
einer Mortalität von 85pCt. _ Herbst. 


Chirurgie. 

Th. Nägeli-Bonn: Der Einflnss der Anistkesie auf den Verlauf 
von Entzündungen. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 22.) Spiess hat .im 
Jahre 1906 als erster darauf aufmerksam gemacht, dass eine Entzündung 
nicht zum Ausdruck kommt, wenn es gelingt, durch Anästhesierung die 
vom Entzündungsherd ausgehenden Reflexe auszuschalten. Verf. hat 
diese Angaben naohgeprüft bei der Pirquet*Reaktion, indem er eine 
Impfung in der gewohnten Weise anlegte, eine Kontrollimpfung aus¬ 
führte und an der dritten Stelle vor der Impfung Novokain einspritzte. 
Der Unterschied war ein sehr erheblioher, so dass die Angaben von 
Spiess hierin ihre Bestätigung finden. Weitere Untersuchungen werden 
in Aussicht gestellt. Hayward. 

W. v. Gaza: Ueber die Wirkung der Waadbeilvittel. (Bruns* 
Beitr., 1919, Bd. 115, H. 2.) Die ausführliche Arbeit ist zu einem 
kurzen Referat nioht geeignet. W. V. Simon -Frankfurt a. M. 

P. Sudeck - Hamburg: Die 3 Bedingungen der Frakturbeilnng als 
Grundlinie der Pseidnrthrosenkehnndlnng. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 22.) 
Bei der operativen Behandlung der Pseudarthrose muss angestrebt 
werden: 1. dass die Frakturenden frisch, nicht nekrotisch oder vernarbt 
sind, 2. dass sie eine unmittelbare räumliche Beziehung zueinander 
haben und 8. dass keimfähiges Periost zur Stelle ist, um die toten 
Räume mit Kallusmasse auszufüllen. Bei der üblichen Beschreibung 
der Behandlung der Pseudarthrosen wird zu wenig Wert auf die Periost¬ 
versorgung gelegt, und man hat vielfaoh den Eindruck, als ob duroh die 
Angabe einer Methode der Fixierung der Knoehenenden schon das ge¬ 
wünschte Resultat erreicht werden könne. 

F. de Quervain-Bern und H.Hunsiker-Basel: Die Statistik der 
chirurgisckea Tuberkulose in Basel für das Jahr 1913. (Sobweiz. Korr. 
Bl., Nr. 21.) Auf 142870 Einwohner in Basel kamen im Jahre 1913 
587 Fälle von chirurgischer Tuberkulose, hiervon gehörten 68,7 pCt. den 
bedürftigen Ständen, 27,9 pCt. dem Mittelstand und 8,8 pDt den wohl¬ 
habenden Kreisen an. Verff. kommen dann zur Verwertung der Statistik 
zur Berechnung der Bettenzahl eines Sanatoriums. Auf die ganze 
Schweis berechnet müssten für etwa 8000 Heilstättenbedürftige Unter¬ 
kunft geschaffen werden, für Basel müssten 4 Anstalten von 125 bis 
150 Betten gebaut werden. R. Fabian. 

Chr. Mouton: Ueber Aaoauliea der Art. snbelavia dextra und 
ihre Folgezustände (Dysphagia lusoria). (Bruns* Beitr., 1919, Bd. 115, 
H. 2.) Unter Mitteilung zweier neuer Fälle, von denen der eine wegen 
dyspnoischer Beschwerden von Gar re operiert wurde, hat Verf. unter 
sehr sorgfältiger Verwertung der Literatur diese Anomalie und ihre* 
Folgezustände näher studiert und kommt zu folgenden Schlüssen: 1. Die 
Ursprungsanomalie der A. subclavia dextra ist nicht allzu selten und 
ist vor allem wichtig wegen ihrer kllnisohen Folgezustände. 2. Besonderes 
Aufsehen erregte früher die geringere Entwicklung des reohten Armes 
und die daraus gefolgerte Linkshändigkeit, was aber niohts weiter als 
eine noch vollkommen unbewiesene Hypothese ist. 3. Viel wichtiger fot 
der anormale Verlauf des N. laryngeus reourrenB inferior, welcher mit 
der Gefässanomalie der A. subolavia dextra in engem Zusammenhänge 
steht. 4. Zutreffend und auch tatsächlich beobachtet ist die Dysphagia 
und Dyspnoea lusoria. 5. Das Krankheitsbild der Dysphagia und Dys- 
pnoea lusoria ist aber nicht nur, wie bisher allgemein angenommen 
wurde, duroh Ursprungsanomalie der A. subclavia dextra bedingt, sondern 
kann auch duroh andere verschiedenartige Gefässanomalien hervorgerufen 
sein, die ebenfalls als Spielarten der Natur, „Lusus naturae“ aufgefasst 
werden können. W. V. S i m o n - Frankfurt a. M. 

0. Orth: Ein weiterer Beitrag zur Gefässchirargie. (Arch. iklin. 
Chir., Bd. 111, H. 4.) Kasuistische Mitteilung von 4 Fällen von 
Aneurysmen der Axillargefässe. 

W. Levy-Berlin: Freilegaag der Regio iafratenporalis (spheno- 
maxillaris) und retromaadibalaris duroh einseitige temporäre Luxation 
des Unterkiefers. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 21.) Für gewisse chirurgische 
Erkrankungen, z. B. Aneurysmen in der Fossa sphenomaxillaris bat sich 
die Freilegung dieser Gegend von einem Schnitt, welcher am Warzen¬ 
fortsatz beginnt und am Vorderrande des Kopfnickers verläuft, unter 
temporärer einseitiger Luxation des Unterkiefers bewährt. Die Einzel¬ 
heiten des Operationsverfahrens gibt das Original wieder. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





21. Juli 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


691 


R. Neidler - Wien» Ein Fall Ton 8preagiagsriptiir des reckte* 

Henrentrikelfl daroh Pafferverletzung. (Aroh. f. klin. Chir., Bd. 111, 
EL 4.) Mitteilang des Obduktionsbefundes der in der Uebersohrift näher 
beseiohneten Verletzung. Hayward. 

W. Anschütz: Ueber Haitanlsthesiea bei Nabel- und Bauoh- 
bräohen. (Bruns' Beitr., 1919, Bd. 115, H. 2.) A. berichtet Ober einen 
sehr merkwürdigen Fall, den er als Assistent der Mikulioz’sohen 
Klinik beobaohtete. Eine Köohin, die an einem Nabelbruoh litt, ver¬ 
brannte sieh die Kleider und die Haut des Nabelbruohs, ohne Sohmerzen 
zu empfinden. 2 Tage später Peritonitis, die von einer durch die Ver¬ 
brennung hervorgerufenen Perforation des Colon transversum ausging. 
Exitus. Ulzerationen der Haut bei Nabelbrüohen kommen öfter vor und 
haben ihren Grund in einer Anästhesie, die sioh fast stets in der Um? 
gebung des Ulkus, aber auch bei normal aussehender Haut findet. Auoh 
bei grossen Bauchbrüchen findet sioh oft Hautanästhesie mit oder ohne 
Ulzeration. Praktisch resultiert daraus, dass man vor Verordnung eines 
Bruchbandes die Hautsensibilität untersuchen muss, und dass bei Radikal¬ 
operation die Haut weit im Gesunden exstirpiert werden muss. 

S. Weil: Beiträge zur Chirurgie des Magens. I. Ueber die an der 
Breslauer chirurgischen Klinik von 1891—1911 wegen Krebs aus¬ 
geführten Magenresektionen und ihre Endresultate. (Brnos 1 Beitr., 1919, 
Bd. 115, H. 2.) Die Arbeit eröffnet als erste eine Reihe von Veröffent¬ 
lichungen, die das grosse Magenmaterial der Breslauer Klinik, 823 Re¬ 
sektionen in derZeit von 1891—1911, verwerten. In dieser Zeit wurden 
über 1300 Kranke mit Ca. ventr. in der Klinik behandelt. Aus der 
grossen Arbeit können hier nur einzelne Punkte herausgegriffen werden. 
So wird dem Magenulkus bei der Genese des Karzinoms keine allzugrosse 
Bedeutung beigelegt; eine Umwandlung eines Ulkus in ein Karzinom 
kommt zwar bisweilen vor, ist aber sehr selten. Was die Operations- 
indikation betrifft, so soll jeder Tumor, der technisch die Möglichkeit 
der radikalen Entfernung im Gesunden zulässt, reseziert werden. Aber 
auoh die palliativen Resektionen haben ihre Berechtigung, denn es gibt 
Falle, bei denen auoh naoh nicht radikaler Entfernung eines Magen- 
karsinoms das Rezidiv ganz auffallend lange auf sich warten lässt. 
Dauernde Heilung ist allerdings nicht zu erwarten. Es folgen Angaben 
über die Technik und Operationsresultate. 3 Jahre nach der Operation 
lebten noch 28 pCt., 5 Jahre postoperativ 16 pCt. und länger als 
10 Jahre 14,4 pCt derer, die die Operation überlebt hatten. 

J. Hell mann: Das Ulcis peptieim oesophagi. (Bruns’ Beitr., 
1919, Bd. 115, H. 2.) Beschreibung eines Falles mit stenosierendem, 
peptischem Oesophagusgeschwür, bei dem zugleich ein stenosierendes 
Ulkus des Pylorus vorhanden war. Nach Anlegung einer Gastrostomie 
mit hinterer Gastroenterostomie erholte Bich der sehr kaohektisohe 
Patient gut, die Oesophagusstenose ging zurück und infolge des Erfolges 
der Bougierung kann Pat. nunmehr nach Schluss der Magenfistel auoh 
feste Speisen zu sioh nehmen. Uebersioht über die Fälle der Literatur. 

W. Anschütz: Ueber Hämatarie als Komplikation der Appendizitis. 
(Bnum’ Beitr., 1919, Bd. 115, H. 2.) A. weist auf die relative Häufigkeit 
von Hämaturien in Verbindung mit Appendizitis hin. An der Kieler 
Klinik wurde im letzten Jahrzehnt 8 mal diese Komplikation beobachtet. 
Man kann unterscheiden 1. die Hämaturie, die zugleich mit schwerer 
akuter Appendizitis auftritt. Diese stellt stets ein Zeiohen schwerer Er¬ 
krankung dar, ist durch akute herdförmige oder diffuse hämorrha¬ 
gische Glomerulonephritis bedingt und gibt eine ernstere Prognose. 
2. Hämaturien nach schwerer akuter Appendizitis, wobei es sich auf¬ 
fallend oft um Kinder unter 14 Jahren handelt. 8. Hämaturie bei 
ohronisoher Appendizitis; diese beiden letzten Formen zeichnen sioh durch 
krisenhaften schnellen Verlauf aus und geben gute Prognose. In der 
Regel sind sie durch geringe akute, herdförmige Glomerulonephritiden 
bedingt. In seltenen Fällen können Hämaturien auoh durch direktes 
Uebergreifen thrombotischer Vorgänge von dem Appendix her auf die 
Niere zustande kommen. Ureteraler Ursprung der Hämaturien ist selten, 
kommt aber zuweilen vor. 

Dorn: Ein Fall von iitramasknlärem Lipon und Mitteilung eines 
weiteren Falles von intramuskulärem Fibroangiom. (Bruns’ Beitr., 19J 9, 
Bd. 115, H. 2.) Mitteilung folgender Fälle: 1. eines 5 Pfund schweren 
inter muskulären Lipoms des Oberschenkels, 2. eines intramuskulären 
Lipoms bei einem 14 Jahre alten Mädohen, das an demselben Beine noch 
verschiedenartige andere kongenitale Gesohwulstanlagen aufwies. In dem 
Lipom waren auch angiomatöse Partien vorhanden. 8. Intramuskuläres 
Fibroangiom im Brachialis internus bei einem 3 jährigen Knaben. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

W. v. Brunn - Rostock: Zur Hämerrhoidenoperation. (Zbl. f. Chir., 
1919, Nr. 21.) An 2 Stellen der Peripherie des Analringes, wo die 
grössten Knoten sitzen, wird eine Schleimhautfalte in der Längsrichtung 
des Darmes mit einer grossen Klemme gefasst und hinter ihr die 
Sohleimhautfalte mit einer fortlaufenden Naht vernäht. Dann wird die 
Falte vor der Klemme abgesohnitten. Die erzielten Resultate bei diesem 
Verfahren waren sehr gut Hayward. 

Schüssler: Ueber das Verhalt» der Gallenblase hei Gheledoehns- 
▼eraehlissen. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 115., H. 2.) Verf. kommt zu 
folgenden Schlüssen. Beim nicht duroh Steine bedingten Versohluss des 
Gholedoohus ist die Gallenblase meist dilatiert und palpatorisoh nach¬ 
weisbar, beim Stein Verschluss in der Hälfte der Fälle klein und ge¬ 
schrumpft Bei Steinerkrankungen ist der Ikterus meistens stürmisch 
und remittierend. Beim Tumorverschluss des Choledoohus dagegen meist 


„schweigend*. Die Kombination der vergrösserten Gallenblase mit länger 
bestehendem intensiven Ikterus maoht einen Tumorverschluss in hohem 
Grade (75pCt) wahrscheinlich. 

F. Bo.de: Zur Pathogenese und Therapie der Hirsehspraig’sehea 
Kraakheit. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 115, H. 2.) Verf. weist auf den 
Einfluss hin, den ein rascher und starker Schwund des mesenterialen 
Fettgewebes auf die Entstehung der Hirschsprung’scben Krankheit ausübt. 
Das gilt nicht nur für ältere Patienten, sondern auch für Kinder, bei 
denen es durch initiale Verstopfung zu starker Abmagerung mit Zunahme 
der Beweglichkeit und Auftreten von Knickungen an der Schlinge kommt. 
Auoh die Blutgefässe, auf deren Anordnung Verf. näher eingeht, können 
dabei zur Abkniokung des Darmes beitragen. Ausserdem wird durch 
den Verlauf der Gefääse an der Anfangs- und Endstelle der Flexur eine 
Atrophie eintreten, woduroh Abkniokung und sonstige Passagestörungen 
des Darmes nooh um so leichter und intensiver möglioh werden. Anderer¬ 
seits wird in den dazwischen liegenden Darmabschnitten duroh bessere 
Ernährung oder auch Stauung das Zustandekommen einer Muskelhyper- 
trophie begünstigt. 

Koenneoke: Ueber Paeamokokkeaperitonitis auf Grund der Er¬ 
fahrungen der Göttinger Klinik. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 115, H. 2.) 
Bericht über 27 Fälle der Göttinger Klinik. Kindesalter und weibliohes 
Geschlecht sind prädisponiert. Dass die Infektion des Peritoneum auf 
dem Blutwege zustande kommt, ist abgesehen von den Fällen von me¬ 
tastasierender Pneumokokken Allgemeininfektion nicht anzunehmen. 
Vielmehr hat der intestinale Infektionsmodus viele Gründe für sioh. 
Duroh pneumokokkenhaltige Fäzes kann dann ausserdem eine Einwande¬ 
rung in die weiblichen Genitalien und von dort aus ebenfalls eine In¬ 
fektion des Peritoneum stattfiaden, woduroh aaoh die Prävalenz des 
weiblichen Geschlechts erklärt würde. In den frisohen Fällen fällt 
neben den schweren Lokalsymptomen (hohes Fieber, Schmerzhaftigkeit 
und Muskelspannung des ganzen Leibes) der relativ gute Allgemein¬ 
zustand auf. Es folgt dann das Intermediär Stadium, wo bei gutem Alt- 
gemeinzustand die stürmischen Erscheinungen und das Fieber zurück¬ 
gehen, jedooh massige Auftreibung des Leibes und Meteorismus auftreten 
und oft ein Exsudat nachweisbar ist. Das dritte kaehektiscbe Stadium 
zeigt unregelmässiges Fieber, grosses Exsudat und zunehmende Ent¬ 
kräftigung. Die Prognose ist ziemlich ungünstig. Es sterben 50pCt. 
Frische Fälle sind stets zu operieren. Im Intermediärstadium kann man 
einige Tage warten, wenn man glaubt, dass ein kleines Exsudat dicht 
vor der Abkapselung steht und der Allgemeinzustand gut ist. Doch darf 
man sioh andrerseits duroh den guten Allgemeinzustand nicht verleiten 
lassen, die bei diffaser Spannung und Schmerzhaftigkeit notwendige 
Laparotomie zu unterlassen. Die Fälle des Spätstadiums sind natürlich 
zu operieren. 

E. Sonntag: Ein weiterer Fall von solitärer Niereiiyste. (Bruns’ 
Beitr., 1919, Bd. 115, H. 2.) Mitteilung eines weiteren Falles im An¬ 
schluss an einen früher bereits vom Ven. veröffentlichten Fall. 

W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

W. Baetzner-Berlin: Beitrag zur südafrikanischen Bilharsiasis. 
(D.m.W., 1919, Nr. 22.) Zystoskopisoh fand sich am Vertex der Blase 
ein Bezirk, in' dem die dunkelbraune Schleimhaut mit sandartigen, hell¬ 
glänzenden, steoknadelkopfgrossen, gelblichen Körnchen besetzt war. 
Hinter dem Orifioium internum sind kleine, rundliohe Vorbucklungen, auf 
denen schwarze, längliche Gebilde sich finden, die z. T. in der Blasen¬ 
wand stecken, z. T. in die Blasenhöhle hineinragen. Inmitten der erst¬ 
genannten Körnchen lassen sich mikroskopisch die Eier des Saug¬ 
wurms mit stachelförmiger Ausstülpung naohweisen. 

J. 0ehler-Hannover: Zur Diagnosenstellung bei vorgeschrittenen 
Fällen von Nierentnberknlose und ihrer operativen Behandlung. (D.m.W., 
1919, Nr. 22.) Verf. bespricht die Hauptsymptome, die zur Diagnose 
führen, betont namentlich das Symptome der Nykturie und beschreibt 
einen Fall, bei dem er die Drainage der Blase duroh den Ureterstumpf 
vorgenommen hat wegen Perforation der Blase mit Zystoskop. 

Dünner. 

H. Burkhard - Frankfurt a. M.: Postoperative Chiiiitkerapie. 
(Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 22.) Es gibt Fälle, bei denen z. B. im An¬ 
schluss an Operationen in den näohsten Tagen ein Fieberanstieg auf¬ 
tritt, für den eine Erklärung nioht gefunden werden kann. Hier hat 
sich die Verabreichung von Chinin sehr gut bewährt Hayward. 

Fisher: Nerveaüberpflaazaag. (Brit. med.journ., Nr. 3043). Verf. 
empfiehlt bei vollkommener Durchtrennung eines Nerven, wo infolge des 
weiten Zwisobenraumes eine Nahtvereinigung der beiden Stümpfe un¬ 
möglich ist, ein Stüok aus einem anderen Nerven einzusetzen. In einem 
ausführlich beschriebenen Falle fügte er zwischen die Enden deB durch¬ 
trennten Medianus ein an Länge und Umfang entsprechendes Stüok aus 
dem Tibialis eines frisch amputierten Beines und erzielte ein voll¬ 
ständiges Verschwinden der trophisohen Störungen, ein teilweises Wieder¬ 
kehren des Hautgefühls und eine Erholung der Daumenballenmuskulatur. 

Sohreiber. 

A. Schüller: Fremdkörper im Gekira. (W.kl.W., 1919, Nr. 23.) 
Klinischer Vortrag. _ Glaserfeld. 


Röntgenologie. 

L. Lilienfeld-Wien: Beitrag zur Methodik der Röntgenaufnahmen. 
Die axiale Aafaahme der Regio pikiea. (Fortsohr. d. Röntgenstr. 
Bd. 26, H. 8.) Duroh die zweckmässige Anwendung des axialen Strahlen- 


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692 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


ganges gelang es dem Verf., Bilder der Regio pubica su erzielen, die in 
zusammenhängender Betrachtung mit den sagittalen Aufnahmen allen 
Anforderungen der röntgenologischen Analyse gerecht werden. Sie ge¬ 
wahren Aufschlüsse über die BesiebuDgen von Fremdkörpern, Knochen¬ 
splittern, Frakturen, Defekten und Fistelursprüngen zur vorderen und 
hinteren Oberfläche der Schambeine. Technik und die Vorzüge der 
axialen Aufnahme der Regio pubioa werden genau gesohildert und durch 
einige Beispiele belegt. 

K. Staunig und S. Gatscher-Wien: Eine neue rÖatgentlsgische 
Darstellung des Schläfenbeins. (Fortsohr. d. Röntgenstr., Bd. 26, H. 3.) 
Verff. teilen eine von ihnen seit etwa l 1 /» Jahren zu verschiedenen 
Zweoken benutzte röntgenologische Darstellung des Schläfenbeins mit, 
welohe es ermöglicht, beide Seiten getrennt und völlig symmetrisch ab¬ 
zubilden und gerade das pneumatische System des eigentlichen Warzen¬ 
fortsatzes plattennahe und frei von wesentlicher Verzeichnung auf die 
photographische Platte zu bringen. Die Technik der Untersuchung: 
Durchleuchtung und Aufnahme (Anstellung und Expositionsbedingungen, 
anatomische Orientierung) wird ganz genau gesohildert. 

Stoppel-Kiel: Ueber einen seltenen Fall von Missbildung der 
Zehen an beiden Füssen (Syndaktylie und 18 Zehen). (Fortschr. d. 
Röntgenstr., Bd. 26, H. 3.) Die Missbildung ist in der Familie erblich. 
Die Röntgenbilder zeigten rechts 5 Mittelfussknocben; die distalen 
Gelenkflächen des 1. und 5. sind verbreitert, sie tragen Gelenkfläohen 
für die 2 Grundglieder der 2 Grosszehen und die der 2 Klein sehen. 
Der linke Fuss hatte 6 vollkommen mit Grund-, Mittel- und Endgliedern 
ausgebildete Zehen sowie 6 anscheinend normale Mittelfussknocben; die 
Operation ergab, dass der 5. und 6. gabelförmig am proximalen Ende 
miteinander verwachsen Bind. Sohnütgen. 

F. Eis 1 er: Röntgenbefunde bei malaiischen KneehenerkriukuBgen. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 23.) Die Röntgenuntersuchung leistet für die Früh¬ 
diagnose der beginnenden Hungermalazie nicht das Geringste. Bei der 
juvenilen Osteomalazie sieht man Porose, Verbreiterung des Epiphysen¬ 
spaltes, Auffaserung der diaphysären Wachstumszone, Verdickung des 
Epiphysenperiostes. Bei diversen Krankheiten, die Osteomalazie klinisch 
vorgetäusoht haben, konnte durch Röntgenuntersuchung ihre wahre 
Natur als Paget’sohe Erkrankung, Tumorbildung usw. erkannt werden. 

Glaserfeld. 

W. Bellmann-Dresden: Abgang eiaea verschlackte! Gebisses 
auf natürlichem Wege. (Fortsohr. d. Röntgenstr., Bd. 26, H. 8.) Die 
Röntgenaufnahme zeigte das Gebiss in Hohe des 7. Halswirbels, Vz Stunde 
später in Hohe des 6. Brustwirbels, am nächsten Morgen in Höhe des 
3. Lendenwirbels. Entleerung auf natürlichem Wege in 48 Stunden. 
Als Diät verordnet man Brei mit Wollfäden vermischt. Schnütgen. 

F. Liebmann und H. R. S oh ins-Zürich: Ueber das Röntgenbild 
der Inflienzapneumoaie. (M.m.W., 1919, Nir. 28.) Das Röntgenbild 
lässt bei der Influenzapneumonie weitgehende Schlüsse auf die patho¬ 
logisch-anatomische Form der Erkrankung ziehen. Es lassen sich rönt¬ 
genologisch folgende Typen aufstellen: 1. die massive, konfluierende 
Bronchopneumonie als häufigere Form; 2. die zentrale Bronchopneumonie; 
3. die miliar-bronchopneumonische, sehr seltene Form und 4. die homogene 
pseudolobäre Form. Bei Kombination von Grippepneumonie mit Tuber¬ 
kulose ist die Erkennung schwierig. R. Neumann. 

R A. Schittenhelm-Kiel: Ueber die Röntgendiagnostik mit Hilfe 
künstlicher Gasansammlung in der Bauchhöhle. (D.m.W., 1919, Nr. 21.) 
Verf. berichtet kurz über die Versuche, die sein verstorbener Mitarbeiter 
Meyer-Betz mit der Methode gemacht hat. Man kann den Magen 
bzw. Darm mit Gas anfüllen und ausserdem durch Einlassen von Sauer¬ 
stoff in die freie Bauchhöhle die einzelnen Organe für die Röntgen¬ 
durchleuchtung zur Darstellung bringen. Die Mitteilung bezweokt neben 
anderem, die Verdienste von Meyer-Betz um die Methode nioht ver¬ 
gessen zu lassen. Dünner. 

E. Kuznitzky-Breslau: Ueber biologische Strahleawirkaag, be¬ 
sonders der a Strahlen. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88, R. 2.) Die umfang¬ 
reiche Arbeit ist zu kurzem Referat nioht geeignet Schmitz. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

R. Habermann und F. Mauelshagen-Bonn: Die Bedeutung der 
flefflnaun’sehen Drttsenpnnktion für die Früherkennung der Syphilis. 
(D.m.W., 1919, Nr. 21.) Ausser der Gewebssaitmethode durch Punktion 
des Infiltratgrundes steht zum mikroskopischen Nachweis der Spiro- 
ohäten die Punktion der Drüsen zur Verfügung, die nach Ansicht der 
Veiff. zu wenig angewandt wird, namentlich bei Uioera mixte oder 
gangraenosa und medikamentös verätzten und unzweckmässig vor¬ 
behandelten Sohankern. In einer relativ grossen Anzahl der Fälle war 
die Frühdiagnose Syphilis nur durch die Drüsenpunktion möglioh. 

Dünner. 

M. Picard: Ueber den Wert der Frühbehandlung der Syphilis. 
(La Presse med., Mai 1919, Nr. 26, S. 249.) Die niohts Neues ent¬ 
haltenden Ausführungen kommen su dem Schluss, dass die kombinierte 
Behandlung (Salvarsan bzw. Neosalvarsan + Hg) der einfachen überlegen 
ist; dass das Salvarsan wirksamer, aber gefährlicher ist als Neosalvarsan 
und dass auch die kombinierte Behandlung — offenbar ist nur eine 
Kur gemeint — nicht vor Rezidiven schützt. Auffallend erscheint, dass 
vor gleichzeitiger Anwendung von Arsenikalien und Hg gewarnt wird, 
dass die Kur auf 2—3 g Neosalvarsan beschränkt und mit 0,15 g be¬ 
gonnen wird. Auf die Frage der Behandlung der nooh nicht sero- 


positiven Frühfälle, deren Besprechung die Uebersohrift vermuten lässt, 
wird nioht eiogegaogen. Krakauer-Breslau. 

K. Reschke-Berlin': Zur Diagnese 4er Geleaksyphilis (Wasser- 
mann’sohe Reaktion aus dem Punktat syphilitischer Gelenke). (Aroh. f. 
klin. Chir., Bd. 111, H. 2.) Es genügt in zweifelhaften Fällen nicht, 
die Wassermann’sche Reaktion nur mit dem Blut anzustellen, man muss 
auoh das Punktat des erkrankten Gelenks in dieser Riohtang unter¬ 
suchen. Wie aus einigen mitgeteilten Fällen hervoigeht, wird man dann 
bei negativem Befund im Blut nooh positiven Befund im Punktat er¬ 
halten und damit die Diagnose klären. Hayward. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

K. Frankel-Frankfurt a. M.: Grippe aad Gravidität. (M.m.W. 
1919, H. 28.) Erfahrungen am Sektions material ergaben einen ungün¬ 
stigen Einfluss der Gravidität auf den Verlauf und Ausgang der Grippe. 
Ueber Vs der weiblichen Grippeleichen im gebärfähigen Alter waren 
gravid, bezw. hatten gerade geboren oder abortiert. Am ungünstigsten 
scheinen die Grippefälle kurz vor dem Geburtstermine zu verlaufen, 
während in den 2 ersten Sohwangerschaftsmonaton der Verlauf der Grippe 
nicht beeinflusst wird. R. Neu mann. 

R. Köhler-Wien: Hypertrophie der Mauna. (Aroh. f. klin. Chir., 
Bd. 8, H. 2.) Man hat bei der Hypertrophie zwei Formen zu unter¬ 
scheiden naoh der Zeit ihres Auftretens, die Mammahypertrophie der 
Pubertät und die der Gravidität. Die erstere Form ist als die konstante, 
die zweite als die periodische oder rezidivierende zu bezeichnen. Nach 
Wiedergabe eines eigenen Falles erheblicher Mammahypertrophie während 
der Gravidität werden die einschlägigen Literaturan gaben besprochen. 
Die Ansichten über die Ursache des Leidens gehen noch auseinander. 
Therapeutisch lässt sich die Erkrankung nicht beeinflussen, wofern man 
nioht seine Zuflucht zur Abtragung der ganzen hypertrophierten Mamma 
nimmt. Die in der Gravidität entstehende Form hat meist eine gute 
Prognose, während die Heilungsaussichten für die andere Form nicht 
als günstig su beseiohoen sind. Hayward. 


Gerichtliche Medizin. 

Puppe-Königsberg: AllgeBeinnarkese aad Lokalanästhesie in 
geriohtsärstlicher Beziehung. (D.m.W., 1919, Nr. 21.) Naoh einem im 
Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königsberg_am 24. März 1919 
gehaltenen Vortrage. _ Dünner. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

Engelen-Düsseldorf: Zur Objektivierung nervöser Zustände. 
(Aerztl. Sachverst., 1919, Nr. 11.) Kreislaufreaktionen auf Bewegung und 
geistige Anstrengung. Verf. bespricht die Untersuchungen von E. Weber 
und H. Biokel über das plethysmographische Verhalten der Extremitäten 
bei körperlicher und geistiger Arbeit und die Veränderungen des Blut- 
druoks. Die Ergebnisse dieser Autoren versprechen für die objektive 
Darstellung nervöser Störungen bei Unfallkranken wichtige Aufschlüsse. 
Io einer späteren Arbeit will er über seine eigenen Ergebnisse auf diesem 
Gebiet eingehend berichten. 

A. Schwanz-Dresden: Zur Beurteilung der Sptttfolgea von Wirbel» 
läslentranmen. (Msohr. f. Unfallhlk., 1919, Nr. 5.) Verf. maobt darauf 
aufmerksam, wie häufig die Folgen von Wirbelsäuleotraumen in der Un- 
fallpraxis verkannt werden. Die Kranken gelten meist als Neurotiker, 
bis ein auf diesem Gebiete bewanderter Arzt die wahre Natur des Leidens 
erkennt. Charakteristisch sind: Druck- und Klopfempfindlichkeit der 
Dornfortsätze, krankhafte Kontraktionen der Wirbelmuskeln, Stütz- 
bedürfnis, Bewegungsbesohränkungen und Deformationen der Wirbelsäule. 
Röntgenologisch fiudet man oft eine Wirbelverletzung oder Spon¬ 
dylitis deformans. Stützkorsetts beseitigen die Beschwerden dieser 
Kranken. Mitteilung eines einschlägigen Falles. H. Hirschfeld. 

G. Neugebauer - Striegau: Zur Aetiologie subphrenischer Ab¬ 
szesse. (D.m.W., 1919, Nr. 22.) Der Ansioht, dass in dem mitgeteilten 
Fall der subphrenische Abszess in ätiologische Beziehung zu einem statt¬ 
gehabten Unfall gebracht werden muss, kann man nicht ohne weiteres 
beipflichten. Der Fall ist auoh ohne Zusammenhang mit dem Trauma 
als Metastase nach Furunkel klar. Dünner. 

Bericht über die Jahresversammlung der Gesellschaft Schweizer 
Unfall ärzte am 80. November und 1. Dezember 1918 in Alten. (Mschr. 
f. Unfallhlk., 1919, Nr. 5.) Diskussionsthemata: 1. Miohaiski: Das 
Studium der Unfallmedizin. 2. Die Lumbagofrage. Redner: Jollinger, 
Patry, Pometta. H. Hirschfeld. 


Technik. 

R. Dünger-Dresden: Zur Eiehnngsfrage des Hämoglebinsmeter. 
(M.m.W., 1919, Nr. 28.) Bemerkungen zu dem gleichnamigen Aufsatz 
von Sohall in Nr. 8 dieser Wochenschrift, betreffend die Selbsteiohung 
des Kolorimeters von Autenrieth und Königsberger. 

W. Stoeltzner-Halle: Zur Kenntnis der Gram’schen Färbung. 
(M.m.W., 1919, Nr. 25.) Die Färbbarkeit der Tuberkeibazillen nach 
Gram beruht auf den in ihnen vorhandenen Waohskern und freien 
hochmolekularen Fettsäuren. R. Neu mann. 

R. Wimberger-Wien: Das abnehmbare Blaabiadeagipsaücdcr. 
Technische Mitteilung. (Aroh. f. klin. Chir., 111. Bd., 4. H.) 

_ Hayward. 


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Original frn-m 

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21. Juli 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


608 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Physiologische Gesellschaft zu Berlin. 

Sitzung vom 21. Februar 1919. 

1. Hr. W. Vtiits: Der Ersatz des Nahrnigseiweisses darek Han« 
Stoff heia wachsenden Wiederkäuer. 

Der Vortragende gibt zunächst einen kurzen Ueberblick über» die 
einschlägige Literatur. Er bespricht die mit dem Amid der Kohlensäure, 
also dem Harnstoff, und anderen Amiden ausgeführten Untersuchungen. 
Dieselben haben ergeben, dass Harnstoff oder andere Amide, als einzige 
Stiokstoffquelle verabreicht, von einmägigen Tieren zu Aminosäuren bzw. zu 
Eiveiss nicht synthetisiert werden können. Seine eigenen Versuohe hat der 
Vortr. mit synthetischem Harnstoff der Badischen Anilin- und Sodafabrik 
an Schafen ausgeführt. Als Versuchstiere wurden in der Hauptsache etwa 
30 kg schwere, 3 / 4 jährige Merinolämmer benutzt. Die Tiere erhielten 
nach dem Beck man naschen Verfahren verschieden lange Zeit mit Natron¬ 
lauge aufgeschlossene Roggenspreu bzw. Roggenstroh, ferner Zucker, Stärke, 
Harnstoff und Salze. Bekanntlich enthält mit Lauge aufgeschlossenes 
Stroh keinen verdaulichen Stickstoff mehr. Um aber einem diesbezüg¬ 
lichen Einwand zu begegnen, wurde an einem Hammellamm ein 17 tägiger 
Versuch mit den genannten Futterbestandteilen, aber ohne Harnstoff, 
durchgeführt. Der Kot enthielt rund 38 pCt. mehr an Stiokstoff als das 
Futter. Dieses Plus erklärt sich aus der Beimengung von stickstoff¬ 
haltigen Gallen- und Darmsekreten, sowie Darmepithelien zu dem unver¬ 
daulichen Strohstiokstoff. In den Harnstoffperioden erhielten die Tiere 
daher verdaulichen Stiokstoff ausschliesslich in Form von Harnstoff. In 
der Periode ohne Harnstoff wurden gegenüber den Harnstoffperioden 
auch starke Verdauungsdepressionen der Rohfaser und der N-freien 
Extraktstoffe des Strohstoffes und ferner des in isolierter Form verab¬ 
reichten Zuckers und der Stärke beobachtet. An einem Tier wurden die 
Harnstoff versuohe seit dem 21. X. 1918 bis heute, also 4 Monate 
ununterbrochen durohgeführt. Das Tier wog am 21. X. 1918 29,25 kg, 
am 6.1. 1919 35,1 kg, das bedeutet eine Erhöhung des Lebendgewichts 
um 20,2 pCt. innerhalb 2 s / 2 Monaten. Wenn Bich die Feststellungen 
lediglich auf den quantitativen Verzehr der mitgeteilten Futterrationen 
und auf die fortlaufende Kontrolle der Lebendgewichtsveränderungen 
erstreckt hätten, so würde auoh ohne die Durchführung der gleich zu 
besprechenden Stickstoffbilanzen die Verwendung des Harnstoffs für die 
Fleischbildung bewiesen worden sein, da das Futter ausser Harnstoff 
keinen resorbierbaren Stiokstoff enthielt. Die Ergebnisse der ersten 
108 Tage der Versuchsreihe mit Harnstoff enthält die folgende Ueber- 
sioht (s. Tabelle). 


stoff zu Aminosäuren und zu Eiweiss nioht synthetisieren können, ist 
diese Synthese beim Wiederkäuer so zu erklären, dass der Harnstoff 
durch die Mikroorganismen des Verdauungsapparates zunächst zu Bak- 
terieneiweiss aufgebaut wird. Das Eiweiss der abgestorbenen Bakterien¬ 
leiber wird zu 80—90 pCt. vom Darm resorbiert. 

Es ist höchstwahrscheinlich, dass alle Aminosäuren, Säureamide und 
Amide der Aminosäuren, welche als ausschliessliche Stiokstoffquelle für die 
Bakterien des Verdauungsapparates der Wiederkäuer dienen können, auoh 
das Nahrungs eiweiss bei dieser Tierspezies zu ersetzen imstande sind. 
Dass durch spätere Forschungen gewisse Abweichungen hinsiobtlioh der 
Wertigkeit der erwähnten nicht eiweissartigen Verbindungen im Vergleich 
* zueinander festgestellt werden, dürfte nicht unwahrscheinlich sein. Ist 
doch auoh eine verschiedene Wertigkeit der Proteine unter bestimmten 
Versuohsbedingungen nachgewiesen worden. 

Die in den Futterstoffen enthaltenen stickstoffhaltigen Verbindungen 
nioht einweissartiger Natur sind in Rationen für Wiederkäuer nicht, wie 
es zurzeit vielfaoh geschieht, von der Liste der Nährstoffe zu streiohen, 
sondern dem verdaulichen Eiweiss zuzureohnen. 

2. Herr W. Heineberg: Eiliges über die Magen- ud Daraflera 
des Haisschafes (mit Demonstration einer Wandtafel mit 20 000faoher 
Vergrösserung und von zahlreichen Lichtbildern). 

Das unter Leitung des Berichterstatters stehende bakteriologische Labo¬ 
ratorium des Institutes für Gärungsgewerbe in Berlin bat sich seit Jahren 
mit den Bakterien des Magens und Darmes der Tiere und des Mensohen 
mehr oder weniger eingehend beschäftigt. Die Praktikanten lernen durch 
Anreicherung und Reinzüchtung der Kotbakterien die verschiedensten, 
auch das Gäruogsgewerbe interessierenden Bakterienarten kennen, auoh 
für die Technik lassen sich hier nicht selten wertvolle Arten gewinnen. 
Ferner geben dievonVöltz in der Ernährungsphysiologischen Abteilung 
angestellten Versuche Veranlassung zu derartigen mikroskopischen Unter¬ 
suchungen. So wurden die Fütterungsversuche mit lebender und toter 
Hefe (»Nährhefe“), mit Sauerfutter, chemischer Milchsäure und mit Harn¬ 
stoff durch die mikroskopischen Untersuchungen des Berichterstatters 
ergänzt. Auf dem Schlaohthof Hessen sich im Anschluss daran Fest¬ 
stellungen maoben über den normalen Bakterienbestand in den einzelnen 
Teilen des Verdauungsapparates, über das Absterben der Bakterien und 
dergl. Wenn auch bereits zahlreiche ähnliche Untersuchungen von anderer 
Seite vorliegen, so bleibt dooh immer noch vieles aufzuklären. Einen 
Beitrag dazu liefern die Beobachtungen des Berichterstatters. 

Einiges von den Ausführungen des Berichterstatters mag hier kurz 
erwähnt sein. Im normal arbeitenden Pansen überrascht die Eintönig¬ 
keit der Bakterienflora: zahllose Kokken in mehreren Arten finden sioh 


108 tägige Versuchsreihe mit Harnstoff als ausschliesslicher Stiokstoffquelle an einem Hammellamm. 


Periode 

Nr. 

Versuchs- 

dauer 

Tage 

Futterverzehr pro Tag 

Stickstoff¬ 
gehalt des 
Futters 
g 

Stiel 
aussoli 
im Harn 
8 

cstoff- 
leidung 
im Kot 

8 

Sa. 

8 

Stick¬ 

stoff¬ 

ansatz 

8 

Ei¬ 

weiss¬ 

ansatz 

8 

Gewicht 

des 

Hammels 

kg 

Stall- 

Temp. 

GradG 

Stärkewei 
pro Kopf 

8 

rt der Ration 

pro 1000 kg 
Lebendgew. u.Tag 

kg 

1 

17 

500 g 18 Std. aufgeschloss. Spreu, 
100 g Stärke, 100 g Zucker, 
30 g Harnstoff u. 19,2 g Salze. 

17,23 

11,63 

8,94 

15,57 

1,66 

10,4 

29,94 

11,1 

474,5 

15,8 

2 

26 

625 g 18 Std. aufgeschloss. Spreu, 
125 g Stärke, 125 g Zucker, 
30 g Harnstoff u. 35,8 g Salze. 

18,03 

9,26 

6,52 

15,78 

2,25 

14,1 

31,51 

8,1 

537,9 

17,1 

3 

25 

625 g 24 Std. aufgeschloss. Stroh, 
125 g Stärke, 125 g Zucker, 
SO g Harnstoff u. 30,2 g Salze. 

17,08 

8,13 

5,72 

13,85 

3,23 

20,2 

33,40 

6,8 

490,0 

14,7 

4 

18 

625 g 12 Std. aufgeschloss. Stroh, 
125 g Stärke, 125 g Zucker, 
SO g Harnstoff u. 30,2 g Salze. 

17,25 

7,81 | 

6,75 

14,55 

2,69 

16,8 

34,70 

7,2 

454,5 

13,1 

5 

22 

625 g S Std. aufgeschloss. Spreu, 
125 g Stärke, 125 g Zucker, 
30 g Harnstoff u. 30,2 g Salze. 

18,14 

10,01 

6,54 

16,55 

1,58 

9,9 

34,29 

4,9 

471,0 

13,7 


Die bei dieser Fütterung angesetzte Eiweissmenge betrug täglich 
rund 10—20 g. Durch diese Versuohe ist erwiesen, dass der Harnstoff 
die Rolle des Nahrungseiweisses für den Eiweissumsatz und Ansatz bei 
Wiederkäuern sogar bei den höheren Anforderungen während des Wachs¬ 
tums hieran allein zu übernehmen geeignet ist. Da einmägige Tiere 
den Harnstoff zu Eiweiss nicht zu synthetisieren vermögen, ist zu schliessen, 
dass diese Synthese beim Wiederkäuer nur dadurch möglich ist, dass 
der Harnstoff in den Vormagen durch Mikroorganismen, die hier ideale 
Lebensbedinguogen finden, zu Bakterieneiweiss aufgebaut wird. Das 
Eiweiss der wohl in der Hauptsache im Labmagen absterbenden Bakterien 
wird vom Darm resorbiert. Dass diese Quelle der Eiweiss Versorgung für 
den Organismus so reichlich fliesst, dass sein gesamter Eiweissbedarf aus 
ihr gedeckt werden kann, ist bisher nioht bekannt gewesen. Die Ver¬ 
suche werden fortgesetzt. ' 

Der Vortr. gelangt zu den nachstehenden Ergebnissen: Der Harnstoff 
ist geeignet, die Rolle des verdauliohen Eiweisses im Stoffwechsel des 
erwachsenen Wiederkäuers zu übernehmen. Auoh die für die Fleisoh- 
bildung von wachsenden Tieren benötigten grösseren Stiokstoffmengen 
können ans dem Harnstoff bestritten werden. Da einmägige Tiere Hara- 


stets in der Ueberzahl vor. Diese auoh von anderen beobachteten Bak¬ 
terien sind nach den Feststellungen des Berichterstatters neben anderen 
Arten teilweise energische Zellulosezersetzer. Die von Omelianski 
gefundenen Zellulosevergärer (Wasserstoff- bezw. Methanbildner) konnten 
bisher nur im Darm und zwar in nicht grosser Menge naobgewiesen 
werden. Besonders an den Holzfasern können die einzelnen Arten 
(mindestens 4) während ihrer Tätigkeit leicht beobaohtet werden. Oeftero 
liegt jede Bakterienzelle in einer von ihr ausgefressenen Vertiefung. 
Die Form und Grösse der »Betten“ gibt, wie auoh die vorgeführten 
Bilder deutlich zeigten, die einzelnen Arten und ihre Enzymkraft (Zellu- 
lase) zu erkennen. Weitere Untersuchungen sollen zeigen, ob und wie 
weit die verschiedenen Arten den einzelnen Zellulosearten angepasst 
sind. Man kann nämlich verschiedenartige Fressformen an den Pflanzen- 
zellen erkennen, wie bereits Haberl an dt beobachtete. 

Durch die für viele Bakterienarten ungünstigen Bedingungen (hohe 
Temperatur, Luftmangel), durch das Speichelgift, sowie durch die Säure 
des Labmagens und des ersten Dünndarmteiles werden unzählige ans 
der Nahrung und dem PanBetf stammende Bakterien abgetötet, ihre 
Reste sind in mehr oder weniger verdautem Zustand. Im BUnd- und 


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604 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 



Erläuterung der Abbildungen. (Wandtafel verkleinert bis auf 
1666faohe Vergrösserung.) Die Kokken (1—8, 40. 42. 43, 53) sind be* 
sonders häufig im Pansen (im folgenden mit „P“ bezeiohnet), manohe 
(53 and 8) sind stets im Kot (im folgenden mit „K“ bezeiohnet). 1, 2 u. 
3 zeigt die Variation in Grösse und Schleimbildung (3) bei ein und der¬ 
selben Art. 4 Art mit traubiger Anordnung (P), 5 grössere Art mit traubiger 
Anordnung (P), 6 und 7 vohl mit Pediokokkus 8 identisch, 7 grössere 
Streptokokkenart(P). DieKokken sind teilweise Zellulose verzehrende Pilze: 
auf der Oberfläche einer Hautzelle des Roggenhalmes (im Bilde unten rechts) 
liegen die Bakterien in den durch sie ausgefressenen „Betten“. 42 u.43 = 5, 

40 (ohne „Bett“) = 6. 9 Streptococcus acidi lactici (= Bet. laotis aoidi 

Leiohmann = Bot. Güntheri) Labmagen; variiert in der Grösse. 
10 „wilde“ Hefe (K). 11—13 Milohsäurebazillen („Laktobazillen“) (K) 

in 3 Arten und zwar bildet 11 keine, 12 viel flüchtige Säure, 13 wäohst 
noch bei 60° C (thermophil). 14, 15, 16 Colibakterienarten und zwar 
14 mit Schleimbildung (P), 15 mit charakteristischer „Geldrollenanlage* 
rang“, von der Seite und von oben gesehen (im letzten Fall in Kokken¬ 
form erscheinend) (K), 16 kleinere Art aus dem K. 17 Art aus dem 
K des Harnstoffhammel (im folgenden HK bezeichnet). 18 Art mit je 
e in e m polaren Fettropfen (Dünndarm). 19 Art mit unregelmässigen 
Formen und stark „öligem“ Zellinhalt (K). 20 ebenso, kleinere Art. 

21 Kettenbakterium (P), vielleicht identisch mit Zellulosepils 46 (K). 

22 grosse Art mit Sporen (P). 23 sehr lange Fadenbacillen aus dem P. 
24 Buttersäurebakterien in Stäbchen- und Clostridienform ohne und mit 
Sporen (im P bei Tympanitis und in normalem K). 25 Bakterienart 
mit grosser, die Zelle auftreibender Spore (HK). 26 Trommelsohläger- 
form mit runder Spore (HK). 27 Kurze Art mit runder Spore (HK). 

28 Baoillus fossioularom (= Wasserstoff - Zellulosepils) Mastdarm. 

29 Clostridienform mit kleiner Spore. Mastdarm. 80 Plectridium peoti- 

novorum? Mastdarm u. K. 31 Baoillus methanigenes (= Methan-Zellu¬ 
losepilz) P. 32 rhombische Art mit Spore (HK). 33 langgestreckter 

SporenbaoilluB K. 34 Art mit auffallend grosser Spore (K). 35 „Heu¬ 

bacillus“ Dickdarm. 36 Art mit sehr schmaler Spore (HK). 37 Mesen- 
theriousart (K). 38 Megatherium (K). 39 Aktinomyoes (K). 40 siebe 6. 

41 länglich eiförmiger Zellulosepils (K, oft im Pferdekot). 42 und 43 
siehe 5. 44 eiförmiger Zellulosepilz (K, oft im Rind). 45 Zellulosepilz, 
kleine Art(P). 46 = 21. 47 Zellulosepilz, kleinste Art (P). 48 flaschen- 
lörmige Art (K), 49 ebenso, doch grösser (K). 50 zugespitztes Clostri¬ 
dium (K). 51 Spirille K bei Katarrh. 52 „Zelldetritus“ = Auflösung 
der Bakterien in verschiedenen Stadien. 53 Pediokokkus wie 8, doch 

völlig leer (K). 54 intakte Sporen aus dem K. 

Diokdarm vermehren sich die Bakterien zu ungeheuer grossen Mengen, 
im Kot erscheinen meist nur deren Sporen in lebendem Zustand. Es 
handelt sich der Mehrzahl nach um obligat oder fakultativ anaerobe 
Sporenbildner. Der Blinddarm hat vor allem die wichtige Aufgabe, den 
frisohen Kot mit den*hier ansässigen Bakterien za impfen. 

Der Tierorganismus gestattet also in den Vormägen und in be¬ 
stimmten Darmteilen eine starke Vermehrung und Ansammlung der 
Zellalosebakterien bzw. aller möglichen Bakterien, doch tötet er sie 
unter normalen Verhältnissen im Labmagen bzw. im unteren Dickdarm¬ 
teil zum allergrössten Teil (bis auf 1—5 pCt.) ab. Der Tierkörper muss 
also zunäohst jedenfalls einen Nutzen aus der Anwesenheit der vielen 
Bakterien haben: Dies ist die Zellulosegärung im Pansen und Diokdarm, 
die Pektinvergärung, die Stärkeverzuokerung und der Eiweissabbau bis za 
einem gewissem Grade im Diokdarm. Naoh Erfüllung ihrer Aufgabe er¬ 
folgt die Abtötung und die Verdauung, d. h. die Ausnutzung ihres Eiweisses. 


Mit Hilfe des Mikroskopes lässt sioh deutlich erkennen, dass die getöteten 
Bakterienzellen mehr oder weniger verdaut sind. Es könnten hier für das 
Abslerben in Betracht kommender lange Aufenthalt der Ingesta im Körper 
des Wiederkäuers, die bakterioide Darmwand bzw. deren Ausscheidungen, 
die Ansammlung der Stoffwechselprodukte, die duroh die Konkurrenten 
erzeugten Gifte, das Fehlen der Nahrung und die durch die Wasserent¬ 
ziehung im Rektum bedingte Konzentrierung der „Nährflüssigkeit“. Die 
Verdauung der Bakterien könnte geschehen duroh Autolyse, duroh andere 
Bakterien und duroh die peptischen oder tryptischen Enzyme des Tieres. Das 
lange Verweilen der Bakterien im Tiere kann nicht ausschlaggebend 
sein, da das Absterben auch in schneller verdauenden Lebewesen (Mensoh, 
Hand) stattfindet. Vor allem wird das Darmepithel beim Abtöten und 
das eiweisslösende Enzym beim Auflösen der Bakterien wirksam sein. 

Die Frage, ob im Vö ltz’ sehen Harnstofffütterungsversuoh der Harnstoff 
in Form des Bakterieneiweisses oder des duroh Bakterien daraus ent¬ 
standenen Ammonkarbonats oder in beiden Formen zur Ausnutzung 
kommt, lässt sich wohl in ersterem Sinne beantworten. Berichterstatter 
fand eine Vermehrung der Bakterienarten im Harnstofihammel. Ausser¬ 
dem würden die ziemlich bedeutenden Ammonkarbonatmengen auf die Dauer 
(mehrerer Monate) wohl für die Verdauungsorgane nicht indifferent sein. 

Sind die Tiere in ihrem Magen oder Darmkanal erkrankt, so lässt 
sioh dies im Bakterienbefund merken. Ein an Tympanitis erkranktes 
Schaf hatte grosse Mengen von Buttersäurebakterien im Pansen. Die 
an Darmkatarrh leidenden Tiere enthielten in ihren Fäoes ungeheure 
Bakterienmassen in lebendem Zustand. Aus letzterem Befund liess sioh 
immer auf eine unnormale Verdauungstätigkeit schliessen. 

Berichterstatter hat auf der vorgezeigten Wandtafel (nebenstehend) etwa 
45 verschiedene Bakterien arten gezeichnet. Eine Reibe charakteristischer 
Formen mit spezifischer Tätigkeit (Zellulose-, Pektin-, Milohsäure-, 
Buttersäure-, Azeton-, Stärke- und Eiweisspilze) sind bereits eingehender 
untersuoht; Hefen-, Sohimmelpilze und Aktinomyoesarten spielen im Ver¬ 
dauungskanal des Schafes keine Rolle. Ueber die an Menschen, Rindern, 
Kälbern, Ziegen und Pferden gemachten Beobachtungen soll später eine 
Mitteilung gemacht werden. _ 


Berliner orthopädische Gesellschaft. 

Sitzung vom 24. März 1919. 

Vorsitzender: Herr Gocht. 

Schriftführer: Herr Böhm. 

Duroh Beschluss der Aufnahmekommission werden neu aufgenommen: 
Dr. Alfred Horwitz, Dr. E. Unger und Dr. Hokamp. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Peltesthi: Zar orthopädisches Versorgaag voa Schlotter- 
gelenken. 

(Erschien in Nr. 21 unter den Originalien dieser Woohensohrift.) 

Aussprache. 

Hr. Max Cohn: Ich möchte bemerken, dass es für das Sohlotter¬ 
gelenk im Ellenbogen eine Möglichkeit gibt, die Bewegung des Vorder¬ 
arms unschwer und vollkommen zu erreichen. Man bringt an dem pro¬ 
ximalen Ende der Vorderarmhülse an der Beogeseite eine Schnur an, 
die über die Aussenfläche des Oberarms und hinter der Sohulter der 
betroffenen Seite zur gesunden Schulter geführt ist und dort an einem 
Sohulterring endet. Durch Herausdrücken des Rückens wird der Weg 
der Schnur verlängert und daduroh die Beugung des Vorderarms hervor¬ 
gerufen. Es handelt sioh dabei um eine einfaohe Beobachtung, die von 
der Konstruktion der Carnes-Oberarms hergenommen wird. Bei dieser 
Prothese wird nämlich die Beugung des Ellenbogengelenks in ausser¬ 
ordentlich vollkommener Weise duroh die geschilderten Maassnahmen 
bewerkstelligt. 

Weiter möchte ich darauf aufmerksam maohen, dass es bei Schlotter¬ 
gelenken auch ohne jede besondere Sohienenführung, wie sie Herr Pelte- 
sohn beschrieben hat, hin und wieder gelingt, die Beugemuskeln trotz 
des fehlenden Haltes im Gelenk zu betätigen. So weiss ich, dass ein 
junger Offizier, dem 10 om Ellenbogengelenk linkerseits entfernt worden 
ist, die Beugung des Vorderarms so gut ausführen kann, dass er wieder 
imstande ist, Cello zu spielen. Die Beugung führt er aktiv aus, die 
Streckung durch Fallenlassen vermittelst der Schwerkraft des Vorder¬ 
arms. Er beherrscht wieder dabei so gut seine Muskeln, dass er, wie 
gesagt, imstande ist, auf den Celloseiten naoh oben und nach unten za 
gleiten. 

Ich sah gerade in diesen Tagen einen Pat., bei dem in der Jagend 
der ganze Oberschenkel samt Periost entfernt worden ist. Der Pat. hat 
einen Muskelhautsehlauch an Stelle des Oberschenkels und daran baumelt 
der gut ausgebildete Unterschenkel. Dieser Mann vermag die Muskulatur 
ohne jeden Halt des Knochens noch so weit zu betätigen, dass er den 
Untersohenkel zwar nioht beugen, aber um seine Achse drehen und 
wieder zurückdrehen kann. 

Hr. Max Böhm: Für Sohlottergelenke der Sohulter empfehle ich be¬ 
sonders das dreiteilige nach physiologischen Achsen gebaute künstliche 
Sohultergelenk. 

Hr. Blumentbal: loh möchte auf eine Beobachtung aufmerksam 
maohen, welohe ich und vielleicht auoh andere bei Sohlottergelenken 
des Ellenbogens gemacht haben. Umfasst man nämlioh mit beiden 
Händen den Oberarm nach , dem Ellenbogengelenk zu mit festem Druck, 


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21. Juli 191» 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


696 


so ist der Kranke imstande, die vorher geringe Beugefähigkeit des Unter¬ 
arms gegen den Oberarm bedeutend su verstärken; es ist überraschend 
su sehen, wie der Unterarm sofort wesentlich höher gehoben wird. Die 
Ursache für diese Erscheinung liegt offenbar darin, dass die Beuge¬ 
muskulatur durch das Zusammenpressen mit den Händen mehr der 
früheren natürlichen Lagerung angenähert wird, welohe sie durch 
das Fehlen des Gelenks eingebüsst hatte; die ihrer Hebelpunkte 
beraubte Muskulatur wird gleichsam verlängert und ihr gleichseitig am 
unteren Rand der Hände ein neuer Stützpunkt gegeben. 

Angewendet auf die von Herr Peltesohn vorgestellte Sohienenhülse 
scheint mir, dass er duroh die Abbiegung der Schienenenden eine 
Wegverlängerung erreicht, welche sich der Beugemnskulatur mit¬ 
teilt und ihr so ihre Funktion in mehr oder weniger hohem Grade 
wiedergibt. 

Hr. Muskat hält die erreichten Resultate nicht für ausreichend* 
Eine Beweglichkeit bis zum Munde stellt noch keine eigentliche Arbeits¬ 
leistung vor. Bei den Sohlottergelenken am Ellenbogen muss der Stütz¬ 
apparat stets mit SohuHeraufhängung versehen sein, um ein Herunter¬ 
rutschen zu verhindern. Bei den Apparaten am Sohultergelenk besteht 
die Gefahr, dass der Arm aus der Bandage herausgleitet. Die von der 
Prüfstelle für Ersatzglieder versuchte Verklemmung am Unterarm hat 
nooh keine absolut brauchbaren Konstruktionen ergeben. Es ist un¬ 
bedingt erforderlich, dass die Orthopädie auf diesem Gebiet sich mit 
dem Erreichten nioht begnügt, sondern weitere Arbeit leistet. 

Hr. Wollenberg weist darauf hin, dass bei Sohlottergelenken der 
Schulter, besonders wenn der Defekt des Humerus nicht zu gross ist, 
operative Befestigung des Humerusstumpfes an der Skapula in Abduktion 
(analog der typischen Arthrodese) den bisher gerade hier nur schon 
weniger leistenden Apparaten bei weitem vorzuziehen ist. 

Hr. Biesalski: Io meiner Anstalt war ein Schneiderlehrling, der 
ein Sohlottergelenk des Ellbogens aktiv spitzwinklig beugen und da¬ 
durch streoken konnte, dass er die Beugemuskulatur naohliess, so dass 
das Schwergewicht des Armes einwirkte. Es wurden bei den Beugungen 
die Unterarmknochen gegen die Haut der Rückseite des Armes gedrängt, 
wo sich ein grosser Schleimbeutel gebildet hatte. Da der Junge damit 
arbeiten und auch die Hand zum Munde führen konnte, habe ich nichts 
gemaoht Er war jedenfalls nicht ungeschickter als ein anderer Schneider¬ 
lehrling, bei dem ioh wegen Schlottergelenks eine knöcherne Vereinigung 
von Ober- und Unterarmknochen in der Weise gemacht habe, dass ich 
den Oberarmsohaft zwischen Radius und Ulna hindurchsteokte und 
unten einen knöchernen Flock vorlegte. Die Bandagen für Schlotter¬ 
gelenke sind in der Tat ausserordentlich wichtig, und es wäre wohl gut, 
wenn darüber gelegentlich eine besondere Aussprache stattfände. 

Hr. Georg Müller: Die von Herrn Peltesohn und Herrn Böhm 
angegebenen Apparate, werden, soweit noch Muskulatur vorhanden ist, 
bei Schlottergelenk in der Schulter gewiss Ausgezeichnetes leisten. 
Anders liegt es, wenn keine Spur einer Schultermuskulatur mehr vor* 
banden ist So habe ioh während meiner Lazaretttätigkeit eine grosse 
Anzahl von Verletzten gesehen, bei denen der Oberarmkopf und ein 
grosses Stück des Oberarmschaftes entfernt war, so dass der Arm wie ein 
Fremdkörper an einem völlig muskellosen Hautschlauoh hing. Hier habe 
ioh mit gutem Erfolg einen Apparat angewandt, den ich seinerzeit in 
der Zeitschrift für Krüppelfürsorge veröffentlicht habe. Er besteht aus 
einem gewalktem Sohulterkummet, einer gewalkten Oberamhülse und 
einer weichen, den halben Vorderarm umfassenden Vorderarmhülse. 
Kummet und Vorderarmhülse sind duroh ein doppeltes Gelenk verbunden. 
Ausserdem geht von der Höhe des Kummets zur Aussenseite der Ober¬ 
armhülse eine straffe Heussner’sohe Spirale, welche den Arm bis etwa 
40° abduziert Duroh aktiven Muskelzug des M. pectoralis wird der 
abduzierte Arm wieder adduziert. Die weiche Vorderarmhülse, welche 
den Zweok hat, den Arm an dem Herausgleiten aus der Oberarmhülse, 
wodurch der Hautschlauoh nooh gedehnt werden würde, zu hindern, ist 
an der Oberarmhülse mit zwei Riemen befestigt. Wenn dieser Apparat 
den Arm auch nioht zu einer nennenswerten Arbeitsleistung befähigt, so 
gibt er den Pat. dooh die Möglichkeit, mit der Hand den Kopf und den 
Mund zu erreichen, was für die tägliohen Verrichtungen immerhin von 
ausserordentlicher Bedeutung ist. 

Für das Schlottergelenk im Ellenbogen sind vorhandene Muskeln 
von allergrösster Bedeutung. Duroh einen einfachen Apparat, bestehend 
aus Ober- und Vorderarmhülse, verbunden duroh zwei Gelenkschienen, 
kann man kräftige Beugung, Streckung und durch neuerdings angegebene 
Gelenke auoh Pro- und Supination erzielen. Bei fehlender Muskulatur 
muss dem Gelenk eine Feststellvorricbtung hinzugefügt werden. Den 
von Herrn Cohn erwähnten Sohulterzug für Vorderarmbeugung habe 
ich wiederholt angewandt, ohne einen praktischen Nutzen zu sehen. 
Einem Schlottergenk im Knie würde ioh unter allen Umständen ein in 
günstiger Stellung versteiftes Bein vorziehen. 

Hr. Saohs weist darauf hin, dass d e bisherigen Apparate für 
Sohlottergelenke nur die seitliche abnorme Beweglichkeit bekämpften. 

2. Hr. Max Cohn: Ueber aktiv bewegliehe Koastheiae. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Aussprache. 4 

Hr. Blumenthal: Ich möchte Ihnen an einem Obersohenkel- 
amputierten demonstrieren, in weloher Weise ich die nach Sauerbruoh 
kanalisierten Obersohenkelstümpfe versorge. Der Fall ist allerdings 
insofern atypisoh als bei ihm duroh den Operateur, Herrn Dr. Esser, 


eine Muskelwulst hoch oben hinten gebildet und dann kanalisiert 
worden ist, bestehend - offenbar aus den muskulösen Ansätzen des 
Bizeps und Semitendinosus am Tuber isohii. Nachdem mir der Fall 
von der Prüfstelle für Ersatzglieder zur Versorgung übergeben war, 
ergab sich zunächst die Schwierigkeit, dass der kanalisierte Muskelwulst 
seine Bewegungsfähigkeit einbüsste, sobald der Manu sich mit dem Tuber 
auf den Hülsenrand stützte. Das war bei der Lage des WulBtes um so 
erklärlicher, als offenbar aooh Verwachsungen mit den Glutäalmuskel 
bestanden, loh löste diese Schwierigkeiten dadurch, dass ioh einen 
Sohede’sohen Beckenkorb hersteilen Hess, welcher mit dem Kunstbein 
selbst durch ein besonderes seitlich gelegenes Doppelgelenk in Verbin¬ 
dung steht und dem Muskel nun freien Spielraum gewährt. 

Die duroh die schräge Verlaufsrichtung etwas erschwerte Verwen¬ 
dung des Muskelzuges erfolgt nun durch die Verbindung desselben mit 
der von mir schon früher demonstrierten Knie-Dauerbremsung. Jeder 
Zug mit dem Muskel löst die Bremse und entbremst das Knie, in welcher 
Stellung dasselbe sich auch befindet, die dazu benötigte Muskelkraft ist 
gering, so dass die Entbremsung leicht und ohne Mühe in jedem ge¬ 
gebenen Moment erfolgen kann. 

Der Mann steht nach Belieben in gestreckter oder gebeugter Knie¬ 
stellung so fest und sicher, dass er das gesunde Bein erheben kann, 
ohne einzuknioken und auoh ein kräftiger Schlag in die Kniekehle keine 
Lösung der Feststellung herbeiführt. Andererseits geht er mit völlig 
lockerem Knie, und zwar beugt er es wie beim pbysiologisohen^Gehen 
schon bevor er es nach vorwärts schwingt (im Gegensatz zu den Be¬ 
lastungskniebremsen). Auoh beugt er das steif emporgehobene Bein su 
jeder Zeit, so dass der Unterschenkel abwärts sinkt. 

Die Konstruktion der Dauer-Kniebremse habe ioh schon in den 
Wiener Verhandlungen des Kongresses für Krüppelfürsorge 1918 nieder¬ 
gelegt. Bei dem auf dem Kongress vorgestellten Oberschenkelamputierten 
habe ioh aber eine andere Muskel quelle benutzt, indem ich die von 
Böhm am Oberarmstumpf angewendete Methode der Benutzung natür¬ 
licher Muskel wülste auf den Obersohenkel mit Glück su Übetragen ver¬ 
suchte. Derartige brauchbare Muskelwülste sind am Obersohenkelstumpf 
oft festzustellen. 

Als eine dritte Muskelquelle habe ioh zur Entbremsung die Sohulter- 
bewegung herangesogen, gleichfalls mit gutem Gelingen, so dass also die 
Methode nunmehr für jeden Oberschenkelamputierten anwendbar ist. 
Leider hat mich der so versorgte Amputierte im Stich gelasseo, so dass 
ioh ihn heute abend nioht demonstrieren Lann. 

Hr. Eckstein weist auf die Notwendigkeit hin, das gesunde Bein 
bei Amputierten su erhöhter Leistungsfähigkeit su entwickeln. 

S. Hr. Bockt: Sehaittflibrog bei HfifteperatioBei. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift) 

Aussprache. 

Hr. Wollenberg bemerkt bezüglich der vom Vortragenden er¬ 
wähnten »hinteren“ Schnittführung, dass ihm hier die früher für die 
Resektion des Hüftgelenkes von König angegebene Methode stets gute 
Uebersioht gewährt hat. Bei derselben wirkt bekanntlich der Ansatz 
des Glutaeus medius mitsamt zwei Knochensohalen durch den Meissei 
vom Trochanter m^jor abgelöst und dann die Spitze des letzteren so¬ 
weit abgetragen, dass der Zugang zum Gelenk frei ist. Er bevorzugt 
diesen Schnitt für die Resektion und Arthroplastik. 

Hr. Biesalski: Den Ludlo ff sehen Schnitt habe ioh einmal ge¬ 
maoht zur blutigen Einrenkung der Hüfte. Es bestand aber eine feste 
Verwachsung des Kapselisthmus, so dass ich nicht bis su dem Kopf Vor¬ 
dringen konnte, ich musste deshalb doch nooh von oben eingehen. 
Mehrfach sind wir in meiner Klinik so vorgegangen, wie das Wollen- 
berg auoh vorher frwähnt hat, indem wir alle am Trochanter ansetzen¬ 
den Muskeln hochsohlugen. Ioh mache das so, dass ioh mir den vorderen 
und hinteren Rand des Glutaeus medius freilege, mit dem Finger unter 
ihm und den anderen zum Trochanter führenden Muskelansätsen hin¬ 
durchgehe und dann erst den Trochanter absohlage oder mit dem Re¬ 
sektionsmesser bei Kindern durchsohneide. Das gibt dann die gering¬ 
fügigste Verletzung, und man ist sofort in der richtigen Schicht. Der 
Vorteil beruht darin, dass man nun sehr gut, namentlich an oberen 
Pfannenrand heran kann, dessen Ausladung ich z. B. duroh Ueberpflan- 
zung eines Knoohenstüokes für eine Coza vara verbessert habe. 


TagesgesohlchUiche Notizen. 

Berlin. In der Sitzung der Berliner medizinischen Ge¬ 
sellschaft vom 16. Juli 1919 stellte vor der Tagesordnung Herr 
H. Burokhardt einen Kranken mit multiplem Keloid vor (Ausspraohe: 
Herr Samson). Hierauf hielt Herr Karl Bornstein den angekündigten 
Vortrag über: „Kriegslebren für die Friedensernährung“ (Ausspraohe: 
die Herren Brugsoh und Fuld, Schlusswort Herr Bornstein). 

— Herr Ministerialdirektor Kirchner übersendet uns, in Erwiderung 
der ihm überreichten Adresse, folgende 

Danksagung. 

Berlin, den 15. Juli 1919. 

Bei meinem Ausscheiden aus dem Staatsdienste haben Hunderte 
hochverehrter Männer aus allen deutschen Gauen aus Staat und Ge- 


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696 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr* 29. 


meinde, aus Wissenschaft nnd Praxis, besonders aas den Kreisen, mit 
denen ich seit Jahrsehnten in gemeinsamer Arbeit in der Wohlfahrts¬ 
pflege stehe, mir in überaus gütigen Worten ihre Teilnahme and ihr 
Bedauern über meinen Abgang ausgesprochen und mir in einer über mein 
Verdienst weit hinausgebenden Weise beseugt, dass ioh nach Kräften 
bestrebt gewesen wäre, meine amtlichen Pflichten so erfüllen und die 
Wissenschaft zu fördern. 

Tief bewegt daroh die Güte und Treue empfinde ioh das Bedürfnis, 
ihnen Allen meinen von Herzen kommenden heissen und unauslösch¬ 
lichen Dank dafür zu sagen. Ihre gütigen Worte werfen ein helles 
Lioht auf meinen ferneren Lebensweg. Ich schöpfe aus ihnen den 
Mut zu dem Entschluss, bis an mein Lebensende nach Kräften zum 
Wohle unseres geliebten Vaterlandes weiter zu arbeiten. 

Ministerialdirektor Martin Kirchner. 

— Am 26. d. M. feiert unser hochverehrter Kollege, Geh. Med.-Rat 
Prof. Dr. Ludwig Brieger, seinen 70. Geburtstag. Naoh seiner Studien¬ 
zeit in Breslau und Strassburg zunächst als Assistent bei Quincke in 
Bern, von 1879 bei Freriohs und später bei Leyden tätig, wurde er 
1890 zum ausserordentlichen Professor und Vorsteher der Kranken¬ 
abteilung am Institut für Infektionskrankheiten ernannt. Seit dem Jahr 
1899 ist er Leiter des hydrotherapeutischen Instituts der Universität 
Berlin. Neben zahlreichen klinischen Arbeiten hat Brieger besonders 
auf dem Gebiet der Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten hervorragende 
Untersuchungen veröffentlicht; seine Forschungen auf dem Gebiet der 
Bakteriengifte und Ptomaine waren geradezu bahnbrechend. Ebenso 
dankt ihm die physikalische Therapie wesentliche Fortschritte in ihrer 
wissenschaftlichen Begründung und praktischen Verwertung. So darf er 
als Theoretiker wie als Arzt auf eine erfolgreiche Tätigkeit zurüokblicken, 
die er, wie wir hoffen, noch lange Jahre fortsetzen wird! 

— Prof. Dr. Carl Ludwig Schleich, als Chirurg um die Ein¬ 
führung der Lokalanästhesie hochverdient und als geistvoller Dichter 
und Schriftsteller geschätzt, vollendet am 19. d. M. sein 60. Lebensjahr. 

— In der medizinischen Fakultät der Berliner Universität habilitierte 
sich Herr Dr. Franz Blumenthal, Oberarzt an der Klinik für Haut- 
und Geschlechtskrankheiten, mit einer Antrittsvorlesung über neuere 
Behandlungsmethoden der Hauttuberkulose. 

— Am 22. Juli feiert Wilhelm Konrad Röntgen in München sein 
goldenes Doktorjubiläum. 

— Die deutsche Wissenschaft hat durch den am 15. d. M. erfolgten 
Tod Emil Fisoher’s einen unersetzlichen Verlust erlitten. Seine 
Forschungen auf dem Gebiet der organischen Chemie, durch welche die 
höchsten biologischen Probleme erfolgreich in Angriff genommen wurden, 
sollen, da auoh die Fortschritte der Medizin wesentlich hierbei beteiligt 
sind, in besonderem Nachruf gewürdigt werden. 

— In Rom starb im 76.Lebensjahre der bekannte Physiologe Luci ani. 

— Die Vorstände der Wiener laryngologischen und otriatisohen Klinik, 
Prof. Hajek und Prof. H. Neumann, sind dem Herausgeberkollegium 
der Wiener klinischen Woohenschrift beigetreten. 

— Die Universität Heidelberg hat mit Genehmigung der badisohen 
Unterrichtsverwaltung die Verleihung der Würde eines Doktor der 
Zahnheilkunde (Dootor ohirurgiae dentariae) eingeführt. 

— Die Schulzahnklinik in Frankfurt a. M., die bisher von einem 
Lokalkomitee betrieben wurde, soll von der Stadt übernommen werden. 
Es werden mehrere hauptamtliche Schulzahnärzte angestellt. 

— Die in der vorigen Nummer d. W. aufgenommene Anzeige der 
Landkrankenkasse in Krossen wurde versehentlich aufgenommen. 
Diese Kasse findet sich auf der Oavete-Tafel. 

— In Ergänzung zu der Mitteilung in dieser Wochenschrift, Nr. 27, 
S. 648, betr. Rückgang der durch Alkohol erkrankten Geistes¬ 
kranken und durch Alkohol verursachten Todesfälle während 
des Krieges teilt uns Herr Geh.-Rat Robert Behla mit, dass eine gleiche 
Beobachtung für ganz Prenssen im Preuss. Stat. Landesamt gemacht 
ist. An auf Alkohol zurüokgeführte Geisteskranken wurden behandelt 
in Preussen 1914: 6146, 1915: 3406, 1916: 2469, 1917: 1564. Ge¬ 
storben sind an Alkoholismus während der Jahre 1914: 917, 1915: 560, 
1916: 271, 1917: 148. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reich (29. VI. 
bis 5. VII.) 38. Fleokfieber: Deutsches Reich (29. VI.—5. VII.) 
34. Ungarn (12.—18. V.) 50. Genickstarre: Preussen (22. bis 
28. VI.) 11 und 5 f. Ruhr: Preussen (22.—28. VI.) 94 und 6 +. 
Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Buer, an 
Masern und Röteln in Eisenach, an Keuchhusten in Bottrop, an Typhus 
in Graudenz. (Veröff. d. Reichs-Ges.-Amts.) 

Hochschulnaoh richten. 

Frankfurt a. M.: Nachdem Prof. Sauerbruoh in München den 
Ruf als Ordinarius für Chirurgie abgelehnt hat, wurde Prof. Schmieden 
in Halle berufen. Der Privatdozent für medizinische Zoologie Dr. 
Teiohmann ist gestorben. Habilitiert: DDr. Georgi (experimentelle 
Therapie) und Fleisohmann (Ohrenheilkunde). — Freiburg: Prof. 
Lex er wird dem Ruf als Direktor der chirurgischen Klinik Folge leisten. 
— Halle: Habilitiert: DDr. Linnert(Gynäkologie), Goetze(Chirurgie), 
Löffler (Orthopädie). — Jena: Geheimrat Binswanger, Direktor der 
psychiatrischen Klinik, tritt am 1. Oktober in den Ruhestand. — 
Marburg: Der Direktor der medizinischen Poliklinik, ao. Prof. Eduard 


Müller, erhielt einen Lehrauftrag für Nervenkrankheiten. Prof. 
Me wes in Hamburg hat einen Ruf als Ordinaris für Anatomie abgelehnt. 
— München: Prof. Schlösser wurde zum ordentl. Honorarprofessor 
für Augenheilkunde ernannt — Graz: a.o. Prof, für Hygiene Th. Müller 
ist gestorben. — Wien: Der Laryngologe Prof. Roth ist, 70 Jahre alt, 
gestorben. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennung: Kreisarzt und ständiger Hilfsarbeiter bei der Regierung in 
Königsberg i. Pr. Med.-Rat Dr. Heinr. Berger zum Reg.- und Med.- 
Rat, unter Ueberweisung an die Regierung in Gumbinnen, 
Ausgeschieden aus dem Staatsdienste: Kreisass.-Arzt Dr.Fehsen- 
feld in Danzig. 

Niederlassungen: Dr. C. Kasten in Marienburg (Westpr.), Dr. 
F. Kulcke in Danzig, Dr. M. Rothmann in Elbing, A. Gaozkowski 
in Pr. Stargard, Dr. A. Janowitz in Neustadt (Westpr.), H. Bütow 
in Zoppot, J. Kalla in Gleiwitz, Dr. F. Thalwitzer in Scherrebek 
(Kr. Hadersleben), Dr. Frans Auerbach in Broaoker (Kr. Sonder¬ 
burg), Dr. E. Grünewald, Dr. Frans Kauffmann, Dr. H. Rinne 
und Dr. 0. Klemp in Altona, Dr. L. Flory in Pinneberg, St.-A. Dr. 
E. Bilts in Neumünster, Dr. P. Strumpf in Trittau (Kr. Stormarn), 
Dr. G. Lampreoht in Elmschenhagen (Kr. Ploen), Dr. L. Kahlhoff 
in Petersdorf a. Fehmarn, Dr. Wilh. Schütz in Mölln (Kr. Herzogt. 
Lauenburg), Dr. R. Janssen, A. Doenicke und W. Echte in 
Göttingen, Dr. W. Gordon, Dr. E. Herold und Friedr. Kaiser in 
Hildesheim. H. Kronberg in Neustadt (Kr. Ilfeld), Enno Hennig 
in Moringen (Kr. Northeim), Dr. Paul Zander und W. Spunk in 
Peine, Dr. Max Fromm in Finkenwerder (Kr. Harburg), Dr. P. Heil- 
mann in Hollenstedt (Kr. Harburg), Dr. Emil Wilh. Schmidt und 
Dr. W. Hamm in Harburg, Dr. R. Voges in Bissendorf (Kr. Celle), 
Dr. Ferd. Lüders in Neuhaus a. E. (Bez. Lüneburg), Dr. K. Roter- 
mund in Scheessei (Kr. Rotenburg i. Hann.), Dr. Erich Fisoher in 
Sandstedt (Kr. Geestemünde), K. Kriese in Dorum (Kr. Lehe), Adalb. 
Hartmann in Papenburg (Kr. Aschendorff), E. Wippern in Glan¬ 
dorf (Kr. Iburg), Dr. E. Tismer in Bohmte (Kr. Osnabrück), Dr. 

E. van Lessen in Weener (Bez. Aurich). 

Verzogen: San.-Rat Dr. J. Dinter von Leubus Dorf naoh Brieg, Dr. K. 
Kilian von Danzig nach Glogau, Dr. W. May von Landeshut nach Hohen- 
wiese (Kr.Hirsohberg i.Sohl.), Dr.E.Brieger von Breslau nao hLandeshut 
i. Schl., Dr. R. Gutstein von Berlin nach Liebau (Kr. Landeshut), 

R. Pipenberg von Freiburg i. Schl, und F. Zunft von Tarnowitz 
naoh Gleiwitz, M. Kräh von Bielsohowits naoh Radziankau, Dr. 
K. Toeplitz von Breslau naoh Kenstadt 0. S., J. Bartetzkd von 
Zembowitz (Kr. Rosenberg Wpr.) nach Guttentag (Kr. Lublinitz), Dr. 

S. Loeser von Breslau nach Woischnik (Kr. Lublinitz), A. Hubrich 
von Breslau nach Lublinitz, M. Dzieza von Guttentag nach Oppeln, 
P. Friebel von Kattowitz naoh Rybnik, Dr. Erich Berger und Dr. 
K. Hammesfahr von Berlin naoh Magdeburg, Dr. E. Rohrs von 
Marien bürg (Westpr.) nach Hamburg, Dr. E. Siering von Georgenthal 
(Gotha) nach Marienburg (Westpr.), Dr. Erwin Gross von Conrad¬ 
stein nach Schwetz, Dr. K. Maj von Pr. Stargard nach Wilna, Dr. 
Adalb. Block von Berlin nach Karthaus, Dr. J. Hundt von Grabow 
(Meokl.) naoh Alt Kischau (Kr. Berent), Dr. V. Zuralski von Zoppot 
naoh Danzig, Dr. Alfred Schreiber von Hamburg nach Hirschberg 
i. Schl., Dr. Jul. Hartung von Cöln und Gust. Seiler von Tilsit 
nach Magdeburg, Dr. P. Ban sei von Magdeburg nach Rogätz (Kr. 
Wolmirstedt), Dr. Friedr. Zahn von Uohtspringe nach Stendal, Dr. 
H. Krach von Magdeburg nach Müochen, Dr. E. Weissbach von 
Kölleda naoh Weimar, Dr. Friedr. Brandt von Merseburg nach 
Bad Blankenburg, Dr. Al bin Ludwig von Düsseldorf naoh Dommitzsch 
(Kr. Torgau), Dr. Chr. Hinrichsen von Apenrade naoh Lügumkloster 
(Kr. Tondern), Dr. A. Heidsieok von Altona naoh Apenrade, Dr. 
J. Birkedal von Qiickborn nach Sonderburg, Dr. Karl Reuter von 
Heide nach Tondern, Dr. A. Weisspfennig von Kiel naoh Husum, 
Dr. Karl Grabow von Schleswig naoh Neustadt i. Holst., Dr. F. W. 
Götze von Jevenstedt naoh Hohenwestedt (Kr. Rendsburg), A. Koock 
von Oldenburg i. Holst, naoh Lensahn (Kr. Oldenburg i. Holst.), Dr. 

F. Marggraff von Ratzeburg nach Auerbach i. Bayern, H. Rosoher 
von Berlin, Rud. Hensel von Berlin-Steglitz und Dr. W. Rüppel 
von Cassel nach Göttingen, St.-A. Hans Müller von Jülich nach 
Northeim, Dr. Johann Hansen von Rostock, Dr. Karoline Kühler 
von Augsburg, Dr. W. Weiland von Kiel und Dr. H. Spartz von 
Hamburg nach Harburg, Dr. M. Rieken von Kirchtimke (Kr. Zeven) 
nach Schwartau b. Lübeck. 

Praxis aufgegeben: Geh. San.-Rat Dr. P. Jänichen in Mühlberg a. E. 
(Kr. Liebenwerda), San.-Rat Dr. G. Wessberge in Moringen (Kr. 
Northeim). 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. Wilhelm 
Schmidt und Dr. A. Morschbaoh von Oliva. 

Gestorben: San.-Rat Dr. Gorgonius Jacobson in Pr. Stargard, Geh. 
San.-Rat Dr. Herrn. Granau in Elbing. 

Fär dl» Redaktion verantwortlich Prot Dr. BmiKohn, Berlin W, Bayrenther Str. 49. 


Verlag nnd Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 










Di* Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Hont»# in Nummern von etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Baebhandlnngen nnd Postanstalten an. 


MiHiaimivmimMaMiiHiM 


Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Hei-Rit Prof. Dr. C. Posier und Prof Dr. Hans Koba August Hirschwald, Vorlngnbachboidlnog in Borlia 


BERLINER 


Alle Einsendungen Ht die Redaktion nnd Expedition 
wolle man portofrei an die VerlagBbnohhandlnng 
Angast Hirsenwaid, Berlin NW., Unter den Linden 68. 
adressieren. 


Montag, den 28. Juli 1919. 


M 30 . Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


I n H 

Origiaaliea: Langstein und Patzig: Aaslese and Konstitution in 
ihrer Bedeutung für die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit. 
(Aus dem Kaiserin Auguste Victoria-Haus zur Bekämpfung der 
Säuglingssterblichkeit im Deutschen Beiohe, Charlotenburg.) S. 697. 

Pongs: Ueber den Frequenzaussohlag bei Tiefatmungsprüfung. (Aus 
der med. Klinik Marburg [Dir.: Prof. Dr. G. v. Bergmann].) S. 701. 

Strassmann: Ueber plötzlichen Tod daroh Glottisödem. (Aus der 
Uoterriohtsaostalt für Staatsarzueikuude der Uoiv. Berlin.) S. 701. 

Vogt: Ueber die Beziehungen der Milzbrandsepsis zur Laktation. 
(Aus einem Feldlazarett.) S. 703. 

Hofmann: Zur blutstillenden Wirkung des Bergel’sohen Fibrins. 
(Aus der ohirurgischen Universitätsklinik zu Berlin [Direktor: 
Geh. Med.-Rat Professor Dr. Bier].) S. 704. 

Renner: Absichtlich erzeugte Terpentinphlegmone. S. 705. 

Löwenberg: Ueber Konservierung und Versendung von spiro- 
ohätenhaltigem Reizserum in Rapillarröhrohen zwecks Frühdiagnose 
der Lues. (Aus der dermatologischen Abteilung des Charlotten¬ 
burger städt. Krankenhauses [leit. Arzt: Prof. C. Bruhus].) S. 705. 

Silberstein: Ein Fall von Abnabelung und Expression der 
Plazenta 17 Stunden naoh der Entbindung. S. 706. 

Sohlesinger und Gattner: Ueber den Einflass der Essigsäure auf 
die Benzidinreaktion. S. 706. 


(Aus dem Kaiserin Auguste Victoria-Haus zur Be¬ 
kämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen 
Reiche, Charlottenburg.) 

Auslese und Konstitution in ihrer Bedeutung für 
die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 1 ). 

Von 

Prof. Dr. L. Längstem und Dr. H. Pntxig. 

Die durch Zeitströmungen und Schlagworte nicht beeinflussbare, 
alle Sünde wider sie früher oder später unerbittlich rächende 
Wissenschaft, zu deren Pflege auf dem Gebiete der sozialen 
Hygiene dee frühesten Kindesalters dieses Haus vor 10 Jahren 
errichtet wurde, ist der Leitstern unserer Arbeit. Die Bedeutung 
dieser steht bzw. fällt mit dem Gedanken, dass wir durch die 
Fürsorge für Säugling und Kleinkind eine Tat vollbringen, die 
nicht nnr belohnt wird durch den momentanen Erfolg der Heilung 
kranker Kinder, sondern vor allem dadurch, dass sie eine Ver¬ 
besserung körperlicher und geistiger Fähigkeiten der Ueber- 
lebenden, des heran wachsenden Menschengeschlechts mit sich bringt. 
Erweist die wissenschaftliche Forschung, dass die Säuglingssterb¬ 
lichkeit eine Auslese darstellt, dass durch sie nur diejenigen aus¬ 
gemerzt werden, deren Leben nicht wert ist gelebt zu werden, 
weder für die Allgemeinheit noch für sie selber, dann müssten 
wir die Konsequenz aus einer derartigen Tatsache ziehen und 
unsere Forschung wie auch unsere praktischen Maassnahmen in 
anderer Richtung einstellen. Gerade die heutige Gedenkfeier, die 
in eine der trübsten Stunden unseres unglücklichen und gerade 
darum denen, die national fühlen, doppelt teuer gewordenen 
Vaterlandes fällt, scheint geeignet, die Frage der Auslese, 

1) Erweitert naoh einem Vortrag, gehalten anlässlich des 10jährigen 
Bestehens des Kaiserin Auguste Victoria-Hauses zur Bekämpfung der 
Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiohe. 


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ALT. 

I Btteherbespreehiuigei: von Jagiö: Die diagnostische Verwertung des 
Leukozytenblutbildes bei Infektionskrankheiten. (Ref. Ameth.) S. 707. 
— Keller: Die Frau im Beruf, insbesondere Beruf und Schwanger¬ 
schaft, Beruf und Frauenkrankheiten. (Ref. Zuntz.) S. 707. — Kay8er: 
Anleitung zur Diagnose und Therapie der Kehlkopf-, Nasen- und 
Ohrenkrankbeiten. (Ref. Kuttner.) S. 707. 

Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 707. — Therapie. S. 709. — All¬ 
gemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 710. — Para¬ 
sitenkunde und Serologie. S. 711. — Innere Medizin. S. 711. — 
Psyohiatrie und Nervenkrankheiten. S. 712. — Kinderheilkunde. 
S. 712. — Chirurgie. S. 712. — Urologie. S. 718. — Augenheilkunde. 
S. 713. — Hals-, Nasen- undOhrenkrankheiten. S. 713. — Hygiene 
und Sanitätswesen. S. 713. 

Verhandlugei ärztlieher Gesellschaften: Berliner medizinische 
Gesellschaft. Hense: Vorzeigen einer Moulage einer weiblichen 
rechten Thoraxhälfte. S. 714. Rosen stein: Die Behandlung der 
Mastitis mit Eukupin und Vuzin. S. 714. Manasse: Vorstellung 
eines Falles mit Daumenersatz und Fingerauswechselung. S. 717. 
Manasse: Die Kriegsverletzungen der peripherisohen Nerven, Be¬ 
richterstattung. S. 718. — Breslauer psyohiatrisoh-neuro- 
logische Gesellschaft. S. 718. — Aerztlioher Bezirksverein 
zu Zittau i. Sa. S. 719. 

Tagesgesohiohtl. Notizen. S. 720. Amtl. Mitteilungen. S. 720. 


die Bedeutang der Konstitution für die Auslese und damit für 
die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit und den Säuglings¬ 
schutz zu erörtern. Denn da wir den Verlast von Millionen 
Menschen beklagen, unsere Volkswirtschaftler berechnen, dass 
das künftige Deutschland nicht mehr imstande sein wird, alle 
Lebenden zu ernähren, gewinnt der Gedanke der Auslese wieder 
au Boden. Gewissenhafteste Prüfung ist ihm gegenüber am Platze, 
da Aufbau und Ausbau der Fürsorgeeinrichtungen ausserordentlich 
viel Mittel beanspruchen nnd auch geringe Summen angesichts 
der Tatsache, dass unser Nationalvermögen bis über die Grenzen 
der Leistungsfähigkeit hinaus belastet ist, viel mehr ins Gewicht 
fallen als früher. Wir können diesen Ausbau nur befürworten 
und unterstützen, können nur dann eine grosszügige Propaganda 
für den Säuglings- und Kleinkinderschutz treiben, wenn wir von 
ihm einen nützlichen Einfluss für unsere Volkskraft zu erwarten 
haben. Würden wir durch ihn nnr diejenigen erhalten, die nichts 
weiter darstellen als schädlichen Ballast an unserem Volkskörper, 
dann müssten unsere Bestrebungen zur Erhaltung des Lebens der 
Jüngsten von Grund auf geändert werden. 

Im Jahre 1874 hat Oesterlen in seinem Handbuch der 
medizinischen Statistik znm ersten Male die Säuglingssterblichkeit 
als Aaslese im Sinne Darwins hingestellt. Von zahlreichen Seiten 
wurde ihm Zustimmung zuteil, und nirgends kommt sie prägnanter 
znm Ausdruck als in den Ausführungen Ammon’», der schrieb: 
„Das Absterben der zahllosen Säuglinge, welche die Sorglosigkeit 
der Kinderernährung beim Landvolke zugrunde gehen lässt, ist 
ein Vorgang der natürlichen Aaslese, der die Grundlagen der Ge¬ 
sundheit und Kraft des Landvolks bildet. Und nicht nur dieses. 
Auf ihm beruht zum grossen Teil auch die Steigerung der see¬ 
lischen Anlagen, welche bei der Versetzung in günstige Verhält¬ 
nisse beobachtet wird. u Es ging mit der Frage der Auslese wie 
mit vielen medizinischen Fragen bzw. Problemen naturwissenschaft¬ 
licher Forschung. Ihre Entwickelung erfolgt nicht gradlinig, 
langsam und stetig; wellenartig vielmehr ist ihr Verlauf, und 
Auffassungen, die zunächst gesichert erscheinen, werden nach 


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UNIVERSUM OF IOWA 






m 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Jahren widerlegt, am bei anderer Fragestellung unter Beibringung 
neuer Gesichtspunkte, neuer experimenteller Tatsachen wiederum 
Boden und Anhänger zu gewinnen. Zuerst fand Oesterlen’s 
These allgemeine Zustimmung, dann wurden gewichtige Argumente 
gegen sie laut. Wir nennen unter denen, die solche vorbrachten, 
nur Prinzing, Gruber, Schlossmann und in jüngster Zeit 
besonders Hertwig. Sie bestritten die Richtigkeit der auf¬ 
gestellten Statistiken, der gezogenen Schlüsse und kamen zur 
vollständigen Ablehnung. Wir wollen hier nicht auf die zahlreichen 
Gegenargumente eingehen und nur zwei herausheben, die unserer 
Auffassung nach auch heute noch durchschlagende Kraft besitzen. 
Im Falle der Säuglingssterblichkeit eine auslesende Wirkung zu¬ 
käme, im Falle nur diejenigen zugrunde gingen, die körperlich 
minderwertig, müssten die Ueberlebenden bis in die höchsten 
Altersstufen besonders kräftig sein. Einwandfreie Beweise liegen 
aber vor, dass das nicht der Fall ist. Ferner ist zu bedenken: 
Die grossen Sterbeziffern im Säuglingsalter betreffen in erster 
Linie jene Kinder, welche künstlich ernährt werden. Nicht die 
Natur trifft also die Auslese, sondern die Mütter, die das Indi¬ 
viduum zu einer Zeit des Lebens, da es noch in Abhängigkeit 
von ihr, auf ihre Milch angewiesen ist, einem unnatürlichen Zu¬ 
stande aussetzen, dem gefährlichen Experiment der unnatürlichen, 
der künstlichen Ernährung, der viele Kinder nicht gewachsen sind. 
Niemals aber darf geschlossen werden, dass Kinder, die die künst¬ 
liche Ernährung nicht vertragen, an und für sich konstitutionell 
minderwertig sind. 

Gegenwärtig wird in erster Linie von extremen Anhängern 
der Rassenhygiene der Gedanke einer nachteiligen Wirkung der 
Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit vertreten. Mit ausgezeich¬ 
neter Dialektik, allen Mitteln einer zielbewussten Propaganda 
wollen sie dem bestechenden Gedanken Bahn schaffen, dass wir 
durch unsere Fürsorgeeinrichtungen lediglich Quantitätspolitik, 
aber keine Qualitätspolitik treiben, dass aber für unsere Bevölke¬ 
rungspolitik nicht der quantitative Gesichtspunkt, sondern der 
qualitative ausschlaggebend sein müsse. Sie werfen den Fürsorge¬ 
einrichtungen vor, dass sie die Rasse verschlechtern, indem sie 
die natürliche Auslese verhindern, sie fordern infolgedessen nicht 
Aufbau, sondern Abbau der Fürsorgeeinrichtungen. Aber nicht 
allein von Seiten dieser Rassenfanatiker, wie sie Kruse nennt, 
wird solche Ansicht ausgesprochen, auch manche Pädiater bewegen 
sich bei der Kritik der Fürsorgeeiprichtuogen in nicht unähnlichen 
Gedankengängen. In einer im vergangenen Jahre dem Wieder¬ 
aufbau unserer Volkskraft nach dem Kriege geltenden Sitzung, 
zu der sich die waffenbrüderlichen Vereinigungen Oesterreichs, 
Ungarns und Deutschlands zusammengetan hatten, hat Czerny 
folgenden Ausspruch getan: „Die Konstitutionsanomalien ver¬ 
ursachen die grosse Morbidität vieler Kinder und zum Teil auch 
die Mortalität derselben. Schon im Säuglingsalter macht sich 
dies ausserordentlich deutlich bemerkbar. Die Säuglingssterblich¬ 
keit ist eine Auslese, sie betrifft in der überwiegenden Mehrzahl 
konstitutionelle Minderwertigkeiten.“ In einer Arbeit aus der 
Berliner Kinderklinik kommt Eliasberg zu dem Schluss, dass 
fast ausschliesslich konstitutionell minderwertige Kinder jener 
Erkrankung zum Opfer fallen, die einen Hauptanteil an den 
grossen Sterbeziffern hat, dem Brechdurchfall. Es würde also der 
Sommersterblichkeit eine ähnliche auslesende Wirkung zukommen, 
wie das z. B. der Tuberkalose von anderen nachgesagt wird. 
Unsere Maassnahmen zur Bekämpfung der Sommersterblicbkeit, 
die im Programm der Säuglingsfürsorge einen grossen Raum ein¬ 
nehmen, würden also nicht nur überflüssig, sondern im gewissen 
Sinne schädlich sein. Solche Aussprüche wie Arbeiten machen 
es unbedingt notwendig, die ganze Frage der Auslese auf breiter 
Grundlage nochmals einer Prüfung zu unterziehen. Gerade diese 
Anstalt als Pflegestätte der Wissenschaft auf dem Gebiete der 
sozialen Hygiene des frühesten Kindesalters, die anstrebt, dass 
Theorie und Praxis nicht im Gegensatz zueinander arbeiten, sondern 
in wechselseitiger Befruchtung anregend und fördernd aufeinander 
wirken, hat die elementare Pflicht, die Lehre von der Auslese zu 
untersuchen und nach dem Ergebnis der Prüfung ihr Arbeitsfeld 
zu gestalten. 

Das Problem der Auslese ist in unserer Anstalt unter ver¬ 
schiedenartigen Gesichtspunkten bearbeitet worden: Es wurde 
untersucht, ob diejenigen Kinder, die in der Anstalt an schweren 
akuten Ernährungsstörungen zugrunde gingen, konstitutionell 
minderwertige Individuen waren, ferner wie es in dieser Beziehung 
um die an chronischen Ernährungsstörungen zugrunde gegangenen 
Säuglinge bestellt ist, und welches Ergebnis die Verfolgung des 
Schicksals der bei uns an Ernährungsstörungen behandelten Kinder 


bezüglich deren Konstitution zeitigt. Ferner ist an der Hand 
unseres Materials versucht worden, den Begriff der Lebensschwäche 
zu fixieren, — diesbezüglich können wir uns vor allem auf die grund¬ 
legenden Untersuchungen von Ylppö 1 ) an einem ausserordentlich 
grossen Material von Frühgeborenen und auf eine kritische Ana¬ 
lyse von Thomas 1 ) stützen. Wir halten es aber für zweckmässig, 
zunächst einige Bemerkungen über unsere Auffassung der Begriffe 
Konstitution und Konstitutionsschwäche zu machen, deren gegen¬ 
wärtig breite Diskussion keineswegs durchaus Klarheit bedingt. 

Wir verstehen unter Konstitution heute nicht mehr den all¬ 
gemeinen Zustand des Körpers, wie er sich bei der Untersuchung 
darbietet, sondern vielmehr eine arteigene Kombination von Ent¬ 
wicklungsansätzen. In der Konstitution sind also nicht stereotype 
körperliche und funktionelle Merkmale gegeben, sondern Eigen¬ 
schaften, die die Möglichkeit geben, auf äussere Einflüsse in be¬ 
stimmter Weise zu reagieren (F. Kraus). Wir dürfen also weder, 
wie dies unter den riesenhaften Fortschritten der bakteriologischen 
Aera der Fall war, die Wirkung der Aussenfaktoren überschätzen, 
noch auch, wie das jetzt leider häufig bei den in das andere 
Extrem Gefallenen geschieht, die bei der Geburt gegebene Anlage, 
die Konstitution, allein als Maass für alles Geschehen im 
Körper ansehen. Wir müssen vielmehr klar darüber werden, 
dass Anlage und Aussenbedingungen vollständig gleichwertige 
Faktoren sind. Die Konstitution enthält die Entwicklungsmöglich- 
keiten innerhalb einer gewissen Variationsbreite, die Abänderungen 
selbst aber und damit das Ziel der Entwicklung werden erreicht 
in Wechselwirkung mit den Reizen der Aussenwelt. Nicht nur 
eine gewisse Krankheitsbereitschaft z. B. zur Nervosität, zu einer 
besonderen Anfälligkeit gegenüber Infektionen, zur Rachitis, um¬ 
fasst die Konstitution, sondern in ihrem Begriff gehen auf die 
Gesamtfunktionen des Körpers hinsichtlich seiner Lebensfähigkeit, 
Widerstandskraft, Regenerationsfähigkeit, Beanspruchbarkeit usw. 
Wir betonen das absichtlich und heben es scharf heraus, denn wir 
dürfen nicht in den Fehler verfallen — und dieser Fehler 
ist gerade in der vorliegenden Frage gemacht worden — Ab¬ 
weichungen in irgendeiner Hinsicht als allgemeine 
Minderwertigkeit aufzufassen, im Gegenteil können solche 
sogar eine Geberwertigkeit bedeuten. Wissen wir doch, dass 
ein Organ, je höher differenziert es ist, je grössere Funktions¬ 
fähigkeit es also besitzt, um so anfälliger ist. So bedeutet Steige¬ 
rung^ der Leistungsfähigkeit im gewissen Sinne zu gleicher Zeit 
verminderte Widerstandskraft. Wenn wir uns das klar machen, 
werden wir mit der notwendigen Kritik an die Untersuchung der 
Frage herangehen können, welche Bedeutung die Konstitution 
für die Lehre von der Auslese bat. Eli asb erg bat in der bereits 
erwähnten Arbeit untersucht, wieviele der an schweren akuten 
Ernährungsstörungen erkrankten Kinder Zeichen einer konstitutio¬ 
nellen Abweichung zeigten. Das Ergebnis dieser Untersuchung 
aus der Berliner Kinderklinik war, dass unter den 80 untersuchten 
Kindern nur ein kleiner Prozentsatz war, der kein Zeichen einer 
Abweichung von der normalen Konstitution darbot. Es wurde 
daraus der Schluss gezogen, dass vorwiegend minderwertige Kinder 
der Sommersterblichkeit zum Opfer fallen. Wie verhalten sich 
dieser Feststellung gegenüber die Untersuchungen, die in dieser 
Frage an dem Material unserer Klinik seit dem Jahre 1911 angestellt 
worden sind? Im Gegensatz zu den Resultaten der erwähnten 
Arbeit stellten wir bei 81 Kindern, die an akuten Ernährungs¬ 
störungen in unserer Anstalt gestorben sind, fest, dass der Pro¬ 
zentsatz der belasteten Kinder ein verhältnismässig geringer war. 
Ueber die Hälfte der Kinder war weder erblich belastet, noch 
vorher ernstlich krank, bei weiteren 10 pCt. musste aus der Vor¬ 
geschichte auf eine erbliche Belastung geschlossen werden, ohne 
dass die Kinder selbst Manifestationen darboten, die auf eine 
derartige Belastung hinwiesen, und nur l / z der Kinder war vor 
dem Brechdurchfall krank, bot Zeichen einer konstitutionellen 
Abartung und war, weil vorzeitig oder debil geboren, als minder¬ 
wertig zu betrachten. Bei % der Kinder war die Konstitutions¬ 
anomalie derart ausgeprägt, dass sie als prävalierender Faktor 
bei der Entstehung der Erkrankung gelten konnte. Für die grosse 
Mehrzahl der Kinder aber ergab die sorgfältigste Analyse, dass 
die konstitutionelle Belastung nicht das überwertige Moment für 
den Eintritt des Todes abgab, dass vielmehr in allererster Linie 
die Aussenfaktoren in Betracht zu ziehen waren, unter deren 
Einwirkung eben der ungüntige Ausgang eingetreten ist. Es wurde 
festgestellt, dass knapp nur */ 4 der gestorbenen Kinder bis zur 


1) Beiträge zur Physiologie, Pathologie und sozialen Hygiene des 
Kindesalters. Berlin 1919, Springer. 


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28. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


699 


Erkrankung oder wenigstens längere Zeit vorher gestillt worden 
war, dass mehr als 2 / 8 ans ungünstigen sozialen Verhältnissen, 
engen, dumpfen Wohnungen stammte, dass J / 8 der Kinder unehelich 
geboren, aber auch viele der anderen der Pflege der Mutter ent¬ 
behren mussten, die tagsüber auf Arbeit war. Nur die Hälfte 
der Kinder war vor der Aufnahme ärztlich behandelt und 50 pCt. 
dieser starben bereits in den ersten 3 Tagen des Anstaltsaufent¬ 
haltes. 

Hat diese Feststellung demnach den überragenden Einfluss 
konstitutioneller Schwäche auf die Sterblichkeit an akuten Er¬ 
nährungsstörungen nicht erwiesen, so hat auch die zweite, an 
chronischen Ernährungsstörungen gestorbene Kinder betreffende 
Dntersuchungsreihe einen derartigen Zusammenhang nicht ergeben. 
70 Fälle wurden genau untersucht und bei ihnen etwa die 
gleichen Verhältnisse ermittelt, wie bei den an akuten Störungen 
gestorbenen Kindern, allerdings mit etwas stärkerer Betonung des 
konstitutionellen Momentes. Etwa ^4 der Kinder bot Zeichen 
einer Krankheitsbereitscbaft, ebenso viele waren frühgeborene; 
aber die genauen Feststellungen haben auch hier ergeben, dass 
die äusseren Faktoren, Ernährung, Wohnung, soziale Lage, Pflege 
und Behandlung im wesentlichen Maasse dazu beitragen, dass die 
Kinder in den Zustand hochgradiger Abmagerung oder Abzehrung 
gerieten, aus dem es schliesslich keine Rettung gab. Als wich¬ 
tiges Ergebnis dieser Feststellungen muss also abgeleitet werden, 
dass nicht in der konstitutionellen Minderwertigkeit die Ursache 
des Todes an den schweren Ernährungsstörungen zu suchen war, 
sondern dass dabei die Aussenfaktoren eine wesentliche, ja sogar 
meist die ausschlaggebende Rolle spielten. 

Wir kommen zur dritten, wohl wichtigsten Frage. Wie ver¬ 
halten sich die durch die in der Anstalt getroffenen Maassnabmen 
der Ernährung und Pflege von den Ernährungsstörungen genesenen 
Kinder? Eine geringe Anzahl, ungefähr 5 pCt.. starben in den 
nächsten Jahren doch noch an verschiedenen Krankheiten, vor 
allem an Infektionskrankheiten. Ein Teil, etwa 30 pCt., auch 
der belasteten und mit Krankheitsbereitscbaft behafteten, entwickelte 
sich gut, ohne Störungen und Zeichen von konstitutionellen Ano¬ 
malien, und ein recht beträchtlicher Teil, fast 2 / s , der vorher zum 
Teil kein Symptom konstitutioneller Schwäche gezeigt hatte, bietet 
jetzt Zeichen nervöser Reizbarkeit, Neigung zu Ausschlägen, zeigt 
Symptome von englischer Krankheit und Blutarmut bzw. ist in 
der allgemeinen Entwicklung zurückgeblieben. Dieses Zurück¬ 
bleiben in der Entwicklung findet sich besonders bei Kindern, die 
nach den schweren, vor allem chronischen Störungen unter 
ungünstigen Aussenbedingungen aufgewachsen sind. Also auch bei 
einer sorgfältigen Analyse des Materials der Ueberlebenden ist 
von einer ausgesprochenen Auslesewirkung nichts zu bemerken. 
Es befinden sich neben Kindern, die trotz Konstitutionsanomalie 
die Erkrankung gut überstanden haben und sich ohne Störung 
entwickeln, solche, die während der Krankheit kein Zeichen einer 
konstitutionellen Abartung zeigten, und bei denen sich diese erst 
im Laufe der weiteren Entwicklung herausgestellt hat, und als 
wichtigstes Moment: auch bei den Ueberlebenden lässt sich der 
Einfluss der Aussenbedingungen, vor allem der sozialen Verhält¬ 
nisse als gleichwertiger Faktor neben der Konstitution nach- 
weisen. 

Untersuchen wir nun, welche Art angeborener Minderwertig¬ 
keit eine Lebensschwäche bedeutet, so möchten wir vor allem hier 
scharf betonen, dass es in erster Linie frühgeborene Kinder sind, 
die den Wirkungen der normalen Aussenbedingungen nicht im 
gleichem Maasse gewachsen sind, wie die ausgetragenen, voll 
entwickelten Kinder. Immer noch figuriert in unseren Toten¬ 
scheinen eine grosse Anzahl von Todesfällen an „Lebensschwäche“. 
Lebensschwäcbe würde bedeuten, dass die Kinder dahinwelken 
bzw. zugrunde gehen, weil sie den mit dem Leben untrennbar 
verknüpften Belastungsproben infolge einer minderen Anlage ihrer 
Organe, die auf den verschiedenartigsten Gebieten liegen kann, 
nicht gewachsen sind. Bei unserem Material ausgetragener Kinder 
aus den vergangenen 10 Jahren ist uns nur ein einziger Fall 
begegnet, dessen Tod wir mit einer gewissen Berechtigung auf 
eine Lebensschwäche zurückführen könnten. Jedenfalls hätte der 
klinische und anatomische Befund eine solche Deutung erlaubt. 
Ganz anders ist es bei den frühgeborenen Kindern, von denen 
gerade unsere Anstalt eine enorme Zahl aufnehmen und beob¬ 
achten konnte. Tlppö, der das Schicksal von fast 800 Früh¬ 
geborenen vom ersten Tage ihrer Aufnahme an genau verfolgte, 
konnte feststellen, dass von Kindern mit einem Gewicht bis zu 
1500 g nur 20 pCt das Ende des 1. Lebensjahres erreichen und 
von sämtlichen frühgeborenen Kindern bis zn 2500 g nur 40 bis 


•? 

45 pCt. bis zum Schulalter gelangen. Die Sterblichkeit dieser 
Kinder wächst trotz bester Ernährung und trotz bester Pflege 
beträchtlich bei Kindern unter 1000 g, und wenn wir auch als 
Rarität selbst, ebenso wie andere Kliniken, den einen oder anderen 
Fall zu verzeichnen haben, der sich hochziehen liess, der sogar 
heute, nachdem bereits das Schulalter eingetreten ist, als relativ 
gut entwickelt bezeichnet werden muss, so ist doch die grosse 
Mehrzahl, soweit sie nicht gestorben ist, mit einer Reibe von 
| Defekten behaftet. Diese Tatsache gibt auch für die praktische 
Frage der Kinderaufzucht zu denken. Wir kommen darauf bei der 
Besprechung unserer praktischen Schlussfolgerungen zurück. 

Aber ganz anders ist es nun mit den normal geborenen 
Kindern, mit denen, die gesund geboren, mit vollem Gewicht am 
Ende der Schwangerschaft in die Welt gesetzt werden. Wir 
müssen uns bezüglich ihrer zunächst doch fragen, ob denn das 
Vorhandensein gewisser Diathesen, gewisser komplexer, oft erblich 
vorkommender Krankheitsbereitschaften schon eine solche körper¬ 
liche Minderwertigkeit darstellt, dass eine erhebliche Minderung 
der Lebenskraft mit ihr verbunden ist. Dazu ist zunächst 
folgendes zu bemerken: Nicht jede noch so geringe Abweichung 
vom Normalen darf als Minderwertigkeit hingestellt werden, 
müssen wir uns doch darüber klar sein, dass es auch unter den 
äusserlich gleichen Individuen kaum zwei mit vollkommen gleichen 
Erbanlagen, also gleicher Konstitution gibt. Die Norm ist etwas 
willkürlich Festgesetztes, nicht wirklich Vorhandenes, so dass es, 
wie schon Martius hervorhebt, nicht erstaunlich ist, dass es so 
viele Konstitutionsanomalien gibt, sondern im Gegenteil so viele 
von der willkürlich festgelegten Norm nur wenig abweichende 
Individuen. Wir dürfen uns bei der Feststellung einer Kon¬ 
stitutionsanomalie als Minderwertigkeit im allgemeinen Sinne 
nicht von der Tatsache der Abweichung von der Norm als solcher 
leiten lassen, sondern Maassstab müssen sein die Stärke der körper¬ 
lichen Disharmonie, die auslösenden Ursachen und der Einfluss 
der Abweichung auf die Lebensfähigkeit. Dazu wäre viel zu 
sagen. Vor allem aber kommen wir auf die eingangs erwähnte 
Tatsache, die von vornherein gegen die Lehre von der Auslese 
spricht, zurück, dass als Zeichen der Minderwertigkeit offen¬ 
bar angesehen wird, wenn das Kind die künstliche Er¬ 
nährung nicht verträgt. Wir sind nicht berechtigt, das Wider¬ 
natürliche, das wir in die Aufzucht durch Einführung der künst¬ 
lichen Ernährung hineinbringen, zur Beurteilung der Vollwertigkeit 
oder Minderwertigkeit hinzuzuziehen. Jeder von uns Kinderärzten 
kennt Kinder, die auf jeden Versuch künstlicher Ernährung mit 
Verdauungsstörungen und schlechtem Gedeihen reagieren. Nach¬ 
dem diese Zeit recht und schlecht überwunden ist, erstarken die 
Kinder am Ende des ersten Lebensjahres und werden unabhängig 
von ihrer Mutter. Diese Unabhängigkeit von der natürlichen 
Ernährung tritt ganz verschieden von ihrer sonstigen Leibes¬ 
beschaffenheit ein. Wer die Kinder vor dem 6. Monat gesehen 
hätte, hätte sie für minderwertig gehalten, für Wesen, aus denen 
nie etwas wird, für die es besser gewesen wäre, wenn sie nach 
spartanischer Sitte aufgesetzt worden wären. Das blühende 
Bild dieser Kinder am Ende des ersten Jahres muss eine solche 
Auffassung ad absurdum führen. Nicht die Tatsache, dass ein 
Kind die Flascbenemäbrung nicht verträgt, ja daran zugrunde 
geht, können wir als ein Zeichen von Minderwertigkeit ansehen, 
sondern wir müssen uns wundern, dass so viele Kinder die un¬ 
natürliche Ernährung leidlich vertragen. Unter diesem Gesichts¬ 
punkt müssen wir auch die Bedeutung der sogenannten Krank¬ 
heitsbereitschaft für die Sterblichkeit der Säuglinge betrachten. 
Niemand von uns wird leugnen, dass ein Teil der Kinder, der 
an Ernährungsstörungen erkrankt und stirbt, mit einer Kon¬ 
stitutionsanomalie behaftet ist. Aber auch viele Normale fallen 
den Störungen zum Opfer, während andererseits, wie unsere Fest¬ 
stellungen bewiesen haben, unter den Genesenden sich viele be¬ 
finden, die trotz der früher vorhandenen Diathese und der über¬ 
standenen Erkrankung sich gut entwickeln und später kein 
Symptom einer Konstitutionsschwäche darbieten. Der Ausspruch, 
dass in erster Linie Kinder mit einer konstitutionellen Anomalie 
es sind, die an den akuten Störungen zugrunde gehen, lässt sich 
in dieser Fassung nicht aufrechterbalten. Einer klinischen 

Feststellung, die etwas Derartiges zu erheben glaubt, können 
unschwer andere gegenübergestellt werden, die zu einer gegen¬ 
teiligen Auffassung führen, wie überhaupt klinisch statistische 
Methoden, wenn sie nicht an einem enormen Material angestellt 
werden, stets nur mit grösster Vorsicht zu verwerten sind. Und 
dann dürfen wir nicht vergessen: wir sollten nicht jedes ver¬ 
mehrte Schreien des Kindes als Nervosität, jedes Wundsein mit 

1 • 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


einer angeborenen Ueberempfindlichkeit der Haut erklären. Wer 
die Konstitution zum Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen 
Forschung nimmt, der muss darauf bedacht sein, nur erhebliche 
und scharf umschriebene Abweichungen von der Reaktionsnorm 
als Konstitutionsanomalie zu bezeichnen. Und darum dürfen wir 
keineswegs jede abnoime Reaktion in einer Hinsicht zur all¬ 
gemeinen Minderwertigkeit stempeln. Unseren ganzen Auffassungen 
über die Konstitution wurde das nicht entsprechen. Wir wissen, 
dass die Konstitution nicht einen abgeschlossenen Zustand, sondern 
vielmehr nur einen Komplex von Entwicklungsmöglichkeiten umfasst, 
deren Ziel durch die Wirkung der Aussenfaktoren bestimmt wird, 
die auch die Stärke der resultierenden Abweichungen bedingen. Der 
Begriff der Konstitution geht eben über die Krankheitsbereitscbaft 
hinaus und umfasst die Gesamtfunktion des Körpers, der sich im 
Kampfe mit den Reizen der Umwelt bemüht, Disharmonien aus¬ 
zugleichen und Minderwertigkeit auf der einen Seite durch Ueber- 
wertigkeit auf der anderen Seite zu kompensieren. Ob ihm dies 
gelingt, hängt vor allem von den Aussenbedingungen ab, mit 
denen der Organismus in Berührung kommt. Nun gibt es zwar 
Kinder, die infolge zu grosser Disharmonie ihrer Anlage selbst 
durchaus zureichenden Aussenbedingungen nicht gewachsen sind, 
und wir haben darauf hingewiesen, dass ein gewaltiges Kontingent 
unter diesen Kindern die Frühgeborenen darstellen. Viele Kinder 
aber erliegen trotz günstiger Konstitution der besonderen Ungunst 
der Verhältnisse, der gegenüber die geringen Differenzen zwischen 
Plus- und Minusvarianten der Konstitution keine ausschlaggebende 
Rolle spielen. Dass konstitutionelle Minderwertigkeit nicht allein 
Ursache der hohen Säuglingssterblichkeit sein kann, ergibt sich 
ja nicht nur aus unseren klinischen Feststellungen. Alle Statistiken 
zeigen, dass die Säuglingssterblichkeit in den ärmeren Kreisen 
um vieles höher ist als in den wohlhabenden. Wäre sie ein 
Zeichen konstitutioneller Minderwertigkeit, so müssten wir aus 
der hohen Zahl angeblich minderwertiger Individuen einen Rück¬ 
schluss auf die Konstitution der Erzeuger machen können, die ja 
auf die Kinder vererbt wird. Wir müssten also in der ärmeren 
Bevölkerung viel grössere Degeneration finden als bei den Reichen, 
was bekanntermaassen den Tatsachen nicht entspricht. Vor¬ 
wiegend die ungünstigen äusseren Verhältnisse sind die Ursache 
der hohen Sterblichkeit in den Quartieren der Armut. Und auch 
bei der überwiegenden Anzahl der Kinder unseres Materials haben 
wir feststellen können, dass nicht die oft geringen Abweichungen 
im Anlagekomplex die alleinige Ursache des Todes sind, sondern 
dass im Kampfe mit den ungünstigen äusseren Faktoren auch 
Konstitutionen zum Opfer fallen, die unter besseren Bedingungen 
nicht oder nicht so schwer erkrankt wären. Ein grosser Teil 
von ihnen hätte bei ausreichender natürlicher Ernährung, bei 
zweckmässiger Pflege, bei grösserer Sorgfalt und vor allem in 
günstigen sozialen Verhältnissen am Leben erhalten werden können. 
Auch aus unserem Material ergibt sich wieder, was der Münchener 
Hygieniker Gruber ausgeführt hat, dass Tausende und Tausende, 
die von Haus aus als „prima Qualität“ zu bezeichnen sind, durch 
Ansteckung und andere Zufälligkeiten vorzeitig ausgemerzt werden. 

Werden nun nicht etwa durch unsere sozialhygienischen 
Maassnabmen minderwertige Individuen in unerwünschtem Maasse 
erhalten, Individuen, die eher eine Last als ein Vorteil für 
die Allgemeinheit sind? Haben die Rassenhygieniker recht, die 
aus diesem Grunde eine Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 
verwerfen? Wieder kommen wir auf Grund unseres Materials 
zu einer Ablehnung im allgemeinen. Von den vollwertig mit 
gutem Gewicht geborenen Kindern bleibt gewiss ein Teil in der 
Entwicklung zurück oder stirbt früh an anderen Störungen, vor 
allem an Infektionen. Aber ein grosser Teil, der unter ungünstigen 
äusseren Verhältnissen dem sicheren Tode preisgegeben wäre, 
entwickelt sich körperlich und geistig durchaus normal oder 
bietet vielleicht Zeichen einer gewissen Konstitutionsanomalie, 
die die Entwicklung kaum beeinflusst, ja späterhin kaum mehr 
in die Erscheinung tritt. 

«Besondere Ueberlegungen müssen wir jedoch an¬ 
stellen bezüglich jener Kinder, die mit einem Geburts¬ 
gewichtunter 1600g geboren werden. Hier erliegt tatsäch¬ 
lich die grosse Mehrzahl trotz bester Ernährung und Pflege, nur 
ein geringer Prozentsatz überlebt das Säuglingsalter, entwickelt 
sich aber nicht zu vollwertigen Individuen, sondern in allererster 
Linie zu solchen mit Symptomen der reizbaren Schwäche des 
Nervensystems, die den Kampf um das Dasein erschweren. Immer¬ 
hin findet sich ab und zu auch unter diesen Kindern ein normales 
Kind. Hier wird ernstlich mit Rücksicht auf die grossen Mittel, 
die absorbiert werden, um diese Kinder hocbzubringen, die Frage 


zu erwägen sein, ob wir berechtigt sind, einen auch nur geringen 
Teil des Nationalvermögens in dieser Hinsicht anzulegen. Nicht 
nur soziale Gesichtspunkte, nicht nur ärztliche Anschauung, vor 
allem auch ethische Momente fallen für die Beurteilung dieser 
Frage ins Gewicht. Nichts ist so schwierig, so kompliziert, denn 
jede neue Erkenntnis könnte sie anders beantworten lassen, so 
dass wir uns an dieser , verantwortungsvollen Stelle heute nur 
damit begnügen möchten, die Diskussion zu dieser Frage auzu- 
regen, ohne sie lösen zu wollen. 

Wenn wir auch eine Reihe von minderwertigen Individuen 
durch unsere Fürsorgemaassnabmen erhalten, die für die Zukunft 
eine Belastung der Allgemeinheit darstellen, so würden wir doch 
ohne unsere sozialen Bestrebungen eine grosse Zahl von voll¬ 
wertigen Individuen verlieren, die mit den Schwächlingen der 
Ungunst der Verhältnisse zum Opfer fallen würden. Wer nicht 
mit Schlagworten, sondern auf Grund genauester wissenschaft¬ 
licher Prüfung die Frage der Konstitution und Auslese unter-* 
sucht, der muss die günstige Wirkung hoher Säuglingssterblich¬ 
keit energisch bestreiten, und gerade auf der Grundlage dieser 
wissenschaftlichen Feststellungen gewinnen unsere Ueberlegungen 
eine besondere Färbung. Wenn wirklich durch die Selektion die 
Schwachen ausgemerzt werden würden, müssten die folgenden 
Generationen immer besser werden. Dies müsste also zu einem 
Absinken der Säuglingssterblichkeit, zu einer grösseren Wider¬ 
standskraft der Ueberlebenden gegen Erkrankungen führen, was 
aber bisher ohne sozial hygienische Maassnabmen trotz doch nun 
jahrhundertelanger Wirkung der Auslese nicht eingetreten ist. 
Wir ersehen dies am besten an der ländlichen Bevölkerung. Auf 
dem Lande, wo die sozialhygieniscben Maassnabmen stets im 
Rückstände gewesen sind, ist die Säuglingssterblichkeit immer 
hoch geblieben, höher als in den Grossstädten, und nur in wohl¬ 
habenden Kreisen, die den Kindern die nötige Pflege und Er¬ 
nährung angedeiben lassen können, ist sie niedrig. Wir wollen es 
uns versagen, auf alle anderen Gründe einzugehen, die schon oft 
in der Literatur breit erörtert worden sind. 

Gehen wir zum Schluss selbst von dem Gedanken aus, dass die 
Möglichkeit bestände, wir könnten durch unsere Fürsorgebestrebungen 
Kinder mit Konstitutionsanomalien in beträchtlicher Zahl erhalten, 
so würde doch die Fragestellung dahin zu lauten haben, ob denn 
diese Individuen, die in ihrer frühesten Kindheit auf Grund irgend¬ 
einer Krankheitsbereitschaft, die bei ihnen im Keim angelegt war, 
irgendeinen Hautausschlag, nervöse Erscheinungen, englische Krank¬ 
heit, Blutarmut, Verdauungsscbwäche gehabt haben, sich 
nicht späterhin zu in sozialer Hinsicht vollwertigen Menschen 
entwickeln können. Und diese Frage wird jeder Arzt, der auf 
ein reiches Material zurücksiebt, der das Schicksal der von ihm 
behandelten Kinder verfolgt hat, unbedingt bejahen können. 
Sehen wir von den im Keim schwer geschädigten ab, von degene¬ 
rierten Individuen aus Säufer-, Epileptiker-, Idiotenfamilien, von 
Kindern von unbehandelten Syphilitikern, dann können wir von 
der grossen Mehrzahl der Anomalien sagen, dass sie sich unter 
dem Einfluss günstiger Aussenfaktoren bei fortschreitender Ent¬ 
wickelung ausgleicben können. In sozialer Hinsicht sind nicht 
nur körperlich kräftige Individuen ohne jede Abweichung vom 
Normalen vollwertig, sondern auch vielen Menschen mit konsti¬ 
tutionellen Anomalien kann dieses Beiwort beigelegt werden. Es 
biesse oftmals gesagte Banalitäten wiederholen, wenn wir im 
speziellen zeigten, wie viele Erzeugnisse von hohem kulturellen 
Wert in Kunst und Wissenschaft von Individuen ausgegangen 
sind, die vom Standpunkt der Konstitutionspatbologie als körper¬ 
lich minderwertig zu betrachten sind. Aber wir betonen es heute 
besonders, da unter dem Einfluss der Revolution die Bedeutung 
des Kopfarbeiters weit unterschätzt wird; denn nicht die rohe 
Kraft allein, die oft bei den konstitutionell gut veranlagten 
Menschen sich findet, führt ein grosses Volk empor, geistige 
Führer müssen vorhanden sein, zu denen oft genug Menschen 
heranwachsen, die in der Kindheit als mit konstitutionellen Ano¬ 
malien behaftet sich gezeigt haben. Die natürliche Auslese, die 
von der radikalen Rassenbygiene gefordert wird, kann, wie Hert- 
wig in seiner hervorragenden Abhandlung über die Abwehr des 
ethischen, sozialen und politischen Darwinismus betont hat, in 
dieser Beziehung nichts Positives leisten. Sie wirkt nur negativ, 
indem sie ohne Unterschied vernichtet, was gut und schlecht, um 
so unter ungeheuren Opfern ihr Ziel zu erreichen. Nur soweit 
der Nachwuchs lebensuntauglich ist, was vielleicht von der 
grossen Mehrzahl der Frühgeborenen unter dem Gewicht von 
1500g, sicherlich von einem Teil ausserordentlich belasteter Kinder 
gilt, werden wir Maassnabmen zu seiner Erhaltung ablebnen 


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38 Juli 19lb 


BERLINER KLINISCÖE WOCHENSCtfftOT. 


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können. Soweit er es nicht ist, auch soweit er behaftet ist mit 
konstitutionellen Mängeln, werden wir ihn erhalten müssen, nicht 
nnr ans nationalen Notwendigkeiten, auch aus einem Gebot der 
Ethik heraus, das doppelt zu betonen wichtig erscheint, da die 
gegenwärtige Zeit vorwiegend materiellen Interessen dient. Nicht 
Abbau, sondern Aufbau unserer Fürsorgebestrebungen ist daher 
die Losung, * wenn wir verhindern wollen, dass die allgemeine 
Verschlechterung unserer sozialen Lage durch Krieg und Revolution 
uns ein erhebliches Steigen der Säuglingssterblichkeit bringt. Und 
für die Wissenschaft erwächst die Aufgabe, sich nicht mit dem 
Schlagwort abzufinden, dass konstitutionelle Minderwertigkeiten 
zugrundegehen, Säuglingssterblichkeit eine Anslese bedeute, sondern 
ihr ganzes Streben darauf hinzulenken, die Erscheinungen, welche 
durch eine konstitutionelle Minderwertigkeit hervorgerufen werden, 
durch zweckmässige Maassnahmen der Ernährung, Pflege und Er¬ 
ziehung in Schach zu halten. 


Aus der medizinischen Klinik Marburg (Direktor: 
Prof. Dr. Gr. v. Bergmann). 

Ueber den Frequenzausschlag bei Tiefatmungs¬ 
prüfung. 

Von 

Dr. A. Prags, Assistenten der Klinik. 

Es sei hier vorläufig über Untersuchungen berichtet, die 
weiteren Aufschluss- über den Charakter der Frequenzausschläge 
bei Tiefatmungsprüfungen bringen. Bei gesunden Menschen unter¬ 
scheidet Putzig zwischen solchen, bei denen die Beschleunigung 
überwiegt und anderen, bei denen die Verlangsamung vorherrscht. 
Aber es kann auch der gleiche Mensch bald einen Beschleuni¬ 
gungstypus zeigen, bald einen Verlangsamungstypus — je nach 
Einstellung der Pulsfrequenz; die Ausschlaggrösse bleibt bei 
Voraussetzung eines vergleichbaren Ruhezustandes konstant (bei 
künstlichen Frequenzverschiebungen sind gewisse Aenderungen 
möglich). Es kann beispielsweise bei Ausschlagsfrequenz 80 eine 
inspiratorische Beschleunigung völlig ausbleiben und die nach¬ 
folgende Frequenssenkung um so energischer sein, etwa auf 
eine Minutenfrequenz von 50 (Verlangsamungstypus) — und 
andererseits bei Ausgangsfrequens 50 des gleichen Patienten 
macht der Inspirationsakt starke Beschleunigung auf 80, Aus¬ 
atmung oder Dauer-Inspirium führen auf 50 zurück, aber nicht 
tiefer (Beschleunigungstypus). Nun ist doch anzunehmen, dass 
die Reiszufuhr an Verlangsamungs- und Beschleunigungsimpulsen 
jeweils die gleiche gewesen ist. Woher dann die verschiedene 
Reaktion? Liegt sie in der Wirkungsbreite des Atemzentrums 
gegenüber dem Vaguszentrum, oder liegt sie in peripheren Mo¬ 
menten? Darüber sollen Versuche Auskunft geben, in denen die 
Peripherie mit Hilfe einiger Begleitprüfungen getrennt untersucht 
ist auf eine B&schleunigungsneigung und eine Verlangsamungs- 
neigung bei langsamem und bei schnellem Pols. Eine Beschleuni¬ 
gungsprobe besteht in Körperarbeit, wie die meisten funktionellen 
Herzprüfnngen; als Verlangsamungsproben sind benutzt rechts¬ 
seitiger Vagusdruck und Atropinreizstadium (die initiale Ver¬ 
langsamung nach 1— 1 Vs mg subkutan). Diese Untersuchungen 
sind angestellt bei Nepntikern, bei denen eine Volbard’sche 
Hanger- und Durstkur aus therapeutischen Gründen indiziert war. 

ln der Tat wurde bei allen Patienten eine oft 4—5 Tage 
anhaltende Bradykardie von 40—50 erreicht und während dieser 
Bradykardie ein ausgesprochener Beschleunigungstypus der Tief¬ 
atmungsprüfungen. Als dann die Pulsfrequenz wieder anstieg, 
war bei 2 /s der Patienten bei Ausgangsfrequenz 70—80 der Tief- 
atmungsausschlag ein reiner Verlangsamungstyp — jene Beobach¬ 
tung, von der wir vorher ausgegangen waren. Die Ausschlags¬ 
grösse konnte bei dieser Form der Frequenzverscbiebung sich 
verringern. Wie verhalten sich die Begleitproben bei diesem 
Wechsel des Ausschlagstypus? 

Eine ganz subtile Prüfung auf Beschleunigungstendenz, be¬ 
stehend in dem Pressenlassen eines Dynamometers 12 Sekunden lang 
bei ruhigem Weiteratmen (die Pulsfrequenz wird auch während 
der Muskelarbeit geschrieben) — diese Beschleunigungsprobe er¬ 
gab keinerlei Anhalt für Differenzen peripherer Empfindlichkeit. 
Die Ausschläge waren ebenso gross bei Bradykardie wie bei 
mässiger Tachykardie. Und doch ist auch diese Frequenzbe- 
schleunigung eine im wesentlichen vom Vagus beherrschte; wie 


sich durch Atropinlähmung der Kraftprobenausscbläge sichtbar 
machen Hess. 

Andererseits aber trat doch in den Verlangsamungsprüfungen 
ein auffallender Parallelismus zur Verlangsamung des Dauer- 
inspiriums zutage, vor allem im Vagusdruckversucb. Während 
der Bradykardie so gut wie kein Vagusdruckeffekt — nach Fre¬ 
quenzanstieg ganz erhebliche Senkung, bei besonders für Vagus- 
druck geeigneten Patienten in 20 und mehr Vergleichsunter¬ 
suchungen auf genau den gleichen Verlangsamungs wert, der sich 
auch im Tiefatmungsversuch ergeben hatte. Freilich ist mit 
einer gewissen Unzuverlässigkeit des Vaguscruckversuches zu 
rechnen — man trifft den Vagus offenbar nicht immer gleich 
günstig. — Und dieser Parallelismus fand sich nun auch bei 
Menschen (Vs der Fälle), die ihren Beschleunigoogstypus nach 
Wiederanstieg der Ausgangsfrequenz beibehalten hatten. Sie hielten 
zäh an diesem Typus der Tiefatmungskurve fest — und gerade 
diese Fälle sind geeignet für die Kontrolle peripherer Disposition 
weil man bei hoher Ausgangsfrequenz von vornherein stärkere 
Vagusdruckeffekte vermuten könnte. Nun das war in lange 
fortgesetzten Untersuchungsreihen nicht der Fall. 

Bekräftigt wird dieser Patellelismus durch die weitere Prü¬ 
fung der Atropinprobe, die jeweils dann im Reizstadium stärkere 
Verlangsamung zu Wege bringt, wenn au<5h im Dauerinspiriuras- 
versuch und Vagusdruck diese Tendenz Vorgelegen hatte. — Während 
des Atropinreizstadium8 konnte mehrfach ein stärkerer Vagus¬ 
effekt erzielt werden. Die Beurteilung de# Atropinreizstadiums 
wird dadurch wesentlich beeinflusst: man wird auch diese Prü¬ 
fung als eine periphere zu werten haben, leb habe zeitweilig 
unter dem Eindruck von Tierexperimenten, die eine zentrale 
Wirkungsquote nahelegten, diesen peripheren Wirkungsanteil ver¬ 
nachlässigt. Das wurde Anlass einer irrigen Deutung der Digi¬ 
taliswirkung; in einem publizierten Fall konnte ich im Vagus¬ 
druck eine Zunahme peripherer Empfindlichkeit unter Digitalis 
feststellen — fand aber damals die Kongruenz zwischen Tief¬ 
atmungsverlangsamung und Vagusdruckeffekt unbefriedigend. Es 
handelt sich bei der Vergrösserung der Tiefatmnngsansschläge 
unter Digitalis um periphere Wirkung. Ich gebe darin Weil 
recht, dessen Priorität in Feststellung peripherer Empfindlich¬ 
keitssteigerung (unter Digitalis) im Vagusdruckversuch ich an¬ 
erkenne. 

Ich komme zum Schluss. Die Differenzen der Tiefatmungs¬ 
ausschläge, die sich äussern in einer Verschiebung des Gesamt¬ 
ausschlages nach der Verlangsamungs- oder Beschleunigungsseite 
hin, hängen zusammen mit differenter Empfindlichkeit des peri¬ 
pheren Apparates. Auch der Vagusdruckeffekt ist abhängig von 
dieser peripheren Disposition und nicht minder die Frequenz¬ 
senkung nach Atropin. Auffallend ist die Erscheinung, dass 
diese peripheren Qualitäten sich gegenüber einer intendierten 
Bewegung wie der geschilderten Kraftprobe in keiner Weise ver¬ 
raten. Ob es sich bei dieser peripheren Disposition im Sinne 
einer von mir früher ausgesprochenen Hypothese nur um quali¬ 
tative Differenzen der Vagusendigungen und der nervösen Ueber- 
mittelung auf die Reizbildungsstellen handelt, oder auch um 
Empfindlichkeit des Sinusknotens selbst in seinem muskulären 
Anteil, lässt sieb auch mit Hilfe der Atropioprüfung nicht ent¬ 
scheiden. Die Möglichkeit noch anderer Veränderungen am Er¬ 
folgsorgan, die sich vorläufig nicht übersehen lassen, soll nicht 
bestritten werden. 

Aus der Unterrichtsanstalt für Staatsarznei künde der 
Universität Berlin. 

Ueber plötzlichen Tod durch Glottisödem. 

Von 

Dr. Georg StraatBau. 

Das sogenannte Glottisödem, richtiger Larynxödem genannt — 
denn es handelt sich hierbei um eine ödematöse Anschwellung 
des Kehlkopfeinganges —, ist nach den Erfahrungen von Kolisko 
nicht ganz selten die Ursache eines unerwarteten plötzlichen 
Todes. Die Ursache liegt darin, dass das lokale submuköse 
Gewebe des Kehlkopfes leicht und rasch durch Exsudation oder 
Transsudation in erheblichem Grade anschwellen, dadurch eine 
Larynxverengerung herbeiführen und lebensgefährliche Atemnot, 
gegebenenfalls Erstickung bedingen kann. Die Aetiologie dieses 
Oedems ist verschieden. Die nichtentzündliche Form entsteht 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. BO. 


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z. B. durch Hydrops bei Nieren- oder Herzkrankheiten oder in¬ 
folge lokaler Hinderung des Blut- oder Lymphabflusses, deren 
Ursache z. B. Geschwülste am Hals sein können. Auch Urtikaria 
kann, falls sie die Schleimhaut von Rachen und Kehlkopf er¬ 
greift, zu schwerem Larynxödem führen. Ferner kann nicht¬ 
entzündliches Glottisödem auf angioneurotischer Basis als Quincke- 
sches Oedem entstehen, das beim Auftreten an anderen Körper¬ 
gegenden harmlos verläuft, wenn es die Kehlkopfgegend befällt, 
jedoch gefährlich werden kann. 

0. Meyer beschreibt den hierhergebörigen Fall eines 
19 jährigen Rekruten, der einen Tag nach der in die linke Brust¬ 
seite vorgenommendn Typhusimpfung ganz plötzlich unter Er¬ 
stickungserscheinungen zugrunde giDg und bei dem sich als 
Todesursache Glottisödem neben Oedem der linken Brustseite, 
des linken Hälszellgewebes und Mediastinums bei Status thymico- 
lymphaticus fand. Der Verstorbene hatte früher öfter an „fliegen¬ 
dem 41 Oedem gelitten. 

Selten ist ein sogenanntes Jodödem der Kehlkopfgegend bei 
jodempfindlichen Menschen (Preysing). 

Wichtiger und häufiger ist das entzündliche Glottisödem, das 
zuweilen scheinbar primär auftritt, meist allerdings Folge oder 
Begleitsymptom anderer Krankheiten ist. Jedenfalls kann es in 
einem vorher ganz gesunden Körper entstehen und tödlich endigen, 
ohne dass eine Ursache nachweisbar wäre. Der Tod erscheint in 
diesen Fällen von sogenanntem primären Larynxerysipel oder 
primärer Larynxphlegmone besonders unerwartet. Die Sektion 
ergibt phlegmonöses akutes Glottisödem ohne lokalen Ent¬ 
zündungsherd, ohne Verletzung der Kehlkopfschleimhaut, von der 
die entzündliche Schwellung ihren Ausgang bäUe nehmen können. 
Es mögen jedoch im Leben öfter kleine Schleimhautläsionen am 
Kehlkopfeingang vorhanden gewesen sein, die infolge der Schwellung 
des Gewebes bei der Obduktion nicht mehr nachweisbar sind 
(Kolisko). 

Häufiger hat das Oedem von einem anderen Entzündungs¬ 
prozess des Kehlkopfes oder seiner Umgebung seinen Ausgang 
genommen. Dabei können Verletzungen, chemische, thermische 
Schädlichkeiten oder diphtherische Prozesse an den Luftwegen, 
akute Larynxkatarrhe, tuberkulöse, syphilitische, karzinomatöse 
Ulzerationen des Kehlkopfes, Phlegmonen des Mundbodens, des 
Zungengrundes, des Pharynx, des Halszellgewebes, Speicheldrüsen¬ 
oder Scbilddrüsenentzündungen, Tonsillar- oder Retropbaryngeal- 
abszesse eine Rolle spielen. Aber auch Erysipel und Phlegmonen 
am Hals und Gesicht kommen für die Entstehung des Oedems 
in Betracht. Schliesslich entsteht solches Oedem bei septiko- 
pyämischen Erkrankungen, bei Scharlach, Typhus (Hofmeister), 
ln solchem Fall kommt die Erstickung und der Tod zwar auch 
plötzlich, aber nicht unerwartet, da der Betreffende meist vorher 
erkennbar krank war. 

Die Schwellung der Submukosa des Larynx beruht auf 
seröser oder serös eitriger, selten rein eitriger Exsudation, bis¬ 
weilen ist das Exsudat gelatinös, plastisch, so dass es beim Ein¬ 
schneiden des Gewebes nicht ausfliesst. 

Die ödematöse Anschwellung befällt entweder den ganzen 
Larynx, Epiglottis, aryepiglottische Falten, Aryknorpel undTaschen- 
bänder oder nur einzelne Teile. Sie reicht im allgemeinen nur 
bis zu den wahren Stimmbändern herab, die selbst frdi bleiben. 
Am stärksten sind meist die aryepiglottischen Falten befallen, 
die zu gewaltigen Wülsten anschweilen können. Die Symptome 
des akuten Larynxödems sind Atemnot, die hochgradig werden 
kann, Schmerzen, eventuell Fieber. Die Gefahr beruht darin, 
dass die submuköse Schwellang sich rasch entwickeln und grosse 
Ausdehnung annehmen kann. Dabei brauchen Erscheinungen 
von seiten des Larynx vorher nicht bestanden zu haben oder 
sind in so geringem Maasse vorhanden gewesen, dass sie keine 
Beschwerden machten. In den Fällen hochgradiger Larynxstenose 
kann die Erstickung nur durch rechtzeitige Tracheotomie ver¬ 
hindert werden. Die Erkennung des rasch eintretenden gefähr¬ 
lichen Zustandes kann Schwierigkeiten machen, wie folgende 
zwei Fälle beweisen, die erst die Sektion aufdeckte. 

Die Erkennung des Glottisödems an der Leiche ist dadurch 
erschwert, dass die Schwellung an der Leiche geringfügiger zu 
sein pflegt, als sie im Leben war (Orth). . 

Das submuköse Gewebe des Pharynx pflegt bei Larynxödem 
stets mitbeteiligt zu sein. Nach der Meinung von Kolisko hat 
die Schwellung des Pharynx meist vorher bestanden und zeigt 
schon eitrigen Charakter, während die Larynxexsudation noch 
serös ist. 


Derartige plötzliche Todesfälle durch Glottisödem beanspruchen 
ein forensisches Interesse, wenn der Verdacht einer anderen 
Todesart auftaucht und durch die Obduktion die Feststellung des 
Glottisödems als Todesursache gelingt. So durften auch die 
beiden folgenden Fälle sowohl allgemein-ärztliches wie gerichtlich¬ 
medizinisches Interesse beanspruchen, ln dem ersten Falle bandelte 
es sich um die Beurteilung eines etwaigen ärztlichen Kunstfehlers. 
Hier gelang die Feststellung des Vorhandenseins und der ent¬ 
zündlichen Natur des tödlichen Glottisödems bei einer Leiche, 
die 6 Wochen nach dem Tode exhumiert und am 15. Mai 1918 
von den Gerichtsärzten Geheimrat F. Strassmann und Geheimrat 
Hoffmann obduziert wurde. Die Geschichte dieses Falles ist 
folgende: 

Der 52 jährige Makler G., der in früheren Jahren mehrfach an 
Mandelabszessen gelitten hatte, var am 5. April 1918 plötzlich mit 
Halsschmerzen erkrankt, die sich im Laufe des Tages und der Nacht 
so steigerten, dass er noch in der Nacht vom 5. zum 6. in Begleitung 
seiner Tochter das Krankenhaus zu S. aufsuohen musste. Hier fand der 
wachhabende Arzt — ein Kandidat der Medizin im 10. Semester — bei 
seiner Untersuchung eine Anschwellung der rechten Mandel, eine 
Schwellung und Schmerzhaftigkeit der rechten Halsseite und einen ge¬ 
wissen Grad von Atemnot. Er erklärte dem Kranken und seiner Tochter, 
es würde sich wohl ein Mandelgeschwür bilden, und riet ihnen, das zu¬ 
ständige Krankenhaus aufzusuchen, da er auswärtige Patienten nur bei 
Lebensgefahr aufnehmen dürfe, die er bei G. nicht für vorliegend er¬ 
achtete. G. konnte jedoch das für ihn zuständige Krankenhaus in der 
Nacht nicht mehr erreichen, da eine Fahrgelegenheit nicht zu bekommen 
war, erreichte mit Mühe seine Wohnung und starb dort nach einer 
halbem Stunde an einem Erstiokungsanfall. 

Auf den Antrag der Ehefrau, die dem Verhalten des Arztes schuld 
am Tode ihres Mannes gab, wurde die Leiche nach € Wochen aus¬ 
gegraben. Sie zeigte bei der Obduktion hochgradigste Fäulniserschei¬ 
nungen, die Oberhaut war vielfaoh blasig abgehoben, die freiliegende 
Lederhaut schmutzig-grün. Im Gesicht und an dem aufgetriebenen 
Hodensack fanden sich reichlich Schimmelrasen. Von den sonstigen 
Befunden ist nur bemerkenswert, dass beide Lungen mit der Brustwand 
verwachsen waren und dass die Muskulatur des schlaffen Herzens bräun¬ 
lich gefärbt war. Mund- und Rachenhöhle waren leer, die Zunge war 
nicht gesohwollen. Beide Mandeln waren etwas vergrössert und ent¬ 
leerten auf Druck eine Anzahl kleiner weisser Pfropfe. Ein grösserer 
Eiterherd fand sich in den Mandeln nicht. Der Kehldeokel zeigte aus¬ 
gesprochene Löffelform. Das Gewebe auf der rechten Seite des Kehl¬ 
deckelgiessbeckenknorpels erschien geschwollen und zeigte einen ober¬ 
flächlichen, etwa fingerkuppengrossen Blutaustritt. Der Kehlkopf er¬ 
schien eng, die Knorpel zeigten ebenso wie die Luftröhre fortgeschrittene 
Verknöcherung. Die Luftröhre war leer, ihre Schleimhaut schmutzig-rot. 
Die übrigen Organe boten, abgesehen von ausgesprochener Fäulnis, 
nichts Besonderes. F. Strassmann und Hoffmann gaben ihr vor¬ 
läufiges Gutachten dahin ab, dass bei der fortgeschrittenen Verwesung 
der 6 Wochen alten Leiche sich eine Todesursache nicht habe feststellen 
lassen, dass sich jedoch Befunde ergeben hätten, die, soweit die Fäulnis 
ein Urteil gestatte, an einen entzündlichen Prozess am Kehlkopfeingang 
denken Hessen, der den Tod duroh Erstickung habe bewirken können. 

Die mikroskopische Untersuchung des Stückes der geschwollenen 
aryepiglottischen Falten zeigte das submuköse Gewebe auseinander¬ 
gedrängt, in den dadurch entstandenen Hohlräumen lagen neben kern¬ 
losen blassen Massen zahlreiche Anhäufungen von 'Rundzellen sowie 
braun pigmentierte körnige Massen, die als Reste zerstörter roter Blut¬ 
körperchen anzusehen waren. 

Trotz der Fäulnis liess sich also nach weisen, dass eine 
hämorrhagisch entzündliche Infiltration der aryepiglottischen 
Falten bestanden haben musste. In dem begründeten Gutachten 
erklärten die Obduzenten diese für t die Todesursache, wofür auch 
die Beobachtungen der Angehörigen und des untersuchenden 
Arztes und die dem Tode vorausgegangenen Erscheinungen 
sprachen. Als Ursache der Infiltration hatte sich eine schwere 
krankhafte Veränderung am Kehlkopf oder seiner Nachbarschaft, 
speziell auch der vermutete Mandelabszess nicht gefunden. 
Immerhin lassen sich die Vergrösserung der Mandeln und die 
aus ihnen ausdrückbaren Pfröpfe im Sinne einer Mandelentzündung 
verwerten, welche das Larynxödem erklären kann. Die Erkennung 
dieses Oedems ist dem aufnehmendem Arzt entgangen. Die An¬ 
strengungen, die mit dem Gang zum Krankenhaus und wieder 
zurück zur Wohnung und mit der Untersuchung dort verknüpft 
waren, und die mit der Abweisung verbundenen Aufregungen 
dürften das Oedem, das wohl schon vorhanden war, in gefähr¬ 
licher Weise verschlimmert haben. Für sein Vorhandensein bei 
der Untersuchung durch den Arzt spricht der bereits von diesem 
selbst beobachtete Luftmangel. 

Ein schuldhaftes Handeln des betreffenden wachhabenden 
Krankenhausarztes, der den G. trotz seiner Erkrankung nicht 
aufgenommen hatte, verneinten die beiden Gutachter. Als Gründe 


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28. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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gaben sie an, dass derartige Krankheitsprozesse an und f5r sich 
schwierig auch für einen fertigen Arzt za erkennen seien und 
einem Kandidaten der Medizin, der sein Examen noch nicht be¬ 
standen habe, leicht daher entgehen könnten. Auch hätte eine 
Krankenhausaufnahme, die gewiss humaner und zweckmässiger 
gewesen sein würde, den Tod nicht mit völliger Sicherheit ver¬ 
hindern können, da dieser nur durch eine sofortige Tracheotomie 
vermieden worden wäre. Man wird diesen Gründen zustimmen 
können. Es ist auf Grund der gutachtlichen Aeusserung keine 
Anklage gegen den Kartdidaten erhoben worden. Der Fall be¬ 
weist, dass auch die Sektion einer Leiche, die 6 Wochen in der 
Erde gelegen hatte, sowohl die makroskopische wie die mikro¬ 
skopische Feststellung einer entzündlichen Larynxinfiltration 
nnd damit die Erkennung der Todesursache ermöglicht hat, ob¬ 
wohl die Leiche bereits hochgradige Fäulniserscheinungen zeigte. 

Während man hier für das Auftreten des Glottisödems die, 
wenn auch nicht sehr ausgeprägte Mandelentzündung verant¬ 
wortlich machen kann, gelang mir in dem folgenden Fall, den 
ich. am 9. April 1919 sezierte, nicht der Nachweis irgend eines 
anderen krankhaften Prozesses am Kehlkopf oder Hals, der das 
tödliche Glottisödem erklärt hätte. 

Der 45jährige Friseur W. ist nach den Mitteilungen seiner Wirtin 
— Angehörige hatte er nicht — niemals krank gewesen, nooh hat er 
über Beschwerden irgendwelcher Art geklagt. Auch an dem Todestage 
habe man ihm nichts' Krankhaftes angemerkt. Während er am 4. April 
1919 in einer Kaserne rasierte, erkrankte er dort plötzlich, nachdem er 
vorher »Boonekamp“ genossen hatte, anscheinend mit Atemnot, denn 
ihm wurde, allerdings erfolglos, von Feuerwehrleuten Sauerstoff zu¬ 
geführt. Trotzdem starb er dort in kurzer Zeit. Der hinzugerufene 
Arzt, der nur den Tod feststellte, nahm Alkoholvergiftung als mut- 
maassliobe Todesursache wohl wegen des ihm mitgeteilten voraDgegangenen 
Boonekampgenusses an. 

Die Leiche war bei der Sektion bereits ziemlich faul. Von Besonder¬ 
heiten ist nur zu erwähnen, dass das Herz, welches im ganzen 100 ccm 
dunkles, flüssiges Blut enthielt, bräunlich gefärbte Muskulatur zeigte. 
Die Lungen bedeckten fast völlig den Herzbeutel und zeigten an ihrer 
Oberfläche kleine Luftbläsohen. Das linke Brustfell war mit der Brust¬ 
wand mehrfach verwachsen, die linke Lungenspitze zeigte einige narbige 
Einziehungen. Im übrigen war die Schnittfläche beider Lungen glatt, 
rot, und entleerte auf Druok viel sohaumig weissliche Flüssigkeit und 
dunkles flüssiges Blut. Die Luftröhren äste enthielten weisslichen Schleim 
in geringer Menge, ihre Schleimhaut war rot. Ebenso war die Schleim¬ 
haut der Luftröhre und ihrer grossen Aeste rot und enthielt weisslichen 
Schleim. Die falschen Stimmbänder waren geschwollen, gelblich rot ge¬ 
färbt, die aryepiglottischen Falten hatten beiderseits ein glasiges Aus¬ 
sehen, waren graugelb, geschwollen. Der Kehldeokel war verdickt, 
gelbrot, Gaumenbögen und Zäpfchen waren von grauroter Farbe und 
glasigem, geschwollenem Aussehen. Die Mandeln waren beiderseits 
klein, wenig zerklüftet, entleerten auf Druck keine Pfropfe. In der 
Harnblase fand sich 200 ccm geblioher Urin. Im Magen und Zwölf¬ 
fingerdarm fand sich neben bräunlich grauen flüssigen spärlichen Speise¬ 
maasen etwas abstreifbarer weisslioher Schleim. Die Schleimhaut war 
glatt, die Reaktion des Mageninhalts war sauer, zeigte keinen auf¬ 
fallenden Geruch. Die übrigen Organe boten nichts Bemerkenswertes, 
auch war die Sohleimhaut der Nase und der Nasennebenhöhlen, die ich 
eröffnet«, von gewöhnlicher grauroter Färbung. 

Es fanden sich somit Zeichen eines Luftröhrenkatarrhs, ein 
braunes Herz, bei dem auch mikroskopisch braunes Pigment sich 
nachweisen Hess, alte Brustfell Verwachsungen links, Lungenödem, 
ödematöse Anschwellung des gesamten Larynxeingangs, des 
Gaumens nnd Zäpfchens nnd eine beträchtliche Füllung der 
Harnblase. Die mit dem Urin angestellte Jodoformprobe zum 
Nachweis von Alkohol fiel negativ aus. Ein Beweis für Alkohol¬ 
vergiftung hatte sich nicht erbringen lassen. Als unmittelbare 
Todesursache kam Erstickung durch Oedem des Larynx in Be¬ 
tracht. Wahrscheinlich war die Schwellung des Kehlkopfes im 
Leben erheblich umfangreicher gewesen, da bereits 5 Tage seit 
dem Tod vergangen waren. 

Die mikroskopische Untersuchung zeigte im Zäpfchen, dass die 
unter dem Epithel gelegene Gewebsschioht auseinandergedrängt und 
teilweise mit blassem kernlosen Exsudat angefüllt war. In der aryepi¬ 
glottischen Falte war das Epithel unversehrt, das submuköse Gewebe 
war gleichfalls auseinandergedrängt und zeigte eine Anzahl Rundzellen- 
hänfungen neben kernlosem Exsudat. Rundsellenanhäufungen fanden 
sich auch unter der Sohleimhaut der Luftröhre. Die Lungenalveolen waren 
sämtlich lufthaltig. 

Es hatte eine eitrige Infiltration des submukösen Larynxgewebes 
und der Trachea mit Oedem des Keblkopfeingangs und des Pharynx 
bestanden, die den plötzlichen Tod durch Erstickung bei dem vorher 
anseheinend gesunden Manne erklären konnte. Bei dem Fehlen 
jeden anderen Entsündungsprozesses ist die Erkrankung als ein 


primäres Larynxerysipel anznsehen. Das Zusammentreffen der 
Erkrankung mit dem zuerst als Todesursache angeschuldigten 
Genuss von Boonekamp dürfte nur ein zufälliges Ereignis dar¬ 
stellen. Das Larynxödem muss zunächst keine starken Be¬ 
schwerden gemacht haben, so dass W. seine Tätigkeit noch aus¬ 
üben korfnte, und dann plötzlich eine lebensgefährliche Aus¬ 
dehnung angenommen und den Tod verursacht haben. 


Aus einem Feldlazarett. 

Ueber die Beziehungen der Milzbrandsepsis 
zur Laktation. 

Von 

Dr. E. Vogt, Stabsarzt d. L. 

Darf eine Mutter mit Milzbrandsepsis ihr Kind stillen? Die 
Entscheidung dieser Frage hatte ich vor einiger Zeit zu treffen. 
Bevor ich auf ihre Beantwortung näher eingehe, möchte ich die 
Krankengeschichte kurz mitteilen: 

Anamnese: 82jährige Frau eines Russen, früher stets gesund, 
Eltern, Geschwister und 7 Rinder leben und sind gesund. Die letzte 
Entbindung war vor 5 Monaten. 

Am 13. 7. 18 half die Patientin bei der Schlaohtung einer mils¬ 
brandkranken Kuh und verletzte sich dabei am 4. Finger der linken 
Hand. Schon am Abend trat hohes lieber auf. Die ganze linke Hand 
schwoll an unter heftigen Schmerzen. In den nächsten Tagen ver¬ 
schlimmerte sich der Zustand immer mehr. Die Schwellung des linken 
Armes nahm mächtig zu, so dass Patientin am 18. 7. unsere Behand¬ 
lung aufsuchte. 

Sie klagte über grosse Hinfälligkeit und Schmerzen im linken Arm. 
Daneben bestand Kopfschmerz. Appetitlosigkeit und Schlaflosigkeit. 

Befund: 89.8, Puls 126. Die Frau ist auffallend kräftig ent¬ 
wickelt und befindet sich in gutem Ernährungszustand. Die Hautfarbe 
ist blass, die Lippen sind trocken, rissig, die Zunge ist stark belegt. 
Herztöne sind rein, die Milz ist deutlich vergrössert. Im Urin sind 
Spuren von Eiweiss ohne Nierenelemente. 

Die Hauptwunde befindet sich an der Beugeseite des 4. linken 
Fingers über dem Endgliede. Sie ist längs gestellt, 4 om lang, 0,5 om 
breit und reiobt fast bis zur Fingerkuppe. Die Wunde geht ziemlich 
tief, ist mit Eiter und einer missfarbenen Borke bedeckt. Die Umgebung 
der Wunde ist geschwollen, hochrot und sehr druckschmerzbaft. Die 
zweite Wunde sitzt an der Beugefläohe des Mittelgliedes des linken 
Zeigefingers. Diese Wunde erscheint schon etwas älter und sondert 
graugelben Eiter ab. 

Dicht über dem Handgelenk liegt eine Pustel, an der Bengefläche 
über dem Ulnaköpfchen. Das Zentrum der Pustel ist dellenartig ein¬ 
gesunken, der Rand ist erhaben und mit Bläschen besetzt. Der Inhalt 
der knapp steoknadelkopfgrossen Bläschen ist hämorrhagisoh. Hier 
bandelt es sich um eine typische Metastase. 

An der rechten Hand sind vier Affektionen lokalisiert. Ueber dem 
Radiusköpfoben an der Streckseite des Daumens liegt eine Pustel mit 
Bläsohenbilgung. fünfpfennigstückgross. 

Ueber dem Endeelenk des linken Zeigefingers verläuft an der Beuge¬ 
seite eine oberflächliche Risswunde. Ueber das Grundglied desselben 
Fingers zieht quer eine tiefe, verschmierte Weichteilwunde. Die Haut 
der Grundphalanx des Mittelfingers ist an der Beugeseite in der Längs¬ 
richtung oberflächlich eingerissen. Die Verletzung sieht sohon älter aus. 

Im Cblorätbylrausch werden sofort die Wunden breit im gesunden 
ausgeschnitten und tief mit reiner Kalilauge versohorft. Die Wunden 
selbst danach die ganze Hand, Unterarme und Oberarme, werden mit 
essigsaurer Tonerde feucht eiugepackt. Am linken Arm besteht sohon 
eine schwere Lymphangitis und Lymphadenitis. Beide Arme werden 
hoohgelagert. Ausserdem erhält Patientin Koffein, Suprarenin, Digitalis 
und kleine Mengen Alkohol. 

Am 20. 7. hat sich das Allgemeinbefinden eher etwas verschlechtert, 
38,5. 120. Die Lymphstränge am linken Arm sind bandartige, rote 
Streifen. Es wird Blut zur bakteriologischen Untersuchung entnommen. 
Der feuohte Verband wird gewechselt. Am 22. 7. ist eine geringe Besse¬ 
rung eingetreten. 38,4. 120. Die Zunge ist nooh belegt Starke sep¬ 
tische Durchfälle haben sich eingestellt. Die Entzündung der Lymph- 
gefässe und Lymphdrüsen des linken Armes ist im Rückgang. Die 
Wunden sind trocken bis auf die Hauptwnnde am linken vierten Finger. 
Hier quillt unter dem schwarzen Schorfe Eiter hervor. In diesem Eiter 
werden Milzbrandbazillen einwandsfrei nachgewiesen. Die Stäbchen sind 
dick, kurz und ungefähr so lang wie der Durchmesser eines roten Blut¬ 
körperchen. In mehreren Bluttrockenpräparaten gelingt der Nachweis 
von Bazillen nicht. 24. 7. 36 6. 80. Die Zunge ist noch wenig belegt, 
die Durchfälle haben aufgebört. Die Wanden werden mit Borsalbe ver¬ 
bunden. 28. 7. Das Allgemeinbefinden hat sich weiter gebessert, die 
Milz ist nioht mehr fühlbar. Auf dem Rüoken der linken Hand ent¬ 
wickelt sich ein kleines Bläsehen mit blutig wässerigem lohalt. Die 
Aohseldrüsen links sind in Gänseeigrösse geschwollen und werden mit 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


grauer Salbe behandelt. 30. 7.. Die Zunge ist jetzt frei. Es besteht 
nooh Kopfschmerz und grosse Mattigkeit. Auoh auf dem rechten Hand- 
rüoken wird ein frisches linsengrosses Bläschen mit saDguiuolentem 
Inhalte festgestellt. Am 4. 8., die Wunden heilen gut. Die Lymph¬ 
adenitis in der liDken Achselhöhle ist noch sehr schmerzhaft, macht jede 
Bewegung unmöglich. Am 15. 8., die Wunden sind alle geheilt, die 
Achseldrösen links sind kaum mehr fühlbar. Am 28. 8., an der Haupt¬ 
wunde wird ein steoknadeIkopfgrosser Abszess eröffnet. Die Patientin 
hat sich völlig erholt, so dass sie sobon wieder bei der Ernte den ganzen 
Tag mitarbeiten kann. Die Acbseldrüsen links sind noch deutlich fühl¬ 
bar und auf Druok etwas sobmerzbaft. 

An der Diagnose des Milzbrandes mit nachfolgender Milz¬ 
brandsepsis ist kein Zweifel. Das klinische Bild war typisch. 
Milzbrandbazillen wurden in der Wände mit Sicherheit nach- 
gewiesen. Die Blutuntersucbnng freilich fiel negativ aus, doch 
liegt das daran, dass das Blut über zwei Tage unterwegs war, 
bis die Untersuchung vorgenommen werden konnte. Die Verän¬ 
derungen an der Haut waren charakteristisch. Als Hauptimpf¬ 
stelle ist die Verletzung am linken vierten Finger zu betrachten. 
Hier fand die primäre Infektion statt. Die Patientin zog sich 
diese Wunde bei der Schlachtung selbst zu, beachtete sie aber 
wenig, da sie kaum blutete. Damit wird nur die Erfahrungs¬ 
tatsache bestätigt, dass Wunden, welche nicht bluten, besonders 
gefährlich sind. Sie werden viel häufiger mit Milzbrand infiziert, 
als stark blutende Verletzungen, eine Anschauung, welche bekannt¬ 
lich in der Volksmedizin eine grosse Rolle spielt. An einigen 
Randstellen dieser Hauptwunde war der schwarze Schorf abgehoben, 
so dass Eiter hervorquoll. Die dem Schorfe benachbarten Ge- 
websschichten waren sulzig hämorrhagisch infiltriert. Die nekro¬ 
tische Zerstörung ging ziemlich tief. Die Exsudatbildung war 
sehr ausgesprochen. Der ganze Finger war ödematös, druck¬ 
schmerzhaft, die Faltenbildung war ausgeglichen. 

Ganz ähnlich verhielten sich die übrigen Wunden. Die 
metastatischen Milxbrandka-bunkel zeigten typischen Befund. In der 
Umgebung war die Haut gerötet und ödematös. Das Zentrum 
war dellenartig eingesunken, von einem schwarzen trockenen 
Schorfe bedeckt, umsäumt von einem wallartig aufgeworfenen 
höckerigen Rande. Auf diesem rötlichen Wulste standen in regel¬ 
mässiger Kreisform eine ganze Reihe kleinster Bläschen. Der 
schlaffe Inhalt der Bläschen sah braunrot oder bläulich aus. An 
einigen Bläschen fehlte die Deckschicht. Hier erschien die Cutis 
dunkelrot. An dem Karbunkel über dem linken Handgelenk war 
ein zweiter Kreis kleinster Bläschen in der Entwicklung begriffen, 
das Bild der Auröole vesiculaire von Chaussier. Diese Milzbrand¬ 
karbunkel muss man als Metastasen auffassen, weil sie erst tage¬ 
lang nach der Infektion an ursprünglich intakten Hautstellen 
auftraten. 

Das Bild der Milzbrandsepsis war klinisch scharf ausgeprägt. 
Im allgemeinen ist der Mensch relativ wenig empfänglich für 
Allgemeininfektion, besonders im Anschluss an Hautmilzbrand. 
Häufiger schon beobachtet man eine Milzbrandsepsis infolge In 
fektion des Magendarrakauals oder der Lunge. Begünstigend für 
das Zustandekommen einer Allgemeininfektion wirkte in unserem 
Fall die Multiplizität der Eingangspforten. Ob die schweren 
Durchfälle durch Magen- oder Darmulzera, wie sie zum patholo¬ 
gisch-anatomischen Bilde der Milzbrandsepsis gehören, verursacht 
waren, lasse ich dahingestellt. 

Noch ein Wort zur Therapie der Milzbrandsepsis, bei der die 
einen aktiv, die anderen konservativ Vorgehen. Trotz der Schwere 
der Erkrankung entschloss ich mich zu einer operativen Behand¬ 
lung, besonders von der Ueberlegung ausgehend, dass die Milz- 
brandbazillen ausgesprochene Gewebsparasiten sind und meistens 
nicht oder dann erst nach einiger Zeit ins Blut Vordringen. Darum 
bezeichnet ja auch König in seinem Lehrbuch der allgemeinen 
Chirurgie die konservative Behandlung als unzulänglich gegen¬ 
über einer Infektion, die nachweisbar Stunden und Tage lang 
lokal bleibt, um sich dann erst in ganz unberechenbarem Grade 
dem Gesamtorganismus mitzuteilen. Diesen Anschauungen Königs 
schlossen sich noch Hüter, Bollinger, Tillroann, Garrö, 
Lejars und Barlach an. 

Ueber die Beziehungen der Milzbrandsepsis zur Laktation ist 
so gut wie nichts bekannt, besonders über die Frage, ob und 
wieweit das Kind beim Stillen durch die Infektion der Mutter 
beeinflusst werden kann. Dass die Bakterien selbst bei der 
Bakteriämie der Mutter auf das Kind übergehen, ist durchaus 
unwahrscheinlich. Eine lokale Erkrankung der Brustdrüsen lag 
nicht vor. Wenn die Brustdrüsen freilich durch Blutergüsse oder 
met&statische Abszesse zerstört sind, nur dann könnten der Milch 
auch Bakterien beigemischt werden. 


Viel schwieriger liegt die Frage des Uebergangs von Milz¬ 
brandtoxinen oder Antitoxinen von der Mutter mit der Milch anf 
das Kind. Die experimentellen Untersuchungen von Sobern- 
heim 1 ), Sclavo und Marchoud haben den Nachweis erbracht, 
dass man durch Injektion abgeschwächter Kulturen Tiere aktiv 
gegen Milzbraed immunisieren kann. Im Serum dieser immuni¬ 
sierten Tiere fand man spezifische Antitoxine. Diese Versuche 
führten zur Behandlung des Milzbrands in der Veterinärmedizin 
mit Milzbrandserum. Schliesslich übertrug man die Serumtherapie 
auch auf den Menschen unter Verwendung des von Sobern- 
heim hergestellten Serums. Wilms und Läwen hatten damit 
gute Erfolge, so dass sich Kölsch 2 ) veranlasst sab, besonders 
auf die Serumtherapie biuzuweisen. Ueber den Uebergang von 
Toxinen überhaupt m die Milch wissen wir noch wenig Wenn 
auch Ehrlich annabm, dass die Schutsstoffe mit der Milch auf 
den Säugling übergehen, so lehnte Römer 8 ) diese Möglichkeit 
ab und Thiemich betont, dass bisher nur der Uebergang von 
medikamentösen Giften einwandsfrei nach gewiesen ist. 

Dies waren die Ueberlegungen, welche mich veranlassten, 
das Kind nicht von der Brust abzusetzen. Der Erfolg sprach für 
die Richtigkeit dieser Maassnahme. Die Mutter genas und beim 
Kind traten nicht die geringsten Krankheitserscheinungen auf. 

Der mitgeteilte Fall ist nach der mir zugänglichen Literatur 
die erste Beobachtung einer Milzbrandseps's bei einer Stillenden. 
Er lehrt, dass MilzbrancLepsis an und für sich keine Gegen¬ 
indikation für das Stillen bildet, natürlich unter der Voraussetzung, 
dass der Allgemeinzustand durch die Schwere der Infektion nicht 
zu sehr geschädigt wird. 


Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Berlin 
(Direktor: Geh. Med.-Hat Professor l)r. Bier). 

Zur blutstillenden Wirkung des Bergel’schen 
Fibrins. 

Von 

Dr. Willy Hefmann, 

jetzt in Frankfurt a. M. 

ln Nr. 18 des Zentralblattes für Chirurgie, 1917 empfahl Momburg 
das Bergel’scbe Fibrin in Substanz als lokales Blutstillungsmittel. Er 
verwandte es bei einer unstillbaren Blutung nach der Operation eines 
Kavernoms am Kopfe, ausserdem bei parenobymatosen Blutungen der 
Lebejr, jedesmal mit gleich gutem Ergebnis, leb hatte Gelegenheit, das¬ 
selbe Mittel neulich bei einer inzidierten Sehnenscheidenphlegmone des 
rechten Zeigefingers, bei der es sich offenbar um Hämophilie handelte, 
ebenfalls mit bestem Erfolge zu erproben, und möobte daher den Fall 
in aller Kürze hier schildern: 

Es handelte sich um einen 4ljährigen Maurer, der schon immer bei 
kleinen Verletzungen, wie beim Rasieren oder einem kleinen Sohnitt in 
'den Finger stark geblutet hat. Io der Familie ist nichts von Blutern 
bekannt. 

Seit 3 Wochen Schmerzen und Schwellung am rechten Zeigefioger. 
Angeblich sind diese Erscheinungen unmittelbar nach einem Grippe- 
anfall aufgetreten. Der Arzt verordnete kalte Umschläge, später heisse 
Bäder. 8 Tage später wurde eine Inzision an dem Finger angelegt, aus 
der sich viel Eiter entleerte. Am 7. 12. bemerkte Patient, dass der 
Finger stark blutete. Er ging zum Arzt, der die Blutung durch 
Tamponade stillte. Am 8. 12. trat jedoch die Blutung von neuem auf. 
Patient wurde io der Poliklinik tamponiert und sodann in die Klinik 
aufgenommen. Temperatur 39,2. 

Der Arm wird zunächst im Suspension verbunden. Da die Blutung 
zurzeit stebt und der Verband nur wenig durchtränkt ist, wird dieser 
zunächst nicht gewechselt. 10. 12. Temperatur gefallen. Patfent be¬ 
kommt heute plötzlich wieder eine neue starke Blutung. Der Verband 
wird sofort abgenommen und im Aetherrausch die Wunde auseinander¬ 
gehalten. Es handelt sich um eine Inzision über der 1. und 2. Phalanx 
des rechten Zeigefingers, aus der nekrotische Sehnenfetzen berausragen. 
In der Wunde viele Blutkoagula, nach deren Ausräumung man mehrere 
Gefässe spritzen sieht. Es wird nun versucht, diese zu fassen, trotzdem 
blutet es immer wieder von neuem. Da ein Getäss mehr zeDtralwärts 
zu liegen scheint, wird die Inzision erweitert, so dass ein grosser Teil 
der Sehne freigelegt werden muss. Obwohl noch mehrere Gefässe gefasst 
waren, gelingt es nicht, die immer stärker werdende diffuse Blutung von 
hellrotem, dünnflüssigem Blut zu stillen. Es hat sich in wenigen 
Minuten aus der relativ kleinen Wunde eine grosse Blutlache auf dem 

. 1) Sobernheim, D.m.W., 1904. 

2) Kölsob, M.m.W., 1910. 

3) Römer u. ff., Pfaundler, Handbuch der Geburtshilfe von 
Döderlein. 


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Boden des Operationssaales gebildet. Ieh schüttete nunmehr den Inhalt 
einer Ampulle von 0,3 Bergehohem Fibrin in Substanz in die Wunde 
hinein und drückte das Pulver mit dem Griff einer Pinzette in die Tiefe 
und an die Ränder an. Der Erfolg war überraschend, die Blutung stand 
prompt in kürzester Zeit. Die Wunde wurde darauf noch tamponiert 
und ein Kompressionsverband angelegt. Der Verband blieb 5 Tage 
liegen, da sich keinerlei Beschwerden und auch keine Temperatur- 
Steigerung einstellten. 

Beim nächsten Verbandwechsel — die Wunde hatte inzwischen 
stark zu eitern begonnen — trat wieder eine parenchymatöse Blutung 
auf. Auch diese wurde in derselben Weise zum Stillstand gebracht. 
Der übrige Heilverlauf war normal. 

loh mache noch darauf aufmerksam, dass man zur Verhütung des 
Fortsohwemmens des Fibrins dieses naoh dem Aufschütten gut andrüoken 
muss. Ich glaube, wie Momburg, auf Grund des eben geschilderten 
Falles das Fibrin als lokales Blutstillungsmittel durohaus empfehlen 
zu können. ' 


Absichtlich erzeugte Terpentinphlegmone. 

Von 

Marinestabsarzt d. S. Dr. Rener. 

Ein 26 jähriger Mann gibt bei der Aufnahme im Lazarett an, vor 
einem halben Jahre durch Granatsplitter am Unterschenkel verwundet 
und nur 2 Tage im Revier behandelt worden zu sein. Ia letzter Zeit 
will er nach längeren Märschen Schmerzen in der Gegend der Verletzung 
gehabt haben. Vor 8 Tagen sollen Knie und Unterschenkel an gasch wollen 
sein. Befund: Reiohlich die obere Hälfte des Unterschenkels ist stark 
geschwollen, besonders hinten, und dort mehr teigig. Rötung der Haut 
hauptsächlich hinten. Druckempfindliohkeit im Bereich der Schwellung. 
Nahe am Kniegelenk auf der Beugeseite 2 bläulich gefärbte Stellen; in 
einer derselben sieht man aus einer ganz feinen Hautöffnung einen Tropfen 
klarer gelblicher Flüssigkeit austreten. Etwas naoh aussen davon eine 
1 cm lange quere bläuliohe nicht eingezogene Narbe. Temp. 88,3. Rönt¬ 
genbild o. B. 

Da die Temperatur naohmittags noch steigt, Längssohnitt dort, wo 
der gelbliche Tropfen austrat. Gleich nach Durchtrennen von Haut und 
Unterhautzellgewebe, die keilförmig (Spitze aussen) gelblich infiltriert 
sind, rieoht es auffallend nach Terpentin, was alle Umstehenden bestä¬ 
tigen. Aus dem umgebenden Zellgewebe und auoh der Muskulatur ent¬ 
leert sich bei Druck teils gelbliche Flüssigkeit in geringer Menge, teils 
in eitrigem Zerfall begriffenes Gewebe, beides stark nach Terpentin 
rieohend. Unter der Faszie kein Eiterherd. Dakintampon. Nooh am 
übernächsten Tage entleert sich aus 2 engen Kanälen von unten her 
flüssiger, vom Pat. selbst als nach Terpentin rieohend bezeichneter Eiter. 
Spaltung. Allmähliche Reinigung der Wunde, teilweise Sekundärnaht. 
Weitere Heilung anscheinend durch den Pat. selbst verzögert, so dass 
Gipsverband angelegt wurde. Entlassung naoh 15 Wochen in Revier¬ 
behandlung. 

Der Geruch naoh Terpentin, der mikroskopische Befund (Geh. Rat 
Bibbert) einer intensiven nekrotisierenden eitrigen Entzündung und 
Durchsetzung mit feinsten öligen Tröpfchen, die keilförmige Gestalt des 
Herdes und endlich der Austritt gelblicher Tropfen aus einer feinsten 
kaum sichtbaren Oeffnung der Haut Hessen keinen Zweifel, dass es sioh 
um die Folgen einer Terpentineinspritzung handelte. Trotzdem leugnete 
der Pat. Da Terpentin in der Sanitätsausrüstung der Truppen fehlt, 
war zunächst die Herkunft des Mittels unklar, bis bekannt wurde, dass 
am selben Orte aus einer erbrochenen Pferdearzneikiste ausser anderen 
Mitteln Terpentin und eine Wundspritze, ferner aus einem erbroohenen 
Verbandtornister derselben Formation eioe Pravaispritze und anderes 
entwendet worden war. Ein Teil dieser Saohen wurde bei einem Sani¬ 
tätsgefreiten der Formation des Patienten gefunden. Auoh bei den 
späteren gerichtlichen Verhandlungen blieb Patient beim Leugnen, was 
ihm aber in Anbetracht der erdrückenden Beweise niohts nützte. 


Aus der dermatologischen Abteilung des Charlotten¬ 
burger städtischen Krankenhauses (leitender Arzt: 

Prof. C. Bruhns). 

Ueber Konservierung und Versendung von 
spirochätenhaltigem Reizserum in Kapillar¬ 
röhrchen zwecks Frühdiagnose der Lues. 

Von 

Dr. Paal Lüweiberg, Hilfsassistenzarzt. 

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre in der Syphilis¬ 
therapie herrscht weitgehendste Uebereinstimmung darüber, dass 
die ganz frühseitige Diagnose des syphilitischen Primäraffektes 
und die Abortivbehandlung möglichst noch vor Eintritt positiver 


Wassermann’scher Reaktion für den Erkrankten von entscheidender 
Wichtigkeit und Tragweite ist. Die Diagnose muss sich auf den 
Nachweis der Spirocbaeta pallida im Reizserum der auf Primär¬ 
affekt verdächtigen Effloreszenz gründen. Trotz der zahlreichen 
Färbemethoden ist hierfür unbestritten die Untersuchung im Dunkel- 
feld die Methode der Wahl. Selbst wenn man beim Burri’schen 
Tascheverfahren einen tadellos glatten Ausstrich erzielt hat, wird 
man die Spirochäten nur ziemlich schwer finden können, sofern 
sie nicht in grosser Anzahl vorhanden, auch ist die Unterscheidung 
zwischen Spirochaeta pallida and Spirocbaeta refringens vielfach 
wesentlich schwerer zu treffen als im Dankeifeld. Auch die 
Fontana’sche Yersilberungsmethode konnte uns keine besseren 
Resultate bringen als das Burriverfahren. Das Dunkelfeld, einen 
ziemlich kostspieligen Apparat, können sich nur die wenigsten 
Aerzte «schaffen, sicherlich gehört auch für die Entscheidung 
einer so ungemein wichtigen Frage, ob Syphilis vorliegt oder 
nicht, ganz besondere Uebung und Sachkenntnis im Erkennen 
von Spirochäten. Daher die Bestrebungen, Spirochäten haltiges 
Reizserum zu konservieren und bakteriologischen Uutersucbungs- 
anstalten zuzusenden. Von Blaschko, Jadassoho u. a. ist auf 
das Auffangen des Reizserums in Kapillarröhrchen hingewiesen 
worden. Am Material unseres Krankenhauses haben wir syste¬ 
matische Untersuchungen angestellt, ob nnd wie lange sich die 
Spirochaeta pallida im Reizsernm in Kapillarröhrchen erkenn¬ 
bar hält. 

Das spirochätenhaltige Material stammt von 25 Patienten, 11 zeigten 
Primäraffekte (8 männlich, 3 weiblioh), darunter 2 Uioera mixta, und 
14 nässende Genitalpapeln (2 männlich, 12 weiblich). Man muss ver¬ 
suchen, möglichst klares, nur mit wenig Blut tingiertes Reisserum su 
erhalten; zur Arrosion der Oberfläche benutzt man zweckmässig in vor¬ 
sichtiger Weise den Spiroohätenspatel aus Platin oder den scharfen 
Löffel. 

Die von uns verwandten Glaskapillaren haben 1 mm Darohmesser, 
sind 8 cm lang, glatt gesohnitten, die Wandung ist aus dünnem Glas, 
Die trooken sterilisierte Kapillare setzt man senkreoht in das aus dem 
Gewebe ausgetretene Reizserum, dann steigt durch Adhäsion zur Gefass- 
wand das Reizserum im Röhrchen auf, je naoh Menge des vorhandenen 
Serums. Zum Duukelfeldpräparat wird nur 1 cm Flüssigkeitssäule im 
Röhroheu gebraucht. Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, dass 
sioh das mit steriler physiologischer Kochsalzlösung verdünnte Reizserum 
besser hält als unverdünntes. Es wurde nach Möglichkeit von jedem 
die Hallte genommen, es genügte aber oft auch schon Va bis Vs Serum, 
dazu als Rest Kochsalzlösung, welobe man aus einem sterilen Glas- 
sohälchen in das Kapillarröhrchen eiusteigen lässt. N.un wird durch 
Beklopfen der die Kapillare haltenden Hand die 1 cm lange Flüssigkeits¬ 
säule in die Mitte der Kapillare hinuntergebracht, danach die Oeffnungen 
durch Eintauchen in dnreh die Flamme erhitztes Siegellack verschlossen. 
Immer wurden von einer Initialsklerose bzw. Papel mehrere Kapillar¬ 
röhrchen nebeneinander mit Reizaerum gefüllt. Bei der späteren mikro¬ 
skopischen Untersuchung werden die beiden Enden des Röhrchens ab¬ 
gefeilt, dann wird durch Druck des Stempels einer Rekordspritze, die 
durch einen Gummischlaaoh mit dem Kapillarröhrchen in Verbindung 
gesetzt ist, der Tropfen auf einen Objektträger gebracht, darüber kommt 
ein Deckglas, dann herum ein Paraffinabschlnss. 

Die Kapillarröhrchen wurden bei Zimmertemperatur aufbewahrt 
(16—22 °C), vergleichsweise wurden Röhrchen in den Eisschrank (8°C) 
gebracht. 

Nach 24 Stunden sah man io allen Fällen im Dunkelfeld 
absolut charakteristische Pallidae, vor allem schienen es nicht 
weniger Spirochäten zu sein als in dem am Tage zuvor direkt 
abgenommeuen Präparat. 

Nach zweimal 24 Stunden waren in allen Röhrchen Spiro¬ 
chäten in fast unverminderter Zahl vorhanden, nnd diese überall 
sicher als Pallidae zu diagnostizieren. Io einigen Präparaten 
sah man bereits mehrere Spirochäten an- nnd aufeinandergereiht 
liegen, die Windungen noch typisch erhalten, aber Eigenbeweguog 
war nicht mehr vorhanden. Bei zwei Primäraffekten an der 
Oberlippe fanden sich viel Streptokokken im Präparat nnd nur 
wenig unbewegliche Spirochäten, doch waren diese letzteren als 
Pallidae noch diagnostizierbar. 

Nach dreimal 24 Stunden zeigten sich bei einem der Primär¬ 
affekte an der Oberlippe keine Spirochäten mehr, bei dem an¬ 
deren sehr wenige, die schwer als Pallidae noch erkennbar 
waren neben massenhaften Streptokokken. Bei allen anderen 
Präparaten war die überwiegende Mehrzahl der Spirochäten sicher 
als Pallidae diagnostizierbar, wenn auch die Anzahl der an- und 
übereinanderliegenden «nimmt, ebenso andere sich finden, welche 
in quellen beginnen und nicht mehr die typischen scharfen 
Formen zeigen. 

Nach viermal 24 Stunden wurden 11 Röhrchen untersucht. 
In 10 Präparaten waren absolut sicher erkennbare Pallidae noch 

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Nr. 80. 


vorhanden, die Diagnose Lues hätte bei allen ohne jeden Zweifel 
gestellt werden können. Im 11. Präparat, dem bereits erwähnten 
Primäraffekt am Mond, sah man ganz vereinzelt eine Spirochäte 
mit gequollenen atypischen Windungen neben massenhaft Strepto¬ 
kokken. 

Nach fünfmal 24 Ständen wurden 15 Kapillarröhrchen unter¬ 
sucht. In 12 fanden sich noch typische Pallidae, welche die 
Diagnose Lues absolut sicherten, einmal vereinzelt atypische 
Spirochäten, zweimal keine Spirochäten mehr. 

Nach sechsmal 24 Stunden kamen 9 Röhrchen zur Unter¬ 
suchung, davon waren nur in 6 noch sicher erkennbare Pallidae, 
dreimal nur gequollene, unbewegliche Formen mit teilweise 
atypischen Windungen vorhanden. 

Nach sieben-, acht-, neun-, zehnmal 24 Stunden wurden ein¬ 
zelne Röhrchen noch untersucht, in denen man überall Spiro¬ 
chäten fand, meistens für Pallidae nicht mehr absolut typisch, 
doch in jedem einzelnen sah man hier und da eine Spirochäte, 
welche sich in keiner Weise von einer Pallida in einem frisch 
abgenommenen Präparat unterschied. 

Bei einer Temperatur von 8° C. hielten sich die Spirochäten 
in Röhrchen mindestens genau so gut wie bei Zimmertemperatur, 
besonders blieb die Form der Pallidae typischer erhalten. Bei 
Zimmertemperatur schien die Anzahl der Spirochäten grösser zu 
sein, aber auch die Zahl der Begleitbakterien. Die mit dem 
Reizserum in das Kapillarröhrchen hineingebrachten Bakterien 
schienen nur bei den 2 Primäraffekten am Hunde zu bewirken, 
dass die Pallidae vorzeitiger zugrunde gingen. 

Aus den angestellten Untersuchungen ergibt sich 
für die Praxis, dass die Spirochaetae pallidae sich in 
Kapillarröhrchen jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle 
mehrere, mindestens 8—4 Tage lang sicher erkennbar 
halten. Innerhalb dieser Zeit wird es so gut wie immer 
möglich sein, das von einem zweifelhaften Ulkus ge¬ 
wonnene Material an eine Untersuchungsanstalt bzw. 
Krankenhausabteilung einzusenden. Die beschriebene 
Methode der Entnahme ist einfach, die bakteriologische Unter¬ 
suchungsanstalt oder noch besser die Apotheken könnteu, ebenso 
wie sie Diphtherie-Abstrichröhrchen vorrätig halten, kleine Be¬ 
hälter mit trocken sterilisierten Kapillarröhrchen und kleinen 
Ampullen steriler physiologischer Kochsalzlösung sowie mit Ge¬ 
brauchsanweisung zu jeweiliger Entnahme bereit halten. 

Die mikroskopische Untersuchung im Duokelfeld muss 
natürlich durch einen sehr geübten, absolut sicheren Spirochäten¬ 
kenner geschehen. Bei allgemeiner Einführung dieses Verfahrens 
würden sicherlich eine erheblich grössere Zahl von Kranken, die 
beute zu spät zur Behandlung kommen, weil sie nicht immer 
gleich in der Lage sind, einen geübten und sachkundigen 
Spezialisten aufzusuchen, sofort bei erst aufgetretenem Primär¬ 
affekt einer abortiven Behandlung und damit einer sichereren, 
dauernden Heilung ihrer Syphilis zugeführt werden können. 

Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass wir mit einer anderen 
Konservierungsmethode, bei welcher man das erhaltene Reiz¬ 
serum auf dem Objektträger eintrocknen lässt und es dann vor 
der Untersuchung im Dunkelfeld in physiologischer Kochsalz¬ 
lösung wieder verflüssigt, keine für die Praxis zuverlässigen 
Resultate erzielten. Es liessen sich zwar nach 24 Stunden und 
später noch öfters Spirochäten nachweisen, sie waren aber nicht 
mehr absolut sicher als Spirochaetae pallidae anznsprechen. 


Ein Fall von Abnabelung und Expression der 
Plazenta 17 Stunden nach der Entbindung. 

Von 

San.-Rat Dr. Leo Silberstein-Berlin-Schöneberg. 

In einer Veröffentlichung der Berliner klin. Wochensohr., 1919, Nr. IS, 
zur Indikationsstellung für die manuelle Plazentarlösung bei Placenta 
adhaesiva wirft W. Liepmann die Frage auf: «Wie lange soll der Ge¬ 
burtshelfer in solchen Fällen ohne Blutung warten“? Ich folge seinem 
Ruf, jeden Fall verspäteter Lösung der Plazenta zu publizieren, indem 
ich eines Falls Erwähnung tue, den ich als Kommandanturarzt eines 
französischen Städtohens erlebte. In ein benachbartes Dorf gerufen, 
finde ich Naohmittag 4 Uhr eine im Bett liegende Frau vor, die am 
Abend vorher um 11 Uhr ein Kind geboren hat, das zwischen ihren 
Beinen an der pulslosen, vertrookneten Nabelschnur zappelt; die Pla¬ 
zenta liegt im brettharten, kugelförmigen Uterus, Blutspur ist nioht 
vorhanden. Nach Abnabelung genügt ein kräftiger Druck auf den Uterus, 


um die Plazenta ohne jegliohen Blutverlust herauszupressen, also 17 Stun¬ 
den nach erfolgter Geburt. 

In diesem Ort war keine Hebamme, aushilfsweise übte eine über 
80 jährige Frau diesen Beruf aus. Die Entbindungen gingen meist glatt 
von statten; wenn jedoch die Nachgeburt nioht von selbst folgte, wurde 
ioh — und das gesohah häufig — gerufen. Hier werden wohl oft 
mehrere Stunden vergangen sein, ehe man mioh rief. In allen Fällen 
gelang es, die Expression ohne Blutverlust und ohne Nachblutung duroh- 
zuführen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass, wenn nicht besondere 
Indikation vorhanden, ein längeres Abwarten, als man bisher gewöhnlich 
annahm, dem Wohle der Wöchnerin dienlich ist. Die Dauerkontraktion, 
die alsdann eingetreten ist, schützt gegen die bei zu früher manueller 
JSxpression so häufig auftretende Nachblutung, die neben der Gefahr 
der akuten Verblutung auch die Schäden der Anämie nach sich zieht. 
Es wird sich wohl um einen derartigen Fall gehandelt haben, zu dem 
ioh in einer anderen Ortschaft einst nachts in ein Dorf gerufen wurde, 
wo ich bei einer blühenden jungen Erstgebärenden nach eben statt¬ 
gehabter Entbindung und bereits ausgetretener (oder herausbeförderter?) 
Nachgeburt den Verblutungstod feststellen konnte. 

Als ich ein anderes Mal zu einer Entbindung in ein Dorf gerufen 
wurde, wurde ioh vor die Frage gestellt, in einem von Unsauberkeit 
starrenden ärmlichen Zimmer wegen Aussetzens der Wehen die Zange 
anzulegen. Kurz entschlossen nahm ich die Frau in das Auto, das 
mir für den eiligen Besuch zur Verfügung gestellt wurde, und braohte 
sie in das von mir geleitete französische Hospiz. Daselbst angelangt 
brachte der mioh begleitende kräftige Kollege auf seinen Armen die 
Frau tragend 2 Treppen hoch; die Wehen wurden bereits wahrend der 
Autofahrt lebhafter und in 20 Minuten war das Kind da. 

Neben der Feststellung, dass die Autofahrt wehenanregend gewirkt 
hat, erwähne ich den Fall, um zu beleuohteD, wie — «Wir Barbaren“ — 
die deutschen Aerzte für die französische Bevölkerung im besetzten Ge¬ 
biet gesorgt haben. Wird wohl jemals jemand von dort sich in der 
Oeffentliobkeit aufstellen und mit Dank der Fürsorge gedenken, die wir 
Aerzte der feindlichen Zivilbevölkerung angedeihen liessen. 

Ioh habe in einer Broschüre die Anklage gelesen, die einst Clemen- 
eeau gegen den Kriegsminister Andre wegen der bei der Typhusendemio 
im Kasernement von Rouen daselbst herrschenden unhygienischen Ver¬ 
hältnisse in der Kammer erhoben bat. Damals rief ein gräflicher Depu¬ 
tierter dazwischen: «So etwas ist in Deutschland nicht möglich.“ Wann 
werden sich wieder bei unsern Feinden Stimmen erheben, die die 
wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen Deutschlands in gerechter 
Weise würdigen? _ 


Heber den Einfluss der Essigsäure auf die 
Benzidinreaktion. 

Von 

Dr. Ebb« Schlesinger und Jtlits Gattier-Berlin. 

Es gibt zahlreiche Substanzen, welche zum katalytischen 
Nachweis geringer Blutmengen dienen. Für den Nachweis ok¬ 
kulter Blutmengen in den Fäzes haben sich in erster Reihe Gua- 
jakharc, Benzidin und Tbymolphthalein bewährt 1 ). Mit Recht geht 
beute auch im klinischen Laboratorium das Streben dahin, über¬ 
all, wenn irgend möglich, nur chemisch genau bekannte Stoffe 
in reiner Substanz zu verwenden. Nur so erscheint es aussichts¬ 
reich, immer unter den gleichen Bedingungen zu arbeiten, die 
Fehlerquellen richtig zu erkennen und auszuschaiten und den 
wahren Wert einer Methode richtiger einzuschätzen. 

Der Nachweis okkulter Blutungen mit Guajakharz bat zweifel¬ 
los zahlreiche Vorzüge. Da diese Substanz aber ein Gemisch 
vieler noch unbekannter Körper ist, welche sich nnr schwer 
isolieren lassen, so erscheint es vorteilhaft, chemisch genau cha¬ 
rakterisierten Substanzen, wie z. B. dem Benzidin, die grössere 
Aufmerksamkeit zuzuweuden. 

Die Benzidinreaktion, die im Jahre 1906 von Schlesinger- 
Holst in der Strauss’schen Poliklinik in die Praxis eingeführt 
wurde, hat von den katalytischen Reaktionen in den letzten 
Jahren am meisten an Boden gewonnen. Wenn sie verhältnis¬ 
mässig lange am ihre Anerkennung za kämpfen hatte, so liegt 
das im wesentlichen daran, dass von autoritativer Seite Bedenken 
gegen ihre Zuverlässigkeit erhoben worden. Schlesinger hat 
wiederholt Gelegenheit genommen, die Haltlosigkeit dieser Be¬ 
anstandungen nachseweisen 2 ) 8 ). 

1) Boas, Bewertung und Kritik der katalytischen Reaktionen für 
den Nachweis okkulter Blutungen. Aroh. f. Ver dauungs krank! August 
1917, H. 4. 

2) Schlesinger u. Jagielski, Ueber die klinische Brauchbarkeit 
der üblichen ohemischen Blutproben an den Fäzes. Med. Klin., 1913, 
Nr. 11. 

3) Emmo‘ Schlesinger, Der diagnostische Wert des okkulten Blut- 
n ach weises in den Fäzes. D.m.W., 1918, Nr. 12. 


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Schon im Jahre 1907 erwähnt Schümm 1 ), dass die Benzidin- 
reaktion besonders in der für die Praxis wichtigen Ausführung 
von Schlesinger-Holst nicht gleichmässig aasfällt, and in vielen 
Fällen man im Zweifel sein kann, ob die Probe als positiv oder 
negativ za bezeichnen ist, weil nämlich nur die in der Flüssig¬ 
keit suspendierten festen Partikel blau oder blaugrün gefärbt 
sind, nicht aber die Zwischenflüssigkeit. Boas zitiert 1917 2 3 ) diesen 
Schumm’schen Einwand and schliesst sich ihm vollinhaltlich an. 

Die ausgezeichnete Arbeit von Gregersen s ) veranlasst ans, 
schon jetzt mit dieser Veröffentlichung hervorzutreten, da unsere 
Arbeiten sich in derselben Richtung bewegen. 

Wir haben gleich Gregersen feststellen können, dass die 
Empfindlichkeit der Benzidinreaktion eine Funktion ist der Kon¬ 
zentration des Benzidin in der Essigsäure. Wir sind ebenfalls 
der Ansicht, dass hierin eine Erklärung zu soeben ist für die 
auffallend aaseinandergehenden Meinungen verschiedener Autoren. 
Während wir ans in dieseu Dingen Gregersen anschliessen, be¬ 
halten wir ans aher vor, in bezug auf die klinische Nutzanwendung 
dieser Beobachtung Stellung zu nehmen. Um Klarheit zu erhalten 
über die verschiedenen Einwände, welche gegen das Benzidin 
erhoben wurden, sind wir in unseren Untersuchungen über das 
Wesen der Benzidinreaktion nämlich noch weiter gegangen. Wir 
wollen hier einige unserer Versuche über den Einfluss der Essig¬ 
säure mitteilen, ohne aaf die feineren Unterschiede bei den ein¬ 
zelnen Konzentrationen einzugehen, was wir uns für eine spätere 
Veröffentlichung Vorbehalten. 

Die Versuche werden gleichzeitig zeigen, welche Bewandtnis 
es mit den Schamm’schen Beobachtungen hat: 

Man nehme eine konzentrierte Lösung von Benzidin in 
Eisessig und gebe hierzu einige Tropfen einer stark verdünnten 
Lösung von Blot. Setzt man nun Wasserstoffsuperoxyd hinzu, so 
tritt eine tiefblaue Färbung des Gemisches ein, die sehr lange 
bestehen bleibt. Die Färbung wird verursacht durch das Aus- 
» fallen eines blauen Körpers. Diese Sabstanz kann man isolieren, 
wenn man das Ganze filtriert. Sie bleibt auf dem Filter zurück 
und ist getrocknet lange Zeit unverändert haltbar. Das Filtrat 
ist auch blau gefärbt, da anscheinend ein Teil der Substanz in 
kolloidaler Form auftritt und vom Filter daher nicht zurück¬ 
gehalten werden kann. 

Verreibt man den blauen Filterrückstand in Wasser, so er¬ 
hält man eine blaue Suspension. Setzt man hierzu Eisessig, 
so entsteht eine grüne Lösung. 

Verdünnt man das blaue Filtrat mit Essigsäure, so wird es 
intensiv grün. — 

Man verdünne die konzentrierte Lösung von Benzidin mit 
Eisessig und stelle hiermit die Reaktion auf Blut an. Es tritt 
sofort eine grüne Färbung auf, welche unbeständig ist und nach 
wenigen Minuten in rot übergeht. 

Man verdünne die konzentrierte Benzidinlösung ebenso stark mit 
Wasser. Diese Lösung gibt eine blaue, lange beständige Reaktion. 

Diese Versuche haben uns zu der Auffassung gebracht, dass 
das eigentliche Reaktionsprodukt bei der Benzidinreaktion eine 
blau gefärbte Substanz ist. Ist im Verhältnis zum Benzidin 
wenig Essigsäure zugegen, so fällt sie aus, ist daher weiteren 
Reaktionseinflüssen schwer zugänglich und lange beständig. Ist 
Essigsäure im Ueberschuss zugegen, so löst sie sich mit grüner 
Farbe auf und ist sehr unbeständig. 

Das Auftreten der einen oder anderen Farbe kann daher 
nicht ohne weiteres benutzt werden, um diagnostische Schlüsse 
zu ziehen auf die Stärke einer Blutung. Es spielt hierbei die 
Menge der angewandten Essigsäure mit eine ausschlaggebende Rolle. 
Durch Zusatz von Eisessig wird die blaue Farbe stets grün. 

Die Erscheinung, welche Schümm und Boas beschreiben, 
dass zuweilen nur blaue bis blaugrüne Partikel bei der Blut¬ 
reaktion auftreten, scheint dann einzutreten, wenn wenig Essig¬ 
säure zugegen ist. Es kommt dann zu einem Niederschlag des 
blauen Reaktionsproduktes auf den einzelnen Fäzespartikelchen. 
Durch Zusatz von mehr Essigsäure lässt es sich zeigen, dass die 
Reaktion zweifellos positiv ist, weil dann der blaue Niederschlag 
in Lösung gebt und die Flüssigkeit grün färbt. 

Die von Schümm und Boas gegen die Eindeutigkeit des 
Reaktionsausfalles gemachten Bedenken erscheinen nach diesen 
Versuchen hinfällig. 

1) Schümm, Ueber den Naohweis von Blut in den Fäzes. M.m.W., 
1917, Nr. 6. 

2) Boas, 8. nebenstehende Fassnote 1 auf S. 706. 

3) Gregersen, Aroh. f. Verdauungskrkh., 1919, H. 3. 


Bacherbesprechungen. 

von Jagi5: Die diagnostische Verwertnng des Lenkozytenhlnthildes 
hei Infektionskrankheiten. Wien 1919. 48 S. 

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Blutbefunde mit eigenen 
Erfahrungen, speziell aus der Kriegszeit Die Lehre des Referenten ist 
entsprechend berücksichtigt und anerkannt. 

Die Monozyten werden als degenerierte Myelozyten aufgefasst, die 
Leukopenie durch Hemmung der Bildung und Ausschwemmung (auch 
Insuffizienz des Markes) erklärt, Degenerationsersoheinungen an den 
Kernen und schlechter Färbbarkeit der Granulationen naoh dem Vor¬ 
gänge von anderen Autoren die grösste praktische Wichtigkeit beigelegt. 
Ueber diese Punkte lässt sieb streiten. 

Die Befunde bei den einzelnen Infektionskrankheiten werden in 
kurzer Darstellung angeführt. 

Bei der Typhusleukopenie spreohen nach Ansicht des Referenten 
die angeführten Punkte (Myelozyten, wenn auch spärlicher, Reisungs- 
formen, starke Vermehrung der Unsegmentierten, keine Sohädigung der 
Granulationen, Leukozytoseeintritt bei Komplikationen) gegen die de- 
generative Auffassung des Blutbildes. 

Soweit nioht qualitative Fernstudien (nach Ref.) verwertet werden 
konnten, konnte im übrigen natürlich nur eine Zusammenstellung der 
bekannten und eigenen Gesamt- und Differentialzählresnltate und ihrer 
differentialdiagnostiscben Bedeutung gegeben werden, wobei die alte Ein¬ 
teilung beibehalten wurde, Befunde bei der Grippe sind angefügt und 
decken sich mit den anderweitig erhobenen. Arneth. 


C. Koller: Die Frau im Boraf, inshesoidere Beraf and Schwaiger- 
Schaft, Beruf uud Fraueakraukheitea. Eine sozialbygienisohe Studie. 
Sammlung klin. Vorträge. Neue Folge Nr. 754/57. Gynäkologie 
Nr. 266/69. 

War die Frage, wie weit die Berufsarbeit zu einer Schädigung der 
Frau in ihren speziell fraulichen Anlagen führen kann, schon früher von 
grosser Bedeutung, so ist sie noch viel schwerwiegender und aktuelter 
geworden duroh die enorme Ausdehnung, die die Frauenarbeit im Kriege 
erfahren hat. Die Ausführungen des Verf. sind sehr eingehende, nament¬ 
lich in bezug auf die allgemeinen physiologischen und pathologisohen 
Grundlagen der ganzen Frage; demgegenüber treten die Einzelfragen 
etwas in den Hintergrund. Nach einer kurzen allgemeinen Einleitung 
wird die Frage Beruf und Schwangerschaft in ausführlicher Weise er¬ 
örtert, wobei einerseits der Einfluss der beruflichen Tätigkeit auf den 
Verlauf der Schwangerschaft, andererseits der der letzteren auf die Be- 
rufsausübung besprochen wird. Die gleiche Anordnung ist für die 
Frage „Beruf und Frauenkrankheiten“ durebgeführt. — Sein Urteil fasst 
K. dahin zasammen, dass eine Einschränkung der beruflichen Tätigkeit 
zum mindesten der verheirateten Frau dringend erwünscht ist. 

L. Zuntz. 


R. Kayser: Anleitung zur Diagnose nnd Therapie der Kehlkopf*. 
Nasen- und Ohrenkrankheiten. Berlin 1919, Verlag von S. Karger, 
9. u. 10. Auflage. 

Das vorliegende Büchlein ist aus Vorlesungen, die in Fortbildungs¬ 
kursen für praktische Aerzte gehalten wurden, entstanden. Die immer 
wachsende Beliebtheit, deren es sich zu erfreuen hat, nnd die jetzt die 
9. und 10. Auflage hat notwendig werden lassen, ist vollauf gerecht¬ 
fertigt, denn bei Vermeidung alles Ueberflüssigen bringt es in ausge¬ 
zeichnet klarer und übersichtlicher Weise alles, was für den praktischen 
Arzt auf dem Gebiete für Hals-, Nasen- nnd Ohrenheilkunde notwendig 
iht. Zahlreiche gut gewählte Abbildungen veranschaulichen in trefflicher 
Weise den Text. Neu hinzugekommen ist ein Kapitel über die Kriegs¬ 
verletzungen, welobes dem Nichtfaoharzt auoh auf diesem Gebiete ein 
guter Berater sein wird. A. Kuttner-Berlin. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

H. Pringsheim und A. Magnus- v. Merkatz. Fermentversuehe 
an Zelliloseabbaiprodaktei. (Zschr. f. pbysiol. Cbem., 1919, Bd. 105, 
H. 3u.4, S. 173—178.) Die Stärkedextrine nnd die ihnen nahe verwandten 
Glykogendextrine werden durch die diastatisehen Fermente aus dem ur¬ 
sprünglichen Polysaccharid gebildet und dann weiter bis zur Maltose 
abgebaut. Die Verfasser prüften das Verhalten des Zellulosedextrins gegen¬ 
über der Diastase and fanden, dass das naoh der Methode von Madsen 
über die Azetylierungsprodukte hergestellte Zellalosedextrin duroh Diastase 
nioht gespalten wird. Allerdings gehört dieses zu den Enddextrinen der 
Zellalose, da es eine stärkere reduzierende Kraft als die Anfangsdextrine, 
für die eine Einwirkung darch Diastase angegeben wird, besass. Auoh 
die Frage, ob in den Organen zelluloBeverdauender Tiere Zellobiose 
spaltende Fermente Vorkommen, wurde durch Versuche, die mit der 
Pankreasdrüse des Rindes angestellt worden, geprüft; auch hier war das 
Resultat negativ. Die Spaltung der Zellobiose wird somit allein daroh 
die Zellulosebakterien darobgeführt, welche sich nachweislich im Besitz 
eines Zellobiose spaltenden Fermentes befinden. 

8 * 


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UNIVERSUM OF IOWA 





708 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


H. v. Euler und R. Bllix-Stockholm: Verstärkung der Katalftie- 
wirkugin HefezeUen. (Zschr. f. physiol. Chemie, 1919, Bd. 105, H. 8 u. 4, 
S. 88—114.) Wie daroh Versache von G. Phragmen geieigt worden 
war, ruft frische Hefe eine Spaltung von Terdönntem Wasserstoffsuper¬ 
oxyd hervor, ohne dass ein lösliches Enzym an die umgebende Flüssig¬ 
keit abgegeben wird; diese Spaltung verläuft innerhalb gewisser Grenzen 
als Reaktion erster Ordnung. Durch die vorliegende Untersuchung haben 
sich drei Wege ergeben, auf welchen die katalytische Wirkung der Hefe¬ 
zellen stark erhöht werden kann, ohne dass sie Anhaltspunkte für eine 
Neubildung von Enzym geben. Sohon geringe Mengen eines Zellgiftes 
wie Toluol oder Chloroform steigern die katalytisohe Wirkung der Zellen 
auf das 6 fache des ursprünglichen Wertes. Eine noch stärkere Wirkung 
tritt ein, wenn die Zellen durch einfache Trocknung an der Luft oder 
in anderer Art, welche das Enzym nicht schädigt, entwässert wird; es 
wird dadurch die zehn- bis fünfzehnfache Wirksamkeit erzielt. Eine 
zwanzig- bis dreissigfache Erhöhung des Ausgangswertes wird erreicht, 
wenn Emulsionen frisober Hefe kürzere Zoit auf höhere Temperaturen 
gebracht werden. Die hier beschriebenen Aktivierungen sind nach 
neueren Versuchen nicht auf Hefen beschränkt, sondern treten bei zahl¬ 
reichen anderen Mikroorganismen auf. J. Hirsch. 

Th. Bokorny: Bindung des Foiwiftldehyds durch Eizyne. (Bioohem. 
Zschr., 1919, Bd. 94, H. 1 u. 2, S. 69.) Es wird hier untersuoht, in wie 
weit bei Einwirkung wässeriger Formaldehydlösungen auf Enzyme eine 
Bindung des Formaldehyds stattfindet. Die ti tri metrischen Unter¬ 
suchungen wurden mit Emulsion aDgestellt. Dieses bindet 11,88 pCt 
seines Trockengewichts an Formaldebyd. Verf. hält auch in dieser 
Untersuchung an der Eiweissnatur der Emulsion fest. 

Th. Bokorny: Weitere Beiträge zur organisches Eraähnsg der 
grflsen Pflastern mit Ausblioken auf die Praxis. (Bioohem. Zsohr., 1919, 
Bd. 94, H. 1 u. 2, S. 78.) Topfpflanzen können mit Lösungen von Glyzerin 
oder Methylalkohol ernährt werden. Auch Zucker gibt eine gute Kohlen- 
stoffoahrung ab. Als organische Nährstoffquelle diente auch mit Erfolg 
die entzückerte Sulfitablauge. Benutzt wurde zu den Düngungsversuchen 
eine nach dem Krause-Verfahren hergestellte Trooken-Sulfitlauge. Auch 
der Harn kann in dieser Form zur Harndüngung Verwendung finden. 

J. Feigl-Hamburg-Barmbeck: Beiträge zur Erkenntnis des Niekt- 
proteiistiekstoffs des menschlichen Blutes. Materialien zur allgemeinen 
chemischen Pathologie des Gesamtgebietes. (Bioohem. Zschr., 1919, Bd. 94, 
H. 1 u. 2, S. 84.) Ausführliche Diskussion der in den zahlreichen Unter¬ 
suchungen des Verf. niedergelegten Ergebnisse. 

J. Feigl-Hamburg-Barmbeck: Ueber dasVorkommei Aid die Ver- 

teiliag von Fetten nnd Lipoiden im menschlichen Blute bei toxämisohen 
Krankheitszuständen. (Beobachtungen bei perniziöser Anämie und hämo¬ 
lytischem Ikterus. Chemische Beiträge zur Kenntnis des Lipämiegebietes.) 
(Biochem. Zschr., 1919, Bd. 93, H. 5 u. 6, S. 257.) Die Untersuchung der 
einschlägigen Fälle liess erkennen, dass typische Umstimmungen im 
lipämischen Komplex Vorkommen, die unter Umständen einen diagnosti¬ 
schen und prognostischen Wert haben können. R. Lewin. 

W. St epp-Giessen: Zur Frage des BUtliekers beim menschlichen 
Diabetes. (Zbl. f. inn. Med., 1919, Nr. 24) Zur Klärung der Frage, 
ob man berechtigt sei, anzunehmen, dass in allen Fällen die durch 
Reduktionsmetboden gefundenen Blutzuokerwerte auoh wirklich stets 
nur Zucker anzeigten, oder ob an der Reduktion zuweilen auoh nioht 
zuckerhaltige Verbindungen in grösserem Umfange beteiligt wären, be¬ 
diente sich Verf. des Verfahrens der Bestimmung des Restkohlenstoffs. 
Die erhaltenen Resultate gingen der Zu- oder Abnahme des Blutzuckers 
aber durchaus nicht immer parallel. Die Kontrolle der Reduktionswerte 
durch die Polarisation ergab gleichfalls ziemlich weitgehende Differenzen. 
Eine Erklärung dieses variablen Verhaltens dürfte einerseits in dem 
Vorhandensein von Substanzen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt oder 
stärkerem Reduktionsvermögen als Traubenzuoker, andererseits in der 
Gegenwart von Azetonkörpern im Blut liegen. 

C. Kayser-Berlin-Wilmersdorf. 

Tb. Paul-München: Wesei and ßedeatnag der Brematik, d. h. 
der Lehre von der Zubereitung der Speisen nach wissenschaftlichen und 
wirtschaftliches Grundsätzen. (Biochem. Zsohr., 1919, Bd. 98, H. 5 u. 6, 
S. 864.) Duroh das Wort Bromatik (ßp&tia = Speise) soll zum Aus¬ 
druck gebracht werden, dass es sich um den Inbegriff aller Kenntnisse 
handelt, die notwendig sind, um bei Zubereitung der Speisen aus den 
Lebensmitteln den grösstmöglichsten Nutzen herauszuwirtsohaften. Die 
Bromatik soll vor allem der Volksernährung dienen. Die Ziele der 
Bromatik bestehen darin, die in den Lebensmitteln enthaltenen Nähr¬ 
stoffe möglichst zu erhalten, die Gesohmaoks- und Geruchstoffe möglichst 
zu entwickeln und zu vervollkommnen und die Speisen in einer den 
menschlichen Sinnen wohlgefälligen Form anzurichten. 

K. Spiro-Strassburg i. E.: Zur Lehre von der WirkiAg der Sali©, 

(Biochem. Zschr., 1919, Bd. 98, H. 5 u. 6, S. 884.) Die Ionen haben auoh 
auf solohe Prozesse, an denen sie scheinbar nicht beteiligt sind, eine 
gesetzmässige Einwirkung im Sinne der lyotropen Reihe. Auoh für rein 
chemische Prozesse, wie Reduktion, Oxydation, Katalasewirkung, lässt 
sioh eine gesetzmässige Salzwirkung zeigen. R. Lewin. 

0. Schümm-Hamburg-Eppendorf: Weitere Untersuchungen bei 
Haenatoporphyria congenita. II. Mitteilung. (Zsohr. f. physioi. Chemie, 
1919, Bd. 105, H. 3 u. 4, S. 158—172.) Die tägliche Aussoheidung an 
Rohporphyrin im Harne ;des vorliegenden Falles (Petry) von Haema- 
toporphyria congenita zeigt ähnliche Beträge wie vor 1 und 2 Jahren, 


nur enthielten die Präparate des Robporpbyrin in neuerer Zeit mehr 
Kohlenstoff und weniger Wasserstoff und Stickstoff! Ein hämatinartiger 
Farbstoff war auch in neuerer Zeit im Harn nicht aufzufinden. Die an 
den rein dargestellten Hauptfarbstoffen des vorliegenden Falles duroh- 
geführten Elementaranalysen und Spektralanalysen lassen eine Aende- 
rung in ihrer chemischen Zusammensetzung gegen früher nicht erkennen. 
Ausser den schon früher aufgefundenen pathologischen Farbstoffen 
(Porphyrin und Hämatin) enthält das Blut auch beträchtliche Mengen 
von Bilirubin. Dem spektralanalytisohen Verhalten naoh muss ange¬ 
nommen werden, dass das Blutserum wahrscheinlich Harn-Hämatoporpbyrin 
rein oder mit einer kleinen Menge Kot-Porphyrin gemischt enthält. Nioht 
ganz auszuschliessen ist die Möglichkeit, dass ein unbekanntes vom 
Harn-Hämatoporpbyrin spektroskopisch nioht (erkennbar) verschiedenes 
Porphyrin vorliegt. Die beschriebene chemisch-spektroskopische Probe 
zum Nachweis von Porphyrin im Blutserum bietet eine Handhabe zur 
Schätzung des Porphyringehaltes. J. Hirsch. 

F. Roh mann-Breslau: Ueber die Bilding de* Milekncken in der 
Milchdrüse. (Biochem. Zsohr., 1919, Bd. 93, H. 3 u. 4, S. 236.) Bekannt¬ 
lich wird bei trächtigen Kaninchen unter die Haut gespritzter Rohrzucker 
fermentativ gespalten, wobei aus Dextrose oder Lävulose Milchzucker 
gebildet wird. Es liegt nahe, anzunehmen, dass die entsprechenden 
Fermente aus der Milchdrüse stammen, und Verf. versucht dies experi¬ 
mentell zu bestätigen. Zu den Versuchen benutzte Verf. die Euter von 
milchenden Kühen. In einer Reihe von Fällen Hessen die Extrakte die 
Bildung von d-Glukose erkennen, in anderen Fällen erfolgte mehr oder 
weniger schnell der Uebergang in Lävulose. Die Milchzuckerbildung 
setzte früher oder später ein und zeigte verschiedene Stärke. Die 
Spaltung von Rohrzucker und die Umwandlung von dessen Spaltprodukten 
war mit Sicherheit nachzuweisen. Ueber die Art, wie sich die d-Glukose 
im Extrakt der Milchdrüse bildet, kann Verf. zunächst nur sagen, dass 
es sioh. nicht um eine Glukosidspaltung handelt. Verf. nimmt an, dass 
der vom Blutstrom in die Milohdrüse gelangende Traubenzucker daselbst 
in eine noch unbekannte Zwischensubstanz übergeht, die gewissemaassen 
als Puffer dient und d-Glukose speichert. Unter fermentativem Einfluss 
zerfällt die Substanz unter Bildung von d Glukose. Auf letztere wirken 
in der Milchdrüse Enzyme, die sich aus Zymogenen bilden. 

E. Herzfeld und R. Klinger - Zürich: Chemisohe Studien zur 
Physiologie and Pathologie. VI. Zur Biochemie der Oxydationen (Zell¬ 
atmung, Oxydationsfermente. Theorie der Narkose). (Biochem. Zsohr., 
1919, Bd. 93, H. 5 u. 6, S. 324.) Die Bindung der O-Atome im Saner- 
stoffmolekül kann duroh gewisse Molekülverbindungen desselben aufge- 
lockert werden, wodurch eine Aktivierung des 0 2 gegeben ist. In dieser 
Weise wirkt lockere, chemische Bindung an Wasser oder Metalle in 
Form von Peroxyden, an OH-Ionen sowie an 0* adsorbierenden Ober¬ 
flächen. Ein so gelockerter 0 2 vermag viele organische Stoffe, besonders 
niedere Fettsäuren oder deren Salze ohne weitere Hilfsmittel zu C0 2 und 
H,0 zu verbrennen. In den lebenden Organismen beruhen die Oxyda¬ 
tionen auf der Gegenwart von aktivem 0 2 und leicht oxydablen, niederen 
Stoffwechselprodukten. Besondere Oxydationsfermente nehmen Verff. 
nicht an. — Die Narkose des Nervensystems beruht auf einer Störung 
der physiologischen Potentialdifferenzen durch locker an die Nerven- 
substanz gebundene Stoffe. Gewisse Narkosen beruhen auf einer Säure¬ 
anhäufung in den Geweben, wie bei C0 2 - und N 2 0-Narkose. Diese Säure¬ 
anhäufung spielt auch bei den lipoidlöslichen Narkotika eine Rolle und 
könnte hier mit einer Hemmung der Oxydationsvorgänge in Beziehung 
stehen. Aber die Oxydationshemmung ist kein wesentlicher Faktor für 
die Narkose. Der Gasaustausch in der Lunge ist naoh Verff. kein 
Sekretionsvorgang. Er beruht darauf, dass das Hämoglobin eine grössere 
Affinität zu O s besitzt und daher die CO, duroh O s aus ihren Bindungen 
verdrängt wird. 

E. Herzfeld und R. Klinger-Zürich: Chemisohe Studien zur 
Physiologie lad Pathologie. VII. Die MnskelkoitrahtioA. (Bioohem. 
Zsohr., 1919, Bd. 94, H. 1 u. 2, S. 1—44.) Zur Theorie der Muskel¬ 
kontraktion untersuchten Verff. zunächst die Elastizität. Bei der Gelatine 
kann man die Elastizität auf gewisse deformierbare Mantelzonen um die 
einzelne Teilchen zurückführen, die infolge Wasserbindung eine gewisse 
Flüssigkeitsspannung besitzen und daher die Kugelform zu bewahren 
streben, wenn sie durch äussere Kräfte in die Länge gezogen werdon. 
Die bekannte Verkürzung von Bindegewebsfasern in heissem Wasser, 
bei Einwirkung von Säuren und Alkalien werden durch ähnliche Zonen 
wasserbindender Abbauprodukte verursacht, die den festen Kern der die 
Fasern aufbauenden Eiweissteilchen umgeben. Diese Zonen sind in der 
Faserriohtung lang ausgezogen und darum doppelbreohend. Aehnlioh 
verhalten sioh Bau und Kontraktionsmechanismus in den Fibrillen der 
Muskelfasern. Die Mantelzonen der Fibrilleneiweissteilchen nehmen auoh 
hier Kugelform an. Dies geschieht auch hier durch erhöhte Wa&ser- 
bindung, die bei der physiologischen Kontraktion durch Milchsäure und 
andere niedere Fettsäuren hervorgerufen wird, welche durch den Nerven- 
strom elektrolytisch aus vorhandenen Kohlehydraten abgespalten werden. 
Nach Aufhören dieser Zersetzung werden diese fibrillenaktiven Stoffe 
duroh den im Mantelgewebe vorhandenen, an Lipoid- und anderen Ober¬ 
flächen absorbierten Sauerstoff sofort verbrannt, die Mantelzonen ver¬ 
lieren daher ihre vermehrte Wasserbindung und werden wieder nach¬ 
giebige weite Massen. An diese Theorie knüpfen Verff. Betrachtungen 
über die hydrolytischen und oxydativen Vorgänge, besonders hinsichtlioh 
des Ursprungs der Muskelkraft. Auoh werden die Vorgänge der Er¬ 
nährung, der Wärmebildung, die Beziehungen der Funktion zum Waaser- 


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28. Joli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


709 


gebalt, mm Nervensystem, der Totenstarre usw. erörtert. Die bisher 
angenommenen verschiedenen Muskeleiweisskörper (Myosin, Myogen nsw.) 
sind nicht chemische Individualitäten. Nach Veiff. bedingt vielmehr nur 
der jeweilige physikalisch-chemische Zustand der Teilchen eine bald 
grössere, bald geringere Fällbarkeit, wobei namentlich die Reaktion von 
entscheidendem Einilass ist. > 

E. Baur: Notiz zur Theorie des Mnskelmotorfl. (Bioohem. Zschr. 
1919, Bd. 94, H. 1 u. 2, S. 44.) An Hand eines Schemas, das die 
Quellungsarbeit im Muskel veranschaulichen soll, wird die Stichhaltig¬ 
keit der Theorie von Hersteld und Klinger naohgepruft. 

R. Lewin. 

A. Ewa Id-Heidelberg: Beiträge zur Kenntnis des Kollagens. I. und 
IL (Zschr. f. physiol. Chemie, 1919, Bd. 105, H. 3u.4, S. 115-134 u. 185 
bis 157.) Nach Vorbehandlung mit Osminsäure, Kaliumbichromat und 
Chromsäure wird die Temperaturgrenze, bei der die Bindegewebsfibrillen 
unter Zusammenschnurren in beissem Wasser quellen, wesentlich nach 
oben verschoben. Da9 Verhalten des mit Formol vorbehandelten Kolla¬ 
gens gegen heisses Wasser zeigt jedoch ein ganz anderes und so eigen¬ 
tümliches Verhalten, dass es geradezu als neue Reaktion des Kollagens 
betrachtet werden kann. Formolsehnen schnurren erst bei sehr hoher 
Temperatur (98°) rasch auf ein Drittel der Länge zusammen und dehnen 
sich dann in kaltem Wasser sofort, wie eine zusammengedrückte Spiral¬ 
feder, wieder auf zwei Drittel der normalen Länge aus. Jetzt sohnurren 
sie schon bei 69° wieder auf ein Drittel der Länge zusammen. Bei 
längerem Liegen in kaltem Wasser erreichen sie dann wieder vollkommen 
die ursprüngliche Länge und Form. Duroh Trypsinverdauung gereinigtes, 
dann mit Formol behandeltes Lymphdrüsenretikulum verhält sich ebenso; 
auoh Formolleim zeigt ein äbnliohes Verhalten. In geringem Grade zeigen 
auch frische Sehnen und solche nach anderer Vorbehandlung eine Wieder- 
verlängerung in kaltem Wasser, nach der Verkürzung in heissem; diese 
Verlängerung ist jedoch nur sehr gering. Die in heissem Wasser ge¬ 
schrumpften und gequollenen Sehnen bekommen eine ganz andere 
Elastizität als frische. J. Hirsoh. 

W. Heubner-Göttingen: Ueber sterische Hindernis durch Kern- 
Metkylgruppeu. (Blochern. Zschr., 1919, Bd. 93, H. 5 u. 6, S. 395.) Die 
reaktionshemmende Wirkung von Para- und Orthometbylgruppen bei 
Anilinderivaten macht sich auch bei biochemischen Umsetzungen be¬ 
merkbar, wie Verf. am o-o-Dimethylphenacetin zeigen konnte. Die Anilin¬ 
derivate müssen im Tierkörper erst oxydiert werden, und zwar am Stick¬ 
stoff, ehe sie den Blutfarbstoff zu Methämoglobin oxydieren. 

R. Lewin. 


Therapie. 

R. Hirsch: Hänarsii. (Ther d. Gegenw., Juni 1919.) Wohl¬ 
schmeckendes Präparat aus Kakodylsäure, glyzero-phosphorsaurem 
Kalzium und Strychnin. Hergestellt von der Friwa-Gesellschaft Berlin. 
Dreimal 1 Essl., 8 Monate lang. Für die subkutane Injektion wird 
Natrium-Glycero-phosph. verwendet. Gute Erfahrungen. R. Fabian. 

W. Stoeltzner - Halle: Das Indikationsgebiet des Tcbelous. 
(M.m.W., 1919, Nr. 25.) Tebelon ist das Isobutylester der Oelsäure, 
also eine Wachsart, die neben anderen Wachsen in den Tuberkel- 
bazillen in reichlicher Menge enthalten ist. Tebelon ist vom Verf. zu¬ 
nächst gegen Tuberkulose angewandt worden, ea soll theoretisch eine 
aktive Immunisierung gegen das in den Tuberkelbazillen enthaltene 
Wachs hervorrufen. Zu versuchen wäre es auoh zur Immunisierung der 
Rinder und bei Lepra analog dem Bakterienfett Nastin. Da ferner 
wahrscheinlich die Gram-Färbbarkeit der grampositiven Bazillen, wie 
Diphtheriebasillen, Eiterkokken usw. wie die der Tuberkelbazillen auf 
ihrem Wachsgehalt beruht, wäre Tebelon auoh bei Infektionen mit diesen 
Erregern zu versuchen. Im Tierexperiment glaubt Verf. einen ent¬ 
sprechenden günstigen Erfolg beobachtet zu haben. 

F. Rohr-Halle: Tebelon bei Staphylokokken- und Streptokokken- 

infektionen. (M.m.W., 1919, Nr. 25.) Bericht über angeblich günstige 
Erfolge duroh Tebeloninjektionen bei 2 (!) Säuglingsfurunkulosen und 
6 Drüsenabsxessen. R. Neu mann. 

W. Schön -Berlin: Grosse Harnstoffgaben ind Reststiekstoff- 
gebalt des Blntes. (Ther. d. Gegenw., Juni 1919.) Aus den Unter¬ 
suchungen des Verf. geht hervor, dass bei massiger Erhöhung des Rest- 
stiokstoffs im Blute die Darreichung grösserer Harnstoffmengen nicht zu 
einer Erhöhung des ReststiokStoffes im Blute zu führen pflegt. Auch in 
diesen Fällen stellt der Harnstoff in grossen Dosen ein ausgezeichnetes 
Diuretikum dar bei Nephrosen und anderen Fällen. R. Fabian. 

0. P. Gerber-Wien; Znckerinjektionen gegen Hyperhydrose der 
Phthisiker. (M.m.W., 1919, Nr. 24.) Meist schon durch einmalige 
intraglutäale Injektion von 10 ccm einer 50proz. Rohzuckerlösung in 
sterilem Wasser mit Zusatz von 2promilligem Novokain konnte die 
Hyperhidrosis der Phthisiker für mehrere Wochen zum Verschwinden 
gebracht werden. 'R. Neu mann. 

G. Klemperer u. L. Dünner: Bekundung der Lnngentnher- 
kllOM. (Ther. d. Gegenw., Juni 1919.) Repetitorium der Therapie. 

R. Fabian. 

H. Schmidt-Nauheim: Die Brifthraag Herikranker. (Ther. Mh., 
Juni 1919.) Diätetisoho Vorschriften, als wesentliches Unterstützungs¬ 
mittel bei der Behandlung chronischer Herz- und Kreislaufstörungen. 

Bertkau. 


P. Tren d e len bürg • Dorpat u. Freiburg: Grundlagen der Therapie 
mit Hexamethylentetramin. (M.m.W., 1919, Nr. 24.) Hexamethylen¬ 
tetramin wirkt im lebenden Organismus nur auf den Blaseninhalt anti- 
septisch, im Blut und Liquor oerobrospinali9 wird zu wenig Formal¬ 
dehyd abgespalten, um bakterizid wirken zu können. Nur bei saurer 
Reaktion des Harns werden zur Desinfektion hinreichende Mengen 
Formaldehyd aus Hexamethylentetramin freigemacht. Bei alkalischer 
oder neutraler Harnreaktion muss man deshalb den Urin duroh die 
Nahrung (Fleischkost) oder durch Eingabe von mehreren Gramm pri¬ 
märem Natriumphosphat sauer machen. Bei häufigem Katheterisieren 
kann man dazu auch nach der Harnentnahme 50—100 oom einer 
5—7proz. Lösung des primären Natriumphosphates in die Blase füllen. 

R. Neumann. 

v. Notthaft - München: Kolloides 8ilber als Heilmittel bei 
Syphilis. (Derm. Wsohr., 1919, Bd. 68, Nr. 25.) Man kann Argentum 
oolloidale, sowie Kollargol, Lysurgin oder Fulmargin oder Elektrargol 
intravenös einspritzen und zwar in 2proz. Lösung von 1—10 oom 
steigend. Die Nebenwirkungen waren unbedeutend, die Erfolge recht 
gute. 

Brenning-Berlin: Raiehea als Mittel gegen Brechreiz bei Sai- 
varsaiinjektioaen. (Derm. Zbl., Mai 1919.) Ein Patient, welcher jedes¬ 
mal bei Beginn der Salvarsaninfusion von Brechreiz mit nachfolgendem 
Erbrechen befallen wurde, blieb frei davon, als er schon während der 
Vorbereitungen zur Injektion anfing eine Zigarre zu rauchen. 

Immerwahr. 

F. Sohaefer • Breslau: Aatisykoa gegen Bartflechte. (Ther. Mh., 
Juni 1919.) Pinselungen mit Antisykon erzielten in 28 Fällen über¬ 
raschende Besserung und Heilung, in den schwersten in nie längerer 
Zeit als 1 Monat. Aufpudern von Zibosal-Bolus und Auflegen von 
Zibosal-Schwefelsalbe (0,5—5,0:50,0) unterstützte die Antisykonbehand- 
lung in einigen Fällen. Bertkau. 

L. Veilohenblau - Buch: Zur unspezifischen SernnhehandlttBg des 
Erysipels. (Ther. d. Gegenw., Juni 1919.) Auf die Fieberdauer wurde 
durch die Serumbehandlung kein wesentlicher Einfluss ausgeübt. In 
10 Fällen trat nach der Einspritzung kein Stillstand, sondern ein 
weiteres Ausbreiten der Krankheit ein. 2 Fälle von Eprsipel wurden 
mit Milohinjektionen, 8 com p. dosi, behandelt, wovon in dem einen 
Falle kein Erfolg gezeitigt wurde. 

D. Timpe - Dresden: Beitrag zur Behaadlug der Malaria. (Ther. 
d. Gegenw., Juni 1919.) Günstige Erfahrungen mit der von Teiohmann 
empfohlenen Methode der Chinindarreichung. 10 Tage Chininkur, und 
zwar 8 Tage je 1,2 g, 3 Tage je 1,5 g und 4 Tage je 1,8 g in Einzel¬ 
gaben von 0,3, alsdann 8 Tage Pause, darauf 10 Tage Chininkur, Pause 
von 10—12 Tagen, 10 Tage Chinin kur, Nachkur nach Noch t 6 Wochen 
lang an 2 aufeinander folgenden Tagen der Woche je 1,2 g Chinin. 

R. Friedlaender - Wiesbaden: Die hemiplegische Bewegnngi- 
stflraig und ihre Behandlung. Schluss. (Ther. a. Gegenw., Juni 1919.) 
In dem Uebergangsstadium, wenn die ersten aktiven Bewegungen 
zunäohs im Bein und gleichzeitig hypertonische Erscheinungen sich be¬ 
merkbar machen, sind passive Bewegungen fortzusetzen und regelmässige 
Lageveränderungen' vorxunehmen. Empfehlenswert sind Bettruhe, Gal¬ 
vanisation mittelst konstanter schwacher Durchströmung der betreffenden 
Muskeln und Gelenke. Im dritten Stadium der residuären Hemiplegie 
ist das Augenmerk zu richten auf eine möglichst vollständige Wieder¬ 
herstellung der motorisohen Leistungen und auf eine Bekämpfung der 
Kontrakturen. Von Wichtigkeit sind hier passive Bewegungen, die auch 
mit der gesunden Extremität gleichzeitig vorznnehmen sind. Eine ent¬ 
sprechende Lagerung der gelähmten Extremität ist empfehlenswert, 
damit die Schwere nicht überwunden werden braucht. Die bahnende 
Uebungsbehandlung wird ferner erleichtert, dass man die Bewegungen 
im Bade vornehmen lässt. Gote Dienste leistet der konstante Strom. 
In Fällen von schwerster Kontrakturbildung kommen chirurgische Ein¬ 
griffe in Frage, wie die Förster’sohe und die Stoffel’sobe Methode, 
welche beide die Erregbarkeit in den spinalen Reflexbogen herabzusetzen 
versuchen. R. Fabian. 

Fr. Luithlen: Aderlass, ein Teil der „Kolloidtherapie“. (W.m.W., 
1919, Nr. 21 u. 22.) Unter Kolloidtherapie versteht Verf. alle Methoden, 
bei denen kolloidale Substanzen, eiweiss- sowie solohe nicht eiweiss¬ 
haltiger Natur, parenteral eingeführt werden. Hierher gehören Injek¬ 
tionen von Serum jeder Art, von Plasma, Blut, Milch usw., ferner die 
Vakzinetherapie, die Bakteriotherapie und sobliesslioh die^Behandlung 
mit Elektrargol, Kollargol und anderen kolloidalen Substanzen, wie mit 
Gelatine, Witte-Pepton, Stärke usw. Verf. meint, dass der Aderlass wie 
die parenterale Zufuhr einer kolloidalen Substanz wirkt, wahrscheinlich 
wegen des kompensatorischen Eintritts von Gewebsplasma ins Blut. Der 
Aderlass ist die am leichtesten ausführbare Kolloidtherapie; sie wirkt 
günstig auf die verschiedenen Arten von Entzündungen ein und ruft 
weitgehende Stoffwechselveränderungen hervor. Besonders die wieder¬ 
holten Blutentnahmen stellen eine brauchbare Therapie dar. Es werden 
nooh im einzelnen die klinischen Indikationen und Erfolge besprochen. 
Besonders bei verschiedenen Hautkrankheiten (Urtikaria, Ekzeme, Der- 
matiden usw.) sind gute Erfolge zu verzeichnen. Durch richtige An¬ 
wendung des Aderlasses können auoh andere Behandlungsarten in ihrer 
günstigen Wirkung verstärkt werden. G. Eisner - Berlin. 

H. Königer - Erlangen: Ueber Fieherhekandlnng. II. Der anti- 
pyretisohe Grundversuoh. Allgemein- und Herdreaktion bei tuberkulösen 


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710 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Erkrankungen. (Zsohr. f. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Auf die primäre anti¬ 
pyretische Wirkung folgt in vielen Fällen eine Nachwirkung, die in 
einer Steigerung der Körperwärme besteht. Sie wird erklärt durch 
Zeiohen der Reaktion, die am tuberkulösen Herde auftreten und unter 
subjektiven Beschwerden verlaufen können. Königer folgert aus seinen 
Beobachtungen die Notwendigkeit, die Art des antipyretischen Vorgehens 
su ändern, statt der kontinuierlichen eine intermittierende Behandlung 
einsuführen. 

H. Königer - Erlangen: Ueber Fieberhebaadlaig. III. Die inter¬ 
mittierende antipyretische Behandlung tuberkulöser Erkrankungen. (Zsohr. 
f. Tbc., Bd. 30, H. 4) K. sohlägt auf Grund der von ihm nachgewie¬ 
senen reaktiven Nebenwirkungen der Antipyretika eine intermittierende 
Antipyrese vor, bei der Reaktionen vermieden und therapeutisch aus¬ 
genutzt werden. So soll mittels der ohemisohen Fiebermittel gleich¬ 
seitig eine kausale Behandlung getrieben werden. Vorschriften werden 
gegeben. _ H. Grau-Honnef. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

Sprins-Berlin: Ueber angeborene Nagelanoaalien. (Derm.Wschr. 
1919, Bd. 58, Nr. 22.) 1. Angeborene Ooyohorheiis mit Onychoatrophie 
in einer Familie. 2. Kongenitale Nagelvergrösserung infolge von Makro- 
daktylie. 3. Angeborene Vergrösserung der Nägel infolge Sydaktylie, 

Immerwahr. 

H. Jaeger: Multiple kartilaginire Exostosen in kongenitaler Aus¬ 
bildung am Thorax. (Frankf. Zsohr. f. Path , Bd. 21, H. 2.) Die im 
Titel erwähnte Anomalie fand sich bei einem 3 Tage alten Kind, das 
an sohwerer Asphyxie starb. Neben den multiplen Exostosen beobach¬ 
tete man eine starke Dilatatio cordis, die wohl z. T. wenigstens auf 
die duroh die Exostosen bedingte Starre des Thorax zurüokgeführt 
werden muss. 

A. Ritter: Ein RhabdoiiyoBa sarconatodez der Lendenmuskulatur 
mit Lungenmetastasen. (Frankf. Zsohr. f. Path., Bd. 21, H. 2) Bei 
einem 8 Vs jährigen Knaben entwickelte sich in kurzer Zeit ein kinds¬ 
kopfgrosser Tumor in der Lendengegend, der zu multiplen Metastasen 
in beiden Lungen, in der Pleura costalis, im Perikard, in den Leisten-, 
Mediastinal- und Mesenterialdrüsen führte. Mikroskopisch stellen die 
Tumoren ein sarkomatöseB Rbabdomyom dar, das als besonderes Charak¬ 
teristikum die Bildung auffallend zahlreicher myogener Riesenzellen 
aufwies. 

Bund R.: Ein Fall von rechtsseitiger flernia diapbraguatica mit 
Austritt des Magens in den persistierenden Rezessus pneumato-enterious 
dexter. (Frankf. Zsohr. f. Path., Bd. 21, H. 2.) Die durch den Titel 
genügend charakterisierte Missbildung konnte bei einem 12 Monate alten 
Kinde naohgewiesen werden, das infolge schwerer Magenstörungen ad 
exitum kam. 

E. Leupold: Zur Kenntnis der Stanaagsblatliagei nach Rupf» 
kosprosfioa. (Frankf. Zschr. f. Path., Bd. 21, H. 2) Zwei ein¬ 
schlägige Fälle, die einen 51jährigen Mann, resp. einen 14 jährigen 
Knaben betreffen. Im zweiten Fall fand man abweichend vom 
gewöhnlichen Verhalten multiple kleine Hirnblutungen. Für die 
Mechanik der Entstehung der Stauungsblutungen ist bei Thorax¬ 
kompression die Riohtung, in weloher der Druck auf den Thorax wirkt, 
von ausschlaggebender Bedeutung, da das Hers, je nachdem die Ge¬ 
walt in sagittaler oder transversaler Richtung einwirkt, sich verschieden 
verhalten wird. Reflektorischer Glottissohluss und Anspannung der 
Bauohpresse sind für die Entstehung von Stauungsblutungen nicht 
unbedingt notwendig. Duroh Anspannung der Bauohpresse wird eine 
Zerreissung der intraabdominalen Organe begünstigt. Die Blutextra¬ 
vasate stammen wahrscheinlich aus den Präkapillaren und entstehen 
s. T. durch Diapedesisblutungen. 

C. Hueter: Ueber entzüadliehe drlseiartige Neahildnagea des 

Peritoneaas (Peritonitis adenoides). (Frankf. Zsohr. f. Path., Bd. 21, 
H. 2.) Bei einer 39jährigen Patientin konnte man im Processus vermi¬ 
formis multiple kleine, in der Serosa und den Muskelschichten gelagerte 
Drüsensohläuche und grössere epithelbekleidete Räume naohweisen 
bei gleichzeitig bestehender Entzündung. Ein ähnliches Bild fand sich 
in der Flexua sigmoidea einer 34 jährigen Frau, nur waren hier die 
entzündlichen Veränderungen bereits abgelaufen. Die Drüsensohläuche 
können auf das Serosaepithel zurüokgeführt werden. Duroh eine inten¬ 
sive Wucherung des Serosagewebes entstehen enge Spalten und Winkel, 
in denen das Serosaepithel zu kleinen drüsenschlauchartigen Bildungen 
abgesohnürt wird. Die Verlagerung der Drüsenschläuche in die Musku¬ 
latur kommt nicht aktiv, sondern passiv -zu stände. Für die weitere 
Verschiebung kommen dann Muskelkontraktionen in Betracht. Als 
Reaktion auf den Reizungszustand, den diese Drüsensohläuche auf die 
Muskulatur ausüben, entsteht aus dem umliegenden Bindegewebe cyto- 
genes Gewebe und gleichzeitig kann die Muskulatur hypertrophieren. 

M. Simmonds: Ueber Prostatabypertrophie. (Frankf. Ztchr. f. 
Path., Bd. 21, H. 2.) Die Untersuchung an einem grösseren Material 
führt den Verf. zu folgenden Schlussfolgerungen: Durchschnittsgewicht 
und Normalgewioht der Prostata decken sich nur bis zur Mitte der 
50er Jahre. Dann steigt das Durchschnittsgewicht rasch, während das 
Normalgewioht rasch sinkt. Nicht die Hypertrophie, sondern die Atro¬ 
phie ist das Normale für die Prostata des Greises. Bei der Abgrenzung 
der normalen von der pathologischen Prostata ist nicht die Grösse, 
sondern das Verhalten der Sohnittfläohe entscheidend. Die normale 
Sohnittfläohe ist glatt, die des pathologiseh-veränderten Organs von 


Knoten durchsetzt. Die Knollen sind fast aussohliesslioh drüsige 
Wucherungen, fein myomatöse Hypertrophien sind extrem selten. Die 
Gruppierung in adenomatöse und myomatöse Formen ist daher unzweck¬ 
mässig. Die Vergrösserung des Organs ist nicht das Resultat der meist 
vorhandenen Ektasie der Drüsen, sondern bedingt duroh mächtige 
Drüsen Wucherung. Die Drüsenknollen gehen nioht von der Prostata 
selbst, sondern von akzessorischen periurethralen zwischen Sphinkter 
und Caput gallianginis gelegenen Drüsen aus. Die wuchernden Knollen 
führen su Druckatrophie des Prostatagewebes, das nun in kapselartiger 
Schicht das Knollenkonglomerat umgibt. Bei der Prostatektomie wird 
aus dieser von Prostatagewebe gebildeten Kapsel das Konglomerat samt 
der eingesohlossenen Pars prostatica urethrae entfernt. Naoh der Opera¬ 
tion schieben sich die Urethrawundränder rasch zusammen; nach mehreren 
Monaten ist der Defekt ausgeglichen. Rezidive nach Prostatektomie 
sind auf zurückgelassene Drüsenknollen zurückzuführen. Die durch die 
Prostatahypertrophie hervorgerufenen Störungen sind durch mechanische 
Verhältnisse, seitlichen Druck auf die Urethra, vor allem duroh Ab¬ 
knickung derselben in der Pars prostatica zu erklären, die bei jeder 
Erhöhung des intravesikalen Drucks zunimmt. Es kommt dabei weniger 
auf die absolute Grösse des Organs an, als auf das Verhalten der Knollen 
der Urethra. Die als Prostataatrophie publizierten durch Prostatektomie 
geheilten Fälle sind teils das Resultat entzündlicher Vorgänge, teils 
sind es Knollen haltende kleine Prostaten. Die Entstehung der Prostata¬ 
hypertrophie ist nach Analogie der knotigen Hyperplasie der Leber als 
kompensatorische Bildung zu deuten, veranlasst duroh senile und prä¬ 
senile Atrophie des Organs. Wie in der Leber können die Hyperplasien 
weit über das Ziel hinausgehen und zu mächtigen Adenomen Anlass 
geben, ja sogar wie dort krebsigen Charakter annehmen. Nioht selten 
begegnet man bei der mikroskopischen Untersuchung sobeinbar unkom¬ 
plizierter Hypertrophien karzinösen Herden. Bei der Kombination von 
Tuberkulose mit Hypertrophie fällt die geringe Neigung der Drüsen¬ 
knollen zu tuberkulöser Erkrankung auf gegenüber dem ursprünglichen 
Prostatagewebe. Unter Ablehnung der Namen Adenom und Struma 
wir die Bezeichnung „knollige Prostatahypertrophie* vorgeschlagen 
die auoh die nicht vergrösserten pathologisch veränderten Vorsteher¬ 
drüsen umfassen würde. Hedinger. 

H. Bo re 11-Freiburg i. Br.: Untersuchungen über die Bilding des 
Corpus luteum ud der Fellikelatresie bei Tieren mit Hilfe der 
„vitalen Färbung“. (Ziegler’s Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H.l.) 
Verf. suchte auf dem Wege der vitalen Färbung bei Mäusen, Kaninchen 
und Ratten die epitheliale oder bindegewebige Herkunft des Corpus 
luteum zu entscheiden, kam aber zu dem Ergebnis, dass es noch nioht 
möglich ist, die Frage endgültig zu klären. Schon innerhalb der ein¬ 
zelnen Tierspezies (Maus und Ratte) ist eine auffallende Verschiedenheit 
in der Farbstoffablagerung vorhanden, indem bei der Ratte die Karmin¬ 
sellen nur im inneren der atresierenden Follikel, also im Follikelepithel 
vorfanden, während bei der Maus besonders auch die bindegewebigen 
Follikelbüllen, u. z. vornehmlich die Theka interna von den vital ge¬ 
färbten Zellen durchsetzt waren. Daraus folgt die Vermutung, dass 
sich Rück- und Umbildung der Follikel innerhalb der einzelnen Tier¬ 
spezies ebenfalls in verschiedener Weise vollziehen kann. Bezüglich 
der Rückbildungsprodukte der Follikel unterscheidet Verf. drei Formen: 
1. Die Corpora involutionis, charakterisiert durch den primären Unter¬ 
gang des Eies im geschlossenen heranreifenden Follikel. Die Epithelien 
degenerieren und werden durohgewuoherteTbeka-interna-Zellen organisiert, 
so dass eine Narbe resultiert. 2. Die Corpora menstruationis. Die 
Follikelepithelien degenerieren erst naoh einer vorausgegangenen ziemlich 
starken Wucherung. Unter zunehmender Pigmentierung bildet sich 
dieser allmählich zurück. 3. Die Corpora lutea graviditatis, die aus 
einem Follikel hervorgehen, dessen Ei befruchtet worden ist. Sie unter¬ 
scheiden sich im Prinzip nur duroh die Grösse von der vorigen. 

Sohönberg. 

H. Herzog: Pathologisch-anatomische Beiträge zur Kenntnis der 
Pilzvergiftingea. (Frankf. Zsohr. f. Path., Bd. 21, H. 2.) Der Verf. 
beriohtet über den Autopsiebefund bei 6 Fällen von Knollenblätter¬ 
schwammvergiftung und bei 1 Fall von Lorchelvergiftung. Bei der 
Knollenblättersohwammvergiftung fanden sich hauptsächlich Folgen der 
Veränderungen; zahlreiche umschriebene Blutungen im Mediastinum, 
subpleuralen und subperitonealen und subepikardialen Gewebe, s. T. 
auch im subependymären Gewebe des Gehirns, dann Blutungen in der 
Muskulatur und der Haut, namentlich der Unterextremitäten, Erosionen 
der Magenschleimhaut und dann namentlich Verfettung in Leber, Hprz 
und Nieren. Ausser der Leberverfettung konnte ein ziemlioh hoch¬ 
gradiger Zerfall der Leberzellen naohgewiesen werden. In dem Fall 
von Lorchelvergiftung waren hauptsächlich Verfettungsprozesse in Leber, 
Herz und Nieren nacbzuweisen. Hedinger. 

Rondoni-Florenz: Zur Eastebuvg der Pellagra und verwandter 
Krankheiten. (Brit. med*. Journ., Nr. 3044.) Verf. verfütterte an Meer¬ 
schweinchen aussohliesslioh Hafer bsw. Mais, und untersuchte die Ver¬ 
änderungen der inneren Organe dieser Tiere. Die Schädigungen betrafen 
vorwiegend Milz, Sohilddrüse und Nebennieren. In ersteren zeigten sich 
sklerotische Veränderungen und eine Verminderung der Lymphozyten 
in den Follikeln. In der Schilddrüse kam es zu Hyperämie und zu 
Wucherungen des Alveolarepithels, in den Nebennieren ebenfalls zu 
Hyperämie und zu Entartung der Zellen der Rinde. Beifütterung von 
frischem Gemüse oder alkoholischem Leberextrakt erhielt die Tiere et¬ 
was länger am Leben. Sohr ei b er. 


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28. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


711 


Parasitenkunde und Serologie. 

H. Friedenthal: Absolute und relative Desiifektioaskraft von 
Elementen und ohemisohen Verbindungen. (Biochem. Zschr., 1919, 
Bd. 94, H. 1 u. 2, S. 47.) Die absolute Desinfektionskraft eines Mittels 
misst Verf. an dexjenigen Flüssigkeitsmenge besten Nährbodens, die von 
einem Gramm der zu untersuchenden Substanz dauernd steril gehalten 
wird. Die relative Desinfektionskraft wird durch diejenige Flüssigkeits- 
meoge gemessen, die von der innerhalb 24 Stunden tötenden Dosis des 
Desinfektionsmittels dauernd bei Körpertemperatur steril gehalten wird. 
Dasjenige Mittel, das die höchste relative Desinfektionskraft zeigt, ist 
das brauchbarste, nioht das Mittel mit absoluter höchster Desinfektions¬ 
kraft. Im Anschluss hieran untersucht Verf. auch die Preiswürdigkeit 
der einzelnen Desinfektionsmittel. Dabei stellte sich die Ueberlegenheit 
des Formalin heraus. Sodann wird eingehend die vergleichsweise Des¬ 
infektionskraft der Elemente erörtert. Neben den Elektrosilberpräparaten 
beanspruchen die Quecksilbermisohungen allein und in Verbindung mit 
Silber grosse Beachtung als Heilmittel bei Tierseuchen. Gans einfache 
anorganische Mittel sind im allgemeinen den komplizierten organischen 
Heümitteln überlegen. 

0. Wuth-Berlin-Dahlem: Beitrag zur biologischen Kenntnis des 
OeAeagiftes. (Biochem. Zschr., 1919, Bd. 93, R. 5 u. 6, S. 289.) Das 
Oedemgift ist ein echtes Toxin mit ausgesprochener Lezithinophilie. Es 
ist nioht identisch mit Hämatoxin. 

E. Teiohmann und W. Nagel-Frankfurt a. M.: Versuche über 
Ritgifting eingeitmeter BlansSnre durch Natriumthiosulfat. (Bioohem. 
Zschr., 1919, Bd. 93, H. 5 u. 6, S. 312.) Natriumthiosulfat wirkt ent¬ 
giftend auf eingeatmete Blausäure, besonders auch bei prophylaktischer 
Anwendung. Dieses Ergebnis erlangten Veiff. nur bei der Maus unter 
Innehaltung bestimmter Versuohsbedingungen. Es wird dringend nahe- 
gelegt, die Versuche auoh auf den Menschen auszudehnen, um insbe¬ 
sondere zu einem wirksamen Sohutz für die mit Blausäure Vergasungen 
beschäftigten Mensohen zu gelangen. R. Lewin. 

Anders: Beitrag zur Frage der Speziflsität der Weil-Fellx’sehei 
(Rostock) Reaktion. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88, H. 2.) Beschreibung eines 
Falles, der nicht Fleckfieber war mit positivem Weil-Felix. 

Schmitz. 


Innere Medizin. 

G. Geigel: Die Wirkung der Papillamiskeln. (M.m.W., 1919, 

Nr. 28.) Neben der alten Anschauung, dass die Papillarmuskeln die 
Aufgabe haben, die Klappen zu stellen, wird nach den theoretischen 
Auseinandersetzungen des Verf. durch ihre Tätigkeit auch nooh der Herz- 
stoss hervorgerufen und die Füllung des Herzens gefördert. Unter ge¬ 
wissen Bedingungen, z. B. bei schlechter Füllung der Ventrikel: guter 
Papillarmuskelfunktion kann aber auch durch ihre Kontraktion eine re¬ 
lative Mitralinsuffizinz verursacht werden. R. Neu mann. 

H. Winterberg: Beitrag zur Kenntnis der 8tömgev in der Reiz- 
ibcrtragMg des menschlichen Herseis und der Anfälle bei Adams- 
Stokes’schem Symptomenkomplex. (Zschr. f. d. ges. exper. Med., Bd. 8., 
H. 1 u. 2.) An Hand eines Falles mit dem Adams-Stokes’schen Sym¬ 
ptomenkomplex wird versucht, durch zahlreiche elektrokardiographisohe 
Aufnahmen die Frage der Entstehung des Kammersystolenausfalles so¬ 
wie der Anfälle des Adams-Stokes’schen Symptomenkomplexes zu klären. 

G. Eisner-Berlin. 

H. Zondek Berlin: Dm Myxödemherz. 2. Mitteilung. (M.m.W., 
1919, Nr. 25.) Das Herz bei Myxödematösen zeigt folgende Symptome: 
Dilatation beider Herzhälften sowie mitunter des Aortenbandes; Brady¬ 
kardie; schleichender Kontraktionsablauf. Im Elektrokardiogramm fehlen 
Vorhofzacke und Nachsohwankung, aber nioht bei extrasystolisohen Er¬ 
hebungen, sondern nur bei den normalen Ventrikelkontraktionen. Unter 
Thyreoidinbehandlung können sich alle diese Erscheinungen bis auf die 
Verbreitung der Aorta zurüokbilden. Bei anderen Blutdrüsenerkran¬ 
kungen fehlen diese charakteristischen Herzveränderungen. 

G. Gauter-Greifswald: Ueber eine besondere Form von Atem- 
stlriag bei Fleckfleber. (M.m.W., 1919, Nr. 25.) Bei einer Fleok- 
fieberpatientin wurde ein gänzlich arhythmisoher Atemtypus beobachtet. 
Bald überstürzten sioh die teils ganz oberflächlichen, teils ganz tiefen 
Iu- und Exspirationen, bald kam es zu bedenklich langen Atempausen. 
Als Ursache wird eine für Fleckfieber typische Gefässänderung in der 
Gegend des Atemzentrums angenommen. R. Neu mann. 

E. Cxyhlarx u. R. Neustadtl: Ueber selteae Folgen der Grippe 
Infektion. (W.m.W.. 1919, Nr. 21.) Es werden Herzerkrankungen be¬ 
schrieben, die als Spätkomplikationen der Grippe auftraten. 

G. Eisner-Berlin. 

Kaiser-Petersen-Frankfurt a. M.: Zur Epidemiologie der Grippe. 
(M.m.W., 1919, Nr. 25.) Verf. konnte in der bulgarischen Hafenstadt 
Varna das sprunghafte Uebergreifen der Grippe, das in 4—6 Tagen den 
Höhepunkt erreichte, von einer Formation zur anderen beobachten. 

R. Neumann. 

E. Gotsch lieh -Giessen: Werden und Vergehen von lafektioiskraak- 
beiton. (D.m.W., 1919, Nr. 22.) (Nach einem Vortrag in der medi¬ 
zinischen Gesellschaft in Giessen am 29. V. 1918.) Die Arbeit, in der 
naoentlieh die Aenderung des Charakters mancher Epidemien ausführlich 
erörtert wird, muss im Original naohgelesen werden. Dünner. 


0. Bruns-Göttingen: Ueber die mazedonische Malaria und ihre Be¬ 
handlung. (M.m.W., 1919, Nr. 25.) Beobachtungen an einer grossen 
Zahl Malariakranker in Lazaretten der Westfront, deren Malaria — Tertiana 
und Tropika — aber aus der Zeit des Aufenthaltes in Mazedonien 
stammte. Es handelte sioh meist um Rezidive, zum Teil aber auoh um 
erste Malariaanfälle, so dass die Malaria lange Zeit, oft jahrelang, latent 
verlaufen sein muss. Als auslösende Momente für Rezidiv wie Erstlings¬ 
fieber an der Westfront sind anzunehmen: Ueberanstrengung, Infektion, 
Klimawechsel, Wegfall der Chininprophylaxe usw. In zweifelhaften 
Fällen bei fehlenden Plasmodien im Dioktropfenpräparat ist zu achten 
auf Milzsohwellung, Mononukleose über 5pCt., Basophilie und Poly- 
ohromatophilie sowie Urobilin im Harn. Provokationsmethoden werden wegen 
der Gefahr der Bildung neuer Dauerformen verworfen. Therapeutisch 
empfiehlt sich bei Beginn des Anfalls sofort 0,5 Chininurethan intravenös 
und 0,9 g Chinin per os, um die aussohwärmenden Merozoiten abzutöten. 
Weiterhin ist eine innerliche Chininkur mit grossen Dosen bis 2 g not¬ 
wendig. Ausserdem gibt Verf. am 4. und 10. Tage 0,45—0,6 Salvarsan 
und Neosalvarsan, mitunter ist diese Dosis nooh ^m 20. und 28. Tage 
zu wiederholen. Die Wahl dieser Tage nimmt Rücksicht auf die Perio¬ 
dizität der Reifungs- und TelIungsvorgäuge der Plasmodien. 

R. Neumann. 

H. Hirschfeld-Berlin: Ueber die Rolle der Milz in der Pathogenese 
der perniziösen Anämie. (Zschr. f. klin. Med., Bd. 87, H. 3 u. 4.) 
Verf. berichtet über die Endresultate von 15 splenektromierten perniziösen 
Anämien aus dem Krankenhaus Moabit in Berlin. 2 Fälle starben am 
Tage der Operation, 1 Fall lebte 2 Tage, 1 Fall 5 Tage, 1 Fall 55 Tage, 
1 Fall 73 Tage, 1 Fall 3—4 Monate, 1 Fall 5 Monate, 1 Fall 2 Jahre, 
1 Fall 2V2 Jahre, 1 Fall 3% Jahre, 1 Fall 3 Jahre 2 Monate, und 1 Fall 
lebte nooh 5V2 Jahre nach der Splenektomie. Alles waren ganz sohwere 
bisher vergeblich behandelte Fälle. Eine Heilung trat aber niemals 
ein, auch behielt selbst in den am günstigsten beeinflussten Fällen das 
Blut einen perniziös anämisohen Charakter. Es kann also in einer Ano¬ 
malie der Milsfunktion nicht die Ursache der perniziösen Anämie liegen. 
Der Grund für die oft gute Wirkung der Splenektomie ist in einem 
Reis auf das Knochenmark zu suohen, der sich morphologisch in der 
massenhaften Ausschwemmung Jollykörper-haltiger Erythrozyten äussert, 
die nioht mehr verschwinden. Ausführliche Schilderung über das Ver¬ 
halten des Blutes, des Knochenmarks, der Milz und der Leber nach der 
Splenektomie. In der Milz findet auch normalerweise nicht nur, wie 
man bisher annahm, eine intrazelluläre, sondern auoh eine extrazelluläre 
Zerstörung von roten Blutkörperchen statt. Schlussergebnis: Die Sple¬ 
nektomie ist keine essentielle Therapie der perniziösen Anämie. Ihre 
Rolle in der Pathogenese dieser Krankheit ist eine durchaus sekundäre 
und unwesentliche. Trotzdem soll man sie wegen ihrer oft recht guten 
symptomatischen Wirkung als Ultimum refugium in schweren anderen 
Maassnahmen gegenüber refraktären Fällen versuchen. 

H. Hirsohfeld. 

Profanter: Das Problem des Miskelrkemtiswis. (Zsoh. f. phys. 
diät. Ther., April/Mai 1919.) Der Muskelrheumatismus beschäftigt seit 
1916 besonders die internen Kliniker. Ad. Sohmidt hält ihn für eine 
wahrscheinlich toxisch bedingte Neuralgie der Muskelnerven. Profanter 
sohliesst sich dieser Ansicht an. Auch er hält den Muskelrheumatismus 
für eine Neuralgie der sensiblen Muskel- und peripheren Hautnerven, 
die Symptome des Anfalls für Folgeerscheinungen der Reizung der sen¬ 
siblen Nervenbahnen im Rückenmark, aber bedingt durch eine Störung 
der Funktionen oder Erkrankung in den inneren Organen. Das Primäre 
ist der Schmerz, das Sekundäre die krampfhafte Kontraktion des be¬ 
troffenen Muskels. Bei Besprechung der Therapie gedenkt P. auch der 
Nervenpunktmassage, in der er eine abgestufte Gegenreizbehandlung 
sieht. Der Muskelrheumatismus ist ein Nervenleiden, dis Myalgie ein 
Symptom, das Alarmzeichen einer Störung in den Innenorganen. Muskel¬ 
rheumatismus als idiopathische Erkrankung existiert nach Profanter’s 
Ansicht nioht. E. Tobias. 

R. Köhler-Berlin: Die Aufallsbedingiigeit der Urftte in tierischen 
Flüssigkeiten. (Zschr. f. klin. Med., Bd. 87, H. 3 u. 4.) In früheren 
Arbeiten hatte K. gezeigt, dass die überkonzentrierten Lösungen von 
Natriumurat echte übersättigte Lösungen mit allen charakteristischen 
Eigenschaften derselben darstellen, jedooh auf der Besonderheit, dass 
die Auskristallisationsgeschwindigkeit dieses Salzes eine ungewöhnlich 
kleine ist. In vorliegender Arbeit werden die gleiohen Eigenschaften 
beim Kalium- und Ammoniumurat naohgewiesen. Für den Ausfall im 
Tierkörper sind nioht die Löslichkeitswerte, sondern die Uebersättigungs- 
grenzen bis 37° maassgebend. Deshalb werden diese für alle drei Salze 
in allen praktisch wichtigen Fällen ermittelt. Dabei zeigt sioh die 
merkwürdige Erscheinung, dass die Grenzwerte bei Gegenwart freier 
Harnsäure erheblich steigen. Um die gewonnenen Werte zu den eohten 
Löslichkeitswerten in Beziehung setzen zu können, werden auch diese 
bestimmt. Wegen der Frage der Bildung des Sediinentum lateritium bei 
Zimmertemperatur wifd der Uebersättigungsgrenzwert für das Natrium¬ 
urat auoh bis 18° untersucht. H. Hirsohfeld. 

J. Sohütz: Ueber den Eiifliss der Diät aif Blatdriek aad Bi- 
weissausscheidug Nierenkranker. (Zsohr. f. physik.-diät. Ther., Mai 1919.) 
Die Kurve des Blutdrucks kann häufig unabhängig von der Eiweisskurve 
verlaufen und zeigt sioh meist empfindlicher als diese. In manohen 
Fällen zeigt sich ein gesetzmässiges Verhalten zwischen bestimmten 
diätetischen Maassnahmen einerseits, zwischen Blutdruck- und Eiweiss- 
kurve andererseits. In anderen Fällen bleiben sowohl Blutdruck- als 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Eiweisskurve daroh diätetisohe Maassnahmen unbeeinflusst, bzw. es lässt 
sioh derseit noch keine gesetzmässige Beziehung naohweisen. Für die 
Beurteilung, ob in einem konkreten Fall Schonung oder Belastung an* 
gezeigt ist, kann das tastende Vorgehen unter Kontrolle der Blutdruok- 
und Eiweisskurve naoh demSystem der periodischen Terminbeobaohtungen 
gute Anhaltspunkte geben. 

A. Loewy und C. Br ahm: Untersuchungen über Art und Wirkung 
der Kriegsernfihruug. (Zschr. f. physik. u. diät. Ther., Mai 1919.) Die 
Nahrung der geprüften Angehörigen der Berliner Armenbevölkerung hat 
sioh als unzureichend herausgestellt. Die Eiweissaufnahme lag zwisohen 
25 und 50 g, die Zufuhr von Wärmewerten betrug 1400—1800 Kalorien. 
Dabei kam es zum dauernden Sinken des Körpergewichts, bei allen bis 
unter 50 kg hinunter. Die untersuchten Landleute haben zwar eine sehr 
einförmige, wesentlioh aus Brot und Kartoffeln bestehende, aber so reioh- 
liohe Kost, dass ihr Bedarf völlig gedeokt wurde. Ihre Eiweisszufuhr war zu 
100 g, ihre Kalorienaufnahme zu mindestens 3500 im Durchschnitt zu 
veranschlagen. E. Tobias. 

J. Braun: Ein neues Symptom bei Mageukrebi. (W.m.W., 1919, 
Nr. 22.) Bei allen Fällen von Carcinoma ventriculi (wie bei anderen 
Krankheiten) wurde in den Winkel zwischen Zwerchfell mit Wirbelsäule 
am Rücken eine kleine Dämpfung des Lungensohalls gefunden, die sich 
nioht fortbringen liess. Verf. glaubt ein wertvolles Frühsymptom ent* 
deckt zu haben. G. Ei sn er-Berlin. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

A. Schüller: Zur Behandlung der Kriegsneurosen. (W.m.W., 
1919, Nr. 20.) Fortbildungsvortrag. Die Behandlung spielt sich nach 
einem recht einfachen Schema ab. Es werden 3 Stadien der Behandlung 
unterschieden: 1. Das Stadium der expektativen Behandlung. Hier 
kamen blande Mittel, wie Bettruhe, Beruhigungs- und Schlafmittel, pbysi- 
kalische Prozeduren, Verbalsuggestion zur Anwendung. Im 2. Stadium 
der aktiven Therapie wurde neben Isolierung und Diätbeschränkung, 
Faradisation, forcierte Gymnastik und Hypnose angewendet. Im 3. Stadium 
der Nachbehandlung wurde Arbeitstherapie neben körperlichem und 
moralischem Training getrieben. 

S. Erben: Begutachtung der Kriegsueurosei und Diagnose ihrer 
Simulation. (W.m.W., 1919, Nr. 19.) Fortbildungsvortrag. 

J. Gerstmann: Zar Frage der Pathogenese, der Klassifizierung 
und der Behandlung der Neurosen nach KriegssobädiguDgen. (W.m.W., 
1919, Nr. 19.) Fortbildungsvortrag in der Gesellschaft für innere Medizin 
und Kinderheilkunde in Wien, 9. XII. 1918. G. Eisner. 

E. Förster: Ueber die „primäre ud sekundäre Wirkung des 
psychischen Traumas“ im Sinne Liepmann’s. (Neurol. Zbl., 1919, 
Nr. 12.) F. bestätigt die Liepmann’sohe Unterscheidung einer primären 
unmittelbaren Wirkung des psychischen Traumas und einer zweiten 
mittelbaren, sekundären, bisher idragen genannten Wirkung und schliesst 
daran einige besondere Betrachtungen. 

M. Wassermeyer: Ueber einen Fall von eigenartigen, rezidivieren¬ 
den, vasonesrotischen Störungen nach Commetio cerehri. (Neurol. 
Zbl., 1919, Nr. 12.) Im Anschluss an Gehirnerschütterung zeigen sioh 
eigenartige vasoneurotisobe Erscheinungen, beginnend mit heftigem Jucken, 
allgemeiner Mattigkeit, woran sich dann Quaddeln anschliessen, die sich 
zu wassergefüllten Blasen entwickeln. Diese platzen und trocknen unter 
Schorfbildung ein. Besonders beteiligt sind Penis und Skrotum. Die 
Anfälle wiederholen sich in der Folge mehrfach mit einigen Varianten, 
die genau beschrieben werden. Der Mann war vordem ganz gesund. 

Döllken: Wirkungen von Heterovakzine auf Nervenlähmungen. 
(Neurol. Zbl., 1919, Nr. 11.) D. beschreibt die Erscheinungen an peri¬ 
pheren Nerven, die er naoh Injektion von Vakzineurin an mehr als 150 
Fällen von Neuritis beobaohtet hat. Er erhielt „gut analysierbare Bilder“ 
duroh direkte Einbringung in die Blutbahn. Bei übermittlerer Dosis 
(Vsoo ocm der Normalvakzine) sah er ein halbstündiges Latenzstadium, 
ein Stadiam der Allgemeinerscheinangen und der Herdsymptome, das 
mit halbstündigem Schüttelfrost einsetzt, und nach 6 Stunden ein 
Stadium der maximalen Wirkung. Intramuskuläre Injektionen müssen 
mehrfach wiederholt werden. Die Aetiologie der Neuritis ist anscheinend 
belanglos für die Wirkung der ersten intravenösen Injektion. Einen 
Unterschied dagegen bedingt die Form der Neuritis. Bemerkenswert ist 
oft das Zurückkehren der Reflexe. Ueberrasohend schnell heilen die 
leichten Fälle der rheumatischen Nervenlähmung und der Druoklähmung. 
Bei echtem Gelenkrheumatismus sah D. höchstens Augenblickserfolge. 
Eine Reihe von Augenblickserfolgen wird mitgeteilt E. Tobias. 


Kinderheilkunde, 

K. Stolte-Breslau: Ueber Herzkentelverwachsnngen im Kindes¬ 
alter. (Jb. f. Kindhlk., 1919, Bd. 89, H. 5, S. 359.) Interessante klinisohe 
Studie, aus der zur Differentialdiagnose gegenüber den Erkrankungen 
des Herzens hervorgehoben seien das relativ günstige Verhalten des 
Pulses, der Befund einer grossen, harten Leber und der Unbewegliohkeit 
der rechten Zwerohfellhälfte, sowie das seltene Auftreten von Oedemen. 
Therapeutisch vermögen nur Ruhe, Koffein und Theobrominpräparate, 
am besten Theophyllin, den prognostisch reoht ungünstigen Zustand 
einigermaassen zu bessern. 


E. Schiff-Budapest: Ueber sichtbare Pnlsntion der Art. braehiali 
bei atrophischen Säuglingen. (Mschr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 15, H. i 
S. 237.) Verf. beobachtete das oben genannte Symptom bei Säuglinge 
mit Atrophie, die infolge Nährschäden verschiedener Aetiologie entstände 
war. Es ist als ein Signum roali ominis zu betrachten. Am besten is 
es bei gebeugtem Arm sichtbar. In den daraufhin untersuchten Fälle 
fand sich eine Erhöhung des Blutdruckes. Als Ursache des Symptom 
kommt möglicherweise eine Schädigung der Gefässwand duroh lang 
dauernde unzweckmässige Ernährung des Säuglings in Frage, naoh Ana 
logie von Tierexperimenten, in denen es Nerking gelungen ist, durc . 
anhaltende unpassende Ernährung von Kaninchen eine Schädigung de ’ 
Arterien hervorzurufen. 

H. Vogt-Magdeburg: Zur Bedentung der Rahr für das Säuglings 
alter. (Mschr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 15, H. 4, S. 193.) Die Erkennun ; 
der Ruhr beim Säugling begegnet sowohl klinisch wie bakteriologisch i 
häufig den grössten Schwierigkeiten. Ruhrinfizierte Säuglinge, insbe 
sondere Brustkinder, bieten bisweilen keinerlei klinische pathologisch i 
Symptome. Blutbeimengungen zum Stuhl müssen in jedem Falle, wenn 
Barlow’sohe Krankheit, Invagination und tuberkulöse Darmgeschwür > 
ausgeschlossen werden können, den Verdacht der Ruhrerkrankung er¬ 
wecken; dasselbe gilt nicht von Schleimbeimengungen. Inwieweit di« > 
derzeitige grössere Häufigkeit von Ruhr auf Säuglingsstationen mit den 
Zeitumständen zusammenhängt, bleibt abzuwarten. Möglicherweise ist 
aber die Bedeutung der Ruhrinfektion für das Säuglingsalter frühe 
unterschätzt worden. 

G. Grimm-Budapest: Zwei Fälle von Osteospathyrosis mit Spontan 
frakturen der Mittelhandkaochen. (Mschr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 15, 
H. 4, S. 232.) Bei den beiden in der Berliner Univ.-Kinderkliuik beob¬ 
achteten Fällen ist der Befund von Frakturen an den Mittelhandknochen 
beider Hände neben mehreren Querfrakturen an den langen Extremi¬ 
tätenknochen bemerkenswert. Diese seltene Lokalisation lässt dau 
Trauma als Ursaohe der Frakturen gänzlich ausschliessen. Die Frakturen 
sind die Folge der abnormen Knochenbrüchigkeit an sich; diese wiederum 
ist vermutlich die Folge einer Erkrankung des Knochenmarks. Di« 
Osteospathyrosis tritt stets gleichzeitig mit Rachitis auf. Beide Krank¬ 
heitsbilder sind jedooh in Verlauf und Erscheinungsform streng vonein¬ 
ander abgrenzbar. 

A. Liohtenstein und G. Lindberg-Stockholm: Molkenanstausch- 
versnehe. (Jb. f. Kindhlk., 1919, Bd. 89, H. 5, S. 329.) Die Verff. 
wenden sich auf Grund einer grossen Reihe klinischer Experimente an 
jungen und teilweise sogar debilen Säuglingen gegen die Beweiskraft 
der Molkenaustauschversuche von Ludwig F. Meyer, die die Bedeutung 
der Mineralstoffe der Molke bzw. deren Beziehung zu den Nährstoffen 
für den Ablauf des Ernährungsvorganges dartun sollten. In 10 Ver¬ 
suchen mit Kuhmulke und Frauen milch käse wurde nie eine sichere ali¬ 
mentäre Schädigung von den Verff. beobachtet. In 15 weiteren Ver¬ 
suchen wurde Frauenmolke mit Kuhkäse gut vertragen, wenn auch in 
einigen wenigen Fällen die Möglichkeit eines Eiweissnährschadens nicht 
auszuschliessen war. Jedenfalls erwies sich das Frauenmolkengemisch 
der nativen Frauenmilch nicht als ebenbürtig. Die vergleichenden Ver¬ 
suche mit Kuhmolke und Frauenmilchkäse einerseits und Brustmiloh mit 
Kuhkäse andererseits ergaben keinen deutlichen Ausschlag im Sinne der 
Ueberlegenheit des letzteren Gemisches. R. Weigert-Breslau. 


Chirurgie. 

E. Haim: Beitrag zur Herzmassage bei längerdauemdem Herz¬ 
stillstand. (W.m.W., 1919, Nr. 20) In jedem Fall von Herzstillstand 
in der Narkose soll in Verbindung mit künstlicher Atmung sofort die 
direkte subdiaphragmatische Herzmassage* ausgeführt werden, da diese 
Methode die am wenigsten eingreifende und am meisten Erfolge ver¬ 
sprechende ist. G. Eisner-Berlin. 

H. Weit*: Zur Behandlung der Parotisflsteln. (D. Ztschr. f. Chir. 
Bd. 149, H. 5 u. 6, S. 419.) Nach Angaben von Leriohe wurde der 
Nervus auriculotemporalis herausgedreht, der Erfolg war ein guter, die 
Sekretion aus der Fistel sistierte sofort. B. Valentin-Frankfurt a. M. 

L. Starker: Ein einfacher Drahtring zar Wundspreizung. (W. kl. 
W. 1919, Nr. 22.) Man legt um die Wunde einen Drahtring. Der 
Rand der Wunde wird mit Seidenfäden angeschlungen und mit dem 
Ring durch diese verknüpft. Vorteile der Methode sind: Vermeidung der 
Unannehmlichkeiten der Tamponade und Drainage, bequeme Wund¬ 
behandlung mit Dakin’scher Wandberieselung oder Strahlentherapie. 

Glaserfeld. 

Posner und Langer: Die chirurgische Versorgung frischer 
Granatverletzungen. (Archiv f. klin. Chir. Bd. 111, H. 2.) Wundexzision 
in Verbindung mit der Verbindung von Pyoktanin haben in mehreren 
100 Fällen von frisohen Granatverletzungen sehr befriedigende Resultate 
gegeben. Hayward. 

Fr. Kaiser - Halle: Die Anwendung des Vnzins in der Friedens¬ 
chirurgie. (D.Zschr.f.Chir., Bd. 149, H.5 u. 6, S.322.) ZurGewebsiniiltration 
und zur Wundtamponade wurde stets eine Lösung von 1:5000, zur Füllung 
der Gelenke eine solche von 1:500 benutzt. Gegen Soda und jedes Alkali ist 
dasVuzin sehr empfindlich. Die Wunden sollen gar nicht oder nur teilweise 
genäht werden. Es wurde wiederholt beobachtet, dass das Vuzin die Bildung 
von Nekrosen befördert. Das Vuzin ist ein die Zirkulation enorm be¬ 
einflussendes Mittel im Sinne einer Verlangsamung des Blutstromes und 


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28. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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einer verringerten Durchlässigkeit der Gefässwände. Vielleicht findet 
euch eine massenhafte Verstopfung oder Thrombosierung der kleinsten 
Gelasse oder Kapillaren statt. Der Prosentsatz der Erfolge nimmt mit 
der Ansahl der «wischen Verletzung und Wundversorgung liegenden 
Standen progredient ab. Ein definitiver Erfolg bleibt aus, wenn die 
Wände mit Pyozyaneus infiziert ist, Knoohensequester, Gewebsnekrosen 
and Fremdkörper in der Wunde Zurückbleiben, und wenn Gelenk und 
Knoohenwunden mit der Aussenwelt in Kommunikation bleiben. Gleich¬ 
zeitige Anwendung der Stauung und der offenen Wundbehandlung bietet 
oft Vorteile. B. Valentin - Frankfurt a. M. 

A. Troell-Stockholm: Einige Worte über das spätere Schicksal von 
uttplastisek traasplaatterteM Rnsekengewebe beim Menschen. (Archiv 
f. klin. Chir. Bd. 111, H. 2.) In einem Fall konnte ein transplantierter 
Knoohenspan, der 213 Tage in einem Bohrloch im Troohanter major und 
Collam femoris gelegen hatte, naohuntersuobt werden. Es ergab siob, 
dass er noch zu etwa 4 /s lebendes Knoohengewebe enthielt. 

Hayward. 

E. Hayward'Berlin: Ueber Schädelplastik. (Ther. d. Gegenw., 
Juni 1919.) Die verschiedenen Methoden zur Schliessung der 
Knochenlüoke werden in 8 Gruppen eingeteilt: 1. Die Deokung aus art¬ 
fremdem Material, 2. die autoplastische Deokung aus schädelfernem 
Material (Tibia, Soapula, Clavioula), 3. die Deokung aus dem Schädel 
selbst. Die erste Methode wird heute kaum noch angewendet, die dritte 
Methode hat vor der zweiten den Vorteil, dass man mit einer Operations- 
wnnde auskommt. Unter 50 plastischen Deckungen sah Verf. zweimal 
ein Abstossen des Transplantates. R. Fabian. 

B. Martin-Berlin: Ueber Regeaeratton der Faule. (Archiv f. klin. 
Chir. Bd. 111, H. 2.) Die Arbeit gibt die mikroskopischen 'Unter¬ 
suchungen der Bi erhoben Veröffentlichung« über Faszienregeneration 
wieder. 

A. Troell-Stockholm: Ueber die kaoeheahildeade Fähigkeit des 
Kaisers mit besonderer Rücksicht auf die Möglichkeit von Kiochea* 
keilaag bei karsiasnatdser Spoataafraktar. (Arohiv f. klin. Chir. 
Bd. 111, H. 2.) Eine Reihe von Untersuchungen mittels Röntgenstrahlen 
und an pathologisch-anatomischen Präparaten liefern den Beweis, dass 
auch bei Spontanfrakturen infolge von Karzinommetastasen Heilungen 
der Fraktur Vorkommen können. Hayward. 

R. Vogel: Ein Fall von totaler Laxatioa des linkea Schlässel- 
biiaes. (W.kl.W., 1919, Nr. 22.) Allen bisher beschriebenen Total¬ 
luxationen entsprach eine typische Dislokation, indem das sternale Ende 
nach vorn, das akromiale nach hinten loxiert war, während in diesem 
Fall das sternale Ende auch naoh hinten disloziert war. Daneben be¬ 
stand hochgradige Versteifung des Schultergelenks, bedingt durch 
Fraktur in der Cavitas glenoi'dalis und Muskelatrophie. Glaserfeld. 

W. v. Sacken-Wien: Ein Beitrag zur Beurteilung der aasgedehatoa 
Resektionen der Gelenke aad Diaphysea, insbesondere der unteren 
Extremität nach Sohussverletzung. (Archiv f. klin. Chir. Bd. 111, H. 2.) 
Verf. ist Anhänger der ausgedehnten primären Resektion der Gelenk- 
verletzungen des Krieges und hat 18 Fälle der oberen und 24 Falle der 
unteren Extremität derart behandelt. Er hat hierbei beobachtet, dass 
bezüglich der Gebrauohsfähigkeit die Verhältnisse an der oberen Extre 
mität wesentlich günstiger liegen als an der unteren, insbesondere ist 
von ausgedehnten Resektionen des Kniegelenks und Kontinuitätsresek¬ 
tionen der Sohaftknochen der unteren Extremität abzuraten, da, ab¬ 
gesehen von der verminderten Gebrauchsfähigkeit, auoh bei diesen Ein¬ 
griffen eine hohe Mortalität zu verzeichnen ist. Hayward. 

H. F. Brunzel - Braunsohweig: Ueber Pseadartkresenbehaadlnng 
mit JodtinkturefnSpritzungen und „Stauungsgips“. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 149, H. 5 u. 6, S. 894.) Bei der Behandlung von Pseudarthrosen ohne 
Defektbilducg ist die Anwendung von Jodtinktur oft von überraschend 
gutem Erfolg. Bei richtigem technischen Vorgehen ist das Mittel gefahr¬ 
los, trotzdem die Maximaldosis dabei erheblioh überschritten wird. Für 
Pseudarthrosen der unteren Extremität entspricht der „Stauungsgips“ 
auf bequemste Weise allen den Anforderungen, die man billigerweise an 
ein konservatives Verfahren stellen kann. Seine Erfolge sind hinsiohtlich 
der Zeitdauer dem blutigen Operationsverfahren mindestens gleichwertig. 
Es muss natürlich eine Auswahl unter den Fällen getroffen werden. 

B. Valentin - Frankfurt a.M. 

H. Riese: Ein neuer Weg zur operativen Freilegnag der Art. 
carotis latoraa an derSch|delbasis. (Archiv f. klin. Chir. Bd. 110, H'.2) 
Der genaue Gang der Operation muss im Original naobgelesen werden. 

K. Reschke-Berlin: Zur operative! Behaadlang deraatogeaer 

Beagekeatraktarea an Hand Fingern. (Arch. f. klin. Chir. Bd. 111 ,H. 2.) 
Besäreibung des vom Verf. gewählten Verfahrens der gestielten Lappen¬ 
plastik aus der Rüokenhaut. Hayward. 

A. Nagy: Die operative Helling der frischen Apoplexie. (W. m. 
W. Nr. 20.) Verf. tritt für Punktion des apoplektisohen Hämatoms ein. 
Die Hauptschwierigkeit ist die Lokalisation des Herdes. Die Heilung 
des Insultes soll gefördert werden. Die durch die Hämorrbagie ermög¬ 
lichten Folgezustände sollen vermieden werden. Grössere Schädigungen 
sind bei einer lege artis ausgeführten Punktion nicht zu befürchten. 

G. Eisner-Berlin. 

L. Starker-Wien: Ueber aussergewöhnliches Auftreten von Waid- 
•tarrkraaipf. (Arohiv f. klin. Chir. Bd. 111, H. 2.) Unter genauer An¬ 
führung der einschlägigen Literatur werden einige Fälle von Tetanus 


mit langer Inkubationszeit, Rezidivtetanus und chronischem Tetanus, 
welche an der v. Eiseiberg’schen Klinik zur Beobachtung gelangt 
sind, im einzelnen besprochen. 

Kreglinger-Hannover: Zur Kenntnis der primären Sarkome der 
Sehilddrftse mit seltenen Metastasen. (Archiv f. klin. Chir. Bd. 111,H.2.) 
Ein unter den Erscheinungen eines Bauchtumors verstorbener 26 jähriger 
Mann zeigte bei der Autopsie ausgedehnte Metastasen eines Sarkoms der 
Schilddrüse in fast allen parenchymatösen Organen. Kurse kritische 
Würdigung der betreffenden Literatur. 

P. Clairmont-Zürich: Die interlobäre Plearitis. (Archiv f. kl. 
Chir. Bd. 111, H. 2.) In der vorliegenden Arbeit wird die gesamte 
Pathologie und Therapie dieser Erkrankung in erschöpfender Weise 
behandelt auf Grund der Erfahrungen an 18 eigenen Fällen, die teils 
der Friedens- teils der Kriegschirurgie angehören. 

B. Baumann-Offenbach a. M.: Wiederholte aufsteigende Düaadana- 
iavagiaatioa bei einer gastroenterostomierten Frau. (Arohiv f. klin. Chir. 
Bd. 111, H. 2.) Kasuistischer Beitrag mit Literaturangaben. 

R. Köhler-Wien: Netztorsioa. (Archiv f. klin. Chir. Bd. 111, H. 2.) 
Kurse Mitteilung eines eigenen Falles aus der v. Eiselsberg'sehen 
Klinik. Hayward. 

H. F. Brunzel-Braunsohweig: Ueber einen Fall von chronischem, 
in Attacken auftretendem spastischen Ileas bei einer sohwer nervös be¬ 
lasteten Patientin. Laparotomie. Heilung. (D. Ztsohr. f. Chir. Bd. 149, 
H. 5 u. 6, S. 414.) Dauerde Heilung des in der Ueberschrift gekenn¬ 
zeichneten Krankheitsfalles. B. Valentin-Frankfurt a. M. 


Urologie. 

V. L. Neumayer-Kljno (Bosnien): Zur Eatferaaag voa Steilen 
in der männlichen Harnröhre. (M.m.W., 1919, Nr. 23.) Mittels der 
Weber’scheo Schlinge der Augenheilkunde gelang es, in 2 Fällen Steine 
aus der Harnröhre zu entfernen, die auf keine andere Weise unblutig 
entfernt werden konnten. R. Neumann. 


Augenheilkunde. 

Löh lein Dorpat: Ueber hereditäre Ptosis der orbitalen Tränen¬ 
drüsen. (M.m.W., 1919, H. 24.) Beschreibung eines Falles von sym¬ 
metrischer Ptosis beider orbitalen Tränendrüsen auf hereditärer Basis. 
Auch der Vater der 18 jährigen Patientin hatte in seiner Jugend das¬ 
selbe eigenartige Krankheitsbild. Als Ursache ist hier im Gegensatz zu 
ähnlichen entzündlichen Erkrankungen nach Typhus, Scharlach usw. ein 
mangelhaft entwickelter Stützapparat der Drüse bei gleichseitiger beträcht¬ 
licher Grösse derselben anznnehmen. R. Neumann. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

S. Gatscher: Untersuchungen über den EinfliM der Vestibalaris- 
roaktioa auf einen bestehenden lieht labyrinthogenea Spontaaaystag- 

mas. (W.kl.W., 1919, Nr. 22.) Wird bei aufrechter Kopfhaltung der 
horizontale und frontale Bogengang eines Labyrinthes kalorisiert, so be¬ 
wirkt der kalte Reis vorwiegend eine Erregung der gleichseitigen Hälfte 
der Kernregion der Augenmuskelnerven, der heisse eine solche der gegen¬ 
überliegenden. Auf der stärker beteiligten Seite wurden die Kerne aller 
drei Nerven erregt. Die Erregung der gleichseitigen Hälfte der Kern¬ 
region entspricht dem Auftreten der weniger wirksamen vestibulären 
Komponente, die Erregung der gegenüberliegenden dem der wirksameren. 
Da in beiden Fällen dieselben Bogengänge gereizt werden, so muss der 
Unterschied im Effekt durch Verschiedenheit der aufnehmenden Zellen, 
der leitenden Fasern oder im Zentrum der Vestibularissphäre begründet 
sein; oder es muss die Ursaohe in der verschiedenen Richtung der 
Haarzellenbewegung gesucht werden. Durch die Erregung auf kaltem 
und beissem Reiz wird ein Muskelkomplex in Tätigkeit versetzt, dessen 
Wirkung in beiden Fällen gerade entgegengesetzt ist. Da die Lokali¬ 
sation der Wurzelstätten der beteiligten Muskeln bekannt ist, so kann 
die Erregung näher lokalisiert werden. Die ungestörte Koordination der 
Zellgruppen im Kerngebiet kann aus der Form der Erregung erschlossen 
werden. Die strikte Beziehung zwischen Reiz und Erregung setzt eine 
be8timm1e Bahnung für den Refiexvorgang voraus. Die Reflexerregbar¬ 
keit ist in diesen Bahnungen nicht die gleiche. Glaserfeld. 


Hygiene und Sanitfltswesen. 

H. Selter-Königsberg: Die Ursachen der Säuglingssterblichkeit 
unter besonderer Berücksichtigung der Jahreszeit und der sozialen Lage. 
(Zschr. i. Hyg., Bd. 88, H. 2.) Die soziale Lage hat eine entscheidende 
Bedeutung für die Säuglingssterblichkeit. 

F. Meier-Kiel: Die Kriegsstorblirhkeit in der Provinxial-Heil- 
und Pflegeanstalt N. bis zum Jahre 1917. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88, H. 2.) 
Im Jahre 1913 war die den Kranken zugeführte Kalorienmcnge 
täglich 2095 Kalorien, im Jahre 1917 cur noch 1835, während 21CO 
nötig gewesen wären. Das Durchschnittsgewicht der Männer sank von 
65,2 kg auf 54,2 bei Frauen von 57,1 auf 44,4 kg. Gleichzeitig bestand 
eine erhöhte Sterblichkeit. Schmitz. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


W. v. Drigalski-Halle a.S.: Hungerblockade md Volksgesnnd- 
heit. (D.m.W., 1919, Nr. 21.) Yerf. zeigt die verheerende Wirkung der 
Hungerblookade namentlich bei den Kindern, die auch kürzlich von einer 
Kommission ausländischer Gelehrter ohne weiteres zugestanden wurde. 

Dünner. 

F. Schweriner: Diphtheriebazillenträger und systematische Diph- 
theriebekämpfnng. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88, H. 2.) Möglichst restlose 
Erfassung aller Bazillenträger durch bakteriologische Untersuchungen. 

Schmitz. 

KorfLPetersen-Dorpat u. Berlin: Untersuchungen über die Be¬ 
ziehungen zwischen Belenchtmagsstärke, Sehschirfe and Lesege¬ 
schwindigkeit. (M.m.W., 1919, H. 24.) Mit den bisher gebräuchlichen 
Untersuchungsmethoden lässt sich eine unbedingte sichere Grenze für 
die Beleuchtung nicht angeben. Bei Schülerplätzen darf nicht unter 
25 Meterkerzen weissen Lichtes hinabgegangen werden, da sonst subjek¬ 
tiv ein Liohtmangel empfunden wird. Wünschenswert ist aber eine 
grössere Lichtanlage von 50— 60 Meterkerzen. R. Neumann. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 18. Juni 1919. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Schriftführer: Herr Virchow. 

Vorsitzender: Ich habe mitzuteilen, dass ausgesohieden sind Herr 
Dr. Nicolai, Mitglied seit 1900, und Herr Dr. W. Blumenthal, Mitglied 
seit 1914. 

Die Physiologische Gesellschaft hat die Mitglieder der me¬ 
dizinischen Gesellschaft zu einer Sitzung am Freitag, dem 20. d. M., 
abends 7 Uhr eingeladen. Tagesordnung: Herr Prof. Flury: Tierische 
Gifte; Herr Prof. Crem er: Ueber synthetische Ernährung. 

Für die Bibliothek gingen ein: Von Herrn Hertwig: Lehrbuch 
der Entwicklungegeschichte der Menschen und der Wirbeltiere, Jena 1915, 
10. Aufl. Herrn Würzburg: 12 Sonderabdrücke, 1 Dissertation und 
1 Beiheft zu den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes. 

Vor der Tagesordnung: 

Hr. Heise : Die Moulage, die ich Ihnen hier zeige, wurde auf meine 
Anregung vom Kaiserin-Friedrich-Haus, dessen Sammlung sie einverleibt 
wurde, angefertigt. Die Ausführung gelang in künstlerisch vollendeter 
Form, so dass Sie eine naturgetreue Wiedergabe der pathologischen Ver¬ 
änderungen und Verhältnisse hier vor sich haben. Sie sehen den Wachs¬ 
abdruck einer weiblichen rechten Thoraxhälfte, hier eine grosse Ge- 
schwürsüäche, in die Sie eine ganze Hand legen können. Von der ge- 
' schwängen Zerstörung ergriffen ist der ganze obere Teil der Mamma 
von der Axillarlinie bis zum Sternalrand. Die Mammilla sehen Sie hier. 
An dieser Stelle ist das Geschwür zerklüftet. Im übrigen bildet der 
Grund eine eitrig-schmierig belegte Granulationsfläohe. Die Ränder 
sind hart, aufgeworfen und unterminiert. Dieselbe Geschwürsfläche be¬ 
fand sich bei der Pat. auch auf der anderen Seite. Die obere Hälfte der 
linken Mamma war von der gleichen gesohwürigen Zerstörung in gleioher 
Grösse und Ausdehnung ergriffen. Es handelt sich natürlich nicht um 
Karzinom, sondern — und das ist das ausserordentliche bei diesem Fall, 
was die Anfertigung der Moulage und die Demonstration am heutigen 
Abend rechtfertigt — um eine ausgedehnte Nekrose beider Mammae als 
Folge von Paraffininjektionen. Bemerkenswert ist ferner, dass zwischen 
diesen Injektionen und dem Ausbruche der Nekrosen ein Zeitraum von 
8 Jahren liegt. Der Kollege, der mir diesen Fall schliesslich zur ope¬ 
rativen Behandlung überwies, teilte mir mit, dass er Januar-Februar 1909 
die Paraffininjektionen in 8 Sitzungen bei einem Verbrauch von 290 g 
ausgeführt hat. Erst im Spätsommer 1917 trat unter gleichzeitiger Aus¬ 
scheidung des Paraffins diese Nekrose auf beiden Seiten ein und be¬ 
wirkte diese ungeheure Gewebszerstörung. 

Die Pat. kam im November 1917 in meine Klinik. 4 Wochen später, 
nachdem unter gleichzeitiger Hebung des Kräftezustandes die profuse 
Eiterung beseitigt und eine reine Granulationsfiäche geschaffen war, war 
es möglich, die Amputation beider Mammae zu machen. Der Erfolg war 
gut, die Pat. wurde geheilt. 

Der Kollege hat in 42 Fällen diese Injektionen ausgeführt. 34 da¬ 
von blieben in seiner Beobachtung. Von diesen hatten 14 Fälle Ne¬ 
krose und Fistelbildung, 12 bekamen Senkungen des Paraffins, Höcker¬ 
bildungen der Mammae und Unebenheiten, 8 sollen beschwerdefrei 
geblieben sein. 

Auch dieser Fall gab im Anfang durchaus ein vollkommen un¬ 
befriedigendes Resultat. Die Brüste wurden hart wie Stein, uneben und 
unschön. 

Die Ihnen angeführte Statistik sowie dieser krasse Fall beweisen 
wohl zur Genüge die vollkommene Nutzlosigkeit und Gefährlichkeit des 
Verfahrens und mögen als abschreckendes Beispiel dienen. Der Kollege 
hat das Verfahren seit Jahren aufgegeben. 

Noch ein kurzes Wort über das Ursächliche dieser Nekrosen. Das 
mechanische Moment seheint zweifelsohne hauptsächlich zu beschuldigen 


zu sein. Durch den Druck des Paraffins auf die nächste Umgebung, 
besonders auf die Haut werden die Nekrosen bewirkt Reichlicheres 
Fettpolster mag dagegen schützen. Diese Pat. gehörte vor Jahren, nach 
Photographien zu urteilen, zu den üppigen Frauengestalten. Daher blieb 
die Nekrose zunächst aus. Erst als sie anfing zu entfetten, sei es ab¬ 
sichtlich aus Eitelkeit oder unabsichtlich durch die Kriegsverbältnisse 
bedingt, setzten auch bei ihr die Nekrosen ein und erreichten diesen 
ungeheuren Umfang. 

Tagesordnung. 

Hr. Pani Eisenstein *. Die Behandlung der Mastitis Mit Bakapin 
and Vaxia. 

(Erschien in Nr. 28 unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Aussprache. 

Hr..Klein: Ich habe auf freundliche Anregung des Herrn Dr. Rosen¬ 
stein eine kleine Versuchsreihe über die Wfrkung von Eukupin auf das 
Mammngewebe des Meerschweinchen angestellt. Ich habe zunäcbt 2 ccm 
Eukupin in die Meerschweinohenmamma injiziert, dann habe ich eine 
kleine Menge Kochsalz in die Mamma injiziert, und schliesslich habe 
ich aus dem Eiter einer akuten Frauenmastitis I com Eiter in die Meer¬ 
schweinchenmamma injiziert, nach 5 Tagen, nachdem sich dort eine 
Mastitis entwickelt hatte, habe ich Eukupin injiziert und will Ihnen nun 
die Präparate demonstrieren. 

(Vorführung von Lichtbildern.) 

Es hat sich darum gehandelt, zu beweisen, dass keine Gewebs¬ 
schädigungen entstehen, vor allem keine tief eingreifenden Nekrosen, wie 
in einer vor kurzem erschienenen Arbeit angegeben worden ist. Das 
hervortretende Moment sind die Blutungen in das Mammagewebe und 
das Unterhautfettgewebe. Man findet allerdings auch eventuell klein¬ 
zellige Infiltration des Mammagewebes. Aber die Blutungen können 
möglicherweise auch durch mechanische Schädigungen zustande gekommen 
sein oder auch durch die Injektion. 

Hr. Willy Hofmann-Frankfurt a. M.: Herr Prof. Keppler-Essen 
und ich haben an der Bier’sohen Klinik ausgedehnte Versuche mit dem 
Vuzin zur Bekämpfung eitriger Prozesse angestellt. Im allgemeinen kann 
ich die Grundsätze, die der Herr Vortragende, hier aufgestellt hat, be¬ 
stätigen, und ganz besonders möchte ich seine letzten Ausführungen 
unterstreichen, dass man nämlich gute Erfolge im wesentlichen nur er¬ 
zielt, wenn die Eiterung lokal begrenzt ist, hingegen sind die Erfolge 
weniger gut bei ausgebreiteter Eiterung. 

Was die Mastitis anlangt, so waren wir im allgemeinen bei den 
abszedierenden Formen mit dem Vuzin zufrieden. Ich könnte Ihnen 
dieselben Fälle zeigen, wie sie Herr Rosenstjein soeben vorgeführt 
hat, die nach einer einmaligen, eventuell nach einer zweimaligen In¬ 
jektion von Vuzin in Lösungen von 1:1000 bis 1:500 innerhalb 5 bis 
8 Tagen vollkommen geheilt wurden. Der Verlauf ist so wie bei den 
Abszessen im allgemeinen, und hier bat sich bei der Vuzinbehandlung 
nur das bestätigt, was Bier seinerzeit, als er die ersten Mitteilungen 
über die Anwendung des Eukupins machte, schon gesagt hatte. 

Ich kann ferner Ros enstein darin beipfiichten, dass die Chinin¬ 
präparate, besonders das Vuzin, unschädlich für den Körper sind, selbst 
in grösseren Mengen. loh habe seinerzeit Tierversuche darüber an¬ 
gestellt, wie sich das Vuzin bei intravenöser Injektion verhält, und 
habe es auf Grund dieser Tierversuche in einigen Fällen von Sepsis an¬ 
gewandt. Eine Wirkung habe ich nicht beobaohtet, dooh werden intra¬ 
venöse Injektionen von 0,4 bis 0,5 g von den Patienten gut vertragen. 
Die einzige Allgemeinwirkung, die wir von dem Vuzin wahrnahmen, war, 
dass merkwürdigerweise bei Kindern häufig, bei der Füllung geschlossener 
Eiterungen, wie von Abszessen oder infizierten Gelenken, Palssteige- 
rungen, die unter Umständen tagelang anhielten, auftraten. 

In einem Falle von abszedierender Mastitis lief zunächst der Ab¬ 
szess in typisoher Form aus, nach einiger Zeit bildete sich aber im An¬ 
schluss daran die infiltrierende Form aus. Wir haben sie dann unter 
Kataplasmen und mittels Saugapparat zur Heilung gebraobt. 

Bei den infiltrierenden Formen der Mastitis haben wir uns nioht zu 
dem Vorgehen von Rosenstein entschliessen können, in das entzündlich 
infiltrierte Gewebe die Lösung einzuspritzen. Wir haben zunächst durch 
allgemeine Maassnahmen, wie Kataplasmen und Saugen versucht, den 
entzündlichen Prozess zu einer lokalen Begrenzung zu bringen, und 
haben dann diesen lokal begrenzten Prozess mit Vuzin behandelt. 

Auf zwei Fälle muss ich etwas näher eingehen, weil bei ihnen die 
Behandlung nicht ganz zum Ziele geführt hat. Herr Rosenstein hat 
auch hervorgehoben, dass er durchaus nicht behaupten will, sämtliche 
Fälle von Mastitis seien mit dem Vuzin zu heilen. Unsere beiden Fälle 
sind schliesslich auch ausgeheilt, ohne dass wir grössere operative Ein¬ 
griffe zu machen brauchten, wir kamen mit Stichinzisionen aus. Nur 
zeichneten sie sioh beide dadurch aus, dass sie sehr lange dauerten. 
Einmal lag ein mebrkammeriger Abszess vor, und da kann es manchmal 
recht schwierig sein, an den Ort der Eiterung heranzukommen. Es liegt 
ja in der ganzen Anwendung des Präparats begründet, dass es nur dann 
wirksam ist, wenn es technisch möglich ist, das Mittel mit der Eiterung 
in Berührung zu bringen, und ich möchte diesen Misserfolg vielleicht 
darauf zurückführen, dass es bei der Ausdehnung des Prozesses nicht mög¬ 
lich war. Bei einem der Fälle von Mastitis war charakteristisch, dass 
der Eiter aus einem Teile der Drüse schokoladenbraun gefärbt war, aus 
einem anderen dagegen hellgelb. Die braune Färbung ist auf hämoly¬ 
tische Wirkungen zurückzuführen. Man kann diese auch im Reagensglase 


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naehweisen, wenn man Blut mit Vuzin versetzt, es tritt denn Hämolyse ein. 
Ferner hatten wir eine Mastitis sn behandeln, die immer wieder frische 
Eiterungen zeigte und immer von neuem in Angriff genommen werden 
musste. Es war eine doppelseitige Mastitis, die im ganzen eine vier- 
monatige Behandlung beanspruchte. Das kosmetische Resultat war 
dementsprechend nicht besonders, namentlich zeigten die beiden 
Mammae eine harte Infiltration. Auch lymphangitisohe Infiltrationen 
nach der Axillarhöhle bildeten sich aus mit livider Verfärbung der 
ganzen Brust. 

Ein Kollege hat mir einmal mitgeteilt, dass ihm bei einer Injektion 
mit Vuzin bei einer Patientin eine Gangrän der Mamma vorgekommen 
sei. Dies ist möglicherweise auf einen Fehler der Teohnik zurückzu¬ 
führen. Man darf selbstverständlich die Injektion nicht unter zu grossem 
Drucke ausführen. 

Wir möchten daher noohmals empfehlen, die Behandlung der Mastitis 
mit Vuzin auf die begrenzten abszedierenden Fälle zu beschränken. 

Im einzelnen sind wir häufig auch so vorgegangen, dass wir nicht 
immer wieder von neuem mit Vuzin behandelten. Wir haben manchmal 
den Eiter, der sich wieder gebildet hatte, nur abgesogen, ohne wieder 
zu füllen. Wir konnten feststellen, dass sich zum Sobluss in einigen 
Fällen eine sterile Flüssigkeit bildete; punktierte man diese, war die 
Erkrankung sohliesslich verschwunden. 

Zu den allgemein aufgestellten Grundsätzen möchte ich noch einiges 
hinsufügen. Es gibt eine diffus infiltrierende Entzündung, bei der die 
oben skizzierten Grundsätze nicht gelten, das ist der Karbunkel. Man 
kann grosse Karbunkel von gewaltiger Ausdehnung sehr gut mit Vuzin 
um- und unterspritzen. Dadurch treten zunächst Reizerscheinungon auf, 
die aber nicht besonders schwerer Natur sind. In allen Fällen von 
grossen Karbunkeln, die wir mit Vuzin behandelt ,haben, 
ist es uns gelungen, die Eiterung abzugrenzen und den Kar¬ 
bunkel zur Abheilung zu bringen. Freilich achteten wir darauf, 
dass die Spannungen infolge der Injektion nicht zu gross 
waren, und ich möchte besonders darauf noch einmal Gewicht legen, 
dass es sich auch bei der Mastitis empfiehlt, nioht so viel einzufüllen, als 
man punktiert hat. Man soll ferner den Eiter nioht zu stark aussaugen, 
es treten sonst nioht nur unangenehme Sohmerzen auf, sondern auch 
Blutungen. 

Bei den Phlegmonen, bei denen vHr sehr verschiedene Methoden 
versucht haben, sind wir mit Ausnahme der abgegrenzten, sohliesslich 
dooh zu Abszessen iöhrenden, mit dem Vuzin nicht zum Ziele ge¬ 
kommen. Bei einigen Gelenken haben wir sehr gute Resultate 
erreicht. Dabei möchte ioh besonders einen Fall von Fussgelenkseiterung 
anführen, und zwar im Talocruralgelenk. Es war eine geschlossene 
Eiterung; wir haben im ganzen dreimal punktiert und mit Vuzin gefüllt, 
und haben duroh diese dreimalige Punktion eine vollkommene Steri¬ 
lisation des Gelenkinhalts erzielt. 

Sehr interessant war hierbei die — wie man wohl sagen muss — 
biologische Wirkung der Injektion. Es trat nämlioh zu beiden Seiten 
eine Art von subkutanem Abszess auf. Diese brachen nicht etwa auf, 
sondern sie bildeten sich nach der Punktion zurück. Der Inhalt war 
steril, und auch die ganzen Erscheinungen, die sioh dabei gezeigt haben, 
wiesen viel Aehnlichkeit mit den Erscheinungen auf, die wir nach An¬ 
wendung der Stauung bei Gelenkeiterungen gesehen haben. 

Selbstverständlich stehen wir nooh nicht am Abschluss aller Ver¬ 
suchsmöglichkeiten. Es ist durchaus möglioh, dass wir auf anderem 
Wege noch weiter kommen. 

Zusammenfassend möchte ioh betonen, dass wir gute Erfolge 
nur bei den abgegrenzten Eiterungen gesehen haben, also 
den Abszessen, den abszedierenden Formen der Mastitis und 
bei verschiedenen Gelenken. Bei anderen Fällen von Gelenkeite- 
rung haben wir weniger gute Erfolge gehabt, doch mag dies auch an 
der Schwere der Fälle gelegen haben. Ioh muss überhaupt hervorheben, 
dass wir an einem schweren septisohen Material zu arbeiten 
hatten. Auch die Behandlung der Karbunkel gab gute Resultate; 
allerdings ist diese Methode reoht schmerzhaft, und auch bei Zwatz 
von Novokain konnten wir manchmal starke Sohmerzen nioht vermeiden. 
Wir waren daher oft genötigt, den Aetherrausch anzuwenden. 

Hr. Hammerschlag: Ebenso wie mein Vorredner habe auch ioh 
die besten Ergebnisse bei einfachen Abszessen der Mamma gehabt, denn 
bei diesen ergeben auch die anderen Behandlungsmethoden die besten 
Resultate. Meine klinisohen Erfahrungen erstrecken sich auf die ver¬ 
schiedensten Behandlungsformen der Mastitis. Zunäohst wurde die 
Spaltung der Mamma mit grossen radiären oder anderen Inzisionen aus¬ 
geführt. Sodann kamen multiple kleinere Inzisionen mit Gegeninzisionen 
und Durchziehen von Jodoformdoohten oder Gummidrains zur Anwendung. 
Es folgte die Bier’sohe Saugbehandlung ohne Inzision; schliesslioh die¬ 
selbe Behandlung mit Stichinzisionen, und ganz neuerdings habe ich in 
der Brandenburgischen Hebammenlehranstalt und Frauenklinik die Be¬ 
handlung mit Chininderivaten durchführen lassen. 

Mit allen von mir genannten Methoden erzielt man gute Erfolge 
bei einfachen Abszessen, so dass es schliesslioh beim Vergleich der ein¬ 
zelnen Methoden nur darauf ankommt, welche am schnellsten zur 
Heilung führen, beziehentlich — bei der Mastitis von ganz besonderem 
Werte —, welche kosmetisch ein gutes Resultat ergeben. Unter diesen 
Gesichtspunkten muss man die grossen Inzisionen völlig ablehnen, denn 
sie führen zu einer weitgehenden Verstümmelung der Brust. Die kleinen 
Inzisionen mit Gegeninzisioi^en und Durchziehen von Jodoformdochten 


oder Drains stellen eine ausserordentlich mühselige, langwierige und für 
die Patientinnen unangenehme Behandlung dar, die hauptsächlich des¬ 
wegen so lange dauert, weil die Drains beziehentlich die Jodoform doch te 
an sich die Eiterung unterhalten. Die Bier’sohe Saugbehandlung ohne 
Inzision hat bei uns völlig versagt. Wir haben damit weder beginnende 
Mastitiden kupieren noch vorhandene heilen können. Dagegen haben 
wir ausgezeichnete Resultate bei den Stichinzisionen mit gleichzeitiger 
Saugbehandlung zu verzeichnen, die auch kosmetisch sehr schöne Erfolge 
gaben. Ich glaubte daher kaum, diese Methode aus irgendwelchen 
Gründen wieder verlassen zu müssen. Immerhin habe ich bei der 
Empfehluog, die speziell für die Behandlung mit den Morgenroth’schen 
Chininderivaten erfolgte, geglaubt, auch mit diesen Versuche anstellen 
zu müssen, über die ich allerdings zurzeit Abschliessendes noch nioht 
sagen kann, Es wurden bis jetzt 20 Fälle behandelt, hauptsächlich mit 
Eukupin, einige wenige mit Vuzin. Einige Male habe ich stärkere Kon¬ 
zentrationen als Herr Rosenstein verwenden lassen, so Eukupin 1:100. 
Irgendwelche Schädigungen sind dabei nioht bemerkt worden. 
Die Technik bewegte sich bei uns im allgemeinen in den Bahnen, wie 
sie Herr Rosenstein skizziert hat. Der Eiter wurde zunäohst an¬ 
gesaugt, wobei auoh ich vor zu starkem Aspirieren warnen möchte, um 
keine Blutungen zu erleben, dann wird ungefähr dieselbe Menge Eukupin 
injiziert wie vorher Eiter abgelassen. Es gibt dann in der Tat bisweilen 
ganz überraschende Erfolge, so dass manchmal in wenigen Tagen völlige 
Heilung eintritt, und zwar mit einem kosmetisch vorzüglichen Resultate. 
Man kann in solchen Fällen nach einiger Zeit überhaupt kaum noch 
feststellen, dass irgend etwas in der Mamma vorgegangen ist. Andere 
Fälle liegen nicht so günstig, besonders dann, wenn kein einheitlicher 
Abszess besteht. Diese sind aber auch den anderen Behandlungs¬ 
methoden nicht in demselben Maasse zugängig. Aber auoh da haben 
wir gute Resultate gesehen. Auffällig war mir, dass bereits am Tage 
nach der Inzision die Schmerzen völlig nachlassen, naohdem ein mehr 
oder weniger kurz dauerndes Reizstadium voraufgegangen ist, welches 
auch die Patientinnen als solches empfinden. Das Nachlassen der 
Schmerzen erfolgt auch trotz noch bestehenden Fiebers. Aber die Be¬ 
handlung kann bei den nioht einheitlichen Abszessen längere Zeit in 
Anspruch nehmen, sie kann Wochen, ja sogar Monate dauern, und es 
kommt dabei unter Umständen zu nicht unbeträchtlichen Nekrosen. In 
einem Falle konnte aus der Punktionsöffoung ein Bündel von nekrotischen 
Faszien herausgezogen werden. Dies kommt allerdings bei anderen 
Methoden auch vor, aber in allen solchen Fällen ist der kosmetische 
Effekt nicht gut. Es gibt Einziehungen der Mamma, und bei deren 
Vorhandensein ist es gleichgültig, ob sie sich um eine Punktionsöffnung 
oder eine kleine Inzision gruppieren. Für solche Fälle glaube ich daher 
eine Ueberlegenheit des Verfahrens gegenüber den Stichinzisionen mit 
Saugbehandlung nicht aussprechen zu dürfen. 

Ich möchte also auch das Verfahren vor allen Dingen für die Fälle 
der einheitlichen Mammaabszesse empfehlen. In diesen Fällen ist es 
tatsächlich eine ganz ausgezeichnete Methode. Es ist manchmal möglich, 
wie auch Herr Rosenstein schon hervorgehoben hat, mit einer einzigen 
Füllung die ganze Therapie zu beenden. In anderen Fällen, wo eine 
Verklebung der Inzisionsöffnung nicht eintritt, gehören zwei, drei, vier, 
auoh fünf Füllungen dazu, um schliesslioh das Resultat zu erzielen. 
Irgendwelche Erscheinungen, die mich von dem Mittel absolut abbringen 
könnten, habe ioh unter den bisher behandelten 20 Fällen nioht 
gesehen. 

Ich glaube also, dass man unter diesen Bedingungen die Methode, 
soweit es unsere nooh geringen klinisohen Erfahrungen zulassen, 
mindestens als naohprüfenswert bezeichnen darf, und ich bin überzeugt, 
dass bei ausgebildeter Teohnik und bei richtiger Anwendung der Methode 
sioh gerade bei der puerperalen Mastitis ausserordentlich gute Resultate 
zeitigen werden. 

Hr. Morgenroth: Vor zwei Jahren trug Bier an dieser Stelle die 
ersten, für die Anwendung der neuen chemotherapeutischen Desinfektions¬ 
mittel grundlegenden Erfahrungen vor. Es ist recht erfreulich, dass 
man sich jetzt die Summe der inzwischen gesammelten Erfahrungen, 
die naturgemäss vorwiegend der Kriegschirurgie angehören, zunutze 
macht, um die Anwendung desVuzins und desEukupins der Friedens¬ 
chirurgie zuzuführen. So ist eben aus der chirurgischen Klinik in 
Halle die erste gründliche Arbeit erschienen über die Anwendung der 
Tiefenantisepsis mit Vuzin, wie sie Klapp begründet hat, bei frischen 
und auoh schon im Beginn der Infektion befindlichen gewerb¬ 
lichen Unfallverletzungen 1 ); gerade dieses Gebiet wird sich zu¬ 
nächst die Tiefenantisepsis mit Vuzin erobern. Das Programm, wie es 
Herr Rosenstein heute aufstellte, ist gewiss ein sehr glückliches zu 
nennen, dass man zunäohst, ich möchte sagen klinisohe Standard- 
versuohe an bestimmten Infektionskrankheiten schafft, die häufig und 
in ihrem Verlauf typisch genuß sind, um zu einem abschliessenden 
Urteil zu gelangen. In der gleichen Weise suche ioh auch im Tier¬ 
experiment vorzugehen, wie dies schon ConradBrunner, v. Gonzen- 
baoh und Ritter in vorbildlicher Weise mit ihren Versuchen über 
Erdinfektion und Antisepsis getan haben. 

Zu den eitrigen Infektionen, die als Standardinfektionen ein beson¬ 
ders gutes Feld bieten, gehören vor allem die vereiterten Gelenke. 
Herr Hof mann hat schon die günstigen Erfolge in der Bier’sohen 
Klinik erwähnt. Sie werden bestätigt durch sehr zahlreiche, zum Teil 


1 ) Kaiser, D. Zschr. f. Chir., 1919, Bd. 149, H. 5 u. C, S. 823. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Mr.flO 


bereits veröffentlichte Erfahrungen aus dem Felde, und ich habe den 
Eindruck gewonnen, dass hier — und zwar auch von seiten derjenigen 
Chirurgen, die im übrigen der Anwendung des Vuzins gar nicht so sehr 
gewogen sind — eine völlige Einmütigkeit über den hohen Wert 
der Vuzinantisepsis besteht. Die Anwendung des Vuzins bei der 
Gelenkbehandlung ist auch insofern ein Fortschritt, als man hier bei doch 
immerhin empfindlichen Geweben, wie sie das Gelenk auskleiden, zu 
sehr erheblichen Konzentrationen kommt, nämlich zu 1 :100, also zu 
Konzentrationen, die sich den von Herrn Hammerschlag bei der 
Maititis angewandten nähern. 

Ich verstehe es sehr gut, dass die Frage der Gewebs¬ 
schädigung jeden Chirurgen beschäftigt, der neue Antiseptika an¬ 
wendet, nur meine ich, man sollte dem Vuzin und dem Eukupin doch 
das Schicksal ersparen, das bisher keinem chemotherapeutischen Mittel, 
ich glaube überhaupt keinem wirksamen Mittel, wenn auch nur vorüber¬ 
gehend, erspart wurde — das Salvarsan, das Optochin haben eine 
Leidensgeschichte in dieser Hinsicht hinter sich —, dass man zunächst 
denVersuch macht, es zu einem Popanz zu stempeln. Ich bin durch¬ 
aus der Ansicht und stimme hierin auch mit Schöne überein, dass 
man die schädlichen Wirkungen des Vuzins und des Eukupins im Tier¬ 
versuch erforschen muss. Allerdings bin ich der Ansicht, dass am Ende 
aller Enden die klinische Erfahrung beim Menschen entscheidet. 
Schon Klapp ist in dieser Hinsioht mit äusserster Vorsicht und Konsequenz 
vorgegangen, Herr Rosenstein hat das gleiche getan, Herr Hammer¬ 
schlag ist in den Konzentrationen etwas weiter gegangen, und Sie 
können Tierversuche vor sich haben, so viel Sie wollen, der tastende 
klinische Versuch bleibt Ihnen unter keinen Umständen er¬ 
spart. 

Ich habe mioh auch mit Tierversuchen in dieser Richtung be¬ 
schäftigt, die noch nicht abgeschlossen sind. loh kann aber sohon 
folgendes sagen: Man muss strikt unterscheiden zwischen der Einwirkung 
dieser Präparate in den verschiedenen Konzentrationen auf normales 
und auf infiziertes Gewebe. 

Wenn im Gewebe z. B. Staphylokokken vorhanden sind, dann sind 
die Schädigungen grösser, als im nicht infizierten Gewebe. Das ist keine 
Vuzinwirkung, sondern das ist eine Kombination, die erst analysiert 
werden muss, und die, wie ioh glaube, mit den Toxinen der rasoh zur 
Auflösung gelangenden Staphylokokken irgendwie im Zusammenhang 
steht. Wir begegnen ja ganz ähnlichen Erscheinungen, wie dies Herr 
Rosenstein aucn schon früher geschildert hat, bei der Behandlung eitriger 
Abszesse, jenen Phänomenen, die auf den einen oder anderen Chirurgen, 
wohl zu Unreoht, abschreckend gewirkt haben., 

Wa9 nun die Empfindlichkeit der Gewebe betrifft, so möchte ich 
nur einige Erfahrungen berichten, die da9, was ioh eben sagte, bestätigen, 
dass man beim Menschen Versuche machen muss, unabhängig vom Tier¬ 
versuch, und die dringend darauf hinweisen, dass man jede Gewebsart 
gesondert untersuchen muss. Der allgemeine Begriff der Gewebs¬ 
schädigung kommt hier niobt in Frage, ebensowenig etwa, wie er in 
der Strahlentherapie eine Rolle spielt. Nach meinen sehr zahlreichen 
Erfahrungen an Mäusen und an Meerschweinchen kann ioh sagen, dass 
das Unterhautbindegewebe eigentlich praktisch unempfindlich 
gegen das Vuzin ist. Man beobachtet keine Nekrosen, vorausgesetzt, 
dass nioht eine Infektion vorhanden ist; dann liegen die Verhältnisse 
komplizierter. 

Beim Muskel des Kaninchens kann man eine Beobachtung 
machen, die zu denken gibt und zur Vorsicht im Urteil mahnt. Wir 
haben unsere sehr zahlreichen Versuche hauptsächlich in der Adduk¬ 
torengruppe des Kaninchenobersohenkefs ausgefübrt, und manchem von 
Ihnen ist vielleicht bekannt, dass hier zwei auch histologisch verschiedene 
Muskelarten existieren. So ist z. B. der rote M. semitendinosus von dem 
weissen Adductor magnus umsobeidet, und nun kann man sehen, dass 
der rote Muskel viel empfindlicher ist als der weisse Muskel. Es muss 
also beim Menschen Gewebe für Gewebe und Region für 
Regien ansprobiert werden. Für das subkutane Gewebe dürfen 
wir beim Menschen annehmen, dass es an und für sich sehr unempfind¬ 
lich ist. Es ist ein Versuoh von Loeser 1 ) aus der Rostocker Frauen¬ 
klinik veröffentlicht, der I proz. Lösung von Vuzin ohne nennenswerten 
Nachteil subkutan injiziert hat. Dass das Gewebe der Gelenke 1:100 
verträgt, habe ich bereits erwähnt. 

Was die Wirkungsweise des Vuzins bei Mastitis betrifft, so muss 
man nach Beobachtungen, wie sie sohon Bier gemacht bat, und wie 
sie heute Herr Rosenstein mitgeteilt hat, zweifellos annebmen, dass es 
sich hierbei um eine echte Desinfektionswirkung, um eine Abtötung 
der Staphylokokken im Gewebe handelt. Nach meinen Tierversuchen 
kann ich nur sagen, dass eine derartige Wirkung der von den heute 
hier Vortragenden Herren angewandten Konzentrationen durchaus erwartet 
werden muss, und dass der Tierversuch diese Beobachtungen vollauf 
stützt. 

Immerhin möchte ich doch nach wie vor daran festhalten, dass eine 
zweite Wirkung, die experimentell leider bei diesen Desinfektionsmitteln 
schwerer zu fassen ist, eine nicht geringere Rolle spielt: das ist die 


1) Loeser (Zbl. f. Gynäkol., 1918, Nr. 40). Dass die Kutis-Infil- 
tration mit Vuzin 1: 2000 gut verträgt, ergibt sich aus Hoffmann’s 
Mitteilung über Behandlung der Bartflechte (D.m.W., 1919, Nr. 15), 
subperiostal am Schädel konnte Weingaertner (B.kl.W., 1919, Nr. 16, 
S. 380 u. 386) Vuzin 1:1000 wiederholt ohne Schaden infiltieren zur 
Behandlung der Osteomyelitis des Schädeldachs. 


Virulenzverminderung. Sohon in den ersten Reagensglasversuohen, 
die ich mit meinem Mitarbeiter Tugendreich veröffentlicht habe, konnten 
wir über derartige Beobachtungen berichten. Bier wurde durch seine 
klinisohen Erfahrungen zu derselben Auffassung geführt, und Kaiser, 
dessen Arbeit ioh zu Anfang meiner Bemerkungen erwähnte, ist auch 
der Ansicht, dass bei eitrigen Prozessen durch das Vuzin eine Virulenz¬ 
verminderung der Eitererreger stattfindet. 

Nun, wenn man diesen mehr biologischen als biochemischen Stand¬ 
punkt nicht ausser acht lässt, so muss man annehmen, dass hier ein 
Zusammenwirken der Schutzkräfte, die dem Organismus an und für sich 
innewohnen, mit jenen eigentümlichen chemotherapeutischen Vorgängen 
stattfindet, die wir duroh Anwendung des Vuzins oder des Eukupins er¬ 
zeugen. 

loh habe nun in letzter Zeit in Gemeinschaft mit meinen Mitarbei¬ 
tern Dr. Bieberstein und Dr. Schnitzer zahlreiche Versuche an 
Mäusen ausgeiührt, die uns die Erscheinungen, die man als Virulenz 
zusammen fasst, in einem wesentlich neuen Licht erscheinen lassen, 
und die Anlass zu einer kinetischen Theorie der Immunität, 
deren Ansätze sioh sohon in Ehrlich’s Athrepsietheorie finden, geben 
können. Ich möchte nur noch mit ganz wenigen Worten auf diese 
Versuche eingehea, die wir bald ausführlich veröffentlichen wollen. E« 
ist uns mit merkwürdig leichter Mühe gelungen, was wohl bisher noch 
kaum der Fall war, bei Mäusen eine chronische Streptokokken - 
iufektion zu erzeugen. Sie wissen, dass in der Regel, wenn man einer 
Maus virulente Streptokokken einspritzt, die Maus in 24 Stunden tot 
ist. Wenn sie am Leben bleibt, meint man, der Streptokokkus ist 
nicht angegangen; tatsächlich ergibt in solchen Fällen eine sorgfältige 
Untersuchung häufig eine ohronisohe Infektion, die sioh über 4 bis 
6 Woohen hinzieht, und der dann die Mäuse erliegen, und zwar zeigt 
der Ausstrich des Herzblutes, der verschiedenen Organe, der Milz, der 
Niere, der Leber, dass im Blut ganz massenhaft dauernd Streptokokken 
zirkulieren. Die Mäuse erscheinen im übrigen vollständig gesund und 
nehmen allmählich an Gewicht ab. Wenn Sie derartigen Mäusen 
Streptokokken injizieren, die alle Kontrollmäuse unfehlbar in der Ihnen 
bekannten Weise innerhalb 24 Stunden unter den Erscheinungen der 
akuten Bakteriämie töten, wenn Sie diesen Versuch an jenen, an 
chronischer Streptokokkensepsis — kann man wohl sagen — leidenden 
Mäasen ausführen, bleiben sie im Gegensatz zu allen Konfrontieren am 
Leben. Die Mäuse gehen an den Folgen ihrer chronischen 
Infektion zu Grunde, sind aber vollständig immun gegen 
die akute Streptokokkeninfektion. Das ist ein den Beobachter 
enthusiasmierendes Experiment, das in seinem Wesen an den Kooh- 
schen Elementarversuch bei Tuberkulose, an die praktischen und experi¬ 
mentellen Befunde bei Syphilis und besonders an Erscheinungen, die 
man bei Piroplasmosen sieht, erinnert. 

Nun, ioh hätte Ihnen über dieses Experiment, so schön es an und 
für sich ist, nicht berichtet, wenn die Versuche nicht weiter gingen. 
Diese Immunität — als solohe muss man sie nämlich bezeichnen, 
trotz der in der Terminologie hier herrschenden Verwirrung — ent¬ 
steht ganz verblüffend rasoh. 24 Stunden naoh der ersten, also 
chronisch verlaufenden Infektion ist sie vollständig ausgebildet, und 
nioht nur angedeutet, sondern erheblioh entwickelt ist sie bereits 
6 Stunden naoh der ersten intraperitonealen Infektion. Wenn man sich 
diesen Versuch theoretisch zurechtlegt, muss man meines Eraohtens zu der 
Ueberzeugung kommen, dass die Virulenz, wie sie sich scheinbar als eine 
immanente Eigenschaft unserer Kulturen in diesem Falle darstellt, kine- 
tisch auf zu fassen ist und zwar dass sie in ausserordentlich kurzer 
Zeit als die Resultante der Invasionskraft der Strepto¬ 
kokken und einer sofort einsetzenden Immunitätsreaktion 
des Organismus entstanden ist. Für das Ergebnis der zweiten 
Infektion ist die Immunität maassgebend, die den Verlauf der ersten, 
chronischen Infektion bestimmt. Wahrscheinlich ist der Organismus 
nicht — wie man bisher für Tuberkulose und Syphilis vielfaoh annahm 
— für die Superinfektion immun, er swingt vielmehr dem Erreger der 
Superinfektion nur denselben Virulenzgrad auf, den er bei dem Erreger 
der ersten Infektion durch eine Bohnellste Reaktion erzielt hat. Diese 
Auffassung stellt einen Ausbau der von P. H. Römer und besonders 
von Finger und Land stein er aufgestellten Anschauungen über 
Immunität bei Superinfektion dar, Anschauungen, die sioh auf wert¬ 
vollste Versuche dieser Autoren stützen und deren Bedeutung m. E. 
bisher nioht genügend beachtet wurde. Man kommt dann weiter zu 
der Anschauung, dass das Schicksal eines Organismus, der mit Strepto¬ 
kokken infiziert ist, sioh innerhalb sehr kurzer Zeit naoh der 
Infektion, wahrscheinlich in den ersten Stunden, in den meisten 
Fällen entscheidet, und man kommt dann weiter in bezug auf die 
Therapie zu einer Auffassung, die mit dem, was die klinische Beob¬ 
achtung ergibt, vollkommen übereinstimmt, dass es auch hier, auch 
bei der lokalen Beeinflussung eitriger Prozesse darauf 
ankommt, so rasch wie irgend möglich einzugreifen, wenn 
man den Organismus in seinem ungeheuer mächtigen 
Bestreben, die Virulenz der Mikroorganismen herabzu- 
drüoken, wirksam und in dem maassgebenden kritisoben 
Zeitpunkt zu Hilfe kommen will. Es ist dem Chirurgen niohts 
Neues, dass es bei Eingriffen, mit dem Messer auf Stunden, ja auf 
Minuten ankommt; er wird sioh aber darüber klar sein, dass auch der 
chemotherapeutische Eingriff schliesslich ein chirurgischer Eingriff mit 
chemischen an Stelle von mechanischen Mitteln ist. Es sei noch be¬ 
merkt, dass die von uns beobachteten zeitlichen Verhältnisse nioht 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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mehr erlauben, an dem Begriff der .allergischen Immunität“ festzu- 
hilten. 

Wenn man sioh nun der Anschauung ansohliesst, dass die Vir ulen z- 
verminderung unter Umständen bei chemotherapeutischer Antisepsis 
eine entscheidende Rolle spielt, muss man auch der Anwendung 
der als wirksam erkannten Mittel auf dem Blutwege einigermaassen 
das Wort reden. loh denke hier nicht an die von Hof mann eben er¬ 
wähnte intravenöse Injektion. Nach meiner Ansicht ist der Erfolg, 
speziell bei den Chininderivaten, auoh wenn man zuerst im Blute eine 
hohe Konzentration anhäuft, ein ausserordentlich fluchtiger. loh meine, 
man ist hier im allgemeinen auf die Darreiohung per os angewiesen, 
und ich bin der Ansicht, dass man auch bei der Mastitis, wenn sie sehr 
früh zur Beobachtung kommt — und das ist ja bei dieser Krankheit, 
die bei einer Puerpera unter den Augen des Arztes häufig entsteht, 
oft der Fall — es mit der innerlichen Behandlung unter allen Um¬ 
ständen versuchen muss. Ich lasse mich da nicht von rein theoretischen 
Erwägungen leiten, sondern für die Wirksamkeit dieser Behandlungsart 
sprechen vor allem die Beobachtungen, die bei der Pneumokokken¬ 
meningitis mit interner Behandlung mit Optochin gemacht worden 
sind. Die grundlegenden Beobachtungen von Fritz Meyer 1 ) haben 
leider nooh nicht die verdiente Beaohtung gefunden. Sie finden sie 
vielleicht jetzt, wo neuerdings ein ganz ähnliches Ergebnis von Krön- 
leid 2 ) beschrieben worden ist, und sie werden sie, wie ich hoffe, erst 
reoht finden, wenn weitere -Ergebnisse, die mir duroh schriftliche Mit¬ 
teilung bekannt geworden sind, veröffentlicht werden. Es ist gar kein 
Zweifel, dass in die erkrankten Hirnhäute, in den erkrankten Zerebro- 
spinalkanal nach innerlicher Darreichung das Optoobin eindringen kann, 
und dass es dort — ob duroh Abtötung oder Yirulenzverminderung, 
das bat nooh niemand geprüft — seine Wirkung oft entfaltet. Ich bin 
überhaupt der Ansicht — es mag das nur ein Zukunftstraum sein —, 
dass die ohemotherapeutisohe Antisepsis eines schönen Tages duroh die 
innerliche Darreichung chemotherapeutischer Mittel abgelöst werden 
wird, und dass man dann mit seinen Mitteln wirklich überall hinkommt, 
wohin man gelangen will und soll. 

Hr. B ier: Wie sohon mehrfach erwähnt worden ist, hat sich auch 
nach unseren sehr ausgedehnten weiteren Versuchen noch herausgestellt, 
dass die Chininderivate eigentlich nur bei geschlossenen Abszessen wirk¬ 
sam sind, und wir haben genügend Versuche bei fortschreitenden Phleg¬ 
monen und ähnlichen Prozessen gemacht, dass ich sagen kann: wenn 
nicht ganz neue Methoden oder neue Mittel angewandt werden — und 
die sind bisher nicht angewandt, denn dieselben Mittel und Methoden, 
die Herr Rosenstein angewandt hat, haben wir auch gebraucht —, so 
halte ich es für aussichtslos und gefährlich, fortschreitende oder nicht 
abgegrenzte eitrige Prozesse mit Chininderivaten zu behandeln. Bei 
geschlossenen Abszessen muss ich auch heute noch, genau wie bei 
meinem erstmaligen Vortrage, einen ausnehmen, bei dem Chininderivate 
vollkommen versagt haben, das ist das Pleuraempyem, obwohl ich 
darauf eigentlich die grössten Hoffnungen gesetzt hatte, denn da kann 
man nach der Punktion Massen von Chininderivaten hineinbringen und 
sie lange in Kontakt mit den Wänden lassen. Aber wir haben eigent¬ 
lich nioht einen einzigen Fall gesehen, wo das wirklioh besser gewesen 
wäre, als unsere frühere Behandlung, während wir sehr bedrohliche Er¬ 
scheinungen dabei gesehen haben. 

Ich wollte über die Mastitis länger spreohen; ich kann mir das er¬ 
sparen, weil ich mit Herrn Hammersohlag im allgemeinen überein¬ 
stimme. Ich möohte nur bemerken, dass wir gewöhnlioh bei Saugen 
ohne Inzision bessere Resultate haben. Ich habe Sie (zu Herrn 
Hammerschlag) nioht recht verstanden; haben Sie auoh Abszesse 
ohne Inzision behandelt? (Wird bejaht.) Dann bin ich ganz Ihrer An¬ 
sicht, dabei kommt nichts heraus, da muss immer eine Stiohinzision ge¬ 
macht werden, aber beginnende Mastitis, die nooh nioht zur Abszedierung 
gekommen war, haben wir mit recht gutem Erfolge bloss mit Saug¬ 
behandlung zurückgebracht. Die Behandlung muss ungemein schonend 
und schmerzlos gemaeht werden. Wir lassen die Frauen selbst be¬ 
stimmen, und sie müssen sioh melden, sowie die geringste Schmerz¬ 
haftigkeit auftritt. Dann wird das Saugen gemässigt. Auf diese Weise 
erzielt man sehr gute Erfolge. Allerdings kann man dagegen sagen, 
dass diese Infiltrate vielleicht auoh von selbst oder mit anderen Methoden 
zurückgegangen seien. Ich habe aber nach sehr reichen Erfahrungen 
den Eindruck, dass das Saugen doch viel bessere Erfolge erzielt. 

Dabei möohte ich noch etwas zu dem hinzufügen, was Herr Hammer¬ 
sohlag über die Schmerzstillung bei Mastitis gesagt hat. loh glaube 
nicht, dass das Chininwirkung ist, sondern es ist die Wirkung der Ent¬ 
zündung. Es ist sehr merkwürdig, dass die Aerzte nicht mit dem alten 
Aberglauben breohen können, dass die Entzündung Schmerzen hervorrufe. 
Die Entzündung macht keine Schmerzen, sondern die Bakteriengifte. 
Dfe Entzündung, weit entfernt, die Sohmerzen, zu verschlimmern, setzt 
sie erheblich herab. Daher sehen Sie, dass gerade die Infektionen, die 
ohne Entzündung einhergehen, wütende Sohmerzen verursachen. Ferner 
zeigt das die tägliche Erfahrung. 

Jeder, der einmal Zahnschmerzen gehabt hat, weiss, dass die 
Schmerzen verschwinden, wenn die Baoke ansohwillt. Jeder, der Frak¬ 
turen gesehen hat, weiss: wenn die sogenannte traumatisohe Entzündung 
sich einstellt, wird die Fraktur weniger sohmerzhaft. Am auffallendsten 


1) Fr. Meyer, D.m.W., 1916, Nr. 45. 

2) Kronfeld Zsehr. f. d. ges. Neurol., Orig., 1918, Bd. 44, S. 79. 


ist die Schmerzlinderung, wenn sich Oedem einstellt. Die Richtigkeit 
dieser Behauptung glaube ich duroh ein erdrückendes Material bewiesen 
zu haben. Auch durch die Chininderivate erzeugt man, wie Herr 
Rosenthal sohon ausgefübrt hat, und wie ioh in meiner ersten Mit¬ 
teilung schon auseinandergesetzt habe, ganz mächtige Entzündunaen. 
Also auoh die Sohmerzstillung dieser Mittel ist eine biologische Er¬ 
scheinung. 

Dann möchte ich noch mit Bezuff auf den Vortrag des Herrn 
Morgenroth über die innere Verabreichung des Eukupins bemerken — 
ich habe das auoh schon in meinem ersten Vortrage erwähnt —, dass 
wir sehr eingehende Versuche mit innerer und subkutaner Verabreichung 
der Chininderivate bei eitrigen Prozessen, insbesondere bei septischen 
und pyämischen Erkrankungen gemacht und keine einwandfreien Erfolge 
erzielt haben. Es ist auch ungeheuer sohwer dabei, zu beurteilen: Was 
bildet sich durch das Mittel, und was bildet sich von selbst zurück? 

Hr. Rosenstein (Schlusswort): Ich kann mich kurz fassen. Im 
allgemeinen haben die Herren, die zu dem Thema gebrochen haben, 
die Unschädlichkeit des Eukupins und Vuzins sowie die guten Erfolge bei 
der Behandlung bestätigt. Wenn im wesentlichen in der Diskussion 
von abgekapselten Eiterungen die Rede war, so glaube ich, dass man 
zu Unrecht den Chinaderivaten nur auf diesem beschränkten Krankheits¬ 
gebiet eine Rolle zu weisen wollte. Ich glaube vielmehr, dass meine 
Erfahrungen zu der Hoffnung berechtigen, auch bei nichtabgekapselten 
Eiterungen, bei solchen, die noch progredient, aber der Therapie direkt 
zugänglich sind, ohne Operation auszukommen. Hierzu rechne ich 
speziell die parenchymatöse Mastitis, Schweissdrüsenentzündungen mit 
Lymphdrüsenschwellung, Zellgewebsentzündungen mit Lympbangitis usw. 
— kurz, Infektionen, bei denen es noch nicht zu einem einheitlichen 
Abszess gekommen ist. Ich habe es absichtlich vermieden, heute auf 
die anderen Eiterungen, wie sie z. B. Herr Hoff mann besprochen hat, 
einzugeben, und ich möchte auch die Diskussion über dieses Thema 
verschieben, bis ioh in der Lage bin, meine sehr zahlreichen Erfahrungen 
über die Tberapie anderer eitriger Prozesse mitzuteileo. Ich möchte 
nur so viel erwähnen, dass ich vor kurzem in dem Zentralblatt für 
Chirurgie mitteilen konnte, dass ich mit dem Vuzin bei beginnenden 
Empyemen gute Erfolge erzielt habe, und speziell ist es mir auch bei 
den Schweissdrüseneiterungen in 8 Fällen, die von namhaften Berliner 
Chirurgen mehrfach operiert waren, gelungen, mit einer Einspritzung 
die ganze Achselhöhle zu sterilisieren und Heilung herbeizuführen. 

Ich habe mit Interesse gehört, dass Herr Hammerschlag eine 
stärkere Konzentration aogewandt bat. Ob nun die in dem einen Fall 
aufgetretenen Nekrosen nicht vielleicht darauf zurückzuführen sind, ver¬ 
mag ich natürlich nicht zu sagen; aber ioh möchte doch raten, mit der 
Konzentration vorsichtig zu sein, da man mit der von mir benutzten 
vollständig auskommt. Allerdings wird vielfach für die Nekrosen das 
Eukupin und das Vuzin fälschlich angeschuldigt, obwohl es doch eine 
bekannte Erfahrungstatsache ist, dass auoh bei gewöhnlichen Eiterungen, 
speziell bei der eitrigen Mastitis, zahlreiche Gewebsnekrosen ohne 
chemische Beeinflussung Vorkommen. 


Sitzung vom 25. Juni 1919. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Schriftführer: Herr F. Krause. 

Vorsitzender: Ich habe zunächst mitzuteilen, dass ein Schreiben 
des Präsidenten des Staatsministeriums, Herrn Hirsch, eingegangen 
ist folgenden Inhalts: „Der Berliner medizinischen Gesellschaft danke 
ieh. verbindlichst für die in dem gefälligen Sohreiben vom 24. vorigen 
Monats übermittelte Anregung.“ Es ist das der Beschluss der Gesell¬ 
schaft betreffs eines Medizinalministeriums. 

In der letzten Sitzung der Aufnahmekommision wurden folgende 
Herren aufgenommen: Kurt Friedmann, Merrem, Carl Nürnberg, 
J. Hamburger, Fritz Lewy, Dantwiz, Schleyer, Heinrich 
Schum, Edgar Michaelis, Paul Hofer, Herrn. Regelsberger, 
Werner Bab, Martin Rosenberg, Georg Schlomer, Erich 
Siegel, Ernst Fränkel, Elkeles, Bernhard Hausohild, Edwin 
Picard, Paul Krause, Georg Davidsohn, Martin Kretschmer, 
Georg Strassmann, E. H. Oppenheimer, Frans Kramer, 
Döderlein. 

Ich darf dabei vielleicht bemerken: Es mussten mehrere Herren, 
die auf der Liste standen, surückgestellt werden, weil die Mitglieder der 
Gesellschaft, die sie angemeldet hatten, nichts darüber gesagt haben, 
ob sie die Herren empfehlen. Nach unseren Statuten genügt es nicht, 
zu sagen: Der und der wünscht Mitglied der Gesellschaft zu werden, 
sondern das meldende Mitglied übernimmt die Verantwortung dafür, 
dass der Betreffende sich eignet, in die Gesellschaft aufgenommen zu 
werden. Ich darf also diejenigen Herren, die Vorschläge machen, 
bitten, dass sie gleich diesen Umstand in ihrem Schreiben berück¬ 
sichtigen. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. P. Managst: Vorstellig eines Felles mit Daimeaersati ud 
Fiagersnswechselug. 

Der Patient, den ich Ihnen hier zeiget hat im November 1917 
durch eine Messingpatrone, die zersprang, den Verlust des Daumens, 
Zeigefingers und Mittelfingers der rechten Hand zum grossen Teile er¬ 
litten. Nach Heilung der Wunden zeigte sich am Daumen ein kleiner 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 










718 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


Stumpf vorn Grundglied® erhalten, am Zeigefinger ein äbnlioher und 
auch am Mittelfinger. Der Stumpf am Daumen und Zeigefinger war 
fest mit dem zugehörigen Metakarpale verwachsen; dagegen war der 
Stumpf des Mittelgliedes bis zu einem gewissen Grade aktiv beweglioh. 
Der Ringfinger war völlig versteift, und zwar im Grundgelenk etwas 
überstreckt, in den anderen Gelenken leioht gebeugt. Der fünfte Finger 
hatte eine gewisse Beweglichkeit, schob sich* aber in sehr störender Weise 
unter den Ringfinger. In diesem Zustande war die rechte Hand un¬ 
brauchbar zu allen Verrichtungen. 3 

loh habe den Ersatz des Daumens in der Weise vorgenommen, dass 
ich den Knochen dazu dem rechten Darmbeinkamm entnahm, die Haut* 
bedeckung aus der Haut der rechten Bauchseite. Es heilte alles glatt 
an; aber jetzt war die rechte Hand immer nooh nicht brauchbar. Es 
störte ausserordentlich der festgestellte Ringfinger, vor allem beim Zu* 
greifen, das ausserordentlich schmerzhaft war. Da nun der Mittel¬ 
fingerrest einen gewissen Grad von aktiver Beweglichkeit besass, so 
beschloss ich, den Ringfinger, der sonst zu nichts mehr nütze war und 
eventuell hätte amputiert werden müssen, auf den Mittelfinger aufzu- 
setzen. Diese Fingerauswechselung ist ebenfalls gelungen. Der Ring¬ 
finger hat also jetzt die entsprechende Beweglichkeit des Mittelfinger¬ 
restes, auf dem er fest angewachsen ist (180—180°). 

Ich zeige Ihnen hier den Patienten, ohne auf die Methodik näher 
einzugehen. loh behalte mir das für später vor. Er muss nach seiner 
Heimat Schleswig reisen, und es ist unwahrscheinlich, dass man ihn 
hier noch einmal vorstellen kann. 

Ich musste in den letzten Tagen noch ein Stückchen Draht von der 
Knoohennaht am Daumenersatz entfernen, weil diese Drahtstelle Anlass 
zur Eiterung gab. 

Tagesordnung. 

Hr. Paal Maaatse: Die Kriegsverletcoogei der peripherische» 
Nerve», Berichterstattung. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Woohensohrift.) 

Aussprache: 

Hr. P. Schuster: Die Ausführungen des Herrn Vortragenden 
waren so erschöpfend, dass auch vom nervenärzlichen Standpunkt kaum 
etwas hinzugefügt werden kann. Ich möchte nur kuz auf einige all¬ 
gemeine Punkte nooh einmal zurückkommen, wenn aueh diese Dinge 
im Laufe der letzten Jahre wiederholt in Diskussionen und grösseren 
Arbeiten behandelt worden sind. 

Was zuerst die Wartezeit angeht, die man verstreichen lassen 
soll, ehe man sioh zur Operation entschliesst, so rate ich, falls nicht 
eine äusserlioh erkennbare Nervenzerreissung, eine Anspiessung durch 
ein Knoohenstück oder dergleichen vorliegt, mindestens 2—3 Monate 
bis zur Operation zu warten. Denn man erlebt ob keineswegs gar so selten, 
dass eine Lähmung, welche anfänglich den allerschwersten Eindruck 
macht, mit völliger Lähmung aller Muskeln und kompletter EAR. 
einhergeht, sioh dennooh innerhalb einiger Monate zurückbildet. 
Andererseits sieht man auch, dass Lähmungen, trotzdem sie nioht das 
ganze Muskelgebiet des verletzten Nerven befallen haben, und trotzdem 
sie nur mit leichteren Veränderungen der elektrischen Erregbarkeit ein¬ 
hergehen, dennoch nach einer anfänglichen Heilungstendenz keine weitere 
Neigung zur Besserung zeigen. Leider haben wir bisher noch kein 
sicheres Zeichen, auch nioht in dem Verhalten der elektrischen Erreg¬ 
barkeit, welches uns über die endgültigen Heilungsaussichten und be¬ 
sonders über die Frage, ob eine Nervenzerreissung vorliegt, Auskunft 
geben könnte. Deshalb ist für die Beantwortung der Frage der Not¬ 
wendigkeit oder Niohtnotwendigkeit der Operation nicht ein Augen- 
blioksbild, sondern im wesentlichen der Verlauf maassgebend. Wenn 
also nach etwa 10 Wochen keine weitere Tendenz zur Besserung offen¬ 
bar wird, dann empfehle ich im allgemeinen einen chirurgischen Eingriff. 
Der grösste Teil der Fälle, die ich im Kriege gesehen habe, machte 
einen operativen Eingriff erforderlich; diejenigen Fälle, bei welchen 
unnötigerweise operiert worden war, waren meist solohe sogenannter 
Nervenerschütterung, Schädigungen durch Geschosse, welche nur in der 
Nähe der Nerven vorbeigegangen waren. 

Wenn die Statistiken über die Erfolge der chirurgischen Behandlung 
bei den einzelnen Operateuren noch erhebliohe Differenzen aufweisen, 
so liegt dies wohl daran, dass nioht alle Chirurgen in der Lage sind, 
sich mit gleicher Hingabe an Zeit und Geduld den Nervenoperationen, 
diesem mühevollen und zeitraubendsten Kapitel der operativen Chirurgie 
widmen zu können. 

Die Operationsresultate der direkten Nervennaht sind, wie ja die 
Tabelle des Herrn Vortragenden zeigt, bei den verschiedenen Nerven 
recht verschieden. Immerhin sind, wie mir scheint, allgemein bei allen 
Chirurgen die ungünstigsten Erfolge der direkten Naht, besonders auch 
hiosichtlich der Zeit der Funktionsrückkehr, noch günstiger als die¬ 
jenigen der plastischen und ähnlichen Nervenoperationen. 

In einem der von Herrn Kollegen Manasse operierten und von 
mir nachuntersachten Fälle — einem Patienten mit Tibialis- und 
Peroneusverletzung — hatte der Operateur sowohl den Tibialis als auch 
den Peroneus 1 resezieren müssen. Der Tibialis konnte durch direkte 
Naht vereinigt werden, bei dem Peroneus war dies infolge des grossen 
Defektes unmöglich. Deshalb hatte Herr Kollege Manasse einen sen¬ 
siblen Ast des Tibialis in das periphere Peroneusende eingepfianzt. 
Drei viertel Jahr "naoh der Operation begann das Tibialisgebiet wieder 
Leben zu zeigen, jedooh war etwa 3 Jahre nach der Operation nooh 
keine Beweglichkeitspur im Peroneusgebiet vorhanden. 


In einem zweiten Fall, einer totalen Lähmung des Medianus und 
Ulnaris, war zuerst der Medianus reseziert und dann direkt vernäht 
worden. Später war der Ulnaris gleichfalls reseziert worden, konnte 
aber nioht genäht werden, da 7 cm verloren gegangen waren. Deshalb 
nähte Herr Manasse sowohl das zentrale als das periphere Ende des 
Ulnaris in den Medianusstamm ein. Ungeführ 4 Jahre nach der 
Operation war die Medianusfunktion gut zurückgekehrt, es bestand aber 
nooh totale Ulnarislähmung mit ausgeprägter Klauenhand und Atrophie 
der kleinen Muskeln. Nur der ulnare Handbeuger war sowohl will* 
kürlich als auch elektrisch — was mir für die Deutung des Falles 
wichtig scheint — gut erregbar; alle anderen Bewegungen des Ulnaris- 
gebietes fehlten wie gesagt; ebenso bestand die Sensibilitätsstörung im 
Ulnarisgebiet nooh. 

Ich lasse es unentschieden, ob wirklich eine funktionell wirksame 
Vereinigung zwisohen Medianus und Ulnaris stattgefunden hat, oder ob 
die Wiederkehr der Funktion des Flexor carpi ulnaris anders zu er¬ 
klären ist. Ich will nur zum Schluss noch darauf hinweisen, dass die 
Beurteilung des funktionellen Erfolges derartiger Nervenpfropfungen 
auoh für den Neurologen oft sehr schwierig ist, und dass man daher 
stets mit Täuschungen und Irrtümern reohnen muss. 


Breslauer psychiatrisch-neurologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 17. März 1919. 

1. Hr. Britser: Pathelegisch-a»atemische Deao»stratio»ei. a) Me- 
■iagitis eareiBoaatesa. 

58jährige? an Magenkrebs leidender Mann. 8 Tage vordem Exitus 
2 epileptische Anfälle mit anschliessendem Verwirrtseinssustand. Ob¬ 
duktion ergab stenosierenden Magenkrebs mit Drüsen metastasen. Am 
Gehirn makroskopisch nur geringe allgemeine Trübung der weichen Hirn¬ 
häute. Mikroskopisch diffuse Verbreitung von Karzinomzellen in den 
Meningen. Zellen liegen frei im maschigen Bindegewebe, polymorph, 
teils mit grossen oft mehreren gelappten Kernen, teils blasig rundlich 
mit abgeplattetem an die Wand gedrücktem Kern. (Siegelringzellen, 
kolloide Entartung.) Letztere Form war auoh in einer intra vitam ex- 
zidierten Supraklavikulardrüse beobachtet worden. 

b) Kohlenoxydvergiftnig oder Paralyse? Beobachtung im Felde: 
20jähriger Soldat, duroh Minensprenggase vergiftet. Benommen ins Feld¬ 
lazarett eingeliefert. Pupillen L. R. -f*. Geringe Nackensteifigkeit. 
Tonische Anspannung der Extremitäten. Gesteigerte Sehnenrefiexe. 
Beiderseits Babinski +• Bleibt unklar, reagiert wenig, jammert mit 
artikulatoriseh gestörter Sprache. Lumbalpunktion: Ueberdruck, klarer, 
gelbliober Liquor. Mit Zinksulfat Spur Opaleszenz. Geringe Tempe¬ 
raturen. Lungen: etwas rauhes Atmen. Urin: Eiweisstrübung, keine 
Zylinder. Zunehmende Bewusstseinsstörung. Exitus nach € Tagen. 

Gehirn: Makroskopisch einzelne punktförmige Blutungen in der 
Rinde. Mikroskopisch: Starke Erweiterung der Kapillaren. Kapilläre 
Blutungen. Gefässwandzellen stark verändert, teils regressiv, teils pro¬ 
gressiv. Daneben diffuse Infiltration, vorwiegend mit Plasmasellen. An 
vielen Stellen Rindenherde mit soharfer Abgrenzung gegen benachbarte, 
normal geschichtete Rinde. In den Herden meist akuter Zelluntergang, 
viele oft mit Fetttröpfchen beladene stäbchenförmige Zellen, keine 
Körnohen seilen. Gliazellen akut verändert, in einigen Herden amöboide 
Umwandlung, in anderen grössere Spinnenzellen. In der Kleinhirnrinde 
fleckförmiger völliger Schwund der Purkirjezellen, Wucherung der Glia, 
Sprossungen an den Kapillaren. Es ist fraglich, ob alle diese Verände¬ 
rungen direkt und aussohliesslich als Folge der akuten Vergiftung an¬ 
zusehen sind. Vielleicht hat ein älterer (paralytisoher?) Krankheit®- 
prosess Vorgelegen, wofür das anscheinend verschiedene Alter der Herde 
und die diffuse Verbreitung der Plasmazelleninfiltrate spricht. Eine 
sichere Entscheidung ist hier nicht möglich, weil der äusseren Verhält¬ 
nisse wegen die klinische Beobachtung nicht vollständig sein konnte 
(Fehlen der Anamnese, des Wassermann und genauerLiquoruntersuobung), 
auch das Material zur anatomischen Untersuchung beschränkt war. 
Spirochäten wurden in mehreren Blöoken nirgends gefunden. 

(Eigenbericht). 

2. Hr. Kehrer berichtet von seinen weiteren Erfahrungen über Me¬ 
lisehe Hörstöriigei, die sich inzwischen auf etwa 200 eingehend be¬ 
obachtete Fälle erstrecken. Was er seiner Zeit in genauen, vor allem 
psychologischen Analysen eines sehr viel kleineren Materials in einer 
Arbeit im Arohiv für Psychiatrie niedergelegt hat, muss er danaoh nach 
allen Richtungen als zu Recht bestehend bezeichnen. Unter die dort 
herausgehobenen Typen haben sich mehr minder restlos alle weiteren 
Fälle unterbringen lassen; diese stellen also nur in psychischen Details 
von einander abweichende im Prinzip beinahe monotone Spielarten der 
gekennzeichneten Typen dar. Auoh bezüglich der Heilbarkeit gilt das 
von ihm früher Dargelegte weiterhin. Es bleiben nur ganz verschwin¬ 
dende Ausnahmen, die sich einer souveränen Psychotherapie gegenüber 
refraktär verhalten, weil sie naoh dem übereinstimmenden Urteil des 
Ohrenarztes und des Psychotherapeuten undiagnostizierbar sind, bzw. 
bei denen die Frage trotz aller diagnostischen und therapeutischen Be¬ 
mühungen unentsoheidbar bleibt, ob sie als organisch oder seelisch be¬ 
dingt aufzufas8en sind. (Eigenbericht.) 

3. Hr. Bavke: Ztr Frage der 8pKtkänatoMyelie. B. stellt einen 
15jährigen Jungen vor, der aml6. Dezember 1918 von der Welle einer 


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UNIVERSUM OF IOWA 







28. Juli 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


719 


Dreschmaschine erfasst, herumgesohleudert und an beiden Händen und 
am Nacken gequetscht wurde. Der Patient hat unmittelbar nach der 
Verletzung nicht die geringsten nervösen Beschwerden gehabt, sondern 
erst am 10. Januar 1919 eine rasch fortschreitende Lähmung in den 
Händen und Beinen, Sohmerzen im Nacken und in den Gliedmaassen 
beim Büoken, sowie Urinbeschwerden gespürt. Bei der Aufnahme in die 
Klinik am 15. Januar zeigte sich eine schlaffe Lähmung an beiden 
Vorderarmen und Händen, am deutlichsten ausgesprochen an den Inter- 
ossei, am Daumen und Kleinfingerballen. An den Beinen ausgesprochene 
Spasmen, Fussklonus, Babinski, Sensibilität intakt. Die Spasmen an den 
Beinen bildeten sich in Ruhelage sohnell zurück. Dagegen stellte sich 
am 29. Januar eine ausgesprochene dissoziierte Empfindungslähmung, 
und zwar vorwiegend im rechten Bein, sowie am rechten und linken 
Rumpf, heraus. Die Sensibilitätsstörung verschwand nach etwa 14 Tagen. 
Jetzt besteht nur noch die atrophische Lähmung an beiden Unterarmen. 

Für das Bestehen einer alten Syringomyelie ergeben sich keine 
Anhaltspunkte. Die Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule zeigt einen 
ganz normalen Befund, so dass das verspätete Auftreten der bämato- 
myelitisoheu Erscheinungen nicht erklärt werden kann. (Eigenbericht.) 

4. Hr. Sterti : Verschrobene Fanatiker» 

(Erschien in Nr. 25 unter den Originalien dieser Woohenschrift.) 

5. Hr. Stöcker: Demonstriert einen eigenartigen Fall von Myotonie 
atrephiea aqaisita verbunden mit dauernder Muskelsteifigkeit und 
Pyramidenbahnsymptomen. 

Vortr. erörtert im Anschluss daran die Frage, ob es sieh bei der 
Myotonie nicht um eine Störung zentralen Ursprungs (Stammganglien) 
handeln könne. 

(Der Fall ist bereits ausführlich veröffentlicht in der allgemeinen 
Zeitschrift für Psychiatrie und Neurologie. Originalien Bd. XXXII. 
Heft 4/5. „Ueber Myotonie an Hand eines recht eigenartigen Falles von 
Myotonie.*) 

6. FrL Bry: Orgaiisehe Erkraikug des N. S. nach laflaeaia. 

Bei der neuesten Influenzaepidemie sind naoh den Angaben in der Lite¬ 
ratur weniger zahlreiche organisohe Nervenerkrankungen beobachtet 
worden, als bei der von 1889/90. ln der hiesigen Universitätsklinik ist 
nur ein Fall behandelt worden, der mit einiger Wahrscheinlichkeit mit 
Influenza in Zusammenhang zu bringen ist. 

Demonstration: 25jähriges, früher ganz gesundes Mädohen. Familien¬ 
geschichte ohne Besonderheiten. Am 20. Oktober 1918 an Grippe er¬ 
krankt, hoch gefiebert; nach 3 Woohen wieder aufgestanden. Nach 
weiteren 2 Wochen Schwindelgefühl und Unsicherheit in den Beinen, 
rimn» Taumeln beim Geben und zunehmende Steifigkeit in den Beinen. 
Bei feineren Hantierungen Unsicherheit in den Fingern; zuweilen Kribbeln 
in Händen und Füssen. 

Aufnahmebefund: Hirnnerven intakt; leichte Ataxie beim Finger- 
nasenversuch; Herabsetzung der Bewegungsempfindung der Finger beider¬ 
seits ohne Störung der Oberflächensensibilität; Spasmen an beiden 
Beinen und deutliche Ataxie beiderseits beim Kniehaekenversuch. Grobe 
Storung der Bewegungsempfindung an den Zehen bei erhaltener Ober- 
fläohensensibilität; fehlende Patellar- und Achillesreflexe beiderseits; 
Oppenheim und Gordon beiderseits positiv; Babinski links positiv, rechts 
negativ; spastisch-ataktischer Gang; Romberg positiv. Wassermann im 
Blnt und Liquor negativ. Keine Zellvermehrung (1 Zelle); Nonne ne¬ 
gativ; naoh Nissl 3 Teilstriche Eiweiss. 

Urin: reichlich Eiweiss; Epithelzylinder in mässiger Anzahl. Wäh¬ 
rend der Behandlung fortschreitende Besserung; bei der Entlassung nur 
nooh Fehlen der Achillesreflexe, sonst neurologisch normaler Befund. 
Im Urin nur nooh Spuren Eiweiss (V*—V 2 pM). Keinerlei Beschwerden. 

Atypisohe multiple Sklerose ist nicht mit Sicherheit auszusohliessen, 
doch spricht die gleichmässig fortschreitende Besserung und die in 
gleicher Weise abklingende Nephritis mit einiger Wahrscheinlichkeit für 
eine toxisch-infektiöse Schädigung im Sinne einer Myelitis dissemin. im 
Anschluss an die Influenza. (Eigenbericht.) 


Aerstlicher Beslrksverein zu Zittau !• Sa« 

Krankenhausabend vom 5. April 1909. 

1. Hr. Moier: Ampitatioineirem Mit heftigster Neuralgie. 

56jähriger Mann, dem durch einen Vorlegeriemen der linke Arm 
abgerissen war, bekam allmählioh heftigste Schmerzen. Am 28. XI. 1918 
von der Aobselhöhle aus der Plexus mit verschiedenen anhängenden 
Amputationsneuromen entfernt. Zunächst Besserung, nach wenigen 
Wochen aber Rüokfall der Schmerzen, die jetzt sogar noch schlimmer 
wurden wie früher, zu dauernder Schlaflosigkeit, Essunlust, Hinsiechen 
des Verletzten u. dgl. hinführten. Durch Novokaineinspritzungen in den 
Plexus oberhalb des Schlüsselbeins Beseitigung der Schmerzen auf etwa 
eine Stunde. Wegen der Unerträglichkeit des Zustandes am 5. II. 1919 
Freilegung des Nervengeflechts oberhalb des Schlüsselbeins und Re¬ 
sektion eines etwa 4—5 cm langen Stückes. Die Schnittflächen der 
zentralen Stümpfe wurden unter sioh aufeinander genäht. Seitdem 
wollige Heilung von den Sohmerzen. Der kurze Oberarmstumpflzeigt 
keinerlei selbsttätige Bewegungsfähigkeit mehr. Es besteht völlige moto¬ 
rische Lähmung aller vom Plexus braohialis ausgehenden Nerven. Der 
Stumpf kann nur duroh Kontraktion und Nachlassen des Kukullaris ein 
wenig bewegt werden. Die Sensibilität ist dagegen im Stumpf erhalten 


bis auf eine ganz geringe Einschränkung an der Spitze. Der Zustand 
der Unbeweglichkeit ist deshalb vielleicht noch nicht von Dauer. In 
dem resezierten Stüok des Plexus braohialis konnten anatomisch keinerlei 
Veränderungen nachgewiesen werden. 

2. Hr. Sekwaer: Fall von häufig reiidivierendem Erythema exsud. 
Bultif. unter dem Bilde einer heftigen Stomatitis. 

14 jähriger Patient. April 1915 erkrankt mit Erosion an der Unter¬ 
lippe, 4 Wochen später Blasenbildung im Munde und Erythem an den 
Bänden. Dauer 4 Wochen. Heftige Stomatitis. Rezidive im November 
1916 und Oktober 1917, desgleichen April 1918 wieder mit prodromaler 
Erosion an der Unterlippe. Anfang März 1919 Erosion an der Unter¬ 
lippe, stets von derselben Stelle ausgehend, 3 Woohen später Blasen 
im Munde und Ausschlag an den Händen. 

Befund am 25. III. Ziemlich kleiner, blasser Patient. Innere Or¬ 
gane 0 . B. Blutbefund Hb. 75 (Sahli). Leichte Leukozytose. Relative 
Vermehrung der Lymphozyten. Keine Eosinophilie. An der Mund¬ 
schleimhaut vereinzelte kleinerbsengrosse, wasserhelle Blasen, am harten 
Gaumen pfennigstückgrosser, runder, regenbogenartig schattierter Herd. 
Am Handtellerrücken und Fingern vereinzelte klein linsengrosse Papeln 
und Bläschen. Erosion von ßohnengrösse an der Unterlippe links. 
Temp. 37,4. Urin: Eiweiss, Zylindor. 

In den nächsten Tagen Entwicklung eines ausgedehnten Erythema 
exsud. multif. Schwellung der Zunge. Starke Salivation. Erosionen 
der Mundschleimhaut. 

Behandlung mit Argent. nitr.-Pinselung. Spülung mit Alsol. Inner¬ 
lich Aspirin, später Atophan. 

Verlauf etwas leichter wie bei den früheren Rezidiven. 

3. Hr. Brodtmann: Dlskissioaskemerkug iw dem Vertrag vea 
C. Klieieberger (am 6. III. 1919). 

Eine reinliche Scheidung zwischen organischer Muskelerkrankung mit 
Herzneurose und Herzneurose ist nioht immer möglich. Es gibt Misoh- 
fälle, in denen neben den Herzneurosen auch der Herzmuskel in quanti¬ 
tativ verschiedenem Maasse beteiligt ist, und umgekehrt. Es scheint 
mir, dass derartige Mischfälle duroh den Krieg eine erhebliohe Zunahme 
erfahren haben. Wie soll man sioh da helfen? Man soll eine kombi¬ 
nierte Behandlung mit Herz- und Nervenmitteln einleiten, Strophanthus 
in Verbindung mit Natrium bromatum (Berliner Reservelazarett für 
Nervenkranke) anwenden, loh habe diese Verordnungsweise in zahl¬ 
reichen Fällen ebenfalls geübt und häufig erheb Hoben Nutzen gesehen. 
Wie soll man aber die für dieses Verfahren geeigneten Fälle heraus¬ 
finden? Woran soll man sich da halten? Nun, an Erfahrung und 
Uebung. Man bekommt es allmählich sozusagen ins „Gefühl* oder in 
den „Griff*. Es ist eine Divinationsgabe, richtige Fälle auszuwählen. 
Dann aber soll man nioht zögern, das kombinierte Verfahren anzuwenden. 

4. Hr. C. Klieieberger: a) Iuervatioi des Herzeis. 

Die Klinik steht im allgemeinen auf dem Boden der myogenen 
Theorie (ohronotrope, dromotrope, inotrope und bathrootrope Störungen), 
ln das Spiel der Automatic greifen N. vagus, N. accelerans, N. depressor 
ein. Sympathische und parasympathische Nerven erhalten Impuls vom 
Gehirn. 

b) Ueber Vigotenie aid Sympathikotoiie. Anatomisch (ver¬ 
gleichend anatomisch, entwioklungsgesohichtlioh usw.) und physiologisch 
unterscheidet man willkürliches und unwillkürliches, animales und vege¬ 
tatives (Langley autonomes) Nervensystem. Das vegetative System um¬ 
fasst die sympathischen und parasympathischeu Innervationen (kranio- 
kaudales System des Vagus und Pelvikus, thorakolumbale Fasern zum 
Sympathikus). Alle Ganglien des vegetativen Systems — und überall 
sind Ganglien interpoliert — werden durch Nikotin nach anfänglicher 
Reizung gelähmt. Die sympathischen Fasern werden durch Adrenalin, die 
parasympathischen Fasern durch die Muskaringruppe gereizt. Nur für das 
Vagussystem sind lähmende Gifte bekannt, die parasympathischen Fasern 
werden duroh Atropin (eventuell nach vorübergehender Reizung!) ge¬ 
lähmt. Eppinger-Hess haben pharmako-dynamisch naoh der Pilo¬ 
karpin- (Muskaringruppe) und nach der Adrenalinempfindlichkeit vago- 
tonische und sympathikotonisohe Disposition unterschieden und in die 
Klinik die Diagnosen Vagotonie, Sympathikotonie eingeführt. Diese 
Auffassung hat befruchtend gewirkt, ist aber klinisch nicht zutreffend 
und pharmakologisch nioht hinreichend fundiert. Klinische Symptome 
und pharmakodynamische Reaktion sind nicht miteinander unlösbar ver¬ 
knüpft. Bei den verschiedenen Menschen sind die verschiedenen Erfolgs¬ 
organe verschieden anspruchsfähig. Die mitsprechenden Impulse des 
Zentralnervensystems und die Hormontätigkeit differieren bei den ver¬ 
schiedenen Individuen recht erheblich. Es gibt gelegentlich vagotonisch 
betonte Symptombilder, die dann duroh Atropin (mitunter) günstig be¬ 
einflusst werden können. Vagotoniker aber im Sinne von Eppinger- 
Hess finden sich nur in verschwindenden Ausnahmen. Uebererregbare 
(Neurotiker) zeigen in der Regel eine Mischform von sympathikotonisohen 
und vagotonischen Zügen. Ich erinnere nur daran, dass bei „Nervösen* 
gewöhnlich Hautgefässübererregbarkeit mit Pulsbeschleunigung, Zittern, 
häufig auch niedrigem Blutdruck, Pupillenweite usw. vergesellschaftet 
ist, während die lokale und allgemeine Adrenalinempfindliohkeit (Ehr¬ 
mann!) fehlt, aber auch die Pilokarpinerregbarkeit sehr zurücktritt. 
Meist verlaufen die Reaktionen auf die spezifischen Pharmaka ganz 
regellos. Was man in kritikloser Naohbetung einer geistreichen Theorie 
geschrieben hat (Hypotonie des Vagotonikers, Hypertonie des Sym- 
pathikotonikers, Seekrankheit und Vagotonie, Lymphozytose und Eosino- 


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720 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80 . 


philie bei Vagotonie, Erythromelalgie bei Sympathikotonie, Raynaud bei 
Vagotonie, Krebsempfindlichkeit des Sympathikotonikers, Krebsunemp- 
fiadlichkeit des Vagotonikers usw.), gehört in das Reich der Fabeln und 
Märchen. Es ist verkehrt, Konstitutionsanomalien schematisch nach dem 
Ausfall einer Funktionsprüfung mit diesem oder jenem Pharmakon zu 
differenzieren. Um so mehr, da man für das Vagussystem verschiedene 
Gifte verwenden soll, für die eine spezifische Einstellung fehlt. 

C. Elieneberger. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin, ln der Sitzung der Berliner medizinischen Ge¬ 
sellschaft vom 23. Juli 1919 demonstrierte vor der Tagesordnung Herr 
Burckhardt ein mobilisiertes ankylotisches Ellenbogengelenk und Herr 
Rosenbaum einen Fall von Herpes zoster mit Lähmung im Gesioht. 
Hierauf hielt Herr S. Bergei den angekündigten Vortrag: „Beiträge 
zur Biologie der Lymphozyten“ (Ausspraohe die Herren: Wolff-Eisner, 
Schilling, Mosse, Wolff-Eisner, Sehulz, Schlusswort: Herr Bergei). 

— Geheimrat F. Blumenthal wurde anstelle von Geheimrat 
G. Meyer zum Generalsekretär des Zentralkomitee für Erforschung und 
Bekämpfung der Krebskrankheit gewählt. 

— Prof. Dr. Thiele, erster Stadtschularzt in Chemnitz, wurde 
zum Landgewerbehrzt für Sachsen ernannt. 

— Frau v. Ihne hat ihre Heidelberger Villa Felseck als Er¬ 
holungsheim für Kriegsblinde zur Verfügung gestellt. Schon 1915 
gründete sie in Berlin ein Kriegsblindenheim. 

— Aerztliohe Fortbildungskurse auf dom Gebiete der 
Tuberkulose. In einer von Vertretern der Reichs- und Staatsbehörden, 
des Reiohsversicherungsamtes, der Reiohsversioherungsanstalt für Ange¬ 
stellte, der Landesversicherungsanstalten usw. reich besuchten Sitzung 
des Reichsausschusses für das ärztliche Fortbildungswesen 
am 16. Jali im Kaiserin Friedrich-Haus wurde beschlossen, im ganzen 
Reiche im Monat Oktober kurzfristige Fortbildungskurse auf dem Ge¬ 
biete der Tuberkulose einzurichten. Die geradezu erschütternde Zu¬ 
nahme der Tuberkulose im letzten Kriegsjahre lässt es dringend not¬ 
wendig erscheinen, die Aerzte über die neuesten Fortschritte auf dem 
Gebiete der Tuberkulosebekämpfung zu unterrichten und macht es den 
mit der Sorge für die Volksgesundheit beauftragten Behörden zur 
dringenden Pflicht, hierfür grössere Mittel als bisher zur Verfügung zu 
stellen. Auf keine Weise kann diese mörderische Volksseuohe besser 
bekämpft werden, als durch Auslese und Behandlung der beginnenden 
Fälle. Hierin vor allem die Kenntnisse der Aerzte zu erweitern, wird 
Zweck und Ziel dieser Kurse sein. 

— Da bei der Heeresverwaltung grössere Verbandstoffmengen ent¬ 
behrlich geworden sind, ist deren Rationierung für Krankenanstalten 
und Krankenkassen mit eigener Verbandstoffniederlage aufgehoben, sie 
können von jetzt ab ihren Bedarf wieder ohne Genehmigung der Reichs- 
bekleidungsstelie im freien Handel decken. 

— Wie man auch zur Alkoholfrage stehen mag, so ist es doch für 
jeden sichergestellt, dass die weitgehende Einschränkung des Alkobol- 
verbrauchs, die der Krieg in allen Ländern mit sich brachte, von aller- 
grösster und segensreichster Bedeutung gewesen ist. Die Abnahme der 
durch Alkohol verursachten Geisteskrankheiten und Todesfälle (siehe 
Nr. 27 u. 29 unserer Wochenschrift unter Tagesgesohichtlichen Notizen), 
die Abnahme der Gicht, die duroh Alkoholeinschränkung für direkte Ver¬ 
wendung freigebliebenen Nahrungsmittel (Gerste, Kartoffeln), dazu die 
zwar nioht zu berechnende, aber sicherlich als hooh zu bewertende 
günstige Beeinflussung der sohon so sehr gesteigerten Kriminalität 
während des Krieges und der nooh immer anhaltenden Revolution lassen 
auch weiterhin eine Einschränkung des Alkohohlverbrauohs in hohem 
Maasse wünschenswert erscheinen. Aerzte, die sioh ihrer Aufgabe als 
hygienischer und sozialer Führer bewusst sind, finden alles Wissens¬ 
werte in der Zeitschrift „Die Alkoholfrage“, die sich seit einigen Jahren 
im Besitz des „Vereins gegen den Missbrauch geistiger Getränke“ be¬ 
findet und im „Mässigkeitsverlag“, Berlin-Dahlem (Leitung Professor 
J. Gonser) erscheint. Preis jährlich 6 M. 

— Der Unterstaatssekretär für Unterricht in Oesterreich 
hat die Verfügung getroffen, dass die an deutschen Universitäten zugebraohte 
Studienzeit in die für Deutschösterreich vorgeschriebene Studienzeit einzu- 
reohnen ist, wenn die Studien nach der Erlangung eines dem österreichischen 
Universitätszeugnis entsprechenden Reifezeugnisse zurückgelfgt wurden. 
Die Führung des an einer deutschen Hochschule erworbenen Titels, wie 
Doktor, ist in Deutschösterreich gestattet, ohne dass die mit diesem 
Grade verbundenen Berechtigungen ohne weiteres ausgeübt werden, 
können. Doch kann eine Nostrifizierung auch ohne Ablegung weiterer 
Prüfungen erfolgen. Behufs Nostrifikation eines im Deutschen Reiche 
erworbenen medizinischen Doktorgrades kann die Zulassung zur Pro¬ 
motion an einer deutschösterreiohischen Universität nur erfolgen, wenn 
die ärztliche Approbation für das Deutsche Reich naohgewiesen wird. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reich (6. bis 
12. VII.) 55. Deutschösterreich (15.—21. VI.) 6. Fleckfieber: 
Deutsches Reich (6.—12. VII.) 6. Deutschösterreich (15. bis 


21. VI.) 11), (22.-28. VI.) 5. Ungarn (26. V. bis 1. VI.) 46. Ge¬ 
nickstarre: Preussen (29. VI. bis 5. VILj 7 und 4 +. Schweiz 
(15—21. VI.) 1. Spinale Kinderlähmung: Preussen (29. VI. bis 
5. VII.) 1. Ruhr: Preussen (29. VI. bis 5. VII.) 177 und 27 f. 
Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Buer. 

(Veröff. d. Reiohs-Ges.-Amts.) 

Hoobschulnaohrichten. 

Breslau: Prof. Kallius hat den Ruf auf den Lehrstuhl für Ana¬ 
tomie als Nachfolger von Geheimrat Merkel abgelehnt — Giessen: 
Habilitiert: Sanitätsrat Honigmann für innere Medizin. — Ha11ea.S.: 
Privatdozent Dr. Straub in München hat einen Ruf als Direktor der 
medizinischen Poliklinik erhalten. Von der Leopoldinisch-Carolinischen 
Deutschen Akademie der Naturforscher wurden als Mitglieder aufge¬ 
nommen: in der Fachsektion für Physiologie: Prof. W. Trendelenburg 
in Tübingen, Prof. Hamburger in Groningen, Prof. Hammarsten in 
Upsula und Prof. Tigerstedt in Helsingfors; in der Faohsektion für 
wissenschaftliche Medizin Prof. Sohittenhelm in Kiel. — Jena: Privat- 
dozent Prof. Dr. Spiethoff wurde zum a. o. Professor für Hautkrank¬ 
heiten ernannt. Habilitiert: Dr. Jacobshagen für Anatomie. — Tü¬ 
bingen: Prof. Mönokeberg, bisher Ordinarius in Stra9eburg, erhielt 
einen Ruf als Direktor des pathologischen Instituts. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: Bisherig, österreichisch. Ob.*St.-A. I. Kl. Prof. Dr. 
R. Dörr in Wien z. Wissenschaft!. Mitglied® bei d. Instit. f. Infekt. - 
Krankheiten „Robert Koch“ in Berlin; Wissenschaft^ Mitglied d. 
Landesanst. f. Wasserhygiene in Berlin-Dahlem Dr. K. Steffenhagen 
z. Kreisarzt und ständig. Hilfsarbeiter bei d. Regierung in Breslau. 
Bestätigung: Ernennung d. Prof. Dr. Pröbsting zum ordentl. Mit¬ 
glieds — Prof. f. Augenheilkunde — und des Prof. Dr. Zinsser z. 
ordentl. Mitgliede — Prof. f. Haut- u. Geschlechtskrankheiten — an 
d. Cölner Akademie f. prakt. Medizin. 

Niederlassungen: P. Tauporn in Dirsohau, Dr. J. Zielinski in 
Neuteich (Kr. Marienburg Wpr.), Dr. A. Simonis in Asyl Carlsfeld 
b. Brehna (Kr. Bitterfeld), H. Eisler in Brehna (Kr. Bitterfeld), Dr. 
R. Hilkenbaoh in Ratzeburg, Dr. F. Reingruber in Lamspringe 
(Kr. Alfeld), Dr. F. von Nieber in Neuenkirohen (Kr. Melle), Dr. 

A. Frese in Quedlinburg, Alfred Fischer in Tangermünde, Dr. 

B. Hesseler in Herzfeld (Kr. Beokum), Dr. Josef Fleischmann 
u. H. Spaneken in Paderborn, Dr. F. Lüttig in Lügde (Kr. Höxter), 
W. Oberwittler, Paul Peter u. Dr. A. Esselbrägge in Biele¬ 
feld, Dr. P..Hoberg in Isselhorst(Ldkr. Bielefeld), Dr. Johs. Sohulze 
in Worüber (Kr. Halle i. W.), Dr. Josef Brand in Lippspringe, Dr. 
Tb. Laup u. Dr. H. Dunkhase in Minden i. W., Dr. K. Scholl, 
Dr. A. Dette, Dr. Herrn. Weber, Dr. K. Friemann, Dr. J. Nagel, 
Dr. L. La-greze, Dr. Eug. Salomon, Dr. K. Sohlue, Dr. Herrn. 
Finoke, Dr. P. Hoohhuth, Dr. E.Sohönenberger, Dr.H.Greger, 
Dr. K. Gundlaoh, Dr. Paul Hofmann u. Dr. F. Schotten in Cassel, 
Dr. Heinemann Goldsohmidt in Homberg (Bez. Cassel), Alois 
Jacob in Weyhers (Kr. Gersfeld), Dr. Philipp Frank in Fulda, Dr. 
G. Arthen in Hadamar (Kr. Limburg), Dr. W. Dahlhaus in Dorch¬ 
heim (Kr. Limburg), Dr. E. Henrich in Kirberg (Kr. Limburg), Dr. 
Georg Levysohn, Dr. L. Schultheis, Dr. Wilh. Mayer, Dr. 
L. Hainde, Dr. J. Scheuer, Dr. R. Kehrmann u. Alb. Wich- 
mann in Frankfurt a. M., Dr. A. Dopple in Bad Homburg v. d. H., 
Jul. Cäsar in Montabaur, Gen.-Ob.-A. a. D. Dr. Paul Schumann, 
Dr. E. Einstoss, W. Boschek u. Dr. Karl Jaoobi in Wiesbaden, 
Dr. K. Huesker in Sonnenburg (Ldkr. Wiesbaden), Dr. Friedr. 
Bode in Coblenz, Dr. F. Cörtler u. Dr. W. Hessel in Kreuznach, 
Dr. Hubert Blumenberg u. Dr. Wilh. Classen in Ochtendung 
(Kr. Mayen), Dr. M. Koemann in Asslar (Kr. Wetzlar), Heinr. Eich 
u. Dr. E. Herten in Crefeld, Dr. F. Dominions, Dr. Friedr. 
Stöcker, Dr. Alb. Heinemann u. Dr. W. Massmann in Düssel¬ 
dorf. 

Verzogen: Dr. R. Cobet von Marburg naoh Greifswald, Dr. Th. 
Carstensen von Altona u. Dr. J. Heilmann von Iburg naoh Melle, 
Dr. Georg Schmidt von Allenstein nach Altkloster (Kr. Stade), Dr. 
W. Wedekind von Papenburg nach Salzuflen, Dr. Heinr. Lange 
von Bremen nach Werlte (Kr. Hümmling), Dr. H. Icke von Flens¬ 
burg nach Schierke (Kr. Grafsch. Wernigerode), Dr. Friedr. Zahn 
von Uohtspringe naoh Stendal, Dr. W. Häuptner von Jerichow zum 
Grenzschutz, Dr. Walter Voigt von Mitweida naoh Stendal, Dr. 
K. Lentze von Cöln naoh Münster, Dr. L. Schirmeyer von Osna¬ 
brück nach Paderborn, Dr. David Berg von Oberhausen naoh Biele¬ 
feld, Dr. G. Muenk von Duisburg nach Stift Quernheim (Ldkr. Her¬ 
ford), Dr. Luise Laup geb. Kemmer von Hersfeld naoh Minden i.W., 
Dr. P. Hirsohkowitz von Wiesbaden u. Dr. H. Simmenroth von 
Stettin nach Cassel. 

Gestorben: Dr. 0. Kieserling in Lublinitz, Geh. San.-Rat Dr. 
P. Zsohiesohe in Erfurt, Dr. Walter Rindfleisch in Stendal. 

Ffir dl« Redaktion rarantwortlich Prof. Di. Han* Kohn, Berlin W, Bayrtathar8tr.41. * 


Verlag und Eigentum ton August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 








Dl« Berliner Klinische Woeben sehr i ft erscheint jeden 
Montag in Nummern tob etwa 8 —6 Bogen gr.4. — 
Preis Tierteilihrliek 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen fttr die Redaktion und Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
Äugest Hiraohwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 


KLINISCHE WiJCHENSOffilFT. 


Organ für praktische Aerztc. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof l)r. Hans Kolm. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlk 


Montag, den 4. August 1919. 


M 3L 


Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origiiallen: Moser: Kriegshernien und deren Operationserfolge. (Aus 
der chirurgischen Abteilung des Stadtkrankenhauses Zittau.) S. 721. 

Klopstoek: Ueber die intrakutane Taberkulinreaktion. (Aus der 
Uni?.-Poliklinik für Lungenkranke zu Berlin [Direktor: Geh. Rat 
Prof. Dr. Max WolfiQ.) S. 726. 

Bönniger: Ueber tödliche Blutungen bei Probepunktionen der 
Lunge. Zu dem gleichnamigen Artikel von F. Stähelin. S. 727. 

Loewy: Ueber einen neuen „Bedrohungsreflex“. S. 728. 

Assmann: Vorschläge - sor Organisation des Kriegsentschädigungs¬ 
verfahrens. S. 728. 

Kayser: Ueber den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von 
der Lnngensyphilis der Erwachsenen. (Uebersiohtsreferat.) S. 733. 

Blehertapreehugen: Ständige Ausstellung für Arbeitswohl¬ 
fahrt und Prüfstelle für Ersatzglieder in Gharlottenbnrg: 


Ersatzglieder und Arbeitshilfen für Kriegbesohädigte und Unfall¬ 
verletzte. (Ref. Debrunner.) S. 734. — Weiser: Medizinische 
Kinematographie. (Ref. Thomalla.) S. 735. 

Literatur- AissÜge : Therapie. S. 735. — Allgemeine Pathologie und 
pathologische Anatomie. S. 736. — Parasitenkunde und Serologie. 
S. 786. — Innere Medizin. S. 786. — Psychiatrie und Nervenkrank¬ 
heiten. S. 737. — Kinderheilkunde. S. 737. 

Verhaadlaagei festlicher Gesellschaften: Berliner Gesellschaft 
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 788. — Medi¬ 
zinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Gnltur zu Breslau. (Illustr.) S. 741. 

Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 744. 

Amtliche Mitteilungen. S. 744. 


Aus der chirurgischen Abteilung des Stadtkranken¬ 
hauses Zittau. 

Kriegshernien und deren Operationserfolge. 

Von 

Dr. Briflt Meier, leitender Arzt der Abteilung. 

Durch die grosse Zahl der Krankmeldungen wegen Be¬ 
schwerden infolge Unterleibsbruches haben während des Krieges 
die Hernien nicht nur das chirurgische, sondern das allgemeine 
ärstliche Interesse in hohem Maasse' auf sich gezogen, gleich- 
mäS8ig bei den Fronttruppen, dem Heimatheer und der Zivil¬ 
bevölkerung. ln einem Teil der Fälle haben früher beschwerdelos 
ertragene Unterleibsbrüche Beschwerden mannigfacher Art verur¬ 
sacht, in anderen Fällen sollen die Hernien während des Krieges 
erst aufgetreten sein. Mag man dem letztgenannten Teil im 
Einzelfall noch so skeptisch gegenüberstehen, es bleibt eine 
grosse Zahl bestehen, wo man keine Möglichkeit hat, die von 
glaubwürdiger Seite gemachten Angaben über erstmaliges Vor¬ 
treten des Braches zu bezweifeln. 

Für die Zunahme der Hernien in der Heimat sind zum Teil die¬ 
selben Schädigungen als Erklärung heranzuziehen, wie sie für die Kriegs¬ 
hernien der Truppe, z. B. von Goebel 1 ) geschildert sind, Anstrengung, 
besonders ungewohnte Tätigkeit, unregelmässige Verdauung u. a. m. 
Dazu kommen die Schädigungen der Unterernährung, Fettsohwund, 
Dannsenkung. Eine grosse Rolle spielt die Sohwächung der Muskulatur. 
Auf die Wichtigkeit der Muskulatur, besonders der Fasern der inneren 
schrägen und queren Bauohmuskeln, denen die Rolle eines Sohliess- 
muskels zukommt, bat schon Langenbeck hin gewiesen. Später hat 
Scharezky 2 * ) die Wichtigkeit der genannten Muskelbündel als des 
Sphinoter Langenbecki betont. Sohwächung der Muskulatur, die für die 
grössere Anzahl von Hernien bei alten Leuten verantwortlich ist, er¬ 
scheint mir sogar eine der Hanptursaohen des gehäuften Auftretens von 
Kriegshernien. Rosenfeld 8 ) hat naohgewiesen, dass Muskulatur daroh 


1) Goebel, M.m.W., 1916, Nr. 27. 

2) Scharezky, Zbl. f. Chir., 1913, Nr. 50. 

8) Rosen fei d, Zschr. f. physik.-diät. Ther., 1916, H. 4. 


Mangel an Fleischnahrung schwächer wird. Schleohte Beschaffenheit der 
Muskulatur ist mir bei zahlreichen Hernienoperationen während des 
Krieges aufgefallen und bemerkenswerterweise nicht nur hei der Zivil¬ 
bevölkerung, sondern auch hei sonst muskelkräftigen Soldaten. Die 
gleiche Beobachtung soheint Grunert 1 ) gemacht zu haben. Es wäre 
interessant, zu wissen, oh hei unseren hessergenährten Feinden die 
Hernien auoh eine derartige Rolle wie hei uns gespielt haben. 

Sicher ist, dass nioht nur hei der Truppe, sondern auoh im Lande 
viele Leute, besonders alte Leute, zur Operation ihres Bruches ge¬ 
kommen sind und in gegen früher erhöhtem Maass auoh noch kommen, 
auoh wenn keine deutliche Brucheinklemmung vorliegt. Die grösste 
Steigerung weisen aber die Operationen wegen Brucheinklemmung auf. 
Darauf ist sohon während des Krieges von vielen Seiten hingewiesen. 
Wie manu 2 ) bespricht ausführlich den Zusammenhang der häufigen 
Brucheinklemmungen mit der Kriegsnahrung. Durch die unzweckmässige 
Nahrung kommt es so vermehrter Gasbildung und Peristaltik. Die so 
ausgedehnt und schnell gefüllten Darmschlingen im Bruchsack müssen 
grössere Anstrengungen machen, um ihren Inhalt zu entleeren. Die ge¬ 
schwächte Muskulatur versagt ihren Dienst. Die Füllung der Bruoh- 
saokschlingen wird immer grösser. Es kommt zur Einklemmung. So 
ist schliesslich die unzweokmässige Nahrung die Veranlassung der 
Brucheinklemmung. In dieser unzweokmässigen Nahrang spielt der 
hohe Kleiegehalt des Mehls offenbar eine hervorragende Rolle. Von 
verschiedener Seite ist schon auf die nachteiligen Folgen des Kriegs¬ 
brotes für die Verdauung beriohtet, ich neune Albu 8 ), Rubner;, 
Strauss 5 ), Theilhaher 6 ). Letzterer berichtet, dass die Häufung der 
Fälle von Darmheschwerdeo, namentlich hei älteren Leuten, erst von 
der Zeit an su verzeichnen war, in der man begonnen hatte, grosse Mengen 
von Kleie dem Brot beizumisohen, eine Ansicht, die später ihre Be¬ 
stätigung gefunden hat (Rubner, Finger und Juckenaok). Den 
Darmbeschwerden folgt Abmagerung, die auoh duroh Aufnahme grösserer 
Nahrungsmengen nioht aufzuhalten ist. Ich halte es in der Beziehung 
für bemerkenswert, dass hei meinem Material die Zahl der Bruchein¬ 
klemmungen im Monat März 1917 anf 12 von je 8 in den rorhergehen- 

1) Grunert, M.m.W., 1916, Nr. 1. 

2) Wiemann, D. Zsohr. f. Chir., Bd. 140. 

3) Albu, M.m.W., 1918, Nr. 10. 

4) Rnbner, Gutachten d. Kgl. wissensch. Deputation f. d. Med. 
Rsf. M.m.W., 1917, Nr. 14. D.m.W„ 1918, Nr. 47. 

5) Strauss, D.m.W., 1919, Nr. 15. 

6) Theilhaher, M.m.W., 1918, Nr. 23. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


722 


den Monaten in die Höhe ging, naohdem ?om 26. II. 1917 ab die Aus¬ 
mahlung des Roggens von 82 auf 94 pCt verändert war. Die Zahl 
blieb dann hooh, um erst im September wieder auf 8 zurückzugehen. 
Von Einfluss anderer Nahrung ist vielleicht bemerkenswert, dass im 
Juli 1918, als die Belieferung mit Kartoffeln von 4 auf 1 Pfund sank 
und statt dessen mehr Mohrrüben ausgegeben wurden, auch die Zahl der 
Brucheinklemmungen von 2 im Juni auf 5 im Juli stieg. Für den kar¬ 
toffelarmen und rübenreiehen Winter 1916/17 konnte ioh diese Verhält¬ 
nisse nioht verfolgen, da das städtische Aktenmaterial durch Brand zu- 
grunde gegangen ist. 

Nicht gans von der Hand su weisen ist auoh, dass in dem Winter 
1916/17 bei der grösseren Vermehrung der Brucheinklemmungen neben 
der Ernährungsstörung die strenge Kälte von Einfluss gewesen ist ln 
diesem Winter waren mancherlei andere Störungen der Gesundheit su 
verseiehnen, das auffallendste waren die Klagen über Pollakiurie sowohl 
bei Soldaten wie bei der Zivilbevölkerung. Derartige allgemeine Er¬ 
nährungsstörungen führen an und für sich sohon su krankhaften Pro- 
sesaen in der Darmwand [Prym 1 2 )], die wiederum Gärungsvorgänge in 
dem Darmkanal begünstigen, wodurch die Gefahr der Brucheinklem¬ 
mung erhöht wird. 

Im Winter 1916/17 spielte auch die Oedemkrankheit 
schon eine verhängnisvolle Rolle. Nun konnte allerdings bei 
keinem meiner Fälle von Brucheinklemmung eine deutliche 
Oedemkrankheit festgestellt werden. Trotxdem glaube ich, dass 
sie in ihren Anfangsstadien bei vielen schon vorhanden war. 
Dafür sprechen einige Erscheinungen. In 9 von 100 wegen ein¬ 
geklemmten Bruches operierten Fällen konnte bei der Operation 
der Befund eines freien Assites in der Bauchhöhle erhoben 
werden. Dabei sind nicht etwa Fälle mitgexählt, in denen die 
Flüssigkeit in der Bauchhöhle leicht vermehrt angetroffen wurde, 
möglicherweise als Uebergreifen der Flüssigkeitsansammlung vom 
Brucbsack her, sondern nur solche, bei denen der Aszites weder 
durch die Hernien noch durch irgend eine andere Erkrankung 
in der Bauchhöhle seine Erklärung fand. Stets handelte es sich 
um abgemagerte und ältere Leute; 7 Frauen, 2 Männer. 47 Jahre 
war die untere Altersgrenze, 84 die obere, 60 Jahre der Durch¬ 
schnitt. Achtmal lag «eine rechtsseitige Hernie vor, sechsmal 
Sehenkelhernie, dreimal Leistenhernie. Alle Fälle wurden ge¬ 
heilt entlassen, in 6 konnte ein guter Dauererfolg nach 6 bis 
7 Monaten festgestellt werden, einmal ein Rezidiv nach 6 Monaten. 
Nach erfolgter Wundheilung, in den nach untersuchten Fällen 
auch später, konnte ein Flüssigkeitserguss in der Bauchhöhle 
nicht mehr nachgewiesen werden. Eine Trübung der Prognose 
kann in dieser Flüssigkeitsansammlung der Bauchhöhle also nicht 
erblickt werden. — Nach dem Gesagten kann man kaum anders 
als in diesem Flüssigkeitserguss den Ausdruck einer allgemeinen 
und zwar noch heilbaren Ernährungsstörung su sehen. Als solche 
kann nur die Oedemkrankheit in Betracht kommen, bei der 
Schittenhelm und Schlecht*) Öfters einen deutlichen und 
sogar erheblichen Aszites fanden. 

Ausser dem Aszites brachte mich noch ein anderer Umstand 
auf den Gedanken, dass viele der Kranken mit eingeklemmtem 
Bruch Odemkrank waren, obwohl zunächst noch keine Krankheits- 
äusserungen nachgewiesen werden konnten. Das war die Puls¬ 
verlangsamung, die bei der Oedemkrankheit oft ohne weiteres 
vorhanden ist, oft aber erst bei Bettruhe eintritt (Schittenhelm 
und Schlecht). Besonders im Winter 1916/17 sowie in den an¬ 
schliessenden ersten Sommermonaten war bei den wegen Bruch¬ 
einklemmung Operierten eine Pulsverlangsamung sehr häufig fest¬ 
zustellen, im Winter 1917/18 seltener. Rechoet man eine Puls¬ 
verlangsamung von 60 Schlägen in der Minute ab, so fand sich 
eine solche während der genannten Zeit in 25 Fällen. Manchmal 
ging sie bis zu 54 herunter und stellte sich am 2. bis 17. Tage, 
im Mittel am 5. Tage ein, um gewöhnlich einige Tage anzubalten 
und dann langsam zu vetsch winden. Nur ansnab insweise blieb 
sie bis zur Entlassung. Diese Pulsverlangsamung war nicht 
nur bei alten Leuten zu beobachten, sondern auch bei vielen in 
den mittleren Jahren, sogar bis zum 8. Jahre herunter. In der 
Mehrzahl der Fälle — 20 — handelte es sich dabei um Frauen. 
Das dürfte kaum im Gegensatz zu den Beobachtungen Knack’s 
und Neumann’s 3 ) stehen, nach denen unter den weiblichen 
Patienten die Bradykardie nicht so ausgesprochen ist und zum 
Teil wenigstens in der grösseren Zahl der operierten Frauen ge¬ 
nügende Erklärung finden (76 weibliche, 24 männliche Kranke). 

Häufung der Brucheinklemmung und Oedemkrankheit sind 
jedenfalls letzten Endes auf dieselbe Ursache, die Unterernährung 


1 ) Prym, D.m.W., 1918, Nr. 20. 

2) Sohittenhelm und Schlecht, B.kl.W., 1918, Nr. 48. 

8 ) Bauoke, B.kl.W., 1918, Nr. 52. 


bzw. Ernährung mit unzweckmässiger Kost snrücksuführen. Zu 
den schon erwähnten krankhaften Prozessen der Darmwand, die 
durch Unterernährung hervorgerufen werden, spielen jedenfalls 
die submukösen Blutungen (Schittenhelm und Schlecht) und 
Ueberfüllung der Darmscbleimhautgefässe eine wichtige Rolle. 
Dass solche besonders leicht in Darmschlingen des Bruchsacks 
sich einstellen werden, kann man annehmen. Sie geben wieder 
Veranlassung zu Störung der Peristaltik und Anhäufung von 
Darminhalt und begünstigen somit die Einklemmung. 

Dieser Zusammenhang der Unterernährung mit der Brucheinklemmung 
erklärt eine auffallende, schon von König 1 ) erwähnte Erscheinung, dass 
nämlich die Häufung der Brucheinklemmung lediglich die Zivilbevöl¬ 
kerung betrifft. Dieser Unterschied bleibt auch bestehen, wenn man 
die Fälle über 45 Jahre, was als Grenze des militärischen Dieostalters 
gelten kann, nicht berücksichtigt. Von meinen 100 Fällen betrafen 17 
das Alter unter 45 Jahren. In der gleichen Zeit hatte ioh als leitender 
rzt der chirurgischen Abteilung des Reservelasaretts Zittau auf 42 
ernienOperationen nur einen einzigsten Fall von Biucheinklemmung. 
Als Altersgrenze, von der ab durch Unterernährung der Körper mehr 
gesohädigt wird, hat Feilchenfeid’) das 85. Lebensjahr angegeben. 
Berechnet man naoh dieser Altersgrenze, so betrafen von den 100 Fällen 
von Brucheinklemmung nur 7 Leute unter 85 Jahren, davon wieder 
2 Kinder unter 10 Jahren. 

Ausser der Vermehrung der Anzahl der Hernien und der 
Vermehrung der Brucheinklemmung war noch ein Drittes, was 
während des Krieges auffallend war, das war die Vermehrung 
der Rezidive nach Bruchoperationen. Zwar gibt es hierin noch 
keine statistischen Zahlen, dass aber tatsächlich ungemein zahl¬ 
reiche postoperative Hernienrezidive beobachtet sind, weiss 
eigentlich nicht nur jeder militärisch tätige Chirurg, sondern 
wohl beinahe jeder Militärarzt. Ausserdem geht es aus der be¬ 
trächtlichen Zahl der Veröffentlichungen über Abänderung der 
Operationstechnik hervor, die gewöhnlich in dem Sinne enden, 
dass seit Anwendung der empfohlenen Technik Rezidive nicht 
mehr beobachtet sind. Sie müssen also vorher dagewesen sein. 
Plenz*) erwähnt, dass er in kurzer Zeit 6 Rezidive gesehen hat 
und aus verschiedenen Arbeiten, die die Plens’sche Veröffent¬ 
lichung zur Folge gehabt haben, gebt das stille Einverständnis 
der Autoren hervor, dass auch sie von der Vermehrung der Re¬ 
zidive überzeugt sind. Die Schuld für die Rezidive wird teils den 
Operationsmethoden, teils den Operateuren zur Last gelegt. Zu 
meiner Verwunderung ist man der Frage gar nicht näher ge¬ 
treten, ob die Rezidive nicht durch dieselbe Ursache 
bedingt sind, die zur Vermehrung der Hernien geführt haben, 
also anhaltende Ueberanstrengung, bei dauernder Unterernährung. 
Diese Frage ist meines Erachtens sehr wohl zu erörtern. Beant¬ 
wortet kann sie nur werden durch Untersuchungen, ob die 
Hernienoperationen unter denselben Voraussetzungen, d. h. also 
besonders von demselben Operateur vollzogen, während des 
Krieges weniger aussichtsvoll sind als vor dem Kriege. Da ich, 
von der Stadt Zittau reklamiert, schon Oktober 1916 meine 
Tätigkeit am Stadtkranken haus wieder aufgenommen habe, 
so bin ich in der Lage, zur Beantwortung dieser Frage beizu¬ 
tragen. 

Zum Vergleich benutze ich das Krankenhausmaterial vom l.X. 1916 
an und vorher vom 1. X. 1918 bis Ausbruoh des Krieges, ausserdem 
von 1902 an das Material meiner Privatklinik. Die in diesen Zeit¬ 
abschnitten operierten und hier berücksichigten nicht eingeklemmten 
Hernien habe ioh alle selbst operiert. Einen Teil der eingeklemmten 
Hernien vom Oktober 1916 ab hat mein damaliger Assisstent Herr Dr. 
Erich Kooh operiert, andere Operateure kommen nioht in Frage. 

Die Technik der Hernienoperationen ist in der ganzen Zeit im 
grossen und ganzen die gleiche geblieben. Bei der Besprechung der 
Dauererfolge ist es notwendig, kurz auf sie einzugehen. Vorher sei aber 
noch auf einen Unterschied hingewiesen, der vor und während des 
Krieges bestand, nämlich die viel grössere Anzahl von Infektionen, die 
sich in Fadeneiterungen kundgab. Das äussert sich in der längeren Be¬ 
handlungsdauer. Auf die Gesamtheit der in Betraoht gezogenen Fälle 
berechnet betrug die Dauer des Krankenhausaufentbaltes: 

vor dem Kriege im Kriege seitOkt. 1916 
bei nicht eingeklemmten Brüchen I 8 V 4 Tage 21V« Tage 

bei eingeklemmten Brüchen 18*/ 4 „ 22 Va » 

Ist der Unterschied demnach auch kein sehr grosser, so ist er doch 
deutlich. Glücklicherweise sind die Infektionen auch nie derartig ge¬ 
wesen, dass sie einen ernsteren Charakter angenommen hätten, lozisionen 
zur Eröffnung der Abszesse sind kaum zur Anwendung gekommen, es 
genügte Ausdrücken duroh die Stiohkanäle, Auslöffelung der letzteren 

1 ) König, D.m.W., 1917, Nr. 1, und Zbl. f. Chir., 1918, Nr 4. 

2) Feilohenfeld, Med. Kl.. 1918, Nr. 17. 

3) Plenz, Zbl. f. Chir., 1917, Nr. 36, und 1918, Nr. 23. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



4. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


723 


and begrenze Eröffnung der Operationswuode. In die Berechnung ein* 
gezogen ist aber nicht der Umstand, dass einige der Operierten mit noch 
vorhandenen Fadenfisteln in ambulante Behandlung entlassen wurden, 
was Tor dem Kriege nicht vorgekommen ist. 

Dass derartige Infektionen, oft vielleicht noeh viel sohlimmerer Art, 
auch andernorts an der Tagesordnung waren, ist jetzt kein Geheimnis 
mehr. Anfangs nur zögernd kamen Bemerkungen darüber in der 
Literatur in der letzten Zeit häufiger. [Göbel, Maokenrodt 1 2 * ), 
Finsterer*), wohl auch Küttner 8 ), der von einer Zunahme der 
Wundinfektionskrankheiten spricht.] 

Als Grund für die geringere Zuverlässigkeit des aseptischen 
Verlaufs wird Mangel und schlechte Beschaffenheit der Seife und 
Desinfizientien, Wiederverwendung der Tupfer, Mangel an Gummi¬ 
handschuhen, Beschäftigung der Chirurgen mit eiternden Wunden 
angegeben. Das ist ohne Frage richtig. Zweifellos besteht aber 
auch eine geringere Widerstandsfähigkeit der Operierten gegen 
die Infektion. Ebenso wie der Zuckerkranke leichter eine In¬ 
fektion bei aseptischen Operationen bekommt, elende ausgeblutete 
Leute leichter an Peritonitis zugrunde gehen, so bekommt offen¬ 
bar auch der Unterernährte leichter Fasziennekrosen mit Faden¬ 
eiterungen. Carrison 4 ) berichtet über Versuche an Tauben, bei 
denen er durch Nahrangsmittelentziehung eine Neigung za sep¬ 
tischen Erkrankungen feststellen konnte. 

Die erzielten Operationserfolge sind von jeher mit der an¬ 
gewandten Operationsmethode in Zusammenhang gebracht worden. 
Es ist daher notwendig, auf die Operationsmethode bzw. die 
Technik wenigstens kurz einzugehen. 

Die Leistenbruchoperationen sind zum Teil nach Bas sin i aosgeführt 
worden, zum Teil ist aber schon seit annähernd 15 Jahren ein Haupt- 
teil der eigentlichen Bassinioperation fortgelassen worden, nämlich die 
Annähung der Muskulatur an das Leistenband. Den grössten Wert bei 
Leistenoperationen habe ich neben dem hohen Abbinden des Bruchsaokes 
auf eine sorgfältige Naht der Aponeurose des Muso. obl. ext. gelegt. 
Will man diese möglichst weit fusswärts ausführen, dann können die 
Muskelleistenbandnähte geradezu störend wirken, weil durch sie die 
Verschiebliohkeit des lateralen Aponeurosenanteils vermindert wird. 
Das war für mich der eine Grund, die Bassininähte aufzugeben, der 
andere Grund war die unvermeidliche Sohädigung der Muskulatur. Der¬ 
artige Bedenken gegen Muskelnähte sind in neuerer Zeit auoh von an- * 
derer Seite geäussert worden [Seitz 5 ) und Plenz]. Nur in den Fällen, 
in denen ein sehr breiter Kanal vorlag und sich Bauchinhalt durch die 
hintere dünne Kanalwand weit vorstülpte, habe ich geglaubt, nioht ganz 
auf die Muskel-Leistenbandnähte verzichten zu können. Aber auch dann 
habe ich die Zahl dieser Nähte nach Möglichkeit eingeschränkt, oft ist 
nur eine gelegt worden, wohl kaum jemals mehr als drei. Ausserdem 
wurde darauf geaohtet, diese Nähte nicht zu fest zu knüpfen. Die 
Aponeurosennaht wurde dagegen auf das sorgfältigste ausgeführt. Beider¬ 
seits wurde möglichst viel von der Aponeurose auf die Nadel geladen, 
soweit angängig mit 2 maligem Durobstechen der Aponeurose auf jeder 
Seite, damit breite Fläohen in Berührung kommen. Ausserdem wird die 
Naht stets kopfwärts von dem oberen Durchtrennungswinkel der Apo¬ 
neurose, also in undurchtrennter Aponeurose angefangen. Hier findet 
man oft infolge Auseinanderweiohens der Fasern eine oder mehrere 
dünnere Stellen der Aponeurose, die auf diese Weise ausgesohaltet 
werden. — In der Mehrzahl der Fälle ist also bei der Leistenbruoh- 
operation weiter nichts getan worden, als dass nach Möglichkeit normale 
anatomische Verhältnisse wieder hergestellt wurden. 

Die Sohenkelbrüche sind auoh auf einfachste Weise operiert worden. 
Das Leistenband wurde entweder mit dem Periost des Schambeins oder 
in der grossen Mehrzahl der Fälle entweder mit der Fascia pectinea oder 
naoh Freilegung der Gefässe mit der Plioa faloiformis der Fascia lata 
oder auoh mit beiden vernäht, meist mit Einschieben eines Tupferzipfels 
im untersten Wundwinkel um den so entstehenden toten Raum zu 
«trainieren. Vorher wurde der Bruchsaokstumpf dadurch verlagert, 
dass die beiden Fadenenden der Naht oberhalb des Leistenbandes von 
hinten naoh vorn durch die Bauchdecken mittels Nadel durohgeführt 
und auf der Aponeurose des äusseren schrägen Bauohmuskels geknüpft 
wurden. Diesen Verschluss des Bauchfells, der eine peritoneale Aus¬ 
stülpung nach der Gegend des Schenkelkanals vermeiden soll, habe ich 
schon seit 1905 angewandt. 

Dass mit diesen einfachen Operationsmetboden keine schlech¬ 
teren Erfolge erzielt werden als mit komplizierteren, sollen die 
folgenden Zusammenstellungen zeigen. 

Zunächst sei bemerkt, dass von sämtlichen während des 
Krieges operierten nicht eingeklemmten Brüchen ein Todesfall 
überhaupt nicht vorgekommen ist. Die Gefahr der Operation, 


1) Maokeenrodt, Zbl. f. Gyn., 1919, Nr. 8. 

2) Finsterer* Med. Kl.; 1919, Nr. 12. 

8) Küttner, Med. Kl., 1919, Nr. 9. 

4) Carrison, Brit. med. joorn., Nr. 8083. Ref. B.kl.W,, 1919, Nr. 18. 

5) Seitz, M.m.W., 1917, Nr. 1. 


die Pott») auf Grund einer ausgedehnten Zusammenstellung auf 
1 pCt. angibt, hat sich demnach nicht vergrössert. 

Nachuntersuohen konnte ioh 89 vor dem Kriege wegen Leistesbruoh 
Operierte, darunter 5 Frauen. Letztere waren alle ohne Rezidiv. Ge¬ 
funden wurden 6 Rezidive, mithin 15 pCt Nimmt man nur die männ¬ 
lichen Operierten, so kommen 6 Rezidive auf 84 Leistenbruoboperationsn. 
Das sind 18 pCt. Rezidive. Pott gibt die Dauerheilungen nach Leisten- 
bruohoperationen auf 81,8 pCt. au. Das ist also fast die gleiche Zahl. 
Nun gibt es aber günstigere Statistiken. König gibt an, dass naoh 
grossen Sfatistiken die Bassini’sche Radikaloperation 90—96 pCt. Hei¬ 
lungen ohne Rezidive hat, Walter 2 ) gibt sogar 95—97 pCt. Dauer¬ 
resultate sowohl naoh Bassini als auch naoh anderen Operations¬ 
metboden an, Torek 8 ) hat auf 804 Fälle nur 1 Rezidiv, Lameris 4 ) 
auf 511 Fälle indirekter Leistenbruche 20 Rezidive = 8,9 pCt., auf 102 
Fälle direkter Brüche dagegen 29 Rezidive = 28,4 pCt. Diese Schei¬ 
dung der Erfolge naoh direkten und indirekten Brüchen wird sonst in 
keiner Zusammenstellung gemacht. loh selbst kann sie bei meinem 
Material' auoh nioht mehr nachholen. Es dürfte sioh aber sehr empfehlen, 
in Zukunft mehr auf diese Unterschiede zu achten. Allerdings wird das 
auch seine Schwierigkeiten haben, denn manchmal ist es gar nicht leioht 
festzustellen, ob eine direkte oder indirekte Hernie vorliegt. Was aber 
noeh viel wichtiger ist, das ist der Umstand, dass die meisten Statistiken 
sioh über die Zeit der Nachuntersuchung entweder ganz wegsetzen, oder 
sie sehr kurz oft unter 1 Jahr annehmen. Von den 6 Rezidiven meiner 
Fälle entstanden: 1 nach V 2 Jahr, 1 naoh 1 Jahr (im Militärlazarett 
Rezidiv operiert, sehr bald wieder Rezidiv), 2 naoh 3 Jahren, 1 nach 
9 Jahren, 1 naoh 10 Jahren. . 

Daraus ist ersichtlich, das zwei Drittel der Rezidive erst 
nach über 3 Jahren sich ausgebildet haben. Die beiden Ope¬ 
rierten mit Rezidiven nach 9 und 10 Jahren habe ich in den 
ersten Jahren nach der Operation öfters untersucht und dabei 
feststellen können, dass sie keioe Hernie hatten. Ob derartige 
Spätrezidive sich allenthalben eingestellt haben, oder ob sie wie 
die erhöhte Hernienbildung überhaupt eine Folge der Kriegsver¬ 
hältnisse sind, kann ich nicht entscheiden. Jedenfalls empfiehlt 
es sich, in künftigen Zusammenstellungen die Zeit von wenigstens 
3 Jahren zur Beurteilung des Erfolges zu Grunde zu legen. Be¬ 
rechnet man obige Statistik nnr auf die Dauer von 2 Jahren 
Beobachtungszeit, so fallen 4 Rezidive fort, man hat dann auf 
34 männliche Leistenbrüche 2 Rezidive, also 6 pCt. Rezidive. 
Das entspricht also vollkommen den König’schen Zahlen und 
anderen Statistiken, die dazu dienen, die Güte einer Operations¬ 
methode zu beweisen. 

* Wie gestalten sich nnn dagegen die Verhältnisse im Kriege? 
Bei einer Beobachtungszeit von t / 2 —2 Jahren konnte ich bei 
20 wegen Leistenbruch operierten Kranken kein Rezidiv nach- 
weisen. Daraus geht hervor, dass bei gleicher Operations¬ 
art die Kriegsverhältnisse keine grössere Rezidiv¬ 
gefahr bedingten. Eine Verminderung der Restitutionsfähig¬ 
keit des Bindegewebes in dem Sinne wie es Vogel 5 ) als oft an¬ 
geboren annimmt, ist demnach bis jetzt wenigstens durch die 
Unterernährung nicht eingetreten, ebensowenig eine verminderte 
Widerstandsfähigkeit des Körpers gegenüber Operationen von der 
Bedeutung einer Hemiotomie 6 ). 

Aus der Tatsache, dass die Erfolge meiner Hernienoperationen 
während des Krieges nicht schlechter geworden sind, geht hervor, 
dass die vielen Rezidive, die während des Krieges sich eingestellt 
haben, der Operationsmethode nicht zur Last zu legen sind. 
Denn eine einfachere Operationsmethode, als die von mir ange¬ 
wandte, ist kaum denkbar. Sie leistet jedenfalls ebenso viel wie 
die Bassini'sche. Die Misserfolge sind demnach lediglich auf 
die betreffenden Operateure zu schieben. Es ist ja bekannt, dass 
besonders im Anfang des Krieges vielen Aerzten eine chirurgische 
Abteilung unterstellt wurde, die kaum je chirurgisch tätig waren, 
oft auch keine Neigung dazu hatten, während zahlreiche ausge¬ 
bildete Chirurgen mit allem anderen beschäftigt wurden, nur nicht 
mit Cbirnrgie. 

1) Pott, Deutsche Zsohr. f. Chir., Bd. 70. 

2) Walter, M. m. W. 1916, Nr. 24. 

3) Torek, Deutsobe Zsohr. f. Chir., Bd. 118. 

4) Lamöris, Deutsche Zsohr. f. Chir., Bd. 119. 

5) Vogel, Deutsche Z9ohr. f. Chir., Bd. 91 und M.m.W., 1918, Nr. 16. 

6) Eine Verminderung der Widerstandsfähigkeit gegenüber operativen 
Eingriffen scheint erst nach jahrelanger Einwirkung der Unterernährung 
zu kommen. Als sohon die Perforationen wegen Magengeschwür sioh 
vermehrten, wurde die Operation noch lange Zeit sehr gut vertragen. 
(Kümmel, D. m. W., 1918, Nr. 13, und Zuntz, M.m.W., 1918, Nr. 13.) 
Später dagegen klagt Küttner, M.m.W., 1919, Nr. 21, S. 564, darüber, 
dass die Widerstandsfähigkeit gegenüber grossen Operationen abgenommen 
hat, so stark, dass die Indikationsstellung dadurch weitgehend beein¬ 
flusst wird! 

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UNIVERSITÄT OF IOWA 







724 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Aus dem Gesagten geht weiter hervor, dass Fadeneiterungen, falls 
sie nicht au grossen Umfang annehmen, das Endergebnis der Operation 
nicht beeinträchtigen. Damit soll natürlich einer weniger peinliohen 
Asepsis nioht das Wort geredet werden, schon deshalb nicht, weil die 
Behandlungsdauer unnötig verlängert wird und weil die nach Eiterungen 
zurückbleibenden Narbenmassen Beschwerden verursachen können. Trota- 
dem kann es ein gewisser Trost für Arst und Kranken sein, dass das 
Endergebnis durch Fadeneiterungen nioht verschlechtert wird. loh hebe 
das hervor, weil von so autoritativer Seite wie König die Gefahr der 
Rezidive infolge nioht ganz aseptischen Verlaufs betont worden ist. 

Noch ein Umstand könnte möglicherweise auf das schnellere 
Auftreten von Rezidiven Einfluss haben, nämlich der Umstand, 
dass die Operierten in bald wieder schwere Arbeit verrichten 
mussten. Ich halte es för ausgeschlossen, dass das jemals 
eine Rolle gespielt hat, denn von vielen andernorts Operierten 
habe ich gehört, dass sie oft noch mehrere Wochen in einem 
Erholungsheim waren. 

Goebel rechnet 8 Monate von der Operation bis zur Kriegsverwen- 
dungsfähigkeit. Dem muss ioh gegenüberstellen, dass die von mir vor 
dem Krieg Operierten 14 Tage nach der Entlassung ihre Arbeit wieder 
aufgenommen haben, also 4—5 Wochen naoh der Operation. Darunter 
sind grossenteils Schwerarbeiter in Maschinenfabriken, Landwirtschaft 
u. dgl. Die meisten habe ioh ein Suspensorium für die ersten 2 bis 
3 Monate tragen lassen, ihnen jede weitere Schonung als unnötig hin* 
gestellt. Während des Krieges habe ioh Schwerarbeiter natürlich erwerbs¬ 
unfähig geschrieben, bis etwaige Fisteln ausgeheilt waren. 

Ob die zahlreichen Abänderungen der Bassini’schen Methode 
und die neuen Operationsverfahreo, die während des Krieges an¬ 
gegeben sind, die Statistik noch verbessern werden, muss man 
erst abwarten. Theoretische Erwägungen können allein nicht den 
Ausschlag geben, so interessant sie auch sein mögen. Auch kann 
man andere theoretische Bedenken dagegen geltend machen. 

So habe ioh gegen die von Kleinsohmidt und Plenz sowie von 
Krumm 1 ) empfohlene hochgehende Verlagerung des Samenstranges die 
leiohen Bedenken, die schon Torek gegen ein Hinaufserren des aus 
em kleinen Becken kommenden Samenleiters an die von oben kommenden 
Gefässe des Samenstranges geltend gemacht hat. Bei dem von Perthes 2 * ) 
empfohlenen Hackenbruoh’schen*) Verfahren, Naht des medialen Teils 
der durchschnittenen Externusaponeurose an das Leistenband, sowie die 
Modifikation von Dreesmann 4 ) erscheint mir die Spannung an den 
Aponeurosen, ebenso die grössere Zahl der versenkten Nähte bei der 
heutigen erhöhten Infektionsgefahr etwas bedenklich. Auoh wenn für 
aseptischen Verlauf wieder günstige Verhältnisse vorliegen, würde ich, 
gleiche Erfolge vorausgesetzt, stets der Methode den Vorzug geben, die 
die einfachste ist. Allen diesen mehr oder weniger komplizierten Vor¬ 
gehen gegenüber möchte ich auf die Statistik von Lameris hinweisen, 
die allerdings, wie schon erwähnt, nur für indirekte Leistenhernien gilt. 
Er hat 3,9 pCt. Rezidive bei einer Beobachtungsdauer von mindestens 
einem Jahr. Dieses günstige Resultat hat er allerdings nur erreicht, 
wenn er die Torsionsligatur anwenden konnte, aber jedenfalls ohne jede 
Muskelnaht. Den Brucbsaok hat er nicht entfernt, sondern sich selbst 
überlassen. Darin und in der Betonung der Torsionsligatur liegt der 
Unterschied gegen mein Vorgeben. Duroh die Belassung des Bruohsackes 
wird ja die Operation noch einfacher. Trotzdem hat Lamäris nioht 
schlechtere Erfolge als andere Operateure mit weit umständlicherem Ver¬ 
fahren. Gerade wegen der jetzt mehr als je zu empfehlenden Verein¬ 
fachung der Operation möchte ioh alle, denen meine eigenen Zahlen 
vielleicht zu niederig sind, auf die Erfolge von Lamöris hinweisen. 

Hinsichtlich der Operation der eingeklemmten Hernien 
habe ich dem oben Gesagten nur zuznfügen, dass ich bei erhöhter 
Infektionsgefahr hier viel von der Sekundärnaht Gebrauch ge¬ 
macht habe. 

Entsprechend dem Vorgehen bei appendizitisoher Peritonitis, wie in 
einer früheren Arbeit (Deutsche Zsobr. f. Chir., Bd. 146) auch sohon kurz 
erwähnt, ist bei den infektionsverdächtigen Herniotomien die Bauchhöhle 
duroh Naht des parietalen Peritoneums vollkommen geschlossen worden, 
während die übrige Wunde weit offen blieb. Sie wird dann später bei 
sauberem Aussehen sekundär genäht. Ein künstlicher After ist niemals 
gelegt worden. Für überhaupt noch operable Fälle kommt er für mich 
;rieht in Betracht, er ist nur angelegt bei ganz elenden phlegmonösen 
Fällen, wo nichts weiter zu tun ist, als Haut und Darmwand mit dem 
Paquelin zu eröffnen. Auf diese Weise ist übrigens ein Fall durebge- 
kommen und hat sich die Darmfistel sogar von selbst geschlossen. Die 
Sekundärnaht ist bei den in Rede stehenden Fällen 13 mal zur Anwen¬ 
dung gekommen. Die Behandlungsdauer wird abgekürzt, der Dauer¬ 
erfolg verbessert, da Leistenband mit Faszie vernäht wird. Wie aus den 
sohon mitgeteilten Ziffern über die Dauer des Krankenhausaufenthaltes 
von 22V 4 Tagen hervorgeht, kann die Sekundärnaht die Behandlungs¬ 

1) Krumm, Zbl. f. Cbir., 1918, Nr. 82. 

2) Perthes, Zbl. f. Chir.. 1918, Nr. 4. 

8) Haokenbruoh, M.m.W., 1908, Nr. 32. 

4) Dreesmann, Zbl. f, Chir., 1918, Nr. 86, 


dauer nur in günstigstem Sinne beeinflussen. Bei der sogleich zu be¬ 
sprechenden Statistik sind die Sekundärnähte auch ein geschlossen. 

Während die Sterblichkeit nach der Operation nicht ein¬ 
geklemmter Brüche gleich Null war, ist sie bei den eingeklemmten 
natargemäss höher. 

Es kommt auf die Operation von: 

18 Leistenbrüchen 1 Todesfall = 5,6 pCt. Mortalität, 

75 Schenkelbrüchen 11 Todesfälle = 14,7 pCt. Mortalität. 

Das ist ein günstiges Ergebnis. Es sei zum Vergleich erwähnt, dass 
Gussew 1 ) die Mortalität für eingeklemmte Leistenbrüobe mit 22, für die 
Sdhenkelbrüche mit 28 pCt. angibt. 

Zusammen gibt das eine Sterblicbkeitsziffer von 12 pCt, bei Ein¬ 
ziehung der Baucbnarben und Nabelbrüche, sowie der Hernien des 
Foramen obturatum 17,8 pCt. Das ist auch als günstiges Resultat zu 
bezeichnen, da Sultan eine Mortalität von 20,7 pCt., Hilgenreiner 
18,7 pCt. und Gussew 27 pCt. angibt. Jedenfalls geht daraus hervor, 
dass die Operation der eingeklemmten Brüche während der 
Kriegszeit trotz der Unterernährung ebensowenig ein 
schlechteres Resultat hat, als die Operation der nioht ein¬ 
geklemmten Brüche. 

Es sei aber bemerkt, dass die Sterblichkeitsverhältnisse im Winter 
1917/18 schlechter waren als im Winter 1916/17. Während im letzteren 
auf 27 operierte Fälle 5 Todesfälle kamen = 19 pCt., stieg diese Zahl 
Winter 1917/18 auf 27 pCt. (15:4). Vielleicht ist in diesen Ziffern 
doch schon eine Verminderung der Widerstandsfähigkeit zu erblicken. 
König berechnet eine Verbesserung der Sterblichkeitsziffer während des 
Krieges gegen vorher (1913) von 27 auf 10 pCt. Dem kann ioh nicht 
beipfliohten. Vor dem Kriege hatte ich eine fast gleiche Ziffer wie noch 
im Winter 1916/17, nämlich 17 pCt. Um so auffallender ist, dass diese 
dem 3. Kriegswinter mit 19 pCt. Todesfällen nahestehende Zahl im 
4. Kriegswinter auf 27 pCt. in die Höhe ging. 

Dieselbe Widerstandsfähigkeit gegenüber operativen Eingriffen be¬ 
weist die Zahl der Sterbefälle nach Darmresektionen wegen schon ein¬ 
getretenen Brandes der Darmschlinge. ln meinen Fällen hat es sich 
stets um Dünndarm gehandelt. Das kann man wohl von anderen 
Statistiken auch aDnehmen. In 14 Fällen, darunter 12 Schenkelbrüohen, 
musste Darm reseziert werden. Von diesen 14 Fällen endeten 4 tödlich, 
was einer Sterblichkeit von 28,1 pCt. entspricht. Da nach Gussew die 
Sterblichkeit der gangränösen Hernien bei den verschiedenen Autoren 
sich zwisohen 40 und 85 pCt. bewegt, er selbst eine solche von 57 hat, 
so ist der Satz von 28,1 pCt. auch als günstig zu betrachten. Es sei 
dazu nochmals hervorgebobeD, dass ein künstlicher After niemals an¬ 
gelegt worden ist. Die Resektionen betrafen grossenteils die Darmwand¬ 
brüche. Wiemann hat während des Krieges eine Zunahme der Darm¬ 
wandbrüche bis 80 pCt. gefunden gegen 3,3—11,5 pCt. verschiedener 
Statistiken vor dem Kriege. In meinen Fällen sind 6 Darmwandbrüche 
verzeichnet, auffallenderweise alle bei rechtsseitigem Schenkelbruch, alle 
bei Frauen im Alter von 44—84 Jahren. Es würde das nur 8 pCt. 
sein, also Friedensverhältnissen entsprechen. Da übrigens Eunicke*) 
die Rechtsseitigkeit für die Brucheinklemmung bervorhebt, so sei er¬ 
wähnt, dass ioh für die eingeklemmten Schenkelbrüche die Rechtsseitig¬ 
keit bestätigen kann (47 :29), nioht dagegen für die Leistenbrüobe (9 : 9). 

Von den 12 Todesfällen bei eingeklemmten Leisten- und Schenkel¬ 
brüohen hatten 10 eine Einklemmungsdauer von über 2 Tagen, 2 eine 
solche von unter 24 Stunden. 

Wenn man die Zahlen von 17 pCt. Sterblichkeit vor dem 
Kriege mit der von 27 pCt. im 4. Kriegswinter vergleicht, könnte 
man auf den Gedanken kommen, dass Verzögerungen der Ope¬ 
ration durch Transportsebwierigkeiten von ungünstigem Einfluss 
gewesen sind. Transportschwierigkeiten bestanden hier im dritten 
Kriegswinter genau in gleichem Maasse wie im 4. Kriegswinter. 
Die Sterblichkeitsziffer von 19 pCt. im 3 Winter gegenüber 
17 pCt. vor dem Kriege beweist, dass diesem Umstand kein oder 
nur geringfügiger Einfluss zuznsprechen ist. Meist hat es sich 
ja nur um Verzögerungen von wenigen Stunden gebandelt, and 
ist dadnreh erfreulicherweise kaum ein Schaden entstanden. 

Da bei allen meinen Patienten im Anschluss an die Operation 
des eingeklemmten Bruches entweder primär oder wie oben be¬ 
schrieben sekundär die Radikaloperation znr Beseitigung des 
Bruches angescblossen wurde, so sollen hier noch die Ergebnisse 
der diesbezüglichen Nachuntersuchungen besprochen werden. 

Ioh konnte 17 vor dem Kriege Operierte naohuntersuohen. Bei 10 
davon, also in 58,4 pCt. der Fälle war kein Bruoh mehr naohzuweisen, 
also 41,2 pCt. Rezidive. In 7 Fällen war ein Rezidiv eingetreten und 
zwar waren: 

3 Rezidive im ersten halben Jabr (1 Nabelbrnoh, 2 Sohenkelbrüohe), 
2 „ „ „ * (1 Schenkel-, 1 Leisten bruoh), 

1 „ später als 2 Jahre (1 Leisten bruoh), 

1 „ unbekannt (1 Schenkelbruch). 


1) Gussew, Deutsche Zsohr. f. Chir., Bd. 124. 

2) Eunicke, Deutsche Zschr.f. Chir., Bd. 147. 


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4. Anglist 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Wieder sehen wir die Möglichkeit der Spätrezidive, worauf bisher 
viel so wenig Wert gelegt worden ist Der Bruch, der nach über swei 
Jahren rückfällig wurde, war ein Leistenbruch. Im übrigen waren unter 
diesen 7 Rezidiven 4 Schenkelbrüche. Die mit P/ortennaht operierten 
Sohenkelbrüche haben nach Pott nur 71,6 pCt. Dauerheilungen, werden 
also viel leiohter rückfällig als die Leistenbrüohe. 

In der Zeit vom 1. 10. 1916 bis 31. 12. 1918 worden 100 ein¬ 
geklemmte Hernien operiert. Zur Nachuntersuchung habe ich nur die 
bestellt bei denen die Operation mindestens ein halbes Jahr zurüoklag. 
Unter 49 Fällen waren: 

6 Rezidive im ersten halben Jahr (3 Sohenkelbrüche, 3 Leistenbrüohe), 
5 „ „ „ „ (4 Schenkelbrüche, 1 Leistenbruoh), 

1 „ „ zweiten * (1 Sohenkelbruoh), 

1 „ später als 2 Jahre (1 Sohenkelbruoh). 

Das sind also 26,5 pCt. Rezidive, also weniger als vor dem 
Kriege. Hiervon waren nur 4 Leistenbrüche (3 Rezidive im ersten 
halben Jahr, 1 im ersten Jahr), in allen andern Fällen hat es 
sich am Schenkeibrüche gehandelt. 

Auf ein Kuriosum, das sich gelegentlich der Nachunter¬ 
suchung herausstellte, sei hier aufmerksam gemacht. 

Ein 60jähriger Mann wird Anfang 1917 wegen eingeklemmten 
Schenkelbruohes operiert, 1919 wird festgestellt, dass der Bruch dauernd 
beseitigt ist. Trotzdem bezieht der Mann seine Invalidenrente, die er 
auf Grund dieses Bruohes bekommen hat, dauernd weiter! 

Fmehlen) weist auf die durchschnittliche grössere Gewichts¬ 
abnahme der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen 
hin. Es erschien mir deshalb wichtig zu wissen, ob bezüglich 
der Rückfälligkeit der Hernien die ländliche Bevölkerung auch 
besser gestellt ist als die städtische. 

Von den genannten 13 Rezidiven betrafen 9 die Landbevölkerung. 
Von den naohuntersuchten 49 Fällen waren 27 vom Lande, 22 aus der 
Stadt. Die Rezidive bei der ländlichen Bevölkerung betragen demnach 
337a pCt., der städtischen Bevölkerung 18,2 pCt. Demnach hat die 
ländliohe Bevölkerung keine besseren Erfolge. 

Etwas anderes ist aber auffallend. 

Von 35 eingeklemmten rezidivfreien Hernien mit Beobaohtungsdauer 
von mindestens 1 Jahr haben 5 = 14,3 pCt. eine Leistenhernie auf der¬ 
selben Seite bekommen! Stets handelte es sich bei diesen 5 Fällen um 
Entstehung eines Leistenbruches nach Operation der eingeklemmten 
Sohenkelhernie. Unter 10 rezidivfreien inkarzerierten Hernien vor dem 
Kriege (5 Leisten-, 5 Sohenkelhernien) konnte das in keinem Falle ge¬ 
funden werden. Dagegen haben von 5 nicht eingeklemmten Schenkel- 
bernien vor dem Kriege 3 einen Leistenbruch derselben Seite bekommen 
= 60 pCt.!, 2 davon während des Krieges. Von 57 nicht inkarzerierten, 
rezidivfreien Leistenhernien mit einer Beobaohtungszeit von mindestens 
1 Jahr haben 2 auf derselben Seite einen Schenkelbruoh bekommen 
= 3,5 pCt. 

Daraus ist zu schliessen, dass einmal während des Krieges 
eine grössere Neigung zu Bruchbildung nach Operation 
eines gleichseitigen Bruches bestand als vor dem Kriege, 
sweitens, dass die Gefahr der Ausbildung eines Schenkel bruebes 
nach gleichseitiger Leistenbruchoperation wohl vorhanden, aber 
nicht gross ist, viel grösser dagegen die Gefahr der Ausbil¬ 
dung eines Leistenbruches nach gleichseitiger Schenkel- 
bruebOperation. Zweierlei kann zur Erklärung herangezogen 
werden. Einmal kann man sich vorstellen, dass ein Schenkel- 
brach dauernd einen Zug am parietalen Peritoneum ausübt und 
so eine etwa vorhandene Ausstülpung io der Gegend des inneren 
Leistenrings ausgleicht. Fällt dieser Zug nach der Operation 
fort, so ist die Ausstülpung wieder da und die Leistenhernie kann 
sich ausbilden. Zweitens könnte man sich vorstellen, dass die 
das Leistenband fassenden Nähte an der Aponeurose des Muse, 
externus zerren und ihre Fasern auseinander ziehen, und dass 
der Zug der schrumpfenden Narbe später diese Arbeit fortsetzt. 
Diese letztere Erklärung entspricht der von Schwalbach*) für 
die Entstehung der Leistenbrüche nach Blioddarmoperationen ge¬ 
gebenen. 

Um die Leistenbruchbildung nach Schenkelbruchoperationen 
zn verhüten und um gleichzeitig die Zahl der Rezidive nach 
Sehenkelbruchoperationen einzusebränken, bin ich in letzter Zeit 
zur inguinalen Operation der Schenkelhernien nach Reich über¬ 
gegangen. 

Eine Reihe derartig operierter Brüohe ist ohne Rezidiv. Da aber 
oooh nieht genügend lange Zeit verstriohen ist, verzichte ich auf Zahlen. 
Auf einen Vorteil der Methode möohte ioh aber ausdrücklich hinweisen, 
nämlich den, dass man einen überraschend guten Zugang zum Bruohsack- 


1) Fisehler, M.m.W., 1919, Nr. 2. 

2) Schwalbact Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 10. 


hals bekommt, den man so viel höher verschliessen kann, als es sonst 
möglich ist Haben schon frühere Operateure auf hohen Versohluss des 
Bruchsackes Wert gelegt (Ball, Kocher, Bassini, Lamlris u. a.), 
so hat in jüngster Zeit Ledderhose 1 ) auf die Wichtigkeit hingewiesen, 
alle sicht- und fühlbaren Verdiokungen der Wand am Bruoksackhals zu 
entfernen, um eine von diesen ausgehende selbständige Wachstums¬ 
wucherung unmöglich zu maohen. Für eingeklemmte Sohenkelhernien 
ist aber das Verfahren nach Reich, wie ich mich überzeugt habe, oft 
umständlich, man kommt bei Lösung der Einklemmung durchaus nicht 
immer ohne Einsohnitt ins Leistenband aus. So lag es nahe, noch einen 
Sohritt weiter zu gehen und in allen Fällen, also nioht nur bei Gangrän- 
verdaeht, planmässig die Peritonealhöhle zu eröffnen, also die Hernien 
retrograd zu operieren, ein Verfahren, das ja schon öfters, in letzter Zeit 
von Kinsoherf 2 ), empfohlen ist. Ich möchte letzterem beistimmen, 
wenn er sagt, dass die primäre Eröffnung der Bauchhöhle der ingui¬ 
nalen Methode erst ihren richtigen Wert und Ueberlegenheit über die 
krurale gibt. 

Aus den angegebenen Zahlen geht hervor, dass auch die 
Operationen der eingeklemmten Brüche keinen schlech¬ 
teren Erfolg geben, als vor dem Kriege. Man könnte ja 
eher vom Gegenteil sprechen! Eine Minderwertigkeit der Narben¬ 
bildung infolge Unterernährung kann also nicht angenommen 
werden. Es lässt das auf den Gedanken kommen, dass auch die 
während des Krieges sichere Vermehrung der Hernien weniger 
auf Schwächung des dem Narbengewebe nahestehenden Binde¬ 
gewebes als vielmehr auf Schwächung der Muskulatur zurückzu- 
führen ist. Damit soll nicht gesagt werden, dass die Bindegewebs¬ 
schwäche im Sinne Vogel’s keine Rolle spielt. 

Amberger 3 ) glaubt ja eine Verzögerung der Konsolidation nach 
Knoohenbrüohen feststellen zu können. Aber diese Bindegewebsschwäche 
scheint mir doch bei den Hernien und Prolapsen der Kriegszeit in den 
Hintergrund zu treten gegen die grössere Schwächung der Muskulatur 
infolge der Unterernährung. 

Erwähnt sei noch, dass ich hinsichtlich der Appendektomie 
gelegentlich der Bruchoperationen noch denselben Standpunkt 
einnehme, wie ich es im Zbl. f. Chir., 1916, Nr. 23, dargetan habe. 
Wenn nach Asch off */ 4 aller Menschen einen Appendizitisanfall 
durchmacht, so genügt das eigentlich, um bei jeder Operation zu 
versuchen, den Wurm zu entfernen. Uebrigens habe ich damals 
schon dargetan, dass ich die Operation nur ausführe, wenn sie 
ohne Beschwerden und vor allem ohne Durchschneidung der 
Muskulatur möglich ist, befinde mich also gar nicht im Gegensatz 
zu Dubs 4 ), wie dieser glaubt. 

Zum Schluss seien mir noch einige Worte über die Diagnose 
der Hernien gestattet. So leicht diese Diagnose in den meisten 
Fällen ist, so kommt es gelegentlich doch vor, dass man weder 
irgend etwas Besonderes am Samenstrang fühlen, noch am äusseren 
Leisienring eine pathologische Erweiterung feststellen kann, und 
dass es auch sonst auf keine Weise, weder beim Pressen, noch 
beim Husten oder Tragen von Lasten gelingt, einen Brach nach¬ 
zuweisen. Trotzdem kann der Betreffende bald darauf mit einer 
vorgetretenen Hernie erscheinen. Es muss deshalb betont werden, 
dass die Diagnose auf das Nichtvorhandensein eines Bruches erst 
nach mehrmaliger Untersuchung gestellt wird. Aber auch das 
Umgekehrte kann Vorkommen. 

Bei der Auffaserung der Aponeurose, der sogenannten „weichen 
Leiste“, findet man bisweilen weite Bruchpforten, ohne dass eine 
Spur eines Bruchsackes vorhanden ist. Die Diagnose auf „weiche 
Leiste“ wird vorher gestellt, daneben aber ein Bruch diagnostiziert. 
Uebrigens beseitigt die Aponeurosennaht auch in solchen Fällen 
die Beschwerden. Ausser einem solchen Fall habe ich einige 
Male ganz überraschend kurze Bruchsäcke gefunden, wo Vor Wölbung 
beim Husten und Pressen sehr deutlich war. Einmal fand ich 
dabei Fettanbäufung im Leistenkanal, einmal in dem eröffneten 
kurzen Scheidenfortsatz den Wurm mit sehr fettreichem Mesente- 
riolum liegen. Die Rolle, die Fettanhäufungen bei den Hernien 
spielen, ist immer noch nicht festgestellt. Dass sie bei der Unter¬ 
suchung die Grösse der Hernien stark verschleiern, ist bekannt 
Sie haben, öfters auch zu falscher Diagnose geführt. So berichtet 
Ledderhose von einem Fall, in dem beiderseits durch Fett, das 
dem verdickten Peritoneum anhaftete, ein Bruch vorgetäuscht 
wurde, und Gussew, dass ein properitooeales Lipom mit Blut¬ 
erguss einen eingeklemmten Bruch vortäuschte. Immerhin konnte 
in diesen Fällen doch wenigstens der Befund einer Fettanhäufung 
erhoben werden. Aber selbst das fehlte in einem von mir ope- 

1) Ledderhose, Deutsche Zschr. f. Chir., Bd. 148. 

2) Kinscherf, Deutsche Zschr. f. Chir., Bd. 148. 

3) Amberger, Zbl. f. Chir., 1918, Nr. 15. 

4) Dubs, Deutsche Zschr. f. Chir., Bd. 148. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


| 


rierten Falle, in dem sich nur eine geringe Auffaserung*) der 
Aponeurose zeigte, die sich vorher nicht bemerkbar gemacht 
hatte. Vielleicht sind das die gleichen Erscheinungen wie beim 
Prolapsgef&hl der Frauen ohne Prolaps. M. Graefe 1 2 ) glaubt, 
dass diese Klagen als Folge der Abmagerung und des Fett¬ 
schwundes anzusehen sind, besonders bei nervösen Personen. 

Das Ergebnis meiner Ausführungen sei kurz dahin zusammen¬ 
gefasst, dass Ernährungsstörungen, wie sie durch den 
Krieg entstanden sind, mit grösster Wahrscheinlichkeit 
durch Schwächung der Muskulatur zu vermehrter 
Hernienbildung, mit Sicherheit aber zu vermehrter 
Brucheinklemmung 'geführt haben, dass aber die Ope¬ 
ration der Eingeweidebrüche trotzdem nicht weniger 
aussichtsreich ist als früher. Hoffen wir, dass nicht weitere 
Unterernährung uns noch diesen Trost für unser ärztliches 
Handeln nimmt. 

Naohtrag bei der Korrektur: Io einer ioswisohen in Bd. 150 
d. D. Zsohr. f. Oh, erschienenen Arbeit vertritt auch Drüner den Stand¬ 
punkt, dass die sogenannte „weiche Leiste* duroh eine Vorwölbung der 
medialen Leistengrube entsteht. Seitdem mir bekannt ist, dass darüber 
Meinungsverschiedenheiten bestehen, habe ich bei Operationen nooh mehr 
wie früher darauf geachtet. Wenn ich die Diagnose auf weiche Leiste ge¬ 
stellt hatte, d. b. für mich eine Nachgiebigkeit der untersten Bauchwand¬ 
teile seitlich der geraden Bauchmuskeln, habe ich stets eine Auffaserung der 
Externa-Aponeurose gefunden. Demnach muss ich auch auf meiner er¬ 
wähnten Auffassung bestehen bleiben. Verstehen andere schon klinisch 
etwas anderes unter der weichen Leiste, dann wäre es erklärlich, wenn 
anatomisoh Meinungsverschiedenheiten herrschen. Wünschenwert ist 
demnaoh, dass der Begriff der weichen Leiste klinisch und anatomisch 
einheitlich festgelegt würde. 

Aus der Univ.-Poliklinik für Lungenkranke za Berlin 
(Direktor: Geh. Rat Prof Dr. Max Wolff). 

Ueber die intrakutane Tuberkulinreaktion. 

Von 

Dr. Felix Klopstock, Assistent der Poliklinik. 

Die intrakutane Tuberkulinreaktion hat vor der Pirquet’schen 
Methode mehrere Vorzüge: sie gestattet erstens eine genaue Do¬ 
sierung; beim Pirquet dagegen ist die in einer Zeiteinheit re¬ 
sorbierte Tuberkuliumenge von der Zahl der eröffneten Lymph¬ 
spalten und dem Gewebsdrucke abhängig und auch in der 
quantitativen Ausführung nach Ellermann-Erlandsen nicht£pnau 
zu bemessen. Sie gibt zweitens die Möglichkeit einer genauen 
Lokalisierung, während beim Pirquet die Tiefe der Bohrung nicht 
genau abzuatimmen ist. — Sie vermeidet auch die Fehlerquellen 
der Stichreaktion (Hamburger), nämlich die verschiedene Ent¬ 
fernung des Injektionsdepots von der Hautoberfläche und Ver¬ 
schiedenheiten in der Verweildauer des Depots je nach der Art 
des subkutanen Gewebes und den Druckverhältnissen. Mendel 
hat sie zuerst beschrieben, Moussu und Mantoux, Mantoux und 
Roux, Swenigorodski, Engel, Rozenblat, Bessau-Prings- 
heim-Schwenke u. a. haben am Menschen über sie Versuche 
angestellt; Römer, Martin, Römer und Joseph, Esch, Grätz 
haben über ihre Anwendung in der Veterinärmedizin und als 
diagnostisches Hilfsmittel für die Impftuberkulose der Meer¬ 
schweinchen berichtet. Deycke, Much, Altstädt haben sie für 
ihre Immunitätsanalyse mit Partialantigenen ausgebaut. 

Ich selbst habe sie auf Veranlassung des Direktors der Poli¬ 
klinik (Geh. Rat Prof. M. Wolff) an dem grossen Material der 
Poliklinik zur Anwendung gebracht und folgende Fragen zu be¬ 
antworten vebucht: Welches ist die zweckmässigste Technik in 
der Anwendung beim Menschen (die Angaben über die Dosierung 
gehen auseinander)? Wie verhalten sich die Resultate zu denen 
der anderen Tuberkulinproben? Ist sie ein sicheres Kennzeichen 
einer voran gegangenen tuberkulösen Infektion und gelingt mit ihr 
die Feststellung, ob Tuberkuloseinfektion oder Tuberkulosekrank¬ 
heit vorliegt. 


1) Ueber den Begriff der „weichen Leiste* scheinen die Auffassungen 
noch auseinanderzugehen. Grunert versteht darunter eine Hernia 
direota geringen Grades, während ich nebst anderen (Goebel, Th öle) 
eine Auffaserung und Nachgiebigkeit der Aponeurose des Muse. obl. ext. 
darunter verstehe. 

2) M. Graefe, Zbl. f. Gyn., 1919, Nr. 11. 


I. Als zweckmässigste Teckuik ergab sich diejgleich- 
zeitige intrakutane Injektion von Viooooi Vioooi Vioo m S 
Tuberkulin und V» Glyzerinbouillon in 0,1 ccm 
Flüssigkeit. 

Höhere Tuberkulinkonzentrationen, wie sie vielfach angewandt 
worden sind, rufen bei hochreaktiven Patienten starke Reiz- 
erscheinungen hervor und sind nur anzuwenden, wenn Viot mg 
keine Reaktion auslöst (*/io mg nach 2 Tagen). 

Die Anwendung der Glyzerinbouillonkontrolle ist notwendig, 
da Glyzerinbouillon in der angegebenen Verdünnung noch bei 
einzelnen Individuen ReizerscheinuDgen setzt. Die Glyzerinbouillon- 
kontrolle hat, da Tuberkulin durch Einkochung einer Glyzerin¬ 
bouillonkultur von Tuberkelbazillen auf Vio ihres Volumens ge¬ 
wonnen wird, in zehnfacher stärkerer Konzentration zu erfolgen, als 
die stärkste Tuberkulinkonzentration ist. Erst ihre Anwendung 
beweist bei leichter Reaktion, ob es sich um eine spezifische 
Wirkung des Tuberkulins oder um Reiserscheinungen durch die 
unspezifischen Bestandteile des Tuberkulins bandelt 

Gleichzeitige Anwendung mehrerer Verdünnungen sind er¬ 
forderlich, da Wiederholung der intrakutanen Reaktion sensibili¬ 
sierend wirkt und eine Steigerung der Reaktionsfähigkeit, wenigstens 
bei einem Teil der Fälle eintritt (Ellermann und Erlandsen, 
Axenfeld, Grundt, Rozenblat, Bessau und Schwenke); 
man erhält andernfalls nicht den ursprünglichen Intrakutantiter 
der Haut, sondern einen durch die Wiederholung der intrakutanen 
Reaktion gesteigerten. 

Als Ort der intrakutanen Reaktion wählte ich stets die Streck¬ 
seite des Unterarms. Feine kurzspitzige Platiniridiumkanülen 
sind zweckmässig. Die Nadel ist möglichst tangential einzuführen. 
Das Entstehen einer etwa linsengrossen Quaddel zeigt das Ge¬ 
lingen der intrakutanen Injektion an. (Sollte einmal Tuberkulin 
in die Subkutis gelangen, Ausbleiben der verlangten Quaddel, 
so ist die Injektion zu wiederholen, da der Ausschlag nicht für 
die Bestimmung des Intrakutantiters brauchbar ist.) 

Es ist peinlichste Sauberkeit notwendig. Es bedarf für 
die Glyzerinbouillonkontrolle einer besonderen Spritze, und auch 
für die verschiedenen Tuberkulinverdünnungen verschiedener 
Spritzen. 

Die positive Reaktion spricht sich in einer entzündlichen 
Infiltration aus, die qualitativ, quantitativ und in ihrem zeitlichen 
Verlauf Unterschiede aufweist. Man sieht erstens einfache 
Hyperämie, die nach der Peripherie zu allmählich abblasst, 
zweitens scharf umschriebene leicht erhabene Infiltrationen von 
Linsen- bis 10 Pfenniggrösse, drittens mehr flächenhaft ausgedehnte 
Infiltrationen mit hyperämischer Area bis 5 Markstückgrösse. 
Höhe der Reaktion ist meistens nach zweimal 24 Stunden vor¬ 
handen. Ein Teil der Reaktionen geht rasch zurück, ein Teil 
läuft innerhalb einer Woche ab, wieder bei anderen entsteht 
eine Dauerreaktion. Es wiederholen sich hier hinsichtlich der 
Latenzzeit, der Entwicklung, und der Rückbildung alle bei der 
Pirquet’schen Reaktion studierten und wohlbekannten Differenzen. 

Ausgedehntere entzündliche Erscheinungen, die den Patienten 
stark belästigen, mit Blasenbildung im Zentrum und schliesslicher 
Nekrose habe ich bei dieser Art der Dosierung nie gesehen. 
Kleinste Fiebersteigerungen können bei hochreaktiven Kranken 
einmal Vorkommen. 

II. Bei 50 Tuberkuloseverdächtigen, die zumeist in eine Heil¬ 
stätte eingegeben waren, und bei denen in der Poliklinik die 
vertrauensärztliche Untersuchung vorgenommen wurde, führte ich 
nebeneinander die intrakutane und subkutane Tuberkulinprobe 
aus (intrakutane vor der subkutanen). 

Es ergab sich, dass intrakutane und subkutane 
Tuberkulinprobe nicht einander parallel gehen. Es 
gibt Fälle mit sehr starker Hautüberempfindlichkeit und Fieber¬ 
steigerung erst auf hohe subkutane Dosis (5 mg und 10 mg), und 
andrerseits wieder Fälle, bei denen bereits 0,5 mg Tuberkulin eine 
Fiebersteigerung auslöst und die intrakutane Tuberkulinprobe 
erst auf mg Tuberkulin positiv ist (vgl. Tabelle). 

Rolly, Rozenblat und Bessau-Pringsheim-Schwenke 
haben bereits auf den Mangel an Parallelität zwischen intrakutaner 
und allgemeiner Reaktion hingewiesen. Bessau berichtet hier¬ 
über ausführlicher. 

Für diesen Maogel an Uebereinstimmung sind meiner Ueber- 
zeugung nach folgende Ursachen vorhanden. 

Erstens ist die Eigenschaft der Haut, auf intrakutane Ein¬ 
verleibung reizender Lösungen mit Entzündung zu antworten indi¬ 
viduell genau so verschieden, wie ihr Verhalten gegenüber äusseren 
Reizen. 1 mg Glyzerin ruft intrakutan injiziert wechselnd heftige 


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4. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


727 



Keine allgemeine 
Ueberempfindlichkeitl 

Geringe allgemeine | 
Ueberempfindlichkeit 
(5 g oder 10 mg -{-) 

Mittlere allgemeine 
Ueberempfiodlichkeit 
(2 mg +) 

l 

Starke allgemeine 
Ueberempfindlichkeit 
(0,5 mg +) 

Keine Hautüberempfindliohkeit. . 

_ 

_ 

_ 

_ 

Geringe Hautüberempfindlichkeit 





(Vio und Vioo mg -f). 

2 

7 

2 

3 

Mittlere Hautüberempfindliohkeit 





V.ooo «njt -+-). 

1 

14 

9 

1 

Starke Hautüberempfindliohkeit 


1 



(Vioooo ®g!+). 

— 

8 1 

2 

1 


und leichte Reizerscheinungen hervor. Glyzerinbouillonlösung 
erzeugt in gleicher Konzentration individuell wechselnde Reaktion; 
das gleiche gilt für Karbol-Kochsalzlösungen, mit denen ich zur 
Entscheidung, ob ein geringer Karbolzusatz zur Erhöhung der 
Haltbarkeit der Tuberkulinlösung die Resultate verschiebt, ge¬ 
arbeitet habe. Andererseits ist die Eigenschaft des menschlichen 
Körpers, auf ein Gift mit Fieber zu antworten, individuell gleich¬ 
falls weit verschieden. Die Erregbarkeit des Fieberzentums 
schwankt individuell in weiten Grenzen. 

Neben dieser Ursache für die Divergenz beider Reaktions¬ 
formen gibt es noch weitere, die im Mechanismus der lokalen 
Reaktion und der Allgemeinreaktion gelegen sind. Die Lokal¬ 
reaktion ist nicht etwa nur ein Spiegel der Ueberempfindlichkeit 
des Organismus, sondern der Ausdruck der spezifischen Reaktions¬ 
fähigkeit des Hautgewebes. Scbläpfer hat bereits gezeigt, dass 
man die Reaktivität der Haut auf Tuberkulin durch Sinapismen 
und Kataplasmen vermindern kann; Rolly weist darauf hin, 
dass durch Applikation von Hautreizmitteln die Reaktionsfähig¬ 
keit der Haut gegenüber dem Tuberkulin und verschiedenen 
anderen Toxinen herabgesetzt wird, und zeigt, wie bei Infektions- 
Zuständen die Reaktionsfähigkeit der Haut herabgesetzt sein kann, 
der Jod tuberkulöser Tiere auf eine hohe Tuberkulindosis, aber 
durch Sekundärinfektionen nicht beeinflussbar ist. Es handelt 
sich bei der Hautreaktion um eine selbständige Funktion des 
Hautgewebes, um eine Form bistogener Ueberempfindlichkeit. 
Jede Lokalreaktion ist abhängig von dem Gewebe, an dem sie 
angestellt wird. (Hierüber an anderer Stelle ausführlicher.) 

Eine Ursache insbesondere dafür, dass starke Hautreaktivität 
bei Fällen vorkommt, die erst nach hoher Tuberkulindosis ge¬ 
ringe Fiebersteigerung aufweisen, ist vielleicht in einer Beob¬ 
achtung zu sncben, auf die bereits mehrfach hingewiesen ist 
(z. B. Wolf f-Eigner). Man sieht immer wieder bei probatori- 
sehen Tuberkulininjektionen Fälle mit sehr heftigen Reizerschei- 
ntmgen an der Einstichstelle (Stich- und Depotreaktion) mit 
mangelnder und geringer Fiebersteigerung. Es besteht hier der 
Eindruck, dass der ReaktionsVorgang sich bereits an der Ein- 
sticbstelle abspielt, sozusagen das Gift hier bereits abgesättigt 
wird und darum die Allgemeinreaktion ausbleibt. Intravenöse 
Tuberkulinreaktionen, die, wie auch Bes sau sagt, die Rolle 
dieses Faktors klarstellen könnten, habe ich an unserem poli¬ 
klinischen Material nicht anstellen können. 

Es ist schliesslich noch mit der Möglichkeit zu rechnen, 
dass bei der subkutanen Tuberkulinprobe die in zweitägigen 
Intervallen wiederholten Injektionen bei einzelnen Individuen im 
Sinne einer Antianaphylaxie wirken. Es gelangen nicht selten 
Fälle zur Beobachtung, bei denen bereits 0,5 mg eine kleine 
Temperaturerhöhung auslöst und auf weitere Injektionen Fieber¬ 
steigerungen ausbleiben. Auch eine sprunghafte SteigeWing der 
Dosen, wie sie bei uns stets üblich ist (0,5—2,0—5,0—10,0 mg), 
schützt nicht mit Sicherheit vor Störungen der Ueberempfindlich- 
keitsreaktion. 

III. Die letzte Fragestellung, die ich mir vorgelegt habe, 
war: Ist die Intrakutan probe ein zuverlässiges Mittel, eine voran¬ 
gegangene Tuberkuloseinfektion anzuzeigen, und ist sie in ihrer 
quantitativen Ausführung imstande zu entscheiden, ob eine Tuber- 
kuloseinfektion oder Tuberkulosekrankheit, ob inaktive oder 
aktive Tuberkulose vorliegt? 

Ich glaube die erste Frage unbedingt bejahen zu müssen. 
Ich habe unter meinem Material keinen Fall, bei dem eine andere 
Tuberkulinprobe positiv ausgefallen wäre und nicht huch die 
intrakutane Reaktion einen sicheren Ausschlag gegeben hätte. 


Ich habe aber unter jenen 50 Tuberkulose verdächtigen 3 Fälle, 
bei denen die subkutane Injektion von 10 mg keine Temperatur¬ 
steigerung auslöste und die intrakutane Reaktion eine sichere 
positive Reaktion gab. Die intrakutane Reaktion erscheint mir 
noch empfindlicher als die subkutane Reaktion und hiernach als 
das zuverlässigste Mittel für die Feststellung der Verbreitung der 
tuberkulösen Infektion in der Menschheit. 

Für die Entscheidung der zweiten Frage kann ich jedoch 
der intrakutanen Reaktion keine entscheidende Bedeutrug zu¬ 
erkennen. Ich wies ja bereits darauf hin, dass die Reaktions¬ 
fähigkeit der Haut auf die intrakutane Einverleibung auch nicht 
spezifisch wirkender Lösungen in gewisser Breite schwankt, und 
vor allem, ich zeigte, wie in einem hohen Prozentsatz intrakutane 
Reaktion und subkutane Reaktion nicht parallel gehen. Es 
entstände also die Frage, ob es die Menschen sind mit der 
hohen Ueberempfindlichkeit der Haut, die die aktive Tuberkulose 
aufweisen, oder die mit der hohen allgemeinen Ueberempfindlich¬ 
keit. Ich habe mir stets und insbesondere bei jenen 50 Fällen 
Vorgeschichte, Befund bei der Perkussion und Auskultation, 
Röntgenbefund, intrakutane Reaktion und subkutane Reaktion 
nebeneinandergestellt und keinerlei Anhaltspunkte dafür gewinnen 
können, dass die Fälle mit der hohen Hautüberempfindlichkeit 
es gerade sind, die die aktive Tuberkulose aufweisen, — sowenig 
ich mich auch bei jahrelanger Verwendung der subkutanen 
Tuberkulininprobe davon habe überzeugen können, dass hohe 
Allgemeinüberempfindlichkeit ein sicheres Kennzeichen aktiver 
Tuberkulose ist. 

Die Tuberkulinreaktion ist eben nur ein Ausdruck 
der biologischen Wechselbeziehungen zwischen Mensch 
und Tuberkelbazillus und zeigt uns nicht an, wer in 
dem Kampfe als Sieger hervorgegangen ist. 

Literatur. 

Bessau, Jabrb. f. Kindhlk., 1915, Bd. 81. — Bessau u. Sch wenke, 
ebendort, 1914, Bd. 79. — Bessau-Pringsbeim-Sohwenke, 30. Ver- 
samml. d. Gesellsch. f. Kinderheilk. Wien, 1913. — Ellermann u. Er - 
landsen, Deutsche med Wochenschr., 1909.— Engel, ebendort, 1911. 

— Esch, Münob. med. Wochenschr., 1912, 1913, 1914. — Gritz, Beitr. 
z. Klin. d. Tuberc., Bd. 36. — Grün dt, Zsohr. f. Tubero., 1913, Bd. 20. 

— Mendel, Beitr. z. Klin. d. Tuberc., 1909, Bd. 13. — Moussu u. 
Mantoux, Compt. rend. Soc. de Biol., 1911. — Rolly. Münch, med. 
Wochenschr., 1911. — Römer u. Joseph,Beitr. z.Klio. d.Tuberc.,Bd, 14. 

— Roseoblat, Zschr. f. Kindhk., Bd. 8. — Scbläpfer, Beitr. z. Klin. 
d. Tuberc., Bd. 9. 

Ueber tödliche Blutungen bei Probepunktionen 
der Lunge. 

Zu dem gleichnamigen Artikel von F. Stä hel in. 

Von 

M. Böniger. 

In der Sitzung des Vereins für innere Medizin in Berlin am 
18. März 1907 habe ich einen dem von Stahelin beschriebenen kon¬ 
gruenten Fall von tödlicher Blutung bei Pleurapunktion demonstriert. 
Leider gelangen Demonstrationen aus den Sitzungsberichten nicht in die 
Literatur hinein, eine Erfahrung, die man ja immer wieder macht. Das 
ist sehr bedauerlich, da die Publikationsüberproduktion dadurch wohl 
etwas gemildert werden könnte. Jetzt muss ich es bedauern, dass ich 
den Fall nicht ausführlicher publiziert habe; es wäre vielleicht der eine 
oder andere Todesfall dadurch vermieden worden, loh habe damals gesagt, 
„der mitgeteilte Fall darf als Warnung dienen bei alten und geschwächten 
Leuten, die Probepunktion zu machen, wenn man nicht sicher ist, dass 
ein grösseres Exsudat vorhanden“. Sicherlich sind ausser den nunmehr 
beschriebenen 3 Fällen noch andere vorgekommen (cf. Fränkel im Gold- 
scheider-Jakob’sohen Handb.), die nicht in die Oeffentliohkeit gebracht 
sind. Wegen der Einzelheiten meines Falles verweise ich auf den 
Sitzungsbericht in der D.m.W., 1907, S. 657. Es deckt sich fast voll¬ 
kommen mit den beiden von Stähelin und Metzlar veröffentlichten 
Fällen. Jedes Mal handelte es sich um eine alte Frau (78, 64, 
71 Jahr); alle sind dorch Erstickung infolge Blutung in die Bronobien 
zum Exitus gekommen. 

Hiermit möchte ich meine Warnung nochmals wiederholen. Aller¬ 
dings ist nach meinen Erfahrungen bezüglich der Probepunktion in der 
Praxis ein Zuwenig eine viel grössere Gefahr als ein Zuviel.! Die Opfer, 
die das Nichterkennen von Empyemen kostet, üborwiegen sicher jene 
seltsamen Unglücksfälle um ein Erhebliohes. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ueber einen neuen „Bedrohungsreflex“. 

Von 

Dr. Erwin Loewy-Berlin-Stegliti. 

ln Nr. 17 der M.m.W. beschreibt Hamburger-Graz einen 
„psychogenen Kremasterreflex“, d. h. Kontraktion des M. cremaster 
bei Annäherung an die Oberschenkelgegend der betreffenden 
Seite, in der normal bei Berührung der Hautreflex ausgelöst wird. 
H. hält dies für einen typischen Bedingungsreflex und hebt her¬ 
vor, wie rasch sich derartige Bedingungsreflexe entwickeln 
können, beweise, dass dies Phänomen sofort nach dem allerersten 
Strich, knapp vor dem zweiten Streichen einträt. Ich will nicht 
bestreiten, dass es sich hier um einen Vorgang bandelt, der den 
Bedingungsreflexen mindestens nahe steht. Das rasche Auftreten 
aber führe ich mit Jendrassik 1 ) darauf zurück, dass der 
Kremasterreflex wie der Skrotal- und Ohrmuskelreflex in Muskeln 
entstehen, die gewöhnlich nicht innerviert werden. Dieser Autor 
spricht von einem völlig isolierten kortikalen Zentrum, dessen 
Verbindungen mit dem übrigen Gehirn kaum gebannt sind, wo¬ 
durch keine willkürliche Innervation möglich ist, sondern nur 
vom Willen unabhängige Reflexbewegungen. Bei öfterer Wieder 
holung bildet sich die Bahnung im Gehirn aus, und der Reflex 
verschwindet (man muss wohl annehmen durch Ausbildung von 
Hemmungen). Vor diesem Verschwinden nun kann es vielleicht 
erst manchmal zur Möglichkeit dieses „Bedingungsreflexes“ 
kommen, den ich lieber „Kremaster Drohreflex“ nennen möchte, 
da wir unter Kremasterreflex eben einen richtigen Hautreflex 
verstehen. Für einen Bedingungsreflex an sich ist also das 
rasche Auftreten dieses Phänomens noch nicht beweisend. Dass 
dieses Symptom bisher noch nie beschrieben ist, spricht wohl 
dafür, dass es nicht allzu häufig ist. Ich habe es jetzt in wenigen 
Fällen beobachten können, dabei aber gemerkt, dass man sich 
vor zwei Dingen in acht nehmen muss, erstens vor der Ver¬ 
wechslung mit dem Skrotalreflex und zweitens vor einer Be¬ 
rührung der Haare des Oberschenkels, die oft schon zur Er¬ 
zielung des Kremasterreflexes ausreicht. Die relative Seltenheit 
des Vorkommens liegt wohl darin begründet, dass ein „Bedrohungs- 
reflex“ 2 ), wie der Blinzelreflex (mit dem ihn auch Hamburger 
vergleicht) zwar unbewusst, aber doch in einem der Willkür 
unterworfenen Muskel zustande kommt. Nun ist der M. cremaster 
zwar ein quergestreifter Muskel, dem Willen aber enorm selten 
unterworfen. 

Ich habe unter Hunderten von Fällen 3 ) keinen einzigen mit 
willkürlicher Bewegungsmöglichkeit gesehen, und in der Literatur 
erwähnt nur Perusini 4 ) einen alkoholisch-epileptischen Ver¬ 
brecher mit dieser Fähigkeit. Auch der bekannte Mann, der 
selbst prinzipiell der Willkür nicbtf'nnterworfene Muskeln be¬ 
wegen konnte, sein Herz verlagern u. a. m., konnte es nicht 
lernen, seine Hoden willkürlich zu beben! Ich fand nur einen 
Kranken, bei dem dieses Symptom regelmässig beim Sprechen, 
nicht dagegen beim einfachen Atemholen auftrat, was darauf hin¬ 
deutet, dass bei dieser reflektorischen Mitbewegung andere 
Momente mitspielen können. Wichtig ist auch, dass der Kremaster¬ 
reflex wohl die grösste refiexogene Zone aller Reflexe hat, dass 
nach meinen Feststellungen in einem Drittel aller Fälle die 
Fusssoble zu dieser Zone gehört, was jüngst wieder bestätigt 
wurde 5 6 ). Darum glaube ich einerseits nicht an die unbedingte 
Wesensgleichheit eines „Drohreflexes“ mit dem Blinzelreflex und 
andererseits auch kaum, dass bei dem Bauchdeckenreflex mit 
seiner verhältnismässig begrenzten reflexogenen Zone ein Analogen 
zu finden sein wird. Bei dem Patellarreflex liegt das schon 
wieder etwas anders, ist doch sein Auslösungsgebiet beträchtlich 
grösser und auch oft bis zur Fusssoble verbreitert 8 ). 


1) D. Aroh. f. klin. Med., Bd. 52. 

2) R. du Bois-Reymond spricht in seiner »Physiologie“ von »un¬ 
bewusst willkürlichen Bedrohungsreflexen“. 

3) Beitrag zum Verhalten des Kremasterreflexes. Mschr. f. Psych., 
1912, Bd. 82. 

4) Rivista di Patol. nerv, e ment., Bd. 8, Nr. 7. 

5) Schweiz. Korr.-Bl., Bd. 47 u. 48. 

6) Toby Cohn, N. €., 1911, Nr. 19, u.E.Loewy, 1913, Nr. 2. 


Nr. 31. 


Vorschläge zur Organisation des Kriegs¬ 
entschädigungsverfahrens. 

Van 

H. Amiiu, 

Oln-rar/t der mcdiiiulschon Klinik Leipzig. 

Die Entschädigung der Kriegsbeschädigten ist eine Frage 
von so grosser und allgemeiner Bedeutung, dass sie das leb¬ 
hafteste Interesse und die Mitarbeit aller Volksschichten ohne 
Ausnahme verdient. Wenn auch nach übereinstimmenden Urteilen 
das deutsche Reich in bezug auf die soziale Gesetzgebung allen 
Staaten vorangegangen ist und mit den bisherigen im Sinne der 
sozialen Friedensgesetse gehaltenen Bestimmungen über die Kriegs- 
bescbädigtenfüraorge bereits Grosses geleistet bat, so kann doch 
nicht geleugnet werden, dass diese Fürsorge noch lange nicht 
allen Wünschen gerecht wird and vielfach sogar eine erhebliche 
Unzufriedenheit über ihre Unzulänglichkeit besteht. Es ist za 
wünschen, dass wenigstens bei der Erörterung dieser Frage, die 
sicherlich in nächster Zeit die Oeffentlichkeit beschäftigen wird, 
eine volle Einigkeit herrsche, zumal an der Pflicht des Staates, 
den Kriegsbeschädigten die verdiente Entschädigung in möglichst 
wirksamer Weise zu gewähren, bei niemand ein Zweifel bestehen 
kann. Darüber hinans ist aber die weitere wichtige Aufgabe 
stets im Auge zu behalten, dass die Kriegsbeschädigten, welche 
noch einen Teil ihrer Erwerbsfähigkeit behalten haben, wieder zu 
werktätigen nützlichen Gliedern des Staates werden. 

In diesem Sinne habe ich bereits im ersten Teile des Krieges 
im Herbst 1915 als Truppenarzt an der Front einen Aufsatz über 
dieses Thema 1 ) geschrieben in dem Wunsche, dass gewisse Mängel 
in der Handhabung der sozialen Gesetzgebung des Friedens, die 
mir aus einer längeren Gutachtertätigkeit an einem grossen 
Krankenhaus des westfälischen Industriebezirks bekannt geworden 
waren, bei dem Kriegsentschädignngsverfahren vermieden werden 
möchten. 

ln der Folgezeit hatte ich eine sehr umfangreiche Gutachter¬ 
tätigkeit in der Heimat als facbärztlicher Beirat and Leiter ver¬ 
schiedener Beobachtungsstationen, welche mit allen modernen 
diagnostischen Hilfsmitteln ausgestattet waren. Leider worden 
durch diese Erfahrungen die Befürchtungen, die ich allein auf 
Grund der Kenntnisse der Friedensgesetzgebung in meinem ersten 
Aufsatze ausgesprochen hatte, in überreichem Maasse bestätigt. 
Der Versuch, zur Ausschaltung vermeidbarer Fehler allein dnrch 
vorausschauende Maassnahmen beantragen, war grösstenteils ge¬ 
scheitert. Wenn ich trotzdem jetzt noch einmal auf den gleichen 
Gegenstand surückkomme, so geschieht es nicht, um eine billige, 
aber nutzlose Kritik an den bisherigen Verhältnissen zu über,; 
sondern um zu versuchen, an der Hand dieser Erfahrungen za 
einer Besserung bei der zu erwartenden Neuregelung der sozialen 
Gesetzgebung und insbesondere der Kriegsbeschädigtenfürsorge 
beizutragen. 

Genau wie im ersten Aufsatze, auf welchen ich bezüglich 
der näheren Ausführung vieler Punkte verweise, stelle ich als 
erste Forderung eine auskömmliche Entschädigung der 
Schwergeschädigten auf, welche durch eigenen Erwerb nichts 
oder wenig mehr zu ihrem Unterhalte beitragen können und also 
ganz anf ihre Rente angewiesen sind, wenn sie nicht Wohlfabrts- 
einrichtongen anderer Art in Anspruch nehmen. Dies mns aber 
unter allen Umständen vermieden werden. Bei diesen Schwer¬ 
beschädigten habe ich nicht nnr die zu Krüppeln geschossenen 
Verwundeten, sondern auch die innerlich Schwerkranken, ins¬ 
besondere die Schwertuberkulösen im Auge, von denen eine er¬ 
schreckend grosse Anzahl mit einer auffallenden erat im Kriege 
aufgetretenen Ausdehnung des Prozesses (Kriegstnberkulosen) 
durch rihsere Beobachtungsstation gegangen ist. Diesen schwer¬ 
geschädigten Männern die Dankesschuld voll abzutragen, soweit 
es überhaupt anf dem Wege einer Rente möglich ist, ist un¬ 
bedingt Pflicht des Staates. Es ist zu erörtern, wie weit nach 
den bisherigen Bestimmungen dieser Pflicht genügt wird. Kann 
ein um 100 pCt. in seiner Erwerbsfähigkeit Geschädigter allein 
von seiner Rente leben? 

Die lOOproz. Rente beträgt für einen „Gemeinen“, von dessen 
Beispiel hier ausgegangen werden soll, nm die für die Mehrzahl 
zutreffenden Verhältnisse zu schildern, 540 M. jährlich; dazu 
kann, wenn Kriegsdienstbeschädignng (K.D.B.) vorliegt, eine 
Kriegsentschädignngszulage von 180 M. kommen, ferner in den 


1) Med. Klinik, 1916, Nr. 84-37. 


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4. August 1010. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


720 


Pillen, io denen Verlust eines Gliedes oder eine dem Verluste 
gleichzuachtende Gebrauchsunfähigkeit eines Gliedes vor liegt, 
eine VeretÜmmelungszulage von 824 M., ferner, aber nur unter 
der besonderen Voraussetxung schweren Siechtums, welches den 
Verletsten dauernd an das Krankenlager fesselt, eine doppelte 
Verstämmelungsxulage von wiederum 324 M., im gansen also bei 
doppelter Verstämmelungsxulage 1868 M., bei einfacher 1044 M. 
jährlich.*) Es kann wohl niemand behaupten, dass ein völlig er¬ 
werbsloser Mann hiervon leben oder gar eine Familie ernähren 
kann. Eine wirkliche tatkrftftige Abhilfe ist hier dringendes Er¬ 
fordernis. Der Grad der Erhöhung muss von den gesetxgebenden 
Faktoren bestimmt werden. Nach meinem Dafürhalten muss die 
Rente so bemessen sein, dass sie allein xur Bestreitung des 
Lebensunterhaltes für den um 100 pCt. Geschädigten ausreicht. 

Offenbar bedeutet es aber einen grossen Unterschied, ob der 
Beschädigte nicht nur für sich selbst oder für eine grosse Familie 
su sorgen bat, welche auf den Erwerb des Ernährers angewiesen 
ist. Als sweite Forderung stelle ich daher eine Staffelung 
der Rente nach der Zahl der versorgungspflichtigen 
erwerbsunfähigen Familienmitglieder auf. Diese ist meines 
Wissens in einigen anderen Ländern bereits durchgeführt worden, 
bei uns aber noch nicht. 

Es ist nun ausserordentlich leicht, wie ein Blick nicht nur 
auf diesen Punkt, sondern auf unendlich viel andere Gebiete 
lehrt, Forderungen an den Staat xu stellen. Eine Erhöhung 
sämtlicher Renten der Kriegsbeschädigten, nicht nur der völlig 
Erwerbsunfähigen, auf einen Betrag, welcher den tatsächlichen 
Ausfall an Erwerbsfähigkeit voll ersetxte, würde aber eine der¬ 
artige Steuerlast bedeuten, das sie der einseine, der ohnehin mit 
Steuern überlastet ist, nicht ertragen kann. Es darf daher bei 
allen Forderungen, so berechtigt diese auch sein mögen, der 
Maassstab für die Zahlungsfähigkeit des Staates nicht aus dem 
Auge verloren werden, und es muss auf jedem Gebiete sorgfältig 
geprüft werden, wo und wie eine Einsparung stattfinden kann, 
ohne dass dringend Bedürftige vernachlässigt werden. 

Ich habe absichtlich, um die praktischen Verhältnisse klar- 
xulegen, xunächst das Beispiel eines Schwerbeschädigten gewählt, 
weil es sich hier um die dringlichste Frage handelt. Diesem 
stelle ich jetxt einen Leichtbeschädigten entgegen, der 10 oder 
20pCt. Erwerbseinbusse erlitten hat. Diesem gleichfalls eine 
Erhöhung der Rente xu gewähren, liegt meines Erachtens kein 
Bedürfnis vor. Die praktisch wichtige Frage lautet eben nicht 
nur: Um wieviel ist der einxelne proxentual geschädigt?, sondern: 
Um wieviel, in absolutem Geldwert ausgedrückt, fehlt dem 
Sehwergeschädigten xu seinem Unterhalt und wieviel dem Leicht¬ 
geschädigten, was er nicht aus eigener Kraft aufbringen kann? 
Die Antwort lautet: Dem ersten (bei lüO pCt. Erwerbsbeschränkung) 
alles, dem xweiten sehr wenig oder nichts. 

Mit dieser Begründung fordere ich eine getrennte Be¬ 
handlung der Schwer- und Leichtbeschädigten. Nach 
meiner Schätzung würde die Grenxe etwa bei einer Erwerbs¬ 
beschränkung über oder bei 66% pCt. gesogen werden können. 
Es könnte auch an eine absatxweise Staffelung der Rente gedacht 
werden. Als Grundsatz ist daran festzuhalten, dass die Renten¬ 
höhe bei einer Erwerbsbeschränkung um 100 pCt. xur Bestreitung 
des Lebensunterhaltes ausreichen muss, der Leichtbeschädigte da¬ 
gegen für die volle Ausnutzung des erhaltenen Teiles seiner Ar¬ 
beitskraft selbst verantwortlich zu machen ist. 

Für die geringsten Grade der Erwerbsbeschränkung unter 
20pCt. schlug ich in meinem früheren Aufsätze den gänzlichen 
Fortfall der Rente vor. Ich bin überzeugt, dass dadurch den 
Leichtbeschädigten kein Abbruch getan, aber viel überflüssige 
ßegehrung8vor8tellungen und Arbeitsunlust an der Entstehung 
verhindert wären. 

Zur Begründung meines Standpunktes habe ich folgendes 
ansuführen: Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass nicht 
nur die Militärdienstbeschädigten eine Einbusse an Gesundheit 
und allgemeiner Arbeitskraft erlitten haben. Das Gleiche hat 
vielmehr auch viele Zivilpersonen in der Heimat betroffen in¬ 
folge ungenügender Ernährung, wirtschaftlicher Sorgen usw. Die 
festgestellte Zunahme der Tuberkulose während des Krieges, 
auch unter der Heimbevölkerung, redet eine eindringliche Sprache. 
Logischerweise müssten also auch diese entschädigt werden. 
Es ist nun praktisch unmöglich, allen diesen Ansprüchen ge¬ 
recht su werden. Bei der allgemeinen Verbreitung der Schädi¬ 
gung der gesamten Bevölkerung durch den Krieg, muss ein Kriegs- 


1) Bezüglich neuerer Aenderungen siehe Naohsatx. 


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entschädigungsverfahren, das die praktischen Verhältnisse berück¬ 
sichtigt, davon ausgehen, dass ein jeder um einen gewissen Teil 
geschädigt ist und hierfür keine besondere Entschädigung ge¬ 
währt werden kann. 

Deshalb sollte meiner Ansicht naoh bei einer neuen Gesetzgebung 
für die Schädigungen von 20pCt. an abwärts wenigstens in Zu¬ 
kunft von einer Rentengewährung abgesehen werden. Dagegen 
erscheint es auch mir nicht angezeigt, in dieser Höhe bereits 
anerkannte Renten nachträglich zu entziehen. Dies würde mehr 
Unzufriedenheit her vorrufen als die Sache wert ist. 

Aus der bei vielen Nachbegutachtungen gewonnenen prak¬ 
tischen Erfahrung heraus muss ich ferner auf den Umstand hin- 
weisen, dass meiner Ueberxeugung naeh gerade leichte Schädi¬ 
gungen von dem ersten Gutachter vielfach irrtümlich angenommen 
oder zu hoch bewertet werden. Man wird bei der Unzulässigkeit 
des menschlichen Urteils und der Verschiedenheit der persön¬ 
lichen Auffassung nicht verlangen können, dass die Schätzungen 
stets übereinstimmen. Man könnte mir auch den Vorwurf machen, 
dass ich eben dort unterschätze, wo die Vorgutachter richtig ur¬ 
teilten. Dem muss ich aber entgegen halten, dass sich mein 
Urteil fast stets mit dem anderer Fachärzte deckte, welche 
wirklich eine gründliche Untersuchung vorgenommen batten. Da¬ 
gegen Hessen die Vorgutachten, bei denen ich eine Ueberscbätzung 
annahm, fast durchweg einen genauen 'Untersuchungsbefund ver¬ 
missen und stützten sich vielfach nur auf die subjektiven Klagen 
oder ganz unbestimmte Krankheitserscheinungen von höchst frag¬ 
würdigem Werte. Zur näheren Erläuterung scheint mir ein 
kurzes Eingehen auf gewisse Haupttypen solcher mangelhaften 
Begutachtungen notwendig, die sich mit einer fast gesetzmässigen 
Regelmässigkeit in den Akten immer wiederholen. 

Bei vielen Magenleidenden wurde fast regelmässig ohne 
irgend welche Untersuchung des Magens allein auf die Angabe 
von Magenbeschwerden hin die Diagnose auf „ Magenerweiterung“ 
oder „Magengeschwür“ gestellt. Tatsächlich lieferte aber eine 
genaue und unvoreingenommene Befragung meist gar keine An¬ 
haltspunkte für diese Annahmen. Ebenso ergab die fachärztliche 
Nachuntersuchung mit nüchterner Ausheberung, chemischer und 
mikroskopischer Untersuchung des Magensaftes nach Probefrüh¬ 
stück, Stuhluntersuchung, Röntgendurchleuchtung, in sehr vielen 
Fällen ein ganz negatives Resultat. Hierbei habe ich nur Leute 
von- gesundem Aussehen im Auge, nicht solche mit herab¬ 
gesetztem Ernährungszustand, bei denen wenigstens dieser selbst 
als Schädigung bätie angesehen werden können. 

Unendlich oft hatte ich sogenannte Herzleiden zu begut¬ 
achten, bei denen eine „Herzerweiterung“ oder „HerzmuBkel- 
schwäche“ und daraufhin eine Erwerbsbeschränkung vielfach nicht 
unbedeutenden Grades angenommen war. Kennzeichnend für 
eine grosse Reihe von Fällen war es dabei, dass die Betreffenden 
den Frontdienst lange Zeit ohne jede Herzbeschwerden ertragen 
batten, dass dagegen das „Herzleiden“ erst im Lazarett, in das 
sie aus ganz anderen Gründen, z. B. wegen einer Verwundung 
oder eines Darmkatarrhs, gekommen waren, vom Arzt entdeckt 
wurde. Hieran schlossen sich dann erst die Beschwerden an, die 
seither hartnäckig bestehen blieben, ln diesen Fällen ergab die 
fachärztliche Untersuchung des Herzens, insbesondere auch die 
orthodiagraphische Bestimmung der Herzgrösse und die praktische 
Prüfung der Herzfunktion vielfach überhaupt gar keine Ab¬ 
weichung vom Normalen, ln anderen Fällen fand sich eine auch 
in der Ruhe vorhandene nervöse Pulsbeschleunigung mässigen 
Grades, bisweilen auch akzidentelle Herzgeräusche, also die 
Zeichen einer leichten oder mässigen Herzneurose. Diese Fest¬ 
stellung gab vielleicht eine Begründung, den Betreffenden für 
den Frontdienst nicht geeignet zu halten, aber durchaus keine 
Unterlagen für die Annahme, dass er an der Ausübung seines 
Berufs in nennenswertem Grade behindert war, wenn es sich nicht 
gerade um Schwerarbeiter handelte. 

Dieses Urteil über die Häufigkeit falscher Hersdiagnosen 
teile ich nicht nur mit den während des Krieges militärisch 
tätigen Fachärzten, mit welchen ich stets in regem Gedanken¬ 
austausch stand, sondern es wurde mir auch von Herrn Geheimrat 
v. Strümpell aus seiner Privatpraxis bestätigt. Dieser erzählte 
mir, dass er häufig Privatpatienten, die vom Militär wegen Herz¬ 
leiden entlassen worden waren und ihn nun voller Bestürzung 
aufsuchten, immer wieder die Antwort geben müsse, dass er auch 
nicht den geringsten Krankheitsbefund erheben könne. 

Eine fast noch grössere Verbreitung hat die Annahme einer 
Tuberkulose auf Grund blosser Klagen und unkritisch bewerteter 

* 

Original frarn 

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780 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Befunde [Röntgen, Pirquet, Tuberkulinreaktion 1 )] bei ganz ge¬ 
sunden Menschen, deren Lebensfreudigkeit und Arbeitslust hier¬ 
durch in schwerster Weise geschädigt wurden. Naoh dem ge¬ 
radezu auffallend übereinstimmenden Ergebnis der verschiedenen 
badischen Beobachtungsstationen, das sich über viele Tausende 
yon Fällen erstreckt, erwies sich in nicht weniger als 80 pCt, 
der Fälle der Verdacht einer Tuberkulose nach genauester kli¬ 
nischer Untersuchung und Beobachtung als unberechtigt. Auch 
in den verbleibenden 40 pCt., bei denen die Annahme einer Tuber¬ 
kulose bestätigt wurde, handelte es sich vielfach nur um röntgeno¬ 
logisch nachweisbare ruhende Herde, nur in einem Teil der Fälle 
um wirklich als krank anzusehende aktive Tuberkulosen. Es 
soll natürlich durchaus kein Vorwurf wegen der vielen Ein¬ 
weisungen wegen Tuberkulosenverdachts erhoben werden. Es war 
vielmehr die Aufgabe der Beobachtungsstationen, gerade die eben 
beginnenden Fälle herauszufinden, um sie der Heilstättenbeband- 
Inng zuzuführen. Es befanden sich aber unter« den genannten 
60pCt. der lungengesunden Leute Fälle, die nicht nur wegen 
Verdachts, sondern wegen der sicheren Annahme von Tuberkulose 
zum Teil nach einer ganz überflüssigen stattgehabten Heilstätten¬ 
behandlung zur Einleitung des Dienstunbrauchbarkeitsverfahrens 
überwiesen wurden. Vielfach bildete den irrtümlichen Grund 
zur Annahme einer Tuberkulose, dass der Betreffende früher in 
einer Heilstätte gewesen war. Eine genaue Untersuchung einer 
grossen Zahl derartiger Fälle, deren ehemalige Heilstättengut¬ 
achten eingefordert wurden, ergab, dass in einem grossen Prozent¬ 
satz auch nicht der geringste Befund, selbst nicht im Röntgenbilde 
erhoben werden konnte, während wenigstens irgend ein röntgeno¬ 
logisch erkennbarer Ausdruck eines vernarbten Prozesses unbedingt 
hätte erwartet werden müssen, wenn wirklich jemals eine Tuber¬ 
kulose zumal in der Ausdehnung vorhanden gewesen wäre, wie sie 
in den ehemaligen Heilstättengutachten oft angegeben war (oft 
2., vereinzelt sogar 3. Stadium). Der schwere Nachteil einer 
derartigen leichtfertigen Annahme von Tuberkulose, 
darauf begründeter Heilstätteneinweisung und folgender 
Rentengewäbrung bei lungengesunden Leuten liegt auf 
derHand. Es handelt sich dabei nicht nur um überflüssig aus¬ 
gegebene Gelder, sondern um die verderbliche Schädigung 
des Gesundheitsgefühlp und der darauf sich gründenden Ar¬ 
beitsfreude der Betreffenden selbst, ferner um eine Entziehung 
des Platzes in den Heilstätten für die vielen wirklich 
Tuberkulösen, welcher einer längeren Kur und guter Ernährung 
dringend bedürftig sind. Diese Sätze richten sich nicht nur gegen 
das jetzt bei den Kriegsbeschädigten, sondern gegen ein bereits 
seit längerer Zeit vor dem Kriege übliches Verfahren, bei dem 
auf Grund mangelhafter Untersuchung ganz gesunde Leute in die 
Heilstätte überwiesen und nun mit dem Stempel einer schweren 
Krankheit versehen wurden. Warum findet bei sonst herunter¬ 
gekommenen, aber lungengesunden Fällen nicht eine reichlichere 
Einweisung in Erholungsheime statt, denen nicht der omi¬ 
nöse Charakter der Heilstätten anhaftet? 

Seltener eine falsche Diagnosenstellung, wenn bisweilen auch 
diese, häufiger aber eine Ueberscbätzung der Erwerbsbeschränkung 
war in den Gutachten über viele Kriegsneurosen vorgenommen. 
Gewiss ist es bei dem Begutachtungsgeschäft Pflicht des Arztes, 
nach bestem Wissen rein sachlich den Grad der Erwerbsbeschrän¬ 
kung zu beurteilen und sich nicht durch die erfahrungsgemäss un¬ 
günstige Einwirkung der Rentengewährung auf den weiteren Ver¬ 
lauf des Leidens gewissermaassen zu Behandlungszwecken zur 
Annahme einer geringeren Erwerbsbeschränkung verleiten zu 
lassen, als der ärztlichen Ueberzeugung entspricht. Keinesfalls 
aber können die vielfach geradezu phantastisch hohen Schätzungen 
der Erwerbsbeschränkung von Kriegsneurotikern gebilligt werden, 
die noch zum grössten Teile erwerbsfähig waren oder durch eine 
geeignete Behandlung völlig geheilt werden konnten. Meine eigene 
Beschäftigung bat nicht in der Behandlung von Kriegsneurotikern 
bestanden. Indes genügte in einer Reihe von Fällen allein die 
gründliche Untersuchung und ein energischer Zuspruch, um das 
Leiden zum Verschwinden zu bringen. 

So entsinne ioh mioh eines besonders eindruokvollen Falles, der 
naoh halbseitiger Lähmung von Arm und Bein seit über einem Jahre 
dauernd zu Bett lag und sogar trophisohe Störungen an den gelähmten 
Gliedern hatte. Auoh war er dreimal wegen angeblioher Blinddarment¬ 
zündung usw. operiert (laparotomiert) worden und hatte angeblich 
noch dauernd Fieber von 40°. Die genaue Nervenuntersuchung ergab 
einen ganz normalen Befund der Reflexe, die vom Arzt vorgenommene 
Messung normale Temperaturen. Es handelte sich also um eine funk- 

I) Siehe meinen Aufsatz, D.m.W., 1917, Nr. 6. 


tionelle Neurose. Simulation im gewöhnlichen Sinne war schon in Rnok- 
sioht auf die trophisohen Störungen nicht aozunehmen. In diesem Falle, 
der infolge seines falschen Willens zur Krankheit und der Verkennung 
seines Zustandes durch viele Aerzte über 1 Jahr in schwerem Siechtum 
an das Bett gefesselt gewesen war, gelang es mir allein durch Aufbietung 
der ärztlichen Autorität ihn gleich bei der ersten Untersuchung wieder 
auf die Beine zu bringen und die verkehrte Willensrichtung in die 
richtige Bahn zur Gesundheit überzuleiten. Naoh einer anschliessenden 
kurzen Behandlung in einem Neurotikerlazarett stellte er sioh anscheinend 
freudig als völlig geheilt vor. 

Ebenso liess ich mir die meisten von mir zur Behandlung in 
die Sonderlazarette eingewiesenen Fälle von schweren Kriegs¬ 
neurosen nach Abschluss der Behandlung, die übrigens nicht in 
Starkstrombehandlung bestand, wieder vorstellen und überzeugte 
mich fast ausnahmslos von der völligen Heilung der früheren 
schweren Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Glieder und 
Sinne. Solche Resultate wurden noch nach jahrelangem Bestehen 
in Fällen erzielt, welche früher als organisch angesehen waren 
und von mir bei der Nachbegutachtung als funktionell erkannt 
wurden. 

Diese günstigen Erfahrungen mit der Heilung der Kriegs¬ 
neurotiker müssen uns auch ein Ansporn sein, in der Beurteilung 
und Behandlung der Unfallsneurotiker des Friedens andere Bahnen 
eincuschlagen. Die traurigen Eindrücke, die ich bereits vor dem 
Kriege auf diesem Gebiete gemacht hatte, waren die Veranlassung 
zu meinem ersten schon erwähnten Aufsatze gewesen. In diesem 
hatte ich schon vor der Züchtung der Neurotiker durch langen 
Aufenthalt in Heimatlazaretten und ungerechtfertigte Renten- 
gewährung gewarnt, bevor ich noch selbst einen einzigen Kriegs¬ 
neurotiker gesehen hatte, da mir diese an der Front nicht 
begegnet waren. Die damaligen Befürchtungen sah ich später in 
den Heimatlazaretten in geradezu beängstigender Weise übertroffen. 
Eine zugleich mit Wohlwollen und Energie betriebene Suggeativ- 
Behandlung, und insbesondere die anschliessende bis zur Sicherung 
des Erfolges unter ärztlicher Autorität durchgeführte Uebungs- 
und Arbeitstherapie hat dann aus den meisten dieser Jammerge¬ 
stalten wieder brauchbare voll arbeitsfähige Menschen gemacht. 
Dasselbe kann und muss auch bei den Unfallsneurotikern des 
Friedens erreicht werden können. 

Das Heilmittel liegt in der Arbeit. Be ist dringend zu 
fordern, dass auch bei der Begutachtung von Unfallsneurotikern 
vor der Rentenfestsetzung eine wenn auch noch bo lange Arbeits¬ 
behandlung betrieben wird und nicht durch frühzeitige und 
übertriebene Rentengewährung die Arbeitskraft und Gesundheit 
geradezu mutwillig zerstört wird, wie dies bisher oft geschah. 
Die vielen für ihr ganzes Leben vernichteten Existenzen, von 
denen ich manches Mitleid erregende Beispiel bereits vor dem 
Kriege noch viele Jahre nach dem Unfall gesehen habe, bilden 
ein trauriges Schuldkonto der sonst so segensreichen sozialen 
Fürsorgegesetzgebung, das in der Folge unbedingt verschwin¬ 
den muss. 

An diesen Hauptkategorien offensichtlicher Fehibeuiteilung 
wollte ich den Schaden einer Rentengewährung, welche durch 
den objektiven Befund nicht gerechtfertigt ist, erweisen. Diesen 
stehen andererseits Fälle gegenüber, in denen bisher unerkannte 
Leiden durch eine genaue klinische Untersuchung entdeckt und 
der richtigen Behandlung zugeführt wurden, oder denen wenigstens 
zur Befriedigung gerechtfertigter, vorher nicht genügend berück¬ 
sichtigter Ansprüche verholfen werden konnte. Ich denke hierbei 
an einige Fälle von vorher nicht diagnostizierter Lungentuberkulose 
besonders von der anfangs erwähnten Form der ungewöhlich rasch 
fortschreitenden Kriegstuberkulose, an Herzklappenfehler, die 
unerkannt lange Zeit Frontdienst getan hatten, ferner an einige 
Fälle schwer zu entdeckender beginnender organischer Nerven¬ 
leiden, z. B. von multipler Sklerose und Syringomyelie, die früher 
als funktionell angesehen waren, an Fälle von nur röntgenologisch 
erkennbaren Magengeschwüren, früher übersehener Zuckerharn- 
rnhr usw. Dabei handelte es sich aber stets nur um einzelne 
Fälle. Diese stehen zahlenmässig in gar keinem Verhältnis zu 
der grossen überwiegenden Mehrheit der vorher genannten ganzen 
Gruppen, in denen eine durch den objektiven Befund nicht zu 
rechtfertigende irrtümliche Annahme oder Ueberschätzung von 
Leiden und Erwerbsbeschränkung stattgefunden batte. 

Im Vorstehenden sowie in meinem früheren Aufsatze habe 
ich bereits auf die ausserordentliche Wichtigkeit einer 
genauen Untersuchung durch erfahrene Aerzte gleich bei der 
ersten Begutachtung hingewiesen, einerseits um jedem sofort 
sein Recht werden zu lassen, andererseits um einem langwierigen 
Rentenkampf mit allen seinen unerquicklichen Folgeerscheinungen 


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4; August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


781 


vorsubeugen, welcher bei unrichtiger Beurteilung unvermeidlich 
ist. Die Erfahrung lehrt, dass gerade das Gegenteil bisher der 
Fall gewesen ist. Wie an den Beispielen ganser Kategorien von. 
Fällen erörtert wurde, entsprechen die ersten Begutachtungen 
vielfach nicht den bescheidensten Ansprüchen. Infolgedessen 
wird eine Begutachtung nach der anderen verfügt, unendlich 
viel Zeit und Papier vergeudet und der Kriegsbeschädigte selbst 
irre gemacht. Geschehenes ist nicht mehr zu ändern. Zur Ver¬ 
meidung der Fortsetzung dieser zwecklosen und mangelhaften 
Arbeit und ihrer traurigen Konsequenzen ist es erforderlich, dass 
geeignete Stellen geschaffen werden, die nunmehr in wirklich 
sachgemässer Weise die Nachbegutachtungen der früheren und 
die Erstbegutachtungen in späteren Fällen, die ihre Ansprüche 
noch nachträglich anmel.den, vorzunehmen haben. Wer kann mit 
diesem grossen und wichtigen Aufgabe betraut werden? 

Wie bereits die Erfahrung mit der sozialen Friedensgesetz¬ 
gebung lehrt, erscheint der praktische Arzt, dessen hoher 
Wert für die Gesamtheit auf ganz anderem Gebiete liegt, für die 
Begutachtung wenig geeignet. Er ist mit Arbeit überlastet und 
ausserdem in seinem Urteil nicht frei von der Stimmung seiner 
Klienten, welche ibm eine ihnen nicht genehme, wenn auch 
gerechte Beurteilung vielfach sehr verübeln. 

Dagegen wurde es dem behandelnden Arzte naürlich unbe¬ 
nommen sein, ein orientierendes ärztliches Zeugnis als Beleg dem 
Antragsteller privatim auszustellen. 

Die Zahl der Militärärzte wird vermutlich unter den 
jetzigen Verhältnissen so verringert werden, dass sie der unge¬ 
heuren Aufgabe der erforderlichen Gutachter!ätigkeit nicht ge¬ 
wachsen sein würde. Vor allem aber dürfte es unmöglich sein, 
unter den Militärärzten die erforderliche Zahl von Fachärzten, 
namentlich gerade auf dem Gebiete der inneren Medizin zu finden. 

An den begutachtenden Arzt sind die Forderungen 1. voll¬ 
ständiger Unabhängigkeit, 2. genügend praktischer Erfahrungen, 
insbesondere in der Gatachtertätigkeit und 8. in vielen Fällen 
von Fachausbildung zu stellen. 

Den beiden ersten Bedingungen genügt im allgemeinen der 
beamtete Arzt, der in der Begutachtung stets über eine reiche 
Erfahrung verfügt und als Beamter gegenüber dem Publikum 
unabhängig ist. Auch nach dem Aktenstudium vieler Gutachten 
aus der Friedensgesetzgebung muss ich die vertrauensärztlichen 
Gutachten der beamteten Aerzte gegenüber den ersten Gut¬ 
achten der praktischen Aerzte gewöhnlich als weitaus überlegen 
bezeichnen. Der Einwand, dass eine besondere Kenntnis der 
militärischen Verhältnisse in Kriegsbeschädigungsfragen erforder¬ 
lich sei, kann kaum erhoben werden, da nach Erledigung der 
Dienstbeschädigungsfrage die Beurteilung der Erwerbsbeschränkung 
keine anderen Anforderungen stellt als die gewohnte Begutachtung 
im Unfall- und Invaliditätswesen. So dürfte der beamtete Arzt für 
die meisten einfachen Fälle der geeignetste Gutachter sein. Bei 
der Grösse der Aufgabe wird sich wohl das Bedürfnis nach einer 
Erhöhung ihrer Zahl ergeben, die übrigens im öffentlichen Interesse 
auch aus vielen anderen Gründen wünschenswert wäre. 

Für diejenigen Fälle, die eine Fachbeurteilung erfordern, 
s. B. alle neurologischen, ferner die geschilderten Fälle, in denen 
Magenerkrankungen, beginnende Tuberkulose in Frage kommt, 
bei fraglichen Herzleiden usw. bedarf es dagegen einer genauen 
fachärztlichen Untersuchung und meist sogar einer mehr¬ 
tägigen Beobachtung. Hier sollen aber die Ansprüche wieder 
nicht übertrieben werden. Eine Aufnahme aller dieser Fälle z.B. in 
Universitätskliniken wäre durchaus nicht erforderlich und könnte 
für solche Fälle Vorbehalten bleiben, zu deren Entscheidung eine 
ganz besondere wissenschaftliche Erfahrung notwendig erscheint. 
Dagegen werden den gewöhnlichen praktischen Bedürfnissen die 
Gutachten vollauf gerecht, welche an grösseren Kranken¬ 
häusern von erfahrenen Assistenzärzten event. unter Leitung der 
Chefärzte erstattet werden. Um eine gleichmässige Beurteilung 
hinsichtlich der Frage der Erwerbsbeschränkung in diesen Gut¬ 
achten zu sichern, wäre allerdings die gleichzeitige Mitwirkung 
des beamteten Arztes zu fordern, welche bei diesem am besten 
gewährleistet ist. Der Geschäftsgang der Begutachtung würde 
sich demnach folgendermaassen zu vollziehen haben: Der be¬ 
amtete Arzt bearbeitet sämtliche Gutachten und erledigt die ein¬ 
fachen Fälle selbst. Die einer Fachbeurteilung bedürftigen Fälle 
überweist er einem Krankenhaus und unterzieht sie dann einer 
kurzen Nachbegutachtung auf Grund des dort erhobenen Befundes, 
wobei er sich aber durch eigene Untersuchungen ein persönliches ] 
Urteil vor allem über den Allgemeinzustand bilden muss. Diese | 


Einrichtung würde nur eine Nach- oder Ausbildung bereits be¬ 
stehender und bewährter Organisationen darstellen, nämlich der 
sogenannten Beobachtungsstationen, wie sie an manchen 
Orten und besonders gerade in Baden unter der weit voraus¬ 
schauenden Leitung der dortigen Behörden in mustergültiger 
Weise geschaffen wurden. Während aber im Kriege die nötigen 
Fachärzte dem Militär ohne weiteres zur Verfügung standen, 
kann im Frieden an eine selbständige Einrichtung derartiger Be¬ 
obachtungsstationen von militärärztlicher Seite wegen Mangel an 
geeigneten ärztlichen Kräften nicht gedacht werden. Dagegen 
können sie an grösseren Krankenhäusern durch Abzweigung 
einzelner Zimmer für die Zwecke der staatlichen Beurteilung er¬ 
richtet werden. Hiermit können zugleich andere Zwecke ver¬ 
bunden werden, für welche gleichfalls ein dringendes öffentliches 
Bedürfnis besteht, nämlich die Untersuchung auf Heilstätten¬ 
bedürftigkeit nicht nur von Kriegsrentenempfängern, sondern auch 
von Friedenskranken, die Begutachtung von Unfall- und Invalidi¬ 
tätsfragen usw. Dieser Gedanke ist bereits von dem grosszügigen 
Schöpfer vieler derartiger Einrichtungen im badischen Korps¬ 
bezirk, Prof. Wilmanns-Heidelberg, ausgesprochen worden. 
Seine Verwirklichung war bei einer geregelten Demobilisation für 
Baden vorgesehen. Indem diesen Beobachtungsstationen die ge¬ 
samte fachärztliche Begutachtung auf allen Gebieten der sozialen 
Fürsorge übertragen würde, würde hierdurch diese bisher viel¬ 
fach zerteilte und mangelhaft gelöste Aufgabe in einer berufenen 
Hand vereinigt werden. Auch würde es vielfach möglich werden, 
aus denjenigen fachärztlich geschulten Assistenten, die sieb auf 
dem Gebiete der sozialen Begutachtung lange Zeit bewährt haben, 
sofern sie die Prüfung als beamteter Arzt abgelegt haben, einen 
auch fachärztlich ausgebildeten Stamm von beamteten Aersten 
beranzubilden, was für die Vertiefung und zugleich Vereinfachung 
des Gutachterwesens und die Besetzung der Stellen in höherer 
Instanz einen grossen Gewinn darstellen würde. 

Eine auf diese oder ähnliche Weise zu erreichende Verbesse¬ 
rung der ersten Gutachten würde den weiteren grossen Vorteil 
haben, dass alsdann ein grosser Teil der jetzt so vielfach an ge¬ 
ordneten und auch notwendigen Oberbegutachtungen wegfallen 
könnte. Das würde nicht nur eine Verbilligung und Vereinfachung 
des Verfahrens bedeuten, sondern vor allen Dingen endlich einmal 
die Einwirkung auf die Persönlich keit des Kriegsbeschädigten 
oder sonstigen Rentenempfängers berücksichtigen. Es kann un¬ 
möglich gleichgültig sein für das innere Gleichgewicht, Zufrieden¬ 
heit, Freude an Gesundheit und Arbeitseifer, wenn ein Renten¬ 
empfänger, wie es jetzt üblich ist, von einem Gutachter zum 
andern wandert, ewig in den Krankenhäusern herumliegt und durch 
den dort empfangenen Eindruck von den naturgemäss vielfach 
auseinander gehenden ärztlichen Meinungen kopfscheu gemacht 
wird, die er im allgemeinen sicher herausfühlt, selbst wenn sie 
ihm bestimmungsgemäss nicht mitgeteilt werden. 

loh kann nicht umbin, aus einer erdrückenden Reihe von Hunderten 
derartiger eigener Beobachtungen wenigstens ein markantes Beispiel an¬ 
zuführen und genau zu sohildern: In der von mir geleiteten militärischen 
Beobachtangsstation waren bei einem Ende 1916 wegen geringfügiger 
anderer Erkrankung aus dem Felde zurückgekebrten Manne durch die 
regelmässig vorgenommene vollständige Untersuchung zum ersten Male 
die Zeiohen einer rudimentären Tabes (leichte Papillen- und Reflex¬ 
störungen) festgestellt. Dagegen bestanden keine Ataxie, keine Krisen 
oder sonstige für den augenblicklichen Gesundheitszustand wesentliche 
Krankbeitserscheinungen. Nur um den Fortschritt des Leidens durch 
grössere Anstrengungen zu verhindern, wurde der Mann als feld- und 
garnisondienstunfähig, aber arbeitsfähig als Metallarbeiter für die Moni- 
tionsindustrie entsprechend seiner Berufsausbildung bezeichnet. Wie 
vielfach üblich, wurde das von einer badischen Beobachtungsstation aus¬ 
gestellte und bestimmungsgemäss nur für den dortigen Korpsbezirk 
gültige Urteil in einem anderen Bundesstaat umgestossen und Garnison¬ 
dienstfähigkeit angenommen, mit dem ebenfalls üblichen Erfolg, dass 
dieser Mann tatsächlich keinen Dienst tat, sondern D /2 Jahr in ver¬ 
schiedenen Lazaretten herumlag, ohne dass er nach seiner Angabe be¬ 
handelt wurde, oder ausser der Tabes ein weiteres Leiden hinzuge¬ 
treten wäre. 

Nach 2 Jahren sah ich denselben Mann in der Medizinischen Klinik 
in Leipzig wieder, wo ich ihn bezüglich der Frage der Invalidität zu 
begutachten hatte, die im letzten Vorgutachten auf Grund der Diagnose 
Tabes angenommen war. Jetzt bot der Mann scheinbar zunäohst durch¬ 
aus die klassischen Symptome einer fortgeschrittenen Tabes, insofern 
hochgradige Unsicherheit beim Knie-Hacken-Versucb, Sensibilitätsstörungen 
usw. angegeben wurden. Bei mehrtätiger Beobachtung zeigte sich aber, 
dass tatsächlich keines dieser Symptome wirklich vorhanden war. Ins¬ 
besondere bestand keine Unsicherheit des Ganges. Im Gegenteil be¬ 
tätigte sich der Mann ausserordentlich behende und diensteifrig im 
Krankensaal, sowohl bei Tageslioht als im Abenddunkel. Der objektive 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Befund war tatsächlich genau der gleiche, wie er vor 3 Jahren an meiner 
Beobaohtung98tation festgestellt worden war. Wohl aber waren dem 
Kanne duroh endlose ärstliohe Untersuchungen die klassischen Symptome 
der Tabes, jedooh nicht auf orgaoisoher, sondern auf funktioneller Basis 
eingeimpft worden und hatten jetzt zu seiner ganz unberechtigten Inva¬ 
lide ätserkl&rung geführt. Von Simulation konnte nach dem personliehen 
Eindruok, den ich von dem Arbeitseifer des Mannes auf der Kranken¬ 
station gewonnen hatte, wohl nioht die Bede sein. Duroh Zuspruoh 
gelang es, den Mann, dessen Zutrauen ioh bereits duroh die Untersuchung 
vor 2 Jahren gewonnen hatte, von der Grundlosigkeit seiner funktionellen 
Beschwerden und seiner grösstenteils erhaltenen Arbeitsfähigkeit zu über¬ 
zeugen. Br hat selbst einen Antrag auf Wiedereinstellung in seinen 
früheren Beruf gestellt, die ich auoh in meinem Gutachten warm emp¬ 
fohlen hatte. Selten hat mir ein Patient eine solche Dankbarkeit be¬ 
wiesen wie dieser Mann, dem ioh zwar seine Invalidenrente abgesproohen, 
aber zu einem viel lohnenderen Erwerb aus eigener Kraft verholten hatte. 

Mit diesem Verderb der Freude an Gesundheit, Kraft und 
Arbeit durch das bisherige bürokratische System endloser Unter¬ 
suchungen muss gebrochen werden. Das einfachste Mittel hierzu 
ist eine gewissenhafte erstmalige Untersuchung. Es fällt hier¬ 
mit der Grund zu vielen Berufungen fort, die sonst auf dem 
Instanzenweg durchgefochten werden. 

Um so leichter wird dann auch der Entschluss fallen, eine 
Vereinfachung dieses Instanzenwesens vorzunehmen. Bei 
der Unvollkommenheit des menschlichen Urteils auch bei guter 
facbärztlicher Ausbildung und noch so grossem Streben nach 
Sachlichkeit und Einheitlichkeit der Begutachtung ist gewiss eine 
Berufungsinstanz notwendig. Diese konnte durch einen besonders 
bewährten beamteten Arzt gebildet werden, der mit Fachärzten 
bzw. Beobachtungsabteilungen an einem grossen Krankenhaus von 
anerkanntem Rufe und zentraler Lage in der früher beschriebenen 
Weise zusammen arbeitet. Diese Berufungsinstanz würde etwa 
das Gebiet einer Provinz bzw. eines früheren Armeekorps zu ver¬ 
sorgen haben. Die genauere Einteilung würde sieb natürlich nach 
der weiteren politischen Entwicklung richten müssen, die bis jetzt 
noch nicht zu übersehen ist. Trotz der Grösse der hierdurch 
entstehenden Arbeit ist es als notwendig zu bezeichnen, dass die 
Begutachtung bei dieser Berufungsinstanz auf Grund einer erneuten 
Untersuchung geschieht, bei welcher der Gutachter vor allen 
Dingen einen persönlichen Eindruck von dem allgemeinen Gesund¬ 
heitszustand und der ganzen Persönlichkeit des Begutachters 
gewinnt. Allerdings würde vielfach, wenn eine durchaus ver¬ 
trauenswürdige genaue Voruntersuchung stattgefunden hat, eine 
kurze, im wesentlichen auf das Allgemeine gerichtete Nachunter¬ 
suchung genügen. Eiue Beurteilung allein auf Grund der Akten 
ist dagegen unter allen Umständen zu verwerfen. In dieser An¬ 
schauung werde ich bestärkt durch manche offenbar irrtümliche 
Rentenfestsetzungen, die von sonst sehr kompetenten Gutachtern 
allein auf Grund des Aktenstudiums vorgenommen wurden. Es 
war regelmässig leicht zu ersehen, dass allein nach dem Vor¬ 
gutachten der Akten die Nachbegutacbtung nicht anders hatte 
ausfallen können. Es fehlte eben der Eindruck von der Persön¬ 
lichkeit, der durch keine noch so eingehende Beschreibung ersetzt 
werden kann. 

Die Bildung einer weiteren Instanz halte ich für überflüssig 
und schädlich. Es ist nicht anzunehmen, dass eine an zwei 
wirklich gediegenen Stellen vorgenommene Begutachtung durch 
eine dritte und weitere Instanz verbessert wird. Auch habe ich 
aus vielen Gutachten nicht die Anschauung gewonnen, dass die 
Entscheidungen der bisherigen Zentralinstanzen sich durch grössere 
Sachlichkeit auszeichneten als die der Vorinstanzen. Im Gegen¬ 
teil empfing ich gar nicht selten den Eindruck, dass die oberste 
Entscheidung weniger in Rücksicht auf eine genaue ärztliche 
Beurteilung als im Hinblick darauf erfolgt war, dass ein unbe¬ 
quemer Querulant, selbst wenn das ärztliche Urteil die Grund¬ 
losigkeit übertriebener Ansprüche erwies, mit der Gewährung 
seiner Wünsche zur Rübe gebracht werden sollte. Ein solches 
Verfahren ist aber höchst gefährlich, weil es das gesunde Ge¬ 
rechtigkeitsprinzip untergräbt. 

Eine Zentralinstanz muss es andererseits für die allgemeine 
Organisation des sozialen Gutachterwesens geben. Sie braucht 
sich aber nicht mit einzelnen Fällen, abgesehen von ausnahms¬ 
weise vorkommenden Form Verletzungen, zu befassen. Es wäre 
. dringend zu wünschen, dass die Zentralinstanz eine Reichsbehörde 
und nicht eine bundesstaatliche Behörde würde. Auch in der 
militärischen Gutachtertätigkeit habe ich oft Gelegenheit ge¬ 
habt, den unseligen Einfluss des Partikularismus auf das Einzel¬ 
schicksal zu verfolgen, z, B. weise ich auf den erwähnten Fall 
von Tabes hin. 


Eine Befristung der Zeit, in welcher die Ansprüche wegen 
einer im Kriege erlittenen Beschädigung erhoben werden müssen, 
und nach deren Ablauf ein gesetzlicher Ansprocb auf Rente fort¬ 
fällt, ist unbedingt notwendig. Eine solche Frist ist zwar auch 
nach den bisherigen Bestimmungen vorgesehen, abgesehen von 
Kriegsverwundungen, bei welchen mit Recht die Anmeldung der 
Beschädigungsansprüche an keine Frist gebunden sein soll. 
Die Befristung der Ansprüche ist aber praktisch dadurch fast ent¬ 
wertet, dass bestimmungsgemäss von allen Einschränkungen dann 
abzuseben. ist, wenn der Nachweis erbracht worden ist, dass die 
Folgen der Dienstbeschädigung erst nach der Entlassung bemerk¬ 
bar geworden sind und die Anmeldung bis zum Ablauf von drei 
Monaten erfolgt ist, nachdem die Folgen der Dienstbeschädigung 
bemerkbar geworden sind. Es kann mit Sicherheit gesagt werden, 
dass auf Grund dieser weitherzigen Auffassung noch in Jahr¬ 
zehnten viele Ansprüche auf Dienstbeschädigong bei allen mög¬ 
lichen Leiden, die mit dem Krieg gar nicht in Zusammenhang 
stehen, gemacht werden werden. Die Behauptung, dass die Folgen 
eines bis dahin ruhenden Leidens eben erst bemerkbar geworden sind, 
ist überall leicht aufzustellen und kaum auf ihren wirklichen Wert zu 
prüfen, besonders wenn es sich um subjektive Beschwerden bandelt 

Viele Aerzte stehen nun auf dem Standpunkte, dass sie einen 
Zusammenhang mit äusseren Ursachen annehmen, wenn sie nicht 
das Gegenteil erweisen können. Eine solche Beurteilungsweise, 
auf die gewaltige Summe der zu erwartenden Ansprüche der Teil¬ 
nehmer an dem Krieg übertragen, würde aber die ganze Beurtei- 
lungstätigkeit ins Uferlose gleiten lassen. Diese muss vielmehr 
auf den festen Pfeilern allgemeiner ärztlicher Erfahrungsgrundsätze 
gegründet bleiben und nach der Wahrscheinlichkeit erfolgen, die 
nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft und praktischen Er¬ 
fahrungen anzunebmen ist. Eine gewisse Fristgrenze ist not¬ 
wendig, bei der Halt gemacht wird, wenn durch den Wunsch, 
dem einzelnen möglichst entgegen zu kommen, die Allgemeinheit 
nicht schwer geschädigt werden soll. Nach meinem Dafürhalten 
würde eine Frist von 2 Jahren ausreichend sein, um dem ein¬ 
zelnen Gelegenheit zu geben, seine Ansprüche wegen einer im 
Kriege erlittenen Dienstbeschädigung geltend zu machen. 

Um jede Härte in den jedenfalls seltenen Ausnabmefällen 
zu vermeiden, in denen ein Leiden erst nach Ablauf der genannten 
Frist zutage tritt und dennoch ein Zusammenhang mit einer 
früher erlittenen Dienstbeschädigung anzunebmen ist, könnten 
hierfür Ausnahmebestimmungen getroffen werden, denen zufolge 
in diesen Fällen nach freiem Ermessen der Behörde eine Rente 
gewährt werden kann. 

Es wären noch viele und wichtige Einzelheiten zu besprechen, 
die mir einer Aenderung oder eines Ausbaus bedürftig erscheinen, 
so die Frage der Kriegs- oder Friedens-Dienstbeschädigung, der 
Kapitalabfindung, Einzelheiten des Berufungsverfahrens usw. In¬ 
dem ich z. T. auf meine frühere Arbeit verweise, nehme ich von 
weiteren Ausführungen absichtlich Abstand, um nicht durch Ein¬ 
zelheiten den Blick von den grösseren Gesichtspunkten abzulenken. 
Auf die für das aktive Militär geltenden Sonderbestimmungen 
gehe ich absichtlich nicht ein. 

Schluss. 

Der Zweck der vorliegenden Ausführung war, auf Grund 
einer grossen gutachtlichen Erfahrung sowohl in der sozialen 
Friedensgesetzgebung wie als Militärarzt im Kriege auf die wesent¬ 
lichsten Punkte aufmerksam zu machen, die bei einer wohl be¬ 
vorstehenden neuen Gesetzgebung zu beachten sind, wenn der 
Hauptzweck aller sozialen Gesetze erreicht werden soll. Dieser 
besteht aber darin, dem einzelnen zu eigener Zufriedenheit und 
zu einer gesunden erfolgreichen Betätigung im eigenen und im 
weiteren Sinne auch im Interesse der Allgemeinheit zu verhelfen. 
Beide Punkte sind zu berücksichtigen. In beiderlei Beziehung ist 
durch die bestehenden Gesetze bereits unendlich viel Gutes ge¬ 
schaffen worden, das zu verkennen kleinlich und undankbar wäre. 
Im grossen und ganzen haben die bestehenden Gesetze wohl 
auch für die früheren Verhältnisse genügt. Bei einer Uebertragung 
auf die grossen Volksmassen, die durch den Krieg in Berührung 
mit den Fürsorgegesetzen gebracht wurden und in Zukunft noch 
kommen werden, haben aber auch die Mängel, die den bisherigen 
Bestimmungen anhaften, an Bedeutung enorm zugenommen. 
Ausserdem werden viele Fehler, die auf den Mangel einer ge¬ 
regelten Demobilisation zurückzuführen sind, vielfach später noch 
schwerwiegend in Erscheinung treten. Ich halte es daher für 
angebracht, noch in letzter Stunde die allgemeine Aufmerksamkeit 
auf manches zu lenken, was noch besserungsbedürftig ist. 


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4. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


788 


Am wichtigsten erscheint mir eine wirklich ausreichende 
Entschädigung in allererster Linie der Schwerbeschä¬ 
digten. Erst nach vollkommener befriedigender Lösung dieser 
wichtigen Aufgabe darf meiner Ansicht nach an die Leicht¬ 
beschädigten gedacht werden. Wenn hierfür genügend Mittel sur 
Verfügung stehen, ist dies gewiss freudig zu begrüssen. Sie darf 
aber erst in zweiter Linie stehen und gerade hierbei ist eine stete 
Berücksichtigung des 2. Punktes notwendig, dass durch eine schein¬ 
bare — aber auch nur scheinbare — möglichst wohlwollende 
Fürsorge nicht andererseits das Selbstverantwortungsgefühl ( 
und die Arbeitslust Schaden leiden, die allein den Menschen' 
innerlich und äusserlicb frisch und gesund erhalten. 

Ferner scheint es mir empfehlenswert, die Organisation des 
Kriegsentschädigungsverfahrens mit der der sozialen Fürsorge- 
gesetze des Friedens zu verbinden und eine Vereinfachung, 
zugleich aber auch eine Vertiefung des gesamten Gut¬ 
achtenwesens herbeizuführen. 

Ich würde es dankbar begrüssen, wenn aus praktisch erfah¬ 
renen ärztlichen Kreisen zu den angeregten Fragen Stellung ge¬ 
nommen werden würde. Unbedingte Voraussetzung für eine 
Fruchtbarkeit der Diskussion ist, dass sie von ganz allgemein 
sozialen Gesichtspunkten rein sachlich und insbesondere unter 
strengem Ausschluss jedes engherzigen parteipolitischen Stand¬ 
punktes geführt wird. Dann glaube ich, dass aus den sich hieraus 
entwickelnden Erkenntnissen ein Nutzen für die Kriegsbeschädigten 
nnd die Allgemeinheit unseres Volkes entspringen würde. 

Zusatz bei der Korrektur: Nach Abschluss des bereits im 
Frühjahr fertig gestellten Aufsatzes sind wichtige Ereignisse eingetreten, 
die auf die erörterten Fragen von Einfluss sind. Zunächst die vorläufige 
Erhöhung aller Renten Kriegsbeschädigter um 40 pCt., dann der Friedens¬ 
schluss, der die Mittel des Staates in einer Weise beschränkt, wie sie 
von den meisten wohl nioht vorhergesehen war. Dies darf unter keinen 
Umständen ein Grund sein, die Eotsohädigungspflicht den Schwer¬ 
beschädigten gegenüber weniger streng zu erfüllen. Dagegen erfordert 
die Rücksicht auf die geringen Mittel um so mehr, dass jede durch den 
tatsächlichen Befund nioht gerechtfertigte, nur die Arbeitsscheu fördernde 
Rentengewährung unterbleibt. Eine allgemein gleiohe prozentuale 
Rentenerhöhung um 40 pCt., welche zur schnellen Linderung der augen¬ 
blicklichen Notlage wohl nioht zu umgehen war, würde ich für die 
Dauer nioht für zweckmässig halten, weil auch sie für viele Schwer¬ 
beschädigten nach meinem Dafürhalten kaum ausreioht, dagegen für eine 
grosse Zahl von Leiohtbesohädigten und in der Erwerbsbesohränkung 
Uebersohätzten überflüssig ist. Ich wiederhole die Forderung einer 
getrennten Behandlung der Schwer- und Leiohtbesohädigten und einer 
Berücksichtigung der Zahl der von den Beschädigten zu unterhaltenden 
erwerbsunfähigen Familienmitglieder. 


Ueber den gegenwärtigen Stand 
unserer Kenntnisse von der Lungensyphiiis 
der Erwachsenen. 

Uebersicbtsreferat. 

Von 

Dr. Ctrt Kayser-Berlin- Wilmersdorf. 

Während die syphilitische Erkrankung der Lungen beim 
Fötus nnd beim Neugeborenen eine allgemein bekannte Erschei¬ 
nung ist, galt bei Kliniker und Praktiker die Lungensyphilis des 
Erwachsenen oder des älteren Kindes bisher als ein seltenes und 
aussergewöhnliehe8 Vorkommnis. Bereitet doch ihre Erkennung 
selbst dem pathologischen Anatomen mitunter nicht geringe 
Schwierigkeiten, besonders dann, wenn es sich, wie so häufig, 
um kombinierte luisch-tuberkulöse Lungen Veränderungen handelt. 
Nicht sowohl die praktische Erfahrung als besonders die zuneh¬ 
mende Verfeinerung unserer modernen Untersuchungsmethoden, 
speziell die Einführung der Wassermann'schen Reaktion und des 
Röntgenverfahrens, haben hier Wandel geschaffen und uns gezeigt, 
dass die Lungensyphilis durchaus nicht so selten ist, wie man 
im allgemeinen anzunehmen gewohnt war. So bat z. B. Wil- 
mznns (1) bei einer zu diesem Zwecke vorgenommenen Durch¬ 
musterung der Lungenfürsorgestelle Hamburg im Jahre 1916 
allein 7 Fälle von sicherer Lungensyphilis herausgefunden und 
mit bestem Erfolge im Gegensatz zu vorher behandeln können. 

Pathologisch-anatomisch hat man zunächst zwischen heredi¬ 
tärer und erworbener Lungensyphilis zu unterscheiden. Die 
erstere kommt in seltenen Fällen bei älteren Kindern vor, die 
aber meist das 14. Lebensjahr nicht erreichen. ^Bei der erwor¬ 


benen Lungensyphilis unterscheidet man zwischen einer zirkum¬ 
skripten, i. e. gummösen und einer diffusen, indurativen Form, 
bei der es sich um rein entzündlich-broncbitische Veränderungen 
und fibröse Schwartenbildung handelt. Rössle (2) hebt die 
Häufigkeit des Vorkommens der interstitiellen syphilitischen 
Pneumonie mit indurativer Peribronchitis im Gegensatz zu der 
relativen Seltenheit der gummösen und kavernösen Form auf 
Grund eigener Beobachtung an 25 Fällen besonders hervor. 

Als pathologisch-anatomische Kriterien für die syphilitische 
Natur der Lungenerkrankung gelten neben sonstigen syphili¬ 
tischen Zeichen: Befallensein nur einer Lunge, starke Aus¬ 
prägung der Veränderungen am Hilus, Fehlen käsiger Einschlüsse 
und Mangel an Tb.-Bazillen. 

Dieser pathologisch-anatomische Befund gibt natürlich schon 
gewisse, mehr oder minder zuverlässige Anhaltspunkte für die 
klinische Diagnose, indessen hier liegen die Verhältnisse doch 
noch etwas komplizierter. Das klinische Bild der Lungensyphilis 
lässt sich in Kürze etwa folgendermaassen skizzieren: Die Patienten 
klagen über Husten, Auswurf, mit gelegentlich blutiger Beimen¬ 
gung. Nachtschweisse, allgemeine Abmagerung und Schwäche. 
Dabei besteht gewöhnlich keine oder nur geringfügige Temperatur¬ 
erhöhung. Der stets negative Tuberkelbazillenbefund im Sputum 
spricht zwar nicht für eine, nach alledem mindestens wahrschein¬ 
lich erscheinende Erkrankung an Tuberkulose, schliesst' sie aber 
erfahrungsgemäss auch nicht aus. 

Der physikalische Lungenbefnnd indessen muss denjenigen, 
der überhaupt von der Lungensyphilis einmal etwas gehört bat, 
sofort in der grossen Mehrzahl der Fälle stutzig machen. Denn 
im Gegensatz zur Tuberkulose werden bei der Lungensyphilis, 
worauf besonders Kliniker wie Rollet (8) und Grandidier (4) 
aufmerksam gemacht haben, die Lungenspitzen meist frei 
gefunden, während sich die Dämpfung gewöhnlich auf die mitt¬ 
leren Partien der Lunge erstreckt. Ganz besonders häufig findet 
man den Prozess auf den rechten Mittel lappen lokalisiert, 
wenngleich auch gelegentlich, wie in einem kürzlich aus anderen 
Gründen (s. u.) von Deutsch (5) publizierten Fall, die linke 
Lunge und sogar die Spitzen mitbetroffen sein können. 

Auskultatorisch hört man über dem gedämpften Bezirk meist 
Broncbialatmen mit feuchten, klein- bis mittelblasigen, gelegent¬ 
lich klingenden Rasselgeräuschen. Das Sputum hat nichts be¬ 
sonders charakteristisches, nur treten, wie erwähnt, Hämoptysen 
leichterer Art häufig auf. 

Der Verlauf der Erkranknng ist bisweilen subakut, wie in 
den Fällen von Zinn (6), Schnitzler (7), Scheck (8) u. a., 
in der Regel jedoch sieht man die chronische Form. 

Von grosser Wichtigkeit für die Diagnose ist natürlich die 
Feststellung einer voraufgegangenen, syphilitischen Infektion. 
Meist handelt es sich nach Alb. Fraenkel (9) um Fälle bei 
Personen mittleren Lebensalters, bei denen der Infekt 2—8—5 
Jahre zurückliegt, also um eine tertiäre Lues. Frühsekundäre 
Formen, die in Gestalt eigenartig schleppend verlaufender 
Bronchialkatarrhe schon wenige Wochen nach der syphilitischen 
Ansteckung sich bemerkbar machen, sind von Lang (10), 
Schnitzler (7) u. a. beobachtet worden, aber selten. Leider 
lassen uns die amnestischen Angaben häufig im Stich, und die 
Tatsache der mehrere Jahre voraufgegangenen syphilitischen In¬ 
fektion wird wissentlich oder unwissentlich verheimlicht. 

Auf alle Fälle aber mache man es sich zur Regel, bei allen, 
auch nur im entferntesten auf Lungensyphilis verdächtigen Fällen 
auf sonstige luische Stigmata oder Krankbeitszeichen zu achten 
und zu fahnden. Solche wurden z. B. in sämtlichen der von 
Wilmanns beobachteten Fälle gefunden. In den 8 von Alb. 
Fraenkel (1. c.) veröffentlichten Fällen wurden im ersten syphi¬ 
litische Hautgeschwüre und Gaumendefekt, im zweiten eine syphi¬ 
litische Mastdarmverengerung und hn dritten eine Kombination 
mit Tabes dorsalis und tertiärer Hautsyphilis festgestellt. Auch 
in dem von mir (11) beschriebenen seltenen Falle einer hereditären 
Lungenlues bei einem 12jährigen Knaben erweckte ein Gaumen¬ 
defekt den Verdacht, dass die Lungenerkrankung des Kindes 
luischer Natur sei. Ganz besonders achte man auch auf gleich¬ 
seitig bestehendes Aortenaneurysma [Aufrecht (12), Herz (18)] 
und auf Kehlkopflues [Schnitzler (7)]. 

Zu diesen diagnostischen Merkmalen und Hilfsmitteln, die 
uns bei einiger Sachkenntnis immerhin schon erheblich über das 
Niveau der Wahrscheinlichkeitsdiagnose emporheben, ist nun in 
neuerer Zeit als wertvolle Bereicherung die Wassermann’sche 
Reaktion getreten. Es ist hier nicht der Ort, über Wesen und 
Bedeutung der Wa.R. zu diskutieren, indessen ein positiver Aus- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81« 


fall der Reaktion, die im Zweifelsfalle stets angestellt werden 
sollte, wird in diagnostischer und ganz besonders in differential- 
diagnostischer Hinsicht, speziell gegenüber der Tuberkulose, die 
Diagnose sichern helfen. 

Weiterhin hat man in den letzten Jahren mit bestem Erfolge 
die Röntgendurchleuchtung zur Kl&rung der Sachlage herange¬ 
sogen. 

Groedel (14), Deutsch (5) u. A. haben sich in neuester 
Zeit auf diesem Gebiete besonders verdient gemacht. Nach 
Deutsch ist man heutzutage doch bereits so weit, ein für Lungen¬ 
lues charakteristisches Röntgenbild zu kennen. Dieser Befund 
im Röntgenbilde lautet: „intensiver, bandförmiger, mit der Basis 
gegen den Hilus gerichteter, nach aufwärts ziehender Schatten 11 . 
Groedel (1. c.) fand bei seinen 6 frühsekundären Fällen „bobnen- 
bis 1 Markstück-grosse, weiche bis mittelharte Schatten in grösserem 
Abstand vom Hilus, bei sonst normalem Lungenbild“. Wir haben 
also danach eindeutige Röntgenbefunde sowohl für die tertiäre 
Form (Deutsch) wie für die frühsekundäre (Groedel). Der 
letztgenannte Autor meint, dass das „Fehlen deutlicher Verstär¬ 
kung der Lungenzeichnung oder der Hi lusschatten, die geringe 
Härte der Schatten und ihre absolute Isolierung nie den Ver¬ 
dacht auf Tuberkulose aufkommen lässt“. 

Schliesslich bat man auch ex eventu, d. h. nachträglich aus 
dem Erfolg der antisypbilitischen Behandlung, eine Erhärtung der 
Diagnose „Lungensyphilis“ folgern wollen. Dafür sprach die 
Besserung des Allgemeinbefindens und die nachweisbare Ab¬ 
nahme des physikalischen Lungenbefundes. Der allmähliche 
Rückgang einer gummösen Lungensyphilis unter spezifischer Be 
handlung ist durch Verfolgung des Einflusses der Therapie am 
Röntgenbild zum ersten Male von mir (11) in objektiver Weise zur 
Darstellung gebracht worden. In differentialdiagnostischer Be¬ 
ziehung kommt, wie bereits erwähnt, vor allem die Tuberkulose 
in Frage. Die Schwierigkeit der Unterscheidung ihr gegenüber 
wird dadurch noch erhöht, dass sich zur Lues nicht selten Tuber¬ 
kulose hinzugesellt und umgekehrt. In letzterem Falle, d. h. 
wenn zu bestehender Tuberkulose eine Lues hinzukommt, kann 
die Diagnose allerdings geradezu zur Unmöglichkeit werden. Im 
ersteren Falle, d. b. wenn die Tuberkulose das sekundäre ist, 
oder wenn es sich nur um die Entscheidung der Frage Lues 
oder Tuberkulose bandelt, werden die oben angegebenen diagno¬ 
stischen Kriterien und Hilfsmittel im allgemeinen zum Ziel führen; 
ev. kommt noch der Tierversuch (v. Hansemann [15]) oder 
eine probatorische Tuberkulininjektion in Betracht. 

Gegenüber Tumoren oder Lungenabszess wird das Fehlen 
schwerer kachektischer Symptome bei jenen und die Abwesen¬ 
heit höherer Fiebergrade bei diesem für die Diagnose von ent¬ 
scheidender Bedeutung sein, abgesehen vom Ausfall der Wasser- 
mann’schen Reaktion. 

Auf die Möglichkeit einer Verwechselung mit kardialer 
Stauung hat Groedel (I. c.) kürzlich hingewiesen. Hier ent¬ 
scheidet vor allem das Röntgenbild, das bei kardialer Stauung 
im Gegensatz zur Lungensyphilis „dem Herzscbatten dicht auf¬ 
sitzende, zusammenhängende, knollig verästelte Schatten zeigt“. 
Ueber die Behandlung der Lungensyphilis bedarf es nur weniger 
Worte. Jodkali, Hg-Schmierkur ev. in Kombination mit Intra 
venöser Neosalvarsaninjektion verbürgen im allgemeinen den 
prompten Erfolg. Zinn (I. c.) rühmt ausserdem Sublimatein¬ 
atmung (Sublimat 0,5, Ghlornatr. 0,5, Aq. dest. 1000,0). 

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die Lungen¬ 
syphilis ist weit h&ufiger als man bisher annahm. Anamnese 
und sonstige luische Krankheitszeichen, charakteristischer physi¬ 
kalischer Lungenbefund, subakuter bis chronischer Verlauf mit 
nur leichten Fiebersteigerungen und geringfügigen Hämoptysen, 
Fehlen eines Tuberkelbazillenbefundes und positiver Wassermann, 
charakteristisches Röntgenbild und klinisch wie röntgenologisch 
nachweisbarer Erfolg der spezifischen Therapie sind die Hilfs¬ 
mittel, die uns heutzutage gestatten, mit ziemlicher Sicherheit 
die Diagnose auf Lungensyphilis zu stellen. Im übrigen gilt vor 
allem der Ausspruch von Dieulafoy (16): „Le vrai moyen de 
diagnostiquer les pneumopathies syphilitiques, c’est d’y penser“. 

Literatur. 

1. Wilmanns: M.m.W., 1916, Nr. 42. — 2. Rössle: M.m.W., 
1918, Nr. 86. — 3. Rollet: Wien. med. Presse, 1875, Nr. 47. — 
4. Grandidier: B.klW., 1875. Nr 15. —**5. Deutsch: Fortsohr. a. d. 
Geb. d. Röntgenstr., 1917, Bd. 24, S. 541. — 6. Zinn: Charite-Annal., 
1898, Bd. 23. — 7. Schnitzler Wien.med. Press*, 1879. — 8. Sohech: 
D. A. f. kl. Med., Bd. 31. — 9. Alb. Fraenkel: Spez. Path. u. Therap. 
d. Lungenkrankh. — 10. Lang: zit. nach Alb. Fraenkel (9). — 


11. Kayser: Fortsehr. a. d. Geb. d. Röntgenatr., Bd. 22, S. 214ff. — 

12. Aufrecht: Nothnagel’« Handb. d. spez. Path. u. Therap., Bd. 14 
I. Teil, S. 286ff. — 18. Hertz: Viroh. Arcb., Bd. 57, S. 421. - 
14. Groedel: M.m.W., 1919, Nr. 12, S. 318. — 15. v. Hansemann: Ver- 
hdl.d.XIX.Kongr.f.inn.Med., Wiesbaden 1901, S. 562. — 16. Dieulafoy: 
zit. nach Alb.Fraenkel (9). 


BQoherbesprechungen. 

Ersatzglieder and Arheitshilfea für Kriegsbeschädigte aad Ulfall* 
verletzte (Berlin 1919, Verlag von Julius Springer) betitelt sich sich das 
Werk, welches von der ständigen Ausstellung für Arbeitswohl¬ 
fahrt zusammen mit der Prüfstelle für Ersatzglieder in Char¬ 
lottenburg herausgegeben wurde und in ausführlichen Aufsätzen die 
bewährten Prinzipien für den Prothesen- und Apparatebau erläutert, 
sowie die rein ärztlichen Fragen einer geeigneten Stumpfformung einer 
eingehenden Beantwortung unterzieht. Es muss io jeder Hinsicht er¬ 
freuen. Eine Reibe von Medizinern, Ingenieuren und Mechanikern, deren 
Namen schon für die Gute des Gebotenen bürgen könnten, hat das Buch 
▼erfasst, welches auf über 1000 Seiten, auf Hunderten von Abbildungen 
das umschriebene Gebiet darstellt. Es will die mannigfachen Versuche, 
die unübersehbare Anzahl von Erfindungen, die vielen Wege ärztlicher 
Therapie sichten und das vorderhand Brauchbare in Wort und Bild fixieren. 
Es bietet einen Extrakt aus dein Material, welohes die Prüfstelle des 
preussiscben Kriegsministeriums einer empfehlenden Begutachtung für 
würdig gehalten hat. 

Nirgends waren bis jetzt die Ergebnisse des Forschungsgebietes 
zusammengefasat, das der Krieg zu einer erschreckenden Aktualität ge¬ 
bracht. Das Schioksal hat die Möglichkeit geschaffen, Experimente im 
grössten Maassstabe anzusetzen. Die Notwendigkeit rasoher Hilfe, der 
Zwang äusseren Geschehens, das Elend zerstörter Menschengestalt und 
-kraft trieben alle, deren Beruf sie dazu befähigte, an, ihr Können der 
Lösung dieser Probleme zur Verfügung zu stellen. Während des 
Krieges waren die Fachzeitschriften überladen mit Artikeln, welche Neue¬ 
rungen anpriesen. Gewaltige Energien arbeiteten sozusagen kritiklos. 
Die Einzelwillen strebten auseinander. Sogar der spezialistisoh geschulte 
Chirurg musste den Ueberbliok verlieren. Da erstand in der Charlotten¬ 
burger Prüfstelle dem Wirrwarr ein Zentrum, das die allseitig zer¬ 
streuten Kräfte an sich zog, um sie zu werten und nicht nutzlos 
zerflattern zu lassen. Hervorragende Forscher wurden ihr beigeordnet. 
Von amputierten Kriegern wurden in Werkstätten die eingesandten Er¬ 
findungen geprüft, verbessert oder als unbrauohbar zur Seite gestellt. 
Das Ergebnis dieser Gutachtertätigkeit stellt das umfangreiche Werk dar. 
Es hatte gefehlt; daher ist sein Erscheinen zu begrüssen. Das Gewand, 
in dem es sioh gibt, entspricht seinem inneren Gehalt. Druck und Ab¬ 
bildungen sind vorzüglich. 

Der Inhalt beweist zwar auf den ersten Blick, dass sowohl Techniker 
als Aerzte noch weit davon entfernt sind, ihre Aufgaben restlos zu lösen. 
Die mannigfachen Wege, auf welchen sie dem Ziele zustreben, durch 
Menschenhand etwas Naturgewachsenes nachzubilden, kreuzen sich, diver¬ 
gieren, fressen einander zu: Die sichere, breite Strasse ziehen höchstens 
die theoretischen Forderungen, welche sich, wie mir scheint, geklärt und 
gefestigt haben. Ebenso deutlich ergibt die Lektüre, dass die Nachbildung 
der unteren Extremität zu befriedigenderen Resultaten führte als die 
Schaffung von Ersatzarmen, was durch die ungeheuer komplizierte Funk¬ 
tion der Hand hinreichend erklärlich erscheint. Die geniale Idee, an 
Stelle eines kaum zu wiederholenden Universalinstrumentes einzelne 
Werkzeuge zu setzen, deren einfache Handhabung durch Stumpfbewe¬ 
gungen geregelt werden, hat aber auoh hier in den meisten Fällen den 
Ausfall erträglich gemacht. Dass man überhaupt dazu kommen wird, 
einheitlich vorzugehen bei Versorgung von Amputierten, muss wohl ver¬ 
neint werden, solange es nicht gelingt, die Behandlung von anderen, 
z. B. transplantatorisoben Gesichtspunkten aus zu betrachten. Um so 
mehr dürfen wir uns freuen, endlioh ein grossangelegtes Handbuch zu 
besitzen, das uns in den Stoff einführt und ihn zudem so weit fasst, dass 
auch der Sachverständige mit Nutzen seine Seiten durchblättern, in der 
Fülle der gebotenen Erfahrungen naohsehlagen wird. Die Aufsätze des 
orthopädisch geschulten Chirurgen über Erzielung guter Stümpfe sind all 
denen ans Herz zu legen, welche gezwungen sind, zum Amputationsmesser 
zu greifen, oder, die wie mancher praktische Arzt in den Fall kommen, 
Stnmpfnachbebandlungen zu übernehmen. Geradezu unentbehrlich kann 
das Werk für jeden sein, der mit einer „Idee“ begnadet sioh mit reinsten 
Absichten an den Bau von Prothesen wagt. 

Ich will, um einen ungefähren Inhaltsüberblick zu ermöglichen, kurz 
einige der Aufsätze erwähnen, ohne erschöpfend zu sein. Der Raum ver¬ 
bietet eine allzu detaillierte Würdigung. 

Im ersten Absobnitt werden von Sohwiening, Hartmann und 
Exner Fragen organisatorischen Inhalts besprochen. Der zweite Teil 
wird eingeleitet durch einen Aufsatz über die Physiologie von Arm und 
Bein, in welchem du Bois-Reymond alles für deu Prothesenbau Wich¬ 
tige zusammenstellt. Borchardt und Payr bieten ihre reichen Erfahrungen 
über die Erzielung brauchbarer Stumpfe und werten die verschiedenen 
typischen AmputatioDsmetboden nach modernen, oft der Schulweisheit 
fremden Gesichtspunkten. Die Sauerbruch’sohe Methode der Gewinnung 
kontraktiler Muskelwulste zur aktiven Bewegung der gelenkigen Prothesen- 
teile wird vom Erfinder in einem Referat anschaulich erläutert. Mit 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 






4. Aognat 1919, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


786 


knappen Sätzen umreiset Goobt die Aufgabe, welche kontrakte Bein¬ 
stümpfe an Aerste und Techniker stellen. Die klaren, von grosser Er¬ 
fahrung gestützten Ausführungen sind ton grundlegender Bedeutung. 
Den dritten Abschnitt beherrscht die Arbeit von Sohlesinger. Sie be¬ 
lasst sich mit einer eingehenden Darstellung des mechanischen Aufbaues 
der Kunstglieder. Die fast verwirrende Fülle der beschriebenen Kon¬ 
struktionen, zu deren Erklärung eine Menge photographischer und Schema* 
tisoher Abbildungen beiträgt, wird nach grossen Gesichtspunkten geordnet, 
so dass ein in sich geschlossenes Ganzes entsteht, das die gesamte Ent¬ 
wicklung der Prothesenteohnik umfasst. Mehr als eine blosse Be¬ 
schreibung der alten, neueren und neuesten, der vergessenen, wieder¬ 
und nacherfundenen Ersatzteile lernen wir kennen. Eine kluge und 
überzeugende Kritik wird geboten, welche Vor- und Nachteile jeder Ban¬ 
dagenart, jeden Kunstgliedes begründet. Im Anschlüsse an diese grosse 
Monographie werden vom Fachmechaniker Bin gier die Rohstoffe nach 
ihren physikalischen Eigenschaften gewürdigt, welche zur Herstellung von 
Ersatzgliedern Verwendung finden. Ueber Behelfsprothesen orientieren 
Aufsätze von Max Böhm und Hoeftmannf. Die Frage der Normali¬ 
sierung behandeln Ehrenfest und Leymann. Der fünfte Abschnitt 
enthält Artikel über Spezialfälle. Die Versorgung von kurzen Stümpfen, 
von doppelt Amputierten, von Pseudarthrosen und Lähmungen findet 
eingehende Würdigung (Spitzy, Erlaoher, Radike, Kramer usw.). 
Für den Praktiker dürfte ein Kapitel über Stützapparate bei Radialis- 
lähmung aufschlussreichen Inhalt bieten, v. Künssberg hat die Hilfs¬ 
mittel des täglichen Lebens beschrieben, all die kleinen, scheinbar un¬ 
wichtigen Mittel und Kunstgriffe, deren Vorhandensein dem Patienten so 
manohen Aerger ersparen, ihn vor Verbitterung hüten. Aehnliche Vor¬ 
richtungen an Maschinen, Werkzeugen und Arbeitsgeräten bespricht Hart¬ 
mann, um den Kriegsbeschädigten eine Tätigkeit ohne Ersatzglieder zu 
ermöglichen. 

Zum Schlüsse werden die Leistungen Amputierter in Fabrik und 
Landbau untersucht, die Wege gewiesen, welche am gründlichsten diese 
im Kampf um den Erwerb Zurüokgestellten mit dem Gebrauch ihrer 
Kunstglieder vertraut, wieder konkurrenzfähig und arbeitsfreudig machen 
(Sohlesinger, E. C. Böhm u. v. a.). Das Werk erhält daduroh einen 
formalen Abschluss, der gleiohsam mit einem Appell an Willen und 
Energie der Amputierten, sowie an Einsioht und Mithilfe der gesund ge¬ 
bliebenen Volkstelle seinen Kreis über die gestellten Fragen hinausdehnt 
und wichtigste soziale Probleme streift, an denen heute kein Mensch 
vorübergehen darf, wenn er nicht den Anschluss an sein Zeitalter ver¬ 
lieren will. 

Das Buch enthält das Beste, was auf diesen Gebieten überhaupt ver¬ 
öffentlicht wurde. Hans Debrunner-Berlin. 


Weiser: Medizinische Kinematographie. Dresden, Th. Steinkopf. Preis 
5 M. u. Teuerungszusohlag. 

Das Buoh will gleiohermaassen einführen und sammeln. Wissen¬ 
schaftliche Kinematographie wurde ja bisher nur als Liebhaberei einzelner 
Forscher und Dozenten hier und dort betrieben, ohne einheitliche Leitung, 
ohne Gedankenaustausch und Vergleiohung der Erfolge, vor allem trotz 
unwidersprochener Anerkennung ihrer Verwertbarkeit im Lehrbetrieb ohne 
praktische Nutzanwendung. Die Klagen über diese Mängel, gleich¬ 
bedeutend mit dem oft wiederholten Wunsch nach Schaffung einer Zen¬ 
tralstelle, ziehen sich durch das ganze Weiser’sche Buch. Doch während 
es im Druck war, entstand zuerst die verlangte „Zentralstelle für medi¬ 
zinische Kinematographie“, die kürzlioh mit mehreren Mustervorführungen 
wissenschaftlicher Filme an die Oeffentliohkeit trat, später bildete sich 
der Medizinische Ausschuss an der amtlichen „Bildstelle 1 * beim Zentral¬ 
institut für Erziehung und Unterrioht, dessen Spezialgruppen nunmehr 
Entwurf, Bearbeitung und Begutachtung jedes neuen Lehrfilmes untersteht. 

Umso mehr ist das Weiser’sche Buch zu begrüssen. Denn es er¬ 
füllt die Vorsätze, zu „sammeln“ und „einzuführen“ vortrefflich. Der 
geschichtliche Ueberblick über die Vorläufer, Anfänge und den Ausbau 
der Kinematographie ist wohl eines der interessantesten Kapitel aus der 
Geschichte der Physik, zumal wenn man nicht nur auf die „Wundersoheibe“ 
des Jahres 1825, sondern bis auf Ptolemäus im Jahre 130 mit seiner 
larbigen Sektorensoheibe zurückgeht. — Die Normalkinematographie mit 
all ihren Schwierigkeiten und Hemmnissen in der Aufnahmetecbnik, der 
Wiedergabe, der Filmverarbeitung ist in kurzen, umfassenden Kapiteln 
derart behandelt, dass die offensichtlich eigener praktischer Erfahrung 
entstammenden Belehrungen jeden Anfänger vor den üblichen Fehlern 
schützen müssen. Mikro- und Röntgenkinematographie sind eigene Ka¬ 
pitel gewidmet und vor allem ist der Hoohfrequenzkinematographie, dem 
Spezialgebiet des Verf.’s, die ihrer Bedeutung für Forschung und Analy- 
sierung von Bewegungsvorgängen entsprechende Bearbeitung zuteil ge¬ 
worden. Naoh kurzem Ueberblick über die Funken-Kinematographie — 
100000 Aufnahmen in der Sekunde! — wird allgemein und speziell auf 
die eigentliche und medizinische Kinematographie eingegangen und be¬ 
sonders in diesem letzten Kapitel ist dankenswerteste Sammelarbeit ge¬ 
leistet, jedes Spezialgebiet mit seiner bisherigen Teilnahme, seinen Er¬ 
folgen und Aussichten für die medizinische Kinematographie ausführlich 
behandelt. 

Dem Buche ist weiteste Verbreitung zu wünschen im Kreise aller 
der Mediziner, die als Mitarbeiter für medizinische Kinematographie oder 
als Abnehmer ihrer Filme zu Lehr-, Ausbildungs- oder Fortbildungs¬ 
zwecken sich bereits in grosser Zahl gemeldet haben und vermutlich 
nooh weit zahlreicher ihr gewonnen werden. Die Einführung, der Kinemato¬ 


graphie in die Hörsäle steht allem Anschein naoh bevor, und wenn auch 
der wissenschaftliche Film in einem Siegeszuge sich eine feste Position 
erringt, so wird dem Weiser'sehen Buoh ein grosser Teil dieses un¬ 
zweifelhaften Fortschrittes in der Vervollkommnung unserer Lehrmethoden 
zu danken sein. C. Thomalla. 


Literatur-Auszüge. 

Therapie. 

0. Jüngling-Tübingen: Röntgenbehandliag der Aktinonykese 
der Kopf- und Halsgegend — die Methode der Wahl. (M. m. W., 1919, 
Nr. 26.) Die Röntgenbehandlung der Aktinomykose ist bezüglich Heilung 
und kosmetischen Erfolg die Methode der Wahl und der operativen Be¬ 
handlung weit überlegen. Schon naoh der ersten Bestrahlung tritt meist 
Besserung ein, die aber erst nach der 3. Sitzung wesentlich wird. Die 
Bestrahlungen erfolgten in Abständen von 4—6 Wochen, jeweils wurde 
eine Hauteinheitsdosis pro Feld gegeben. Für tiefgreifende Prozesse ist 
eine sehr leistungsfähige Apparatur erforderlich. R. Neu mann. 

Haike-Berlin: Die Behandlung des fleafiebers mit Uptoehinam 
hydroehlorieaai. (D. m. W., 1919, Nr. 25.) H. benutzt die anästhesie¬ 
rende Wirkung des Optochins für Behandlung des Heuschnupfens. Er 
pinselt die Nasensohieimhaut mit einer Lösung 0,25:25,0, der 2,0 
Glyzerin zugesetzt ist, mehrere Tage hintereinander und schiebt dann 
einige freie Tage in die Behandlung ein. Gleichzeitig träufelt er einige 
Tropfen derselben Lösung in den Bindehautsaok, der vorher mit lproz. 
Holokainlösung anästhetisch gemacht ist. Er ist mit den Resultaten 
dieser Behandlung sehr zufrieden. 

Barth-Leipzig: Oertliche Behandlung infektiöser, bestaders auch 
ulzerierender Anginen mit Kalizylsiure. (D. m. W., 1919, Nr. 23.) B. 
wendet die Salizylsäure als lOproz. Lösung in Alkohol und Glyzerin 
an und betupft damit die belegte Stelle und ihre nächste Umgebung; 
Gesohwüre selbst werden leicht eingerieben. B. lässt zugleich mit 
lOproz. Salizylsäure in Alkohol (15—20 Tropfen in ein Glas Wasser) 
gurgeln. Dünner. 

0. Sachs-Wien: Behandlung der Aagiao neerotica (Plaut-Vinoenti), 
Angina laounaris, sowie einiger Formen von Stomatitis mit intravenösen 
Injektionen einer 40proz. sterilen (Jrotropinlösuag. (W. kl. W., 1919, 
Nr. 24.) Dass die intravenöse Injektion in einigen Fällen Plaut-Vmoent- 
scher Angina schneller zur Heilung führt, als andere Methoden, geht 
aus einigen der angeführten 13 Fälle vor. Glaserfeld. 

J. Neumayer-Kaiserslautern: Ueber die Strophantinbebandluig 
des Herzens. (M. m. W., 1919, Nr. 26.) Intravenöse Strophantininjek¬ 
tionen sollen nicht nur als Ultimum refugium, sondern schon bei gerin¬ 
geren Kompensationsstörungen angewandt werden; sie wirken meist 
sioherer, schneller und besohwerdeloser als die innerliohe Digitalis¬ 
therapie. Beginn mit V 2 mg, dann ansteigend auf 1 mg. Erforderlich 
sind 8—12 Injektionen in 3—8 tägigen Intervallen. 

G. v. Bergmann-Marburg: Zur Chinidintherapie des Herzens. 
(M. m. W., 1919, Nr. 26.) Es gelang in 6 von 9 Fällen mit Chinidin 
(nach probeweiser kleinerer Dosis, etwa 0,4—0,8 pro Tag, in Pillen) 
Vorhofsfiimmern zu beseitigen und selbst schon ganz aussichtslose Fälle 
mit stärkstem Delirium oordis und Dekompensation glänzend zu bessern. 
Die Chinidinwirkung beruht auf einer Hemmung aller Qualitäten des 
Herzmuskels; beim Flimmern spielt die Herabsetzung der Reizbarkeit 
und pathologischen Reizbildung die Hauptrolle. Kombination mit kali- 
reicher Kost (Kartoffeln) und zugleich koohsalzarmer, auch medikamen¬ 
töse Darreichung von Kalium chloratum (5,0:150,0) ist zu empfehlen. 
Dosierung: 3 x 0,4-Chinidin sulfuric. 3—4 Tage lang ev. noch höhere 
Dosen, doch mit Vorsioht wegen der lähmenden Wirkung des Chinidins 
auf das Atemzentrum. Mit Einsetzen der Wirkung nooh 3—8 Tage 
lang Fortsetzen der Chinidingaben unter langsamem Heruntergehen. 

R. Neumann. 

W. Al wen s-Frankfurt a.M.: Zur Therapie der tirippepnenmenie. 
(D. m. W., 1919, Nr. 23.) (Naoh einem am 17. März 1919 im ärztlichen 
Verein zu Frankfurt a. M. gehaltenen Vortrage.) Wegen der Mischung 
von Pneumo- und Streptokokken kann man Optoohin und Eukupin mit 
Aussicht auf Erfolg anwenden. Ob Eukupin dem Optochin überlegen 
ist, ist vorläufig nooh unentschieden, ebenso ob die kombinierte Serum- 
Optoohin- bzw. Eukupinbehandlung Besseres zu leisten vermag. Kollargol, 
Serum, Neosalvarsan stehen in der Wirksamkeit hinter den spezifisch 
chemotherapeutisch wirkenden Chininderivaten zurück. Dünner. 

A. Kühn-Rostocks Kieselsftire und Tnberk niese. (Ther. Mh., 
SS. Jahrg., Juni 1919.) Zahlreiche Untersuchungsergebnisse und Beob¬ 
achtungen weisen auf einen erhöhten Bedarf des tuberkulösen Organis¬ 
mus an Mineralzufuhr und günstige Wirkung dieser auf die Erkrankung 
hin. Daraus leitet K. die Berechtigung zu energischer Kalk- und Kiesel¬ 
säuretherapie her, zu der ihn auch Kobert anregte. Die Kalkzufuhr 
geschah in Form von Kalzan, Calc. phosphor., Glykokalzium u. ähnl. 
Als beste Form der Kieselsäuredarreichung erschien die Verwendung 
kieselsäurereichsn Tees: Herba Equiseti minor. (von möglichst sandigem 
Boden geerntet!) 75,0, Herba Polygoni 150,0, Herba Galeopsidis 50,0. 
M. f. spez. DS. 3 mal IV 2 Esslöffel auf 2 Tassen Wasser, einkochen auf 
1 Tasse. (Versuche zur Hexstellung eines genau dosierbaren Präparats 
sind im Gange.) Aus der Beobachtung von über 800 sicher diagnosti¬ 
zierten Fällen von Lungentuberkulose aller Stadien hat K. die Ueber- 


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UMIVERSITY OF IOWA 






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BERLINER KLINISCHE WoCtiEftSCttRtRt. 


Kr. 8l, 


zeugung gewonnen, dass der Tuberkuloseverlauf daroh rechtzeitige and 
jahrelange Kieselsäurezufuhr, deren Unsohädliohkeit vollkommen er¬ 
wiesen ist günstig beeinflusst werden kann. Mitteilung mehrerer Kranken¬ 
geschichten, in denen besonders die Gewicbtssanabme der Patienten 
auffallend ist. Bertkaa. 

Ni8sle - Freibarg i. Br.: Weiteres über die Mitaflorbehaidliig 
unter besonderer Berücksichtigung der chronischen Ruhr. (M.m.W., 
1919, Nr. 25.) Die Mutaflorbehandlung beaweokt die Verdrängung jeder 
schädlichen Dickdarmflora duroh einen antagonistisch wirkenden Stamm 
des Bacterium ooli. In Fällen von chronischer Ruhr hat sie sioh gut 
bewährt, ebenso bei einer Anzahl nichtinfektiöser Kolitiden. Auch bei 
anderen Erkrankungen, wie perniziöser Anämie, Milchsohorf, Gicht wurden 
durch Mutaflor Besserungen erzielt, woraus man auf einen ursächlichen 
Zusammenhang dieser Erkrankungen mit einer abnormen Darmflora 
schliesen kann. R. N e u m a n n. 

E. Martini: Impfug gegen Fleekfleber mit seisibilisiertem i»>r- 
Stoff naoh da Rooha-Lima. (D. m. W., 1919, Nr. 24.) Von 8 Geimpften 
erkrankte einer, der aber vielleicht schon vor der Impfung Symptome 
von Fleekfleber hatte. Von den Nichtgeimpften erkrankten noch 2 Leute. 
Die Impfmasse wurde in der Weise hergestellt, dass für jeden Impfling 
auf 15 oom spezifischen Serums 5 ccm Schutsimpfstoff (Läuseimpfstoff 
da Rooha-Lima) kamen. Dünner. 

0. Kren: Zur Therapie der Trichophyton-Infektion. (W. kl. W., 
Nr. 25.) Oberflächliche Herde: Einstellen des Rasierens, Epilation, 
Schälung mit 4pros. Salizylalkohol. Tiefe Herde: Einstellen des 
Rasierens, Epilation; zunächst heisse Waschungen und Kataplasmen am 
Tage, naohts lOproz. Emplastrum saponato-salieylicum, zur Krusten¬ 
entfernung und zum Durchbruch kleiner Abszesse; ev. Trychophytin 
oder Alaun oder Terpentin, endlich 5proz. Salizylalkohol. Die ganze 
Behandlung muss 3—4 Wochen länger fortgesetzt werden, als irgend 
ein Symptom der Affektion noch sichtbar ist. Glaserfeld. 

W. v. Goeldel: Erfahrungen über Vaziabehaidlag von Kaie- 
geleaksehissen. (M.m. W., 1919, Nr. 26.) Vusin erwies sich als ein 
ausserordentlich wirksames Prophylaktikum bei Gelenkverletzungen. Bei 
richtiger chirurgischer Wundbehandlung: Exzision und Revision des 
Wundkanals, exakte Naht der Gelenkkapsel, Sohienenverband heilten die 
Wunden unter Vuziulülluog und Spülung der Gelenke meist schnell ohne 
Eiterung und mit Erhaltung der Beweglichkeit 

E. Müller-Erlangen: Zur Behandlung der ßlooeaptpilloae. (M. m. 
W., 1919, Nr. 26.) Duroh mehrfache Injektion von 5 oom einer 20proz. 
Kollargollösung in die Blase konnte infolge daduroh bedingter Nekroti¬ 
sierung der Papillomzotten günstige Wirkung in 2 Fällen von Blasen¬ 
papillom erzielt worden: Aufhören der Blutung, Abgang von Gewebs- 
fetzen des Tumors. R. Neu mann. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie« 

E. Christeller-Königsberg: Eine eigenartige Sperrverriehtaag 
an den Fingern. (D. m. W., 1919, Nr. 25.) Naoh einer Demonstration 
im Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königsberg am 24. 3. 1919. 

Dünner. 

W. Spielmeyer-München: Die Kleinkirnverladetang beim Typhus 
in ihrer Bedeutung für die Pathologie der Hirnrinde. (M. m. W., 1919, 
Nr. 26.) Sowohl bei Typhus, Flecktyphus und Paratyphus, als auoh bei 
progressiver Paralyse und beim genuinen und symptomatischen Status epilep- 
tious wurde der Befund einer akuten, strauebigen Gliazellproliferation m 
der Kleinhirnrinde erhoben. Diese GliazellVermehrung wird veranlasst 
duroh den bei diesen Krankheiten einsetsenden Schwund von Purkinje- 
zellen und ihren Fortsätzen. Die Molekularsone des Kleinhirns bsw. 
die Purkinje’sohen Zellen steilen offenbar einen äusserst empfindlichen 
Apparat dar, dei auf die allerversohieden artigsten Schädlichkeiten reagiert. 

R. Neumann. 


Parasltenkunde und Serologie« 

H. Kronberger-Davos: Eine einfaohe Methode der Dankelfeld- 
beleaehUag. (D.m.W., 1919, Nr.24.) Dünner. 

W. Kölle und H. Ritz-Frankfurt a. M.: Ueber Spontaaflbertragug 
der Kanucheisyphilis. (Derm. Ztschr., Juni 1919.) Eins der infizierten 
Tiere, bei dem sioh besonders schön entwickelte spirochätenreiohe 
Papeln, die nässten und zum Zerfall neigten, in der Vagina entwickelt 
hatten, wurde der Ausgangspunkt spontaner (Jebertragung der Syphilis 
auf dem Wege des Geschlechtsverkehrs, die bisher bei Hänichen nooh 
nioht beobachtet worden war. Immer wahr. 

E. Ungermann und M. Zülzer-Berlin: Zar experimeitellei 
Peekeadiagaose. (D. m. W., 1919, Nr. 28.) Angaben eines Verfahrens, 
das die Untersuchung des gesamten Epithels der Pookenherde eines 
ganzen Auges in einem Präparat zusammengedrängt und möglichst frei 
von normalem Kornea-Epithel ermöglicht. Die Methode wird eingehend 
geschildert. Dünner. 

J. L. Burokhardt Basel: Untersuchungen über die Aetiologie 
der llflieisa 1918, (Corr. Bl. f. Schweiz. Aerzte, Nr. 22 u. 23.) Naoh 
Ansicht des Verf. ist der Pfeiffer’sche Influenzabazillus nicht als der 
Erreger der epidemischen Influenza oder Grippe anzusehen, ebenso dürften 
die Diplostreptokokken oder Grippestreptokokken nicht die Erreger der 
Grippe, sondern nur die Erreger der Komplikationen sein. Die uogeheuer 


leichte Verbreitung der Influenza lässt auf einen kleinsten, nioht bak¬ 
teriellen lofluenzuerreger, am ehesten auf ein sogenanntes „filtrierbares 
Virus“, ähnlich dem Pockenerreger, schliessen. Die von An ge rer und 
anderen beschriebenen und auch vom Verf. in Kulturen gefundenen 
Körperchen können vielleicht als filtrierbares Virus angesehen werden. 
Ein sicherer Beweis ist bisher jedoch noch nicht erbraebt worden. 

0. Fabian. 

L. Fej es-Budapest: Die Aetiologie der Iaflaeisa. (D. m. W., 1919, 
Nr. 24.) Das Sputum von Infiuenzapneumoniekranken enthält einen 
filtrierbaren Infektionserreger, welcher bei Affen subkutan verimpft eine 
hämorrhagische Sepsis verursacht. Die jetzige Grippe stellt eine septisohe 
AUgemeinerkrankung dar, io deren Pathogenese die Gelässwanderkran- 
kung, die Neigung zur Blutung die höchste Bedeutung besitzt Ebenso 
wie bei der Schweinepest der Bacillus suipestifer und suiseptious nur 
Begleitbakterien sind, weiohe die Mischinfektionen verursachen, müssen 
wir den Erreger der Influenza in einem filtrierbaren Virus suchen, der 
in den Versuchen von F. die Sepsis der Affen verursachte. Dünner. 

F. Passini: Beziehungen zwischen Resisten der Bakterien gegen¬ 
über Desiafektioasarittela und der Therapie. (W. kl. W., 1919, Nr.24.) 
Es fällt manohmal auf, dass bei Infektionen der Harnwege duroh Bao- 
terium ooli mit Salol niohts auszurichten ist, während Urotropin wirkt, 
und umgekehrt desgleichen. Experimentell konnte Verf. naohweisen, 
dass der Erfolg oder das Versagen des einen oder des anderen Medi¬ 
kamentes mit einer spezifischen Resistenz des jeweilig infizierenden 
Bakterienstammes gegenüber Urotropin (Formaldehyd) resp. Salol (Phenol) 
zusammenhängt. 

0. Weltmann und H. Molitor: Ueber die 8eraMreaktioaeB bei 
einem Fall von Xn-lafekttoa (Mischinfektion mit Paratyphus-A) in ihrer 
Beziehung zur Weil-Felix’sohen Fleckfieber-Reaktion. (W. kl. W., 1919, 
Nr. 25.) Das Resultat der Reaktionen muss im Original nachgelesen 
werden. Der Fall erweist, dass ein Proteusbazillus im Organismus 
kreisen kann, ohne die spezifischen Erscheinungen des Fleokfiebers hervor- 
zurufen. Ferner zeigt er, dass eine Infektion mit dem Proteus X im 
mensohliohen Organismus Eigenschaften des Serums zur Folge hat, die 
sioh scharf von den Eigenschaften des Fleckfieberserums unterscheiden 
lassen. Glaserfeld. 

E. Meinioke-Hagen: Zur Technik meiner Laeareaktiea. (D.m.W., 
1919, Nr. 24.) M. gibt eine neue Verdünnungsteohnik an. Dünner. 


Innere Medizin. 

W. Flein er-Heidelberg: Neue Beiträge zur Pathologie des Mageas. 
(M.m.W., 1919, Nr. 22 u. 28.) Eingehende Erörterungen über die Ur¬ 
sachen und Folgen des sogenannten Kardiospasmus. Bei diesem bleibt 
die Sonde meist nioht an der Kardia stecken, sondern lässt sioh 45 bis 
50 cm tief sohieben. Röntgenologisoh siebt man den Kontrastbrei nioht 
an der Kardia konisch endigen, sondern man sieht einen schnabelartigen 
Fortsatz 10—15 om unter das Zwerchfell hinüberreiohen, der der kleinen 
Kurmtur zugehört und die zum Canalis gastricus geschlossene Magen¬ 
strasse darstellt. Eb muss also die Kardia und ein Teil des Suloua 
gastricus an der kleinen Kurvatur offengeblieben sein, während das Ge¬ 
wölbe und der Körper des Magens gesperrt und deshalb leer blieben. 
Der Krankheitszustand, den man als Kardiospasmus bezeichnet, beruht 
also nioht auf einem spastischen Verschluss der Kardia, sondern auf einer 
pathologischen Absperrung des Magengewölbes und des Magenkörpers 
vom oberen Abschnitt des Sulcus gastricus. Man kann diesen Zustand, 
der reflektorisch vom Mageninhalt ausgelöst und duroh starke Zusammen- 
ziebung der Muskel wand und hohe Faltenbiidung der Schleimhaut ver¬ 
ursacht wird, auoh als mittlere Magensperre bezeichnen. Es führt zur 
Retention der Speisen ein eigentlicher Digestionsraum des Magens. Im 
Gegensatz dazu steht die obere Magensperre oder der totale Kardia- 
versohluss und die untere Magensperre, der physiologische und spastische 
Pylorusverschluss. Als Folgen des Kardiospasmus und der dabei be¬ 
stehenden Speiseröhrenerweiterung sind entzündliche Veränderungen, 
Magengeschwüre, Epitheliomwuoherungen und Karzinome zu verzeichnen, 
letztere beiden öfters traumatisoh duroh Sondenmissbrauoh verursaoht. 

G. Lepeh ne-Königsberg: Neuere Anschauungen über die EaUtokaag 
eisiger iktorasformea. (M.m.W., 1919, Nr. 23.) Es sind 2 Haupt¬ 
gruppen des Ikterus zu unterscheiden: 1. Der Stauungsikterus mit Ver¬ 
schluss der Gallengänge, dazu gehört auoh Eppinger’s partielle Gallen¬ 
stauung durch „Gallenthromben“ und 2. der Ikterus bei klinisch nioht 
feststellbarer Verlegung der Gallengänge, dazu gehört unter anderen der 
Ikterus bei Infektionskrankheiten, bei Vergütungen, der hämolytische 
Ikterus, die Weil’sohe Krankheit. Die eine Theorie sucht diesen Ikterus 
duroh Dysfunktion der geschädigten Leberzellen zu erklären, die andere 
erklärt ihn als hämatogenen Ikterus. Besonders französische Autoren 
vertreten die Anschauung, dass die Leber nur als ein Ausscheidungs¬ 
organ für die bereits im Blute- vorgebildeten Galienbestandteile anzu¬ 
sehen ist. Weitere Forschungen, besonders der Aschoff’sehen Sohule, 
haben dann ergeben, dass der retikulo-endotheliale Stoffweohselapparat, 
d. h. die Kupffer’schen Sternzellen in Leber, Milz, Lymphdrüsen und 
Knoohenmark, hämolytisohe Eigenschaften haben und Bilirubin bilden, 
mithin Ikterus hervorrufen können. Besonders der Milz kommt eine 
grosse Rolle bei der Entstehung mancher Ikterusformen zu. So konnte 
der Verf. bei der Weil’sohen Krankheit eine histologisch siohtbaren, 
reiobliehen Zerfall von Erythrozyten in den retikulo-endothelialen Zeilen 


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4. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


737 


Tier Mil« naohweisen. Das lässt an eine ikterogene Tätigkeit extra¬ 
hepatisch, vor allein der Milz denken. Bin weiterer Beweis dafür ist die 
▼on anderer Seite gemaohte Feststellung, dass sich in manohen Ikteras- 
fallen im Milzvenenserum mehr Gallenfarbstoff als im Serum aus anderen 
Körpervenen naohweisen liess. Somit kann der Ikterus entweder durch 
Störung der Gallenaussoheidung oder durch Ueberproduktion an den 
Farbstoffbildungsstellen, also besonders derMilz, entstehen, derdieAusscbei- 
duog nicht gewachsen ist, oder endlich durch Kombination beider Formen. 

R. Neumann. 

W. Löffler-Basel: lieber den GrudaBsatc hei Störugei iaaer- 
sekretorischer Orgtae (Morbus Addisonii, Tetania paratbyreopriva. 
Myasthenia gravis pseudoparalytica, familiäre Fettsucht). (Zschr. f. klin. 
Med., 1919, Bd. 87, H. 8 u. 4.) In einem Fall von Morbus Addisonii 
wurde eine deutliche Herabsetzung des Grundumsatzes naobgewiesen, 
Adrenalininjektion hatte ein bedeutendes Ansteigen des Gaswechsels 
und des respiratorischen Quotienten zur Folge. Zufuhr von Glukose 
bedingt bei derselben Patientin die gleiche Erhöhung der Kohlensäure¬ 
produktion und des Sauerstoffverbrauohes wie bei normalen Individuen. 
In einem Falle von Morbus Addisonii mit byperthyreotisohen Erschei¬ 
nungen liegt der Grundumsatz an der oberen Grenze des Normalen, ln 
je einem Falle schwerster parathyreopriver Tetanie und Myasthenie erwies 
sich der Grundumsatz als normal. 8 Fälle einer eigentümlichen familiären 
Fettsucht zeigten einen niederen Gaswechsel pro Kilogramm Körpergewicht. 
In einem Falle von Amenorrhoe infolge von Peritonitis bei Adipositas 
leichten Grades erwies sich der Grundumsatz als normal. 

( E. Le sch ke-Berlin: Beiträge zur klinischen Pathologie des 
Zwisehenhins. I. Mitteilung: Klinische und experimentelle Unter¬ 
suchungen über Diabetes insipidus, seine Beziehungen zur Hypophyse 
und zum Zwischenhirn. (Zsofar. f. kl. Med., Bd. 87, H. 8 u. 4.) Auf Grund 
der Literatur und eigener klinischer experimenteller Untersuchungen er¬ 
örtert Verf. die Pathogenese des Diabetes insipidus. Er konnte zeigen, 
dass Zulagen von Kochsalz und Harnstoff nicht zu einer Erhöhung der 
Harnkonzentration, sondern zu einer gesteigerten Harnflut führen. 
Wasserzulagen werden genau so rasch ausgeschieden als beim Gesunden, 
ebenso körperfremde Stoffe, aber in viel geringerer Konzentration als bei 
Gesunden. Die Konzentrationsunfähigkeit tritt besonders beim Durst- 
versuoh deutlich in Erscheinung, wobei es schnell zu urämischen Sym¬ 
ptomen io Folge Retention harnfähiger Stoffe kommt Die Polydipsie 
beruht auf dem Reiz des salzreichen Blutes auf die Hirnrinde, deren 
intravenöse Salzinjektionen bewirken auch nach Anästhesierung der 
Geschmacksnerven Durst. Fieber und Injektion von Hypopbyseohinter- 
lappenextrakt bewirken eine Steigerung der Harnkonzentration. Der 
Träger dieser harnkonzentrierenden Wirkung des Hypophysenhinterlappens 
ist ein kristallisierendes Polypeptid. Trotzdem ist aber die hypophysäre 
Theorie des Diabetes insipidus nioht richtig, denn weder experimentelle 
Störung noch Atrophie der Hypophyse führt zu diesem Krankheitsbild. 
Vielmehr sprechen viele Tatsachen für eine ausschlaggebende Rolle des 
Zwischenhirns in der Pathogenese des Diabetes insipidus. So konnte L. 
durch Einstich in die Zwisohenhirnbasis am Tuber cinereum dicht hinter 
dem Infundibulum eine starke Polyurie erzeugen und weist darauf bin, 
dass diejenigen Erkrankungen der Hypophyse, die auf die Zwisobenbirn- 
basis überführen, zu Diabetes insipidus führen. Er führt ferner eine 
Reihe von Fällen an, in welchen Erkrankungen der Zwisohenhirnbasis 
zu Diabetes insipidus geführt haben. Erkrankung oder Funktionsstörung 
des Zwischenhirns beeinflusst die zentrale Regulation der gesamten 
Wasser- und Molenversohiebung im Körper in der Weise, dass eine 
dauernd abnorme Steigerung der Wasserdiurese bei gleichzeitiger korre¬ 
lativer Hemmung der Molendiurese stattfindet. Beide zusammen machet) 
das Wesen des Diabetes insipidus aus. H. Hirsch fei d. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Rolleston: Ueber Geiiekstorre. (Brit. med. jouro., Nr. 3044 u. 
3045.) Eine besondere Form der Krankheit ist die hintere Basal- 
meningitiB der Kinder. Von Mischinfektionen waren die weitaus häufigsten 
die mit Pneumokokken. Als prognostisch ungünstig haben zu gelten die 
Fäll*, die im Beginn niedrigen Blutdruck auf weisen, ferner die Fälle mit 
Nystagmus oder Schielen oder mit Sohluckbehinderung, sei es infolge 
▼on Krampf oder infolge von Lähmung der Speiseröhre. Als aussichts¬ 
reiche Behandlung empfiehlt Verf. die möglichst frühzeitige Verabfo'gung 
▼on Flexner’s multivalentem Serum, und zwar in grossen Gaben (200 
bis 600 com) in die Ader und in kleinen Gaben in den Lumbalsack. 

Sohreiber. 

J. Salon-Prag: Meiiigitia tabercilosa? (Jb. f. Kindhlk., 1919, 
Bd. 89, H. 5, S. 895.) Bericht über das weitere Ergehen eines Falles 
▼oo Meningitis tubereulosa bei einem damals 22jäbrigen Mädchen, über 
das Verf. im Jahre 1901 im Jb. f. Kindhlk., Bd. 54, berichtet hatte. 
1905 hatte die Erkrankte, die inzwischen 2 gesunde Kinder geboren hat, 
im Laufe eines Tages 5 mal allgemeine Krämpfe mit Bewusstlosigkeit, die 
erst nach 3 Tagen vollständig wich. Seitdem sah sie Verf. öfter: sie- 
bot das Bild körperlicher Schwäche und Blässe, dazu hatte sie einen 
wackeloden Gang, wie vor ihrer damaligen Meningealerkrankung. 

R. Weigert-Breslau. 

Cleland und Campbell: Akute Eixepkaltmy «litis. (Brit. med. 
journ., Nr. 8048.) Berieht über eine schwere Epidemie von akuter 
Gehirn-Rüokenmarksentzündung in Australien mit 70 pCt. Todesfällen.a 


Von der Erkrankung wurden besonders Kinder ergriffen, aber auch Er* 
wachsen« blieben nicht verschont. Das hervorstechendste Krankheits- 
zeiohen waren Krampfzustände verschiedener Art, ferner Muskelsteifigkeit, 
erhöhte Reilexerregbarkeit, Bewusstlosigkeit bzw. Erregungszustände. 
Aeusserst selten waren Lähmungen der Hirn- oder Rückenmarksnerven. 
Anatomisch fanden sioh vorwiegend Veränderungen am Gehirn; weniger 
ausgeprägt waren sie am Rückenmark. Besonders in Mitleidenschaft 
gezogen war die graue Substanz, und zwar in Form von Hyperämie, 
Neigung zu kapillären Blutungen und Auskleidung der Venen mit lymph- 
zellenäbnliohen Gebilden, sowie Gewebsiufiltrationen mit den gleichen 
Zellen. Der Liquor zeigte Zell Vermehrung, erwies sioh aber als keimfrei. 
Hingegen gelang die Uebertragung der Krankheit auf Affen, Sohafe und 
andere Tiere durch Ueberimpfung von Gehirn- oder Rückenmarksmasse. 

Schreiber. 

M. Pappenheim: Die diagnostische und therapeutische Bedeutung 
der LimhalpgiktioB. (W.m.W., 1919, Nr. 22 u. 28.) Fortbildungs- 
vortrag, in dem der Wert der Lumbalpunktion in diagnostischer Be¬ 
ziehung sowie die therapeutischen Anwendungsgebiete eingehend ausein¬ 
ander gesetzt werden. G. Eisner. 

R.Gassul-Berlin: Neuritische Radialisl&hmiBg nach einer extra- 
veBÖsen NeosalvanaBiijektion. (D. m.W., 1919, Nr. 25) Der Inhalt 
der Arbeit geht aus der Ueberschrift hervor. Dünner. 

G. Grund-Halle: Ueber völlige StreekllknBBg in den Iater- 
phalaBgealgeleBkea und eioen Fingerstreckapparat zu ihrer Korrektur. 
(M.m.W., 1919, Nr. 26) Beschreibung eines Apparates, der bei völliger 
Strecklähmung der Finger infolge Plexusverletzung die Kontraktur der 
Fingerbeuger verhindert und die Beugung der Finger gestattet. Die 
Schiene wird bei C. Koller in Halle angefertigt. R Neu mann. 

F. Deutsch: Ueber peripher bedingte, dissoziierte SflipfiBdBBgs- 
llhHBBgei. (W. kl.W., 1919, Nr. 22.) Patientinnen, welche zwecks 
gynäkologischer Operation mit einer lOproz. Tropakokainlösung lumbal- 
anästhesieit wurden, bat Verf genau kontrolliert in Bezug auf die Reflexe, 
die Empfiodungsempfindlicbkeit und die Wiederkehr der Empfindung. 
Zuerst fällt nach der Anästhesierung die Kälteempfindung aus, dann die 
Schmerzempfindung, gleichzeitig oder Bpäter die Hitzeempfindung, nach 
einer längeren Pause die Berübrungsempfindung und zum Schluss die 
Lageempfinduog. Der Verlust der Sehnenreflexe eilt gewöhnlich der 
Kälteempfiodungsabspaltung voraus: die Hautrefiexe erloschen gleich¬ 
zeitig oder unmittelbar nach dem Kälteempfindungsverlust. An der 
obersten Grenze der Insensibilität befindet sich eine Kälteanästhesiezone. 
Das Erlöschen der Anästhesie spielt sich so ab, dass zuerst das Lage¬ 
gefühl und die Berührungsempfindung, dann die Schmerz , Kälte- und 
Wärmeerapfindung zurüokkehrt. Glaserfeld. 


Kinderheilkunde. 

H. Finkeistein-Berlin: Zur künstlicken ErnlhrBBg der Neage- 
horeaeB. (Ther. d. Gegenw., Juni 1919.) Beim Neugeborenen ist die 
Unterernährung die häufigste Ursache des schlechten Gedeihens und 
der Misserfolge der Flaschenernäbrung. Die Trinkroengen sollen noch 
vor Ende der ersten Woche 100 g = 70 Kal. pro kg Körpergewicht be¬ 
tragen und beim Beginn der zweiten auf 100—120 Kal. in 150—180 g 
pro kg steigen. Bei der Zusammensetzung der Nahrung verwandte 
Verf. von Anfang an eine Verdünnung von 1:1. Als Kohlehydratzusatz 
wird im allgemeinen der hundertste Teil des Körpergewichtes, also 10 g 
auf das kg verordnet, häufig muss man jedoch auf 12—14, ausnahms¬ 
weise auf 18—20 g steigen. Bei Verwendung von krystallisiertem Zucker 
empfiehlt sioh zur Verdünnung nicht Wasser, sondern Schleim oder 1 
bis 2 proz. Mehlsuppe zu nehmen. Sehr zweckmässig sind die Dextrin- 
Maltosepräparate (Soxhlet’s Nährzucker, Löflund’s Nährmaltose) event. 
zu gleichen Teilen mit Kochzucker. Von dieser Halbmilch mit einem 
Kalorienwert von 500 per Liter, werden vom Beginn der 2. Woche rund 
200 auf das kg abgegeben. Als Fettzusatz kommt Sahne in Betracht, 
Ramogen 1 Kinder- biß 1 Esslöffel auf 100 g der Halbmilcbmischung, 
Butter ein Teelöffel auf 200 g verquirlt. Gesamtfettgebalt 2Vi—8pCt. 
Kontraindiziert ist fettreiche Ernährung bei intertrigicösen und ekzema¬ 
tösen Hauterscheinungen. In solchen Fällen Buttermilch mit lpCt. 
Mehl und 5 pCt. Kocbzucker (besser Nährmaltose und Kochsucker zu 
gleichen Teilen), 120—150 g pro kg Körpergewicht. Empfehlenswert ist 
auch die Eiweissmilch mit 7—lOpCt. Kohlebydratsusatz, 180—200 g 
pro kg. Die Zahl der Mahlzeiten soll 5—6 betragen. R. Fabian. 

E. Aschenheim-Düsseldorf: Ueber die Beteiligung des vegetotivea 
NerveisystoBM und über trophische Störungen bei der iafsBtileB Tetaile. 
(M.m.W., 1919, H. 26.) Bei der Tetanie können alle Gebiete des vege¬ 
tativen Nervensystems Veränderungen aufweisen, so gibt es eine Herz¬ 
tetanie mit ev. diastolischem Herzstillstand infolge Vagusübererregbarkeit,’ 
es gibt tetanische Gelässkiämpfe mit plötzliche;» Erblassen oder Ery¬ 
themen. Bekannte tetanische Krankheitsbilder sind ferner der Laryngo- 
spasmus, Broncbotetanie, tetanische Magendarmstörungen mit Erbrechen, 
Dyspepsie, mit Krämpfen des Rektums und Schluckkrämpfen der Speise¬ 
röhre, mit spastischer Obstipation. Man kennt ferner eine tetanische 
Harnverhaltung und seltene Harnentleerung. Am Auge finden sice 
Lichtstarre undDifferenzderPupillen. Strabismus, Akkommodationskrämpfe 
auf dieser Basis. Auf trophische Störungen bei der infantilen Tetanie 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


sind zurück?»führen der Schichtstar, Hautausschläge, Pigmentationen, 
Nagelerkrankungen und vor allem Scbmelzhypoplasien der Zähne. 

R. Neumann. 

t. Bdkay-Budapest: Haitemphysem bei iitmhiertei Krupp-Fällei. 

(Jahrb. f. Kinderheilk., 1919, Bd. 89, H. 6, S. 461.) Während die Ent¬ 
stehung des subkutanen Emphysems bei tracheotomierten Kranken keine 
Seltenheit ist, sah sie Verf. bei 9000 Intubationen nur viermal. In 
3 Fällen handelte es sich um Alveolenruptur infolge Verstopfung 
durch Pseudomembranen, bzw. durch heftige HustenstÖ9se; im letzten 
Falle war das Emphysem die Folge falscher Wegbildong bei der 
Intubation. Auoh tiefgreifende Dekubitalgeschwüre des Larynx können 
zum subkutanen Emphysem führen. Die Prognose ist bei der Al- 
▼eolenruptur relativ günstig, bei den letzteren ätiologischen Möglich¬ 
keiten ungünstig. 

6. Grimm-Budapest: Der Einfluss sibkutuer Adreialiniijektioiei 
auf das Blutbild gesunder und kranker Kinder. (Jahrb. f. Kinder¬ 
heilk., 1919, Bd. 89, H. 6, S. 442.) Die in der Berliner Univ.-Kioder- 
klinik ausgeführten Untersuchungen ergaben, dass die Reaktion des 
Blutes auf Adrenalin im Säuglings- wie im Kindesalter wie beim Er¬ 
wachsenen verläuft. Unabhängig von interkurrenten Erkrankungen und 
vom Nervensystem tritt nach Verabreichung von Adrenalin das typische 
zweiphasisobe Blutbild auf. Die Reaktion bleibt bei hochgradiger Aus¬ 
schaltung der Lymphdrüsen durch pathologische Prozesse vollständig 
aus. Kinder von lymphatischer Konstitution und pastösem Habitus 
zeigen abgesohwäohte Reaktion. Bei vorübergehender Drüsenschwellung 
fällt die Reaktion positiv aus. Nach Milzexstirpation tritt die typische 
Reaktion so wie unter normalen Verhältnissen unabgeschwächt aus. 

G. E. Blooh-Kopenhagen: Klinische Untersuchungen über Dys¬ 
trophie Md Xeropbthaliiie bei jMgei Kindern. (Jahrb. f. Kinderhlk., 
1919, Bd. 49, H. 6, S. 405). Verf. zeigt an der Hand eines grossen 
klinischen Materiales, dass es gewisse Farbstoffe gibt, die für das Kindes¬ 
alter unentbehrlich sind. Langdauernder Mangel an diesen besonderen 
Lipoidstoffen führt beim Kinde zu einer Wachstumshemmung, später zu 
Misswaohstum,. der vom Verf. sogenannten Dystrophie alipogenetica, 
Dann sind die Kinder sehr empfänglich für Infektionen und neigen zu 
Xerose der Koniunktiva und Kornea zusammen mit Hemeralopie; die 
Korneaxerose hat grosse Tendenz zur Xeratomalazie. Nach den Beobach¬ 
tungen des Verf.’s sind diese Erkrankungen die häufigste Ursache der 
Blindheit der Kinder io Dänemark. — Die Xerophthalmie -entsteht 
hauptsächlich im Frühjahr, der Zeit des intensivsten kindlichen Wachs¬ 
tums. Sie entsteht vorzugsweise bei den Kindern der ärmsten Land¬ 
bevölkerung, nicht infolge Mangels an Vollmiloh; denn sie werden in 
der Hauptsache mit Zentrifugenmiloh, Buttermilch oder Mehlsuppe er¬ 
nährt. Die Krankheit kann aber auoh bei Kindern entstehen, die mit 
•Vollmilch oder Sahne ernährt werden. Das ist der Fall, wenn in diesen 
Nahrungsmitteln durch langdauerndes Kochen oder andere eingreifende 
Konservierungsverfahren die in Betracht kommenden Lipoide zerstört 
worden sind. Die Xerophthalmie heilt, früh erkannt, rasch ab bei Ver¬ 
abreichung von Lebertran, Vollmiloh, Sahne, Ei und anderen Fettstoffen, 
die jedoch nur kurze Zeit gekocht werden dürfen. 

W. Hoffmann-St. Gallen: Askaridenileu. •(Mschr. f. Kindhlk., 
1919, Bd. 15, H. 4, S. 199.) Verf. berichtet über 7 Fälle von Ileus, der 
durch eine Ansammlung ungeheurer Pakete von Askariden bedingt war. 
Er bespricht danach die Symptomatologie, Diagnose und Therapie des 
Krankheitsbildes. Am meisten ähnelt das Krankheitsbild der Invagination. 
Differentialdiagnostisoh ist bedeutungsvoll der Abgang von Askariden 
vor oder während der Erkrankung und das Auftreten schwerer Iotoxi- 
kationserscheinungen (Apathie, Somnolenz, Delirien, Konvulsionen usw.). 
Bei sicherer Diagnose und relativ gutartigem Verlauf kommt interne 
Behandlung mit einer energischen Wurmkur in Frage; am besten mit 
01. Ghenopodii 2 mal 8—15 Tropfen, je nach dem Alter des Patienten, 
mit 2stündigem Intervall; 2 Stunden nach der 2. Dosis 1 Esslöffel 
Rizinusöl, das bei ausbleibender Wirkung am Nachmittag nochmals 
verabreicht wird. Misslingt diese Kur, oder ist der Verlauf von vorn¬ 
herein bösartig, muss Laparotomie erfolgen und der Versuch einer 
manuellen Zerteilung des Konvolutes gemacht werden. Ist diese nicht 
möglich, so wird der Darm nach Inzision ausgeräumt. In jedem Falle 
muss der Operation eine gründliche Wurmkur mit Santonin oder 01. 
Ghenopodii folgen. 

J. v. Bökay-Budapest: Ueber die Identität der Aeliologie der 
Schafblattern und einzelner Fälle von Herpes zoster. (Jb. f. Kindhlk., 
1919, Bd. 89, H. 5, S. 380.) Bei dem Varizellenexanthem kann gelegentlich 
an einzelnen Körperstellen eine gruppenförmige Anordnung nach Art des 
Herpes zoster auftreten. v. B. berichtet nun über eine erhebliohe Zahl 
von Beobachtungen, in denen typische Varizellenfälle, auch einzelne 
kleine Hausepidemien von einem Krankheitsfall von Herpes zoster aus¬ 
gingen. Der umgekehrte Vorgang, dass Zosterfälle von Varizellenepide- 
mien ausgegangen wären, kam bisher nicht zur Beobachtung, doch 
zweifelt Verf. nicht an ihrem Vorkommen. Die Intervalle zwischen dem 
Auftreten des Zoster und der Varizellen betrugen in den beobachteten 
Fällen 14 Tage, was dem Inkubationsstadium der Varizellen entspricht. 
Ein ätiologischer Zusammenhang zwischen Zoster und Varizellen scheint 
danach sehr wahrscheinlich. R. Weigert-Breslau. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie and Nervenkrankheiten. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 14. April 1919. 

Vorsitzender: Herr Liepmann. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

Hr. K. Singer: Das Kriegsende and die Nenrosenfrage. 

Kriegsende und Einsetzen der Revolution haben zunächst den 
emotionellen Druck (Angst vor dem Schützengraben usw.) von dem Neu¬ 
rotiker genommen. Die plötzliche Spannuogslösung wirkte besonders 
begünstigend. Dazu kam die günstige Position, in die das arbeitende 
Proletariat duroh die Revolution kam, in der Minderwertigkeits- und 
UDterdrücktseinskomplexe nicht mehr am Platze waren. Die Anschauung 
der Neurosen als Protest und Abwehrkrankheit konnte sich hier von 
selbst beweisen. Die Erhöhung der Selbsteinscbätzung und die Fiktion 
eines gehobenen Persönlichkeitsgefühls war kein Boden für die Neurose. 
Praktisch beobachtete S., dass die geheilten Neurotiker zum grossen 
Teil das Lazarett verliessen, die übrigen betrugen sich gesittet und 
diszipliniert. 5 Unbehandelte baten um Heilung, die spielend gelang. 
Ein Neurotiker, der kurz vorher kaum gehen konnte, vollbrachte als 
Soldatenrat erstaunliche Leistungen. Ueberhaupt waren die Leistungen 
der geheilten Neurotiker bei weitem grösser als alles, was man vorher 
ärztlich verlangt hatte. Rückfälle sind erst beim Aufhören der Arbeits¬ 
losenunterstützung zu erwarten, die für den Neurotiker wie eine Ueber- 
gangsrente wirkt. S. gibt noch der Meinnng Ausdruck, dass er die mit 
Hypnose erzielten Erfolge oft vor allem auf die dabei gemachten Ver¬ 
sprechungen zurüokführen mochte. Der Rückgang der Neurotiker auf 
der Strasse hängt wohl mit dem Herrengefühl und der Prämiierung der 
Arbeitslosigkeit zusammen. Das Aufhören der Möglichkeit, rückfällige 
Neurotiker militärisch einzuziehen, ist zu bedauern. Einen gesetzlichen 
Zwang gibt es nicht. Eine gewisse Handhabe gibt der § 597 der RVO., 
wonach die Berufsgenossenschaften ärztlich notwendig gehaltene Lazarett- 
aufoabmen durchsetzen können. Hier ist Aufklärung der Aerzte, 
Patienten und des Publikums dringend erforderlich. Besonders aber 
auoh die der Richter, die zugleich mit den Aerzten bei den in der 
nächsten Zeit entstehenden besonderen Gerichten die Notwendigkeit der 
Lazarettbebandlung bei jedem Neurotiker bescheinigen und die Ab¬ 
lehnung eines Heilverfahrens als Mangel von Gesundheitswillen ansehen. 
In der Zukunft muss auch die aktive Therapie im Frieden kommen. 
Ist ein Teil der Unfallneurosen eine Folge von Gesetzen, so muss ihnen 
auch gesetzlich entgegen gearbeitet werden. Unfallkranke sind vom 
ersten Tage an klinisch zu beobachten und suggestiv zu behandeln, 
nachzuuntersuchen, die Leistungsfähigkeit in Arbeitslazaretten fest- 
zustellen. Die Erwerbsfähigkeit ist nicht im Hinblick auf eine noch so 
versteckte organische Erkrankung einzusobätzen, sondern auf eine vom 
Willen nie ganz unabhängige, die Arbeit nie völlig aussohliessende 
funktionelle Beschwerde. Jetzt ist die beste Zeit, aufklärend im Sinne 
der Kap talabfindung zu wirken. In Zukunft dürfen nioht mehr die 
Sohwergeschädigten vom Heer der Neurotiker benachteiligt werden. 
Hier ist einheitliches Zusammengehen erforderlich. Die Möglichkeit der 
Beobachtung und Behandlung der Neurotiker muss eventuell gesetzlioh 
geschaffen werden. Nooh so lange Sprecbstundenuntersuchungen und 
-behandlungen ermöglichen kein wissenschaftlich begründetes Gutachten, 
wichtiger ist versuchte Suggestivheilung und Beobachtung im Arbeits¬ 
lazarett. Auoh wenige Heilresultate, eventuell bei vielen Fehlresultaten, 
wurden für die Richtigkeit der im Kriege gewonnenen Anschauungen 
sprechen. Hat der mit allen Mitteln aufgenommene Kampf Erfolg, so 
ist der Notwendigkeit, zwischen Hysterie, Aggravation und Simulation zu 
unterscheiden, der Boden genommen. Die Simulation wird verschwinden, 
wenn sie sich nicht mehr lohnt. 

Aussprache. 

Hr. Friedrich Leppmann: Ohne die günstigen Wirkungen der 
aktiven Behandlung und des Kriegsendes auf den Verlauf der Neurosen 
zu unterschätzen, muss man die Erwartungen bezüglich der Schicksale 
der Kriegsneurotiker doch etwas einschränken. Zunächst sind die durch 
die Kriegsstrapazen nervös Erschöpften anders zu beurteilen als die 
Psychogenen. Ferner gibt es Grenzfälle der Kriegsneurose, deren Heilung 
besondere Schwierigkeiten maoht (z. B. während des Krieges rückfällig 
gewordenes Stottern bei einem in der Kindheit geheilten Stotterer). 
Aber auch von den rein psychogenen Störungen zeigen manche eine 
besondere Rückfallsneigung: Wer als Kriegsneurotiker dazu gelangt ist, 
Unlustgefühle in der Form von hysterischen Anfällen und dergleichen 
motorisch zu entladen, der bekommt auoh nach dem Kriegsende leicht 
solche Anfälle bei entsprechender Gelegenheit. Die Psychologie solcher 
Vorgänge ist viel zu kompliziert, als dass sie mit dem Hinweis auf Be¬ 
gehrungsvorstellungen allein abgetan werden könnte. Die Fortsetzung 
der bei Heeresangehörigen bewährten Behandlungsmethoden im Frieden 
wird schwerlich ebenso gute Resultate liefern, weil wesentliche unter¬ 
stützende Momente (Einstellung des Seelenlebens auf militärische Dis¬ 
ziplin, Massensuggestion) fehlen werden. (Eigenbericht.) 

Hr. Stier: In dem reichen Material, das mir im Gamisonlazarett I 
in der Nervenambulanz vor Augen kommt, fehlen Neurotiker mit akuten 
motorischen Erscheinungen fast ganz. Für diese wenigen besteht nooh 
Behandlungsmöglichkeit im Haus Sohönow. Es Bind vorwiegend alte 


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4. Anglist 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


789 


Stotterer mit aufgepfropfter psychogener Steigerung. In den übrigen 
Fallen handelt es sich fast immer um Klagen über allgemeine nervöse 
Beschwerden. Dass Wünsche, Hoffnungen, Begehrungen lür alle gröberen 
Erscheinungen fast allein ätiologisch in Betracht kommen, lässt sich fast 
stets nachweisen. Der Gegensatz zwischen dem sorgenfreien, un¬ 
gebundenen Leben und der vorzüglichen Ernährung im Lazarett gegen¬ 
über der schlechten Ernährung, den Arbeitsaohwierigkeiten und den Ent¬ 
täuschungen im bürgerlichen Leben ist ja fast vergleichbar dem früheren 
Gegensatz zwischen Front und Heimat bzw. Front und Lazarett. Die 
Ansprüche dieser Nervösen auf Lazarettaufnahme, Rente oder auch nur 
ambulante Behandlung können fast immer als unberechtigt abgewiesen 
werden. Nötig ist jedoch Einheitlichkeit im Vorgehen aller fachärzt¬ 
lichen Berater in einem Korps in der ersten und möglichst auch in der 
Beschwerdeinstans. Ist solche Einheitlichkeit erreicht, dann werden sich 
bald die Fesuche und die Berufungen als aussichtslos stark vermindern 
und die neuen Militär- bzw. Reichsmilitärversorgungsgerichte bei den 
Oberversioherungsämtern und dem Reiohsversicherungsamt werden nicht 
viel Arbeit haben. (Eigenbericht.) 

Hr. Saaler hat am Sonderlazarett des III. A.-K. in Goerden bei 
Revolutionsausbruoh die gleichen Erfahrungen gemacht wie der Vortr. 
Bin Zweifel daran, dass es sich bei der Mehrzahl der Kriegsneurosen um 
„Zweckneurosen* handelte, kann seiner Ansicht nach daher nicht mehr 
bestehen. Man hat nioht nötig, die Begehrungsvorstellungen zu sehr zu 
betonen. Der Mechanismus der Entstehung der KriegBneurose ist der 
gleiche wie bei der Mehrzahl der Friedensneurosen: ein intrapsyohischer 
Konflikt wird nach der Richtung des geringeren Widerstandes hin gelöst. 
Der wesentliche Unterschied zwischen beiden wird darin gesehen, dass 
bei der ersteren die Psyohogenese weniger komplizierte Wege wandelt, 
die Symptome daher nur oberflächlich im Psychischen verankert sind, 
und ganz besonders in dem Umstand, dass sie weniger unter Ausschaltung 
des Bewusstseins gebildet werden, als dies bei den Psychoneurosen der 
Friedenszeit der Fall war. S. hatte als Truppenarzt im Felde Gelegen¬ 
heit, die Psyohogenese von Kriegsneurosen zu verfolgen. Sehr häufig 
war es so, dass urspiünglich vorgetäuschte Beschwerden, bei denen 
allerdings sohon das somatisohe Entgegenkommen eine Rolle spielte, 
allmählich in hysterische Symptome übergingen. Die nahe Verwandt¬ 
schaft von Simulation und Hysterie wird gerade duroh die Kriegsneurosen 
in helles Licht gesetzt. Der medizinische Begriff der Simulation darf 
aber nioht mit dem juristischen identifiziert werden. Bewusste Vor¬ 
täuschung wurde in der Regel mit psychopathischen bzw. hysterisohen 
Erscheinungen vergesellschaftet angetroffen. Da, wo man gegen Simu¬ 
lanten mit der Strenge des Gesetzes Vorgehen wollte, hat man fast stets 
hysterische Psychosen gezüchtet. S. berichtet über einen durch Kombi¬ 
nation von Simulation und Hysterie charakterisierten Fall, bei dem 
eine hartnäckige, 3 Jahre bestehende funktionelle spastisohe Parese eines 
Beines, die bereits zu erheblioher Inaktivitätsatrophie geführt und bishes 
jeder Therapie getrotzt hatte, daduroh geheilt wurde, dass es gelang, 
dem Kranken das Vertrauen in seine sofort nach erfolgter Heilung zu 
bewerkstelligende Entlassung aus dem Heeresdienst beizubringen. Der 
Unterschied zwischen Hysterie und Simulation ist naoh der Ansicht von 
S. nur ein gradueller, es gibt keine „anständigen* und „unanständigen* 
Kriegsneurotiker; es ist nie mit Sicheiheit festzustellen, wer von ihnen 
mehr sich selbst oder andere betrügt. 

Die frappanten Erfolge der Behandlung in Goerden, wo nahezu alle 
Neurotiker in einer Sitzung geheilt wurden, werden nioht so sehr auf 
Saggestion, auf die „Heilatmosphäre* des Lazaretts bezogen als darauf, 
dass durch die stillschweigend zugesicherte Entlassung aus dem Militär¬ 
dienst der seelische Konflikt, der die Symptome unterhielt, gelöst wurde. 
Die Wirkung der Behandlung war demnach die gleiche wie die der Er¬ 
eignisse des 9. November 1918. Für diese Annahme spricht auoh der 
Umstand, dass bei hysterisohen Zivilkranken, die naoh der Goerdener 
Methode behandelt werden wollten, die Erfolge weit hinter den bei 
Soldaten erzielten zurüokblieben. Hieraus geht hervor, dass die Vor¬ 
bedingungen, unter denen Soldaten und Zivilisten behandelt wurden, 
nur scheinbar die gleichen waren. Während bei den ersteren der 
seelische Konflikt durch die Entlassung aus dem Militärdienst gelöst 
wurde, ist bei den letzteren der ganz anders geartete seelische Konflikt 
überhaupt nicht berührt worden. Die Kriegserfahrungen lehren dem¬ 
nach, trotz der angeblioh nur duroh Suggestion erzielten grossen Erfolge 
bei der Behandlung der Kriegsneurosen, ebensowenig wie die Friedens¬ 
erfahrungen, dass unterschiedsloser Suggestivtherapie die Bedeutung eines 
gewaltigen Heilfaktors zukommt, sie lehren im Gegenteil, dass sie nur 
in Verbindung mit analytischer Behandlung imstande ist, Psychoneurosen 
za heilen. (Eigenbericht) 

Hr. Kronfeld - Hersberge: Dem von Herrn Saaler soeben durohge- 
fährten restlosen Einbeziehen aller Kriegsneurosen in die genetische Dy¬ 
namik des Hysterietyps kann ich nioht beipfliohten. Wunsch- und Abwehr¬ 
mechanismen sind doch nur Konjekturen einer zuweilen sicherlich recht 
billigen Einfühlung. Nur der Frontarzt hat die Entstehung von Kriegs¬ 
neorosen mit eigenen Augen gesehen und beobachtet. Er wird daher 
überwiegenden Wert legen auf spezifisch „thymogene* Dynamiken. 
Affektiv überwältigende Ereignisse, deren exogene Gewalt und Wucht 
noch immer nioht genügend gewürdigt werden und deren Wirkung 
keineswegs nur „Schreok* ist, erzwingen unmittelbar und ohne Zwischen¬ 
schaltung „ideagener“, bewusst zu machender Mechanismen eine Störung 
der psychisohen Kontinuität, die sich als Bewusstseinstrübung im 
weitesten Sinne psyohologisoh charakterisieren lässt. Völlige Analogie 


mit den Erfahrungen bei akuten Psychosen naoh Erdbeben und Eisen- 
bahnzusammenstössen. Auch hierbei, wenngleich nioht immer aus¬ 
gesprochen, Wege zum körperlichen Symptom, insbesondere der Motorik, 
im Sinne von Hemmungen, Sperrungen, Fehlentladungen; erklärlich so¬ 
wohl aus dem „körperlichen Entgegenkommen* (Kehrer), als auch aus 
präformierten psychophysischen Mechanismen (Kraepelin, Homburger). 
Der Ausgleich dieser Bewusstseinseinengungen ist suggestiv erzwingbar; 
aber das ist kein Wunder — Analogie zur Hypnose! — und beweist 
nichts für die hineingelegten ideagenen Mechanismen. Redner führt 
eine Reihe von Beispielen an, in weichen Offiziere, darunter ein Träger 
des Pour le merite, diesen Typus der Genese boten, und nach Stunden 
oder Tagen soweit ausgleichbar waren, dass sie sofort wieder Dienst 
machten. Dieser Typus der Neurosengenese ist begreiflich als Teil¬ 
phänomen der generischen Weisen seelischen Reagierens auf die Front¬ 
welt überhaupt. Der seelische Reaktivitätstypus auf die Frontwelt im 
Kampfe ist der einer gesteigerten motorischen Reaktionsbereitschait bei 
eingeengtem Bewusstsein auf den unmittelbar erwarteten Aussenreiz, 
unter völliger Abspaltung aller reflektiven und mit dem loh zusammen¬ 
hängenden Vollzüge. Dabei handelt es sich immer um ein .primitives 
Massen geschehen; daher das viel zu wenig beachtete Moment der 
Panik in der Neurosengenese an der Front, für welches Beispiele er¬ 
bracht werden. „Mut*, „Draufgängertum*, „Verbitterung* und „Furcht* 
in der spezifischen Frontfärbung waohsen auf dem gleichen Boden wie 
diese Neurosengenese. 

Es sind mindestens zum Teil dieselben Menschen, bei welchen der 
Frontarzt diesen Neurosentypus sah und bei denen er im Lazarett die 
fixierte neurotische Motorik mit ihrem eigenartigen psychischen Unterbau 
wieder findet. Die Brücke vom ersten zum zweiten kann durch einfaohe 
reproduktive Wiederbelebung (Träume!), sie kann aber auch durch 
hewusst zu machende Mechanismen psychologischer Art gegeben sein, 
welche im allgemeinen wohl dem Typus Adler gehorchen und auf 
welche vielleicht auch zum Teil die Zuspitzungen im Sinne von Wunsch 
und Abwehr zutreffen, wie sie Lewandowsky, Stier, Wilmans usw. 
formuliert haben. Es gibt auoh nooh andere Möglichkeiten. Jedenfalls 
darf unsere ganze ärztliohe Einstellung, sowohl in der genetischen Er¬ 
klärung als auch in der Rentenfestsetzung, nioht ausschliesslich von Auf¬ 
fassungen getragen sein, bei denen mehr oder weniger verschämt 
Soupqons der unredlichen Begehrung, der Simulation usw. vorherrschen. 
Damit machen wir es uns bequem, ohne der Wahrheit näher zu 
kommen, und diskreditieren unsere helfende und ärztliche Rolle. Gerade 
in der jetzigen Zeit ist das nicht sehr klug. Ich habe in einer sehr 
grossen Nervenstation ohne diese Einstellung dennoch vorzügliche 
suggestive Heilresultate gehabt, und der latente Krieg zwischen Arzt 
und Patient, der sonst typisch war und beim Ausbruch der Revolution 
zuweilen unangenehme Erscheinungen annahm, hat bei mir nicht be¬ 
standen. (Sonderdrucke eines Beriohta des Ref. über die Genese der Neu¬ 
rosen an der Front, dessen Veröffentlichung von der Militärzensur seiner¬ 
zeit verboten wurde, werden vom Ref. auf Wunsch jederzeit zur Ver¬ 
fügung gestellt.) (Eigenbericht.) 

Hr. Bonhöffer: Was wir an den Kriegsneurotikern bei Revolutions- 
ausbruch erlebt haben, bedeutet eine Bestätigung des psychogenen 
Charakters der Zustände von fast demselben experimentellen Werte, 
wie er sich aus den Erfahrungen mit den Kriegsgefangenen ergeben hat. 
Der Auffassung des Herrn Saaler von der Schwierigkeit, ja Unmöglich¬ 
keit der Abtrennung der Simulation von der Hysterie stimme ich durch¬ 
aus zu. Ich meine aber, dass diese Erfahrung nioht erst im Kriege er¬ 
worben worden ist. Wo unbewusste und halbbewusste Selbsttäuschungen 
in bewussten Täuschungsversuoh übergehen, darüber kommt man in der 
Praxis fast nie zu einer objektiv sicheren Beantwortung. Die ärztliohe 
Aufmerksamkeit wendet sich deshalb sehr viel besser der Beseitigung des 
Zustandes zu als der unproduktiven Differentialdiagnose Simulation oder 
Hysterie. Herrn Leppmann gegenüber ist darauf hinzuweisen, dass*die 
Gruppe der Kriegsneurotiker, aie nur allgemein nervöse Klagen wie 
Kopfschmerzen, Schwächegefühl und Arbeitsunfähigkeit angeben, ebenso 
in das Gebiet der psychogenen Störung gehören wie die mit groben 
motorischen Symptomen. Diese pseudo neurasthenischen Zustände haben 
mit der eohten Ersohöpfungsneurasthenie niohts zu tun, und es wäre zu 
bedauern, vrenn sie in der Rentenfrage eine andere Bewertung finden 
würden als die in groben Reaktionsformen sich darstellenden. Es ist 
gewiss richtig, dass späterhin manohe der scheinbar geheilten Kriegs¬ 
neurotiker auf unerfreuliche Erlebnisse oder in ungünstiger sozialer 
Lage mit Rückfällen reagieren werden. Es liegt aber kein Anlass vor, 
solohe Rüokfälle ohne weiteres als Folge der Kriegsschädigung anzu¬ 
sehen. Es ist nicht zu vergessen, dass man es bei diesen Individuen 
in der allergrössten Mehrzahl mit Psychopathen zu tun bat. Ich habe 
jetzt wieder eine Untersuchung der im Jahre 1916 uns zugegaDgenen 
Neurotiker hinsichtlich der Frage der psychopathischen Konstitution 
machen lassen, und es stellt sich heraus, dass so gut wie ausnahmslos 
das Vorliegen einer solchen nachweisbar ist. Das ist um so bemerkens¬ 
werter, als sich eine gute objektive Anamnese über die Zeit vor dem 
Krieg bei fast keinem dieser Kranken erreichen lässt, man also im 
wesentlichen auf die eigenen Angaben der Patienten angewiesen ist. 
Auf diese Seite der psychopathischen Konstitution muss immer wieder 
hingewiesen werden, weil die Beurteilung der Patienten doch ein anderes 
Gesicht gewinnt, wenn es sich zeigt, dass die abnorme Reaktion 
Ausfluss des ursprünglichen Persönliohkeitscharakters ist. 

(Eigenberioht.) 


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740 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


Hr. Sohuster: Dass in der letzten Zeit die Neurosen seltener ge¬ 
worden sind, habe auch ioh in meiner Tätigkeit als Faehbeirat beim 
Militär beobachtet, sehe aber hierin noch nicht den unwiderleglichen 
Beweis dafür, dass gerade die sogenannten Begehrungsvorstellungen eine 
so übermächtige Rolle in der Psychogenese der Neurose spielen, wie 
dies von manchen Seiten ausgesprochen wurde. Bei dem Zustande¬ 
kommen der traumatischen Neurosen sind noch zahlreiche andere 
psychische Mechanismen — wie ich dies wiederholt dargelegt habe — 
von grosser Bedeutung. Hier muss unbedingt auch die von Herrn 
Krön te Id betonte thymogeue Entstehung genannt werden. — Wenn 
Herr Singer glaubt, der § 897 der Reichsversicherungsordnung würde 
eine Handhabe bieten, die klinische Behandlung der Neurotiker zu er¬ 
möglichen, so muss ioh ihm-hierin leider widersprechen. In der Praxis 
zeigt Bich, dass die Weigerung der Neurotiker, sich in eine Anstalt zu 
begeben, eine Weigerung, die mit den allerverschiedensten äusseren 
Gründen (Reiseunfähigkeit, häusliche Verhältnisse, Abneigung gegen 
Anstalt oder Arzt) begründet wird, in der Regel von den richterlichen 
Instanzen schliesslich als subjektiv berechtigt anerkannt wird. Aber 
selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so wäre begreiflicherweise von 
einer erzwungenen Einweisung des Neurotikers in die Anstalt kein Erfolg 
zu erwarten. Auch darin teile ioh die Auffassung des Herrn Singer 
nicht, wenn er meint, wir würden später in der Behandlung der Friedens¬ 
neurotiker einen grossen Gewinn von unseren therapeutischen Kriegs¬ 
erfahrungen haben. Ich glaube, dass Herr Singer die Verhältnisse 
hier viel zu rosig ansieht, und befürchte angesichts des grossen Unter¬ 
schiedes, welcher zwischen einem unter dem Druok der Disziplin 
stehenden neurotischen Soldaten und einem Unfallneurotiker vorhanden 
ist, dass unsere Erfolge in der Behandlung der Unfallneurotiker sich 
nioht erheblich bessern werden. 

Darin freilich stimme ich dem Herrn Vortragenden bei, dass die 
einzig mögliche Art der Prophylaxe in einer Aufklärung und Belehrung 
bestehen würde. Diese Aufklärung und Belehrung müsste aber sehr 
viel früher einsetzen, als Herr Singer vorsohlägt, und müsste ein 
integrierender Bestandteil der Erziehung in Schule und Haus werden. 
Nur dann, wenn es gelingt, alle Bevölkerungsklassen von klein auf mit 
dem Gedanken vertraut zu machen, dass der menschliche Körper und 
besonders das menschliche Nervensystem sehr viel mehr an An¬ 
strengungen, Aufregungen Und Schädlichkeiten ohne Schaden zu nehmen 
ertragen kann, als dies von den Laien angenommen wird, wird es 
möglioh sein, die neurotische Seuche einzudämmen. (Eigenbericht.) 

Hr. Henneberg: Ob neben dem Kriegsende auch die Revolution 
als solche einen Einfluss auf den Verlauf der Kriegsneurosen gehabt bat, 
wird man erst beurteilen können, wenn das Verhalten der Kriegs¬ 
neurotiker in den anderen Ländern bekannt geworden ist. Zwisohen 
Hysterie, Uebertreibung und Simulation bestehen fliessende Uebergänge, 
im ganzen hat man den Eindruck, dass die Kriegshysterie der Simu¬ 
lation wesentlich näher stand als die Friedensunfallnysterie. Wir haben 
viele Kriegshysteriker mit sehr gutem Allgemeinbefinden gesehen, 
während der typische Friedensunfallhysteriker einen weit mehr leidenden 
Eindruck machte und Anzeichen von allgemeiner Schwächlichkeit, an¬ 
geborener psychopathischer Konstitution, Alkoholismus, beginnender 
Arteriosklerose usw. selten vermissen liess. Viele Kriegshysteriker boten 
lediglich gewollte bzw. aktiv festgehaltene bzw. automatisierte Erschei¬ 
nungen bei ungestörtem Allgemeinbefinden. Die Zitterer, die in der 
ersten Zeit der Revolution auf der Strasse nicht zu sehen waren, sind 
jetzt nioht so selten als Bettler anzutreffen. Bei den faohärztliohen 
Nachuntersuchungen produzieren die durch aktive Therapie Geheilten 
oft die alten Bewegungsstörungen, obgleich sich aus den Akten ergibt, 
dass sie als Arbeiter vollen Erwerb hatten. Auf Hinweis erklärten die 
Untersuchten in der Regel, dass jede Aufregung, so auch die ärztliche 
Untersuchung das Zittern usw. her vorrufe. Es dürfte sich fast immer 
um ein bewusst gewolltes Wiedereintreten der Störung handeln, in 
mehreren Fällen genügte einfaches Verbieten, das Schütteln zu be¬ 
seitigen. Für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit kann die Fähigkeit, 
die alten Störungen zu reproduzieren, nicht von Belang sein. 

(Eigenbericht) 

Hr. Fritz Fleischer: In das unter meiner ärztliohen Leitung 
stehende Vereinslazarett Kurhaus St. Georg in Hermsdorf wurden Kriegs¬ 
neurotiker aus dem Lazarett der Herren Leppmann und Singer über¬ 
wiesen, nachdem sie dort symptomlos gemacht worden waren. Bei mir 
sollten sie der Arbeitsbeschaffung zugeführt werden. Sie kamen sämt¬ 
lich nicht symptomlos an. Trotzdem waren Rückverlegungen in die 
Nervenbeobachtungsstation der genannten Herren kaum jemals erforder¬ 
lich. Die Leute wurden vielmehr bald symptomlos und blieben es. 
Den Grund für dieses Ergebnis möohte ich in der Art meines Vorgehens 
erblicken. Die Kranken wurden nämlich bei ihrer Aufnahme zunächst 
von einer besonders angelernten Krankenschwester anamnestisoh er¬ 
schöpfend befragt, dann von einem Assistenten untersucht und kamen 
erst am folgenden Tage vor mich. Ich habe sie nur psychologisch vor¬ 
genommen. Als krankmachende Faktoren kamen keineswegs durchwegs 
Kriegseioflüsse, sondern alle Einwirkungen, die als Neurosen auslösende 
von jeher bekannt sind, in Betracht. Besonders auffallend war die 
Häufigkeit sexueller Momente, unter denen Untreue der Frau und Ge¬ 
schlechtskrankheiten hervortraten. Die Grundlage für nahezu sämtliche 
Erkrankungen bildete aber die psyohopathische Persönlichkeit. In der 
Sprechstunde lässt sich jetzt beobaohten, dass Leute aus Kreisen, bei 
denen Begehrungsvorstellungen der' üblichen Art nicht in Frage kommen, 


mit Symptomen der Kriegsneurose behaftet geblieben sind. Durch ent¬ 
sprechend vorgenommene Analyse kann man erkennen, dass hier Leute 
symptomlos gemaoht waren, die nicht durch militärische Einflüsse sondern 
andersartige Einwirkungen beim Militär krank geworden waren. Ihre 
Rückfälle sind durchaus verständlich. Ihre Heilung gelingt auch ohne 
sogenannte aktive Therapie. Auch bei ihnen handelt es sich um die 
psychopathische Persönlichkeit. Der Rentenbeurteilung der Kriegs¬ 
neurotiker ist in allen Instanzen Aufmerksamkeit zu schenken, da viel¬ 
fach der Standpunkt vertreten wird, dass das während der Militärzeit 
aufgetretene Leiden beim Militär erworben und daher entsohädigungs- 
bereehtigt sei. Einem solchen Standpunkt muss ganz entschieden ent- 
gegengetreten werden. (Eigenbericht.) 

Hr. Cassirer: Die optimistische Auffassung der Prognose der 
Kriegsneurose vermag er nicht zu teilen. C. sieht unter militärfreiem 
Material, das von der Invalidenversicherung und den Kriegsfürsorge¬ 
ämtern ihm sugewiesen wird, ohne Rente entlassene Leute, von denen 
duroh einwandsfreie Nachforschungen nachgewiesen wird, dass sie nicht 
arbeiten und offensichtlich Not leiden. Die Leute behaupten mit Be¬ 
stimmtheit, nioht arbeiten zu können, weigern sich, sioh nochmaliger 
aktiver Behandlung unterziehen zu lassen, deren sie, unter verschiedenen 
Formen, unter anderen auch mehrfach in Göhrden unterzogen wurden. 
Zweifellos bandelt es sioh überall um psychogene Zustände, aber keines¬ 
wegs gewinnt man immer den Eindruck, sasa es böser Wille ist, der 
sie von der Arbeit fernhäll. Sie haben vielfach Versuche gemacht, sind 
aber auch von staatlichen Behörden wegen ungenügender Arbeitsleistung 
zurückgewiesen worden, in der Industrie sind sie nioht verwertbar, die 
Arbeitgeber sagen, es sei uiehts mit ihnen anzufangen, ihre Reizbarkeit 
ist zu gross, sie vertragen sich nicht mit ihren Arbeitskollegen. Für 
diese Fälle ist mit der Ablehnung der Kriegsdienstbesobädigung nichts 
erreicht Aus der Vorgeschichte geht hervor, dass sie vor der Ein¬ 
ziehung mehr oder minder voll arbeitsfähig gewesen sind. Was soll mit 
diesen Leuten geschehen?. Auf die eine oder die andere Weise muss 
für sie gesorgt werden, und wird schliesslioh auoh für sie gesorgt, wo 
die gewöhnlichen Versicherungen versagen, eventuell duroh Unterstützung 
von seiten der Kriegsfürsorgeämter. Hier liegen die grössten praktischen 
Schwierigkeiten vor, die mit der Erledigung seitens der militärischen 
Behörden noch bei weitem nicht ans der Welt geschafft sind. 

(Eigenbericht) 

Hr. Liepmann hält es nioht für berechtigt, bei den Personen, die 
nach schwerster Gemutsersehütterung neurasthenische Symptome zeigen, 
generell von Pseudoneurasthenie zu sprechen. Es kommt das bei In¬ 
dividuen vor, dir keinerlei hysterische Züge zeigen. Die Neurosen nach 
seelischem Schock kann man nioht ganz in der Hysterie aufgehen lassen. 
Ausserdem wird zu aussehliesslioh mit „Begehrungsvorstei lungen K ope¬ 
riert. Befürchtungen und hypochondrische Vorstellungen spielen auoh 
eine grosse Rolle. — Schliesslich ist zu bemerken, dass zwar Simulation 
und hysterische Symptome sioh vielfach mischen, dass beides Verwandt¬ 
schaft hat und ineinander fliesst, dass im Einzelfall die Trennung 
höchst schwierig, ja unmöglich werden kann, dass man aber Aeusse- 
rungen vermeiden soll, die wie eine Gleichsetzung klingen. 

(Eigenbericht.) 

Hr. Stier: ln allen Fällen, in denen ein objektiver krankhafter Be¬ 
fund fehlt, ist die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit natürlich sehr schwer. 
Nioht energisch genug aber müssen wir den militärischen Instanzen 
gegenüber betonen, dass Erwerbstätigkeit und Erwerbsfähigkeit ge¬ 
rade bei den Nervösen mit ihren gesteigerten Unlustgefühlen und ihrer 
häufig herabgesetzten Energie zweierlei ist, und trotz tatsächlicher Un¬ 
tätigkeit ein gesundheitliches Hindernis zu bearbeiten nicht besteht. 
Ich persönlich pflege in solchen Fällen im Gutachten zu schreiben, dass 
ein objektiver krankhafter Befund sieh nioht naohweisen lässt und die 
geklagten nervösen Beschwerden zwar an sieh glaublich, aber nioht 
stärker sind als bei unzähligen Menschen, die ihre Berufsarbeit voll 
leisten. Noch einfacher ist die Beurteilung bei der Invalidenversicherung, 
denn weniger als ein Drittel erwerbsfähig sind die Neuro- und Psycho¬ 
pathen doch nie. Leider aber bekommen die Nervösen trotzdem oft 
Invalidenrente und versuchen dann daduroh einen Druck auf die mili¬ 
tärische Begutachtung auszuüben. (Eigenbericht.) 

Hr. Schuster: Herrn Bonhöffer pflichte ioh dürohaus darin bei, 
dass Hysterie und Simulation sioh oft so verflechten, dass nicht zwischen 
Ihnen getrennt werden kann. Auch sind die Grenzen zwischen Simu¬ 
lation und Hysterie keine absolut scharfe. Manchmal wird ein ursprüng¬ 
lich hysterisches Symptom später simuliert festgehalten, manchmal ist 
der Zusammenhang umgekehrt, so dass ein anfänglich simuliertes Zeichen 
später hysterisch fixiert wird. Was die Formen der traumatischen Neu¬ 
rosen angeht, welohe im wesentlichen nur das Symptom des Kopfsohmerzes 
zeigen, so halte auoh ich diese Formen meist nioht für echte Neu¬ 
rasthenien, sondern für psychisch bedingte Fixationen eines anfänglichen 
direkt traumatischen Kopfschmerzes. Die Behandlung dieser Fälle ist 
übrigens häufig sehr viel schwieriger als die der ausgesprochenen Neu¬ 
rosen. (Eigenbericht.) 

Hr. Cassirer: Unter den Fällen, die ioh vorher im Auge hatte, 
handelt es sich vielfach um solche, bei denen die nervösen Beschwerden 
neben anderen Affektionen, anämischen Zuständen, Unterernährung, 
Arteriosklerose, direkten Verletzungsfolgen usw. vorhanden sind, und es 
ist dann aber die Frage zu beantworten, wie hoch die ErwerbBbehinde- 
rung duroh das nervöse Moment zu schätzen ist. Das Maass derselben 


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4. August 1919.* 


BERLINER KLINISCHE WOCHEN SCHRIFT. 


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gibt dann im einzelnen Falle die Entscheidung, ob Invalidität im Sinne 
des Gesetzes vorliegt, und gerade diese Beurteilung ist so ausserordent¬ 
lich schwierig. Man kann nicht, wie Herr Stier meint, den Aufwand 
von Energie, deren man selber fähig ist, ohne weiteres von anderen 
verlangen. Die Abschätzung muss hier der Sache nach im gewissen 
Sinne immer eine willkürliche sein, das psychologische Moment des Ein¬ 
drucks der ganzen Persönlichkeit spielt hier eine grosse Rolle. Besondere 
Schwierigkeiten maohen die Leute mit Anfällen, die plötzlich bei der 
Arbeit auf banale Ursaohen hin, aber auch ohne jeden erkennbaren An¬ 
lass auftreten. Gerade für die Leute besteht die Schwierigkeit, dass 
sie trotz Arbeitswilligkeit von den Arbeitgebern nicht behalten werden, 
Haben sie erst aus solchen Gründen die Arbeit mehrfach aufgeben müssen, 
so verschwindet allmählioh auch die Lust zu neuen Versuchen. 

(Eigenbericht.) 

Hr. Stier: Selbstverständlich gibt es auch psychische Zustände, 
die die Arbeitsfähigkeit einschränken, vor allem die leichten Depressionen, 
die Zwangszustände und ähnliches. Auch die praktischen Schwierig¬ 
keiten der Leute mit Anfällen sind nioht zu verkennen. Das Gros der 
Leute aber, die jetzt zur Beurteilung kommen, sind doch immer solche 
mit leichten nervösen Beschwerden allgemeiner Art, wie Kopfschmerzen 
Schlaflosigkeit, gesteigerter Ermüdbarkeit, Reizbarkeit. Sie sind grund¬ 
sätzlich erwerbsfähig. Die Annahme einer Dienstbeschädigung im Sinne 
einer durch übermässige Anstrengungen im Kriege bedingten Ver¬ 
schlimmerung ihrer nervösen Konstitution kommt kaum je in Frage. 
Rentenansprüche können daher fast ausnahmslos abgewiesen werden, 
vor allem, da kaum einer dieser Leute, die mir zur Beurteilung vor¬ 
geführt werden, überhaupt wirklichen Kriegsdienst getan hat. 

(Eigenbericht.) 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultnr zu Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 28. Februar 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Rosenfeld. 

Hr. Kiittner: Erfolgreiche Sehnenscheiden- nnd Bänderplastik. 

Leutnant (Mediziner), ausgedehnte Phlegmone nach Schussverletzung 
der Hand mit schwerer Vernarbung auf dem Handrücken und dem 
Dorsum des peripheren Vorderarmdrittels. Herauspräparieren aller Streck¬ 
sehnen aus den Narbenmassen, wobei ein Teil der Sehnen aus dem 
Narbengewebe gebildet werden muss. Sehnenscheidenröllchen aus Fett¬ 
gewebe um alle Sehnen, Wiederherstellung der Bänder durch gedoppelte 
Faszienlappen aus dem Oberschenkel. Glatte Heilung. Resultat nach 
4 Woohen (s. die nebenstehenden Abbildungen). 

Hr. 0. Förster-. 1. Nervenpfropfong bei Poliomyelitis. 

2. Zur Therapie spastischer Lähmungen. 

3. Riiekenmarkstnmoren. 

Aussprache: Herren Bumke, Dreyer, Hürthle, Förster. 


Sitzung vom 7. März 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 

Der Vorsitzende gedenkt zunächst in ehrenden Worten der Er¬ 
innerung des am 22. II. 1919 verstorbenen Mitgliedes der Gesellschaft 
San.-Rat Dr. Siegfried Kohn. Er war von Geburt ein Schlesier, und 
Breslau gehörte seine Lebensarbeit, die er vor allem auch den Armen 
zugute kommen liess. Rastlos und opferfreudig hat er bis in die letzte 
Zeit seines Lebens seine ärztliche Tätigkeit geübt, bis ihn der Tod in 
seinem 66. Lebensjahre abberufen hat, tief betrauert und dankbar ver¬ 
ehrt von seinen zahlreichen Kranken, seinen Kollegen und weiten 
Kreisen, die ihn kannten. Ehre seinem Andenken. 

Hr. Tietze: Bericht über die Schnssverletznngen des 12. Februar. 

Bei einem Krawall am 12. Februar 1919 in Breslau sind durch 
Maschinengewehrverletzungen aus sehr geringer Entfernung eine Reihe 
von Verletzungen entstanden, 40 der Verwundeten kamen nach dem 
Allerheiligen-Hospital. 20 davon waren schwerverletzt, 6 starben, dar¬ 
unter 2 Kopfschüsse und 2 Lungenschüsse. 

Redner gibt einen kurzen Bericht und hebt hervor, dass die Ver¬ 
letzungen in wissenschaftlicher Beziehung nichts Neues geboten hätten, 
dass sie aber in ihrer Gesamtheit ein volles Bild der Wirkung der Nahe¬ 
schüsse ergaben. Die Einzelheiten werden besprochen und an Bildern, 
Präparaten und Diapositiven erläutert. 

Von 5 Bauehverletzten wurde I sterbend eingeliefert; 4 wurden 
wegen Verletzung der Eingeweide operiert, davon starb 1. 

Von den Extremitätenschüssen zeigten mehrere die zundrige mus¬ 
artige Beschaffenheit der Muskulatur, wie sie für Granatschüsse gewöhn¬ 
lich ist. In 2 Fällen wurden in dieser Muskelmasse im Schnitt Stäbchen 
gefunden, welche für Gasbrandbazillen gehalten wurden. Beide Patienten 
starben, bevor sieb eine Gasphlegmone entwickelt hatte. In einem 
3. Falle (Oberarmschuss) entwickelte sich peripher von der Schussver¬ 
letzung eine typische Gasphlegmone, welche zur Absetzung des Gliedes 
führte. Heilung. 


Abbildung 1. 



Abbildung 2. 



Abbildung 3. 



Abbildung 4. 



Hr. Uhthoff berichtet kurz im Anschluss an die demonstrierten 
Röntgenplatten mit den zahlreichen sichtbaren, kleinen Bleispritzern in 
den getroffenen Organ- und Gewebsteilen über die in der Universitäts- 
Augenklinik während des Krieges beobachteten Fälle von Bleispritier- 
verletznngen des Anges, wo die besondere Feinheit der ins Auge ein¬ 
gedrungenen Bleipartikelchen hervorzuheben ist. Dieselben lagen zum 
Teil als ganz feine, glänzende Partikelohen im Glaskörper suspendiert, 
so dass das Bild der Synchysis scintillans ähnelte. Bemerkenswert ist 
bei diesen Bleispritzerverletzungen des inneren Auges, wie gut diese 


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Gck igle 


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742 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


kleinen Fremdkörper vielfach vom Auge ohne entzündliche Reaktionen 
dauernd vertragen werden. Bekanntlich gehört das Blei su den intra¬ 
okularen Fremdkörpern, welohe bei aseptischem Eindringen sich relativ 
indifferent verhalten und keine chemischen Reaktionen hervorrufen im 
Gegensatz zum Kupfer und zum Eisen. Die in der Augenklinik beob¬ 
achteten Fälle sind eingehend von Herrn Dr. Boehm in den klinischen 
Konatsblättern für Augenheilkunde beschrieben worden mit einer An¬ 
zahl von anatomisch untersuchten Bulbi, auf die Redner an dieser Stelle 
verweisen möchte. 

Hr. Aroi (nachUntersuohungenin GemeinschaftmltHerrnB.Llbiiski): 
Ueker Körperbau und Wachst» vea Stadt- und Laudkindern. 

Zahlreiche Beobachtungen an Schulkindern in den ver¬ 
schiedensten Kulturstaaten haben ganz übereinstimmend zu dem 
Ergebnis geführt, dass die Kinder aus den ärmeren Schichten 
sowohl an Körperlänge wie an Körpergewicht beträchtlich hinter 
ihren Altersgenossen aus den sozial besser gestellten Bevölkerungs¬ 
klassen surückstehen. Dieser Befund wird fast allgemein dahin 
gedeutet, dass die körperliche Entwicklung der Kinder der Wohl¬ 
habenden eine bessere ist als die der ärmeren Bevölkerung. 
Weitaus die meisten derartigen Untersuchungen sind in grossen 
oder grösseren Städten ausgeführt worden; vergleichende Messungen, 
welche auch die Kinder der ländlichen Bevölkerung berücksichtigen, 
sind dagegen unseres Wissens bisher nur einmal und zwar von 
Kisskalt vorgenommen worden. Die nicht unbedeutenden Unter¬ 
schiede, welche dieser Autor zwischen den Kindern kleiner 
Dörfer, städtischen Volksschulkindern und Gymnasiasten hat fest¬ 
stellen können, glaubt er in erster Linie auf Rassenunterschiede 
zurückführen zu müssen, da die Bevölkerung des flachen Landes 
in Ostpreussen preussisch-litauischer, die der Stadt Königsberg 
dagegen hauptsächlich germanischer Rasse sei. 

In Schlesien dürften Unterschiede in der Herkunft der länd¬ 
lichen und städtischen Bevölkerung nicht bestehen. Stadt und 
Land sind in ziemlich gleicher Weise von einer germanisch-sla- 
vischen Mischrasse bewohnt. Wir sind also hier in der Lage, die 
Frage zu prüfen, ob sich charakteristische Unterschiede in den 
Körpermaassen der städtischen und ländlichen Bevölkerung fest¬ 
stellen lassen, auch wenn diese der gleichen Rasse entstammen, 
mit anderen Worten, ob die Lebensweise einen charakteristischen 
Einfluss auf die körperliche Entwicklung der Kinder auszu¬ 
üben vermag. Von dieser Ueberlegung ausgehend veranlasste 
ich Herrn . Lubinski im Sommer 1917 gelegentlich eines 
militärischen Kommandos systematisch Kinder einer rein länd¬ 
lichen Bevölkerungsschicht zu untersuchen. In dem etwa 3000 Ein¬ 
wohner zählenden Dorfe Deutsch-Rasselwitz wurden sämtliche 
Schulkinder durchuntersucht. Zum Vergleich mit den 223 Knaben 
dienten einerseits 202 Breslauer Gymnasiasten, welche ebenfalls 
Herr Lubinski gemessen hat, andererseits 261 städtische 
Volksschüler, welche ich selbst bei der Auswahl von Kindern für 
den Landaufenthalt untersucht habe. Wir haben auf diese Weise 
3 Gruppen von Kindern: die Landkinder, die Volksschulkinder 
und die Gymnasiasten. Aus äusseren Gründen war es bisher 
nicht möglich, auch Mädchen der gleichen Bevölkerangsschichten, 
denen die Gymnasiasten entstammen, systematisch zu untersuchen, 
und wir müssen uns daher vorerst ahf die Resultate, soweit sie 
die Knaben betreffen, beschränken. 

Wenn wir in der Weise, wie es gewöhnlich geschieht, für 
jede Gruppe von Kindern, nach Jahresklassen geordnet, die Mittel¬ 
werte berechnen, so ergibt sich folgendes Resultat: 

Die Gymnasiasten übertrefFen sowohl die Landkinder wie die 
Volksschüler gleichen Alters ganz beträchtlich an Körperlänge 
und zwar im Durchschnitt um etwa 5—10 cm. Auch die Volks¬ 
schüler Breslaus sind an Körperlänge im Durchschnitt noch um 
einige Zentimeter den Landkindern überlegen, so dass von allen 
drei Kategorien die Landkinder für ihr Alter die niedrigste Körper- 
länge aufweisen. 

Im Körpergewicht stehen die Volksschulkinder am tiefsten, 
sie werden von den Landkindern meist nur um etwa */* kg über¬ 
troffen. Die Gymnasiasten überragen wieder die beiden anderen 
Kategorien im Körpergewicht im 2. Lebensjahrzehnt so erheblich, 
dass sie sogar mehrere Kilo mehr wiegen, als die Landkinder 
gleichen Alters. Würden wir auf Grund dieser Befunde in der 
allgemein üblichen Weise argumentieren, so würden wir folgern, 
dass die Gymnasiasten hinsichtlich ihrer Körperentwicklung, so¬ 
wohl nach Körperlänge wie nach Körpergewicht beurteilt, günstiger 
dastehen als ihre Altersgenossen aus den beiden anderen 
Bevölkerungsklassen, Landkinder und Volksschulkinder. Diese Art 
der Schlussfolgerung wäre nun aber' ein gewaltiger Trug¬ 
schluss, wie er allerdings in den Arbeiten, die sich mit 
ähnlichen Fragen beschäftigen, häufig wiederzukehren pflegt. Der 


Fehler liegt darin, dass wir bisher die Körperlänge wie auch 
das Körpergewicht nicht in Beziehung zueinander betrachtet 
haben. Tatsächlich ist aber die Grösse des Körpergewichts eine 
Funktion der Körperlänge, und das Körpergewicht hat deshalb 
nur Bedeutung, wenn wir es in seiner Beziehung zur Körper¬ 
länge betrachten. Da die Gymnasiasten absolut erheblich länger 
sind als die Kinder der beiden anderen Groppen, so müssen sie 
auch ein höheres Körpergewicht aufweisen, und es fragt sich 
nur, ob dem Mehr an Körperlänge auch ein Mehr an Körper¬ 
gewicht entspricht. 

Zur Beurteilung des Verhältnisses von Körpergewicht zur 
Körperlänge benutzen wir an Stelle des mathematisch unhaltbaren 
Zentimeter- oder Streckengewichts nach Pfaundler’s Vorschlag 
den von dem italienischen Militärarzt Livi angegebenen Index 
s_ 

ponderalis: 100 V Körpergewicht Diese Formel gibt uns die Grösse 

Körperläng«. 

des Körpergewichts im Verhältnis zur Körperlänge an und ge¬ 
stattet ein Urteil, ob und wie weit bei Kindern verschiedener 
Körperlänge das Körpergewicht der Körperlänge entspricht. Der 
Index ponderalis ist zugleich aber auch ein gewisses Maass für 
die Körperstatur oder die Breitenentwicklung des Körpers: Je 
höher der Index ponderalis, desto breiter der Körperbau; um¬ 
gekehrt, je schlanker der Körper, desto niedriger die Zahl des 
Index ponderalis. 

Erst wenn wir diesen Wert des Index ponderalis, den wir 
für jedes einzelne der gemessenen Kinder berechnet haben, in 
den Kreis unserer Betrachtungen ziehen, können wir nun ein 
wirklich zutreffendes Bild von dem Ergebnis unserer Messungen 
entwerfen. In allen Altersstufen ist der Index ponderalis 
für die Gymnasiasten weitaus am niedrigsten, für die 
Landkinder am höchsten. Die Volksschüler stehen in ihrer 
Breitenentwicklung, wie sie der Index ponderalis anzeigt, eben¬ 
falls noch erheblich über den Gymnasiasten, werden allerdings 
ihrerseits wiederum von den Landkindern übertroffen. Das 
Körpergewicht der Gymnasiasten ist also zwar absolut 
höher als das der Land- und Volksschulkinder, im Verhältnis 
zur Körperlänge weisen aber sowohl die Landkinder wie 
die Volksschüler ein höheres Körpergewicht auf. Tat¬ 
sächlich sind also die Gymnasiasten im Verhältnis zur Körper¬ 
länge leichter als die beiden anderen Kategorien, weil eben das 
Mehr an Gewicht dem Mehr an Länge nicht entspricht. 

Gerade das Gegenstück zu den Gymnasiasten bilden die 
Landkinder, welche zwar die niedrigsten Maasse für die Körper¬ 
länge aufweisen, dafür aber im Verhältnis zur Körperlänge das 
höchste Körpergewicht haben. Die Volksschulkinder nehmen 
eine Mittelstellung zwischen den Landkindern und den Gym¬ 
nasiasten ein. 

Die beiden Gruppen, Landkinder einerseits, Gymnasiasten 
andererseits, stellen sich auf Grund unserer Messungen gewisser- 
maassen als zwei Extreme dar, welche ganz charakteristische 
Unterschiede in ihrem Körperbau aufweisen. Bei den Gymnasiasten 
ein ausgesprochenes Ueberwiegen der Längenentwicklung, bei den 
Landkindern viel geringere Körperlänge, dafür aber grössere 
Breitenentwicklung. Wie beträchtlich diese Unterschiede sind, 
geht besonders klar aus einer graphischen Darstellung hervor, 
welche Ihnen zugleich auch einen Ueberblick über die Gesamtzahl 
der Messungen im einzelnen und ein viel deutlicheres Bild der 
tatsächlichen Verhältnisse liefert, als es die Durchschnittszahlen 
vermögen. (Demonstration.) 

Es erhebt sich nun die ebenso schwierige wie interessante 
Frage, wie haben wir diese Unterschiede in der körperlichen 
Entwicklung zwischen den Landkindern und Gymnasiasten zu er¬ 
klären, und auf welche Gründe können wir sie zurückführen? 
Wenn auch die Gymnasiasten in allen untersuchten Jahrgängen 
die Landkinder ganz erheblich an Körperlänge übertreffen, so 
glauben wir doch nicht, daraus scbliessen zu dürfen, dass diese 
nun dauernd an Körperlänge den Landkindern überlegen bleiben. 
Die Erfahrungen bei den Rekrutenmusterungen lassen darauf 
scbliessen, dass im allgemeinen die Landbevölkerung an Körper¬ 
länge der sozial gehobenen Schicht der Stadtbevölkerung gleich¬ 
kommt. Es handelt sich also um Unterschiede, die wahrschein¬ 
lich in den späteren Wachstumsjahren ausgeglichen werden, und 
die überragende Körperlänge der Gymnasiasten darf des¬ 
halb nur als eine vorübergehende Wachstumserscheinung, 
als der Ausdruck eines zeitlich beschleunigten, rascheren, 
nicht aber eines grösseren Längenwachstums gedeutet 
werden. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass derartige Unter- 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 






4. August 1915. 


berliner klinische Wochenschrift. 


748 


schiede io der körperlichen Entwicklung durch die Anlage, durch 
Rasse und Vererbung hervorgerufen werden können. Entscheidend 
müssen hier vielmehr äussere Faktoren sein, welche bei den 
Stadtkindern der besseren Stände eine raschere Längenentwicklung 
ohne genügende Breitenentwicklung, bei den Landkindern dagegen 
ein langsameres Längenwachstum, dafür aber eine bessere Breiten* 
entwicklung bedingen. Wie ich früher schon durch tierexperi¬ 
mentelle Untersuchungen nachgewiesen habe, liegt der Kern des 
Wacbstumstriebes im Skelettsystem; dem sur Länge aufstrebenden 
Skelett folgt die Entwicklung der übrigen Körpermaasse. Des¬ 
halb sehen wir beim Kinde in allen Perioden raschen Wachstums 
zuerst eine Steigerung des Längenwachstums, oft ohne eine ent¬ 
sprechende Maassenzunahme des Körpers, ln bestimmten Alters¬ 
perioden treten ganz ausgesprochen impulsive Beschleunigungen 
des Wachstums auf, die Stratz als „Streckungsperioden u be¬ 
zeichnet hat. Ohne Frage können derartige Beschleunigungen 
des Längenwachstums durch mannigfache äussere Ursachen hervor- 
gerufen und begünstigt werden. Alles, was die Reife der Kinder 
in geistiger Beziehung fördert, die sexuelle Entwicklung früh¬ 
zeitiger eintreten lässt, beschleunigt auch die der Pubertät vor¬ 
hergehende körperliche Entwicklung. Ebenso wie das Längen¬ 
wachstum durch gewisse Wachstumsreize beschleunigt wird, kann 
es aber auch umgekehrt durch andere Faktoren gebremst werden. 
Körperliche Arbeit und dadurch hervorgerufene kräftige Muskel- 
entwicklung während der Wachstumszeit wirken, wie Külbs im 
Tierexperiment gezeigt hat, direkt der Entwicklung der Körper- 
länge entgegen. Auch beim Kinde müssen wir uns vorsteilen, 
dass körperliche Arbeit und kräftige Entwicklung der Muskulatur 
gewissermaassen das zur Höhe aufstrebende Skelett hemmen und 
zur Breitenentwicklung zwingen kann. Die gesamte Lebens¬ 
führung der Landkinder bringt von Jugend anf eine ganz andere 
Intensität dauernder körperlicher Tätigkeit und Muskelentwick- 
lung mit sich, als sie gerade die Stadtkinder der sozial besseren 
Schichten auch trotz zeitweiliger sportlicher Betätigung leisten. 

Es liegt natürlich nahe, auch die Ernährung als einen 
Faktor anzusprechen, welcher für die von uns festgestellten 
Unterschiede zwischen den Landkindeni und Gymnasiasten von 
wesentlicher Bedeutung ist. Unsere ’ Untersuchungen sind im 
Sommer und Herbst 1917 ausgeführt worden, also zu einer Zeit, 
in der die Ernährung unserer Kinder jedenfalls noch nicht der¬ 
artig Not gelitten hat, wie in den letzten beiden Jahren. An 
ehesten müsste man noch aunehmen, dass die Ernährungsverhält¬ 
nisse der Volksschulkinder ungünstige waren. Ein Vergleich mit 
den Zahlen von Körperlänge und Körpergewicht, welche Kinder 
der gleichen Bevölkerungsschicht vor dem Kriege aufwiesen, 
lässt aber nennenswerte Unterschiede nicht erkennen. Die Land- 
kinder waren jedenfalls im Jahre 1917 nicht wesentlich anders 
genährt als im Frieden, und doch stehen gerade sie in der 
Köperlänge gegenüber den Gymnasiasten wesentlich zurück. Ich 
glaabe also nicht, dass die Kriegsernährung als solche unsere 
Resultate wesentlich beeinflusst haben kann. Eine andere Frage 
wäre, ob die Nahrung der Gymnasiasten nicht ei weissreicher, 
jedenfalls fleischreicher als die der Landkinder und Volksschul¬ 
kinder ist, und ob nicht eine derartige Kost als wachstumsfördern¬ 
des Moment wirken kann. Wir haben Erfahrungen, welche dafür 
sprechen, dass unter Umständen eine eiweissreiche Kost tatsäch¬ 
lich wachstumsfördernd wirkt, und es ist sehr wohl möglich, 
dass in diesem Sinne die Art der Ernährung eine gewisse Rolle 
unter den Wachstumsreizen spielt, die wir als Grund für die 
beschleunigte Längenentwicklung der Gymnasiasten annehmen 
mussten. 

Die verschiedenartige Körperentwicklung, welche wir durch 
unsere Messungen bei den Stadt- und Landkindern nachweisen 
konnten, ist unserer Auffassung nach begründet durch die ge¬ 
samte Lebensführung, welche bei den Gymnasiasten ein Ueber- 
wiegen der wachstumfördernden, bei den Landkindern der hemmen¬ 
den Faktoren bedingt. Als wesentlichstes Moment betrachten wir 
die dauernde körperliche Betätigung der Landkinder, im Gegen¬ 
satz dazu das Fehlen ausreichender Muakelentwicklung bei den 
Gymnasiasten. 

Auch wenn wir zahlenmässig bei den Gymnasiasten ein 
höheres Körpergewicht und eine grössere Körperlänge feststellen 
konnten, betrachten wir doch das Wachstum der Landkinder als 
das göostigere. Der Index ponderalis als Ausdruck der Breiten 
entwicklung ist uns ein wichtigeres Maass für eine gesunde 
Körperentwicklung als die absoluten Werte von Körpergewicht 
und Körperlänge. Diese Beurteilung der Messungsergebnisse steht 
in vollem Einklang mit unserer ärztlichen Erfahrung und be¬ 


wahrt uns vor dem Trugschlüsse, etwa die langaufgeschossenen 
Stadtkinder, die Pfaundler so treffend mit den kraftlosen 
Wassertrieben der Treibhauspflanzen verglichen hat, als Beispiele 
einer besonders günstigen Körperentwicklung anzusehen. 


Durohsohnitt der Körpergewichte. 


Alter 

Volkssohüler 

Landkinder 

Gymnasiasten 

Jahre 

Zahl 

Durch- 

Zahl 

Durch- 

Zahl 

Durch- 


der 

Schnitts- 

der 

Schnitts- 

der 

Schnitts- 


Kinder 

gewicht 

Kinder 

gewicht 

Kinder 

gewicht 

7 

33 

19,19 kg 

33 

19,39 kg 

33 

19,86 kg 

8 

34 

20,93 „ 

29 

21,46 w 

20 

21,49 „ 

9 

32 

22,92 . 

89 

23.83 „ 

33 I 

28.75 „ 

10 

46 

25,20 „ 

26 

25,69 „ 

19 i 

25.68 „ 

11 

28 

25,55 „ 

36 

27,86 . 

29 1 

29,58 , 

12 

48 

28,94 „ 

26 

28,09 * 

33 

32,84 „ 

13 

40 

31,60 „ 

31 

32,27 „ 

35 

35 06 „ 


Durchschnitt der Körperlängen. 


Alter 

Landkinder 

Volkssohüler 

Gymnasiasten 

Jahre 

Zahl 

der 

Kinder 

Durch- 

Zahl 
der | 
Kinder] 

Durch- 

Zahl 

der 

Kinder 

Duroh- 


sohnitt8länge 

schnittsläoge 

schnittsläoge 

7 

33 

111,8 cm 

33 

112.8 cm 

33 

118,8 om 

8 

29 

116,9 w 

34 

118,4 „ 

20 

120,8 „ 

9 

39 

121,4 „ 

32 

128,7 „ 

33 | 

128,5 „ 

10 

26 

125,5 w 

46 

127,6 „ 

19 

131,0 „ 

12 

36 

130,4 „ 

28 

128,5 „ 

29 

188,8 w 

12 

26 1 

182,5 „ 

48 

136.8 „ 

33 j 

143,4 „ 

13 

31 

140,2 „ 

40 

141,5 „ 

35 1 

j 147,8 w 


Durchnittszahlen für Index ponderalis. 


Alter 

Jahre 

Gymnasiasten 

Landkinder 

Volkssohüler 

Zahl 

der 

Kinder 

Durch- 

Zahl 

der 

Kinder 

Durch- 

Zahl 

der 

Kinder 

Duroh- 


schnitt 

schnitt 

' schnitt 

7 

83 

229 

33 

240 

33 

237 

8 

20 

230 

29 

237 

84 

232 

9 

33 

224 

39 

235 

32 

230 

10 

19 

225 

26 i 

235 

46 j 

280 

11 

29 

223 

36 

235 

28 | 

230 

12 

33 

222 

26 

229 

48 

226 

13 

85 

222 

| 31 i 226 1 

Aussprache. 

40 

225 


Hr. Samosoh fragt den Vortragenden, ob er das Verhältnis von 
Brustumfang und Körperlänge mit in den Kreis der Betrachtungen ge¬ 
zogen habe. Der Diskussionsredner hat sich vor dem Kriege des ge¬ 
naueren mit dem Wachstum der Schulkinder beschäftigt und hat dabei 
in der Literatur die Angabe gefunden, dass das Leben in der Stadt das 
Längenwachstum fördere, andererseits aber das Verhältnis zwischen 
halber Körperlänge und Brustumfang durch Hemmung der Entwicklung 
des letzteren ungünstig beeinflusse. Des weiteren macht der Diskussions¬ 
redner darauf aufmerksam, dass bei der wissenschaftlichen Verwertung 
aller Zahlenangaben betreffend Waohstum und Körperentwicklung eine 
gewisse Vorsicht am Platze sei. Die Durehschnittsziffern seien häufig 
nur errechnet« Ziffern, die wohl bei vergleichenden Untersuchungen 
einige Anhaltspunkte geben könnten, niemals aber einen Niederschlag 
der tatsächlichen Verhältnisse ergäben. Dazu sei als Ergänzung not¬ 
wendig eine Angabe über die Schwankungsbreite des Normalen. Auch 
die Methodik der antbropometrischen Untersuchung selbst und ihrer 
statischen Erfassung bzw. Vergleichung und Verwertung bedürfe gewisser 
Kautelen, die in der Literatur recht häufig nicht genügend beachtet 
seien. Das Urteil des Arztes über die Körperentwicklung des einzelnen 
wachsenden Individuums wird sich immer in erster Reihe auf genaue 
körperliche Untersuchung und den allgemeinen Eindruok und weniger 
auf Zahlenwerte stützen müssen. 

Hr. Stolte: Aus den Messungen von Herrn Aron und Lubinski 
können wir erkennen, zu welch falschen Schlüssen die einseitige Beur¬ 
teilung nur eines Wacbstumsmaasses führen kann. Bei der Entwicklung 
des Mensohen kommt es weder auf die Länge, noch auf die Zunahme 
des Gewichtes an. Nur bei gleichmässiger Entwicklung in allen 


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Original from 

UNIVERSUM OF IOWA 





744 


berliner klinische Wochenschrift. 


Nr. 31 


Dimensionen, bei dem Sohrittbalten der Entwicklung der Muskulatur 
und der inneren Organe ist von völliger Gesundheit zu sprechen. Das 
sehen wir vor allem daran, dass die überstürzt aufgeschossenen Kinder 
die meisten Wachstumsbeschwerden wie SchulanämieD, Tropfenherz und 
neuropathischen Beschwerden aufweisen. 

Hr. Küstner hat vielfach Gelegenheit, Beobachtungen an Kindern 
auf dem Lande zu machen. Auch ihm ist immer aufgefallen, wie klein 
sie häufig geblieben sind bis zu ihrer Entlassung aus der Schule und 
dass ein lebhafteres Wachstum erst nachher begann. Er glaubte bis 
dahin die Ursache wesentlich in Ernährungsverhältnissen suchen zu 
müssen und glaubte, dass eine erheblich bessere Ernährung erst ein¬ 
setzte, wenn die Kinder nach ihrer Schulentlassung sich in Dienst be¬ 
geben. Uebrigens traf das Zurückbleiben im Wachstum bei den Knaben 
häufiger zu, als bei den Mädchen. 

Hr. Aron: Schlusswort. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die Berliner Gesellschaft für Chirurgie beab¬ 
sichtigt, ihre durch den Krieg und die unruhigen Verhältnisse unter¬ 
brochene Tätigkeit im Oktober d. J. wieder aufzunehmen. Der derzeitige 
Vorsitzende (Geh. Rat Prof. Dr. W. Körte, Berlin W. 62, Kurfürsten¬ 
strasse 114) bittet Anmeldungen für Vorträge an ihn einzusenden. Die 
Eröffnung der Sitzung wird, sobald genügendes Material eingegangen ist, 
durch die medizinische Fachpresse und das rote Blatt angezeigt werden. 

— ln der am 11. Juli abgehaltenen Sitzung des Vorstandes 
der Robert Koch-Stiftung zur Bekämpfung der Tuberkulose 
wurde an Stelle des langjährigen Vorsitzenden Staatsministers v. Studt, 
der sich durch ein Augenleiden gezwungen gesehen hat, den Vorsitz 
niederzulegen, und aus dem Vorstand auszuscheiden, der bisherige stell¬ 
vertretende Vorsitzende Staatsminister F. Schmidt gewählt. Exzellenz 
v. Studt wurde in Würdigung der Verdienste, die er sich schon als 
Vorsitzender des Gründungskomitees um die Stiftung erworben hat, zum 
Ehrenvorsitzenden ernannt. Als Mitglied des Vorstandes tritt Geh. Rat 
Orth an die Stelle von Exzellenz v. Studt. An Unterstützungen 
wurden bewilligt: Geh. Rat Flügg e, Direktor des Hygienischen Instituts 
in Berlin, 5000 M. für Untersuchungen über säurefeste Bazillen, insbe¬ 
sondere über die in den Ventilen von Blasinstrumenten gefundenen; 
Prof. Selter, Direktor des Hygienischen Institus in Königsberg, 5000 M. 
zur Fortsetzung seiner Arbeiten über die Immunitätsverhältnisse bei 
Tuberkulose; Prof. Dr. Lippmann, Assistent der II. Medizinischen 
Klinik in Berlin, 1000 M. für Untersuchungen über Schutzimpfungen mit 
dem Fried man n’schen Mittel gegen den Typus bovinus des Tuberkel¬ 
bazillus. Wirkl. Geh. Ober-Med.-Rat Kirchner wurden grössere Mittel 
zu einer umfassenden Arbeit über den Einfluss des Krieges auf die Er¬ 
höhung der Krankheits- und Sterblichkeitsziffer der Tuberkulose zur 
Verfügung gestellt. 

— Der Bund Deutscher Sanitätsoffiziere schreibt uns: Zur 
Klärung der in manchen Kollegenkreisen bestehenden Auffassung über 
die Verwendung der aktiven Sanitätsoffiziere kann nachstehende 
Uebersicht über die Verluste des Sanitätskorps beitragen, die der 
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift entnommen ist. 


Verluste des Sanitätskorps 

naoh den bis zum 10. Januar 1919 fortgeführten Verlustlisten (in abso¬ 
luten Zahlen und im Verhältnis zur Kopfstärke). 


Sanitätsoffiziere 

aktive 


1 % 


ehern. 

aktive 


wieder- 
ange- 
stellte 
des Be- 
[urlaub- 
ten- 

|standes| 

i °/o i 


Sanitätsoffiziere 
des Be- 
urlaub- 


ten- 

standes 

einschl. 

approb. 

Unter¬ 

ärzten 

i% 


Feld- 

hilfs- 

und 

Feld¬ 

unter¬ 

ärzte 

;%> 


Zivil- 

einschl. 

land- 

sturm 

pflich¬ 

tige 

Aerzte 

l°/o 


Summe 


!°/o 


I 


Gefallen 
od. nach 
Verwdg. 
gestorb. 

Infolge 
Krankht. 
od. and. 
Ursache 
gestorb. 


53i)J 


64 


34,0 — j — 


Summe 


117 


6 4,0 309 35,0 


41,1 


75,1 


28 


28 


86,9 


87 


57,5 326 37,0 


86,9 


93 


147 


107 


,32.6 


23,7 


61,5| 635(72,] 


2541 


47 6,0 


151 19,5 


562,23,0 


763 31,2 


56, S| 


1) Darunter: 1 Generalarzt, 2 Generaloberärzte, 
19 Stabsärzte, 14 Oberärzte, 11 Assistenzärzte. 


198 25,5| 1325.54,2 
6 Oberstabsärzte, 


— Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Paul Fürbringer feiert am 7. d. Mts. 
seinen 70. Geburtstag. Seine Verdienste sind unsern Lesern wohl- 
bekannt: sie liegen nicht allein auf dem GeBamtgebiet der inneren Me¬ 
dizin, die er als Leiter der Poliklinik in Jena, später als Direktor der 
inneren Abteilung des Krankenhauses am Friedriohshain lehrend und 
forschend ausgeübt hat, sondern auch in seinen Leistungen innerhalb 
verschiedener Spezialfächer. So sind seine Arbeiten über die Hände¬ 
desinfektion grundlegend geworden; als Mitglied des Medizinalkollegiums 
der Provinz Brandenburg hat er eine umfangreiche Gutachtertätigkeit 
ausgeübt; und ganz besonders wird sein Name stets mit der Er¬ 
forschung und Behandlung der Geschlechtskrankheiten verknüpft 
bleiben. Wir bringen ihm hiermit unsere herzlichsten kollegialen Glück¬ 
wünsche dar. Hochsohulnachrichten. 


Bonn: Geheimrat C. Hirsoh in Göttingen wird das Ordinariat für 
innere Medizin übernehmen. — Frankfurt a. M.: Habilitiert: Dr. 
Grosser für Kinderheilkunde. — Giessen: Habilitiert: Dr. Feulgen 
für Physiologie. — Halle a. S.: Privatdozent Dr. Straub hat einen 
Ruf als a. 0 . Professor und Direktor der medizinischen Poliklinik er¬ 
halten. — Wien: Habilitiert: DDr. J. Bauer für innere Medizin und 
Rach für Kinderheilkunde. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: Minist.-DirektorWirkl. Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Gott¬ 
stein f. d. Dauer s. Hauptamtes als Direktor d. Mediz.-Abteil. d. Minist, 
d. Innern z. Direktor d. Wissenschattl. Deputation f. d. Medizinalwesen 
u. z. Direktor d. Apothekerrats; ao. Prof, in d. mediz. Fakult. d. Uni¬ 
versität in Berlin Geh. Med.-Rat. Dr. Brieger z. ordentl. Honorar¬ 
professor in ders. Fakult. 

In den Ruhestand getreten: Kreisarzt Geh. Med.-RatDr. K.Woller- 
mann in Heiligenbell. 

Niederlassungen: Dr. Bruno Ebeling in Luckenwalde, Dr.K.Kappe n 
in Oelde (Kr. Beckum), Dr. H. Bollert in Bielefeld, Dr. L. Nobel 
in Kirchborchen (Kr. Paderborn), Dr. H. Feld in Todtenhausen (Kr. 
Minden), Dr. A. Sebald in Gladenbach (Kr. Biedenkopf), Franz 
Seligmann und Ferd. Frideberg in Frankfurt a. M., Dr. Adolf 
Schmitt in Nauort (Kr. Unterwesterwald), Dr. Martin Weber in 
Hamm a. d. Sieg, Dr. R. Weidenmüller, Dr. Wilh. Bohm , Dr. 
Ernst Janssen, F. Hunecke u. Dr. K. Schöning in Düsseldorf, 
Dr. R. Prell in Elberfeld, Dr. W. Schopen in Werden (Ldkr. Essen), 
Dr. J. Hoogen in Düllen (Kr. Kempen), Dr. W. Schrimpf in Wald¬ 
niel (Kr. Kempen), Dr. Th. Koenen in Hüls (Kr. Kempen), Dr. 
Karl Breuer in Neuss, Dr. A. Bickenbach in Solingen, Dr. P. Stre- 
rath in Wiesdorf (Kr. Solingen), Dr. W. Ingendahl, Dr. R. Ruland 
u. Dr. V. Speier-Hollstein in Cöln-Mülheim, Dr. H. Kemmerling 
u. Dr. G. Laven in Cöln-Ehrenfeld, Dr. H. Mellin in Cöln-Nippes, 
Hans Müller in Bensberg (Kr. Mülheim a. Rh.), Gerh. Wagner 
in Godesberg, Dr. J. Jungbluth in Bonn, Dr. A. Kösser in Wald¬ 
bröl, Dr. H. Senne in Saarbrücken, Dr. W. Schiffers, Dr. H. Cordier 
und Dr. Th. Klock in Aachen, K. Leidecker in Eilendorf (Ldkr. Aachen). 

Verzogen: J. Bergershoff und B. Kleinen von Darmstadt, Dr. 
0. Thilenius von Soden i. T., Dr. J. Hellbach von Oberursel, 
Dr. Alb. Seligmann von Heidelberg, Dr. Kurt Scheer von Frei¬ 
burg u. Dr. Alfred Adam von Königsberg nach Frankfurt a. M., 
Dr. Gertrud Neumann u. Dr. Ludw. Stern von Frankfurt a. M. 
nach Köppern i. T., Dr, Walter Blumenthal von Freystadt nach 
Koblenz, Dr. Hans Schneider von Kreuznach nach Kirohberg (Kr. 
Simmern), Dr. J. Elfes von Crefeld, Dr. W. Kaess von Frankfurt a. M. 
u. Dr. 0. Kobold von Metz naoh Düsseldorf, Dr. Erich Dietrich 
von Herne nach Elberfeld, M. London von Cbarlottenburg nach Berlin, 
Dr. F. Meinert von Bielefeld nach Ennigloh (Ldkr. Herford), Dr. 
Albert Fink von Frankfurt a. M. nach Erzingen i. B., Dr. Herta 
von Langsdorff von Heidelberg nach Essen (Ruhr), Dr. A. Meller 
von Düsseldorf nach Bad Wildungeu, Dr. J. Fell von Hüls nach 
Münohen, Dr. F. H. Rütten von Galkhausen nach München-Gladbach, 
Dr. A. Haohner von Berl.-Grunewald u. Dr. A. Wüsthof von Godes¬ 
berg nach Bonn, Dr. M. Schumacher von München-Gladbach, F. Meer¬ 
beek von Cöln-Mülheim u. Dr. M. Schoenenberg von Bonn naoh 
Cöln a. Rh., Dr. A. Rieping von Cöln-Deutz nach Cöln-Mülheim, Dr. 
L. Beckmann von Wiesbaden nach Saarbrücken. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. E. D. C. 
H. Boyens von Trittau (Kr. Stormarn), Dr. Kurt Becker von 
Göttingen, Dr. J. Hardt von Edemissen (Kr. Peine). 

Gestorben: Reg.- und Geh. Med.-Rat Dr. Ch. Seemann in Danzig, 
San.-Rat Dr. F. Salzmann in Münster i. W., Dr. Ph. Menke in 
Herzfeld (Kr. Beckum), Dr. M. Spielmann in Bad Homburg v. d. H., 
Geh. San.-Rat Dr. 0. Vogler in Bad Ems, Dr. Heinr. Lang in Wies¬ 
baden, San.-Rat Dr. Heinrich Becker in Ochtendung (Kr. Mayen), 
San.-Rat Dr. K. Drin et in Kirchberg (Kr. Simmern), San.-Rat R.Wanner 
in Düsseldorf. 

Auf dem Felde der Ehre gefallen: Dr. Ludwig Meyer aus Lob¬ 
berich (Kr. Kempen). 

Für di« Redaktion wantwortlloh Prof. Dr. Han« Koh n, Berlin W., Bajreuther 8tr. 49 . j 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sohumacher in Berlin N. 4. 


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□ ri-gmal from 

UNIVERSUM OF IOWA 



Die Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nummern Ton etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljlütrlioh 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen and Poetanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirsehwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

64 M«L-Rat Prof. Dr. C. Ponor and Prot Dr. Utas Kolm August Hirschvald, Verlagsbuchliandluag in Botiia. 

Montag, den 11/August 1919. M 32 . Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


1 N H 

OrigiiAll«i: Klinker Die Pathogenese der sogenannten primären 
Hypertonie. S. 745. 

Fritssohe: Ueber tödliche primäre parenohymatöse M&genblntungen. 
(Aüs dem Pathologisch-anatomischen Institut Basel [Vorsteber: 
Prof. Dr. E. Hedinger].) S. 747. 

Lade: Das Looh’sohe Absaugverfahren bei Diphtherie. (Aus der 
akademischen Klinik für Kinderheilkunde su Düsseldorf [Direktor: 
Geh.-Rat Prof. Dr. A. Sohlossmann].) S. 751. 

Scheresehewsky: Praktische Ergebnisse der Chimn-Luesprophy- 
laxe in der Armee. S. 752. 

Loewy: Ein Fall von traumatischer Neurose vor 100 Jahren. S. 753 
Behla: Zur Reform der Todesursachenstatistik in Preussen. S. 753. 
BiekerhespreehnigeB : Matti: Die Knoohenbrüohe und ihre Behandlung. 
S. 755. Frösch: Zur Pathogenese der Goxa v&ra. S. 756. Quer¬ 
vain: Spezielle chirurgische Diagnostik für Studierende und Aerzte. 
(Ref. Karl.) S. 756. 


Die Pathogenese der sogenannten primären 
Hypertonie. 

Von 

Dr. D. Kliikert-Rotterdam. 

Die stets zunehmende Anwendung des Bintdruckmessers in 
der Klinik hat das alte Problem über den Zusammenhang von 
Sehrnmpfniere und Blakdruck neuerdings aufs Tapet gebracht. 
Während seit Bright, Gohnheim und Traube das Nierenleiden 
als primäre Ursache, die Arteriosklerose und der hohe Blutdrnck 
daher als Folge des chronischen Nierenleidens betrachtet wurden, 
sind in jüngster Zeit bei verschiedenen Untersuchern Zweifel an 
der Richtigkeit dieser Auffassung aufgestiegen. Traube suchte 
die Ursache des gesteigerten Drucks in dem vermehrten Wider¬ 
stand, auf den der Kreislauf in den erkrankten Nieren stüsst. 
Spätere Forscher glaubten, in der ungenügenden Nierenfunktion, 
wodurch die Schlacken des Stoffwechsels in za grosser Menge 
innerhalb der Blntbahn zurückgehaiten werden, die Ursache der 
Hypertonie- zu finden. Diese chemische Theorie wird durch 
neuere Untersuchungen stark gestützt, laut welchen sowohl bei 
akuten Formen von Glomerulonephritis, als auch bei chronischen 
Schrnmpfnieren die Retention von N-Körpern den Blntdrnck 
wesentlich steigert. Auch Beobachtungen bei aknter Anarie 
(z. B. Reflexanurie bei Ureterstein) weisen zweifellos anf ein Zu¬ 
sammentreffen von Stickstoffretention mit Hypertonie. So erwähnt 
v. Monakow 1 ), dass in einem Falle von Reflexanurie der Blut¬ 
druck bis aaf 170 mm stieg, um nach Entfernung des Ureter- 
8teioes anf die Norm von 112 mm xurückzugehen, mit gleich¬ 
zeitiger Ausscheidung von 122 g Harnstoff. Neuere Unter¬ 
suchungen über Nierenkrankheiten zeigten ebenfalls, dass nur 
die mit Erhöhung des Blutdruckes auftretenden Formen 
früher oder später za ungenügender Ausscheidung der Stickstoff 
enthaltenden Harnbestandteile führen, im Gegensatz mit den so¬ 
genannten Nephrosen, welche wohl zu Wassersucht und starker 
Albominurie, aber nicht zu Hypertonie fahren. 


1) D. Aroh. I klm. M., Bd. 115, H. 1, S. 76. 


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ALT. 

Literatir-Aissflge: Physiologie. S. 756. — Pharmakologie. S. 756. — 
Therapie. S. 757. — Parasitenkunde und Serologie. S. 757. — 
Innere Medizin. S. 757. — Chirurgie. S. 757. .— Röntgenologie. 
S. 758. — Urologie. S. 758. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. 
S. 758. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 759. — Augenheil¬ 
kunde. S. 759. — Hais-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 760. — 
Hygiene und Sanitätswesen. S. 760. — Unfallheilkunde und Ver¬ 
sicherungswesen. S. 761. 

Verkaadlugen ärztlicher GeseUsckaftei: Berliner medizinische 
Gesellschaft. Bnrokhardt: Multiple Keloide. S. 761. Born¬ 
stein: Kriegslehren für Friedensernährung. S. 761. — Laryngo- 
logisohe Gesellschaft su Berlin. S. 763. — Vereinigung 
zur Pflege der vergleichenden Pathologie. S. 765. — Verein 
für innere Medizin und Kinderheilkunde su Berlin. S. 766. 
— Medizinische Sektion der soblesisohen Gesellschaft für 
vaterländische Cultpr zu Breslau. S. 766. 

Tagesgesohiohtl. Notizen. S. 767. — Amtl. Mitteilungen. S. 768. 


Das Problem über den Zusammenhang von Sehrnmpfniere 
und Hypertonie ist jedoch hiermit nicht gelöst. Gerade das 
genauere Studium des Blutdruckes zeigte in zahlreichen Fällen 
eine Erhöhung des Blutdruckes, ohne dass klinisch eine deutliche 
Niereninsnffisienz nachgewiesen werden konnte. Gleichzeitig 
brachten neue Untersuchungen auf pathologisch-anatomischem 
Gebiet die bereits früher von Gull and Sutton verkündete 
Lehre von der Arterio-capiliary fibrosis, der Sklerose der feinsten 
Arterien and Kapillaren, mit der Sehrnmpfniere als Unterteil, 
wieder in den Vordergrund. 

Untersuchungen von Jores and Herxheimer a. a. zeigten, 
dass die genuine Schrumpfniere als Folge von Sklerose der Vasa 
afferentia and Glomeraluskapillaren anfzufassen sei, mit, als un¬ 
vermeidlicher Folge, dem Untergange des Nierenparenchyms. 
Der Weg zur Sehrnmpfniere führt also über das Gefäss- 
system. 

Die Frage über den Zusammenhang von Hypertonie and 
Schrumpfniere kann demnach wie folgt gestellt werden. 1. Bildet 
Hypertonie die Ursache dieser allgemeinen Gefäss- und Nieren¬ 
sklerose? 2. Wird amgekehrt Hypertonie durch diese allgemeine 
Gefässsklerose verursacht? 3. Tritt diese Sklerose der feinen 
Nierenarterien and Kapillaren primär aaf and wird infolge von 
Nieren Insuffizienz der Blutdruck stärker und erkrankt seknndär 
das weitere Gefässsystem? 

Die erstere Auffassung wird in Holland von de Vries 
Reilingh 1 ) verteidigt. Die konstatierte Tatsache, dass Gemüts¬ 
bewegungen imstande sind, den Blutdrnck za steigern, und das 
von C an non bewiesene Faktum, dass bei derartigen Gemüts¬ 
bewegungen eine grössere Absonderung von Adrenalin durch die 
Nebennieren verursacht wird, brachten ihn zur Ansicht, dass die 
primäre Ursache der Hypertonie in einer pathologisch vermehrten 
Funktion der Nebennieren su suchen ist; die Folge dieser 
„Hyperepinephrie“ wäre dann die allgemeine Gefäss- und Nieren¬ 
sklerose. Eine Stütze für diese Anffassang glaubt er o. a. in 
der Hyperplasie der Nebennieren in finden, wie solche von einigen 


1) de Vries Reilingh. Hypertensie, Geneeakundige Bladen, Ne- 
gentiende Beeks, Nr. 11. 


Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 








746 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32 


Forschern bei Schrumpfnierenleiden angetroffen wurde, obwohl er 
selbst sageben muss, dass diese Vergrösserung der Nebennieren 
nicht ständig eintrat. Ein Vorsag dieser Aaffassungsweise ist 
sicherlich, dass die fonktionelle Ursache stark in den Vorder¬ 
grund tritt und dadurch eine logische Entwicklung angestrebt 
wird. Auch die von vielen Untersuchern konstatierte Tatsache 
der Blutdruckerhöhung ohne deutliche Zeichen von Nieren- 
insuffisienz st&tst die Auffassung der primären Hypertonie. Doch 
kann ich mich derselben nicht anschliessen. Klinische Er¬ 
wägungen, wie die weiterhin zu erwähnenden Untersuchungen 
veranlassen mich dazu. Wie entsteht eigentlich diese Hypertonie? 
Wir sehen, dass mit zunehmendem Alter bei vielen Personen 
nach und nach der Blutdruck stärker wird. Diese Steigeruqg 
ist in gewisser Hinsicht eine normale Erscheinung; sie ist pro¬ 
gressiv und kann nicht herabgedrückt werden. Erst wenn die 
Steigerung eine abnormale Höhe erreicht, sehen wir gleich¬ 
seitig Störungen eintreten, welche deutlich auf allgemeine 
Gefässsklerose oder örtliche Nierensklerose hinweisen. Gerade 
die unauffällige, aber unvermeidliche Steigerung des Blutdruckes 
lässt aber auf eine kompensatorische Erscheinung sch Hessen. 

Wird nun diese Hypertonie durch einen rein mechanischen 
Widerstand verursacht oder ist ein verstärktes Znsammenzieben 
der Wand der feinen Arterien die unmittelbare Ursache? Da die 
mechanische Theorie von Traube, wonach der gesteigerte Blut¬ 
druck eine Folge des grösseren Widerstandes im erkrankten 
Nierengewebe ist, nicht aufrechterhalten werden kann, kommen 
wir nun zur Besprechung des zweiten Punktes: Wird die Hyper¬ 
tonie vielleicht verursacht durch die sich über das ganze Gefäss- 
gebiet erstreckende Sklerose der feinsten Arterien und Kapillaren, 
wovon die Schrumpfniere sozusagen nur einen Unterteil bildet? 
Beobachtungen von Weisz 1 2 * ) an den Kapillaren des Nagelfalzes 
bei Kranken mit erhöhtem Blutdruck lassen erkennen, dass der 
Blutstrom bei dieser Sklerose der feinsten Arterien und Haar- 
gefässe nicht regelmässig fliesst, sondern stossartig. Es ist also 
an und für sich nicht ganz unmöglich, dass zum Teil ein rein 
mechanischer Faktor mitwirkt. Indessen hat Krehl*) meiner 
Ansicht nach die richtige Bemerkung gemacht, dass die Beein¬ 
flussung des Blutdruckes durch Medikamente, wie Nitroglyzerin, 
Amylnitrit, diesen mechanischen Faktor von nur untergeordneter 
Bedeutung erscheinen lässt; auch die Arbeit von de Vries 
Reilingh 8 ) hat deutlich bewiesen, dass die vermehrte Spannung 
der Arterien wände als direkte Ursache der Hypertonie gelten muss. 

Die Theorie der Arterio-capillary-fibrosis, mit als Unterteil 
der Schrumpfniere, ist übrigens noch keine feststehende Tatsache. 
Während Jo res dieselbe neuerdings verteidigt und von einer all¬ 
gemeinen Arteriolosklerose als einer Art Systemkrankheit sprechen 
zu können glaubt, haben andere (u. a. Volhard und Fahr, 
Herxheimer) diese allgemeine Ausdehnung nicht immer finden 
können. Sie fanden in vielen Fällen den sklerotischen Prozess 
hauptsächlich in den Nierengefässen, und glauben deshalb, dass 
in diesen Fällen der Ursprung des gesteigerten Blutdruckes im 
Nierenleiden zu suchen ist. Volhard nimmt dabei, wo oft 
deutliehe Zeichen von Niereninsuffizienz fehlen, seine Zuflucht zur 
Hypothese, dass diese Blutdruekerhöhnng reflektorisch aus den 
kranken Nierenblutgefässen durch Kontraktion der feinsten 
Arterien entsteht, also ein Gefässreflex. Dieselbe Theorie äusserten 
früher Krehl und Loeb, sie wurde aber von Pel und Senator 
als unwahrscheinlich bestritten. 

Ich habe versucht, einen kleinen Beitrag zur Lösung dieses 
Problems durch folgende Untersuchung zu liefern. Bei einer 
Anzahl Patienten, die meistens in der Sprechstunde erschienen, 
mit Klagen über Reizbarkeit, Kurzatmigkeit, Anfängen von Angina 
pectoris, kurzum mit einem Symptomenkomplex, welcher klinisch 
erhöhten Blutdruck voraussetzen lässt, habe ich nicht nur den 
Blutdruck gemessen, sondern gleichzeitig auch durch Festsellung 
der Konstante von Ambard mir ein genaues Bild von ihrer 
Nierenfunktion gemacht. Wären nämlich bei diesen Personen 
mit Hypertonie die Nieren im Anfang noch ganz gesund, dann 
müsste die bisher gangbare Auffassung, dass die Ursache der 
Blutdruckerhöhung in Niereninsuffizienz liegt, unhaltbar erscheinen. 
Die Hypothese einer primären Hypertonie . würde dagegen an 
Wahrscheinlichkeit gewinnen. 

Die Feststellung der Konstante von Ambard war nötig, weil 
die einfache Messung des sogenannten Reststickstoffes des Blut¬ 


1) Weisz, D. Arch. i. klin. M., Bd. 119, S. 1. 

2) Krehl und Loeb, D. Arch. f. klin. 11., 1906, Bd. 85, S. 848. 

8) Technik en Kliniek der bloedsdrukmeting. 


serums zur genauen Beurteilung der Nierenfunktion durchaus 
nicht genügt. Eine Erhöhung des Stickstoffspiegels zeigt sich 
nur in dem präurämiseben und wirklich urämischem Stadium der 
Niereninsulfizienz, die zusammen nur einige Jabie dauern, während 
der Prozess der Nierenschrumpfung wahrscheinlich eine Reihe 
von Jahren erfordert. ' Einzelne klinische Erscheinungen bei 
diesen Hypertooici deuten auch bei meinen Patienten an, dass 
die Nierenfunktion bei ihnen nicht mehr normal ist. So die von 
mir wiederholt konstatierte nächtliche Polyurie, welche von 
Janeway bei derartigen Personen gefunden und die auch von 
altersher als ein Symptom des Schrumpfnierenleidens aufgefasst 
wurde. Merkwürdigerweise hält de V ries Reilingh Polyurie 
und niedrigeres spezifisches Gewicht des Harnes von untergeord¬ 
neter Bedeutung, weil nach seiner Auffassung die Schrumpfniere 
eigentlich das Schlussbild ist einer langandauernden vorher¬ 
gehenden Hypertonie. 

Meine Untersuchung erstreckt sich Aber 25 Patienten während 
5 Jahren. Der Harn enthielt in den meisten Fällen Spuren von 
Eiweiss, manchmal etwas mehr; in einzelnen Fällen konnte bei 
der Untersuchung kein Eiweiss nachgewiesen werden. 


Nr. 

Namen 

Blutdruck 

mm 

Serum ureum 

mg 

Koeffizient 

Ambard 

1 

H. 

180 

640 

0,187 

2 

B. 

150 

485 

0,119 

3 

T. 

235 

511 

0,119 + 

4 

L. 

185 

540 

0,106 + 

5 

W. 

160 

347 

0,077 

6 

H. 

185 

600 

0,131 

7 

v. d. B. 

150 

416 

0,100 

8 

S. 

250 

330 

0,104 

9 

L. 

190 

833 

0,234 

10 

P. 

215 

417 

0,151 

11 

B. 

160 

600 

0,119 

12 

v. E. 

210 

625 

0.122 

13 

S. 

245 

640 

0,101 

14 

de B. 

195 

630 

0,171 + 

15 

D. 

165 

415 

0,078 

16 

Z. 

235 

430 

0,150 + 

17 

S. 

200 

700 

0,300 

18 

de J. 

200 

660 

0,130 

19 

H. 

218 

600 

0,133 

20 

v. d. B. 

180 

500 

0,150 

21 

P. 

175 

527 

0,112 

22 

teD C. 

195 

416 

0,115 

23 

B. 

190 

625 

0,170 

24 

C. 

175 

475 

0,188 

25 

v. N. 

230 

450 

0,130 


Wie bekannt, beträgt der normale Wert der Konstante von 
Ambard 0,06—0,08. Von diesen 25 Patienten zeigen mithin 28 
eine merkbare Steigerung der Konstante, mit anderen 
Worten: eine deutliche Störung der Nierenfunktion in 
der Stickstoffausscheidung. Bedenkt man nun, dass nach 
den Untersuchungen von Bradford, Heinecke und Päszler 
ungefähr der vierte Teil der ganzen Nierensubstans genügt, um 
das Versuchstier am Leben zu erhalten, dann können wir aus 
dieser sichtbaren Steigerung der Konstante von Ambard schliessen, 
dass bereits ein guter Töil der Glomeruli dem sklerotischen Pro¬ 
zess zum Opfer gefallen ist 1 ). Unzweifelhaft haben wir also 
bei diesen Personen schon mit wirklichen Schrumpf¬ 
nieren zu tun. 


1) Bis su einer gewissen Höhe lasst aioh selbst die Menge des ver¬ 
nichteten Nierenparchyms schätzen, unter Benutzung der Ambard’sohen 
Gesetze. Wenn man nämlich beim Versuchstier die Konstante von 
Ambard vor der Entfernung einer Niere feststellt, dann lässt sich 
im voraus die Grösse der Konstante berechnen, sobald das Tier auf 
einer Niere leben muss. Eine Fixierung kurz nach der Operation wird 
dann zeigen, ob diese theoretische Berechnung mit der Wirklichkeit 
stimmt. Merkwürdigerweise ist dies der Fall. So fand Weil 1 bei einem 
Hunde vor der Operation eine Konstante von 0,0336; für eine Niere 
theoretisch berechnet ist dies 0,0474. Die Fixierung der Konstante 
naoh der Operation zeigte 0,048, also vollkommen in Uebereinstimmung 
mit der theoretischen Berechnung; mit anderen Worten: die Entfernung 
der einen Hälfte des Nierenparenchyms beim Versuchstier steigert die 
Konstante von 0,0336 auf 0,048. Berechnet man nun, wie bei einem 
Patienten mit normaler Konstante von 0;073 diese sich stellen würde, 
falls die Hälfte des Nierenparenchyms entfernt (oder duroh Krankheit 
vernichtet) würde, dann müsste die Konstante theoretisch anf 0,108 steigen. 

Bei meinen Patienten ist die Konstante beinahe stet» höher als 
0,108. Obwohl ich nicht gerne aus diesen Formeln alle Schlüssige- 


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UNIVERSUM OF IOWA 



11. Anglist 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


747 


Meiner Meinung nach muss man nnn den hohen Blutdruck 
mit dieaem sicher festgesteilten Nierenleiden in Zusammenhang 
bringen. Die Klinik der anderen Formen von akuten und chro¬ 
nischen Nierenleiden berechtigt ans dazu. Wir müssen uns auch 
fragen, ob die Hypertonie ihren Ursprung nicht in der gestörten 
Nierenfunktion findet und gewissermaassen als kompensatorische 
Erscheinung aufzufassen ist. Das Auftreten echter Urämie, sobald 
Mie Herztätigkeit bei Schrumpfnieren leidenden zu wünschen lässt 
und der Blutdruck geringer wird, wurde zu oft konstatiert, um darin 
nur eine zufällige Erscheinung zu sehen. Die Störung der Nieren- 
fnoktion tritt noch mehr hervor durch die Tatsache, dass sich bei 14 
von meinen 25 Patienten im Ureumspiegel von über 600 mg zeigt. 

Ein Fall von v. Müller 1 ) beobachtet, beweist, dass es mög¬ 
lich ist, jahrelang mit defekter Nierenfunktion zu leben, falls 
die Erkrankung der Nieren keine Fortschritte macht und der 
Körper im stände ist, durch kompensatorische Steigerung des 
Blutdruckes der ungenügenden Funktion nachzuhelfen. Es handelte 
sich um eine Frau von 46 Jahren, die 20 Jahre früher an Schar¬ 
lachnephritis gelitten und 'seitdem ständig einen Blutdruck von 
200 mm gezeigt hatte. Das nicht angegriffene, gesund gebliebene 
Nierengewebe hat in diesem Falle mit Hilfe einer kompensato¬ 
rischen Hypertonie 20 Jahre lang seine Funktion erfüllen können. 
Ich glaube, meine Untersuchung spricht für die Auffassung von 
Herxheimer und -Fahr, dass nämlich bei der grossen Mehrheit 
meiner Fälle der Progpss der Gefässsklerose hauptsächlich in den 
Nieren lokalisiert ist und dass, falls auch in einigen Fällen 
eine allgemeine Sklerose der feineren Arterien besteht, 
der höhere Blutdruck jedenfalls im sklerotischen Nie¬ 
renprozess seine Ursache findet. Auch Widal und seine 
Schule neigen zu dieser Ansicht. So schreibt u. a. Weill 2 ), dass 
von 17 Fällen sogen, reiner Hypertonie 14 eine deutlich höhere 
Konstante von Ambard zeigten, welche klinisch nicht dia¬ 
gnostiziert werden konnte. Eine amerikanische Untersuchung 
von JoneB und Austin 3 ) kommt zum selben Resultat. 

Hiermit ist der dritte Punkt von selbst zur Sprache gekommen 
und in bejahendem Sinne beantwortet. Mein Material bietet 
jedoch noch Anlass zu einigen Bemerkungen. Hervorzuheben ist 
z. B. Fall 8T. Ein BOjähriger Mann kam im Mai 1915 in meine 
Sprechstunde. Der Blutdruck betrug 235 mm, Serum ureum 
511 mg per Liter, von modernem Standpunkte eine echte Hyper¬ 
tonie. Die Konstante von Ambard betrug jedoch 0,119. Der 
Verlauf war folgender: Im Dezember 1915 Asthma cardiale und 
im April 1916 der Tod im urämischen Koma. Hier bestand be¬ 
reits bei der ersten Untersuchung ein fortgeschrittenes Nieren¬ 
leiden (Konstante 0,119), im Dezember, also ein halbes Jahr 
später, traten Erscheinungen von ungenügender Herztätigkeit auf 
und noch ein halbes Jahr später tödliche Nieren-Insuffizienz. 
Pol 4 ) warnte mit Recht vor einer zu strengen Scheidung zwischen 
gutartiger und fortschreitender Nierensklerose; der soeben er¬ 
wähnte Fall rechtfertigt diese Mahnung aufs deutlichste. 

Auch der zehnte Fall ist von Wichtigkeit. Ein Mädchen 
von 20 Jahren sucht Hilfe wegen rascher Ermüdung und Herz¬ 
klopfen. Der Blutdruck zeigt 215 mm, Stickstoffgebalt des Blutes 
417 mg per Liter, scheinbar ein ganz normales Verhältnis und 
demnach ein Fall von „primärer Hypertonie 14 . Im Harne finden 
sich nur Sparen von Eiweiss. Die Fixierung der Konstante von 
Ambard mit einem Werte von 0,151 zeigt jedoch die wirkliche 
Art und den Ernst des Leidens: eine echte Schrumpfniere mit 
unbekannter Aetiologie. In der Literatur werden mehrere Fälle 
von sogen, juveniler Hypertonie beschrieben, u. a. von de Vries 
Reilingh in seiner bereits erwähnten Abhandlung. Br bat die 
Am bardische Messung unterlassen und glaubte mit reiner Hyper¬ 
tonie zu tun zu haben. Wie solche Fälle, die bei der ersten 
Untersuchung eine scheinbar noch ungestörte Nierenfunktion zeigen, 
in kurzer Zeit urämisch zu gründe gehen können, lehrt ein Fall 
von Umber*). Ein 85jähriger Mann mit einem Blutdrucke von 

rungen für den Menschen akzeptieren möchte, beweisen sie doch, dass 
eine Steigerung in den Konstanten über 0,108 bereits ernstliche Ver¬ 
wüstungen des funktionierenden Nierenparenchyms ans Licht bringt. 

Bemerkung bei der Korrektur: Inzwischen hat J. Th. Peters 
in einer Arbeit aus der Leidener Klinik (D. Aroh. f. klin. M., Bd. 129, 
H. 8 u. 4) den Versuch gemacht, den Verlust von Nierenparenchym 
mathematisch zu bestimmen. 

1) v. Müller, Berechnung und Begriffsbestimmung auf dem Qebiet 
der Nierenkrankheiten. 1917, S. 89. 

2) L’azotömie au ooura des nöphrites ohroniques. S. 118—116. 

8) The Amerioan Journal of the medical diseases. 1916, Vol. 152, Nr.5. 

4) Nierziekten, S. 401. 

6) B.M.W., 1916, Nr. 47, S. 1268. 


220 mm und klinisch intakten Nieren, Harn ohne Eiweisa und 
Formelementen. Selbst eine sogen, funktionelle Untersuchung 
(ohne Angabe der Methode, aber sicherlich kein Ambard) 
zeigt ein normales Verhältnis. Nach dreiviertel Jahr ist der 
Blutdruck auf 250 mm gestiegen, hat sich eine Retinitis albumi¬ 
nurica entwickelt und ist auch der Stickstoffspiegel stark ge¬ 
stiegen. Das Ende ist jeden Augenblick zu erwarten. Auch hier 
eine klassische Beschreibung eines latenten Schrumpfnierenleidens, 
welches rasch zum tragischen Ende führte. Meiner Ueberzeugnng 
nach hätte auch in diesem Falle die Konstante von Ambard 
eine richtigere Beurteilung verschafft. Die Fälle von „juveniler 
Hypertonie 44 erweisen sich demnach auch’als'echte Schrumpfnieren. 
Sie sind unwiderlegbare Beweise für die Schlussfolgerungen aus 
den anderen Fällen, die meistens Personen zwischen 45 und 
60 Jahren betreffen. Die Beobachtungen von Herxheimer 1 ), 
der bei seinen Sektionen von Patienten im Alter von 85 Jahren 
stets, wenn auch in wechselnder Ausbreitung bei mikroskopischer 
Untersuchung Sklerose der Vasa afferentia antraf, ja selbst in 
Fällen Zwanzigjähriger echte Nierensklerose feststellen konnte, 
geben den klinischen Konstatierungen die feste Stütze anatomi¬ 
scher Untersuchungen. 

Meine Untersuchung spricht mithin stark für die alte Auf¬ 
fassung, dass Hypertonie als Folge des Nierenleidens zu betrachten 
ist. Auf den Mechanismus, wodurch diese Blutdrucksteigerung 
entsteht, fällt kein neues Licht. Wo aber in unseren Fälien eine 
deutlich gestörte Nierenfunktion zutage tritt, dürfen wir ver¬ 
muten, dass die Ursache der Blutdrucksteigerung in gestörter 
Nierenfunktion zu suchen ist, wie auch von Müller*) kürzlich 
aus rein klinischen Gründen auseinandersetzte. 

Wie beim Versuchstier nach Entfernung einer Niere nach 
einiger Zeit das Gleichgewicht wieder eintritt durch kompensa¬ 
torische Hypertrophie der anderen gesunden Niere, — so sucht 
auch der ■, menschliche Organismus dem Verlust an Nierenparen¬ 
chym durch Blutdruckerhöhung nachzuhelfen. 

Ein einzelner Punkt bedarf näherer Beleuchtung. De Vries 
Reilingh betont nachdrücklich die von der französischen Klinik 
festgestellte Tatsache, dass besonders Neurarthritici eine gewisse 
Anlage für Hypertonie, d. h. also Nierensklerose besitzen, nnd 
argumentierte gerade hieraus, dass die Blutdruckerhöhung primär 
und ihre Ursache in intensiverem Gefühls- und Nervenleben dieser 
Personen zu suchen sei. Die Hypertonie wäre alsdann eine Folge 
einer funktionellen, dauernden Hypertrophie der Nebennieren, so 
zu sagen ein Struma der Nebenniere. Obgleich ich ihm, nach 
vorstehenden Erwägungen und Untersuchungen, nicht beipflichten 
kann, verlangt diese klinisch konstatierte Anlage der Neurarthri¬ 
tici für Gefäss- und Nierensklerose trotzdem eine befriedigende 
Erklärung. Ich möchte hierfür drei Ursachen anführen: 

1. wahrscheinlich die wichtigste: Der oft erbliche Minder¬ 
wert des ganzen Gefässystems oder gewisser Teile 
desselben (Nieren, Herz, Gehirn); das familiäre nnd erb¬ 
liche Auf treten vonSchrumpfniere nleiden(Pel, Eich hörst, 
Dickioson, Kidd) ist die klinische AenBserung desselben; 

2. die oft übermässige und zweckwidrige Ernährung bei 
diesen Personen; 

8. die grössere Abnutzung des Gefässsystems dieser Personen 
in Folge des emotionellen Charakters, welcher sie kennzeichnet. 
Erregungen veranlassen unwermeidlich Blutdruckfluktuationen nnd 
stellen daher grösse Ansprüche an das an und für sich weniger 
lebenskräftige Gefässsystem. Inwiefern auch die Nierengefässe 
an diesen nervösen Druckfluktuationen teilnehmen, bleibt noch 
eine offene Frage. Das Bestehen einer Urina spastica nach Emo¬ 
tionen, Polyurie bei Migräne nnd Angina pectoris sprechen meines 
Erachtens in gewissem Sinne für diese Auffassung. 


Aus dem Pathologisch-anatomischen Institut Basel 
(Vorsteher: Prof. Dr. E. Hedinger). 

Ueber tödliche primäre parenchymatöse 
Magenblutungen. 

Von 

Dr. med. Rebert Fritiseke, 

1. Assistenten am pathol. Institut. 

Man ist gewohnt, in den allermeisten Fällen von Magen¬ 
blutungen als Ursache derselben eine anatomische Veränderung 

1) M.m.W.“1918, Nr. 11, S. 287. 

2) 1. c., S. 27 und 68. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


des Magens in finden. In erster Linie komnyBn Ulcus simplex 
und Karzinom in Betracht, hftufig finden sich punktförmige Blu¬ 
tungen in der Schleimhaut oder eigentliche h&morrhagische Ero¬ 
sionen. Gelegentlich wird ein geplatzter Varix oder ein geborstenes 
Arterienaneurysma als Quelle einer tödlichen Magenblutung ent¬ 
deckt. Tuberkulöse und syphilitische Geschwüre sind in seltenen 
Fällen die Ursache von Blatungen. Bei den seltenen Fällen von 
Aktinomykose des Magens wird Erbrechen blutiger Massen er¬ 
wähnt. Magenblutungen aus geschwungen Veränderungen des 
Magens wurden bei Trichinose (Lit. bei Stäubli) beobachtet. 
Bei Milzbrand des Magens kann gelegentlich blutiges Erbrechen 
auftreten. Selbstverständlich können traumatische Läsionen von 
aussen her oder durch verschluckte Fremdkörper Blutungen ver¬ 
anlassen, ebenso Verätzungen. Auch gutartige Tumoren (Myome) 
und Sarkome können Blutungen verursachen. Abszesse und Tumoren 
können von der Nachbarschaft unter Blutung in den Magen durch¬ 
brechen. Bei Cholelithiasis können durch Perforation von Gallen¬ 
steinen in den Magen und durch Fistelbilduog profuse Blutungen 
auftreten. 

In manchen Fällen, in denen eine umschriebene Schleimhaut¬ 
läsion nicht erkennbar ist, kann die Blutung auf eine bestehende 
akute oder chronische Gastritis zuruckgeffibrt werden. Auch bei 
gutartigen Pylorusstenosen kommen Blutungen vor, bei denen die 
Sektion unter Umständen eine unveränderte Schleimhaut ergibt. 
Arteriosklerotische oder syphilitische Veränderungen der Magen- 
gefässe können unter Umständen auch ohne Ulzerationsprozesse 
zur Blutung fahren. - 

Die schon erwähnten punktförmigen Schleimhautblutungen 
und hämorrhagischen Erosionen können nnr in seltenen Fällen 
als lokale Magenerkrankung, d. h. als selbständiges Krankbeits- 
bild gedeutet werden (Lit. bei Rfitiroeyer). Meistens verdanken 
sie ihre Entstehung einer ausserhalb des Magens liegenden Ur¬ 
sache, wovon folgende zu nennen sind: Stauung des allgemeinen 
Kreislaufes bei Herzinsuffizienz, Stauung des portalen Kreislaufes 
bei Erkrankungen der Leber oder der Pfortader, welche besonders 
zur Entstehung von Varizen zu führen pflegt, alle möglichen sep¬ 
tischen Erkrankungen — eitrige Appendizitiden, Abszesse, Peri¬ 
tonitis, puerperale Infektion, Infektion der Gallen- und Harnwege, 
akute Infektionskrankheiten — Verbrennungen, voran gegangene 
Operationen, besonders der Baucborgane; hämorrhagische Diathese 
bei perniziöser Anämie, Leukämie, Skorbut, Purpura, ferner 
Cholämie, Hämophilie, organische Nervenkrankheiten, Addison'sche 
Krankheit. In allen diesen Fällen können jedoch bei der Sektion 
die erwarteten Schleimhautblutungen oder hämorrhagischen Ero¬ 
sionen fehlen. Es liegt dann also eine parenchymatöse Blutung vor. 

Parenchymatös sind jedenfalls auch die im Zusammenhang 
mit der Menstruation auftretenden Blutungen, die mehr oder 
weniger regelmässig mit den Menses oder zur Zeit der erwarteten, 
jedoch ausbleibenden Menstruation, besonders bei Chlorose und 
nervöser Disposition (Hysterie) auftreten (Kuttner) und die bei 
Hysterie ohne Zusammenhang mit den Menses beobachteten Magen- 
blutungen. 

Trotz dieser zahlreichen Erklärungsmöglicbk^iten für Magen¬ 
blutungen gibt es seltene Fälle, in denen eine lokale oder all¬ 
gemeine Ursache weder klinisch noch pathologisch-anatomisch 
gefunden werden kann. Ueber zwei derartige Fälle, die im 
hiesigen Institute beobachtet wurden, möchte ich im folgenden 
berichten, da die Kasuistik solcher Fälle noch recht klein ist 

Der erste der beiden Fälle, eine 88jährige Hausfrau, kam 
am 27. Oktober 1917 zur Sektion, nachdem sie vom 23.—20. Ok¬ 
tober in der medizinischen Klinik des Bürgerspitals behandelt 
worden war. Der Krankengeschichte, die ich der Freundlichkeit 
Herrn Prof. Dr. Stähelin's verdanke, sind folgende Angaben zu 
entnehmen: 

Die Familienanamnese ergibt niohts bemerkenswertes, insbesondere 
keinen Anhaltspunkt für das Vorkommen von Hämophilie. Die Patientin 
hatte als Schulkind 1 Jahr Lungenkatarrh, war nachher gesund. Vor 
11 Jahren machte sie im Anschluss an eine Geburt eine Unterleibs¬ 
entzündung durch, welche 15 Wochen dauerte. Die Menses setzten mit 
16 Jahren ein, waren regelmässig, in der letzten Zeit nie besonders stark. 
Während der Menses hatte sie Kreuzsobmerzen. 

Vor etwa einem Jahre bemerkte die Patientin ein Druckgefühl in der 
Magengegend, das jedooh wieder verschwand. Schmerzen hatte sie nie, 
auch nicht nach dem Essen. Erscheinungen von Hämophilie hatte die 
Patientin nie an sich beobachtet. 

Am 20. Oktober wurde sie plötzlich ohnmächtig, erbraoh dann 2 mal 
Blut, bemerkte bald darauf auch, dass der Stuhl schwarz aussah. Am 
folgenden Tage erbrach sie von neuem 8 mal Blut, jedesmal 2—3 Tassen 
voll. Auch der Stuhl war wieder schwarz. Beim Breohen fiel sie in 


Ohnmsoht. Das Blutbrechen wiederholte sich in der Naeht vom 22. bis 
28. Oktober, jedoch weniger reiohlich als früher. 

Beim Spitaleintritt fiel die Blässe der Haut und Sohleimbäute auf, 
die Frau machte den Eindruck einer Sch werkranken. Das Sensorium 
war frei. Die Skleren waren nicht ikteriscb. Der Lungenbefund war 
normal; der Spitzenstoss des Herzens lag im 5. Interkostalraum in der 
Mammillarlinie, war deutlioh hebend, man fühlte auch ein systolisches 
Sohwirren. Die Herzdämpfung lag links etwas ausserhalb der Mammillar¬ 
linie; an der Auskultationsstelle der Arteria pulmonalis und an de* 
Spitze hörte man ein systolisches Geräusch. Das Abdomen war flach 
und weioh, im Epigastrium ganz leicht druckempfindlich. Leber und 
Milz waren nioht vergrössert. Stauungserscheinungen, wie Oedeme, fehlten. 

Der Harn enthielt eine Spur Eiweiss, keinen Zucker, etwas Urobilin, 
kein Urobilinogen, die Diazoreaktion war negativ. Im Harnsediment 
fanden sich keine.Zylinder. 

Der Blutstatus vom 24. X. lautet: Hämoglobin SOpCt. naoh Sahli. 
Erythrozyten 1360000, weisse Blutkörperchen 19800, leichte Anisozytose. 
Am 26.X.: Hämoglobin 16 pCt. naoh Sahli, Erythrozyten 1310000, weisse 
Blutkörperchen 22400. Normoblasten vorhanden. Trotz mehrmaliger 
intravenöser Injektion von je 20 com lOproz. Kochsalzlösung, Darreichung 
von Eis, Gelatine und Koagnlen per os trat auch im Spital nooh einmal, 
am 28. Oktober, blutiges Erbrechen von 200 ccm auf. Am 28. und 
24. Oktober erhielt die Patientin je eine subkutane Infusion von 1 f i und 
1 Liter Ringer’scher Lösung. Trotzdem verschlechterte sich der Zustand. 
Am 26. Oktober wurde ein Herpes labialis beobachtet Gegen Abend 
wurde der Puls immer weicher und frequenter, trotz reichlicher Gabe 
von Koffein und Kampfer trat um 6 Uhr der Tod ein. 

Die Temperatur war schon in den 2 ersten Tagen etwas erhöht lag 
zwischen 37° und 38°, am 25. Oktober stieg sie gegen Abend bis auf 
39,1°. Auch am Todestage war sie am Morgen nooh erhöht, zwischen 
37° und 380, gegen Abend sank sie auf 35,8°. Der Puls, anfänglich 
zwischen 100 und 130 betragend, stieg am letzten Tage auf 140. 

Die Respirationsfrequenz stieg langsam von 24 auf 86. 

Die Frau wurde 11 Stunden nach dem Tode seziert Das 
Sektionsprotokoll (Nr. 688/1917) lautet in verkürzter Form wie 
folgt: 

Der kleine 156 om messende Körper ist in geringem Ernährungs¬ 
zustand, sein Gewioht beträgt 89 kg. Die Haut und die Sohleimbäute 
sind auffallend blass. Unter dem rechten Mundwinkel finden sich einige 
eingetrocknete Herpesborken. Das Unterhautfettgewebe an Brust und 
Bauoh ist spärlioh, dunkelgelb. Der Magen ist wenig gefüllt, liegt in 
normaler Lage. Der Dünndarm ist ebenfalls wenig gefüllt, im Ileum 
scheint blutiger Inhalt durch. Der Diokdarm ist etwas stärker gefüllt, 
fast im ganzen Verlauf Bobeint dunkler Inhalt duroh. Sonst zeigt der 
Bauobsitas nichts Auffallendes. 

Die linke Lunge ist nach unten ziemlioh stark verwachsen, die 
rechte Lunge ist frei, die rechte Pleurahöhle enthält etwa 20 oom 
klarer seröser Flüssigkeit, ebenso der Herzbeutel. Das Herz wiegt 800 g, 
ist von mittlerer Grösse, schlaff. Die venösen Ostien sind für 2 Finger 
durchgängig. Die Mitralsegel sind etwas verkürzt und verdickt, im 
Bereioh der Kommissuren miteinander verwachsen, etwas hinter dem freien 
Rande finden sich auf der Vorbofseite 1—2 mm messende, derbe, fest¬ 
haftende Ezkreszenzen. Die Sehnenfäden sind verkürzt und verdickt. 
Die Wanddicke beträgt links 10—11 mm, rechts 3—4 mm, die Papillar- 
muskeln und Trabekel sind wenig ausgesprochen. Der linke Vorhof ist 
etwas erweitert, sein Endokard diffus leicht verdickt, das Herzohr von 
normaler Grösse. Der linke Ventrikel ist in normaler Weite, ebenso 
der rechte Vorhof. Der rechte Ventrikel ist etwas erweitert. Die 
Intima der Aorta asoendens zeigt wenig gelbweisse Trübungen und 
Verdickungen, die Koronararterien sind zart. 

Der Larynx und die Trachea enthalten reichlich sohaumigen Schleim, 
die Schleimhaut ist blass. Die Schilddrüse zeigt einige kleine Kolloid¬ 
knoten. Die Aorta thoracica ist elastisch, ihre Intima zart. 

Das Lungengewebe ist durchweg blass und in beiden Unterlappen 
stark ödematös. Die Pleura ist überall glatt und glänzend. Die bron¬ 
chialen nnd die unteren zervikalen Lymphdrüsen sind mittelgross, an- 
tbrakotiscb. 

Der Magen enthält reichlich dünne, sauer riechende Flüssigkeit, 
die Schleimhaut ist blass, die Follikel klein. Im Fundus des Magens 
findet sich nach längerem Suchen eine 1 cm lange, höchstens */ s mm 
breite, etwas eingesogene, rot gefärbte Linie. Der Pylorus ist ohne 
Veränderung. Im Duodenum dieselbe Flüssigkeit wie im Magen, die 
Schleimhaut ist blass, die Papille durchgängig. Der Dünndarm enthält 
im oberen Jejunum dünnbreiigen gelblichen Inhalt, im unteren Jejunum 
und im Ileum hellroten, blutigen Inhalt, ebenso im Diokdarm. Etwa 
1 m oberhalb der Valvula Bauhini findet sich gegenüber der Ansatz¬ 
stelle des Mesenteriums ein 2 cm langes Meckel’sobes Divertikel. Die 
Darmsohleimhaut ist überall blass, im Ileum und im Dickdarm blutig 
verschmiert, die Follikel sind klein. Die Appeodix zeigt blutigen In¬ 
halt, die Schleimhaut ist ziemlich stark braun pigmentiert, die Follikel 
sind kleio. 

Die übrigen Baucborgane sind anämisch, die Nieren zeigen einige 
arteriosklerotische Einziehungen; die Bauchaorta ist zart, in der Intima 
finden sich nur vereinzelte kleinste gelbweisse Trübungen. Die Milz 
ist klein, 10: 5:2 om, die Pulpa hellbraunrot, von normaler Konsistenz, 
die Follikel klein, die Trabekel ziemlich deutlioh. Die Arteria mesen- 
terioa superior und [die Beinarterien sind zart. Im ^oberen Teil der 


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11. Anglist 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


749 


Vagina erkennt man einseine kleine Blatnngen and oberfläohliobe Narben. 
Senat sind die Banehorgane unverändert. 

Bei der Schädelsektion ergibt sieh nur eine starke Anämie der 
weiohen Hirnhänte und des Gehirns. Der Augenhintergrund ist nioht 
verändert, ebensowenig die Nase und ihre Nebenhöhlen. 

Das Mark der Wirbelkörper ist hellrot, das reohte Femur seigt su 
*U rotes Mark. 

Die sarte rote Linie der Magenschleimhaut wurde mikroskopisch 
untersucht; es fand sich hier eine gans feine Dehissens der Mukosa, in 
deren Umgebung die Schleimhaut sonst völlig normal war. Nekrose, 
entsündliohe Infiltration oder ein arrodiertes Gefäss konnten nioht ent¬ 
deckt werden. 

Die histologische Untersuchung der übrigen Organe ergab siemlioh 
starke Verfettung des Myokards und eine diffuse, ebenfalls siemlioh starke 
feintropfige Verfettung der Leberzellen. Die Glisson'sohen Scheiden 
der Leber waren zart, enthielten einzelne Lymphozyten. In den Sammel¬ 
röhren der Nieren fand sich geringgradige feintropfige Verfettung. Die 
Milzfollikel waren klein, die Pulpa wenig bluthaltig. Die Appen dix- 
sohleimhaut, die makroskopisch durch die braune Farbe auffiel, war 
mikroskopisch frei von Hämosiderin. — Die Wassermann’sohe Reaktion 
des Blutserums war negativ. 

Als pathologisch-anatomische Diagnose ergab sich demnach: 
Blutung in den Darmtraktus. Sekundäre Anämie. Lungenödem. 
Endocarditis chronica fibrosa verrucosa retrahens valvulae mitralis. 
Geringgradige Dilatation des linken Vorhofes und des rechten 
Ventrikels. Verfettung des Myokards und der Leber. 

Der zweite Fall betrifft eine 42 Jahre alte Frau. Ihre 
15jährige Tochter machte nach dem Tode der Mutter folgende 
aDamnestische Angaben: 

Die Frau war, soweit sioh die Tochter erinnern konnte, nie krank. 
Sie war freilich immer „nervös*, beim Essen traten z. B. stets Rötung 
und Sohweissausbruch der rechten Gesiohtshälfte auf, auch zitterte die 
Frau oft bei der Arbeit, besonders mit der rechten Hand. Wenn sioh 
die Patientin verletzte, soll sie auffallend stark geblutet haben. Da¬ 
gegen litt sie nie unter Nasenbluten, hatte auch niemals Blut erbroohen. 
In der Familie ist nichts von Hämophflie bekannt. 

Die Menses waren regelmässig, dauerten etwa S Tage, die letzte 
Periode war 14 Tage vor dem Tode. Die Frau hatte 3 mal geboren, 
die Kinder leben und sind gesund. Aborte und Frühgeburten hatte sie 
nioht durchgemacht. Zur Bekämpfung starker Obstipation musste die 
Patientin Pillen einnehmen, Blut wurde nie im Stuhl beobachtet. Irgend¬ 
welche Magenbesohwerden bestanden nie. 

Am Morgen der Erkrankung war die Frau durchaus munter und 
hatte die Absicht, in der Wasohanstalt ihre Wäsche su besorgen; um 
8*/a Uhr ging sie auf das Klosett, musste dabei husten und soll 
gleichseitig einen Schmerz in der Magengegend gespürt haben; 
sie hatte das Gefühl, als sei etwas gerissen. Darauf hatte sie die 
Empfindung von „Hitze und Koohen* in der Magengegend und erbrach 
etwa ein halbes Glas hellrotes Blut. Sie legte sioh nun zu Bett und 
trank etwa 1 Glas konzentriertes Salswasser. Von 9 Uhr an erkannte 
sie ihre Tochter nioht mehr, um IO 1 /» Uhr trat vollständige Bewusst¬ 
losigkeit ein, dabei war die Patientin ausserordentlich blass und atmete 
langsam. Etwa um IIV 2 Uhr erbrach sie wieder reiohlich dunkles Blut. 
Der herbeigerufene Arzt sab sie um 12 Uhr und ordnete die Ueber- 
bringung in das Spital an. Bei der Ankunft im Spital, zwischen 12 V« 
und 12 Vs Uhr, war die Fraa bereits gestorben. 

Die Sektion wurde 22 Stunden nach dem Tode ausgeführt. 
Das Sektionsprotokoll (Nr. 280/1918) sei hier in aller Kürze 
susammengefasst: 

Die kleine, 164 cm messende Leiche ist in gutem Ernährungszustand. 
Körpergewicht 55 kg. Die Haut und die Schleimhäute sind auffallend 
blass, das Fettpolster kräftig. Bei Eröffnung des Abdomens fällt der 
siemlioh stark gefüllte, tief stehende Magen durch seine blaurot duroh- 
soheinende Farbe auf. Sonst ist der Bauohsitus unverändert. Bei der 
Herausnahme des Sternums bleiben die Lungen gross, erreichen mit 
dem scharfen Rande von beiden Seiten die Mittellinie. 

Das Herz enthält neben reiohlich flüssigem nur wenig geronnenes 
Blut, zeigt keine Veränderungen, von kleinen gelben Intimaverdiokungen 
der Aorta asoendens abgesehen. Der Oesophagus ist blass, die Schleim¬ 
haut glatt, seigt keine Veränderung. Der Larynx und die Trachea ent¬ 
halten reiohlioh dunkelrotes flüssiges sohaumiges Blut, die Schleimhaut 
ist etwas blutig verschmiert, glatt. Die Schilddrüse ist beidseits siem¬ 
lioh stark vergrössert, bis 8 em lang, durchsetzt von zahlreichen 2—8 cm 
messenden Kolloidknoten. Die Brustaorta ist zart. 

Beide Lungen sind sehr gross; in den vorderen und seitliohen Par¬ 
tien sind die Alveolen sehr stark gebläht. Die Lungen sind auf Schnitt 
überall gut lufthaltig, besonders in den seitlichen Partien. Die Unter¬ 
lappen Bind sehr blutreioh, das Gewebe überall glatt und kompressibel. 
Die Bronchien enthalten wie die Trachea blutige Flüssigkeit, die Schleim¬ 
haut ist blutreioh. 

Die Bauohorgane sind im ganzen hyperämisoh, die Blutgefässe, be¬ 
sonders die Vena oava inferior, enthalten dunkles flüssiges Blut. Im 
rechten Ovarium findet sioh ein 1 cm messendes Corpus luteum. 

Der Magen ist mit teils flüssigem, teils geronnenem, dunklem Blut 
gefüllt, die Schleimhaut mit blutigem Schleim bedeckt, überall glatt, 


etwas in Falten gelegt. Nach längerem Suchen wird in der Schleim¬ 
haut 4 om unter der Kardia im Magenfundus eine 7 mm lange, etwas 
gebogene, höchstens V» mm breite Spalte entdeokt, als ob mit einem 
Fingernagel ein Eindruck gemacht worden wäre. Die Stelle ist leioht 
eingesunken. Sonst aber zeigt die Schleimhaut trotz genauem Absuohen 
keine Veränderung, die als Quelle der Blutung in Betracht kommen könnte. 

Das Duodenum zeigt etwas galligen, sohleimigen Inhalt, kein Blut. 
Die Schleimhaut ist ohne jede Läsion. Der Dünndarm ist in den oberen 
Abschnitten leer, in den unteren finden sioh etwas dünnbreiige, gelb- 
liohe Massen. Die Sohleimhaut ist blass, ohne irgendwelche Veränderung. 
Die Follikel sind klein. Die Appendix ist nioht verändert, durchgängig. 
Diokdarm und Rektum enthalten breiigen Kot, die Sohleimhaut ist blass 
und glatt, die Follikel klein. 

Die Sektion des Schädels ergibt ausser deutlicher Hyperämie der 
Hirnhäute durohaus normale Verhältnisse. Die Gehirnsubstans ist etwas 
blass. Der Augenhintergrund ist beiderseits ohne Veränderung. Die 
Nasenhöhlen enthalten links mehr, reohts etwas weniger blutigen Schleim, 
die Schleimhaut selbst ist blass und glatt. Auf der mittleren linken 
Musohel sitzt am vorderen Ende ein kleiner, 1 om messender Sohleim- 
hautpolyp breitbasig auf. 

Die Wirbelkörper zeigen rotes Mark, das Femurmark ist in den 
oberen zwei Dritteln dunkelrot, im anteren Drittel gelb. 

Die kleine spaltförmige Läsion der Magenschleimhaut wurde zur 
mikroskopischen Untersuchung in Formol fixiert und in Zelloidin ein¬ 
gebettet. Der bistologisohe Befund ist jedoch äusserst dürftig, man sieht 
zwischen den Drüsen der Schleimhaut eine schmale spaltförmige Lücke, 
die nicht gans bis zur Musoularis mucosae hinabreioht. Die der zarten 
Spalte benachbarten Drüsen zeigen keine Nekrose, auch ist das inter¬ 
stitielle Gewebe durohaus unverändert, weder entzündlich infiltriert noch 
von Erythrozyten durobsetst. Ebenso wenig lässt sich ein geborstenes 
oder sonst verändertes Gefäss erkennen. 

Die mikroskopische Untersuchung der Leber ergab ausser reichlicher 
Ablagerung von feinkörnigem Lipofusoin in den zentral liegenden Leber¬ 
zellen ausgesprochene Hämosiderose der Kupffer'soben Sternsellen. 
Daneben fand sioh nur gans geringe Verfettung der peripher liegenden 
Lebersellen. Die Glisson’sohen Scheiden sind zart. Die Milz zeigt 
auch mikroskopisch ausgesprochene Hyperämie, ebenso die Nieren. 
Einige kleine axillare und inguinale Lymphdrüsen enthalten spärliche 
Follikel ohne Keimsentrum, das Retikulum ist manohmal etwas hyalin 
verdickt. Ausstrich- und Sohnittnräparate vom Knochenmark einer Rippe 
ergeben keinen pathologischen Befund. Die Lungenalveolen sind manoh¬ 
mal mit geronnener Oedemflüssigkeit erfüllt. Die Hersmuskelzellen 
enthalten an den Polenden der Kerne reichlich Lipofusoin, sonst ist das 
Myokard unverändert. 

Der Polyp der Nasensobleimhaut besteht aus einem lockeren binde¬ 
gewebigen Stroma mit einigen Schleimdrüsen. An der Oberfläche ver¬ 
läuft ein hohes geschichtetes Flimmerepithel mit ziemlich breiter Mem¬ 
brana propria. Unter dem Epithel ist das Gewebe von Lymphozyten, 
Plasmasellen, spärliohen Leukozyten durobsetst. Eine Blutung findet 
sioh nioht, als Ursaohe der Blutung kann der Sohleimhautpolyp nioht 
in Frage kommen. 

Die Sektion gestattete auch in diesem Falle keine andere 
Diagnose als: grosse Blutung in den Magen, Blutanschoppung 
der Trachea und der Bronchien, hochgradige Lungenblähung, all¬ 
gemeine Hyperämie. 

Beide Frauen sind nach der Anamnese und dem Resultat 
der Sektion im Anschluss an Magenblutungen gestorben. In 
beiden Fällen schien die Sektion zunächst im Magen eine Stelle 
aafgedeckt zu haben, die als Quelle der Blutung in Betracht 
kommen konnte: eine spaltförmige Läsion der Schleimhaut mit 
vielleicht leicht blutig gefärbten Rändern. Die histologische 
Untersuchung ergab jedoch in beiden Fällen nur das Vorhanden¬ 
sein einer kleinen Dehiszenz der Drüsen der Tunica propria bei 
intakter Muscularis mucosae, die benachbarte Schleimhaut zeigt 
weder Nekrose noch entzündliche Infiltration, noch eine Gefäss- 
veränderung, noch eine Blutung. Bei dem Fehlen jeder vitalen 
Reaktion kann daher diese Läsion nicht als intravital entstanden 
gedacht werden. Viel eher liegt eine artifizielle Veränderung 
der Schleimhaut vor, die vielleicht bei der Herausnahme des 
Magens entstanden ist. Auch wenn jedoch die Spalte im Leben 
bestanden hätte, wäre es nicht verständlich, daBS sie zu einer 
derartig abundanten Blutung geführt hätte, da eine Verletzung 
eines grösseren Blutgefässes sicher nicht vorhanden ist. Wir 
müssen es daher ablehnen, diese spaltförmige Schleimhautläsion als 
Quelle der tödlichen Blutung zu betrachten, vielmehr müssen 
wir, da wir auch eine andere örtliche Veränderung im Magen 
nicht * finden konnten, eine parenchymatöse Blutung annehmen. 

Es bleibt daher noch zu erörtern, ob sich irgend eine ent¬ 
fernte Ursache für die Magenblutung finden lässt. Zu diesem 
Zwecke möchte ich die beiden Fälle kurz gesondert besprechen. 

Bei der ersten Patientin hat die klinische Untersuchung und 
die Sektion das Besteben eines gans geringgradigen Mitralfehlers 
ergeben, der su einer geringen Erweiterung des linken Vorhofes 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


and des rechten Ventrikels geführt hatte. Eine Hypertrophie 
Hess sich nicht feststellen. Die Wanddicke des rechten Ventrikels 
von 3—4 mm liegt noch im Bereiche des normalen Befundes, 
ebenso das Herzgewicht von 800 g, Kompensationsstörungen 
waren weder klinisch noch autoptisch nachweisbar, insbesondere 
zeigte auch der Magen keine Zeichen von venöser Stauung. Es 
ist daher nicht angängig, diese kleine Mitralveränderung mit der 
Magenblutung in kausalen Zusammenhang zu bringen. 

Die Betrachtung des Temperatur Verlaufes legt den Verdacht 
irgend einer infektiösen Ursache nahe. Die Temperatur stand in 
den ersten beiden Tagen der Spitalbeobachtung zwischen 37° und 
38°, stieg am Tage vor dem Tode bis auf 39,1°. Gleichzeitig 
trat ein Herpes labialis auf. Demgegenüber ist freilich zu be¬ 
merken, dass nach reichlichen Magenblutungen fast immer Tem¬ 
peraturerhöhung eintritt, die allerdings selten höhere Grade erreicht 
und häufig subfebril bleibt (Handbuch von Mohr und Stähelin). 
Die Sektion ergab ausser den noch vorhandenen Herpesborken 
unter dem rechten Mundwinkel keine Anhaltspunkte für einen 
septischen Prozess. Die Milz zeigte keine entzündliche Schwellung, 
eine bakteriologische Untersuchung des Milssaftes ist leider unter¬ 
blieben. 

Für die Annahme irgend einer Blutkrankheit, die zu einer 
hämorrhagischen Diathese geführt hätte, liegen keine Anhalts¬ 
punkte vor. Das Knochenmark ist nicht verändert. Gefässver- 
änderungen im Sinne einer nennenswerten Arteriosklerose oder 
Lues fehlen ebenfalls, die Wassermann’sche Reaktion war negativ. 

Im zweiten Falle hat die Magenblutung innerhalb we¬ 
niger Stunden den Tod berbeigeführt. Nach dem Sektions- 
befund, der die Anwesenheit von reichlichen Blutmassen io der 
Trachea und in den Bronchien und stark geblkhte Lungen ergab, 
ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Frau während des Trans¬ 
portes io das Spital durch Aspiration von Blut erstickte, das 
offenbar in komatösem Zustande erbrochen wurde. Da die klinische 
Beobachtung fehlt und im Magen selbst keine Stelle gefunden 
werden konnte, aus der die Blutung hätte stattfinden können, 
musst© besonders danach gefahndet werden, ob nicht das Blut 
sekundär durch Verschlucken in den Magen gelangt sein könnte. 
Die einzige Stelle, die zunächt in Betracht kommen konnte, war 
der kleine Schleimhautpolyp der linken mittleren Nasenmuschel. 
Doch auch hier gab die histologische Untersuchung kein ent¬ 
sprechendes Resultat. So muss doch eine parenchymatöse Magen¬ 
blutung angenommen werden, die auch nach der Anamnese am 
wahrscheinlichsten ist. 

Suchen wir nach Gründen dieser Blutung, so lässt die 
Anamnese zunächst an Hämophilie denken. Abgesehen von der 
ausserordentlichen Seltenheit dieser Krankheit bei weiblichen 
Individuen ist die Annahme dadurch auszuschliessen, dass die 
Frau ohne besondere Blutung 8 Geburten durcbgemacht hatte. 
Ausserdem sind in der Familie keine Bluter bekannt. 

Die Anamnese macht dann auf einige „nervöse u Symptome 
der Patientin aufmerksam, das Zittern der Hände und eine aus¬ 
gesprochene Hemihidrosis des Gesichts mit gleichzeitiger Hyper¬ 
ämie der Haut. 

Betrachten wir die Fälle parenchymatöser Magenblutungen, 
die im Zusammenhang mit Nervenkrankheiten auftreten können, 
so sind es in erster Linie organische Nervenleiden mit aus¬ 
gedehnten anatomischen Veränderungen. So beobachtete Czyh larz 
zwei Fälle von Magenblutungen nach Hirnblutung, ohne dass bei 
der Sektion eine Veränderung der Magenschleimhaut entdeckt 
werden konnte. Im ersten der zwei Fälle bestand eine ziemlich 
starke allgemeine Arteriosklerose. Es folgen dann Fälle paren¬ 
chymatöser Magenblutungen bei Tabes dorsalis, bei denen die 
Blutung auf Zerreissung kleiner Gefässe zurückgefübrt wird in¬ 
folge der durch spastische Kontraktion der Gefässe der Bauch¬ 
eingeweide bedingten starken Blutdrucksteigerung während der 
gastrischen Krisen (Kollarits, Neumann, Pal). Eine derartige 
organische Nervenkrankheit liegt bei uns sicher nicht vor, sondern 
es handelt sich nur um eine leichte funktionelle Neurose, die 
sich z. T. durch eine abnorme Innervation der Hautgefässe zu er¬ 
kennen gab. Dass eine parenchymatöse Blutung unter Umständen 
auf eine funktionelle Störung der Vasomotoren bezogen werden 
muss, ergibt sich aus den besonders bei Hysterie vorkommenden 
Älagenblntungen, die bei sonst vollständig magengesunden Patienten 
beobachtet wurden. Ebenso sprechen dafür andere, der direkten Beob¬ 
achtung zugängliche Blutungen bei Hysterischen; Blutschweisse, 
blutige Tränen, Ekchymosen der Haut und Mundschleimhaut (Lit. 
bei Rütimeyer). 


Diese Blutungen könnte man sich vielleicht in ähnlicher Weise 
entstanden denken, wie Ricker die Fälle von hämorrhagischer 
Infarzierung des Nierenlagers, Nebennieren- und Pankreasblutungen 
erklärt. Ricker äussert sich über die Entstehung der hämor¬ 
rhagischen Infarzierung des Nierenlagers so, dass sich auf einen 
Reis hin, der die Erregbarkeit der Konstriktoren herabsetzt und 
aufhebt, während des überdauernden Zustandes der vom selben 
Reiz abhängigen Dilatatorenreizung und seines Ueberganges in 
Unerregbarkeit, ein Strömung«Charakter einstellt, bei dem die 
Triebkraft des Blutes rasch und stark herabgesetzt ist, aber 
immerhin stellenweise eine Strömung solange erhalten bleibt, bis 
sich ein starker Grad von hämorrhagischer Infarzierung ausgebildet 
hat. Der Blutaustritt erfolgt in der Weise, dass, wenn in ein¬ 
zelnen Kapillaren der Blutstrom zum Stillstand gekommen ist, 
aus den durchströmten Nachbarkapillaren rote Blutkörperchen ins 
Gewebe übertreten. Mit dem völligen Verlust der Reizbarkeit 
auch der Dilatoren wird dann die Stase allgemein und definitiv. 
Ebenso möchte Ricker die Blutung bei Hämophilen auf eine 
Reizung zurückführen, die den normalen Zustand des Nerven¬ 
systems und der Strömung in der gleichen Weise stört, so dass 
eine Verlangsamung der Strömungsgeschwindigkeit und eine Er¬ 
weiterung der Strombahn eintritt, die wieder den Austritt roter 
Blutkörperchen zur Folge hat. Als auslösender Reis käme nach 
Rickerbei Hämophilie ein Trauma in Betracht. 

Wenn in unserm Falle eine abnorme Tätigkeit der Vaso¬ 
motoren im Gesicht beobachtet wurde, so könnte man auch an 
eine solche Störung der Innervation der Magengefässe denken und 
die Magenblutung mit den bei funktionellen Neurosen beobach¬ 
teten Blutungen in eine Linie stellen. Da diese aber klinisch 
fast immer ganz harmlos verlaufen und nur in seltenen Fällen 
bei häufiger Wiederholung zu schwerer Unterernährung führen 
(Lanceraux), so würde unser Fall unter den übrigen durch 
seinen letalen Verlauf ganz isoliert dasteben, und daher die Er¬ 
klärung eben doch nicht befriedigen. Jedenfalls wäre sie rein 
hypothetisch. 

Der Befund der Hämosiderose der Kupffer’schen Sternsellen 
der Leber liess einen Augenblick an eine bestehende perniziöse 
Anämie denken. Da sich aber das Knochenmark makro- und 
mikroskopisch normal erwies, muss die Hämosiderose im An¬ 
schluss an die Resorption von Blutfarbstoff aus dem Darm ent¬ 
standen sein. 

Es bleibt demnach für beide Fälle auch keine entfernte 
Organveränderung übrig, die für den Eintritt der tödlichen Magen¬ 
blutung verantwortlich gemacht werden kann, und wir müssen 
hier eine parenchymatöse Blutung ohne erkennbare Ursache an¬ 
nehmen. Derartige Fälle sind in der englischen Literatur bisher 
unter der Bezeichnung einer Gastrostaxis (Haie-White) be¬ 
schrieben worden, in der deutschen Literatur einfach unter dem 
Namen parenchymatöser Blutungen. Beide Namen sind eigentlich 
nicht ganz zutreffend, Gastrostaxis bezeichnet ähnlich wie Epistaxis 
wohl mehr das Symptom der Magenblutung, nicht die zu Grunde 
liegende Krankheit Eine parenchymatöse Blutung, also Blutung 
ohne anatomische Veränderung des Magens, kann, wie wir anfangs 
kurz erörterten, aus verschiedenen ausserhalb des MagenB liegenden 
Gründen auftreten. Man muss solche ohne erkennbare Ursache 
entstehenden Blutungen daher mit Czyh larz als primäre oder 
auch als idiopathische parenchymatöse Magenblutungen von den 
übrigen sekundären Formen abgrenzen. 

Dass die Diagnose einer idiopathischen Magenblutung ausser¬ 
ordentlich unbefriedigend ist, ist ohne weiteres zozugeben, denn 
in jedem Falle muss die Unsicherheit Zurückbleiben, ob nicht 
doch etwas übersehen wurde. Selbstverständlich muss, wie 
Tiegel hervorhebt, bei eingehendster Betrachtung der Magen¬ 
schleimhaut auch der geringste Defekt als mögliche Ursache einer 
heftigen Blutung mikroskopisch untersucht werden, und es ist 
zweifellos, dass sich dadurch die Zahl der Fälle idiopathischer 
Magenblutung einschränken lässt. Bolton, der das Vorkommen 
der Gastrostaxis als eines selbständigen Krankheitsbildes be¬ 
zweifelt, gibt besondere Vorschriften über die anatomische Unter¬ 
suchung des Magens, die das Uebersehen auch geringster Ver¬ 
änderungen verhindern soll. Zunächst soll der Magen in warmes 
Wasser gelegt werden, um die Muskulatur zur Erschlaffung zu 
bringen und die Falten auszugleichen. Eine genaue Betrachtung 
soll auch im durchfallenden Licht gemacht werden, wobei Trü¬ 
bungen der Schleimhaut leicht zum Vorschein kommen. Der 
Magen wird dann auf ein Brett gespannt und nun mit der Lupe 
abgesucht, darauf in 5proz. Formalin für 24 Stunden gehärtet, 
durch Waschen mit Methylalkohol getrocknet. Dadurch werden 


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UNIVERSUM OF IOWA 







11. Angust 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


751 


besonders sternförmige Geschwörsnarben leichter erkennbar. 
Schliesslich soll das Objekt photographiert werden, auf der photo¬ 
graphischen Platte sollen Narben besonders deutlich hervortreten. 
Wir haben in nnsern beiden Fällen diese Methode, auf welche 
wir erst bei der Durchsicht der Literatur aufmerksam wurden, 
nicht angewendet; es ist also nicht ganz ausgeschlossen, wenn 
auch sehr unwahrscheinlich, dass sie uns noch andere Schleim¬ 
hautveränderungen aufgedeckt hätte, als die beobachteten harm¬ 
losen Spalten der Schleimhaut. 

Klinisch lässt sich die Diagnose einer parenchymatösen Blu¬ 
tung in den rasch zum Tode führenden Fällen kaum stellen, denn 
das Fehlen anderer Symptome spricht nicht sicher gegen das 
Bestehen eines Geschwüre oder einer anderen Ursache der Blutung. 
Für die interne Therapie der Magenblutungen ist die genaue 
ätiologische Diagnose auch wenig bedeutsam. Wird dagegen ein 
chirurgischer Eingriff versucht, so wird der Chirurg sehr ent¬ 
täuscht sein, kein Geschwür zu entdecken, ln zwei derartigen 
von Reichard beschriebenen Fällen wurde, nachdem zur Er¬ 
nährung ein Drain durch den Pylorus in das Duodenum eingeführt 
worden war, der ganze Magen tamponiert, ln beiden Fällen 
unterblieb zwar eine weitere Blutung, die Patienten starben je¬ 
doch an Erschöpfung. Da auch nach Kraft die Tamponade eines 
blutenden Ulkus teils vom Magen, teils von aussen her sich als 
erfolglos erwiesen hat, so ist diese Therapie jedenfalls nicht zu 
empfehlen. Könnte die Diagnose vor einem operativen Eingriff 
gestellt werden, würde man sich daher nicht zur Operation ent¬ 
schlossen. 

Auch pathologisch-anatomisch muss die Diagnose einer idio¬ 
pathischen parenchymatösen Magenblutung per exclusionem gestellt 
werden. Trotzdem müssen wir selbstverständlich irgend einen, 
leider unbekannten Grund annehmen, der zur Blutung führt. 
Czyhlarz vermutet eine unbekannte Allgemeinerkranküng, wofür 
ihm namentlich sein letzter Fall, der mit seinem fieberhaften 
Verlauf unserem ersten Fall gleicht, zu sprachen scheint. Auch 
Armstrong und Mullally vermuten einen toxischen Prozess 
durch bakterielle Invasion. Wiemann denkt in seinen beiden 
Fällen von tödlichen Magenblutungen, bei denen die Sektion keine 
sichere Quelle der Blutungen ergab, an die Möglichkeit, dass ein 
Trauma, Heben schwerer Lasten, durch heftige Anspannung der 
Bauebpresse und die dabei erfolgende Fixierung des Thorax in 
Inspirationsstellung, den Druck im venösen Gelässsystem stark 
vermehren und dadurch die Blutung veranlassen könnte. Daran 
könnte man vielleicht auch in unserem zweiten Falle denken, 
bei dem die Blutung im Anschluss an die Defäkation und Husten 
erfolgte. Freilich kann man hier nicht von einem eigentlichen 
Trauma sprechen. 

Dass in den beiden von Czyhlarz und von Schnitze beob¬ 
achteten Fällen, in denen bei tödlich verlaufender parenchymatöser 
Magenblutung ein Karzinom der Cervix uteri und ein Karzinom 
der Flexura sigmoidea gefunden wurden, ein Zusammenhang 
zwischen dem Bestehen dieser vom Magen entfernt liegenden 
Tumoren und der Magenblutung bestand, ist kaum anzunehmen, 
am ehesten vielleicht durch Annahme einer hämorrhagischen Dia- 
tbese bei sekundärer Anämie. 

Möglicherweise können doch unbekannte nervöse Einflüsse in 
Frage kommen. Die Fälle von Magenblutung bei Pylorospasmus 
(Moser) legen auch die Frage pahe, ob anatomische Verände¬ 
rungen des Nervus vagus, wie sie von Singer bei Pylorospasmus 
beschrieben wurden, ursächliche Bedeutung haben könnten. Eine 
Untersuchung der Nervi vagi ist in unseren Fällen nicht vor¬ 
genommen worden, es bestanden jedoch keine tuberkulösen Bron¬ 
chialdrüsen, wie sie im Falle von Singer den einen Vagus dicht 
eingebettet hatten. 

Literatur. 

Armstrong und Mullally: Fatal gastro-intestinal haemorrhage. 
Amer. journ. of med. so., Juni 1914, zit. nach Referat im Aroh. f. 
Verdauungskr. — Bolton: Does Gastrostaxis exist as an independant 
disease? Brit. med. journ., 1910, S. 1221. — Czyhlarz: Ueber paren¬ 
chymatöse Magen- und Darmblutungen. Arob. f. Verdauungskr., 1912, 
Bd. 18. — Haie White: Gastrostaxis. Brit. med. journ., 1910, 
S. 1847. Lancet 1906, I., S. 1470 und IU, S. 1189. — Kollarits: 
Blutbreohen bei Crises gastiiques tabetiques. Neurol. Zbl., 1909, 
Nr. 1. — Kraft: Beiträge zur Behandlung lebensgefährlicher Magen¬ 
blatungen. Aroh. f. klin. Chir., 1910, Bd. 93. — Ruttner: Ueber 
Magen blatun gen und besonders über deren Beziehungen zur Menstruation. 
B.kl.W., 1895, S. 142. — Lanoeraux: Des hömorrhagies neuropathiques. 
Sem. möd., 1900, S. 286. — Mohr und Stähelin: Handbuch der innern 
Medizin, Berlin 1918, Bd. 8, Springer. — Moser: Ueber parenchymatöse 
Magenblutuugen. M.m.W., 1902, S. 1882. — Neumann: Hämatemesis 


i 

bei organischen Nervenkrankheiten. Zsohr. f. Nervhlk., 1905, Nr. 29. — 
Pal: Ueber Gefässkrisen und deren Beziehung zu den Magen- und Bauoh- 
krisen der Tabiker. M.m.W., 1903, S. 2135. — Reiohard: Drei Fälle 
von tödlicher parenchymatöser Magenblutung. D.m.W., 1900, S. 827. — 
Rioker*. Ueber die hämorrhagische Infarzierung des Nierenlagers und 
andere kapilläre Diapedesisblutungen grossen Umfanges an und in 
Organen der Bauchhöhle. Ziegler’s Beitr., 1911. — Rütimeyer: 
Magenblutungen. Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten. 
Herausgegeben von Kraus und Brugsoh. Berlin und Wien, Urban 
& Schwarzenberg. — Sohultse: Kongress für innere Medizin, 1902, 
zit. nach Czyhlarz. — Singer: Pylorospasmus und Magenblutuog bei 
organischer Vagusaffektion. Med. Kl., 1916, S. 789. — Stäubli: Trichi- 
nosis. Wiesbaden 1909. — Tiegel: Beitrag zur Kasuistik tödlicher 
Magenblutung. M.m.W., 1902, Nr. 47. — Wiemann: Zwei dunkle 
Fälle von Blutbrechen nach Heben sohwerer Lasten entstanden. Mschr. 
f. ünfallblk., 1900, Nr. 8. 


Aus der akademischen Klinik für Kinderheilkunde zu 
Düsseldorf (Direktor: Geh.-RatProf.Dr. A. Schlossmann). 

Das Loch’sche Absaugverfahren bei Diphtherie. 

Von 

Oberarzt Dr. Lade. 

In der Münchener medizinischen Wochenschrift, 1917, Nr. 46 
hat Loch ein sehr zweckmässiges Verfahren zur Beseitigung von 
Blut, Eiter und anderen Sekreten aus Wunden, dem Mittelohr, 
der Nase und ihren Nebenhöhlen angegeben. Es besteht in Ab¬ 
saugen durch Verwendung einer Wasserstrahlpumpe mit vorge- 
geschalteter Flasche, durch deren doppelt durchbohrten Stöpsel 
einerseits eine Rohrleitung zur Pumpe, andererseits eine Rohr¬ 
leitung zu einem Saugansatz führt. Die Vorschaltflasche dient 
zum Auffangen des Abgesaugten und damit zugleich zur Rein¬ 
haltung der Wasserleitung, der Pumpe und des Röhrensystems 
jenseits der Flasche. 

Es lag nabe, diese Saugvorrichtung, auf deren mannigfaltige 
Verwendungsmöglichkeit L. hiugewiesen hat, bei Diphtherie an¬ 
zuwenden. 

Ich bediene mich einer Hugershoff-Pumpe mit Ueberwurf- 
mutter, die an jeden Zapfhahn der Hochdruckwasserleitung, der 
mit einem entsprechenden Gewinde versehen ist, angeschraubt 
werden kann, so dass dieselbe Pumpe jederzeit an allen mög¬ 
lichen Stellen der Klinik zu betreiben ist 1 )* Bin längerer 
Schlauch führt zur Vorschaltflasche, ein kürzerer von dieser zum 
Saugansatz. 

Zunächst war mein Ziel, die Diphtheriebazillenträger durch 
das Absaugen ihrer Rachenorgane schneller von ihren Bazillen 
zu befreien. Es ist dies nnr bedingt gelungen. Einige Patienten 
wurden sehr schnell bazillenfrei, bei anderen gelang die Be¬ 
seitigung der Krankheitserreger nicht. Es erübrigt sich daher 
auf einzelne Fälle näher einzugehen. Dass viele ihre Bazillen 
trotz Absaugens behalten, ist bei den komplizierten Schleimhaut- 
Verhältnissen, den geräumigen Tonsillenkrypten und den Schlupf¬ 
winkeln, die die Bazillen io den Nebenhöhlen finden, verständ¬ 
lich. Subjektiv wird das Absaugen, bis auf deu bei empfind¬ 
lichen Personen bisweilen auftretenden Brechreiz, nicht unange¬ 
nehm empfunden. Die Befreiung von den oft grossen Schleim¬ 
mengen macht die Atmung freier, eine bessere Durchblutung der 
Schleimhaut vermehrt aller Voraussicht nach die Abwehrkräfte 
gegen die Krankheitserreger. Die Untersuchung des in der Vor- 
schalt flasche sich ansammelnden Sekretes zeigt, welch ungeheure 
Mengen von Diphtheriebazillen auf diesem Wege entfernbar sind. 

Eine gewisse Vorsicht ist nötig, um auf einzelne Stellen 
keinen zu grossen Saugreiz einwirken zu lassen. So wurde bei 
einem Manne kurz nach dem Absaugen ein mächtiges Oedem der 
Uvula festgestellt, das zu einem störenden Scbluckhindernis 
wurde, aber nach einigen Stunden, trotzdem Sugillationen in die 
Schleimhaut aufgetreten waren, ohne weitere Folgen verschwand. 

Als Saugansatz werden entsprechend gebogene Glasröhre 
oder, was sich hauptsächlich bei Kindern empfiehlt, Metallansätze 
verwandt. Wenn letztere mit einer leichten Krümmung und 
einem kugeligen Endstück versehen werden, sind sie besondere 
gut im Nasenrachenraum und zwischen den Gaumenbögen zu be¬ 
nutzen. Auch Tubenkatheter oder andere je nach Geschmack 
gefertigte Ansätze erfüllen ihren Zweck. 

1) Hugershoff-Leipzig bringt dieselbe Säugpumpe mit „Blits- 
kuppeluog M in den Handel, die an alle beliebigen Wasserhähne anxu- 
sehliessen ist. 

*• 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


Ausser *ur Freiräumung der Nase kommt die Verwendung 
des Sangapparates noch bei der diphtherischen Otitis media nach 
der Parasentese in Betracht. Diese äusserst schmershafte diph¬ 
therische Affektion, die die Kinder in kurier Zeit sehr herab¬ 
bringt, kann durch keine andere Methode so schonend und schnell 
behandelt werden. 

Den grössten Vorteil bietet die Anwendung des Verfahrens 
bei tracheotomierten Kindern. Ich bediene mich hier eines 
Gommischlauches, der etwa halb so dünn wie das Lumen der 
benutxten Kanöle ist und der mittels einer Augentropfpipette an 
das stärkere Rohr des Systems angeschlossen wird. Fast 
momentan wird die Kanüle von Schleim frei; verstopfen xäbere 
Sekretmassen oder abgestossene Membranfetzen die tieferen Teile 
der Luftröhre, so ist durch tieferes Einfuhren des Gummi- 
schlauches das Atemhindernis augenblicklich hinwegzuräumen. 
Das Kind wird dadurch in seinem Schlaf nicht gestört, sein Hers 
nicht durch lästiges Ausbusten noch mehr in Anspruch ge¬ 
nommen. Das Reinigen der Kanüle mit der Feder, die oft die 
mühsam heraufbeförderten Massen wieder hinabstösst, zum Husten 
reist und mindestens äusserst unappetitlich ist, fällt fort. Man 
kann Behr gut für längere Zeit, da ja die Einatmungsluft neben 
dem Gummiröhrchen herstreicht, das Röhrchen im Eingang der 
Kanüle liegen lassen, so dass sofort jeder Schleim bei seinem 
Auftauchen entfernt wird. Es fällt hierdurch das für Kind und 
Umgebung unangenehme Rasseln bei der Atmung fort. 

Die L/sche Absaugvorrichtung stellt somit eine wertvolle 
Bereicherung unserer therapeutischen Mittel bei Diphtherie¬ 
kranken dar. 


Praktische Ergebnisse der Chinin-Luesprophy- 
laxe in der Armee. 

Von 

Dr. J. 8eheresehewsky, 

zurzeit an der UDirerzitite-Hautklinik in Berlin. 

Die günstigen Bedingungen des Krieges für den Epidemio¬ 
logen sind auch der Frage der Lues-Gonorrhoeprophylaxe 
zugute gekommen. Wir haben im Laufe des Krieges Gelegenheit 

f ehabt, unsere Anschauungen über den Wert der individuellen 
‘rophylaxe der Geschlechtskrankheiten im positiven Sinne zu 
festigen. Ueber die Gonorrhoeprophylaxe mit Silberpräparaton 
waren wir uns ja schon früher schlüssig. Ich brauche nur an 
die Maassnahme in der deutschen Marine zu erinnern, wo die Ein¬ 
träufelung mit Silberpräparaten in die Harnröhre in entsprechenden 
Zeitperioden konsequent durch geführt wurde, und wobei sich in 
eklatanter Weise die grosse Nützlichkeit dieser Maassnahme er¬ 
wies. Auch in der breiten Praxis sind Silberpräparate im Handel 
unter verschiedenen Namen eingefübrt worden. Wenn non die 
Frage der Gonorrhoeprophylaxe nach dieser Seite als entschieden 
anzu8ehen ist, so verhielt es sich bis beute mit der eminent be¬ 
deutsamen Syphilispropbylaxe leider ganz anders. Das erste 
Prophylaktikum mit wissenschaftlichen Prätensionen ist 1006 von 
Metchnikoff beim internationalen Hygienekongress in Berlin 
bekanntgegeben worden. Es bandelte sich da um die BB x fopro%. 
Kalomelsalbe, deren Wirksamkeit von Metchnikoff am Affen 
und in einem Menschen versuch (Maisonneuf) dargetan wurde. 
Zu gleicher Zeit haben Schereschewsky und Hügel Affen¬ 
versuche mit Qaecksilber-, Arsen- und Chininverbindungen an- 
gestellt, konnten jedoch dabei die Angaben Metchnikoff s be¬ 
züglich der Kalomelsalbe nicht bestätigen, da schon bei dem 
ersten Affen versuch sich trotz der Applikation der Kalomelsalbe 
ein Primäraffekt zeigte. Unwirksam zeigte sich als Syphilis- 
prophylaktikum hierbei auch Atoxyl. Demgegenüber boten hoch¬ 
wertige Chininsalben in eindeutiger Weise Schutz gegen die 
Syphilisinfektiop. 

Die Anordnung des Versuchs und der Kontrolle, wie ioh sie 
gestaltete, weicht von der übliohen etwas ab und war folgende: 
Wenn Metohnikoff und die anderen Autoren für den Prophylaxe- 
versuoh und die Kontrolle versohiedene Tiere genommen haben, 
habe ioh den Versuoh und die Kontrolle an ein und demselben Tier 
durohgeführt und zwar mit der Voraussetzung, für Versuch und 
Kontrolle gleiche Dispositionen des Affen und gleiohe Virulenz des 
Materials zu haben. Es wurde somit die gesamte Stirnpartie mit 
Täschohen und Skarifikationen versehen und nun das ganze Terrain 
mit ein und demselben, vom Menschen exzidierten, Luesmaterial gleioh- 
mässig beimpft. Nach Ablauf deiner bestimmten Zeit, wovon weiter 
die Rede sein wird, wurde dann genau die eine Hälfte des Impfterrains 
rechts von der verlängerten Nasenlinie mit dem betreffenden Prophy¬ 
laktikum behandelt. Durch die ersten Versnobe, welohe in der Wolf- 


sohen Hautklinik zu Strassburg und dann später in der Neisser*sohen 
Klinik zu Breslau in dieser Weise ausgefuhrt wurden, sollte erst mal 
prinzipiell die Frage entschieden werden, inwieweit Chininsalben über¬ 
haupt den Ausbruoh der Syphilisinfektion beim geimpften Affen zu ver¬ 
hindern imstande sind. Dementsprechend wurden hier die Salbenappli¬ 
kationen innerhalb der ersten halben Stunde nach der Impfung vor¬ 
genommen. Wie ioh dann bei Gelegenheit des internationalen medi¬ 
zinischen Kongresses zu Budapest und in den Beiträgen zur Pathologie, 
und Therapie der Syphilis von Albert Neisser mitteilte, sind in 
30 Affen versuchen eindeutige Sehutz Wirkungen konstatiert worden. 
Spätere Versnobe, die ioh bei Metohnikoff im Institut Pasteur in Paris 
ausführte, hatten die Aufgabe, den Zeitraum nach der Impfung zu be¬ 
stimmen, bis zu welohem die Salbenapplikationen noch vor der Lues¬ 
infektion schützen. Die Versuche wurden hierbei in gleicher Weise, wie 
oben geschildert, ausgeführt, wobei erst bis zu 5 Stunden nach der 
Impfung die Salbe auf die eine geimpfte Hälfte der Affenstirn aul¬ 
getragen wurde. Auch diese Versuche ergaben die erwünschten Resultate. 
In sämtliohen Fällen trat nur am äussersten linken Brauenbogen der 
Primäraffekt auf, d. h. nur der von der Salbe entfernteste Punkt ergab 
die Syphilisinfektion. Es ist hierbei bemerkenswert, dass der Primär¬ 
affekt systematisch gerade an der vom Salbenterrain entlegensten Stelle 
auftrat, woraus zu ersehen war, dass eine Penetration der Salbe auch an 
diejenigen Stellen erfolgte, die ursprünglich nicht mit Salbe behandelt 
wurden. Soweit über die experimentellen Vorarbeiten, welche am Affen im 
Laufe von 6—7 Jahren vorgenommen wurden und uns die volle Gewissheit 
gaben, dass eine zuverlässige Sohutzwirkung der Chininsalbe auch bis zu 
5 Stunden (nach mehr als 5 Stunden wurden die Versuche nicht an¬ 
gestellt) nach der Syphilisinfektion besteht. Danaoh war der Uebergang 
zur humanen Praxis notwendig geworden, und es galt nun die Schwierig¬ 
keiten ethischer und technischer Natur zu überwinden, um die Wirk¬ 
samkeit am Menschen ausprüfen zu können. A priori war anzunehmen, 
dass die Wirksamkeit der Salbe unter den praktischen Infektions¬ 
verhältnissen beim Menschen bedeutend stärker sein müsste, wenn man 
überlegt, wie rigoros die Verhältnisse beim Affenexperiment dem¬ 
gegenüber sich gestalteten. Es ist wohl kaum denkbar, dass in praxi 
solche Rhagaden und Taschenbildungen sioh auf der normalen mensch¬ 
lichen Haut finden könnten, wie wir sie im Affenexperiment anzulegen 
pflegen. Weiter ist es wohl eine ganz besondere Ausnahmeerscheinung, 
dass Luesvirus in so grosser Menge und in so günstiger Form ein¬ 
verleibt wird wie im Versuoh. Weiter ist nioht zu unterschätzen, dass 
durch Fehlen jeglioher Wasohung naoh der Infektion, die in der mensoh- 
liohen Praxis als Voraussetzung angenommen werden kann, wiederum 
die Infektionsmögliohkeit im Tierversuoh äusserst gesteigert war. Somit 
konnte die Aussicht, einen Schutz beim Mensohen zu erhalten, naoh 
den geschilderten Affenversuohen als vollkommen angesehen werden. 
Die ersten Versuche nach dieser Richtung führte ich am Kaiserlichen 
Findelhause in Moskau durch. Daselbst gehörte es zur Regel, dass 
Säuglinge mit syphilitischen Mund- und Lippenaffektionen eingebracht 
wurden und von normalen Ammen gestillt wurden. Andererseits sind 
viele Fälle von syphilitischen Rhagadenbildungen an der Brustwarze der 
Ammen zu beobaohten gewesen. Zur Bekämpfung der vorkommenden 
Fälle der Infektion von Säuglingsmund zur Ammenbrust und umge¬ 
kehrt hatte ioh zuerst eine durchgreifende Untersuchung sämtlicher 
Rhagaden bei Säuglingen und Ammen auf Spirochäten vorgenommen, 
wobei sioh eine gewichtige Anzahl positiver Fälle herausstellte. Nun 
wurde anstelle der übliohen Warzensalbe die Gbininsalbe eingeführt 
und nun an der Hand einer 12 Monate langen Beobachtung festgestellt, 
dass Fälle von gegenseitiger Infektion auf dem in Rede stehenden Wege 
nicht mehr zu protokollieren waren. Für die hauptsächlichsten Ver¬ 
suche, die Sohutzwirkung der Chininsalbe zur Verhütung der Syphilis 
in der menschlichen Praxis auszuprüfen, boten sich während des letzten 
Krieges günstige Gelegenheiten. Ich batte die Aufgabe, in der N.-Armee 
die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten zu organisieren und fand 
hierbei einzelne Infektionsherde, die es mir möglioh machten, nahezu 
experimentell die betreffende Frage zu bearbeiten. Die Stadt, in welcher 
das N.-Armeekorps und die meisten Institutionen der Armee sioh be¬ 
fanden, war ganz ausserordentlich von Lues durchseucht. Die Anzahl 
frischer Infektionen, die wir täglich zu verzeichnen hatten, machten den 
Zustand einer Luesepidemie gleioh. Für diese Versuche wählte ioh 
nun 4 Sanitatsautomobilkolonnen, jede 80 Chauffeure zählend», da ioh 
zur Annahme berechtigt war, dass die Chauffeure für diese Versuohe 
das geeignetste Kontingent waren, weil letztere relativ intelligenter und 
gleichzeitig in punoto Infektionsmögliohkeit und Gelegenheit aktiver 
waren. Nun untersuchte ioh gemeinschaftlich mit den 4 Oberärzten 
der Kolonnen sämtliche 820 Chauffeure auf das Vorhandensein bzw. 
frühere Infektionen mit Lues und Gonorrhoe. Für die weiteren Ver¬ 
suohe einwandsfrei galten diejenigen, die nie mit Lues infiziert waren. 
Jetzt wurden nun diese Chauffeure aus nur 2 Kolonnen, etwa 120 Mann, 
mit dem Lues- und Gonorrhoeprophylaktikum (d. h. also einem lOprOs. 
Glyzerin-Gelatine-Protargolpräparat in Metalltuben von Spritzenform 
und Chininsalbe) versehen. Die übrigen 2 Kolonnen (jede 80 Mann 
stark) bekamen keine Prophylaktika und wurden gründlich alle 
3 Tage auf Geschlechtskrankheiten untersucht. Wir hatten somit 
2 Versuchs- und 2 Kontrollkolonnen. Die Infektionen mit 
Lues und Gonorrhoe in der betreffenden Stadt und in dem 
betreffenden Kontingent gingen in einer Weise vor sioh, so 
dass wir von einer planmässigen Infektion von durchschnittlich 
8 Fällen auf je 70 Personen in 6 Woohen zu rechnen hatten. Meine 


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I 


11. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE "WOCHENSCHRIFT. 


763 


weiteren Beobachtungen über den Verlauf yon Infektions- und Sehuts- 
wirkung zeigten, dass in Fällen, wo das Prophylaktikum zur An¬ 
wendung kam, keine neuen Infektionen yorgekommen waren, währerd 
für das übrige Kontingent, also ohne Prophylaktikum, die oben erwähnte 
Anzahl yon Infektionen mit geringen Schwankungen bestehen blieb. Das 
Prophylaktikum wurde in einer Form in die Hand gegeben, die nur für 
einmaligen Gebrauch ausreiohte. Wir waren daduroh in der Lage, die 
Häufigkeit der Infektionsohanoen zu bemessen und konnten auoh ver¬ 
meiden, dass durch Einspritzen allzu grosser Mengen des Protargols 
unerwünschte Reizersoheinungen ausgelöst wurden. Es folgt ein kurzer 
Berioht der N.-Sanitätskolonne vom 80. 1. 17 in welchen die Verhält¬ 
nisse in geschilderter Weise angegeben werden, und weloher den Be¬ 
richten der anderen Kollegen im Prinzip gleioht. 

Der Arzt der 29. Militär-Automobil-Sanitätskolonne am 18.8.1917. 

In der 29. Militär-Automobil-Sanitätskolonne sind in der Zeitperiode 
vom 15.12.16 bis zum 80.1.17, d. h. im Laufe von 6 Wochen, 8 Soldaten 
erkrankt (3 Dloera dura und 5 Gonorrhoe). Die Gesamtmenge betrug 
70 Personen. In den letzten 6 Woohen, d. h. vom 1.2. bis 13.3.17, 
von dem Augenblick ab, wo die Einführung des Propbylabtikums 
gegen Geschlechtskrankheiten erfolgte, ist bei sechswöchiger Unter¬ 
suchung keine einzige Infektion beobachtet worden. ln dieser Zeit 
ist ein einziger Fall von Ulcus molle vorgekommen bei einem Soldaten, 
der das Prophylaktikum nicht erhalten hatte. Das Prophylaktikum 
wurde an 40 Soldaten verteilt, und ich konnte konstatieren, dass in 
20 Fällen, wo notorisch von dem Prophylaktikum Gebrauch gemacht 
wurde, keine Infektion erfolgte, trotzdem das Kontigent der Frauen in 
Czernowitz ausserordentliche Infektionsgefahren darsteilte. 

Gorbunoff, Oberarzt der Kolonne. 

Die Schlussfolgerung ist immer dieselbe: In all den Fällen, 
wo das Prophylaktikum aogewendet wurde, sind trotz den be¬ 
sonders grossen Infektionschancen keine Neuinfektionen aufgetreten. 

Demgegenüber sind Mannschaften unter denselben Bedingungen, 
jedoch ohne Prophylaktikum, in geschilderter Weise infiziert worden. 
Gleichzeitig versah ich eine grössere Anzahl, etwa 100, Offiziere, die 
gleichfalls an derselben Infektionsquelle lebten, mit dem Prophylaktikum 
und konnte diesem Material die grosse Anzahl infizierter Offiziere da¬ 
gegenhalten, die hier in Ambulanzen und Lazaretten zur Untersuchung 
kamen. Die Resultate der Beobachtungen waren hierbei ganz dieselben 
und ganz eindeutig, wie ich sie oben für die Sanitäts-Automobilkolonne 
schilderte. 

Wenn nun diese Versuche volle Zuversicht dafür bieten, 
gefährdete Personen vor so eminenten Gefahren der Infektion 
mit Geschlechtskrankheiten zu schützen, ist es unsere Pflicht, in 
konsequentester Weise diesen Möglichkeiten nachzugehen. Es ist 
unsere Pflicht, in diesen katastrophalen Tagen, der im Anschluss 
an den Krieg sich steigernden Verseuchung mit Geschlechtskrank¬ 
heiten mit aller Wucht und mit Verwendung aller bekannten 
Mittel entgegenzutreten. Zum Ziel führen in erster Linie die 
weitgehendsten Verbreitungen von Schutzmitteln, deren Wirksam¬ 
keit uns nun genügend bekannt ist. Gegen dieses Desiderat 
können und dürfen keinerlei Ueberlegungen ethischer oder irgend¬ 
welcher anderer Natur vorgebracht werden, denn heutzutage haben 
sich glücklicherweise die entsprechenden Anschauungen so weit 
ernüchtert, dass die früheren abolitonistischen Gegenargumente 
keineswegs mehr am Platze sind. Handelt es sich bei den Ge¬ 
schlechtskrankheiten um eine Volksseuche, so sind auch die 
Kampfmittel hier gleichartige, wie sie bei einer Typhusepidemie 
sein müssten. 

Wenn seinerzeit Stimmen gegen eine weitgehende Verbreitung 
von Schutzmitteln zur Verhütung der Geschlechtskrankheiten 
laut wurden, die Vorgaben, darin eine Verleitung zu ausserehe- 
liebem Verkehr zu sehen, so ist im gegebenen Falle eine solche 
Argumentierung ebenso haltlos, wie das Hindern Gholera-Typhus- 
Gefährdeter am systematischen Abkochen der Nahrungsmittel 
oder an der Schutzimpfung. Es wäre eine bewusste Fahrlässigkeit 
von Seiten des gebildeten Arztes, heute der gefährdeten Mensch¬ 
heit nicht in eindringlicher Weise Mittel in die Hand zu geben, 
von denen er weiss, dass sie sicheren Infektionsschutz bieten. 
Neben den Bekämpfung*maassregeln, die in letzterer Zeit in Form 
von Ambulatorien, Untersuchungsämtern, spei. Aerztekursen zur 
Frühdiagnose der Geschlechtskrankheiten getroffen sind, ist mit 
aller Intensität dafür zu sorgen, dass die Prophylaktika jederzeit 
und überall in zweckmässiger und gewissenhafter Herstellung 
jedem zugänglich werden. 

1914 hat Dr. Harry Bayon es unternommen, an einem 
grossen Menschenmaterial in Süd-Afrika die Cbininluespropbylaze 
auszuprüfen. Durch den Krieg ist es uns unmöglich gewesen, 
die Ergebnisse dieser Versuche zu erfahren, wir werden jedoch 
demnächst in der Lage sein, darüber zu berichten. 

Auf meine Veranlassung wird die Einführung eines zusammen- 
gestellten Schutsbestecks vorbereitet, das eine zuverlässig her¬ 


gestellte Ghininsalbe in der als wirksam erprobten Stärke und 
Mischung, sowie ein Gonorrhoeprophylaktikum — Choleval- 
Schutzstäbchen von Merck-Darmstadt — enthält. 


Ein Fall von traumatischer Neurose vor 
100 Jahren. 

Von 

Erwin Loewy, Nervenarzt in Berlin-Steglitz. 

In Humboldt’s Briefen an eine Freundin (Charlotte Hilde¬ 
brand) findet sioh ein Brief aus Rudolstadt vom 2. Januar 1827, in dem 
es heisst: „Die verwitwete Fürstin ist eine der Frauen, wie man sie 
sehr selten fiadet. — Sie führte in den schwierigsten Zeiten die Regent¬ 
schaft mit grosser Klugheit. Seitdem ihr Sohn regiert und auch die 
Erziehung der andern Kinder vollendet ist, lebt sie bloss sich selbst, 
arbeitet und studiert für sich und besitzt sehr viele Kenntnisse, vor¬ 
züglich aber das, was man nioht ohne eignen tiefen und umfassenden 
Geist erwirbt. Sie leidet jetzt sehr an den Augen, was sie unglücklicher¬ 
weise sehr am Lesen und Schreiben hindert. Sie hat dabei noch einen 
andern, ganz sonderbaren Zufall, nämlioh, dass sie seit mehreren Jahren 
durchaus nicht fahren kann. Sie hat das Unglück gehabt, damals durch 
ein wunderbares Ungefähr unmittelbar vor ihrem Schloss sehr gefährlich 
umzuwerfen. Sie hat dabei nichts gebrochen, aber einen so heftigen 
Stoss und eine so gewaltsame Erschütterung bekommen, dass sie seitdem, 
so oft sie versucht hat, in den Wagen zu steigen, nach kurzer Zeit übel 
wird und in Ohnmaoht fällt. Sie hat also ganz nunmehr auf alles 
Fahren verzichtet und entfernt sioh nur so weit von ihrem Wohnort, als 
sie zu Fass gehen kann. Vermutlich haben die Nerven des Rückgrats 
gelitten uad geraten nun durch die Erschütterung, die der Wagen dooh 
immer gibt, in eine krankhafte Stimmung, die sich dem Gehirn mitteilt. 
Wenn die Fürstin dies Schloss (Sohwarzburg) jetzt besuchen will, geht 
sie zu Fuss in zwei, drei Tagereisen dahin.“ 

Ueber die Diagnose braucht man nach dieser geradezu klassischen 
Schilderung wohl nicht im Zweifel zu sein. Interessant ist der Fall aber 
erstens duroh das Fehlen jeglicher Begehrungsvorstellungen und zweitens 
daduroh, dass die Gesamtpersönlichkeit der Kranken so durchaus keine 
hysterischen Züge aufweist. Dies deckt sioh mit der modernen Auf¬ 
fassung (Jasper’s u. a.), dass der hysterische Mechanismus auoh bei 
normalen Menschen zu hysterischen Reaktionen führen kann. Und die 
„traumatische Neurose 11 ist ja schliesslich nichts weiter als eine solche 
Reaktioa auf ein affektbetontes Ereignis, die in ihrer Reinheit bei Formen 
ohne Begehrungsvorstellungen erscheint. Humboldt’s Erklärung deckt 
(sich genau mit der Schilderung Eriohsen’s, der Ende der 60er Jahre 
als erster die „Railwayspine“ beschrieb. 


Zur Reform der Todesursachenstatistik in 
Preussen. 

Von 

Gebeimrat Dr. Robert Behl», 

Leiter der Medizlnalabteiluug im Freust. Statistischen Landesamt 

Die Mängel der bisherigen amtlichen Todesnrsacbenstatistik 
in Prenssen sind schon oft hervorgehoben worden. Za Unterlagen 
dienen beinahe sor Hälfte die Diagnosen, welche auf Befragen von 
den standesamtlichen Laien als Todesursachen notiert werden, 
sie sind also nicht wirklich fachmännische Angaben. Meine 
Beobachtungen als Leiter der Medizinalabteilnng im Preussischen 
Statistischen Landesamt während eines Jahrzehnts haben gelehrt, 
dass von einzelnen Standesbeamten gewisse Todesursachenbezeich- 
nnngen beliebt sind and sich immer finden, wie z. B. Allgemein- 
aasdracke: Lebensschwäcbe,Krämpfe,Abzehrung.Altersschwäche, 
Blutvergiftung, Langenkrankheit, Herzkrankheit, Unterleibskrank¬ 
beit, Geschwalst usw. In einer Gegend Hannovers sterben die 
Mehrzahl der Menschen an „Schwindsucht“. Viele dieser Aus¬ 
drücke sprechen einer exakten Todesursache geradezu Hohn. 
Es ist recht bezeichnend, dass unter den etwa 700000 Todesfällen 
in Preussen 1 ) in Friedenszeiten ungefähr 26000 Sterbekarten die 
Bezeichnung: „Todesursache nicht angegeben und Un¬ 
bekannt“ tragen. Die pathologischen Anatomen äussern dazu 
ein berechtigtes Missfallen. Das kann anmöglich so weiter gehen, 
dieser Uebelstand erfordert dringend die Remednr. 

Nun wäre das Ideal einer genauen Todesursachenstatistik 
selbstverständlich die Leichenöffnung, aber es wird wohl immer 
ein frommer Wunsch der Todesursachenstatistik bleiben, dass alle 
Leichen seziert werden. Wenigstens aber sollte doch die obli¬ 
gatorische ärztliche Leichenschau eingeführt werden, die 

1) Bei dem früheren Gebietsumfang. 


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*64 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


zur Zeit in Preussen nur zur Hälfte in Wirklichkeit geübt wird. 
Sind doch schon eine Reihe von Ländern nach dieser Richtung 
mit gutem Beispiel vorangegangen, und hat sich dort seit Jahren 
die ärztliche Leichenschau mit sichtbarem Erfolge eingebürgert; 
wie z. B. in England, der Schweiz, Oesterreich, Italien, 
Schweden, Dänemark, Amerika usw. Das Publikum hat 
sich daran gewöhnt. Sollen wir nun hinter anderen Ländern 
zurückstehen und rückständig bleiben, gerade in Preussen, welches 
doch auf dem Gebiete des Sanitätswesens in erster Linie steht? 
Ich bin als Medizinalstatistiker der Ansicht, dass gerade jetzt, wo 
durch die neue Regierung so viele gute Einrichtungen sozialer 
Natur getroffen werden und auf dem Gebiete des Medizinalwesens 
zweckmässige Reformen und Umwälzungen stattfinden, die Zeit 
gekommen ist, auch die Todesursachenstatistik neu zu 
regeln und in moderner Weise auszubauen. Die alten 
Einwände, dass die Kosten zu gross, nicht überall Aerzte wären 
usw., sind nicht mehr stichhaltig. Ist doch auch schon in ein¬ 
zelnen Regierungsbezirken Preussens, wie z. B. im Regierungs¬ 
bezirk Arnsberg die obligatorische ärztliche Leichenschau ein¬ 
geführt und hat sich gut bewährt. Die alten Fehler der früheren 
Verwaltung, dass wegen allzu vieler Bedenken eine wirklich gute 
Maassregel nicht Eingang fand, müssen doch endlich einmal über¬ 
wunden werden. Es muss doch auch berücksichtigt werden, dass 
bei wirklich Armen eine Beihilfe aus einem dazu bestimmten Fonds 
gegeben werden sollte, dass in Gegenden, wo der weiten Ent¬ 
fernungen wegen Aerzte nicht zur Leichenschau herangezogen 
werden können usw. ausnahmsweise auch das Prinzip der nicht- 
ärztlichen Leichenschauer Anwendung finden kann, wie z. B. im 
Kreise Teltow. Die Schuld dafür, dass eine Reform zu einer 
besseren modernen Todesursachenstatistik bisher noch nicht Platz 
gegriffen hat, liegt in erster Linie an dem Festhalten an dem bis¬ 
herigen, der biologischen Auffassung abholden, inveterierten, 
schablonenhaften Verwaltungsschematismus in Preussen. 

Es fragt sich, ob das bisherige Verfahren bei der Er¬ 
hebung der Todesursachen in Preussen zweckmässig ist. 
Nach meinen mehrjährigen Erfahrungen ist dies nicht der Fall. 
Es kann in Zukunft genauer und billiger gestaltet werden. 
Bisher wurde die aus 10 Fragen bestehende Sterbekarte: 

1. Nummer im Sterberegister, 2. Vor- und Familienname. 3. Ge¬ 
schlecht»' 4. Zeit des Sterbefalls» 5. Geburtstag, 6. Familienstand, 7. Re¬ 
ligionsbekenntnis, 8. Stand, Beruf, Gewerbe, 9. Todesursache, 10. Be¬ 
merkungen aus der Sterbeurkunde entnommen, worunter Punkt 9 die 
„Todesursache* 1 enthält, von dem Standesbeamten abgeschrieben und 
von dem Standesbeamten vierteljährlich gesammelt, dem Statistischen 
Landesamte eingeschiokt. Vom Amte erhielt er für das Absohreiben bislang 
eine Gebühr von 3 Pf. pro Karte; seit dem 3. März 1919 ist diese Ge¬ 
bühr auf 5 Pf. erhöht worden. Bei etwa 12000 Standesämtern in Preussen 
ist diese Gebührenerhöhung in Anbetracht von 700000 Sterbekarten in 
Friedenszeiten nioht unerheblich. 

Anstatt dieses ohne Zweifel kostspieligen Verfahrens 
erlaube ich mir, ein anderes billigeres und der exakten 
Todesursachendiagnose mehr Rechnung tragendes Verfahren 
Voranschlägen und zwar in folgender Weise: 

Eine für ganz Preussen einheitlich festgestellte Sterbekarte, 
die auch alle die Fragen enthält, welche die jetzt der Standesamts¬ 
abteilung zur Bearbeitung und Entnahme notwendigen Daten ent¬ 
hält, wird von dem behandelnden Arzte selbst ausgefüllt in 
allen Punkten, darunter Punkt 9 die Todesursache. Dieser 
ärztliche Totenschein wird von den Angehörigen des Ge¬ 
storbenen dem Standesbeamten übergeben, welcher auf Grund des 
ärztlichen Totenscheins die Sterbeurkunde ausfüllt. Dabei ist 
seinerseits darauf zu achten, dass er die Nummern des Sterbe¬ 
registers auch auf den ärztlichen Schein setzt. Die nummerierten 
und mit der Nummer des Sterberegisters übereinstimmenden 
Totenscheine werden dann von dem Standesbeamten der Reihe 
nach gesammelt und vierteljährlich pünktlich dem Statistischen 
Landesamt eingesandt, also wohlverstanden: die ärztlichen 
Originalscheine, nicht die Abschriften. Erst von diesen ein¬ 
gesandten Aerztescheinen werden im Statistischen Landesamt 
Abschriften gefertigt und zwar Punkt 19: die Todesursache 
wird weggelassen. Diese abgeschriebene Karte ohne Todes¬ 
ursache dient dann weiter der Standesabteilung für ihre Zwecke 
zur Auszählung der Sterbefälle nach ihren Grundsätzen. Die 
originalärztlichen Totenscheine, die ja die Todesursache enthalten, 
wandern in die ministerielle Medizinalabteilung, um dort 
für die Mortalitätsstatistik in der gewünschten Weise ver¬ 
arbeitet zu werden. Es ist bei diesem Verfahien daraufzu sehen, 
dass nur die einheitlichen, für ganz Preussen festgesetzten 
ärztlichen Totenscheinformulare benutzt werden, die am 


zweckmä88igsten in genügender Menge beim Kreisarzt deponiert 
werden und von jedem, im Kreise ansässigen Arzte zu jeder Zeit 
in gewünschter Zahl erhältlich sind. Nur solche Scheine 
dürfen dem Standesbeamten zur Eintragung in das Sterbeurkunden¬ 
register präsentiert werden. Andere Totenscheine sind zurück- 
zuweisen. 

Es sei hierbei erwähnt, dass im Jahre 1913 eine derartige 
Todesursachenstatistik aufGrund ärztlicherTotensoheine im 
Regierungsbezirk Arnsberg schon einmal medizinalamtlioh durobgeführt 
worden und im Heft 6, Bd. 5 der „Veröffentlichungen aus dem Gebiet 
der Medizinal Verwaltung* 1 vom Regierungs- und Medizinalrat Schneider 1 ) 
beschrieben ist. Sämtliche ärztlichen Totenscheine wurden auf An¬ 
ordnung von den Kreisärzten durobgesehen und dann im Zentral- 
bureau der Arnsberger Regierung zusammengestellt, wöchentlioh, viertel¬ 
jährlich und jährlich. 

Aus dem Bericht geht hervor, dass das statistische Zahlen¬ 
ergebnis sich nicht ganz deckte mit den Zahlen der beim Statisti¬ 
schen Landesamt eingegangenen Sterbezählkarten; es waren Ab¬ 
weichungen in der Gesamtzahl. Dieser Uebelstand lässt sich sicher 
vermeiden dadurch, dass nach meiner Anordnung sofort der 
ärztliche Totenschein nummeriert wird mit den Nummern des 
Sterbeurkundenregisters; der Standesbeamte hat vor der Ab¬ 
schiebung seines vierteljährlichen Pakets die Gleichheit der Zahlen 
nochmals zu kontrollieren, und nach dem Eintreffen im Statisti¬ 
schen Landesamt hat dann nochmals eine Oberkontrolle statt¬ 
zufinden, ob Lücken in der fortlaufenden Reihe der Scheine 
vorhanden sind; nötigenfalls müssen durch Rückfragen bei den 
betreffenden Standesbeamten die gefundenen Lücken ergänzt 
werden. 

Das Wesentliche meines Vorschlags liegt also darin, 
dass das Abschreiben der Sterbeurkunden seitens der Standes¬ 
beamten fortfällt und das Abschreiben des ärztlichen 
Totenscheins in das Statistische Landesamt verlegt wird mit 
Weglassung von Punkt 9, der Todesursache, während die Origi¬ 
nale der ärztlichen Totenscheine nach der ministe¬ 
riellen Medizinalabteilung zur beliebigen Verwendung ge¬ 
sandt werden und dort Terhleiben können, was sehr wichtig ist 
für später gewünschte Statistiken. So wird eine wirkliche 
Trennung ermöglicht, beide Behörden können dann unabhängig 
voneinander die ihnen obliegenden Aufgaben der Statistik, der 
Statistik der Todesursache und der Statistik der einfachen 
Sterbefälle erfüllen. 

Der jetzige Modus des Bearbeitens der Mortalitäts¬ 
statistik aus einer Sterbekarte zwingt zum Zusammenarbeiten 
und Hand-in-Handarbeiten der Medizinalabteilung mit der Standes¬ 
amtsabteilung, das zu anerkannten Missständen und Stö¬ 
rungen Veranlassung gibt. Beide Abteilungen sind in verschie¬ 
denen Etagen untergebracht. Die Sterbekarten wandern herauf 
und herunter, hin und her; je nach dem Einlaufen der Karten 
und je nach dem Fertigwerden eines Kreises kommt es zu Stö¬ 
rungen und Hemmungen in der Arbeit. Die auf der Standes¬ 
amtsabteilung nach bestimmten Gesichtspunkten geordneten Karten 
werden vielfach durcheinandergeworfen und verschoben — kurz, 
der jetzige Modus führt unvermeidlich dazu, dass die Bearbeitung 
der Mortalitätsstatistik nicht gleichmässig hintereinander ge¬ 
schieht und nicht in gewünschter Weise schnell genug aus¬ 
geführt werden kann, wie es im Interesse der Statistik not¬ 
wendig ist. 

Diese offenbaren Missstände, die aus dem Zusammenarbeiten 
beider Abteilungen notgedrungen erwachsen, führten unwillkür¬ 
lich zu der wichtigen Frage, ob denn überhaupt die Medizinal¬ 
abteilung in dem Statistischen Landesamt an ihrem 
richtigen Platze ist und nicht besser und zweckmässiger 
anderswo ontergebraebt werden könnte, d. h. an einer Stelle, wo 
ein medizinischer Fachmann als Chef die Leitung des 
Medizinal wesens in der Hand hat. Gehört doch die Mor¬ 
talitätsstatistik und Heilanstaltsstatistik ihrem ganzen 
Wesen nach zur Medizin. Diese ganz natürliche Ansicht ist auch 
vielfach anderweitig zum Ausdruck gekommen. Bei den Be¬ 
ratungen über die notwendigen Reformen des Medizinal¬ 
wesens, die nach Proklamierung der neuen Regierung Anfang 
dieses Jahres im Ministerium des Innern einsetzte, ist nach An¬ 
sicht des damaligen Referenten die landesamtliche Medi- 


1) Im Regierungsbezirk Arnsberg wurde die ärztliche Leichenschau 
durch die Regierungs-Polizeiverordnung vom 1. Oktober 1912 eingeführt 
Nur in ganz wenigen Gemeinden waren nichtärztliohe Leiohenseheine 
zugelassen. 


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11. Anglist 1919 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


755 


sinalabteilung nicht an ihrem richtigen Platz, sondern 
sie gehöre sonder Frage zum Tätigkeitskreis des Sanitätswesens. 
Auch nach der Neuordnung des Österreichischen Medi¬ 
zinalwesens gehört das Kapitel der medizinischen Statistik zu 
ihrem Tätigkeitsbereich. Dort hat in der Tat jetzt schon das 
Gesundheitsamt eine eigene statistische Abteilung unter 
einem Mediziner. 

Kann so über den organischen Zusammenhang der 
Medizinalstatistik mit dem Medizinalwesen gar kein Zweifel sein, 
so ist es eine weitere Frage, ob in Preussen die Loslösung 
derselben von dem Statistischen Landesamte und eine 
Eingliederung der landesamtlichen Medizinalabteilung in die 
ministerielle möglich ist. Diese Frage muss nach eingehender 
Ueberlegung aller in Betracht kommender Faktoren durchaus 
bejaht werden. Frühere Anschauungen Hessen öber diese Mög¬ 
lichkeit Bedenken aufkommen, aber nach dem jetzigen gereiften 
Durchdenken der ganzen Sache ist diese Loslösung mit Berück¬ 
sichtigung der vorher hervorgehobenen Neuerungen restlos 
durchführbar. 

Die Abtrennung ist möglich aus folgenden Gründen: 

Die Medizinalabteilung besitzt eine eigene Registratur, eigenes 
Inventar mit zugehörigen Regalen und Rechenmaschinen. Das Be¬ 
amten- und Hilfsarbeiterpersonal kann erheblich gekürzt werden. 
In Abänderung zu früheren Anschauungen auf Grund neuer praktischer 
Erfahrungen über die Verwendung von Sekretären, Diätaren und Hilfs¬ 
kräften zu den nötigen Arbeiten hat sich gezeigt: Soviel Sekretäre, wie 
früher die Abteilung besass, sind nicht notwendig, da diese Arbeiten 
mehr mechanischer Natur sioh auch von niederen Hilfskräften er- 
fahrungsgemäss ausführen lassen. Durch die Listeneinführung in 
der Heilanstaltstatistik und den dadurch bedingten Wegfall der 
Bearbeitung von etwa 1 Vs Millionen Karten wird weniger Hilfspersonal 
gebraucht. Das Beamtenpersonal lässt sioh reduzieren ausser dem Leiter 
auf 1 Bureau Vorsteher, 3 Sekretäre und 3 Diätare, untergebracht in 
3 Räumen. Alle übrigen laufenden der Medizinalabteilnng obliegenden 
Aufgaben lassen sioh mit Hilfe von Hausarbeit, wie ja diese Ein¬ 
richtung seit Jahren im Statistischen Landesamt gang und gäbe ist, be¬ 
wältigen. Die bisher zur Verfügung gestellten Fonds und Stüoklohnkosten 
würden nach einem Ueberschlag auch weiterhin ausreichen. 

Die geplante und vor geschlagene Neuordnung und Ueber* 
führung io die ministerielle Medizinalabteilnng darf nicht wunder 
nehmen in jetziger Zeit, wo eine ganze Reihe von zweckmässigen 
Verschiebungen von einer Behörde in die andere stattfinden. Bei 
der Neubildung des Volkswohlfahrtsministeriums müssen 
die 8 grossen Abteilungen des Gesundheits-, Wohnungs- und Für¬ 
sorgewesens ja auch aus verschiedenen Ressorts zusammen- 
gelegt, organisch Zusammen gehöriges muss verbunden werden. 

Dabei ist aber zu bedenken, dass eine Reibe von grossen 
Vorteilen aus dieser Reform erwachsen, einmal für das Sta¬ 
tistische Landesamt, sodann aber besonders für die Medi¬ 
sinalabteilung im Volkswohlfahrtsministerium. 

Die Vorteile für das Amt sind folgende: 

, Die Abtrennung schafft Raum und bewirkt eine erhebliche 
Sparsamkeit für den Staat, insofern wegen Raummangels im Sta¬ 
tistischen Landesamt für 3 Abteilungen, die Sohul-, Volkszählung- und 
Veterinärabteilung besondere Räume in der Nähe angemietet siod, die 
im Jahre 106000 M. Miete verursachen. Sodann tritt eine Ersparnis ein 
durch das nioht mehr notwendige Abschreiben von Sterbe¬ 
karten (also doppeltes Abschreiben), die für den Betrieb der medizinal- 
statistisohen Aufgaben gebraucht werden und unerlässlich sind (etwa 
40—50000 Karten), wie z. B. Karten von Mord und Todschlag, Selbst¬ 
mord, tödliohen Verunglückungen, verschiedenen übertragbaren Krank¬ 
heiten, Karten zu Rückfragen usw. Dadurch würden ebenfalls nicht un¬ 
erhebliche Kosten gespart (etwa 2500 M.). Der Preis für das Ab¬ 
sohreiben der Sterbekarten könnte gekürzt werden, da die Todesursache 
wegfällt, ausserdem würden auch wegfallen die Kosten für geforderte 
Extrastatistiken, da das teure Heraussuohen der Karten sioh erübrigen 
könnte, vor allem aber auoh der Betrag für Miete, insofern eine Ab¬ 
teilung in die freigewordenen Räume der Medizinalabteilung übersiedeln 
kann (etwa 25000 M.) Kurs — nach einem ungefähren Ueberschlag 
würde die Gesamtersparnis sioh auf etwa 35000 M. jährlich belaufen. 

Als Vorteile für die ministerielle Medizinalabteilnng 
erweisen sich: Die Möglichkeit eines fachmännischen Ver¬ 
treters, die Möglichkeit einer ausreichenden medizinischen 
Bibliothek, die Vermeidung zeitraubenden Schriftwechsels, 
die Möglichkeit einer unmittelbaren Besprechung mit dem 
Ministerialdirektor in wichtigen Fragen der Seuchen¬ 
bekämpfung, die Möglichkeit der Verwendung geschulter 
statistischer Kräfte bei Ergreifung schneller sanitärer 
Maassnahmen. Neue, moderne Aufgaben in Betreff von 
chronischen Volkskrankheiten, von Tuberkulose, Krebs, 
Alkoholismus, der sozialen Hygiene auf dem Gebiete der Säug¬ 


lings- und Kleinkindersterblichkeit usw. können mündlich 
besprochen und planmässig in Angriff genommen werden. Dazu 
kommt, dass in der ministeriellen Abteilung schon jetzt gewisse 
Statistiken, wie Pocken, Hundswut usw. gefertigt werden, 
die Mortalitätsstatistik würde hier eine einheitliche Bear¬ 
beitung erfahren, auch die der landesamtlichen Medizinalabteilung 
obliegende Heilanstaltsstatistik müsste zweckmässig um¬ 
gestaltet und eine moderne Kränkenkassenstatistik in An¬ 
griff genommen werden; ebenso könnte ein weiterer Ausbau der 
Gebrechlichenstatistik, der Taubstummen-, Blinden-, 
Geisteskranken- und Krüppelstatistik erfolgen. Ausserdem 
könnte diese statistische Abteilung im Volkswohlfahrtsministerium 
mit Hilfe ihrer geschulten Kräfte zu Nutz und Frommen eine 
Statistik der sozialen Fürsorge und Wohlfahrtsbestre¬ 
bungen weiter ausgebant werden — also eine Reihe von neuen 
Problemen auf dem Gebiete der, Medizinalstatistik würde sich 
darbieten, die der Volksgesundbeit zugute kämen. 

Endlich sei hervorgehoben, dass durch diese Ueberfübrung 
der wissenschaftliche Verkehr mit den Kreisärzten ohne 
Frage ein regerer und nutzbringender, den statistischen Bedürf¬ 
nissen und der Schulung derselben mehr Rechnung tragender 
sein würde. So wie so steht ja schon jetzt das Amt im Verkehr 
mit der Abteilung des Ministeriums durch die „Medizinal- 
8tati3tischen Nachrichten 14 , welche im Aufträge des Herrn 
Ministers herausgegeben werden. Gerade diese Publikation, die 
nur in Preussen besteht, bat sich besonders bewährt, indem 
sie einmal schneller erscheint als die Jahresstatistik und 
einen Einblick der Krankheiten und der Bevölkerungsbewegung 
in den einzelnen Quartalen gewährt. Auch diese Publikationen 
Hessen sich für die Folgezeit unmittelbar unter der Aegide des 
Ministerialdirektors alsCbefdes Medizinal wesens immer 
weiter und tiefer ausgestalten. Auch Hesse sich zur schnellen 
Orientierung auf dem ganzen Gebiete der Bevölkerungs¬ 
bewegung und Krankheiten eine schnellere Benachrichtigung 
durch Karten seitens der Kreisärzte einrichten, was für die 
Kontrolle des Medizinal wesens ausserordentlich wichtig 
wäre. 

Bieten sich also eine Reihe von Vorteilen für Amt und 
Volkswohlfahrts-Ministerium dar, so muss schliesslich auch 
betont werden, dass durch die Abzweigung in keiner Weise eine 
Schädigung der bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit des Stati¬ 
stischen Landesamts in Frage kommt. Nach wie vor kann dasselbe 
unter anderem ihre Aufgaben auf dem Gebiete der Geburts-, Ehe- 
schliessungs- und Sterbefällestatistik sowie der Bevölkerungs¬ 
statistik erfüllen. Diese Karten bleiben unberührt. Da der Ge¬ 
schäftskreis des Statistischen Landesamts sich immer mehr er¬ 
weitert und neuere Statistiken auf die Tagesordnung treten, so 
muss bei tieferer Ueberlegung die geplante Abtrennung mehr 
als eine Entlastung angesehen werden. 

Unter Berücksichtigung der im Vorhergehenden hervor¬ 
gehobenen Vorteile, der Ersparnis an Raum und Miete, an 
Kosten von unnützen Abschreibungen, der schnelleren 
Fertigstellung dringender Statistiken usw. muss die ge¬ 
plante Reform als praktisch durchführbar, zweckmässig und 
im Interesse des Medizinalwesens durchaus als notwendig er¬ 
achtet werden. Cetera m censeo, die ärztliche Leichenschau ist 
ein Postulat der — Neuordnung des Medizinal wesens. 


BQcherbesprechungen. 

Hermann Matti: Die Knochenbräche and ihre Behandlung» Berlin, 
Verlag von Julius Springer. Preis 25 M. 

Bei der ungemeinen Häufigkeit der Knochenbrüohe bestand sohon 
lange das Bedürfnis nach einer erschöpfenden und ausführlichen Be¬ 
sprechung derselben hinsiohtlioh ihrer Entstehung, der Bruohformen, der 
verschiedensten Behandlungsmethoden usw. Diesen Forderungen kommt 
vorliegendes Werk in vollstem Maasse nach. Alle wichtigen Fragen der 
Frakturlehre über die Frakturgenese und über die Bruohmeohanismen, 
über die pathologische Anatomie und Physiologie der Frakturen, über 
die Heilungsvorgänge und die Abweichungen von der normalen Fraktur¬ 
heilung, die klinisohen Symptome und die verschiedensten blutigen und 
unblutigen Behandlungsmethoden mit ihren Vorteilen und Nachteilen 
sind selten ausführlich und lüokenlos, aber doch einheitlich zusammen¬ 
gefasst und geben dem Arzte erst eine klare Vorstellung und das rich¬ 
tige Verständnis von der Frakturlehre, das bei der Behandlung unbedingt 
erforderlich ist Dass das Werk reioh illustriert ist erhöht den Wert 
des Buohes. Die Lektüre desselben bringt so viele neue und gute An¬ 
regungen, dass man auoh manche zu breit geratene Kapitel gern in 
Kauf nimmt. _ 


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766 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


B. Fröseh: Z«r P&thogeiese der Cexa Tara. Zürioh, Verlag tod 
Speidel 6 Wursel. Preis 6 M. 

Die Goxa vara, eine abnorme Verkrümmung des Oberscbenkelbalses 
in dem Sinne, dass der Schenkelhals mit dem Femur einen Winkel bildet, 
der kleiner als etwa 120° ist, ist auch heute nooh ein unklares Krank¬ 
heitsbild hinsichtlich ihrer Anatomie und der Ton dieser abhängigen 
Symptomatologie wie hinsichtlich der Aetiologie dieses Leidens. 

Die wichtigsten Krankheitssymptome sind bekanntlich: abnormer 
Trochanterhochstand, Verkürzung des erkrankten Beines, Beschränkung 
oder Unmöglichkeit der Abduktion bei Behinderung der Innenrotation 
und normaler oder gar erhöhter Auswärtsrotation, Atrophie der Musku¬ 
latur, das Trendelenburg’sohe Phänomen und schliesslich die bereits 
erwähnte Verkleinerung des Scbenkelhalswinkels. Verf. stellt ein genau 
untersuchtes und nachgeprüftes Material von 22 Fällen von Coza vara 
zusammen, die durch äußerst klare und interessante Röntgenbilder er¬ 
läutert sind. Er ist mit besonderer Berücksichtigung der ätiologischen 
und pathogenetischen Verhältnisse der Coxa vara zu den Schlusssatz ge¬ 
kommen, dass, abgesehen von der traumatischen Aetiologie, eine konsti¬ 
tutionelle Erkrankung, die Rachitis resp. Spätraohitis für die Pathogenese 
verantwortlich gemacht werden muss, sei es, dass die Erkrankung in das 
1.—12. oder der Krankheitsbeginn in das 12.—16. Lebensjahr fällt. Da¬ 
mit wäre das Einteilungschema der Coxa vara bedeutend vereinfacht. 


De Quervain: Spezielle chirurgische Diagnostik für Studierende und 
Aerite. 6. Auflage. Leipzig, Verlag von F. C. W. Vogel. Preis 82 M. 

Dass ein Werk im Verlaufe von 12 Jahren trotz der Kriegsjahre in 
6. Auflage erscheint, gibt uns einen Rückschluss auf die grosse Bedeutung 
und Wertschätzung dieses Buohes. Verf. bat auch in der Tat mit seinem 
Buche, in dem er seine grossen Erfahrungen auf dem Gebiete der chirur¬ 
gischen Diagnostik in Wort und Bild niedergelegt hat, etwas ganz ausser- 
gewöhnliches geschaffen und den Studierenden und Aerzten ein ungemein 
wertvolles Nachschlagewerk in die Hand gegeben. 

Das Buch ist um einige Seiten umfangreicher geworden. Es bat 
einige wesentliche Erweiterungen und Verbesserungen erhalten, insbe¬ 
sondere sind eine grosse Reihe neuer vorzüglicher Abbildungen binzu- 
gekommen, die zum besseren Verständnis beitragen werden. Der kriegs- 
chirurgisehe Teil am Schlüsse der 5. Auflage ist weggefallen und die 
wichtigsten kriegschirurgischen Fragen sind, soweit sie für die Friedens- 
obirurgie praktischen Wert haben, in den übrigen Text an passender 
Stelle eingefügt. Glücklicherweise ist dem kriegschirurgischen Teil kein 
zu grosser Raum zugefallen, und das Kapitel über Fremdkörpernachweis 
im Röntgenbild und seine verschiedenen Tiefenbestimmungsmethoden 
hätte, glaube ich, auch unbeschadet in Wegfall kommen können. 

Das Buch, allseitig bereits bekannt, wird auch in seinem neuen 
Kleide die gleiche freudige und begeisterte Aufnahme und rasoheate Ver¬ 
breitung finden, die es wie kein anderes Werk verdient. Karl. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

A. Pütter - Bonn: Studien zur Theorie der ReizvorgKige. V. Kitt. 
Der Verlauf der Daaererreging. (Pflüg. Aroh., Bd. 175, H. 3—60 
Theoretische und überwiegend mathematische Bearbeitung zweier 
Gruppen von Erscheinungen, die sioh 1. auf „Ermüdung“ oder „Um¬ 
stimmung“ durch Dauerreize, 2. auf das „Anklingen“ der Erregung be¬ 
ziehen. Als Beispiel diente die Dauererregung des menschlichen Auges, 
über die reichliches Zahlenmaterial vorliegt. P. kommt für das Auge 
zu einer Gleichung, die zahlenmässig abzuleiten gestattet: 1. die Zeiten, 
die bei jeder Reizintensität nötig sind, 2. die Grösse der Unterschieds- 
schwellen, 8. den zeitlichen Verlauf der Umstimmung. 

W. v. Buddenbrook - Heidelberg: Die vermutliche Lösung der 
Haltereifrage. (Pflüg. Arch., Bd. 175, H. 8—6.) Das Problem der 
Funktion der sogenannten Halteren (Sohwingkölbchen = umgestaltete 
Hinterflügel) der fliegenartigen Insekten ist 200 Jahre alt: die Ent¬ 
fernung der Halteren macht das Fliegen unmöglich! Verlassen war 
bereits neuerdings die Theorie, die die mechanische Bewegung des 
Schwingens für das Maassgebliohe hielt. Die v. B.’schen Versuche er¬ 
geben das höchst bemerkenswerte Faktum, dass die Halteren weder 
Gleichgewichts- noch Steuerorgane sind, sondern Organe zur Er¬ 
zeugung potentieller Nervenenergie, die den Flügeln su- 
fliesst und ihnen ,die frequente Bewegung ermöglicht. Sie 
sind den „Sinneskölbohen“ der Medusen vergleichbar: die hin und 
hergehende Bewegung der Klöppel dient dazu, gewisse 
Sinnessellen zu reizen und dadurch auf gewisse Bewegungs¬ 
muskeln des Tieres erregend zu wirken. Die Registrierungs¬ 
technik v. B.'a war eine nur relativ einfaohe am sogenannten „Sohuss- 
kymograph“, bei dem eine berusste Glasplatte am InBekt vorbei- 
gesohleudert wird, und sind exaktere kinematographisohe Aufnahmen 
noch erwünscht. Das Nähere über v. B.*s theoretische Folgerungen, die 
mancherlei interessante Kritik über das v. Uexküll’sohe Debnungs- 
gesets und Verworn’sehe Anschauungen über Erregung und Lähmung 
enthalten, ersehe man aus dem Original. 

E. Mangold- Freiburg i. B.: Elektrcgraphiache Untera«ck«ng de« 
Erregugsverlaafes iu Vegelheriei. (Pflüg. Aroh., B. 175, H. 3—6.) 
In früheren Versuchen hatte M. durch Durohsohneidungs- undJJm- 


stechungsversuche (Literaturangabe) gefunden, dass hinsichtlich de« Er¬ 
regungsverlaufes im Vogelherzen bemerkenswerte Gegensätze zwischen 
rechtem und linkem Ventrikel bestehen. Die vorliegende Untersuchung 
bestätigt dies durch die elektrographische Methode des Näheren, und 
zwar sowohl aus der Richtung der R und T Zacken als aus der Reihen¬ 
folge des Auftretens UDd Aufhörens der Negativität. Es wurde mit 14 
verschiedenen Ableitungen (die in einer Tabelle zusammengestellt sind) 
gearbeitet. Es ergab sich, dass die Erregung im rechten Ventrikel 
von der Spitze zum Basisteil, im linken von der Basis zum 
Spitzenteil verläuft. Die T-Zacke ist, im Gegensatz zu Angaben 
von anderer Seite, auch bei Huhn und Eote ausgebildet. Die R-Zacke 
ist stets abwärts gerichtet, ein charakteristischer Gegensatz zum Ekg. 
der Säugetiere. Erklärt wird dies durch die durch Herzobeiflächenab- 
leitung gefundene Tatsache des Beginns der Erregung im Spitzenteil 
des rechten Ventrikels. Eine Sinm-zacke wurde niemals beobachtet. 

A. v. Tsohermak - Praar: Bioelektrisohe Studien an der Migei- 
vaskilatnr I. Mitt. Das Elektrogastrogramni (Egg.) bei Spontan- 
rbythaiik de« isaliertea Froschmagens. (Pflüg. Arch., Bd. 175, H. 3—6.) 
Nach eingehenden sehr lesenswerten Erwägungen über die Bedeutung 
des Nachweises von Erregungsströmen an der glatten Muskulatur 
für die Auslegung des Begriffes des Muskeltonus — ob von rhythmisch 
tetaniscbem Charakter, ob echte Kontraktion usw. — erschien das bio- 
elektrisohe Studium der Magenmuskulatur, der sowohl wechselnder Tonus 
als spontane Rhythmik zukommt, besonders wichtig. Aus den Resul¬ 
taten sei hervorgehoben: Die im Egg. verzeichneten bioelektrischen Er¬ 
scheinungen tragen sichtbar den Charakter von ein- und zwei- 
phasigen Erregungsströmen. Dem SpontanrhythmUs des Magens 
liegen dennoch echte Kontraktionen und nioht nur Schwankungen 
der tonischen Gleichgewichtszustände zugrunde. Im Prinzip handelt es 
sich um Einzelerregungen bzw. -zuokungen. Die Magenmuskulatur ver¬ 
hält sich, wie es scheint, bei der physiologischen Zuckungsbeanspruobung 
bei Befähigung zum Tetanus weder wie Blutherz noch Skelettmuskel, 
sondern wie das Lymphherz. 

R. Marloff-Giessen: Die früheren Ziblangen der Erytkr««ytea 
Im Blate verschiedener Tiere sind teilweise mit grossen Fehlern be¬ 
haftet. (Pflüg. Arch., Bd. 175, H. 8—6.) Der Grund der Fehlerhaftigkeit 
der am meisten verwendeten Thoma’schen Methode liegt im verschie¬ 
denen Senkungsbestreben der schwereren Gebilde in der leiohteren 
Verdünnungsflüssigkeit. Die Arbeit sucht duroh systematische Fest¬ 
stellung der Senkungsgeschwindigkeiten bei den verschiedenen Blutarten 
zu einem genaueren Urteil über die Fehlergrösse zu gelangen, besonders 
in Hinsicht auf die am meisten empfohlene Hayem'scbe Lösung als 
Verdünnungsflüssigkeit. Je grösser der Hämoglobingehalt ist. um so 
grösser ist die Senkungsgeschwindigkeit: es bedarf daher neuer Versuche 
mit verbesserter Methodik zur genaueren Ermittlung der Erythrozyten- 
zabl der Tiere. 

E. Abderhalden - Halle a. S.: Studien über den Elafla«« der Art 
der Nahrang aaf da« Wehlhefladea des einzelnen Individuums, seine 
Lebensdauer, seine Fortpflanzungsfäbigkeit und das Schicksal der Nach¬ 
kommenschaft. (Pflüg. Aich., Bd. 175, H. 3—6.) Die Versuche liegen 
im Rahmen der Aufklärung der Beziehungen der Nahrungsstoffe zu den 
Körperstoffen. Sie sind zum Teil bereits von A. in Gemeinschaft mit 
Schaumann publiziert (siehe frühere Ref. üb. Pflüg. Arch., Bd. 171 
von 1918). Es handelt sioh um Einwirkung ausschliesslicher Fütterung 
mit geschliffenem Reis. I. Gruppe: betrifft die Lebensdauer, wobei die 
Tiere an Inanition zugrunde gingen. II. Gruppe: betrifft die Fort¬ 
pflanzungsfähigkeit, die meistens verloren ging. III. Gruppe: be¬ 
trifft die Lebensdauer der Nachkommen, die geringer ist als bei 
normal ernährten Tieren. In dieser Beziehung wurde eine ver¬ 
schiedene Ernährung verwandt (Mais, Soyabohne, Lupine, kleiefreies Ge¬ 
treide). Es folgen dann noch Studien über die längere Lebensdauer 
von Ratten, die abwechselnd ernährt wurden. Ferner: über das 
Wachstum von jungen Ratten bei Ernährung mit reinen Nahrungs¬ 
stoffen (Kasein, Miobzucker, stickstofffreier Stärke, Zellulose, Palmin) 
und deren Gewichtszunahme nach bestimmter Zusatznabrung. Das 
Einzelne der Resultate ist im Referat nicht wiedergegeben, da es aus 
den zahlreichen Tabellen entnommen werden muss (140 S.). 

Hasebroek. 


Pharmakologie. 

G. Li 1 jestrand - Utrecht: Vergleich der Wirklag ?•! Atropin 
■■d 1 Hyoszyamin aif den isolierten S&ngetierdlnndarm. (Pflüg. Aroh., 
Bd. 175, H. 3—6.) In Ueberlegung dessen, dass die Widersprüche in 
den bisherigen Angaben verschiedener Untersucher über die Wirkung 
des Atropin (auf den Auerbach - Plexus) ihren Grund in der Ver¬ 
schiedenheit der Atropinpräparate haben konnten, prüft die vorliegende 
Untersuchung systematisch die obigen Präparate in reiner Form. 
Resultat: Atropin ist allerdings vielfach mit 1-Hyoszyamin verun¬ 
reinigt; trotzdem braucht die wechselnde Wirkung der früheren Autoren 
— bald Erregung, bald Lähmung — nicht an dieser Inkonstanz der 
Präparate zu liegen. Vielmehr üben Atropin und 1-Hyoszyamin auf den 
Kaninchen-, Meerschweinchen- und Katzendarm dieselbe qualitative und 
auf den Kaninchen- und Katzendarm auch quantitative Wirkung aus. 

Hasebroek. 

A. Schilling u. E. Boeoker• Berlin: Speichemg v«« Chiia- 
alkalfiien inBlntiellen. (D.m.W., 1919, Nr. 25.) Die von Morgen- 


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UNIVERSUM OF IOWA 






11. Aagpgt 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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roth behauptete grossere Speioheruog von Chinin und Optochin in 
Erythrozyten als im Serum wurde von den Verff. mit anderen Methoden 
bestätigt beim Blut von Menschen, Pferd und Schaf. Dünner. 


Therapie. 

H. Reese- Hamburg: Zur Aolanbehandlaig der Haitpilierkraa- 

kvigea. (M.m.W., 1919, Nr. 27.) Aolaninjektionen wurden in 175 Fällen 
von Trichophytie mit gutem Erfolge angewandt. Die durchschnittliche 
Behandlungsdauer betrug nur 21,4 Tage, ln der Regel genügten S In¬ 
jektionen von lOocm Aolan in 6—Stägigen Intervallen. Irgendeine 
differente Lokalbehandlung fand nicht statt. Bei der parenteralen Ein¬ 
führung des Aolans, einer Miloheiweisslösung, handelt es sich um eine 
unspezifische Immunisierung. Aolan setzt einen Knochenmarksreif, duroh 
den Abortivst)ffe infolge Vermehrung der Leukozyten im Organismus in 
Bewegung gesetzt werden, die dann selbständig an den erkrankten Par¬ 
tien erscheinen und an der anfangs deutlichen Entzündungsvermehrung 
sichtbar werden. 

An toni-Hamburg: DieAolaabthaidlong des weichen Schankers und 
entzündlicher Bubonen. (M.m.W., 1919, Nr.27.) Durch intramuskuläre Injek¬ 
tionen von Aolan, einer von E.Fr. Müller angegebenen keim- und toxinfreien 
Miloheiweisslösung, wurden entzündliche Bubonen sehr gÜDstig beeinflusst. 
Naoh anfänglicher Vermehrung der örtlichen Entzündungserscheinungen 
gingen die im Anfangsstadium stehenden ohne Einschmelzung in Heilung 
über, während schon stark geschwollene zur Einschmelzung kamen, 
wobei der anfangs dicke Eiter bald dünn, serös wurde. Die Heilwirkung 
wird folgendermaassen erklärt: Aolan übt einen Reiz auf das Kuochen- 
mark aus. Diese aktive myeloische Reaktion vermehrt die natürlicher¬ 
weise vom Organismus in oder neben den weissen Blutzellen aus¬ 
gesandten Abwehrmittel, auf deren Vorhandensein aus der sichtbaren 
Auflösung der erkrankten Partien geschlossen werden muss. Die quanti¬ 
tative Ueberlegenheit derselben am Ort der Infektion wirkt heilend. 

H. Albrecht u. S. Funk - München: Zur Behandlung der weih- 
liekeu Gonorrhoe. (M.m.W., 1919, Nr. 27.) Nachdem zunächst genau 
die Forderungen, die an die klinsche Heilung der weiblichen Gonorrhoe 
zu stellen sind, definiert worden sind, wird eingehend die gründliche 
ambulatorische Behandlung derselben beschrieben. Diese zerfällt in All¬ 
gemeinbehandlung, Lokalbehandlung und Vakzinebehandlung. Hervor¬ 
geboben seien: häufige Soheidenspülungen mit Chlorzink- und Arg. nitr.- 
Lösungen. Auswisohen des Zervixkanals mit Arg. nitr. und Formalin. 
Einführen eines Protargolstäbchens in die Zervix. Die Urethralgonorrhoe 
wird mit Argonin-Argentanin, dann Protargolinjektionen behandelt. Alle 
S Tage erfolgen intramuskuläre Injektionen von Gonokokkenvakzine. 
Neben dieser Vakzineprovokation findet nooh lokale chemisohe Provo¬ 
kation mit Lugol’soher Lösung oder lOpCt. B a 0 2 statt. — Die äusserst 
langwierige Behandlung führt meist zum Ziel bei der quoad sanationem 
im allgemeinen so pessimistisch beurteilten Erkrankung. 

R. Neumann. 

Lade• Düsseldorf: Zur Behandlung der kludlieheu Vulvovagiuitis 
goiorrhoica mit heissen Bädern. (D m.W., 1919, Nr. 26.) Die heissen 
Bäder lassen sioh nicht immer durchführen, da sie zum Teil nicht ver¬ 
tragen werden. Die Erfolge sind nioht allzu ermutigend. Dünner. 

Spurgin: Ekiembehandlnig mit Kochflalzeialäiifea. (Brit. med. 
journ. Nr. 8047.) In einem hoffoungslosen Fall von allgemeinen Ekzem 
mit Fieber und höchstgradiger Entkräftung, wo 3 Monate lang alle an¬ 
deren Mittel nutzlos angewandt worden waren, trat bei Behandlung mit 
Kochsalzeinläufen sofortige Besserung und in wenigen Wochen voll¬ 
ständige Heilung ein. Schreiber. 

W. Becker"Bremen: Konservative Isehiasbebaadlaig. (M.m.W., 
1919, Nr. 27.) Die Therapie des Ischias hat 2 Forderungen zu erfüllen. 
Zunächst muss die Blutzirkulation im kranken Beine angeregt werden. 
Dazu dient Massage der Muskulatur, dann Vibration des Nerven und 
Elektrisierung. Dann muss der Nerv systematisch gedehnt werden. 
Dazu hat Verf. einen Uebungsstuhl konstruiert, bei dem mittels Pendel¬ 
apparates die Dehnung des Nerven unter gleichzeitiger Erhitzung im 
Liegen stattfindet. Der Apparat wird bei Katsch in München ver¬ 
trieben. R. Neu mann. 

J. Sejournet: Behandlung von Rheumatismus mH Gicht mit sab- 
kataiei Eiaspritnagea voa Salizylsäure. (La presse möd., 1919, Nr. 29, 
9. 280.) Es bewährten sioh sehr ein oder mehrere Einspritzungen einer 
1 pM. Lösung von Na. salicyl. (stärkere Konzentrationen sind sehr 
schmerzhaft) an der erkrankten Stelle, je 1 ccm, mehrfach wiederholt. 
(Muskelgewebe und Periost sind sehr schmerzempfiodlich). Die Erfolge 
traten bei akuten und chronischen Gelenkrheumatismus nach wenigen 
Tagen prompt ein, bei Muskelrbeumatismus oft nach einer Injektion, 
bei Gicht nach wenigen Tagen. Fünf Fälle von Ischias heilten ebenso 
in 8—10 Tagen nach einer Injektion täglich an der Austrittstelle des 
Nerven. Krakauer • Breslau. 

K. Huldsohinsky - Berlin: Heiluag vou Rachitis durch künst¬ 
liche Hähcisene. (D.m.W., 1919, Nr. 25) Duroh Bestrahlung mit 
künstlicher Höhensonne wurde bei 4 schweren Rachitikern im Zeitraum 
von 2 Monaten eine nahezu völlige Ausheilung des Leidens erzielt. Das 
Verfahren ist also wohl geeignet, die natürlichen und medikamentösen 
Heilfaktoren bei der Behandlung der Rachitis zu ergänzen bzw. zu er¬ 
setzen. 

V. Röse 1 er - Berlin: Die Folgen einer Bestrahlung Mit künstlicher 
Hikeantine. (D.m.W., 1919, Nr. 26.) Naoh einer lokalen Applikation 


trat ein schwerer nrtikariaäbnlieber Zustand mit Bläschenbildung an 
Haut und Mundschleimhaut auf. Sobliesslioh Heilung. Es ist eine 
dunklere Pigmentierung und ausserdem ziemliche Lichtempfindlichkeit 
zurückgeblieben. Keine Hämatoporpbyrinurie. Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

Bashford: Experimentelle Wiedererlangung von Inflnenia. (Brit. 
med. journ., Nr. 3046.) Mittels Ueberimpfung von Subkulturen eines von 
Wilson isolierten Virus gelang es, bei den Versuchstieren Influenza 
und deren Naohkrankheiten (Nieren- und Gehirnentzündung) wieder her¬ 
vorzurufen. Die Ueberimpfungen erfolgten unter die Haut, in die Ader 
oder unter die Dura. Von diesen hatten die ersteren nur geringfügige, 
die letzteren jedoch ausgeprägteste Wirkung. Der Wilson’sche Orga¬ 
nismus konnte aus dem Blut, der Galle und den Geweben aller Ver¬ 
suchstiere wiedergewonnen werden, auch aus den Tieren, auf die das 
Gift naoh Durchgang durch andere Tiere übertragen worden war. 

Schreiber. 

H. Muoh-Hamburg: Uuabgestimmte Schutiimpfung. (D.m.W., 
1919, Nr. 26.) M. besitzt einen für Meerschweinchen sehr virulenten 
Paratyphusbazillus. Die Tiere sind durch Behandlung mit normaler 
Meerschweinchengalle völlig zu schützen. Interessant ist nun, dass, wenn 
man gleichzeitig mit dem Bazillus ungiftige Luftspaltpilze oder 
Schimmelpilze oder Menschengalle oder Aolan oder Paratyphusimmun¬ 
serum in die Bauchhöhle spritzt, nur das mit Mensohengalle gespritzte 
Tier am Leben bleibt. Bei Vorbehandlung mit Pilzen usw. sind alle 
Tiere zu retten. Diese Ergebnisse unterscheiden sich also nioht von 
einer abgestimmten Schutzimpfung; sie beanspruchen besonderes Interesse 
mit Rücksicht auf die Proteinkörpertherapie. Dünner. 

Sohäfer-Dortmund: Mitajrglatinatioa im Bleuste der Typhus¬ 
diagnose. (M.m.W., 1919, Nr. 27.) Die Seren Typhus-, Paratyphus B- 
Kranker und Schutzgeimpfter zeigten in etwa Vs der Fälle Mitagglu¬ 
tination. Diese war unabhängig von der Titerhöhe der Hauptagglutinine, 
und ebenso wurden die einzelnen Typen regellos mitaggluriniert. Typhus¬ 
kranke, Typhusschutzgfimpfte und sonstige Schutzgeimpfte ergaben nur 
geringe Unterschiede hinsichtlich der Mitagglutination. Aus der Mit¬ 
agglutination von Paratyphus A- oder B-Bakterien liess sioh nioht die 
Diagnose Typhus oder typhusahn liehe Erkrankung stellen. 

R. Neumann. 


Innere Medizin. 

S. Kreuz fuchs: Ueber den physiologischen Antagonismus der 
Atmung der Spltsen und der basalen Anteile der Lungen (antago¬ 
nistische Partialatmung). (W.kl.W., 1919, Nr. 24.) Aus Röntgenbeob- 
aohtungen an gesunden Mensohen lässt sich der Schluss ziehen, dass 
ein Teil der aus den basalen Partien der Lunge ausgepressten Luft bei 
der Exspiration in die Lungenspitzen gelangt und diese bläht, während 
bei der Inspiration die Lungenspitzen an die übrige Lunge nooh Luft 
abgeben. Mithin findet ein ständiges Hin- und Herschieben von Luft¬ 
massen von der Ober- in die Unterlunge und umgekehrt statt. 

Glaserfeld. 


Chirurgie. 

L. Hahn -Danzig: Ueber die Entstehung der Gelenkkörper bei 

Arthritis. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 149, H. 5—*6, S. 389). In sämtliohen 
8 Fällen wurden jedesmal mehrere Gelenkkörper gefunden. Die Körper 
lassen sich streng in 2 Gruppen teilen, die man nach der Querschnitts¬ 
fläche als knorpelige und als knöcherne Gelenkkörper unterscheiden kann. 
Das wesentliche Merkmal des ersten Typs ist, dass sioh darin fast immer 
Reste von Gelenkknorpel befinden. Es herrscht kein Zweifel, dass alle 
diese Körper ehemals der Gelenhfläche angehörten. Der zweite Typ hat 
einen vollkommen einheitlichen Bau; er besteht aus einem Kern lebenden, 
spongiösen Knochens mit kompakter Schale und Bindegewebsmantel. 

B. Valentin-Frankfurt a. M. 

W. Gundermann-Giessen: Ueber Fiugereiterungeu und ihre Be¬ 
handlung. (M.m.W., 1919, Nr. 24.) Die Paronyobie und das Panari- 
tium articulare wird am besten mit Bier’scher Stauung behandelt, die 
am einfachsten durch um die Fingerbasis gelegte Pflasterstreifen aus¬ 
geführt wird. Das Panaritium subcutaneum und ossale muss man früh¬ 
zeitig inzidieren und mit Stauung und heissen Bädern nachbehandeln. 
Das Panaritium tendineum endlich muss sachgemäss durch Inzisionen 
zu beiden Seiten der Sehnen behandelt werden. Das geschieht am besten 
duroh den Chirurgen und im Krankenhaus. R. Neumann. 

H. Joseph-Köln: Zur chirurgischen Behandlung der Sekussver- 
letiungoi des Unterkiefers und seiner Umgebung. (Aroh. f. klin. Chir., 
Bd. 111, H. 4.) Die Arbeit gibt die Behandlungsmethoden und die 
Resultate wieder, welobe an dem Kölner Lazarett für Kieferverletzte 
erzielt wurden. 55 mal wurde eine Knochentraosplantation vorgennmmen, 
darunter 34mal vollkommene Konsolidierung beobachtet. 5mal stiess 
sich das Implantat ab. Die Technik der Versorgung des Kieferverletzten, 
sowie der anscbliesseoden Gesichtsplastik weicht von den üblichen Ver¬ 
fahren nioht wesentlich ab. Hayward. 

E. Konjetzny: Zur ohirurgisoben Behandlung der Laigeisteek- 
sehisse und ihrer Folgezustände. (Bruns 1 Beitr. z. klin. Chir., 1919, 
Bd. 114, H. 4. [67. Kriegschir.-H.]) Der blande Hämatothorax muss 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 





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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


bei längerem Besteben und geringer Resorptioneneignng daroh Punk¬ 
tionen entlastet werden. Der infisierte Hämatotborax ist wie jedes 
Pleuraempyem zu behandeln. Durch frühzeitige systematische Ueber- 
druokatmuog lässt sich des öfteren die Fistelbildung verhindern, auf 
jeden Fall wird die Empyemhöhle dadurch verkleinert. Duroh Infektion 
des Hämatotborax mit gasbildenden Bakterien kann ein sehr charakte¬ 
ristisches Krankheitsbild entstehen, das auf der Höhe der Entwicklung 
ganz den schweren Eindruck eines Spannungspneumothorax macht. Die 
Indikation für eine operative Entfernung des Geschosses ist weiter su 
stellen als bisher üblich in Anbetracht der subjektiven wie der objek¬ 
tiven Beschwerden (blutige Sputa, Bronohiektasenbildung), auch sind 
Spätabszesse su befürchten. Der kausale Zusammenhaug swisohen 
Lungenverletzongen und Lungentuberkulose spielt nach den bisherigen 
Erfahrungen eine verschwindend kleine Rolle. Lungenabssess und 
Lungengangrän sind als Lungenstecksohussfolgen relativ selten. 

W. Jehn und Th. Naegeli: Ueber Thoraiverletfuagea im Kriege* 
(Bruns’ Beitr. z. klin. Chir., 1919, Bd. 114, H. 3. [67. Kriegschir.-H.]) 
Auf einem sehr reichen Krankenmaterial von etwa 500 Fällen basierend 
und unter weitester Berücksichtigung der Literatur haben dieVerff. das 
gesamte Gebiet der Thoraxverletzungen eingehend bearbeitet. Zu einem 
kurzen Referat ist die sehr interessante und lehrreiche Arbeit nioht ge¬ 
eignet. W. V. Simon (Frankfurt a. M.). 

H. Posen el: Beitrag zur Radikal Operation des Mastdarm Vorfalles. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 22). Das Hauptgewioht des operativen Verfahrens 
liegt in der Kombination der dorsalen mit der perinealen Wiederver 
einigung des Levator ani und in der Bildung einer soliden, dichtsohliessen- 
den Platte auf allen Bündeln des Beckenbodenmuskels, 

Glaserfeld. 

W. Lehmann-Göttingen: Zur Kasuistik der eiagekleBHtei Heraia 
peetiaea (Cloquet’sche Hernie). (D. Zschr. f. Chir., Bd. 149, H. 5—6, 
S. 409.) ln der Literatur sind bisher nur 22 Fälle der obengenannten 
Hernienform beschrieben worden; Mitteilung eines weiteren mit Erfolg 
operierten Falles. B. Valentin (Frankfurt a. M.). 

W. B. Müller: Ueber die ekirargisehe Behaadlaig der Heraiea. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 111, H. 4.) Von den vom Verf. ausführlich 
beschriebenen Methoden interessiert vor allem das Operationsverfahren 
an Stelle des Bassini. Er trennt zunäohst von dem üblichen Schnitt 
aus naoh Luxation des Hodens diesen von seiner Ansatzstelle im Skro¬ 
tum, bohrt dann unter der Aponeurose des Obliquus eitereus einen 
Kanal naoh der Mittellinie zu, legt einen Sohlitx in der Aponeurose an, 
durch den der Hoden samt Samenstrang hindurchgezogen und nun 
wieder im Skrotum fixiert wird. Dann wird der vorher isolierte Bruoh- 
sack abgetragen und die alte Durchtrittsstelle des Samenstranges voll¬ 
kommen vernäht. 

H. Dietrich und Goeritz-Berlin: Der KryptorehiiMas, seine 
operative Behandlung und deren Resultate. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 111, 
H. 4.) In der Hildebrandt’sohen Klinik der Charitö wurde bei 56 Patienten 
82 mal die einfaohe Fixation des Hodens im Skrotum, 17 mal zugleioh 
mit der Fixation des Skrotums am Oberschenkel, lmal ohne jegliche 
Fixation und lmal mit Entfernung des Hodens operiert. Die erstge¬ 
nannte Methode mit der Modifikation der Fixation am Obersohenkel gibt 
50pCt. gute Resultate. Hayward. 

Perthes-Tübingen: Glückliche Eatferaaag eines Tamers des 
Plexag cherioideas aus dem Seitenventrikel des Zerebrum. (M. m. W., 
1919, Nr. 25.) Es bandelte sich um ein zellreiches Sarkom, vermutlich 
endothelialer Abkunft, das von dem Plexus chorioideus ausging, sioh 
zunäohst in den Seitenventrikel hineinentwiokelte und schliesslich das 
Zerebrum in der Okzipitalgegend an einer 8 Markstück-grossen Stelle duroh- 
brochen hatte. Es konnte glatt herausgeschält werden. Heilung bis 
auf eine irreparable mässige Sehstörung. R. Neu mann. 


Röntgenologie. 

M. Steiger-Berlin: Leistungen und Rentabilität gashaltiger Röatgea- 
röhren in der Tiefentherapie. (Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen, 
Bd. 26, H. 3.) Verfif. zeigt, dass bei saebgemässem Betrieb die Leistungs¬ 
fähigkeit der gashaltigen Röhren nioht hinter der der gasfreien zurück- 
steht, dass ferner die gashaltigen Röhren gegenüber den gasfreien Röhren 
infolge ihrer hohen Leistungen ganz bedeutend billiger arbeiten. 

H. Holthusen-Heidelberg: Ueber die Bedingungen der Röatgea- 
strahleneaergieaiessnflg bei verschiedenen Impulsbreiten auf luftelek- 
trisohem Wege. (Fortsohr. a. d. Geb. d. Röntgeostrahlen, Bd. 26, H. 8.) 
Zur Grundlage der Dosimetrie sollte man die in einer dünnen Ge- 
websschioht absorbierte Energie machen, nicht die von der Röhre aus¬ 
gesandte, duroh den Begriff der Flächenenergie definierte Strahlung. 
Verf. zeigt, dass bei dem Stande der Kenntnis über den Vorgang der 
Ionisation bei Röntgenstrahlen' der Vergleich verschiedener Strahlen¬ 
gattungen (Impulsbreiten) in energetischer Beziehung auf dem Wege 
einer Luftionisationsmessung möglich ist und dass damit auch die Ener¬ 
gie verschiedener, in einer Gewebsschioht absorbierter Strahlungen quan¬ 
titativ bestimmt und miteinander verglichen werden kann. Zusammen¬ 
stellung der wichtigsten Voraussetzungen dafür. 

H. Goergens: Lagebestinvaag und Operatiea von Steek- 
gesehossen mittels verbesserter Darohleuchtungsverfahren und Ope¬ 
rationshilfsmittel. (Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen, Bd. 26, 
H. 8.) Die Fremdkörperlagebestimmung mittels Durchleuchtung unter 


Anwendung der Vierpunktmethode und des Amrhein’sohen Sachers und 
die Fremdkörperoperation mit Zuhilfenahme von eingestoobenen Nadeln 
und des Amrhein’scben Richtungsanzeigers ist ein theoretisch gut durch¬ 
dachtes, leicht und bei einfachster Röntgeneinriohtung ausführbares 
Verfahren. 

A. Burohard-Rostock: Ueber den röatgeaelegiaehea Nachweis 
der durch die versobiedenen, beim gasödemgefundenen Anaerobier her¬ 
vorgerufenen Maikelverladeraagea. (Fortsohr. a. d. Geb. d. Röntgen¬ 
strahlen, Bd. 26, H. 3.) Wir können auf den Röntgenogrammen, ab¬ 
gesehen vom Gasabszess, von an Gasödem Erkrankten 2 verschiedene 
Formen von Muskelveränderungen unterscheiden, die duroh die Ver- 
sohiedenartigkeit der anaeroben Erreger und der von ihnen Vorgefundenen 
Lebensbedirgongen hervorgerufen sind. Bei . dem einen Typus die 
flecken- und lagenförmige Anordnung der Gasschatten, bei dem anderen 
die völlige Durchdringung der Muskelfasern mit feinsten Gasbläschen, 
die die Muskelstruktur deutlich erkennen lassen (Fiederung). Die erste 
Form sehen wir nur bei der Fränkelinfektion (unbeweglicher Butter¬ 
säurebazillus), die zweite Form stets bei Beteiligung des beweglichen 
Buttersäurebasillus (Colmarer Stamm, Oedembazillus) allein oder in Ge¬ 
meinschaft mit dem beweglichen Putrifikusbazillus (Oedembazillus, Para¬ 
ödembazillus, Uhizeigerbazillus). Jedooh kann, besonders bei Gefäss- 
vQrletzung oder starker Gewebszertrümmerung auoh durch die letzt¬ 
genannten Bakterien allein eine „Fiederung“ der Muskulatur hervorgerufen 
werden. 

0. Strauss-Berlin: Strakleatkerapie «ad KrebskeilaagsprobleM. 

(Fortsohr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen, Bd. 26, H. 3.) Das Krebs¬ 
heilungsproblem kann picht im Wege einseitiger lokaler Bestrahlung ge¬ 
löst werden. Die Strahlentherapie kann die operative Krebsbebandlung 
nicht ersetzen. Man soll das Karzinom operieren, solange es noch ope¬ 
rabel ist. Bedeutungsvoller sind die Erfolge der Strahlentherspie beim 
bereits operierten Krebs. Die grosse Bedeutuog erlangt die Strablen- 
therapie beim inoperablen Krebs. Die Erfolge derselben können dabei 
duroh Hebung der allgemeinen Widerstandsfähigkeit des Körpers noch 
ausserordentlich gesteigert werden. Die Aufgaben der Krebstherapie 
sind mit der Karsinomvernichtung nioht abgeschlossen, man muss sioh 
der Idee einer Krebsheilung im Sinne einer Umstimmung der Gewebe 
und des Gesamtstoffwechsels zu wenden. Hier liegen die Wurzel des 
Krebsheilungsproblems. 

G. Loose-Bremen: Der Sieg der Röntgenstrahlen über den Brast- 
krebs. (Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenbestrahlen, Bd. 26, H. 3.) 
Wir haben 2 Wege, um den operablen Brustkrebs zu heilen: die 
Brustamputation mit Achselböhlenausräumung und anschliessender 
Röntgenbehandlung, ferner die alleinige Röntgenbehandlung, höchstens 
in Verbindung mit einem geringfügigen lokalen Eingriff. Beide Wege 
geben gleich gute Resultate, bei letzterem unterbleibt aber jede Ver¬ 
stümmelung und Funktionsbehinderung; demnaoh wird wohl letzterer 
vorgesogen werden. Für den inoperablen Brustkrebs bleibt die Heilungs- 
aussioht eine wenig erfreuliche; deshalb muss erstrebt werden, dass der 
Brustkrebs nur nooh in behandlungsfähigem Zustand in unsere Hände 
gelangt Albers-Sohönberg-Hamburg. 


Urologie. 

Pflaume-Erlangen: Verwendbarkeit und Technik der Zysteaktpie 
am Hunde. (M.m.W., 1919, Nr. 25.) Verf. fordert, dass man erst am 
Hunde die ZyBtoskopie erlernt haben muss, bevor man an den Menschen 
herangeht Genaue Beschreibung der zystoskopisohen Teohnik beim 
Hunde. R. Neumann. 

W. Karo-Berlin: Die Tiherkulese der Haraergaae. (D.m.W., 
1919, Nr. 24.) FortbildungsVorgang. K. legt grossen Wert anf die 
Tuberkulinprobe zur Diagnose der Nierentuberkulose. Spezifische Be¬ 
handlung ist nur berechtigt, wenn es nooh nicht zur Eiterung in der 
erkrankten Niere gekommen ist. Für die Nachbehandlung der operierten 
Fälle ist spezifische Therapie zur schnellen Heilung der Blasentuberkulose 
angezeigt. _ Dünner. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

E. Zurhelle-Bonn: Mycosis faageides mit Tumorbildung innerer 
Organe. (Denn. Ztsobr., Juni 1919.) Fall von Mycosis fungoides d’emblee. 
Bei der Sektion fanden sich Tumoren in Nebennieren, Nieren und Herz. 
Ein Zusammenhang derselben mit den Hauttumoren liess sioh nioht be¬ 
weisen. 

G. Bruck-Altona: Ueber Peikiloderaa atrophieaas vasealaris. 
(Denn. Wsobr., 1919, Bd. 68, Nr. 24.) Fall von typischer Iohthyosis 
congenita, der ausser dieser Hyperkeratose am ganzen Körper und von 
frühester Jugend auf den aus fleck- und netzförmigen Atrophien, ver¬ 
bunden mit ausgedehnten Teleangiektasien und Pigmentationen be 
stehenden Krankheitsprozess aufweist. 

R. Ledermann-Berlin: Ueber Haaraasfall iMk Grippe. (Denn. 
Ztschr., Juni 1919.) L. nimmt an, dass neben der Temperaturerhöhung 
nooh eine besondere ihrem Wesen nach uns unbekannte spezifische In¬ 
toxikation, auf welche auch die Allgemeinstörungen zurückzuführen sind, 
an dem Auftreten der Grippealopezie mitgewirkt hat. Die Prognose ist 
aber eine absolut gute, denn die Regeneration und das Wieder* aohs- 
tum der Haare ist fast spontan und prompt. 


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11. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


769 


E. Raschen-Hamburg: Zur SehirlftehdtegiMe. (Derm. Wsohr., 
1919, Bd. 68. Nr. 22.) Wenn man Soharlaohkranken auf der Höhe des 
Exanthems 1 oom Rekontalessentenserum oder Normatseram intrakutan!' 
giert, so entsteht nach 5—8 Stunden um die Injektionsstelle eine anä¬ 
mische Zone, welche von den Autoren als Auslösohungsphänomen be¬ 
zeichnet wird. Verf. erklärt dieses Auslösohungsphänomen für spezifisch 
und hält es für ein wertvolles Unterstützungsmittel bei der Differential¬ 
diagnose. Immerwahr. 

S. Soheresohewsky-Berlin: Mikroskopische Frühdiagnose der 
8ypkiiis. (D.m.W., 1919, Nr. 23.) Da Verwechslungen leioht möglich 
sind, sollten Spiroohätenuntersuobungen nur in speziellen Untersuchuogs- 
anstalten ausgeführt werden. Verf. empfiehlt zur Entnahme des nötigen 
Materials eine einfaohe Kapillarpipette mit Gummiball und zum Auf- 
fsagen eine U-förmig gebogene Syphonkapillare, deren einer Sohenkel 
einen etwa dreimal grösseren Durohmesser hat. Durch bestimmte Mani¬ 
pulation bringt man das Material an das Knie der Kapillare, die dann 
sugeschmolzen wird. Sie ist dann versandfähig. Dünner. 

Schottmüller-Hamburg: Zur Behandlung derSpEtlnes insbesondere 
der Aortitis luioa. (Derm. Wsohr., 1919, Bd. 68, Nr. 23 und 24.) 
Sobald die Diagnose sicher gestellt ist, wird eine kombinierte Behand¬ 
lung mit Salvarsan und Quecksilber eingeleitet. Wenn die WaR. positiv 
geblieben ist oder die Symptome von seiten der Aorta fortbestehen, 
wird die Salvarsankur in der Weise fortgesetzt, dass der Pat. noch alle 
3—4 Wochen eine Injektion Neosalvarsan 0,45 oder 0,6 erhält, oder die 
Salvarsankur wird 2—3 mal im Jahre wiederholt. Bericht über die sich 
an Sohottmüller’s Vortrag anschliessende Diskussion. 

J. Löwinsky-Berlin: Zur Intensivierung der Syphilisverhütnng. 
(Derm. Wsohr., 1919, Bd. 68, Nr. 22.) Um die Syphilis Verhütung bei 
Prostituierten zu intensivieren, wird man die Inskribierten in 3 Gruppen 
zu unterscheiden und verschieden zu behandeln haben. _ 1. Die An¬ 
fängerinnen, die noch keinen Primäräffekt gehabt haben, müssen täglich 
untersucht werden und beim leisesten Verdacht interniert werden. 2. Die 
alten, ausgeheilten, über das Stadium der infektiösen Rezidive hinüber¬ 
gekommenen Syphilitischen brauchen nur selten kontrolliert werden. 
3. Die schon mit Syphilis infizierten, welche noch der Gefahr der Re¬ 
zidive aufgesetzt sind, müssen gleichfalls täglioh untersucht werden. 

Nournay-Mettmann: Zur iBminitfitsbchandlnig der Geschlechts¬ 
krankheiten. (Derm. Wschr., 1919. Bd. 68, Nr. 24.) Man nehme mit 
Pravazspritze 1—2 ccm Blut aus der Armvene und spritze diese Menge 
sofort in das Unterhautzellgewebe des Oberarms. Der Erfolg gibt an, 
dass eine Infektion vorliegt. Immerwahr. 

H. Loeb-Mannheim: Die kenbiaierte Abortivbehaadlug der 6a- 
■arrkte. (M.m.W., 1919, Nr. 25.) Durch die Abortivtherapie mit 
10 pCt. Protargollösung konnte die Gonorrhoe in 41 pCt. abortiv, in 
24pCt. beschleunigt geheilt werden. Durch‘Kombination mit Arthigon 
konnte der Erfolg noch weiter gesteigert werden auf 39 bzw. 22pCt Je 
früher der Beginn der Behandlung, desto besser die Aussicht der Abortiv¬ 
kur. Mehrmals Erkrankte bieten eine bessere Chance als erstmals Er¬ 
krankte. R. Neumann. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

G. Winter-Königsberg: Der künstliche Abart. Denkschrift für 
die praktischen Aerzte. (Vöff. M.-Verwaltg., Bd. 9, H. 4.) Die kurze 
Denkschrift bringt in überaus klarer und prägnanter Form alles für den 
praktischen Arzt Wissenswerte über die in letzter Zeit so vielfaoh be¬ 
handelte Frage. Besonders hervorgehoben sei Kapitel 3, das eine den 
jetzt herrschenden medizinischen Anschauungen entsprechende Ueber- 
sicht über die berechtigten Indikationen für den künstlichen Abort gibt, 
wobei der Verf. betont, dass diese Indikationen unvermeidlich in dauern¬ 
dem Fluss sein müssen, da dieser Eingriff immer nur die Ultima ratio 
da rstellt und mit dem Fortschritt der medizinischen Wissenschaft hoffent¬ 
lich in manchen Fällen andere Methoden an die Stelle dieses heroischen 
Mittels treten werden. — Als Gegenstück dazu behandelt Kapitel 4 die 
unberechtigten Indikationen; die eugenetische wird a limine abgelehnt, 
die soziale nur als Begleitmoment der rein medizinischen anerkannt. — 
In warmherzigen Worten redet Verf. in Kapitel 3 (das ethische Ver 
halten des Arztes) den Aerzten ins Gewissen, um der unberechtigten 
Erweiterung der Indikationen Einhalt zu tun. Ob allerdings seine im 
letzten Kapitel ausgesprochene Hoffoung sioh erfüllen wird, dass der 
künstliehe Abort in Zukunft erheblich eingeschränkt werden wird, scheint 
Ref. bedauerlicherweise sehr zweifelhaft angesichts der Anschauungen, 
die bei den herrschenden Parteien und namentlich den weiblichen Ver¬ 
tretern derselben gegenüber der Frage des Bestimmungsrechts der Frau 
über den eigenen Körper bestehen. L. Zuntz. 

M. Henkel-Jena: Beiträge zur Perforation des Utens. (D.m.W., 
1919, Nr. 23) Drei Fälle, in denen von den behandelnden Aerzten der 
Uterns perforiert wurde und sohwere Nebenschadigungen entstanden. 
In solchen Fällen muss eine genaue Kontrolle über die Ausdehnung der 
Verletzung durch Laparotomie vorgenommen werden. H. will mit seinen 
Ansführungen der Kürette oder der Abortzange, durch die in der Regel 
derartige Verletzungen Zustandekommen, nicht jede Berechtigung ab* 
sprechen. _ Dünner. 

Augenheilkunde. 

R. Rauch: Die Beurteilung der Träaenwogerkrankviigea nach 
photographischen Aufnahmen. (W.kl.W., 1919, Nr. 21.) Zunächst spült 
Verf. nach Sondierung den Tränenkanal mit dünner Wismutbreilösung 


durch, um eine Bi-Retention zu bewirken. Nach 5 Minuten wird noch¬ 
mals bei geschlossener Nase mit gerade noch durch die Spritzenkanüle 
durchgängiger Wismutlösung durohgespült. Mit dieser Methode gelang 
es, eine markante Einschnürung des Tränenscblauohes unterhalb der 
Teilung in die Kanalikuli, sowie in die ampullenartige Erweiterung der 
Kanälohen zur Vereinigungsstelle hin auf der Röntgeoplatte zur Dar¬ 
stellung zu bringen. Die Flüssigkeitsfüllung ist also beim Misslingen 
der Kanalfüllung mit Stäbchen oder dickem Wismutbrei empfehlenswert 

Glaserfeld. 

Stähli: Klinische Untersuchungen an Mlkrokonea-Aogea (mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung von Kornealwölbung, Totalrefraktion und 
Aohsenlänge), zugleich ein Beitrag zar Megalokorneafragc. (Klin. Mbl. 
f. Aughlk., Bd. 62, März-April.) Im ersten Teil der Arbeit wird eine 
einschlägige Publikation von Priestley-Smith referiert. Es folgt so¬ 
dann die Mitteilung der eigenen Untersuchungen, die sioh auf ein Material 
von 50 Menschen mit kleiner Kornea erstrecken. Die wichtigsten Unter¬ 
suchungsergebnisse sind folgende: Die überwiegend grosse Mehrzahl der 
untersuchten Mikrokornea-Augen muss zu den „normalen" Augen ge¬ 
rechnet werden; die zentrale Sehschärfe wurde in den meisten Fällen 
tadellos gefunden. Die Scheibengrösse der menschlichen Kornea variiert 
innerhalb weiter Grenzen. In der überwiegend grossen Mehrzahl der 
untersuchten Fälle wurde der Radius corneae klein bis sehr klein, die 
Refractio oorneae hoch bis sehr hoch gefunden. Nahezu 20 pCt. der 
untersuchten Leute mit kleiner Kornea waren Glaukompatienten. Am 
Sohlusse des ersten Teiles der Arbeit wird einiges Material zur Ver¬ 
erbungsfrage der Mikrokornea im besonderen und der Merkmale des 
Auges im allgemeinen beigebracht. Im zweiten Teile der Arbeit wird 
neuerdings die Anschauung vertreten, dass es tatsächlich eine Megalo- 
kornea gebe, die nicht Teilersoheinung eines Glaucoma infantile sei. 

F. Mendel. 

L. Müller-Wien: Erfolgreiche Horabavtptestik bei adhärentem 
Homhautleukom. (W.kl.W., 1919, Nr. 10.) Der Kranke, bei dem die 
erfolgreiche Operation ausgeführt wurde, hatte ein entzündliches Glaukom 
auf dem linken, ganz erblindeten Auge, während am rechten Auge ein 
zum Teil prominentes totales Leuooma adhaerens nach einem gescbwü- 
rigen Prozess der Hornhaut vorhanden war. Als Material zur Horhaut- 
plastik wurde Hornhaut vom blinden linken Auge genommen. Das ein¬ 
gepfropfte Stück blieb 14 Tage vollständig normal, dann traten im 
obersten Drittel Parenchymtrübung nnd Mattigkeit der Oberfläohe ein. 
Beides ging wieder zurück, nur war das verpflanzte Stück im oberen 
Drittel dünner geworden und leicht eingesunken. 7 Monate nach der 
Operation konnte folgender Befund erhoben werden: Der entzündliche 
Prozess im oberen Teil der transplantierten Hornhaut ist vollständig 
abgeheilt, die Oberfläohe ist über dem ganzen Stück glänzend, die obere 
Hälfte weist eine zarte Trübung auf, die untere Hälfte ist vollständig 
durchsichtig. Patient sieht 6 /eo und liest in der Nähe grossen Druck, 
sieht die Tasohenuhrzeiger, kann bei Tageslicht unbehindert herumgehen 
und gröbere Arbeiten verrichten. Glaserfeld. 

Vogt: Der hintere Liasenehagrii bei Verwendung der Gullerstrand- 
schen Spaltlampe. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, März-April.) Wenn 
auch das hintere Linsenbild in der Hauptsache durch die Reflexion an 
der hinteren Kapsel Oberfläche, an der Glaskörperkapselgrenze, zustande 
kommt, so dass dadurch sich Unreinigkeiten der Kap sei o bei fläche dunkel 
von der Umgebung abheben, so zeigen die Beobachtungen des Verfs. 
dooh, dass die hintere Faserober fläche am Zustandekommen des Bildes 
lebhaften Anteil nimmt und jedenfalls eine wesentliche Ursache der 
Chagrinisierung darstellt. Wie an der Cbagrinisierung des vorderen, so 
beteiligt sioh die Faseroberfläche auch an der Ghagrinisierung des hinteren 
Linsenbildes. 

Brückner: Pigneat Nächster. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, 
Märs-April.) Bei der 56jährigen Patientin erscheint die Pupille des 
linken Auges niobt schwarz, sondern tief dunkelbraun, sowohl bei Tages¬ 
licht als bei seitlicher Beleuchtung. Die ganze Pupille ist von einem 
braunschwarzen Gewebe eingenommen, das an einzelnen Stellen Unter¬ 
brechungen aufweist. Es handelt sich um eine Pigmentmembran, welche 
die ganze Pupille verlegt hatte, so dass hierdurch eine erhebliche Be¬ 
einträchtigung der Funktion bedingt wurde. Es erscheint am wahr¬ 
scheinlichsten, dass das Epithel zunächst den Zonulafasern entlang ge¬ 
wuchert, dann auf die in der Peripherie vorhandenen Linsenreste hin- 
übergewaohsen ist und schliesslich die Kapselreste der Linse als Leitbahn 
benutzt hat. 

Beckert: Erfahrungen mit der Elliol’schea Trepaaatioi beim 
primären Glaukom. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, März-April.) 1. In 
der überwiegenden Zahl der Fälle von Glaucoma simplex und inflam- 
matorium gelang es, durch eine einmalige Trepanation den Druck dauernd 
zur Norm oder darunter herabzusetzen. 2. Handelt es sich darum, eine 
sofortige energische Druokberabsetzung und möglichst günstige Umstände 
für einen dauernden ausgiebigen Abfluss des Vorderkammerwassers zu 
sohaffen, oder war nach einer einfachen Trepanation der Druck niobt 
sofort genügend herabgegangen, so wurde statt der einfachen mit Erfolg 
die doppelte oder dreifache Trepanation angewandt. 3. Stieg nach einer 
rite ausgeführten Trepanation der Druck wieder an, so konnte duroh 
ein- oder mehrmalige Wiederholung der Trepanation dennoch eine end¬ 
gültige Normalisierung der Tension in allen Fällen, wo dies erforderlich 
war, erreicht werden. 4. Eine Verschlechterung der Funktion naoh der 
Trepanation wurde bei 2, eine Verbesserung bei 11 von 36 trepanierten 
Augen beobachtet. 


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760 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


Fuohs: Ueber Basalen Koins. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, 
Mars-April.) Bei der gewöhn liehen Myopie sowie bei Conns inferior be¬ 
trifft die Verziehung den Skleralkanal und die Aderhaut ebenso wie den 
Sehnervenkopf, während in dem veröffentlichten Falle die ersteren keine 
Versieh ung erfahren haben. Dies äussert sich auoh am Sehnervenkopf 
nur wenig, und zwar in der veränderten Form und Lage der physio¬ 
logischen Exkavation, hauptsächlich aber tritt sie in Erscheinung durch 
Verschiebung des Netshautrandes gegenüber dem Skleralloch. Die 
Hypoplasie der inneren Augenhäute ist angeboren. Die daraus sich er¬ 
gebende Ektasierung mag sich vielleicht erst im intrauterinen Leben 
einstellen oder Fortschritte machen und so das ophthalmoskopische Bild 
noch weiter verändern. 

Birkhäuser: Das ophtfialmuskopisdie Bild der Embolie der Art. 
centralis retinae im rotfreien Licht, gleichzeitig ein Beitrag der Makula¬ 
farbe. (Elin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, März-April.) Im vorliegenden 
Fall handelt es sich um einen embolisohen Verschluss des Arterien* 
Stammes. Im gewöhnlichen Lieht (elektrische Mattlampe, aufrechtes 
Bild) ist die Fovea centralis ein intensiv roter Fleck, der mit distinkter 
Abgrenzung in einem weissen Netzbautbezirk liegt. Im rotfreien Licht 
erscheint nioht nur der vorher rote foveale Bezirk gelb, sondern auoh 
die umgebende Makula in einer Ausdehnung von etwa Vs P» Hm während 
wiederum die ringsum angrenzenden Netzhautpartien rein weiss hervor¬ 
treten. Es muss angenommen werden, da$s tatsächlich in der Netzhaut 
ein gelber Farbstoff im Gebiet der Maoula centralis vorhanden ist. 

Wölfflin: Ueber die Beziehungen der Retinitis punctata albescens 
zur sog. zentralem tröpfebenfornigen Aderhautentzüudung (Nettle¬ 
ship). (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, März-April.) Es gelang in dem 
veröffentlichten Falle, das deutliche Vorhandensein von Kristallen am 
Rande der weissgelben Flecken nachzuweisen, ein Befund, der bisher 
noch nioht erhoben wurde. Diese Kristallbildungen — vermutlich 
Cholestearin oder kohlensaurer Kalk — lassen die Vermutung zu, dass 
gewisse Fälle der Retinitis punctata auch zur tröpfohenförmigen Ader¬ 
hautentzündung in naher Beziehung stehen. Therapeutisch konnte durch 
NaCl-Injektionen, Lebertran und kleine I. K.-Dosen eine nicht unwesent¬ 
liche Besserung erzielt worden. F. Mendel. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

Taube: Ein handliches Besteck zur konservativ«! Behandlung 
der Gannenmandeln nid des lymphatischen Rachenringes nach Dr. 

Röder - Elberfeld. (M.m.W., 1919, Nr. 27.) Beschreibung eines von 
der Firma Katsch-München zusammengestellten kleines Besteckes, das 
die zum Aussaugungsverfahren der Tonsillen nach Röder notwendigen 
Instrumente enthält. R. Neu mann. 

L. Röthi: Die Beziehungen zwischen den liffnonza- md „Grippe®- 
erkrankangen der oberen Luftwege. (W.m.W., 1919, Nr. 23.) Es gab 
bei den früheren Influenzaepidemien ähnliche Krankheitsbilder wie bei 
der Grippeepidemie beobachtet worden sind. Bei beiden Epidemien 
wurden das Auftreten von fibrinösen Einlagerungen (Epithelnekrose), 
gleichartige Rötung der Rachengebilde, Sohleimhantentzündungen, sub¬ 
muköse Laryngitiden und Tracheitiden beobachtet, ferner Perichondritis 
der Kehlkopfknorpel, Abszedierungen, Gaumen- und Kehlkopflähmungen. 
Es handelt sich wahrscheinlich nioht nur um verwandte, sondern ihrem 
Wesen nach ganz gleiohe Erkrankungen. G. Eis ne r. 

Wahle: Lebensgefährliche Blutung nach Tonsillektomie. (Brit. 
med.journ., Nr. 3047.) Ein Fall von schwerster, lebensbedrohender 
Blutung nach Mandelausschneidung. Die Ursache beruhte anscheinend 
auf einer regelwidrigen Blutversorgung der Mandeln, wie aus der ver¬ 
hältnismässig hooh erfolgenden Gabelung der Carot. commun. und 
anderen Abartigkeiten geschlossen werden konnte. 

H e m m e o n: Streptokokken-Laryngitis. (Brit. med. journ., Nr. 3046.) 
Zur Zeit der Iofiuenzaseuche im Herbst 1918 wurden eine Reihe von 
Kehlkopfentzündungen — ohne Influenza — beobachtet, die sich durch 
einen geschwürig-membranösen Vorgang an den wahren Stimmbändern 
auszeiohneten. Die Veränderungen befanden sich auf beiden Seiten in 
gleicher Ausdehnung und nahmen zwei Drittel der Obei fläche und der 
freien Ränder ein. Die Hant liess sich nur schwer abziehen und pflegte 
nach 3—4 Tagen von selbst zu verschwinden. Abstriche ergaben in 
der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Streptokokken, und zwar in der 
Hanptsache die hämolytische Art, seltener den Streptococcus viridans. 
Die Behandlung bestand in völliger Stimmruhe, strengem Rauchverbot 
und Einatmungen. Besonders wichtig war erstgenannte Maassregel, da 
sich sonst ohronisohe Entzündungen mit dauernder Stimmschädigung an- 
schlosaen. Auch funktionelle Stimmlosigkeit wurde im Gefolge der 
Krankheit mehrfach beobachtet, konnte jedooh stets leicht behoben 
werden. Schreiber. 

K. Kautsky: Heuseknupfenfragen. (W.kl.W., 1919, Nr. 25.) Zur 
Auslösung des Anfalls gehören mehrere Vorbedingungen. Die wichtigste 
ist die familiär-konstitutionelle. Die Disposition ist abhängig von Fak¬ 
toren, welohe die Erregbarkeit des Nervensystems beeinflussen: 1. der 
Ernährung, 2. den geographisch-klimatischen Verhältnissen, 3. der 
Jahreszeit, 4. der Tageszeit. Bei allen diesen Faktoren findet man 
gleichsinnige Veränderungen der alveolären Kohlensäurespannung, des 
Indikators für die Erregbarkeit des Atemzentrums. Der den Anfall aus- 
lÖBende Reiz besteht aus den spezifischen artfremden Eiweisskörpern 
und dem Sonnenlioht. Die Therapie ist.vorläufig nooh ziemlich maoht- 


los; am besten bat sich eine Austrocknung der Schleimhäute durch 
Atropin (4—6 mal pro die 0,005 g) erwiesen. Glaserfeld. 

0. Steurer-Tübingen: Ueber Blutungen ans dea Ohr und den 
oberen Luftwegen infolge vasomotorischer Störungen. (Arcb. f. 
Obren-, Nasen- u. Kehlkoptblk., Bd. 103, H. 4.) ln einem Falle von 
hartoäckigen Blutungen aus dem Ohre beobaohtete St., dass bei Fehlen 
jeder Läsion das Blut an der hinteren nnd oberen Gehörgangswand 
„ausgeschwitzt“ wurde. Die Blutungen hörten auf Atropininjektionen auf. 
Weiter wird über einen Fall von „vikariierendem“ Nasenbluten bei 
fehlender Menstruation und einem von nur bei der Menstruation auf¬ 
tretendem Halsbluten berichtet. Die vikariierenden sowohl als die 
Spontanblutuogen sind auf vasomotorische Störungen zurückzuführen 
und werden durch ‘psychische Einflüsse oder die während der Menses 
bestehende Gefässerweiterung ausgelöst. Atropin beseitigt die Blutung 
zeitweilig und mitunter auch dauernd. 

A. de Kleyn u. H. W. Stenvers - Utrecht: Ueber die Bedeutung 
der Radiographie des Felsenbeins für die otologisehe Diagnostik. 
(Aroh. f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkoplhlk., Bd. 103, H. 4.) de Kleyn und 
Stenvers berichten über 5 Falle von Frakturen des Felsenbeins, die 
nach des letzteren Methode röntgeoographiert wurden und die voll¬ 
kommene Uebereinstimmuog der klinischen und röotgenologischen Be¬ 
funde zeigten, z. B. klinisch Schwerhörigkeit vom TypuB der Mittelohr¬ 
erkrankung mit erloschenen Vestibularre&ktionen, röntgenologisch eine 
Fraktur durch die Bogengänge und das Mittelohr mit Freilassung der 
Kochiea. ln einem Fall von Kleinhirnbrückenwinkeltumor zeigte das 
Röntgenbild eine Erweiterung des Perus und Meatus internus, Verschattung 
der Umrisse der Kochiea und liebte Flecke im Knochen, die als Druck- 
veränderongen gedeutet wurden. Die Autopsie bestätigte die Diagnose. 

Sohlittler-Basel: Ueber das metastutisehe Karzinom des Gekir- 
Organs und dessen Beziehungen zur Meningitis carcinonatosa. (Aroh. 
f. Ohien-, Nasen- u. Kehlkopfhlk, Bd. 103, H. 4.) Die mikroskopische 
Untersuchung der beiden Felsenbeine einer an allgemeiner Karzinomatose 
gestorbenen Person ergab eine karzinomatose Infiltration namentlich des 
Akustikusstammes and seiner einzelnen Zweige, sowie des zentral vom 
Ganglion geniouli gelegenen Teiles des N. facialis, ein Infiltrat im 
Ganglion spirale und zum Teil auoh in den JEndausbreitungen des 
Vestibularnerven, während das Mittelohr nur unwesentlich verändert war. 
Neben dem Akustikus waren Fazialis, Optikus, Okulomotorius, Abduzens 
und GlossopbaryDgeus krebsig erkrankt. Es bestand also eine Meningitis 
oarzinomatosa. Die funktionelle Prüfung hatte eine hochgradige Schwer¬ 
hörigkeit bzw. Taubheit mit Sitz im Innenrohr ergeben. Der anatomische 
Befund bestätigte die Helmhol tz’sohe Lehre von der Auslösung der 
Empfiodung höherer Töne durch Reizung der Basalwindung. Auf Grund 
der Literatur kommt S. zu.folgenden Schlüssen: Das metastatische Kar¬ 
zinom deB Gehörorgans tritt als im Felsenbein lokalisierter Tumor oder 
als Otitis interna und Teil einer Meningitis tparzinomatosa auf. Verdacht 
auf Metastase im inneren Ohre bei progressiver Ertaubung besteht bei 
Doppelseitigkeit, meningitischen Erscheinungen und reiner Innenobr- 
erkrankung. Primäre Mittelohrkarzinome sind ohne Mittelohreiterong 
eminent selten and maohen keine Metastasen. 

E. Wodak-Prag: Der Ohr-Lidschlag Reflex in ohrpathologisohen 
Fällen. (Aroh. f. Ohren-, Nasen-u. Kehlkopfhlk., Bd. 103, H.4.) Wodak 
hat den von Kiech zuerst beschriebenen Ohr-Lidschlag Rtflex, d. h. 
einen vom Trigeminus ausgelösten Fazialisreflex, der durch mechanische 
oder thermische Reizung des äusseren Gehörganges und des Trommel¬ 
fells hervorgerufen wird, nachgeprüft und gefunden, dass Obrerkranknngen 
den Reflex nicht beeinflussen. Er bestätigt die Angabe Kisoh’s, dass 
er bei alten Schädelverletzungen fehlt; als Ursache krankhafter Ver¬ 
längerung (über 5Sek. Dauer) fand er aupser der von Kisch angegebenen: 
schwere Hysterie und Geistesstörung nooh eine vorangegangene starke 
Erschütterung des Körpers (Minenexplosion, Verschüttung u. dergl.) 

Sturmann. 

Busch - Bochum: Erleichterte und rechtzeitige Anwendung der 
federnden Drucksonde und die Mitwirkung der praktischen Aerzte. 
(M.m.W., 1919, Nr. 26.) Angabe von Modifikationen der Luc&e'sohen 
federnden Drucksonde zur mechanischen Behandlung der chronisohen 
Bewegliohkeitsstörangen im schallleitenden Apparat des Gehörorgans, 
wodurch vor allem die Schwierigkeit and Schmerzhaftigkeit dieses Ver¬ 
fahrens bedeutend vermindert werden. Die Drucksondenbehandlung er¬ 
weist sich angebracht bei zellreichen, sonst nioht beeinflussbaren Hör¬ 
störungen nnd besonders zur Beseitigung lästiger Ohrgeräusohe. 

R. Neumann. 


Hygiene und Sanltfitswesen. 

E. Tänzer u. H. Osterwald - Halle a. S.: Ist mit einer weiteren 
Verbreitung der Malaria in Deutschland zu rechnen oder nioht? 
(D.m.W., 1919, Nr. 25) Anopheles sticht auoh in unseren Breiten. 
Anopheles ist zwar heute mehr ein Bewohner der Ställe und damit der 
ländlichen Kreise geworden. Man bat aber anzunehmen, dass es sich 
hier nicht um eine Aenderung der Lebensgewohnheiten, sondern der 
Lebensmöglichkeiten handelt. Immerhin besteht anch heute noch für 
die Städte die Gefahr der Malariaverbreitung. Die Verff. fanden in 
Halle und Merseburg Larven und Imagina von Anopheles maenlipennis. 

Bentmann: Ueber die Malaria im Taurus (Kleinasien) nebst Be¬ 
merkungen für Bewertung der Malariasohutzbehandlung durch Chinin. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 





11, Anglist 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


761 


(D.m.W., 1919, Nr. 25.) Die Häufigkeit und Sohwere der Malaria¬ 
infektionen im Taurusgebiet erklärt sieh aus dem Zusammentreffen aus¬ 
nahmsweise günstiger epidemiologischer Bedingungen. Die Chininsohutz- 
behandlung darf auf Grund der vor dem Kriege und während des 
Krieges mit ihr gemachten Erfahrungen nicht aufgegeben werden. Sie 
ist neben der Bodenanassierung und dem mechanischen Halariasohuti 
das wertvollste Mittel gegen die Malaria. Dünner. 

W. Pick: Zur Lösung des Prostitatieuspreblew. (W.m.W., 1919, 
Nr. 19.) Die Prostitution ist heute nooh unentbehrlich. Es ist falsch, 
sie su bekämpfen. Der Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten darf 
kein Kampf gegen die Prostitution sein. Diese muss assaniert werden. 
Die psychisch Minderwertigen müssen ausgesohaltet werden. Eine assa 
nierte Prostitution würde die wirksamste Waffe im Kampfe gegen die 
Geschlechtskrankheiten sein. G. Eisner. 

M. Kirchner - Berlin: Impfgegner und kein Ende. (Aerstl. Saoh- 
varst-Ztg., 1919, Nr. 12.) Auslührliohe Widerlegung der Angriffe 
gegen K., die einige Imfgegner in ihren Organen haben erscheinen lassen. 

H. Hirschfeld. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen* 

Molineus - Düsseldorf: Die Gewöhnung an Unfallfolgen als wesent¬ 
liche Besserung im Sinne der Unfallgesetsgebung unter Berücksichtigung 
der Rechtsprechung des R.-V.-A. (Aerstl. Sachverst.-Ztg., 1919, Nr. 11, 
12 u. 13.) Die Gewöhnung an Unfallfolgen spielt eine sehr grosse Rolle 
in der Unfallrechtsprechung. Sie muss aber eine erhebliche sein, wenn 
man auf Grund ihres Eintritts Erhöhung der Erwerbsfäbigkeit annehmen 
soll. Im jüngeren Alter tritt am leichtesten Gewöhnung ein. Besonders 
beweisend für Gewöhnung an Unfallfolgen sind: die Art der Arbeit, 
Schwielen, gut entwickelte Muskulatur der verletsten Glieder, die Lohn¬ 
verhältnisse. Das R.-Y.-A. hat auch vielfach völlige Gewöhnung an Un¬ 
fallfolgen angenommen. Zum Sohluss bringt Yerf. als Unterlagen für 
seine Ausführungen eine grosse Zahl praktischer Fälle aus der Unfall- 
reohtspreohung. 

Zöllner - Duisburg: Zur Kasuistik der Simuiatiea. (Aerztl. Saoh- 
verst-Ztg., 1919, Nr. 13.) Aus seinen Erfahrungen berichtet Yerf. über 
verschiedene raffinierte Simulationsversuche. Hautemphysem wird durch 
Aufblasen der Backen erseugt, naohdem vorher das Zahnfleisch an der 
Umschlagsfalte gestoohen worden ist. Um Tuberkulose vorzutäusohen, 
Hessen Gesunde Basillenträger für Geld in ihre Speigläser spuoken, 
daroh Kratsen im After und Darm wurde versucht, Ruhr vorsutäuschen. 
Auch Zungenbisse und venerische Geschwüre wurden absichtlich erzeugt, 
letztere durch Yerbrennen der Eichel mit einer glimmenden Zigarette. 
Um Albumninurie vorzutäusohen, wurde Hühnereiweiss und Miloh in die 
Blase gespritzt. 

zur Nedden-Düsseldorf: Besserung des Augenhefuide« infolge 
von Unfällen. (Aerstl. Sachverst-Ztg., 1919, Nr. 13.) Yerf. teilt mehrere 
Palle aus dem Gebiet der Augenheilkunde mit, in denen duroh einen 
Unfall krankhafte Zustände gebessert wurden, die Aufhellung zentral 
gelegener Hornhautnarben duroh frische Entzündungsprozesse, Schwinden 
eines Astigmatismus duroh perforierende Hornhautverletzungen, Besserung 
einer hochgradigen Myopie durch Entfernung der Linse wegen Cataracta 
traumatioa, subkonjunktive Luxation einer völlig getrübten Linse duroh 
Kahhornstoss. Natürlich werden Yerletzte in solchen Fällen früher vor¬ 
handen gewesene Defekte der Augen verheimlichen. 

Busch -Bochum: Ueber den Wert der ohreuftrstlichei Unter- 
sichugiergebuisse für die Zwecke der Uifallversiehernug. (Mschr. 
f. Unfaiihlk., 1919, Nr. 6.) B. macht auf die grossen Schwierigkeiten der 
ohrenärztlichen Begutachtung aufmerksam. Es ist meist unmöglich, vor¬ 
handene Schädigungen des Ohres mit Sicherheit auf ein Trauma zurüok- 
zuführen und eine andere Aetioiogie auszuschliessen. Sehr wiohtlg wäre 
es, alle Ohrverletzten so Bohnell wie möglich nach dem Unfall in 
spezialistisohe Behandlung zu bringen. 

Molin eus- Düsseldorf: Die ßetroversieflexio ud der Prolaps 
all Uafallfolgea. (Msohr. f. Unfaiihlk., 1919, Nr. 6.) Unfälle, die einen 
abnorm starken Innenbauohdruck oder die einen erheblichen Stoss einer 
breitanfassenden Gewalt gegen den Unterleib bewirken, können eine 
Lageveränderung der Gebärmutter herbeiführen. Dooh muss man an¬ 
nehmen, dass in diesen Fällen eine Prädisposition bestanden hat. Pro¬ 
lapse ohne vorher vorhandene Lageveränderung der Gebärmutter können 
wohl traumatisch entstehen. Nur sehr starke Gewalteinwirkungen 
bei schon vorhandener Schädigung der Haftapparate des Uterus könnte 
zum Prolaps führen. Die Erscheinungen naoh dem Unfall müssen aber 
stürmische sein. Für eine Retroflexio wird eine 20proz. Rente genügen, 
wenn sie duroh einen Ring gut zurüokgehalten wird, 10 pCt. Prolapse 
schädigen die Arbeitsfähigkeit in höherem Grade. Mitteilungen von 14 
einschlägigen Fällen. _ H. Hirschfeld. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 16. Juli 1919. 

Yorsitzender: Herr L. Landau. 

Schriftführer: Herr Ben da. 

Yorsitzender: loh habe Ihnen mitzuteilen, dass unser Kollege, 
Herr Geheimer Sanitätsrat Dr. Alfred Richter, Direktor der städtischen 


Irrenanstalt in Buoh, in fast vollendetem 69. Lebensjahre gestorben ist. 
loh bitte, Bioh zu seinem Andenken zu erbeben. (Geschieht.) 

Ausgesobieden aus der Gesellschaft sind Herr Geheimrat Dr. Bensoh, 
Mitglied seit 1882, krankheitshalber, Herr Geheimrat Dr. Levin, Mit¬ 
glied seit 1874, wegen seines Alters, Herr Dr. Schrumpf, Mitglied seit 
1916, wegen Yerzuges nach ausserhalb. 

Yor der Tagesordnung. 

Hr. Birekhardt stellt ein Mädchen von 27 Jahren mit multiple! 
Keleideu vor. Ohne bekannte äussere Ursachen entwickelten sioh vor 
etwa 10 Jahren an beiden Fusssohlen und beiden Hohlhänden typisohe 
Keloide. An den Fusssohlen sassen sie beiderseits in Ausdehnung von 
etwa 6 om Länge und 2—3 cm Breite längsgestellt am Kleinzehenballen. 
Kleinere Keloide waren an beiden grossen Zehen und einigen der übrigen 
Zehen. Die Keloide der Fusssohle waren teils mit überaus dünner, 
teils mit sohwielig verdickter Epidermis überzogen. Die Schmerzen beim 
Auftreten, die die Patientin in die Klinik führten, waren am stärksten 
an den schwielig verdiokten Stellen. Aber im übrigen war die ganze 
keloide Partie empfindlich. An der linken Hohlhand verlief im Bereiche 
des 8. Metakarpus und Fingers ein Strang, der beim ersten Anblick 
ganz wie eine geschrumpfte Sehne aussah. Bei Betastung zeigte sioh 
aber, dass der Strang in der Lederhaut lag und die Beugeseite normal 
darunter wegzog. Es lag auch hier ein Keloid vor. Bemerkenswert an 
dem Fall ist 1. die Symmetrie, 2. das Yorkommen an Hohlhänden und 
Fusssohlen. Patientin hat mehrere Narben im Gesioht aus frühester 
Kindheit, die keine Spur keloider Beschaffenheit zeigen, eine kleine 
Narbe am Oberschenkel, die etwas massiger ist, als sonst die Narben zu 
sein pflegen. (Selbstberioht) 

Aussprache. 

Hr. J. W. Samson: Ich möchte mir den Yorsohlag gestatten, in 
diesem Falle den Yersuoh zu maohen, die Keloide direkt mit Fibrolysin 
zu injizieren. Ich hatte Gelegenheit, in einer grossen Anzahl von Fällen 
in der früheren v. Bergmann'sehen Poliklinik das zu maohen. Das 
Fibrolysin ist eigentlich als ein durch Allgemein-lnjektion bindegewebs- 
lösendes Mittel empfohlen worden. Das nützt aber gar nichts, wenigstens 
nicht in bezug auf die Keloide. loh habe auch sonst naoh dieser Rioh- 
tung hin keine Wirkung vom Fibrolysin gesehen. Dagegen, wenn man 
es direkt in die Keloide bineininjiziert, tritt eine Nekrose ein, und die 
Keloide zerfallen an dieser Stelle. Ob das nun wiederum eine spezifische 
Fibrolysin-Wirkung ist oder cur eine Drucknekrose durch die in das 
starre Gewebe injizierte Flüssigkeit ist ja eine andere Frage. Ich hatte 
damals auch vor, andere Substanzen zu Injektionszwecken zu versuchen. 
Dazu bin ioh nicht gekommen. Ich würde immerhin raten, es auch hier 
einmal zu versuchen. Alle chirurgischen Maassnahmen nützen gar ciohts, 
die Keloide kommen immer wieder, und sie kommen Bogar sehr häufig 
in stärkerem Maasse wieder als sie ursprünglich vorhanden waren. Das 
wird übrigens von den primitiven Yölkern, wie ioh noch bemerken 
möchte, zum Zwecke des Narbenschmüokens ausgenutzt. Die alte Narbe, 
ui der Stelle, wo ein Keloid sitzt, wird immer wieder an geritzt, und es 
bilden sich dann immer stärkere Auflagerungen, so dass ganz kolossal 
harte Schwarten auf der Haut entstehen, die in der Südsee und in 
einigen Teilen von Afrika und anderswo als Sohmuoknuben benutzt 
werden. 

Hr. Burokhardt (Schlusswort): Wir haben natürlich an die In¬ 
jektion von Fibrolysin gedacht Aber wir haben im allgemeinen in der 
chirurgischen Klinik der Charitö von dem Fibrolysin nicht allzu bedeu¬ 
tendes gesehen, so dass wir durchaus entschlossen sind, davon hier 
Abstand zu nehmen. 

Tagesordnung. 

Hr. Kurl Bornsteil: Kriegslehren für Friedensernihrnng. (Erscheint 
unter den Originalien dieser Woohenschrift.) 

Aussprache. 

Hr. Brugsoh: Herr Bornstein hat sioh mit seiner Lehre von der 
Eiweissmast hier als kompetent in der Frage der Stoffwechsel lehre ein¬ 
führen wollen. Ioh möchte nur sagen, dass diese Hypothese — anders 
kann man es ja nicht nennen — von den Stoffweohselforschern abgelehnt 
worden ist. Ioh würde das hier nicht erwähnen, wenn nioht Herr Born¬ 
stein hier die Konsequenz gezogen hätte, dass das vegetabilische Eiweiss 
gerade jetzt zur Eiweissmast am geeignetsten sei. Das als Vor¬ 
bemerkung. 

Yergessen wir bei der Beurteilung der Bornstein’sohen Friedens¬ 
lehren eins nicht. Das deutsche Yolk — wenigstens der Grossstädter — 
hat 20—25 pCi seines Körpereiweisses eingebüsst. Das deutsche Yolk 
hat sioh bei chronischer Unterernährung auf einen niedrigen Umsatz 
entsprechend dem mit der Nahrung Dargebotenen eingestellt. Wenn 
früher der Arbeiter oder, sagen wir, der Durohsebnittsmann, 3000 Kalo-. 
rien in der Nahrung zugelührt bekommen hat, so hat man ihm sohliess- 
lioh in den Städten nur 1500 Kalorien dargeboten, und damit hat er 
sioh daduroh ins Gleiohegwicht zu setzen versucht, dass er einfaoh 
Eiweiss abgeschmolzen hat. Die Menge Eiweiss, die ein Mensch inner¬ 
halb zwei Jahren eingesohmolzen hat, beträgt Kilogramme. Sie können 
durchschnittlich täglich 5—10 g Eiweiss rechnen. Das macht sohon im 
Jahre Tausende von Gramm Eiweiss aus, entsprechend reduziert sioh 
daher die Muskeleiweissmenge um Kilogramme! So steht jetzt Deutsch¬ 
land da, wenigstens in der Grossstadt oder Mittelstadt, selbst in den 
kleinen Städten. Diese Eiweissmenge muss aber wieder ersetzt werden, 


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762 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


und duo sehen Sie das Programm des Herrn Bornstein, der vor 
Eiweiss warnt und das vegetabilische Programm durchgetührt wissen will. 

Zunäobst möchte ich einmal auf das Brot eiogehen. Herr Born¬ 
atein sagt, wir geben Gold aus, um Brotgetreide einzuführen; dabei 
kommen wir doch durch bessere Ausmahlung, wie sich das im Kriege 
geseigt hat, mit dem Brote aus, um unsern Bedarf su decken. Wir 
mahlen das Brot ja nicht bloss zum Vergnügen aus, sondern weil sich 
ans der praktischen Erfahrung im Laufe der Jahrhunderte gezeigt hat, 
dass wir in dem Brot in erster Linie das Kohlenhydrat, das Amylum 
schätzen. Das Eiweiss aber steckt in der Kleie und wird, wenn Sie es 
dem Körper darbieten, wegen der anhaftenden Zellulosehülle nur su 
60 pOt. ausgenutst, zu 40 pCt. etwa geht es in den Kot. Dazu kommt 
nooh eins: Diese Zellulosehüllen des Brotes, die Kleie, reisen den 
Darm. Es ist unmöglich, mit Pumpernickel einen Menschen auf die 
Dauer su ernähren, es sei denn, dass er draussen, im Freien arbeitet, 
sich ausserordentlich schwer arbeitend betätigt und schliesslich und 
endlich eine Konstitution hat, wie sie eben nur ein Arbeiter auf dem 
Lande hat, der sohwere Säoke schleppt und 10—11 Stunden im Freien 
arbeitet. Es hat sich auch im Kriege gezeigt, vor allem an der Zu¬ 
nahme der Magen- und Darmerkrankungen, vor allen Dingen des Ulkus, 
dass eben nioht alle Därme sich an die Kleie gewöhnen können. Dann 
nooh etwas anderes: Die Kleie als solche und damit das Kleieiweiss haben 
wir früher an Schweine veriüttert. Das ist ein Faktum. Die Schweine¬ 
mast beziehungsweise das Halten von Schweinen ist nur ein scheinbarer 
Luxus. Man kann gewiss auch ohne Schweinefleisch leben, aber wenn 
wir uns in der Landwirtschaft das Schwein mästen, selbst in Ansehung 
der „Verschwendung von wertvoller Kleie“ und Magermilch, so tun wir 
es hauptsächlich aus unserem Bedarf an Fett. Das ist das, worauf wir 
alle den grössten Appetit während des Krieges gehabt und auch jetzt 
nooh haben, und diese Tatsache hat Herr Bornstein in seinen ganzen 
Darlegungen eigentlich unter den Tisch fallen lassen. Das lässt sich 
daroh kein Kohlenhydrat ersetzen, es muss duroh animalische Nahrungs¬ 
mittel gedeokt werden, die vegetabilischen Nahrungsmittel, die Oele, 
haben uns aber keinen Ersatz gegeben. Wahrscheinlich sind es hooh- 
konstituierte Lipoide, auf die wir schwer verzichten können, die wir in 
den Eiern, im Milohfett und Schweinefett einführen. 

Ich möohte Sie, um die Bedeutung des Fettes für die Ernährung 
su zeigen, auf die Untersuchungen von Pflüger hinweisen. Wenn er 
Hände mit Pferdefleisch ernährte, gingen sie naoh drei Wochen ein, 
wenn er 5 g Schweineschmalz hinzugab, blieben die Hunde am Leben. 
Dieses Schweinefett ist es, das uns veranlasst, die Kleie, die den Darm 
des Mensohen aufreisst, an Sohweine su verfüttern, ebenso die Milch 
der kleinen Bauern, die er darum nioht in die Grossstadt schickt, weil 
sie sauer und sohlecht wird und ihm die Versandmöglicbkeit fehlt. Weil 
wir tatsächlich nioht in der Lage sind, uns als Grossstädter mit Kar¬ 
toffeln und Brot so ernähren, weil wir animalisches Fett brauchen, 
haben wir Rinder- und Schweinezucht jetzt mehr denn je vonnöten. 

Es ist beim Grossstädter ein Ding der Unmöglichkeit sioh nur 
vegetarisch zu ernähren, er kann nioht bloss immer einen vollen Bauch 
haben, den ganzen Tag Kartoffeln, Brot und Gemüse essen; es ist erst 
recht ein Ding der Unmöglichkeit, wenn wir einen so grossen EiweiBS- 
verlust haben, wie es tatsächlich naohgewiesen werden kann, und darum 
spielt das Fleisch und das Fett gerade jetzt eine grosse Rolle. 

Ich möchte Herrn Born stein doch sagen, dass er die Diskussion 
jm Verein für innere Medizin über meinen Vortrag, die meines Erachtens 
sehr verständlich war, falsch verstanden hat. Es ist keiner dafür ein¬ 
getreten, dass wir grosse Fleischmengen haben wollen, dass wir einen 
Luxus in der Fleisohernährung treiben wollen, nein, so liegen die Dinge 
nioht. Aber wir Aerzte, die wir nicht Nationalökonomen sind, die am 
grünen Tisoh bloss eine Kalkulation aufmachen, in Tonnen und in Gold 
ausreohnen, wollen uns dagegen durchaus wehren, dass uns ein Pro¬ 
gramm geboten wird, wie es Herr Bornstein bietet, d. h. Gerste und 
kein Bier, Brot mit Kleie und Gomüse und kein Fleisch. So können 
Wir nicht weiter existieren. Wir müssen jetzt den Kampf für unsere 
Kranken, aber auch für Unser in seinem Eiweissbestande schwer ge¬ 
schädigtes Volk führen, ond wenn er hier nioht ganz scharf geführt 
wird, versündigen wir uns an unserm Volke. Wo soviel Milliarden 
Heeresgut verschleudert worden sind, kann es auf ein paar Millionen 
für unsere Nahrung und damit für unsere Gesundheit, für das Volks¬ 
wohl, nioht ankommen. In dem Protoplasma, das ersetzt wird, und in 
der Arbeit, die dadurch ermöglicht wird, steckt unser Volkskapital. Die 
Millionen Gold, die hinausgehen für unsere Nahrung, bringen wir mit 
der Kraft, die wir für unser Protoplasma gewinnen und damit durch 
die Arbeit wieder herein; Eiweiss bedeutet jetzt für uns Protoplasma. 
Animalisches Eiweiss ist aber auob rationell. Wenn Sie das Eiweiss¬ 
minimum bei Gemüse, Broteiweiss, Milcheiweiss und Fleisoheiweiss ver¬ 
gleichen, so finden Sie folgende sehr wiohtige Zahlen. Sie brauohen 
von Wirsingkohl 70 g Eiweiss im Minimum, um ein Eiweissgleichgewicht 
zu erzielen. Ein solches ist aber auch nur für kurze Zeit erreichbar. 
Man kann nioht dauernd von Wirsingkohleiweiss leben. Von Brot- 
eiweiss brauohen Sie 60 g, von Fleisoheiweiss aber nur 20—80 g, auch 
von Eiereiweiss und von Miloheiweiss ebenfalls, von Kartoffeleiweiss und 
Reisseiweiss brauchen Sie gleiche Werte. Kartoffel-, Eier- und Milch¬ 
eiweiss sind ein physiologisch adäquates Eiweiss, und darin liegt ein 
Teil der Erklärung, warum wir so gern das Fleisch nehmen, es ist 
unserm Körper bequem, ist aufgeschlossen und belästigt den Darm nioht, 
während das Kleieeiweiss des Brotes den Darm ausserordentlich stark 


Nr. 32. 

belästigt, schlecht resorbiert wird und uns so in unserer ganzen Lei¬ 
stungsfähigkeit reduziert hält. 

Dazu kommt noch etwas anderes, und das ist der letzte Punkt, anf 
den ich eingehen möchte, und der mir sehr wichtig erscheint: Das Fleisoh 
gibt uns ein Sätiigungsgefühl. Warum haben wir alle den Hunger nach 
Fleisch? Ja, wenn Sie mittags eine Kost essen, bestehend aus Gemüse, 
Kartoffeln und Kompott, dann können Sie nach zwei Stunden wieder 
essen, und dieses unzureichende Sättigungsgefühl ist dooh etwas, was 
die Leistungsfähigkeit ausserordentlich reduziert. Lege ich aber eine 
Scheibe Fleisoh von etwa 75 g dazu, dann halte ioh bis abends ohne 
Hunger aus. Das ist etwas, was unsere Leistungsfähigkeit überhaupt 
erst möglich macht. 

Wir pflegen ja jetzt alles vom ökonomischen Standpunkt aus su 
betrachten. Ja, der Krieg hat so viel gekostet, dass wir nioht für unsere 
Ernährung sparen dürfen, um uns wieder auf das normale Kräftemaaas 
su bringen. Das wäre eine ganz falsche Rechnung; Herr Born stein 
hat zu Anfang einen Vergleich aufgestellt, dass im Jahre 1913 der 
Fleischkonsum viermal so gross gewesen sei als 1813. Vergleichen Sie 
aber das mit folgender Tatsaohe: Was hat Deutschland im Jahre 1813 
geleistet und was hat es 1918 geleistet? 1813 war es ein Land, das 
Agrikultur getrieben hat, es war in bezug auf die Industrie Null, 1913 
hat es die Welt beherrscht. Darin liegt das verkannte Geheimnis des 
Vergleichs. Es kommt darauf an, was wir bei einer Kost leisten! Die 
Nahrung, die uns 1913 geboten wurde, ist uns ein Segen gewesen, denn, 
hätten wir nioht einen Ueberschuss an Nahrung gehabt, hätten wir 
60 Billionen Kalorien, wie Herr Bornstein berechnet hat, weniger ver¬ 
braucht, dann wären wir schon im Jahre 1916 vollkommen zusammen¬ 
geklappt, dann hätten wir eben nichts zum Zusetzen gehabt. So haben 
die Menschen dooh wenigstens noch Fett gehabt und noch etwas Re- 
serveeiweiss besessen. Und dann berechneu Sie doch: ln der Luft haben 
wir etwa 80 pCt. Sauerstoff, 20 pCt. Stickstoff. Der Mensch kann auch 
mit weniger Sauerstoff leben, das kann man nachweisen. Aber warum 
hat uns schliesslich das Weltall den Luttmantel gegeben, aus dem 
wir im Uebeifluss Luft schöpfen können, und warum ist uns eine Luft¬ 
schicht schon su eng, wenn der Sauerstoffgehalt nur weniger niedrig 
ist? Also mit einem gewissen Luxus muss man in der Atmung und 
mit einem gewissen Luxus muss man auch in der Nahrung rechnen. 

Wir müssen ganz energisch gegen die Born stein'sehen Aus¬ 
führungen protestieren. Gerade wir Aerzte wollen nioht diesen national¬ 
ökonomischen Standpunkt einnehmen, wie das jetzt Mode ist, wo immer 
mit Schlagworten herumgeworfen wird, s. B.: Das Potenzial des Eiweiss 
sei beim Vegetabilischen grösser und beim Animalischen stark gemindert. 
Wir wollen nioht Verdienste von Leuten, wie Rubner, in den Schmutz 
treten lassen, wie es heute oft geschieht, denn das sind Verdienste, die 
unsterblich sind. Gerade Rubner’s Ergebnisse, die Gesetze der Iso- 
dynamie und der durch Rubner erbrachte Beweis von der Gültigkeit 
des I. Satzes der Thermodynamik für den tierischen Organismus ist 
das Beste, was auf dem Gebiete der Stoffwechsellehre von Deutschland 
geleistet worden ist. Rubner’s Theorie ist richtig und bewiesen; aber 
nur auf dem Papier die Kalorien ausreohnen, das Eiweiss ausrechnen, 
die Billigkeit ausrechnen, das ist falsch, derartige Einseitigkeiten schä¬ 
digen unter Umständen aufs schwerste unsere Volksgesundheit 

Hr. Fuld: Man hat die Frage aufgeworfen, ob es sich lohnt, Vieh, 
das durchgehungert war, nochmals aufzuiüttern. Diese Frage können 
wir beim Menschen nioht stellen, aber wir können eine andere Frage 
stellen: Können wir bei Menschen, die unterernährt sind, wie es das 
deutsche Volk ist, theoretische Experimente machen, können wir noch 
so interessante wissenschaftliche Untersuchungen über den Wert von 
Vollkorn in die Tat umsetzen? Nein, wir müssen möglichst zu einer 
Nahrung surückkommen, die für unsere Verhältnisse bewährt ist. Wir 
können überhaupt nicht mehr experimentieren, sondern es handelt sich 
um eine Rückkehr möglichst su einer Ernährung, wie sie der im Friedeb 
gleich war. Die Schädlichkeiten des jetzigen Brotes sind denjenigen, 
die sioh mit der Krankenernährung beschäftigten, klar. Die Anträge auf 
Krankenbrot häufen sioh, nicht aus Frivolität, nicht aus Genusssucht, 
sondern wegen der Ueberhandnahme der Verdauungsstörungen. Der 
Ulcus ventriculi ist, wie Sie gehört haben, häufiger geworden, die Ver¬ 
wachsungsbeschwerden haben kolossal zugenommen. Wir haben hier 
nicht gehört, aber es ist Tatsache, dass die Gallensteinkrankheiten 
kolossal zugenommen haben. Ich weiss nioht, ob das eine Folge des 
Kriegsbrotes ist, ich glaube es aber. Tatsache ist, dass die Beschwerden 
auf ein Minimum zurückgehen, wenn wir den Leuten das Kraokenbrot 
bewilligen können. Wir sehen, dass die Dermatosen kolossal zugenommen 
haben, das wird zum Teil wie die Kriegs-Melanosen direkt auf das 
Kriegsbrot zurückgeführt. Zum Teil wird es jedenfalls an dem mangel¬ 
haften Fettgehalt der Nahrung liegen. (Zwischenrufe: Die Seife!) Nun, 
das ist nicht meine Spezialität, das ist Sache der Dermatologen. loh 
möchte bloss sagen: Wir müssen möglichst su einer der Friedensnahrung 
ähnlichen Nahrung zurüokkehren. 

loh möchte nur in einem Punkt — ioh gebe ja die Ueberlegenheit 
des Herrn Bornstein in diesen Fragen su — seinen Ausführungen 
über die Vergangenheit widersprechen. Die Ausführungen über die 
Vergangenheit sind ja tatsächlich weniger interessant, als die Frage, 
was hat jetzt zu geschehen? Herr Bornstein weist uns nach, dass 
wir sehr viel Milch hätten haben können. Ja, hätten wir die sehr viel 
grössere Menge Milch auch bekommen? Ioh glaube, nein. Bei den 
Diskussionen über die Krankenernährung trat die Tatsaohe zutage, dass 


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UNIVERSUM OF IOWA 





11. August 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


768 


die Milch io weih grosserer Meoge dageweseo wäre, aber sie konnte nioht 
hereingebracht werden, die Gefässe waren entzwei, die Transportmögliob- 
keit war nioht vorhanden, die Miloh lässt sich nioht ausreichend kon¬ 
servieren im Gegensatz zu einer Reihe anderer Nahrungsmittel. Ja, 
hätten wir die Milohtrooknung gehabt, gewiss, das wäre eine andere 
Saohe gewesen, aber an Trockenmitteln und an Milohpräparaten fehlte 
es uns. 

Hr. Bornstein (Schlusswort): Herr Brugsch hat in persönlicher 
Weise hier polemisiert und Behauptungen zu widerlegen versucht, die 
in der von ihm herangezogenen Weise von mir niemals aufgestellt worden 
sind. Meine Lehre von der Eiweissmast (Zellmast) habe ich hier 
nicht erwähnt, um für sie Propaganda zu machen — bis jetzt ist sie 
nooh nioht widerlegt worden —, sondern am zu zeigen, dass ioh 
weit entfernt davon bin, für ein Eiweissminimum einzutreten, nioht 
in gesunden Tagen, geschweige denn bei minderwertigen Organismen. 
Wenn Herr Brugsch im Verlauf seiner Angriffe sagt, wir brauchten 
mehr Eiweiss, so brauohte er nur genau hinzuhören, um zu wissen, dass 
ich diese Forderung wiederholt in meinem Vortrage aufgestellt habe. 
Warum Herr Brugsoh in diesen Tönen der Entrüstung gegen mich los- 
ziehen zu müssen glaubte und persönlich geworden ist, begreife ich 
nioht. loh werde mir Mühe geben, das Persönliohe vollkommen aus- 
zuschalten. Herr Brugsch verlangt mehr Sohweinefett. Gut, auch ioh 
wünschte, wir hätten mehr. Aber woher will er es für die Allgemein¬ 
heit nehmen? Die Riesenmengen Kartoffeln, die wir nioht bekamen, 
erhielten die Sehweine, aber das Fett aus diesen erhielt nur eine ganz 
dünne Oberschicht, die es bezahlen konnte. Sollen wir uns die 
Kartoffeln fortnehmen lassen, damit irgend einer, der das 
nötige Geld hat, Fett bekommt? Ioh kenne genau so gut wie 
Herr Brugsch den Wert des Fettes und habe das in meinem Vortrage 
ganz besonders unterstrichen: einer Belehrung bedurfte es nicht. — 
Sodann habe ioh nioht bloss von Brot, Kartoffeln und Gemüse gesprochen. 
Ioh habe auch wiederholt gewünscht, dass möglichst viel Milch heran- 
gesohafft wird, damit auch dadurch die Fettmenge steige. Ich hob 
hervor, dass wir duroh den Mehranbau von Oelfrüchten, intensivere 
Mästung der geringeren Schweinezahl auf Fett usw. unsere Fettmenge 
erhöhen, im Notfälle auch Fett importieren sollen. Herr Brugsoh 
brauohte sich deswegen nioht besonders zu bemühen. Weder bin ioh 
Buobgelebrter, noch Nationalökonom, sondern alter Praktiker. Ieh habe 
die Genugtuung, dass ioh mit meinem verehrten Lehrer Zuntz, mit 
dem ioh über all diese Fragen oft gesprochen habe, in allen Haupt¬ 
punkten vollkommen übereinstimme, so dass ich mich wirklioh darüber 
trösten kann, wenn Herr Brugsoh mich in dieser Weise angreift. 

Wir können nicht von Brot und Kartoffeln allein leben, sagt Herr 
Brugsoh. Wo habe ioh das verlangt? Ioh habe gesagt, Brot und 
Kartoffeln sind die Grundlage unserer Ernährung, vieles andere müsse 
hinzukommen. Habe ioh nicht wiederholt den Wunsch ausgesprochen, 
dass wir bald 1 Pfd. Fleisch pro Kopf und Woobe erhalten müssten? 
Ist das denn gemästet? Wenn ich statt eines Kilos Fleisch wie Herr 
Brugsoh ein Pfund Fleisch verlange, trete ioh dann für eine reine 
vegetabilische Kost ein? Herr Brugsoh kommt auf die Vergleiohs- 
sahlen von 1815 und 1915 zu sprechen, verschweigt aber, was nicht 
loyal ist, dass ich die Menge von 1870 verlangt habe, also das doppelte 
der Zahl von 1818. Ich behaupte, die Menschen von 1870 waren 
mindestens ebenso kräftig und gut, wie 1918; und 1815 bei einem 
halben Pfund Fleisch auoh nioht schlechter. Sie haben vielleicht nooh 
mehr geleistet als wir und waren an Opferfreudigkeit uns weit über¬ 
legen.— Dann ist behauptet worden, Fleisch sei wegen seines besonderen 
Nährwertes und Sättigung9wertes ein ganz besonderes Eiweiss. Ich 
weiss sehr wohl, dass Fleisch für die an seinen Genuss Gewöhnten einen 
Sättigungswert hat, der m. E. rein psychischer Natur ist. Aber von 
Sättigungsgefühlen allein kann man nioht leben. Selbst wenn Herr 
Brugsch täglioh 1 Kilogramm Fleisch asse, langt das bei weitem nioht, 
um seinen Bedarf zu decken. Alle Menschen sind mehr oder weniger 
Herbivoren, Pflanzenfresser, und decken nur einen mehr oder weniger 
kleinen Teil ihrer Nahrung mit Fleisch. Der Unterschied zwischen 
Herrn Brugsch und mir besteht in der Hauptsache darin, dass er um 
jeden Preis grosse Mengen Fleisch verlangt, während ioh kleinere für 
vollkommen genügend halte. Und da stellt sich Herr Brugsch 
hin und tut voller Entrüstung so, als wollte ioh das arme 
Vol k verhungern lassen, als ob ich es zu einer monströsen 
Kost zwingen wollte, gegen welche Gefängniskost gar nichts 
ist, und warnt in lauten Tönen vor mir. 

Ioh lade Herrn Brugsch zu meinen Vorträgen ein: „Wie ernähre 
ich das Volk gut und billig?“ Dort wird er hören, welchen Wert ich 
auf die Güte der Nahrung ausser ihrem Sättigungs- und Ernährungs¬ 
wert lege. — Die Nahrung muss auch Genuss bieten, darüber brauche 
ich wahrhaftig keine Belehrung. Für die genussärmere Winterszeit ver¬ 
lange ioh konserviertes Obst und Gemüse. Dies und vieles andere sagte 
ich in meinem Vortrage. Auch habe ich nicht dagegen gesprochen, dass 
Geld ins Ausland getragen werden soll. Ich wende mioh aber mit 
aller Entschiedenheit dagegen, dass wfr Ueberflüssiges 
hereinholen und Bedürfnisse konstruieren, die nioht vor¬ 
handen sind. Vor allen Dingen sollen wir aus dem heimatlichen 
Boden herausholen, was er an Nahrung und Genuss bietet; das dann 
noch fehlende Lebenswichtige muss selbstverständlich herbeigeschafft 
werden. Ioh bin leider nicht in der Lage, Milliarden als etwas Gleich¬ 
gültiges zu betrachten, wie es Herr Brugsch tut. So schleoht wie 


mioh Herr Brugsoh hinstellt, wenn er wiederholt vor mir warnt, glaube 
ich nioht zu sein. Seine Art und auoh seine Entgegnungen muss ioh 
mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Entweder bat er mich nioht 
verstanden oder missverstanden. Vom Eiweisspotenzial habe ich mit 
keinem Worte gesprochen. Und da kämpft er hier für oder gegen 
Dinge, von denen ich nicht gesprochen habe. Aber es klingt ja ganz 
gut und schön, man bekommt vielleicht auoh Beifall dafür. — Herrn 
Fuld möobte ich auf seine Anfrage, ob wir mehr Milch hätten herein¬ 
bekommen können, antworten. Ioh habe erwähnt, wie viele Milliarden 
Liter Magermilch vor dem Kriege und während des Krieges ins Schwein 
verfüttert worden sind. Ioh gebe zu, dass die Magermilch oft schwer 
zu transportieren ist; aber ihr Kasein hätten wir doch in Form von 
Quark oder Käse sehr leicht erhalten können. Die Molken wollte ioh 
dann gerne dem Schweine konzedieren. Als ioh diese Forderung bei 
Beginn des Krieges in einem Ernährungsaussohusse aufstellte, sagte mir 
ein Landwirt: Herr Doktor, da können Sie sagen, was Sie wollen, die 
Magermiloh müssen eben die Sohweine haben. — Und dabei blieb es 
auoh. — 

Ein Theoretiker war ioh nie. Seit Jahrzehnten und ganz besonders 
während des Krieges habe ieh mioh praktisch mit Ernährungsfragen be¬ 
schäftigt und mir Mühe gegeben das Mögliche für das Volk zu erreichen. 
Gewaltanwendung stand mir nioht zu Gebote. (Zuruf: Wie wollen Sie 
denn die Miloh erfassen?) Durch einen Machtspruoh: Wer Miloh ans 
Schwein verfüttert, begebt Hochverrat und wird als Verräter im Kriege 
erschossen. Bei gutem Willen der Behörden wäre alles gegangen. Aber 
an der Spitze der Regierung stand ein Landwirtschaftsminister, der 
durchaus nicht die Absicht batte, das zu tun, was nötig war. — Für 
die Kranken will ieh selbstverständlich, wie ich auoh in meinem Vor¬ 
trage sagte, leicht verdauliches Weissbrot. Für die Gesunden die Kleie 
nur insoweit,-als sie gut aufgeschlossen ist; auoh da9 habe ioh wieder¬ 
holt betont. — Auf diese kurzen Bemerkungen will ioh mioh beschränken, 
aber zum Sohlusse noch einmal hervorheben, dass für Herrn Brugsoh 
nicht der mindeste Grund vorlag, in dieser Weise zu polemisieren und 
Dinge anzufechten, die ioh entweder gar nicht oder in anderer Weise 
gesagt habe. Von dem Gesagten nehme ioh kein Wort zurück und bin 
mit sehr vielen anderen der Ueberzeugung, dass ioh mindestens dasselbe 
Interesse am Volkswohl habe und bewiesen habe, wie Herr Brugsoh, und 
dem Volke nichts geben will, was nioht gut und nützlich ist 


L&ryngologische Gesellschaft sa Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 21. Februar 1919. 

Vorsitzender: Herr Killian, später Herr P. Hey mann. 

Schriftführer: Herr H. Gutzmann. 

I. Geschäftlicher Teil. 

1. Erienaing eiies Ehrenmitglieds. Der stellvertretende Vor¬ 
sitzende, Herr Killian, teilt mit, dass der Vorstand einstimmig be¬ 
schlossen habe, Herrn P. Heymann anlässlich seines 70. Geburtstages 
am 7. März d. J. die Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft zu verleihen 
und ihm von dieser Auszeichnung duroh Ueberreichung einer Adresse 
an dem genannten Tage in Kenntnis zu setzen. Er bittet gleichzeitig 
die Mitglieder der Gesellschaft, sioh zahlreich an dieser Kundgebung im 
Hause des Jubilars zu beteiligen. (Die Versammlung stimmt dem Be¬ 
schlüsse des Vorstandes zu.) 

2. Hr. P. Heymani: Knrie Mitteilug xir Gecehichte der Latyn- 
golegisehei Gesellschaft. Nicht allen von Ihnen wird es bekannt sein, 
dass morgen unsere Gesellschaft ihr SO. Jahr vollendet. 1889 am 
22. Februar wurde die Gesellschaft gegründet und ihre wissenschaftliche 
Tätigkeit durch einen Vortrag von Gerhardt: „Bemerkungen zur Lehre 
von der Stimmlähmung“ eröffnet. In den SO Jahren unseres Bestehens 
— ioh glaube, das dürfen wir sagen, ohne uns zu sehr zu rühmen — 
ist die Gesellschaft den hoben Zielen, die sie sich gesteckt hatte, treu 
geblieben. Wissenschaftlicher Ernst und kollegialer Geist zeichneten 
stets unsere Sitzungen aus. 

Vor 5 Jahren habe ioh bei Gelegenheit unseres 25jährigen Stiftungs¬ 
festes, das wir, wie Sie wissen, durch eine grössere Festlichkeit unter 
reger Beteiligung zahlreicher Ehrengäste gefeiert haben, über die näheren 
Umstände der Gründung und die weitere Gesohichte unserer Gesellschaft 
in den ersten 25 Jahren berichtet, so dass es genügend erscheint, heute 
nur einige ergänzende Angaben zu machen. 

Von deu 42 Herren, die an jenem 22. Februar zu unserer Gesell¬ 
schaft zusammentraten, lebten vor 5 Jahren nooh 18. Seitdem sind 
davon 8, allerdings besonders geschätzte und wissenschaftlich hervor¬ 
ragende Mitglieder, die Herren Julius Lazarus, Wilhelm Lublinski 
und Max Reichert gestorben; Herr Landgraf hat zu unserm Bedauern 
seinen Austritt aus der Gesellschaft erklärt, so dass zurzeit von den 
Gründern nur noch 9 am Leben und Mitglieder der Gesellschaft sind, 
die Herren Aronsohn, Haneberg, Heinrich, Heymann, Muse¬ 
hold, Peltesohn, Soheier, Sohötz und Sohorier. Der erste 
Jahresbericht, der im Juni 1890 abschliesst, bringt die Namen von 71 
Herren, von denen ausser den obengenannten noch weitere 5 der Ge¬ 
sellschaft nooh heut angehören. Von den übrigen 56 Herren, die zur¬ 
zeit dem Verein nicht mehr angehören, habe ioh bei etwa der Hälfte 
feststellen können, dass sie duroh den Tod aus dem Verein geschieden 
sind, von den übrigen sind , einige aus verschiedenen anderen Gründen 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


ausgetreten, der grössere* Teil ist aber mit grosser Wahrscheinlichkeit 
ebenfalls gestorben. 

Der erste Vorstand bestand aus den Herren B. Frankel, A. Rosen¬ 
berg, P. Heymann, W. Landgraf, P. Sohöts, Ton denen Herr 
Frankel uod Herr Rosenberg verstorben sind, Herr Landgraf ist 
aus der Gesellschaft ausgesohieden; Herr Sohöts ist von dem Vorstand 
surüokgetreten; wir haben die Freude, ihn noch ab und su in unserer 
Mitte zu sehen, ich selbst gehöre wohl auoh jetzt nooh zu den regel- 
massigsten Besuchern unserer Sitzungen, wenn ich auch im Laufe der 
Zeit weniger redselig geworden bin. Herr Killian hatte bei Gelegen¬ 
heit des 25jährigen Stiftungsfestes feststellen lassen, dass ioh von allen 
Mitgliedern am häufigsten gesprochen hatte. 

Den Vorsitz in unseren Sitzungen führte bis su Anfang 1911 fast 
ausschliesslich Herr B. Frankel. Es hiesse Eulen nach Athen tragen, 
wollte ich in diesem Kreise über die Verdienste Fränkel’s um unseren 
Verein sprechen. Im Jahre 1911 warFränkel duroh Krankheit an dör 
praktischen Ausübung des Vorsitzes fast immer verhindert, so dass die 
Leitung unserer Versammlungen zwischen Herrn Landgraf und mir 
wechselte. Naoh dem von uns sehr beklagten Hinscheiden Fränkel’s 
wurde Herr Killian zum Vorsitzenden gewählt. Sein unermüdlicher 
Fleiss und sein reges Interesse für die Gesellschaft maohten mein Amt 
als stellvertretender Vorsitzender su einer Sinekure. Was er in den 
7 Jahren seiner Leitung geleistet hat, wie er uns durch interessante, 
geistvolle und wichtige Mitteilungen belehrt, duroh sein tiefes Ver¬ 
ständnis der vorliegenden Fragen gefördert und duroh regste Teilnahme 
unsere Diskussionen belebt bat, das wissen wir alle. Wenn Sie die 
Güte hatten, um mir zu meinem 70. Geburtstag eine Ehrung zu erweisen, 
mich für dieses Jahr zum Vorsitzenden zu wählen, so kann ioh Ihnen 
nicht besser danken, als wenn ioh mich bemühe, dem Beispiel Fränkel*s 
und Killian’s nachzueifern und nach Ablauf dieses Jahres den Vorsitz 
in die bewährten Hände Killian’s zurückzulegen. 

Nach Ausbruch des Krieges trat der Verein den „vereinigten medi¬ 
zinischen Gesellschaften“ bei; aber schon seit 1916 hielt er wieder 
eigene Sitzungen ab, deren Ergebnis, wie das kürzlich versandte Heft 
unserer Verhandlungen zeigt, sicherlich ein erfreuliches genannt werden 
muss. Eine grosse Anzahl unserer Mitglieder war s. T. in hervorragenden 
Stellungen im Heeresdienste tätig. Verluste haben wir, soweit mir be¬ 
kannt geworden ist, nicht gehabt 

n. Wissenschaftlicher Teil. 

m Yor der Tagesordnung. 

1. Hr. LaitenschlSger: Vorstellung dreier Osliaf&lle. 

Fall 1. Patientin ist am 18. November 1918 mit meiner letzten 
Modifikation: Einpflanzung von Schleimbautlappen aus Wange und Lippe, 
operiert worden. Es handelte sich um typisohe Osäna — linkerseits 
stärker ausgesprochen als reohts. Die Operation ergab auf der rechten 
Seite freien Eiter, die Schleimhaut nooh ödematös und im allgemeinen 
hyperplastisoben Charakters. Links kein freier Eiter, die Schleimhaut 
sah bei der Eröffnung der Kieferhöhle vollkommen unverdächtig aus. 
Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigte sich, dass auoh die 
Schleimhaut chronisch verändert war. Bindegewebe stark vermehrt, be¬ 
sonders in der Tiefe, verdickte Basalmembran und unregelmässige 
Drüsen Wucherungen. Auf der rechten Seite war die Nase enger als 
links. Es ist bemerkenswert, dass auf der engeren Seite die Schleim¬ 
haut der Kieferhöhle nooh hyperplastisoh war. Ioh habe schon darauf 
hingewiesen, dass man diese Fälle nioht su den einseitigen Ozänen 
rechnen darf. Sie sehen, dass die ganze physiologische Funktion der 
Nase wiederhergestellt ist. Keine Synechie, keine Teile verletzt oder so 
stark verlagert, dass die Atmung behindert wäre. Im ganzen ein er¬ 
freuliches Resultat. 

Fall 2 ist im Juni 1915 nooh naoh einer früheren Methode operiert 
worden, auoh ohne Synechie. Auf der linken Seite habe ioh die endo- 
nasale Operation gemacht, die ioh im Archiv für Laryngologie beschrieben 
habe. Auoh hier ist das Resultat gut. 

Denjenigen Herren, die eine einwandfreie einseitige Ozäna nooh 
nioht gesehen haben, stelle ioh die dritte Patientin noch einmal vor. 
Sie ist am 5. November 1917 operiert worden, kurz nachdem ioh sie hier 
gezeigt hatte. Auf der rechten Seite batte sich auch vorher niemals 
eine Spur von Eiter gebildet, die Nebenhöhlen sind reohts vollständig 
frei, auoh im Nasenrachenraum ist niemals eine Spur von Sekret am 
hinteren Ende der Musoheln aufgetreten. Auf der linken Seite waren 
alle typischen Erscheinungen von Ozäna vorhanden. Ioh habe mehrere 
Tage nioht spülen lassen, damit Sie sich überzeugen, dass trotz der 
Operation auf der rechten Seite noch eine .Spur Ozänafötor da ist. 

2. Hr. Halle stellt eine Patieitii Hit Oi&na vor, die er im No¬ 
vember 1917 naoh einer wiederholt von ihm gezeigten Methode naoh 
der Anregung von Lautensohläger operiert hatte. Der Erfolg ist 
einwandsfrei. 

Tagesordnung. 

1. KemHissieasheriekt der Herrei Kittaer, P. Heymaaa aad 
Flader: Ueber die Fürsorge für KeklkopftakerkalSse. 

Hr. Finder: Sie haben in der vorigen Sitzung eine Kommission, 
bestehend aus unserem Herrn Vorsitzenden, Herrn Kollegen Kuttner 
und mir ernannt, die den Auftrag erhielt, in der Frage der besseren 
Versorgung der Kehlkopftuberkulösen in den Anstalten bei passender 
Gelegenheit die geeigneten Schritte su tun.9 Wir haben beschlossen, 
die erste sich darbietende Gelegenheit zu ergreifen: diese sohien uns 


die demnächst erfolgende Neueinrichtung des grossen Tuberkulose¬ 
krankenhauses der Stadt Berlin in Buch, von der ich in der vorigen 
Sitzung schon gesprochen habe. Wir haben ein Schreiben entworfen, 
das ioh mir erlauben will Ihnen vorzulesen. 

Wir maohen Ihnen den Vorschlag, dieses Schreiben an die Kranken¬ 
hausdeputation der Stadt Berlin zu sohioken und ausserdem den Schrift¬ 
führer des Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose davon in 
Kenntnis su setzen, damit auoh diese Korporation in dem von uns an¬ 
geregten Sinne wirke. (Die Versammlung stimmt dem Vorschläge zu.) 

2. Hr. Seifert: Ueker zwei Fremdkörper ia der 8peiser!kre. 

(Erseheint unter den Originalien dieser Woohensohrift) 

Aussprache. 

Hr. Finder: Ich habe den ersten von den beiden berichteten Fallen 
in einem hiesigen Krankenbause gesehen, bevor er in die Klinik der 
Charit6 kam. Der Patient machte damals infolge der von anderer Seite 
bereits vorgenommenen wiederholten, sehr lange dauernden und an¬ 
scheinend nioht ganz lege arte ausgeführten ösophagoskopisohen Ver¬ 
suche einen derartig lamentablen Eindruck, dass ich davon abstand, 
nochmals den Versuch der Oesophagoskopie su machen und sofort zur 
Oesophagotomie riet. Ioh glaube, der Fall ist sehr geeignet, als Warnung 
su dienen, dass von nicht sachkundiger Seite derartige Ösophagoskopisobe 
Extraktionsversuohe gemacht werden. Ioh bin überzeugt, der Mann wäre, 
wenn er gleich in die richtigen Hände gekommen wäre, leicht su heilen 
gewesen. 

Hr. Lautensohläger: Io erster Linie kommt es darauf an, dass 
der Fremdkörper möglichst frühzeitig zur Untersuchung kommt; aber 
auch später vermag die Oesophagoskopie Gutes su leisten. Erst vor 
kurzem habe ich bei einem hochfiebernden Kinde, das erhebliche Sohluok- 
beschwerden hatte, eine Nadel herausgeholt, die seitlich am Oesopbagus- 
eingang eingespiesst war. Es gelang, die Nadel am Ansatz ihres Kopfes 
zu fassen und su extrahieren. Bei der Extraktion entleerte sich etwas 
Eiter. Die Nadel war stark verrostet, musste also schon lange im 
Oesophagus gesteokt haben. Nach der Operation hatte das Kind während 
der ersten Tage noch über 39° Fieber, da aber mit jedem Tag die 
Sohluckschmersen etwas geringer wurden und auch die Temperatur um 
ein weniges herunterging, schob ich die Oesophagotomie immer wieder 
hinaus. Naoh 12 Tagen war das Kind frei von Fieber und Sohluok- 
schmerzen, es wurde gesund ohne weiteren operativen Eingriff. 

Dem zweiten Kranken, den ich im Krankenhaus Westend behandelte, 
war eine recht grosse Gebissplatte vom Oberkiefer in den Oesophagus 
geglitten und hatte sich dort festgesetzt. Kurz naoh dem Unfall konnte 
ioh den Kranken ösophagoskopieren. Die Platte batte sich mit einem 
offenen Ringe in der seitlichen Speiseröhrenwand festgehakt. Mit den 
verfügbaren Instrumenten konnte ich den Haken nicht fassen; erst am 
nächsten Tage gelang es mir, die Platte su drehen und loszuhaken. 
Nun fasste ioh sie und zog sie zunächst fest an das Lumen des Rohres 
heran. Bei dem Versuch, sie zugleich mit dem Rohre zu extrahieren, 
glitt sie ab, und als ioh das Rohr wieder einführte, war sie im Magen 
verschwunden. Ioh hatte einige Bedenken, ob der ansehnliche Fremd¬ 
körper die natürlichen Wege passieren könnte. Die übliche Behandlung 
hatte Erfolg: als ioh mich am näohsten Abend nach dem Kranken er¬ 
kundigte, hiess es, „er trägt die Platte bereits wieder“. (Heiterkeit.) 

Hr. Halle: loh habe hier im vergangenen Jahre einen Fall von 
Fremdkörper im Oesophagus vorgestellt, wo angeblioh ein Hühner¬ 
beinehen versohluokt sein sollte, dass sich nachher als dicke derbe 
Knoohenplatte erwies, die verschiedene sehr unangenehme scharfe Haken 
hatte. Auch in diesem Falle, der allerdings am Tage naoh dem Ver¬ 
schlucken su mir kam, gelang es, wenn auoh unter Schwierigkeiten, 
aber doch ohne Komplikation, den Fremdkörper ösophagoskopisch zu 
entfernen. Es geht also, wenn man nur genügend vorsichtig ist. Wenn 
man in allen Fällen die Oesophagotomie machen wollte, würde man doch 
wohl oft wenig dem Interesse der Patienten dienen. Dagegen möchte ioh 
empfehlen, dass die Gesellschaft einmal eine öffentliche Warnung vor 
den Gräten- und Münsenfängern erlässt. Es ist geradezu ein Unfug, 
dass man auf den Unfallstationen und an anderen Stellen immer nooh 
diese Instrumente hält, mit denen die Herren ganz sinnlos im Oeso¬ 
phagus herumstossen. Wenn man sieht, wie solohe Fälle verlaufen und 
diese beiden unglüokliohen Fälle verlaufen sind, kann man nur naoh- 
drüoklioh derauf aufmerksam maohen, dass diese Instrumente ganz ans 
dem Instrumenten „schätze“ der Aerste verschwinden. 

Hr. Sohöts jun. erinnert daran, dass aus den militärärstliohen 
Bestecken der Münzenfänger und verwandte Instrumente besser ver¬ 
schwänden. 

3. Hr. Halle: Fall voa plastischen Versehlass des hartea 
Hannens. 

Ich zeige Ihnen heute einen von den Fällen mit plastischem Ver- 
sohluss des harten Gaumens, kurz naohdem der Stiel wieder eingenäht 
ist. Das Bild des Patienten vor der Operation ist hier. Er hatte reohts 
eine grosse Fistel in der Oberkieferhöhle nach der Wange. Eine Deckung 
▼on der rechten Seite war also nieht möglich, es musste von links ein 
Lappen gebildet werden, der ganz naeh reohts herübergelegt worden ist 
Sie sehen an dem Stiel, wie lang er sein musste. Trotzdem ist die 
Deckung gut gelungen bis auf eine linsengrosse Oeffnung ganz am 
äussersten Punkte des Lappens; da sind offensichtlich Fäden durch¬ 
schnitten. Es ist eine Kleinigkeit, dieses Löohchen nooh zu decken, 
wenn die Reaktion abgelaufen ist Vor 8 Tagen habe ioh den Lappen 


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II. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


766 


durchschnitten und wieder eingenäht. loh zeige bei näohster Gelegenheit 
die anderen Fälle. 

4. Hr. Laiteisebllger: Ueher SpelehelfUtel« i> der Kieferhöhle. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Woohensohriit) 

Aussprache: 

Hr. Finder: Es sind in der Literatur ein paar Fälle berichtet von 
Abfluss des Parotisspeiohels ans der Nase nach plastischer Operation 
an der Kieferhöhle. Einen Fall bat Hinsberg mitgeteilt, einen 
von Eioken, und anoh Boenninghans hat im Blnmenfeld*sohen 
Handbuch über einen Fall berichtet. In allen Fällen war die Sache so, 
dass nach einer Caldwell-Luc’schen Operation oder einer anderen 
Radikaloperation eine Fistel geblieben war, die durch plastischen Ver¬ 
schluss gedeckt wurde. Es ist bezeichnend, dass in allen berichteten 
Fällen den Patienten die Belästigung durch Abtropfen des Speichels so 
gross schien, dass sie sich ohne weiteres zur zweiten Operation ent¬ 
schlossen, um dieses Uebel abstellen zu lassen. Es wird übereinstimmend 
in allen Fällen berichtet, dass das Speioheltropfen nicht nur dann ein¬ 
trat, wenn die Patienten assen, sondern es genügte schon der Gedanke 
an Essen oder der Anblick eines Leckerbissens, um den Speichel in 
Strömen aus der Nase fliessen zu lassen. loh habe vor ganz kurzer Zeit 
dank der Liebenswürdigkeit des Herrn Kollegen Baginsky in dessen 
Poliklinik ebenfalls einen solchen Fall gesehen. Es handelte Bich um 
eine Patientin, die von anderer Seite an der Kieferhöhle oneriert worden 
war und eine Fistel behalten hatte, und diese war von einem Spezial¬ 
kollegen geschlossen worden. Kollege Baginsky hatte zunäobst an 
einen Abfluss von Liquor cerebrospinalis gedacht; die chemisohe Unter¬ 
suchung ergab, dass es sich um Speichel handelte. Wenn man solobe 
Fälle gesehen hat, erscheint es einem geradezu unverständlich, wie 
Wittmaaok, abgesehen von den sehr zweifelhaften biologischen Grund¬ 
lagen, auf denen er sein Verfahren aufbaut, zu einer Operation raten 
kann, die solobe Belästigungen der Patienten mit sich bringt. Bei der 
erwähnten Patientin war der Speichelfluss derartig, dass innerhalb 
weniger Minuten ein ganzes Reagenzglas vollgelaufen war. Die Patientin 
war kreuzunglüoklioh und bat sich auch zur Operation entschlossen, die 
dann von anderer Seite ausgeführt worden ist, ich weiss nicht, mit 
welohem Erfolge. 

Hr. Lautenschläger (Schlusswort): Ich habe gerade diese beiden 
Formen der Fistelbildung auseinander gehalten. Der letzte Fall, den 
Herr Killian erwähnte, ist eigentlich keine Kieferflstel. Es ist eine 
Oeffnung in der Oberkieferhöhle, in die der Speichelgang sein Sekret er- 
giesst. Streng genommen muss man das, was Wittmaaok macht, als 
als Parotideo-Antro-Anastomose bezeichnen, meine Fälle Bind Kiefer¬ 
höhlenspeichelfisteln und der von Killian erwähnte Fall eine vestibu¬ 
läre Kieferfistel im Bereiche der Mündung des Ductus Stenonianus. 


Vereinigung zur Pflege der vergleichenden Pathologie. 

Sitzung vom 24. April 1914 *). 

Vorsitzender: Hr. L. Pick. 

1. Hr. Max Koeh: Ueber Ostitis defonaaas des Hudes. 

(Erscheint an anderer Stelle.) 

2. Hr. Sehney: Ueber die Aiatomie der Verladerugea mm 
Skelett, iasbeseadere am Schädel seailer Haade. 

(In Virch. Arch., 1915, Bd. 220, H. 1 erschienen.) 

Aussprache. 

Hr. L. Pick: Pick geht des Näheren auf einen Vergleich der 
Ostitis fibrosa der Hunde und anderer Säugetiere mit der Ostitis de- 
formans des Menschen (Paget, v. Recklinghausen) ein. Er demon¬ 
striert zwei dieser letzteren Fälle in anatomischen Präparaten und 
Projektionsbildern der Röntgenaufnahmen und histologischen Verhält¬ 
nisse. Analysiert man die mikroskopischen Einzelbefunde der Fälle 
von Ostitis fibrosa bei Mensch und Säugetier, so ergeben Bich drei 
wesentliche elementare Vorgänge: die Umwandlung des lymphoiden 
bezw. Fettmarks der Knochen in ein mehr oder weniger zell- und blut¬ 
reiches Fasermark; ferner die Entstehung neuer Knoohen aus diesem 
Fasermark unter ausgesprochener Osteoblastentätigkeit oder ohne solche 
auf dem Wege direkter und indirekter Metaplasie. Endlich der Abbau 
des alten Knochens sowohl wie des neugebildeten durch ausserordent¬ 
lich zahlreiche vielkernige Osteoblasten. 

Es können sich nun erstens die makroskopischen Prozesse der 
Ostitis fibrosa beim Mensohen wie beim Säugetiere über einen mehr 
oder weniger grossen Teil des Skeletts, zuweilen aber auch nur auf 
einzelne Knoohen erstreoken; es kann weiter, weloher Knoohen auoh 
befallen sein mag, ohne ersichtlichen Grund bald der ganze, bald nur 
ein Teil des Knochens affiziert sein. 

Es können ferner zweitens die genannten mikroskopischen Vorgänge 
sich in den einzelnen Fällen sowohl wie gelegentlich auoh an den Knoohen 
desselben Falles in sehr verschiedener Weise gruppieren, d. h. es können 
das eine Mal mehr die Vorgänge des Anbaus, das andere Mal mehr die 
Vorgänge des Abbaus die Oberhand behalten, und es können drittens 
durch mehr sozusagen akzidentelle Veränderungen des Fasermarks, durch 
besondere umschriebene Wucherungen allerlei Tumoren (Fibrome, sog. 


1) Infolge des Krieges'verspätet eingegangen. 


Riesenzellsarkome) und zystische Erweichungen in diesen Fibromen 
(Knoohenzysten) entstehen. 

Aus dieser Vielheit der makro- und mikroskopischen Kombinationen 
entstehen sowohl beim Menschen wie beim Säugetier in ihren Endpro¬ 
dukten verschieden erscheinende Formen der Ostitis fibrosa. Das eine 
Mal eine Ostitis fibrosa deformans, wie der Regel nach beim Mensohen, 
bei der Sohnüffelkrankheit der Sohweine, bei gewissen Formen der Ostitis 
fibrosa der Hunde, z. B. im heute demonstrierten Fall M. Koch’s. Das 
andere Mal wiegen dem Gesamteindruck naoh atrophische Zustände vor, 
wie bei der von L. Piok und M. Schmey studierten und heute von 
Herrn Schmey hier geschilderten Ostitis fibrosa atrophicans der Hunde. 
Auch andere Attribute (byperplastioa usw.) werden je naoh der beson¬ 
deren Erscheinung am Platze sein. 

Eine ätiologisohe Benennung und Trennung der verschiedenen 
Formen der fibrösen Ostitis bei Mensch und Tier ist bisher vollkommen 
unmöglich. So ergibt sich zur Zeit nicht mehr als eine Gruppierung 
nach der grobanatomischen Artung, doch weisen speziell die histolo- 
gisohen Vorgänge auf prinzipiell gleichartige Prozesse. 

Wenn in den Fällen bei Tieren das eine Mal (Sohnüffelkrankheit 
der Schweine, Ostitis fibrosa atrophicans der Hunde) wesentlich der 
Schädel, das andere Mal (Ostitis fibrosa deformans der Hunde in den 
Fällen von M. Koch und Kitt) wesentlich das übrige Skelett betroffen 
ist, so mag das letzten Endes vielleicht mit einer verschiedenen Aetio- 
logie Zusammenhängen, und man könnte später dabin gelangen, diese 
Bilder zu trennen. Andrerseits zeigt aber das Mikroskop, dass in allen 
diesen Fällen die fibröse Ostitis eine über fast das ganze Skelett ver¬ 
breitete, ja allgemeine Affektion darstellt. 

So bleibt vor der Hand keine andere Auffassung als die einer ana¬ 
tomischen Einheitlichkeit des fibrös ostitisohen Prozesses, bei r dem ledig¬ 
lich durch verschiedene Kombinationen der an sich stets prinzipiell 
übereinstimmenden elementaren histologischen Vorgänge des An- und 
Abbaues die verschiedenen Formen in Erscheinung treten. 

3. Hr. L. Piek: Ueber Kiceheiatrophie nd Kalkmetastase beim 
8ä«getier. 

(Ist inzwischen unter dem Titel: „Die indikatorische Bedeutung 
der Kalkmetastasen für den Knoohenabbau*. Ein Beitrag zur ver¬ 
gleichenden Pathologie der Kalkmetastasen bei Mensch und Säugetier, 
B. kl. W., 1917, Nr. 33, S. 797—800 erschienen.) 

Aussprache. 

4. Hr. E. Christeller: Ueber Kaoehenbilding ii der Wolfällige. 

In der Lunge kann es unter den verschiedensten Verhältnissen zur 

Bildung echter Knochen kommen. 

Man muss zunächst von den Fällen absehen, bei denen sich in der 
Schleimhaut des Bronchialbaumes und der Trachea Knochen entwickelt 
und die beim Mensohen unter dem Namen Tracheopathia osteoplastioa 
beschrieben sind, aber auch gelegentlich beim Kinde Vorkommen. 

Diesen auf die Bronohialverzweigungen beschränkten Knoohen- 
bildungen stehen gegenüber die Knochengebilde im Parenchym der 
Lunge. 

Hier sind eohte solide Osteome nur vereinzelt beobaohtet. Sie stellen 
gewöhnlich solitäre, faustgrosse Tumoren dar und sind von Goremans 
beim Ochsen, von Virohow zuerst beim Mensohen beschrieben. 

Alles übrige gehört in das Bereioh der entzündlichen Knoohen- 
bildung. 

So die von Lubarsch und Pol lack" beschriebenen, in der Wand 
alter Lungenkavernen des Menschen enstandenen Knoobenplatten. 

Zahlreiche über das ganze Parenchym der Lunge verteilte Knoohen- 
stückohen sind, häufig als Osteome bezeichnet,.bei Mensch und Tieren 
bekannt. 

Beim Menschen bilden sie zahlreiche, 'ästige Knoohenspangen, 
die, sich oft gefleohtartig miteinander verbindend, die ganze Lunge duroh- 
ziehen, und aus echtem, markhaltigem Knoohen bestehen. Sie liegen 
im interlobulären und interalveolären Gewebe und verdanken einer 
vorausgegangenen Entzündung mit ossifikatorischer Tendenz ihre Ent¬ 
stehung. Io einem von Bostroem publiziertem Falle erstreckte sich 
die ossifizierende Entzündung über das Iuterstitium hinaus in normal 
erscheinendes Lungengewebe hinein, wo die Ausläufer der Knoohen¬ 
spangen die Form von Alveolarvorgängen [und Alveolarkomplexen an¬ 
genommen hatten. 

Diesen ästigen Knoohenbildungen beim Mensohen gegenüber stehen 
die bei Tieren und zwar gewöhnlich bei alten Hunden beobachteten 
Fälle, in denen die Knochenstüokohen stets K rundlich,zaokig sind 
(tuberöse Form). Sie liegen ebenfalls im Iuterstitium, bestehen aus lamel- 
iösem Knoohen und sollen niemals Markhöhlen besitzen. 

Ein Fall von Knoohenbildung in den Lungen wurde vom Vortragen¬ 
den ebenfalls bei einem Kaniden beobaohtet 4 und im pathologischen 
Institut des Krankenhauses im Friedrichshain (Prof. L. Pick) seziert. 
Das Tier, eine alte Wölfin, war nach jahrelanger Pflege im Berliner 
zoologischen Garten getötet worden und bot keinerlei bemerkenswerten 
pathologischen Befund. Nur an der Lungenoberfläche, dicht unter der 
Pleura gelegen, fanden sich zahlreiche buckelige Küochenknötchen, im 
ganzen etwa 30—40 Stück. Die Lunge war im Inneren frei von ihnen 
und im ganzen sehr byperämisch und induriert. Histologisch bestanden 
die Knochenbildungen aus echten lamellösen Knochen und erwiesen 
siob als zusammengesetzt aus zahlreichen, Alveolenform-Anordnung und 
-grosse naohahmenden Knötchen. 4 Sie lagen im Gegensatz zu den bis¬ 
herigen Beobachtungen bei Tieren nioht im Interstitium, sondern im 


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766 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


Lumen der Alveolen; nur sehr selten wer ein Zusammenhang mit der 
Alveolenwand nachweisbar. Es konnte gezeigt werden, dass elastische 
Fasern sich ins Ionere dieser Knötohen nicht hineinerstreckten; auch 
gelang der Nachweis echter, mit Fettmark gefüllter Markräume im 
Inneren der Knoohen. Indurationsprozesse waren in dem umgebenden 
Lungengewebe reichlich zu finden, so dass man nach allem, besonders 
unter Berücksichtigung des Bostroem’sehen Falles diese tuberösen 
Knochen in der Tierlunge mit dem ästigen Lungenknoohen des Menschen 
in eine Linie stellen kann. , 

Man kann die Knoohenbildung im Ioneren der Alveolarlumina 
mit den Vorgängen bei der fibrösen Induration und der Organisation 
pneumonischer Exsudate in der menschlichen Lunge vergleichen.' Die 
Ein Wucherung des Organisationsprodukts in das Innere der Alveolar¬ 
lumina kann hier sowohl von den grösseren, Bronchien und Gefässe 
fahrenden, bindegewebigen Septen aus erfolgen, als auch von den Alveolar¬ 
wänden selbst. Für beide Vorgänge bietet die Knochenbildung im 
Inneren der Alveolen Analoga. Im Falle Bostroem’s war als Aus¬ 
gangspunkt das interlobuläre Gewebe festgestellt, im Falle des Vor¬ 
tragenden muss die Wand der Alveolen als Ausgangsstelle angesehen 
werden. Unter Berücksichtigung der auf entzündlicher Basis erfolgten 
Entstehung dieser Knochenbildungen kann man von einer ossifizierenden 
Pneumonie oder einer ossifizierenden Lungeninduration spreohen. 


Sitzung vom 12. Juni 1914; 

Vorsitzender:. Hr. Westenhofer. 

Vor der Tagesordnung teilt Herr Heller mit, dass die Sammel¬ 
ausstellung der Vereinigung anlässlich der Tagung der Association inter¬ 
nationale d’urologie allgemeine Anerkennung gefunden habe. 

Tagesordnung: 

1. Hr. Jest: Ostitis defermaas heim Pferd. 

Bereits an anderer Stelle erschienen. 

Ausspraohe: HHr. Westenhöfer, Schmey. 

2. Hr. Westenhöfer: Zar vergleichenden Rasseipatbologie der 
Appendizitis and Tnberknlose nach Erfahrungen in Chile. 

(Erscheint an anderer Stelle.) 

Ausspraohe: HHr. Löhlein, Rheindorf, Kunth, E. Fränkel. 


Sitzung vom 17. Juli 1914. 

Vorsitzender: Hr. Regenbogen. 

1. Aussprache über das Thema: Ist die Verunreinigung der 
Strassen Gross-Berlins dnreh den Hundekot als ein in sanitärer Be¬ 
ziehung erheblicher Missstand zu betrachten? Referent: Hr. Regen¬ 
bogen. 

Referent verneinte in seinen auf reiches klinisches und statistisches 
Material gestützten Ausführungen die Frage für alle Infektionskrank¬ 
heiten mit Ausnahme der Echinokokkenaffektion. Durch die Fleisch¬ 
beschau aber ist die Verbitterung von Ecbinokokkenblasen enthaltendem 
Fleisch an Hunde fast unmöglich gemacht worden. Ref. selbst hat 
unter 187 000 Hunden keinen Fall von Taenia echinooooous beobachtet. 
Der Gefahr, dass also gerade durch den Hundekot Bandwurmeier auf 
den Menschen übertragen werden sollten, ist daher als minimal anzusehen. 

Aussprache: HHr. Eberlein, Schmey, v. Siegfried, Heller, 
Benda, Westenhöfer, Koch, Rheindorf, E. Patsohkowski, 
Bruno Heymann.. 

2. Hr. Heller: Favus der Lerche und der Nachtigall. (Kurze 
Demonstration.) 


Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin. 

(Pädiatrische Sektion.) 

Sitzung vom 14. April 1919. 

1. HHr. Franz und Erich Müller: Ein Kraft- und Mineralsteff- 
wechseiversnch an der Nordsee. 

Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen über den Einfluss des 
Klimas auf den Organismus stammen von Mosso und Zuntz, die die 
Einwirkung des Hochgebirges studierten. Die Vortr. untersuchten den 
Einfluss des Seeklimas in Sylt, Zinnowitz und Norderney, in letzteren 
Orten an Kindern, bei welchen besonders starke Reaktionen auf kli¬ 
matische Faktoren zu erwarten sind. 

Nach Versuchen im Jahre 1912 wurden pro kg Körpergewicht in 
Charlotten bürg 0,3, in Eiohkamp 0,39, in Wyk 0,63 g N. aufgenommen, 
an Kalorien an denselben Orten 1750, 1879, 3715 pro Tag. In Char¬ 
lotten bürg erfolgte keine Gewichtszunahme, in Eichkamp betrug die¬ 
selbe 28 g, in Wyk 68 g pro Tag. Die Zufuhr von 2 g Stickstoff pro 
kg Körpergewicht ist als ausreichend zu bezeichnen. Dabei betrug die 
Gewichtszunahme in Norderney in 7 Tagen 97 g, in der Nächperiode 
268 g. Was den Mineralstoffweohsel betrifft, so war im Herbst eine Zu¬ 
nahme der Schwefelretention zu beobachten. Die Phosphorretention war 
in Norderney im Sommer erhöht, ebenso die Kalkretention. Letztere 
steigert sich bei zunehmendem Alter. Das wichtigste Resultat der 
Untersuchungen ist die Steigerung des Eiweissansatzes in Norderney. Ob 
dieselbe durch das Klima oder die erhöhte körperliche Betätigung her¬ 
vorgerufen wird, können erst weitere Untersuchungen ergeben. 


Ausspraohe. 

Hr. Czerny findet, dass die mitgeteilten Resultate eigentlieh nur 
zeigen, dass eine Gewichtszunahme stattgefunden hat, ohne den näheren 
Mechanismus derselben aufzuklären. Bei Kindern geben oft Wachstum 
und Gewichtszunahme sprungweise vor sich. Auch psychische Momente 
sind für Gedeihen oder Nichtgedeihen der Kinder von Einfluss. 

Hr. Rosenstern sohliesst eine Gesetzmässigkeit aus den glaioh- 
mässigen Ausschlägen in den verschiedenen Altersklassen. 

Hr. Frans Müller: Schlusswort. 

2. Hr. Erich Müller für Frl. Hedwig Brandt: Blatutersmehuge* he! 
Barlow’seher Krankheit. 

Die meisten Autoren geben an, dass der Blutbefund bei der Bar- 
low’scher Krankheit nur wenig von der Norm abweiaht Gelegentlich 
sollen einzelue Myelozyten und Erythroblasten Vorkommen, Tobler sah 
in hämorrhagischen Fällen eine Vermehrung der Blutplättchen. Gelegent¬ 
lich einer Barlowepidemie im Rummelsburger Waisenhaus hat Frl. Brandt 
systematische Blutunterfeuchungen vorgenommen. Der Hämoglobingehalt 
war meist uahe der Norm, die Erythrozytenzahl auf 6, ja 10—11 Millionen 
deutlich vermehrt. Die Leukozytenzahl, die Leukozytenformel, die Retrak¬ 
tion des Blutkuchens waren normal. Die Resistenz der Erythrozyten war 
erhöht. Die Blutplättchen zeigten eine Vermehrung ihrer Zahl. Diese 
Veränderungen halten monatelang nach der Genesung an. 

Aussprache. 

Hr. Kleinschmidt hält die verspätete Hämolyse für auffällig. 

Hrn. Finkeistein erscheinen die beschriebenen Befunde, besonders 
die Polyzythämie ohne Zyanose, sehr auffällig. 

Hr. Ludwig F. Meyer bemerkt, dass die Barlow’sohe Krankheit 
oft ohne Anämie verläuft, und dass die mit Anämie Verlaufenden Fälle 
eine besondere'Abart darstellen. 

Hr. Erioh Müller: Schlusswort. H. Hirsohfeld. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cnltnr in Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 21. März 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Minkowski. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Tietse: Vorstellung eines Kranken ait Stirndefekt and 
•Plastik. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Coenen: Ueber rahenden Gasbrand. 

Bald nach der Errichtung der bakteriologischen Aera wurde es 
bekannt, dass pathogene Mikroorganismen im Körper verkommen können, 
ohne diesen krank zu machen. Viele Autoren gelangten daher zu der 
Ansicht, dass eine Infektionskrankheit nur dann entstehen kann, wenn 
die Infektionserreger einen pathologischen Zustand, also krankhafte Zell¬ 
veränderungen, im Körper vorfänden. So prägte Oskar Liebreich im 
Jahre 1895 den Begriff des Nosoparasitismus und fand eine kräftige 
Stütze an den Untersuchungen des Strassburger Gynäkologen W. A. Freund 
über den prädisponierenden Einfluss, den die durch vorzeitige Verknöche¬ 
rung der ersten Rippe hervorgebrachte Starre der Thoraxspitze auf die 
Entwicklung der Tuberkulose ausübt (1902). Unbeschadet des hohen 
theoretischen Interesses der Liebreich’sohen Anschauung hat doch der 
Nosoparasitismus in der praktischen Medizin keine allgemeine Bedeutung 
erlangt. Im Jahre 1899 setzte Schnitzler an dessen Stelle einen ähn¬ 
lichen, vielleicht identischen, jedenfalls sehr naheliegenden Begriff, den 
der latenten Infektion. Melchior studierte, den Namen in 
ruhende Infektion abändernd, die latenten Krankheitskeime bei den 
vielfältigen Kriegsverletzungen und brachte eine grosse Anzahl von Bei¬ 
spielen bei. Diese ruhende Infektion Hess Bich nun nicht nur bei aerober, 
sondern auoh bei anaerober Bazilleninvasion naohweisen. Gleioh in den 
ersten Kriegsmonaten wurden aus den Heimatlazaretten Spättetanusfalle 
auf Grund ruhender Infektion bekannt. Da nun der Gasbrand, wie der 
Tetanus, eine Erdinfektion ist, und die meisten Kriegswunden mit Erd¬ 
keimen beladen sind, so wer anzunehmen, dass auoh bei ersterem die 
ruhende Infektion eine Rolle spielen würde. Das ist tatsächlich der Fall. 
Es liegt eine Anzahl von schweren, teils tödlichen Gasbrandfällen vor, 
die sioh an operative Eingriffe an seit vielen Monaten geheilten Wunden 
anschlossen, so dass man hier annehmen musste, dass die Gas¬ 
bazillen oder deren Sporen lange Zeit in ruhendem Zustande im Wund- 
fleisoh und dessen Narben vegetiert hatten (Simon-Heidelberg, Mar¬ 
wedel-Aachen, van Scholven, Duhamel u. a.). In solchen Fällen 
hat offenbar das Operationstrauma die Rolle des das Anaerobenwachstum 
auslösenden Momentes: alle Operationen, besonders schwierige Knochen¬ 
operationen, setzen Nekrosen, die den Sauerstoff verbrauchen und an¬ 
aerobe Wundverhältnisse schaffen, so dass hierdurch bislang ruhende 
Anaerobenkeime zu neuem Wachstum aufflaokern. In derselben Weise 
wie das Operationstrauma wirkt die Ligatur der grossen Gefässe, die 
jeder Feldarzt fürohten gelernt hat, nicht wegen der Gefahr der an¬ 
ämischen Nekrose, die bei den kräftigen Soldaten viel weniger zu fürohten 
ist, als in der Hospitalpraxis des Friedens, sondern weil die Beschrän¬ 
kung in der Zirkulation durch die Unterbindung die anaeroben Erd¬ 
keime der Wunde aktiviert und Gasbrand im Gefolge hat Bei den 


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11. Anglist 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


767 


Aueurysmaoperationen kommen nan beide Momente zusammen: das 
Operationstrauma, das besonders bei grossen Aneurysmen erheblioh sein 
kann, und die Beschränkung in der Zirkulation mit Verarmung des 
Körperteils an Sauerstoff. So ist es verständlich, dass sekundärer Gas¬ 
brand nach Aneurysmaoperationen nicht selten aufgetreten ist (Pels- 
Leusden, Knoll, Heidler u. a.). Es fragt sioh'nur, wo man nach 
einer Gefässoperation, die eine Beschränkung der arteriellen Versorgung 
im Gefolge hatte, die Grenze zwischen gewöhnlicher und ruhender In* 
fektion ziehen soll. In Fällen, wo nach operativen Maassnahmen an den 
grossen Gefässen in den ersten Tagen bis etwa 3 Wochen von einer bis 
dahin harmlosen Wunde die Zeichen der Gasinfektion ausgehen, muss 
man wohl eine Aktivierung der anaeroben Keime durch die Gefässope¬ 
ration annehmen, jedoch fällt der Ausbruch der Gasinfektion nooh in 
die normale Inkubationszeit. Je weiter man sioh aber von der Zeit der 
Verwundung entfernt, um so eher kann man von einem Gasbrand 
auf Grund ruhender Infektion sprechen, also jedenfalls, wenn die Ver¬ 
wundung mehrere Wochen und Monate zurüokliegt, und die äusseren 
Wunden vollständig geheilt waren. Es ist aber klar, dass es hier keine 
strengen Grenzen zwischen später und ruhender Infektion, sondern 
fliessende Uebergänge gibt, wie bei allen Naturerscheinungen. Ruhende 
Gasbrandkeime sind gelegentlich aus alten Kriegswunden gezüchtet 
worden, z. B. von Reinhardt aus einem Aneurysmasaok Fraenkel- 
bazillen, und Oedembaaillen aus der Umgebung eines Steckschusses 
(M.m.W., 1916, Nr.36, S. 1340 [580]). Die ruhenden Infektionskeime werden 
offenbar aber nur in seltenen Fällen gefunden. Es besteht somit eine 
gewisse Analogie mit den ruhenden Cohn heim’sohen Gewebskeimen, 
die nach der jetzt herrschenden Ansioht die Grundlagen der Geschwulst¬ 
bildung darstellen. Auch diese ausgeschalteten und nooh ruhenden 
Gewebskeime werden meist nur durch einen Zufall entdeckt, obwohl wir 
im menschlichen Körper, der reich ist an den verschiedenartigsten Ge* 
schwülsten, eine grosse Anzahl solcher Keimversprengungen vermuten 
können. — Bei der gashaltigen Phlegmone, die auf pyogener In¬ 
fektion mit anaerober Saprophyteninvasion beruht, haben Küttner und 
Melchior ähnliohe Beobachtungen über ruhende Infektion gemacht. 

Der vom Vortr. mitgeteilte Fall von ruhendem Gasbrand betrifft 
einen 29 jährigen kräftigen Landwirt, der vor l U Jahr einen Infanterie¬ 
schuss durch die Schlüsselbeingefässe und ein Aneurysma der Vasa sub¬ 
clavia bekommen hatte. Beschwerden und Nervenstörungen gaben die 
Indikation zur Operation. Diese gestaltete sich wegen des Aneurysma- 
sitses unter dem Schlüsselbein schwierig und wurde mit Implantation 
eines Saphenastückes in den Arteriendefekt zu Ende geführt. Am folgen¬ 
den Tage Temperaturanstieg, zunehmende Frequenz des Pulses, fahles 
Antlitz, beschleunigte Atmung. Am 2. Tage nach der Operation, als 
der Verband geöffnet wurde, zeigte sich Emphysem des ganzen Thorax, 
und beim Oeffoen der Wunde der charakteristische, zundrige Muskel- 
zerfall, geringes Oedem. Bald darauf Tod unter zunehmender Atemnot 
(Respiratio magna) und euphorischen Erscheinungen. Aus dem Muskel 
wuchs der Fraenkel’sche Gasbazillus in Reinkultur. Andere Bazillen, 
aeaerob oder aerob, waren nicht vorhanden. 

2. Hr. W. Uhthoff: Demonstration von 4 Füllen schwerer Aagen- 
▼erletsang durch Sprengkapselezplosiei. 

Redner stellt 4 Fälle von Augenverletzungen durch Sprengkapsel¬ 
explosion vor. Sie betrafen sämtlich männliche Patienten in jugendlichem 
Lebensalter. Mehrmals musste Enuoleatio bulbi vorgenommen werden 
und in einigen Fällen hatten gleichzeitig schwere Verletzungen an der 
Hand mit teilweisem Verlust der Finger stattgefunden. In einem Falle 
waren gleichzeitig mit dem Patienten noch 2 Kinder verunglückt. Im 
ganzen kamen in letzter Zeit 8 derartige Fälle in der Universitäts- 
Augenklinik zur Beobachtung. 

Die nähere Anamnese ergab eine kaum zu glaubende Fahr¬ 
lässigkeit in bezug auf das Umgehen mit Zündern für Handgranaten, 
und es ist mit Zweck dieser Krankendemonstration, warnend auf der¬ 
artig leichtfertiges Umgehen mit diesen Handgranaten-Zündkapseln 
öffentlioh aufmerksam zu maohen. In den meisten Fällen stellte sioh 
heraus, dass die Verletzten aus Ortschaften stammten, wo Grenzschuts¬ 
truppen in Quartier lagen. Nur einmal war das nicht der Fall, aber 
auch hier handelte es sioh um ältere Befestigungsanlagen, ln 5 Fällen 
waren die Sprengkapseln von Soldaten achtlos weggeworfen und von den 
Kindern gefunden worden, 1 mal fand sioh eine solche Kapsel im Kohlen¬ 
kasten, 4 mal auf der Strasse, 1 mal hatte der Junge eine solohe Spreng¬ 
kapsel gestohlen. Die Knaben brachten die Zündkapseln in verschiedener 
Weise zur Explosion (durch Anzünden, Draufsohlagen mit dem Hammer, 
Untersuchung der Kapsel mit einem spitzen Gegenstand, Spielen mit der 
Kapsel usw.). Es handelt sich um Sprengkapseln, die zum Einsetzen in 
Handgranaten bestimmt sind und mit Knallqueoksilber geladen waren. 

Die Häufung derartiger schwerer Verletzungsfälle in einer Klinik in 
kurzer Zeit trägt wahrlich eine dringende Mahnung zum vorsichtigen 
Umgehen mit diesen Explosionskörpern von seiten des Militärs in sioh. 

3. Hr. W. Uhthoff: Demonstration eines Falles mit weitgehender 
Ohlltoration der Orbita dnrch Granatsplitterverletznng nnd Wieder¬ 
herstellung der Konjnnktivalhöhle dnrck Thierseh’sehe Transplantation. 

Pat. trägt zurzeit ein recht gut sitzendes künstliches Auge, was vor 
der Operation ganz unmöglich war. Die Operation ist nach dem Vor¬ 
gehen von Dr. Esser ausgeführt, wie sie derselbe an mehreren unserer 
früheren Patienten teils mit, teils ohne Erfolg vollzog. In diesem Falle 
hat sioh das Verfahren bewährt. — Tn horizontaler Richtung wurde ein 
tiefer Einsohnitt quer duroh den ganzen geschrumpften Konjunktivalsack 


geführt unter Durobtrennung aller narbigen Verwachsungen und Her¬ 
stellung einer grossen Höhle. Hierauf wurde die Höhle mit erwärmter 
und erweiohter Stanzmasse, die uns, das zahnärztliche Institut dankens¬ 
werterweise zur Verfügung stellte, fest ausgefüllt, so dass ein voll¬ 
ständiger Abdruck dieser Höhle entstand. Nach Entfernung, Erkaltung 
und Erhärtung wurde die Stansmasse mit einem grossen Thiersch’sohen 
Lappen aus dem Oberschenkel umkleidet, so dass die epitheliale Ober¬ 
fläche der Masse zugewendet war. Nun wurde die Masse mit dem 
Thiersoh’schen Lappen wieder genau in die präformierte Höhle hinein¬ 
gedrückt, die Lidspalte durch einige Suturen vernäht und unter Kom- 
pressiv verband gelegt. Unter zeitweisem Verbandwechsel wurde die 
Masse in der Höhle etwa 14 Tage festgehalten und dann vorsichtig ent¬ 
fernt, was ohne Schwierigkeiten möglioh war, unter Zurücklassung des 
Thiersoh’schen Lappens als Auskleidungsmembran in der neugebildeten 
Höhle. Bisher hat sich der Zustand so günstig gehalten und Pat. kann 
ein künstliches Auge tragen, wie Sie sehen. Er wird jetzt das künst¬ 
liche Auge herausnehmen, so dass Sie die ausgekleidete Konjunktivalhöhle 
gut übersehen können. 

4. Hr. Mathias: Zar Pathologie der Oedemerkraakaagei. 

Die Oedemkrankheit kommt in 2 Grundformen vor, einer mit er¬ 
haltenem Fettgewebe und vorzugsweise in den serösen Höhlen auftreten¬ 
den Ergüssen, einer anderen mit brauner Atrophie, Reduktion der Organ- 
gewicbte und mit allgemeinem Hydrops. Die zuerst genannte Krankheits¬ 
form wird duroh Partialhunger hervorgerufen, die braunatrophisohe 
Oedemkrankheit duroh Inanition. Wirken beide Faktoren zusammen, 
so führt dies zu reoht variablen Kombinationsformen. Der Partialhuoger 
bezieht sioh auf die sogenannten „Vitamine* oder besser „akzessorischen 
Nährstoffe*, deren Bedeutung unter Hinweis auf die Defektkrankheiten, 
Möller-Barlow, Skorbut und Beri-Beri, geschildert wird. Der Skorbut 
wird als hämorrhagische Diathese bei Oedemkrankheit aufgefasst; es 
werden die anatomischen Bilder besprochen. Bei der braunen Atrophie 
kommt es zu Pigmentansammlung in den Zellen; das Pigment ist seiner 
Art nach wahrscheinlich ein Lipofuszin, die Belastung der Zellen mit 
Pigmentsubstanzen kann als Ursache funktioneller Störungen angesehen 
werden. Die Verminderung des autochthonen lipoiden Pigments in 
Return (Augstein) und Nebennieren wird erwähnt, daran anschliessend 
die als Prodromalerscheinung wichtige Hemeralopie besprochen. 

Ausführlich werden unter Erwähnung der einschlägigen Literatur 
die Beziebüngen zwischen Oedemerkrankungen und Infektionen darge¬ 
stellt: Die Oedemzustände setzen erhöhte Disposition zu Infektionen, 
das anatomische Bild bei letal verlaufenen Fällen ist fast regelmässig 
mit Infektionsveiänderungen vergesellschaftet. Die Reviveszenz ruhender 
Tuberkulose wie auch die Neigung zum Verlauf an und für sich wenig 
pathogener Infektionen in schwerster Form bei Oedemkranken wird 
erwähnt. Der Furunkel wird im ödemkranken wie auch im ödembereiten 
Organismus zur Phlegmone, die Angina zur Allgemeininfektion, die 
Bronchitis zur Pneumonie. 

Ist der Organismus auf der Grenze zur Oedemkrankheit angelangt, 
so können sehr verschiedenartige physiologische und pathologische Vor¬ 
gänge den Eintritt des Leidens anstossen. Gemeinsam ist diesen Vor¬ 
gängen eine kalorische Belastung des Stoffweohsels. Die erträgliche 
Defizitgrenze kann duroh Vermehrung der Muskelarbeit, durch Belastung 
bei Aufreohterhaltung der Körpertemperatur während niedriger Aussen- 
temperaturen, durch gesteigerte oxydative Vorgänge (Fieber) überschritten 
werden. „Die Oedemkrankheit in Verlauf und Rekonvaleszenz einer 
Infektionskrankheit gehört nicht in die Pathologie eben dieser, sondern 
in die allgemeine Pathologie der Ernährung.* 

Zwisoben der Oedemkrankheit in der Form mit erhaltenem Fett¬ 
gewebe und der Kriegsnephritis wird ein Zusammenhang angenommen. 
Die glomeruläre Nephritis ist eine Nephritis bei Infektionen. Die Kriegs¬ 
nephritis kommt auf Grund einer erworbenen renalen Piädisposition in 
einem ödembereiten und infektionszugänglichen Körper zustande. Die 
renale Prädisposition geht auf Erkältungsscbädigungen zuiück. Die 
Oedembereitschaft des Körpers ist durch Zerstörung thermolabiler, akzes¬ 
sorischer Nährstoffe (Feldküche) hervorgerufen. Zwischen der Schwere 
der Nephritis und der Oedemmenge besteht oft eine Diskongruens. 
Kombinationen zwischen glomerulärer Nephritis und Oedemkrankheit mit 
erhaltenem Fettgewebe sind für die klinische Betrachtung zumal dann 
schwierig, wenn etwa noch Infektionen hinzutreten. 

Das Problem der Oedementstehung ist kolloidohemisch zu verfolgen, 
hier wird der von Hülse ein geschlagene Weg weiterfübren. 

Die Bedeutung der Oedemkrankheiten liegt auf dem Gebiete der 
pathologischen Physiologie, ihre Erforschung und die Feststellung von 
Korrelationen zu anderen Erkrankungen verspricht namentlich unter 
Zuhilfenahme eines ausgedehnten Versuohsmaterials wichtige Resultate. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für pathologische 
Anatomie und vergleichende Pathologie vom 24. Juli 1919 
(Vorsitzender: Geh. Rat Prof. Dr. Eberlein) stellte Herr Heller einen 
8jährigen Knaben mit einer sog. Riesen tierfei lnaevus und etwa 
500 pigmentierten Naevis auf der ganzen Körperhaut vor und er¬ 
örterte kurz im Anschluss an den Vortrag des Herrn Lu barsch in der 
vorangegangenen Sitzung den Unterschied in der Prognose der melano- 
tisohen Gewächse der Mensohen und Tiere. (Aussprache Herr Eber- 
lein.) Herr Kops oh besprach unter Vorführung einer grossen Anzahl 


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768 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 82. 


instruktiver Zeichnungen naoh mikroskopischen Präparaten die Ergebnisse 
seiner grossangelegten Untersuchungen über die Entstehung von 
Gesohwülsten bei Fröschen durch Larven von Rundwürmern. 
Auch in der Aussprache wurde die Feststellung der „Umstimmung ein¬ 
zelnen Zellgruppen" bei Metaplasien des Epithels der Blase und Bildung 
von Epithelknötohen in der Leber sehr bemerkenswert gefunden. Herr 
Poll zeigte in zahlreichen Lichtbildern hochinteressante Tumoren die 
von den Zwischenzellen der Hoden von Bastardvögeln aus¬ 
gegangen waren, die durch eine bisher erst in ganz wenigen Fällen 
erfolgte Kreuzung von Pfau und Perlhenne entstanden waren. 
Alle , bisher ^untersuchten Mischlinge zeigten diese Tumorbildung, die 
aueh bei anderen Tierbastarden gefunden wurden und die Aehnliohkeit 
mit seltenen auch im Hoden der Menschen beobachteten Geschwülsten 
hatten. Herr Poll erörterte in geistvoller Weise die Möglichkeit, dass 
durch die Fortschritte der wissenschaftlichen Erbforschung auf dem 
Wege der experimentellen Kreuzung die inneren Bedingungen für die 
Entwicklung mancher Geschwülste festgestellt werden könnte. Herr 
Ziemann zeigte Bilder von Hautgeschwülsten aus Westafrika, die durch 
Filiaria Voivulus entstanden waren. An der Aussprache beteiligten 
sioh die Herren Westenhöfer, Carl Lewin, Carl Benda, Eberlein. 

— In einer gemeinschaftlichen Sitzung der Berliner dermato¬ 
logischen und urologisohen Gesellschaft wurde am 15. Juli das 
Thema „Die syphilitischen Erkrankungen und Störungen der 
Harnblase" verhandelt. Die Referate hatten übernommen für den 
dermatologischen Teil .Herr Leder man, für den urologischen Herr 
Posner, für die Neurologiö Herr Schuster, für die pathologische 
Anatomie Herr C. Benda. An der Aussprache beteiligten sioh die 
Herren Ernst R. W. Frank, Freudenberg, Ringleb, Heller, 
Casper, Pulvermaoher. 

— Der emeritierte Ordinarius der Pathologie und pathologischen 
Anatomie in Halle, Geheimrat Eberth, beging in flalensee sein 60jähriges 
Doktorjubiläum. 

— Der 1. Assistent an der III. medizinischen Universitätsklinik, 
Dr. Hans Schirokauer, hat den Professortitel erhalten. 

— Dr. B. Chajes in Sohöneberg, Mitherausgeber der soeben be¬ 
gründeten „Zeitschrift für soziale Hygiene, Fürsorge und Krankenhaus¬ 
wesen", hat den Titel Professor» erhalten und ist zum ordentlichen 
Dozenten für Gewerbebygiene an der Technischen Hochschule in Char¬ 
lottenburg ernannt worden. 

— ln Stockholm ist der bekannte^Anatom Gustav Retzius im 
Alter von 77 Jahren gestorben. 

— Die Universität Rostook begeht im November das Jubiläum 
ihres &00jährigen Bestehens. Der mecklenburgische Landtag bewilligte 
dazu 70000 M. Die Stadt Rostock hat ein grösseres Gelände zum Bau 
einer Klinik als Jubiläumsgabe gestiftet. 

— Herr Zierkmann - Bunzlau schreibt uns: Im Anschluss an die 
Mitteilung in Nr. 27 der Berliner klinischen Wochenschrift vom 7. Juli 
1919, S. 648, über die in Breslau beobachtete Abnahme der durch Al¬ 
kohol verursachten Geisteskrankheiten während des Krieges möchte ich 
ergänzend anführen, dass in der Provinz Schlesien bereits Ende 1917 
auf Veranlassung der Provinzialverwaltung umfangreiche statistische Er¬ 
hebungen über den Rückgang dieser Krankheitsformen stattgefunden 
haben. Das Ergebnis ist von mir in einer in Nr. 9 u. 10 der Psychia¬ 
trisch neurologischen Wochenschrift vom 8. Juni 1918 erschienenen 
Arbeit „Ueber die Abnahme der alkobolistischen Geistes¬ 
störungen in der Provinz Schlesien während des Krieges" 
veröffentlicht worden. Danach sank in der psychiatrischen Klinik in 
Breslau die Zahl der männlichen Alkoholiker von 18,21 pCt. der Auf¬ 
nahmen im Jahre 1913 auf 1,72 pCt. im Jahre 1917. Das bedeutet einen 
Rückgang um &lpCt. In der städtischen Heilanstalt in Breslau ging 
in denselben Vergleiohsjahren die Zahl der männlichen Alkoholisten von 
30,75 pCt. auf 2,88 pCt. der Aufgenommenen zurück, was einer Ver¬ 
minderung von 92,3 pCt. entspricht. Bei den 10 Provinzial-Heil- und 
Pflegeanstalten waren im Jahre 1913 noch 9,73 pCt. aller männlichen 
Aufnahmen Alkoholisten, im Jahre 1917 nur noch 2,82 pCt., der Rück¬ 
gang betrug also 79 pCt. In den allgemeinen Krankenhäusern der 
Provinz haben sioh die Aufnahmen an akuten Alkoholfällen (Delirium 
und Halluzinose) um 90,4 pCt. (von 649 auf 62) vermindert. Es hat 
sioh sonach in allen öffentlichen Irrenanstalten und in den allgemeinen 
Krankenhäusern der Provinz ein ausserordentlich starkes Absinken der 
Aufnahmen an durch Alkohol erkrankten Geisteskranken nachweisen 
lassen. Bei den Frauen ist der Rückgang verhältnismässig nicht weniger 
erheblich als bei den Männern. Von Interesse ist noch, dass bei der 
Landesversioherungsanstalt Schlesien die Zahl der wegen „Alkoholver¬ 
giftung" bewilligten Invaliden- und Krankenrenten von durchschnittlich 
83 in den Jahren 1907—13 auf 22 im Jahre 1916 zurückging. Während 
im Jahre 1913 noch 310 Anträge auf Heilverfahren für Trunksüchtige 
gestellt wurden, ging im Jahre 1917 nioht ein einziger Antrag ein. Die 
in der eingangs erwähnten Mitteilung ausgesprochene Vermutung, dass 
der Rückgang in Breslau sich nur auf die Todesfälle infolge von Al- 
kohoüsmus zu beziehen scheine, trifft hiernach nioht zu. 

— In Magdeburg finden im September und Oktober Fortbil¬ 
dungskurse für kriegsapprobierte und aus der Gefangen¬ 
schaft heimkehrende Aerzte statt, die in erster Linie eine Fort¬ 


bildung in innerer Medizin, Kinderheilkunde und Gynäkologie bezweoken. 
Unterbringung und Beköstigung erfolgen gegen Erstattung einer gering¬ 
fügigen Gebühr. Anmeldung und Auskunft bei Prof. Sohreiber, Di¬ 
rektor des Sudenburger Krankenhauses, Magdeburg, Leipzigerstr. 44. 

— Die Preisaufgabe der Dr. Heinrich Brook - Stiftung der Bal- 
neologischen Gesellschaft lautet: Auswaschung des Organismus durch 
Mineralwasserkuren. Preis 800 M. Die Arbeit ist bis zum 31. Dezember 
d. J. an Geheimrat Brieger in Berlin, Ziegelstr. 18/19, einzusenden. 

— Infolge eines mehrfach geäusserten Wunsches nach Herausgabe 
neuer Briefe von Theodor Billroth bitte ich, wie vor 25 Jahren, 
um gefällige Einsendung von Originalbriefen. Sie werden möglichst 
rasoh und unversehrt zurück geschickt. Dr. Georg Fischer, Hannover, 
Warmbüchenstrasse 28. 

— Volkskrankhe'iten. Pocken: Deutsches Reich (20. bis 
26. VII.) 65. Deutsohösterreioh (6.—12. VII.) 7. Fleokfieber: 
Deutsches Reich (20.—26. VII.) 11. Ungarn (9.—15. VI.) 18. 
Genickstarre: Preussen (18.—19. VII.; 11 und 1 f. Schweis 
(29. VL—5. VII.) 2. Ruhr: Preussen (18.—19. VII.) 191 und 21 f. 
Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Krupp 
in Coblenz, Wanne; Keuchhusten in Wanne; Typhus in Wanne, Pforzheim. 

(Veröff. d. Reiohs-Ges.-Amts.) 

Hoohsohulnaohriohten. 

Cöln: Prof. Gros in Halle hat einen Ruf als Ordinarius für Pharma¬ 
kologie erhalten. — Frankfurt a.M.: Prof. H. Freund, bisher Extra¬ 
ordinarius für Gynäkologie und Geburtshilfe in Strassburg, wurde zum 
ordentlichen Honorarprofessor ernannt. Habilitiert: DDr. Kranz (Zahn¬ 
heilkunde), Groedel (innere Medizin), Grosser (Kinderheilkunde). — 
Frei bürg: Habilitiert: Dr. Wieland für Pharmakologie, bisher in 
Strassburg. — Jena: Als Nachfolger Lexer’s sind für das Ordinariat 
für Chirurgie in Aussicht genommen: 1. Guleke-Marburg, Völoker- 
Heidelberg; 2. E.Rehn-Jena; 3. Lä wen -Leipzig, Schöne-Greifswald.— 
Würzburg: Hofrat Seifert, ao. Professor für Hals- u. Nasenkrankheiten y 
gedenkt in den Ruhestand zu treten. — Tübingen: Prof. v. Grützner, 
früherer Direktor des physiologischen Instituts, ist in Bern gestorben. 


Amtliche Mitteilungen. 

Feraonallen, 

Ernennungen: Anstaltsarzt Dr. Erwin Gross in Schwetz (Westpr.) 
z. Kreisass.-Arzt in Königsberg i. Pr. unt. Ueberweis. an d. Kreisarzt 
d. Landkr. Königsberg u. d. südl. Teiles vom Stadtkr. Königsberg sowie 
unt. Uebertrag. d. Assistentenstelle b. d. dortigen Impfanstalt; St.-A. 
a. D. Dr. H. Viereok in Marburg a. d. L. zum Kreisass.-Arzt daselbst, 
unt. Ueberweis. a. d. Kreisarzt d. Kreise Marburg u. Kirchhain. 

Versetzungen: Kreisarzt Dr. Walter Gross von Rosenberg O.-S. 
nach Greiienberg (Pomm.); Kreisarzt Med.-Rat Dr. Laschke von 
Schroda naoh Delitzsoh. 

Niederlassungen: Dr. V. Romahn in Uderwangen (Kr. Pr. Eylau), 
Dr. Lothar Löwe in Heilsberg, Dr. Willy Wolfiheim, Dr. Walter 
Levy, Dr. M. Gentzen und Dr. Otto Kurt Müller in Königs¬ 
berg i. Pr., E. Jaruslaw&ky in Drachenstein (Kr. Rastenburg), 
Rudger Hess in Gumbinnen, K. Peinert in Pelleningken (Kr. Inster¬ 
burg, St.-A. Dr. 0. Broese in Insterburg, Dr. J. Maokowski in Schönsee 
(Kr. Briesen), Dr. S. Hurwitz in Deutsob Eylau, Dr. Georg Pfeiffer in 
Lowinneok (Kr. Schwetz), A. Pokorski in Gross Ploobotschin (Kr. 
Schwetz), K.Bejaoh, Dr. Elisabeth Benecke, Dr. A. Bendix, Dr. 
F. Boymann, Fritz Fränkel, H. Natho, Dr. Max Neustadt, Dr. 
Fritz Noaok, Dr. W. Sklarek, Dr. J. Strube und Dr. W.Wortmann 
in Berlin, Dr. Berthold Alexander, Dr. H. Bieberstein, Dr.K. Döh- 
mann, Dr. E. Hör witz, Dr.K. Holzapfel, Dr. Er w. Langes, Dr. Kurt 
Ernst Meyer, Dr. H. Meyer-Estorf, Dr. E. Nassau, Dr. A. 
Paasohe, Dr. H. Rauschning, Dr. V. Salle, Dr. H. Schloss, 
Dr. W. Sittner, Dr. 0. Slawyk, Dr. K. Thomalla und Dr. F. Wert¬ 
heim in Charlottenburg, Dr. Kurt Friedmann, Dr. F. Gregory, 
Dr. Hedwig Pressburger, Dr. Wilhelm Wegener und Dr. 
Alfred Wolff in Neukölln, Dr. K. Keuthen, Dr. Erich Langer, 
Dr. K. Morren, Dr. H. Munter, Dr. J. Schnitzer und E. Spiegel¬ 
berg in Berlin-Schöneberg, Dr. K. Rody in Nieder lahnstein, Dr. 
Maroell Behrens in Porz (Kr. Mülheim a. Rh.), Dr. K. Wallbruoh 
in Drove (Kr. Düren), A. Söller in Malmedy. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. Joseph Mayer 
von Berlin, Dr. Edwin Bab und Georg Less von Neukölln, Dr. 
K. Mol ly von Altenberg (Bez. Aachen). 

Gestorben: Dr. Rudolf Neumann in ‘ Korschen (Kr. Rastenburg), 
Alfred Braun in Heinrichswalde (Kr. Niederung), Dr. F. Burghotf 
in Könitz, Dr. E. Gelderblom in Thorn, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Herrn. Fisoher in Berlin, Geh. San.-Rat Dr. W. H. F. Molly in 
Altenberg (Bez. Aachen). 


Berichtigung. Bei der in Nr. 31 veröffentlichten Zusammen¬ 
stellung der Verluste des Sanitätskorps findet sich ein sinn¬ 
störender Druckfehler. Die im Verhältnis zur Kopfstärke angeführten 
Zahlen sind natürlich nioht pCt-Zahien, sondern pM.-Zahlen. 

Fftr dl« Redaktion YOrantworUich Prof. Di. HmiKoha, Berlin W, Bajmnthar 8tr. II. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin MW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 










Die Berliner KliniselieWoeheneehrift erscheint jeden 
Montag in Nummern von etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis viertel)Kbrlieh 10 Hark. Bestellungen nehmen 
alle Buebhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle iinsendnngen fitr die Redaktion und Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbaehhandlung 
August Hiraehwmld, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prot Dr. Hans Kohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 

M 33 . SechsuodfQnfzigster Jahrgang. 


Montag, den 18. August 1919. 


INHALT. 


OrigiaaliM: Uenneriol Kriegserfahrungen in der Luesbeh&ndltmg 
unter besonderer Berücksichtigung des Silbersalvarsans. S. 769. 
Lehmann: Ulcus pepticum und vegetatives Nervensystem. (Aus 
der L inneren Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses zu 
Berlin [Geb. Sanitätsrat Prof. Dr. L. Euttner].) S. 772. 

Bittorf: Nebennierentumor und Geschleohtsdrüsenausfall beim 
Manne. (Aus der medizinischen Universitäts-Poliklinik Breslau.) 
(Illustr.) S. 776. 

Niemann: Grippe und Keuchhusten. S. 777. 

Joseph: Die operative Fesselung des Oberarmkopfes xur Verhütung 
der habituellen Sohulterverrenkung. S. 779. 

Ostrowski: Ueber die Entstehung von Gasbrand nach Koffein- 
Injektionen. S. 779. 

Bleherbeepreehiugei : Forel: Der Hypnotismus oder die Suggestion 
und die Psychotherapie. Ihre psychologische, psychophysiologische 
nnd medizinische Bedeutung mit Einschluss der Psychoanalyse so¬ 
wie der Telepathiefrage. S. 781. Ebbinghaus: Abriss der Psycho¬ 


Kriegserfahrungen in der Luesbehandlung 
unter besonderer Berücksichtigung des Silber- 
salvarsans. 

Von 

Marine-Oberstabsarxt Prof. Dr. (foiieriek. 

Die bereits im Frieden vorliegenden Erfahrungen, wonach 
unterernährte und mit Magen-Darmstörnngen behaftete 
Individuen gegen die Chemotherapie der Syphilis und zwar gegen 
Hg wie Salvarsan besonders empfindlich waren, haben sich im 
Verlaufe des Krieges in gesteigertem Maasse geltend gemacht 
und die Erfolge der Behandlung zum Teil nicht unerheblich 
beeinflusst. 

Die Anwendung von Hg in jeder der üblichen Formen führte 
besonders leicht und schnell zu erheblichem Gewichtsverlust und 
den bekannten akuten Reizerscheinungen an den Schleimhäuten, 
Nieren und Darmkanal, während Salvarsan schon bei kleinen 
unter der wirksamen Dosis liegenden Injektionen gelegentliche 
Steigerung der Reizerscheinungen an der Haut und der Leber mit 
sieh brachte. Wenn diese auch für die weitere Fortführung der 
Behandlung nach einiger Pause keinerlei Hindernis bildeten, so 
waren sie in gewisser Hinsicht doch sehr beachtenswert. Sind 
sie doch ein erneuter Hinweis darauf, dass weder Technik der 
Salvarsaninjektion noch die wiederholt angeregte Bestimmung 
einer Maximaldosis den Kernpunkt einer erfolgreichen und un¬ 
schädlichen Salvarsanbehandlung ausmachen, sondern dass sich 
diese immer wieder nur auf reichhaltigen klinischen Erfahrungen 
aufzuhauen vermag. Ein kurzer üeberblick erscheint daher sehr 
zweckmässig. 

Die schweren Folgen der Hungerblockade auf den Organismus 
setzten Ende 1915 ein und zwangen den Syphilistherapeuten su 
einer allmählichen Umstellung seines Behandlungsplanes. 

Nur dort, wo die Folgerungen aus nachteiligen Beobachtungen 
sofort gezogen wurden, dürfte es gelungen sein, den eingetretenen 
Missständen einigermaassen zu begegnen, bsw. sie auf ein er¬ 
trägliches Maass herabzusetsen. Leider bot sich wegen sehr um* 


logie. S. 781. Kraepelin: Ziele und Wege der psychiatrischen 
Forsohung. S. 781. Fischer: Die traumatnsohe Apoplexia cerebri 
vor Gericht. (Ref. Birnbaum.) S. 781. 

Literatur- Aussige : Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 
S. 781. — Innere Medizin. S. 781. — Psychiatrie und Nerven¬ 
krankheiten. S. 788. — Chirurgie. S. 784. 

VerhaudUugeu ärztlicher Gesellschaften: Berliner otologische 
Gesellschaft S. 786. — Medizinische Sektion dersohlesi- 
soben Gesellschaft für vaterländische Cuitur zu Breslau. 
S. 787. — Medixinisoh - Naturwissenschaftliche Gesell¬ 
schaft zu Jena. S. 788.— Aerztlicher Verein zu Hamburg. 
S. 789. 

Richter: Beiträge zur Tölzer Badekur. S. 790. 

Posoer: Ernst Haeckel f. S. 791. 

Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 792. 

Amtliohe Mitteilungen. S.792. 


fangreicher Kriegsarbeit nur wenig Gelegenheit zur Aussprache 
über dieses Thema. Aber es war letzten Endes wohl am zweck- 
mässigsten, wenn jeder Arzt sich selbst den geeigneten Weg aus 
den verschiedenen Schwierigkeiten suchte und seine Behandlung 
den in der jeweiligen Gegend gegebenen Ernährungsbedingnngen 
anpasste. 

Zunäoh8t wich im Winter 1915/16 die unter der Kur allmählich zu 
erreichende Höohstdosierung von 0,4 Altsalvarsan bei 60—70 kg sohweren 
Patienten und von 0,45—0,5 Altsalvarsan bei einem Körpergewicht von 
über 70 bxw. 80 kg allmählich auf 0,33 bxw. 0,35 als maximale Einzel- 
gabe. Selbst diese Dosen konnten nur unter den bekannten Eautelen, 
normaler Organbefund, Mangel jeder Kontraindikation (nicht su hohes 
Alter, kein Alkoholismus, kein offensichtlicher oder verdächtiger Mikro- 
bismus, keine Verdauungs oder Appetitstörung) und nach genügendem 
Intervall gegen die vorausgehende Kur gegeben werden. 

Weitere Beobachtungen betrafen die Hg-Behandlung. 

Vorausgegangene intensive Hg Euren, besonders mit 01. oiner., 
führten leicht xur Gefahr der Nierensperrung (Weohselmann) schon 
nach wenigen und mässigen Dosen (s. B. 0,25, 0,30, 0,35 Altsalvarsan), 
trotxdem die Hg-Kur bereits 10—12 Woohen xuruoklag. Mit der 
sohlechten Aussoheidung drohten ernste Gefahren, Retention, Oxydation 
des Salvarsans und damit enxephalitisohe Kr&nkheitssustände, also eohtd 
Salvarsan Vergiftungen. 

Trotz kleiner Einxeldosierung der Salvarsankur, die sich zwischen 
0,2—0,35 Altsalvarsan unter Hg-Kombination bewegte, erwies sioh die 
Durchführung der Behandlung im Jahre 1916 selbst bei einem Körper¬ 
gewicht von 65—70 kg auch in anderer Hinsieht als recht schwierig. 
Schon naoh mässiger Hg-Einzeldosierung, die sich nicht über 0,05 bis 
0,07 Hg salio., 0,08—0,05 Galomel in 5tägigen Abständen bxw. 4 g 
Ungt. einer, bei der Schmierkur erhob, stellten sich häufig stomatitische 
Reiserscheinungen ein. Gerade diese Fälle zeigten sich trotz einer 
längeren Behandlangspause, die bis zur Abheilung der Stomatitis ein¬ 
gefügt wurde, für schwere exfoliierende Dermatitiden sehr disponiert, so 
dass wir uns veranlasst sahen, die Einzel- und Gesamtdosierung der 
begleitenden Hg Behandlung wesentlich einzuschränken. 

Es kam ferner hinzu, dass Bich die ausgehungerte Leber gegen 
Salvarsan ganz allgemein als zunehmend empfindlich erwies. Im zweiten 
Kriegswinter wurde der in Friedenszeit niemals von uns beobachtete 
Salvarsan Spätikterus eine alltägliche Erscheinung. Nachdem sehr be¬ 
drohliche oholämisohe Zustände beobachtet waren, batte sich zwar eine 
sehr erfolgreiche und zuverlässige Behandlung bei uns herausgebildet; 


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UMIVERSITY OF IOWA 





770 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


trotzdem blieb aber die Durchführung der Salvaraan behänd lang in Hin- 
biok auf die Einverleibung eines sur Vollsterilisation ausreichenden Be- 
handlungsmaasses ausserordentlich müheveil. In umfangreichster Weise 
wurden Maassnahmen ergriffen, um durch bessere Ernährung und 
Schonung während der Kur und durch Aufnahme in Erholungsheimen 
oder durch Erholungsurlaub vorbeugend xu wirken. Aber es brauoht 
wohl kaum erwähnt xu werden, dass die Durchführung dieser Maass¬ 
nahmen bei der allgemeinen Nahrungsmittelknappheit gerade bei Ge¬ 
schlechtskranken den allergrössten Schwierigkeiten begegnete. Hinsicht¬ 
lich der Zusammenhänge des Salvarsanikterus mit den Ernährungs¬ 
störungen der Leber (Mangel an Nährstoffen und Schädigung duroh die 
blähende Kriegskost) möchte ich auf das in der früheren Arbeit über 
Silbersalvarsan GesagteU verweisen. 

Am häutigsten war der Ikterus ausweislich der von Zimmern auf- 
gestellten Statistik nach Salvarsannatrium. Hiernach war auch der Ver¬ 
lauf am schwersten. Das Salvarsannatrium wurde deshalb von uns 
wieder auf gegeben und an seiner Stelle Altsalvarsan in recht mässiger 
Dosierung (0,2—0,35) verwendet (Winter 1916/17). 

Selbst dies in Friedensseiten sonst bestbewährte Präparat erwies 
sich als unvorteilhaft. Die kleinen Dosierungen bis xu einer Ansahl 
von 7—8 begünstigten in hohem Maasse die Neurorexidivbildung, weil 
sie im Konxentrationsausgleich, über den Gärtner demnächst berichten 
wird, keine genügende Entfaltung im Liquor und an der meningealen 
Oberfläche bewirkten. Längere Weitergaben kleiner Altsalvarsandosen bis 
zu 10 oder 12 an Zahl setxten zwar die Neuroresidivgefahr deutlich 
herab, vermehrten aber die Empfindlichkeit der Leber für die notwendige 
Nachkur, in dessen Anfänge dann gar nicht selten Ikterus auf trat. 
Selbst ohne Salvarsannachkuren stellte sich naoh dieser Behandlung oft 
3—5 Monate später der Spätikterus ein. Er wurde aber auch wiederholt 
naoh intermittierender Hg-Behandlung beebashtet, ein Umstand, der auf 
die vorhandene Labilität und Vorschädigung der Lebersellen durch die 
Kriegsernährung ein reoht bezeichnendes Licht wirft. 

Erhöhung der Einzeldosierung auf mehr als 0,85 oder 1—2 mal 0,4 
Altsalversan schwächten zwar oft die meningeale Infektion in stärkerem 
Maasse ab, brachten aber mehrfach eine reoht schwere und langwierige 
Dermatitis zustande. 

Die mehrmalige Beobachtung, dass stets die vorausgehenden 
Hg-Störungen zur Dermatitis disponierten, veranlasst© uns im 
Winter 1917/18 die begleitende Hg-Behandlung gänzlich aufzu¬ 
geben. Seitdem hat sich nach keinem der bis dahin bekannten 
Salvarsanpräparate jemals wieder eine Dermatitis gezeigt. Dieser 
Erfolg hängt zum Teil wohl auch damit zusammen, dass im Winter 
1917/18 unsere gesamte Salvarsanbehandlung auf das früher stark 
vernachlässigte Neosalvarsan gestellt wurde. 

Schwere unvorhergesehene Intoxikationen, wie sie in'früheren 
Jahren schon bei kleinen Neosalvarsandosen beobachtet wurden, 
sind heute infolge grösserer Stabilität des Präparates sehr viel 
seltener geworden. Obgleich von den Herstellern die Möglichkeit 
einer grösseren Labilität des früheren Neosalvarsans nicht zuge¬ 
geben wird, so kann doch nach unseren Beobachtungen an einer 
höheren Toxizität des leicht rötlich gefärbten und bei der Lösung 
sich sofort zu Boden senkenden Neosalvarsans kein Zweifel ob¬ 
walten. 

Bei einwandfreier Beschaffenheit des Neosalvarsans ist die 
früher so oft bemängelte schwächere Einwirkung auf die Syphilis 
erfahrungsgemäss auch mit einer verhältnismässig geringeren 
organotropen Wirkung verbunden. Im grossen und ganzen war 
jedenfalls die Hg-freie Neosalvarsanbehandlung bis zum Eintritt 
der Silbersalvarsanbehandlung diejenige Methode, welche gegen¬ 
über den Ernährungszuständen durch die Hungerblockade noch 
die wenigsten Störungen verursachte, die Anwendung leidlich 
wirksamer Dosen (bis Dos. IV bei 60 kg) gestattete und unter 
Einschränkung der Neurorezidivkomplikation die zur Zeit besten 
Behändlungsergebnisse ergab. 

An dieser Tatsache änderte niohts, dass manohmal bei ganz un¬ 
behandelten, 60 kg schweren jugendlichen Pat. sohon auf 0,2 + 0,25 
Neosalvarsan (nach Alt gerechnet), in 4 tägigem Abstande gegeben, eine 
universale Dermatitis und bald danaoh ein kräftiger Ikterus oder ein 
5 tägiges hohes Fieber mit bedrohlichem Allgemeinxustande beobaohtet 
wurde. Wegen der grösseren Zasetzlichkeit des Neosalvarsans an der 
Luft wurde natürlich sorglichst darauf geachtet, dass das Präparat 
spätestens eine Minute nach der Lösung eingespritzt war. Technische 
Mängel kamen für keine der Störungen in Betraoht. Auoh wurde stets 
auf Intaktheit der Glastube aoht gegeben. Ebenso wie die schwere 
Dermatitis, so wurden auch enzephalitische Reisxustände nach völliger 
Aufgabe der Hg-Begleitbehandlung und alleiniger Anwendung von Neo¬ 
salvarsan nioht mehr beobaohtet. Auoh der Ikterus nahm etwas ab und 
verlief leichter (s. a. Zimmern). 

Besonders angenehm wurde es vermerkt, dass die Hg-freie Neosalvar- 
sankur, die eine mehrfache Anwendung der Dos. IV gestaltete, die menin¬ 
geale Infektion besser beeinflusste als die gleiohhäufige Anwendung von 
Altsalvarsan bis zu einer Höchstdosis von 0,35. 


1) D.m.W., 1918, Nr. 45. 


Die Rüoksiohtnahme auf die Ikterusgefahr swang aber doch dazu, 
die einzelne Kur innerhalb mässiger Grenzen zu halten und die Be¬ 
handlungspausen zwischen den nachfolgenden Kuren gegeu früher erheb- 
lioh zu verlängern. Die natürliche Folge war eine wesentliche Hinaus- 
siehung und Verlängerung der Gesambehandlung. Um längere Intervalle 
zwischen den einzelnen Neosalvarsankuren machen zu können, wurde, 
soweit möglioh, 5 Wochen nach der ersten Neosal varsank ur der Liquor 
kontrolliert und bei normalem Befunde eine Hg-Kur eingesohöben. Duroh 
die hierdurch bewirkte Hinauszögerung der sonst 5 Wochen naoh der 
ersten Salvarsankur fälligen Saivarsannaohkur wurde natürlich auf die 
abortive Sterilisation der irischen Sekundärlues verzichtet und damit 
die bestbewährte und sioherste Methode zur Heilung des genannten Lues¬ 
stadiums aufgegeben. 

Bei dieser Art des Vorgehens hielt sioh aber die Häufigkeit und 
Sohwere des Ikterus in mässigen Grenzen. 

Die Nachteile dieses sonst nur Belten von uns selbst be- 
schrittenen, für die allgemeine Praxis aber verschiedentlich von 
hier empfohlenen Behandlungsweges liegen einmal in der langen 
Dauer aer Behandlung und zum anderen darin, dass trotz nor¬ 
malen Liquors nach der ersten Kur doch späterhin noch häufig 
Meningorezidive eintreten können. 

Auch nach dieser qualitativ stark veränderten Salvarsankur 
wurden leider noch ziemlich häufig Meningorezidive beobachtet, 
trotsdem der Liquor vordem durchaus normal war. 

Die meisten Frühmeningorexidive hatten wir bei der schwäch¬ 
lichen Altsalvarsandosierung mit gleichseitiger Üg-Kombination. 
Sie nahmen hier wiederholt recht akute Formen an. Aber auch 
nach der isolierten Neosalvarsankur kamen Neurorezidive zum 
Ausbtuch, die recht erhebliche Störungen am C N S mit sich 
brachten. Es gelang jedoch nahezu ausnahmslos durch sofortige 
endolumbale Behandlung die meningealen Prozesse zu beseitigen 
und klinische Heilung zu erzielen. Kein Fall wurde kriegs¬ 
unbrauchbar. , 

Welche Gefahr für eine Begünstigung der Meningorezidive 
sich aus der Festlegung einer zu niedrigen Maximaldosis ergeben 
würde, ist aus einigen Beispielen, welche den Hergang der Neuro- 
rezidiv bildung besonders grell beleuchten, ersichtlich. 

Bei diesen Fällen handelt es sich stets darum, dass 

1. die Allgemeindurchsuchung durch die Allgemeinbehandlung 
eingeschränkt — daher fast stets negative S.R. im Beginn des 
Neurorexidivs — ist, wodurch die Expansionsneigung restlicher 
Erreger, namentlich wenn sie dem Einflüsse der Salvarsanwirkung 
um irgend einer Stelle entgangen sind, aufs kräfigste provoziert 
wird; 

2. die Liquor- und meningeale Oberflächeninfektion der 
Salvarsatnwirkung nur in schwächlichem Maasse zugänglich ist. 
Das an die meningeale Oberfläche hingelangende Salvarsan wird, 
wie ich das bereits 1915 näher ausgeführt habe, durch den Liquor 
derart verwässert, dass es therapeutisch nur schwer ansugreifen 
vermag. Der Umstand, dass die höhere Salvarsaneinzelaosierung, 
wie auch die längere Fortsetzung der Kur die Salvarsanwirkung 
im Liquor steigert, ist neben verschiedenen anderen, insbesondere 
beim Ikterus von mir erhobenen Beobachtungen, über die Gärtner 
demnächst berichten wird, ein deutlicher Hinweis darauf, dass 
der Konsentrationsausgleich zwischen den Meningen selbst und 
dem Liquor beim Salvarsan sehr ungünstig ist. Hierbei kommt 
die Durchlässigkeit des Plexus kaum ipehr in. Betracht als die 
der Meningen selbst 

Bei dieser Sachlage ist es klar, dass die Neuexpansion des 
syphilitischen Krankheitsgiftes in erster Linie von der menin¬ 
gealen Infektion ihren Ausgang nehmen und eine syphilitische 
Meningitis hervorrufen muss, deren Symptome sich der Lokalisation 
und dem Umfang der Entzündung entsprechend in den ver¬ 
schiedenen bekannten Ausfällen und Krankheitsbitdern äussern. 

Fall 5980. Ansteckung Ende September 1917. Zugang 22. I. 1918 
mit überhäutetem P. A., abgeblasstem Exanthem, Angina speoifioa und 
allgemeiner Drüsensohwellung. 

Behandlung vom 26. I. bis 18. 111. 1918 5 Novasurol + 10 Hg 
salicylio. Am 18. III. Altsalvarsan 0,25, 28. IH. 0,3, 28.1H. 0,8, 4. IV. 
0,88, 9. IV. 0,38, 16. IV. 0,83, 23. IV. 0,88. 

10 Tage naoh der letzten Salvarsaninjektion Eintritt heftiger Kopf¬ 
schmerzen, Revieraufnahme. 4 Tage später, am 7. V. wird Pat. stark 
benommen und stöhnend ins Lazarett gebracht. Reflexe stark erhöht, 
Kopf äusserst klopfempfindlich. Sonst o. B. Erneute Salvarsaninjektion 
von 0,8 Neosalvarsan bringt keinerlei Besserung. 

Die Punktion am folgenden Tage (9. V.) ergab folgenden Befund: 

Phi. dtl. Ring, P. +, Esb, 3 3 / 4 , L 890, W.R. 0,5 -f~f. 

Zugleich wurde 1,8 mg Natr. Salv. auf 60 com Liquor endolumbal 
ein verleibt. Daraufhin Fieber Steigerung auf 40, die bis zum 10. V. 
wieder abfiel. Am 10. V. war Pat. völlig besohwerdefrei und wurde am 
nächsten Tage dienstfähig entlassen. Unter 5 weiteren endolumbalen 


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UNIVERSUM OF IOWA 




18. August 1910. 


BERLINER KLINISCHE WO^^ENSCffRffT. 


T71 


Behandlungen erfolgte denn völlige and dauerhafte Assanierung des 
Liquors bei gleichseitiger Fortführung der Allgemeinbehandlung. 

Der Fall zeigt aufs Deutlichste, wie der meningeale Ent- 
zündungsprozess unter der Allgemeinbehandlung auf die oben näher 
beschriebene Art und Weise entstanden ist und dni$h genügende 
direkte Z'ifuhr von Salvarsan an die meningeale Oberfläche be¬ 
seitigt werden konnte. 

Am häufigsten sind derartige Meningoretidive am Akustikus. 
Wir haben sie unter der Kriegsbehandlung zu vielen Dutzenden 
gesehen, zum Teil nach einer Kur, z. T. nach mehreren, bald in 
Kombination mit anderen Nervenausfällen, bald isoliert und nur 
mit Kopfschmerzen verbunden. Stets wurde durch endolumbale 
Behandlung dieser frischen Aknstikusaffektionen normale oder an¬ 
nähernd normale Hörleistung wieder hergestellt, so dass kein Fall 
in seiner Dienstfähigkeit beschränkt wurde. 

Zunächst konnte vor oder im Anfänge der Kur das Vorhanden¬ 
sein normaler Liquorverhältnisse festgestellt werden. 

Näheres ergibt folgendes Beispiel: 

Fall 5066. Ansteckung Dezember 1917. Zugang 9. X. 1917 mit 
überhäutetem P. A. am Glied. Exanthem und Angina speoifioa. 

Behandlung: vom 28. VI. bis 22. VIII. 15 Kalomel, vom 20. VIII. 
bis 7. X. 7 Salvarsan (nioht über 0,38), Panktion am 10. X. ergab nor¬ 
malen Liquor. 

Kur: Vom 15. XII. bis 26.1. 1918 Sohmierkur mit 4 g. vom 2. II. 
bis 11. III. 7 Salv.-Inj. (nioht über 0,83). 5 Woohen später Eintritt von 
Kopfschmerzen, Schwindel und Schwinden des Gehörs rechts. Hörleistung 
links normal, rechts laute Umgangssprache l / 2 m. Erhebliohe Herab¬ 
setzung der Kopfknoohenleitung. Rinne -)-. Ausfall der hohen Töne. 
Beim Drehversuoh starkes Sohwindelgefühl, aber kein Nystagmus. Re¬ 
flexe sehr lebhaft. Sonstiges C.N.S. o. B. 

Die Lumbalpunktion ara 24. IV. 1918 ergab: 

Phi. dtl. Ring, Paody -f—)—|-, L 534, W 4* 1,0 endolumbal 1,8: 58. 

Unter 10 endolumbalen Behandlungen und einer weiteren All¬ 
gemeinkur mit Neosalvarean bildete sich die Hörleistung, sowohl das 
Rauschen, wie der eingetretene Schwund des Gehörs völlig zurück. Li¬ 
quor wurde dauernd normal. 

Zahlreiche Fälle, bei denen die Gehörstörung nur erst einen 
Tag bestand, wurden durch eine endolumbale Injektion von 1,8 mg 
in einem einzigen Tage geheilt. 

Der Typus eines solchen Falles ist folgender: 

Fall 6285: Im Sommer 1918 Primärlues überstanden (7 Salv.-Inj. 
5 Wochen post, infect.). 

Reinfektion 2. XI. 1918. Zugang mit frischem P. A. und Exanthem 
am 7. I. 1919. 

Behandlung: 7.1. bis 27. II. 1919 (9 Salv.-Inj. (8 g), vom 21. III. 
bis 23. IV. 2 Hg salic. -f- 2,02 01. einer. Erneuter Zugang am 23. IV. mit 
starken Kopfschmerzen. Ohrensausen beiderseits, schlechtes Hören und 
Sobwindelanfalle. Hörleistung beiderseits deutlich herabgesetzt, reohts 
2 m, links kaum 1 m Flüsterspraohe. Knoohenleistung beiderseits herab¬ 
gesetzt/ ebenso Wahrnehmung der hohen Töne. Rinne -{-. Nach Dreh¬ 
versuoh zunehmender Schwindel, kein Nystagmus. 

Am 24. IV. endol. Behandlung mit 1,8 mg 70com Liquor. Befund: 
Phi. zarter Ring, P. =fc, L. 52, W.R. 0,5 —. In der Naoht zum 25. IV. 
sämtliche Beschwerden restlos verschwunden. Am 1,4. V. Liquor normal. 
Die im Liquor nachweisbaren meningealen Entzündungserscheinungen 
sind, wie besonders auch der vorstehende Fall erweist, oft reoht gering. 
Trotzdem ist der Erfolg der endolumbalen Behandlung prompt, wenn 
sie saohgemäss ausgeführt wird. 

Die angeführten Beispiele dürften aber wohl genügen, um zu 
erweisen, dass die Neurorezidive mit einer Salvarsan-Intoxikation 
oder Reizwirkung auch nicht das geringste zu tun haben. Ihre 
Ursache ist nur die zu schwächliche Salvalsan-Dosierung, bezw. 
ein individuell besonders ungünstiger Konzentrationsausgleich 
zwischen Meningen und Liquor. Ihre Heilung erfolgt prompt auf 
intensivste Lokalbehandlung der Meningen mit Salvarsan. 

Die endolumbale Behandlung liegt zwar bei diesen frischen 
luetischen Meningitiden am einfachsten gegenüber allen anderen 
meningealen auf Lues zurückzuführenden Prozessen; aber es muss 
hier im Gegensatz zu den Spätprozessen von C.N.S. von vornher-.. 
ein das erstemal eine hohe Dosis (am besten 1,7 mg) ange¬ 
wendet werden. Kleinere Dosen führen merkwürdigerweise zu 
Herxheimer’schen Reaktionen, die sich zunächst im Ausfall am 
C.N.S. äussern, aber völlig rückbildungsfähig sind, wenn die 
nachfolgenden endolumbalen Behandlungen planmässig und mit 
genügend hoher Dosis erfolgen. , 

Ein derartiges Beispiel möchte ich hier noch erwähnen, um 
zu zeigen, dass die angebliche Toxizität des Salvarsans auch in 
diesen Fällen mit dem entstandenen Neurorezidiv auch nicht das 
Geringste zu tun bat. In allen derartigen Fällen gelingt es 
ausschliesslich durch die planmässige Fortführung der endolom- 
balen Behandlung, den eingetretenen Ausfall zu bessern. 


Fall 3179. Ansteokung 25. 2.1918. Zugang 10. 4. 18 mit stark 
sklerotischer Phimose und allgemeinen DrÜBensobwellung. Spiroohäten- 
befond positiv. Behandlung 11. IV.—9. VI. 18. 8 Salv. Inj. (2,6 g) und 
15 Hg salio. 

S. R. vom 16. IV.—2.V. 18 und vom 18.V. ab dauernd. 

Seit 25. VII. 18 dauernd heftige Kopfschmerzen. Der sehr gleich- 
gülige Patient stellt sieh aber nieht zur vorgesohriebenen Nachunter¬ 
suchung und Nachbehandlung. Am 29.8. wegen äasserst heftiger 
Kopfschmerzen und zeitweiliger Benommenheit auf der Nervenabteilung 
aufgonommen. Pat. windet sich vor Schmerzen im Bett Kopf stark 
klopfempfiodlioh, Reflexe stark gesteigert Leichte Nackenstarre. Son¬ 
stiges C.N.S. o. B. 

Punktion ergibt: Phi -f-, L 192, Pandy -f—f-f-, Druck über 400 
W. R. 1.0Am 6. IX. in meiner Abwesenheit auf hiesiger Abteilung 
mit 1,35 mg endolumbal behandelt 

Liquorbefund: Phi trüb, Pandy milchig, L 541, Esb. 9, W.R. 
0,5 -|—|—|—f-. 2 Tage später über Naoht rechtsseitige Halbseitenlähmung. 
Rechter Fazialis nicht so gut innerviert wie links. Zunge weicht nach 
rechts ab. Sprache langsam und schwerfällig. Beim Sprechen der 
Paradigmata zuweilen artikulatorisohe Störungen. Rechter Arm kann 
nicht über die Horizontale erhoben werden, nur in Supination etwas 
Beugung. Auoh die übrigen Muskelgruppeq paretisch. Am rechten 
Bein alle Muskelgruppen paretisch. 

Tonus der Muskulatur im reobten Arm und Bein gegenüber links 
erhöht. Reohts spastisch-paretisoher Gang. Sehnenreflexe rechts ge¬ 
steigert, Patellar- und Fussklonus. Babinski reohts angedeutet, Oppen¬ 
heim —. Sensibilität am rechten Arm und Bein und am Rumpf etwa 
von der rechten Brustwarzenlinie an abwärts für alle Qualitäten herab¬ 
gesetzt. Sonst o. B. So fand ioh den Patienten fast unverändert noch 
vor, trotzdem er vom 26.VHI.—26.IX. 5 Salv.-Inj. (1,8) nnd Kal. jodat. 
bekommen hatte. 

Durch zwei endolumbale Behandlungen mit je 1,8 rag gingen die 
Paresen völlig zurück. Der bis dahin stets bettlägerige Kranke konnte 
unbehindert seine Gliedmaassen wieder gebrauchen. Die grobe Kraft 
kehrte wieder. Der Gang wurde bis auf ein kaum merkliohes Schleppen 
des rechten Fusses völlig normal. 

Trotzdem die Liquorwerte noch nioht zur Norm (letzter Befund 
6. 11.: Ph I dtl. Ring, Pandy-)-, L 24, W. R. 1,0-)-) gelangt waren, 
reiste Patient bei Aasbruoh der Revolution nach Hause und entzog sioh 
jeglicher weiteren Kontrolle. 

Ich möchte auf Grund der angeführten Beispiele nochmals 
wiederholen, dass die Arsenkomponente deB Salvarsans mit der 
Entstehung der Neurorezidive auch nicht das geringste zu tun 
hat, und dass diese in der Hauptsache auf ungenügende und zu 
schwächliche Behandlung zurückzuführen sind. Auf den weiteren 
individuellen Faktor beim Zustandekommen der Neurorezidive, 
den verschiedenen Umfang in der Anlage der meningealen 
Infektion und den durch die individuelle anatomische Anlage 
bedingten, im Einzelfall verschiedenen Konzentrationsausgleich 
des Salvarsans im Lumbalsack soll hier nicht näher eingegangen 
werden, da, wie schon oben erwähnt, hierüber noch ausführlichere 
Arbeiten erscheinen werden. Es kann somit keinem Zweifel 
unterliegen, dass die Salvarsankur notwendigerweise auch eine 
gewisse Höhe der Einzel-, wie Gesamtdosierung gebraucht, um 
nicht nur die Allgemeindurchseuchung einzuschränken, sondern 
um auch in möglichst grossem Umfange die meningeale Infektion 
zu erfassen. Die Zahl der Luesfälle, bei denen die meningeale 
Infektion von vornherein bei mittlerer Dosierung unzugänglich 
bleibt, ist nicht klein. Sie schwankt je nach der Güte der Be¬ 
handlung zwischen 10 und annähernd 50pCt. Demgegenüber 
betrug sie bei der kräftigeren Dosierung der Friedenszeit und 
bei Anwendung der abortiven Sterilisationsmethode des frischen 
Sekundärstadiums erheblich unter lOpCt. 

Welche Schäden anderorts, wo keine regelmässige Liquor¬ 
kontrolle stattfand, die. erhebliche Unterdosierung der Salvarean- 
behandlung durch die Hungerblockade im Hinblick auf Förderung 
der meningealen Syphilis angerichtet hat, ist z. Zt. noch gar 
nicht abzusehen. 

Die durch die ungenügende Salvarsaubebandlung provozierte 
meningeale Infektion braucht nämlich keineswegs in absehbarer 
Zeit zu einem klinischen Neurorezidiv zu führen, wie es in den 
angeführten Fällen zu beobachten war. Weit häufiger Rind die 
latenten meningealen Entzündungsprozesse, die über Jahre hin 
eine verborgene, aber, wie zahlreiche unserer Liquorkontrollen 
erweisen, ständig fortschreitende Entwickelung nehmen und gegen 
früher sehr vorzeitig zur Metalues hinfübren. 

Für die Assanierung dieser Fälle, die nach unseren reichlich 
6 jährigen Dauerbeobachtuugen mit der endolumbalen Behandlung 
sicher gelingt, bleibt für die kommende Friedeuszeit ein sehr 
umfangreiches Gebiet der vorbeugenden ärztlichen Tätigkeit. 

. Die im Einselfalle notwendige Dosierung für die Allgemein¬ 
behandlung hat sich natürlich in erster Linie nach dem Körper- 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 83. 


gewicht und Lebensalter zu richten. Ausserdem ist aber sowohl 
bei der Einzeldosierung wie bei der Bestimmung des Gesamt' 
maasseB der Kur eine grosse Reibe von weiteren Faktoren, die 
ja als absolute, relative und temporäre Kontraindikationen ge¬ 
nügend bekannt sind, zu berücksichtigen um einen glatten Ver¬ 
lauf der Behandlung sicher zu stellen. 

Dass es toxische Salvarsanstörungen gibt, die selbstverständ¬ 
lich auf den Arsengebalt des Präparates zurückzuführen sind, 
wird kein ernsthafter Kenner der Behandlung irgendwie bestreiten. 
Sie wurden bei der Kriegsbehandlung sicherlich etwas häufiger 
beobachtet als früher, weil nicht alle Aerzte aus den bereits 
andeutungsweise sich einstellenden Beobachtungen oder selbst 
den ganz massiv sich aufdrängenden Sonderzufällen sofort die 
notwendigen Konsequenzen hinsichtlich der Abänderung ihres 
Behandlungsplanes gesogen haben. Sowohl der Ikterus liess sich 
auf ein erträgliches Maass und eine gutartige Form eindämmen, 
wie erst recht die anderen Störungen, von denen ich oben be¬ 
richten konnte, dass sich nach Einführung der Hg-freien Neo- 
salvarsan- bezw. später Silberaalvarsanbehandlung so gut wie 
völlig verschwanden. Bei sachkundiger Friedensbehandlung ist 
aber, wie jahrelange Beobachtungen vor dem Kriege erwiesen 
haben, die Salvarsanbehandlung ganz erheblich komplikations¬ 
loser und unschädlicher als die Hg-Behandlung. 

Nach unserer Ansicht haben die durch die Hungerblockade 
gezeitigten Kriegserfahrangen nicht die Bedeutung, als Maassstab 
zur Einrichtung einer Salvarsan-Maximaldosis zugrunde gelegt zu 
werden. Würde man es tun, so steht eine noch weitere Zunahme 
der meningealen Syphilis sicher zu erwarten, denn mit der Ein¬ 
führung der 8achgemäs8en Liquordiagnostik und endolumbalen 
Behandlung in die allgemeine Praxis ist vor der Hand kaum zu 
rechnen. Dass sie aber später kommen muss, um die Metalues 
zu verhüten, darüber kann nach unseren Dauerbeobachtungen 
mit annähernd 10000 Liquorkontrollen kein Zweifel obwalten. 

Selbst in Friedenszeiten erhoben sich gegen die Einführung 
einer Maximaldosis gewisse Bedenken. Ist sie einmal festgelegt, 
so wird sie eventuell ohne grosse Bedenken durchweg bei jeder 
Einzeldosierung benutzt. Infolgedessen kann es zunächst Shock- 
wirkungen geben, aber auch nicht beachtete temporäre Kontra¬ 
indikationen führen eventuell trotz relativ mässiger Dosierung doch 
zur Intoxikation, während noch eine weitere Herabsetzung der 
Dosierung am Platze gewesen wäre. Die Einführung einer 
Maximaldosis verführt eben zu dem Glauben, dass es mit ihrer 
Beachtung in der Handhabung der Salvarsanbehandlung abgetan 
wäre. Sie sichert weder die Vermeidung der Intoxikations¬ 
gefahren, noch verspricht sie die Durchführbarkeit einer erfolg¬ 
reichen Behandlung. Im Gegenteil, sie kann im Hinblick auf die 
Forderung der meningealen Syphilis sogar recht nachteilig wirken. 
Die Höchstdosis darf deshalb auch nicht zu klein sein. Man 
sieht, die Verhältnisse bei der Salvarsanbehandlung liegen, wie 
anch Wechsel mann betont, sehr viel komplizierter als bei an¬ 
deren Arzneimitteln, die wie ein Automat bei einem gewissen 
Aufwand auch eine bestimmte Leistung hergeben. 

Natürlich hat man die im Frieden bereits bestehenden Grund¬ 
sätze, nach denen man bei der Frau von 60—60 kg Gewicht 
Dos. III Neosalv. und beim Mann bis zui{,65—70kg Gewicht 
Dos. IV Neosalv. nicht überschreiten soll, besonders zu berück¬ 
sichtigen, solange die bekannte Kriegsverpflegung fortbesteht. 

Bei einwandfreier Friedensernährung und Mangel jeglicher 
Kontraindikationen, insbesondere bei jugendlichen Individuen 
männlichen Geschlechts, kann man jedoch, besonders bei der 
Abortivbebandlung von Stadium I und II, ohne Schaden auf 
0,45—0,5 als Höchstdosis hinaufgehen. Dies ist sogar sehr 
zweckmässig, wenn man auf die Kombinationsbehandlung mit Hg, 
welche erfahrungsgemäss die Hauptursache aller Behandlungs¬ 
störungen ist, verzichtet. 

Zusammenfassend glaube ich midi zurzeit dahin äussern 
zu sollen, dass die Einführung von Maximaldosen für die Sal- 
varaanpräparate der Luesbebandlung eher Nachteile als Vorteile 
bringen dürfte. Will man den Versuch machen, die Gefahren 
der Salvarsanbehandlung noch weiter zu beschränken, so muss 
der Hebel an ganz anderer Seite eingesetzt werden. Kurze Fort¬ 
bildungskurse in dieser Materie genügen noch nicht, um den 
Therapeuten mit allen Aufgaben der Behandlung sicher vertraut 
zu machen. Hierzu bedarf es einer längeren klinischen Erfahrung, 
wozu die grösseren Kliniken und Krankenhäuser eine geeignete 
Einrichtung schaffen müssten. 

(Schluss folgt) 


Aus der I. inneren-Abteilung des Rudolf Virchow- 
Krankenhauses zu Berlin (Geh. Sanitätsrat Prof. 

Dr. L. Kuttner). 

Ulcus peptlcum und vegetatives Nervensystem. 

Von 

Dr. Gerhard Lehmann, Oberarzt der Abteilung. 

Folgende, schon vor Beginn des Krieges abgeschlossene Unter¬ 
suchungen, erstrecken sich auf 40 Fälle von Ulcus ventriculi seu 
duodeni. Eine Trennung des duodenalen vom ventri¬ 
kulären Ulcus erschien nicht angebracht, weil ja in vielen 
Beziehungen weitgehendste Uebereinstimmungen zwischen demUlcus 
ventriculi und duodenale bestehen, im übrigen aber kam es dar¬ 
auf an, die neurogene Komponente für das Ulcus pepticum über¬ 
haupt zu erörtern. 

Zu meinen Untersuchungen habe ich nur solche Fälle von 
Ulcus benutzt, bei denen die klinische Diagnose durch einen 
einwandfreien Operationsbefund bestätigt wurde oder bei denen 
neben dem typischen Symptomkomplex, bei dem wir leider zum 
grössten Teil nur auf Angaben des Patienten angewiesen sind, 
eine Blutung per os oder per rectum in Form von Teerstuhl 
oder von wiederholten okkulten Blutungen nachgewiesen wurde. 
Letztere sind diagnostisch nur dann verwertet, wenn sie fort¬ 
laufend bei vorgeschriebener Diät 1 ) gefunden werden und keine 
andere Ursacbs für die Blutung anzunehmen ist. Patienten, die 
nur über die bei Ulcus typischen Schmerzanfälle klagten, oder 
bei denen neben Hyperazidität, Hyperchlorhydrie, Hypersekretion 
usw. niemals eine stärkere Blutung nacbgewiesen wurde, wurden 
für diese Beurteilung von vornherein fortgelassen, obwohl wir 
uns bewusst sind, dass uns bei dieser Versuchsanordnung manche 
Ulcera verloren gegangen sind. 

Bei diesen Ulcera, die alle in mehrwöchiger klinischer Be¬ 
obachtung standen, wurde neben der üblichen Untersuchung noch 
ein besonderer Status des vegetativen Nervensystems auf¬ 
gestellt. Dieser lehnte sich eng an das Schema des Status an, 
der von der von Bergmännischen Klinik zusammengestellt ist. 
Für die freundliche Ueberlassung desselben sind wir Herrn 
von Bergmann zu Dank verpflichtet. 

In der Ueberzeugung, dass Störungen des vegetativen Nerven¬ 
systems oft verbunden sind mit solchen der inneren Sekretion, 
haben wir auch diesbezügliche Untersuchungen, soweit sie ohne 
Belästigungen unserer Kranken durchführbar waren (Glycosuria e 
sacharo, ex amylo, Blutzuckerbestimmung, Phloridzindiabetes} hin¬ 
zugenommen. Dass wir dem Blutbild unserer Patienten ganz be¬ 
sondere Aufmerksamkeit zuwandten, erübrigt sich hinzuzufügen. 

Zur Prüfung der sekretorisoheu Tätigkeit des Magens gaben vir ein 
Probefrühstück resp. Probemittagessen, das wir nach 1 resp. 4 bis 
5 Stunden ausheberten. Wenn wir, wie so oft, eine Hypersekretion ver¬ 
muteten, fügten wir ein Trockenprobefrühstüek nach Boas hinzu. Um 
uns über die motorische Kraft des Magens Gewissheit zu verschaffen, 
heberten wir den Magen nüchtern nach Probeabendessen, 2 Stunden 
nach Probefrühstüok und 7 Stunden naoh Probemittag aus, die Aus¬ 
heberung ergänzten wir durch eine kurze Spülung. Zur weiteren Kon¬ 
trolle gaben wir in solohen Fällen das Bourget-Faber’sche Probeessen, 
das wir je nachdem nach 7, 8, 9, 10 oder 12 Stunden ausheberten; da¬ 
bei wurden die Rückstände zahlenmässig bestimmt. 

In allen Fällen erfolgte die pharmakologische Funktionsprüfung. 
Wir injizierten als Vagusreizer cg Pilokarpin, als Vaguslihmer 

1 mg Atropin, als Sympathikusreizer Adrenalin */ 4 —1 mg und belasteten 
bei letzterer Prüfung 3 Stunden vor der Injektion den Kohlenhydrat- 
stoffveoh8el mit 100 g Traubenzucker. Für die Starke der Dosis war 
uns das Körpergewicht und der ganze Zustand des Patienten maass¬ 
gebend. 

Zwischen den einzelnen Prüfungen Hessen wir nur einen, meist 

2 Tage vergehen. Diese Art der Handhabung ist entschieden ratsam, 
um unerwünschte, zu starke Reaktionen zu verhüten. 

Um einigermaassen exakte Zahlen und Vergleicbswerte zu erhalten, 
bezeichnete ioh bei der Pilokarpinreaktion eine Speiohelsekrektion von 
80—200 ccm und starken Sohweiss als positiv, über 200 com als stark 
positiv, gleichseitig fanden die allgemeinen Symptome wie Uebelkeit, Er¬ 
brechen, Schmerzen, Angstgefühl Berücksichtigung. 

Als starke Atropinreaktion galt uns neben Trockenheit und Herz¬ 
klopfen Steigerung der Pulsfrequenz um etwa SO Schläge. 

Die Adrenalinreaktion war positiv bei Steigerung der Pulsfrequenz 
, um 80 Sohläge pro Minute, bei Glykosurie über 8 g und bei starkem 
Tremor. Auch wenn die recht selten auftretende Glykosurie fehlte, 
konnte bei starkem Tremor und Pulsbesohleunigung über etwa 80 die 
Reaktion positiv sein. 

1) Kuttner u. Guttmann, Zum Nachweis okkulten Blutes in den 
I Fäzes. D.m.W., 1918, Nr. 46. 


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18. Anglist 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Unter den 40 Ulcuskranken finden sieh 34 Frauen and 16 Männer. 
Das Alter betrug durchschnittlich 26,9 Jahre (für Frauen 28,7, für Männer 
81,7 Jahre). 

Auf Pilokarpin reagierten ausserordentlich stark 127a pCt., stark 
25pCt.; auf Pilokarpin und Atropin reagierten ausserordentlioh stark 
5 pCt., stark 15 pCt.j auf Adrenalin reagierten stark. 5 pGt.; auf 
Adrenalin und Pilokarpin stark 12pCt.; völlig negativ verhielten sich 
25 pCt. 

Zusammenfassend ist also zu sagen: 

Von 40 Ulcospatienten reagierten auf Vagusgifte stark oder 
ausserordentlich stark 57 7s pCt., auf Sympathikusgifte 5 pCt., auf 
Pilokarpin und Adrenalin 127spOt., völlig reaktionslos ver¬ 
hielten sich 25 pCt. 

Auch diese Untersuchungen bestätigen, was ich 1 ) sehen an 
anderer Stelle nachgewiesen habe: der von Eppinger und 
Hess aufgestellte Antagonismus zwischen Vagotonie und 
Sympathikotonie besteht nicht. Denn von den Patienten, 
die überhaupt auf Adrenalin reagierten, zeigten 77 pCt. dieselbe 
Empfindlichkeit gegen Pilokarpin. 

Ferner hat sich auch bei diesen Untersuchungen gezeigt, dass 
die Jugend überhaupt eine grosse Empfindlichkeit beiden Mitteln, 
sowohl Pilokarpin wie Adrenalin, gegenüber zeigt, und weiter, 
dass Piiokarpinempfindlichkeit keineswegs Hand in Hand geht 
mit Atropinempfindlickheit. Diese Fragen, die damals er¬ 
schöpfend behandelt wurden, haben hier nur untergeordnete Be¬ 
deutung. 

Dagegen scheint uns für die Bedeutung des Ulcus verlauf es 
nnd der ülcusgenese die Beantwortung folgender Fragen von 
Wichtigkeit: 

1. Gibt die pharmakologische Prüfung gerade beim Ulcus 
pepticum mehr positive Resultate als bei anderen Krankheiten? 
Diese Frage ist mit nein zu beantworten. 

Hundert wahllos mit Ausschluss von Ulous pepticum susammen- 
gestellte Kranke und Gesunde, deren vegetatives Nervensystem auf die¬ 
selbe Weise wie in diesen Versuchen pharmakologisoh gereizt wurde, 
gaben in 88pCt. ein positives Resultat nach Pilokarpin (bei Ulcus in 
70 pCt.) und in 22 pCt. naoti Adrenalin (beim Ulous in 17 7s pCt.), 
12 pCt. (beim Ulcus 25 pCt.) verhielten sich völlig reaktionslos. 

Wir halten uns nicht für berechtigt bei der relativ kleinen Zahl 
der untersuchten Ulouskranken daraus den Schluss zu sieben, dass sich 
hier weniger Pilokarpin- und Adrenalinempfindliohe befinden als bei 
anderen Krankheiten. Mit Sicherheit können wir uns das eine sagen, 
dass die Zahl derer, die eine starke pharmakologische Reaktion geben, 
beim Ulous pepticum nicht abnorm gross ist. 

2. Weiter erschien es uns von Interesse zu ermitteln, ob 
sich die pharmakologische Reaktion bei unseren Ulcuskranken in 
irgend einer Weise von der Reaktion, die wir bei verschiedenen 
anderen Krankheiten auszulöseo versucht hatten, unterschied. 
Bei der Atropin- und der seltenen Adrenalinreaktion halfen wir 
nichts besonderes feststellen können. 

Dagegen kann es nicht als Zufall betrachtet werden, dass 
fast alle unsere Ulcuskranken, die überhaupt auf Pilokarpin rea¬ 
gierten, eine ausgesprochene Reaktion von Seiten des Magens¬ 
und Darmtraktus zeigten. 

Als solohe angesproohen wurden nur heftige Sohmersattacken, die 
zum Teil mit Brechreiz oder starkem Erbrechen einhergingen und die, 
— was noeh besonders hervorgehoben werden 9oll — niemals nach 
Atropin, Adrenalin oder Kochsatzinjektion beobachtet wurden. Wir 
sind weit davon entfernt, diese Reaktion des Magens auf Pilokarpin als 
pathognomonisches Zeichen oder als Diagnostikum für Ulcus peptionm 
anzusehen, haben wir doch Schmerzen und Beschwerden nach Pilokarpin, 
wenn auch nicht so oft, zuweilen auch bei Magengesunden beobachtet, 
aber wir stellen fest, dass der grösste Teil der pilokarpinempfindliohen 
Uioera starke Magenerscheinungen aufwies. Diese lokalisierte pharma- 
kologisohe Reaktion kann auf die verschiedenste Weise erklärt werden. 
Von vornherein ist es naheliegend, dass ein geschädigtes Organ besonders 
leicht und besonders stark auf diese Gifte reagiert. 

8. Geht der Ausfall der pharmakologischen Reaktion Hand 
in Hand mit der Stärke der Sekretionsstörungen unserer Ulcera? 
Diese Frage ist, mit Nein su beantworten. 

Von den Patienten, die auf Vagusgifte überhaupt reagierten, zeigten 
34JlpCt. Hyperohlorhydrie, 61,8 pCt. Euchlorhydrie, 4,8 pCt. völliges 
Fehlen der HCl-Sekretion. Im Gegensatz dazu zeigten von den Patien¬ 
ten, die sich völlig reaktionslos der pharmakologischen Prüfung gegen¬ 
über verhielten, 40pCt. Hyperohlorhydrie und 60pCt. Euchlorhydrie. 
Die Stärke der Sekretion geht also keineswegs parallel mit der Stärke 
der pharmakologischen Prüfung. 


1) Lehmann, Was leistet die pharmakologisohe Prüfung in der 
1 Diagnostik der Storungen im vegetativen Nervensystem? Zsohr. f. klin. ML, 
Ed. 81, H. 1. 


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4. Dasselbe ist von dem Verhalten der Schmerzen su sagen. 
Besonders frische Ulcera, die zuweilen fast ohne Schmerzen ver¬ 
laufen waren und sich nur durch starke Blutungen bemerkbar 
gemacht oder neben den Blutungen nur dyspeptische Erscheinungen 
gezeigt batten, gaben stärkste pharmakologische Reaktion, während 
wir das Umgekehrte ebenso häufig beobachteten. Das heisst 
also: Ulcosformen, deren hervorstechendstes Symptom starke 
Schmerzen sind, bedingen keineswegs eine starke pharmakologische 
Reaktion. 

Dies erscheint begreiflich, wenn wir von der Tatsache ausgehen, 
dass äohmerzen beim Ulous pepticum nioht eindeutig sind, sondern auf 
verschiedene Ursachen zurüokgefüfart werden können. Eine Ausnahme 
hiervon machten nur diejenigen Fälle, die stärkste Piiokarpinreaktion, 
ausgesprochene Stigmata und dann meist auch grosse Sohmerzen dar¬ 
boten, Schmerzen, die meist erst mehrere Stunden nach dem Essen 
(Magenentleerungssohmerz) und besonders nachts (Hungersohmers) auf¬ 
traten. Diese Fälle waren aber nioht die Regel, sie gehörten zu der 
relativ kleinen Zahl von Uloosfällen, die ich unten naher beschreiben 
werde. 

5. Einen Zusammenhang zwischen Stärke und Zahl der 
Blutungen und vagotonischen Symptomen haben wir io unseren 
Fällen nicht gefunden. 

Dieselben Fragen, die wir eben für die pharmakologische 
Reaktion beantwortet haben, müssen wir für die Stigmata von 
neuem aufrollen. Denn es bat sich uns nach jahrelangen, bei 
den verschiedensten Kranken und Gesunden fortgesetzten Unter¬ 
suchungen gezeigt, dass stark Stigmatisierte — wenn auch seiten 
— eine Bebr geringe pharmakologische Reaktion geben können, 
nnd dass andererseits sehr häufig — worauf hier besonders hin¬ 
gewiesen werden soll — Menschen die bei oberflächlicher Betrach¬ 
tung keine Zeichen einer Disharmonie des vegetativen Nerven¬ 
systems vermuten Hessen, stärkste pharmakologische Reaktion 
geben, kurz: starke pharmakologische Reaktion setzt keineswegs 
starke Stigmata voraus. 

Stigmata in irgendeiner Form finden wir, wie schon er¬ 
wähnt, hänfig bei jagendlich völlig Gesunden, bei den ver¬ 
schiedensten Krankheiten and selbstverständlich auch bei Olcns. 
Diese leichten Stigmata finden wir beim Ulcus pepticum aber 
nicht häufiger als bei anderen Krankheiten Jugendlicher. Sekre¬ 
torische, motorische Störungen oder starke Schmerzen, die auf 
eine Störnng im vegetativem Nervenapparat des Magens schliessen 
lassen, kommen beim Ulcns pepticum nicht regelmässig vor, jeden¬ 
falls lassen sich keine sicheren Zusammenhänge zwischen diesen 
leichten Stigmata und einer eventuell im Sinne von v. Bergmann 
bestehenden Magenneurose feststellen. 

Dagegen muss zugegeben werden, dass sich unter unseren 
Ulcuskranken Individuen finden, die auf den ersten Blick, als 
gestört im negativen Nervenapparat imponieren. 

Diese, meist von Stiller’schem Habitus mit Glanz- ja Glotz¬ 
auge, leichtem Blähhals, starkem Schwitzen der zitternden Hände, 
labiler Psyche, zeigen dann auch fast immer neben einer starken 
pharmakologischen Reaktion, die Zeichen einer Vagusneurose des 
Magens (Hypersekretion, Hyperperistole, Pylöruspasmus). Diese 
Fälle, die wir auf etwa 20pCt. angeben, sind aber nicht die Regel, 
sie sind absolut selten beim Ulcus, anscheinend bei diesem aber 
häufiger als bei anderen Erkrankungen. 

Die Prüfung der motorischen Funktion des Magens durch 
die Sonde ergab in der Mehrzahl der Fälle (78pCt.) normale Ver¬ 
hältnisse, d. b. 6—7 Standen nach Prohemittagessen war der 
Magen leer. 

Für. grobe motorische Störungen, die wir bei 8 Fällen von 
chronischem Ulcns feststellten, konnten narbige, durch die Opera¬ 
tion bestätigte Veränderungen am Pylorus verantwortlich gemacht 
werden. 18 pCt. zeigten nach 7 Stunden geringe Retention. Ein 
Zusammenhang zwischen diesen motorischen Störungen, deren 
Wert wir für die allgemeine Beurteilung des Krankheitsbildes 
hoch einschätzen, und den Störungen im vegetativen Nervensystem 
konnten wir niemals finden. Allerdings sind wir nicht berechtigt, 
ans dem mit Hilfe der Magenausheberung gewonnenen Resultate 
der Motilitätaprüfuog des Magens bindende Rückschlüsse zn 
ziehen anf den Ablauf der Entleerung des Magens überhaupt. 

Ueber die feineren motorischen Vorgänge Hyperperistole, be¬ 
schleunigte Anfangsentleerung, Grad der Peristole, Pylornsspiel 
und über das, was sich in der ersten Zeit der Füllung des Magens 
abspielt, kann uns nur die Beobachtung in dem Röntgenschirm 
Aufschluss geben, deren genaues Studium mit Rücksicht auf das 
vegetative Nervensystem wir besonders der von Bergmann’schen 
Schule verdanken. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 83. 


Um nicht missverstanden so werden, möchten wir gleich 
von vornherein betonen: Wir halten die Röntgendurchleuchtung 
und Röntgenaufnahme bei jedem cweifelhaften Pall von Ulcus 
pepticum für notwendig und haben sie bei kritisoher Bewertung 
als ein die Diagnose stützendes, ja oft auch als ausschlaggeben¬ 
des Mittel schätzen gelernt. Hier interessiert uns aber vor allem 
die Frage, ob das Röntgenbild für das Ulcus pepticum und 
besonders für das im Duodenum gelegenen charakteristische 
Befunde gibt. Diese Frage kann aber nur mit einem bedingten 
ja beantwortet werden. 

Auch wir haben bei Fällen, die stärkste pharmakologische 
Reaktion und ausgeprägte Stigmata zeigten, das ausgesprochene 
Bild der von v. Bergmann beschriebenen Typen, den maximal¬ 
sekretorischen und den hyperperistaltiscben Magen, gesehen. 
Diese Befunde sind aber nicht die Regel, sie sind selten, viel 
häufiger findet man nur ein oder zwei der für die Typen be¬ 
schriebenen Phänomene. Weiter wird ihr Wert für die Ulcus- 
diagnose stark' herabgemindert, weil alle die Formen, die Typen 
sowohl als die Mischformen, ohne Ulcerationen auch Vor¬ 
kommen können, ohne dass ein Ulcus zu Grunde liegt Wir 
müssen es deshalb entschieden ablehnen, jedes von der Norm 
abweichende Spiel der Magenmuskulatur ohne weiteres mit der 
Annahme eines Ulcus in Verbindung zu bringen, wir können 
vorläufig nur feststellen, dass bei Ulcus pepticum geänderte Funk¬ 
tionen am Magen und Duodenum Vorkommen, müssen aber daran 
festhalten, dass dieselben Störungen also auch ohne Ulcerationen 
beobachtet werden. 

Mit derselben Berechtigung wie wir nach Glanz-, Glotzauge, 
und dem Möbius-, Graefe-Stellwag-Symptom suchten, prüften wir 
alle unsere Fälle von Ulcus pepticum auf Störungen der inneren 
Sekretion, besonders auf solche einer Dysfunktion der Schilddrüse. 
Schon früher hatte Morana 1 2 3 ) darauf hingewiesen, dass manchen 
Fällen von vagotonischer Hyperchlorhydrie ein Hyperthyreoidismus 
zugrunde liege. 

Die alimentäre Glykosurieprobe ex amylo und e sacharo 
(nach dem Vorschlag Naunyn’s 100 g Traubenzucker 2 Std. 
nach dem ersten Frühstück) verlief in allen Fällen negativ. 

Den Kreis unserer Untersuchungen erweiterten wir durch 
Bestimmung der Zuckerausscheidung nach Verabreichung von 
Phloridzin [Caro*)]. Nach der Mittagsmahlzeit gaben wir P/z ©g 
Phloridzin und belasteten den Kohlehydratstoffwechsel mit 100 g 
Himbeersaft. 

Der in regelmässigen Intervallen aufgefangene Urin wird gemessen 
und sein Zuokergehalt in Grammen festgestellt. Der Gesunde scheidet 
danach nioht über 2-—4 g Zucker aus, während bei Hyperthyreoidismus 
nach Caro Werte bis 25 g gefunden werden. Mit der Beurteilung von 
Grenzwerten d. h. Werten zwisohen 5—10 g soll man besonders vor¬ 
sichtig sein. 

Von unseren 40 auf Phloridzinglykosurie Geprüften schieden 9 über 
4 g Zucker aus. 7 von diesen können völlig unberücksichtigt bleiben, 
da ihre Zuokerausoheidungen sich zwisohen 5 und 6 g bewegten. Die 
beiden letzten, mit einer Zuokerausscheidung von 9 resp. 15 g zeigten 
weder besonders starke pharmakologische Reaktion nooh starke Stigmata. 
Die Säurewerte bei dem einen von ihnen waren sogar besonders gering. 

Bekanntlich hat auch das Blutbild beim Basedow und 
allen den Krankheitsbildern, die auf eine Dysfunktion der Schild¬ 
drüse schliessen lassen, diagnostische Verwertung gefunden. 

Kocher 8 ) hat als erster gezeigt, dass wir bei Störungen der Schild¬ 
drüse ein ganz charakteristisches Blutbild finden: nämlich Vermehrung 
der Lymphozyten auf Kosten der polymorphkernigen Leukozyten, rela¬ 
tive Lymphozytose. Diese Befunde wurden im grossen und ganzen von 
verschiedenen Autoren, die diesbezügliche Nachprüfungen angestellt 
haben, bestätigt. Ich nenne hier nur Büohler 4 ), Caro 5 ), Käppis 6 ), 
Lier 7 ), Roth 8 ) u. a. 

Weitere Untersuchungen erwiesen, dass die Lymphozytose nioht 
nur bei den erwähnten, sondern auch bei den verschiedensten Krank¬ 
heiten, denen scheinbar jegliche gleiche Basis fehlte, vorkommt. 


1) Kuttner Störungen der Sekretion. Spez. Path. u. Ther. inn. 
Krankh. (Kraus -Brugsch). 

2) Caro, Vermehrte Phloridzinglykosurie und die Frage ihrer Ver¬ 
wertung. Mitt. Grenzgeb., Bd. 23, H. 1. 

3) Th. Kocher, BlutuntersuohuDgen bei Morbus Basedowii. 

4) Bühl er, Ueber die Lymphozytose bei Basedowscher Krankheit 
und bei Basedowii. M.m.W., 1910, Nr. 19. 

5) Caro, Blutbefunde bei Morbus Basedowii. B.kl.W., 1908, Nr. 89. 

6) Käppis, Ueber Lymphozytose des Blutes bei Basedow und 
Struma. Mitt. Grenzgeb., Bd. 21, S. 729. 

7) Lier, Biutuntersuohungen bei Morbus Basedowii. Beitr. z. klin. 
Chir., Bd. 69, H. 2, S. 201. 

8) Roth, Butuntersuchungen. D.m.W., 1910, Nr. 6. 


In allerjüngster Zeit hat Hnhle 1 ) auf Veranlassung von Kliene- 
berger Biutuntersuohungen, die bei 110 der verschiedensten Krankheiten 
aDgestellt wurden, zusammengestellt. Auf Grund dieser Untersuchungen 
warnt er dringend vor einer Ueber Wertung der Lymphozytose. Br 
schlägt deshalb vor, erst Fälle, die jenseits 85—40pCt liegen, als relative 
Symptome zu bezeichnen, was einer absoluten Lymphozytose von 2400 
bis 2700 entsprechen würde. 

Zahlreiche Biutuntersuohungen bei den verschiedensten Krankheiten 
zeigten auch uns das überaus häufige Vorkommen von Lymphozytose, 
wenn wir bei den alten Grenzwerten (25pCt.) blieben, loh habe nfioh 
deshalb dem Vorschlag Huhle’s angesohlossen und nur dann von Lym¬ 
phozytose gesprochen, wenn die prozentuale Lymphozyten zahl 40 über¬ 
stieg. Doch glaube ich, dass bei dieser Sichtung den als Lymphozytose 
angeführten Werten einige Bedeutung zukommt. 

Eosinophile, polynukleäre Leukozyten finden sich nur etwa 
2—4 pCt. im normalen menschlichen Blut. 

Gesteigertes Vorkommen von eosinophilen Zellen bei verschiedenen 
Krankheiten, so bei Asthma bronchiale und bestimmten Häuterkrankungen, 
Pemphigus, Urticaria, Ekzem, ist schon längst bekannt. Diagnostisch 
hat die Eosinophilie besonders bei Helminthiasis und Triohiuosis Ver¬ 
wertung gefunden. Sie ist uns weiter bekannt im postfebrilen Stadium 
bei verschiedenen Infektionskrankheiten, bei malignen Tumoren, die zu 
Kachexie geführt haben, bei chronischen Milztumoren und nach Milz¬ 
exstirpation. Schon Nägeli machte auf ihr Vorkommen bei verschiedenen 
Formen von Neurasthenie und nervösen Durchfällen aufmerksam, und 
gerade in letzter Zeit 8 ) ist wieder von neuem ihr Vorkommen bei ver¬ 
schiedenen der oben erwähnten Krankheiten, beim Asthma bronohiale, 
bei der Urticaria u. a., denen wir, ganz allgemein gesagt, jetzt eine ner¬ 
vöse Komponente beilegen, bestätigt worden. 

Eppinger und Hess fanden bei ihren Vagotonikern häufig 
Eosinophilie, und bekannt ist ja auch die nach Pilokarpininjektion 
auftretende Vermehrung der eosinophilen Leukozyten. 

Ueberblicken wir unter diesem Gesichtspunkte die an unseren 
Patienten ausgeführten Blutuntersuchungen, so hatten 20 pCt. 
eine relative Lymphozytose, 10 pCr. eine Eosinophilie zwischen 
5—9 pCt. Die Hälfte der Eosinophilen war auffallend stark 
vagusstigmatisiert und zeigte nach Pilokarpininjektion ganz abnorme 
Speichelmengen bis 600 g, die anderen mit niederen Säurewerten 
verhielten sich völlig refraktär der pharmakologischen Reaktion 
gegenüber. 

Bei den Lymphozytosen handelt es sich allerdings grössten¬ 
teils um nervöse asthenische Individuen. 

Die Hämoglobinbestimmung, die fortlaufend bei allen 
unseren Ulkuskranken nach der Sahli’schen Methode ausgefühlt 
wurde, hat für die uns hier gestellten Fragen wenig Bedeutung. 

Meist ging ein blasses anämisches Aussehen parallel mit geringem 
Hämoglobingehalt und verminderter Zahl der roten Blutkörperchen. 
Es kann uns das nioht wundern, handelte es sieh doch in sehr vielen 
Fällen um Individuen, die eben eine sohwere Blutung durcbgemaoht 
hatten oder oft sehr lange Zeit okkult bluteten. Trotzdem überrasohte 
mich doch nooh unter meinen Uiouskranken eine bestimmte Zahl von 
Individuen, die bei ganz auffallender Blässe der Haut normale Werte 
für Hämoglobin und Zahl der roten Blutkörperchen aufwiesen, loh 
habe diese spastische Blässe, die auf Vasomotorenstörung hindeutet, 
recht häufig bei asthenischen, nervösen Individuen gefunden. 

Aus äusseren Gründen habe ich nur bei einem kleinerem 
Teil unserer Ulcuspatienten die Bestimmung der Blutgerinnung, 
die ja in der Diagnostik der Störungen der Schilddrqsenfnnktion 
grosse Bedeutung gewonnen hat, vorgenommen. 

loh bediente mich dabei der Schulze'schen Methode, die mir bei 
exakter Ausführung im grossen und ganzen brauchbare Resultate ge¬ 
geben hat. loh fand bisher bei meinen Uiouskranken keine groben 
Veränderungen, sondern normale Gerinnungszeiten. Doch berechtigt 
die geringe Zahl der daraufhin untersuchten Ulcuspatienten (10) nioht 
zu weitgehenden Schlüssen. 

Bei unseren Untersuchungen über die Zusammensetzung 
zwischen Ulcus pepticum und Störungen im vegetativen Nerven¬ 
system hat sich danach folgendes ergeben: 

Die positive pharmakologische Reaktion und Stigmata im 
vegetativen Nervensystem, nach unseren Erfahrungen ein Zeichen 
der Jngend an sich, finden wir beim Ulcus pepticum nicht häu¬ 
figer als bei anderen Krankheiten Jugendlicher. Stigmata im 
vegetativen Nervensystem oder positive Reaktion bei dem Ausfall 
der pharmakologischen Prüfung als ausschlaggebendes Diaguostikom 
io zweifelhaften Ulkusfällen anzosehen, müssen wir entschieden 
ablehnen. Stigmata in geringem, aber auch in ausgeprägtem 
Maasse sind häufige Begleiterscheinungen bei den verschiedensten 

1) Huble, Ueber Lymphozytose und ihre diagnostische Über¬ 
bewertung. D. Arch. f. klin. M., Bd. 118, H. 5, S. 455. 

2) v. Hoesslin, Ueber Lymphozytose bei Asthenikern und Neuro- 
p&then und deren klinische Bedeutung. M.m.W. 


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18. Angast 1919, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


776 


Krankheiten, and die übergrosse Zahl aller Jugendlieben sind 
so labil im vegetativen Nervenapparat, dass sie anf die pharma¬ 
kologische Prüfung stark oder überaus stark ansprecben. 

Von leichten Stigmata und positiver pharmakologischer Re¬ 
aktion aaf Störungen im nervösen Apparat des Magens iu 
schliessen, ist nicht angängig. Sehr oft seigen gerade diese Fälle 
gani normale Verhältnisse, während wir Spasmen, Schmerzen, 
Hypersekretion bei Individuen finden, die auch bei genauester 
Untersuchung des vegetativen Nervenapparates jede Störung ver¬ 
missen lassen. 

Dagegen zeigte eine gewisse Zahl unserer Ulcuskranken im 
Gegensatz zu anderen Kranken starke Stigmata, stärkste Pilo¬ 
karpinreaktion und Zeichen einer Magenneurose (im Röntgenbild 
Bergmann’sche Typen, Hypersekretion u. a.). Diese Fälle, die wir 
auf 20 pCt. angaben, sind aber nicht die Regel. 

Wenn die von anderer Seite angegebene Zahl 90 pCt. über¬ 
steigt, so liegt das, unseres Erachtens nach, an einer Ueber- 
sebätzung der Stigmata und der Bedeutung der pharmakologischen 
Prüfung. 

Besonders def pharmakologischen Prüfung können wir nach 
sehr grossen Erfahrungen nur einen sehr bedingten Wert zu- 
gestehen. 

Die Reaktion des vegetativen Nervenapparates auf die be¬ 
kannten pharmakologischen Mittel und die angegebenen Stigmata 
sind — wie wohl jetzt allgemein angenommen wird — nur 
Zeichen einer besonderen Körperanlage, Zeichen einer degene- 
rativen Konstitution. Die vegetativ Stigmatisierten bieten Be¬ 
rührungspunkte mit anderen bekannten Konstitutionsanomalien, 
z. B. mit der Asthenia „Stiller 11 , und zeigen neben den auf 
Störungen des vegetativen Nervensystems hindeatenden Symptomen 
auch andere konstitutionelle Merkmale, so mit Störungen der 
inneren Sekretion zusammenhängende Symptome, u. a. — wie 
ich in diesen Untersuchungen festgestellt habe — in einer nicht 
unerheblichen Prozentzahl ausgesprochene Lymphozytose und 
Eosinophilie. Mit Rücksicht auf das Ulcus pepticum, das uns 
bei unseren Ausführungen vornehmlich beschäftigt, drängt sich 
uns die Frage auf, ob die durch Störungen des vegetativen 
Nervensystems charakteristische Konstitutionsanomalie in irgend¬ 
einem Zusammenhang steht mit der Ulcupgenese, v. Bergmann 
nimmt einen solchen Zusammenhang von vornherein an, wenn er 
sagt: „Was zur Diskussion steht, ist weniger die Behauptung, 
dass der Ulcusapparat etwas mit der Ulcusentstehung zu tun 
hat, sondern das Wie?“ So rückhaltlos können wir uns mit dieser 
Auffassung nicht einverstanden erklären. Was spricht denn für 
den Zusammenhang von Störungen im vegetativen Nervenapparat 
und Ulcusentstehung? 

Vor allem angeblich der Umstand, dass beim Ulcus pepticum 
die pharmakologischen Prüfungen verhältnismässig häufig positiv 
ausfallen und andere Stigmata oft angetrofifen werden sollen. 
Hier besteht aber eine sehr beachtenswerte Divergens der An¬ 
sichten und Befunde, v. Bergmann gibt an, dass 90 pCt. aller 
Ulcuskranken nervös Stigmatisierte sein sollen. 

Eine wirklich anerkennenswerte Störung im vegetativen 
Nervensystem fanden wir nach unseren Berechnungen nur in 
etwa 20 pCt. der Fälle von Ulcus pepticum, und das besagt nicht 
viel, wenn wir berücksichtigen, dass dieselben konstitutionellen 
Merkmale auch bei anderen Erkrankungen in derselben Häufig¬ 
keit, bei einigen vielleicht noch häufiger, angetroffen werden. 

Nun ist allerdings zuzugeben, dass bei den 20 pCt. positiven 
Befunden beim Ulcus pepticum die auf Störungen im vegetativen 
Nervensystem hindeutenden Symptome auffallend stark aus¬ 
gesprochen waren. Von diesem Gesichtspunkt aus könnte man 
sich bestimmen lassen, die ausgeprägte Disharmonie im viszeralen 
Nervensystem beim Ulcus pepticum nicht als ein einfaches Zu¬ 
sammentreffen aufzufassen, sondern mit der organischen Magen¬ 
erkrankung in Beziehung zu bringen und zwar entweder in dem 
Sinne, dass die vor dem Manifestwerden der Ulcussymptome ge¬ 
störte Harmonie im gesamten vegetativen Nervensystem durch 
das akute Hervortreten der Ulcussymptome stärker in Er¬ 
scheinung getreten wäre, oder aber in dem Sinne, dass eine be¬ 
sonders weitgehende Disharmonie im vegetativen Nervensystem 
günstige Bedingungen für die Entstehung eines Ulcus gebe. Für 
beide Möglichkeiten lassen sich Begründungen finden und sind 
von verschiedenen Seiten auch gegeben worden. 

Die erste Annahme liegt am nächsten, es ist verständlich, 
dass durch lang anhaltende Schmerzen, durch starke Blutungen, 
eingeschränkte Diät usw. ein an und für sich labiles Nerven¬ 
system empfindlich geschädigt werden kann. Allerdings ist schwer 


| zu beweisen, dass das Ulcus und seine Folgen all die nervösen 
Erscheinungen hervorruft, nachdem wir wissen, dass beispielsweise 
sekretorische Störungen in schwerster Form, ja der ganze Sym- 
ptomen komplex der motorischen und sekretorischen Störungen 
genau wie beim Ulcus auch ohne Ulcus Vorkommen kann bzw. 
ohne ein Ulcus hervorzurufen. 

Die zweite Annahme, für die v. Bergmann 1 ) und seine 
Schule besonders eintreten, muss zunächst eine Hypothese bleiben. 
Selbstredend lassen sich gewichtige Gründe für die neurogene 
Entstehung des Ulcus anführen. Ich erinnere nur an das häufige 
Vorkommen des Ulcus, wenn man von den seltenen Ulcusfällen 
im Kindesalter absieht, im jugendlichen und mittleren Alter, in 
dem überhaupt das Auftreten einer vegetativen Neurose häufig 
beobachtet wird, und die andererseits seltene Entstehung des 
Ulcus in den späteren Jahren. Aber alle diese Gründe, von 
denen sich noch mehrere anführen liessen, sind nicht beweis¬ 
kräftig. Selbst wenn sich eine vegetative Neurose vor Auftreten 
von Ulcu88ymptomen nach weisen Hesse, lässt sich nicht aus- 
schliessen, dass vor dem Manifestwerden der Geschwürssymptome 
das Ulcus schon symptomlos bestanden hat. Das Vorkommen 
solcher latenter Geschwüre ist nach allgemeinen Erfahrungen am 
Sektionstisch ja genügend bekannt. 

Die Beweisgründe aber, die v. Bergmann*) nnd seine Mit¬ 
arbeiter zur Bekräftigung ihrer Behauptung anfübren, sind keines¬ 
wegs stichhaltig genug, um die Annahme der nervösen Ent¬ 
stehung peptischer Ulcera genügend zu stützen. 

Weil 10 sichere Ulcuskranke trotz Schwinden ihrer sub¬ 
jektiven Beschwerden deutliche Stigmata im vegetativen Nerven¬ 
apparat aufweisen, ist eine „vom offenen Ulcus aus durch die 
subjektiven Beschwerden quasi ausgelöste Neurose anzunehmen 
unmöglich 11 . Tägliche Erfahrungen am} Krankenbett und am 
Sektionstisch zeigen uns, dass das Schwinden der subjektiven Be¬ 
schwerden nicht zu identifizieren ist mit dem Schwinden des 
Ulcus selbst, und dass trotz völligen Fehlens der Ulcus- 
beschwerden das Ulcus an sich, d. h. die anatomische Läsion 
fortbestehen kann, ja meist fortbesteben wird. Aber ganz ab¬ 
gesehen davon, darf es nicht überraschen, wenn sekundär hervor¬ 
gerufene Krankheitsbilder bestehen bleiben, während das primäre 
auslösende Moment schon längst abgeklungen ist. 

Die Verknüpfung mit anderen rein nervösen Erkrankungen 
im Gebiet des vegetativen Nervensystems: „Zweimal sehen wir 
(v. Bergmann) neben dem Ulcus eine typische Angina pectoris 
vasomotorica, ebenso oft paroxysmale Tachykardien und einmal 
eine hartnäckige Colitis mucosa u als Beweis für die Entstehung 
des Ulcus anzuführen, erscheint mir schon deshalb nicht an¬ 
gängig, weil die allgemeine, zugleich neben dem Magen auch 
andere Organe befallende vegetative Neurose doch recht selten 
ist. Ich habe sie unter 40 Ulcusfällen nur einmal (Colitis 
mucosa) beobachten können, und gerade , die Erklärung einer 
„lokalisierten Vagotonie u , die wir für die Mehrzahl der hierher- 
gebörigen Ulcera annebmen müssten, bereitet erhebliche Schwierig¬ 
keiten. 

Das deutliche Zurückgeben der Ulcusbesch werden in der 
Schwangerschaft, die ja eine Umstimmung im vegetativen Nerven¬ 
system herbeiführen könnte, hat Westphal zweimal beobachtet. 
Drei unserer Patientinnen, bei denen allerdings aus begreiflichen 
Gründen keine pharmakologische Prüfung gemacht werden konnte, 
suchten wegen sehr heftiger, sicherer Ulcusbesch werden gerade 
während ihrer Gravidität das Krankenhaus auf. Ein Entscheid 
in dieser interessanten Frage müsste erst durch Herbeischaffung 
eines grösseren Materials erbracht werden. 

Wir sind natürlich nicht in der Lage, den strikten Gegen¬ 
beweis für die Annahme zu bringen, dass die Disharmonie im 
viszeralen Nervensystem zur Entstehung des chronischen Ulcus 
führen kann. Die Möglichkeit, dass dieser Faktor eine Störung 
der Blutzirkulation in einem umschriebenen Gebiet der Magen¬ 
schleimhaut veranlassen und somit eine der allgemein anerkannten 
Ursachen für die Entstehung eines Geschwürs abgeben kann, ist 
zuzugeben. Zuverlässige Beweise hierfür sind aber noch nicht er- 


1) v. Bergmann, Ulous duodeni und vegetatives Nervensystem. 
B.kl.W., 1918, Nr.51. — Derselbe, Zur Pathogenese des chronischen 
Ulcus peptioum. B.kl.W., 1918, Nr. 22 u. 28. — Derselbe, Die Be¬ 
deutung der Radiologie für die Diagnostik der Erkrankungen des Ver¬ 
dauungskanals. Aroh. f. Verdauungskrankb., Bd. 22. — Derselbe, Die 
Röntgendiagnostik des Ulcus duodeni. — Westphal u. Katsch, Das 
neurotische Ulcus duodeni. Mitt. Grenxgeb., Bd. 26, H. 8, S. 491. 

1 ^( 2 ) Westphal, Untersuchung zur Frage der nervösen Entstehung 
peptisoher Ulcera. Aroh. f. klin. M., Bd. 114. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 83. 


bracht, und jedenfalls ist es zu weit gegangen, die Disharmonie 
im viszeralen Nervensystem als häufigste und wichtigte Ursache 
des chronischen Ulcus anznsehen. Von Wichtigkeit wäre es, den 
Beweis zu liefern, dass Ulcera bei dieser Konstitutionsanomalie 
häufig zu Rezidiven neigen, und dass Personen, die an einer 
Ulcnskrankheit leiden, zu den besonders stark „nervös stigmati¬ 
sierten“ gehören. Zu diesem Nachweis genügt aber keineswegs 
die pharmakologische Untersuchung und das Feststellen von 
Stigmata allein. 


Aus der medizinischen Universitäts-Poliklinik Breslau. 

Nebennierentumor und GeschlechtsdrQsen- 
ausfall beim Manne 1 ). 

Von 

A. Bittorf. 

Zwischen Nebennieren und Keimdrüsen bestehen offenbar 
enge Beziehungen. Schon entwicklungsgeschicbtlich entstehen 
Nebennieren und Keimdrüsen aas nahe aneinander liegenden Teilen 
des mesodermalen Keimblattes. Sie behalten auch späterhin diese 
räumlich nahen Beziehungen, die sich in der Häufigkeit versprengter 
Nebennieren-(Rinden )keime entlang dem Wege der wandernden 
Geschlechtsdrüsen und in den Keimdrüsen selbst äussert. Experi¬ 
mentell ist Nehennierenbypertrophie z. B. nach Entfernung der 
Kierstöcke bei Hunden erzeugt. Und die physiologischen Neben¬ 
nierenhypertrophien bei Brunst und in der Schwangerschaft zeigen 
ebenfalls korrelative Beziehungen an. 

Umgekehrt habe ich zuerst auf das Versagen der Geschlecbts- 
funktion, frühzeitige Amenorrhoe bei Nebennierenatrophie und 
Addison’scher Krankheit hingewiesen. 

Die auffälligsten Tatsachen liefert aber die Kasuistik der 
Nebennierenhypemlasien, bzw. Tumoren. 

March and fand zuerst Hypertrophie der Nebennieren (Rinde) 
bei Pseudohermaphroditismus femininns. Das ist seitdem 
vielfach bestätigt. Wie oft diese Kombination besteht, ist aller¬ 
dings noch nicht festgestellt. Fast ausnahmslos wurden auf¬ 
fallenderweise Nebennierenhypertrophien und Tumoren nur bei 
Pseudohermaphroditismus femininus gefunden. 

Beim wachsenden Individuum, und zwar handelt es sich 
vorwiegend um Mädchen, führen Tumoren der Nebennierenrinde 
(bzw. Hypernephrome) wiederholt zu prämaturer Körper- und 
Genitalentwicklung, besonders der sekundären Geschlechtscharak¬ 
tere, oft zu starker Bartentwicklung bei Mädchen und zu Adi¬ 
positas, also Erscheinungen ähnlich den Veränderungen bej 
Zirbeldrüsen- und Keimdrüsentumoren. 

Ausschliesslich bei weiblichen Erwachsenen (nach Falta) 
ist in einer Anzahl von Nebennierentumoren Zessieren der Menses, 
Uterusatrophie, Hypertrichosis nach männlichem Typus (Lineae 
albae und Bartwuchs) und Fettsucht beobachtet worden. 

Der heute Ihnen demonstrierte Fall betrifft nun zum 1. Male einen 
männlichen Erwachsenen, bei dem gerade umgekehrte Aenderungen 
der sekundären Geschlechtscharaktere bei einem Nebennierentumor sich 
entwickelt haben. 

K.. 26 Jahre alt, gibt an, seit März 1918 an Atemnot zu leiden. 
August 1918 trat eine fortschreitende VergTÖsserang der Brüste und seit 
einigen Monaten Schwund der Hoden ein. Seit Februar bemerkt er eine 
Abnahme der Potenz und seit März 1919 ist eine Geschwulst in der 
linken Bauchseite sichtbar. 

Befund: 24. IV. 1919. Gutes Anssehen und recht guter Ernährungs¬ 
zustand, jedoch keine Adipositas. Beide Brüste sehr gross, weiblich, 
bestehen aus Fett und einem reichlichen Drüsengewebe. 

Haupt-, Achsel-, Gesohlechtsbehaarung, Barthaar stark, nicht 
weiblioh. 

Pigmentfleckchen am Lidrand: Gesicht leioht gebräumt, angeb¬ 
lich etwas dunkler geworden. Keine Schleimhautpigmentationen. 

Stimme booh, aber nicht hoher geworden. 

Schädelbasis und Sella turcica röntgenologisch nicht abnorm. Keine 
Sehstörung. 

Herzbefund regelrecht. Blutdruck 140 mm Hg, Arterienwand etwas 
verdickt. Lungen: Links hinten unten pleuritisches Reiben, das linke 
Zwerchfell steht hoch. Die linke obere Bauchseite ist stark vorgewölbt 
und die linke Rückenseite ebenfalls. Man fühlt in der linken Ober¬ 
bauchgegend einen grossen, höckerigen Tumor, der unter dem Rippen¬ 
bogen vorkoramt, nach unten fast bis spin. iliaca, nach rechts weit über 


1) Demonstration in der Schles. Ges. f. vaterl. Cultur. 


die Mittellinie in knolligen Höckern reicht. Er ist ziemlich hart. Ueber 
dem unteren Teile ist tympanitisch gedämpfter Schall. Ihm sitzt dicht 
unter dem linken Rippenbogen eine kleine, faustgrosse Geschwulst auf, 
die an der Inzision und Form deutlich als dislozierte Mils erkenn¬ 
bar ist. 

Im klaren Harn eine Spur Eiweiss, kein Zucker. Im Zentrifugat 
ziemlich reichlich Erythrozyten, spärlich Leukozyten, z. T. mit Epithel 
besetzte Zylinder. Daneben findet man grosse glasige Zellen, vereinzelt 
auch gekörnte Zellen. Ueber dem Tumor ist Reiben fühlbar. 

Hb. 60pCt. Erythrozyten 4820000, Leukozyten 11300, 60pCt 
Polynukleäre, 15 pCt. Lymphozyten, 24 pCt. Mononukleäre, lpCt. Eosino¬ 
phile. 

Beide Hoden sehr klein, kaum erbsengross, weich. Eine links¬ 
seitige Varikozele und am linken Oberschenkel geringe Krampfadern 
(Hautkapillarektasien) sollen erst neuerdings entstanden sein. 

Am 16. V. ist die Leber vergrössert und zeigt knotige Metastasen, 
während der übrige Befund unverändert ist. 


Es handelt sich also um ein jugendliches männliches 
Individuum mit einer offenbar von der linken Nebenniere (Niere?) 
ausgehenden grossen Geschwulst, Hypernephrom, bei dem 
gleichzeitig mit, bzw. kurz nach Auftreten der ersten Zeichen 
der beginnenden Geschwulstentwicklung eine Vergrösserung 
der Brüste. Schwund der 
Hoden eintrat.. Eine leichte 
Zunahme der Pigmentation 
entwickelte sich erst in jüngster 
Zeit. 

Welche Störung in diesem 
Falle die primäre ist, ist schwer 
zu entscheiden. In einer Reihe 
von Fällen scheinen die zeitlichen 
Verhältnisse dafür zu sprechen, 
dass der Nebennierentumor zu¬ 
erst auftritt. die übrigen Sym¬ 
ptome, ähnlich unserem Falle, 
folgen. Jedoch ist damit noch 
nicht bewiesen, dass auch eine 
derartige kausale Abhängigkeit 
besteht. Der Erfolg, der mit der 
Operation in einem Falle von 
Bovin erzielt wurde, Wiederauf¬ 
treten derMen8e8,Grös8enznnahme 
des Uterus, ist nicht sicher ver¬ 
wertbar, da hier der Nebennieren¬ 
tumor im Ovarinm sass. Es wurde 
dieses erkrankteOvarium entfernt. 

Es ist vorstellbar, dass damit ein 
Reflex, bzw. chronischer (chemi¬ 
scher) Reiz, der auf das gesunde 
Ovarium ein wirkte, damit sch wand. 

Es ist umgekehrt denkbar, dass hier eine primäre Entwick¬ 
lungsstörung (Anlageanomalie) vorliegt, die einerseits zur Bildung 
des Nebennierentumors, andrerseits zur Atrophie der Geschlechts¬ 
organe führt. Es gibt doch zahlreiche Hypernephrome (supra- 
renalen Ursprungs und Rindenzellentypus), bei denen eine Aende- 
rung der Geschlechtscharaktere eben nicht auftritt. Hier läge 
eine solche pluriglanduläre Insuffizienz dann nicht vor. Die An¬ 
nahme einer gelegentlichen gleichzeitigen minderwertigen Anlage 
von Nebennieren und Keimdrüsen durch eine Bildungsanomalie 
wäre bei ihrer eng aneinander liegenden Entstehungsstätte nicht 
auffallend. An die bei Hypernephroraen gelegentlich von uns beob¬ 
achteten Addison-Symptome könnte hier die mässige Pigmentation 
erinnern, während die geringe Hypertonie (140 mm Hg) wohl auf 
die Mitbeteiligung der Nieren bezogen werden könnte. Doch ist 
auch ohne begleitende Nierenerkrankungen von Neusser starke 
Hypertonie in solchen Fällen gesehen werden. 

Jedenfalls verdient unser Fall besonderes Interesse, da er der 
erste Fall von Keimdrüsenschwund und Aenderung der Geschlechts¬ 
charaktere beim Hypernephrom eines Mannes ist. 



Nachtrag bei der Korrektur: Unter zunehmender Metastasen- 
bilduDg (Leber) und Erscheinungen der Kompression der unteren Hohl¬ 
vene und spät eintretender Kachexie ist inzwischen der Tod erfolgt. Die 
Sektion bestätigte die klinische Diagnose in allen Einzelheiten: grosses 
von der linken Nebenniere ausgehendes Hypernephrom (Rindenzellen¬ 
typus), linke Niere (makroskopisch) nur stark komprimiert. 



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18. Anglist 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Grippe und Keuchhusten 1 ). 

Von 

Priv.-Dos. Dr. Niemau. 

Im Herbst v. J. habe ich an dem unter meiner Leitang 
stehenden Halenseer Säuglingsheim eine Epidemie von Grippe 
beobachtet, die ausserordentlich schwer und auffallend charak¬ 
teristisch verlaufen ist, und die anch einige andere bemerkens¬ 
werte Besonderheiten dargeboten hat. 

Die Krankheit trat in einer so explosiven Weise auf, wie ich 
mich nicht erinnern kann, es jemals gesehen an haben. Anf 
einer einzigen Station hatten eines Morgens bei der Visite von 
13 Kindern 12 hoch fieberhafte Temperaturen, und von diesen 
12 Kindern bekamen 10 im Laufe der nächsten Tage eine 
schwere Pneumonie; 6 davon gingen in kurzer Zeit zugrunde. 
Die Erkrankung war von aussergewöhnlicher Schwere, gänzlich 
verschieden von dem, was wir gewöhnlich als Säuglingsgrippe 
zu bezeichnen pflegen. Da sind wir gewöhnt, die Kinder fiebern 
zu sehen, und sehr oft müssen wir uns bemühen, eine Ursache 
für das Fieber zu finden, während in diesen Fällen gleich am 
ersten Tage des Fiebers ein ganz enormer Lungenbefund vor¬ 
handen war, über den man geradezu, wenn ich so sagen darf, 
stolperte, d. h. wir waren oft erstaunt, vom ersten Tage an die 
auffälligsten Lungenbefunde zu sehen, zum Teil ausgebreitete 
Dämpfung, die sich rasch ausbreitete, Bronchialatmen oder massen¬ 
haftes Knisterrasseln. Das liess sich immer am ersten oder zweiten 
Tage nach weisen. 

Ich will Sie im übrigen mit einer Schilderung dieser Lungen¬ 
erscheinungen nicht aufhalten. Sie boten sonst nichts besonderes. 
Wir haben die Kinder auch seziert und dabei festgestellt, dass 
es sich um schwere pneumonische Erkrankungen handelte. 

Es sind im ganzen 52 Kinder erkrankt, von denen 43, das 
sind 83pCt., diese schweren Lungenbefunde dargeboten haben. 
Nur 9 Kinder hatten einen anderen Befund: drei eine gewöhnliche 
Rhinopharyngitis, drei eine Otitis media, und drei junge Säug¬ 
linge starben an schweren toxischen Ernährungsstörungen sehr 
rasch, was wir aber wegen des zeitlichen Zusammentreffens mit 
dieser Endemie auch wohl auf diesen Infekt beziehen dürfen. 
Einige Male haben wir bei dieser Endemie einen auffallenden blutigen 
Schnupfen beobachtet, bei dem wir auch an Nasendiphtherie 
dachten, was sich aber nicht bestätigte. Diese Beobachtungen 
fallen mit denen anderer zusammen, die berichten, dass hämor¬ 
rhagisches Sputam und hämorrhagisches Sekret in der Lunge ge¬ 
funden worden sei. Auch einige scharlachähnliche Exantheme 
haben wir gesehen. 

Die Mortalität war ausserordentlich gross, entsprechend der 
Schwere der Erkrankung, nämlich 88 pOt. Das entspricht dem, 
was von Erwachsenen berichtet wird. Man hat bei dieser schweren 
pneumonischen Grippeerkrankung ja eine Mortalität von durch¬ 
schnittlich 50 pCt. beobachtet; andere berichten sogar noch höhere 
Ziffern. 

Es hat sich also hier um einen besonders schweren Infekt 
gehandelt. Wir haben keine bakteriologischen Untersuchungen 
machen können, aber wir dürfen wohl diesen Infekt mit der 
Grippe oder der Influenza, wie sie damals bei uns geherrscht 
hat, identifizieren, schon wegen des charakteristischen Verlaufes, 
wegen des zeitlichen Zusammentreffens, dann auch wegen des ex¬ 
plosiven Beginns dieser Epidemie, aus dem man ja auch schliessen 
kann, dass die Erkrankung von den Schwestern auf die Säug¬ 
linge übertragen worden ist. 

Bevor ich auf die Hustenphänomene eingehe, die wir bei 
diesen Kindern beobachtet haben, möchte ich ein paar Worte von 
der Ernährung der Säuglinge sprechen. Wenn Säuglinge an 
solchen Infekten erkranken, so ist ja immer die Frage der Er¬ 
nährung von grossem Interesse. Wir nehmen an, dass gewisse 
Ernährungsmethoden den Säuglingen eine bessere Immunität ver¬ 
leihen als andere, dass namentlich bei Frauenmilchernährung die 
Immunität, die Widerstandskraft gegen Infekte besonders gut ist, 
und wir glauben auch annehmen zu dürfen, dass das Fett zur 
Immunität der Säuglinge in einer gewissen Beziehung steht; 
wenigstens wissen wir, dass bei einer fettarmen Ernährung, die 
infolgedessen auf Kohlehydrate eingestellt sein muss, die 
Immunität eine schlechte ist. 

Von unsern jüngeren Säuglingen — auf diese kommt es be¬ 
sonders an — die noch keine gemischte Kost bekommen haben, 

1) Vortrag, gehalten in der Sitzung der Berliner medizinischen Ge¬ 
sellschaft am 4. Juni 1919. Gekürzt. 


wurde die Hälfte mit fettreichen Mischungen ernährt. Dazu 
rechne ich die Frauenmilch, dann die Eiweissmilch und die 
neuerdings von Czerny und Kleinschmidt empfohlene Butter¬ 
mehlnahrung. Die andere Hälfte erhielt fettarme Ernährung, die 
mit Kohlehydraten angereichert war. Dazu rechne ich die ge¬ 
wöhnlichen Milchmischungen: Halbmilch und Drittelmilch und 
dann eine Halbmilch mit 17 pCc. Zuckerzusatz, die neuerdings 
Schick angegeben hat, also eine extrem auf Kohlehydrate ein¬ 
gestellte Nahrung. 

Nun, m. H., dass eine Nahrung, sei sie noch so gut, Er¬ 
krankungen, auch den Tod bei einem solchen Infekt verhindern 
soll, können wir nicht verlangen. Wir haben Brustkinder er¬ 
kranken sehen und haben ein Ammenkind verloren, ein sich 
ausgezeichnet entwickelndes Kind, das ein paar Monate in der 
Anstalt war, glänzend gediehen ist, das keinerlei konstitutionelle 
Abnormitäten zeigte; das ist in kurzer Zeit dieser schweren pneu¬ 
monischen Erkrankung erlegen. Das kommt natürlich vor. Aber 
sehr wesentlich ist, dass dieser schwere Ausgang bei den fettreich 
ernährten Kindern zu den Ausnahmen gehörte, während bei kohle- 
hydratreicb ernährten Kindern, der schlechte Ausgang, die Wider¬ 
standslosigkeit gegen den Infekt die Regel war. Von den 11 kohle¬ 
hydratreich ernährten Kindern haben nur 2 die Krankheit über¬ 
standen, 9 sind gestorben, alle unter der Form einer schweren 
toxischen Ernährungsstörung mit Gewichtsabsturz, Durchfällen 
und sehr schwerem Verlauf. Namentlich haben sich die nach 
der Schick’schen Methode ernährten Kinder sehr widerstandslos 
erwiesen. Von den 11 Kindern, die viel Fett erhalten hatten, 
sind nur 8 gestorben, die anderen 8 haben die Krankheit über¬ 
standen. Gestorben ist ein Ammenkind, von dem ich schon be¬ 
richtet habe. Dann haben wir ein Kind bei Eiweissmilch ver¬ 
loren. 1 bei Buttermehlnahrung. Ich glaube also sagen zu dürfen, 
dass die Ernährung, besonders das Fett, eine sehr grosse Bedeutung 
für das Ueberstehen solcher Infekte hat. Man brauchte das gar nicht 
zu erwähnen, wenn nicht neuerdings von gewisser pädiatrischer 
Seite eine gegenteilige Auffassung vertreten würde. Diese Auf¬ 
fassung ist von Pirquet in Wien begründet worden, der, wie Sie 
ja wissen, seit einigen Jahren ein besonderes Ernährungssystem 
propagiert. Dieses Ernäbrungssystem beruht im Grunde darauf, 
dass die Nahrung lediglich nach ihrem Energiewert, nach ihrem 
Kaloriengehalt bewertet wird. Pirquet benutzt zwar eine andere 
Nahrungseinheit, das Nem, das er von dem Nahrungswert der 
Milch ableitet; aber das ist im Grunde nur eine Umrechnung, 
nur ein neuer Schlauch für ziemlich alten Wein. Der Pirquet- 
sehen Auffassung entspricht es auch, dass das Gesetz von der 
isodynamen Vertretung von Fett und Kohlehydrat bis in seine 
äussersten Konsequenzen angewandt wird. Pirquet behauptet, 
dass das Fett für die Ernährung des Menschen und auch 
speziell des Säuglings entbehrlich sei und durch Kohlehydrat in 
vollem Maasse ersetzt werden könne. Pirquet beweist diese 
Behauptung in bezug auf die Säuglinge mit einem Bericht über 
4 Kinder, von denen er angibt, er habe sie längere Zeit ohne 
Fett ernährt, und es sei diesen Kindern gut gegangen. Eine 
Krankengeschichte erfahren wir nur von einem einzigen dieser 
Kinder, und das war kein Säugling, sondern ein 18 Monate altes 
Kind. Neuerdings wird in einer Monographie von Schick, die 
in den Ergebnissen der inneren Medizin und Kinderheilkunde er¬ 
schienen ist, ebenfalls behauptet, dass das Fett entbehrlich sei, 
aber auch nur mit allgemeinen Wendungen bewiesen. M. H., wir 
müssen ausführlichere und gründlichere Beweise verlangen, wenn 
eine so grundlegende Behauptuog aufgestellt wird, die auch so 
sehr zu den physiologischen Verhältnissen in Widerspruch steht; 
denn denen entspricht doch, dass Säuglinge eine recht erheb¬ 
liche Fettmenge bekommen. Wir haben jedenfalls in unsern 
Beobachtungen gesehen, dass die Schick’sche Ernährung, die 
auf der Pirquet’schen Auffassung begründet und einseitig auf 
Kohlehydrat eingestellt ist, sich als sehr gefährlich erwiesen hat. 
Die Kinder nehmen zu, haben sogar gute Stühle, aber sie sind 
widerstandslos gegen Infekte; und darauf beruht ja schliesslich 
der Wert einer Nahrung, dass sie dem Säugling dieselbe oder 
eine ähnliche Immunität gegen Infekte verleiht, wie er sie bei 
natürlicher Ernährung hat. Wir müssen also die Pirquet’sche 
Behauptung als bisher nicht genügend bewiesen zurückweisen 
und müssen immer noch das Fett für einen sehr wichtigen 
Bestandteil der Säuglingsernährung halten. 

Ich komme jetzt zu dem Hustenphänomen, das die Kinder 
bei dieser Grippeepidemie dargeboten buben. Die Kinder haben 
alle sehr stark gehustet, entsprechen* der Schwere der Er¬ 
krankung, und es wird auch von anderen Beobachtern berichtet, 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


dass diese epidemische Grippe immer mit heftigem Hasten ver¬ 
banden war, der von den einen Reishasten, von anderen Krampf¬ 
hasten genannt wird. In einer Reihe unserer Fälle hat sich aber 
der Husten allmählich in einer Weise gesteigert, dass ein 
Symptomenkomplex entstanden ist, der durchaus dem Krankheits¬ 
bilde des Keuchhustens entsprach, der keineswegs nur ein keucb- 
hastenartiger Husten war, ein Husten mit einem oder dem an¬ 
deren Keuchhustensymptom, sondern ein ganz typischer Keuch¬ 
husten, vor allen Dingen mit typischem Verlauf. Es waren da 
die typischen Anfälle, das Blauwerden der Kinder, das Weg¬ 
bleiben, die Reprisen, es war da das Brechen, es waren sogar 
da die Zungenbändchengeschwüre bei 2 Kindern, die schon 
Vorderzähne batten, es waren sogar bei einigen Kindern die 
petechialen Hämorrhagien am die Augen herum zu beobachten, 
wie man sie häufig bei Keuchhusten siebt. Es haben auf einer 
Station von 14 Kindern 2, auf einer anderen Station 4 Kinder, 
später noch 8 andere, im ganzen 9 Säuglinge von 52 Erkrankten 
diesen Keuchhusten gehabt. 

Was hat hier Vorgelegen? Hat hier eine spezifische Keuch¬ 
husteninfektion stattgefunden? War vielleicht die ganze Epidemie 
eine Keuchhustenepidemie? Nun, ich glaube, nach dem, was ich 
hier über den Verlauf berichtet habe, wird man das nicht annehmen. 
Aber hat vielleicht eine Mischinfektion mit Keuchhusten statt¬ 
gefunden? Das wäre ja möglich. Die Grippe macht ja gewiss 
für solche Miscbinfektionen empfänglich. Ich glaube das ab¬ 
lehnen zu müssen. Es ist keinerlei Einschleppung von Keuch¬ 
husten erfolgt. In der ganzen Zeit und auch lange vorher war 
in der Anstalt kein Keuchhusten gewesen. Es ist in der ganzen 
Zeit kein neues Kind in die Anstalt hineingekommen; die er¬ 
krankten Kinder waren sämtlich schon lange in der Anstalt und 
haben sich also auch nicht deo Infekt draussen holen können. 
Auch eine Uebertragung durch Dritte, wenn man daran glauben 
wollte, würde nach unseren genauen Nachforschungen auszu- 
schliessen sein. Es hat nichts derartiges Vorgelegen. Besucher 
kommen schon lange nicht mehr in unsere Stationen hinein. Es 
sind auch von diesen keuchhustenkranken Kindern keine Infekte 
in der Anstalt ausgegangen; es waren immer nur Kinder, die 
die Grippe durcbgemacht hatten, die in einem bestimmten 
Stadium der Erkrankung diesen Keuchhusten bekamen. Ich glaube 
also, man müsste den Tatsachen geradezu Gewalt antun, wenn 
man annehmen wollte, dass ein spezifischer Infekt statt- 
gefunden hat, und ich glaube im Gegenteil, dass hier einmal 
nachgewiesen ist, dass ein anderer Infekt, nämlich die Grippe, 
bei einzelnen Kindern einen typischen Keuchhusten hat entstehen 
lassen. 

Diese Beobachtung ist ja nicht neu. Sie wissen ja, dass 
schon 1908 Czerny gefordert hat, mau solle den Keuchhusten 
nicht als eine spezifische Infektionskrankheit, sondern als einen 
klinischen Begriff ansehen. 

Bei den verschiedenartigen Anschauungen, die über den 
Keuchhusten herrschen, glaube ich, ist es zweckmässig, die Frage 
auch heute noch weiter zu diskutieren. Ich möchte die Frage 
des spezifischen Keuchhustens heute ganz beiseite lassen und 
mich nur mit der Frage beschäftigen: Was ist das für ein Keuch¬ 
husten bei der Grippe gewesen? Vor allen Dingen aber: Wie 
kommen einzelne Kinder bei einem solchen Infekt dazu, Keuch¬ 
husten zu bekommen? 

Die Frage nach der besonderen Keuchhustendisposition des 
einzelnen Kindes taucht ja sofort auf, sobald wir die Annahme 
der spezifischen Infektion aufgeben und zugeben, dass mehrere 
Infektionen den Keuchhusten hervorrufen können. So haben 
denn auch viele, namentlich solche, die den Czerny'sehen 
Ideen nachgegangen sind, die Uebererregbarkeit des Kindes und 
namentlich die Spasmophilie in Beziehung zu dem Keuchhusten 
der Kinder gebracht. Stimmritzenkrämpfe, wo sie als Symptom 
der Spasmophilie vorhanden sind, treten ja gewiss auch beim 
Husten auf. Natürlich, wenn ein solches Kind sich erregt und 
schreit, dann produziert es den Stimmritzenkrampf, und so pro¬ 
duziert es ihn ebenso bei jedem Husten. Aber ich halte es 
nicht für glücklich, wenn wir das überhaupt Keuchhusten oder 
mit Reyher symptomatischen Keuchhusten nennen, denn dadurch 
wird das Problem sozusagen verschoben. Was wir fragen müssen, 
ist nicht das: Bekommen Kinder einmal bei irgend einem Hasten 
auch ein keuchhustenartiges Symptom?, sondern wir müssen 
fragen: Wie kommt es, dass bei irgend einem Infekt bei be¬ 
stimmten Kindern der Husten sich so steigert, dass durch die 
Intensität des Hustens allein dieses Symptom zustande kommt? 
Denn darauf kommt es doch an: Stimmritzenkrampf bei Keuch¬ 


husten ist doch etwas anderes als bei Spasmophilie. Er kommt 
beim Keuchhusten eben durch die Intensität des Hustens zu¬ 
stande. 

Es wird nun gesagt, dass der Husten bei Spasmophilie von 
echtem Keuchhusten klinisch nicht zu unterscheiden sei. Ich 
glaube nicht, dass das zutrifft. Wenn man nicht nur auf den 
Stimmritzenkrampf sieht, sondern auf den ganzen Verlauf, auf 
die ganze Art der Anfälle, dann lässt sich das doch wohl unter¬ 
scheiden. Auch Reyher muss zugeben, dass symptomatischer 
Keuchhusten und echter Keuchhusten einen anderen Verlauf 
haben. Während beim essentiellen Keuchhusten sich die Sym¬ 
ptome erst allmählich entwickeln, ist bei echtem Keuchhusten 
gleich von vornherein derStimmritzenkrampf vorhanden. Ich möchte 
bemerken, dass unsere Säuglinge nicht einen symptomatischen 
Keuchhusten hatten, sondern den typischen, der sich erst all¬ 
mählich in ganz charakteristischer Weise entwickelte, nur dass 
das katarrhalische Stadium durch die Grippe eingenommen war. 
Unsere Säuglinge waren auch nicht alle spasmophil. Ich glaube 
also, die Spasmophilie erklärt die Sache nicht, und wir müssen 
eher auf einem anderen Gebiet die Uebererregbarkeit suchen. Wir 
kennen alle solche Kinder, die den sogenannten Reizhusten haben, 
die sehr leicht husten, bei jeder Gelegenheit, bei jedem Katarrh, 
vor allem aber auch, bei denen die Erregung, das Schreien sich 
sehr leicht in Husten umsetzt. Das sind nicht Keuchhustenanfälle, 
sondern die Kinder husten fortgesetzt in kurzen exspiratorischen 
Stössen, manchmal so lange, dass man bei der Visite gar nicht 
abwarten kann, bis die Kinder mit Husten aufhören. Das ist eine 
Uebererregbarkeit der Schleimhaut, vielleicht Verbreiterung der 
Reizzone tür den Husten, wie das Czerny einmal genannt hat. Ich 
glaube viel eher, dass das ein Element ist, auf dem sich der 
Keuchhusten bei einzelnen Kindern aufbauen kann. 

Natürlich muss aber zu der Disposition des Kindes noch 
etwas Besonderes hinzukommen. Die Disposition genügt nicht, 
glaube ich wenigstens, um bei jedem Infekt Keuchhusten hervor- 
vorzurufen. Es müssen besondere Infekte sein, die eine besondere 
Beziehung zum Husten haben; das glaube ich wenigstens aus meinen 
Beobachtungen schliessen zu können, und diese Grippe, wie wir sie 
hatten, ist ein solcher Infekt, der besondere Beziehungen zum Husten 
hat. Von sehr vielen Beobachtern wurde dieser Reizhusten, auch 
Krampfhusten bei Influenza beobachtet, und auch in dem Lehrbuche 
von Feer, der grosse Erfahrungen über die Grippeepidemie aus den 
90er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat, wird berichtet, dass die 
Kinder damals keuchbustenartig gehustet hätten. Auch bei uns 
war das der Fall. Wenn man hier mit Gewalt eine spezifische 
Keuchhusteninfektion annehmen wollte, würde man vielleicht 
sagen können, das warfen alles abortive Fälle von Keuch¬ 
husten, die wir da beobachtet haben. Ich meine mit diesen 
abortiven Fällen müssen wir sehr vorsichtig sein. Solange wir 
nicht die Möglichkeit haben, am Krankenbett eine exakte bak¬ 
teriologische Diagnose zu stellen, wie es bei der Diphtherie mög¬ 
lich ist, wo wir den Erreger jederzeit nachweisen können — das 
ist heute im allgemeinen beim Keuchhusten nicht möglich —, 
solange sollen wir auch nicht abortive Fälle annehmen. In der 
Praxis sind wir natürlich gern geneigt, in allen Fällen einen 
spezifischen Keuchhusteninfekt anzunehmen. Warum?, weil es 
uns ermöglicht, die Absonderung oder die Vorsichtsmaassregeln, 
die wir treffen wollen, vorzunehmen, um so vor Ansteckung zu 
schützen. Meine Herren, dass ist nicht nötig, wenn wir uns 
daran gewöhnt haben, auch jeden anderen Keuchhusten, der nicht 
durch einen spezifischen Infekt hervorgerufen worden ist, für in¬ 
fektiös zu halten. Jeder Keuchhusten ist infektiös, namentlich 
bei Säuglingen und jungen Kindern, auch jeder Katarrh der Luft¬ 
wege, namentlich aber einer, der mit einem so starken Hasten 
einhergeht. Es hat niemals einen Pädiater gegeben, der das be¬ 
stritten hat, dass der Keuchhusten immer ansteckend ist. Be¬ 
stritten worden ist nur, dass es notwendig ist, solche Kinder in 
einer Keuchhustenstation zu isolieren, und wie richtig das ist, 
zeigt unsere Beobachtung, Wenn wir unsere Kinder auf eine 
Keuchhustenstation gebracht hätten, würden da ganz verschiedene 
Infekte zusammengekommen sein. Ich glaube, wir sollten also 
künftig nicht annehmen, dass der sogenannte essentielle Keuch¬ 
husten nur durch einen spezifischen Infekt hervorgerufen wird, 
und dass es daneben noch einen symptomatischen Keuchhusten 
gibt, der darauf beruht, dass ein Kind mit Stimmritzenkrampf 
bei jedem Husten solchen Keuchhusten bekommt. Das sollten 
wir nicht zum Keuchhusten rechnen. Ich glaube, wir sollten 
ferner mit der Annahme von abortiven Fällen sehr vorsichtig 
sein und nur typischen Verlauf mit typischen Anfällen zum 


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18. Atigast 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Keuchhusten rechnen. Annebmen müssen wir aber nach dieser 
Beobachtung, dass dieser essentielle Keuchhusten durch ver¬ 
schiedene Infekte hervorgerufen werden kann. 


Die operative Fesselung des Oberarmkopfes 
zur Verhütung der habituellen Schulter¬ 
verrenkung. 

Von 

Professor Dr. Engen Joseph, 

Privatdozent für Chirurgie an der Universität Berlin. 

In Nr. 22 der Berliner klinischen Wochenschrift 1917 habe 
ich ein neues Operationsverfahren zur Verhütung der habituellen 
Schulterverrenkung veröffentlicht. 

In das Schultergelenk wurde nach Art des Ligamentum teres des 
Hüftgelenks ein Band eingebaut, um das Herausgleiten des Sohulter- 
kopfea bei ausgiebigen Bewegungen zu verhindern. Das aus der Fasoia 
lata entnommene Band wurde durch einen kleinen, oberflächlich unter 
der Enorpelbekleidung des Schulterkopfscheitels gebohrten Tunnel hin¬ 
durchgezogen. Die beiden aus den Tunnelöffnungen heraussehenden 
Enden des Bandes Hessen sioh durch Naht zu einem einheitlichen Ge¬ 
bilde doppeln, dessen freies Ende in der Nähe des Processus coraaooi- 
deus befestigt wurde. Die Methode hat sich bei dem in Nr. 22 der 
Berliner klinischen Wochensohrift 1917 erwähnten Patienten sehr bewährt; 
er warde felddienstfähig und erhielt dadurch die Möglichkeit, sein 
Offiziersezamen abzulegen. Die letzte Nachricht des Patienten lautete, 
dass er fast 2 Jahre im Felde stand, ohne dass sein Arm bei aus¬ 
giebiger schwerer körperlicher Belastung, z. B. Welle am Reck, sich 
wieder ausreokte, und dass er in der Beweglichkeit des Sohultergelenks 
unbehindert war. Die damals angewandte Operationsmethode geht aus 
den seinerzeit beigegebenen Zeichnungen ohne weiteres hervor; ihre 
Einzelheiten wiederzugeben verzichte ich an dieser Stelle, da die Me¬ 
thode seinerzeit ausführlich beschrieben wurde. 

Inzwischen hatte ich Gelegenheit, einen zweiten Fall zu 
operieren. 

Der 34jährige Masohinenarbeiter B. hatte sich im Frieden den 
reohten Arm viermal in der Schalter ausgerenkt. Während des Krieges 
wurde er in eine Minenwerferkompagnie eingestellt und musste dort 
sohwere Arbeit leisten. Obwohl die Kameraden ihm viel abnahmen, da 
ihnen der körperliche Fehler des B. bekannt war, verrenkte er sich den 
Arm im Felde 20mal. Er war an den Zustand so gewöhnt, dass er 
wiederholt nach der Ausienkung nicht mehr ärztliche Hilfe in Anspruch 
nahm nnd sioh von Kameraden naoh Anweisungen, welche er ihnen gab, 
den Arm zurüokbringen liess. Mehrfach renkte sich der Arm auf dem 
Wege zum Arzt von selbst wieder ein. 

Die Operation, welche mit dem üblichen vorderen Schnitt, wie im 
ersten Falle, unterhalb des Prooessus ooracoideus beginnend, aus¬ 
geführt wurde, legte eine sehr weite Kapsel frei. Der Sohulterkopf 
liess sich spielend bei dor Operation aus der eröffaeten Kapsel laxieren. 
Die Fesselung des Oberarmkopfes habe ich in diesem Falle in folgender 
Weise vereinfacht: 

Etwas nach vom von der höchsten Konvexität des Oberarmkopfes 
* wurde der Knorpelbelag mit dem Knochenmesser im Umfang eines 
Qaadratzentimeters abgetragen, bis die aogefrischte Knochensubstans 
freilag. Dicht neben der AnfrischuDgsstelle wurden durch den Knorpel¬ 
belag vorsichtig mit einer Darmnadel 3 feine Katgutfäden hindurchgezogen, 
welche am anderen Ende mit einer mittelstarken Hagedornnadel versehen 
waren. Mit diesen Fäden wurde ein 7 om langer, 2 cm breiter, der 
Fasoia lata entnommener Streifen mit beiden Enden auf die An¬ 
frischungsstelle aufgenäht. 

So entstand eine an der höchsten Konvexität des Humeruskopfes 
befestigte Bandschleife, welche duroh einige Nähte zu einem einzigen 
kräftigen Band vereinigt wurde. Das neugebildete Band erwies sioh 
nach Reposition des Sohulterkopf es als zu lang und spannte sioh nioht 
straff genug zwischen Schulterkopf und Pfannenrand. Es wurde deshalb 
duroh einige Raffnähte verkürzt uud gestrafft. Sein freies Ende wurde 
an den Weichteilen des Pfannenrandes festgenäht, die Kapsel bis auf 
einen Schlitz zum Durchtritt des Bandes verschlossen. 

Nachbehandlung war die übliobe wie im vorigen Falle: Abnahme 
des Verbandes naoh 12 Tagen. Beide Wunden sind per primam verheilt. 
Der Arm wird in eine Mitelle gelegt und darüber durch Bindentouren 
fixiert. Nach weiteren 4 Tagen wird die fixierende Binde entfernt, 
während die Mitelle liegen bleibt. 18 Tage nach der Operation wird 
der Arm für leichte Bewegungen freigegeben. 24 Tage naoh der 
Operation wird das Gelenk geübt. Bei der Entlassung hatte es bereits 
annähernd die normale Beweglichkeit. Naoh brieflicher Mitteilung des 
Patienten, welcher bald darauf ins Feld rüokte, ist der Arm in vollem 
Umfang beweglich geworden, ohne sioh wieder auszurenken. 

Die Autoren, welche über die habituelle Schulter Verrenkung 
berichteten, haben zum Teil gar keine, zum Teil sehr verschiedene 
anatomische Befände während der Operation erhoben. In einigen 


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Fällen warde, wie in den letzten von mir mitgeteilten, eine weite 
schlaffe Kapsel, in anderen Fällen eine Knochenabsprengung ge¬ 
funden. Ich glaube, dass meine Operationsmethode auf jeden 
Fall, mag die aaslösende Ursache liegen wie sie will, eine 
Wiederausrenknng verhüten wird, ohne den Patienten den Nach¬ 
teil einer erheblichen Einbnsse an Beweglichkeit im Schultergelenk 
za bringen. 

Inzwischen hatSchmieden meine Methode naebgeprüft and 
in einem Falle mit derselben Technik das gleiche günstige Re¬ 
sultat erzielt. In einem zweiten Fall hat Schmieden, nm die 
breite Eröffnung des Schultergelenks zu vermeiden, mit einem 
langen Bohrer Hals, Kopf und Akromion tnnnelliert und das 
Band durch den Bohrkanal gezogen. 


Ueber die Entstehung von Gasbrand nach 
Koffeininjektionen. 

Ton 

Dr. Siegfried Ostrowski -Berlin-Grunewald. 

Das Auftreten von Gasphlegmonen nach snbkntaner Einver¬ 
leibung von Koffein bzw. seiner Natrinmsalizylatverbindnng 
scheint neuerdings häufiger zu sein, als man ans den spärlichen, 
darüber vorliegenden Veröffentlichungen schliessen könnte. Nach¬ 
forschungen bei Kollegen mit grosser feldärztlicher Erfahrung und 
Uebung in der Behandlung Infektionskranker bestätigen diese Ver¬ 
mutung. Durch die Arbeiten von Nanwerk in Nr. 34 der M.m.W. 
nnd E. Fränkel in Nr. 12 der D.m.W. wird in neuerer Zeit 
besonders auf die Entstehung von Gasbrand u. a. nach voraus¬ 
gegangenen snbkatanen Koffeininjektionen hinge wiesen. S. Rosen- 
berg bringt dann weiter in jüngster Zeit in Nr. 15 der D.m.W. 
einen kasaistischen Beitrag zur Frage des Gasbrandes wiedernm 
in Beziehung znm Koffein als der möglichen Infektionsquelle. 

Auch die weiter zurückliegende Literatur weist aber schon eine 
kleinere Anzahl von Fällen anf, in denen gerade nach anscheinend völlig 
sachgemäss aasgeführten Einspritzungen von Koffein, aber anch anderen 
Arzneistoffen in die Gewebe, von den Einstiohstellen ansgehend, gangrä¬ 
nöser Gewebszerfall mit Gasbildung aufgetreten ist. In der überwiegen¬ 
den Mehrzahl der Fälle wird dabei als Injektionsmittel das Koffein 
genannt, ganz vereinzelt daneben der Kampfer, das Morphin und die 
physiologisohe Kochsalzlösung. Der erste in diesem Zusammenhang 
beobachtete Fall von Gasbrand entstand naoh subkutaner Einspritzung 
von Mosohnstinktur. 

Würden diese Substanzen wirklich Gasbranderreger enthalten haben, 
so würde daraus eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit der Gasbazillen 
an die verschiedensten Nährböden, die mit dem menschlichen Körper 
in Berührung kommen können, hervorgehen. Dass von einzelnen Autoren 
eine Lebensfähigkeit der Gasbazillen in den aufgeführten Substraten an¬ 
genommen wird, geht aus den Arbeiten von Nauwerk und Fränkel 
hervor. Die Frage, ob diese Substauzen in der Tat als die hauptsäch¬ 
liche oder gar ausschliessliche Infektionsquelle anzusehen sind, soll 
später erörtert werden. Hier sollen zunächst kurz 2 tödlich verlaufene 
Fälle von Gasphlegmone und ein gleichfalls letal aasgegangener Fall 
von malignem Oedem im Anschluss an subkutane Koffeininjektionen mit¬ 
geteilt werden, die ich als ordinierender Arzt chirurgischer Abteilungen 
ostpreussischer Lazarette in den Jahren 1917—1918 sah. Die Kenntnis 
eines vierten, bisher gleichfalls nioht veröffentlichten Falles von Gas- 
brandinfektion im gleichen Zusammenhang verdanke ich der Mitteilung 
des Herrn F. H. A. Zondek. Ort und Zeit der Beobachtung sind, was 
hier besonders hervorgehoben sei, für jeden Fall verschieden. 

Die Fälle 1 und 2 betreffen zwei russische Kriegsgefangene im Alter 
von 25 und 30 Jahren. Sie litten an schwersten, auf Avitaminose be¬ 
ruhenden, alimentären Oedemen und Höhlenbydrops mit hämorrhagischer 
Diathese. Nach einer wegen bedrohlicher Herzsohwäche verabreichten 
subkutanen Koffeineinspritznng entwickelte sioh bei dem ersten Kranken 
von der Einstiohstelle aus am linken Oberarm nnd beim zweiten Patienten 
am linken Oberschenkel eine foudroyante Gasphlegmone, die in Fall 1 
24 Stunden, in Fall 2 28 Stunden nach der Einspritzung znm Tode 
führte. Beide Fälle boten das charakteristische, pathologisch-anatomische 
Bild des Gasbrandes dar: Die bakteriologische Untersuchung wies im 
ersten Falle in der Oedemflüssigkeit und in den noch zu Lebzeiten 
während der Operation entnommenen Muskelstüokohen in grosser Menge 
die Bazillen des malignen Oedems nnd im zweiten den Frankel’sohen 
Gasbrandbezillns nach (Bakteriologisches Institut des Reaervelazaretts 
Insterburg). 

Fall 3 betrifft einen 38jährigen Laadsturmmann mit schwerer, 
grippöser, doppelseitiger Unterlappenpueumonie von sohwer toxischem 
Charakter. Hier entwickelte sioh naoh je einer Injektion von Coffein, 
natr. salicyl. in den linken Oberarm und linken Oberschenkel an beiden 
Extremitäten von den Einstiohstellen ans eine schnell sich propagierende 
Gasphlegmone, die in 20 Stunden ganz unter dem von E. Fränkel 

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Nr. 88. 


geschilderten Bilde (Ikterus, Zyanose, reichlich hämoglobinhaltigem Urin) 
zum Exitus führte. Der lokale pathologisch- anatomische Befund war der 
gleiche wie im Falle 1 und 2: Gewebszerfall, Gasbildung und betracht» 
iiohes Oedem in den Gewebsspalten. Als Erreger wurden im hygienischen 
Institut der Universität Königsberg (Prof. Selter) Fränkel’sche Gas¬ 
branderreger gefunden, als Erreger der Pneumonie hämolytische Strepto¬ 
kokken. 

Fall 4 wurde von Herrn F. H. A. Zondek in einem östlichen 
Seuobenlasarett beobachtet. Hier entwickelte sioh bei einem typbus¬ 
kranken Frontsoldaten nach einer Koffeineinspritsung unter die Haut 
des linken Oberschenkels von der Einsticbstelle aus eine 30 Stunden 
post iDjectionero zum Tode führende, schnell sich ausbreitende Gas¬ 
phlegmone. Das hier verwendete Koffein entstammte einer der von der 
Militärverwaltung gelieferten, sterilen, zugesohmolzenen Ampullen. Bak¬ 
teriologisch wurden in den phlegmonösen, charakteristisch veränderten 
Teilen Fränkel’sohe Gasbrandbasillen gefunden. Die Ampullen der 
gleiohen Packung waren steril. 

Bei den Patienten eigener Beobachtung wurden 20pros., sterili¬ 
sierte Lösungen von Coffein, natr. salicyl. verwendet. Die zur Einspritzung 
erforderlichen Mengen des Mittels wurden unmittelbar aus den Arznei¬ 
fläschchen entnommen. Aufbewahrung und Anwendung des Spritzen¬ 
materials geschah in einwandfreier Weise. Die Hauteiostichstelle wurde 
vor der Injektion mit in Alkohol getränkten, sterilen Tupfern abge¬ 
rieben. Injektionsfertige Koffeinlösungen aus Ampullen wurden nioht 
verwendet. 

Das ist wichtig für die Prüfung der Frage, ob die Lösungen 
erstens einmal Gasbrand er reger enthielten, und zweitens, ob Gas¬ 
brandbasillen sich überhaupt längere Zeit in Kofifeinlösungen 
lebend erhalten können. Selbst wenn in den von Fränkel und 
Rosenberg beschriebenen Fällen der Nachweis von Gasbrand¬ 
bazillen in Ampullen aus derselben Herstellungsreihe, der die 
verwendete Kofifeinlösung angehörte, gelungen wäre, so beweist 
das durchaus noch nicht, dass die zur Einspritzung gebrauchte 
ampulläre Kofifeinlösung nicht doch Gasbranderreger enthalten 
haben könnte, und umgekehrt wäre es denkbar, dass die ein¬ 
gespritzte Lösung mit Gasbranderregern verunreinigt war, während 
die übrigen Ampullen derselben Packung sehr wohl keimfrei ge¬ 
wesen sein konnten. Das gilt auch für den mir vom Kollegen 
Zondek mitgeteilten Fall. In beiden Fällen käme man zu un¬ 
genauen Resultaten, wollte man dieses Untersuchungsergebnis ver¬ 
wenden. 

In den Fällen unserer eigenen Beobachtung aber wurde die 
gleiche Kofifeinlösung aus dem gleichen Behältnis für zahlreiche 
Kranke verwendet, und jedesmal erkrankte an den verschiedenen 
Beobachtungsorten immer nur ein Patient unter den Erscheinungen 
des Gasbrandes. Aus jeder der Lösungen sind wenigstens 
12—15 Injektionen bei den verschiedensten Kranken gemacht 
worden. Die einzelnen Fälle ereigneten sich überdies an ver¬ 
schiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten, so dass mit Rück¬ 
sicht auf das eben Gesagte die Kofifeinlösungen als Quelle für 
die Infektion in unseren Fällen wohl auszuschliessen ist. Hier 
ist man geradezu des Tierexperimentes enthoben, dem doch für 
den Nachweis virulenter Erreger mindestens die gleiche Bedeutung 
zuzumessen isl wie dem kulturellen. Aus keiner unserer Kofifein¬ 
lösungen Hessen sich spezifische Erreger darstellen. Sie waren 
keimfrei. Ueber die gleichen negativen Resultate berichten auch 
Fränkel u. a. Nur Nauwerk teilt mit, dass er mit einer 
Kofifeinlösung, nach deren Verwendung beim Menschen Gasbrand 
aufgetreten war, auch im Tierexperiment durch die Injektion 
derselben das Bild der Gasphlegmone erzielen konnte. 

Die Frage nach der Beschaffenheit der Hautoberfiäche bei 
den nach der Kofifeineinspritznng an Gasbrand erkrankten Pa¬ 
tienten und nach der Desinfektion der Hauteinstichstelle ist in 
den hierüber veröffentlichten Arbeiten nur flüchtig behandelt, ob¬ 
gleich sie für die Genese der Infektion von grosser Bedeutung ist. 
Nur in einem Falle wird als Desinfektionsmittel der Haut aus¬ 
drücklich der Jodanstrich angegeben. Oft wird freilich bei der 
Vornahme von Einspritzungen vom Pflegepersonal den Forderungen 
der Technik, der Asepsis und Antisepsis nicht in strengem Sinne 
genügt. Vielfach wird, besonders auf grossen Stationen, der Arzt 
nicht immer nachprüfen können, ob die von ihm angeordneten 
Injektionen in jedem Falle nach der Vorschrift ausgeführt werden. 
Damit ist aber natürlich die Nachforschung nach dem Ursprung 
einer nach der Injektion auftretenden Infektion wesentlich er¬ 
schwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Häufig genug lassen 
sieb aber grobe Fehler in der Injektionstechnik sowohl, wie auch 
in der Antisepsis feststellen: Intrakutane, intrafasziale und sub- 
fasziale Einspritzungen mit nachfolgenden infiltrativen, phlegmo¬ 
nösen oder gar zur Nekrose führenden Prozessen sind keine 
Seltenheit. 


Handelt es Bich noch dazu, was hier besonders betont werden 
muss, um sehr elende Patienten in besonders schlechtem Er¬ 
nährung»- und Kräftezustand, mit herabgesetzter Immunkraft 
gegenüber Infektionen und stark verschmutzter Haut (Lehm¬ 
krusten. Verunreinigung mit Fäkalien), so gewinnt die Frage der 
Hautreinigung vor der Injektion für die Entscheidung über die 
Entstehung einer Infektion an der Rinstichstelle noch erhöhte 
Bedeutung. Zweifellos finden sich auf sehr verschmutzten Haut¬ 
oberflächen Gasbranderreger und können sich hier längere Zeit 
lebend erhalten. Werden bei splchen Kranken, bei denen ans 
irgendeinem Grunde eine gründliche Körperreinigung zunächst 
unterbleiben muss, etwa auf der grob verunreinigten Körperober¬ 
fläche befindliche Anaerobier mit der in die Gewebe eindringenden 
Hohlnadel in die Tiefe gebracht, so ist die Möglichkeit für die 
Entstehung einer Infektion gegeben, namentlich bei allgemeiner 
Herabsetzung der Gewebsvitalität und besonders, wenn noch eine, 
gleich näher zu erörternde, lokale Gewebsschädigung durch das 
Kofifein hinzutritt. Hier muss man doch eine unzureichende Des¬ 
infektion der Hautoberfläche annehmen, und es scheint, dass für 
eine Reihe von Fällen dieser Infektionsmodus doch der wahr¬ 
scheinliche ist. 

Welche Bedeutung hat nun das Kofifein für die Entstehung 
des Gasbrandes angesichts der auch von E. Fränkel hervor¬ 
gehobenen Tatsache, dass in zahllosen Fällen Kofifeininjektionen 
ohne die geringsten nachteiligen Folgen für die Gewebe gemacht 
worden sind? Dazu ist zu bemerken, dass das Kofifein für die 
Gewebe doch nicht immer das relativ indifferente Mittel ist, als 
das es im allgemeinen bekannt ist. Seine Wirkung auf das 
Muskelgewebe ist eine ausserordentliche. Das ist deshalb von 
grosser Bedeutung, weil ja auch für den Gasbranderreger der 
Muskel das spezifische Angrififsobjekt ist. Die lokal schädigende 
Wirkung des Koffeins tritt um so stärker in die Erscheinung, 
wenn es in Gewebe gebracht wird, die durch eine schon be¬ 
stehende Infektion in ihrer Vitalität stark herabgesetzt sind, und 
wenn dabei noch die oben erwähnten Fehler in der Injektions- 
technik gemacht werden. 

Legt man nach Poulson 1 ) frische lebende Muskelfasern in 
eine schwache Kofifeinlösung, so erstarren sie fast augenblicklich 
und verlieren ihre Struktur. Die sehr intensive Wirkung des 
Koffeins auf das Sarkoplasma besteht also in einer fast momen¬ 
tanen Koagulation desselben, d. h. in einer Nekrose. Solche 
Nekrosen der Muskulatur, aber auch der Haut und der Faszien 
habe ich wiederholt gesehen und zwar ausschliesslich bei Kranken 
in sehr herabgesetztem Kräfte- und Ernährungszustand. Man 
kann deshalb ohne Berücksichtigung dieser schädigenden Kofifein¬ 
wirkung auch nicht recht, wie E. Fränkel es tut, von einer 
Durchwanderung der Gasbrandbazillen durch die unversehrte 
Muskelfaszie reden, auch wenn man wie der genannte Autor der 
Ueberzeugung ist, dass die Injektion ohne Durchstechung der 
Faszie lediglich ins Unterbautzellgewebe gemacht ist. Nehmen 
wir als Infektionsmodus die Einbringung der Gasbranderreger 
durch die Haut an, so ist es wahrscheinlicher, dass erst die 
durch das Koffein her vor gerufene Schädigung der Faszie (Nekrose) 
das Eindringen der Erreger in die Muskulatur ermöglicht bzw. 
begünstigt hat, wenn sie nicht überhaupt von vornherein mit 
oder ohne Absicht in die Muskulatur gebracht waren. Eine 
solche Schädigung der Gewebe durch das Koffein wird natürlich 
um so eher eintreten, je fortgeschrittener die Herabsetzung ihrer 
Vitalität ist, sei es nun, dass, wie in unseren Fällen, schwere 
grippale Infektion mit ihren verschiedenen Erscheinungsformen, 
die dem Skorbut verwandte, auf Avitaminose beruhende Oedem- 
krankheit oder irgendeine sonstige Infektionskrankheit die Ur¬ 
sache davon ist. Im besonderen dürften hier für das Zustande 
kommen der Anaerobierinfektion begünstigend mitwirken die 
Sauerstofifverarmung der Gewebe und die mehr oder weniger voll¬ 
ständige Ausschaltung eines umschriebenen Gewebebezirkes für 
eine gewisse Zeit durch die Kofifeinwirkung. Dazu kommt 
dann weiter hinzu die gefässschädigende Wirkung des Gasbrand¬ 
erregers. 

Gerade hierdurch werden nicht allein für eine Ansiedelung 
von aussen her, perkutan in den Körper eindringender Erreger 
günstige Bedingungen in Gestalt eines Locus minoris resistentiae 
geschaffen, sondern auch für etwa im Blute kreisende Bakterien. 
So ist von Jürgens ein Fall von septischer, grippaler Pneumo¬ 
kokkenpneumonie beschrieben worden, b#i dem an den Einstich¬ 
stellen von Kofifeininjektionen durch Pneumokokken hervor- 


1) Poulson, Lehrbuoh der Pharmakologie. 


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gerufene Abszesse entstanden. Ich selbst sah 2 Fälle von 
schwerer septischer Grippepneumonie, bei denen nach der sub¬ 
kutanen Einspritzung Coff. natr. salicylic. gleichfalls Abszesse an 
den Einstichstellen entstanden. In einem Falle waren im Abszess¬ 
eiter Pneumokokken, im anderen Streptokokken nacbzuweisen. 
Sie entsprachen den Erregern der entsprechenden Pneumonie, wie 
sich durch den Vergleich mit den durch Punktion aus der Lunge 
gewonnenen Erregern ergab. Hier hat also zweifellos eine An¬ 
siedelung von Bakterien aus dem Blut heraus an Orten statt- 
gefunden, an denen das Koffein eine lokale Gewebsschädigung 
gesetzt bat. Bemerkenswerterweise kann es an den Einstichstellen 
von Morphin- und Kampferinjektionen in diesen Fällen zu keiner 
sichtbaren Gewebsreaktion. 

Nun ist es Lenbartz, Klose u. a. gelungen, bereits im 
Blute des lebenden Organismus kreisende Gasbazillen nachzu¬ 
weisen. Fälle von Gasbazillenbakteriämie sind z. B. mehrfach 
bei putrider Endometritis puerperalis beobachtet worden. Nach 
Askanazy 1 ) ist aber auch das Eindringen von gasbildenden 
Bazillen vom Darmkanal her, in dessen Inhalt sie normalerweise 
Vorkommen, sowie von den Gallenwegen und dem Urogenital¬ 
system her unzweifelhaft. Denkbar wäre nun auch analog hierzu 
eine Invasion von Gasbazillen in die Blutbahn vom Darm her 
bei ganz besonders schwer herabgesetzter Widerstandskraft des 
Organismus etwa im Verlauf eines Typhus abdominalis, eines 
dysenterischen, ulzerösen Dickdarm prozesses oder schwerer 
grippaler Darmveränderungen. Der schliessliche Ausgang wird 
in diesen Fällen ohnehin häufig ein letaler sein, und es dürfte 
deshalb an sich schwer zu entscheiden sein, ob eine vom Darm 
her gedachte Gasbazilleninfektion interkurrierender Art bereits zu 
Lebzeiten agonal oder postmortal erfolgt ist, wenigstens für die 
seltenen mit Gasbildung und Gewebszerfall einhergehenden Fälle 
von Meningitis und Peritonitis. In den Fällen mit lokaler mani¬ 
fester Gasbrandentwicklung unserer Beobachtung kommt natürlich 
nur eine Blutinyasion intra vitam in Betracht. 

Im allgemeinen aber würde selbst bei schwer daniederliegendem 
Blutkreislauf der O-Gehalt der Gewebe immer noch eine pathogene 
Wirkung der Gasbranderreger verhindern können. Erst die lo¬ 
kale Gewebsschädigung dnrch das Koffein schafft für die An¬ 
siedelung und Weiterentwicklung der Gasbranderreger am Orte 
der Schädigung die Grundlage. Eine Stütze könnte diese Hypo¬ 
these durch die Beschreibung zweier Typhusfälle durch Joch¬ 
mann gewinnen, in deren Verlauf an der Innenseite der Ober¬ 
schenkel beider Patienten spontaner Gasbrand entstand. Hier 
könnte man ganz besonders an eine Blutinvasion der Gasbrand¬ 
erreger vom Darmkanal her denken, ohne freilich erklären zu 
können, welche lokale Noxe gerade zu der beschriebenen An¬ 
siedelung der Erreger geführt hat. 

Die für die Genese der Infektion in den Fällen unserer 
Beobachtung gegebene Erklärung beansprucht natürlich nur den 
Wert einer Hypothese. Schliesst man aber ausser der Koffein¬ 
lösung selbst auch noch die Hautoberfläche als Ausgangspunkt 
für die Infektion aus, so bleibt eigentlich kaum eine andere 
Möglichkeit übrig: Die endgültige Klärung müssen weitere bak- 
teriologischo und klinische Untersuchungen bringen, die vor allem 
auch zu ergründen hätten, ob sich in Koffeinlösungen Gasbrand¬ 
basillen längere Zeit lebend erhalten können. 


BOcherbesprechungen. 

A. Forel: Der Hypnotisaus oder die Suggestiou und die Psychotherapie. 
Ihre psychologische, psychophysiologische und medizinische Be¬ 
deutung mit Einschluss der Psychoanalyse sowie der Telepathiefrage. 

Ein Lehrbuch für Studierende sowie für weitere Kreise. 7. umgearbeitete 
Auflage. Stattgart 1918. Verlag von Ferd. Enke. 

Schon wenige Jahre nach der sechsten ist eine Neuauflage des be¬ 
kannten Forel’sohen Werkes notwendig geworden. Wie schon der Titel 
ankündigt, ist sein Inhalt allmählich erheblich über das engere Gebiet 
des Hypnotismus hinausgewaohsen. Das Eingehen auf die Psychoanalyse 
erscheint in einem psychotherapeutischen Lehrbuch mehr und mehr als 
eine praktische Notwendigkeit. Forel verhält sich bei aller Anerkennung 
eines berechtigten Kerns der Lehre wie der Methode gegenüber zurück¬ 
haltend. Die okkulten Phänomene sind nunmehr auch, wohl angeregt 
durob Dessoirs schöne „Parapsychologie“, mit herausgezogen; der Ver¬ 
such einer allgemeinen Erklärung (Psychenergie) wird dabei gemacht. 
Theoretische Betrachtungen, speziell an Semons Lehre der Mneme an¬ 
knüpfend, kommen auoh sonst vielfaoh zur Geltung. Dass allenthalben 
im übrigen auoh die neuesten Arbeiten berüoksiohsiohtigt werden, so 

1) Askanazy, Aus Asohoff: Lehrbuch der patholog. Anatomie. 


beispielsweise in der Frage der Kriegsneurosentherapie, wird mancher 
Leser als besonderen Vorzug empfiaden. Wünschenswert wäre es viel¬ 
leicht, wenn mancher spätere Zuwachs, der bisher nur lose in das Werk 
bineingesohaltet ist, in weiteren Auflagen organisch mit ihm verschmolzen 
würde. _ 


H. Ebbinghaus: Abriss der Psychologie. 6 . Auflage. Leipzig 1919. 

Verlag von Veit & Co. 206 S. 

Die Ebbinghaus’sohe „Psychologie“ spricht für sich selbst. Sie 
hat es im Laufe eines Jahrzehnts zu sechs Auflagen gebracht. Ursprüng¬ 
lich als Teil von Hinnebergs umfassendem Sammelwerk „Kultur der 
Gegenwart“ gedacht, hat sie so zur Genüge ihre wissenschaftliche Lebens¬ 
fähigkeit und selbständige Existenzberechtigung erwiesen. Was ihre Vor¬ 
züge ausmacht, fällt gerade für einen ärztlioben Leserkreis besonders ins 
Gewicht. Eine streng naturwissenschaftliche Einstellung, die die höchsten 
Erscheinungen des seelisohen Lebens in gleicher Weise wie ihre elemen¬ 
tarsten Aeusserungen von denselben Grundkräften der Seele ableitet, und 
eine Darstellung, die in glücklicher Art Anschaulichkeit mit prägnanter 
Kürze vereinigt. Wer die Notwendigkeit psychologischer Kenntnisse für 
den Arzt anerkennt — und wer sollte dies gerade heutzutage nioht —, 
dem empfiehlt sioh damit das kleine Buch ohne weiteres. 


Emil Krsepelii München: Ziele uadWege der psyckUtriiehei Forsebiug. 

Berlin 1918. Verlag von Julius Springer. 

Anlässlich der Fertigstellung der dentsohen Forschungsanstalt für 
Psychiatrie gibt Kraepelin einen Ueberblick über die Entwicklung und 
den gegenwärtigen Stand der psychiatrischen Wissenschaft und leitet 
daraus die notwendigen Zukunftsaufgaben der psychiatrischen Forschung 
ab. Als solche nennt er vor allem die Aufdeckung der ursächlichen 
Zusammenhänge für die einzelnen Psychosen, die Klarstellung der Be¬ 
ziehungen zwischen den naobgewiesenen Störungen der Hirnleistungen 
und den im Krankheitsbilde auftauchenden seelisohen Veränderungen, 
die scharfe Kennzeichnung des Leichenbefundes im Gehirn bei möglichst 
vielen Krankheitsvorgängen, die serologischen und Stoffweobselunter- 
suchungen, die Erforschung der seelischen Giftwirkangen, die Erfassung 
der verschiedenen Erscheinungsformen der menschlichen Persönlichkeit, 
die Erblichkeitsforschung und vieles andere mehr. DaS9 damit der 
Forsohungsanstalt genügende und lohnende Zukonftsaufgaben gestellt 
sind, lässt sich nicht verkennen, und es wird sioh nun zeigen, ob es be¬ 
sondere Institute oder die schöpferischen Persönlichkeiten sind, auf die 
es zu ihrer Lösung ankommt. _ 


H. Fischer- Breslau: Die traumatische Apoplexia eerebri vor Gericht. 

Volkmanns Sammlung klinischer Vorträge, No. 751/58. Leipzig 1918. 

Verlag von J. A. Barth. 

Die Frage der traumatischen Verursachung innerer Krankheiten ge¬ 
hört immer noch zu jenen Schmerzenskindern der gerichtlichen Medizin, 
die einer besonders sorgfältigen und sachverständigen Behandlung be¬ 
dürfen. Die Fischer’sohe forensische Bearbeitung der traumatischen 
Hirnblutung darf daher von vornherein des ärztlichen Interesses sicher 
seih. Sie verdient dieses um so mehr, als sie zugleich das Belegmaterial 
in gutachtlicher IForm zugänglich macht und an der Hand dieser Gut¬ 
achten die Fülle der Komplikationen und forensischen Schwierigkeiten 
solcher Fälle zum Bewusstsein bringt. Im einzelnen werden die apoplek- 
tisohen Lähmungen und Apba9ieD, die traumatische Epilepsie und Spät¬ 
epilepsie, die traumatischen Psyohosen und schliesslich — vielleicht 
schon über den beabsichtigten Rahmen hinausfübrend — der Diabetes 
n&oh Hirnkontusionen, die Lungenentzündung, der Diabetes iusipidus und 
die tuberkulöse Meningitis behandelt. Die traumatische Spätapoplexie 
erfährt eine besondere Würdigung. Sie wird auf Grund der beigegebenen 
Kasuistik anerkant. K. Birnbaum. 


Llter&tur-AuszQge. 

Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

A. Bier-Berlin: Beobachtungen über Regeneration kein Meuschei. 

(D: m. W., 1919, Nr. 28 u. 24.) XIX. Abhandlung» Regeneration der 
Gelenke. Dünner. 

B. Martin - Berlin: Regeneration quergestreifter Muskeln. (Aroh. 

f. klin. Cbir., Bd. 111, H. 8.) Ausführliche Wiedergabe der von Bier in 
der D.m.W., 1917, Nr. 48 mitgeteilten Beobachtung einer wahren Re¬ 
generation quergestreifter Muskeln, unter genauer Anführung der histo¬ 
logischen Ergebnisse. _ Hayward. 

Innere Medizin. 

Bönniger-Pankow: Die Bedeutung des BlutkürperehenvoluHeis 
für die kliilsehe Blntuntersucbuug. (Zsohr. f. klin. M., Bd. 87, 
H. 5 u. 6.) Verf. zeigt, dass die Bestimmung des Blutkörperchen- 
Volumens über manche Verhältnisse Aufklärung gibt, welche die Fest¬ 
stellung der Erythrozytenzahl und des Hämoglobiogebalts allein nioht 
erkennen lassen. Auf diese Weise konnte naobgewiesen werden, dass 
die Herabsetzung des Färbeindex gewöhnlich auf Mikrozytie beruht. 
Der erhöhte Färbeindex bei perniziöser Anämie ist fast aussohliesalioh 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


der Makrozytose xuzuschreiben. Eine wirkliche Hyperchromie der 
einzelnen roten Blutkörperchen wurde nur in vier Fällen gefunden. 
Auch für die Polyzythämie ist die Bestimmung des Blutkörperchen- 
volumens wichtig. Nur auf diese Weise kann man eine eohte Poly¬ 
sythämie, bei der die Zellmasse als ganse vergrössert ist, von der 
Pseudopolyzythämie unterscheiden, bei der zwar die Zahl vermehrt, das 
Volumen aber normal oder verringert ist. 

Z i m m e r 1 i - Samaden: Lenkozytenbefude bei Parotitis epidemica. 
(Zsohr.f. klin. M., Bd. 87, H. 5 u. 6.) Die Leukozytenbewegung der 
epidemischen Parotitis hat einen gesetzmaasigen Verlauf; in den ersten 
drei Tagen fehlt eine Leukozytose, und es tritt eine Tendenz zur Leuko¬ 
penie ein. Dann steigt allmählich die Zahl der Leukozyten, um in der 
Rekonvaleszenz Werte zu erreichen, die meist an der oberen. Grenze der 
Norm Stehen oder sie überschreiten. Im Frühstadium sind die Ueber- 
gangsförmen und die grossen mononukleären Zellen vermehrt, die übrigen 
Elemente verringert. In der Rekonvaleszenz erreichen die Mononukleären 
normale oder subnormale Werte, bleiben aber ebenso häufig vermehrt. 
Es entwickelt sich eine postinfektiöse Lymphozytose und eine Zunahme 
der Eosinophilen. Die polynukleären neutrophilen Zellen beharren auf 
ihrem Tiefstand oder erfahren noch eine weitere Abnahme. Bei der 
Mumpsorcbitis verhalten sioh die Leukozyten meist in der eben ge¬ 
schilderten Weise, dooh kann auoh eine neutrophile Leukozytose auf- 
treten. H. Hirschfeld. 

Schnitter- Offenbach: Zur frühzeitigen Erkennung der gewerb- 
liehen Bleivergiftung mit Hilfe der Blutuntersuehung. (D.m.W., 1919, 
Nr. 26.) Die basophil punktierten Erythrozyten bilden fast immer das 
erste objektiv nachweisbare Symptom der chronischen Bleivergiftung. 
Der Nachweis ist von der Färbung abhängig. Doppelfärbungen sind 
zu vermeiden. Verf. färbt nur mit Methylenblau. Bestehen bereits 
klinisohe Vergiftungssymptome, so sind bei 1 Million Erythrozyten in 
95 pCt. mehr als 500 punktierte Erythrozyten. 

M. Klee mann-München: Ueber den Wert der Zahlen in der 
Orthediagraphie, (D.m.W., 1919, Nr. 28.) Bei Beurteilung der Herz- 
grösse im Orthodiagramm sind die Zahlen, die man nach den ver¬ 
schiedenen Methoden gewinnt, nur bei starken Abweichungen, die über 
die beträohtliohen individuellen Verschiedenheiten hinausgeben, ver¬ 
wertbar. Ausschlaggebend ist meist die Form des Orthodiagramms bei 
genügender Erfahrung in ihrer Beurteilung. So sind z. B. namentlich 
bei der Mitralstenose die Maasse normal, während die Form pathologisch 
verändert ist. Bei Fettsuoht und Hochstand des Zwerchfells findet sioh 
häufig ein in den Maassen zu grosses Herz. Auch die Ausmessung der 
Aorta unterliegt mancherlei Fehlerquellen. Das Breiterwerden des 
Herzschattens bei tiefer Exspiration sagt nichts aus über den Zustand 
des Horzmu8keltonu8, da man dieselbe Beobachtung bei gesunden 
Herzen und ausgiebiger Zwerohfellatmung machen kann. 

H. Straub-München: Herzerweiteraig. (D.m.W., 1919, Nr. 25.) 
Zunahme des Sohlagvolumens führt nicht zu klinisch nachweisbarer 
Herzerweiterung. Die einzige sicher bekannte UrBaohe klinisoh nach¬ 
weisbarer Dilatation besteht in Zunahme des systolischen Rückstandes, 
der für sioh allein kein Zeichen ungenügender Muskeltätigkeit, sondern 
ein kompensatorisoher Faktor zur üeberwindung erhöhten Widerstandes 
ist. Njur durch die Beziehung des Ventrikelvolumens zu dem zu über¬ 
windenden Widerstande lässt sioh die Stauungs- (myogene) dilatation 
von der kompensatorisohen (tonogenen) unterscheiden. Stauungsdilatation 
ist eine Folge ungenügender systolischer Kontraktionskraft und braucht 
nicht mit vermehrter diastolischer Dehnbarkeit verbunden zu sein. - 

H. Zondek-Berlin: Heribefude bei Leiehtgasvergiftetea. Ein 
Beitrag zur Lehre von der Organdisposition des Herzens. I. Klinischer 
Teil. (D.m.W., 1919, Nr. 25.) Bei Leuohtgasvergifteten findet sioh als 
konstanter Symptomenkomplei starke, etwa eine Woche anhaltende 
Blutdruoksenkung, anfängliche Tachykardie mit nachfolgender Brady¬ 
kardie und akut einsetzender Dilatation des Herzens verschiedenen 
Grades, je naeh der Leistungsfähigkeit und Muskelkraft des Herzens. 

Dünner. 

H. Hub er-Winterthur: Zur Kenntnis der Arrhythmien bei Morbus 
Basedow!!. (Zsohr. f. klin. M., Bd. 85, H. 5 u. 6.) Verfasserin ver¬ 
snobt, die Herzunregelmäs8igkeiten einiger Basedowfälle genauer zu 
analysieren. Zwei Fälle werden mitgeteilt, die normalerweise einen 
vollkommen regelrechten Puls zeigten, bei denen es aber experimentell 
gelang, ausgesprochene Arrhythmie zu erzeugen. In vier anderen Fällen 
handelte es sich um spontan aufgetretene Unregelmässigkeit. Im ersten 
Falle wurden nach Adrenalininjektion ventrikuläre Extrasystolen mit 
starker Beschleunigung der Sinusfrequenz und Erhöhung des Blutdruoks 
nebst kurzdauernder Wirkung auf den Vagus gefunden. Im zweiten 
Falle erschienen ventrikuläre Extrasystolen vereinzelt beim Vagusdruok- 
versuoh, in gehäufter Zahl nach der Adrenalininjektion bei gleichzeitigem 
Vagusdruok. Im dritten Falle bestand eine Arrhythmie perpetua, im 
vierten Falle eine hochgradige Arrhythmie, beruhend auf aurikulären 
und ventrikulären Extrasystolen. Im fünften Falle bestand eine 
Arrhythmie perpetua, die durch Operation nur vorübergehend, durch 
Digitalis läogere Zeit günstig beeinflusst wurde. Im sechsten Falle ent¬ 
stand ein vorübergehendes Delirium cordis näoh Strumaoperation. 

F. Kaoh - Hamburg - Barmbeok: Zur Kenntnis der Hersmaskel- 
tlberkalese. (Zbl. f. klin. M., Bd. 87, H. 5 u. 6.) Die Herzmuskel- 
tuberkulöse kann in 6 verschiedenen Formen auftreten, als Miliartuber¬ 
kulose, in Form grosser tuberkulöser Knoten der Hepsmuskulatur, als 


diffuse tuberkulöse Infiltration, als follikuläre tuberkulöse Myokarditis 
mit schwieligen Herden, als tuberkulöse Myokarditis in Form sohwieliger 
Bindegewebszüge, die, ohne selbst tuberkulöser Natur zu sein, bei 
schwerer Allgemeintuberkulose Vorkommen, und endlich solche Formen, 
die durch Wuoherung tuberkulöser Drüsen io die Herzmuskulatur hinein 
entstehen. Der vom Verf. mitgeteilte Fall, eine 89 jährige Frau be¬ 
treffend, die erst seit 6 Wochen an Herzbeschwerden litt, welche man 
auf eine Myokarditis zurücklührte, und die plötzlich starb, bestand in 
einer infiltrativen tuberkulösen Umwandlung eines grossen Teils des 
Myokards nebst Bildung einiger Konglomerattuberkel im rechten Vorhof 
und im rechten Ventrikel, verbunden mit einer schweren adhäsiven 
tuberkulösen Perikarditis. Sonstige tuberkulöse Herde im Körper fanden 
sich nicht. Auffällig ist, dass die Patientin bei einer so ausgedehnten 
Zerstörung des Herzmuskels bis 6 Wochen vor ihrem Tode noch er¬ 
hebliche körperliche Arbeiten leisten konnte und bis zuletzt verhältnis¬ 
mässig geringe Beschwerden hatte. H. Hirscbfeld. 

Ch. Bäumler-Freiburg: Irrtiner in der Diagieee der Heribeitel- 
verwaehsnig. (D.m.W., 1919, Nr. 26.) Bei einem 21 jährigen Artisten, 
der 2 Jahre ohne Herzbeschwerden im Felde gestanden hatte, ent¬ 
wickelte sich ein sohweres Krankheitsbild. Es fand sich ausser starker 
perkutorischer Verbreiterung des Herzens eine Reihe von Symptomen, 
die zur Diagnose der Herzbeutel Verwachsung veranlassten, die bei der 
Autopsie nicht konstatiert werden konnte. . Man muss annehmen, dass 
die Hypertrophie durch den Beruf bedingt war, und dass die lange Zeit 
ausreichende Kompensation durch die Feldstrapasen verloren ging. Viel¬ 
leicht spielte auoh eine Iafektioo dabei eine Rolle. 

F. Dörbeok*. Die InflienzaepUemie des Jahres 1918. (D.m.W., 
1919, Nr. 26.) Sammelreferat. 

A. May er-Berlin: Eine eigenartige, bisher noch nicht beobachtete, 
durch den Micreesccus eatarrkalis vermachte Fieberepidemie. 
(D.m.W., 1919, Nr. 24.) Es handelt sioh um eine eintägige, der In¬ 
fluenza ähnliche Erkrankung, die enorm leicht übertragen wurde. Nioht 
nur im Nasenschleim, sondern auoh im Blut fand sich der Microoocous 
catarrhalis. Die Agglutinationuprüfungen fielen positiv aus. 

Dünner. 

H. Wildbolz-Bern: Der biologische Nachweis aktiver Taber- 
kaloseherde des menschlichen Körpers durch die iatrakitaae Eigea- 
harnreaktiea. (Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 22.) Verf. fasst seine 
Untersuchungen an 200 Patienten dahin zusammen, dass der Urin von 
Menschen, die an keiner Infektionskrankheit leiden, auf Vio seines 
Volumens eingedampft, bei intrakutaner Einverleibung an der Impfstelle 
keine Reizerscheinung erzeugt. Eine Ausnahme bilden nur vereinzelte 
Fälle von Nephritis, bei denen ein leiohtes Infiltrat entsteht. Der Urin 
von Tuberkulösen erzeugt konstant eine umschriebene Infiltration der 
Haut, die in ihrer Form, ihrem Auftreten und Verschwinden der intra¬ 
kutanen Tuberkulinreaktion ähnelt. Bei anderen Infektionskrankheiten, 
wie Influenza, Syphilis, bei den Infektionen der Harnwege wurde eine 
ähnliche Harnreaktion niemals beobachtet, ausser bei reichlichem Vor¬ 
kommen von Staphylokokken im Urin. Verf. nimmt die Harnimpfung 
an zwei 4—5 cm auseinanderliegenden Hautstellen vor, ausserdem 
wurden in der Naohbarsohaft gleichzeitig an je 2 Stichstellen eine Tuber¬ 
kulinlösung von 1:1000 und 1:10 000 intrakutan injiziert. Die intra¬ 
kutane Harnreaktion war bei ihrem positiven Ausfall in ihrer Intensität 
oft ungefähr gleioh der Reaktion der gleichzeitig injizierten Tuberkulin¬ 
lösung 1:10 000. Verf. ist der Ansioht, dass die Methode zur Be¬ 
urteilung des Heilungszustandes der Tuberkulose eine praktische Be¬ 
deutung erlangen kann. R. Fabian. 

W. Mül ler-Sternberg: Klinische and immiabiologische Unter¬ 
suchungen mit den wasserlfisliehea Bestandteilen der Tnberkelbazillen. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 25.) Der von Deyoke uud Much dem Partial¬ 
antigen M. Tb. L. vindizierte schädliche Einfluss konnte nicht festgestellt 
werden. In manchen Fällen trat Besserung des klinischen Befundes 
und oft auoh Heilung auf. Das Partialantigen M. Tb. L. folgt 'dem Ge¬ 
setz der positiven dynamischen Immunität und unterscheidet sich in 
seiner klinisohen Wirkung prinzipiell nicht von den übrigen Partial¬ 
antigenen, indem auch hier das Prinzip der Quantität als oberste Vor¬ 
aussetzung für seioe therapeutische Verwendung gilt. Glaserfeld. 

W. Löffler-Basel: Ueber das Verhalten des Gaswechsels beim 
Diabetes nach Znfahr voa reiaen Eiweisskörpera aid reiaea Kohle¬ 
hydrat«, (Zschr. f. klin. M., Bd. 87, H. 5 u. 6.) Ein reiner Eiweiss¬ 
körper wie Kasein bewirkt bei mittelsohwerem Diabetes die gleiche 
Steigerung des respiratorischen Gaswechsels wie beim Gesunden. Ein¬ 
malige Zufuhr von Glukose in Mengen von 50, 100 und 150 g pro dosi 
kann bei einer Verwertung von 45, 75 bzw. 88 g des Zuckers ohne 
merklichen Einfluss auf den Gaswechsel bleiben. Zufuhr einer zweiten 
Glukosegabe im Abstand von 6—7 Stunden von der ersten ergibt 
schlechtere Verwertung. Dagegen zeigt sich stets eine Einwirkung auf 
den respiratorischen Stoffwechsel. Die Steigerung der Kohlensäureabgabe 
ist proportional der Menge der verwerteten Zuokermenge der zweiten 
Dose, vorausgesetzt, dass die erste Zufuhr hinreichend gross gewesen ist. 
Das verschiedene Verhalten des Gasweohsels ist in der Weise auf¬ 
zufassen, dass die erste Gabe Glykogenbildung bewirkt. Die zweite 
Gabe trifft die Glykogendepots gefüllt, und der verwertete Zucker wird, 
wie beim Gesunden, teilweise verbrannt. Therapeutisch ergibt sich 
daraus die Anregung, beim Diabetiker nach Kohlehydratzufuhr die 
Glykogendepota stets wieder sioh vollständig entleeren zu lassen, bis 


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eine weitere Kohlehydratgabe gereioht wird. Durch Kohlebydratzufuhr, 
die auf jeden zweiten Tag beschränkt wurde, iiese siob keine Verwertung 
erzielen. Prinzipielle Unterschiede in der Verwertung der Glykose 
konnten bei einem mittelschweren Diabetiker dem Gesunden gegenüber 
nicht festgestellt werden; es handelt sich in erster Linie um eine quanti¬ 
tative Störung im Zuokerstoffweehsel. H. Hirschfeld. 

W. Weil and-Kiel: Diabetes and chirurgische Erkrankungen, 

(M.m.W., 1919, Nr. 27.) fichter traumatischer Diabetes ist äusserst 
selten. Dagegen ist posttraumatische Glykosurie ziemlioh häufig, sie 
geht aber fast nie in Diabetes über. Als Grund für die traumatisohe 
Glykosurie ist eine zerebrale, nervöse, vorübergehende Störung mit 
Glykogenausschwemmung, Glykosurie und Hyperglykämie anzunehmen. 
Folgende chirurgische Erkrankungen treten beim Diabetes häufig und 
oft mit bösartigem Verlauf auf: Erysipel, Furunkulose, Abszesse, Phleg¬ 
monen, Karbunkel und Gangrän bei der unteren Extremität Spezifisch 
chirurgischen Diabetes gibt es nicht Auch die Gangrän ist keine 
spezifisch diabetische, sondern eine arteriosklerotische Erkrankung. 
Wegen der chirurgischen Gefahren beim Diabetes bestehen folgende 
Indikationen: Bei lebensrettenden Operationen ist keine Rücksicht auf 
den Diabetes zu nehmen. Unvermeidbare Operationen sollen möglichst 
erst duroh entsprechende Diät harn- und blutentzuokert werden. Ge¬ 
fälligkeitsoperationen müssen unterbleiben. R. Neumann. 

R. Köhler: Die Aasfallsbedinguigen der frelei Harnsäure in 

tierisohen Flüssigkeiten. (Zschr. f. klin. M., Bd. 87, H. 5 u. 6.) In 
Nachahmung der für den Ausfall der Harnsäure im Harn maassgebenden 
Bedingungen wird die Sedimentbildung in reinen Lösungen bei ver¬ 
schiedenem Säuregrad bei 87° und 18° studiert mit dem Ergebnis, dass 
für den Ausfall der freien Harnsäure in erster Linie die Azidität maass¬ 
gebend ist, während die Konzentration weniger Bedeutung hat. Bei 
geringer Azidität fällt wider Erwarten auch bei hoher Konzentration 
gar keine Harnsäure aus. In jedem Falle erfolgt der Ausfall sehr 
langsam. Es handelt sich tatsächlich um freie Harnsäure in der Lösung, 
die sich in starker Uebersättigung befindet. Es wird darauf hingewiesen, 
dass sioh sämtliche Löslichkeitsanomalien im Harn und sämtliche Er¬ 
scheinungen der Sedimentbildung auf die gefundenen Tatsachen und 
Gesetze der Uebersättigung der Harnsäure und ihrer Salze zurüokführen 
lassen, und dass zur Erklärung die Wirkung kolloidaler Stoffe über¬ 
flüssig ist. H. Hirsohfeld. 

H. Determann-St. Blasien-Freiburg i. Br.: Ueber u schnelle 
Mageientleernng. (M.m.W., 1919, Nr. 26.) Manche chronischen Darm¬ 
störungen werden durch im Röntgenbild nachweisbare zu schnelle 
Magenentleerung, ohne dass der Magenchemismus verändert ist, hervor- 
gentfen. Ursache dafür ist schlechtes Kauen, schnelles Essen, psychische 
Alteration, vor allem eine zu lange Zeit unterhaltene Brei- und Suppen- 
kost. Die Behandlung hat diese Schädigungen zu beseitigen, für eine 
eiweiss- und fettreiohe Kost zu sorgen. Gut wirken dabei kleine Opium- 
dozen, 2—3 mal täglich 2—4 Tropfen Tinct. opii, duroh ihre krampf¬ 
erregende Wirkung auf Magen und Pylorus und retinierende Wirkung 
auf die Dünndarmmuskulatur. R. Neumann. 

Broughton-Aloook: Leichte Rihrepidemien. (Brit. med. journ., 
Nr. 8048.) Bei zwei zum Teil sehr ausgedehnten Ausbrüchen von 
leichter Ruhr gelang die Züchtung des Baoillus dysenteriae Schmitz, 
doch unterschieden sich die Krankheitsfälle von den von Schmitz be¬ 
schriebenen duroh ihren bedeutend milderen Verlauf. Auch starben 
Kaninchen, die mit dem Erreger geimpft wurden, nioht. 

Schreiber. 

A. Henszelmann-Budapest: Die Mobilisation der inaktiven 
Malaiin und ein neues therapeutisches Hilfsmittel. (W.kl.W., 1919, 
Nr. 24.) Diese vorläufige Mitteilung betrifft sechs Fälle,' bei denen 
sämtlich Benzol (3x0,1 pro die in caps. gelat. oum oleo) die latente 
Malaria mobilisierte. Nach kombinierter Darreiohung von Benzol und 
Chinin (die Inkubationszeit des Benzols ist gleioh der Resorptionszeit 
des Chinins) wurden alle Kranken fieber- und parasitenfrei. 

Glaserfeld. 

F. Rothe: Ueber die sogenannte Chiningewtfhnug und die Chiaia- 
aaaaeheidaag iai Uria hoi Malaria. (Zbl. f. inn. M., 1919, Nr. 26.) 
Ungenügende Chininerfolge beruhen nicht nur auf Chiningewöhnung, 
Chininresistenz oder sonstigen Unzulänglichkeiten in der medikamentösen 
Therapie, sondern häufig auf der Rückwirkung ungünstiger äusserer 
Einflüsse psyohischer und somatischer Art. In solohen Fällen leistet 
die Allgemeinbehandlung, bestehend in Schutz vor ungünstigen klima¬ 
tischen Einflüssen, zweokmässiger Ernährung, hygienischer Unterbringung 
und möglichster Ausschaltung psychischer Erregungen, Erspriessliches. 
Mit der von Schittenhelm und Schlecht angegebenen Methode 
untersuchte Verf. unter Ausscheidung möglichst aller noch etwa vor-' 
hsndenen Fehlerquellen (gleiohmässige Kost, Vermeidung von Nikotin 
usw.) die Chininaussoheidung bei „chiningewöhnten" und „obininnioht- 
gewöbnten" Fällen. Die njit Prophylaxe oder Kuren vorbehandelten, 
also „ohiningewöhnten" Patienten schieden dabei prozentual mehr Chinin 
aus. Bei ihnen steigt die Aussoheidung im Laufe der Kur nioht so 
sehnell an als bei „ohininnichtgewöhnten", hält aber längere Zeit an. 
Da bei „Chininnichtgewöhnten" die Aussoheidung in weniger als 
24 Standen beendet ist, empfiehlt R. zwar, zweimal wöchentlich 1—1,2 g 
Chinin, aber nebenbei nooh tägliob 0,8 g Chinin zu verabreichen, am 
zweokmässigsten in Form von Chininperlen. 

C. Kays er-Berlin-Wilmersdorf. 


W. Nonnenbruch-Würzburg: Beobachtung über die Pathologie 
und Therapie der Kriegsniere. (Zschr. f. klin. M., Bd. 84, H. 5 u. 6.) 
Es handelt sich hier um eine allgemeine Erkrankung mit vorwiegender Be¬ 
teiligung der Gefässe, bei der Nieren- und periphere Gefässe für sioh be¬ 
troffen sind. Im Blut wurden starke Schwankungen der Konzentration ge¬ 
funden, die auf einen gestörten Wasserwechsel in den Geweben zurüok- 
geführt werden und keine Gesetzmässigkeit zeigen. Die Blutdruoksteigerung 
bei der Kriegsniere wird als extrarenal bedingt aufgefasst. Die Adrenalin¬ 
theorie V o 1 hard’s findet Einwände. Die Volhard’soheFastenkur wird nach¬ 
drücklich vertreten. Die ganz strenge Fastenkur kommt hauptsächlich 
bei den schweren Fällen mit vorherrschender Dyspnoe in Betracht. Ein 
ödematöser Nierenkranker muss vom ersten Tage an abnehmen, danach 
richtet sich die Nahrung und Flüssigkeitszufuhr im weiteren Stadium. 
Direkte Entleerung der Oedeme, Wasserstösse, Harnstoff, Digitalis und 
Diuretin und eventuell die Dekapsulation kommen weiterhin zur An¬ 
regung der Diurese in Betracht. 

H. Zondek-Berlin: Untersuchungen über die Arbeit der kranken 
Niere. (Zschr. f. klin. M., Bd.87, H.5 u.6.) Bei gesunden Nieren erfolgt auf 
KochsalzbelastuDg ein erheblicher Anstieg der Kochsalzlösung im Harn. 
Im Falle der Salzaussohwemmung werden die zugeführten Koohsalxmengen 
extrarenal zurückgehalten. Bei hydropisohen Formen erfolgt naoh Kooh- 
salzbelastung keine oder nur geringe Mehrausscheidung durch den Harn. 
Es gibt zwar zweifellos Oedeme rein renalen Ursprungs, meist aber ist 
das nephrotische Oedem extrarenaler Genese. Der Reststiokstoffgehalt 
der Oedemfiüssigkeit korrespondiert mit dem des Blutes, der Koohsals- 
gehalt liegt gewöhnlich höher. Der Dextrosegehalt liegt im Vergleich 
zum Blutzuckerspiegel hoch. Die Harnsäurewerte schwanken zwischen 
8 und 7 mg, die für CaO betragen 22 mg, für MgO bis zu 66 mg in 
100 ccm Flüssigkeit. Der Blutzuckerspiegel ist im allgemeinen bei 
Nephrosen mässig, bei Schrumpfnieren meist erheblich gesteigert. Der 
Harnsäaregehalt des Blutes ist bei Sohrumpfniere leioht gesteigert. 
Bei hoohgradig hydropischen Nierenkranken bewirken manohe Diuretika 
zuweilen statt einer Harnvermehrung eine Harn Verminderung, vermutlich 
hervorgerufen durch Ermüdung oder gesteigerte Ermüdbarkeit der Nieren- 
gefässe (paradoxe Reaktion). H. Hirsohfeld. 

A. Adler-Frankfurt a. M.: Ein Aietoiometer. (M.m.W., 1919. 
Nr. 26.) Beschreibung einer einfachen kolorimetrisohen Methode zur 
annäbend quantitativen Bestimmung des Azetongehalts im Urin. Da 
die Legarsche Azetonprobe einen ganz unbeständigen Farbstoff liefert, 
wurde als Testlösung ein damit übereinstimmendes Farbstoffgemisoh aus 
Neutralrot, Neublau und Diamantphosphin in 5 verschiedenen Ver¬ 
dünnungen gewählt. Jede Verdünnung entspricht einem bestimmten 
Asetongehalt. R. Neu mann. 

Lenne-Neuenahr: Lässt sioh die Gallensteinbilding verhüten? 
(D.m.W., 1919, Nr. 26.) Empfehlenswert sind zur Verhütung der Gallen¬ 
steinbildung vernünftige Bekleidung duroh Fortlassen von Korsett, 
Leibgurt usw., zweckmässige Ernährung (wenig Fleisch und Alkohol) 
und körperliche Arbeit. Da Landbewohner im grossen und ganzen 
diese Forderungen erfüllen, findet man bei ihnen Gallensteine weniger. 

E. Richter-Hamburg: Zur chemischen Bielegie der Nebenniere, 
Hypophyse nnd Thyreoidea. (D.m.W., 1919, Nr. 26.) Aus der Arbeit, 
die sich schwer im Referat wiedergeben lässt, sei das Prinzipielle nur 
angeführt. R. will in Nebennieren, Hypophyse und Thyreoidea mit einer 
bestimmten Methode Reduktionsmittel gefunden haben, die im Haushalt 
des Körpers eine wiohtige Rolle spielen, je nachdem das betreffende 
Organ sie in zu grosser oder zu kleiner Menge produziert. Die Er¬ 
krankungen der Organe und ihre klinischen Symptome glaubt er mit 
den Reduktionskörpern erklären zu können. 

A. Drucker-Dortmund: Kalkablageraag unter die Halt. (D.m.W., 
1919, Nr. 25.) Beschreibung eines Falles, bei dem die Ablagerungen 
denen der Gicht sehr ähnlioh waren, wie die beigefügte Abbildung 
zeigt. Der Kalk lag im Bindegewebe der Haut. Dünner. 

A. Heineke-Heidelberg: Erfahrungen und Eindrücke beim Ii- 
valideaprttfungsgeschäft iaierlich Kranker. (D. militärärztl. Zschr., 
1919, H. 11 u. 12.) Verf. weist zunäohst auf das starke wissenschaft¬ 
liche Interesse der Nachuntersuchungen hin und maoht dann Mitteilungen 
über die Zusammenstellungen von 800 wegen interner Leiden Berenteten, 
aus denen erhellt, wie weit und inwiefern sioh Abweichungen von der 
früheren Beurteilung ergeben haben. Begründung dafür, dass solohe 
nioht ausbleiben konnten. Kurze Skizzierung des Ergebnisses der Nach¬ 
prüfung bezüglich der Dienst- upd vor allem der Erwerbsfähigkeit. Die 
Rentengewährung bedeutet für die Mehrzahl der Menschen einen Eingriff 
in die psychisohe Konstitution. Sohnütgen. 

A. Fiessler: Ahsckatrverricktiig naoh Dr. Fiessler, ein Ersatz 
der elastischen Binde zur künstlichen Blutleere der Gliedmaassen. 
(D.m.W., 1919, Nr. 24.) Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

M. Rosen borg-Frankfurt a. M.: Ueber die diagnostische Verwend¬ 
barkeit des. Plaatarpniktes. (D.m.W., 1919, Nr. 29.) Der Plantar¬ 
punkt besteht in einer auffallenden Druokempfindliohkeit der Mitte der 
Fusssohle- Er findet sioh bei Toxikosen (Wurstvergiftung, Phthise, 
akuten Infektionskrankheiten, Hochschwangeren), also beim Kreisen von 
toxisohen Substanzen. Dünner. 


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784 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. 88. 


H. Se eiert -Berlin: Verbindung endogener ind exogener Fak¬ 
toren in dem Symptomenbilde und der Pathogenese von Psychosen. 
(Abh, aus d. Neurol., Psyoh. u. Psychol., H. 6.) Die Abhandlung bringt 
literarische und eigene Beweise für die Kombination äusserer und innerer 
Faktoren bei Entstehung und Ausgestaltung von Psychosen. Verf. be¬ 
spricht die Depressionszustände und paranoiden Prozesse des höheren 
Lebensalters (Senium und Arteriosklerose), Intoxikations- und Iofektions- 
psychosen und die progressive Paralyse, bei der die psychische Gesamt¬ 
konstitution natürlich nicht ätiologisch, sondern nur symptomatologisch 
zu werten ist. 

H. Se eiert-Berlin: Die psychische Erkranknng nach akater 
Kohlenoxyd vergiftnng. (Mschr. f. Psych., Bd. 46, H. 1.) Es kommt 
nach einer Somnolenz (oder Koma) zu einem psyohopathologischen Zu¬ 
stand vom Typus exogener Hirnschädigung. Der Korsakow’sche Sym- 
ptomenkomplex ist häufig, Konfabulationen sind spärlich. Ferner findet 
man aphasische und apraktisobe Symptome, oft auch rauschartige Er¬ 
regungen und Dämmerzustände. Körperlich gibt es Pyramidenbabn- 
schädigungen (Babinski) und Augenmuskelparesen. Es können schwere 
psyohische Defekte Zurückbleiben. E. Loewy. 

E. Niessl v. Mayendorf: Epilepsie aad Heeresdienst. (W.m.W., 
1919, Nr. 24.) Epileptiker sind zum Felddienst unbrauchbar, zum Hilfs¬ 
dienst bedingt brauchbar. Die Beobachtungen sollen sich nicht nur auf 
eventuelle Anfälle erstrecken, sondern es muss auoh der Geisteszustand 
untersucht werden. Es finden sich oft, wenn auch keine Geistes¬ 
störungen, so doch eigentümliche psychische Veränderungen. Solche 
Kranke sind im Heeresdienst störend, auoh wenn sie keine Anfälle haben. 

G. Eisner. 

A. Knapp-Düsseldorf: Die Epilepsin spnstien. (Mschr. f. Psych., 
Bd. 46, H. 1.) Bei einem 10jährigen Knaben entwickelte sich 3 Jahre 
nach einer Gehirnerschütterung eine schwere Epilepsie, die zu allge¬ 
meiner Muskelsteifigkeit und Spasmen führte. Brom in hohen Dosen 
besserte alle Erscheinungen, auch die psychischen. Nach Aussetzen des 
Broms verschlechterte sich der Zustand, es blieb ein ständiges fauni- 
sches Grinsen des Gesichts. E. Loewy. 

Williamson-Manchester: BraeliälneiriÜS. (Brit. med. journ., 
Nr. 3049.) Die primäre Brachialneuritis hat entweder allgemeine Ur¬ 
sachen (Zuckerkrankheit, Gicht, Trunksucht, Rheumatismus) oder wird 
verursacht durch Druck oder Zerrung der Nervenstämme des Arm- 
gefleohts im hinteren Nackendreieck. Primäre Brachialneuritiden klingen 
unter geeigneter Behandlung nach einiger Zeit ab. Tritt dies nicht ein, 
so besteht dringender Verdacht auf sekundäre Neuritis, veranlasst durch 
Rückenmarksgeschwülste, Halsrippen, Aortenaneurysma und andere Neu¬ 
bildungen in der Brusthöhle und am Nacken. Doch stellen sich in 
dolohen Fällen im Verlaufe des Leidens stets irgendwelche organischen 
Veränderungen, wie Lähmungen, Muskelschwund, Gefühls- oder Refiex- 
Störungen ein. Die Behandlung hat zu bestehen in Beseitigung eines 
etwaigen Allgemeinleidens, in Anlegung einer Armbinde zur Entlastung 
und Hebung des Armes une Verabfolgung von Antipyrin. 

Schreiber. 

H. Schlesinger: Vasomotorisch-trophisehe Nenrosen. (W.m.W., 
1919, Nr. 24.) Fortbildungsvortrag. Kurze Beschreibung über hierher¬ 
gehörige Krankheitsbilder. Die Lehre der vasomotorisch-trophischen Neu¬ 
rosen ist in den Kriegsjahren erweitert worden. Einige Syndrome, z. B. 
das von Oppenheim bei Kranken mit nervös-psychischen Störungen 
nach Trauma, wurden erst im Kriege aufgestellt. Artefakte können hier 
eigenartige Krankheitsbilder Vortäuschen. 

H. Müller: Ueber die Drnekverhältnisse des Liqaor cerebro¬ 
spinalis bei Rfickeamarkskonipressioi. (W.m.W., 1919, Nr. 25.) Durch 
Kompression der Halsvenen entsteht nach Queckenstedt durch Ver¬ 
mehrung des intrakraniellen Druckes und durch stärkeren Blutabfluss 
über die Venenplexus der oberen Halswirbelsäule eine Steigerung des 
Liquordruokes, der sich durch Steigen im Rohr (bei der Punktion) kund¬ 
gibt. Findet sich im Verlauf des Rückenmarkskanals eine Verengung 
der, Duralichtung, so kann der Liquor kaudalwärts nicht oder nur 
langsam abströmen. Der Liquordruck steigt dann entweder gar nicht 
oder nur langsam. Wenn dieser Queckenstedt’sche Versuch uns 
auoh nichts über die Art und Ausbreitung des raumbeengenden Pro¬ 
zesses sagt, so ist er doch eine wertvolle diagnostische Unterstützung. 
Es werden 10 Krankengeschichten angeführt, die den Wert des Versuchs 
zeigen. G. Eisner. 

E. Förster-Berlin: Agrammatismus (erschwerte Satzfindung) und 
Mangel an Antrieb nach Stirnhirnverletoang. (Mschr. f. Psych., 
Bd. 46, H. 1.) Bei einem Heizer kam es nach einer Stirnhirnverletzung 
zu einem Mangel an Antrieb mit kataleptischen Symptomen. Als 
spezielle Lokalisation hierfür nimmt F. die Mitte der 1. und 2. Stirn- 
Windung an. Als isoliertes Ausfallssymptom zeigte sich Störung der 
grammatischen Ausdrucksfindung, die F. in Parallele mit einer gestörten 
Wortfindung setzt. Läsionen des Schläfenlappens bei Agrammatismus 
sind nicht bewiesen, es kommt besonders die Gegend der 2. und 3. Stirn¬ 
windung in der Nähe der Brocastelle in Frage. Vielleicht hängen auch 
gewisse Sohreib- und Lesestörungen von der Verletzung dieser Gegend ab. 

E. Loewy. 

E. Po pp er-Prag: Ueber psychogeae Schmerzen nach Nerven¬ 
verletzung. (W.kl.W., 1919, Nr. 26.) Bemerkungen zu einer Mitteilung 
von G. Voss (M.m.W., 1919, Nr. 1), in denen Verf. auf die bei Nerven- 


schussschmerzen grossen Schwierigkeiten der differentialdiagnostisohen 
Abgrenzung zwischen hysterischer und organischer Verursachung hinweist 

Glaserfeld. 


Chirurgie. 

P. Grawitz - Greifswald: Re ferm vsrseb läge sar wissenschaftlichen 
Chirurgie. (Aroh. f. klin. Chir., Bd. 111, H.8.) ln eioer gross angelegten 
Arbeit wird der Nachweis geführt, warum die Lehren der Zellular¬ 
pathologie und die Emigrationstbeorie überlebt sind und welche Reform 
ao ihre Stelle treten muss. 

J. Härtl-Berlin: Operatien inter „peripherem Ueberdraek" und 
dadurch bedingter Einengung der Blutsirkulation auf den kleinen Kreis¬ 
lauf. (Arch. t. klin. Chir., Bd. 111, H. 2.) Wiedergabe der Versuchs- 
Protokolle über Operationen unter peripherem Ueberdruok. 

Hay ward 

A. W. Meyer-Heidelberg: Iatoxikationserseheianngen (Schlaf¬ 
zustand, Krämpfe, peripherische Totalanästhesie) nach No vokaia-Lokal¬ 
anästhesie beim Menschen. (D.m.W., 1919, Nr. 25.) Bei subkutaner 
Injektion von Novokain können die Patienten in einen Schlafzustand 
kommen, aus dem sie durch Anruf zwar geweckt werden können, in 
den sie aber leicht wieder verfallen. Bei intravenöser Injektion können 
schon auf relativ kleine Dosen schwere Krampfersoheinungen auftreten. 
Bei grossen, subkutan, intramuskulär oder intravenös injizierten Mengen 
kann es sogleich zu schwerem Kollaps mit Atemstillstand kommen. Im 
Anschluss an Krampf- und Kollapsersobeinungen kann nach Wiederkehr 
der spootanen Atmung und des Bewusstseins eine Analgesie (der peri¬ 
pherischen Nervenendigungen) auftreten. Dünner. 

L. Freund-Wien: Zur Genese und Therapie der Keloide. (D. 
Zscbr. f. Chir., Bd. 150, H. 1 u. 2, S. 1.) Mitteilung eines Falles, an 
dem beachtenswert ist, dass auf der Haut eines Individuums sowohl jene 
Art der Keloide, die man als spontan oder protopathisch entstanden 
benennt, als auch solche Keloide Vorkommen, welohe nachweisbar aus 
Kontinuitätsdefekten der Haut hervorgegangen sind. Zweitens ist be¬ 
achtenswert, dass die Ursache, welohe den Hautdefekt veranlasste, offen¬ 
bar keine grosse Rolle spielte. Als drittes interessantes Moment er¬ 
scheint der Umstand, dass bei diesem Individuum, welches für die 
Keloidbildung offenbar sehr disponiert war, doch nicht jede Verletzung 
zu einem Keloide führte. Es musste deshalb bei diesem Manne eine 
örtliche und zeitliche Disposition der Gewebe vorhanden sein, wenn eine 
Kontinuitätstrennung derselben zur Keloidbildung führen sollte. Die 
Therapie besteht darin, dass die Geschwülste zuerst unter aseptischen 
Kauteien gründlich samt allen Fortsätzen exstirpiert, die Blutung mit 
Ligaturen gestillt, die Wunde nicht genäht, sondern offen gelassen, mit 
steriler Gase verbunden und vom 2. oder 3. Tage an mit Röntgen¬ 
strab len bis zur Erythemdosis belichtet wird. Unter aseptischem, später 
indifferentem Fettverband schliessen sich die Wunden bald zu zarten, 
dünnen, flaohen, bei kleinen Gesohwülsten kaum sichtbaren Narben. > 

B. Valentin-Frankfurt a. M.j3 

W. Kan sch-Schöneberg: Ueber chemische Phlegmoae (nach Benzin¬ 
einspritzung). (D.m.W., 1919, Nr. 23.) Bei einem Kollegen, der sich 
versehentlich 1,3 oem Benzin subkutan gespritzt hatte, bildete sich, 
abgesehen von Schmers und Fieber, starke Anschwellung, die allmäblioh 
suoahm, da die vom Verf. vorgeschlagene breite Inzision abgelehnt 
wurde. Sie wurde zum Schluss freilich notwendig und führte bald zur 
Heilung. Dünner. 

R. Klapp-Berlin: Die primäre Exstirpatioi der Nekrose bei der 
Behaidlaag sibkntaner Panaritien. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 24.) 
Verf. vertritt die Meinung, dass die heutige Behandlung der Panaritien 
unzureichend sei. Den Grund hierfür sieht er in dem Umstand, dass 
der Unterschied zwischen der trockenen und feuchten Nekrose des ent¬ 
zündeten Gewebes nicht scharf genug beachtet wird. Bei der feuchten 
Nekrose, d. h. derjenigen, welohe mit Eiter umspült ist, kommt man 
mit einem einfachen Einsohnitt aus; dagegen muss die trockene Nekrose, 
wie sie namentlich bei Streptokokkeninfektionen beobachtet wird, in toto 
exzidiert werden. Hay ward. 

H o 11z - Senftenberg: Konservative Behandlung von Fingerver- 
letznngen. (M.m.W., 1919, Nr. 26.) Beschreibung der Fingerextensions- 
behandinng von der Fingerkuppe ans mittels Metallstiftes, der durch 
die Weiohteile möglichst nahe der Endphalax gestossen wird. 

R. Neumann. 

V. v. Hacker-Gera: Ersats der Nasenspitze inter Verwendug 
eines nngestielten Hantlappens. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 26.) Verf. 
bat sich die Tatsache, dass in der Innenseite der Nase auf der Nasen¬ 
scheidewand noch eine gewisse Strecke normale Haut sich befindet, 
welche erst allmählich in die Nasenschleimhaut übergeht, bei der Aus¬ 
arbeitung seiner Methode zunutze gemacht. Bei einem Mann, der in¬ 
folge eines Pferdebisses die Spitze der Nase verloren hatte, ersetzte er 
den freien Rand des Nasenflügels durch einen gestielten Lappen, welcher 
der genannten Stelle entnommen war. Der noch verbliebene Rest 'wurde 
nach Thiersch gedeckt. Der Erfolg war, wie die beigegebenen Bilder 
zeigen, ein vollkommener. Hay ward. 

J. Grünewald -München: Die Beaisprichaig der langen Röhren¬ 
knochen des Menschen. (Zsohr. f. orthop. Chir., Bd. 39, H. 1, S. 27—49.) 
Die Knochen des menschlichen Körpers stehen unter dem Einfluss von 
Druck-, Zug- und Querkräften. Druckspannungen entstehen durch das 
Eigengewicht der Glieder, Zugspannungen durch die Schwere der mit 


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18. Aognst 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


786 


ihnen verbundenen Körperteile, Schubspannungen durch den Zug von 
Bändern und Muskeln. Die Inkongruenz der Gelenke wird durch Muskel- 
sug überwanden. Je grösser die Gelenkabnormität, desto stärker die 
Zusamtnenpressung, aus welcher bei beschädigten Gelenken häufig 
Arthritis deformans entsteht. Ausführliche Berechnungen der einzelnen 
Kräfte mit Hilfe eines Mathematikers. 

E. Müller• Ettlingen: Ueber die einzeitig abgehetzten kurzen 
Untorsekeakelalftapfe und ihre chirurgische Versorgung. (Zschr. f. orthop. 
Chir., Bd. 89, H. 1, S. 50—67.) Verf. empfiehlt die direkte Vernähung 
der Stumpfbaut über dem einzeitig abgesetzten Stumpf, nach vor¬ 
bereitender Mobilisierung der Haut und unter möglichster Verminderung 
des Stumpfvolumens. Duroh die Entfernung des Fibularrestes und der 
überschüssigen Wadenmnskulatur erhält der Stumpf eine günstige Form 
für die Prothese. Auf Tragfähigkeit des Rumpfes ist von vornherein zu 
verzichten. Die Grenze der Ausuutzbarkeit kurzer Untersohenkelstümpfe 
ist von der Länge der Rückfiäohe abhängig. Künne. 

A. Tröll-Stockholm: Ueber Knoehenbrfehe an Unterschenkel. 
(Aroh. f. klin. Chir., Bd. 111, H. 4.) Eingehende Monographie, welohe 
sich besonders mit der Entstehungsweise und dem Mechanismus der 
Unterschenkelbrüche befasst. Verf. legt innerhalb der ersten 24 Stunden 
einen Gipsverband an über einem doppelten Trikotstrumpf ohne Wat¬ 
tierung und ist mit dieser Therapie sehr zufrieden. Ein gutes anatomi¬ 
sches Heilungsresultat wurde in 98 pCt., ein gutes funktionelles Heilungs- 
resultat in 93,5 pCt. erzielt. Literatur. Hayward. 

J. Elsner - Dresden: Die zeitweilige Regelung der Fragmente hei 

Fraktarea and Osteotomien. (Zschr. f. orth. Chir., Bd.39, H. 1, S. 91—94.) 
Vor derDurebmeissftlung werden oberhalb und unterhalb der Osteotomie¬ 
stelle quer zu den Bruchstücken Nägel eingeschlagen. Mit Hilfe dieser 
Nägel kann man die Fragmente, besonders das gelenkwärts gelegene 
knrze, leicht uud sicher in die gewünschte Steilung bringen bezw. 
während des Eingipsens in dieser Stellung erhalten. Auch bei der Ein¬ 
richtung von Brüchen leistet das Verfahren gute Dienste. Die Nägel 
sind vergoldet, werden nach 2—3 Woohen herausgezogen, die Kanäle 
mit Jodtinktur ausgespritzt. Künne. 

Corner: Nerven ii Aapatatioasstümpfen. (Brit. med. journ., 
Nr. 3047.) Da Nerven die besondere Fähigkeit der Regeneration be¬ 
sitzen, können sie in Amputationsstümpfen zu „bösartigen Neubildungen 41 
Veranlassung geben dadurob, dass sie zwischen die Zellen anderer Ge¬ 
webe, wie Muskeln, Sehnen, Gefässe, Knochen usw. hineinwachsen und 
diese empfindlich maoben. Daher sind bei der Operation die durch¬ 
trennten Nerven ganz kurz zu schneiden und ihre Querschnitte mittels 
des sogenannten Drehtürverfahrens zu verschHessen. Da die Nerven¬ 
enden ferner Infektionen leicht zugänglich sind — es konnten aus 
Nervenendigungen in Amputationsstümpfen nooh 3 Jahre nach der 
Operation Keim« gezüchtet werden —, ist peinlichst jede Waodvqr- 
seachung zu vermeiden und bei infizierten Wunden keine Seide zu ver¬ 
wenden. Schreiber. 

M. zur Verth: Die indirekten Fersenbeinbriiebe (Kompressions¬ 
brüche) und ihre Einteilung. (Zbl. f. Cbir.. 1919, Nr. 26.) Die Fersen¬ 
beinbrüche, welche namentlich bei der Marine während des Krieges 
häufig zur Beobachtung kamen, werden naoh der Art des Verlaufs der 
Frakturlinien in eine Reihe von Untergruppen eingeteilt. Die Benennung 
der einzelnen — im ganzen neun — Unterarten bringt das Original. 

A. Fromme-Göttingen: Häufung von 8pontanfraktarea durch 
endemisoh auftretende Spätraebitis. (Zbl. f. Chir., 1919. Nr. 26.) Unter¬ 
sucht man Kranke, welche über leichte Ermüdbarkeit, Schmerzen in den 
Beinen, erschwertes Treppensteigen usw. klagen, mittelst des Röntgen¬ 
verfahrens, dann wird man verhältnismässig oft Spontanfrakturen finden, 
die als eingekeilte Brüche anzusehen sind. Die Ursache des Leidens ist 
wohl in der Unterernährung zu suchen. Hayward. 

A. Szenes: Ein Beitrag zu Krakenberg’s Stampfplastik. (W.kl.W., 
1919, Nr. 25.) Bildung eines sensiblen Greifarmes bei einem Blinden. 
Sehr guter Erfolg. Glaserfeld. 

P. Sud eck - Hamburg: Periostabrii« als Ursache parostaler Bildnng 
V#B Callas laxnrians. (Gegen die Theorie der Myositis ossificans trau¬ 
matica.) (D. Zschr f. Chir., Bd. 150, H. 1 u. 2.) Die periostale Genese 
des parostalen und des dislozierten Knochens ist die näohstliegende 
primäre Auffassung, die unbedingt die erste Anwartschaft auf Prüfung 
hat. S. unterscheidet den Luxations-Abrisskallus, den Kontusions Abriss¬ 
kallas und den Abrisskallns durch scharfe Gewalt. Nach ihm fehlt der 
Bindegewebstheorie der Myositis ossificans traumatica überhaupt die 
pathologisch-anatomische Beglaubigung, sie ist eine irrtümliobe Hypothese 
und muss zugunsten der Periosttheorie aufgegeben werden. 

B. Valentin - Frankfurt a. M. 

K. ReBohke-Berlin: Mobilisation versteifter Sehaltergeleake 
ui Nachbehandlung mit einem Sebaleagipsverbaad in hoher Ab¬ 
duktion. (Arob. f. klin. Cbir., Bd. 111, H. 8.) In Narkose wird das Gelenk 
mobilisiert und sofort ein Gipsverbaod angelegt, welcher den Thorax 
und den Arm bis zum Handgelenk umfasst, wobei der Arm in Abduktion 
nnd Elevation etwa 20 Grad über die Horizontale hinaus fixiert und im 
Ellenbogen rechtwinkelig gebeugt wird. Naoh einer Woche wird eine 
obere Schale aus dem Armteil des Verbandes heransgeschnitten und 
nun täglich Uebnngen vorgenommen. Der Rest des Verbandes bleibt 
so lange liegen, bis der Kranke den Arm ohne Beschwerden senkrecht 
erheben kann. 


K. P roppin g - Frankfurt a. M.: Ueber die Behandlung der Knio- 
gelenksehiisse. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 111, H.S.) Die operative Therapie, 
namentlich prophylaktisch angewendet in Verbindung mit Antiseptizis, 
hat gut« Erfolge gezeigt. I9t eine Gelenkinfektion ausgebrooben, so er¬ 
geben sich die notwendigen therapeutischen Eingriffe durch das genaue 
Studium der Art und Verbreitung der Infektion im Sinne Payr’s. Eine 
schematiche Behandlung der Gelenkinfektion ist naoh dem heutigen 
Stande der Frage unmöglich. 

A. Läwen- Leipzig: Resektion der hinteren Femnrkondylen bei 

schweren Kniegelenkseiterungen. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 24.) Bei 
Eiterungen des Kniegelenks hat sich die Resektion der hinteren Femur- 
kondylen als sehr wirksam herausgestellt. Die Einzelheiten des Ver¬ 
fahrens sind im Original an Hand der dort befindlichen Abbildungen 
nachzulesen. 

G. Axhausen - Berlin: Histologische Untersuchungen an frei trans¬ 
plantiertem menschlichem Epiphysen- aad Qelenkknorpel. (Arch. f. 
klin. Chir., Bd. 111, H. 8.) Entsprechend dem Resultat der Tierexperi¬ 
mente zeigte sich bei der Untersuchung des Transplantats bei einem 
zweijährigen Kinde, dass die Verpflanzung des metaphysären und epi- 
physären Knochens erfolgreich war, ebenso wie die Verpflanzung des 
Gelenkknorpels. Dagegen war die Transplantation des Epiphysen¬ 
knorpels funktionell vollkommen erfolglos. Hayward. 

F. Schnitze-Duisburg: Zur Heilung des angeborenen Klamp- 

fusses. (D.m.W., 1919, Nr. 23) Es hat sioh gezeigt, dass beim 
Redressement starke Kompressionen des Kalkaneus anstandslos vertragen 
werden. Die Prominenzen werden bei der Methode von S. beseitigt 
und die Formen des ganzen Knochens verändert. Man kann dann den 
Fuss in der gewünschten Form festhalten. Dünner. 

G. Axhausen-Berlin: Zur operative« Behandlung vo« Klnap- 
haad and Knickfnstt bei einem bestehenden Knochendefekt (Radius- 
resp. Fibuladefekt). (Arch. f. klin. Chir., Bd. 111, H. 2.) Die operative 
Behandlung der Klumphand bei partiellem Radiusdefekt ist durch die 
Lappenverlagerung eines abgespaltenen Ulnastüokes in zwei Operationa- 
akten zu führen. Im ersten Operationsakt wird das abgespaltene Stück 
unter Erhaltung einer genügenden Weichteilbrücke mit dem Gelenkende 
auf die Radialseite de9 Karpus verlagert, während das proximale Ende 
mit der Ulna im Zusammenhang bleibt. Im zweiten Operationsakt wird 
auch das proximale Ende des abgespaltenen Stückes auf die radiale 
Seite gebraoht und mit dem unteren Ende des vorhandenen Radius ver¬ 
bunden. Naoh Resektion eines Stüokes der Ulna gelingt dann die Stel- 
lungskorrektur ohne Mühe. Zur Vermeidung der Pseudarthrosenbildung 
ist es ratsam, einen Teil des resezierten Ulnastüokes über die Knoohen- 
nahtstelle der Ulna herüberzulegen. Bei ungenügender Länge des vor¬ 
handenen Radiusstückes ist dasselbe auf dem Wege der freien Knochen- 
transplantation (autoplastisch oder bomoioplastisob) entsprechend zu 
verlängern. Die operative Behandlung der Klumpband bei totalem 
Radiusdefekt erfolgt in drei Akten. Im ersten Akt ist mit freier Knoohen- 
überpflanzung (autoplastisch oder bomoioplastisob) ein Radiussohaft zu 
schaffen; er muss am oberen Ende mit der Ulna unterhalb ihres oberen 
Gelenk«ndes in Verbindung gebraoht werden. Die beiden anderen 
Operationsakte vollziehen sioh in der gleichen Weise wie bei dem par¬ 
tiellen Radiusdefekt. Beim Spitzknickfuss infolge partiellen oder totalen 
Fibuladefektes ist von der komplizierten Operatioosmethod« Abstand sn 
nehmen. Es ist vielmehr eine gute Stellung und gute Funktion des 
Fasses durch die Helfferioh’sche Methode der Fu 9 sgelenkresektion zu 
erzielen. 

A. Köhler-Berlin: Merkwürdige 8ehussverletsung der Schädel¬ 
basis. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 111, H. 8.) Kasuistischer Beitrag. 

H. Küttoer - Breslau: Zur Vertebralis-Diskussion. (Zbl. f. Chir., 
1919. Nr. 25.) Mit Rüoksioht auf die Tatsache, dass über die von 
Küttner angegebenen Wege zur Vertebralisunterbindung Meinungs¬ 
verschiedenheiten entstanden sind, gibt er unter Anführung der ent¬ 
sprechenden Stellen aus seinen Veröffentlichungen noch einmal einen 
Ueberblick über den Gang der Operation. 

M. Joseph-Cöln: Aneurysma aad Ligatnr der Arteria vertebral!« 
(Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 28.) Bei dem Aneurysma der Arteria verte- 
bralis genügt es nicht, das Gefäss nur zentral in unterbinden, sondern 
man muss die periphere Unterbindung, wenn auch, wie in dem Falle 
des Verfassers, erst in einer zweiten Sitzung, binzufügen. 

G. Perthes - Tübingen: Weiterer Beitrag zur 8ehneueperatien bat 
irreparabler Radialisllhaaag. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 25.) P. hat 
versucht, den neuerdings gemachten Vorschlägen der Sehnenoperation 
bei Radialislähmung ohne Tendodese des Handgelenks folgend nur die 
Sebnenverlagerung auszufübren. Die Erfolge dieser Operation haben 
nicht zu deren weiterer Anwendung ermutigt. Hayward. 

Pennel: Sehneuüberpflanzung hei Fallhaad iifelge Nerv- 
verletzang. (Brit. med. journ., Nr. 8049.) Die Sehnenüberpflanzung bat 
unbedingt za erfolgen in Fällen mit grossem Substanzverlust des Radialis 
und in Fällen mit schwerer Knochenverletzung und länger dauernder 
Eiterung, ferner bei sobnellem Sohwund der Streckmuskeln, und endlioh 
in allen Fällen von Dnrcbtrennung des M. inteross. post. Diese kommt 
dann zustande, wenn der Nerv unterhalb der Mitte des Unterarms 
durchtreDnt ist, nnd zeigt sioh in einer Lähmung des Extensor oss. 
metaoarp. L des Extensor poll. long. nnd brev. nnd der gemeinsamen 
Fingerstreoker. In diesem Falle empfiehlt sioh die Vereinigung des an 
seinem Ansatz abgelösten M. snpinator long. mit dem Extensor oss. 


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UNIVERSUM OF IOWA 








786 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88 


metaoarp. I und des Extensor oarp. radial, long. mit den gemeinsamen 
Fingerstreckern. Bei Ausbildung einer vollständigen Fallhand ist erste 
Bedingung die Beseitigung der Ueberbeugung im Handgelenk und die 
Feststellung des Handgelenks, da sur Erzielung vollständiger Beuge- 
Fähigkeit ein gewisser Grad von Streckung im Handgelenk erforderlioh 
ist. In diesen Fällen empfiehlt sich eine Faszienüberpflanzung (aus der 
Fasoia lata) und die Bildung eines F&szienbandes, das einerseits am 
dritten oder vierten Mittelbandknoohen, andererseits an der Speiche oder 
Elle, und zwar näher dem oberen als dem unteren Ende dieser Knochen, 
befestigt wird. Alsdann wird die Sehne des Flexor oarp. rad. mit der 
gemeinsamen Fingerstrecksehne durch eine Oeffnung in den Zwisohen- 
knoohenmembran und der Palmaris longus mit dem Extensor oss. meta- 
carp. I verbunden. Kürzung der Sehnen des Extensor oarp. rad. long. 
und brev. hat dieselbe Wirkung, dooh ist diese nicht von Dauer, da 
nachträgliche Streckung der Sehnen eintreten kann. Schreiber. 

H. Eden-Jena: Die Verwendung der freiea Miskeltraasplaatatiea 
nach Untersuchungen am Menschen. (Aroh. f. klin. Cbir., Bd. 111, H. 3 ) 
Durch experimentelle Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass 
das freitransplantierte Muskelgewebe stets zugrunde geht und binde¬ 
gewebig ersetzt wird. Nur in denjenigen Fällen, in welchen man mit 
dem Muskeltransplantat die Ausfüllung von Defekten, Nahtsicherung 
oder Blutstillung beabsichtigt, ist die freie Muskeltransplantation zu 
empfehlen. Kommt es dagegen auf eine Erhaltung oder Wiederherstellung 
4er Muskelfasern an, so kann mit einem Erfolg nicht gerechnet werden. 
Da im allgemeinen die Einheilungshedingungen der Faszie wesentlich 
günstigere sind, so empfiehlt darum Eden dieser gegenüber der Muskel¬ 
transplantation den Vorzug zu geben, Hayward. 

L. K an m hei me r - München: Ueber die Kombination von an¬ 
geborener Mikregiathie ud Triekterbrast beim Säugling. (Zsohr. f. 
ortbop. Chir., Bd. 39, H. 1, S. 68—81.) Leichtere Grade der Kiefer¬ 
kleinheit kommen als besondere Eigentümlichkeit in einzelnen Familien 
erblich vor. Ausgesprochene Mikrognathien gehen meist infolge des be¬ 
hinderten Saugens und der dadurch erschwerten Nahrungszufuhr früh 
zugrunde. Die Entstehung wird von einigen Autoren auf mechanisch 
wirkende Momente, von anderen auf primäre Keimsohädigung zurück¬ 
geführt. Nach Vertretern der mechanischen Richtung soll zu starke 
Flexion des Kopfes sowohl die Trichterbrust als auch die Druokatrophie 
des Unterkiefers hervorrufen. Künne. 

L. M. Betaurei: Zur Diagnose und Prognose der EiekelepitkeliOBM. 
(La Presse mei , 1919, Nr. 33. S. 321.) Bei 3 Fällen bestanden auf der 
Glans seit mehr als 2 Jahren sehr langsam wachsende, wenig hervor¬ 
ragende, rote, gleiohmässige, massig harte, kleine Herde ohne Blutungen, 
Risse und Ulzerationen, die auch nie schmerzhaft waren. Bei keinem 
bestanden Drüsensohwellungen. Die histologische Untersuchung in Fall 1 
ergab ein Papillom, im Fall 2 ein Epitheliom, papill. exudum Darier, 
iu Fall 3 ein die Tiefe mit epithelialen Zapfen infiltrierendes Epitheliom, 
während sich makroskopisch alle glichen. Im Fall 1 vergrösserte sich 
der Tumor trotz aller Aetzungen und kaustischen Eingriffe; die gleiche 
Behandlung führte beim zweiten zur Verdichtung und Schwellung der 
regionären Lymphdrüsen. Der dritte Tumor, der mit Arsenikalien be¬ 
handelt wurde, wuchs; daher wurde die Hälfte der Eichel entfernt; ein 
Jahr darauf waren epitheliomatöse LyraphdrÜ9enschwelluogen entstanden. 
Fall 1 und 2 müssen als verschiedene Stadien der Karzinomentwicklung 
aufgefasst werden. Stets ist in derartigen Fällen histologische Unter¬ 
suchung notwendig, sie dürfen trotz des langsamen Waohstums, der 
mangelnden Drüsensohwellungen, des Fehlens der allgemeinen und sub¬ 
jektiven Symptome nicht als benigne aufgefasst werden und machen 
ausgedehnte chirurgische Maassnahmen erforderlioh. 

Krakauer - Breslau. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner otologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 21. März 1919. 

Vorsitzender: Herr Passow. 

Schriftführer: Herr Beyer. 

Vorsitzender: loh eröffae die Sitzung und begrüsse diejenigen 
Herrn, die inzwischen aus dem Felde zurückgekehrt sind. Ich hoffe, 
dass wir nun wieder zu friedlicher Arbeit in regelmässigen Sitzungen 
übergehen köanen. Wir müssten heute eigentlich die ordentliche General¬ 
versammlung abhalten, das ist aber nach den Statuten nioht möglich, 
da wir nioht zahlreich genug sind. Wir müssen also die Generalver¬ 
sammlung auf die nächste Sitzung vertagen; dann sind wir in jedem 
Fall beschlussfähig. 

1. Hr. Blaaeitfcai: Zir Therapie schlecht heileider Mutoid- 
waadea. 

Vor dem Kriege sprach ich an dieser Stelle über schlecht heilende 
Mastoidwuoden im Kindesalter. Ich machte darauf aufmerksam, dass 
sohleobte Wundheilongen im Kindesalter häufig ihren Grund in.exsuda¬ 
tiver Diathese hätten, und dass man in diesen Fällen, in denen jede 
andere Therapie versagt, gute Heilerfolge mit antiexsudativer Diät hätte, 
wie sie hauptsächlich von Czerny angegeben sei. Heute möchte ich 
ihnen einen erwachsenen Patienten zeigen, bei dem es sioh ebenfalls 
um ausgesprochen sohleohte Wundheilung naoh einfacher Eröffnung des 
Warsenfortsatzes gehandelt hat. Da der Patient 18 Jahre alt ist, kann 


hier von exmdativer Diathese nicht mehr die Rede sein. Es bandelt sich 
um absolut schlechte Wundbeilung, wie man sie von Zeit zu Zeit auch 
mal bei Wunden an anderen Stellen zu sehen bekommt. Patient war 
am 7. I. 1919 wegen Mastoiditis aufgemeisselt worden und wurde mir 
am 2. III. von dem behandelnden Kollegen auf meine Abteilung im 
Reservelazarett H. B. zugeschickt mit dem Bemerken, dass die Wunde 
sioh trotz der verschiedensten therapeutischen Versuche nicht schliessen 
wollte. Die Schnittwunde hinter dem Ohre war im oberen und unteren 
Teile geschlossen, in der Mitte befand sich eine etwa pfenniggrosse Fistel, 
in welche man tief bineinseben konnte. Der Aditus ad antrum war weit 
offen, die Knochenhöhle mit schlaffen Granulationen ausgekleidet, welobe 
ein dünnes eitriges Sekret absonderten. Ich beschloss nun, diesen Fall 
nach der von Bier angegebenen Methode des luftdicht abschliessenden 
Verbandes zu behandeln. Bier hält es für falsch, bei derartigen Wunden 
die schlaffen, ermüdeten Granulationen weiter duroh Gazeverbände aus¬ 
zutrocknen. Um sie vor weiterer Austrocknung zu bewahren, bedeckt 
er sie mit einer Lage wasserdichten Stoffes, den man zum Zwecke des 
Sekretabflusses mit kleinen Oeffoungen versehen kann, und dann erst 
mit Gaze. So wird gewissemaassen hinter dem wasserdichten Stoff eine 
feuchte Kammer gebildet, in welcher eine Sekretlaohe auf der Wundfläche 
stehen bleibt und einen neuen Reiz zu kräftiger Granulationsbildung 
abgibt. Nach 4 Tagen war die noch bestehende Wundhöble ganz be¬ 
trächtlich verkleinert, naoh 10 Tagen die Wunde fast vernarbt. Es war 
interessant zu beobachten, wie die neuen kräftigen Granulationen bald 
das Wundsekret veränderten. Infolge der sehr schnellen Verkleinerung 
der äußeren Wunde blieb in den ersten Tagen noch in der Tie r e ein 
kleiner Hohlraum bestehen, der auf Druck Flüssigkeit absonderte. Aber 
die Flüssigkeit war wasserklar, also von eitrigen Beimengungen befreit. 
Uebt man, wie ich, naoh einfacher Mastoidaufmeisselung die Methode des 
primären Wundversoblusses mit Drainage des unteren Wundwinkels, wird 
man noch seltener als bei der offenen Wundbehandlung retroaurikuläre 
Fisteln, die sich nioht schliessen wollen, erleben. Wendet man aber die 
offene Wundbehandlung an und hat dabei einen Fall von hartnäckiger 
schlechter Wundheilung, dann möchte ich die Methode des Bi ergeben 
Verbandes warm empfehlen. 

2. Hr. Gütlich demonstriert einen kleinen Obrenaasageapparat, 
der kleiner und handlicher als die üblichen Apparate ist und dabei die¬ 
selben Dienste wie die grossen Apparate leistet. An der Luftpumpe 
kann die Hubhöhe verschieden eingestellt werden. Der Apparat wird 
vertrieben von der Kaiser Friedrich-Apotheke und kostet 145 M. 

3. Hr. Gütlich: a) Verübergeheade Cechlcariaaasschaltiag darch 
Hiratamer. 

Im Augusta Hospital wurde von Herrn Heymann ein Fall von 
Tumor des Tentorium cerebelli operiert, den ich vorher otologisch 
untersuchte. Trommelfell und Nase ohne besondere Veränderungen. 
Flüsterspraohe 1.: 6 m, r.: 0. Weber nach I. Knochen lei tun g I.: verkürzt, 
r.: Ohr taub. Spontanes Vorbeixeigen im r. Arm naoh innen. Außer¬ 
ordentlich starker Spontannystagmus nach beiden Seiten, etwas starker 
naoh rechts. Vestibularapparate beide kalorisoh erregbar, der Spontan¬ 
nystagmus wird allerdings dabei nioht deutlich verändert, jedoch ist 
andererseits die typische Abweichereaktion unter dem Einfluss der Spülung 
auslösbar. Bei der Prüfung auf Drehnystagmus tritt eine ausserordentlich 
starke Uebererregbarkeit in Erscheinung. Ich diagnostizierte: Kein 
Kleinhirnsubstanz zerstörender Prozess, Druck auf Kleinhirn durch Tumor. 

Nach der Operation stellte sich allmählich das Gehör auf dem r. Ohre 
wieder ein. Das Hörbild entsprach zunächst dem Befund bei einer 
schweren Sohädiguug des sohallempfindenden Apparates. Vier Wochen 
post operationem wurde die Flüstersprache r. auf 1 l /z m gehört, später 
besserte sioh das Gehör bis sur Hörfähigkeit der Flüsterspraohe auf 4 m. 
Der Spontannystagmus und das Vorbeiseigen verschwand, ebenso der 
Schwindel, der vor der Operation so stark war, dass die Patientin mit ge¬ 
schlossenen Augen nicht einmal sitzen konnte. Jetzt ist die obere Ton- 
grense rechts noch etwas eingeschränkt, die Knochenleitung wenig ver¬ 
kürzt. — Das Bemerkenswerte unseres Falles ist die Tatsache, dass ein 
vollständig ertaubtes Ohr die Hörfunktion wieder gewann und zwar der¬ 
artig gut, dass das Gehör beinahe wieder normal wurde- Wir müssen 
wohl annehmen, dass der Höroerv duroh den Druck vorübergehend ge¬ 
schädigt war. Aehnliches hat Professor Wagen er-Marburg in zwei Fällen 
beobachtet; bei einem seiner Fälle handelte es sieb um ein tuberkulöses 
Granulom, das auf den Nerven drüokte, nach Entfernung des Granuloms 
kehrte die vorher verlorene Hörfunktion zurück. 

b) Vestibalarisaassckaltaag ekae Ceeklearissekädigaag nach 
Typhas. 

Ein Patient kam wegen einer akuten Warzenfortsatzerkrankung zur 
Operation in die Klinik. Bei der Funktioneprüfung des Obres fand sieb 
die in diesem Fall zunächst überraschende Tatsache, dass der Vestibular- 
apparat der erkrankten Seite unerregbar war. Beim Drehversuch wurde 
jedooh daun bald festgestellt, dass auch der Vestibularapparat der anderen 
Seite nicht reagierte. Die Bulbi zeigten naoh dem Drehen nicht die leiseste 
Zuckung. Kalorisoh waren beide Ohren auch mit Wasser von nur 10° 
nioht zu reizen. Die Anamnese ergab, dass der Patient ein halbes Jahr 
vorher Typhus gehabt hatte, er war dabei bewusstlos gewesen und hatte 
auoh Erbreohen gehabt. Die Abweiobereaktion war nach dem Drehen 
nioht auszulösen. Gleichgewichtsstörungen nennenswerter Art bestanden 
jetzt nioht mehr, im Anschluss au den Typhus waren sie vorhanden ge¬ 
wesen. Die Nervi cochleares waren ohne besonderen Befund, abgesehen 
I von den duroh die Mittelohreiterung bedingten einseitigen Hörstörungen, 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 




18. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


787 


Nur die Knochenleitang war etwas verkürzt und die obere Tongrenze 
wenig eingeschränkt (beiderseits 15000 Sohwingungen). loh halte eine 
zentrale Vestibularisschädigung für vorliegend. 

Für die Annahme einer zentralen Schädigung spricht besonders der 
Umstand, dass die Abweiobereaktion nach dem Drehen nioht auszulösen 
war. 

Aussprache. 

Hr. Beyer: Die Angabe, dass bei dem Hirntumor beim Zeige- 
versuoh ein spontanes Abweichen nach innen bestanden habe, während 
die Patientin nach links gefallen sei, ist auffallend. Wir haben nur eine 
beschränkte Anzahl von Fällen gesehen, wo die Zeigereaktion nach der 
entgegengesetzten Seite der Affektion ausüei, und zwar waren das Lues¬ 
fälle. 

Dass die Hörfähigkeit naoh Operation von Kleinhirntumor zurückkehrt 
oder sich bessert, habe ioh ebenfalls bei einem Fall gesehen, bei einer 
Kleinhirnzyste, übrigens der einzige Fall, der bei der Operation unter 
einer grossen Zahl von Beobachtungen durohgekommen ist. 

Hr. Herzfeld: Zum zweiten Fall möchte ioh die Frage stellen, ob 
in der Tat gar keine Ausfallserscheinungen dagewesen sind, bei feinerer 
Prüfung aut dem Goniometer oder meinem Matratzenreagenz, beim Stehen 
auf einem Bein mit geschlossenen Augen usw. Nach meinen Erfahrungen 
zeigen alle Fälle mit doppelseitiger Vestibularausschaltung bei dieser 
feinen Prüfung Ausfallserscheinungen. 

Ist denn die kalorische und statische Prüfung wiederholt vorgenommen 
worden? (Hr. Güttich: Ja.) Herr Kollege Haike bat 1917 in der Ge¬ 
sellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten einen Patienten vor- 
gestellt, bei dem er infolge der fehlenden kalorischen Reaktion zunäohst 
auch Vestibularausfall annahm. Bei späterer Prüfung mit 18° Wasser 
trat aber bald Erregbarkeit ein, so dass die Diagnose nicht aufrecht er¬ 
halten werden konnte. Nach meinen Erfahrungen muss man mit den 
Schlussfolgerungen aus fehlender kalorischer Reaktion sehr vorsichtig sein. 

Hr. Güttich: Den Fall habe ioh sogar mit Herrn Prof. Haike zu¬ 
sammen untersucht, und wir hatten einmal bei einem anderen Patienten 
das Ergebnis, dass jemand, der mit 16° absolut kalorisch negativ war, 
mit 15° positiv reagierte. Früher hatte ich immer angenommen, dass, 
wenn jemand mit 16° unerregbar ist, der Vestibularapparat als ausge- 
sohaltet betrachtet werden könnte. Seitdem habe ich in solchen Fällen 
mit sehr kaltem Wasser naohgeprüft. Die Prüfung auf dem Otogonio- 
meter habe ioh nioht vorgenommen. 

4. Hr. Schmidt -Haokenberg: Kraakeiventellaag. Ich möchte mir 
erlauben, einen Fall von Septum-Tumor vorzustellen, den ich vor einigen 
Wochen Gelegenheit hatte, hier zu operieren. Aus dem rechten Nasen- 
looh ragte ein Tumor heraus, der bei der leiohtesten Berührung heftig 
blutete. Der Mann war gut genährt, aber ziemlioh stark ausgeblutet. 
Wir maohten eine Probeexzision und stellten eine hämangiomatöse Neu¬ 
bildung fest. 

Bei der Operation nahm ich den vorderen Teil des Tumors weg, 
bekam einen Ueberbliok über die Tiefe der Nase, umfasste den Tumor 
mit der Schlinge und bekam ihn in toto heraus. Es zeigte sich, dass er 
vom Tuberkulum septi ausging; er war ungefähr 5 cm lang. Ich habe 
die stark blutende Ursprungsstelle mit dem Thermokauter versohorft 
und bekam keine Nachblutung. 

Die Untersuchung der Basis des Tumor hat ebenfalls ergeben, dass 
es sich um einfache hämangiomatöse Bildung handelt. 

Einen ähnlichen Tumor, der zunächst anders aussab, hatten wir 
Gelegenheit, an der Ohrmuschel zu operieren. Als wir den Patienten 
zuerst sahen, glaubten wir, es würde sich um einen Tumor dieser Art 
handeln, den wir vor einiger Zeit hier operiert hatten (Demonstration einer 
Moulage). Gegen die Bösartigkeit des ersten Tumors sprach, dass die 
darüber liegende Haut verschieblich und eigenartig veränderlich war. 
An der Moulage sieht man ihn in Mittelstellung. Wenn der Patient aus 
der Kälte kam, war die Haut gerunzelt und in Falten gelegt ; war er 
einige Zeit im warmen Zimmer, so entstand eine pralle Geschwulst. Wir 
hielteo sie zuerst wegen seiner derben knorpeligen Konsistens für ein 
Chondrom und waren sehr überraoht, dass es ebenfalls eine hämangio¬ 
matöse Neubildung war. 

5. Hr. Passew: Versiehe Iber dis Eiidriigei vei Kurftfgasei 
durch die Tibe bei TroHelfellperfsratieiei. 

(Vortrag erscheint in den Passow-Scbäfer’schen Beiträgen.) 

Das Sanitätsdepartement hatte angefragt, ob anzunehmen sei, dass 
bei Leuten mit durchlöchertem Trommelfell durch die Tube Kampfgas 
in nennenswerter sohädigend wiikender Menge eindringen könne. 

Sind Nase und Mund ungeschützt, so ist kaum anzunehmen, dass 
überhaupt Gas duroh die Tube angesaugt wird, jedenfalls aber in so 
ausserordentlich geringer Menge, dass er gegenüber den Massen, die bei 
jedem Atemzug eindringen, gänzlich ausser Betracht kommt. Ist die 
Gasmaske aufgesetzt, so ist die Atmung in gewissem Maasse behindert 
und es war theoretisch denkbar, dass dabei Luft, und zwar mit Gas ge¬ 
schwängerte Luft, duroh die Tube eingesaugt werden könne. 

Die Frage war nicht so einfaoh zu entscheiden, wie es anfangs sohien. 
Die Untersuchungen stiessen auf vielfache Schwierigkeiten, ergaben aber 
schliesslich, dass Leute mit Trommelfellperforationen aller Wahrschein¬ 
lichkeit nach nioht mehr duroh Kampfgas gefährdet sind als Leute mit 
intaktem Trommelfell. 

Eine Aussprache findet nioht statt. 


Hr. Beyer regt an, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung den 
Antrag Passow, betreffend Wechsel im Vorsitz, zu setzen. 

Hr. Sohwabach: loh bitte, den Antrag nicht mehr auf die Tages¬ 
ordnung zu setzen. Es wäre das Beste, wenn Herr Passow dauernd den 
Vorsitz übernähme. 

Vorsitzender: loh will nicht weiter auf den Antrag dringen, aber 
ich habe die Empfindung, es wäre gut, wenn auch von den Praktikern 
oder den anderen Herren zeitweise der Vorsitz geführt würde, wenn ein 
gewisser Wechsel einträte. 

Hr. Sohwabach: loh glaube, wir tun besser, es so zu lassen, wie 
es bisher gewesen ist. 

Vorsitzender: Wir können m. E. bis zur Generalversammlung die 
Erörterung über diesen Gegenstand versohieben. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultnr zn Breslau. 

(Oifizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 28. März 1919. 

Vorsitzender: Hr. Uhthoff. 

Schriftführer; Hr. Minkowski. 

1. Hr. Rosenfeld: Kriegslehrei nr Diaketesbebaidlaig. 

Neben Vermehrung der Todesfälle an Tuberkulose, Senium und 
Atmungskrankheiten duroh die Blockade hat die Kriegskost doch auoh 
den Rückgang der Sterblichkeit, z. B. bei Diabetes gebracht. Die Dia¬ 
betestodes lalle waren 



1911 

1912 

1913 

1914 

1915 

1916 

1917 

1918 

% 

in Breslau 

111 

100 

100 

115 

113 

78 

72 

51 

49 

Berlin 

— 

459 

409 

467 

383 

331 

264 

177 

41 

Münohen 

— 

96 

105 

104 

101 

82 

78 

77 

77 


Es sind also trotz der allen Regeln der Sohule widersprechenden 
Kost viele schwere Fälle günstiger verlaufen als sonst. Die Erklärung 
für das seltsame Verhalten ist in zwei Punkten zu sehen, 1. der Ver¬ 
minderung des Eiweisses, insbesondere des Fleischquantams, das bei vielen 
Diabetikern die Toleranz verbessert, besonders wenn sie jahrelang unter 
der Wirkung dieses Faktors stehen, wie im Kriege; 2. der Knappheit 
der Gesamtkost. Das haben dem Vortr. schon im Frieden Fälle zucker¬ 
kranker Fettleibiger gezeigt, die durch die Kartoffelkur nioht nur entfettet, 
sondern auch sehr schnell entzückert wurden, obwohl sie mit nicht geringen 
Mengen von Kartoffeln und Brot ernährt wurden. Hier liegt die ge¬ 
naue Analogie mit der Kriegskost vor. Dass in der Kostknappheit der 
wesentliche Faktor liegt, ergibt sich auch daraus, dass sich am schlechte¬ 
sten die gut versorgten Diabetiker in der Kriegszeit befunden haben, 
dass in klinischer Beobachtung aber doch knapp gehaltene Diabetiker 
sich auffallend leicht entzückern liessen, wenn Klagen über Hunger auf¬ 
traten, und das verschiedene Verhalten der 3 oben angeführten Städte: 
Breslau hat in seiner rationierten Kost: 32 g Eiweiss und etwa 1400 
Kalorien, Berlin etwa 30 g Eiweiss und 1300 Kalorien, Münohen aber 
1750 Kalorien: genau dem Maass der Zufuhr entspricht der Rückgang 
der Diabetestodeställe: je schlechter die Zufuhr, desto grösser der 
Rüokgang. 

Aussprache. 

Hr. Minkowski bestätigt aus eigener Erfahrung den Nutzen der 
quantitativen Beschränkung der Diät bei Diabetikern, wie sie sein Lehrer 
Naunyn stets empfohlen hat, und erwähnt als Beispiel einen Fall von 
schwerem Diabetes, bei dem bei kohlenhydratfreier Ei weissfettdiät im 
Nährwert von 6000 Kalorien täglioh eine fortschreitende Körpergewichts¬ 
abnahme erfolgte, während eine Beschränkung der Nahrungsmenge auf 
1500—1800 Kalorien eine Gewichtszunahme und Kräftignng des Patienten 
zur Folge hatte. 

2. Hr. W. Hälse: Zar Pathologie der Oedeabildaag 1 ). 

Vortragender beriohtet über seine Untersuchugen, die er an ödem¬ 
kranken Kriegsgefangenen ausgeführt hat. Die Oedemkrankheit ist, wenn 
man hiermit nur die Fälle bezeichnet, die durch Oedeme, Bradykardie, 
Polyurie charakterisiert sind, als ein verschieden stark ausgeprägter 
Inanitionsznstand anzusehen, für den in erster Linie die kalorische 
Insuffizienz der Kriegskost verantwortlich zu machen ist. Doch bildet 
die Kriegskost nur ein disponierendes Moment, zu dem in der Regel 
noch weitere schädigende Momente, wie Iofektionen, besonders sohwere 
Muskelarbeit, kalte oder feuchte Wohnräume oder dergl. mehr, hinzu- 
kommen müssen. Für die Frage der Oedementstehung sind die Funk¬ 
tionsprüfungen der Nieren besonders wichtig. Unter einwandfreien Be¬ 
dingungen angestellt — die Kranken müssen unter solchen Bedingungen 
gehalten werden, bei denen eine annähernde Stabilität der Oedeme be¬ 
steht — konnte Vortragender im Gegensatz zu den Resultaten fast aller 
anderer Untersuoher ausnahmslos Störungen der Molekülsekretion fest¬ 
stellen. Ueberstieg z. B. die Kochsalzzufuhr 12—15 g, so machte sioh 
stets eine Insuffizienz der Ausscheidung geltend. Gleichzeitig mit der 
Molekülretention trat eine Wasserretention ein, wenn genügend Wasser 
verabfolgt wurde, während eine einseitige Flüssigkeitsbelastung stets 
ohne Einfluss auf die Wassersucht blieb. Die Beziehungen zwisohen 
Wasser und Molekühlretention sind nioht in allen Fällen die gleiohen. 
Es macht sioh nicht nur ein Unterschied geltend zwischen den ver- 


1) Ausführlich erschienen in Virohow’s Arch., Bd. 225, H. 3. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 83. 


aohiedenen Arten von Molekülen, von dem am stärksten hydropisoh 
wirkenden Kochsalz bis z vt den ausgesprochen antihydropisch wirkenden 
Kalksalzen, sondern auch innerhalb derselben Molekülart bestehen in 
den einzelnen Fällen sehr ungleiche Beziehungen zwischen der Menge 
der rotinierten Moleküle und der des retinierten Wassers. Trotz der 
Molekülretention besteht keine auffällige Erhöhung der molekularen 
Konzentration des Blutes, weil infolge der Hydroplasmie das Serum, trotz 
absoluter Vermehrung der grösseren Moleküle, auf annähernd normale 
Konzentrationen diluiert ist. Der Koohsalzgehalt des Serums schwankte 
zwischen 0,52—0,605pOt. Die Oedemflüssigkeit ist demgegenüber wesent¬ 
lich konzentrierter. Der Kochsalzgehalt variierte zwischen 0,68—0,81 pOt. 
Trotz dieser verschiedenen AusgangBkonzentrationen treten weiterhin 
zugeführte Moleküle zum weitaus grössten Teil duroh die Kapillarwände 
hindurch in die Gewebe. Eine solche Stoffverteilung ist weder durch 
Filtration noch durch Diffusion zu erklären. Daher kann auch eine 
eidtaohe erhöhte Durchlässigkeit der Kapillarwände als Ursache dieser 
Oedeme nioht angenommen werden. Es sind hier offenbar noch weitere 
Triebkräfte tätig, die die Moleküle über das Diffusionsgleicbgewicht 
hinaus in die Gewebe befördern. Kolloidohemische Kräfte spielen hier¬ 
bei anscheinend die Hauptrolle. Die hydrophilen Kolloide haben sowohl 
im Sol- wie im Gelzustande die Eigenschaft, aus den sie benetzenden 
Lösungen gelöste Moleküle und Ionen zu adsorbieren. Als osmotische 
Folgeerscheinung dieser Adsorption tritt sekundär eine Quellung auf. 
Die Quellungsgrösse der Kolloide auf Salzzusatz wird anscheinend be¬ 
stimmt durch den Dissoziationsgrad und die Molekül- bezw. lonengrösse 
des gelösten Stoffes. Bei den Elektrolyten finden sich daher ganz be¬ 
stimmte Reihen in der Wirkung der An- und Kationen. Die stärkste 
Quellung bewirken näohst Säuren und Alkalien KCl und NaCl, während 
schwach dissoziierende Elektrolyte und namentlich Nonelektrolyte sehr 
wenig wirksam sind. Von besonderer biologischer Bedeutung ist der 
Einfluss kombinierter Lösungen. Hier besteht bei annähernd äquimole¬ 
kularen Lösungen die Regel, dass bei Zusatz von Stoffen niederer 
Queliungsvalenz zu j solchen höherer die Quellungsbeeinflussung der 
letzteren gehemmt wird. Auf biologische Verhältnisse angewandt er¬ 
gibt sich daraus, dass durch andere Moleküle, die von Kochsalz bedingte 
Gewebsquellung im allgmeinen nicht erhöht, sondern nur erniedrigt 
werden kann. Nur Säuren und Alkalien können infolge ihrer höheren 
Queliungsvalenz den Quellungsgrad der Gewebe steigern. Bei der Ver¬ 
teilung der dem Körper zugeführten Moleküle k kann es sioh nach dieser 
kolloidchemisohen Ansicht nicht um eine gleiehmässige Ausbreitung 
handeln. Infolge der verschiedenen Kolloidkonzentrationen von Blut¬ 
plasma und Geweben muss vielmehr der grösste Teil derselben in 
konzentrierterer Form — Konzentration = Verhältnis der Molekülzahl 
in gleiohen Mengen normalen Blutes und Gewebes — in die Gewebe 
übertreten. Die Gewebe ziehen hiernach die notwendigen Stoffe aus 
dem Blute an sioh und erzeugen dergestalt die Transsudation. Die 
Kapillarwände spielen eine rein passive Rolle, indem ihre Permeabilität 
durch die anziehende bezw. abstossende Kraft der Gewebe bedingt wird. 
Dadurch, dass der normale Organismus duroh die hochspezialisierte Funk¬ 
tion der Nieren auf ein ganz bestimmtes Molekülgleichgewicht eingestellt 
ist, dem ein ganz bestimmter Quelluogszustand der Gewebe entspricht, 
ergibt sich die annähernde Konstanz der Wasserbilanz des Körpers. 
Oedeme treten immer dann auf, wenn das Aufnahmevermögen der Gr- 
webskolloide für Wasser unter dem Einfluss kristalloider Stoffe über das 
normale Maass gesteigert wird. 

Die klinischen Beobachtungen stimmen mit den experimentellen 
Quellungsversuchen reeht genau überein, da die stark dissoziierenden 
Elektrolyte, besonders das Kochsalz, ausschlaggebend für den Wasser¬ 
gehalt des Körpers zu sein scheinen. Schwach dissoziierende Elektrolyte 
und Nonelektrolyte müssten aus kolloidchemischen Gründen die Bildung 
der Wassersucht hemmen. Besonders geeignet erscheinen die Kalksalze, 
deren antihydropisohe Wirkung in der Tat seit langem bekannt ist. 
Andere Salze kann man schwer in solchen Mengen zuführen, um sie dem 
Kochsalz gegenüber zur Geltung zu bringen. Wenn man an gestauten 
ödematösen Extremitäten intravenöse Injektionen konzentrierterer 
Lösungen ausführt, finden sioh aber auoh hier sehr weitgehende Analogien 
mit den experimentellen Versuchen. Maassgebend für den Wassergehalt 
des Körpers ist also das Kochsalz. Jedoch muss durch eine gleich¬ 
zeitige Retention anderer Moleküle dadurch, dass die vom Koohsalz her¬ 
vorgerufene Quellung gehemmt oder sehr selten gefördert wird, ein in¬ 
konstantes Verhältnis von Koohsalz und Wasserretention entstehen. 

Aussprache: 

Hr. Minkowski: Dass kolloidchemisohe Vorgänge bei dem Zustande¬ 
kommen des Oedems eine Rolle spielen, ist sejir wahrscheinlich. Be¬ 
merkenswert ist vielleicht mit Bezug auf die Pathogenese des Hunger¬ 
ödems der an der hiesigen medizinischen Klinik erhobene Befund von 
Rosenthal, dass bei der Kriegsernährung die roten Blutkörperchen 
eine ausserordentliche Verarmung an Cholesterin zeigen. Im übrigen ist es 
aber wohl nicht angängig, die Quellung der Gewebselemente mit dem 
Oedem zu identifizieren. Wasserretention kann in hohem Maasse statt¬ 
finden, ohne dass Oedem entsteht. Dieses Wasser bleibt aber nicht, 
wie der Vortragende angenommen hat, im Blute, sondern in den Ge¬ 
weben. Vom Oedem sprechen wir erst, wenn die Flüssigkeit sich in den 
Maschen des Gewebes ansammelt. Mögen die Gewebsspalten präformiert 
sein oder nioht, jedenfalls befindet sioh beim Oedem die Flüssigkeit 
in Gewebsspalten, aus denen sie duroh Druck in benachbarte verdrängt 
und durch Einstich nach aussen entleert werden kann. 


Hr. Rosenfeld: Kolloidchemische Betrachtungen sind gewiss für 
viele Fragen der Physiologie und Pathologie von Bedeutung. Jedoch 
muss man sioh hüten, von der in einem Medium quellenden, im anderen 
senrumpfenden Ei weissscheibe zu schnell auf das Verhalten der Gewebe 
zu sohliessen: es treten dann immer Komplikationen auf. So z. B. ist 
die Karelikur ein souveränes Mittel gegen Oedeme,'aber mit dem Kalk¬ 
gehalt der Milch lässt sich die Wirkung nicht erklären: denn die Kalk¬ 
salze allein erreichen keine Abscbwellung. Die Vorstellung vom 
Blute, die wohl auch der Betrachtung des Herrn Vortragenden zugrunde 
liegt, dass es sich wesentlich in der Konzentration von den Geweben 
unterscheide, wird der Tatsache nioht gerecht, dass Blut und Muskel 
ungefähr dieselbe Menge Trockensubstanz besitzen. Beim Entstehen der 
Schwellungen kann von Bedeutung sein die Hypalbuminose, die ioh bei 
russischen Kriegsgefangenen ohne Oedeme und ohne Nephritis öfter ge¬ 
funden habe, und die mit Hydrämie bei normalem Hämoglobingehalt 
niohts zu tun hatte. Wenn man sich ganz auf den Kolloidalterations- 
standpunkt stellt, so scheint die Frage, ob die Oedeme nicht dooh 
analog den Beriberiödemen auf Avitammose beruhen könnten, zurüok- 
zutreten, und doch können sie anch bei dieser kolloidchemischen Auf¬ 
lassung eine Rolle spielen. Ich halte es zwar für ganz möglich, dass 
die grosse Salzmenge, die bei unserer Kriegskost die Hauptwüize dar¬ 
stellt, beim Zustandekommen der Schwellungen sehr mitwirkt. Aber 
doch kann eine minimale Menge Substanz ähnlich den Vitaminen dabei 
beteiligt sein. Wenn man Nacktschneckeu, z. B. die Aplysia, in ver¬ 
schiedene Flüssigkeiten einbringt, so iolgen sie ziemlich gut den osmo¬ 
tischen Gesetzen; sowie aber diesen Flüssigkeiten eine Spur Kokain oder 
Strychnin beigesetzt wird (oder das Ganglion pedale der Schnecke ex- 
stirpiert wird), hören diese Gesetze aut, ohne dass etwa veränderte 
osmotische Beschaffenheit der Haut das erklärte. So können Substanzen 
in den minimalen Mengen der Vitamine hier auoh die Osmosegesetze 
beeinflussen. Die Osmosegesetze erklären leider viele Tatsachen nicht, 
z. B. warum die Fische im Meere nicht die Konzentration des Meeres 
im Blute haben. Denn wenn die Diffusionserscheinungen der Aalhaut 
etwa einen Hinweis darauf geben, wieso der Aal im Meere und im Süss¬ 
wasser leben kann, so zeigt die Muiänenfaaut die gleichen Verhältnisse, 
ja noch verstärkt, und dooh geht die Muräne im Süsswasser ein, während 
der Aal darin leben kann. 

Die Vorstellung der Alteration der Kolloide als Grundlage der 
Oedeme ist eine viel zu sohematische. 

Hr. Gräper macht darauf aufmerksam, dass die von Herrn Min¬ 
kowski bemängelte Auffassung des Herrn Vortragenden vom Wesen 
des Oedems in der von der herrschenden Ansohauung abweichenden 
Meinung begründet sei, dass es im lebenden Gewebe keine Gewebs¬ 
spalten gäbe. Für das Vorhandensein solcher Spalten sprechen aber 
mancherlei Beobachtungen wie Wanderung von korpuskplären Elementen 
(Leukozyten, Pigmente, Schilddrüsenkolloidtröpfohen) im Gewebe, ferner 
der Ablauf von Oedemflüssigkeit beim Einschnitt in die Haut. Die 
Funktion der Milz wäre ohne die Abnahme von Gewebsspalten uner¬ 
klärbar. 

Hr. Stolte: Wir müssen streng unterscheiden den Wasseransatz 
im Inneren der Zellen und jenen zwischen den Gewebszellen. Ersterer 
ist bei gesunden Kindern die Ursache für die derbe Beschaffenheit der 
Gewebe, während letztere auf Druck verschwindet und so, wie Herr 
Minkowski bereits austührte, Dellen hinterlässt, die für das Oedem so 
ausserordentlich charakteristisch sind. 

Bei in der Ernährung schwer geschädigten Individuen führt die 
salzreicbe Kost zu Oedem bi Idung. Eine ebenso balzreiche Kost kann 
aber auch zum Gewebsansatz führen, wenn neben dem Wasser und 
Salz ausreichende Mengen von Eiweiss und Kohlenhydraten angeboten 
werden. Diese werden den Zellbestand vermehren; in ihnen als kolloi¬ 
dalen Substanzen wird das Wasser und im Wasser wiederum zur Auf¬ 
rechterhaltung des osmotischen Druckes eine entsprechende Menge von 
Salzen gelöst festgehalten. Die gleiche Menge Salz, die in Form von 
Molke beim Säugling Oedeme erzeugt, kann in Form von Buttermiloh 
mit Kohlenhydratzusatz ohne Oedembildung zum gleichen Gewiohtsanstfeg 
führen. 

Hr. Mathias: Die Oedeme sind in ihrem Auftreten elektiv an be¬ 
stimmte Zellformationen gebunden, die Deckendothelien der serösen 
Höhlen, Pleuren, Perikard und Peritoneum und an das subdermale 
Binde- und Fettgewebe. Atrophisches Fettgewebe ist bei Oedemerkran- 
kungen durch Flüssigkeitsautnahme gequollen. Diese Gewebsgebiete 
und die serösen Höhlen sind die Träger der Flüssigkeitsmengen. Es 
ist dabei durchaus möglich, dass die parenchymatösen Organe trotz 
absoluter Gewichtsverminderung an relativem Wassergehalt zugenommen 
haben; indessen diese Oedemmengen sind bisher noch nicht quantitativ 
bestimmt worden, ihre Bedeutung für das Krankheitsbild tritt gegenüber 
den Oedemen anderer Körperstellen zurück. 


Medizinisch -Naturwissenschaftliche Gesellschaft zu Jena. 

Sitzung vom 13. Februar 1919. 

Vorsitzender: Herr Lex er. 

Schriftführer: Herr Berger. 

1. Hr. Grober: Zar Kliiik der Lepra. 

Vortr. hat während des Krieges eine ziemlich grosse Anzahl von 
Leprafällen gesehen, besonders in den Ostseeprovinzen, und bespricht an 


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der Hand von Moulagen and Zeichnungen zanäohst die beiden Häupt- 
formen, Taberosa and Anästhetika, mit den Mischformen, dann die 
Differentialdiagnose. Die Lepra ist keine Haut- oder Nervenkrankheit, 
wie vielfach angenommen wird, sondern vielmehr eine Allgemeinerkrankang 
des ganzen Körpers and fast aller JOrgane. Leprome und Bazillen finden 
sioh überall im Körper. Bazillennachweis aas Qaetsohpräparaten ex* 
zidierter Gewebsstücke. Uebertragung nur bei sehr schmutzigen Ver¬ 
hältnissen. Wanzen als Ueberträger verdächtig (Paldrock). 

Die Sensibilitätsprüfangen ergaben am Nervensystem dissozierte 
Empfiudungslähmungen. Auffällig sind der Weohsel der Lähmungsgrade 
und das Verschontbleiben des Lage-, Muskel- and Gelenkgefühls. Von 
motorischen Veränderungen werden Interosseiatrophie und Klaaenband 
in Photographien demonstriert. Fehlen der Ataxie infolge seltener Be¬ 
teiligung des Rückenmarks. 

Tod meist infolge von Erschöpfungszuständen, Pyämie und Sepsis, 
Lungenerkrankung .mit schweren leprösen Zerstörungen des Organs ähn¬ 
lich wie bei Phthise, ohronisohen unstillbaren Durohtällen (Darmleprose) 
und spezifischen Nierenerkrankungen mit Amyloid. 

Aussprache. 

Hr. Stock berichtet über einen Fall von Lepra, bei dem es sich 
klinisch um Skleritis handelte, während anatomisch an dem später ent¬ 
fernten Auge eine Massenansammlung von Leprabazillen in Sklera, Iris 
und im Corpus ciliare festgestellt werden konnte. Mit Bazillen vollge¬ 
stopfte Phagozyten besorgten den Transport der Keime in die klare 
Hornhaut hinein. St. weist booh besonders auf die Diagnose der Lepra¬ 
bazillen im Nasenschleim hin, wo sie mit der gleichen Färbung wie auf 
Tuberkelbazillen massenhaft nachgewiesen werden. 

Hr. Abel weist auf die Möglichkeit der Infektion unserer Krieger 
rm Orient oder in, den russischen Ostseeprovinzen mit Lepra hin. Da 
die Krankheit sich infolge ihres äusserst ohronisohen Verlaufs erst nach 
Jahren bemerkbar machen wird, müssen unsere Aerzte künftig bei un¬ 
bestimmten lepraähnlichen Erkrankungssymptomen ernstlich an Lepra 
denken. Die Gefahr eines Umsichgreifens ist gering, wie Beispiele frei 
sieh bewegender Leprakranker in Hamburg usw. beweisen. Weitere In¬ 
fektionen sind nie erfolgt. Auch unter den ungünstigsten hygienischen 
Verhältnissen des Orients ist eine Uebertragung über den engsten 
Familienkreis hinaus so selten, dass selbst erfahrene Beobachter bis iu 
die letzten Jahrzehnte die Erkrankung eher für erblich als übertragbar 
hielten. 

Hr. Stintzing fragt, worauf sich die Annahme einer aussohliesslich 
von der Haut aus erfolgenden Leprainfektion stütze. Die vom Vor¬ 
tragenden geschilderte Beteiligung von Lunge, Darm, Harnapparat an 
der Erkrankung und der massenhafte Bazillenfund im Nasenschleim 
dürfte auch für die Benutzung anderer Eintrittspforten sprechen, be¬ 
sonders der Schleimhäute. 

Hr. Grober bemerkt im Schlusswort: Als Eingangspforte kommt die 
Haut deshalb besonders in Betracht, weil die ersten Erscheinungen meist 
an unbedeckten Hautteilen gef an den werden. 

2. Hr. Köhler: Röntgenbestrahlung chirurgischer Krankheiten. 
(Mit Lichtbildern und Krankenvorführung.) 

K. hält die Wirkung der Röntgenstrahlen auf tuberkulöses Gewebe 
für Reizwirkung auf den Abwehrapparat des Krankheitsherdes. Infolge¬ 
dessen müssen bei Knochentuberkulose kleinere Strahlenmegen gegeben 
werden. Vortr. bespricht kurz die Drüsen tuberkulöse und stellt dann 
eine grössere Zahl von Gelenktuberkulosen aller Formen vor. Während 
bei Hydrops serosus immer fast völlige Gelenkbewegliohkeit erzielt wird, 
können beim Hydrops fibrinosus grössere Fibrinmengen die ganze Ge* 
lenkhoble derart ausfüllen, dass sie ein bedeutendes Bewegungshindernis 
darstellen. Beim Fungus und bei der eitrig granulierenden Form ist die 
Gefahr der bindegewebigen Versteifung sehr gross. Daher werden Ent¬ 
lastung der Gelenke empfohlen und Verbände, die geringe Bewegungs¬ 
möglichkeit erlauben. 

Der Kochen verhält sioh bei Tuberkulosebestrahlung verschieden. 
Typische periostale Wucherungen bei Erkrankung am Ellenbogen und 
an kleinen Röhrenknochen bilden sioh meist völlig zurück. Ausheilung 
erfolgt durch Osteosklerose. Sequester werden öfter resorbiert als aus- 
gestossen. Abszesse werden durch Punktion entleert, aber auch Re¬ 
sorption des Inhalts mit narbiger Schrumpfung der Wandung ist mög¬ 
lich. Die Bestrahlung hat meist anfangs Zerfall der schon schwer er¬ 
krankten Gewebsteile zur Folge; das Weitergreifen der Erkrankung auf 
gesundes Gewebe scheint sicher verhütet werden zu können. Epi¬ 
physen werden bei dieser Art der Bestrahlung nicht geschädigt. Wo 
Wachstumsstörungen auftreten, sind sie duroh Tuberkulose verursacht. 
Vermehrtes Längenwachstum ist dabei häufiger als vermindertes. Von 
den ietzt abgeschlossenen. Fällen von Gelenktuberkulosen sind 73pCt. 
beweglich, 23 pCt. mit Versteifung oder starker Bewegungsbeschränkung 
aosgebeilt, 3,8 pCt. konnten nicht gebessert werden oder sind gestorben. 

Aussprache. 

Hr. Ibrahim bezweifelt, dass bei dem 8 Woohen alten Kind, dessen 
Gonitis zur raschen Ausheilung kam, Tuberkulose vorlag. 

Hr. Thiemann weist auf die recht günstigen Erfolge der noch all¬ 
gemein üblichen kleinen Röntgenapparate bei der Tuberkulosebehand- 
lung hin und bespricht dann die Verflüssigung trocken verkäster tuber¬ 
kulöser Drüsen zwecks Resorbierkeit duroh Injektion von Schwermetallen 
and Phenolkampfer. Im übrigen empfiehlt er Unterstützung der 


Strahlenbehandlung tuberkulöser Gelenke durch Stauung, Karbol- oder 
Pbenolkampfereiospritzung. Die Jugendlichen bieten viel günstigere 
Resultate, entsprechend der Neigung der Tuberkulose, bei Kindern auch 
spontan viel leiohter auszuheilen. 

Im Schlusswort sagt Hr. Köhler, dass bei dem von Herrn 
Ibrahim beanstandeten Fall bei dem 8 wöobigen Kind Bich die Dia¬ 
gnose „Tuberkulose“ hauptsächlich auf die Beschaffenheit des Käse¬ 
bröckel enthaltenden Eiters stützte. Tuberkelbazillen wurden keine 
nachgewiesen. — Herrn Thiemann wird erwidert, dass auch für die 
Tuberkulosebehandlung die neuen grossen Spezialröntgenma&cbinen für 
Tiefentherapie (Intensivreform) einen Fortschritt bedeuten. Er macht 
sich hauptsächlich bei den grossen Gelenken bemerkbar. Erweichung 
von Tuberkeldrüsen wurde, wo dies erwünscht war, durch Verabreichung 
grösserer Strahlenmengen erzielt. Auf die Stauungsbehandlung wurde 
verziohtet, weil sohon König ihr vorwirft, dass sie ausgedehnten 
Knoohenzerfall bewirken kann. Speer-Jena. 


Aerztlicher Verein zu Hamburg. 

Sitzung vom 18. März 1919. 

1. Hr. Sauer stellt einen Patienten vor, der zunächst wegen Spitzen¬ 
tuberkulose zur Aufnahme kam und ausserdem als Gelenkrheumatismus 
aufgefasste Beschwerden zeigte, die jedoch, wie die Röntgenuntersuchung 
ergab, durch eigeiartige Kuocheuherde bedingt waren, die sich als 
zum Teil keilförmige (mit der Basis nach dem Gelenk) Aufhellungen in 
den Epiphysen darstellten. Später trat Gibbus durch Zusammenbruch 
des 1. und 2. Lendenwirbels hinzu. Nach einem Jahr wiederholte 
Röntgenaufnahme ergab, dass die Grösse der Herde zurück gegangen war. 
Die histologische Untersuchung einer amputierten Zehe ergab fibröses 
Gewebe mit Lympbozytenherden umgeben von normalem Knochen. Unter 
Ausschluss von Tuberkulose, Ostitis fibrosa und multiplen Myelomen 
denkt Vortr. in diesem Falle an eine der Ostitis der Perlmutterdrecbsler 
analoge Affektion, hervorgerufen durch Kieselfluornatrium, welches Pat. 
in seiner Beschäftigung al9 Kammerjäger mit Zucker zu verreiben hat. 
Es traten auch sonstige Störungen, die dem von Kobert beschriebenen 
Bild der Kieselfluornatriumvergiftung entsprechen, auf. 

2. Hr. 8aenger zeigt 2 Patienten, bei denen auf seine Veranlassung 
von Hirsch-Wien Hypopbysentnuorea aif endoiasalem Wege ex- 
stirplert waren. Im ersten Fall bestand sohon vorher völlige Amaurose, 
welohe duroh die — nicht ganz vollständig mögliche — Entfernung des 
Tumors nicht mehr zu beeinflussen war. Auch die Dystrophia adiposo- 
genitalis besteht weiter. Dagegen haben sich das Allgemeinbefinden 
und die subjektiven Beschwerden sehr gebessert. Im zweiten Fall wurde 
das Sehvermögen und das Gesichtsfeld zunäohst nach der Operation 
deutlich gebessert, beides verschlechterte sich aber später wieder; 
ebenso trat naeh vorübergehendem Naohwachsen der Haare aufs neue 
Haarausfall auf, und neuerdings kommen Symptome von Akromegalie 
hinzu. S. will in beiden Fällen jetzt Röntgenbestrahlung versuchen, 
von der er allerdings bisher nie Erfolg bei Hypopbysentumoren ge¬ 
sehen hat. 

8. Hr. Sehaalfoss zeigt Bilder eines Falles von ■äinliehen Psendo- 
beniftphr«ditisM«s. Bei dem als Mädchen aufgewaebsenen Patienten, 
bei dem die äusseren Genitalien im wesentlichen den weiblichen gleichen, 
waren ein halbes Jahr vor dem Tode anlässlich einer Herniotoroie im 
Bruohsack Gebilde gefunden, die sich als Hoden erwiesen, von denen 
der eine fast ganz normal, der andere leichte atrophische Prozesse auf¬ 
wies. Bei der Sektion des ein halbes Jshr später an Kolisepsis ver¬ 
storbenen Patienten war von besonderem Interesse, dass noch jetzt 
lebende Spermatozoon in der Samenblase waren. Patient wäre also 
noch ein halbes Jahr nach Kastration zeugungsfähig gewesen. Ueber 
das psychische Verhalten des Patienten ist niohts bekannt. 

4. Hr. Pahr demonstriert die Organe eines weiteren Falles von 
plötzlichem Tod nach Operation unter dem Bilde einer an Chlerofoni- 
vergiftaag erinnernden Stoffwechselstöroig. Es fand sich bei dem 
Kind, das nur ganz wenige Züge Chloroform erhalten hatte, wie in den 
vor einem halben Jahre mitgeteilten 3 Fällen, Fobwere Fettleber, Nieren¬ 
verfettung, Lipämie, leichte Enteritis. Das Chloroform kann höchstens 
auslösend gewirkt haben, indem es der sobon bestehenden Stoffwechsel¬ 
störung gleichsinnig wirkend die Störung des Gleichgewichts hervorrief. 

5. Hr. Kfimmell beriohtet über ein Verfahren der Operation 
schwerer Mastdarmprolapse, welches darin besteht, dass der stark und 
straff in die Höhe gezogene Darm an dem sehr festen Ligam. longitud. 
anter. der Wirbelsäule in Höhe des Promontoriums fixiert wird. Die 
Operation ist einfach, geht schnell vor sich, macht keine Nebenoperationen 
nötig. Bisher keine Rezidive. 

6. Hr. Loroy zeigt Röntgenbilder von 2 Fällen der von Alb. 
Köhler beschriebenen Erkrankuig des Os naviealare pedis, bei der 
mit und ohne Trauma Schmerzen, Schwellung und Rötung am 
Dorsum pedis auftreten und röntgenologisch sioh am Osnaviculare eine 
Verkrüppelung, Verschmälerung des Knoohenkerns sowie besondere 
Dunkelheit des Knochensohattens finden. In einem Drittel der Fälle 
ist die Affektion doppelseitig, auch wenn die Beschwerden nur auf einer 
Seite vorhanden sind. Sie heilt stets sowohl klinisch wie röntgenologisch 
vollständig aus. Die Aetiologie der Affektion ist völlig unklar. Trauma 
kommt entgegen oft gemachten Annahmen schon wegen der häufigen 
Doppelseitigkeit nicht in Betracht. Naoh Ansicht des Vortragenden 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


bandelt es sieb um Entwioklungsstörungen an dem Os naviculare, das 
sohon normalerweise am spätesten seinen Knoebenkern erbält. Dadurch 
wird ein Locus minoris resistentiae geschaffen, welcher dann schon bei 
geringfügigen Traumen zu klinisches Erscheinungen führt. Die Kenntnis 
des Krankheitsbildes ist wichtig wegen der Möglichkeit der Verwechslung 
mit Tuberkulose. 

7. Besprechung des Vertrags des Hem Oekleeker: »Blittrsis- 
fisioi voi Vene si Vene hei perniziöser Anämie*. 

Hr. Neimani empfiehlt die Bluttransfusion bei perniziöser Anämie 
als ungefährlich und häufig erfolgreich im Gegensatz zu der früher ge> 
übten Therapie. 

Hr. Roedelins sieht in dem vonOehlecker angegebenen Verfahren 
zweifellos eine grosse Vereinfachung. 

Hr. AUard würde es begrüssen, wenn die Erfahrungen aus der 
Front die Furcht vor Hämolyse und Agglutination als unbegründet 
naohweisen würden. Im Gegensatz zu Oehleoker hält A. das Natrium¬ 
zitratverfahren doch für brauchbar. Es kann beim Spender stets, beim 
Empfänger oft mit Punktion ohne Freilegung der Vene ausgeführt 
werden. Bei Behandlung der perniziösen Anämie kommt es nicht darauf 
an, besonders grosse Blutmengen zu transfundieren. 

Hr. Kcstaer empfiehlt zur Vermeidung von Gerinnungen Ausgiessung 
des angewandten Systems mit Hirudin. NaOI- und Ringerlösung ver¬ 
schwinden an sich innerhalb einer Viertelstunde aus dem Kreislauf. Ein 
längeres Verweilen bis zu 48 Stunden wird erzielt, wenn man durch 
Zusatz von Gummi arabioum die Lösung dem Blute isoviskos macht 

Hr. Kümmell antwortet Herrn Allard, dass in der Front zwar 
meist die Autotransfasion ausgeübt wurde, dass man aber, wo Blut eines 
andern transfundiert wurde, auch nie Schädigungen gesehen hat, obwohl 
man natürlich nicht in der Lage war, vorher serologische Unter¬ 
suchungen vornehmen zu lassen. 

Hr. Oehleeker (Schlusswort) hat Hämolyse zufällig gerade in den 
Fällen beobachtet, bei denen die Probe vorher nicht gemacht war, und 
zwar ohne jede Schädigung für den Empfänger. Die transfnndierten 
Mengen betrugen 500—1000 com und darüber. Wie lange das Blut sich 
lebend erhält, ist nioht zu sagen, dooh ist anzunehmen, dass unver¬ 
ändertes frisches Blut sich länger hält als defibriniertes oder mit Natrium¬ 
zitrat versetztes. 

Sitzung vom 1. April 1919. 

1. Hr. Hegeier stellt einen Patienten vor, bei welohem nach Grippe 
eile Mittelohreitzüidug auftrat. Die Temperaturen nahmen bald 
einen remittierend-pyämisohen Charakter an. Nach vorübergehender 
Besserung bildete sich eine Schwellung über der V. jugularis. Dia¬ 
gnose: Sinusthrombose. Diese wurde auch bei Eingehen auf den Sinus 
transversus gefunden. Neben der Wand des Sinus quoll etwas Eiter 
hervor. Doch konnte, trotz Verfolgen bis fast ans Okziput, das Ende 
des Thrombus nioht erreioht werden. Das Fieber besserte sich zunächst. 
Doch trat nunmehr motorische Aphasie und rechtsseitige Hemiparese auf. 
Der daraufhin in der 3. linken Stirnwindung angenommene Abszess 
wurde ebenda gefunden. Nach der Operation: tonisoh-klonische Krämpfe 
reohts. Nach 48 Stunden, war die Lähmung beseitigt. Patient fing 
wieder zu sprechen an. Nochmalige pyämische Temperaturen nach 
4 Wochen waren durch eine Osteomyelitis des Schläfenbeins bedingt. 
Jetzt ist Patient in voller Heilung. 

2. Hr. Reye berichtet über den weiteren Verlauf in dem Fall von 
hypophysärer Kachexie (nach Puerperium vor 15 Jahren), den er vor 
einem Jahre demonstriert hat. Patientin wurde von April bis August 
1918 mit Hypophysenvorderlappensubstanz behandelt mit dem Erfolg, 
dass sie geistig und körperlich viel frischer wurde. Nachdem aus 
äusseren Gründen die Behandlung ausgesetzt werden musste, war im 
Januar 1919 der Zustand ein trostloser geworden Es bestanden Oedeme; 
schwere Kachexie, Blutdruck von 80 mm. Nach erneuten Hypophysis¬ 
injektionen (58 Spritzen) ausserordentliohe Besserung: trotz Schwinden 
der Oedeme Gewichtszunahme von 15 Pfund. Die trophisohen Störungen 
(Haarausfall usw.) wurden weniger beeinflusst. 

3. Hr. Roeha Lila demonstriert an Mikrophotogrammen den Elt- 
wickltigsgang der Rekirreissplroehäte im Körper der Laus, ins¬ 
besondere ihre Wanderung vom Magen ins Coecuro, dann ins Gehirn 
und sohliesslich in die Eier, wodurch Infektion der neuen Generation 
erfolgt. Während französische Autoren angeben, dass die Uebertragung 
auf den Menschen nicht durch Stich, sondern nur durch Zerdrüoken der 
Laus an der Haut erfolge, konnte Vortragender dooh auch Infektion 
beobaohten unter Verhältnissen, wo ein solches Zerquetsohen unmöglich 
war: Stich durch einen Gazeschleier. 

4. Hr. Siwnonds berichtet über das Sektionsergebnis bei einem an 
otitiseher Meningitis verstorbenem erwachsene! eektei Zwerg, und 
zwar handelt es sich nioht um die „primordiale* Form (Hansemann) 
von Zwergen, die klein geboren, nur wenig wachsen, bei denen aber die 
Knorpelfugen verknöchern, die Gesohleohtsfunktion intakt ist, sondern 
um die juvenile, bei der nach normaler Grösse bei der Geburt das 
Wachstum aufhört, die Epiphysen fugen knorpelig bleiben, die Sexual¬ 
funktion und die sekundären Geschlechtsmerkmale ausbleiben. Die 
Sektion f,ergab — neben völlig infantilem Zustand der Hoden — als 
Ursache des Zwergwuchses eine sohwere Atrophie des Hypophysen- 
vorderlappens, der neben einer Reihe von Zysten nur minimale Reste 
von Drüsengewebe enthielt. Da es sioh bei den bisher mitgeteilten 


Fällen von hypophysärem Zwergwuohs stets um das ganze Organ zer¬ 
störende Tumoren handelte, so war nicht sicher zu beweisen, welcher 
Teil der Hypophyse verantwortlich zu maohen sei. Da im vorliegenden 
Fall der Hinterlappen völlig intakt war, so ist damit dem Vorderlappen 
die entscheidende Bedeutung zuzuerkennen. Als Ursaohe der Atrophie 
vermutet S. embolisobe Prozesse im Anschluss an die Abnabelung. 

5. Hr. KübbcII demonstriert an Bildern das von ihm jetzt geübte 
Verfahren der Exstirpitisi heebsltiender Mastdtrakariiiswe. Br 
umsohneidet den After, lässt den ganzen Sohliessmnskelapparat intakt, 
durchtrennt den Darm etwa 4 cm oberhalb des Anus, arbeitet sich dann 
bis oberhalb des Karzinoms in die Höhe, sieht das karzinomatöse Rektum 
neben dem Anus heraus, amputiert und vereinigt den Stumpf mit dem 
stehen gebliebenen untersten Rektumende. Durch dies Verfahren wird 
sowohl radikale Entfernung wie spätere Kontinenz erzielt. 

6. Vorträge xir Frage der Kriegseraähnig. 

Hr. Venwaii: Die Versorgug der Hawbirger Kraikei mit Keot 

Vortr. gibt eingehende Mitteilungen ober die der Krankenkostab- 
teilung zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel, über die Prinzipien 
ihrer Verteilung und über die Aussichten für die Zukunft. Er lehnt es 
ab, für bestimmte Krankheiten bestimmte Zusatzmengen ansugeben, da 
die Fälle individuell zu behandeln seien. 

Hr. Rinpel: Kriegswirkug auf Knäkrugsrerkältiiflse, Morbi¬ 
dität nid Mortalität. 

Vortr. erklärt, duroh Beine Ausführungen und die der folgenden 
Herren die Kundgebung der Berliner ärztlichen Vereinigungen in der 
Blookadesaohe duroh die wissenschaftlichen Erfahrungen, die in Ham¬ 
burg gemacht wurden, unterstützen zu wollen. Seit der genannten 
Kundgebung sind die Zustände keineswegs besser geworden. Die Zahl 
der damals auf 800 000 angegebenen Opfer der Aushungerung dürfte 
inzwischen 1 Million überschritten haben. R. schildert zunächst die 
Folgen der Unterernährung für den Gesunden: Während die anfangs 
beobachteten Gewichtsverluste von 10—12 pCt. unschädlich, in manohen 
Fällen sogar nützlich waren, rufen die jetzt 20—40 pCt. betragenden 
Rückgänge Herzbeschwerden verschiedener Art hervor, es häufen sioh 
die Fälle von Enteroptose, Wanderniere, Brüohen, inneren Einklem- 
mungen und Prolapsen. Die Kinder, welohe bis 1917 wenig in Mit¬ 
leidenschaft gesogen waren, zeigen jetzt erhebiiohe Untergewichte, 
Zurückbleiben im Längenwachstum, Zunahme der Barlow’sohen Krank¬ 
heit. Von den spezifischen Hungerkrankheiten bespricht Vortr. die 
früher an gleicher Stelle von ihm eingehend behandelten Hungerödeme 
sowie die — bisher allerdings nur in Oesterreich beobachtete — Hunger¬ 
osteomalazie, die von der gewöhnlichen durch das Fehlen des Bence- 
Jones'soheo Körpers sich unterscheidet Vortr. geht sodann auf die 
Wirkung der Unterernährung auf die einzelnen Krankheiten ein. Bei 
den akuten Infektionskrankheiten überwiegt in seiner Bedeutung für den 
Verlauf so sehr der Genius epidemious, dass der Einfluss des Ernährungs¬ 
zustandes demgegenüber nicht in die Wagsohale fällt Nur war eine 
deutliche Verlängerung der Rekonvaleszenz als Folge der schlechten 
Ernährung konstatierbar. Bezüglich der Tuberkulose wird an Kurven 
das rapide Ansteigen der Mortalität von 1917 an demonstriert. Insbe¬ 
sondere kamen die schnell verkäsenden peribronohitisohen Formen zur 
Beobachtung. Eine Zunahme der Infektiosität fiel ebenfalls auf. Beim 
Diabetes kann Vortr. eine günstige Beeinflussung der sohweren Fälle 
nioht konstatieren, leiohte und mittelsohwere werden zwar unter dem 
jetzigen Regime zuckerfrei, aber damit ist eine Besserung des Leidens 
oiobt bewiesen. Von den Bluterkrankungen hat die perniziöse Anämie 
zweifellos zugenommen. Bei den Krankheiten des Magens ist zu be¬ 
achten. dass Anazidität infolge der Kriegskost ein häufiges Vorkommnis, 
daher für die Diagnose des Karzinoms und der perniziösen Anämie be¬ 
deutungslos ist. Trotz dieses häufigen Fehlens freier Salzsäure hat das 
Magengesohwür an Häufigkeit zugenommen, und zwar auch bei anazidem 
Magensaft. Die Häufigkeit der Oxyuren ist, abgesehen von dem Kohle- 
hydratreiohtum der Kost, auf die duroh Seifenmangel bedingte Abnahme 
der Reinlichkeit zurüokzuführen. Nierenerkrankungen haben nioht zu¬ 
genommen. Vortr. erwähnt noch die Pollakisurie, die Enuresis, die Ab¬ 
nahme der Potenz, das Nachlassen de* geistigen Fähigkeiten, des Ge¬ 
dächtnisses, der-Energie und Ausdauer. Dagegen ist eine Zunahme der 
Psychosen nach seinen Erfahrungen nioht anzunehmen. Sohliesslich 
führt Vortr. den Kaloriengehalt der täglich gewährten rationierten Lebens¬ 
mittel an Kurven vor, aus denen hervorgebt, dass der Stand der Er¬ 
nährung am ungünstigsten Anfang 1917 war. 

_ _ F. Wohlwill-Hamburg. 

Beiträge zur Tölzer Badekur. 

I. Arteriosklerose. 

Voo 

Geh. Med.-Rat Dr. Richter -Bad Tölz. 

In seinem Theaterstück „Der Arzt am Scheidewege* spricht Bernard 
Shaw in witziger und treffender Art von den Modekrankheiten. Die 
Modekrankheit der letzten zwanzig Jahre ist die „Arterienverkalkung“. 
So wird sie obeiflächlicberweise nicht nur von den Laien genannt, ob¬ 
wohl die Verkalkung dooh nur das keiner Rückbildung mehr fähige 
Endstadium des Prozesses darstellt. Kein Kulturmensch, namentlich 
kein Mann jenseits der Vierzig, ist vor der Diagnose „Schlagaderverkalkung* 


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UMIVERSITY OF IOWA 





18. August 1919, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


TÖ1 


mehr sicher, denn Verkalkung ist alles, ist ja der normale Alterungs¬ 
prosees, also die beste Verlegenheitsdiagnose, die es je gegeben hat 

Rein Wunder also, wenn die Bäder von Kranken dieser Art wimmeln, 
die, den eingebildeten Tod im Hersen, mit sohlafifen Zügen und müden 
Bewegungen auf dem berüchtigten Stuhl neben dem Sohrei btisoh des 
Badearztes sich niederlassen, um von ihm die Bestätigung ihres Todes¬ 
urteils, mindestens ihrer Altersbescheinigung, au empfangen, in der 
stiiieh Hoffnung, es möchte vielleicht der trostspendende Kurarat seiner 
bekannten Gewohnheit^,gemäss erklären: „Jawohl, Verkalkung! Und es 
war die höohste Zeit; aber bei uns werden Sie sicher wieder gans gesund. 
Kommen Sie nur 10 Jahre lang alljährlich auf 6 Wochen immer wieder 
hierher.“ 

Das in die ärztliche Praxis, übrigens sonst gans mit Reoht, fast 
allgemein eingeführte Tonometer kann ein verhängnisvolles Instrument 
sein. „Der Druok ist 160! Das istsohlimml Da haben wir ja die Ver¬ 
kalkung/ Und man predigt tauben Ohren, wenn man immer wieder 
darauf hin weist, dass die Sklerose sowohl bei hohem als niederem Druck 
bestehen und auoh nicht bestehen kann; dass die Druokmessung nur 
ein Hilfsmittel von vielen ist, und dass ein Druok, selbst ein dauernder, 
unter 180 mm Hg im allgemeinen und für sich allein nioht tragisch au 
nehmen ist, zumal bei Männern ifn vorgeschrittenen Lebensalter. 

Wie finden wir uub nun in den Bädern mit diesen Unglücklichen 
ab? Zunäohst werden sie natürlich beruhigt, soweit möglich und nötig 
und soweit es ohne Schädigung der Autorität des überweisenden Arztes 
angeht. Und wir Tölzer Aeizte dürfen mit Reoht manchen Trost spenden. 
Steht doch das Tölzer Bad seit langen Jahrzehnten in dem wohlbe¬ 
gründeten Rute, ein Jungbrunnen für alternde Männlein und Weiblein 
und eine wahre Panaoea gegen die „Arterienverkalkung“ zu sein. So 
zwar, dass von einer Lösung und Wiederaufsaugung des bereits in die 
Gelass wände eingelagerten Kalkes duroh das Jod wohl kaum ernstlich 
die Rede sein kann; dass aber die frühen Stadien des Prozesses in 
der Intima wohl der Rückbildung fähig sind. 

Diese Fälle beginnen gar nioht selten unter dem Bilde einer meist 
ziemlioh plötzlich einsetzenden Neurasthenie, sei es, dass diese früher 
gans gesunde oder, was der häufigere Fall ist, erblich belastete Indi¬ 
viduen betroffen hat; wird doch der Neurastheniker in der Mehrzahl der 
Falle geboren. Wir werden uns dabei vorzustellen haben, dass die 
Gefässaiteration zu einer Verminderung der Elastizität und damit der 
Kigentriebkraft der Schlagadern führt. Der dadurch verlangsamte Blut- 
umlauf bedingt Unterernährung aller Gewebe und wird bei nervös erb- 
Ueh Belasteten an den Nerven, als am Orte der geringsten Wider¬ 
standsfähigkeit, zuerst empfunden. 

loh lasse in solchen Fällen alsbald mit unserem stärksten Jodwasser, 
der Adelheidquelle von Heilbrunn, beginnen, und morgens nüchtern 
1—2 Becher zu etwa 200 com, von 8 zu 8 Tagen steigend um 1 Becher, 
trinken. Später kommen dann noch Jodlaugenzusätze hinzu. Das Wasser 
wirkt anfangs häufig verstopfend, da eine gewaltige Diurese einzusetzen 
pflegt, was dann natürlich suffiziente Nierenfunktionen voraussetzt. 
Nierenkranke gehören nicht naoh Tölz. Bei Verstopfung lassen wir dem 
Wasser Karlsbader Salz zusetzen, ist es später duroh die LaugenzuBätze 
gleichzeitig hypertonisch geworden, so wirkt es infolge des höheren 
Koehsalzgehaltes, im Gegensatz hierzu, nicht selten leioht abführend, 
was bei gleichzeitig bestehender Leberanschoppung oder Gallenblasen- 
entsündung als Nebenwirkung sogar willkommen sein kann. 

Frühestens 2 Stunden nach dem letzten Becher Brunnen folgt das 
Jodbad mit vorhergehender Jodseifenabreibung des ganzen Körpers. loh 
lasse die Seife gliedweise ausserhalb des Wassers einreiben und vor dem 
Bade einige Minuten lang eintrooknen, in der (vielleicht trügerisohen) 
Hoffnung, so doch wenigstens etwas von dem Jod durch die Hautdrüsen 
in den Saftstrom zu befördern. 

Ein wunderbarer Heilfaktor von Tölz ist die erfrischende, anfangs 
erregende, später exquisit beruhigende, appetit- und schlafanregende 
Hochgebirgsluft, die bei beständiger Ventilation des Tölzer Beckens 
durch zwei sich sohneidende Fluss- bzw. Bachtäler stets kühl und ange¬ 
nehm bleibt, so dass Schwitzen uns, ausser während einiger besonders 
heiaser Tage des Hochsommers, eine unbekannte Belästigung ist. Der 
Tonüglichen Ventilation verdankt Tölz den hochalpinen Charakter seines 
Klimas, während seine Höhenlage nur dem. der mittleren Gebirgslage 
antaprioht. 

Der freundliche Buohberg mit seinen mässigen Steigungen, kühlen 
'Wäldern und sohmuoken Bauernhöfen sorgt für herz- und nervenstärkende 
Bewegung, und die für norddeutsche Verhältnisse immer noch reoht gute 
Verpflegung tut das Uebrige. 

E., Kaufmann, 68 Jahre alt. Vor 12 Jahren Lues. Gleich anfangs 
mehrere gründliche Kuren. Zurzeit bestehen Urinbeschwerden (häufiger 
Urindrang, namentlich nachts)und Ruokensohmerzen (chronische Lumbago ?). 
Der Kranke ist sehr hypoohondrisoh, klagt über alle möglichen, objektiv 
nioht begründeten Beschwerden. Die Wassermann’ache Reaktion war 
angeblich in der letzten Zeit bei mehrfachen Untersuchungen negativ. 
Herztöne auffallend leise. Dynamometer 65, Druok 145. Diagnose: 
Syphilidophobie, Debilitas oordis, Solerosis inoipiens? Ordo: Jodkor, 
milde Terrainkur. Naeh 3 Wochen bei Beendigung der Kur ist der 
Druok auf 115 heruntergegangen. Die Urinbeschwerden bestehen fort. 
Die Rüokensohmerzen sind erheblich gebessert und treten nur nooh 
zeitweise. nach längeren Spaziergängen auf. Leichte hypoohondrisehe 
Störungen bestehen fort. Ordo zur Nachkur: 200 Stüok Tölzer Jod- 
pm rtiiiAn Wiederholung der Kur im nächsten Jahr empfohlen. 


Johannes B., Verlagsbuohbändler, 59 Jahre alt. In der Anamnese 
Gelenkrheumatismus und häufiger Lungenkatarrh. Zurzeit bestehen 
Schwindel, Sohwäche und Kreuzsohmerzen. Rechte Lungenspitze ver¬ 
dächtig. Grosses* Emphysem, Schlagadern härtlioh. Druck 120. Träge 
Pupillenreaktion, hochgradige Myopie. Diagnose: Solerosis incipiens. 
Ordo: Jodtrinkkur, Sauerstoffbäder. Naoh 8 Woohen, bei Beendigung 
der Kur, ist der Schwindel beseitigt, Schwäche und Kreuzsohmerzen sind 
gebessert. 

Hermann K., Kaufmann, 68 Jahre alt. In der Anamnese zwei apo- 
plektiforme Anfälle und rheumatoide Schmerzen. Grosses Emphysem, 
zweiter Ton über der Aorta stark klappend, Schlagadern hart. Rosen¬ 
bach und Romberg. Lues geleugnet. Druck 225. Diagnose: Solerosis. 
Ordo: Jodkur. Nach 4 Woohen bei Beendigung der Kur Druok 180. 
Gewicht um 1 kg gestiegen. 

Georg B., Bücherrevisor, 52 Jahre alt. In der Anamnese Rheuma¬ 
tismus acutus und öfterer Abgang von Nierengriess. Zurzeit Schwindel 
und Kopfschmerzen. Herztöne dumpf, zweite Töne durchweg klappend. 
Arterien härtlioh. Druck 127. Rosenbach und Romberg. Diagnose: 
Solerosis incipiens. Ordo: Jodkur. Nach 3 Woohen, bei Beendigung 
der Kur sind Kopfschmerzen und Schwindel gebessert. Herztöne rein. 
Druok 125. Wiederholung der Kur empfohlen. 

Wilhelm K., Gerichtsexpeditor, 43 Jahre alt. Kropfoperation vor 

5 Jahren. Seitdem Neurasthenie und allmählioh eingetretener Verlust 
der pienstfäbigkeit. Arterien härtlioh. Rosenbach und Dermographie, 
Vitiligo am linken Arm. Ausgesprochene Greisenbögen. Druok 120. 
Gewicht 66 kg bei 163 cm Grösse. Bei Beendigung der Jodkur naoh 

6 Wochen Druok 110, Gewicht 68,5 kg, Dynamometer 60. Der Kranke 
fühlt sich wesentlich gebessert, hat aber nooh kein rechtes Vertrauen 
zur eigenen Leistung. Ordo: Jodglidine, die Zustimmung des Haus¬ 
arztes vorausgesetzt. Wiederholung der Kur empfohlen. 


Ernst Haeokel t. 

Den Manen des grossen Naturforschers an dieser Stelle ein Gedenk¬ 
wort zu widmen, lühle ich mioh berechtigt, obwohl ioh nie zu seinen 
unmittelbaren Schülern gehört habe. Wer immer im Anfang der 70er 
Jahre des vorigen Jahrhunderts die Universität bezog, naturwissenschaft¬ 
liche Studien zu betreiben, kam rasch genug in die Lage, sioh mit 
Haeokel und seinen Bestrebungen auseinanderzusetzen; es war damals 
unmöglich, parteilos zu bleiben. Hart stiessen unter den akademischen 
Lehrern die Gegensätze aufeinander. Das wurde an der Bonner Hooh- 
sohule besonders stark fühlbar: dem starren Systematiker Trosohel 
standen der weitausschauende Morphologe Max Sohultze und die da¬ 
mals dort tätigen Brüder Hertwig gegenüber, und der leuohtende, 
lockende Ideengehalt, den HaeckeTs Werke ausstrahlten, war auoh im 
studentischen Kreise Stoff und Streitobjekt der abendlichen Gespräohe. 
Die Jugend machte sioh den grossen Begriff der Entwicklungslehre 
rasoh zu eigen — blieb die „generelle Morphologie“ mehr auf<die 
Kreise der eigentlichen Forscher beschränkt, so warf die „natürliche 
Schöpfungsgeschichte“ und wenig später die „Anthropogenie“ ein 
blendendes Licht auf alle Vorgänge der belebten Welt. Viele Rätsel 
schienen uns gelöst* grosse Ausblioke eröffnet. Verhehlte man sich auoh 
schon damals nioht — mein unvergesslicher Lehrer Rudolf Leuokart 
wahrte sioh stets ein objektives Urteil — dass kühne Hypothesen oft 
genug das Fehlen wirklicher Beweise verdeckten, dass manohe Stamm¬ 
baumlinie einen hur provisorischen Charakter beanspruchen durfte, dass 
Gasträa und Plastidule nur Gebilde einer schaffenden Phantasie waren, 
man beugte sich doch bewundernd vor dem Genie und freute sich des 
tapferen Mannes, der so gerade und unbekümmert seinen Weg verfolgte. 
Je heftiger die Angriffe wurden, die namentlich von kirchlicher Seite 
den Ketzer bedrohten, um so mehr fühlte man sioh gedrungen, für ihn 
einzutreten — und insbesondere, wer einmal den persönlichen Zauber 
des Mannes kennen gelernt hatte, war stolz, in noch so bescheidenem 
Beitrag ihn und seine Lehren zu verteidigen. Wussten wir dooh damals 
schon zwei Seiten seines Wesens zu würdigen — den Künstler, der 
seinen gewaltigen Bau mit intuitiver Sicherheit anlegte und ausführte, 
und den Gelehrten, der auoh die Kleinarbeit nicht verschmähte und 
in ihr bleibendes geleistet hat. Vielleicht wird das Künstlerische in 
seiner Erscheinung für spätere Geschleohter den hervorragendsten Zug 
in seinem Bilde ausmachen — das Künstlerische auoh im engeren Sinn, 
denn wie den Pinsel führte er auch die Feder mit dem ganzen Reize 
einer aus dem Innersten schöpfenden Vollnatur; auch dem Laien sind 
seine indischen Reisebriefe eine köstliohe Quelle des Genusses und der 
Belehrung! 

Der 85jährige ist sioh bis zuletzt treu geblieben — ein un¬ 
erschrockener, jugendmutiger Verfechter dessen, was er für wahr und reoht 
erkannt hatte. Es konnte nioht ausbleiben, dass in den langen Jahren, 
die seit seinem ersten Auftreten vergangen sind, sioh mancher Wandel 
vollzogen hat. Wir stehen der Darwin'sohen Theorie, die ihn ent¬ 
flammte, heut kühler und objektiver gegenüber. Wir haben den Boden 
der materialistischen Weltanschauung mehr und mehr verlassen und 
räumen der philosophischen Erkenntniskritik ein weiteres Feld und einen 
grösseren Spielraum ein, als er es tat, da er von den Welträtaeln 
handelte und sie alle mit dem Schlüsselworte des „Monismus“ zu lösen 
glaubte. Aber der grosse Grundgedanke seines Wirkens hat heut nooh 
dieselbe befruchtende und befreiende Kraft: wir leben nooh heut, auch 


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UNIVERSUM OF IOWA 





792 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


'wenn uns die erschütternden Zeitereignisse hier und da irre maohen 
können, der Ueberzeugung, dass trotz alledem der Fortschritt der or¬ 
ganischen Welt und so auch der Fortschritt der Menschheit in folge¬ 
richtiger Entwicklung sich vollziehen muss, und als einen Vorkämpfer 
dieses Gedankens werden wir immerdar Ernst Haeckel bewundern 
und verehren! _ Posner. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der Gross-Berliner Aerztebund geht nach mannig¬ 
fachen Verzögerungen, die zum grössten Teil in den politischen Unruhen 
und Verkehrsstörungen ihren Grund batten, nunmehr der Vollendung 
seiner Organisation entgegen, ln den nächsten 14 Tagen soll der aus 
allgemeiner Wahl hervorgehende Teil des Ausschusses gewählt werden 
— die andere Hälfte wurde sohon vor einigen Wochen von den einzelnen 
örtliohen Untergruppen gewählt —, die Kandidatenliste wurde naoh 
mehrfacher Beratung und Sichtung vom Fünfziger-Ausschuss und den 
sohon gewählten Ausschussmitgliedern aufgestellt und gelangt jetzt zur 
Versendung. Ist diese Körperschaft dann vollzählig (der Wahltermin 
läuft am 1. September ab), dann hat sie satzungsgemäss den Vorstand 
zu wählen und die Organisation des Bundes ist dann bis auf die defini¬ 
tive Gestaltung der „Kommissionen“ vollendet. Seine schon jetzt etwa 
2500 Kollegen umfassende Mitgliederzahl wird, namentlich wenn es ge¬ 
lingt, besonders gesohätzte Namen an seine Spitze zu stellen, hoffentlich 
bald auch den Rest der Gross-Berliner Aerzteschaft in sich aufnebmen, 
so dass sich der Bund dann mit Recht als die Vertretung der Gross- 
Berliner Aerzteschaft bezeichnen darf. 

— Am 12. d. M. feierte Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Adolf Passow 
seinen 60. Geburtstag. Auch er gehört zu den vielen Zöglingen der 
Kaiser-Wilhelms-Akademie, welche, von der militärärztlichen Laufbahn 
ausgehend, wissenschaftliche Bedeutung erlangt haben. Er war als 
Stabsarzt bei Trautmann tätig, wurde dann ausserordentlicher Professor 
der Ohrenheilkunde in Heidelberg und kam von dort als Ordinarius 
nach Berlin, wo er den ohrenärztliohen Unterricht io grosszügiger Weise 
organisierte. Den Feldzug bat er als Generalarzt mitgemacht. 

— Dr. Georg Fischer in Hannover, der Herausgeber der „Bill- 
roth-Briefebegeht am 18. d. M. sein 60jähriges Doktorjubiläum. 

— Prof. Carl Neuberg, Mitglied des Kaiser Wilhelm-Instituts für 
experimentelle Therapie in Dahlem, wurde zum ordentlichen Honorar¬ 
professor für Chemie ernannt. 

— Prof. Dr. Dörr (früher in Wien) ist zum wissenschaftlichen Mit¬ 
glieds am Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ ernannt 
worden. 

— Der Oberassistent am zahnärztlichen Institut Zahnarzt Mamlok 
und Dr. Glässner, orthopädischer Assistent an der chirurgischen Klinik 
der Charitö, erhielten den Professortitel. 

— Gebeimrat Grunmaoh, Direktor des Röntgen-Institus, ist im 
Alter von 71 Jahren gestorben. 

— In Nr. 82 des „Ministerialblatts für Medizinalangelegenheiten* 
sind die Gutachten veröffentlicht, die Ehrlich im Jahre 1913 und 1914 
über die von ihm mit dem Impfstoff Fried mann’s angestellten Ver¬ 
suche erstattet bat. 

— Nach einem Erlass des Polizeipräsidenten ist es, um eine be- 
sohleunigte Durchführung der Schutzmaassregein bei gemeingefähr¬ 
lichen Krankheiten zu ermöglichen, dringend erwünschst, dass die 
praktischen Aerzte ausser der vorgeschriebenen Anzeige an das Bezirks¬ 
amt (in den Vororten: Polizeipräsidium) mittelst Graukarte, wenn 
irgend möglioh von jedem Fall einer solohen Erkrankung (Pocken, Pest, 
Fleckfieber, Aussatz, Gelbfieber, Cholera, Milzbrand) auch sofort duroh 
Fernsprecher den zuständigen Kreisarzt benachrichtigen. Bei 
dieser Gelegenheit wird darauf hingewiesen, dass im Stadtkreis Berlin 
zu den Anzeigen die Graukarton neuen Musters (mit Anschrift des zu¬ 
ständigen Bezirksamts, nicht wie früher der Sanitätskommission) 
zu benutzen sind, da'auch jetzt noch öfter durch Verwendung von Karten 
alten Musters infolge verspäteter Zustellung unliebsame Verzögerungen 
der Meldung eintreten. 

— Fortbildungskurs für Aerzte über Tuberkulose. In 
Essen wird der für dieses Frühjahr geplante und infolge der allge¬ 
meinen Lage verschobene Fortbildungskurs für Aerzte über „Fortschritte 
auf dem Gebiet der Tuberkulose* nunmehr in der Zeit vom 3. bis 
24. Oktober stattfinden. Besondere Einladungen mit ausführlichem Pro¬ 
gramm ergehen nooh. Auskunft und Anmeldung bei dem Vorsitzenden 
der wissenschaftlichen Abteilung des Essener Aerztevereins, Professor 
Dr. Pfeiffer, Essen, städtische Krankenanstalten. 

Hoohschulnachriohten. 

Berlin: Dem Privatdozenten für Kindei hei lkun de Dr. Ni.emann 
ist der Professortitel verliehen worden. — Bonn: Habilitiert: DDr. 
Habermann (Dermatologie), Sioli (Psychiatrie) und Poppelreuter 
Psychiatrie). — Cöln: Die Proff. Pröbsting (Augenheilkunde) und 
Zinsser (Haut- und Geschlechtskrankheiten) sind zu odentlichen Mit¬ 
gliedern der Akademie für praktische Medizin ernannt worden. —. 
Erlangen: Als Nachfolger von Prof. Nippe im Extraordinariat für 
gerichtliche Medizin ist Dr. Molitor in Innsbruck in Aussicht ge¬ 
nommen. — Frankfurt a. M.: Privatdozent Dr. Bluntsohli, Pro¬ 


sektor am anatomischen Institut, wurde zum ao. Professor ernannt 
Habilitiert: Dr. E. Reise für innere Medizin. — Jena: Für den Lehr¬ 
stuhl der Psyohiatrie an Stelle Binswanger’s wurde Geheimrat 
Wollen borg, bisher in Strassburg, vorgesohlagen. — Leipzig: 
Geheimrat Prof. Till man ns, chirurgischer Oberarzt an der Universitäts- 
kinderklinik, tritt am 1. Oktober in den Ruhestand. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: Geb. Med.-Rat und vortrag. Rat im Minist d. Innern 
Prof. Dr. Lentz z. Geh. Ober-Med.-Rat; ordentl. Honorarprof. an der 
Universität in Strassburg Dr. H. Freund s. ordentl. Honorarprof. in 
der medizin. Fakultät der Universität in Frankfurt a. M.; St-A. a. D. 
Dr. 0. Jancke in Hagen i. W. z. Kreisass.-Arzt daselbst unter Ueber- 
weisung an d. Kreisarzt d. Stadt- u. Landkreises Hagen i. W. 

Niederlassungen: Dr. Erioh Wilcke in Zippnow (Kr. Dt. Krone), 
Dr. Gottfr. Haase in Brandenburg a. H., 0. Frei dank in Havel¬ 
berg, Dr. W. Ritter v. Kauffmann-Asser io Berlin-Schmargendorf, 
Dr. J. Katzenstein in Nikolassee (Kr. Teltow), Nathan Rosen- 
b au min Berlin-Steglitz, Med. Rat Dr. William Hoff mann in Potsdam, 
Dr. Th. Niese in Neubabelsberg, Dr. Heinr. Klein in Bergstüoken 
(Bes. Potsdam), Dr. Alfred Hirsch in Neuruppin, Dr. F. Polik in 
Wusterhausen (Dosse), Dr. K. Eake in Zielenzig, St-A. a. D. Dr. 
W. Berndt in Gross Gandern (Kr. Weststernberg), Herrn. Drews in 
Reets (Kr. Arnswalde), St.-A. Dr. Herrn. Kröger, Leo Schuster, 
Ob.-A. Dr. Herrn. Wiese, Dr: W. Segall und Ob.-St-A. Dr. 
M. Rauschke in Frankfurt a. 0., W. Korhaus in Lebus, Dr. Wilh. 
Koch in Müncheberg (Kr. Lebus), Dr. A. Reuss in Müllrose (Kr. 
Lebus), Dr. W. Tofahrn gen. Laakmann in Gollnow (Kr. Naugard), 
Dr. F. Jomke in Ueckermünde, Dr. H. Sohweadt in Köslin, Dr. 
Kurt Moses und Dr. Karl Franke in Kolberg, Dr. Jul. Bier, 
Siegfr. Wolf, Karl Boese und H. Krogmann in Stolp i. Pomm., 
Margarete Jordan geb. Jonas in Stolpmünde (Ldkr. Stolp), Dr. 
Wilh. Hirsoh in Rambin a. Rügen, Dr. Paul Rosenstein, Dr. 
V. Apt, Dr. G. Hauck und Dr. Siegm. Löwy in Breslau, Dr. Georg 
Richter in Wölfeisgrund (Kr. Habelschwerdt), Dr. G. Namislo in 
Bad Langenau (Kr. Habelsohwerdt), Dr. G. Höbig in Habelschwerdt, 
Dr. E. Prasse in Maltsoh (Kr. Neumarkt), Dr. Erwin Sohlesinger 
in Striegau, St.-A. a. D. Dr. E. Sohroth in Wohlau, Dr. Rudolf 
Müller in Neusalz a. 0., Dr. J. Sokeide in Sprottau, Dr. G. Lisko 
in Görlitz, Dr. J. Budden in Lähn (Kr. Löwenberg i. Sohl.), Dr. 
Siegfr. Julius, Karl Schenk, Dr. M[. Weikert und Dr. E. Ull- 
mann in Beuthen O. S., K. Repetski in Rokittnits (Ldkr. Beuthen), 
K. Jelaffke in Kattowitz, Dr. K. Reisky in Leobsohütz, Dr. Otto 
Seidel in Gross Konzendorf (Ldkr. Neisse), Dr. Emil Burkart in 
Paruschowits (Kr. Rybnik), Dr. Louis Freund in Gross Strehlitz. 

Verzogen: Dr. E. Przygode von Stuttgart naoh Königsberg i. Pr., 
Dr. J. Lichtenfeldt von Gzersk naoh Friedland (Kr. Deutsch 
Krone), Dr. V. Zuralski von Zoppot naoh Loebau (Westpr.), Dr. 
E. Speisiger von Marien bürg nach Marien vorder, Dr. 0, K. H. Dressei 
von Weissenbttrg i. Eis. nach Deutsch Eylau, Dr. E. van Hüllen 
von Schönsee naoh Thorn, Dr. St. Zawacki von Berlin naoh Gross 
Sohliewitz (Kr. Tuohel), Dr. K. Lubkowita von Berlin-Lichtenberg, 
M. Pol Ino w und Prof. Dr. J. Wohlgemuth von Charlotten bürg 
sowie Prof. Dr. Ernst Sachs von Königsberg i. Pr. naoh Berlin, 
Dr. Martin Bab und Dr. Emil Engel von Berlin-Schöneberg sowie 
Dr. Artur Glaser, San.-Rat Dr. Jakob Joseph und Dr. E. Ober¬ 
warth von Berlin naoh Cbarlottenburg, Dr. M. Zetkin von Sillenbuch 
i. Württ. naoh Berlin-Sohöneberg, Dr. H. Dammholz von Berlin- 
Schöneberg und Dr. J. Sohragenheim von Berlin nach Berlin- 
Wilmersdorf, Dr. Pauline Plötz von Berlin naoh Herrsohing (Bez.- 
Amt Starnberg), Dr. R. Ransone von Sien nach Hergenrath (Kr. Eupen). 
Dr. E. Sohnürpel von Biesdorf naoh Berlin-Friedrichsfelde, Kreisarzt 
a. D. Med.-Rat Dr. K. Eschricht von Berlin-Wilmersdorf nach Lehnitz 
(Kr. Niederbarnim), Dr. G. Treiber von Görden bei Brandenburg a. H. 
nach Sinzheim in Baden, Dr. Johs. Hoff mann von Eberswalde und 
Dr. K. v. Leupoldt von Teupitz naoh Görden b. Brandenburg a. H., 
Dr. Alb. Weinberg von Meyenburg (Kr. Ostprignitz) nach Leipzig, 
Dr. P. Rauch von Falkenstein i. V. nach Wittstock (Kr. Ostprignitz), 
Dr. A. Quodbaoh von Neudamm nach Wittenberge (Kr. Westprignitz), 
Dr. R. Rubin von Berlin-Wilmersdorf und Gen.-Ob.-A. Dr. R. Magnus 
von Bromberg nach Berlin-Steglitz, Dr. A. Biermann von Berlin- 
Wilmersdorf nach Wannsee (Kr. Teltow), Dr. F. Yiedenz von Ebers¬ 
walde naoh Zehlendorf (Kr. Teltow), Dr. E. A. Martin von Neubabels¬ 
berg naoh Potsdam, Dr. R. Hirz von Bergstüoken nach Belzig (Heil¬ 
stätten), Dr. G. Fehsenfe Id von Danzig nach Neuruppin, Dr. Hans 
Müller- Albert von Münohenhof b. Quedlinburg nach Freienwalde a.O., 
Dr. Friedr. Scholz von Charlotten bürg naoh Landsberg a. W. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: San.-Rat Dr. Albert 
Fleck von Werder a. H. 

Gestorben: San.-Rat Dr. Paul Friedländer und Geh. San.-Rat Dr. 
A. Musehold in Berlin ,Dr. G. A. Paul in Neuruppin, Dr. H. Luxen- 
bourg in Aachen. 

Für di« Redaktion vtrantwortüah Prof. Dr. Han« Koh n, B«riln ff, Bayreutber 8tr. 4S. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sehumaoher in Berlin N. 4, 


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UMIVERSITY OF IOWA 










Die Berlin er KUa Uflh« Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nnmiiern ron etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis TierteljKhrlieh 10 Mark. Besteilangen nehmen 
alle BnehhantUongen and Postanstalten an. 


BERLINER 


Ille Binsendongen für die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbn ehhandlnn g 
Aogoat Hirsenwald, Berlin NW., Unter den Linden 06, 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prot Dr. Hans Hohn. Aogoat Hirschwald, Yeriagsbochhandlug io Berlin. 

Montag, den 25. August 1919. M 34 . Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

OrigfauUei: Bosenthal und Patrzek: Ueber Cholesterin Verarmung 
des Blutes unter dem Einfluss der Kriegsernährung. (Aus der 
Medisinisohen Klinik der Universität Breslau [Direktor: Geh.-Rat 
Prof. Dr. Minkowski].) S. 793. 

Krön er: Bemerkungen zur Kriegsbeschädigtenfürsorge. S. 796. 
Prausnitz: Zur Kasuistik der Nabeldiphtherie des Neugeborenen. 
(Aus der Säuglingsklinik des Vaterl. Frauen-Vereins in Berlin- 
Wilmersdorf [leitender Arzt: Dr. Soldin].) (Illnstr.) S. 797. 
Popper: Ueber ein eigenartiges Reflexphänomen. S. 799. 

Müller: Ueber Reizempfindlichkeit der Haut. (Aus dem patho¬ 
logisch-bakteriologischen Laboratorium des Mari ne-Lazaretts Ham¬ 
burg [Chefarzt: Marine-Generalarzt z. D. Dr. Meyer].) S. 801. 
Sluyters: Zur Wertbestimmung des Digitalisblattes. (Aus dem 
pharmakologischen Institut der Reiohsuoiversität Utrecht.) S. 802. 
Gennerioh: Kriegserfahrungen in der Luesbehandlung unter be¬ 
sonderer Berücksichtigung des Silhersalvarsans. (Schluss.) S. 803. 

Bleherbesprechiingei : Fischer: Zur Neuordnung des medizinischen 
Studiums und Prüfnngs wesens. (Bef. Posner.) S. 805. — Lew an- 
dowsky f: Die Kriegsschäden des Nervensystems und ihre Folge¬ 
erscheinungen. S. 805. Järger: Psyohiatrisohe Familiengeschichten. 


Aus der]Medizinischen Klinik der Universität Breslau 
(Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. Minkowski). 

Ueber Cholesterinverarmung des Blutes unter 
dem Einfluss der Kriegsernährung 1 ). 

Von 

F. Roseithal und F. Patrick. 

In einer früheren Mitteilung haben wir gezeigt 2 3 ), dass im Ver¬ 
lauf ;der lang anhaltenden Unterernährung bei einem Teil unserer 
großstädtischen Bevölkerung wohl infolge des Ausfalles der 
hauptsächlichsten exogenen Cholesterinlieferanten eine Cholesterin¬ 
verarmung der roten Blutkörperchen in die Erscheinung treten 
kann. Bei den bekannten Beziehungen zwischen Saponin nnd 
Cholesterin, auf die zuerst von Ransom 8 ) hingewiesen worden 
ist, ergab sieh die für den Mechanismus der Saponinbämolyse 
wichtige Frage, ob die Cholesterinverarmung der roten Blut¬ 
zöllen stets mit Veränderungen der Saponinresistenz einhergeht. 

Das Wesen der Saponinhämolyse ist trotz der Entdeckung 
Ransom’s, dass Saponin sich mit Cholesterin verbindet, keines¬ 
wegs geklärt. Der Auffassung Ransom’s, dass die Auflösung 
der Erythrozyten durch Saponin über das Cholesterin als Angriffs¬ 
punkt erfolge und das Cholesterin „als Giftleiter“ fungiere, steht 
die Anschauung Kobert’s 4 ) gegenüber, dass der Saponinlöslichkeit 
des Lezithins der Hanptanteil bei der Hämolyse zukommt. 
Zwischen beiden Vorstellungen vermittelt der Standpunkt 
K. Meyer’s 5 ), wonach das Lezithin zwar den eigentlichen An¬ 
griffspunkt des Saponins darstellt, aber dem Cholesterin der roten 
Blutkörperchen eine Schutzwirkung zukommt. Dass anch dieser 

1) Nach einem .Vortrag in der Medizinischen Sektion der schlesischen 
Gesellschaft für vaterländische Coltur zu Breslau am 27. Juni 1919. 

2) Rosenthal, D.m.W., 1919, Nr. 21. 

3) Ransom, D.m.W., 1901, Nr. 27. 

4) Robert, Beiträge sur Kenntnis der Saponinsubstanzen. Stutt¬ 
gart 1904. 

5) Meyer, Arch.f.Hyg,, 1908, Bd. 65. — Hofmeisters Beitr., 1908, 

Bd. 11. 


ALT. 

S. 805. v. Krafft-Ebing: Psyohopathia sexualis mit besonderer 
Berücksichtigung der konträren Sexaalempfindnng. S. 806. Tes- 
dorpf: Die Krankheit Wilhelms 11. S. 806. Hirsohlaff: Hypno¬ 
tismus und Suggestivtherapie. (Ref.* Birnbaum.) S. 806. 

Literatir- Auszüge: Physiologie. S. 806. — Pharmakologie. S. 806. — 
Therapie. S. 806. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie. S. 806. — Parasitenkunde und Serologie. S. 807. — Innere 
Medizin. S. 807. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 808. — 
Kinderheilkunde. S. 808. — Chirurgie. S. 808. — Haut- und Ge¬ 
schlechtskrankheiten. S. 809. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 809. 
— Augenheilkunde. S. 810. — Unfallheilkunde und Versioherunge¬ 
wesen. S. 811. — Schiffs- und Tropenkrankheiten. S. 811. 

Verhaadlugea ärztlicher Gesellschaft«! : Laryngologisohe Gesell¬ 
schaft zu Berlin. S.811.— Medizinische Sektion der sohlesi- 
schen Gesellschaft für vaterländische Cnltur zn Breslau. 
S. 812. — Medizinische Gesellschaft zu Kiel. S. 814. — 
Aerztlioher Verein zu Hamburg. S. 815. — Aerztlioher 
Verein za München. S. 815. 

Sturmann: Das Loch’sche Absaugeverfahren hei Diphtherie. S. 816. 

Tagesgesohiohtl. Notizen. S. 816. — Amtl. Mitteilungen. S. 816. 


Erklärungsversuch dem Mechanismus der Saponinhämolyse nicht 
voll gerecht wird, zeigen die Untersuchungen von Port 1 ) nnd 
Schanzenbach 2 ), wonach nicht allein das Cholesterin, sondern 
anch die Elektrolyte der Erythrozyten für den Resistenzgrad der 
roten Blutzellen gegenüber Saponin von Bedeutung sind. 

Die Resistenzversuche Kurt Meyer’s stützen sich auf die be¬ 
kannten Abderhalden’schen 8 ) Tabellen, denen nur 1—2 Analysen für 
jede Tierart zugrunde liegen und die erheblich individuelle Unterschiede 
auch bei den Erythrozyten der gleichen Tierspezies erkennen lassen. Wir 
geben in der folgenden Tabelle 1 die Ergebnisse unserer Resistenz- 
versuohe hei roten Blutkörperchen mit normalem und herabgesetztem 
Cholesteringehalt wieder. Die Analysenwerte sind mit der Windaus- 
sohen 4 ) Digitoninmethode nach vorausgehender Extraktion des mehrfaoh 
gewasohenen feuchten Materials mit siedendem Alkohol nach Rohmann 
gewonnen. 

Tabelle 1. 


Analyse aus 1000 oem gewaschenen Erythrozyten, auf 4,5 Millionen im 
Kubikmillimeter bezogen. 


Fall 

Gesamt- 

Chole¬ 

sterin 

Freies 

Chole¬ 

sterin 

Chole¬ 

sterin¬ 

ester 

Maximale 

Resistenz 

Minimale 

Resistenz 

Erythrozyten mit 

Ro. 

0,506 

0,455 

0,051 

0,4 Via«. 

0,1 Vioooo 

normalem Chole- 

Jak. 

0,581 

0,842 

0,239 

0,4 Vioooo 

0,2 Vioooo 

steringehalt 

W. 

0,472 

0,386 

0,086 

0,8 Vioooo 

0,75 Viooooo 

Erythrozyten mit 

Bch. 

0,354 

0,326 

0,278 

0,8 Vioooo 

0,75 Viooooo 

herabgesetztem 

Jan. 

0,230 

0,200 

0,080 

0,4 Vioooo 

0,2 Vioooo 

Cholesteringehalt 

Fl. 

0,158 

0,102 

0,056 

0,5 Vioooo 

0,75 Viooooo 


Es geht aus den angeführten Beispielen hervor, dass trotz 
der Differenzen im Gehalt an freiem Cholesterin die maximalen 


1) Port, D. Aroh. f. klin. M., Bd.99, S.259. — 1918, Bd. 128, S. 61. 

2) Sohanzenbaoh, zit. naoh Rywosch, Pflüger’s Arch., 1907, 
S. 116. 

3) Abderhalden, Zschr. i physioL Chem., Bd. 25, S. 85. 

4) Windaus, Zschr. f. physiol. Chem,, 1910, Bd. 65. 


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704 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


und minimalen Resistenzwerte der. cholesterinreichen nnd der 
cholesterinärmeren Erythrozyten in den gleichen Zahlen¬ 
breiten schwanken. Wir müssen hieraus den Schluss ziehen, dass 
für den Grad der Saponinresistenz der menschlichen roten Blut¬ 
körperchen der Cholesteringehalt der Erythrozyten nicht den allei¬ 
nigen, ausschlaggebenden Faktor darstellt, und dass individuelle 
Schwankungen der Saponinresistenz der roten Blutkörperchen vor 
allem unter krankhaften Zuständen nicht allein auf Unterschiede 
in der Cholesterinstruktur der menschlichen Erythrozyten bezogen 
werden können. So nimmt auch Port 1 ) auf Grund seiner Unter¬ 
suchungen an, dass die in den Erythrozyten vorhandenen Elektro- 
lyte, und zwar speziell die HP0 4 -Ionen von Einfluss auf die 
Resistenz der Blutkörperchen gegen Saponin sind % 

Wir haben im folgenden die bereits in unserer ersten Mit¬ 
teilung angeschnittene Frage weiter verfolgt, inwieweit die chro¬ 
nische Unterernährung unserer Bevölkerung in einer Cholesterin- 
Verarmung des Plasmas zum Ausdruck kommt. 

Wir haben uns zur Bestimmung des Gesamtoholesterins im Serum 
der kolorimetrischen Methode von Authenrieth 2 * ) und Funk bedient 
und die Brauchbarkeit der Methode an zahlreichen Vergleichsunter- 
suohungen mittels der Windaus’schen Digitoninmethode naoh voraus¬ 
gehender Extraktion des feuohten Materials durch siedenden Alkohol 
lestgestellt. Wir sind so, wie neuerdings auch Stepp 2 ), zu dem Er¬ 
gebnis gelangt, dass die kolorimetrische Methode für Gholesterin- 
bestimmungen im Serum ein für klinische Zwecke exaktes Verfahren 
darstellt, das nur zu Fehlerquellen bei reichlichem Farbstoffgehalt, bzw. 
starken Hämoglobinbeimengungen im Serum bzw. bei Cholesterinbestim¬ 
mungen im Gesamtblut und den gewaschenen roten Blutkörperchen Ver¬ 
anlassung gibt. In diesen Fällen spielt wohl die manchmal vorhandene 
Schwierigkeit, mit Hilfe der Chloroformextraktion ein farbloses Extrakt zu 
erhalten, eine wiohtige Rolle, wenn auoh mit der Möglichkeit vielleicht 
gerechnet werden muss, dass unter Umständen auch Cholesterinderivate 
vorhanden sind, die zwar die Liebermann’soheCholestolreaktion ergeben, 
aber nicht durch Digitonin zur Ausfällung gelangen. In diesem Zusammen¬ 
hänge ist die Beobachtung von Authenrieth und Funk bemerkens¬ 
wert, dass bei faulendem Blut trotz des positiven Ausfalls der Lieber- 
mann’sohen Reaktion nach der Windaus’schen Methode keine durch 
Digitonin fällbaren Substanzen nachgewiesen werden konnten. 

Die folgende Tabelle 2 zeigt, dass die mittelst der kolorimetrischen 
Methode und der Digitoninfällung gewonnenen Zahlen des Gesamt¬ 
oholesterins im Serum zum Teil genau übereinstimmen, in anderen 
Fällen zwar in gewissen Grenzen differieren, die jedoch für klinische 
Zwecke nioht erheblich ins Gewioht fallen. 

Tabelle 2. 

100 oom Serum enthalten Gesamtcholesterin: 


Nr. 

Fall 

ä * 
.§S| 

!js» 

Nach 

Authen- 

rieth-Funk 

Differenz 

Freies 

Cholesterin 

Cholesterin¬ 

ester 

p ca * 

*go g 
2 * c 
§55 £ 

—■ „ 03 

Ja © a 
ü -N 

is|„ 

W a-g-S 

,l'|gs 

£ "ü 

1 

Schob. 

0,1032 

0,098 

0,0052 

0,0520 

0,0512 

0 

1:1,0 

2 

Babz. 

0,1606 

0,1335 

0,0271 

0,0558 

0,1048 

0 

1:2,0 

3 

Lach. 

0,1382 

0,1412 

0,003 

0,0432 

0,0950 

0 

1:2,2 

4 

Now. 

0,1774 

0,167 

0,0104 

0,0812 

0,0962 

0 

1 : 1,2 

5 

Spreng. 

0,205 

0,205 

0 

0,0593 

0,1457 

Spuren 

1:2,4 

6 

Pal. 

0,1005 

0,0895 

0,0110 

0,0255 

0,0750 

0 

1:3,0 

7 

Sch. 

0,0734 

0,078 

0,0046 

0,0268 

0,0466 

0 

1: 1,7 

8 

Jak. 

0,128 

0,147 

0,019 

0,0421 

0,0859 

0 

1:2,0 


So finden wir bei Fall 1, 8, 4, 5, 7 nur geringfügige Differenzen 
bis zu 0,0052 pro 100 ccm Serum, während bei Fall 2, 6 und 8 die 
mittelst beider Methoden erhaltenen Werte Unterschiede zwischen 0,011 
und 0,027 aufweisen. Auch für diese letzteren Fälle mit ihren quanti¬ 
tativen Abweichungen bleibt jedooh zu berücksichtigen, dass die nor¬ 
malen Werte für Cüolesterin im Serum nach Henes 4 ) zwischen 0,11 und 
0,182 differieren, dass also die sich in unseren Versuchen ergebenden 
Zahlenuntersobiede nur bei den extremen oberen und unteren normalen 
Grenzwerten für Cholesterin belangreich werden. Wir können somit 
auf Grund unserer vergleichenden Untersuchungen folgern, dass die 
kolorimetrische Methode naoh Authenrieth und Funk, auf Serum an- 
gewendet, eine klinisch brauchbare Methode darstellt, die zwar manohmal 
geringe abweichende Werte von der Windaus’sohen Methode liefert, 
die aber doch im allgemeinen für die klinische Beurteilung nioht ins 
Gewicht fallen. Zugleich zeigen unsere Versuche, dass das Verhältnis 
von Cholesterinestern zu freiem Cholesterin im Serum kein konstantes 


1) Port, D. Aroh. f. klin. Med., Bd. 99, S. 259. — 1918, Bd. 128, S.61. 

2) Authenrieth und Funk, M.m.W., 1918, Nr. 28. 

8) Stepp, Zschr. f. Biol., Bd. 57, S. 185, Bd. 59, S. 866, Bd. 62, 
S. 405, Bd. 66, S. 899 u. 365. — D.m.W., 1913, Nr. 18. — M.m.W., 
1918, Nr. 29. 

4) Henes, D. Aroh. f. klin.Med.,, Bd. 111, S. 122. 


ist, und dass es daher nioht angängig ist, wie es neuerdings s. B. Bloor 
tut, */| des Gesamtcholesterins des Serums summarisch als esterifiziert 
anzunehmen. 

Dagegen ergaben sich uns bei Bestimmung des Cholesterin¬ 
gehaltes der roten Blutkörperchen bei Anwendung der Digitonin¬ 
methode und der kolorimetrischen Methode doch Öfters nicht 
unerhebliche Unterschiede. So fanden wir neben guten Oeber- 
einstimmungen auch Differenzen zwischen koiorimetrischer Me¬ 
thode und der Windaus’schen Methode, die in zwei Fällen bis 
zu 30 pCt. betrugen. Wir kommen somit ähnlich wie Stepp zu 
dem Ergebnis, dass die kolorimetrische Methode nach Authen¬ 
rieth-Funk, bei Blutkörperchen angewandt, nicht immer so 
verlässlichen Werten führt. 

Die Tabelle 2 entkräftet zugleich den neuerdings von 
Tbaysen 1 ) gegen die bisherigen Extraktionsmethoden einschliess¬ 
lich des Röhmann’schenExtraktionsverfährens erhobenen Ein wand, 
dass die bisher gebräuchlichen Extraktionsmethoden eine un¬ 
genügende Ausbeutung liefern, und dass besonders im Serum eine 
quantitative Erschöpfung des Materials, vor allem an Cholesterin, 
nur nach vorausgehender Zerstörung mit Natronlauge und nach¬ 
träglicher Aetherextraktion möglich ist. Wie unsere Tabelle 
lehrt, haben wir niemals beim Serum nach Na-OH-Zerstörung des 
ursprünglich siedend alkoholisch ausgesogenen Materials im Aether- 
extrakt wägbare Mengen von Digitonincholesterid erhalten. Wir 
können somit die methodischen Einwände Thaysen’s, soweit das 
Röhmann’sche Extraktionsverfahren in Betracht kommt, nicht 
als berechtigt anerkennen. 

Wir haben im folgenden die bereits in unserer früheren 
Mitteilung angeschnittene Frage weiter verfolgt, inwieweit die 
chronische Unterernährung auf den Cholesterinspiegel im Serum 
von Einfluss ist. 

Ueber den Cholesteringehalt des Serums Gesunder sind in der Lite¬ 
ratur zahlreiche Angaben vorhanden, die in der folgenden Tabelle zu¬ 
sammengefasst sind. Danach beträgt bei Gesunden in 100 ccm Sernm 
der Gesamtcholesteringehalt naoh: 

Chauffard,Laroehe undGrigaut 2 ) 0,15 —0,18 

Widal, Weil und Laudat 9 ) . . . 0,174—0,195 
Baomeister nnd Henes 4 ) . . . 0,11 —0,18 

Henes«).0,11 —0,182 

Klinkert 9 ).0,14 —0,24 

Stepp 7 ).0,13 —0,17 

Damit stimmen auch unsere Werte bei gutgenährten Indi¬ 
viduen überein, bei denen wir Werte zwischen 0,1335 und 0,205 
fanden. 

Gegenüber diesen normalen Cholesterinwerten im Serum 
fanden wir nun bei einer erheblichen Zahl unserer grossstädti¬ 
schen Bevölkerung Cbolesterinzahlen im Serum, die sich häufig 
ganz erheblich unter den normalen unteren Schwellenwerten des 
Cholesterins im Serum hielten. 

So weisen, wie aus Tabelle 3 eraiohtlioh ist, unter den von uns 
untersuchten 22 Individuen mit klinisoh ausgesprochener Unterernährung 
die Mehrzahl eine deutliche Cholesterinverminderung im Sernm auf. 
Diese Cholesterinabnahme ist vielfach sehr beträchtlich und kann zu 
Werten absinken, die den vierten Teil des Gesamtcholesterins des Serums 
im Frieden und bei gut Genährten betragen, ln solchen Fällen waren 
wir genötigt, statt der sonst aasreichenden 2 oom Serum 4 oom Serum 
und mehr als Ausgangsmaterial füf die Chloroformextraktion nach 
Anthenrleth-Funk zu benutzen, bzw. nur 50 ccm Chloroform zur 
Extraktion zu verwenden. 

Es sinkt somit als Folge des seit Jahren immer 
mehr zunehmenden Mangels an den wichtigsten exo¬ 
genen Cholesterinlieferanten der Cholesterinspiegel 
im Serum bei einem Teil unserer unterernährten gross¬ 
städtischen Bevölkerung immer mehr ab. 

Diese Abnahme deaCholesteringehaltes brauoht nioht Blutkörperchen 
und Serum gleichzeitig zu betreffen, sondern kann vielfaoh auch in einer 
Cholesterinverarmung des Serums allein bei normalem Gehalt der roten 
Blutkörperchen an Cholesterin zum Ausdruck kommen. Folgende Beispiele 
seien hierfür angeführt (siehe Tabelle 4). 


1) Thaysen, Bicohem. Zschr., Bd. 62, S. 89. 

2) Ohauffard, Laroche und Grigaut, Soc. Biol., 1911, S. 536. 

3) Widal, Weil und Laudat, Soc. Biol., 1911, S. 888. 

4) Bacmeister und Henes, D.m.W., 1913, Nr. 12. 

5) Henes, D. Aroh. f. klin. Med., Bd. 111, S. 122. 

6) Klinkert, B.kl.W., 1913. Nr. 8. 

7) Stepp, Zsohr. f. Biol., Bd. 57, S. 135, Bd.59, S.866, Bd. 62, 
S. 405, Bd. 66, S. 399 u. 365. — D.m.W., 1918, Nr. 18. — 

1918, Nr. 29. 


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25. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


706 


Tabelle 8. 


Gesamtoholesteringehalt in 100 com Serum bei Unterernährten. 


Nr. 

Fall 

Alter 

Jahre 

Gesamtoholesterin 

1 

Hai. 

25 

0,226 

2 

Kol. 

85 

0,157 

S 

Sohiok. 

36 

0,117 

4 

Pfier. 

26 

0,115 

5 

Pilor. 

83 

0,107 

6 

Horn. 

18 

0,103 

7 

Gr. 

89, 

0,098 

8 

Pales. 

53 

0.0895 

9 

Kahl. 

36 

0,088 

10 

Lew. 

28 

0,084 

11 

Vog. 

23 

0.084 

12 

Horn. 

25 

0,07 

13 

Hen. 

16 

0,069 

14 

Lang. 

55 

0.068 

15 

Br. 

28 

0,069 

16 

SirnJ 

84 

0.068 

17 

Sohleioh. 

18 

0,057 

18 

Viol.. 

45 

0,055 

19 

Ried. 

15 

0,55 

Inanition araohitis 

20 

Hüb. 

34 

0,052 

21 

Tisoh. 

27 

0,048 

22 

Jenk. 

80 

0,0337 


Tabelle 4. 


Fall 

Gesamtoholesterin 

Gesamtoholesterin 
in 100 ccm roten 


in 100 oom Serum 

Blutkörperchen 

Tisch. 

0,048 

0,0532 

Jenk. 

0,0337 

0,0552 


Es beweist das Verhalten dieser Blutkörperchen von neuem 
die schon von Hoppe-Seyler und neuerdings von Börger and 
Ben mer 1 ) bervorgehobene Tatsache, dass die Zusammensetzung der 
Blutkörperchen in weitgehendem Grade von der des umgebenden 
Plasmas unabhängig sein kann, und dass also eine Abnahme des 
Cholesterinspiegels im Serum nicht mit einer Cholesterinverarmung 
der roten Blutkörperchen einherzugehen braucht. 

Das Sinken des Cholesterinspiegels im Blut, wofür sich auch 
in einer Arbeit von Port 2 ) über den Cholesterinstoffwechsel bei 
Nierenerkrankungen neuerdings kurze Hinweise finden, stellt nur 
ein. Teilsymptom der biochemischen Konstitutionsänderung des 
hungernden Organismus und im engeren nur einen Ausschnitt aus 
dem gestörten Lipoidstoffwechsel bei der chronischen Inanition 
unserer Bevölkerung dar. [Knack und Neumann 3 ), Feigl 4 ), 
Mathias 5 ), eigene Untersuchungen.] So wenig wir auch im ein¬ 
zelnen den Zusammenhang zwischen chemischer Zustandsänderung 
des Körpers und der Disposition zu Infektionskrankheiten, insbe¬ 
sondere zur Tuberkulose übersehen können, so weisen doch eine 
Reihe experimenteller und klinischer Erfahrungen darauf hin, 
dass der normale Ablauf des Lipoidstoffwechsels auf 
den Grad der natürlichen Immunität von erheblichem 
Einflüsse ist. In zurückliegenden Untersuchungen hat zuerst 
Pani Th. Müller 5 ) gezeigt, dass Tiere, die mit Fett, also auch 
stark lipoidhaltig ernährt worden waren, ein weit stärkeres Anti¬ 
körperbildungsvermögen gegenüber Infektionserregern aufwiesen 
als Tiere mit eidseitiger Kohlenhydratfütterung. Weiter weisen 
Aron 7 ), Stepp*), Freise, Goldschmidt und Frank 9 ) darauf 
hin, dass Lipoidmangel auch bei reichlichem Angebot anderer 
Nährstoffe die Resistenz des Körpers gegen Infektionskrankheiten 
herabsetzt. So sehen wir lipoidarme Tiere z. B. häufig an Pneu- 


1) Bürger und Beumer, Zschr. f. ezper. Path. u. Ther., 1918, 
Bd. 13. 

2) Port, D. Arch. f. klin. Med., Bd.99, S.259. — 1918, Bd.128, S.61. 
8) Knack und Neumann, D.m.W., 1917, Nr. 29. 

4) Feigl, Blochern. Zschr., 1918, Bd. 35. 

5) Mathias, Sitzungsberichte d. Med. Sekt. d. Vaterl. Ges. zu 
Breslau, März 1919. 

6) P. Th. Müller, Arch. f. Hyg., Bd. 51, S. 865. 

7) Aron, Bioohemie des Wachstums. Jena 1913; B.kl.W., 1914, 
Nr. 21.; Msohr. f. Kinderheilk., Bd. 13, S. 359. 

8) Stepp, Erg. d. inn. Med. u. Kinderhlk., Bd 15, S.257. 

9) ;Freise, Goldsohmidt und Frank, 1 Msohr. f. Kinderhlk., 
Bd. 18, .S. 420, Bd. 12, S. 685. 


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monien zugrunde gehen, öderes treten bei lipoidarmer Nahrung 
Augeneiterungen auf, die pathologisch-anatomisch dem Bild der 
Keratomalazie entsprechen. 

So erwies es sich auch in den Aron’schen Untersuchungen 
von grösster Bedeutung, ob der Nahrung ein kleiner Prozentsatz 
Butter beigemischt wurde, oder ob ein ohne Butter nur aus 
Kasein, Stärke, Kleie und Salzen bereitetes Nabrungsgemisch ver¬ 
füttert wurde. 

Bei butterfreien Nahrungsgemischen gediehen seine Versuchstiere 
zunächst genau so wie die bei entsprechender, etwa 2 pCt. Butter ent¬ 
haltender Kost, jedoch trat nach einiger Zeit Gewichtsstillstand ein; 
dann wurden die Tiere elend und gingen unter auffälliger Kaohezie 
meist an Pneumonie zugrunde, während die mit einer kleinen Butter- . 
beigabe ernährten Vergleichstiere keine Störungen zeigten. Diese eigen¬ 
tümlichen Wirkungen der Butterbeilage liessen sich nicht durch die ge¬ 
ringe Vermehrung des Fettgehaltes der Nahrung erklären, vielmehr 
musste aus dem Ausfall der Versuche geschlossen werden, dass die im 
Butterfett vorhandenen Lipoide lebenswichtige Nährstoffe enthalten, 
welche der Körper unabhängig von der kolorisch ausreichenden Nahrung 
auf die Dauer nicht entbehren kann. Dass nicht der geringe Fettgehalt 
als solcher, sondern die in der Butter enthaltenen akzessorischen Lipoide 
in diesen Versuchen eine spezifische, vitale ernährungstherapeutiscbe 
Wirkung entfalteten, ergab sich dann Aron weiter aus der Beobachtung, 
dass im Gegensatz zu den mit geringen Butterbeimengungen gut er¬ 
nährten Tieren bei Verabreichung gleicher Mengen Schweinefett, Oliven¬ 
oder Mandelöl zu einer im übrigen ausreichenden Nahrung die Tiere 
mangelhaft gediehen und eine herabgesetzte allgemeine Widerstandskraft 
aufwiesen. 

Mit diesen Beobachtungen im Tierexperiment steht es in 
weiterem bemerkenswerten Einklang, dass gerade diejenigen 
Nahrungsfette, welche nach McCallum und Davis 1 ), Osborne 
und Mendel 2 ) über einen besonderen Reichtum an akzessorischen 
Lipoiden verfügen (das Butterfett, das Fett der Vogeleier und das 
Fett gewisser Fischlebern, der Lebertran), auch die allgemeine 
Resistenz des kindlichen Organismus vermehren, und dass auch 
bei älteren Individuen lipoidreicbe Nahrungsmittel als wertvolle 
Hilfsmittel im Kampf gegen die Tuberkulose angesehen werden 
müssen. Ja, nach Aron ist sogar der hohe Grad natürlicher 
Immunität, den man bei fettreich ernährten Säuglingen im Gegen¬ 
satz zu fettarmen ernährten beobachten kann, durch den Reich¬ 
tum gerade an Lipoiden in der Frauenmilch vollauf erklärt. Die 
Bedeutung des Fett-Lipoidregimes für den Verlauf der tuber¬ 
kulösen Iofektionen erhellt weiter aus den schönen Untersuchungen 
Richard Weigert’s 3 ) über den Ablauf der experimentellen Tuber¬ 
kulose bei mit Fetten und Lipoiden bzw. mit Kohlenhydraten 
einseitig gemästeten Schweinen. Seine wichtigen Beobachtungen 
gipfeln darin, dass die tuberkulöse Infektion bei Schweinen, 
welche durch reichliche Fett-(Lipoid)zufubr gemästet waren, 
durchweg einen bei weitem günstigeren Verlauf nimmt als bei 
Tieren, die bei fettarmer Kost mit grossen Mengen von Zucker 
und Mehl gefüttert wurden. In diesem Zusammenhang verdient 
die besonders von Steinitz und Weigert 4 ) betonte klinische Er¬ 
fahrung Beachtung, dass Gichtiker (ebenso Fleischer), die über 
einen reichlichen Lipoidgehalt in ihrer Nahrung verfügen, gegen 
Tuberkulose relativ immun sind, und dass eine grosse Reihe von 
Fleischfressern schwer oder gar nioht mit Tuberkulose zu in¬ 
fizieren ist. 

Mit diesen engen Beziehungen zwischen Körper¬ 
lipoiden und Körperimmunität wächst die Lipoid¬ 
verarmung bei unserer chronisch hungernden Bevölke¬ 
rung über den begrenzten Rahmen eines klinischen 
Symptoms hinaus. Das Sinken des Lipoidspiegels im chronisch 
hungernden Organismus, wie es z. B. in dem von uns hier nach¬ 
gewiesenen Absinken des Cholesterinspiegels zum Ausdruck kommt, 
bedeutet damit mehr als der einfache Ausdruck des Darnieder- 
liegens eines Partialstoffwechsels im Stadium der chronischen 
Inanition, es wird darüber hinaus bis zu einem gewissen Grade 
ein Indikator für die Widerstandskraft des Organismus im Kampfe 
gegen die Infektionen und im engeren gegen die Tuberkulose. 

Es liegt uns bei der Komplexität der hier vorliegenden 
biologischen Prozesse selbstverständlich fern, wie wohl kaum 
betont zu werden braucht, die natürliche Resistenz des Orga- 

1) Mo Call um und Davis, Journ. biol. obem., Bd. 14, S. 40; 
Bd. 15, S. 167; Bd. 19, S. 245; Bd. 20, S. 641; Bd. 21, S. 179. 

> 2) Osborne und Mendel, Journ. of biol. obem., Bd. 12, S. 81; 
Bd.*15, S. 167 u. 811; Bd/16, S. 423; Bd. 17, S. 401; Bd. 20, S. 379; 
Bd 24 S 87 

' 8)’ Weigert, B.kl.W.,11907, Nr. 88; Jahrb. f. Kinderhlk., Bd. 61, 
H 1 S 178 

\ *4) Steinitz und Weigert, Jahrb. f. Kinderhlk., Bd. 61, H. 1, S. 147 

1 * 

Original frn-m 

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796 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


nismus ausschliesslich auf Lipoidfunktionen zurückzuführen oder 
die fdr die natürliche Resistenz bedeutungsvollen akzessorsichen 
Lipoide mit dem Cholesterin begrenzen zu wollen. Immerhin 
mOchten wir in dem uns hier beschäftigenden Zusammenhänge 
doch darauf hinweisen, dass manche Beobachtungen dafür sprechen, 
dass im Rahmen einer Lipoid Verarmung einer Cholesterin Verminde¬ 
rung des Blutes für die Disposition zur Tuberkulose eine nicht 
unwichtige Rolle zukommen dürfte. So haben Gerard und 
Lemoire 1 ) gezeigt, dass Cholesterin die toxische Wirkung des 
Tuberkulins zu schwächen vermag, und weiter haben die Unter¬ 
suchungen von Milkowitcz 2 * 4 5 ) dargetan, dass Cholesterin und 
Lezithin eine hochgradig steigernde Wirkung auf die Phago¬ 
zytose des Tuberkelbazillus ausüben, dass also die Intensität 
der Abwehrfunktionen des Organismus von dem Cholesterin und 
Lezithingehalt des Blutes nicht unwesentlich bestimmt wird. Von 
ganz besonderem Interesse für die Frage der Beziehung zwischen 
Cholesterinstoffwecbsel und Tuberkulose erscheinen jedoch vor 
allem dieUntersuchungenKawamura’s 8 ), wonach in merkwürdigem 
Gegensatz zu dem charakteristischen Auftreten der doppeltbrechen¬ 
den Substanzen bei chronischen Entzündungsprozessen die tuber¬ 
kulösen Gewebe frei oder fast frei von Cholesterinesteru sind. 
Dieses Fehlen der Cholesterinester im tuberkulösen Gewebe ist 
so Auffallend und charakteristisch, dass auch Amersbach 4 ) allein 
auf Grund eines Cholesterinestermangels im entzündlich veränder¬ 
ten Gewebe die tuberkulöse Salpingitis von der gonorrhoischen 
Salpingitis scharf abzutrennen vermag. 

Unter diesen Gesichtspunklen dürfen daher die in der folgen¬ 
den Tabelle zusammengestellten Serum - Cholesterinwerte bei 
Tuberkulösen (im Blockadejahr 1919) ein besonderes praktisches 
und theoretisches Interesse beanspruchen. 


Tabelle 5. 

Gesamtcbolesteringehalt in 100 ecm Serum bei Tuberkulösen. 


ll 

25 

Fall 

Alter 

Jahre 

Klinischer 

Befund 

Ernährungs¬ 

zustand 

•. ® .g 
Sog 

Tempe¬ 

ratur 

1 

Liet. 

30 

Leicht.Spitzentbo. 

Mäss. gut genährt 

0,1136 

Fieberfrei 

2 

Nentw. 

18 

Tbc. periton. 

Sohleoht genährt 

0,085 

37,0-37,5 

3 

Pol. 

39 

Tbc. apic. sin. 

Reduziert 

0,084 

Fieberfrei 

4 

Fleohtn. 

28 

Leicht.Spitsentbo. 

Mäss. gut genährt 

0,08 

37,0-37,6 

5 

Greg. 

25 

Aff. apic. pulm. 

Reduziert 

0,076 

Fieberfrei 

6 

W. 

21 

Kavernen 

Sehr sohl, genährl 

0,073 

Fieber 

7 

And. 

19 

Progr. Tbc. pulm 

Sehr unterernährt 

0,068 

37,0-88,5 

8 

Pa. 

18 

Tbc. pulm. dextr. 

Unterernährt 

0,061 

37,0-38,0 

9 

Maiw. 

16 

Tbc. pulm. 

Sehr unterernährt 

0,0585 

Fieberfrei 

10 

Po. 

24 

Aff. apic. dextr. 

Sehr abgemagert 

0,058 

37,0-37,5 

11 

Thom. 

44 

Schwer.Tbo.pulm 

Unterernährt 

0,0575 

37,5-38 5 

12 

Sam. 

29 

Tbc. pulm. 

n 

0,51 

37,0—88,0 

13 

Wl. 

31 

Tbc. pulm. 

19 

0,05 

37,0-38, 0 

14 

Schreib. 

18 

Mäss. Tbo. pulm. 

Sohleoht ernährt 

0,045 

Fieberfrei 


Für einen Teil dieser Fälle (Fall 6, 7, 8, 11, 12, 13) mag nach 
den Beobachtungen von Henes 6 ) der fieberhafte Zustand als solcher 
für das Absinken des Cholesterinspiegels im Serum von Einfluss 
sein, wenn auch Stepp neuerdings ausdrücklich darauf binweist, 
dass fieberhafte Temperaturen für sich allein nicht für den Chole¬ 
steringehalt des Blutes von maassgebender Einwirkung sind. 
Sehen wir aber im Hinblick auf den Henes’schen Ein wand von 
diesen Fällen ab so beweisen doch die übrigen Zahlen, dass, 
gemessen an dem Cholesterinspiegel, sehr häutig cer tuber¬ 
kulöse Organismus des Lipoidschutzes entbehrt, dessen 
bedeutungsvollen antagonistischen Mechanismus bei dem Kampf 
gegen die Tuberkulose wir aus den geschilderten klinischen und 
experimentellen Erfahrungen abzuleiten versucht haben. 

So eröffnet das Sinken des Cholesterinspiegels im Blute als 
Indikator einer Lipoidverarmung des Organismus vielleicht einen 
Weg des Verständnisses für die immer mehr absinkende Resistenz 
uuserer unterernährten Bevölkerung gegenüber Infektionen und 
im engeren vor allem gegenüber der Tuberkulose. Die früher 
nie gesehene Häufigkeit der^Tuberkulose und ihrer mannigfaltigen 
klinischen Formen, ihre gewaltig anscbwellende Mortalität wird 
möglicherweise angesichts des immer mehr abnehmenden Lipoid- 

1) Gerard und L emo ine, Soc. med. des höpitaux, 26. Nov. 1907 
und Februar 1909. 

2) Milkewitoz, lit. nach Reiter, Vakzinetherapie und Vakzine- 
diagnostik, 1918, S. 15. 

8) Kavamnra, Die Cholesterinesterverfettung. Gustav Fisober, 1911. 

4) Amersbaoh, zit. naeh Kavamnra, S. 93. 

5) Henes, D. Arch. f. klm. M., Bd. 111, S. 122. 


Schutzes einer klareren Erkenntnis und schärferen Begriffs¬ 
bestimmung zugeführt. Der Ausspruch eines Sozialhygienikers wie 
v. Drigalski 1 ), „wer heute an klinischer Tuberkulose erkrankt, 
ist verloren 11 , mag zu weit gehen; dass die Tuberkulose schwerer 
bekämpfbar geworden ist, ist ebenso unbestreitbar wie unter dem 
Gesichtswinkel erklärlich, dass dem Körpert mit dem Absinken 
seiner Lipoide wichtige Schutzwaffen entwunden sind. 

Nachtrag bei der Korrektur: Poll 9 ) hat in peripheren Nerven 
während der Kriegszeit einen „ganz ungeheuerlichen Verlust 0 an Fett¬ 
substanzen festgestellt. Damit finden die Beobachtungen von Bittorf 
und Cr am er ihre anatomische Grundlage, die während des Krieges eine 
starke Zunahme der Erkrankungen des peripheren Nervensystems fest¬ 
gestellt haben. Neuerdings hat Stepp 8 ) auch experimentell bei lipoid- 
frei ernährten Hunden neben einer beträchtlichen Cholesterinverarmung 
der Blasengalle auch ein deutliches Absinken des Cholesterinspiegels im 
Serum beobachtet. 


Bemerkungen zur Kriegsbeschädigtenfürsorge. 

Von 

Dr. Karl Kreier. 

Die lauge Dauer und besonders der unglückliche Ausgang 
des Krieges ergeben für die Kriegsbeschädigtenfürsorge Schwierig¬ 
keiten, mit denen man bei der Entstehung der Versorgungsgesetze 
nicht gerechnet batte und auch nicht rechnen konnte. Wir haben 
neben etwa einer Viertelmillion Schwerverwundeter über 4 Millionen 
Leichtverwundeter sowie eine noch nicht genau bekannte, aber 
recht erhebliche Zahl von Erkrankten, die nach den bestehenden 
Bestimmungen Anspruch auf Rente haben. Wenn nun auch eine 
grosse Zahl von ganz leicht Verletzten — auch Mehrfachver¬ 
wundeten — abzuziehen ist, bei denen nach restloser Wieder¬ 
herstellung Rentenansprüche nicht bestehen, bzw. nur eine Be¬ 
schränkung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 10 pCt. an¬ 
zunehmen ist, so bleibt doch eine geradezu ungeheure Menge von 
Versorgungsberechtigten, von denen ein bedeutender Prozentsatz, 
wohl mehr als die Hälfte, mit kleinen Rent-u von 10—25 pCt. 
entschädigt wird. Dass dies neben der grossen und kostspieligen 
Verwaltungsarbeit eine/sehr gewichtige finanzielle Belastung der 
Gesamtheit bedingt, leuchtet ein. Trotzdem müsste sie natürlich, 
so schwer es uns auch werden würde, getragen werden; denn 
an denen, die für das Vaterland ihr Leben aufs Spiel gesetzt und 
ihre Gesundheit geopfert haben, dürfte zu allerletzt gespart werden. 
Wer also wirklich in seiner Erwerbsfähigkeit durch Verwundung 
oder Krankheit erheblich beeinträchtigt ist, muss entschädigt 
werden, und zwar ausreichend. 

Dass hier die für die Schwerverletzten des Mannschaftsstandes 
angegebenen Sätze den heutigen Verhältnissen nicht mehr ent¬ 
sprechen, ist von der zuständigen Stelle anerkannt worden, und 
man hat durch Zuschläge zu den Renten, weitherzige Zubilligung 
von Verstümmelungszulagen u. a. m. versucht, das Los dieser Un¬ 
glücklichen zu erleichtern. Anders steht es jedoch mit den Leicht¬ 
beschädigten. Schon die tägliche Erfahrung, besonders aber die 
Erfahrungen der in der Unfallversicherung tätigen Aerzte haben 
gezeigt, in wie weitem Maasse der menschliche Organismus sich 
leichteren Schädigungen anpasst, wie sehr, besonders in dem hier 
fast ausschliesslich in Betracht kommenden jugendlichen Alter, 
körperliche Defekte durch Uebung und Anpassung ausgeglichen 
werden können, sofern nur der gute Wille da ist. Diese Er¬ 
fahrungen sind nun durch den Krieg in ungeahntem Maasse be¬ 
stätigt worden. Viele Tausende von Rentenempfängern haben die 
grössten Strapazen als voll leistungsfähige Soldaten überstanden. 
Freilich soll nicht übersehen werden, dass die Begriffe „feld¬ 
dienstfähig“ und „voll erwerbsfähig“ sich nicht decken. Aber 
im allgemeinen kann angenommen werden, dass ein voll feld- 
dienstfähiger Soldat in den meisten Berufen auch voll erwerbs¬ 
fähig sein wird. 

Noch wertvoller waren aber die Feststellungen, die besonders 
in der letzten Kriegszeit mit dem sogenannten „therapeutischen 
Arbeitsurlaub“ bzw. den Reklamationen gemacht worden sind: 
Um die Soldaten nach Verwundungen, statt sie monatelang an 
orthopädischen Apparaten üben zu lassen, möglichst nutzbringend 
zu verwenden, wurden sie zu Arbeitsleistungen, meist in ihrem 
Berufe, beurlaubt. Hierbei zeigte sich, dass schon die Rekon- 


1) Drigalski, D. m. W., 1919, Nr. 21. 

2) Poll, Neurol. Zbl., 1919, Nr. 12, S. 412. 

3) Stepp, Zschr. f. Biol., Bd. 69, H. 10 u. 11. 


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25. August 1619. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


797 


valesxenten im allgemeinen voll arbeitsfähig waren. Das Gleiche 
ergab sich bei denen, die, nicht wieder felddienstfähig geworden, 
für ihren früheren Beruf reklamiert wurden. Wenn also schon 
bald nach der Verletzung fast stets die volle Arbeitsfähigkeit 
wieder erreicht wurde, um wieviel mehr wird sie jetzt vorhanden 
sein, wo bei der Mehrzahl schon 1—2 Jahre seither verflossen sind! 

Dazu kommt aber noch ein wesentliches Moment, auf das 
meines Wissens bisher noch nicht hingewiesen worden ist: Die 
meisten Arbeiter werden ja jetzt gar nicht ‘ mehr nach ihrer 
individuellen Leistungsfähigkeit bezahlt, sondern auf Grund der 
Tarifverträge lediglich nach ihrer Vorbildung und nach ihrem 
Alter. Also ein Kriegsbeschädigter, dessen Arbeitsleistung hinter 
der der anderen zurückbleibt, erhält trotzdem den gleichen Lohn 
wie die übrigen. (Ich spreche hier natürlich nur von den Leicht¬ 
beschädigten.) Eine pekuniäre fiinbusse, für die der Verletzte 
entschädigt werden müsste, liegt also im allgemeinen gar nicht 
vor, ganz abgesehen davon, dass eine Rente von 10—20 pCt. 
unter den heutigen Verhältnissen für den Empfänger wirtschaftlich 
überhaupt nicht ins Gewicht fällt. (Eine lOproz. Rente für 
einen Angehörigen des Mannschaftsstandes beträgt monatlich 
4,60 M., hierzu tritt bei Kriegsdienstbeschädigung noch eine 
Krieg3sulage von 16 M.) 

Wie schwer es aber ist, einem Verletzten eine wenn auch 
minimale Rente, die er einmal erhalten hat und auf die er An¬ 
spruch zu haben glaubt, wieder zu entziehen, was für eine Summe 
von Erbitterung erzeugt, was für endlose Rentenkämpfe ver¬ 
ursacht werden, davon wissen die Akten der Berufsgenossen¬ 
schaften genügend zu erzählen. Da es sich bei den meisten 
Leichtbeschädigten jedenfalls nur um Uebergangsrenten handeln 
kann, werden wir diese Kämpfe, die wir von der relativ kleinen 
Zahl der Unfallverletzten her kennen, vertausendfacht und, den 
geänderten Zeitverhältnissen entsprechend, mit noch grösserer 
Erbitterung wieder erleben, wenn nicht jetzt noch die Be¬ 
stimmungen zweckmässig geändert werden. Schon in der Unfall¬ 
versicherung hat man die ganz kleinen Renten von 5 pCt. be¬ 
seitigt. Es ist nur folgerichtig, wenn man gemäss den oben 
dargelegten Gesichtspunkten einen Schritt weiter geht und alle 
Renten bis 20pCt. oder noch besser bis 25pCt. aufhebt. Wir 
können uns unter den gegenwärtigen Zeitumständen nicht den 
Luxus leisten, Millionen von voll Erwerbsfähigen ein Schmerzens¬ 
geld zu zahlen — denn nur ein solches stellen die kleinen Renten 
dar —, während wir nicht imstande sind oder sein werden, für 
die Schwerverletzten auskömmlich zu sorgen. 

Im übrigen stellt der obige Vorschlag, die kleinen Renten 
zu beseitigen, kein Novum dar. Denn nach dem jetzt gültigen 
OffizierpenBionsgesetz erhalten Offiziere des Beurlaubtenstandes 
nur dann eine Rente, wenn sie durch Dienstbeschädigung feld- 
und garnisondienstunfähig geworden sind. Diese Voraussetzung 
wird im allgemeinen nur beim Vorliegen einer schweren gesund¬ 
heitlichen Schädigung erfüllt sein. 

Eine weitere Inkonsequenz liegt auch darin, dass bei einer 
leichten Verletzung, wenn auch nur relativ geringfügige Folgen 
Zurückbleiben, eine Rente gewährt wird, während zahlreiche, be¬ 
sonders ältere Kriegsteilnehmer, die durch die Strapazen und 
Entbehrungen schwerer und meist dauernd geschädigt sind, keinen 
Anspruch auf Entschädigung haben. Auch diese noch in die 
Versorgung einzubeziehen, dürfte aber schon wegen der Schwierig¬ 
keit, ja Unmöglichkeit des Nachweises im einzelnen Falle nicht 
angängig sein. Einen gewissen, nicht immer geringen Grad 
gesundheitlicher Schädigung durch eingeschleppte Krankheiten, 
Hunger, aufreibenden wirtschaftlichen Kampf haben ja auch viele 
der Daheimgebliebenen als Opfer der schweren Kriegszeit er¬ 
tragen müssen. 

Es ist heutzutage nicht gerade bequem, gegen den Strom zu 
schwimmen. Dies enthebt uns Aerzte jedoch nicht der Pflicht, 
auf die nicht nur finanziellen, sondern namentlich auch moralischen 
Schädigungen hinzu weisen, die die Züchtung dieses „Kriegs- 
rentnertums u mit sich bringen wird. Wieviel Schaden schon 
jetzt hier geschehen ist, wie sehr die Neigung zugenommen hat, 
auch die kleinsten, im Verlaufe von 4 1 /* Jahren aufgetretenen 
Schäden der Gesundheit auf den Dienst zu beziehen, wird jeder 
bestätigen, der wie Verfasser ausgedehnte Gelegenheit gehabt hat, 
Kriegsbeschädigte zu untersuchen. 

Zusammenfassung: Die Bewilligung von Renten für 
leichte Dienstbeschädigungen — bis 20 oder 25pCt.— 
lässt sich wirtschaftlich nicht rechtfertigen. Das 
jetzige Verfahren bildet überdies eine Quelle dauernder 


Unzuträglichkeiten. Diese kleinen Renten sind daher 
zu beseitigen; dafür sind die Renten der Schwerverletz¬ 
ten, namentlich der Verstümmelten, und die der Hinter¬ 
bliebenen höher als bisher zu bemessen. 


Aus der Säuglingsklinik des Vaterl. Frauen-Vereins 
in Berlin-Wilmersdorf (leitender Arzt: Dr. Soldin). 

Zur Kasuistik der. Nabeldiphtherie des Neu¬ 
geborenen. 

Von 

Dr. Pul CI. Prusnlts. 

Die an und für sich nicht seltene diphtherische Erkrankung 
Neugeborener hat in den letzten Jahren insofern eine weitere 
Bedeutung erlangt, als man gelernt hat, neben dem üblichen Sitze 
der diphtherischen Erkrankung, der Nase, auch Lokalisationen 
von Di-Bazillen in anderen Organen genauer zu beobachten; da¬ 
zu gehört in erster Linie die Diphtherie der Haut und des 
Nabels. 

Dass der Nabel bei nicht glatter Abheilung einen ausgezeichneten 
Nährboden für infektiöse Prozesse, in diphtherischer Umgebung für Di- 
Bazillen abgibt, ist ohne weiteres klar. (Ich verweise auf die in letzter 
Zeit vielfaoh erschienenen Arbeiten über Wunddiphtherie). Zwar er¬ 
hält die Diphtherie erst dann eine klinische Bedeutung, wenn weiterhin 
infolge der Ansiedlung der Erreger sich ein diphtherisohes Geschwür 
bildet oder zum wenigsten eine Resorption von Toxinen stattfindet; 
denn eine Ansiedelung von Di-Bazillen auf dem Nabelstumpfe brauoht 
an sich noch keine toxische Wirkung für den Organismus zu haben. 
Ein positiver Befund von Di-Bazillen auf dem Nabelstumpfe bedeutet 
demnach an sich noch keine Di-Erkrankung im klinisohen Sinne. 
Andererseits haben wir auch Fälle gesehen, wo wir am Nabelstumpfe 
weiss-graue Beläge beobachten konnten, die die Diagnose auf Diphtherie 
sehr wahrscheinlich erscheinen liessen. Jedoch weder mikroskopisch 
noch kulturell liess sich die Diagnose bestätigen. Diese Fälle verliefen 
ohne Allgemeinerscheinungen. 

In jüngster Zeit hat Marie Snell 1 ) an Hand des Materiales der 
Göttinger Klinik verschiedene Fälle von Nabeldiphtherie unter besonderer 
Berücksichtigung der Nabelgangrän veröffentlicht. 

1891 wurde duroh Ne iss er die erste Hautdiphtherie festgestellt. 
1896 durch To oh 2 ) die erste Nabeldiphtherie; ihm folgten in den 
kommenden Jahren Pitt 8 ) (1897), Gertler 4 ; 1898) und Hassen¬ 
stein 6 ) (1899). 

Forest 6 ) beschreibt 1907 einen Fall von Nabeldiphtherie, bei dem 
es duroh Fortschreiten des Prozesses in die Tiefe zu einer Peritonitis 
und Netzverklebung kam. Aus der Zeit vor Entdeckung des Di-Bazillus 
ist besonders Hennig 7 ) zu erwähnen, der u.a. einen Fall von Nabel¬ 
diphtherie beschreibt, bei dem es zu postdiphtherisohen Lähmungen kam. 
Andere Autoren wie z. B. Hertzka 8 ) beschreiben entzündliche, ja sogar 
ulzero-gangränöse Nabelprozesse, kommen aber nicht zu der Folgerung, 
diese trotz sonst bestehender Diphtherie auch für diphtherisch zu halten. 

Göppert und Bloohmann 8 ) beobachteten an zwei Neugeborenen 
bei gleichzeitiger Nabeldiphtherie die tiefgreifende gangränöse Form der 
Nabeldiphtherie bei nooh bestehendem Nabelstumpf, die bei einem der 
Kinder duroh Peritonitis zum Tode führte. 

L. Landl 10 ) veröffentlicht einen Fall von oberflächlicher Form der 
Nabeldiphtherie als isolierte Erkrankung bei einem drei Wochen alten 
Brustkinde; die oberflächliche Narbenbildung war nooh 2 Monate später 
zu sehen, als das Kind wegen Darmkatarrhs aufgenommen wurde. Es 
folgen dann noch fünf Fälle von M. Snell, so dass die Göttinger Klinik 
8 Fälle aufzuweisen hat; hiervon sind drei schwere, zwei mittelschwere 
und drei leichte Erkrankungen. Der Tod trat in 8 Fällen und stets 


1) Snell, Die diphtherische Nabelinfektion mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Nabelgangrän. Jahrb. f. Kinderhlk., 1919, Bd. 1. 

2) To oh, Beitrag zur Kasuistik der extrapharyngealen und extra¬ 
pharyngeal beginnenden Diphtherie. Prag. med. Wschr., 1896. 

8) Pitts, Diphtherie of The umbilious. Lane. 1897. 

4) Gert ler, Beitrag zu den Krankheiten des Nabels der Neuge¬ 
borenen. Klin. ther. Wschr., 1898, Nr. 85. 

5) Hassen stein, Ungewöhnliche Formen diph. Erkrankungen, 
übertragen durch eine Hebamme. D. m.W., 1899. 

6) Forest, Diphtherie und Krupp bei Neugeborenen. Aroh. f. 
Kinderhlk., 1905, Bd. 42. 

7) Hennig, Die Nabelkrankheiten in Gerhardts Handbuch. 1877, 
Bd. 2. 

8) Hertzka, Aroh. f. Kinderhlk., 1883, Bd. 4. 

9) Bloohmann, Diagnose der Nasendiphtherie bei Neugeborenen 
und Säuglingen. B. kl.W., 1910. — Zur Diagnose der larvierten Diph¬ 
therie im jungen Kindesalter. B. kl. W., 1911. 

10) Landl, Zur Klinik und Diagnose der Hautdiphtherie im Kindes¬ 
alter. Ergeb. d. inn. Med. u. Kinderhlk., 1917. 

2 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


^8 


plötzlich ein. Die geheilten Fälle wiesen zweimal ausgesprochene Narben¬ 
bildung auf. Postdiphtherische Lähmungen wurden nicht beobachtet; 
diphtherische Frühlähmungen wurden auch nioht erwähnt. 

Auch wir hatten im letzten Vierteljahr — im ersten Quartal 
1919 — bei einer an und für sich weitverbreiteten Diputherie 
der Neugeborenen Gelegenheit, 4 Fälle von Nabeldiphthene zu 
sehen, über die ich im Folgenden berichten will. 

Fall 1. (Nr. 1282.) Edith J., erstes Kind gesunder Eltern, Schwanger¬ 
schaft 9 Monate, normale Geburt. 

Aufnahme 24.11., kleines, schmächtiges, 3 Wochen altes Kind mit 
deutlichen Zeichen der Abmagerung. (Körpergewicht 3220 g.) Nase 
sezerniert blutigen Schleim. (Bakteriologische Untersuchung: Di positiv.) 
Der Muskeltonus des Kindes ist deutlich herabgesetzt; die Muskulatur 
fühlt sich schlaff an. Aktive Beweglichkeit ist vorhanden; die in die 
Höhe gehobenen Arme und Beine des Kindes fallen schlaff üerab. Der 
Nabel zeigt in einer ungeiähr talergrossen Ausdehnung eine lebhafte 
Rötung bei geringer Schwellung. In der Mitte der Rötung ein schmierig 
belegtes Ulkus, in dessen Zentrum sich eine kratertörmige Oeffnung be¬ 
findet, durch die eine mittelstarke Sonde bequem passiert und eine kreis¬ 
runde, etwa einen Zentimeter im Durchmesser betragende Unterminierung 
der umgebenden Nabelhaut erkennen lässt. Aus der Oeffnung entleert 
sioh ein grünlich schmieriges Sekret; der Abstrich ergibt nachNeisser 
Bazillen mit Polfarbung; bakteriologische Untersuchung (städt. Unter¬ 
suchungsamt Cöarlottenburg) ergibt ebenialls positiven Di*Belund. Das 
Kind macht einen sohwerkrankeu Eindruck und ist appetitlos. Nahrung 
400 ccm Brustmilch. 

28. II. Körpergewicht 3220 g. Die Schlaffheit hat erheblich zuge¬ 
nommen; die Extremitäten fallen beim Aulheben schlaff zurück. Das 
Kind zeigt deutlieh Anzeichen einer Gaumensegellähmung; es muss mit 
Sonde ernährt werden. Die Herzaktion ist normal; die Atmung des 
Kindes ist flach und beschleunigt. Ueber beiden unteren Lungenlappeu 
deutliches Rasseln. Temp. 38,3. 

1. III. Die Schlaffheit bat weiter zugenommen; das Kind erscheint 
völlig gelähmt. 

2. III. Oeffnung der Nabelwunde bleistiftgross, Wundrand krater- 
förmig erhöht; Wundüffnung unregelmässig, nach oben abgerundet, nach 
unten in zwei divergierende Linien auslaufend. Umgebung der Nabel¬ 
wunde zeigt in Grösse eines Dreimarkstückes bläuliche Veriärbung und 
Mazeration der Hauloberschicht. Vollständige schlaffe Lähmung des 
Kindes. Abends exitus letalis. 

3. III. Vor der Sektion wird noch einmal vom Nabelsekret ein 
Abstrioh gemacht: Di positiv. Die Sektion ergibt: diffuse broncho- 
pneumonische Herde im linken Unterlappen, im Unterteil des linken 
Oberlappens, im rechten Unter- und Mitteilappen. Tracheitis und Bron¬ 
chitis. Kehlkopf, Lunge, Tonsillen sind frei von krankhaften Verände¬ 
rungen. Rechtsseitige Nasendiphtherie; Nabeldiphtherie. In die Oeffnung 
des Nabelulkus kommt man mit der Sonde 1,5 cm tief nach unten und 
innen. In der Wunde selbst ein grauweisser, schmutziger, eitriger 
Sohleim. Im Verhältnis zu der engen Ausfuhröffnung ist die weiter 
innen gelegene Wundpartie ausgedehnt. Die Nabelgeiässe wölben das 
Peritonealblatt vor und sind hart; die Umgebung ist bläulich vertärbt. 
Die Haut unterhalb des Nabels ist dick infiltriert, hart und von bläu¬ 
licher Farbe. Das parietale Blatt des Bauchfells ist glatt. Das Herz 
ist schlaff, zeigt aber sonst keine krankhatten Veränderungen. Die 
übrigen Organe, insbesondere Niere, Darm, Leber, Milz und Peritoneum 
sind ohne krankhaften Befund. Im mikroskopischen Bilde sieht man 
völlige Nekrose im Gebiete des Ulkus und starke reaktive Entzündungs¬ 
erscheinungen in der Umgebung. An den Nabelgefässen keine ent¬ 
zündlichen Veränderungen. 

Fall 2. (Nr. 1297.) Fritz S., 7-Monatskind, erstes Kind gesunder 
Eltern. Geburtsgewicht 4 Pfd., von Geburt an künstliche Ernährung. 

Aufnahme 17. III. (Körpergewicht 1980 g.) 14 Tage altes, kleines, 

welke» Kind, mit atrophischer Haut, blutigem Schleim aus der Nase. 
Die Umgebung des Nabels ist entzündet und infiltriert in etwa Pfeimig- 
stückgiösae und zeigt in der Tiefe eine kraterähnlich tiefe Oeffnung. 
Unterschenkel und Fussrücken haben ein typisches Sklerem aufwärts 
bis zum Knie, Milz und Leber nicht vergrössert. 

Tod 7 Stunden nach Aufnahme in der Klinik. 

Nasenschleim und Nabelsekret, gleich bei der Aufnahme entnommen, 
ergeben Di positiv. 

Sektion wird verweigert. Todesursache: Lebensschwäche, die sicher 
aber durch die Di-Infektion unterstützt wurde, vielleicht auch durch 
falsche Ernährung bis zur Aufnahme. 

Fall 3. (Nr. 980.) Herbert A. Erstes Kind gesunder Eltern 
(Schwangerschaft und Geburt normal), wird als 3 Tage altes, gesundes 
Kind eingeliefert. Aufnahme 7. IV. (Körpergewicht 3640 g.) 

In den ersten Tagen nimmt das Kind gut zu; am 6. Tage Nabel¬ 
abfall; der Nabelstumpf sieht gut aus, keine Rötung. Am folgenden 
Tage tritt Gewichtsstillstand ein, zweimal Erbreohen (s. Kurve). 

18. IV. Es tritt Gewichtssturz ein. Der Nabel nässt, ohne dass 
irgend welche entzündlichen Veränderungen in seiner Umgebung sich 
abzuspielen scheinen. Von dem Sekret ergibt ein Abstrich positiven 
Diphtnerie-Befund (städt. Untersuchungsamt Charlottenburg). Nasen-, 
Rachen- und Konjunktivalabstrich ergeben alle Di negativ. Das Kind 
erhält 1000 Di-A.E. Die Nabelfläche wird mit Alkoholumschlägen be¬ 
handelt und trocknet ein. 


28. IV. Der Gewichtssturz geht weiter. Urin Alb. positiv. Im Se¬ 
diment reichliche Epithelien und Eiterzellen. Der Nabel nässt wieder 
etwas, aber ohne Entzündung in der Umgebung. Bakteriologische Kultur 
des Urins gibt Staphylokokken (St. aureus). 

27. IV. Das Kind ist sehr schwach; weiterer Gewichtssturz. Am 
Morgen Kollaps. Der Nabel sezerniert etwas reichlicher. Das Abdomen 
ist stark aufgetrieben, die Leberdämpfung nach oben verschoben. Bei 
Perkussion des Abdomens besteht sichtbare Sohmerzempfindung des 
Kindes; beschleunigte Atmung, feuchtes Rasseln über beide Unter- 
lappen. 



28. IV. Beginnendes Sklerem an der Aussenseite der Oberschenkel; 
dieKrankheitserscheiuungen des vorhergehenden Tages sind noch verstärkt. 
Eine Punktion des Abdomens ergibt weissliche, eitrige;FlÜ8sigkeit; bak¬ 
teriologische Untersuchung: Staphylokokken. Ein neuer Abstrich „des 
Nabelsekrets ergibt Di positiv. Abends: Exitus letalis. 

29. IV. Bei der Sektion finden sich folgende krankhafte Verän¬ 
derungen: Hypostatische Pneumonie im linken und rechten Unterlappen 
und in den abhängigen Partien des rechten Oberlappens. Bronchitis 
catarrhalis. ln der Leibesböhle befinden sich einige Kubikzentimeter 
einer sulzigen, grauweissen Flüssigkeit. Das Bauchfell sieht trübe und 
grau aus und lässt die Gelässverzweigungen deutlich hervortreten. Keine 
Auflagerungen. Die Darmoberfläcbe ist spiegelnd. Die Milz ist nicht 
vergrössert, in der Konsistenz nicht verändert; sie ist aber nur 
schwer zu lösen, da deutliche Verwachsungen mit der grossen Kurvatur 
des Magens und mit dem Kolon bestehen. k Die Vorder fläche zeigt einen 
grauen Ueberzug, der sich nicht lösen lässt. Aul dem Durchschnitt sieht 
man starke Verdickungen der Kapsel. Der Durchschnitt selbst ist 
schwarzrot; man sieht und fühlt deutliche Körnelung. An den Nieren 
ist makroskopisch keinerlei Veränderung zu sehen. Ebenso zeigt die Um¬ 
gebung des Nabels keine pathologischen Veränderungen. 

Fall 4. (Nr. 1840.) Kurt T., 7 Tage altes Ammenkind (Gew. 2900 g). 
Bei der Aufnahme nässender Nabel. Bakteriologische Untersuchung er¬ 
gibt: Nase, Rachen Di -j-; Nabel Di —. Die Sekretion des Nabels nimmt 
in den folgenden Tagen zu. 7 Tage nach Aufnahme ergibt der Nabel¬ 
abstrich Di+; nach weiteren 14 Tagen ist der Nabel trocken. Das Ge¬ 
deihen des Kindes ist in der ganzen Zeit nicht gestört. Körpergewicht 
am Ende der 4. Lebenswoche 3300 g. Nur die Temperatur’ zeigte 
Schwankungen bis zu 38°. 

Fall 5. Hier sei noch ein Fall erwähnt, den wir in den letzten 
Monaten des Jahres 1917 zu beobachten Gelegenheit hatten. Es handelt 
sich um das jetzt 1 Jahr 8 Monate alte Kind Hans R. Dieses bekam 
am fünften Lebenstage ein Nabelgeschwür; 3 Wochen alt wurde es uns 
eingeliefert. Damals erhoben wir folgenden Befund: Am Nabel ein 
talergrosses schmieriges, bis zur Faszie hinabreiohendes, unregelmässig 
gestaltetes Geschwür mit deutlichen Gewebsnekiosen, in dessen Sekret 
wir Diphtheriebazillen nachweisen konnten. Das Gesohwür musste zwei¬ 
mal inzidiert werden. Die Behandlung war ambulant und zog sich 
13 Wochen hin. Das Kind, das nur mit Muttermilch genährt wurde, 
wurde mit Höhensonne bestrahlt. Nach Abstossung der gangränösen 
Fetzen trat dann eine völlige Verheilung ein, und zum Schluss war 
eine erhebliohe Vertiefung vorhanden. Heute (nach anderthalb Jahren) 
sieht man am Nabel nichts von Narbengewebe; eine flache, fünfpfennig¬ 
stückgrosse Delle scheinbar normaler Haut befindet sich am Nabel; naeh 
beiden Seiten ansstrahlend sieht man je eine glatte, strichförmige Narbe, 
die von dor damaligen Inzision herrührt. 

Wir haben hier 5 Fälle von Nabeldiphtherie, von denen 3 
ad exitum gekommen sind. Die wichtigste Frage ist die, ob die 
Nabeldiphtherie als eine selbständige Erkrankung zu bewerten 
ist, oder ob sie bloss als eine Teilerscheinung einer bestehenden 
Nasen- bzw. Rachendiphtherie aufzufassen ist. Selbst wenn die 
bakteriologische Untersuchung des Nasen- und Rachensekretes 
einen negativen Befund für Diphtherie ergeben würde, wie im 
Falle 3, so darf man noch immer nicht die Diphtherie des Nasen¬ 
rachenraumes als nicht bestehend ansehen. Andererseits darf 
aber nicht geleugnet werden, dass die klinischen Erscheinungen 


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25. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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von seiten des Nabels so im Vordergrunds stehen können, dass 
die Diphtherie des Nasenrachenraumes vollkommen an Bedentnng 
verliert; gleichviel ob die bakteriologische Untersuchung des 
Nabels, diphtherie-positiv oder -negativ aasfällt. Das gilt für 
Pall 1, wo die diphtherische Nabelgangrän eine derartige In¬ 
tensität annahm, dass sie zu einer allgemeinen Nervenlähmung 
führte, die ihrerseits den Tod des Kindes zur Folge hatte. Das 
gilt aber auch für Pall 3, wo die bestehende Nabeldiphtherie 
zu einer Staphylokokkenperitonitis führte und später zu einem 
letalen Ausgange. In Pall 2 wird die Entscheidung schon schwerer, 
ob die Lebensschwäche des Kindes durch die Nasen- oder Nabel¬ 
diphtherie beeinflusst worden ist. Dass schwere Nabeldiphtherien, 
selbst solche gangränöser Natnr, heilen können, beweist der Fall 5, 
und Fall 4 zeigt, dass die Nabeldiphtherie bei eventuell unter¬ 
lassener Untersuchung vollkommen übersehen werden kann, da 
das Gedeihen des Kindes durch sie in keiner Weise beeinflusst 
zu werden braucht. 


Ueber ein eigenartiges Reflexphänomen. 

(Als Beitrag zur Frage des „medullären Automatismus“,) 

Von 

Dr. Erwin Pöpper, 

Assistenten rler deutschen psychiatrischen Universitätsklinik zu Prag. 

Die zufällige Gelegenheit, in kurzer Folge einige Fälle von 
Rückenmarks-Querschuittsläsionen, sowohl traumatischer Ursache 
als auch solche entzündlicher Genese, untersuchen zu können, 
liess mich auf ein Symptom aufmerksam werden, welches zwar 
vielleicht in seiner sogleich zu schildernden Erscheinungsform, 
keineswegs aber im Prinzip etwas absolut Neues darstellt; immerhin 
mag es aber als Zeichen schwerer Rückenmarksschädiguug eine 
gewisse Beachtung für sieb beanspruchen und auch im Hinblick 
auf gewisse theoretische, besonders physiologische Erwägungen 
nicht ganz ohne Interesse sein. Vorgreifend will ich bemerken, 
dass es sich um ein jedenfalls in das Gebiet der medullären 
Automatismen gehöriges Reflexphänomen handelt nnd es ist viel¬ 
leicht nicht ganz zwecklos, die Aufmerksamkeit anch des Nicht- 
neurologen wieder einmal auf das diesbezügliche, zwar weitgebend 
studierte, auffälligerweise in die Praxis aber nicht genügend auf¬ 
genommene Tatsachenmaterial hinzulenken. 

Es ist ein seit langem bekanntes, vorläufig aber mehr 
theoretisch als praktisch bedeutsames Faktum, dass auch dem 
menschlichen Rückenmark — bei (und zwar besonders niederen) 
Tieren ist diese Erfahrung geläufiger — gewisse Reflexmechanismen 
oder Automatismen innewohnen, die in ihrer ungemeinen Kompli¬ 
ziertheit erst nach Ausschaltung des Zerebrums manifest werden 
und in der Geordnetheit ihrer Erscheinungsform ohne weiteres 
daran denken lassen, dass sie einem wichtige^ Zwecke, einer tief 
eingebahnten Funktion, einem gewissen (automatisierten) Handeln 
dienen mögen. 

Die Deutung dieser Phänomene ist jedoch ebenso durchaus 
strittig, wie auch die hierhergehörigen Beobachtungen nicht ein¬ 
heitlich erscheinen und vielfältige Momente, die nicht immer 
genügend streng geschieden werden, betreffen. Die Literatur ist 
so umfangreich, dass ich es mir versagen muss, anf alle Frage¬ 
stellungen einzngehen und ausserstande bin, mehr als ein paar 
aphoristischer Literaturhinweise beizubringen. 

Pierre Marie und Ch. Foix 1 2 ) vermuten in den nach Rücken¬ 
marksläsion zu erzielenden diversen Bewegungspbänomenen das Frei¬ 
werden spinaler Automatismen und sehen in den hierhergehörigen Er¬ 
scheinungen ein Zeichen einer in der ganzen Tierreihe vorhandenen, vom 
dekapitierten Frosch an und durch alle Säugerklassen bis zum Menschen 
zu verfolgenden Automatic der Medulla spinalis. Von anderen, modernen 
Autoren sei dann nur noch Böhme mit seinen zahlreichen, dieses Ge¬ 
biet betreffenden Untersuchungen genannt 1 ), der die spinale Reflextätig¬ 
keit, die ReflexleistuDgen des menschlichen Rückenmarks in^eingehender, 
trefflicher Weise studiert und zusammengestellt hat. 

Ob übrigens der Begriff des Automatismus von dem eines 
Refiexvoreanges prinzipiell und scharf zu trennen sei, soll und 
kann im Rahmen dieser rein klinisch gedachten Mitteilung natür¬ 
lich nicht entschieden werden. Ohne mich überhaupt in eine 
meine Absicht überschreitende Disknssion oder in langatmige 
theoretische Auseinandersetzungen einlassen in wollen, sei nnr 
kurz gestreift, dass die gewissermaassen teleologischen Erklärungs¬ 

1) Sem. möd., 1918. 

2) D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 56, D. Arch. f. klin. M., Bd.*12I. 


versuche aller dieser hauptsächlich bei Rückenmarksschädignng 
beobachteten Symptome eine noch wenig eindeutige Auffassung 
gestatten. Bekanntlich bandelt es sich darum, dass wir — es 
ist dies wiederum besonders bei Querschnittserkrankungen gut 
studiert — bei anf die gelähmte Extremität, namentlich auf die 
Fasssohle ansgeübten Reizen Beugung der paralytischen Glied- 
roaasse eintreten sehen, während nnter anderen Umständen bei 
derartigen Manipulationen eine Streckung erfolgt (ursächlich für 
diese Differenzen sind vielleicht zum Teil die von Magnus als 
Scbaltung8phänomene bezeichneten Momente); endlich gibt es ge¬ 
kreuzte Reflexe, sowohl im Sinne der Beugung als auch im 
Sinne der Streckung. Sehen manche Autoren im „phönomöne 
des racourcis8eurs w einen Flucht- oder Abwehrreflex, so bringen 
andere, Böhme, H. Strobl (auf die Arbeit dieses Autors, 
Paris 1918, Steinheil, die eine ausgezeichnete Uebersicht über 
die Literatur dieser spinalen Phänomene enthält, sei hier be¬ 
sonders verwiesen), den ganzen Erscheinungskomplex zn dem 
Gangmechanismus in Beziehung 1 ). 

Wenn eine bescheidene, eigene Meinungsäusserung gestattet 
ist, so glaube ich, dass dem menschlichen Rückenmark 
wohl eine Reihe durchaus verschiedener Automatismen 
oder Reflexmechanismen innewohnt und die Erscheinungen, 
die einmal als Beugereflex einem bestimmten Zwecke dienen oder 
ihre bestimmte phylogenetische Entwicklung haben, imponieren 
eben in einem anderen Zusammenhang als Automatisierung der 
Gangphänomene. 

Die hier darzulegenden Beobachtungen, die zu den angedeuteten 
Fragen einen Beitrag erbringen wollen, machte ich zuerst an einem 
Falle schwerster Rückenmarks-Quersohädigung, in welohero, wie dann 
die Obduktion erwies, eigentlich eine völlige Durchtrennung bzw. 
Durchquetschnng der mittleren Teile des dorsalen Marks 
(etwa in der Höhe des 4. Wirbeldornfortsatzes) vorlag; infolge eines 
Sturzes auf den Rücken hatte ein WiHbelfrakturstüok das Brustmark 
derart förmlich durchschnitten, dass im Läsionsniveau kaum nooh etwas 
von leitungsfähiger Ndrvensubstanz übrigblieb. Die Nervenuntersucbung 
ergab einen Befund, der im wesentlichen völlig dem Bilde 
einer totalen Qnerläsion entsprach: Komplette Bewegungslosig* 
keit der schlaff gelähmten unteren Gliedmaassen, Aufhebung der Sensi¬ 
bilität aller Qualitäten abwärts von der Läsionsstelle bei ziemlioh 
scharfer oberer Grenzlinie, völlige Lähmung der Darm-, Blasen- und 
Genitalfunktionen. 

Bezüglich der Reflexe ist es mit Rücksicht auf die Totalität der Quer- 
schDittsläsioD wohl besonders interessant, dass der eine Patellarreflex 
mit Jendrassik eben noch fühlbar war, anoh etwas wie Andeutung von 
Rabinski bestand. Alle anderen Reflexe waren durchaus erloschen. 
Immerhin entspricht der Fall insofern vollkommen dem traurigen 
Basti an’sohen Typus, als im ganzen die abwärts der Läsionsstelle ge¬ 
legenen Körperteile gewissermaassen wie ein totes Anhängsel der oberen 
Körperpartien erschienen, von denen das Bewusstsein des Mannes eigent¬ 
lich nur daun Nachricht erhielt, wenn die Erschütterung einer „unten* 
vorgenommenen Manipulation sich mechanisoh nach „oben* fortpflanzte. 

loh möchte gleich eines zweiten Falles Erwähnung tun, bei dem es 
sioh um eine Erkrankung in der Höbe des untersten Brust- oder obersten 
Lendenmarks handelte, die jedoch linksseitig nicht völlig komplett schien. 
Hier war links bei Beklopfen der Patellarsebne immerhin etwas wie 
eine reflexartige Kontraktur in den Adduktoren augedeutet, ebenso war 
halbseitig, links die Sensibilität nur bezuglioh Schmerz und Temperatur 
gänzlich erloschen. In diesem Falle wurden Berührung und Druck, 
allerdings nur ganz schwaoh, undeutlich und unpräsise wabrgenommen. 

In beiden Fällen nnn gelang es, ohne dass den Kranken 
irgendetwaR davon bewusst geworden wäre (denn aüch in dem 
zweiten Falle war bei Ablenkung der Aufmerksamkeit die Emp¬ 
findung innerhalb der gelähmten Partien 'so gering, dass Patient 
dann ein auch brüskeres Eingreifen nicht merkte), durch Stiche 
in die Fusssohle nnd zwar, wie besonders beim ersten Falle 
deutlicher, anscheinend besonders bei Stich in die laterale 
Sohlenhälfte, eine Reflexbewegung hervorzurufen, die 
die Muskulatur ein wenig der Strecker des Oberschenkels, ganz 
deutlich und das Bild beherrschend, aber den Sartorius 
zur Anspannung brachte. In dem zweiten Falle schien 
übrigens — allerdings nur einmal und unsicher — anch eine 
brüske Dorsalflexion des Fasses das Phänomen auszulösen. 

Dieser Reflexvorgang trat bei jeder Nachprüfung mit absoluter 
Deutlichkeit, wenn auch mit wechselnder Stärke ein, ohne dass 
in dem zweiten Falle an dem etwas weniger betroffenen Bein 


1) Uebrigens werden von mancher Seite die geschilderten Be- 
wegnng8phänomene und deren eigenartige, aber meist ganz regelmässige 
Erscheinungstypen mit den nach Lähmungen auftretenden spezifischen 
Kontrakturformen in Zusammenhang gebracht; besonders Böhme ver¬ 
tritt diese Ansicht. 

2 * 


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800 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. _ Nr. 84. 


eine Differens erkennbar war. Die Kranken empfanden 
weder den auslösenden Reis, noch die Kontraktion. 

Zeitweise vergesellschafteten sich die Kontraktionen mit solchen 
des Mnso. reotns, manchmal, vielleicht häufiger, mit solchen der Öb- 
duratorgruppe, wobei aber meist die Zuckung im Sartorius vor* 
herrschend blieb. Eigenartig war dabei immer das auffällig träge Tempo 
dieser'Kontraktion, wobei es einen ganx eigentümlichen Eindruck machte, 
wie der sich langsam anspannende Muskel unter der matschen Haut, 
sunehmend deutlich sich abzeichnend, hervortrat. 

Ich habe nun nach diesen ersten Fällen eine grössere Zahl 
anderer, mehr weniger kompletter, immer aber sehr schwerer 
Röckenmarkserkrankungen gesehen, bei denen ich die beob¬ 
achtete Erscheinung wiederfand. Leider handelte es sich grössten¬ 
teils um ein oft nur flüchtig beobachtetes, pro consilio, io anderen 
Abteilungen, zuweilen nur einmalig untersuchtes Krankenmaterial, 
wodurch mir ausführlichere Aufzeichnungen und Krankenge¬ 
schichten nicht zu Gebote stehen. Von besonderem Interesse ist 
aber ein genauer studierter Fall luetischer Myelitis, den ich sozu¬ 
sagen am ersten Tage, im Beginn seiner zunächst leichten, spasti¬ 
schen Erscheinungen untersuchen konnte (es trat dann ziemlich 
rapid, trotz sofortiger Behandlung, eine komplette Läsion ein). 
Schon im Initinm der Erkrankung fand sich ebenfalls und 
bereits ganz ausgesprochen der erwähnte Reflexvorgang 
vor. Ich habe dann weiter die gleiche Erscheinung bei 
schweren Hemiplegien 1 2 3 ) in der betroffenen Gliedmaasse fest¬ 
stellen können, und es blieb nicht immer, auch bei sonst kom¬ 
plett gelähmten, ganz bewegungslosen Gliedmaassen, bei der blossen, 
lokomotorisch unwirksamen Kontraktion, sondern es kam zuweilen 
za ganz energischer Bewegung der spontan regungslosen Beine. 

loh habe hier auf eine Mitteilang Bing’s 8 ) einzagehen, der einen 
Unterschied zwischen spinaler und zerebraler Pyramidensohädigung ge¬ 
funden haben will, indem angeblich bei einer im Rüokenmark gelegenen 
Läsion die Pyramidenzeichen, besonders der positive Babinski, von offen¬ 
bar zu den hier in Rede stehenden Erscheinungen gehörigen Phänomenen 
begleitet (oder durch solche ersetzt?) erscheinen, während diese an 
proximalen Muskelgruppen einsetzenden Reizeffekte bei Gehirnschädi- 
gungen fehlen sollen. Ich könnte Bing’s Behauptung solcher Art, mit 
Rüoksicht auf meine Befunde bei Zerebralläsionen, eigentlich nicht be¬ 
stätigen, doch habe ioh bisher das mir zu Gebote stehende Material von 
diesem Gesichtspunkt aus nioht eingehend studiert, um mir ein ab¬ 
schliessendes oder gar ablehnendes Urteil erlauben zu wollen 8 ). 

Im ganzen und vielleicht gerade durch das von mir wohl sicher 
gefundene (zu Bing’s Meinung eben soheinbar in Widerspruch stehende) 
Vorkommen des Reflexes auch bei Zerebralläsionen gewinnt die Er¬ 
scheinung an Bedeutsamkeit, in dem sie sich den Zeichen 
der Pyramidenläsion, ohne dass ich aber damit etwa lokalisatorisch 
etwas postulieren möchte, vielfaoh gleichwertig an die Seite 
stellt, in anderen Fällen aber, bei Fehlen aller sonstigen, deutlichen 
Reflexphänomene als einziges, objektives Reflex- und Läsions¬ 
symptom vorhanden ist. Der Versuch genauerer Deutung 
und Einordnung des Phänomens weist es aber, wie schon vor¬ 
weggenommen, in andere Symptomengruppen, deren Beziehung 
zu den Pyramidenzeiohen jedoch wohl eine nioht sehr ent¬ 
fernte sein dürfte. 

Die Durchsicht der Literatur über ähnliche oder mit der dargelegten 
Erscheinung verwandte Phänomene, der Vergleich mit den Ergebnissen 
der experimentellen Physiologie (namentlich die Untersuchungen und 
Arbeiten Sherrington’s, Graham Brown’s usw. sind hier von 
grösstem Belang) lassen offenbar den geschilderten Reflex als eine Form 
oder einen Teil des Beuge- oder Verkürzungsreflexes (ich gebrauche ab¬ 
sichtlich diese neutrale Bezeichnung) erscheinen und zwar als eine ge- 
wiBsermaassen frustrane Form desselben, vielleicht ebenso, wie man etwa 
auoh den Babinski’schen Zehenreflex als den abortiven oder initialen 
Reflexvorgang dieses komplizierten Reflexphänomens ansieht. 

Es sind die verschiedensten Muskelgruppen am Oberschenkel, die in 
den entsprechenden Fällen auf meist von der Fusssohle aus ausgeübte 
Reize, jedoch in anderen Fällen auoh durch Stimulation von recht hooh 
hinaufreichenden Körperstellen aus, in der gleichen Weise zur Reaktion 
gebracht werden können und der eben in Nr. 7 des Neurol. Zentralbl. 
von Henszelmann geschilderte „Proximatorreflex" gehört wohl 
durchaus auoh in diese Erscheinungsgruppe 4 * * * ). 

1) loh habe den Eindruck, dass die Verkürzungspbänomene hierbei 
ganz frühzeitig, meist noch im Koma nach dem Sohlaganfall, am deut¬ 
lichsten sind. 

2) Schweizer Aroh. f. Psyoh. u. Neurol., 1918. 

3) In einer mir erst jetzt bekannt gewordenen Arbeit A. Böhme’s 
und Weiland’s (Zsohr. f. d. ges. Neurol. u. Psyoh., Bd. 44) werden 
mehrere Fälle angeführt, die bei sicherer Zerebralaffektion Beuge- 
und Streckreflexe bzw. den Verkürzungsreflex darboten. 

4) Eigenartige den hier angeführten wohl verwandte Reflexvorgänge 

fcei Ruckenmarkserkrankungen werden u. a. von Egger, Aroh. f. Psych., 

Bd. 27, Braubaoh, Arcb. f. Psych., Bd. 15, überhaupt auch schon in 

der älteren Literatur, vielfaoh jedooh ohne Würdigung der Bedeutsam¬ 

keit mitgeteilt. 


Es ist eine, wie schon vorher angedeutet, von der primitivsten Tier¬ 
reibe an sich eben auoh beim Menschen wiederfiodende Phänomengruppe, 
deren klinische Bedeutung zum Teil nur wenig von der der eigentlichen 
Pyramidenzeiohen abweicht, die sich aber oft ohne andere Pyramiden¬ 
symptome vorfindet und diese an Importanz zuweilen vielleicht insofern 
übertrifft, als das Auftreten der Verkürzungsreflexe soheinbar in der 
Mehrzahl der Falle ein besonderes Signum mali ominis darstellt. 

Ein Fall gibt mir übrigens Anlass, zu vermuten, dass bei sehr 
langem Bestehen der Lähmung das Phänomen schwindet. 

Es sei, obwohl fast selbstverständlich, betont, dass etwa mit den von 
Bing (in seinem Lehrbuohe) erwähnten Erscheinungen diese Phänomene 
nioht ohne weiteres verwechselt werden dürfen: wenn Bing davon spricht, 
dass verschiedene, besonders an der Sohle applizierte Reize zu Reflei- 
Vorgängen am Oberschenkel führen, so ist dies seiner Angabe nach ein 
Symptom beträchtlicher Reflexübererregbarkeit, ganz ebenso, wie das 
Vorkommen einer von Loewy 1 ) publizierten „plantaren Reflexzone für 
den M. quadricops“, d. h. die Kontraktion der Quadricepssebne bei 
Klopfreiz an der Fusssohle, wie dieser Autor selber ausführt, direkt als 
Indikator für die Steigerung des Pätellarreflexes gelten kann; im Gegen¬ 
satz hierzu handelt es sich doch in vielen der von mir beobachteten, wie 
überhaupt in den hierhergehörigen Fällen meist um Erkrankungen 
mit Erlosohensein oder weitgehender Taubheit aller son¬ 
stigen Reflexvorgänge. 

Ich will noch erwähnen, dass der Reflexvorgang: Kontraktion 
des Sartorius bzw. der Obduratorgruppe, seltener auch des 
Muse, rectus, bei Stich in die Fusssohle in meinen Fällen von 
anderen der verwandten Phänomene fast nie begleitet war. 
Während die uns hier beschäftigenden, medullären Automatismen 
oder Reflexe nach den Angaben der meisten Autoren durch die 
verschiedensten Reizformen (als besonders interessant verweise 
ich auf den hierbergehörigen Thermoreflex Deutsch’s, Jb. f. 
Psych., Bd. 88) und innerhalb weitausgebreiteter Reflexzonen ans¬ 
lösbar sind, war im Gegensatz hierzu mein Reflexphänomen fast 
stets (eine Ausnahme habe ich kurz erwähnt) nur durch Stich¬ 
reize (ob nur von einer einzigen Stelle oder von dieser aus be¬ 
sonders, möchte ich nicht so durchaus sicher behaupten) hervor¬ 
rufbar. Ich möchte es jedoch keineswegs als ein gesondertes 
Phänomen aufgefasst wissen, sondern nur wieder als einen Teil, 
als einen Beitrag zu einer recht grossen Gruppe spinaler Phä¬ 
nomene, zu deren eingehender praktischer Beachtung ich hiermit 
einen kleinen Anstoss geben wollte. 

Nachtrag. 

Nach Fertigstellung vorstehender Mitteilung bietet mir die 
Untersuchung eines weiteren Falles von spinaler Querschnitts- 
läsion Anlass, auf ein zur Charakteristik und Klassifikation der 
beschriebenen Phänomene vielleicht nicht unwesentliches Moment 
näher einzugehen, das mir zwar schon früher, aber nicht mit 
voller Zuverlässigkeit aufgefallen war; dagegen glaube ich ent 
durch den jetzigen Fall die Tatsachen genügend gesichert, um 
mich präziser äussern zu können. 

Es handelt sieh um einen Fall von noch nioht völlig kom- 
letter Querschnittsausschaltung, vermutlich in den unteren 
üokenmarkspartien, vielleicht mittleres Lendenmark, wobei die 
Sehnenreflexe abgeschwächt, aber doch noch deutlich erhalten erscheinen. 
Pyramidenzeiohen sind, interessanter weise, nioht sioher aus¬ 
lösbar. Die Sensibilität ist partiell erloschen; in anderen Teilen (ver¬ 
gesellschaftet mit lanzinierenden Schmerzen, die in diese Gebiete aus- 
strahlen), vor allem an beiden Fersen und Fusssohlen, bestehen stark 
byperalgetische Zonen. Die Beine sind spontan absolut be¬ 
wegungslos. Blasen- und Mastdarmfunktionen Bind schworst ge¬ 
schädigt. Als Ursache — was jedoch für unsere Frage nioht weiter in 
Betraoht kommt — ist an einen Tumor zu denken. 

In diesem Falle nun tritt bei leichtem Stieb, besonders 
wieder mehr an den lateralen Teilen der Fusssohlen, 
eine ganz prägnante Kontraktion der Obduratormusku- 
latnr ein, dabei so isoliert und eindeutig, wie ich sie früher 
kaum je feststellen konnte. Bei etwas stärkerem Stich ver¬ 
bindet sich diese Muskelzuckung mit einer solchen des Sartorius, 
bei noch stärkerem Stichreiz kontrahieren sich nebst den 
vorerwähnten Muskeln die Rektusgruppe und der Tensor 
fasciae latae, bis schliesslich ein Reflexphänomen 
resultiert, wie es etwa dem Henszelmann’schen Proxi- 
matorpbänomen entsprechen dürfte. Zeitweilig kommt es 
dann auch zu einer ganz kräftigen Beuge- oder Flucbtbeweguog 
der sonst, wie hervorgehobeo, absolut regungslosen Gliedmaassen. 
Durch andere Manipulationen gelingt die Auslösung der Reflex¬ 
erscheinungen nicht, höchstens tritt auf dem rechten Beine, ähn¬ 
lich wie in dem früheren von mir erwähnten Falle, durch ener- 

1) Neur. Zbl., 82. 


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25. Augu st 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


801 


gischere Dorsal flexion im Sprunggelenk die Obdaratorkontrak- 
lioo ein 1 ). 

Die Besonderheiten dieses Falles gehen nach sweifacher 
Richtung. Einmal erhärtet er die zuvor vermutete Ansicht, 
dass wir es in den von mir geschilderten Phänomenen nur mit 
dem frus'tranen bxw. initialen Teile des ganzen beim „Phänomene 
des racourcissers“ in beobachtenden Erscheinungskomplexes su 
tun haben, wobei sich in diesem letzten Falle die Aufeinander¬ 
folge der sich daran beteiligenden Muskeln selten genau und distinkt 
studieren liess. Zweitens aber beleuchtet dieser Fall auch wieder 
den Umstand, dass, sei es, dass die Pyramidenxeichen noch 
nicht recht ausgeprägt oder den besonderen Eigentüm¬ 
lichkeiten des Falles entsprechend, überhaupt nicht 
auslösbar sind, die Reflexe, die dem medullären Auto¬ 
matismus zugehören, deutlich vorhanden sind. Dadurch 
scheint einmal ihre Wichtigkeit wieder besonders erwiesen; zu¬ 
gleich aber dürfte ihnen eine gewisse Sonderstellung den Pyra¬ 
midenzeichen gegenüber einzuräumen sein, um so mehr, als diese 
Reflexe, wofür auch durchaus die Schwere des letztgeschilderten 
Falles spricht, sich offenbar doch als prognostisch besonders triste 
Vorzeichen darstellen, die, ähnlich wie auch im früheren Falle 
der Myelitis luetica, ab initio vorhanden, den Pyramidenzeichen 
vielfach vorauseilen. Uebrigens findet sich auch bei Bing die 
Ansicht vertreten, in den hierhergehörigen Phänomenen meist ein 
Zeichen schwerster, irreparabler Schädigung sehen zu müssen 2 ). 


Aus dem pathologisch-bakteriologischen Laboratorium 
des Marine - Lazaretts Hamburg (Chefafzt: Marine- 
Generalarzt z. D. Dr. Meyer). 

Ueber Reizempfindlichkeit der Haut. 

Von 

Marine-Ober Assistenzarzt Dr. med. Erast Friedrich Müller, 

Vorstand des Laboratoriums. 

Es soll in den folgenden Ausführungen darauf verzichtet 
werden, auf die verschiedenartigen Anschauungen über Haut- 
impfangen einzagehen. Auch sollen keine neuen Theorien auf¬ 
gestellt, sondern lediglich tatsächliche Befunde mitgeteilt werden, 
während alle daraus sich ergebenden Folgerungen einer späteren 
ausführlicheren Mitteilung Vorbehalten seien. 

Es hat sich gezeigt, dass intrakutane Impfungen imstande 
sind, im Organismus Reaktionen auszulösen, die im Verhältnis 
zu andersartiger Einverleibung des gleichen Mittels um ein Viel¬ 
faches stärker sind. 

Diese Erkenntnis ist folgenden Beobachtungen entsprungen: 

Bei Untersuchungen zur Frage der Entstehung von spezifischen Ab¬ 
wehrstoffen bei sogenannten Proteinkörpern und bakterienfreien Eiweiss¬ 
lösungen wurden bei Patienten, die bereits mit dem gleichen Mittel in 
Behandlung waren, intrakutane Impfungen gemacht. Zu diesen Unter¬ 
suchungen wurde Aolan*), eine keim- und toxinfreie MiloheiWeisslösung, 
verwandt, die besonders bei Hautpilzerkrankungen, Furunkulosen usw. 
in ausgedehntem Maassstabe bei uns angewandt worden war, und von 
denen eine grössere Anzahl von Fällen zur Verlügung stand. 

Bereits die ersten intrakutanen Impfungen zeigten eine verhältnis¬ 
mässig starke Reaktion am Krankheitsherd, während die örtlichen Ver¬ 
änderungen um die Einspritzungsstelle sehr gering waren, aber auch in 
ihrer geringen Intensität nicht einheitlich verliefen. Es soll später noch 
darauf eingegangen werden. Dagegen zeigten auch bei nioht vor¬ 
behandelten Fällen die Herdreaktionen, d. h. die nach den Impfungen 
auftretenden Anzeichen am Ort der Krankheit, eine so auffallende 
Qleiohmässigkeit, dass eine Mitteilung der Befunde berechtigt erscheint. 
Diese sollen jedoch nur an einer Krankheitsart beschrieben werden. 


1) Auch ein jetzt gesehener Fall von Rückenmarkstumor (mit Ob¬ 
duktionsbefund) zeigt die in den ersten Fällen nicht so deutliob hervor¬ 
getretene Bedeutung gerade der Obduratormuskulatur für diesen Reflex¬ 
vorgang, indem bei Stich in die Fusssohle immer nur eine Obdurator- 
kontraktion auslösbar war, ohne dass sich die weiteren Muskelgruppen 
aDgesoblossen hätten. Ein Fall von Zerebraltumor bot hingegen 
ähnliche Symptome wie der in extenso ausgeführte Naoh- 
tragsfall, nebenbei mit einer merkwürdigen Kreuzung der Reflexe 
(besonders bei Reizen vom weniger betroffenen Beine aus!); zugleioh, als 
Zerebralfall, ein Beitrag gegen die früher diskutierte Anschauung Bing's. 

2) Nur bei Zerebrallällen dürfte diese prognostische Verwertung 
vorsichtiger zu treffen sein. 

8) Aolan, keim- und toxinfreie Miloheiweisslösung zu Injektionen 
wird von der Firma P. Beiersdorf & Co., Hamburg, hergestellt. 


Es war uns aus eigenen Erfahrungen bekannt, dass es bei Fällen 
von Harnröbrengonorrhoe fast in allen Krankheitsstadien möglich ist, 
dureh intramuskuläre Einspritzung von 10 ccm Aolan eine wesentliche 
Verstärkung des Ausflusses zu eireiohen. Einspritzungen von 8—12 com 
führen zu den gleichen Resultaten, während bei Gaben unter 7 ocm eine 
Vermehrung des Ausflusses nioht erreioht wird. Obwohl der einfache 
Befund der Ausfluss Vermehrung stark von subjektiven Angaben abhängig 
ist, wurde dieses Symptom zum Ausgang für die weiteren Beobachtungen 
gewählt, weil es gerade hier möglioh ist, mit dem Mikroskop objektive 
Veränderungen naohzuweisen. Und zwar finden sich nach den In¬ 
jektionen stets sehr reichlich frische, d. h. gut färbbare, nirgends ver¬ 
waschene Leukozyten mit sobarf abgegrenzter Kernzeichnung, auch wenn 
vorher kaum Leukozyten (und meist stark degenerierte) neben reiohlich 
Epithelien und Schleim vorhanden waren. Dass bei dem Versuch jede 
örtliche Behandlung unterlassen wird, ist selbstverständlich. Am meisten 
beweisend sind derartige Befunde für sicherlich auf die Einspritzung 
zurüokzuführende Aenderungen, wenn ein solcher Zustrom frischer Leuko¬ 
zyten sichtbar wird bei chronischer Harnröhrengonorrhoe und bei den 
letzten Stadien des akuten Trippers, bei denen Irische Leukozyten er- 
fahrungsgemäss nur einen spärlichen Anteil des Ausflusses bilden. Da 
es sieh bei derartigen Befunden nur um objektiv nachweisbare Tat¬ 
sachen handelt, sollen die hier gemachten Beobachtungen mitgeteilt 
werden. 

Wie bereits ausgeführt, lassen sich Reaktionen wie die beschriebenen 
nur mit intramuskulären Gaben von über 7—8 ccm Aolan erreichen, 
während Gaben unter 8—4 ocm auoh nioht die geringste Reaktion 
hervorrufen. Es wurden nun bei ähnlichen Fällen intrakutane Ein¬ 
spritzungen gemacht, wobei wir folgende bekannte Technik an wandten. 

An der Streokseite des Unterarms wird nach Reinigung mit Benzin 
ohne wesentlichen Druok eine Hautfalte abgehoben und dann mit ganz 
feiner Kanüle parallel der Oberfläche in der Weise eingestoohen, dass 
die Spitze innerhalb der Epidermis bleibt. Nun werden unter mässigem 
Druok 0,1—0,2 ocm Aolan eingespritzt, so dass eine weisse Quaddel 
entsteht. Zvei solcher Quaddeln genügen zur Einzelbebandlnng. Ent¬ 
steht infolge zu tiefen Einstichs keine Quaddel oder nur eine rötliehe 
Erhebung, d. h. bei versehentlicher subkutaner Injektion, so ist 
eine weitere Quaddel anzulegen, die intensiv weise sein muss. (Drei 
oder mehr solcher Quaddeln sobeinen die Wirkung nioht zu erhöhen.) 

Nach diesen intrakutanen Impfungen wurden an etwa 500 Ein¬ 
spritzungen bei Harmöhrengonorrhoe folgende Symptome beobachtet: 
Bereits nach 8—5 Stunden gaben die Patienten an, neben dem Auf¬ 
treten von Juolnreiz in der Harnröhre einen stärkeren Ausfluss zu spüren, 
der mikroskopisch die angegebene Veränderung im Auftreten von massen¬ 
haft frischen Leukozyten zeigte. Dieses Symptom trat mit so gesetz- 
massiger Regelmässigkeit auf, dass es genügt, es zu registrieren, ohne 
es vorerst durch Aufsachen allerfeinster Einzelheiten zu verwischen. 
Ausfluss und Juokreiz hält dann stundenlang, oft bis zum nächsten 
Tage an. 

Neben dieser Herdreaktion traten Lokalerscheinungen allerdings so 
ungleicher Art auf, dass es fürs erste nicht möglich erscheint, Endgültiges 
fe8tzu8telleo. Bei über 1500 bisher beobachteten intrakutanen Aolan- 
injektionen wurde in der Mehrzahl der Fälle am anderen Tage eine 
ganz geringe Rötung wahrgenommen, während in der Haut eine geringe 
Erhebung zu spüren war, die tags darauf versohwaud. Auf Betragen 
gaben die Patienten einen mässigen Juckreiz an. Iq einer weiteren 
Anzahl von über SOpCt. der Fälle war am nächsten Tage nur noch die 
punktförmige Einstichöfinung su sehen, die sich oder ihre Umgebung in 
nichts von dem Kontrollstich unterschied. Etwa 1—5 pCt. zeigten am 
anderen Tage einen etwas grösseren roten Hof von 8—8 um Durchmesser, 
der wenig mehr juokte und ebenfalls naoh 2—3 Tagen ohne äussere 
Beeinflussung versohwand. 

Irgendeine Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens oder Temperatur¬ 
erhöhungen wurden niemals beobaobtet, noch von den Patienten an¬ 
gegeben. Nachsutragen ist, dass die Behandlung ausser bei den ersten 
100 Einspritzungen ambulant au9gelührt wurde, irgendwelche Vorsicht®- 
maassregeln also niobt zur Anwendung kamen. Interessant ist der 
allerdings nur an vereinzelten Fällen beobachtete Befund, dass etwa 
8 Tage naoh der Einspritzung, nachdem die Quaddel 6 Tage ver¬ 
schwunden war, nochmals ein geringer Juokreiz an der Einspritzungs¬ 
stelle auftrat und auch eine massige Schwellung zu fühlen war. 

Die im vorstehenden mitgeteilten Befunde lassen sich bereits 
im Rahmen einer vorläufigen Mitteilung zu folgenden Erfahrungs¬ 
tatsachen zusammenfassen: 

Durch intrakutane Injektion von 0,1—0,2 ccm Aolan ist es 
möglich, bestimmte Reaktionen im Körper hervorzurufen, die bei 
intramuskulärer oder subkutaner Einverleibung von Aolan nur 
von der 50—100 fachen Dosis erreicht werden. Es müssen dem¬ 
nach irgendwelche Eigenschaften der Haut imstande sein, die 
Reizempfindung zu erhöhen. 

Weitere - Folgerungen aus den angegebenen Tatsachen zu 
ziehen, wäre verfrüht, doch ist nicht zu leugnen, dass die mit- 
geteilten Tatsachen und ihr einheitliches Auftreten auf die grosse 
Wichtigkeit der Haut und auf die Bedeutung ihrer Reizempfindung 
für die ganze Auffassung serologischer Vorgänge im Organismus 
hindeuten. 


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802 _BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT._ _ Nr. 84 


Ans dem pharmakologischen Institut der Reichs- 
Universität Utrecht. 

Zur Wertbestiramung des Digitalisblattes. 

Von 

A. Sluyters. 

W. Straub 1 ) teilte im Jahre 1917 mit, dass man die wirk¬ 
samen Bestandteile des Digitalisblattes am vollständigsten aus* 
ziehen kann durch fraktionierte Extraktion mit kaltem Wasser 
und 50 pCt. Alkohol. Dagegen veröffentlichte Heffter 2 * ) im 
gleichen Jahre eine Untersuchungsreihe, die ihn sn dem Schlüsse 
führte, dass man nnr durch achtstündige Extraktion am Soxhlet* 
apparat mit absolutem Alkohol die wirksamen Bestandteile voll¬ 
ständig extrahieren kann. Er bekam auf diese Weise aus 1 g 
Folia digital» titrata C.< und L. von 1913:2000 Froschdosen, 
während er mit der Methode) von Straub in der Kaltwasser¬ 
fraktion 940, in der Alkoholfraktion 250 F.D., im ganzen also 
nur 1190 F.D. bekam. 

A priori erscheint es allerdings unwahrscheinlich, dass man 
mit 96 pCt. Alkohol mehr aktive Stoffe aus den Blättern extra¬ 
hieren kann als mit der schonenderen Straub’scben Methode. 
Denn durch den Alkohol wird nach den Angabeu von Kraft 9 ) 
und anderen Forschern das Gitaiin mehr oder weniger zerstört; 
dieser wichtige Blätterbestandteil geht aber in die Kaltwasser¬ 
fraktion bei der Straub’schen Methode unzerBtört über und kann 
dann seine Wirkung entfalten. 

Um so auffallender war darum die spätere Mitteilung von 
Straub 4 ) aus dem folgenden Jahre, dass auch er mit der Me¬ 
thode von Heffter eine vollständigere Extraktion der Stoffe be¬ 
kam als mit der eigenen früheren Methode. Bei 24stündiger 
Extraktion am Soxhlet mit 96proz. Alkohol erhielt er um 20 pCt. 
mehr Glykoside als mit seiner fraktionierten Methode (8stündige 
Extraktion am Soxhlet, nach den Angaben von Heffter, gab 
15 pCt. weniger Glykoside als 24stündige Extraktion). 

Es erschien mir daher wünschenswert, diese Versuche zu 
wiederholen; ich habe dabei die Wertbestimmung nicht nur an 
Fröschen, sondern auch an Katzen ausgeführt. 

Bei der Wertbestimmung an Katzen benutzte ich die Methode 
von Hatcher 5 * ) io der Weise, wie sie im pharmakologischen 
Institut in Utrecht ausgeführt wird. Diese Methode gibt nach 
unseren Erfahrungen sehr gute Resultate. Man benutzt hierfür 
Katzen von 1,7 bis 2,6 kg Körpergewicht, die nach Tracheotomie 
mit der künstlichen Atmung in Aetbernarkose gehalten werden. 
Das Digitalispräparat wird in eine Bürette gefüllt, welche in 
Vs ccm eingeteilt ist, und läuft durch ein Scblangenrohr, das sich 
in einem Becherglase mit Wasser von 37° befindet, durch einen 
Kautschukschlauch in eine Kanüle in die Vena femoralis ein. 
Die Bürette ist mit einem Kautschukstopfen geschlossen, durch 
den ein langes fein ausgezogenes Glasrobr läuft, welches in die 
Flüssigkeit eintaucht, so dass die Flüssigkeit unter konstantem 
Druck (Mariotte’sche Flasche) in die Katze einströmt. Als Kri¬ 
terium gilt der Stillstand der Ventrikel, während der Stillstand 
oder Nichtstillstand der Vorhöfe unbeachtet bleibt. Für jede 
Wertbestimmung werden 3 Katzen benutzt. 

Ein Beispiel eines derartigen Versuches möge hier angeführt 
werden. 

18. VI. 1918. Digitalispulver C. lOpCt Soihleteitrakt (8 Stunden 
ausgesogen mit 96 pCt. Alkohol), 10 ocm Extrakt in 200 oom 0,9 pCt. NaCl. 

a ) Katze 2,25 kg: eingelaufen 87,5 oom oder 16,67 oom pro kg Katze. 

fl) n „ : „ 40,5 „ „ 17,28 „ „ , „ 

T) » 1,90 * : - 84,0 „ , 17,89 , , , , 

Im Mittel also: 17,26 oom pro kg Katze. 

Das Extrakt nach Heffter wurde stets mit 0,9 pCt. NaCl 
verdünnt bis zu einer 0,5proz. Lösung, das Kaltwasserextrakt 
nach der Methode von Straub ebenso, das Extrakt mit 50 pCt. 


1) W. Straub, Die Mengen der wirksamen Bestandteile in Digitalis¬ 
samen und Digitalisblatt. Arch. f. exp. Path. u Pharm., 1917, Bd. 80, S. 52. 

2) A. Heffter, Zur Wertbestimmung der Digitalisdroge. B.kl.W., 
1917, Nr. 28. 

8) F. Kraft, Die Glykoside der Blätter der Digitalis purp. Aroh. 
d. Pharm., 1912, Bd. 250, S. 118. 

4) W. Straub, Digitaliskultur. II. Aroh. d. Pharm., 1916, Bd. 256, 
S. 196. 

5) R. Hatoher and J. Brody, The Biologioal Standardisation of 

Drugs. The amer. journ. of pharm., 1910, Bd. 82. 


Alkohol nach der Methode von Straub wurde dagegen nur bis 
zu einer 1 proz. Lösung verdünnt, da diese Fraktion nur ungefähr 
die halbe Stärke der Kaltwasserfraktion bat. 

Nach der Methode von Hatcher an Katzen erhielt ich fol¬ 
gende Ergebnisse: 

Heffter-Methode VspCt. Extrakt. Mittlere todliobe Dosis pro kg Katze: 

16. IX. 1918. 18,9 oom vom Digitalispulver A. 

18. XI. 1918. 15,0 oom vom Pulver B. 

Straub-Methode VtPUt. Kaltwasserextrakt. Mittlere tödliche Dosis 
pro kg Katze: 

24. IX. 1918. 28,9 oom Pulver A. 

14. XL 1918. 20,05 oom Pulver B. 

lpCt Extrakt mit 50pCt. Alkohol. Mittlere töd¬ 
liche Dosis pro kg Katze: 

25. IX. 1918. 25,4 ocm Pulver A. 

15. XI. 1919. 11,64 oom Pulver B. 

In 10 ccm eines 100proz. Extraktes sind danach enthalten: 
ln Blätterpulver A: 

mit der Methode von Heffter 106 mal die tödliche Dosis pro kg Katze 
mit der Methode von Straub 

Wasserextrakt 88,7 * „ „ „ , 

Alkoholextrakt 89,8 „ „ „ „ * „ * 

Im ganzen also mitderStraub- 

sohen Methode.12S „ „ „ w „ „ „ 

Desgleichen aus Blätterpulver B: 
mit der Methode von Heffter lSSSmal „ „ „ „ „ „ 

mit der Methode von Straub 186,0 „ „ ,, „ „ „ „ 

Nach diesen Versuchen an Katzen erhält man also mit der 
Methode von Straub mehr aktive Stoffe aus den Digitalisblättern 
als mit der Methode von Heffter. 

Hierauf habe ich nun noch 2 Versuchsreihen an Fröschen 
angestellt, und zwar mit dem Blätterpulver B, wobei ich die 
Flüssigkeiten bei männlichen Temporarien in die beiden Schenkel - 
lymphsäcke einspritzte und ab wartete, wieviel Frösche infolge 
davon starben. Beide Versuchsreihen gaben übereinstimmende 
Ergebnisse. 

Ein Beispiel eines derartigen Versuches möge hier folgen. 
lOpCt. Extrakt naoh der Methode von Heffter 24 Stunden mit 
96pCt. Alkohol extrahiert: 

0,006 oom pro Gramm Frosoh. Von 8 Fröschen sterben 8, bleiben leben 0 
0,005 B , * * „8 „ „2, „ „l 

0,004 „ „ „ „ „ 8 * „2, „ „ 1 

0.00» . . . . . 3 . . 1. . . * 

0.00* ... „ „ » , . 1, . . * 

0,001 ft n ft ft „8„ n 0, „ «3 

Es war die Frage, was ich als Kriterium für die kleinste 
tödliche Dosis annehmen sollte; ich hatte die Wahl zwischen 
3 Kriterien. Wandte ich sie bei meinen Versuchsergebnissen an, 
dann bekam ich übereinstimmende Ergebnisse, es ist also ziemlich 
gleichgültig, welche von den 3 Kriterien man benutzt. 

Wenn ioh als Dosis letalis minima die Dosis annehme, welche alle 
Frösche tötet, dann erhielt ioh in 1 g Digitalisblätter: 
mit der Methode von Heffter 1666 F.D. 

mit der Methode von Straub Wasserextrakt 888 F.D. \ „ n 

mit der Methode von Straub Alkoholextrakt 500 F.D. / r,ü * 

Nehme ioh naoh dem Vorsohlag von Straub das Mittel der Dosis, 
welohe alle Frösche tötet, und der Dosis, wobei kein Frosoh stirbt, 
dann erhalte ioh: 

nach der Methode von Heffter 2867 F.D. 

naoh der Methode von Straub Wasserextrakt 1816 F.D. 1 v n 
naoh der Methode von Straub Alkoholextrakt 714 F.D. / zvou F ‘ u ‘ 

Nehme ich wie Heffter die Dosis, wobei höchstens Vs 3 er Frösche 
am Leben bleibt, dann erhalte ich: 

Heffter-Methode 2000 F.D. 

Straub-Methode Wasserextrakt 1000 F.D. l 
Straub-Methode Alkoholextrakt 500 F.D. / 

Hieraus ergibt sich, dass man mit dem Verfahren von Heffter 
mehr Stoffe aus den Digital »blättern extrahieren kann, welche 
eine tödliche Wirkung am Frosch- haben als mit der Me¬ 
thode von Straub. Hiermit werden die Angaben von Heffter 
und Straub vollständig bestätigt. Da aber, wie aus den Ver¬ 
suchen mit der Methode von Hatcher hervorgeht, nach dem 
Stranb’schen Verfahren mehr Stoffe mit spezifischer Digi¬ 
taliswirkung auf das Herz extrahiert werden, wird es wahr¬ 
scheinlich, dass bei der Extraktion mit 96 pCt. Alkohol ausser 
den spezifischen Digitalisstoffen noch andere Biätterbestandteile 


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25. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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extrahiert werden, welche für den Frosch tödlich sind 1 ). Hieraus 
ergibt sich weiter, wie vorsichtig man sein muss, ans einer stär¬ 
keren letalen Wirkung auf den Frosch auf einen höheren Gehalt 
an Digitalisstoffen zu schlieseen. Die Wertbestimmung an der 
Katse beweist, dass die stärkere letale Wirkung am Frosch als 
an der Katze auf einem grösseren Gehalt an Stoffen ohne spe¬ 
zifische Digitaliswirkung beruht. 

Zusammenfassung. 

Nach dem Verfahren von Heffter (Alkoholextraktion am 
Soxhletapparat mit 96pCt. Alkohol) erhält man aus Digitalis¬ 
blättern einen Extrakt, der am Frosch eine stärkere tödliche 
Wirkung besitzt als Extrakte nach dem Stranb'schen Verfahren. 
Bei der Wertbestimmung an der Katze dagegen wirken die 
Heffterschen Extrakte schwächer als die nach Straub dargestellten. 
Wahrscheinlich werden bei der Alkoholextraktion Stoffe mit 
nicht digitalisartiger Wirkung ausgezogen, welche am Frosche 
tödtlich wirken. 


Kriegserfahrungen in der Luesbehandlung 
unter besonderer Berücksichtigung des Silber- 
salvarsans. 

Von 

Marine-Oberstabsarzt Prof. Dr. Geuerich. 

(Schluss.) 

Trotz der wertvollen Dienste, die uns das milde wirkende 
Neosalvarsan während des Krieges geleistet hat, gelingt es doch 
nicht so leicht, sich von den früheren Erfahrungen über die un¬ 
vorhergesehene Toxizität des Präparates frei zu machen. 

Die hohe Zersetzlichkeit des Präparates bei Anwesenheit von 
Sauerstoff und schliesslich seine in vielen Hunderten von sero¬ 
logischen Kurven erwiesene schwächere parasitotrope Wirkung 
gegenüber dem Altsalvarsan Hessen einen wirksamen Ersatz als 
sehr wünschenswert erscheinen. Nun hat Kolle im März 1918 
ein neues Salvarsan auf Grund äusserst günstiger Erfahrungen 
im Tierversuch der klinischen Erprobung übergeben. Die Kom¬ 
bination des Präparates erschien Kolle deshalb besonders aus¬ 
sichtsvoll, weil schon das Kollargol im Tierversuch eine mächtige 
Einwirkung auf die Syphilisspirochäten zeigte, und weil sich das 
Silbersalvarsan als erheblich wirksamer erwies als die bisher be¬ 
kannten Präparate. 

Eine deutliche Einwirkung des kolloidalen Silbers auf die 
Syphilis ist uns schon vor Jahren bei Tertiärsyphilis und ver¬ 
einzelten frischen Luesfällen, die wegen gleichzeitiger Tripper¬ 
komplikationen mit Kollargol behandelt wurden, aufgefallen. 

Da diesen Beobachtungen nicht weiter aachgegangen wurde, erschien 
es auf Grund der Kolle’schen Feststellungen über die reine Silber¬ 
wirkung auf die Tiersyphilis angeieigt, die Kollargolwirkung auoh bei 
der menschlichen Syphilis systematisch weiter zu verfolgen. 

Es wurden hier 6 Primär- und 6 Sekundärfälle vor Aufnahme der 
Salvarsankur nur mit Silberpräparaten, Dispargen oder Kollargol be¬ 
handelt. Die Einzelgabe bestand in 5—10 ocm Dispargen oder lproz. 
Kollargollösung intravenös; sie war also erheblioh geringer als bei den 
v. Notthaft’sohen Versuchen, die mit 2proz. Kollargollösung vor¬ 
genommen wurden. Ueber 8—10 Injektionen in 1—3tägigen Abständen 
wurde nicht hinausgegangen, weil uns danach schon früher gelegentliche 
Ueberempfindlichkeitserscheinungen mässigen Grades (Nasenbluten, Kopf¬ 
schmerzen, Unruhe und Schlaflosigkeit des Patienten) aufgefallen waren. 

Eine gewisse Wirkung des Silbers auf den Spiroohätengehalt der 
syphilitischen Effloreszenzen Hess sioh deutlich erkennen. Eine regel¬ 
mässige Beseitigung der Spiroobäten war jedooh nicht festzustellen, sie 
fanden sioh häufig noch nach 4—6 Spritzen. Ueberhäutung der Primär¬ 
affekte trat häufig ein. Exantheme blassten ab, aber versohwanden 
nicht völlig. Auf Kondylome hatte die Behandlung fast gar keinen 
Einfluss. Die S.R. der Primärfälle blieb unter der nachfolgenden Sal- 
varsanbehandlung meist so lange positiv, als ob keine Silberbehandlung 
vorausgegangen wäre. Bei einigen Sekundärfällen schien durch die vor- 


1) Eine andere Erklärungsmögliohkeit wäre in der Annahme zu 
suchen, dass naoh dem Heffter’sohen Verfahren mehr Digitoxin aus 
den Blättern extrahiert wird als bei der Straub-Methode, und dass 
bei der Wertbestimmung an Katzen Digitoxin so langsam auf das Hers 
wirkt, dass zu niedrige Werte gefunden werden. Straub hat aber 
(Schmiedeberg’s Arch., 1917, Bd. 80, S. 59) gezeigt, dass naoh Ex¬ 
traktion der Blätter mit Wasser und 50 pCt. Alkohol sioh mit 98 pCt. 
Alkohol keine Stoffe mit Digitaliswirkung mehr extrahieren lassen. Diese 
Erklärungsmögliohkeit wird dadurch ausgeschlossen. 


ausgehende Silberbebandlung eine geringe Abkürzung der positiven 
Phase der S.R. herbeigefübrt - worden zu sein, bei anderen fehlte sie 
aber vollkommen. 

Nach diesen Ergebnissen kommt den Silberpräparaten bei 
der menschlichen Syphilis nnr eine schwache Einwirkung auf 
den syphilitischen Prozess su. In Kombination mit Salvarsan 
scheint es aber dessen Wirkung auf katalytischem Wege zu ver¬ 
stärken. 

Der therapeutische Index, der die Verhältnissah 1 der wirk¬ 
samen zur toxischen Dosis darstellt, ist nach Kolle’s Angaben 
beim Silbersalvarsan sehr gut. 

Ausgang vorigen Jahres konnten die hiesigen Erfahrungen 
über das seit Februar 1919 von ans verwendete Silbersalvarsan 
als sehr günstig bezeichnet werden. 

Was zunächst seine Nebenwirkungen anbelangt, so waren sie im 
Vergleich zu den bisherigen Galvarsanpräparaten auffallend gering. 
Naoh halbjähriger Anwendung des Mittels waren es bei über 1000 In¬ 
jektionen nur 4 verhältnismässig leichte Störungen, Fieber, leiohte 
Dermatitis und Ikterus, die zur Beobachtung gekommen waren. 

Diese Beobachtungen über die geringe Toxizität des Präparates 
haben sich jetzt während der 1 Vs jährigen Erprobung bei über 8500 Ein¬ 
spritzungen als richtig erwiesen. 

Im ganzen wurden behandelt: Nur mit Silbersalvarsan 76 Fälle, 
mit Hg und Silbersalvarsan 27 Fälle, mit Neosalvarsan und Silber- 
salvarsan 218 Fälle. 

An Störungen wurden 5 mal erhebliche Fieberreaktionen, lmal ein 
toxisches Erythem und lmal ein leichter Ikterus beobachtet. 

Die starken Fieberanstiege mit der mehrere Tage anhaltenden 
Störung des Allgemeinbefindens wirken anfänglich vielleicht etwas beun¬ 
ruhigend, sie haben aber bei sofortiger Inangriffnahme mit reichlicher 
Flüssigkeitsübersohwemmung des Patienten (pbysiol. NaGl-Lösung als 
Klysma 3mal täglich Vs~I I und intravenös lmal 11) eine gute 
Prognose. 

Es versteht sich natürlich von selbst, dass nach allen inter¬ 
kurrenten Störungen eine genügende Verlängerung des Beband- 
lungsintervalls, Neubeginn mit kleiner Versuchsdosis desselben 
Präparates oder eventuell sogar mit einem anderen Präparat, und 
in schwereren Fällen ein vorzeitiger Abbruch der Kur notwendig 
sind. Es ist ferner der Sachlage entsprechend, dass ein Abbruch 
der Kur schwerlich nach wenigen Injektionen, die noch keine 
Kumulation bewirkt haben können, in Frage kommt, wohl aber 
gegen Ende des üblichen Injektionszyklus. Auch ist bei älteren 
Individuen mehr Zurückhaltung am Platze als bei jüngeren. 

Bekannt muss ferner sein, dass irgendwelche erythematöse 
Schwellungen, insbesondere im Gesicht, selbst wenn sie leicht 
und vorübergehender Art sind, das strikte Signal zum Aassetzen 
der Kur sein müssen. Die nächste Injektion bringt sonst die 
schwere Dermatitis mit unsicherem Ansgang (siehe FallRieke!). 

Ein Nachteil des Silbersalvarsans gegenüber den anderen 
Salvarsanpräparaten ist seine dunkle Farbe, so dass der weniger 
Geübte leicht Schwierigkeiten mit der Injektion haben kann und 
Gefahr läuft, ein sehr schmerzhaftes Infiltrat zu setzen. Dies 
Hindernis lässt sich aber durch Aspiration mit einer zweiten 
Spritze unschwer Überwinden. Für uns, die wir seit 1909 bei 
der Gonorrhoe und ihren Folgezuständen die intravenöse Kollargol- 
behandlung ständig betrieben und als unerlässliche Methode 
häufig propagiert haben, hat die dunkle Injektionslösung nie ein 
Hemmnis gebildet. Auch die angioneurotischen Zustände (Blut¬ 
andrang nach dem Kopf, Shockwirkung und Ohnmachtsanfall) 
sind für den mit der Kollargolbehandlung Vertrauten nichts neues, 
er wird sich daher nicht wundern, sie auch beim Silbersalvarsan 
gelegentlich wiederzufinden. 

Um sie zu vermeiden, soll man genügend verdünnt (mit 
80 ccm) und möglichst langsam, bis zu 5 Minuten und darüber 
unter ständiger Pulskontrolle einspritzen. Bei Eintritt von erheb¬ 
licher Pulsbeschleunigung muss man zuwarten oder eventuell so¬ 
gar abbrechen. Letzteres muss stets sofort erfolgen, sobald 
Patient die üblichen Anzeichen eines beginnenden Ohnmachts¬ 
anfalles, Schweissausbruch, beginnende Blässe und Pulsverlang- 
samung, auf weist. Dann ist horizontale Lage und 1 ccm Digalen 
subkutan zur Verhütung von Kollaps die beste Abhilfe. 

Als Nachteile des Silbersalvarsans kommen demnach in der 
Hauptsache nur technische Schwierigkeiten bei der Einspritzung 
in Betracht, während die toxischen Wirkungen de9 Silbersalvarsan, 
wie die Seltenheit der Zufälle erweist, gegenüber den übrigen 
Präparaten gering ist. Vor allem ist auffällig, wie verschwindend 
selten der Ikterus nach Silbersalvarsan vorkommt. Wir haben 
daher alle Salvarsanikterusfälle nach ihrem Ablauf vorzugsweise 
mit Silbersalvarsan nachbehandelt, was vorzüglich vertragen 
wurde. Erneute Neosalvarsankur führte dagegen häufig wieder 

»• 


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UMIVERSITY OF IOWA 




804 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


za Störungen des allgemeineif Wohlbefindens, des Appetits, 
starkem, manchmal sehr lange anhaltendem Brechreiz and Fieber. 
Aaf diese Weise hat ans das Silbersalvarsan während der Kriegs* 
zeit besonders bei der Behandlung der überempfindlich gewor¬ 
denen Patienten sehr wertvolle Dienste geleistet. 

Die relativ geringe toxische Komponente des 8ilbersalvarsan8 
ist nächst seiner anscheinend recht stabilen chemischen Konsti¬ 
tution aaf den geringeren Salvaifem- bzw. Arsengehalt surück- 
zuffihren. Noch den Angaben KoUe’s enthält 0,8 Silbersalvarsan 
nur 0.2 Salvarsan. 

Es ist natürlich klar, dass bei diesem Salvarsangehalt die 
Gefahr einer Dermatitis, Enzephalitis oder eines Ikterns erheblich 
verringert sein muss. 

Trotzdem raten wir aber dringend dazu, bei den kleinen 
Dosierungen stehen zu bleiben und aaf jede Hg Kombination zu 
verzichten. Wenn letztere die Bebandlungsergebnisse auch noch 
ein wenig zu steigern vermag, so halten wir doch eine weitere 
Belastung des Organismus mit einem dritten Metall für be¬ 
denklich. 

Das Hg ist ausserdem, wie ich bereits in der früheren 
Silbersalvarsanarbeit nach weisen konnte, völlig entbehrlich. Es 
wird durch das im Präparat Reibst enthaltene Silber völlig ersetzt. 

Aus den serologischen Kurven 1 ) der frischen Sekundärfälle 
ist unschwer zu erkennen, dass die Hg-freie Silbersalvarsan- 
behandlung mit der kleinen Dosierung zum mindesten dasselbe, 
meist aber noch mehr leistet als eine Salvarsamkombinationskur, 
bei der die Salvarsandosierung sicht nicht über Dos. IV hinaus¬ 
hebt. 

Dass eine Kombination mit Hg das Negativwerden der 
frischen Sekundärfälle fördert, wurde von uns seinerzeit berichtet. 
Von Dauerbeobachtungen nach Silbersalvarsan kann man zwar 
vorläufig noch nicht reden, aber die bisherigen Beobachtungen 
über den Umschlag der S.R. in frischen Sekundärfällen sind 
nach reiner Silbersalvarsanbehandlung so günstig, dass man bei 
planmässiger Durchbehandlung wohl auch auf Dauererfolg rechnen 
kann. > 

Bisher war unter den gut durchbebandelten Fällen nur ein 
serologischer Rückfall zu verzeichnen. 

Bei den aus der Bonner Klinik beriohteten Primärfällen, die erst 
nach 2,0 bzw. 2.6 g Silbersalvarsan negativ geworden sind, handelt es 
sich meines Erachtens um Sekundärfälle, bei denen das Exanthem aus¬ 
geblieben ist. Die Bestimmung des Infektioosalters ist häufig schwierig, 
wenn nicht unmöglich, weil zumeist mehrere Infektionsgelegenheiten bei 
den Patienten in Frage kommen. Die Annahme des letzten Verkehrs 
als Infektionsquelle ist sehr häufig unrichtig. Der Kranke merkt sehr 
häufig nichts von seinem P.A., namentlich wenn eine kleine, gut über¬ 
häutete Sklerose auf der Unterseite des Gliedes nahe dem Bändchen 
sitzt. Jedenfalls ist es bei uns eine ganz alltägliche Erscheinung, dass 
ein Fall wegen Sekundaria angeblich ohne P.A. zugeht; die nähere 
Nachprüfung ergibt dann oft eine noch fortbestehende kleine Sklerose 
an der soeben genannten Stelle. 

Nach Maassgabe von reichlich 8000 serologischen Kurven, die wir 
seit Einführung der Salvarsanbehandlung in unseren Listen verzeichnet 
haben, ist es bis zu einer gewissen Grenze sogar möglich, aus der Dauer 
der sich darbietenden positiven S.R. Rückschlüsse auf das Infektions¬ 
alter zu ziehen. 

So haben wir z. B. eine Reihe von klinisch einwandfreien Primär¬ 
fällen mit einem angeblichen Infektionsalter von nicht über 6—7 Wochen 
beobachtet, bei denen die S.R. über 3 grosse planmässig aufeinander 
folgende Salvarsankuren positiv blieb. Es handelte sich hier also um 
Reinduration oder Superinfektion. Von einer früheren Lues war den 
Fällen selbst aber nichts bekannt, noch ergab die Vorgeschichte irgend 
etwas Belastendes. 

Unsere serologischen Feststellungen haben im Verein mit den 
klinischen Beobachtungen ergeben, dass nicht nur die Entwicklungszeit 
der frischen Sekundärlues schwankt, sondern dass auoh die quantitativen 
Durchseuchungsverhältnisse, wie demnächst ausführlicher berichtet werden 
soll, in den einzelnen Fällen verschieden sind. 

Es sind aber nur die frischen Sekundärfälle, die diese Unterschei¬ 
dungen ermöglichen, und wo der serologische Maassstab einen relativen 
Vergleiobswert besitzt. Bei älteren Infektionen vollziehen sich, oder 
haben sich bereits biologische Umlagerungen der Infektion vollzogen. 
Die Folge hiervon ist, dass ein Teil der Fälle mit Zunahme des In- 
fektionsalters enorm hartnäckig positive S.R. bekommt, während ein an¬ 
derer Teil sehr leicht und schnell negativ wird. Da ich auf die Zusammen¬ 
hänge dieser Entwicklungsgänge an anderer Stelle näher einzugehen 
habe, möchte ich beute nur ganz kurz auf diese Dinge hin weisen, 
um zu zeigen, worin die Lücken der Bonner Beobachtungen zu 
suchen sind. 

Jedenfalls ist es unmöglich, Fälle mit manifester Sekundärlues ohne 
Rücksicht auf ihr Infektionsalter in der Hinsicht miteinander vergleichen 

1) D.m.W. 1918, Nr. 45. 


zu wollen, zu welchem Zeitpunkt die positive S.R. duroh eine bestimmte 
Behandlungsmethode zu beseitigen ist. 

Knopf und Sinn glauben sich jedooh auf Grund ihrer serologischen 
Beobachtungen in der Bonner Hautklinik im Gegensatz zu den von hier 
berichteten Erfahrungen stellen zu sollen. „Der Umschlag der S.R. habe 
nioht den Erwartungen entsprochen.* • Was die beiden Autoren objektiv 
als Unterlage für ihre Behauptung bringen, ist aber nicht geeignet, 
diesen Gegensatz zu begründen. 

Ihre Beobachtungen bei manifester Sekundärsypbilis geben mit den 
hiesigen keinerlei Vergleichspunkte, weil von hier nur über frische (!) 
Sekundärsyphilis berichtet worden ist. 

Ihre seltenen Beobachtungen einer hartnäckig positiven S.R. bei 
der Primärsyphilis liegen ferner durchaus im Rahmen der unvermeid¬ 
lichen Fehlschlüsse bei der ursprünglichen Festlegung des Infektions¬ 
alters. Die von Knopf und Sinn sonst angegebenen Umschläge der 
positiven S.R. bei manifester SekundärsyphiliB sind sogar recht gut. 
In über 85pCt. der nur mit Silbersalvarsan behandelten Fälle wurde 
die S.R. nach 0,8 bis 1,8 g Silbersalvarsan negativ. Das ist ein vorzüg¬ 
liches Ergebnis. Dass frische Sekundärfälle nach ähnlich kleiner Dosis 
Altsalvarsan in nennenswertem Prozentsatz negativ wurden, konnte hier 
noch nicht beobachtet werden. 

Damit schwebt aber die Behauptung der Bonner Klinik, dass Alt¬ 
salvarsan wirksamer sei als Silbersalvarsan, völlig in der Luft 

Meines Erachtens lässt sich an der Tatsache, dass Silber¬ 
salvarsan auch beim Menschen wesentlich wirksamer ist als die 
anderen Salvarsanpräparate, in'keiner Weise etwas ändern. 

Es lag am nächsten, die höhere Wirksamkeit des Präparates 
besonders in denjenigen Stadien auszunutzen, wo die Heilung der 
Syphilis erfabrungsgemäss am leichtesten gelingt, eben bei der 
Primärsyphilis und der frischen Sekundärsyphilis. Diese Aus¬ 
nützung müsste in heutiger Zeit, wo sich die Syphiliszunabme 
ganz erheblich gestaltet hat, und wo wegen der ungünstigen Rr- 
nährungsbedingungen ein weniger toxisches Präparat besonderen 
Wert besitzt, besonders energisch betrieben werden. Die Ein¬ 
führung dieses Präparates wird auch insofern von einiger Be¬ 
deutung für die Salvarsantherapie sein, als es den Anstoss und 
die Möglichkeit dazu gegeben hat, die Hg-Kombination bei der 
Salvarsanbehandlung in weit grösserem Umfange als bisher aus- 
sascbalten. Das hier als nützlich erkannte Vorgehen wird auch 
bei den anderen Salvarsanpräparaten eine breitere Basis gewinnen. 

Ob und wann wir in die Lage kommen werden, die zurzeit 
völlig verlassene gleichzeitige Behandlung mit Hg und Salvaesan 
wieder aufzunebmen, bleibt abzuwarten. Bei den jetzigen Er¬ 
nährung« Verhältnissen erscheint uns die gänzlich Hg freie Sal¬ 
varsanbehandlung als das einzig mögliche, wenn man eine gefahr- 
und komplikationslose Behandlung anstrebt. Nur in den Be¬ 
handlungspausen ist eine milde Hg Behandlung wohl durchführbar 
and auch angebracht, um der Rückfallbildung entgegenzuwirken. 
Aber auch an ihre Stelle kann Salvarsan in kleinen Dosen nnd 
grösseren Behandlungspansen, 0.25—0,8 Neosalvarsan (nach Alt¬ 
salvarsan gerechnet) alle 2—3 Wochen treten, wie es z. B. auch 
Wechsel mann seit langem tut. 

Die Technik der Silbersalvarsanbehandlung ist folgende: 

0,1—0.8 Silbersalvarsan werden in 20—80 oom kalter, 0,4proz. oder 
auoh physiologischer NaCl Lösung gelöst. Auf gründliche Lösong soll 
besonderer Wert gelegt werden, sie soll daher wenigstens 3—4 Minuten 
dauern. Zur Einführung der Kanüle benutzt man sunäohst eine mit 
physiologischer NaCI-Lösung gefüllte Spritze und setzt erst naoh Ein¬ 
strömen des Blotes in die Spritze die andere mit Silbersalvarsan ge¬ 
füllte Spritze auf. 

Die Einspritzung muss sehr langsam vor sich gehen, weil sonst 
Schwellung des Gesichts, Zyanose und Ohnmacht (der angioneuritisohe 
Symptomen komplex von Iwaschenzow und Wechselmann) eintreten. 
Bei empfindlichen Personen ist die Dauer der Einspritzung auf 5 bis 
7 Minuten zu bemessen. Während der Einspritzung soll man mit der 
freien Hand Pulskontrolle ausüben. 

Die Abstände zwischen den einzelnen Injektionen sind auf anfäng¬ 
lich 4, späterhin 5 Tage zu bemessen. 

Bei seronegativer Primärsypbilis genügen 5—6 Silbersalvarsan- 
Injektionen. Bei seropositiver Primärsyphilis ist das Bebandlungsmaass 
je nach Dauer der positiven Serumreaktion unter der Kur auf 7 bis 
10 Injektionen zu bemessen. Bei frischer Sekundärsypbilis haben vir 
bis zu einem Infektionsalter von 2 V 2 Monaten nur eine einzige Kur von 
10—12 Silbersalvarsaninjektionen angewendet, wenn die S.R. innerhalb 
von 4 Wochen naoh Aufnahme der Behandlung negativ geworden war. 
Wo dies nicht der Fall war, oder wo es sich um ältere Infektionen 
bandelte, wurde bei frischer Sekundärsypbilis 6 Wochen naoh der ersten 
Kur, bei der 10 Injektionen nicht überschritten wurden, eine Nachkur 
von 8—10 Injektionen in 5tägigen Abständen vorgenommen. Vor der 
Nachkur wurde stets der Liquor kontrolliert. Wo sieh der Liquor als 
pathologisch erwies, wurde er durch mehrfache endolumbale Behandlung 
assaniert. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





25. Anglist 1919 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


806 


Das Behandlungschema für frische Sekundärsyphilis lat folgendes: 




Frauen 

Männer 

1. am 

1. Tage . 

. . 0,1 

0.1-0,15 

2. 4 Tage später 

. . 0,2 

0,2 

8. 4 

fl fl 

. . 0,2 

0 25-0,8 

4. 4 

n n 

. . 0.2 

0,8 

5. 5 

V» 

. . 0 2—(0 25) 

0.8 

6. 5 


. . 0,2—(0 25) 

0,8 

7. 5 

fi v 

. . 0,2—(0.25) 

0,8 

8. 5 

w n 

. . 0,2—(0,25) 

0,25—0,8 

9, 5 

n n 

. . 0,2 

0,25—0,8 

10. 5 

n fi 

. . 0,2 

0,25 

Bei Frauen über 60 kg kann ev. von der fünften bis achten Injek- 

0,25 genommen 

werden. 

Bei Männern unter 60 kg soll 0,8 nicht 


mehr als vier- bis fünfmal gegeben werden, während bei 80 kg Körper¬ 
gewicht auch 0,35 zwei- bis dreimal verabreicht werden kann. Bei 
der Naobknr in den frischen Sekundärfällen bildet 0.8 anoh bei kräf¬ 
tigen Patienten die Höchstdosis, bei den meisten Injketionen soll man 
0,35 verwenden. 

Etwas anderes ist es, wenn bei älteren Lnesstadien eine 10 bis 
12 wöchige Behandlungspause verstrichen ist. Dann kann dieselbe Einsei¬ 
dosierung wie bei der ersten stattfinden und auch die Injektionssahl 
wieder 10. betragen. 

Das vierteljährliche Behandlungsintervall bleibt bei den 
älteren Luestadien jedenfalls bestehen. Wie gross hier die Zahl der 
notwendigen Kuren sein wird, lässt sioh vorläufig noch nicht beurteilen. 
Mit vier Kuren von je 8—10 Silbersalvarsaninjektionen wird man wohl 
su rechnen haben neben der hier sehr sweokmässigen Hg- und Jod¬ 
kombination. 

Durch den Mangel au Silbersalvarsan waren wir häufig ge¬ 
swungen, Neosalvarsan und Silbersalvarsan zu kombinieren. 

In mehr als 100 Fällen haben wir die mit Neosalvarsan 
begonnene Kur nach der 6.—7. Injektion mit Silbersalvarsan 
fortgeführt. Eine Erweiterung der Neosalvarsanbehandlung war 
wegen der Ikterusgefahr Über die 7.-8. Einspritrung hinaus nicht 
ratsam, während die Fortführung der Behandlung mit den kleinen 
Silbersalvarsandosen mit einer einzigen Ausnahme nicht zum 
Ikterus führte und den Anschein erweckte, als ob das Silber- 
■alvarsan die Ikterusgefahr direkt verringerte. Auch die Fort¬ 
führung der Neosalvarsankur mit Silbersalvarsan auf 10—12 In¬ 
jektionen im Ganzen ist nach den bisherigen Beobachtungen für 
die frischen Stadien sehr nützlich,, weil sie der Entwickelung 
späterer meningealer Syphilis entgegenwirkt und die Behandlung 
wesentlich abkürzt. 

Der Gesamteindruck des Silbersalvarsans ist nach 1 Vs jähriger 
Anwendung der, dass das Präparat von jugendlichen Individuen 
recht gut vertragen wird. Es sind nur vereinzelte Fälle, die 
jedesmal beim Silbersalvarsan Beschwerden (Unwohlsein und 
Fieber) bekommen und deshalb besser mit einem anderen Salvar- 
sanpräparat (Neosalvarsan oder Salv.-Natrinm) in kleiner Dosierung 
0,25—0.3 weiter behandelt werden. 

Bei allen älteren Individuen, insbesondere bei Frauen muss 
man von vornherein mit kleiner Dosierung (nicht über 0,2 Silber¬ 
salvarsan) behandeln. 

Das Silbersalvarsan eröffnet die Möglichkeit bei frischer 
Sekundärsyphilis mit einem Infektionsalter bis zn 3 Monaten anf 
weitere Nachbehandlung zn verzichten oder sie auf ein sehr ge¬ 
ringes Maass herabzusetzen. 

Wenn auch die Zeit der bisherigen Danerbeobachtungen noch 
nicht ausreicht, um über die Dauerbeilungen nach Silbersalvarsan 
ein abschliessendes Urteil abzugeben, so berechtigen doch die 
bisherigen Ergebnisse der serologischen und Liquor-Kontrollen 
dazu, das Silbersalvarsan bei der Behandlung der frischen Lnes¬ 
stadien ganz besonders zu empfehlen. 


BQcherbesprechungen. 

Bernhard Fischer: Zur Neiordmg des aedizinisehei 8tidiias »d 
Prfifugswesens. München 1919, Verlag von J. F. Lehmann. 69 S. 

Unter den zahlreichen Aufsätzen, die sich mit der Neuordnung des 
medizinischen Studiums beschäftigen, darf Prof. B. Fisoher’s Schrift, 
wie mir scheint, Anspruch auf besondere Bedeutung erheben. Verf., 
als Direktor des pathologischen Instituts an der jungen Universität 
Frankfurt a. M. tätig, hat dort hei der Aufstellung der neuen Lehr¬ 
pläne in hervorragender Weise mitgewirkt und seine reiche Erfahrung 
über die bestehenden Missstände geltend gemaoht. Er übt soharfe 
Kritik — die sioh in vielen Punkten mit den vor kurzem hier be¬ 
sprochenen Aeusserungen Sobwalbe’s berührt —, gibt aber auch 
wichtige positive Vorschläge für eine durchgreifende Reform. Als Grund¬ 
prinzip ist daraus zu entnehmen: möglichst vollkommene Aus¬ 
nutzung der Studienzeit bei gleichzeitiger Beschränkung auf 


das physisch zu leistende Maass von Arbeit. Beides hofft er su 
erreioben, wenn die Dauer der Universitätsausbildung auf 12 Semester 
festgesetzt wird, ein Zeitraum, der dem bisherigen, einschliesslich des 
praktischen Jahres, gleiobkommt; letzteres wünscht er. abgesohafft su 
wissen und die notwendige praktische Uebungsseit durch Betätigung in 
den Ferien zu gewinnen. Die Semester sollen seiner Ansicht nach, 
und zwar streng innegehalten, vom 1. Mai bis 81. Juli sowie vom 
1. November bis 28. Februar dauern. (Was, nebenbei bemerkt, mit der 
neuerdings gehegten Absicht, die Semester vom 1. September bis 15. De¬ 
zember, vom 15. Januar bis 1. Mai, die Ferien also von Mai bis 
September ununterbrochen währen zu lassen, in Widerspruoh stehen 
würde.) 

Im einzelnen teilt er die Studienzeit in 3 Absobnitte: einen 
naturwissohaftlichen, einen anatomisch-physiologischen und 
einen klinischen. Für den ersten Teil (Zoologie, Botanik, Physik, 
Chemie) kommen zwei Semester in Betracht — dann folgt die erste 
Vorprüfung; der zweite Teil (Anatomie, Physiologie, allgemeine Patho¬ 
logie, Psychologie) soll drei Semester umfassen — dann wird die zweite 
Vorprüfung abgelegt; und nun stehen sieben Semester für die eigentlich 
ärztlichen Fäoher zur Verfügung, wobei neben der klinischen Ausbildung 
soziale Medizin und ärztliche Ethik besonders au berücksichtigen ist. 
Diese Dreiteilung entspricht, wie ich der historischen Gerechtigkeit halber 
einsohalten möchte, fast ganz genau den Vorschlägen, die C. Hasse, 
der Breslauer Anatom, im Jahre 1896 ausgearbeitet hat. Besonders 
wichtig ist die Verwertung der Ferien — schon nach den naturwissen¬ 
schaftlichen Semestern sollen sie zum praktischen Krankcnpfiegedienst 
benutzt werden; später ist für sie ganz wesentlich die eigentlich ärzt¬ 
liche Tätigkeit in Aussicht zu nehmen, und hier ist ganz gewiss die 
Möglichkeit einer weitaus erhöhten Arbeitsleistung gegeben, auch ohne 
dass die dem Studierenden ebenso wie dem Dozenten notwendige Er¬ 
holung beeinträchtigt wird. 

Besonders streng wünsoht Fiseher in den Prüfungen vorzugehen. 
Er betont, dass augenblicklich weder im Physikum noch im Staats¬ 
examen jemand endgültig durcbfällt — nach langer Zeit und unter vielen 
Nachprüfungen kommt am Ende jeder durch. Das sollte seiner Meinung 
nach nicht sein, vielmehr müsste unerbittliche Auslpse gehalten werden; 
er gibt auch hierfür verschiedene Modalitäten des Examens an, die vor 
Missgriffen sohützen sollen. Adolf Kussmanl gestand, dass er als 
Examinator um so naobsiobtiger wurde, je höher die Anforderungen der 
Prüfungsordnung stiegen. „Auch quälte mich“, schrieb er 1897, „die 
geheime Furcht, es könne unter meinen Prüflingen ein Dieffenbaoh 
oderSkoda sioh befinden, die beide bekanntlich im Staatsexamen dnroh- 
fielen nnd nachher dooh recht brauchbare Aerzte geworden sind.“ Er 
verhielt sich den Neuerungsplänen gegenüber auch sonst nicht eben 
optimistiBoh. „Bisher genügte eine Studienzeit von neun Semestern. 
Die approbierten Aerzte, die aas der Staatsprüfung bervorgiDgen, er¬ 
wiesen sioh später in der Praxis znm kleinsten Teil als ausgezeichnet, 
zu einem grösseren Teil als got nnd znm grössten Teil mittelmässig, 
und so wird es für alle Zeit bleiben, auch wenn die Studienzeit über 
dieses Maass verlängert wird.“ Vorläufig ist diese Prophezeihung wohl in 
Erfüllung gegangen — das kann aber nicht bindern, dass immer wieder 
versucht wird, bessernde Hand anznlegen and erkannte Fehler abzn- 
stellen. Bei dieser Bemühung wird Fisoher’s Schrift zweifellos von 
erheblichem Nutzen sein. Posner. 


M. Lewandowskyf -Berlin: Die Kriegssebädei des Nervessystems asd 
ihre Folgeersebeinssges. Eine Anleitung zu ihrer Begutachtung und 
Behandlung. Berlin 1919. Verlag von Julius Springer. 

Lewandowskys kriegsnenrologisoher Leitfaden vermittelt in kurzer 
und prägnanter Darstellung dem Praktiker den Niederschlag der im 
Kriege vom Faobneurologen gewordenen Erfahrungen und bietet ihm zu¬ 
gleich durch Eingeben auf die allgemeinen Grundlagen und Untersuebnngs- 
methoden die Möglichkeit zu ihrer praktischen Verwertung. Besonders 
wesentlich erscheint in dieser Hinsicht die klare Darstellung des Wesens 
der Kriegsneurosen in dem Sinne, wie er im Laufe des Krieges wohl 
ganz allgemein zur Anerkennung gekommen ist. Hat auch die Arbeit 
durch den Kriegsabsohluss an Aktualität einiges eingebüsst, so wird sie 
doch ihren Wert, durch die Notwendigkeit, sich noch lange Jahre mit 
den neurologischen Folgeerscheinungen der Kriegssohädigungen ärztlich 
abzugeben, für unabsehbare Zeit behalten. 


J. JSrger-Ohur: Psychiatrische Familiesgescbiehtes. Berlin 1919. 

Verlag von Julius Springer. 

Jörger bietet seine sobon früher in Faohzeitsohriften veröffentlichten 
Studien über die Schweizer Familien Zero und Marous nun im Zusammen¬ 
hang dar, so dass man ein besonders eindringliches Bild von Bedeutung 
und Umfang der daroh entartete Familieu bedingten Volksschädi- 
gungen gewinnt. An einzelnen Gliedern und darob Generationen hindurch 
wird ausführlich dargestellt und an Tabellen übersichtlich gezeigt, in 
welch verheerender Form sioh die Abirrungen vom durchschnittlichen 
Familientypus in Pauperismus, Vagabundismus, Unsittlicbkeit. Verbrechen, 
Alkoholismus, Geistesschwäche und Geistesstörung niederfcblagen. Da 
übrigens die beiden Familien auch verwandtschaftlich verbunden sind — 
der Stammvater der Wanderfamilie Zero nahm ein Weib aus der Vaga- 
bundenfamilie Marous zur Frau —. so lernt man zugleich auch Mannes- 
und Weibesstamm der gleichen Familie kennen. Auf eine „bureau- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84 


kratisoh-meohanisohe* Erbliohkeitsstatiatik bat Jörger bei seiner Bear¬ 
beitung verziobtet, doch dürfte eine biologisch vertiefte Verwertung des 
gesammelten Materials nicht ohne weiteres über eine solche hinwegkommen 
können. — Von Interesse ist sohlieaslioh nooh das von den Zeros ge¬ 
wonnene Leiikon der jennisohen Sprache. 


R. v Krafft-Eblig: Psychopathie sexual it Bit besonderer Beriek- 
siehtignag der koatrlrea Sezaaleaipfladaag. Eine medizinisch-ge- 
riohtliohe Studie für Aerzte und Juristen. 15. vermehrte Auflage. 
Herausgegeben von A. Fuchs. Stuttgart 1918. Verlag von Ferd. Enke. 

Krafft-Ebings zweifellos bedeutsamstes wissenschaftliches Werk 
wird nun zum dritten Mal seit des Verf.’s Tode neu aufgelegt und beweist 
damit zur Genüge seine ungeschwäohte Konkurrenzfähigkeit auf dem reioh 
beschickten sexual wissenschaftlichen Markt. Sobon diese Tatsache recht¬ 
fertigt zur Genüge, dass der Herausgeber an der Originalfassung des 
Buohes keine wesentlichen Aenderungen vornahm. Immerhin möchte 
man doch manchen gut fundierten wissenschaftlichen Neuerwerb, wie 
etwa das aurchaus gut charakterisierte und abgegreozte Bild des Trans¬ 
vestitismus, wenigstens anmerkungsweise erwähnt finden. Dass Fuohs 
die neueren biologischen Forschungsergebnisse (Steinach u. a.) heran¬ 
gesogen hat, ist selbstverständliches Erfordernis, um das Werk auf der 
wissenschaftlichen Höhe zu halten. Seiner Meinung, dass von hier aus 
sich neue therapeutische Bahnen eröffnen und dass hier sogar die Zukunft 
der Pathologie der Vita sexualis wurzelt, wird man im wesentlichen bei- 
pfliohten müssen. Dass aber späterhin die Sexualpsychopathologie ein¬ 
mal ganz in einer Sexualbiopathologie aufgehen wird, glaube ich trotzdem 
nioht. Für die Symptomatologie und Spezialgenese der einzelnen sexuellen 
Perversionen wird man auch dann noch psychopathologisohe Phänomene 
und Mechanismen heranziehen müssen. 


P. Tesdorpf- München: Die Krankheit Wilhelms II. München 1919. 

Verlag von J. F. Lehmann. 

Was den Feinden und Neutralen der Krieg, hat uns als erste Er- 
rungenshaft die Revolution gebracht: eine pathograpbische Betrachtung 
Wilhelms II So ist denn glücklich einem Mangel für Deutschland abge¬ 
holfen, den Beohterew für Russland, Cabanes für Frankreich, Ny ström 
für Schweden. Forel für die Schweiz sohon lange beseitigt haben. Ueber 
die Arbeit Tesdorpfs und die Schnelligkeit ihrer Herstellung Hesse 
sioh mancherlei Menschliches sagen, doch kommt es hier nur auf die 
wissenschaftliche Seite an. Tesdorpf stellt Wilhelm II. als Entarteten 
mit zyklothymen Schwankungen hin, und es fragt sich, ob er einen syste¬ 
matischen Aufbau auf einwandfreiem Material darbietet, der wissenschaft¬ 
lichen Anforderungen entspricht. Die Frage muss glattweg verneint 
werden. Es fehlt auch jeder Versuch dazu. Die Abhandlung spricht 
überhaupt mehr vom Verf. selbst und seiner besonderen Qualifikation als 
von Kaiser Wilhelm. Zu seiner Entlastung darf Tesdorpf allerdings 
wohl anführen, dass er ganz andere Ziele verfolgt, als eine wissenschaft¬ 
lich ernst zu nehmende Arbeit zu liefern. 


L. Hirseklaff- Berlin: Hypaotismn« ind Siggestivtherapie. 2 . Auflage. 
Leipzig 1919, Verlag von J. A. Barth. 

Die Neuauflage von Hirschlaffs kleinem Lehrbuch kommt zu ge¬ 
legener Zeit. Sie bringt den vielen „perfekten* 1 Psychotherapeuten, die 
dem Kriege ihre Fertigkeiten verdanken, zum Bewusstsein, dass zur 
wahren Psychotherapie doch noch mehr an Wissen und Können gehört, 
als der Durchsohnittsbetrieb der Lazarettnervenstationen zu verschaffen 

S liegt. Der Werk des Hirsohlaff’schen Buohes liegt neben der klaren 
Darlegung der theoretischen Grundlagen vor allem in der kritischen 
Zurückhaltung bei der Bewertung der Leistungsmöglichkeiten und Er¬ 
folge des Hypnotismus und in der Darbietung zahlreicher kleiner Hilfen 
für seine praktische Anwendung. Die ablehnende Stellungnahme gegen¬ 
über den Freud’sohen Anschauungen mag nooh besonders hervorgehoben 
werden. Immerhin überrascht es dooh einigermaassen, wenn gerade ein 
Vertreter der Lehre vom Hypnotismus die m. E. unverkennbare Bedeutung 
des Unbewussten, bzw. Unterbewussten im seelischen Leben, so wenig 
gelten lässt, dass er ihre Einführung in die psychologische Forschung 
geradezu als grundsätzliche Verirrung binstellt. — Dass im übrigen 
das in jeder Hinsicht für die praktische Psychotherapie empfehlenswerte 
Buch bei nioht wesentlich verändertem Umfang mit der neuen Auflage 
in seinem Preise von 4,50 M. auf 11M. gestiegen ist, bringt in recht be¬ 
trübender Weise zum Ausdruck, welche Belastung die Vervollständigung 
auch des wissenschaftlichen Inventars des Arztes duroh die Teuerung 
und Geldentwertung erfahren hat. K. Birnbaum. 


Literatur-AuszQge. 

Physiologie. 

H. E. Hering-Colo: Pathologische Physiologie. (D.m.W., 1919, 
Nr. 28.) Erste Vorlesung in der neueröffneten Universität, in der H. die 
Grenzen und Berührungspunkte der pathologischen Physiologie zur 
klinischen Pathologie und pathologischen Anatomie bespricht. 

Dünner. 

Klee: Beiträge zur pathologische* Physiologie der Magealnner- 
vatioa. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 129, H. 8 u. 4.) Verf. be¬ 


handelt in dieser Mitteilung die Pylorusiosuffizienz und den präpylori- 
schen Gastrospasmus. Ausführliche Besprechung der experimentellen 
Ergebnisse von Tierversuchen. Zinn. 

J. Traube-Berlin: Ueber die Bodoatatg der Mageasalisiaro. 
(D.m.W., 1919, Nr. 27.) Die Frage, warum das Pepsin bei einer be¬ 
stimmten Salzsäurekonzentration am günstigsten wirkt, lässt sioh am 
besten mit Q lellungsvorgängen lösen; denn nach Versuchen des Verf. ist 
ein inniger Zusammenhang zwiaohen normaler Mageoazidität, optimaler 
Pepsinverdauung und maximaler Quellbarkeit gewisser Eiweiss- und 
Sauerstoffe unverkennbar. Dünner. 


Pharmakologie. 

W. Löffler-Basel: Ueber den Chloropkyllgehalt dos Chlorooaao. 
(Schweizer Korr. Bl., 1919, Nr. 24.) Polemik gegen Bürgi’s Mitteilung 
in der Schweizer Rundschau für Medizin, Nr. 21: „Ueber den Gehalt des 
Chlorosan Bürgi an Reinchloropbyll*. Im Gegensatz zu Bürgi, der in 
einer Tablette 0080 g Chlorophyllgebalt feststellte, fand Verf. nur 
0,00125 g, also 24mal weniger. A.Fabian. 


Therapie. 

L an gern ak-Erfurt: Eine schoieido Methode der Nageleatferaaag. 
(D.m.W., 1919. Nr. 27.) Man fasst das freie Ende des Nagels quer mit 
einer Kooher-Klemme und rollt nun den Nagel wie den Rand einer 
Sardinenbüobse nach hinten auf. Ist der Nagel sehr kurz, so löst man 
den vorderen Teil mit einem Elevatorium, bis der Nagel gut gefasst 
werden kann. Die Regeneration des gesunden Nagels wird in wenigen 
Tagen erzielt. 

A. Barth-Leipzig: Otalgaa. (D.m.W., 1919, Nr. 28.) DassOtalgän 
infolge seiner Zusammensetzung (Opium und Pyrazolonphenyldimetbyl) 
analgetisch wirkt, ist selbstverständlich. Die Art. in der das Mittel von 
der Fabrik angepriesen wird, hält B. für reklamehaft und für schädlich, 
da das Krankheitsbild verdeckt wird. Dünner. 

L. Rütimeyer: Ueber Spasmalgia (Pantopon-Papaverin-Atrinal). 
(Schweizer Korr.-Bl., 1919, Nr. 24) Die Tabletten enthalten 0,01 Pan- 
topon, 0,2 Papaverin und 0,001 Atrinal (Atropinschwefelsäureester), bei 
den Ampullen fehlt der Papaverinzusatz. Günstige Wirkung bei 
8 pa 9 mog*nen Schmerzen der glatten Muskulatur, speziell des Gastro- 
intestii a^traktus, noch prompter wirkt die Injektion von Pautopon- 
Atrinal. R. Fabian. 

K 08 lowsky-Berlin-Lichteoberg: Die Wirkung des Ovaradeatri- 
ferrias. (D.m.W., 1919, Nr. 27.) Beitrag zur Organotherapie der endo¬ 
krinen Drüsen). Die Organotherapie der nicht genügend funktionierenden 
endokrinen Drüsen ist eine Schonungstherapie. Die Amenorrhoe und ein 
Teil der Menorrhagien sind duroh Hypo- resp. Dysfunktion der Ovarien 
bedingt. Die Ovarien bedürfen eines besonderen Anreizes, um ihre 
spezifischen Funktionen zu erfüllen. Diesen Anreiz gibt vor allem die 
Hypophyse. Die Hypophyse ist den Keimdrüsen übergeordnet. Für den 
aktiven Einfluss der Eier6töoke auf die Hypophyse ist ein sicherer Be¬ 
weis nicht erbracht. Ein Teil der Kriegsamenorrhoe ist ans dem Anta¬ 
gonismus zwischen Thyreoidea und Ovarien zu erklären. Die spezifische 
Wirkung des Ovaradentriferrins ist an den Organteil gebunden. Erfolg 
verspricht die Behandlung mit dem Mittel nur dort, wo es als Ersatz 
oder Ergänzung dienen kann. 

W. Neumann: Zur Salvarsaahehandlaag der Malaria. (D.m.W., 
1919, Nr. 28.) N. teilt einen einzigen Fall mit, der zeigen soll, dass 
Neosalvarsan bei Quartana unwirksam ist. 

K. Holzapfel-Berlin: Ulcas aiolle aad Primlraffekt. (D m.W., 
1919, Nr. 28) Bei jedem nooh so typischen Ulcus molie ist unbedingte 
Skepsis erforderlich, ob sich nicht doch hinter dem Ulkus ein luetisoher 
Primäraffekt verbirgt. Deshalb ist 6 Wochen lang genaueste Beob¬ 
achtung, Untersuchung auf Spirochäten und Wassermann erforderlich. 

Bonne: Ueber die Unsweekmässlgkeiten vo* Infusione« aad In¬ 
jektionen fai Tkeraxgehiet aod an den Beigeseiten der Extremitttea. 
(D.m.W.. 1919, Nr. 28) Infusionen und Injektionen an der Brust be¬ 
engen die Atmung, an den Beugeseiten der Extremitäten verursachen 
sie grosse Schmerzen. B. empfiehlt als Applikationsort die Aussenseite 
der Oberschenkel. — Hat man Nadel und Spritze mit Alkohol des¬ 
infiziert, so muss man dafür sorgen, dass vor der Injektion auch der 
letzte Rest Alkohol entfernt ist, da sonst Sohmerzen entstehen. 

Dünner. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

B. Bauch-Cöln: Partieller Riesenwuchs verbinden ait Del icke 
sepkalle. (D.m.W., 1919, Nr. 27.) Kasuistik. 

V. Hoff mann- Heidelberg: Karzinom und Tiherkalose. (D.m.W., 
1919, Nr. 27.) In dem Rezidiv eines Hautkarzinoms der Kopfhaut fanden 
sich mikroskopisch reichlich epitheloide Zellhaufen und darin Riesen¬ 
zellen mit randständigen Kernen und Tuberkelbazillen. Eine von den 
regionären Lymphdrüsen war karzinomatös. die anderen im Sinne einer 
alten indurativen Tuberkulose verändert. Der pathologische Vorgang ist 
so zu deuten, dass von alten tuberkulösen Halsdrüsen aus das Karsinom- 
rezidiv^der Kopfhaut tuberkulös*infiziert wurde. Dünner. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





25. August 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


807 


Ranke: Priairaffekt, sekudäre ud tertiäre Stediei der Lugen- 
tuberkulöse. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 139, H. 8. u. 4.) Oie 
vorliegende Arbeit behandelt die Abgrenzung der Stadien innerhalb des 
Gesamtgebietes der mensohliehen Tuberkulose. Es vird zuerst auf den 
Begriff der histologisoben Allergie eingegangen. Von solchen Allergien 
sind 3 unterschieden worden: eine erste, in gewissem Sinne sklerosierende, 
vorwiegend proliferative, zu Beginn der Erfcankung, eine zweite, exsuda¬ 
tive, und eine dritte, abortive Form der Drusenerkrankung. Bei der 
Ausbreitung der tuberkulösen Erkrankung lassen sich 4 Vorgänge unter¬ 
scheiden: 1. die Ausbreitung eines tuberkulösen Herdes per oontinuitatem 
(„homologe Infektion der Umgebung*); 2. die drei verschiedenen Formen 
der Metastasenbildung, die lymphogene, die hämatogene und die intra¬ 
kanalikuläre Metastasierung. Diese verschiedenen Möglichkeiten der Ver¬ 
breitung des Tuberkelbazillus im Organismus sind in einer eigenartigen 
Weise mit den drei obengenannten Allergien vergesellschaftet. Durch 
die Kombination der 3 Allergien und 4 Ausbreitungsweisen entsteht 
eine Reihe mehr oder weniger typischer Bilder, deren Ordnung neben 
aller Variabilität im einzelnen dooh so viel Gesetzmässigkeit aufweist, 
dass es gelingt, bestimmte typische Krankheitsbilder bestimmten Phasen 
der Krankheit zusuordnen. Verf. verbreitet sich dann darüber, in welcher 
Weise die fortlaufende Reihe von Erkrankungsformen am besten in 
Gruppen zerlegt werden kann. Zum Sohluss werden die gewonnenen 
Ergebnisse in geistreicher Weise schematisch skizziert. Zinn. 


Parasitenkunde und Serologie, 

W. Pfeiler - Bromberg: Beitrag zur Differentialdiagnose der Rotz- 
krukkelt in pathologisch-anatomischer, ätiologischer und serologisoher 
Beziehung. (Zbl. f. Bakt., Bd. 83, H. 2.) Verf. fand bei Pferden, die 
an Lungenentzündung erkrankt waren, einen rotzähnlichen Bazillus, der 
Immunität gegen Rots hervorzurufen imstande war und auoh serologisch 
sioh wie Rotz verhielt, ohne die Pferde krank zu machen. 

G. Pommer-Innsbruck: Ueber die K*tikul|befude eilen Gross- 
birueekluokokkis. (Zbl. f. Bakt, Bd. 83, H. 2.) Im Original einzusehen. 

Schmitz. 

Rooha-Lima - Hamburg: Die Uebertragug des Riekfallflehen 
«■4 des Fleekfiebers. (D.m.W., 1919, Nr. 27.) Die Rekurrensspirochäte 
kann auoh durch den Stioh der infizierten Laus übertragen werden. Sie 
vermag in das Nervensystem, Eileiter und Ei der infizierten Laus ein- 
zudringen. Die Fleck fieberlaus bleibt sicher mindestens 24 Tage und 
wahrscheinlich während ihres ganzen Lebens Träger des Fleckfiebervirus, 
so dass, obwohl es keine eigentlichen Virusträger unter den Fleokfieber- 
rekonvaleszenten gibt dooh diese Rekonvaleszenten als Träger der in¬ 
fizierten Läuse eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Krankheit 
spielen. Es gibt 3 Typen von Rikettsienbefunden bei der Menschen- 
laus, die vielleicht 3 verschiedenen Arten von Rikettsien entsprechen. 
Eine der Typen soheint für die Rikettsien Prowazeki der Fleckfieber¬ 
laus charakteristisch zu sein. Dünner. 

E. Bader: Ueber die klinische Bedeutung der Miek’schen Modi¬ 
fikation der Gram’sckei Färbug. (W.kl.W., 1919, Nr. 26.) Vergleich¬ 
untersuchungen mit der Ziehi’schen, Gram-Muoh’sohen Methode und mit 
Weias’soher Doppelfärbung zeigten, dass die Ziehl’sche Methode vor 
allen die souveräne Tuberkelbazillenfärbung ist da sie bei leiohteeter 
Technik grösste Sicherheit in der Diagnose gewährt. Glaserfeld. 

K. E. F. Schmitz: Neue Mitteilungen über Verwandlungsfähigkeit 
Paragglutinatin usw. in der Ruhr-Typhus Koligruppe auf Grund experi¬ 
menteller Beobachtungen. II. Mitteilung. Beschreibung von Verla- 
dormagea ia Kälteres des Bazillas Schmilz. (Zbl. f. Bakt., Bd. 83, 
H. 2.) Es wird eine grosse Reihe vos Veränderungen beschrieben, die 
sich alle vom Baz. Dys. Schmitz ableiten. An der Hand der beob¬ 
achteten Fakta wird naohgewiesen, dass es sioh tatsächlich um Ver¬ 
änderungen, nicht etwa um Verunreinigungen handelt. 

Sohievelbein: Die Iofektioi der Galleublase bei Typkas ud 
Paratypfcas und ihr Nachweis duroh die Diodeaalsoadierug. (Zbl. f. 
Bakt., Bd. 83, H. 2.) Die direkte Untersuchung der Galle ergab sowohl 
bei frischen Fällen, wie bei Dauerausscheidern mehr positive Resultate 
als die Stuhluntersuchung. 

Fr. v. Gutfeld - Berlin: Ueber experimentelle und praktische Ver¬ 
suche zum Typhisbazilleuaekweis mittels Adsorbeatiei. (Zbl. f. Bakt., 
Bd. 83, H. 2.) Die praktischen Versuohe der Typhusdiagnostik mit 
Adsorbentien zeigten keine Ueberlegenheit des Verfahrens gegenüber der 
gewöhnlichen Technik. Sohmitz. 

Brösamlen: Die Gräber-Widal’seke Reaktioa bei gesudei ud 
krukei Typhassebntzgeimpftea. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 129, 
H. 8 u. 4.) Widal war bei 74 pCt. der gesunden Geimpften positiv. Die 
Häufigkeit der Reaktion ist vom Impftermin wesentlich abhängig. Ueber 
die Dauer der Reaktion lässt sich niohts Endgültiges sagen. Sie kann 
aber länger als 2 Jahre anhalten. Die Höhe des Agglutinationstiters 
weist keine Gesetzmässigkeit auf. Immerhin zeigt sioh, dass die hohen 
Werte von 1:500 und darüber vorwiegend in die Zeit bis 5 Monate 
nach der Impfung fallen. Bei den geimpften Typhuskranken fand sioh 
in 58pCt. ein sehr steiles Ansteigen der Agglutinationskurve. Die Re¬ 
aktion lässt sioh bei Typhussohutzgeimpften bis auf weiteres nur so 
verwerten, dass man in kurzen Zwischenräumen das Blut auf seinen 
Agglutiningehalt untersucht. Sehr rascher und steiler Anstieg der 
Agglutinatinationskurve ist charakteristisch für Typhus, wenn seit der 


letzten Impfung mindestens 8 Monate vergangen sind. Ausbleiben der 
Titersteigerung oder Titersenkung darf aber nicht gegen die Diagnose 
Typhus verwertet werden. Zinn. 

K. Cafasso und J. Löw: Ueber die Brauchbarkeit der Agglatilil- 
prüfug für die Diagnostik der Rlkr. (W.kl.W., 1919, Nr. 26.) Unter¬ 
suchung an 158 Ruhrkranken: in 97 Fällen positive Serumprobe, in 
23 Fällen positive Stuhlprobe. Die Serumprobe versagt bei den leichten 
Ruhrlällen meist. Glaserfeld. 

M. v. Eisler-Wien: Ueber das Verhalten der Aitikörper beim 
Verdünnen nid Mischen verschiedener Immunsera. (Zbl. f. Bakt. Bd. 83, 
H. 2.) Tetanusantitoxin kann durch Mischen erhebliche Einbusse er¬ 
leiden, Diphtherieantitoxin dagegen nicht. Agglutinierende Sera leiden 
nioht. Hämolytische Sera erhalten oft eine Zunahme ihrer Löaungskraft. 

Sohmitz. 


Innere Medizin. 

F. Brüning- Berlin: Gegen die Pseamotkoraxbekudlug der 
Laigeiabsiesse. (D.m.W., 1919, Nr. 27.) Wie B. glaubt, wird durch 
den Pneumothorax die Stagnation des Eiters befördert, da er nicht aus¬ 
gehustet werden kann. Infolgedessen können neue Herde entstehen. 
Auoh kann ein eventueller Lungensequester nioht entfernt werden. Am 
meisten zu fürchten ist der Durchbruch in die Pleurahöhle. B. tritt 
für die chirurgische Behandlung der Lungenabszesse ein. 

Bin ge 1-Braunschweig: Zur Behandlung der Diphtherie mit ge- 
wffkmiiebem Pferdeaenm. (D.m.W., 1919, Nr. 27.) Der verschiedent¬ 
lich gegen B. erhobene Einwand, dass das normale Pferdeserum, mit 
dem er seine Diphtheriekranken gespritzt und zum Teil gute Erfolge 
erzielt hat, vielleicht dooh antitoxinhaltig gewesen sei, hält B. selbst 
für berechtigt. Soweit er dazu imstande war, hat er den Antitoxin¬ 
gehalt nachträglich feststellen lassen, ln einem Serum fand sioh gar 
kein, in dem anderen ganz geringe Mengen Antitoxin, die praktisch 
keine Rolle spielen. Dünner. 

A. Aid er-Zürich: Die Blitkärpercheivelamenbestimmug und 
ihre Fehler. (Schweiz. Korr.-BL, 1919, Nr. 25.) Polemik gegen J. Aebly- 
Zürich (Schweiz. Korr.-Bl. vom 12. April 1919). R. Fabian. 

J. Hahn-Wien: Ein konstantes objektives Frühsymptom der Hiager- 
Osteomalazie. (W.kl.W., 1919, Nr. 27.) Als solches sieht Verf. eine 
Eindrückbarkeit % der Rippen auf massigen Fingerdruck an. Der pal¬ 
pierende Finger hat die Empfindung, als ob die Rippen nicht knöchern, 
sondern Spangen aus Spielkartenpapier wären. Am günstigsten für die 
Erprobung eignet sioh das zweite Rippenpaar in der Mamillarlinie. 

Glaserfeld. 

L. Braun: Zur Kasuistik der Herskrukheiteu. (W.m.W., 1919, 
Nr. 25.) Ein Fall von gonorrhoischer Endekarditis mit wechselnden 
Auskultationsersoheinungen an der Aortenklappe. Die Sektion zeigte 
an Stelle der hintered Klappe einen den ganzen Sinus Valsalvae ein¬ 
nehmenden und darüber hinausragenden tiefen Substanzverlust. Die 
entsprechende Gewebspartie hängt wie ein gestielter Polyp in die Herz¬ 
höhle hinein. Durch die wechselnde Lagerung dieses Gewebsstüokea 
wurden die wechselnden Auskultationsbefunde verursacht. Beschreibung 
elektrokardiograpbischer Kurven von einem Adams-Stokes-Kammerstill¬ 
stand und Kammertacbysystolie wechseln ab. Klinisch lag das typische 
Bild des Adams-Stokes vor. G. Eisner. 

A. Adler-Frankfurt a. M.; Ueber die Abhängigkeit der Baru- 
reiktiei von der Magensaftsekretioi sowie über die wechselseitigen 
Beziehungen der Reaktion der Körperflüssigkeiten überhaupt. (Zbl. f. 
inn. M., 1919, Nr. 27.) Untersuchungen an Magengesunden und -kranken 
ergaben bei Prüfung der Azidität des Harns duroh Bestimmung der 
H-lonenkonzentration die gesetzmässige Abhängigkeit der Harnreaktion 
von der Magensekretion. Dieser Weohsel der Harnreaktion ist sogar 
als diagnostisches Hilfsmittel verwertbar. 

C. Kayser-Berlin-Wilmersdorf. 

J. Hass: Ueber derzeit auftretende eigenartige 8poitaifraktirei 
bei Adoleeseitei. (W.kl.W., 1919, Nr. 26.) Die Erkrankung betrifft 
nur männliche Individuen im Alter von 17—20 Jahren. Die Be¬ 
schwerden bestehen in Schmerzen, welche sioh ausschliesslich auf ein 
oder beide Kniegelenke und Unterschenkel lokalisieren; in den schwereren 
Fällen treten Gebstörungen und Abknickung des erkrankten Beines im 
Sinne der Varusstellung auf. Der Allgemeinzustand ist völlig normal. 
Die Röntgenuntersuchung ergibt eine Infraktion oder vollständige Fraktur 
in der oberen Tibiametaphyse sowie Osteoporose der angrenzenden 
Skelettteile; die Frakturlinie ist absolut quer. Die Heilungsdauer ist 
ausserordentlich verzögert; selbst nach Monaten findet sioh keine Kon¬ 
solidierung der Fragmente, sondern im Gegenteil eine helle Zone im 
Frakturspalt, die auf eine gesteigerte Entkalkung oder Resorption der 
Bruchenden schliessen lässt. Mit der Hungerosteomalazie oder der 
juvenilen Form der Osteomalazie bat das Krankbeitsbild nichts zu tun. 
Es stellt eine besondere Reaktion des im Wachstum und im lebhaften 
Knochenumbau befindlichen Individuums auf die chronische Unter¬ 
ernährung dar. 

N. Jagie und J. Lipiner: Luge ud Atmug bei Bllsera. Ein 
Beitrag zur Frage der Empkysemeatwieklug. (W.kl.W., 1919, Nr. 26 
u. 27.) Auf Grund eingehender Untersuchungen von 46 Berufsoroheeter- 
spielern sowie auf Grund der Betrachtung ihres Atemmechanismus am 
Röntgenschirm wird der Beweis erbraoht, dass das Spielen von Bias- 


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UMIVERSITY OF IOWA 







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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


instrumenten als ätiologisches Moment für die Entwicklung eines Lungen¬ 
emphysems nicht in Betracht kommt. Bei Instrumenten mit starkem 
Luttverbrauoh (Posaune, Basstube) steigt das Zwerchfell kontinuierlich 
bis zur Höhe der extremen Exspiration. Bei Instrumenten mit sehr ge* 
ringem Luftverbrauch (Oboe, Fagotte) besteht aniänglich Zwerohfell- 
Btillstaud in der Inspirationsstellung, gegen Ende des Tones geringes 
Hinaufrücken des Zwerohfells, im Moment des Absetsens starkes ex- 
spiratorisches Hinaufsohnellen. Bei Instrumenten mit mittlerem Luft- 
verbrauch (Flöte, Klarinette, Horn, Trompete) ist antänglicher Stillstand, 
dann allmählicher Anstieg, der immer rascher wird bis zur extremen 
Exspirationsstellung. Glaserfeld. 

Ganter-Tübingen: Experimentelle Beiträge sur Kenntnis des Vor- 
kafelektrokardicgranms. (D. Arch. f. kl. M., 1919, Bd. 129, H. S u. 4.) 
Die ausführliche Arbeit handelt von der Form des Yorhofelektrokardio* 
gramras. 

Reinhar t: Sphygmovolumetrisehe UatersaebaigeB an Herzkranken. 
(D. Arch. f. kl. M., 1919, Bd. 129, H. S u. 4.) Sphygmovolumetrische 
Untersuchungen ao gut kompensierten Vilien ergeben, dass im all¬ 
gemeinen einem Herzen mit grossen SchlagYOlumen auch ein entsprechend 
grosses Pulsvolumen zukommt. Die einzelnen Klappenfehler, mit Aus¬ 
nahme der Aorteniosuffizienz, besitzen sowohl was Pulsvolumen wie 
Arbeitswert anbetnffc, keine absolut charakteristischen Werte. Zelerität 
und Tardität. ist mit dem Spbygmovolumeter sicher zu erkennen. Bei 
Kompensationsstörungen Bind die Pulsvolumina klein und werden unter 
therapeutischen Maassnahmen mit Besserung der Zirkulation grösser. 

Toenniessen: Klinische und funktionelle Beobachtungen über die 
Feldnephritis und ihre Verwertung für die allgemeine Pathologie der 
Niere. (D. Arch. f. kl. M., 1919, Bd. 129, B. 3 u. 4.) Verf. nimmt 
eine Inkubationszeit von 12—14 Tagen an. Die Feldnephritis scheint 
eine relative Immunität zu hinterlassen. Frühere Nierenerkrankungen 
oder familiäre Neigung zu Nierenerkrankungen spielen bei der Patho¬ 
genese eine grosse Rolle. Anamnese und Prodromalsymptome sind sehr 
verschieden und sprechen übereinstimmend nur dafür, dass es sioh um 
eine Infektiooskrankheit handelt. 63 pCt. völlige Heilung nach einem 
Verlauf von 6 Wochen bis zu 10 Monaten; 12pCt. kann man als Fälle 
mit Defektheilung bezeichnen; 13 pCc. endigten mit chronischer Nephritis 
und 3 pCt. letal. Als Besonderheit fand sich in 2 Fällen ein Stadium 
hochgradiger Albuminurie und positive Wassermann’sche Reaktion. 
Vielleicht ist diese Tatsache auf Veränderungen des Lipoidstoffweohsels 
im Anschluss an die fettige Degeneration der Tubuli zurüokzuführen. 
Für die Prognose ist wichtiger als die Intensität der einzelnen Symptome 
die Dauer ihres Vorhandenseins. Die Kombination von geringer Urin¬ 
menge mit niedrigem spezifischen Gewicht ist absolut infaust. Eine 
definitive Prognose lässt sich in den langsam heilenden Fällen erst nach 
ungefähr 6 Monaten stellen. In therapeutischer Beziehung empfiehlt 
Verf. Vorsicht im Gebrauoh der Diuretika. Es wurde in einigen Fällen 
festgestellt, dass Diuretin eine beträchtliche Steigerung der Albaminurie 
verursacht hat. 

Peters: Eine neue Formel für die Anwendung der Gesetze Aübard’s 
zur Diagnostik des Merbus Brightii. (D. Arch. f. kl. M., 1919, Bd. 129, 
H. 3 u. 4.) Verf. weist nach, dass die von Mac Lean und Legneu 
aufgestellten Formeln, welche prozentweise die Grösse des funktions¬ 
fähigen Nierenrestes ausdrücken, ebenso wie die Ambard’sohe Formel 
in vielen Fällen sehr ungenaue Resultate ergeben, und gleichzeitig, dass 
es möglich ist, eine neue Formel zu benutzen, mit welcher sioh zu¬ 
verlässigere Resultate erzielen lassen. Einzelheiten siehe in der Arbeit 
selbst. Zinn. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

V. Kafka-Hamburg: Zur Liqnordiagiostik der infektiösen nickt- 
luetischen Meningitis. (D.m.W., 1919, Nr. 28.) Die Liquordiagnostik 
der akuten infektiösen Meningitis wird durch neuere Reaktionen ergänzt. 
In erster Linie kommen die Hämolysin- und Kolloidreaktionen in Be¬ 
tracht, ferner die Reaktion nach Braun und Hüsler, schliesslich die 
Fibringlobulin- und die modifizierte Ninhydrinreaktion. Eine positive 
Wa.R. der Rückenmarksfiüssigkeit kommt bei einwandfreier Technik und 
Bicher negativer Blutreaktion im Verlaufe der infektiösen nichtluetischen 
Meningitis so gut wie nie vor. Dünner. 


Kinderheilkunde. 

Niemann und K. Foth-Berlin: Epidemische Grippe in Säng- 
lingsalter. (D.m.W., 1919, Nr. 27). Die von den Verff. in einem Säug¬ 
lingsheim beobachtete Grippeepidemie verlief sehr schwer, die Mortalität 
betrug S 8 pCt. _ Dünner. 


Chirurgie. 

K. May er-Basel: Zur Lehre der Strana iltrathoraeiea. (Zbi. f. 
Cbir., 1919, Nr. 24.) Beschreibung eines Sektionspräparats einer Struma 
intrathoracica, welches zunächst den Eindruck eines Lungentumors 
machte. Erst ein schmales atrophisches Band, durch welches der Knoten 
mit der Schilddrüse in Verbindung stand, liess dessen wahre Natur er¬ 
kennen. Verf. fordert dazu auf, diese Verhältnisse mehr zu beachten, 
und er nimmt an, dass auoh der eine oder andere Fall von gutartigem 
Lungentumor der oberen Lungenabschnitte in dieses Kapitel hinein¬ 
gehört. Hayward. 


R. Stich-Göttingen: Chirnrgische Komplikationen bei Grippe. 
(D.m.W., 1919, Nr. 25.) Vortrag in der medizinischen Gesellschaft am 
8 . V. 1919. Dünner. 

A. Troe 11 - Stockholm: Eine Nachuntersuchung von in der chir. 
Abteilung des Serafiner Lazaretts in den Jahren 1£K)7—1914 gepflegten 
Fällen von „Cancer ventncnli inoperabiiis“. (Arch f. klin. Chir., Bd. Ul, 
H. 3.) In der genannten Zeit wurde wegen inoperabien Magenkarzinoms 
187 mal die Gastroenterostomie, 134 mal die Probelaparotomie ausgeluhrt 
und 30 mal wegen der Aussichtslosigkeit des Falles von jedem operativen 
Eingriff Abstand genommen. Es konnten über die gastroeuterostomierten 
Fälle 70 Erkundigungen, über die probelaparotomierten 52 mal Nach¬ 
richten erhalten werden. Hierbei ergab sich folgendes Resultat: von 
den gastroenterostomierten Fällen waren 67 im Verlauf von 1—85 Mo¬ 
naten nach der Operation verstorben, 8 ohne jedes Zeicüen von Krebs 
nach 8 , 7 1 /« und 6 Jahren. Von den Probelaparotomierten waren 
50 innerhalb 1—26 Monaten gestorben und zwei noch nach 6 V 2 Jahren 
gesund am Leben. Bei den mohtoperierten Patienten ist der Tud 26 mal 
innerhalb von 1—26 Monaten nach dem Kraokenhausaufenthalt an 
Karzinom, 1 mal 17 Monate später an Tuberkulose verzeichnet. 3 Pa¬ 
tienten waren ohne jedes Zeichen von Krebs nach 8 V 2 « 8 1 /« und 4Vz 
Jahren. Es ergibt sioh somit, dass von 341 Fällen lUmal die tebiei- 
hatte Diagnose eines unheilbaren Magenkarzinoms gestellt worden war. 

W. K epp ler und F. Erk es-Berlin: Zur Klinik des pylornsfernen 
Ulkfts unter besonderer Berücksichtigung der operativen Resultate. 
(Arob. f. klin. Chir., Bd. 111, H. 4.) 93 Fälle. 71 mal wurde 
die Querresektion ausgeführt, darunter waren 53 Fälle nach Bill- 
rothi und 18 Fälle naoh Billroth II operiert. 3mal wurde die 
Exzision des Geschwüres vorgenommen. 16 mal eine Gastroentero¬ 
stomie, 2mal eine Gastro-Gastrostomie und einmal eine Gastroplastik 
ausgetühri. Die Resultate ergaben für die Operationsmortalität güuBtige 
Erfolge, indem die Gesamtsterblichkeit der resezierten Fälle 9,8 pCt. 
betrug. Was die ferneren Resultate betrifft, so klagten die resezierten 
Fälle über die Beschwerden des sogenannten kleinen Magens, ferner über 
Kreuzschmerzen und Schmerzen in der Magengegend. 4mal traten diese 
Beschwerden erst viele Jahre nach der Operation auf. Vollkommen be- 
sohwerdefrei waren naoh Billroth 1 7, nach Billroth 11 2 Patienten. 
Auffallend günstig waren demgegenüber die Resultate bei der Gastro¬ 
enterostomie. Die Mortalität war gering, nur 1 Todesfall ist hier au 
verzeichnen. Mit Ausnahme eines einzigen Falles, hei welchem der Ver¬ 
dacht auf ein Karzinom besteht, war das Befinden ein sehr gutes. Wenn 
auoh für eine Entscheidung der Frage, Gastroenterostomie oder Re¬ 
sektion, beim pylorusfernen Ulkus diesen 16 Fällen keine ausschlag¬ 
gebende Bedeutung zukommt, so erscheint doch das günstige Resultat 
bei der Gastroenterostomie bemerkenswert. 

K. Kör kl-Wien: Zvrischenschaltug einer Dünndarm gehl Inge hei 
Resektion« der Kardia. (Zbl. f. Chir., 19i9, Nr. 23.) Bei ausge¬ 
dehnten Magenresektionen, namentlich des der Kardia benachbarten Ab¬ 
schnitts, ist die Sicherheit der Naht an der Vereinigungsstelle des Magen¬ 
restes mit dem uoteren Oesophagusabschnitt nicht garantiert. Es gelingt, 
die Prognose des Eingriffs wesentlich zu erhöhen durch Zwischenschaltung 
einer Dünndarmsohlinge. 

A. Sehäffer-Rathenow: Vereinfachte Operation des Nabelschnur- 
fenekes bei Säuglingen. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 26.) Die operative 
Beseitigung der Nabelschnurbrüohe der Säuglinge hat 36 pCt. Mortalität, 
meist infolge von Infektionen. Sohafer’s Methode (vergl. Original) setzt 
die Gefahren der Iafektion auf das denkbar geringste Maass herab. 

H. Kümmell - Hamburg: Zur Operation des hochgradigen Mast- 
daravorfails. (Zbl. f. Chir., 1919, Nr. 25) K. eröffnet die Bauch¬ 
höhle und näht den oberen Teil des Mastdarms, naohdem dieser straff 
aogezogen worden ist, an das Ligamentum longitudinale der Wirbelsäule 
in der Gegend des Piomontoriums an. Der Erfolg der Operation konnte 
über Jahre hinaus als ein dauernder beobachtet werden. Es wird ferner 
bei dem Uterusprolaps der nioht mehr im gebärtähigen Alter stehenden 
Frauen eine entsprechende Operation für den Uterus empfohlen, die in 
der Anheftung der Gebärmutter an der Symphyse bestellt und sich 
ebenfalls als Dauererfolg bewährt hat. Hayward. 

Drüner-Quierschied: Die Operation der Leistenhernie. (D. Zscbr. 
f. Chir., Bd. 150, H. 1 u. 2, S. 7.) D. empfiehlt eine an 684 Leisten¬ 
hernien erprobte Operationsart, die sich auf der von Haokenbruch 
angegebenen aufbaut. B. Valentin- Frankfurt a. M. 

J. Dubs - Winterthur: Ueber retroperitoaeal« Zystenhildug. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 111, H. 8 ) Kurze Uebersioht über Diagnose und 
Therapie der retroperitonealen Zyste mit Literaturan gäbe und An¬ 
führung eines eigenen Falles. 

K 0 erb er - Hamburg: Erfahrungen über Schnssverletznngei der 
Harnblase und der inneren Harnorgane. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 111, 
H. 8 .) Von den 36 mitgeteilten Fällen betrafen 17 die Niere, 2 die 
Harnleiter und 17 die Blase. Die rein extraperitonealen Verletzungen 
der Niere (4 Fälle) sind sämtlich geheilt. Die übrigen Fälle von Nieren- 
verletzungen werden unterschieden in solche mit Eröffnung der Bauch¬ 
höhle und komplizierender Verletzung von Bauchorganen ohne Eröffnung 
des Magendarmkanals (6 Fälle mit 2 Todesfällen) und solche mit gleich¬ 
zeitiger Verletzung des Magendarmkanals (7 Fälle mit 5 Todesfällen). 
Bei den Blasensohussverletzungen waren 4 extraperitoneal (1 Todesfall), 
13 intraperitoneal, davon 10 mit gleichzeitiger Darmverletzung, bei 
welehen 6 Todesfälle verzeichnet sind. Hayward. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 









26. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


809 


Kroiss: UBgewfbaliebe OperatUa bei Haraleitersteia. (W.kl.W., 
1919, Nr. 24.) Da der tiefe Harnleiterschnitt bei geschwächten Indi¬ 
viduen einen zu grossen Eingriff darstellt, wurde bei einem 61jährigen 
Manne mit sohleohtem Hers, der an einem juxta-vesikalen, Stein von be¬ 
trächtlicher Grösse im Harnleiter mit Eiterung um denselben litt, die 
rechtsseitige Nephrektomie ansgeföhrt; der Erfolg war $in sehr guter, 
der Kranke wurde gebeilt, weil der Stein nur durch seine Bolle als 
Weghindernis für das Nierensekret Beschwerden und Gefahren mit sioh 
gebracht hatte. Glaserfeld. 

A. Ssenes: Ein Beitrag sur Kasuistik und Diagnose der sabkataaea 
traiMatisebea Mllsraptar. (W.m.W.. 1919, Nr. 28 u. 24.) An Hand von 
4 Pallen wird die Bedeutung der richtigen Diagnose, deren Möglichkeit 
und Schwierigkeit erörtert. Aus der Feststellung der Bauohdecken- 
Spannung, der Anämie, des intraabdominellen Blutergusses und der 
Milsgegend als Yerletsungsstelle wird meist die riohtige Diagnose ge¬ 
stellt werden können. Bei kompilierten Fällen kaon sie verschleiert 
werden, wird dann aber bei der Operation erkannt. G. Eisner. 

E. E. Pribram- Leipsig: Ein Beitrag sur Erkraakaag der Gallei- 
wege durch Aakaridea. (D.m.W., 1919, Nr. 24.) Bericht über swei 
Fälle; bei dem einen Kranken fand sich ein Spulwurmabssess im Chole- 
dochus. Bei dem sweiten Kranken war ein Askaris im Cboledochus. 

Dünner. 

K. Kädingt Ein geheilter Fall von iatrabepatischeM Aaearysma, 
mit besonderer Berücksichtigung der traaaiatiseheB Leberarteriea- 
aaearysaMi. (D. Zsobr. f. Chir., Bd. 150, H. 1 u. 2, S. 82.) Trots der 
sahireichen Aneurysmabildungen nach Sohussverletzungen ist ein An¬ 
eurysma der Leberarterie auf dieser Basis bis jetst noch nicht bekannt 
geworden. Auoh sonst, nicht durch Schussverletsung entstandene intra¬ 
hepatische Aneurysmen sind sehr selten, bekannt sind bisher nur vier 
Fälle. Bei allen diesen Fällen ist bei Lebseiten nie die Diagnose ge¬ 
stellt worden. Von Leberarterienaneufysmen ist operativ geheilt bisher 
nur der Fall von Kehr durch Unterbindung der Arteria hepatica propria. 
Als sweiten durch Operation geheilten Fall beschreibt K. einen Fall, 
wo Sudeok bei einem intrahepatischen Aneurysma nach Sohussverletsung 
der Leber die Arteria hepatica communis unterband. Dieser Fall erregt 
dadurch ein besonderes Interesse, weil es sich hierbei einerseits um das 
erste operativ gebeilte intrahepatische Aneurysma handelt, hauptsächlich 
jedoch durch die Unterbindung der Arteria bepatioa communis, die auf 
Grund der vorgenommenen Tierversuche durohaus statthaft ist. 

Fr. Breslauer-Berlin: Die Pathogenese der trophisehea Gewebs- 
scbldea nach der NerveiTerletziag. (D. Zsobr. f. Chir., Bd. 150, H. 1 
u. 2, S. 50.) Das seiner sentralen Leitungsbahnen beraubte Gefäss- 
system einer Extremität ist fähig, selbständig eine Zirkulation zu unter¬ 
halten, die für die Ernährung seines Versorgungsbesirks unter normalen 
Verhältnissen ausreicht. Es kommt aber nioht allein auf den Ruhe- 
sustand an, sondern ebenso wichtig ist die Frage, wie sioh das Gefäss- 
syatem beim Hinsutreten von äusseren Sohädigungen verhält. Zu diesem 
Zweok untersuchte B. das Gefässsystem von Nervenverletsten systematisch 
auf seine Reaktionsfähigkeit. Die lokale Reaktionsfähigkeit im Sinne 
der aktiven Hyperämie ist bei der frisohen Nervendurchtrennung er¬ 
halten, bei der älteren regelmässig erloschen. Die periphere Gefäss- 
reaktion auf Senföl war nioht gestört nach Ausschaltung des Grosshirns, 
des Rückenmarks, der hinteren Wurseln sowie unmittelbar nach Unter¬ 
brechung des peripheren Nervenstammes, sie blieb dagegen aus, wenn 
Nervenstamm oder Wurseln längere Zeit durcbtrennt waren.' Dagegen 
bleibt die Reaktionsfähigkeit der Gefässe auf Adrenalin dauernd er¬ 
halten, auoh im jahrelang anästhetischen Hautbesirk. Zusammenfassung: 
Nach Durohtrennung eines peripheren Nervenstammes oder der hinteren 
Wurseln bleibt im anästhetischen Besirk die lokale Reaktionsfähigkeit 
der Gefässe sunäohst ungestört erhalten, und zwar mindestens eine 
Woobe lang. In der Folgezeit geht die lokale Reaktionsfähigkeit der 
Gefässe teilweise verloren. Es bleibt erhalten: die aktive Gefässverenge- 
rung und die ihr folgende paralytische Erweiterung; es geht verloren: 
die aktive GefäsaerWeiterung auf periphere Reise. 

B. Valentin-Frankfurt a. M. 

E. Sohultse - Berlin: Ueber FetteMbolie. (Arcb. f. klin. Chir., 
Bd« 111, H. 8.) Verf. glaubt durch seine Versuche naohgewiesen zu 
haben, dass der Transport des Fettes bei der Fettembolie nur auf dem 
Venenwege durch den negativen Druck im Venensystem erfolgt. 

Diederiohs - Lübeck: Die Faltaagstaapoiade nach Rath heim 
Ulkas der kleinen Kirvatar. (Arch.f. klin. Chir., Bd. 111, H. 8.) Roth 
hat empfohlen, das Magenulkus durch eine Faltungstamponade su be¬ 
handeln, die in der Weise angelegt wird, dass die gegenüberliegende 
Wand wie ein Tampon in das Ulkus gelegt wird. Anschliessend wird 
eine Gastroenterostomie ausgeführt, ln 5 einschlägigen Fällen war der 
Erfolg ein sehr günstiger. Hayward. 

E. Glass-Hamburg: Zur Narketisieraag mit Cblorfttbyl. (D.m.W, 
1919, Nr. 28.) G. hält das Cbloratbyl als ideales Mittel sur Einleitung 
der Dauernarkose, dabei muss man vor dem Stadium exoitationis 
Halt machen. Die Fortsetzung der Dauernarkose erfolgt am besten 
mit Aether und Sauerstoff. — Die zweite Chlorätbylbetäubung ist der 
Chloräthylrausoh, bei dem G. unterscheidet: 1. die Analgesierung bei 
erhaltenem Bewusstsein, 2. den eigentlichen Chloräthylrausch (Stadium 
der Somnolenz), 8. das protrahierte Analgesieatadium betw. den protra¬ 
hierten Chloräthylrausoh . Technische Angaben. Dünner. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

J. van Husen-Bonn: Haateatzfiadiag nach Kalkstiekstoflänger. 

(M.m.W., 1919, Nr. 27.) Der jetzt mangels anderer stickstofloaltiger 
Düngemittel vielfach gebrauchte Kalkstickstoffdünger enthält als wirk¬ 
samen Bestandteil Kalziumzyanamid, als Nebenprodukt Aetzkalk bis 
80pCt. Letzterer kann, wie mehrfache Beobachtungen ergaben, zu 
schweren Hautveräuderuogen führen. Es wurden vesikulöse und bullöse 
Dermatitiden au den freien Hautsfelleu. akute Entzündungen der ganzen 
Hörperhaut und Geschwürsbildung beobachtet. R. Neumann. 

H. Eicke-Berlin: Ueber die Zeit des Eintritts der WasseratBB- 
sebea Reaktion beim Primäraffekt und ihre Abhängigkeit vom S>'tz des 
Schankers. (Denn. Zsobr., Juni 1919 ) Die Wassermann’sche Reaktion 
tritt bei dem Primäraffekt am Bändchen am frühesten auf. Die ana¬ 
tomischen Verhältnisse liegen hier am günstigsten. Erstmalig in der 
8 . bis 4. Woche, regelmässig von der 5. bis 6. Woche an findet sioh 
hier die positive Reaktion. Bei Primäraffekten an der Eichel tritt die 
Serumreaktion erst jenseits der 8. Woohe auf, desgleichen bei Schankers 
am inneren Vorbautblatt. Besonders bei diesen ist der Zusammenhang 
zwischen ihrem Auftreten und dem Grade der Ioguinaldrüsenschwellung 
deutlich. Ueberbaopt ist die Stärke der Ioguinaldrüsenschwellung beim 
Primäraffekt ein direkter klinischer Maassstab für das Vorhandensein 
der Reaktion. Immerwahr. 

A.-J. L. Brocq: Liebe» planes der Schleimhäute nach Leikoplakie. 
(La Presse möl, Mai 1919, Nr. 29, S. 277.) Weit verbreitet sind 
folgende 8 Irrtümer; 1. Jeder dauernde weisse Schleimhauffleck ist eine 
Leukoplakie. 2. Jede Leukoplakie entwickelt sich auf luetischer Grund¬ 
lage. 3. Jede Leukoplakie ist der Beginn eines Schleimhsutepithelioms. 
Jeder dieser 3 Sätze enthält Wahres und Falsches. Setzt man voraus, 
dass „Leukoplakie“ nicht etymologisch aufzufassen ist, sondern als um¬ 
schriebenes Krankheitsbild, so gibt es Herde, die anders als leuko- 
plakiscb aufzufassen sind. Entwickelt sich die Leukoplakie auch meistens 
als Erscheinungsform der Lues, so ist sie es dennoch nicht immer; das 
geht daraus hervor, dass Leukoplakien bestehen, ohne dass anamnestische, 
katamDestisobe, klinische und serologische Zeiohen von Lues vorhanden 
waren, und ferner Träger einer Leukoplakie frisohe Lues erwarben. 
Traumatische Entstehung der Leukoplakie — bei Rauchern, Glasbläsern, 
Leuten mit kariösen Zähnen und schlecht sitzenden Gebissen — ist 
andererseits ohne Lues häufig beobachtet. Allerdings scheint sich die 
Leukoplakie bei Syphilitikern eher und heftiger zu entwickeln; sie kann 
dabei immer noch rein traumatisch sein und wird dann durch die anti- 
syphilitische Behandlung natürlich nicht beeinflusst. Oder aber es ent¬ 
stehen Mischformen von traumatisch-essentieller Leukoplakie mit Er¬ 
scheinungen sekundärer oder tertiärer Lues. Dann bat die antiluetiscbe 
Kur Erfolg; entweder verschwindet der luetische Anteil oder aber mit¬ 
unter auch der ganze Herd. Fraglich ist, ob essentielle Leukoplakie 
ohne traumatische Ursache Vorkommen kaDD. Krakau er-Breslau. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

v. Schubert-Marburg: Ueber das Vtrhaltaa des Magens gegen 
Bude der Schwangerschaft und -nach der Gebart. (Fortscbr. d. Rönt- 
genstr., Bd. 26, H. 3) Das Verhalten des Magens gegenüber den 
grossen Aenderungen in der Bauchhöhle hängt zum grossen Teil vom 
Grade seiner eigenen muskulären Aktion ab. Je besser der Tonus der 
Muskulatur ist, um so besser verhält er sich auch gegen Ende der 
Schwangerschaft und nach der Geburt. Die Untersuchungen haben er¬ 
geben, dass jeder Magen das Gesetz seines Verhaltens demnach in sich 
selbst trägt, indem der Magen mit gutem neuromuskulären Apparat auf 
dieselbe Aenderung der Raumverteilung und der Druck Verhältnisse 
anders reagiert als der Magen mit sohlechtem neuromuskulären Apparat, 
dass ferner bei den gewaltigen Aenderungen im Baucb Dicht so sehr 
die äusseren Umstände das Verhalten des Magens beeinflussen, als die 
Aktion seiner Muskulatur. Schnütgen. 

A. Foni-Langau-Bern: Die extraperitoaeale Verlagerang der 
UteriSWllde beim traosperitonealen Kaiserschnitt. (Korr.-Bl. f. Sohw. 
Aerzte, Nr. 25.) Das Verfahren wurde in 11 Fällen vom Verf. mit Er¬ 
folg ausgeübt. R. Fabian. 

Gail-Triest: Beekeaerweitcride Operationea oder traasperite- 
oealer Kaiserschnitt? (Mschr. f. Geb. u. Gyn., Juni 1919) Es wurden 
die Resultate der Sympbyseotomie uDd Hebosteotomie einerseits, des 
transperitonealen Kaiserschnitts andererseits auf Grund der letztveröffent- 
lichten Arbeiten und von 22 eigenen Fällen von Kaiserschnitt einander 
gegenübergestellt. Io bezug auf die mütterliche, noch mehr aber die 
kindliche Mortalität, aber auch den Woohenbettverlauf erweist sich der 
Kaiserschnitt als weit überlegen; er kann auch bei fiebernden Fällen 
angewandt werden. 

Hoistätter-Wien: Ueber die Befunde bei hyperhypopbysiertea 
Tieren. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., Juni 1919) TrausplantatioDs- und 
Fütterungsversuche ergaben unbefriedigende Resultate. Injektionsver- 
suohe an 70 Kaninchen verschiedenen Alters sprechen im allgemeinen 
für eine protektive Wirkung auf die Keimdrüse UDd deren Funktionen, 
rowie auf die Milchdrüse. So erklären sie die günstige Wirkung der 
hypophysären Medikation bei allgemeiner Hypoplasie, mangelhafter 
Ovariallunktion (Amenorrhoe) beim Morbus Basedowii usw. 

Arndt-Landeshat i. Sohl.: Ueber das physiologische und patho¬ 
logische Vorkommen morphologisch darstellbarer Lipoide in den Ge- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


schlechtsorgtuoi des Weibes. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., Mai u. Juni 1919 ) 
Untersuchungen &d Vagina und Tabe. Maeosa muscularis und zentrale 
Adventitia der normalen Tube, sowie der Vagina enthalten weder 
isotrope noch anisotrope Lipoide in morphologisch nachweisbarer Form. 
Auch im Alter tritt, mit Ausnahme der Gefasswände, eine Lipoidab¬ 
lagerung nicht ein, entgegen den Befunden am Uterus. Dagegen treten 
sie im Gefolge von Entzündungen auf; sie sind dabei nicht immer durch 
Resorption aus dem eitrigen Tnbeninhalt aufgenommen, sondern werden 
mitunter duroh de generative Vorgänge der Tubenwand selbst gebildet. 

Trebing-Berlin: Lokals und iuterue Auwendnug des Jod in der 
Gynäkologie. (Mscbr. f. Geb. u. Gyn., Juni 1919) Die altbekannte 
vaginale Anwendung des Jod in der Form von Jodglyzerintampons wird 
in ihrer resorptiven Wirkung wesentlich unterstützt durch interne Ver¬ 
abreichung von Jod. Dabei erwies sich als gut bekömmlich und dabei 
wirksam das Jodtropon in der Dosis von 3 mal tägl. 1—2 Tabletten. 
Sehr gute Wirkungen wurden damit auch bei essentieller Dysmenorrhoe 
erzielt, wenn täglioh 6 Tabletten kurz Yor und während der Menses ge¬ 
geben wurden. L. Zuntz. 

H. Hinterstoisser-Tesohen: Zur Kasuistik der traumatisch«! 
Uterusrnptur während der Schwangerschaft. (W.kl.W., 1919, Nr. 26.) 
Durch Sturz auf den Leib im 6. Sohwangerachaftsmonat entsteht 
ein Fundusriss, duroh den der Fötus teilweise in die Bauchhöhle aus- 
tritt. Es kommt zur Abkapselung, durch Verwachsung, Verlötung von 
Dünndarmschlingen mit dem Uterusfundus, zu entzündlichen Ver¬ 
wachsungen, zum Zerfall des Fötus, zur Abstossung seiner Skelettteile 
durch die Scheide und zur Einwanderung der in der Bauchhöhle liegen¬ 
den Fötusanteile in den Darm. Entleerung des Uterus. Ausschabung 
desselben, Resektion des Dünndarmskonvoluts und Vereinigung des 
Dünndarms End zu End ein halbes Jahr nach dem Unfall fuhren zu 
glatter Heilung. Glaserfeld. 

Dietrich-Göttingen: Zur Bev$lkeruugspolitik. (Msohr. f. Geb. u. 
Gyn., Juni 1919.) Verf. berechnet für GöttiDgen eine Steigerung 
der Aborte im Verhältnis zu den Geburten von 6,3 auf 13,6 pCt. Im 
Anschluss daran werden die bekannten sonstigen Gründe für den Rück¬ 
gang unserer Bevölkerungssahl erörtert und betont, dass hier eine Be- 
kämpfuug derselben viel mehr bevölkerungspolitische Maassnahmen des 
Staates, als ärztliches Eingreifen in Betracht kommen. L. Zuntz. 


Augenheilkunde. 

K. Alawowski-Prag: .Eine Komplikation italienischer Plastik mit 

der* Wölfler’schen Transplantation von Schleimhaut zum Ersatz eia es 
Unterliddefektes. (Klin. Mbl. f. Augblk., Bd. 62, Mai 1919.) Das ge¬ 
schilderte Verfahren ist für solche Fälle von Lidplastik reserviert, in 
denen ein Lid in ganzer Dicke ersetzt werden muss, ohne dass in der 
Nachbarschaft Bindehaut oder Haut zur Verfügung wäre, und ohne dass 
die Möglichkeit einer stiellosen Hautimplantation gegeben wäre. Das 
Verfahren besteht darin, dass erstens der entsprechend gross, d. b. über¬ 
schüssig breit und lang gewählte Lappen aus der Brustbant in passender 
Stellung zu beiden Seiten Umschnitten, von der Unterlage abpräpariert 
und brückenartig duroh Gaze abgehoben erhalten wird. Tn einer zweiten 
Etappe wird die Abtrennung in derRiohtung gegen den Hals verlängert, 
in einer dritten das Ende des Lappens quer abgetrennt, aber so. dass 
er zu beiden Seiten noch mit einer schmalen Brücke haftet und dann 
entweder sofort oder einige Tage später an dem genannten Ende in 
ausreichender, wieder überschüssiger Breite mit Wangenschleimhaut 
unterpolstert. F. Mendel. 

Igersheimer - Göttingen: Eine Brille für Hevfaiopiker (D.miW., 
1919,-Nr. 28.) Nach einem Demonstrationsvortrag in der medizinischen 
Gesellschaft am 10. April 1919. (Siehe Gesellschaftsbericht der B.kl.W., 
Nr. 28.) Dünner. 

L. Koppe -Halle: Ein Universalbestrahlungsapparat für Augen¬ 
tuberkulose. (M.m.W., 1919, Nr. 27.) Beschreibung eines von den Zeiss- 
werken konstruierten Bestrahlungsapparates, der durch Kombination 
dreier optischer Systeme und durch Einschaltung von Lichtfiltern ge¬ 
stattet, den ganzen Bulbus oder Iris und Kornea gesondert zu bestrahlen. 

R. Neumann. 

E. Hertel - Strassburg i.E.: Ueber Magnetleistungen und Versuche, 
sie zu steigern. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, Mai 1919.) Wenn auch 
die technische Ausbildung des vom Verf. angegebenen Hilfsapparates 
noch nicht völlig geklärt ist, so dürfte doch aus den Mitteilungen her¬ 
vorgehen, dass eine geeignete Ausnutzung des Einflusses, den man 
durch die richtende Kraft der Magnete auf die Orientierung des Splitters 
ausüben kann, nicht unwesentlich zur Verbesserung der klinischen 
Leistungen der Magnetextraktionen beitragen wird. 

A. Loewenstein - Prag: Ueber ein neues Verfahren zur Operation 
partieller Staphylome der Hornhaut. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, 
Mai 1919.) Das vom Verf. ausführlich beschriebene Verfahren erscheint 
angezeigt bei allen Fällen von umschriebenen Staphylomen des vorderen 
Augapfelabschnittes, bei denen die Iridektomie keine dauernde Ab¬ 
flachung der Vorwölbung erzielt. Vorausgesetzt ist gute Lichtempfindung 
des Auges und Fehlen von pathogenen Keimen im Bindehautsack. 

A. Vogt-Basel: Das Farben Behil lern des hinteren Linsenbildes. 
(Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd.62, Mai 1919.) Das hintere Farbensohillern findet 
sich als Frühsymptom der Cataracta complicata. Es findet sioh regelmässig 


bei länger bestehender Amotio retinae, chronischer IridocborioiditiB, 
Glanooma ahsolutum, Retinitis pigmentosa. Glaskörperdegeneration ver¬ 
schiedener Ursache, z. B. solcher zufolge degenerativer Myopie. 

E. Fuchs-Wien: Anatomischer Befnnd bei angeborener Myopie. 
(Klin. Mbl. f. Agblk., Bd. 62, Mai 1919) Bei den veröffentlichten Fällen 
ist folgendes gemeinsam: 1. Der LaDgbau, welcher hauptsächlich duroh 
Dehnung des hinteren Augenabschnittes bedingt ist. ohne dass der vor¬ 
dere Abschnitt ganz frei von Vergrösserung wäre. 2. Die im Verhältnis 
zur Dehnung geringe Verziehung des Skleralkanals. 3. Die für die höbe 
Myopie unerwartet gute Beschaffenheit der Aderhaut. Sie liess anatomisch 
im ersten Falle gar keine, im zweiten Falle nur ganz unbedeutende 
Veränderungen erkennen, obwohl man starke, durch Dehnung gesetzte 
Schädigungen hätte erwarten dürfen. Vielleicht hat das Verhalten der 
Aderbaut seinen Grund eben in der Tatsache, dass die Kurzsichtigkeit 
angeboren ist. 4. Die Gegenwart angeborener Anomalien. Zu diesen 
gehört in beiden Fällen der grössere Durchmesser und die Ausstülpung 
des Sehnervenkopfes, im ersten Falle der vom Sehnerveneintritt so weit 
entfernte Ansatz der Duralscheide, im ^zweiten Falle das frühere Auf¬ 
hören des Neuroepithels mit Umsohlagung nach hinten und die Rosetten, 
in beiden Fällen vielleicht die Amblyopie. F. Men dal. 

E. Fuchs: Zur pathologischen Anatomie der GlaskSrperblutungen. 
(Graefe’s Arch., Bd. 99, H. 2 u. 8.) Verf. bespricht zunächst den Ort 
der Blutungen und schildert die an die Aussenfläche des Glasskörpers, 
d. h. zwischen ihn einerseits und Linse, Strahlenkörper oder Netzhaut 
andererseits ergossenen Blutungen, dann die Blutungen in den Glas¬ 
körper selbst. Es gelang u. a. der Nachweis eines Zentralkanals und 
von Lamellen im Glaskörper. Was die Beschaffenheit des Blutes angebt, 
so kann die Gerinnung ausbleiben. An den Erythrozyten wird Quellung 
wie Schrumpfung beobachtet, sie sind bald färbbar, bald nicht, durch 
Hämolyse sehr häufig verändert, deren Ursache nioht mit Sicherheit 
festzustellen und deren örtliche Verteilung verschieden ist. Die Hämo¬ 
lyse tritt in den ersten Wochen nach Beginn der Blutung ein, der 
Inhalt der roten Blutzellen kann in die vordere Kammer diffundieren, 
auch Dunkelfärbung einer hellen Iris auslösen. An hämoglobinbaltigen 
Firyfhrosyten kann Agglutination Vorkommen. Aus der Besprechung des 
Verhaltens der weissen Blutzellen sei hervorgehoben, dass ältere Blut¬ 
ergüsse fast nur noch Lymphozyten, später auch diese kaum noch ent¬ 
halten. In den ersten 5 Wochen treten Körnchen auf, die der Auf¬ 
lösung verfallen und ans dem Inhalt der roten Blutzellen stammen; die 
bei Durchblutung der Hornhaut nachweisbaren Körnchen unterscheiden 
sich nicht grundsätzlich von denen bei Glaskörperblutungen. Der Glas¬ 
körper reagiert nicht auf die Blutung, wohl aber die umgebenden Häute. 
Vom Ziliarepithel stammen Zellen, die retinales Pigment enthalten. Die 
Aufsaugung der Blutung erfolgt z. T. durch Phagozytose; die Phago¬ 
zyten sind teils Lymphozyten, teils einkernige, selten polymorphkernige 
Leukozyten. Die von den Phagozyten aufgenommenen Erythrozyten 
oder Körnchen werden in Pigment oder in Lipoid umgewandelt. Je ent¬ 
fernter die Blutung vom gefäss führen den Gewebe ist, um so geringer ist 
die Phagozytose, die auch von der Beschaffenheit der Blutung beeinflusst 
wird. Nur kleinere Ergüsse können durch sie beseitigt werden. Verweilt 
Blut längere Zeit im Glaskörper, so kommt es zu reaktiver Wucherung 
von Gewebe, das vom Gorp. oil. oder von der Netzhaut ausgeht. 

K. Steindorff. 

E. Gallus-Bonn: Gibt es eine Cataracta diabetica? (D.xn.W, 
1919, Nr. 24.) Von 609 Diabetikern fand sioh bei 32,5 pCt. Katarakt. 
G. steht auf dem Standpunkt, dass es keine diabetische Katarakt 
gibt. Es ergab sich aus dem Material aber, dass Diabetiker parallel 
zur Cataracta senilis häufiger an Star erkranken als Niohtdiabetiker, 
und dass bei beiden wiederum eine besondere Neigung der Frauen für 
Starbildung vorbanden ist. Dünner. 

A. Vogt-Basel: Die Diagnose der Cataracta complicata bei Ver¬ 
wendung der Gullstrand’schen Spaltlampe. (Klin. Mbl. f. Kiodhlk., Bd. 62, 
Mai 1919.) Nach den Beobachtungen des Verf. können Cataracta com¬ 
plicata und traumatischer Rosettenkatarakt sowohl unter sich, als auch 
vom Altersstar klinisch scharf getrennt werden. Dies ist schon in früh¬ 
zeitigen Stadien möglich, und zwar ohne dass dabei die Anamnese be¬ 
rücksichtigt wird. Die traumatische hintere Rosettenkatarakt befallt 
gerade nur das Nahtgebiet, während die Peripherie, also der äquatoriale 
Abschnitt trübungsfrei bleibt. Die Beobachtungen mit Spaltlampe und 
Kornealmikroakop beweisen einwandfrei, dass eine traumatisch erzeugte 
Katarakt sich spontan wieder aufhellen und vollkommen verschwinden 
kann. F. Mendel. 

Rados: Ueber spontane Iriscysten nnd tranmatiseke Skleral- 
zysten. (Graefe’s Arch., Bd. 99, H. 2 u. 3.) Verf. teilt 2 Fälle von spon¬ 
taner Iriszyste mit, die am Pupillarrande in der vorderen Irissobioht 
lagen; mindestens ihre Anlage war angeboren. Die vordere Wand war 
nur von einer dünnen Irisschicht bedeckt, die hintere war von der 
ganzen Iris gebildet, die Zystenwand bestand aus typisohen Epithel¬ 
zellen, die Pigment enthielten. Weiter beschreibt R. eine traumatische 
Zyste der Lederhaut in einem Auge, das an einem skrofulösen Horn¬ 
hautgeschwür mit sekundärer Einlagerung der Iris gelitten hatte. 

K. Steindorff. 

C. Vel ha gen - Chemnitz: Eine gliomähnliche Geschwulst (Neuro- 
epithelioma gliomatosum syringomyeloides) des Corpus ciliare. (Klin. Mbl. 
f. Aughlk., Bd. 62, Mai 1919.) Auf Grund der in der Literatur nieder¬ 
gelegten Beobachtungen und Forschungsresultate wird man die Ver- 


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26. A ug ust 1 919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


wandtsohaft des vom Verf. beschriebenen Tumors des Corpus ciliare mit 
den epitheliale Einschlüsse enthaltenden Gliomen des Zentralnerven¬ 
systems nicht leugnen können. F. Mendel. 

V. Schieck-Halle a. S.: Ueber Iritis seresa. (D.m.W., 1919, 
Nr. 25.) Untersuchungen mit der Gullstrand’schen Spaltlampe bei Iritis 
aerosa, die Sch. bespricht, zeigen eine Betauung der Horn haut binter- 
fläohe mit einer dioht aneinandergereihten Menge von glasigen, zähen 
Tröpfchen. Man muss annehmen, dass sich dieses Material an allen 
Teilen des Auges absetzt, die die vordere Kammer begrenzen. Es 
resultiert eine mechanische Behinderung des Kammerwasserabflusses, 
deren Folge eine Vertiefung der Vorderkammer und Steigerung des 
Augenbinnendruckes ist. Der Name Iritis serosa ist falsch. Nicht aus¬ 
getretenes Serum füllt die Vorderkammer, sondern das angestaute, am 
Ausfluss duroh die verstopften Foren des Kammerwinkels behinderte 
Kammervasser presst die Iris nach hinten. Therapie: Funktion der 
Kammer. Dünner. 

L. Koeppe-Halle: Die Theorie und Anwendung der StereoMikro- 
ikepie des leheiden Meiscklichei Kanerwinkeis in lokal» Lickte 
der Gills trän d’scb» Nerastspaitlampe. (M.m.W., 1919, Nr. 26.) Die 
Stereomikroskopie des Kammerwinkels war bisher wegen zu starker 
Lichtbrechung an der Hornhautobeifläche unmöglich. Verf. gelang es, 
diese Schwierigkeiten duioh Vorschaltung einer mit physiologischer 
Kochsalzlösung zu füllenden gläsernen Aullagekammer und eines Auf- 
lageglases aut die lebende Hornhaut zu beseitigen. R. Neu mann. 

Vogt: Zur Technik der Ophthalmoskopie im rotfreien Licht. 
(Graefe’s Aron., Bd. 99, H. 2 u. 3.) Methodik. K. Steiudorff. 

C. 0. Roelofs und W. P. C. Zee man-Amsterdam: Die Sehschärfe 
im Uälhdamkel, zugleich ein Beitrag zur Kenntnis der Nachtblindheit. 
(Graefe’s Arch., Bd. 99, H. 2 u. 8, S. 174.) Die Nachtblindheit ist 
nicht lediglich eine Adaptionsstörung; Veiff. suchen aut physiologischem 
Wege ihr Wesen zu erklären. Zunächst wird der Begriff Nacht bzw. 
Dämmerung bestimmt: die gesamte Lichtstärke des Sternen lichtes be¬ 
tragt 0,00057975 M. K., die Beleuchtung eines Gegenstandes auf der 
Erde noch nicht 0,0003 M. K. Es wird dann unser Lichtuntersoheidungs- 
vermögen und unsere Sehschärfe bei diesem schwachen Licht lestgestelit. 
Die Abhängigkeit des Schwellenwertes von der Grösse des Versuchs¬ 
objekts zeigt, dass der Schwellenwert ungeeignet ist, unsere Bewegungs- 
lähigkeit bei schwachem Licht zu messen. Zur Beurteilung des Ein¬ 
flusses der Beleuchtung auf die Sehschärfe wurde sowohl die Grösse des 
Empfindungskreises wie auch die Feinheit des Richtungssinnes ermittelt. 
Es ergab sich eine Zunahme der Sehschärfe mit der Verstärkung des 
Lichts, steigt dieses in geometrisoher Progression so auch jenes, wobei 
aioh Empfindnngkreis und kleinste — Breite bis auf ein Minimum ein¬ 
ander nähern. Die Zunahme der S. gilt sowohl bei Messung des Emp¬ 
findungskreises und der kleinsten — Breite wie auch bei Zugrundelegung 
der Feinheit in der Wahrnehmung von Riohtungsunterschieden. Bei 
einer Beleuchtung von 0,0003 beträgt S. — V« —Vöo hei einem Kon¬ 
trast, wie er zwischen rein weissen und M. K. schwarzen Objekten be¬ 
steht. Neben grossen Schwankungen in der Beleuchtung gehen nur 
relativ kleine der S. einher; zur Bewegung im Halbdunkel bedarf es nur 
sehr geringer Sehschärfe. Künstlich erzeugte Relraktionsanomalien beein¬ 
flussen die Liohtempfwdliohkeit nicht; aber um eine gewisse S. zu er¬ 
reichen sind viel grössere Lichtmengen nötig. Bei Miosis verringert sich 
der ungünstige Einfluss von Breohungsanomalien auf die Beleuchtungs- 
anforderangen. Auch psyohisohe Faktoren prädisponieren für das Auf¬ 
treten von Nachtblindheit. K. Steindorff. 

K. S zymanowsky - Breslau: Zur Frage der retrohilhär» Nesritis 
hei Kriegateiliehmen. (Klin. Mbl. f. Aughik., Bd. 62, Mai 1919.) Nach 
Zusammenfassung der einzelnen Krankhenssymptome in den 4 beobach¬ 
teten Fällen ergibt sich folgendes: Bei allen Patienten trat die Ver¬ 
schlechterung der Sehkraft allmählich ein, Wochen ja Monate ver¬ 
gingen, ehe sie sich krank meldeten und in ein Lazarett kamen. Stets 
war die Sehstörung eine doppelseitige, oder die Erkrankung des zweiten 
Auges folgte rasch der des ersteren. Die Gesichtsfelddelekte waren stets 
zentral gelegen, z. T. absolut, z. T. relativ, und stets war die Peripherie 
frei. Der ophthalmoskopische Befund war in allen Fällen ein positiver. 
Stets fand w sioh die temporale Papillenhälfte abgeblasst, während der 
sonstige Fundus sowie die Makula intakt blieb. Trotz intensivster 
Forschung konnte die Aetiologie des Leidens nicht festgestellt werden. 

F. Mendel. 

L. Borohardt and A. Brüokner: Gesehwnlstlildiig an der 

Hirnhasis mit Einwuoherung in die 8ehnerven. (Graefe’s Arch., Bd. 99, 
H. 2 u. 8.) Eine 43 Jahre alte Frau litt Bohon lange an Kopfschmerzen, 
zu denen sioh Sehatorungen beiderseits, Symptome vom rechten N. V., 
linken N. VH., doppelseitige Abduzenspaiese, später Beteiligung des 
rechten N. UL gesellten; später psychische und Symptome von ge¬ 
steigertem Hirndruok. Obwohl die Patientin zweifellos Lues gehabt hat, 
versagten alle spezifischen Kuren. Die Obdaktion zeigte, dass die Dia¬ 
gnose Hirnlues talsoh war. Es fand sioh eine mehr verdrängend als 
infiltrierend wachsende Gesohwulst, die den Sarkomen zugereohnet wird 
und von der Pia der rechten Seite des Hirnstamms ausgegangen zu 
•ein soheint; bemerkenswert die schwere Beteiligung beider Sehnerven 
mit Dnrohbruoh der Gesohwulst in die freie Orbita, das Gewebe des 
Sehnerven und in den subretinalen Raum. K. Steindorff. 


811 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen, 

D, Pometta-Luzern: Einige Bemerkungen zur Frage der trMMl- 
tisch» Hernien. (Korr.-Bl. f. Schweiz. Aerzte, Nr. 15.) Eine Unfall¬ 
hernie wird dann angenommen, wenn der Patient im Augenblick 
der Anstrengung einen heltigen Schmerz in der Leiste empfunden hat. 
Die Beschwerden sind derart, dass die Arbeit sofort oder bald nach 
dem Unfall unterbrochen und ärztliehe Hille autgeäuoht werden muss. 
Die Heruie darf nur klein und wenig beweglich sem. Dasselbe gilt 
für die Bruobpforte. Die Hernie sowie die Bruohpforte sind objektiv 
druckempfindlich. An den Rändern der Brucbptorte sind Unregelmässig¬ 
keiten fesizustelien. Bei den frischen Hernien, die nicht duroh 
einzige, sondern duroh eiüe Reihe von Druckerhöhungen entstehen, fehlen 
die akuten Erscheinungen. In solchen Fällen lehnt die Versicherungs¬ 
anstalt die Eatschädigungspfiicht ab, übernimmt wohl aber die Kosten 
der Operation. Eine Verschlimmerung einer alten Hernie wird dann 
angenommen, wenn nach dem Unfall an der Hernie akute, kliniaohe 
Erscheinungen festgestellt werden können, wie Schmerzen am Bruchsack, 
Bruchring, Uebelkeit, plötzliche Verdauungsbeschwerden, schwerere 
Reponibimät, Einklemmung der Hernie. Die Arbeitsuniäbigkeit beträgt 
im allgemeinen 8 Tage, später bewegt sioh die Herabsetzung der Arbeits¬ 
fähigkeit zwischen 10 und IdpCt. R. Fabian. 


Schiffs- und Tropenkrankheiten. 

Low-London: Behandlung der Kala-asar Mit AatiMO&iim tarta- 
ratin. (Brit. med. journ., Nr. 3049.) An einem Kala-azar-Kranken, 
der an einer Influenza-Lungenentzündung zugrunde ging, konnte naoh- 
gewiesen werden, dass nach einer ausgiebigen Behandlung mit Ader¬ 
einspritzungen von Antimonium tartaratum keinerlei Schmarotzer in den 
inneren Organen und den Lymphdrüsen mehr zu finden waren. Verf. 
loigert hieraus, dass Antimonium tartaratum in der Tat ein Spezifikum 
gegen diese tödliche Krankheit ist. Dooh ist das Mittel mit Vorsicht zu 
gebrauchen, da es bei längerer Anwendung und bei zu grossen Gaben 
lettige Entartung an Leber und Nieren hervorruft, die ihrerseits zum 
Tode führen können. Es sind deshalb die Einspritzungen höchstens 
zweimal wöchentlich und mit einer nicht zu starken Lösung zu machen; 
ausserdem ist an den Tagen der Einspritzungen Bettruhe unbedingtes 
Erfordernis; ferner ist -während der ganzen Kur auf etwaige Magen- oder 
allgemeine Störungen sorgfaltigst zu achten. Sohreiber. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Laryngologtache Gesellschaft ra Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 28. März 1919. 

Vorsitzender: Herr P. Hey mann. 

Schriftführer: Herr Gutzmann. 

Hr. P. Hey mann spricht der Gesellschaft seinen herzlichen Dank 
aus für die Ernennung zum Ehrenmitglied. Der Vorstand hat ihm diese 
Ernennung kundgetan, indem er in corpore ihm zu seinem 70. Geburts¬ 
tag gratulierte und ihm ein künstlerisch ausgestattetes Ehiendiplom und 
ein sohönes Blumenarrangement überreichte. 

Sodann berichtet er, dass Frl. Mary Frankel, die einzige zurzeit 
lebende Tochter Bernhard Fränkel’s, ein sehr kostbar ausgestattetes 
Album, das die Dozenten der Laryngoiogie an den deutschen Hoch¬ 
schulen ihrem Vater zu seinem 70. Geburtstage überreicht haben und 
das neben einer stilistisch schönen Widmang die Photographien aller 
dieser Herren enthält, der laryngologisohen Gesellschaft als „Andenken 
an ihren Vater“ überwiesen habe. 

Hr. Hey mann beantragt, den Vorstand zu beaaftragen, Fräulein 
Fränkel den herzliohen Dank der Gesellschaft für das hoobherxige Ge¬ 
schenk auszusprechen. 

Vor der Tagesordnung. 

1 . Hr. A. Blsmeithal: Fall voi aisgedekitem Lisas des Pkaryix 
aad Larynx. 

Ich möchte Ihnen einen Fall von ausgedehntem Lupus des Pharynx 
und Larynx zeigen. Der Patient hat ausserdem nooh Knötchen an der 
rechten unteren Musohel. Hereditär ist er scheinbar nicht belastet; er 
gibt nur an, dass ein Vetter lungenkrank ist, Geschwister und Eltern 
sind gesund. Kr erkrankte vor 9 Monaten an Heiserkeit. Der Zustand 
hat sich seitdem verschlimmert, es sind auoh Sohluckschmerzen vorüber¬ 
gehend aufgetreten. Abgemagert ist er nicht. Der Lupus zieht in 
Form einer dicken flächenlörmigen Infiltration an der hinteren Rachen- 
Schleimhaut entlang nach oben bis in den Nasenrachenraum. Ausser¬ 
dem ist der ganze Kehlkopfeingang ergriffen. Auffällig ist das völlige 
Fehlen von lilzerationen in der Infiltration auf der Rachenschleimhaut. 
Im Kehlkopf sind ebenfalls ulzerierte Stellen nicht sicher festznstellen. 
ich würde es mit Freude begrüssen, wenn bei dieser Gelegenheit Er¬ 
fahrungen über den therapeutischen Effekt der Friedmann’sohen Injek¬ 
tionen bei Lupus bekannt gegeben würden, leb selbst habe sehr wenig 
Erfahrung. Nur in der letzten Zeit habe ich einen Fall von Nasenlupus 
beobachtet, bei dem mehrfach Friedmann’sehe Injektionen ohne jeden 
therapeutischen Erfolg gemaoht worden sind. Friedmann verlangt für 


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UNIVERSUM OF IOWA 



812 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Kr. 34. 


seine Falte in erster Linie leichte Formen, für schwere lehnt er das 
Kittel ab. Da Lupus eine leichte Form der Tuberkulose darstellt, so 
wurde dieser Fall seiner Indikationsstellung entsprechen. 

2. Hr. P. Heymann: Ich habe seinerzeit einen sehr schweren Fall 
von Lipon den Gaumens, den Kehlköpfen usw. mit dem Friedmann- 
sohen Mittel behandeln lassen und sehr gute Erfolge damit erzielt. Die 
luposen Infiltrationen sind im wesentlichen zurüokgegangen und befand 
sich Patient, als ich ihn das letzte Mal sah, subjektiv uod objektiv sehr 
gut. Er ist. dann aus unserem Gesichtskreis verschwunden, so dass ich 
zurzeit nicht weiss, was weiter aus ihm geworden ist. 

3. Hr. Laiteaschläger: Vorstellung dreier operierter Pille voi 
Oiftoa. 

a) Die Patientin hatte eine exzessive Weite Nase. Die Nase war 
durch Operationen am Siebbein und Resektionen im Gebiet des mittleren 
Nasen ein ganges besonders stark erweitert. Von der unteren Muschel 
war so gut wie nichts zu sehen. Ich habe Bedenken getragen, zu 
operieren, weil kein Material zum Ersatz des Naseninnern mehr vor¬ 
handen war. Am 10. September 1918 habe ich dann die Operation aus- 
geführt nach der Methode, die. ich in der Deutschen medizinischen 
Wochenschrift veröffentlicht habe: ausgedehnte Verlagerung der lateralen 
Nasenwand mit Einwärtsdrehung eines grossen Knochenstücks zu der 
Apertura pyriformis. Ich zeige den Fall deshalb, weil Sie sehen, dass 
die Methode sich auch für exzessiv weite Nasen gut eignet. Witt- 
maack hat seine Methode der Einpflanzung des Duotus Stenonianus in 
die Kieferhöhle für diese exzessiv weiten Nasen reservieren zu müssen 
geglaubt. Ich bemerke noch, dass bei der Operation auf der rechten 
Seite die laterale Nasenwand fast vollständig luxiert wurde — ohne Ab¬ 
sicht. Ich habe rechts sofort geschlossen mit dem Erfolge, dass das 
luxierte Knochenstück glatt einneilte. Resultat beiderseits gut. 

b) Eine Patientin mit relativ enger Nase, aber ausgedehnter Borken¬ 
bildung. Eine Nebenhöhleneiterung war vor der Operation nioht nach¬ 
zuweisen. Nach Eröffnung der Nebenhöhle hat sich herausgestellt, dass 
im Siebbein und in der Kieferhöhle chronische Degeneration der Schleim¬ 
haut vorlag. Die mikroskopischen Präparate habe ich aufgestellt. Pa¬ 
tientin ist mit Einpflanzung grösserer Schleimhaut!appen in die Kiefer¬ 
höhle operiert worden. Resultat gut. 

c) Die Patientin habe ich vor 14 Tagen hier in der Charitö operiert. 
Resultat vorläufig unbefriedigend. Die aufgestellten mikroskopischen 
Präparate zeigen ausgedehnte fibröse Schleimüautdegeneration. 

Tagesordnung. 

Hr. Laiteisehllger: Ueberjlei Nachweis chronisch entzündlicher 
Vorgäige i* den NebeihSklenschlehnhiaten (mit Demomstration 
mikroskopischer Präparate). 

(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift.) 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cnltnr zu Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 4. April 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Pinesower: Kurse Vorfflhrug eines Falles voi Erythema 
iidiratam serophulesorum Bazin. 

Der Fall betrifft ein 16jähriges, blasses, in der körperlichen Ent¬ 
wicklung auffallend zurückgebliebenes, wie ein Kind von 12 Jahren aus¬ 
sehendes Mädchen. Die Kranke ist angeblioh bisher stets gesund, ins¬ 
besondere nie lungenkrank gewesen. Auch in ihrer Familie sind keine 
Erkrankungen an Lungentuberkulose bekannt. Das Mädchen befindet 
sich zurzeit in Behandlung wegen einer Geschwulst der rechten Hals¬ 
seite und erhielt Röntgenbestrahlungen. Vor etwa 14 Tagen fielen ihr 
beim Anziehen der Strümpfe Knoten an den Unterschenkeln auf. 
Schmerzen habe sie nie gehabt, nur bei längerem Stehen oder Laufen 
habe sie ein Druck- und Spannungsgefühl an den Knoten verspürt. 
Auoh Fieber oder sonstige Störungen habe sie nie beobachtet. 

Unterhalb des rechten Kieferwinkels findet sich eine unter der Haut 
gelegene, kindsfaustgrosse, auf der Unterlage gut verschiebliche, mit der 
Haut nioht verwachsene Geschwulst, die ein Paket dicht nebeneinander 
liegender, haselnuss- bis walnussgrosser Knoten darstellt. Es handelt 
sich dabei offenbar um ein tuberkulöses Lymphom. Lungen o. B. 

Auf der Beugeseite beider Unterschenkel, und zwar auf der unteren 
Hälfte finden sioh mehrere derbe, feste, auf Druok wenig empfindliche 
Knoten, diese soheinen unter der Haut zu liegen. Die Haut selbst ist 
dunkelrot bis zyanotisch verfärbt. 

Obwohl mir die Ergebnisse pathologisch-anatomischer und bakterio¬ 
logischer Untersuchungen sowie von Tuberkulininjektionen bisher nooh 
nicht zur Verfügung stehen, da mir der Fall erst seit einem Tage be¬ 
kannt ist, so geht schon aus der klinisohen Untersuchung mit Sicherheit 
hervor, dass es sioh um einen typischen Fall von Erythema induratum 
Bazin handelt. 

Ein Erythema nodosum, das am ehesten noch in Frage käme, ist 
sicher auszuschliessen, weil bei diesem die Knoten gewöhnlich auf der 
Streokseite der Untersohenkel sitzen, ferner weil diese Krankheit mit 
Abgeaohlagenheit und fieberhaften AI lgemein erschein uü gen einhergeht. 


Für tertiäre Lues liegen sonst keinerlei Anzeichen oder Verdachts¬ 
momente vor. Das Ergebnis der Wasser man n’sehen Reaktion liegt 
zurzeit noch nicht vor. 

Indes bei Berücksichtigung des typischen Sitzes auf der Beuge¬ 
seite der Unterschenkel und des gleichseitigen Bestehens der Halsdrüsen- 
fuberkulose wird man nioht fehlgeben, wenn man die Diagnose Erythema 
indurativum scrophulosorom Bazin stellt. 

Tagesordnung. 

1 . Hr. Pekl: Ueher Lipineibret. 

Aus Anlass der geplanten Einführung von Lupinenbrot in Breslau 
bespricht der Vortragende die Zusammensetzung und Ausnütsbarkeit 
des Lupinenbrotes, weist auf dessen hohen Eiweissgehalt (1,51 pCt. N 
gegenüber 0,84 pCt. N von Roggenbrot), sein Freisein von Alkaloiden und 
Güten hin. Der Vortragende empfiehlt die ausgiebigste Ben&tsung des 
reinen Lupinenmehls im Kampf gegen den derzeit bestehenden Eiweiss¬ 
hunger. 

(Dar Vortrag erscheint anderweitig.) 

Aussprache. 

Hr. Rosenfeld: Das Interesse der Stadt, die Milohbelieferung zu 
verbessern, führte zu dem Gedanken, den Landwirten die Milcherzeugung 
daduroh zu erleichtern, dass ihnen Kleie geliefert würde. Dazu müsste 
also als Brotmehl Feinmehl verwendet werden und der Rest an Mehl, 
den sonst die Kleie bot. durch ein Streckungs- oder Ersatzmittel ersetzt 
werden. Als solches bot sich das Lupinenmehl, das aber zunächst 
wegen seines Alkaloidgehaltes Bedenken machte. Um diese zu be¬ 
seitigen, genossen zunächst Herr Dr. Lührig und ich seit 6—7 Wochen 
ein lOproz. lupinenmehlhaltigesFeinmeblbrot mit insgesamt0,5g Alkaloiden 
ohne Schaden. Auch Tierlütteruogen, sowohl an Schafen bis 200 g pro die, 
als an Kaninchen ergaben die Unschädlichkeit der Lupinenmehlalkaloide. 

Die Ausnutzung des Brotes war individuell verschieden: Herr 
Dr. Lührig empfand eine peinigende Gas- und Kotbildung, von derioh 
verschont blieb. War somit das Lupinenmehl ln dieser Menge als un¬ 
schädlich erwiesen, so fragte es sich, ob das Brot als solohes den An¬ 
forderungen entsprach-. 

Seine Analyse (Dr. Lührig) verglichen mit einer Lazarettbrot¬ 
analyse (Rosenfeld) ergab: 

Lupinenbrot Lasarettbrot 
Eiweiss ....... 6— 6,9 pCt. 6,25 pCt. 

Asohe.1,04 „ 0,80 „ 

Fett.0,9 „ 

Wasser.48,9 „ 87,0 „ 

Rest (Kohlenhydrate, Rohfaser, 

N-freie Extraktstoffe) . . 48,14 „ etwa 55 , 

Das Lupinenbrot enthält also 12 pOt Wasser mehr und ISpCt. Kohlen¬ 
hydrate usw. weniger. Das bedeutet 80 Kalorien pro 100 g Brot weniger, 
also bei 320 g Brot etwa 100 Kalorien weniger, eine Menge, die bei 
einer rationierten Kost von 1350—1450 Kalorien sehr ins Gewicht fällt 
und Ersatz durch Zusätze unbedingt verlangt Ausserdem ist, wenn das 
Brot aus Feinmehl gebacken wird, der Fortfall der Kleie-, Eiweiss- und 
Zusatzstoffe wesentlich. Wir dürfen nioht auBser Betracht lassen, dass 
wir mit Vollkornbrot einen Hund erhalten können, nioht aber mit Fein¬ 
mehlbrot. Freilich haben die Mitteilungen von Herrn Pohl über einige 
wichtige Eiweissbausteine im Lupinenmehl berichtet. 

Immerhin wird eine Ausmahlung auf reiohlioh 80pCt einen Teil 
der Bedenken in diesem letzten Punkt beseitigen können. 

Hr. F. Röhmann: Die Bedenken des Herrn Rosenfeld halte ioh 
nicht für unberechtigt. Besonders pflichte ich ihm darin bei, dass unter 
den obwaltenden Bedingungen der Ernährung der Zusatz von Kleie zum 
Brot eine wesentliche Bedeutung bat. Es ist mir zweifelhaft, ob sioh 
die Kleie duroh das Lupineneiweiss ersetzen lässt. Ich verweise auf die 
Versuche von L. B. Mendel, naoh denen eine Nahrung, welche nur 
Leguminoseneiweiss enthält, die Aufsuoht wachsender Ratten nioht ge¬ 
stattet. 

2. Hr. Huike: Wtidbekaidlug mit Isnktylkydrokapreii (Visii) 
■ick Klipp. 

(Ersohien in Nr. 25 unter den Originalen dieser Woohenschrift.) 

' Aussprache. 

Hr. Küttner, der selbst bei einer Verwundung mit Vusin be¬ 
handelt worden ist, hat während der blutigen Offensiven des Vorjahres 
reichlich Gelegenheit gehabt, Erfahrungen mit der Klappischen Methode 
zu sammeln. Die Hauptsache bleibt zweifellos die weitgehende Exzision 
der Wunde. Da diese jedoch aus anatomischen Erwägungen nioht 
immer mit der notwendigen Gründlichkeit durchgeführt werden kann, 
bildet die Umspritzung mit Vuzin eine wertvolle Ergänzung. Redner hat 
den Eindruck gewonnen, dass bei den innerhalb der ersten 10 Stunden 
naoh der Verwundung vuzinierten Fällen Wundinfektionen, auoh Gas¬ 
brand seltener aultraten als bei der einfachen Exzision. Hinsichtlich 
des primären Wundversohlusses hat er stets geraten, sioh nioht allzusehr 
auf das Vuzin zu verlassen und die Naht naoh wie vor nur zu maohen 
bei sehr günstigen äusseren Bedingungen des Stellungskrieges. War 
die Wundinfektion einmal klinisch manifest, so versagte aas Vuzin 
ebenso wie jedes andere Desinfektionsverfahren. Beim Gasbrand Hess 
es vollkommen im Stioh, vermochte auoh das Weitergreifen des Gederns 
oder des Zerfalls im Amputationsstumpf selbst dann nicht aufzuhalten. 


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Original frnm 

UNIVERSITÄT OF IOWA 









25. August 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


618 


wenn ein den ganzen Querschnitt der Extremität einnehmender Vuzin- 
wall der Infektion in den Weg gestellt wurde. Wertvoller erschien das 
Mittel in der Behandlung infizierter Gelenke, jedoch cur, wenn es sich 
um leichtere Verletzungen und Infektionen, vor allem um infizierte 
Kapselwunden mit serös-fibrinösen und serös-eitrigen Ergüssen bandelte. 
Hier wurde durch wiederholte Spülungen mit Lösungen 1:200 nicht 
selten nooh ein gutes Resultat erzielt, doch erfordert die Behandlung 
grosse persönliche Erfahrung, da sich • an die Ausspülungen heftige 
Schmerzen, erhebliche Temperatursteigerungen und der Uebergang eines 
serös-eitrigen in ein rein eitriges Exsudat ansohliessen können, ohne 
dass deshalb der Erfolg bei konsequenter Weiterbehandlung auszubleiben 
braucht. 

Redner macht im Anschluss daran auf die günstigen Resultate auf¬ 
merksam, welche der Belgier Willems nach französischen Berichten 
mit seinem Verfahren der Artbrotomie infizierter Gelenke ohne Drainage 
mit sofortiger Aufnahme der Bewegungen erzielt bat. Durch letztere 
Maassnahme sollen die Gelenke das infektiöse Material weit sicherer 
heraosbefördern, als dies eine nooh so gründliche Drainage zu leisten 
vermag, so dass der Ausgang in Versteifung die Ausnahme bildet. 

Hr. Asch: Die ausserordentlich günstige Wirkung des Vuzins kann 
ich Ihnen an diesem Fall bestätigen. Phlegmonöse Mastitis nicht 
gestativen Ursprungs, die ganze untere Hälfte der licken Mamma ein¬ 
nehmend. Eine geringe Menge bröckligen Eiters aus der mittelsten vor¬ 
gewölbten Stelle ausgesogen und in die gleiohe Kanüle etwa 4 com 
Vuzin 1: 6000 injiziert. Verschwinden der Rötung und Eintrocknen des 
Abszesses in 8—10 Tagen ohne Absonderung. 

Hr. Haberland bemerkt, dass die Tiefenantisepsis schon von 
C. Hüt£r geübt worden sei. Er injizierte seinerzeit' eine lproz. Salizyl- 
losung in die Umgebung der Wunde bei blauer Gasphlegmone. Bei 
derselben Erkrankung umspritzte W. Koch 1886 die Weichteile mit 
einer 3proz. Karbolsäurelösucg. Einen Schritt weiter gingen 1900 
Haemig und Silbersohmidt, die ebenfalls bei blauer Gasphlegmone 
die tiefe Einspritzung im Gewebe mit einer 1—8proz. Wasserstoffsuper¬ 
oxydlösung warm empfehlen. Die Klapp’sche Tiefenantisepsis hat also 
schon ihre Vorläufer. 

Hr. Krebs: Das Versagen des Vuzin dem Rauscbbrand gegenüber 
spricht dafür, dass Vuzin ein Spezifikum gegen Strepto- und Staphylo¬ 
kokken ist, als welches es auch von Tugendreioh und Morgenrot 
empfohlen war. Ich hatte Gelegenheit, dasselbe im Felde einige Male 
anzuweoden. Ich hielt mich an die von Klapp, Ansinn, Rosenstein 
angegebene Art und Weise der Verwendung, auch in betreff der Wieder¬ 
holung der Umspritzung, da die Wirkung des Vuzin nicht lange an¬ 
dauert. Selbstverständlich ging Säuberung und Umscbneidung der 
Wunden vorher. Ich wandte es nur bei schweren Fällen an, in leichten 
Fällen braucht man es nicht. In einem Falle von Kubitalnaht bei 
grosser zertrümmernder Handgranatenverletzung und einem solchen aus¬ 
gedehnter Sebnennaht tat es mir gute Dienste. loh riskierte, wenn 
auch nicht absoluten primären Versohluss, doch zahlreiche Situations- 
nihte; mit Erfolg. Wenn auch Vuzin kein Allheilmittel gegen bestehende 
und entstehende Infektion ist, so ist es ein wertvolles Mittel im Kampfe 
gegen dieselbe; in der Kriegschirurgie hat es jedenfalls ausgezeichnete 
Dienste geleistet. 

Hr. Pohl: Mit der Steigerung der antiseptisohen Wirkung durch 
Einführung der Oktylgruppe und homologer Alkyle in den Chinolinkern 
des Chinins sind die Veränderungsmöglicbkeiten des Chinins nioht er¬ 
schöpft. 

Morgenrot selbst hat in dieser Richtung mitgeteilt, dass durch die¬ 
selben Substitutionen die lokalanästhesierende Wirkung des Chinins be¬ 
deutende Steigerung erfahren kann. Hier anschließend möchte ich über 
folgende Erfahrung berichten. 

Ausgehend von der unerwarteten Wirkungsänderung, die beim 
Uebergang vom Phenylohinolin in die Phenylchinolinkarbonsäure 
(Atophan) ein tritt, verwandelte ich das Chinin nach dem Verfahren von 
Skraup (Oxydation mit Permanganat in der Kälte) in eine Karbon¬ 
säure: Chilenin genannt. Durch diesen Eingriff ist das Chinin tief¬ 
greifend verändert: die antipyretische Kraft ist geschwunden, obwohl 
Einwirkung auf Infusorien noch erhalten geblieben. Merkwürdig ist 
aber folgendes: das Chilenin ist für Kaninohen zu einem tödlichen 
Nierengift geworden, das Albuminurie, Hämaturie, schliesslich Urämie 
macht. Es ist somit eine bisher versteckte organotrope Komponente 
des Chininmoleküls zutage getreten. Mit Rücksioht auf gewisse Neben¬ 
wirkungen des Chinins, besonders die hämorrhagischen Zustände beim 
Sohwarzwasserfieber, das ja als Chinin Wirkung aufgefasst wird, ist die 
Beobachtung vielleicht nicht unwichtig. 


Sitzung vom 9. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 

1 . Hr. Kh stadt: Zar Behaidlug der Kehlkopfsteaosea mit 
Tkaaffcheii Bolzen. (Demonstration.) 

Die Behandlung der Kehlkopfstenosen, ein Gebiet, das nie an Inter¬ 
esse verlor, wurde besonders aktuell durch die Kriegsverletzungen. Sind 
auch die Kampfhandlungen abgeschlossen, so haben sich dooh auf Grund 
der Halsschüsse oft chronische Zustände dieser Art ausgebildet, die erst 
jetzt zur Behandlung kommen. So gut gewappnet wir auoh diesen trauma¬ 
tischen Veränderungen des Kehlkopflumens gegenüberstehen, so bedauer¬ 


lich ist es, dasB diese Fälle nicht in die Behandlung des Facharztes 
kamen, als mit den durch die Wundbehandlung indizierten Eingriffen 
die vorbeugende Einlegung des Dilatationsinstrumentes hätte verbunden 
werden können, oder doch wenigstens zu einer Zeit, zu der diese Be¬ 
handlung hätte eingeleitet werden können, ehe nooh das Narbengewebe 
den Endzustand seiner Kontraktion erfahren hatte. Denn es bildet sich 
die Lichtung in Anpassung an diese Erweiterungsinstrumente. Dazu 
wäre es allerdings auch notwendig gewesen, dass geeignete Instrumente 
am rechten Platz zur Stelle gewesen wären. Monate des Leidens 
wären dem Verwundeten erspart geblieben, seine Eiwerbsfähigkeit früher 
wiederhergestellt. 

Die guten Heilungsergebnisse verdanken wir den Fortschritten, die 
nooh vor dem Kriege auf diesem Gebiete gezeitigt worden sind. Wir 
besessen da für einigermaassen schwierig gelagerte Fälle 8 bzw. 4 Me¬ 
thoden, die erstens universell anwendbar waren und zweitens bei sach¬ 
verständiger Handhabung und Ausdauer so gut wie regelmässig zum 
Ziel führten; sie gehörten sämtlich der infralaryngealen Dilatation an. 

Die erste, Ihnen wohl bekannte, ist die der T-förmigen Glasröhren 
von Kümmell-Mikulicz, in der ihnen von Hinsberg gegebenen 
Form. Sie sind durchgängig für die Atemluft, sowohl auf dem natür¬ 
lichen Wege, wie duroh den Hins berghohen Röhrensohenkel. Dieser 
Methode entspricht i. G. die der Anwendung elastischer Gummidrains, 
wenigstens in der T-Form, der Variation Killian’s. Neben ihnen die 
Methoden, die mit soliden Bolzen arbeiten, welche einer mit Reinigungsrohr 
versehenen Metallkanüle aufgesetzt sind: Der Thost’sche Bolzen und 
die Brüggemann’sche Bolzenkanüle, wie Sie sie hier in den Ab¬ 
bildungen sehen. Die letztgenannte bildet einen einheitlichen Stab wie 
die Glaskanüle und der Drain. Es ist bei ihrer Anwendung nicht mög¬ 
lich, dass sich durch Verbiegung, Granulation oder Schleimhautschwel¬ 
lung gegenüber der Fistel ein Sporn bildet. Der Thost’sche Bolzen 
besitzt diese Schwäche. Nun hat jüngst Uffenorde die Brügge- 
mann’sche Bolzenkanüle dem Glas-T-Rohr wieder sehr ähnlich gemacht 
duroh Umgestaltung des Bolzens in eine Metallkanüle. All die letzt¬ 
genannten Instrumente sind zerlegbar und in Teilen ein- und aus- 
zufübren. Es bedeutet das in praxi nach den Ansichten der Hinsberg- 
schen Klinik eine je nach dem Einzelfall wohl wertvolle Beigabe, ist 
aber für die Durchführung der Dilatation ein ebensowenig ausschlag¬ 
gebender Faktor, wie die Massivität des Erweiterungsstückes, oder die 
Wahl des Materials. Nur widerstandsfähig, möglichst unzersetzlich und 
wenig zur Inkrustation geeignet muss es sein. Die Bildung des Spornes 
an der Hinterwand ist hingegen ein Punkt, der bei der Frage der An¬ 
wendung der Thost’schen Bolzen in Reohnung gezogen werden muss. 
Die Hohlinstrumente besitzen in der Atmung durch Mund und Nase 
einen Vorzug, den die Patienten wohl zu sehätzen wissen: Das sub¬ 
jektive Befinden hebt hieb, dis Esslust und damit der allgemeine Er¬ 
nährungszustand werden erhöht. In gleichem Sinne wirkt die Möglich¬ 
keit, früher als die mit Bolzen behandelten Patienten, duroh das Aus¬ 
drucks- und Verkehrsmittel der Sprache zum Mitmenschen in Beziehung 
zu treten, wenn es sich auch bei den glottisoh Dilatierten nur um eine 
Rachensprache bandeln kann. Die Hohlinatrumente haben nur eine 
Gefahr, die, auch bei richtig bemessenem Hochstand des oberen Anteils, 
sich in den ersten Tagen geltend machen kann: das ist das Verschlucken, 
die Aspiration und ihre Folgen. Auch unsere Klinik bat leider auf 
diese Weise einen Patienten verloren. Die Verstopfung des Glanrohres 
duroh die eigenartige, zur Eindickung und charakteristischen Pfropf¬ 
bildung neigende Sekretion bei Traoheotomierten ist kaum nooh zu be¬ 
fürchten von dem Augenblick, in dem der aussensteheode Schenkel 
duroh einen Korken verschlossen ist. Dooh bleibt ihr Kaliber stets 
relativ enger als das der Metallkanülen einschliesslioh Reinigungsrohr, 
ein Verhalten, das bei Kindern zu berücksichtigen ist. Dafür kann dem 
soliden Bolzen, wenigstens dem Thost’scben Modell, ein Nachteil nach¬ 
gesagt werden. Man ist geneigt, durch eine zu kleine Fistel zu operieren. 
Dann kann einmal der Bolzen einen falsohen Weg suchen. So erging es 
mir in einem Falle, nachdem ich bereits zwei dünnere Bolzennummern 
richtig eingeführt hatte. Allerdings bandelte es sich um eine Patientin, 
die duroh eine Laugenverätzung eine weniger widerstandsfähige Stelle 
gehabt haben mochte. Den Schaden besah ich sofort im Laryngoskop. 
Dieses, bei Kindern an seiner Stelle die Digitaluntersuchung, ist über¬ 
haupt als Kontrolle vorzunebmen. 

Die Erfolge nun sind oeteris paribus bei diesen Methoden gleich 
gut. loh kann Ihnen das zeigen zunächst an zwei unserer Kriegs- 
Verletzten, die sämtlich mit Erfolg dilatiert wurden. — Sie sind uns 
von Herrn Geheimrat Partsch in liebenswürdigerweise zugewiesen.— 
Der erste Patient wurde am 18. IV. 1918 nach Granatsplitterquersohuss 
duroh den Hals auf dem Truppenverbandplatz trachcotomiert. Am 4. V. 
sollte dekanüliert werden. Doch schon nach einigen Tagen stellte sich 
unerträgliche Atemnot ein. Er wurde retracheotomiert. Nun gelang die 
Kanülenentfernuog trotz verschiedener Eingriffe an der Fistel nicht 
mehr. Die Ursache lag in einer nur fein durohlochten subglottischen 
Verwachsung, die Stimmlippen wurden median aspiriert gehalten. 14. IX. 
Spaltung und Exzision der Narben, T-Kanüle, die am nächsten Tage 
wegen Oedems gegen den Thost’sohen Bolzen vertauscht wird. Naoh 
70 Tagen entbolzt, naoh weiteren 64 Tagen wird die verengte Fistel 
operativ geschlossen. Die Atmung reicht aus bis auf grössere An¬ 
strengungen, die Stimme ist rauh, aber leicht verständlich. 

Dem zweiten Patient wurde am 6. VIII. 1918 durch Granat splitter- 
versprengung der Unterkiefer zerschmettert und der Kehlkopf verletzt, 
er wurde alsbald im Feldlazarett tracheotomiert. 13. XII. Kehlkopf ge- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


spalten (derselbe war weder direkt noch indirekt zu Gesiebt zn bringen), 
Verwachsung der Stimmlippen und des Keblkopfeinganges bis auf einen j 
nadeldicken Kanal, Trennung; sofort Thost’sche Bolzen; nach 91 Tagen 
entbolzt. Die Atmung genügt — von ausserordentlichen Anforderungen 
abgesehen — allen Ansprüchen, die Stimme ist laut und klar. 

Dann sehen Sie 2 Fälle, die Thost’sche Bolzen noch im Gebrauch 
haben t Das Kind hatte eine zirkuläre, fast totale Narbenverwachsung 
der Glottis und eine verschliessende Membran im Kehlkopfeingang nach 
einer nicht -ganz in ihrer Art aufzuklärenden geschwürigen Erkrankung, 
bei der auch die Intubation vorgenommen war. 

Die junge Dame hatte versehentlich Lauge gesohluokt und wohl 
auch aspiriert. Neben einer Oesopbagusstenose, die nach Gastrostomie 
unter Bougierung weioht, hatte sie eine glottische und subglottische 
Verwachsung der Stimmlippen in der vorderen Hälfte, die ich endo- 
laryngeal durchtrennt habe. 

In beiden Fällen müssen die Bolzen noch eine Zeitlang liegen bleiben 
und das kann bei all diesen Methoden gesohehen, wenn nicht zwecks 
weiterer Dilatation eine stärkere Nummer eingeführt werden muss. 

Hr. F. Rdhnani: Enr Frage der Entstehing and Spezifität hak- 
teriolytiaeher Immaasera. 

Aehnlich’ wie bei der parenteralen Injektion bei trächtigen Kanin¬ 
chen im Blute Fermente auftraten, die aus der Milchdrüse stammen, so 
erschienen nach der parenteralen Zufuhr von Eiweissstoffen peptoly- 
tisohe Fermente, die vermutlich denjenigen entsprechen, die schon für 
gewöhnlich in den Organen enthalten sind. Der parenteral zugefübrte 
Stoff wirkt als „Reiz“ auf die fermentbildenden Substanzen der Zellen. 
Dies erklärt sich folgendermaasBen: Nach Ablauf einer fermentativen 
Reaktion befindet sich, wie man Grund hat anzunehmen, in der Flüssig¬ 
keit neben dem Ferment und den Spaltungsprodukten des Substrats eine 
Verbindung von Spaltungsprodukt und Ferment. Eine gewisse, wenn 
auch kleine Menge des Ferments wird bei seiner Wirkung verbraucht. 
Auch in einer lebenden Zelle bleibt nach Ablauf einer Fermentwirkung 
und Entfernung der Reaktionsprodukte stets eine kleine Menge einer 
solchen Verbindung von Ferment und Umwandlungsprodukt in der Zelle 
zurück, während die Umwandlnngsprodukte im Allgemeinen die Zelle 
in der einen oder anderen Form verlassen. Diese Verbindung wirkt 
naoh der Annahme des Redners als Katalysator auf die fermentbildenden 
Elemente der Zelle und führt die Neubildung des verbrauchten Ferments 
herbei. Bei parenteraler Zufuhr entsteht der Katalysator in abnorm 
grosser Menge, da auch abnorme Mengen des Antigens in die Zelle ein- 
dringen; dies führt zu einer gesteigerten Fermentbildung, in deren Ver¬ 
lauf die übergrossen Fermentmengen nicht in der Zelle bleiben, sondern 
in die Blutbahn gelangen..— Spezifisch sind die peptolytischen Fer¬ 
mente des Blutserums in demselben Sinne wie die zuckerspaltenden 
Fermente spezifisch sind, d. h. es besteht eine Abhängigkeit der Ferment¬ 
wirkung vom sterischen Bau des Substrats. Bei der parenteralen Zu¬ 
fuhr von Bakterien bezw. Bakterienprodukten gelangen Ei weisskörper, 
bei denen bestimmte Artengruppen vorherrschen, in die Zellen der Organe 
und steigern hier die Bildung besonders derjenigen Fermente, die zur 
Spaltung der im Eiweiss vorherrschenden Gruppen befähigt sind. In 
Uebereinstimmung mit R. Pfeiffer kann man annebmen, da9s der 
bakteriolytische Ambozeptor ein Zymogen bezw. eine Summe verschiedener 
spezifischer Zymogene ist, die durch das Komplement aktiviert werden. 
Ihre Bildung in den Organen und ihr Uebertritt in das Blut erfolgt 
prinzipiell in derselben Weise, wie das ganz allgemein bei parenteraler 
Zufuhr von Eiweissstoffen geschieht. 

Aussprache. 

Hr. Aron: Der Herr Vortragende hat dargelegt, dass proteolytische 
Fermente, welche nur bestimmte Eiweisskörper angreifen, andere aber 
nicht, bisher noch nioht aufgefünden worden sind, während es zucker¬ 
spaltende Fermente von ausgesprochen spezifischer Wirkung gibt. Die 
tierischen proteolytischen Fermente zeigen allerdings keinerlei spezi¬ 
fische oder auswählende Eigenschaften, wohl aber gewisse pflanzliche 
Fermente. Bei den proteolytischen Fermenten in gewissen Samen, welohe 
ich gemeinschaftlich mit Kempin untersucht habe, beobachteten wir 
ausgesprochene Unterschiede in der Fähigkeit, verschiedene Eiweiss¬ 
körper anzugreifen. Die proteolytischen Fermente des Hafers und der 
Wicken verdauen pflanzliche Eiweisskörper und Kasein recht gut, ver¬ 
mögen aber andere tierische Eiweisskörper, wie das Serumeiweiss und 
das Eiereiweiss nioht anzugreifen. Dieser Befund, der übrigens durch, 
Nachuntersuchungen von anderen Seiten bestätigt worden ist, zeigt, 
dass es auch bei eiweissspaltenden Fermenten ähnliche spezifische 
Fermentwirkungen gibt wie bei den zuckerspaltenden. Bemerkenswert 
ist nur, dass die spezifisch wirkenden Fermente pflanzlichen 
Ursprungs sind. Die Fermente tierischer Herkunft, sowohl die eiweiss- 
wie die zu ckersp alten den greifen die verschiedenartigsten Substrate in 
gleicher Weise an und lassen daher irgendwelche Spezifität in der Wir¬ 
kung nioht erkennen. 

Hr. Rosenthal weist gegenüber den Ausführungen von Herrn 
Roh mann darauf hin, dass es sehr fraglich sei, ob den Immunitäts¬ 
reaktionen peptolytische Vorgänge zu Grunde liegen. Auch die Reak- 
tivierbarkeit der Immunsera lässt sich in den Rahmen der Röhmann- 
9 chen Theorie nioht ohne weiteres einreihen. 

Hr. Röhmann: Schlusswort. 


Medizinische Gesellschaft in Kiel. 

Sitzung vom 6. März 1919. 

Hr. Ringe stellt 8 Fälle einer neuerdings in Kiel und Sobleswig- 
Holstein epidemisch anftretenden Enzephalitis vor. 

Alle drei Fälle haben gemeinsam: den akuten Beginn, das 
Fieber, Pupillenstörungen, Blick- bzw. Augenmuskellähmungen, Schlaf¬ 
sucht, psychische Störungen. An abweichenden Symptomen findet sieh 
im zweiten Falle eine schwere schnell schwindende Chorea und Athetose, 
im dritten eine Blasen- und Serratus ant.-Lähmung. 

Bisher wurden in der letzten Zeit im ganzen 14 Fälle beobaobtet, 
die in dieselbe Kategorie gehören wie die vorgestellten Fälle und sieh 
in 3 Gruppen teilen lassen: a) schwere Fälle mit stark meningitischen 
Symptomen, bisher 4, davon 2 mit letalem Ausgang, einer mit schwerem 
Trismus und Soblucklähmung; b) mittelschwere Fälle mit Augenmuskel¬ 
lähmungen, Fieber, Schlafsucht, amnestisch-deliranten Symptomen, auch 
Rigidität der oberen Extremitäten. oder Ataxie; o) leichtere Fälle mit 
geringer Ausprägung der bei b) genannten Symptome. In 11 Liquoren 
fand sich meist leichte, bei den meningitischen Fällen auch stärkere 
Lymphozytose, geringe Eiweissvermebrung. Wassermann’sche Reaktion 
in Blut und Liquor negativ. 

Die verschiedenen Symptome deuten auf Lokalisation des Leidens 
im zentralen Höhlengrau, der Vierhügelgegend, der Hirnrinde, der Medulla 
oblongata, die Rigidität, Chorea, Athetose auf Affektionen im Thalamus 
opt., Corpus striat., Linsenkern, Bindearmen, Haubenstrahlung, die 
Ataxie auf Kleinhirnbeteiligung, die Blasenlähmung auf Rückenmarks- 
schädigung hin, auf letztere vielleicht die Serratuslähmung, die aber 
auoh peripher bedingt sein kann. 

Der akute Beginn, das Fieber sowie das epidemische 
Auftreten sprechen für einen infektiösen Prozess. Vortr. verweist 
auf die Aehnlichkeit der Fälle mit den 1917 von Economo in Wien 
beobachteten epidemisch auftretenden Fällen von sogenannter Encepha¬ 
litis lethargica. Der von Wiesner damals festgestellte Diplostrepto- 
kokkus ist bisher als Erreger nicht gefunden worden. Auffallend ist, 
dass weit über die Hälfte von R.’s Fällen einige Monate vor Beginn des 
Leidens Grippe durchgepmcbt hatten. Ob irgendein Zusammenhang mit 
der Grippe besteht, müssen weitere Untersuchungen lehren. Man kann 
sowohl an postinfektiöse Toxinwirkung als auoh an lokale Bakterien¬ 
wirkung denken- 

(Ausführliche Veröffentlichung an anderer Stelle.) 

Hr. F. Stern berichtet im Anschluss an die Run ge’sehen Demon¬ 
strationen über den provisorischen anatoniseh-hiztologiaehen Befind 
einer vor wenigen Tagen verstorbenen Patientin, die im November 1918 
an Grippe gelitten hatte und in der Klinik ein durchaus meningitisohes 
Bild geboten hatte (starker Sopor, Opisthotonus, Augenmuskeilähmungen. 
starke Pleozythose im Liquor). Makroskopisch war der Autopsie befand 
bis auf Hyperämie der Leptomeningen, Verklebungen zwisohen Medulla 
oblongata und Kleinhirn, mässig vielen pialen Blutungen negativ. Histo¬ 
logisch fanden sich leptoroeningitiscbe und enzephalitische perivaskuläre 
Infiltrate, die ähnlioh den Economo’schen Fällen im Hirnstamm und 
namentlich im Thalamus opticus erheblich waren und hauptsächlich aus 
lymphoidem Gewebe bestanden. Gröbere Infiltrate ausser Zusammenhang 
mit Gefässftn fehlen. Die Abtrennung einer parenchymatösen Enzepha¬ 
litis nach Economo wird abgelehnt, die relative Integrität des Marks 
bestätigt. In der Grosshirnrinde schwere Ganglienzellendegeneration, 
die der Stärke der enzephalitischeu Herde nioht parallel geht. Diffase 
Toxinwirkung scheint danach stattzufinden, ohne dass das lebende Virus 
in loco mitzuwirken braucht. Diplostreptokokkeo bisher nicht gefunden 
(aber nachträglich im Thalamus optioos). 

Aussprache: HHr.Siemerling, Sohittenhelm,Hoppe-Sevler, 
Reinhardt. 

Hr. Oloff: Beiträge znr Tnberknloee des Sehnerven. 

Nach kurzen allgemeinen Vorbemerkungen über Vorkommen und 
Bedeutung der Augentuberkulose berichtet Vortr. über zwei von ihm iln 
Marine-Lazarett Kiel längere Zeit behandelte Fälle von typischem, ein¬ 
seitigem Verschluss der Zentralgefässe hh Sehnervenstamm, eine Embolie 
der Zentralarterie und eine Thrombose der Zentralvene. Die Erkrankten, 
zwei junge, gesund aussehende Seeleute, erblindeten plötzlich einseitig im 
Dienst, ohne dass eine der sonst hierfür bekaunten Ursachen naebgewiesen 
werden konnte. Es wurde probatorisoh Alttaberkulin subkutan eingespritzt. 
Beide Male verlief die Reaktion ausgesprochen positiv. Als besonders 
bemerkenswert fiel auf, dass die Krankheitsersoheinungen trotz der sonst 
so trüben Prognose schon nach der zweiten bzw. dritten Tuberkulin- 
einspritzung sehr schnell zurückgingen. Beide Leute konnten mit 
massiger Atrophie der Sehnervenpapille und fast regelrechtem Seh¬ 
vermögen als dienstfähig entlassen werden. Der eine Fall von Embolie 
ist vom Vortr. bereits vor einiger Zeit publiziert worden. Die damals 
auf Tuberkulose gestellte Wahrscheinliehkeitsdiagnose erhält durch die 
Beobachtung des letzthin behandelten zweiten Falles, der Thrombose 
der Zentralvene, weitere Beweiskraft. Eine weitere Stütze für den tuber¬ 
kulösen Charakter liefern die pathologisch-anatomischen Untersuohungs- 
ergebnisse von v. Michel, Fleischer und Gilbert. Jedenfalls empfiehlt 
es sich, in allen Fällen von Verschluss der Zentralgefässe, die duroh 
die sonst bekannten Ursachen nioht zn klären sind, auoh an Tuber¬ 
kulose zu denken und die Tuberkulinprobe vorzuuehmen. 


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25. Angast 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Hr. Wagner: Einige seltenere helminthologische Befände. 

Vortr. hatte während der Kriegszeit Gelegenheit, an der Kieler 
hygienisoh-bakteriologischen Unterauchungsstelle der Ostseestation folgende 
— zumindest vom lokalen Standpunkt betrachtet — seltenere helmintho- 
logfschi Befunde zu erheben: 1. Eine Taenia solium mit haken¬ 
losen Köpfen, die einem Soldaten abgetrieben wurde, der sich in 
Finnland durch Genuss rohen finnischen Schweinefleisches iofisiert hatte. 
2. Dibotrocephalus latus (8 Fälle). Der Fischbandwurm ist in 
Schleswig-Holstein noch seltener als der Schweinebandwurm. Die beob¬ 
achteten Kranken waren sämtlich Ostpreussen und zwar Angehörige der 
Küstenbevölkerung, in der bekanntlich der Genuss rohen Fisohlleisches 
üblioh ist. Bei allen bestand schwere Anämie, die nach der Abtreibung, 
die stets mehrere Würmer zutage förderte, schnell ausheilte. (Demon¬ 
stration von Präparaten.) 3. Sohistosomum japonicum. Eier dieser 
mit dem bekannteren Erreger der Bilharziakrankheit nahe verwandten, 
aber in seinen pathogenen Eigenschaften abweichenden Trematode fanden 
sich mehrmals im blutigen Stuhle eines an einer früher in Ostasien er¬ 
worbenen, jetzt wieder autflaokernden Amöbenruhr leidenden Mannes, 
der vor dem Kriege als Matrose auf einem unserer Flusskanonenboote 
in Ostasien nach einem Bade in einem der dortigen Ströme an einem 
Hautaussohlag erkrankte. Da ein solcher bei der duroh Einwanderung 
der Mirazidien durch die Haut erfolgenden Infektion häufig auftritt, hat 
die Ansteckung vielleicht bei dieser Gelegenheit stattgefunden. Die 
Eier verschwanden am Ende einer vierteljährigen Beobachtungszeit, 
während der der Kranke mit Rücksicht auf . seine Amöbenruhr mit Emetin 
behandelt wurde. 

Aussprache: HHr. Schittenhelm, Hansen, Behnke. 

Hr. MT Verth- Kiel erkennt auf Grund reichlichen im Seekrieg beob¬ 
achteten Materials (Stauungsbrüohe) Rissbrüi’he des Tuber caleauei 
nicht an. Die Kompressionsbrüohe des Fersenbeins teilt er ein 
in leichte Brüche ohne Zerstörung des Fussgerüstes und schwere Brüche 
mit Zerstörung des Fussgerüstes. Bei jenen unterscheidet er Längs¬ 
brüche, Querbrüche, Schielbrüche, Kombinationen und unregelmässige 
Brüohe, bei diesen Plantarflexionsbrüohe, Dorsalilexionsbrüche und Ver- 
dringungsbrüohe. Runge. 

Aerztllcher Verein zu Hamburg. 

Sitzung vom 15. April 1919. 

1. Hr. Lorey demonstriert einen Fall von Kardiospasmns mit hoch¬ 
gradiger Erweiterung der Speiseröhre, der nachweislich seit 25 Jahren 
besteht und sich, wie aus der Durchsicht der früheren Krankenblätter 
su ersehen ist, in dieser langen Zeit nicht nennenswert verändert hat. 
l)er Kranke wurde im Kriege im September 1915 als k. v. eingezogen 
und tat Dienst bei einem Landsturmbataillon an der dänischen Grenze. 
Br musste jedoch bald entlassen werden, da er nicht essen konnte, wenn 
er nicht die genügende Zeit und die genügende Flüssigkeitsmenge zum 
Neehtrinken hatte. Er wurde aber im Februar 1917 erneut als a. v. 
Heimat eingezogen und tat bis zum November 1918 Garnisondienst. 

Der Kranke befindet sich in einem durchaus normalen Ernährungs¬ 
zustand. Beim Essen schluckt er zunächst die Speisen herunter. Die¬ 
selben bleiben aber in der Speiseröhre stecken. Er trinkt dann reich- 
lioh Flüssigkeit nach und presst bei geschlossener Glottis. Die Flüssig¬ 
keit bleibt jedoch in der Speiseröhre stehen, Er lässt sie ruhig bis zur 
nächsten Mahlzeit darin und entleert dann die Speiseröhre durch leichtes 
Pressen. Es werden dabei bis zu 8 /i Liter entleert. 

Die Entstehung des Leidens muss man sich in diesem Fall so denken, 
dass während einer Lungenentzündung infolge Entzündung der Pleura 
in Nachbarschaft der Speiseröhre Schmerzen beim Durchtritt der Speisen 
bestanden und sich ein reflektorischer Krampf der Speiseröhre eingestellt 
hat. Infolge der neuropathisohen Veranlagung ist dieser Zustand fixiert 
und hat zu dem vorliegenden Krankheitsbild geführt. 

2. Hr. Wielmann stellt a) ein Kind mit Lynphadeaitis colli tbc. 
vor, bei welchem mit der von W. angegebenen Methode der passiven 
Immunisierung duroh Extrakt aus der eigenen Drüse ein guter Erfolg 
erzielt wurde, b) ein Kind mit Sorophuloderma sowie einem Lichen soro- 
phulosorum am Rücken, dessen Vater an einem progredienten Gesiohts- 
lupus leidet. Der Fall demonstriert die VererbDarkeit der Disposition 
su Hauttuberkulose, aber auch einer gewissen Immunität, insofern das 
Leiden des Kindes eine viel bessere Prognose gibt als das des Vaters. 

& Hr. Jaeobsthal zeigt eine neue mit Liquor cerebrospinalis an- 
sustellende Kolloidreaktion. Dieselbe wird mit Karbolid (kolloidaler 
Kohle) ausgeführt, ebenso angesetzt wie die Goldsolreaktion und gibt 
im allgemeinen auch dieselben Kurven wie diese. Sie ist im Ganzen 
einfacher in der Ausführung, teilt aber die Nachteile der Lange’schen 
Reaktion, indem sie» z. B. bei multipler Sklerose oft eine Zacke wie bei 
Lues ergibt. 

4» Hr. Tröuor zeigt zwei Fälle, bei denen nach SohädelVerletzung 
eine üerdgleieheeitige L&hauug bestand, die zwar zur Hauptsache 
psyohogen bedingt war, bei der aber gewisse Symptome (Hypotonie, 
Asynergie u. dgl.) Vortr. auch an eine Mitbeteiligung der entsprechenden 
Kleinhirnhemisphäre denken Hessen. 

5. Hr. Hemel zeigt nach der Jahnel’sohen Methode angefertigte 

8pimhäte»präparate von Paralysegehlnei. 


6 . Vorträge zur Frage der Kriegseraährug and ihrer Folge». 
Hr. Fahr: Pathologisch-anatomischer Teil. 

Vortr. lässt seit Jahren jede Leiche wiegen, so dass er über die Kurve 
der Ernährungsverhältnisse gut Auskunft geben kann. Das der ärmeren 
Bevölkerung entstammende Krankenbausmaterial war vor dem Kriege 
durchaus gut, aber nicht überernährt. Vortr. zeigt die Abnahme des 
Körpergewichts während des Krieges, indem er sein Material nach Alters¬ 
stufen und nach verschiedenen Krankheiten gesondert betrachtet. Eine Ge¬ 
wichtsabnahme der Säuglinge hat erst im letzten Jahre um etwa 10 pCt. 
stattgefunden. Besonders instruktiv ist die Gegenüberstellung der Fälle 
von besonders geringem Körpergewicht (unter 30 kg). An ihm waren 1914 
nur Tuberkulöse und Krebskranke beteiligt, während 1916 und 1918 auch 
Kranke ganz anderer Kategorien solche Untergewichte aufwiesen. Des 
weitern wird die Zunahme der Tuberkulose an Kurven beleuchtet und 
darauf hingewiesen, dass seit Herbst 1916.Tuberkulose — insbesondere des 
Darms — auffallend häufig als Nebenbefund bei an anderen Krankheiten 
Verstorbenen autoptisch gefunden wird. Vortr. teilt 19 derartige Fälle mit, 
von denen bei fünf erst die mikroskopische Untersuchung das Vorliegen 
tuberkulöser Veränderungen aufdeckte. Ein bedeutender Rückgang des 
Körpergewichts war auch bei solchen Krankheiten zu konstatieren, die 
sohun an sich, wie Tuberkulose und maligne Tumoren, zu Kachexie führen. 
Eine Beeinflussung der Stoffwechselkrankheiten, sowie der perniziösen 
Anämie konnte F. an seinem Sektionsmaterial nicht feststellen. Die — 
ebenso, wie an anderen Orten — im Jahre 1918 beobachtete Häufung 
der Fälle von akuter gelber Leberatrophie dürfte kaum den Ernährungsver¬ 
hältnissen zur Last fallen, da diese 1917 viel ungünstiger waren. 

F. Wohl will-Hamburg. 


Aerztlicher Verein zn München. 

Sitzung vom 12. März 1919. 

Hr. Traabe (als Gast): Dvaehromie, ei» neues Verfahren der in¬ 
direkten Farbenphotographie.. 

Bei der Uvachromie naodelt es sich um ein 3 Farbenpunktierver¬ 
fahren. Bei der Farbenphotographie wird das Objekt, das man photo¬ 
graphiert, in die 3 Komponenten gelb, blau, rot zerlegt. Der Drei¬ 
farbendruck arbeitet auf der Grundlage dreier Negative, die mit den 
Farben blau, gelb, rot bedruokt sind. Auf weissem Papier wird dann 
zuerst der gelbe, dann der rote und zuletzt der blaue Anteil gedruckt. 
Vorgänger der Uvachromie sind das Lumiere’sche Verfahren, dann das 
Verfahren der Neuen photographischen Gesellschaft in Steglitz und das 
Verfahren der Höchster Farbwerke. Allen diesen Verfahren hafteten 
Mängel an. Verf. hatte ein Verfahren ausgearbeilet, in dem er von 
Negativen Positive auf Bildern herstellte, indem er die Positive in Jod- 
silber umänderte. Das Jodsilber wurde fixiert und der an das Jod¬ 
silber gebundene Farbstoff schlug sich auf dem Papier nieder. Dieses 
Verfahren war anch nicht exakt genug. Da fand Traube die Uva¬ 
chromie. Es werden drei Negative hergestellt, indem eine panchroma¬ 
tische Platte durch 3 Filter hindurch Aufnahmen vorzunehmen gestattet. 
Mit dieser Platte lassen sich in kurzer Zeit Aufnahmen von hoher Emp¬ 
findlichkeit machen. Mit dieser neuen Platte haben wir 3 Negative 
und steilen auf Films 3 Positive her. Nach Auswasohen der Films 
werden dies« in eine Verbindung umgewandelt, die in 5 Minuten erreicht 
ist. Dann wieder 5 Minuten Auswaschen und die 3 Positive werden 
10 Minuten in 3 Farbbäder (gelb, blau, rot) gelegt. Wieder auswaschen 
und die Teilbilder sind fertig. Nachdem die 3 gefärbten Films getrocknet 
sind, werden auf einer Glasplatte das gelbe, rote und blaue Bild auf- 
einandergelegt. Eigenschaften der Bilder: Absolute Schärfe, aussreordent- 
liche Transparenz, Lichtechtheit der Bilder, die sehr hoch ist. Die Zu¬ 
sammensetzung des Tageslichts unterliegt grossen Schwankungen. Des¬ 
halb muss eine Korrektionsmöglichkeit fertiger Teilbilder gegeben sein. 
Diese ist vorhanden, indem man in kurzer Zeit nach Belieben mehr 
Rot ins Bild hinein oder aus dem Bild heraus tun kann. Vorzüge 
gegenüber dem Lumiere-Verfahren: Man kann so viel Abzüge machen 
als man will; die Ezpositionszeit ist nicht so lang, und bei der Pro¬ 
jektion sind keine so grossen Lichtstärken nötig. Bei der anschliessen¬ 
den Demonstration zeigte Vortragender prachtvolle, sehr farbenechte 
Bilder von Landschaften, Blumen, Menschen, kunstgewerblichen Gegen¬ 
ständen. 

2 . Hr. H. Bab: Die Bedeatnng der Urachromie für die Medizi». 

Vortr. schlägt vor ein Archiv anzulegen von Bildern typischer 
Krankheiten, insbesondere Fälle aus dem ganzen Gebiet der medizini¬ 
schen Wissenschaft. Sehr wiohtig kann die Uvachromie werden znr 
Erhaltung von Präparaten für Kongresse und als Lehrmaterial für den 
Unterricht, wenn fnsohe Fälle fehlen. Während die Farbenphotographie 
bisher Haut, Haare und Iris sehr mangelhaft wiedergab, hat die Uva-, 
ohromie diese Mängel fast überwunden, wie Photographien eines Duala- 
negers zeigten. Dieser Fortschritt in der Photograpie ist für die Anthro¬ 
pologie sehr wichtig. Für die Kriminalistik ist eine genaue Aufnahme 
von Habitus, Virus und Farbtönen der Körperdecke wiohtig, ebenso 
wie für die Psyobiatrie. Der Wert der Uvaohromie für die pathologische 
Anatomie, Gynäkologie und Dermatologie liegt klar zutage. In der 
Ophthalmologie wirken mangelnde Fixierung und das Tränen der Augen 
nachteilig. Ob zystoskopische Bilder und ophthalmologisohe Hinter- 
gruudbilder gelingen werden ist nooh eine Frage der Zukunft Auch 
farbenphotographisohe mikroskopische Bilder sind geplant. In der an¬ 
schliessenden Demonstration aus dem Gebiet der Gynäkologie waren 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 




816 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


Bilder von Storungen der inneren Sekretion, von Pseudokarzinom des 
Anus und Prolapse (mit Dekubitalgesohwüren) sehr schön gelungen. 

8. Hr. v. Zumbusch: Dermatologische Demoastratioueu. 

Ebenfalls sehr gute Aufnahmen, besonders die Haare auch sehr 
deutlich. Die Reproduktion kleiner roter Flecken scheint am schwierig* 
sten su sein. 


DasLoch’sche Absaugeverfahren bei Diphtherie. 

Eine Erwiderung auf die Arbeit von Dr.Lade in Nr. 82 dieser Wochenschrift. 

Von 

Dr. Sturmaau-Berlin. 

Nach Erscheinen der Loch’schen Veröffentlichung in der Münchener 
medizinischen Woohensohrift, 1917, Nr. 46 erschien folgende Notiz in 
Nr. 49: „Zur Arbeit von Dr. Loch in Nr. 45 d. Wochensohr, schreibt 
uns Herr San.* Rat Dr. Stur mann, dass der Gegenstand mit allen Einzel¬ 
heiten von ihm und Dr. Unger bereits im Jahre 1912 abgehandelt 
wurde und zwar im Archiv für klinische Chirurgie, Bd. 98, H. 1 unter 
der Ueberschrilt: „Die Verwendung von Saugluft im Operationssaal*. 
Ich füge hinzu, dass ich über dasselbe Thema schon am 16. Juni 1911 
in der Berliner laiyngologischen Gesellschaft (Sitzungsbericht diese 
Wochenschrift, 1911, Nr. 48) gesprochen habe. Beide Autoren haben 
nioht das geringste Neue unsern Ausführungen hinzugeiügt. Das „Loch* 
sehe* Absaugeverfahren ist das Verfahren von Unger-Sturmann. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die Düsseldorfer Akademie für praktische Medizin 
hat die Berechtigung erhalten, bis auf weiteres klinischen Unterricht zu 
erteilen. Ferner hat sie die Genehmigung zur Abhaltung des ärztlichen 
Staatsexamens erhalten. Vom 22. September bis 20. Dezember 1919 wird 
an der Akademie ein Zwichensemester und vom 5. Januar bis Ende 
März 1920 das Wintersemester abgehalten. 

— ln Kiel findet für Mediziner und Studierende der Zahnheilkunde 
von September bis Ende November ein Zwisohensemester statt 
unter den vom preussischen Ministerium aufgestellten Zulassungs¬ 
bedingungen. Soweit Platz vorhanden, können auch andere Studierende 
daran teilnehmen, doch wird es ihnen nicht angereohnet. Beginn der 
Vorlesungen des Zwisohensemesters 10. September pünktlich. Ausser¬ 
dem wird ein normales Wintersemester November.bis März 
trotz zeitweiser Kollision ahgehalten. 

— Ministerialdirektor Gott stein ist für die Dauer seines Haupt¬ 
amtes als Direktor der Medizinalabteilung des preussischen Ministeriums 
des Innern zum Direktor der wissenschaftlichen Deputation für das 
Medizinalvesen und des Apothekerrates ernannt worden. 

— Der Geheime Medizinalrat und Vortragende Rat im Ministerium 
des Innern Prof. Dr. Lentz wurde zum Geheimen Obermedizinalrat er¬ 
nannt. 

— Der Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde hat 
Geheimrat Fürbringer zum Ehrenmitglied ernannt. 

— In München verstarb Geheimrat Nissl, Abteilungsvorsteher 
an der Deutschen Forsohungsanstalt für Psychiatrie, der bis 1918 Ordi¬ 
narius für Psyohiatrie in Heidelberg war. 

— Die Universität Jena erhielt von den Erben des in München 
verstorbenen Professors Richard Semon 60000 M. lür eine „Mneme- 
Stiftung“. Die Summe soll für zoologische und biologische Forschungen 
über Vererbung, sowie für psychophysische über Bewusstsein und^ Ge¬ 
dächtnis der Menschen und Tiere und über die Pathologie des Gedächt¬ 
nisses verwendet werden. 

— Die Gesamtzahl der tödlichen Verunglückungen belief sich nach 
der „Statistischen Korrespondenz* im Jahre 1915 auf 16619, worin die 
Kriegsverletzten nicht mit einbegriffen sind. Unter diesen 16619 Per¬ 
sonen waren 12884 männliche und 8735 weibliche. Gegen das Vorjahr 
mit 18000 Todesfällen (14418 m., 8582 w.) ist die Zahl der tödlioh ver¬ 
unglückten Männer um 1534 zurüokgegangen, während die entsprechende 
Zahl der weiblichen Verunglückten um 153 gestiegen ist. 

— Der grosse Rat von Basel-Stadt hatte kürlich in erster Lesung 
einem Antrag eines Mitgliedes seine Zustimmung erteilt, wonach in den 
ersten 3 Monaten eine Schwangerschaft unterbrochen werden 
dürfe, wenn beide Ehegatten es wünschen, bei unehelicher Schwanger¬ 
schaft die Mutter dies tut. An dem Widerstand der Aerztesohatt und 
öffentlichen Meinung ist dies Gesetz dann aber in den folgenden Lesungen 
definitiv gescheitert. 

— Das Medizinalamt der Stadt Berlin hat über die Tätigkeit der 
Berliner Schulärzte im vergangenen Jahre dem.Magistrat einen Be¬ 
richt erstattet. Danach haben nach den Mitteilungen der Rektoren die 
Ernährungsschwierigkeiten den Gesundheitszustand der Schulkinder nioht 
wesentlich beeinträchtigt. Einen günstigen Einfluss auf die Gesundheit 
der Schulkinder übte die Unterbringung der Kinder auf dem Lande aus. 


Verschickt wurden insgesamt 68 200 Kinder, von denen 65 648 den Ge¬ 
meindeschulen, 498 den Hilfsschulen und 2189 den höheren Scholen 
angehörten. Bei 205 Kindern traten Unfälle ein, 89 Kinder starben. 

— Volkskrankheiten. Pooken: Deutsches Reich (3. bis 
9. VIII.) 86. Deutschösterreich (18.—19. VII.) 3, (20.—26. VIL) 6. 
Ungarn (23.—29. VI.) 17. Fleokfieber: Deutsches Reich (3. bis 
9. VIII.) 7. Ungarn (80. VI. bis 6. VII.) 29. Genickstarre: Preussen 
(27. VII. bis 2. VIII.J 6 und 1 +. Spinale Kinderlähmung (27. VIL 
bis 2. VIII.) 1. Ruhr: Preussen (27. VII. bis 2. VIII.) 408 und 39 f. 
Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlaoh in Buer; 
Masern und Röteln in Berlin-Friedenau; Keuchhusten in Flensburg. 

(Veröff. d. Reichs-Ges.-Amts.) 

Hoohsohulnachriohten. 

Göttingen: Prof. Erioh Meyer, bisher in Strassburg, wurde zum 
Ordinarius für innere Medizin ernannt. Prof. Fuchs in Königsberg er¬ 
hielt einen Ruf auf den Lehrstuhl für Anatomie. — Jena: Zu a. o. Pro¬ 
fessoren wurden ernannt die Privatdozenten DDr. Zange (Otologie nnd 
Rhino-Laryngologie), Schultz (Psychiatrie und Neurologie), Holste 
(Pharmakologie). — Marburg: Dr. Pongs für innere Medizin. 

Wir bitten zur Vermeidung von Nachsendungen alle redaktionellen 
Briefe, wenn sie an einen der Herausgeber persönlich gerichtet sind, 
mit dem Vermerk „Redaktionsangelegenheit* oder dergl. versehen 
zu wollen. Redaktion. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: Bisherige Professoren an d. Akademie f. prakt Med. 
in Cöln Dr. Dietrich, Dr. Zinsser, Geh. Med.-Rat Dr. Hering, 
Dr. Pröbsting, Geb. Med.-Rat Dr. Tilmann, Geb. Med.-Rat Dr. 
Siegert, Dr. Reiner Müller, Dr. Frangenheim, Dr. Külbs, 
Geh. Med. Rat Dr. Moritz, Dr. Füth, Dr. Preysing und Dr. 
Aschaffenburg su ordentl. Professoren in d. medixin. Fakultät d. 
dortigen Universität; bisheriger Priv.-Dos. in der medisin. Fakultät 
d. Universität in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Bluntscbli z. ao. Professor 
in ders. Fakultät. 

Zurückgenommen: Ernennung d. bisherig. Österreich. Ob.-St.-A. L Kl. 
Prof. Dr. Dörr in Wien zum Wissenschaft!. Mitglied© b. d. Institut f. 
Inf.-Krankh. „Robert Koch* in Berlin. 

Ausgeschieden aus dem Staatsdienste: Wissensohaftl. Mitglied 
d. Hyg. Instituts in Posen Prof. Dr. Gildemeister. 

Niederlassungen: Dr. P. Bergengrün und Dr. H. Bing in Danzig, 
Dr. W. Rieche, Dr. Karl Schneider und Dr. R. Wanke in Magde¬ 
burg, 0. Rupp und Alois Fleck in Erfurt, Dr. W. Rüssemeyer 
in Nordhausen, Dr. K. Reohenbaoh in Heiligenstadt, Dr. P. Harter 
in Wyk a. Föhr, Dr. Jes Schultz in Oberjersdal (Kr. Hadersleben), Dr. 
Eduard Schönherr und Dr. A. Wurmb in Flensburg, Dr. Alfred 
Pfeiffer und Dr. Walter Jaoobi in Altona, Dr. P. Thormählen 
in Elmshorn, St.-A. Dr. E. Breiger in Lockstedter Lager (Kr. Pinne¬ 
berg), Dr. H. Stüben in Burg i. D., Dr. Karl Dressier in Rends¬ 
burg, Dr. M. Auer in Kiel, Dr. R. Kohts, Kreisarzt a. D. Med.-Rat 
Dr. L. Dankmann, Dr. Wilhelm Sasse, Dr. W. Köhne, Dr. 
E. Fabrioius, Dr. 0. Wolfers und Dr. H. Lübs in Hannover, Dr. 
K. Baudouin in Mandelsloh (Kr. Neustadt a. R.) y Dr. Otto Sohrader 
und Dr. H. Bühmann in Nienburg a. W., Dr. F. Rosenmeyer in 
Eldagsen (Kr. Springe), Df. Max Weinberg, Dr. Willi Hesse, Dr. 
Erwin Jaffö, Dr. Günther Baer, Dr. J. Merzbacher, Ferd. 
Wehner und Dr. W. Amelung in Frankfurt a. M. 

Verzogen: Kreisarzt a. D. Med.-Rat Dr. St. Litterski von Cöln a. Rh. 
naoh Lippusoh (Kr. Berent), Dr. E. Orlipski von Halberstadt und 
Dr. Meta Rheinboldt von Leipzig nach Magdeburg, Gust. Huth 
von Magdeburg naoh Jena, Dr. Wilh. Winter von Schierke nach 
Süddeutschland, Dr. E. Ahrends von Neisse und Dr. E. Stürzinger 
von Würzburg naoh Schierke, Dr. P. Otten von Halle nach Halber¬ 
stadt, Dr. R. Schwarzenauer von Breitenworbis nach Bleicherode 
(Kr. Grafsch. Hohenstein), Dr. A. Soola von Erstein i. Eis. nach Bad 
Sachsa, Dr. Walter Hausing von Hamburg nach Dockenhuden (Kr. 
Pinneberg), Dr. F. Brunk von Kiel nach Burg a. F., Dr. Bernh. 
Fischer von Oberjersdal naoh Hadersleben, San.-Rat Dr. Otto Jahn 
von Sonderburg naoh Guderup (Kr. Sonderburg), Dr. Wäldern. Albert 
von Kiel naoh Flensburg, Dr. E. Straub von Neustadt i. Holst nach 
Schleswig, Dr. G. W. Al exander-Kats von Hamburg nach Gross 
Flottbek (Kr. Pinneberg), San.-Rat Dr. Th. Keok von Steflingen- 
Langenfelde nach Hamburg, R. Pforte von Leipzig-Gohlis naoh Neu¬ 
hof b. Reinfeld (Kr. Stormarn), Dr. E. Steinitz von Berlin, Prof. Dr. 
J. 0ehler von Freiburg i. Br., Dr. J. Faust von Oldesloe, Dr. 
A. Pönitz von Wustrow, Dr. Karl Vogt von Bacharach a. Rh., Dr. 
Wilh. Gross von Harburg, Ob.-St.-A. Dr. F. Lambert von Celle 
und Ob.-St.-A. Dr. K. Jäneke von Strassburg i. Eis. naoh Hannover. 

Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. P. Heinecke in Magdeburg, San.-Rat 
Dr. W. Gitter mann in Bad Sachsa, San.-Rat Dr. K. Bardorff in 
Frankfurt a. M. 


Fftr die Bedektion Ttrnntwoitlieh Prot Dr. Htna Mohn, Berlin Bejroather Btr. 4J. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW* 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4, 


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Di« Berliner Klfolaehe Woehenedurlft erscheint jeden 
Montag in Nummern von etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 10 Mark. Besteilongen nehmen 
alle Buchhandlungen nnd Postenstalten an. 


BERLINER 


Ule Einsendungen Air die Redaktion nnd Expedition 
wolle man portofrei an die Terlagsbnehhandlnng 
August Hirsehwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSfJERIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Mod-Rat Prof. Dr. C. Posnor und Prot Dr. Hans Koha August Hirsehwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin. 

Montag, den 1. September 1919. JK35. SechsondfQnfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origiialiei: Hey er: Ueber Pantoponismus und sonstigen Arzneimittel- 
missbrauoh. S. 817. 

Bo edel ins*. Die Eigenblnttransfnsion bei geplatzter Tabargravidität. 
(Aus der ohirurgisohen Universitätsklinik Hamburg [Geh. Rat Prof. 
Dr. Kümmell, Hamburg-Eppendorf].) S. 820. 

Neumann: Ueber Blausäorevergiftung. (Aus der II. inneren Ab¬ 
teilung des städtischen Krankenhauses Moabit-Berlio [dirigierender 
Arzt: Geheimrat Prof. Dr. Zinn].) S. 828. 

Kretsohmer*. Ueber einen Fall von akuter dissemiuierter Enzephalo¬ 
myelitis. (Akute multiple Sklerose?) S. 825. 

Löwy: Ueber das Auftreten der Serumkrank beit naeh Magnesium¬ 
sulfatinjektionen. (Aus der medizinischen Universitätsklinik R. 
v. Jaksoh in Prag.) (Illustr.) S. 827. 

Bfteherbespreehuiigeii : Blum: Chirurgische Pathologie und Therapie 
der Harnblasendivertikel. (Ref. Posner.) S. 828. — Oppenheimer: 
Grundriss der organischen Chemie. S. 828. Baohem: Neuere 
Arzneimittel, ihre Zusammensetzung, Wirkung und Anwendung. 
S. 828. Stioh: Bakteriologie nnd Sterilisation im Apothekenbetriebe 


Ueber Pantoponismus und sonstigen Arznei¬ 
mittelmissbrauch. 

Von 

B. Meyer-Königsberg i. Pr. 

Eine Zunahme des Missbraucbes von Arzneimitteln, besonders 
von Narkotizis und Hypnotizis, darunter vor allem des Morphiums 
and der ihm verwandten Stoffe, ist wohl vielen ärztlichen Beob¬ 
achtern im Laufe des Krieges, vorz&glicb in den letzten 2 Jahren 
etwa, aufgefallen 1 ). 

Die Gründe dafür liegen offen zutage. Die erste Kriegs- 
begeisterang hatte die Widerstandskraft gegenüber Rückfällen bei 
früheren Morphinisten usw. trotz grosser körperlicher und see¬ 
lischer Inanspruchnahme zweifellos gestärkt, wie ich in ver¬ 
schiedenen Fällen feststellen konnte, und hatte sicherlich auch 
die Hemmungen gegen den Verfall in Arzneimittelmissbrauch all¬ 
gemein gesteigert entsprechend der Hebung des allgemein ethischen 
Niveaus in solchen Zeiten. Je länger der Krieg dauerte, um so 
mehr traten die alten Gewohnheiten in ihre Rechte, und es 
boten sich nun in den Kriegsverhältnissen unendlich viele Anreize 
aus den verschiedensten Motiven heraus — die aber schliesslich 
alle den Friedensursachen generell entsprachen —, die zum ge¬ 
legentlichen und weiter dauernden Missbrauch von Morphium und 
anderen narkotischen und hypnotischen Mitteln führten. Hinzu 
kam, dass die Beschaffung dieser Mittel an sich vielfach weniger 
Schwierigkeiten machte; so wurde auch behauptet, dass in bel¬ 
gischen und französischen Apotheken Morphium ohne Rezept all¬ 
gemein erhältlich sei (was ich nicht zu kontrollieren vermag), 
so dass jedenfalls ein Morphinist sich aus Belgien Morphium 
nach der russischen Front kommen Hess. Wie sich seit dem 
Waffenstillstand und der Revolution die Verhältnisse gestaltet 
haben, lässt sich gegenwärtig noch nicht übersehen. Nach den 
allgemeinen kulturellen Verhältnissen nnd der Art, wie das 


1) Vgl. u. a. Bonhoeffer, Einige Schlussfolgerungen aus der 

K chiatrisoben Krankenbewegung während des Krieges. Arch. f. Psyoh., 
60, H. 2. u. 8. 


ALT. 

mit eingehender Berücksichtigung der Herstellung steriler Lösungen 
in Ampullen. S. 828. Schulz: Vorlesungen über Wirkung uod 
Anwendung der deutschen Arzneipflanzen für Aerzte und Studierende. 
(Ref. Beckstroem.) S. 828. 

Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 828. — Pharmakologie. S. 830. — 
Therapie. S. 831. — Parasitenkunde und Serologie. S. 831. — Innere 
Medizin. S. 832. — Kinderheilkunde. S. 832. — Chirurgie. S. 832. 
— Röntgenologie. S. 834. — Urologie. S. 884. — Haut- und Ge¬ 
schlechtskrankheiten. S. 834. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 835. 
— Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 885. — Hygiene und 
Sanitätswesen. S. 835. — Schiffs- und Tropenkrankheiten. S. 836. 
VcrkaudlugeB ärztlicher Gesellsehafteu: Medizinische Sektion 
der schlesisohen Gesellschaft für vaterländische Cultur 
zu Breslau. S. 836. — Verein für wissensohaftliohe Heil¬ 
kunde zu Königsberg i. Pr. S. 837. — Medizinisch - Natur¬ 
wissenschaftliche Gesellschaft zu Jena. S. 839. 
Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 840. 

Amtliche Mitteilungen. S. 840. 


seelische Leben sonst jetzt sich äussert, ist wohl mit Bestimmtheit 
auf weiter zunehmenden Missbrauch Bolcher Arzneimittel zu 
rechnen. 

Uns ist in letzter Zeit besonders der Missbrauch von Pantopon 
aufgefallen, wie ihn die folgenden Fälle zeigen. 

AL M., Oberleutnant, 29 Jahre. Vater des Pat. seit Jahren sehr 
nervös, hat Selbstmord begangen. Die Mutter wird vom Hausarzt als 
„fast paranoisch“ bezeichnet. Ein Bruder war geistig minderwertig. 

20. H. 1919. Aufnahme in die Nervenklinik zu Königsberg. Mittel- 
mässig gelernt, Kinderkranheiten gehabt, im übrigen normal entwickelt. 
War erst ein Jahr Apotheker, wurde dann Offizier. Sei lange im Felde 
gewesen. 

Alkohol habe er nie vertragen. Nach 8 Glas Wein wurde er sehr 
vergnügt, naohher sehr müde. Er habe viel geraucht, 10 Zigarren täglich, 
20 Zigaretten. 1916 sei er an Magenleiden erkrankt (Näheres nicht 
bekannt). Er habe damals 6 Tabletten Pantopon genommen, habe sehr 
viel im Feuer arbeiten müssen, batte Leitungen anzulegen, hatte grosse 
Verantwortung und grossen Aerger, da er für vieles verantwortlich 
gemacht wurde, habe auch viel Schreckliches im Felde durchgemaoht, 
äussert: „Das grosse moderne Kriegsbild, die eigene Gefahr, regten mich 
auf, wenn dies auch nicht maassgebend war". Er habe dann ohne 
Pantopon nioht schlafen können, fühlte eine eigentümliche Leere im 
Gehirn und habe Energielosigkeit im ganzen Körper gehabt, konnte 
nicht recht arbeiten. „Der Zustand war nioht zu beschreiben". Er nahm 
daher bald wieder Pantopon, von Flagons zu 20 Tabletten, wie er sie 
erhielt, 1, 2, 3, ja 4 täglioh. Er konnte dann arbeiten. Naoh 6 Stunden 
wurde er müde, die Augen fielen ihm zu, aber er schlief nicht. Es war 
ein wohliger Zustand. Beim Spazierengehen wurde er nach mehreren 
Stunden müde, brauchte dann kein Pantopon. Die Saohe koste ihm 
sohon 2—8000 M., das wolle er vermeiden. In den letzen drei viertel Jahren 
sei cs mit ihm besonders schleoht geworden. Er sei hierher aus freien 
Stüoken gekommen, wolle aber allein sein, wolle arbeiten, und bedürfe 
besonderer Verpflegung und als kranker Mensch der Abwechlung. 

Die körperliche Untersuchung ergibt keine wesentliche Abweichung 
von der Norm. Die Pupillen sind mittelweit, die Reaktionen ungestört. 

In den ersten Tagen erhielt Pat. etwas Laudanon, auch etwas 
Sohlafmittel, die aber naoh wenigen Tagen sämtlioh ausgesetzt wurden. 

22. U. gibt er an, er habe bei dem Magenleiden sehr heftige 
Sohmerzen gehabt, habe zuerst Morphium in Tabletten bekommen, wo- 
naoh er ruhig wurde. Da er aber naoh Morphium Uebelkeit bekam, 
nahm er selbst Pantopon. Es nützte mehr; wie er gerade zn Pantopon 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


ölS 


gekommen sei und wann zuerst, könne er nicht angeben. Heute meine 
er, es sei erst vor dreiviertel oder einem Jahr gewesen. Er habe Pan- 
topon in Tabletten, später in Lösung eingenommen. Er bekam ob auf 
alte Rezepte von Aerzten, von denen er mehrere hatte. Anfangs nahm 
er es der Magen- und Nervenschmerzen wegen, später wegen der Ruhe, 
weil er sonst, wie jetzt, wo ihm das Pantopon entzogen sei, vollkommene 
Energielosigkeit empfinde, nioht gehen könne, Brechreiz habe und andere 
Beschwerden. Er habe immer den Willen gehabt, weniger zu nehmen, 
es war aber nioht möglich. Andere Mittel habe er nicht versucht. 
Wenn er 40 Tabletten, die er sich noch im Bett einschüttete und mit 
Wasser hinunterspülte, nahm, so konnte er aafstehen und gut bis abends 
arbeiten. 

Bei schwerer Arbeit nahm er weitere 20 Tabletten. Innerlioh hatte 
er ein Gefühl, wie es gesunde Leute haben müssen. Ausser Verstopfung 
hatte er keine Beschwerden. Nur im höohsten Notfall nahm er 4 Flacons 
(80 Tabletten). 

24. II. Gegen Morphium habe er einen Abscheu. Es sei ihm immer 
darauf ekelhaft zumute. M. verlangt seine Entlassung, da er einige 
Verbindlichkeiten erfüllen müsse, erzählt von verschiedenen Wechseln 
und anderen Geldverhältnissen. Er verbrauche täglich 10 M. für Zi¬ 
garren, 10 M, für Pantopon und 4—5 M. für Konfekt. Die Ausgaben 
erreichten die Höhe seiner Einkünfte. 

28. IL Wundere sioh selbst, wie gut er es ohne Pantopon aus- 
halten könne, er fühle sioh nur morgens müde, habe auch Erbrechen 
gehabt. Drängt dauernd auf Urlaub, indem er bald diesen, bald jenen 
Grund, oft in langen Sohreiben, vorschützt. Schreibt überhaupt viel. 

3. III. Hat sein Gebiss zerbroohen, will sofort zur Zahnbehandlung, 
denkt immer neue Wege aus, wie er Urlaub bekommen könne. 

9. III. Zeigt jeden Tag, wie schlecht seine Zähne seien, verlangt 
ebenso täglioh freien Ausgang, um sich behandeln zu lassen und auch 
um seine Sachen zu holen, die im Hotel lägen. Er freue sich, dass er 
sioh ohne Beschwerden auch das Pantopon abgewöhnt habe. Er bittet 
jedooh um Mittel zum Schlafen und gegen Reissen. 

12. III. Sehr erregt, dass er zu Bett bleiben soll, er sei frei¬ 
willig zur Entziehung gekommen. Hat trotz Verbot gerauobt. Leugnet 
das einfach ab. Es stellt sich heraus, dass er sich heimlich Adalin 
zum Schlafen versohafft hat. Ist sehr ablehnend. Schreibt vielfach 
Briefe, in denen er Bestellungen macht, Besuche verlangt, Verab¬ 
redungen trifft, ohne dazu befugt zu sein. 

4. IV. Gibt an, dass er von jeher zu depressiver Stimmung neige. 
Hier habe er sioh anfangs unruhig befunden, hernach Erbreohen gehabt, 
weil er sich zu suggerieren versuchte, Pantopon genommen zu haben. 

24. IV. Hat keinerlei Beschwerden, rühmt seinen guten Schlaf, sei 
viel klarer als je früher. Habe früher in Berührung mit Menschen viel 
innere Unruhe empfunden. Auoh das sei geschwunden. Erklärt sich 
bereit, nach seiner Entlassung sich zur erneuten Probe in die Klinik 
aufnehmen zu lassen. Er denke, dass er sich auch des Rauchens ent¬ 
halten könne, aber nioht 3 Jahre, das würde zu schwer sein. Pat. hält 
sich ruhig und geordnet, ist etwas euphorisch, wünscht Zerstreuung, 
möchte Harmonium spielen, mehr Spazierengehen, äussert auch sonst 
allerlei Wünsche, deren Nichtgewährung er ohne weiteres hinnimmt. 
Hat an Körpergewicht sehr zugenommen. Nach Aussage seines Zimmer- 
genossen hat Pat. wieder geraucht trotz strengen Verbots und wieder¬ 
holter Versicherung, dass er das Rauchen völlig entbehren könne. Auf 
Vorhalt wird er sehr gereizt, verlangt seine Entlassung, wird ausfallend 
gegen die Aerzte. In den nächsten Wochen ruhig, geht einige Male in 
Begleitung aus, kommt unverändert und pünktlich zurück. 

3. VI. Hat Krankheitseinsicht, zeigt nur noch in seinem Wesen 
eine gewisse Unruhe, die besonders in dauernden Fragen an die Aerzte 
und sehr vielem Schreiben zum Ausdruok kommt. Ueber seine Zukunft 
macht er sich anscheinend noch kein klares Bild. Einmal spricht er 
davon, er wolle beim Militär bleiben, dann wieder, er wolle eine Ver¬ 
tretung von landwirtschaftlichen Maschinen übernehmen; dann äussert 
er zu anderen Kranken, er werde Ei Imschauspieler werden. 

Wird nach Hause beurlaubt bis zum Antritt eines Kuraufenthaltes. 

Am. 5. VI. wird bemerkt, dass Pat. sich nooh in der Stadt aufhält, 
obwohl er am 3. VI. hätte nach Hause fahren sollen. 

Bei diesem schwer belasteten Individuum finden wir durch 
chronischen Pantoponmissbrauch ein Krankheitsbild hervorgerufen, 
das im wesentlichen dem des Morphinismus entspricht, 
was nioht wundernehmen kann, da ja in einem Gramm Pantopon 
0,5 Morphin gegen 0,4 der anderen Alkaloide enthalten ist 1 ). 

Insbesondere tritt uns neben Willensschwäche, unstetem 
Wesen und Affektschwankungen enorme Lügenhaftigkeit entgegen. 
Auffallend ist, auch noch lange nach der Entziehung, der Rede- 
und Tätigkeitsdrang und die Euphorie bei dem Patienten. Viel¬ 
leicht handelt es sich dabei nicht so sehr um die Wirkung des 
Pantopons als um Züge der psychopathischen Konstitution, da 
wir sie bei dem Morphinismus, in dieser Stärke jedenfalls, in der 
Regel nicht finden. Jedoch muss man ja auch an etwaigen Ein¬ 
fluss der anderen Opiumalkaloide, insbesondere des Papaverins, 


1) Vgl. hier und weiterhin: Fühner, Opium, Pantopon, Laudanon, 
Narkophin. Ther. Mh., Nov. 1918. Herr Kollege Fühner hat mir auch 
sonst freundliohst Rat erteilt. 


Thebains und Narceins denken, da Narkotin und Kodein weniger 
in dieser Richtung wirken. 

Bemerkenswert ist in unserem Falle und ebenfalls als Aus¬ 
druck psychopathischer Veranlagung aufzufassen die Resistenz- 
losigkeit gegenüber Alkohol, die Art Idiosynkrasie gegenüber 
Morphium, das dem Kranken schwächer zu wirken schien und 
Uebelkeit erzeugte, andererseits der starke Hang zum Rauchen 
und zu Süssigkeiten. Wir haben übrigens gelegentlich beob¬ 
achtet, dass Kranke, die wegen heftiger Schmerzen nach Ver¬ 
letzung peripherer Nerven von anderer Seite Morphium und später 
in unserer Klinik Pantopon erhalten hatten, angaben, Morphium 
habe zwar ebenso schmerzlindernd gewirkt, habe aber stets Uebel¬ 
keit erzeugt, was beim Pantopon nicht der Fall sei. 

2. Anna S., Schwester, 27 Jahre alt. Mittelmässig gelernt Zwei 
Geschwister lernen schlecht. Schon früh viel Kopfsohmerzen. Mit 
16 Jahren war Pat. zum erstenmal in der Nexvenklinik. Hatte einen 
psychogenen Verwirrtheitszustand gehabt. 

Mit 21 Jahren zum zweitenmal in der Klinik, war die letzten drei 
Jahre in einer gynäkologischen Klinik als Pflegerin, wurde dort mehr¬ 
fach operiert wegen heftiger Schmerzen im Leib (Ovariotomie?). Vom 
Arzt soll ihr dort Pantopon verordnet sein, das sie sioh zuweilen ein- 
gespritzt habe. Nach eigener Angabe hat sie in diesen Jahren wegen 
der starken Schmerzen im Leib augefangen, Morphium zu spritzen. Hat 
von Injektionen einen Abszess. 

Olt sehr deprimiert, dann wieder erregt, sprach von Suizid. Viele 
Klagen über allgemeine nervöse Beschwerden. 

12.1. 1919. Dritte Aufnahme in die Klinik. War naoh der zweiten 
Entlassung bis Ende 1914 Privatpflegerin. Habe, obwohl ihre Patientin 
Morphium und Pantopon erhielt, nichts genommen. Seit dem Jahre 1915 
sei sie dann Schwester gewesen, habe 1917 ihr Sohwesternexamen be¬ 
standen. Oktober 1917 sei wieder eine Ovariotomie gemacht; dann sei 
sie aus der Schwesternschaft als Schwester in eine Privatklinik über¬ 
getreten, wo sie wegen starker Unterleibssohmerzen zum fünttenmal 
operiert worden sei. Im November 1918 habe sie wieder angefangen, 
Pantopon zu spritzen, zuletzt 8 Spritzen täglich. Pat. klagt über grosse 
Schmerzen im Körper sowie Herzbeschwerden und grosses Schlafbedürfnis. 
Gekünsteltes Wesen. 

13. I. Fühle sioh wohl, nur der erste Tag der Entziehung sei un¬ 
angenehm gewesen. (Pantopon ist ihr sofort entzogen worden.) 

14. I. Vielerlei Klagen, besonders über Leibsohmerzen. Zuweilen 
Erbrechen, einige Male „Ohnmächten 4 *, ohne dass Puls oder der sonstige 
körperliche Befund etwas Besonderes bieten. 

27. I. Auf ihr Drängen nach Hause entlassen. Nach Angabe der 
Mutter in der letzten Zeit mehrfach Anfälle, nach der Beschreibung 
hysterischer Art. Die Mutter holte der Tochter auf ein altes Rezept 
hin das Pantopon aus einer Apotheke. 

Körperlicher Befund: L. R. -j-, C. R. +. Kniephänomene -f-f-. 
An den BeineD, besonders links, flypalgesie und Hypästhesie. Am Leib 
eine Anzahl grösserer und kleinerer Operationsnarben. 

Hier handelt es sich um eine schwere Psychopathiu von 
hysterischem Typus. Es ist dabei nicht leicht, ein Urteil über 
die Notwendigkeit der so häufigen und zweifellos teilweise recht 
erheblichen gynäkologischen Operationen abzugeben. Bei der¬ 
artigen psychopathischen Erscheinungen, wie sie Patientin bietet, 
liegt erfahrungsgemäss die Vermutung nahe, dass hysterische 
Uebertreibung zum mindesten zu der Wiederholung der Operation 
den Anlass gegeben, and sich so ein von der Kranken selbst 
herbeigewünschter Circulus vitiosus zwischen Operation und Pan- 
topondarreichung beziehentlich Missbrauch herausgebildet hat. 

In der ersten Zeit — ob vor dem Pantopon, ist nicht klar — 
hat Patientin Morphium, später Pantopon und zwar subkutan 
genommen. Warum sie das Morphium zugunsten des Pantopons 
aufgegeben hat, ist nicht bekannt, vielleicht bildete die fast un¬ 
gehinderte Beschaffungsmöglichkeit des letzteren mit den Grand 
dafür. 

3. F., 40 Jahre alt. 2. V. 1919. Keine Heredität; als Kind etwas 
sohwächlich, im wesentlichen aber gesnnd. Das Lernen sei ihm schwer 
gefallen, habe mit 17 Jahren das Einjährige erreicht, habe dann Land¬ 
wirtschaft gelernt, sei stets Inspektor gewesen. Gedient habe er nioht, 
sei wegen Schwächlichkeit zurückgestelit. Er sei sehr musikalisch. Habe 
sioh in den Wintermonaten im Gesang ausbilden lassen und sei auoh 
von 1910 an als Konzertsänger im Westen aufgetreten. 1915 als Kriegs¬ 
freiwilliger eingetreten, war 9 Monate im Felde, wurde dann wegen 
Bronchialkatarrh dauernd garnisondienstfähig. 

1908 sei er an Blinddarmentzündung, 1913/14 an Hypospadie 
operiert. Musste wegen einer Fistel, die nach der Operation zurück¬ 
blieb, noch mehrfach behandelt werden. Bei einer dieser Operationen, 
angeblich im Februar 1918, habe er gegen Bronchialkatarrh R odein- 
tabletten bekommen, unmittelbar nach der Operation, etwa 14 Tage 
lang dreimal täglich, und Morphiuminjektion gegen die Erektionen. 
Naoh der Operation habe er sich sehr elend gefühlt; nach dem Genuss 
einiger Tabletten Kodein zu 0,05 trat Wohlbefinden ein. Br habe von 
diesem Präparat vorher nie gehört, wusste nioht, dass es sioh um eine 


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1. September 1919. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 819 


dem Morphium verwandte Substanz handelte. Er nahm 6—8 Tabletten 
taglioh. April 1918 habe ihm ein Arzt Pantopontropfen gegen all¬ 
gemeine nervöse Beschwerden verschrieben, er habe sich dann Pantopon 
nooh mehrfach von Aersten verordnen lassen, es auoh ohne Rezept in 
der Apotheke bekommen und sei nicht wieder davon losgekommen. 
Weihnachten 1918 habe er versucht, sioh selbst davon zu entwöhnen, 
nachdem er früher bis zu x /2 g taglioh eingenommen habe. Etwa 5 Tage 
habe er nichts genommen, habe dann mit kleinen Dosen wieder an¬ 
gefangen zu spritzen, habe höchstens Vs g gespritzt von einer Lösung l: 50. 
Während der Entziehung bekam er naoh 2 Tagen ein Gefühl von einer 
Art Katzenjammer, jedoch ohne Magqnbeachwerden. Er litt an Schlaff¬ 
heit, Unzufriedenheit, moralischem Jammer. 

Schmerzen, Schwindelgefühl Sinnestäuschungen hatte er nieht. 

Jetzt habe er sioh bis zuletzt vollkommen wohlgefühlt, habe sich 
trotzdem entschlossen, eine Entziehungskur zu unternehmen, da er sonst 
nicht davon freikomme und die Kosten so hohe seien. Auch fühle er 
sioh moralisch bedrückt durch den Mangel an Energie. Seine Verwandten 
wüssten natürlich Besoheid. 

Heute fühle er sich etwas matt, habe jedoch keine wesentlichen Be¬ 
schwerden. Seit dem 11. abends habe er kein Pantopon mehr genommen, 
habe es überhaupt sehr unregelmässig in letzter Zeit genommen. Ge¬ 
trunken habe er nie übermässig. Seit dem Pantopon gebrauch sei ihm 
der Alkohol zuwider gewesen. Er habe gern geraucht, bis zu 10 Zi¬ 
garetten täglich. Lues negiert. Ist unverheiratet. 

14. V. Beklagt sioh, dass er nicht rauchen dürfe. Er vertrage es 
nicht, unter Geisteskranken zu liegen (ist auf der Waohabteilung), will 
auoh nioht auf eine andere Station. Verlässt die Klinik trotz Abratens. 
Angehörige waren tatsächlich über sein Leiden nioht unterrichtet. 

Die körperliche Untersuchung ergab mässigen allgemeinen Er¬ 
nährungszustand. Ueber der rechten Spitze verschärftes Exspirium. 
Innere Organe sonst ohne Besonderheiten. Pupillen mittelweit, nicht 
ganz rund, R. L. etwas träge und wenig ergiebig, R. C.-j-. Sonst 
Nervensystem ohne wesentliche Abweichungen. 

Pat. hat später eine Privatanstalt anfgesucht, wo er sioh aber heim¬ 
lich Pantopon verschaffte und deshalb entlassen wurde. 

Hier hat sich der Pantoponismus bei einem von Haus aus 
geistig Minderwertigen berausgebildet. Falls wirklich grosse 
musikalische Begabung vorliegt, so wird dadurch das Ungleich- 
mässige der Anlage noch deutlicher. Den Anstoss zum Miss¬ 
brauch von Narkoticis gaben auch hier Operationen, beziehentlich 
deren Folgen. Auch hier hat der Kranke nicht sofort Pantopon, 
sondern zuerst Kodein und angeblich gleichzeitig Morphium ge¬ 
nommen. Es ist auffallend, dass er von Morphium anscheinend 
keinen besonders tiefen Eindruck gehabt, dagegen einen nach¬ 
haltigen von Kodein, dem Alkaloid des Opiums, dessen Gebrauch 
an sich am wenigsten Gefahr zu chronischem Missbrauch in 
sich birgt. Dann ist er angeblich zufällig zum Pantopon ge¬ 
kommen. Hierbei ist hervorzuheben, dass nur die Arzneimittel, 
die Opinmalkaloide sind, sich ihm eingeprägt haben, während er 
doch bei der langen ärztlichen Behandlung sehr wahrscheinlich 
verschiedenartige andere Mittel noch genommen hat. Zuerst ge¬ 
brauchte er Pantopon in Tropfen, später subkutan und in Dosen 
/angeblich bis zu 0,5 g täglich. Wie bei dem ersten Kranken 
finden wir hier eineD besonders heftigen Drang zum Rauchen und 
andrerseits eine Abneigung gegen Alkohol und zwar angeblich 
gerade seit dem Pantoponmissbrauch. 

In dem Verhaltep des Patienten tritt besonders die Willens¬ 
schwäche und die Lügenhaftigkeit hervor. 

4. 0., Hauptmann, 36 Jahre alt. Januar 1919. August 1914 Quer¬ 
schläger durch den linken Oberschenkel. Darnach Eiterung und an¬ 
schliessend weitere Operationen, angeblich bis November 1917. Geht 
jetzt mit Apparat und Stock. Seit Frühjahr 1915 wegen der Schmerzen 
Pantopon subkutan und innerlich, auch viele Schlafmittel. 

Entziehungskuren hatten nur vorübergehenden Erfolg, da er nadi 
jeder Aufregung und Anstrengung wieder zum Pantopon griff. Schon 
vor dem Kriege nervöse Magenschmerzen. Durch Pantopon fühlte er 
sich beruhigt und gekräftigt, nehme jetzt täglich 9 Tabletten. Morphium 
habe er nie genommen. 

Sehr elendes Aussehen. Will zur Entziehung kommen, bleibt aber 
aus. Körperlich nioht untersucht. 

Wenn auch dieser Fall nicht znr längeren Beobachtung kam» 
so habe ich ihn doch angeführt, weil er uns zeigt, dass der 
Pantoponist nicht anders wie der Morphinist des Mittels, das er 
anfangs zur Linderung der Schmerzen gebraucht, später zur Be¬ 
kämpfung jeder seelischeil Schwankung bedarf. Mit einem von 
Haus aus Nervösen haben wir es auch hier zu ton. 

5. Frau R M 48 Jahre alt. 7. IV. 1915 erste Aufnahme. Ausge¬ 
sprochener Depressionszustand. Verlässt naoh 4 Tagen gegen ärztlichen 
Rat die Klinik. 

In der Klinik war Pantopon verordnet worden, das sie noch eine 
Zeitlang weiternahm und nach Besserung von selbst aufgab. Im Früh¬ 
jahr 1918 fühlte sie sioh wieder sehr niedergedrückt und ängstlich, kam 
wieder hierher, wo ihr von neuem Pantopon verschrieben wurde, der 


Zustand besserte sioh, jetzt konnte sich aber Pat nicht vom Pantopon 
freimachen. Sie nahm zuerst nur SO Tropfen, stieg allmählich bis 
80 Tropfen täglich. Pat. kommt deshalb am 24. V. 1919 wieder in die 
Klinik, erklärte, sie habe immer wieder versucht, vom Pantopon sioh 
freizuiüachen, habe aber dann jedesmal solche Herzensangst bekommen 
und sei dabei so zusammengeklappt, dass sie wieder dazu greifen 
musste. Will in der Klinik entwöhnt werden. 

Die körperliche Untersuchung ergibt Vergrösserung der Leber, die 
druckempfindlich ist, sonst an den inneren Organen keine Besonder¬ 
heiten. Die Zunge ist stark belegt. Raohen- und Gaumenreflexe sind 
herabgesetzt. Das Nervensystem sonst ohne organisobe Störung. Pu¬ 
pillenreaktion normal. 

26. V. 1919. Pat., die in der Klinik kein Pantopon erhalten hat, 
auch angeblich sohon 2 Tage vorher frei davon war, fühlte sioh unruhig, 
hatte schlechten Appetit, zuweilen Brechreiz. 

28. V. Klagt über starke Schmerzen unterhalb des Rippenbogens, 
sieht leicht ikterisch aus. Verlässt trotz Abratens die Klinik, um sich 
zu einem Magenarzt zu begeben. 

Wir batten hier die Diagnose Involutionsmelancbolie, be¬ 
ziehentlich Depressionszustand des manisch-depressiven Irreseins 
gestellt. Bei der ersten Attacke hört die Kranke mit dem Me¬ 
dikament auf, als sie sich besser fühlt, bei der zweiten kann sie 
nicht aufhören, steigt sogar mit der Gabe im Laufe des Jahres 
auf das Doppelte und mehr, wenn dieselbe an sich auch noch 
gering ist (0;08 pro die). Liegt das daran, dass der Depressions¬ 
zustand noch anhält, sich sogar verschlechtert, oder handelt es 
sich um krankhafte Angewöhnung, d. h. ist das Pantopon aus 
einem Heilmittel eine Art Genussmittel geworden, ohne welches 
Pat. nicht glaubt, das seelische Gleichgewicht aufrecht erhalten 
zu können? Nach dem eigenen, offenbar richtigen Gefühl der 
Kranken trifft das letztere jedenfalls zu, doch ist es möglich, 
dass auch die Depression noch fort bestand und die Sucht zum 
Pantopon unterstützte. Um das Verhalten der Pat. näher zu 
prüfen, war ihr Aufenthalt in der Klinik leider zu kurz. 

Die Gründe, die Anlass zum Pantoponmissbrauch gaben, 
waren in unseren Beobachtungen die gleichen, wie wir sie vom 
Morphinismus her kennen. 

Nur Fall 5 nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, die wir 
schon erörtert haben. 

Wir sind auch darauf eingegangen, warum solche Kranke, 
die Morphium kannten, Pantopon vorzogen. Neben einer ja nicht 
sehr seltenen Aversion gegen Morphium fällt gewiss die bequeme 
Art der Beschaffung des Pantopon nicht wenig ins Gewicht. 
Nicht selten nehmen übrigens Morphinisten gleichzeitig Pantopon. 
Einer unserer Kranken, der eine 3proz. Lösung von Morphium 
mit einer 2 proz. Pantoponlösung zum Zwecke der subkutanen 
Injektion mischte, gab an, er habe den Eindruck, als oh die 
Mischung von Morphium und Pantopon zwar etwas weniger 
stark, aber nachhaltiger wirke. 

Die Erscheinungen des Pantoponismus decken sich im 
wesentlichen mit denen des Morphinismus, was, wie ich schon 
hervorhob, nicht anders zu erwarten ist, da Pantopon zur Hälfte 
aus Morphium, dem wirksamsten Alkaloid des Opiums, besteht. 
Allerdings müssen wir auch an die Mitwirkung der anderen 
Alkaloide denken. Ferner lag in unserem Fall 5, den wir zwar 
nicht länger beobachten konnten, immerhin der Gedanke nahe, 
dass bei nicht zu grossen Gaben Pantopon (dort 0,08 = 0,04 
Morphium) die schweren Erscheinungen des Morphiums vielleicht 
nicht so hervortraten. Die Pantopondosen betrugen übrigens 
in unseren Fällen, nach den Angaben der Kranken, 0,08—0,8 
täglich. Zur Entscheidung beider Fragen: Ob die anderen Al¬ 
kaloide dem Pantoponismus eine besondere Färbung gaben, und 
ob die schweren Symptome des Morphinismus bei nicht zu hohen 
Graden von Pantoponismus fehlen, reicht unser Material nicht 
aus. Hinzu kommt, dass die zum Pantoponismus disponierende 
psychische Anomalie auf die Gestaltung des Krankheitsbildes 
einwirkt, so dass Öfter schwer zu unterscheiden ist, was ihr, was 
dem Pantoponmissbrauch zuzuschreiben ist. 

Auffallend ist, dass nur einmal unter unseren 4 Fällen (der 
5. Fall ist nicht körperlich untersucht) Störung derPupillen- 
reaktionen bemerkt ist. 

Was die Entwöhnung angeht, so haben wir das Pantopon 
sofort total entzogen, was wesentliche Störung nie verursachte. 
Bei Morphinisten, wo wir jetzt auch durchweg sofortige voll¬ 
ständige Entziehung ausüben, sind die Beschwerden etwas grösser, 
was ja verständlich ist; bedrohliche haben wir übrigens dabei 
auch nie erlebt. 

Ueber den chronischen Missbrauch von anderen Mitteln, 
die als dem'Pantopon gleichwertig bezeichnet werden, wie Ho- 

1 * 


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UNIVERSUM OF IOWA 




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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 85 


lopon, Laudopan und dergleichen, ist mir nichts bekannt geworden, 
auch nicht von Laudanon und Narkophin. Gerade bei Laudanon, ] 
das ja dem Pantopon in seiner Zusammensetzung entspricht und 
das auch viel, wenn auch nicht so viel als Pantopon gebraucht 
wird, nimmt das Wunder. Aber einmal ist, wie gesagt, die Ver¬ 
breitung des Pantopon doch eine weit grössere, und dann spielt 
der Zufall in den kleinen Beobachtungsreihen, wie wir sie vor uns 
haben, doch eine grosse Rolle. Einmal nur fand ich eine Art 
chronischen Laudanon missbrauch. Es handelte sich um eine 

Kranke mit Ischias, die auf ärztliche Anordnung Laudanon zur 
Milderung ihrer Schmerzen genommen hatte und nun schon mo¬ 
natelang 2 Tabletten Laudanon täglich gebrauchte, angeblich, da 
sonst die Schmerzen zu grosse seien. Die Patientin war gleich¬ 
zeitig eine schwere Psychopath in, deren beide Brüder Morphi¬ 
nisten waren, die auch .vielfach Pantopon nahmen; der eine 
spritzte sich ausserdem zum Schlafen täglich Hyoszin ein. 

Wie ich einleitend hervorgehoben, hat allgemein der Miss¬ 
brauch von Arzneimitteln, vor allen von Narkotizis und Hyp- 
notizis sehr zugenommen, wie das auch verschiedene Veröffent¬ 
lichungen zeigen 1 ). Eine Einschränkung ist dringend geboten. 
Was das Pantopon angeht, so ist dasselbe in dem Verzeichnis, 
welches dem Ministerialerlass betreffend die Abgabe stark 
wirkender Arzneimittel vom 22. Juni 1896 beigegeben ist, na- 
turgemäss nicht aufgeföhrt, auch in den Nachträgen aus den Jahren 
1899, 1901 und 1906 nicht. Nachträge aus weiteren Jahren, in 
denen ja erst das Pantopon berücksichtigt werden konnte, sind 
nicht erschienen. Der betreffende Ministerialerlass heisst: „Die 
in beiliegendem Verzeichnis aufgeführten Drogen und Präparate, 
sowie die von solchen Drogen und Präparaten erhaltenen Zu¬ 
bereitungen dürfen nur auf schriftliche, mit Datum und Unter¬ 
schrift versehene Anweisung (Rezept) eines Arztes oder Zahn¬ 
arztes als Heilmittel an das Publikum abgegeben werden.“ Für 
den Regierungsbezirk Königsberg i. Pr. ist am 30. August 1915 
noch folgende Verfügung erlassen worden: „In hiesigen Apotheken 
soll angeblich häufig Pantopon ohne ärztliche Verordnung ab¬ 
gegeben werden. Wenn auch ein gesetzliches Verbot dieser Ab¬ 
gabe nicht besteht, so hält der Herr Regierungspräsident es in 
Hinblick auf die Gefahr für das Publikum für geboten, bei der 
Abgabe des Pantopon besondere Vorsicht walten zu lassen, be¬ 
sonders damit das Mittel nicht als Morphiumersatz Verwendung 
findet“ l 3 ). 

Aus all dem ergibt sich, dass eigentliche gesetzliche Be¬ 
stimmungen, die der freien Abgabe des Pantopon entgegenstehen, 
fehlen. Entsprechende Maassnabmen wären daher dringend er¬ 
forderlich, ebenso für das Laudanon und die andern ähnlichen 
Mittel, die Morphin, beziehentlich die Opiumalkaloide in ihrer 
Gesamtheit enthalten. 


Aus der chirurgischen Universitätsklinik Hamburg 
(Geh. Rat Prof. Dr. Kümmell, Hamburg-Eppendorf). 

Die Eigenbluttransfusion bei geplatzter Tubar- 
gravidität 

Von 

Dr. B. Roedellis. 

Seitdem Thies*) in der Sitzung der Gesellschaft für Geburts¬ 
hilfe und Gynäkologie in Leipzig (Juni 1914) den Vorschlag ge¬ 
macht hat, bei Extrauteringravidität das körpereigene in die 
Bauchhöhle ergossene Blut intravenös zurückzutransfundieren, um 
den Verblutungstod bei und nach der Operation zu verhindern, 
sind von gynäkologischer Seite nur spärliche Mitteilungen über 
dies zweifellos sehr beachtenswerte Verfahren in der Literatur zu 
finden, während eine ganze Reihe Chirurgen sich die Rücktrans¬ 
fusion zur Bekämpfung lebensbedrohlicher Blutungen bereits zu 
eigen gemacht hatten. 

Speziell Hensehen 4 5 ) ist als erster warm für sie eingetreten und 
will sie sowohl bei Brust- wie Bauohhöhlenblutung angewendet wissen. 
Peiser 6 ) berichtet über ihre günstige Wirkung bei Milszerreissung. 
Einen allerdings nur anfangs glänzenden Erfolg hatte Kreuter 6 ) bei 

1) F. Hub. Müller, Pantoponismus. Mod. Med., 1916, Nr. 7. 

2) Diese Angaben verdanke ioh Herrn Apotheker W. Sander, Mit¬ 
glied des Medizinalkollegiums. 

3) Thies, Ztsohr. f. Gyn., 1914, Nr. 34. 

4) Hensohen, Ztsohr. f. Chir., 1916, Nr. 10. 

5) Peiser, Ztschr. f. Chir., 1917, Nr. 4. 

6) Kreuter, M.m.W., 1916, Nr. 42. 


einem Leberschuss gesehen, wo der fast Sterbende rasch und voll¬ 
ständig sein Bewusstsein wiedererlangte, nach einer Stunde jedooh der 
fortdauernden Blutung erlag. Auch Ranft 1 ) wandte die Rücktrans¬ 
fusion bei Milizerreissung an. Er nennt sie auch wie ein anderer Autor 
fälschlich Autotransfusion. Diese Bezeichnung ist geeignet Verwirrungen 
anzurichten, da wir unter Autotransfusion, wie in allen Lehrbüchern zu 
lesen, seit langem das unblutige Verfahren verstehen, durch Einwioklung 
der Extremitäten das in ihnen vorhandene Blut dem Stamm und so dem 
Herzen zuzuführen. Dabei muss es bleiben, und es ist zweckmässig für 
das erwähnte Verfahren, den Ausdruck Eigenbluttransfusion ein 
für allemal festzuhalten. Endlich liefert Fieber 2 ) einen weiteren 
Milzzerreissungefall mit evidentem Erfolg. Intravenöse, intramuskuläre und 
rektale Infusionen körpereigenen Blutes naoh sohweren Blutverlusten 
empfiehlt Schäfer 8 ), während Landgraf 4 ) kürzlich überhaupt das Auf¬ 
fangen von Blut bei beliebigen Operationen gewissermaassen als Reserve 
vorsohlug, um es gegebenenfalls intravenös wieder einzuleiten. Man 
siebt, an Anregungen fehlt es nicht. 

Zur Bekämpfung der bedrohlichen Blutung bei der Extrauterin¬ 
gravidität wurde der Thies’sohe Vorschlag hauptsächlich vonLiohten- 
stein 8 ) aufgenommen, der bei 6 Fällen von Tuben- und bei einer Uterus¬ 
ruptur einen auffallend günstigen Verlauf feststellen konnte. In einer 
späteren Mitteilung 6 ) fügt er weitere 19 geheilte Fälle hinzu. Ferner 
teilt Ostwald 7 ) einen so behandelten Fall von Tubargravidität mit. 

Verf. möchte nunmehr über die von ihm im Eppendorfer 
Krankenhause mit der Eigenbluttransfusion behandelten Fälle von 
Extrauteringravidität berichten. Vorerst noch zwei Bemerkungen. 
In allen zugrunde liegenden Fällen handelte es sich um frische 
Rupturen mit den üblichen akuten katastrophalen Erscheinungen, 
einige ältere sind dabei, wo erneute abundante Nachschubblutungen 
den Eingriff genau so indizierten wie bei ersteren, sowie einige 
tubare Aborte. Es befindet sich kein Fall darunter mit langsam 
schleichender Blutung oder Hämatozelenbildung. Verschiedene 
Pat. kamen pulslos, einige moribund auf. Weiter möchten wir 
betonen, dass wir uns zur Eigenbluttransfusion nicht entschlossen 
haben, weil unsere Resultate quoad vitam eine Verbesserung er¬ 
heischten. 1914 konnte Wepfer 1 ) aus unserer Klinik über 
100 geheilte Fälle von Extrauteringravidität der Jahre 1909 bis 

1918 berichten. 

Verf. kann 75 weitere, zum grössten Teil eigene Ruptur¬ 
fälle der Jahre 1914 bis Mai 1919 hinzufügen. 1914: 15 Fälle, 
1915: 15 Fälle, 1916: 13 Fälle, 1917: 7 Fälle. 1918: 18 Fälle, 

1919 bis Mai: 7 Fälle. Insgesamt 75 Fälle. 

Auch diesmal sind wir in der Lage, soweit es sich um die 
eigenen Fälle handelt, 100pCt. Heilungen zu verzeichnen. 
Die Kümmell’sche Klinik verlor in den letzten 10 Jahren 
keine einzige Patientin an Verblutungstod oder Ope¬ 
rationsfolgen. 

Der einzige Todesfall, der überhaupt vorkam, betrifft eine Frau von 
39 Jahren, die an einem akuten Larynxerysipel am 4. Tag nach der 
Operation starb. Niobt anerwähnt lassen möchte Verf. einen Todesfall 
einer anderen Abteilung. Die Pat., die 8 Tage zuvor mit Unterleibs- 
besohwerden erkrankt war, ging unter hohem Fieber und septischer} Er¬ 
scheinungen am 8. Tag naoh der Operation, bei der sich ausser der 
Ruptur ein Hämatosalpinx der anderen Seite fand, zugrunde. Die Au¬ 
topsie ergab eine eitrige Thrombophlebitis beider Parametrien mit nach¬ 
folgender Pyämie. 

Im Gegensatz zu unseren erfreulichen Resultaten wird aus 
anderen Kliniken über Todesfälle berichtet, die direkt dem Blut¬ 
verlust zuzuschreiben sind. So in letzter Zeit Forche 9 ), Kieler 
Klinik: 3 Pat. an Anämie gestorben. Rupturmortalität 11 pCt. 
Young- Boston 10 ) von 62 Fällen 8 an Schock, 4 an Peritonitis, 
3 an anderen Ursachen gestorben. Auch Lichtenstein 11 ) hat 
eine Verblutungsmortalität von 12pCt. aus der Literatur 
herausgerechnet, ein erschreckendes Resultat, angesichts dessen 
es nur berechtigt erscheint, dass auf lebensrettende Wirkung der 
Bluttransfusion grosse Hoffnungen gesetzt wurden. 

Dass bei frischer Tubenruptur operiert werden muss, darüber 
herrscht wohl im grossen und ganzen Einmütigkeit, während 
über den Zeitpunkt der Operation verschiedene Meinungen laut 
geworden sind: Soll man sofort operieren oder den Schock erst 

1) Ranft, Ztschr. f. Chir., 1917, Nr. 47. 

2) Fieber, Ztsch. f. Chir., 1918, Nr. 25. 

3) Schäfer, M.m.W., 1918, Nr. 38. 

4) Landgraf, Ztsohr. L Chir., 1919, Nr. 12. 

5) Lichtenstein, M.m.W., 1915, Nr. 37. 

6) Lichtenstein, Arch. f. Gyn., Bd. 59, H. 3. 

7) Ostwald, M.m.W., 1918, Nr. 25. 

8) Wepfer, Festschrift Eppendorfer Krankenhaus, Bruns’ Beitr. 

9) Forsche, Ztsohr. f. Gyn., 1915, Nr. 5. 

10) Toung, Boston med. surg. Journ., 1915, Nr. 4. 

11) Lichtenstein, Arch. f. Gyn., Bd. 59, H. 3. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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abw&rten. Neuerdings spricht sich Young 1 ) angesichts seiner 
schlechten Statistik gegen sofortige Operation gleich nach Ein¬ 
lieferung ins Krankenhaus unmittelbar nach dem Transport aus. 

Wir möchten auf Grund unserer Erfahrungen (immer das 
frische Material betrachtet) dringend vor jeglichem Zu¬ 
warten warnen. Keine Minute sollte verloren werden. Wir 
haben niemals mit der Operation gezögert, auch wenn die Frau 
eben eingeliefert war, und mehrfach die dem Verblutungstod nahe 
Patientinnen direkt aus dem Wagen auf den Operationstisch 
bringen lassen. Weder Ruptur- noch Transportschock betrachten 
wir als Gegenindikation und haben es niemals bereut, sofort ein¬ 
gegriffen zu haben. Unser Gesamtresultat beweist die 
Richtigkeit unserer Auffassung. Schock und innere Blutung 
sind klinisch nahverwandte Bilder, oft kaum voneinander ab- 
zugrenien. Die Verantwortung ist eine ungeheure, wenn 'man 
etwa bei einer Bauchquetschung vor der Indikation steht, soll 
man sofort operieren oder nicht. Auch auf Grund von ent¬ 
sprechenden Beobachtungen bei Milz- oder Leberrupturen möchte 
Verf., wie schon früher, dringend raten, mit dem „Abwarten des 
Schocks 14 doch recht vorsichtig zu sein. Wir können oft nicht 
sagen wo der Schock aufhört und die Zeichen der Blutung an- 
fangen. Wichtige Stunden werden unter Umständen verpasst. 

Bislang waren wir mit der intravenösen Kochsalz¬ 
infusion zur Bekämpfung der bedrohlichen Blutung in hervor¬ 
ragender Weise ausgekommen, und es hat sich gezeigt, dass sie 
in vielen Fällen geradezu lebensrettend wirkt. 

Die Freilegung der Vene erfolgt schon während des Narkoti- 
sierens, der Kochsalzstrom wird aber erst freigelassen, wenn die 
Klemmen an den Tuben liegen. 2 bis 2y 2 Liter haben allemal 
genügt, um zu erreichen, dass die Frauen mit vollem, kräftigem 
Puls vom Tisch kamen. Manchmal hatte frischere Gesichtsfarbe 
die Leichenblässe verdrängt. Während sich das Verhalten des 
Pulses in einer Anzahl von Fällen konstant verhielt, musste bis¬ 
weilen die Beobachtung gemacht werden, dass nach einiger Zeit 
der Puls wieder kleiner wurde, sich noch stundenlang schwach 
und labil verhielt, so dass weiter Exzitantien nötig wurden, meist 
war aber naoh längstens 12 Stunden eine durchaus befriedigende 
Herztätigkeit und Blutverteilung zu erkennen. 

Um die ja bisweilen rasch verrauschende Wirkung der Koch¬ 
salzlösung konstant zu machen, wäre die der Viskosität des 
Blutes entsprechende Kestner’sche Lösung zu empfehlen. 
Wie gesagt, ist aber bezüglich der Extrauteringravidität dieses 
rasche Verfliegen der Kochsalzwirkung im allgemeinen selten. 

Ueber die Rekonvaleszenz ist im grossen und ganzen nicht 
viel zu sagen. Mit wenigen Ausnahmen sind in den ersten Tagen 
oft bei völlig normalem Wohlbefinden Temperatursteigerungen 
die Regel, die wir als Resorptionsfieber, hervorgerufen durch das 
in der Bauchhöhle zurück gelassene Blut, zu deuten haben, meist 
um 88° herum, gelegentlich 39° erreichend, etwa 8—14 Tage 
dauernd. Andererseits haben wir auch Fälle ganz ohne Fieber 
oder mit nur wenige Tage betragenden subfebrilen Temperaturen 
beobachtet. Selten trat Albumen im Urin auf. In einzelnen 
Fällen konnte Hämatin im Blutserum nachgewiesen werden, eben¬ 
falls als Ursache der Resorption des Blutergusses. 

Thormählen*) hat wichtige Untersuchungen über Hämatin bei 
Tubargravidität am Material des Eppendorfer Krankenhauses gemaoht. 

Je nach Konstitution, Blutverlust und allgemeiner Körper¬ 
verfassung erholten sich die Frauen verschieden rasch. Sicher 
ist, da9s fast durchweg vor dem Kriege und noch 1914 die 
Erholung rascher eintrat und der Krankenhausaufenthalt kürzer 
dauerte als später, wo die Widerstandskraft geringer geworden 
war. Manche Patientin verliess noch im ersten Kriegjahr am 
11., 12. Tag das Krankenhaus, wenn auch noch nicht voll 
leistungsfähig, so doch in durchaus respektabler körperlicher 
Verfassung. 

Regelmässige Blutuntersuchungen sind naturgemäss im Drange 
der Ereignisse unterblieben, bis Verf. die Eigenbluttransfusion 
anwandte. 

Um den Wert der Eigenbluttransfusion beurteilen zu können, 
haben wir uns folgende Fragen vorzulegen: Zeigen die so be¬ 
handelten Patientinnen ein wesentlich besseres klinisches Ver¬ 
halten, fühlen sie sich frischer, erholen sie sich rascher, wird die 
Behandlung abgekürzt, wie verhält sich ferner der Blutbefund, 
endlich, wurden Nachteile oder Schädigungen beobachtet? 


1) Young, Boston med. surg. Journ., 1915, Nr. 4. 

2) Thormählen, Mittig, a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir., Bd. 80, 
H. 4 u. 5. 


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Behandelt wurden 12 Fälle. Uebliches klinisches Bild. Auf 
Einzelheiten der Krankengeschichte wird verzichtet, ebenso auf 
Beschreibung der Technik 1 ). Ueberführte Blutmengen 40Ö bis 
1100 ccm, Verdünnung mit Kochsalz zu gleichen Teilen. 

Fall 1. W., Prot-,Nr. 8485. 27 Jahre alt. Blutmenge 850 ccm. 
1. II. Operation. Vor der Transfusion Hämoglobin 38 pCt. Rote Blut¬ 
körperchen 2 Mill. 300000. Am Tage nach der Operation „glänzender 
Puls, glänzendes Aussehen, rote Backen“. 12 Tage Fieber bis 38,5° 
(zweimal über 39°) bei gutem Allgemeinbefinden. Kein Organbefund 
und reaktionsloser Verlauf. Blut steril. 

Hämoglobin 11. H. — 58 pCt. 13. H. — 45pCt. 14. II. — 41 pOt. 
15. II. — 48 pCt. 16. II. — 50 pCt. 17. II. — 48 pCt. 18. IL — 
51 pCt 19. II. — 51 pOt. 20. II. — 46 pCt. 27. II. — 66 pCt. 

Rote Blutkörperchen 2 Mill. 800 000. 1. IIL Hämoglobin 72pCt., 
rote 3 360 000. Polynukleäre 54 pCt., Lymphozyten 37 pCt. Eosin. 
1 pCt. Grosse Mononukleäre 8 pCt. 20. Tag entlassen. 

Fall 2. D., Prot.-Nr. 3600. 34 Jahre alt. Blutmenge 700. 8 Tage 
Temperatur bis 38,5°, 8 Tage zwischen 87 und 38°. Ungestörtes Be¬ 
finden, rasche Erholung, am 19. Tage Entlassung. Hämoglobin: 88, 
47, 41, 50, 57, 54, 53, 50, 52 pCt. 

Rote: 8 000 000. Entlassungsbefund: w Haraoglobin 75 pCt, 
rote 4 000 000. Ausstrich: Polynukleäre 49 pCt. Lymphozyten 41 pCt. 
Eosin 4 pCt. Grosse Mononukleäre 8 pCt. 

Fall 3. W., ProtNr. 8619. 25 Jahre alt. Blutmenge 800. Be¬ 
sonders schwerer Fall mit Dyspnoe, Benommenheit, Reaktionslosigkeit, 
weiten, starren Pupillen. Beginn der Operation ohne Narkose. Erat bei 
der Transfusion hebt sich der Zustand. Operation in leichter Aether- 
narkose vollendet. Temperatur nicht verwendbar, da Bauchdecken¬ 
eiterung. Rekonvaleszenz sehr langsam, Kopfschmerzen. 40. Tag Ent¬ 
lassung. Hämoglobin: 42, 45, 56, 59, 63, 71, 79, 80 (am 12. Tag), 
82 pCt. (am 21. Tag). 

Fall 4. M., Prot.-Nr. 9407. 84 Jahre alt. Blutmenge 1000. 
Temperatur staffelweise ansteigend bis 40°, am 6. Tag lytischer Abfall, 
am 10. Tag fieberfrei. Hämatin 0. Bilirubin +. Blutausstrioh o. B. 
Vor der Operation 70 pGt. Hämoglobin. Nach der Operation Hämo¬ 
globin 48, 53 pCt Rote: 2 Mill. 830000. Hämoglobin 47, 59, 52, 
53 pCt. Rote: 3 Mill. 320 000. Hämoglobin: 55, 63 pCt. (18. Tag). 

Fall 5. Sch., Prot.-Nr. 17 955. 29 Jahre alt. Blutmenge 400. 
Hämoglobin nach der Operation 72 pCt., nächster Tag 56 pCt. 50 pCt. 
am 4. Tag. Ikterus. Hämatin 0. Gallenfarbstoff im Urin -f». Hämo¬ 
globin 52, 57, 60 (17. Tag), 7fipCt. (40. Tag). Blutausstriohe o. B. 
Sohr langsame Rekonvaleszenz, lange Zeit Kopfschmerzen, Schwindel, 
wochenlang Temperatursteigerung, sicher nioht bedingt duroh eine un¬ 
bedeutende Nahtinsuffizienz. 

Fall 6. Prot.-Nr. 19 306. 31 Jahre alt. Blutmenge 800. Auch 
naoh der Operation noch Exzitantien notig. 4 Tage Fieber bis 38,5°. 
Subikterisohe Verfärbung. Gallenfarbstoff +. Hämoglobin 60, 54, 62, 
65 (12. Tag), 80 pGt. (25. Tag). 

Fall 7. B., Prot.-Nr. 19 832. 80 Jahre alt. Blutmenge 800. 
Hämoglobin: 60 (2. Tag), 75 pCt. (6. Tag). Leichte Temperatursteige¬ 
rung. Erholt sich nur langsam, hat aber nebenbei eine Rektumlues. 

Fall 8. Sch., Proi-Nr. 20,075. 85 Jahre alt. Blutmenge 500. 
Braucht noch nach der Operation Exzitantien. Fieber nioht verwertbar 
wegen Bauohdeckeneiterung. Hämoglobin: 45 (1. Tag), 45 (7. Tag), 
60 pCt. (12. Tag). Blutausstriohe o. B. 

Fall 9. W., Prot.-Nr. 2525/19. 84 Jahre alt. Blutmenge unbe¬ 
stimmt. Erholt sich überraschend schnell. Macht am nächsten Tag 
durchaus gesunden Eindruck. Frische Farbe. Hämatin 0. Hämoglobin: 
45 (1. Tag), 60 (12. Tag), 70 pCt. (19. Tag). Am 17. Tag Fieber, 
zum Teil bis 40°, ohne objektiven Beiund. 

Fall 10. K., Prot.-Nr. 4741. Blutmenge 1100. 14 Tage Fieber 
bis 89,5°. Hämoglobin: 50 pCt. (1. Tag), rote: 2 Mill. 250000. Hämo¬ 
globin: 56 (4. Tag), 50 pGt. (7. Tag), roter 2 Mill. 500 000. Hämo¬ 
globin: 55 pCt. (17. Tag). Rote: 3 Mill. 800 000. Bltitausstrich: 1. Tag 
— Polynukleäre 83,5. Lymphozyten 15,7. Grosse Mononukleäre 0,38. 
Baso- und Eosin. je 0,2 pGt. Geringe Polychromasie. 7. Tag. Poly- 
nukleäre 71. Hämoglobin: 65 pGt. Lymphozyten 25,2 pGt. Eosin 
1,2 pGt. Grosse Mononukleäre 0,4 pCt. Baso 0,7 pGt. 

Fall 11. Sch., Prot.-Nr. 4646. 44 Jahre alt. Blutmenge 500. 
Erholt sich sehr langsam. Lange Fieber. Bauohdeokenabszess. Hämo¬ 
globin: 40 pCt. (2. Tag), rote: 2 Mill. 420 000. Hämoglobin: 48 pCt. 
(5. Tag). 11. Tag, rote: 2 Mill. 180 000. Hämoglobin: 55 (17. Tag), 
60pCt. (22. Tag), rote: 2 Mill. 500000. Hämoglobin: 75 pCt. (88. Tag). 
Blutausstriohe, 2. Tag: o. B. Keine Lymphozytose. 

Fall 12. D., Prot.-Nr. 3761. 27 Jahre alt. Blutmenge 3000. 
Noch Exzitantien einige Tage nach der Operation. Anfangs rasche, 
später langsame Erholung. Kopfschmerzen. 14 Tage Fieber, zum Teil 


1) Roedelius, Zur Technik der direkten Blut- und Eigenblut¬ 
transfusion. Zbl. f. Chir., 1918, Nr. 85. Uebersohöpfen mit Gefäss in 
Irrigator durch achtsohiohtigen Gazefilter, Versetzen mit Kochsalzlösung. 

2 

Original frorn 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Sr. 86 


bis über 89°. Am 16. Tage Thrombose des linken Beines. Hämoglobin: 
48 (2. Tag), 48 pCt. (3. Tag), rote: 2 Mill. 860000. Hämoglobin: 52pCt. 
(8 Tag), rote: 3 Mill. 520 000. Hämoglobin: 52 pCt. (12. Tag), rote: 

2 Mill. 800 000. Hämoglobin: 55 (17. Tag), 68 pCt. (20. Tag), rote*. 

3 Mill. 500 000, rote: 3 Mill. 620 000 (23. Tag), 80 pCt. (31. Tag). 
Aas8triohe: Polynukleäre 50,46 (8. Tag). Lymphozyten 40,36. Eosin. 
0,93. Grosse Mononnkleäre 1,2. Leiohte Polychromasie. Ein Megaloiyt, 
2 Normoblasten. 10. Tag. Polynukleäre 62,98. Lymphosyten 32,4. 
Baso. 9,79. Eosin. 1,94. Grosse Mononnkleäre 1,3. 

Dieses kurse Tatsachenmaterial bedarf noch kritischer Be¬ 
leuchtung. 

Was zunäohst das subjektive Befinden und das körper¬ 
liche Verhalten anlangt, so boten die meisten Patientinnen von den 
mit einfacher KochsalzinfuBion behandelten Fällen keine besonders auf¬ 
fallende Abweichung, vielleicht trat besonders hervor Fall 1, wo am 
Tage nach der Operation „glänzender Puls, glänzendes Aussehen, rote 
Backen" notiert werdeu konnte. Ebenso wurde in Fall 9 eine über¬ 
raschend schnelle Erholung gebucht, irische Farben und gesunder Ein¬ 
druck. Demgegenüber stehen aber ebenso Fälle, wo trotz der Trans¬ 
fusion durohaus keine raschere Wiederherstellung erfolgte, wo langsame 
Erholung und langes Krankenlager nioht ohne Störungen beobachtet 
wurde. Verschiedentlich wurden, vielleicht nicht so häufig wie früher, 
nooh innerhalb der ersten 24 Stunden post operationem Ezzitantien zur 
Hebung der Herzkrait nötig. Kopfschmerzen belästigten die Patien¬ 
tinnen, grosse Schwäche zeigte sich bei den ersten Aufstehversuohen, 
kurz, man hatte noch dieselben Bilder wie früher auch, wo naturgemäss 
entsprechend der verschiedenen Konstitution, abhängig auch von der 
Grösse des Blutverlustes und der Widerstandstähigkeit der Individuen 
sehr wechselnde Beobachtungen bezüglich der Wiederherstellung zu 
machen waren, und wo wir ebenfalls Pat. mit langsamer Erholung und 
auch „glänzende Fälle" sahen. 

Den einzigen wirklich auf das Konto der Bluttransfusion 
zu setzenden Erfolg sah Verf. in einem Fall (3), wo die sterbende, bei 
der Operation zanäohst nioht narkotisierte Frau ganz zweifellos durch die 
Transfusion gerettet wurde. Verf. glaubt nicht, dass in diesem Fall die 
Koohsalzinfusion den gewünschten Erfolg gehabt hätte, in Erinnerung an 
einzelne frühere Beobachtungen bei anderen Erkrankungen, wo auch durch 
sie das Leben nicht mehr erhalten werden konnte. Diese Annahme deckt 
sich mit den Versuchen Zell er’s, der experimentell naohweisen konnte, 
dass ausgeblutete Hunde durch Bluttransiusion ins Leben zurückgerufen 
werden konnten, nachdem die Koohsalzinfusion versagt hatte. Abgesehen 
von diesem einen wichen im klinischen Bilde die transfundierten Fälle 
nioht oder nur unwesentlich von den bisherigen Beobachtungen ab, so 
dass wir keine Ueberlegenheit der Methode erkennen konnten. Gehörte 
doch sohon immer die Operation der Tubenruptur zu den dankbarsten 
in der Chirurgie, gerade weil wir eben diese meist geradezu wunderbare 
Erholung der schwererschöpften, oft moribunden Frauefi sehen und uns 
an diesen unmittelbaren Operationserfolgen erfreuen können. 

Von einer bedeutenden Abkürzung der Rekonvaleszenz durch 
die Transfusion, wie sie von anderer Seite erwähnt ist, konnten 
wir uns an unserem Material somit nicht überzeugen, aber wie 
erwähnt, muss man die jetzt herrschende allgemeine Widerstands¬ 
losigkeit mit in Betracht ziehen. 

Das verglichene Material ist in dieser Beziehung nioht gleichwertig, 
die Möglichkeit rascherer Wiederherstellung und kürzerer Rekonvaleszenz 
soll deswegen nicht von der Hand gewiesen werden, zumal im Hinblick 
auf die unten erwähnten Blutbefunde. 

Wir haben gelernt, dass sich nach starken Blutverlusten die 
einzelnen Teile des Gesamtblutes für gewöhnlich ungleichmässig 
zu regenerieren pflegen, und zwar derart, dass sich am schnellsten 
das Wasser ersetzt, dann die Eiweisskörper des Blutplasmas, 
während die Neubildung der roten Blutkörperchen langsamer 
von statten geht und am spätesten das Hämoglobin zur Norm 
zurückkehrt. 

Dass Oligozythämie und Oligochromämie, namentlich letztere nach 
einmaligem akuten Blutverlust, wie bei der Tubenruptur meist der Fall, 
ip der Regel keine extreme Grade erreicht, geht aus den obigen Be¬ 
funden ebenfalls hervor, wo trotz schwerer Ausblutung gelegentlich 
sogar auffallend hohe Werte gefunden wurden (2 Fälle mit 60 bzw. 70pCt.). 
In diesen Fällen wird nioht die Verarmung des Blutes an Erythrozyten 
und Hämoglobin die Ursache des möglichen Verblutungstodes sein, 
sondern vielmehr die starke Blutdruoksenkung, die mangelhafte Füllung 
des Gefässsystems, das „Leergehen der Herzpumpe". Gegen diesen 
drohenden mechanischen Verblutungstod im Sinne von Goltz 
ist die intravenöse Koohsalzinfusion das gegebene souveräne 
Mittel, der man event. natürlich Blut zusetzen kann. Jedenfalls ist 
von kleinen Blutmengen in diesem Fall nicht allzuviel zu erwarten. 

Was die Regeneration von Erythrozyten und Hämoglobin 
angeht, so zeigte sich, dass in einigen Fällen der Farbstoff, nach 
Sahli gemessen, bereits völlig oder annähernd zur Norm zurück¬ 
gekehrt war, wenn die Zahl der roten Blutkörperchen sich noch 
relativ niedriger verhielt, jedenfalls Hess sich ein rascheres Auf¬ 
steigen der Erythrozytenkurven gegenüber dem Hämoglobin, wie 


es gewöhnlich der Fall ist, nicht nachweisen, Erreichung der 
Norm konnte bei den roten Zellen während des begrenzten 
Krankenhausaufenthaltes niemals nachgewiesen werden. 

Als Zeichen beschleunigter Blutbildung wurden bei einer Patientin 
einzelne Normoblasten und junge neu gebildete Polyohromzellen ge¬ 
funden. Erstere pflegen bekanntlich, jedenfalls in grösserer Zahl nach 
einmaligen Blutverlusten nicht gerade häufig nachweisbar zu sein. 
Ferner wäre zu erwähnen, dass im Gegensatz zu der meist bald ver¬ 
schwindenden neutrophilen posthämorrhagischen Leukozytose in allen 
Fällen eine recht beträchtliche Lymphozytose (etwa 40 pCt.) festgestellt 
werden konnte. 

Zum Vergleich des Unterschiedes der Hämoglobin-Regene- 
neration bei transfundierten und nichttransfundierten Fällen 
wurden gleichzeitig einige Patienten ohne Blutüberführung 
behandelt. 

Zweimal konnte nur ein geringes Ansteigen des Blutfarbstoffes um 
15 (16pCt.) in 58 (15) Tagen notiert werden. Bei einer dritten Frau 
stieg derselbe in 8 Wochen um 38pCt. 

Transfundierte Fälle: Bemerkenswert rasoheres Ansteigen des 
Hämoglobins in der Hälfte der Fälle, nämlich um 25—40 pCt. in 3 bis 
5 Wochen. Bei einer Frau stieg das Hämoglobin in 12 Tagen um 
etwa 40 pCt. Bei den übrigen 6 Pat. teils nur geringes Ansteigen 
(5—20 pCt.), allerdings meist in kürzeren Zeiträumen (bis 24 Tage). 

Rote Blutkörperchen*. Nur ein niohttransfundierter Fall: Kein Unter¬ 
schied gegenüber mehreren transfundierten. 

Bezüglich der Blutregeneration lässt sich somit sagen, dass 
in etwa der Hälfte der Fälle eine Wirkung im Sinne 
rascherer Wiederherstellung normaler Hämoglobin¬ 
werte unverkennbar war, während bei anderen Patientinnen 
ein besonders rasches Ansteigen vermisst wurde. Dabei war es 
gelegentlich gleichgültig, wie gross das überführte Blutquantum 
war, ja, wo bei besonders grosser Blutmenge auch besonders 
günstige Regenerationsergebnisse erwartet wurden, blieben dies? 
aus. Es scheint somit nicht allein auf das Blutquantum anzu¬ 
kommen. Ganz abgesehen davon, dass manche Internisten bei 
der Behandlung von Anämien der wiederholten Zufuhr kleiner 
Blutmengen das Wort reden, da diese erfahrungsgemäss oft die 
gleiche Wirkung haben wie einmalige grosse Dosen, scheint man 
auch bei der Bekämpfung akuter Blutverluste, wie von Physio¬ 
logen bestätigt wird, und wie auch einige der vorliegenden Beob¬ 
achtungen zeigen, mit kleineren Blutmengen zum Ziel zu kommen. 
Hierbei würde das überführte Blut weniger zur Auffüllung des 
Gefässsystems zu dienen haben (wie durch Kochsalzinfusion besser 
erreichbar), sondern seine wesentliche Aufgabe besteht darin, die 
neben dem Flüssigkeitsverlust durch den grossen Ausfall von 
roten Blutkörperchen hervorgerufene mehr oder wenige hoch¬ 
gradige Beeinträchtigung und Störung des Gas- und sonstigen 
Stoffwecbselaustausches zu bekämpfen. Ist die Gefahr dieses 
„funktionellen Verblutungstodes“ nahe gerückt, dann 
tritt die Bluttransfusion in ihre Rechte, die Kochsalz¬ 
infusion in den Hintergrund, ln schwersten Fällen 
kann nur die rasche Zufuhr lebensfähiger Sauerstoff¬ 
träger die Rettung bringen (Fall 3). Das intraabdominale 
Eigenblut erfüllt, wie Untersuchung und Erfahrung lehrt, diese 
Anforderungen, wenn auch vielleicht nicht so ideal wie etwa 
das Blut bei direkter Gefässtransfusion. „Kein anderes pharma¬ 
kologisches Mittel kann als Herzstimulans auf die Dauer die 
biologische Bluttransfusion je erreichen“. [Seiffort 1 ) (Weder- 
hake, Zeller)]. 

Wie ei kennen wir diese Form der drohenden Verblutung? 
ln erster Linie am Lufthunger. Atemnot, weite Pupillen, Be¬ 
wusstseinsverlust künden die nahende Katastrophe an, sub finem 
Konvulsionen, Abgang von Urin und Stuhl. Sind die letzt¬ 
genannten Symptome vorhanden, wird vielleicht aueh die Trans¬ 
fusion zu spät kommen. Auf die ersteren, insbesondere die 
Atemnot und die weiten Pupillen, natürlich neben den Übrigen 
bekannten Erscheinungen, möchten wir besonderen Wert legen 
und für diese Fälle die Eigenbluttransfusion für ab¬ 
solut indiziert halten. Wie im Experiment kam die mehrfach 
zitierte Patientin fast unmittelbar, nachdem das Blut in die Vene 
strömte, wieder zu sieb, erwachte aus ihrer Benommenheit, die 
Atmung besserte sich, der Puls kehrte wieder, wie auch die Re¬ 
aktion der Pupillen, ln der Mehrzahl der Fälle fehlen glück¬ 
licherweise nach unseren Erfahrungen diese verhängnisvollen 
Vorboten, und es stehen Blutdrucksenkung und mangelhafte 
Füllung des Gefässsystems im Vordergrund, schon klinisch ein 


1) Seifert, Würzb. Abh., Bd. 18, S. 3 u. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1. 8eptember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Zeichen, dass man auch mit der Kochsalsinfasion einen günstigen 
Ansgang erwarten darf. 

Nebenerscheinungen. In nahezu allen Fällen Fieber, 
zum Teil 8—14 Tage dauernd, oft beträchtliche Grade (89—40) 
erreichend, als Resorptionsfieber aufzufassen. Dabei war auf¬ 
fallend, dass vielfach keine nennenswerte Beeinträchtigung des 
Allgemeinbefindens eintrat. Bei anderen bestanden die üblichen 
postoperativen und anämischen Beschwerden. Sonstige üble 
Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet, zweimal leichter Ikterus. 
Kein Auftreten abnormer Farbstoffe oder dergl. Im Urin traten 
weder chemisch noch mikroskopisch krankhafte Befunde auf. 
Eine beobachtete Thrombose möchten wir nicht der Transfusion 
zur Last legen. 

Die vorstehenden Beobachtungen lassen folgende 
Schlüsse zu: Wirkung und Wert der Eigen bl uttransfusion bei 
Behandlung der Extrauteringravidität sind unverkennbar, dürfen 
jedoch nicht überschätzt werden. Nach unseren Erfahrungen ist 
es nicht nötig, dieselbe tum Normalverfahren zu erheben. Die 
Verblutungsgefahr wird in der grossen Mehrzahl der Fälle, wo 
es sich um die drohende mechanische Verblutung handelt, durch 
die Kochsalzinfusion beseitigt, ln den seltenen Fällen funktioneller 
Verblutungsgefahr bzw. Kombination beider, die klinisch besonders 
an der Atemnot erkennbar ist, ist die Eigenbluttransfusion un¬ 
bedingt indiziert und wirkt unter Umständen allein lebensrettend. 
Sie kann selbstverständich und zwar gefahrlos auch in allen 
übrigen Fällen angewandt werden, zumal da sie wahrscheinlich 
(die Zeitverhältnisse lassen an unserem Material keinen sicheren 
Schluss zu) die Rekonvaleszenz abkürzt und in vielen Fällen eine 
raschere Regeneration des Blutes herbeifübrt, doch werden auch 
hier übertriebene Erwartungen gelegentlich enttäuscht. 


Aus der II. inneren Abteilung des städtischen Kranken¬ 
hauses Moabit-Berlin (dirigierender Arzt: Geheimrat 
Prof. Dr. Zinn). 

Ueber Blausäurevergiftung. 

Von 

Dr. Rudolf Neumau. 

Die bisher beobachteten Blausäurevergiftungen sind entweder 
auf Suicide, besonders mit Zyankalium, oder auf gewerbliche 
Vergiftungen in bestimmten Betrieben, wie in der photographischen 
und galvanoplastischen Technik, wo viel mit Blausäuresalzen ge- 1 
arbeitet wird, zurückzuführen. Schliesslich bat auch noch die 
ziemlich weite Verbreitung der Blausäure im Pflanzenreich hie 
und da zu Vergiftungen Anlass gegeben. Allgemein bekannt ist 
ja das Vorkommen der Blausäure in den bitteren Mandeln, wo 
sie allerdings nicht frei vorhanden ist, sondern als Glykosid, aus 
dem sie erst durch das Ferment Emulsin unter Wasseraufnabme 
abgespalten wird. 60—70 Stück bittere Mandeln sollen zu einer 
tödlichen Vergiftung ausreichen. Dasselbe Glykosid ist auch in 
den Pflaumen-, Aprikosen- und Pfirsichkernen und anderen 
Pflanzen enthalten. Vergiftungen mit diesen Stoffen, es sei an 
die arzneiliche Aqua amygdal. amar. oder an den Kirschwasser- 
schnaps erinnert, können wohl Vorkommen, sind aber immerhin 
eine grosse Seltenheit. Wie die folgenden Ausführungen zeigen, 
ist aber in Zukunft infolge anderweitiger Verwendung der Blau¬ 
säure, die sie seit kurzer Zeit in ausgedehntem Maasse findet, 
jetzt öfters in der allgemeinen Bevölkerung mit Blausäurever¬ 
giftung zu rechnen. 

Am 26. V. 1919 wurden 8 Personen in bewusstlosem Zustande im 
Krankenhaus eingeliefert: ein 51 jähriger Mann, seine 85jährige Frau 
und deren 5 jährige Tochter. Schon auf mehrere Meter weit fällt bei 
allen dreien ein intensiver Geruch nach Bittermandelöl auf. Bald nach 
der Aufnahme ersohien auf der Station der Bäckermeister N. und gab 
folgendes an: ln seinem Hause sollte ein Zimmer entseucht werden. Der 
Kranke P., der Kammeijäger sei, habe am Morgen den Desinfektions- 
apparat aufgestellt, dann sei er am Mittag in Begleitung seiner Frau 
und seines Kindes wiedergekommen, um das Zimmer zu öffnen. Kurz 
danach hörten die Hausbewohner lautes Stöhnen und fanden beim Naoh- 
sehen die 3 Personen bewusstlos auf der Treppe liegen. Durch die 
Feuerwehr wurden sie dann ins Krankenhaus gebracht. 

Die Untersuchung des am schwersten kranken Mannes ergab folgen¬ 
des: Es handelte sioh um einen sehr kräftig gebauten Mann in gutem 
Ernährungszustände und mit gut entwickelter Muskulatur. Die Atemluft 
rieoht, wie schon erwähnt, stark nach Bittermandelöl. Patient ist 
zunächst völlig bewusstlos. Gesicht und Hände zeigen starke Zyanose. 


Es besteht Untertemperatur, um 35°. Der ganze Eindruck ist der eines 
Sch werkranken. Die Pupillen sind weit und reagieren nur träge auf 
Liohteinfall. Die Lippen sind trocken und borkig belegt. Zunge feuoht, 
leicht belegt. Rachen o. B. 

Brustkorb: Fassförmig, symmetrisch. Atmung oberflächlich, stark 
beschleunigt. Die Lungengrenzen stehen tief. Die Perkussion ergibt 
Schachtelten, die Atmung ist leise vesikulär, hinten unten über den 
Longen hört man beiderseits ziemlioh reiohliche kleinblasige, feuchte 
Rasselgeräusche. Keine Dämpfung. Kein Auswurf. Häufiger, trockener 
Husten. Wie Patient später angibt, „kratze es im Hals w . Die Herz- 
dämpfung ist klein infolge Lungenüberlagerung. Die Herztöne sind sehr 
leise, aber rein. Der Puls ist sehr klein, weich, frequent (104 in der 
Minute). Das Abdomen ist weich ohne besondere Resistenz. Leber 
und Milz nicht vergrössert.. Bald erfolgt einmaliges Erbrechen von 
400 ccm einer bräunliohen, nach Kaffee riechenden Flüssigkeit mit un¬ 
verdauten Kartoffel- und Rhabarberrüokständen, die Kongopapier nicht 
bläut, blaues Lakmuspapier rötet. 

Der Urin enthält etwas Albumen. Saooharnm negativ. 

Nervensystem: Ausser der Bewusstlosigkeit bestehen stark ge¬ 
steigerte Patellar- und Aohillessehnenreflexe. Kein Klonus. Babinsky 
negativ. Starker Tremor der Hände. 

Therapie: Venaeseotio. Das Blut zeigt normale, keine auffallend 
hellrote Farbe. Sauerstoffinbalationen. Injektion von Koffein und 
Kampfer. 1 com 1 prom. Atropin, sulf. subkutan. 

Verlauf: Das anfangs sehr bedrohlich aussehende Krankheitsbild 
bessert sich unter der Behandlung sehr schnell. Kurse Zeit nach der 
Aufnahme beginnt der Patient langsam zu erwachen. Er öffnet zeit¬ 
weise die Augen, wirft sioh im Bett umher und gibt bald einige 
Antworten. Dazwischen fallt er noch einige Male in den komatösen 
Zustand zurück. Nooh etwas später zeigt er in den wachen Zeiten 
ein auffallend heiteres Wesen, er gibt die Antworten in lachendem 
Tone; meint unter anderem einmal, es stände nioht schlimm mit ihm. 
Dann will er der Schwester seinen Namen nicht nennen, um den 
, Vorfall nioht an die Oeffentliohkeit zu bringen. Nach 3—4 Stunden 
ist der Patient wieder bei völlig klarem Bewusstsein. Der Puls ist aber 
nooh klein und die Zyanose noch nioht ganz gesohwunden. Er gibt 
jetzt an, dass er von Beruf Kammerjäger sei und seit einiger Zeit mittels 
Blausäureverfahrens die Räume entseuche. Er habe heute wie sonst 
schnell nach der Entseuchung das Fenster des vergasten Zimmers öffnen 
wollen. Da der Wind aber auf dem Zimmer stand, seien die Dämpfe 
nach innen zu getrieben worden, so hätte er und seine Frau und Kind, 
die sioh vor dem Raume aufhielten, einige Atemzüge davon eingeatmet. 
Letztere habe er mitgenommen, „da er zu einem so gefährlichen Hand¬ 
werk nioht gern ohne Begleitung ginge“. 

Am nächsten Morgen fühlt sich Patient völlig wohl. Ausser allge¬ 
meiner Blässe ist nichts krankhaftes mehr nachweisbar. Auf dringenden 
Wunsch hin wird er entlassen. Im Mageninhalt wurde Blausäure in 
Spuren nachgewiesen, ebenso in einer kleinen Flasehe mit brauner 
Flüssigkeit, die der Patient bei sich trug. 

Ein ganz ähnliches, etwas leichteres Krankheitsbild bot 
die Frau. 

Status: Kräftige, gut genährte 35 jährige Frau. Auch hier starker 
Geruch naoh Bittermandelöl. Die Patientin ist völlig bewusstlos. Es 
besteht erhebliche Zyanose. Zu Beginn Schüttelfrost. Die Pupillen 
sind weit, reagieren auf Lichteinfall. Im übrigen Kopforgane o. B. Die 
Atmung ist stark beschleunigt. Lungen frei. Das Herz zeigt normale 
Grenzen und reine Töne. Der Puls ist klein und stark beschleunigt 
(108). Der Leib ist weich, ohne krankhafte Veränderung. Nerven¬ 
system: Lebhafte Patellar- und Aohillessehnenreflexe, im übrigen ausser 
der Bewusstlosigkeit o. B. Der Urin ist frei von Eiweiss und Zucker. 

Die Therapie war dieselbe wie beim Manne: Aderlass, Herzstimu- 
lantien, Sauerstoffinhalationen. Auch die Patientin erholt sich in kurzer 
Zeit und verlässt sobon am nächsten Morgen ohne Beschwerden das 
Krankenhaus. 

Das 5 jährige Mädchen endlich zeigt die leichtesten Erseheinongen. 
Schon gleich naoh der Aufnahme kommt es zum Bewusstsein. Unter 
Koffein und Sauerstoff fühlt es sich schnell wieder wohl. Die Patientin 
kann mit ihren Eltern das Krankenhaus verlassen. 

Spätere Nachforschungen haben ergeben, dass keinerlei Naohkrank- 
heiten mehr aufgetreten sind. 

Es handelte sich also bei den 8 Fällen um eine gleichartige 
Intoxikation, deren Hauptsymptome folgende waren: Starker Ge¬ 
ruch der Atemluft nach Bittermandelöl, Bewusstlosigkeit, Zyanose, 
Atem- und Pulsbeschleunigung, Steigerung der Sehnenreflexe. 
Endlich schneller Rückgang der bedrohlichen Erscheinungen und 
schnelle, dauernde Genesung. Schon die Anamnese und der 
charakteristische Geruch liess die Diagnose Blausäurevergiftung 
kaum mehr zweifelhaft erscheinen, der Nachweis im Mageninhalt 
des Mannes stellte sie völlig sicher. 

Was die Aetiologie unserer Vergiftungen betrifft, so war diese 
auch leicht klarzustellen. Im Gegensatz zu den bisher bekannten 
Blausäure Vergiftungen, die fast ausschliesslich per os durch erst 
im Körper Blausäure abspaltende ZyansaUe und Glykoside er¬ 
folgten, handelte es sich in diesem Falle um Inhalationsintoxi¬ 
kation von Blausäuredämpfen. Die wasserfreie Blausäure ist nach 


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UMIVERSITY OF IOWA 




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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


' Nr. 86 

* - 


Arnold 1 ) eine farblose,furchtbar giftige,durchdringende, eigenartig 
riechende Flüssigkeit, welche bei 27° siedet und bei —15° 
kristallisiert. Schon ihr Dampf kann eingeatmet töten. Diese 
Eigenschaft der Blausäure hat bekanntlich im Kriege zu ihrer 
Verwendung als Kampfgas geführt. Es ist festgestellt, dass die 
Feinde schon 1916 Blausäuregranaten verschossen. Meines Wissens 
hat sie sich aber als Kampfgas nicht bewährt, da sich nicht ge¬ 
nügend hohe Konzentrationen in der freien Luft erzeugen Hessen. 
Die Verwendung, die die Blausäure zu Kntseucbungszwecken jetzt 
findet, stammt aber offenbar ans diesen Kriegserfahrungen. 
Während bis vor kurzem zur Entseuchung von Räumen schweflige 
Säure, hauptsächlich als Salfarkose, benutzt wurde, ist jetzt die 
Blausäure wegen ihrer guten Wirkung und Billigkeit viel im Ge¬ 
brauch. 

Nach Freymuth 2 3 ) Wird dabei folgendermaassen vorgegangen: 
Die zu entseuchenden Räume werden luftdicht verschlossen. 
Dann wird in aufgestellten Holzbottischen Zyannatrium mit ver¬ 
dünnter Schwefelsäure zusammengebracht. So wird die Blausäure 
im Augenblick des Gebrauchs frisch erzeugt. Die Wirkung ist 
eine ausserordentlich sichere. Nach Freymuth-Hase genügt 
zur Abtötnng der Kleiderlaus und ihrer Brut in luftdicht abge¬ 
schlossenen Räumen eine 6 ständige Einwirkungsdauer von ein 
Volumprozent Blausäure. Zur Vernichtung dieses Ungeziefers in 
Bekleidungsgegenständen, Betten usw. in sogenannten Blausäure¬ 
kammern ist eine 1 ständige Durchgasung von 2 Volumprozent 
oder 1 Volumprozent 2 Stunden lang erforderlich. Dieses jetzt 
viel verwandte Blausäureverfahren wirkt ebenso sicher wie das 
Schwefeldioxyd, es bat vor diesem den Vorteil der leichten Be- 
schaffbarkeit und Billigkeit, dagegen den Nachteil der viel 
grosseren Giftigkeit. Räume, die mit Blausäure vergast sind, 
dürfen nur mit Sauerstoffschutzgerät betreten werden. Diese un¬ 
erlässliche Maassnabme wurde von unserem Patienten nach seiner 
eigenen Angabe aus Bequemlichkeit unterlassen, daher die Ver¬ 
giftung. Im allgemeinen verflüchtigt sich das Gas schnell aus 
den Räumen. Immerhin können Reste längere Zeit Zurückbleiben 
und zu Vergiftungserscheinungen führen. Bei der jetzt infolge 
der starken Läuseplage ausgedehnten Verwendung des Blausäure¬ 
verfahrens erscheint deshalb, wie unsere Erfahrungen zeigen, 
grosse Vorsicht und Aufklärung dringend erforderlich. 

Die Blausäure ist eines der stärksten und am schnellsten 
wirksamen Gifte für den Menschen. Nach Kobert 8 ) sind 4 Grund¬ 
wirkungen zu unterscheiden: 1. auf den Stoffwechsel, 2.- auf das 
Blut, 8. auf das Nervensystem und 4. auf das Herz. 

Die Wirkung auf den Stoffwechsel bernht auf der Eigen¬ 
schaft der Blausäure, ein allgemeines schweres Protoplasma¬ 
gift nicht nur beim Menschen, sondern auch bei niederen Tieren 
und Pflanzen zu sein. So hat Schönlein gezeigt, dass sie das 
Auskeimen vou Pflanzensamen verhindert. Ferner hemmt sie 
Gärung und Fäulnis. Alle dies beruht auf der Fähigkeit der 
Blausäure, pflanzliche Enzyme besonders abbauender Natur zu 
lähmen. Dieselbe Einwirkung bat sie auch, wie wir den For¬ 
schungen Geppert’s verdanken, auf den menschlichen Stoff¬ 
wechsel. Blausäure beraubt durch Fermentlähmung die oxydablen 
Bestandteile der Körperzellen der Fähigkeit, Sauerstoff aus dem 
Blut aufzunehmen, indem es das Enzym, das die Sauerstoffüber- 
tragung auf die Gewebe vermittelt, lähmt. So kommt es zum 
Stillstand der lebenswichtigen Oxydationsprodukte im Körper, 
und der Mensch erliegt einer inneren Erstickung der Organe 
trotz Vorhandensein von überschüssigem Sauerstoff. Dieser Sauer¬ 
stoff ist dabei nicht fester an das Hämoglobin gebunden als 
normal. Eine Folge des fehlenden Sauerstoff Verbrauches spricht 
sich in der Eigenschaft des Venenblutens aus, das arteriell, hell¬ 
rot bleibt. Darauf beruht dann auch die für die Diagnose post 
mortem so wichtige hellrote Farbe der Totenflecke bei Blausäure- 
vergiftung. Ausserhalb des Körpers nimmt dagegen das Blut, 
da ja der Sauerstoff nicht wie beim Kohlenoxydhämoglobin fester 
als normal gebunden ist, schnell venöse Beschaffenheit an. So 
hatte auch in unseren Fällen das Aderlassblut normale dunkle 
Farbe. Als weitere Folge des herabgesetzten Oxydationsprozesses 
finden sich dann im Blute anormale Zwischenprodukte wie Milch¬ 
säure, die normalerweise bis zur Kohlensäure verbrannt wird. 
Diese bewirkt ihrerseits wieder eine Herabsetzung der Blutalkales- 
zenz. Ein weiterer Beweis für die fermentlähmende Eigenschaft, 


1) Arnold, Repetitorium der Chemie. 

2) Freymuth, Berichte der Deutschen pharmazeutischen Gesell¬ 
schaft, 1919, 29. Jahrg., H. 15. 

3) Kobert, Lehrbuch der Intoxikationen, Bd. 2. 


der Blausäure ist dann, dass sie dem Blut seine normale kata¬ 
lytischen Eigenschaft auf Wasserstoffsuperoxyd nimmt. Die 
Grund Wirkungen auf Stoffwechsel und Blut sind also eng mit¬ 
einander verknüpft. 

Am Nervensystem beeinflusst die Blausäure die' Hauptzentren, 
in erster Linie das Krampf- und Respirationszentrum, die zuerst 
erregt, dann schnell gelähmt werden. 

Zuletzt wirkt die Blausäure lähmend auf das Herz. Diese 
Wirkupg tritt nach der auf das Atemzentrum ein, so dass das 
Herz das ultimum moriens ist. 

Diesen Grundwirkungen ensprechen die Symptome der Blau- 
säurevergiftung beim Menschen. Man unterscheidet am besten 
zwischen der Wirkung grosser und kleiner£Dosen. Bei grossen 
Dosen sinkt das betreffende Individuum wie vom Blitz getroffen 
—• man nennt diese Form daher auch apoplektische Form — 
bewusstlos um. Die Pupillen sind weit. Nach wenigen krampf¬ 
haften Atemzügen und Konvulsionen erfolgt sofort der Tod. Bei 
kleinen Mengen kann man mehrere Stadien der Wirkung trennen. 
Im Prodromal- oder Initialstadium bestehen^hauptsächlicb sub¬ 
jektive Erscheinungen, wie Kopfschmerzen,^Schwindel, Angst, 
Herzklopfen usw. Es folgt dann das asthmatische Stadium mit 
Atemnot bei erhaltenem Bewusstsein und ohne Krämpfe. Daran 
schlies8t sich das konvulsive Stadium mit Bewusstlosigkeit und 
heftigen teils tonischen, teils klonischen Krämpfen. Im letzten 
aspbyktischen Teil endlich tritt unter allmählichem Atemstill- 
stand der Tod *ein. Das Herz stellt zu allerletzt ’erst seine Tätig¬ 
keit ein. In unseren Fällen ist offenbar noch zwischen dem 8. und 
4. Stadium die Reparation eingetreten. Krämpfe wurden aller¬ 
dings bei uns nicht beobachtet, doch deutet die Steigerung der 
Sehnenreflexe das Krampfstadinm an. 

Die Prognose der Blausäurevergiftungen ist bald zu stellen, 
denn der Ausgang der Vergiftung ist schnell entschieden! Wenn 
nach einer Stunde die Atmung noch nicht zum Stillstand ge¬ 
kommen ist, so tritt nach Poulsson 1 ) meist sehr schnell völlige 
Genesung ein. Nach Jaksch 2 ) wird die Prognose immer ungünstig, 
falls sofort stürmische Erscheinungen auftreten. Wenn das ver¬ 
giftete Individuum aber die ersten 24 Stunden überlebt, so kommt 
es nach ihm im allgemeinen mit dem Leben davon. Diese Regel 
trifft in unseren Fällen nicht zu. Denn trotz der anfänglich so 
bedrohlichen Zustände gingen die Kranken schnell in Genesung 
über. Wahrscheinlich lag das hier an der Aufnahme des Giftes 
durch die Lungen, wodurch es schneller wieder abgegeben werden 
kann als bei der innerlichen Aufnahme. Ein grosser Teil der 
Blausäure verlässt nämlich durch die Lungen wieder den Körper, 
Während der Rest durch Verbindung mit Schwefel in eine wenig 
giftige Rhodanverbindung übergeführt wird. 

ln ausgesprochenen Fällen von Blausäurevergiftung, wie in 
den unsrigen, macht schon klinisch die Diagnose keine Schwierig¬ 
keiten. Ein Hauptsymptom bleibt immer der Geruch nach Bitter¬ 
mandelöl. Auch post mortem gibt dieser spezifische Geruch der 
Organe der Leiche den Ausschlag, daneben Bind die hellroten 
Totenflecke charakteristisch. Für den chemischen Nachweis der 
Blausäure selbst gibt es zahlreiche Methoden, deren Erörterung 
hier zu weit führen würde. Differentialdiagnostisch ist die Nitro¬ 
benzolvergiftung, die manche Aehnlichkeiten aufweist, auszu- 
schHessen Auch hier besteht ein ganz ähnlicher Geruch nach 
Bittermandelöl, der sich für den Kenner allerdings doch etwas 
vom echten Blausäuregeruch unterscheidet. Auch hier können 
Bewusstlosigkeit, Zyanose, Krämpfe auftreten. Neben dem direkten 
chemischen Nachweis des Nitrobenzols gibt es aber auch eine 
Reibe differenter klinischer Symptome der beiden Vergiftungen. 
So zeigen sich die ersten Intoxikationserscheinungen beim Nitro¬ 
benzol erst nach einem freien Intervall von mehreren Stunden, 
bei der Blausäurevergiftung dagegen sofort. Bei Nitrobenzol be¬ 
steht hochgradigste Zyanose, die tagelang anhält. Ferner be¬ 
stehen Koma und Krämpfe hier nur anfallsweise, und die Pupillen 
sind eng. Der ganze Krankheitsverlauf kann endlich ein viel 
länger dauernder sein. 

$3 Was die Therapie der Blausäurevergiftung betrifft, so bat 
in unseren Fällen, die Entlastung des Körpers durch Aderlass, 
die Sauerstoffatmung, deren Nutzen allerdings nach den angeführten 
Forschungen Geppert’s zweifelhaft ist, und die Herzstimulation 
vollauf genügt für die schnelle Widerherstellung der Patienten. 
Bei Aufnahme des Giftes durch den Magen wären natürlich 


1) Poulsson, Lehrbuch der Pharmakologie. 

2) Jaksch, Vergiftungen. Bd. 1 der spez. Path. u. Thor., heraus¬ 
gegeben von Nothnagel. 


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1. September 1919. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. _________ 825 


Magenspülungen anzuwenden, am besten unter Zusatz von HjO*, 
wodurch die Blausäure in das unschädliche Ozamid umgewandelt 
wird, oder von VioP roi > Kaliumpermanganatlösung. Vielleicht 
aber empfehlen sich in jedem Falle, auch bei der Inhalation, 
Magenspülungen, da ja auch bei uns etwas Blausäure im Magen 
nachgewiesen wurde. Es ist also ansunehmen, dass kleine 
Meogen von Blausäure ähnlich wie das Morphium durch die 
Magenschleimhaut wieder ausgeschieden werden. Cm die Blau¬ 
säure nach ihrer Resorption im Körper unschädlich zu machen, 
ist noch eine Reihe anderer Mittel angegeben worden. Ihr 
Nutzen bleibt immer fraglich. Hierher gehört die Ferrosulfat- 
lösnng zusammen mit Kaliumbromat, wodurch eine Umsetzung 
in das unschädliche Blutlaugensalz erfolgen soll. Oder das 
Natriumthiosulfat eventuell subkutan oder intravenös (0,1—0,2 
pro Dosis), das die Blausäure in Salie der weniger giftigen 
Rhodan wasserstoffsäure überführt. Robert empfiehlt noch sub¬ 
kutane Injektionen von H f O a , teils um im Körper die Blausäure 
in Ozamid umzuwandeln, teils um dem Blute Sauerstoff zu¬ 
zuführen. H 2 0 2 wirkt in diesem Falle unschädlich, da ja dem 
Blute bei Blausäure Vergiftung die Fähigkeit fehlt, durch Kata¬ 
lyse H a O t zu zersetzen, und es so nicht wie beim Gesunden zu 
Sauers toffembolien kommen kann. Bei der in wirksamen Dosen 
enorm schnell das Respirationszentrum lähmenden Wirkung der 
Blausäure haben aber, wie auch Meyer-Gottlieb 1 2 * ) ausführen, 
die Gegengifte nur Zwecjc, wenn sie unmittelbar nach dem Gift 
gegeben werden. 

Nachtrag: Inzwischen ist eine Arbeit von Fühner*) erschienen. 
In dieser wird auf Grund von Tierversuchen zur Entgiftung bei Blau- 
säorevergiftung wieder Natriumthiosulfat, und zwar subkutane Injektionen 
einer 5proz. Lösung bis zu 100 oom, empfohlen. Daneben künstliche 
Atmung und intramuskuläre Gaben von Suprarenin (zu 0,5 mg). Da¬ 
gegen waren Oxydationsmittel, besonders Wasserstoffsuperoxyd, im Tier¬ 
versuch gänzlich wirkungslos. 


Ueber einen Fall von akuter disseminierter 
Enzephalomyelitis. (Akute multiple Sklerose?) 

Von 

Dr. Kretschmer, 

Aneistenten der III. medisin. Universitita-Klinik Berlin (Direktor: Geheimrnt Goldscheider). 

Die akute disseminierte Enzephalomyelitis wird von Leyden*) 
nach den beiden hauptsächlich vorkommenden Krankheitsbildern 
in die aknte bulbäre Ataxie und die paraplegische Form ein¬ 
geteilt. Jedoch ist das Krankheitsbild, wie Oppenheim 4 ) hervor¬ 
hebt, kein eng umschriebenes, es können vielmehr sehr zahlreiche 
Variationen Vorkommen. Die hervorstechendsten Symptome der 
akuten bulbären Ataxie sind neben der Ataxie Zittern hei aktiven 
Bewegungen, das dem Intentionstremor der multiplen Sklerose 
sehr ähnlich ist, häufig Nystagmus und Sprachstörungen. Die 
Reflexe sind normal oder gesteigert. Störungen der Sensibilität 
fehlen meistens. Oft ist die Intelligenz beeinträchtigt. Die 
Aehnlichkeit mit der multiplen Sklerose ist also ganz unverkennbar. 
Der grundlegende Unterschied liegt zwischen beiden Krankheiten 
in dem akuten bzw. chronischen Verlauf. Der akute Verlauf der 
disseminierten Enzephalomyelitis ist aber in vielen Fällen nur 
ein scheinbarer, denn nach Jahren der Heilung treten oft neue 
Exazerbationen auf, und es entwickelt sich ein chronisches 
Stadium der multiplen Sklerose, in manchen Fällen gebt die 
Erkrankung anch direkt aus dem akuten in das chronische 
Stadium Über. 

Pathologisch - anatomisch finden sich bei der Enoephalomyelitis 
disseminata vielfältige, mehr oder minder grosse Herde sowohl in den 
weissen als in der grauen Substanz des Zentralnervensystems. Bei 
mikroskopischer Untersuchung findet man in den erweichten Herden Er¬ 
weiterung der Gefässe und Hyperämie, starke Anhäufung von Band¬ 
seilen, epitheloiden Zellen und Fettkörnohensellen. Die Aohsensylinder 
sind ebenso wie die Markscheiden geqaollen, zum Teil in Zerfall be¬ 
griffen oder ganz geschwunden. In älteren Herden findet man Narben¬ 
bildung, indem die Neuroglia gewuchert ist und das zerfallene Gewebe 
ersetzt hat. 

1) Meyer-Gottlieb, Experimentelle Pharmakologie. 

2) Fühner, Die Blausäurevergiftung und ihre Behandlung. D.m.W., 
1919, Nr. 91. 

8) v. Leyden und Goldscheider, Die Erkrankungen des Büeken- 
marks, 1908. 

4) Oppenheim, Lebrbuoh der Nervenkrankheiten, 1918. 


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Im Gegensatz zu diesem Bilde der myelitisohen Herde herrscht bei 
der multiplen Sklerose die Wuoherung der Neuroglia vor. Ausserdem 
findet sioh Zerfall der Marksobeiden, während die Aohsenzylindor er¬ 
halten sind. Strümpell und seine Sohule sehen diese Wucherung der 
Neuroglia als das Primäre der Erkrankung und nehmen als Ursaohe 
derselben eine endogene Entwicklungsstörung an. Die Untersuchungen 
von Goldsoheider 1 ), Siemerling und Raccke*) an frischen Herden 
von multipler Sklerose haben aber gezeigt, dass auch hier Entsündungs- 
ersoheinungen vorhanden sind, die sioh hauptsächlich um die Gefässe 
gruppieren. Die Nervenfasern sind an den betreffenden Stellen sum 
Teil gequollen und in Zerfall begriffen, die Marksobeiden verdünnt oder 
ganz gesohwunden, dazu findet sioh Anhäufung von Körnohenzellen und 
schliesslich die starke Zunahme der Neuroglia in den älteren Teilen der 
Herde. Nach der Ansicht der genannten Autoren liegt also auch der 
multiplen Sklerose primär ein akut myelitisoher Prozess zugrunde, 
während die Neurogliawuoherung sekundär gewissermaassen als Narben¬ 
gewebe für die serstörten Teile eintritt. 

Auoh anatomisch sind daher weitgehende Uebereinstimmungen 
zwischen der Enoephalomyelitis disseminata und der multiplen Sklerose 
vorhanden, und Uebergänge von der einen Erkrankung zur anderen be¬ 
steben sehr wahrscheinlich. 

Oppenheim 8 ), Marburg 4 ) u. a. haben wegen der weitgehenden 
Uebereinstimmung des klinischen und anatomischen Bildes der beiden 
Erkrankungen akut verlaufende Fälle von Myeloenoephalitis disseminata 
als akute Form der multiplen Sklerose beschrieben. Oppenheim 8 ) sagt 
dasu, „dass man diesem Leiden bei seinem Ausbruch nicht ansehen 
kann, ob es bei dem einen Anfall bleiben wird, oder ob dieser nur den 
ersten Sehub einer Solerosis multiplex bildet. Führt gleioh die erste 
Attacke sum Exitus, so besitzen wir auoh keine Handhaben, um vor 
der Obduktion bzw. mikroskopischen Untersuchung zu entsoheiden, ob 
eine disseminierte Myeioensephalitis oder eine multiple Sklerose (im 
engeren Sinne) vorliegt. Die neueren Erfahrungen haben gezeigt, dass 
beide Prozesse nebeneinander bestehen können, oder dass die histo¬ 
logischen Veränderungen sioh ebensogut als Sklerose wie als Enzephalitis 
und Myelitis deuten lassen". 

Ob man so weit gehen darf, nun alle Fälle von Encephalo- 
myelitis disseminata ohne weiteres der multiplen Sklerose zu- 
zurechnen, erscheint doch noch nicht entschieden zn sein. Auch 
Oppenheim 6 ) selbst bat noch in der letzten Auflage seines Lehr¬ 
buchs den oben vertretenen Standpunkt nicht eingenommen. 
Einstweilen ist diese Frage jedenfalls noch nioht genügend ge¬ 
klärt, denn es gibt Fälle von multipler Sklerose, die sich durch 
das starke Ueberwiegeo der Neurogliawucherung und die Per¬ 
sistenz der Achsenzylinder weitgehend vom Bilde der Myelitis 
• unterscheiden. 

Eine Entscheidung der Frage liesse sich durch die Auf¬ 
klärung der Aetiologie fällen, die zu erforschen ein bisher ver¬ 
gebliches Bemühen gewesen ist ln der Anamnese der Encepba- 
lomyelitis disseminata wie der multiplen Sklerose spielen die akuten 
Infektionskrankheiten, wie Pocken, Typhus, Diphtherie, Masern, 
Influenza usw., eine grosse Rolle, und bei beiden ist dem Beginn 
des Leidens häufig ein Trauma vorhergegangen. Die Mehrzahl 
der Autoren sind darum geneigt, die beiden Krankheiten auf in¬ 
fektiöse bzw. toxische Ursachen zurückzuführeo und gegebenen¬ 
falls dem Trauma die Rolle des auslösenden Moments zuzuweisen. 
Es ist natürlich das Bestreben gewesen, bei dieser Annahme des 
infektiösen Ursprungs auch die spezifischen Krankheitserreger, 
soweit sie bekannt sind, in den Erkrankungsherden nachzuweisen. 
Ergebnisse solcher Untersuchungen habe ich in der Literatur 
nicht gefunden, und dieselben dürften meist negativ ausgefallen 
sein. Nur vereinzelt wurden in myelitischen Herden Staphylo- 
und Streptokokken gefunden. Der Grund dafür liegt wohl darin, 
dass Bakterien sehr rasch wieder aus dem Nervengewebe ver¬ 
schwinden, wie experimentelle Einimpfungen von Bakterien in 
die Rückenmarkssubstanz gezeigt haben [v. Leyden und Gold- 
scheider 6 )]. Neuerdings haben nun Kuhn und Steiner 7 ) sowie 
Nonne*) bei multipler Sklerose experimentelle Untersuchungen 
über die infektiöse Ursache derselben angestellt. Es ist ihnen 
gelungen, durch Impfung mit Blut vuu frischen Fällen aaf 
Kaninchen und Meerschweinchen bei letzteren Lähmungen hervor- 
surufen und in der Leber der Tiere Spirochäten nachzuweisen, 
die hauptsächlich in den Wandungen der Gefässe lokalisiert 
waren. Ferner gelang Kuhn und Steiner die Uehertragung 

1) Goldsoheider, Zsehr. f. klin. M., Bd. 80. 

2) Siemerling und Raeoke, Aroh. f. Psyoh., 1911, Bd. 48. 

8) Oppenheim, D. Zsohr. f. Nervhlk., 1914, Bd. 52. 

4) Marburg, Jahrb. f. Psyoh., 1906, Bd. 27. 

5) Oppenheim, Lehrbuoh der Nervenkrankheiten, 1918. 

6) v. Leyden -und Goldsoheider, Die Erkrankungen des Rüoken- 
marks, 1908. 

7) Kuhn und Steiner, Med. Klio., 1917, Nr. 88. 

8) Nonne, Aerstl. Verein Hamburg. Ref. D.m.W., 1918, S. 278. 

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dieser Spirochäten von Tier anf Tier. Hauptmann 1 ) konnte bei 
Nachprüfung dieser Versuche dieses Ergebnis nicht bestätigen; 
allerdings hatte er keine frischen Fälle sur Verfügung. Siemer- 
ling 2 ) fand im Gehirn eines Falles von multipler Sklerose mittels 
Dunkelfelduntersncbung gleichfalls Spirochäten. Kuhn und 
Steiner stehen der Frage, ob diese Spirochäten die Erreger der 
multiplen Sklerose sind, in Anbetracht der geringen Zahl ihrer 
Versuche sehr vorsichtig gegenüber. Strümpell 2 ) weist darauf 
hin, dass mit dem Nachweis der Spirochäten bei multipler 
Sklerose noch bei weitem nicht alle .Fragen der Entstehung der 
Krankheit geklärt sind, insbesondere nicht die Frage der Her¬ 
kunft der Erreger and ihrer Eintrittspforte in den gesunden 
Körper, Er steht der Möglichkeit eines infektiösen Ursprungs 
der Erkrankung gemäss seiner Auffassung derselben als primärer 
Gliose sehr skeptisch gegenüber. Sollten sich die Kuhn und 
Steiner’schen Versuche bestätigen, so wären vor allem auch bei 
Fällen von Encephalomyelitis disseminata entsprechende Unter¬ 
suchungen anzustellen, und je nach dem Ergebnis derselben Hesse 
sieh eine Scheidung oder Vereinigung der beiden Erkrankungen 
vollziehen. Einstweilen dürfte es jedenfalls nicht möglich sein, 
die Encephalomyelitis disseminata ohne weiteres der multiplen 
Sklerose zuzurechnen. 

Ich möchte im Folgenden über einen Fall von Encepbalo- 
myelitis disseminata berichten, den ich als Chefarzt eines Feld¬ 
lazaretts beobachtete, und der die diagnostischen Schwierigkeiten 
zeigt, sowie in ätiologischer und therapeutischer Beziehung von 
Interesse ist. 

Garde* du Corps K. M., 23 Jahre alt, Landwirt. Stammt aus ge¬ 
sunder Familie. Ist angeblich früher nie krank gewesen. Wird am 
24. VIIL 1918 in das Lazarett wegen akuter Gonorrhoe eingeliefert. 
Bis zum 2. X. Verlauf der Behandlung auf der Gesohleohtskranken- 
station ohne Komplikationen. Vom 2. X. ab Fieber, allmählich an¬ 
steigend, vom 4. X. Kontinua um 39°. Pat. klagt anfangs über 
Schmerzen in den Knien und Knöcheln. Objektiv keine Schwellung 
oder sonstige krankhafte Erscheinungen an diesen Gelenken. Von seiten 
der Geschlechtsorgane kein Befund, der das Fieber erklären könnte. 
Innere Organe o. B. Milz unter dem Rippenbogen zu tasten. Am 6. X. 
leichte Benommenheit. Blutentnahme wegen Typhusverdacht. Die 
Untersuchung fiel negativ aus. Wegen Verschlimmerung des Zustandes 
am 10. X. Verlegung auf die innere Station. Hier wurde folgender 
Befund erhoben: 

Kräftig gebauter Mann. Kein Exanthem, insbesondere keine 
Roseolen. Keine Oedeme. Pat. ist benommen, antwortet jedoch auf 
Anrede, nimmt Nahrung mit Unterstützung zu sieb. Herz und Lungen 
ohne krankhaften Befund. Zunge leicht belegt. Rachen o. B. Bauch 
o. B. Leber nicht vergrössert. Milz am linken Rippenbogen zu tasten. 

Urin frei von Eiweiss und Zuoker. Keine Störung der Blasen- und 
Mastdarmfunktion. Nervensystem: Augenbewegungen frei. Pupillen 
gleich, reagieren prompt auf Liehteinfall. Kein Nystagmus. Mund- 
fazialis rechts leioht paretiseh. Zunge wird gerade herausgestreokt. 
Sprache auffallend langsam, skandierend. Grobe Kraft der Arme und 
Hände beiderseits mässig stark herabgesetzt, beiderseits ungefähr gleich. 
Leiohte Spasmen bei passiven Bewegungen. Grobschlägiger Intentions¬ 
tumor beiderseits. Grobe Kraft der Beine beiderseits stark herab¬ 
gesetzt, starke Spasmen in beiden Beiden. Ziemlich starke Ataxie. 
Pat. kann die Beine vom Bett etwas erbeben, ist nicht imstande, sich 
aufzusetsen, bricht beim Versuch, ihn aufzustellen, zusammen. Klagt 
noch immer über starke Schmerzen in den Beinen. Objektiv keine 
Schwellungen. 

Sensibilität ohne krankhafte Veränderungen. Lagegefühl an den 
Armen und Händen intakt, an den Beinen etwas herabgesetzt. 

Reflexe: Gaumen- und Würgreflex -{-. Bauchdeckenreflex beider¬ 
seits +• Trizepssehnenreflex beiderseits gesteigert. Kniesehnen- und 
Aohillessehnenreflex beiderseits stark gesteigert. Kein Fussklonns. Kein 
Babinski. Untersuchung des Blutes und der Zerebrospinalflüssigkeit auf 
Wassermann’sohe Reaktion fiel negativ aus. 

16. X. Befund unverändert. Die Lähmung der Beine hat zu- 
genommen. Keine Benommenheit mehr. 

18. X. Temperatur, die bis jetzt um 89° war, zur Norm ab¬ 
gefallen. Pat. ist bei klarem Bewusstsein, aber noch teilnahmlos für 
die Umgebung. 

6. XI. Zustand unverändert. Die Fazialisparese nicht mehr naoh- 
zuweisen. 0,45 Neosalvarsan intravenös. 

13. XI. Lähmung der Arme und Beine deutlich zurüokgegangen. 
Pat. kann an 2 Stöcken einige Schritte gehen. Ganz spastisoh, paretiseh, 
leioht ataktisch. Beim Stehen mit geschlossenen Füssen starkes 
Schwanken, das bei Augensohluss zunimmt. Spasmen und Ataxie ge¬ 
ringer. Der Intentionstremor hat etwas nachgelassen. Sensibilität o. B. 
Reflexe gesteigert. Kein Babinski und Fusklonus. Spraohe skandierend. 


1) Hauptmann, Freiburger med. Ges., 11. II. 1919. Ref. D.m.W., 
1919, Nr. 19. 

2) Siemerljng, B.kl.W., 1918, Nr. 12. 

3) Strümpell, Neurol. Zbl., 1918, Bd. 37. 


Pat. ist lebhafter, zeigt Teilnahme für seine Umgebung, lässt nach Hause 
schreiben. 

23. XL Weitere Fortschritte im Gehen an Stöoken. 0,45 Neo- 
salvarsan intravenös. 

7. XII. Die grobe Kraft der Arme und Beine hat sich bedeutend 
gebessert. Bei passiven Bewegungen noch leichte Spasmen. Intentions¬ 
tremor noch ziemlioh stark, aber deutlich geringer als bei der Aufnahme. 
Reflexe gesteigert. Kein Babinski. Sprache unverändert. Pat. geht seit 
kurzem an einem Stock umher, er ist auch unter Schwanken imstande, 
ohne Stoek einige Sohritte zu gehen. Romberg’scher Versuch: sehr 
starkes Schwanken. Pat. nimmt jetzt an allem lebhaften Anteil. Wegen * 
Räumung des Lazaretts gebessert entlassen. 

Es handelt sich in dem beschriebenen Falle um eine spastisohe 
Paraparese der Arme und Paraplegie der Beine mit Ataxie, Intentions¬ 
tremor und skandierender Sprache. Dazu bestand anfangs Benommenheit, 
später Apathie und Interesselosigkeit für Eltern, Heimat usw. Das 
Krankheitsbiid entwickelte lieb unter Fieber im Verlaufe von 8 Tagen 
bis zum Höhepunkt, blieb dann etwa 4 Wochen konstant und bildete 
sich darauf rasch zurück. Nach der Entlassung scheint der Zustand 
sioh nioht verändert zu haben, der Kranke schrieb mir wenigstens im 
März, dass er am Stock umhergehen könne. Seinen Beruf als Landwirt 
kann er noch nicht ausüben. 

DifferentialdiagnoBtisch kommen für dieses Krankheitsbiid 
die Encephalomyelitis disseminata acuta und die multiple Sklerose 
in Frage. Von der Encephalomyelitis disseminata würden die 
Symptome einer Mischform der akuten bulbären Ataxie und der 
paraplegischen Form entsprechen. Ueber die Lokalisation des 
Krankheitsprozesses lassen sieb natürlich nur Vermutungen an¬ 
stellen, da es. sich um einen oder mehr oder minder zahlreiche 
Herde handeln kann. Am wahrscheinlichsten ist es, den Sitz der 
Erkrankung in der Brücke und im verlängerten Mark anzu¬ 
nehmen, da dort die motorischen Bahnen dicht beieinander liegen 
und durch Affektion der Scbleifenbahn die Ataxie hervorgerufen 
sein kann. Die Sprachstörung kann ebenfalls ihren Ursprung in 
der Brücke oder Oblongata haben, da dort die Nerven liegen, 
welche die der Rede dienenden Wurzeln inner vieren. Die Be¬ 
wusstseinsstörung schliesslich deutet darauf hin, dass auch ein 
oder mehrere Herde im Grosshirn vorhanden gewesen sein 
müssen. 

Einen Fall mit Tetraplegie aller 4 Extremitäten, wie bei 
unserem Kranken, hat Oppenheim 1 ) beobachtet. 

Für Enzephalomyelitis würde ferner der akute und fieberhafte 
Beginn sowie das rasche Zurückgehen der Erscheinungen sprechen. 

Das klinische Bild der Erkrankung auf dem Höhepunkt ent¬ 
sprach aber auch der multiplen Sklerose. An der Charcot’schen 
Symptomentrias fehlte zwar der Nystagmus, doch ist nach den 
neueren Anschauungen die Vollständigkeit dieser Trias für die 
Diagnose multiple Sklerose bei der grossen Vielgestaltigkeit des 
Krankheitsbildes nicht erforderlich. Feiner war der Bauch¬ 
deckenreflex bei unserem Kranken während der ganzen Böob- 
achtungszeit vorhanden, während das Schwinden desselben ein 
besonders häufiges und frühes Symptom der multiplen Sklerose 
ist, worauf Strümpell 2 ) ganz besonders bingewiesen hat. Gegen 
multiple Sklerose spricht ferner ganz erheblich der fieberhafte 
Beginn, wenn man das Fieber nicht auf eine Infektion beziehen 
will, als deren Folgeerscheinung das Nervenleiden anzusehen wäre. 

Demnach ist wohl die Erkrankung unseres Patienten als 
eine akute disseminierte Enzephalomyelitis anzusehen, wenn man 
nicht so weit geht wie Oppenheim 8 ) und die Encephalomyelitis 
disseminata als akute Form der multiplen Sklerose ansieht. 

Ob es in unserem Falle bei dem jetzigen gebesserten Zu¬ 
stande des Patienten bleiben wird, oder ob sich nach Monaten 
oder Jahren eine Verschlimmerung einstellen wird, lässt sich 
zurzeit natürlich nicht entscheiden. Fälle von Heilung sind bei 
der akuten disseminierten Enzephalomyelitis beobachtet. Häufig 
aber flackert der Prozess später wieder auf und führt zur Ent¬ 
wicklung einer multiplen Sklerose. In unserem Falle würde der 
jetzige Zustand, wenn er stationär bliebe, ebenfalls schliesslich 
als chronisches Stadium der Erkrankung der multiplen Sklerose 
entsprechen. f 

Für die Entstehung der Erkrankung kommt in unserem Falle 
die Gonorrhoe als Ursache in Frage. Gonorrhoe ist als Ursache 
von Myelitis mehrfach erwähnt. Allerdings handelte es sich in 
fast allen Fällen um eine Myelitis circumscripta [v. Leyden 4 ), 


1) Oppenheim, Lehrbuch der Nervenkrankheiten, 1913. 

2) Strümpell, Lehrbuch der spez. Pathologie und Therapie. 

3) Oppenheim, D. Zschr. f. Nervhlk., 1914, Bd. 52. 

4) v. Leyden und Goldscheider, Die Erkrankungen des Rücken¬ 
marks, 1903. ' 


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1. S eptember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Oppenheim 1 )]. Die Gonorrhoe, mit der unser Kranker in das 
Lazarett eingeliefert wurde, verlief ohne jede Komplikation. 
Das Fieber wurde natürlich zuerst auf eine solche bezogen, doch 
traten keine Anzeichen von seiten der Geschlechtsorgane auf, 
die das Fieber hätten hervorrufen können. Ein Uebertritt der 
Gonokokken in die ßlutbahn ist daher kaum anzunehmen. Ich 
möchte daher die Gonorrhoe, obwohl sie unmittelbar dem Aus¬ 
bruch des Nervenleidens vorherging, nicht als Ursache desselben 
ansehen. Als zweites käme ätiologisch Grippe in Frage, da zu 
der Zeit eine Grippeepidemie in unserer Gegend herrschte und 
auch auf der Geschlechtskrankenstation verschiedene Grippe¬ 
erkrankungen vorkamen. Eine bakteriologische Feststellung, ob 
Grippe vorlag, fand nicht statt. Typhus wurde durch die sero¬ 
logische Untersuchung des Blutes ausgeschlossen. Die Entwick¬ 
lung des Fiebers und die Benommenheit sprachen sonst anfänglich 
sehr dafür. Schliesslich könnte das Fieber auf den Entzündungs¬ 
prozess im Zentralnervensystem zurückgeführt werden, ähnlich 
wie ja auch die Poliomyelitis acuta anterior mit Fieber beginnt. 
Eine sichere Entscheidung über die Krankheitsursache ist jeden¬ 
falls schwer zu fällen. 

Eine kausale Therapie gegen die Myelitis sowie gegen die 
Encephalomyelitis acuta disseminata gibt es bisher nicht. Ich 
habe in meinem Falle wegen der grossen Aehnlichkeit des Krank¬ 
heitsbildes mit der multiplen Sklerose und in Kenntnis des 
Kuhn-Steiner’schen Spirochätenfuudes einen Versuch mit Ein¬ 
spritzungen von Neosalvarsan gemacht. Der Erfolg war ein 
überraschend guter, obwohl Syphilis durch den negativen Ausfall 
der Wassermann'schen Reaktion auszuschHessen war. Der bis 
dahin stationäre Zustand des Kranken besserte sich im Anschluss 
an die erste Einspritzung ganz erheblich, insbesondere gingen 
die Lähmungen sehr rasch bedeutend zurück, so dass der Kranke 
an Stöcken geben konnte, während er sich vorher nicht selbst 
im Bett aufrichten konnte. Ausserdem erwachte er aus seiner 
bisherigen Teilnahmlosigkeit und gewann wieder Interesse an 
seiner Umgebung. Leider konnte ich die Behandlung nicht fort¬ 
setzen, und ob eine völlige Heilung zu erzielen gewesen wäre, 
bleibt eine offene Frage. Da die Myelitis nach Gonorrhoe gerade 
häufig einen gutartigen Charakter zeigt [Oppenheim 1 )], ist natür¬ 
lich auch eine spontane Besserung des Leidens in Frage zu stellen. 
Immerhin trat der Umschlag im Befinden des Kranken, das bis 
dahin keine Neigung zur Besserung zeigte, so unmittelbar im 
Anschluss an die erste Salvarsaneinspritzung auf, dass die Möglich¬ 
keit einer Beeinflussung durch das Mittel nicht von der Hand zu 
weisen ist. Da uns andere Heilmittel nicht zur Verfügung stehen 
und die Behandlung mit Neosalvarsan jetzt keine wesentlichen 
Gefahren mehr bietet, dürfte es sich empfehlen, in geeigneten 
Fällen von Myelitis und Encephalomyelitis disseminata weitere 
Versuche damit zu machen. 

Aus der medizinischen Universitätsklinik R. v. Jaksch 
in Prag. 

Ueber das Auftreten der Serumkrankheit nach 
Magnesiumsulfatinjektionen. 

Von 

Priv.-Doz. Dr. Julias Löwy, 

Assistenten der Klinik. 

Erscheinungen der Serumkrankheit, wie überhaupt anaphy¬ 
laktische Symptome können nach dem jetzigen Stande der Lehre 
der Anaphylaxie nur hervorgerufen werden, wenn einem sensi¬ 
bilisierten Organismus derselbe artfremde Eiweisskörper parenteral 
zugeführt wird. 

Selbst die Erscheinungen der Jodoformidiosynkrasie werden naoh 
Bruck 2 * * ), Klausner 8 ) u. a. derart erklärt, dass ein im Organismus 
entstehender, jodierter Eiweisskörper seine Artspezifität verliert und als 
Antigen wirken kann, eine Erklärung, die allerdings auf andere medi¬ 
kamentöse Idiosynkrasien, wie bei Veronal, Quecksilber, Salvarsan usw. 
nicht übertragen werden oder doch wenigstens durch den Tierversuch 
nicht entsprechend gestützt werden konnten. 

Nur Bruck hat in der Antipyrinidiosynkrasie eine echte Anaphylaxie 
naohweisen können. 

1) Oppenheim, Lehrbuch der Nervenkrankheiten, 1913. 

2) Bruok, B.kl.W., 1910, Jg. 47, S. 517 u. 1928. 

8) Klausner zit. nach Friedberger, Die Anaphylaxie. Urban 

u. Schwarzenberg, 1917, S. 989. 


Wenn nun auch in der letzten Zeit die Lehre von der spezifischen 
Wirkung der Eiweisskörper stark bekämpft wurde — es sei nur auf die 
Auffassung Starken stein’s 1 ) hngewiesen, der der Proteinkörperzufuhr 
jede elektive OrganwirkuDg, sowie jede spezifische ätiotrope Wirkung 
abspricbt und z. B. zu zeigen bemüht ist, dass die antiphlogistische 
Wirkung von Gelatine, Serum, Plasma usw. einerseits, Atophan, Kalzium¬ 
salzen, Magnesiumsulfat, Salizylaten andererseits Teilerscheinungen einer 
gemeinsamen Grundwirkung seien —, so weisen doch die zahllosen 
Arbeiten über die Auslösung anaphylaktischer Erscheinungen darauf hin, 
dass hier wirklich spezifische Eiweisswirkungen vorliegen. 

Vielleicht kann jedoch der folgende Fall dazu beitragen, dem 
Problem der medikamentös hervorgerufenen Anaphylaxie eine neue Seite 
abzugewinnen, wenn auch die Anstellung von Tierversuchen aus äusseren 
Gründen nicht möglich war. 

Es handelte sich um einen 17 Jahre alten Schlosserlehrling M. H., 
der am 29. III. in die Klinik aufgenommen wurde und sich 4 Wochen 
vor der Aufnahme mit der Spitze einer Feile zwischen Daumen und 
Zeigefioger der linken Hand stach. 

Pat. saugte die ein wenig blutende Wunde mit dem Munde aus. 
Nach 3 Wochen spürte er einen Krampf in der linken Hand, die all¬ 
mählich in Krallenstellung überging. 

Er gibt Schmerzen in der linken Hand an, die sich weiterhin auf 
den ganzen linken Arm erstreckten. Es bestehen daselbst Zuckungen 
und Krämpfe, die von da auf den ganzen übrigen Körper übergehen. 

Der Status somaticus vom 29. III. ergibt: Kopf frei beweglich, 
Risus sardonicus, leichter Trismus, tonische Krämpfe der linken oberen 
Extremität mit Klauenbandstellung und einer geheilten Stichverletzung 
zwischen Daumen und Zeigefinger. Muskulatur des Abdomens bretthart, 
Patellarsebnenreflexe lebhaft. Pat. liegt auf der rechten Seite, bei Be¬ 
wegungen treten Krämpfe tonischen Charakters in der Muskulatur des 
Abdomens und der linken oberen Extremität auf. 

Klinische Diagnose: Tetanus traumaticus. 

Decursus morbi. Temperatur^siehe Kurve. 



29. III. 1919. Subkutane Injektion von 40 Einheiten Tetanusanti¬ 
toxin, Urethan 10 g. 31. III. Injektion von 100 Antitoxineinheiten. 2. IV. 
Injektion von 100 Antitoxineinheiten und 10 ccm einer 25proz. 
Magnesiumsulfatlösung. 3. IV. Schmerzen im linken Schultergelenk und 
Auftreten eines soharlachähnlichen Exanthems auf der Brust, Temperatur 
40,8°C. Das Exanthem blasst abends ab. Allgemeinbefinden im 
gleichen. 4. IV. Exanthem verschwunden. 5. IV. Nachlassen der 
tonischen Krämpfe. 6. IV. Subkutane Injektion von 10 ocm einer 
25 proz. Lösung von Magnesiumsulfat. Am 7. IV. tritt an derselben 
Stelle wie am 3. IV. ein skarlatiniformes Exanthem auf, das am 
näohsten Tag urtikariell wird. Es bestehen auch wiederum Schulter¬ 
gelenkschmerzen, die nach 24 Stunden verschwinden. Am Abend des 
8. IV. blasst das Exanthem vollständig ab und Pat. erhält sofort eine 
neuerliche Injektion von 10 ccm einer 25proz. Magnesiumsulfatlösung 
mit dem Effekt, dass am Morgen des nächsten Tages ein urtikarielles, 
stark juckendes Exanthem auftrat, das sich zunächst über die Brust, 
die unteren und oberen Extremitäten, sowie über die rechte Inguinal- 
gegend verbreitete, schliesslich in den nächsten Tagen auf Hals und 
Gesicht überging und daselbst ein morbiliforme9 Aussehen aufwies. 
Erst am 12. IV. zeigte es eine Tendenz zum Verschwinden. Am 19. IV. 
wird Pat. geheilt entlassen, nachdem er vorher eine subkutane Injektion 

1) Starkenstein, M.m.W., 1919, Jg. 66, S. 205. 

3* 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


von 10 06 m einer 10 proz. Kochsalzlösung erhalten hatte, die symptomlos 
vertragen wurde. 

Wie ans dem Gesagten hervorgebt, ist der Fall nicht so 
sehr deshalb bemerkenswert, weil innerhalb einer Zeit von 8 Tagen 
die Symptome der Serumkrankheit ausgelöst werden konnten, 
sondern es erfolgte die Mitteilung aus dem Grunde, weil durch 
MagnesiumsulfatiDjektionen bei einem Organismus, der Erschei¬ 
nungen der Serumkrankheit durcbgemacht batte, dieselben immer 
wieder hervorgerufen werden konnten. 

Aus der mitgeteilten Krankengeschichte erhellt genügend, 
dass die vorhandenen anaphylaktiscen Symptome, die am 8. und 
9. IV. auftraten, ein Effekt der Magnesiumsulfatwirkung sind, 
immerhin aber doch einige Differenzen zu der am 8. IV. durch¬ 
gemachten Serumkrankheit aufweisen. Die zweite Magnesium- 
Sulfatinjektion bewirkte Gelenkschmerzen und ein Exanthem, 
welches genau dieselbe Lokalisation und denselben Umfang auf¬ 
wies wie das frühere Serumexanthem; Fieber konnte jedoch nicht 
hervorgerufen werden. 

Die dritte Magnesiumsulfatinjektion rief ein viel ausgebrei- 
teteres und hartnäckigeres Exanthem hervor, doch fehlten dies¬ 
mal sowohl das Fieber als auch die Gelenkscbmerzen. Während 
also bei der zweiten Injektion das Exanthem nur in jenen Haut¬ 
bereichen auftrat, wo bereits durch Serumwirkung Hautverän¬ 
derungen erzeugt wurden und vielleicht bereits eine erhöhte Dis¬ 
position oder eine stärkere Anspruchsfähigkeit auf endogene 
Reise infolgedessen bestand, löste die dritte Injektion bereits viel 
universellere und hartnäckigere Hauterscbeinungen aus. Wir er¬ 
sehen somit, dass Symptome, die man bisher als eine spezifische 
Proteinkörperwirkung aufgefasst bat, durch parenterale Einver¬ 
leibung von Substanzen bervorgerufen oder vielmehr reaktiviert 
werden können, denen kein Eiweisscharakter zukommt. Zu diesen 
Substanzen gehört das Magnesiumsulfat, welches in dem hierzu 
disponierten Organismus nach Ueberstehen der Serumkrankheit 
subkutan appliziert, neuerdings anaphylaktische Erscheinungen 
hervorrufen kann. Eine theoretische Begründung ist auf Grund 
eines Falles ohne Tierexperimente weder möglich noch statthaft, 
und es sei an dieser Stelle nur erlaubt, die vorhandene Tat¬ 
sache mitzuteilen und zu experimentellen Kontrollen anzuregen. 


BOcherbesprechnngen. 

V. Bl»: Ckirirgiseke Pathologie ud Therapie der Harnblase!- 
divertikel. Leipzig 1919, Verlag von Georg Thieme. 100 S. mit 
40 Abbildungen und 8 farbigen Tafeln. 

Wenn Blum seine Arbeit über die Harnblasendivertikel als 
„chirurgisch* Pathologie und Therapie* betitelt, so ergibt sich 
hieraus bereits, welohen Standpunkt er dieser Affektion gegenüber ein¬ 
nimmt: er ist ein unbedingter Anhänger der Radikaloperation, sobald 
die Diagnose durch Kystoskopie and Kystographie gesichert ist. Dieser 
Standpunkt wird in Deutschland bisher nur von wenigen Urologen ge¬ 
teilt, wie überhaupt die Blasendivertikel meist lediglich als interessante 
Nebenbefunde gebucht werden; im Ansland dagegen, namentlich in 
Amerika, ist man schon seit längerer Zeit der Ansioht, dass sie ein 
chirurgisches Eingreifen erfordern. Dies wird damit motiviert — und 
Blum spricht sich ebenfalls in diesem Sinne aus —, dass eine derartige 
Missbildung zwar viele Jahre lang bestehen kann, ohne dass deren 
Träger sich ihrer bewusst wird oder gar darunter leidet, dass aber sehr 
leicht schwere Erscheinungen, Infektion mit aufsteigender Pyelitis, Stein¬ 
bildung, Hsrnverhaltung, eintreten können, die das Leben in hohem 
Maasse gefährden; diesen sei also durch frühzeitige Operation vor¬ 
zubeugen; die Prognose sei, bei gutem Allgemeinbefinden, besonders 
bei gutem Nierenzustand als durchaus günstig zu bezeichnen. 

Blum vermehrt die bisher nooh nicht sehr reiche Kasuistik um 
4 eigene Fälle; davon 8 angeboren, 1 erworben. Von den angeborenen 
Fällen erwies sioh der eine als ein gänseeigrosser Saok, der, dis Kompli¬ 
kation, ein Haemangioma cavernosum enthielt; es gelang leicht, ihn 
extraperitoneal zu exstirpieren; ähnlich glatt war der Verlauf bei einem 
anderen Kranken, der ebenfalls ein solitäres, leioht zugängliches Divertikel 
besass. In einem dritten Falle kommunizierte der Saok durch zwei 
Oeffnungen mit dem Blasenkavum, er musste von dort aus hinabgezogen 
und so Umschnitten werden. Endlich beobachtete und operierte er 
einen Patienten, bei dem sich im Anschluss an eine Sohussverletzung 
ein Traktionsdivertikel entwickelt batte. Alle Fälle worden gebeilt. 

Im Anschluss an diese Beobachtungen gibt Blum eine ausführliche 
Darstellung der klinischen und anatomischen Befunde der verschiedenen 
Formen der Blasendivertikel (Vesioa bipartita, Sanduhrblase u. a.), duroh 
zahlreiche Abbildungen illustriert. Seine sorgfältige Arbeit wird sicher¬ 
lich zur Folge haben, dass man auch bei uns diesen Dingen eine er¬ 
höhte Aufmerksamkeit zuwendet. Es würde sioh hier ein interessantes 
Thema für den Gedankenaustausch gelegentlich eines Kongresses (dar¬ 
bieten. Posner. 


Ctrl Oppeaheiner: Grutriss 4er ergaiUchea Chemie. 10. Auflage. 

Leipzig 1918, Verlag von Georg Thieme. 188 S. Preis 4 M. 

Der kurze Leitfaden ist für diejenigen bestimmt, denen Chemie 
Nebenfach ist. Mediziner, Pharmazeuten, Lehrer u. a. werden ihn mit 
Erfolg benutzen können, Aufbau und Entwicklung der organischen Chemie 
verstehen zu lernen, um sich daran anschliessend besondere Fachkenntnisse 
aus ausführlichen Werken anzueignen. In der neuen Auflage sind auch 
einige mit der Kriegswissensobaft zusammenhängende Fragen wie Acetylen, 
Kohlenwasserstoffe, Kautschuk näher behandelt sowie besonders die Ka¬ 
pitel Gerbstoffe, heterozyklische Verbindungen, Alkaloide umgearbeitet 
und erweitert. Der Leitfaden ist auch als Repetitorium sehr geeignet. 


C. Biehea: Neiere Ariaeimittel, ihre Zasammeasetzaag, Wirkaag 
aad Aaweadaag. 2. Auflage. Sammlung Gösohen. Berlin u. Leipzig 
1918, G. J. Gosehen'sehe Verlagshandlung G. m. b. H. 

Wenn auch die Bearbeitung der Wirkung und Anwendung von Arz¬ 
neimitteln in einer Sammlung, die mehr für das allgemeine Publikum 
als für den Fachmann bestimmt ist, aus naheliegenden Gründen nicht 
Behr befürwortet werden kann, so muss dooh anerkannt werden, dass in 
dem vorliegenden Heft auf dem beschränkten Raum von 142 Seiten das 
wesentlichste über die wichtigsten neueren Arzneimittel bervorgehoben 
ist. Zusammensetzung, Eigenschaften, Wirkung, Nebenwirkung, An¬ 
wendungsgebiet, Dosierung, Preis und Fabrikant sind durchweg ange¬ 
geben, die Mittel nach klinischen Gesichtspunkten geordnet. Möge aas 
Buch in die richtigen Hände kommen und nicht beim Publikum das 
Selbstkurieren oder gar das Kurpfuschertum unterstützen. 


Cearad Stich: Bakteriologie aad SterilisatioB im Apothekeahetriehe 
mit eiageheader Berfteksiehtigaag der Hersteilaag steriler Lösaagea 
ia Ampallea. 3. Auflage. Berlin 1918, Verlag von Julius Springer. 
Preis 14 M. 

Das in pharmazeutischen Kreisen sehr beliebte Werk ist duroh die 
neue Auflage nicht unwesentlich erweitert und verbessert worden. Im 
bakteriologischen Teil wurden bei der Stellung der Krankheitserreger im 
zoologischen und botanischen System die neuesten Auffassungen der 
Wissenschaft berücksichtigt und die Materie so behandelt, dass das Buch 
sich auch erforderlichenfalls für Lehnwecke an Hochschulen eignen dürfte. 
Besonders erweitert wurde der für den Apothekeobetrieb so wichtige 
Abschnitt der Sterilisation. Hier findet der Apotheker alles, was zur 
Herstellung moderner keimfreier Arzneizubereitungen wissenswert ist, 
sowohl in theoretischer, als auch in technischer Beziehung. Neben der 
Herstellung sterilisierter Verbandstoffe und keimfreier Arzneizubereitungen 
ist die Ampullenfabrikation ausführlichst behandelt. Hervorzubeben ist 
die lexikalische Zusammstellung zweckmässiger Sterilisationsarten flüssiger 
Arzneizubereitungen, die auch dem praktischen Arzte, der ex tempore 
eine Lösung sterilisieren will, sehr willkommen sein wird. Das vortreff¬ 
liche Buoh sollte in keiner Apotheke — auoh Hausapotheke — fehlen. 


Hage Schals: Vtrlesaagea über Wirkaag aad Aaweadaag der deaUebca 
Arzaeipfliasca fftr Aerzte aad 8tidiereade. Leipzig 1919, Verlag 
von Georg Thieme. 366 S. Preis 15 M. 

Die Vorlesungen behandeln die einheimischen deutschen Arzneipflanzen, 
naoh botanischen Grundsätzen eingeteilt. Das Hauptgewicht ist auf die 
Wirkung der Pflanze auf den menschlichen Organismus in gesunden und 
kranken Tagen gelegt, und Ergebnisse der Tierversuche sind nur berück¬ 
sichtigt, um die Wirkung bestimmter Pflanzenstofle näher zu klären. 
Zunächst werden in den einzelnen Klassen ausführlich die offizinellen 
Pflanzen, dann die von anderen Schulen (Hahnemann, Rademaoher u. a.) 
als heilkräftig angesehenen Pflanzen und zum Schluss die Volksmittel 
besprochen. Dass auch die letzteren Brüoksichtigung finden, bietet für 
die wissenschaftliche Nachprüfung und Verwendung mancher vom Volk 
viel und auch mit nicht zu leugnender Wirkung gebrauchten Heilpflanzen 
besondere Anregung. Ein am Schlüsse des Werkes beigeiügtes, recht 
ausführliches Register der Volksnamen wird für den Arzt in seiner prak¬ 
tischen Tätigkeit von Wert sein können. Mögen die Vorlesungen weite 
Verbreitung finden, um duroh Forschung und entsprechende Anwendung 
unsere einheimischen Arzneipflanzen nooh mehr zum Heile der Kranken 
auszunützen. Beokstroem - Charlotten borg. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie« 

H. Euler und 0. Svanberg-Stockholm: Eaiymatisehe Stadiea 
über Zackerspaltaagea. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 105, H. 5 u. 6, 
S. 187—289.) Bei der im Verlaufe der Gärung konstant gehaltenen 
Reaktion ph = 8 des Dinatriumphosphats ist das Verhältnis des ge¬ 
bildeten Alkohols und der entwickelten Kohlensäure das normale; für 
beide Produkte werden im Mittel die Werte 30—-83 pCt. vom vergorenen 
Zuoker gefundene Glukose und Fruktose sowie Invertzucker werden 
gleich schnell vergoren, dagegen zeigt Mannose eine geringere Geschwindig¬ 
keit. Rohrzucker wird mit gleioher Geschwindigkeit wie Glukose ver¬ 
goren, während Maltose nicht angegriffen wird, obwohl die optimale 
Azidität der Maltasewirkung' näher dem Neutralpunkt liegt als diejenige 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 






1. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


829 


der Invertaae. Die Wirkung von Giften ist vielfach eine andere als bei 
normaler Azidität, besonders wo sich Unterschiede zwischen den 
Wirkungen der Ionen und der nicht diBsosiierten Moleküle geltend 
machen. Trookenbefe verhielt sich bei p H = 8 ebenso wie frische Hefe. 
Der Zuwaohs der Zeilenzahl wurde je nach der Hefenart zwischen 7,8 
und 8,4 Ph aufgehoben, dagegen liess sich eine Gewiohtsvermebrung 
noch bei der Alkalinität p H = 8,5 naohweisen. 

S. Ed Ibach er - Heidelberg: Notiz über eine Firbresktioi der 
Eiweisskörper. (Zschr. f. physiol. Chem., Bd. 105, H. 5 u. 6, S. 240—41.) 
Schüttelt man eine Eiweisslösung mit Natronlauge und Dimethylsulfat 
und untersohichtet nach der Zersetzung des letzteren das Reaktions¬ 
gemisch mit konzentrierter Schwefelsäure, so tritt an der Berührungs¬ 
stelle beider Flüssigkeiten eine schöne blaurote Farbzone auf, die sich 
beim Misohen durch die ganze Flüssigkeit verbreitet. Die Färbung ist 
der bekannten Glyoxylsäurereaktion äusserst ähnlich, und es besteht auoh 
eine Uebereinstimmung in dem gegenseitig bedingten Auftreten beider 
Reektionen, da beide durch die Gegenwart von Tryptophan hervorgerufen 
werden. 

E. Winter st ein-Zürich: Ueber das Viein. I. Mitteilung. (Zschr. 
f. physiol. Chem., Bd. 105, H. 5 u. 6, S. 258—264.) Duroh JEfydrolyse 
wird das aus Wickensamen dargestellte Vioin in einen Hexoseanteil und 
die Base Di vioin gespalten, die nach neueren Untersuchungen als ein 
4,6-Dioxy-2 5 Diaminopyrimidin anzusehen ist. In der vorliegenden Mit¬ 
teilung beriohtet der Verf. zunächst über die quantitative Bestimmung 
und Identifizierung des Hexoseanteils. Das von dem Verf. dargestellte 
Vicin, das bei 289—242° unter Zersetzung sohmolz und eine spezifische 

Drehung von («) — = —8,77° aufwies, wurde duroh einstündiges Er¬ 
wärmen mit normaler Schwefelsäure gespalten. Es liess sich dann duroh 
das veränderte polarimetrische Verhalten sowie duroh die Bestimmung 
nach Allihn und Soxhlet ein Gehalt von 59 pCt. d-Glukose (= Imol- 
Glukose in Imol-Vioin) berechnen. Die Identifizierung der Hexose als 
d-Glukose wurde duroh die Darstellung des Zuckers in Substanz er¬ 
reicht. Die hierbei gewonnenen Kristalle zeigten eine spezifische Drehung 
von -}“1 >Ii 2 0 und gaben bei der Oxydation die duroh ihr Silbersalz er¬ 
kennbare Zuokersäure; das Osazon sohmolz bei 205°. Reaktionen auf 
Pentosen und Fruktose waren negativ. 

H. Pringsheim und H. Magnus-Berlin*. Ueber den Azetylgebftlt 
des Lignins. (Zschr. f. physiol. Chem., Bd. 105, H. 5 u. 6, S. 179 — 186.) 
Bei der Aufschllessung von rohfaserhaltigem Material, wie Holz und 
Stroh, duroh Alkalien, die die Verwendbarkeit dieser Naturerzeugnisse 
als Futtermittel bezweckt, entsteht an organischen Säuren neben einer 
geringen Menge von Ameisensäure Essigsäure, die auoh schon als Pro¬ 
dukt der trockenen Destillation des Holzes bekannt ist. Die Verff. 
gingen der Frage nach, welchem der organischen Hauptbestandteile des 
Holzes die bei der Behandlung mit Natronlauge entstehende Essigsäure 
entstammt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass bei der Aufschliessung 
in der Kälte die gesamte gebildete Essigsäure aus der Ligninsubstanz 
hervorgeht; beim Kochen mit oder ohne Ueberdruck entsteht nooh ein 
kleiner Anteil der Essigsäure aus der Zellulose. Die nach Willstätter’s 
Methode gewonnene künstliche Ligninsubstanz enthält keine Essigsäure 
mehr, da sie vollkommen verseift ist; sie lässt sich jedoch duroh 
Azetylieren in das natürliche Lignin umwandeln. Das Lignin von Weiss- 
bnohenholz enthält doppelt so viel Azetylreste als das Nadelholzlignin. 

M. Nelson-Gerhardt-Heidelberg: Untersuchungen über 8ftlMii. 
(Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 105, H. 5 u. 6, S. 265—282.) Sörensen 
hat die bei der Hydrolyse von Proteinen erfolgende Zunahme der 
Azidität duroh die Annahme zu erklären versucht, dass die Peptin- 
binduog, die bei der saueren Reaktion mit der Ketoform — CO—NH — 
auftritt, mit wachsender Alkalität immer mehr in die als sobwache Säure 
wirkende Enolform — C(OH) = N — umgewandelt wird. Diese Eigen¬ 
schaft soll sich jedoch nur bei den „peripheren“ Peptidverbindungen 
des grossen Eiweissmoleküls zu erkennen geben. Sörensen’s Theorie 
bot für die bei der Hydrolyse des Salroins auftretende Zunahme der 
Azidität, mit der sioh die vorliegende Arbeit beschäftigt, nur für den 
Monoaminosäureanteil des Protaminmoleküls eine ausreichende Erklärung, 
da nur in ihm Peptide naohzuweisen waren. Da jedooh die Azidität 
dieses Teiles von der Alkaleszensabnabme des Ganzen noch weit über¬ 
troffen wird, so musste für diese eine andere Erklärung gesucht werden. 
Die Verfasserin nimmt an, dass eine esterartige Bindung der Hydroxyl¬ 
gruppe des Serins mit der Karboxylgruppe einer Aminosäure besteht, 
z. B. Serin-Glykokollester: 

COOH—CH-CH*—O-CO—CH 2 + B 2 0 =* 

I I 

nh 2 nh 2 

cooh-ch-ch 2 oh + cooh-ch 2 


Daroh den hydrolytischen Zerfall einer derartigen Verbindung, die zwei 
Aminogruppen und eine Karboxylgruppe enthalten würde, muss die ur¬ 
sprünglich vorhandene Alkaleszenz zum Verschwinden gebracht werden, 
ohne dass dabei eine Substanz von ausgeprägten saueren Eigenschaften 
entsteht. Das Vorkommen von Peptiden in dem Monoaminosäureanteil 
der hydrolytischen Spaltungsprodukte des Salmins wurde durch den 
Vergleich des formoltitrierbaren Stickstoffs mit dem Gesamtstiokstoff der 
Fraktion sowie durch Molekulargewiohtsbestimmungen erwiesen. Der 
Nachweis der Monoaminosäurepeptide führte zu dem Schluss, dass in 


dem ursprünglichen Salminmolekül mindestens zwei Mouoaminosäuren 
miteinander direkt verkettet sind. 

A. B. Weinhagen -Zürich: Beiträge zur Muekaria frage. I. Mit¬ 
teilung. Zar Kenntnis der Platildeppelealze einiger Basen. (Zschr. f. 
physiol. Chem., Bd. 105, H. 5 u. 6, S. 249—257.) Io einer Reihe von 
Arbeiten konnte aus Fliegenpilzen zwar ein Körper mit den physio¬ 
logischen Eigenschaften des natürlichen Muskarins isoliert werden, jedooh 
nioht die von Sohmiedeberg angegebene Konstitution CbH 18 D 8 N be¬ 
stätigt werden. Andererseits zeigte auch ein von E. Fischer dar¬ 
gestellter synthetischer Körper gleicher Konstitution, das Betainaldehyd, 
ein ganz anderes physiologisches Verhalten. Neuere Untersuchungen 
von Ewins und Dale haben dann erwiesen, dass die durch Oxydation 
des Cholins mit Salpetersäure gewonnene Verbindung, die ein dem 
Muakarin ähnliches physiologisches Verhalten zeigt, nioht, wie Schmiede- 
berg annimmt, ein Aldehyd, sondern der Salpetersäureester des Cholins 
ist. Im Zusammenhänge mit der Frage naoh dem Wesen des Muskarins 
und der Derivate des „Pseudomuskarins“ (Nitrosooholins) hat sioh der 
Verf. mit einigen Doppelsalzen des Cholins sowie den Doppelsalzen 
anderer Basen beschäftigt und in vorliegender Arbeit beschrieben. Es 
wurden dargestellt: Cholin-Bromoplatinat, Betain-Bromoplatinat, Pyridin« 
Bromoplatinat und Tetrabromdipyridinplatin, Arekaidin-Bromoplatinat 
(aus Arekolin-Hydrochlorid) sowie Nikotin-Bromoplatinat. VerBuohe zur 
Darstellung der Doppelsalze von Morphin und Hydrazin schlugen fehl. 

E. und H. Sa 1 kowski-Berlin und Münster i. W.*. Ueber den An¬ 
teil der Benzolderivate nnd des Benzelkokienstoffs am Eiweissmolkkül. 
(Zschr. f. physiol. Chem., Bd. 105, H. 5 u. 6, S. 242—248.) Schon im 
Jahre 1882 wurde von E. Salkowski die Ansicht ausgesprochen, dass 
das Eiweissmolekül 8 Gruppen von aromatischen Verbindungen enthalte, 
nämlich solche der Pbenolgruppe, der Phenylgruppe und der Indol- 
gruppe. Io der vorliegenden Arbeit werden Angaben über die quanti¬ 
tativen Verhältnisse dieser Gruppen, wie sie bei der Fäulnis von Fibrin 
auftreten, mitgeteilt. Das Fibrin liefert bei der Fäulnis 1,26 pCt. 
Indol, 2,83 pCt. Phenol und 1,27 pCt Hydrozimmtsäure. Der Wert der 
letzteren wurde durch die Bestimmung der beim Verlüttern entstehenden 
Hippur- bzw. Phenasetursäure ermittelt. Die angeführten Zahlen werte 
sind nicht für alle Ei weisskörper konstant. Rechnet man die für die 
Fäulnisprodukte erhaltenen Zahlen auf die im Eiweiss prä'ormierten 


Benzolderivate um, so erhält man für 100 g Fibrin 

. Indolaminopropionsäure (Tryptophan).2,21 g 

Phenylaminopropionsäure (Phenylalanin) .... 1,40 g 

Oxyphenylaminopropionsäure (Tyrosin) .... 5.45 g 


Im ganzen maohen danach die Benzolderirate 8,06 pCt. des Fibrins aus. 
So gering der Gehalt des Eiweisses an Benzolderivaten auch ist, so 
wichtig ist er für die Funktion des Eiweisses im Organismus, wie die 
Untersuchungen verschiedener Aütoren über das Tryptophan ergeben 
haben. J. Hirsch. 

A. Koch u. A. Oe 1 sner - Göttingen: Ueber die Betainspaltnig 
direh die Bakterie! des MelassesehlempedlBgera „flaue!*. (Biochem. 
Zschr., 1919, Bd. 94, H. 8 u. 4, S. 189.) In der Guanolfabrikatioo wird 
das Betain der Melassesohlempe durch niedere, aus Komposterde 
stammende Organismen zersetzt. Verff. haben unter diesem Kabmpilze 
nacbgewiesen, die nach Ehrlich Betain angreifen; ferner fanden sich 
Organismen, die Trimethylamin bilden. Drittens fanden Verff. eine 
Bakterienform, die den gesamten N des Betains als NH a abspaltet 
(Betainobacter a). Duroh Oxydation bildet das Bakterium aus Betain 
grosse Mengen C0 2 ; als Zwischenprodukte treten auf Methylalkohol, 
Ameisensäure und geringe Mengen Essigsäure. 

H. Boruttan - Berlin: Ueber die biologische Wertigkeit der 
8tiekstoff8«bstaizei des Leims nd eiliger Knoeheipräparate aid 
Extrakte. (Biochem. Zschr.. 1919, Bd. 94, H. 3 u. 4, S. 194.) Die bio¬ 
logischen Untersuchungen erstreckten sich auf das Präparat Ossosan der 
Soyamawerke, auf das Knocbenbrübextrakt des Kriegsaussohusses für 
Oele und Fette und Plantox. Verf. bespricht zunächst die Unterschiede 
in der Zusammensetzung dieser Produkte. Sodann wird über Stoff¬ 
wechselversuche mit Gelatine und den obengenannten Produkten am 
Hunde berichtet. Für reinen Leim und für Ossosan fand Verf., dass 
100 Teile für 50 bis 60 Teile zerfallendes Körperei weiss eintreten 
können. Plantox zeigt eine wesentlich geringere Wertigkeit. Versuche 
mit echtem Fleisohextrakt ergaben, dass die biologische Wertigkeit der 
N-Substanz des Fleiohextraktes vielleicht etwas kleiner ist als diejenige 
der Leimpräparate. 

L. Miohaelis u. P. Rona- Berlin: Erweiterung der Theorie des 
ifoelektrischei Pnaktos. Die Konkurrenz der anderen Ionen mit den 
H*- und OH'-Ionen bei der Fällung des denaturierten Albumins. (Biochem. 
Zsobr., 1919, Bd. 94, H. 3 n. 4, S. 225.) Die Flockung des denaturierten 
Albumins hängt von der [H*] ab, aber andere Ionen treten mit den 
H-Ionen in Konkurrenz. Die Wirkung der Salze ist eine doppelte: Ver¬ 
schiebung der zur Flockung günstigsten [H ] und Hemmung oder Ver¬ 
stärkung der überhaupt maximalen Flockung. Näheres ist ira Original 
einzusehen. 

P. Rona u. L. Miohaelis - Berlin: Ueber Adsorptioa Vil Elektro- 
lytoi dvreh Koblo. (Biochem. Zschr., 1919, Bd. 94, H. 8 u. 4, S. 240.) 
Alle Salze, Säuren . und Laugen werden von der Kohle adsorbiert, und 
zwar Anion und Kation in äquivalenter Menge. Bei Jodiden, Rhodaniden 
und AlClg fanden Verff. eine geringe Verschiedenheit in der Adsorption 
von Anion und Kation, die aber wahrscheinlich nicht auf Vorgänge der 
eigentlichen Adsorption zurüokzuführen ist. Die Adsorbierbarkeit eines 


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UNIVERSUM OF IOWA 







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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 85. 


Salses wird bedingt darob die Adsorbierbarkeit des Amons and Kations. 
Die Anionen werden adsorbiert in der Reibe: 

S0 4 <HP0 4 , Cl<Br<N0 8 <J<CNS<0H. 

Die Kationen werden adsorbiert in der Reibe: 

K, Na, NB 4 <Ca, Mg<Zo<Cu<AI<H. 

Ein stärkeres adsorbierbares Anion verdrängt ein schwächer adsorbier¬ 
bares; ebenso gilt der Satz für Kationen. Zasats von NaCl erhöht die 
Adsorption von AICIs, was Verff. in besonderer Weise erklären. Nioht- 
elektrolyte and Elektrolyte verdrängen sich gegenseitig, aber in viel 
geringerem Grade, als es bei der Verdrängung innerhalb der Gruppe 
der Niohtelektrolyte und innerhalb der Gruppe der Elektrolyte der 
Fall ist. 

J. Wohlgemuth - Berlin: Ueber neue Theorien der DiastasetildiBg 
lad Diaataaewirkaag. (Bioohem. Zschr., 1919, Bd. 94, H. 3 u. 4, 3.212.) 
Eine Autolyse der Stärke, wie Biedermann sie beschreibt, ist Verf. 
nicht gelungen. Die spontane Entstehung von Diastase aus gekochter 
Stärkelösung muss besweifelt werden. Der Gründest! bleibt bestehen: 
Ohne lebende Zelle — keine Fermentbildung. Ein Stärkeabbau im 
Sinne von Woker ist ebenfalls nicht nachweisbar. » Es kann von einer 
fermentartigen Wirkung des Formaldehyds auf Stärke im Sinne einer 
Diastase nicht die Rede sein. 

E. Salkowski: Bemerkungen zu der Arbeit von Hans Aron über 
den Nährwert in dieser Zeitschrift, Bd. 92, S. 211. (Bioohem. Zschr., 
1919, Bd. 94, H. 3 u. 4, S. 205.) Auf Grund eigener Erfahrungen an 
Menschen und Tieren erhebt Verf. Einwände gegen die Annahme der 
Unentbehrlichkeit von Fett in der Nahrung. Insbesondere weist Verf. 
hin auf das Vermögen der Pflanzenfresser, aus Kohlehydraten Fett su 
bilden. Der Hauptwert des Fettes liegt naoh Verf. in seiner Fähigkeit, 
die Sohmaokhaftigkeit der Nahrung in hohem Grade zu steigern und 
dadurch die Aufnahme einer zur Ernährung ausreichenden Quantität zu 
gestatten. 

F. Böen heim - Rostook: Die Oherlläcfceii8pannang de« Magen¬ 
inhalts sowie ihre Veränderung hei Baff fliehen and künstlichen Ver- 
danangSTersuchen. (Biocbem. Zschr., 1919, Bd. 94, H. 3 u. 4. S. 174.) 
Blutserum des Gesunden hat eine Oberflächenspannung von 6,4 bis 6,7, 
ein Wert, der unter pathologischen Umständen auf 6,1 sinken kann (bei 
Diabetes insipidus und ikterischen Erkrankungen). Der böohse Wert 
fand sioh bei perniziöser Anämie und Nephritis. Die Oberflächen¬ 
spannung des Mageninhalts ist abhängig von der des Blutes, der des 
Magenrüokstandes und der des Probefrühstücks. Ei gibt keine charak¬ 
teristischen Veränderungen der Oberflächenspannung des Mageninhalts 
abhängig von Krankheiten des Magens oder anderer Organe. 

H. J. Hamburger u. G. L Alons - Groningen: Das Reteations- 
vemöges der Nieren für Glukose. Kann in der'Durohströmungs- 
flussigkeit das Ga durch Sr. Ba oder Mg vertreten werden? (Biochem. 
Zschr., 1919, Bd. 94, H. 3 u.4, S. 129.) Bei Durohströmung derFrosohnieren 
mit Ringerflüssigkeit ist die Glomerulusmembran imstande, die in der 
Flüssigkeit gelöste freie Glukose zurückzuhalten. Für diesen Vorgang 
ist Ca unentbehrlich. Das Retentionsvermögen der Frosohnieren für 
freie Glukose bleibt aber unverändert, wenn das Ga durch eine äquiva¬ 
lente Menge Sr oder Ba ersetzt wird. 

H. J. Hamburger u. R. Brinkmann-Groningen: HyperglnkÜMie 
und Glnkosurie. Die Toleranz der Nieren für Glukose. (Biochem. Zschr., 
1919, Bd. 94, H. 3 u. 4, S. 131.) Verff. untersuchen hier vor allem die 
Frage, weshalb Glukosurie auftritt, wenn der Zuckergehalt des Blutes 
einen gewissen Grad übersteigt. Es wurden hierzu Durchströmungsver¬ 
suche angestellt, um au studieren, wie sioh die Glomerulusmembran 
verhalten würde, wenn man den Glukosegehalt über 0— lpCt.fsteigen 
lasst, Es zeigte sich, dass, je stärker hyperglukämisoh die l Flüssigkeit 
ist, desto mehr Zucker durch gelassen wird. Die Glomerulusmembran 
war also vollkommen permeabel für Zucker geworden. Die Membran 
konnte erst naoh läogerer Zeit ihr normales Retentionsvermögen wieder¬ 
gewinnen. Es kommt für die Beurteilung des Zusammenhanges zwischen 
Hyperglukämie und Glukosurie nicht auf den Zuckergehalt des Gesamt¬ 
blutes an, sondern auf den des Plasmas. Die durch Hyperglukämie 
verursachte Permeabilität macht es erwünsoht, den Toleransbegriff zu 
erweitern und von einer Toleranz der Nieren für Glukose.zu sprechen. 

M. Gommermann - Rostook: Die quantitative Ausscheidung der 
Kieselsäure durch den menschlichen Harn, (Bioohem. Zschr., 1919, 
Bd. 94, H. 3 u. 4, S. 163.) Verf. konnte naohweisen, dass bei Trinkkuren 
mit Glashäger Kieselwasser eine vermehrte Ausscheidung von Kiesel¬ 
säure durch den Harn nachzuweisen ist. Die in gelöster Form genossene 
Kieselsäure wird also aasgeschieden. Ausserdem hat Verf. einwandsfrei 
nachgewiesen, dass im Normalharn Kieselsäure vorkommt. 

R. Lewin. 


P. Hoffmann-Würzburg: Ueber die relative Unermüdbarkcit der 
Sehuenreflexe. (Zschr. .f. Biol., 1919, Bd. 69, H. 12.) ln einer durch 
eine Reihe aktiver Bewegungen ermüdeten Muskelgruppe erweist sich 
die Auslösbarkeit von Sehnenreflexen nicht herabgesetzt. Desgleichen 
wird der Reflexbogen der Sebnenreflexe auch durch eine lange Reihe 
von Reflexen nicht ermüdet. Mit Rücksicht auf diese relative Unermüd¬ 
barkeit des Sehnenreflexbogens werden Bedenken gegen die Annahme, 
Muskeltonus und Sebnenreflexe würden duroh denselben Reflexapparat 
vermittelt, hinfällig. 

H. Wastl-Innsbruck: Ueber die polare Wirkung des konstanten 
elektrischen 8tromes auf Drüsen. (Zschr. f. Biol., 1919, Bd. 69, H. 12.) 


Die beim Frosch an der Eminentia ofaotoria gelegenen Bowmann*sohen 
Drüsen wurden mit konstanten Kettenströmen durohströmt. Dabei 
zeigte sioh bei der nachfolgenden histologischen Untersuchung in den 
an der Kathode gelegenen Drüsenzellen das Bild eines starken Sekretions- 
prosesses. Eine antagonistische Anoden Wirkung, die an den durch die 
Anode beeinflussten Drüsensellen su erwarten gewesen wäre, wurde ver¬ 
misst; die Ursache hierfür möchte entweder in einer grösseren Trägheit 
der Restitutionsprosesse oder in der störenden Wirkung virtueller 
Kathoden zu suchen sein. 

B. Leiohtentritt-Hamburg: Die Wärmeregulation neugeborener 
Slngotierc nnd Vögel. (Zschr. f. Biol., 1919, Bd. 69, H. 12.) Gas- 
weohselversuche an neugeborenen Tieren bei Wechsel der Aussen- 
temperatur ergaben, dass bei Säugetieren die Wärmeregulation unmittel¬ 
bar naoh der Geburt nicht immer gleich ausgebildet ist; stärkere Ab¬ 
kühlung bedingte eine Erhöhung der chemischen Umsetzungen, ohne 
dass dadurch die Temperatur immer beibehalten werden konnte; die 
Tiere nahmen dabei Schaden und gingen unter Umständen ein. Bei 
jungen Vögeln (Nesthockern) war ebenfalls eine Unvollkommenheit der 
Wärmeregulation festzustellen; dabei war der Sauerstoffverbrauch mit 
dem Sinken der Eigentemperatur herabgesetzt; die Abkühlung wurde 
von den jungen Vögeln gut vertragen. Die Herabsetzung des Sauerstoff¬ 
verbrauchs bei Abkühlung erweist sioh unter Berücksichtigung der 
Tatsache, dass den jungen Vögeln bei schlechter Witterung weniger 
Nahrung sugetragen werden kann, als eine biologisch zweckmässige Ein¬ 
richtung. 

B. Leiohtentritt - Hamburg: Ueber die Nahrungsaufnahme junger 
Vögel. (Zschr. f. Biol., 1919, Bd. 69, H. 12.) Die einzige Instinkt¬ 
bandlang. deren die jungen Nesthocker fähig sind, besteht darin, dass 
sie bei der Nahrungsaufnahme den Hals streoken, den Kopf aufriohten 
und gleichzeitig den Schnabel möglichst weit aufsperren. Diese Be¬ 
wegungen können naoh L. duroh 3 Reize reflexartig ausgelöst werden: 
durch Erschütterung, akustischen Reis oder Beschattung; andere Reize, 
wie Berührung, Anblasen usw. erwiesen sich als unwirksam. Die physio¬ 
logische Bedeutung dieser 3 Reize ergibt sioh daraus, dass sie auch bei 
der normalen Fütterung der jungen Vögel duroh die Eltern auftreten 
und duroh die Auslösung des Reflexes die Fütterung ermöglichen. So 
oft die Eltern Futter an das Nest heranbringen, erschüttern sie dieses, 
werfen einen Schatten auf die Jungen und zwitschern laut. 

A. K. E. Schmidt. 


Pharmakologie. 

C. Amsler und E. P. Pick-Wien: Pharmakologisohe Studien am 
isolierten 8plauchaikusgefäs*gehiet des Frosches. (Arcb. f. exper. Patb. 
u. Pharm., Bd. 85, H. 1 u. 2, S. 61.) Da9 Bauobgefässsystem reagiert 
auf Pharmaka häufig verschieden, je nachdem zentrale und periphere 
Reise es treffen. Es ist keineswegs als ein pbysiologisoh-bomogenes 
Gefäßsystem aufzufassen; z. B. unterscheiden sich das Pfortadergebiet 
der Leber nnd das Gefässgebiet der Niere vielfach von den übrigen Ge- 
fässen des Splanohnikusgebietes, in dem die Darmgefässe für die Oe¬ 
samtwirkung den Ausschlag geben. Entsprechend verhalten sich andere 
Gefässgebiet«, wie die Extremitätengefä9se, abweichend von den Splän- 
ohnikusgefässen als Ganzem. Daraus wird ersichtlich, dass die Regu¬ 
lation der Blutverteilung unabhängig von reflektorischen Vorgängen 
schon duroh die spezifische Reaktionsfähigkeit der einzelnen Gefässgebiete 
erfolgen kann. Die untersuchten Mittel wirken zumeist auf Nerven¬ 
apparate ein, und selbst den Barytsalzen und dem Strophantin muss ein 
nervöser Angriffspunkt sugesohrieben werden. t 

F. Rabe-Rostock: Die Wirkung der aromatischen Nitroverbin¬ 
dungen auf den Blutfarbstoff. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 85, 
H. 1 u. 2, S. 91.) m-Dinitrobenzol wandelt bei nicht zu niedriger Kon¬ 
zentration sowohl innerhalb des Kreislaufs als in vitro bei Berührung 
mit Blutlösungen das Oxyhämoglobin in Metbämoglobin um. Der Nach¬ 
weis von Hämatin neben oder im Anschluss an Methämoglobin ist nioht 
ganz einwandfrei gelungen. 

G. Joaohimoglu-Berlin: Zur Pharmakologie des Arsenwaaser- 
stoffis. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 85, H. 1 u. 2, S. 32.) 
Inhalationsvergiftungen mit AsH 8 führen bei Katzen zu Hämoglobinurie 
und eventuell zum Tode. Die Blutkörperchen nehmen dabei grössere 
Mengen von Arsen auf als Lunge und Leber. — Für Frösche sind die 
toxischen Arsenwasserstoffkonzentrationen weit grösser als für Warm¬ 
blüter; es entsteht Narkose duroh zentrale Lähmung und Methämoglobin- 
bildung im Blute. Auch in vitro führt AsH s das Oxyhämoglobin in 
Metbämoglobin neben Hämoglobin über. — Intakte Blutkörperchen 
werden bei bestimmten Arsenwasserstoffkonsentfationen hämolysiert. 

A. E Hing er und L. Adler-Frankfurt a. M.: Die Wirkung von 
Ruhrgift auf den Kreislauf. (Arch. f. exper. Dath. u. Pharm., Bd. 85, 
H. 1 u. 2, S. 95.) Das Dysenterietoxin schädigt die nervösen Zentral¬ 
apparate, in erster Linie die Wärmeregulations- und Gefässzentren, und 
zwar ist diese Schädigung so hochgradig, dass sioh die Versuchstiere 
wie Poikilotherme verhalten; daneben ist das Atemzentrum betroffen. 
Immerhin aussichtsvolle Versuche einer symptomatisch-therapeutischen 
Beeinflussung dieser Zentren durch Krampfgifte legen den Gedanken 
nahe, die sobweren toxischen Ruhrerkrankungen des Menschen durch 
Bekämpfung der Kreislanfsobwäobe mit Koffein und Strychnin und 
strenge Vermeidung von Wärmeverlusten ihres lebensgefährdenden Cha¬ 
rakters su entkleiden. _ Lipschitz. 


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UMIVERSITY OF IOWA 








BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


881 


1. September 1919. 


Therapie. 

O. Gross-Greifswald: Ueber deu Wert käuflicher Pepsinpriparate. 
(D. m. W., 1919, Nr. 30) G. bat, wie die mitgeteilten Versuohe 

»eigen, ausführliche Versuche aogestelit. Aus diesen gebt her?or, dass 
der Pepsinwein so gut wie gar keine peptisohe Kraft besitzt. Daran 
trägt z. T. der Wein als solcher schuld, zum anderen Teil geht die pep-, 
tische Wiikung im Laufe der Zeit oder durch Wärme usw. verloren. 
Auoh Pepsinsalzsäuredragöe* und Pepsaro sind mehr oder weniger ohne 
Wirkung. Als brauchbar haben sich nur Azidolpepsiütabletten erwiesen. 

K. Bornstein-Berlin: Neues zur Jod- und Bromtherapie. (D.m.W., 
1919, Nr. 30.) Jodkalzirin und Bromkalzirin, feste Verbindungen von 
Jod und Biom mit organischen Kalksalzen, wirken in kleineren Mengen 
in vielen Pallen, wo Jod, Brom einerseits und gleichzeitig eine Kräfti¬ 
gung der Zellen andererseits aogezeigt ist. 

W- Kache - Breslau: Zur Technik der intravenösen Injektion. 
(D.m.W n 1919, Nr. 30.) Um die Blutgerinnung in feinen Kanülen .zu 
verhüten, empfiehlt K., die Kanüle mit Oel oder Paratfinum liquidum 
und dann Lutt durohzuspritzeu, um altes Uebersobüssige zu entfernen 
(wegen der Gefahr der Embolie). Dünner. 

J. Voigt-Göttingeu und M. Corinth-Danzig: Die therapeutische 

Aaweadang des kolloidalen Jodsilbers (v. Heyden). (Ther. d. Gegenw., 
Juli 1919.) Veiff. fassen die Ergebnisse ihrer Versuche dahin zusammen, 
dass nach intravenös injiziertem Jodsilbeibydrosol in der Mehrzahl der Fällo 
eine Leukozytose erzeugt wird. Bei gewissen chronischen Erkrankungen, 
weiche ertahrungsgemäss auf Jod reagieren, werdeu therapeutische 
Erfolge erzielt trotz geringer Jodmeugen (Struma, Lymphdrusen- 
scbwollung und Lues). Bei anderen, die bisher einer medikamentösen 
Behandlung nur zugäoglioh waren, wurden belriedigende Resultate er¬ 
zielt, wie bei Arthritis ueiormans und chronischem Gelenkrheumatismus. 
Dosis 2 mal wöchentlich 10 ccm einer frisch zubereiteten 0,2 proz. Hy- 
drosollösung. R. Fabian. 

H. Schorn-Berlin: Zur Anwendung des Kellargol (Heyden) in der 
Augenheilknade. (D.m.W., 1919, Nr. 80.) 5proz. Lösung und Salbe 
des Koltargol sind iür die Behandlung sezernierender Kenjunktivitiden, 
oberflächlicher Hornhauterkrankungen sowie für Verletzungen und in der 
Nachbehandlung von Operationen sehr zu empfehlen. 

E. Kosminski-Berlin: Ueber die Aaweadnag des Tenosins in der 
Hymäkoitgie. (D.m.W., 1919, Nr. 81.) K. empfiehlt das Tenosin bei 
allen ätiologisch nooh so verschiedenen Blutungen. 

B. Oppenheimer-Zehlendorf: Vergiftaagsersekeiaaagea nach Ge¬ 
nuss von Asthmatoe. (D.m.W. t 1919, Nr. 29.) Wahrscheinlich bestand 
der Tee aus Strammoniumblättern, die nur zum Rauchen verwandt werden 
dürfen. Die Pupillen werden maximal weit, starr; Ophthalmoplegia 
interna. Sonst o. B. Bis aut die Lähmung sind die Erscheinungen zu- 
rüokgegangen. 

K. Bohl and-Bonn: Intravenöse Aaweadaag des Trypaflavias bei 

Infektionskrankheiten. (D.m.W., 1919, Nr. 29.) Trypaflavin kann in 
Lösungen von 1:200 in Mengen von 10—40 ocm Gesunden und 
Kranken ohne Sobadeo intravenös gegeben werdeu. Auszusohliessen 
sind akut-hämorrhagische Nephritiden. B. rät von der innerlichen Dar¬ 
reichung ab, da leicht Erbrechen ein treten kann. B. empfiehlt das 
Mittel bei Influenza, lufluenzapneumonie, akuter Koliinlektion der Harn¬ 
wege und bei Sepsis. Bei akutem Gelenkrheumatismus kommt nach B. 
die intravenöse Anwendung weniger in Betracht als die lokale Injektion 
in grösseren Ergössen. Dünner. 

R. Brandt u. F. Mras: Metkylenblausilber (Argoohrom) als Aati* 
genorrheikiH heia Weihe. (M.m.W. t 1919, Nr. 30.) Im Anschluss 
an die Arbeit Babs in Nr. 22 d. Wsohr. teilten die Verf. ihre Er¬ 
fahrungen mit. Bei der intravenösen Anwendung — jeden 2. Tag 0,1 
bis zu 8 Spritzen — hatten sie den Eindruck, dass Argooürom narinäokige 
Tripper schneller zur Heilung bringt. Auoh die lokale Therapie, die 
besonders bei Uterus- und Zervixgonorrhoe angewandt wurde, bewährte 
sich. Die Heilung trat schon nach 1—3 Monaten ein gegenüber mindestens 
6 Monaten bei Behandlung mit Arg. nitr. u. Cupr. sullur. Die lokale 
Therapie erfolgte mit täglichen tropfenweisen Instillationen von J /s bis 
2 oom einer 1 proz. Argoohromlösung in die Zervix. 

Steiger-Essen: Ueber die Behandlung kallÖser Wandel Hit 
8kirifikation. (M.m.W., 1919, Nr. 30.) Die Ursache für die mangel¬ 
hafte Heilungstendenz kallöser Wunden ist die mangelhafte Lymph- 
zirkulation. Diese bekämpft man am besten durch Skarifikation der 
Wunden. Zu dem Zwecke legt man nach gründlicher Ausschabung des 
Geschwürs und AbtraguDg des Randes 2 cm lange Sohnitte in finger¬ 
breitem Abstande rings duroh den Geschwürsrand herum an durch die 
ganze Tiefe des Narbengewebes. Ebenso skanfiziert man den Narben¬ 
grund. Einführen von kleinen Gazestückchen in die Wunden, Verband¬ 
erneuerung am 6. Tag. Strenge Bettruhe bis zur völligen Heilung, die 
in wenigen Wochen vor sich geht. R. Neumann. 

Jud: Behandlung nmltlpler Oesielfswarien. (Brit. med. Jouru., 
Nr. 3053.) Abtragung mittels eines scharfen flachen Instruments, dazu 
vorher und nachher wiederholte Betupfnng der Warzen bzw. der Wund¬ 
flächen mit gesättigter alkoholischer Salizylsäurelösung. Für grosse 
Warzen eignet sich das Verfahren niobt. Schreiber. 

A. Almes: Die Technik der Heliotherapie. (La Presse m6d., 
Nr. 38.) Die Heliotherapie hat ihre bestimmte Teohnik und Indikationen. 
Bei nicht tuberkulösen lokalen Herden kann die Bestrahlung regionär 


sein. Bei allgemeinen Leiden oder bei lokalen Tuberkulosen soll sie 

1. direkt (ohne Dazwisohenscbaltung von Fenstern, Tüchern usw.), 2. 
total, 8. steigend sein. Der Kopf soll den Sonnenstrahlen allerdings 
nur bei besonderer Anzeige ausgesetzt werden. Unter Vermeidung der 
Mittagshitze bestrahle man 2—3 mal täglich (bei über 50° Sonnentempe- 
ratur unterlasse man die Bestrahlung) anfangs je 5 Minuten Unter¬ 
schenkel und Vorderarme, steigt am 2. Tage aal je 10 Minuten, dann 
Oberschenkel und Vorderarme je 5 Minuten. Am 3. jede Stelle 5 Minuten 
länger, dazu 5 Minuten Abdomen und fahre in dieser Steigerung fort, 
bis sohliesslioh die Extremitäten 1 Stunde, Abdomen */ 4 Std., Thorax 
20 Minuten, Hals 15 Minuten bestrahlt werden. Auch Wunden sollen 
direkt, ohne Verbandsstoffe belichtet werden; zur Fernhaltung von 
Fliegen dienen Drahtsiebe oder Terpentin- bzw. alkoholgetränkte, Stoffe 
in der Umgebung der Wunde. Nach der Bestrahlung trockner, besser 
noch feuchter Verband mit verdünntem Alkohol (1:10—1:21). 

Krakauer-Breslau. 

G. Klemperer u. L. Dünner: Die Behandlung der Brustfell- 
erkrankugem (Therap.d. Gegenw., Juli 1919.) Repetitorium der Therapie. 

R. Fabian. 

Th. Schott - Mannheim: Ueber Behandlung der Herueuresen. 
(Thtr. Mh., 33. Jahrg., Juli 1919.) Mitteilung über die günstige Wirkung 
C0 2 -haltiger Thermoisolbäder bei Herzneurosen an der Hand zweier aus¬ 
führlicher Krankengeschichten. 

Brüneoke-St. Andreasberg: Ueber eine Nebenwirking bei Qneek- 
8ilberbehandliUig. (Ther. Mb., 33. Jahrg., Juli 1919.) Eine Patientin 
bekam naoh 5 gut vertragenen intraglutäalen Em barin spritzen (jeden 

2. Tag 1 Spritze) 2 Stunden naoh der 6. und 7. Injektion Schüttelfrost, 

Fieber bis 41° und schmerzhafte Halsdiüsenschwellung. Die Erschei¬ 
nungen verschwanden nach 2 Tagen restlos. Nach 10 tägiger Pause 
löste Merjodin „in vorsichtigen Gaben“ sotort wieder Frösteln, Tem¬ 
peraturanstieg bis 38,4 und Lymphdrüsenschwellung aus, die naoh Aus¬ 
setzen des Mittels wieder verschwanden. Die Technik war einwandfrei, 
die Untersuchung der noch vorhandenen Embarinampulien bakteriologisch 
ergebnislos. Pat. leidet neben der trotz negativer W.R. klinisch sicheren 
Hirn- und Lungenlues an geringfügiger latenter linksseitiger Spitzen¬ 
tuberkulose, die auoh während der Fiebereruptionen keine Erscheinungen 
machte. Bertkau. 


Parasitenkunde und Serologie. 

Schottmüller-Hamburg: Zur Aetiologie der liflnenia. (D.m.W., 
1919, Nr. 29.) Naoh einem Vortrag im ärztlichen Verein in Hamburg 
am 7. Januar 1919. Siehe Gesellsohaftsbericht derB.kl.W., 1919, Nr. 10. 

R. Otto-Beriin: Die Pro tens-X-Bacillen und die Weil-Felix’sche 
Reaktion beim Pieckfieber. (D.m.W., 1919, Nr. 30.) Die Annahme, 
dass es sioh bei der Weil-Pelix’sohen Reaktion um eine P&raggLutination 
handelt, ist am wahrscheinlichsten. Die X-Baziilen, die die Reaktion 
mit dem Blut Flecbfieberkranker geben, stehen mit der Aetiologie des 
Fieckfiebers in keinem Zusammenhänge. 

E. Meinioke-Hagen: Eine neie iHHunit&tsreaktfon. (D.m.W., 
1919, Nr. 80.) Die neue Immunitätsreaktion ist eine einzeitige Globulin- 
flookungsreaktion im kochsalzhaltigen Medium. M. stellte die Reaktion 
mit dem Serum von rotzkranken und gesunden Pferden an. Es gelingt, 
die spezifische Reaktion zwischen Rotzantigen und Rotzantikörpern der¬ 
art sichtbar tu machen, dass der positive Versuch ausflookt. 

Dünner. 

Rubinstein: Serodiagnostik der Syphilis; technische Irrtümer 
bei der Reaktion naoh Hecht mit nicht inaktiviertem Serum. (La Presse 
möd., 1919, Nr. 38.) Vergleichende Untersuchungen bei Zehntausenden 
von Seren haben ergeben, dass die Modifikation Dach Hecht häufig 
nicht spezifische Hemmungen ergiebt, also nicht alleio, ohne inaktive 
Methode, angewandt werden kann. Die inaktive Methode nach W. ist 
bei Lues II in 100 pCt. positiv, wird aber bei Primäraffekt oder be¬ 
handelter Lues in der empfindlicheren aktiven Methode eine wertvolle 
diagnostische Stütze finden zur Deutung der ganz schwach positiven Er¬ 
gebnisse. Einzelheiten müssen in der Arbeit selbst nachgelesen werden. 

Krakauer-Breslau. 

Wang und Crookel: Diagnose der Tuberkulose mittels Konple- 
Mentablcnkung. (Brit. med. journ., Nr. 3053.) Planmässige serologische 
Untersuchungen nach Art der Wassermannreaktion zur Feststellung von 
Tuberkulose. Zur Verwendung gelaDgte ein lipoidlreies AntigeD, das aus 
einer in 5proz. Glyzerin-Bouillon gezüchteten, gut entwickelten Tuberkel¬ 
bazillenkultur gewonnen wurde. Die Inaktivierung der zu prüfenden 
Sera gesohah mittels zweistündiger Erhitzung auf 55—56° 0. Unter 
mehr als 100 sicher Tuberkulösen reagierten 85 pCt. mehr oder minder 
stark positiv, während sämtliohe Kontrolluntersuchungen negativ aus¬ 
fielen. Auoh hier ist, wie beim Wassermann, der negative Ausfall nicht 
beweisend. Schreiber. 

L. Lautenschläger*Freiburg-Berlin: Toxikologische Untersuchun¬ 
gen des M. FiGker’scben GasödeHtoxias nnd seines spesillsehen Anti¬ 
toxins. (Aroh. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 85, H. 1 n. 2, S. 1.) Das 
Gasödemtoxin ist ein reines Herzgift mit Digitaiiswirkung; tödliche 
Grenzdosis für das Kaninchen 0,05 ocm pro Kilo Körpergewicht bei 
intravenöser Zufuhr. Die Toxinwirkung ist von der Konzentration im 
Blute abhängig (Adrenalinmechanismus), da ein ständiger Zerstörungs- 
Prozess entgegenarbeitet; sie hat ferner einen sehr beträchtlichen Tem* 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 







882 


BERLINER»KLINISCHK WOCHENSCHRIFT 


Kr. 85. 


peraturkoeffizienteo. Das Ton y. Wassermann und Ficker herge¬ 
stellte Antitoxin wirkt spezifisch als Oedemgittneutralisator, wirkt auch 
prophylaktisch innerhalb von etwa 8 Tagen nach intravenöser, sub¬ 
kutaner oder intramuskulärer Injektion.. — Eine Heilwirkung des Anti¬ 
toxins war nicht mit Sicherheit festzustellen. W. Lipsohitz. 

W. Arnoldi - Berlin: Ueber eilige Ferweate in 4er (atraalei 
ai4 pithelegisehei veränderte*) Aerttawaad. (D.m.W., 1919, Nr. 81.) 
A. fand in der Aortenwand den Katalasengehalt um so höher, je feiner 
verteilt das Material verarbeitet wurde, durch Auswasohen mit Wasser 
ging er zum Teil verloren. Die autolytisohen Fermente waren bei 
späterer Entnahme erhöbt; Lipase und Lezithinase wurden überhaupt 
nicht gefunden. _ Dünner. 


Innere Medizin. 

E. Altstaedt • Lübeck: Praktische Bersgrö’sseibestimag. 
(D.m.W., 1919, Nr. 80.) A. gibt eine einfache Methode an, für die der 
Ortbodiagraph entbehrlich ist. Sie besteht in der Ausmessüng von Hers¬ 
und LungentransTersaldurcbmesser mit Nahdurchleuehtung bei seitlioh 
verschiebbarem Röhrenfokus. Dünner. 

G. Wiedemann: Zur Bestimmung des BtrsschlagvellBClS. (D. 
Arob. f. klin. M., 1919, Bd. 129, H. 5 u. 6.) Das Pneumokardiogramm 
wird mit und ohne Zuschaltung eines gemessenen Gasvolumens b auf- 
genommen. Die in beiden Fällen gemessenen Höchstaussohläge werden 
mit g 1 und g 2 bezeichnet. Der gesuohte Herzschlagvolum y ist dann 

bestimmt durch die Formel X = ————— 

g2 

Weitz und Schall: Ueber Oesopbagckardiographie. (D. Aroh. f. 
klin. M., 1919, Bd. 129, H. 5 u. 6.) Besprechung der mit einer ver¬ 
besserten Methodik aufgenommenen Kurven. Zinn. 

H. Müller-Zürich: Der Specktsrhlagrhythmas bei achtreres 

tirippekraikei. (D.m.W., 1919, Nr. 29.) Der Speohtschlagrhythmus 
besteht darin, dass nur laute erste Töne über dem Herzen gehört werden. 
Er besitzt 2 Vorstufen, den Spitaem.pecbl»chlagrbytbmui», bet dem über 
der Herzspitze nur erste Töne wahrgenommen werden, während über 
dem Sternum auch noch die zweiten Töne hörbar sind, die dann meist 
nahe an die ersten herangerüokt sind und den Rhythmus vom Typus 
drei, der durch zwei laute, klappernde Töne gekennzeichnet ist, von 
denen der zweite rasch aut den ersten folgt. Der Speohtschlagrhythmus 
hat im Verlaufe einer akuten Infektionskrankheit eine fast ominöse Be¬ 
deutung, er tritt meist Minuten bis wenige Stunden vor dem Tode auf, 
während der Spitzenspechtschlag meist 6—24 Stunden und der Rhyth¬ 
mus III Vs—2 Tage vor diesem auf tritt. Dünner. 

Vo rp ah 1: Experimentelle Untersuchung über die Kreislaafgesekwil- 
digkeit bei flerziasaffitieaz. (D. Aroh. i. klin. M., 1919, Bd. 129, 
H. 5 u. 6.) Es gelingt bei Kaninchen experimentell, durch Verletzung 
der Valvula triouspidalis Stauungserscheinungen hervorxurufeu, die in 
ihren Symptomen den Eischeinuugen der menschlichen Herzinsuffizienz 
entsprachen. Durch vergleichende Bestimmung des Sauerstoffgehalts im 
linken und rechten Herzen bei normalen Kaninchen und bei soloben 
mit experimenteller Herzinsuffizienz gelingt es, den Grad der Kreislauf¬ 
verlangsamung quantitativ testzustellen, der genügt, um deutliche 
Stauungserscheinungen hervorzurufen. Es stellt sich dabei heraus, dass 
eine Kreislaufverlangsamung aut etwa 8 /«~ s /s der Norm genügt, um 
deutliche Stauungserscheinungen (Stauungsorgaue) hervorzurufen. 

A. Weber: Der Veaeapals bei der Arytkwia perpeta*. (D. Arob. 
f. klin. M., 1919, Bd. 129, H. 5 u. 6.) Der Venenpuls ist bei der 
Arythmia perpetua durch den Fortfall der Vorhofsiätigkeit in ganz 
charakteristischer Weise verändert. Von der präsystolischen Welle sieht 
man nichts. Diese Veränderung trifft man ausnahmslos bei dem Pulsus 
irreg. perpet. Im übriges besteht eine reoht erhebliche Mannigfaltigkeit 
im Venenpuls. Ueberblickt man jedoch eine gtöjsere Anzahl von Fällen, 
so lassen sich ungezwungen einige Typen aufstellen, die eine fort¬ 
schreitende Deformierung des normalen Venenpulses darstellen. Sie 
werden näher beschrieben und in Kurven abgebildet. 

Grober und Sempell: Die Blatzasaameasetzaag bei jakrelaager 
Eatziehwag des Seanealiehts. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 129, 
H. 5 u. 6.) Der jahrelange Mangel des Tageslichts bewirkt an Zeohen- 
pferden bei guter Ernährung keine Anämie, höchstens einen der Chlorose 
ähnlichen Zustand: Erythrozyten nehmen zu, Hämoglobin nimmt etwas 
ab. Zur weiteren Klärung sind Untersuchungen an den gleiohen Indi¬ 
viduen über und unter Tage in jahrelangen Zwischenräumen und bei 
gleichem, mässigem Futter notwendig. Zinn. 

M. Kirchner-Berlin: Zur Abwehr in Sachen des Friedwaaa’sehea 
TaberkaJosehellnittel*. (D.m.W., 1919, Nr. 29.) K., der frühere Chef 
der Medizinalverwaltung, ist in der letzten Zeit verschiedentlich be¬ 
schuldigt worden, F. F. Friedmann's Tuberkulosemittel von Amts 
wegen unterdrückt zu haben. K. setzt sich in diesem Artikel in ruhiger, 
sachlicher Art mit seinen Gegnern auseinander. Er bringt u. a. aus¬ 
führlich das Gutachten Ebrlioh’s über das Mittel, das K. bisher unter¬ 
drückt haben soll, weil er nur das Tuberkulin und die Heilstätten- 
behandlung gelten lassen wolle. In den Tierversuchen Ehr lieh’s batte 
das Friedmann’sohe Mittel therapeutisch versagt, im übrigen sich als 
unschädlich erwiesen. Von anderer Seite wa^en Verunreinigungen des 
F.’sohen Mittels berichtet worden. Die klinische Nachprüfung des Mittels 
war vom Ministerium einer grossen Reihe deutscher Kliniker, die K. 


namentlich anführt, übertragen worden. In der Tagespresse war von 
ihnen als „ausgewählten Kreaturen* die Rede. Die Resultate, die von 
diesen Herren beobachtet wurden, mahnten zur Vorsicht. Von einem 
Verbot wurde Abstand genommen, aber eine Kontrolle der Herstellung 
eingeführt. K. nennt die Behauptung Dührssen’s, K. hätte die Kein- 
heitsprüfung des Mittels unmöglich gemacht, indem er Löffler dieselbe 
verbot, unwahr. K. erwähnt ferner eine Erklärung der Lungenheil- 
anstaltsärzte, die sich dagegen verwahren, dass seinerzeit in Amerika 
ein informierender Besuch dieser Aerzte bei F. zu einem grossen Reklame¬ 
unfug in Amerika ausgenutzt wurde. Dünner. 

R. Bahr dt-Leipzig: Zur Diagnose der Gallensteine. Respiratiens- 
orgsne and Cholezystitis. (M.m.W., 1919, Nr. 80.) Beschreibung eines 
Falles, bei dem Anfälle von Gallenblasen- und Gallengangentzündung 
infolge von Gallensteinen mit einer Reihe kurzer Lungenentzündungen 
kombiniert waren. Solche Fälle sind vom Verf. wiederholt beobaohtet 
worden. Die Infektion der Lunge von der Cholezystitis aus geschieht 
wahrscheinlich auf dem Wege: Duodenum, Duotus thoraoious, Vene, 
Lunge. Die Diagnose der Cholezystitis kann duroh die maskierende 
Lungenentsündung sehr erschwert sein. R. Neu mann. 

C. Br ahm-Berlin: Ueber Harnstoff hestlMnng Im Bist nnd Barn. 
(D.m.W., 1919. Nr. 80.) B. kritisiert die von Citron angegebene 
Methode (D.m.W., 1919, Nr. 20). Nach seiner Meinung sind sämtliche 
Methoden, die auf der Reaktion zwischen Harnstoff und Bromlauge 
basieren, zu verwerfen. Auoh die Konstruktion des Apparates, der nur 
aus Glas besteht, erscheint ihm nicht einwandfrei. Dünner. 

R. Neu mann - Berlin: Ueber die Beziehungen des vegetativen 
Nerveasystew* zur iaaerea Medizin. (Ther. d. Gegen w., Juli 1919.) 
Vortrag auf dem wissenschaftlichen Abend im Krankenhaus Moabit am 
8. April 1919. R. Fabian. 

F. Munk-Berlin: Ueber das Wesen und die Diagnostik der Heber- 
den’schen Knoten. (D.m.W., 1919, Nr. 29.) Nach einer Kranken¬ 
demonstration im Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu 
Berlin am 24. März 1919. Siehe Gesellscbattsbericht der B.kl.W., Nr. 19. 

Th. Brugsch-Berlin: Das EiweissnüniMim der Nahrung. (D.m.W., 
1919, Nr. 29.) Vortrag im Verein für innere Medizin und Kinderheil¬ 
kunde zu Berlin am 24. April 1919. Dünner. 

H. Groll-München: Die „ Hyperplasie* ‘ des lymphatischen Appa¬ 
rates hol Kriegsteilnehmern. (M.m.W., 1919, Nr. 80.) Ein sicherer 
Zusammenhang zwischen Schutzimpfung und lymphatischer Hyperplasie, 
vor allem der Mils, liess sich nicht teststellen. Für die Grössen Verhält¬ 
nisse des lymphatischen Follikulärsystems sind Lebensdauer, Krankheit 
und Krankheitsdauer maassgebend. Mit zunehmendem Alter nimmt die 
Grösse derselben ab. Bei sobnell eintretendem Tode aus voller Gesund¬ 
heit finden sich in einem grossen Prozentsatz grosse Lympbapparate, 
während mit Zunahme der Krankheitsdauer dieselben an Grösse ab¬ 
nehmen. Durch die Einwirkung von Krankheiten kann offenbar all¬ 
mählich eine Reduktion des’ lymphatischen Apparates hervor gerufen 
werden. Auoh der Ernährungszustand spielt eine Rolle, insofern bei 
Abmagerung auoh das Lymphgewebssystem an der Reduktion teilnimmt. 
Die bei Kriegsteilnehmern als Norm gefundene Häufigkeit der lympha¬ 
tischen Hyperplasie — 56 pCt. als Durohschnitt, 86 pCt. bei den 19- 
und 20jährigen — kann man schwer auf Kriegseinflüsse zurücktühren. 
Vielmehr ist anzunebmen, dass sie als normal anzusehen ist, während 
der bisher bei den Sektionen im Frieden gefundene kleinere Wert auf 
einer Reduktion des Lymphdrüsensystems durch Krankheit beruht. 

R. Neumann. 


Kinderheilkunde. 

Rietsohel-Würzburg: Zur Sterblichkeit der Kinder !■ onten 
nnd zweiten Lebensjahre. (D.m.W., 1919, Nr. 29.) Kisskalt: Er¬ 
widerung auf die vorstehenden Bemerkungen (D.m.W., 1919, Nr. 29). 
R. will — anschliessend an den Artikel von K. in D.m.W., 1919, Nr. 21 — 
nicht aberkennen, dass bakteriell verdorbene Nahrungsmittel für die er- 
höht Sterblichkeit der Kinder im ersten und «weiten Lebensjahre in 
Betracht kommen. Dünner. 


Chirurgie. 

Wangh: Ueber das Endergebnis bei BllttransfMienen. (Brit. med. 
joum., Nr. 8054.) Verf. gibt eine vergleichende Uebersioht über 124 Fälle 
von Bluttransfusionen in einem Feldlazarett. Es handelte^sich meist 
um schwere sekundäre Blutungen, ferner um hohe Oberarm- bzw. Ober- 
sobenkelamputationen, wo die Transfusion, um einem Sbook vorzubeugen, 
ausgeführt wurde, und um eine Reihe von Sepsisfällen. Ganz allgemein 
zeigten die Kranken, bei denen eine Blutübertragung ausgeführt wurde, 
bessere Heilungs- und Genesungsverhältnisse. als diejenigen ohne solche 
Behandlung. Transfundiert wurden in der Regel 600 com. Eine Schä¬ 
digung wurde nur in einem Sepsisfalle beobachtet, wo bei dreimal 
wiederholter Transfusion tödlicher Kollaps auftrat. Sohreiber. 

Krüger-Kroneok-Kiel: Ein eiafaeher Stützapparat (M.m.W., 
1919, Nr. 80.) Bildliche Wiedergabe und Beschreibung eines einfachen 
Stütsapparates für einen Oberschenkel- und Oberarmamputierten, der 
das Gehen allein und sicher ermöglicht Der Apparat besteht aus 
zwangsläufig gekuppelten Krüoken mit Drehpunkt in der Sohultergegend, 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 



1. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


838 


befestigt am Körper durch gepolsterte, anmodellierte Aluminiumplatten, 
die durch Garten verbunden und mit Schülterträgern versehen sind. 

R. Neumann. 

J. Grunewald-Münohen: Die Beanspruchung der langen Röhren* 
kneehen des Menschen. (Forts.) (Zscbr. f. orthop. Chir., Bd. 89, H. 2.) 
Am Femur wird unter dem Einfluss des Körpergewichts eine Durch¬ 
biegung konvei nach vorn und lateralwärts, welche in der Form des 
Knochens zum Ausdruck kommt, intendiert. Sohaft und Hals sind als 
eine organisohe Einheit aufzufassen. Das Schienbein wird durch die 
Körperlast nur auf Druck beansprucht. Die Retroflexio tibiae ist das 
gemeinsame Produkt von Körperlast und Muskelarbeit. 

W. Dann-Rastatt: Perinetri« nnd Perigraphie der Gelenke. 
(Zsohr. f. orthop. Ohir., Bd. 39, H. 2.) I. Zur geschichtlichen Entwick¬ 
lung der Gelenkperimetrie. II. Neue Apparate der Gelenkperimetrie. 
III. Die Gelenkperigraphie. IV. Schlusswort. Gegenüberstellung des 
Globusgelenkperigraphen, des Projektionsgelenkperigrapben, des Kordan- 
gelenkperigraphen. Könne- Berlin-Steglitz. 

G. Engel mann-Wien: Ueber die angeborene Höftgelenkeyerren- 
kug. (W.kl.W., 1919, Nr. 27.) Kritische Besprechung der wichtigsten 
diagnostischen und therapeutischen Fragen an der Hand von 11 viele 
Jahre nach der Einrenkung vorgenommenen Nachuntersuchungen. 

Glaserfeld. 

R. Schäfer-Mainz: Ein weiterer Beitrag zur Orientierung des 
Kunstheinn für Oberschenkelavputierte, speziell der Skelettprothese. 
(Zsohr. f. orthop. Chir., Bd. 39, H. 2.) Im Original nacbzulesen. 

H. Plagemann-Stettin: Schnellender Finger infolge Keloid 
des tiefen Bandapparates der Hohlhand. (Zschr. f. orthop. Chir., 
Bd. 39, H. 2.) Zur Erklärung des „schnellenden“ Fiügers steht die 
artikuläre Theorie der tendinösen gegenüber. Im vorliegenden Fall 
konnte der 4. Finger beider Hände nur unter „Sohnelleo“ gestreckt 
werden, wobei eine erbsengrosse Geschwulst in der Nähe der distalen 
Hautstelle der Hohihand wahrzonehmen war. . Bei der Operation ergab 
sich eine narbige Verdickung des Lig. vaginale der Beugesehne und des 
Lig. transversum capitulorum, durch welche der Gleitsohlitz der 4. Finger¬ 
sehne verengert wurde. Nach Entfernung des Narbentumors und ex¬ 
akter Naht trat völlige Heilung ein. Differential-diagnostisoh ist nach 
dem Verf. für den extra-artikulär-ligamentären sohneilenden Finger die 
Tatsache, dass durch seitliches Zusammendrüoken der Hand die Streckung 
des erkrankten Fingers erleichtert wird. 

E.Sohepelmann-Hamborn: Das spätere Schicksal einer Danmen- 
plastik. (Zsohr. f. orthop. Chir., Bd. 39, H. 2.) An Hand eines sich über 
einen Zeitraum von 4 1 /* Jahren erstreckenden Aktenmateriäls wird der 
weitere Verlauf einer im 34. Bande der Zeitschrift beschriebenen Daumen¬ 
plastik dargelegt. Nach jahrelangen Sequestrierungen und Gefühls¬ 
störungen ist das Endergebnis ein zufriedenstellendes; weitere Besserung 
steht zu erwarten. Künne-Berlin-Steglitz. 

W. Altschul - Prag: Zur Aetiologie der Schlatter’schen Krankheit. 
(Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 115, H. 8.) Verf. sc! <• esst sich der Ansicht 
Sohlatter’s an, dass es sich bei dem Zustandekommen der Erkrankung 
um eine Verletzung der Tibiaepipbyse bandelt, die durch direkte wie 
durch indirekte Gewalteinwirkung hervorgerufen sein kann. Es braucht 
sich dabei nicht immer um Frakturen zu handeln, sondern es können 
auch Verletzungen leiohteren Grades wie Periostabreissungen die Ur¬ 
sache der Erkrankung sein. 

C. Roh de - Frankfurt a. M.: Ueber Erfahrungen mit Partialantigenen 
in der Behandln«; der chirurgischen Tuberkulose. (Bruns 1 Beitr., 
1919, Bd. 115, H. 3.) Die vom Verf. ähgestellten Heilversuche ergaben 
ein völlig negatives Resultat. Auch die Kombination der Partialautigen- 
behandlung mit den sonst üblichen chirurgischen und konservativen Be¬ 
handlungsarten ergab keine besseren Resultate als sie durch die bis¬ 
herigen gebräuchlichen, Behandlungsmethoden erzielt wurden. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

Bai sch-Heidelberg: Zur Frage der Sehnenoperationen hei irre¬ 
parabler Radialislähmiag. (M.m.W., 1919, Nr. 30.) Nur wenn eine 
Nervenoperation infolge zu grossen Defektes oder Narbenbildnng un¬ 
möglich ist oder die Nervenoperation erfolglos war, was sich aber nicht 
vor 2 Jahren entscheiden lässt, ist die Sehnenoperation indiziert. Als 
sicherste und beste Methode hat sich bei irreparabler Radialislähmung 
die Sehnenverpflanzung einsohliesslioh Tenodese der Handstreoker er¬ 
wiesen. Sie hat vor der reinen Transplantation den Vorteil, dass sie 
did' für gute Kraftentfaltung erforderliche Dorsalhebung der Hand er¬ 
möglicht und das sohlaffe Herabhängen der Hand beseitigt. 

R. Neumann. 

E. Geymüller- Basel: Beiträge zur Kenntnis der Ganglioneuroae 
und ihrer Beziehungen zur Reoklinghausen’sohen Krankheit. (Bruns 1 
Beitr., 1919, Bd. 115, H. 3.) Verf. entfernte bei einem 5jährigen 
Knaben einen zwischen Proc. mastoideus und den obersten Halswirbeln 
unter dem Sternokleidomastoideus sitzenden Tumor, der sich als Ganglio- 
neurom erwies. Als Ausgangspunkt wird das Ganglion cervicale Supre¬ 
mum des sympathischen Grenzstranges aogesehen. Die Ganglienzellen¬ 
geschwülste befallen mit Vorliebe Kinder und Jugendliche. Io dem 
referierten Falle war der Tumor angeboren. Ein ebenfalls mitgeteilter 
Fall von universelle! Neurofibromatosis scheint dafür zu sprechen, dass 
eine Verwandtschaft zwischen der Reoklinghausen’schen Krankheit und 
den Ganglienzellen haltenden Nerventumoren besteht. 


H. Brütt - Hamburg: Eine sehr seltene Form des priBläreB mul¬ 
tiple! Hautsarkoms. (Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 115, H. 3.) Bei einer 
56jährigen Patientin entwickelten sich ziemlich rasch und nahezu gleich¬ 
zeitig an den unteren Extremitäten und in der Kreuzbeingegend 5 etwa 
bandtellergrosse flache derbe Hauttumoren, die sioh als dermale Sarkome 
vom Typus des kleinen Rundzellensarkoms erwiesen. Sehr bemerkens¬ 
wert war die Reaktion auf Röntgenstrahlen, durch die bei der ersten 
Bestrahlung die Tumoren ganz überraschend zusammenschmolzen. Bei 
den weiteren Bestrahlungen wurde die Reaktion jedesmal schwächer. 
Die regionären Lymphdrüsen waren zum Teil mitergriffen. Innere 
Metastasen fehlten sonst. Exitus an allgemeinem Marasmus. Von den 
5 Typen von dermalen Hautsarkomen, die Unna aufgestellt’'hat, ähnelt 
der beschriebene Fall am meisten dem Sarcoma multiplex outaneum 
gummatodes. 

H. Rahm - Breslaü: Der Sehweiuerotlauf heim MenseheB. (Bruns 1 
Beitr., 1919, Bd. 115, H. 3.) Im Anschluss an einen in der Küttnerisohen 
Klinik beobachteten Fall bespricht Verf. die Bakteriologie des Schweine¬ 
rotlaufs beim Tiere und beim Menschen und sein klinisches Bild, das 
beim Menschen meist unter dem Bilde der Backsteinblattern verläuft. 
Die Inkubationszeit betraut beim Menschen in der Regel 1—2 Tage, 
zuweilen noch kürzer. Während beim Schwein die Infektion meist auf 
dem Wege des Verdauungstraktus erfolgt, geht sie beim Menschen voa 
Verletzungen der Haut aus, Rotlaufseptikämie findet man beim Menschen 
fast nie. In der Therapie gibt das Rotlaufimmunsernm (z. B. das 
Susserin-Höchst) vorzügliche Erfolge, indem es die HeiluDgadauer des 
sonst in etwa 3 Wochen spontan abbeilenden Rotlaufs wesentlich ver¬ 
kürzt. Rotlauf nnd Erysipeloid sind aller Wahrscheinlichkeit nach 
durch denselben Erreger bedingt. W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

L. Nor Iin: Das doppelseitige metapueumonisehe Empyem Guärison. 
(Acta chirurgica scandinavica, Bd. 52, H. 1 u. 2, S. 55.) Das doppel¬ 
seitige metapneumonische Empyem ist ziemlich stelten: am empfehlens¬ 
wertesten ist es, wenn man auf einer Seite nur die Punktion ausführt 
und die Thorakotomie so lange aufschiebt, bis die- auf der anderen 
Seite ausgeführte Thorakotomie vernarbt ist. 

O. C. Borohgrevink Kristiania: Operative Behandlung des Uleug 

ventrieuli nnd dnodeni. (Acta Chirurg, scandinavica, Bd. 52, H. 1 u. 2, 
S. 61.) Es handelt sich um 87 Fälle. Die schwersten Ulzera sind bei 
den Frauen oft weit entfernt vom Pylorus, nach der kleinen Kurvatur 
hin lokalisiert, dagegen bei den Männern mehr nach dem Pylorus und 
im Duodenum. Als hauptsächlichste Behandlungsmethode 'kam die 
Gastroenterostomie in ihren verschiedenen Modifikationen in Betracht, 
sie hat eine bedeutend geringere Mortalität als die Resektion und kann 
auch hinsichtlich der Spätresultate mit der letzteren sehr wohl kon¬ 
kurrieren. B. Valentin-Frankfurt a. M. 

E. Melchior • Breslau: Die Bedeutung dorsaler und epigastriseker 
Druckpunkte für die Diagnose des Ulcus veutrlcnli und duodeni. 
(Bruns 1 Beiträge, 1919, Bd. 115, H. 3.) M. weist nach, wie grosse 
Differenzen zwischen den Befunden der dorsalen Druckpunkte bei den 
verschiedenen Autoren bestehen. Er ist der Ansicht, dass es sioh um ein 
psychogen bedingtes Symptom handelt; ihm selbst ist es noch niemals 
gelungen, sich von ihrer Existenz zu überzeugen. Bei der Untersuchung 
empfiehlt es sich, bei der vorsichtigen Palpation unter Vermeidung einer 
direkten Frage an den Patienten den Gesichtsausdruck desselben zu 
beobachten, an dem man eine Schmerzhaftigkeit sofort ablesen könnte. 
Auch bezüglich der epigastrisohen Druckpunkte bestehen grosse Diffe¬ 
renzen in den Angaben der verschiedenen Autoren betreffs der Lokali¬ 
sation, der Häufigkeit und der diagnostischen Bedeutung derselben. Sie 
sind nioht nur bei Magenduodenalgeschwüren, sondern auch bei Zu¬ 
ständen nachweisbar, die nichts hiermit zu tun haben. 

W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

Huntley: Perforierte Magengeschwüre. (Brit. med. journ., 
Nr. 3054.) ln frischen Fällen von Durchbruch eines Magengeschwürs 
ist eine Ausspülung der Bauobhöhle unnötig, ja unter Umständen schäd¬ 
lich. Es genügt Ableitung nach aussen von den abhängigen Teilen der 
Bauchhöhle (Nierengegend, Becken) aus. Schreiber. 

K. W. Eunike-Elberfeld: Zur Therapie akuter Magengeschwüro- 
perforation in die freie Bauchhöhle. (D.m.W., 1919, Nr. 28.) Bei drei 
Fällen von perforiertem Magenulkus wurde die Resektion gemacht mit 
gutem Erfolge. Vom Zeitpunkt des Durchbruchs bis zur Operation 
waren 6, 7 bzw. 8—10 Stunden verflossen. Für Fälle, die früher zur 
Operation kommen, liegen die Verhältnisse natürlich noch besser. 

Dünner. 

P. Müller-Ulm: Ueber das Ulcus pepticum (perforaas) dos por- 
sistiereuden Dottergaags (Meckerseken Divertikels) und seine Verwandt¬ 
schaft mit dem Ulcns ventrieuli. (BruDs 1 Beitr., 1919, Bd. 115, H. 3.) 
In einem Fall des Verf. von perforiertem Meokel’sohen Divertikel wurde 
ein frisobes Ulkus im Gebiet von Fundusschleimbaut gefunden, das.als 
Ulous pepticum gedeutet wird, ebenso wie die in der Literatur be¬ 
schriebenen Fälle von perforierten Meckersohen Divertikeln, die mit 
Magenschleimhaut ausgestattet waren. Auf die Entstehungserklärungen 
des peptischen Magengeschwürs wird näher eingegangen, besonders auf 
die v. Bergmann’sche Theorie und die neuerdings erschienene 
Gundelfinger’sche Arbeit, deren Erklärungen sich aber Verf. nicht 
ansohliessen kann. Eher glaubt er, gestützt auf mikroskopische Befunde 
in seinem Fall, dass vielleicht ein degenerativer Zustand der Schleim¬ 
haut, besonders der Drüsenschicht, für die Entstehung der Ulzera vou 


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UNIVERSUM OF IOWA 




834 BERLINER KLINISCBDE WOCHENSCHRIFT. * Nr, 85. 


Bedeutung sein kann. Interessant ist übrigens, dass Verf. bei der 
ersten Operation seines Falles, bei der wegen der bestehenden Peritonitis 
nur die Perforation geschlossen wurde, die Entfernung von der Ueozökal- 
klappe bis zum Divertikel 37 om betrug, bei der «weiten naoh Ab¬ 
heilung der Peritonitis Torgenommenen Operation eine Entfernung von 
85 cm feBtgestellt wurde. Er erklärt dies damit, dass der Darm auf 
die Peritonitis mit einem hochgradigen Eontraktionssustand des Längs¬ 
muskulatur antwortet. W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

J. Dubs-Winterthur: Akite Appendizitis Im vorgeschrittenen 

Alter. (D.m.W., 1919, Nr. 27.) Im Anschluss an Selberg, nach dem 
die Appendizitis im vorgeschrittenen Alter selten sei, teilt D. mit, dass 
in seinem Material 5 pCt. jenseits des 50. Lebensjahres seien. Er glaubt, 
dass die differential-diagnostische Bedeutung des höheren Lebensalters 
in der Diagnose der Appendizitis sioher überschätzt wird. Er sohildert 
einige Eigentümliokeiten im klinisohen Verlauf der Appendizitis bei 
älteren Leuten; so ist häufig das subjektive Allgemeinbefinden wenig 
gestört, Temperatur und Pulszahl nicht erhöht. Dünner. 

6. Nvström - Upsala: Ueber die Beteiligung der Geschlechter an 
der Morbidität und Mortalität der Appendizitis. (Acta chirurgica 
soandinavioa, Bd. 52, H. 1 u. 2, 8» 33.) Eine Untersuchung des Materials 
der chirurgischen Universitätsklinik zu Upsala zeigt, dass die leichteren 
und chronischen Fälle von Appendizitis unter den Frauen, die schwereren, 
akuten unter den Männern überwiegen. Auch der Ileus hat eine gewisse 
Bedeutung für die höhere Sterblichkeit an Appendizitis unter den 
Männern. Die Appendizitis als solohe ist nach den Statistiken der 
letzten Jahre ungefähr gleich häufig unter den beiden Geschlechtern. 

B. Valentin - Frankfurt a. M. 

W. Stemmler-Jena: Zur Operation der Mastdarmflstel. (D.m.W., 
1919, Nr. 28.) Umsohneidung der äusseren Fistelöffoung und Freilegen 
der äusseren Fistelwand auf einer kleinen Strecke ihres subkutanen 
Verlaufes. Eine Klemme versohliesst das äussere Fistelende. Unter 
vorsichtigem Zug an der Klemme werden nun die Weichteile vom Fistel¬ 
strang abgesohoben. (Nebengänge werden ebenso behandelt.) Der 
sohliesslich verbleibende zentrale Fistelabschnitt wird mit Hilfe einer 
aus dem Mastdarm und After herausgeleiteten Sonde in den Mastdarm 
hineininvaginiert und abgebunden. Dünner. 

F. Landauer - Berlin: Beitrag zur Frage der DantUponc. (Ther. 
d. Gegenw., Juli 1919.) 59jähr. Patient mit ähnlichen Krankheits¬ 
erscheinungen wie beim Ulcus ventriculi. Operation. Heilung. Es han¬ 
delte sioh um ein 5:3 cm grosses submuköses Lipom des Dickdarms. 

M. Klein - Berlin: Ueber abdominelle Poendotnmoren. (Ther. d. 
Gegenw., Juli 1919.) Naoh dem Sitze werden folgende Tumoren unter¬ 
schieden: 1. die der Bauchdeoken, 2. Netztumoren, 8. die dem Magen- 
darmtraktus angehorigen, 4. gemischte Formen, bei denen der Tumor 
gleichzeitig den inneren Organen und den Bauchdeoken angehört. Bei 
der Gruppe 1 geben meistens bei operativen Eingriffen zurückgelassenes 
Unterbindungs- und Nahtmaterial Veranlassung zur Bildung der Tu¬ 
moren. Dann kommen auch Fremdkörper, wie Fischgräten usw., die 
durch einen Darmteil in die Muskulatur gelangen, in Frage. Mitunter 
gibt ein Bakteriendepot infolge voran gegangener Operation Ursache für 
die Entstehung dieser Pseudotumoren, welche den Verdacht einer spe¬ 
zifischen Infektion (Aktinomykose, Tuberkulose) und eines sarko.matösen 
Tumors aufkommen lassen. Bei den Netztumoren spielt immer das 
Naht- und Unterbindungsmaterial eine Bolle, es kommt zu einer Binde- 
gewebshyperplasie. Bei den Pseudotumoren, die sich intraperitoneal im 
Magen- und Darmtraktus entwickeln, handelt es sioh meistens um ent¬ 
zündliche Diokdarmtumoren, Colitis uloerosa und Darmlues, die das Bild 
eines Karzinoms Vortäuschen können. In solchen Fällen gibt die Wasser- 
mann’8ohe Reaktion Aufschluss über die Art des Leidens. 

R. Fabian. 

K. W. Eunicke - Elberfeld: Seiteze Peritonitiftform. (D.m.W., 

1919, Nr. 29.) Mitteilung zweier Fälle von chronischer Peritonitis, die 
operiert wurden and bei denen sioh ein Ausgangspunkt wie etwa Ulkus 
oder Geschwult nioht feststellen liess. Es handelt sich nicht um Ver¬ 
wachsungen, sondern um ausgedehnte SkhWartenbildung. Wenn über¬ 
haupt die Diagnose vor der Operation gestellt wird, so kann die ana- 
mnestisohe Angabe weiterführen, dass schon früher wiederholte gewöhn¬ 
lich langsam einsetzende Kolikanfälle aufgetreten sind, die unter Um¬ 
ständen so heftig werden können, dass sie dem Bilde der Peritonitis 
bzw. des Ileus gleichen. Dünner. 

H. v. Bardeleben-Berlin: Erfahrungen über die Wundbehandlung 
im Peritoneum. (Arch. f. Gyn., Bd. 111, H. 1.) Als Leiter einer vor- 
gesohriebenen Operationsabteilung des Hauptverbandplatzes hatte Verf. 
Gelegenheit, zahlreiche Fälle von Bauchschuss zu behandeln; manche 
dabei gemachte Erfahrung kommt auch der Friedenspraxis zu Gute. — 
Das Peritoneum erwies sioh als ausserordentlich widerstandsfähig gegen¬ 
über Infektionen, in viel höherem Maasse, als die Weiohteile. Die Drai¬ 
nage erwies sich als wertlos, eine ausgiebige, aber dabei schonende 
Spülung als sehr vorteilhaft. Zur Vermeidung der Peritonitis war es 
notwendig, die Einschussöffnung im Peritoneum von innen her zu 
schliessen, um ein Uebergreifen der Infektion von der Bauchwunde auf 
das Peritoneum zu verhüten! Die Hauptgefahr für die Operierten ist 
nicht die Peritonitis, sondern der Chock, d. h. die reflektorische Schädi¬ 
gung der Vasomotoren und damit des Herzens durch die vom Peri¬ 
toneum ausgehenden Reise und die Anämie. — Niohtoperierte Bauch¬ 
schüsse mit intraperitonealen Darmverletzungen sind unrettbar verloren, 


wie eine Reihe von Fällen zeigte, die wegen übergrossen Zustroms von 
Verwundeten nioht operiert werden konnte. L. Zuntz. 

Winiwarter: Ueber Pseidoileift. (W.kl.W., 1919, Nr. 27.) Be¬ 
schreibung von 2 Fällen von Ileus, welohe nach Genuss einer grösseren 
Menge vegetabilischer Nahrungsmittel auftreten und zu schweren Krank¬ 
heitserscheinungen führen, wobei ein mechanisches Hindernis nicht naoh- 
zuweisen ist. Das gleichzeitige Vorhandensein von Spulwürmern lässt 
es wahrscheinlich erscheinen, dass dieselben die eigentliche Ursache der 
Erkrankung darstellen, indem sie durch irgendeinen Prozess lähmend 
auf die Darmmuskulatuv einwirken. Der erste Fall wurde operiert und 
starb gleich naoh der Operation infolge Schädigung durch die Narkose, 
der zweite Fall heilte auf hohe Einläufe binnen 24 Stunden ab. 

Glaserfeld. 

A. Jonas - Magdeburg: Ueber eine fötale Ilklilioi der Bauch¬ 
höhle. (Bjuns* Beitr., 1919, Bd. 115, H. 3.) Mitteilungeines interessanten 
Falles. 

E. S o n n t a g: lleis dirch Diaidarmsteiefte lieh Brieheiiklemmug. 

(Bruns* Beitr., 1919, Bd.415, H. 3.) Verf. ist der Ansicht, dass der 
von ihm mitgeteilte Fall auf eine frühere Brucheinklemmung zurüok- 
zuführen ist. Er gibt im Anschluss an seinen Falt eine auf eingehendem 
Literaturstudium begründete Beschreibung des Krankheitsbildes, das 
zwar selten vorkommt, an das aber doch bei Fällen von Bruchein¬ 
klemmung und Ileus gedacht werden muss. Auch bei der Therapie 
des eingeklemmten Bruches (Taxis, Zurücklagern geschädigten Darms in 
die Bauchhöhle) ist prophylaktisch auf die Möglichkeit des Entstehens 
einer sekundären Stenose Rücksicht zu nehmen. 

W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

Böhm - Schleswig und L. Bitter-Kiel: Baeterivm entert tidis 
Gaertner als bakteriologisoher Befund bei Gallenhlaseneatiündiing. 
(D.m.W., 1919, Nr. 27.) In dem Gallenblasenexsudat einet Operierten 
fand sich Bacterium enteritidis Gaertner. Dünner. 


Röntgenologie. 

K. Staunig-Innsbruck: Rüatgeahefude bei alimentärer Skelett- 
sehädigiag. (W.kl.W., 1919, Nr. 27.) Im Vordergrund der Verände¬ 
rungen stehen Entkalkung des Knochens und Spontanfrakturen. Die 
einzelnen Spongiosabälkohen erscheinen schmäler, ihre Zwischenräume 
weiter; der Knochen hat ein längsgestreiftes Aussehen. Unter den 
Spontanbrüohen wurden gefunden eine Fraktur der Mittelphalanx des 
vierten Fingers, zwei Frakturen der zwölften Rippe, zwei Frakturen des 
Femur (Fr. intertrochanterioa) und viele Brüche der Schambein äste. 
Im Bereich der Wirbelsäule kommt es manchmal zu einer meist links 
konvexen Skoliose der Lendenwirbelsäule. Glaserfeld. 

Rautenberg: Röntgeadiagaostik bei Leberkraakbeitea. (D. Arch. 
f. klin. Med., 1919, Bd. 129, H. 3 u. 4.) Mitteilung von 4 Fällen mit 
Erkrankung der Leber verschiedener Art, bei denen die Diagnose mit 
Hilfe des Pneumoperitoneums gesichert werden konnte. Zinn. 


Urologie. 

Th. Go Iden borg-Nürnberg: Ueber Miktionsanomalien von Kriegs¬ 
teilnehmern. (Ztschr. f. Urol., Bd. 13, H. 6.) 1000 Fälle. Zur saoh- 
gemässen Massenbehandlung von Bettnässern sah G. besondere Vorteile 
von einem von ihm konstruierten Apparat Elektrovor (bei Firma Stiefen- 
hofer-München erhältlich). Den wichtigsten Bestandteil bildet eine 
elektrische Kontaktvorriohtung, die die Aufgabe bat, im ersten Moment 
des Einnässens zuverlässig einen elektrischen Strom einzusohalten, den 
Schläfer zu weoken und auch duroh eine besondere Alarmvorrichtung 
die Nachtwache von dem eingetretenen Blasenreflex in Kenntnis zu 
setzen. _ James 0. Wentsel. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

S. Wassermann: Neue Gesichtspunkte zur Pathologie der Pyo- 
dermatosen im Kriege. (W.m.W., 1919, Nr. 24 u. 25.) Das gehäufte 
Auftreten einer Reihe von Kriegspyodermatosen (Impetigo, Vesikulo- 
pustulosis, Furunkulosis usw.) dürfte mit Ernährungsstörungen Zusammen¬ 
hängen und die genannten Dermatosen z. T. als zur Gruppe der Defi- 
oienoy diseases gehörig bezeichnet werden. G. Eisner. 

Laoapeve: Alkohol and Syphilis. (La Presse möd., Nr. 37.) 
Beobachtungen unter den marokkanischen Eingeborenen zeigen, dass 
noch hier die Syphilis häufig ist, aber nur selten die Eingeweide in der 
sklerosierenden Form befällt. Die Ursaohe dieses Unterschiedes liegt 
darin, dass der Eingeborene niemals dem Alkobolgenuss huldigt. Der 
Alkohol verursacht stetige arterielle Spannung, die zur Entstehung der 
Sklerosen notwendig ist, ja sogar bei Hereditärsyphilitikern, die noch nie 
Alkohol genossen haben, ererbt sein kann. Aus dem. gleiohen Grunde 
ist auoh Tabes und Paralyse bei den Eingeborenen selten zu finden. 

K r a k a u e r - Breslau. 

Riehl-Wien: Zur Frühdiagnose der Syphilis. (W.U.W., Nr. 26.) 
Empfehlung der Abnahme und Verwahrung von Reizserum zur Ver¬ 
sendung mittels Post usw. durch Prauter’sche Kapillaren. 

Glaserfeld. 

Karl Taege - Freiburg i. Br.: Salvars&nprophylaxe. (M.m.W., 
1919, Nr. SO.) Nach dem Verf. sollen Personen, die, ohne dass ein 


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UMIVERSITY OF IOWA 








1. September 1910 . 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


886 


Primäraffekt noch aufgetreten ist, einer grossen Ansteckungsgefahr aus- 
gesetst waren, spexifiseh behandelt werden. So behandelte er selbst 
7 Frauen ohne Erscheinungen, deren Männer aber harten Sohanker hatten, 
spezifisch mit Salvarsan und Hg. s&lioyl. 6 davon behielten dauernd 
einen negativen Wassermann. R. Neumann. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

0. Low-München: Ueber den Kalksteffwechsel bei Schwaiger 
Schaft. (D.ro.W., b919, Nr. 30.) Krankheiten der Schwangerscbalt wie 
Zahnkaries, Knochenerweichung, Tetanie, Eklampsie, uterine Dyspepsie 
usw. sind durch Storungen des Kalkstoffwechsels bedingt. Durch Kalk- 
zufuhr sind sie heilbar. Erklärt wird das Entstehen durch den grossen 
Bedarf des Fötus an Kalk, der ihn aus dem Blute der Mutter an sioh 
reisst. Die Bedeutung des Kalkes für jeden Organismus geht aus der 
Tatsache hervor, dass Kalk in einer sehr wichtigen Bindung in dem 
Zellkorn jeder Zelle vorhanden ist. Bei Entsug von Kalk stirbt der 
Zellkern ab, was den Tod, der ganzen Zelle nach sich sieht. — Kalk¬ 
mangel wird ausser durch zu geringen Kalkgehalt der Nahruig auoh 
durch Asidosis bedingt. Dünner. 

WarnekroB-Berlin: Schwerkraft und Kopflage. Ein Versuch an 
der Lebenden. (Arch. f. Gyn., Bd. 111, H. 1.) Seitz war auf 
Grund von Schwimmversuchen mit toten Früchten der alten Lehre des 
Aristoteles entgegengetreten, dass der Kopf der schwerste Teil des Fötus 
sei nnd die Einstellung in Schädellage auf der Schwerkraft beruhe. Er 
glaubte nachweisen zu können, dass wenigstens bis zum 8. Monat das 
Steissende spezifisch schwerer sei; die Einstellung in Schädellage musste 
also duroh die Einwirkung der Uteruswand erfolgen. Demgegenüber 
konnte W. in einem Fall von akutem Hydramnios mit Zwillingen, bei 
dem wegen der enormen Ausdehnung der Eihöhle eine Einwirkung der 
Uteruswand nioht in Frage kommen konnte, durch Röntgenaufnahmen 
feststellen, dass die Früchte sich in Schädellage befanden, dass sie sich 
aber bei Verbringung der Pat. in steilste Beckenhochlagerung in Steiss- 
lage drehten. Danach besteht also die alte Lehre von der Bedeutung 
der Schwerkraft für die Entstehung der Schädellage doch zu Recht. 

Wa 11 h ar d - Frankfurt a.M.: Ueber dieEitbekrlichkeit des abdominales 
extraperitonealen Kaiserschnitten für die Therapie beim engen Becken. 
(Arch. f. Gyn., Bd. 111, H. 1.) Von 75 wegen engen Beckens mittels 
transperitonealem zervikalen Kaiserschnitts entbundenen Frauen starb eine 
an Aspirationspneumonie, keine an Peritonitis, ebenso keine von 39 naoh 
der gleichen Methode aus anderen Indikationen entbundenen Frauen. 
Dabei waren unter den Patientinnen viele ausserhalb der Klinik unter¬ 
sucht, fieberten, das Fruchtwasser war keimhaltig. Diese Unreinheit 
der Fälle dokumentiert sioh auch im Verlauf, in dem es zu zahlreichen 
Bauohdeckeneiterungen kam. Daraus folgt, dass das Peritoneum Infek¬ 
tionen gegenüber widerstandsfähiger ist, als die anderen Gewebe. Es be¬ 
steht also kein Grund, den technisch so schwierigen extraperitonealen 
Kaisersohnitt an Stelle des so einfachen transperitonealen auszuführen. 

A. Loeser-Rostook: Die Grippe von 1918 in der Geburtshilfe und 
Gynäkologie. (Arch. f. Gyn., Bd. 111, H. I.) Auf der Rostooker 
Klinik wurde die Gefährlichkeit der Grippe für Schwangere in den letzten 
Monaten und namentlich für solche in der Geburt bestätigt. Die 
Woohenbettsgrippe verlief milder. — Auf der gynäkologischen Abteilung 
verlief die Grippe harmlos. 

H. Bormann-Berlin: Das Blatbiid unter Radium- und Rtiutgen- 
Itrahlei. (Arch. f. Gyn., Bd. 111, H. 1.) Bei zahlreichen Fällen von 
Karzinom, die mit Strahlen behandelt wurden, wurde das Blutbild 
dauernd verfolgt. Es zeigte sich, dass der schädigende Einfluss der 
Strahlenbehandlung ausgeglichen wird, wenn die Strahlenmenge aus¬ 
reichend war, um das Karzinom zu zerstören, dass dieser Ausgleich sich 
dauernd erhält, wenn neue Schädigungen ausbleiben, dass aber ein fort¬ 
schreitendes Karzinom das Blutbild in zunehmendem Maasse trübt. 

Kehrer: Erwiderung auf die vorstehende Arbeit von Waeber: „Die 
Dosimetrie in der Radiumbehandlung der Genitalkarzinome“. (Arch. 
L Gyn., Bd. 111, H. 1.) Es ist richtig, dass das Gesetz von der Ab¬ 
nahme der Intensität im Quadrat der Entfernung für die nächsten Ent¬ 
fernungen nicht genau stimmt, weil das Radiumröbrchen kein Punkt ist; 
aber für die Bekämpfung des Karzinoms kommen die geringen Ent¬ 
fernungen von 1—2 om praktisch nicht in Betracht. — Die Radium¬ 
probleme lassen sich nicht durch die reine Praxis, sondern nur bei einer 
glücklichen Vereinigung derselben mit Biologie, Physik und Mathe¬ 
matik einer Lösung näherbringen. L. Zuntz. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

Schlemmer: Ueber die Lokalauäathesie bei den Operationen im 
Bereiche der oberen Luft- und Speisewege. (Aroh. f. Laryng., Bd. 32, 
H. 2.) Für die Oberfiächen-Schleimhautanästhesie wird die Ephraim’sche 
Mischung benutzt: 1 Teil einer 10—20proz. Kokainlösung zu 3 Teilen 
der 1 proz. Suprareninlösung. Zur Einspritzung wird nur Novokain 
(0,5—1,0—2,0 proz. Lösung) mit Zusatz einiger Tropfen Suprarenin be¬ 
nutzt. Kontraindikation bilden phlegmonöses Infiltrat, lokale (nicht 
allgemeine) Sepsis, Alter unter 7 Jahren. Wichtig ist, dass stets frische, 
chemisch einwandfreie, körperwarme isotonisohe Injektionsflüssigkeiten 
verwendet werden. Kommt es nioht auf örtliohe Blutleere bei der 
Operation an, so ist so weit als möglich die Leitungsanästhesie zu be¬ 
vorzugen. 


Schnitzer: Ueber Traeboopatbia ootooplastiea. (Arch. f. Laryng., 
Bd. 32, H. 2.) Die unter dem Bilde einer reibeisenartigen Umwandlung 
der Luftröhre erscheinende Erkrankung besteht in der Einlagerung von 
Knochen- und Knorptliuseln in die Submukosa über und zwischen den 
Trachealknorpelspangen (Tracheopathia cbondroosteoplastica). Sie be¬ 
ruht auf einer kongeuitalen Missbildung des gesamten trachealen Binde¬ 
gewebes, .das in einer chemischen Umstimmung des Stützgewebes be¬ 
steben muss. Die choodroide Substanz entwickelt sich in zwei Formen 
weiter: Verkalkung, Bildung von Faserknochen mit Auftreten von Osteoid 
bei Anwesenheit von Osteoblasten und Riesenzellen. Bildung selb¬ 
ständiger Knorpelinseln, die (meist peripher) verkalken können und 
dann verknöchern. Alle Verbindungen mit dem Trachealknorpel und 
seinem Perichondrium sind sekundär. Die Submukosa ist im Sinne einer 
Atrophie verändert, die Drüsen werden komprimiert. Die ohronische 
Entzündung spielt bei der Entstehung der Tracheopathia osteoplastica 
zweifellos nur eine untergeordnete Rolle, in der Mehrzahl der Fälle 
wahrscheinlich überhaupt keine. 

Rehn: Automatische Kippbewegingei der Giessbeekeikiorpe). 

(Arch. f. Laryng., Bd. 82, H. 2.) R. beschreibt eine eigenartige Kipp¬ 
bewegung der Aryknorpel, die er dreimal bei Halsverletzungen, durch 
welche die Aryknorpel ireigelegt wurden, beobachtet hat. In allen drei 
Fällen sah er die Aryknorpel beinahe rhythmisch nach hinten umkippen, 
woduroh der in den Ventrikeln angesammelte Schleim naoh hinten ent¬ 
leert wurde, genau so wie wenn ein Kippwagen seinen Inhalt entleert. 
Den Zweck dieser reflektorischen, bei der Spiegelung nicht beob¬ 
achteten Bewegung sieht R. in der Entleerung aus dem Ventrioulus 
laryngis. 

Imhofer: Stimmbaadabsiess unter dem Bilde eines Polypen. (Arch. 
f. Laryng, Bd. 32, H. 2.) Die histologische Untersuchung des makro¬ 
skopisch durchaus harmlos erscheinenden kleinen Polypen ergab stellen¬ 
weise Infiltration und Nekrose. Die nicht alleinstehende Beobachtang 
zeigt, wie wicht g die histologische Untersuchung in all solchen Fällen ist. 

Seemann: Die phonetische Behandlung bei einseitiger Rehnrrens- 
lähmnng. (Arch. f. Laryng., Bd. 32, H. 2.) Die Arbeit hat nur fach- 
ärztliches Interesse. 

Hofer: Histologisches zur Oiaenafrage. (Aroh. f. Laryng., Bd. 32, 
H. 2.) Gegen die Spezifität des Perez’schen Ozaenabazillus war ein¬ 
gewendet worden, dass die durch diesen in den Nasenmuscheln der Ver¬ 
suchstiere hervorgeru'enen pathologischen Erscheinungen sioh mit den 
Mnsohelveränderungen bei der genuinen Ozaena nicht deckten. H. kommt 
zu dem Schluss, dass „die histologischen Veränderungen bei der mensch¬ 
lichen Erkrankung und der experimentell erzeugten beim Tier durchaas 
gleichwertig sind, soweit die anatomischen Verhältnisse dies znlassen. 
Dies Ergebnis ist daher danach angetan, die Ansioht von der ätio¬ 
logischen Bedeutung des Coccobacillus ioetidus für die genuine Ozaena 
wesentlich zu stützen.* 

Gerber: Ueber das Schicksal der ostpreussisehei Sklerom- 
patieateu nebst einem Sektiousbefuad. (Arch. f. Laryng., Bd. 32, 
H. 2.) G. gibt eine Uebersioht über den augenblicklichen Zu¬ 
stand der in den Jahren 1896—1900 von ihm in Ostpreussen auf¬ 
gedeckten Skieromfälle. Von diesen 28 Kranken dürften inzwischen 
13 = 38 pCt. verstorben sein, von den übrigen Fällen ist einer als ge¬ 
heilt zu betrachten, die anderen nehmen wohl den übliohen Verlauf. 
Neben den bekannten Veränderungen in den oberen Luftwegen fand 
sich bei einer Autopsie eine ausgedehnte eitrige Bronohitis und ohronisohe 
Pneumonie des linken Unterlappens. Die bei Lebzeiten besonders hervor¬ 
tretenden Erscheinungen, Heiserkeit, Auswurf und Atemnot, verführen 
in solchen Fällen leicht zu der irrtümlichen Diagnose einer tuberkulösen 
Erkrankung; in all solchen Fällen ist deshalb eine genaue Untersuchung 
der oberen Luftwege geboten. A. Kuttner-Berlin. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

G. Harms-Mannheim: Die Fiirsorgesfollei für Liageakraike. 

(Ther. Mb., 33. Jahrg., Juli 1919.) Um die durchaus nötige Einheitlich¬ 
keit in der Familienfürsorge zu erzielen, muss auch die kleinste Für- 
sorgestelle folgende Mindestforderungen erfüllen: 1. Schaffung einer ad¬ 
ministrativen Zentralstelle, 2. Mitarbeit eines Arztes, 3. Anstellung einer 
geschulten Fürsorgeschwester, 4. Eignen Raum für Verwaltungs-, Unter- 
suchungs- und Beratungszwecke. Darlegnng der Tätigkeit des Arztes 
und der Schwester und der Bedeutung der Fürsorgestellen für den Kampf 
gegen die Tuberkulose in therapeutischer Hinsicht und für die Lösung 
wissenschaftlich noch ungeklärter Probleme. Bertkan. 

W. H. Jansen und F. Müller-München: Beitrag znr Lösung der 
Brotfrage. (M.m.W., 1919, Nr. 30.) In zahlreichen Backversuchen und 
Stoff wecbseluntersuchungen an einem grösseren Menschen material worden 
die von Friedrich Müller auf dem Kongress der Lebensmittelamts- 
ärzte Deutschlands im Juli 1918 eingebraohten Vorschläge ausgearbeitet. 
Die Verff. kamen za folgenden Ergebnissen: Das Korn muss vor der 
Vermahlung gründlich gereinigt und sortiert werden. Die Ausmahlung 
des Brotgetreides ist auf 80pCt. festznsetzen. Zur Streckung des Brot¬ 
getreides kann bis zu 25pCt. Kartoffelwalzmohl zugesetzt werden. Die 
Teig- und Brotausbeute eines Brotes ans 75 Teilen 80 proz. aus¬ 
gemahlenen Roggen-Weizenmehls und 25 Teilen Kartoffelwalzmehls ist 
gut. Die Ausnutzung einer gemischten Kost, die grosse Mengen Brot 
enthält, wird durch Art, Beschaffenheit nnd Ausmahlungsgrad des dafür 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hi. 86. 


benötigten Brotkorns wesentlich beeinflusst. Das Kartoffelbrot ist von 
würzigem Geschmaok und guter Bekömmlichkeit. Seine Verdaulichkeit 
ist besser als diejenige des Kriegsbrotes. Der grosse Eiweissansatz ist 
ein Ausdruck für den Eiweisshunger infolge vorhergegangener Unter¬ 
ernährung. R. Neumann. 

G. Bes sau-Breslau: Ist die aktive In sisiist eriag gegen Heu- 
Heber ungefährlich? (D.m.W., 1919, Nr. 31.) B. erlebte * bei einer 
Patientin, bei der er die aktive Immunisierung vornahm, ein ziemlioh 
bedrohliches Krankheitsbild, das wie ein anaphylaktischer Anfall verlief. 

Dünner. 

Schiffs- und Tropenkrankheiten. 

F. K. Kleine-Berlin: Die Ergebnisse der deutschen Sehlafkrank- 
heitsfonehnng. (D.m.W., 1919, Nr. 27.) K. gibt eine Uebersioht über 
seine und seiner Mitarbeiter Tätigkeit. Es wurden aasgedehnte Ueber- 
tragungsversuohe angestellt. Jede der bekannten Trypanosomenarten 
kann sich in jeder Glossinenart entwickeln. Laboratoriumgezüchtete 
Glossinen sind nicht infektiös; also keine Vererbungen. Bericht über 
therapeutische und prophylaktische Maassnahmen mit Atozyl. 

Dünner. 

M. Taute u. F. Huber: Die Unterscheidung des Trypanosoma 
rhodesiense vom Trypanosoma brncei. (Aroh. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 
1919, Bd. 23, H. 11, S. 211—226.) Gelegentlich des ostafrikanischen 
Feldzuges prüften die Verff. die strittige Frage, ob die dem Trypanosoma 
rhodesiense zugeschrieben, in Nordost-Rhodesia und den Nyaasaländern 
verkommende Trypanosomiasis des Menschen eine Infektion mit dem 
Erreger der Tsetsekrankheit der Tiere, dem Trypanosoma brucei, sei 
oder nioht. — Auf Grund ihrer epidemiologischen Feststellungen sowie 
des durchweg negativen Ausfalls von 6 Versuchsreihen mit Vorimpfung 
verschiedener Stämme des Trypanosoma bruoei in ganz verschiedenen 
Gegenden aaf 2 Europäer (Verfi.) und 129 Neger kommen sie zu dem 
Ergebnis, dass der von Kleine gegenüber Bruce u. a. von jeher ver¬ 
tretene Standpunkt der riohtige sei, d. h. dass die beiden Trypano¬ 
somenarten trotz gleicher Morphologie, gleicher Virulenz und Arzenei- 
festigkeit sowie gleichen Ueberträgers (Glossina morsitans) streng unter¬ 
schieden werden müssen, weil sie zwar beide gleich tierpathogen sind, 
aber nur das Trypanosoma rhodesiense auch für den Menschen krank¬ 
machend wirkt. 

M. Mayer: Klinische, morphologische und experimentelle Beob¬ 
achtungen bei AmSbenerkr Anklingen. (Arch. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 
1919, Bd. 23, H. 10, S. 177—210.) Sowohl bei operierter und bei in¬ 
operabler Amöbenerkrankung der Leber, als auch bei chronischer Dysen¬ 
terie war die klinische Wirkung des Emetinum hydrochloricum (0,1 
täglich subkutan in 2,0 com Kochsalzlösung, 12 Dosen in ein bis mehr¬ 
tägigen Pausen, später nach mehreren Wochen noch zweimal je 6 Dosen) 
vorzüglich, doch Hessen sich Rückfälle nicht verhindern, auch waren 
emetinfeste Stämme häufig. Simaruba-Granat Wurzelextrakt (Coit. sima- 
rubae, Gort, granati ana 10,0, Spiritus [90 pCt.], 90,0, Tinct. aromat. 2,00, 
Aq. dest. ad. 750,0, macera p. hör. 20) unterstützte die Emetinwirkung. 
Die wesentlichen Punkte der mikroskopischen Amöbendiagnostik 
werden kurz erörtert, wobei ein neues Unterscheidungsmerkmal zwischen 
Histolytioa- und Kolizysten erwähnt ist. In Katzenversuchen gelang 
bei Verwendung junger Tiere mit Klystieren frischen amöbenhaltigen 
Schleimes die Infektion bis zu 59 Passagen. 4 mal unter 136 Katzen 
wurden Leberabszesse beobachtet, in denen neben lebenden Amöben 
2 mal auch Zysten nachgewiesen wurden. Heilversuohe, im besondern 
noch mit Emetinderivaten, die im Georg Speyer-Hause dargestellt waren, 
fielen unbefriedigend aus, zumal die wirksamen Dosen den tödlichen 
sehr nahe lagen. Für Kurszwecke ist die Entdeckung von Wert, dass 
sioh Zysten von Amöben (und von Lamblien) in Kotaufschwemmung 
jahrelang in 5proz. Formalin konservieren lassen. 

H. Lorenz: Beobachtungen bei der FleckfieberbekäBpfnng ii 

Rumänien. (Ach. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 23, H. 9.) Grössere 
und kleinere Epidemien in 4 rumänischen Orten, die durch planmässige 
Entlausungen, Isolierung der Kranken, Quarantäne Verdächtiger und 
besonders auch dadurch erfolgreich bekämpft wurde, dass Genesene 
erst naoh 42tägiger Fieberfreiheit entlassen wurden. Letztere 
Maassnahme gründete sich auf der Beobachtung, dass Fleokfieberkranke 
noch 3 Wochen naoh ihrer Entfieberung durch ihre Läuse die Krankheit 
zu übertragen vermochten; naoh 6 Wochen kam das nioht mehr vor. 
In einem Falle (Infektion von 5 Kindern an der Leiche ihrer Mutter) 
liess sioh mit Sicherheit eine Inkubationszeit von 14 Tagen fest¬ 
stellen. Weber. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Medtninische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultnr zn Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 16. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 

Der Vorsitzende Herr Uhthoff eröffnet die Sitzung mit einer An¬ 
sprache, in der er der schweren Sorge und der Empörung über die uns 
von den Feinden sugemuteten Friedensbedingungen Ausdruok gibt und 


zum Ausharren und zur Einigung aller in dem Widerstande gegen der¬ 
artige unerhörte Zumutungen mahnt. 

Er weist darauf hin, wie gerade die Aerzte klassische Zeugen für 
die Folgen der brutalen Blockade bei unseren Kranken, alten Leuten, 
Frauen und Kindern sind. Er knüpft daran weiter die dringende Auf¬ 
forderung, mit verdoppelter Anstrengung der Wissenschaft zu dienen 
und zu beweisen, dass wir nicht erlahmt sind, sondern nach wie vor in 
vieler Hinsiobt wissenschaftlich und in der Erforschung der Wahrheit 
überlegen sind. Wissensohaftliohe Taten und wissenschaftliche Tat¬ 
sachen lassen sich nicht duroh Friedenssatzungen hinwegdiskutieren und 
erdrücken. Hier gilt nicht die Lüge und die Verdrehung von Tat¬ 
sachen. 

Er gibt der Hoffnung Ausdruck, dass auoh die Arbeiten der Sektion 
mit erneuter Kraft fortgesetzt werden und ein Kristallisationspunkt 
werden, um den sich neue segensreiche Gebilde gruppieren. Als das 
Unerhörteste bezeichnet er die Forderung, dass Deutschland sich als der 
alleinsohuldige Teil an dem Ausbruch des Krieges bekennen soll. Wer 
mit sehenden Augen die Jahre ja Jahrzehnte vor dem Kriege durchlebt, 
wer Gelegenheit hatte, im Auslande die systematische Untergrabung 
unserer Beziehungen zu anderen Nationen zu studieren, der weise, dass 
die eigentlichen Schuldigen an dem Ausbruoh des Weltkrieges gans 
anderswo zu suohen sind. 

Tagesordnung. 

Hr. Kfittner: Ueber die Vemkfittangsnekrose ganzer Extremi¬ 
täten and andere Foraten der chirurgisdien Nekrose aad Gangrän. 

Die Verscbüttungsnekrose ganzer Extremitäten hat Vortragender 
mehrfach in den grossen Flandernschlachten der Jahre 1917 und 1918 
gesehen. Sie wurde namentlich bei der Eintrommelung moderner Feld¬ 
befestigungen aus Beton beobachtet und hat ihre Analogien in den 
Drucknekrosen, die bei Erdbebenkatastrophen vorgekommen sind. 

Die vom Redner beobachteten Fälle hatten etwas durchaus Typisohes, 
sie sind auf Druckwirkung zurüokzuführen und charakterisiert durch das 
Fehlen äusserer Wunden, gröberer Zerschmetterungen und schwerer 
Infektionen, haben natürlich auch mit Gasbrand nichts zu tun. Sie 
zerfallen in zwei Gruppen, die sioh grundsätzlich daduroh von einander 
unterscheiden, dass bei der ersten die zuführenden Gefässe thrombotisch 
verschlossen, bei der zweiten vollkommen durchgängig sind. Betroffen 
war in allen Fällen beider Gruppen die untere Extremität, wahr¬ 
scheinlich deswegen, weil bei so sohweren Versohüttungen der oberen 
Extremität das Leben meist durch Beteiligung von Thorax, Kopf und 
Hals endet. 

Die Verschüttungsnekrose mit Verschluss der Haupt- 
gefässe entspricht den Läsionen, die im Frieden gelegentlich bei 
schweren Ueberfahrungen Vorkommen. Ohne äussere Verletzungen ent¬ 
steht eine Nekrose des Unterschenkels und Fusses, weil durch Quetschung 
die inneren Gefäsahäute namentlich der Arteria femoralis zerrissen 
werden und Tnrombose eistritt. Die gleichzeitige Thrombose der Vene 
kann eine sekundäre und duroh die Nekrose der Extremität bedingt 
sein. Die Prognose ist ungünstig, da die Verschütteten meist in zu 
schlechtem Allgemeinzustande zur Behandlung kommen. 

Die Versohüttungsnekrose ohne Versohluss der Haupt- 
gefässe hat keine Analogien in Friedensverletzungen; bei ihr sind 
primär entweder die oberflächlichen oder die tieferen Gewebsschiohten 
betroffen. Bei primärer Nekrose der oberflächlichen Gewebs¬ 
schiohten ist die Entwicklung der Nekrose eine rasche, ominös ist 
das schnelle Aufschiessen von Blasen im ganzen gefährdeten Bereich 
und die ausserordentliche Sohmerzhaftigkeit. Trotzdem nur die Haut 
und das Unterhautzellgewebe, allerdings meist im Bereich des ganzen 
Unterschenkels und Fusses nekrotisch werden (Demonstration), ist die 
Extremität wegen der drohenden Allgemeininfektion kaum jemals zu 
retten. 

Günstiger liegen die Fälle von primärer Nekrose der tiefen 
Gewebsschiohten, da hier der Prozess viel langsamer verläuft. 
Neben Fällen von Nekrose der Muskulatur fast des ganzen Unter¬ 
schenkels werden auoh umschriebene Läsionen beobachtet, die sioh 
duroh Funktionsausfall und Entartungsreaktion oder völlige elektrische 
Unerregbarkeit der betroffenen Muskeln äussern. Aehnliche primäre 
Nekrosen der Muskulatur liegen vor in vielen Fällen von gewöhnlichem 
Dekubitus besonders des Gesässes. Die Veränderung der Muskulatur 
ist in den Fällen von Verschüttung sehr oharakteristisoh. ln dunkel¬ 
braunrote, von Blutergüssen durchsetzte Partien sind gelbliche, opake 
Inseln eingesprengt, die mikroskopisoh neben reichlichen frischen Blu¬ 
tungen eine herdförmige Nekrose der Muskelfasern erkennen lassen 
(Demonstration). Therapeutisch sind diese Fälle aussichtsvoller als die 
der vorigen Gruppen. Wenn naoh einer Verschüttung die tiefe 
Schwellung der Muskulatur so hohe Grade erreicht, dass die Erhaltung 
der Extremität gefährdet erscheint, so soll der Versuch gemacht werden, 
duroh multiple Inzisionen günstigere Ernährungsbedingungen zu schaffen. 
Die Einschnitte, die wegen Aufhebung der Sensibilität ohne Anästhesie 
ausgeführt werden können, müssen aseptisch angelegt und erhalten 
werden. Kommt von solchen Inzisionen oder von Dekubitusstellen und 
peripheren Nekrosen her eine Infektion zum Ausbruch, so ist das 
Schicksal der Extremität meist besiegelt. 

Dass bei der einen Gruppe von Fällen nur Haut und Unterhaut¬ 
zellgewebe, bei der anderen nur die Muskulatur zugrunde geht, ist wohl 
duroh einen verschiedenen Mechanismus der Verschüttung zu erklären. 
Bei der primären Nekrose der Muskulatur handelt es sioh offenbar um 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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1. September 1919. 


eine kontinuierliche allseitige Druckwirkung, der bei langer Verschüttungs- 
dauer die Muskulatur weniger gewaohsen ist als die bedeokende Haut. 
Bei der primären Nekrose der Haut und des Unterhautzellgewebes aber 
findet durch Steine und Betonstöcke, die gegen die Haut gesohleudert 
werden, eine viel intensivere Kontusionswirkung bei kürzerer Dauer der 
Yersohüttung statt. 

Im Anschluss demonstriert Yortr. zahlreiche Präparate, Photo¬ 
graphien und farbige Abbildungen von Nekrosen durch Absohnürung. 
Einklemmung, Torsion, Hitze und Kälte, chemische und bakterielle 
Ifinwirkung, Thrombose und Embolie, Schlangenbiss, ohronisohe Gefass» 
erkrankungen und neuropatbisohe Einflüsse. 

Aussprache. 

Hr. Dreyer: Gestatten Sie mir, kurz im Anschluss an das eben 
Gehörte eine eigentümliche Art der Nekrose zu erwähnen, die zwar auoh 
sohon im Frieden vereinzelt beobachtet, doch erst im Balkankriege 
durch ihr massenhaftes Auftreten die allgemeine Aufmerksamkeit erregt 
hat. Es ist dies eine besondere Art der Fussgangrän, für die ich die 
inzwischen auoh in die Literatur übergegangene Bezeichnung Nässe - 
gangrän vorgesohlagen habe. Das Krankheitsbild, um das es sich hier 
handelt, kommt zustande unter Einwirkung einer-Temperatur von einigen 
Graden über 0, verbunden mit gleichzeitiger Durchfeuchtung, wenn im 
Schützengraben liegende Truppen längere Zeit diesen Schädlichkeiten 
ausgesetzt sind. Es werden vorwiegend die Fasse und Unterschenkel, 
sehr viel seltener die Hände betroffen. Die Bekleidung spielt dabei 
eine wichtige Rolle, und besonders kommt hier der Wickelgamasche 
grosse Bedeutung zu. Zweifellos bietet letztere gegen Nässe nur höchst 
ungenügenden Schutz, und darüber hinaus entwickelt sie bei anhaltender 
Durohfeuchtung noch eine recht unangenehme Eigensohaft. Sobald sie 
sich nämlich mit Feuchtigkeit vollgesogen hat, quellen die das Gewebe 
zusammensetzenden Fäden auf und müssen sich dadurch nach bekannten 
physikalischen Gesetzen in der Längsrichtung verkürzen. Auf diese 
Weise kommt es zu einer Einschnürung des von der Gamasche um¬ 
schlossenen Beines, die natürlich eine erhebliche Beeinträchtigung der 
Blutzirkulation bewirkt. Das Gefährliche ist weiter, dass die sohnürende 
Wirkung sich sehr langsam und allmählig vollzieht, so dass sie von 
dem Betroffenen erst verhältnismässig spät wabrgenommen wird. Was 
die Krankheitsersoheinungen im einzelnen anlangt, so ähneln sie denen 
der Erfrierung mit der Besonderheit, dass sie sich oft erst längere Zeit, 
bis zu 8 Tagen später, nachdem die schädigenden Einwirkungen längst 
aufgehört haben, noch einstellen können. Disponierend wirken selbst¬ 
verständlich alle Faktoren, die die Widerstandskraft des Körpers herab¬ 
setzen, aber es ist sioher, dass auoh völlig kräftige Individuen von der 
Nässegangrän befallen werden. Die Behandlung ist die bei Erfrierungen 
allgemein bekannte. Nioht empfehlenswert jedoch ist die vielfach an- ’ 
gewandte PiDselung mit Jodtinktur. Unter deren Einwirkung wird die 
Oberhaut, besonders an der Fusssohle, hart und krustenartig. Sie trooknet 
sehr gut ein, und man glaubt einen recht befriedigenden Zustand herbei¬ 
geführt zu haben. Das ist aber trügerisoh. In Wirklichkeit entwickelt 
sich unter dieser gut aussehenden Oberfläche meist in der Tiefe eine 
ausgebreitetc phlegmonöse Gangrän, die unter den geschilderten Ver¬ 
hältnissen häufig lange Zeit der Beachtung entgeht, woraus sich für den 
Patienten sehr schwerwiegende Folgen ergeben. 

Hr. Honigmann: Eine Form der traumatisohen Gangrän, die ihrer 
Seltenheit wegen wenig bekannt ist, aber trotzdem praktische Wichtigkeit 
besitzt, wird durch Zerreissung und Aufrollung der inneren Arterien¬ 
häute bedingt und kommt infolge einer umschriebenen stumpfen Gewalt¬ 
einwirkung auf eine grössere Schlagader zustande. Am häufigsten ist 
die Arteria brachialis betroffen, die infolge ihrer oberflächlichen Lage 
am meisten ausgesetzt ist. Da sich am Orte der Verletzung gewöhnlich 
keine erheblichen Erscheinungen geltend maohen, trifft die einige Tage 
später eintretende Gangrän des peripheren Gliedabschnittes den Patienten 
und Arzt um so überraschender. Gerade in diesem eigenartigen Ver¬ 
halten liegt die praktische Bedeutung dieser verhängnisvollen Form von 
Arterienverletzung. 

2. Hr. Bittorf: Heber eideuisehes Aiftretoi toi Spätraebitis. 

(Erschien in Nr. 28 unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

8. Hr. Melchior demonstriert im Anschluss an die Ausführungen 
des Herrn Bittorf einen 17jährigen Patienten mit hochgradigem doppel¬ 
seitigem Geilt wann. Die Deformität der Beine hat sich innerhalb 
eines Jahres entwickelt, gleichzeitig besteht eine symmetrische Auf¬ 
treibung der distalen Gelenkenden der Unterarmknochen; der im übrigen 
durchaus intelligente Pat. ist körperlich klein und sexuell nooh un¬ 
entwickelt. 

Von dem gewöhnlichen Verhalten des Genu varum adolesoentium 
unterscheidet sich der hier vorliegende Prozess zunächst durch die hoch¬ 
gradigen Sohmerzen. Dieselben beschränken sich nicht allein auf 
die Knie- und Fussgelenke, sondern es werden spontane Schmerzen 
auoh seitens der Wirbelsäule, des Brustkorbes sowie des Schädels 
(Hinterhaupt und Jcohbogen) angegeben, eine lokalisierte Druck¬ 
schmerzhaftigkeit ist im Bereich der unteren Brustwirbel sowie an 
den Rippen (Knorpel-Knochengrenze) nachweisbar. Röntgenauf¬ 
nahmen zeigen eine allgemeine deutliche Aufhellung (Kalkarmut) der 
langen Röhrenknochen, unregelmässige Verbreiterung der Epiphysen¬ 
bänder; im Bereiche des reohten oberen Tibiaendes besteht eine 
Refraktion des Knochens mit mässiger Kallusbildung, eine weitere 
unvollständige Fraktur befindet sieh im suprakondylären Abschnitt des 


linken Femur. Der Befund entspricht also durchaus den von Fromme 
beschriebenen Fällen und unterscheidet sich von dem bisher bekannten 
Verhalten der statischen ossalen Deformitäten der Adoleszenz dadurch, 
dass hier die „Spätraehitis“ die Erscheinungsformen der 
floriden infantilen Rachitis darbietet. Die fast universelle Be¬ 
teiligung des Skeletts, die Halisterese, die charakteristischen epiphysären 
Veränderungen, die ausgedehnte Sohmerzhaftigkeit, sowie nioht zuletzt 
die eigentümlichen Refraktionen des erweichten Knochens bilden die 
gemeinsamen Kriterien. 

Aetiologisch sind fraglos die langdauernden Nährsohäden des Krieges, 
wobei namentlich auoh eine Beeinträchtigung des Kalkstoffwecbsels an¬ 
zunehmen ist, für die Entstehung dieses bisher unbekannten Krankheite- 
bildes verantwortlich zu maohen. Dass die bis jetzt vorliegenden Beob¬ 
achtungen sich aussohliesslioh auf männliche Individuen beziehen, 
könnte seine Erklärung darin finden, dass gerade in den Pubertätsjahren 
das männliche Skelett seine sexual-spezifische massigere Ausbildung er¬ 
fährt, ein Kalkdefizit sich bei ihm daher am ehesten bemerkbar maohen 
muss. 

Bezüglich des gehäuften Vorkommens der spontanen Te¬ 
tanie, auf das Herr Bittorf hinwies, und wobei ebenfalls Störungen 
des Kalkumsatzes ursächlich in Betraoht kommen, möohte ich darauf 
hinweisen, dass Aehnliohes auoh für die postoperative Tetanie (nach 
Eingriffen an der Schilddrüse) zu gelten soheint. So sahen wir diese 
Komplikation an der Küttner’soben Klinik im letzten Jahre 4mal, 
während sie in 10 vorausgegangenen Jahren nur einmal sich ereignete. 
Dass auch an anderer Stelle ähnliche Beobachtungen gemaoht wurden, 
ist vielleicht daraus zu entnehmen, dass die Zahl der chirurgischen 
Mitteilungen über postoperative Tetanie in letzter Zeit sichtlich zu- 
genommen hat. Wir müssen also wohl augenblicklich mit einer er¬ 
höhten Disposition zur Tetanie rechnen; besondere Vorsicht bei 
grösseren — namentlich doppelseitigen Sohilddrüsenoperationen — ist 
daher geboten, und es wäre vielleicht angezeigt, in solchen Fällen pro¬ 
phylaktisch mit Kalzium vorzubehandeln. — Für die Richtigkeit dieser 
Annahme könnte auoh noch der Umstand sprechen, dass von jenen 
4 Fällen 8 trotz sohwerer anfänglicher Erscheinungen allein unter in¬ 
terner Medikation, wobei die Kalziumtherapie im Vordergründe stand, 
zur Heilung gelangten. 

Aussprache. 

Hr. Dreyer glaubt auoh, dass es sioh in einem Teil der Fälle um 
Spätraebitis handelt, wobei es offen bleiben muss, ob es sioh um Rezi¬ 
dive einer früheren oder um eine spät einsetzende Rachitis handelt. 
Der eine Fall hat offenbar, wie man aus dem Röntgenbild erkennen 
kann, früher eine Rachitis durohgemacht. Jedenfalls ist wohl als Folge 
der ungenügenden Ernährung zu buohen, dass die Spätrachitis in so 
ungewöhnlich schwerer Form auftritt. Er weist ferner nooh darauf hin, 
dass man Patienten mit den eingangs geschilderten Beschwerden stets 
auf Pes valgus und planus untersuchen muss. 


Verein für wissenschaftliche Heilkunde zu Königsberg i. Pr. 

Sitzung vom 24. März 1919. 

Vorsitzender: Herr Sohellong. 

1. Hr. Christeller: Ueker eine eigenartige Sperrvorrichtnng an 
den Fingern. 

Zieht man einen knappsitzenden Fingerring über den Finger, so ist 
es oft schwer, ihn wieder ohne Gewalt abzustreifen. Es bilden sioh an 
dem Gelenk zwischen Grund- und Mittelphalanx quere Hautwülste, 
welohe eine Art von „Sperrvorrichtung“ darstellen. Die Bedeutung 
dieser Sperrvorriohtung tritt im täglichen Leben immer dort in die Er¬ 
scheinung, wo es sich um das Aopacken unregelmässig gestalteter, die 
Finger mehr oder weniger umgreifender Gegenstände bandelt, und 
sichert auoh die Festigkeit des Gefüges ineinandergefalteter Hände. 

Zur Aufklärung des Mechanismus dieser Einrichtung ging der Vortr. 
experimentell vor. Er brachte an den abgesebnittenen Händen neu¬ 
geborener und erwachsener Leichen Ringe an, mittels derer sich durch 
Zug die sperrende Wulstbildung hervorrufen und durch Härtung in situ 
fixieren liess. Makroskopische und mikroskopische Längsschnitte durch 
diese Finger führten zu folgender Erklärung der zugrundeliegenden 
anatomischen Verhältnisse: 

1. An der Wulstbildung nimmt ausser der sioh faltenden Haut 
auoh die Gelenkkapsel, besonders an der dorsalen und volaren Seite teil. 

2. Die Sperrwulstbildung tritt nur in einem Sinne, nämlich bei 
distal gerichtetem Zuge, ein, weil der Wulst, je nach der Richtung des 
Zuges, in verschiedene Ebenen des Fingers fällt. Im Falle des distal 
gerichteten Zuges fällt er nämlich in die Ebene des Gelenkköpfchens 
der Grundphalanx, also dorthin, wo der Finger schon ohnehin seinen 
grössten Querschnitt besitzt. Bei proximal gerichtetem Zuge dagegen 
legt er sich io die Halsfurche zwischen Gelenkköpfohen und Schaft der 
Grundphalanx, führt also keine nennenswerte Verbreiterung des Finger¬ 
durchmessers herbei. 

2. Hr. Kaston: Dystrophia ayotoaiea. Die Krankheit, früher 
Myotonia atrophioa genannt, zeigt Störungen von trophisohen Verhält¬ 
nissen und myotonische Erscheinungen. Da die trophischen Störungen 
nioht nur die Muskulatur betreffen, so spricht man jetzt nioht mehr von 
Atrophien, sondern von Dystrophien. Der vorgestellte Kranke bietet 
folgende Symptome: Schilddrüse, nur halb so gross wie die normale, 


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838 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


ein exzidiertes Stück des Musoulus snpinator longus besonders blass, 
ein exzidiertes Stück des Deltoidens von normaler Farbe. Hypophyse 
röntgenologisch nicht vergrössert. Beide Hoden atrophisch (etwa von 
Olivengrösse). Fingerstrecken und Faustsobluss dauert sehr lange. 
Finger bleiben in halbgebeugter Stellung stehen. Hängebauch. Lordose. 
Pat. richtet sich an seinen Beinen empor, klettert aus der Lagestellung 
auf. Daumen- und Kleinfingerballen atrophisch, elektrisch nicht er¬ 
regbar. Unterarmmuskulatur elektrisch herabgesetzt mit stärkerer Naoh- 
dauer. Ebenfalls elektrische Zuckungen mit Naohdauer im Deltoid«us, 
Sternooleidoma8toideus und Pectoralis major. Bei mechanischem Be* 
klopfen an den Muskeln langdauernde Wnlstbildungen; an der Zunge 
Dellenbildung. Augenhöhlen sehr tief infolge Atrophie des Orbioularis 
oculi. Beiderseits Katarakt. Glatze am Scheitel; keine Störung der 

Speiohel- und Sohweisssekretion, auoh nicht nach Atropin und Pilo¬ 
karpin. Potenz und Libido erhalten. Im Blute lymphozytäre Ver¬ 

schiebung, sonst keine Veränderung. Vater des Pat. hat starke idio- 
muBkuläre Wülste. Der Kranke selbst merkte vor 2 Jahren Unfähigkeit, 
Farben zu unterscheiden, später Sohwäohe in den Beinen und Händen. 
Psychisch: Allgemeiner Intelligenzdefekt und Stumpfheit. 

3. Hr. Müller-Hess: Ueber juvenile Paralyse. Vortr. bespricht 

kurz die Aetiologie und den Begriff der juvenilen Paralyse: er be¬ 
richtet über einen Fall (aus dem Institut für gerichtliche Medizin), be¬ 
treffend eine 11jährige Paralytika. Vater Potator, starb an Tabo- 
paralyse. Mutter leidet an Tabes, 2 Fehlgeburten, ausserdem noch 
3 Kinder: mit positivem Wassermann und hereditär luetischen Er¬ 
scheinungen. Pat. hat sioh sehr gut entwickelt, gut gelernt. Seit 

2 1 /* Monaten erste Krankheitsersoheinung, seit 8 Tagen paralytische 
Anfälle. Blut und Liquor Wassermann positiv, ebenso Nonne. Lympho¬ 
zytose (Pat. ist unterdessen an paralytischem Anfall gestorben). 

Ein zweiter Fall wird demonstriert: Vater Taboparalyse. früher 
Trinker. Mutter während der ersten Sohwangersohaft infiziert; erstes 
Kind gesund. Nach der Geburt der Pat. Quecksilber- und Salvarsankur. 
Jetzt differente, träg reagierende Pupillen, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen. 
Wassermann negativ. Pat. mit V 4 Jahr Pemphigus, ungenügende Sal- 
varsanbehandlung. Im Wachstum etwas zurückgeblieben; geistig sehr 
rege. Seit l /z Jahr auffälliger geistiger Rückgang, verlernt schreiben 
und lesen; wieder infantiles Benehmen, läppisch, heiter, labil, weinerlich, 
Btörend in der Schule. Zu gleioher Zeit choreatische Bewegungen vor¬ 
wiegend der oberen Extremitäten, des Kopfes, Rumpfes und Gesichts 
und choreatische Atemstörungen. Wurde wegen Veitstanz behandelt, 
lag deshalb ausserdem 3 Wochen in einem Krankenhaus. 

Es besteht Pupillendifferenz und Entrundung; reohte Pupille voll¬ 
kommen starr, linke: Reaktion sehr träge. Augenhintergrund normal. 
Artikulatorisohe Sprachstörung, paralytische Schriftstörung, auch werden 
einige Buchstaben wie Zahlen in Spiegelschrift geschrieben. Patellar- 
reflex gesteigert. Ziemliche Verblödung. Wassermann im Blut und 
Liquor stark positiv, Zell- und Eiweissvermehrung im Liquor erheblioh. 
Mastixreaktion positiv. Auf die Differentialdiagnose in bezug auf die 
übrigen syphilitischen Erkrankungen des Gehirns wird kurz eingegangen, 
insbesondere wird darauf aufmerksam gemacht, dass die choreatischen 
Störungen, die hier zu der Fehldiagnose Veitstanz führten, bei juveniler 
Paralyse wie auoh sonst bei syphilitischen Gehirnerkrankungen Vor¬ 
kommen. Es sei dies nur ein Symptomen komplex. Eingehender neuro¬ 
logischer Status sei zur Vermeidung der Fehldiagnose unbedingt not¬ 
wendig. 

4. Hr. Klieieherger: Juveiile Paralyse. Im Anschluss an die 
vorhergehende Demonstration (Müller-Hess) werden zwei Kranke der 
Nervenklinik vorgestellt. 

1. 19 jähriger Junge H. Mutter nervös, aufgeregt, sonderbar. Seit 
einigen Jahren. (Star?) erblindet. Ein älterer Bruder reizbar, heftig, 
ruhelos; eine ältere Sobwester 15jährig an Keratitis parenchymatosa 
erkrankt, mit Hg behandelt, zurzeit an beginnender einseitiger Sehnerven¬ 
atrophie und nervösen Störungen leidend. 

Selbst seit Geburt schwächlich, leicht erregbar, aufgeregt, starr¬ 
köpfig. Blieb vom 10. Lebensjahre an auf der Schule zurück. Zeigte 
vor 2 Jahren Abnahme des Sehvermögens bis zur völligen Erblindung, 
erlitt vor einem halben Jahre mehrere paralytische Krampfanfälle und 
wurde seitdem rapid geistig dement. Bietet katatones Bild (Schmatzen, 
Grimassieren, Verbigerieren, Stereotypien). Leer, stumpf, Erschwerung 
bis Aufhebung sämtlicher geistiger Fähigkeiten. Tierisches Vegetieren, 
unsauber. Körperlich: Degenerationszeiohen, tabische Atrophie, Nystag¬ 
mus, verwaschene Sprache. Sehr ungeschickt. Spasmen links mehr als 
rechts. Py-Läsion links. Ataxie. Störung der Lageempfindung, Zittern, 
Hypalgesie. Nonne+. Hochgradige Lymphozytose. Serologisch negativ. 

2. 16jähriges Mädchen M. Mutter: Entrundete Pupillen; 12 Ge¬ 
burten, darunter 2 Aborte, eine Totgeburt. 6 Kinder klein gestorben, 
mehrere davon mit Pemphigus behaftet. 

Selbst mit 7 Monaten an Pemphigus erkrankt, mit Hg behandelt. 
Stets schwerfällig, langsam, seit dem 7. Jahre im Wachstum zurück¬ 
geblieben. Mit 12 Jahren Verschlechterung des Ganges. Auf der 
Schule zurückgeblieben. Seit einem Jahre Sohwäche der rechten Ex¬ 
tremitäten und Abnahme der geistigen Fähigkeiten. Demente Euphorie, 
kindliche Grössenideen, manische Züge. Sehr ungeniert. Emotionell 
schwach. Gutmütig, kindisch, gelegentlich widerstrebend, ungebärdig, 
zeitweise Wutanfälle. • 

Maoht den Eindruck eines 10jährigen Kindes. Myxödematöser 
Habitus. Thyreoidea nicht fühlbar, myxödematöses Blutbild. Pupillen 
different, entrundet, starr. Paralytische Spraohe und Schrift. Reflexe 


gesteigert, rechts mehr als links. Rechts Spasmen. Gang spastisoh, 
ataktisch, rechts hemiplegisch. Zittern, Ataxie. Allgemeine Ungeschick¬ 
lichkeit. 4 Reaktionen positiv. 

Besprechung der Therapie (spezifische Behandlung und künstliohe 
Fiebererzeugung) mit Hinweis auf die Bedeutung früher Erkenntnis der 
Krankheit. 

5. Hr. Falkenheiv: Ueber 8Inglingsflrstrge, besolden ii Ost- 
preissei. 

Der Krieg hat alle Berechnungen über die Geburtenabnahme über 
den Haufen geworfen. Den gewaltigen Menschenopfern, die der Krieg 
gefordert hat, gesellt sich die nicht minder bedeutsame Einbusse durch 
Ungeborene. Berlin hatte 1912 einen Geburtenüberschuss von rund 
14 500 und 1917 ein noch etwas grösseres Minus. Im Regierungsbezirk 
Königsberg i.Pr. steht einem Geburtenüberschuss von 10 798 im Jahre 1913, 
einem solchen von 2394 bei Abrechnung der Gefallenen im Jahre 1916 
im Jahre 1917 ein Minus von 1996 gegenüber. Gegen 1916 gab es in 
ihm 1917 rund 2000 Todesfälle mehr und 3000 Geburten weniger. In 
der Stadt Königsberg kamen 1918 auf 4447 Geburten 6729 Todesfälle, 
d. h. unter Abrechnung von 1478 Militärtodesfällen schloss das Jahr 
mit einem Geburtenminus von 804. Die Erhaltung eines jeden Säug¬ 
lings, die Ausgestaltung der Säuglingsfürsorge tut bitter not. Das gilt 
insbesondere für Ostpreussen, das mit seinen 87 000 qkm zwar die viert¬ 
grösste der preussischen Provinzen ist, aber die niedrigste Einwohner¬ 
zahl, die geringste Bevölkerungsdichte besitzt, die langsamste Ver¬ 
mehrung zeigt und eine den Staatsdurcbsohnitt überschreitende Säug¬ 
lingssterblichkeit hat. 1918 betrug diese in Preussen 150 auf 1000, in 
Ostpreussen 180, und zwar auf dem Lande 190. in der Stadt 170. Dabei 
wird in Ostpreussen noch viel gestillt. Eine 1910 für den Regierungs¬ 
bezirk Königsberg mit Ausschluss der Stadt veranstaltete Rundfrage, 
bei der die Karten der im Jahre verstorbenen Säuglinge leider zu un¬ 
vollständig, die der überlebenden dagegen zu 90,75 pCt. (15 886 Karten) 
eingingen, ergab, dass von ihnen nur 2864, d. h. 18pCt., die Brust nie 
erhalten hatten, wohl aber 82 pCt., d. h. rund 13 000, zum mindesten 
zeitweilig und zum Teil sehr lange. 5923 waren am Zählungstage noch 
reine Brustkinder und 3160 von ihnen bereits älter als V« Jahr. 

Von den 9252 über ein Vierteljahr alten Säuglingen, die überhaupt 
jemals Brust erhalten hatten, waren 5873 (63,5 pCt.) über 8 Monate 
ausschliesslich ernährt worden, von den 5816 über 6 Monate alten 2251 
(38.7 pCt.) ein halbes Jahr hindurch. In den beiden anderen Regierungs¬ 
bezirken dürften die Verhältnisse ähnlioh liegen. Also trotz verhältnis¬ 
mässiger Stillhäufigkeit eine übergrosse Säuglingssterblichkeit. Es 
müssen demgemäss in den weitesten Kreisen der Bevölkerung ausser¬ 
ordentlich grobe Fehler insbesondere in der Ernährung und zwar nicht 
nur bei den unnatürlich ernährten, sondern auch bei den natürlich er¬ 
nährten bezw. den beigefütterten Kindern gemacht werden. Die Fürsorgebe¬ 
strebungen sind deshalb auf breitester Grundlage aufzubauen. Träger 
derselben ist hier der Provinzialverband der Vaterl. Frauenvereine, die 
nach durebgeführter Organisation wegen ihrer weiten Verzweigung und 
der Erfassung aller Kreise hierzu reoht gut geeignet erscheinen und 
nach Weckung des notwenigen Interesses und Vermittlung der Elementar* 
kenntuisse auoh die umfangreiche Kleinarbeit zu leisten vermögen, da diese 
nach Lage der Dinge zunäohst wenigstens keine besonderen Spezial- 
kenntnisse erheischt. Schätzenswerte Mitarbeiterinnen sind euBprechend 
vorgebildete Hebammen und Gemeindeschwestern. Die eigentliche 
Säuglingsfürsorge, die allein den vollen Erfolg verbürgt, 
sie kann nur von fachlich gut ausgebildeten Kräften durch- 
geführt werden. So gelangen dann auoh solohe Kräfte nach und 
nach in allen Kreisen zur Einstellung, indem gleichzeitig Kreis Wohlfahrts¬ 
ämter eingerichtet werden, die für die Kreise die Zentrale abgeben, 
von der aus die Leitung der gesamten Fürsorgebestrebungen erfolgt. 
Sehr Erspries8liches haben bisher die Vaterländischen Frauenvereine 
durch systematische Durchführung von Wanderkursen in Säuglingspflege 
sowie dadurch geleistet, dass die Wanderausstellung des Kaiserin 
Auguste Viktoria-Hauses in vielen Kreisen der Provinz gezeigt worden 
ist. Ferner findet sohon in einem ständig zunehmenden Teile der Ver¬ 
eine die Ueberwacbung der einzelnen Säuglinge statt. Dabei werden 
Listen über die Ernährung geführt, so dass in absehbarer Zeit über 
diesen überaus wichtigen Punkt Klarheit herrschen wird. Ausserdem 
erfolgt die Verteilung von Merkblättern, die Versorgung mit Erstlings¬ 
wäsche, mit Milch, auch sind an verschiedenen Orten sohon einfachen 
Ansprüchen genügende Säuglingsheime und Krippen eingerichtet. Wo 
bereits ausgebildete Säuglingspfiegerinnen tätig sind, werden auoh 
Mütterberatungsstunden abgehalten. Der durch den Krieg bedingte 
Mangel an Aerzten hat hier sehr verzögernd eingewirkt. Das gilt in 
ganz besonderem Maasse für die Stadt Königsberg selbst. Dazu kam 
hier die Schwierigkeit, dass die unehelichen Kinder z. T. der Polizei, 
z. T. der Stadt unterstanden. Hierin tritt jetzt Wandel ein, wie denn 
auoh die übrigen Säuglingsfürsorgebestrebungen (Ausdehnung der Mütter¬ 
beratung, Einrichtung einer Milchküche für kranke Säuglinge u.a.m.) 
in erfreulichem Fortschritt begriffen sind. Sehr segensreich hat die vor 
10 Jahren städtischerseits eingerichtete Sammelvormundschaft gewirkt. 

Hr. Pnppe: Allgemeinnarkose md Lokalanästhesie im reriehts- 
ärztlicher Beziehung. 

Bei dem Vorwurf einer Gesundheitsbeschädigung durch einen Arzt 
unterliegt die Frage des ursächlichen Zusammenhangs und der Ver¬ 
meidbarkeit und Vorhersehbarkeit des eingetretenen schlechten Erfolges 
der geriohtsärztliohen Kritik. 


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1. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


880 


Puppe führt aus, dass den Arzt, der Chloroform aus richtiger 
Indikation in saohgemässer Weise verwendet, eine Verantwortung nioht 
treffen könne. Unter Mitteilung von 7 eigenen Fällen werden folgende 
Gruppen von Todesfällen aufgestellt: 

1. Solche, bei denen ein zufälliges Zusammentreffen von Narkose 
und Tod eingetreten ist, z. B. bei Perforation eines Empyems in den 
Brenohialbaüm und dadurch bedingten Erstickung während der Narkose. 

2. Todesfälle infolge Shook nach Verletzung oder infolge grosser Er¬ 
regung zu Beginn der Narkose. Der ursächliche Zusammenhang ist bei 
diesen Fällen fraglich; bereits in der Vornarkosezeit sind Todeslälle vor 
Beginn der Operation beobachtet und beschrieben worden. 

8. Der ursächliche Zusammenhang besteht und den Arzt trifft 
eine Verantwortung, wenn der Tod durch Erstickung durch ein künst¬ 
liches Gebiss, Kautabak, duroh Erstickung im Breohakt u. dgl. m. einge¬ 
treten ist, weil es sich hier um vermeidbare Zufälle handelt. 

4. Narkosetodesfälle. 

Im Anschluss daran bespricht Puppe die Frage der Verantwort¬ 
lichkeit des Operateurs oder des Narkosseassistenten und bemerkt, dass 
für Versehen letzterer Art den Narkoseassistenten die Verantwortung 
treffen müsse. 

Unter den Gegenanseigen gegen eine Narkose hebt Puppe be¬ 
sonders den Status lymphaticus hervor, der am Lebenden schwer er¬ 
kennbar, häufig die Ursache des Todes in der Allgemeinnarkose ist, 
und der überhaupt ein Moment der körperlichen Minderwertigkeit dar¬ 
stellt. Die von Sohridde-Dortmund hervorgehobenen intra vitam er¬ 
kennbaren Zungenbalgdrüsen hinter den Papillae circumvallatae geben 
die Möglichkeit, den Zustand intra vitam zu erkennen und demgemäss 
eine Allgemeinnarkose zu vermeiden. 

Unter Besprechung der verschiedenen lokalanästhetisohen Verfahren 
hebt Vortragender die Leitungsanästbesie nach Braun als besonders 
aussichtsreich hervor. Die Verantwortlichkeit des Arztes bei Narkose¬ 
todesfällen hat unter Berücksichtigung der allerorts mit der Leitungs¬ 
anästhesie gemachten Erfahrungen eine Verschiebung erlitten. Tritt 
ein tödlicher Unglüoksfall in der Allgemeinnarkose ein, dann muss die 
Frage der Vermeidbarkeit auch unter dem Gesichtspunkt geprüft werden, 
warum der betreffende Arzt im vorliegenden Falle das Inhalations¬ 
narkotikum und nioht die Lokalanästhesie gewählt hat. Der Arzt mag 
das eine oder das andere wählen, aber er wird sich über die Wahl des 
Verfahrens Rechenschaft abzulegen haben. Riedel. 


Medizinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft zu Jena. 

Sitzung vom 12. März 1919. 

Vorsitzender: Herr Lex er. 

Schriftführer: Herr Berger. 

1. Hr. Berger berichtet über einen Fall von Encephalitis snb- 
certicalis chronica progressiva (Binswanger). Der erblich schwer be¬ 
lastete Kranke hatte mit 42 Jahren Delirium tremens. Seitdem war er 
geistig verändert, hatte wiederholt Schlaganlälle und musste mit 47 Jahren 
wegen eines schweren Krampfanfalles mit anschliessenden Verwirrtheits¬ 
zuständen in die psychiatrische Klinik in Jena aufgenommen werden. 
Bei der Aufnahme Pupillendifferenz, Romberg’sohes Schwanken und Un¬ 
gleichheit der Sehnenphänomene; schwere Störung der Merkfähigkeit bei 
gutem Urteilsvermögen. Allmählich kam es dann zu einer Lähmung 
des linken Armes und linken Beines, einer Herabsetzung der Berührungs¬ 
empfindlichkeit auf der ganzen linken Körperhälfte und einer links¬ 
seitigen homonymen Hemianopsie mit Aussparung der Makulagegend. 
Die sich immer wiederholenden Krampfanfälle verliefen unter dem Bild 
der Rindenanfälle; ausserdem häufig bemianopisohe Visionen mit aus¬ 
fallendem Gesichtsfeld. Merkfähigkeit nahm mehr und mehr ab. Im 
49. Lebensjahre Häufung der Anfälle und Exitus in einem dieser An¬ 
fälle naoh insgesamt 7jähriger Dauer der Erkrankung. 

Obduktion ergab Arteriosklerose der basalen Gehiraarterien, jedoch 
keine grösseren Erweichungs- oder Blutungsherde in der rechten Hemi¬ 
sphäre. 

An den Weigert’sohen Schnitten duroh beide Hemisphären konnte 
ausser kleineren Herden im Marklager eine diffuse Lichtung des ganzen 
Marklagers der rechten Hemisphäre, welche naoh dem Hinterhaupts¬ 
lappen zu an Stärke und Ausdehnung stetig Zunahmen, nachgewiesen 
werten. Im Hinterhauptslappen war reohts nur eine schmale Markleiste 
der Rinde der Fissura caloarina und des Fasoiculus longitudinal» inferior 
erhalten. Die vollständige Unterbrechung auch der Sehstrahlung auf 
der rechten Seite spricht zusammen mit dem Erhaltensein der Kalkarina- 
rindo dafür, dass zum Zustandekommen der hemianopischen Halluzina¬ 
tionen die Unversehrbarkeit der Kalkarinarinde erforderlich ist. Der 
anatomische Befund war in diesem Fall kennzeichnend für eine Ence¬ 
phalitis subcorticalis chronica progressiva (Binswanger). 

2. Hr. Deisow: Ueber Poriomaiie. Mit Krankenvorstellung. Unter 
Poriomanie ist nicht eine Krankheit sui generis verstanden, sondern es 
handelt sich um ein Symptom bzw. Syndrom bei den verschiedensten 
psychischen Krankheitsgruppen. 

8. Hr. Rohde (als Gast): Ueber Rfiekeraarksverletiugei. An 
der Hand von Schemen wird zunächst die Möglichkeit der Segment¬ 
diagnose demonstriert, dann wird die Frage der indirekten Rücken¬ 
marksschädigungen naoh Schuss gestreift, sowie die Unterscheidung bei 
extramedullären und intramedullären Schädigungen besprochen. An¬ 
schliessend Demonstration von 5 Fällen. 


4. Hr. Strohmeyer berichtet über Fälle von reflektorischer PipÜlei- 
starre aid Westphal’schem Zeiekea als Anlageaaomalie. Bei einem 

Schwesternpaar (38jährige Frau und 24jährige ledige Schwester) mit 
doppelseitiger reflektorischer Pupillenstarre und doppelseitigem Fehlen 
der Kniephänomene, über das St. bereits vor 12 Jahren berichtet hat 
und bei dem damals eine familiäre tabisohe Erkrankung auf hereditär- 
degenerativer Grundlage angenommen wurde, war in der Zwischenzeit 
der Befund vollkommen stationär geblieben. Wassermann negativ. Eine 
tabische Erkrankung konnte nunmehr ausgeschlossen werden. Es handelt 
sich vielmehr um eine familiäre Anlageanomalie. Die Fälle werden in 
Parallele gesetzt zu den angeborenen Bewegliohkeitsdefekten resp. Kern¬ 
aplasien im Bereioh der Hirnnerven. 

Ferner berichtet Vortragender über zwei Fälle von fehlenden Knie¬ 
scheiben- und Achillessehnenreflexen bei sonst organisch gesundem 
Zentralnervensystem. Lues war auszuschliessen: 1. 19jähriger Fähnrich, 
bei dem St. schon vor 12 Jahren die Areflexie festgestellt hatte und der 
diesmal mit einer psychogenen Lähmung des linken Fasses in Behand¬ 
lung kam. Heilung durch Suggestivtherapie und Gymnastik. 2. 23jäh- 
iiger Musketier, der wegen unerlaubter Entfernung vom Heere zur Be¬ 
gutachtung kam. _ 


Sitzung vom 2. April 1919. 

Vorsitzender: Herr Lexer. 

Schriftführer: Herr Berger. 

1. Hr. Wrede: Kr&ikenvorstellug. Randzellensarkom des rechten 
Darmbeines bei der jetzt 21jährigen Patientin vor 5 Jahren operiert. 
Darmbein, Hüftpfanne und horizontaler Schambeinast, M. iliacus und 
Mm. glutaeus medius und minimus waren beteiligt und wurden entfernt. 
Auffallend gute Funktion bei der rezidivfreien Kranken. Gang mit er¬ 
höhter Sohle kaum hinkend, kein Watscheln, obwohl weder Femurkopf 
noch Trochanteren irgendwelchen Stützpunkt am Becken haben. 

2. Hr. Schnitz: Psychologische LeistugsMessnngen an nervffsen 
Kriegsteilnehmern (in emem Nervenlazarett der Westfront vorgenommen). 
Sch. warnt vor Ueberschätzung einseitiger Methoden, sohaltet mit Rück¬ 
sicht auf extrapsychische Komplikationen somatische Prüfungen aus und 
betont, dass es sich um Prüfungsexperimente iro Sinne von W. Stern, 
nioht um Forschungsexperimente handle. An Kurven einiger Fälle wird 
der Einfluss der Erholung in seiner objektiv leichten Ablesbarkeit 
demonstriert; auch Simulationsbestrebungen sind ohne weiteres zu er¬ 
kennen. Von erheblicher psychotherapeutischer Bedeutung ist es, mit 
so einfachen Methoden den deprimierten Erschöpften ihre Fortschritte 
objektiv beweisen zu können, ehe sie selbst den objetiven Eindruck 
der Erholung haben. (Ausführlichere Veröffentlichung erfolgt an anderem 
Orte.) 

Aussprache. 

Hr. Abel bezweifelt die Brauchbarkeit der Methode des Auswendig¬ 
lernens sinnloser Silben, wenn sie zur Auswahl „begabter* Kinder an¬ 
gewandt wird. Die Methode sei keine lntelligenzprüfung, sondern eine 
Prüfung der Gedächtnisleistung, die vielleicht gerade bei intelligenten 
Kindern der Sinnlosigkeit der geforderten Gedäohtnisleistung wegen 
schlechte Resultate zeitige. 

Hr. Schultz weist in seinem Schlusswort darauf hin, dass die ge- 
äusserten Bedenken für die vorliegenden Untersuchungen nioht zutreffen, 
da es sich um Testprüfungen der mechanischen, vom Ende der zwanziger 
Jahre physiologisch abnehmenden Psychofunktionen handelt, nioht um 
Intelligenzprüfungen. Immerhin sei die Methode als Teil einer In- 
telligenzprüfung gerade bei Kindern sehr verwertbar. Einzelne Prü¬ 
fungen sind sehr zurückhaltend zu beurteilen. Die von Soh. empfohlene 
Methodenkombination ist ein leicht durchführbarer Testversuoh, der die 
Objektivität der Beobachtung und die Vergleiohbarkeit der Angaben 
erhöht. 

3. Hr. Rtissle: Multiple Timorei ud ihre Bedeitaig. 

R. hat ein Material von 300 Fällen gesammelt, bei denen er ge¬ 
häuftes Vorkommen von Fehlbildungen wie Myomen des Uterus, des 
Magens und Darmes, der Nierenkapsel, Fibrome der Nierenrinde, der 
Magenserosa, Polypen des Magens, des Darmes und Uterus, Prostata¬ 
hypertrophie, gemischte Tumoren der Nierenkapseln, Lipome der Nieren 
und des Gekröses beobachtet hat. In typischen Fällen kommt eine 
ganze Anzahl dieser gutartigen Tumoren gleichzeitig vor und zwar 
bei disponierten Personen entsprechend höherem Alter in grösserer An¬ 
zahl. Ausser der Vererblichkeit beweist die Häufigkeit gleichzeitiger 
Missbildungen, besonders Missbildungen von Oberfläohen der Organe, die 
konstitutionelle Bedeutung. Die Hälfte der von R. beobachteten Fälle 
zeigte ausserdem bösartige Neubildungen. Die Häufigkeit des gleich¬ 
zeitigen Auftretens von krebsartigen Missbildungen, ganz bestimmten 
gutartigen Neubildungen und gewissen Krebsen legt den Gedanken nahe, 
dass diese drei pathologischen Befunde in manohen Fällen eine gemein¬ 
schaftliche konstitutionelle Grundlage haben, z. B. eine krankhafte 
Sohwäohe des Bindegewebes, welohe einerseits zu Lückenbildungen, 
Spaltbildungen, abnormen Lappungen und falscher Oberflächengestaltung, 
andrerseits zu Entlastungswuoherungen an ausgesohalteten Gewebskernen 
durch die im Alter zunehmende Erschlaffung des Bindegewebes führt. 

Aussprache. 

Hr. Maurer weist auf die Möglichkeit hin, dass innersekretorische 
Vorgänge bei der Ansbildung multipler Tumoren in Betraoht kämen. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86 


Hypophysentumoren veranlassen s. B. Hyperplasie des Unterkiefers. 
M. gibt diesen Hinweis mit allem Vorbehalt. 

Hr. Ibrahim weist auf das KrankheitsbiJd der tuberösen Hirn¬ 
sklerose hin als klassisches Beispiel multipler Tumoren. 

Hr. Rössle bemerkt im Schlusswort, dass seinem Wissen naoh 
keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass innersekretorische Vorgänge 
Wachstum oder Bildung von Tumoren auslösen oder unterhalten. 

4. Hr. Lommel: Bradykardie mit Hypetoiie und zwar Pulszahlen 
von 36—50 und systolischer Blutdruck 70—90 cm wurde neuerdings 
sehr häufig beobachtet, besonders bei Oedemkrankheit oder bei herunter¬ 
gekommenen Kranken, die Oedeme gehabt hatten. Ernährungssohäden 
sind ursächlich wichtig, jedoch spielen depressive Einwirkungen auf das 
Nervensystem ebenfalls eine grosse Rolle. Sympathikusneurose kommt 
in Frage, ebenso innersekretorische Störungen. Organtherapie (Adrenalin, 
Thyreoidin, Pituglandol, Keimdrüsenhormone) blieb erfolglos. 

Ausspraohe. 

Hr. Kionka berichtet 'von Oedemkranken, die er in Kriegs¬ 
gefangenenlagern des XI. Armeekorps beobachtet hat. Im Gegensatz zu 
Fällen, bei denen die Unterernährung angesohuldigt werden musste, sah 
er die Oedemkrankheit bei vorher ödemfreien sehr gut genährten Re¬ 
konvaleszenten einer Rekurrensseuche. 

5. Hr. Zange: Kraikenvorstellnng. Fall von einer hühnerei¬ 
grossen Hörnervengeschwulst, die Z. vor 4 Jahren aus dem Kleinhirn- 
brüokenwinkel auf dem Wege durch das Labyrinth (Herausmeisselung 
des ganzen Felsenbeins, einschliesslich seiner Spitze) entfernt hat. Die 
Kranke befindet sioh heute noch wohl und ist arbeitsfähig. Zeichen 
eines Wiederwachsens der Geschwulst sind nioht festzustellen. 

_ Speer-Jena. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheits¬ 
pflege veranstaltet am 27. und 28. Oktober d. J. in Weimar seine Haupt¬ 
versammlung. Am 26. Oktober tritt erstmalig ebenfalls in Weimar der 
vom D. V. f. ö. G. gebildete Hauptausschuss zusammen. Zum Eintritt in 
diesen Hauptausschuss hat der Verein eine Anzahl Hygieniker, Sozial¬ 
hygieniker und Medizinalstatistiker sowie die Vertreter zahlreicher Zentral¬ 
organisationen, die sich auf dem Gebiete des Gesundheitswesens be¬ 
tätigen, eingeladen. Der Hauptausschuss soll insbesondere Stellung 
nehmen zu den geplanten Maassnahmen auf den Gebieten der Gesetz¬ 
gebung und -Verwaltung, soweit sie die Gesundheitspflege betreffen; er 
soll aber vor allem Gesetzesvorschläge ausarbeiten und den Regierungen 
und Parlamenten unterbreiten. Er möchte sich so (nach den Worten 
des Rundschreibens) zu einem deutschen Gesundheitsparlament entwickeln, 
wie weit ihm dies glückt, bleibt abzuwarten. Auf der Tagesordnung 
stehen drei Gegenstände: Hebung der Volkskraft durch Ernährung und 
Körperpflege, Sozialisierung des Heilwesens, die Frage der Vergesell¬ 
schaftung des Wohnungswesens. Nähere Auskunft erteilt die Geschäfts¬ 
stelle des Hauptausschusses des D. V. f. ö. G. in Karlsruhe, Herrenstr. 84. 

— In Baden-Baden begeht am 2. September Geheimrat Bernhard 
Naunyn den 80. Geburtstag. Mit seinen zahlreichen Schülern und 
Verehrern vereinigt sioh unsere Wochenschrift, dem Meister der deutschen 
Klinik die ehrerbietigsten Glückwünsche darzubringen. 

— In das Reiohsmini8terium des Innern ist für die Bearbeitung 
der Medizinal an gelegenheiten ein zweiter Arzt, der bisherige Stabs¬ 
arzt bei der Schutztruppe und frühere Leiter der Schlafkrankheits- 
bekämpfung in Ost-Afrika, Dr. jned. Taute, berufen worden. 

— Die Akademie der Wissenschaften in Wien hat Prof. Poch 
zur Vollendung seiner Untersuchungen in den Kriegsgefangenenlagern 
4000 Kr., Frau Dr. H. Pöoh-Schürer zur Fortsetzung ihrer Unter¬ 
suchungen über Vererbung 1000 Kr. und Dr. Resoh für seine Studien 
über die Galle 1000 Kr. als Subvention aus dem Legat Wedl bewilligt. 

— Das Missverhältnis zwischen den heutigen Kosten der Lebens¬ 
haltung und den ärztlichen Honoraren in der Krankenkassen¬ 
behandlung hat in Paris eine schiedsgerichtliche Regelung gefunden. 
Danach werden die Honorare vom 1. April 1919 ab um 100 pCt. erhöht, 
zunäohst bis zum 1. April 1920. Tritt keine Kündigung ein, so ver¬ 
längert sich das Abkommen von selbst von Vierteljahr zu Vierteljahr. 
Vergleicht man damit die deutschen Honorare, so kann man nur mit Be¬ 
schämung der Jämmerlichkeit unserer Verhältnisse gedenken. 

— „Geist der Medioin" nennt sich bescheiden eine neue populär¬ 
medizinische Woohensohrift, die im Verlag von H. L. Marous unter 
Leitung von 0. P. Stöger in München erscheint Man kann das Be¬ 
dürfnis nach medizinischer Aufklärung gern anerkennen, muss sich aber 
dann immer der engen Grenzen bewusst bleiben, die solchem Bestreben 
gezogen sind. Was über Hygiene und die zu ihrem Verständnis hin¬ 
ausgehenden Grundbegriffe der einzelnen Zweige unseres Wissens 
hinausgeht, schafft mehr Uebles als Gutes, züohtet Hypochonder und 
Kurpfuscher. Sohon von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet entspricht 
die vorliegende Woohensohrift nicht dem Vorbilde einer medizinischen 
Aufklärungsschrift; denn eine Abhandlung z. B. über künstliche Be¬ 
fruchtung ist reoht überflüssig; die Tageszeitungen haben darüber schon 
genug gebraoht, und wer sich wirklich ernstlioh dafür zu interessieren 


gezwungen ist, möge seinen Arzt befragen. Der gerügte Fehler wird sich 
in der Folge vermutlich nQch stärker geltend machen, wenn die nahe¬ 
liegenden und für eine populäre Behandlung geeigneten Fragen allmählich 
erschöpft sein werden. Eine weitere an solche Sohrift zu stellende For¬ 
derung ist an die Form des Dargebotenen zu richten. Gerade der an¬ 
geführte Artikel über künstliche Befruchtung ist ein Musterbeispiel da¬ 
für, wie solch’Artikel nioht verfasst sein darf. Er wimmelt von Fremd¬ 
wörtern und bringt vieles, was selbst bei weitem Entgegenkommen in 
der Wahl des Themas hier nioht am Platze ist, z. B. Besprechung der 
Technik, des günstigsten Zeitpunktes u. dgl. mehr. Die Absicht, nicht zu 
viel zu geben, braucht aber durohaus nicht zu einer Oberflächlichkeit zu 
verleiten, wie sie sich in dem Artikel „Alles fliesst* behaglich breit macht. 
Nur ein Artikel in dem Heftchen, der von Wiese über die Pookengefahr 
steht bis auf einzelne stilistische Nachlässigkeiten auf der Höhe der ge¬ 
stellten Aufgabe. Diese Tatsache bestätigt die alte Erfahrung, dass nur 
wenig Aerzte berufen sind, populär zu sohreiben und lässt die Prognose, 
die dem neuen Unternehmen zu stellen ist, als dubia erscheinen. BL K. 

— Volkskrankheiten. Pooken: Deutsches Reich (10. bis 
16. VIII.) 20. Deutschösterreioh (27. VII. bis 2. VIII.) 9. Fleok- 
fieber: Deutsches Reioh (10.—16, VIII.) 6. Geniokstarre: Preussen 
(3.—9. VIII.)7und6f. Spinale Kinderlähmung: Preussen (3.bis 
9. VIIL) 2 und 1 f. Ruhr: Preussen (8.-9. VIII.) 436 und 62 f- 
Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Krupp 
in Heilbronn, Keuchhusten in Thorn, Typhus in Altenburg, Bottrop. 

(Veröff. d. Reichs Ges.-Amts.) 

Hoohschulnachriohten. 

Breslau: Geheimrat Küstner, Direktor der Frauenklinik, feierte 
seinen 70. Geburtstag. — Jena: Prof. N. Guleke in Marburg erhielt 
einen Ruf als Ordinarius für Chirurgie als Nachfolger von Prof. Lex er. 

Kiel: Prof. Aichel ist zum Abteilungsvorsteher am anatomischen 
Institut als Nachfolger von Prof. Me wes ernannt worden. — Würz- 
burg: Prof. Kirchner, Vorstand der Poliklinik für Ohrenkranke, er¬ 
hielt Titel und Rang eines ordentlichen Professors. Der a. o. Professor 
für Geschichte der Medizin F. Helfreioh tritt vom Lehramt zurück. — 
Lausanne: Prof. Sooin, Direktor des pathologischen Instituts, ist ge¬ 
storben. 

W* Wir bitten zur Vermeidung von Naohsendungen alle redaktionellen 
Briefe, wenn sie an einen der Herausgeber persönlioh gerichtet sind, 
mit dem Vermerk „Redaktionsangelegenheit" oder dergl. versehen 
zu wollen. Redaktion. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Auszeichnungen: Prädikat „Professor“: Kreisarzt und Vorsteher des 
Medizinaluntersuohungsamtes in Breslau Dr. J. Käthe. 

Versetzungen: ordentL Prof. Geh. Med.-Rat Dr. Hirsch in Göttingen 
in gleicher Eigenschaft in d. medizin. Fakultät d. Universität in Bonn. 

Niederlassungen: Dr. R. Kaminski in Mewe (Kr. Marienwerder), 
Dr. M. Züsoher in Lissewo (Kr. Culm), Dr. W. Wetzel in Grau¬ 
dens, Dr. E. Michel in Bischofsweider, Dr. Fritz Schulze in Chiist- 
burg (Kr. Stuhm), St.-A. Dr. Werner Neumann in Sch wetz, Dr. 
M. Prais in Tuchei, Dr. Rud. Linke in Cottbus, Dr. W. Steinberg 
in Frankfurt a. 0., Dr. Karl Conrad in Bad Salzbrunn, Dr. Paul 
Rosenstein in Breslau, G. Nitzpon in Rudahammer (Kr. Hinden- 
burg), Dr. H. Grabisch in Königshütte, Dr. F. Fliedner in Kropp 
(Kr. Schleswig), St-A. a. D. Dr. W. Haupt in Schnelsen (Kr. Pinne¬ 
berg), Dr. Herrn. Vogler in Reinfeld (Kr. Stormarn), Dr. Herrn. 
David in Kiel, Dr. Heinr. Grote in Osterwald (Kr. Neustadt a. R.), 
Dr. H. Stadtländer in Wunstorf (Kr. Neustadt a. R.), Dr. F. Peyser, 
Dr. E. Hölscher, P. Hermannes und Dr. Hans Albert Diet¬ 
rich in Göttingen, Dr. 0. Martens und Dr. Günther Müller in 
Bergen (Ldkr. Celle), Dr. K. Dieckmann und Dr. K. Leonhardt 
in Harburg, Dr. Rud. Otto in Wilhelmsburg (Ldkr. Harburg), Reg.- 
Arzt Dr. Erioh Hermann in Buxtehude (Kr. Jork), Dr. F. Rasche 
in Lathen (Kr. Aschendorf), Dr. W. Knappe in Haren a. d. Ems 
(Kr. Meppen), A. Kohfahl in Juist (Kr. Norden), Dr. Ludw. Schulte 
in Suderwioh (Ldkr. Recklinghausen), Dr. Josef Schaefers in Münster 
L W., Dr. Gust. Möller in Hopsten (Kr. Teoklenburg), Dr. J. Rahne 
und A. Brüning in Bielefeld, Dr. H. Dunkhase in Minden i. W., 
Dr. J. Menke in Lippspringe, Dr. G. Fritzsche und W. Werning- 
haasen in Paderborn, Dr. M. Gaebel in Bethel b. Bielefeld, Dr. 
Fritz Weil, Dr. Friedr. Levy und Dr. Franz Fidler in Dort¬ 
mund, Dr. H. Hummert in Bieber (Kr. Gelnhausen), Dr. 0. Gamb 
in Veckerhagen (Kr. Hofgeismar), Dr. J. Fest in Hersfeld, Dr. R. Kuhk 
in Sontra (Kr. Rotenburg a. F.), Dr. P. Masorsky in Eichberg 
(Rheingaukr.), P. Travers, Dr. W. Kahn undDr. W. Lomnitz in 
Wiesbaden, Dr. H. Perl in Frankfurt a. M., K. A. S. Tholus in 
Marienberg (Kr. Oberwesterwald). 

Gestorben: Dr. Alexander Krebs in Neumark (Kr. Löbau), San.- 
Rat Dr. L. Wien in Wusterhausen (Dosae), San.-Rat Dr. A. Ziemak in 
Ruda (Kr. Hindenburg), San.-Rat Dr. I. Mieoznikiewicz in Kattowitz. 

Für dl« Redaktion ▼«rantwoitUoh Prof. Dr. Han« Koho, Borlin Bajxwthar8tr. AZ. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin MW. 7. — Druok von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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Original frn-m 

UNIVERSITY IOWA 




Üie Berliner Elin leche Wochenschrift erechelntjeden 
Montag in Nummern von etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteil Ehrlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Bnehhandlungen and Posten stalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen Air die Redaktion and Mzpeditiofl 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
Angast Hirschwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. MwL-Rit Prot Dr. G. Posier und Prot Dr. Uns Kohl. August Hirsehwald, Verlagsbuchhandlung io Berik 

Montag, deo[8. September 1919. M 36 . Sechsimdfünfzigster Jahrgang. 


I n H 

Origiialiei: Ritter: Zar operativen Behandiang von Mastdarmfisteln, 
die oberhalb des Sphinkter in den Darm mönden. (Aas der 
chirurgischen Abteilung des Evangelisohen Krankenhauses in 
Dösseldorf [leitender Arzt: Prof. Dr. Ritter].) S. 841. 
Peltesohn: Ueber die Verkennung der Psyohogenie von Deformi¬ 
täten. S. 842. 

Zondek: Diagnostik und Operation einer pyonephrotisohen Huf¬ 
eisenniere. (Illustr.) S. 845. 

Zadek: Zur physikalisohen Diagnostik der Lungenentzündung. Der 
Pektoralfremitus hei genniner fibrinöser Pneumonie. (Ans der 
inneren Abteilung des Krankenhauses der Stadt Neukölln [Prof. 

R. Ehrmann]) S. 846. 

Friedmann: Ueber die Behandlung der Lungentuberkulose mit 
Tuberoulomuoin Weleminsky. (Aus der Tuberkuloseabteilung des 
Kriegsspitals III, Wien-Baumgarten [Kommandant: Oberstabsarzt 
Dr. Steinhaus] ) S. 849. 

Henriohsen: Trypaflavin vom Standpunkt des praktischen Arztes. 

S. 852. 


Aus der chirurgischen Abteilung des Evangelischen 
Krankenhauses in Düsseldorf (leitender Arzt: Prof. 
Dr. Ritter). 

Zur operativen Behandlung von Mastdarmfisteln, 
die oberhalb des Sphinkter in den Darm münden. 

Von 

Ctrl Ritter. 

Bekanntlich heilt eine Mastdarmfistel nur dann, wenn sie 
entweder dnrch Exstirpation im Gesunden ganz entfernt wird, 
oder durch breite Spaltung ans einem rings geschlossenen röhren¬ 
förmigen Gang in eine klaffende Mulde umgewandelt wird (was 
man durch Auskratzen des Fistelgrundes und Verschorfen mit 
dem Thermokauter unter Abtragung der Hautränder mit der 
Schere noch mehr gewährleisten kann). Beide Eingriffe sind 
einfach and harmlos, solange sich die Fistel unterhalb des 
Sphinkter befindet. Liegt sie dagegen höher, so kommt m zu 
unangenehmen Folgen, da dann der Sphincter externus und selbst 
der Internus in den Schnitt fällt und damit Inkontinenz die Folge 
sein kann. 

Matti’s Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass nioht nur 
venn beide Spbinkteren durchschnitten werden, vollständige Inkontinenz 
eintritt, sondern dass schon, wenn nur einer derselben durohtrennt wird, 
auch der andere leidet. Diese Wechselbeziehungen sind so, dass, wenn 
die Funktion des Sphincter externus fortfällt, der Interous geschwächt 
wird, und dass nun bei stärkerer Peristaltik dünner Stuhl und Flatus 
unwillkürlich abgehen. 

Wird der Externus daroh die Naht wieder vereinigt, so gewinnt der 
Internus seine normale Kraft wieder. Wird der Externus nicht ganz 
durehschnitten und bleiben die beiden Bündel erhalten, die den In¬ 
ternus umkreisen, so behält der Internus seine normale Schluss¬ 
fähigkeit. Umgekehrt folgt der isolierten Durohschneidung des Interous 
eine gewisse Schlussuntähigkeit des Externus, weil der willkürlich 
wirkende Externus für sich allein der Peristaltik gegenüber rasch 
erlahmt. 

Daraus geht hervor, dass nur der Externus bis an den unteren 
Rand des Internus, also bis zur Höhe der Valvulae Morgagni duroh- 


A L T. 

Bleherbesprechimgei: Szontagh: Ueber Disposition. (Ref. Westeo- 
höfer.) S. 858. — Brugsoh und Sohittenhelm: Lehrbuch klini¬ 
scher Untersuohungsmethoden für Studierende und Aerzte. (Ref. 
Hirsch.) S. 854. — Dührssen: Geburtshilfliches Vademekum. (Ref. 
Hoffmann.) S. 854. 

Litmtir- Auszüge: Physiologie. S. 854. — Therapie. S. 854. — Allge¬ 
meine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 854. — Parasiten¬ 
kunde und Serologie. S. 855. — Innere Medizin. S. 855. — Psychiatrie 
und Nervenkrankheiten. S. 855. — Chirurgie. S. 856. — Haut- und 
Geschlechtskrankheiten. S. 857. — Geburtshilfe und Gynäkologie. 
S. 857. — Augenheilkunde. S. 858. — Hals-, Nasen- und Ohren¬ 
krankheiten. S. 858. — Hygiene und Sanitätswesen. S. 858. — 
Unfallheilkunde und Versicherungswesen. S. 859. — 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische 
Gesellschaft. (Sitzung vom 28.Juli 1919.) S.859.— Aerztlioher 
Verein zu München. S. 861. — Aerztlioher Verein zu Frank¬ 
furt a.M. S. 862.— Verein deutscher Aerzte zu Prag. S. 868. 

Tagesgesohichtl. Notizen. S. 864. — Amtl. Mitteilungen. S. 864. 


trennt werden darf. Wird auch der obere Teil des Externus oder gar 
nooh der Internus durchschnitten, so folgt Inkontinenz. Diese In¬ 
kontinenz geht aber nieht, wie man früher geglaubt hat, vorüber, 
sondern bleibt, wie die Nachuntersuchungen Melobior*s ergeben haben, 
dauernd. — Nooh neuerdings hat Melchior wieder, durch gegenteilige 
Angaben von Gös angeregt, dringend davor gewarnt, auch nur einmal 
den Sphinkter zu durchscheiden, da das von Göz vorgebraehte Tat¬ 
sachenmaterial nieht beweisend ist und er selbst eine ganze Reihe neuer 
Fälle von dauernder, wenn auoh nicht vollkommener Inkontinenz beob¬ 
achten konnte. 

Unter diesen Umständen siebt man sich also bei denjenigen 
Fisteln, die höher als der Sphincter internus in den Mastdarm 
einmünden, vor ein gewisses Dilemma gestellt. Auf der einen 
Seite fordert die radikale Beseitigung der Fistel die Durch- 
trennung des Sphinkter, auf der anderen Seite kann man sich 
wohl keinem Zweifel darüber hingeben, dass eine dauernde In¬ 
kontinenz ein grösseres Unglück für den Kranken ist als eine 
Msstdarmfistel. 

Die Frage, was man nun im einzelnen Falle tnn soll, haben 
die verschiedenen Autoren verschieden beantwortet: 

Rotter versucht ohne Spaltung der Mastdarm wand auszukommen, 
er begnügt sioh damit, den Fistelgang durch einen paranalen Schnitt 
in möglichst breiter Ausdehnung freizulegen, alle Gänge und Buchten 
zu spalten. Dann lässt er die Wundhöhle unter sorgfältiger Tamponade 
vernarben. Gegebenenfalls wird die innere Mündung nach Je an ne ver¬ 
näht. Als ganz sicher kann man dies Verfahren nicht bezeichnen. 
Wenn keine Ausheilung erfolgt, rät Körte, noch nachträglich den 
Schliessmuskel zu spalten, n&ohdem der Sphinkter infolge längerer Tam¬ 
ponade durch das Narbengewebe sich in seiner Lage befestigt bat. 
Die Schnittränder des Sphinkter würden sioh dann nioht so weit zorück- 
ziehen und bei fortgeschrittener Vernarbung leiohter zusammenwaohsen 
können. Rotter hat das Gleiohe getan, aber hinterher dauernde In¬ 
kontinenz erlebt. 

Nach Rotter stehen manche Chirurgen auf dem Standpunkt, den 
Sphinkter zu durohsohneiden, naoh der Vernarbung der Fi9tel aber 
durch Naht des Sphinkter oder duroh plastische Operation die Kontinenz 
wieder herzustellen. Da wir aber nioht in aseptischem Gebiet operieren, 
ist das Resultat unsioher. So hat daun auoh Eschenbaoh, der in 
8 Fällen die Sphinkternaht mit Erfolg ausführte, sein Ziel wegen der 
schwierigen Asepsis nioht erreicht. Newmann hat mit Shoemaker's 
myoplastiseher Methode einen solohen Fall operiert, eine Kontinenz 


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842 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


wurde erreicht, nicht aber durch die Sphinkteren, sondern durch die 
transplantierten Muskelstreifen. Nach alledem hat Rotter wohl reoht, 
wenn nach ihm zurzeit die Verhältnisse so liegen, dass man nicht ver¬ 
sprechen kann, die Inkontinenz, welche durch die Fisteispaltung ent¬ 
standen ist, duroh Operation zu heilen. Eine Reihe von Autoren zieht 
es jedenfalls vor, einen Fistelgang bestehen zu lassen, als den Patient 
dauernd einer Inkontinenz auszusetzen. 

Bei Frauen hat Rotter in einigen Fällen von hooh hinaufreiohen- 
den rekto-vaginalen Fisteln die rektale Einmündung durch Spaltung des 
Septum recto-vaginale freigelegt, mittelst Naht geschlossen und die 
Wunde des Septum rekto-vaginale naoh dem Prinzip der Kolporraphie 
etagenmässig vernäht. In 4 Fällen wurde ein volles Resultat erzielt 

König präparierte das Fistelrohr von aussen bis in den Darm aus 
der Umgebung heraus und invaginierte es mittelst eines in dasselbe 
eingeführten feinen Silberdrahtes in den Darm hinein, so dass vom Darm 
her nichts weiter in den Gang gelangen konnte. Der Fall heilte aus. 
In gleicher Weise hat Stemmler in 8 Fällen die Operation der Mast¬ 
darmfistel vorgenommen. Die Heilung erfolgte glatt naoh 4—6 Tagen, 
Veiletzungen des Sphinkter auch bei ischio-rektalen Fisteln können dabei 
nicht Vorkommen. Dieses operative Vorgehen von König und Stemmler 
verdient von allen die meiste Beachtung. Stemmler .fügt aber mit 
Recht hinzu, dass die Operation nur bei bindegewebig verdickter Fistel¬ 
wand ausgeführt werden kann. 

In einem Falle hat Rotter das Rektum mobilisiert und duroh den- 
Sphinkter so tief heruntergezogen, dass die Fistelöffnung vor den Anus 
gesogen war, dann das Rektum oberhalb desselben abgetragen und mit 
der Analhaut vernäht. Ebenso operierte v. Herff mit gutem Erfolg. 
Das Verfahren ist wohl reiohlich eingreifend, um für die gewöhnlichen 
Mastdarmfisteln als Regel aufgestellt werden zu können. 

Ich habe in 2 Fällep ein Verfahren angewandt, das 
darin besteht, den Sphinkter zu schonen, ihn aber an 
der Fistelstelle freizulegen, mit Haken aus der Wunde 
herauszubalten und nun hinter ihm die Mastdarmfistel 
in gewohnter Weise zu spalten. Man geht so vor, dass man 
wie sooBt von der Äusseren Haut ans den Fistelkanal nach dem 
Mastdarm zu. spaltet, bis man auf den Spbincter externas kommt. 
Nun wird die Haut und Schleimhaut über ihm in gleicher Rich¬ 
tung bis zur inneren Mündung der Fistel gespalten. Haut- und 
Schleimhaut werden über dem Sphinkter abpräpariert, gegebenen¬ 
falls wird der Muskel gleich von .vornherein von einem beson¬ 
deren Längsschnitt aus, der senkrecht zum Fistelgang über dem 
Muskel verläuft, freigelegt. Nun wird er ringsum mobilisiert, 
bis er mit Haken aus der Wunde herausgezogen werden kann. 
Es folgt die sorgfältige Auskratzung, Kauterisation bzw. Exstir¬ 
pation des Fistelbetts. Ist die Fistel versorgt, so wird der 
Muskel in sein altes Lager zurückgebracht. 

Da bei Beginn der Operation der Spinkter gedehnt worden 
ist, so legt er sich ohne Schwierigkeit dem Wundgrund an, auch 
wenn die Dehnung, worauf Melchior mit Recht besonderen 
Wert legt, um die bei übermässiger Dehnung so oft eintretende 
Inkontinenz zu verhindern, nur milde erfolgt. 

Das Resultat in meinen beiden Fällen war ausgezeichnet: 
Die Kontinenz blieb dauernd vollkommen normal, eine Schä¬ 
digung im Sinne einer Nekrose tritt also durch eine ausgiebige 
Mobilisation des Spinkters an beschränkter Stelle nicht ein, was 
ja auch nach allem, was wir sonst wissen, auffällig wäre. Die 
Fisteln sind ausgeheilt, und ferner ist auch die Ueberhäutung, 
die mir am meisten Bedenken machte, ohne weiteres erfolgt, 
offenbar bedecken sich Muskel- und Fisteloperationsgrund gleicher¬ 
weise mit Granulationen, so dass eine ebene Fläche entsteht, die 
dann dem Hinüberklettern des Epithels keine Schwierigste 
bereitet. 

In meinen Fällen endeten die Fisteln nicht allzu hoch, , 
höchstens etwa 2—3 cm oberhalb des Sphiücter externos in deo 
Mastdarm. Ob das Verfahren sich auch für solche mit höherer 
Mündung eignet, kann ich vorläufig noch nicht sagen. 

Nach meiner Ueberzeugung ist, wenn es sich um Mastdarm¬ 
fisteln mit bindegewebig verdickter Wand handelt, bei denen die 
Exstirpation der Fistel möglich ist, die Exstirpation der Spaltung 
unbedingt vorzuziehen, und dann wird man immer versuchen, 
das Verfahren von König und Stemmler anzuwenden. In all 
denjenigen Fällen aber, in denen keine Exstirpation im Gesunden 
möglich ist, scheint mir mein Vorgehen dasjenige zu sein, was 
nächstdem am sichersten, einfachsten und schnellsten zum Ziele 
führt. 


Ueber die Verkennung der Psychogenie von 
Deformitäten. 

Von 

Dr. Siegfried Pelteseha, 

Spetialarit für orthopädische Chirurgie in Berlin. 

Die Aufzeichnungen, welche die Grundlage zu meinem heu¬ 
tigen Vortrage bilden, sind bereits Anfang November 1918 von 
mir gemacht worden, zu einer Zeit also, da ich noch im Felde 
stand. Sie sollten einem Vortrage vor Aerzten der Heerespruppe 
Kiew und deren Etappe dienen, der ich als Leiter einer von mir er¬ 
richteten orthopädischen Abteilung angebörte. Da ich gesehen 
hatte, dass der Psychogenie gewisser Deformitäten nicht diejenige 
Bedeutung von den Aerzten der Heeresgruppe beigemessen wurde, 
die sie verdient, wollte ich sie auf die Schäden hinweisen, die 
sich daraus ergeben, dass somatische Deformitäten in Fällen an¬ 
genommen werden, wo es sich lediglich um funktionelle Stö¬ 
rungen handelt, dass also der psychogene Cnarakter des Leidens 
verkannt wird. Infolge der politischen Umwälzungen kam non 
unser wissenschaftlicher Abend in Brest-Litowsk nicht mehr zu¬ 
stande, und ich hatte meine Notizen bereits ad acta gelegt; 
denn ich dachte, hysterische Haltungsanomalien und Krieg endeten 
zq gleicher Zeit. Die in der kurzer Zeit von einigen Monaten 
in der Heimat gemachten Erfahrungen haben mich nun aber doch 
veranlasst, meine Notizen wieder hervorzuholen und einige der 
Fälle, die ich auf diesem Gebiete in der Etappe gesehen habe, 
und deren Einzelheiten Sie mitunter staunen lassen werden, heute 
kurz mitzuteilen. Indessen würde die Tatsache, dass Fehldiagnosen 
auch jetzt noch in der Heimat Vorkommen, allein das Recnt zur 
Mitteilung nicht geben, wenn nicht aus ihnen für den Kranken 
wie für die Allgemeinheit erhebliche Schäden erwachsen könnten, 
Schäden ideeller und materieller Natur. Derartige Irrtümer können 
natürlich jedem passieren, aber sie müssen gerade jetzt, wo die 
Renten- und Apparaten Versorgung unserer Krieger im Vordergründe 
steht und letztere geradezu unheimliche Summen verschlingt, mehr 
als früher zu vermeiden gesucht werden. Es ergibt sich die Not¬ 
wendigkeit, Nachuntersuchungen bei zweifelhaften Fällen vor¬ 
zunehmen, um durch Fehldiagnosen entstandene Fehler aus- 
zum erzen. 

Unzweckmässige oder überflüssige orthopädische Maassnahmen 
kommen non nicht nur als Folge des Nichterkennens der psy¬ 
chischen Grundlage einer Deformität vor, sondern auch bei Si¬ 
mulanten und Aggravanten, ferner als Folge der Ausserachtlassung 
im Laufe der Zeit eingetretener Besserung oder Heilung organischer 
Leiden, z. B. einer peripherischen Schussläbmung, oder auch als 
Folge der Ueberwertung einer unbedeutenden Verletzungsfolge, 
gegen die der allzu eifrige und durch ärztliche Kritik nicht ge¬ 
zügelte Bandagist aus eigener Machtvollkommenheit mit über¬ 
trieben grossen und kostspieligen orthopädischen Apparaten an- 
kämpfen zu müssen für Recht befindet. Dass die Versorgungs¬ 
und Sanitätsämter hier im Laufe der Zeit streng werden sichten 
müssen, ist selbstverständlich. Doch will ich mich beute 
auf die Wiedergabe von Fällen beschränken, bei denen der, all¬ 
gemein gesagt, „nervöse“ Charakter einer Deformität nicht erkannt 
und diese demzufolge falsch behandelt worden ist. 

Kritischen Beobachtern ist die Häufigkeit der Fehldiagnosen 
natürlich nicht entgangen. Der untersuchende Arzt übersieht, 
namentlich wenn er nur den kranken Körperteil und nicht den 
kranken Menschen begutachtet, nur zu leicht, besonders bei reni¬ 
tenten Deformitäten, die Möglichkeit, dass es Bich um ein psy¬ 
chogenes Leiden bandelt. So hat Raether über scheinbare Fälle 
von Ischias, Rheumatismus, Wirbelsäulenerkrankungen usw. be¬ 
richtet, die fälschlicherweise als organisch krank angesehen wurden, 
die aber in Wirklichkeit von vorn herein in das Gebiet der 
Psychogenie fielen und entsprechend hätten behandelt werden müssen. 
Ich selbst kann mich nicht davon freisprechen, dass nicht auch 
ich auf meiner orthopädischen Abteilung im Felde manche Fälle 
von „Ischias“ längere Zeit mit physikalischen Methoden be¬ 
handelt habe, bei denen ich nicht auf den Gedanken der psy¬ 
chischen Aetiologie gekommen bin, bei denen ich also einen 
Fehler begangen habe, den ich erst nach Erlangung grösserer 
Erfahrungen auf diesem ( Gebiete erkannte. 

loh denke s. B. noch jetzt an einen Viesefeldwebel Br., der im 
Herbst 1917 mit einer schweren Ischias auf meine Abteilung kam; ioh 
habe mir ihn sogar seinerzeit als einen besonders markanten Fall von 

Naoh einem am 26. Mai 1919 in der Berliner orthopädisohen Ge¬ 
sellschaft gehaltenen Vortrage. 


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8. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Ischias sooliotiea des heterologen Typus photographiert. Wusste ich 
auch damals schon, dass Br. ein schwerer Neurastheniker war, und hatte 
mich auch schon der Umstand, dass seine skoliotische Haltung troti 
verringerter Sohmerzen unverändert blieb, stutzig gemacht, so hatte ich 
doch die Konsequenz, auch seine Ischias als psychogen zu betrachten, 
nicht gezogen. Diesen Fehler habe ich später vermieden, und so war 
es in einer weiteren Reihe von Fällen angeblicher Ischias möglich, den 
psyohogenen Charkter derselben aufzudeoken und alsbald durch sug¬ 
gestive Einwirkung zu heilen, so z. B. den Mitte Oktober 1918 aus 
russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrenden malariakranken neur- 
asthenischen Landstürmer W. W., bei dem eine seit fünf Woohen be¬ 
stehende rechtsseitige „Isohias“ mit Steifhaltung des Beines beim Gehen 
und atypischer Gangart des linken Beines innerhalb von acht Tagen 
durch vorgetäusohe endoneurale Injektion und einige Gangübuqgen 
völlig beseitigt werden konnte. In einem Falle wie dem letzten wird 
durch den Erfolg der Therapie, die rein suggestiv war, die Psychogenie 
der Krankheit bewiesen. 

Manohe Autoren haben nun geglaubt, organische Läsionen, sei es 
des Skeletts, sei es der Muskulatur, für. derartige in der verschiedensten 
Form auftretende Rumpfdeformhaltungen gefunden zu haben, so G. Müller 
und Sohanz. Ich werde an anderer Stelle auf die Gründe eingehen, die mich 
veranlassen, an dem organischen Charakter der von Müller unter dem 
Titel „Eine eigenartige Versohüttungskrankbeit“ mitgeteilten Fällen von 
Schiefstellung des Beckens und Vorwärtsbeugehaltung des Rumpfes, 
ebenso der von Sohanz als Ausdruck der von diesem Autor an¬ 
genommenen „Insuffioientia vertebralis“ gedeuteten Rumpfdeformhaltungen 
zu zweifeln. 

Ich glaube auf Grund meiner Erfahrungen an mehreren, den 
Fällen dieser Autoren ganz analogen, sicher psychogenen Haltungs¬ 
anomalien, dass auch in diesen Fällen der Psychogenie nicht die 
ihr gebührende Bedeutung beigemessen wurde. Das muss betont 
werden, weil, wie zwei meiner Fälle von verkannter hysterischer 
Schiefstellung des Beckens beweisen, durch die symptomatische 
Therapie, welche auch Müller angewendet hat, organische Be¬ 
schwerden hervorgerufen werden können. 

Die Auffassung der Deformhaltungen des Rumpfes und 
Beckens als organischer Leiden hat es mit sich gebracht, dass 
bei solchen Deformhaltungen, aber auch bei fraglos psychogenen 
Krankheiten, wie dem bekannten Schüttelkrampf der Hysteriker, 
ein Gipspanzer bzw. ein Hessingkorsett angelegt wurde. Wenn 
es unter dieser Therapie gelang, Schwund der Schmerzen und 
der Haltungsanomalie und Anfhören der Schüttelkrämpfe berbei- 
zuführen, so geht man mit der Annahme, dass es in vielen dieser 
Fälle auch mit anderen weniger kostspieligen Suggestiv verfahren 
— denn auch' dem Gipspanzer und dem Korsett muss wohl 
lediglich eine suggestive Heilwirkung zuerkannt werden — zur 
Heilung gekommen wäre, kaum fehl. Den Wert, ja die Not¬ 
wendigkeit der entlastenden Korsetts bei einer organischen 
Erkrankung der Wirbelsäule, ja gelegentlich auch bloss der 
Rückenmuskulatur, z. B. bei einer hartnäckigen Myositis der 
Rückenstrecker, wie ich sie nach Ruhr im Felde sah, zu leugnen, 
liegt mir natürlich völlig fern. Immerhin muss das kostspielige 
Hessingkorsett für wirkliche Krankheiten reserviert und darf 
nicht lediglich als Suggestivmittel verordnet werden, und zwar 
nicht zuletzt deswegen, weil die eminente Gefahr besteht, dass 
den Hysterikern mit der Anlegung eines Korsetts ein organisches 
Leiden attestiert wird, welches sie nicht haben, und dass sie 
dieser „Behandlung“ später nicht mehr entraten zu können ver¬ 
meinen. 

Das war bei einem Unteroffizier der Fall, der im Oktober 1917 aaf 
meine Abteilung kam. Er hatte im Frieden und dann im Jahre 1915 
in einem Reaervelazarett wegen eines angeblichen Lendenwirbelbruches 
je ein Hessingkorsett erhalten, hatte aber bereits beide Korsette beiseite 
gelegt, da er jedesmal nach kurzer Zeit gesund geworden war. Jetzt 
glaubte er wieder wegen „kolossaler Sohmerzen* ein drittes Hessing¬ 
korsett erhalten zu müssen. Ausser einer Druckschmerzhaftigkeit der 
Lendenstrecker war nichts Krankhaftes naohzuweisen. Ich ging auf den 
Wunsch des Pat. nicht ein; er wurde auch so gesund. Interessant ist 
nun, dass bei diesem Kranken auf dem Röntgenbild der Lendengegend 
als einzige, aber deutliche Veränderung eine sichere Spina bifida oooulta 
des fünften Lendenwirbels bestand. Ich halte es für wahrscheinlich, 
dass der Kranke, der ein ausgesprochener Neurastheniker war, auch das 
erste Mal im Kriege ohne Hes-üngkorsett gesund geworden wäre. Ob 
etwa seine Wirbelspalte früher fälschlicherweise als Wirbelbruch — zur 
Zeit meiner Untersuchung war jedenfalls davon nichts mehr nachweis¬ 
bar — angesproohen worden ist, lasse ich dahingestellt. 

Betraf die Haltungsanomalie in diesen Fällen die Wirbelsäule, so 
handelte es sich bei dem folgernden um eine solche des Arms. Kursor- 
vist A. H. wurde mir am 29 X. 1916 aus einem anderen Kriegslazarett 
zur Behandlung seiner rechtsseitigen Armläbmung überwiesen. Er gab 
an, während seiner aktiven Dienstzeit im Jahre 1911 wegen rechts¬ 
seitiger Halsdrüsen operiert worden zu sein. Damals habe ihm der Arzt 
gesagt, ein Nerv sei durohsohnitten worden, er würde eine Lähmung des 


Armes zurüokbehalten; unmittelbar danach stellten sich Lähmungs-, 
später Krampfgefühl im rechten Arm ein, weshalb er drei viertel Jahre 
lang erfolglos behandelt wurde und seinen Beruf als Barbier aufgeben 
musste. Der als a. v. in der Etappe beschäftigte Mann wurde mir nun 
wegen Akzessoriuslähmung zur Behandlung zugesohiokt. Die Unter¬ 
suchung ergab, um es kurz zu sagen, eine hysterische spastische Kon¬ 
traktur der Sohulter- und Armmuskeln, so dass Pat. den Arm so gut 
wie gar nicht bewegen zu können vermeinte. Dass es ich jetzt nicht 
um eine organische Lähmung handeln konnte, und auch eine solohe 
wohl niemals bestanden hatte, war mir bei dem Mangel jeglicher Atrophie 
sofort klar. Duroh einige suggestive Uebungen und Demonstration der 
jedesmaligen Besserung im Spiegel war die Akzessoriuslähmung in 20 Mi¬ 
nuten zur grossen Freude des Kranken beseitigt. 

Derartige diagnostische Irrtümer habe ich mehrfach im Felde 
zu Gesicht bekommen und manche dieser Hysteriker ohne grosse 
Mühe auf suggestivem Wege geheilt. Bestand bei ihnen der durch 
die Fehldiagnose bedingte Schaden vornehmlich darin, dass sie teils 
unnötig lange behandelt, teils als unheilbar hingestellt wurden, so 
war in den folgenden drei Fällen der praktische Nachteil noch 
^grösser, ja hätte für die Kranken wirklich verhängnisvoll werden 
können, wenn nicht endlich die richtige Diagnose gestellt worden 
wäre. Waren doch hier in der Annahme des Vorliegens organischer 
Verbildungen orthopädische Apparate gegeben worden, welche, 
da es sich um Deformitäten der unteren Extremitäten handelte, 
zu einer Umstellung der Körperstatik Anlass gaben. In den 
beiden ersten Fällen bestanden hysterische Beinverkürzungen 
hoher Grade, welche durch Sohlenerhöhung ausgeglichen worden 
waren, bei dem dritten Kranken lag eine hysterische Supinations¬ 
haltung eines Fusses vor. Bei allen drei Kranken war es bereits 
zn statischen, also organisch bedingten Gelenkschmerzen durch 
die symptomatische Therapie gekommen, als sie mir überwiesen 
wurden. Ich will nur den ersten und dritten als die interessan¬ 
testen Fälle hier kurz anführen. Fall 2 lag ähnlich wie Fall l. 

Unteroffizier K. wurde mir am 24. X. 1917 zugesohiokt. Er gab 
an, dass er im Herbst 1914 im Westen bei einer Verschüttung einen 
Bruch des rechten Unterschenkels erlitten habe. Er sei zuerst mit einer 
Schiene, später im Gipsverband lange Zeit behandelt worden. Der Unter- 
sohenkelbruch sei mit einer Verkürzung des Beins von 6 om geheilt. 
Deshalb trage er seitdem einen Stiefel mit hohem Absatz und innerer 
Korkerhöhang von zusammen 6 cm. Er habe seit einiger Zeit ziemlich 
starke Schmerzen im rechten Kniegelenk. Bei der auf Befehl des 
Etappenarztes zwecks Anmessung neuer orthopädischer Stiefel ausge¬ 
führten Untersuchung fand ioh nun weder eine Verkürzung des Unter¬ 
schenkels, wenn auch noch so geringer Natur, nooh überhaupt irgend 
eine Spur eines Untersohenkelbruohs. Wohl aber bestand eine willkür¬ 
liche Kontraktur der Adduktoren des rechten Oberschenkels, so dass es 
zu einer der koxitisohen analogen scheinbaren Verkürzung gekommen 
war. Es konnte sich nur um eine hysterische Kontraktur mit Schief¬ 
stellung des Beckens handeln, die den Aerzten völlig entgangen war. 
Ich berichtete entsprechend dem Etappenarzt und fügte hinzu, dass je 
länger der Kranke einen erhöhten Stiefel tragen und als organisch krank 
angesehen werden würde, sich um so fester bei ihm der Gedanke, dass 
er eine wirkliche Beinverkürzung habe, verankern würde; auoh dürften 
sioh dann die statischen Beschwerden, wie K. sie bereits bezüglich des 
rechten Kniegelenks aufwiese, in erhöhtem Maasse einstellen. Vor einer 
weiteren Verabfolgung von einseitig erhöhtem Stiefel müsse daher 
dringend gewarnt werden. Da es sich hier um den ersten derartigen 
Fall hysterischer Beokensohiefstellung handelte, den ioh zu sehen bekam, 
habe ich die psyohisohe Behandlung nioht selbst ausgeführt, sondern 
den Kranken der psyoho-therapeutiBchen Abteilung unserer Heeresgruppe 
zugesohiokt, deren Leiter mir die Diagnose bestätigte und meines Wissens 
den Kranken heilte. 

Bedeutende statisohe Beschwerden, die durch die Anwendung einer 
auch wieder auf der Verkennung des psyohogenen Charakters einer Fuss- 
haltungsanomalie beruhenden, besonders geformten Stiefeleinlage bedingt 
waren, führten weiterhin den Sergeanten H. in meine orthopädisohe Ab¬ 
teilung. K. hatte am 29. X. 1915 einen Infanteriegewehr-Steckschuss 
des linken Fasses erlitten; das Geschoss war aus der Fusssohle exzidiert 
worden. Seit dem 11. II. 1916 trug er eine Korkeinlage in orthopädi¬ 
schem Stiefel von keilförmiger Gestalt; die nach der medialen Seite 
liegende Basis des Keils war 3Va cm hoch und batte an der Stelle, wo 
die jetzt völlig reizlose Narbe lag, eine flaohe Delle. Der Fuss stand in 
starker Supination, die durch Spasmen der Tibialismuskulatur hervor¬ 
gerufen und zunächst nioht zu beseitigen war. H. hatte starke Sohmerzen 
im linken Fuss, hauptsächlich bei Bewegungen im unteren Sprunggelenk. 
Ioh entfernte die Einlage, ersetzte sie pro forma durch eine flache plan- 
mässige, suggerierte dem H. mühelos seine Beschwerden und darauf 
seine Fusshaltungsanomalie fort, indem ioh ihm besonders lebhaft die 
Gefahren schilderte, die sioh für ihn aus einem fortgesetzten Tragen 
der erstgenannten Einlage ergeben würden und erzielte einen vollen 
Erfolg, so dass der Patient sich freiwillig zum Felddienst meldete, eine 
damals geradezu als heroisch zu bezeichnende Tat. Es scheint mir 
sicher, dass H. schon bald nach der Schussverletzung infolge seiner 
hysterischen Anlage seinem verletzten Fusse eine übertriebene Supi¬ 
nationsstellung gegeben hat, und dass diese nicht als psychogen erkannt 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


wordenfist. Hätte man die Einlage sicht so sohief gestaltet, so würde 
mit hoher Wahrscheinlichkeit die Reisang des nnteren Sprnnggelenks 
nicht erst sastandegekommen sein. Die beiden Fälle von hochgradiger 
hysterischer Bein Verkürzung erinnern in dem klinischen Bilde, das sich 
mir bei der ersten Untersuchung darbot, so lebhaft an die von Sohanz 
nnd Müller beschriebenen Deformhaltungen des Rumpfes, dass man 
anwillkürlich aaf den Gedanken der Psychogenie auch dieser kommt. 
Sie sind auch insofern bemerkenswert, als es sioh zeigt, dass der Aus¬ 
gleich einer hysterischen Beinverkürzung durch einen erhöhten Stiefel 
schliesslich zu wirklichen organischen Beschwerden fuhren kann. Bei 
ihnen, wie bei dem letztgesohildorten Fall von hysterischer spastisoher 
Klumpfussstellung kann daher vor eider symptomatischen Therapie nicht 
dringend genug gewarnt werden. 

Wenn ich nicht befürchten müsste, Ihre Zeit über Gebühr 
in Anspruch zu nehmen, würde ich Ihnen nunmehr zom Schluss 
noch über zwei Fälle von hysterischen Peroneuslähmungen, 
bei denen infolge der Verkennung der richtigen Aetiologie ortho¬ 
pädische Apparate verordnet worden waren, berichten. Ich will 
es aber mit Rücksicht darauf nicht tun, dass sich namentlich 
Blencke bereits eingehend zu der Kontraindikation der ortho¬ 
pädischen Apparate gerade bei dieser hysterischen Deformität 
geäossert bat Nur soviel sei erwähnt, dass der eine meiner 
Fälle sein Leiden auf einen Knöchelbruch — den er meines Er¬ 
achtens aber niemals gehabt hat — zurüekffihrte, dass ihm nach 
vorübergehender Erkenntnis seiner Lähmung als Hysterie die 
schädliche Suggestion, dass er an einer „Dehnung im Spann¬ 
apparat des Fusses“ leide, mit auf den Weg gegeben wurde, die 
denn auch jedeBroal, wenn er wenige Tage im Felde war, zum 
Rezidiv seiner „LähmuDg“ führte, und dass dieser „Vaterlands¬ 
verteidiger“ von 40 Monaten, die wir selbst schon damals im 
Felde waren, kaum 8 Monate bei Trainformationen ausserhalb des 
Heimatsgebietes Dienst getan, die übrige Zeit dem Staate ledig¬ 
lich Kosten verursacht hatte, ohne doch organisch krank zu sein. 
Er sowohl, wie der zweite Fall von verkannter psychogener 
Peroneuslähmung, der meiner orthopädischen Abteilung zwecks 
Neuanfertigung seines Schienenstiefels überwiesen wurde, sind 
von mir durch rein suggestive Einwirkung glatt von ihren Läh¬ 
mungen geheilt worden. Es ist meines Erachtens ein Fehler, 
derartigen Kranken auch nur die Spur einer Andeutung in dem 
Sinne zu machen, dass sie ein organisches Leiden haben, mag 
man sie „Dehnung im Spannapparat u oder anders nennen; ebenso 
falsch ist es, sie symptomatisch mit einem orthopädischen Apparat 
zu behandeln. Ihnen muss, wie allen Hysterikern, klarer Wein 
eingeschänkt werden; dann sind sie suggestiv zu heilen. 

Den hier geschilderten Fällen, die durch weitere vermehrt 
werden könnten, ist die Verkennung des psychogenen Charakters 
der Deformität gemeinsam. Der lokale Befund stand bei allen 
meist so sehr im Vordergründe, dass von seiten des Arztes an 
die richtige Aetiolpgie offenbar nicht gedacht wurde. Und doch 
scheint mir im allgemeinen die Diagnose, gleichgültig, ob es sich 
um eine hysterische Kontraktur oder um eine Lähmung bandelt, 
dann nicht so arg schwer, wenn man überhaupt an diese Möglich¬ 
keit denkt. Weitaus schwieriger als die Differentialdiagnose 
zwischen organischer und funktioneller Deformität, die sich aus 
einem negativen Teil, nämlich der Ausschliessung eines körper¬ 
lichen Fehlers, erkennbar z. B. an der Inkongruenz zwischen 
anatomischer und jeweils vorliegender Lähmung, dem Fehlen von 
Maskelatrophie usw. und einem positiven, nämlich dem Nachweis 
anderer hysterisch neurastheniscber Stigmata ergibt, ist meines 
Erachtens diejenige zwischen Hysterie und Simulation, und ich 
möchte denjenigen Arzt sehen, der nicht schon das eine oder 
andere Mal das Opfer einer hierhergehörigen Mystifikation ge¬ 
worden ist; ich selbst bin im Kriege sicher mehr als einmal ge¬ 
täuscht worden, wenngleich bei uns an der Ostfront unverfälschte 
Simulation aus naheliegenden Gründen äusserst■ selten war. Vom 
Standpunkt des Psychologen mag die Differentialdiagnose zwischen 
Simulation und Hysterie die interessantere sein, für den ortho¬ 
pädischen Chirurgen steht diejenige zwischen Hysterie und or¬ 
ganischer Krankheit im Vordergründe. Wenn, wie gezeigt, 
mancher Hysteriker als organischer Krüppel mit mechanischen 
Mitteln behandelt worden ist, so darf selbstverständlich nicht in 
den umgekehrten Fehler, nämlich in das Uebersehen einer körper¬ 
lichen Krankheit in der Annahme einer Hysterie, verfallen werden. 
Dafür, dass das gelegentlich geschehen ist, könnten aus der 
Friedens- ebenso wie aus der Kriegspraxis leicht Beispiele an¬ 
geführt werden; gerade beginnende Knochen- und Gelenkentzün¬ 
dungen wurden bekanntlich nicht allzu selten für eingebildete 
Leiden gehalten. 

Heute, nach Beendigung des Krieges, auf die Prophylaxe 


der psychogenen Deformitäten nach Kriegsverletzungen einzu- 
gehen, erübrigt sich meines Erachtens, so wertvoll auch die An¬ 
regungen für die Behandlung des Unfallverletzten sein könnten. 
Nur soviel sei gesagt, dass ich selbst während meiner 4 y,jährigen 
Tätigkeit im Felde stets einerseits auf die Vermeidung schädlicher 
Suggestionen, wie sie in unbedachten Worten und Taten nur zu 
leicht an den Kranken herangebracht werden können, andererseits 
auf die Steigerung des Willens zur Gesundung bei meinen Kranken 
den grössten Wert gelegt habe. Das ist eine für den denkenden 
Arzt äusserst dankbare und schöne Aufgabe; denn das eine steht 
fest, dass bei einem psychisch labilen Menschen die Erhaltung 
des seelischen Gleichgewichts und damit u. a. die Verhütung 
einer psychogenen Deformität in hohem Maasse davon abhängt, 
in die Hände welchen Arztes er nach einem seelischen oder 
körperlichen Traumas zuerst gerät. 

Was die Behandlung der als hysterisch erkannten Deformi¬ 
täten betrifft, so war und ist sie recht eigentlich Sache des 
Psychotherapeuten, der Bich ausser der psychischen Behandlung 
meist auch einiger physikalischer Maassnahmen bedient. Auf 
Einzelheiten der einen wie der anderen einxugehen ist hier nicht 
der Ort. Nur das möchte ich betonen, dass es — wie die ge¬ 
gebenen Beispiele zeigen — bei richtigem suggestiven Zupacken 
des die Aetiologie erkennenden Arztes auch dem Orthopäden ge¬ 
lingt, der hysterischen Deformitäten ohne weitere Hilfsmittel Herr 
zu werden. Will oder kann der Orthopäde selbst an die psycho¬ 
therapeutische Beeinfiussung des Kranken nicht herangehen, so 
hat er zom mindesten für Entfernung etwa verordneter Apparate, 
die er als schädlich oder überflüssig erkannt hat, zu sorgen und 
den Weg zum Psychotherapeuten zu weisen. 

Dieser letzte, noch während meiner Tätigkeit im Felde 
niedergeschriebene Satz umfasst meinen prinzipiellen Stand¬ 
punkt in der Frage der Versorgung der psychogenen Deformitäten 
der Kriegsteilnehmer. Ich halte ihn auch für die spätere Zu¬ 
kunft aufrecht, mu$s aber hinzufügen, dass, während es früher 
keine Ausnahme von dieser Regel geben durfte, heute, wo wir 
noch in der Revolution stehen, gelegentlich einmal das Prinzip 
durchbrochen und ein Kriegsversehrter zur Vermeidung ver¬ 
bitternder Konflikte mit einem ihn organisch nicht schädigenden 
orthopädischen Apparat behandelt werden darf; damit‘wählt man 
von zwei Uebeln das kleinere. So sah ich vor etwa einem Monat 
in der orthopädischen Abteilung der Staatsfabrik künstlicher 
Glieder, an der ich zurzeit tätig bin, den Jäger Bru., welcher 
nach Schussverletznng des rechten Humeruskopfes eine organisch 
bedingte unbedeutende, durch psychische Ueberlagerung aber er¬ 
heblich vermehrte Beeinträchtigung der Erhebung des Armes 
aufwies. Ihm war zuerst in einem Reservelazarett, dann von 
fachärztlicher Seite die schädliche Suggestion zuteil geworden, 
dass er wegen einer Serratuslähmung seinen Arm aktiv nur bis 
zur Horizontalen erheben könne. Da zudem wohl im Unter¬ 
bewusstsein bei ihm die Furcht vor Verringerung seiner Rente 
schlummerte, war er felsenfest von der Notwendigkeit des Tragens 
der ihm von anderer Seite verordneten Bandage überzeugt, damit 
er arbeiten könnte. Tatsächlich bestand bei ihm ein psychogenes 
schwaches Abbild, aber keine Spur einer organischen Serratus¬ 
lähmung, worüber wir ihn sowohl als das Lazarett nicht im 
Zweifel liessen. Er erhielt trotzdem von uns aus den oben ge¬ 
schilderten praktischen Gründen eine leichte, lediglich suggestiv 
wirkende Bandage nach Art des Bouvier’schen Geradebalters. 

Fasse ich kurz den Inhalt meiner Ausführungen zusammen, 
so meine ich, dass die Psycbogenie der Deformitäten bei Kriegs¬ 
verletzten schärfer ins Auge gefasst werden muss, als es oft ge¬ 
schehen ist; dass im Prinzip nach wie vor bei psychogenen 
Deformitäten vor symptomatischer Therapie in Form der ortho¬ 
pädischen Apparate zu warnen ist, sowohl weil dem Staate un¬ 
nötige Kosten erwachsen, er also geschädigt wird, mehr aber 
noch, weil der Kranke nicht nur seelisch, sondern auch, wie ge¬ 
zeigt, direkt körperlich lädiert werden kann; letzteres indem es 
je nach Art des befallenen Körperteils zu Muskelatrophien, zu 
statischen Gelenkerkrankungen und dergleichen kommen kann. 
Diese Umstände müssen zur schärfsten Indikationsstellung für die 
Verordnung von orthopädischen Apparaten, im besonderen nach 
Art, Ausführung, Zeitdauer ihres Tragens zwingen. Bis zum 
Eintritt ruhiger Friedenszeiten kann gelegentlich und ausnahms¬ 
weise einmal, trotzdem es sich um eine psychogene Deformität 
handelt, ein möglichst einfach und billig zu gestaltender ortho¬ 
pädischer Apparat als Snggestivmittel notwendig sein. In 
solchem Falle ist unbedingt dafür Sorge zu tragen, dass ein ent- 


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8. 8eptember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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sprechender, leicht auffindbarer Hinweis in den Akten des Renten¬ 
empfängers Aufnahme findet. An dem prinsipiellen Standpunkte 
ändern derartige Ausnahmefälle nichts. 


Diagnostik und Operation 
einer pyonephrotlschen Hufeisenniere'). 

Yon 

Prof. Dr. M. Zeidek. 

Die Hufeisenniere kommt häufiger vor, als man früher an¬ 
genommen bat. Aus Yerschiedenen Zusammenstellungen will ich 
nur zwei hervorheben: Nach Charlier’s und Gerard’s Unter¬ 
suchungen bei 68989 Sektionen kommt je eine Hufeisenniere auf 
1000 Sektionen; und nach Marzynski’s Berechnung kommen auf 
29884 Sektionen 48 Hufeisennieren, also je eine auf 688 Sek¬ 
tionen. 

Die Hufeisenniere ist im allgemeinen häufiger als die normale Niere 
erkrankt. Das ist erklärlich, wenn man folgendes berüoksiohtigt: Die 
Hufeisenniere ist respiratorisch nicht beweglich, sondern fixiert und ist 
duroh die hinter ihr liegende Wirbelsäule und die vorspringenden an¬ 
grenzenden Weichteile nach vorn gelagert, daher direkt traumatisohen 
Einwirkungen von aussen her mehr ausgesetzt als die normale in der 
Lendennisohe liegende, veröohiebliohe Niere. Das trifft nicht allein für 
die beiden Schenkel der Hufeisenniere und insbesondere ihr Verbindung j- 
stüok zu, sondern auch für die Ureteren, die über dieses gewissermaassen 
hinwegklettern und der vorderen Bauohwand sehr nahe liegen. Druck 
auf die Ureteren verursacht Stauung in der Niere. An der Hufeisen¬ 
niere sind also oft neben entzündlichen Veränderungen infolge der 
direkten Schädigung, Ausweitung ihres Beckenkelohsystems und mehr¬ 
fach sekundäre Veränderungen (Pyonephrose, Ealkulose, Pyelonephritis) 
vorhanden, die ein chirurgisches Interesse bieten. 

Die Diagnose der Hufeisenniere hat ein erhebliohes praktisches 
Interesse. Für das operative Vorgehen ist es sehr wertvoll, bereits vor¬ 
her die anomale Lage der ganzen Niere, wie ihrer Teile, des Beckens, 
Ureters zu kennen. Paschkis hat die Diagnose vor der Operation über¬ 
haupt für unmöglich gehalten. Wenn auch das nicht der Fall war, so 
ist sie sioherlioh vor der Operation nur äusserst selten gestellt worden. 
Denn ihr einzig sicheres diagnostisches Merkmal war ihr palpatorischer 
Nachweis, und dieser dürfte nur ausnahmsweise gelungen sein. Auch 
bei guter Palpationstechnik dürfte es nioht immer möglich sein, beide 
Schenkel der Hufeisenniere oder wenigstens einen Sohenkel und seinen 
Uebergang in das Verbindungsstück naohzuweisen, ganz abgesehen da¬ 
von, dass dieses gelegentlich bandartig und überhaupt nicht tastbar ist. 
Ich habe drei Fälle von Hufeisenniere klinisoh beobachtet. In einem 
Falle habe ioh vor 17 Jahren nur die Diagnose, intermittierende Hydro- 
nephrose der einen kongenital heterotopen Niere gestellt. Bei der 
anderweitig ausgeführten Operation wurde die Diagnose insoweit be¬ 
stätigt, als es sich nioht allein darum, sondern auch um die mit dieser 
Niere verwachsene andere kongenital heterotope Niere, also um eine 
Hufeisenniere handelte. 

ln den beiden anderen Fällen habe ich anf Grand neaer von 
mir angegebener diagnostischer Merkmale einwandfrei Hufeisen- 
niere klinisch festgestellt. Diese sind folgende: 

1. Beide Schenkel der Hafeisenniere sind im all¬ 
gemeinen erheblich weiter nach unten, medialwärts und 
nach vorn gelagert als die normale Niere. 

2. Die Längsachse der beiden Schenkel der Huf¬ 
eisenniere konvergieren im allgemeinen nach unten 
oder verlaufen der Längsachse der Wirbelsäule an¬ 
nähernd parallel, während normal die Längsachsen der 
Nieren nach oben konvergieren. 

Die Lage und Richtung der Nieren sind oft durch 
Palpation und Rüntgenphotographie festsustellen. 

8. Die Becken der Hufeisennieren sind im all¬ 
gemeinen vorn gelagert. Das ist oft durch Pyelographie 
zu erkennen. 

4. Abnorme Kürze der Ureteren, vorausgesetzt, dass 
sie nicht gesohlängelt sind, ufid ihr annähernd vertikal 
gerichteter Verlauf. Das ist durch Rüntgenphotographie 
nach Einführung sohattengebender Katheter in die Harn¬ 
leiter nachsuweisen. 

Ueber einen der Fälle von Hufeisenniere will ich hier kurz be¬ 
richten, bei dem ich wegen kalkulüser Pyonephrose und Pyelo¬ 
nephritis einen Schenkel operativ entfernen musste. 

Vorgesohiohte: 0. Sch., 50 Jahre alt 1906 dumpfer Druck in der 
linken Nierengegend. 1909 linksseitige Nierenkolik, alle 6 bis 8 Wochen 


1) Nach einer Demonstration in der Berl. medizinischen Gesellschaft 
am 19. März 1919. 


von Vs bis 1 ständiger Dauer. 1911 Hämaturie, drei Woohen lang. Von 
nun an beobaohtet sich Patient genauer. Urin andauernd trübe, Miktion 
am Tage ein bis zweistündlich, naehts ein bis zweimal. Bei jeder Kolik 
Fieber. In der Folgezeit Koliken häufiger, länger während und stärker. 
1912 im Frühjahr alle 8 bis 4 Woohen Kolik von 2 bis 8 ständiger Dauer. 
Im November 1912 zwei Koliken mit Schüttelfrösten. Von Mitte Fe¬ 
bruar 1912 bis 1. März 1913 andauerndes Fieber mit täglioh ein bis 
zwei Schüttelfrösten von Vs bis 1 ständiger Dauer. Temperatur bis 
40,2; andauernd, Tag und Naoht, starkes Schlucken. 

Status praesens: 1.111.1913. Sehr elender Zustand. Singultus. 
Puls 120. Temperatur 40,2. In linker Nierengegend, aber mehr medial- 
wärts naoh vorn als gewöhnlioh, bis in das Becken hineinragender kinds¬ 
kopfgrosser sehr druckempfindlicher Tumor. Palpation per rectum* 
Ureterbefund normal. Harn hochgestellt, etwas trübe, schwach sauer, 
einige Leukozyten, einzelne Erythrozyten, keine Tuberkelbazillen. 
24 ständige Menge 1050, sp. 1020. Albumen in geringer Menge. 2. III. 1913 
Temperaturabfall bis 37,6. Ham rein eitrig. Aber auoh in den fol¬ 
genden Tagen Temperatur andauernd etwas erhöht, morgens 87,1 abends 
37,9 bis 88,1. 

Köntgenphotographie (Arthur Fraenkel). Linker Nierensohatten 
der Wirbelsäule näher anliegend, als man sonst bei ähnlicher Ver- 
grösserung der Niere sieht. Der untere Pol liegt etwa zweifiogerbreit 
unterhalb der höohBten Partie der Crista ossis ilei. Die Längsachse der 



Hufeisennieren-Hälfte, operativ entfernt; an der vorderen Wand der 
Niere das Beoken mit Stein. 

Niere ist ein wenig naoh innen und unten gerichtet. Im Nierensohatten 
fingerbreit unterhalb der 12. Rippe ein wallnussgrosser Steinschatten. 

Rechter Nierensohatten dicht der Wirbelsäule anliegend, seine Längs¬ 
achse annähernd parallel der Längsachse der Wirbelsäule; der untere 
Pol ist von der Wirbelsäule nioht absugrenzen. 

Zystoskopie: Blase normal. Linke Uretermündung aufgelookert, 
daraus stark trüber Urin. Zwischen beiden Ureteren in der Blasen¬ 
wandung ein kleiner erbsengrosser Stein. Bei Kompression der linken 
Niere wird das eitrige Sekret in grösserer Menge entleert. Ureteren- 
katheterismus: Links rein eitriges Sekret, reohts klarer normaler Harn. 
Naoh Indigkarmininjektion Harn rechts naoh 14 Minuten grün, naoh 18 Mi¬ 
nuten blau. Links farblos, Phloridzin nach 25 bis 85 Minuten reohts 
0,7, links negativ. 

Diagnose: Pyonephrose mit Stein und Pyelonephritis an einem 
Sohenkel einer Hufeisenniere. 

Operation 17. III. 1914. Extraperitoneale Freilegung mit lumbo- 
abdominalem Sohrägsohnitt, der etwas länger und tiefer, als gewöhnlioh, 
angelegt wird. Die Niere liegt dioht an der Wirbelsäule, ist 
in ihrem oberen und mittleren Teil frei; der untere Teil ist fixiert, 
lässt sioh medialwärts bis zur Wirbelsäule verfolgen und geht hier in 
das Verbindungsstück über. Die Diagnose wird also bestätigt. Das 
Nierenparenohym ist von zahlreichen miliaren und submiliaren Ab¬ 
szessen durchsetzt. Das Verbindungsstück ist fixiert. Abtragung der 
Brüoke und Abklemmung des Teils an der Grenze des Krankhaften in 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


der Richtung von innen und unten nach aussen und oben, keilförmig, 
so dass Naht möglich ist. Tamponade, — Glatter Verlauf, Heilung. 

Das 14 tägige Fieber des Patienten vor seiner Aufnahme in 
die Klinik war durch eine Eiterretention verursacht. Es 
sank plötzlich, nachdem eine grössere Menge Eiter im Harn 
abgegangen war. Die Eiterretention wiederum war offenbar durch 
den im Röntgenbild festgestellten Stein herbeigeföbrt, der das 
Ostium pelvicum des Ureters verlegt batte. Bei Kompression 
der linken Niere entleerte sich, was man zystoskopisch fest¬ 
stellen konnte, eine grössere Menge eitriges Sekret. Das wies 
auf eine grosse Ausdehnung des Nierenbeckens hin. — Insoweit 
bietet das Krankheitsbild, im Zusammenhang mit den pyelo- 
nephritischen Attacken, nichts besonderes. Bemerkenswert war 
aber der Palpations- und Röntgenbefund. Die druckschmerzhafte, 
kindskopfgrosse Niere war, wie die Palpation ergab, verhältnis¬ 
mässig weit medialwärts und nach vorn verlagert, und die 
Röntgenphotographie zeigte nicht allein dieses, sondern auch die 
verhältnismässig tiefe Lage des Organs, drei diagnostische Merk¬ 
male, die, wie ich oben gezeigt habe, auf eine kongenitale Hetero- 
topie der Niere hin wiesen. Dazu kam noch ein weiterer dia¬ 
gnostisch bemerkenswerter Befund: Die Längsachse der Niere war 
annähernd parallel der Längsachse der Wirbelsäule mit einer 
leichten Neigung von oben und aussen nach innen und unten, 
nicht' wie bei der normalen Niere von unten und aussen nach 
innen und oben gerichtet. Mir war bekannt, dass bei Hufeisen¬ 
nieren die Längsachse jedes Nierenteils parallel der Längsachse 
der Wirbelsäule oder von. unten und innen nach aussen und oben 
gerichtet ist. Das erklärt sich aus entwicklungsgeschichtlicher 
Betrachtung. Die Hufeisenniere entsteht nämlich durch Ver¬ 
schmelzung beider unterer Nierenpole in einem frühen Stadium 
der Entwicklung. Da sind aber die Nieren in ihrer Längsachse 
von innen und unten nach aussen und oben gerichtet, und erst 
bei der weiteren Entwicklung kommen sie allmählich in eine 
mehr vertikale und schliesslich in eine von innen und oben nach 
aussen und-unten gerrichtete Lage. An acht Hufeisennieren, die 
mir Orth freundlichst zur Verfügung gestellt hatte, konnte ich 
feststellen, dass die Längsachsen jedes Schenkels der Hufeisen¬ 
niere in einer leicht schrägen Richtung von innen und unten 
nach aussen und oben oder die Längsachse des einen oder beider 
Schenkel parallel der Längsachse der Wirbelsäule verlaufen. 
Ferner konnte Marzynski dies wie die anderen von mir ange¬ 
gebenen diagnostischen Merkmale für die Hufeisenniere an 7 Huf¬ 
eisennieren aus dem Material von L. Pick bestätigen. Wenn 
ich schon in jedem Falle von Nierenstein auch von der andern 
Niere ein Bild bersteilen lasse, um festzustellen, ob nicht, wie 
dies häufig vorkommt, auch in der andern Niere ein Stein vor¬ 
handen ist, so war in diesem Falle die Röntgenphotographie der 
zweiten Niere aus den oben dargelegten Gründen ganz besonders 
geboten. Nur musste bei der Aufnahme entsprechend der Lage 
der zuerst röntgenologisch dargestellten linken Niere auch auf 
der rechten Seite die Röntgenröhre tiefer nach unten und mehr 
medialwärts als normal eingestellt werden. Diese Röntgenphoto- 
grapbie (ich habe gemeinsam mit Arthur Fränkel die Unter¬ 
suchung ausgeführt; bestätigte nun die Vermutung, dass hier 
eine Hufeisenniere vorlag. ; In der Tat war der Röntgenschatten 
der andern Niere der Wirbelsäule dicht angelagert, die Längs¬ 
achse annähernd parallel der Wirbelsäule. Nun hätte es sich 
ja auch um zwei gesonderte, kongenital heterotope Nieren handeln 
können; das kommt aber überaus selten vor. Strube hat aus 
der ganzen Literatur nur vier solche Fälle zusammengestellt. Die 
Hufeisenniere kommt demgegenüber, wie wir oben gesehen haben, 
verhältnismässig sehr oft vor. Die Diagnose lautete also auf 
kalkulöse Pyonephrose und Pyelonephritis im linken Schenkel 
einer Hufeisenniere, bei anatomisch und funktionell normalem 
Zustand des rechten Schenkels. 

Man hätte ja noch die bei Hufeisenniere mehr vertikale Lage 
uhd ‘Kürze der Ureteren durch Röntgenphotographie nachweisen 
können, nachdem man zuvor in die Ureteren mit Wismut im¬ 
prägnierte oder mit Mandrin versehene Katheter eingeführt hat. 
Auch wäre die Lage der Nierenbecken an der vorderen Wand 
der Nieren durch Pyelographie festzustellen gewesen. Das war 
aber im vorliegenden Fall nicht nötig. Die Diagnose wurde auf 
Grund der Palpation und Röntgenphotographien mit einem an 
Sicherheit grenzenden Grad von Wahrscheinlichkeit gestellt und 
durch die Operation bestätigt. Dem Patienten geht es in den 
6 Jahren nach der Operation andauernd gut. 


Ans der inneren Abteilung des Krankenhauses der 
Stadt Neukölln (Prof. R. Rhrmann). 

Zur physikalischen Diagnostik der Lungen¬ 
entzündung. 

Der Pektoralfremitus bei genuiner fibrinöser 
Pneumonie. 

Voa 

Dr. Zadek, Oberarzt der Abteilung. 

Zur Deutung des abgeschwächten Stimmfremitus auf der Höhe 
der pneumonischen Infiltration — der Ausnahme von der Regel 
— sind bislang im wesentlichen drei Erklärungen gegeben worden: 
Die Verstopfung der zur Hepatisation hinführenden grösseren 
Bronchien [Jürgensen 1 )], die Verlegung der kleineren und kleinsten 
in dem entzündeten Lungenlappen befindlichen Luftröhrenäste 
[Aufrecht 2 )], die verminderte Schwingungsfähigkeit infolge von 
starker Volumenzunahme der infiltrierten Lunge und dadurch be¬ 
dingtem einseitigen Druck auf die Brustwand (Gerhardt*)]. 

Zugegeben, dass einer oder mehrere dieser pathologischen 
Vorgänge zweifellos unter bestimmten Umständen zutreffen, können 
sie doch wohl sämtlich für das hier diskutierte Zustandekommen 
des Pektoralfremitus um so weniger durchweg verantwortlich 
gemacht werden, als sich heraasgestellt hat, dass „eine zeitweise 
Abschwächung des Stimmfremitus auf der Höhe der Hepatisation 
gar keine seltene Erscheinung ist, sondern zu den regelmässigen 
Symptomen der Pneumonie gehört“ [Jürgens 4 )]. Zwar scheint 
über diesen Satz noch keine allgemeine Uebereinstimmung zu 
herrschen, da die Angaben über das Beschaffensein des Pektoral- 
fremitus bei Pneumonie nach wie vor weitgehend schwanken und 
sich zu widersprechen scheinen; dies rührt offensichtlich davon 
her, dass die Befunde ohne Berücksichtigung des wechselnden 
anatomischen Zustandes, d. h. also ohne Zeitangabe über den 
Krankheitstag bei der Untersuchung, ferner ohne vergleichende 
Betrachtung topischer Verhältnisse und der daraus sich ergebenden 
Differenzen usw. gemacht worden sind; es muss indes hervor¬ 
gehoben werden, dass auch ältere Autoren bei der Lungenent¬ 
zündung den Fremitus öfter vermindert als verstärkt gefunden 
haben [Grisolle 6 )] u. a., und es besteht speziell bei den Prak¬ 
tikern wohl kaum ein Zweifel über den häufigen Befund eines 
abgeschwächten Fremitus bei voll entwickelter pneumonischer 
Infiltration. 

Angesichts eines solchen generellen Verhaltens aber können 
obige viel zu seltenen Komplikationen unmöglich befriedigen: 
die Verstopfung grosser, zum Lungen lappen hinführender Bron¬ 
chien ist mehrfach bezweifelt, ja als unmöglich hingestellt (Auf¬ 
recht), die Ausfüllung sämtlicher kleinen und kleinsten Bronchien 
des Lungenabschnittes mit Sekret ist pathologisch-anatomisch 
nur in geringem Umfange bestätigt worden, und die noch am 
relativ häufigsten beobachtete, physikalisch gut begründete, 
massige, ein Mitschwingen der kompakt verdichteten Lunge und 
damit ein Mitzittern des Thorax verhindernde Entzündung kann 
zwar die Abschwächung des Pektoralfremitus bei Vorhandensein 
der Voraussetzung, d. b. beim Bestehen intensiver, sehr volumi¬ 
nöser Hepatisation womöglich mehrerer Lappen erklären, nicht 
aber bei geringgradigen Infiltrationen nur eines Lappens oder 
seiner Teile, wobei der Fremitus ebenfalls nicht seltener ver¬ 
mindert gefunden wird. 

Ergibt sich somit die Unzulänglichkeit der bisherigen Vor¬ 
stellungen, muss man sich wundern, dass in neuerer Zeit diese 
Verhältnisse trotz zunehmender Erkenntnis von der Häufigkeit des 
verminderten Fremitus bei voll entwickelter Lungenentzündung 
nur wenig studiert und nicht gefördert worden sind 6 ). Um so 
mehr, als zur Klärung der hier in Rede stehenden Frage nirgends 
von derjenigen Komplikation der Pneumonie gesprochen wird, 
die als die bei weitem häufigste auch durchaus geeignet erscheint, 
auf das Verhalten des Stimmfremitus einiges Licht zu werfen, 
nämlich dem pleuritischen Exsudat. 

1) Jürgensen, Kruppöse Pneumonie in Ziemssens Handbaeh. 1877. 

2) Aufreoht, Notnagel’s Handb., Kapitel Lungenentzündung. 

8) Gerhardt, Lehrb. d. Auskultation u. Perkussion, 1876. 

4) Jürgens, Realenzyklopädie der gesamten Heilkunde, 1910, Ka¬ 
pitel Lungenentzündung. 

5) Grisolle, Traite de la pnenmonie, 2. Edit., Paris .1864. 

6) Aus der neueren Literatur sind zu erwähnen: Arneth, M.m.W., 
1906, Nr. 17 u. 18. — Wolter, D.m.W., 1908, Nr. 39. — Hochhaus, 
Ueber den Pektoralfremitus. D. Arch. f. klin. M., 1911, Bd. 101. 


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8. September 1919. 


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Die schon längst gesicherte Erfahrung von dem konstanten 
Bestehen einer trockenen Pleuritis bei jeder Pneumonie, „sobald 
der Entzündungsherd bis an die Longenoberfläche heranreicht“ 
[F. Bl611er 1 )], ist [ungefähr seit A. Fränkel 2 3 )] dahin erweitert 
worden, dass unter derselben, eben genannten Voraussetzung sich 
bei der Lungenentzündung stets ein pleuritisches Exsudat „in 
einer Dicke von etwas 1— 2 cm“ vorfindet, das sich zumeist re¬ 
sorbiert. Allenthalben durch Probepunktionen bestätigt, ist dieser 
Befund jedoch merkwtirdigenweise niemals für die physikalische 
Diagnostik, speziell bezüglich des Zustandekommens eines ver¬ 
minderten Stimmfremitus, ursächlich in Beziehung gebracht 
worden. 

Unbefriedigt von den hierfär oben angeführten, mit den tat¬ 
sächlichen klinischen und autoptischen Befunden oft genug nicht 
in Einklang zu bringenden Erklärungen, ist der Verf. der Frage 
nach der Entstehung des auch im hiesigen Material überragend 
häufig konstatieren, abgeschwächten Pektoralfremitus während 
der Höhe der Pneumonie nacbgegangen. Zu diesem Zwecke ist 
im Zeitraum der letzten 4—5 Jahre bei den meisten genuinen 
Pneumonien der inneren Abteilung durch genaue Festlegung der 
physikalisch-diagnostischen Erscheinungen, speziell also des Stimm¬ 
fremitus einerseits, der sofort angeschlossenen Probepunktionen 
der Pleura andererseits untersucht worden, welche Beziehungen 
und Abhängigkeiten zwischen dem Verhalten des Pektoralfremitus 
und dem pleuritischen Exsudat bestanden haben. 

Zur Vermeidung von Missverständnissen kurz folgendes: die kom¬ 
plizierten, für die zur Diskussion gestellte Frage einschlägigen ana¬ 
tomischen und klinisch-pbysikalisohen Verhältnisse Hessen es zur Er¬ 
langung eindeutiger Resultate nötig erscheinen, sieh in der Wahl der 
Fälle Beschränkungen aufzuerlegen; es sind daher nur echte genuine 
fibrinöse Pneumonien für die Betrachtung herangezogen worden — die 
hier mitgeteilten Ergebnisse sind vor der Influenzapneumonie- Epidemie 
des vorigen Jahres abgeschlossen; fernerhin war es behufs ständigen 
Vergleichs mit der gesunden Seite erforderlich, doppelseitige Infiltrationen 
auszuschHessen; wie ja überhaupt Wert darauf gelegt wurde,' nur klar 
zutage liegende und gut zu übersehende Befunde zu registrieren. Daher 
sind auch die allermeisten Fälle von verschiedenen Aerzten gleichzeitig 
untersucht und nur übereinstimmende Urteile angegeben worden; dies 
erschien um so notwendiger, als bei der Feststellung des Stimmfremitus 
nioht allzu selten, besonders bei weibliohen Patientinnen die Ansiehten 
auseinander gingen. Bei der Prüfung der Stärke des Pektoralfremitus 
wurde stets und mit gutem Erfolge auch die Methode naeh Wintrich*) 
mit aufgestelltem lateralen Handrand und zwar immer nach mehrfachen 
tiefen Atemzügen oder nach kräftigen Hustenstössen, in sitzender Hal¬ 
tung des Patienten angewendet [Rosenbach 4 )]; auch wurde die schon 
von Traube 5 ) betonte Möglichkeit des plötzlichen Versohwindens des 
Pektoralfremitus bei länger dauernder Untersuchung (Kollaps der Lunge?) 
im Auge behalten. 

Da fernerhin selbstverständlich für unsere Betrachtung das meta- 
und postpneumonische Exsudat, von den Autoren sonst als „eohte Pleu¬ 
ritis“ bezeichnet, mit seinen mannigfaltigen Uebergängen zum Empyem 
völlig ausschied, ausserdem kein Grund vorlag, die im Stadium der An¬ 
schoppung wie der beginnenden weiteren Lösung sowie der atypischen 
Ausgänge (chronische Pneumonie usw.) völlig andersartigen physi¬ 
kalisch-diagnostischen Bedingungen zu einem (meist auch nioht nach¬ 
weisbaren) Exsudat in Beziehung zu setzen, sind nur auf der Höhe der 
Pneumonie befindliche Kranke, d. h. frühestens vom 2. bis spätestens 
zum 7. Krankheitstage der Betrachtung zugrunde gelegt und die Probe¬ 
punktionen unmittelbar nach der übrigen klinischen Untersuchung aus¬ 
geführt und registriert worden. Damit ist natürlich nioht eine Konstanz 
dieser Symptome während der ganzen Krankheitszeit behauptet und 
nioht in Abrede gestellt, dass bei ein und demselben Fall einen oder 
mehrere Tage später andere diagnostische Befunde erhoben worden 
wären: hier konnte es indessen nur darauf ankommen, das Verhalten 
von Dämpfung, Stimmfremitus, Atemgeräusoh und Pleuraexsudat an einem 
Krankheitstage bei voll entwickelter Hepatisation einheitlich festzulegen 
und die Resultate zu vergleichen. Abgesehen von diesen Bedingungen 
hat im übrigen keine weitere Auswahl der reinen Fälle von genuiner 
Pneumonie stattgefunden, so dass zusammenfassend über 300 Lungen¬ 
entzündungen berichtet werden kann, die sioh annähernd zu gleichen 
Teilen auf Frauen und Männer aller Altersklassen, darunter wenige 
Kinder, verteilen. 


1) F. Müller, Krankheiten der Atmungsorgane im Lehrb. von 
Mering-Krehl. 

2) A. Fränkel, Spezielle Pathologie und Therapie der Lungen¬ 
krankheiten, 1904. 

3) W i n t r i ch, Krankheiten der Respirationsorgane. Virchow’s Handb., 
1854, Bd. 5. 

4) 0. Rosenbach, Realenzyklopädie der gesamten Heilkunde, 
Kapitel Brustfellentzündung. 

5) Traube, Zur Lehre vom pleuritisoben Exsudat. B.kl.W., 1872, 
Nr. 7. 


In. den allermeisten Fällen ergab die Punktion wenigstens 
einige Tropfen seröser oder leicht getrübter (auch blutiger) 
Flüssigkeit als Zeichen der Ausschwitzung der entzündeten Pleura; 
es wurde das Vorhandensein eines Exsudates jedoch, 
das in der Tabelle als solches registriert und zu dem 
Stimmfremitus usw. in Beziehung gebracht werden 
konnte, erst gefolgert, wenn die Probepunktion an ein- 
und derselben Stelle mindestens 6 ccm und höchstens 
20—25 ccm (Ausschluss grösserer Exsudate) zutage 
förderte. 

Punktiert wurde nur ein- oder zweimal, zunäohst an der Stelle der 
deutlichsten Infiltration (Bronohialatmen, Dämpfung), im allgemeinen in 
der mittleren, hinteren oder vorderen Axillarlinie bei stark schräg ge¬ 
richtetem Oberkörper, bei Oberlappenpneumonien über der tiefsten Stelle 
der nachweisbaren Verdichtung, bei negativen Resultaten noch tiefer. 
Für die Technik ist wichtig, hervorzuheben, dass stets mit angezogenem 
Spritzenstempel (einer 5—10 com fassenden Rekordspritze) langsam ein- 
geatorhen wurde. Immer wieder zeigte sich, dass nur in einer be¬ 
stimmten Tiefe und Dichte das wie ein Mantel um die Lunge liegende 
Exsudat in die Spritze strömte; auftretender Hustenreiz, event. blutige 
Flüssigkeit bewies den Sitz der Nadelspitze in der Pleura visceralis oder 
in der Lunge; beim Zurückziohen der Spritze mit angezogenem Stempel 
gelangte dann sehr häufig Flüssigkeit hinein. Die tatsächlich bei den 
Exsudaten bestehende Dichte der Flüssigkeitsschioht wird an den ein¬ 
zelnen Stellen entsprechend der Lokalisation der Ergüsse etwas diffe¬ 
rieren, im ganzen aber, nach theoretischen Ueberlegungen und praktischen 
Punktionsergebnissen, recht gering sein; sie dürfte im Mittel 1 cm nicht 
überschreiten. Das Exsudat selbst war stets mehr oder weniger getrübt, 
serös, niemals eitrig. 

Die Menge des in der Pleura überhaupt befindlichen Exsudates 
lässt sioh nach den auf diese Weise ermittelten Probcpunktionen nur 
annähernd berechnen. Bei 51 Sektionen unter den 300 Fällen — die 
tatsächliche Mortalität betrug 54 = 18 pCt. — fanden sioh 4mal we¬ 
niger als 5 ccm, 12mal Mengen bis zu 100 ccm, 25mal bis zu 150 com, 
4mal bis zu 250 ccm, 6 mal darüber. Da der klinische Punktionstermin 
und der Todestag fast stets kürzere oder längere Zeit auseinanderlagen, 
lassen sioh die Ergebnisse nioht ohne weiteres in Parallele zur Klinik 
setzen, ganz abgesehen davon, dass bei den serösen Höhlen bestimmte 
Einflüsse eine Rolle spielen, so dass sowohl die geringen Mengen unter 
5 com (Resorption) wie solche über 250 ccm (postmortale Abschilferung 
der Bpithelien) ihre Erklärung ungezwungen finden. Immerhin ergab 
sioh bei den Fällen, wo die Sektion mit dem Tag der Punktion zu¬ 
sammenfiel, stets bemerkenswerte Uebereinstimmung, niemals fand sioh 
bei der Probepunktion an einem bestimmten Orte auch nur annähernd 
soviel Flüssigkeit wie bei der Obduktion, ein Beweis, dass in vivo der 
Erguss entsprechend den physikalischen Verhältnissen nioht ausschliess¬ 
lich den Gesetzen der Schwere naoh an der tiefsten Stelle sioh an¬ 
sammelt, sondern vielmehr in mehr oder weniger gleiobmässiger, dünner, 
schräg aufsteigender Schicht um die Lunge gelagert ist. Nach diesen 
Untersuchungen kann mit allem Vorbehalt approximativ die Menge des 
überhaupt in der Pleura befindlichen Exsudates berechnet werden, wenn 
man die bei den unter den oben genannten Bedingungen ausgefübrten 
Punktionen an einer Stelle erhaltene Flüssigkeitsmenge mit 10 multi- 
pHziert. 

Im ganzen lässt sich daher ungefähr soviel zurzeit sagen, 
dass es sich bei den hier allein interessierenden Exsudaten auf 
der Höhe der Pneumonie, die sich allermeist resorbieren, nnr 
selten sn meta- und postpneumonischen Exsudaten und Empyemen 
führen, nm tatsächliche Gesamtmengen von mindestens 50 ccm 
bis 250 ccm handelt; diese Angaben würden den bei der Punktion 
gewonnenen Zahlen entsprechen. Interessant ist dabei, dass der¬ 
artige Exsudate röntgenologisch nicht nachweisbar zu sein brauchen; 
wie ja auch bei andersartigen krankhaften Prozessen ohne Lungen¬ 
beteiligung, z. B. dem subphrenischen Abszess, pleuritische Ergüsse 
bis zu einer gewissen Menge vorhanden sein können, ohne radio¬ 
logisch erkennbar zu sein. Wichtig ist diese Feststellung für den 
hier behandelten Gegenstand, weil aus dieser Tatsache wiederum 
die gleichmässige Lagerung kleiner Ergüsse des Pleuraraums in 
dünner Schicht hervorgeht. 

Wie häufig sind nun diese Exsudatmengen während 
der Akme der pneumonischen Infiltration und in welchen 
Beziehungen stehen sie zu den physikalisch-diagnosti¬ 
schen Symptomen der Lungenentzündung, speziell zu 
dem in diesem Stadium so häufig beobachteten ab- 
gesohwächten Pektoralfremitus? 

Die das Material zusammenfassende Tabelle, naoh topisohen Gesichts¬ 
punkten einerseits (Rubrik 1—7), naoh den zwischen Stimmfremitus und 
Exsudat unter Berücksichtigung des jeweiligen Atemgeräusches möglichen 
Abhängigkeiten andererseits (Rubrik I—IV) gruppiert, versucht darauf 
Antwort zu geben. Die Perkussion ist als belanglos für die Betrachtung 
der hier aufgeworfenen Frage unberücksichtigt geblieben, da sich keine 
deutHoh greifbare und konstante Beziehung zum Exsudat herausgestellt 
hat; erfahrungsgemäss verursachen ja auch erst Mengen von 800—400 com 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


Flüssigkeit eine deutliche Dämpfung (0. Rosenbaeb), die sich sn der 
duroh die Infiltration der Lunge bedingten Sohallabsohwäohung hinzu- 
addiert. Auf die genauen Angaben der Flüssigkeitsmengen im Einsei* 
fall wurde nach den oben gegebenen Erläuterungen versiebtet. Es ist 
eigentlich selbstverständlich, dass der Fremitus wie das Atemgeräusoh 
nur direkt an der Stelle des entsündeten Lungenabschnittes geprüft 
wurde; da aus dem 'Verhalten des Atemgeräusohes wichtige Folgerungen 
auch für unsere Fragestellung gesogen werden, sei ausdrücklich betont, 
dass hier ein infolge von Atelektase oder Kompression der Lunge duroh 
das Exsudat bedingtes Bronohialatmen gar nicht in Betracht kommen 
kann. Die feineren Klanguntersohiede bei abgeschwäohtem Atmen sind 
als unwesentlich ebenso wenig berücksichtigt wie genauere Nuancierungen 
in den Differensen des Fektoralfremitus. Gans überwiegend fand sich 
der Stimmfremitus mehr oder weniger abgesohwächt, entsprechend der 
geringen Flüssigkeitssohioht, nur gans vereinselt völlig aufgehoben. Die 
mit den Ergebnissen der gewöhnlichen Atemgeräusobprüfung sich 
deckenden Resultate der Bronohophonie sind unerwähnt geblieben. 



I. 

II. 

III. 

IV. 



Stimmfremitus 

Stimmfremitus 

Stimmfremitus 

Stimmfremitus 



verstärkt. Ex- 

verstärkt, Ex- 

abgeschwäoht. 

abgesehwäoht, 



sud.nichtvorh 

sud.vorhandeo 

Exsud. n. vorh. 

Exsud. 

vorh. 


Sitz der 

Pneumonie im 

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1. Unterlappen . 

31 

3 

0 

0 

11 

4 

104 

11 

164 

2. Oberlappen . 

29 

6 

0 

0 

4 

2 

8 

2 

51 

8. Mittellappen. 
4. Ober- und 

2 

0 

0 

0 

1 

1 

4 

1 

9 

Uoterlappen . 
5. Ober- und 

3 

0 

0 

0 

1 

0 

4 

0 

8 

Mittellappen . 
6. Mittel- und 

5 

2 

0 

0 

2 

0 

2 

1 

12 

Unterlappen . 
7. Ober-, Mittel- 

4 

1 

0 

0 

2 

0 

10 

2 

19 

u. Unterlappeo 

7 

1 

6 

2 

4 

_3_ 

10 

_ 4_ 

J*7 

Summa 

81 

13 

6 

2 

25 

10 | 

142 

21 

300 


Schulfälle von genuiner Pneumonie gibt die Rubrik Ia mit 
ausgesprochenem Bronchialatmen, verstärktem Fremitus 
und fehlendem Exsudat; diesen Symptomenkomplex weist 
aber nur etwas mehr als der vierte Teil der gesamten Fälle auf, 
darunter relativ häufig Entiündungen des Oberlappens (fast 3 /s 
aller Oberlappeninfiltrationen; man vergleiche damit die typischen 
Unterlappenpneumonien, von denen weniger als % dasselbe Ver¬ 
halten seigen). Dass gerade bei den HepatiBationen des Ober¬ 
lappens bei sonst gleichen Symptomen relativ am häufigsten 
(Rubrik Ib2) Bronchialatmen vermisst wird, bestätigt alte ärzt- 
liehe Erfahrungen. Die Erklärung für die Bevorzugung des 
typischen Befundes bei Oberlappenpneumonien wird man darin 
suchen müssen, dass es sich gerade hier um sehr massige Infil¬ 
trationen handelt; ausserdem aber ist es klar, dass ein gleich¬ 
seitig bestehender pleuritischer Erguss sich über dem überlappen, 
wenn er nicht gerade abgekapselt ist, nicht halten, sondern nur 
in den seitlichen und tieferen Partien punktiert werden kann; so 
dokumentieren gerade die selteneren Befunde von Exsudat bei 
Oberlappenpneumonien die Abhängigkeit des hier verstärkt ge¬ 
fundenen Pektoralfremitus vom pleuritischen Exsudat. Nicht ver¬ 
nehmbares oder abgeschwächtes Broncbialatmen bei verstärktem 
Stimmzittern (Rubrik 1b) ist durch unvollkommene Hepatisationen 
zu deuten, ein Verhalten, das auch gerade bei Beteiligung der 
Oberlappen, zumal infolge der eigenartigen physikalischen und 
örtlichen Beziehungen von Lunge zur Brust- bzw. Rückenwand eher 
zustande kommen kann 1 ). 

Das Gegenstück zu diesen Befunden bildet der abge- 
sehwächte Stimmfremitus und positives Pleuraexsudat 

1) Oberlappenpneumonien weisen bekanntlich nicht allzu selten 
verschiedenes Verhalten sämtlicher physikalischen Symptome (am häu¬ 
figsten bezüglich des Atemgeräusches) bei der Untersuchung der Brust- 
und Rückenwand auf, was auch für die hier diskutierten und mit¬ 
geteilten Befunde von Bedeutung ist. Da die klinischen Syndrome der 
Entzündungen des Oberlapptns jedoch die Ergebnisse obiger Prüfungen 
sohon rein zablenmässig nioht entscheidend beeinflussen, sei hier des 
näheren auf Einzelheiten nicht eingegangen und nur bemerkt, dass 
grundsätzlich diejenigen Untersuohungsergebnisse registriert worden sind, 
die den Orten der intensivsten pathologischen und klinisch nachweis¬ 
baren Infiltrationen entspreohen.7 


(Rubrik 2): nicht weniger als über die Hälfte sämtlicher 
800 Fälle gehört hierher! Und zwar werden von diesem über¬ 
wiegenden Verhalten sämtliche Lokalisationen der Entzündung 
betroffen bis auf die Pneumonie des Oberlappens (Rubrik 2) und 
solche des Mittel- und Oberlappens, dessen Hepatisation ana¬ 
tomisch wie klinisch entscheidet (Rubrik 5), wobei der zuerst 
geschilderte Symptomenkomplex (Rubrik 1) aus den angegebenen 
Gründen vorherrscht. Besonders häufig findet sich verminderter 
Pektoralfremitus und pleuritisches Exsudat gleichseitig bei den 
Infiltrationen des Unterlappens (Rubrik IV, 1) — nahezu % aller 
Unterlappenlungenentzündungen — wie überhaupt bei jeglicher 
Beteiligung des Unterlappens, auch bei Ergriffensein mehrerer 
Lungenabschnitte (Rubriken 4, 6 und 7) diese Kombination 
(Rubrik IV) jegliche andere (Rubriken I—111) überragt. Eine 
gewisse Rolle mag dabei der Umstand spielen, dass a priori für 
die Punktion und den Nachweis eines Ergusses gerade bei 
Unterlappenpneumonien infolge des nach physikalischen 
Gesetzen sich im Pleuraraum einstellenden Exsudates, gegen¬ 
über anderen Lokalisationen der Entzündung und Aus¬ 
schwitzung (besonders im Oberlappen), technisch die gün¬ 
stigsten Vorbedingungen gegeben sind. Daraus folgt aber 
um so eher, dass bei den übrigen Lappenhepatisationen 
Pleuraergüsse im obigen Sinne tatsächlich noch häufiger 
Vorkommen als sie in vivo nachweisbar sind. 

Kein Zweifel demnach, dass auf der Höhe pneumo¬ 
nischer Verdichtung (immer abgesehen vom Oberlappen) 
der Stimmfremitus nicht verstärkt, sondern abgeschwächt 
gefunden wird. Somit besteht keine Berechtigung, ein 
anderes als dieses Verhalten in jenem Stadium als „typisch“ 
zu bezeichnen. Ein daraus abzuleitender ursächlicher Zu¬ 
sammenhang zwischen dem Zustandekommen und Abhängig¬ 
sein des verminderten Pektoralfremitus von einem nach¬ 
weisbaren pleuritischen Exsudat ist um so weniger abzu¬ 
lehnen, als insgesamt das Verhältnis von Lungenentzündungen 
mit Erguss (Rubriken II und IV) sich zu denjenigen ohne 
begleitende Pleuritis exsudativa (Rubriken I und 111) wie 
171 zu 129 darstellt. 

Man könnte versucht sein, einen Einwand zu machen: 
die gefolgerte Abhängigkeit des abgeschwächften Stimm¬ 
fremitus vom Flüssigkeitserguss bestünde nicht zu Recht, da 
ja zumeist, wie auch in unserem Material überwiegend (Rubrik IVa), 
trotzdem lautes Broncbialatmen statt fehlendem oder abgeschwächtem 
Atemgeräusch über dem entzündeten Lungenabschnitt konstatiert 
würde. Aber abgesehen davon, dass, wie z. B. Rosenbach angibt, 
selbst bei grossen Pleuraergüssen zuweilen aus hier nicht zu er¬ 
örternden Gründen lautes Broncbialatmen angetrbffen wird, ist 
dieses so häufige und geradezu typische Verhalten nur geeignet, zu 
bestätigen, dass es sich in dem Gros der Fälle um geringe Flüssig¬ 
keitsmengen bis höchstens J / 4 Liter handelt, deren Lagerung und 
geringe Dichte um den entzündlichen und infiltrierten Lappen 
zwar das Bronchialatmen der stark verdichteten Lunge deutlich 
hörbar, nicht aber ein durch dieselbe Infiltration ursprünglich 
verstärktes Stimmzittern zur Thoraxwand durchleiten und fühlbar 
werden lässt. 

Wenn dem aber so ist, bilden die hier zahlreich erhobenen 
Befunde kein Hindernis für die vorgetragene Anschauung; sie 
sind im Gegenteil durchaus geeignet, klar vor Augen zu führen, 
wie in diesen Fällen lediglich das vorhandene pleuritische Ex¬ 
sudat für die Abscbwächung des Stimmfremitus verantwortlich 
zu machen ist, da bei dem bestehenden Bronchialatmen eine 
Sekretanfüllung der Bronchialäste ursächlich nicht in Betracht 
kommen kann. An eine Kombination von Verstopfung der Bron¬ 
chien mit pleuralem Flüssigkeitserguss — also zwei Ursachen 
für den verminderten Pektoralfremitus — könnte man theoretisch 
denken bei den viel selteneren Fällen, die dabei fehlendes oder 
abgeschwächtes Bronchialatmen aufweisen (Rubrik IVb); viel 
wahrscheinlicher dürfte aber auch hier meistenteils das Exsudat 
ätiologisch von ausschlaggebender Bedeutung sein. 

Stellt wirklich das pleuritische Exsudat einen ausschlag¬ 
gebenden Faktor für das Verhalten des Stimmfremitus bei der 
genuinen Pneumonie dar, dürfte ein solches bei nachweisbar 
verstärktem Pektoralfremitus als leitungshemmendes Medium nicht 
in die Erscheinung treten. Diese logische Folgerung wird durch 
unser Material auf das glänzendste gestützt (Rubrik II) und damit 
umgekehrt der Beweis für die überragende Bedeutung erbracht, 
die dem Flüssigkeitserguss mit bestimmter Dichte in erster Linie 
für ein vermindertes Stimmzittern zukommt. Es ist sicher kein 
Zufall, wenn hier_ nur bei [Infiltrationen einer ganzen Lunge 


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8. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


849 


(Rubrik II, 7) bei gleichzeitig vorhandenem verstärkten Fremitas 
Exsudat nachweisbar gewesen ist (im ganzen 8 Fälle). Es liegen 
dann die Dinge offenbar so, dass die voluminöse Entzündung 
xwar sowohl zu einem in den unteren und seitlichen Partien sich 
ansammelnden und durch Punktion erkennbaren Flüssigkeits¬ 
erguss führte, der trotzdem die Fortleitung der von allen in¬ 
filtrierten Lungenlappen in verstärktem Maasse herrührenden 
Stimmvibriation nicht verhindert 1 ). 

Dass der abgeschwächte Pektoralfremitus nicht etwa in 
jedem Fall von vollentwickelterr Pneumonie durch pleuritisches 
Exsudat als einer conditio sine qua non verursacht ist, geht auch 
aus unserer Zusammenstellung deutlich hervor (Rubrik III). Bei 
den dort über die verschiedene Lungenlappenbeteiligung ver¬ 
teilten 35 Fällen mit vermindertem Stimmfremitus und negativem 
Punktionsergebnis ist die Deutung mit grosser Wahrscheinlichkeit 
dahingehend, dass bei ausgesprochenem Bronchialatmen (25 Fälle 
— Rubrik lila) die Ursache für das nicht oder abgeschwächt 
bemerkbare Stimmzittern in einer sehr kompakten, nicht mit¬ 
schwingenden Infiltration, dagegen bei fehlendem oder auch ab- 
geschwächtem Bronchialatmen (IO Fälle — Rubrik IIIb) in einer 
Verlegung der grösseren oder auch kleineren Luftröhrenäste durch 
Sekret mit Recht zu suchen ist. Es ist sehr wohl denkbar, dass 
auch hier und da schwer auffindbare (abgekapselte?) Exsudate 
Vorgelegen haben, die dem Nachweis entgangen sind, wie umge¬ 
kehrt die Möglichkeit gegeben ist, dass auch sonst ab und zu 
jene Erscheinungen der verstopften Bronchien oder kompakten 
Infiltrationen mitbestimmend gewesen sind für das Zustande¬ 
kommen des abgeschwächten Fremitus bei gewissen Lungen¬ 
entzündungen, wo bereits ein Exsudat besteht. Man sieht hier 
den Weg zu allerhand sich ergänzenden Kombinationen. Neuere 
Anschauungen bestätigend und beachtenswert ist es, wenn auch 
hier in nur ganz geringem Umfange eine Verlegung der Bron¬ 
chien gefolgert werden konnte (10 Fälle — Rubrik 111b). 

Es soll nicht verkannt werden, dass die bei näherem Zu¬ 
sehen sich von selbst aufdrängende Fülle von Fragen über die 
von Haus aus kompliziert liegenden physikalisch-diagnostischen 
Verhältnisse sich im Einzelfall zu einem sich oft entwirrbaren 
Knäuel verdichtet. In voller Erkenntnis dieser Schwierigkeiten 
sei überdies betont, dass der Verfasser manches aus näher oder 
entfernter liegenden Gebieten beiseite lassen musste 2 ), anderes nur 
flüchtig streifen konnte und sich der Unzulänglichkeit einer 
starren, zahlen- und tabellenmässigen Verarbeitung und Bewertung 
durchaus bewusst gewessn ist, zumal da aus dem ewigen Wechsel 
des klinisch-pathologischen Bildes ein im einzelnen mehr durch 
äussere Umstände gewähltes Moment willkürlich, wenn auch 
innerhalb eines bestimmten Stadiums, herausgegriffen und fest¬ 
gelegt worden ist. 

Indessen: mag auch dem einen oder anderen der hier ge¬ 
prüften Fälle eine andere Deutung zukommen und sich eine so 
scharfe Trennung, wie sie in der obigen Gruppierung und den 
daraus gefolgerten Theorien notgedrungen vorgenommen werden 
musste, nicht immer und bis in ihre letzten Konsequenzen durch¬ 
führen lassen, vielmehr häufiger Kombinationen der pathologi¬ 
schen, von Tag zu Tag in ihren Erscheinungen wechselnden Vor¬ 
gänge, beteiligt sein: soviel dürfte als gesicherte Erkenntnis 
aus der Untersuchung des ansehnlichen Materials hervorgehen: 
die ursächliche Entstehung des auf der Höhe der Hepati¬ 
sation bei ausgesprochenen genuinen Pneumonien ge¬ 
wöhnlich gefundenen abgeschwächten Pektorafremitus 
kann nur in einer Minorität der Fälle in den bisher 
dafür gegebenen Erklärungsversuchen (verstopfte Bron¬ 
chien — voluminöse Infiltrationen mit verminderter 
Schwingungsfähigkeit) gesucht werden; er ist vielmehr 
allermeist bedingt durch ein während der Akme des 
pneumonischen Prozesses regelmässig vorhandenes und 
sehr häufig in geringer Menge nachweisbares p'leuri- 
tisches Exsudat von bestimmter Dichte. 

Zusammenfassung. 

1. Es wurden 300 Fälle von einseitiger genuiner Lungen¬ 
entzündung der verschiedensten Lokalisationen und Kombinationen 
während der Höhe der pneumonischen Infiltration zwischen dem 


1) Hoohhaus (1. o.), der angibt, trotz Vorhandenseins einer l 1 /* cm 
dicken Flüssigkeitsschioht verstärkten Stimmfremitus gefunden zu haben. 

2) Man denke nur an sonstige, den Pektoralfremitus entscheidend 
beeinflussende Faktoren, wie pleuritische Adhäsionen, Schrumpfungen, 
Veränderungen der Brustwand und der Wirbelsäule usw. 


3. und 7. Krankheitstag auf das Verhalten des Atemgeräusches 
und des Stimmfremitus genau untersucht; der Prüfung wurden 
unmittelbar Probepunktionen der Pleura an der Stelle des ent¬ 
zündeten Lungenabschnittes angeschlossen und für die diagnosti¬ 
schen Beziehungen von Erguss zum Stimmzittern das Bestehen 
einer echten.Pleuritis exsudativa angenommen, wenn diese Punktion 
an ein und derselben Stelle mindestens 5 ccm und höchstens 20 bis 
25 ccm Flüssigkeit ergab. Diese in vivo gefundenen Mengen 
entsprechen nach den Sektionsbefunden ungefähr den zehnfachen 
tatsächlich vorhandenen. 

2. Ein solches Exsudat fand sich in 57 pCt. der Fälle. Stets 
wurden bei der Punktion wenigstens einige Tropfen Flüssigkeit 
nacbgewiesen. Ein abgeschwächter Pektoralfremitus wurde in 
60 pCt. der Fälle konstatiert. 

3. Daraus, sowie aus der Tatsache,' dass in 54,3 pCt. der 
Fälle der Symptomenkomplex des verminderten Stimmfremitus 
zusammen mit pleuritischem Exsudat vorhanden war, wird be¬ 
wiesen, dass für die ursächliche Entstehung des abgeschwächten 
Pektoralfremitus dem stets bei der Pneumonie zu findenden Brust¬ 
fellerguss eine entscheidende Rolle zukommt, wenn dieser, wie 
hier, m einer aus den gewählten Untersuchungsbedingungen ab¬ 
zuleitenden bestimmten Dichte der Lunge angelagert ist. 

4. Diese Folgerung ergibt sich um so swingender, als bei 
dem eben genannten Symptomenkomplex überwiegend häufig 
Bronchialatmen zu hören ist als Beweis, dass nur das Exsudat 
als Ursache des verminderten Stimmfremitus in Frage kommt. 

5. Ein Exsudat im obigen Sinne bei verstärktem Pektoral¬ 
fremitus wurde ausschliesslich bei ganz massiven Infiltrationen 
einer ganzen Lunge gefunden (in 2,7 pCt. der Gesamtfälle). 

6. Eine Beeinflussung des Stimmfremitus im Sinne der Ab- 
scbwäcbung bei der Pneumonie durch die bislang ausschliesslich 
dafür angenommenen pathologischen Vorgänge (Verstopfung der 
Bronchien, verminderte Schwingungsfähigkeit der voluminös in¬ 
filtrierten Lunge) konnte im hiesigen Material nur in 11,7 pCt. 
der Fälle nachgewiesen werden. 


Aus der Tuberkuloseabteilung des Kriegsspitals III, 
Wien-Baumgarten (Kommandant: Oberstabsarzt 

■ - ■ • - . - - Dr.* -Steinhaus). • ••- ♦ ~ * 

lieber die Behandlung der Lungentuberkulose 
mit Tubereulomucin Weleminsky. 

Von 

Dr. Ida Friedmana. 

Im Jahre 1912 erschien in der B.kl.W. ein Bericht vom Do¬ 
zenten Weleminsky über ein neues Tuberkulin, das er unter 
eigenartigen Bedingungen gewonnen hatte. 

Er verwendete Kolben mit nach unten gebogenem Glasrohr, so dass 
die Kultur jahrelang im Brutschrank stehen konnte, ohne auszutrocknen 
und ohne an Volumen zu verlieren. Es zeigte sich, dass nach Bildung 
von 12—16 frischen Generationen auf demselben Nährboden, also nach 
Ablauf eines Jahres, das Bouillonfiltrat mancher Tuberkelbazillenstämme 
gewisse Heilwirkung auf tuberkulöse Meerschweinchen zeigte. Naoh 
weiterer mehrjähriger Züchtung unter fortwährender Auslese trat eine 
derartige Vermehrung der therapeutischen Substanzen ein, dass tuber¬ 
kulöse Meerschweinchen nicht nur länger am Leben blieben als die 
Kontrolliere, sondern auch geheilt werden konnten. Zugleich traten in 
der Nährflüssigkeit neue ohemisohe Stoffe auf. Zuerst ein den Nukleo- 
albuminen nahestehender Körper, später koagulables Albumin und in 
immer steigender Menge eohtes Muoin, wahrscheinlich der Träger der 
therapeutischen Wirkung; denn dieselben Heilresultate konnten mit dem 
isolierten Mucin erzielt werden. 

Das Tubereulomucin, das nichts anderes ist als das mit 1 proz. 
Karbolsäure versetzte Bouillonfiltrat der duroh 8 Jahre hinaufgezüchteten 
Tuberkelbazillen, wurde dann bei spontan erkrankten Stalikühen ver¬ 
wendet. Solche tuberkulös erkrankten Kühe gehen sicher in kurzer Zeit 
ein, wenn sie ab magern und husten. Bei Verwendung von Tuberoulo- 
mnoin nahmen solche Kühe an Gewicht zu und hörten zu husten auf. 
Naoh der Sohlachtung fanden sioh ansgeheijte Herde in den Lungen. 
Später wurde' Tubereulomuoin auch bei menlohlioher Tuberkulose an¬ 
gewendet, und die ersten Versuohe zeigten schon die volle Wirksamkeit 
bei relativer Gefahrlosigkeit des Präparates. 

Nachdem Weleminsky ermittelte, dass das Optimum der Anfangs- 
dosen zwischen 2 und 4 mg liege, dass sohon die ersten Dosen von 
therapeutischer Wirkung seien, dass die Injektionen von typischen Stich-, 
Allgemein- und Herdreaktionen begleitet seien, dass die Lokalreaktion 
einen diagnostisch-prognostischen Wert habe, überliess er das Präparat 
Aerzten zu weiterer Verwendung. 

8 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 36. 


ln den nachfolgenden Jahren wurde das Tuberculomucin an 
verschiedenen Anstalten zur Anwendung gebracht, und die Lite¬ 
ratur umfasst viele hunderte Beobachtungsfälle. 

Ganz übereinstimmend wird die merkwürdige, weil so über¬ 
raschend schnelle, schon nach den ersten Injektionen einsetsende 
Beeinflussung der subjektiven Beschwerden, des Fiebers und des 
Gewichtes hervorgehoben. Gleichzeitig fällt aber die Verschieden¬ 
heit der Dosierung auf. Während die Hinimaldosis zwischen */s 
und 5 mg schwankt, wird die Maximaldosis vielfach mit 10—12 mg 
angegeben. Man findet jedoch auch Angaben mit einer Steigerung 
auf 100, ja bis auf 200 mg. Naturgemäss muss das Misstrauen, 
das man jedem neuen spezifischen Präparat entgegenbringt, 
durch eine anscheinende Unsicherheit der Dosierung noch ver¬ 
mehrt werden. 

An einer grösseren Tuberkulosestation befindet sich immer 
eine Anzahl von Patienten, bei denen aus besonderen Gründen 
keine spezifische Therapie eingeleitet wurde. Bei diesen wurde 
versuchsweise das der Abteilung in entgegenkommender Weise 
vom Dozenten Weleminsky zur Verfügung gestellte Tuberculo- 
mucin in Verwendung gebracht. 

Es wird wohl jeder, der Tuberculomucin zum ersten Male 
verwendet hat, ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Mit einem 
gewissen,'in der Medizin so wertvollen und notwendigen Skepti¬ 
zismus genügend ausgerüstet, versucht man das neue Präparat 
zuerst bei Patienten, bei denen man zwar noch nicht jede Hoff¬ 
nung aufgegeben hat, jedoch von einer spezifischen Therapie 
nicht mehr sehr viel erhofft. Um ko überraschender ist die 
Wirkung. Denn schon nach den ersten Injektionen waren die 
Resultate derart ermutigend, dass bald eine grössere Anzahl von 
Patienten mit Tuberculomucin behandelt wurde. Als dann weiter 
immer grössere Kreise von Patienten mit den verschiedensten Er¬ 
krankungsgraden sur Behandlung kamen, waren die Resultate 
naturgemäss nicht immer so augenfällig. Bei Leichterkrankten 
sind ja auch die Krankheitssymptome und subjektiven Beschwerden 
weuiger ausgeprägt, deshalb kann auch die Besserung nicht so 
sehr ins Auge springen. Dazu kommt noch, dass bei Anwendung 
eines neuen therapeutischen Mittels nicht die gleiche Sorgfalt bei 
der Auswahl der Fälle angewendet werden kann, wie bei einer 
wohlbekannten und langgeübten Behandlungsmethode. Auch lässt 
man sich zuweilen verleiten, Patienten zu behandeln, bei denen 
jede Behandlung zu spät, also auch überflüssig ist. Wenn also 
das Tuberculomucin in einer Reihe von Fällen nicht immer den 
schon hochgestellten Erwartungen und Anforderungen entsprochen 
hatte, so kann doch auf Grund der Behandlung von etwa 100 
Patienten festgestellt werden, dass bei der Mehrzahl in einer Zeit, 
in der Ernährungsschwierigkeiten nicht gering waren, eine Gewichts¬ 
zunahme, Besserung der subjektiven Beschwerden und in einer 
sehr grossen Anzahl der Fälle eine rasche Entfieberung erzielt 
werden konnte. 

Die Injektionen wurden einmal wöchentlich im Laufe des Vormittags 
gemacht. Die 1 proz. Verdünnung wurde jedesmal ganz knapp vor dem 
Gebraaoh, da das Präparat rasch an Wirksamkeit verliert, mit frisch 
sterilisierter und abgekühlter physiologischer Kochsalzlösung hergestellt. 
Die Spritze und die ausglühbaren Platiniridiumnadeln wurden vor dem 
Gebrauche ohne Soda ausgekocht und mit sterilisierter physiologischer 
Kochsalzlösung durchgespült. Sie wurden nicht in Alkohol, sondern 
trocken aufbewahrt und durften zu keinerlei anderen Injektionen ver¬ 
wendet werden. Die Injektionsstellen' an den Streokseiten des Unter¬ 
armes wurden vor der Injektion mit einer dünnen Schicht Jodtinktur 
bestricheo. Die Originalfläschchen aus hartem Glase, das kein Alkali 
abgibt, wurden bei Zimmertemperatur in dunklem Raume gehalten. Die 
Bereitung der Lösung ist etwas ausführlicher dargestellt worden, denn 
bei einer Injektionskur, bei der die Lokalreaktion für die Diagnose und 
Prognose von solcher Bedeutung ist und die Richtlinie für die weitere 
Behandlung darstellt, können die Lösungen gar nioht sorgfältig genug 
bereitet werden. 

Es wurde in der Regel mit 2 mg Tubercutomuoin begonnen und 
diese Dosis bis zum Versohwinden der Lokalreaktion eingehalten. 
Immer wurde die 2 mg-Dosis mindestens zweimal injiziert; denn es 
zeigte sioh bei sehr vielen Patienten, dass auf die erste negative Re¬ 
aktion eine zweite, sehr starke folgte. jTa bei manchen Patienten 
musste niemals die 2 mg-Dosis erhöht werden, da die Patienten immer 
wieder auf die Injektion stark reagierten. Die HöchstdoSis war 10 mg, 
in wenigen Fällen 12 mg. 

Bei mehr als 100 Patienten wurden Injektionen zu rein 
diagnostischen Zwecken gemacht. Es zeigte sich, dass die In¬ 
filtration umgekehrt proportional ist dem Grade der Erkrankung. 
Je schwerer die Erkrankung, desto geringer die Infiltration. Sehr 
stark reagierten auch solche, bei denen keinerlei Krankheits¬ 
symptome nachzuwei8€A) waren. Es wurde auch vielen, offenbar 


gesunden Schwestern injiziert. Die Injektion war immer von 
einer starken Lokalreaktion begleitet. Es konnten eigentlich bei der 
einmaligen diagnostischen Injektion (2 mg Tuberculomucin) Fehlen 
von Lokalreaktionen bei Schwererkrankten, mittlere und schwache 
Reaktionen bei Leichterkrankten, sehr starke Reaktionen bei nicht 
manifesten Erscheinungen und anscheinend Gesunden festgestellt 
werden. Dieses merkwürdige Verhalten der Lokalreaktion steht 
wohl im Zusammenhänge mit der starken Durchseuchung der Be¬ 
völkerung und wird vielleicht erst besser geklärt werden, sobald 
die Stichreaktion bei noch nicht tuberkulös infizierten Kindern 
zur Beobachtung kommt. Für die Diagnose ist die schwache 
Reaktion eigentlich verwendbarer als die starke, denn eine 
schwache Stiohreaktion wurde niemals bei klinisch Gesunden 
beobachtet. 

Die Beobachtung erstreckt sich auf einen Zeitraum von un¬ 
gefähr 6 Monaten. Eine verhältnismässig sehr kurze Zeit bei 
einer so chronischen Erkrankung wie die Tuberkulose, zumal die 
Kur durch die auch im Spital um sich greifende Grippe häufig 
unterbrochen werden musste. Bei der Demobilisierung wurden 
viele Patienten der weiteren Beobachtung entzogen. Auch konnte 
nicht verhindert werden, dass infolge Platzmangels immer wieder 
Patienten an andere Spitäler oder Heilanstalten abgegeben oder 
entlassen werden mussten. 

Wenn auch in einer so kurzen Zeit ein abschliessen¬ 
des Urteil nicht möglich ist, kann gleichwohl das 
Tuberculomucin aufs wärmste empfohlen werden. Die 
leichte Dosierbarkeit, die geringen Nachwirkungen des Tuberculo- 
mucins, die rasche Beeinflussbarkeit der subjektiven und objek¬ 
tiven Beschwerden werden dem Präparat stets neue Freunde er¬ 
werben. 

Die Wirkung des Tuberculomucins kann man am besten aus 
folgenden Krankengeschichten ersehen. 

Inf. S. A., 80 Jahre alt, Gewicht 4Ö 1 /* kg. Kachexie. Hoohfebrile 
Abendtemperatur. Auswurf 50 ccm täglicü, keine Tuberkelbazillen im 
Sputum nachweisbar. Ueber dem rechten Oberlappen Dämpfung, bron¬ 
chiales Atmen, konsonierendes Rasseln. Mittellappen derselbe Befund. 
Reohter Unterlappen Dämpfung, Stimmfremitus und Atmung abgeschwächt. 
Ueber der linken Spitze sehr rauhes Atmen. Röntgenbefund: Gleich- 
mässige dichte Verdunkelung der rechten Lunge, die an der Spitze am 
stärksten ist. 1. Injektion 2 mg. Keine Infiltration. Temperatur un¬ 
verändert. 2. Injektion 2 mg. Kräftige Lokalreaktion. Temperatur¬ 
abfall auf 37°. Nach der 3. Injektion ist Pat. schon vollkommen ambu¬ 
lant und fieberfrei und bleibt es bis zu seinem Abgang aus dem Spital. 
Nach einer Behandlungszeit von 7 Wochen Lungenbefund gebessert, 
Auswurf 10 ocm täglich. Gewichtszunahme über 5 kg. 

Kanon. T. J., SO Jahre alt, Gewicht 53,30 kg. Auswurf reiohlioh, 
bis 100 com täglich. Im Sputum Koch’sohe Bazillen nachweisbar. 
Kaohexie. RHO verkürzt, rauhes, giemendes Inspirium, hauchendes Ex- 
spirium. LHO Dämpfung mit tympanitischem Beiklang, bronchovesiku- 
läres Atmen, konsonierendes Rasseln, beiderseits in der Hilusgegend ver¬ 
kürzt, Giemen. Lungenränder tieferstehend, schleoht verschieblioh. 
Röntgenbefund: Im Oberlappen einzelne peribronohitisohe Stränge. Hilus- 
schatten verdichtet. Geringe Verschieblichkeit der unteren Lungen- 
grenzen. 1. Injektion (2 mg) reaktionslos. Auch die nächsten ohne 
Reaktion. Erst bei 10 mg wird eine stärkere Reaktion erzielt. Bei der 
Demobilisation entlassen. Gewichtszunahme nach 9 Wochen (9. Injektion) 
5 kg. Auswurf höchstens 30 ccm täglioh. Subjektives Befinden und Aus¬ 
sehen sehr gut. 

Korp. K. I., 27 Jahre alt. Eine beginnende, aber anscheinend sehr 
rasch fortschreitende Phthise. Bei den ersten Untersuchungen röntgeno¬ 
logisch keine Veränderungen nachweisbar. Physikalischer Befund minimal. 
Auswurf gering. Tuberkelbazillen im Sputum vorhanden. Bei be¬ 
ginnender Behandlung Dämpfung im Bereiche des rechten Oberlappens 
bis zur Spina und reichlich Rasseln. Auch an der linken Spitze naoh 
Husten Rasseln. Gewicht 60 kg. Erst nach der 3. Injektion (6 mg) 
Lokalreaktion, die auch weiter erhalten bleibt, so dass die Dosis nicht 
mehr gesteigert wird. Im ganzen bekommt Pat. 9 Injektionen, die 
höchste 6 mg. Gewichtszunahme in 9 Wochen über 2 kg, während der 
Behandlung keine weitere Ausbreitung des Lungenprozesses konstatierbar. 
Bei der Demobilisation entlassen. 

Off.-Diener K. S., 85 Jahre alt, Gewicht 51,60 kg. Kein Fieber. 
Auswurf gering. Keine Bazillen nachweisbar. Im Bereiche des rechten 
Oberlappens rauhes Atmen. Im Mittellappen reiohlich feines Rasseln. 
Rechter Unterlappen mässige Verkürzung, Verschiebliohkeit gering. 
Reiohlich Rasseln. R. und L. V. Giemen und Pfeifen. LHU schleoht 
verschieblioh, reichlich Rasseln. Röntgenbefund zu Beginn der Behand¬ 
lung: Verschleierung beider Spitzen. Starke Verdichtung der Hilus- 
schatten. In beiden Unterlappen zahlreiche Verdichtungsherde und 
Stränge, welohe teilweise zu dichten Massen konfiuieren. Nach 5 In¬ 
jektionen ä 2 mg mit steigender Lokalreaktion gar kein Auswurf mehr. 
Gewichtszunahme über 3 kg. Ueber der Lunge fast gar kein Rasseln. 
In der Hilusgegend Knarren. Röntgenbefund am Ende der Behandlung: 
Spitzen ven geringer Helligkeit, beide Hilussohatten verdichtet, besonders 


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8. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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der linke, mit peribronohitisohen Strängen and einseinen kleinen Kalk- 
berden. Auoh im Unterlappen Kalkherde. 

Inf. V. K., 24 Jahre alt, sabfebrile Abendtemperatar. Aaswarf bis 
25 ccm täglioh. Tuberkelbazillen vorhanden, Gewicht 58 1 /* hg, Kaohexie, 
RHO im Inspiriam Giemen und Knarren, bronehovesiknläres Exspiriom. 
LHO Dämpfung. Atmen von bronchialem Charakter. Nach Husten sehr 
deutliches Rasseln. Röntgenbefund: Verschleierung der linken Spitse. 
Einseine disseminierte Verdichtungsherde im linken Oberlappen. Nach 
der 1. Injektion (2 mg) keine Reaktion. Nach 3 Injektionen vollkommen 
fieberfrei, nach 5 Wochen (6 Injektionen, letste 6 mg) Gewiohtssanahme 
5 kg. Aassehen blühend, keinerlei subjektive Beschwerden. 

Kan. K. W„ 21 Jahre alt, subfebrile Abendtemperatar. Aaswarf 
10—80 com tägliob. Einmal Tuberkelbasillen nacbgewiesen, die späteren 
Untersuchungen stets negativ gewesen. RHO rauhes Inspiriam. Ver¬ 
längertes Exspirium. LHO Dämpfung. Knisterrasseln. Röntgen befand: 
keine Veränderungen nachweisbar. 1. Injektion (2 mg): Geringe In¬ 
filtration. Nach der 2. Injektion Temperatur vollkommen normal. , Ge¬ 
wichtszunahme naoh 2 Woohen 2 1 /* hg. Bei der Demobilisation ent¬ 
lassen. 

Pat. A. M,, weibliche Hilfskraft, 20 Jahre alt, Gewicht 53,10 kg. 
Floride Phthise. Abendtemperatur bis 38°. Aaswurf sehr reichlich. 
Tuberkelhasillen nachweisbar. Kaohexie. RHO Dämpfung, konsonierendes 
Rasseln, Exspirium hauchend. LHO Dämpfung, Atmen von bronchialem 
Charakter, reichlich Rasseln. LHU verkürzt, Lunge schlecht verschieb¬ 
lich. Röntgenbefund: Im linken Oberlappen mehrere strangförmige Ver- 
diohtungsherde. Linkes Zwerchfell steht höher, zeigt starke Beeinträchti¬ 
gung der respiratorischen Verschieblichkeit. Verwachsung zwischen 
linkem Zwerchfell und Perikard. Naoh der 1. Injektion (2 mg) eine 
deutliche Reaktion und eine merkbare Beeinflussung der Temperatur. 
Naoh 4 Injektionen Temperatur normal, nur ab und zu 37°. Nach 
5 Woohen (6 Injektionen, die letzte 6 mg) Gewichtszunahme über 3 kg. 
Eine Woche später bekommt Pat. spontan eine Hämoptoe. Mässige 
Blutung 3 Tage. Fieber. Das Fieber hält noch einige Tage an. Dann 
wird Pat. afebril, erholt sich sehr rasch, verlässt das Spital, um ihre 
Stellung wieder anzutreten, kommt noch zur ambulanten Behandlung, 
unterbricht dann aus Zeitmangel die Kur. 

Inf. W. B., 28 Jahre alt, Gewicht 58 kg. Auswarf bis 50 ccm 
täglich. Im Sputum Tuberkelbazillen. Im Bereiohe der ganzen linken 
Lunge Dämpfung und Rasseln. Röntgenbefund: Diffuse Verschleierung 
der ganzen linken Lunge mit zahlreichen Verdichtungsherden. Herz 
etwas nach links verzogen. Linkes Zwerchfell adhärent. Nach 10 Woohen 
(10 Injektionen, die letzte 6 mg) Zunahme des Gewichts um 6 kg. 
Wenig Auswurf, keinerlei subjektive Beschwerden. 12 Tage naoh den 
letzten Injektionen bekommt Pat. eine kurzdauernde Hämoptoe. 

Einige Patienten bekamen während der Behandlung Hämoptoe. 
Es bekommen selbstverständlich auf einer Tuberkuloseabteilung 
sehr viele Patienten Lungenblutung, die keiner Kur unterworfen 
werden. Es wurde auch Tuberculomucin bei Patienten injiziert, 
die mit Hämoptoe eingeliefert wurden, ohne dass die Blutung 
sich wiederholt hätte. Ja, es bekamen Patienten Lungenblutungen, 
die schon für die Behandlung bestimmt waren, jedoch noch keine 
Injektionen bekommen hatten. Zwar waren bei den mit Tuber- 
culomucin Behandelten Lungenblutungen nicht häufiger beobachtet 
worden als bei den Nicbtbebandelten; immerhin darf man nicht 
ganz ausser acht lassen, dass eine zu starke Herdreaktion die 
Veranlassung zu einer Lungenblutung werden könnte. 

Feldwebel L. I., 46 Jahre alt. wird mit Hämoptoe eingeliefert. 
Gewicht 50 kg. Starke Anämie. Pat. spuckt eine Woche hindurch 
täglioh 40—50 com Blut aus. Tuberkelbazillen nachweisbar. Im Be¬ 
reiohe des rechten Oberlappens Dämpfung mit tympanitisobem Beiklang, 
bronchiales Atmen, reichlich Rasseln. RHO verkürzt, bronehovesiknläres 
Atmen, konsonierendes Rasseln. Beiderseits in der Hilusgegend Dämpfung, 
reiohlioh Rasseln, besonders rechts. Röntgenbefund: Intensive Ver¬ 
dichtung beider Spitzen und des rechten Oberlappens. Im letzteren 
sehr diobte Sobattenmassen, die mit dem Hilus Zusammenhängen. Im 
rechten Mittel- und Unterlappen sehr reichlich kleine disseminierte 
Herdschatten. Trübung der linken Spitse. Pat. hat Abendtemperatur 
über 38°, zuweilen über 89°. 1. Injektion (2 mg) keine Infiltration. 
Auoh die nächsten Injektionen erzeugen keine Lokalreaktion. Tempe¬ 
ratur fällt etwas ab. Naoh der 8. Injektion wird die Lokalreaktion sehr 
stark. Das Fieber fällt ab. Nach viermonatiger Behandlung (13 In¬ 
jektionen, die letste 6 mg) keine subjektiven Beschwerden. Gewichts¬ 
zunahme über 8 kg. Lungenblutung hat sich nicht wiederholt. Auswurf 
gering. Allgemeinbefinden sehr gut. 

Bei den meisten Patienten tritt, wie es beim letzten Falle 
ersichtlich ist, eine Besserung erst nach einer starken Lokal- 
reaktion ein. 

Pat. P. L„ 22 Jahre alt, Gewicht 48 kg. Viel Auswurf, über 
100 ccm täglioh. Tuberkelbazillen nachweisbar. Rechter Oberlappen 
hoohbronchiales Atmen, reichlich konsonierendes Rasseln. Linke Spitse 
rauhes In- und Exspirium. Tuberkulose des Kehlkopfes. Röntgen¬ 
befund: Beide Spitzen verschleiert, im rechten Oberlappen stark diffuse 
Verdunkelung mit eingestreuten zirkumskripten Verdiohtungsherden. 
Auch im linken Oberlappen einzelne zirkumskripte Herdsohatten. Naoh 
dreimonatiger Behandlung (12 x Injektionen, die letzte 8 mg) Allgemein¬ 


befinden sehr gut. Gewichtszunahme verhältnismässig gering, nur 1,60 kg. 
Sputum unverändert reiohlioh. Larynxtuberkulose stationär. 

Matrose S. 0., 17 Jahre alt, kommt hoohfiebernd und in elendem 
Zustande ins Spital. Im Sputum reichlich Tuberkelbazillen. Infiltration 
des rechten Ober- und Mittellappens und des linken Oberlappens. Naoh 
2 Injektionen fieberfrei. Naoh 8 Injektionen vollkommen ambulant. 
Bei der Demobilisation entlassen. 

Schütze T. 0., 20 Jahre alt, Gewioht 56,60 kg. RHO verkürzt, ab- 
gesohwäohte8 Atmen, kleinblasiges Rasseln. Röntgenbefund: Spitzen 
von geringer Helligkeit. Hilusschatten leicht verdichtet. Im rechten 
Unterlappen peribronebitisohe Stränge. Temperatur normal. Keine 
Tuberkelbazillen nachweisbar. Naoh der 2. Injektion eine sehr heftige 
Lokal- und allgemeine Reaktion. Naoh 8 Injektionen Gewichtszunahme 
über 5 kg. Pat. bekommt dann die Grippe, verliert dann 3 kg an 
Gewioht. Kurz darauf wird Pat. bei der Demobilisation entlassen. 

Dieser Fall ist einer der wenigen, die während der Behand¬ 
lung eine starke allgemeine Reaktion bekommen haben. In den 
seltensten Fällen kam es zu einer bemerkenswerten Temperatur¬ 
erhöhung, wenn sie aber vorkam, dann war sie gewöhnlich Be¬ 
gleiterscheinung einer sehr starken Lokalreaktion. 

Pens.-Invalide W. F., 83 Jahre alt, Gewicht 61,80 kg. Reichlich 
Sputum, im Sputum Tuberkelbazillen nachweisbar. Häufig subfebrile 
Temperatur. Tuberkulose des Kehlkopfes. Ueber beiden Oberlappen 
Dämpfung mit tympanitischem Beiklang, bronobovesikuläres Atmen, reich¬ 
lich Rasseln. Röntgenbefund: Ausgebreitete diffuse Verschleierung beider 
Oberlappen mit zahlreichen disseminierten Herdscbatten. Pat. wurde 
sohon von Dozent Weleminsky mit Tuberoulomuoiu und mit Muoin 
behandelt. Während 8 Woohen bekam er 9 Injektionen von 2—10 mg. 
Die Lokalreaktionen waren nicht sehr 8tark, aber immer deutlich vor¬ 
handen. Das Gewioht blieb ausserordentlich stationär, schwankte 
zwischen 61 und 62 kg. Rasselgeräusche nahmen während der Behand¬ 
lung ab. Auswurf unverändert reichlich. Subjektives Befinden sehr 
gut. Pat. schont sich nicht, hat das Aussehen eines gesunden Menschen. 

An diesem Patienten konnte man folgende interessante Wahr¬ 
nehmung machen. Von der 8. Injektion an schwoll eine Hals¬ 
drüse nach jeder Injektion sehr stark an und wurde schmerzhaft. 
Nach einigen Tagen verkleinerte sie sich wieder. Aehnliche 
Wahrnehmung konnte bei einem anderen Patienten gemacht 
werden. Er hatte am Halse ganze Drüsenpakete. Links eine 
8ezernierende Fistel. Nach jeder Injektion kam es zu einer der¬ 
artigen Schwellung der Drüsen der rechten Halsseite, dass man 
glaubte, es müsse zur Abszedierung kommen. Gleichzeitig'* be¬ 
gann die Fiste] an der anderen Halsseite stark zu fliessen. 
24 Stunden später waren die Drüsen abgeschwollen und die 
Fistel reaktionslos. Nach 12 Injektionen war die Fistel verheilt. 
Man sieht also aus dieser heftigen Reaktion, dass das Tuberculo- 
mucin nicht ganz so bedingungslos ungefährlich ist, wie einige 
Autoren es behaupten, und man bei der Dosierung immerhin vor¬ 
sichtig sein muss. 

Gefr. S. B., 27 Jahre alt. LHO Dämpfung, vereinzeltes Rasseln. 
LHU Dämpfung. Stimmfremitus und Atmen abgeschwächt. RHO sehr 
rauhes Atmen. Röntgenbefund: Intensiver, sehr dichter Schatten in 
der lateralen Hälfte der linken Lunge. Stark diffase Verdichtung 
der linken Spitse, Retraktion der linken Thoraxwand. Verschleierung 
der rechten Spitse. Fungus des rechten Knies. Pat. hat ständig 
Temperatur über 89•. Rechtes Knie stark geschwollen, sehr schmerz¬ 
haft, fast unbeweglich. Sehr starke Abmagerung. Die ersten 5 In¬ 
jektionen erzeugen eine sehr geringe Lokalreaktion. Gleichwohl zeigt 
das Fieber die Tendenz, absufallen. Naoh der 6. Injektion wird 
eine sehr starke Lokalreaktion hervorgerufen, worauf das Fieber abfällt. 
Der Zustand des Pat. bessert sich, das Knie wird beweglich, naoh der 
10. Injektion (8 mg) sohwillt das Knie sehr stark auf, wird schmerzhaft 
und unbeweglich, das Fieber wieder hooh. Da sich der Zustand des 
Pat. nicht bessert, muss einige Woohen später zur Amputation ge¬ 
schritten werden. 

Kanon. F. F., 35 Jahre alt LHO und RHO Dämpfung, beiderseits 
konsonierendes Rasseln, besonders links, bronohovesikuläre Atmung. 
Röntgenbefund: Verdunkelung und Verdichtung beider Spitzen und 
Oberlappen, besonders links, mit zahlreichen zirkumskripten Verdichtungs¬ 
herden. Linkes Zwerchfell zeigt diohte Schwarte, auch das rechte ist 
leicht adhärent. Auswurf massig. Im Auswurf Tuberkelbazillen. Naoh 
siebenwöchentlioher Behandlung 7 Injektionen, die höchste 6 mg, Ge¬ 
wichtszunahme 2 1 /* hg. Allgemeinbefinden sehr gut 

Inf. S. F., 28 Jahre alt. Auswurf mässig. Im Auswurf Bazillen. 
Subfebrile Abendtemperatur. LHO Dämpfung. RHO verkürzt. Beider¬ 
seits Atmen mit bronchialem Beiklang und spärliches Rasseln. Röntgen¬ 
befund: Intensive Verdunkelung und Verdichtung der linken Spitze, auf 
den linken Oberlappen übergreifend. Sehr starke Anämie, grosse all¬ 
gemeine Sohwäche. Bei Beginn der Behandlung: Gewicht 53,10 kg. 
Auf die ersten 3 Injektionen reagiert der Pat gar nicht. Naoh der 
4. Injektion deutliches Infiltrat, von da ab bedeutende Besserung. 
Nach 7 Wochen Temperatur vollkommen normal. Gewichtszunahme 
fast 4 1 /* kg. Sehr gutes Allgemeinbefinden. Kein Rasseln in der Lunge, 


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852 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


Pens.-Inva]ide S. R., 24 Jahre alt, Gewicht 53,80 kg. Febrile 
Abendtemperatnr. RHO Dämpfung, bronchiales Atmen, spärliohes 
konsonierendes Rasseln. LHO rauhes Inspirium, verlängertes Ex- 
spirium. Im Auswurf Tuberkelbazillen. Sehr starke Kachexie. Röntgen¬ 
befund: Dichte konfiuierende Herdsohatten in der rechten Spitze. Ober¬ 
lappen und Hilusgegend, links disseminierte Herde in der Spitze und 
Oberlappen. Die Reaktionen sind sehr gering oder fehlen vollkommen. 
Keine Beeinflussung der Temperatur. Nach 7 Wochen das Allgemein¬ 
befinden und Aussehen etwas gebessert. Gewichtszunahme gering, im 
ganzen 1,60 kg. 

Bei mangelhaften Reaktionen nach Tuberculomuoin-Injektionen 
ist im allgemeinen die Prognose ungünstig. 

Schütze I. W., 19 Jahre alt. Gewicht 59,50 kg. Tuberkulose des 
Bauchfells. Tuberkelbazillen im Sputum nachweisbar. Starke Kaohexie. 
Aszites, Oedeme. Abendtemperatur über 39°. RHU und LHü Lungen¬ 
ränder unversobieblich. An beiden Spitzen Dämpfung, spärliohes 
Rasseln. Naoh den ersten 5 Injektionen keine Aenderung der Tempe¬ 
ratur. Dann geht die Temperatur herunter, wird naoh der 8. Injektion 
(4 mg) ganz normal und bleibt es während der ganzen Zeit, in der 
Patient sioh im Spital befindet. Oedeme und Aszites vollkommen ver¬ 
schwunden. Bauohkonßguration normal, kein Auswurf, Gewichtszunahme 
5 kg. 

Zum Schluss noch die Krankengeschichte von 2 Patienten 
mit Tuberkulose des Bauchfells, die fast gleichzeitig ins Spital 
gekommen sind. 

Infanterist P. R., 24 Jahre alt. Gewicht 57 kg. Abendtemperatur 
zwischen 88—39°. Aszites. Kein Auswurf. Ueber der rechten Spitze 
rauhes Inspirium, bronchovesikuläres Exspirinm, feines Rasseln. Röntgen¬ 
befund: Beiderseits Zwerohfellboohstand. Trübung der Spitzen. Nach 
einigen Injektionen schwindet der Aszites. Bauchkonfiguration normal. 
Keine Flankendämpfung. Patient steht auf und geht herum. 4 Tage 
naoh der 9. Injektion (8 mg) bekommt Patient Schüttelfrost, Tem¬ 
peratur über 40°, Kopf- und Halssohmerzen. Auswurf einige Tage 
sanguilent. Ueber der ganzen Lunge versprengt bronchiales Atmen und 
feines Rasseln. Es wird Grippe diagnostiziert, an der in den letzten 
Tagen mehrere Patienten im Saale erkrankt sind. Naoh einer Woohe 
beginnt Patient sich wieder zu erholen. Nach weiteren 8 Wochen wird 
Patient somnolent und stirbt naoh einigen Tagen unter den Erschei¬ 
nungen einer akuten Meningitis. Die Sektion bestätigt die Diagnose. 
Man findet eine frische Aussaat von Tuberkeln an den weichen Gehirn¬ 
häuten, am Peritoneum und an anderen Organen, keine freie Flüssigkeit 
im Abdomen, im rechten Oberlappen ein kleinfaustgroaser Lungenherd 
vollkommen schiefrig und kreidig verheilt. 

Der zweite Patient, Infanterist A. M., hatte einen sehr starken 
Aszites, Abendtemperatur zwischen 88—39°, Kaohexie. Es stellten sioh 
sehr bedrohliche Stauungserscheinungen ein. Universelles Oedem. Anurie. 
Zyanose. Arrhythmie. Cardiaca. Diuretioa und Bäncbpunktion von 
sehr geringer Wirkung. Auf 2 mg Tuberoulomuoin sinkt die Temperatur 
fast zur Norm, geht aber wieder in die Höhe. Die Injektionen werden 
fortgesetzt, es bessert sioh der Allgemeinzustand. Aszites und Oedeme 
sohwinden ganz. Patient kann aufstehen. Eine Woche nach der 6. In¬ 
jektion steigt die Temperatur auf 89°, die Temperaturkurve bekommt 
einen grippeartigen Typus. Dafür spricht auoh der Lungenbefund. Naoh 
einigen Tagen wird der Puls arrhythmisoh. Patient klagt über Schmerzen 
im Bauch. Es entwickelt sich ein immer stärker werdender Meteorismus. 
Stuhl und Winde gehen nicht ab. Patient stirbt unter der Erscheinung 
einer Perforationsperitonitis, Lungenentzündung und Herzschwäche. Bei 
der Sektion wird ein perforiertes tuberkulöses Geschwür des Dünndarms 
festgestellt. Die Bauchfelltuberkulese ziemlich aasgeheilt. Keine freie 
Flüssigkeit im Bauch. In der Lunge für Grippe charakteristische 
bronohopneamonische Herde. 


Trypaflavin vom Standpunkt des praktischen 
Arztes. 

Von 

Sanitätsrat Dr. Heirichsei-Sohwanheim a. M. 

Ein neues Antiseptikum, das wegen seiner hochwertigen 
antibakteriellen Wirkung, seiner vollkommenen Unschädlichkeit, 
seiner Geruch- und Reizlosigkeit, sowie seines hohen Diffusions¬ 
vermögens und nicht zuletzt wegen seiner vielseitigen Ver¬ 
wendbarkeit die Beachtung und das Interesse aller Aerzte ver¬ 
dient, ist das Trypaflavin, 3,6 Diamino-lO metbylakridiniuuicblorid. 
Den Namen hat das von Dr. L. Benda^ln dem Laboratorium der 
Firma L. Gassella & Go. zuerst dargestellte und in den Ber. d. 
D. Ghem. Ges , Bd. 45, S. 1787, beschriebene Präparat wegen 
seiner von Ehrlich erkannten abtötenden Wirkung auf Trypano¬ 
somen erhalten. Es ist ein gelber Akridinfarbstoff, dessen her¬ 
vorragende antiseptische Wirkung zuerst von Browning festgestellt 
wurde. 

l) A Ber. d. Deut. Chem. Ges., 1912, Bd. 45, S. 1787. 


Bezüglich des Chemismus des Trypaflavin und seiner bakteriziden 
Leistungen in vitro verweise ich auf die ausführlichen Veröffentlichungen 
des Darstellers. Hier sei nur kurz erwähnt, dass wir in Trypaflavin ein 
Antiseptikum besitzen, dessen Wirksamkeit im Serum nioht nur er¬ 
halten bleibt, sondern deutlich gesteigert wird, und dass es eine hemmende 
Wirkung auf die Phagozytose in der gebräuchlichen Konzentration nicht 
ausübt. 

Meine ersten Versuohe mit Trypaflavin habe ich im Sommer 1918 
in einem von mir geleiteten Lazarett angestellt; die notwendigen Proben 
wurden mir von der Firma L. C. & Co. in liebenswürdiger Weise zur 
Verfügung gestellt. Zunächst kam nur die 1 prom. Lösung zur Ver¬ 
wendung. die man wegen ihrer Lichtempfindlichkei} zweckmässig in 
dunklen Flaschen aufbewahrt. Mit dieser Lösung wurden Wundhöhlen und 
Fistelgänge ausgespritzt und sodann mit in dieser Lösung getränkten Mall¬ 
streifen locker austamponiert. Grössere Wundflächen wurden mit feuchten, 
in dieser Lösung getränkten und durch Billrothbatist abgedichteten Ver¬ 
bänden versehen. Der Erfolg war überrasobend. Grosse, mit schmierigem 
Belage bedeckte und übelriechenden Eiter absondernde Fläcbenwnnden 
reinigten sich innerhalb weniger Tage und zeigten gesunde, frische Granu¬ 
lationen. In 3 Wochen sah ich eine solche von einem Granatsplitter¬ 
streifschuss herrübrende Weichteilwunde am Gesäss von 12:5 om Grösse 
sich vollständig überhäuten. Ich habe eine Höhlenwunde unter der 
Haut am Rücken von der doppelten Grösse eines Handtellers mit äusserot 
übelriechender Sekretion und Temperaturerhöhung über 40° bei der 
Einlieferung beobachtet. Trotzdem die nur kleine (1 Vs cm grosse) Ab¬ 
flussöffnung für den Eiter absichtlich nicht erweitert wurde, ging unter 
der Einwirkung des Trypaflavins das Fieber innerhalb weniger Tage 
zurück, der Eiter nahm einen gutartigen Charakter an; die Sekretion 
wurde von Tag zu Tag geringer, die Wundhöhle verkleinerte sioh, in 
etwa 4—5 Woehen war völlige Verklebung eingetreten. 

Auoh in der Privatpraxis hatte ich Gelegenheit mich von der vor¬ 
züglichen Wirksamkeit des Trypaflavins zu überzeugen. 

Bei einer ausgedehnten Phlegmone um das reohte Kniegelenk eines 
18jährigen Mädcheus wurde nur durch 4 kleine Sohnitte (je 2 oberhalb 
und unterhalb des Kniegelenks beiderseits) dem Eiter Abfluss verschafft. 
Unter täglicher Durchspülung mit Trypaflavinlösung und Drainage mit 
darin getränkten Mullstreifen erfolgte Heilung innerhalb 4 Wochen. 

Die zuverlässige Wirksamkeit des Trypaflavins als Wundantisepti- 
kum bei frisch infizierten Wunden möge folgender Fall zeigen: Ein 
14jähriges Mädchen hatte sich im Walde duroh Fallen auf eine zer¬ 
brochene Bierflasche eine erhebliche Verletzung der rechten Hand zu- 
gezogen. Etwa eine halbe Stunde später wurde mir das Kind in die 
Spreohstunde gebracht. Ich fand eine klaffende, mit Walderde und 
Tannennadeln stark verunreinigte Wunde, die zwischen rechtem Daumen 
und Zeigefinger beginnend, über die Hohlhand bis zur Mitte des Hand¬ 
gelenks verlief, Durch Abspülen mit lprom. Trypaflavin-Lösung und 
Abwischen mit Gazetupfern konnte nur ein Teil des makroskopischen 
Schmutzes entfernt werden; eine ganze Anzahl von Tannennadeln, die 
sich senkrecht tief in die Wunde eingebobrt hatten, mussten mit der 
Pinzette einzeln herausgezogen werden. Bei der sehr zeitraubenden 
Wundreinigung konstatierte ich nooh die Durohtrennung der Sehne des 
Flexor pollicis longus. Zwecks Ausführung der Sehnennaht und zur 
prophylaktischen Impfung mit Tetanus-Antitoxin liess ich das Kind naoh 
nochmaliger ausgiebiger Berieselung mit Trypaflavinlösung und Anlegen 
eines feuchten Trypaflavinverbandes ins Höchster Krankenhaus bringen. 
Hier wurde auf Grund der vorausgegangenen gründlichen Wunddesinfek¬ 
tion sofort die Sehnennabt vorgenommen und alsdann die ganze Wunde 
mit etwa 10 Knopfnähten geschlossen. Resultat: Heilung per primam inten- 
tionem innerhalb einer Woche. Auoh nach 3er Ansioht des behandeln¬ 
den Chirurgen war diese reaktionslose Heilung der Sehnen- und Wund¬ 
naht wohl nur auf die sofortige Wunddesinfektion mit Trypaflavin zu- 
ruckzuführen. 

Irgend welohe Reizersoheinnungen oder Schädigungen des Gewebes 
habe ioh bei dieser Behandlung nioht gesehen, auch nicht bei der Ver¬ 
wendung von Tr.-Puder und Tr.-Gaze. Der Vorzug dieser beiden Präparate, 
die von der herstellendenFirma in äusserst zweckmässiger Verpackungin den 
Handel gebracht werden, besteht in dem Wegfallen der Gelbfärbung der 
Hände, die beim Arbeiten mit Trypaflavinlösungen kaum zu vermeiden 
ist. Diese Gelbfärbung der Hände und Wäsohe ist wohl der einzige 
Nachteil, der dem Mittel anhaftet. Da es jedooh sonst ein fast ideales 
Antiseptikum ist, das bezüglich Wirksamkeit und Unschädlichkeit alle 
seither gebräuchlichen Desinfizientia bei weitem übertrifft, so dürfte dieser 
kleine Nachteil kanm in die WagBchale fallen, zumal die Gelbfärbung 
der Hände naoh Waschung mit Seife und recht warmem Wasser sehr 
bald wieder verschwindet. Für das Entfernen von Tr.-Flecken aus 
Wäschestücken usw. gibt die Firma ein eigenes Verfahren an. Ueber- 
dies wurde mir von Patienten mitgeteilt, dass die gelben Flecken aus 
der Wäsohe auch ohne besonderes Wasch verfahren duroh öfteres Waschen 
allmählich wieder verschwinden. 

Die guten Resultate, die ioh mit Trypaflavin als Wundantiseptikum 
erzielt hatte, veranlassten mich, das Mittel auoh bei anderen duroh 
Mikroorganismen verursachte Erkrankungen in Anwendung zu bringen. 
Eine willkommene Gelegenheit dazu boten verschiedene wohl infolge des 
Krieges besonders zahlreich auftretende Hauterkrankungen. Ausser einer 
grossen Zahl von oberflächlichen Trichophytien habe ioh 4 schwere Fälle 
von Bartflechte (Sycosis parasitaria oder Triohophytia prof.) duroh Be- ji 
handlang mit Neutraltrypaflavin in verhältnismässig kurzer Zeit zur J 


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8, September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


868 


Abheilung gebracht. Die Behandlung bestand in 2 mal tägl. Einpinse- 
long folgender Mischung: 

Rp. Trypafiavin ntrl. 5,0 
Glycerin 2,5 

Spirit, ad 50,0 

Oberflächliche Trichophytien, Herpes tonsurans usw. kommen hei dieser 
Behandlung in wenigen Tagen zur Abheilung. Bei der tiefen Bartflechte 
pinselt man die Flüssigkeit mit sobarfem Borstenpinsel 2 mal täglich 
kräftig ein und hedeokt (auf Wunsch) die Stelle mit einem Mullverband. 
Epilation ist nicht erforderlich, dagegen muss man täglich die geschwulst¬ 
artigen mit massenhaften Pusteln und Knollen durchsetzten furunkel- 
ähnlichen Bildungen der Haut von Schuppen und Krusten befreien und 
ausdrüoken, wozu man zweckmässig in H 2 0 2 getränkte Wattebäusche 
verwendet. Kleine subkutane Abszesse werden punktiert, der Inhalt 
auagedrüokt und alsdann die Pinselung mit der Tr.-Misohung vorge¬ 
nommen. Mit dieser Behandlungsmethode kommen selbst schwere Fälle' 
von Sycosis parasitaria in 3—4 Wochen vollständig zur Abheilung. 
Bei leichteren Fällen, oder wenn bei sehr empfindlicher Haut die Spiri¬ 
tuosen Lösungen Brennen oder Sohmerzen verursachen kann, man schon 
naeh einigen Tagen die geschilderten Einpinselungen durch Umschläge 
mit 1 proz. Lösung ersetzen. 

Bei Impetigo, furunkulösem und impetiginösem Ekzem erzielte ich 
sehr schnelle Heilresultate durch Umschläge mit 1 prom. Trypaflavin- 
lösong; jedcch muss man zunäohst immer Schuppen, Borken und Krusten 
in der oben geschilderten Weise entfernen. 

Ein sehr dankbares Gebiet für die Anwendung des Trypaflavins 
scheinen die verschiedenen gonorrhoischen Erkrankungen zu sein. Prof. 
Schnaudigel 1 ) in Frankfurt (Universitäts-Augenklinik) hat zuerst bei 
der gonorrhoischen Erkrankung der Augenbindehaut Trypafiavin in An¬ 
wendung gebracht und gute Resultate erzielt. Er lässt mit 2 proz. 
Trypafiavinlösung touohieren und dreimal täglich eine 1 proz. Lösung in 
den Bindehautsack einträufeln. Als auffallendste klinische Erscheinung 
bei dieser Behandlung hebt er das überaus rasche Verschwinden der 
Sekretion hervor. In fast allen Fällen wurde nach etwa achttägiger 
Behandlung ein gonokokken-negativer Abstrich erzielt. Fälle, die mit 
Trypafiavin allein nicht zur Abheilung gelangen, werden nach ihm 
zweckmässig mit Trypafiavin und einem Silberpräparat behandelt. 

Als Antigonorrhoikum der männlichen Harnröhre wurde Trypafiavin 
zum ersten Male von San.-Rat Baer und Feldunterarzt Klein 2 ) auf 
der Hautkrankenstation des Reservelazaretts I Teillazarett Mainkur zur 
Anwendung gebraoht. Es kamen mässig erwärmte Lösungen von 1:4000 
bis 1 :1000 zur Verwendung. In einer vorläufigen Mitteilung über 
37 behandelte Fälle wird als feststehend berichtet, dass wir im Trypa¬ 
fiavin ein neues Antigonorrhoikum besitzen, das auf jeden Fall verdient, 
weiter nachgeprüft zu werden, und dem wegen seiner starken gono- 
kokkentötenden Kraft auoh als Prophylaktikum grösste Beaohtung ge¬ 
schenkt werden dürfte. 

Meine eigenen Beobachtungen bezüglich Trypafiavin als Antigonor¬ 
rhoikum erstrecken sich leider nur auf wenige Fälle und sind schon 
deswegen nicht beweiskräftig. Ich behandelte eine frische und eine 
chronische Gonorrhoe der männlichen Harnröhre und eine Gonorrhoea 
neonatorum. In jedem Falle konnte ich ein sehr schnelles Verschwinden 
der Sekretion beobachten, was besonders dem Patienten mit chronischer 
(schon über 2 Jahre bestehender) Gonorrhoe imponierte, bei dem alle 
möglichen vorher angewandten Mittel kein Aufhören des Ausflusses be¬ 
wirkt hatten. Leider hielten sich beide Patienten nach dem Ver¬ 
schwinden der Sekretion, was bei dem frischen Falle naoh 12 Tagen, 
bei dem chronischen naoh 3 Wochen zu verzeichnen war, für geheilt 
und entzogen sich durch Fortbleiben jeder weiteren Behandlung und 
diagnostischen Untersuchung, so dass diese beiden Fälle wissenschaftlich 
nur die sekretionsbeschränkende Wirkung des Trypaflavins beweisen 
und eine Heilung der Gonorrhoe nur vermuten lassen. Die Behandlung, 
die vollständig schmerz- und reizlos war, bestand bei dem akuten Fall 
in dreimal täglicher Einspritzung einer mässig erwärmten Lösung von 
0,1:400,0; bei der chronischen wurde mit einer Lösung von 0,1:300,0 
begonnen und allmählich zu stärkerer Konzentration bis zu 0,1:100,0 
übergegangen. 

Bei der Gonorrhoe der Augen bi ndehaut handelte es sich um ein 
8 Tage altes Kind, das naoh Angabe der Mutter seit 6 Tagen beider¬ 
seits Augeneiterung zeigte. Es bestand sehr reichliche Sekretion und 
starke Schwellung beider Konjunktiven. Im Präparat zahlreiche Gono¬ 
kokken. Die Behandlung bestand in den ersten 4 Tagen in täglichem 
Abreiben der ektropionierten Bindehaut mittelst eines in 2 proz. Trypa- 
flavinlösung getauchten, um die Pinzette gewickelten Wattebausches 
und zweistündlichem Ein träufeln einer 1 j 2 proz. Lösung in den Binde- 
bautsaok. Am 5. Tage ist die Sekretion und Schwellung der Bindehaut 
wesentlich geringer geworden, beide Augen werden spontan geöffnet, 
jedoch Gonokokken noch positiv. ' Die Weiterbehandlung bestand in 
dreimal täglichem Einträufeln einer 1 proz. Lösung. Naob 14 Tagen nur 
noch ganz geringe Sekretion. Gonokokken negativ. Fortsetzung der 
Behandlung mit 1 proz. TrypaflavinlÖsung. Am 18. Behandlungstage 
keine Sekretion mehr; Bindehäute abgeschwollen; Gonokokken negativ. 

Es ist naheliegend, dass sich einem Antiseptikum von so hervor¬ 
ragenden Eigenschaften, wie sie im Trypafiavin vereinigt sind, vielseitige 
therapeutische Verwendungsmöglichkeiten eröffnen, und es vergebt wohl 


1) Zschr. f. Aughlk., Bd. 40, H. 1. 

2) M.m.W., 1918, Nr. 35. 


kein Tag, an dem ich nioht in der Sprechstunde von dem Mittel aus¬ 
giebigsten Gebrauoh gemaobt hätte. 

Bei allen mit starker Sekretion einhergehenden Konjunktivitiden 
verschiedensten Ursprungs, bei Verletzung der Hornhaut und Kon- 
junktiva, als Prophylaktikum naoh Entfernung von Fremdkörpern aus 
der Hornhaut und bei Hornhautgesohwüren pflege ich die 1 proz. Lösung 
einzuträufeln und bin stets von der guten und schnellen Wirkung über¬ 
rascht. 

Eine Stomatitis ulcerosa wurde durch zweimal tägliches Touohieren 
mit einer 1 proz. TrypaflavinlÖsung in 5—6 Tagen zur Abheilung ge¬ 
bracht. Angina follicularis sah ich verschiedentlich naoh zweimaligem 
Abwisohen des Belages mit Vz proz. Lösung in 1—2 Tagen verschwinden. 

Seit einigen Wochen behandle ioh Anginen und Stomatitiden mit 
den unterdessen von der Firma in den Handel gebrachten Trypaflavin- 
pastillen, die je nach der besonderen Wirkung, die sie hervorrufen 
sollen, mit Borax, Tannin, Formaldehyd in Verbindung gebracht werden. 
An Wirksamkeit scheinen diese Pastillen alle bisher für ähnliche Zwecke 
gebräuchlichen Präparate zu übertreffen, und ich zweifle nioht daran, 
dass die Formoflavin- bzw. Trypaflavinpastillen wegen ihrer stärkeren 
Wirksamkeit mit der Zeit die seither so vielfach apgewandten Förmamint- 
tabletten vollständig verdrängen werden. Der Geschmack dieser Pastillen 
ist angenehm, sie werden selbst von Kipdern gern genommen und gut 
vertragen. 

Bei Otitiden aller Art, Furunkel im Gehörgang und bei der Otitis 
media purulenta verwende ich die Trypaflavin-Gazerolle zur Tamponade 
des Gehörganges und hatte fast stets den Eindruck einer Abkürzung der 
Behandlungsdauer gegenüber jener bei der früher geübten Tamponade 
mit steriler Gaze. 

Ein Fall von Ulcus molle heilte in 3 Wochen unter Umschlägen 
mit 1 prom. erwärmter TrypaflavinlÖsung. 

Eine Balanoposthitis,, die auf den ersten Blick einem Tripper sehr 
ähnlich sab, da rahmiger Eiter aus dem Präputium hervorquoll, wurde 
naoh Reposition der Phimose mit einer einmaligen Abspülung von 1 proz. 
TrypaflavinlÖsung zur definitiven Heining gebraoht. 

Auch in der Gynäkologie und Geburtshilfe leistet mir Trypafiavin 
vorzügliche Dienste. 

Fluor albus verschiedensten Ursprungs, Erosionen und Geschwüre 
am Muttermunde, Endometritiden lassen sich durch Trypafiavin in 
günstiger Weise beeinflussen. Nach Ausräumung septischer Aborte und 
nach manueller bzw. instrumenteller Entfernung adhärenter Plazenten 
maohe ich eine Spülung mit 1 prom. Lösung und tamponiere sodann 
den Uterus mit Trypaflavingaze aus. Die Resultate waren immer der¬ 
artig gute, dass ich diese Behandlung den Herren Kollegen zur Nach¬ 
prüfung nur dringend empfehlen kann. 

Zusam inenfassend möchte ich sagen, dass wir in dem Trypa¬ 
fiavin ein Mittel besitzen, das wegen seiner völligen Unschädlich¬ 
keit, seiner zuverlässigen Wirksamkeit und vielseitigen Verwend¬ 
barkeit gerade für den allgemeine Praxis ausübenden, besonders 
auch für den Arzt auf dem Lande von unschätzbarem Werte ist. 
Ich zweifle nicht daran, dass jeder Praktiker, der Freude an 
Erfolgen hat und dabei auch kleine Unannehmlichkeiten, wie die 
Gelbfärbung der Hände, gern mit in den Kauf nimmt, bei der 
Nachprüfung dieses Mittels bald die Ueberzeugung gewinnen 
wird, dass wir in ihm eine wirklich wertvolle Bereicherung 
unseres therapeutischen Rüstzeuges erhalten haben. 

Eine vor kurzem von Prof. Bohl and veröffentlichte, hoehinteressante 
Arbeit über die intravenöse Anwendung des Trypaflavins besonders bei 
Pneumonie, Sepsis und Koliinfektion der Harnwege gibt mir und, wie 
ioh überzeugt bin, nooh einer grossen Anzahl von Kollegen Veranlassung, 
das Mittel auoh nach dieser Richtung nachzuprüfen. Man verlange zu 
diesem Behufe Trypafiavin pro injectione, unter welchem Namen die 
Firma Leopold Gassella & Cie. das allein für intravenöse Zwecke ge¬ 
eignete Trypafiavin neutral in den Handel bringt. 


BQcherbesprechungen. 

Felix v. Sxostsgh- Budapest: Ueber Dispositioi. Ein Versuoh, die 
Pathogenese der kontagiösen und der Infektionskrankheiten sowie das 
Problem ihres gehäuften Auftretens auf naturwissenschaftlicher Grund¬ 
lage zu erklären. Berlin 1918. Verlag von S. Karger. 347 S. Preis 
12 M. 

Zu einem kurzen Referat ist das vorliegende, mit grossem Schwung 
geschriebene Werk nicht geeignet, da eine Kritik dieser Kritik der her¬ 
kömmlichen und weitverbreiteten Anschauungen über die Ursache von 
Krankheiten, insbesondere der Infektionskrankheiten und ihrer epidemischen 
Ausbreitung selbst, wieder eine grössere Abhandlung sur Folge haben 
müsste. Bef. kann es aber nicht unterlassen, trotzdem er durchaus 
nioht in allen Punkten mit dem Verf. übereinstimmt, seiner Freude 
Ausdruck zu geben, dass die klinischen Stimmen, die sich mit dem 
Ursachenbegriff, wie er von der Mehrzahl der Pathologen im Gegensatz 
zu der einseitigen exogeoen Auffassung der Bakteriologen stets vertreten 
wurde, um eine gewichtige und zum Teil mit ausgezeichnetem Rüstzeug 
für den Kampf versehene vermehrt worden ist. Das Buch sei allen 
Aerzten und älteren Studenten der Medizin auf das wärmste empfohlen. 


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UNIVERSITY OF IOWA 




864 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


* 

Es wird vielen reiche Anregung und Beantwortung auf manche Fragen 
geben, wenn auch zunächst hauptsächlich nur in Gestalt von Theorien 
und Hypothesen. Darin liegt auch der wunde Punkt des ganzen Buches. 

So riohtig es ist, den oberflächlichen exogenen. Ursachenbegriff ab¬ 
zuweisen und die Wirkung sämtlicher sogenannten genetischen und 
ökologischen Faktoren des Menschen zur Erklärung der Krankheits¬ 
ursachen heranzuxiehen, so sehr muss man sich klar sein, dass es un¬ 
endlich schwer sein wird, diesen Zusammenhängen mit exakten, z. B. 
experimentellen Methoden beizukommen. Wenn Verf. im Vorwort sagt: 
„In diesem Buche soll, wie sein Titel andeutet, der Versuch unter¬ 
nommen werden, die Ergebnisse der wissenschaftlichen, also der experi¬ 
mentellen Laboratoriumsforschung mit den Erfahrungstatsachen in Ein¬ 
klang zu bringen, die gähnende Kluft zu überbrücken, die einander 
widersprechenden Ansichten zu vereinbaren", so ist es ihm ausgezeichnet 
gelungen, die grosse Kluft zu zeigen, aber überbrückt hat er sie nicht, 
trotzdem er vielleicht reichlich Bausteine für die zukünftige Brücke 
berbeigeschafftt hat. Seine Ausführungen gipfeln in dem Satze: „Das 
riesige Problem der Pathogenese der kontagiösen, der Infektions- und 
der Geschwulstkrankheiten kann nur mit Hilfe von Stoffwechselonter- 
suchungen, die aber ihr Auge auf das genetisohe Prinzip ganz sowie 
auf die Mileutheorie richten, gelöst werden." Westenhöfer. 


Bragseh und Sehitteihelni: Lehrbieh kliaiseherUatersiehangsmothoden 
fttr Studierende aad Aerzte. Vierte vermehrte und verbesserte-Auf¬ 
lage. Mit 388 teils farbigen Textabbildungen und 12 teils farbigen 
Tafeln. Berlin und Wien 1918. Verlag von Urban & Schwarzenberg. 

Das ausgezeichnete Buch liegt nun bereits in 4. Auflage vor. Man 
darf die VerfF. zu diesem schönen Erfolge, der wohlverdient ist, beglück¬ 
wünschen. 

Die Verff. haben es verstanden, allen Klippen der Schilderung dia¬ 
gnostischer Methoden, die so leicht ermüdend wirkt, zu vermeiden. Sie 
haben dies dadurch erreicht, dass sie überall die pathologisch-pbysio- 
logische Begründung und die klinische Erfahrung zu Worte kommen 
lassen. Der Leser lernt dadurch das Warum? und Wozu? der Methodik, 
er begreift deren Sinn. Und das ist ja für Verständnis und richtige 
Einschätzung des Wertes der einzelnen Methoden besonders wichtig. Ich 
lese gern in dem schönen Buche, weil es wirklich gut geschrieben ist, 
und ich bewundere die beiden Herren Verfasser, denen ich im Felde — 
io Russland und Rumänien — begegnet bin, wie sie es selbst draussen 
fertiggeb rächt haben, die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der 
Diagnostik praktisch zu verwerten. C. Hirsch-Göttingen. 


A. Dfihrssea-Berlin *. 6e turtelt ilf liehe« Vademekum. Elfte und zwölfte 
verbesserte und vermehrte Auflage. Mit 43 Abbildungen. Berlin 1919. 
Verlag von S. Karger. 324 S. Preis 11M. 

Das allgemein beliebte geburtshilfliche Vademekum, das sich nach 
eigener Angabe des Verf. im Laufe von 29 Jahren seit seinem ersten 
Erscheinen zu einem kurzgefassten Lehrbuch der Geburtshilfe aus¬ 
gewachsen hat, ohne aber dadurch an seiner Handlichkeit zu verlieren, 
ist in der neuen Doppelauflage wieder um 16 Seiten vermehrt worden, 
entsprechend den Fortschritten in der wissenschaftlichen Geburtshilfe, 
die auch in den Kriegsjahren zu verzeichnen waren. Besonders inter¬ 
essant ist natürlich das Kapitel der künstlichen Erweiterung der weichen 
Geburtswege, in deren Behandlung der Verf. bahnbrechend vorangegangen 
ist. Für die Kombination der mechanischen und blutigen Erweiterung 
in Form des genau beschriebenen Metrenrynthersohnitts, der eine 
wichtige Vereinfachung des vaginalen Kaiserschnitts darstellt, bricht der 
Verf. eine Lanze und spricht die Erwartung aus, dass diese Methode 
später dem Praktiker ebenso an die Hand gegeben werden kann wie 
die Wendung und die Zange. Für die nächste Auflage möchte ich den 
Wunsch einer etwas eingehenderen Besprechung der Wehenmittel und 
ihres Anwendungsgebietes ausspreohen. Alles in allem wird das Vade¬ 
mekum den Wunsch des Verf., dem Studierenden eine zuverlässige Ein¬ 
führung in die theoretische und praktische Geburtshilfe und dem Prak¬ 
tiker einen Wegweiser für die praktische Durchführung der therapeutischen 
Methoden in der Geburtshilfe zu geben, erfüllen und sich zu seinen 
seitherigen Freunden zahlreiche neue gewinnen. 

K. Hoffmann-Dresden. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

S. P. L Sörensen - Kopenhagen: Proteinstadien. 5. Mitteilung. 
Ueber den osmotischen Druck der Eieralbnminlösugei. (Zscbr. 
f. physiol. Chem., Bd. 106, H. 1—3.) Der Verf. glaubt das Studium 
von den Eigenschaften der kolloiden Lösungen am besten zu fördern, 
indem er die von der Theorie der eohten Lösungen bekannten An¬ 
schauungen in möglichst weitem Umfange auch den kolloiden Lösungen 
gegenüber zur Anwendung bringt. Der wesentlichste Teil des zur 
Messung ’ des osmotischeu Drucks von Eieralbuminlösungen benutzten 
Osmometers besteht aus einem Kollodiumhäutchen, welches als balb- 
durohlässige Membran fungiert; die Eieralbuminlösung wird im Häutoben 
als Innenflüssigkeit angebracht, während eine mit dem Dispersionsmittel 


der Innenflüssigkeit im Diffusionsgleichgewicht stehende Ammonium- 
snlfatlösnng als Anssenflüssigkeit benutzt wird. Die Messung geht 
darauf aus, den Gegendruck zu bestimmen, welcher auf die Oberfläche 
der InneDflüssigkeit ausgeübt werden muss, um eine Flüssigkeitsströmnng 
durch die Wandungen der Membran zu hindern. Die Grösse des 
osmotischen Druckes wird in Zentimeter Wassersäule pro Milligramm¬ 
äquivalent Proteinstoff pro Kubikzentimeter Dispersionsmittel gemessen. 
Eine Eieralbuminlösung gegebener Zusammensetzung besitzt immer den¬ 
selben konstanten osmotischen Druck. Mit wachsender Ammoniumsulfat¬ 
konzentration nimmt der osmotische Druck ab. Diese Erscheinung wird 
auf eine Kondensation der Eihydratpartikel zurüokgeführt, welche mit 
der Ammoniumsulfatkonzentration zunimmt. Bei einer Wasserstoffionen¬ 
konzentration zwischen 40.10— 6 und 100.10~ 6 ändert sich der os¬ 
motische Druck einer ammoninmsulfatbaltigen Eieralbuminlösung nicht 
wesentlich, dagegen soheint bei einer höheren Wasserstoffionenkonzentration 
als 100.10— 6 der osmotische Druck mit der Wasserstoffionenkonzentration 
zu wachsen; bei einer Konzentration, die kleiner als 40.10—«, steigt 
der Druck mit abnehmender Konzentration stark an. Bei hohen 
Ammoniumsulfatkonzentrationen ist der osmotische Druck von der 
ProteiDkonzentration unabhängig. In einer nahezu ammoniumsulfatfreien 
Eieralbuminlösung nimmt der Druck mit wachsender Proteinkonzentration 
ab, während bei einer mittleren Ammoniumsulfatkonzentration mit 
wachsender Proteinkonzentration der Druck ansteigt. Auf Grund der 
gewonnenen Resultate wird der Gehalt einer einzelnen unkondensierten 
Eieralbnminpartikel an Stickstoff auf etwa 880 Atome und demgemäss 
das Molekülgewicht des wasserfreien Eieralbumins auf etwa 34 000 ge¬ 
schätzt. In Berücksichtigung früher gewonnener Resultate, den Gehalt 
des auskristallisierten Eieralbumins an Schwefelsäure betreffend, nimmt 
der Verf. an, dass die Eieralbuminkristalle normal aus 2 Eieralbumin¬ 
partikeln bestehen, welche durch 3 Moleküle Schwefelsäure verknüpft sind. 

E. Abderhalden-Halle: Ein Fall von Beaee-Jones’scher Alba- 
miaarie. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 106, H. 1—8.) Durch einen 
Anaphylaxieversuch wird das Vorkommen des Bence- Jones’schen Eiweiss¬ 
körpers im Serum des Patienten erwiesen. Bei der Sektion des Patienten 
wurden in mehreren Wirbeln und einer Rippe myelomverdächtige kleine 
Gesohwülate gefunden. J. Hirsoh. 


Therapie. 

R. Müller: Die Behandlung des venerischen Babe mit Milch- 
Injektion. (W.kl.W., 1919, Nr. 80.) 8—5 Injektionen von 5—6 ccm 
Milch führen in durchschnittlich 17 Tagen ohne Inzision nach einer 
kurzen Erhöhung der Entzündungsersoheinungen zur rasohen Rückbildung 
und Aufsaugung des Bubo. 

R. Possek - Graz: Versuche zur Behandlung laetiseher Algen- 
erkraaknngea mit naspeztllsehen Heilmethoden. (W.kl.W., 1919, Nr. 29.) 
Duroh subkutane Injektion von Typbusvakzine können Augenerkrankungen 
luetischer Natur günstig beeinflusst werden. Die Vakzinetherapie unter¬ 
stützt die antilnetische Kausaltherapie wirksam. Die Vakzine Wirkung 
beschränkt sich auf den lokalen Prozess und verändert den Blutbefand 
nicht. Glaserfeld. 

Schmücking-Peine: Beitrag zur Behandlung des nknton Oeieak- 
rbeamatismas. CM.m.W,, 1919, Nr. 19.) Intramuskuläre Melubrin- 
injektionen haben sioh bei schwereren Formen von Gelenkrheumatismos 
gut bewährt. Die Fälle heilten schnell; Komplikationen wurden nicht 
beobachtet. R. Neum&nn. 

A. T heilhab er-München: Die aknto Eatiüidiag als Heilmittel. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 29.) Der Diathermieapparat bewährt sioh zur Er¬ 
zeugung von Entzündungen in Banchorganen. Zur Einführung grösserer 
Mengen elektrischer Ströme in die verschiedenen Körperhöhlen hat Verf. 
verschiedene Elektroden duroh die Firma Reiniger, Gebbert & Schall 
konstruieren lassen. Mit diesen Elektroden leistet die Diathermie grosse 
Dienste bei der Behandlung der Verstopfung, Parese des Sphinoter 
vesioae, Blasenneurose, fehlenden Libido sexualis, chronischen Para- 
metritis, Uterusblutungen, Pruritus vulvae, Verhütung von Karzinom- 
rezidiven. Glaserfeld. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

A. Jarisoh-Graz: Fehlen einer Lnnge bei einem Frontsoldaten. 

(W.kl.W., 1919, Nr. 28.) Es bandelt sich um eine reine Agenesie mit 
vollständigem Fehlen ieglicher Lungenanlage links. Desgleichen fehlen 
linksseitige Lungengefässe und linker Vagus; vom linken Bronchus ist 
nur ein kurzer Stumpf übrig. Die linke Brastseite wird ausgefüllt von 
dem Mediastinum, dem wohlgebildeten Herzen, zwei durch V&kat- 
wuoherung entstandenen Fettkörpern und der weit nach links reichenden 
rechten Lunge, die sogar eine richtige linke Lungenspitze bildet. Träger 
dieser Anomalie war ein 29 jähriger Mann, der die Strapazen des Feld¬ 
zuges ohne Beschwerden mitmachte und an Grippepneumonie zagrunde ging. 

Glaserfeld. 

L. Reisinger: Die Osteomalazie der Haistiere. (W.m.W., 1919, 
Nr. 26.) Die Osteomalazie kommt sporadisch und gehäuft bei allen 
Haustieren und gelegentlich auoh bei Menagerietieren vor, nie beim 
freilebenden Wild. Io Europa erkrankt vorwiegend das Rind. Die 
Osteomalazie ist oft eine Folge von Futtermissernten. Die klinisoben 
Symptome beruhen auf den Knochenveränderungen. Wahrscheinlich ist 
der Kalkmangel des Futters die Ursache. Die hoohträchtigen und miloh- 


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UNIVERSUM OF IOWA 





8. September 1919, 


berliner klinische Wochenschrift. 


856 


reiohen Kühe erkranken früher und sohwerer als sterile und sohleoht 
melkende Tiere. Die Therapie muss auf Verabreichung vos Kalkpräpa¬ 
raten gerichtet sein. _ G. Eisner. 


Parasitenkunde und Serologie« 

0. Bail-Prag: Ueber das Verhalten grampositiver and -negativer 
Bakterie! m oligodynamischen Wirkungen. (W.kl.W., 1919, Nr. 29.) 
Oiigodyname Flüssigkeit, z. B. Quecksilberwasser, wirkt auf grampositive 
Bakterien wesentlich stärker bakterizid als auf gramnegative. Man kann 
die Keimverniohtung einer oligodynamisch beeinflussten Flüssigkeit 
sofort aulheben, sobald man mit der Einsaat von lebenden gleichzeitig 
tote Bakterien zusetzt. Abgetötete gramnegative Bakterien beeinflussen 
die Oligodynamie ungleich stärker als grampositive. Glaserfeld. 

S. Wideröe-Christiane: Ueber die therapeutische Hantiupfnng 
mit Alttuberknlin. (M.m.W., 1919, Nr. 28.) Die kutane Tuberkulin¬ 
reaktion ruft ausser der Lokalreaktion auch eine Allgemeinreaktion, 
wahrscheinlich immunisierender Art, hervor. Es gelang, bei künstlich 
mit Tuberkelbazillen infizierten Meerschweinchen durch kutane Tuber- 
kulinapplik&iion das Leben der infizierten Versuchstiere erheblich zu 
verlängern. Ausserdem waren die pathologisch-anatomischen Verände¬ 
rungen bei diesen Tieren die einer chronischen Tuberkulose, besonders 
der Lungen mit Kavernenbildung, während die Kontrolliere durchweg 
das bekannte Bild der allgemeinen Miliartuberkulose aufwiesen. 

K. Hundeshagen-Strassburg i. E.: Zur Verfeinerung der Wasser- 
mann'schei Reaktion nach Dr. M. Mandelbaum. (M.m.W., 1919, Nr. 29.) 
Nachprüfung der Mandelbaum’schen Modifikation der Wassermann'sehen 
Reaktion, die darin besteht, die Sera erst nach vorheriger Verdünnung 
mit physiologischer NaCl-Lösung zu inaktivieren. Dadurch sollen Eigen¬ 
hemmungen ausgesohaltet und eine Verfeinerung der Reaktion mit Er¬ 
zielung einer erheblichen Vermehrung der positiven Ausschläge erzielt 
werden. Es ergab siob, dass tatsächlich eine allerdings geringe Ver¬ 
schiebung der Befunde naoh der positiven Seite hin bewirkt wird. Die 
Frage der Ausschaltung der Eigenhemmung bedarf noch weiterer Klärung. 

R. Neumann. 


Innere Medizin« 

R. Koch-Frankfurt a. M.: Eine neue Methode der Atemgymnastik. 
(M.m.W., 1919, Nr. 28.) Die von dem Sänger Leser-Lasario geschaffene 
eigenartige Methode beruht auf dem Prinzip, dass die natürliche Atmung 
dadurch in bestimmter Weise zu beeinflussen ist, dass man Bich bei der 
Bin- und Ausatmung einen bestimmten Vokal vorstellt, wodurch der 
Brustkorb mühelos ausgiebiger bewegt wird. Die Beweglichkeit ist bei 
0 und A am grössten. Diese einfache Vokalatmung wird weiter modi-. 
fixiert durch Bildung von Ausatmungsilben und -Worten und Verände¬ 
rung des Gesichtsausdruokes. Mit der Methode ist es möglich, plan¬ 
massig bestimmte Teile des Atemapparates intensiver arbeiten zu lassen, 
was für Gesangunterricht und Stimmbildung wichtig ist. Ausserdem 
sollen sich aber auch gute Erfolge bei Asthma, Emphysem, akuter 
Laryngitis und sogar bei chronischer Verstopfung damit erzielen lassen. 

R. Neumann. 

E. Hoke-Komotau j. B.: Ein selten sohwerer Fall von bronchialem 

Asthma mit tödlichem Ansgang im Anfall. (W.kl.W., 1919, Nr. 28.) 
39jähriger Mann leidet an Asthma. Während es bei Beginn der Er¬ 
krankung gelang, die Anfälle therapeutisch zu beeinflussen, versagen 
Atropin, Jod, Adrenalin, Kalk, Morphin, Heroin, Chloralhydrat, Kampfer 
intravenös vollkommen, als die Krankheit ein Vierteljahr bestand. Pat. 
stirbt 4 Monate nach dem ersten Asthmaanfall; die Sektion ergab ausser 
akutem Lungenödem völlig negativen Befund. Glaserfeld. 

F. Leicht weis-Davos-Wolfgang: Grippe nad Lungentuberkulose. 

(M.m.W., 1919; Nr. 29.) Die Erfahrungen des Verf. bei einer Anstalts¬ 
epidemie stehen im Gegensatz zu der jetzt meist vertretenen An¬ 
schauung, dass die Lungentuberkulose durch die Grippe nicht ungünstig 
beeinflusst würde. Auch die Ansioht Neumayer's, dass eine durch- 
gemaohte Tuberkulinkur einen schützenden oder mildernden Einfluss auf 
die Grippe ausübt, bestätigt sioh nicht. R. Neu mann. 

H. Sohrotter: Bemerkungen zur praktischen Physiologie des 
Fliegers. (W.kl.W., 1919, Nr. 28.) Die Arbeit behandelt erstens die 
Wirkung des Winddruckes im Flugzeuge; sodann beschäftigt sie sich 
mit den physiologischen Erscheinungen des Hoohfluges, insbesondere mit 
der absolut notwendigen Zuführung von Sauerstoff bei der Ausführung 
von Flügen in Höhe von 5000 m. 

K. F. Wenokebaoh: Ueber die Spontanfraktnr der Tibia bei 
Adoleszenten. (W.kl.W., 1919, Nr. 28.) Spontanfrakturen der Tibia 
bei Adoleszenten sind keine Krankheiten sui generis, sondern typisobe 
Komplikationen der Rachitis tarda. Die Tibia hat unterhalb des Knies 
eine Prädilektionsstelle’. Eigentliche Knoohenbrüohe sind es fast nie, 
sondern vielmehr nur Infraktionen. Glaserfeld. 

Hochstetter-Tübingen: Ueber gehäuftes Auftreten von Spit- 
raclütis. (M.m.W., 1919, Nr. 28.) 4 Fällen von Spätraohitis im Alter 
von 16—19 Jahren. Als Ursache der Erkrankung, bei der sioh ganz 
analoge Knoohenveränderungen wie bei der kindlichen Raohitis finden, 
ist besonders die bezüglich der Zusammensetzung mangelhafte Kriegs- 
ernährung anzunehmen. Daneben muss eine innere Disposition von seiten 
der Drüsen mit innerer Sekretion eine Rolle spielen. Phosphorlebertran 
beeinflusste das Krankheitsbild schnell günstig. 


W. V. Simon-Frankfurt a. M.: Ueber Huflgererkrankungen des 
Skelettsystems. (M.m.W., 1919, Nr. 29.) Als Hungerostheopathien sind 
aufzufassen die Raohitis, die Rachitis tarda und die Osteomalazie bzw. 
Osteoporose. Im Gegensatz zu den Wiener Fällen sah S. in Frank¬ 
furt die Erkrankung nur im Adoleszenzaltet und fand ein starkes 
Ueberwiegen des männlichen Gesohlechts (4 : 1). Bei den Jüng¬ 
lingen bot sioh mehr das Bild der Rachitis tarda, bei den Mädchen 
mehr das der Osteomalazie. Hervorgehoben sei aus den mannigfachen 
typisohen Knoohenveränderungen besonders das Auftreten von Oedemen 
und tetanisohen Symptomen, was auf eine Beteiligung der Epithel¬ 
körperchen hinweist. Pathologisch-anatomisch handelte es sich um einen 
osteomalazieähnlichen Prozess, der senilen Osteoporose nahestehend. 
Als Hauptursache der Erkrankungen ist quantitative und qualitativ un¬ 
genügende Ernährung anzunehmen, besonders das Fehlen von Kalk, 
Phosphorsäure und der Vitamine. Daneben spielen toxisch-infektiöse 
Momente eine Rolle. Therapeutisch steht natürlich an erster Stelle die 
Ernährung; günstig wirken ferner Suprarenin, Kalzium, Phosphorleber¬ 
tran, Arsen, rohes Gemüse und. Obst. 

J. D u b s - Winterthur: Pneumokokken- and Kolistrumitis. (M.m.W., 
1919, Nr. 28.) Mitteilung je eines Falles der seltenen metapneumoni¬ 
schen Strumitis und der nooh selteneren Kolistrumitis, von der bisher 
nur 3 Fälle beschrieben sind. R. Neu mann. 

Freyer: Ein Spätfall von Tollwat. (Brit. med. journ., Nr. 3052.) 
Der Biss durch das wutktanke Tier lag 18 Monate zurück. Die ersten 
Anzeiohen der Krankheit zeigten sich in dem seinerzeit verletzten Gliede. 
Trotz der langen seit dem Biss verflossenen Zeit verlief der Fall sehr 
stürmisch und endete tödlich. Verf. sohliesst daraus, dass eine aus¬ 
giebige Ausschneidung der Narbe, wenn bei dem Tier nachträglich Toll¬ 
wut festgestellt wird, niemals zu spät kommt und daher stets nachzu¬ 
holen ist. Schreiber. 

J. Löwy*. Einige Bemerkungen zur Malariafrage. (W.m.W., 1919, 
Nr. 28) Verf. bespricht die Chininpropbylaxe, die künstliche Auslösung 
latenter Malaria bzw. der Malariarezidiva. Relativ häufig kommt es bei 
Malaria zu Veränderungen des Zirkulationsapparates. Verdickung des 
Gelässrohres, Verbreiterung der Aorta, erhöhtem Blutdruck. 

G. Eisner. 

W. Stepp-Giessen: Der Restkehlenstoff des Blutes hei Gesinden 
und Kranken. (M.m.W., 1919, Nr. 28.) Ausgedehnte Untersuchungen 
über den Restkohlenstoff im Blut oder richtiger über den durch Phos¬ 
phorwolframsäure nicht fällbaren Restkohlenstoff. Die Werte bei Ge¬ 
sunden und leichten, den Stoffwechsel nicht beeinflussenden Kranken 
bewegen sioh zwischen 0,170 und 0,2 g für 100 com Blut. Davon ent¬ 
fallen etwa 40 mg auf den Kohlenstoff des Zuckers, 10 mg auf den des 
Harnstoffs. Der Rest, also die Hauptmenge des Restkohlenstoffs, gehört 
unbekannten Verbindungen an, nur ein kleiner Teil ist auf nicht ge¬ 
fällte N-haltige Verbindungen (z. B. Aminosäuren, Kreatin usw.) zu 
reohnen. Bei fieberhaften Krankheiten fand sioh eine auf Vermehrung 
des Blutzuckers zu beziehende Erhöhung des Restkohlenstcffes, bei nicht¬ 
fieberhaften Erkrankungen ergab sioh keine konstante Veränderung. 
Bei Nierenerkrankungen ohne Funktionsstörung wurde vollkommen nor¬ 
maler Restkohlenstoff gefunden, bei solohen mit Funktionsstörung ergab 
sioh meist ein erhöhter Wert. Zum Schluss folgen noch eingehende 
Studien über den Restkohlenstoff bei Diabetes. Entgegen der Annahme, 
dass der Kohlenstoffgehalt dem Blutzuokergehalt entsprechen würde, 
fanden sioh ganz wechselnde, vom Blutzucker unabhängige Werte. 

H. Schall-Königsfeld: Die Bestimmung von Aieton and Asetessig- 
säure mit dem Autearieth’scken Kolorimeter. (M.m.W., 1919, Nr. 29.) 
Um die Legal'sohe Probe für kolorimetrisohe Azetonbestimmung ver¬ 
wenden zu können, muss genau auf die zugesetzte NitropruBsidnatrium- 
menge, auf die Reaktionstemperatur und -zeit geachtet werden. Zur 
Vergleichsfarbe dient eine in den Keil gefüllte, haltbare, empirisch er¬ 
mittelte Farbmisohung. Für die Bestimmung der Azetessigsäure eignet 
sioh bei höheren Werten die Gerhard'sehe Eisenohloridreaktion, für 
niedrige die empfindliche Rim in i'sehe Aethy len diaminprobe. Da die 
Azetessigsäure gleichfalls die Legal'sohe Reaktion gibt, muss bei gleich¬ 
zeitigem Gehalt von Azeton und Azetessigsäure zur Bestimmung des 
Azetons nooh eine Umrechnung vorgenommen werden unter Zugrunde¬ 
legung der Tatsache, dass Azetessigsäure eine 5,55mal intensivere 
L eg a 1 ’sche Probe gibt als Azeton. R. Neu mann. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten« 

J. Gerstmann: Krampfhafte Drehbewegungen, Muskelrigor nnd 
Koordinationsstörnngen nach Wiederbelebung eines Erhängten. (W.kl. 

W., 1919, Nr. 30.) Die bei der Asphyxie nach Wiedereinstellung nor¬ 
maler RespirationsverhältniBse zustandekommenden motorischen Reiz- 
ersoheinungen können sich in Form von Kranzbewegungen präsentieren, 
die im wesentlichen durch einen ziehend drehenden Charakter und durch 
das Ausbleiben von klonischen Komponenten gekennzeichnet sind. Bei 
Strangulierten kann sioh nach Wiederbelebung eine gleichmässige Muskel- 
hypertonie einstellen, die auf eine Linsenkern- bzw. Streifenhügelscbä- 
digung zu beziehen ist; ausserdem kommen auoh Störungen von seiten 
des Kleinhirns vor. 

P. Schilder: Rigor als postparoxysmale Erscheinung bei Epi¬ 
lepsie. (W.kl.W., 1919, Nr. 30.) Diese Erscheinung wurde in 2 Fällen 
beobachtet. Der Muskelrigor betraf Agonisten und Antagonisten gleich- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


massig, er wurde durch milde und brüske, aktive und passive Bewegungen 
nicht verändert. In gewissen Phasen hatten die Spannungen Aehnlioh- 
keit mit psychisch bedingten Störungen der Motilität. Dieser Spannungs¬ 
zustand der Muskulatur ist vermutlich auf eine Schädigung des Corpus 
striatum zurückzuführen. Glaserfeld. 

Brasher, Caldwell und Coombe: Zwei Fälle von Encephalitis 
lethargica. (Brit. med. journ., Nr. 3050.) Die Fälle, die beide In¬ 
fluenzakranke betrafen, unterschieden sich von den von Economo zuerst 
beschriebenen durch das Fehlen von Hirnnervenlähmungen, von Sehneiv- 
entsündung und von Krämpfen, verliefen im übrigen aber genau wie 
jene mit grosser Schläfrigkeit und meningitischen Zeichen und endeten 
tödlich. In der Rückenmarksflüssigkeit landen sich sehr kleine gram¬ 
positive, meist ausserhalb der Zellen liegende Kokken, gewöhnlich Diplo¬ 
kokken, mitunter auoh kurze Ketten. Züchtungsversuche misslangen. 

Alexander: Ueber Encephalitis lethargica-ähnliche Fälle. (Brit. 
med. journ., Nr. 3052.) Während der letzten Influenzaepidemie kamen 
eine Reihe von Fällen zur Beobachtung, die täuschende Aehnliohkeit 
mit Encephalitis lethargioa hatten. Sie unterschieden sich von dieser 
Krankeit jedoch durch ihren mehr allmählichen Beginn, ihren kurzen 
Verlauf und ihren Ausgang in Heilung. Leichtere Lähmungen im Ge¬ 
biet der Augenmuskel-, des Gesichts- und einiger peripherer Nerven 
kamen vor, indes fehlten die ausgesprochenen Okulomotoriuslähmungen 
mit Ptosis. Schreiber. 

0. Simmonds-Frankfurt a. M.: Gehäufte Fälle von Fazialis¬ 
lähmung in einer Familie. (M.m.W., 1919, Nr. 29.) Verf. beobachtete 
eine Familie, in der 6 Fälle von Fazialislähmung, allerdings zu ganz 
differenten Zeiten, vorgekommen waren. Sie betrafen den Vater, zwei 
seiner Kinder, dann zwei Enkelinnen und den Ehemann der einen 
Tochter. Man muss annehmen, dass ob sich hierbei um echte Fälle von 
Vererbung einer Disposition handelt, etwa in dem Sinne, dass die 
Widerstandsfähigkeit des peripheren Fasialisgewebes in dieser Familie 
angeboren geringer ist und so leichter äusseren Schädlichkeiten, wie z. B. 
Infektionen, unterliegt. R. Neumann. 

Brown-London: Suggestionsbehandliing. (Britmed.journ.,Nr. 3050.) 
Das in England allgemein übliohe Verfahren zur Beseitigung hysterischer 
Störungen ist Psyohoanalyse und „Neuerziehung“. Trotz der mancherlei 
Nachteile, die der Hypnose anhaften, ist diese indes nioht ganz zu ver¬ 
nachlässigen. Verf. beobachtete nämlich, dass, wenn er seine Kranken 
in leiohten hypnotischen Schlaf versetzte und in ihnen das Erlebnis, das 
zu ihrer Erkrankung geführt hatte, und den damit verbundenen Sohreck 
in anschaulicher Weise wieder auffrischte, die vorliegende Störung — 
insbesondere Stummheit — rasch und ohne besondere darauf hinsielende 
Eingebungen verschwand. Eine leichte Hypnose war hierzu völlig aus¬ 
reichend. Schreiber. 

E. Kretschmer-Tübingen: Entwurf zu einem einheitliehen Be- 
gütachtangsplan für die Kriegs- and Unfallneurosen.' (M.m.W., 1919, 
Nr. 29.) Zu kurzem Referat nicht geeignet. R. Neumann. 


Chirurgie. 

H. H. Heid ler: Beitrag zur Pathogenese des Gasbrandes. (W.kl.W., 
1919, Nr. SO.) Kasuistik. Gasbrandmetastase in einer Gesässbaoke, 
ohne dass an der Eingangspforte der Schusswunde klinisch Zeichen der 
Gasbrandinfektion vorhanden waren. Glaserfeld. 

H. F. Bfunzel - Braunschweig: Ueber Gibbnsbildang nach all* 
gemeinem nnd lokalem Tetanus. (D. .Zschr. f. Chir., Bd. 150, H. 3 u. 4.) 
B. teilt zwei Beobachtungen mit, bei denen es allein durch die Gewalt 
der titanischen Muskel Verkürzung im Anfall zu einem Zusammenbruch 
von Lendenwirbelkörpern bei einem gesunden kräftigen Mädchen und 
einem bereits erwachsenen Mann kam. B. Valentin - Frankfurt a. M. 

K. Scheele - Halle: Zur Operation der Phimose. (Bruns’Beitr., 
1919, Bd. 115, H. 3.) Abtragen der Vorhautspitze, Spaltung des äusseren 
Blattes am Dorsum in der Mittellinie durch einen in Form eines Y aus¬ 
laufenden Schnitt, woduroh nach Rückstreifen der Vorhaut ein annähernd 
viereckiger Defekt entsteht. Bildung eines viereckigen dorsalen Lappens 
aus dem inneren Blatt, der in den Defekt des äusseren Lappens ein- 
gesohlagen und mit diesem vernäht wird. 

W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

Seemann: Gangrän von Skrotum nnd Penishaut nach Erysipel 
und plastische Versorgung der Genitalien. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, 
H. 3 u. 4.) Im Anschluss an eine Verwundung hatte sich ein Erysipel 
entwickelt, im Verlaufe dessen eine typische Gangrän zur Einschmelzung 
der gesamten Haut von Penis und Skrotum führte. Die Deckung geschah 
duroh gestielte Hautlappen aus der Bauohhaut und dem Damm. Kastration 
rechts. # 

Wieting: Weiteres über Wund Verhältnisse und Wundinfektionen. 
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, H. 3 u. 4.) Die Frage, warum unsere Kriegs¬ 
verwundungen so selten zur Lymphadenitis führen, beantwortet W. damit, 
dass bei den tiefen, durch die Schusskanäle gesetzten Infektionen weit 
ausgedehntere Gewebsspalten infiziert sind, und dass diese Gewebsspalten 
in weit innigerer unmittetbarer Verbindung mit dem kapillaren Blut¬ 
gefässnetze stehen, also direkt zu den Venen führen, als bisher an¬ 
genommen wurde. Die innigen Beziehungen der Saftspalten einmal 
untereinander und dann zum kapillaren oder venösen Gelässsystem er¬ 
klären uns auoh so manche eigenartigen Verlaufsarten von Infektionen, 
die zu den Lehren vom Weg aufwärtsgerichteter Lymphbahn gar nicht 


recht stimmen wollen. Bakteriologisch lässt sich der Begriff Sepsis, 
Septikämie und Pyämie überhaupt nicht scheiden, diese Scheidung ist 
eine rein klinische und pathologisch anatomische. Bei toxämischen Sobä 
digungen des zirkulierenden Blutes empfiehlt W. permanente intra¬ 
venöse Kochsalzinfusion, Eisengaben und Bluttransfusionen. W.’s Er¬ 
fahrungen mit dem Streptokokkenserum und mit antibakteriellen Medi¬ 
kamenten (Kollargol, Elektrargol usw.) sind völlig negativ. Er ist der 
Ansicht, dass uns der Krieg eine ganze Anzahl, allerdings wohl meist 
nioht als solche erkannter Fälle von Hospitalbrand gebraohl hat 
Klinisch sind das maligne Oedem und die Gasphlegmone sehr wohl zu 
unterscheiden, wenigstens io ihrer ausgesprochenen Form, Misebinfek- 
tionen sind häufig. Betreffs der Serumtherapie, auf die man so grosse 
Hoffnungen setzte, muss W. nach ausgedehnter Erfahrung und kritischer 
Sichtung leider sagen, dass sie sowohl prophylaktisch wie therapeutisch 
vollkommen versagt hat. 

Schenk - Gharlottenburg: Die Kriegschirurgie der Gelenksehass¬ 
verletzungen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, H. 3 u. 4.) Das frühzeitige 
operative Vorgehen muss zum Kernpunkt der Behandlung werden. 
Gelenksohüsse gehören in Spezialstationen, der Antransport muss direkt, 
nicht erst über das Feldlazarett geschehen. Der Eingriff selbst wird 
unter Blutleere vorgenommen; nach gründlichem Ausschneiden wird die 
Gelenkkapsel durch primäre Naht geschlossen. Das Streben naoh so¬ 
fortigem Abschluss der Gelenkhöhle ist der wesentlichste Punkt in der 
Behandlung. Exakte InfiltrieruDg des ganzen Gebietes mit Vuzin. Das 
so behandelte Material umfasst 134 GelenkBchussverletzungen, davon 
betraten 77 Fälle Frühoperationen, 57 Fälle die Behandlung eitriger 
Gelenksohüsse. # S. war mit seinen Resultaten sehr zufrieden. 

B. Valentin - Frankfurt a. M. 

N. Damian Os: Ueber Resektion des Ellenbogengelenks kei 
sekwer infizierter Schissverletzmg desselben. (W.m.W., 1919, Nr. 26.) 
Die Resektion aus obiger Indikation ist selten. Verf. beschreibt 2 Fälle. 

G. Eisner. 

Henry: Rasche Ausheilung von Knoekenflsteln. (Brit. med. journ., 
Nr. 3051.) Tägliche Einspritzungen von Jodoform und Bismut. ftubnitr. 
in flüssigem Paraffin entweder allein oder abwechselnd mit zweistündigen 
Durchspülungen der Knoohenhöhle mit Hypochloritlösung (nach Car re 1). 
Von 15 aufeinander folgenden so behandelten Fällen heilten 6 inner¬ 
halb von sechs Wochen aus, die übrigen später; 2 blieben ungeheilt. 

Schreiber. 

M. Sohülein - Frankfurt a. M.: Ueber isolierte Abrissfraktur des 
Trochanter miner. (M.m.W., 1919, Nr. 29.) Erst seit der Anwendung 
der Röntgenstrahlen ist diese Fraktur öfters festgestellt worden. Auch 
in diesem Falle war nur das Ludlofl’sohe Symptom, d. h. bei Fraktur 
des Trochanter minor kann der sitzende Patient sein Bein nioht weiter 
heben, für die Diagnose verwendbar. Die Ursache war wie stets nur 
ein geringfügiges Trauma. Prädisponierend lür das Zustandekommen 
der Fraktur ist das Vorhandensein der Epiphyse, deshalb wurde sie 
auch fast aussohliesslioh in jugendlichem Atter beobaohtet. 

R. Neumann. 

Fr. Gene wein - Münohen: Die scknappeide Hüfte. (Bruns’Beitr., 
1919, Bd. 115, H. 3.) Jedes Moment, das das Gleiten des Maissiat’schen 
Streifens über den Trochanter behindert oder erschwert, kann zur 
schnappenden Hüfte führen. Meistens wird dies durch eine Verkürzung 
des Maissiat’schen Streifens zustande kommen. Der Augenblick, in dem 
das Schnappen zustande kommt, ist in der Regel der, in dem der 
Maissiat’sche Streifen naoh vorne über den Trochanter in seine normale 
Lage zurüokgleitet, denn in der Richtung von vorne nach hinten ist der 
Trochanter leichter zu überwinden als in umgekehrter Richtung. Das 
Geräusch selbst entsteht im Hüftgelenk und kommt dadurch zustande, 
dass durch die plötzliche Ueberwindung des Widerstandes ein augen¬ 
blicklicher Ruck im Gelenk erfolgt. Möglicherweise ist das Geräusch 
der schnappenden Hüfte ein richtiges Subluxationsgeräuscb, denn durch 
zu kurzen Maissiat’schen Streifen tritt auch, wenn duroh anderweitige 
Muskeltätigkeit dem Rotationsbestreben des Maissiat’sohen Streifens 
nicht nachgegeben wird, eine Parallelverschiebung des Obersohenkels, 
also eine Subluxation ein, die natürlich sehr gering sein kann und daher 
nicht in allen Fällen beobaohtet zu werden braucht. 

W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

Pearson - Dublin: Aneurysma-Naht." (Brit. med. journ.. Nr. 3050.) 
In einem Falle von Aneurysma arterio-venosum der Kniekehle nähte 
Verf. — anstelle der üblichen Trennung beider Gefässe mit nachfol¬ 
gender Einzelnaht — die zwischen Arterie und Vene bestehende Oeff- 
nung vom Lumen der Vene aus an. Zu beaohten ist hierbei nur, dass 
fortlaufend zu nähen ist, und dass die Knoten auf die Aussenseite der 
Gefässe zu verlegen sind. Voller Erfolg. Schreiber. 

A. Neumann - Edlaoh: Die Anästhesierung der Bauchhöhle durch 
Infiltration der Nervi splanchnici nach Käppi*. (W.kl.W., 1919, Nr. 29.) 
Tierversuobe und Beobachtungen am Menschen berechtigen zu dem Satz, 
dass der Splanohnikus der sensible Nerv für einen grossen Teil der Bauch¬ 
organe beim Menschen ist. Glaserfeld. 

Theile - Basel: Beitrag zur Kenntnis der Gesehwfirsbildungen des 
Magen* nnd Duodenum* im Kindesalter. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, 
H. 8 u. 4.) Gesohwürsbildungen der Sohleimbaut des Gastroduodenal- 
traktus wurden bis jetzt im Kindesalter und namentlich in den ersten 
Lebensjahren nur ausnahmsweise diagnostiziert. T. beschreibt 3 Fälle. 
Während der Fall 1 als Geschwürsbildung nach einer Infektion bei 


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8. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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einem zweijährigen Mädohen gelten muss, gehören die zwei anderen za 
den jüngsten bekannten Fällen yon typischem Ulcns chronionm simplex 
des Magens and des Duodenums. Fall 1, Pylorusresektion, braehte bei 
einem Fall (3 Jahre altes Kind) einen glatten Dauererfolg. 

G. Nystrom - Upsala: Die Entwicklung der Appendiiitieehirnrgie 

in 8ekweden : ein Beitrag zu deren Wertschätzung. (Acta ohirargioa 
Boandinavica, Bd. 52, H. 1 u. 2.) Die Sterblichkeit unter den in 
den Krankenhäusern aufgenommenen Fällen ist während der Jahre 
1988—1917 bis unter die Hälfte gesunken, die Besserung der 
Resultate ist eigentlich erst während der letzten 10 Jahre eingetreten. 
Es ist auffallend, wie ungemein viel früher die Kranken sich bei den 
Chirurgen einstellen, und wieviel bestimmter und schneller Arzt und 
Patient sich für die Frühoperation auch bei anscheinend leichteren 
Fällen entsohliessen. Bei freier eitriger Peritonitis spült N. nur, wenn 
die ganze Bauchhöhle voll Eiter ist, sonst trocknet er nur den Eiter 
vorsichtig mit Mull aus. B. Valentin - Frankfurt a. M. 

N. Hellström • Lund: Zur Kenntnis der primären Phlegmone im 
Darm. (Bruns* Beitr., 1919, Bd. 115, H. 8.) 5 Fälle. Der be¬ 
fallene Darm ist in der Regel angeschwollen, ven teigiger oder 
harter Konsistenz mit graurot bis rot, später zyanotisch gefärbter 
Serosa, die mit Fibrin oder Eiter bedeokt sein kann. Zur Gan- 
gräneszierung der Darmwand hat der Prozess Boheinbar nur geringe 
Neigung. Es besteht eine starke Tendenz zur Ausbreitung, die Grenzen 
sind meist nicht sehr scharf. Die Beteiligung des Peritoneums ist 
wechselnd. Der obere Teil des Darmkanals hat eine gewisse Prädis¬ 
position für die Erkrankung. Streptokokken sind die gewöhnlichsten Er¬ 
reger. Die phlegmonöse Erkrankung setzt in der Regel plötzlich ein. 
Die Prognose ist sehr ernst. Bisher ist nur ein einziger Fall gerettet 
worden. Die Blutbeimisohung in den Fäzes kann für die Diagnose wiohtig 
sein. Wenn irgend möglich, ist die Darmresektion vorzunehmen. 

S. Weil - Breslau: Ueber die Blntzystei der Niere. (Bruns* Beitr., 
1919, Bd. 115, H. 8.) Die Blutsyste geht aus der serösen Nierenzyste 
hervor und steht dieser mithin auch in pathologisch-anatomischer Be¬ 
ziehung sehr nabe. Während bei der serösen Zyste das Allgemein¬ 
befinden meist völlig ungestört ist, ist es bei der Blutzyste häufig 
wesentlich beeinträchtigt (Anämie, Abmagerung). Temperatur kann leicht 
erhöht sein. Auch sind die vorhandenen Beschwerden bei der Blutzyste 
meist erheblicher als bei der serösen Zyste. In etwa einem Drittel der 
Fälle besteht Hämaturie. Die Resektion der Zystenwand, die bei der 
serösen Zyste zuweilen am Platze ist, ist bei der Blutsyste wegen der 
Gefahr schwer stillbarer Blutung zu verwerfen. Es kommt nur in Be¬ 
tracht die Exstirpation der Zyste und die Nephrektomie. 

H. Brütt - Hamborg: Zur Chirurgie der Empyene des Ureter- 
stwmpfeg. (Bruns* Beitr., 1919, Bd. 115, H. 8.) Zwei Momente wirken 
bei der Entstehung zusammen: eine chronisch-eitrige Entzündung des 
Ureterstumpfes und ein Abflusshindernis des Eiters in die Blase, das 
duroh einen Stein oder durch eine Striktur bedingt sein kann. Be¬ 
merkenswert ist, dass nach der vorgenommenen Nephrektomie ein be¬ 
schwerdefreies Intervall besteht. Der Urin wird nach der Operation 
nioht wieder normal, sondern enthält stets Eiter. Die Zystoskopie wird 
über die Art der Erkrankung Aufschluss geben. Röntgenologisch lässt 
sioh der Empyemsack nach Kollargollfüllung gut nacbweisen. Bei stär¬ 
kerer Dilatation ist das Empyem durch die Bauchdeken zu palpieren. 
Bei ganz leichten Fällen kann man zuerst eine konservative Behandlung 
versuchen, sonst kommt die operative Entfernung in Betracht. Der 
wichtigste Punkt ist die Verhütung der Entstehung der Stumpfempyeme, 
indem man bei der Nephrektomie auf das Vorhandensein von Ureter¬ 
steinen und Strikturen (Sondieren) aohtet, und u. a. sofort den Ureter 
zusammen mit der Niere exstirpiert. Bei schwer verändertem tuber¬ 
kulösen Ureter wird statt der Exstirpation die Einpflanzung des Ureter- 
stumpfes in die Haut abseits der Nephrektomiewunde empfohlen. Bei 
tuberkulösen Stumpfempyemen soll vor radikaler Behandlung erst die 
konservative Behandlung versucht werden. 

W. V. Simon - Frankfurt a. M. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

G. No bl: Hantnutftnde endokriner Voraissetung und ihre or- 
ganotherapeutisohe Beeinflussung. (W.m.W., 1919, Nr. 27und 28) Es 
bestehen gewisse Beziehungen zwischen Schädigungen endokriner Drüsen 
und Haarausfall. Die im Pubertätsalter vor sioh gehenden Verände¬ 
rungen in der inneren Sekretion der Keimdrüsen stehen im Zu¬ 
sammenhang mit den Akneerkrankungen zu dieser Zeit. Es gibt Men- 
strualexantheme und Dermatosen, ferner Graviditätsdermatosen. Tricho¬ 
phytie, lohthyosis stehen in Beziehung zu endokrinen Drüsen, be¬ 
sonders den Keimdrüsen. Auoh bei hypophysären Dysfunktionen 
kommen Veränderungen der Haut und der Haare vor, z. B. Hypo- 
trichose, mit spärlichen oder fehlenden Lanugohaaren und Krines 
pubis. Schliesslich werden die Pigmentveränderungen der Haut 
in Beziehung zum Morbus Addisoni eingehend besprochen. 

G. Eisner. 

K. Taege-Freiburg i. B.: Salvarsaatod ? (M.m.W., 1919, Nr. 29.) 
Todesfall 8 Tage naoh einer Neosalvarsaninjektion unter Ikterus, Herz¬ 
schwäche, zunehmendem Koma. Bei der Sektion wurde akute gelbe 
Leberatrophie festgestellt. Keine wesentliche Veränderung des Gehirns. 
Um einen Salvaraantod im gewöhnlichen Sinne kann es sioh wegen des 
Fehlens der typisohen Gehirnveränderungen nicht gehandelt haben. Dass 


akute gelbe Leberatrophie duroh Salvarsan verursacht werden kann, wird 
von einzelnen Autoren angenommen, von anderen bestritten. Auoh in 
diesem Falle lässt sioh nichts Sioheres sagen. R. Neu mann. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 
Meyer-Rüegg-Zürisoh: Zum Kampfe gegen dei medikationslosen 
Abortns. (Korrbl. f. Schweiz. Aerzte, Nr. 27.) Verf. behandelt die in 
der Schweizer gynäkologischen Gesellschaft von Muret-Lausanne auf- 
gestellten Leitsätze, die gegen die soziale Indikation Stellung nehmen. 

R. Fabian. 

S. Peiler: Rückgang der Gebartamasse als Folge der Kriege- 
ernlhrang. (W.kl.W., 1919, Nr. 29.) Die Neugeborenenmasse der Jahre 
1917/1919 stebea merklich hinter denen des Friedens zurück. Die 2500 
bis 2800 bzw. 8000 g sohwereu Kinder haben auf Kosten der über 8000 g 
wiegenden an Häufigkeit zugenommen. Die Reduktion der Körpermasse 
deutet auf Einfluss der Kriegsernährung der Mutter auf den Fötus. 
Die mütterliche Ernährung ist ein mitbestimmender Faktor in der Ent¬ 
wicklung des Fötus; die duroh diesen Faktor hervorgerufenen Unter¬ 
schiede sind nioht kleiner als die in biologischen Momenten bedingten. 

Glaserfeld. 

E. Jegge-Basel: Das Risiko der iaaerea gebnrthilfliehei Unter- 
saehiang und ihr Ersatz duroh äassere Verfahren. (Korrbl. f. Schweiz. 
Aerzte, Nr. 28.) Das Material umfasst 500 innerlich untersuchte Fälle 
und 500 nicht untersuchte. Bei den vaginal nioht untersuchten 
hatten 82 ein fieberhaftes Woohenbett = 6,4 pCJt. Gesamtmorbidität, 
bei den vaginal untersuchten 58 = 11,6 pCt, Eine innere Unter¬ 
suchung ist nur indiziert, wenn die äussere und rektale Unter* 
suehung keine Klarheit über Lage, Stellung und Haltung geben, wenn 
die Beobachtung Anomalien im Geburtsverlauf vermuten lässt, wenn eine 
Indikation zur raschen Beendigung der Geburt vorliegt 

R. Fabian. 

S. A. Garn melhoft-Kopenhagen: Zu der duroh den BaadPsehen 
Ring vermachten Dystokie. (Aroh. f. Gyn., Bd. 111, H. 1.) G. sieht 
es als erwiesen an, dass es eine isolierte Kontraktion des Bandl’sohen 
Ringes gibt, indem dieser in der Wehenpause, wenn sowohl das Korpus 
als das untere Uterinsegment ersoblafit, kontrahiert bleibt. Davon zu 
unterscheiden ist der Kontraktionsring bei drohender Uterusruptur, bei 
dem das untere Uterinsegment dauernd gespannt ist. — Die Kontraktion 
des Bandl*sohen Ringes kann als ein ernsthaftes Geburtshindernis wirken, 
indem sie, wie meist, um den Hals der Frucht oder um das Gesäss einen 
Ring bildet. Ursächlich spielen früher Wasserabgang und unregelmässige 
Wehentätigkeit eine grosse Rolle, vor allem aber wiederholte intrauterine 
Eingriffe. — Therapeutisch spielt die Allgemeinnarkose keine Rolle, nur 
prophylaktisch; es sollen keine intrauterinen Eingriffe, ohne Narkose vor¬ 
genommen werden, um den Eintritt der Kontraktionen zu verhüten. 
Morphin in grossen Dosen wirkt günstig. Dehnung, manuell oder duroh 
Ballon ist unwirksam, führt im Gegenteil zu stärkerer Kontraktion. — 
Muss sofort entbunden werden z. B. wegen Fieber, das in diesen Fällen 
häufig ist, so ist vor der Wendung dringend zu warnen wegen der Ge¬ 
fahr der Uterusruptur, die im Material des Verf. 3 mal erfolgte mit 
2 Todesfällen. Vielmehr ist die Perforation vorsunebmen. — Dement¬ 
sprechend war die Mortalität der Kinder 21 von 28. 

L. Seits-Erlangen: Ueber die Sympbygenexostosen und deren Ab- 
meiseelnng gelegentlich des Kaiserschnittes. (Msobr. f. Geb. u. Gyn., 
Juli 1919.) Nachprüfungen der von Rotter und Sohmid zuerst an¬ 
gegebenen Abmeisselung des Promontoriums beim engen Becken zur Er¬ 
zielung einer dauernden Erweiterung ergaben ungünstige Resultate. 
Starke Kallusbildung vereitelte den Erfolg; ausserdem war der Heilungs¬ 
verlauf häufig ein gestörter. Von dem gleichen Gedankengang aus 
meisselte S. in 2 Fällen von Kaiserschnitt, bei denen die Beckenverenge- 
rung zum grossen Teile durch Exostosen des Sympbysenknorpels be¬ 
dingt war, diese ab. Der Heilungsverlauf war ungestört; stärkere Kallus¬ 
bildung wurde nicht festgestellt und dementsprechend war die direkt 
gemessene Konjugata um etwa 1 cm verlängert. Spätere Geburten 
wurden in diesen Fällen bisher nicht beobachtet. 

A. Müller-München: Ueber den Mechanismus der Kopfgebartea. 
(Mschr. f. Geb. u. Gyn., Juli 1919.) Je naoh der Einstellung des 
Kopfes und dem hierbei am tiefsten im Becken stehenden Punkt kann 
man 5 Geburtslagen unterscheiden. Jede dieser 5 Lagen hat eine dorso- 
anteriore und eine dorsoposteriore Art des Verlaufes, welche völlig ver¬ 
schieden Bind. Der Verlauf hängt nicht davon ab, ob der Rüoken des Kindes 
naoh vorn oder hinten gerichtet ist, sondern davon, ob der Ansatz der 
Wirbelsäule, das Foramen magnum, an der Symphyse liegt oder naoh 
dem Kreuzbein zu gerichtet ist. Im ersten Fall wiokelt sioh der am 
Halse frei wie ein Pendel hängende Kopf um die Symphyse herum so 
ab, dass der zu Beginn naoh unten geriohtete Endpunkt des Kopfes 
(Hinterhaupt oder Gesioht) naoh oben gerichtet wird. Im 2. Fall muss 
ein grösserer oder kleiner Teil des Thorax hinten in das kleine Becken 
herabtreten, und so bald der tiefste Teil des Kopfes geboren ist, schnellt 
derselbe zurück und der naoh oben hinter der Symphyse gelegene Teil 
des Kopfes tritt unter ihr hervor. L. Zuntz. 

A. Seit®-Giessen: Ueber die klinisohe Bewertung der Triehomenas- 
Kolpitis. (M.m.W., 1919, H. 80.) Unter den Kolpitiden lässt sioh 
eine hartnäckige, häufig rezidivierende Form abgrenzen, die durch reich¬ 
lich dünnes, gelb-schaumiges Sekret und den regelmässigen Befund von 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 36 


zahlreichen Exemplaren von Trichomonas vaginalis gekennzeichnet ist, 
abgrenzen. Der klinische Befand und der Erfolg der Therapie, der auf 
der Austrocknung der Flagellaten und Alkalisierung ihres Mediums ba¬ 
siert, sprechen dafür, dass die Trichomonas der Erreger der Kolpitis ist. 
Die Trichomonas-Kolpitis sohliesst aber andersartige Infektionen, besonders 
auch Gonorrhoe nicht aus. Denn neben Trichomonas kommen stets noch 
reichlich andere Bakterien vor, deshalb sind Schwangere mit Trichomonas- 
Kolpitis als mehr gefährdet zur puerperalen Infektion anzusehen. Die The¬ 
rapie besteht in Scbeidenspülungen mit 1 prom. Sublimat- oder Wasserstoff¬ 
superoxydlösungen. Zur Alkalisierung und Austrooknung dient ein 
lOproz. Gemisch von Soda in Bolus alba. Für Nachbehandlung werden 
Gapsulae gelatinosae mit 10 proz. Sodaglyzerin oder Sodabolus verordnet, 
am bequemsten in der Form von Styli-Sperman mit Natr. bioarb. 

' R. Neumann. 

v. Zumbusch-München: Gonorrhee des Maaaes. Verbreitung, 
Prognose, Feststeilbarkeit der Heilung. (Msohr. f. Geb. u. Gyn., Juli 1919.) 
Der Tripper ist bei Männern viel häufiger als bei Frauen, verläuft aber 
gutartiger, die meisten Fälle heilen ab. Die Kontrolle, ob die Krank¬ 
heit wirklich geheilt ist, gelingt mit grosser Sicherheit. Als Provokations¬ 
methode hat sinh vor allem die intramuskuläre Vakzininjektion bewährt. — 
D öderl ein -München: Die Gonorrhoe der Frau. Die alte Erfahrung von 
der viel grösseren Gefährlichkeit der Trippererkrankung bei der Frau be¬ 
stätigt sich in erschreckender Weise angesichts der überaus zahlreichen, 
jetzt zu beobachtenden Erkrankungen. Hat die Erkrankung den 
inneren Muttermund überschritten, so ist eine Heilung wohl überhaupt 
ausgeschlossen; da diese Aszension durch intrauterine Maassnahmen 
sicher begünstigt wird, erscheint die Warnung gerechtfertigt, man möge 
nicht im Vertrauen aaf die Wirksamkeit neuerer Arzneimittel die Ge¬ 
fahren aktiver Behandlungsmethoden unterschätzen. 

Hof m ei er-Würzburg: Ueber einige sei teuere Erkraakangea der 
Portio vagiaalis. (Msohr. f. Geb. u. Gyn., Juli 1919.) In 2 Fällen 
wurde irrtümlich die Diagnose Portiokarzinom gestellt. Im ersten 
handelte es sich um eine follikuläre Hypertrophie der Portio und der 
Zervix, im zweiten um eine wahrscheinlich primäre Tuberkulose. 

E. Essen-Möller-Land: Ueber konservative MyoBoperatioueu. 
(Mschr. f. Geb. u. Gyn., Juli 1919.) Die Enukleation ist den radikalen 
Operationen darin überlegen, dass sie die Menstruation und die Gebär¬ 
fähigkeit erhält. Ihre Nachteile bestehen in späteren Beschwerden und 
Nachwachsen von Myomen, die zuweilen eine 2. Operation erfordern. 
Sie ist deshalb zu besohräoken auf Frauen unter 40 Jahren, bei nicht 
grossen Tumoren, wenn die Pat. selbst die Erhaltung der Gebärfähigkeit 
wünscht. L. Zants. 

Wae b er -St. Petersburg-Libau: Die Dosimetrie iu der Radiam- 
behandlnng der Geaitalkariiaome. (Arch. f. Gyn., Bd. 111, H. 1.) 
W. betont, dass eine rein physikalische Berechnung der Dosen in der 
Strahlenbehandlung zu falohen Resultaten führt. Die Milligrammstunde 
ist eine unbrauchbare Dosierungseinheit. Es ist statt dessen die bio¬ 
logische Maasseinheit der Erythemdosis zu wählen. Die Soheidensohleim- 
haut reagiert auf 3—4 E.—D. mit Verbrennungsreaktion II. Gr. Intra -1 
zervikal oder intrakorporal werden 50 E.—D. ohne Schaden vertragen. 
Eine einmal geschädigte Schleimhaut ist für weitere Bestrahlung ein 
„noli me tangere“. Daher ist es gefährlich, Narbengewebe der Be¬ 
strahlung zu unterwerfen. Das Gesetz von der Abnahme der Intensität 
im Quadrat der Entfernung gilt nicht für die nächsten Entfernungen 
(1—2 cm). Es wurde ferner festgestellt, dass Vs B.—0. eine 24 stän¬ 
dige Latenzzeit hat, d. h. eine 2. naoh 24 Stunden applizierte gleich¬ 
starke Dosis addiert sioh noch in ihrer Wirkung zur ersten. Die histo¬ 
logische Wirksamkeit eines Präparats charakterisiert sioh dementsprechend 
duroh die Milligramm Ka.—El., die es enthält, die Zeitdauer der 
Applikation, die Vs E.—D. entspricht und die Intensitätsabnahme mit 
zunehmender Entfernung. _ L. Zuntz. 


Augenheilkunde. 

R. Bergmeister-Wien: Ueber Koajaaktivitis bei Erythema 
mul ti ferme, (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 1 u. 2.) Es handelte sich 
in dem geschilderten Falle um eine Form der Konjunktivalerkrankung, 
die deutliche differentialdiagnostische Merkmale gegenüber einer ein¬ 
fachen Bindehautentzündung aufwies. Diese sind das Fehlen der Sekretion 
und der subjektiven Symptome, das Beschränktsein des Prozesses auf 
die Skleralbindehaut, welche eine leicht glasige und ödematöse Be¬ 
schaffenheit und Knötchenbildung aufweist. Es besteht Injektion der 
oberflächlichen und tiefen Gefässe. F. Mendel. 

A. Loe wen st ein-Prag: Aetiologische Untersuchungen über den 
fieberhaften Herpes. (M.m.W., 1919, Nr. 28.) Uebertragungsversuohe 
mit dem Inhalt von Herpesbläschen auf die Kaninohenhornhaut ergaben, 
dass darin ein Virus vorhanden ist, das iu allen Fällen beim Kaninchen 
eine der Keratitis herpetica des Menschen ähnliche Erkrankung hervor¬ 
ruft. Das Virus ist von einer Kaninchenbornhaut auf andere ohne 
wesentliche Virusabschwächung übertragbar; es wird unwirksam bei 
V 2 ständigem Erhitzen auf 56° und bei 24 ständigem Aufenthalt im 
Brutschrank. Kulturen gelangen nicht. Es ist nicht filtrierbar. Ein¬ 
fache Ausstriche des Herpesinbaltes zeigten bei Giemsafärbung feinste 
grcssendifferente Doppelkörnchen, deren Erregernatur noch nicht fest¬ 
steht. Nach L. handelt es sioh wahrscheinlich um eine Virusform, die 
den menschlichen Organismus gemeinsam mit bestimmten pflanzlichen 
Mikroorganismen (Pneumokokken, Kolibazillen) als synergetischen Sym- 
bionten befällt. R. Neu mann. 


H. Kuh nt-Bonn: Weitere Erfahrungen und Vorschläge für die Be- 
kimpfug des eiifaehea Nachstars. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 1 u. 2.) 
Sicher wirkende prophylaktische Maassnahmen gegen das Auftreten des 
einfachen Nachstars gibt es ausser der Extractio cum oapsula nicht. 
Bei der Starausziehung ist darauf zu aohten, die vordere Kapsel mög¬ 
lichst umfangreich zu entfernen und die sorgfältige Reinigung des 
Kapselsaokes von Rindenmassen zu bewirken. Hierdurch wird zwar nicht 
die Entwicklung des Nachstars in erheblichem Maasse hintangehalten, 
wohl aber die schnelle und stärkere Ausbildung zeitweise gehemmt. 
Eine für alle Fälle zutreffende Methode der Beseitigung der Nachstar¬ 
trübung aus dem Pupillenfelde existiert nicht und kann nicht existieren. 
Es kommen vielmehr je nach der Dauer des Bestandes, der Festigkeit 
und Dicke des Nachstars verschiedene Maassnahmen in Betracht. Am 
gefahrlosesten erscheint, bei grosser Sicherheit des dauernden Erfolges, 
die Frühdiszission und zwar mittels der präiridisohen Skleromyosis in 
Gestalt der subkonjunktivalen Methode. Wegen der Ungefährlichkeit 
und leichten Ausführbarkeit der subkonjunktivalen Methode ist die Früh¬ 
diszission auch als Prophylaktikum angezeigt, wenn nach klinischen 
Erfahrungssätzen die Bildung eines Naohstars wahrscheinlich erscheint 
oder infolge einer zu kleinen Lücke das Sehen für die berufliche Arbeit 
behindert ist. 

R. Bergmeister-Wien: Ueber Polykorie und verwandte seltenere 
Irisanomalien. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 1 u. 2.) Beschreibung 
einer Reihe von Fällen mit Abbildungen im Text. 

A. Pnotscher-Wien: Iridektomie bei Gla«kom nit Trepanation 
der iineren Skleralschiektea. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. I u. 2.) 
Verf. hat die Iridektomie durch eine anschliessend wieder gedeckte 
Trepanationsöffnung mehrmals ausgeführt und beobachtet, dass bei 
entsprechender Achtsamkeit beim Einpassen des Sklerallappens an¬ 
scheinend ein guter Verschluss des Trepanloches zustande kommt. 

E. Cr am er-Cottbus: Zur Ortshestimmaag von Blaseiwürmera im 
Aageiiai« und der Schnittrichtung zu ihrer Entfernung. (Zschr. f. 
Aughlk., Bd. 41, H. 1 u. 2.) Während der Kranke aufs äasserste naoh 
oben innen sah, dass man die Blase mit dem Spiegel sehen konnte, 
wurde ein Bandmaass so über Stirn und Wange gelegt, dass es die 
Blase zum Teil verdeckte und nun mit einem Jodpinsel daran entlang- 
gefabren. Während der Strich von der Stirn bis zum Auge die spätere 
Schnittrichtung angab, diente der Wangenstrich zur genauesten Inoe- 
haltung der nötigen Zugrichtung. F. Mendel. 

J. Strebei-Luzern: Ueber Makalablataagea der Mütter während 
und »mittelbar nach der Gebart. (Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 27.) 
2 Fälle. Im ersten Falle war eine intra partum aufgetretene allgemeine 
venöse Stauung, im zweiten Falle ein anämisierender Faktor die Ursache 
für die Blutung. In beiden Fällen bildete sioh die Blutung auf der 
Schläfeoseite schneller zurüok als auf der Nasenseite. R. Fabian. 

M. Winkler - Döbeln: Weitere Erfahrungen über Bleispritser- 
verlotznngen den Auges., insbesondere über das Dauerschioksal länger 
beobachteter Fälle. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 1 u. 2.) Von den 
14 Veröffentlichten Fällen hatten nur 2 einen ungünstigen Ausgang, der 
eine kam zur Enukleation, der andere hatte Ablatio retinae. Bei beiden 
Fällen sind aber schwere Nebenverletzungen, nicht die Bleispritzer 
selbst, an dem ungünstigen Ausgang schuld gewesen. Alle übrigen, 
von denen 6 annähernd 8 Jahre bzw. über 3 Jahre beobachtet wurden, 
zeigten keinerlei Reizerscheinungen, keine Spuren von sympathischer 
Entzündung und keine Anzeiohen einer chemischen Einwirkung des 
Bleies. Die Bleispritzerverletzungen waren am häufigsten während des 
Stellungskrieges im Westen in den Jahren 1915 und 1916. 

F. Mendel. 


Hals-, Nasen- urid'Ohrenkrankheiten. 

Rüedi-Davos: Operative Behandlung der Kehlkopftaberkalofle. 
(Brit. med. journ., Nr. 3051.) Am besten eignen sich für diese Behand¬ 
lungsart solche Fälle, wo kein Fieber besteht und wo das Lungenleiden 
zum Stillstand gekommen ist. Das beste operative Verfahren ist die 
elektrische Verschorfung mit ihrer breiten und tiefen Zerstörung der 
Infiltrationen; der hierbei sich bildende Schorf ist zugleich der beste 
Schutz gegen nachträgliche Infektionen. Nur bei Kebldeckeltuberkulose 
ist dieser Behandlungsart die Ausschabung bedeutend überlegen. Auch 
nach ausgiebigsten Verschorfungen wurde nie eine ernsthafte Schwellung 
oder eine Verengung der Luftwege beobachtet. Geheilt wurden im 
ersten Stadium 50, im zweiten 25 und im dritten 18pCt. der Fälle. 

Sch r e i b e r. 

R. Imhofer: Zur Begutachtung traumatischer Labyriathschüdi- 
-gaagen. (W.m.W., 1919, Nr. 27.) Es gibt hierbei beträchtliche Schwierig¬ 
keiten: l. die untergeschobene falsche Anamnese, d. h. Zurückfuhren 
eines alten Ohrenleidens auf ein bestimmtes Trauma; 2. die Konkurrenz 
mehrerer UrBaohen, d. h. neben dem Trauma sind noch andere ätio¬ 
logische Momente vorhanden; 3. die allgemeine traumatische Neurose 
bzw. posttraumatische Hysterie. Verf. zeigt diese Schwierigkeiten an 
zwei Beispielen. _ G. Eisner. 


Hygiene und Sanlt&tswesen. 

G. Seiffert: München: Bayern Gesundheitswesen ia Friede! aid 
Krieg. (M.m.W., 1919, Nr, 28.) Rüokblick und Uebersicht über die 
Leistungen des bayrischen Medizinalwesens auf dem Gebiete der Aus- 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 





8. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


85« 


hü düng der Amtsärzte und Fortbildung der praktischen Aerste, der 
Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, der Kranken- und Säuglings¬ 
fürsorge. R. Neu mann. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen, 

F. Den so w- Jena: Ueber einen Fall von trannatischer Spät- 
apoplexie. (M.m.W., 1919, Nr. 29.) 24 Tage nach einem Kopftrauma 
trat bei einem 45 jährigen Manne eine rechtsseitige Hemiplegie auf. 
Nach dem ganzen Verlaufe wird eine echte traumatisohe Spätapoplexie 
imSinne Bollinger’s angenommen und der ursächliche Zusammenhang 
zwischen Apoplexie und apoplektischem Insult anerkannt. 

R. Neumann. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 23. Juli 1919. 

Vorsitzender: Herr L. Landau. 

Schriftführer: Herr Virohow. 

Vorsitzender: Wir haben erst heute die Naohricht erhalten, dass 
eines unserer jüngeren Mitglieder, Herr Dr. Kurt Franke, Mitglied 
seit 1911, 1916 im Felde gefallen ist. Ich bitte, sieh zu seinen Ehren 
zu erheben. (Geschieht.) 

Aufgenommen wurden in der Sitzung der Aufnahmekommission die 
Herren: Dr. Aron Sandler, Dr. Maxim. Zetkin, Dr. Max Petersen, 
Dr. Max Rosenberg, Dr. Kurt Dresel, Privatdozent Dr. Hans 
Burokhardt, Dr. Emil Kronheim, Oberstabsarzt Dr. v. Haselberg, 
Dr. Richard Sieskind, Dr. Heinrich Zolki, Dr. G. Waetzoldt, 
Dr. H. Feuerbaoh, Dr. Fritz Regensburger, Dr. Fritz Schiff. 

Eingegangen ist vom Chef des Generalstabes des Feldheeres, Friedens¬ 
kommission, Abteilung Verwaltung Sektion I (Generalquartiermeister), 
ein Bericht der Abwickelungsstelle der ehemaligen Kommandantur Lille. 
Diejenigen Herren, welche den Berioht einsehen oder ihn später von der 
Bibliothek entleihen wollen, werden darin eine Menge von Einwendungen 
gegen die Vorwürfe finden, die uns von seiten der französischen Akademie 
der Medizin gemacht worden sind. 

Hr. Fuld: Darf ioh wohl als einziges anwesendes Mitglied der 
Kommission, die über die LiHer Vorschläge verhandelt, bitten, dass 
diese Denkschrift unserem Vorsitzenden Herrn Geheimrat Kraus zu- 
geschiokt wird? 

Vorsitzender: Ja, das soll geschehen. 

Herr Zülzer ist durch Erkrankung verhindert, heute seinen Vor¬ 
trag zu halten, das wird naoh den Ferien geschehen. 

Die Verhandlungen des letzten Jahres sind erschienen. loh spreche 
dem Schriftführer, Herrn Israel, für die rechtzeitige Fertigstellung den 
Dank der Berliner medizinischen Gesellschaft aus. Dass sie nicht früher 
erschienen sind, ist nioht seine Schuld, sondern die Schuld der Druckerei. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Birckhardt stellt einen Patienten vor, dem er das lilke III- 
bogengeleBk mobilisiert hat. Der Pat. hatte im Jahre 1918 einen 
Schulterschuss erlitten. Infolge Ruhigstellung des Ellbogens und nach¬ 
folgenden gewaltsamen Mobilisationsversuchen versteifte sich dieser 
knöchern. Pat wurde zweimal operiert, beide Male ein breites Stück 
Faszie interponiert. Nach der ersten Operation war das Resultat sehr 
massig, nach der zweiten wurde es gut. Streckung bis 170°, Beugung 
bis 35° möglich; nioht möglich Pronation. Der Misserfolg der ersten 
Operation war durch Schrumpfung des Trizeps und Verwachsung seiner 
Sehne mit dem Knochen bedingt. Bei der zweiten Operation wurde die 
Faszie bis unter die losgelöste und verlängerte Trizepssehne hinauf- 
gesohlagen. Der Arm wurde diesmal in Beugestellung ohne Extension 
verbunden. 

Hr. Roseibaam bespricht einen Fall von Herpes soster mit Läh¬ 
mungen im Gesicht. 

Tagesordnung. 

Hr. S. Bergei: Beiträge nur Biologie der Lymphozytei. (Mit 
Liohtbildern und mikroskopischen Präparaten.) 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Aussprache. 

Hr. Wolff-Eisner: Herr Bergei hat das Verdienst, darauf hin¬ 
gewiesen zu haben, dass die Lymphozyten bei der Zerstörung und dem 
Abbau der Tuberkelbazillen, also bei dem Meohanismus, wie der Körper 
sich der Tuberkelbas)llen erwehrt, beteiligt sind. Die Untersuchungen 
Bartel’s gingen in der gleichen Richtung. Die heute von Herrn 
Berge) mitgeteilten Versuche erbringen einen neuen Beweis für den 
Zusammenhang der Lymphozyten mit der parenteralen Fettresorption. 

. Ich wende mich zu dem morphologisch-histologischen Gebiet, auf 
das sich Herr Bergei begeben hat. Selbst Ehrlich machte die Ein¬ 
rangierung dieser mononukieären Zellen in sein hämatologisohes System 
Schwierigkeiten. Hier möchte ich gegen die Bergel’schen Ausführungen 
einige Bedenken erheben und zwar auf Grund eines grossen Materials — 
ioh habe etwa zehn Jahre die ganz analoge Versuchsanordnung für sehr 


viele morphologische und mikrobiologische Probleme verwandt und habe 
mit ihr nicht nur die morphologischen Vorgänge bei der Infektion und 
Immunität (seinerzeit im Pfeiffer'sehen Institut) und auch die Ein¬ 
verleibung von Zellsubstanzen von roten Blutkörperchen, von Sperma¬ 
tozoon, Milzsellen, Knochenmarkszellen usw. studiert, sondern mit ihr in 
Versuchen mit Tuberkulin, die auch Herr Berge 1 zitiert hat, gemeinsam 
mit v. Torday experimentell Lymphozytenexsudate erzeugt. 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass im Blute die kleinen 
Lymphozyten, die grossen Lymphozyten und die sogenannten mono¬ 
nukleären Zellen Ehrlich’s Zusammenhängen. Dass die Zellen sämt¬ 
lich zur Lymphozytengruppe gehören, geht vor allem daraus hervor, 
dass diese grossen mononukleären Zellen, ebenso wie die Lymphozyten, 
die von Michaelis zuerst beschriebene Azurgranulation haben, und da 
Ehrlich die Granulation in der Blutmorphologie consensu omnium zur 
Basis der Zelldifferenzierung gemacht hat, so kann darüber kein Zweifel 
bestehen, dass diese Zellen in einem Zusammenhang stehen und die 
grossen Mononukleären zur Lymphozyten gruppe zu stellen sind. Aber 
viel schwieriger liegen diese Dinge bei Exsudaten, und zwar lösen sioh 
Endothelsellen eigentlich aus ihrer Lagerung im Zellgefüge los und 
werden wieder selbständige Zellen mit Eigenleben. Sie bekommen 
morphologisch, wie man bei Versuchen, die sich mit der Phagozytose in 
der Abdominalhöhle oder in der Pleurahöhle befassen, naohweisen kann, 
eine den mononukleären Leukozyten des Blutes völlig gleichende Form. 
Bei Anwendung der Ehrlioh’schen vitalen Blutfärbung erweisen sioh 
diese Zellen in ausgezeichnetem Maasse als phagozytär. Diese phago¬ 
zytäre Tätigkeit ist bei der Färbung mit Löffier oder Giemsa nicht 
sichtbar oder nur angedeutet, während sie bei der vitalen Färbung 
hervortritt. Das liegt daran, dass die Zelleinscblüsse bei der Phago¬ 
zytose durch fermentative Prozesse oxydiert werden, dass daher in der 
lebenden Zelle ungefärbt vorhandene Leukoprodukte der Farbstoffe an 
den Stellen, wo Phagozytose ausgeübt wird, siohtbar werden. 

Wenn nun aus diesen Endothelien mononukleäre Zellen oder, 
richtiger gesagt, Zellen vom morphologischen Typus und Charakter 
dieser mononukleären Zellen werden können, so kann man nicht mit 
den von Herrn Bergei vorgezeigten Präparaten den Beweis erbringen, 
dass diese Zellen gerade aus Lymphozyten entstanden sind. Es ist zu¬ 
zugeben, dass an den Bergel’schen Präparaten zu sehen ist, dass die 
Lymphozyten, wahrscheinlich unter dem mechanischen Druok des Fett¬ 
gewebes, eine Kerneinziehung zeigen, aber wenn Sie die Präparate genau 
betrachten, wird Ihnen vielleicht auffallen, dass zwischen den Lympho¬ 
zyten und den mononukleären Zellen, die daraus geworden sein sollen, 
schon ganz kolossale Grössenunterschiede bestehen. Nach alledem 
glaube ioh nioht, dass der Nachweis geführt ist, dass die grossen 
mononukleären Zellen der Exsudate aus Lymphozyten ent¬ 
standen sind. 

Herr Bergei konnte bei seinen Versuchen, die sioh nur auf Fett 
beschränken, sehr leicht auf die Idee kommen, dass diese „mononukleären* 
Zellen aus Lymphozyten entstanden sind. Wenn ich aber aus meinen 
Versuchen weiss, dass diese Ansammlung der mononukleären Zellen 
nicht für das Fett und für die Fettresorption charakteristisch ist, sondern 
eigentlich in jedem Falle den dritten Akt der Resorption von körper¬ 
fremden Zellen darstellt, so fällt damit die Voraussetzung fort, aus der 
Herr Bergei die Folgerung gezogen hat, dass diese Zellen aus Lympho¬ 
zyten entstanden sein müssen. Denn bei der Resorption von Körper¬ 
zellen, also von Sperma, von Blut und Milszellen usw. sind ja vorher 
keine Lymphozyten dagewesen, sondern polynukleäre Leukozyten. Wenn 
in diesen Exsudaten auch regelmässig „mononukleäre* Zellen auftreten, 
dann stammen sie entweder aus den mononukleären Zellen des Blutes 
(duroh Emigration) oder von den Endothelien, aus denen sie sich ent¬ 
wickelt haben. Lipoide führen auoh nicht unter allen Umständen zur 
Lymphozytenemigration und zur Bildung von Lymphozytenexsudaten. 
Wenigstens bei Versuchen über den morphologischen Ablauf der Hämo¬ 
lyse konnte ich nur den polynukleären Typus des Exsudats, aber keine 
Lymphozytenexsudate feststellen. 

Herr Berge 1 ist dann nooh auf andere wichtige theoretische Fragen 
eingegangen. Ich möchte mir erlauben, ganz kurz darauf hinzuweisen, 
dass Ehrlich seinerzeit in seinem berühmten Werke über Anämie das 
Fazit seiner Forschungen dahin zog, dass die Lymphozyten gruppe von 
der granulierten zu trennen sei und zwar aus folgenden Gründen: 

1. Die polynukleären Zellen haben, ebenso wie die eosinophilen 
Zellen und Mastzellen, eine spezifische Granulation, die den Lympho¬ 
zyten fehlt. 

2. Die Gruppe der granulierten Zellen folgt chemotaktisohen Ein¬ 
flüssen, während die Lymphozyten nur passiv ausgeschwemmt werden. 

Der von L. Miohaelis und mir erhobene Befand der Azur- (oder 
aturophilen) Granulation hat die eine Voraussetzung dieser prinzipiellen 
Trennung dieser beiden Gruppen erschüttert. 

Die Bedeutung unserer Befunde für die Entscheidung der Frage der 
aktiven Lymphozytose habe ich mir schon eben erlaubt, kurz zu 
skizzieren. In historischer Beziehung möchte ich erwähnen, dass ioh 
schon im Jahre 1899 und 1900 gleichzeitig mit Widal den Befund er¬ 
hoben, dass bei tuberkulösen Ergüssen die Lymphozytenexsudate 
obarakteristisoh sind und diagnostische Bedeutung haben, und habe 
dann über Widal aus meinen Befunden den Schluss gezogen, dass es 
eine aktive Lymphozytose gibt, worunter ioh eine aktive chemotaktische 
Auswanderung verstehe, und habe dann auch amöboide Veränderungen 
der Lymphozyten bei lymphatischer Leukämie beschrieben und ab¬ 
gebildet. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 





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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


leb sehe in der sohönen Arbeit toü Bergei, soweit die Fragen mr 
Oisknssien stehen, eine Ergänzung and vor allem au oh Bestätigung 
dieser meiner Befände. 

Hr. Mosse: Das, was ioh su den Ausführungen des Herrn Vor¬ 
tragenden und su der Deutung seiner Versuche sagen möohte, bitte ioh 
nicht ohne weiteres aufzufassen als einen Einwand gegen das Gesagte, 
sondern vielmehr als eine Anregung, die Untersuchungen vielleicht in 
einigen Pankten su ergänsen. Genau wie der Herr Vortragende stehe 
auch ioh auf dem Standpunkt der dualistischen Theorie, aber ioh kann 
nioht zugeben, dass seine Versuche eindeutig und unbedingt für die 
Riohtigkeit dieser Theorie sprechen müssen. Man kann sich dooh wohl 
vorstellen, dass die Keimzellen der Lymphozyten elektiv duroh die Ein¬ 
spritzung einer Substanz gereizt werden, dass es zu einer vermehrten 
Neubildung von Lymphozyten kommt — im Gegensatz zu den Stamm¬ 
sellen der granulierten Zellen —, ohne daraus den Sohluss ziehen su 
müssen, dass es sioh um anatomiseb verschiedene Zellen handeln muss. 

Der Herr Vortragende hat dann weiterhin auoh den Befund er¬ 
hoben, dass er Lymphozyten in der Gefässwand vorgefunden hat. Ich 
Belbst habe ebenso wie Glinski schon vor einer grösseren Reihe von 
Jahren bei chronischer Leukämie eine entsprechende Beobachtung 
gemacht, habe mich aber wohl gehütet, daraus den Sohluss su ziehen, 
dass dieser Befund absolut für eine aktive Beweglichkeit der Lympho¬ 
zyten sprechen muss. Man kann sioh doch sehr wohl denken, dass die 
Zellen passiv hindurobgequetsoht werden. Wenn Sie — um einen Ver¬ 
gleich su gebrauchen — einen Gummiball duroh ein enges Gitterwerk 
hindurohzuwerfen versuchen, und wenn dann der Gummiball nicht durch¬ 
kommt, sondern in den Maschen des Gitterwerks stecken bleibt, so 
nimmt er dann eine ähnliche Form an, wie die Lymphozyten, von denen 
der Herr Vortragende gesprochen hat. Also den Schluss zu ziehen, 
dass die Lymphozyten aktiv aus dem Gefäss in die Nachbarschaft ge¬ 
kommen sind, das scheint mir doch nicht berechtigt zu sein. 

Soweit ioh übrigens weiss, ist der Erste, der auf die aktive Beweg¬ 
lichkeit hingewiesen hat. Ran vier gewesen. 

Der Herr Vortragende würde vielleicht gut tun, seine Versuche 
nach einer bestimmten Richtung hin zu ergänsen. Ich bin übrigens, 
ohne mir ein endgültiges Urteil su erlauben, ebenso wie der Herr Vor¬ 
redner der Meinung, dass es sich in den aufgestellten Präpa¬ 
raten im wesentlichen oder wenigstens zum grossen Teile um Endothel¬ 
sellen handelt, aber es ist ja möglich, dass auoh eine Vermehrung der 
grossen Lymphozyten nachsuweisen ist. Da ist es nun vielleicht an¬ 
gebracht, die Versuche in der Weise zu erweitern, dass man auoh die 
Keimzentren der Versuchstiere histologisch untersuoht und daraufhin 
prüft, ob in den Keimzentren eine starke Vermehrung der Lymphoblasten 
vorhanden ist. 

Endlioh möchte ich den Herrn Vortragenden noch fragen, ob ihm 
vielleicht bekannt ist, ob man bei Abmagerungskuren bei alimentärer 
Fettcuoht ebenfalls eine Lymphozytose gefunden hat? Auoh wenn das 
der Fall sein sollte, so wäre dooh vielleicht auoh daran zu denken, 
dass jetzt bei den Kriegsteilnehmern das Vorkommen einer Lympho¬ 
zytose im Sinne des Befundes von v. Ho esslin u. a. zu deuten ist, 
der bereits im Frieden bei Neurasthenikern eine Lymphozytose fest¬ 
gestellt hat. 

Hr. Wolff-Eisner: Gestatten Sie nooh ein kurzes Wort über zwei 
Punkte. Der Befund der Lymphozyten in der Gefässwand kann natürlich so 
gedeutet werden, wie es Herr Mosse getan bat. Wenn wir Lymphozyten in 
der Gefässwand finden, so könnten sie mechanisch hineingekommen sein. 
Wenn Sie aber ein Lymphozytenexsudat bei einem Menschen finden, der eine 
normale Blutmisohung hat (etwa auf 400 Erythrozyten ein Leukozyt 
und die Leukozyten in der normalen Misohung von 70 pCt bis 75 pCt. 
polynukleären und 20 pCt. Lymphozyten), und Sie haben im Exsudat 
nachher Erythrozyten, die vielleicht eine Möglichkeit haben, duroh irgend¬ 
eine Gefässlüoke mit dem Leukozyten durohgequetsoht zu sein, dann 
aber 90 oder 95 pCt. Lymphozyten, wie bei den tuberkulösen Ergüssen 
und bei Tuberkulinexsudat bei Meerschweinchen und Mäusen, so gibt 
es keine Möglichkeit, anzunehmen, dass* es sich um mechanische Duroh- 
quetschung der Lymphozyten handelt. Denn dann müsste ja die Ex- 
sudatmischung wenigstens ungefähr dem normalen Blutbilde entsprechen. 
Das ist der Grund, warum ioh unter allen Umständen daran festhalte, 
dass es sioh um eine aktive chemotaktische Anlockung der Lymphozyten 
handelt. 

Der zweite Punkt ist der: Wenn Miohaelis und ioh die asurophile 
oder Azurgranulation beschrieben haben, dann werden wir wahrscheinlich 
dooh nioht in dem Verdacht stehen, dass wir ihren Wert zu gering ein¬ 
schätzen. Trotzdem glaube ioh aber, dass es zu weit geht, wenn man 
die Konstitution irgendeiner Zelle nur naoh der Azurgranulation allein 
bestimmt, ganz abgesehen davon, dass ioh den Befund von Nägeli 
nicht anerkennen kann, dass die Azurgranulation der Mononukleären 
unter allen Umständen nur eine ohagrinartige oder eine Bestäubung ist. 
Ioh vertrete die Ansicht, dass die mononukleären Zellen des Blutes 
deutliche Azurgranulation aufweisen, die von der der Lymphozyten nioht 
zu trennen ist. Dass Ehrlich das als zutreffend anerkannt hat, dürfte 
immerhin dooh auch etwas in die Wagschale fallen. Aber — und das 
bat Ehrlich auoh in seinen Bemerkungen zu unserer Arbeit in 
Virohow’s Arohiv hinzugefügt — die Azurgranulation unterscheidet sich 
von den anderen Granulationen dadurch, dass sie ungleiohmässiger ist 
und nicht, wie andere Granulationen über das ganze Protoplasma aus- 
gestreckt ist. Den Grund für dieses Verhalten der Azurgranulation 


habe ioh schon früher gefunden, als ich mononukleäre Zellen mit Asur- 
granulis und Granulavakuolen abbildete (Zsohr. f. klin. M.). Dieser 
Befund deutet darauf hin, dass, wie wir es auch bei Mastsellen be- 
schrieben haben, die Azurgranula in dem betreffenden Färbungsprosess 
Lösungsmittel vorfinden, und dass ein Teil der Azurgranula aufgelöst 
ist. Daraus folgt: Finden wir in 2 Zellen gleiche Granula, so müssen 
wir die Granulation als Beweis dafür ansehen, dass die Zellen nahe 
Verwandtschaft aufweisen, und fehlen die Granula, so besteht die Mög¬ 
lichkeit, dass sie gelöst sind. Also auch hier beweist nur der positive 
Befund und nioht der negative. 

Hr. Werner Schultz: Die Frage, die hier angeschnitten worden 
ist, ist eine der wichtigsten in der Hämatologie. 

Herr Schilling hat angeführt, dass die Zellen, die im Exsudat 
gefunden worden sind, nioht mit den Mononukleären des Blutes 
identisch sind. Herr Wolff-Eisner ist der gleichen Ansicht bezüglich 
der Deutung als Lymphozyten. Irgendwo muss die Zölle herkemmen. 
Darüber ist auoh eingehend gearbeitet worden, und in d'eu seinerzeit 
von Pappenheim geleiteten Folia haematologica sind sehr interessante 
Arbeiten gerade über Exsudatzellen veröffentlicht worden. Die Zellen, 
die wir hier vor uns haben, pflegt man im allgemeinen als Makrophagen 
zu bezeichnen. Diese Makrophagen sind gross, sie haben einen etwas 
unregelmässig gestalteten Kern und sind lymphoid. Lymphoid nennt 
man in der Hämatologie ohne Rüoksioht auf die Genese alles, was 
basophil und ungranuliert ist, wobei die asurophile Granulation keine 
Rolle spielt 

Seitens der Autoren wird angenommen, dass die Makrophagen von 
Zellen stammen, die den Fibroblasten nahestehen, dass sie also gewisser- 
maassen eingewanderte Bindegewebszellen darstellen, die in einen primi¬ 
tiven Zustand zurückgekehrt sind. Man findet nämlich neben diesen 
Zellen, den Makrophagen, die sogenannten Lymphoidczyten Pappen- 
he im’s, also eine primitive Zelle, die einen grossen leptochromatisohen 
Kern hat mit einem schmalen basophilen Protoplasma. Wenn man diese 
Exsudatzellen näher untersucht, findet man merkwürdigerweise nioht nur 
lymphoide Zellen, sondern daneben auch gewisse Zellen, die eine neutro¬ 
phile oder eosinophile Granulation aufzuweisen haben, scheinbar neutro¬ 
phile oder eosinophile Myelozyten bzw. deren Vorstufen, die offenbar 
nioht von Blutleukozyten oder Bluteosinophilen abstammen. Also man 
hatte naoh diesen Arbeiten, die ich zitiere, angenommen, dass die 
Zellen, die hier im Präparat grösser sind, nioht identisch sind mit 
Blutmonosyten, nioht identisoh sind mit Lymphozyten, auch nioht 
identisch sind mit Endothelien, sondern nahestehen den Lymphoido- 
zyten Pappenheim’s, primitiven Zellen. 

Nun, damit, werden Sie sagen, kommt man wieder auf die Idee, 
dass diese Zellen lokal entstanden sind. An der Möglichkeit zweifelt 
aber kein Mensch heutzutage mehr, denn wir wissen alle, daäs z. B. 
beim Entstehen einer myeloisohen Leukämie die Zellen nioht etwa vom 
Knochenmark überall hin verstreut sind, sondern dass die myeloische 
Wucherung überall autoohthon entstanden ist. Klinisch beobachtet 
man übrigens die geschilderte interessante Exsudatzellbildung ziemlich 
häufig. 

Hr. Bergei (Schlusswort): loh kann mich wohl im ganzen kurz 
fassen, da ja zum grössten Teil meinen Ausführungen zugestimmt 
worden ist, und ein Teil der Einwendungen, die Herr Schilling ge¬ 
macht hat, von Herrn Wolff-Eisner bereits, wie mir soheint, wider¬ 
legt worden ist 

loh möchte zunäohst Herrn Mosse die Frage, die er an mioh ge¬ 
richtet hat, beantworten. In der Tat ist festgestellt, nioht duroh mioh, 
aber duroh andere, dass bei gewissen Formen der Fettsucht eine Lympho- 
zytenvermehrung vorhanden ist bei anderen wieder Lipase fehlt, dass 
weiterhin naoh der Verabreichung von Thyreoidintabletten, die eine Ab¬ 
spaltung des Körperfetts und Abmagerung bewirken, zweifellos eine 
starke Vermehrung der Lymphozyten zustande kommt die sehr wahr¬ 
scheinlich in einem ursächlichen Zusammenhänge mit dem Abbau des 
mobilisierten Körperfettes steht. 

Wenn Herr Schulz von Makrophagen gesprochen hat so vermissen 
wir eben eine klare und scharfe Definition dessen, was man Makrophagen 
nennt. Metsohnikoff hat den Begriff Makrophagen eingeführt, und 
man verstand darunter bisher gewöhnlich die Gruppe der grossen Mono¬ 
nukleären des Blutes und gewisser Endothelien, da man annahm, dass 
die Lymphozyten nioht fähig zur Phagozytose sind; aber ioh glaube 
naohgewiesen su haben, dass tatsächlich auoh der kleine Lymphozyt 
mit dem grossen Kern und dem kleinen Protoplasmasaum sohon phago¬ 
zytäre Eigenschaften besitzt, dass er die Fetttröpfen in sich aufnimmt 
und ich glaube auch duroh die Präparate deutlioh gezeigt su haben, 
dass die Lymphozyten nioht bloss aus dem Gewebe stammen, sondern 
zum grossen Teil, vielleicht sogar zum grössten Teil, aus dem Blut aktiv 
auswandern. Das geht ja, worauf ich besonderen Wert legen möchte, 
aus den histologisohen Untersuchungen der Auflagerungen hervor, die 
sioh naoh den Fettinjektionen besonders auf der Serosa der Brusthöhle 
bilden. Da sieht man ganz deutlioh, dass aus den jungen GefäBsen, die 
in die Auflagerungen hinein wachsen, massenhaft einkörnige Zellen, kleine 
Lymphozyten aktiv auswandern und dann die Gefässe in grossen Mengen 
umlagern. Es ist also zum mindesten, wie gesagt, der grösste Teil der 
Exsudatzellen hämatogenen Ursprungs. Dass das aber nicht eine passive 
Ausschwemmung sein kann, ist, glaube ioh, ohne weiteres deutlioh aus 
den Bildern erkennbar, die ich gezeigt habe, indem nämlich in den Ge- 
fässen massenhaft polymorphkörnige Leukozyten sind, die aber darin 


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8. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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bleiben, and gerade nnr die einkernigen Zellen elektiv chemotaktisch 
heran8geiogen werden. Ausserhalb des Gefässrobres and in der Gef&ss- 
wand sieht man nur Lymphozyten, während man im Gefässrohr sehr 
viele polymorphkernige Zellen findet. loh sehe also keine Möglichkeit 
ein, wie da von einem passiven Herausgedrücktwerden der Lymphozyten 
gesprochen werden kann; wenn von einer passiven Heraussobwemmung 
die Rede sein könnte, so mussten vielmehr die polymorphkernigen 
heransgequetsoht werden, da sie im Gefässrobr in der Ueberzahl sind. 
Aber es ist gerade amgekehrt, es werden nar die einkernigen chemo* 
taktisch zur Auswanderung veranlasst. Ueberdies habe ich ja ihre 
amöboide Bewegliohkeit und Lokomotionsfähigkeit an einer Reihe von 
Bildern zeigen können. 

Dass die grossen Mononakleären, oder, sagen wir einmal, diejenigen 
Zellen, die morphologisch and färberiscb eine grosse Aehnliohkeit mit 
den grossen Mononakleären des Blutes haben, von den Lymphozyten 
abstammen, glaube ich dadurch bewiesen zu haben, dass ioh eben alle 
üebergänge von den kleinen Lymphozyten zu den grossen und diesen 
Zellen — ioh will mich ganz vorsichtig ausdrüoken —. die morpho¬ 
logisch und färberisoh den grossen Mononakleären und Uebergangsformen 
sehr ähnlich sind, in einer geschlossenen Körperhöble und in einer be¬ 
stimmten Entwicklungsfolge gefunden habe. Man siebt zuerst Lympho¬ 
zyten mit grossem Kern und kleinem Protoplasmasaum; dann sieht man 
das Protoplasma sich vermehren, der Kern bekommt eine kleine Ein¬ 
kerbung, die Einkerbung und Krümmung wird grösser, das Proloplasma 
wird breiter. Das sind alles morphologische Veränderungen, die ledig¬ 
lich durch die Funktion bedingt sind, und wenn dann die Funktion er¬ 
lischt, wenn die injizierten Fetttröpfchen resorbiert sind, so sieht man 
in dem Exsudat wieder, wie ioh das gezeigt habe, diese Zellen dieselbe 
Entwicklung rückwärts durchmaohen, sie zunächst in die Form der 
grossen und dann m die der kleinen Lymphozyten zurückkebren. 


Amtlicher Verein zu München. 

Sitzung vom 19. Marz 1919. 

Hr. 8ftnerbrich: Chirirgisehe Demoistratieiei. 

Als ersten Fall stellte Vortr. einen Jungen vor mit einer zystischen 
Gesohwulst von der Skapula ausgehend. Es handelte sich um eine 
Exostose. Was die Strumen anlangt, so sind sie in Bayern anscheinend 
nooh verbreiteter als in der Schweiz. Sie sind grösstenteils als Zysten 
anzuspreeben. Das kommt daher, dass sie die Muskulatur sehr sohnell 
vor sioh herschieben. Doch sind viele dieser Strumen nooh mit einem 
substernalen Teil verbunden. Zu Atembeschwerden führen die media- 
stinalen Strumen. Ein 26jähriger russischer Arzt litt seit früher Jagend 
an Anfällen von Atembescbwerden und wurde in Petersburg tracheoto- 
miert. Danaoh keine Erleichterung. Besserung nach Einführung einer 
Kanüle. Auch weiterhin noch oftmalige Behandlung, da die Ursache der 
Stenose nicht eruiert werden konnte. Schliesslich hielt man die Dyspnoe¬ 
attacken für juveniles Emphysem. Zur Heilung begab sioh Pat. nach 
Freiburg, wo er einen starken Erstickungsanfall erlitt, so dass Berg¬ 
mann die Diagnose auf Stenose duroh Mediastinaltumor stellte. Die 
Operation ergab eine Struma substernalis. S. demonstriert eine Struma 
von 1100 g. Was die Operation betrifft, so bestehen Schwierigkeiten in 
der Gefahr einer Blutung auch aus den gestauten Venen trotz Unter¬ 
bindung der 4 Arterien. Die Gefahr der Luftinspiration ist dann am 
höchsten, wenn es gelingt, die Struma aus dem Mediastinum heraus¬ 
zuholen. Der Zugang bei sehr grossen Geschwülsten ist oft im chirur¬ 
gischen Sinn ungenügend. Deshalb macht Vortr. dann die longitudinale 
Spaltung des Sternums. Das Druckdifferenzverfahren stellt ein grosses 
Hilfsmittel bei Operation mediastinaler Tumoren dar, denn die Blutung 
wird geringer und die Luftembolie kann ausgeschaltet werden, besonders 
auch bei Strumen mit erweiterten Venen. Weiterer Fall: 36jährige 
Frau. Vor 18 Jahren Gallensteine mit Ikterus. Im Februar 1919 hef¬ 
tige Schmerzen, besonders links, massig aufgetriebener Leib, Erbrechen, 
palpable, etwas vergrösserte Gallenblase. Diagnose: Chronische Chole¬ 
zystitis, vielleicht mit Gallensteinen. Da keine Baucbdeckenspannung 
und keine Schmerzen, kein ohirurgisoher Eingriff. Nach einiger Zeit 
neuer Anfall mit schlechtem Puls und Verfall der. Pat. Operation. 
Salzige Beschaffenheit des Netzes und hämorrhagisches Exsudat: Pankrea¬ 
titis acuta. In der Gallenblase wenig Steine. Im Pankreas ein kleiner 
Stein, Kopf vergrössert. Im Anschluss an einen Gal lensteinanfall war 
ein Stein in den Ductus pankreatious gelangt. Bei sofortigem Eingreifen 
ist die Prognose nicht sehr schlecht. Man kommt aber sehr oft zu 
spat, und das Pankreas wird selbst verdaut. Die Todesursache ist reine 
Intoxikation mit Pankreastoxin. Bei Operation ausgedehnte Tamponade 
des Peritoneums. 

56jähriger Mann. Bis Mai 1918 gesund. Magerte stark ab und 
konnte nicht mehr richtig sohlucken. Er nahm einen Bissen, sobluokte 
ihn, und nach einiger Zeit kam der Bissen wieder, ohne irgendwelche 
Spuren von Verdauung zu zeigen. Es bandelte sich um ein Divertikel 
des Oesophagus am Uebergang in den Pharynx. Das Divertikel reichte 
weit in die Thoraxapertur hinein. 3 Wochen naoh der Operation war 
noch keine Fistel aufgetreten, eine kleine hat sioh jetzt aber doch ge¬ 
bildet. 

Riesenwuohskranke: 1. Junger Mann mit kolossaler Vergrösserung 
der ulnaren Abschnitte beider Hände. Es beteiligt sich daran auch 
die Mittelhand mit ihren Knoohen, und auch der Unterarm ist der Länge 
und seinem Umfang nach vergrössert In der Handfiäohe ein ausser¬ 


ordentlich diokes Polster. Oft haben diese Leute nooh eine andere Miss¬ 
bildung: hier ein Lipom im Bereiob der Mamma. Therapie: Finger 
kürzen und Fettpolster beseitigen. 2. Kleines Mädchen. Ein hoch¬ 
gradiger Tumor nimmt den ganzen Rücken ein, der als Lipom mit 
viel lymphangiomatösem Gewebe anzuspreeben ist. Der linke Unterarm 
ist 1—2 cm länger als der rechte, und auch die linke Hand ist breiter. 
Verbreiterung der 1.—4. Rippe links- 8. Kleines Mädoben mit Riesen¬ 
wuchs einer unteren Extremität und Lipom der Glutäalgegend. Ebenfalls 
richtiger Riesenwuchs, denn Knoohen auoh beteiligt. 

Coxa vara. Verbiegung des Schenkelhalses im Sinne einerAdduktion 
des Halses zum Sohaft. Typisch: Adduktionskontraktur, Verkürzung 
des Beines, Trendelenburg’sches Phänomen. Theorie der Entstehungs¬ 
möglichkeiten: 1. Belastungsdeformität sensu striotiori (alte Anschauung). 
2. Primäre Veränderung im Knochen. 3. Traumatische Genese. 4. Primäre 
Veränderung des Schenkelhalses und Trauma nur auslösende Ursaohe. 
5. Perthes hat die Osteochondritis deformans beschrieben. Eine Er¬ 
nährungsstörung führt zu Störung im Knoohen und mit der Zeit erfolgt 
ein Einbruch des Sohenkelkopfes. Dabei bleibt die Flexion mehr frei 
als bei der Coxa vara. Prognose gut. Besserung oft nooh nach 2 Jahren, 
und nur das Röntgenbild zeigt dann nooh die Coxa vara. 6. Coxa vara 
der Arthritis deformans. Auch im jugendlichen Alter. Zunahme des 
Prozesses im Laufe der Zeit. S. stellt eine Dystrophia adiposogenitalis 
mit Coxa vara duplex vor. Adduktion so stark,' dass Knieen nur mit 
gespreizten Beinen möglich. 

28jährige Pat. mit Veränderung der einen Hals- und Gesiohtsseite. 
Beim Pressen wölbt sioh eine Art Tasche in der rechten Wangengegend 
vor. Es handelt sich um Teleangiektasien, die sioh beim Pressen füllen. 
Man batte das Gefühl, es bandle sieh um eine Gefässstruma mit starker 
Stauung. Die Veränderungen seien ganz allmählich aufgetreten. Pat. 
hatte aber schon seit der frühesten Jagend ein Muttermal bemerkt. 
Auoh die linke Zungenhälfte war blau verfärbt. Ferner fehlte links die 
Masseterenmuskulatur (durch Drnckatropbie). Diagnose: Diffuse Angiome 
der linken Hals- und Gesiobtsgegend. Indikation zur Operation war 
der grosse Blutandrang zum Kopf, üben den die Kranke sehr klagte. 
Der Operationsplan war Unterbindung der V. jugularis int. Bei der 
Operation fand sich ein Kropfknoten, der die V. jugularis int an der 
Einmündungsstelle in die Subklavia drückte. Er war nioht die Ursache, 
erhöhte aber die Teleangiektasien. 

Operationsindikation bei Fremdkörpern in der Lunge: 1. Wenn der 
Fremdkörper zwar einheilt, io der Umgebung sich aber eine Entzündung 
oder Eiterung ausbildet. 2. Wenn der Fremdkörper zu schweren Rezidiv- 
blutungen führt 


Sitzung vom 26. März 1919. 

1. Et. HüfTmäye*; fieö "ztteröt dm Wort kö Ofner kurzen Beoreftung 
erteilt wird, warnt vor der neuerdings wieder auftretenden Süddeutschen 
medizinischen Zeitschrift, die vor einem Jahr gegründet wurde. 

2. H. v. Notthaft: Behandlung der Syphilis mit Silber and Silher- 
salvarsan. 

Zur Behandlung der Syphilis genügen Jod, Queoksilber und Sal- 
varsan, sie haben aber Versager und Nebenwirkungen (z. B. Salvarsan- 
tod, Jodismus, Merkurialismus, tödliche Enteritis naoh Einreiben mit 
grauer Salbe). Ferner zeigen alle 3 Mittel kumulierende Wirkung. Um 
üie Behandlung mit Jod, Quecksilber und Salvarsan zu unterbrechen, 
verwendet Vortr. seit 10 Jahren das Chinin* Das Verschwinden der 
Erscheinungen geht sehr langsam, die Einwirkung auf die Wassermann'sche 
Reaktion ist gleioh Null. Es ausschliesslich zu geben, wäre falsch, da¬ 
gegen kann man es neben anderen Mitteln, in den Intervallen, geben. 
Man gibt Chin. lactio. oder bimuriatio., weil Chin. hydrochlorio. im 
Wasser kaum löslich ist. Folgen: Hitze im Gesicht, Gefühl im Hoden- 
saok oder den Labien, Uteruskrämpfe. Seit einigen Jahren verwendet N. 
in den Intervallen das kolloidale Silber. Es entfaltet eine katalytisohe 
Wirkung im Körper. Diese Wirkung ist allen Schwermetallen eigen, 
besonders aber dem Silber. In die Blutbahn eingespritzt vermag es 
Kaninchen gegen 10 fach tödliche Dosis von Bakterien zu schützen* 
Ausser der katalytischen Eigenschaft kommt in Betracht, dass es mit 
Erfolg sohon gegen Syphilis verwendet worden ist. Tierversuche haben 
bei Lues gute Wirkung ergeben. Es gibt 2 Silberarten: die Elektrargole 
und die chemischen Kolloidale. Die ersteren sind sehr schwaoh. Der 
Verunreinigungsgrad schwankt zwischen 2 und 25 pCt., der Silbergehalt 
zwischen 75 und 79 pCt. Kollargol enthält einen stets bestimmten 
Silbergehalt. In der Syphilistherapie haben sich Unterschiede nicht er¬ 
geben. Steriles Kollargol bleibt steril und muss nicht jedes Mal frisoh 
gemacht werden. Es hält sich 8 Tage, Elektrokollargal hält sioh un¬ 
begrenzt. Die Hauptsache bei seiner Anwendung ist, dass man langsam 
injiziert. Man beginnt mit 2 com einer 2proz. Lösung und steigt sohnell 
auf 8—5—10 ccm, wenn es der Allgemeinzustand erlaubt. Neben¬ 
erscheinungen: Blässe oder Zyanose des Gesichts, Druckgefühl auf der 
Brust, Pleurareizung und am Injektionstag Temperaturanstieg auf 40° 
mit Abfall am folgenden Tage. Die Pat. in die Klinik zu legen ist un¬ 
nötig. Vortr. hat ambulant 800 Injektionen gemaoht. Ferner tritt 
Zahnschmerz auf, besonders wenn gleichzeitig Stomatitis mercurialis vor¬ 
handen ist. Lymphdrüsen bilden sich nach 8 Tagen zurück, Primär¬ 
affekte in 12 Tagen. Im Mittel sind bei der Therapie 50 com der 
kolloidalen Lösung nötig. Gegenüber dem Salvarsan ist es als minder¬ 
wertig zu bezeichnen. Dem Hg steht es nahe, erreicht und übertrifft,es 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86 


in manchen Fällen. Bei Papeln manchmal längerer Widerstand. Die 
Wassermann’sche Reaktion wird nicht vor der 5. Woche beeinflusst, 
verschwindet aber. Anwendung in der Praxis: Es soll nicht das Sal¬ 
varsan verdrängen, sondern 1. als Ergänzungsmittel und 2. als Ersatz- 
präparat bei Hg- und Salvarsan-Idiosynkrasien dienen. Die merkurielle 
Stomatitis s. B. verbietet die Anwendung von Hg und Salvarsan, während 
man Kollargol geben darf, das die Stomatitis sogar günstig beeinflusst. 
8. Als Vorkur besonders in Verbindung mit Hg. 4. Als Zwischenkur 
bei Hg und Salvarsan. Silber und Salvarsan nebeneinander zu geben 
ist nicht ratsam, weil sich die Nebenerscheinungen des Silbers zu denen 
des Salvarsans addieren. Mit Silber hat Vortr. in 3 Fällen von Tabes 
Besserung erzielt. Vielleicht ^irkt es bei Paralyse. Denn bei der 
Argyrosis schlägt sich das Silber besonders auch in den Plexus ohorioidei 
nieder, während diese für Salvarsan undurohgängig ist. Die Argyrosis 
müsste man mit in Kauf nehmen. Das Silber ist in der Therapie der 
Tabes von Vulpius, Friedreioh usw. in der Form des Höllensteins 
verwendet worden. Man gibt 0,1 pro dosi und muss nach Verabreichung 
von 12 g aufhören. Nun ist 0,1 Höllenstein = 0,06 Silber und 12 g 
Höllenstein = 7,2 Silber. Wenn man täglioh nur 2 g Silber injiziert, 
hat man bald eine höhere Dosis. Von einem guten Mittel verlangt man 
ein richtiges Verhältnis der Dosis ourativa zur Dosis tolerata und dass 
die Lösung stabil ist. Während Salvarsan stabil ist, zersetzen sich Neo- 
salvarsan und Salvarsannatrium sehr schnell. Den angeführten For¬ 
derungen kommt aber das Silbersalvarsan entgegen. Der chemothera¬ 
peutische Index ist sehr gering, nur Vso> während bei Altsalvarsan der 
Index Vio beträgt. Das Mittel ist sehr wirksam und sehr ungiftig. Der 
Grund der erhöhten Wirksamkeit liegt in der Silberkomponente. Auoh 
Eolle hat im Tierversuche sehr gute Erfahrungen gemaoht. Die Lösungen 
müssen stark verdünnt sein wegen der allgemeinen Erscheinungen (vaso- 
tonisoher Symptoraenkomplex). Vortr. hat eine Vorbereitungskur mit 
Kollargol eingeschaltet. Doch ist dies nicht immer nötig, wenn man 
Dosen von 0,1 benutzt. Niemals hat er gleichzeitig Salvarsan und Hg 
gegeben. Zuerst Salvarsankur, dann Hg, da dieses eine Dyskrasie im 
Körper erzeugt. Es entstehen im Körper die Arsenoxyde, die den un¬ 
vermuteten tödlichen Ausgang hervorrufen. Das Silbersalvarsan wird in 
Dosis 0.2—0,3 (hier auoh Optimum), abwechselnd, in 4—5tägigen bis 
wöchentlichen Abständen gegeben. Wenn man Silbersalvarsan allein 
verwendet hat und überlässt nach 10 Einspritzungen den Pat. seinem 
Schicksal, tritt naoh 2 Monaten ein Rezidiv ein. Man muss deshalb 
nach 35 Tagen die Kur wiederholen. Bei Männern und Frauen gleiche 
Dosis. Die Spirochäten verfallen auf Silbersalvarsan rapid, in Primär¬ 
affekten sind sie nach 3 Tagen spätestens verschwunden. Neben¬ 
erscheinungen: 1. allgemeine: sehr leichte, 2. lokale: nur die einer un¬ 
geschickten Applikation. Ein Nachteil ist der, dass bei Benützung immer 
derselben Vene das Gesas» hart und infiltriert wird. Bei Silbersalvarsan 
ermüdet die Vene viel schneller und wird rasober hart. Das ist eine 
Folge des Silbers. Darum soll man kolloidales Silber nicht bei dünnen 
Venen anwenden, sondern die Vene für die dauernde Kur aufsparen. 
Bei einem Tabiker, der jede Woche 0,1 Silbersalvarsan seit einem halben 
Jahr bekommt, hat N. niemals eine Nebenwirkung beobachtet. Bei 
Merkurstomatitis kein Silbersalvarsan anwenden. Zusammenfassend hält 
Vortr. die Efnführung des Silbers in die Syphilistherapie für einen Fort¬ 
schritt, besonders in der Form des von Ehrlich entdeckten und von 
Ko Ile in die Therapie eingeführten Silbersalvarsans. 


Sitzung vom 2. April 1919. 

Hr. Winner: Die fnnktieielle Prttfnng des Ohres für den prak¬ 
tischen Arzt. 

Der Untersuchungsgang bei einer Ohrerkrankung fordert.zuerst die 
Aufnahme einer genauen Anamnese. Daran an scblfesst sich die Unter¬ 
suchung des Trommelfells mit dem Ohrenspiegel. Die funktionelle 
Prüfung zerfällt in die des Bogengangapparates und die des Vestibulär - 
apparates. Die Sohnecke prüft man mit Tönen, Sprache und Geräuschen. 
Die Sprache verteilt sioh auf 8 Oktaven. Bei der Gehörprüfung unter¬ 
sucht man immer zuerst das hessere Ohr. indem man tiefe Töne (Schoko¬ 
lade, Schule) und hohe Töne (Schweiss. Ziege) nachsagen lässt. Bei der 
Prüfung verschliesst man das andere Ohr mit dem Zeigefinger der ent¬ 
gegengesetzten Hand und verbindet gleichzeitig beide Augen. Die Zahl 100 
ist am schwersten zu hören. Wird Flüsterspraohe nicht verstanden, 
nimmt man die Konversationsspraohe. Kommt man damit nicht zum 
Ziele, so beschränkt man sich auf Vokale (Vokalgehör) oder Schall 
(Schal)gehör). Schallgehör nur bei Taubstummen. Bestimmte Zahlen 
werden bei den verschiedenen Erkrankungen am schlechtesten gehört 
und weisen auf den Sitz der Erkrankung hin: Zahl 9 bei unkompli¬ 
ziertem Tuben Verschluss bei Kindern, 5 bei akuten Prozessen (Ent¬ 
zündung und Eiterung), 8 und 4 bei chronischen Mittelohreiterungen. 
6, 7, 4 sprechen für Erkrankungen des inneren Ohres und des Hör¬ 
nerven. Bei der Zahl 4 ist faät immer das innere Ohr beteiligt. 
Konstant werden 4, 5, 7 miteinander verwechselt, ebenso 5 mit 6, 
ferner 9 und 3. Daraus kann man schliessen, ob jemand richtige An¬ 
gaben macht. Weiterhin wird diagnostisch die Luft- und Knochenleitung 
herangezogen. Mit ad maximum angeschlagenen Stimmgabeln bestimmt 
man die tiefsten und mit dem Galton’sohen Pfeifchen die höchten Töne, 
die nooh gehört werden. Eines der für den praktischen Arzt wichtigsten 
Instrumente ist die Aj-Stimmgabel, frei von Obertönen mit einer Hör¬ 
dauer von 80—90 Mio. Damit macht man 1. den Weberischen, 2. den 
Sohwabaoh’soheD Ve^rieh. Verlängerung der Knoohenleitung weist auf 


eine Mittelohraffektion, Verkürzung auf eine Erkrankung des Hörnerven 
oder inneren Ohres hin. Manohe Leute hören die Ai-Stimmgabel über¬ 
haupt nioht. Diese haben sioh alle als Syphilitiker herausgestellt 
Wichtig für zerebrale Lues und für raumbeengende Prozesse im Gehirn. 
Ferner kann man den Schädel au&kultieren und perkutieren, wodurch 
sioh sohon mancher Herd bei traumatisoher Epilepsie feststellen liess. 
Als 3. Versuoh kommt nooh der von Rinn6 in Betracht, der auf einer 
Vergleichung von Luft- und Knochenleitung beruht. Zu diesen 3 Ver¬ 
suchen und der Bestimmung der Tongrenzen kommt als weiteres 
diagnostisches Hilfsmittel die Aufnahme der Hörfelder. Erwähnt sei 
nooh, dass die Erkrankung des Oktavus am meisten bei Tabes, Para¬ 
lyse und Tumoren sich findet. Erkrankungen des Ganglions kommen 
bei Giftwirkuogen in Betracht. Beim Ohrensausen handelt es sich fast 
immer um kleine Blutungen im Ganglion spirale. Auf die Menicre’sche 
Krankheit macht Vortr. besonders aufmerksam: Schwindel, subjektive 
Geräusche, Brechreiz und Erbrechen. Solche Patienten werden oft lange 
nur auf Magen behandelt, wenn die Ohrerkrankung eine einseitige ist. 
Die Lues hereditaria kennzeichnet sioh zuerst durch Augenerkrankung, 
die in Form der Keratitis mit 3—4 Jahren auftritt; ihr folgt zwisohen 
dem 9.—11. Jahre Schwerhörigkeit bis absolute Taubheit. Das Sal¬ 
varsan ruft schwere Störungen im Akustikusgebiet hervor, besonders 
wenn man mit grossen Salvarsandosen beginnt. Entweder zuerst Hg 
und dann Salvarsan, oder Salvarsan mit Hg ganz vorsichtig abwechseln 
ist die Forderung des Otologen. Besonders bei Leuten, die sohon eine 
Schädigung des Gehörnervensystems erlitten haben (z. B. duroh Granat¬ 
explosion), soll man vor Anwendung des Salvarsans das Ohr, wenn auoh 
flüchtig, untersuchen. Ist eine OhrerkraDkung vorhanden, dann kein 
Salvarsan anwenden. Bei beiderseitiger Taubheit schadet es natürlich 
nichts. Sonst kombinierte Jod-Hg Behandlung. 

Der Vestibularapparat zerfällt in Vorhof und Bogengänge. Er wird 
durch Augenbewegungen, den Nystagmus, geprüft, der psychisch nicht 
beeinflusst wird. Man unterscheidet eine horizontale, vertikale, diagonal 
gerichtete, rotatorische und gemischte Form des Nystagmus. Ferner 
kann er klein- und grossschlägig sein. Wenn man prüfen will, ob 
Nystagmus vorhanden ist oder nicht, lässt man den Zeigefinger in 80cm 
Entfernung fixieren. Bei extremer Eodstellung des Auges tritt aueh 
normalerweise Nystagmus auf. Zur Prüfung der Erregbarkeit des Vesti- 
bularapparates kann der Nystagmus erzeugt werden a) duroh Drehung 
des Körpers (Drehnystagmus), b) duroh kalorische Reizung (kalorischer 
Nystagmus), c) duroh Kompression, d) duroh galvanisohen Strom. Der 
Drehnystagmus wird erzeugt, indem man den Pat. 10 mal um seine 
eigene Achse dreht und dann einen Finger fixieren lässt. Der kalorische 
Nystagmus entsteht, indem man das Ohr mit warmem (50° C) und mit 
kaltem (27° oder 20°C) Wasser ausspülen lässt. Nach 75 com Spül¬ 
flüssigkeit bei 50° C und naoh 60 ccm bei 20° C tritt Nystagmus auf. 
Diesen Versuch kann auch der praktische Arzt, wenn auoh nicht so 
exakt, mit einer Ohrenspritze machen. Tritt bei der Prüfung kein 
Nystagmus ein, wissen wir, dass der Vestibularapparat als funktio¬ 
nierendes Organ erloschen ist. Eine weitere Probe ist der sogenannte 
Zeigeversucb, den man zuerst mit offenen, dann mit geschlossenen Augen 
ausführen lässt. Fällt er positiv aus, weist dies auf Kleinhirn¬ 
erkrankungen hin. Mit Hilfe dieses Versuches lässt sieh bestimmen, ob 
Reiz- oder Ausfallerscheinungen vorliegen. Was Hörapparate betrifft, 
so sind die Telephonhörapparate bei Otosklerose und bei inneren Ohr¬ 
erkrankungen sehr zu empfehlen. Bei der Therapie empfiehlt sioh fast 
immer, Jod zu geben. Bei Otosklerose sah man anoh gute Erfolge mit 
Phosphor. N o b i 1 i n g. 


Aerztlicher Verein sn Frankfurt a« M, 

Sitzung vom 17. März 1919. 

Hr. Fischer: DemoistratUien. 

Hr. Cahei-Brach: Angeborene Teleangiektasie am Unterschenkel 
und Fass. (Demonstration.) 

Hr. Alwens: Zar Therapie der Grippepneamonie. 

Bericht über 165 Fälle von Grippepneumonie im Felde. Die all¬ 
gemeine Pneumoniebehandlung (Digitalis, Kampfer) zeigte keinen Erfolg, 
ebenso das Kollargol, vor dem bei Nephritis zu warnen ist. Vom Neo- 
salvarsan (0,6 intravenös) sah A. hin und wieder Günstiges, bei ganz 
schweren Fällen versagte es. Dagegen bewirkte das Optoohin in leiohten 
und mittelschweren Fällen einen lytischen, mitunter fast kritiBohen 
Temperaturabfall, der Lungenbefund selber wurde nioht dadurch beein¬ 
flusst; die schweren (foudroyanten) Formen verhielten sioh refraktär 
gegen Optoohin, nur Vs von diesen reagierten doch nooh auf das Mittel 
und verliefen günstig. Verwendet wurde nach Möglichkeit das Optoohin. 
basioum (5mal 0,2 in 24 Stunden). Von Wichtigkeit ist, dass während 
der Verabreichung des Mittels eine strenge Milchdiät eingehalten wird, 
im ganzen wurde das Mittel 4 Tage hintereinander gegeben. 91 Fälle 
mit 28 pCt Mortalität. Eine Idiosynkrasie tritt sehr bald auf; zu 
warnen ist vor dem Optoohin. hydrochlor. Das Eukupin scheint noch 
besser zu sein als das Optochin. basicum, auoh ungefährlicher. Mit der 
Serumbebandlung sah A. keine besonders günstigen Erfolge, beim poly¬ 
valenten Pneumokokkenserum nur selten kritischen Temperaturabfall. 

Aussprache. 

Hr. Reiss: 32 Fälle von Pneumonie wurden mit 7 verschiedenen 
Seraarten behandelt, die Art des Serums war ohne Einfluss, der Erfolg 
tritt erst naoh 36 Stunden auf. 


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8 September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Hr. Rosenthal: Die Gehörstörungen treten bei Optoohintherapie 
früher auf als die Sehstörungen. 

Hr. Strasburger: Seine Erfahrungen bei kruppöser Pneumonie 
mit Optoohin sind keine guten. Dass unter der Optoohintherapie neue, 
bis dahin freie Lappen befallen werden, spricht gegen das Mittel. 

Hr. Dreyfuss beobachtete bei Darreichung von Optoohin. bydroohlor. 
3 Fälle von Amaurose; zweimal trat eine Rückbildung zur Norm auf, 
in einem Falle blieben schwere Sehstörungen zurüok. 

Hr. Kiese: Nene Aisehaiugen über die Oalleisteinkrankkeitei 
(mit Demonstrationen). Der Naunyn’sohe Satz: „Ohne Stauung keine 
Gallensteine* gilt auch heute nooh; eine Folge der Stauung sind die 
selten beobachteten reinen radiären Cholesterinsteine, die nioht aus 
Cholesterinkalksteinen entstehen. Sie machen keine Beschwerden, sind 
nur Zufallsbefunde. Sobald aber bo1o& Stein als Yerschlussstein wirkt, 
tritt eine Infektion der gestauten Gallenblase ein mit ihren typischen 
Beschwerden, und der primäre akute Anfall wird ausgelöst. Bleibt der 
Verschluss dauernd, so entsteht der Hydrops der Gallenblase. Zugleich 
mit der Entzündung verändert sich auoh der Stein und wird zum Kombi- 
nationBstein. Das primäre Karzinom der Gallenblase ist sehr selten, 
im Frankfurter Material nur 2 Fälle; es bildet sich meist aus angeborenen 
Fundusadenomen. 


Verein deutscher Aerxte zu Prag. 

Sitzung vom 28. März 1919. 

Hr. Piffl: Operation der Hypophysistainoren. 

Vortr. bespricht die einzelnen Methoden, die intrakraniellen und die 
transphenoidalen, welch letztere alle auf die Idee Sohl öfters zurüok’ 
gehen, mögen sie nun als pernasale von aussen durch die Nase oder als 
transnasale (septale) durch die normale Nasenöffoung oder als bukko- 
nasale von der Mundhöhle aus duroh die Nase hindurch zur vorderen 
Wand des Keilbeines ihren Weg nehmen. Nach eingehender Wertung 
der Vorteile und Gefahren der einzelnen Modifikationen entscheidet Bich 
Vortr. für die Operation nach Hirsch, die zwat die Unzulänglichkeit 
aller Keilbeinmethoden teilt, insofern sie eine breite Freilegung nioht 
gestattet und infolgedessen eine vollständige Entfernung grösserer Tumoren 
nioht ermöglicht, hingegen aber grosse Vorteile besitzt, wie die Möglich¬ 
keit in Lokalanästhesie zu operieren, Vermeidung einer äusseren Ent¬ 
stellung und einer Verstümmelung des Naseninnern, Möglichkeit den 
Septumsack duroh längere Zeit offen zu halten und anderes mehr. Dem- 
gomäss hat auch die Hirsch’sche Operation die geringste Moralität: 
11,5% gegen 25% Eiseisberg. Vortr. hat naoh Hirsch 2 Fälle operiert. 
Der eine Fall mit Optikusatrophie, Dystrophia adiposogenitalis und posi¬ 
tivem Röntgenbefund verlief zunächst günstig, die Beschwerden besserten 
sich, am 10. Tage setzte eine Meningitis ein, der der Patient bereits am 
nächsten Tage erlag. Die Infektion erfolgte wahrscheinlich von der Nase 
aus, vielleicht durch die kleinen Oeffnungen, die im Sohleimhautsaok 
durch Ablösen der Schleimhaut von den vorderen Keilbeinfläohen an der 
Stelle, wo die Ostia sphenoidalia liegen, entstehen. Die Sektion ergab, 
dass es sich um eine Zyste handelte, die für die relative Ausheilung 
günstige Verhältnisse geboten hätte. Der 2. Fall mit schweren Seh¬ 
störungen, Impotenz und Haaraasfall aber ohne Adipositas überstand 
den Eingriff sehr gut, erlangte das Sehvermögen fast völlig, der Haar¬ 
wuchs stellte sich wieder ein. Patient konnte 1 l j A Jahre hindurch wieder 
lesen und schreiben und konnte auch den Dienst als Portier versehen. 
Von da ab verschlechterte sich das Sehvermögen wieder, doch lehnt er 
eine Operation ab. Die mikroskopische Untersuchung des Tumors ergab 
sohwach eosinophile Zellen. 

Hr. Schleifer: Operation der Hypophysistimorei. 

Der Chirurg, der einmal auf einem Operationsterrain heimisch ge¬ 
worden ist, hat das Bestreben, die grossen Zugangsoperationen, deren er 
im Anfänge bedurfte, möglichst einzuschränken, und so ist es auoh leicht 
möglich, dass die endonasalen Operationen der Tumoren der Hypophysis 
mit der Zeit die dominierenden werden. Dennoch ist nicht zu verkennen, 
dass der breite Zugang, wie ihn die Aufklappung der Nase schafft, ein 
viel sichereres Arbeiten in Bezug auf die Orientierung, vor allem bei 
stärkerer Blutung ermöglicht und dass auoh die übersichtliche Entfernung 
grösserer Stücke des Tumors, wenn es sioh nioht gerade um weiche, 
zeiflie8sliche oder gar zystische Tumoren handelt, leichter fällt. Da man 
bei der breiten chirurgischen Freilegung nur die oberön und mittleren 
Musoheln entfernt und auoh das Auskratzen der Schleimhaut, welobes 
empfohlen worden ist, besser unterlässt, sind die Zerstörungen der inneren 
Nase und die Spätfolgen der Operation keine allzu schwerwiegenden. 
Die Schwierigkeit, Tumoren, welche nach oben hin gegen das Gehirn zu 
breit ausladen, von unten her übersichtlich zu entfernen, maoht das Be 
streben, solche Tumoren intrakraniell anzugehen, wohl erklärlioh. Nur 
sind leider die Erfahrungen, die man mit solohen Operationen gemacht 
hat, nooh nicht ermutigend. Ueberdies liegen gewiss in vielen Fällen 
die anatomischen Verhältnisse derart, dass auch duroh die intrakranielle 
Operation der angestrebte Zweck übersichtlicher Freilegung nicht erreicht 
werden kann. Es ist nicht zu verkennen, dass bei den transphenoidalen 
Methoden neben der Entfernung mehr oder weniger ausgedehnter Tumoren 
das dekompressive Moment eine grosse Rolle spielt. Offenbar war das 
auch der Fall bei dem ersten von Piffl operierten Hypophysistumor, 
wo nach der Eröffnung der Sella und der Entfernung eines Teils des 
Tumors nioht nur gewisse innersekretorische Störungen zurüokgingen, 
sondern auch die Druokerscheinungen für so lange Zeit naobliessen, bis 


an Stelle des ausgeschnittenen Durafonsters sich wieder eine starre, un¬ 
nachgiebige Bindegewebsnarbe gebildet hatte. 


Sitzung vom 4. April 1919. 

Hr. Weiser: Ophthalnis pnlsais. Bei einer seit Jahren bestehenden 
Mitralis-Insuffizienz und Stenose in Rückenlage deutliehe Pulsation beider 
Augenäpfel, die auf Kompression der Karotis und Jugularis ext. nicht 
sistierte, hingegen bei Kompression der Jugularis int. verschwand. Er¬ 
klärung des Falles. 

Hr. Ascher: Biadehaittaherkilose. Bei bestehender Tuberkulose 
der Halslymphdrüsen entwickelte sich die Erkrankung der Bindehaut, 
die nach 2 Bestrahlungen mit der Quarzlampe bedeutende Besserung zeigt 
Differentialdiagnose gegenüber der Perinaud’sohen Konjunktivitis, die 
duroh den Baoillus pseudotuberoul. rodentium hervorgerufen wird. Er¬ 
klärung der Lichtbehandlung und ihrer Wirksamkeit bei Erkrankungen 
der Augen. 

Hr. Gerstl demonstriert einen Eall von Morbus Barlow, der mit 
Schwellungen im Gesiohte, nach Art der bei Sinusthrombose beobachteten 
Schwellungen begann. Erst am 6. Tage Imbibition der Zehnfacher, und 
durch retrobulbäre Blutungen bedingte Protrusio bulborum, denen einzelne 
Hauthämorrhagien folgten. Die Therapie bestand in Darreichung von 
Fruohtsäften. 

Hr. Löweisteia: Wirmförmige Koatraktioa des 8phiaeter papillae. 

Mit der Nernstspaltlampe konnte Löwenstein in kurzer Zeit 5 ty¬ 
pische Fälle beobachten. Es handelt sich durchweg um liohtstarre Pu¬ 
pillen, zweimal um rezidivierende Okulomotoriuslähmung, einmal um 
reflektorische Starre, einmal um totale Starre, einmal um Amaurose nach 
Embolie der Zentralarteiie. Da Herrn Löwenstein die Erklärung 
Sattlers, die Erscheinung sei als Ausdruck der zentralen Reizung auf- 
zufasBen, nioht befriedigt, erörtert er andere Erklärungsmögliehkeiten: 
1. ist niemals der Beweis erbracht worden, dass jede Sphinkterfaser eine 
Nervenendplatte hat. Möglichkeit der Reizübertragung von einer Muskel¬ 
faser zur anderen (Ureter, Herzmuskel). Vortr. spricht von einer Reiz¬ 
überleitungsstörung als Ursache der Erscheinung, deren anatomische 
Grundlage jedoch keineswegs gesichert ist. Die zweite Erklärungs- 
mögliohkeit sohliesst sich an die alten Versuche von Dondres, Brown- 
Sequard und die neueren von Hertel an, die eine direkte Ansprechbar- 
keit der Iris für die verschiedensten Reize, besonders Licht nachwiesen. 
Er hält es nicht für ausgeschlossen, dass die auf Lichtreize sich ver¬ 
stärkenden, wurmförmigen Kontraktionen durch direkte Reizwirkung des 
Lichtes auf die Muskelfasern bezw. durch Vermittlung des Irispigmentes 
zustande kommen. Schliesslich wäre nooh eine Erklärung möglich, die 
von der Tatsache ausgeht, dass Anfälle von wurmförmiger Kontraktion 
während der Beobachtung in komplete Starre übergehen. Da aus einer 
Reihe von Versuchen hervorgeht, dass einzelnen Ziliarnerven bestimmte 
Sektoren des Sphinkters entsprechen, ist die Annahme möglich, dass die 
Mehrzahl der Sphinkternerven bereits gelähmt ist. Einzelne Ziliarnerven 
können wohl bereits geschädigt, in ihrer Funktion aber noch erhalten 
sein. Die Folge wird eine umschriebene Kontraktion im Pupillarrande 
sein; der Kontraktionsherd, von dem sioh die Bewegung ziehharmonika- 
artig ausbreitet, würde der Insertion des erhaltenen Ziliarnervenbündels 
entsprechen. _ 


Sitzung vom 11. April 1919. 

Hr. Ldweisteii: Traimatische Pzpilleistarre. 

Die wenigen publizierten Fälle gehören der Vorwassermannzeit an, 
so dass Lues nioht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der 
beschriebene Fall betrifft ein Mädchen, bei dem nach einem Kopf¬ 
trauma linksseitige Miose (IV 2 mm), reflektorische Starre und myotonisebe 
Konvergenjreaktion auftrat. Akkommodation verlangsamt (bis 25 Sek.), 
verlangsamte Entspannung der Akkommodation. Da neurologisch weiter 
kein positiver Befund vorhanden war, wurde ein kleiner Blutungsberd 
angenommen. Ausgehend von Bunkes Vorstellung, dass bei der reflek¬ 
torischen Pupillenstarre die Endverzweigung der zentripetalen Fasern 
in ihrer Endaufsplitterung um die Sphinkterzellen relativ degeneriert ist, 
nimmt Vortr. an, dass diese Blutung die genannten Endverzweigungen 
zerstört hat. Bei der Enge des betreffenden Gebietes ist es wahrschein¬ 
lich, dass auch die Sphinkterzellen gereizt sein müssen (Folge Miose). 
Duroh die Blutung ist aber auch eine Schädigung der Kernzellen wahr¬ 
scheinlich, daher myotonischer Charakter der Konvergenzreaktion. Der 
angenommene Herd scheint den genannten Fall zu erklären. Ob die 
spinale Miose, die bekanntlich viele Jahre bestehen kann, auoh als Reiz¬ 
symptom anzusehen ist, bleibt unentschieden. 

Hr. Marx: Akite Formaliivergiftnng. 

Demonstration der anatomischen Präparate. Neben parenohymatöser 
Degeneration der Leber fand sich eine ausgedehnte Ekchimosierung der 
Pleura und des Epikards und fieokenweise Nekrose der Harnkanälchen. 
In der Magenschleimhaut Verlust des Deckepithels mit Nekrose der 
Magen Schläuche, stellenweise die ganze Tunica propria betreffend. Im 
Oesophagus Verlust des Deckepithels mit Schleimhautnekrose. Eine 
Schädigung des Blutes im Sinne einer Hämolyse, wie sie wiederholt be¬ 
schrieben wurde, konnte nioht nachgewiesen werden. Bei dem Mangel 
eines makroskopischen und mikroskopischen Befundes am Herzen muss 
die Herzschwäohe als nervösen Ursprunges angesehen werden. 

0. Wiener. 


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804 


BERLINEU KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die Ausbildung der künftigen Aerzte bildet seit 
einiger Zeit ein viel behandeltes Thema unserer Fachpresse. Was ein¬ 
sichtige Aerste schon lange erkannt, hat der Krieg allgemein klar- 
gemaobt, dass unsere Medisinstudierenden zu wenig praktisch aus- 
gebildet werden. Eine der Ursachen hieriür liegt in dem Werdegang 
der akademischen Lehrer selbst. Darauf weist neuerdings, wie dasBrit. 
med.Journ. berichtet, der bekannte englische Kliniker James Maokensie 
hin. Er verlangt, dass in jeder Aersteschule einige Lehrer sein sollen, 
die selbst aus der Praxis hervorgegangen seien und in jahrsehntelanger 
Praxis den grossen Unterschied swischen den Aufgaben des Praktikers 
und denen des Klinikers kennengelernt hätten. Diese Ansioht M/s, der 
ja selbst 20 Jahre allgemeine Praxis getrieben und seit einem Jahrzehnt 
in einem grossen Hospital und als Konsiliarius tätig ist, muss lebhaft 
unterstützt werden. Die Teilung der klinischen Tätigkeit, „Spezialisierung“, 
die Bevorzugung feiner dem Praktiker schwer zugänglichen Unter- 
suchungsmethoden, die starke Betonung des Laboratoriums und wissen¬ 
schaftlicher Feinheiten, die Tatsache, dass die Klinik sich vorwiegend mit 
den ausgebildeten Krankheitsbildern und fortgeschrittenen Fällen zu be¬ 
schäftigen hat und die Anfangszuslände weniger zu sehen bekommt, die Er¬ 
fahrung, dass die Kliniker oit bedeutende Forscher und glänzende Dia¬ 
gnostiker, aber schlechte Therapeuten sind, endlich die nur m der hausärzt- 
Hohen Praxis zu erlernende individuelle Prophylaxe nebst allem, was dazu 
gehört, lassen den Gedanken Mackenzie’s höchst fruchtbar erscheinen. 
In Deutschland gibt es sicherlich genug Praktiker, die mit den wirk¬ 
lichen Fortschritten der Wissenschaft genügend Fühlung gehalten haben, 
um eine Lehrtätigkeit ausüben zu können; und, wenn die unter Abder- 
halden’s Leitung vom Bevölkerungsausschuss des Parlaments be¬ 
schlossenen Lehrstühle für allgemeine Therapie mit solchen Praktikern 
besetzt würdeny so würden die gegen diese Lehrstühle vorgebraohten 
Bedenken verstummen und zugleich lür die Ausbildung unserer künftigen 
Aerzte ein grosser Gewinn erzielt werden. H. K. 

— Ueber den Gesundheitsdienst beim Wiederaufbau in 
Frankreich schreibt man uns: „Falls es zwischen Deutschland und 
Frankreich zu einem Einvernehmen über die Beteiligung deutscher Ar¬ 
beiter am Wiederaufbau kommen sollte, wird es hierbei in erheblichem 
Maasse ärztlicher Mitwirkung bedürien. Um nicht plötzlioh vor vollendeten 
Tatsachen zu stehen, hat sohon jetzt eine Fühlungnahme zwischen Aerzten 
und Waffen stillstandskommission stattgefunden. Aerzte verschiedener 
Gruppen, auf deren Urteil und Mitarbeit es ankommen wird, wollen Vor¬ 
schläge ausarbeiten für die Arbeitsbedingungen der Aerzte und die 
Art und Auslührung des Gesundheitsdienstes. An der Ausarbeitung 
beteüigen sich Vertreter des ärztliohen Hilfspersonals und vor allem derer, 
auf die sich der Gesundheitsdienst bezieht, der Gewerksehaften und Ver¬ 
einigungen von Kriegsbeschädigten. Die Geschäftsstelle für diese frei¬ 
willigen und unverbindlichen Vorarbeiten ist bei der Deutschen Gesell¬ 
schaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, Berlin, Wilhelmstr.45.“ 

— Bei der 100 jährigen Jubiläumsfeier der Universität Bonn wurden 
von der medizinischen Fakultät zu Ehrendoktoren promoviert: Landes¬ 
hauptmann der Rheinprovinz Dr. von Renvers in Düsseldorf, Landrat 
Dr. Horion in Düsseldorf, Prof, von Laue in Berlin, Geheimrat Prof. 
König in Bonn, Bildhauer Menzer in Bonn, Prof. Brett in Aachen 
und Kaufmann J. Balthasar in Bonn. 

— Geheimrat Friedrich von Müller, der 1914/15 Universitäts¬ 
rektor in München war, wurde abermals zum Rector magnificus gewählt. 

— Die „Frankfurter Aerzte-Korrespondenz“ erscheint nunmehr unter 
der Redaktion von San.-Rat Dr. Hainebach als „Westdeutsche 
Aerzte-Zeitung“. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reiph (17. bis 
23. VIII.) 14. Schweiz (3.—9. VIII.) 2. Fleckfieber: Deutsches 
Reich (17.—28. VIII.) 1. Geniokstarre: Preussen (10.—16. VIII.) 5 
und 1 f. Schweis 3.—9. VIII.) 1. Spinale Kinderlähmung: 
Preussen (10.—16. VIII.) 1. Ruhr: Preussen (10.—16. VIII.) 384 
und 49 f. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie 
und Krupp in Wilhelmshaven, Typbus in Recklinghausen, Thorn. 

(Veröff. d. Reichs-Ges.-Amts.) 

Hochs oh uln ach richten. 

Berlin: Prof. Dr. Ceelen, Privatdozent für Pathologie und patho¬ 
logische Anatomie, wurde zum a. o. Professor ernannt. — Cöln: Die 
ausser ordentlichen Mitglieder der Akademie für praktische Medizin Pro¬ 
fessor Krautwig (soziale Hygiene) und Prof. Fritz Frank (Gynäko¬ 
logie und Geburtshilfe) wurden zu ordentlichen Honorarprofessoren und 
Prof. Gramer (orthopädische Chirurgie) zum ausserordentlichen Pro¬ 
fessor ernannt. — Frankfurt a. M.: a. o. Prof, der Neurologie Geheim¬ 
rat Knoblauch ist gestorben. — Freiburg i. B.: a.o. Prof. Ritsch 1, 
Direktor des orthopädischen Instituts, tritt in den Ruhestand. — Jena: 
Prof. Berger wurde als Nachfolger von Binswanger zum Ordinarius 
für Psyohiatrie ernannt. Die Ernennung zu ausserordentlichen Pro¬ 
fessoren erhielten die Privatdozenten DDr. Zange (Oto-Rhino-Laryngo- 
logie) und Schultz (Psychiatrie und Neurologie. — Leipzig: Prof. 
Seefelder wurde als Ordinarius für Augenheilkunde nach Innsbruck 
berufen. Die Privatdozenten DDr. Kniok (Laryngo-Otologie), Sohweitzer 


(Gynäkologie und Geburtshilfe), Assmann (innere Medizin), Bürgers 
(Hygiene) wurden zu nichtetatmässigen a. o. Professoren ernannt. — 
München: Geheimrat Ledderhose, bisher a. o. Professor für Chirurgie 
in Strassburg wurde zum Honorarprofessor ernannt. Dem Privat- 
dozenten für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. Mulzer ist Titel 
und Rang eines a.o. Professors verliehen worden. Würzburg: Habi¬ 
litiert: Dr. Seifert für Chirurgie. — Innsbruck: HabiHtiert: Dr. 
Eisath für Psyohiatrie. 

tBF* Wir bitten zur Vermeidung von Naehsendungen alle redaktioneUen 
Briefe, wenn sie an einen der Herausgeber persönlich gerichtet sind, 
mit dem Vermerk „Redaktionsangelegenheit“ oder dergl. versehen 
zu wollen. Redaktion. 


Amtliche Mitteilungen. 

Ferwonallen« 

Auszeichnungen: Prädikat „Professor“: früh. Wissenschaftl. Mitgl. d. 
Inst. f. Iniekt.-Krankh. „Robert Koch“ in Berlin, jetzig. Kreisarzt in 
Waldbröl Dr. E. Walter. 

Ernennungen: Bish. ao. Mitgl. d. Akademie f. prakt Med., Beigeordneter 
d. Stadt Cöln Prof. Dr. Krautwig u. Direktor d. Prov.-Hebammen- 
lehraast. Prof. Dr. Frank au ordentl. Honorarprofessoren in d. med. 
Fakultät d. Universität in Cöln a. Rh., dirig. Arzt d. orthopäd. Abteil 
d. Bürgerhospitals in Cöln Prof. Dr. Cr am er z. ao. Prot in derselb. 
Fakultät; Arzt Dr. J. Stamm in Berlin z. Kreisass.-Arzt in St. Goars¬ 
hausen unter Ueberweis. an d. Kreisarzt d. Kreises St. Goarshausen. 

Versetzung: Kreisarzt Dr. Ebert von Sögel (Kr. Hümmling) nach 
Ziegenhain. 

Ausgeschieden aus dem Staatsdienste: Kreisass.-Arzt Dr. Peter¬ 
möller in Celle. 

Versetzung in den Ruhestand: Kreisarzt Med.-Rat Dr. W. Stöltzing 
in Ziegenhain. 

Niederlassungen: Dr. Eugen Neumann in Seeburg (Kr. Rössel), 
Dr. H. Fox in Bischofstein (Kr. Rössel), Dr. J. Licznerski in Danzig* 
Langfuhr, Dr. J. Kobudzinski fn Stuhm, F. Kubisoh in Sohloppe 
(Kr. Dt. Krone), Dr. R. Kleiber in Haynau, Dr. K. Fleige in HildeB- 
heim, Dr. Herrn. Weber in Hann.-Münden, E. Uebe in Harburg, 

E. Thorspecken in Oyten (Kr. Achim), Dr. Alfred Bohrend in 
Estebrügge (Kr. Jork), Jul. Goldstein in Engter (Kr. Bersenbrück), 
Dr. J. Baumeister in Herzfeld (Kr. Beokum), Dr. K. Süpper, Dr. 
Josef Mayer und Dr. L. Reinsberg in Elberfeld, Dr. E. Schümer 
in Velbert (Kr. Mettmann), Dr. Adolf Heymann in Bursoheid (Kr. 
Solingen), Dr. J. Walbaum, K. Neubüser und Dr. W. Jötten in 
Essen (Ruhr), Dr. Theod. Wegener in Cöln Mülheim, J. Danils, 
Dr. R. Niemeyer, Dr. Karl Rosenthal, Dr. J. Kühl, Dr. H. Kiroh- 
gansser, Ob.~St.-A. a. D. Dr. F. Trembur, Dr. M. Sohoenenberg 
und Dr. J. Stardigel in Cöln a. Rh., Dr. F. Pollack, Dr. H. Cordier, 
Dr. Th. Klock, Heinr. Philippi, Rud. Roth, Heinr. Schreyer 
und Philipp Keller in Aachen. 

Verzogen: Dr. M. Schünlein von Münohen, Dr. Felix G. Cohn von 
Homburg, Dr. H. Hoohsohild von Tübingen, Dr. Josef Wirth und Dr. 
Wilh. Üofmann von Berlin, Dr. Wilh. Frank von Mainz, Dr. W. 
Ehrhardt von Chemnitz, Dr. Rud. Hess von Strassburg i. Eis., Dr. 
W. Pfannenstiel von Darmstadt, Dr. W. Diehl von Düdelsheim, 
Dr. F. Lips von Todtmoos i. Bad. und Di. Josef Strecker von 
Würzburg nach Frankfurt a. M., Dr. F. Stolzenburg von Allenstein 
nach Wesenberg i. Meokl., Dr. H. Spiegelberg von BerKn-Schöneberg 
naoh Danzig-Langfuhr, Ob.-St.-A. Dr. W. Kownatzki von Strassburg 
i. Eis. nach Danzig, Dr. Erish Hoffmann von Conradstein naoh 
Graudenz, Ignatz Klein von Berlin nach Grutschno (Kr. Schwetz), 
Dr. K. Karasiewioz von Tushel nach Posen, Eugen Fürst von 
Schloppe naoh Rehau i. Bayern, Dr. A. Send leben von Berlin naoh 
Swinemünde, Dr. M. Ennet von Padewitz (Kr. Posen Ost) nach 
Bütow, Dr. W. Harth um von Kiel nach Gr. Tuchen (Kr. Bütow), 
Dr. Wilh. Sohüler von Kolberg nach Degow (Kr. Kol borg-Koriin), 
Dr. F. Dumstrey von Berlin nach Lupow (Ldkr. Stolp), Dr. H. 
Leschcziner von BerKn und Dr. Ernst Martin Seidel von Militsoh 
naoh Breslau, Hans Fromm von Laurahütte naoh Nieder-Hermsdorf 
(Kr. Waldenburg), Dr. V. Missliewioz von Obernigk sowie Prof. Dr. 
0. v. Niedner und Dr. Herbert Schneider von Berlin naoh Bad 
Salzbrunn, Dr. Moritz Cohn von Berlin naoh Liegnitz. 

Praxis wieder aufgenommen: Kreisarzta. D. Med.-RatDr. L.Denck- 
mann in Hannover. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. H. Ioke von 
Schierke, Dr. E. Höser und Dr. B. Kleinen von Frankfurt a. M. 
Dr. Karl Arndts von Märk. Friedland (Kr. Deutsch Krone), Dr. 

F. Starkloff von Müllrose (Kr. Lebus), Dr. Irmgard zur Nedden 
und Dr. B. Zöppritz von Göttingen, Dr. K. Sohieritz von Esohede 
(Ldkr. Cöln). 

Gestorben: Dr. Paul Fleischer in Zülz (Kr. Neustadt O.-S.), Geh. 
San.-Rat Dr. Ernst Meyer in Bergen (Ldkr. Celle). 

FÄr di« Redaktion Torantwortlich Prof. Dr. HanaKohn, Berlin W., Bayienther Str. 41. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin VW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin V. 4. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 










D!« Berliner Klinische Wochenschrift erseheint jeden 
Von tag in Nummern vom etwa S—0 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Bnehhandlangen and Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Kinsendnngen für die Redaktion nnd Expedition 
wolle man portofrei an die Yerlagsbnehhandlang 
August Hirsehwald, Berlin NW., Unter den Linden 68* 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: " Expedition: 

Geh. Hel-Rat Prof. Dr. C. Posuer und Prot Dr. Haas Kobs. August Hirsehwald, Verlagsbaehhandloag iu Berlin. 

Montag, den 15. September 1919. M 37 . SechsnndfQnMgster Jahrgang. 


I N H 

Origimaliei: Haberland: Latenter Mikrobismos, sohlammernde Infek¬ 
tion, ruhende Infektion. (Aus dem pathologischen Institut der 
Universität Breslau [Direktor: Prof. Dr. P. Henke].) S. 865. 
Schmidt: Ueber bronobiektatiscbe Kavernen. (Aus dem Allgemeinen 
KraDkenhause Hamburg-Barmbeok, I. chirurgisch© Abteilung [Prof. 
Dr. Sudeok].) S. 867. 

Lesser*. Abortivheilung der Syphilis duroh 2—8 Neosalvarsan- 
injektionen. S. 870. 

Henneberg: Mediumistisohe Psychosen. S. 878. 

Manasse: Die chirurgische Behandlung der Nervenschuss Verletzungen. 
S. 875. 

Hirschfeld: Zur Kenntnis der Badialislähmung. (Ulustr.) S. 878. 
BKekerbespreehangen : Schaffer: Die Therapie der Haut- und veneri¬ 
schen Krankheiten. (Bef. Bruhns.) S. 879. — Ortner: Klinische 
Symptomatologie innerer Krankheiten. (Bef. Kohn.) S. 879. — 


Aus dem pathologischen Institut der Universität Breslau 
(Direktor: Prof. Dr. F. Henke). 

Latenter Mikrobismus, schlummernde Infektion, 
ruhende Infektion. 

Von 

Dr. H. F. 0. Haberland, Vol.-Assistent am Institut. 

Während meines Studiums über das „toxische Gasbrandödem“, 
wie ich lusammenfassend die Gasbranderkrankungen bezeichne, 
iat die Präge des latenten Mikrobismus und der ruhenden Infek¬ 
tion wiederholt in den Vordergrund getreten. 

Duroh die Arbeit von M. Nenoki und P. Giaoosa (1879) wird 
die Frage aufgeworfen, ob im gesunden Gewebe Mikroben enthalten 
sind. Man f re di zeigt 1899, dass tatsächlich in den Lymphdrüsen 
Bakterien in fortpflansungstähigem Zustande vorhanden sind. Wir ver¬ 
danken Manfredi die Lehre des „latenten Mikrobismus“. Zahl¬ 
reiche Untersuchungen bestätigen diese Theorie. In anderen Organen, 
wie Leber, Milz wurden dieselben Befunde gemaoht. In der Chirurgie 
ist der latente Mikrobismus eine Erscheinung, die jedem Wundarzt ge¬ 
läufig ist. Auch für die Gasbrandinfektion bat dieser Begriff eine weit- 
tragende Bedeutung. Erstaunlich lange Zeit kann verstreichen, ehe die 
Gasphlegmone manifest wird. In einem Falle von Passow (1895) ent¬ 
steht infolge einer Bisswunde an der Hand erst naoh 14 Tagen eine 
tödlioh verlaufende Gasphlegmone am rechten Sohultergelenk. C. Franz 
beobaohtet Spätinfektionen mit Gasbrandbazillen nach 23 Tagen. 

Der Bin wand ist berechtigt, derartige Fälle noch als lang- 
dauernde Inkubation anzusprecben. Sicherlich ist eine scharfe 
Grenze nicht zu ziehen zwischen beiden Begriffen. Die Inkubation, 
die Butwickelungszeit, bezeichnet die Zeitdauer, welche die Bak¬ 
terien zur Entwickelung gebrauchen, um das ihnen eigene Krank¬ 
heitsbild auszulöseD. Bei dem latenten Mikrobismus bleiben da¬ 
gegen die pathogenen Mikroorganismen untätig im Körper. In 
den einzelnen Organen sind sie wohl nachweisbar, krankhafte 
Erscheinungen treten niemals auf. Diese Definition des latenten 
Mikrobismus wird in der Literatur nicht streng eingehalten. 

Andererseits können wir durch eine Infektion völlig über¬ 
rascht werden, ohne dass bis dahin irgendwelche Sym- 


A L T. 

Ho zu: Ueber nervöse Erkrankungen naoh Eisenbahnunfällen. (Bef. 
Hirsohfeld.) S. 879. — Sohreber: Hygiene der keramisohen In¬ 
dustrie (Ziegelarbeiter, Töpfer und Porzellanarbeiter). Hygiene 
der Glasarbeiter und der Spiegelbeleger. Hygiene der Phosphor- 
und Zündwarenarbeiter. (Bef. Heymann.) S. 879. 

Literatur- Auszüge: Physiologie. S. 879. — Pharmakologie. S. 879. — 
Therapie. S. 879. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie. S. 880. — Parasitenkunde und Serologie. S. 882. — Innere 
Medizin. S. 882. 

Yerkaadlangea ärztlicher Gesellschaften : Verein für innere Me¬ 
dizin und Kinderheilkunde zu Berlin. S. 883. — Medizini¬ 
sche Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultur zu Breslau. S. 884. — Medizinische Ge¬ 
sellschaft zu Kiel. S. 887. 

Tagesgeschiohtliohe Notizen. S. 888. 

Amtliche Mitteilungen. S. 888. 


S torno aufgetreteo waren. Hier lag die Infektion Wochen, 
onate, selbst Jahre zurück. Krankheitserscheinungeu entstanden 
nicht durch den spezifischen Krankheitserreger, weil keine gün¬ 
stigen Lebensbedingungen, d. h. kein geeigneter Boden, seiner¬ 
zeit vorhanden waren. Erst wenn diese geschaffen werden, z. B. 
durch Trauma, durch die gebrochene Widerstandsfähigkeit des 
Körpers infolge einer anderen Krankheit, vermögen die im Körper 
anwesenden Mikroorganismen das für sie spezifische Krankheits¬ 
bild hervorzurufen. Ich vergleiche dabei die Bakterien mit 
Tieren, die einen Winterschlaf halten. Diese können in diesem 
lethargischen Schlaf ebenfalls an andere Stellen transportiert 
werden, ohne dass sich ihr Zustand dabei verändert. Bis znr 
Zeit des Ausbruches der Infektion „schlummerten“ sie und er¬ 
wachen plötzlich. Diese Verhältnisse möchte ich als „schlum¬ 
mernde Infektion“ 1 ) bezeichnen. 

Von der Inkubation und Spätinfektion unterscheidet sich 
die schlummerde Infektion, om dies zu betonen, dadurch, dass 
die Entwickelungsfeit für die betreffenden Erreger bei weitem 
überschritten ist. 

Dieser Begriff der „schlummernden“ Infektion ist naoh meiner Auf¬ 
fassung soharf zu trennen von dem Begriff der „ruhenden“ Infektion, 
den E. Melchior präzisiert und erschöpfend dargestellt hat. Melohior 
versteht darunter ein Aufflackern einer anscheinend schon völlig ge¬ 
heilten Infektion. Die Zeit, die zwisohen der ersten Erkrankung und 
dem erneuten Auftreten verBtreioht, kann Jahre betragen. Es handelt 
sich also um Spätrezidive. Bei Melchior’s ruhender Infektion sind 
die klinisohen Symptome abgeklungen, aber die Bakterien noch nicht 
abgetötet oder nicht so eliminiert, als dass sie bei passender Gelegen¬ 
heit wieder ihre Lebenseigensohaften entfalten könnten. Alle infektiösen 
Metastasenbildungen geboren nach meiner Auffassung ebenfalls in dieses 
Gebiet. Naoh Melohior besteht in diesem Stadium „zwischen den 
Infektionkträgern und den Sohutzkräften des Organismus ein Gleichge¬ 
wichtszustand“. Wird der Gleichgewichtszustand zu ungunsten der 
Schutzkräfte des Körpers gestört (Melohior), so flaokert die Infektion 
wieder auf. Deshalb vermeidet in neuerer Zeit auch M. Kirsohner bei 


1) In der Gasbrandliteratur sprechen Loeser, Marwedel, Bnmpel, 
Saokur, Wieting auoh von einer schlummernden Infektion, meinen 
damit aber eine protrahierte Inkubation. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


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seiner Verlängerung der verkürzten Extremität die Frakturstelle und 
nimmt die Knochendurchtrennung an anderen, sicher gesunden, nioht 
infizierten Stellen vor. 

Melchior lässt es dahingestellt sein, „ob das ursprüngliche Ein¬ 
dringen der Parasiten von einer manifesten entzündlichen (d. b. infek¬ 
tiösen) Phase begleitet war oder nioht*. „Ich glaube nicht, dass eine 
derartige Differenzierung praktisch empfehlenswert ist*. Diese Auf¬ 
fassung veranlasst mich jedooh, zu diesen komplizierten Fragen Stellung 
zu nehmen. Nach persönlicher Rücksprache mit Melchior hat er bei 
der ruhenden Infektion insbesondere die Fälle im Auge, die das Ein¬ 
dringen der Bakterien mit einer wahrnehmbaren Reaktion anzeigten. 
Diese Anschauung spiegelt sich auch in seinen ausgezeichneten Arbeiten 
wieder. Während Melchior die ruhende Infektion mit dem latenten 
Mikrobimus (= latente Infektion!) identifiziert, rechnet Reinhardt 
nur die Fälle zur ruhenden Infektion, in denen die primäre Infektion 
klinisoh diagnostiziert wurde. Wenn keine Erscheinungen vorausgegangen 
sind, so spricht dieser Autor von latentem Mikrobismus. Auch Most 
unterscheidet beide Phänomene. Letzeres begrenzt er jedoch nicht so eng, 
wie oben angegeben ist. Das Krankheitsbild darf nach ihm sich schon 
einmal gezeigt haben, die Entzündung muss aber pathologisch-anatomisch 
abgekapselt sein. „Der latente Mikrobismus hingegen würde nur den 
Aufenthalt von lebensfähigen Krankheitserregern im Innern der Gewebq 
des Organismus darstellen, und zwar einen solchen entweder ohne 
dass eine klinisoh in die Augen tretende Entzündung vorausgegangen 
ist, oder aber ein längeres Verweilen von lebensfähigen Krankheitskeimen 
nach einer schon längst abgeklungenen, klinisch vollkommen abgeheilten 
und pathologisch-anatomisch abgekapselten Entzündung*. Er unter¬ 
scheidet also den latenten Mikrobismus von der Melchior’sehen ruhenden 
Infektion. Eine scharfe Trennng ist es freilich nicht, und die ruhende 
Infektion kann in dem latenten Mikrobismus übergehen. Die Unter¬ 
scheidung von Most stellt gewissermaassen eine Brücke dar zwischen 
meinem sehr eng umschriebenen Begriff der schlummernden Infektion 
und der Melohior’schen ruhenden Infektion. Wir ersehen daraus, dass 
die Bezeichnung für ein bestimmtes Geschehen verschieden gewählt und 
aufgefasst wird. 

Forscht man weiter nach, so dürfte die Most’sche Definition des 
latenten Mikrobismus nooh nicht den Kernpunkt treffen. Latent be¬ 
deutet verborgen. Zahlreiche Beispiele können dafür angeführt werden, 
dass bei bakteriologischen Untersuchungen als Nebenbefunde Mikroben, 
oft für den Menschen äusserst pathogene Mikroorganismen, angetroffen 
werden, die keinerlei Symptome jemals bei ihrem Wirt hervorgerufen 
haben resp. hervorrufen. Entweder werden sie allein oder mit anderen 
Bakterien zusammen naohgewiesen. Unterabteilungen sind wiederum 
zu beachten, ob dazu zu rechnen sind: 

1. alle Bakterien in den menschlichen Organen, die stets anzutreffen 
sind, aber keinerlei Krankheitserscheinungen bedingen. Ich habe vor 
allem im Auge die Bakterien des Respirationstraktus, des Darmes und 
der Scheide; 

2. alle Bakterien in den menschlichen Organen, die für gewöhn¬ 
lich pathogen sind, aber ebenfalls niemals klinische Symptome machen. 
Ich würde vorsohlagen für die letztere Unterabteilung zu sagen: 

a) latenter Mikrobismus im engeren Sinne, 
bj latenter Mikrobismus im weiteren Sinne, 
umfasst alle diejenigen Bakterien, die wir beim Menschen stets zu 
finden gewohnt sind; in diese Gattung gehören auch die Bakterien, die 
für den Haushalt des menschlichen Körpers unumgänglich notwendig 
sind. Konsequenterweise muss bei diesen Formen des latenten Mikro¬ 
bismus wieder unterschieden werden, ob die Bakterien 

a ) in Hohlorganen, die mit der Aussenwelt in Verbindung stehen, 
z. B. Darm, Scheide, Mund usw. oder auf der Haut angetroffen werden; 

ß) in den Gewebsmaschen selbst. 

Besteht das Bedürfnis, zu den bestehenden Begriffen neue hinzuzu¬ 
fügen? In der Tat lehrt die Pathologie des Gasbrandes, dass diese 
Forderung berechtigt ist. An der Hand der Lehre vom Gasbrand kann 
man anschaulich alle diese Begriffe in die Praxis umgesetzt sehen. 
Ebenso finden sich Uebergänge. 

Diese Fälle finden dadurch eine zwanglose Erklärung. 

1. Der latente Mikrobismus im weiteren Sinne. 

Hierzu gehören die Bakterienbefunde, die nicht pathogen 
für den Menschen sind, z. B. in der Nase, Mund und Rachen¬ 
höhle, Speiseröhre, Magendarmkanal, ferner in der Scheide, im 
Respirationstraktus, in der Tränenflüssigkeit usw., seltener in 
Lymphdrüsen, Milz, Leber, Gallenblase, Harnorgane, wie eingangs 
erwähnt ist. Schliesslich sind dazu all die massenhaften Keime 
zu erwähnen, die auf der menschlichen Haut anzutreffen sind. 
Daher finden wir bei jedem Organismus den latenten Mikro¬ 
bismus im weiteren Sinne. 

Zahlreiche Beispiele lassen sich nun anführen, dass einige 
Bakterien dieser Gruppe in die zweite Gruppe umgeformt werden 
können. Wenn wir aus der Fülle der Bakterien, die für gewöhn¬ 
lich keinerlei Krankheitserscheinungen im Gefolge haben, z. B. 
das Bacterium coli commune, herausgreifen, so kann dieses unter 
gewissen Umständen die Ursache 'einer tödlich verlaufenden Gas¬ 
brandinfektion werden. Die diesbezüglichen Streitfragen sollen 


hier nicht berührt werden. Ebenfalls können durch abnorme 
Gärungsprozesse (BakterienWirkung) krankhafte Erscheinungen 
auftreten. Ferner möchte ich an die Untersuchungen von 
A. Schattenfroh und R. Grassberger erinnern, die ihren 
unbeweglichen Buttersäurebuzillus, Gr&nulobacillus saccharobuty- 
ricus immobilis liquefaciens als eine pathogene Varietät des 
Welch-Fränkel'schen Gasphlegmonebazillus auffassen. Diese 
wenigen Belege mögen genügen. 

2. Latenter Mikrobismus im engeren Sinne. 

Hier werden in den menschlichen Organen Mikroorganismen 
gefunden, die pathogen für den Körper sind, aber niemals 
Erscheinungen auslösen. Das Vorkommen der Tuberkel¬ 
bazillen im zirkulierenden Blute ohne jegliche Symptome gehört 
zu diesen auffälligen Befunden. Andrerseits teilt 0. Busse 1908 
einen Fall mit, bei dem die Diagnose Typhus gestellt wird und 
die Typhusbazillen im Blute nachgewiesen werden. Die Widal- 
sche Reaktion ist negativ und bei der Sektion wird später Miliar¬ 
tuberkulose festgestellt mit tuberkulösen Darmgeschwüren, aber 
keine typhösen Veränderungen. Der Amerikaner N. B. Gwyn 
kultivierte 1899 mehrmals bei einer 18jährigen Patientin aus 
dem Blute den Welch-Fränkel’schen Bazillus, ohne dass Gasbrand 
auftrat. Der gleiche Befund wird von P. Lehmann gemacht, 
der bei Erysipel im Blute den Bacillus phlegmones emphysema- 
tosae nachweist als Nebenbefund. Ebenso F. Reiche (1905) bei 
einem Typhuskranken im Blute während des Lebens und K. Bin¬ 
gold in reaktionsverlaufenden Aborten unter 28 Fällen 
8mal im Blut den gleichen Bazillus. Nach Krönig (1895) 
lässt das sauerstoffhaltige Blut die anaeroben Bakterien nicht 
aufkommen. Aber auch Scbottmüller’s „desinfizierende Wir¬ 
kung des Blutes ist dabei beteiligt. Schottmüller findet bei 
normalen Wöchnerinnen im Lochialsekret den Gasbazillus. 

Bemerkt sei, dass bei zahlreichen Puerperalinfektionen mit dem 
Bacillus perfringens = Bao. aerogenes capsulatus der Uebertritt dieser 
Gasbranderreger in die Blutbahn im Leben nachgevriesen ist. Das fällt 
aber völlig aus dem Rahmen des latenten Mikrobismus im engeren Sinne 
und sei nur als Beispiel angeführt zur Verdeutlichung der Unterschiede. 

Als weiteres Beispiel sei die Arbeit von F. Ph. Williams ge¬ 
nannt, der 1911 26 mal in der Galle den BaoiLlus aerogenes capsulatus 
findet. Nach E. Baumgartner spielt dieser Bazillus sogar eine Rolle 
bei der Zahnkaries duroh seine Eigenschaft als Säure- und Diastase- 
bildner und erzeugt normalerweise keinen Gasbrand. Hudson, Lewis, 
Logau, Türmer treffen diesen Keim bei einer Eiterung im Antrum 
mastoidale an als Nebenbefund. Endlich ist uns aus zahlreichen Publi¬ 
kationen geläufig, dass die Welch-Fränkel’sche Gasbrandbazillen fast 
regelmässig im menschlichen Kote angetroffen werden. L. F. Rettger 
züchtet ihn stets aus den Fäzes, wenn die untersuchte Menge min¬ 
destens 32 mg beträgt. Selbst bei Säuglingen und im Mekonium der 
Neugeborenen (P. Sittler) findet er sich.. Falls nioht sorgfältige bak¬ 
teriologische Untersuchungen angestellt werden, so ahnt niemand etwas 
von der Gegenwart dieser gefürchteten Krankheitserreger. Zwar hoch¬ 
pathogen für den Menschen, bleiben sie für den Wirt stets verborgen. 
Dieses Verhalten charakterisiert den latenten Mikrobismus im engeren 
Sinne, die Gründe, warum diese pathogenen Keime niemals sohädlicb für 
den Menschen werden, sind mannigfache. Symbiose mit anderen Bak¬ 
terien, Schutzkräfte verschiedenster Art, Disposition usw. verhindern 
die Entwicklung. 

Beide Formen des latenten Mikrobismus sind nach 
unserer Definition dadurch ausgezeichnet, dass sie 
niemals Krankheitserscbeinungen zur Folge haben, 
trotzdem die Bakterien lebensfähig sind. 

Einen Uebergang zur schlummernden Infektion bieten die 
überaus häufigen Befunde der tuberkulösen Veränderungen, die 
erst bei der Sektion erkannt werden. Denn tatsächlich haben 
sich Krankheitsprozesse abgespielt, nur dass sie nicht während 
des Lebens erkannt sind und keinerlei Erscheinungen gemacht 
haben. Berechnet doch Ribbert die menschliche Tuberkulose 
auf 93 pCt.I 

Die Beobachtung am eigenen Körper dürfte ebenfalls von allge¬ 
meinem Interesse sein. Nach meiner Erfahrung im Felde liess ich mir 
1917 in der Heimat von Herrn Prof. James Israel meinen Appendix 
prophylaktisch entfernen, um einem eventuell notwendig werdenden 
Operationsexperiment am eigenen Körper im Felde nicht zum Opfer zu 
fallen. Ich habe niemals irgendwelche Erscheinungen gehabt. Der ex- 
stirpierte Wurmfortsatz war daumendick, hatte 3 Kotsteine und war 
chronisch-entzündlich verändert. 

3. Die schlummernde Infektion. 

Durch Anlässe irgendwelcher Art können die pathogenen 
Bakterien im Zustande des latenten Mikrobismus im engeren 
Sinne plötzlich ihre für den Menschen schädlichen Lebenseigen- 


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schäften entfalten. Die Unterernährung schafft z. B. einen ge¬ 
eigneten Boden für bis dahin schlummernde Taberkelbazillen in 
der Lunge, die grosse Maskelwunde des Uterus post partum 
bietet den günstigsten Boden für die Gasbranderreger, die bis 
dahin in der Scheide lebten, ohne Symptome auszulösen. Gas¬ 
bazillen können vom Darm aus auf dem Lymphwege zufällig in 
die Leistenbeuge gekommen sein und schlummern dort. Plötzlich 
wird durch eine Operation das Gewebe etwas geschädigt. Ge¬ 
eignete Existenzbedingungen sind geschaffen und ein foudroyanter 
Gasbrand stellt sich ein. So erklären sich die verschiedenen 
Gasbrandfälle nach aseptischen Operationen. Desgleichen kommen 
dann und wann in der Friedenspraxis in den bestgeleitetsten 
Kliniken nach einwandsfreien aseptischen Operationen andere 
Wundinfektionen vor, die nicht selten deletär verlaufen. Insbe¬ 
sondere erinnere ich mich des einzigsten Falles meiner zahl¬ 
reichen Bluttransfusionen, der nicht aseptisch verlief. 

Am dritten Tage naoh der Hergabe des Blutes klagt der Spender 
über starke Sohmerzen in der linken Radialis. Die Wundränder sind wenig 
gerötet. Abends hohe Temperatur. In der Unterarmwunde fast eine 
Reinkultur-Influenzabazillen! Zu dieser Zeit waren auf meiner chirur¬ 
gischen Abteilung eine grosse Anzahl Patienten an der Grippe erkrankt, 
die 1918 bekanntlich so häufig an der Westfront auftrat. Offenbar war 
mein Spender schon lange infiziert, hatte aber keine Influenzaersohei- 
nungen, dieselben stellten sich später auch nicht ein. Erst am Locus 
minoris resistentiae finden die schlummernden Bakterien geeignete 
Existenzbedingungen. 

Diese Vorgänge möchte ich als „schlummernde In¬ 
fektion“ bezeichnen. Weitere Beispiele erübrigen sich. Die 
schlummernde Infektion bedeutet also nichts anderes als ein 
Manifestwerden des latenten Mikrobismus im engeren Sinne; 
eine Untersch eidung erscheint aber dringend notwendig. 
Denn zu diesem Begriff tritt noch ein Agens hinzu, 
dem die entscheidende Bedeutung zuzuschreiben ist. 
Diagnostiziert wird sie erst beim Erwachen. Erwacht die 
schlummernde Infektion nicht, so bleibt der Zustand des latenten 
Mikrobismus im engeren Sinne bestehen. Auch hierfür seien die 
Gasbranderreger als Beispiel angeführt. Nach dem Tode können 
sie die uns wohl bekannten Scbaumorgane bilden, da dann 
günstige Lebensaedingungen für sie geschaffen sind. 

Diese Gruppierung lässt gegenüber der Most’schen Definition 
des latenten Mikrobismus und der Melchior’scben ruhenden In¬ 
fektion grosse Unterschiede erkennen. Aber auch hier finden 
sich Berührungspunkte. 

So operierte ioh 1916 in Wilna einen Patienten wegen eines ar¬ 
teriellen Aneurysmas der Arteria femoralis. Die Wunde war reaktions¬ 
los geheilt, nur am ersten Tage 37,2. 4 Wochen danach fieberfrei. 
Naoh der Operation (für die Asepsis verbürge ioh mich) akute Sepsis 
und Exitus naoh 3 Tagen. Sollen nun derartige Fälle zur schlummernden 
oder zur ruhenden Infektion gerechnet werden? Denn von einer In¬ 
fektion bei dieser Sohussverletzung kann füglich nicht gesprochen werden. 
Da ich aber den Begriff der schlummernden Infektion ganz eng begrenze 
und hier eine sicherlich minimale Infektion vorhanden war, so verweise 
ioh solche Fälle zu der Melohior’sohen ruhen Infektion. 

Zusammenfassung: An der Hand der kriegscbirurgischen 
Erfahrungen, speziell des Gasbrandes, ergeben sich folgende 
praktisch wichtigen Unterscheidungen: 

1. Der latente Mikrobismus im engeren Sinne. 

2. Der latente Mikrobismus im weiteren Sinne. 

• 3. Die schlummernde Infektion. 

4. Der latente Mikrobismus im Sinne der Mowt’schen 
Definition. 

5. Die ruhende Infektion (Melchior). 


Aus dem Allgemeinen Krankenhause Hamburg- 
Barmbeck, I. chirurgische Abteilung (Prof. Dr. Sudeck). 

Deber bronchiektatische Kavernen, 

Von 

Dr. Emst 0. Schmidt, Assistenzarzt der Abteilung. 

Mit den raschen Fortschritten der Chirurgie in den letzten 
Dezennien wurde auch das Gebiet der Lungenchirurgie in gross- 
zügiger Form aufgeschlossen. Das Empyem, der Lungenabszess, 
später auch die einseitige Lungentuberkulose und die Gangrän 
wurden mehr and mehr Gebiete der Chirurgie. Nar die bronchi- 
ektatischen Kavernen traten früh in den Hintergrund and bilden 


zur Zeit weit mehr ein Gebiet der internen Behandlung als der 
chirurgischen. 

Hat schon überhaupt die Chirurgie die Neigung sich mehr in den 
Besitz der augenfällig dankbaren Gebiete der Medizin zu setzen, 
oder wird ihr naturgemäss diese Rolle von der internen Medizin 
häufig genug allein zngeschoben, so gilt diese Erörterung mit 
grossem Recht auch auf dem Gebiet der Lungenerkrankungen. 

Zugegeben, dass es eben auch viel undankbare Grenzgebiete der 
Chirurgie gibt, so liegt die Erklärung nicht darin, dass man den Internen 
vorwirft, zu lange vorerst zu behandeln, oder nur Fälle zu übersenden, 
die von vornherein eine zweifelhafte Prognose bieten, der Kernpunkt der 
Frage liegt tiefer; es handelt sich um den praktischen Erfolg. Trotz aller 
technischen Besserung, so im Druekdifferenzierverfahren, trotz aller 
glänzenden Namen, wie Garrö, Küttner, Sauerbruob, Körte, 
Fränkel, Tuffier, Lenhartz, Friedrich usw., ist das Gebiet der 
Lungentuberkulose, besonders das Gebiet der bronchiektatischen Ka¬ 
vernen, kein sehr anreizendes. Und, so sagt der innere Mediziner mit 
Recht, besonders das letzte Gebiet ist ebenso gut oder schlecht intern 
zu behandeln, und die Ultima refugio bleibt die Chirurgie. 

Unsere Erfolge auf diesen Gebieten, und hier soll vornehmlich von 
der Bronchiektase gesprochen werden, sind sohleoht 

Ueber die Entstehung der Bronchiektasie ist noch keine 
völlige Klarheit vorhanden. 

Naoh Ribbert sind wohl die pathologischen Veränderungen der 
Bronchialwand die wichtigste Grundlage, aber warnm und wodurch sie 
entsteht, ist nicht sicher. Eine gewisse Disposition muss man wohl vor¬ 
aussetzen. Auch Körte steht auf diesem Standpunkt. Kümmell sieht 
in dem Uebergang der Entzündung von irgendwie erkranktem Lungen¬ 
gewebe auf die Wand der Bronchien nnd in dem abnormen Druck in 
den Bronchien bei Hustenstössen die Ursache an der Entstehung brön- 
chiektatischer Kavernen. 

Der narbige Zug aushejlender Empyeme und Abszesshöhlen, Garrö, 
Helferioh, Liohtenaner n. a., bedingt duroh seine Schrumpfung einen 
Zug, kontinuierlich sich verstärkend, auf die Bronchien und dadurch 
lokale Erweiterung. 

Das pathologisch-anatomische Verhalten der bronchi¬ 
ektatischen Caverne ist nicht mit der Einteilung sackförmig oder 
zylindrisch abgetan. 

Ea spielt hier eine Gruppe von Prozessen mit, welohe eine andere 
Einteilung der bronohiektatischen Kavernen bedingen. Die Erweiterung 
der Bronohien findet sich in den verschiedensten Erkrankungen der 
Lange, ja, in manchen Fällen entsptricht überhaup häufig das klinische 
Bild nicht völlig dem pathologisch-anatomischen. Infolgedessen sind in der 
Literatur so vielfach widersprechende Ansichten. Eine bronohiektatische 
Kaverne, oder überhaupt Bronohiektasien sind klinisch erst vorhanden, 
wenn eine Ausbuchtang oder Erweiterung stattgefunden bat, welche als 
Krankheit für sich imponiert, welche sioh nicht wieder zurückbildet, d. h. 
eine bronchiektatisohe Kaverne besteht erst dann, wenn die betreffenden 
erweiterten Bronchialäste nicht mehr in der Lage sind, ihre ursprüngliche 
Funktion in genügender Weise su versehen. 

Zunächst gibt es eine grosse Anzahl angeborener Bronohiektasien, 
and, infolge Rückkehr eines Lungenteiles in den fötalen Zustand, er¬ 
worbene Bronohiektasien; beiden gemeinsamen ist die Atelektase der 
betreffenden Lungenpartie. Ferner findet sich bronohiektatisohe Höhlen¬ 
bildung infolge Aplasie oder Hypoplasie einer Lunge oder von Lungen¬ 
teilen. 

Mikroskopisch zeigen sich uns meist die Bilder im Uebergang 
der Bronchitis mit Schleimhautsohwellnng bis zum ausgesprochen mikro¬ 
skopischen Befunde einer Bronchiektasie. Die Schleimhaut atrophiert, 
das abgestossene Epithel geht bei grösseren oder kleineren Strecken zu¬ 
grunde. Die Drüsen schrumpfen und veröden, die übriggebliebene 
Schleimhaut liegt fest an der knorpeligen Unterlage. Die Entzündung 
setzt sich zirkulär auf das umgebende Gewebe fort. Die Gefässe der 
Submukosa sind stark dilatiert in mehr oder geringem Grade, auch die 
Gefässe der den Knorpeln anliegenden Bindegewebsteilen. Zwischen den¬ 
selben finden sich Rundzellen und drängen die elastischen Fasern und 
Muskelfasern auseinander. Die Leukozyten wandern in den Knorpel vor, 
arrodieren deren Grundgewebe. Die Knorpelhöhlen werden von Eiter¬ 
körperchen erfüllt und so das Bild einer Peribronobitis vor Augen ge¬ 
führt, in dem die Knorpelzellen zugrunde gehen. Diese entzündliohe 
Hyperämie geht Hand in Hand mit einem Oedem, welches die ganze 
Wand naohgiebig macht. Staut sioh nun Sekret oder wird durch starken 
Hasten der positive Druck im Bronohiallumen rasch und zu grosser 
Höhe anschwellen, so kommt es je nach dem Fortschritt der erweichten 
Bronchialwand zu einer grösseren oder kleineren Dehnung derselben, 
und damit kann es su Bronchiektasie kommen, denn schreitet der Pro¬ 
zess weiter fort, so kann es in späteren Stadien zu einer Rüokbildnng 
der Gefässe und des Zellreichtnms kommen. Die Knorpel gehen fast 
völlig zugrunde, das Lumen wird von einem Bindegewebe gebildet, 
welches stark infiltrierte und dilatierte Gefässe aufweist. Damit ver¬ 
lieren die Bronchien ihre Elastizität wieder znr Norm, bei Nachlass der 
Vis a tergo, zurückzukehren und die Bronohiektasie ist als Krankheit 
für Bich da. 

Aus diesen entwickelt sioh dann oft die zirrhotisohe Form oder 
sklerotische Lunge, d. h. die Pleuren werden oft in Mitleidenschaft ge- 


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sogen, indem ihre beiden Blätter verkleben, nnd es kann sich eine solide 
schwielige Masse bilden, durch welche die Lunge an den Thorax ange¬ 
heftet wird. 

In anderen Fällen kommt es wieder bei den Bronohiektasien 
su einer Knorpelbyperplasie, wie Heller, Herxheimer u. a. ge¬ 
zeigt haben. Auch Edens fand in ähnlichen Fällen eine Hyperplasie 
des Knorpels. Offenbar sind es verschiedene Befunde nach den ver¬ 
schiedensten Einflüssen von Druck, Zerrung und Entzündung, jeweilig 
verschieden, was auch die Drüsen anlangt. An den Stellen des stärksten 
Druckes, meist also in der grössten Breite der Ampulle, finden sioh die 
ausgedehntesten atrophischen Zustände. Die Flimmersellen gehen keines¬ 
wegs alle verloren. 

In einer Anzahl der Fälle schliesst sioh früh der Ausgang, 
während der Zugang durch die Traohea meist erhalten bleibt. 

Duroh die Obliteration auch des zuführenden Bronchus kann eine 
solche bronohiektatische Kaverne als Zyste imponieren. 

Die spindelförmigen bronchiektatischen Kavernen zeigen patho¬ 
logisch anatomisch wenig Differenzen. Wenn mehrere zylindrische Er¬ 
weiterungen hintereinander an einem Bronchus Vorkommen, so spricht 
man von einer Kranzform. (Spindelform und Zylinderform ist de facto 
dasselbe.) Im allgemeinen kann man sagen, dass die kleineren bron- 
chiektatisohen Kavernen zahlreicher sich finden und dann in der Peri¬ 
pherie sitzen. Dadurch, dass sioh auch die Infundibula erweitern, werden 
die einmündenden Alveolen in Mitleidenschaft gezogen. Durch Atrophie 
ihrer Septa entstehen kleinere Höhlen. Die grösseren Höhlen sitzen 
meist vereinzelt in den zentralen). 

Wie Hof mann naGhgewiesen hat, finden sich spindelförmige, 
zylindrische und sackförmige Höhlen oft nebeneinander, so dass patho¬ 
logisch-anatomisch eine Grenze zwischen zylinderförmigen und spindel¬ 
förmigen bronchiektatischen Kavernen nicht aufrecht zu erhalten ist. 
Ueberhaupt kann der Anblick einer bronchiektatischen Kaverne durchaus 
versohiden sein. Manchmal kann es nach Verkalkung der Knorpel zu 
oberflächlichen Ulzerationen kommen, welche den Ausgangspunkt einer 
Lungengangrän bilden. 

Ueber die atelektatische Bronchiekt&ie sind in letzter Zeit ver¬ 
schiedene Beobachtungen gemacht worden. Zunächst ist die Frage noch 
nicht entschieden, ob eine Entwicklungsanomalie vorliegt oder Rückkehr 
zum embryonalen Stadium. 

Als Hauptmerkmale der fötalen Atelektase wird häufig der Pigment¬ 
mangel angegeben, Meyer, Kässler, Heubneru. a., doch werden von 
Buohmann und Buhl, Davidsohn an der Hand mehrere Fälle nach- 
gewiesen, dass dieses Gesetz nur eine bedingte Gültigkeit hat; wie denn 
wohl die heutige Ansioht mehr der Annahme einer kongenitalen Ent¬ 
wicklung zur Entstehung der atelektatischen Bronohiektasie hinneigt. 
(Dadurch würde sioh auch das Vorkommen von fötalen Atelektasen ein¬ 
fach als Hemmungsbildung erklären lassen.) 

Was ferner nooh die Entstehung der Bronohiektasie anlangt, so 
erklärt sich vieles aus dem obenerwähnten pathologisch-anatomischen 
Verhalten der geschädigten Bronchoröhren. 

Licht heim hat seiner Zeit experimentell naohgewiesen, dass nach 
artefizieller Verstopfung eines Bronchus nicht unbedingt Bronohiektasie 
erfolgt, sicher aber Atelektase. Damit ist zYar ein Locus minoris resi- 
stentiae geschaffen, doch keine Ektasie absolut bedingt. 

Börner, Marfon, Riegel, Lebert u. a. sind der Ansicht, dass 
eine isolierte Stenose der grossen Bronchien zur Dilatation unterhalb 
gelegener Zweige führen müsse. Irvien, Kohn, Kopp und Immer¬ 
mann sowie Hoffmann glauben, dass die Ektasien von innen kommen 
müssen, und dass die Stenose wohl häufig gefunden wird, in vielen Fällen 
aber auch fehlt. Als primäre Ursache ist die Störung in dem Abfluss 
der Sekretion zu suchen. Die daraufhin sich entwickelnde Entzündung 
und Steigerung des Druckes bedingt die Stenose erst und breitet sich 
dann schneller und vollkommener aus. 

Ein Zusammenhang zwisoben der Tuberkulose und darauf sioh ent¬ 
wickelnder Bronohiektasie ist wohl mit Sicherheit abzulehnen, es sei 
denn, dass der narbige Zug geheilter Lungenspitzentuberkulose auf die 
erkrankten Bronchialäste wirkt, was wir bei den Spätfolgen der Pneu¬ 
monie und der Pleuritis kennen gelernt haben. 

Zur Diagnose der Bronohiektasie kann man sagen, dass 
sie mit zu den schwierigsten su rechnen sind. 

Die physikalischen Symptome sind für die Bronohiektasie nicht so 
charakteristisch, dass sie die Differenzialdiagnose gegenüber anderen 
Lungenerkrankungen erleichtern. Hömoptoe und Trommelschlägerfinger 
gehören wohl zum Symptomenkomplex, sind aber nicht pathognomisch. 
Sekundäre Erkrankungen der umgebenden Lungenteile der Pleura können 
das Krankheitsbild fast völlig verwisohen. Das Hilfsmittel der Broncho¬ 
skopie dürfte nur in sehr seltenen Fällen in Betracht kommen, obwohl 
es Ephraim und v. Sohrötter empfehlen. Gottstein und Hins- 
berg warnen davor. Die Expektoration pflegt in maulvollen Portionen 
vor sich zu gehen, meist ohne vielen Husten und grosse Anstrengung, 
oft aber, besonders bei Emphysem und Stenosen gerade das Gegenteil. 
Der Lagew6oh8el des Patienten bringt sehr wenig zur Klärung der Dia¬ 
gnose herbei, ebenso pflegt inkonstant ziemliche Toleranz gegenüber 
stinkender Sekretion der Patienten vorsuherrsohen. Häufig findet sioh 
Blut im Auswurf, der knoblauohartig und fade riecht, meist nicht so 
fötide und jauchig wie bei der Gangrän. 

Die Sohüler'sohe Durstkur ergibt ein gewisses differential-dia¬ 
gnostisches Zeiohen gegenüber der Gangrän. Die Deformation der 


Thoraxwand ist durchaus nioht konstant. Charakteristische Schmerzen 
werden nioht angegeben, bisweilen ist Fieber in vorgeschrittenen Stadien 
oder bei Komplikationen vorhanden, kann bei der einfachen Ektasie 
fehlen. Die Hautfarbe soll naoh Trojanowski meist unverändert sein. \ 
Auffallende Blässe spricht für Tuberkulose, Zyanose für Emphysem. 
Selbst das Röntgenbild gibt uns nioht immer, sowohl was die Aus¬ 
dehnung des Prozesses als auch die Sicherheit der Diagnose anlangt, 
die nötigen Wege an die Hand. Nach Pfeiffer soll am besten früh 
morgens nach der Expektoration geröngt werden, ferner empfiehlt er 
weiche Strahlen, kurze Exposition. Doch ist man über das oben Er¬ 
wähnte nach Hesselwander und Bürgel nooh durchaus über die 
Deutung auf dem Röntgenbilde selbst unter den Röntgenologen nioht 
einig. Man kann somit wohl in manchen Fällen eine Wahrscheinlich¬ 
keitsdiagnose stellen. In den schwierigsten Fällen jedoch wird sioh die 
Diagnosenstellung erst duroh die lange Beobachtung und Ausschaltung 
der differential-diagnostischen in Betracht kommenden tuberkulösen 
Prozesse Gangrän, Abszess, putride Bronohitis, chronische Pneumonie 
stellen lassen. So haben wir unsere Fälle naoh längerer Beobachtung 
per Exploration andiagnostiziert. 

Was die Behandlung bronohiektatischer Kavernen anlangt, so ist 
hier mit internen Mitteln wohl Linderung, jedooh keine Heilung zu 
erzielen. Der Fall von Bamberger scheint eine Folge der Obliteration 
der bronohiektastischen Kaverne durch BindegewebswuoberuDg zu sein 
naoh ihrem Durohbruoh in die Pleura. Von der Natur können wir 
einen solohen Heileffekt doch wohl nur in den allerseltensten Fällen er¬ 
warten. Den Bronohialinhalt aseptisch zu erhalten, gelingt nioht. Die 
Patienten erholen sich wohl unter der internen Behandlung während 
des Sommers, fühlen sich elend während der Kälte und feuchten Jahres¬ 
zeit und werden von Jahr su Jahr schwächer, so dass sie in den 
späteren Stadien für chirurgische Eingriffe nicht mehr in Frage kommen. 

Was die Indikation zur Operation anlangt, so kann man 
sagen, dass wenn die Diagnose sicher, ist die Einseitigkeit des 
Prozesses gewährleistet, und der Auswurf an fängt fötide zu werden, 
die Indikation zur Operation gegeben, in seltenen Fällen auch bei 
röhrenförmigen und zylindrischen bronchiektatischen Kavernen, 
sobald sie nur einen Lappen befallen. 

Gefährlich ist naoh Körte das subakute Stadium in das ohronisohe 
übergehen su lassen. Die Lungenverbreiterung des Prozesses sprioht 
hierbei nooh nicht so sehr mit, wie das Hinzutreten neuer, entzündlicher 
indurativer, parenchymatöser Erkrankungen. Kontraindiziert ist die 
Operation bei Blutungen aus den Kavernen, bei schlechtem Allgemein¬ 
befinden, bei Doppelseitigkeit des Prozesses. Auf der Grenzscheide be¬ 
finden sich die zylindrischen bronchiektatischen Kavernen, insofern als 
man hier mit einer Einseitigkeit des Prozesses nur wenig zu rechnen hat, 
und andererseits diese Bronohiektasien erheblich mehr Neigung zur 
Sterilität des Sekretes zeigen. 

Bei zylindrischen Kavernen dürften als der einfachste 
und geringfügigste Eingriff der künstliche Pneumothorax ab 
und an von Erfolg gekrönt sein, wie es Friedrich dadurch 
gelang, Schrumpfung und bindegewebige Abkapselung zu erzielen. 
(Es kommt bei dieser Behandlungsmethode unterstützend noch 
die Kuhn’8che Saugmaske in Betracht.) 

Zwar hatten auch Küttner und Murfier damit Erfolg, Tietze 
und viele andere nicht. Beim Vorhandensein von Adhäsionen kommt 
nooh eine flächenhafte Lösung der Verwachsung in Betraoht, welche eine 
Pneumothoraxbehandlung ermöglichte. Sind dabei die zylindrischen, 
bronchiektatischen Kavernen zu beeinflussen, so ist dieses Verfahren vor¬ 
zuziehen. Bei den saokformigen, ausgedehnteren bronchiektatischen 
Kavernen ist eine Heilung durch Pneumothoraxbehandlung nioht zu er¬ 
zielen. Die Zyste und diejenigen Fälle zylindrischer Bronchiektasien, 
welche der Pneumothoraxbehandlung widerstehen, sind dann unter Ein¬ 
haltung der obigen Indikationsbetrachtung duroh Thoraxplastik anzu¬ 
geben. Quincke war es, der 1888 zum ersten Male die Entknoohung 
des Thorax angab. F. Hoffmann hat sie zum ersten Male ausgeführt. 
Eden, Körte, Friedrich, Spengler bauten die Operationen weiter 
aus. (Tietze demonstrierte auf dem chirurgischen Kongress 1907 „eine 
spontan kollabierte Lunge ohne Heilung der Bronohiektasien*). 

Sauerbruoh und Bruns empfehlen die Unterbindung der Arteria 
pulmonal», wodurch man eine Schrumpfung des Lungenvolumens auf V« 
erzielen würde. Schumacher empfiehlt diese oder die Exstirpation des 
kranken Lungenlappens. 

Hierbei sei auf die Gefahr der Lösung des Bronohusverschlusses 
aufmerksam gemacht. Naoh Garrö wird am besten duroh Ligatur und 
Uebernähen des Stumpfes der Verschlluss gesichert. Friedrich und 
Tiegel vorsohorfen den Stumpf. Am besten wird naoh Willy Meyer’s 
Methode der Bronchus isoliert und wie der Appendix bei der Appen¬ 
dektomie behandelt. 

Der Raumausgleich erfolgt duroh Verlagerung des Herzens und 
des Mediastinums sowie des Zwerchfelles der gesunden Lunge. Bleibt 
ein Hohl raum, so wirkt derselbe, da eine starke Transudation aus den 
Pleurablättern in den Hohlraum erfolgt, schädigend auf Herz und Lungen¬ 
kreislauf. Dieser Gefahr kann man naoh Robinson und Sauerbruoh 
duroh Unterdrück begegnen. Die oft tödlichen Komplikationen, das 
lange Mediastinalfiattern soll ebenfalls duroh Unterdrück hinten ange- 
halten werden können. Müller und Bayer begegnen dem Zug durch 


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15. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


869 


Annähen der Lange an die Brnstvand, denn die Pendelluft und nach 
Brauer auch das Mediastinalflattern sowie der Zug an den grossen Ge¬ 
lassen soll dadurch günstig beeinflusst werden. 

Ueberblickt man die einzelne Operationsmethode, so zeigt 
sich, dass überall ein Suchen nach einer vollkommeneren Technik 
8tatthat and dennoch keine absolute Klarheit über die ein- 
zaschlageaden Wege. Einmal besteht schon eine ziemliche Diffe¬ 
renz in der Auffassung der Behandlung, entweder durch Kom¬ 
pression zu heilen, d. h. den Lungenherd zu schonen oder den 
Krankheitsherd direkt anzagreifen. Ein anderes Mal findet sich 
eine Differenz in der einseitigen oder zweiseitigen Operation, 
wofür besonders Friedrich, Garrd, Küster, Tuffier ent¬ 
schieden eintreten. 

Die Frage, die sich uns bei dieser Betrachtung aufdrängt, 
ist die, was wollen wir erzielen und wie^ können wir das Resultat 
auf möglichst physiologischem Wege erringen. 

Erzielen wollen wir ein Ausschalten des Krankheitsherdes aus dem 
Körper. Dieses können wir erreichen durch Exstirpation oder durch Um¬ 
wandlung des Krankheitsherdes in eine Narbe. Exstirpation bedeutet 
einen gewaltigen Eingriff. Ob dies möglich ist, ist nur von Fall zu Fall 
zu entscheiden, immerhin bleibt dieser Eingriff der weitaus grösste und 
die Ultima ratio. 

Die 2. Möglichkeit des Ausschaltens, die Umwandlung des Krank¬ 
heitsherdes in eine Narbe, können wir erzielen durch Eröffaung der er¬ 
krankten Partien und Erzielung einer bindegewebigen Induration, 
letzteres allein durch eine Entknocbung des Thorax ohne direkten Ein¬ 
griff des Krankheitsherdes zu erzielen, können wir nur in den seltensten 
Fällen der Natur verlangen. Eine Umwandlung der Bronchiektasie in 
eine Narbe ist auf diesem Wege nioht wahrscheinlich, und somit ist 
der Eingriff nur eine Erweiterung der eingangs erwähnten Pneumothorax- 
behandiung und soll sich auch mehr auf die oben erwähnte Erkrankung 
beschränken. 

Die Behandlung der .bronchiektatischen Kaverne ist eben eine 
wesentlich andere, wie bei der sonstigen chirurgischen Lungeneiterung. 
Die Bedingungen, welche erfüllt werden müssen, sind denen eines Tumors 
nur sehr bedingt zu vergleichen. Ganz besonders bezieht sich dieses 
auf die sackförmigen Bronchiektasien, während die röhrenförmigen und 
zylindrischen bronchiektatischen Kavernen, wenn die Indikation zur 
Operation vorliegt, durch Pneumothoraxbehandlung oder durch Thorax¬ 
plastik hier mit Resektion der ersten Rippen und entgegen Lenhartz’ 
Empfehlung mit der Erhaltung des hinteren Periostes manches Mal günstig 
beeinflusst werden. (Die Skoliose nach Thoraxresektion, welohe sich häufig 
einstellt, beruht nach Gluck, Perthes, Friedrioh und Sudeok auf 
der Schrumpfung des Inhaltes, nicht auf der Wegnahme der äusseren 
Thoraxform.) 

Auf dem nordwestlichen deutschen chirurgischen Kongress 1911 trat 
Ansohütz für den künstlichen Pneumothorax ein und stellte die Indi¬ 
kation für diesen Eingriff viel enger als die von den Chirurgen sonst 
empfohlen wurde. 

Von der Pneumothoraxbehandlung wird aber von den oben er¬ 
wähnten Bronchiektasien weniger zu erwarten sein als von der Thorax¬ 
plastik. Der Druck durch den Pneumothorax wiegt gegenüber der 
Starrwandigkeit der Bronchien wenig. Man wird also in der Mehrzahl 
zur Thoraxplastik greifen müssen, die erheblich stärker auf die starren 
Bronchien einwirkt und kontinuierlicher durch Raumeinsohränkung den 
Krankheitsprozess beeinflussen kann. 

Bei der sackförmigen bronchiektatischen Kaverne hingegen kann 
man mit' dieser Methode sicher nicht auskommen. Hier haben wir ein¬ 
mal die Möglichkeit, den Herd einfaoh zu eröffnen und die Ausheilung 
der Nachbehandlung zu überlassen, oder die Möglichkeit, die bronchi- 
ektatische Kaverne wie einen Tumor zu exzidieren. Die Exstirpation 
stellt den grössten Eingriff dar und bietet bei den durch ihren Krank¬ 
heitsprozess sohon sehr geschwächten Patienten eine nicht günstige 
Prognose. 

Biondi, Block, Gluck u. a. erwiesen zuerst experimentell an 
Tieren die Möglichkeit der Fortnahme einer ganzen Lunge. Körte, 
Friedrioh, Kümmell haben den kranken Lungenlappen, Kümmell 
sogar eine ganze Lunge wegen Karzinom exstirpiert mit Erfolg. Immerhin 
dürften, wie eingangs schon erwähnt, diesen Erfolgen viele Misserfolge 
gegenüberstehen. (Auf die grossen Gefahren durch Infektion, Atmungs¬ 
stillstand bei Zug am Hilus, durch mediastinale Emphyseme und Lungen¬ 
flattern, durroh Spannungspneumothorax usw. ist in der vorigen Be¬ 
trachtung schon hingewiesen.) Es bleibt dann die erste Methode die 
günstigste, die Eröffnung der sackförmigen bronchiektatischen erweiterten 
Höhle und der Versuch, durch eine gründliche Nachbehandlung den 
Prozess zur Ausheilung zu bringen, die bindegewebige Ausfüllung der 
Höhle zu erzielen. Dieser Weg scheint der einfachste und genügend 
Erfolg verspreohendste zu sein. Das Sekret läuft naoh aussen ab. Die 
erste Gefahr ist beseitigt. Die Erzielung einer günstigen Narbe ist nun 
die Aufgabe der Nachbehandlung*. Der abführende Bronchus «ist meist 
obliteriert, der zuführende dürfte in der Mehrzahl noch offen stehen. 
Wir haben also eine Höhle oder Höhlen vor uns, welche mit den an¬ 
deren Bronchien kommunizieren durch einen mehr oder weniger oblite- 
rierten Bronchus. Die Schleimhaut ist in den Drüsenpartien schon zu¬ 
grunde gegangen. Diese aber müssen wir völlig zerstören. Hierbei 
dürfte der Thermokauter keine so intensive Rolle spielen, als es meist 


gesagt wird, denn man kann ebensogut die Schleimhaut zerstören 
durch Höllensteinstifte und leicht ätzende chemische Argentien. (loh 
weise hiermit auf das Kaliumpermanganat in Kombination mit 5 pCt. 
Tanninlösung hin.) 

Haben wir aber die Aufgabe, eine bronohiektatische Höhle als eine 
Wunde zu betrachten, deren Sohluss wir duroh Granulationen erzielen 
wollen, so werden wir schon unser Hauptaugenmerk von vornherein 
darauf legen, eine Granulationswelle durch den Verschluss der Bronchien 
zu erzielen an der mit der Höhle nach kommunizierender Bronchial* 
Öffnung, und hier müssen wir am ersten nach granulationsfähigem Gewebe 
suchen. Die Bronohischleimhaut selbst granuliert schlecht, ebenfalls die 
knorpeligen Teile des Bronchus, gut granuliert die Muskularis, so dass 
wir hierauf unser Hauptaugenmerk zu stellen haben. 

Es ist dabei von Interesse, dass wohl von denselben Ideen aus¬ 
gehend Tuffier dreimal Netz und einmal Lipom zur Implantation ver¬ 
wandt hat. (Garre wandte sich entschieden gegen diese Methode.) 

Diesen Verschluss (diese Granulationswelle) zu erzielen, ist 
die grösste Aufgabe, andererseits dürfen die granulationsanregenden 
Agentien nioht so intensiv sein, dass sie, wie es beispielsweise der 
Thermokauter tut, nur zerstören. Angeregt werden Granulationen in 
den Partien aber anfangs zweckmässig duroh leichte Argentum nitricum- 
Pinselung und durch naszierendes Pyrogallol. Haben wir den Versohluss 
erreicht, so ist der weiteren Versorgung der Wunde kein Widerstand 
entgegengesetzt, denn nun stellt die bronohiektatische Kaverne sich 
lediglich als Wunde dar. 

Nach dem Vorschlag von Wiesinger (nordwestlicher deutscher 
chirurgischer Kongress 1911) dürften hierbei sich die verschiedenen 
Wismutpräparate empfehlen. 

Was nun die Schnittführung anlangt und die Resektion der ein¬ 
zelnen Rippen, so ist über die Pulmotomie usw. von Autoren genügend 
geschrieben und gesagt worden. Wir selbst stehen auf dem Stand¬ 
punkt, den Sohede’schen Schnitt nur äusserst ausnahmsweise zu ver¬ 
wenden, vielmehr scheint uns wohl für die Thoraxplastik, wie für die 
partielle Plastik, als welche sich uns die oben erwähnte Operation 
möglichst der sackförmigen bronchiektatischen Kaverne darstellt, auf 
die von Sud eck früher angegebene Schnittführung zurückzugreifen. 

Es empfiehlt sieb, zwischen zwei auf den Rippen verlaufenden weiten 
Inzisionen die Rippen zu resezieren und den Lappen einzudrücken. 
Will man noch höher hinauf, das Schulterblatt selbst in Angriff nehmen, 
so kann man dann sukzessiv nach oben Vorgehen. Der Lappen ist gut 
ernährt und bleibt am Leben. Der erste Teil der Operation ist damit 
zu Ende. Es empfiehlt siob, bei diesen grossen Eingriffen zweiseitig vor¬ 
zugehen, auoh bei Totalempyemen. 

Wir haben beispielsweise schon häufiger gesehen, dass Patienten, die 
wegen Totalempyemen naoh dieser Methode operiert wurden, völlig duroh 
den ersten Teil der Operation, also duroh Eindrücken des Lappens, ge¬ 
heilt sind, ohne dass man die Thoraxplastik nach obenzu vollenden 
musste. 

Erst nachdem der Körper sich dann an den bestimmten Ausfall, an die 
Mediastioalzerrung usw. gewöhnt hat, schreiten wir zur Resektion auch der 
oberen Rippen. Diese Schnittführung empfiehlt sich für die Thoraxpla9tik. 
Wir weichen ab von dieser Schnittführung nur bei der Operation hierfür 
günstig gelegener sackförmiger bronchiektatischer Kavernen, besonders 
wenn da dieser Eingriff weniger einschneidend ist und es uns in der Haupt¬ 
sache darauf ankommt, einen genügenden Zutritt zum innersten Wund¬ 
winkel zu bekommen. Infolgedessen Resektion über der bronchiektatischen 
Kaverne mit gutem Freilegen nach oben und unten. Nach Punktion, 
Vorgehen mit dem Thermokauter auf den Herd und breite Eröffnung. 
Dann wird der Zugang zum Wundbett, soweit es überhaupt möglich ist, 
gut freigelegt und die Operation ist zu Ende. 

Mit der heutigen verbesserten Technik der Anästhesie kann man 
alle Operationen in guter Leitungsanästhesie ausführen. Es empfiehlt 
sich jedoch, an der Mamillarlinie der zu operierenden Seite auch eine 
Infiltration der hier von der vorderen Brustseite versorgten Muskelpartie 
vorzunehmen, erst dann ist die Anästhesie vollständig. Auch beim 
Schede’schen Schnitt dürfte sich diese Anästhesierung empfehlen. 

Bei der Uebersicht des Materials, das ich jetzt noch zum Sohluss 
anführen möchte, hat sich die vorher erwähnte Methode weitaus am 
besten bewährt und unser Handeln auf dem Gebiete der bronchiektatischen 
Kaverne stark bestimmend beeinflusst. 

Wir verfügen im ganzen über 5 Fälle, davon sind einer geheilt, 
einer gut gebessert, 3 gestorben. Ein Fall kam allerdings fast mori¬ 
bund zu uns. Es handelte sich in diesem um ein Lipom, welches dicht 
an der Bifurkation sass und zur Bronchiektasie geführt hat. Der Fall 
kam in extermis zu uns, die Diagnose war sicher, die Aetiologie zweifel¬ 
haft (das Lipom wurde erst bei der Sektion gefunden). 

Ein Fall, der auf dem besten Wege der Heilung war, der keine 
Kommunikation mit dem Bronchialast zeigte, ging an einer Embolie zu¬ 
grunde. 

Beim letzten Falle fand sich die bronohiektatische Kaverne als zu¬ 
fälliger Nebenbefund bei einem grossen tuberkulösen Empyem. Dieser 
Patient ging bei fast geschlossener Kommunikation mit dem Bronchial¬ 
baum an einer Blutung ad exitum. 

Ein anderer Fall unserer eben angeführten Bronchiektasie wurde 
zunächst versuoht durch Thoraxplastik (Sudeok’soher Schnitt) zur Aus¬ 
heilung zu bringen, das gelang nicht. Das Freilegen der bronchi¬ 
ektatischen Kaverne und der Versuch, dieselbe zum Ausheilen zu bringen 
daduroh, dass man den unteren Lungenlappen (die bronohiektatische 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


sackförmige Kaverne befand sich im rechten Unterlappen) durch breite 
Tamponade zur Kompression und somit zur Ausheilung zu bringen, 
misslang völlig. Darauf wurde die bronchiektatische Kaverne der 
äusseren Thoraxwand angelagert und der ganze rechte Unterlappen ex- 
stirpiert. Pat. ist jetzt (nach 3 Jahren) ausser Neuralgien beschwerdefrei. 
Arbeitsfähig ist allerdings der Pat. naoh seiner Angabe nicht, wobei 
aber viele funktionelle Symptome mitsprechen. 

Nach diesen Erwägungen sind wir dann wieder an einen Fall unter 
der Voraussetzung herangetreten, die Heilung zu erzielen auf dem Wege 
der Ausfüllung der Höhle durch Narbe. Es handelte sich hier um einen 
Glasbläser, dessen bronchiektatische Kavernen ebenfalls vor der Operation 
diagnostiziert wurden. Sie sassen im rechten Mittellappen über der 6. 
und 5. Rippe. Es wurde die 3. bis 7. Rippe reseziert, das Schulter¬ 
blatt nach vorn gehoben, die bronohiektatischen Kavernen eröffnet, gut 
Zugang geschaffen und tamponiert. Darauf wurde unter sorgfältiger 
Nachbehandlung der Sohluss des Bronchus erzielt, was ebenso wie in den 
vorher erwähnten Fällen, die durch Embolie bzw. Blutung zum Exitus 
kamen, auch nach zweimonatlicher Behandlung absolut gelang. Diese 
Nachbehandlung bildet die Hauptursache des Erfolges. Das weitere 
Umwandeln in eine Narbe ist nach dem Versohluss des Bronchus leicht 
zu erreichen. 


Abortivheilung der Syphilis durch 2—3 Neo- 
salvarsaninjektionen. 

Von 

Dr. Fritx besser. 

Trotz grosser Fortschritte in der Behandlung der Syphilis 
sind wir von dem Endziel, der wirklichen Ausheilung der Krank¬ 
heit in allen Fällen, d. h. der restlosen Vernichtung der Spiro¬ 
chäten in allen Stadien der Erkrankung, noch weit entfernt. 
Der sicherste Beweis für die Unzulänglichkeit unserer Heilmittel, 
die grösste Enttäuschung für den Patienten bildet das spätere 
Umschlagen der durch die Kur negativ gewordenen Wassermann- 
schen Reaktion in positiv. Der Grund hierfür liegt wohl in der 
festen Verankerung, in dem Einnisten der Spirochäten in den 
Geweben des Körpers, in ihrer Verschanzung durch Infiltrate, die 
verhindern, dass das Heilmittel wirklich in alle Spirochätennester 
hineingelangt und dort seine spirillozide Wirkung restlos ent¬ 
faltet. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Ausheilung am 
sichersten gelingt, wenn die antisyphilitische Behandlung schon 
zu einer Zeit einsetzt, wo es noch nicht zu Veränderungen in 
den Geweben durch die Spirochäten gekommen ist, wo die 
Spirochäten noch oberflächlich sitzen, möglichst noch nicht lange 
Zeit über die Blutbahn hinausgelangt sind oder, serologisch aus¬ 
gedrückt, die Wassermann’sche Reaktion noch negativ ist. 

Die positive Wassermann’sche Reaktion wird bekanntlich 
durch Substanzen ausgelöst, die von den Geweben, wo die 
Spirochäten sich ansiedeln, an das Blut abgegeben werden (Reagine, 
Citron). Das Blut ist sozusagen das Sammelbecken für die 
Gewebsreagine. Daraus folgt, dass bei einer frischen Ansteckung, 
solange die Spirochäten noch keine umfangreichen Gewebs¬ 
zerstörungen gesetzt haben und nur in den Lymphdrüsen sind oder 
noch im Blute kreisen, die Wassermann’sche Reaktion noch 
negativ befunden wird und erst dann, wenn die Spirochäten über 
die Blutbabn hinaus in die Gewebe gekommen sind und sich 
dort verankert haben, positiv wird. Positive Wassermann- 
sche Reaktion lässt also auf eine bereits eingetretene 
Zerstreuung der Spirochäten und Verankerung in den 
Geweben schliessen. 

Praktisch müssen wir demnach eine Vor- und Nach- 
Wassermann’sche Reaktionsperiode unterscheiden, da der 
Zeitpunkt des Beginns der Behandlung für die Prognose der 
Syphilis, für den Erfolg der Abortivkur von einschneidendster Be¬ 
deutung ist. 

Die Entdeckung der Spirochaete pallida, der Wassermann- 
schen Reaktion und des Salvarsans bedingt eine Neueinteilung 
der Syphilis (v. Wassermann). Wir können das frühere 
Primärstadium vom bakteriologischen, serologischen und 
klinischen Standpunkt in folgende Stadien differenzieren: 

a) Spirochätenfund vor Ausbildung eines Primäraffektes bei 
negativer Wassermann’scher Reaktion. Wir finden kleine Scheuer¬ 
wunden, diffuse Rötungen, eventuell mit leichter Sekretion (Bala¬ 
nitis), herpesähnliche Effloreszenzen, aber noch keine um¬ 
schriebene Erosion, das erste klinische Symptom des Primär¬ 
affektes. Wir können hier vielleicht von Spirocbätenträgern 
sprechen; die Spirochäten haben sich noch nicht an der Ein¬ 
gangspforte verankert; der Patient hat sich wundgescheuert, und 
zugleich sind Spirochäten in die Scheuerwunde hineingelangt. 


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b) Spirocbätenfund im klinisch charakterisierten Primäraffekt 
bei negativer Wassermann’scher Reaktion. Wir finden eine um¬ 
schriebene Erosion, meist mit leichter Induration, noch 
keine indolenten Leistendrüsen. 

c) Spirochätenfund im klinisch ausgebildeten Primäraffekt 
mit deutlicher Induration und beginnenden indolenten 
Leistendrüsen. Die Wassermann’sche Reaktion ist bei 
Verwendung alkoholischer Extrakte oft noch negativ, dagegen 
bei Benutzung empfindlicherer Extrakte (Aether- oder Cholesterin¬ 
extrakte) häufig bereits positiv oder schwach positiv. 

d) Spirochätenfund im Primäraffekt (Erosion mit deutlicher 
Induration) bei ausgebildeten indolenten Bubonen und 
positiver Wassermann’scher Reaktion. 

Die unter a) und b) skizzierten Befunde kommen in der Praxis 
seltener zur Beobachtung, da die Patienten in diesem Stadium oder, 
wie sie sagen, „wegen einer solchen Kleinigkeit, die von selbst vergeht*, 
noch nicht den Arzt aufsuohen. Beim Militär dagegen, im Felde, wo 
in 10—14 tägigen Zwischenräumen regelmässig Gesundheitsbesiohtigühgen 
stattfanden und, wie es von mir in Warschau organisiert war, alle 
irgendwie auffallenden Leute der spezialärztlichen Begutachtung, ins¬ 
besondere der mikroskopischen Untersuchung zugeführt wurden, waren 
solche Fälle recht häufig. Man muss daran festhalten und Aerzte wie 
Publikum dabin aufklären, dass keine Gliedaffektion, die nach 
einem ausserehelichen Geschlechtsverkehr entsteht, zu geringfügig 
ist, um nicht Syphiliserreger beherbergen zu können, und 
dass demgemäss jede kleinste Wunde als syphilisverdäohtig zu betrachten 
und vor irgendwelcher Lokalbehandlung mikroskopisch zu 
untersuchen ist. In der gesamten Medizin gibt es wohl kein Analogon, 
wo ein so geringfügiger Eingriff — Eiugriff ist schon zuviel gesagt —, 
wo eine so harmlose Verordnung, wie Aufstreuen von Dermatol oder 
Umschläge mit essigsaurer Tonerde oder Bestreichen mit Borvaseline, 
von so fatalen Folgen für den Patienten sein kann wie beim Primär¬ 
affekt vor dem Spirochätennachweis. Durch die harmloseste Lokal¬ 
behandlung wird der Spirochätennaohweis unmöglich gemacht, die 
Syphiliseingangspforte heilt zuweilen zu, in jedem Falle aber schreitet 
die Infektion fort, und die Diagnose kann meist erst sicher gestellt 
werden, wenn sich eine deutliche Induration, indolente Drüsen und eine 
positive Wassermann’sche Reaktion herausgebildet hat und somit die 
besten Chancen für eine Abortivkur verabsäumt sind. 

Die Abortivheilung gelingt am schnellsten, einfachsten und 
sichersten bei den unter die Gruppe a) und b) fallenden In¬ 
fektionen. Hier ist es mir fast stets geglückt, durch eine 
einzige kurzfristige, ans 2—8 NeosalvarsanInjektionen 
bestehende Kur in etwa einer Woche eine Dauerheilung 
der Syphilis herbeizuführen. 

Zur Anwendung kamen in den letzten Jahren stets intravenöse In¬ 
jektionen der Dosis IV = 0,6; zwischen 1. und 2. Injektion 2—3 Tage, 
zwischen 2. und 3. Injektion 3—4 Tage und, wenn weitere Injektionen 
folgten, immer ein Tag mehr Zwischenraum, bis 7 Tage. 

Die angewandten Neosalvarsandosen (1,8 g in 8 Tagen) er¬ 
scheinen vielleicht gewagt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass 
im noch seronegativen Stadium weder Neurorezidive noch andere 
Schädigungen (z. B. durch Herxheimer’sche Reaktion) zu be¬ 
fürchten sind, weil diese üblen Zufälle stets die Anwesenheit der 
Spirochäten im Zentralnervensystem, also eine bereits eingetretene 
Dispersion der Spirochäten (positive Wassermann’sche Reaktion) 
zur Voraussetzung haben. Kein einziger Fall ist bisher bekannt, 
wobei Einsetzen der Salvarsanbehandlung im noch seronegativen 
Stadium Komplikationen der genannten Art eingetreten sind; man 
kann also in der Vor-Wassermann’schen Reaktionsperiode viel 
dreister in der Dosierung des Salvarsans vorgeben 1 ). 

Zunächst seien alle von mir mit 2—3 Injektionen abortiv 
behandelten Fälle, soweit sie mindestens 2 Jahre beobachtet 
werden konnten, kurz skizziert: 

Fall 1. Baumstr. Siev. 18. IV. 1911. Erosion mit deutlicher In¬ 
duration. Spirochäten -j-, W. R. —. Primäraffekt wird exstirpiert. 
19. IV. 0,1 Altsalv. intraglutäal. 22. IV. 0,4 Altsalv. intravenös. Nach¬ 
untersuchung: 4. V. 1912 und 18. VII. 1912 W. R. —, keine Erscheinungen 
von Lues. 17. VII. 1919, gelegentlich einer Konsultation wegen Gonorrhoe, 
W. R. —, keine Lueserscheinungen. 

Abortivheilung durch 0,5 Altsalvarsan bei 8jähriger 
Beobachtung. 

Fall 2. Aug. Schul. Infektion Anfang August 1911. 23. VIII. 
klinisch deutlicher Primäraffekt. Spirochäten +, W. R. —. 24. VIII. 
und 31. VIII. 1911 je 0.4 Altsalv. intravenös. Nachuntersuchung• 
23. X. 1911, Juli 1912 und Juni 1919, W. R. —, klinisch keine Symptomei. 


1) Dass der in seiner Aetiologie noch völlig unbekannte Salvarsani- 
tod (Encephalitis haemorrhagica) nicht auf eine zu hohe Dosierung 
zurückgeführt werden kann, beweist das Auftreten dieser überaus seltenen 
Komplikation auch naoh Einverleibung kleiner Dosen. 7 

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15. 8eptember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Abortivheilung duroh 2 Injektionen Altsalvarsan a 0,4 
bei 6jähriger Beobachtung. 

FallS. Baug. Infektion 12. IX. 1918. 9.X. Spirochäten+, W.R.—. 
Erbsengroese Erosion in der Kranzfurche, angeblich seit 8 Tagen be¬ 
stehend, links eine indolente Leistendrüse. 10. und 14. X. je Neos. IV. 
20. X. Erosion verheilt. Dez. 1913 Reinfektion durch seioe Ehefrau, 
die Patient, als er den ersten Primäraffekt durch Seitensprung erworben 
hatte, angesteckt batte. Der Fall ist in der M.m.W., 1914, Nr. 10,. aus¬ 
führlich publiziert. Pat. erhielt Jan. 1914 zweimal Neos. IV. Nach¬ 
untersuchung: Dez. 1917 und April 1919 W. R. —, keine Lueserschei¬ 
nungen. 

Reinfektion nach 8 Monaten. Abortivheilung durch zwei 
Neos. IV bei 5jähriger Beobachtung. 

Fall 4. Erich Sch. Juli 1918 Erosion und beginnende Induration. 
Spirochäten -J-, W. R. —. 17. und 21. VI. je Neos. IV. Nachunter¬ 

suchung: Mai 1914 und März 1919 W. R. —, keine Luesersoheinungen. 

Abortivheilung durch 2 Neos. IV bei 4y 2 jähriger Beob¬ 
achtung. 

Fall 5. Dr. H. Infektion Aug. 1915. Kleine Erosion mit be¬ 
ginnender Induration. Spirochäten -f-, W. R. —. Dreimal Neos. IV. 
Nachuntersuchung: Nov. 1915, März und Dez. 1916, Juni 1917, April 1919. 
W. R. —: Keine Lueserscheinungen. 

Abortivheilung durch 3 Neos. IV bei 3V 4 jähriger Beob¬ 
achtung. 

Fall 6. Schm. Infektion Sept. 1915. Spirochäten -f-, W. R. —. 
Dreimal Neos- IV. Nachuntersuchung: Mai 1916, Juni 1917, Juli 1918 
W. R. —. 1917 Ehefrau ein Kind geboren, das während einjähriger 

Beobachtung keine Zeichen von Lues bot. W. R. der Ehefrau nach der 
Geburt —. 

Abortivbeilung durch 3 Neos. IV bei Sjähriger Beob¬ 
achtung. 2 Jahre nach der Infektion Geburt eines gesunden Kindes. 
Ehefrau trotz Zusammenlebens bald nach der Infektion des' Mannes 
nicht angesteokt. 

Fall 7. Schrei. Infektion Dez. 1916. Spirochäten -f-, W. R —. 
Dreimal Neos. IV. Nachuntersuchung: April und Aug. 1917, Febr. 1918, 
Febr. 1919. W. R. —. Keine Luessyraptome. 

Abortivheilung nach 3 Neos. IV bei 3jähriger Beob¬ 
achtung. 

Fall 8. Feldw.Br., verheiratet. Infektion Jan. 1915. Spirochäten+, 
W. R. grosser Schleier (+). Viermal Neos. IV innerhalb 8 Wochen. 
Nachuntersuchung: Jan. und Juli 1916, Okt. 1917, Febr. 1918, W. R. —. 
Keine Zeichen von Lues. Ehefrau W. R. —. 

Abortivheilung bei sohwach positiver W. R. durch 4mal 
Neos. IV bei Sjähriger Beobachtung. Ehefrau trotz Geschlechts¬ 
verkehrs bald nach Abheilung des Primäraffekt nicht angesteckt. 

Fall 9. Poliz.-Sekr. Br., Infektion Okt. 1916. 2 Primäraffekte. 

Spirochäten -f-, W. R. —. Dreimal Neos. IV. Nachuntersuchung: Okt. 
1917, März und Sept. 1918, März 1919. W. R. —. Keine Zeichen von Lues. 

Abortivheilung duroh 8 Neos. IV bei 2 1 / 2 jäbriger Beob¬ 
achtung. 

Fall 10. Reg.-Baumstr. H., Infektion Okt. 1916. Leicht verhärtete 
Erosion. Spirochäten nicht nachweisbar, trotz zweimaligen energischen 
Abkratzens von Material. Infektionsquelle (verheiratete Frau) zeigt 
typischen Herpes auf der linken grossen Schamlippe. In einem grösseren 
Herpesbläscben Spirochäten nachweisbar. Der Ehemann der Infektions¬ 
quelle steht wegen frischer Lues in Behandlung. W. R. bei Pat. und 
Infektionsquelle —. 3mal Neos. IV. Nachuntersuchung: Dez. 1916, 
April und Dez. 1917, März und Okt. 1918, Febr. 1919. 

Abortivheilung durch 3 mal Neos. IV bei 2y 4 jähriger 
Beobachtung. 

Fall 11. Leut. K., Infektion Febr. 1916, 8 Primäraffekte, Spiro¬ 
chäten -f-. W. R. —, 3mal Neos. IV. Nachuntersuchung: Dez. 1916, 
März 1917, Aug. 1917, Febr. 1918, Juli 1918. W.R. —. 

Abortivbeilung durch 3 Neos. IV bei zweijähriger Beob¬ 
achtung. 

Fall 12. Gefr. R., Infektion Anfang Juli 1916, Spirochäten -f-, 
W. R. —, 2mal Neos. IV. Nachuntersuchung: Nov. 1916, Febr. u. Nov. 
1917, März u. Okt. 1918. W.R. —. 

Abortivheilung durch 2 Neos. IV bei zweijähriger Beob¬ 
achtung. 

Fall 18. Herr W., verheiratet. Erosion mit deutlicher Induration* 
Leichte indolente Leistendrüsen. Spiroobäten W. R. mit Aether- 
extrakt Schleier (-{-). 26. Aug. und 1. Sept. 1913 Neos. IV. Nach¬ 
untersuchung: Frühjahr 1918: W.R.—. Keine Erscheinungen von Lues. 

Abortivbeilung durch 2mal Neos.IV bei 4Vajähriger Beob¬ 
achtung. 

Fall 14. Frau W., Ehefrau von Fall 18. Keinerlei Beschwerden. 
Der Hausarzt, San. Rat Dr. F. Behrend, dringt auf spezialärztliche 
Untersuchung. Es findet sich eine kleine Erosion an der hinteren Kom¬ 
missur. Spirochäten -j-, W.R. —. 28. Sept. und 8. Okt. je Neos. IV. 
Nachuntersuchung: Frühjahr 1918. W.R. —. Keine Luessymptome. 

Abortivbeilung durch 2 Neos. IV bei 4Vajähriger Beob¬ 
achtung. 

Das vorstehende Material ist noch klein. Es ist eben sehr 
schwer, Patienten, die sich ja kanm jerank fühlten, länger als 


2 Jahre ärztlich za beobachten. Viele meiner Fälle sind auch 
nachträglich durch Sicherheitskuren, die den Patienten von ärzt¬ 
licher Seite angeraten worden sind, in ihrer Reinheit getrübt 
worden und mussten für die wissenschaftliche Beurteilung der 
kurzfristigen Abortivknr aus gesell alte t werden. Die meisten 
Aerzte sind voreingenommen. Die Notwendigkeit einer chronisch¬ 
intermittierenden Behandlung der Syphilis und die Anwendung 
von kombinierten Salvarsanquecksilberkuren erscheint den meisten 
Aerzten gleichsam selbstverständlich. Wie schwer war es, Kol¬ 
legen, die sich in eigener Angelegenheit an mich wandten, davon 
zu überzeugen, dass Quecksilber überflüssig' sei, und wie gross 
war ihr Erstaunen, wenn die in immer längeren Zwischenräumen 
ausgeführten Blutuntersucbungen stets eine negative Wassermann- 
sche Reaktion ergaben! 

Die kürzer als zwei Jahre beobachteten Fälle sind doch auch 
recht bemerkenswert und lassen in gewisser Hinsicht auf Aus¬ 
heilung schliessen, da sich unter diesen mehrere Fälle von Re¬ 
infektion befinden. In einem Falle zeugte ein verheirateter Mann 
Yz Jahr nach Beendigung der Abortivkur ein gesundes Kind. 
Blut der Mutter und des Kindes war bei wiederholter Unter¬ 
suchung negativ. 

Besonderer Würdigung bedürfen 2 Fälle von Schanker 
redux. 

In beiden Fällen war die W. R. beim Wiederauftreten des Schankers 
negativ, und zwar in einem Falle 6 Monate, im andern 5 Monate naoh 
dem ersten Primäraff^kt. Es handelt sich also um ein Aufflackern 
rein lokal zurückgebliebener Spirochäten. Die Fälle von 
Schanker redux sind ein Beweis, wie hartnäckig sich die Spirochäten 
in den Geweben der Abtötung entziehen, denn der Primäraffekt ist 
die einzige Stelle, wo die Spirochäten von Anfang an im Gewebe lokalisiert 
sind. Auch bei intensiver protrahierter Salvarsanquecksilberkur bleiben 
Fälle von Schanker redux nicht aus. Als Beweis möchte ich folgenden 
Fall anführen: 

Fall T.: Infektion März 1917. Erosion in der Kranzfurche. Spiro¬ 
chäten -f-, W.R. —. 6mal Neos. IV, 9 Hg-Sal.-Spritzen und 40 Ein¬ 
reibungen. Kur beendigt Mai 1917. W.R. negativ. 

Ende August 1917 Rückfall des Primäraffekts. Spirochäten -f-, 
W. R. —. Da seit 8 Wochen kein Geschlechtsverkehr (Frontoffizier und 
glaubwürdig erscheinende Versicherung), muss Schanker redux ange¬ 
nommen werden. 

Um einem Wiederausbrechen des Schankers vorzubeugen, 
sollte mau bei jeder Infektion, wofern es leicht zu bewerk¬ 
stelligen ist, den Primäraffekt exstirpieren, andernfalls zugleich 
mit der Allgemeinkur die Lokalbehandlung desselben (Kalomel 
oder Ungt. einer.) nicht verabsäumen. Beim Vorhandensein starker 
Induration empfiehlt sich, jedesmal nach der intravenösen Sal- 
varsaninjektion Knetmassage vorzunehmen, um dadurch eine 
Hyperämie und stärkeren Salvarsanaffiux zu erreichen. 

Es genügt nicht, bloss vor dem Beginn der Kur das Negativ¬ 
sein der Wassermann’schen Reaktion festzustellen, sondern auch 
während der Kur, und zugleich mit ihrer Beendigung muss das 
Blut untersucht werden. 

Zuweilen beobachtet man, dass vor Beginn der Kur die W.R. 
negativ ist, aber nach der ersten Injektion, d. h bei einer Blutentnahme 
vor der 2. Einspritzung schwach positiv ausfällt. Dieses serologische 
Verhalten betrifft meist Fälle, wo klinisch ein typischer Primäraffekt 
und bereits indolente Bubonen ausgebildet waren. Hier hatten offenbar 
die Spirochäten schon Gewebsveränderungen hervorgerufen, aber in einer 
so geringen Ausdehnung, dass die von den Geweben an das Blut abge¬ 
gebenen Reagine noch zu keiner positiven W.R. hinreichten: Die erste 
Salvarsaninjektion wirkte nun provozierend (Herxheimer’sche Reaktion) 
und hatte eine grössere Abgabe von Reaginen und somit einen schwach 
positiven Ausfall der W. R. zur Folge. Solche Fälle bedürfen zur Er¬ 
zielung einer vollkommenen negativen W. R. mehr als 3 Injektionen. 
Es ist also unbedingt notwendig, die einzelnen Injektionen bei der kurz¬ 
fristigen Abortivkur serologisch (mit Aether- oder Gbolesterinextrakt) zu 
kontrollieren. Nur wenn alle Blutuntersuchungen während 
der Kur negativ ausfallen, darf die Kur nach 2 — 3 Injek¬ 
tionen als abgeschlossen gelten. Bisher ist mir kein Fall vor¬ 
gekommen, der diese Bedingungen erfüllt und später eine positive W. R. 
aufgewiesen hätte. Fälle von Abortivheilung duroh zwei bis drei Sal- 
varsaneinspritzungen sind besonders von Werth er 1 ) mitgeteilt worden, 
wenngleich die Fälle nooh zu kurze Zeit beobachtet waren. 

Weun man die spiochätentötende Wirkung des Salvarsans 
als feststehende Tatsache in Rechnung stellt, so ist es eigentlich 
gar nicht wunderbar, dass in einem frühen Stadium der Infektion 
durch intravenöse Einverleibung des Mittels das leicht erreich¬ 
bare Blut- und LympbgefA8ssy8tem sicher zu sterilisieren ist. 
Diese Therapia sterilisans magna ist mir auch regelmässig durch 

_ L. 1) D.m.W., 1914, Nr. 22. 

2 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


zwei Salvarsaneinspritzungen (s. vorstehende Fälle) geglückt, die 
dritte Einspritzung habe ich nur als Sicherheitsquote hinxugefügt. 

Dass es sogar mit einer einzigen Neosalvarsaninjektion ge¬ 
lingt, ganz frische Syphilisinfektionen im Keime zu ersticken, 
ergaben prophylaktische Injektionen bei Prostituierten, 
die noch nicht syphilitisch infiziert waren. Solche Frauenspersonen 
erhielten monatlich eine Injektion (Dosis IV). Hier verhütet 
Neosalvarsan die Syphilisinfektion in analoger Weise, wie eine 
Protargolinstillation den Ausbruch der Gonorrhoe. Von 150 Pro¬ 
stituierten, die etwa ein Jahr lang monatlich einmal gespritzt 
wurden, bekamen nur 8 eine syphilitische Ansteckung, während 
die übrigen Prostituierten, bei der furchtbaren Durchseuchung in 
Warschau, grösstenteils schon innerhalb von 3—4 Monaten in¬ 
fiziert wurden. 

Bei der Leichtigkeit und Sicherheit, mit der die Abortiv¬ 
heilung seronegativer, frischer Infektionen gelingt, ist es im 
Interesse der Patienten geboten, in zweifelhaften Fällen, wo der 
Verdacht einer syphilitischen Ansteckung besteht, Spirochäten 
aber nicht nachgewiesen werden können (z. B. beim Dlcus mixtum 
oder entzündlicher Phimose, wenn eine Verhärtung durchzufüblen 
ist) die Abortivkur einzuleiten und nicht erst den Eintritt einer 
positiven Wassermann’schen Reaktion abzuwarten und sich damit 
der sicheren Ausheilung durch eine Ahortivkur zu berauben. 
Ich - befinde mich hier im Gegensatz zu der Auffassung vieler 
Autoren, die ihren ablehnenden Standpunkt damit begründen, 
dass man niemand ohne einwandfrei erbrachten Beweis „zum 
Syphilitiker stempeln“ darf. Dieses bekannte Schlagwort hat 
meines Erachtens heute keine Berechtigung mehr. Abgesehen 
davon, dass wir früher mit der Diagnose Syphilis eine chronisch¬ 
intermittierende Behandlung in Form von 7 Kuren verbanden 
und keinerlei Kriterien für die Konstatierung der Ausheilung be- 
sassen, haben wir heute in der Wassermann’schen Reaktion einen 
einigermaassen zuverlässigen Maassstab für die Konstatierung der 
Ausheilung. Die Leichtigkeit, mit der die noch seronegative 
Syphilis zur Ausheilung zu bringen ist, rechtfertigt meines Er¬ 
achtens eine event. prophylaktische Kur. In verdächtigen Fällen, 
wo der Spirochätennachweis nicht gelingt, lässt sich oft durch 
Konfrontation der Infektionsquelle (siehe Fall 10) und durch die 
Tberapia ex iuvantibus die zweifelhafte Sachlage klären. 

Gegen die Möglichkeit einer Abortivheilung wird ins Feld 
geführt, dass ganz frühzeitige und umfangreiche Exstirpationen 
des Primäraffektes die Ausbreitung der konstitutionellen Syphilis 
nicht verhinderten, und dass demnach der Primäraffekt schon als 
Ausdruck einer konstitutionellen Syphilis zu betrachten ist bzw.' 
dass auch bei negativer Wassermann’scher Reaktion schon die 
Allgemeininfektion eingesetzt bat. Hier liegt ein Gedankensprong 
vor. Dass die frühzeitige Exstirpation des Primäraffektes nicht 
die Ausbreitung der konstitutionellen Syphilis verhindert, lässt 
nur den Schluss zu, dass die Spirochäten schon sehr früh in die 
Ly mph bahnen gelangt sind; nichtsdestoweniger ist doch aber eine 
Sterilisierung der Lymphwege und des Blutes durch intravenöse 
Einverleibung spirochätentötender Mittel möglich. 

Die Ergebnisse der experimentellen Syphilisforschung, wonach 
sich schon frühzeitig verimpfbares Virus in den Organen befindet, 
lassen sich nicht einfach auf diemenschlicheSyphilisübertragen. Ge¬ 
rade das Sicheingraben der Spirochäten in die Gewebe fehlt offenbar 
bei der Tiersyphilis. Die Hauptkrux der menschlichen Syphilis, 
das Rezidivieren und das Umschlagen der negativ gewordenen 
Wassermann’scben Reaktion in positiv ist, soweit mir bekannt, 
bei der tierischen Syphilis noch nicht beobachtet worden. Und 
was besagen schliesslich alle aprioristischen Einwände und theo 
retischen Erörterungen gegenüber den Erfolgen in der Praxis? 
Selbstverständlich kann man biologisch keine scharfe Trennung 
zwischen einem noch seronegativen und schon seropositiven Stadium 
machen, da sich ja der Uebergang allmählich vollzieht, und die 
Gewebsreagine erst in einer gewissen Menge an das Blut ab¬ 
gegeben werden müssen, um einen durch die Wassermann’sche 
Reaktion sichtbaren Ausdruck ihrer Anwesenheit dokumentieren 
zu können; die schroffe Scheidung der genannten beiden Stadien 
ist aber praktisch äusserst zweckmässig. Man muss eingedenk 
bleiben, dass die Hypothese von der Vor- und Nach-Wassermann- 
schen Reaktionsperiode der Syphilis nicht eine primäre ist, aus 
der man praktische Konsequenzen für die Behandlung der Syphilis 
ableitet, sondern dass umgekehrt die verschiedenen Heilerfolge 
und die verschiedene Wirkung der Antisyphilitika, je nachdem 
die Kur bei noch negativer oder schon positiver Wassermann’scher 
Reaktion einsetzt, die Hypothese von einer Vor- und Nach-Wasser- 
mann’schen Reaktionsperiode rechtfertigt. 


Die Feststellung, dass frische, noch serumnegative An¬ 
steckungen mit grosser Regelmässigkeit durch 2—3 Neosalvarsan- 
injektionen ä 0,6 der Dauerheilung zugeführt werden, ist auch 
von Bedeutung für die Beurteilung neuer Heilmittel. Können 
doch solche frischen Infektionen geradezu als wissenschaftlicher 
Prüfstein neuer Antisyphilitika oder neuer Salvarsanpräparate 
dienen. 

Bei den Bestrebungen, das Neosalvarsan zu verbessern, kommt es 
meines Erachtens weniger darauf an, die spirillozide Kraft, als vielmehr 
die Diffusibilität zu steigern. Wir brauchen ein Mittel, welches 
diffusibler ist als das Neosalvarsan, ein Mittel, welches besser die Ge¬ 
webe durchtränkt und somit in die syphilitischen Infiltrate, die Schanz¬ 
werke der Spirochäten, hineingelangt. Daher wird es vielleicht weniger 
auf die chemische Konstitution des Mittels selbst als auf seine Löslich¬ 
keit in diffusiblen Substanzen ankommen. Ferner soll sich die Haupt¬ 
prüfung neuer Mittel in erster Linie nicht darauf erstrecken, ob aus 
Impfeffloreszenzen beim Kaninchen oder aus Primäraffekten und Kondy¬ 
lomen beim Menschen die Spirochäten schneller verschwinden, sondern 
an Fällen mit schon längerer Zeit bestehender Wassermann’scher Re¬ 
aktion muss das neue Mittel probiert werden, ob es hier eine dauernd 
negative Wassermann’sche Reaktion herbeiführt. Ein Präparat, welches 
diese Wirkung erzielt, kann als ein dem Neosalvarsan überlegenes Heil¬ 
mittel bezeichnet werden. Unangenehme Nebenwirkungen eines so 
heroisch wirkenden Mittels, wie der Salvarsanpräparate werden sich nach 
den allgemeinen Erfahrungen in der gesamten Medizin wohl niemals aus- 
sohalten lassen. 

Der Praktiker wird mit Recht die Frage aufwerfen: Gelingt 
in einem ganz frischen Stadium der syphilitischen Infektion nicht 
auch die Abortivheilung mit Quecksilber, ohne Salvarsan? 
Dieser Frage habe ich bald nach der Entdeckung der Spirochäte 
pallida und der Wassermann’schen Reaktion meine Aufmerksam¬ 
keit zngewandt und darüber bereits im Jahre 1910, also vor der 
Entdeckung des Salvarsans, in der D.m.W., Nr. 3, berichtet: Von 8, 
zu Beginn der Hg-Kur seronegativen Fällen bekamen nach Be¬ 
endigung der Kur, die aus 10—12 Hg Salizylinjektionen bestand, 
5 Fälle eine Roseola mit positiver Wassermann’scher Reaktion, 
die übrigen 3 Fälle reagierten später ebenfalls positiv, v. Wasser¬ 
mann bebt hervor, dass das Hg wahrscheinlich gar nicht direkt 
spirochätentötend wirkt, sondern auf dem Umwege über die 
luetischen Gewebsprodukte. Diese Anschauung wird durch die 
eben mitgeteilten Fälle gestützt. Ferner gibt das serologische 
Verhalten der nur mit Hg behandelten, noch seronegativen Fälle 
dieser Hypothese eine weitere Unterlage. Wir sehen gar nicht 
seiten, schon während der Kur, häufiger bald nach Beendigung 
derselben, ein Positivwerden der Wassermann’schen Reaktion. Die 
frische, noch seronegative Infektion bietet offenbar keinen An¬ 
griffspunkt für das Hg, mit Ausnahme des Primäraffektes, der 
einzigen Lokalisation von Gewebsspirochäten, der prompt durch 
Hg abheilt. Hier würde aber auch schon die lokale Hg-Appli¬ 
kation genügen. Ich halte daher die Anwendung von Hg-Kuren 
bzw. die Kombination von Salvarsan mit Hg bei noch 
seronegativen Infektionen für zwecklos. 

Die vorstehenden Ausführungen sollen erneut und eindring¬ 
lich auf die Bedeutung der Frühdiagnose und Frühbehandlung 
der Syphilis hinweisen. Ob sich der Arzt im einzelnen Falle 
dazu entschliesst, schon nach 3 Neosalvarsaninjektionen die Kur 
abzubrechen oder noch einige Einspritzungen mehr zu machen, 
wird Temperamentsache sein. Darauf kommt auch nicht so sehr 
viel an, und nur für die kurzfristige Abortivkur einzutreten, soll 
nicht der Zweck der vorliegenden Mitteilung sein, obwohl die 
Feststellung, dass es für ein begrenztes Stadium der Sy¬ 
philis tatsächlich eine Therapia magna sterilisans gibt, 
für die Beurteilung der Ehrlich’schen Entdeckung gewiss nicht 
bedeutungslos ist. 

Notwendig ist es, sich von der früher üblichen Schablone, 
von einem einheitlichen Behandlungsschema für alle Fälle von 
Syphilis, wie es die chronisch intermittierende Behandlung 
Fournier-Neisser darstellt, freizumachen. Die einzelnen 
Syphilisfälle müssen individuell beurteilt werden, je nach dem 
Stadium, in dem die Behandlung einsetzt. 

Als feststehende Tatsache muss ferner anerkannt werden, 
dass auch in der Nach-Wassermann’schen Reaktionsperiode, be¬ 
sonders wenn die positive Wassermann-Reaktion noch nicht lange 
besteht, eine Dauerheilung der Syphilis durch eine einzige Kur 
gelingt, wenn auch nicht so regelmässig, wie in der Vor-Wasser¬ 
mann’schen Reaktionsperiode. Schon auf der ausserordentlichen 
Kriegstagnng der Berliner dermatologischen Gesellschaft im März 
1918 1 ) habe ich darauf hingewiesen, dass eine positive 

1) Dermal. Zeitsehr,, Bd. 26 (Beiheft), S. 80. 


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16. 8eptember 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Wassermann-Reaktion, die durch Salvarsan allein, ohne 
Kombination mit Hg, negativ geworden ist, weit sel¬ 
tener später in positiv wieder amBchiägt, als wenn die 
negative Umwandlung durch eine kombinierteSalvarsan- 
Hg-Kur ersielt worden ist. Meine Mitteilungen sollen dazu 
anregen, reine Neosalvarsankuren lur Anwendung zu bringen. 

Wir haben um so weniger das Recht, jeden Syphilitiker 
unterschiedslos zu einer bestimmten Anzahl von Kuren zu ver¬ 
urteilen, als uns die Serologie gezeigt hat, dass die gut mit Hg in 
der Frühperiode vorbehandelten Syphilitiker fast genau so häufig 
im Spätstadium positiv reagierten, wie die schlecht Vor¬ 
behandelten 1 2 ). Wenn überhaupt die chronisch intermittierende 
Behandlung nach einem bestimmten Schema heute noch eine 
Berechtigung hat, so möge sie auf die Fälle von latenter Syphilis 
beschränkt werden, die eine rückfällige positive Wassermann- 
Reaktion aufweisen. 


Mediumistische Psychosen. 

Von 

Prof. R. Henieberg-Berlin. 

Vor nicht langer Zeit erschien in einer Berliner Zeitung*) 
folgender „Aufruf an die Gelehrten u . 

„Beinahe niemand im Publikum weiss, zu welchen verheerenden 
Nervenserrüttungen der Spiritismus führt. Nur die Aerste — die 
Psychiater und Neurologen — wissen es, aber ihre Erfahrungen bleiben 
als Fachliteratur dem Publikum unbekannt. Und dennoch wäre es die 
Pflioht der Gelehrten, in der Tagespresse ihr reiohes Tatsachen¬ 
material dem Laien zugänglioh zu machen. 

Bei der Behandlung dieser Frage dreht sioh die Diskussion meist 
darum, ob hier Betrug vorliegt, oder ob diese Phänomene einer trans¬ 
zendenten Weltanschauung entsprechen. Die Entlarvung verschiedener 
Medien wurde vielfach bekanntgemacht — und doch ist dieser Stand¬ 
punkt nebensächlich. Denn die Hauptsaohe ist die, dass sioh durch 
die Beschäftigung mit dem spiritistischen Unfug in unzähligen Fällen 
Geisteskrankheiten und Nervenqualen ergeben, die Opfer über 
Opfer fordern, die vielfaoh mit Selbstmord enden. Auch wenn man 
nooh so sehr über der Sache zu Btehen glaubt, wird man in kurzer 
Zeit von unerträglichen Nervenqualen befallen, und darum hätten die 
Gelehrten längst diese Tatsachen dem Publikum zugänglich maohen und 
die Presse hätte sie darin unterstützen müssen. 

Mit dem „Tisohrüeken“ fängt die Saohe an und mit dem Irrenhaus 
pflegt sie zu enden. Besonders sei vor dem „medianimen Schreiben“ 
oder Psyohographieren gewarnt, denn wer das einige Tage lang betreibt 
and glaubt, sioh auf diese Art mit den Seelen seiner Angehörigen zu 
unterhalten — der hat bald: die Hölle bei Lebzeiten — im Kopf! 
Es wird durch diese Art des Schreibens — ohne Bewusstsein — dem 
Körper ein elektro-magnetisoher Strom entzogen, der dann den Gehirn¬ 
nerven fehlt und sehr schwer wieder zu ersetzen ist! 

Ich war gesund, immer klar und normal im Kopf, hatte nie die 
geringste ' abnorme Halluzination oder Vision und sohrieb meine Werke 
ohne Anstrengung friedlich und freudig! 

Ein unseliger Zufall liess mich etwa Mitte Oktober 1918 an einer 
einzigen spiritistischen Sitzung teilnehmen, der dann duroh 2—8 Woohen 
„medianimes Schreiben“ folgte. Plötzlioh übeifielen mioh naohts 
„Stimmen“, die erst sehr „erbaulich“ klangen, so dass man in diesen 
unseligen Bann mehr und mehr hineingezogen wurde. Sohliesslich wurde 
der Zustand des andauernden „Stimmenhörens“ chronisch und un¬ 
säglich qualvoll, weil man eben keine Minute mehr im Kopfe Ruhe hatte. 
Ich habe seitdem etwa 20 Aerzte konsultiert — aber helfen konnte mir 
bisher keiner — auch Hypnose und AnstaltsbehandluDg half bisher 
nicht. Sohlaf ist bei diesem Zustand nur mit den stärksten Schlaf¬ 
mitteln zu erzielen — während ich nie vorher im Leben ein Schlaf¬ 
mittel brauchte. Hätte ioh je eine Schrift gelesen, wie sie mir die 
Psychiater nachher zeigten, so wäre ioh von diesem Unheil verschont 
geblieben. — Alle Literatur, die die Menschen zu diesem Humbug ver¬ 
lockt, müsste streng unterdrückt und namenloses Elend würde vermieden 
werden. Die „Ergebnisse“ sind samt und sonders Lug und Trug, so 
dass man mit Recht vor „Aberglauben“ warnt — aber nicht mit ge¬ 
nügendem Nachdruok auf die Qualen hinweist, die sich daraus ergeben. — 
Ob dieses Uebel zu heilen ist — ob man es aushält — ob es jemals 
aufhört — das vermag ioh nicht zu sagen, da ich bisher keine volle 
Heilung fand. Ebenso wie mir ergeht es ungefähr 90 Prozent gesunder, 
normaler Mensohen, wenn sie sich mit dieser üblen Saohe befassen. 

Ioh veröffentliche diese Zeilen zur Warnung meiner Mitmenschen!“ 

Der „Aufruf“ ist von einer ziemlich bekannten Schriftstellerin 
unterzeichnet Der Krankheitsfall ist mir in allen Einzelheiten 
bekannt, da sich die Patientin längere Zeit in meiner Behandlung 


1) D.m.W., 1910, Nr. 8. 

2) 8 Uhr-Abendblatt, 18. Mai 1919. 


befand. Es seien zunächst einige Ergänzungen zu der Krank¬ 
heitsgeschichte, die die Patientin selbst bekanntgegeben hat, 
gemacht. 

40 jährige Schriftstellerin, Vater Diabetiker, sonst keine erbliohe 
Belastung, begabt, etwas erregbar, niemals schwer krank, Ehemann im 
Kriege in Sibirien versohollen, 1915—16 Niedersohrift eines zweibändigen 
Werkes, Erschöpfung und Depression. 

Mit 19 Jahren flüohtige Bekanntsohaft mit dem Spiritismus, ver¬ 
mochte etwas automatische Schrift zu produzieren, seit April 1917 Teil¬ 
nahme an einigen spiritistischen Sitzungen, Oktober 1918 in einer Sitzung 
automatisches Schreiben mit der linken Hand, eingehende Mitteilungen 
von seiten des Ehemannes, Handschrift desselben, Gefühl von Strom und 
Passivität im schreibenden Arm, in der Folge 2—8 Wochen allein viel 
psychographiert, die Hand sohrieb sofort, sobald sie einen Bleistift auf 
das Papier setzte. Verständnis des Inhalts erst duroh Lektüre des Ge¬ 
schriebenen, keine diktierenden Stimmen, Niedersohrift von ihr un¬ 
bekannten Dingen, z. B. mathematischen Formeln. Nach 3 Woohen 
Stimmen, zuerst naohts, dann naohts „Tranoezustände“ mit Gefühl von 
Ekstase, „wie im Bann“, Dialoge mit Geistern, hört ihre eigene Stimme, 
Zwangshandlungen auf Veranlassung der Stimmen, Abklingen des akuten 
Stadiums nach etwa 4 Wochen. 

Seitdem stationärer Zustand, dauerndes Stimmenhören, nur bei 
intensiver Ablenkung, z. B. bei Unterhaltung, Zurüoktreten der Stimmen, 
die Stimmen wecken morgens, sind bald laut, bald leise, bald fern, bald 
nah, jeder Gedanke wird „phonetisoh“, die Stimmen flüstern, rausohen, 
raunen, brüllen, sie wird bombardiert mit Stimmen, umschwirrt und 
umsurrt, hört endlose Konversationen, Geplapper, Gejohle und eintöniges 
Geleier, jeder Gedanke wird nachgesprochen, die Stimmen knüpfen an 
das, was sie tut, an, sind bisweilen humoristisch, bisweilen unflätig, wohl¬ 
wollend oder feindselig, maohen bei Unterhaltungen spöttisohe Zwischen¬ 
rufe, lesen bisweilen mit, denken manohmal vorweg, Pat. muss auf die 
Stimmen zeitweilig antworten, es handelt sich um einen Chorus un¬ 
bekannter Geister. Auch elementare Akoasmen kommen vor, es klappert, 
zirpt, knarrt, sie hört Fusssohlürfen, Husten usw. Geräusche trans¬ 
formieren sich in Stimmen. Beispiel für den Iahalt der Stimmen (Pat 
wird aufgefordert, alles, was sie hört, sofort nachzuspreohen): Habest, 
possumus, es sei Dir gewährt. Sie sind jetzt befangen, unbedingte Ruhe 
musst Du haben, ich habe keine Lust mich hören zu lassen von Prof. 
Henneberg usw. Auf zugerufene Reizworte indifferenter Art nehmen die 
Stimmen keinen Bezug, z. B. Wein! „Kein Wort, kein Ton, nur Deine 
Seele spricht“. Dagegen sofortige Anknüpfung an affektbetonte Worte: 
Tod! „Wir haben erlebt und nicht erlebt“. Kaiser! „Wir sagen nur, 
gehab Dich wohl, Umkehr ist, was wir empfehlen“. 

Auf anderen Sinnesgebieten kamen nur vereinzelte flüohtige 
Täuschungen vor. Die Sonne rollt eine Strecke fort der Mond wird 
plötzlich finster. 

Pat. erkennt die Stimmen durchaus als krankhaft an, braucht 
jedoch immer wieder Wendungen, die der Geisterlehre des vulgärer Spiri¬ 
tismus entsprechen: es ist Spuk, in meinen Bannkreis geratenen Geister, 
Sie sind angezogen, wollen selbst los, Erdenreste von Geistern, irdisohe 
Ueberreste, Dämonen, die niemals Mensohen waren. 

Pat. leidet stark unter den Stimmen, schläft schleoht, vermag sich 
nicht zu konzentrieren, ist erschöpft. Hypnose gelingt leicht. Suggestionen 
auf Grund von wissenschaftlicher Erklärung und exorzistischer Vor¬ 
stellungen ohne dauernden Erfolg. Somatisch: Schmersempfindung links 
mehr als reohts, Patellarreflexe nioht zu erzielen, Aohillesreflexe er¬ 
halten, W. negativ. 

Der eigenartige Krankheitsfall gibt mir Veranlassung, anf 
die Beziehungen, die zwischen Spiritismus und psychischer Störung 
bestehen, zurückzukommen, nachdem ich 1902 dieses Thema ein¬ 
gehend erörtert habe 1 ). Die Beziehungen sind mannigfacher 
Natur. Nicht selten produzieren Geisteskranke, besonders an 
Schizophrenie, Paranoia, Paraphrenie leidende Kranke halluzina¬ 
torisch bedingte Erklärungswahnvorstellungen, die den Lehren 
des vulgären Spiritismus mehr oder weniger entsprechen. Haben 
derartige Patienten sich vor ihrer Erkrankung oder noch bei Be¬ 
ginn des Leidens mit dem praktischen Offenbarungsspiritismus 
befasst, so wird nicht so selten in dieser Beschäftigung ein ätio¬ 
logisches Moment für die Entstehung der Psychose erblickt. In 
der französischen und amerikanischen Literatur finden sich nicht 
wenige derartige Fälle als Psychosen infolge von Spiritismus be¬ 
schrieben. Zuzugeben ist, dass gelegentlich in solchen Fällen 
Beschäftigung mit Spiritismus als Hilfsursache mitwirkte, ln der 
Regel handelt es sich lediglich um eine spiritistische Färbung 
der Wahnbildung. Personen mit angeborener und erworbener 
(Senium) geistiger Schwäche, Psychopathen verschiedener Art 
können bei intensiver Beschäftigung mit dem Spiritismus und 
kritikloser Hingabe an das spiritistische Dogma einen paranoiden 
Eindruck machen. Beim Mediumismus im engeren Sinne handelt 
es sich um Hysterie mit durch spiritistische Vorstellungen be¬ 
einflussten Manifestationen, insonderheit nm autohypnotische und 


1) Henneberg, Spiritismus und Geistesstörung. Berlin 1902, 
Hirsohwald, u. Ar oh. f. Psyoh., Bd. 84. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


somnambule Zustände (Trance). In der Regel verbindet sich 
damit eine mehr oder weniger pathologische Neigung zum Betrug 
(pathologische Schwindler, Pseudologia pbantastica). 

Ein besonderes psychiatrisches Interesse bieten lediglich die 
Fälle, in denen die Hingabe an spiritistische Prozeduren als wirk* 
liehe psychische Ursache einer Psychose angesprochen werden 
muss. Diese Fälle sind zweifellos selten und haben bisher keine 
besondere Beachtung gefunden. 

Ueberblickt man die Fälle, die von mir und anderen mit¬ 
geteilt wurden, so kann man unmöglich die Ansicht vertreten, 
dass es sich durchweg um Kranke gehandelt bat, bei denen die 
Beschäftigung mit spiritistischen Prozeduren nur zufällig zeitig 
mit dem Einsetzen einer geistigen Störung zusammenfiel. Wäre 
diese Auffassung richtig, so mussten ganz heterogene Krankheits- 
bilder vorherrschen, und irgendetwas Charakteristisches und 
Typisches würde sich für die „mediumistische Psychose“ nicht 
auffinden lassen. Dem ist aber nicht so. Ich sah als Assistent 
der Irrenabteilung der Charite eine Reihe von Fällen, die viel 
Typisches boten. In den letzten Jahren des vorigen und den 
ersten dieses Jahrhunderts erlebte der Spiritismus eine Nachblüte 
— seine klassische Periode hatte er in der Mitte des vorigen 
Jahrhunderts. 

In Berlin waren damals spiritistische Konventikel derartig verbreitet, 
dass man mit Recht von einer psyohischen Epidemie sprechen konnte. 
Der 1902 gegen das berühmte Blumenmedium Anna Rothe geführte 
Prozess *) and die Verurteilung desselben tat dem Spiritismus wesent¬ 
lichen Abbruoh, und das Interesse für denselben nahm in der Folge 
stark ab. 

Die Fälle, die im Zusammenhang mit dem Aufsohwung, die der 
Spiritismus genommen hatte, zur Beobachtung kamen, zeigten schon in der 
Art, in der sioh die Psyohose entwickelte, etwas Charakteristisches. In 
unmittelbarem Anschluss an intensiv betriebenes Psyohographieren 
verfielen die Kranken einem akuten halluzinatorisohen Erregungszustand. 

Als Beispiele skizzieren ich kurz 2 Fälle meiner Beobachtung. 

42jährige Witwe, keine Heredität, bisher stets gesund und unauf¬ 
fällig, Teilnahme an spiritistischen Sitzungen, Erlernen des Psyoho- 
graphierens, langdauernde Ausübung desselben, zunehmende Erregung, 
Gefühl, von Geistern beeinflusst zu sein, akuter Erregungszustand, pa¬ 
thetisches Predigen, Gott, Christus, der verstorbene Mann spreohen durch 
sie, nach etwa einer Woche rasche Beruhigung, hört zunächst noch 
Stimmen, völlige Genesung, Festhalten an der spiritistischen Lehre. 

31jährige Stickerin, sohwächlich und blutarm, sonst gesund, 
5 Wochen vor der Erkrankung Teilnahme an spiritistischen Sitzungen, 
dann tägliches Psyohographieren zuhause, zunehmende Unruhe, dann 
sohwere manische Erregung mit pathetischen Reden von 8 tägiger Dauer, 
rasche Genesung, hört zunächst noch Stimmen. 

Ich habe die in Rede stehenden Fälle von „transitorischem 
Irresein“ seinerzeit als hysterische Psychosen bezeichnet und zwar 
in dem Bestreben, sie als verhältnismässig oberflächliche Zu¬ 
stände zu charakterisieren und sie von tiefergreifenden Psychosen 
(Manie, Amentia, „akute Paranoia“, Dementia praecox) zu sondern. 
Es soll auch nicht in Abrede gestellt werden, dass mediumistische 
Psychosen vom Typus eines protrahierten hysterischen Dämmer¬ 
zustandes oder hysterischen Deliriums Vorkommen. Gerade aber 
die typischen Fälle lassen sich nur mit Zwang den hysterischen 
Geistesstörungen einordnen, da die Kranken im engeren Sinne 
hysterische Symptome überhaupt nicht boten, auch keine Amnesie 
für den Anfall von Geistesstörung bestand. Die Fälle lassen sich 
nur schwer einem allgemein anerkannten Krankheitstyp einordnen. 
Der Zustand baut sich auf einer schweren Affekterschütterung 
auf. Man darf nicht übersehen, dass es für einen naiven, auf 
psychologischem Gebiete völlig unorientierten Menschen ein ganz 
unerhörtes Erlebnis ist, wenn er plötzlich Kunde aus dem Jen¬ 
seits erhält, wie erschütternd es z. B. für eine trauernde Witwe 
sein muss, wenn sie sich plötzlich in die Lage versetzt sieht, 
mit ihrem verstorbenen Manne in Beziehung zu treten und eine 
Unterhaltung zu führen. Die Psychose entwickelt sich denn auch 
aus einer pathologischen Ergriffenheit, Sinnestäuschungen und 
Wahnbildung entsprechen inhaltlich ganz dem Affektstoss, mit dem 
Abklingen des Affektes treten sehr rasch sämtliche Krankheits¬ 
erscheinungen zurück. Hierdurch unterscheidet sich das Krank¬ 
heitsbild wesentlich von anderen akuten Psychosen: Manie, 
Amentia usw. Die Benennung derartiger protrahierter halluzi¬ 
natorischer Affektkrisen, die den Charakter einer vollentwickelten 
akuten Psychose annehmen, stösst auf Schwierigkeiten. Sie ent¬ 
sprechen durchaus dem von Ziehen aufgestellten Krankheits- 

1) Henneberg, Zur forensischen Beurteilung spiritistischer Medien. 
Arch. f. Psyoh., Bd. 87. 


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begriff der Eknoia. Auch sonst sah ich Fälle (Mobilmachungs- 
psychosen), die ich nicht besser als Eknoia zu bezeichnen ver¬ 
mochte. Der Krankheitsbegriff scheint mir berechtigt, und er 
hätte wahrscheinlich Aufnahme gefunden, wenn ihm Ziehen eine 
engere Begrenzung hätte zuteil werden lassen. Ziehen rechnet 
nämlich auch chronisch verlaufende Fälle zur Eknoia, die mir 
dem aufgestellten Krankheitsbegriff zu widerstreben scheinen. 

Fälle, die der Ziehen'schen Eknoia voll entsprechen, sind 
zweifellos recht selten, während der Zustand der pathologischen 
Begeisterung und des Ergriffenseins, aus dem sich die eknoisebe 
Psychose in der Regel entwickelt, uns bei erregbaren Psycho¬ 
pathen aller Art oft entgegentritt (Revolutionshelden, religiöse 
Schwärmer, Ausgiessung des heiligen Geistes). 

Völlig verfehlt wäre es, derartige Fälle damit abzutun, dass 
man einen schizophrenen bzw. manisch-depressiven Anfall dia¬ 
gnostiziert. Damit verlegt man sich nur den Weg zu einem 
tieferen Verständnis der in Rede stehenden Zustände und läuft 
Gefahr, falsche Prognosen zu stellen. Während des Krieges, 
namentlich in den ersten Jahren, Bind zahllose Fehldiagnosen auf 
Dementia praecox, Katatonie und manisch-depressives Irresein von 
den jüngeren Psychiatern gestellt worden, wo es sich um reaktive 
Syndrome, psychogene Zustände und rein psychisch ausgelöste 
Psychosen gelegentlich auch um Simulation gehandelt hat. Die 
Fehldiagnosen waren um so misslicher, als sie die Beantwortung 
der Frage nach dem Vorliegen von Diepsfbeschädigung stark be¬ 
einflussten. 

Der von mir oben mitgeteilte Fall der Schriftstellerin unter¬ 
scheidet sich wesentlich von den besprochenen akuten Psychosen 
durch den mehr subakuten Beginn, durch das Fehlen jeder 
stärkeren Affekterregung und den chronischen Verlauf, auch sind 
hysterische Züge im Krankheitsbild unverkennbar (leichte Hyp- 
notisierbarkeit, rechtsseitige Hypalgesie). In diagnostischer Hin¬ 
sicht können Zweifel bestehen. Zunächst liegt es nahe, an eine 
beginnende chronische halluzinatorische Psychose im Sinne der 
früher vielfach diagnostizierten „Paranoia chronica ballucinatoria“ 
zu denken. Das Bereich derselben ist jetzt aufgeteilt in die 
Dementia praecox paranoides und in die Paraphrenie. Das Fehlen 
aller Anzeichen eines Intelligenzverfalles und einer echten Wahn¬ 
bildung — das Festhalten an spiritistischen Vorstellungen seigt 
bei der Patiention nicht den Charakter von Wahnbildung — er¬ 
laubt es, wenigstens zurzeit nicht, die genannten Diagnosen so 
stellen. 

Chronisches Halluzinieren ist keineswegs immer der Aus¬ 
druck einer tiefergreifenden oder vollentwickelten Psychose. Die 
Angabe Kräpelin’s, dass das regelmässige Auftreten von Ge¬ 
hörstäuschungen auch bei Tage Hysterie aussch Hesse und für 
Dementia praecox spreche, ist zweifellos im allgemeinen zu¬ 
treffend. Ausnahmen kommen jedoch vor. Ich gehe hier auf 
die chronischen Intoxikationen nicht ein. Sie führen nicht so 
selten zu Halluzinationen bei völliger Luzidität und Krankheits¬ 
einsicht. Ich habe viele Jahre einen chronischen Alkoholisten 
gekannt, der dauernd ein Mädchen sprechen hörte, ohne sonst 
Zeichen von Geisteskrankheit zu bieten. Bei chronischem Ge¬ 
brauch von Opiaten, Morphium, Kokain sind Sinnestäuschungen 
nicht selten. Entotische Geräusche bei chronischen Ohrleiden 
können sich in Stimmen transformieren, ohne dass sich immer 
Wahnbildung anschliesst. Auch bei organischen Hirnleiden 
kommen andauernde Halluzinationen vor. Ich beobachte seit 
Jahren einen Patienten, der an schwerer Hirnsyphilis erkrankte, 
nach intensiver Behandlung bis auf Papillenstörungen völlig genas. 
Dieser Patient hört nach seiner Erkrankung dauernd Musik und 
zwar so laut und deutlich, dass er dadurch zur Verzweiflung ge¬ 
bracht wird. Der Ohrbefand, der vielfach von Spezialärzten 
kontrolliert wurde, ist völlig normal. Von Interesse ist, dass 
Patient zur Zeit der Erkrankung in einer Wohnung wohnte, in 
der er durch Musik in einem im Hause befindlichen Restaurant 
belästigt wurde. 

Auch auf dem Boden der Hysterie dürfte es, wenn auch 
recht selten, zu chronischen Halluzinationen kommen. Lewan- 
dowsky 1 ) erwähnt einschlägige Fälle von chronischem Stimmen¬ 
hören. Unter Einwirkung religiöser Vorstellungen dürfte ein 
autosaggeriertes bzw. hysterisches Stimmenhören nicht allzu 
selten sein. Die Annahme, dass die stimmen hörenden Heiligen 
(z. B. Jungfrau von Orleans) durchweg Geisteskranke im engeren 
Sinne gewesen sind, wäre völlig verfehlt. Die spiritistische 
Literatur ist reich an Erzeugnissen, die durch Geisterstimmen 

1) Lewandowsky, Handb. d. Neurol„ Bd. 4, S. 721. 


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diktiert wurden. Ihre Verfasser waren, wenigstens sum Teil, 
habituelle hysterische Hallnxinanten. Einen lehrreichen Fall, 
der an den unserer Patientin erinnerte, beschrieb Forel 1 ). Der 
Patient hatte im Anschluss an spiritistische Prozeduren 8 Mo¬ 
nate lang Stimmen gehört. Zu dieser Kategorie von Fällen 
rechne ich allerdings mit allem Vorbehalt (Fehlen der Knie¬ 
reflexe!) den Krankheitsfall der Schriftstellerin. Erst der weitere 
Verlauf wird eine sichere Diagnose ermöglichen. 

Ein besonderes Interesse bietet in dem Fall der Umstand, 
dass sich das Stimmenhören in unmittelbarem Anschluss an aus¬ 
giebiges Psychographieren anscbloss. Das Psychographieren, das 
medianime, automatische, unbewusste oder unterbewusste Schreiben 
Bpielt im praktischen Spiritismus eine grosse Rolle. Es wird von 
vielen Personen rasch, von anderen erst nach langer Dressur er¬ 
lernt. Während des Schreibens sind die Personen sum Teil völlig 
luzide, zum Teil in mehr oder weniger tiefer Autohypnose. In 
der Regel hat der Schreibende des Gefühl völliger Passivität, 
die Hand wird durch „den Geist“ geführt, der Inhalt der Nieder¬ 
schrift wird erst durch Lesen erfahren und kann fflr den 
Schreibenden völlig fremdartig und überraschend sein. An¬ 
scheinend völlig vergessene Dinge können gelegentlich repro¬ 
duziert werden (Kryptomnesien). 

Das automatische Schreiben hat man auf unbewusste bsw. 
unterbewusste, psychische Tätigkeit zurückgeföhrt und es wie die 
Erscheinungen der Hysterie durch die Annahme abnormer psychi¬ 
scher Zustände, die man als Dissoziation. Sejunktion, Schwäche 
der psychischen Synthese. Einengung des Bewusstseinsfeldes, Spal¬ 
tung, Verdoppelung der Persönlichkeit bezeichnet hat, verständ¬ 
lich zu machen gesucht. Die Vorgänge, die man hierbei im 
Auge hat, sind keineswegs für die Hysterie charakteristisch, sie 
finden sich angedeutet vielfach beim Gesunden, in weitgehender 
Entwicklung im Traum und bei Psychosen. 

Als auslösende Ursache begegnet uns das Psychographieren 
in fast allen Krankengeschichten, die echte Fälle von spiri¬ 
tistischer Psychose betreffen. In 12 von 17 Fällen der fran¬ 
zösischen Literatur [Dubem 2 * ). Violet 8 ), Lövy-Valensi 4 )] wird 
es als ätiologischer Faktor erwähnt. Diese Rolle, die das Psycho¬ 
graphieren spielt, ist nun offenbar nicht so zu deuten, dass die 
Prozedur eine besonders schädigende Wirkung auf die Psyche 
ausübt, sondern man muss sich vorstellen, dass diejenigen Per¬ 
sonen, denen das Psychographieren leicht und rasch gelingt, Indi¬ 
viduen sind, die für die Entstehung psychogener Geistesstörungen 
besonders disponiert sind. Ich bin auch weit davon entfernt anzu- 
nehmen, dass das Psychographieren eine irgendwie spezifische Wir¬ 
kung ausübt. Der Umstand, dass mit Ausdauer betriebenes Psycho¬ 
graphieren oft zu halluzinatorischen Zuständen führt, ist nicht 
anders zu beurteilen als die uns in zahllosen Berichten über 
Religionsstifter, Propheten, Heilige, Sektierer usw. entgegen¬ 
tretende Tatsache, dass Visionen, Halluzinationen, ekstatische 
Zustände durch bestimmte religiöse Uebungen hervorgerufen und 
zielbewusst angestrebt wurden. Immerhin glaube ich, dass durch 
weitgehende Dressur im unterbewussten Schreiben das Auftreten 
von Gehörshalluzinationen begünstigt wird. Die Kranken geben 
bisweilen an, dass die „Geister“ beim Schreiben plötzlich an¬ 
fingen zu diktieren. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei 
zweifellos die Einstellung der Aufmerksamkeit, das Lauschen auf 
die Geisterstimmen. Jeder, der sich einmal mit der Beobachtung 
hypnagoger Halluzinationen befasst, kann bei sich selbst die 
Beobachtung machen, wie mit der Einstellung der Aufmerksamkeit 
Gesichts- und Gebörshalluxinationen sofort sunehmen. Den 
Kranken ergeht es in der mediumistischen Psychose wie Goethe’s 
Zauberlehrling: Herr, die"Not ist gross! Die ich rief, die Geister, 
werd ich nun nicht los. Auch die Worte von Faust charakterisieren den 
Zustand: „Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll, dass niemand 
weiss, wie er ihn meiden soll. Dämonen weiss ich wird man schwer¬ 
lich los ..“ Auch die der Simulation nahestehenden Kriegshysteriker 
in den Lazaretten konnten bei Beginn der Revolution ihre wohl¬ 
gepflegten automatisierten Störungen zum Teil aus eigener Kraft 
nicht los werden und erbaten „aktive Therapie“. 

Aus meinen Ausführungen ergibt sich, dass die Hingabe an 
den praktischen Spiritismus für disponierte Individuen eine 


1) Forel, Duroh Spiritismus erkrankt, durch Hypnotismus geheilt. 
Zsohr. f. Hypnotismus, Bd. 5. 

2) Dubem, Contribution a l’6tude de la folie ohes los spirites. 
These de Paris 1906. 

8) Violet, Le Spiritisme dans des rapports avec la folie. Bloud 
1908. 

4) L6vy-Valenai, Spiritisme et folie. L'Enoöphale. 1910, Bd..6. 


Gefahr bietet, insonderheit dann, wenn infolge „medialer Ver¬ 
anlagung“ das Psychographieren gelingt und mit Ausdauer be¬ 
trieben wird oder Tranoezustände sich leicht einstellen, ln ihrem 
Aufruf hat die Patientin die Gefahren in begreiflicher Weise 
übertrieben. Auch ein Psychiater, dem ein grosses Kranken- 
material zu Gebote steht, wird nur vereinzelte Fälle von echter 
spiritistischer Psychose zu Gesicht bekommen. Die Angaben, die 
sich in der älteren amerikanischen und englischen Literatur finden, 
sind zweifellos auf Grund unkritischer Beurteilung der Krankheits- 
Rille entstanden. Edmonds 1 ) gibt an, dass auf 50 Aufnahmen ein 
Fall von Spiritismus gekommen sei, Forbes Winslow 2 ) schätzte 
1876 die Zahl der in den Vereinigten Staaten an spiritistischer 
Psychose Erkrankten auf 10000, Crowell ermittelte in 58 An¬ 
stalten 59 derartige Fälle. Diese Zahlen sind offenbar so zustande 
gekommen, dass man jeden Geisteskranken, der mit Spiritismus 
in Berührung gekommen war oder Wahnideen spiritistischen In¬ 
haltes produzierte, als Opfer des Spiritismus buchte. In Deutsch¬ 
land ist der Spiritismus zurzeit zweifellos im Rückgänge. In der 
neuesten deutschen Literatur finden sich, soweit ich sehe, keinerlei 
Mitteilungen über mediumistische Psychosen. Immerhin ist es 
berechtigt, wenn die Patientin in ihrem Aufruf verlangt, dass die 
Aerzte vor dem Spiritismus warnen sollen. 


Die chirurgische Behandlung der Nerrenschuss- 
verletzungen*). 

Von 

Dr. med. PamllMaiasse-Berlin. 

Es steht noch nicht sicher fest, wie hoch sich der Prozent¬ 
satz der Nervenverletzungen im Weltkriege beläuft. 

Nach den bisherigen Schätzungen schwankt er zwischen 2pCt. und 
4pCt. der gesamten Verletzungen, nach französischer Angabe soll er 
sogar 20pCt. betragen. Für die deutsche Armee dürften weit mehr als 
100000 Fälle zu berechnen sein. Mit relativ geringen Ausnahmen 
handelt es sioh um Verletzungen duroh Gewehr- und Artilleriegesobosse, 
und ioh lege daher nur die Sohussverletzungen meinen Ausführungen 
zu Grunde. 

Zweifellos heilt eine gewisse, zur Zeit nicht näher bestimm¬ 
bare Zahl von Kriegsverletzungen der Nerven ohne operativen 
Eingriff aus, entweder vollständig oder doch bis zu einem erheb¬ 
lichen Grade. Es sind dies hauptsächlich jene Fälle, bei denen 
das Geschoss anscheinend nur die nächste Umgebung eines Nerven 
zerstört hat. 

In Wirklichkeit bleibt der Nerv dabei aber häufig nicht unversohont. 
Die Durchschlagskraft der modernen Gesohosse, ihr hydrodynamischer 
Druok äussert sioh in dem direkt gar nicht getroffenen Nerzen in einer 
Art „Seitenwirkung“ (Perthes), in Dehnung und Erschütterung des¬ 
selben, welche zur Zerreissung von Blut- und Lymphbahnen und zur 
Zerstörung feinerer Nervenelemente führt. 

Es hängt von dem Grade dieses als Oommotio nervorum von 
früher her bekannten und neuerdings von Perthes 4 ) u. a. geschilderten 
Zustandes ab, inwieweit er einer Selbstheilung fähig ist. Bei einer nioht 
ganz kleinen Zahl (etwa 7 pCt. der Nervenverletzungen, Perthes, 
Wexberg) bleibt sie gänzlich aus oder stellt sioh nur teilweise ein, 
trotz jahrelangen Abwartens. Makroskopisoh erscheint der Nerv bei der 
operativen Freilegung einige Zeit nach der Verwundung unversehrt. 

Ungünstig für eine Selbstheiluog liegen diejenigen Fälle von 
indirekter Nervenverletzung, in denen der Nerv durch die patho¬ 
logischen Zustände seiner nächsten Umgebung ernster geschädigt 
wird. 

So kann z. B. bei dem so häufigen Sohussbruohe des Oberarms der 
dicht am Knoohen in einer Spirale sioh herumwindende N. radialis 
zwischen die Bruohstüoke und Kallusmassen verlagert und von ihnen 
zusammengedrückt werden. Auch der Druok von Schuss-Aneurysmen 
wirkt sehr schädlich auf den anliegenden Nerven. Langdauernde Eite¬ 
rungen geben zu derber Narbenbildung Anlass, welche den benachbarten 
Nerven fest umklammert. Selbst bei einer Entzündung nioht eitriger 
Natur kann eine Weiohteilnarbe übrig bleiben, welohe den eingeschlossenen 
Nerven intensiv drückt. 

Wexberg 4 ) schätzt die Zahl dieser Fälle auf etwa 28pCt. der ge¬ 
samten Nervenverletzungen. 


1) Edmonds, Der amerikanische Spiritismus. Leipzig 1874. 

2) Forbes Winslow, Spiritualistio madness. London 1877. 

8) Naoh einem in der Berliner medizinischen Gesellschaft gehaltenen 
Vortrage. 

4) D.m.W., 1916, Nr. 28. 

5) Zsohr. L d. ges. Neur. u. Psyoh., Bd. 39. 

J* 


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Nr. 87, 


Trift das Geschoss den Nerven direkt, so beschränkt sieh die Wir¬ 
kung unter Umständen z. B. bei einer matten Kugel auf eine Quetschung 
desselben ohne äusserlioh erkennbare ZerreisBung des Nervenstammes. 
Bei einer geringfügigen Alteration der feineren Nervenelemente kann 
Spontanheilung eintreten, während sie bei stärkerer Schädigung des 
Nerven ausbleibt. 

Viel häufiger serreisst bei direkter Einwirkung das Geschoss den 
Nerven entweder teilweise, sei es an seiner Peripherie (Streifschuss), sei 
es in Beinern Innern (Durchschuss, Stecksohuss) oder es trennt ihn völlig 
in 2 Stücke. Bei der teilweisen Zerreissung kann sich die äussere Form 
des Nerven im Verlaufe der Heilung so weit wiederherstellen, dass die 
Kontinuität des Nerven scheinbar gewahrt ist. Man findet dann eine 
spindelförmige oder mehr unregelmässige Auftreibung an der Stelle der 
Verletzung oder seltener eine teilweise Abplattung und Verschmälerung. 
Die opake graurote oder weisssehnige Farbe der Sohussstelle hebt sich 
von der durchscheinend weiss-bläuliohen Farbe des intakten Nerven 
deutlich ab. Innerhalb der verletzten Zone lassen sich vielfach harte 
rundliche oder längliche, umschriebene oder diffuse Knoten durchfühlen. 

Bei der völligen Zerreissung des Nerven ist das zentrale Ende des¬ 
selben in der Regel kelbig angeschwollen (sog. Neurom) und nicht selten 
seitlich oder nach anderen Richtungen verschoben. An dem peripheri¬ 
schen Ende zeigt sich eine ähnliohe, gewöhnlich kleinere Auftreibung, 
zwischen beiden Enden gelegentlich ein bindegewebiger Verbindungs¬ 
strang. Die Häufigkeit der Nervenzerreissungen wird sehr verschieden 
angegeben. Die Zahl der teilweisen Abschüsse schwankt zwisoben 4.7 pCt. 
und 10,7 pCt., die der totalen Abschüsse zwischen 16,9 und S5pCt. 

Es ist klar, dass bei völliger Durchtrennung eines Nerven 
die Aussichten auf Selbstheilung gleich Null sind, zumal wenn 
die Nervenenden eine grössere Strecke weit auseinander liegen. 
Aber auch bei nur teil weiser Durchtrennung ist die spontane 
Wiederherstellung kaum zu erwarten, wenn derbe und ausgedehnte 
Narben im Innern des Nervenstammes sich gebildet haben, eben¬ 
sowenig bei Anwesenheit von Fremdkörpern daselbst (Geschoss¬ 
splittern, Tuchfetzen usw.). 

Die Beziehungen der hier angedeuteten pathologisch-anatomi¬ 
schen Veränderungen zu den klinischen Erscheinungen der Nerven- 
schüsse werden verständlich, wenn wir uns die Ergebnisse der 
experimentellen Forschungen kurz vergegenwärtigen. 

Als sioher feststehende Tatsache ist zu betrachten, dass jede Durch- 
trennung eines Nerven die Degeneration desjenigen Nervenabsohnitts, 
der unterhalb der Verletzungsstelle liegt, zur Folge hat. Innerhalb 
einer Reihe von Tagen zerfallen Markscheide und Aohsenzylinder in 
einzelne Bruohstüoke, die unter Auftreten von Fettkörnobenzellen all¬ 
mählich resorbiert werden. Derselbe Vorgang vollzieht sich aber auch 
in dem oberhalb der Verletzungsstelle gelegenen zentralen Anteile des 
Nerven, nur in geringerem Umfange, jedoch viel höher hinauf, als man 
früher annahm, mindestens mehrere Zentimeter weit. Nach Ansicht 
einzelner Autoren wird sogar der ganze zentrale Absohnitt nebst den 
zugehörigen Ganglienzellen bei jeder Verletzung, je nach Art derselben, 
in Mitleidenschaft gezogen (Zerfall der Nissl’sohen Granula, Kernver¬ 
schiebung usw.). 

Seit langer Zeit führt man diese Degeneration der Nervenfasern auf 
deren Trennung von dem im Rückenmark bzw. in den Spinalganglien 
gelegenen »nu&itiven" Zentrum, den zugehörigen Ganglienzellen zurück. 
Im Gegensatz dazu sehen Bethe und andere neuere Autoren lediglich 
in der örtliohen Schädigung der Nervenfaser die Bedingungen für die 
Degeneration. Bei letzterer Annahme dürfte aber nicht zu verstehen 
sein, warum die Degeneration in dem peripherischen Nervenende viel 
mehr an Umfang und Intensität gewinnt, als in dem zentralen. Die 
Wirkung des Traumas an sich erstreokt sich dooh nach beiden Richtungen 
gleich weit. 

Andererseits erscheint es bedenklich, der Ganglienzelle die Rolle 
des Ernährungszentrums für das ganze Neuron zuzuweisen und die 
Trennung von dem Zentrum als allein entscheidend für den Eintritt 
der Degeneration zu betraohten. Denn diese wird dooh auch in dem 
zentralen Abschnitte gefunden, weloher den Zusammenhang mit der 
Ganglienzelle nicht verloren bat. 

Nooh ein weiteres kommt hinzu. Nach der Ansicht mancher Autoren 
tritt in dem peripherischen Ende durobtrennter Nerven eine autogene 
Regeneration ein (Philippeaux, Vulpian, Betheu. a). Trotz 
Aufhebung der Verbindung mit der Ganglienzelle findet hier, wenigstens 
in gewissem Grade, ein selbständiger Wiederaufbau der verloren ge¬ 
gangenen Nervenelemente statt. Ziemlioh gleichzeitig mit dem Zerfall 
von Acbsenglieder und Markscheide setzt eine lebhafte Wucherung der 
Srhwann’schen Kerne und eine Vermehrung ihres Protoplasmas ein, 
welches die Räume zwischen den Zerfallsprodukten ausfüllt. Naoh Re¬ 
sorption letzterer ordnen sich die Sohwann’soben Kerne mit ihrem Proto¬ 
plasma zu bandartigen Fasern, in denen sioh weiterhin sogar ein axialer 
Teil und ein äusserer Mantel sondern soll. 

Die Reifung zur vollausgebildeten markhaltigen Nervenfaser wird 
freilioh nicht erreicht, falls die Trennung von dem zentralen Ende fort- 
bestehen bleibt. In diesem Falle geht das autogen regenerierte Gewebe 
wieder zugrunde. 

Naoh dem hier Gesagten würde der Einfluss der zentralen Ganglien¬ 
zelle sowohl auf die natritiven, wie auf die formativen Vorgänge der 
zugehörigen Nervenfaser wesentlich eingeschränkt erscheinen. Der Nerven¬ 


faser käme eine gewisse Vita propria zu, als deren Träger das Neurilemm 
mit seinen Kernen angesehen wird. 

Dieser in neuester Zeit vertretenen Auffassung steht die ältere, von 
Waller verfochtene und auch jetzt noch von manchen aufrecht erhaltene 
Lehre entgegen, nach welcher die zentrale Ganglienzelle allein die Lebens¬ 
vorgänge des gesamten Neurons bestimmt. Sie ist es auoh, welche bei 
Nervendurchtrennung neue Achseozylindersprossen aus dem zentralen 
Ende hervorgehen lässt, während das aus dem Zusammenhänge mit ihr 
gelöste peripherische Ende der Nervenfaser angeblich nur leere* Bahnen 
enthält. Diese spielen eine mehr passive Rolle bei der Regeneration 
und dienen gleichsam nur als Leitbahn, welche von den der Peripherie 
zustrebenden neuen Achsenzylindern benutzt wird. Nach Ansioht Van- 
lair’s ist das peripherische Stück der Nervenfaser für die Regeneration 
sogar überflüssig, unter Umständen hinderlich. 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass histologisch und funktionell voll¬ 
wertige Nervenfasern naoh Durchtrennung eines Nerven nur von dem 
zentralen Ende geliefert werden. Aber diese Ersatzbildung geht über 
eine kurze Strecke von wenigen Zentimetern nicht hinaus. Die Waohs- 
tumsenergie des zentralen Endes für sich allein genügt also keineswegs, 
um die ganze Nervenbahn mit neuen Achsenzylindern und Markseheiden 
zu erfüllen. Finden dagegen die Sprossen des zentralen Endes Anschluss 
an das peripherische Stück, so vollzieht sioh auch hier die Regeneration 
bis zu den Endgebilden des Nerven hin, freilich in noch nicht näher 
bekannter Art. Am Wiederaufbau der durohtrennten Nervenfaser arbeiten 
demgemäss gemeinsam der zentrale und peripherische Anteil derselben, 
ersterer in höherem Maasse, aber zur Erreichung des vollen Erfolges an¬ 
gewiesen auf die Verbindung mit dem zweiten. Neben dem maass¬ 
gebenden Einflüsse der zentralen Ganglienzelle auf die regenerativen 
Vorgänge ist also die Eigentätigkeit des Neurilemms und seiner Kerne 
von erheblicher Bedeutung. 

Die hier skizzierten Ergebnisse der experimentellen Pathologie 
sind nicht ohne weiteres auf die menschliche Pathologie über¬ 
tragbar, da die Regenerationsfähigkeit menschlicher Nerven im 
allgemeinen zurücksteht hinter derjenigen der Tiernerven. 

So werden z. B. beim Tiere Nervendefekte bis zu 6 cm Länge duroh 
regeneratives Wachstum spontan ausgeglichen. Es wäre falsch, das 
Gleiche für den Menschen -anzunehmen. Ferner setzen die Nervensohüsse 
beim Menschen meist ausserordentlich harte und ausgedehnte Narben 
am Orte der Verletzung und darüber hinausgehend, besonders zentr&l- 
wärts, entzündliche Veränderungen und feinere Alterationen der Nerven¬ 
elemente in unbekannter Ausdehnung. Der Regeneration stehen also 
hier viel grössere Hindernisse entgegen als bei den experimentellen 
Verletzungen der Tiernerven. 

Mit gewissen Einschränkungen darf man jedoch sagen, dass der 
Tierversuch höchst wertvolle Anhaltspunkte für das Verständnis der 
Nervenregeneration beim Menschen liefert und geeignet ist, die Deutung 
der histologisohen Bilder von Nervenschüssen zu fördern, wofern man 
nur mit gebotener Vorsicht aus dem Nebeneinander der mikroskopischen 
Befunde Schlüsse auf die vitalen Vorgänge zieht. 

Weitere Beziehnngen ergeben sich von der experimentellen 
Pathologie zur Klinik der Nervenschüsse. 

Denn die klinischen Erscheinungsformen gründen sioh auf die 
pathologisch-anatomischen Veränderungen. Gröbere oder feinere Läsionen 
von Nervenbahnen haben notwendigerweise einen entsprechenden Aus¬ 
fall der Motilität, Sensibilität, Veränderungen der elektrischen Reaktion 
usw. zur Folge und das klinische Bild wie die prognostischen Erwägungen, 
die wir daran knüpfen, sind von der pathologisch-anatomischen Grund¬ 
lage nicht wegzudenken. Von der Intensität und Extensität der ana¬ 
tomischen Veränderungen hängt der Grad der Lähmung, von der Voll¬ 
ständigkeit oder Unvollständigkeit der regenerativen histologisohen Pro¬ 
zesse der Grad der Heilung im klinischen Sinne ab. 

Dies gilt natürlich in gleiober Weise für den ganzen Nerven wie 
für einzelne Bahnen desselben. Es ist daher, um bezüglich der Indi¬ 
kationsstellung der Operation eins vorwegzunehmen, durohaus unrichtig, 
nur danach zu fahnden, ob eine totale Durchtrennung eines Nerven- 
stamms vorliegt, sondern es muss festgestellt werden, welche Bahnen 
eines Nerven dauernd unterbrochen sind. Der totale Abschuss ist ge¬ 
wiss eine absolute Indikation zur Operation, aber nioht die einzige. 
Der dauernde Ausfall einer oder mehrerer wichtiger Bahnen eines Nerven 
erfordert ebenso dringlich die Operation, selbst wenn der Nerv äuBser- 
lieh in seiner Kontinuität erhalten zu sein scheint. 

Der Weg für die Behandlung wäre uns nun einfach vor- 
gezeicbnet, wenn die klinischen Erscheinungen sich mit dem 
pathologisch-anatomischen Substrat in dem Sinne decken würden, 
dass einem bestimmten klinischen Bilde jedesmal ein nnd der¬ 
selbe anatomische Befund entspräche. Dies ist aber nicht 
der Fall. 

Wenn z. B. nach einer frischen Schussverletzung des Ober¬ 
arms eine totale schlaffe Lähmung des Nerv, medianus mit kom¬ 
pletter Entartungsreaktion und Ausfall der Sensibilität eintritt, 
so können drei verschiedene anatomische Zustände vorliegen: 

1. völlige Zerreissung des Nerven, 

2. Zerreissung eines Teils des Nerven, 


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8. Läsion einseiner feinerer Nervenelemente, aber ohne Durch- 
trennnng einer Bahn. 

Die klinischen Symptome geben hier zunächst keinen An¬ 
halt dafür, was mit dem Nerven geschehen ist. Erst der weitere 
Verlauf bringt, wenigstens in vielen Fällen, die Klärung. Bleibt 
der Zustand völliger Lähmung monatelang unverändert, so handelt 
es sich gewöhnlich um totalen Abschluss. Geht die Lähmung 
teilweise zurück, so sind nur einzelne Bahnen des Nervenstammes 
unterbrochen. Tritt spontane Heilung ein, so hat in der Regel 
keine Durchtrennung einer Nervenbahn stattgefunden. 

Wie ist es zu erklären, (Jass drei so verschiedene anatomi¬ 
sche Läsionen, wenigstens zunächst, dasselbe klinische Bild zur 
Folge haben? 

Jede Schussverletzung in unmittelbarer Nähe eines Nerven 
führt bei genügender Durchschlagskraft des Geschosses zur Er¬ 
schütterung des Nerven, zu der früher erwähnten Commotio 
nervi. 

Die dabei auftretenden Blut- und Lymphergüsse innerhalb des 
Nerven, ferner die Dehnung und Zerrung desselben und die sieh an¬ 
schliessenden Ernährungsstörungen in Aohsenzylindern und Markscheiden, 
endlich der Druok eines Blutergusses der Nachbarschaft sind bei der 
Empfindlichkeit der Nervenelemente ausreichend, um die Leitung in 
ihnen völlig' zu unterbrechen und das Bild der totalen LähmuDg hervor¬ 
zurufen. Die gleiche Leitungsunterbreohung kommt zustande durch 
teilweise Zerreissung des Nerven, wenn sie sich, wie so häufig, mit der 
Commotio nervi kombiniert. Dass die Nervenleitung völlig aufbört, 
wenn der Nerv total durchtrennt ist, ergibt sich von seihst. 

Der Symptomenkomplex der Lähmung wird also in allen 
drei Fällen der gleiche sein, da er bedingt ist durch die allen 
drei Verletzungen gemeinsame funktionelle Ansschaltung der 
Nervenbahnen. 

Die klinische Diagnose steht daher bei frischen Nerven- 
schüssen vor grossen Schwierigkeiten. Prognose nnd Therapie 
müssen hier dementsprechende Zurückhaltung üben. Der weitere 
Verlauf dagegen gestattet, wie bereits erwähnt, meist eine Sonderung 
der Fälle und gibt den Hinweis auf die Art der Behandlung. 

Diejenigen Verletzten, welche fortschreitende Besserung zeigen, 
bleiben unoperiert. Die anderen, bei denen keine Besserung ein- 
tritt oder die zunächst erfolgte Besserung keine Fortschritte 
macht oder gar einer Verschlechterung weicht, kommen für die 
Operation in Betracht. 

Allerdings erhebt sich da sofort die Frage: „Bis zu welchem 
Zeitpunkte nach der Verletzung soll und darf man auf den Ein¬ 
tritt spontaner Besserung warten? u Eine Uebersicht über die 
diesbezüglichen Anschauungen von 80 Chirurgen und Neurologen 
lässt erkennen, dass die Wartezeit zwischen 10 Tagen und 
8 Monaten schwankt, also eine erhebliche Divergenz der 
Meinungen. 

Eine weitere Frage ist die: „Gibt es Symptome, welche 
einen sicheren Anhalt dafür bieten, dass die Möglichkeit spontaner 
Besserung überhaupt ausgeschlossen ist? u Diese Frage ist zu 
verneinen. 

Wie soll man da zu einer Entscheidung gelangen? Die er¬ 
fahrensten Beobachter treten für eine Operation dann ein, wenn 
4—5 Monate nach der Verletzung die Lähmung unverändert ge¬ 
blieben oder fortgeschritten oder eine etwa eingetretene Besserung 
zum Stillstände gekommen ist. 

Im Einzelfalle wird man die „Wartezeit“ verlängern oder 
kürzen, besonders bei komplizierenden Verletzungen der Knochen 
und Gefässe. Eine weitere Indikation zur Operation bieten un¬ 
abhängig vom Zeitpunkte der Verletzung diejenigen Schuss¬ 
neuralgien, welche unblutigen Maassnahmen nicht weichen. 

Von den chirurgischen Methoden sei hier zunächst die Neuro - 
lyse genannt. Im Grunde genommen beginnt jede Operation an kriegs- 
verletzten Nerven mit einer Neurolyse. Denn zuvörderst ist der Nerv 
aus den umgebenden Narben und Schwarten berauszuschälen. Dies 
geht selten so leicht wie bei den aus der Friedenszeit bekannten Ver¬ 
letzungen, da die Nerven mit der Narbenmasse der Nachbarschaft häufig 
ein unentwirrbares Ganzes bilden. Ist der Nerv völlig befreit, so sehen 
wir den Zweck der Operation erreicht, wenn entsprechend dem Er¬ 
gebnisse der klinischen Untersuchung, der elektrischen Prüfung des 
Nerven während der Operation und der Besichtigung und Betastung des 
freigelegten Nerven nur eine äu9sere Druckwirkung auf denselben ohne 
ernstere Schädigung seiner Bahnen stattgefunden hat 

Misserfolge werden beobachtet, wenn der Untersuchung, die immerhin 
nur;die gröberen Verhältnisse berücksichtigt, Zerstörungen innerhalb des 
Nervenstammes entgehen. f 

Von vornherein droht der Neurolyse ein Misserfolg, wenn sie sich 
bei spindelförmiger oder unregelmässiger Verdickung des Nerven, bei 
fühlbaren derben Infiltraten innerhalb desselben auf die Aussohälung 
des Nerven aus den umgebenden Narben besehränkt Zeigt die nähere 


Prüfung in diesen Fallen, besonders die elektrische Reizung des frei¬ 
gelegten Nerven, dass die Leitung in einzelnen Kabeln unterbrochen ist, 
dann kann die äussere Neurolyse an diesen Zuständen nichts ändern. 
Hier gilt es, in das Innere de9 Nervenstammes einzudringen und die 
dort befindlichen Narben zu beseitigen. Dies gelingt ohne Verletzung 
der feineren Kabel natürlich nur dann, wenn sie in ihrer Kontinuität 
erhalten sind und sich von den zwischen ihnen gelegenen Infiltraten 
trennen lassen. Die Operation ist in der angegebenen Weise zweifellos 
technisch möglich und praktisch erfolgreich. In vielen Fällen allerdings 
ist eine Anzahl feinerer Nervenbahnen mitzerstört und in die intra¬ 
neuralen Narben so aufgegangen, dass sie mit ihnen entfernt werden 
muss. Dann werden die unversehrt gebliebenen Kabel isoliert und die 
Enden der resezierten Nervenbahnen durch die Naht miteinander ver¬ 
einigt. 

Es ist ein grosses Verdienst, namentlich von Stoffel, die Be¬ 
deutung dieser sogenannten Endoneurolyse hervorgehoben zu haben. 
Ihr Wert liegt vor allem darin, dass sie die Erhaltung der nicht unter¬ 
brochenen Bahnen gestattet und die Nervenresektion auf das unbedingt 
gebotene Maass beschrankt. 

Zeigt die Endoneurolyse, dass das Narbeninfiltrat alle Kabel um¬ 
fasst, so wird man, vorausgesetzt, dass die Untersuchung eine totale 
Leitungsunterbrechung des Nervenstammes ergibt, die totale Nerven¬ 
resektion vornehmen und die Nervennaht anschliessen. 

Bei der völligen Zerreissung des Nerven ist die Nerven naht das 
von vornherein gegebene Verfahren. 

Bezüglich der Technik der Nervennaht sei erwähnt, dass wir 
suchen, möglichst narbenfreie Teile der Nervenenden miteinander in Be- 
j rührung zu bringen und bei der Nahtanlegung nur das Epineurium zu 
fassen. 

1 Sa einfach und selbstverständlich Fernerstehenden die Technik zu 
sein scheint, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass sie zurzeit 
ein Gegenstand lebhafter Kontroverse ist. Die einen legen die Nähte 
recht dicht und ziehen die Nervenenden fest aneinander heran. Andere 
halten dies für falsch. Einzelne Chirurgen vermeiden direkte Naht¬ 
vereinigung. Viele umscheiden die Nahtstelle mit präparierten Kalbs¬ 
arterien oder Fett-, Faszien-, gestielten Muskellappen, andere halten 
dies für unnötig oder schädlich und begnügen sich mit Einlagerung des 
genähten Nerven in benachbarte Muskeln. Eine lebhafte Diskussion hat 
sich an die Forderung Stoffel’s geknüpft, die Nervenenden beim Nähen 
so genau aneinander zu bringen, dass die zugehörigen Kabelenden mit¬ 
einander verwachsen können. Es mag sein, dass sich dieser Forderung 
nicht streng genügen lässt, aber sie gänzlich unberücksichtigt zu lassen 
und die Nervenenden ganz beliebig zu vernähen, gleichgültig, ob sie 
um 90° oder noch mehr gegeneinander verdreht sind, geht doch wohl 
zu weit. Vielleicht trifft es zu, dass die zueinander passenden 
motorischen oder seusibeln Bahnen auch auf Umwegen sioh zusammen - 
finden. Aber sicherlich ist der gerade Weg auch bei der Nerven¬ 
naht der kürzeste und beste. 

Die direkte Nahtvereinigung der Nervenenden gelingt ohne weitere 
Hilfsmittel natürlich nur dann, wenn der Nervendefekt über eine gewisse 
Grösse nicht hinausgeht. Man kann ihn mitunter ausgleichen durch 
stumpfe oder soharfe Lockerung und Dehnung, richtiger Verschiebung 
der Nervenenden, ferner durch geeignete Gelenksteilungen. So gelingt 
z. B. beim Nervus ischiadicus die Beseitigung von Lücken von 8—10 om 
Länge durch extreme Beugung des Kniegelenks bei gleichzeitiger Ueber- 
streckung des Hüftgelenks. Aber man kommt bei weitem nicht immer 
auf diese Weise zum Ziele (17 pCt- der Fälle, Foerster). 

Bethe 1 ) hat da neuerdings die protrahierte Dehnung der Nerven¬ 
enden vor geschlagen. Letztere werden mit Gummifäden armiert, welche 
dnrch Lücken der im übrigen verschlossenen Wunde auf die Haut ge¬ 
leitet werden. Findet an diesen Gummifäden ein dauernder Zug während 
der nächsten 3—4 Tage statt, so haben sioh die Nervenenden einander 
so weit genähert, dass in einer zweiten Sitzung die direkte Naht mög¬ 
lich ist. Sauerbruoh hat diese Methode Bethe’s am Menschen aus- 
geführt, über ihre endgültigen Erfolge aber bisher nicht berichtet. 

E. Müller 2 ) bewerkstelligte die protrahierte Dehnung in der Weise, 
dass er durch geeignete Gelenkstellung die Nervenenden einander so 
weit als möglioh näherte und durch ein aus Faszie gebildetes Rohr ver¬ 
koppelte. Nach Schluss der Wunde wurde das Gelenk allmählich in die 
entgegengesetzte Stellung überführt und so eine langsame Dehnung der 
Nerven bewirkt. In einer zweiten Sitzung gelang nach Entfernung des 
Faszienrohrs die direkte Nervennaht. 

Eine viel versprechende Methode ist die von Steinthal, Wrede 1 ) 
u. a. empfohlene Nervenverlagerung. Besteht z. B« ein grosser 
Defekt des Nervus ulnaris am Vorderarm, so wird das obere Ende bis 
jfber das Ellbogengelenk hinaus freigemaoht, aus dem Sulcus ulnaris 
^hinter dem Condylus int. des Humerus unter Sohonung der abgehenden 
Aeste gelöst und auf die Beugeseite des Arms verlagert. Infolge der 
Verkürzung des Verlaufs erreioht man eine solche Annäherung der 
Nervenenden, dass die direkte Naht derselben möglioh ist. In ähnlicher 
Weise verfuhr Wrede bei grösseren Defekten des Nervus radialis am 
Oberarm und des Nervus medianus am Unterarm. 

Einen sehr radikalen Weg hat Loebker seinerzeit gewählt. Er . 
resezierte die Knochen der Extremität and konnte dadurch sofort die 


1) D.m.W., 1916, Nr. 42. 

2) Beitr. z. klin. Cbir., Bd. 105, S. 651. 

3) Zbl. f. Chir., 1916, S. 529. 


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Nr. 37. 


Diastase der Nervenenden ausgleiohen. Kirsohner 1 ) verzichtet aaf die 
Knochenresektion und sohlägt vor, den Knochen schräg oder quer zu 
durchtrennen. Im ersteren Falle tritt eine Verkürzung der Extremität 
durch Längsverschiebung der Knochenstücke und damit eine ent¬ 
sprechende Annäherung der Nervenenden ein. Bei querer Durchtrennung 
■wird das gleiche durch winklige Umknickung der Knochen erreicht, 
wenn die Nervenenden auf der Seite der Oeffnung des Winkels liegen. 
Naohträglioh wird die Heilung des Knochenbruchs in korrigierter Stellung 
erstrebt. 

Alle diese Methoden gehen in letzter Linie auf direkte Nervennaht 
aus. Anders diejenigen, welche in das Gebiet der Nervenplastik 
fallen. 

Hier sucht man grosse Nervendefekte entweder durch Bildung 
gestielter Nervenläppchen oder durch Einschaltung frei ver¬ 
pflanzter menschlicher oder tierischer Nervenstücke oder 
endlich durch Zwischenfügung andersartigen, ja sogar körper¬ 
fremden Materials zu überbrücken. 

Von Letievant 2 3 ) rührt die Methode der Lappenplastik her, 
und zwar in der Form, dass aus dem zentralen und peripherischen Ende 
je ein gestielter Lappen gebildet und die gegeneinander um geschlagenen 
Lappen vernäht wurden. Man hat, nicht mit Unrecht, die Verwendung 
des zentralen Nervenendes zur Lappenbildung als schädigend, ent¬ 
sprechend unseren heutigen Anschauungen, verworfen. Die Methode hat 
gerade im Lande ihres Autors während des Krieges keinen Anklang ge¬ 
funden. In einem von Pierre Marie mit Vorrede versehenen Buche 8 ) 
über „Nervenchirurgie“ wird sie als unlogisch bezeichnet. Indessen sind 
ihr Erfolge sowohl bei den Friedensverletzungen der Nerven (Tillmanns, 
Hildebrand) wie bei Nervenschüssen im Kriege nicht abzusprechen 
(Spielmeyer, v. Eiseisberg u. a.) 

Sehr bemerkenswerte Resultate erreichte Foerster 4 5 ) bei der 
Zwischenschaltung frei verpflanzter sensibler Nerven. Er benutzte 
Stücke von Hautnerven des Arms und Beins desselben Patienten, die 
er zu Bündeln nebeneinander legte. Ueber gleich günstige Erfolge be¬ 
richtete Tuch 6 ) mit diesem Verfahren, welches als Autoplastik zu 
bezeichnen wäre. Dasselbe scheint einige Fragen praktisch zu lösen, 
welche die Physiologie lange und oft beschäftigt haben, nämlich 1. ob 
ein völlig aus seinem natürlichen Zusammenhänge gelöstes Stück eines 
Nerven, in den Defekt eines anderen Nerven eingefügt, hier einheilen 
kann, 2. ob es dabei seine Struktur behält, 3. ob es funktionell leitungs¬ 
fähig bleibt, 4. ob insbesondere motorische Impulse durch ein zwisohen- 
gesohaltetes sensibles Nervenstück fortgepflanzt werden. 

Die erste Frage haben schon vor Jahrzehnten Philippeaux und 
Vulpian 8 ) bejahend beantwortet. Denn es gelang ihnen, bei Hunden 
in 2 Fällen unter 7 Versuchen in einen Defekt des Nerv, hypoglossus 
ein Stück des Nerv.Jingualis von demselben Tiere einzuheilen. Bezüglich 
der Struktur fanden sie, dass eine Degeneration des Transplantats oin- 
trat, und äusserten deswegen berechtigte Zweifel, ob es die Leitung ner¬ 
vöser Impulse vermitteln könne. Sie neigten zu der Annahme, dass die 
Uebertragung elektrischer Reize von dem zentralen Ende des Nerv, hypo¬ 
glossus auf dessen peripherisches Ende, die etwa im dritten Monate 
nach der Plastik gefunden wurde, auf die in dem Transplantate erkenn¬ 
baren neugebildeten Nervenfasern znrückzuführen seien, von denen 
nicht sicher festzustellen war, ob sie nur dem zentralen Hypoglossus- 
ende oder gleichzeitig der Umgebung des Transplantats entstammten. 

(Schluss folgt.) 


Zur Kenntnis der Radialislähmung. 

Von 

Privatdozent Dr. Hans Hirschfeld. 

In einer in Nr. 11 des Jahrgangs 1905 dieser Wochenschrift 
erschienenen Arbeit: „Ueber eine bisher noch nicht bekannte Be¬ 
gleiterscheinung der Parese des Nervus peroneus“ beschrieb ich 
ein eigenartiges Verhalten der gelähmten Muskeln. 

Ich zeigte, dass der Winkel, um welchen der Fuss dorsal flektiert 
werden kann, bei gebeugtem Kniegelenk ein erheblich grösserer ist als 
bei gestrecktem Bein. Die Erklärung für dieses Phänomen ist folgende: 
Wenn der herabhängende Fuss dorsal flektiert werden soll, so müssen 
die in Tätigkeit tretenden Muskeln an der Vorderfläche des Unterschenkels 
erstens die Schwere des Fusses überwinden und zweitens den ant¬ 
agonistischen Gegenzug der Wadenmuskulatur. Letzterer ist aber bei im 
Knie gebeugtem Bein geringer als bei gestrecktem, weil von den in Be¬ 
tracht kommenden Muskeln der M. gastrocnemius mit zwei Köpfen an 
der Hinterfläohe der unteren Kondylen des Oberschenkels und der M. 
solaris am Condylus lateralis femoris und Kniegelenkkapsel entspringen. 

1) D.m.W., 1917, Nr. 24. 

2) Traitö des sections nerv. Paris 1873. 

3) Athanassio-Benisty: Traitement etc. des Lösions des nerfs. 
1917. 

4) D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 59, S. 117. 

5) lnaug. Dissert. Berlin 1917. 

6) Arch. de phys. et path., 1870, Part. III, S. 618. 


Bei gestrecktem Bein wird dureh die Dorsalflexion des Fusses die 
Wadenmuskulatur stärker angespannt als bei gebeugtem, weil in 
letzterem Falle eine Entspannung der Wadenmuskulatur eintritt. 

Auf Grund mehrfacher Beobachtungen im Laufe der letzten 
Jahre will ich heute eine ganz ähnliche Erscheinung bei der 
Parese des Nervus radialis beschreiben, die ebenfalls auf den 
mechanischen Verhältnissen der antagonistischen Beugemuskulatur 
des Unterarms beruht. 

Bei der Parese des Nervus radialis hängt die Hand herunter, und 
ihre Dorsalflexion ist nur um einen gewissen Grad möglich. Lässt man 
aber einen solchen Patienten die Faust der erkrankten Seite schliessen 
und nun noch einmal dorsal flektieren, so ist der Exkursionsgrad ein 
deutlich grösserer. Die Abbildungen 1 und 2 verdeutlichen diese Ver¬ 
hältnisse wohl in genügend anschaulicher Weise. 

Abbildung 1. 



Abbildung 2. 



Die Erklärung ist folgende: 

Durch den Faustschluss findet eine Entspannung der Beugemusku¬ 
latur statt, und die verbliebene Kraft der paretischen Streckmuskulatur 
kann nunmehr einen stärkeren motorischen Effekt ausüben, da sie nur 
die Schwere der Hand, nicht mehr den Gegenzug der antagonistischen 
Beuger zu überwinden hat. Wie beträchtlich derselbe ist, davon kann 
man sioh jederzeit duroh einen Selbstversuch überzeugen. Wenn man 
die Hand bei gestreckten Fingern bis zur Ebene des Unterarms erhebt 
und nun bei gestreckt bleibenden Fingern versucht, die Hand weiter 
dorsal zu flektieren, so fühlt man deutlich den starken Gegenzug der 
Beuger, der sofort aufhört, wenn man die Faust schliesst. Auch kann 
man die zur Faust geschlossene Hand erheblich weiter dorsal flektieren 
als die gestreckte, und wenn man die stark dorsal flektierte und zur 
Faust geschlossene Hand öffnet, so senkt sie sioh, wenn man gleichzeitig 
die Finger stark streokt. 

Die antagonistische Wirkung der langen Fingerbeuger gegenüber 
der Dorsalflexion der Hand tritt besonders deutlioh dann' in die Er¬ 
scheinung, wenn der Extensor digitorum communis versucht, die Finger 
zu strecken. Bei Faustschluss bleibt der letztgenannte Muskel untätig, 
wird ausgesohaltet, wenn man die Hand dorsal flektiert, und es arbeiten 
lediglich die reinen Handstrecker, der Extensor carpi radialis longus und 
brevis und der Extensor oarpi ulnaris. Die Kontraktion dieser Muskeln 
also ist es, welche bei Faustschluss und der dadurch bewirkten Ausser- 
funktionsetzung der langen Fingerbeuger und ihres Gegenzuges einen 


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15. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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stärkeren motorischen Effekt bei der Dorsalflexion der Hand zustande 
bringt, vorausgesetzt, dass diese Extensoren der Hand nur paretisch, 
nioht etwa völlig gelähmt sind. 

Es empfiehlt sieb, die hier beschriebene Erscheinung bei der 
Uebongstherapie der Radialisl&hmung ausxu nutzen. Man soll die 
Patienten zuerst bei geschlossener Faust Versuche zur Dorsal¬ 
flexion der Hand machen lassen. Man wird dann früher als bei 
offener Hand die ersten aktiven motorischen Effekte eintreten 
sehen. Die Kranken, welche die grossere Bewegungsfähigkeit 
des gelähmten Gliedes bei Heben der zur Faust geschlossenen 
Hand bemerken, werden auch psychisch günstig beeinflusst. 

ln einer Arbeit „Ein operatives Verfahren bei Radialislähmung“ *) 
beschreibt Quetsch in zwei Fällen nach Verkürzung der Sehnen der 
radialen und ulnaren Handgelenkstrecker und der Streoksehnen der 
Finger und des Daumens als Resultat der Operation etwas ganz Aehn- 
liohes mit den Worten: „Während bei geöffneter Hand eine weitere 
aktive Streokung des Handgelenks nioht möglich ist, geht beim Faust¬ 
schluss das Handgelenk anscheinend automatisch in gestreckte Stellung 
über, in der es verbleibt, so lange die Faust geschlossen ist.“ Er ver¬ 
mutet, dass der Zug der Fingerbeuger bei stark verkürzten Handgelenk- 
streokern im Sinne der Streokung des Handgelenks wirkt oder dass 
dnreh die Sehnenverkürzung dooh noch ein geringer Rest von Kon- 
traktionsmögliohkeit der Strecker — etwa duroh Versorgung aus anderen 
Nervenstämmen — nutzbar gemacht wird. 

Wie meine Feststellungen zeigen, muss es sich in den beiden Fällen 
von Quetsch nioht um totale Radialislähmungen, sondern nur um 
Paresen gehandelt haben, und die Ursache des geschilderten Verhaltens 
beruht auf den von mir geschilderten mechanischen Verhältnissen und 
wird in gleicher Weise auch bei nioht operierten Fällen gesehen. Dass 
der Zug der Fingerbeuger allein bei kompletter Radialislähmung eine 
Streckung im Handgelenk zustande bringen soll, ist ganz undenkbar. 
Offenbar war in beiden Fällen von Quetsoh noch eine minimale Kon¬ 
traktionsfähigkeit der Streckmuskulatur vorhanden, die aber nur nach 
Verkürzung der Strecksehnen und bei Faustschluss einen sichtbaren 
motorisohen Effekt ausüben konnte. 


Bücherbespreehungen. 

J. Schiffer: Die Therapie der Halt- ud veaerlsehei Kraakheitea. 

3. Auf!. Berlin und Wien 1918. Verlag von Urban & Schwarzen¬ 
berg. 468 S. 

Die 8. Auflage zeigt verschiedene Erweiterungen und Umarbeitungen. 
1h der Röntgentherapie ist u. a. die Schilderung der Behandlung mit 
härteren Strahlen unter Anwendung dickerer Aluminiumfilterung ein- 
gefügt. Ferner sind verschiedene in neuerer Zeit empfohlene Arznei¬ 
mittel (Gignolin, Solarson u. a.) mit aufgeführt. Auch die leidigen, aber 
so notwendigen Kriegsersatzmittel sind berücksichtigt. Dass das Schäffor¬ 
sche Werk im Jahre 1915 in erster und drei Jahre später in dritter 
Auflage erschienen ist, spricht für die grosse Beliebtheit des ganz aus¬ 
gezeichneten, so ungemein praktisch abgefassten Buches. 

_ Bruhns-Cbarlottenburg. 


M. Ortaer: Kliaische Symptomatologie iuerer Kraakheitea. I. 2. Teil. 

Berlin u. Wien, Verlag von Urban k Schwarzenberg. Preis 20 M. 

Von dem in Nr. 24, 1917 besprochenen Werk liegt nunmehr der 
2. Teil vor. Er bringt die Fortsetzung des Symptoms Sehmers, und 
zwar Herzschmerzen und Schmerzen in der Herzgegend, Kreussohmeraen, 
Stei8sschmerzen, Schultersohmerzen, Rückensohmerzen, Halsschmersen, 
Naokensohmerzen, Brustsohmerzen, Extremitätensohmerzen, Muskel¬ 
seh merzen : Knochensohmerien, Gelenksohmerzen und Kopfsohmerz. Da¬ 
mit ist dieses Symptom abgeschlossen. Alles was bei Ankündigung 
des ersten Teils gesagt wurde, gilt auoh für diesen Teil. Man bewundert 
wiederum die ganz ungewöhnliche Erfahrung und Belesenheit des Ver¬ 
fassers und seine auch von der eigenen Diagnostik nioht haltmaohenden 
Kritik und bedauert wiederum, dass Anordnung und Stil der Erreichung 
des einen der gesteckten Ziele, der raschen Unterriohtung in zweifel¬ 
haften Fällen, einigermaassen hinderlioh im Wege stehen. 

Hans Kohn. 


Paal Hera-Bonn: Ueher nervöse Erkrankungen nach Eisenhahninfftllen. 

Zweite völlig umgearbeite und erweiterte Auflage. Bonn 1918, Verlag 
von A. Marcus & E. Weber. 174 S. 
ln der zweiten Auflage seines zuerst 1918 erschienen Buohes bat der 
Verf. die im Laufe der letzten Jahre duroh weitere Erforschung der Un¬ 
fall- und Kriegsneurosen hinzugekommenen neuen Gesichtspunkte be¬ 
rücksichtigt und das Entsohädigungsverfahren eingehender besprochen. 
Ferner konnte er weiteres Beobaohtungsmaterial hinzufügen. Naoh einem 
geschichtlichen Ueberbliok über die Unfallneurosen bespricht er nach¬ 
einander Häufigkeit und praktische Bedeutung der Eisenbahnunfall- 
neurosen, Krankheitsformen, Bedeutung der Krankheitsbereitscbaft, Unter¬ 
suchung und Behandlung,Rechtsgrundlagen des Entschädigungsanspruches, 


1) M.m.W., 1918, Nr. 24. 


Verlauf bei Kapitalabfindung und bei Rentengewährung, vergleichende 
Bewertung der einzelnen Entsohädigungsverfahren, Begutachtung. Als 
Fazit seiner Ausführungen stellt er am Schluss 15 Leitsätze auf. Er 
unterscheidet folgende Formen der Unfallneurosen: 1. Emotionsneurosen. 
2. Kommotionsneurosen. 3. Neurosen nach örtlichen Traumen. 4. Misoh- 
formen. 5. Entschädigungskampf neu rosen. Die Kapitalabfindung ist 
zweifellos die beste Form der Entschädigung, bei welcher weit mehr 
Fälle zur Heilung gelangen als bei Rentengewährung. Voraussetzung 
für eine einmalige Kapitalabfindung ist aber eine völlig einwandfreie 
Diagnose und Ausschliessung organischer Komplikationen. Vollrente ist 
nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt, meist reichen Anfangsrenten von 
30—60 pCt. aus. 

R.’s Ausführungen werden allen mit der Begutachtung von Unfall¬ 
kranken betrauten Aerzten eine wertvolle Beihilfe bei der Erstattung 
einschlägiger Gutachten sein._H. Hirschfeld. 


Bernhard Sehreher: Hygieae der keramischen Industrie (Eiegel¬ 
arbeiter, Töpfer and Persellaaarbeittr). — Hygiene der Ulasarhelter 
and der Spiegelbeleger. — Hygiene der Phosphor- and Zttndwaren- 
arbeiter. Weyl’s Handbuch der Hygiene. 2. Aufl., Bd. 7, 5. Abt. 
Leipzig 1918. 

Nach interessanten geschichtlichen Mitteilungen übet die Entwick¬ 
lung der Ziegelei-, Töpfer- und Porzellan waren und einer ausführlichen* 
duroh zahlreiche Abbildungen belebten Schilderung ihrer jetzigen Her¬ 
stellung bringt Verf. eine grosse Reihe wichtiger statistischer Angaben 
über die in den betreffenden Betrieben beschäftigten Personen und den 
Umfang der Ein- und Ausfuhr ihrer Erzeugnisse, unter denen für die 
deutsche Volkswirtschaft die Porzellan waren als Exportartikel eine be¬ 
sonders grosse Rolle spielen. Es folgen eingehende Erörterungen über 
die betreffenden Berufskrankheiten und die Maassnahmen zu ihrer Ver¬ 
hütung. 

Naoh den gleichen Gesichtspunkten wird alsdann die Hygiene der 
Glasarbeiter und Spiegelbeleger sowie schliesslich die der Phosphor- und 
Zündwarenarbeiter behandelt. Die anregend geschriebenen, zum grossen 
Teil auf jahrelange eigene Beobachtungen und Erfahrungen gestützten 
Darlegungen wird jeder begrüssen, dem die gesundheitliche Förderung 
der Arbeiter dieser für das gesamte Votkswohl so bedeutsamen Industrie¬ 
zweige am Herzen liegt. B. Hey mann. 


Literatur-AuszQge. 

Physiologie. 

S. Bergei: Zur Lymphozytenlipase. (M.m.W., 1919, Nr. 33.) Verf 
erbringt einen direkten Nachweis einer Lipase in den Lymphozyten 
duroh Einwirkenlassen lymphozytenhaltigen Materials auf Bienenwachs- 
platten. Es bilden sich dann an diesen Stellen Dellen und Verflüssigung 
in der Umgebung. Chemisch lässt sich dann auoh Fettsäure nachweisen. 
Da die Tuberkelbazillen zu einem erhebliohen Teile aus einer wachs¬ 
artigen Substanz bestehen, so erhellt daraus die Bedeutung des lympha¬ 
tischen Apparates für den tuberkulösen Organismus. R. Neumann. 

J. Grober und W. E. Pauli-Jena: Untersuchungen über die 
bielegische Wirkung der Kathodenstrahlug. (P.m.W., 1919, Nr. 31.) 
Aus der gleichen Energiequelle kann man mittels der K-Strahlen eine 
viermillionenfach stärkere Energie bei der Absorption durch dasselbe 
Präparat entwickeln als mittels der R-Strahlen. Die biologische Wirk¬ 
samkeit der K-Strahlen Hess sioh bei der praktischen Ausführung an 
zwei ausgewählten Objekten verschiedener biologischer Herkunft (Bao- 
terium ooli und Larve des Axolotl) in Uebereinstimmung mit den theo¬ 
retischen Ueberlegungen nachweisen. Dünner. 


Pharmakologie. 

F. Neufeld und 0. Sohiemann - Berlin: Chemotherapeutische 
Verziehe mit Akridinfarbztoff. (D.m.W., 1919, Nr. 31.) Die Verff. 
haben mit einigen Mitteln der Akridingruppe ein Abtöten von Bakterien 
von der Blutbahn aus erreicht. Es erscheint gerechtfertigt, zunächst 
mit dem bereits beim Menschen als unschädlich erwiesenen Trypaflavin 
Versuch© zum Zweoke innerer Desinfektion anzustellen und weiterhin 
an entsprechende Versuche mit den anderen Mitteln aus der Reihe her- 
anzugehen, die im Tierversuch erheblich weniger giftig und dabei an¬ 
scheinend wirksamer sind. Es kommt hier namentlich die Gonorrhoe in 
Betraoht Von einer Kombination von Optochin und Trypaflavin bei 
Pneumonie wäre auch ein Erfolg zu erwarten. 

H. Fu hn er-Königsberg: Die ßlaaslarevergiftug ud ihre Be- 
hudliig. (D.m.W., 1919, Nr. 81.) Nach einem am 26. Mai 1919 im 
Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königsberg gehaltenen Vor¬ 
trag. _ Dünner. 


Therapie. 

P. Michaelis - Bitterfeld: Das Hypeehltrid ii der Behaadlng der 
Hut- ud Geschlechtskrankheiten. (Denn. Wsoh., 1919, Bd. 69, Nr. 28.) 
Verf. empfiehlt die Kalziumhypochlorit-Tabletten aufgelöst zu Bädern 
hei Uleera mollia, sowie zu Janei’schen Spülungen bei Gonorrhoe. 

R. Früh wald - Leipzig: Atephu hei Haetkrukheiten. (Denn. 
Wsobr., 1919, Bd. 69, Nr. 27.) F. empfiehlt Atopban bei juckenden 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Dermatosen, wie Urtikaria, Strophulus and Prurigo in Dosen von 8—4 g 
pro die 3—4 Tage lang. Immerwahr. 

R. Rohrbaob - Bremen: Die Behandlung einer der häufigsten Halt- 
kraikheiteu in der Praxis. (M.m.W., 1919, Nr. 30.) Eingehende Be¬ 
sprechung unter Beifügung zahlreicher Rezepte folgender Hauterkran¬ 
kungen: Ekzem, Pyodermie und Furunkulose, Sycosis non parasitaria, 
Trichophytie und Ulous oruris. R. Neu mann. 

Ruete-Marburg: Zur Frage der Terpeitinbehandlung. (Denn. 
Zsohr., Juli 1919.) Bei Bartflechten hat R. mit der Terpentinbehandlung 
nur Misserfolge erlebt. Bei Furunkulose hat er in einigen Fällen gute 
Resultate erzielt. Immerwahr. 

M. Oppenheim und E. Lekisoh: Ueber die Behandlung des Harn¬ 
röhre! tri ppers mit Suspension von Tierkohle in Argentum proteini- 
eum- oder f rotargoiltisuigpn. (W.m.W., 1919, Nr. 30.) Die Suspension 
von Tierkohle in Argentum proteinioum-Lösung ist der Suspension in 
Wasser allein bei unkomplizierten Fällen von Urethritis aouta totalis 
vorzuziehen. Es ist vorteilhaft, bei stärkeren Reizsymptomen 1—3 Per¬ 
manganatspülungen vorausgehen zu lassen. Die Behandlung ist reizlos, 
unsohädüoh und kürst die Behandlungsdauer ab. G. Eisner. 

W. Schönfeld - Würzburg: Die Behandlung des weiblichen Trippen 
mit intramuskulären Injektionen von Keehsalzchlorkalziumlösug 
nach v. Szily und Stransky. (M.m.W., 1919, Nr. 32.) Die lür akute 
Ophthalmoblenorrhoe angegebene Methode wurde vom Verf. in 36 Fällen 
von weiblichem Tripper angewandt. Es wurden an 4 Tagen 4 Injek¬ 
tionen, und zwar zweimal zu 8 ccm und zweimal zu 5 ccm einer 30proz. 
Kochsalzlösung mit lproz. Chlorkalziumzusatz in die Glutäen injiziert, 
ln 5,5 pCt. der Fälle trat Heilung ein, in 11,1 pCt. Besserung. Diese 
relativ geringen Erfolge und zugleich die erheblichen Nebenwirkungen 
der Injektionen, bestehend in starker Schmerzhaftigkeit und teilweiser 
Abszessbildung, kontraindizieren die weitere Anwendung des Verfahrens, 
das theoretisch den Terpentininjektionen Klingmüller’s entspricht. 

G. Eisei-Rostock: Intraskrotale Koehsalziujektionen zir Be¬ 
handlung der Epididymitis gonorrhoica. (M.m.W., 1919, Nr. 33.) Bei 
30 Fällen von gonorrhoischer Nebenhodenentzündung wurde durch In¬ 
jektion von 10—15 ccm physiologisoher Kochsalzlösung zwischen Skrotum 
und Tunioa vaginalis des Hodens vom unteren Pol aus gute Wirkung 
erzielt. Es trat sofort Schmerzlosigkeit ein, in frischen Fällen ausserdem 
ein Stillstand der Entzündung und eine starke resorptionslördemde 
Wirkung. 

G. L. Dreyfus: Silbersalvarsan bei luetischen Erkranknigen des 
Nervensystems. (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Silbersalvarsan ist weniger 
gefährlich als Alt- und Neosalvarsan. Die Lösung des Pulvers nimmt 
man am besten in der 30 ccm Injektionsspritze, die ganz aus Glas be¬ 
stehen und mit Platiniridiumnadel versehen sein soll, vor. Die Lösung 
muss völlig klar, frei von Niederschlägen und ichthyolbraun sein. Die 
Dosierung muss streng individualisiert werden. Im allgemeinen sollen 
nur 2 Injektionen in der Woche gegeben werden. Bei der Lues oerebro- 
spinalis beginnt man stets mit kleinen Dosen: 0,05, steigt dann event. 
naoh 2—3 Tagen auf 0,075, dann 0,1, 0,15, 0,2 je nach dem Fall im 
Abstand von 2—3 Tagen. Bei Tabes sollen in der Woche nicht mehr 
als 0,2—0,3 g gegeben werden. Die noch genauere Dosierung muss im 
Original nachgelesen werden. Die besten Erfolge wurden bei der Zerebro 
spinallues im Frühstadium erzielt; die Besserungen lassen sich am besten 
am Liquor objektiv naohweisen. Auch bei der Lues cerebrospinalis der 
Spätlues trat ein guter subjektiver Erfolg ein. Besonders empfindlich 
gegen das Mittel ist aber die Tabes. Bei einigen Tabikern musste wegen 
Auftretens zu starker Allgeraeinbeschwerden das Mittel ausgesetzt 
werden, während in 25 Fällen gute Erfolge erzielt wurden. Bei mittel- 
schweren Erkrankungen wurden Erfolge in 2 Fällen von multipler 
Sklerose, dann bei Polioenoephalitis superior, Malaria tropica erzielt. 

P. Lindig - Freiburg i. Br.: Das Kaseii als Heilmittel. Ein Beitrag 
zur Frage naoh dem Wesen und dem wirksamen Faktor der Milch¬ 
therapie. (M.m.W., 1919, Nr. 33.) Kritische Besprechung der theo¬ 
retischen Begründung und des Nutzens der Milchtherapie. Im Kasein 
glaubt dann Verf. den Stoff gefunden zu haben, dem die Heilwirkungen, 
aber nicht die Nachteile der Milch zukommen. Zur Verwendung kommen 
intravenöse Injektionen einer 5proz. Lösung mit Natr. bicarb.-Zusatz. 
Die gebrauchsfertige Lösung in sterilen 1 com-Ampullen wird in der 
chemischen Fabrik von Heyden, Radebeul-Dresden, hergestellt. Man 
gibt zuerst V 2 00 m, dann naoh 2 Tagen 1 ccm, und in Abständen von 
2—3 Tagen nochmals 2—3 mal diese Dosis. Damit wurden sehr gute 
Erfolge in einem Fall von Puerperalfieber, bei septisohen Aborten, bei 
tuberkulösem Infiltrat des kleinen Beckens erzielt. An die Injektionen 
sehliesBen sioh öfters zunächst Schüttelfröste an, dann sinkt das Fieber 
ab. Auffällig ist die oft ein tretende Schläfrigkeit. Mitunter traten vor¬ 
übergehende Kopfsohmerzen und Albuminurie auf. Das Blut zeigte keine 
typische Veränderung. R. Neumann. 

F. B. Meyer-Berlin: Zur Röntgenbehandlung der Indnratio penis 
plastica. (Denn. Wschr., 1919, Bd. 69, Nr. 29.) 2 Fälle. M. empfiehlt 
die Röntgenbehandlung verbunden mit Organotherapie, um die Potentia 
ooeundi möglichst bald wiederzuerlangen und den Geschlechtsverkehr 
ohne Schmerzen wieder ausüben zu können. Immerwabr. 

K. Warnekros-Berlin: Karzinombehandluug mit höehstgespannten 
Strömen (über 100000 Volt). (M.m.W., 1919, Nr. 32.) Mittels des durch- 
sehiagsicheren Transformators Dessauer’s und der verbesserten 
Fürstenau’sohen Röhre gelingt es jetzt, Spannungen bis zu 220000 


Nr. 87. 


Volt klinisch anzuwenden. Da aber die Härte der Strahlung der 
Spannung entspricht, ist man imstande, bedeutend härtere, d. h. pene¬ 
trationsfähigere Strahlen, als es bisher möglioh war, jetzt therapeutisch 
verwerten zu können. Vor der Anwendung empfiehlt es sioh, geometrisch 
genau den Winkel für die Einstellung der Röntgenhaube zu berechnen, 
der für die homogene Bestrahlung des Wirkungsgebietes am geeignetsten 
ist. Genaue Beschreibung der Art dieser Berechnung. Diese hoch¬ 
gespannten Strahlen wurden bei einem Fall von schwerem, inoperablem 
Korpuskarzinom angewandt. Schon nach 4 Bestrahlungen von je 80 Mi¬ 
nuten Dauer von 4 genau berechneten Einfallpforten aus konnten die 
Patienten klinisoh von ihrem vorgeschrittenem Uteruskarzinom geheilt 
werden. Als Unterstützung der Röntgenkur emptieht sioh naoh drei- 
bis viertägiger Bestrahlung eine grosse intravenöse Blutinfusion. 

F. Schulze-Bonn: Röutgentrahlenbehandlung bei Moeller’seher 
Glossitis and chronischer Gingivitis. (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Bei einem 
Fall von chronischer, schmerznatter, figurierter Entzündung der Zungen¬ 
schleimhaut, ähnlich der sogen. Moeiler’schen Glossitis, die jeder Be¬ 
handlung trotzte, wurde durch Röntgenbestrahlung (5mal bei 0,5 Alu¬ 
miniumfilter mehrmals in 14tägigen Intervallen) erhebliche, andauernde 
Besserung erzielt. Ein ebenso günstiger Enolg trat bei einer lang¬ 
jährigen Gingivitis auf. Versuche mit Röntgenbestrahlungen bei ähn¬ 
lichen Zahnfleisohleiden, besonders bei alveolärer Pyorrhoea, werden 
empfohlen. R. Neu mann. 

H. Kreutzer - Belzig: Die Art der Abgabe der F. F. Friedmann- 
sehea Heil- aad Schutzmittel für Taherkalose. (D.m.W., 1919, Nr. 32.) 
K. sieht in der Art der Abgabe eine ungerechtfertigte Kontrolle der 
Aerzte. 

V. Bock - Berlin: 5Vajährige Erfahrungen über das Friedmaaa’sehe 
Mittel bei Laageataberkaiose. (D.m.W., 1919, Nr. 31.) Nach B. werden 
Frühfälle von Tuberkulose restlos geheilt. B. konnte eine Dauerheilung 
bis zu 57a Jahren beobachten. Dünner. 

0. Gross - Greifswald: Zur Behandlung der Laageagaagria mit 
Salvarsan. (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Bei einen Fall von Lungengangrän 
mit einer röntgenologisoh fast kindskopfgrossen Höhle in der linken 
Lunge wird in 2 Monaten durch dreimalige intravenöse Gaben von 0,45 
Neosalvarsan völlige Heilung erzielt 

F. 0 eh leck er-Hamburg: Direkte Bluttransfusion von Vene am 
Vene bei perniziöser Anämie. (M.m.W., 1919, Nr. 32.) Die Bluttrans¬ 
fusion wird lolgendermaassen ausgeführt: Ein bogeniormiges Metalirohr 
mit einem Zweiwegehahn ist mit 2 Giaskanäleo, die in die Vene des 
Spenders und Empfängers eingeknüpft werden, versehen. Seitlich an 
dem Metallhahn ist ein Ansatz für eine Glasspritze. Aus der gestauten 
Vene des Spenders wird das Blut angesaugt und nach Umstellung des 
Halses dem Empfänger eingespritzt. Nach Wechsel der Spritze wird das 
beliebig wiedernolt. So kann man in kürzester Zeit 500—1000 ocm 
Blut überleiten. Es empfiehlt sioh, vorher das Spenderblut auf Hämo¬ 
lyse und Agglutination zu untersuchen. Bedrohliche Erscheinungen 
wurden dann nie beobaohtet. Das Verfahren wurde bei 17 Fällen von 
perniziöser Anämie angewandt und zeitigte, wenn es nicht zu spat ge¬ 
geben wurde, die bekannten günstigen Erfolge; es scheint der indirekten 
Transfusionsmethode überlegen zu sein. Die Transfusion empfiehlt sioh 
auch als Vorbereitung für eine etwaige Milzexstirpation. 

R. Neumann. 

E. Vogt: Die intrakardiale Injektion snr Bekämpfnng der 
Asphyxia pallida der Neugeborenen. (D.m.W., 1919, Nr. 32.) Man in¬ 
jiziert 0,5 physiologische Kochsalzlösung mit 8—10 Tropfen Suprarenin 
oder 0,2—0,4 Hypophysin oder 0,3 ccm Digipurat. 

F. Rosenfeld - Stuttgart: Enknpin bei der Behandlung der Grippe 
sowie des akuten Gelenkrheumatismus. (D.m.W., 1919, Nr. 31.) R. 
glaubt, mit Eukupin die Pneumonie verhüten und die beginnende Pneu¬ 
monie absohwächen zu können. Auoh Versuche bei Gelenkrheumatismus 
hat R. gemacht. Seine Beobachtungen sind nicht kritisch. Dünner. 

M. Bisohoff - Magdeburg: Ein Vorschlag zur Behandlung der 
Bright’sehen Nierenerkrankung im akuten Stadium. (M.m.W., 1919, 
Nr. 33.) Naoh Volhard ist die difluse Glomerulonephritis eine Folge 
der Blutleere der Glomeruli und kleinsten Nierengelässe, anfänglich nur 
beruhend auf einer angiospastischen Drosselung derselben. Gelingt es, 
die Zirkulation beizeiten wieder in Gang zu bringen, so heilt die 
Nephritis aus. Da aber Alkohol eine Blutüberfüllung der Nieren macht, 
so wird versuchsweise Zuführung von Alkohol, und zwar in toxisch 
wirkender Menge in konzentrierter Form von Grog oder Glühwein bei 
akuter Glomerulonephritis empfohlen. R. Neumann. 


Allgemeine Pathologie 11. pathologische Anatomie. 

K. A. Heiberg: Initiale Tuberkelformei. Beitrag zur Kenntnis 
der Genese des Tuberkels beim Menschen. (Zbl. f. Path., 1919, Bd. 30, 
H. 5.) Als Vorstadium des Epitheloidzelltuberkels werden Anhäufungen 
von Polyblasten, umgeben von kleinen Rundzellen, beschrieben; die 
Bilder entstammen einem Fall von Lupus. So ein. 

E. Wei 11-Strassburg i. E.: Ueber die Bildung von granuliertei 
Leukozyten im Kariinomgewebe. (Arch. f. path. Anat., 1919, Bd. 226, 
H. 2.) Verf. untersucht an zwei Fällen von Portiokrebs die Genese 
granulierter und ungranulierter lymphozytärer Zellen und kommt zu 
dem Schluss, dass im Karzinomgewebe unabhängig vom Knoohenmark 
aus lymphozytären Elementen eosinophile Leukozyten entstehen können. 

Sohönberg. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


881 


15. September 1910. 


V. B. Schmidt: üeber die Schlängelung der Arteri* temporalis. 
(Zbl. f. Path., 1919, Bd. SO, H. 3.) Histologische Untersuchung der 
Temporalarterie bei Männern des dritten Deienniums mit deutlicher 
Schlängelung der Frontaläste dieses Gelasses ergab als wahrscheinliche 
Grundlage dieses Verhaltens Veränderungen der Elastica intimae in 
Gestalt kleiner Einrisse, die meist von einer polsterartigen Intima- 
Verdickung überbrückt sind. Ursaohe dieser Risse sind färberisch nicht 
darstellbare Abweichungen in der Zusammensetzung der Elastika, die 
auoh zu isolierter Verkalkung derselben führen können. Es handelt 
sich um einen lokalen Prozess ohne nähere Beziehung zu allgemeiner 
Arteriosklerose. 

H. Koerner: Geschwülste der Adergefleehte. (Zbl. f. Path., 1919, 
Bd. 30, H. 6.) Verf. beschreibt ein vom Plexus des rechten Seiten¬ 
ventrikels ausgehendes Papillom und zwei Plexusgeschwülste des vierten 
Ventrikels, wovon die eine ihres deutlich infiltrierenden Wachstums 
wegen als Karzinom, die zweite als krebsartiges Neuroepitheliom auf* 
gefasst wird. Sooin. 

E. J. Kraus-Prag: Zar Kenntnis der Naiosomie. (Beitr. z. path. 
Anat., 1919, Bd. 65, H. 3.) Bei einem 27 jährigen Mädchen mit pro¬ 
portioniertem Zwergwuchs und Idiotie, kombiniert mit zerebrogenitaler 
Fettsucht, ergab die histologische Untersuchung eine hochgradige Hypo¬ 
plasie der Neurohypophyse, hochgradige Verarmung des Vorderlappens 
der Hypophyse an eosinophilen Zellen, infantilen Typus der Epiphyse, 
Greisentypus der Thymus, Nebennieren und Milohdrüsen sowie eine 
kleinzystische Degeneration der Ovarien. Das Knochen Wachstum war 
durchweg abgeschlossen, nirgends fanden sich offene oder nioht ver¬ 
knöcherte Epiphysenfugen. Schönberg. 

Kuczynski: Weitere histologisch-bakteriologische Befunde beim 
Fleckileher. 2. Mitteilung: Die Bedeutung der Rikettsia Prowazek! 
für die Entstehung des Gefässknötchens. (Zbl. f. Path., 1919, Bd. 30, 
Nr. 2.) Im Hirn und Kleinhirn eines fleckfieberinfizierten Meerschweinchens 
konnte Verf. Gebilde darstellen, die als Rikettsien aufzufassen sind. 
Die Rikettsien liegen in nekrotisch zerfallenden Endothelzellen innerhalb 
der typischen Knötchen. Sie sind als nosogener Parasit des Fleokfiebers 
aufzufassen, während Proteus Xj 9 sichtlioh für das Fleckfieber des 
Meerschweinchens keine Rolle spielt. Sooin. 

E. Leupold-Würzburg: Ein Beitrag zur Kenntnis der Syringo¬ 
myelie. (Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 2.) Fall von Syringo¬ 
myelie, der neben den bekannten Veränderungen der Höhlenbildung 
und Gliawucherung charakterisiert war durch einen extramedullär ge¬ 
legenen Tumor, der histologisch als Gliom angesprochen werden musste. 
Dieser Befund spricht für die Annahme, dass die Syringomyelie auf eine 
tumorartige, meist dififase, teils aber auch zirkumskripte Wucherung des 
Gliagewebes zurüokzuführen ist. Gleichzeitig bestand eine nioht un¬ 
beträchtliche Vergrösserung der Hypophyse, die zum grössten Teil be¬ 
dingt war durch eine Gliawucherung hauptsächlich der Pars nervosa. 

Sobönberg. 

P. Prym-Bonn: Erkrankungen der Naseaiebenhöhlea und des 
Mittelehrs bei Iaflaeasa. (D.m.W., 1919, Nr. 82.) In 77 pCt. der 
Grippefälle fand sioh eine Veränderung der Keilbeinhöhle. In 25 Fällen 
ergab die bakteriologische Untersuchung ein positives, in 22 ein negatives 
Resultat (viermal Infiuenzabazillen). In der oberen Nasenhöhle waren 
in der Hälfte der Fälle, in der Stirnhöhle in einem Drittel Verände¬ 
rungen. Auch am Gehör liess sioh zum Teil ein pathologischer Befund 
feststellen. 

G. Strassmann-Berlin: Schwere 8chussTerletzaag des Herzens. 
(D.m.W., 1919, Nr. 31.) Mitteilung eines Falles. Das Herz war zum 
Teil durch den Schuss zerrissen worden. Dünner. 

G. Lepehne: Zerfall der roten Hlntkirpereben bei Ikterns in- 
feetiesns (Weil). Ein weiterer Beitrag zur Frage des hämatogenen 
Ikterus, des Hämoglobin- und Eisenstoffwechsels. (Beitr. z. path. Anat., 
1919, Bd. 65, H. 2.) Bei 21 Fällen von Ikterus infeotiosus fanden sich 
jedesmal innerhalb der Zellen des retikuloendothelialen Stoffweohsel- 
apparates, insbesondere in stark vergrösserten Milzpulpazellen, Sinus- 
endothelien und Retikulumzellen zahlreiche Trümmersobeibchen von 
roten Blutkörperchen. Ein ähnlicher Befund konnte auch experimentell 
beim Meerschweinchen erhoben werden. Dieser Befund wird als Erythror- 
rhexis innerhalb der Zellen gedeutet und dürfte auch die Anämie in 
den Weil-Fällen mit erklären. Auf Grund dieser Befunde kommt Verf. 
unter Berücksichtigung der Untersuchungen von McNee über die 
ikterogene Bedeutung der Retikuloendothelien zu dem Schlüsse, dass 
auoh bei der Weil’schen Krankheit an eine „retikoendotheliale" Ent¬ 
stehung des Ikterus gedacht werden muss. 

Kuozyn8ki-Cöln: Beobachtungen über die Beziehungen von Milz 
■ad Leber bei gesteigertem Blntzerfall unter kombinierten toxisch- 
infektiösen Einwirkungen. (Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 2.) 
Bei Blutzerfall unter toxisch-infektiösem Einfluss kommt es bei dis¬ 
ponierten Individuen zu typischen Leberveränderungen, bestehend in 
Nekrosen und lymphatisch-splenoiden Wucherungen der Kupfer’sehen 
Sternzellen und von fötalem Gewebe. Diese Verhältnisse werden ge¬ 
schildert bei einem Fall von Lues und SalvarsanWirkung sowie von 
Malaria und Chinindyskrasie, ferner nach Milzaussohaltung bei toxisch¬ 
septischem Verfall. Bei chronischer Wirkungsdauer kommt es in der 
Leber zur Ausbildung zirrhotisoher Prozesse. Sehönberg. 

R. Jaffe: Zur Pathologie der Balaitidieikolitis. (Zbl. f. Path., 
1919, Bd. SO, H. 7.) Bei einem 40jährigen Manne, der unter ruhrartigen 


Erscheinungen gestorben war, ergab die Sektion eine ausgedehnte ulzeröse 
Kolitis. Neben kleinen oberflächlichen Sohleimbautnekrosen fanden sioh 
charakteristische kleinere und grössere Ulzera mit ausgezackten unter¬ 
minierten Rändern und nekrotischem Grunde. Während innerhalb des 
Ulkusgrundes keine wohlerhaltenen Balantidien, sondern nur einzelne 
Parasitenkerne und kernlose zerfallende Parasiten sowie reichlich 
Bakterien nachweisbar waren, enthielt das gesunde Gewebe des Diok- 
darms in allen Schichten guterbalteoe Balantidien, zum Teil in Gefässen 
gelegen, zum Teil im Gewebe ohne entzündliche Reaktion der Umgebung. 
J. nimmt an, dass der Zerfall der Balantidien im Gewebe Ursache der 
Geschwürsbildung sei. Sooin. 

W. Gross-Heidelberg: Frische Glomerulonephritis (Kriegsuiere). 
(Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 8.) Verf. untersuchte einige 
Fälle von längstens 7—8 Wochen dauernder Kriegsnephritis und konnte 
in der Hauptsache die Angaben von Lang bans und Löh lein be¬ 
stätigen, wonach die ersten sicher nachweisbaren Veränderungen der 
Glomerulonephritis in einer Erkrankung der Glomeruluskapillaren be¬ 
ruhen. Alle späteren Veränderungen, wie eine Beteiligung der Kanälchen, 
lassen sioh als Folge dieser Glomeruluserkrankung betrachten. Auch 
bei schwerer Erkrankung aller Glomeruli kann die Niere noch reichlioh 
Wasser ausscheiden. Die (Membildung beruht auf extrarenalen Ur¬ 
sachen. Für die Prognose entscheidet der Zustand der Glomeruli. Bei 
älteren Fällen findet sich eine Verbreiterung des Zwiscbengewebes und 
eine reoht beträchtliche Infiltration der ganzen Nierenrinde. 

C. Roh de-Frankfurt a. M.: Maligne Heilgeschwulst der Niere 
mit Papillom- und Zottenkrebsbildung des uropoetischen Apparates 
beim Erwachsenen. Ein Beitrag zur Pathogenese der Miscbgeschwülste. 
(Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 2.) Kasuistische Mitteilung. 
Die Genese wird auf abgesprengte Mesoderm- und Ektodermzellen zurück¬ 
geführt. Die ontogenetische Terminationsperiode wird in die Zeit des 
embryonalen Körperwacbstums zurückgelegt, in der bei der Anlage des 
uropoetischen Apparates Derivate dieser beiden Keimblätter normaler¬ 
weise in enge entwicklungsgeschichtliche Beziehung treten. 

R. H. Jaffö-Wien: Ein Gauglioneurom der Nebenniere. (Beitr. 
z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 2.) Kasuistische Mitteilung. 

B. Wolff-Rostock: Experimentelle Untersuchungen über die Ent¬ 
stehung extranteriner Schwangerschaften und über die Möglichkeit 
operativer Eingriffe beim lebenden Säugetierfötus. (Beitr. z. path. Anat., 
1919, Bd. 65,’H. 3.) Verf. gelang es, durch operative Maassnahmen an 
der Gebärmutter schwangerer Tiere extrauterine Schwangerschaften zu 
erzeugen, wobei zum ersten Male die Beobachtung gemacht werden 
konnte, dass der Fötus sich nach seinem Austritt in die Bauchhöhle 
lebend zu erhalten vermag, und dass das Ei vermittelst neuer Wurzeln 
an der Verpflanzugsstelle eine für seine Weiterentwicklung hinreichende 
Nahrungsmenge aufzunehmen befähigt ist. Die Ergebnisse dieser Ex¬ 
perimente zeigen an, dass die bisher beobachteten extrauterinen Gravidi¬ 
täten bei Kaninohen als sekundäre aufgefasst^werden können und lassen 
sich auch für das Studium der gewöhnlichen Formen menschlicher 
sekundärer Abdominalschwangersohaften verwerten. 

J. Hammersohmidt-Wien: Histologische Befunde bei Varicellen. 
(Beitr. x. path. Anat, 1919, Bd. 65, H. 2.) Genaue histologische Be¬ 
schreibung der Entstehung der Varioellenpustel, die sich zu einem kurzen 
Referat nioht eignet. 

G. Patosohnig-Prag: Ein Fall von malignem Chordom mit Meta¬ 
stasen. (Beitr. s. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 2.) Mitteilung eines 
Falles von malignem Ghordom des Kreuzbeins von 6,5 kg Gewioht mit 
Metastasenbildung in der Leber und regionären Lymphdrüsen. 

Th. Eiken-Kopenhagen: Ueber Osteogenesis imperfecta und ihre 
Beziehung zur genuinen Osteomalazie. (Beitr. z. path. Anat., 1919, 
Bd. 65, H. 2.) Mitteilung eines klinisch und pathologisch anatomisch 
untersuchten Falles von Osteogenesis imperfecta, der eine beträchtliche 
Abweiohung von der gewöhnlichen Auffassung dieser Krankheit ergab. 
Das Knochengewebe war sehr kalkarm und in grossem Umfang von 
eigentümlichem, knorpelähnliohem Bau. Die herabgesetzte Knochen¬ 
bildung ist so gut wie ausschliesslich durch gehemmte Tätigkeit der 
Osteoblasten bedingt, indem bei der periostalen Verknöcherung nur 
eine äusserst spärliche Menge osteoblastenähnlioher Riesensellen vor¬ 
handen ist. Vieles sprioht demnach dafür, dass die besonderen Knochen¬ 
bildungsvorgänge bei der Osteogenesis imperfecta erstens durch eine 
herabgesetzte Erzeugungsfähigkeit der knochenbildenden Elemente nnd 
zweitens durch ein mangelhaftes Vermögen des neugebildeten, zum Teil 
abnorm gebauten Gewebes in bezug auf Kalkaufnahme bedingt seien. 
Aus verschiedenen weiteren Eigentümlichkeiten sowie aus den geschilderten 
Veränderungen sohliesst Verf., dass der vorliegende B'all der Osteomalazie- 
gruppe nähesteht. 

R. Sievers-Leipzig: Arthritis defermais des Akromioklavikalar- 
geleaks. Zugleich ein Beitrag zur traumatischen Entstehung der Arthritis 
deformans ohronioa. (Arch. f. path. Anat., 1919, Bd. 226, Beiheft.) Die 
äusseren und histologischen Kennzeichen sind mit geringen Abweichungen 
dieselben beim gesunden Akromialgelenk wie die der grossen Gelenke. 
Eine Besonderheit bietet die Abspaltung einer Zwischenknorpelscheibe 
vom Schlüsselbeinknorpel, die sich in verschiedenen Lebensaltern ent¬ 
wickelt und unter eigenartigen Destruktionen im Knorpel des Schlüssel¬ 
beins einbergeht und bei normalem Verlauf zur ganzen oder teilweisen 
Lösung der Zwisohenscheibe führt. Wenn zur Zeit der Meniskus- 
abspaltung das Gelenk von Verletzungen betroffen wird, kommt es zur 


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UNIVERSUM OF IOWA 







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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


Störung im normalen Ablauf der Abspaltung, deren mittelbare Folge 
die Arthritis deformans ist. Auoh unabhängig von der Meniskusabspaltung 
kann auf traumatischem Wege eine chronische Arthritis deformans aus¬ 
gelöst werden, insbesondere kommen in Frage die „stumpfen“ Schulter» 
Verletzungen. Neben den traumatischen Ursachen begünstigt das Gelenk 
durch seinen unvollkommenen Bau die Entwicklung obronisch degene- 
rativer Prozesse. 

A. Rosin-Freiburg: Beitrag zur Lehre von der Mnskelatropkie. 
(Beitr. z. patb. Anat., 1919, Bd. 65, H. 8.) Nach den Untersuchungen 
des Verf. am Kriegsmaterial konnten die experimentell gewonnenen Er¬ 
fahrungen über die Inaktivitätsform der Muskelatrophie bestätigt werdeo, 
wonach eine scharfe Trennung zwischen „einfacher“ und „degenerativer“ 
Inaktivitätsatrophie nicht durchführbar ist, da zwischen beiden Formen 
alle möglichen Uebergänge Vorkommen. Die degenerativen loaktivitäts- 
atropbien sind nur bedingt durch den Grad und die Dauer der Lähmung 
sowie durch besondere schädigende Momente (Druck usw.) und gehen 
aus den einfachen Inaktivitätsatrophien hervor. Sie finden sich in allen 
Fällen von Rückenmarkslähmungen neben und miteinander vor. Zwischen 
ihrem Vorkommen und dem Zustand des zugehörigen trophischen 
Neurons bestand keinerlei Gesetzmässigkeit, so dass die diesbezügliche, 
bis jetzt gültige Lehre einer Revision unterzogen werden muss. 

A.Sohirmer-Bern: Status tbymo lymphatiens bei Neugeborene!. 
(Beitr. z. path. Anat., 1919, Bd. 65, H. 2.) Nach den Untersuchungen 
des Autors kommt entgegen der Ansicht anderer Forscher schon beim 
Neugeborenen ein Status lymphathicus und thymo-lymphatbicus vor, der 
der entsprechenden Konstitutionsanomalie gleichzusetzen ist. Als 
alleinige Todesursache konnte der Status lymphathicus am untersuchten 
Material nicht naohgewiesen werden. Schönberg. 


Parasitenkunde und Serologie. 

' H. Bechold-Frankfurt: Eine Ultrafiltrationsstadie mit Diphtherie- 
toxil und -toxon. (Arb. a. d. Inst. f. exp. Ther., H. 7.) Das Diphtherie¬ 
toxin ist ein sehr stark adsorbierbarer Körper, dessen Zurückhaltung 
durch das Utrafilter nur teilweise durch die Enge der Poren bedingt 
wird. Das Toxon ist ein nur wenig adsorbierbarer Stoff, der je nach 
dor Porengrösse mehr oder minder zurückgehalten wird. Schmitz. 

S. Meyer-Düsseldorf: Experimentelle Studien über den Einfluss 
antitoxischen und normalen Pferdeserums auf die Infektion des Meer¬ 
schweinchens mit lebenden Diphtheriebazillen, mit Mischkulturen von 
Dipktkeriebazillen nnd Streptokokken, sowie auf die Vergiftung mit 
reinem Diphtherietoxin. (M.m.W., 1919, Nr. 31.; Antitoxisches Serum 
ist wirksam sowohl gegen das im Reagenzglas gebildete Toxin als auch 
gegen das im menschlichen und tierischen, durch lebende Diphtherie¬ 
bazillen gebildete Gift. So verhinderte es, gleichzeitig mit der Bouillon¬ 
kultur bei Meerschweinchen gegeben, immer den Tod der Versuchstiere. 
Ebenso wirkte es stark präventiv, indem es noch, 8—12 Tage vor der 
Infektion gegeben, eine vollkommene Immunisierung bewirkte. Nach der 
Infektion gegebeti, hatte es noch bis zur 12. Stunde volle Heilwirkung, bis 
zur 18. Stunde post infectionem eine absohwächende Wirkung. Dagegen 
hatte das normale Pferdeserum überhaupt keine präventiven Fähigkeiten 
und war schon 2 und 4 Stunden nach der Infektion wirkungslos. Nur 
bei gleichzeitiger Gabe mit den Bazillen zeigte es gewisse antitoxisohe 
und antiinfektiöse Kräfte, die in 13 von 39 Fällen den Tod der Versuchs¬ 
tiere verhinderte und ihn in 6 Fällen um 5 —12 Stunden verzögerte. Bei 
Misobinfektion von Diphtheriebazillen und Streptokokken, wobei die ersteren 
eine Virulenzsteigerung erfahren, war wieder das antitoxische Serum stark 
wirksam, während das normale Pferdeserum versagte. Das bämatopoetische 
System reagierte auf beide Serumarten zunächst nach 2 Stunden mit 
einem Abfall der Leukozyten, dann mit einer Leukozytose. Der Hämo¬ 
globingehalt zeigte sinkende Tendenz. Für das ärztliche Handeln er¬ 
gibt sich aus den Versuchen, dass dem Normalserum doch heilende 
Kräfte gegen die diphtherische Infektion zukommen, und dass es nicht 
zweckmässig ist, durch allzu hohe Steigerung des antitoxischen Titers die 
Serummengen zu stark zu vermindern. R. Neumann. 

H. Ritz und H. Schlossberger: Ueber die Wirkung chemischer 
Mittel auf Gasbraudbakterien in vitro und in vivo. (Arb. a. d. Inst. f. 
exp. Ther., H. 7.) Die bisher bekannten Mittel wirken nicht chemo¬ 
therapeutisch, sondern es handelt sich ausschliesslich um eine Waohs- 
tumshemmung. 

H. Schlossberger-Frankfurt: Die H&matoxine der Gasbrandbak- 
terien. (Arb. a. d. Inst. f. exp. Ther., H. 6.) Das Gasbrandbämatoxio 
hat keine antigenen Eigenschaften. Es ist unentschieden, ob es nur ein 
oder mehrere Gifte sind. Die biologischen Eigenschaften der Gasbrand- 
baktorien sind sehr leicht beeinflussbar. 

H. Schlossb erg er-Frankfurt: Die H&matoxine der Gasbrandbak¬ 
terien. II Mitteilung. (Arb. a. d. Inst. f. exp. Ther.. H. 6.) Bei 
wenigen Kaninchen ist es doch geglückt, mit dem Hämatoxin einen Anti¬ 
körper hervorrufen. Die Ab9ättigung mit diesem Autihämatoxin geschieht 
nach dem Gesetz der Multipla. Mit diesem Antitoxin liess sich nach- 
weisen, dass ein Unterschied zwischen begeisselten und unbegeisselten 
Gasbrandstämmen nicht besteht. Gegen andere Hämolysine wirkt das 
Antitoxin nioht. 

W. Georgi-Frankfurt: Ueber 8&nreagglntination bei Erregern des 
Gasö'dems. (Arb. a. d. Inst. f. exp. Ther., H. 7.) Es ist bislang mit 
der Säareagglutination nicht möglich, bestimmte Gruppen der Gasbrand¬ 
bakterien ausein anderzuhalten. Sohmits. 


E. Weil-Prag: Experimentelle und klinische Beiträge znm Fleck- 
Heber. Bemerkungen zur Arbeit von 0. Löwy in W.kl.W., 1918, Nr. 18. 
0. Löwy: Zu Weil’s Bemerkungen. (W.kl.W., 1919, Nr. 31.) Löwy 
batte kürzlich (s. B.kl.W., 1919, S. 616) über eine kleine Fleckfieber¬ 
epidemie mit 15 Erkrankungen berichtet, bei der der negative Ausfall 
der Weil-Felix’schen Reaktion auffallend war. Weil führt in polemischer 
Art das negative Resultat auf Malträtierung der angewandten Stämme 
zurück und bezweifelt das Vorliegen von Fleckfiebererkrankung. Hier¬ 
gegen nimmt Löwy energisch Stellung. Glaserfeld, 

H. Sachs und H. Schlossberger-Frankfurt: Untersuchungen 
über die thermostabilen Rezeptoren der X- Stimme, mit Beiträgen zur 
Kenntnis der Weil-Felix’schen Reaktion. (Arb. a. d. Inst. f. exp. Ther., 
H. 6.) Erhitzte Aufschwemmungen des x 2 und x 19 Typus konnten 
agglutinatorisch immer scharf differenziert werden. Ebenso bei Immuni¬ 
sierung mit erhitzten Aufschwemmungen. Dieselben Ergebnisse mit 
Komplementbindung. Schmitz. 

K. Sehe er-Frankfurt a. M.: Die Bedeutung der Sachs-Georgischen 
Reaktion für die Luesdiagnostik im Kindesalter. (M.m.W., 1919, H. 32.) 
Angabe einer Mikrometbode der Sachs-Georgischen Reaktion, zu deren 
Anstellung man nur 0,006 cm Serum, etwa den 8. Teil eines Tropfens 
bedarf. Die Sachs-Georgische Reaktion stimmt in 94 pCt. mit der 
Wassermann’schen Reaktion überein. Sie scheint noch etwas empfind¬ 
licher als diese zu sein, da sie in manchen Fällen von Lues noch positiv 
ausfällt, wo die Wassermann’scbe Reaktion negativ ist. 

W. Gaehtgens-Hamburg: Die Serodiagnostik der Syphilis mittels 
der Ausflockungsreaktion nach Sachs-Georgi. (M.m.W., 1919, H. 83.) 
Die Sachs Georgische Reaktion ergänzt und verschärft die Wassermann- 
sche Reaktion. Von grosser Bedeutung für den Ausfall der Reaktion ist 
die Bereitung und Verdünnung der Ertrakte. Zu jeder Untersuchung 
sollten mehrere verschiedene gleichzeitig benutzt werden. Statt der 
24 ständigen Beobacbtungszeit empfiehlt sich eine 48 stündige, da eine 
Verstärkung der zweifelhaften Fälle dadurch eintritt und unspezifische 
Ausflockungen dann wieder verschwinden. Durch 20 Minuten langes Zentri¬ 
fugieren lässt sich der Ablauf der Reaktion verkürzen und der Grad der 
Präzipitation verstärken. R. Neumann. 

H. Sachs und W. Georgi-Frankfurt: Die Ausflockung des Liquor 
cerebrospinalis durch cholesterinierte Extrakte. (Arb. a. d. lost. f. 
exp. Ther., H. 6.) Die Ausflockungsreaktion zur Liquoruntersuchung 
steht in bezug auf Empfindlichkeit der Wassermann’schen Reaktion nach, 
sie besitzt aber ein für Syphilis qualitativ charakteristisches Gepräge. 

Schmitz. 

E. Meinicke-Hagen i.W.: Ueber die dritte Modifikation meiner 
Luesreaktion. (M.m.W., 1919, H. 33.) Das Prinzip der Meinicke’sohen 
Reaktion, syphilitische Sera durch Extraktlipoide bei relativ hohem Kooh- 
salzgehalt auszuflocken, bleibt r bei der 3. Modifikation gewahrt, nur die 
Technik wird geändert. Insbesondere die Herstellung der Extrakte er¬ 
fährt eine Umgestaltung, die genau geschildert wird. Als Ausgangs¬ 
material dienen Pferdeherzen; es werden jedoch nicht mehr frische, 
sondern getrocknete Organe verwandt. Vor allem aber findet jetzt eine 
primäre Aetberertraktion statt, wodurch störende, fettige Beimengungen 
entfernt werden. Es werden noch die wesentlichen Punkte angeführt, 
in denen sich die Meinicke’sche Reaktion von der Sachs-Georgi’sohen 
Reaktion, mit der sie ja die Gruppe der einzeitigen kolloidalen Globulin- 
flockuogsreaktionen bildet, unterscheidet. R. Neumann. 

A. Binz-Frankfurt: Zur Kenntnis des Silbersalyarsannatriums. 
(Arb. a. d. lost. f. exp. Ther., H. 7.) Untersuchungen über die che¬ 
mische Konstitution. Schmitz. 


innere Medizin. 

W. Hesse-Halle: Ein auskultatorisches Phänomen bei Kehlkopf- 
dipktherie. (M.m.W., 1919, Nr. 33.) Sowohl bei stenosierender als auch 
nichtatenosierender Kehlkopfdiphtberie hört man im Bereich des Kehl¬ 
kopfs und meist auch der oberen Trachea anstelle des normalen reinen 
Bronchialatmens ein ausserordentlich rauhes und verschärftes Bronchial- 
atmen. Der Grund dafür liegt in der Rauhigkeit der Membranauskleidung, 
weshalb dieses Auskultationspbänomen auch bei der katarrhalischen La¬ 
ryngitis fehlt. Die Auskultation erfolgt auf der Seitenplatte des Sobild- 
knorpels oder hei der meist gleichzeitig vorhandenen Tracbealdiphtherie 
im Bereich des Ringknorpels oder der oberen Traohealknorpel. 

R. Neumann. 

H. Müller jun.-Zürich: Ueber die Pirqnetreaktion bei Grippe¬ 
kranken. ^D.m.W., 1919, Nr. 31.) Das Verhältnis der positiven Pirquet¬ 
reaktion zu den negativen ist hei den Niohtgrippekranken und hei den 
unkomplizierten Grippekranken gleich, nämlich 1 : I, hei den Grippepneu¬ 
monien 1 :2. Das Grippetoxin als solches ist nioht von Einfluss auf den 
Ausfall der Pirquetreaktion, sondern erst der schwere allgemeine Zu¬ 
stand bei der Grippepneumonie. 

H. Grau - Horneff: Seknnd&rerscheinnngen der Tnberknlose. (D. 
m.W., 1919, Nr. 32.) Man soll möglichst viele Tuberkuloseerkrankuogen 
schon im frühen Sekundärstadium erkennen, das durch versteckte Drüaen- 
erkrankungen und hämatogene Aussaat gekennzeichnet wird. Die er¬ 
folgte Aussaat können anzeigen: multiple kleine Drüsenschwellungon, Poly¬ 
arthritis, rheumatica acuta (und ohronica) Erythema nodosum, Pleuritis 
exsudativa initialis und röntgenologisch nachweisbare, feinherdig- 
disseminierte Lungentuberkulose (G. dürfte etwas zu weit gehen). 

Dünner. 


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Original fro-rn 

UNIVERSUM OF IOWA 







15. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE* WOCHENSCHRIFT. 


888 


H. Hayek-Innsbruck: Die Bedeutung der Partialantigene nach 
Deyeke-Maeh für die Entwicklung der spezifischen Tuberkaloseforschnng. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 31.) Hoffnungslose Sohwerkranke reagieren auf 
Partial an tige ne Dur schwach oder gar nicht. Bei ausgesprochener florider 
Organtuberkuiose geht die Zunahme der Reaktivität mit einem günstigen, 
die Abnahme derselben mit einem ungünstigen klinischen Verlauf 
parallel. Chronisch Tuberkulöse, die zur Zeit klinisch gesund sind, 
zeigen Reaktivitäten von ausserordentlich wechselnder Stärke. Heilungs- 
Stadien nach schweren tuberkulösen Prozessen zeigen mit fortschreitender 
Dauerheilung ein Absinken der Reaktivität. — Die Partialantigene 
können nur Nutzen bringen, solange es iür den Kranken wünschenswert 
ist, Allergie zu erhöhen; wir können nicht mehr als einen Tuberkulose¬ 
kranken mit guter Proguose erreichen, eine weitere Steigerung der Ab¬ 
wehrleistung durch Partialantigen ist unmöglich, ln allen jenen Fällen, 
in welohen starke Herdreaktionen vermieden werden müssen, können 
wir duroh die Partialantigene eine Allergieerhöhung erreichen. 

H. Faschingbauer: Doppelseitiger mantel förmiger Spontan- 
pienmothoraxbei bullösem Langenempbysem. (W.kl.W., 1919,Nr.31u.S2.) 
Ein hereditär nicht belasteter, bisher gesunder Mensch erkrankt im An¬ 
schluss an eine akut fieberhafte Lungenaffektion mit Husten und Dys¬ 
pnoe. Klinische und radiologische Untersuchung ergibt doppelseitigen 
Pneumothorax, der in manteliörmiger Anordnung beide Lungen umgreift. 
Diese zeigen im Röntgenbild hochgradig entwickelte bullöse Empbysem- 
blasen in beiden Oberlappen ohne deutliche Verdichtungsherde im 
Lungengewebe. Der rechtsseitige Pneumothorax bildet sich unter Auf¬ 
treten eines geringgradigen Ergusses rasch zurück, während der links¬ 
seitige allmählich an Grösse zunimmt, dann aber rasob zur Aufsaugung 
kommt. Zwei Jahre später stirbt Pat. unter den Erscheinungen einer 
chronischen Lungentuberkulose. Glaserfeld. 

A. Rothaoker-Jena: Untersuchungen über Verdatung**leukozytose. 
(M.m.W., 1919, Nr. 30.) Die Verdauungsleukozytose ist keine regel¬ 
mässige Erscheinung, sie ist auch bei dem gleichen Individuum wechselnd. 
Im allgemeinen beginnt die Vermehrung, die zwischen 800 bis über 
3000 schwankt, 1 Std. nach dem Essen und erreicht ihr Maximum nach 
3 Stunden. Die polymorphkernigen, neutrophilen Leukozyten stiegen in 
ihren absoluten Werten parallel der Gesamtvermehrung, die mononuk¬ 
leären Zellen zeigten wechselndes Verhalten, Eine wesentliche Verminde¬ 
rung der Eosinophilen fand sich nicht. Das prozentuale Verhältnis war 
nur in der Fälle verändert. Nach ei weisshaltiger Nahrung tritt keine 
stärkere Vermehrung der Leukozyten auf als nach eiweissarmer. In 
einigen Fällen waren auch die roten Blutkörperchen leicht vermindert. 

W. H. Veil-Frankfurt a. M.: Ueber Selbstheilang einer in der Gra¬ 
vidität entstandenen Nephropathie durch Entstehung einer Aorten- 
inznffizienz. (M.m.W., 1919, Nr. 33.) Bei einer seit mehreren Jahren 
bestehenden Nephritis, die während einer Schwangerschft aufgetreten 
war, trat mit dem Einsetzen einer Aorteninsuffizienz eine wesentliche 
Besserung ein: der diastolische Blutdruck sank stark ab, der Urin wurde 
fast eiweissfrei, die Zylinder schwanden, die jahrelang bestehende Re¬ 
tinitis albuminurica heilte ab, Als Ursache dafür wird angenommen, 
dass infolge des diastolischen Zurüokströmens des Blutes in den Ven¬ 
trikel der Spännungszustaod im Kreislauf herabgesetzt wurde und so 
angiospastische Zustände in den Nieren aufgehoben wurden. 

R. Neumann. 

J. Hatiegan: Beiträge zur Symptomatologie der Oedemkraakheit. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 31.) Die für die Krankheit charakteristischen 
Symptome, von denen aber das eine oder andere, selbst das Oedem, 
das Hauptcharakteristikum, fehlen kann, sind: Hydrops, Polyurie, Brady¬ 
kardie, Leukopenie mit Lymphozytose, Acbylie oder Hypochylie des 
Magensaftes. 

K. Pichl er-Klagenfurt: Ueber die Verbreitung und Artbestimmung 

der Bandwürmer, in Sonderheit der Taenia solium. Ein Fall von Band- 
wmmmi88bildaig. (W.kl.W., 1919, Nr. 31.) Tänia solium ohne Haken- 
kranz. Glaserfeld. 

W. Autenrieth-Freiburg i. B.: Ueber den Ameisennänregehalt des 
Harns, normalerweise und nach Eiogabe verschiedener Substanzen. (M. 
m.W., 1919, Nr. 81.) Ameisensäure kommt normalerweise ziemlich kon¬ 
stant in geringen Mengen im menschlichen Urin vor. Bei derselben 
Person ist bei gleichbleibender Ernährung die im 24 ständigen Urin aus¬ 
geschiedene Menge ziemlich gleich, bei verschiedenen Individuen aber 
sehr wechselnd. Methylalkohol geht im menschlichen Organismus zum 
Teil in Ameisensäure über und macht so eine starke Vermehrung des 
Ameisensäuregehaltes des Harns. Bei fraglicher Methylalkoholvergiftung 
genügt aber nicht der qualitative Nachweis der Ameisensäure, sondern 
diese muss unbedingt auch quantitativ bestimmt werden. Ameisensaures 
Natrium wird im menschlichen Körper nur teilweise oxydiert. Formal¬ 
dehyd bewirkte keine vermehrte Ameisensäureausscheidung. Ebensowenig 
Milchsäure und Traubenzucker. 

L. Borchardt-Königsberg: Ueber leistaagssteigerBde Wirkugen 
des Adrenalins and Hypophysins. (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Suprarenin 
und Hypopbysin bewirken eine Steigerung der nach Typhusschutzimpfung 
auftretendem Agglutininbildung. Bei Suprarenin tritt diese Steigerung 
bereits nach 24 Std. meist auf, erreicht ihr Maximum nach 7—10 Tagen 
und ist nach 20 Tagen wieder verschwunden. Bei Hypophysin ist die 
Steigerung nioht ab hochgradig und erreicht das Maximum schon am 
4. Tage. Dieses Resultat ist als leistungssteigernde Wirkung dieser Organ¬ 
präparate im Sinne einer Protoplasmaaktiyierung analog der Protein¬ 


körpertherapie aufzufassen. Wahrscheinlich sind nooh andere, bisher als 
substituierende Wirkungen der verschiedenen OrgaDpräparate aufgefassten 
organotherapeutiscben Erfolge auf diese leistungssteigernde Protoplasma¬ 
aktivierung zurückzuführen. 

J. Neumann-Hamburg; FoBydroytnte Gasphleguonen nach sab- 
kntanei Koffeininjektionen. (M.m.W., 1919, Nr. 32) 3 Fälle, die in 
kurzer Zeit zum Tode führten. Als wahrscheinlichste Ursache dafür kam 
die Verunreinigung der Injektionsspritze durch eine Pflegerin inbetracht, 
die den oberen Teil der Kanüle beim Aufsteckeu auf die Spritze mit 
den Fingern berührte. Die Pflegerin muss danach Trägerin der Gas- 
bazilleo gewesen sein. Die Koffeinlösung war völlig steril. Mit Fraenkel 
ist anzuoehmen, dass der Gasbazillus stets ein pathogener Keim ist, 
dass seine Entwicklung hier vielleicht durch leiohte Gewebsnekrosen, die 
vom Koffein leicht gesetzt werden, begünstigt worden ist. 

R. Neumann. 

H. Strauss-Berlin: Ueber lordotische UrobiliBOgeanrie im Rahmen 
der FflBktiOBsprüfflDg der Leber. (D.m.W., 1919, Nr. 32.) Bei einer 
bestimmten Zahl von Versuchspersonen zeigte sich nach künstlicher Lor¬ 
dose im Liegen bzw. Stehen Urobilinogen. St. schliesst beim Auftreten 
dieser Urobiiinogenuiie auf eine nicht ganz vollwertige Leberfunktion. 
Es wäre denkbar, dass die lordotische Urobilinogenprobe zur Funktions- 
Prüfung der Leber herangezogen werden kann. Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Verein für innere Medizin nnd Kinderheilkunde zn Berlin. 

Sitzung vom 28. April 1919. 

Hr. Bragsch: Ueber das EiweissmininiBm der Ernähning. 

Die Frage nach dem Eiweisminimum, welches zur Erhaltung des 
Individuums notwendig ist, hat Interesse gewonnen, ‘seitdem Voit im 
Jahre 1881 als StandardnahruDg für einen Arbeiter 115 g Eiweiss, 60 g 
Fett und 500 g Kohlehydrate für notwendig erklärte. Dieses Eiweiss¬ 
minimum von 115 g wurde aber von einer Reihe von Autoren für zu 
hoch erklärt. Zuerst machte Chittenden nach dieser Richtung hin 
Versuche auf breiterer Basis und fand, dass auch mit 40 g Eiweiss Stick¬ 
stoffgleichgewicht zu erzielen sei, nachdem eine antängliche Abmagerung 
eingetreten ist. Auf Grund weiterer Versuche setzte er das tägliche 
Eiweissminimum auf 50—60g fest. Später zeigte Hindhede, dass man 
sich lediglich mit Kartoffeln und Fett bei eiuer täglichen Eiweisszufuhr 
von 30 g im Stickstoffgleichgewicht halten könne. Die neuesten Arbeiten 
über das Eiweissminium stammen von Ragnar Berg, nach dessen An¬ 
schauungen enge Beziehungen des Eiweissstoffwechsels zum Mineral¬ 
stoffwechsel bestehen. Maassgebend für die Ausnutzung des Eiweisses 
soll ein Basenüberschuss sein. Er fand, dass das Eiweissminimum 
für verschiedene Nahrungsstoffe verschieden ist, dass es für Milch 20 g, 
für Kartoffel und Eier 26 g, für Fleisch 32 g, für Roggenbrot 40—55 g, 
für Weizenbrot 50—55 g und für Gemüse 67—80 g beträgt. 

Auch auf der Kraus’schen Klinik konnten im Laufe der letzten 
Jahre Erfahrungen über das Eiweissminimum gesammelt werden. Zu¬ 
nächst wurde daselbst 3 Monate lang ein Arzt beobachtet, der mit 20 
bis 30 g Eiweiss täglich auskam, ohne an Gewicht abzunehmen. Sehr 
wichtige Ergebnisse aber haben die Beobachtungen über den Stoffwechsel 
der Kranken vor und während des Krieges gezeitigt. In den Jahren 
1912—1913 betrug das Durchschnittsgewicht der Männer 68 kg, der 
Kaloriengehalt der Nahrung betrug proTag 2200—2800 und ihr Eiweiss¬ 
gehalt 80—90 g. Hierbei wurde eine durchschnittliche Zunahme des 
Körpergewichts pro Woche um 0,6—0,7 kg erzielt. Im Jahre 1915 be¬ 
trug das Durchschnittsgewicht der MäDuer 65 kg, es wurden täglich 
1500—1800 Kalorien zugeführt, die 60 g Eiweiss enthielten. Dabei 
nahmen 30—40 pCt. der Pat. nicht zu, bei den übrigen stieg das Körper¬ 
gewicht pro Woche um 0,3—0,4 kg. ln den Monaten März und April 
1919 betrug das Durchschnittsgewicht der Männer 58 kg, die tägliche 
Kalorienzufuhr 1200—1400 mit einem Eiweissgehalt von 45 g. 42pCt. 
dieser Pat. zeigten eine negative Stickstoffbilanz, 12 pCt. nahmen nicht 
zu, während 44 pCt. geringe Gewichtszunahmen aufwiesen, die aber wohl 
darauf, zurückzuführen sind, dass diese Patienten von Hause aus besser er¬ 
nährt wurden. Nach diesen Ergebnissen ist also eine tägliche Eiweiss¬ 
zufuhr von 45 g ungenügend, eine solche von 60 g zur Not ausreichend, 
eine solche von 80—90 g genügend. Es kommt aber nioht nur auf 
die Eiweissmengen an, welche der Mensch täglich zu sich nimmt, sondern 
auch auf die qualitative Zusammensetzung desselben. Am zuträglichsten 
ist es, wenn die Nahrung Eiweiss verschiedenster Herkunft enthält. Zum 
Schluss spricht Vortr. aus, dass die Aerzte nicht früh genug auf den 
drohenden Zusammenbruch unserer Ernährung hin gewiesen haben. 

Die Aussprache wird vertagt. 

Hr. Kraus bemerkt aber zu den letzten Aensserungen des Redners, 
dass die Sachverständigen und zu Gutachten aufgeforderten Aerzte von 
vornherein die volle Wahrheit an maassgebender Stelle über den Stand 
unserer Ernährung ausgesprochen hätten, dass aber diese maassgebenden 
Stellen sioh dadurch nioht haben beeinflussen lassen. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 





884 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


Sitzung Tom 26. Mai 1919. 

Vor der Tagesordnung. 

Frl. A»ni Baach demonstriert sehr schöne direkt aufgenommene posi¬ 
tive Rfitgenbilder, die so hergestellt wurden, dass die Platten zunächst 
schwach entwickelt wurden, danach eine Oxydation des Silbers und dann 
eine nochmalige Entwicklung stattfand. 

Tagesordnung. 

Absprache Aber de« Vortrag des Herrn Brngsch: Ueber das 
Eiweissminimnm beim Menschen. 

Hr. F. Hirschfeld: Man kann gegen die Versuchsanordnung des 
Herrn Vortr. einwenden, dass im Kriege eine Unterernährung bestand, 
die an sich einen erhöhten Ei weisszerfall bedingte. Sowohl duroh Eiweiss¬ 
zufuhr wie durch genügende Darreichung N-freier Stoffe kann dieser Ver¬ 
lust gemindert oder aufgehoben werden. Laboratorienversuche können 
niemals das tatsächliche Eiweissminimum ergeben, da es sich selbst bei sehr 
langdaaernder Fortführung um vorübergehende Adaption handeln kann, 
die z. B. durch Einschränkung der sexuellen oder Drüsentätigkeit be¬ 
dingt sein kann. Man soll aber trotzdem aus verschiedenen Gründen 
den Eiweissbedarf nicht zu hooh normieren. 

Hr. Kraus: Schon die Berücksichtigung von Arbeit und Krankheit 
schafft bei der Nahrungsaufnahme und ihrer Bemessung sehr verschiedene 
Verhältnisse. Die Differenzen im Kostmaass zwischen ruhenden und 
mittelstark arbeitenden Menschen betragen nur 472 Kalorien. Dies ergiebt 
umgerechnet nur 40000 kgm, während Tigers tedt 100000 kgm für den 
mittleren Arbeiter als Norm angibt. Aber auch Arbeitsleistungen über 
200000 kgm, entsprechend 5000 Kalorien, sind nichts Ungewöhnliches; und 
dabei gibt es bei selbst gewählter Nahrung Kostmaasse unter 2000 Ka¬ 
lorien. Ob man dabei aber vorteilhaft fährt und gesund bleibt, ist eine 
andere Frage. Grossesser mit 5000 Kalorien können es bis zu einer 
Grossarbeit von 350000 kgm bringen. Falsch ist es, lür Tuberkulose nach 
dem Eiweissminimum zu suchen, hier sind noch die Veit’schen Sätze zu 
gering. Man soll vollwertiges Eiweiss für die Nahrung bevorzugen und 
nicht einen grossen Teil des Eiweissbedarfes oder allen duroh Vegetabilien 
bestreiten. 

Hr. Artur Mayer: Hübner sind bei Kriegsnahrung sehr empfindlich 
gegen Witterungseinflüsse, Meerschweinchen gegen andere Infektiooen 
und Tuberkulose. Bei Unterernährung liegt die nach Deyke-Much geprüfte 
Immunität tiefer als sonst und ist durch Eiweisszufubr zu heben. 

Hr. Magnus-Levy glaubt, dass infolge der wirtschaftlichen Ver¬ 
hältnisse der Eiweissbedarf des deutschen Volkes niedrig bleiben muss, 
und dass bei gleichen Preisen die Einführung von Fett zweckmässiger 
erscheint, weil es billiger ist. 

Hr. Asohoff wendet sich sehr entschieden gegen die lange Zeit bej 
Aerzten im Sohwung gewesene Anschauung, gegen den Fleiscbgenuss bei 
Kindern und Erwachsenen zu kämpfen. 

Hr. ßornstein glaubt, dass die Ernährung des deutsches Volkes 
nur möglich ist, wenn nicht Milliarden von Kalorien duroh Viehfütterung 
verloren gehen. 

Hr. Brugsoh: Schlusswort. 

(Pädiatrische Sektion.) 

Sitzung vom 2. Juni 1919. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. L. F. Meyer: Ein Fall von sogenannter Sklerodermie beim 
Neugeborenen. 

Der vorgestellte Säugling erkrankte im Alter von 18 Tagen mit 
einem kirsohgrossen Infiltrat der linken Wange. Allmählich entstanden 
dann ähnliche Effioreszenzen am ganzen Körper und bald danach auch 
eine diffuse Verdickung der Haut an einigen Stellen. Duroh diese Kom¬ 
bination umschriebener Herde mit diffusen Infiltraten charakterisiert sich 
der Fall als eine Sklerodermie. Vortr. bespricht die Unterschiede 
zwischen der Sklerodermie des Erwachsenen und der des Säuglings, 
ln allen bisher bekannt gewordenen 10 Fällen von Säuglingssklerodermie 
ist restlose Heilung eingetreten. 

Tagesordnung. 

1. Hr. I. Cassel: Ein Beitrag zir operativen Behandlung der 
akuten Nierenentzündung. 

Vortr. beobachtete einen Fall von schwerer akuter Nephritis bei 
einem 9 8 /« Jahre alten Mädchen, in dem es schliesslich zu Urämie und 
Anurie kam. Zunäohst stellte sich nach Anwendung der üblichen thera¬ 
peutischen Maassnahmen eine Besserung ein. Als aber die Oedeme immer 
stärker wurden und wieder urämische Zustände auftraten, entschloss er 
sich zur Dekapsulation, die von Eschenbach in Aethernarkose aus¬ 
geführt wurde. Die Diurese stieg danach sofort an, und obwohl noch 
zweimal danach x\szitespunktionen nötig wurden, war doch der Effekt 
des chirurgischen Eingriffes ein deutlicher. Einen endgültigen Um¬ 
schwung im Befinden brachte aber erst eine Kur in Brüokenau, naoh 
welcher das Eiweiss auf V« pM. sank und die Formbestandteile aus dem 
Urin verschwanden. Es wird dann die Literatur bezüglich der Indikation 
der Nierendekapsulation besprochen und auf die harntreibende Wirkung 
der Brüokenauer Quellen näher eingegangen. 


Aussprache: Herr Czerny hat nur 2 Fälle in seiner Klinik 
dekapsulieren lassen, die beide starben. Dass in dem mitgeteilten 
Falle die Brüokenauer Kur wirklich den Umschwung herbeigeführt 
haben soll, möchte er bezweifeln. Man erlebt bei der Nephritis 
häufig einen überraschenden Umschwung des Krankheitsbildes. So 
behandelte er lange auf seiner Klinik einen Fall, in dem es nicht 
gelang, die Oedeme zu beseitigen. Die Mutter nahm es heraus und 
brachte es nach 4 Wochen ohne Oedeme wieder. Das Kind hatte nur 
Vichysalz bekommen. In einem anderen Falle empfahl er zur Beseitigung 
des urämischen Zustandes den Aderlass. Es kamen aber nur ein paar 
Tropfen aus der punktierten Vene heraus. Trotzdem trat in diesem 
Falle ein vollkommener Umschwung zum Besseren ein. Bemerkenswert 
ist auch, dass Thyreoidin in manchen Fällen von Oedemen hilft, in 
anderen wieder versagt. 

2. Hr. H. Finkeisteil: Zin Pyltroflpasnus. 

Es wurde bisher angenommen, dass es eine hypertrophische und 
eine rein spastische Pylorusstenose ohne anatomischen Befund gäbe. 
F. bezweifelte lange die Existenz der letzteren Form, hat aber jetzt einen 
Fall gesehen, in welchem die Sektion zeigte, dass keine Spur von Hyper¬ 
trophie vorlag. Höchstwahrscheinlich liegt bei der erstgenannten Gruppe 
ein angeborener hypertrophischer Pylorus vor, zu dem sekundär der 
Spasmus hinzutritt. Er weist dann auf merkwürdigo eintägige Temperatur¬ 
steigerungen beim Pylorospasmus hin, die er auf Resorption von Stoff¬ 
wechselprodukten zurüokführt. Bei der Behandlung empfiehlt es sich, 
kleine Quantitäten konzentrierter Nahrung zu verabreichen. 

Hr. Czerny glaubt, dass Erbrechen bei Pylorospasmus nicht vom 
Magen herrührt, sondern vom Zwerchfell ausgelöst wird. 

Hr. Finkeistein: Schlusswort. H. Hirschfeld. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cnltnr zu Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 23. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Bittorf: Deaeastratioi über Nieren- bzw. Nebemierentnmor 
mit Aendernng der Gesehlechtseharaktere. 

(Erschien in Nr. 33 unter den Originalien dieser Wochenschrift) 

Aussprache. 

Hr. C. S. Freund hat in der kürzlich erschienenen Abhandlung 
von G. Peritz „Der Infantilismus* (Spez. Path. u. Ther. von Kraus 
und Brugsch) in dem Abschnitt „Der Infantilismus auf Basis einer 
pluriglandulären Erkrankung* bei zwei Knaben Insuffizienz der Neben¬ 
nieren erwähnt gefunden und nimmt Bezug auf einen eigenen weiblichen 
Fall Von Akromegalie (35jährig), bei dessen kürzlich erfolgter Ob¬ 
duktion ausser einem Hypopbysistumor makroskopisch in der Grösse 
fast aller endokrinen Drüsen Abweichungen von der Norm, darunter 
eine Aplasie der Keimdrüsen, eine ziemlich erhebliche Thymus und auch 
vergrösserte Nebennieren festgestellt wurden. Redner beabsichtigt, ge¬ 
meinsam mit Herrn Hauser nach erfolgter mikroskopischer Unter¬ 
suchung über diesen Fall von Akromegalie eingehend zu beriohten. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Klestadt: Zar operativen Behandlung der Labyrinthitis 
and ihrer Komplikationen. 

Jede diffuse Labyrinthitis bringt die Gefahr der Weiterleitung der 
Ohrinfektion auf das Sohädelinnere mit sich. Kleinhirnabszesse und 
Hirnhautentzündungen sind die endokraniellen Komplikationen der 
Labyrinthitis. Ihre Prognose an sich ist infaust. Aber wir besitzen 
eine Möglichkeit kausaler Natur, ihnen heilend beizukommen in der 
Ausschaltung des Infektionsherdes, d. h. in der Labyrinthresektion. Diese 
muss daher die Grundlage jedes Heilplanes sein, auch dann, wenn wir 
einen Hirnabszess gesondert suchen und behandeln oder andere Hilfs¬ 
mittel zur Beseitigung einer Meningitis heranziehen wollen. Unter den 
letztgenannten legt die Hins berghohe Klinik eigentlich nur noch Wert 
auf die innerliche Verabreichung von Urotropin in hohen Dosen und auf 
die Lumbalpunktion. Auch mit der Lumbalpunktion sind wir reoht 
zurückhaltend. Denn wir besorgen erstens Verstreuung von Infektions¬ 
stoff aus etwa noch abgegrenzten Prozessen und zweitens eine Ein¬ 
klemmung des Gehirns in das Foramen magnura, die doch in manchen 
Fällen eintreten und zur Atemlähmung führen kann. 

Befindet sich eine Hirnhautentzündung erst in der Vorbereitung 
oder Entwicklung, so sind die Heilungsaussichten weitaus günstiger, als 
wenn sie in vollem Gange ist. Auch dann kommen wir aber mit zeitigem 
Eingriff manchmal nicht zu spät; denn die Hirnhäute sind allem Anschein 
naoh in der Lage, mit einer gewissen Menge Infektionsstoff 
fertig zu werden, über dessen Maass hinaus sie aber der Infektion er¬ 
liegen und ihr erliegen müssen, wenn ein dauernder Nachschub vom Laby¬ 
rinth aus erfolgt. Die Indikationsbreite der Labyrinthoperation ist daher 
auch auf die Fälle auszudehnen, in denen eine endokranielle Komplikation 
auoh nur aufzukommen droht. Als Methode der Operation wählt unsere 
Klinik in solchen Fällen den Modus Janssen-Neumann, weil er die 
breiten Anlehnungsflächen des Labyrinths an die Hirnhäute beseitigt und 


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16. 8eptember 1919. 

damit auch den Porus acustious internus freilegt, durch den auf dem Wege 
der Gefäss- und Nerven ly mphsoheiden die Infektion mit Vorliebe vorwärts¬ 
strebt. In dieser Weise wurden auch die Patienten operiert, die ioh 
Ihnen jetzt demonstrieren will, und die Ihnen ein Bild geben sollen 
von dem Werte der Labyrinth Operation. 

Der erste Pat. erkrankte am 12. III. d. J. an einer akuten Otitis 
media am linken, in der Kindheit einmal affilierten Ohr. Sohon am 
17. traten Sohwindel, Erbrechen and starke Gleichgewichtsstörungen bei 
grosser allgemeiner Hinfälligkeit auf and daneben starke Nacken- 
sohmersen. Am 19. sahen wir ihn. Die Erscheinungen bestanden noch. 
Die Temperatur war erhöht. Das Mittelohr eiterte aas einer zentralen 
Trommelfellperforation. Die Hörfanktion war erloschen. Ausgeprägte 
Naokensteifigkeit und Kernig vervollständigten das Bild. 

Der sofort vorgenommenen Radikaloperation wurde die Labyrinth¬ 
operation angesohlossen. Dabei floss kein Liquor ab, ein Zeichen, dass 
die Perilymphräume entzündlich abgeschlossen waren gegen die endo- 
kraniellen Liquorräume. Die Lumbalpunktion entleerte klaren Liqaor, 
in dem kein besonderer zellulärer oder bakteriologischer Befund erhoben 
werden konnte. Der Pat. erhielt längere Zeit Urotropin in Tagesdosen 
bis zu 6 g. Am näohsten Tage stieg die Temperatur auf 39,2°, und 
der abgelassene Liquor war getrübt und. enthielt zahlreiche Leukozyten. 
Vom 8. Tage ab sank die Temperatur, und die Gehirnhautsymptome 
waren bis zum 24. HI. geschwunden. Der Pat steht heute vor seiner 
Heilung. 

Der zweite Pat litt an einer chronischen Otitis media rechts. An¬ 
fang Januar d. J. stellten sich Anfälle von Erbrechen, Schwindel und 
Gleichgewichtsstörungen ein, die sehr schwer gewesen sein müssen; denn 
die Angehörigen erklärten, dass der Mann bewusstlos geworden sei, und 
ein erfahrener Facharzt, dem er zur Operation zugesandt worden war, 
lehnte diese ab mit der Begründung, dass er nioht am sterbenden 
Patienten operieren wolle. Wider Erwarten erholte sich der Mann, aber 
bis auf das Erbrechen hielten die genannten Erscheinungen in ver¬ 
mindertem Maasse an, bis uns der Pat. am 19. III. zugeführt warde. 
Er hatte nunmehr auch noch eine Parese des Nervus facialis. Sonst 
stellten wir eine polypöse Mittelohreiterung mit totaler Ausschaltung des 
Labyrinths fest. Besonders aber fielen uns am Pat. eine geistige wie 
körperliche Schwerfälligkeit sowie matte Gesichtszüge auf. Da er nooh 
über sehr heftige Kopfschmerzen auf der kranken Seite klagte, war der 
Verdacht einer in der Entwicklung begriffenen endokraniellen Kompli¬ 
kation nioht unbegründet. 

Am 19. III. wurde er radikal- und labyrinthoperiert. Es fand sioh 
ein Cholesteatom, das auch das Labyrinth durchsetzte und ebenfalls zu 
einem Abschluss der Liquorraume geführt hatte. Die Operation brachte 
den Fasialis zu Gesicht, der beschädigt in breiter Ausdehnung im 
Operationsfeld lag. Längere Zeit erhielt der Pat. Urotropin bis zu 5 g 
den Tag. 

Eine nennenswerte Temperaturerhöhung trat nioht ein. Anfangs 
bestand leichte Nackensteifigkeit und schwaoh ansgebildeter Kernig. 
Dann schwanden langsam all die bedrohlichen Erscheinungen, und heute 
geht der Pat. seiner völligen Heilung entgegen. 

So sahen Sie einmal eine akute, heftigst einsetsende Labyrinthitis 
im Verlauf einer Sohleimhauteiterung, bei der eine klinisch voll aus¬ 
gebildete Meningitis nachweisbar war, im anderen Falle eine schleichende, 
versohleppte Labyrinthitis infolge einer oholesteatomatösen Ohrerkrankung, 
bei der ganz gewiss sohon reelle Veränderungen anatomischer oder 
physiologischer Art im Sohädelinnern vorhanden gewesen sein müssen. 
Beide Fälle wurden geheilt dank der Labyrinthoperation. Beide Fälle 
tragen ein gemeinsames Kennzeichen: sie gehören zu einer Gruppe von 
Erkrankungen, die früher die Statistik der postoperativen Meningitis be¬ 
reichert haben. Denn sie wurden nur radikal operiert, und dann folgte 
diesem Eingriff auf dem Fusse die Meningitis und das traurige Ende. 
Es ist ja auch nioht zu bestreiten — Sie sehen an unserem Falle 1 
auch einen Hinweis darauf! —, dass die Erschütterung während der 
Operation die Keime im Labyrinth aufrütteln und propagieren kann. 
Aus dieser Erfahrung ist nur der Schluss su ziehen, dass bei der Laby¬ 
rinthoperation soloher Fälle das Labyrinth so gründlich als möglich aus- 
zuranmen ist 

Nun, m. H., nooh ein Fall, über den ioh Ihnen nur beriohten kann, 
der aber ungemein viel des Interessanten bietet Es bandelte sioh um 
eine Labyrinthoperation wegen eines Kleinhirnabszesses. 

Ein Kind, das vor SVz Jahren wegen einer Scharlaohotitis linker¬ 
seits aufgemeisselt wurde, wurde im Oktober v. J. radikaloperiert. Am 
Tage danach stellten sieh unter geringer Temperatursteigerung 
Sohwindel und Erbrechen ein. Das Befinden muss sioh aber bald ge¬ 
bessert haben, sonst hätten sioh die behandelnden Aerzte kaum damit 
einverstanden erklärt, dass das Kind bereits nach 8 Tagen ambulant 
behandelt wurde. Doch sind eigenartige Erscheinungen sioher nooh be¬ 
merkbar geblieben, denn der später behandelnde Arzt hielt das Kind 
für hysterisch und wies es in die Kinderklinik ein. Hier erweckten 
sofort das besonders ruhige Verhalten des Kindes, seine fast statuen¬ 
haften Züge die Aufmerksamkeit. Und die Untersuchung ergab dazu 
nooh — bei fieberfreiem Verhalten — eine Anzahl Herdsymptome, die 
auf die Erkrankung des linken Kleinhirns hin wiesen: zerebellare Ataxie, 
Adiadoohokinese, verminderte rohe Kraft und abnorme Widerstands¬ 
reaktion, alles nur in den linken Gliedmaassen und dazu noch ein Vor¬ 
beizeigen mit dem linken Arm, Bein und mit dem Kopfe nach links 
sowie einen sehr heftigen Spontannystagmus naoh der kranken, einen 
geringeren naoh der gesunden Seite; das linke Ohr ist taub. Sioher 


bestand also ein Herd in der linken Kleinhirnhemisphäre; aber welcher 
Art sollte er sein? Die Radikaloperation war sehr gut ausgeheilt. Da 
bot sich ein wertvoller Anhaltspunkt in der Zählung der Leukozyten. 
Es bestand eine polynukleäre Leukozytose von 16 000. So wurde ein 
Abszess angenommen. 

Bei der Operation am 22. XII. 1918 wurde das Labyrinth, wie ge¬ 
schildert, abgetragen, diesmal nicht nur um den vermutlichen Herd aus- 
zusohalten, sondern vor allem, um einen breiten Zugang zum Kleinhirn 
zu schaffen. Dann wurde der Abszess duroh Punktion gesucht, ge¬ 
funden, eröffnet und mit Gase abgeleitet. Der Abszess muss nahe an 
den Ventrikel herangereicht haben, denn beim Spreizen brach mit einem 
Male Liquor hervor. Der Liquor floss noch dauernd einige Zeit während 
der Nachbehandlung ab. Diese selbst verlief unter leichten Remissionen. 
Sie hatten ihre Ursaobe in der Fältelung der Abszesshöhle. Mit ihnen 
rekrudeszierten stets die Herdsymptome; die Leukozytenzahl sank auf 
9000. Da wurde gegen den 13. II. das Kind schläfriger, am selben 
Tage begannen schwere Anfälle mit lautem Aufschreien, mit dem das 
Bewusstsein verloren ging, die Augen verdrehten sich symmetrisch naoh 
rechts und oben, es wurde zeitweilig zyanotisch, auch Druckpuls und, 
im Gegensatz zum ersten Bilde, Stauungspapillen waren nun zu finden. 
Wir sahen die Lage für sehr ernst an und entschlossen uns zu einer 
ausgiebigen Erweiterung der ersten Operation: ein grosser Teil der 
Hinterhauptsschuppe und auch der Schläfenschuppe wurde noch ab¬ 
getragen, der Sinus peripher und zentral unterbunden, das Zwischen¬ 
stück reseziert und dann eine Art Sektionssohnitt eine Strecke weit in 
das Kleinhirn angelegt. Sehr reichlich entleerte sich Eiter. Das Kind 
war nun sehr schlapp, aber erweckte den Eindruck einer Besserung. 
Am zweiten Tage kam es bei der Abszessspreizung erneut zum Durch¬ 
bruch in den Ventrikel. Sofort Urotropingaben, 10mal l / 2 g den Tag. 
Abends setzte mit Temperatur von 39,8° eine Meningitis ein. Am 
4. Tage derselben nahmen die Eltern das unserer Meinung nach sterbende 
Kind mit naoh Haus, und 5 Tage später berichteten sie uns. dass es 
ohne Fieber spielend im Bette sitze, und braohten uns das Kind zum 
Verbandwechsel. Die zweite Episode der Nachbehandlung vollzog sioh nun 
im ganzen unter denselben Erlebnissen wie die erste, nur waren die Rück¬ 
fälle weniger intensiv. Der Prolaps, der sioh mittlerweile ausgebildet hatte, 
ging zurüok .und überhäutete sich. Am 11. V. verstärkten sich plötzlioh 
wieder die Herdsymptome, das Kind trug den merkwürdig müden, starren 
Gesichtsausdruok, den Kranke haben, die an Hirnabszess leiden. Der 
Prolaps war gespannt und grösser. Wieder wurde eine umfangreiche 
Eiteransammlung gefunden, diesmal, da der Abszess eine Art Membran 
zu haben schien, mit einem Gummirobr drainiert. Der Anwendung 
eines Gummidrains folgte eine örtliche Enzephalitis und dieser wiederum, 
nach Entfernung des Sohlauohstückes, eine klinische Meningitis. Und 
nun floss während dieser Zeit aus einem der Punktionskanäle, der in 
das Ventrikellumen geführt hatte, stetig klarer Liquor ab. Der.Prolaps 
sank wieder ein, die Temperatur fiel staffelförmig, und die Symptome 
gingen^ ebenso zurück; gestern floss auoh kein Liquor pehr ab. 

Dies also war ein Kleinhirnabszess nach abgeheilter Labyrinthitis. 
Neben den Hinweis auf die diagnostische Wertigkeit der Leukozyten¬ 
zählung in selchen Fällen, neben der therapeutischen Erinnerung an die 
Erzeugung einer örtlichen Enzephalitis duroh ein Gummidrain, muss ich 
2 Umstände hervorheben. Der erste ist der Durchbruch in den Ventrikel 
und das Ausbleiben einer Infektion. Beim ersten Insult wurde eine 
unmittelbare Verbindung hergestellt, seit dem dritten Insult führte ein 
Stichkanal duroh die streptokokkeninfizierte Kleinhirnsubstanz. Warum 
wurde der Liquor nicht infiziert? Die gesteigerte Abwehrkraft des 
Körpers und der örtlichen Gewebe reicht zur Erklärung kaum aus. So 
gewinnt man den Eindruck, dass der Liquorstrom einen bedeutenden 
Teil der Iofektionskeime, die durch die Kommunikation und mit dem 
normalerweise ventrikelwärts gerichteten Lymphstrome naoh innen wander- 
ten, wieder herausspülte. 

Und nun zweitens die Tatsache, dass das Kind eine schwere Menin¬ 
gitis einmal und, wir können beinahe schon sagen, ein wiederholtes 
Mal überstanden hat. Das erste Mal, beim zweiten Insult können wir 
nioht sicher sagen, dass die zentralen Liquorräume infiziert waren, im 
dritten Insult sahen wir aber fortwährend einen klaren Liquor abfliessen. 
Da kann man nur den Schluss ziehen, dass in diesem Falle die Menin¬ 
gitis sioh vorzüglich oder gänzlich in den epizerebralen Liquorräumen 
abgespielt hat. Allerdings hat sie dort eine bedeutende Ausdehnung 
gewonnen: denn sie hat eine Summe von Symptomen erzeugt, Symptome, 
die wir für lebensbedrohend zu erachten gewohnt sind. 

Die otogenen Meningitiden können also einen ganz verschiedenen 
Charakter tragen. Das ist in Otologenkreisen auch bekannt. Hinsberg 
hat anlässlich der Kleinhirnmeningitis wiederholt darauf hingewiesen. 
Drum können wir auch hoffen, m. H., die Prognose der otogenen Menin¬ 
gitis mit Hilfe unseres therapeutischen Rüstzeuges günstiger zu gestalten, 
und Sie sehen in diesen Fällen die Bestätigung für die Behauptung, 
dass die Prognose nioht allgemein aussichtslos ist. 

Aussprache. 

Hr. Rieb. Levy bezweifelt, ob bei dem dritten Fall des Vortragen¬ 
den tatsächlich zweimal ein Durchbruch in den Ventrikel mit nach¬ 
folgender Meningitis und Heilung stattgehabt hat. Durchbruch von 
Eiterherden in den Ventrikel pflegen wohl ausnahmslos letal zu endigen. 
Der erwähnte plötzliche massenhafte Abfluss von Liquor cerebrospinalis 
könnte dagegen auf Eröffnung einer der grossen Zisternen am Kleinhirn 
zurüokgeführt werden, in denen sich bei Drucksteigerung grosse Mengen 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


von Liquor ansammeln können. Durch Eröffnung einer solohen Zisterne 
lassen sioh sowohl die folgenden meningitischen Erscheinungen, als auch 
der einige Tage anhaltende Liquorfluss aus der Wunde erklären. Da 
der Beweis für Ventrikelkommunikation nicht vorliegt, so erscheint die 
hier gegebene Erklärung eher berechtigt. 

Hr. Klestadt: Wir halten den Ventrikel und nicht die Cisterna ponto- 
cerebellaris für eröffnet aus 2 Gründen: 1. weil dem die Richtung des 
eingefübrten Instrumentes entsprach und 2. weil eine so ausgedehnte 
basale Meningitis bestand, dass kaum die Zisterne allein hätte uninfiziert 
bleiben können. Einen strikten Beweis könnte natürlich nur eine Autopsie 
ergeben. 

Hr. Fritz Sebsefor: Zwr RSitgeibehaadlug der Hypophysis- 
tanorea der Akromegalie mit temporaler Hemiaaopsie. 

Die erkrankte Glandula pituitaria ist bisher verhältnismässig wenig 
röntgenologisch behandelt worden: Gramegna und Böclere haben fast 
gleichzeitig im Jahre 1909 auf die Röntgenbestrahlung hingewiesen und 
Gunsett, Küpferle und v. Ssily, A. Darier sowie Fleischer und 
Jüngling haben seither etwa achtzehn radiologisch beeinflusster Fälle 
von Hypophysistumoren, Gigantismus und Akromegalie veröffentlicht. 

Nachdem wir mit der Applikation radioaktiver Körper von der 
(durch vorangegangene Operation eröffneten) Keilbeinhöhle her, bei 
einem allerdings sohon sehr vorgeschrittenen Falle keinen Erfolg er¬ 
zielen konnten, haben wir uns bei der Behandlung der dem Strahlen¬ 
institut der Univ.-Hautklinik von Herrn Uthoff überwiesenen sieben 
Fälle von Hypophysistumoren und Akromegalie lediglich der Röotgen- 
tiefenbeatrahlung bedient und waren in der Lage fast alle — bis auf 
einen sehr progredienten Fall — meist in hohem Grade zu bessern. 
Sowohl hinsichtlich der Sehkraft wie der Gesichtsfelder konnten durch 
Sehprüfungen und Gesichtsfeldmessungen objektiv kontrollierte, grosse 
Fortschritte erzielt werden. In zwei Fällen wurde das eine früher 
amaurotische Auge bis auf ein geringes parazentrales Skotom und 
eine unwesentliche Beschränkung der Sehkraft fast normal. In 2 Fällen 
versagte die Röntgenbehandlung, bei denen es sich um ältere Personen 
mit schon fortgeschrittenen Prozessen handelte; in einem dieser Fälle 
konnte aber wenigstens ein Verfall der Sehkraft und des Gesiohtsfeldea 
aufgehalten werden. Drei Patienten befinden sioh z. Z. jaooh in Be¬ 
handlung. Die erzielten Erfolge haben sioh zum Teil ohne Nachbe¬ 
handlung seit über zwei Jahren gehalten. 

Technik: Das von der selbsthärtenden oder der DM-Siederöhre 
am Symmetrie-Apparat oder der Siemens Glühkathodenröbre emittierte 
Strahlengemisoh wird im Anfänge der Behandlung mit 4 mm Aluminium, 
später (zur besseren Hautschonung) mit Vs mm Zink gefiltert, und die 
Stirn- und Sohläfenbeingegend stirnreifförmig in einer etwa 5—8 cm 
breiten Zone von beiderseits vier Einfallsstellen her in einem Fokus- 
Hautabstand von 30 cm mit je 2 (später 1) Normaldosen nach Sabou- 
raud-Moire bestrahlt. Die Bestrablungsserien werden zuerst 2 bis 
4 mal wöchentlich, später 2—8 mal monatlich wiederholt. Genaueres 
wird demnächst in der „Strahlentherapie“ mitgeteilt werden. 

Aussprache. 

Hr. Frank vermisst in dem Vortrage Angaben darüber, ob anch 
die von der Hypophyse ausgehenden innersekretorischen Störungen, die 
bei einigen seiner Fälle vorliegen (akromegaler Habitus und Dystrophia 
adiposo-genitalis), beeinflusst worden seien. Er berichtet ferner über 
einen vor etwa 4 Jahren beobachteten Fall von Hypophysentumor mit 
bitemporaler Hemianopsie und Diabetes insipidus, bei dem die radiäre 
Kreuzfeuerbestrablung der Hypophyse durcbgeführt wurde. Als die 
Patientin 4 Wochen später wieder erschien, hatte sich der Visus und 
das Gesichtsfeld wesentlich gebessert und die HarnmeDge war von 
10 Liter auf 2 l / 2 Liter gesunken bei einer Erhöhung des spezifischen 
Gewichts von 1004 auf 1012. Die Besserung war aber nur temporär. 

Hr. L. Fraenkel: HerrSchaefer hat uns sehr bemerkenswerte Er- 
folge der Behandlung von Hypophysentumoren durch Strahlenbehandlung 
mitgeteilt. Die an diesen Fällen beobachteten Symptome von Akromegalie 
sind nach den vorgewiesenen Photographien wohl nur angedeutet gewesen. 
Ein solches „ Akromegaloid“ beobachten wir Gynäkologen überaus häufig bei 
der Dystrophia hypophyseo-genitalis. Diese Frauen kommen zu uns mit der 
Klage der zu schwachen oder fehlenden Menstruation, Dysmenorrhoe und 
besonders Sterilität. Wir finden eine ausgesprocheneHypoplasie der inneren 
Genitalien, während die sekundären Gesohlechtscharaktere nicht immer 
mitbeeinflusst sind. Es handelt sich häufig um Frauen mit besonders 
breitem, massigem Knochenbau, vorzüglich am Becken, starken Fett- 
ansammlungen am Bauch, Beinen usw., vergröberten Gesichtszügen, 
breiten Beckenknoohen, langem Unterkiefer, trockener, rissiger, byper- 
keratotisoher Haut, besonders an den Streckseiten der Oberschenkel und 
-arme. — Wenn wir uns fragen, wie diesen Frauen zu einer verbesserten 
Geschleobtsfunktion zu verhelfen sei, so stehen wir vor grossen Schwierig¬ 
keiten. Eierstockpräparate nützen gewöhnlioh nicht; das ist erklärlich, 
einmal wegen der Unzuverlässigkeit der Organextrakte überhaupt, dann 
aber, weil es sioh ja nicht um eine primäre Ovarialschädigung handelt. 
In einem solchen ziemlich verzweifelt liegenden Falle habe ich, nachdem 
die stärksten Corpus luteum-Präparate, auch mittelst Injektion, versagt 
hatten, den gesunden Eierstook einer anderen Frau in die Bauohwand 
eingepflanzt. Der Erfolg war gut, insofern als die vorher fast ganz 
fehlende Menstruation nunmehr regelmässig eintrat; aber der Gesamt¬ 
habitus hat sich noch nicht geändert; es ist auoh*möglioh, dass der ein- 
gepflanzte Eierstook bindegewebig entarten und seine Funktion wieder 


einstellen wird. Also mit der Behandlung vom EierBtock aus ist der 
Dystrophia hypephyseo-genitalis nicht beizukommen. Das darf uns 
auch nioht wundern, da es sich um ein primäres Hypophysenleiden 
handelt. 

Mit Hypophysenpräparaten können wir das Leiden nioht behandeln; 
diese würden ja nur den gegenteiligen Effekt haben, und ihre An¬ 
wendung wäre derselbe Fehler, wie wenn man etwa die Basedow’sohe 
Krankheit mit Tbyreoidin behandeln wollte. Vielmehr verwendet man 
dort die Antithyreoidinpräparate, z. T. mit gutem Erfolge. „Antihypo- 
physinpräparate“ können wir nicht hersteilen, weil man Versuchstieren nioht 
die Hypophyse total entfernen kann. Diese Operation ist nach Asohner*s 
Vorgang nur ganz wenigen Experimentatoren und auch nur teilweise ge¬ 
lungen. Fast alle Tiere verloren dabei ihr Leben, weil der Eingriff zu 
gross ist. Für Fabrikzwecke jedenfalls ist das Verfahren unangängig. 
Nun zeigen uns die Erfolge des Herrn Kollegen Sohaefer, dass man 
die Hypophyse durch die Bestrahlung verkleinern kann. Dies be¬ 
zieht sich aber voraussichtlich nicht nur auf Tumoren des Organs, 
sondern auf jede Hyperplasie und Hyperfunktion endokriner Drüsen. Der 
beste Beweis dafür sind die Erfolge der Bestrahlung der Ovarien. Dement¬ 
sprechend könnten wir nunmehr dazu übergehen, Fälle von 
Dystrophia hypophyseo-genitalis duroh Bestrahlung des 
Hirn an hange zu behandeln. Im allgemeinen wird man dies nioht 
tan, da weder das Leiden noch die Beschwerden so hochgradig sind, um 
eine immerhin so eingreifende Therapie für alle Fälle zu rechtfertigen, 
und nur in ganz besonders liegenden Fällen werde ich von der Kopf¬ 
bestrahlung Gebrauch machen. Dagegen liegt noch eine andere Möglich¬ 
keit vor, den zugrunde liegenden Gedanken nutzbar zu maohen: man muss 
Tieren die Hypophyse duroh Strahlenbehandlung schädigen 
und dann ihr Blutserum oder die Milch zu therapeutischen 
Zwecken verarbeiten. Das entspricht der Antithyreoidinbehandlung 
bei Basedow, und der Antioophorinbehandlung, die ioh bei der Form der 
Osteomalazie, die auf Hyperfunktion der Ovarien beruht, mit einigen, 
auoh von anderen bestätigten Erfolgen angewendet habe. loh behalte mir 
vor, da es sioh bei Dystrophia hypophyseo-genitalis um eine sehr 
häufige, praktisch wiohtige Erkrankung handelt, diesen Gedanken sohon 
in nächster Zeit in die Tat umzusetzen. 

Hr. Heimann: Nur einige kurze Bemerkungen zur Technik möehte 
ich mir erlauben. Herr Schaefer hat uns gesagt, dass von seinen 
8 Fällen 7 mal Röntgenbestrahlungen, lmal radioaktive Substanzen an¬ 
gewendet wurden. In den ersten sieben erwähnten Fällen sind absolut 
keine Schädigungen vorgekommen, während im achten Falle der Erfolg 
der Radiumbestrahlung eine Fistel im harten Gaumen war. Das führt 
uns wieder deutlich vor Augen, wie ausserordentlich vorsichtig man mit 
der Bestrahlung der radioaktiven Substanzen sein muss. Von Anfang 
an, also seit einer Reihe von Jahren, haben wir dieselbe Erfahrung 
machen müssen bei der Bestrahlung des Uteruskarzinoms. Ich habe 
vor einigen Monaten meine sämtlichen mit radioaktiven Substanzen be¬ 
strahlten Karzinome nacbuntersucht und musste konstatieren, dass in 
einer beträchtlichen Anzahl von Fällen, wenn sie überhaupt noch lebten, 
Mastdarmscheidenfisteln sioh gebildet hatten. Die Dosierung der radio¬ 
aktiven Substanzen ist ja trotz der von Kröning vorgeschlagenen 
Methode der Eichung noch zu ansicher, um auf der einen Seite mit 
Bestimmtheit zu nützen, auf der anderen Seite keineswegs zu 
schädigen. Wir wenden daher an der Klinik das Radium nur noch in 
vereinzelten, ganz bestimmt indizierten Fällen an und haben zur Tiefen¬ 
bestrahlung bisher mit ausgezeichnetem Erfolge den Symmetrie-Apparat 
mit der selbsthärtenden Siederöhre benutzt. Ich werde Gelegenheit 
haben, Ihnen in nächster Zeit etwas Ausführlicheres vortragen zu können. 

Hr. Frank betont, dass die echte Dystrophia adiposo-genitalis wohl 
von den meisten Autoren als eine Unterfunktion der Hypophyse aufge¬ 
fasst wird, und dass es daher fraglioh erscheint, ob in derartigen Fällen 
eine Bestrahlung der Hypophyse eine Veränderung des Habitus herbei¬ 
führen könne. 

Hr. L. Fraenkel: Herr Frank hält die Dystrophia adiposo-genitalis 
als duroh die Unterfunktion der Hypophysen bedingt und warnt 
dementsprechend vor der Durchstrahlung. Mir ist vollkommen bekannt, 
dass in einem Teil der Arbeiten und Lehrbücher über die innere Se¬ 
kretion diese Ansioht geteilt wird. loh aber und mit mir die Mehrzahl 
der Forscher halten dies für falsch. Es handelt sich ja zweifellos hier 
um ein schwieriges Gebiet, weil die Funktionen der inneren Drüsen 
nooh nioht genügend erforsoht sind, auoh direkt widersprechende Beob¬ 
achtungen gemacht werden, die nioht immer auf fehlerhafter Beob¬ 
achtung der Autoren beruhen, sondern häufig genug auf einem antago¬ 
nistischen Widerspiel der Drüsen. Auch handelt es sioh ja niemals 
um eine Drüse allein, sondern um die Zusammen- oder Gegenarbeit 
mehrerer Drüsen. Trotzdem besteht kein Zweifel, dass bei dem hier 
vorschwebenden Bilde des hypophysären Breiten- und Längen¬ 
wachstums der genitalhypoplastisohen Frauen dem Minus von Ovarien- 
ein Plus von Hypophysensekret entgegensteht. Wenn man die immer 
wieder wegen Sterilität konsultierenden Frauen auf ihren Gesamthabitus 
mustert, kann nioht der geringste Zweifel aufkommen, dass es sioh bei 
einem Teil von ihnen um eine der Akromegalie verwandte Affektion 
handelt. Wenn die Akromegalie im wesentlichen eine Hyperfunktion 
der Hypophyse darstellt, so ist es die mir vorsohwebende Form der 
Dystrophia hypophyseo-genitalis sicherlich auoh, gerade so wie die 
Schwangerschaftsveränderungen, welche ebenfalls die Beokenverbreiterung, 
Knoohenverdiokungen und Gesichtsvergröberungen zur Folge haben. 


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15. September 19 19. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Hr. Uhthoff dankt zunäohst dem Vortragenden und der Derma- 
tologisohen Klinik für die segensreiche Hilfe, die sie der Augenklinik 
für ihre Kranken gewährt haben, und er gedenkt ferner des hervorragen¬ 
den Anteils bei der Bearbeitung des einsohlägigen wissenschaftlichen 
Materials, den die leider so früh verstorbene Assistentin der Universitäts- 
Augenklinik Fräulein Dr. Therese Chotzen gewonnen hat. 

Er gibt seiner Ueberzeugung Ausdruck, dass verschiedenen Kranken 
mit Hypophysentumoren und temporaler Hemianopsie durch die Röntgen¬ 
bestrahlung sehr Segensreiohes geleistet worden ist, allerdings nioht 
allen. In einzelnen Fällen hat die Therapie versagt. Aber auch wenn 
man gebührend berücksichtigt, dass der Verlauf der Sehstörung bei den 
Hypophysistumoren sioh ausserordentlich verschieden gestalten kann, 
dass die Sehstörungen oft lange stationär bleiben können, so besteht 
doch kein Zweifel, dass die Röntgentherapie auf diesem Gebiete uns 
einen sehr wesentlichen Fortschritt gebracht hat. Die Beobachtungen 
erstrecken sich z. T. auf lange Zeit und sind sehr genau durchgeführt 
worden. 

Dass die Akromegalie auf einer Hyperfunktion der Hypophysis beruht, 
ist anzunehmen, wohl auoh bei der Dystrophia adiposo-genitalis, während 
beim Zwergwuchs infolge von Hypophysistumoren wohl mit einer Hypo- 
funktion zu rechnen ist. 

Der eine Fall, bei dem infolge von Applikation der radioaktiven 
Substanz im Nasenrachenraum ein Defekt im harten Gaumen entstand, 
mahnt io dieser Hinsicht sehr zur Vorsicht. In dem vorliegenden Falle 
hat vielleicht eine nicht hinreichende Befestigung der Kapsel während 
ihrer Anwendung die Komplikation herbeigeführt. 

Bei der Anwendung der Röntgenbestrahlung sind derartige Ereig¬ 
nisse nioht zu fürchten. 

Hr. F. Schäfers Schlusswort. 


Medizinische Gesellschaft zu Kiel. 

Sitzung vom 20. März 1919. 

1. Hr. Weilaid: Diabetes and komplizierende chirurgische Er¬ 
krankungen. 

Nach kurzer Einleitung über die vorliegende Literatur bespricht 
Vortr. zunächst den traumatischen Diabetes alB ein sehr seltenes Vor¬ 
kommnis, das auch im Kriege nioht häufig gewesen sein mag; aus 
eigener Erfahrung ist ihm nur ein Fall bekannt, der ziemlich einwand¬ 
frei als traumatisch bedingt angesehen werden kann. Ein häufiges Vor¬ 
kommnis dagegen ist die traumatische, transitorische Glykosurie, sei sie 
spontan oder alimentär, mit Hyperglykämie; bei Frakturen tritt sie in fast 
der Hälfte der Fälle auf. Ihr Zustandekommen wird erklärt durch einen 
nervösen Vorgang analog dem Geschehen bei der Piqüre. Bei jahre¬ 
lang fortgesetzter Nachbeobachtung ist von den untersuchten Fällen nie 
einer an wirklichem Diabetes mellitus erkrankt; diese Feststellung — 
häufige Glykosurie bestimmt charakterisierter Art * ohne Uebergang in 
Diabetes — ist für die Unfallpraxis von Wichtigkeit. 

Dem Diabetes eigentümliche chirurgische Erkrankungen gibt es 
nicht; manche Infektionen sind beim Diabetes besonders ungünstig, 
aber sie werden es erst durch die Art des jeweils vorhandenen Diabetes 
und die Veränderungen an den Organen des Diabetikers — Nerven¬ 
system, Arteriosklerose, kardio-vaskuläres System, Lipomatose — sie 
sind es nicht ihrer Eigenart naoh; die gefürchtete Gangrän ist meist 
rein arteriosklerotisch. 

In der rechtzeitigen Erkennung und Behandlung diätetischer Art 
liegt der beste Schutz des Diabetikers vor Komplikationen; das chirur¬ 
gische Verhalten ist vielmehr duroh die Organkomplikationen des Dia¬ 
betikers bedingt, die auch die Prognose beeinflussen, als die früher 
geltend gemachten Gründe: Narkose, Infektion, Ueberzuckerung des 
Blutes und der Gewebe. 

2. Hr. Sehitteahelm: Ueber Fleekfieber (mit Demonstrationen). 
Der Vortragende demonstriert einen Fleckfieberfall mit typischem 
Krankheitsbild und Exanthem und bespricht an der Hand dieses und 
eines kurz vorher verstorbenen Falles Klinik, Aetiologie und pathologische 
Anatomie des Fleokfiebers. 


Sitzung vom 3. April 1919. 

Hr. Schade: Untersuchungen in der Erkältaagsfrage. 

I. Allgemeine Grundlagen der Erkältung. Der erste Teil 
des Vortrages gilt der Frage: Gibt es Erkältungskrankheiten? S. hat in 
systematischer Beobachtung während des Krieges zu dieser Frage ein 
sehr erhebliches Zahlenmaterial beigebracht, welches eigener Beobachtung 
entstammt. Die Kriegsverhältnisse sind deshalb ganz besonders günstig 
zu solcher Untersuchung, weil die Wetterexponierung des Soldaten sich 
häufig extrem gestaltete und zudem stets Massenbeobachtungen an einem 
sehr gleichförmigen Menschenmaterial gegeben waren. Auf Grund ein¬ 
gehender Statistiken, die sich ergänzend ausserdem noch auf die „Er¬ 
kältungskrankheiten“ des Gesamtfriedensheeres der letzten 12 Jahre er¬ 
strecken, kommt S. zu dem Ergebnis, dass die obige Frage zu bejahen 
ist. Insbesondere hat sioh herausgestellt, dass der Gang der Erkältungs¬ 
krankheiten der Kurve der Erfrierungsfälle in sehr weitgehender Weise 
parallel zu gehen pflegt. Eine fortlaufend geführte Tagesstatistik der 
Erkältungen (2647 Fälle) während dreier Monate, bei denen von einer 
Feldwetterwarte gleichzeitig die Tagesdaten des Wetters verfüglioh sind, 
zeigt, dass auoh zwischen Erkältungskrankheiten und dem Tagesmaass 


der Abkühlung (nicht etwa einfaoh dem jeweiligen Temperaturgrad) ein 
gewisser Zusammenhang zu finden ist. 

In dem weiteren Vortrag wird sodann die BYage behandelt, auf 
welchem Wege die Abkühlungswirkung des Wetters krankmachenden 
Einfluss auf die Körpervorgänge gewinnt. Auf Grund teils experimen¬ 
teller, teils vergleichender und auch teils wieder statistischer Beweis¬ 
führung kommt Vortr. zu dem Ergebnis, dass hier drei Wege der schä¬ 
digenden Einwirkung zu unterscheiden sind: 1. eine Kolloidsohädigung 
der Gewebe durch die Kälte, welche als Gelose bezeichnet wird, 2. eine 
reflektorische Kältefernwirkung im Körper, für die das sympathische 
Nervensystem die Bahnen abgiebt, und 3. eine Herabsetzung der immu¬ 
nisatorischen Kräfte des Körpers, welohe namentlich bei den von den 
Respirationsorganen ausgehenden Infektionskrankheiten deutlich zutage 
tritt. Diese Ausführungen im einzelnen sind zu kurzer Wiedergabe der 
Begründungen nioht geeignet; sie sind im Original des Vortrags, der in 
der Münchener medizinischen Wochenschrift erscheint, sowie ausführ¬ 
licher in der Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin, 1919, 
Nr. 7, S. 275—374, einzusehen. 

Aussprache: Sohittenhelm, Höher, Kisskalt, Frey, As- 
muss, Ansohütz, Grauhan, Schade. 


Sitzung vom 15. Mai 1919. 

Hr. Beneand: Milchiijektionen bei Augenleiden. 

An der Hand des Materials der Kieler Augenklinik beriohtet Vortr. 
über die Erfahrungen bei etwa 500 Fällen mit etwa 2000 Injektionen. 
Ohne Zweifel gering ist seines Eraohtens der Erfolg der Mitohtherapie 
bei Keratitis parenobymatosa. Die subjektiven Beschwerden wurden ge¬ 
bessert, doch blieben die Filtrate selbst unbeeinflusst. Im Gegensatz 
dazu sind die Erfolge bei der Keratitis eczematosa geradezu über¬ 
raschend. Mitunter genügte eine einzige Injektion, um den Patienten 
vollkommen beschwerdefrei zu machen. Gute Erfolge mit Milchinjektionen 
konnte er auoh bei der Iritis erzielen, er möohte sogar die Milohein¬ 
spritzung bei der Iritis als einen grossen Fortschritt bezeichnen. Von 
80 Fällen von Iritis konnte er bei 70 einen guten, < mitunter sogar 
sehr guten Erfolg beobachten, bei 10 Fällen vermisste er einen günstigen 
Einfluss. 

Auoh die Druckerhöhung bei Iritis, das sogenannte Sekundärglaukom, ' 
wurde günstig beeinflusst. Von 24 Fällen von Chorioiditis verhielten 
sioh 8 Fälle vollkommen refraktär, 10 Patienten gaben an, dass die 
Beschwerden besser und das Sehen klarer geworden sei. 6 Fälle zeigten 
eine auffallende Besserung im Hinblick auf die erreichte Sehschärfe. 
Auoh leichte Reizungen nach Operationen, Iritiden, Hypoyonbildung nach 
Verletzungen gingen schnell auf Milch zurück, es sei denn, es handelte 
sich um zu schwere Verletzungen. 

Bei Trachom wurden die Hornhautulzerationen entschieden günstig 
beeinflusst, doch zeigte der Pannus selbst nur geringe Neigung zur 
Rückbildung. Hornhautinfiltrate, Hornhautulzera bei Konjunktivitis 
zeigten unter der Milohbehandlung ein wechselndes Verhalten. 11 Fälle 
von Go. conjunctivae unterzog er ebenfalls der Milchtherapie, die Erfolge 
waren bis auf 2 Versager gut, mitunter geradezu verblüffend. Ein Ein- \ 
fluss auf die Vulvitis gonorrhoica blieb aus. Bei Herpes corneae konnte 
er ein deutliches Nachlassen der entzündlichen Erscheinungen feststellen. 
Bei Glaukom (Primärglaukom), Amotio retinae, Tränensackleiden, Neuritis, 
Neuroretinitis, multipler Sklerose erzielte er keine günstigen Resultate 
trotz mehrfacher Injektionen. Ueber die Wirkungsweise und das thera¬ 
peutische Agens der Milchinjektionen ist Vortr. noch nioht vollkommen 
orientiert. Er möchte die günstige Wirkung des Fiebers etwas mehr 
betont wissen. Seiner Ansicht naoh handelt es sich bei der Milch nicht 
um ein Desinfiziens, sondern um ein Resorbens. 

Hr. Wittig stellte mehrere Patienten mit Makuladegeneration vor, 
die erste Gruppe dem Senium, die zweite dem mittleren Lebensalter 
und die dritte dem jugendlichen Alter angehörig. Die Aetiologie dieser 
Makuladegenerationen lässt sich in eine Parallele mit der Aetiologie des 
Katarakts stellen. Man denke nur an die Katarakt im Senium und die 
Katarakt bei Myotonia congenita. 

Weiter wird eine Patientim mit Optoehinvergiftnng vorgestellt, 
mit den typischen Augenhintergrundsveränderungen. /Sehr enge Gefässe 
mit Optikusatrophie. Die Gefässe sind am stärksten getroffen, weil von 
ihnen die Schädigung ausgeht. Ebenfalls durch Gefässveränderungen 
bedingt sind die schweren Augenhintergrundsveränderungen eines Pa¬ 
tienten, der dann demonstriert wird. Aetiologie ist die Kampfgasver¬ 
giftung. Die Gefässe sind hier extrem eng, über den Optikusrand kaum 
zu verfolgen. Stärkste Retinaltrübung, die sioh sogar über den sonst 
in der Makula erhaltenen „kirsohroten Fleck“ erstreckt. Optikus na¬ 
türlich atrophisch. 

Hr. Thormfihlei demonstriert einen Fall von juvenilen Glaskörper- 
blutangen, deren Ursaohe in event. tuberkulösen Erkrankungen der Netz- 
hautgefäsBe (Angiopathia retininalis) zu suohen ist und stellt weiter 
2 Fälle von Retinitis circinata, eines von Fuchs 1893 zuerst beschrie¬ 
benen Krankheitsbildes, vor. 

Hr. Heine: Demonstration von Fällen von Karziuomkaehexie mitRet. 
toxica, Poikilozythose mit Retinalgeflssanomalien, Tbc. iridis, Tbc. 
retinae, Myotonisehe Popillarreaktionen. Demonstration moderner 
angenärztlicher Untersnchnngsmittel : Gullstrand’s Ophthanoskop, 
Kornealmikroskop, Nernstspaltlampe, grünes Augenspiegellicht, künst¬ 
liches Tageslicht, spektrale Strahlung, Runge. 


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888 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

BerliD. Die medizinische Fakultät der Universität Berlin hat für das 
Jahr 1920 folgende Preisaufgaben gestellt: 1. für den staatlioben Preis’: 
„Inwieweit gestattet die kutane Reaktion mit Tuberkulin und den Partial- 
antigenen einen Rücksehluss auf den Status und die Prognose einer 
Tuberkulose?“ 2. für den städtischen Preis: „Anatomische Verfolgung 

der Muskelvergrösserung durch Muskelarbeit.“ 

— Am 15. September begeht der ordentliche Professor und Direktor 
des pathologischen Institus der tierärztlichen HoohschuleBerlin, 
Geh. Regierungsrat Dr. W. Sehütz, seinen 80. Geburtstag. Wir ge¬ 
statten uns, dem hochverehrten Jubilar unsere herzlichsten Glückwünsche 
zum Ausdruck zu bringen. 

— Dem Kreisarzt und Vorsteher des Medizinaluntersuchungsamts in 
Breslau Dr.‘ J. Käthe und dem früheren wissenschaftlichen Mitgliede 
des Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ in Berlin, jetzigem 
Kreisarzt in Waldbröl, Dr. E. Walter ist das Prädikat Professor bei¬ 
gelegt worden. 

— Der Leiter der Wohlfahrtheim-Aktiengesellsohaft für Anilin¬ 
fabrikation in Wolfen bei Bitterfeld, Dr. Gursohmann, wurde wegen 
seiner Verdienste auf dem Gebiet der ,Gewerbebygiene zum Professor 
ernannt. 

— Der Direktor des zahnärztlichen Instituts in Leipzig, Hofrat Prof. 
Pf aff, wurde in Anerkennung seiner hervorragenden wissenschaftlichen 
Leistungen auf dem Gebiet der Zahnheilkunde von der Leipziger medi¬ 
zinischen Fakultät zum Dr. med. dent. hon. oausa ernannt. 

— Dr. Rollier in Lapin hat von der Pariser medizinischen 
Akademie den Boggio-Preis (4000 Fr.) für die besten Werke über die 
Behandlung der Tuberkulose erhalten. 

— Das Ministerium des Innern in Sachsen hat die Anzeige-, 
pflicht bei ansteckenden Krankheiten auch auf die eitrige 
Augenentzündung der Neugeborenen ausgedehnt. 

— In Ungarn ist für Volkshygiene, die bisher in den Bereich 
des Ministeriums des Innern gehörte, ein besonderes Ministerium ge¬ 
schaffen worden, an dessen Spitze Oberstabsarzt Andreas Csillery 
berufen wurde. 

— Die Ausübung des ärztlichen Berufes ist nach „L’indöpen- 
dance Roumaine“ in Rumänien jedem Ausländer, der im Besitze des 
Diploms einer ausländischen Fakultät ist, gestattet, wenn er die sonstigen, 
durch das Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt. 

— Die Berliner Aerzte-Correspondenz bringt in ihrer Nr. 86 nach¬ 
stehende Erklärung: „Wir alten Aerzte. In der vorletzten Nummer der 
Aerzte-Oorrespondenz wird auf die Notlage der alten kassenlosen Aerzte 
hingewiesen und ihnen ärzte-politisohe Tätigkeit empfohlen, auf deutsch 
„schreien*. Wir alten Aerzte (ioh spreohe auch im Namen einer An¬ 
zahl befreundeter Kollegen) haben in Anstand und Zurückhaltung unser 
entbehrungsreiches Leben verbracht. Wir haben die „Entwickelung“ 
unseres Standes mit angesehen und könnten, wenn wir wollten, der 
Stadt eine Geschichte erzählen, wie man Präsident alias Kassenkönig 
und auch Professor wird. Wir verzichten darauf — wir verzichten aber 
auch auf Ratschläge. Hilfe kann uns alten Aerzten ebenso wie den 
jungen, soweit sie nicht besonders „tüchtig“ sind, nur werden durch 
Verstaatlichung. Mag der Stand dann auch manche tüchtige Kraft, die 
sich dem Handel, zu dem sie innerlich stets gehörte, zuwenden wird, 
verlieren — er wird unendlich dabei gewinnen. Ein alter Arzt.“ — Man 
kann in der Frage der Verstaatlichung der Aerzteschaft auch anderer 
Meinung sein und insbesondere für möglich halten, dass ihre Wirkung 
auf die Aerzteschaft und auf die Kranken, hier wieder auf private und 
auf Kassenpraxis sich nach entgegengesetzter Riohtung geltend machen 
könnte. Dies ist ein weites Feld und nioht mit wenigen Sätzen zu er¬ 
ledigen. Der kleine Artikel verdient jedoch schon wegen seiner Vor¬ 
nehmheit und Würde Beachtung auch in weiteren Kreisen. Es wäre 
nur zu wünschen, dass Kollegen von der Art des Herrn Verfassers die 
Zurückhaltung nicht gar zu häufig übten; wenn sie ihren wohl be¬ 
greiflichen Widerwillen gegen die heutigen Formen der Erörterung über¬ 
wänden und die Führung nicht so billig unberufenen Händen überliessen, 
so stände es erheblich besser um das Ansehen unseres Stands. H. K. 

— Der Deutsche Verein für Schulgesundheitspfiege und die Ver¬ 
einigung der Schulärzte Deutschlands werden ihre diesjährige Jahresver¬ 
sammlung ^m 24. und 25. Oktober in Weimar abhalten. Zur Behandlung sind 
angesetzt: 1. „Die Einheitsschule vom hygienischen Stand¬ 
punkt.“ (Referenten: J. Tews-Berlin, Stadtrat Dr. Buehenau-Neu- 
kölln, Geh. San.-Rat Stadtarzt Dr. Oebbeoke - Breslau.) 2. „Welohe 
Aufgaben stellt die während des Krieges herbeigeführte Er¬ 
schütterung der Schuljugend an die Schule?“ (Referenten: 
Stadtsohularzt Prof. Dr. Thiele - Chemnitz, W. Detleisen - Hamburg, 
letzterer vom Standpunkt der Krankenversicherung.) Der Besuch der 
Versammlung steht allen Freunden der Schuljugend unentgeltlich frei. 
Anfragen betr. Versammlung sind an den Geschäftsführer des Deutschen 
Vereins für Sohulgesundheitspflege, Prof. Dr. Selter, Königsberg i. Pr., 
Hygienisches Institut, Steindamm 9b, zu riehten. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reich (24. bis 
30. VIII.) 30. Fleekfieber: Deutsches Reich (24.—30. VI1L) 7. 


Deutsohösterreieh (3.—16. VIII.) 8. Genickstarre: Preussen 
(17.—28. VIIL) 6 und 2 f. Schweis (10.-16. VIIL) 2. Ruhr: 
Preussen (17.—23. VIIL) 356 und 89 f. Mehr als ein Zehntel aller 
Gestorbenen starb an Scharlach in Buer. 

(Veröff. <L Reichs-Ges.-Amta.) 

Hoohsohulnaohriohten. 

Breslau: Geheimrat Hofmeister (bisher in Strassburg) ist als 
Nachfolger des verstorbenen Prof. Röhmann auf den Lehrstahl für phy¬ 
siologische Chemie, der in ein Ordinariat umgewandelt wurde, berufen 
worden. — Frankfurt a.M.: Prof. Kleist in Rostook hat einen Ruf auf den 
Lehrstuhl für Psychiatrie als Nachfolger von Geheimrat Sioli erhalten. 
— Erlangen: Geheimrat Pentzoldt, Direktor der medizinischen Klinik, 
tritt zum Sohluss des Wintersemesters in den Ruhestand. — Heidel¬ 
berg: Die Privatdosenten DDr. Seidel (Augenheilkunde) und Rost 
(Chirurgie) sind zu ao. Professoren ernannt worden. Habilitiert: DDr. 
Gans (Dermatologie) und Rodenwaldt (Hygiene und Bakteriologie).— 
Marburg: Prof. Fischer, Direktor des zahnärztlichen Instituts, hat 
einen Ruf nach Hamburg erhalten. — Wien: Habilitiert: Prof. Dr. 
SträusBler - Prag für Psychiatrie. — Basel: Prof. Doarr in Wien 
ist zum Ordinarius für Hygiene gewählt worden. 

Wir bitten zur Vermeidung von Nachsendungen alle redaktionellen 
Briefe, wenn sie an einen der Herausgeber person lieh gerichtet sind, 
mit dem Vermerk „Redaktionsangelegenheit“ oder dergl. versehen 
zu wollen. Redaktion. 

I lch bin bis Mitte Oktober verreist. Sendungen am besten nach I 
Unter den Linden 68 zu richten. H. K. I 


Amtliche Mitteilungen. 

PereonaUen, 

Auszeichnungen: Prädikat „Professor“: Assistenzart d. obirurgischen 
Klinik b. Charitökrankenhause in Berlin Dr. P. Glässner. 

Ernennungen: Bisb. Priv.-Doz. in d. med. Fakult. d. Univers. in Berlin 
Prof. Dr. Ceelen, Abteil.-Vorst, am Patholog. Inst., z. ao. Professor 
in ders. Fakult.; Priv.-Doz. Prof. Dr. Aiohel in Kiel z. Abteil.-Vorst, 
am Anatom. Institut d. dortig. Univers.; Arzt Dr. F. Benkwits in 
Bielefeld z. KreisasBistensarzt daselbst, unter Ueberweis. an d. Kreis¬ 
arzt d. Stadt- u. Landkreises Bielefeld u. d. Kreises Halle i. W. 

Versetzungen: ordentl. Prof. Dr. Göppert in Frankfurt a. M. in gleicher 
Eigenschaft in d. mediiin. Fakult. d. Universit. in Marburg. 

Niederlassungen: Dr. F. Laokner, Dr. A. Jedwabnioh u. P. Koll- 
b erg in Königsberg i.Pr., Dr.S. Konrad in Gumbinnen, Dr. E.Boehnjke 
in Trakehnen (Kr. Stallupönen), Dr. W. Ungel in Danzig; Dr. 
W. Boehme, K. Dührkop, Dr. W. Günssel, S. Ksinski, Fritz. 
Lewy, Dr. K. Matzdorff, Friedr. Noaok, Dr. P. Oberbeck, Dr. 
Martin Rosenberg, Dr. Ernst Rosenstein, Dr. Georg Strass¬ 
mann und Dr. P. Würst in Berlin; Dr. K. Bohl, Dr. M. Fabian, 
Dr. J. Fritze, W. Kloninger, Dr. Elisabeth Maronse, Dr. Edgar 
Michaelis, Dr. Arnold Noaok, Dr. B. Paasche, Dr. A. Sandler, 
Dr. Charlotte Sohmidt, Dr. Elisabeth Sohwörer-Salkowski 
und A. Woker in Charlottenborg; Dr. W. Bab, Dr. Arthur Hirsoh- 
feld, Dr. K. Immelmann, Dr. Kurt Kayser, Dr. Georg Lange, 
Dr. K. Meinardus, Mar.-Gen. a. D. Dr. M. Piohert, Dr. H. Sey- 

farth und Mar.-Ob.-St.-A. Dr. P. Wiens in Berlin-Wilmersdorf; Dr. 
W. Mienits in Heiligensee, Haus Conradshöbe (Kr. Niederb&rnim), 
Dr. H. Schürmann in Hermsdorf (Kr. Niederbarnim), Dr. Georg 
Davidsohn in Berlin*Pankow, Dr. H. Brünjes, Dr. W. Landgraf 
und Dr. Ernst Rosenfeld in Berlin-Weissensee, Adolf Linke in 
Berlin-Tegel, Dr. L. Peterhanwahr und Dr. Friedr. Krüger in 
Berlin-Steglitz, Gen..-A. a. D. Dr. 0. Nickel in Berlin-Südende, St-A. 
Dr. Georg Starke und Ob.-St.-A. Dr. 0. Burohardt in Potsdam, 
Dr. Felix Starke, Dr. W. Angenete und Dr. H. Bendix in Prena- 
lau, Dr. E. Ohse, W. Penner und Dr. Kurt Heinemann in Berlin- 
Friedenau, E. Büsohing in Sohlaohtensee (Kr. Teltow), Dr. W. Weok- 
becker in Treis (Kr. Kochern). 

Verzogen: Dr. Eva Lübeck von Nürnberg und Dr. Egon Sohlüter von 
Lublinitz nach Neusatz a.O., Dr. H. Kolaozek von Tübingen nach Jauer, 
Dr. Ernst Pohl von Hartmannsdorf nach Warmbrunn, A. Stuppe von 
Sohomberg nach Rudahammer (Kr. Hindenburg), Dr. W. Heide von 
Bismarckhütte naoh Lipine (Ldkr. Beuthen), Dr. Adolf Vogt von 
Guttentag nach Lublinitz, Dr. Arnold Fromme von Hessenrode naoh 
Hohenstein (Kr. Osterode i. Ostpr.), Dr. A. Kuhlow von Breslau nach 
Tuchei, Dr. K. Ollendorff von Berlin naoh Breslau, Dr. K. Langer 
von Brieg naoh Lublinitz. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Herrn. Zimmer¬ 
mann von Charlotten bürg auf Reisen. 

Gestorben: Dr. August Fröhlich in Königsberg i. Pr., Dr. V. 
Tsohirner in Darkehmen, Dr. G. Eitner und San.-Rat Dr. R. Frost 
in Berlin-Wilmersdorf, Geh. San.-Rat Dr. 0. Hartwig in Geestemünde. 

Fftr Ai« B + Ankttm ▼■rentwoitiieh TtmC Dr. Hm lohn, Merlin W„ BnjTMrtharMm, 4M 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin VW. 7. — Druck von L. Sohomaoher in RerHa ». 4. 


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Di« Berlio«r Kliaisehe Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nummern ron etw* 8—6 Bogen gr. 4. — 
Preis viertel)ihrlioh 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen and Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Sinsendangen für die Bedaktion and Expedition 
wolle men portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
▲ngost Hirsenwald, Berlin NW., Unter den Linden 88, 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

ötk Met-Ed Prof. Dr. C. Postier und Prot Dr. Hans Kehn August Birschwald, Veriagsbachhandlnig io Berlin. 

Montag, den 22. September 1919. MM. Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origiiiliev: v. Kern: Za den Kämpfen am das humanistische Gymnasium. 
S. 889. 

Fischer and Chen Pan Nien: Das Verhalten des Blutes bei Lue9 
im Sekundärstadium. (Aus dem pathologischen Institut der 
Deutschen Medisinsohule für Chinesen in Shanghai.) S. 891. 
Raebiger: Zur Kenntnis der Gift- und Nutspilse. S. 898. 
Kayser-Petersen: Krankheit und Klima. (Illustr.) S. 894. 
Rosensteiu: Phlebektomia oruralis bei infektiösem Diokdarm- 
katarrh. S. 895. 

Manasse: Die chirurgische Behandlung der Nervensohussverletsungen. 
(Schloss.) (Illustr.) S. 897. 

Bflekerbesprechusgea : Fuohs: Die heilpädagogische Behandlung der 
durch Kopfschuss verletsten Krieger. S. 900. Janssen: Lehrbuch 
der ohirurgisohen Krankenpflege für Pflegerinnen und Operations¬ 
schwestern. S. 900. Bäräny: Primäre Exzision und primäre Naht 
akridenteller Wunden. (Ref. Adler.) S. 900. 


Zu den Kämpfen um das humanistische 
Gymnasium. 

Zwei neu erschienene Werke. 

Von 

Bertheld v. Kera-Berlin. 

Die heutige Gegenwart ballt wider von vielstimmigem Toten- 
geläut für mancherlei Kulturwerte, die wir einst mit begeisternngs- 
voller Hoffnung auf fruchtbare Entfaltung geschaffen, gepflegt 
und gehütet haben. Vielfach allerdings waren solche Kulturwerke 
schon in den voraufgegangenen Jahrzehnten amstritten and be¬ 
droht, als morsch verurteilt oder tatsächlich der Fäulnis ver¬ 
fallen —r unter der wuchernden Herrschaft eines Zeitgeistes, dem 
jeder Idealismus als weltfremd galt, und der nur handgreiflichem 
Gewinn nacbjagte. Aach über dem humanistischen Gym¬ 
nasium schwebt heute der Todesstreich. Ist er berechtigt? Ist 
er noch abzuwenden? Bedeutet er einen Fortschritt oder einen 
Rückschritt unserer Geisteskultur? einer Geisteskultur, die beute 
noch unser einziges Hab und Gut ist, das wir aus der Brandstätte 
des Kriegsausgangs zu retten vermögen, am ein Leben zu fristen, 
dessen materielle Bedingungen im Versiegen begriffen sind. 

Auf diese Frage die Antwort zu geben und mit dieser Ant¬ 
wort für die Stellung des humanistischen Gymnasiums einzutreten, 
seine Erhaltung als einen Lebensbedarf des deutschen Geistes zu 
erweisen und zugleich einer vertiefenden Reform seines Lehrplans 
die Wege zn bahnen, das bildet den warmherzigen Inhalt eines 
soeben im Teubner’schen Verlag erschienenen Werkes: „Das 
Gymnasium und die neue Zeit, Fürsprachen und For¬ 
derungen für seine Erhaltung und seine Zukunft“ 
(220 Seiten). Dieses Werk nimmt von neuem den Kampf auf 
für das schwer bedrohte Gymnasium und wendet sich gegen 
dessen persönliche und sachliche Widersacher, die den geschicht¬ 
lichen, den bleibenden und den tragefähigen Kulturwert des hu¬ 
manistischen Gymnasiums für das deutsche Volk bestreiten, viel¬ 
leicht ihn verkeonen oder missdeuten zugunsten einer modernen 
Weit- and Lebensauffassung, die nnr den unmittelbaren Nütslich- 


A L T. 

Literatur- Auszüge: Physiologie. S. 900. — Therapie. S. 901. — All¬ 
gemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 901. — Psychi¬ 
atrie und Nervenkrankheiten. S. 902. — Kinderheilkunde. S. 908. 
— Chirurgie. S. 908. — Röntgenologie. S. 904. — Haut- und 
Geschlechtskrankheiten. S. 904. — Augenheilkunde. S. 905. — 
Hygiene und Sanitätswesen. S. 906. — Gerichtliche Medizin. S. 906. 
— Unfallheilkunde und Versicherungswesen. S. 906. — Schiffs- und 
Tropenkrankheiten. S. 906. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften; Physiologische Gesell¬ 
schaft zu Berlin. S. 906. — Berliner urologische Gesell¬ 
schaft. S. 907. — Berliner otologisohe Gesellschaft. 
S. 907. — Medizinische Sektion der sohlesisohen Gesell¬ 
schaft für vaterländische Cnltur zu Breslau. S. 910. — 
Aerztlicher Verein zu Frankfurt a.M. S. 911. 

Tagesgesohichtliohe Notizen. S. 911. 

Amtliohe Mitteilungen. S. 912. 


keitswert erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten anerkennt und 
diesen für ausreichend und für allein maassgebend hält zur 
Selbstbehauptung des Menschen in den schweren, zurzeit sogar 
überschweren Aufgaben des sozialen Lebens mit allen seinen 
Nöten, seinen physischen Bedingungen und seinen geistigen Be¬ 
drängnissen. Das Werk setzt sich zusammen aus längeren oder 
kürzeren Darlegangen berufener Fürsprecher aas allen Kreisen und 
Arbeitsgebieten des deutschen Volkes. Sie sehen in dem Gym¬ 
nasium die notwendige Gewähr für den historisch humanistischen 
Biidung8weg, der im Volksleben eine wertvolle Rolle spielt, und 
gestehen den mancherlei Einwänden gegen die bisherige Hand¬ 
habung dieses Erziehungswerkes ihre Berechtigung unumwunden 
so, ohne doch dessen Wesen damit veruntreuen lassen zu wollen. 

Za diesem vorzugsweise und grundsätzlich die pädagogische 
Seite behandelnden Werke ist ein gleichsinniges Gegenstück so¬ 
eben in demselben Verlag (Teubner) erschienen: „Altertum 
und Gegenwart nach ihren Kulturzusammenhängen in 
der Hauptepoche und auf den Hauptgebieten“ (308 Seiten). 
Es enthält eine systematische Bearbeitung jener Kulturzusammen¬ 
hänge in der Form von Skizzen autoritativer Fachgelehrter, die 
sowohl im allgemeinen als für die einzelnen Kulturgebiete den 
engen Zusammenhang zwischen Altertum und Gegenwart wissen¬ 
schaftlich naebweisen, die Einheit der geistigen Welt aufzeigen 
und die Notwendigkeit auch ihrer weiteren Wahrung für das 
moderne Bildungsideal nachdrücklich betonen. Mit umfassendstem 
geschichtlichem Weitblick fasst es Altertum, Mittelalter und Neu¬ 
zeit zu einer einzigen Kulturperiode zusammen, an deren Grenze 
heute der Uebergang der eiozelstaatlichen Machtpolitik zu ge¬ 
meinwirtschaftlicher Weltpolitik, zu einer neuen grossen Kultur¬ 
periode der MenBchheitsentwicklung sich anzukündigeu beginnt. 
An der Schwelle dieses Uebergangea will das hier genannte Werk 
die inneren Zusammenhänge des Kulturlebens aufrecht erhalten, 
die Geisteswerte des Altertums und ihre geschichtliche Kultur¬ 
arbeit aus dem drohenden Untergange retten und als frucht¬ 
bringenden Humus für das Zukunftsleben der Menschheit weiter¬ 
gepflegt and weiterverwertet wissen. Insbesondere gilt diese 
Rechtfertigung und dieser Rettaogsakt dem „innerlichen Ethos“ 
der griechischen Kaltarleistung als dem oft bewährten Hebel 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 8* 


890 


jugendlich revolutionärer Geistesfreiheit in ihrem schweren 
Kampfe gegen erstickende Tradition. 

Beide Werke ergänzen sich gegenseitig za einem mächtigen 
Aufruf an das Gewissen der fahrenden Kreise unseres Volkes in 
einem Augenblick, wo die ganze nationale Vergangenheit zerstört 
und aof allen Lebensgebieten Neues unvorbereitet aus der Erde 
gestampft werden soll. Sie sind ein Schrei aus tiefer Not, der 
sachkundig von hoher Warte aus zur Selbstbesinnung aufruft und 
eindringlich warnt vor übereiltem Bruch mit bewährten Stütz¬ 
pfeilern unserer bisherigen Kulturentwicklung und unserer — 
einstigen Grösse. Sie sind ein lauter Warnruf gegen die aus¬ 
schliessliche Naturalisierung des Gesamtmenschen, die nur ein 
Aussenleben anerkennt und den Menschen nur in dieses und für 
dieses vorbilden zu sollen meint. Sie sind zugleich eine ein¬ 
dringliche Mahnung, dass es auch ein menschliches Innenleben 
gibt, dass dieses die höchsten Lebenswerte birgt und da?s in der 
Erhebung zu ihnen der wahre Human ismus liegt, dessen ernste 
Pflege die Zeiten äusseren Niedergangs am allerwenigsten ent¬ 
behren können. 

Zu den geschichtlichen und in niemals abgebrochener Kon¬ 
tinuität bis ins innerste Mark uns einverleibten Stützpfeilern 
gehört die urwüchsig schöpferische Kultur der alten Griechen, 
die allgemein menschheitlich und kosmisch gerichtet unter Ver¬ 
mittelung der Römer und des Christentums unsere mittelalterliche 
Kulturperiode getragen hat, die anfänglich und langdauernd nur 
passiv, später aber in durchaus schöpferischer Aneignung seit der 
Renaissance sich unmittelbar mit unserem Geistesleben verwoben 
hat, uns den Aufstieg zum neuzeitlichen Deutschen ermöglicht 
hat, und in unserer klassischen Nationalliteratur zum Kern des 
deutschen Geistes und zugleich, auf Goethe’schen und Kant- 
sehen Wegen, zu seinem dauernden Erzieher geworden ist. War 
die deutsche Drzeit bei aller Kraftfülle und Gemütstiefe ver¬ 
hältnismässig arm an Geistesknitor, so hat sie sich um so emp¬ 
fänglicher und fruchtbarer erwiesen in der Aufnahme und An¬ 
eignung gerade jener griechischen Hochkultur, die in fortschrei¬ 
tender Verstärkung ihres Einflusses das germanische Innenleben 
zu seiner hohen Entfaltung gebracht hat. Vorgeschichtliche 
Stammesverwandtschaft, innerste Wesenverwandtschaft und be¬ 
wusste Wahlverwandtschaft haben sich hier vereint, um eine 
nationaldeutsche Geisteskultur aus der Erde zu stampfen, die 
kaum ihresgleichen hat. Kein Fremdkörper in unserem Geistes¬ 
leben, sondern ein Teil seines Kerns hat jene griechische Vor¬ 
arbeit unsere geistige Freiheit zu unabhängiger Wissenschaft und 
deren glanzvollen Leistungen auf allen Gebieten des Lebens be¬ 
flügelt und über eng nationales Denken hinausgeführt zu einer 
übernationalen Erhebung von hohem und zukunftsreichem 
Kulturwert. In unheilvoller Ueberhebung nur haben wir seit 
einem halben Jahrhundert sie und allen Humanismus wieder von 
uns zu stossen und in rückschrittlicher Betonung des nationalen 
Urzustandes ein nacktes Deutschtum zu begründen versucht, 
haben wir das Nationalitätsprinzip in seiner einseitigen Ver¬ 
armung auf die Spitze getrieben, in ihm die Selbstsucht materieller 
Grösse zu befriedigen gestrebt und den Vollmenscben gegen den 
Volltechniker ausgetauscht. Die Folge war unser materieller und 
zugleich unser sittlicher Zusammenbruch, war der materielle 
Despotismus der Masse, zu dessen Ueberwindung wir uns nun des 
im Glück verleugneten Humanismus wieder zu erinnern be¬ 
ginnen, um unter seinen weltumfassenden Fittichen Schutz zu 
suchen. Jedenfalls steht im Mittelpunkt dieses Humanismus nicht 
ein genuines Deutschtum, sondern die griechische Erbschaft, und 
ihr hauptsächlich gilt auch der Streit um das Für und Wider 
der gymnasialen Jugendbildung. Was diese in der Vertiefung 
der Persönlichkeit nicht gewirkt hat, wird das spätere Leben 
nachzuholen nur selten und nur unvollkommen imstande sein. 

Will man den Weltkrieg in seinen Bedingungen, seinem Ver¬ 
lauf und seinem Ausgange, will man die Friedensbedingungen in 
ihrem Sinn und ihren Zielen, ja will man den ganzen gegen¬ 
wärtigen Zustand des aufgerührten Völkertobens begreifen, so 
führt alles dies zurück auf die romantische Ueberspannung des 
kurzsichtigen und engherzigen Nationalprinzips mit seiner 
unlauteren Selbstsucht im Gegensatz zu dem trotz allem immer 
breiter und unwiderstehlicher sich durchringenden Hnmanitäts- 
prinzip, das alles Nationale nur als Teil und Einzelfall im 
Leben und Weben der Menschheit erkennt, und das begreift, wie 
alles Nationale beute mehr als je aufs engste mit dem Ausser- 
nationalen und Internationalen, schärfer ansgedrückt mit dem 
humanistisch Uebernationalen verwachsen, von ihm abhängig und 
in ihm aufzugehen berufen ist — und alles dies sowohl in der 


wirtschaftlichen wie besonders in der allgemein geistigen Ent¬ 
wicklung. Hier hat die Weltgeschichte ja bereits von altersher 
mit eindringlichen Worten gesprochen, gemahnt und gewarnt, 
verständlich allerdings nur für die humanistisch erweiterte und 
befreite Auffassungsfäbigkeit. Politisch spielte sich der Kampf 
zwischen diesen Gegensätzen unter den berüchtigten Schlag¬ 
wörtern des Patriotismus und der Internationale ab. Im Kriegs¬ 
ausgange feiert scheinbar das Nationalprinzip Triumphe, schon 
jetzt aber brechen aus dem zerwühlten Völkerboden humanitäre 
Keime in neuer Lebenskraft hervor und streben nach Ausgleich 
der nationalistischen Risse, nach Völkervereinigung und Kräfte¬ 
vereinigung, um die Menscbheitskultur zu Nutz und Frommen der 
Nationen wieder aufzurichten, und das Humanitätsideal beginnt 
wieder aufzuleuchten, beginnt sich wieder zu erinnern, dass es 
bei den Indern und Griechen bereits ein halbes Jahrtausend vor 
der christlichen Zeitrechnung unter hoffnungsvollen Geburtswehen 
als Morgenröte über dem Menschheitsleben geleuchtet hatte, um 
nur dem verdunkelnden Wolkenzüge der kommenden Jahrtausende 
zu weichen. Dass in dem sich vorbereitenden Lichttage dem 
humanistischen Gymnasium mit seinem Zeiten und Völker 
verbindenden Humanitätsideal ein berechtigter und wirkungsvoller 
Bildungswert zukommt, dürfte den Streit um seine fernere Er¬ 
haltung und Pflege zu durchaus versöhnlichem Austrage bringen. 

Das Humanitätsideal indes schliesst noch einen weiteren In¬ 
halt ein. Ueberblicken wir die weltgeschichtliche Kulturentwick¬ 
lung, so sehen wir vom auftauchenden Urmenschen an, durch den 
sozialen Zusammenschluss in Sippen, Stämmen und Völkern hin¬ 
durch, bis zu der Idee eines Zusammenschlusses der gesamten 
Menschheit einen weiten, durch selbstsüchtige Lebensinteressen 
stark belasteten und fast hoffnungslosen Weg, demgegenüber die 
Humanität8idee einen Kurzschluss darstellt, der jene Grenzpunkte 
der Entwicklung unmittelbar miteinander verknüpft, der den 
Einzelmenschen zum Träger des Humanitätsideals und die Mensch¬ 
heit als Ganzes zum Träger des idealen Einzelmenscben macht. 
Hier liegt der gemeinsame Knotenpunkt für die Begriffe der 
Humanität und des Humanismus, insofern sie beide gipfeln in 
dem Ziele der echt humanen, das Menschbeitsideal verwirk¬ 
lichenden Persönlichkeit. Wenn das eine der hier genannten 
Werke den weiten Entwickelungsweg der humanen Kultur in 
ihren Hauptepochen und in ihrem unlöslichen Zusammenhänge 
mit dem Griechentum beleuchtet, so steht das andere unter dem 
pädagogischen Gesichtspunkt der unmittelbaren Erziehung des 
heutigen und zukünftigen Kulturmenschen zur humanen Persön¬ 
lichkeit und bebt in Einstimmigkeit den Wert des humanisti¬ 
schen Gymnasiums für die Erreichung gerade dieses Zieles 
mit überzeugungsvollen Darlegungen hervor, nicht als ob es das 
allein berechtigte Bildungsmittel wäre, wohl aber ein Bildungs¬ 
mittel, das im Verein mit allen andern dem Volksleben eine 
Führerschaft sichern will, die im Vollbesitz humaner Geistes¬ 
art das Humanitätsideal in sich trägt, es im eigenen Leben ver¬ 
körpert und es wirkungsvoll hineinträgt in die Welt- und Lebens¬ 
auffassung des gesamten Volkes. 

Wir dürfen uns doch darüber nicht täuschen, dass das Volk 
als Ganzes ein Stufenbau ist, in welchem Geistesbildung and 
Arbeitserwerb sich gegenseitig bedingen und befruchten, in welchem 
Stufe um Stufe die Geistesbildung andere Form und andern In¬ 
halt trägt. Trotz aller Mannigfaltigkeit dieses Inhalts aber bleibt 
er abhängig und geformt von denjenigen Kreisen, die ihn voll¬ 
wertig und fruchtbringend in sich aufgenommen haben, die 
von dieser Art der Führerstellung aus ihn fortzeugend in das Volks¬ 
leben verwirken. Mens agit molem. Auch hier ist Arbeits¬ 
teilung das beschleunigende Kulturprinzip, und in dieser Ar¬ 
beitsteilung will mit unbestreitbarem Recht auch das humanistische 
Gymnasium als bewährter deutscher Kulturwert seine Stellung 
behaupten, seine Kräfte entfalten und seinen Teil beitragen zur 
Kultur der Zukunft. Den eigennützigen Gleichheitsfanatikern, die 
den Sturz des Vaterlandes umjubeln und nmtanzen, hält es ent¬ 
gegen den gemeinnützigen Edelmenschen humanistischer Sinnesart, 
dem Geisteskultur nicht Luxus, sondern Leben ist, der nicht 
herabzusteigen, sondern heraufzuziehen sich als Lebensziel er¬ 
koren hat. Was wir an äusseren Werten verloren haben, können 
wir jetzt ja nur durch innere Werte ersetzen, und unter diesen 
hat die humanistische Geistesbildung sich bereits Jahrhunderte 
hindurch als unerschöpflicher Wertträger und Wegweiser im 
Reigen der Kulturentwicklung bewährt, und nicht weniger be¬ 
währt hat sich als ihre Arbeitsstätte und ihr bahnbrechendes 
Werkzeug das humanistische Gymnasium, dessen Schaffenskraft 
und Schaffensfreiheit nur der Entbindung von den Fesseln zer- 


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22. September 1919 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


801 


fahrener .Vielwisserei bedarf. Deshalb darf es. auch in der Zu¬ 
kunft nicht untergeben, wobl aber eine Gestaltung gewinnen, die 
seiner Idee immer vollkommener gerecht wird, damit der ver¬ 
lorengegangene Sinn für Persönlichkeit, für unverbrüchliche Ethik 
und Willensfreiheit, wieder erwache und die Führung des ent¬ 
gleisten Volkes übernehmen kann. 


Aus dem pathologischen Institut der Deutschen Medizin¬ 
schule für Chinesen in Shanghai. 

Das Verhalten des Blutes bei Lues im Sekundär¬ 
stadium. 

Von 

Priv.-Doz. Dr. med. Walther Fischer und Chea Pan Niea, prakt. Arzt. 

Deber das Verhalten des Blutes bei Syphilitikern finden sich 
in der Literatur nur ziemlich spärliche und zum Teil wider¬ 
sprechende Angaben. Fast allgemein findet man indes die An¬ 
gabe, dass bei Lues häufig eine, oft hochgradige, Anämie beob¬ 
achtet werde. Ueber das Blutbild selbst sind die Aussagen 
viel weniger übereinstimmend. Ich gebe hier kurz das wieder, 
was ich darüber in der mir derzeit (Februar 1918) zugänglichen 
Literatur finden konnte. 

Nach Elan er 1 2 3 ) ist bei Syphilis im Sekundärstadium der Hämo¬ 
globingehalt meist nicht unter 70 pCt. Die roten Blutzellen sind i. A. 
wenig verändert. Eine Lymphozytose besteht nur, wenn der Patient 
erhebliche Besserung zeigt: es handelt sich daon um eine postinfektiöse 
Lymphozytose. Hohe Werte der Leukozyten (24000) sind selten, der 
Wert ist gewöhnlich 9000—11000. Nach Salvarsanbehandlung ver¬ 
mehren sich die Neutrophilen leicht, die Eosinophilen verschwinden. 
Wood*) gibt an, dass bei Syphilis eine Anämie vom chlorotisohen Typ 
bestehe. Die Zahl der roten Blutzelien kann bis auf 1400000 im cmm 
herabgesetzt sein, man trifft bisweilen kernhaltige rote Blutkörperchen 
und M egal oblasten an. Die Leukozyten sind während der Eruption 
leicht vermehrt, eine geringe Lymphozytose ist nicht selten. Nach 
MacCallum 8 ) sind die Blutveränderungen unbestimmt und überhaupt 
nicht genau studiert. Vielfach liegt bei den Angaben eine Verwechslung 
mit dem Effekt der Quecksilberbehandlung vor. Es scheint indes, dass 
Syphilis im zweiten Stadium eine ziemlich schwere Anämie (auch als 
syphilitische Chlorose bezeichnet) hervorrufen kann. Eine mässige Lympho¬ 
zytose wird ebenfalls gefunden. 

E. Grawitz 4 5 ) hingegen findet bei Männern diese syphilitische 
Chlorose häufig nicht. Die roten Zellen verhalten sich normal, unter 
dem Einfluss der Quecksilberbehandlung nehmen sie an Menge zu. Die 
Angaben über den Einfluss des Queoksilbers auf den Hämoglobingehalt 
schwanken. Eine Vermehrung der Leukozyten wird in den meisten 
Fällen beobachtet. Bei Jugendlichen, im Stadium der sekundären Lymph- 
drüsensohwellung, findet sich oft ausgesprochene Lymphozytose. Der 
Hämoglobingehalt ist im Anfang verringert. 

V. Schilling 8 ) findet bei Lues meist eine Lymphozytose mit nor¬ 
maler und subnormaler Gesamtzahl (bei reinen Fällen). Bei akut syphi¬ 
litischen Prozessen Mononukleose mit erhöhter Zahl; mit normalen bis 
hoohnormalen Zahlen bei chronischer Syphilis. 

C. P. Mayer und A. C. Gourdy 6 * ) haben nicht weniger als 502 Fälle 
untersucht. Sie finden, dass Lymphozytose eines der konstantesten 
Symptome der Syphilis sei und das Leben lang bestehen bleibe; spezi¬ 
fische Behandlung kann sie modifizieren, aber nicht zum Verschwinden 
bringen. Lymphozytose allein rechtfertigt die Diagnose: Syphilis, selbst 
bei Fehlen aller anderen Symptome. Sie ist schon frühzeitig vorhanden, 
noch ehe positive Wassermann’sohe Reaktion sich findet. In 52 Fällen 
unbehandelter frischer Syphilis fanden sie 9 mal normale Lymphozyten¬ 
werte, aber das waren alles Fälle mit gleichzeitig bestehenden eitrigen 
Prozessen. Die Durchschnittswerte in dieser Serie von 52 Fällen 
waren 36,54 pCt. Bei Beginn der Behandlung nimmt die Lympho¬ 
zytose zu. 

Nach diesen Angaben würde sich, kurz gesagt, etwa folgendes 
ergeben: Bei Syphilis findet sich häufig eine Anämie, eine Herab¬ 
setzung des Häinoglobingehaltes; ferner meist eine geringe Leuko¬ 
zytose, und zwar infolge einer Vermehrung der Lymphozyten. 
Wie weit diese Veränderungen auf die Syphilisinfektion allein 
zu beziehen sind, oder auf die Wirkung der Therapie, ist fraglich. 

Es schien uns wichtig, diese Befunde selbst nachzuprüfen; 
da uns indes kein so sehr grosses Material zur Verfügung stand, 

1) Elsner, MonographicMedicine, Bd. 6. Newyork, 1916, Appleton. 

2) Wood, Ghemioal and Microscopical Disgnosis, 1915, 3. Aufl. 

3) MacCallum, Textbook of Pathology, 1916. 

4) E. Grawitz, Klinische Pathologie des Blutes, 1906, 3. Aufl. 

5) V. Schilling, Das Blutbild. Jena 1912. 

6) C. P. Mayer und A. C. Gourdy, zit im Jour, of the amerio. 

med. assoc., 29. IX. 1917. 


so schien es trotzdem von Wichtigkeit, einmal an wenigen Fällen 
in oft wiederholten Untersuchungen die Befunde festzustellen. 

Diese Untersuchungen wurden, mit gütiger Erlaubnis von 
Herrn Dr. Gerngross, an dessen chinesischen Patienten im 
Paulunhospital vorgenommen, und zwar an 16 Personen mit 
sicherer Syphilis im Sekundärstadium. 

Es waren alles jugendliche Individuen zwischen 18 und 37 Jahren, 
also verhältnismässig gleichartiges Material. Wir nahmen die Unter¬ 
suchungen immer zur gleichen Tagesstunde vor, um auch hierin gleich¬ 
artige Verhältnisse zu schaffen. Die Zählung der roten und weissen 
Zellen erfolgte in der Bür herrschen Zählkammer, die Hämoglobin- 
bestimmung mit dem neuen Sahli’schen Apparate. Das Blutbild wurde 
untersucht an fixierten, nach Giemsa gefärbten Ausstrichen, die Durch¬ 
zählung geschah unter den notwendigen Kautelen (Vermeiden der 
äusseren Randpartien, Mäanderzählung), und die Zählungen wurden immer 
vom gleichen Untersucher gemacht. Nie wurden weuiger als 200 Zellen 
durchgezählt und selbstverständlich nur ganz tadellose Ausstriche be¬ 
nutzt. So dürfen wir annehmen, dass die Resultate wenigstens unter¬ 
einander vergleichbar sind und dass gewisse Fehlerquellen wegfallen, 
die unvermeidlich sind, wenn verschiedene Untersuoher die zu ver¬ 
wertenden Daten liefern. Zum Beispiel wird der eine vielleicht eine 
Zelle zu den Leukozyten rechnen, die der andere zu den Uebergangs- 
formen rechnet, oder etwa einen grossen Lymphozyten zu den grossen 
Mononukleären und Uebergangsformen. Das ist wohl auch der Grund, 
weshalb wir in den Lehrbüchern schon über die Zusammensetzung des 
normalen Blutbildes so verschiedene Angaben finden. Folgende kleine 
Uebersicht möge das zeigen. 

Tabelle 1. 


Autor 

Neutro¬ 

phile 

Eosino¬ 

phile 

Basophile 

Ja g 

Qi £ 

S 

»-3 

Gr. Mono¬ 
nukleäre 

Ueber- 

gangs- 

formen 

Stöhr 1912 . . 

65-70 

2—4 

1 | 

1 0,5 

1 

! 22-25 

i 1 


Schilling 1912 

67 

3 

0,5 

23 

1 _ 



62-70) 

(2-4) 


(21-25) 

— 

4—8zusamm. 

Nägeli 1913 . 

65 

2-4 

0,5 

20—25 

— , 

5-8 „ 

v.Noorden 1913 

72—76 

2—4 

bis 0,5 

22—28 

4 


Wood 1915 . . 

65—75 

| 2-4 

0,5 

22—25 

1 1 

2-4 

Barker 1916 . 

60-70 

2-4 

1 0,6 

20-25 

6-8 

2-3 

Boycott 1918 . 

60 

2 

1 

33 

4 ! 

1 _ 

Miller 1914 . . 

64,3 

2,7 

0.6 

22,3 

8 

2,8 

Warfield 1915 

50—60 

2—8 

0,4 

20—80 

5—10 

5,9 


Wir dürfen wohl als die richtigsten Werte folgende an- 
nehmen: 

Neutrophile 64—67, Lymphozyten 22—25, grosse Mononukleäre und 
Uebergangsformen 4—8, Eosinophile 2—4, Basophile 0,5. 

, Diese Werte mögen als normale Vergleichswerte dienen. 

Nun zu den Befunden in unseren Syphilisfällen. 

Alles wichtige ist in der Tabelle 2 wiedergegeben, und soll 
hier nur kurz erläutert werden. 

Rote Blutzellen: Morphologisch wiesen sie in allen Fällen gar 
keine oder doch nur so geringfügige Aenderungen auf, dass solche hier 
gar nicht aufgeführt zu werden brauchen. 

Zahl der roten Blutkörperchen: Maximum 4,6 Millionen 
im omm, Minimum 3,8 Millionen. Der durchschnittliche Wert ergibt sich 
zu 4270000 (für die 4 weiblichen Patienten zu 4,2). Demnach ist die 
Herabsetzung der Menge der Blutsellen fast ausnahmslos festzustellen 
gewesen, der Grad der Anämie indes in keinem Falle erheblich. 

Hämoglobingehalt: Maximum 92, Minimum 75; Durchschnitts¬ 
wert 84,5 (für die weibliohen Patienten 81). Also ist die Verminderung 
des Hämoglobingehalts ebenfalls recht gering, und sie ging in allen 
Fällen ziemlich parallel der verminderten Menge von Blutzellen. 

Die Zahl der Leukozyten im cmm unterlag ziemlich viel 
grösseren Schwankungen. Der höchste Wert war 31000, der niedrigste 
6800. Der hohe Wert von 31000 wurde nur in einem Falle gefunden 
(Fall 10), bei einem Mann, der noch gleichzeitig Krätze hatte; es war 
nur eine einmalige ZähluDg möglich, und der Fall ist daher als kein 
„reiner" zu betrachten, daher besser auszuscheiden. Sehen wir also von 
diesem Falle ab, so wäre das Maximum, das festgestellt werden konnte, 
21600; der Durchschnittswect in allen Zählungen ergäbe sioh zu 9670, 
also etwa die obere Grenze dessen, was noch als normal angesehen wird. 
Niemals erreichte die Zahl der Leukozyten die untere Grenze der Norm 
(6000), noch weniger, dass sie je unter diese sank. In 9 Fällen war 
die Leukozytenzahl einigermaassen schwankend, und zwar nahm sie in 
5 Fällen während der Behandlung eher zu, in 2 Fällen eher ab. ln 
den anderen Fällen waren die Werte entweder dauernd ziemlich die 
gleichen, oder aber es handelte sich um Schwankungen, bei denen 
keinerlei Gesetzmässigkeit zu erkennen war. 

Nun das Leukozytenbild, das heisst, die relativen Mengenverhält¬ 
nisse der einzelnen Leukozytenarten. 

1 * 


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Original fro-m 

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892 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


Tabelle 2. 


Nr. 

Gesohleoht 

Rote 

Hämo- 

Weisse 

Neutrophile 

Eosinophile 

Grosse Mononukleäre 
u. Uebergangsformen 

Lymphozyten 

Reis- 

Biutzellen 

globin 

Blutzellen 

Maximum 

Durch- 

Maximum 

Durch- 

Maximum 

Durch- 

Maximum 

Durch- 

formen 



- 



Minimum 

schnitt 

Minimum 

schnitt 

Minimum 

schnitt 

Minimum 

schnitt 


1 

männlich 

3 900000 

79 

15 380 

76,0 

54,0 

65,2 

3,0 

0,5 

1,6 

13,0 

4,0 

7,0 

37.0 

15,0 

22,5 

+ 

2 

weiblich 

4000 000 

75 

10100 

61,0 

87.0 

41,9 

10,5 

1,5 

4,7 


7,0 

49,5 

29,0 

37,4 

+ 

3 

» 

4 100 000 

80 

10100 

77.5 

59.5 

70,8 

9.0 

0 

1,0 

11,0 

2,0 

5,6 

31,0 

18,0 

23,0 

+ 

4 

männlich 

— 

— 

9 600 

70,5 

70,5 

7,5 

7,5 

6,0 

6,0 

16,0 

16,0 

+ 

5 

r> 

4 400 000 

82 

10000 

65,0 

48,0 

58,9 

6,0 

1,0 

3,4 

10,5 

2,0 

6,5 

48,0 

25.5 

35,9 

4- 

6 

* 

3800 000 

81 

6800 

66,0 

38,0 

52,1 

28,0 

4,5 

12,7 

12.0 

5,0 

7,7 

46,0 

17,0 

26,2 

0 

7 

weiblich 

3 900000 

88 

8 900 

65,5 

54,0 

61,2 

4.5 

2.5 

8.5 

8,0 

4,0 

5,7 

37,5 

24,0 

29,7 

+ 

8 

» 

4 800 000 

86 

9 600 

56,0 

41,5 

51,1 

5,0 

2,5 

4.1 

10,0 

4,0 

6,4 

46,0 

36,0 

38,6 

+ 

9 

männlich 

4 540 000 

95 

8 740 

66,5 

54,0 

62,2 

6.5 

2,0 

8,6 

7,0 

5,0 

5,9 

83,5 

26,0 

28,1 

+ 

10 


3 900 000 

75 

31 100 

71,0 

58,5 

64,7 

2,5 

2,5 

: *>5 

4,0 

4,0 

85,0 

28,5 

29,2 

+ 

11 

* 

4 350000 

89 

9 350 

63,0 
' 52,0 

j 57,4 

3,5 

0,8 

1,8 

9.5 

5.5 

7,6 

87,0 

25,0 

32,8 

0 

12 

» 

4 400000 

85 

11880 

60,0 

41.0 

55 6 

10,0 

2,5 

5,1 

10,0 

4,0 

5,4 

48,5 

27,0 

33,8 

+ 

13 

* 

4 600 000 

90 

8 900 

57,0 

48,5 

58,9 


5,4 

6,0 

5,0 

5,6 

410 

31,5 

34,9 

0 

14 

n 

4 500 000 

90 

7 800 

73.5 

63.5 

67,7 

1,5 

0 

i 0,7 

1 

10,5 

8,5 

6,7 

32.5 

16.5 

24,3 

0 

15 

tt 

4 300 000 

85 

10 960 

75 0 
47,5 

’ 60,3 

10,0 

2,5 


5,5 

4,0 

| 4,5 

89.5 

17.5 

26,6 

+ 

16 

n 

4 600 000 

92 

9 130 

59.5 

50,0 

54,3 

i 

10,5 

7.5 

! M 

5,5 

3.0 

4,5 

34.5 

27.5 

31,5 

0 

Durchschnitt aller Zählungen 

84,5 

9 760 
bsw.UOOO 

— 

| 58,9 

- 

4,6 

- 

j 6,0 

- 

29,6 

— 


Als Durchschnittswerte ergaben sich folgende Zahlen: Neutro¬ 
phile 58.9 (normal 64—67), Lymphozyten 29,6 (normal 22—25), Eosino¬ 
phile 4,6 (normal 2—4), grosse Mononukleäre und Uebergangsformen 6,0 
(normal 4—8), Basophile 0,5 (normal 0,5). , 

Vergleichen wir die Werte mit den oben angegebenen, so finden 
wir eine geringe Verminderung der Neutrophilen und im selben Maasse 
eine leichte Vermehrung der Lymphozyten; die Eosinophilen sind 
ganz wenig vermehrt, die grossen Mononukleären und Uebergangsformen 
normal. 

Erhöhte Werte der Neutrophilen fanden sich nur in 2 Fällen: 
bei Nr. 3 (wo auch die Zahl der Leukozyten dauernd hoch war), uod 
bei Nr. 4. Io allen anderen Fällen war die relative Menge der Neutro¬ 
philen normal oder meist verringert (und zwar 8 mal, also in der Hälfte 
der Fälle, unter 60). 

Gans entsprechend finden sich die relativen Werte der Lympho¬ 
zyten im allgemeinen erhöht, im Durchschnitt 29,6. Die Werte gehen 
in der Regel nicht viel über die Norm hinaus: 7mal über 80, und da¬ 
bei ist das Durch8ohnittsmaximum 38,6 (Fall 8). Relativ vermindert sind 
die Lymphozyten nur in einem Fall (4), nämlioh mit einem Wert von 
16, und niedrig auch nur lmal, nämlioh 18 (Fall 8). In allen andern 
Fällen betrugen die Durchschnittswerte zwischen 23 und SO. Da nun 
die Gesamtzahl der weissen Blutsellen in der Regel hoch oder vermehrt 
war, so haben wir also im ganzen nioht bloss eine relative, sondern 
auoh eine absolute Lymphozytose. 

Die Zahl der Eosinophilen ist etwas über dem normalen DurohBohnitt, 
nämlich 4,6. Für Chinesen in Shanghai ist dieser Wert noch auffallend 
niedrig, denn in ausgedehnten Untersuchungen fanden wir sonst einen 
durchschnittlichen Wert von über 6,5. Diese .Vermehrung ist wohl auf 
die so weit verbreitete Infektion mit Helminthen surüokzuführen. Io den 
hier mitgeteilten Fällen wurde leider nicht jedesmal auoh eine Unter¬ 
suchung der Fäzes ausgeführt. In dem Fall mit den höohsten Werten 
für Eosinophile fanden sich Askariden und Trichozephalen; indes war in 
einem andern Fall mit demselben Befund die Zahl der Eosinophilen nur 
2,5. Es wäre wohl denkbar, dass die Queoksilberbehandlung einen Ein¬ 
fluss auf diese Werte gehabt bat. Wenn es so wirkt wie Salvarsan, so 
würde man nach Elsner eine Verminderung der Eosinophilen erwarten; 
nach theoretischen Erwägungen jedoch im Laufe der Behandlung gerade 
das Gegenteil, da im allgemeinen die Lymphozytose (als „postinfektiöse* 
Lymphozytose) parallel mit einer Vermehrung der Eosinophilen geht. 
Aus unseren Kurven lässt sich indes kein Einfluss der Behandlung auf 
die Zahl der Eosinophilen ersehen. 

Die Werte der grossen Mononukleären und Uebergangs¬ 
formen waren ganz normal. Der Durchschnittswert ist 6; Minimum im 
Durchschnitt 4, Maximum 7,7. Wie aus den Kurven hervorgeht, wurden 
vorübergehend bei einzelnen Untersuchungen allerdings auch wesentlich 


höherer« Zahlen gefunden, s. B. 13 (Fall 1), 12 (Fall 6), 11 (Fall 3); 
nie aber eine dauernde Vermehrung. 

Bei der Mehrzahl der Fälle, 11 mal nämlich, wurden aaoh abnorm 
grosse Lymphozyten, sogenannte Reis formen, beobachtet/ und zwar 
häufig in ziemlioh erheblioher Zahl. Die Befunde sind in der Tabelle 
verzeichnet. In 3 Fällen fanden sie sich konstant, lmal versohwanden 
sie mit der Zeit, sonst aber traten sie nur vorübergehend auf. Diese 
Fälle mit Reisformen hatten immer auoh verhältnismässig hohe Leuko¬ 
zyten werte ; und umgekehrt sind die Fälle ohne Reizformen alles solohe 
mit nioht so hoben Leukozytenwerten. Andererseits traten Reisformen 
ebensowohl in Fällen mit höheren, wie mit niederen Lymphosyten- 
werten auf. 

Es fragt sich non, ob all diese, wenn auch nicht allzu er¬ 
heblichen Veränderungen des Blutes auf die Syphilis oder viel¬ 
leicht auf die Behandlung znrückzuführen sind. In 7 Fällen 
konnten wir das Blutbild vor dem Einsetzen der Behandlung be¬ 
stimmen, und dann kommen dazu noch 2 Fälle, die während des 
Aufenthaltes im Spital aus besonderen Gründen keine spezifische 
Behandlung erfuhren. Aber zwischen diesen Befunden und denen 
bei den behandelten Fällen lässt sich gar kein Unterschied fest¬ 
stellen. ln den Fallen 5 und 6 tritt zwar im Laufe der Behand¬ 
lung eine Lymphozytose auf, in anderen Fällen aber ändert sich 
das Blntbild während der Behandlung gar nicht, und einmal wird 
im Laufe der Behandlung die Zahl der Lymphozyten sogar ge¬ 
ringer. Demnach scheint es nicht, dass die spezifische Behand¬ 
lung von wesentlichem Einfluss auf das Blutbild wäre. Immer¬ 
hin ist unser Material vielleicht nicht gross genug, um das zu 
entscheiden, und es müssten wohl auch Fälle längere Zeit ohne 
spezifische Behandlung daraufhin untersucht werden. Sehr wohl 
möglich wäre, dass direkt nach einer Hg-Injektion z. B. ganz 
vorübergehend eine Aenderung des Blutbildes aufträte. In 
unseren Fällen bestand die Therapie entweder in Injektion von 
Hg*Präparaten oder in der üblichen Schmierkur: es ergab sich 
kein Unterschied im Blutbild zwischen diesen beiden Gruppen. 

Die geringe Leukozytose in unseren Fällen, die im Laufe der 
Behandlung im allgemeinen eher grösser wurde, ist vielleicht 
eine Wirkung der spezifischen Behandlung. 

Das Ergebnis unserer Untersuchungen lässt sich kurz zu¬ 
sammenfassen: Bei unkomplizierten Fällen von Syphilis im 
Sekundärstadium fanden wir fast regelmässig eine, indes meist 
I nur unbedeutende Verminderung der roten Blutkörperchen, und 


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22. 8eptember 1619. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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parallel damit eine noch geringere Verminderung des Hämoglobin¬ 
gehaltes; ferner hohe oder etwas erhöhte Werte der weissen Blut¬ 
zellen. Im Blotbild findet sich eine Vermindernng der Neutro¬ 
philen, eine entsprechende Vermehrung der Lymphozyten, häufig 
ein Auftreten von lymphozytären Reizformen. 

Wir mfissen hervorhehen, dass diese Abweichungen von der 
Norm im ganzen recht unbedeutend sind. Die gefundenen Daten 
ergaben sich als Durchschnittswerte, aus zahlreichen Unter¬ 
suchungen jedes einzelnen Palles. In jedem einzelnen Palle kann 
im Laufe der Zeit das Blutbild gar nicht unerheblich schwanken, 
und es war sogar in der Regel, dass es schwankte, und nicht 
gleichmässig war. Ob die Veränderungen des Blutes alle ledig¬ 
lich auf die zugrunde liegende Erkrankung, die Syphilis, zurfick- 
zuffihren sind, oder doch zum Teil auf die Wirkung spezifischer 
Behandlung, konnten wir nicht sicher entscheiden; doch scheint 
uns das erste wahrscheinlicher. 

Wir können aus dem Gesagten eine Lehre ziehen, nämlich 
die: der diagnostische Wert einer einzelnen, einmaligen Blut¬ 
untersuchung ist nicht hoch anzuschlagen. Und jedenfalls wird 
man nicht sehr viel differentialdiagnostisch daraus machen können, 
wenn man in einem Palle etwa eine ganz leichte Lymphozytose 
findet, vollends bei einem noch recht jugendlichen Patienten. 
Wir bemerken noch ausdrücklich, dass die von uns gefundenen 
Durchschnittswerte alle ziemlich nahe an der Grenze des Nor¬ 
malen liegen. Endlich ist es vielleicht nicht ganz überflüssig zu 
bemerken, däss diagnostische Schlüsse aus einem Blutbild nur 
gezogen werden dürfen, wenn man wirklich auch das Blutbild 
mit ein wandsfreier Technik zu bestimmen vermag. 


Zur Kenntnis der Gift- und Nutzpilze. 

Von 

Professor Dr. H. Raebiger, 

Leiter der Pllsbestimraungsstell« am Bakteriologischen Institut der Landwirtscbaftskammer 
in Halle a. S. 

Unter diesem Titel veröffentlichte Dr. med. Helene Pride- 
rike Stelsner in Nr. 41/1918 dieser Wochenschrift einen klinisch- 
experimentellen Beitrag, zn dem ich mir in der diesjährigen 
Pilzzeit auf Grand der einschlägigen Literatur und eigener Er¬ 
fahrungen einige Worte zur Beurteilung der Wirkung der Giftpilze 
auf Mensch und Tier gestatten möchte. 

Stelzner kommt infolge ihres Fütternngsversuches mit 
einer Katze zn dem Ergebnis, dass der Pantherschwamm (Ama¬ 
nita pantberina) als „hochgiftig 44 zu bezeichnen ist. 

Ich habe den Paptherpilz im vergangenen Jahre an Meer¬ 
schweinchen roh, an Kaninchen teils rob, teils gekocht, ausser¬ 
dem abgebrüht an 2 Ziegen und 2 Schweine, an letztere zusammen 
mit anderen giftigen und giftverdächtigen Schwämmen [grüne, 
gelbe und weisse Knollenblätterschwämme, Amanita phalloides, 
A. mappa and A. verna, Fliegenpilz, Amaoita mnscaria, Birken- 
reizker, Lactaria tormioosa and Speiiäubling, Rnssnla emetica*)] 
bis zn 10 Pfund täglich fast 6 Wochen hindurch verfüttert, 
ohne dass bei einem der vorgenannten Tiere irgendwelche Ge- 
snndheitsschädigungen festgestellt werden konnten. Dagegen sind 
mir von 3 Meerschweinchen 2 Stück nach der Verfütterung des 
im rohen Zustande gegebenen büscheligen Schwefelkopfes (Hy- 
pholoma fascicnlare) unter den Erscheinungen einer blutigen 
Darmentzündung zugrunde gegangen, obwohl in dem Schwamm 
die menschliche Gesundheit schädigende Gifte bisher nicht nach¬ 
gewiesen worden sind und Kaninchen sowie Hühner und Tauben 
den frischen Pilz ohne Schaden aufgenommen haben. 

Ich selbst habe den Pantherpilz seit Jahren in den ver¬ 
schiedensten Teilen unserer Provinz nnd Anhalts gesammelt und 
in mannigfaltiger Zubereitung ganze, nur aus dieser Piliform be¬ 
stehende Gerichte ohne irgendwelche nachteiligen Folgen ge¬ 
nossen, nachdem die Oberhaut des Hutes abgezogen, der Stiel 
geschält nnd das erste Brühwasser abgegossen war. Die Teil¬ 
nehmer der von mir geleiteten Pilzlehrgänge haben nach dieser 
Vorschrift den Schwamm ebenfalls regelmässig ohne Nachteil 
verzehrt. 

Aber auch bekannte Pilzkenner, wie Gramberg 1 2 * ) nnd Miohael 8 ) 
bezeichnen den Panthersohwamm nach dieser Zubereitungsart als guten 

1) Abgezogen, in V 2 pros. koohendem Natronwasser abgebrüht und 
hinterher mit daroh Essig aneesäaertem Wasser überspült, essbar. 

2) Pilze der Heimat, 1918. (Verlag: Quelle & Meyer, Leipzig.) 

8) Führer für Pilzfreunde. (Verlag: Förster A Bornes, Zwickau i. S.) 


Speisepilz und Walther 1 ) betont, dass der Sohwamm nach Entfernung 
der Oberhaut zweifellos ohne Sohaden für die Gesundheit gegessen 
werden kann. 

Weiterhin weist Obermeyer 2 ) darauf hin, dass der Pantherpilz im 
abgehäuteten Zustande in Sachsen und Böhmen genossen wird. 

Ferner behandelte Herrfurth 8 ) im vergangenen Jahre ausführlich 
die Frage, ob Perl- und Pantherpilze wirklioh verdäohtig oder giftig sind. 
Er hat sich mit diesen Pilzen über 38 Jahre besonders beschäftigt und 
keine Gelegenheit versäumt, eigene Erfahrungen zu sammeln und die 
alter erprobter Pilzsammler in den verschiedenen Gegenden auszuforsohen. 
Ueber 30 Jahre steht er nunmehr auf dem Standpunkt, dass beide 
Arten im frischen Zustande ohne Ausnahme zu geniessen sind, wenn sie 
ihrer Oberhaut entkleidet werden. 

Er ist daher der „felsenfesten Ueberzeognng, dass alle bis¬ 
her beobachteten Wahrnehmungen von der Schädlichkeit des Perl¬ 
and Pantherpilzes auf Irrungen berahen“. In allen Fällen, in 
denen ihm schädigende Wirkungen berichtet wnrden, konnte ein¬ 
wandfrei festgestellt werden, dass die betreffenden Personen die 
Perl- and Pantherpilze noch nicht in allen Entwicklungsstufen 
von ihren Doppelgängern and anderen giftigen Wulstlingsarten 
(Königsfliegeopi 1z, Fliegenpilz and Knollenblätterpilzen) bestimmt 
unterscheiden konnten, so dass ihnen eine dieser Arten mit unter 
die Hände gekommen war nnd somit diese, nicht aber die an¬ 
schuldigen Perl- und Pantherpilze die Ursache der Schädigung 
waren. 

Schliesslich ist mir von Pilzsachverständigen, wie Lehrer 
Staritz in Ziebigk bei Dessau, Rektor Hintertbfir in Schwane¬ 
heck nnd Lehrerin A. Schulze in Nossen, bekannt, dass sie den 
Pantherschwamm den Teilnehmern an ihren Pilzwandernngeo als 
essbar bezeichnen. 

Der Pilzsaohverständige der Bayerischen Lebensmittelstelle, Pro¬ 
fessor Dr. Sohnegg in Weihenstephan, schrieb mir unterm 10. 1. d. J., 
dass er alle unter dem Sammelbegriff Pantherpilz laufenden Arten schon 
seit Jahren in grösseren Mengen genossen habe. Er steht „daher durch¬ 
aus nioht an, sie alle als essbar zu bezeichnen 41 und endlich möchte 
ich darauf aufmerksam machen, dass kein Geringerer als Kobert in 
seinem in Heft 1—2/1918 des Deutschen Archivs für klinische Medizin 
veröffentlichten Vortrag „Ueber einige wiohtige essbare und giftige Pilze 44 
in Bezog auf den Pantherpilz u. a. wörtlich nachstehendes sagt: „Von 
Pilzen, die ioh selbst früher als giftig in Wort und Schrift bezeichnet 
habe, haben viele recht gewissenhafte Pilzfreunde und ioh die folgenden 
jetzt immer mit gesammelt und selbst in grösserer Anzahl stets ohne 
Sohaden gegessen . . . Der Pantherpilz ergibt nach Abziehen der Ober¬ 
haut und Absohaben des Stieles eine schmackhafte und ungelährliohe 
Speist, loh teile diese Ansicht z. B. mit Gramberg, Walther und 
Raebiger und trete mit letzterem Dammer’s Ansichten entgegen, der 
an der Ungeniessbarkeit dieses Pilzes festhält 44 . 

Es muss wohl angenommen werden, dass H. Fr. Stelsner 
eine Verwechslung mit den noch wenig bekannten Doppelgängern 
des Pantherpilzes nntergelaufen ist, von denen z B. der porphyr- 
braune Wulstling [Amanita porpbyrea*)], der ganz graue Wulst- 
ling (Amanita spissa) und der eingesenkte Wulstling [Amanita 
excelaa 5 )] als giftverdäcbtig bzw. giftig gelten. Auch Amanita 
umbrina-Fr., die braune Varietät des Fliegenpilzes, nnd Amanita 
regalis, der Königsfliegenpilz, haben schon zn Intumern Veran¬ 
lassung gegeben. 

Mit Recht sagt daher Ricken 8 ), unser bedeutendster Pilz¬ 
kenner, dass man sich erst darüber klar werden muss, welches 
der eigentliche Pantherschwamm ist. „Dann erst sind wir in der 
Lage, über seine Giftigkeit oder GenieBsharkeit eine zuverlässige 
Feststellung zu machen. 44 

Im übrigen dürfte eine Katze für Pütternngsversnche wenig 
geeignet sein. Sie würde wahrscheinlich Sauerkraut ebenso 
schlecht vertragen wie Pantherschwämme. 

Man darf überhaupt nicht ohne weiteres das Ergebnis des 
Tierversuches anf die Verwendbarkeit der betreffenden Pilze für 
den Menschen Übertragen. Beispielsweise sind nach Kobert’s, 
Dittrich’s und meinen Fütterungsversuchen Knollenblätter- 

1) Taschenbuch für Deutsche Pilzsammler, 1917. (Verlag Hesse 6 
Becker, Leipzig.) 

2) Pilshüohlein II, 2. Auflage. (Verlag: G. K. Lutz, Stuttgart) 

3) Herrfurth, Sind Perl- und Pantherpilze wirklioh verdäohtig oder 
giftig? „Pilz- und Kräuterfreund 44 , 1918, H. 7 u. 8. (Verlag: Aug. 
Henning-Nürnberg, Tuoherstr. 20). 

4) Maku und Kaspar, ^Praktischer Pilzsammler 44 und schriftl. Mit¬ 
teilung des Professors Sohnegg-Weihenstephan vom 10. Januar 1919. 

5) Herrfurth, Weitere Erfahrungen über Perl- und Pantherwulst- 
linge und über deren gefährliohe Doppelgänger. „Pilz- und Kräuter- 
freund 44 , 1918, H. 4. 

6) Rioken, Ist der Panthersohwamm giftig? „Pilz- und Kräuter¬ 
freund 44 , 1918, H. 8. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


schwämme, die bekanntlich für den Menschen absolot giftig sind, 
für Kaninchen, Meerschweinchen und Hühner ungefährlich, in ge¬ 
wissem Grade auch für Schweine. 

Hinsichtlich des Fliegenpilzes (Amanita rouscaria) gehen die 
Meinungen der Pilzkenner auseinander. Die einen, z. B. Schn egg 
und Kobert, bezeichnen ihn für den Menschen als sehr giftig, 
die anderen in bestimmter Zubereitungsart für geniessbar. 
Gramberg verspeiste mittlere Fliegenpilze, die ohne vor¬ 
herige Abkochung gebraten waren, ohne Nachteil and fand sie 
schmackhaft. Ebenso werden im Erzgebirge nach einer Mit 
teilung von P. Esser, 1910, Fliegenpilze gegessen, desgleichen 
werden sie im Fichtelgebirge und in der Umgebung von Paris 
nach von Höhnel sogar roh mit Butter verspeist 1 ). 

Herrmann 2 ) hält den Fliegenschwamm für einen harmlosen 
Giftpilz und zitiert ausser seinen persönlichen Erfahrungen 
die eines Professors der Dresdener Hochschule, der mit Vorliebe 
junge Fliegenpilze sammelt und sie nach Abziehen der Oberhaut 
schmackhaft und bekömmlich findet. Mehrere Besucher der 
Dresdener Pilzausstellung des vergangenen Jahres machten ihm die 
gleiche Mitteilung und im niederen Erzgebirge sah er Pilzsammler 
besonders auf Fliegenpilze ausgehen, um sie nach alter Gewohnheit 
als Pilsgericht zu verspeisen. Ebenso wird der Fliegenschwamm 
nach einer schriftlichen Mitteilung des Direktors des Botanischen 
Museum8 der Universität Zürich, Professor Dr. Schinz, vom 
24. April dieses Jahres in der dortigen Gegend „vielfach ge¬ 
gessen“. Auch Caesar 3 ) betont, dass der Fliegenpilz durch 
kochendes Wasser „mit Leichtigkeit“ zu entgiften ist. Danach 
dürfte die Giftwirkung des gekochten Pilzes doch keine ernst¬ 
liche sein. 


Krankheit und Klima. 

Beobachtungen aus Bulgarien. 

Von 

Marineoberasflistenzarzt d. R. Dr. Kayser-Petersei, 

Oberarxt der medizinischen Klinik am Hospital tarn heiligen Geist Frankfait a. M. 

Sticker bat durch seine Monographie über „Erkältungs¬ 
krankheiten und Kältescbäden“ das Interesse erneut auf diese 
Fragen gelenkt und die Beschäftigung damit von dem Verdacht 
der Laienbaftigkeit befreit. Die Probleme, die im Titel aus¬ 
gedrückt werden, sind noch nicht restlos gelöst, und ich möchte 
die Aufmerksamkeit auf einige Punkte lenken, die mir wichtig 
erscheinen. Während meiner Tätigkeit in Warna hatte ich 
Gelegenheit, an dem grossen Krankenmaterial der bulgarischen 
Marine, deren ärztliche Versorgung mir oblag, Beobachtungen über 
den Zusammenhang von Krankheit und Klima anzustellen. Die 
metereologischen Angaben verdanke ich dem Entgegenkommen 
der dortigen Feld Wetterwarte (Leiter: Leutnant d. R. Neumann). 

Ich habe den Verlauf einiger wichtiger Erkrankungen während 
des Jahres 1917 auf der beigefügten Kurve zusammengestellt und 
zugleich die klimatischen Faktoren (mittlere monatliche Tem¬ 
peratur im Schatten, mittlere monatliche Bewölkung als Maass¬ 
stab für die Sonnenscheindauer) aufgezeichnet. 

1; Bronohiti8. Es ergibt sioh eine völlig klare, eindeutige Be¬ 
ziehung zu den klimatischen Faktoren, die wir gewohnheitsgemäss an- 
sohuldigen, wenn wir uns „erkältet“ zu haben glauben. Die relativ 
hoohbleibende Zugangszahl in den Monaten April und Mai ist auf die 
häufigen Witterungswechsel gerade iu dieser Zeit zurüokzuführen. Die 
Gesamtzahl der behandelten Erkrankungen ist natürlich viel höher, da 
aus Platzmangel nur die Kranken mit Temperaturen über S8° oder mit 
sehr heftigen Erscheinungen in das Revier aufgenommen werden konnten, 
loh habe den EinÜlruok, als ob die Zahl der durch Erkältungskrankheiten 
dem Dienst entzogenen Mannsohaften recht hooh gewesen sei, was zum 
Teil auf die Unterkunftsverhältnisse, zum Teil auf das sohlechte Schuh¬ 
werk zurüokzuführen ist. 

2. Angina. Es handelt sich dabei in erster Linie um follikuläre 
Anginen, da die leiohte einfache katarrhalische Halsentzündung wohl 
nur selten zur Aufnahme ins Revier oder Lazarett veranlasst. Auch 
hier findet sioh eine deutliche stärkere Beteiligung der kalten Jahreszeit, 


1) Raebiger, Zur Verwertung der Pilze unter besonderer Berück¬ 
sichtigung der als giftig und verdächtig bezeichneten Schwämme. 
Zeitsohr. f. Fleisch- u. Milobbyg., 1917, H. 24 u. 1917 1—5. (Verlag 
Riob. Sohoetz-Berlin). 

2) Herrmann, Zur Geniessbarkeit der Wulstlinge. „Pilz und 
Kräuterfreund“, 1919, H. 11. 

3) Caesar: Ein Beitrag zur Frage der Entgiftung und Entbitterung 
von verdächtigen und giftigen Pilzen. „Pilz und Kräuterfreund*, 
1918, H. 3. 


aber es lässt sich nloht verkennen, dass die Verhältnisse hier keineswegs 
so klar liegen, wie z. B. beim akuten Bronchialkatarrh. 

Eine Besonderheit des hiesigen Materials ist die absolute Zahl 
der beobachteten Fälle. Während im Sanitätsbericht der Kaiserlichen 
Marine 1912/13 an Luftröhrenkatarrh insgesamt 2296 Mann und an 
Mandelentzündung 2727 Mann geführt werden, betragen diese Zffern bei 
unserm Material 252 und 84. Diese reoht erheblichen Unterschiede 
können kein Zufall sein. Es war mir sohon, ehe ioh das genaue Zahlen¬ 
material zusammengestellt hatte, ausgefallen, wie selten fieberhafte 
Anginen hier sind. Leiohte Mandelentzündungen, die nur in Rötung 
ohne Fieber bestand, sind natürlich nicht geführt, dooh das ist sioher 
bei der Kaiserlichen Marine ebenfalls der Fall. 

Wenn wir uns nach den Gründen fragen, die diesen bemerkens¬ 
werten Unterschied verursachen, so kommen dafür erstens Krankheite- 
anlagen (Konstitution bzw. Kondition), zweitens klimatisohe Einflüsse 
und drittens die Verhältnisse bei den Krankheitserregern in Betraoht. 
Bei den Krankheitsanlagen könnte es sich darum handeln, dass die 
Ausbildung des lymphatischen Rachenrings nicht nur selten als hyper¬ 
trophisch befunden wurde, sondern sogar in recht vielen Fällen als ge¬ 
radezu unterentwickelt bezeichnet werden musste. J. Bauer erwähnt 
in seinem anregenden Buch über „Konstitutionelle Disposition zu 
inneren Krankheiten“ diese Frage nur sehr kurz. Sticker rechnet die 
katarrhalischen Mandelentzündungen zu den ausgesprochenen Erkältungs¬ 
krankheiten, erwähnt andererseits aber die follikuläre Angina gar nicht, 
so dass es den Anschein hat, als ob er hier einen Unterschied kon¬ 
struieren wollte. Es verlohnt sich jedenfalls einmal naohzuprüfen, wie 
die Dinge sioh verhalten. Ich habe in Anbetracht der so zahlreichen 
rheumatischen Erkrankungen immer auf die Tonsillen geachtet und habe 
den Eindruck gehabt, dass Vergrösserungen in der Tat reoht selten sind. 
Da besondere klimatische Verhältnisse, die mit der geringen Zahl der 
Angina-Erkrankungen in Zusammenhang gebracht werden konnten, 
nicht gefunden wurden, liegt es am näohsten, den konstitutionellen 
Momenten die ausschlaggebende Rolle zuzusprechen. Es darf dabei 
nioht unerwähnt bleiben, dass unsere Anschauungen über diese Zusammen¬ 
hänge noch in den Kinderschuhen stecken. Was schliesslich die Rolle 
der Infektionserreger anbelangt, so müsste man wissen, ob die hier ge¬ 
schilderten Verhältnisse in einer längeren Reihe von Jahren immer 
wieder beobachtet werden könnten, oder ob man es etwa mit einer der 
Wellenbewegungen der Infektioskrankheiten zu tun hat, wie sie vor 
allem von der Diphtherie bekannt sind. Wahrscheinlich spielen alle 
erwähnten Momente eine Rolle und der besonders darauf gerichteten 
Beobachtung wird es vielleicht gelingen, eine klare und eindeutige Ant¬ 
wort auf die angeregten Fragen zu erhalten. Anf die mit der Seltenheit 
der Angina gleichlaufenden Seltenheit des akuten Gelenkrheuma¬ 
tismus, der akuten Nephritis und Appendizitis sei in diesem Zu¬ 
sammenhang ausdrücklich hingewiesen. Auch Herzklappenfehler fand 
ioh nur selten. 

3. Rheumatische Erkrankungen. Der akute fieberhafte Gelenk¬ 
rheumatismus wurde, wie erwähnt, ausserordentlich selten beobaohtet 
und diese wenigen Fälle verteilen sioh gleichmässig auf die Jahreszeiten. 
Um so häufiger sind dagegen subakute und chronische Erkrankungen der 
Muskeln und Gelenke. Um ein wahres Bild über diese „rheumatischen 
Erkrankungen“ zu bekommen, die an sich eine Einheit bilden und bei 
denen die Trennung in Erkrankungen der Gelenke, der Muskeln und der 
Nerven (z. B. Ischias) immer gekünstelt und unnatürlich sein wird, 
sollen hier alle unter diesen Begriff fallenden Erkrankungen zusammen¬ 
gefasst werden. 

Auf der Kurve ist reoht anschaulich gemacht, wie hier ein ziemlich 
eindeutiger Zusammenhang zwischen den Wetter Verhältnissen und der 
Häufigkeit der Erkrankungen besteht. Dass dem tiefsten Stand der 
Temperatur im Februar erst im März die Höhstzahl der rheumatischen 
Erkrankungen folgt, ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, 
dass im Wirklichkeit die erste Märzhälfte recht kalt war, und dass die 
Durchschnittszahl nur duroh die wenigen sehr warmen Tage gegen Ende 
des Monats in die Höhe gedrückt wird. Ueber die Abflachung der Kurve 
im Mai und Juni gibt wohl folgende Ueberlegung Aufschluss: Im Mai 
ist man im allgemeinen gewöhnt, Sommerkleider zu tragen, d. h. bei der 
Marine weisses Zeug. Der Unterschied in der Erwärmung des Körpers, 
der mit dem Wechsel in der Kleidung eintritt, ist bei der bulgarischen 
Uniform besonders gross, da ein plötzlicher Uebergang von dem dioken, 
langen, warmen Mantel, der besonders die Beine schützt, zu der dünneren 
Bekleidung stattfindet. Die Temperatur im Mai bewegt» sich aber sehr 
bin und her, bot einige verhältnismässig recht kühle Tage und vor allem 
kühle Näohte. Dadurch entstand ein Missverhältnis zwischen Aussen- 
temperatur und Bekleidung, das den Verlauf der Erkrankungen durchaus 
erklärt. Dass im November die Zahl höher ist als im Dezember, hat 
meines Erachtens seinen Grund darin, dass es weniger auf die absolute 
Temperatur, als auf den Witterungsumschlag ankommt. Dieser trat im 
November ausserordentlich plötzlich und zudem für hiesige Verhältnisse 
sehr früh ein. Nachdem eine Gewöhnung und Anpassung eingetreten 
war, ging die Zahl der Erkrankungen wieder zurück. 

. Ein Vergleich des Monatszugangs und des Monatsdurchschnitts der 
klimatischen Werte gibt nur eine allgemein gehaltene Antwort auf die 
exakt gehaltene Frage nach dem Zusammenhang zwisohen Witterung und 
Erkrankung. Ioh habe infolgedessen versucht, duroh tageweise Auf¬ 
zeichnung des Krankenzugangs auf der genauen Kurve der Temperatur, 
des Luftdrucks, der Feuchtigkeit und der Sonnenscheindauer tiefer in 
(Jiese Fragen einsudringen. Bei nachträglicher Bearbeitung des Materials 


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22. September ljJjlj. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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tritt »ber eine Fehlerquelle deutlich io Erscheinung, oämlioh die, dass 
Auftreten der Krankheit und Krankmeldung längst nicht immer Zusammen¬ 
fällen, dass vielmehr, besonders im militärischen Leben eine Menge 
anderer Faktoren mitzählen. Dazu kommt der Umstand, dass zu tage¬ 
weiser Betrachtung mein Material zu klein erscheint. An grossem 
Material dürften solche Untersuchungen nioht ohne Interesse sein, und 
uns weiteren Einbliok in die Ursachen der rheumatischen Erkrankungen, 
die gerade im Kriege wieder in den Vordergrund des Interesses getreten 
sind, geben. Es ist ja eine bekannte Erscheinung, dass diese Kranken 
Witterungsumschläge vorher spüren, und die Betrachtung meiner Kurven 
lasst es nicht ausgeschlossen erscheinen, dass in der Tat exakte Be¬ 
ziehungen zwischen den Schwankungen des Barometers und dem Auf¬ 
treten rheumatischer Erkrankungen bestehen. Neben der obenerwähnten 
Fehlerquelle kommt bei der Betrachtung des Materials noch des weiteren 
hinzu, dass die Schwankungen des Luftdrucks in Warna ausserordentlich 
gering sind. 

4. Influenza. Es handelt sioh hier um eine Zeit, die lange vor 
dem pandemisohen Auftreten der Grippe in Europa liegt. Die Krank¬ 
heitsverteilung zeigt, dass wir es bei Influenza keineswegs mit einer 
reinen Erkältungskrankheit zu tun haben. Die Verhältnisse liegen viel¬ 
mehr so, dass es sioh um eine Infektionskrankheit handelt, die in ihrer 
Schwere und Ausbreitung von der Witterung beeinflusst wird. Die 
Kurve zeigt zwar eine gewisse Abhängigkeit von der Witterung. Ihr 
höchster Punkt fällt etwa mit der kältesten Zeit zusammen und auoh 
der zweite Gipfel im Mai ist ohne Schwierigkeit damit in Zusammenhang 
zu bringen, dass in diesem Monat der normal fortschreitende Anstieg 
der Temperatur etwas verzögert wurde (vergl. die Abflaobuog in der 
Kurve), vielleicht auoh mit der besonders hohen relativen Feuchtigkeit 
in der Luft. Jeden Zusammenhang mit klimatisohen Einflüssen im 
Sinne der Erkältung lässt dagegen der Gipfel im August vermissen und 
besonders auffallend ist das völlige Fehlen von Iofluenzaerkrankungen 
in den kühlen Monaten Oktober, November, Dezember. Wenn man sioh. 


I E M TZ V ET W m TZ I 

dagegen vorstellt, dass Wellen von Krankheitserregern die Ursache der 
Schwankungen sind, dann ist der plötzliche Anstieg, das zweimalige 
neue Aufflaokern und das schliesslich völlige Verschwinden ganz erklär¬ 
lich. Was Ruhe mann für die Berliner Verhältnisse (nach Sticket) 
bewiesen hat, dass die Influenza sich nur bei längerem Ausfall oder bei 
verminderter Dauer des Sonnenscheins vermehrt, wird durch die Ver¬ 
gleichung der Kurve nur teilweise bestätigt. Unsere Erfahrungen im letzten 
Jahre haben die Ansichten in dieser Beziehung von Grund auf gewandelt. 

Fassen wir die Ergebnisse kurz zusammen, so ergibt sich: 

1. Der akute Katarrh der oberen Luftwege ist das klassische 
Beispiel der unter dem Einfluss der Erkältung auftretenden 


Krankheit. Aehnliche' Verhältnisse finden‘sich bei den chroni¬ 
schen rheumatischen Erkrankungen. 

2. Bei der Angina besteht ein grundsätzlicher Unterschied 
zwischen der katarrhalischen Form, die zu den Erkältungskrank¬ 
heiten zu rechnen ist, und der follikulären Form, die eine wohl* 
charakterisierte Infektionskrankheit ist, deren Auftreten allerdings 
durch klimatische Verhältnisse beeinflusst wird. 

3. Bei der Influenza war vor der Pandemie ebenfalls eine 
Beeinflussung durch die Jahreszeit festzustellen. 

4. Das bemerkenswert seltene Auftreten der follikulären 
Angina der bulgarischen Marine kann nicht einwandfrei begründet 
werden; wahrscheinlich spielen vor allem konstitutionelle, da¬ 
neben auch epidemiologische und klimatische Faktoren eioe Rolle. 


Phlebektomia cruralis bei infektiösem Dick¬ 
darmkatarrh. 

Von 

Dr. Pail Rosenstein, 

leitendem Arzt der chirurgischen Poliklinik de« Krankenhauses der jüdischen Gemeinde, 
Berlin. 

Im Jahre 1917 habe ich im Band 109 des Archivs für 
klinische Chirurgie meine Erfahrungen über operative Behandlung 
der fortschreitenden Thrombophlebitis niedergelegt und den Stand¬ 
punkt vertreten, dass man bei bestimmter Indikation das ab¬ 
wartende Verhalten verlassen und zum chirurgischen Eingriff 
schreiten sollte. Ich konnte über vier rechtzeitig in Angriff ge¬ 
nommene Phlebektomien berichten, darunter drei, 
die das Scbenkel-Venengebiet betrafen, and eioe, 
bei der nach einer Oberarmverletznng die throm- 
bosierte Vena subclavia reseziert wurde. Ich machte 
damals den Vorschlag, die bisher fast nnr für das 
Gebiet der Vena saphena bei thrombosierten Krampf¬ 
adern empfohlene operative Ausschaltung auch 
aaszudehnen auf alle erreichbaren entzündlich ver¬ 
schlossenen Venen an irgendeiner Körperstelle, so¬ 
weit durch abwartendes Verhalten eine Progredienz 
der Thrombose zu befürchten wäre. Die Operations¬ 
art, für die ich im Gebiete der Vena cruralis eine 
bestimmte, auch in dem folgenden Falle bewährte 
Methode beschrieben habe'), wird am besten kurz 
als „Phlebektomie“ bezeichnet. Um mich nicht 
unnütz zu wiederholen, verweise ich auf die oben 
angeführte Veröffentlichung und beschränke mich 
darauf, in folgendem einen Fall mitznteilen, der 
so wohl wegen seiner Aetiologie bemerkenswert 
erscheint, als auch durch die erfolgreiche Therapie 
die Indikation für eine baldige Phlebektomie zu 
stützen geeignet ist. 

Am 22. VIII. 1917 wurde der Unteroffizier B. mit 
allen Erscheinungen des akuten Dickdarmkatarrhs in 
20 das Lazarett aufgenommen. Er hatte folgende Kranken¬ 
geschichte: 

Vorgeschichte: B., 26 Jahre alt, nie krank 
*4 x* gewesen. Am 3. VIII. 1914 eingesogen, im Feld, stets 
* ** gesund. Vor 14 Tagen traten erstmalig, mit starkem 
Durohfall, Sohraerzen am linken Bein auf; sie waren 
>yy nicht besonders heftig. Der Durchfall hielt an, 4 bis 
5 Stühle am Tage, ohne Blut- und Sobleimbeimengung. 
Seit 4 Tagen wurden die Schmerzen im Bein sehr stark, 
auoh traten besonders schmerzhafte Blähungen auf. Er 
tat zuerst nichts dagegen, sondern ass gewöhnliche Kost 
weiter. Am 18. VIII. begann sioh gleichzeitig mit den 
Sohmerzen in der Leistenbeuge Fieber einsustellen. 
W Temperatur schwankte swisohen 37,5 und 39,2°, so 
dass er sich am 19. VIII. zu Bett legen musste. Die 
JL M Schmerzen hielten auoh im Bett an und gingen bis an 
das Knie herab und störten die Nachtruhe. ; 
Befund: 1,62 m grosser, ziemlich kräftig gebauter Mann.* Hers 
und Lungen ohne Befund. Allgemeinzustand herabgekommen, blasse 
Gesichtsfarbe, tiefliegende Augen, elendes Aussehen. Puls 120 in der 
Minute, Temperatur 38,6°. Das linke Bein wird im Bett stark nach 
aussen gelegt und gebeugt gehalten, angeblich kann er das Bein nicht 
selbsttätig bewegen. Beim Bewegen des linken Oberschenkels hat er 
sehr starke Schmerzen im ganzen Bein. Der linke Oberschenkel ist 
umfangreicher als der rechte. Der Umfang beträgt im oberen Drittel 
links 49 om, rechts 45 om. Die Gegend der grossen Gefasse, 'besonders 


1) 1. c., S. 407. 


•... Brom hltis - —Angina •+• Rheumatismus —•—• Jnfluenza 


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dicht unterhalb der Leistenbeuge, ist sehr druckempfindlich. Die Leisten* 
drüsen links sind geschwollen und empfindlich. Oberhalb des Poupart- 
sehen Bandes fühlt man in der Mittellinie einen barten, tiefliegenden 
Widerstand, der io direkter Fortsetzung durch das Poupart’sche Band 
nach abwärts am Oberschenkel entlang bis zum Adduktorenschlitz zu 
▼erfolgen ist. Die ganze Härte ist unzweifelhaft als die darob Gerinnsel 
▼erstopfte Blutader und die entzündete Umgebung anzusprechen. Der 
Leib ist überall weich, eindrückbar und ohne Sohmerzen. Vom Mast- 
darni her ist nichts Krankhaftes festzustellen. 

Krankheitsbezeiohnung: Ak. Diokdarmkatarrh, Thrombose der Vena 
cruralis sinistra. 

Verlauf: 23. VIII. Kalomel 0,2, warme Umsobläge auf den Leib, 
Diät. Temperatur andauernd hoch, erreioht abends 39°; Milz ist nicht 
geschwollen. Auf den Lungen keine Erscheinungen. 

24. VIII. Nach starker Kalomelwirkung beute weniger Stühle; Farbe 
unverdächtig, keine Blut- oder SohleimbeimeDgungen. Allgemeinbefinden 
verschlechtert sich; Schmerzen am linken Bein, trotz Umschläge und 
Narkotika, nehmen zu, ebenso Resistenz. Widal ist negativ. 

25. VIII. Starke Sohwellungszunahme und Rötung in der Leisten¬ 
beuge; Fieber andauernd hoch. Durohfall lässt nach. Allgemeinbefinden 
ad malum vergens; B. maoht einen septischen, verfallenen Eindruck. 
Wegen Gefahr des Fortsohreitens der Thrombose wird daher zur Operation 
geschritten. 

25. VIII. Operation in Chloroformnarkose. Ein 16 cm langer 
Längsschnitt, der 8 cm unterhalb und 8 cm oberhalb des Poupart’schen 
Bandes verläuft. Unten läuft der Sobnitt genau in der Gegend und 
parallel mit den Schenkelgefässen, nach oben biegt er leicht konvex 
nabelwärts ab. Nach dem Einsohnitt stellen sioh unter der Haut überall 
erweiterte kleine Venen ein, die immer doppelt unterbunden werden. 
Die Obersohenkelvene wird freigelegt und fühlt sioh überall hart an. 
Unter sorgfältigem Präparieren entlang der Arteria femoralis, um jeden 
Diuck auf die thromboBierte Vene zu vermeiden, wird über das Sohenkel- 
band hinaus die Vena cruralis frei präpariert, welche ebenfalls hart und 
von einem Gerinnsel verstopft ist. Die umgebenden Weichteile sind 
ausserordentlich ödemalös durohtränkt, so dass das Operationsfeld stets 
vom Blutwasser überströmt ist. 6 cm oberhalb des Poupart’schen 
Bandes hört die harte Beschaffenheit der Vene auf, und nach oben hin¬ 
aus fühlt sie sich überall weich an. Bis hierhin wird nach Zurück¬ 
sobieben der Bauohfellblase das Venenrohr freigemaoht, so dass man 
sich auch durch Augenschein von der normalen Beschaffenheit der Blut¬ 
ader und der umgebenden Gewebe überzeugen kann. Doppeltes Ab¬ 
binden der Vene 2 cm oberhalb des erkrankten Gebietes. Heraus¬ 
präparieren und Entfernen des ganzen verstopften Venenrohrs bis zur 
Einmündung der Vena saphena. Auoh das Bett der Vene ist ödematös 
durchtränkt, zeigt aber nirgends Eiterung. Das Ligamentum Pouparti 
wird entsprechend der von mir in der ersten Arbeit beschriebenen 
Methode geschont. In den vordersten Wundwinkel wird ein Jodoform¬ 
gasestreifen gelegt. Das Arterienrohr wird bedeckt, indem die Weich- 
teile durch Katgutnähte über ihm zusammengezogen werden, und die 
Wunde bis auf die Lücke für den Streifen geschlossen. 

27. VIII. Besserer Allgemeinsustand. Durohfall hält nooh an 
(gestern 7 Stühle, heute nur ein Stuhl, aber nooh diarrhoiscb, Färbung 
braun). Temperatur 87,8°. > 

Der weitere Verlauf gestaltete sion ohne Besonderheiten. Der 
Durchfall liess nach wenigen Tagen ganz nach. Die Wunde heilte bis 
auf die Stelle der Drainage p. p., im übrigen ohne Störung per granulat. 
Das Fieber war nach 5 Tagen gewichen. 

Nach 14 Tagen verliess Pat. das Bett mit gewickeltem Bein, hatte 
aber anfangs noch erhebliches Oedem nach Umhergehen. Er wurde 
daher zu grösserer Sohonung angehalten und täglich massiert; allmählich 
stellte sioh die Zirkulation bei dieser Behandlung wieder brr, so dass 
Pat. nach 2 Monaten am 25. X. 1917 geheilt entlassen werden konnte. 

Wenn man den mitgeteilten Fall kritisch betrachtet, so ist 
zunächst die Aetiologie, die zum Verschluss der Vena cruralis 
geführt bat, büchst bemerkenswert. Die Thrombose der Schenkel¬ 
vene bei infektiösen Darmkrankheiten gehört zwar nicht zu den 
überaus seltenen Begleiterscheinungen; z. B. rechnet Conner 1 ) 
10—15 pCt. Thromboplebitis bei Typhus heraus, und er meint, 
dass dip meisten Lungen- und Pleurakomplikationen im Verlaufe 
des Unterleibstyphus auf embolischen Vorgängen beruhen, ebenso 
wie die wiederholten Fieberschauer, die nach Abklingen des 
Fiebers von neuem auftauchen. Aehnlich äussert sich Löbinger 2 ), 
der im Anschluss an Typbus mehrere Fälle von Thrombose im 
Gebiete der Vena saphena mitteilt und eine spezifisch typböse 
Phlebitis mit Veränderung der Venen wand annimmt; eine Auf¬ 
fassung, die auch durch eine Beobachtung von Fritz Lincke 3 ) 
unterstützt wird. Er sah eine Thrombose des linken Vorhofs und 
der Pulmonalvenen bei einem Fall von Unterleibstyphus und 
schloss aus der Einscbmelzurg der Tbrombosenmassen auf die 
direkte Wanderung der Typhusbazillen in die Venenwand und 
auf ihre pyogene Wirkung. Auch die Perityphlitis wird nicht 

1) Conner, Arch. of int. med., Bd. 10, H. 6, S. 534. 

2) Löbinger, D.m.W., 1914, Nr. 12, S. 857. 

3) Fr. Lincke, Prager med. Wsobr., 1914, Nr. 51. 


selten durch eine Thrombose der Vena femoralis sin. kompliziert; 
aus der Statistik von Bull 1 ) soll hervorgehen, dass 11,7 pCt. der 
an Blinddarmentzündung Operierten eine Thrombose der Schenkel- 
venen erleiden und von diesen sollen 3 / s an Lungenembolien er¬ 
kranken. Da die Zusammenstellung nur 188 Fälle betrifft, so 
ist sie natürlich nicht beweiskräftig, und die Zahl der Thrombose 
scheint doch erheblich zu hoch geritten zu sein. Habe ich doch 
in meiner eigenen Friedensstatistik, die weit über 1000 Fälle 
umfasst, noch nicht 1 pCt. Thrombosen der Schenkelvenen ge¬ 
sehen. Bei diesen allerdings sind leichte Lungenembolien, die 
ohne Ausnahme gut verlaufen sind, keine Seltenheiten. Häufiger 
ist schon die Thrombose im Verlaufe der nicht operierten Blind¬ 
darmentzündungen, und es scheint zugunsten der Annahme eines 
direkten Zusammenhanges zwischen Darminfektion und Venen¬ 
entzündung zu sprechen, wenn nach Ausschaltung des erkrankten 
Darmteils (Appendektomie) die Thrombose seltener wird. Im 
grossen und ganzen handelt es sich in allen diesen Fällen um 
harmlose Venenentzündungen, die kaum jemals septischen Charakter 
annebmen, wie in vorliegendem Falle. 

Keineswegs ist der In fektio ns Charakter der die Dickdarm¬ 
affektionen begleitenden Thrombose immer erwiesen; wenn in 
einigen Fällen auch eine Ueberwanderung der Bakterien aus dem 
Darm in das benachbarte Venenrohr angenommen werden kann 
(oder nach Talke nur in die nächste Umgebung), so dass das 
die Darminfektion verursachende Virus auch als direktes Agens 
der Thrombose angeschuldigt werden muss, so wird das doch in 
der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle nicht nachweisbar sein; 
in einer weiteren grossen Anzahl wird die begleitende Thrombose 
nur indirekt durch die Darminfektion bedingt sein, insofern es 
sich um eine schwere Allgemeinerkrankung bandelt, in deren 
Verlauf die Schenkelvenenthrombose als ein Zeichen der darnieder- 
liegenden Herzkraft auch ohne Infektion durch Strom Verlangsamung 
und Stauung zustande kommt. 

In unserem Falle ist die Thrombose nicht einmal als Folge¬ 
erscheinung, sondern gleichzeitg mit den ersten Symptomen 
eines schweren akuten Dickdarmkatarrhs aufgetreten; dazu ban¬ 
delte es sich um einen kräftigen jungen Mann, dessen Konstitution 
bei der akuten Erkrankung keine der bekannten Voraussetzungen 
für eine Venenentzündung zeigte. Eine spezifische Infektion durch 
Typhus, Paratyphus oder Ruhr konnte nicht nachgewiesen werden, 
vielmehr traten die Darmerscheinungen bald völlig zurück hinter 
dem septischen Bilde, das durch die Veneninfektion bervorgerufen 
wurde. Leider liess sich auch nach der Operation, trotzdem ich 
das frische Präparat und die Gewebsflüssigkeiten bakteriologisch 
habe untersuchen lassen, ebenso wenig wie später durch Bakterien¬ 
färbung des eingebetteten Venenrohrs eine bestimmte Infektions¬ 
art erweisen, so dass wir lediglich klioisch den Zusammenhang 
der septischen Thrombophlebitis mit der akuten Kolitis feststellen 
müssen. 

Zum Unterschiede der Thrombosen der Schenkel venen nach 
Typhus, Blinddarmentzündung usw. gehört der Verschluss des 
Schenkel venenrohrs nach gewöhnlichem Dickdarm¬ 
katarrh zu den ausgsprochensten Seltenheiten. Zum 
ersten Male bat Riedel - Jena 2 ) im Jahre 1911 2 Fälle von 
doppelseitiger Schenkelvenenthrombose aus genannter Aetiologie 
mitgeteilt. In beiden Fällen waren aber — und das macht sie 
nicht völlig einwandsfrei — Operationen vorausgegangen. 

In dem ersten Falle handelte es sioh um ein junges Mädchen, das 
9 Tage nach einer ganz aseptischen Blinddarmoperation eine Thrombose 
beider Schenkelvenen bekam; zwar lehrt die Krankengeschichte, dass 
der Wurmfortsatz obliteriert und frei von allen akuten Entzündungs¬ 
erscheinungen war, aber immerhin war eine Operation vorhergegangen, 
ehe nach 9 Tagen die Thrombose auftrat; wenn man also auch mit 
Riedel sagen will, dass es sich mehr um einen allgemeinen Dickdarm¬ 
katarrh als um eine Appendizitis handelte, und ersterer mehr für die 
Venenentzündung anzuschuldigen sei, so stört doch die Tatsache der 
Operation die Reinheit der von Riedel angenommenen Aetiologie. In 
seinem zweiten Falle handelte es sioh um einen 63jährigen Arzt, der 
wegen der Verletzung der A. tib. ant. dext. nach Gritti amputiert 
worden war. Lange naoh der Heilung der Wunde erkrankte der Patient 
fieberhaft unter zunehmenden Darmerscheinungen; er batte durch lang- 
dauernde ungenügende Entleerungen allmählich einen Zustand von Re¬ 
tention mit Fäulnisersobeinungen im Dickdarm bekommen, der ein 
sohweres Krankheitsbild mit Gerinnungen in beiden Schenkelvenen aus- 
löste. Dass die Thrombose mit der Amputation noch in kausalem Zu¬ 
sammenhang gestanden hätte, hält Riedel für gänzlich ausgeschlossen, 
schuldigt vielmehr glaubhafterweise die schwere Darmsffektion und die 


1) Bull, Bruns’ Beitr., 1913, Bd. 82, S. 345. 

2) Riedel, D.mW., 1911, Nr. 21, S. 961. 


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22. Septem ber 19 19. 


damit einhergehende Infektion mit Faulstoffen als Ursache des Leidens 
an. Auch hier lag aber eine primäre Gefässerkrankung vor, die zur 
Verstopfung der Art. und durch sie zur Operation geführt batte; wahr¬ 
scheinlich wird auch die Venenintima nicht ganz intakt gewesen sein, 
und so war auoh dieser Fall aus doppelten Gründen besonders dis¬ 
poniert zu thrombotischer Entartung. 

Klarer liegen die 3 Fälle, die Strauss 1 ) mitgeteilt hat. In allen 
Fällen bandelte es sieh wie in dem unsrigen um eine linksseitige 
Venenentzündung. Sie war als Begleiterscheinung schwerer ulzeröser 
Diokdarminfektionen aufgetreten; ein Fall war nach Kolostomie der 
Flexar gestorben; die Autopsie, die nur für das Abdomen gestattet war, 
konnte nur eine hochgradige Affcktion der Flex. sigm. feststellen, ohne 
dass die Frage, ob Thrombose oder Lymphangitis vorlag, sioher ent¬ 
schieden werden konnte; das Krankheitsbild sprach mehr für Thrombose, 
ln seinem zweiten Falle war die Venenentzündung trotz Weiterbestehen 
der ulzerösen Procto-Sigmoiditis spurlos ausgeheilt, bei dem dritten 
Kranken war eine frische Thrombophlebitis der linken Schenkelvene im 
Anschluss an eine hämorrhagische, ulzeröse Prokto Sigmoiditis ent¬ 
standen, ohne das# über den Ausgang der Erkrankung etwas bekannt 
geworden wäre. Operiert wurde in den Strauss’schen Fällen ebenso¬ 
wenig wie in den beiden Biedersohen, da der schwere Diokdarm- 
katarrh das Krankheitsbild beherrschte, und die Venenentzündung nur 
als eine verhältnismässig harmlose Begleiterscheinung auftrat. 

Riedel untersuchte bei der Besprechung seiner Fälle ge¬ 
nauestem die Frage, auf welche Weise das Dickdarmleiden zur 
Thrombose der Scbenkelvenen führt, und ob die Thromben selbst 
infiziert waren. Es würde zu weit führen,, im Rahmen dieser 
Arbeit den anatomischen Zusammenhang der Thrombose der 

Schenkelvene mit dem ursächlichen Darmleiden zu erörtern, nur 
soviel will ich erwähnen, dass nach den Forschungen von Retzius 
sich kleine Pfortaderästchen aus dem Dünn- und Dickdarm direkt 

in die Vena cava ergiessen, und dass ebenso die venösen Becken- 

gefiechte mit Aesten der Pfortader und der Vena hypogastrica 
kommunizieren sollen (zit. nach Riedel). Ob dieser direkte Weg 
der Ueberwanderung bei der Erzeugung vou Thrombosen benutzt 
wird, oder ob nicht erst, wie die Untersuchungen Franke’« 2 ) ver¬ 
muten lassen, das Virus aus dem Darm auf dem Wege der 

Lymphgefässe in die Wandungen der Venen gelangt, mag hier 
ununtersucht bleiben; vielleicht ist die Entstehung der Thrombo¬ 
phlebitis auf beide Arten möglich. 

Dagegen möchte ich bei dem zweiten Teil der RiedeTschen 
Fragestellung entschieden für die Auffassung eintreten, dass es 
sich in den Riedel’schen wie Strauss’schen Fällen und auch 
in meinem Falle um infizierte Thrombosen gehandelt hat, mit 
aller Wahrscheinlichkeit um Infektion durch Bacterium coli. 
Die Talke’schen Versuche 8 ), aus denen bezvorgeht, dass die 
Bakterien nicht bis in die Blutbahn einsudringen brauchen, um 
eine Gerinnung des Blutes in den benachbarten Venen herbei- 
zuführen, sondern dass die Infektion der Umgebung genügt, be¬ 
weisen, dass der Befund von Bakterien in dem resezierten Venen¬ 
rohr nicht nötig ist; auch ohne sie kann man bei einer Darm¬ 
infektion mit Ueberwandern der Bakterien rechnen, wie es bei 
dem Bacterium coli über den Lymphweg von Franke nach¬ 
gewiesen worden ist. Es wird auf die Zahl der ausgetretenen 
Keime ankommen, ob, wie in den meisten Fällen, die Gewebe 
allein damit fertig werden, oder ob, wie bei unserem Kranken, 
die Gewebsinfektion stärker ist als die Darmerkrankung; bei 
solcher Sachlage kann man nicht energisch genug für eine baldige 
Phlebektomie eintreten. 

Aus der Anschütz’schen Klinik ist vor kurzem eine Arbeit 
von Grauhan 4 * ) erschienen, die sich im Anschluss an isolierte 
Schussverletzungen der Venen mit der Frage der operativen Aus¬ 
schaltung der Blutadern beschäftigt. G rauh an kommt auf Grund 
der Kriegserfahrungen zu denselben Schlüssen, die ich aus meinen 
Beobachtungen gezogen habe, und es ist anzunehmen, dass nach 
so einwandfreien therapeutischen Resultaten eine aktivere Throm¬ 
bosen behänd lung in Aufnahme kommt, als es bisher leider der 
Fall war. Ich brauche die Begründung meiner Auffassung, die 
ich in der ersten Arbeit niedergelegt habe, nicht zu wiederholen; 
die Erfolge beim operativen Vorgehen und die Misserfolge bei 
abwartendem Verhalten sprechen für sich selbst. Wenn Grauhan 
in einem Falle (Nr. 8) trotz zentraler Unterbindung der durch¬ 
schossenen Vena femoralis einen Todesfall durch Thrombophlebitis 
und verschleppte Emboli aus dem Venenstumpf erlebt hat, so 


1) Strauss, D.m.W., 1911, Nr. 24, S. 1109. 

2) Franke, Mitt. Grenzgeb., 1911, Bd. 22, H. 4, S. 623. 

3) Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der infektiösen Thrombosen. 
Beitr. z. klin. Chir., Bd. 36, H. 2. 

4) Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 114, H. 2, 66. kriegsohirurg. Heft, Kriegs- 

Chirurg., Bd. 14, H. 2. 


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liegt das an der Eigenart der Schussverletzungen und daran, dass 
Grauhan noch nicht in vollständig gesundem Gebiet operiert 
hat. Die Schussverletzungen sind, wie wir jetzt einwandfrei 
wissen, sämtlich infiziert. Eine Granatsplitterverletzung reisst 
so viel Schmutz mit sich, dass die Naht der durch Splitter zer¬ 
rissenen Arterien oder Venen kaum jemals den Blutstrom wieder 
dauernd hergestellt hat; mir ist es jedenfalls in keinem Falle 
gelungen, trotzdem ich es mehrfach im Feldlazarett versucht 
habe, vielmehr war nach 2 Tagen immer wieder durch fort¬ 
schreitende Infektion von der Schussstelle ans die Thrombose 
vorhanden. Damit muss man also bei jeder Venenverletzung 
durch Granatsplitter rechnen; deshalb halte ich es für richtig, 
den zentralen Teil der Vene gar nicht im Gebiete der Wunde 
aufzusncben, sondern durch einen besonderen aseptischen Schnitt 
freizulegen und dort zu unterbinden, wie ich es in dem Falle 
der Subklaviaunterbindung getan habe. Ich glaube, dass man 
dann Rezidive am Stumpf ausschalten kann; das deckt sich auch 
mit der von Grauhan und mir vertretenen Auffassung, im all¬ 
gemeinen die Ligatur so zentral wie möglich zu legen; und 
da dürfte es für die Gefahr der Verschleppung infizierter Ge¬ 
rinnsel ganz gleichgültig sein, wodurch die Thrombophlebitis 
entstanden ist, ob durch eine Schussverletzung oder eine Infektion 
aus andeier Ursache; hier hilft nur schnelles und entschlossenes 
Handeln; auch wenn die Therapie nach den bisherigen An¬ 
schauungen etwas ungewöhnlich erscheint, wird man sich doch 
allmählich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass bei pro¬ 
gredienter Thrombose der Scbenkelvenen oder bei Thrombosen 
anderer Unterleibsvenen in vorgeschrittenem Stadium noch durch 
Unterbindung der Vena cava inferior Rettung gebracht werden 
kann. So kann meines Erachtens einem Fall wie dem von 
Handtmann und Hoffmann 1 ) mitgeteilten, bei dem ein Infanterie¬ 
geschoss in die Vena cava inferior eingedrungen war, und der 
die Verletzung ohne tödliche Blutung überstanden hatte, bei 
rechtzeitiger Erkennung der Verwundung durch Unterbindung der 
Vena cava noch geholfen werden. Handtmann und Hoffmann 
bekamen den Verletzten erst 26 Tage nach der Verwundung zu 
Gesicht; es war das Krankheitsbild längst verwischt, ausgedehnte 
Thromben im Gange und der Patient schwer septisch. Ein ent¬ 
schlossener Operateur, der den Bauchschuss sofort nach der Kin- 
lieferung operiert hätte, hätte vielleicht der Situation Herr werden 
können, besonders dä die Quelle der Blutung auf den Sitz des 
Geschosses hätte hinweisen müssen. Ich erwähne den Fall nicht 
nur aus diesem Grunde, sondern ausserdem, weil die Sektion mit 
Wahrscheinlichkeit ergeben hat, dass allmählich ein Ueberwandern 
von Bacterium coli auf den durch die Schussverletzung ge¬ 
schädigten Teil der Vena cava stattgefunden und zur Erweichung 
und tödlichen Verschleppung der Thrombenmassen geführt hat. 
Auch dieser Fall reiht sich bezüglich der Aetiologie dem unsrigen 
an. Eine aus irgendeinem Grunde anatomisch disponierte Vene 
— in diesem Falle durch Schussverletzung — wird sekundär in¬ 
fiziert (in beiden Fällen aus dem Darm durch Bacterium coli) 
und thrombosiert. So kommt ein für das Allgemeinbefinden 
höchst gefährlicher Infektionsherd hinzu, dem man durch recht¬ 
zeitige Phlebektomie zu begegnen bemüht sein soll, besonders 
wenn der thrombotische Herd den Charakter einer progredienten 
Infektion angenommen hat; nur durch schnelle Elimination der 
erkrankten Vene aus dem Kreislauf wird man die traurigen Er¬ 
fahrungen, die man beim ab wartenden Verhalten so oft gemacht 
hat, ausschalten können. 

Ich hoffe, dass aus den dargelegten Gründen auch der neue 
hier mitgeteilte Fall der rechtzeitigen Phlebektomie am Orte der 
Wahl neue Freunde gewionen wird. 


Die chirurgische Behandlung der Nervenschuss- 
verletzungen. 

Von 

Dr. med. Paal Miaasse-Berlin. 

(Schluss.) 

Gluck 3 ), welcher diese Versuche, von einem anderen Gesichts¬ 
punkte aus, wiederholte, kam zu einem abweichenden Resultat. Er er¬ 
setzte Defekte im Nerv, isohiadicus von Hühnern durch entsprechende 
Stüoke aus dem Nerv, ischiadious des Hundes, machte also eine Trans¬ 
plantation mit artfremdem Material, eine Heteroplastik, wie wir 

1) D.m.W., 1916, Nr. 20, S. 603. 

2) Arcb. f. klin. Chir., Bd. 25, S. 606. 

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sagen würden. Trotz dieser den Enderfolg erschwerenden Abänderung 
des Versnohes fand er schon in den ersten Tagen nach der Operation 
Verbindungen zwischen den Enden der resezierten Nerven in Gestalt 
grosser spindelförmiger Zellen. Sohon 11 Tage naoh der Operation 
erfolgten auf mechanische Reizung des oberhalb der Plastik durch¬ 
trennten Nerven heftige tfuskelzuokungen in dem zugehörigen Gebiete 
des Nerven. 

Keiner der späteren Untersucher wie Johnsson, Assaky, Huber, 
Forssmann hat diese Angaben Gluck’s bestätigen können. Vielmehr 
wurde als unumstössliche Tatsache festgestellt, dass das Zwischen¬ 
geschäfte Nervenstück zwar einbeilen kann, aber ausnahmslos der De¬ 
generation verfallt. An seine Stelle tritt Narbengewebe. Dieses wird 
sekundär neurotisiert und zwar um so eher, je weioher es ist. Da das 
Transplantat seine spezifischen nervösen Elemente verliert, so kann es 
natürlich nach seiner Einfügung in den Nervendefekt keine funktionelle 
Leitung übernehmen, und die weitere Frage, ob* zur Ueberbrückung von 
Defekten motorischer Nerven Stücke von sensiblen Nerven benutzt 
werden können, würde gegenstandslos sein. Ich lasse es dahingestellt, 
ob der Vorgang der freien Nerven Verpflanzung durch die bisherigen 
Untersuchungen naoh allen Richtungen hin völlig geklärt ist. 

Die praktischen Erfahrungen am Menschen haben gezeigt, dass die 
günstigsten Ergebnisse bei Verwendung von Nerven, die dem Patienten 
selbst entstammen, also durch Autoplastik erzielt werden. Bei Ver¬ 
wendung von Tiernerven (N. ischiadicus des Hundes und des Huhns) 
ist bisher kein einziger vollkommener Erfolg beobachtet worden. Ebenso 
wenig brauchbar wie die Heteroplastik scheint die Homöoplastik, 
d. h. die Transplantation von Menschennerven, die z. B. frisoh ampu¬ 
tierten Gliedmaassen entstammen, zu sein (Albert, 1676). Allerdings 
fallen die meisten dieser Operationen in die Zeit vor der Aseptik. In 
jüngster Zeit wurden auf Empfehlung Bethe’s konservierte Leichen¬ 
nerven zur Transplantation benutzt. Dieselben lassen sich „steril“ ent¬ 
nehmen und im Eissohrank „steril“ aufbewahren. Nach einem Bericht 
von Spielmeyer hat man bei II derartigen Operationen bisher 
2 Besserungen erzielt. Anhangsweise erwähne ich die physiologisch 
interessante Methode von Moskowicz 1 ), weioher in den Nervendefekt 
einen gestielten Muskellappen einpflanzte. 

Relativ häufig hat im Weltkriege die sogenannte Tubulisation 
Anwendung gefunden. 

Gluck versuchte zuerst, Knoohenröhren in Nervenlücken einzu¬ 
heilen. Vanlair, welcher dieses Experiment wiederholte, fand, dass 
ein 5 cm langer Defekt im Nerv, ischiadicus des Hundes sioh ersetzen 
kann, wenn man die Nervenenden in eine dekalzinierte Knoohen- 
röhre einlagert. Andere Untersuoher (Huber) kamen zu ähnlichen Er¬ 
gebnissen. 

Da der Knochen sioh zu schnell auflöste, benutzte man präparierte 
Arterien, ja sogar körperfremdes Material wie Gummidrains, Röhren aus 
Gelatine, Magnalium, zuletzt, naoh dem Vorschläge Edinger’s, mit Agar 
gefüllte Röhren. 

Die Tubulisation bietet aber gerade bei den Sohussverletzungen 
keine günstigen Bedingungen für die Regeneration. 

An dem Wiederaufbau des Nerven im Bereiche des Defektes be¬ 
teiligt sioh naoh neueren Untersuchungen (Bielschowsky) auch das 
neben und zwischen den Nervenenden gelegene Bindegewebe mindestens 
insoweit, als es den jungen Nervensprossen einen Teil des Ernährungs¬ 
materials zuführt. Dies setzt reiches, gefässhaltiges Gewebe voraus, 
welches an der Sohussstelte meist fehlt. Knoohenröhren, Gummidrains usw. 
liefern keine Nährstoffe. Nach Resorption der Knochenröhren kommt 
es zu derber Narbenbildung, ebenso in der Umgebung körperfremden 
Materials. Leere Gefässe von Menschen und Tieren verlieren, da sie bei 
der Umhüllung von Nerven keine physiologische Leistung vollbringen, 
zum Teil ihre Gewebseigensohaften und geben ebenfalls Anlass zur 
Narbenproduktion. Der Gedanke von Eden 2 3 ), die Nervenenden in be¬ 
nachbarte Blutgefässe einzupfianzen, wo sie von strömendem Blute um- 
spült werden, ist daher, so absonderlich er auf den ersten Blick er¬ 
scheint, theoretisch insofern nioht unbegründet als hier die „Seiten¬ 
ernährung“ der jungen Nervensprossen günstiger gestellt ist durch die 
Verbindung, welohe sich zwischen der Gefässwand und den anliegenden 
Nervenenden bildet. 

Die Tubulisation hat bisher im Kriege nur ganz vereinzelt Er¬ 
folge aufzuweisen und auch nur bei Defekten bis zu 8 cm Länge. Ge¬ 
nauer beschrieben fand ich nur einen einzigen Fall, und in diesem 
bestand der Erfolg in einer Besserung, welche für die Gebrauchsfäbigkeit 
der Hand belanglos war. 

Lötiövant 8 ) hatte seinerzit zum Ausgleich von Nervendefekten 
ausser der Lappenplastik der Nervenenden die Nervenpfropfung 
empfohlen, eine Methode, die zu anderen Zwecken von den Physiologen 
seit Flourens (1828) vielfaoh studiert worden ist. Die deutsohe Be¬ 
zeichnung „Pfropfung“, die Uebersetzung des französischen Wortes 
„Greife“, ist nioht gerade glücklich gewählt. Man denkt dabei an das 
Pfropfen in der Gärtnerei. Dies entspricht aber keineswegs der Ope¬ 
ration an den Nerven dem Sinne naoh. ln der Chirurgie verstehen wir 
unter Pfropfung der Nerven die operative Verbindung eines gelähmten 
Nerven mit einem intakten Naohbarnerven zur Wiederherstellung der 
Leitung durch Neuansohluss. 


1) M.m.W., 1917, Nr. 23. 

2) Aroh. f. klin. Chir., Bd. 108, S. 344. 

3) Traite des sections nerveuses. Paris 1873. 


Lötiövant 1 ) gab hierzu 2 Wege an : 

1. Bei gleichzeitiger Durchtrennung zweier Nerven in verschiedener 
Höhe derselben Vernähung des peripherischen Endes des wichtigeren 
Nerven mit dem zentralen Ende des weniger wichtigen, z. B. am Ober¬ 
arme Vernähung des peripherischen Endes des Nerv, medianus mit dem 
zentralen Ende des Nerv, musoulo-outaneus. 

2. Seitliche Einpflanzung des peripherischen Endes des gelähmten 
Nerven in den Stamm eines intakten Nachbarnerven nach Anfrischung 
desselben. 

Diese Methode hat im Laufe der Jahre einige wesentliche Abände¬ 
rungen erfahren (vgl. die Abb. a—f), die sioh bewährt haben. 




Faure, Stoffel, 
jiackenbruch 




Sich -Saenger; Fa ure, 



Etwa 25 Jahre hindurch 'blieb die Nervenpfropfung seit ihrer 
Empfehlung duroh Lötiövant wenig beachtet. Sie wurde in dieser Zeit 
kaum ein Dutzend Mal ausgeführt Erst das erneute experimentelle 
Studium derselben gab den Anstoss zu ausgedehnter Anwendung, vor¬ 
nehmlich bei Fazialislähmung und der essentiellen Kinderlähmung. Sie ist 
dann im Kriege mit den übrigen Methoden zur Deckung von Nervendefekten 
in Wettbewerb getreten, wenn auch nioht in dem Maasse, wie man es naoh 
den Worten FoersterV) hätte erwarten können. Die Gegner der 
Methode verwerfen sie deswegen, weil sie in vielen Fällen den kraft- 
spendenden Nerven beeinträchtigt. Sie berücksichtigen aber nicht dio 
Tatsache, dass der Verlust des kraftspendenden Nerven duroh vermehrte 
Nenproduktion von Nervenfasern vielfaoh des Ausgleichs fähig ist oder 
dort, wo ein Ausgleich nioht möglich oder von vornherein nioht beab¬ 
sichtigt ist, der Ausfall für den Organismus nicht wesentlich in Betracht 
kommt. Wird der stromgebende Nerv bei der Pfropfung gänzlich duroh- 
trennt, x. B. der N. hypoglossus bei der Fazialislähmung, so lehrt die 
Erfahrung, dass die halbseitige Zungenlähmung in der Regel keine nennens¬ 
werte Störung des Sprach- und Kauaktes hinterlässt. Spalten wir einzelne 
Bahnen des Kraftspenders ab, so wählen wir diejenigen, deren Ausfall 
die praktische Brauchbarkeit der Extremität nicht beeinträchtigt. 

Einen Mangel besitzt die seitliche Einpflanzung allerdings dann, 
wenn wir sie an einer Stelle vornehmen, die von dem Abgänge moto¬ 
rischer Aeste weiter entfernt liegt. Hier können wir die Schädigung 
des Kraftspenders nioht genau berechnen, weil die einzelnen motorischen 
Kabel meist noch nicht gesondert verlaufen, sondern plexusartig sioh 
mischen. 

Naoh meinen Erfahrungen erzielt man bei Nervensohüssen günstige 
Erfolge, wenn der kraftspendende Nerv intakt ist und das peripherische 
Ende des gelähmten Nerven, welohes man einpflanzt, durch sekundäre 


I) Traitö des sections nerveuses. Paris 1873. 

. 2) „Die Nervenpfropfung ist seit langer Zeit experimentell und 
klinisch so wohlfundiert, dass an ihrer Brauchbarkeit nicht mehr zu 
zweifeln ist. 


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22. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


entzündliche Prozesse nicht gelitten hat. Das sicherste Verfahren ist 
die 1. Methode von Lötiövant; bei weloher der Kraftspender mit 
dem gelähmten Nerv naoh völliger Durohtrennnog End-zu-End vereinigt 
wird. 

Gewisses Aufsehen erregte die sogenannte Doppel- und Mehr- 
faohpropfung Hofmeister’s 1 2 ) im Jahre 1915. Dieser Autor pflanzte 
nicht nur das peripherische, sondern auch das zentrale Ende des ge¬ 
lähmten Nerven in einen benachbarten intakten Nerven ein, aber, wie 
Hofmeister sagte, ohne ihn anzufrischen, nur in einen Schlitz desselben. 
Der intakte Nerv sollte dabei nioht als Kraftspender, sondern lediglich 
als Brücke dienen für die neusprossenden Fasern, welche von dem 
zentralen Ende des gelähmten Nerven zu dessen peripherischen gelangen. 
Naoh Hofmeister’s Ansicht bliebe dann das gelähmte Gebiet nach Wieder¬ 
herstellung der nervösen Leitung mit seinem zugehörigen motorisohen 
Zentrum in Verbindung, und das motorische Zentrum des „Brücken- 
nerven* brauchte nicht „umzulernen*. 

An dieser Methode ist nicht neu, dass man beide Enden des ge¬ 
lähmten Nerven in den Nachbarnerven pfropft. Wölfler hat sie bereits 
vor vielen Jahren angewandt, ich habe vor etwa 20 Jahren auf ihre 
Empfehlung durch E. Fischer hingewiesen. Vor Hofmeister’s Publi¬ 
kation ist sie von anderen und von mir, und zwar erfolgreich aus- 
gefübrt worden. Neu ist nur die Auffassung Hof meistens, dass die 
Nervenkabel des Brückennerven bei der Pfropfung als Kraftspender un¬ 
beteiligt bleiben sollten. Dass diese Auffassung unzutreffend ist, be¬ 
darf naoh dem früher Gesagten keiner Darlegung. Hofmeister bat von 
der Doppelpfropfung noch einen weiteren Schritt zu der „Mehrfaoh- 
pfropfung* getan. Bei gleichzeitigem Defekt mehrerer Nerven wurde 
der intakte Nerv entweder als alleinige Brüoke für alle benutzt oder 
nur für die Enden des nächstgelegenen Nerven. In diesen wurden dann 
die Enden des zweiten gelähmten und in letzteren die Enden des 
dritten Nerven eingepflanzt, u.s.f. 

Hofmeister hat die Doppel- und Mehrfaohpfropfung 24 mal aus¬ 
geführt. Aus den bisherigen Nachrichten geht nicht mit Sicherheit her¬ 
vor, ob ein einziger voller Erfolg erzielt worden ist. 

ln das Gebiet der Nervenpfropfung gehört, wenn auch nicht 
ganz streng genommen, die Methode von Cahen*), bei welcher in den 
Defekt eines motorischen bzw. gemischten Nerven ein benachbarter sen¬ 
sibler Nerv eingesetzt wird, welchen man aber nur peripherwärts durch¬ 
trennt. Zentralwärts bleibt er mit den Zentren im Spinalganglion in 
Verbindung. Es wird über eine Heilung bei 4 derartig operierten Fällen 
berichtet. 

Physiologisch wie klinisch von grossem Interesse ist das Verfahren 
der direkten Einpflanzung von Nerven in gelähmte Muskeln. 

Ist ein Nerv dicht vor seinem Eintritt in die Muskeln abgeschlossen 
oder eine grössere Zahl seiner Aeste verletzt, dann gelingt die Naht¬ 
vereinigung der Nervenenden gewöhnlich nicht, besonders wenn sie in 
derbe Narben eingebettet sind. Man kann dann entweder das zentrale 
Ende des verletzten Nerven, naoh entsprechender Lockerung, direkt in 
den gelähmten Muskel versenken oder einen benachbarten motorisohen 
Nerven dazu benutzen, den man von seinem zugehörigen Muskelgebiete 
trennt. Hacker bat das Verfahren zuerst am Menschen angewandt. 
Heinecke undErlacher prüften es experimentell. Fo er sterbenutzte 
es im Kriege bei 11 Fällen mit grossem Erfolge. 

Nicht geringeres Interesse beansprucht die Methode des Muskel- 
ansohlusses von Gersuny, bei welcher der gelähmte Muskel mit einem 
benachbarten intakten Muskel nach Anfrischung desselben vernäht wird. 
Hier sollen sich die in den Muskelbündeln verlaufenden feinen Nerven¬ 
fasern des gesunden Muskels mit denen des gelähmten anatomisch wie 
funktionell derartig verbinden, dass der gelähmte Muskel seine Kon- 
traktionsfähigkeit wieder erlangt. Gersuny bat z. B. bei Deltoides- 
lähmung den Deltamuskel von seiner Insertion am Sohultergürtel abgelöst 
und ihn unter den ebenfalls vom Knochen abgelösten M. cucullaris ge¬ 
schoben. Naoh 8 Monaten kontrahierte Bich der Deltamuskel kräftig 
willkürlich: In ähnlicher Weise ist Gersuny bei der Fazialislähmung 
vorgegangen, Die Methode verdient eingehendere Prüfung. 

Wie stellt sieh das Ergebnis der chirurgischen Behandlung 
der Nervenverletzungen im Kriege zablenmässig dar? 

Eine Sammelstatistik auf möglichst breiter Unterlage zu geben, 
stösst auf grosse Schwierigkeiten. 

Zunächst fallen die meisten Eintelstatistiken aus den ersten 
Kriegsjabren weg, da die Beobacbtungszeit nach der Operation zu 
kurz bemessen ist. Wir wissen, dass gar nicht selten das defi¬ 
nitive Resultatat der Neryenoperatioo 4 Jahre und noch länger 
auf sich warten lässt. Ohne erneute Nachprüfung sind daher 
die in den ersten Berichten als „ungeheilt“ bezeichneten Fällen 
statistisch nicht verwertbar. Jede Einzelstatistik sollte genaue 
Angaben über den klinischen Status vor der Operation und bei 
der Nachuntersuchung, über den pathologisch-anatomischen, even¬ 
tuell histologischen Befund der Verletzungsstelle enthalten. Unter 
„Heilung* 4 sollte die Wiederkehr der kräftigen Funktion in sämt¬ 
lichen Muskeln des gelähmten Nerven verstanden werden, unter 


1) Beitr. z. klin. Chir., Bd. 96. 

2) D.m.W., 1914, Nr. 48. 


„Besserung“ die Wiederherstellung einzelner Muskeln. Alles 
andere wäre als „Misserfolg“ zu bezeichnen. 

Die Mehrzahl der bisher veröffentlichten Einzel berichte in der 
deutschen Literatur genügt diesen Anforderungen keineswegs. Es 
bat daher keinen Zweck, ihre Zahlen zusammenzuzäblen. Als 
Kuriosum sei erwähnt, dass ein Autor das Resultat seiner Ope¬ 
rationen durch — Kreuze ausdrückt. 

Die Haupt8chwierigkeit für die Gewinnung einer zuverlässigen 
Sammelstatistik liegt aber darin, dass sehr verschiedenartiges 
Material, welches von ganz ungleichen Gesichtspunkten aus be¬ 
arbeitet ist, zusammengetragen werden müsste. 

Je nach seinen Kenntnissen un<) Fähigkeiten stellt jeder 
Chirurg andere Indikationen bei der Operation und geht andere 
Wege. 

Zu einer einheitlichen Bewertung der Operationsergebnisse 
verschiedener Autoren fehlt also eigentlich alles. 

Naoh meiner Ansicht gewährt eine Statistik wie die von Förster 
(Breslau) viel eher eine für die Beurteilung geeignete Unterlage. Denn 
hier liegt ein ungewöhnlich grosses, durch einen Autor bearbeitetes 
Material vor, der noch überdies den Neurologen und Chirurgen in sich 
vereinigt. 

Foerster berichtet über 2724 Nervenverletzte, von denen er 543 
selbst operiert hat. Seine Resultate zeigen zusammengefasst die Ta¬ 
belle 1. Für die Nervennaht ergeben die Zahlen der Tabelle 1 aber 


Tabelle 1. 




] 

Heilung 

1 

Besserung 

Misserfolg 

i 

Nioht zu 
' beurteilen 

Naht .... 

207 Fälle 

40,7 pCfc. 

52,6 pCt. 

! 6,7 pCt. 

! ,3 

Plastik . . . 

17 * 

25 „ 

56.3 „ 

! 18,7 „ 

1 

Pfropfung 

.Einpflanzung] 

7 „ 

| 

SS«/, . 

66*/ 3 , 

i o „ 

J 1 

i 

des Nerven in 
den Muskel J 

| 18 „ 

91 . i 

1 

9 » 

0 „ 

7 

1 

Edingerröhre 

1 Fall 

— 

— 

100 „ 1 


Neurolyse. . 

160 Fälle 

75 6 „ 

16 9 „ 

6.3 „ | 

i 2 

Wegen Neur¬ 

410 Fälle 

56 pCt. 

87,8 pCt. 

6,7 pCt. 

24 

algie . . . 

US Fälle 

'88,6 , 

9 „ 

2,4 „ 



523 Fälle 

63,1 pCt 

30,8 pCfc. 

5,9 pCt. 1 

24 


Tabelle 2. 



Heilung 

Besserung 

Misserfolg 

Nerv, radialis . . 

. . 64 Fälle 

50 pCt. 

43,3 pCt. 

6,7 pCt. 

Nerv, median. . . 

. . 39 

fl 

29 „ 

67,5 „ 

2,7 „ 

Nerv, ulnaris . . 

. . 37 

fl 

28,6 „ 

68,6 „ 

2,8 „ 

N. muscul. outan.. 

. . 10 

9» 

88,9 „ 

1U , 

0 * 

N. axillaris . . . 

. . 5 


60 „ 

40 „ 

0 „ 

N. ischiadicus . . 

. . 34 

n 

25 „ 

; 59,4 „ 

15,6 „ 

N. peroneus . . . 

. . 10 

n 

57,5 „ 

28,6 „ 

14,6 „ 

N. tibialis . . . 

. . 5 

ft 

80 „ 

1 20 „ 

0 „ 




40,7 pCt. 

52.6 pCt. 

j 6,7 pCt. 


kein zutreffendes Bild. Denn die Erfolge der Naht verhalten sioh bei 
den einzelnen Nerven durchaus verschieden wie aus Tabelle 2 hervor¬ 
geht. Hier fällt das günstige Ergebnis beim Nerv, radialis auf, 
namentlich gegenüber dem beim Nerv, isohiadius und weiterhin beim 
Nerv, ulnaris und medianus. Dies ist eine Beobachtung, die von 
fast allen Chirurgen bestätigt wird. Sehr bemerkenswert ist, dass die 
Nervennaht beim N. axillaris, N. musculo-outaneus und N. tibialis 
ausserordentlich oft zu voller Heilung und in keinem Falle zu einem 
Misserfolge geführt hat Derartige Resultate sind wohl den wenigsten 
Chirurgen besohieden gewesen. Schlechte Ergebnisse dürften beim 
N. tibialis vielmehr nicht selten sein. In noch höherem Maasse gilt dies 
für den N. peroneus, dessen Naht anscheinend nur versohwindend 
geringe Erfolge aufzuweisen hat, während bei Foerster Heilung in 
mehr als der Hälfte der Fälle verzeichnet ist. Der Beginn der Re¬ 
stitution ist von Foerster wiederholt auffallend früh beobachtet 
worden gerade bei denjenigen Nerven, deren Heilungstendenz gering ist, 
wie z. B. beim N. medianus und N. ulnaris (wenige Wochen nach 
der Operation traten die ersten Zeichen der Besserung ein). Den Be¬ 
ginn der Heilung hat Foerster am frühesten beim N. ulnaris gesehen 
und beim N. isohiadicus, was anderweitig nioht festgestellt worden 
ist. Bezüglich des Eintritts der Besseruog wie der Heilung glaubt 
Foerster keinen Unterschied zwischen denjenigen, die früh nach der 
Verletzung oder spät nach derselben zur Operation kamen, gefunden zu 
haben. Die statistische Bewertung der an Zahl geringeren Fälle (z. B. 
N. peroneus, N. tibialis) erfordern eine gewisse Vorsicht. Noch mehr 

3 # 


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bOO 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88 


gilt dies für die mit Plastik, Pfropfung und Nerveneinpflanzung in den 
Muskel Behandelten, die an Zahl hinter den Nervennähten weit zurück- 
treten. Bei der Nervenpfropfung bat Foerster keinen Miss¬ 
erfolg, bei der Nerveneinpflanzung 91 pCt. Heilung und keinen 
Misserfolg beobachtet. 

Derartige Erfolge sind bisher von keinem anderen Operateur auch 
nur annähernd erreicht worden. Eine Erklärung dafür steht noch aus, 
an den Tatsachen lässt sioh aber nicht zweifeln. Hinter den Ergeb¬ 
nissen der Operationen aus der Friedenszeit bleiben jedoch selbst F.’s 
vorzügliche Resultate, soweit die Nervennaht in Betraoht kommt, er¬ 
heblich zurück. 

Eine der letzten Statistiken, die von Spielmeyer verzeichnet bei 
einem, von mehreren Operateuren behandelten Material bezüglich der 
Nervennaht im Kriege nur 28 pCt. vollen Erfolg, 36 pCt. weitgehenden 
Erfolg und 41 pCt. Misserfolge. 

Perthes hat bei 139 Nervennähten seiner Klinik 48 pCt. Besserungen 
und 57 pCt. Misserfolge gesehen. Ein praktisch vollkommenes Resultat 
wurde nur bei einem Teil der Radialis- und Medianusnähte erzielt. Die 
von Perthes angegebene BeobaohtuDgszeit von 10 Monaten nach der 
Operation ist aber, wie er selbst zugestebt, viel zu kurz für die Beur¬ 
teilung des Euderfolges. Wenn Spielmeyer neuerdings die Beob¬ 
achtungszeit auf 4—5 Jahre naoh der Operation ausgedehnt wissen 
will, so ist auch dieser Zeitraum wahrscheinlich für manche Fälle noch 
zu klein. 

Im Gegensatz hierzu sehen wir bei der Neurolyse Besserung und 
Heilung oft sehr bald nach der Operation eintreten, mitunter nach 
wenigen Tagen. Foerster hat Misserfolge nach der Neurolyse ungefähr 
ebenso häufig beobachtet wie nach der Nervennaht. Bei anderen Au¬ 
toren ist die Zahl der Misserfolge weit grösser. Hier wäre wegen der 
vermutlichen Narben im Innern des Nervenstammes wahrscheinlich die 
Resektion am Platze gewesen. 

Das Resultat der Operationen wegen Sohussneuralgie ist im all¬ 
gemeinen als günstig zu betrachten. Die FoerstePsohen Zahlen stehen 
auch hier denjenigen anderer Autoren weit voran. 

Foerster hat 1147 Fälle konservativ behandelt und hierbei in 
37,8 pCt. völlige Heilung, in 41 pCt. der Fälle eine erhebliche Besserung 
erzielt. Es erscheint müssig, die Zahlen der nichtoperierten Ver¬ 
letzungen mit denen der operierten zu vergleichen. Denn da wir bei 
der ersten Gruppe den pathologisch-anatomischen Befund nicht kennen, 
so wissen wir nicht, welche Veränderungen von selbst geheilt sind. 

Das Urteil über die chirurgische Behandlung der 
kriegsverletzten Nerven fasse ich folgendermaassen zu¬ 
sammen: 

Die Resultate bleiben im allgemeinen hinter denen der 
FriedensveTletzuDgen erheblich zurück. Die günstigsten Ergeb¬ 
nisse liefert die Neurolyse und die direkte Nervennaht. Letztere 
ist auch bei grösseren Defekten der Nerven anznstreben, wenn 
möglich durch Nervenverlagerung. Sonst kommen bei grösseren 
Nervenlücken die direkte Einpflanzung der Nerven in den ge¬ 
lähmten Muskel, die Nervenplastik und Pfropfung in Betracht. 
Falls alle die genannten Methoden nicht verwendbar sind, bietet 
sich in den Sehnen-Muskelumpflanzungen und in den Gelenkver¬ 
steifungen vielfach ein brauchbarer Ersatz. 

Ein abgeschlossenes Kapitel bildet die Klinik der kriegsver¬ 
letzten Nerven keineswegs. Besonders hingewiesen sei auf die 
Unzulänglichkeit der Diagnostik und auf die relative Unsicherheit 
der häufigsten Operation, der Nervennabt. Ein Resultat von 
etwa 40 pCt. voller Heilung bei derselben im günstigsten Falle 
erscheint durchaus unbefriedigend. Inwieweit die Technik daran 
Schuld trägt, wird erneut zu prüfen sein;. Ebenso bedürfen 
manche der plastischen Methoden eingehender experimenteller 
Untersuchung. 

Soviel steht fest: Klinische Beobachtung und experimentelle 
Forschung haben, noch ein grosses Stück Arbeit zu leisten, um 
die Therapie auf einen sichereren Boden zu stellen, als es bisher 
der Fall ist. 

Nur dann wird die Nervenchirurgie bei den Kriegsverletzungen 
zu jener Höbe der Leistungen gelangen, welche wir im Interesse 
unserer Kranken erstreben müssen. 


Bacherbesprechungen. 

Arno Fachs: Die keilpädagogisehe Bekandlang der darck Kopfsekass 
verletzten Krieger. Abhandlungen aus dem Lehrkörper der Berliner 
Schule für Kopfschussverletzte. Halle a. S., Verlag von 0. Marhold. 
148 S. Preis 5 M. 

Die vorliegende Arbeit ist eine Frucht der Erfahrungen, welche in 
der im April 1916 durch die Kriegsbescbädigtenfürsorge der Stadt Berlin 
und das Sanitätsamt des Gardekorps ins Leben gerufenen Schule für 
Kopfsohussverletzte seither gemacht worden sind. Die aus praktischen 
und wissenschaftlichen Korsen bestehende Schule ist bis Mai 1918 von 
235 Kopfschussverletzten besucht worden. Wenngleich die zu leistende 


Arbeit den Lehrern nicht minder neu und eigenartig war, wie den 
Aerzten, so ist es doch beiden in gemeinsamer Arbeit gelungen, in fast 
jedem Falle befriedigende, zuweilen sogar bedeutende Erfolge zu er¬ 
zielen, so dass viele der ehemaligen Schüler beute wieder in der ge¬ 
werblichen Arbeit stehen. Die in der Monographie enthaltenen 14 Ab¬ 
handlungen berichten eingehend über die pädagogischen und psychischen 
Schädigungen der Kopfschussverletzten und ihre heilpädagogiscbe Be¬ 
handlung, sie berichten ferner über die systematische Behandlung der 
Sprach-, Denk-, Reohenhemmungen und der Sohreibstörungen, endlich 
über die Erfolge im Handfertigkeitsunterricht und im Turnen. 

Sind auch die Erfahrungen auf diesem durchaus neuen eigenartigen 
Gebiete noch keineswegs als abgeschlossen anzusehen, so ist dooh das 
Buch besonders geeignet, die Arbeit der Kriegshilfe an den Kopf¬ 
schuss verletzten praktisch zu fördern nnd die Oeffentlichkeit über die 
Notwendigkeit besonders intensiver Fürsorge für diese Schwerstgescbädigten 
unter den Kriegsverletzen aufzuklären. 


P. Jaissea: Lekrkaek der ckirirgisekei Krankenpflege für Pflegerinnen 
nnd Operatienssekwestern. Dritte Auflage. Mit 806 Abbildungen. 
Leigzig 1919, Verlag von C. F. Vogel. 298 S. Preis 14 M. 

Das bekannte Laan’scbe Lehrbuch, welches 1916 in zweiter Auf¬ 
lage durch J. neu bearbeitet erschienen ist, liegt jetzt bereits in der 
dritten Auflage vollendet vor. Wir haben des vortrefflichen Werkes an 
dieser Stelle wiederholt gedacht und darauf hingewiesen, dass es den 
besonderen Verhältnissen des Schwesterndienstes auf der chirurgischen 
Station Reohnung trägt und in hervorragendem Maasse dazu geeignet 
ist, der Schwester als Ratgeber und Führer zu dienen und die Lust und 
Liebe zu dem schweren verantwortungsreichen Beruf zu fördern. Io der 
vorliegenden Neuauflage sind einzelne Abschnitte, z. B. diejenigen über 
Knoohenbrüche und Lokalanästhesie wesentlich erweitert worden. Die 
Abbildungen sind ergänzt und vermehrt. Die äussere Ausstattung hat 
unter den bekannten Kriegsnöten nioht gelitton. Das Buch wird, auch 
ohne besondere Empfehlung, seinen Weg machen! 


Robert Bäräay-Upsala: Primäre Exzisioa aid primäre Naht akziden¬ 
teller Wanden. Leipzig und Wien 1919, Verlag von Franz Deutioke. 
256 S. Preis 15 M. v 

Die günstigen Erfahrungen, welche Verf. bei schweren Hirnscbüssen 
im Felde mit primärer Exzision und Naht machen konnte, haben ihn 
veranlasst, mit der ihm eigenen Energie in Wort und Sohrift für diese 
Methode der Wandbehandlung einzutreten und dieselbe auch bei Ver¬ 
letzungen anderer Körperregionen unter günstigen Bedingungen zu emp¬ 
fehlen. Voraussetzung war, dass die Verletzten sofort oder kurze Zeit 
nach der Verwundung in die Lazarettbehandlung kommen; auch hat 
Verf. dies Verfahren ohoe weiteres nur für Gesichts- und Schädelschüsse, 
Lungen- Gelenks- und glatte Weiohteilsohüsse empfohlen. B.’s Vor¬ 
schläge haben ohne Zweifel in allen Ländern weitgehende Beachtung 
gefunden, die Vorschläge sind an zahlreichen Fällen nacbgeprüft 
worden. Ueberbliokt man die höchst umfangreiche einschlägige Literatur, 
so muss der objektive Beurteiler zu dem Schlosse kommen, dass hier 
immer noch Ansicht gegen Ansicht steht und dass begeisterten An¬ 
hängern auf der einen Seite (insbesondere in England und Frankreich) 
Zweifler und Gegner auf der anderen Seite gegenüberstehen. Ohoe die 
unverkennbaren Erfolge des Verf. u. a., zumal bei Hirnschüssen, ver¬ 
kennen zu wollen, darf dooh bei Beurteilung der Erfolge nicht vergessen 
werden, dass die Hirnverletzungen eine Sonderstellung einnehmen, weil 
bei ihnen die Gefahr einer Sekundärinfektion der offenen Wunde eine 
besonders grosse zu sein scheint, und dass die Verhältnisse und Be¬ 
dingungen, unter welchen der Kriegsohirurg arbeitet, ihn in der Regel 
zwingen, sich den Verhältnissen anzupassen and seine Entscheidung von 
Fall zu Fall au treffen. Sieht man sich die vom Verf. mitgeteilten Er¬ 
fahrungen bei Lungen-, Gelenk- und glatten Weichteilschüssen näher 
an, so sind von 22 Fällen 12 primär geheilt, 8 Fälle sind vereitert und 
mussten wieder geöffnet werden, bei einem Falle kam es nachträglich 
zur Infektion, ein Fall starb an Gasbrand (S. 62). Es ist im Rahmen 
eines Referates nioht möglich, auf die wichtige Zusammenstellung aller 
einschlägigen Erfahrungen näher einzugehen. Das Buch B.’s ist ohne 
Zweifel eine sehr verdienstvolle Leistung. Denn es ermöglicht jedem 
Praktiker, unter den weit günstigeren Verhältnissen der Friedenspraxis 
die Methode unter Einhaltung der erforderlichen Kautelen zu prüfen und 
sieh so ein eigenes Urteil zu bilden. Ziemlich lückenlose Mitteilung der 
Literatur. Adler-Berlin-Pankow. 


Literatur-AuszOge. 

Physiologe. 

M. Gildemeister-Berlin: Ueber elektrischen Widerstand, Ka- 
pasität nnd Polarisation der Haut. (Pflüg. Arch., Bd. 176, H. 1 u. 2.) 
Die bisherige Theorie, vom „Leitungswiderstand* schlechthin abgeleitet, 
hält der experimentellen Prüfung nicht stand, wenn man vergleichend 
bei Gleichstrom und Wechselstrom die Messung vornimmt. Nach ein¬ 
gehenden physikalischen Erörterungen über diesen Punkt werden neue 
Versuche naoh neuer Methodik mitgeteilt, aus denen hervorgeht, dass es 
sich um Po larisatio ns Vorgänge dreht, und dass die Froschhaut 
Wechselströmen gegenüber in der Abhängigkeit der Widerstandszunahme 


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22. September 1919 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


901 


von der Frequenz denselben ■ Gesetzen folgt wie metallische Elektroden 
in Elektrolyten. Durch die Polarisation erscheint z. B. der Wechsel¬ 
stromwiderstand bis auf das Zehnfache vermehrt, und der Gleicbstrom- 
widerstand weicht noch viel mehr von der Wirklichkeit ab. 

A. Pütter-Bonn: Studien zur Theorie der Reizvorgäuge. 6. Mit¬ 
teilung: Allgemeine Folgerungen aus den bisherigen Untersuchungen. 
(Pflüg. Aroh., Bd. itö, H. I u. 2.) Die Folgerungen der Uotersuchui’gen 
betreffen: 1. Allgemeines über das Eingreifen der Reize in das Getriebe 
der Lebensvorgänge. 2. Einfache Zablenbeispiele. 3. Die Besonder¬ 
heiten der chemischen Reize. 4. Zahlenbeispiele für chemische Reize. 
5. Anwendungen. Alles mathematisch in Formeln und Kurven erläutert, 
daher zum Referat nioht geeignet. 

E. Impens-Elberfeld: Ueber einige Hilfsapparate für die Prüfung 
der Atnaag der Tiere. (Pflüg. Arch., Bd. 176, H. 1 u. 2.) Es bandelt 
sieh um Vervollkommnung des Paul Bert’schen Apparates für die 
graphiaohe Registrierung der Luftbewegungen in der Trachea und des¬ 
gleichen der Atembewegungen des Brustkorbes. 

W. Lipschitz-Frankfurt a. M.: Zur Frage der Permeabilität des 
Laagenepithels für Ammoaiak. (Pflüg. Arch., Bd. 176, H. 1 u. 2.) 
Nach Untersuchungen von R. Magnus und dessen Mitarbeitern — die 
mit Hilfe von Einspritzung von Ammoniak ins Blut angestellt waren — 
schien das Lungenepithel die Fähigkeit zu haben, das Ammoniak, im 
Gegensatz zu anderen Gasen, vom Durchtritt auszuschliessen. Nach den 
neuen Versuchen L.*s, die mit besonderen Kautelen (tiefer Sitz der 
Trachealkanüle, Vermeidung von Blutentnahme während der Ammoniak¬ 
atmung) ausgeführt wurden, gehen in die Lunge gebrachte Ammoniak¬ 
oder Aethylaminmengen zu nioht unerheblichem Teil in die Blutbahn 
über, wodurch die Beweisführung durch Magnus hinfällig geworden sein 
dürfte. 

J. Traube-Charlottenburg: Zu den Theorien der Narkose (Pflüg. 
Arch., Bd. 176, H. 1 u. 2.) Es handelt sich um eine kritische Vor¬ 
nahme der bisher bestehenden 3 Theorien, derjenigen von H. Meyer- 
Overton (nach dem Teilungskoeffizient zwischen Lipoiden und Wasser), 
von Traube (nach dem sogenannten Haftdruck) und von Höher, 
Winterstein u. a. (nach der Permeabilitätsvermioderung, welche den 
Eintritt von Salzen und Wasser in die Zellen erschwert). Die Lipoid¬ 
theorie hält T. durch die Haftdraoktheorie für erledigt. Es folgt dann 
eine Stellungnahme T.’s zur Permeabilitatstheorie an der Hand neuer 
Versuche und einiger neuer Arbeiten von Harvey, die im Original 
naobgelesen werden müssen. 

G. Wok er-Bern: Zum Assimilatioisproblem. (Pflüg. Arch., Bd. 176, 
H. 1 u. 2.) Die theoretisohe, rein ohemisohe Arbeit erörtert an der 
Hand von zahlreichen Konstitutfons- und Molekularformeln das Thema 
nach 3 Richtungen: 1. hinsichtlich der Isomerisierung des Kohlen¬ 
säuremoleküls, 2. hinsichtlich der Reduktion der CO* (in der 
Frage nach der Herkunft des Mehrgehaltes an Wasserstoff, durch welchen 
sich sämtliche Kohlehydrate vor der CO* oder ihren Derivaten aus¬ 
zeichnen), 3. hinsichtlich der „Kondensationsphase“ und 4. der 
Rolle, die das Chlorophyll bei den Vorgängen spielt. Das Nähere 
muss im Original studiert werden. Hasebroek. 

E. Abderhalden-Halle: Ein Fall von Porphyriaarie. (Zsobr. f. 
physiol. Cbem., Bd. 106, H. 4, S. 178—180.) Das Porphyrin wurde 
nach der Methode von Hans Fischer isoliert und zur Identifizierung 
der Methylester dargestellt. Mit einer Piobe des rohen mit Eisessig ge¬ 
fällten Produktes wurde an Mäusen eine typische Sensibilisierung be¬ 
wirkt. Aus dem klinischen Verlaufe des Falles ist ein nierenkolikartiger 
Anfall hervorzubeben. Hirsch. 

Short-Bristol: Beobachtung der lleoztik alklappe aa Lebenden. 
(Brit. med. journ., Nr. 3058.) Bei einem an chronischer Dysenterie 
Leidenden, bei dem die Zökostomie gemacht worden war, konnten an 
der offen vor Augen liegenden Dünn-Dickdarmklappe lehrreiche Beob¬ 
achtungen angestellt werden. Genannte Klappe ist von eiförmiger Ge¬ 
stalt und wird von einem sich über die Umgebung etwas erhebenden 
Schliessmuskel umschlossen. Drei oder vier Falten gehen strahlenförmig 
von der schlitzförmigen Klappenöffnung aus. In geschlossenem Zustande 
misst der Sphinkter 2 cm Länge, in erschlafftem Zustande das Doppelte. 
Nach Einnahme flüssiger und vor allem fester Speisen erschlafft der 
Schliessmuskel innerhalb weniger (höchstens vier) Minuten und öffnet 
sichi so dass man die Falten der Dünndarmscbleimhaut sehen kann. 
Ist er einmal erschlafft, so sieht er sich erst nach vollständig beendigter 
Tätigkeit wieder zusammen, im Gegensatz zum Pylorus. Ein weiteres 
Merkmal, das ihn von diesem unterscheidet, ist, dass er durch saure 
oder alkalische Lösungen, die man auf die Dünndarmscbleimhaut bringt, 
gar nicht beeinflusst wird. Mechanische Reizung der Schleimhaut hatte 
keine Erschlaffung des Schliessmuskels zur Folge; ebenso beeinflussten 
— im Gegensatz zu Beobachtungen anderer — Einläufe oder Dickdarm¬ 
ausspülungen die Tätigkeit des Dünndarms und der Dünn-Dickdarm¬ 
klappe in keiner Weise. Schreiber. 

A. Lipsohütz-Bern: Bemerkungen zur Arbeit von Knud Saud 
über experiveatellea flenaaphroditiswas. (Pflüg. Arch., Bd. 176, H. 1 
u. 2.) L. hat den Saud’achen Befund eines penisartigen Organs bei 
maskulierten Ratten bereits 1916 an Meerschweinchen erhoben, so dass 
somit L. die Priorität in dieser Beziehung zuzusprechen ist. 

Hasebroek. 


Therapie. 

E. Isenb erg-Halberstadt: Chirurgische Erfahrungen mit Claudel. 
(M.m.W., 1919, Nr. 35) Clauden erwies sich bei den mannigfachsten 
chirurgischen Blutungen als ein gut wirkendes blutstillendes Mittel. 
Auch innerlich nach Gastroenterostomien kann es zur Vermeidung von 
Nachblutungen an der Nahtstelle versucht werden. 

E. Herzfe 1 d - Leipzig: Ueber die Behandlung der Diphtherie nit 
Pferdesemm. (M.m.W., 1919, Nr. 34.) Die Ergebnisse der Pferdeserum- 
bebandlung bei einer grösseren Zahl von Diphtheriefällen waren folgende: 
1. Die Beläge haften länger als bei Verwendung des A.S. 2. Es treten 
Lähmungen verbältniMnässig häufig auch nach ganz leichter Racben- 
diphtberie auf. 3. Die Herztodesfälle, besondere bei Erwachsenen mehren 
sich. 4. Man sieht häufiger als nach Verwendung von A. S. ein Fort¬ 
schreiten des lokalen Racherprozesses. 5. Eine sekundäre Larynx- 
diphtherie kann nicht mit Sicherheit verhütet werden. Auf Grund dieser 
ungünstigen Erfahrungen wird vor der Verwendung von gewöhnlichem 
Pferdeserum in der Praxis gewarnt. R. Neu mann. 

Corben: Beitrag zur Wiadpockeabehaadlaag. (Brit. med. journ., 
Nr. 3057.) Jodpinselungen der einzelnen Bläschen, täglich mehrmals 
vorzunebmen, führen zu rascher Heilung durch Verminderung des Juck¬ 
reizes und Verhütung von Sekundärinfektion der Bläschen. Infolgedessen 
kommt es auch nicht zu Narbenbildungen. Schreiber. 

E. Hoke-Komotau: Die Behandlung des MeteorUmis iid spasti¬ 
scher Zustände im Mageadarmtrakte mit Kampfer. (W.kl.W.. 1919, 
Nr. 33) Kampfer, in Form von Spiritus (^mphoratus, 10—25 Tropfen 
pro die, mehrmals täglich, ist als symptomatisches Mittel bei den ver¬ 
schiedenen Formen des Meteorismus von sehr günstiger Wir kling. Ferner 
wird er mit Erfolg bei spastischer Obstipation angewandt. 

R. Matzen au er v Graz: Zur Frage der eadolanbalen Salvarsai- 
behaadlaag und über den Einfluss der Behandlung auf Immaikörpcr- 
bildaag und den weiteren Krankheitsverlauf der Syphilis. (W.kl.W., 
1919, Nr. 83.) Zu kurzem Referat nicht geeignet. 

A. Weiss-Szeged: Ueber sibkatane Milehinjektioaea ia der 
Nachbarschaft goaerrhoiseher Krankheitsherde. (W.kl.W., 1919, 
Nr. 33.) Die Einverleibung von Milch in die Nähe erkrankter Organe 
führt schon wenige Minuten nachher zu einer absoluten Schmerzhaftig¬ 
keit des kranken Organes. Der restlose Abbau der Entzündungsprodukte 
wird aber nur durch das intramuskuläre, mit Vakzine kombinierte Ver¬ 
fahren erreicht. Es ist daher ratsam, die erste Injektion von Milch unter 
allen Umständen in die Nachbarschaft der Krankheitsherde zu setzen, 
die nächstfolgende jedoch intramuskulär zu applizieren und mit der 
Lokalbehandlung von Blase und Urethra möglichst frühzeitig zu be¬ 
ginnen. Glaserfeld. 

T. Konteschweller: Behandlung durch Fieber. (La Presse m6d, 
1919, Nr. 45, S. 629.) Ebenso wie Vakzine- und Heterovakzinetberapie 
bringen Substanzen, die keine Mikroben enthalten, Besserung, aber Fieber 
verursachen, wie z. B. die Kolloide. Bei intravenöser Anwendung ent¬ 
stand ferner Fieber durch viele Körper, z. B. Na. nuclein. n. 914; bei 
intramuskulärer durch Milob, Hg (nicht spezifisches), Serum usw. Bei 
den meisten Krankheiten wirkte das Fieber günstig; absolute Gegen¬ 
anzeige bildet Tbc. pulro. Häufig vertragen auch geschwächte Kranke 
die hohen Temperaturen erstaunlich gut. Zum Verständnis der Heil¬ 
wirkung ist es notwendig, Allgemeioerkranknngen (z. B. SeptikämieD) 
von Herdererkrankungen zu trennen. Behandelt man z. B. Psoriasis 
(! Ref.) mit Fieber, so beobachtet man vor Eintritt der Besserung eine 
Hyperämie der Herde. Das gleiche gilt für örtliche innere Erkrankungen. 

Krakauer-Breslau. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie 

B. Fisch er-Frankfurt a M : Der Begriff der Krankheitsursache. 
(M.m.W., 1919, Nr. 85 ) Bei dem Ursachenbegriff spielt die verschiedene 
Wertigkeft der zu einem Geschehen notwendigen Bedingungen die Haupt¬ 
rolle. Verf. gibt folgende Begriffsbestimmung der Ursache: Ursache eines 
Gesohehens im natürlichen Sinne wie im allgemeinen Sprachgebrauch 
ist derjenige zu seinem Zustandekommen notwendige Faktor oder Fak¬ 
torenkomplex, der entweder: a) für unser Verständois (theoretische Er¬ 
klärung), b) oder für unser Handeln (praktische Erklärung) der wichtigste 
ist. Man unterscheidet am besten 3 Arten ven Faktoren: 1. wesentliche 
Bedingungen, die zwar notwendig, aber sehr variabel sind; 2. wesent¬ 
liche Bedingungen, die zwar notwendig, aber nicht die Art des Ge¬ 
schehens bestimmen; 3. spezifische Bedingungen, die nicht notwendig 
sind, sondern auch die Art des Geschehens bestimmen. 

R. Neumann. 

E. Hannemann-Greifswald: Ueber die Bildung von Zellea aus 
dem flbroelastischen Gewebe bei Eatzündaag. (Vir<h. Arch., 1919, 
226. Beiheft.) An Hand von Präparaten einer Sykosis am Knie sowie 
unter Benutzung einzelner Resultate von tierischen Plasmakultüren 
such Verf. darzutun, dass die entzündlichen Ruodzellen nicht durch 
die Immigrationstheorie zu erklären wären, sondern infolge des ent¬ 
zündlichen Reizes an Ort und Stelle aus dem fibroel astiseben 
Gewebe abgespalten und gebildet werden. 

A. Dietrich-KÖln: Draekbrand und GesäsmaskeL (Virch. Arch., 
1919, Bd. 1, 226. Beiheft.) Bei der Bildung eines Dekubitus kommt es 
zunächst ohne vorangehende Hautschädigung zur Ausbildung einer Ne¬ 
krose am Kreuzbeinansatz des Glutaeus maximus in Form eines Keils, 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr.öB. 


bedingt darob Drosselung der Aeste der Art. and Vena glutaea. Je 
nach der Abklemmung tritt der anämische, weisse Keil oder durch 
Rückstauung der hämorrhagische Keil auf, der in seiner Form und 
Ausbildung den Infarktbildungen anderer Organe entspricht. 

0. Busse Zürich: Ueber Paraphlebitis essifieans. (Virch. Arch., 
1919, 226. Beiheft.) Bei einer 28 jährigen Frau fand sioh im Anschluss 
an eine Thrombophlebitis nach Abort eine ausgedehnte Knoobenbildung 
in der Umgebung der erkrankten Soheukelvene und in der Nähe der 
daraus folgenden Abszesse. Die entzündete mit jauchigem Thrombus 
gefüllte Vene war von einem Knochenmantel geradezu eingekeilt. 
Eine Beziehung zum Skelettknoohen liess sich nioht nachweisen. 

G. Rick er* Magdeburg: Die Entstehung der pathologisch-anatomischen 
Befunde nach Hirnerschütterang in Abhängigkeit vom Geflssnerven- 
systeni des Hirns. (Virch. Arch., 1919, Bd. 2, Beiheft 226.) Die 
Strukturveränderungen im Hirne, die nach Kommotio bei der Sektion 
oder mikroskopisch gefunden werden, werden zurüokgeführt auf pa* 
thologiscbe veränderte Beziehungen des Gewebes zum Blute,. die 
geraume Zeit nach der Kommotio einsetzen können. Gleichzeitig hinter* 
lässt die Kommotio eine abnorme Erregbarkeit des Gelässnerven des 
Gehirns als Dauerzustand, der einen Einfluss auf die Strombahnweite 
und Strömungsgeschwindigkeit ausübt. Als Folge dieser Funktions¬ 
störungen des Gefässnervensystems und der von ihm innervierten Ge- 
fässe und Kapillaren kommt es indirekt zu Gewebsveränderungen, das 
sind Nekrosen mit oder ohne Austritt roter Blutkörperchen. 

Schönberg. 

0. Binswanger: Bin fiterer Beitrag zur pathologischen Anatomie 
der Hirnarterien. (Zbl. f. Path., 1918, Bd. 29, Nr. 22.) In einem Fall 
von vorzeitiger konstitutioneller Arteriosklerose weist Verf. nach, dass 
die bestehenden starken arteriosklerotischen Veränderungen der Hirn- 
gefääse sich auf dem Boden einer Hypoplasie dieser Gefässe entwickelt 
haben. Die Arterien der Hirnbasis waren an nicht veränderten Stellen 
auffallend dünn; histologisch liess sioh mangelhafte Ausbildung der 
elastischen Fasern der Media und abnorme Fensterung der Elastioa 
intimae feststellen. Die Media enthielt ferner umschriebene Bindegewebs* 
zellnester, die durch Druck zu kleinen Rupturen der Elastica intimae 
geführt hatten. Solche Gefässhypoplasien besitzen bei Geisteskrankheiten 
als Zeichen konstitutioneller Faktoren allgemeinere Bedentung, doch 
fanden sie sioh auch in drei untersuchten Fällen von jungen Männern, 
die niemals Zeiohen von Geisteskrankheit dargeboten hatten. So ein. 

H. Olivecrona• Dortmund: Zwei Ganglionesrome des Gehirns. 
(Virch. Arch., 1919, Bd. 226. H. 1.) Zwei Fälle von Ganglioneurom des 
Gehirns des Scheitel* und Hirnlappens, die nach dem System von Pick 
und Bielschowsky zu den ausreifenden Neuromen gehören. Der erste 
Fall ist dadurch ausgezeionet, dass er markhaltige Nerven enthält, 
während die bisher mitgeteilten Beobachtungen marklos sind. 

Schönberg. 

M. Schmidtmann: Ueber anatomische Veränderungen des Hirn¬ 
anhangs hei Taherknlose. (Zbl. f. Path., 1919, Bd. 80, Nr. 1.) Zu 
unterscheiden sind: 1. Metastatische Tuberkulose der Hypophyse, meist 
als miliare Knötchen, seltener als grössere Herde auttretend. 2. Von 
den Hirnhäuten auf die Hypophyse übergreifende Tuberkulose, die das 
Organ mehr oder weniger vollständig zerstört. Für beide Möglichkeiten 
bringt Verf. einige eigene Fälle bei. Forner wird eine wahrscheinlich 
embolisoh bedingte anämische NekroBe der Hypophyse kurz beschrieben. 

Socin. 

F. Lenz: Ein Streiflicht auf die Akromegalie. (M.m.W., 1919, 
Nr. 85.) Bei einer bestimmten Kaninohenrasse, bei der nur die gipfelnden 
Teile pigmentiert sind, erfolgt diese Pigmentierung, wie sioh aus Ver¬ 
suchen ergibt, nur bei niederer, unterhalb der inneren Körperwärme 
liegenden Temperatur. Daraus wird der Sohluss gezogen, dass auch bei 
der menschlichen Akromegalie die gipfelnden Teile deswegen, weil sie 
die kühlsten sind, in erster Linie von krankhaftem Wachstum betroffen 
sein konnten. R. Neumann. 

M. Simmonds: Ueber Myoearditis triehinosa. (Zbl. f. Path., 1919, 
Bd. 30, Nr. 1.) Bei einer an typischer Trichinose gestorbenen Frau, die 
klinisch durch äusserst schwache Herztätigkeit und niedrigen Blutdruck 
auffiel, zeigte das Myokard ausgebreitete interstitielle Entzündung (In¬ 
filtrate von Lymphozyten, Eosinophilen und Plasmazellen), die als 
toxisch bedingt aufzufassen ist, da sich keine Trichinen im Herzfleisoh 
vorfanden. Socin. 

E. Hanne mann-Greifwald: Die Histopathologie der Endokarditis. 
(Virch. Arch., 1919, 226. Beiheft.) Die warzenförmigen Effloreszenzen 
bei der Endokarditis bestehen naoh Ansicht des Verf. aus fibrinoid ver¬ 
ändertem Klappengewebe. Sie sind Aufquellungen der Klappengewebe, 
nicht Auflagerungen, Leukozyten spielen bei der Endokarditis keine 
Rolle; sämtliche vorkommende Zellen lassen sioh vom Klappengewebe 
ableiten. Sohönberg. 

Th. Fahr: Zur Frage des Rheumatismus nodosns. (Zbl. f. Path. 
1918, Bd. 29, Nr. 28.) Ein Fall von typischem Rheumatismus nodosus 
(7jähriges Mädchen), bei dem die Sehnenansätze in der Umgebung der 
Knie-, Ellbogen- und Schultergelenke bräunliche harte Knötchen auf¬ 
wiesen von Bohnen- bis Haselnussgrösse, während die entsprechenden 
Gelenke frei waren. Es handelt sich um entzündliche Wucherung zu 
beiden Seiten der Sehnenumhüllung, die sioh aus Fibrin, neugebildeten 
Gefässohen und teils looker zerstreuten, teils dicht liegenden spindeligen 
oder grossen Bindegewebszellen zusammensetzt. Zugleich bestand Endo¬ 


karditis; im Myokard fanden sich reiohlich typisoh rheumatische 
Knötchen, welchen die Sehnenknötohen wohl völlig analog sind. 

Socin. 

F. Munk- Berlin: Zur Pathogenesie der nephfttisekon Sehrimpf» 
Biere. (Virch. Arch., 1919, Bd. 226, H. 1.) Die syphilitische Schrumpf¬ 
niere geht aus der Lipoidoephrose hervor und ist, wenn man die de- 
generativen, primär auf das Kanälohenepithel beschränkten Nieren- 
veyänderungen als „Nephrose" bezeichnen will, der Typus einer nephro¬ 
tischen Schrumpfniere. 

Th. Fahr-Hamburg: Ueber Nephrosklerose. (Virch. Aroh., 1919, 
Bd. 2,226. Beiheft.) Verf. vertritt in der vorliegenden ausgedehnten Arbeit 
abermals seinen Standpunkt in der Frage der Einteilung der Nieren¬ 
sklerose. Er unterscheidet, wie in seinen früheren Arbeiten, zwei Formen, 
eine benigne (einfache) und maligne (spezifische) Nierensklerose. Beide 
Formen sind wieder zu trennen in ein Stadium der Kompensation und 
Dekompensation. Bei der benignen Nierensklerose im Stadium der Kom¬ 
pensation handelt es sioh lediglich um arteriosklerotische Prozesse und 
ihre Folgen; hingegen ist bei der Sklerose mit InsulfUienz, sowohl bei 
der dekompensierten benignen als auch bei der malignen Sklerose eine 
graduelle Steigerung eines rein arteriosklerotischen Prozesses allein nicht 
imstande, das Krankhoitsbild klinisch und anatomisoh zu erklären. 

H. Kiepler-Greifswald: Ueber ein malignes Angiolipom. (Viroh. 
Arch., 1919, Bd. 1, 226. Beiheft.) Untersuchung eines operativ ge¬ 
wonnenen Tumors von 2,5 kg Gewicht, der von der linken Niere seinen 
Ausgang genommen und mit derselben fest verbunden ist. Mikroskopisch 
bestand die Geschwulst in der Hauptsache aus Zellgewebe, das zahl¬ 
reiche angiomatöse Partien einschloss und ein infiltrierendes Wachstum 
zeigte. Schönberg. 

G. B.Gruber: Ueber das Zustandekommen des peptisehen Geschwürs. 

(M.m.W., 1919, Nr. 85 ) Neben der verdauenden Komponente besteht eine 
Vielheit von ursächlichen Bedingungen, welche die Magenduodenalwand 
der Verdauuog preisgibt. Neben hämodynamisoh-vaskulär bedingten Er¬ 
nährungsstörungen der Magenwand sind es vor allem reflex-neurotisohe 
Vorgänge im Sinne der Theorien Rössle’s und v. Bergmann’s, die 
zur Entstehung der Ulzera führen. R. Neumann. 

A. Fog es: Ein Fall von Kntisiilage in der Rfktalschleimhant. 
(Zbl. f. Path., 1918, Bd. 29, Nr. 28.) Als Ursaohe ohronisoher, seit der 
Kindheit bestehender Mastdarmbeschwerden mit Blutungen bei einem 
38jährigen Mann Hessen sich an der hinteren Wand des Rektums bis 
zur Höhe von 8 cm zahlreiche scharf begrenzte Inseln von verhornendem 
Plattenepithel nachweisen. Die Herde sind offenbar angeboren. Im 
prokto8kopischen Bild erscheinen sie weisslioh, kleinhöokerig, von hyper- 
ämischer Schleimhaut umgeben. Socin. 

H. Kahle-Jena: Ueber ein Hfimegomen und Leakozyten er¬ 
zeugendes Angissarkont in zirrkotiseher Leber. (Virch. Aroh., 1919, 
Bd. 226, H. 1:) Verf. beschreibt einen Tumor der zirrhotisohen Leber, 
den er als Hämangiosarkom bezeichnet, den wir aber gemäss seiner Be¬ 
schreibung und der Abbildungen als Hämangioendetheliom ansehen 
würden. Die Tumorelemente zeigten lückenlose Uebergangsbilder in 
einer Differenzierung der Zellen zu polymorphkernigen Leukozyten mit 
Vorhandensein der Oxydasereaktion der unreifen und reifen Gesohwulst- 
zellen, während die Vorstufen der leukozytären Endformen, wie die 
morphologisch soheinbar fertigen Leukozyten der spezifischen Granula 
entbehrten. Es handelt sich mithin um eine eigentümliche Anaplasie 
der durch den Tumor erzeugten Leukozyten. 

E. Ebstein - Leipzig: Sektionsbefund Lorenz Heister’s über eine 
akute brandige Blinddarmentzündung ans Jahre 1711. (Viroh. 
Arch., 1919, Bel. 226, H. 1) Photographische Wiedergabe einer Schil¬ 
derung Heister’s aus dem Jahre 1753 über eine Beobachtung aus 
dem Jahre 1711, die eine eitrige Appendizitis einer sezierten Leiche 
betrifft. Es wird daselbst auf den Sitz und Ausgang der Entzündung 
hingewiesen sowie einige therapeutische Maassnahmen geschildert. Es 
werden hauptsächlich warme Spülungen empfohlen, damit die Eiter¬ 
geschwulst erweiohe und sich zerteile oder in den Darm durchbreche, 
wodurch der Kranke gerettet werden könne. 

M. Schmidtmann-Kiel: Zur Kenntnis seltener Krebsfsrmen. 
(Virch. Arch., 1919, Bd. 226, H. 1.) Mitteilung upd Beschreibung fol¬ 
gender Tumoren: 1. primärer Plattenepithelkrebs der Thymus, 2. ver¬ 
hornender Plattenepithelkrebs der Ileozökalklappe, 3. Plattenepithel¬ 
krebs der Schilddrüse, 4. Gallertkrebs der Harnblase. Sohönberg. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

E. Friedländer-Lemgo: Die Infektiesitit der Lies Intens und 
ihre praktische Bedeutung fiir die Irrenpflege. (D.m.W., 1919, Nr. 32.) 
Man müsste bei jedem in eine Anstalt aufgenommenen Geisteskranken 
eine genaue serologische Untersuchung auf Lues machen. Ein Patient, 
bei dem sonst nichts für Lues spraoh, biss einen Wärter. An der Biss¬ 
wunde entwickelte sich ein Primäraffekt. Der Wärter stellte eine 
frühere Infektion in Abrede. 

E. Meyer-Königsberg: Irrenanstalten, Trinkerheilanstalten and 
Nervenbeilstätten. (D.m.W., 1919, Nr. 82.) M. fordert Anstalten für 
Trinker, die den Irrenanstalten anzugliedern sind, ferner Nervenheil- 
Stätten, die gleichfalls im Terrain der Irrenanstalten errichtet werden 
sollen. Die Gründe, die gegen die Angliederung an Irrenanstalten 
spreohen, werden als nicht ausschlaggebend abgelehnt. 


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32. September 191 ft. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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E.Popper-Prag: Ueber einen brauchbaren, einfachen Text bei der 
UitersiehiBg isitial-paralytiseher Kranker. (D.m.W .1919, Nr. 31.) 
Die Aufgabe besteht darin, ron 100, immer 7 substrahierend, zurück- 
zählen zu lassen. Dünner. 

M. Kahane: Zur Frage der Heilwirkang den galvanischen Stremes 
hei Neuralgien. (W.kl.W., 1919, Nr. 82.) Die Lehre von der beruhigen¬ 
den Wirkung der Anode und der erregenden Wirkung der Kathode be¬ 
ruht auf allgemeiner Erfahrung. Die Ansicht ?on Kowarsohik(W.kl.W., 
1918, Nr. 17), dass beide Pole gleichwertig sind, ist bisher unbewiesen. 
Ebenfalls ist die Identifizierung des durch den Körper gebenden galvani¬ 
schen Stromes mit der Ionen Wanderung vorläufig eine Hypothese. 

Glaserfeld. 

G. Söderbergh,: Ueber Sohilder’s neues Kleinhirnsymptom 
„Braflyteleokiiesc*. (Neurol. Zbl.. 1919, Nr. 14.) Das Symptom be¬ 
steht darin, dass der Patient bei Armbewegungen vor dem Ziele Halt 
macht, also eine vorzeitige Bremsung aufweist. S. hat auf dies Sym¬ 
ptom bereits vor Sohilder hingewiesen und gibt klinische und experi¬ 
mentelle Belege. 

Z. Byohowski: Zur Statistik der tranmatlsehei Epilepsie im 
Kriege. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 13.) Von 48 Patienten mit Schädel- 
sohnssen hatten 16 Krampfanfälle meist von Jaokson'sohem Typus, ott 
in allgemeine Krämpfe mit Bewusstseinsverlust übergehend. Meist 
handelte es sich um Verletzungen im Bereiche der psychomotorischen 
Zone. B. bespricht die Häufigkeit der Anfälle, die Beziehungen zur 
Verletzung selbst, besonders in Hinsicht auf das Intervall; er denkt an 
2 pOfc. Epileptiker, gerechnet auf die Gesamtzahl der Verwundeten. Den 
Schluss bilden kurze therapeutische Betrachtungen. 

Best*. Ueber Störungen der optischen Lokalisation bei Verletzungen 
und Herderkrankungen der Hinterhanptlappen. (Neurol. Zbl., 1919, 
Nr. 13.) So ausgiebig in der Regel die labyrinthäre und Lagegefühl¬ 
komponente des Raumsiones untersucht wird, so wenig finden wir die 
optisohe Komponente analysiert. Es ist sehr wichtig, zentrale Emp- 
findungsstörungen (perzeptiv) von Denk- und Vorstellungsstörungen mit 
SinnesorganbeziehuDg (assoziativ) zu trennen. B. bespricht im einzelnen 
die Methoden der Bestimmung der Grade der optischen Lokalisations¬ 
störung und sohliesst daran Betrachtungen über ihr Vorkommen über¬ 
haupt. 

Strohmayer: Reflektorische Papilleastarre und Westphal’eohes 
Zeiohen als Anlagoanomalio. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 13.) St. hatte 
vor 12 Jahren über ein Schwesternpaar berichtet, bei dem doppelseitige 
reflektorische Pupillenstarre bei erhaltener Konvergenzreaktion und 
doppelseitiges Fehlen des Kniephänomens konstatiert werden konnte. 
Da die luetische Aetiologie vollkommen versagte, nahm St., auch auf 
Grund eines Ueberblicks über die gesamte Familie die familiäre Form 
der Areflexie in der erblich-degenerativen Konstitution an, also eine 
Anlageanomalie im Zentralorgan. Neuerdings — naoh 12 Jahren — 
konnte auoh Wassermann als negativ sowie das andauernd beste Be¬ 
finden der Schwester konstatiert werden. Im Anschluss hieran schildert 
er nooh zwei neuere Fälle von fehlenden Kniescheiben- und Aohilles- 
sehnenrefiexen bei sonst organisch gesundem Zentralorgan sowie einen 
dritten Fall, bei dem allerdings der Nachweis irgendwelcher bereditär- 
degenerativer Momente versagte. E. Tobias. 

A. Loe wen stein-Prag: Travmitische reflektorische Pipillei- 
starro. (M.m.W., 1919, Nr. 32.) Bei einem jungen Mädchen trat nach 
Fall auf den Hinterkopf eine einseitige reflektorische Pupillenstarre mit 
Mioeis und myotonisoher Konvergenzreaktion der Pupille, verlangsamtem 
Ablauf der Akkommodation sowie verlangsamter Entspannung derselben 
auf. Wassermann negativ. Als Ursaohe wird ein Blutungsherd im 
Zerebrum dort angenommen, wo die zentripetalen Fasern die Ganglien¬ 
zellen des Sphinkterkernes umspinnen. R. Neu mann. 

E. v. Artwinski: Beiträge zur hysterischen Taibstimmheit and 
Stummheit. Beobachtungen während des Krieges. (Neurol. Zbl., 1919, 
Nr. 14.) A. bespricht zunächst die vielfachen Ursachen der hysterischen 
Taubstummheit und Taubheit. Ihre Dauer betrug naoh seiner Erfahrung 
verschieden von mehreren Wochen bis zu mehreren Monaten. Bei der 
klinischen. Physiognomie war eines der stabilsten Merkmale eine be¬ 
sondere Depression. Die Atmungskurven verlaufen genau wie beim nor¬ 
malen Menschen. Viele hatten vor dem Kriege bereits hysterische Er¬ 
scheinungen, manohmal sogar Taubheit oder Taubstummheit; andere 
hatten vordem nichts hysterisches, eine dritte — die kleinste — Kate¬ 
gorie weder hysterische nooh nearopathisohe Züge. In über 60 pCt. 
Hessen sich aber organische Veränderungen im Halse oder in den Ohren 
duroh Untersuchung oder anamnestisoh feststellen. Therapeutisch ge¬ 
nügte zuweilen das Anstaltsregime zur Genesung, oder es musste energisch 
behandelt werden: Psychopathie in Form von Faradisation in der Ohr- 
gegend. Den Versuchen nach Rinne und Weber kann man für die 
hysterische Taubheit keine Bedeutung beimessen. 

E. Köper: Schwere postdiphtherisebe Lähmungen nach Wand- 
dipktkerie. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 14.) B. teilt zwei sehr charakte¬ 
ristische Fälle von sohweren postdiphtherischen Lähmungen nach Wund¬ 
diphtherie mit. Im zweiten Falle konnte der Abstrioh aus der Wunde 
untersucht und ein positiver Diphtheriebasillenbefund erhoben werden. 

E. Tobias. 

A. Reichert-Pistyan: Halbseitige Seisibüitätssttirnngen und 
andere halbseitige Erscheinungen bei Ischias. (M.m.W., 1919, Nr. 32.) 
In mehr als der Hälfte aller Fälle von Ischias fanden sich Sensibilitäts¬ 


störungen, die sioh nicht auf das Gebiet des N. ischiadious beschränkten, 
sondern die ganze Körperhälfte oder einen grossen Teil derselben ein- 
n ah men. Die Sensibilitätsstörung war nur eine leichte, und durch Ver¬ 
gleich der gesunden Seite feststellbare, betraf aber meist Berührungs-, 
Schmerz- und Temperatursinn. Ferner war nicht nur der Ischiadikus- 
stamm druckempfindlich, sondern meist auch der Plexus lumbalis und 
der Plexus brachialis, mitunter auoh die grossen Armnerven, der Trige¬ 
minus und der N. occipitalis. Es handelt sioh demnach um eine Halb¬ 
seitenerkrankung. Durch die schmerzhafte Erkrankung des Plexus 
ischiadious und meist lumbalis werden der Gehirnrinde (Zentrum des 
Beines) eine bedeutende Menge Reize ständig zugeführt. Durch das 
Uebergreifen der Reizung auf die benachbarten Zentren lässt sich die 
Spontanschmerzbaftigkeit der ganzen Körperseite erklären. 

E. Klose-Hirschberg i. Schl.: Mnskelstarre md Maskelspanning 
(Hypertonie). (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Sowohl die Muskelstarre bei 
Tetanus als auch die Hypertonie der Säuglinge kommt auf reflektori¬ 
schem Wege zustande. Bei erhöhter Reizbarkeit der Zentren, wie durch 
das Tetanustoxin, entsteht Muskelstarre, bei erhöhter Reizung, vielleicht 
auch gesteigerter Reizempfindlichkeit der Propriozeptoren der Muskeln 
dagegen Muskelspannung, „Hypertonie*. Als Ursache für diese Reize 
kommen biochemische Veränderungen der Muskelsubstanz, hervorgerufen 
duroh alimentäre Intoxikation, in Betracht. R. Neumann. 


Kinderheilkunde. 

0. Herbst-Berlin-Rummelsburg: Ueber Kalkmangel bei Jngend- 
lichen. (D.m.W., 1919, Nr. 32.) H. knüpft an die Mitteilung Fromme’s 
an, der in letzter Zeit bei Jugendlichen eine Erkrankung des Knochen¬ 
systems gesehen hat, die an Rachitis bzw. Osteomalazie erinnert. Frühere 
Untersuchungen von H. haben gezeigt, dass Adoleszenten im Knoohen- 
wachstum während des Krieges in einer Kalkunterernährung gestanden 
haben. Dieser Kalkmangel ist wohl auch für die Fälle Fromme’s aus¬ 
schlaggebend gewesen. 

L. F. Meyer-Berlin: Ueber Sklerodermie beim Säagling. (D.m.W., 
1919, Nr. 31.) Nach einer Demonstration im Verein für innere Medizin 
und Kinderheilkunde in Berlin. Dünner. 

E. Nobel: Ueber den Wasserhaushalt de« kindlichen Organismus. 
(W.m.W., 1919, Nr. 30.) Vortrag, gehalten in der pädiatrischen Sektion 
der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien. 

G. Eisner. 

F. Passini-Wien: Pankreaserkrankung als Ursaohe bei Nieht- 
gedeiben von Kindern. (D.m.W., 1919, Nr. 81.) Es gibt Kinder, die 
vom 2. Jahre ab in ihrer Entwicklung Zurückbleiben, Magendarm¬ 
störungen haben, indem zum Teil Obstipation, zum Teil Durchfälle be¬ 
stehen und bei denen kleine Infekte schon schwere Störungen Hervor¬ 
rufen. In drei derartigen Fällen fanden sioh anatomisch Veränderungen 
am Pankreas. 

H. Finkeistein-Berlin: Zum Pyiorsspasmns der Säuglinge. 
(D.m.W., 1919, Nr. 32.) Vortrag, gehalten im Verein für innere Medizin 
und Kinderheilkunde in Berlin am 27. Juli 1919. Dünner. 


Chirurgie. 

H. Werner-Aalen: Ueber die Frihnaht bei ausgeschnittenen 
Schusswunden. (Bruns* Beirr., 1919, Bd. 114, H. 4 [68. Kriegsohirurg. 
Heft].) Frische Wunden sollen ausgeschnitten werden und der primäre 
Wundversohluss die Regel, das Offenlassen der Wunde die Ausnahme 
sein. Eine sorgfältige Indikationsstellung ist notwendig. Damit soll 
nicht einer schrankenlosen Operationswut das Wort geredet werden. 
Denn es gibt Wunden, die auch ohne Eingriff rasch heilen oder bei 
denen die Operation in einem Missverhältnis zu der Sohwere der Ver¬ 
wundung stehen würde. Andererseits gibt es auch Wunden, die einen 
Eingriff notwendig machen, bei denen aber ein primärer Verschluss der 
Wunde nicht möglioh ist.. W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

A. Läwen und Ad. Reinhardt - Leipzig: Ueber endemische Wund¬ 
diphtherie und gleichzeitige Befunde von Diphtheriebazillen auf der 
Haut und im Rachen; zugleioh ein Beitrag zur Kenntnis der Wund¬ 
bakterienflora. (M.m.W., 1919, Nr. 33.) Bei 224 untersuchten Fällen 
fanden sich bei 128 in den Wunden Diphtheriebazillen. Es bandelte 
sich dabei um lange Zeit eiternde Wunden. Neben den Diphtherie¬ 
basillen fanden sioh meist nooh andere Bakterien, so 46 mal Pseudo¬ 
diphtheriebasillen. Zeitweise verschwanden die Diphtheriebazillen, um 
nach einiger Zeit wieder aufsutauchen. Spezifisch diphtherische Ver¬ 
änderungen der Wunden bestanden fast nie. Der Wundverlauf wird 
nicht wesentlich beeinflusst, vielleicht kann die Heilung verzögert werden. 
Diphtherische Lähmungen wurden nicht beobachtet, nur einmal Herz- 
insulfizienz und toxische Magenerscheinungen. Dagegen bestand bei den 
Wunddiphtheriebazillenträgern 10 mal klinische Rachendiphtherie und 
15 mal fanden sioh Diphtheriebazillen auf den Tonsillen ohne klinisohe 
Erkrankung. Wiederholt wurden ausserdem auoh Diphtheriebazi]len auf 
der gesunden Haut weit von der Wunde entfernter Körperstellen naoh- 
gewiesen. Diese Befunde sind wichtig für die Erkenntnis der leichten 
Uebertragung8möglichkeit der Diphtheriebasillen von der Wunde aus auf 
den Rachen und umgekehrt und für die Ausbreitung der Infektion. 
Nur nach dreimaligem negativen Befund soll eine Wunde als diphtherie¬ 
bazillenfrei erklärt werden. Möglichste Isolierung ist erforderlich. Ausser- 


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UNIVERSUM OF IOWA 






004 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


dem soll jeder Wunddiphtheriebazillenträger mit Immanserum behandelt 
werden. Zar Sterilisierung der Wanden hat sich Eukupin am besten 
bewährt. 

W. Thierry - Konstantioopel: Ein Fall von Totalgangrän des 
Skrotums in der Penisbant. (M.m.W., 1919, Nr. 33.) Bei einem 23jäh- 
rigen Araber stossen sich im Verlauf von 8 Tagen Skrotalhaut und 
Penishaut bis auf einen l ern breiten Ring am Präputium unter dem 
klinischen Bilde einer erysipelähnlichen Erkrankung völlig ab. Gegen 
Erysipel spricht der negative bakteriologische Befund. Filiariaerkrankung 
wird trotz negativem Befund nicht sicher ausgeschlossen. Heilung des 
Skrotums durch Plastik mittels der Oberschenkelhaut; die Penisbaut 
regeneriert sich zum grössten Teile spontan. ' R. Neumann. 

F. Ranzel: Ueber chirurgische Folgezastände auch Skorbut. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 32.) Gehstörungen bei an Skorbut erkrankt ge¬ 
wesenen Soldaten: Schwellung trioes Unterschenkels, die Muskulatur 
fühlt sich bretthart an, die Haut ist nicht abhebbar. Allmählich kommt 
es zu ausgeprägten Beugekontrakturen und Spitzfusstellung. Im Laufe 
der Monate nimmt die Härte der Muskulatur ab, infolge der Gebunfähig¬ 
keit wird die Muskulatur atrophisch. Therapie: In der ersten Zeit kon¬ 
servative Behandlung» die schweren Beugekontrakturen und der 
Spitzfuss können nur durch Tenotomie behoben werden. 

Glaserfeld. 

Ringel - Hamburg: Die Behandlung der Psendartb rosen und ihre 
Erfolge. (Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 114, H. 4 [68 Kriegschir. Heft].) 
Alle Kriegspseudarthrosen sollen der operativen Behandlung zugefübrt 
werden. Diejenigen Pseudarthroseo, die nach subkutanen Brüchen oder 
nach komplizierten^ oder Sobussbrüchen entstehen, die ohne Eiterung 
und ohne Sequestrierung von Knoohenteilen entstehen, sollen möglichst 
frühzeitig operiert werden. Man wird hier meist mit einfachen Methoden, 
wie Verzahnung der Bruchenden, Naht, zu der Verf. nie Metalldraht 
nimmt, oder Bolzung mit lebendem autoplastischen Knochen material 
auskommen. Schwerer ist die Behandlung der naoh langdauernder 
Eiterung und Knochenausstossung zustande gekommenen Defektbildungen 
des Knochens. Prophylaktisch soll die Wunde möglichst frühzeitig breit 
freigelegt, die Knochentrümmer entfernt werden, mit Schonung noch 
mit dem Periost verbundener Knochensplitter. Durch Streckverbände 
wird oft eine Pseudarthrosenbildung begünstigt. Die Eiterung muss 
mindestens ein Vierteljahr vor der Plastik völlig versiegt sein. Dünne, 
mit den Bruchenden verwachsene Hautnarben müssen vorher ezstirpiert 
werden und der Weichteildefekt durch Hautplastik gedeckt sein. Galalit 
oder Elfenbeinbolzen dürfen nicht verwandt werden. Das Knoohentrans- 
plantat wird der Tibia entnommen und muss kräftig sein. Es soll nicht 
mit der Säge, sondern mit dem Meissei entnommen werden. Das mit¬ 
entnommene Periost wird über die Brucbenden geschlagen. Beim 
Nichtgelingen einer Transplantation solL man nicht die Geduld ver¬ 
lieren und die Operation wiederholen. 

Drüner-Quierschied: Sehreibstifibalter für den Unterarnstninpf. 
(Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 114, H. 4. [68. Kriegschirurg. Heft]) Beschrei¬ 
bung eines Schreibstifthalters, der durch Verbindung mit einem Sauer- 
bruchkanal teilweise die Bewegung der verlorengegangenen Finger ersetzt. 

W. V. SimOD - Frankfurt a. M. 

0. Müller - Bad Kosen: Beitrag zur Bildung des KraftkaBales beim 
Sanerbrnek-Arm. (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Es wird empfohlen, zurAus- 
kleidung* des Krattkanals das äussere nnd innere Blatt eines Präputiums 
bzw. Phimose zu benutzen, nachdem man durch Auseiuanderpräparieren 
beider Blätter einen zylindrischen Hautkanal, dessen Innenseite normale 
Haut, dessen Aussenseite eine aseptische Wundfläohe bietet, erhalten hat. 

R. Neumann. 

W. Capelle- Bonn: Ueber latente Tiefei iufektion reampntations- 
bedirftiger Stümpfe; Versuohe zu ihrer diagnostischen Feststellung. 
(Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 114, H. 4 [68. Kriegschirurg. Heft].) Um vor 
einer in Betracht kommenden Reamputation die Frage zu klären, ob in 
dem Gewebe noch latente Keime vorhanden sind, schlägt Verf.,. aus¬ 
gehend von der Tatsache, dass ödematöse Zustände eine geringere 
Resistenz gegen Infektionen zeigen, vor, künstlich durch eine Quer- 
sohnittsinfiltration des Amputationsstumpfes mit physiologischer Koch¬ 
salzlösung einen hydrämisohen Zustand des Gewebes hervorzurufen. Es 
zeigte sicü bei seinen Versuchen, dass Amputierte, die auf diese Quer¬ 
schnitten filtration mit Fieberbewegung und lokal entzündlichen Er¬ 
scheinungen reagiert hatten, naoh der Reamputation sämtlich Wundfieber 
und Eiterung bekamen. Diejenigen Stümpfe dagegen, .die die Kochsalz¬ 
infiltration reizlos überstanden batten, machten in der Mehrzahl eine 
reaktionslose Heilung durch. Allerdings hat die Methode auch ihre 
Grenzen; so kann z. B. allzu derbes Tiefengewebe die richtige Ausführung 
der Injektion verhindern und so zu falschen Werten führen. Auch kann 
ein sehr geschwächtes Keimmaterial, das sich operativ noch zu einer 
blanden Infektion aufrütteln lässt, den geringeren Reiz der Quellung un¬ 
beantwortet lassen. Im allgemeinen wird aber die Methode verwertbare 
Resultate ergeben. 

Wiemer - Herne: Ueber die Behandlung der Verletzungen des 
Gesicfatssehädels. (Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 114, H. 4 [68. Kriegsohirurg. 
Heft].) An Hand zahlreicher Abbildungen und Milteilung typischer 
Fälle werden die Prinzipien der Behandlung der Gesichtskiefei Verletzungen 
dargelegt. 

H. Burokhardt - Berlin und F. Landois - Breslau: Die Behand¬ 
lung der Sehädelverletznncen mit Verweiltampon nnd primärer Hant- 
■aht. (Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 114, H. 4 [68. Kriegschirurg. Heft].) 


Der Schutz der Gebirnwunde vor der Aussenwelt ist zu erreichen durch 
häufiges Imprägnieren der Hirnwunde mit lOproz. Jodtinktur, durch 
Verweiltampon, durch die primäre Hautnabt und durch Hautplastiken. 
In jedem Falle hat eine gründliche Wandrevision vorauszugehen. Die 
Jodierung der Wunde ist kein sioheres Mittel, um die Infektion za ver¬ 
hindern. Doch glauben Verff. manchen guten Erfolg mit diesem Ver¬ 
fahren erreicht zu haben. Der mit Jod getränkte Verweiltampon ver¬ 
hindert das Eindringen der Infektionserreger von aussen, er bildet eine 
schützende Decke und hält mechanisch das Gewebe zurück und ver¬ 
hindert so, dass neue Hirnmassen der Infektion zugänglich werden. Den 
grössten Erfolg hatten die Verff. zu verzeichnen mit der Anwendung der 
primären Hautnaht über dem Verweiltampon, der durch eine kleine 
Hautlücke herausgeleitet wird. Für diese Art des Verschlusses kommen 
bei Steck- und Durchschüssen nur kleine Granatsplitter, Infanterie- 
gesebosse und Sjhrapnellkugeln in Betracht. Bei grösseren Haut¬ 
defekten kommt zur Deckung der Hirnwunde eine Hautlappenplastik zur 
Verwendung. 

J. Bungart-Cöln: Die Bedeutung der Lnnbalpnnktion für die 
Bearteilang von Schädel- und Hirnverletzungen und deren Folge¬ 
zuständen. (Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 114, H. 4 [68. Kriegsohir. Hefi].) 
Die Ausführungen des Verf., der sich auf die Beobachtungen an etwa 
400 Fällen stützen kann, beweisen die eminente Wichtigkeit der Liquor¬ 
untersuchung bei Scbädelverletzungen. Die Veränderung des L quor- 
druckes im Sinne einer Erhöhung desselben, die Ait des Absinkens des 
Druckes nach der Punktion, die Erhöhung des Eiweis9gebaltes und Blut- 
beimengungen erlauben, weitgehende Schlüsse bezüglich der Schwere und 
der Art der Verleztung im frischen Stadium und bezüglich ihrer er¬ 
folgten HeiluDg bzw. ihrer Folgezustände zu ziehen. 

W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

R. Selig - Stettin: Teiotomie oder Nerreneperatiou hei Spnsvei 
an der unteren Extremität, (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Die offene und 
subkutane Tenotomie, auch die der Adduktoren, wird verworfen, weil 
dadurch oft aus einem Spitzfuss ein Haokenfuss wird. Dagegen empfiehlt 
sich die Resektion des Nervus obturatorius an seinem Stamme im intra- 
pelvinen Teil. R. Neumann. 

E. Schütz: Resektion oder Gastroenterostomie. (W.m.W., 1919, 
Nr. 29.) Sowohl beim pylorusfernen, als auch beim pylorusnahen Magen¬ 
geschwür sowie beim Ulcus duodenum gebührt der Resektion der Vor¬ 
rang. Die Gastroenterostomie soll für die Fälle bleiben, wo es sich nach¬ 
weislich um eine narbige Stenose am Pylorus oder Duodenum handelt 
sowie um die Fälle von Ulkus überhaupt, wo die Resektion wegen der 
Lage des Geschwürs oder der vorhandenen schweren Komplikationen 
nicht ausführbar oder ratsam erscheint. G. Ei an er. 

A. Harf- Berlin: EihklemniBBg des Meekel’seken Divertikels in 
einer Schenkelhernie. (D.m.W., 1919, Nr. 32,) Kasuistik. Dünner. 

H. Landgraf - Bayreuth: Noch ein Beitrag zur Askaridenerkranknng 
der Gallenwege. (M.m.W., 1919, Nr. 82.) Bei einer Frau, die wegen 
Gallenkolik operiert werden musste, fanden sich an der Leberoberfläche 
iu der Gegend des Zystikus zwischen Peritoneum und Lebersubstanz 
eine Anzahl bleistiftstarker Gänge, aus denen an zwei Stellen Spul¬ 
würmer mit ihren Köpfen in die freie Bauohhöhle ragten. Auch in der 
Gallenblase fanden sich noch drei Wärmer. Durch den rasohen Eingriff 
ist das Entstehen einer Peritonitis verhütet worden. R. Neu mann. 


Röntgenologie. 

0. Jüngling-Tübingen: Der „relative Wertigkeitsqnotient“, ein 
einfaches Kontrollmaass für die Qualität nnd Quantität der Räntgen- 
Strahlung. (M.m.W., 1919, Nr. 33.) Als relativer Wertigkeitsquotient 
wird das Verhältnis der relativen Wertigkeit der filtrierten Strahlung 
zur relativen Wertigkeit der offenen Strahlung bezeichnet, wobei der 
Quotient für jedes Dosimeter ein ganz anderer ist. Es wird ein ein¬ 
faches Verfahren angegeben, mit dem man naoh Berechnung des Wertig¬ 
keitsquotienten mittelst Fürstenau-Intensimeter Qualität und Quantität 
der Röntgenstrahlen des eigenen Betriebes gut kontrollieren kann. 

R. Neumann. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

J. van Husen-Bonn: Ein Beitrag zur Kenntnis des Btiek’sehen 
Miliarlnpoids und seiner Beziehungen zur Erkrankung anderer Organe. 
(Derm. Zschr., Juli 1919.) Fall von typischem Böck’sohen Miliarlupoid, 
mit einer damit im Zusammenhang stehenden Erkrankung der Drüsen, 
der Nasenschleimhaut, der AugeD, der Lungen und des linken Neben¬ 
hodens. Die Gutartigkeit des Böck’schen Miliarlupoids ist nur eine 
relative, da es an den feiner differenzierten Geweben, wie Nasenschleim¬ 
haut und Uvea des Auges, zu erheblichen irreparablen Zerstörungen 
führen kann. 

J. Kyrie-Wien*. Ueber die tuberkuloiden Gewebsstrukturen der 
Hant. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1919, Bd. 125, H. 4.) Die Haut be¬ 
sitzt die Fähigkeit, auf eingedrungene Fremdkörper mit der Ausbildung 
eines „tuberkuloiden“ Granuloms zu antworten. Der Reiohtum an Riesen¬ 
zellen in einem tuberkuloiden Herd ist abhängig vom Reichtum an 
Parasiten bzw. von der Entwicklungshöhe und Intensität des Elimi- 
nierungsprozesses. Der Mangel an Riesenzellen in einem Granulom ist 
der Ausdruck dafür, dass die Gewebsreaktion bezüglich Eliminierung der 
Krankheitserreger zu vollem Abschluss gekommen ist, dass die Infiltrate 


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UMIVERSITY OF IOWA 






22. S e ptember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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bereits parasitenfrei geworden sind und daher der Involution verfallen 
müssen. Die spontane Involution der Herde gehört zum Charakteristischen 
des Krankheitsbildes, sie ist geradezu ein integrierendes Symptom des¬ 
selben. 

R. Pollantt Graz: Eine entzündliehe LymphgefftosgeschwBlot am 
Oberschenkel. (Derm. Zsohr., Juli 1919.) Kasuistische Mitteilung. Es 
bot sich ein der Elephantiasis lympbatica gleichendes Bild. Nach 
längeren Märschen zeigte die Geschwulst Entzünduogsersoheinungen, 
welche nach feuchten Umschlägen in wenigen Tagen wieder schwanden. 

0. Kren-Wien: Die LymphogriBalomatosis. (Areh. f. Derm. u. 
Sypb., 1919, Bd. 125, H. 5.) Fall von Lympbogranulomatosis, der so¬ 
zusagen mit einem Primäraffekt der Haut begonnen hat, lange ziemlich 
lokalisiert geblieben ist, nach Jahren relativen Wohlbefindens ohne All¬ 
gemeinstörungen eine ziemlich grosse gummiähnliche Ulzeration gebildet 
hat und nur sehr begrenzte Ausbreitung erfahren hat. Erst dann ist 
es zur Verallgemeinerung mit Hauteruptionen gekommen. Die Diagnose 
wurde richtig erst am Seziertisoh gestellt. 

E. Hoffmann-Bonn: Ueber HantockSdigKBgeB durch Kalkstiek- 
stoffdÜBger. (Derm. Zsohr., Juli 1919.) H. hat starke Dermatitiden 
und auch Geschwürsbildungen sowie Reizung der Augen und der Atmungs¬ 
organe als Folge der Aetzwirkung des Kalkstiokstoffdüngers bei Menschen 
und Tieren beobaohtet. 

S. Ehrmann-Wien: Kasuistische Bemerkungen über tertiäre 
sklerffse GlossitideB, ihre Beziehungen zum Karzinom lid perioralen 
Ekzemea. (Derm. Wschr., 1919, Bd. 69, H. SO.) S Fälle von tertiärer 
skleröser Glossitis mit Uebergang in Karzinom. Die Volumenzunahme 
der Zunge kann aber auoh infolge Ueberfliessens des Speichels auf die 
Haut der Mundspalte die Ursache für periorale Ekzeme sein. 

E. Voelokel-Arlon (Belgien): Beitrag zur Kenntnis der iinelrei 
HaaterkraBkiBgOB. (Derm. Wschr., 1919, Bd. 69, H. Sl.) 2 Fälle von 
lichenoiden, mit Juckreiz einhergehenden Effioreszenzen, die streifen- 
oder bandförmige Anordnung zeigten. Fall von lineärer Psoriasis. 

R. Michalik-München: Ueber die Le«kozyteBformel verschiedener 
HaBtoffloreszeazoB. (Derm. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 27.) M. bat 
Lupus vulgaris- und Lues lll-Fälle auf Lymphozytenansammlung unter¬ 
sucht und teilt die Ergebnisse mit. 

G. Stümpke-Hannover-Linden: Oleera gaagraeBOsa. (Derm. 
Wschr., 1919, Bd. 69, H. 28.) 2 Fälle; im ersten gelang es, durch 
Neosalvaraaneinspritzungen das Ulkus zur Heilung zu bringen. Im 
zweiten Falle kam es trotz zahlreicher Salvarsan-, Neosalvarsan- und 
Salvarsan-Natriuminjektionen zum Fortsohreiten der Gangrän und Exitus 
letalis. Immer wahr. 

Leven-Elberfeld: Zur FrtthhohaBdlaBg der 8yphüis. (D.m.W., 
1919, Nr. 81.) L. tritt für Salvarsanbehandlung im primären sero¬ 
negativen Stadium ein. Er hält die Ansicht v. Wassermann’s, dass 
man dann fast regelmässig die Spirochäte im lebenden Organismus ver¬ 
nichten könne, für zu optimistisch. Es ist nicht angängig, Syphilitiker 
im ersten Stadium nur als Spirochäten träger anzuseben. Dünner. 

R. Kauf mann-Frankfurt a. M.: Ueber Versuche, Noosalvartaa- 
ud Salvar§a»lÖ8*Bgea haltbarer za macken- (Derm. Zsohr., Juli 1919.) 
Mit einem Konservierungssalz, bestehend aus Sulfit, Bisulfit und Glukose 
im Verhältnis von 5:8,5:15, gelingt es, Neosalvarsanlösungen 8 bis 
10 Tage zu konservieren. Diese Lösungen sind aber wegen ihrer Giftig¬ 
keit zu intravenösen Einspritzungen nicht geeignet. Altsalvarsan- 
lösungen werden am besten durch Hydraldit konserviert. 

0. Gans-Heidelberg: Zur Frage der fpezifioehoB GoaokokkoB- 
fSrtiBg. (Derm. Wschr., 1919, Bd. 69, H. 81.) Als Fortschritt in der 
spezifischen Gonokokkenfärbung kann die Kindburg’sche Modifikation der 
von Lesczynski angegebenen Methode nicht angesehen werden. 

Immerwahr. 


Augenheilkunde. 

H. Kuhnt-Bonn: Ueber die Zweckmässigkeit der UBterfütteraigB- 
sklero- ud thBrakoplastiflcher indehaiappe* mit Streifes von Fascia 
lata oder Sehne bei nafaagreicheB Lederbaat und Honhaatdefektea 
in ganzer Dicke. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 3 u. 4.) Genaue Be¬ 
schreibung der Operationsmethode mit zahlreichen Abbildungen im Text. 

K. Stargardt Bonn: Ueber eine EiBSchliMerkrankang des Hora- 
haBtepithelf (Epithelioma contagiosum avium). (Zsohr. f. Aughlk., 
Bd. 41, H. 8/4.) Zum Referat nicht geeignet. 

J. Stäbli-Zürich: Das Krankheitsbild des Koratokoaao vom Stand¬ 
punkte der Varibilitätslehre (mit zwei klinischen Beispielen von Fami¬ 
liarität des Keratokonus und einem Anhang mit Bemerkungen zur 
Myopiefrage). (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, Juni.) Zum mindesten 
wird in einem Teil der Fälle von Keratokonus die konische Hornbaut- 
verbiegung primär und in erster Linie versucht durch eine kongenitale, 
durch fluktuierende Variation bedingte extreme Verdünnung der Kornea 
bzw. eine entsprechende Verminderung der speziellen Zugfestigkeit der 
Hornhaut; der Ausbruoh der klinisohen Erscheinungen des Keratokonus 
wird dabei möglicherweise bestimmt durch extraokulare Momente. 

Kestenbaum-Wien: Ueber Megalokoraea. (Klin. Mbl. f. Aughlk., 
Bd. 62, Juni.) Alle Fälle mit Drucksteigerung oder deren Folgen sind 
als ein einheitliches Krankheitsbild aufzufassen und sollten daher auoh 
einen einheitlichen Namen führen, eventuell Hydrophtbalmus. Es gibt 


seltene Fälle von geheiltem oder stationärem Hydrophthalmus, die bei 
oberflächlicher Betrachtung wie Megalokornea aussehen. Es müssen bei 
der Differentialdiagnose dann auch Nebenumstände Berücksichtigung 
finden. Die Megalokornea ist klinisch, prognostisch und patbogenetisoh 
als ein vom Hydrophthalmus differenter Zustand aufzufassen. 

G. Guist-Wien: Ein Fall von ipoataaer SklernlverdüBBBBg mit 
Nekrose und 8tapky]ombi)dBBg beider Augen. (Klio. Mbl. f. Aughlk., 
Bd. 62, Juni.) Ausführliche Beschreibung mit mikroskopischem Be- 
und bei der 47 jährigen Pat. 

A. Loewenstein-Prag: Ueber warmfürmigo KoatraktioaeB des 
SphiBktera papillae. (Klio. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, Juni.) Beobachtung 
an 4 Fällen. Die wurmlörmige Kontraktion ist nur ein Vorstadium der 
kompletten Licht- bzw. Totalstarre. 

Ruttin Wien: Ueber die Reaktioa der Bormalea und kraakea 
Papille auf den fartdisekea Siros. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 8 
u. 4) Im allgemeinen verengt sich die pathologisch weite Pupille auf 
den Reis des Stromes, wenn die Ursache der Lähmung zentralwärts liegt, 
sie spricht nicht an, wenn die Lähmung bzw. Reizung peripher liegt. 
Dieses Verhalten der Pupille lässt sich sehr gut als differential-dia¬ 
gnostisches Mittel bei weiter Pupille verwenden, ob man es mit einer 
Atropinpupille zu tun habe oder ob eine Lähmung vorliege. 

A. Vogt-Basel: Die vordere axiale RmbryoBalkotarakt der mensch¬ 
lichen Linse. (Zsohr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 3 u. 4) Die ax : ale vordere 
Embryonalkatarakt kommt nach der mitgeteilten Tabelle unter 67 Per¬ 
sonen mit zusammen 122 untersuchten Augen in 26 Augen (21 pCt.) vor. 
Und zwar sind von 67 Personen 18 (27 pCt.) ein- oder beiderseitig be¬ 
troffen. 

Fr. G. Levin sohn-Berlin: Zur Frage der künstlich erlangten Knrz- 
sicktigkeit bei Alfen. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62. Juni.) Die Bebr- 
soben Affenversuche können wegen ihrer kurzen Dauer nicht als eine 
Nachprüfung der vom Verf. angestellten Versuche aufgefasst werden. 
Im Gegenteil ist durch Versuche des Verf. der Nachweis erbracht, dass 
eine 14 tägige, mehrere Stunden am Tage stattfindende Horizontalstellung, 
die aber auoh bei längerer Dauer auf keinen Fall eine Tierquälerei dar¬ 
stellt, die Refraktion überhaapt nicht oder nur ganz unwesentlich erhöht. 

F. Mendel. 

Gilbert-München: Ueber Iritis septiea. (M.m.W., 1919, Nr. 32.) 
Im Gegensatz zu der herdförmigen metastatiscben Iritis infolge Lues, 
Lepra und Tuberkulose verläuft die diffus metastatiscbe Iritis, wie sie 
sich bei Rheumatismus, Gonorrhoe, vielen Infektionskrankheiten, bei 
Furunkulose, Eiterungen und Sepsis findet, meist günstig. Eine Aus¬ 
nahme davon bilden die seltenen, sehr sohwer und ungünstig verlaufenden 
Fälle von Iridozyklitis mit rezidivierendem Hypopyon, die aus der Gruppe 
der Iritiden bei Furunkulosen und Eiterungen berausfallen und am 
besten als Iritis septiea bezeichnet werden. Diese Form scheint für 
Stapbylokokkensepsis charakteristisch zu sein, während bei der Strepto¬ 
kokkensepsis ebenfalls rezidivierende IritideD, aber ohne Hypopyon be¬ 
obachtet worden sind. Wahrsoheinlioh werden auoh viele der als rheu¬ 
matisch bezeichneten Iritiden auf septische Allgemeinerkraokungen zu¬ 
rückzu Ui hren sein. Es empfiehlt sich deshalb, in solchen Fällen eine 
diagnostische Qpsonogeninjektion vorzunebmen und im positiven Falle 
eine Vakziüetherapie einzuleiten. _ R. Neumann. 

P. Garsten-Berlin: Angeborene Loekbildang in der Iris. Ein 
Beitrag zur Kenntnis der selteneren Irisanomalien. (Zschr. f. Aughlk., 
Bd. 41, H. 3 u. 4.) Bei dem 9 jährigen Mädchen wurde nach aussen 
von der Pupille das Irisgewebe von einem sehr grossen unregelmässig 
kreisrunden Defekt durchsetzt, der nach aussen bis zum Hornbautrande 
reioht, nach innen von der Pupille duroh eine dunkelbraun gefärbte 
Brücke von etwa 1 mm Breite getrennt ist. Der ganze Defekt erscheint 
wie eiDgesäumt von einer schmalen tiefdunkelbraunen Zone. Innerhalb 
dieser Zone fiodet sieh im untersten äussersten Winkel nahe dem Horn¬ 
hautrande ein lochähnlicher schwarzer Punkt von Stecknadelkopfgrösse. 
Im Bereich und in der nächsten Umgebung des Defektes besteht sehr 
lebhaftes Irissohlottern. Bei seitlicher Beleuchtung sieht man den Be¬ 
reich des Defektes fast völlig von der geheilten Linse ausgefüllt. 

M. Bart eis-Strassburg i. E.: Ueber kortikale AagenabweiehnngeB 
und Nystagmns sowie über das motorische Rindeifeld für die Augen- 
und Halswende. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, Juni.) Um aus den 
veröffentlichten Beobachtungen das Gesamtergebnis zu ziehen, betrachtet 
Verf. nacheinander folgende Fragen: 1. Das motorische Rindenfeld für 
die Augenabweiohnng. Für die Angenablenkung in den Fällen des Verf. 
kommt als Hirnpartie allein in Betracht, ganz allgemein ausgedrückt, 
die Gegend vor dem mittleren Teil der Zentralwindungen und zwar 
höohst wahrscheinlich die mittlere Stirnwindung. 2. Die Form der 
Augenabweichungen. In allen Fällen der vom Verf. beschriebenem 
Augenablenkung, seien sie spastischer oder paralytischer Natur, waren 
die Augen nicht rein seitlich, sondern etwas nach oben abgewandt. Es 
muss wohl darauf beruhen, dass das Zentrum für diese Bewegung das 
Kräfitigste ist, das alle eventuell sonst noch existierenden Richtungs- 
zentren überwiegt. 3. Nystagmus bei Grosshirnverletzung. Es wird er¬ 
örtert 1. der reine kortikale Nystagmus bei Entstehen oder Abklingen 
eines Seitenwenderkrampfes infolge direkter Reizung des motorischen 
Rindenfeldes, 2. der Rindenfixationsnyatagmus, a) bei kortaler Reizung, 
b) bei Lähmung der Seitenwender und, 8. der Einfloss der Veränderung 
des ürosshirntonus der Augenmuskeln auf den labyrintl ären Nystagmus. 


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906 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ar. 88. 


H. Dorff-Rastatt: Ueber latente! Nystagmus. (Klin. Mbl. f. Aughlk., 
Bd. 62, Juni.) 27 jähriger, früher ganz gesunder Mann, der jetzt in¬ 
folge Verlust eines Auges bei vollkommen erhaltenem sweiten Auge nicht 
mehr in der Lage ist, feinere Arbeiten zu verrichten. Das zweite er¬ 
haltene Auge zeigt normale Refraktion, keine Akkommodationsstörung, 
vollständig klare brechende Medien und normalen Augenhintergrund. 
Beobachtet man mit der Lupe den Augapfel, so erkennt man deutlich 
ein zeitweilig auftretendes Augenzittern, das vor der Verwundung nicht 
bestanden hat. 

H. Stern-Thun: Ein Fall von metastatischeai Orbitalahsiess nach 
Faraaknlosia im Nacken. (Klio. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, Juni.) Verf. 
nimmt an, dass die Bildung des retrobulbären Orbitalabszesses in dem 
veröffentlichten Falle auf embolisoh-metastatisohem Wege entstanden ist. 
Der Fall ist eingehender beschrieben worden, da die metastatiscbe Ent¬ 
stehung der Orbitalphlegmone doch die Ausnahme ist. Der retrobulbäre 
Abszess ist die Folge der Furünkulosis im Nacken. 

R. WiBemann-Bonn: Ueber Tintenstiftverletzang der Orbita. 
(Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 3 u. 4.) Im veröffentlichten Falle handelte 
es sioh um einen ausgesprochenen orbitalen Prozess; Bewegliohkeits- 
beschränkung des Oberlids und des Augapfels beim Blick nach oben, 
Vordrängung und Verdrängung des Bulbus nach unten waren Symptome, 
die auf einen Krankheitsherd oben in der Orbita hinweisen, wo sich 
auch Reste des Tintenstifts fanden. Besonders bemerkenswert war, dass 
nach anfänglichem spontanen Rückgang der Lidschwellung und Ver¬ 
färbung 2 7t Monate nach der Verletzung wieder eine Schwellung hinter 
dem oberen Orbitalrande und eine zunehmende Verdrängung des Aug¬ 
apfels auftrat. Bei der Operation wurden Tintenstifte dicht unter dem 
Orbitaldach gefunden. Das pathologisch-anatomische Bild ist das der 
fortschreitenden Nekrose. 

H. Neubner-Köln: Zwei Fälle von pseudonephritischer Neurore- 
tinitis bemerkenswerter Aetiologie. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, Juni.) 
Die Sternfigur in der Netzhautmitte ist ein uncharakteristisches Symptom; 
sie ist meist eine Folgeerscheinung einer in dem Sehnervenstamm oder 
der umgebenden Netzhaut bestehenden oft schnell vorübergehenden 
Zirkulationsstörung, wobei das Vorliegen einer Entzündung nicht not¬ 
wendig erscheint. Ausser anderen Gelegenheitsursachen erscheinen die 
infolge von entzündlichen Prozessen entstandenen Embolien in den Seh¬ 
nervenstamm oder seine Scheiden ätiologisch wichtig. 

J. van der Hoeve-Leiden: Ein Verfahren zur Vorbeugung von 
Glaskfrpervorfall. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 62, Juni.) Beschrei¬ 
bung der Operation mit Abbildungen. F. Mendel. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

W. Selter - Königsberg: Der Wert der Sehlussdesinfektioi. (D.mW., 
1919, Nr. 81.) Vortrag, gehalten im Verein für wissenschaftliche Heil¬ 
kunde in Königsberg am 26. Januar 1919. Siehe Gesellsohaftsbericht der 
B.kl.W. Dünner. 

W. Schweisheimer - München: Ein Vorschlag zur praktischen 
Bekämpfung des Alkoholismus. (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Es wird vor¬ 
geschlagen, das praktisch alkoholfreie „Kriegsbier K auch im Frieden als 
für gewöhnlioh zum|Aussohank gelangendes „Bier“ beizubehalten. 

M. Pfaundler-München: Ueber Körpermaasso von Mfinehener 
Sehnlkiideri. (M.m.W., 1919, Nr. 31.) Während der ersten 4 Kriegs¬ 
jahre ist bei den männliohen und weiblichen Schulkindern Münchens 
keine wesentliche Abnahme des Körpergewichts, der Länge und Breite 
eingetreten. Die Abnahme betrifft dabei nur die Kategorien, die vorher 
eine überreichliche Körpermasse hatten und die, welche wegen Krankheit 
oder schwächlicher Konstitution einen grösseren Nahrungsbedarf gehabt 
hätten. Die Folgen absoluter Unterernährung beschränken sioh auf 
Einzelfälle. Hauptsächlich bei den sozial besser gestellten Kreisen tritt 
die Hemmung im Längen- und Gewiohtswachstum hervor. Da aber die 
Kinder der ärmeren Bevölkerung durchschnittlich kleiner und leichter 
sind, so ist es duroh den Krieg zu einem gewissen sozialen Ausgleich 
auf diesem somatischen Gebiete gekommen. R. Neumann. 


Gerichtliche Medizin. 

A. M. Marz - Prag: Zur Beurteilung unbeabsichtigter tödlicher Ver¬ 
letzungen bei Kindern. (Aerztl. Sachverst.-Ztg., 1919, Nr. 14.) Geriohts- 
ärzttiohe Kasuistik: 1. Tödliche Leberzerreissung beim Vergraben eines 
vermeintlich toten Kindes. 2. Darmperforation infolge Verschluokens von 
tum Zwecke der Tötung einem Kinde in den Rachen gesteokter Papier- 
stückchen. 

G. Strassmann-Berlin: Plötzlicher Tod, vernrsaeht durch eine 
anerkannt gebliebene Hirngesehwnlst (Endotheliom des linken Stirn¬ 
lappens). (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1919, Nr. 15.) Abgesehen von grosser 
Reizbarkeit, die in geringerem Grade schon immer bestanden hatte, 
waren bis zu dem plötzlich erfolgten Tode keine Symptome vorhanden 
gewesen, die auf das Bestehen einer Gehirngesohwulst hingewiesen hätten. 

H. Hirschfeld. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen, 

M amlock- Berlin: Faebaisdrücke and 8achverständigentitigkeit. 
(Aerztl. Sachverst.-Ztg., 1919, Nr. 16.) Vorschläge zur Verdeutschung 
verschiedener medizinischer Faohausdrüoke. Eine geeignete Instanz zur 


Verdeutschung aller medizinischen Faohausdrüoke für die Zwecke der 
Kranken-, Armen-, Gutachter und Sachverständigentätigkeit wäre die 
Vereinigung der deutschen medizinischen Fachpresse. 

Herhold-Hannover: Die Rontenversorgug der Kriegabeaeki- 
digten. (Aerztl. Sachvexst.-Ztg., 1919, Nr. 14.) Schilderung der Grund¬ 
sätze, die jetzt bei der Renten Versorgung Kriegsbeschädigter üblich sind. 

K. Ruhemann - Berlin: Herzmnskelentartaag and Betriebsunfall. 
(Aerztl. Sachverst.-Ztg., 1919, Nr. 16) Ein ursächlicher Zusammenhang 
zwischen der zum Tode führenden Herzerkrankung und einem l*/i Jahre 
zuvor stattgebabten Betriebsunfall wurde abgelehnt. 

G. B. Gruber-Mainz: Schädeltrauma darek stampfe Gewalt und 
Erbliadnng. (Mschr. f. Uofallhlk., 1919, Nr. 14.) Naoh einem Fall auf 
den Kopf hatte sich eine Sehnervenatrophie entwickelt. Dieselbe wurde 
auf den Unfall zurückgefübrt und eine Sehnervenverletzung duroh Schädel¬ 
basisbruch angenommen. Die Sektion nach dem viele Jahre später er¬ 
folgten Tod ergab aber, dass kein Basisbruob stattgefunden hatte, dass 
dagegen eine Lues vorlag, so dass man eine luetische Sehnervenatrophie 
annehmen konnte. H. Hirsohfeld. 


Schiffs- und Tropenkrankheiten. 

P. Sassen*. Ueber die Methoden der Malariaprovokation. (Areh. 
f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 23, H. 12.) Ordnende Zusammen¬ 
stellung der bisher in der Literatur empfohlenen Verfahren unter Fest¬ 
legung der Forderungen, die für die exakte Bewertung einer Methode 
erfüllt sein müssen. Das bisherige Ergebnis ist, „dass Bestrahlungen 
mit filtriertem Quarzlicht nach Reinhard, oder, wo das aus äusseren 
Gründen nicht möglich ist, Injektion von Adrenalin nach Sohittenhelm 
u. a., vielleicht in Verbindung mit harmlosen physikalischen Experi¬ 
menten (Rudern, Gepäckmarsch), als die besten Verfahren zur Provo¬ 
kation von Malariaplasmodien anzusehen sind“. 

J. Hammerschmidt: Zur Pathogenese der Amöbeakolitis. (Arch. 
f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd, 23, H. 14.) Verf. hatte die seltene 
Gelegenheit, als Nebenbefund in der Leiche eines an perniziöser Anämie 
gestorbenen, eine halbe Stunde nach dem Tode sezierten Mannes die 
frühesten Stadien der Einwanderung von Amöben in die Schleimhaut 
histologisch zu studieren. Die Amöben dringen in die vorher ungeschä- 
digte Schleimhaut duroh eigene Kraft ein, und zwar duroh das Ober- 
flach enepithel an den Stellen zwischen je 2 Krypten; für die Annahme 
einer dazu erforderlichen vorangehenden Schädigung der Schleimhaut 
besteht keinerlei Veranlassung. Nach dem Passieren der Epitbeldeoke 
wenden sioh die Amöben vorwiegend seitwärts, um dann an die Aussen- 
fläohe der Lieberkühn’schen Krypten zu gelangen und hier zwischen 
Epithelbelag und Membrana propria die Tiefe zu erreichen, während 
daneben — wenn auch nur spärlich — andere Amöben im Stroma tiefer- 
wärts die Schleimhaut durohwandern. Für die naheliegende Annahme 
einer Einwanderung vom Lumen der Krypten her lassen sioh Anhalts¬ 
punkte nicht gewinnen, vielmehr brechen die aussen längs der Membrana 
propria abwärts zu sich bewegenden Amöben manohmal sekundär von 
«ussen in die Krypte ein. 

R. Lurg: Heiluagsversiche mit 8alvarsaa bei Schlafkrankheit 

(Arch. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 23, H. 14.) 11 Schlafkranken 
ohne klinische Erscheinungen wurden je 3 Doppeleinspritzungen von 0,3 
bzw. 0,4 g Salvarsan an zwei aufeinander folgenden Tagen mit 12 tägigen 
Pausen gemaoht. Bei 2 der Behandelten wurden bis zu 2 Monaten 
naoh der letzten Einspritzung keine Trypanosomen im Blute mehr ge¬ 
funden (Heilung?). Die mit Atooyl (in je 8 Doppeleinspritzungen) er¬ 
zielten Erfolge waren besser, wenn auoh keineswegs ideal. Ausserdem 
ist letzteres Mittel bequemer anwendbar und viel billiger. Zur Prüfung 
der Trypanosomenfreiheit des Blutes ist der Tierversuch unerlässlich. 

Weber. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Physiologische Gesellschaft zu Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 20. Juni 1919. 

Hr. Flnry: Ueber tierische Gifte. 

Nach einer Einleitung über die theoretische und praktische Be¬ 
deutung der tierischen Gifte weist der Vortragende auf die besonderen 
Schwierigkeiten hin, die mit der experimentellen Bearbeitung tierisoher 
Gifte verknüpft ist. Schon die Beschaffung des für ohemisohe Unter¬ 
suchungen notwendigen Ausgangsmaterials ist, wenn man sich nicht auf 
die Beschreibung von Giftwirkungen beschränken will, nicht einfach und 
häufig nur mit besonderen Mitteln durchführbar. Dies wird erläutert an 
einer Reihe von Beispielen, wie den Faust’sohen Arbeiten über Schlangen¬ 
gifte, der Untersuchung von Wieland über das Krötengift (Verwendung 
von 20 000 Krötenhäuten), von Seyderhelm über das Oestrin (10 000 
Oestruslarven) und an zahlreichen eigenen Arbeiten des Verfassers (Ver¬ 
wendung von 30 kg Askariden, über 200 000 Bienen, tausende von 
Fröschen, vielen Kilogrammen Nesseltieren usw.). 

Im Anschluss an eine übersichtliche Zusammenfassung unserer bis¬ 
herigen Kenntnisse wird die Frage erörtert, ob es heute schon möglioh 
ist, die tierischen Gifte, ähnlich wie di» übrigen stark wirkenden Sub¬ 
stanzen, an Stelle der bisher üblichen Einteilung naoh zoologischen Ge- 


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22 . September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


•OT 


sichtspunkten, in ein natürliches System einzureihen. Bei Berücksich¬ 
tigung der wissenschaftlichen Ergebnisse der leisten Jahre eröffnet sich 
schon heute ein Ausblick auf diese Möglichkeit. Die Alkaloide, die 
unter den Giften pflanzlicher Herkunft die beherrschende Stellung ein¬ 
nehmen, treten im Tierreioh an Zahl und Bedeutung stark zurück. Hier¬ 
her gehören die Salamandergifte, die von Faust und Nitolitski isoliert 
wurden, das Histamin, das Tyramin, das Adrenalin, die Fäulnisbasen 
und die Protamine. Neben diesen Stoffen tritt aber, wie die neueren 
Forschungsergebnisse immer deutlicher erkennen lassen, eine andere 
Gruppe ron tierischen Giften mehr und mehr in den Vordergrund; 
sie sind frei von Stickstoff, haben keinen basischen Charakter und 
zeiohnen sich duroh sehr charakteristische und intensive Wirksamkeit 
aus. Sie lassen sich in pharmakologisoher Hinsioht teils den Herzgiften 
der Digitalisreihe, teils den Sapotoxinen und teils den entzündungs- 
erregenden stickstofffreien Pflanzenstoffen angliedern. Es kommt immer 
unzweifelhafter zum Ausdruck, dass zwischen den Giften tierisoher 
und pflanzlicher Herkunft eine weitgehende Analogie be¬ 
steht; dem Kantharidin und seinen in Käfern, Schmetterlingen und 
Raupen vorkommenden Verwandten entspricht der scharfe Stoff der weit¬ 
verbreiteten Hahnenfussgewäohse und verwandter Pflanzen, das blasen¬ 
ziehende Anemonin. Beide Substanzen sind auch in chemischer Hinsicht 
nahe miteinander verwandt. Der Digitalisgruppe entsprechen die kristal¬ 
lisierten stickstofffreien Krötengifte, wie das Bufotaiin (Faust, Wie¬ 
land, Weil) und das Bufagin (Abel und Macht). Nach Unter¬ 
suchungen von Flury enthalten auch die übrigen Amphibien, wie z. B. 
der Gras-, Wasser- und Laubfrosoh, die Unken und die Molche in ihren 
Hautdrüsen Gifte, die starke Herzwirkung haben, aber den Sapotoxinen 
näher stehen als den Digitalisstoffen. In chemischer Hinsioht gehören 
die genannten Gifte, wie die Gallensäuren, wahrscheinlich zu den Ab¬ 
kömmlingen des Cholesterins. Aus der Krötenhaut wurde von Wie¬ 
land die bisher im Tierreioh noch nicht aufgefundene Korksäure, die 
bei der Oxydation von Fettsäuren entsteht, isoliert. Ihr Vorkommen 
bietet vielleicht einen Fingerzeig für die Beantwortung der Frage nach 
der Entstehung der hierhergehörigen ohemischen Verbindungen. 

Das Cholesterin wird als ein kompliziert zusammengesetztes 
Terpen aufgefasst, und scheint zu vielen tierischen Giften ähnlich wie 
die Saponine der Pflanzen zu den Terpenen und Harzen in nahen Be¬ 
ziehungen zu stehen. Gallensäuren, Saponine und viele tierische Gifte 
haben analoge Giftwirkungen. Die von Faust zuerst aus Schlangen¬ 
giften rein dargestellten und als tierisohe „Sapotoxine“ bezeiohneten 
Verbindungen können als typisohe Vertreter einer im Tierreioh 
weitverbreiteten Gruppe von Giften aufgefasst werden. Ausser 
den Hautdrüsengiften der Amphibien ist hier nooh zu nennen: die 
von Heubner in eiweissfreiem Zustande isolierte Substanz aus dem 
Pfeilgift der Kalahari, das aus den Larven eines Käfers (Diamphidia 
locusta) gewonnen wird. Durch neuere nooh nicht veröffentlichte 
Untersuchungen von Flury ist auch aus dem Bienengift als wirksame 
Substanz eine stickstofffreie, den Sapotoxinen nahestehende Verbindung 
isoliert worden. Es ist weiter sehr wahrscheinlich, dass in den Haut- 
und Staohelgiften der Fisohe ähnliche Stoffe vorliegen. Möglicherweise 
gehören auch die Bogenannten Hämolysine, die sioh im Aalblut und im 
Serum anderer Kaltblüter vorfinden, hierher. Selbst bei den wirbellosen 
Tieren werden noch Gifte der Terpenreihe aufgefunden. In dem Drüsen- 
sekret der Aplysia depilans, des im Altertum wegen seiner Giftigkeit 
sehr gefürchteten Seehasen, ist nach Flury eine terpenartige, stickstoff¬ 
freie, flüchtige Substanz enthalten. Es ergibt sich aus all diesen Fest¬ 
stellungen, dass die tierischen Gifte keine besondere ohemische und 
pharmakologische Gruppe für sioh darstellen. Auch zwischen den 
pharmakologisch wirksamen Substanzen der Säugetiere und den Giften 
der niederen Tiere dürften keine prinzipiellen Unterschiede bestehen. Es 
ist voraussichtlich nur eine Frage der Zeit, dass die heute noch eine 
Sonderstellung einnehmenden Toxine, mit denen sich die Serum- 
forsohung und die Immuuitätslehre befasst, auch im System zwanglos 
eingereiht werden können. Die im Blutserum und in Organextrakten 
vorhandenen „Hämolysine“, „Zytotoxine“, „Neurotoxine“ sind vermutlich 
niohts anderes als Glieder der heute bereits näher bekannten Gruppen, 
die aber mit Eiweisssubstanzen oder mit Lipoiden zu komplizierten und 
zum Teil sehr labilen Komplexen verbunden sind. Nach Untersuchungen 
von Flury sind die Abbauprodukte des Cholesterins stark giftig 
und sohliessen sich in ihren Wirkungen eng an Saponine und manche 
tierische Gifte an. Es ist mit Sicherheit zu erwarten, dass derartige 
Verbindungen sich auch unter den „Lipoiden“, „Lipoproteiden“ und 
ähnlichen heute nooh nicht genauer bekannten Verbindungen vorfinden. 
Ihre Abtrennung vom Eiweiss und Isolierung muss die Aufgabe zu¬ 
künftiger Forschungen sein. Die von Langer aus dem Bienengift 
isolierte, eiweissfreie, wasserlösliche Base liess sioh von Flury einerseits 
in einen lipoiden Anteil, der aus Lezithin und einer stickstofffreien 
zur Sapotoxingruppe gehörigen neutralen Verbindung besteht, andererseits 
in einen unwirksamen Komplex von basischen Charakter zerlegen. 
Auch bei den Hautgiften der Amphibien liegen ähnliche Verbin¬ 
dungen vor. 

Aus allen diesen Arbeiten ergibt sich, dass es nioht Eiweissverbin- 
' düngen sind, auf denen die Wirkung der tierischen Gifte beruht Das 
alte Dogma von den Toxalbuminen, vom „giftigen Eiweiss“, 
wird also stark erschüttert. So sähe sioh auch die Mehrzahl der 
heutigen Biologen nooh an diese Lehre klammert, so werden sie dooh 
mit der fortschreitenden Erkenntnis der tierischen Gifte auch auf diesem 


Gebiete die Ergebnisse der chemischen, insbesondere auoh der physi¬ 
kalisch-chemischen und kolloid-chemischen Forschung mehr und mehr 
berücksichtigen müssen. 

Berliner nrologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 3. Juni 1919. 

Hr. L. Casper: Mittel and Wege die Prostatektomie möglichst 
«■gefährlich za gestalte!. 

Durohschnittsmortalität 10 pCt. Je mehr Rücksicht auf das Hers 
genommen wird, desto besser die Resultate. Die Methode der Wahl ist 
nach C. die Lokalanästhesie. Er bevorzugt die parasakrale Methode 
nach Braun. Kranke, deren Nierenfunktionsprüfung dauernd phloridzin- 
und indigkarminnegativ ist (auch nach Einlegen eines Verweilkathers), 
sind von der Operation auszuschiiessen wegen Gefahr des Urämietodes. 
Zur Vermeidung der Todesfälle an Blutung: 1. in der richtigen Schicht 
operieren (eher zu tief als zu wenig tief einschneiden), 2. Umspritzung 
der Prostata von der Blase aus nach Seotio alta mit lproz. Novokain 
-f- Suprarenin nach Linhartz). Vermeidung der Infektion duroh 
Drainage vom Damm ans. 

Aussprache. 

Hr. Ring leb ist für frühzeitige Operation, bevor dem Patient der 
Katheter in die Hand gegeben wird. Er verwirft die Drainage vom 
Damm. Er geht nach Eröffnung der Blase mit dem Finger in die hintere 
Harnröhre ein (Aetherrausch), dadurch springt der Seitenlappen deutlich 
hervor. Unter 93 Fällen von Prostatectomia suprapubica 4 Todesfälle. 

Hr. Freudenberg empfiehlt als Blutstillungsmittel vor der Ope¬ 
ration Iojektion von 100 g einer 6proz. Lösung von Calo, chlorat. sioo. 
(nicht orystallis.) in die Blase. Kurs vor der Operation Entleerung der 
Blase, mit Luft operieren. Nach der Operation Tamponade der Nisohe 
mit Calc. chlorat.-Tampon, Draiü, dann wieder Calo. ohlorat.-Tampon 
(3 vertikale Schichten). Chloroformnarkose, gleich hinterher Essig- 
einatmuog. Einritten der Prostatakapsel mit dem Finger. 

Hr. Rumpel empfiehlt exakte Blutstillung durch feste Tamponade. 
14 Tage nach der Operation Beginn mit Dauerkatheter. Er verwift die. 
perineale Drainage wegen der Gefahr der Fistelbildung. Einsohneiden 
der Prostatakapsel nur mit dem Messer. 

Hr. Baetzner schätzt die Lumbalanästhesie als Methode der Wahl. 

Hr. Federmann empfiehlt Claudentamponade und Umspritzung der 
Prostata; eventuell dadurch primäre Blasennaht möglioh. 

Hr. Casper (Schlusswort) stimmt Herrn Rumpel bei bis auf die 
Drainage. Er iührt Ringleb’s Resultate auf besondere Auswahl von 
kräftigen jüngeren Patienten und besonders geeignete Fälle zurüok. 

Hr. Bockenheiaer: Bilder einer Anzahl von Nierenverletzugen. 
Er ist iür aktives Vorgehen auoh in den vorderen Formationen (F.L. 
und S.K.). 

Aussprache: HHr. Baetzner und Rumpel sind für konservative 
Therapie. 

Hr. Posner: Querschnitte von persischen Biasensteinen, die einen 
Harnsäurekern mit Umlagerungen zeigen, tilasensteine in Persien häufig, 
besonders in den kaspischen Provinzen. Daselbst Steinschneider, die 
das Gewerbe im Umherziehen betreiben (Schnitt vom Damm und Rektum 
aus). Auch bei Kindern dort oft Blasenstcine, ausser bei den Tartaren, 
deren Kinder nicht mit sauren Speisen wie die der andern gefüttert 
werden. 

Hr. Stntzin sab bei Bilharzia schwarze Punkte in der Blase mit 
roten Wülsten ringsherum. BilharziaerkrankuBgen auch in Asien, an¬ 
geblich duroh Baden im Tigris. 

Hr. Baetzner: 4 kystoskopische Bilder von Bilharzia im Anfangs- 
stadium, die schwarzen Punkte (Stutzin) erwiesen sich als Eier mit 
und ohne Embryonen. 

Hr. M. Zondek zeigt an einem Patienten: 1. den lnabo-abdoai- 
■alen SehrägschBitt, von dem aus er den linken, etwa kindskopfgrossen, 
vereiterten Schenkel einer Hufeisenniere (kalknl. Pyonephrose und 
Pyelonephritis) vor 6 Jahren operativ entfernt hat. Die Abtragung er¬ 
folgte an der Verbindungsbrücke, die quer über die Wirbelsäule verläuft 
und ihr adbärent iöt. 2. Die Palpatitn des Testierenden rechten Schenkels 
der HufeiBenniere, die nioht in der Lendengegend, sondern hinter dem 
M. reotus fühlbar ist. 

Ferner einen Patienten mit operativer Heilung einer perinealen 
Urethrafistel und desgleichen einen Patienten mit Rekto UrethralUtel. 

Ferner zwei kystoskopische Bilder: 1 . Blntfleeke (Parpnra) in der 
Blase, auf der Haut gleichzeitig ein Erythema exsudativum multiforme. 
2. Zahlreiche niehttaherkaiöse Knötchen fast über die ganze Blasen- 
schleimhaut verbreitet. James 0. Wentzel. 

Berliner otologische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

.Sitzung vom 2. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Passow. 

Schriftführer: Herr Beyer. 

Bericht des Vorsitzenden. 

In den Kriegsjahren 1915—1918 fanden 3 ausserordentliche Sitzungen 
statt mit 10 Vorträgen und 5 Demonstrationen, woran sich 8 Diskussionen 
ansohlossen. 


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908 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


Die Zahl der Mitglieder betrug 112, davon sind durch den Tod 
ausgeschie'den $, bleiben 107. 

Am 11. September feierte unser Bibliothekar Herr Geheimrat Blau 
seinen 70. Geburtstag, wozu der Vorstand ihm den Glückwunsch der 
Gesellschaft überbrachte. 

Bericht des Schatzmeisters. 

Da iufolge des Krieges Generalversammlungen nicht stattfanden, 
muss ich Ihnen über den jeweiligen Stand unserer Kasse in den einzelnen 
J *bren berichten. Der Jahresabschluss in den Kriegsjahren wurde von 
den Herren Blau und Beyer regelmässig revidiert. 

Infolge des Krieges gingen die Beiträge natürlich nicht voll ein, 
während 1914 noch 1050 M. eingingen, waren es 1915 nur 950 M., 
1916 nur 840 M., 1917 750 M., 1918 720 M. Dadurch, dass aber nur 
vereinzelte Sitzungen statttanden, waren auch die Aus&aben wesentlich 
geringer. Sie betrugen 1914 542,90 M., 1915 716,39 M. worunter sich 
500 M. befanden, die auf Beschluss des Vorstandes dem Kuratorium für 
Kriegsentschädigung Grossberliner Aerzte überwiesen wurden. Die Aus¬ 
gaben betrugen 1916 272,63 M., 1917 832,48 M., 1918 473,27 M. 

Das Jabr 1918 zeigt einen Bestand von 1204,5*2 M. an. Unser 
Vermögen besteht aus 3300 M. 4 proz. neuen Berliner Ptandbriefen, 
1200 M. 4 proz. Deutschen Reiohsanleihen und 2500 M. 5 proz. Kriegs¬ 
anleihen, die bei der augenblicklichen schlechten Bewertung unserer 
Wertpapiere etwa einen Wert von 6000 M. haben. Die Kassenrevision 
hat am 17. März von den Herren Blau und Beyer staltgefunden. 

Der Vorsitzende ist dafür, dass fehlende Beiträge aus den Kriegs- 
jähren nicht eingezogen werden, von jetzt ab aber die Beiträge regel¬ 
mässig entrichtet werden sollen. 

An Stelle des abwesenden Bibliothekars berichtet io seinem Auf¬ 
träge Herr Beyer, dass sich die Bibliothek nur um die Zugänge der 
Zeitschriften vermehrt hat. 

Abstimmug über den Antrag Passow betreffend den Wechsel 
des Vorsitzenden. 

Hr. Sch wabaoh: loh habe schon das vorige Mal erwähnt, dass ich 
diesen Antrag nicht für opportun halte, loh glaube, dass dieser WeohBel 
ungünstig einwirken würde. Gerade weil Herr Geheimrat Passow als 
Direktor der Ohrenklinik ein viel grösseres Material zur Verfügung hat 
als jeder der anderen Herren, möchte ich bitten, dass Herr Geheimrat 
Passow wiedergewählt wird, wie es bisher immer der Fall war. 

Wahl des Vorstandes. 

Die Vorstandsmitglieder werden duroh Zuruf sämtlich wiedergewählt. 

Vorsitzender: Herr Dr. Sonntag ist nach Güstrow verzogen, 
bleibt Mitglied der Gesellschaft, bittet aber, sein Amt als Mitglied der 
Aufnahmekommission aufgeben zu können, da er nicht ständig anwesend 
sein kann. 

Wahl der Mitglieder der Aifaahmekommissioi. 

Alle Mitglieder werden wiedergewählt. An Stelle von Herrn 
Dr. Sonntag wird Herr Dr. Grossmann gewählt. 

Durch Zustimmung wird die Zuteilung von 50 M. zur Einstellung 
eines Bibliothekfachmannes für die Medizinische Gesellschaft beschlossen. 

Demonstrationen. 

Hr. Stnraann: Der Kranke, den ich Ihnen vorstellen möchte, 
leidet an einer Osteomyelitis des Schädels. Der Fall scheint insofern 
ein Unikum zu sein, als hier die Osteomyelitis im Anschluss an eine 
Ohroperation entstanden ist, während wir sie sonst nur einige Maie 
naoh Stirnhöhlenoperation kennen gelernt haben. Nachdem ioh den 
Kranken wegen linksseitiger chronischer Mittelohreiterung mit Total¬ 
defekt des Trommelfells und reichlicher Granulationsbildung in der 
Pauke etwa ein Jahr lang konservativ behandelt hatte, führte ioh im 
Juni 1918 die Radikaloperation mit Plastik und primärer Naht aus. 
Der weitere Verlauf war zunächst regelrecht, und zwei Monate später 
war die Operationshöble vollkommen epidermisiert und trocken. Plötz¬ 
lich, Ende August, trat eine teigige Schwellung über und hinter dem 
Ohr unter heftigen Schmerzen und Fieber auf, gleichzeitig eine Senkung 
der oberen Gehörgangswand und Vorwölbung der hinteren Wand der 
Operationshöble. Eine Inzision bierselbst entleerte reiohlich Eiter, 
der also zwischen der neugebildeten Bedeokung und dem Knochen an¬ 
gesammelt war. Die Schmerzen verschwanden; die Schwellungen, auch 
die äusseren, gingen in wenigen Tagen zurück; die Bedeokung der 
hinteren Höhlenwand legte sich wieder an, die Höhle wurde wieder gut 
übersichtlich, jedoch war das Pflasterepithel zum grössten Teil verloren 
gegangen und von neuem eine mässige Sekretion eingetreten. In der 
zweiten Hälfte des September stellten sich von neuem Schmerzen und 
Fieber ein, es bildete sich wieder eine stark druckempfindliche Sohwellung 
über der Ohrmuschel, aber keine Veränderung in der Operationshöhle. 
Am 1. X. Operation: Durohtrennung der retroaurikulären Narbe und 
Verlängerung des Sohnittes naoh oben und vorn über die Ohrmuschel 
hinweg; hinterher wurde ein senkrechter Schnitt von der Ohrmuschel 
nach aufwärts angefügt. Beim Zurüoksohieben der Weiohteile entleerte 
sich hinter dem Ohr eine Menge Eiter, der zwisohen Periost und Knoohen 
angesammelt war. Der Knoohen sah hier gesund aus, dagegen wurde 
er naoh oben und vorn missfarbig und über der Ohrmusohel erweicht, 
so dass er sich leioht, zum Teil schon mit der Pinzette abheben liess. 
Dabei wurde die Dura, stark mit Granulationen bedeckt, in etwa Taler¬ 
grösse freigelegt. Der Knoohen wurde nur so weit entfernt, als er sioh 
leioht ablösen liess. Jodoformgaze, Verband. Naoh dem Eingriff ver¬ 


minderten sioh zunächst die Sohmerzen, wurden aber bald wieder 
heftiger, ebenso die Druokempfindliohkeit des hinteren oberen Wund- 
randes; beim Verbandwechsel liess sioh von dort her wiederholt Eiter 
hervorpressen. Dabei war die Temperatur schwankend, meist subfebril, 
selten über 38°. Nach Anleguog eines weiteren Sohnittes wurde wieder 
reiohlich Eiter entleert, und so fort. Innerhalb der allmählich recht 
umfangreich gewordenen Wundfläche konnten wiederholt grosse 
sequestrierte Knochenplatten ohne weiteres mit der Pinzette abgehoben 
werden, jedoch wurde dabei nie wie beim ersten Eingriff die Dura bloss¬ 
gelegt, sondern nur die mit üppigen Granulationen bekleidete Tabula 
interna. Die konsequente Anwendung von Liohtbädern (dreimal täglich 
Vs Stunde bis 100°) naoh der Empfehlung von Killi&n und Klaus 
vermochten die Tendenz zur Ausbreitung des Prozesses nicht zu be¬ 
einflussen. Aus äusseren Gründen wurde der Kranke Mitte November 
in die chirurgische Universitätsklinik verlegt, wo neben der weiteren 
chirurgischen Behandlung Versuche mit Vuzineiospritsungen, jedoch 
ohne Erfolg, gemacht wurden. Neuerdings wurde der Kranke wieder 
mit Liohtbädern ambulant hier in der Ohrenklinik behandelt und vor 
einigen Tagen hierher verlegt. Herr Kollege Güttioh hat noch vor¬ 
gestern eine neue lozision dicht über der rechten Ohrmusohel gemacht. 
Wenn Sie von der neuen Wunde absehen, stellt sioh der Schädel als 
zu drei Vierteln geheilt dar. Er ist von der vorderen bis zur hinteren 
Haargrenze mit grossen Sohnittnarben bedeokt, die mit der festen, un¬ 
empfindlichen Unterlage verwachsen sind. Während also der Prozess 
immer weiter fortgeschritten ist, sind die früher erkrankten Partien aus¬ 
geheilt. Da bisher sich kein Fortschreiten über die behaarte Haut 
hinaus gezeigt hat, so ist, nachdem die ganze Sohädeldecke in den Pro¬ 
zess ein bezogen ist, nunmehr nach Ablauf von 8 Monaten ein günstiger 
Abschluss zu erwarten. Ob schliesslich auch hier die Kopflichtbäder 
entscheidend gewirkt haben, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Be¬ 
merkenswert ist jedenfalls die Widerstandskraft des Kranken, der zwar 
recht blass und mager dabei geworden ist, dessen Kräftigung aber nach 
Beendigung des schweren Leidens ohne Zweifel ist. Wann die Infektion 
des Knochenmarks erfolgt ist, kann nicht entschieden werden; bei der 
Radikaloperalion wohl nioht, da zwisohen ihr und den ersten Symptomen 
der Oiteomyelitis 11 Wochen liegen, andererseits kann aber nur die 
Ohroperatiooshöhle als die Eingangspforte angesproohen werden. Ioh 
füge noch hinzu, dass die Blutuntersuohung nach Wassermann negativ, 
Pirquet sohwach potitiv war und im Eiter ausschliesslioh Strepto¬ 
kokken gefunden wurden. 

Ausspraohe. 

Hr. Grossmann: Herr Sturmann sagte, dass sioh in seinem 
Falle Streptokokken gefunden hätten. Es hätte sioh wohl ein Versuch 
mit Autovakzine gelohnt, die z. B. von Piorkowski sehr gut hergestellt 
wird. 

Hr. Sturmann: Vuzin hat versagt; ein Versuch mit Strepto¬ 
kokkenvakzin dürfte zu empfehlen sein. Die Radikaloperation habe 
ioh ausgeführt, weil trotz aller therapeutischen Bemühungen immer von 
neuem Granulationen in der Pauke auftraten. Der Warzenfortsatz war 
nur in geringer Ausdehnung erkrankt. 

Hr. J. Joseph: Uiterkleferplastlk ans der Brnsthant 

loh möchte mir erlauben, Innen einen Patienten vorzustellen, bei 
dem ioh eine Unterkieferplastik aus der Brusthaut ansge¬ 
führt habe. Sie sehen ihn in einem bemerkenswerten Zwisohen- 
stadium. Es handelt sioh um einen, sehr grossen Unterkiefer¬ 
defekt. Es fehlt fast der ganze Unterkiefer samt der bedeckenden 
Haut und Schleimhaut, nur der aufsteigende Ast der rechten Seite 
ist noch vorhanden und ein kleiner Teil des linken aufsteigenden 
Astes. Auch der Zungenboden fehlte, und die Zunge war fast bis 
an die Spitze heran an die den Kehlkopf bedeckende Haut ange- 
wachsen, derart, dasB Patient die Zungenspitze nioht mehr aufrichten 
konnte. Wie Sie sehen, habe ich den Zungenboden durch eine 
freie Hautüberpflanzung und zwar aus der linken Brustseite 
neu gebildet (Demonstration) und Patient kann jetzt die Zungen¬ 
spitze wieder bis zur Horizontalen erheben. 

Bei grossen Unter kieferdefekten hat man bisher — soweit man 
nioht duroh eine Prothese das Ganse ersetzte — in der Regel die Kopf¬ 
haut für den Weichteilersats benutzt. Man nahm einen Sohimmel- 
busoh’achen Lappen, der die A. temporalis enthielt, und pflanzte ihn in 
die Unterkiefergegend (Leier). Bei dieser Operation ist eine Verun¬ 
staltung des Kopfes kaum zu umgehen. Da ich aber eine solche ver¬ 
meiden wollte, habe ich in diesem Falle einen 8 cm breiten und 25 cm 
laugen Brusthautlappen geschnitten, der am Sternum gestielt ist und 
dessen Seitenränder parallel zu den Rippen bis zur Achselhöhle ver¬ 
liefen. Diesen überpflanzte ioh auf die vorher vorbereitete linksseitige 
Unterkiefergegend. Wie Sie sehen, ist der grosse Lappen bis 
auf ein kleines nekrotisches Endstüokchen, das nicht in 
Betracht kommt, angeheilt. Die Operation habe ioh vor 19 Tagen 
ausgeführt. 

Ich habe den Lappen darum horizontal gesohnitten, damit er den 
anatomischen bzw. physiologischen Bedingungen entsprechen sollte. Es 
ist nämlich zu bedenken, dass die Rami perforantes der A. mammaria 
interna dioht neben dem Sternum durch die lnterkostalräume hinduroh¬ 
treten und dann horizontal etwa in paralleler Richtung so den Rippen 
durch die Haut verlaufen. Von besonderer Wichtigkeit ist es, dass der 
Ramus perforans III bei der Operation geschont wird, da er der stärkste 
ist (siehe Man oho t, Die Hautarterien des Körpers). Für dieAnheilung 


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Original frnm 

UNIVERSITÄT OF IOWA 




22^ September 1919, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


009 


des Lappens ist aber in zweiter Linie von Wiohtigkeit die Anlegung 
eines Stärkebinden-Verbandes, der die rechte Kopfhälfte umfasst und 
am die linke Achselhöhle geht and den Kopf leioht naoh der linken 
Seite herüberzieht. 

Die weitere Behandlung ist in der Weise gedacht, dass der Stiel 
aaf die rechte Üoterkiefergegend gepfianst wird und späterhin die 
Crista össis ilei in den grossen Hautlappen eingepflanzt wird. Der 
Vorzug des Brustlappens im Vergleich zum Kopfhautlappen liegt 
darin, dass der Brustlappen meist erheblich dicker ist als die Kopf* 
haut, und dass eine Knochenein pflanzung in denselben leichter 
möglich ist. 

Was die vorhin erwähnte Vorbereitung der lenken Unterkiefer¬ 
gegend bzw. der linken Ealsseite betrifft, so muss man die Vorbereitung 
während und die Vorbereitung vor der Operation unterscheiden. 
Während der Operation habe ich die an den Defekt angrenzende Hals¬ 
baut im grossen Bogen bis in die Ohrgegend Umschnitten, nach dem 
Defekt hin abpräpariert und nach derselben Richtung umgeschlagen, 
derart, dass sie für diesen Teil des Unterkiefers als Ersatz der Schleim¬ 
haut Verwendung finden sollte. Eine Vorbereitung dieser Gegend vor 
der Operation war deshalb nötig, weil die Haut dieser Halsseite behaart 
war und wegen dieser Behaarung des Sohleimhautersatz nioht verwendet 
werden konnte. Es ist auf dieser Seite die Enthaarung durch Röntgen¬ 
strahlen fünfviertel Jahr lang versucht worden ohne jeden Erfolg. Ich 
habe deshalb sowohl auf dieser Seite, wie unterhalb des Defekts auf 
chirurgischem Wege die an den Defekt grenzende Haut gänzlich entfernt 
und diese Stellen aus der entfernten Nachbarschaft (aus der Sohulter- 
gegend und unteren Halshaut) vor der oben beschriebenen Hautoperation 
ersetzt. (Auf der rechten Seite ist infolge der Röntgenbestrahlung die 
Epilation erfolgt, aber unter einem schweren Opfer an der Vitalität der 
Haut, welche, wie ein Versuch zeigte, die Haut für Transplaotations- 
zweoke untauglich machte.) 

Die Methode soheint mir auch für den Ersatz der Vorderwand der 
Trachea verwendbar. Man muss die Traobealgegend beiderseits ein¬ 
schneiden und den grossen Brustlappen parallel zu seinen Rändern 
in der Weise spalten, dass ein oberer schmälerer und ein unterer breiterer 
Zipfel entsteht. Der schmälere Zipfel wird mit der Hautoberfläche nach 
innen auf den Traohealdefekt gelegt, und seine Wundränder werden mit 
den äusseren Wundrändern der vorher erwähnten seitlichen Inzisionen 
vernäht, während der breitere Zipfel — Wundfläche auf Wundfläche — 
auf den schmäleren gelegt und mit den äusseren Wundrändern, und zwar 
vorsichtigerweise zunächst mit einem der beiden äusseren Wundränder 
vernäht wird, damit der untere Lappen keinem stärkeren Drucke aus- 
gesetzt wird und die Vernähung der Zipfel besser gesichert bleibt. 

Der Pall ist aber auch aus anderen Gründen von Interesse: Der 
Patient war nämlich 2 Stunden naoh seiner, durch ein groses Stück 
einer explodierten Granate entstandenen Verletzung der Erstickung nahe. 
Eine sofort von den Kollegen an der Front ausgeführte Tracheotomie 
rettete ihn vor dem Erstiokungstode. Da er zwei Tage darauf dem Ver¬ 
hungern nahe war, wurde ihm eine Magenfistel angelegt, und diesen 
beiden lebensrettenden Voroperationen bat er es zu verdanken, dass er 
hierher gekommen ist. 

Hr. Claas: Syphilitische Osteomyelitis. 

Der Kranke, den ich Ihnen vorstelle, bekam im Juli 1918 an der 
Stirn zwei halbkugelige Anschwellungen, die im Laufe des August an¬ 
geblich verschwanden, aber im September wieder auftraten und seitdem 
bestehen blieben. Auf der vor dem Eingriff gefertigten Photographie 
sehen Sie zwei mächtige halbkugelförmige, prall-elastisch sich anfühlende, 
mit intakter Haut bekleidete Anschwellungen, die beiderseits etwa .dem 
Stirnhöcker entsprechen. 

Der Kranke bekam dadurch ein faunartiges Ansehen. 

Bei der Inzision entleerte sich zuerst kolloide, dann eitrige Flüssig¬ 
keit. Man fühlte und sah nun rauhen Knochen und blickte an einigen 
Stellen in die Spongiosa, aus der eitriges Sekret floss. 

Naoh Entfernung einiger Sequester Jodoformgasetamponade verband. 

Wassermannn f-, 

Einleitung einer spezifischen Kur. 

Ausspraohe. 

' Hr. Barth äussert sich dagegen. Man hat den Eindruck einer 
Ostitis gummosa. Unter Osteomyelitis pflegen wir eine spezifische Er¬ 
krankung zu verstehen, während wir hier die sekundäre Infektion eines 
Gumma vor uns haben. 

Hr. Glaus: Die Diagnose Osteomyelitis wurde gestellt, weil das 
entzündete Knoohenmark freilag und Eiter absonderte. Dass es sioh 
nicht um eine akute infektiöse eitrige Osteomyelitis handelt, geht aus 
dem vorher Gesagten hervor. 

Hr. Blnmentha]: „Defekt in der Promoatorialwand“. loh möchte 
Ihnen einen Pat. demonstrieren, über den ioh Ihnen folgendes zu be¬ 
richten habe. Seit 1913 hat er eine Mittelohreiterung auf dem linken 
Ohre. Die Eiterung soll anfangs sehr heftig gewesen sein. Pat. hat 
von Anfang an starken Schwindel gehabt und ist schnell hochgradig 
schwerhörig geworden. Mit geringen Zwischenräumen ist das Ohr bis¬ 
her nie trocken gewesen. In^den letzten Wochen war die Absonderung 
hell und wässrig. 

Der Grund, weswegen ioh Ihnen den Pat. zeigen möohte, ist das 
merkwürdige Bild, welches die Promontorialwand bietet. Daroh eine 
grosse zentrale Trommelfellperforation hindurch sieht man auf der Pro¬ 
montorialwand in der Gegend des runden Fensters einen grossen Defekt 


mit glattem Grunde und glatten Rändern, der nach oben fast bis zur 
Steigbügelplatte binaufreicht und auch nach vorne die normale Grenze 
des runden Fensters deutlich überschreitet Aus dem Defekt wird belle 
klare Flüssigkeit abgesondert, von der man in Anbetracht der verhält¬ 
nismässig geringen Menge nicht sioher sagen kann, ob sie Endolymphe 
ist. Mit Lärmtrommel rechts hört Pat. links sehr laute Sprache. Der 
Vestibularis zeigt sehr stark herabgesetzte Erregbarbeit. Spontaner Ny¬ 
stagmus, spontanes Vorbeizeigen besteht nichts Es entsteht die Frage, 
wie man den Defekt deuten soll. Für einen angeborenen Defekt spräche 
seine absolute glatte Beschaffenheit und seine gleichmässig elliptische 
Form. Für entzündliche Veränderung des Labyrinths spricht der Ver¬ 
lauf der alten Otitis media acuta mit schnell entstandener Schwerhörig¬ 
keit und starken Schwindelaniällen. Vielleicht liegt eine alte Labyrinthitis 
bei angeborener Anomalität der Promontorialwand vor. Io den Defekt 
kann man sich mit der Sonde einhaken. 

Aussprache. 

Hr. Beyer fragt, wie die Absonderung ist. Es ist bekannt, dass 
die Nisohe am runden Fenster oft Ausbuchtungen hat, wie z. B- die von 
Katz beschriebenen Reoessus sub fenestra rotunda; solche Ausbuchtungen 
habe ich sehr oft auch nach oben zu gesehen. 

Hr. Blum enthalt Grosse Nischen unterhalb der Fenestra iotunda 
sind mir bekannt, Promontorialwandbuchten in der Gegend des runden 
Fensters, die derartig weit naoh oben und vorne gehen, habe ich bis¬ 
her nooh nicht gesehen. 

Tagesordnung. 

Hr. Graipaer-. Fall voa Olgas tibercilosam der Tonsille. 

Der Vortr. stellt ein 16 jähriges Mädchen vor, bei dem er wegen 
eines tuberkulösen Ulkus an der Spitze der linken Tonsille die Enukleation 
beider sehr vergrösserter Tonsillen mit der kalten Schlinge vorgenommen 
hatte. Die Stümpfe wurden mit Diathermie, um Weiterverbreitung der 
Tuberkulose zu verhindern, koaguliert und späterhin mit Milchsäure 
weiterbehandelt. Auoh in der rechten, makroskopisch unveränderten, 
Tonsille fanden sioh ebenso wie links zahlreiche Tuberkel mit Langhans- 
sohen Riesenzellen, besonders in der Umgebung des üilus. 

Die Pat. war bis 1914 vollkommen gesund, wurde in diesem Jahre 
aber wegen Halslymphdrüsenvereiterung links operiert. Derbe Lympb- 
drüsenpakete bestehen noch beiderseits, links stärker als rechts. Diese 
wurden ’/s Jahr mit Bestrahlung behandelt. 

Sohluckbeschwerden im Halse traten erst am Tage, bevor die Pat. 
zu dem Vortr. kam, auf. Nase, Kehlkopf und Lunge sind bei der Pat. 
ohne nachweisbare Veränderung. Husten hat niemals bestanden, ebenso 
keine Naohtsohweisse. Die Familienmitglieder sind bis auf eine eben¬ 
falls an Halslymphdrü8enschwellung leidende Schwester gesund. Die 
Infektion stammt mit Wahrscheinlichkeit von einer an Lungentuberkulose 
verstorbenen Kusine, mit der die Pat. und ihre Schwester 2 Jahre zu¬ 
sammenlebten. 

Der Vortr. bespricht die auffallende Tatsache, dass makroskopisch 
sichtbare Tuberkulose der Tonsillen trotz der Häufigkeit der Tuber¬ 
kulose und trotzdem die Tonsillen als Eingangspforte für die ver¬ 
schiedensten Krankheitskeime betrachtet werden, selten zur Beob¬ 
achtung kommt, wie das auoh in der Literatur von namhaften Forschern 
angegeben wird. Eine Erklärung dafür soheint ihm eine experimentelle 
Arbeit von Henke — über die physiologische Bedeutung der Tonsillen 
(Aroh. f. Laryng., 1914) — zu geben. H. kommt auf Grund seiner Ex¬ 
perimente zu dem Resultat, dass die Tonsillen oberflächlich gelegene 
Lymphdrüsen sind, deren zuführendes Lymphgefässsystem in der Schleim¬ 
haut der Nase, des Mundes und Rachens liegt. Während nun aber die 
Lymphdrüsen von einer Bindegewebskapsel total umschlossen sind, 
ragen die Tonsillen an einer Seite, nämlich an der Oberfläche frei in die 
Raobenhöhle hinein. Durch diese freie Oberfläche nun. deren Aus¬ 
dehnung daroh die ins Gewebe tief einschneidenden Buchten oder 
Krypten zweckentsprechend vergrössert ist, betördert der Organismus 
fremde Elemente oder sicher wenigstens einen Teil derselben, welche 
auf dem Lymphwege in die Tonsillen gelangten, nach dem Lumen des 
Rachens heraus, um sioh ihrer auf diesem Wege zu entledigen. Ein 
längerer Aufenthalt fremder Elemente in den Tonsillen erscheint im 
Gegensatz zu den Lymphdrüsen nioht stattzufinden. 

Der Vortr. glaubt daher, dass in diesem Falle die Infektion der 
Halslymphdrüsen und Tonsillen 6 Jahre zuvor duroh die Rachenschleim¬ 
baut erfolgte, die Tonsillen sioh aber ganz oder nahezu ganz der 
Tuberkelbazillen entledigten, während die allseitig geschlossenen Lymph¬ 
drüsen sie zurüokhielten. Die Tonsillen erkrankten erst später bei der 
Ausbreitung der Halsdrüsentuberkulose per oontiguitatem. 

Ausspraohe. 

Hr. Barth fragt naoh dem Nasenrachenraum. Im übrigen möchte 
ioh bemerken, dass Tuberkulose der Tonsillen nicht so selten ist; ich 
entsinne mich, dass naoh älteren Statistiken 12—14pCt. aller ab¬ 
getragenen Rachenmandeln Zeiohen von Tuberkulose zeigten. 

Hr. A. Bruck: Io welohem Zustande haben sich die Zähne befunden? 
Ich entsinne mich, vor einer Reihe von Jahren in den Hohenlyohener Heil¬ 
stätten bei den dortigen Kindern Untersuchungen aDgestellt und bei 
einem grossen Prozentsatz Zabnkaries festgestellt zu haben. Man hat 
bekanntlich in den kariösen Lüoken Tuberkelbazillen nachweisen können. 
Iph glaube, dass diese Stellen den Eintritt der Tuberkelbaxilen be¬ 
günstigen. 

Hr. Graupner*. Die Zähne der Pat. sind in tadellosem Zustand. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88 


Hr. Güttich: Eia Fall voi apoplektiform aaftretender Ertaabaag 
bei einen 11jährigen Jingen. 

Io der letzten Sitzung hatte ich über einen Fall von doppelseitiger 
Vestibularisausschaltung nach Typhus berichtet. Der Cochlearis war 
dabei beiderseits niofat nennenswert geschädigt gewesen. Der Vestibularis 
war weder durch Drehen noch durch Kälte- oder Wärmereize erregbar. 
Die Abweichereaktion nach dem Drehen war aufgehoben. In letzter Zeit 
hatte ich Gelegenheit einen ganz ähnlichen Fall nach Grippe zu beobachten, 
auch hier war die Hörfähigkeit, abgesehen von einer verkürzten Knocbeo- 
leitung, unverändert, der Vestibularapparat war kalorisch und durch 
Drehen nicht zu reizen, die Ab Weichereaktion war aufgehoben. Die 
Grippe war nicht stark aufgetreten, der Pat. hatte nur 3 Tage im Bett 
gelegen, wenig Aspirin genommen, hatte dabei kein Erbrechen, keine 
Bewusstlosigkeit gehabt, es traten dann plötzlich starke Gleichgewichts¬ 
störungen aul, die auf der schiefen Ebene noch jetzt deutlich nachweis¬ 
bar sind. — Der kleine Patient, den ich ihnen jetzt vorstelle, zeigt 
andere Symptome. Bei ihm ist im Verlaufe einer fieberhaften Erkran¬ 
kung, die nur 3 Tage anhielt, ein Ausfall des Kochlearis und Vestibularis 
beiderseits eingetreten. Der Lumbaldruck war stark erhöht, betrug bei 
der ersten Punktion 40 mm, sank allmählich bis auf 21 mm. Das 
Punktat war stets steril. Die Gleichgewichtsstörungen waren während 
der ersten 8 Tage sehr stark, der Pat. ging sehr ataktisch, jetzt sind 
sie auf der schiefen Ebene und beim Herzfeld’schen Matratzen versuch 
noch deutlich nachweisbar. Wir müssen in diesem Falle noch eine me- 
ningitisobe Erkrankung annehmen, bei den ersten beiden Fällen, bei 
denen die Abweichereaktion fehlte, handelt es sioh wahrscheinlich um 
eine zeatrale Vestibularisausschaltung. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cnltnr cn Breslan. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 30. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 
l. Hr. Fomhbaeh: Zir Therapie der Polyzythämie. 

Demonstration eines 61 jährigen Patienten mit Polyzythämie, bei 
dem durch Röntgenbestrahlungen der Röhrenknochen (7 Bestrahlungs¬ 
perioden ä 8 Bestrahlungen pro Röhrenknochen, 4 Felder ä 10 X, 4 mm 
Aluminium) die Zahl der Erythrozyten von 11 300 000 innerhalb 8 / 4 Jahren 
auf 6 620 000 sank. Nach Aussetzungen der Bestrahlungen kam es zu 
einer vorübergehenden Anämie (3 300 000 rote Blutkörperchen, 50 pCt. 
Hämoglobin). Ein Jahr nach dem Aussetzen der Bestrahlungen beträgt 
die Zahl der Roten 4 796 000 bei 90 pCt. Hämoglobin. Die Zahl der 
Leukozyten ist von 12 300 auf 5000 zurüokgegangen. Der Blutdruck 
blieb im wesentlichen unverändert. 

(Wird ausführlich publiziert unter den Originalien dieser Wochensohr.) 

Aussprache. 

Hr. Minkowski hat in 2 Fällen von schwerer Polyzythämie sehr 
auffallende Erfolge auch durch alleinige Bestrahlung der vergrösserten 
Milz beobachtet. Allerdings hatten in einem dieser Fälle auch aus¬ 
giebige Aderlässe zur Besserung des Befindens beigetragen. Doch war 
der günstige Einfluss der Milzbestrahlung unverkennbar und erstreckte 
sioh nicht nur auf die Verringerung der Erythrozytenzahl, sondern auch 
auf eine auffallende Besserung sämtlicher Beschwerden sowie eine er¬ 
hebliche Verkleinerung der lästigen Milztumoren. Eine vorübergehende 
Verschlimmerung konnte duroh eine erneute Bestrahlung wieder beseitigt 
werden. Die Wirksamkeit der Milzbestrahlung kann wohl ohne eine 
gewisse Fernwirkung auf andere bei der Polyzythämie beteiligte Organe, 
speziell das Knochenmark, nicht erklärt werden, aber eine solche Fern¬ 
wirkung muss auch in anderen Fällen, wie bei der Wirksamkeit der 
Bestrahlung leukämischer Milzen und wohl auch bei der Knochen- 
bestrablung bei Polyzythämie, angenommen werden, bei der ja nicht das 
Mark sämtlicher Knochen der direkten Einwirkung der Röntgenstrahlen 
unterliegt. 

Hr. Rosenfeld weist auf die schönen Erfolge hin, die er bei Poly¬ 
zythämie durch Behandlung mit Thorium X erzielt hat. Die Methode 
empfiehlt sich durch ihre Zugänglichkeit für jeden Arzt: er braucht nur 
durch Vermittlung der Auer-Gesellschaft für seinen Patienten täglioh 
40 elektrostatische Einheiten Doramad für 4—6 Wochen zu verschreiben 
und dabei etwa alle 14 Tage eine Blutzählung vornehmen zu lassen. 
Der bestverlaufene Fall ist noch in voller Funktion. 

Hr. Frank betont, dass derartig lang fortgesetzte Knoohenmarks- 
bestrahlungen nur unter dauernder Kontrolle des Blutbildes gemacht 
werden dürften und abgebrochen werden sollten, sobald man sioh 
normalen Zahlenverhäitnissen nähert, da die Nachwirkung der Bestrahlung 
häufig von vornherein nicht zu berechnen ist und bei zu lange fort¬ 
gesetzter Bestrahlung die Erzeugung einer vielleicht schwer reparablen 
Anämie die Folge sein könnte. Ein italienischer Röntgenologe, Tira- 
boschi, der es prinzipiell verschmähte, sich vor den Strahlen zu 
schützen, ist an einer schwersten »plastischen Anämie zugrunde gegangen. 

Hr. Lorenz: Zu den Ausführungen des Herrn Minkowski möchte 
ich hinzutügen, dass ich ausser dem von ihm zitierten Fall von Poly¬ 
zythämie nach grösseren Blutverlusten noch von einem zweiten ähnlichen 
berichten kann. Ich bin es selber. 


Als juDger Assistent habe ioh bei wiederholten Blutuntersuebungen 
bei mir stets ein normales Blutbild festgesteilt; Bämoglobin um 94pCt., 
Erythrozyten 4*4—5 Millionen, Leukozyten 7—8000 bei normaler Ver¬ 
teilung. Ich habe dann im Jahre 1916 im Allerheiligen-Hospital wieder¬ 
holt Blut abgegeben zur Behandlung perniziöser Anämien. Mitte 1916 
kam ioh ins Feld, Anfang 1917 an das Festungslazarett Posen. Hier 
nahm ich bei einem geeigneten Fall von perniziöser Anämie meine 
BebandlungsverBuche mit Blutübertragung im Februar 1917 wieder auf. 
Als ioh zu Anfang der Behandlung mein Blutbild bestimmen liess (etwa 
s / 4 Jahr naoh der letzten Blutabgabe), fanden sioh 105 pCt. Hämoglobin, 
5—6 Millionen Erythrozyten, 4000—5000 Leukozyten bei normaler Ver¬ 
teilung. Ich gab dann lange Zeit hintereinander Blut ab; auch nooh 
an einen zweiten Patienten mit perniziöser Anämie vom Oktober 1917 
bis April 1918, der im ganzen von mir 400 com Blut erhielt. Als ioh 
bald nach Beendigung dieser Behandlung meinen Blutstatus bestimmte, 
fand ich etwa 94 pCt. Hämoglobin, 4V* Millionen Erythrozyten, 4000 Leuko¬ 
zyten bei normaler Verteilung. Ich kam dann wieder ins Feld und 
1918 an das Allerheiligen-Hospital zurüok, wo ioh März 1919, also etwa 
10 Monate nach der letzten Blutabgabe, von neuem meinen Blutstatus 
bestimmte, da ioh wieder einen Fall von schwerer Anämie mit Blut¬ 
übertragung behandeln wollte. Ich fand 115 pCt. Hämoglobin, nahezu 
7 Millionen Erythrozyten, Leukozyten (etwa 3000—4000) bei normaler 
Verteilung, loh habe dann im Laufe von 3 Monaten an meinen 
Patienten 450 com Blut angegeben. Nachdem ioh vor einer Woohe 
diese Behandlung abgeschlossen habe, ist mein Blutbild nunmehr das 
folgende: 

Hämoglobin 101 pCt., Erythrozyten 5 1 /* Millionen, Leukozyten 4200, 
Polynukleäre 52 pCt., Lymphozyten 88 pCt, Uebergangsze 1 len 6 pCt., 
Eosinophile 4pCt. 

2. Hr. Dreyer: Hnfterkranknig. 

Der Fall, den ich hier vorstellen möohte, betrifft einen 15 jährigen, 
von gesunden Eltern abstammenden Dienstjungen. Vor 2 Jahren wurde 
er 8 Tage lang wegen angeblichem Rheumatismus in der rechten Hüfte 
im Krankenhaus zu Neisse behandelt. Dann ging es ihm gut, bis vor 
einem Jahre Hinken und Schmerzen in der rechten Hüfte auftraten, die 
stellenweise so stark wurden, dass der Pat. vorübergehend nicht laufen 
konnte. 

Der Befund ergibt (Demonstration): Gang leioht hinkend reohts. 
Bei der Abspreizung bleibt das rechte Bein betTäohtlich zurück. Beim 
Stehen auf einem Bein wird, wenn das rechte Bein das Standbein ist, 
das Becken nicht ganz so gut aufgerichtet als umgekehrt beim Stehen 
auf dem linken Bein. Die Aussenrotation ist rechts gleich links, da¬ 
gegen , die Innenrotation rechts etwas eingeschränkt. Die Adduktion 
reohts gleiob links und ebenso die Flexion. Streckung ebenfalls regel¬ 
recht. Das Bein steht in Mittelstellung zwischen Ab- und Adduktion. 
Geringe Atrophie der Oberschenkelmuskulatur. Krepitation bei Be¬ 
wegungen im Gelenk und Stauchschmerz fehlen. 

Das Röntgenbild zeigt schwere Veränderungen an Kopf und Pfanne, 
so dass es aussieht, als ob die einander zugekehrten Gelenkflächen in 
erheblichem Maasse zerstört seien. 

Wenn man sioh die Anamnese vergegenwärtigt und das Röntgen¬ 
bild ansieht, so ist der erste Gedanke der an Coxitis tuberculosa, aber 
bei weiterem Eingehen auf den klinischen Befund ergeben sich sofort 
Tatsachen, die mit dieser Annahme nicht in Einklang zu bringen sind. 
Das Auffallendste ist das Missverhältnis zwischen der auf dem Röntgen- 
bilde zu vermutenden schweren Zerstörung der Gelenkenden einerseits, 
der verhältnismässig guten Rotation, Adduktion und vorzüglichen Beuge- 
mögliobkeit sowie der Abwesenheit jeglichen Schmerzes bei Stoss des 
Kopfes gegen die Pfanne andererseits. 

Es bandelt sich hier um ein Krankheitsbild, das, wenn auch.schon , 
früher hier und da beobachtet, doch erst von Perthes klar und scharf 
Umrissen und von ihm mit dem Namen „Osteochondritis deformans coxae“ 
belegt wurde; allerdings ist wohl richtiger Osteoarthritis anstatt 
-ohondritis, da der Gelenkknorpel, wie sioh bei Operationen erwies, 
intakt bleibt. Ueber die Aetiologie des Leidens sind die Akten noch 
nicht geschlossen. Bemerkenswert erscheint, dass Küttner das Leiden 
in 3 Generationen beobachtete. In manchen Fällen ähneln die Er¬ 
scheinungen sehr denen der Coxa vara, was Levy veranlasst©, für die 
Erkrankung den Namen „Coxa vara capitalis“ vorznsohlagen. 

Was die Behandlung anbelangt, so kommt für die leichteren Fälle 
Schonung des Gelenks durch mehrstündiges Ruhen am Tage, Massage 
und Abduktionsübungen, für mittelsohwere Streckverband in Abduktions¬ 
stellung und für die ganz schweren Fälle Beseitigung der Adduktions¬ 
kontraktur und Ein gipsen in Narkose in Frage. 

Die Prognose des Leidens ist nach den bisherigen Erfahrungen 
durchaus günstig. Die praktische Bedeutung der Erkrankung liegt darin, 
dass sie vielfach mit tuberkulöser Hüftgelenksentzündung verwechselt 
wird, und ein grosser Teil der mit so überraschend guter Funktion aus¬ 
geheilten „tuberkulösen“ Hüftgelenksentzündungen ist sicher auf das 
Konto der hier vorliegenden Erkrankung zu setzen, es waren dies in 
Wirklichkeit gar keine Koxitiden tuberkulöser Aetiologie. 

Aussprache. 

Hr. Rieh. Levy erörtert die nahen Beziehungen, die zwischen der 
vorgestellten Krankheit und der Coxa vara bestehen. Die klinisoben 
Erscheinungen sind fast völlig die gleichen, bei beiden Erkrankungen 
kommt ein kontraktes Stadium vor, das nur die Rotation freilässt, und 
schliesslich können die Endausgänge Veränderungen vollkommen analoger 


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22 . September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


911 


Art am Hüftkopf und Schenkelhals bedingen. Aus diesem Grund hat Redner 
schon ?or 8 Jahren den Namen Goza vara oapitalis vorgeschlagen, 
da hier die Deformierung vom Kopf ausgeht, im Gegensatz zur Coxa 
Tara oervicalis bei der statischen und Coxa vara troobanterica bei der 
rhaohitisohen Coxa vara. Die Bezeichnung Osteochondritis oder Osteo¬ 
arthritis ist unzweokmässig, da keine Gelenk- oder Knorpelentzündung 
nachweisbar ist. 

Der Ausgang der Erkrankung ist meist günstig durch Uebergang 
zur Norm, vereinzelt bleiben aber starke Deformierung des Kopfes und 
Verbiegung des Schenkelhalses zurück. 

3. Hr. Uhthoff berichtet über 2 Fälle von externem paralytischen 
Einwirtsschielen und stellt die Patienten vor. Bei der einen Pat. be¬ 
steht diese hochgradige Einwärtsstellung nur links, so dass die Kornea 
im inneren Augenwinkel fast ganz verschwindet. Das schielende Auge 
war hochgradig myopisoh. Die Operation (Vernähung des Externus und 
Tenotomie des lnternus> soll demnächst vorgenommen werden. 

Die zweite, von Herrn Günsberg überwiesene Pat. batte diesen ex¬ 
tremen Sohielgrad auf beiden Augen, so dass beide Hornhäute im inneren 
Augenwinkel last völlig versohwanden und Pat. sich kaum noch allein 
führen konnte. Es bestand eine Myopie von — 14 D. beiderseits, und 
die langen einförmigen Bulbi waren völlig quergestellt (Demonstration 
der Abbildung). Auch hier wurde beiderseits die Vernähung des Ex-, 
ternus in die Rüoklagerung des Internus ausgeführt. Die Operationen 
mussten aber beiderseits wiederholt werden, da der ursprüngliche 
Operationseffekt wieder zurüokging. Redner sieht den Grund für diesen 
Rückgang des Operationseffektes in einer starken Kontraktur des Reet, 
superior und inferior, und so wurden bei der zweiten Operation auoh 
diese Muskeln gleichzeitig zurüokgelagert, wodurch es gelang, einen be¬ 
friedigenden Erfolg zu erzielen, wie ihn die Pat. jetzt bietet. Redner glaubt, 
dass die Verlängerung der hochgradig myopischen Bulbi wesentlich dazu 
beigetragen hat, die völlige Querstellung der Bulbi herbeizulühren. Mit 
das schwierigste Moment der operativen Behandlung lag in der schwierigen 
Erreichbarkeit des Sehnenansatzes der stark kontrakturierten Recti interni. 
Redner hat nur einmal einen ähnlichen hochgradigen Fall von paralytischem 
Einwärtsschielen mit Erfolg operiert, wo nach Basalfraktur des Schädels 
und kompletter doppelseitiger Abduzenslähmung ein so hochgradiges 
Einwärtsschielen zustande gekommen war. 

4. Hr. Frank demonstriert Blatpräparate von Pnrpira variolosa, 
deren Charakteristisches der hochgradige Mangel an Granulozyten und 
Blutplättchen, die auffallend starke absolute Lymphozytose mit reich¬ 
licher Plasmazellenbildung sowie das Auftreten von sehr zahlreichen 
Myelozyten und Normoblasten ist. 

Aussprache. 

Hr. Henke: loh habe vor einiger Zeit das Obduktionsergebnis eines 
zunächst zweifelhaften Falles von Purpura variolosa zu untersuchen 
Gelegenheit gehabt. Die Diagnose, dass wirklich Variola vor lag, wurde 
nachher dadurch sicher, dass eine zweite Person sich angesteokt hatte. 
Aber auch am Leiohenmaterial, bei der Untersuchung der Haut, die 
makroskopisch keine Spur von Variolabläschen aufwies, sondern nur 
diffuse Hämorrhagien, konnten wir die Diagnose stellen durch dfen mikro¬ 
skopischen Nachweis von beginnenden Variolabläschen mit ihrem charakte¬ 
ristischen fächerigen Bau. Das scheint mir für zweifelhafte Fälle — 
auoh hier war möglicherweise an einfaohe Purpura gedacht worden — 
von klinischer Bedeutung zu sein: man könnte, wie beim Fleckfieber 
nach E. Fränkel, durch Exzision kleiner Hautstückchen die Diagnose 
siohern. 

Besonders ausgedehnt waren in dem von mir beobachteten Sektions¬ 
fall massige Blutungen in die Submukosa des Zökums, das dadurch 
ein direkt tumorähnliches Aussehen hatte und dessen Lichtung ausser- 
ordentlioh eingeengt war (Demonstration des Präparats). 

Hr. Rudolf Schlesinger: Wir haben im Wenzel Haneke Kranken¬ 
haus zurzeit einen Fall von Purpura variolosa, bei dem wir täglich das 
Blut untersuchen. Die Prozentzahlen der einzelnen Zellformen kann 
ich heute nicht angeben. Herr Bender wird über die Befunde 
noch ausführlich berichten. Aber auch wir fanden zahlreiche Plasma¬ 
zellen (Türok’sobe Reizungsformen), Myelozyten und auch viele grosse 
Mononukleäre. Bei den roten Blutkörperchen fanden wir die Verände¬ 
rungen der schweren Anämie: kernhaltige Formen, meist Normoblasten, 
ferner polychromatophil und basophil punktierte Erythrozyten. Mit 
diesen Befunden stimmen die absoluten Zahlen überein, die betrugen: 
am 28. V. 4 140 000, am 29. V. 2 620 000, am 30. V. 2 500 000 Erythro¬ 
zyten; die Leukozytenzahl betrug am 28. V. 7100, am 29. V. 11000, 
am 30. V. 9200, also eine mässige Leukozytose. 

Auoh klinisch zeigt die Pat. die geschilderten Symptome: keine 
typisohe Pustelbildung, profuse Metrorhagien und Nasenbluten. 


Aerztlicher Verein zu Frankfurt a. M. 
Ausserordentliche Sitzung vom 31. März 1919. 

Hr. Embden*. Ueber die Bedeutung der Phosphorsftnre für die 
Muskeitütigkeit. 

Die Engländer Fletcher und Hopkins zeigten im Jahre 1907, 
dass die Tätigkeit eines Muskels mit Milohsäurebildung verbunden ist. 
Vortr. konnte 1904 naohweisen, dass die Milohsäure ein Abbauprodukt 
der Kohlehydrate ist. Frischer Muskelpresssaft besitzt die Fähigkeit, 


Milchsäure zu bilden, die Milohsäurebildung ist stets mit der molekularen 
Menge Phosphorsäure verbunden. Die Kohlehydrate im Muskel müssen 
erst mit Phosphorsäure verbunden sein, am abgebaut werden zu können. 
Das vom Vortr. so benannte Lactaoidogen bildet sich aus Zucker und 
Phosphorsäuie, die schnell ansprechenden Muskeln enthalten besonders 
viel davon. Bringt man im Eisschrank gehaltene Frösche (Winterfrösche) 
in wärmere Temperaturen (Sommerfrösche), so beobachtet man ein deut¬ 
liches Ansteigen des Lactacidogengehaltes der Muskeln, es schwindet 
also im Winter bei Kalttieren, häuft sich dagegen im Sommer an, wäh¬ 
rend sich das Glykogen umgekehrt verhält. Das Herz als langsamer 
Muskel enthält uur Spuren von Lactacidogen, dagegen sehr grosse 
Mengen von Restphosphorsäure. 

Die Frage, ob man eine Einwirkung der Muskeltätigkeit auf den 
Phosphorsäurestoffweohscl beobachten kann, muss dahin beantwortet 
werden, dass starke Muskeltätigkeit den Lactacidogengehalt mindert; 
z. B. zeigten Hunde, die mit Strychnin iu einen Krampfzustand versetzt 
worden waren, eine deutliche Verminderung ihres Lactaoidogengehalts; 
ebenso trat am Menschen bei Muskeltätigkeit eine vermehrte Ausschei¬ 
dung von Phospborsäure auf, da sich das Lactacidogen sehr leicht in 
Phospborsäure und Milchsäure zersetzt. Die weitere Frage, ob man 
eine Einwirkung der Phospborsäure auf den Muskel beobachten kann, 
muss dahin beantwortet werden, dass bei Darreichung vou Phosphaten 
die Muskeltätigkeit ausserordentlich gesteigert wird. Versuche im grossen 
bei einer Feldtruppe zeigten einen sehr markanten Unterschied zwischen 
einem Bataillon, das einen Soheintrank erhielt und einem mit Phosphat¬ 
trank; die Marschleistungen waren viel grösser, das Schwitzen trat in 
viel geringerem Grade auf. Als Nebenwirkungen wurden eine leicht 
äbführende Wirkung sowie eine psychisch stark anregende beobachtet, 
ln einer Munitionsfabrik stieg die Produktion im Mai und Juni 1917, 
also zur Zeit der schlechtesten Ernährung, bei Darreichung eines 
Phosphattrankes um 26pCt.; ebenso zeigte sich ein sehr starkes An¬ 
schwelten der B’ördertätigkeit in Kohlengruben. Der Wasserbedarf der 
Arbeiter in den Gruben ging sehr stark zurück, da sie viel weniger 
schwitzten. Bei Phosphatschokolade trat Euphorie, Frische und ge¬ 
steigerte Arbeitsfähigkeit auf. Das Phosphat darf nicht in den Nach¬ 
mittagsstunden gegeben werden, auoh nicht bei Neurasthenie, da hier 
Verschlechterung aultritt. 

Aussprache. 

Hr. v. Noorden: Er möchte den Phosphor bei bestimmten Gruppen 
nicht mehr entbehren, bei Abgespannten und Uebermüdeten ist die 
Wirkung vortrefflich. Man kann bis 5 g primäres Natrium pbosphor. 
geben; bei langsamem Zurückgehen treten keine Abstinenzerscheinungen 
auf. Bei Basedow keine Erfolge, auch nicht bei Diabetikern. Unter 
den Nahrungsmitteln enthält die Kleie viel Phosphor, sie sollte daher 
mehr als bisher verwendet werden. 

Hr. Kalb er Iah: Phosphornatrium zeigte am Eigenversuoh bei 
grosser Erschöpfung (2—3 g) sehr guten Erfolg. Bei subjektiven Ohr¬ 
geräuschen war die Wirkung sehr gut und prompt. Kein Erfolg bei 
organischen Gehirn- und Rüokenmarkskrankbeiten, ebensowenig bei 
depressiven Zuständen. Dagegen sehr guter Erfolg bei Erschöpfungs¬ 
zuständen. 

Hr. Bethe: Beim Frosohmuskel in Ringerlösung oder in Ringer¬ 
lösung, dem viel Phosphat zugesetzt ist, fällt der Versuch zugunsten 
des Phosphatgemisches aus (bis 65 pCt.). 

B. Valentin-Frankfurt a.* M. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die Herbstferienkurse der Dozentenvereinigung für ärzt¬ 
liche Ferienkurse in Berlin finden vom 6. Oktober bi3 1. November statt. 
Daneben wird an den Abenden eine Vortragsreihe über „Kriegsernährung 
und ihre gesundheitlichen Folgen* veranstaltet. Ferner wird ein Gruppen¬ 
kurs über „Krankheiten des Herzens und des Gefässsystems“ vom 29. Sep¬ 
tember bis 4. Oktober stattfinden. Die Verzeichnisse werden auf 
Wunsch durch die Geschäftsstelle, NW. 6, Luisenplatz 2—4 (Kaiserin 
Friedrich-Haus), zugesandt. . 

— Der Nervenarzt Dr. Toby Cohn und der Spezialarzt für Ohren-, 
Nasen und Halskrankheiten, Dr. Fritz Grossmann in Berlin haben 
den Professortitel erhalten. Ferner sind Dr. Caro, dirigierender Arzt 
am jüdisohen Krankenhause in Posen, und Dr. K. Markus zu Professoren 
ernannt worden. 

— Für die Vorarbeiten zur Ueberwachung des Gesundheits¬ 
wesens der beim Wiederaufbau in Frankreich beschäftigten 
deutschen Arbeiter hat sich eine Kommission gebildet, der Vertreter des 
Sanitätsdepartements des Kriegsministeriums, des Leipziger Verbandes, 
der Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, des Vereins 
kriegsgesebädigter Aerzte, der sozialdemokratischen Aerztesch&ft, des 
ArbeiterBamariterverbandes angehören. Es ist beabsichtigt, für je 
1000 Mann einen Arzt und einen Hilfsarzt anzustelleD. Die Aerzte 
sollen bei freier Verpflegung etwa 1000 M. Honorar im Monat erhalten. 
Endgültige Beschlüsse sind jedoch noch nicht gefasst. 

— Nachdem durch den Reichsminister des Innern ein dritter Nach¬ 
trag zur Deutschen Arzneitaxe 1919 herausgegeben worden ist, 
bestimmt der Minister für Volkswohlfahrt, dass dieser Naohtrag mit 
Wirksamkeit vom 1. September 1919 ab für das preussische Staatsgebiet 


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912 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88 


in Kraft tritt Die bisherigen Nachtragsbestimmungen sur Deutschen 
Arzneilaxe 1919 verlieren damit ihre Gültigkeit. Die amtliche Ausgabe 
des dritten Nachtrags erscheint im Verlage der Weidmann’sohen Buch¬ 
handlung in Berlin SW. 68, Zimmerstr. 94. 

— Am I. Oktober d. J. ist Herr Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rein¬ 
hold 25 Jahre Direktor des städtischen Krankenhauses I in Hannover 
und Oberarst der medizinischen Abteilung desselben, Herr Geh. Med.-Rat 
Prof. Dr. Schlange Oberarzt der chirurgischen Abteilung desselben. 

— Nach einem Beschluss der preussischen Staatsregierung werden 
vom 1. September ab die Geschäfte der Medizinalabteilung des 
Ministeriums des Innern und des Staatskommissars für das 
Wohnungswesen von dem Ministerium für Volkswohlfahrt er¬ 
ledigt. 

— In der Zeit vom 27.—29. Septembei findet in Eisenach der 
41. deutsche Aerztetag statt. Es is folgendes Programm vorgesehen: 
Unsere Stellung zu den Krankenkassen (Hartmann), Zur Sozialisierung 
des Heilwesens (Mugdan), Die sozialhygienischen Aufgaben (Krautwig), 
Wahl de 9 Gdschättsaussohusses, Kassenbericht des Generalsekretärs und 
Eotlastungserteilungen, Festsetzung des Bundesbeitrages für 1920, Die 
Bekämpfung der Kurpfusoherei (Herzau), Die Neuordnung des medi¬ 
zinischen Unterriohts (Schwalbe), Das Abkommen mit dem Unfall- 
versicberungt» verband (Henius), Bericht über die Versioherungskasse der 
Aerzte Deutschlands, Wahl der Kommissionen. 

— Der Ausschuss des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung 
der Tuberkulose versendet soeben ein Rundschreiben an seine Mitglieder 
mit der Bitte, eine Reihe von wissenschaftlichen Fragen, die auf der 
nächstjährigen Tagung zur Verhandlung kommen sollen, in Arbeit zu 
nehmen. Es handelt sich dabei hauptsächlich darum, möglichst reich¬ 
haltige zahlenmäßige Unterlagen zu gewinnen; hierfür wird die Mitarbeit 
aller an der Tuberkuloseforsohung und -bekämpfung beteiligten Stellen, 
insbesondere der Krankenanstalten und Fürsorgeutellen notwendig sein. 
Das gesammelte Material soll spätestens im Laufe des Januar 1920 bei 
der Geschäftsstelle des Deutschen Zentralkomitees (ab 1. Oktober 1919 
Berlin W., Königin-Augustastr. 7) eingehen,von hier wird es den betreffenden 
Ausschussmitgliedern, die sich bereit erklärt haben, auf der nächsten 
Tagung über die betreffenden Gegenstände zu referieren, sur Durch¬ 
arbeitung zugesandt. E9 sind folgende Fragen in Vorschlag gebracht« 
1. Die Einwirkung der Kriegsverletzungen auf Entstehung und Verlauf 
der Lungentuberkulose. 2. a) Inwieweit ist eine Zunahme der Tuber¬ 
kulose unter den Kindern und Jugendlichen infolge der Kriegs Verhält¬ 
nisse festzustellen? b) Welohen Anteil an dieser Zunahme haben die 
Neuansteokungon ? 8. Die Zunahme der Tuberkuloserkrankungen beim 
weiblichen Geschlecht und ihre Ursachen. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsohes Reioh (81. VIII. 
bis 6. IX.) 25. Ungarn (14.—20. VII.) 5. Fleckfieber: Deutsches 
Reioh (81. VIII.—6. IX.) 10. Genickstarre: Preussen (24. bis 
80. VIII.) 7 und 8+. Ruhr: Preussen (24.—80. VIII.) 532 und 66 f. 
Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen .starb an Scharlach in Buer, 
Diphtherie und Krupp in Berlin-Lichterfelde, Typhus in Elbing. 

(Veröff. d. Reichs- Ges.-Amts.) 

< Hoohschulnachrichten. 

Berlin: Prof. L. Michaelis wurde nach Lund als Ordinarius für 
physiologische Chemie berufen. — Bonn: Der bisherige ordentliche 
Professor der Kinderheilkunde in Strassburg, Salge, wurde für das' 
Faoh der Kinderheilkunde berufen. — Frankfurt: Prof. Loos, bisher 
in Strahsburg, wurde zum Direktor des zahnärztlichen Instituts ernannt. 
— Marburg: Prof. Magnue geht als ao. Professor und Oberarst der 
chirurgischen Klinik nach Jena. — München: Habilitiert: DDr. Schede 
(Orthopädie) und Jehn (Chirurgie). — Innsbruck: Privatdozent Dr. 
Haberlandt wurde zum ao. Professor für Physiologie ernannt. 

Wir bitten sur Vermeidung von Nachsendungen alle redaktionellen 
Briefe, wenn sie an einen der Herausgeber persönlich gerichtet sind, 
mit dem Vermerk „Redaktionaangelegenheit“ oder dergl. versehen 
zu wollen. Prof. Dr. Hans Kohn ist bis Mitte Oktober verreist. Geh. 
Rat Posner von der Reise zurück. Redaktion. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Ernennungen: Bisherig. Priv.-Doz. Dr. Straub in.München s. ao. Prof, 
in d. medisin. Fakult. d. Uoiversit. in Halle a. S.; Arzt Dr. W. Ammen¬ 
häuser in Potsdam z. Kreisassistenzarst daselbst, unter Ueberweis. 
an d. Vorsteher d. dortig. Mediz. Untersuchungsamts als Assistent d. 
Anstalt; Arzt Dr. F. Kreuser in Saarbrücken z. Kreisassistenzarzt 
daselbst, unter Ueberweis. an d. Kreisarzt d. Stadt- u. Landkreises 
Saarbrücken. 

Niederlassungen: H. Schlicht in Gross Tyohow (Kr. Beigard), Dr. 
Artur Moses, Dr. Friedr. Wendt und Dr. Georg Eckstein in 
Kolberg, Dr. B. Rogalla in Stolp i. Pomm., Otto Jacobi in Greifs¬ 
wald, Rud. Hacker in Gützkow (Ldkr. Greifswald), Paul Thiele in 
Lassan (Ldkr. Greifswald), Dr. G. Adolphi in Schönlanke (Kr. Czar- 


nikau), E. Augstein in Bromberg, Dr. M. Jeruohem in Unruhstadt 
(Kr. Bomst), Dr. Hans Eckstein, Alois Ziegler, Dr. L. Mandel, 
H. Sehmeil, B. Sackmund, Dr. L. Münz, Werner Zinrmermann, 
Dr. B. Mohry, Dr. H. Bratke, Dr. R. Korbsoh, Dr. Alfred Lands¬ 
berger, Dr. G. Wunsohik und Dr. E. Büohler in Breslau, Dr. 

K. Frömsdorf in Landeok (Kr. Habelsohwerdt), G. Klimke in Frey¬ 
stadt i. Sohl., Dr. K. Habermann in Magdeburg, Dr. G. Elz in 
Gommern (Kr. Jeriohow I), W. Hegemann in Görzke (Kr. Jeriohow I), 
0. Wisoheropp io Biedwitz (Kr. Jeriohow 1), Dr. Friedr. Rabe in 
Gross Ammeosleben (Kr. Wolmirstedt), Dr. J. Cäsar in Wolfen (Kr. 
Bitterfeld), W. Liebig in Bibra (Kr. Eokartsberga), Dr. Paul Lindner 
in Falkenberg (Kr. Liebenwerda), Dr. Karl Müller und Dr. W. Klemm 
in Kosen, Dr. H. Fraass und Dr. Otto Lange in Zeitz, Dr. J. Tapp- 
rogge, Dr. H. Maohwitz, K. Zeiss, Dr. Margarete Ahrenholz 
und Ob.-St.-A. a. D. Dr. Fritz Becker in Halle a. S., Dr. M. Rohde, 

G. Hausskneoht und Dr. H. Kaliebe in Erfurt, Dr. F. Bode in 
Lütgeneder (Kr. Warburg). 

Verzogen: Dr. R. Kronenberg von Breslau naoh Zülz (Kr. Neu¬ 
stadt 0. S), Dr. Heribert Hartmann von Oppeln naoh Königs¬ 
hütte, Dr. 0. Gaebler von Oppeln nach Böbrek (Ldkr. Beuthen), 
Dr. U. Rohn er von Danzig naoh Oppeln, Alfred Thiel von 
Breslau nach Ratibor, J. Bartetzko von Zembowitz nach Gutten- 
tag (Kr. Lublinitz), Dr. G. Kohrt von Gross Munzel naoh Wunstorf 
Kr. Neustadt a. R.), Dr. E. Buohwald von Chateau Salins naoh 
Gehrden (Kr. Linden), Dr. W. Brauns von Heubude nach Pattensen 
(Kr. Springe), F. Spangenthal von Cassel, Dr. F. Lonne von Dort¬ 
mund und Dr. J. Thomson von Bonn nach GöttiDgen, H. Oster- 
muth von Leisnig i. Sa. naoh Vienenburg (Kr. Goslar), San.-Rat 
0. Mönkemöller von Langenhagen nach Hildesheim, Dr. Th. Frepsel 
von Hamburg naoh Lüneburg, Dr. K. Löwenhaupt von Hamburg 
nach Harburg, H. Wietfeldt von Bremerhaven naoh Geestemünde, 
Dr. J. Buschmann von Bremen naoh Verden, Dr. H. Broking von 
Stift Quernheim naoh Berge (Kr. Bersenbrück), Dr. J. Reme 16 von 
Leipzig nach Osnabrück, Dr. Alfred Schmidt von Warstein, Dr. 
Bernhard Baumann von Ruppertshain und Charlotte Cauer von 
Dortmund naoh Münster i. W., Dr. M. Gereon von Freiburg naoh 
Bielefeld, Dr. P.Stuokhard von Leverkusen nach Heepen (Kr. Bielefeld). 
St.-A. Dr. K. 0. Grüne von Königsberg naoh Braunsberg, Dr. Hel- 
muth Pierson und Dr. Hanna Pierson von Königsberg nach Cranz, 
Dr. W. Hilgers von Leipzig nach Königsberg i. Pr., Dr. P. Cabanis 
von Henningsdorf, Lisa Gräfin Mandelsloh geb. Pietsch von Ham¬ 
burg, Dr. H. Witkopp von Paderborn und E. v. Zalewski von 
Breslau nach Berlin, Dr. Simon Aron, Dr. Alfred Caro, Dr. 
R. Rimbach und H. Schiler von Berlin naoh Charlottenburg, Dr. 
M Brustmann, Dr. Fritz Lesser und Dr. 0. Michelssohn von 
Charlottenburg, San.-Rat Dr. Siegfried Jakoby von Berlin-Schöne¬ 
berg, Dr. Moritz Landau von Neuenahr, Dr. A. Osmanski von 
Berlin-Friedenau, Dr. L. Seybert und Dr. Ernst Simmel von Berlin 
sowie Dr. Friedr. Simon von Müllrose nach Berlin-Wilmersdorf, Dr. 
Anna Chop von Berlin naoh Jena, Dr. 0. Ihl von Charlottenburg 
naoh Bad Kissingen, Dr. Auguste Rath von Charlottenburg nach 
Heilbronn, Dr. F. Sauerland von Berlin-Wilmersdorf naoh Hamburg, 
Dr. A. Sonntag von Berlin nach Güstrow i. Meokl., San.-Rat Dr. 

H. Weisshaupt von Berlin naoh Plau i. Meokl., Karl Miller von 
Riedlingen naoh Berlin-Pankow, Dr. H. Wortmann von Berlin naoh 
Werne (Kr. Lüdinghausen), Dr. F. Marohand von Heidelberg naoh 
Herford, Dr. W. Kühnemann von Düsseldorf naoh Rödinghausen 
(Kr. Herford), Dr. R. Heidenheim von Münster und Dr. Reinhold 
Neu mann von Berlin nach Bad Oeynhausen, H. B. Feucht von 
Leipzig nach Bad LippspriDge, Dr. J. Weitmeyer von Hamburg 
nach Herzebrock (Kr. Wiedenbrück), Dr. Heinr. Günther von Güters¬ 
loh nach Braokwede (Ldkr. Bielefeld), Dr. L. Jürgens von Beckum 
nach Potsdam, Dr. H. Hänert von Jena nach Prenzlau, Dr. Alb recht 
Winkler von Berlin naoh Zehlendorf (Kr. Teltow), Dr. H. Tegt- 
meyer von Neuhaus a. Rennsteig naoh Sternberg (Kr. Oatsternborg), 
Dr. H. Sikorski von Breslau naoh H>hensalza, Dr. A. Angerer von 
Biyruth und Dr. H. Seng von Heidelberg naoh Breslau, Dr. Y. 
Schmeidler von Konstadt nach Altheide (Kr. Glatz), Dr. E. Weyer 
von Aurioh naoh Landeck (Kr. Habelsohwerdt), Hugo Mix von Neu 
Skalmiersohütz nach Striegau, Dr. A. Pätzold von Berlin naoh Lieg¬ 
nits, Dr. Erich Lukas von Berlin-Liohterfelde naoh Stendal, Dr. H. 
Stendemann von Blankenese nach Bismarok (Ldkr. Stendal), Dr. 

, F. Toeplits von Bismarck naoh Mannheim, Dr. A. Spiess von 
Scbmiedeberg i. R. nach Magdeburg, San.-Rat Dr. K. J. Hein von 
Kötzsohlitz nach Zeitz. 1 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. Friedr. Göbel 
von Koblenz, Dr. H. Blumberg von Ochtendung (Kr. Mayen), 

L. Spiokernagel von Ohligs (Kr. Solingen). 

Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. Alfred Neisser und Prof. Dr. Herrn. 
Oppenheim in Berlin. Geh. San.-Rat Dr. Jonas Neumann in Ohar- 
lottenburg, San.-Rat Dr. R. May in Zielenzig, San.-Rat Dr. Enno 
Arends in Juist (Kr. Norden). 


Fflr dl« Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Htm lohn, Berlin W«, Bayranther8tr.4L 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin MW. 7, — Druck von L. Sohumaeher in Berlin M. 4. 


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Die Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Monte# in Nummern tob etwe S—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 10 Merk. Bestellungen nehmen 
eile Buehhendlnngen nnd Postenstelten en. 


BERLINER 


.Alle fibieendnngen Air die Bedektion and fixpnditlon 
wolle men portofrei en die Yerlegsbaohhendlang 
August Hirschweid, Berlin NW., Unter den Linden 68* 
adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posier und Prot Dr. Hais Kohl Aagost Hirschwald, Verlagsbaehhandloog ii Berlin. 

Montag, den 29. September 1919. JV2 39. SechsondfÜnfzigster Jahrgang. 


I N H 

Originalton: Bruhns und Löwenberg: Ueber Silbersalv&rsanD&trium 
und die Dosierung des Salv&rsaus nebst Mitteilung eines Falles 
von Encephalitis haemorrhagica naeb NeosalYarsan. (Aus der 
dermatologischen Abteilung des Charlottenburger städtischen 
Krankenhauses.) S. 913. 

Bergei: Beiträge sur Biologie der Lymphozyten. (Illustr.) S. 915. 

Zuelser: Ein Kanstem für Oberarmamputierte. (Illustr.) S. 919. 

Japha: Krieg und Rachitis. (Aus Dr. H. fteumanns’s Kinderhaus 
[Berlin].) S. 921. 

Alker: Ueber die Lupine als menschliches Nahrungsmittel. (Aus 
der medizinischen Abteilung B des Allerheiligen-Hospitals su 
Breslau [Primararzt: Prof. Dr. Forsohbacb].) S. 829. 

BfteherbMpreehungeM : Vom Altertum zur Gegenwart. (Bef. P.) 

S. 925. — y. Ziemssen’s Rezepttasohenbueh für Klinik und Praxis. 

S. 926. Fränkel: Die Arzneimittelsynthese auf Grundlage der 


Aus der dermatologischen Abteilung des Charlotten¬ 
burger städtischen Krankenhauses. 

Ueber Silbersalvarsannatrium und die Dosierung 
des Salvarsans nebst Mitteilung eines Falles von 
Encephalitis haemorrhagica nach Neosalvarsan. 

Yon 

Prof. C. Brohl* und Dr. Löweiberg, Assistenzarzt. 

I. 

An unserer Abteilung wird Silbersalvarsannatriam, welches 
ans das Georg Speyer-Haus freundlichst sur Verfügung stellte, seit 
Ende November v. J. angewandt. Bis Anfang Juli 1919 erhielten 
107 Patienten (62 männlich, 45 weiblich) zwischen 900 und 
1000 lojektiooen. Es bandelte sich um 22 seronegative, 16 sero- 
positive Primäraffekte, 64 Lues II manifesta, 4 Lues III, davon 
2 latens nnd 2 manifesta, nnd 1 beginnende progressive Paralyse. 

Mit 12 Injektionen in Zwisohenräumen von 3—4 Tagen verabreichten 
wir eine Gesamtdosis von 2,4—2,6 g, nur sehr wenige Male darüber. 
Auf der Männerabteilung wurde in den letzten Monaten lmal 0,1, 5 mal 
0,2, 6mal 0,25 gegeben. Bei Frauen gaben wir 4mal 0,15, 4mal 0,2, 
4 mal 0,25. Von der anfangs einige Male verabfolgten Dosis 0,3 wurde 
bald Abstand genommen, nachdem danach häufiger und unangenehmere 
Nebenerscheinungen auftraten als naoh den sohwäoberen Dosen, und mit 
letzteren gute Erfolge erzielt waren. 

Die Lösung des Silbersalvarsans geschah in 10 com 0,4 proz. steriler 
Kochsalzlösung, danaoh erfolgte weitere Verdünnung mit frisch sterili¬ 
siertem destillierten Wasser. Als die vorteilhafteste Verdünnung ergab 
sieh uns 0,1 in 20 ccm, 0,15 und 0,2 in 30 com, 0,25 in 40 oom. Da¬ 
neben haben wir aber immer wieder versucht, mit Rücksicht auf die 
Bequemlichkeit der Einspritzung jede der 4 Dosen gelöst in 20 com 
frisch sterilisiertem destillierten Wasser zu verabfolgen, und wir haben 
in letzter Zeit bei recht langsamer Einspritzung keine erhebliohen 
Störungen bei dieser Konzentration gesehen. Auch wir wollen noeh 
einmal darauf aufmerksam machen, dass das Mittel unbedingt voll¬ 
kommen aufgelöst, die Einspritzung selbst wie gesagt langsam vorge¬ 
nommen werden muss (Optimum 2 Minuten). Es muss unbedingt in die 
Vene injiziert werden, kleinste Mengen des Präparates, die ins perivenöse 


ALT. 

Beziehungen zwischen ohemisohem Aufbau und Wirkung. (Ref. 
Joaohimoglu.) S. 926. — Nocht und Mayer: Die Malaria. (Ref. 
Munk.) S. 926. 

Literatur - Auszüge : Physiologie. S. 926. — Pharmakologie. S. 927. — 
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 927. —• Para¬ 
sitenkunde und Serologie. S. 927. — Innere Medizin. S. 927. — 
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 928. — Kinderheilkunde. 
S. 928. — Chirurgie. S. 929. — Röntgenologie. S. 980. — Urologie. 
S. 930. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 931. — Augen¬ 
heilkunde. S. 931. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 981. 
— Hygiene und Sanitätswesen. S. 932. — Soziale Medizin. S. 932. 
Verhandlung» ärztlicher Gesellschaften : Berliner Gesellschaft 
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 982. 

Ilberg: Die Medizin der Griechen. S. 934. 

Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 936. 

Amtliche Mitteilungen. S. 936. 


Gewebe gebracht werden, rufen sofort sehr starke Sohmerzen hervor, das 
Infiltrat bildet sich sehr langsam zurück. Eine Abszedierung der ge¬ 
legentlichen Infiltrate kam nicht vor. 

Die Wirkung des Silbersalvarsans auf manifeste 
luetische Erscheinungen muss nach unseren Erfahrungen 
als sehr gut bezeichnet werden, oft tritt sie schneller auf als bei 
kombinierter Quecksilberneosalvarsankur. Sehr rasch gehen die 
SchleimhauterscheinnDgen zurück, auffallend schnell papulo- 
pustulöse Exantheme; auch breite nässende Papeln, die ver¬ 
schiedentlich am Tage nach der ersten Injektion bereits kein 
Nässen mehr aufwiesen, bildeten sich schnell zurück. Dagegen 
brauchten Primäraffekte, vor allem indurierte, längere Zeit zur 
vollkommenen Rückbildung, ferner erwiesen sich regioaäre Lymph- 
drüsenschwellungen vielfach sehr hartnäckig. Die überraschend 
ünstige Einwirkung gerade bei Drüsenscbwellungen, die Hauck 
ervorhebt, können wir also nicht bestätigen. Die wenigen Fälle 
von Lues II1 (Haüterscheinungen) gingen sehr prompt zurück. 

Die Einwirkung des Silbersalvarsans auf die Spiro- 
chaetaepallidaeist nach unseren Untersuchungen sehr intensiv. 
Bei mehreren Primäraffekten sah man im Dankeifeldpräparat zu¬ 
nächst 30 bis 40 Pallidae in jedem Gesichtsfeld, 8 Stunden nach 
der ersten Injektion (0,1) war bei den meisten die Eigenbewegung 
schon träge, zuih Teil bereits aufgehoben; weitere 16 Stunden später 
sah man nicht eine einzige Pallida mehr trotz reichlicher Ent¬ 
nahme von Saugserom. Im einzelnen ergaben eine Anzahl syste¬ 
matisch ange8tellter Untersuchungen, dass nach 0,1 Silbersalvarsan 
in 8 Primäraffekten bei Männern nach 24 Stunden Pallidae nicht 
mehr zu finden waren. Alle diese 8 Patienten (5 davon sero¬ 
negativ, 3 seropositiv) fieberten zwischen 38,4 and 40,4°. Ebenso 
verschwanden die Pallidae nach 0,1 Silbersalvarsan in einer 
nässenden Papel bei einem Patienten mit Lues II, hier trat kein 
Fieber auf. Dagegen waren die Spirochäten nach 0,1 Silber¬ 
salvarsan nicht verschwunden in 2 Primäraffekten (beide sero¬ 
negativ) and in einem breiten Kondylom, alle 8 boten keine 
Fiebersteigerang dar. In den Primäraffekten waren dann erst 
nach 3 bzw. 5 Tagen, in dem Fall von Kondylom erst nach 
8 Tagen Pallidae nicht mehr vorhanden. Bei 2 Frauen mit 
breiten Kondylomen wurden nach 0,1 am nächsten Tage Spiro- 


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UNIVERSUM OF IOWA 







914 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89. 


chäten nicht mehr gefunden, kein Fieber nach der Injektion. 
Tags daranf waren sie bei der einen Patientin in grosser Anzahl 
wieder vorhanden, bei der anderen auch am 8. und 4. Tage nicht 
mehr. Nach erstmaliger Dosis von 0,15 Silbersalvarsan waren 
am nächsten Tage frei von Spirochäten 8 Primäraffekte und 
7 Papeln, Fieber trat hier nur bei 6 Kranken auf. Spirochäten¬ 
positiv blieben nach 24 Stunden 2 Papeln, einmal wurde Fieber 
bis 89,1 gemessen, das andere Mal normale Körpertemperatur. 
So sind also die Spirochätenbefunde nicht gleichmässig, 
aber man kann zweifellos sagen, dass mehrfach die 
Spirochäten schon nach einer Dosis von 0,1 oder 0,15 
definitiv aus dem Präparat geschwunden waren. Bei 
Primäraffekten scheint manchmal ein gewisser Zusammenhang 
zwischen dem Verschwinden der Spirochäten und dem Fieber am 
ersten Injektionstage zu sein. Von anderen Dntersuchern gibt 
Delbanco als spirochätentötende Dosis 0,2 an uud sah nach 0,1 
am nächsten Tage noch Spirochäten, auch Notthaft hebt hervor, 
dass er nach 0,1 nicht so rasche und sichere Wirkung sah als 
nach 0,2. 

Bei der Einwirkung des Silbersalvarsans auf die 
Wassermann'sche Reaktion ergab sich: 

12 Fälle von seronegativen Primäraffekten waren zum Schluss der 
Kur alle negativ, 2 von ihnen Mitte der Kur -J--{-. 

Von 11 Fällen von seropositiven Primäraffekten waren zum Schluss 
der Kur 10 negativ, 1 +4". 

Von 44 Fallen von Lues II manifesta waren zum Schluss der Kur 
36 negativ, 4 ++, 4 ++++. Von den Fällen: Wa. R. -j~f- er¬ 
hielten 2 anschliessend 0,5 Hg. sal. intramuskulär, danach Wa. R. negativ, 
bei einem anderen wurde Wa. R. ohne weitere spezifische Behandlung 
nach 2 Monaten negativ. Von den 4 Fällen, welche zum Schluss der 
Kur Wa. R. -|—f--|-+ auf wiesen, erhielt der eine ohne Beeinflussung der 
Wa. R. nooh 0,5 Hg. sal. intramuskulär, 2 andere während der Silber- 
salvarsanbehandluug 0,5 Sulfoxylat intramuskulär, der letzte 1,2 Sulf- 
oxylat intramuskulär. Bei keinem dieser 4 Fälle wurde eine Beein¬ 
flussung der Wa.R. im günstigen Sinne erzielt. 

Bei 4 Fällen von Lus III blieb Wa. R. 2 mal zum Schluss der 
Kur ++++» 2 mal wurde Wa. R. negativ. 

Die progressive Paralyse zeigte nach 2,1 g Silbersalvarsan 
Wa.R. im Blnt negativ, zu Beginn der Kor war Wa. R.: | 
gewesen. 

Um eine Prozentzahl herausznrechnen, wieviel zum Schluss 
der Kur seronegativ bzw. seropositiv bleiben, ist unser Material 
noch zu klein, jedenfalls ist aber die Einwirkung des Silber¬ 
salvarsans auf die Wassermann’sche Reaktion im Blut sehr gut 
zu nennen. Eine fortgesetzte Weiterbeobachtung liess sich leider 
nur in sehr wenigen Fällen ermöglichen. Ein seronegativer 
Primäraffekt blieb nach 7 Monaten noch negativ, ebenso ein 
seropositiver nach 4 Monaten, 2 Fälle von Lues II nach 5 Mo¬ 
naten, je einer nach 47z> 4 und 37a Monaten. Ein Fall von 
Lues II wies nach 37a Monaten zwar keine manifesten luetischen 
Erscheinungen auf, doch war hier die Wa. R. -j—f—|—j~. 

Ueber die Jarisch-Herxheimer’sche Reaktion sind die 
Angaben der bisherigen Untersucher geteilt. Nach Fabry tritt diese 
Reaktion häufig, nach Seilei fast nie oder nur io allerseltensten 
Fällen, nach Kreibich hier und da seltener als nach Hg, manch¬ 
mal erst nach 3 bis 4 Tagen auf. Hauck beobachtete einige 
Male starke J.-H.R., Notthaft will sie mit Anwendung von Dosis 1 
vermeiden. Trotzdem unsere Anfangsdosis 0,1 bzw. 0,15 war, 
fanden wir die J.-H.R. in 12 Fällen von Lues 2. 10 mal trat 

sie am Abend des ersten Tages auf und fing im Laufe des zweiten 
Tages bereits an zu verschwinden. Einmal trat sie erst am 
zweiten Tage nach der ersten Injektion auf, einmal Tags 
nach der zweiten Injektion. 

Von den Nebenwirkungen des Silbersalvarsans sei zunächst 
das Fieber nach der ersten Injektion erwähnt. Bei 22 sero¬ 
negativen Primäraffekten trat 12 mal kein Fieber auf — 1 Pat. hatte 
vorher 0,05 Hg. sal. und 0,15 Neosalvarsan erhalten. 10 mal wurde 
Fieber beobachtet, davon 5 mal über 39, 1 mal sogar 40,4. 

Bei 16 seropositiven Primäraffekten blieb die Temperatur 4 mal 
normal, 12 mal zeigte sich Fieber, davon 10 mal über 39, einmal 
sogar 40,4. 

Bei 64 Pat. mit Lues II manifesta sahen wir 22 mal kein Fieber, 
5 mal Temperaturen zwischen 37,5 und 37,9, 37 mal Fieber, davon 22 mal 
über 89, 1 mal sogar 40,2. 

4 Pat. mit Lues III und der eine Paralytiker boten am Tage der 
ersten Injektion völlig normale Temperatur und Wohlbefinden dar. 

Einmalige Temperatursteigerungen im Verlaufe der Kur 
(zwisohen 38 und 40) konstatierten wir ausserdem bei 6 Männern und bei 
9 Frauen: Bei einer Pat. mit Lues II, Papeln ad genitale, war die Re¬ 
aktion sehr stark, es kam bei der 4., 5., 6. und 7. Injektion zu Tempe- 
ratursteigerungen, die beiden ersten Male mit stärkeren Kopfschmerzen, 


beim dritten Male Erbreohen, ebenso beim 4. Male neben heftigen 
Kopfsohmersen, so dass sohliesslioh Silbersalvarsan abgesetst wurde. Die 
angewandten Dosen waren 0,15 und 0,2. 

Kopfschmerzen wurden als die hauptsächlichsten Beschwerden 
nach der ersten Injektion angegeben. Auch bei späteren Einspritzungen 
wurde von seiten der Pat. nicht selten über mehr oder weniger heftige 
Kopfsohmerzen geklagt, solche haben wir bei 97 Injektionen notiert. 
Immer gingen die Kopfschmerzen naob 8—10 Stunden zurück. 

Angioneurotische Erscheinungen sahen wir besonders in 
einer Zeit, in der Silbersalvarsan in stärkerer Konzentration (10 ccm) 
gegeben wurde. Diese werden sich wohl fast ganz vermeiden 
lassen, sobald man stärkere Verdünnung nimmt und langsam in¬ 
jiziert. Dort, wo wir die zu Anfang erwähnten Verdünnungen 
von 20 bis 40 ccm für 0,1 bis 0,2 anwandten, kamen sie nicht 
mehr vor. 

Im ganzen sind angioneurotische Erscheinungen bei 17 Männern und 
9 Fauen bei 65 Injektionen notiert. Blutandrang zum Kopf, Herzklopfen, 
Atembeklemmung, Angstgefühl, Schwindelgefühl, Ohrensausen, ein Gefühl 
der Zuschnürung der Kehle wurde angegeben, 8 mal wurde erbroohen, 

2 mal bestand Brechreiz. Die Beschwerden traten 2 bis 5 Minuten naoh 
der Einspritzung auf, dauerten oft nur l / 2 bis 2 Minuten, manchmal 5 
bis 10, selten 15 Minuten, 1 mal 7s Stunde. Die angioneurotisohen Er¬ 
scheinungen traten nach allen Dosen ohne Bevorzugung einer einzelnen 
auf. Einmal sahen wir bei einem Pat. 5 Min. naoh der 9. Injektion (0,2) 
eine Urtikaria am ganzen Körper auftreten, welohe nach kurzer Zeit 
wieder verschwand. Im ganzen waren diese angioneurotisohen Erschei¬ 
nungen doch durohaus unbedeutend und gingen vor allem sohnell zurück. 
Nur einmal haben wir deshalb die weitere Verabreichung des Silber¬ 
salvarsans ausgesetzt, bei dem Pat trat bedrohliche Atemnot ein, von 
der er sich dann bald erholte. Das war jedooh ganz zu Anfang unserer 
Behandlungsperiode, und naoh unseren späteren Erfahrungen hätten wir 
wohl die Kur ruhig fortgesetzt nur auf die notwendige stärkere Ver¬ 
dünnung und auf langsameres Einspritzen Rücksicht genommen. 

Erbreohen sahen wir ausserdem eben erwähnten Vorkommen un¬ 
mittelbar nach der Einspritzung bei 2 Männern und 4 Frauen im Laufe 
des Tages auftreten. Die Dosen waren bis 0,8. In allen diesen Fällen 
war die Körpertemperatur erhöht. 

Dann konstatierten wir bei Frauen trotz Bettruhe und bei normaler 
Körpertemperatur häufig Pulsbesohleunigung (100 bis 120 in der 
Minute), die Pulsbesohleunigung ging im Verlaufe einiger Stunden gat 
zurück. 

Herpeseruption wurde 4 mal beobachtet, 8 mal muss der 
Herpes, da ihm hohe Temperaturen unmittelbar vorangingen, *1* 
Herpes febril» gedeutet werden, im 4. Fall ist die Deutung un¬ 
sicher. 

Dieser Pat. wies nach der ersten Silbersalvarsaninjektion (0,15) 
naohmittags 39,5 Körpertemperatur auf, tags darauf kein Fieber, Wohl¬ 
befinden, darauf am 2. Tag abermals 0,15 Silbersalvarsan, Wohlbefinden, 
Temperatur normal, abends trat ein Herpes am Kinn auf. 

Exantheme nach.Silbersalvarsan sahen wir etwes häufiger, 
als die anderen Autoren bisher angaben. 

Solche kamen 8 mal zur Beobachtung, 8 mal bei Männern, 
5 mal bei Frauen, 5 mal trugen sie skarlatiniformen Charakter, 8 mal 
mehr morbilliformen. Bei 5 Kranken handelte es sioh um solohe 
mit Lues II, je einmal um eine Lues III, um einen seronegativen und 
seropositiven Pa. Die Exantheme traten nie naoh der ersten Injektion 
auf, dagegen einmal naoh der zweiten, dreimal nach der dritten, je 
einmal naeh der vierten, sechsten, siebenten, aohten Injektion» Die 
Dauer der Exantheme war dreimal 2 Tage, dreimal 3 Tage, einmal 
5 Tage, nur bei einem der Fälle, dem noch* zu erwähnenden Ikterus- 
fall 1, hielt sioh das Exanthem 5 Wochen lang siohtbar und hinterliess 
Pigmentierungen. 5 Exantheme gingen ohne Temperatursteigerangen 
einher, bei einem wurde abends zuvor 40,2 gemessen. Mit Erscheinen 
des Exanthems fiel das Fieber zur Norm herab, dasselbe Bild zeigte ein 
anderer Fall, bei dem naoh Injektion von 0,15 Silbersalvarsan abends 
die Temperatur auf 40° stieg, am nächsten Tag die Temperatur abfiel 
und 2 Tage darauf das Exanthem auftrat. 6 mal wurde die Kur mit 
Silbersalvarsan fortgesetzt, mit kleinen Dosen beginnend und dann gut 
vertragen. Nur 2 Patientinnen bildeten eine Ausnahme, indem die eine 
die antiluetisohe Kur auf eigenen Wunsoh abbraoh, die andere Sublimat¬ 
injektionen weiter erhielt. 

Auch Ikterus während der Kur mit Silbersalvarsan sähen 
wir häufiger, als es in den bisherigen Veröffentlichungen an¬ 
gegeben ist. Es handelt sich um nachstehende 3 Fälle, die wegen 
des aktuellen Interesses an Ikternsfällen bei Salvarsanbehandlnng 
kurz mitgeteilt seien. 

Fall 1: Mann mit Lues I und II. Wa. R. ++-f-+, erhielt vom 
20. III. bis 14. IV. dreimal 0,1, dreimal 0,2, zweimal 0,3 Silbersalvarsan. 
Am 14. IV. abends traten blassrote Flecken am Stamm aut, am nächsten 
Tage namentlich in der Lendengegend und an den Streckseiten der 
Arme ein wie blassrot gesprenkeltes Exanthem (oben unter den Exanthem- 
fällen mitgezählt). Der Kranke klagt nur über Appetitlosigkeit, am 
18. IV. wird eine Bronohitis gefunden, daneben fällt bei der Untersuchung 


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UMIVERSITY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


29, September 1919. 


di« ikterische Verfärbung beider Skleren auf. Am 19. IV. ausgesprochener 
Ikterus, Temperatur immer normal. Bis 26. IV. zeigt der Ikterus deut¬ 
liche Zunahme, Leber etvas vergrössert, ein venig druckempfindlich, 
Urin typisch bierbraun, Gallenfarbstoffe stark positiv, der Stuhlgang aber 
von normaler Farbe. Erst von Anfang Mai tritt ein allmählicher Rück¬ 
gang des Ikterus ein, die Gallenfarbätoffproben im Urin wurden nach 
3 1 /* Woohen negativ. Dann bildetete sioh auch das Exanthem langsam 
surüok. Vom 15. V. an erhielt Pat. wieder Silbersalvarsan, zunächst 
zweimal 0,1, dann 5 mal 0,2, ohne dass ein Rückfall des Ikterus oder 
des Exanthems eintrat. Die letzten drei Injektionen geschahen ambulant. 
Die Wa. R. war bereits am r 8. IV. negativ geworden, am 19. IV. war 
sie gleichfalls negativ. 

Fall 2: Frau mit Lues I und n. Wa. R. ++++. Am Tage vor 
der Aufnahme erhielt sie draussen bei einem Arzt eine Quecksilber¬ 
injektion. Am 12. IV. bei uns aufgenommen, wurde am 15. IV. 0,15 
Silbersalvarsan gegeben. Am Abend des Tages 89,1 Fieber neben 
starken Kopfschmerzen, welche auch am nächsten Tage anhaKen, ohne 
dass die Temperatur'erhöht ist. Am 17. IV. sehr intensiver Ikterus, im 
Urin Gallenfarbstoffe positiv, Stuhl leicht acholisoh. Io den nächsten 
Tagen wurde mit einer Queoksilberkur begonnen, am 19. IV. zunäohst 
eine Sublimatipjektion gegeben, später Hg-Salizyl., danach Kalomel. 
Der Ikterus wurde aber nicht besser, die gelbe Verfärbung der Haut 
sogar stärker. Wegen Durchfällen und Stomatitis wurde die Hg-Kur 
zeitweise unterbrochen. Dann erst — Anfang Juni — ging der Ikterus 
sehr langsam zurück, Mitte Juli zeigte die Pat. doch deutliche ikteriscbe 
Verfärbung der Skleren und die Farbe der Haut ist weiter leicht 
ikteri8oh. Wa.R. am 5. Juli negativ. 

Fall 8: Patientin mit Lues II erhielt von 18. V. bis 20. VI. 4mal 
0,15, 4 mal 0,2, 8 mal 0,25. Die syphilitischen Erscheinungen waren 
schon abgeheilt, als am 21. VI. ein nicht sehr starker Ikterus begann, 
Gallenfarbstoffe im Urin wurden nicht gefunden. Vom 25. VI. an bildete 
er sich bereits wieder zurück, 2 Vs Woohen nach Beginn ist eine leichte 
ikteriscbe Verfärbung der Skleren noch siohtbar. Wa.R. war am 23. VI. 
negativ. 

Wenn wir uns die spezielle Aetiologie dieser 8 Ikterusfälle 
klar zu machen suchen, so muss beim ersten Fall ein Zusammen¬ 
hang des Ikterus mit dem Silbersalvarsan sicher angenommen 
werden. Die Lueserscheinungen waren bereits zurückgebildet, 
die Was8ermann’8che Reaktion negativ geworden, als der Ikterus 
einsdtzte. Auch das kurz vorher aufgetretene Silbersalvarsan- 
Rxanthem spricht dafür. Beim zweiten Fall kam der Ikterus 
bei einer floriden Lues 2 Tage nach der ersten Dosis von 0,15 
zur Erscheinung. Es ist kaum anzunehmen, dass diese eine 
Dosis Silbersalvarsan allein die Gelbsucht verursacht hat, sondern 
man muss wohl annehmen, dass der Ikterus als früh-syphilitische 
Erscheinung zugleich mit den anderen Symptomen der sekundären 
Lues bei der Aufnahme bereits in Vorbereitung war, und durch 
die Silbersalvarsaninjektionen in Form einer Herxheimer’scben 
Reaktion sichtbar gemacht wurde. Aber andererseits ist die 
Gelbsucht für einen rein syphilitischen Ikterus doch wohl auf¬ 
fallend langsam zurückgegangen. Auf die eingeleitete Qneck- 
silberkur wich er zunächst keineswegs, blieb vielmehr trotz schon 
reichlicher Qaecksilbergaben auffallend intensiv. Erst ganz all¬ 
mählich, nach 7—8 wöchentlichem Bestand, trat eine leichte Ab¬ 
blassung ein, und volle 3 Monate nach Beginn ist die Gelb¬ 
färbung immer noch etwas erkennbar. So nehmen wir an, dass 
möglicherweise eine gewisse Schädigung durch das Silbersalvarsan 
hier vielleicht mitgewirkt hat. Im dritten Fall ist der Ikterus 
ganz kurz vor voller Beendigung der beabsichtigten Kur, nach 
der 11. Einspritzung, aufgetreten, muss deshalb wohl nicht als 
syphilitischer Ikterus, sondern entweder als katarrhalischer 
Ikterus oder als Folge der Silbersalvarsanbehandlung angesehen 
werden. Er verlief äusserst leicht. Wenn wir also dem Silber¬ 
salvarsan in allen 3 Fällen mehr oder weniger mit Schuld an 
der Entstehung des Ikterus geben, so ist doch zu betonen, dass 
das Zustandekommen von Ikterus in der jetzigen Zeit in erster 
Linie auf die besonderen, natürlich auch bei uns verhältnis¬ 
mässig schlechten Ernährungsverhältnisse zurückzuführen ist, die 
zweifellos ganz andere Dispositionen zur Entstehung von Ikterus 
schaffen als zu normalen Zeiten, und es bleibt fraglich, ob das 
Silbersalvarsan bei normalen Ernährungsverhältnissen solche Folge¬ 
erscheinungen bewirkt hätte. 

Zusammenfassung. Wenn wir unsere Resultate bei der 
Behandlung mit Silbersalvarsan im ganzen überblicken, so sind 
die bis jetzt erzielten Ergebnisse — über Dauerresnltate liegen 
uns noch zu wenig Beobachtungen vor — sicher als recht gute 
zu bezeichnen. Die klinische Rückbildung trat teilweise schneller 
ein als bei der bisher üblichen Kur mit Neosalvarsan und 
Quecksilber. Der Erfolg beziehentlich der Wassermann’schen 
Reaktion war sehr gut, so wurde von 55 bis zu Ende beob¬ 
achteten Fällen mit frischer Lues der vor der Kur stark positive 


915 

Wassermann 49mal negativ. Die Einwirkung auf die Spirochäten 
war sehr gut, in nicht wenig Fällen wäret! die Spirochäten 
schon nach der ersten Injektion von 0,1 oder 0,15 am nächsten 
Tage verschwunden und blieben es auch bei weiterer Durch¬ 
musterung des Reizserums. 

Nebenwirkungen, besonders Exantheme, auch Ikterus sahen 
wir verhältnismässig häufig, anscheinend öfter als andere Unter¬ 
sucher. Sämtliche Nebenerscheinungen gingen glatt zurück, 
nach Ablauf der Exantheme konnte meist Silbersalvarsan später 
weiter gegeben werden. Die Exantheme traten in unseren Fällen 
immer erst nach wiederholter Einspritzung auf, das deutet auf 
eine gewisse kumulative Wirkung des Präparates und die Not¬ 
wendigkeit hin, die einzelnen Injektionen in etwas grösseren 
Zwischenräumen zu geben, als wir es bisher getan haben. So 
werden daher in letzter Zeit bei uns die Einspritzungen nur in 
fünftägigen Intervallen verabreicht, auch glauben wir bei der 
guten Wirkung des Präparates mit einer geringeren Gesamtdosis, 
etwa mit 1,8 im ganzen auskommen zu können. Ueber 0,25 pro 
dosi gehen wir nicht hinaus. 

Den Haupt wert des Mittels, das möchten wir besonders her¬ 
vorheben, sehen wir darin, dass wir mit kleineren Dosen als 
die bei dem Gebrauch der sonstigen Sslvarsanpräparate ge¬ 
gebenen und ohne die Mitbenutzung von Quecksilber zum Ziele 
zu kommen scheinen. Sicherlich trifft diese Erwartung nach 
unseren Erfahrungen zu betreffs der momentanen Einwirkung 
auf die Lueserscheinungen; inwieweit dies sich auch bezüglich 
der Dauererfolge bei der Luesbehandlung sagen lässt, muss die 
weitere Beobachtung lehren. 

Ein äusserer Nachteil liegt in der etwas komplizierteren 
Technik. Die Notwendigkeit der stärkeren Verdünnung und der 
sehr langsamen Einspritzung, auch die dunkle Farbe der Silber- 
salvarsanlösung machen die Ausführung der Injektion etwas 
schwieriger als die der konzentrierten Neosalvarsaneinspritzung. 
Besonders wird aber die viel häufiger als bei Neosalvarsan ein¬ 
tretende Fieberreaktion nach der ersten, gelegentlich auch nach 
einer späteren Einspritzung die ausgedehnte ambulante Anwendung 
seitens des Praktikers etwas erschweren. Vorläufig wird daher 
das Mittel in die Hand des geübten Spezialisten und mehr in 
die Krankenhausbehandlung gehören, wird aber hier dank seiner 
Vorzüge eine ausgedehnte Anwendung verdienen. 

(Schluss folgt.) 


Beiträge zur Biologie der Lymphozyten 1 ). 

Von 

Dr. S. Bergei. 

Die grundlegenden Blutuntersuchungen Ehrl ich’s hatten zu 
dem Hauptergebnis geführt, dass die polymorphkernigen neutro¬ 
philen granulierten Leukozyten und die einkernigen basophilen 
ungranulierten Lymphozyten zwei in morphologischer, färberischer 
und genetischer Beziehung verschiedene Zelltypen darstellen. 

Die meisten Schwierigkeiten bietet noch die Frage nach der Ab¬ 
grenzung der Lymphozyten gruppe bzw. die Stellung der sogenannteu 
grossen Mononukleären und der Uebergangsformen im System der weissen 
Blutkörperchen. Ein grosses Hindernis für die Klärung dieser Fragen 
war es, dass man lediglich auf die histologischen und färberisohen Zell¬ 
merkmale angewiesen war, während man über die funktionellen Eigen¬ 
schaften der lymphozytären Gebilde, die doch etwa l U aller weissen 
Blutkörperchen ausmaohen und unmöglioh ohne Zweck und Bedeutung 
sein können, niohts wusste. Nachdem ich aber vor einer Reihe von 
Jahren den Nachweis erbringen konnte, dass die Lymphozyten ein fett- 
spaltendes Ferment enthalten und absondern, erhielt nioht bloss die 
Ehrlich’sohe Lehre von der prinzipiellen Trennung der obengenannten 
Zelltypen daroh den Nachweis auch ihrer .funktionellen Verschieden¬ 
artigkeit eine wesentliche Stütze, sondern es eröffoete sich die Möglich¬ 
keit, eine Reihe von ungeklärten Fragen der Lösung näherzubringen und 
ein biologisches und klinisohes Verständnis der bei vielen Krankheits- 
zustanden gesetzmässig beobachteten Lymphozytose zu gewinnen. Duroh 
den Nachweis des fettspaltenden Fermentes in den Lymphozyten erhielt 
z. B. der mehrfach bestätigte Befand seine biologische Begründung, 
dass bei Zuführung reiner Fettnahrung die Anzahl der Lymphozyten 
steigt, und dass die Lymphdrüsen bei der Fettverdauung eine Rolle 


1) Auszug aus einem Vortrage, gehalten in der Berliner medizinischen 
Gesellschaft am 28. Juli 1919. Der Vortrag selbst ersoheint in der 
Zscbr. f. exper. Path. u. Ther. — Die Untersuchungen sind zum Teil mit 
den Mitteln ausgeführt, die dem Verfasser von der Gesellschaft Deutsober 
Naturforsoher und Aerzte ans der Adelheid Bleiohröder-Stiftung zur 
Verfügung gestellt wurden. 

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UNIVERSITÄT OF IOWA 




916 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89. 


spielen. Die auffallende, aber vielfach gemaohte Beobachtung, dass 
in den letzten Kriegsjahren auch bei anscheinend Gesunden eine Ver¬ 
schiebung des gewohnten Blutbildes zugunsten der Lymphozyten ein¬ 
getreten ist, erklärt sich meiner Ansioht nach ungezwungen auf folgende 
Weise: Infolge der schweren Unterernährung wird das Reservematerial 
des Körpers, insbesondere das eigene Körperfett angegriffen und ab¬ 
gebaut. Es ist nun eine sohon früher experimentell und klinisch er¬ 
wiesene Tatsache, dass während eines Inanitionszustandes eine starke 
Fettvermehrung im Blute gefunden wird; als Reaktion dagegen muss 
auch die fettspaltende Wirkung des Blutes eine stärkere werden, um 
zu ermöglichen, dass das mobilisierte Körperfett den gesteigerten An¬ 
forderungen entsprechend gespalten wird. Daher die starke Vermehrung 
der lipolytisohen Lymphozyten. Ein im übrigen schon in der Friedens- 
seit bekannter klinischer Befund, dass im Hungerzustande eine Ver¬ 
mehrung der Lymphozyten im Blute stattfindet. Auf die vielfachen 
Beziehungen der Lymphozytose zur Fettspaltung und Bakteriolyse habe 
ich schon früher hingewiesen. Gerade bei denjenigen Erkrankungen 
nämlioh, deren Erreger fettartig sind, besonders bei Tuberkulose, Lepra 
und Lues, wird eine lokale und allgemeine Lymphozytose beobachtet, 
die ich als eine Reaktionserscheinung gegen die lipoiden 
Krankheitsstoffe auffasse. Ich konnte im einzelnen nachweisen, dass 
nach Injektionen von Oelen oder Lezithin in die Brust- oder Bauchhöhle 
von Tieren Exsudate erzeugt werden, die ungemein reich an Lympho¬ 
zyten sind, die eine Lipase enthalten, die emulgierten Tröpfchen in 
ihren Zell leib aufnehmen und dort verdauen bzw. in Lymphdrüsen und 
Milz weiterführen; ich habe ferner im Kaiser Wilhelm-Institut für ex¬ 
perimentelle Therapie in Dahlem festgestellt, dass auf die intraperitoneale 
Injektion von roten Blutkörperchen, die eine Lipoidhülle besitzen, gerade 
die lipolytisohen einkernigen weissen Blutkörperchen in Reaktion treten, 
dass sie es sind, welche die Erythrozyten aufnehmen, um ihren Zellleib 
agglutinieren und schliesslich ihre Hülle lösen. Es ergab sich, dass bei der 
Hämolyse der Ambozeptor von dem Lymphozytenferment gebildet wird, 
das sich nach mehrfacher Vorbehandlung spezifisch gegen das Lipoid der 
homologen Blutkörperohenart einstellt. In dem gleichen Institut habe ich 
den Naohweis führen können, dass nach intraperitonealer Injektion von 
Tuberkelbazillen, besonders bei tuberkuloseresistenten Tieren, z. B. 
weissen Mäusen, die Tuberkelbazillen von den Lymphozyten aufgenommen 
und in ihrem Zellleibe, nach mehrfacher Vorbehandlung nioht bloss viel 
sohdeller, sondern auch ausserhalb desselben in der Peritonealflüssigkeit 
ihrer Fetthülle entkleidet werden und dadurch in die nur nach der 
modifizierten Gram’sohen Methode färbbare Muoh’sohe granuläre Formen 
übergehen; dieselben Fähigkeiten besitzen bzw. gewinnen auoh die 
Lymphdrüsen. Die Lymphozyten erwiesen sioh vermöge ihres 
lipolytisohen Fermentes als eine spezifische Waffe gegen die 
Fettsubstanz der Tuberkelbazillen. Aehnlioh wie bei der Tuber¬ 
kulose liegen die Verhältnisse bei der Lepra. Im höchsten Grade be¬ 
merkenswert sind weiterhin die vielfachen Beziehungen, die zwischen 
lipoidhaltigem Lueserreger, Lymphozytose, Lymphdrüsensohwellung, Fett¬ 
spaltung und Wassermann’scher Reaktion bestehen, auf die ich jetzt 
nioht näher eingehen kann. Es ist ein allgemeines biologisches 
Gesetz, das duroh noch viele andere anatomische, klinische und ex¬ 
perimentelle Befunde gestützt ist, dass Substanzen, Krankheits¬ 
erreger fett- bzw. lipoidhaltigen Charakters die Lympho¬ 
zyten chemotaktisch anlocken, dass auf fetthaltige Antigene 
die Lymphozyten als Antikörperbildner reagieren, die das 
Antigen abbauen, zerstören. Die alte Ansohauung, dass akute Infektionen 
mit Leukozytose, chronische mit Lymphozytose einhergehen, muss zu¬ 
gunsten der tieferen Erkenntnis fall enge lassen werden. In der Tat ge¬ 
lingt es aueh, wie gesagt, künstlich durch intraperitoneale bzw. intra- 
pleurale Injektionen von Fetten oder Lipoiden elektiv eine starke, fast 
aussohliessliobe Lymphozytenansammlung zu erzeugen. Wohl haben 
einige Autoren darüber berichtet, dass nach Injektionen gewisser Sub¬ 
stanzen ein lymphozytenreiohes Exsudat zustande kommt, z. B. Wolff- 
Eisner und v. Torday usw., ebenso hat u. a. Wolff-Eisner die 
aktive Emigrationsfäbigkeit der Lymphozyten als Ausdruck einer Chemo¬ 
taxis vermutet, aber das gesetzmässige Auftreten einer Lymphozytose 
nach Einverleibung von Substanzen bestimmter chemischer Konstitution 
und die biologische Bedeutung dieser Lymphozytose, sowie der exakte 
Nachweis der elektiven Chemotaxis, ist bisher nioht erbracht worden und 
konnte erst nach der Erkenntnis der lipolytisohen Funktion der Lympho¬ 
zyten aufgedeokt werden. 

Bei meinen Untersuchungen der Beziehungen zwischen der Ein¬ 
führung von fett- und lipoidartigen Substanzen und dem Auftreten von 
lymphozytären Elementen in den Exsudaten konnte ich ferner bemerkens¬ 
werte gesetzmässige morphologische Veränderungen fest¬ 
stellen, die sioh sowohl am Kern als am Protoplasma der 
lymphozytären Zellen abspielten, und die infolge eindeutiger ob¬ 
jektiver Befunde eine Klärung mancher ungelösten Fragen herbeizuführen 
imstande sind. Bei der systematischen Beobachtung des morphologischen 
und färberiscben Verhaltens der Exsudatzellen vor der Aufnahme der 
emulgierten Fetttröpfchen und in den verschiedenen Phasen des Auf¬ 
nahme- und Verdauungsprozesses innerhalb dieser Zellen konnten bisher 
unbekannte, aber charakteristische und stets in gleicher Weise sich 
wiederholende Veränderungen an den einzelnen Bestandteilen der Zell¬ 
elemente wahrgenommen werden, die typisch waren für das je¬ 
weilige Funktionsstadium der Zelle, einerseits für den Zu¬ 
stand der Ruhe und andererseits für die verschiedenen 
Phasen der Zelltätigkeit. Sie erinnern, abgesehen von einzelnen 


neuen Befunden, prinzipiell an ähnliohe Erscheinungen, die bei manchen 
sezernierenden Organzellen festgestellt sind. Heidenhain hatte beob¬ 
achtet, dass in den Speicheldrüsensellen usw. die Kerne im Zustande 
der Ruhe und der angestrengten Arbeit wesentliche Verschiedenheiten 
aufweisen; starke Veränderungen des Zellkerns sind auoh in den 
sezernierenden Zellen von insektenfressenden Pflanzen festgestellt worden. 
Auf die Arbeiten Haberiand’s bezüglich Gestalte Veränderungen des 
Kerns bei Pflanzen bzw. Korsohelt’s, Hertwig’s bei Tierzellen sei 
hier nur hinge wiesen. 

Als Versuchstiere für meine Experimente wurden besonders Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen benutzt Injiziert wurde Mandelöl, Knoohenöl, 
Lezithin in Emulsion und meist lOproz. Lezithin in öliger Lösung, so¬ 
wohl in die Brust- als in die Bauohhöhle; Meersobweinohen erhielten 
z. B. 1 g intrapleural und S g intraperitoneal. Das Exsudat wurde als¬ 
dann in gewissen Zwischenräumen mittels Glaskapillaren entnommen 
und vor allem auf seinen Zellgehalt. sowie auf das morphologische und 
farberisohe Verhalten der einzelnen Zellteile bei der Aufnahme und in 
den verschiedenen Stadien während der Verarbeitung der Fette geaohtet. 

Gefärbt wurde zur Kontrolle nach verschiedenen Methoden, mit 
Hämatoxylin-Eosin, Triazid, mit dem Pappenheim’schen Gemisch Methyl- 
grün-Pyronin, nach May-Grünwald, aber allermeist wurde die Giemsa¬ 
färbung benutzt, die sich am besten bewährte und auch die schönsten 
Bilder lieferte. Ausserdem wurden zum Zwecke des Studiums der Genese 
der Exsudatzellen die Auflagerungen, die sich nach den Injektionen von 
Lezithin in öliger Lösung auf den serösen Häuten besonders der Brust¬ 
höhle bilden, sowie das Nets, die Milz und die Leber histologisoh 
untersucht. Die Befunde waren im einzelnen folgende: 4—5 Stunden 
nach der Injektion ist der Zellgehalt sehr gering, das Fett zu einem 
Teile emulgiert. Naoh 10—12 Stunden trifft man eine grössere An¬ 
zahl von polymorphkernigen Leukozyten neben einer relativ sehon 
beträchtlichen Menge von einkernigen ungranulierten basophilen Lympho¬ 
zyten. Letztere haben nooh meist die gewöhnliche Form der kleinen 
Lymphozyten mit grossem, fast ganz rundem Kern und schmalem 
Protoplasmasaum; daneben findet man vereinzelt Typen mit ganz 
leioht eingebuchtetem Kern (Abb. 1). Naoh 24 Stunden sind die 


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Abbildung 1. 

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Polymorphkernigen auch noch in gewisser Zahl vorhanden, aber die 
Lymphozyten sind schon absolut deutlich vermehrt; man findet bereits 
eine gewisse Anzahl von Lymphozyten, deren Kern etwas gekrümmt ist, 
an einer Seite eine etwas tiefere Einbuchtung zeigt, und die einen etwas 
breiteren Protoplasmasaum besitzen. Einige Lymphozyten haben bereits 
1—2 Fetttröpfchen in das Protoplasma aufgenommen; an dieser Stelle 
pflegt dann gewöhnlich der Zellleib etwas ausgebuohtet zu erscheinen. 
Häufig sieht man, was besonders interessant und auoh an den Bildern 
deutlich zu erkennen ist, ausgesprochene pseudopodienartige 
Fortsätze selbst an kleineren und mittleren Lymphozyten, 
in deren peripheren Teilen phagozytierte Fetttröpfohen sioh 
befinden (Abb. 2). 

Naoh l 1 /*—2 Tagen ist die Anzahl der Polymorphkernigen sehr 
zurüokgegangen, die einkernigen ungranulierten Basophilen haben sich 
weiter beträchtlich vermehrt, es findet eine starke Phagozytose von 
Fetttrröpfchen häufig mittels Pseudopodien, und zwar lediglich durch diese 
Zellen statt, während die Polymorphkernigen das Fett in ihren Körper 
nicht oder nur ganz ausnahmsweise aufnehmen. An den lymphozytären 
Elementen beobachtet man nun gerade in diesem Stadium gesteigerter 
Funktion ausserdem Veränderungen des ursprünglichen runden Kernes, man 
sieht ihn eine ovale, abgeplattete Gestalt annehmen, die weiterhin eine 
stärkere Krümmung bis zuweilen zur Nierenform aufweist, man findet eine, 
selten auoh zwei etwas tiefere Einbuchtungen, und häufig war die Beob- 


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2 9. Se p tembe r 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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achtung, dass dieFetttröpfoheo, wie wir das auch in den Photogrammen 
sehen werden, in der Konkavität des manchmal bis zur Huf¬ 
eisenform gekrümmten Kernes lagen, von ihm wie umklammert 
waren. (Abb. 3.) Die morphologische und tinktorielle Aehn- 
lichkeit dieser Zellen mit grossen Einkernigen und Ueber- 
gangsforraen ist sehr stark. Daneben waren auch noch typische 
kleinere und mittlere Lymphozyten mit rundem Kern und wenig Proto¬ 
plasma in grösserer Anzahl vorhanden. Aber selbst bei stärkerer Ein¬ 
kerbung und Krümmung war der Kern der Einkernigen immer auffallend 
dick, plump und grobbalkig, niemals durch dünne Verbindungsfäden 
getrennt und, abgesehen von den differenten färberisohen Merkmalen des 


Abbildung 2. 



Abbildung 3. 



Protoplasmas, von (den polymorphen Zellen sofort zu unterscheiden. 
Das Protoplasma hatte an Menge beträchtlich zugenommen, die Zellen 
waren daher meist viel grösser. Oefter fand man in dem Exsudat Ge¬ 
bilde, die abgestossenen Endothelzellen ähnlich sahen und die zuweilen 
leichte Veränderungen ihrer Zellkonturen aufwiesen. Nach 8—4 Tagen 
war ungefähr der gleiche morphologische Befund zu erheben. Neben 
Zellen vom Typus der grossen Lymphozyten, die bei grossem Proto¬ 
plasmaleib einen mehr rundlichen, oft exzentrisoh gelagerten Kern be- 
sassen, sah man eine grosse Anzahl von ungranulierten basophilen ein¬ 
kernigen Zellen mit gekrümmtem, an einer, höchstens zwei Stellen ein¬ 
gebuchtetem, aber immer grobbalkigem, plumpem Kern, ihr Protoplasma¬ 
leib war ziemlich umfangreich, Typen vom Charakter der grossen Mono¬ 
nukleären und der Uebergangsformen. Zellteilungserscheinungen wurden 
oft beobachtet, manohe Zellen hatten zwei meist ganz runde oder etwas 
ovale Kerne. Die Phagozytose pflegt schliesslich so stark zu werden, 
dass ein grosser Teil der lymphozytären Elemente mit Fetttröpfchen 
vollgepfropft ist, und in diesem Zustande ist oft der Kern in ab¬ 
geplatteter und stark gekrümmter Form exzentrisch, oft ganz am 
Rande der Zelle gelagert, ähnlich den sogenannten Fett¬ 
zellen (Abb. 4). Sehr häufig beobachtet man, dass um grössere 
Fetttropfen kranz- oder vielmehr kugelförmig lymphosytäre 


Elemente, einkernige ungranulierte basophile Zellen gelagert sind 
(Abb. 5), die oft breitleibig aufsitzend, oft mit kürzeren oder längeren 
Fortsätzen sich der Tropfenoberfläche eng anschmiegend, an ihrer uuteren 
Begrenzung deutlich die Form eines Hohlkugelabschnittes zeigen und in 
ihrem Protoplasma mehr oder weniger fein verteilte Fetttröpfchen ent¬ 
halten. Man hat direkt den Eindruck, dass die lymphozytären 
Zellen mit ihren Fortsätzen sich an die Fetttropfen fest an¬ 
saugen und einzelne Teilchen in ihren Körper aufnehmen. 
Nach 5 Tagen besteht das Exsudat fast ausschliesslich aus einkernigen 
ungranulierten basophilen Zellen, meist vom Typus der grossen Lympho¬ 
zyten, aber auch kleine Lymphozyten sind in gewisser Anzahl vor- 


Abbildung 4. 



Abbildung 5. 



handen; polymorphkernige Leukozyten sind nur ganz vereinzelt zu sehen. 
Bei geringer Menge injizierten Oeles fängt der Tröpfchengehalt des Zell¬ 
körpers um diese Zeit bereits an abzunehmen, die stark eingebuchteten 
und gekrümmten Kernformen bilden sich zurück, werden viel weniger 
häufig siohtbar, der Kern zeigt wieder eine mehr ovale, der rundliohen 
sich nähernde Gestalt, liegt aber noch öfter exzentrisoh. Am 6. und 
7. Tage sind in dem Exsudat gleichfalls fast ausnahmslos lymphozytäre 
Zellen von meist grossem, aber jetzt schon in ziemlicher Menge auch 
wieder von kleinem Typus. Das Protoplasma ist häufig schon leer oder 
enthält nur noch wenig Fetttröpfchen (Abb. 6). Nach etwa 8—9 Tagen 
zeigt der Charakter des Exsudates noch weitere Veränderungen, indem 
jetzt wieder, wie zuAnfang, derTypus der Lymphozyten mit 
rundem oder fast rundem Kern und kleinem ungranuliertem 
basophilen Protoplasma überwiegt, neben Zellen vom grossen 
Lymphozytentypus, Fetttröpfohen sind fast ganz aus den Zellen ver¬ 
schwunden. 

Die Tatsache, dass man imstande ist, durch Injektionen von 
Substanzen bestimmter chemischer Konstitution, von Fetten 
und Lipoiden in die Brust- und Bauchhöhle von Tieren chemo- 
taktisoh lymphozytäre Exsudate zu erzeugen, während die poly¬ 
morphkernigen Leukozyten, die naoh Injektion eiweiisartiger Substanzen 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 39. 


in Massen auftreten, hier nur in verschwindender Minderheit und auch 
nur zuerst für kurze Zeit vorhanden sind, dass ferner elektiv gerade 
nur diese ly mphozytären Elemente die Fetttropfen, oft durch 
pseudopodienartige Fortsätze phagozytieren und in ihrem 
Körperinnern verdauen, kann als ein weiterer Beweis gelten für das 
klinisch und anatomisch begründete Gesetz, dass auf Anti¬ 
gene fettartigen Charakters die Lymphozyten reagieren. 
Man konnte beobachten, dass gesetzmässig eine funktionelle Zu¬ 
standsänderung auoh mit einer morphologischen Verän¬ 
derung des Zellkörpers einhergeht. Es konnte aber andererseits 
auch festgestellt werden, dass zwar eine Wandlungsfähigkeit des Kernes 
und des Protoplasmas je nach dem Funktionszustande innerhalb gewisser 
Grenzen möglich ist, dass aber trotzdem die Lymphozyten stets 
ihren spezifischen lymphozytären Charakter beibehalten, 
dass sie niemals in polymorphkernige, granulierte neutrophile Zellen 
übergehen, sondern dass tatsächlich die Lymphozyten in anatomischer 
und auch in funktioneller Beziehung ein vollkommen verschiedener 
Typus sind gegenüber den Leukozyten; innerhalb der Gruppe der 
Lymphozyten bilden aber die kleinen und grossen Formen mit rundem, 
gebogenem und eingekerbtem, zentral oder exzentrisch gelegenem Kern, 
also auch die den grossen Mononukleären und Uebergangs- 
formen ähnlichen Zellen biologisch eine zusammengehörige 
Einheit, deren in einer gewissen Breite vorhandene morphologische 
Verschiedenheit an Kern und Protoplasma nur* durch den jeweiligen 
Funktionszustand bedingt ist und infolgedessen kein trennendes Merkmal 


Abbildung 6. 



nnerhalb der grossen Groppe der einkernigen ungranulierten basophilen 
Zellen darstellt. Die Frage der prinzipiellen Trennung der 
Lymphozyten von den Leukozyten erscheint nunmehr end¬ 
gültig gelöst, die der Bewegungsfähigkeit, der Pseudo¬ 
podienbildung, der phagozytären Eigenschaften auch der 
kleinen Lymphozyten im positiven Sinne entschieden. Die 
Untersuchungsresultate lassen auch den Schluss zu, dass 
die grossen Mononukleären und sogen. Uebergangsformen, 
die ein ungranuliertes basophiles Protoplasma besitzen, 
biologisch zur Lymphozytengruppe zu rechnen sind. 

Viele klinische Befunde lassen sich auch durch diese Beobachtungen 
ungezwungen erklären, da gerade bei solchen Krankheitszuständen, die 
im übrigen mit einer Lymphozytose einhergehen, derartig veränderte 
Lymphozyten gefunden, und als „pathologische Lymphozyten“, als 
sogen. Riederformen bezeichnet werden; sie entsprechen höchstwahr¬ 
scheinlich den von mir geschilderten, durch die gesteigerte Funktion 
bedingten Veränderungen der Lymphozyten, mit denen sie morphologisch 
identisch sind. Es erscheint daher richtiger, biologisch nicht von dem 
Auftreten „pathologischer Lymphozytenformen“ bei gewissen Erkran¬ 
kungen zu sprechen, sondern die Auffassung hat mehr Wahrscheinlichkeit 
für sich und erleichtert auch das klinische Verständnis, dass bei diesen 
Erkrankungen lymphozytäre Elemente in Aktion bzw. in Reaktion 
treten, die während und infolge ihrer gesteigerten funktionelleu Inan¬ 
spruchnahme eine von der normalen Ruhegestalt abweichende Form an 
nehmen; die Zellen an sich sind nicht pathologisch, sondern patho- 
gnomonisch für ein Stadium erhöhter Tätigkeit. Man wird 
also klinisch nicht bloss die Anzahl der Lymphozyten, ihre Vermehrung 
oder Verminderung berücksichtigen müssen, sondern auch ihre morpho¬ 
logische Beschaffenheit als Ausdruck ihres Funktions¬ 
zustandes in Betracht zu ziehen haben. Aehnliche Befunde von Kern¬ 
veränderung und Protoplasmavergrösserung während der gesteigerten 
Funktionsausübung der Lymphozyten habe ich auch bei meinen 
Hämagglutinations- und Hämolysestudien und bei dem Abbau der Fett¬ 


hüllen der Tuberkelbazillen durch diese Zellen beobachtet (D. Arch. f. 
klin. M., 1912, Bd. 106, Zschr. f. Tbc., 1914, Bd. 22, H. 4.) 

Für die Anschauung, dass die grossen Mononukleären und Uebergangs¬ 
formen sich z. T. wenigstens aus den Lymphozyten entwickeln, mit ihnen 
in einer Wechselbeziehung stehen und nur den morphologischen Ausdruck 
eines bestimmten Stadiums gesteigerter funktioneller Tätigkeit darstellen, 
spricht ausser den experimentellen Untersuchungen auch eine grosse 
Anzahl klinischer Befunde; freilich fehlt es auch hier nicht an 
Einwänden. Grosse Einkernige und Uebergangsformen werden meist in 
gewissen Stadien besonders derjenigen Krankheiten beobachtet, die er- 
fahrungsgemäss mit einer Vermehrung der Lymphozyten einhergehen, 
z. B. bei den akuten Formen der lymphatischen Leukämie, bei den 
aleukämischen Lymphadenosen, häufig bei Basedow, bei der Syphilis, 
bei der Tuberkulose, bei Malaria, Röteln, Variola, Parotitis epidemica usw. 
Ein Parallelismus von Lymphozytose und Vermehrung der grossen Ein¬ 
kernigen besteht auch bei der Anwendung sogen, automonotroper Mittel, 
Pilokarpin, Pituitrin, Cholin, wo die gleichzeitige Vermehrung der 
Lymphozyten und Mononukleären für eine chemotaktisch gleichsinnige 
Beeinflussung spricht, wie das auch Falta, Bertelli und Schweeger 
glauben. Auch bei der Fettverdauung sind neben den Lymphozyten 
meist die Uebergangsformen vermehrt. Im übrigen ist oft eine Grenze 
gar nicht zu ziehen, da man bei manchen Bildern nicht mit Be¬ 
stimmtheit sagen kann, was ein grosser Lymphozyt und was eine Mono¬ 
nukleäre ist. 

Schon gewisse unter physiologischen Verhältnissen erhobene Befunde 
finden in den geschilderten Untersuchungsergebnisson ihre Erklärung. 
Köllicker, später Virchow und weiterhin v. Ebner haben festgestellt, 
dass in den ersten Chylusgefässen sehr viele Lymphozyten gesehen 
werden mit eingebuchtetem, hufeisenförmig gekrümmtem Kern. Das 
spricht nun nicht, wie z. B. Grawitz meint, dafür, dass hier Ueber- 
gäoge von Lymphozyten zu Leukozyten stattfinden, sondern erklärt sich 
wohl daduroh, dass in den ersten Chylusgefässen, wo sehr viele Fett¬ 
tröpfchen vorhanden sind, die Lymphozyten in einem Zustand sehr ge¬ 
steigerter Tätigkeit sich befinden und infolgedessen die veränderte 
Kernkonfiguration aufweisen. Im weiteren Verlaufe nimmt einerseits, 
wie ebenfalls festgestellt ist, die Zahl der Fetttröpfchen sehr ab, und 
die Lymphe des Ductus thoracicus zeigt daher zum Teil bereits im 
Ruhestadium sich befindende Lymphozyten, also die kleinen Formen 
mit rundem Kern und schmalem Protoplasmasaum, und nur viel weniger 
sogen. Uebergangsformen. 

Um einen Einblick in die Entstehung der Exsudatzellen zu gewrinnen, 
habe ich die Auflagerungen, die sich besonders nach den intrapleuralen 
Injektionen von Lezithin in öliger Lösung auf der Serosa bildeten, sowie 
das Netz und auch die Milz und Leber histologisch verursacht. Die 
Befunde erscheinen um so bemerkenswerter, als es sich bei den Auf¬ 
lagerungen nm ein Untersuchungsobjekt handelt, das die in Betracht 
kommenden Bestandteile fast isoliert enthält, also eine eindeutigere Be¬ 
obachtung zulässt. Ich konnte ebenfalls das, was auch andere Autoren 
schon beschrieben haben (Widal, Orth, Hirschfeld, Schridde, 
Schwarz u. a.), feststellen, dass die Lymphozyten nicht, wie Ehrlich 
annahm, nur passiv aufgeschwemmt werden, sondern aktiv aus den Ge- 
fässen in die Gewebe auswandern, ich konnte Lymphozyten in der zu¬ 
fällig abgehobenen Gefässwand steckend nachweisen (Abb. 7). Ich konnte 


Abbildung 7. 



ferner in dem freien Exsudat feststellen, dass sie Protoplasmafortsätze 
ausstrecken, kürzere und längere, schmälere und breitere, 
mit denen sie Fetttröpfchen phagozytieren, dass sie sich mit 
einem grösseren oder kleineren Teil ihres Zellleibes eng der Form grösserer 
Fetttröpfohen anschmiegen, also sich aktiv bewegen und Loko- 


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29. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


919 


raotionsfähigkeit besitzen. Nach den Injektionen von Lezithin in 
öliger Lösung treten aus den in die Beläge hineingewachsenen jungen 
Gefässen und aus den Gefässen des Netzes unvergleiohlioh viel mehr 
einkernige Lymphozyteu als polymorphkernige Leukozyten aus, weil 
Fette eben eine elektive Anlockungsfähigkeit für die Lymphozyten be¬ 
sitzen; es ist also zum mindesten ein sehr grosser Teil der einkernigen 
Exsudatzellen hämatogenen Ursprungs. Ich konnte aber neben einem 
oft massenhaften Auswandern von einkernigen weissen Blutkörperchen 
aus den Gefässen und einer haufenweisen Umlagerung der neugebildeten 
Gefässe mit diesen Zellen beobachten, dass Adventitiazellen zu einem 
Teil noch an der Gefässwand hingen, zu einem Teil von ihr losgelöst 
waren; es lässt sich allerdings nicht immer ausschliessen, dass diese 
Zellen sich nicht umgekehrt den Gefässwänden anlegen. 

Auch die kleinen Lymphozyten haben, was geleugnet wurde, 
was wir aber auch in Exsudaten selbst häufig konstatieren konnten, 
amöboide Beweglichkeit und phagozytäre Fähigkeiten. Da 
die Emigration aus den Gefässen eine fast ausschliesslich 
lymphozytäre ist, während innerhalb derselben Gefässe sehr 
viele polymorphkernige Zellen liegen, die nicht auswandern 
(Abb. 8), so ist daduroh meines Wissens zum ersten Male die 


Abbildung 8. 



chemotaktische elektive Einwirkung der injizierten Sub¬ 
stanz gerade auf die lymphozytäre Elemente eindeutig und 
zwingend erwiesen. In dem Exudate selbst sieht man ferner Zellen, 
die teils ohne weiteres als abgestossene Endothelien zu erkennen sind, 
teils gewisse Aenderungen ihrer äusseren Begrenzungsfläohe erlitten 
haben, die sie den lymphozytären Elementen zwar ähnlicher machen, 
aber doch meist eine Unterscheidung zulassen. 

Kurz zusammengefasst sind die wesentlichsten Resultate der 
Untersuchungen, dass die Fette und Lipoide eine elektive chemotaktische 
Anziehung auf die auch innerhalb der Gefässe befindlichen lympho¬ 
zytären Elemente ausüben, dass nur diese und nicht die Leukozyten aus¬ 
wandern und die Fetttröpfohen in ihren Körper aufnehmen und verarbeiten, 
bzw. z. T. in die Lymphdrüsen und Milz weiterführen, dass die Lympho¬ 
zyten die Fähigkeit besitzen, aktiv aus den Gefässen zu wandern, Proto¬ 
plasmafortsätze auszustrecken, mit denen sie die Tröpfchen erfassen, sich 
grösseren kugelförmigen Fetttropfen mit einem Teile ihres Zellkörpers 
dicht anzulagern, dass sie also amöboide Beweglichkeit und Ortsbewegungen 
haben, dass auch schon die kleinen lymphozytären Formen Fetten gegen¬ 
über phagozytäre Eigenschaften besitzen, und dass bei der Aufnahme 
und Verarbeitung dieser Fettstoffe in dem Zellleibe gesetzmässige Ver¬ 
änderungen an dem Zellkern und an dem Protoplasma während der 
einzelnen Stadien des Funktionsvorganges festzustellen sind. Diese Ver¬ 
änderungen, Abplattungen, Krümmungen, Einkerbungen, exzentrische Lage 
des Kerns, Grösserwerden des Protoplasmas bei der Tätigkeit, und Rück¬ 
kehr zur runden Form des Kerns mit geringem Protoplasma in der 
Ruhe spielen sich indessen nur innerhalb einer gewissen Breite ab, stets 
behalten die Lymphozyten ihre sonstigen charakteristischen Hauptmerk¬ 
male bei, und niemals finden Uebergänge des lymphozytären Typus in 
den des leukozytären statt. 

Die Gruppe der Lymphozyten ist weiter zu fassen, als Ehr¬ 
lich es getan hat; auch die mononukleären Zellen und die Ueber- 
gangsformen, die charakterisiert sind durch einen zwar gekrümmten 
und etwas eingebuchteten, aber niemals polymorphen Kern und 
durch ein ungranuliertes basophiles Protoplasma, sind funktionelI 
zur Gruppe der lymphozytären Elemente zu rechnen, da man 
feststellen kann, dass Zellformen mit derartigen morphologischen 
Kennzeichen sich aus bzw. zu typischen Lymphozyten umbilden 


können. Der grösste Teil der Exsudatzellen nach Oel- bzw. Li¬ 
poidinjektionen ist hämatogenen Ursprungs, ein Teil stammt 
von Adventitiazellen ab, und nur ein geringer Teil ist endothe¬ 
lialer Herkunft. Die bei gewissen Erkrankungen regelmässig 
gefundene Vermehrung der grossen Einkernigen und derUebergangs- 
formen gleichzeitig mit oder auch ohne Lymphozytose kommt 
durch die gesteigerte funktionelle Inanspruchnahme und dadurch 
bedingte Gestaltsveränderung der Lymphozyten zustande. 

Die klinische Bedeutung der Lymphozytose als Abwehrreaktion 
des Organismus gegenüber Krankheitserregern fettartigen Cha¬ 
rakters Ist durch den Befund des fettspaltenden Fermentes in den 
Lymphozyten biologisch verständlich geworden und gewinnt noch 
durch den Nachweis der amöboiden Beweglichkeit, der elektiven 
Emigrationsfähigkeit, der phagozytären Eigenschaften und der 
durch die Funktion bedingten morphologischen Veränderungen 
der Lymphozyten an Sicherheit. 

(Lichtbilder nach mikrophotographischen Aufnahmen und 
mikroskopische Präparate.) 


Ein Kunstarm für Oberarmamputierte 1 ). 

Von 

Dr. R/ Znelzer, Spezialarzt für orthopädische Chirurgie, Potsdam. 

Die orthopädischen Fachärzte haben sich während des Krieges 
ebenso intensiv wie mit der chirurgischen und mechanischen Be¬ 
handlung der zahlreichen Kriegsverstümmelten auch mit der Kon¬ 
struktion künstlicher A pparate und Glieder befassen müssen. Aber 
dieser so wichtigen Aufgabe konnten sich nicht alle vorgebildeten 
orthopädischen Aerzte unterziehen, da sie zum Teil unbegreiflicher¬ 
weise — zum grössten Schaden der Verkrüppelten und dadurch 
auch des Militärfiskus — nicht da Verwendung fanden, wo sie 
hingehörten. Dieser grobe Organisationsfehler hat sich schwer 
gerächt. Ja es kam der Behörde nicht darauf an, einen prakti¬ 
schen Arzt, der für Orthopädie nicht das geringste Interesse und 
Verständnis hat, zum Chefarzt eines Krüppellazaretts zu machen! 
So ist es nicht zu verwundern, dass das Resultat in der Kon¬ 
struktion künstlicher Glieder bei den sonst auf so hoher Stufe 
stehenden Orthopäden nicht die Erwartungen erreichte, die man 
an sie stellte, zumal die meisten Orthopäden in der Friedenszeit 
vorher kaum Gelegenheit hatten, sich eingehend mit Amputierten 
zu beschäftigen. Das war die Domäne der Bandagisten. Wir 
wissen ja, was für „Atrappen“ von diesen meist geliefert worden 
sind, und auf den Ausstellungen sahen wir manche Arme und 
Beine, die schwer einer Kritik standhielten. Deswegen mussten 
die geschulten orthopädischen Fachärzte hier fördernd eingreifen. 
Sie allein vermögen zu beurteilen, wie die Bandage sitzen muss, 
was der Stumpf noch zu leisten imstande ist, welche Arbeits¬ 
leistung man dem Amputierten noch zumuten kann, und was 
unter dem Gesichtspunkt der technischen, sozialen und ästhetischen 
Momente bei der Konstruktion besonders ins Gewicht fällt. Dies 
trifft vor allem für die künstlichen Arme zu. 

Selbst der beste Armersatz wird immer eine Stümperei sein gegen¬ 
über der wunderbaren Einrichtung, wie sie am lebenden Arm geschaffen 
ist. Den feinen Mechanismus, der uns erlaubt, die Hand in jeder Höhe, 
in jeder Stellung und jeder Form angepasst zu halten, werden wir nicht 
nachkonstruieren können, besonders da die Hilfsmuskeln des natürlichen 
Armes zur Unterstützung der angestrengten Hauptmuskeln konstruktiv 
wohl nie nachgeahmt werden können. Die Hauptschwierigkeit liegt aber 
darin, dass das wichtige Gefühl unersetzlich ist. Wir haben es eben 
mit einem toten Gegenstand zu tun, wo selbst die geniale Sauerbruch¬ 
operation kein nennenswertes Empfinden hineinlegen kann. 

Diese Tatsachen muss man sich stets vor Augen halten und nur 
danach trachten, ein möglichst praktisches Werkzeug als Ersatz herzu¬ 
stellen. Unter „praktisch“ ist zu verstehen leicht, vielseitig gebrauchs¬ 
fähig, leicht auswechselbar und möglichst unauffällig. Gelingt dem 
Konstrukteur dieses, so kann er damit rechnen, dass der künstliche 
Arm auch wirklich getragen wird, dass er mindestens bei der Arbeit 
Verwendung findet. Wenn aber der Amputierte aus Indolenz oder aus 
anderen eigenartigen Gründen (Furcht vor Kürzung der Rente usw.) 
kein Interesse daran zu haben glaubt, sich an die ungewohnte Arbeit 
mit dem neuen Arm erst hineinzugewöhnen, dann ist natürlich alle Liebe 
vergeblich. Von den Amputierten, die nur mit einem Arm geboren 
sind, oder die in der Jugend einen Arm verloren haben, wissen wir, 
dass sie eine derartige Geschicklichkeit mit dem erhaltenen Arm und 
mit dem etwa erhaltenen Stumpfe sich aneignen, dass sie einen künst¬ 
lichen Arm meist nur als Schmuck tragen. Böi den Amputierten er- 

1) Im Auszug vorgetragen (mit Demonstration eines Patienten) in 
der Berliner orthopädischen Gesellschaft im Mai 1919. 

2 * 


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Original fro-m 

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Handelt es sioh nun bei dem Amputierten um Arbeiten, bei denen 
der Unterarm verschieden eingestellt werden bzw. im Gelenk be¬ 
weglich sein muss, so bedient man sich des sogenannten Arbeitsamts. 
Dieser wird mit Hilfe eines Rohres, das in das Aufnahraerohr des Ell¬ 
bogens genau hineinpasst, mit einem Griff am Oberarm befestigt. Damit 
das Rohr auch nicht von selbst herausfallen kann, ist an dem Aufnahme¬ 
rohr ein federnder Widerhaken (Abb. 3 a) befestigt, an dem eine kleine 
Nase, die auf der Unter¬ 
seite des Einsteckrohrs 
befestigt ist, einen festen 

Widerhalt findet. Der - 

federnde Widerhaken ist 
mit einem unten am Auf¬ 
nahmerohr (d) beweglich 
angebrachten Bügelgriff 
(b) in Verbindung ge¬ 
bracht. Dieser Griff hat 
noch ziemlich am Ende 
einen kleinen Sporn, sog. 

Auswerfer (c), der in 
Funktion tritt, wenn die 
gesunde Hand am Bügel 
zieht, um die Sperrung 
zu lösen. Auf diese Weise 
wird das eingeschobene f 

Rohr zugleich gelöst und 
etwas herausgeschoben. £L—~ 

Der eigentliche Ar¬ 
beitsunterarm ist mitdem 
Einsteckrohr (e) gelenkig 
verbunden. Es ist an 
demselben eine 1 cm 
breite, mit Rasten (f) ver¬ 
sehene Scheibe ange¬ 
bracht, um die sich ein 
entsprechend gespaltenes 
Rohr (g) herurabewegen 
lässt. In dem Rohr ver¬ 
läuft nach abwärts ein 
Kolben, der am oberen 
Ende eine den Rasten 
entsprechende gezähnte 
Platte trägt (wie am 
sog. Militärarm) und am L__ 
unteren Ende mit einer 
Muffe (h) in Verbindung steht, die 
drehen lässt. Diese ungefähr in E 
löst bei ihrer Drehung die Zahnkuppelung 


wachsener Menschen muss es erreicht werden können, dass sie auf die 
Vorteile einer zweiseitigen Betätigung nicht verzichten. Wir müssen 
also bei der Konstruktion eines Kunstarmes dahin streben, dass der 
Amputierte wirklich in dem Behelfsglied eine wesentliche Hilfe erkennt. 

Bei dem von mir konstruierten Arm geschieht die Befestigung der 
Oberarmhülse selbst am Körper durch Gurte, die an dieselbe beweglich 
angenietet sind und eine starke gepolsterte Schlaufe bilden, in die der 
gesunde Arm hineinschlüpft. Die Stränge der Schlaufe kommen nur 
auf die Rückenseite des Körpers zu liegen, belästigen also die Brust 
bei der Atmung in keiner Weise. Der Schulterkappenteil der Oberarm¬ 
hülse umfasst fest den oberen äusseren Schulterabschnitt, so dass die 
Schulter die eigentliche Tragfläche abgibt. 

Das Hauptcharakteristikum bei meinem Arm ist eine sagittal in der 
Höhe der Ellbogenbeuge angebrachtes, etwa 7 cm langes, leicht konisch 
verlaufendes Stahl-Aufnahmerohr. Dieses kann mit der Oberarmhülse 
entweder direkt an die Seitensohiene desselben angenietet und angelötet 
oder mittels einer Schraubenvorrichtung an einen Oberarmbügel, der an 
der unteren Querverbindung ein grösseres Looh aufweist (wie beim 
„Brandenburgarm“), angeschraubt werden. Das Aufnahmerohr dient 
dem praktischen Zwecke, dass man in dasselbe alle nur erdenklichen 
Hilfswerkzeuge leicht einstecken kann, z. B. einen Holzstab-Teil eines 
Besenstiels. |Am vorderen Ende dieses beliebig lang zu wählenden 

Stabes lässt sich leicht irgend 
ein praktisch brauchbarer 
Gegenstand durch eine ein¬ 
fache Einsteckvorrichtung 
befestigen, z.B. eine Wasch¬ 
bürste, ein Spiegel, eine 
Gabel (zum Kartoffel schälen!), 
kurz eine ganze Reihe von 
Gegenständen, die der recht¬ 
winklig gebeugte Unterarm 
im täglichen Leben zu halten 
gewohnt ist (Abb. 1). 

Dieser Holzstab (A) hat 
den Vorteil, dass er ohne 
Naohteil mit Wasser in Be¬ 
rührung kommen kann, so 
dass der Amputierte z. B. 
die gesunde Hand und den 
Unterarm leicht mit der 
nassen Bürste reinigen kann. 
Schlägt man am Ende des 
i, so kann der Amputierte 
befestigen. Den einzelnen 
Wünschen des Amputierten kann auf diese Weise leicht Rechnung 
getragen werden. 

Auch einzelne Werkstattwerkzeuge lassen sich leicht in das Auf¬ 
nahmerohr direkt einschieben, z. B. eine Feile, zu deren Handhabung 

aber das eingesohobene Feilenheft 
mit einem Kugelgelenk versehen 
sein muss. Die gesunde Hand 
n wird vorn die Feile führen, und 
dann kann das Feilen fast normal 
‘i\ erfolgen. Aber auch das schla¬ 
gende Werkzeug — der Hammer 
— kann mit seinem Stiel leioht 
eingeführt werden; zur Sicherung 
* : * wird man einen Stift in ein Loch 
(B) durch Rohr und Hammerstiel 
führen (Abb. 2). 

Ueber den grossen Vorteil, 
den dieses so angebrachte Werk¬ 
zeug bietet, gibt das von der amt¬ 
lichen Prüfstelle im Dezember 
1916 herausgegebene „Merkblatt“ 
Auskunft, in dem folgendes steht: 
„Das Ellbogengelenk kann auch 
dadurch ganz ausgesohaltetwerden, 
dass man das Werkzeug, z. B. 
den Hammer, unmittelbar an der 
Oberarmbandage befestigt. Dies 
MBH ist unseres Erachtens für alle 

schlagenden Werkzeuge besonders 
Ellbogengelenk ausgeschaltet. Starrer empfehlenswert, weil dadurch 

Hammerstiel. nachgebende Reibungsgelenke oder 

starre, dem Bruch ausgesetzte 
Zahnkuppelungen ganz vermieden werden und das Werkzeug möglichst 
nahe an den Stumpf heran gebracht wird. Die Schlagsioherheit ist zweifel¬ 
los auf diese Weise am höohsten.“ 

So ist besonders der Invalide, der noch ungefähr einen halben Ober¬ 
arm rechts hat, wirklich imstande, einigermaassen unabhängig von Helfern 
schwerere Arbeit zu leisten. Ich hatte u. a. einen Dorfschmied so aus¬ 
gestattet, der unter Aufsicht ganz allein eine ganze Sohienenkonstruktion 
ausgeführt und auch eine Asch-Falltür hergostellt hat. Andere Kon¬ 
struktionen, besonders solche mit^Kugelellbogengelenk, haben sioh nicht 
bewährt. 


Abbildung 3, 


Abbildung 1 


Abbildung 4. 


Abbildung 2. 


Pflügen eines rechts Exartikulierten. 

Diese Feststellung kann nach entsprechender Bewegung des Unterarms 
in jeder beliebigen Höhe bis zu einem Wißkel von 110° erfolgen. Am 
unteren Ende des Unterarms ist ein den aufgestellten Normalien ent¬ 
sprechender Befestigungsteil (i) zur Aufnahme aller möglichen Werkzeuge 


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29. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


921 


(wie Ring, Haken, Pflughalter, Kellerhand usw.) vorgesehen. Diese Ringe 
n. a. kommen so zu stehen, dass sie der Höhe der gesunden Hand ent¬ 
sprechen, und so können Arbeiten wie Karren schieben, Pflügen u. a. 
leicht ausgeführt werden, wobei die beiden Arme gleich lang sein müssen 
(Abb. 4 u. 5). (Bei dem abgebildeten Exartikulierten musste die Ober¬ 
armhülse anders als oben beschrieben befestigt werden.) Mit einem 
Griff am Hebel ist der Arbeitsarm zu entfernen und kann ebenso leioht 

Abbildung 5. 



Schwer beladene Karre Mist fahren (desselben). 


der „Sohönheitsarm“ eingefügt werden. Wieder mit einem Griff sitzt 
das Einsteckrohr, das an dem Unterarm beweglich angebraoht ist, im 
Aufnahmerohr fest. Der Unterarm besitzt zwei Seitenscharniergelenke, 
von denen das äussere eine besondere neue Konstruktion besitzt, welche 
erlaubt, dass der Unterarm, welcher sonst frei pendelt, — in recht¬ 
winklige Stellung gebracht — feststeht und — etwas weiter aufwärts 
gebeugt — wieder frei wird (Abb. 6). Diese Feststellung und Lösung 

vermag der Amputierte selb- 
Abbildung 6. ständig — ohne Betätigung 

seiner gesunden Hand — durch 
einen leichten kurzen Ruck 
oder Schwung des Oberarm¬ 
stumpfes auszuführen. Die 
erhaltene Muskelkraft des 
Stumpfes wird also bestens 
ausgenutzt, und zwar nach 
einiger Uebung so geschickt, 
dass die selbständige Armbe¬ 
wegung fast gar nicht auffällt. 
Die sonst vielfach üblichen 
Rollenzüge u. dergl. zur Be¬ 
wegung des Unterarms fallen 
demnach vollkommen fort. 

Auf die etwas komplizierte 
und das Gewicht ungünstig be¬ 
einflussende Sichelbewegung, um 
den nach vorn gerichteten Unter¬ 
arm auch gut seitwärts bewegen 
zu können, verzichte ioh, wenn 
ein einigermaassen langer Stumpf 
vorhanden, weil dessen Rotation 
genügt, um den Arm im ganzen 
zu drehen. Bei den Exartiku¬ 
lierten und Kurzamputierten 
baue ich das Sichelgelenk des 
„Militärarms“ ein, nur muss die 
Verstellscheibe breiter und so 
handlicher gemacht werden 
(Abb. 3 k). 

Der Arm, den ich eben 
kurz beschrieben habe, weist 
eine Reihe von Modifikationen 
auf gegenüber demjenigen, den ioh in der Zeitschrift für orthopädische 
Chirurgie, Bd. 37, veröffentlicht habe. Wegen der Ungunst der Ver¬ 
hältnisse ist es mir leider nicht möglich gewesen, noch weitere Ideen, 
die meine Beobachtungen an den Kriegsversiiimmelten gezeitigt haben, 
zu verwirklichen. In dem Garnisonlazarett einer Provinzstadt, wo ioh 
einige Jahre die chirurgische Station leitete, hatte ich Gelegenheit 
gefunden, nach Ueberwindung aller möglichen Hemmnisse ortho¬ 
pädische Apparate und künstliohe Glieder herzustellen, und kaum hatte 
ioh die ersten Schwierigkeiten überwunden und auch einige Resultate, 


denen die Anerkennung nicht versagt wurde, erzielt, da wurde mit 
einem Federstrich das ganze mühsam aufgebaute Unternehmen vom 
Sanitätsamt für geschlossen erklärt. Gegen derartige nicht verständliche 
Handlungsweisen, die die Arbeitsfreudigkeit unterdrücken, konnte man 
ja damals nicht Vorgehen, aber es sollten Maassnahmen getroffen werden, 
dass nunmehr die Fachärzte stets an der Stelle Verwendung finden, wo 
sie im Staatsinteresse ihre Kenntnisse anwenden können. Gelegenheit 
dazu bietet sich noch in Hülle und Fülle, da doch die vielen tausende 
von Rriegsverstümmelten auch weiterhin mit guten und besseren Pro¬ 
thesen versorgt werden müssen, ebenso wie wahrscheinlich eine ganze 
Reihe von Kriegsgefangenen, die hoffen, endlich in der Heimat sach- 
gemässe Apparate zu erhalten. 

Zum Schluss knüpfe ich die Mahnung hier an, dass die jungen 
Aerzte, die sich der Orthopädie widmen wollen, während ihrer Lehrzeit 
Gelegenheit suchen, sich so- wie in der orthopädischen Technik auoh in 
der orthopädischen Werkstatt derartig ausbilden, dass sie wirklich im¬ 
stande sind, einfachere Apparate und Prothesen selbst herzustellen, zum 
mindestens mit wirklich fachmännischem Rat dem Bandagisten Vorschriften 
zu machen. Mein verstorbener Chef Hofta legte s. Z. auoh Wert darauf, 
und ioh kann versichern, dass mir selbst meine technische Ausbildung 
zum grössten Vorteil gereichte, während andere Kollegen durch ihre 
völlige Abhängigkeit vom Bandagisten recht beeinträchtigt waren. 


Aus Dr. H. Neumann’s Kinderhaus (Berlin). 

Krieg und Rachitis. 

Von 

Dr. Alfred Japha. 

Wenn man in einer Kinderpoliklinik die Verhältnisse vor 
und nach dem Kriege vergleicht, so macht sich neben den para¬ 
sitären Krankheiten und der Tuberkulose besonders die Zunahme 
der Rachitis bemerkbar. 

Zahlenmässig lässt sich das allerdings schwer erfassen, weil ja die 
meisten Kinder schon von Beginn des Lebens an beraten wurden, und 
man alle Krankengeschichten durchmustern müsste, um diese Verhält¬ 
nisse festzustellen; auch dann noch wäre man vor Fehlschlüssen nicht 
sioher. So bleibt schon nichts übrig, als der Erfahrung ein Recht der 
Beurteilung einzuräumeD; die allerdings in vieljähriger Tätigkeit er¬ 
worben wurde. Es erscheint vielleicht misslich, von einer Zunahme der 
Rachitis, rein zahlenmässig gefasst, zu sprechen, da die Krankheit an 
sich in Berlin immer häufig war, Levy (Med. Ref., 1912, Nr. 10) gar in 
Impfterminen 97,8 pCt. Rachitis fand (unter 1000 Impfkindern waren nur 
22 frei). Aber selbst wenn wir diese ausserordentlich hohen Zahlen an¬ 
erkennen, so wird an der Tatsache der Zunahme nichts geändert, es 
kommt uns eben nicht die Häufigkeit, sondern die Schwere der Krank¬ 
heit zum Bewusstsein, die es veranlasst, dass wir ihretwegen um Rat 
gefragt werden und sie nicht einfach als Nebenbefund feststellen oder 
in leichteren Fällen übersehen. Nur so ist es aufzufassen, wenn wir 
unter 1400 Aufnahmen der ersten Jahresmonate im Jahre 1914 nur 
93 Fälle von Rachitis, also 6,6 pCt. der Aufnahmen, im Jahre 1919 aber 
235 Fälle, also 16,7 pCt. der Aufnahmen, sahen. 

Vier Punkte sind es, die dabei besonders auffallen. Einmal, 
dass Kinder, die sich angeblich anfänglich sehr gut entwickelt 
haben und zur rechten Zeit laufen lernten, allmählich nicht mehr 
laufen wollten, teilweise auch ganz aufhörten. Zum Teil damit 
in Zusammenhang steht die Beobachtung, dass nunmehr die 
Krankheit auch länger dauerte, nicht nur bis zum Ende 
des zweiten Lebensjahres, wo ja meist auch diese Kinder zu 
laufen beginnen, und man nur noch mehr oder weniger starke 
Verkrümmungen an den Beinen als länger dauernde RfSte fest¬ 
stellen kann, sondern dass Kinder in einer Anzahl, wie wir das 
früher nicht gesehen haben, auch im 4. oder 5. Lebensjahre noch 
nicht gehfäbig waren, manchmal mit periodischer Besserung in 
den Sommermonaten. Ein weiterer Punkt ist die Häufigkeit 
starker Knochenbrüchigkeit, so dass sich, am häufigsten an 
den unteren Extremitäten, am Unterschenkel oder Oberschenkel, 
in selteneren Fällen an den oberen Extremitäten, den Rippen 
oder am Schlüsselbein Einbrüche bilden, entweder scheinbar von 
selbst oder auf eine besondere Veranlassung hin, die aber viel¬ 
leicht gar kein grosses Trauma dargestellt hat. Im letzeren Fall 
sind gewöhnlich sehr lebhafte Schmerzen vorhanden, im ersteren 
Fall sind sie gewöhnlich leicht. Es ist aber schliesslich als 
vierter Punkt noch zu bemerken, dass auch ohne sichtliche Ein¬ 
brüche die Kinder nach den Angaben der Mütter Schmerzen 
haben, und dass wir diese Angabe bestätigen konnten: die Kinder 
sind ruhig, solange sie still liegen, fangen aber kläglich an zu 
schreien, sobald man sie berührt, noch mehr, wenn man den Ver¬ 
such macht, sie aufzustellen. Dies sind besonders hervorzuhebende 
Erscheinungen, sonst haben die Fälle alle Zeichen schwerster 
Rachitis, wie sehr starkes Caput quadratum, starke Thorax- 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89, 


929 


deformitäten, ausgesprochen« Kyphosen, welche die Verordnung 
eines Gipsbetts erfordern. Die Schweisse waren in manchen 
Fällen sehr lästig, nicht in allen. Auch lange dauernde Broncho¬ 
pneumonien haben wir beobachtet, nicht aber allzu häufig. 

Wenn man das alles zusammenfasst, so kommt man zu dem 
Eindruck, dass die Krankheit doch anders verläuft, als wir dies 
im allgemeinen bei Rachitis gewohnt sind. Kinder mit Rachitis sind 
gelegentlich misslaunig, eigentliche Schmerzen werden von den 
Autoren vielfach nicht berichtet; Schloss 1 2 * ) gibt direkt an, dass 
nach reichlicher Erfahrung Schmerzen nicht zum Bilde der Krank¬ 
heit gehören. Jedenfalls kann man sagen, dass sie uns früher 
nie als so besonders in die Augen springendes Symptom ge¬ 
meldet und von uns festgestellt wurden als jetzt. Es gab das 
Veranlassung, darauf zu achten, ob sich vielleicht sonst für Bar- 
low’sche Krankheit sprechende Symptome finden Hessen, die nach 
den Berichten von Knöpfelmacher 8 ), Erich Müller 8 ) u. a. 
jetzt gelegentlich gehäuft beobachtet wird. Das ist aber nicht 
der Fall gewesen. Wie es sich mit der Milch in den erwähnten 
Fällen verhielt, ist nicht festgestellt worden, man kann annehmen, 
dass ein Teil wenigstens pasteurisiert war. Jedenfalls ist ein 
Zusammenhang mit Barlo w nicht festgestellt worden. 

Knocheninfraktionen wurden von den meisten früheren Autoren 
als zum Bilde der Rachitis gehörig betrachtet. Czerny 4 5 6 ) ver¬ 
tritt eine andere Ansicht, er hält es für zweckmässiger, „diese 
Krankheitsbilder von der Rachitis abzutrennen, ebenfalls von 
einer Kombination mit Osteopsathyrosis und Hypotrophie zu 
sprechen“. In solchen Fällen soll auch die geistige Entwicklung 
und das Längenwachstum lange Zeit hinter der Norm Zurück¬ 
bleiben. ln einem weiteren Aufsatz von Cerny 8 ) über die Osteo¬ 
psathyrosis wird ebenfalls auf den Zusammenhang mit Skorbut 
ningewiesen, auch die Darreichung von 100 g frischen Rübensaft 
als Therapie empfohlen. Ob diese Krankheitsformen nun wirk¬ 
lich von der Rachitis abzutrenuen sind, oder ob nur eine graduelle 
Steigerung desselben Prozesses vorliegt, die in gleicher Weise 
Knocheninfraktionen und Schmerzen bringt, möchte ich nicht mit 
Bestimmtheit entscheiden, jedenfalls ist das Häufige dieser Er¬ 
scheinung in diesem Winter auffallend. Es muss mindestens eine 
stärkere Schädigung als sonst vorliegen. Dasselbe kann man 
sagen, wenn jetzt die Erkrankung länger andauert und namentlich 
wenn sie die Kinder in stärkerem Grade befällt in einem Alter, 
wo sonst die Störungen abzunehmen beginnen, und zwar auch 
solche, die in jüngerem Alter davon frei waren.. 

Es bleibt nun übrig, zu erörtern, welcher Art diese Schäd¬ 
lichkeit sein kann. Zunächst wird den Wohnungsverhältnissen ein 
Einfluss auf die Rachitis zugeschrieben. 

Selter 8 ) hat einige Tatsachen über Ursachen und Verbreitung der 
Rachitis veröffentlicht. Er fand 1914 unter einer grossen Anzahl von 
Impfkindern der Stadt Leipzig 49,3 pCt. rachitisch, 1918 von Irapfkindern 
in Königsberg 52,5 pCt., auf dem Lande bei Leipzig waren nur 33,9 pCt. 
raohitisch, auch bei Kindern der Volkskindergärten, die sieh freier be¬ 
wegen konnten, fand er nur 26,9 pCt. Rachitis. Das spricht tatsächlich 
für einen günstigen Einfluss des Landlebens, den ja auch Neumann 
im Hochgebirge festgestellt hat. Dass aber gerade der Einfluss der Luft 
damit zu tun hat, ist damit noch nicht gesagt. Dagegen ergab die 
Statistik Selter’s, dass Kinder aus verschiedenen Stockwerken in gleicher 
Weise an Rachitis erkranken, ebenso war in einem Bezirk Königsbergs 
mit bosonders günstigen Wohnverhältnissen die gleiche Morbidität. 

Danach würden die Wohnverhältnisse und die Möglichkeit, 
in die Luft zu kommen, keinen grossen Einfluss auf die 
Häufigkeit der Krankheit haben. Nach unseren Beobachtungen 
wäre das Ergebnis kein anderes: weder habe ich den Eindruck 
gewonnen, dass die Rachitis in den guten Wohnungen seltener, 
noch dass sie in den schlechten Wohnungen immer besonders 
schwer war. Auch ist schwere Erkrankung bei Kindern beob¬ 
achtet worden, bei denen man durchaus den Müttern Glauben 
schenken konnte, dass sie genügend ins Freie gebracht wurden; 
die anfängliche Meinung, dass sich die Mütter vielleicht wegen 
anderweitiger Arbeit im Kriege den Kindern weniger widmen 
konnten, ist für die beobachteten Fälle nicht bestätigt worden. 

Nun sind ja die Ernährungsverhältnisse von Einfluss, und 
man wird im Ganzen annehmen können, dass Brustkinder seltener 
an den schweren Graden der Rachitis erkranken. Ganz frei 
bleiben sie sicher nicht, und nach der Statistik Selter’s ist der 

1) B.kl.W.» 1916, Nr. 27. 

2) Med. Kl., 1919, Nr. 4. 

8) B.kl.W., 1918, Nr. 43. 

4) Handb. d. Ernährung des Kindes. 

5) D.m.W., 1919, Nr. 10. 

6) B.kl.W„ 1919, Nr. 7. 


Unterschied zwischen Brustkindern und künstlich ernährten gar 
nicht gross, die letzteren wwren zu 61,8 pCt., die ersteren durch¬ 
schnittlich zu 50,4 pCt. erkrankt- Ein erheblicher Einfluss der 
Stilldauer Hess sich nicht feststellen, die Zahlen waren wohl 
noch zu klein dafür (1124 Brustkinder). An eiuen Einfluss des 
Stillens habe auch ich zunächst gedacht, es ergab sich aber, wie 
die beifolgende Tabelle erweist, dass die Stilldauer gegen die 
Zeit vor dem Kriege erheblich angenommen bat. Ebenso 
hat der Prozentsatz der über 2 Monate Gestillten zugenommen, 
denn es wurden im Jahre 1915 über 2 Monate gestillt 1481 
Kinder unter 3577, also 41,4 pCt., im Jahre 1918 unter 3245 
Kindern 1688, also 50,5 pCt. Dass auch unter den Brustkindern, 
so lange sie noch gestillt wurden, einige besonders schwer an 
Rachitis erkrankten, entspricht an sich nur früheren Erfahrungen; 
dass es mehr der Fall war wie früher, kann ich nur als Eindruck 
wiedergeben und nicht mit Zahlen belegen. 



Die Wichtigkeit hereditärer Momente, nicht nur der Rachitis 
der Eltern, sondern aller schwächender Krankheiten derselben, 
wird besonders von Wieland betont. 


Selter meint, dann müsste die Disposition bei allen Kindern einer 
Familie in gleicher Weise übertragen werden. Das war aber naoh seiner 
Statistik nicht der Fall, von den ersten bis vierten Kindern wurden nur 
41,9 pCt., vom fünften Kind an 54,2 pCt. rachitisch, der Prozentsatz 
stieg mit der Zahl der Kinder sogar nooh erheblich an, bis über 70 pOt. 
Zur Erklärung könnte man verschiedene Momente aoführen, die grössere 
Enge der Wohnung, deren Einfluss trotz des Vorstehenden ja nioht 
ganz ausgeschaltet zu sein brauchte, die geringere Möglichkeit für die 
Mutter, sich bei einer grossen Kinderzahl mit dem einzelnen zu be¬ 
schäftigen; immerhin dürfte doch auch das konstitutionelle Moment eine 
Rolle spielen, eine Schwächung der Mütter durch die grosse Geburten¬ 
zahl ist doch zu wahrscheinlich. Auch für die Kriegsverhältnisse kann 
das konstitutionelle Moment nicht ganz ausgesohaltet werden, man 
könnte wohl annehmen, dass jetzt infolge der schlechten Ernährung 
die Kinder trotz des vielleicht genügenden Anfangsgewichts 
mit einem zu geringen Kalkdepot oder wohl eher sonst ge¬ 
schwächt zur Welt kommen. 

Nach Ablehnung aller aaderen ätiologischen Momente kommt 
Selter zuletzt auf die Infektion, ihm wäre die Anschauung, dass 
Bakterien und ihre Toxine die Ursache der Rachitis seien, noch 
die wahrscheinlichste. 

Er stellt sich vor, dass gerade in den überfüllten Wohnungen ein 
besonderer Reichtum an Infektionserregern herrsche, sie also in grosser 
Menge in den Körper eindringen könnten und dann im Epiphysenmark 
abgelagert würden. Nun ist es unbestreitbar, dass Infektionskrankheiten 
die Entstehung schwerer Grade von Rachitis begünstigen können, dass 
sie aber eine so überwiegende Rolle spielen, wie Selter anzunehmen 
soheint, ist deshalb unwahrscheinlich, weil ja auch Kinder an schwerer 
Raohitis erkranken, die solche Krankheiten nicht durohgemaoht haben, 
und in deren Wohnungen gute hygienische Verhältnisse herrschen. 
In dem vorliegenden Fall liesse sich die Zunahme vielleicht mit der 
Grippeepidemie in Verbindung bringen. Tatsächlich geben manehe 
Mütter an, dass ihr Kind im Anschluss an eine Lungenentzündung das 
Laufen verlernt habe und seitdem nicht wieder kräftig geworden sei. 
Doch ist das immerhin nur ein kleiner Teil der Fälle, es ist eben auch 
gar nichts Neues, dass eine schwere Erkrankung im Säuglingsalter die 
Ernährung umwirft, oft so vollständig, dass der Organismus zugrunde 
geht. Leider weiss ich aus eigener Anschauung nioht, wie die Rachitis 
sich im vorangegangenen Winter verhalten hat, es soheint fast, als ob 
die Zunahme allmählich im Laufe der Jahre erfolgt ist. Tatsächlich 
waren 1918 unter 1200 Aufnahmen der ersten Jahresmonate 152, also 
12,7 pCt. rachitisch (gegen 6,6 pCt. 1914). Das würde natürlich unbedingt 
gegen einen Einfluss der Grippe spreohen. Mit Sicherheit lässt sich 
aber behaupten, dass akute Katarrhe bei den in der Poliklinik behandelten 
Säuglingen auch früher häufig waren, und dass eine besondere Häufigkeit 
und Schwere der Fälle in diesem Winter nioht festzustellen, war. Also 
auch der Infektion möchte ich keinen überwiegenden Ein¬ 
fluss zuerkennen. 

Viel mehr Gründe sprechen doch für einen besonderen Ein¬ 
lass der Ernährung. Dass sich die Ernährung im Kriege für 


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29. September 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


928 


den Säugling and das Kleinkind verändert bat, ist zunächst zwar 
gar nicht so ersichtlich. 

Das Kalorienangebot und die Menge der Hauptnährstoffe muss durch¬ 
aus ausreichend sein, wsnn nicht andere zu viel davon fortessen, und 
das ist sioher nioht allzu häufig der Fall. Höchstens kommt es vor, 
dass manche Kinder das grobe Brot nioht gern essen. Nun haben wir 
ja bisher gerade ein Uebermaas voo Milch für besonders sohädlich ge¬ 
halten und tatsächlich Besserungen bei Einschränkungen der Miloh- 
menge gesehen. Als schädlicher Faktor wurde gerade das Milchfett 
angesehen, das die Erdalkalien an sich reiset und auf diese Weise die 
Aufnahme des Kalks hindert. Gerade jetzt aber ist die Mich besonders 
fettarm, schon wie sie von der Kuh kommt (2,8 bis 2,8 pCt.), inwieweit 
sie später nooh durch Verdünnung fettärmer wird, entzieht sioh der 
Beurteilung. Weiter kann die Menge der Milch nioht mehr wie früher 
beliebig gesteigert werden, */« 1 ist das Höohste, was einem Kinde über 
1 Jahr gegeben werden kanp, und diese Menge wird aus den ver¬ 
schiedensten Gründen nicht voll erreioht werden. Abgesehen davon, 
dass vielleicht unsere Ansichten von der hauptsächlichen Schädigung 
durob das Milohfett in etwas zu revidieren sind, ist es unwahr¬ 
scheinlich, dass quantitative Veränderungen der Ernährung 
sohuld an der Verstärkung der Rachitis sind. 


Man kommt also darauf, an besondere qualitative Verän¬ 
derungen zu denken, deren Natur uns noch unbekannt ist. 

Besonders nahe legen uns diesen Gedanken die angegebenen Ver¬ 
änderungen im Charakter der Rachitis, die häufig in besonders hohem 
Grade vorhandenen Schmerzen und die Neigung zu Infraktionen, die 
weit über das hinausgeht, was man sonst zu sehen bekommt. Nicht 
ein Zufall kann es sein, dass ähnliche Erkrankungen jetzt auoh bei Er¬ 
wachsenen berichtet werden, in Wien bei Frauen (Edelmann, Schle¬ 
singer, Wenokebaoh, Schiff), aus Göttingen bei heranwachsenden 
jungen Menschen mit schwerer Arbeit von Fromme. Fromme 1 ) beob¬ 
achtete zuerst nur Schmerzen in den Beinen, denen bei fortschreitender 
Krankheit Infraktionen folgten. Er nimmt eine Spätrachitis mit dem 
Uebergang in Osteomalazie an. Im Grunde ist ja Osteomalazie auch 
nichts anderes als Rachitis. Auf der anderen Seite gibt zu denken die 
Mehrung der Fälle von Barlow’scher Krankheit. Eine Verwandtschaft 
von Barlow und Rachitis wird neuerdings ja auch von Czerny betont. 
Nun könnte bei den rachitischen Kindern auoh das Fehlen solcher 
Nahrungsmittel wie frisches Gemüse in Betracht kommen; Fleisch er¬ 
halten sie ja auch im Frieden meist wenig. Gerade im letzten Jahr hat 
es aber an Gemüsen kaum gemangelt. Die Hauptnahrung ist in diesem 
Alter, im zweiten Lebensjahr, aber immer noch die Milch, und dass 
sie jetzt in mancher Beziehung verschlechtert in den Handel kommt, 
ist sioher. 

Man brauoht dabei nicht einmal nur an die Veränderungen zu 
denken, welohe die Miloh duroh starkes Pasteurisieren, das jetzt 
häufiger verkommen wird als früher, und langen Transport erleidet, man 
wird auoh annehmon können, dass sohon die mangelhafte Fütte¬ 
rung der Kühe die Miloh verändert; von der Frauenmilch 
würde daaselbe gelten können. Ob man hierbei an die Vitamine 
denken muss, lässt sioh in keiner Weise mit Bestimmtheit sagen, es 
können auoh gröbere Veränderungen an Salzen oder anderen Stoffen sein, 
die uns bekannter sind als die Vitamine. Es sind da natürlieh ver¬ 
schiedene Möglichkeiten: es kann das Fehlen wichtiger Stoffe krank¬ 
heitserregend wirken, es können aber auoh sehädliche Stoffe in der 
Miloh vorhanden sein, oder es können infolge des Fehlens bestimmter 
Stoffe andere schädlioh wirken. 


Dieselben Verhältnisse, die sich leider bisher ja nicht exakt 
erweisen lassen, mögen aber nicht nur jetzt vorliegen, sie gelten 
unter Umständen auch für die Rachitis der Friedenszeit, denn 
dass die jetzt beobachteten Erscheinungen etwas ganz anderes 
darstellen als unsere alte Rachitis, ist unwahrscheinlich. Die von 
allen zugestandene Wirkung des Lebertrans lässt sich vielleicht 
auch aus diesem Gedanken heraus erklären. Im Lebertran mag 
der notwendige Ersatznahrungsstoff vorhanden sein, der die Fehler 
der unzureichenden Milch ansgleicht. Noch etwas ist hier unter 
Umständen nicht ohne Bedeutung. Es ist von jeher aufgefallen, 
dass die Rachitis in den Wintermonaten zunimmt, allerdings ist 
das hier nicht so deutlich festzustellen wie bei der Spasmophilie, 
wo man im Sommer überhaupt eigentlich keine Erkrankungen 
sieht, im Oktober, selten früher, die ersten Fälle Vorkommen, die 
Zahl sich bis März und April steigert, um dann plötzlich bis zum 
Schwinden abzusinken. Man erklärt das meist mit den ungünstigen 
hygienischen Verhältnissen, die im Laufe des Winters aof die 
Kinder einwirken, infolge des Mangels an frischer Luft und Licht. 
Czerny hat eine andere Erklärung gegeben, er meint, dass die 
Kinder im Winter ungestraft der Ueberfütterung ausgesetzt werden 
können und so leicht chronische Ernährungsstörungen mit ihren 
Folgen sich znziehen, während im Sommer der Ueberfütternng 
akute Ernährungsstörungen bald ein Ziel setzen und die Aus¬ 
bildung chronischer Schäden verhindern. Damit kann aber der 


1) D.m.W., 1919, Nr. 19. 


Grund der Vermehrung der Rachitis und Spasmophile im Winter 
kaum ganz getroffen sein. Damit verträgt sich nämlich weder 
recht das Auftreten der ersten Fälle von Spasmophilie im Oktober, 
zu einer Zeit also, wo die Schädigungen doch noch gar nicht 
lange genug einwirken konnten, noch das ganz plötzliche Ab¬ 
sinken der Fälle im Mai, wo doch noch kaum akute Ernährungs¬ 
störungen Vorkommen. Ich habe schon seinerzeit, als ich eine 
Statistik der Spasmophiliefälle zusammenstellte, an die Möglich¬ 
keit einer Einwirkung der Milch gedacht, mich aber abhalten 
lassen, dem Ausdruck zu geben, heute, wo die Erfahrungen des 
Krieges einen ähnlichen Gedankengang näher gelegt haben, 
möchte ich doch die Frage zur Diskussion stellen, ob nicht die 
Art der Fütterung der Kühe im Winter Veränderungen an der 
Milch setzt, welche derselben nnter Umständen schädliche Eigen¬ 
schaften verleihen. 

Wenn man das alles zusammenfasst, so muss man also 
wohl zu dem Schluss kommen, dass an der jetzt beob¬ 
achteten Schwere der Rachitis hauptsächlich die Er¬ 
nährung einen Anteil hat. Dass Veränderungen der Milch dabei 
mit in Betracht kommen, sei es durch Pasteurisierung und 
langen Transport, sei es durch ungenügende Ernährung 
der Kühe und vielleicht auch der Mütter, bleibt eine 
Vermutung, die allerdings manche Stütze hat. Der alleinige 
Grund wird das nicht sein, wie ja überhaupt zum Zustande¬ 
kommen der Rachitis in vielen Fällen mehrere Ursachen 
Zusammenwirken werden. In dem vorliegenden Fall wird man 
auch eine Verschlechterung der Konstitution der Neu¬ 
geborenen infolge ungenügender Ernährung der Mütter mit in 
Betracht ziehen müssen. Aehnliche Beziehungen zur Ernährung 
wird man auch für die Rachitis der Friedenszeit annehmen 
dürfen. 


Aus der medizinischen Abteilung B des Allerheiligen- 
Hospitals zu Breslau (Primärarzt: Prof. Dr. Forschbach). 

Ueber die Lupine als menschliches Nahrungs¬ 
mittel. 

Von 

Alfred Alker. 

Da das Brot das Hauptnahrungsmittel des Volkes und dazu 
mit das billigste darstellt — wurden doch nach v. Noorden 1 ) 
im Frieden etwa 42pCt. der gesamten Nährwerte unserer Kost 
aus Mehl und Brot bezogen —, so ist es erklärlich, dass man 
seit langem bemüht ist, es zu verbessern und vor allem seinen 
Nährwert zu erhöhen. 

Bekanntlich ist der Gehalt des Brotes an Eiveiss ziemlioh gering, 
weil für gewöhnlioh nur ein Teil des Getreideeiweisses zur Brotbereitung 
ausgenutzt wird bsw. ausgenutst werden kann. Der Grund liegt darin: 
Der Mehl kern des Getreidekorns ist von einer festen, aus Holzfaser 
(Zellulose) bestehenden Schale umgeben. Unter dieser Schale befindet 
sich eine Schicht von Kleber, auch Alenronschicht genannt, die zum 
grössten Teil ans Eiweiss besteht Da diese Aleoronschicht mit der 
Schale fest zusammenhängt, so gebt sie beim Mahlen mit in die Abfall¬ 
produkte, die Kleie, über; daher ist auoh die Kleie erheblich eiweiss- 
reiober als das Mehl. Es enthält: 

Roggenmebl 1,44 pCt Stickstoff; Roggenkleie 2,60 pCt N 
Weizenmehl 1,57 pCt. „ ; Weizenkleie 2,42 pCt. N. 

Es lag daher nabe, das mit der Kleie abfallende Eiweiss der 
Aleuronsohicht zu verwerten, indem man das Korn bis zu 95 pCt. aus¬ 
mahlte. Dabei wurde jedoch duroh die gewöhnlichen Mahlverfahren dis 
Getreidehülle nioht so fein verkleinert wie die übrigen Teile des Korns, 
sondern nur ^geschrotet“. 

Aus diesem Vollkornmehl backte man Vollkornbrote und 
Schrotbrote (Schlüter - Graham), in der Annahme, dass dieses 
Mehr an Eiweiss, das man dem Körper zuführte, ohne weiteres 
verdaut und resorbiert würde. Arbeiten von Rubner und seiner 
Schule zeigten jedoch, dass dies Eiweiss der Vollkornbrote nur 
ungenügend verdaut und resorbiert wird; mehr noch: dass von 
dem verdauten Eiweis nur ein Teil resorbiert werden kann, weil 
durch die scharfspitzigen Trümmer der Getreideschale die Schleim¬ 
haut des Darms gereizt und dieser dadurch zu vermehrter 
Peristaltik veranlasst wird, und so infolge zu geringen Verweilens 
im Darm das Ingestum nicht genügend Zeit zur Resorption hat. 
Somit war auch der Weg gewiesen, wie man eine bessere Aus- 


1) D.m.W., 1917, Nr. 22, S. 678. 

3 * 


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Nr. 89 




nützung herbeiffihren konnte: Man musste ein Mehl hersteilen, 
das diese Schalenreste Oberhaopt nicht oder in so fein zer¬ 
kleinerter Form enthielt, dass eine (wohl nur mechanische) Reizung 
des Darms nicht erfolgen kann. 

Den ersten Weg schlng Uhlhorn ein. Sein Verfahren er¬ 
strebt eine „Dekortikation**, d. h. Schälung des Korns, und zwar 
unter möglichster Schonung der Kleberschicht. 

Der Vorgang bei diesem Verfahren ist folgender: »Der zu schälende 
Roggen wird zunächst durch die bekannten Maschinen, Sandzylinder, 
Aspirator und Trieur von verunreinigen den Beimisohungen befreit, als¬ 
dann gleiohmässig mit etwa S pCt. Wasser angefeuchtet, um die Hslz- 
faserhülle zu erweiohen, und passiert hierauf den ersten Sehälgang, 
welcher die Holzfaser fast vollständig ablöst. Sofort nachdem der 
Roggen den ersten Sehälgang verlassen hat, wird er über einen Aspirator 
geführt, weloher die abgesohälte feuchte Holzfaser ausbläst, passiert 
hierauf den zweiten Sohälgang und einen zweiten Aspirator, um sehliess- 
lioh nooh längere Zeit einem kräftigen Luftstrom ausgesetzt zu werden. 
Nach dieser Vorbehandlung wird das ganze Korn vermahlen* *). Soweit 
mir bekannt ist, hat Steinmetz das Verfahren weiter angewendet und 
vervollkommnet. 

Den anderen Weg schlug Klopfer ein, nachdem Rubner 
gezeigt hatte, dass bei genügend feiner Vermahlung der Kleie 
deren Eiweiss bis zu 61,8 pCt. resorbierbar ist. 

Denn »bei nur grober Vermahlung bleibt das Eiweiss in den Kleber¬ 
sellen, deren Wandungen von den Verdauungssäften nicht durchdrungen 
werden und wird dadurch unaufnehmbar*. Nach dem Verfahren von 
Klopfer wird die Kleie nach einem besonderen Verfahren erst zer¬ 
kleinert und dann dem Mehl wieder sugesetzt. 

Mit beiden Brotarten, mit dekortiziertem Brot wie mit 
Klopfer’schem Vollkornbrot sind Ausnatzuugsversuche gemacht 
worden. 

Mit ersterem bat Wioke Versuche an sioh selbst angestellt, indem 
er sich je 8 Tage lang ausschliesslich mit Brot aus dekortiziertem bsw. 
nicht dekortiziertem Getreide genährt hat. Dabei wurden vom Eiweis 
aus dekortiziertem Brot 74,8 pCt., aus nieht dekortiziertem Brot 67,0 pOt. 
resorbiert. 

Ueber einen Versuch mit Roggenvollkornbret nach Klopfer be¬ 
richten v. Noorden und Fisch er 2 3 ). Auch hierbei hat die Versuchs¬ 
person ihren gesamten Stick stoffbedarf aus dem Brote gedeckt und da¬ 
neben nur Butter, Apfelmus und Zucker genossen. Der Versnoh 
dauerte 4 Tage. Der zugeführte Stiokstoff betrug 84,83 g, der im Kot 
ausge8ohiedene Stickstoff 7 60g, der Verlust also 22,1 pCt.; demnach 
betrug die Ausnutzung 77,9 pCt., ein Wert, der ungefähr dem von 
Wioke gefundenen für Brot aus dekortiziertem Getreide entspricht 2 ). 

Während bei den genannten Verfahren zur Erhöhung des 
Stickstoffgehaltes nur Getreideeiweiss benutzt wird, hat man in 
letzter Zeit versucht, durch Zusatz von anderweitigem Pffanzen- 
eiweiss den Stickstoffgehalt des Brotes zu erhoben, und zwar ver¬ 
wendete man dazu den Samen der Lupine. 

Da dieser jedoch bitter sohmeckende Alkaloide von ausgesprochener 
Giftwirkung enthält, so ist er für die menschliche Ernährung nur naoh 
vorheriger Entbitternng und Entgiftung zu verwenden. Hierfür sind 
verschiedene Verfahren angegeben worden. Lupine in grösserem Um¬ 
fange so für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen, hat sioh 
die Breslauer Lupinen-VerwertungsgeselIsohaft zur Aufgabe gemaoht. 
Das nach dem Verfahren dieser Gesellschaft gewonnene gereinigte Lu¬ 
pinenmehl enthält nach Pohl 4 ): 5—14 pCt. Zellulose, Hemizellulose, 
4,6—7 pOt. Fett, 8,7—lOpCt. Stiokstoff, das entspricht 56— 6SpCt. Ei¬ 
weiss, dann geringere Mengen Extraktivstoffe und anderweitige Kohle* 
hydrate. Eine Veränderung des Stoffwechsels, wie ihn übermässiger 
Fleisohgenuss durch Uebersohuss von zugefübrten Purinen bedingt, ist 
hier ausgeschlossen. Die Ei weisskörper, von denen einer das Konglutin 
genannt wird, haben Globulinoharakter, sind in reinem Wasser minimal, 
wojil aber in verdünnten Salzen lösliob, gerinnbar und vollkommen ver- 
daulioh. Der ansserordentlioh hohe Stickstoffgehalt verteilt sich nun 
auf gerinnbares Eiweiss, Albumosen, auf Diamino- und Aminosäuren.* 

Da das Lupinenmehl so gut wie keine Stärke enthält, lässt es sioh 
allein nicht zu Brot verbacken, wohl aber in Verbindung mit Roggen¬ 
mehl. Als baokteohnisch am günstigsten hat sich hierfür eine Misohung 
von 80 Teilen Roggenmehl und 20 Teilen Lupinenmehl erwiesen. Ob¬ 
wohl also das so hergestellte Lupinenbrot nur 20 pCt. Lupinenmehl 
enthält, so bedeutet dies dooh eine wesentliche Vermehrung des Stick- 
stoffgehalts; denn während aus reinem, zu 80 pCt. ausgemahlenen 
Roggenmehl bestehendes Brot 0,84 pCt. Stiokstoff = 5.28 pCt. Eiweiss 
enthält, beträgt der Gehalt des Lupinenbrotes an Stickstoff 1,51 pCt. 

9,42 pCt. Eiweiss, also nahezu das Doppelte. 

Ich habe nun im Aufträge von Herrn Professor Forschbach 
durch Au 80 otzungsver 8 ucbe am Menschen festzustellen versucht, 

1) Zit. naoh Wioke, Arch. f. Hyg., 1890, Bd. 11, S. 885. 

2) Ther. Mh., 1918, Nr. 8, S. 96. 

3) Es dürfte wohl auf ein Versehen zurüoksuführen sein, wenn in 
dieser Arbeit 22,1 pCt. als »Ausnutzung* bezeichnet werden. 

4) B.kl.W., 1919, Nr. 20, S. 457. 


wie weit dieses Plus an Eiweiss vom menschlichen Körper re¬ 
sorbiert bzw. angesetzt wird 1 ). 

Die Anordnung der Versuche, die sich auf 8 bzw. 6 Tage er- 
streokten, war folgende: Der Patient erhielt 4 bzw. 8 Tage lang eine 
eiweissarme Kost, die ans Gemüse, Kartoffeln und Getreideerzeugnissen 
bestand, und deren Menge ich dem Nahrungsaufnahmebedürfnis des 
Patienten anzupassen bestrebt war, dazu eine bestimmte Menge Brot 
aus reinem 80proz. Roggenmehl. An den 4 bzw. 3 darauffolgenden 
Tagen dieselbe Kost, jedoch statt des Roggenbrotes die gleiche Gewichts¬ 
menge Brot aus 4 Teilen Roggenmehl und 1 Teil Lupinenmehl. Jeder 
Versuohstag dauerte von vormittags 10 Uhr bis 10 Uhr vormittags des 
andern Tages. Es wurden die täglichen Ausscheidungen an Kot und 
Harn gesammelt, zur Feststellung, welchen Einfluss die Mehrzufuhr an 
Eiweiss in Form des Lupineneiweiases auf die Menge des ausgeschiedenen 
Stickstoffs hatte. 

Nachstehende Tabellen zeigen die Anordnung und das Ergebnis der 
Versuche bei den einzelnen Versuchspersonen. 


Tabelle 1. 

Patient S. erhielt an den einzelnen Versuchstagen: 


1. Tag 

2. Tag 

8. Tag 

4. Tag 

Milch 

•/. i 

Milch 

•/. i 

Milch */ 4 1 

Milch 

•M 

Erdrüben 

500 g 

Kraut 

500 g 

Mohrrüben 500 g 

Spinat 

500g 

Kartoffeln 

500» 

Kartoffeln 

500,1 

Kartoffeln 500 , 

fartoffeln 

500, 

2 Eier 


Haferflook. 


2 Eier 

Nudeln m. 




m. Früchts. 500 „ 


Früchts. 

500, 

Butter 

10 » 

Butter 

10, 

Butter 10» 

Butter 

10, 

Marmelade 

80, 

Marmelade 

80. 

Marmelade SO , 

Marmelade 

80 , 

Brot 

750 » 

Brot 

750 , 

Brot 750, 

Brot 

750 , 


Er erhielt demnach: 

1.—4,Tag: 8000 g Roggenbrot = 25,12 g N = 157.0 g Eiweiss 
5.—8. , : 8000 „ Lnpinflnbrnt = 45.20 „ N = 282.5 , „ 


Differenz: 20.08 g N = 125,5 g Eiweiss 
Während des 5.—8. Tages hatte er von der Nahrung nicht verzehrt: 
200 0 g Kartoffeln = 0,672 g N = 4,20 g Eiweiss 

100 0 » Erdrüben = 0,096 , N = 0,6 » 

172 5 , Lupinen bmt = 3 599 w N = 16 24 , , 

Üa. 8,367 g N = 21,05 g Eiweiss 

Somit betrug die Mehrzufuhr an Stiokstoff während des 5.-8. Tages 
gegenüber den ersten 4 Tagen 16,718 g N = 104,46 g Eiweiss. 


Die Ausscheidungen betrugen: 



| Stuhl { 

| Urin j 

Tagesmenge 


Kotmenge 

Stiokstoff 

Urin¬ 

menge 

Stiokstoff 

= Eiweiss 

des aus- 
gesebied. H 


ff 

ff 

com 

ff 

ff 

ff 

L Tag 

517,1 

4,200 

1440 

5.9493 

87,188 

10,1493 

1, , 

857,0 

2,8598 

1500 

6,5285 

40.773 

9,8828 

8. . 

689.9 

4,5450 

1870 

5,711 

! 35,698 

10.2560 

4. » 

438,5 

1 8.8168 

1800 

6 0051 

37532 

9,8314 

Sa. 

— 

14,9206 

— 

24,1889 

151,181 

>9,1096 

5. Tag 

140,7 

0,8627 

6,8156 

1665 

6,7205 

42,003 

7,5832 

6. „ 

845,5 

1600 

9,0672 

56,670 

15.8828 

7- , 

635,4 

852.6 

5,1489 

1200 

8,9502 

55,989 

14,0991 

8. » 

1 9442 

1660 

9,5848 

1 58.598 

11.4790 

Sa. 

— 

14,2714 

— 

84,2727 

214,205 

48,5441 

Difi. 

— 

— 0,6492 

— 

10,0888 

68,034 

9,4M« 


Tabelle 2. 

Patient G. erhielt an den einzelnen Versuohstagen: 


1. Tag 

2. Tag 

8. Tag 

l 

4. Tag 

Kaffee 

1 1 

Kaffee 

1 1 

Kaffee 

1 1 

Kaffee 

1 1 

Milch 

Va * 

Milch 

V*1 

Milch 

Val 

Milch 

Val 

Kraut 

400 g 

Mohrrüben 400 gj 

Spinat 

400 g 

Erdrüben 

400g 

Kartoffeln 400 , 
Haferflock. 
rn.Fruoht8.500 , 

Kartoffeln 400 , 
2 Eier 

Kartoffeln 400 , 
Nudeln m. 
Fruchtsaft 500 „ 

Kartoffeln 

2 Eier 

400, 

Butter 

20, 

Butter 

20, 

Butter 

20» 

Butter 

20, 

Marmelade 30 » 

Marmelade 80 „ 

Marmelade 

30 » 

Marmelade 

30, 

Brot 

750 , 

| Brot 

750 , 

Brot 

750 , 

Brot 

750 » 


1) Das hierzu verwendete Brot stammte von der Lupinenverwertungs- 
gesellsohaft und war von Herrn Bäckermeister Viol gebacken. 


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29. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


926 


Er erhielt demnach: 

1.—4.Tag: 8000 g Roggenbrot = 25.12 g N = 157,0 g Eiweiss 

5.—8. „ : 8000 „ L'ioinenhmt = 45 20 * N = 282 5 „ „ 

Somit am 5.-8. Tag ein Mehr von 20 08 g N = 125,5 g Eiweiss 


Die Ausscheidungen betrugen: 



Stuhl 

Urin 

Tagesmenge 
des aus- 
gesohied. N 

Kotmenge 

g 

Stickstoff 

ff 

Urin¬ 

menge 

«cm 

Stickstoff 

ff 

= Eiweiss 

ff 

1. Tag 
9. . 

t: 

526,2 
620.1 
847,5 
742 9 

8,5882 

5,7624 

3,2945 

4.9183 

3200 

2710 

2990 

2420 

4.9897 

4,3519 

6,1101 

3 4933 

31,185 
27,199 
38.188 
21 834 

8,5729 

10,1143 

9,4046 

8 4066 

Sa. 

— 

17,5584 

— 

18,9450 

118,406 

36,4984 

5. Tag 

6. „ 

7. , 

8. * 

711.1 
889.0 
607,5 

888.2 

5,7258 

4,8514 

5 4751 
7.9962 

3060 

3550 

2860 

8870 

6,5663 

8,2192 

9,3875 

8 6808 

41,039 
51,870 
58,671 
54 266 

12,2916 

18.0706 

148626 

16 6770 

Sa. 

— 

24 0480 

— 

82,8588 

205 346 

56,9018 

DHL 

— 

6,4946 

— 

13,9088 

86,940 

20,4034 


Tabelle 8. 

Patient A. erhielt an den einzelnen Versuohstagen: 


1. Tag 

2. Tag 

3. Tag 

Kaffee 

Vz 1 

Kaffee 

Vt 1 

Kaffee 

V* 1 

Milch 

V» 1 

Milch 

V* 1 

Miloh 

Vs 1 

Kraut 

800 g 

Mohrrüben 

800 g 

Spinat 

300 g 

Kartoffeln 

800 „ 

Kartoffeln 

300 „ 

Kartoffeln 

800 „ 

Haferflooken 


2 Eier 


Nudeln mit 


m. Fruohtsaft 

800 „ 


* 

Fruchtsaft 

300 „ 

Butter 

20 „ 

Butter 

20 „ 

Butter 

20 „ 

Marmelade 

80 „ 

Marmelade 

SO „ 

Marmelade 

80 „ 

Brot 

875 „ 

Brot 

875 „ 

Brot 

875 „ 


Er erhielt demnach: 

1.—8.Tag: 1125 g Roggenbrot = 9,420 g N = 58 875 g Eiweiss 

4 —6. „ : 1125 „ Lnpinenbrot = 16 948 » N = 105.92 „ 

Somit am 4.—6. Tag ein Mehr von 7,528 g N = 47,045 g Eiweiss 


Die Aussoheidungen betrugen: 


' 

Stuhl 

Urin 

Tagesmenge 


Kotmenge 

Stickstoff 

Urin- 

Stickstoff 

= Eiweiss 

des aus- 


ff 

ff 

ccm 

ff 

ff 

geschied. N 

1. Tag 

297,5 

2,1744 

1690 

8.4834 

21,771 

5,6578 

2. * 

147,4 

0,9718 

1985 

3,2156 

20,098 

4,1869 

8 . • 

259,0 

2,3899 

1560 

8 4797 

21,748 

5,8696 

Sa. 

— 

5,5856 

— 

10,1787 

63,617 

15,7143 

4. Tag 

137,2 

1,2323 

1860 

5,1663 

32.289 

6,3986 

3 . , 

181,0 

1,6088 

1840 

5,8837 

36.773 

7,4920 

6 - . 

885 7 

8.8378 

1585 

5.9106 

36.941 

9.2484 

Sa. 

— 

6,1784 

— 

16,9606 

106,003 

23,1319 

DHL 

— 

0,6488 

— 

6,7819 

42,386 

7,4247 


Ans der nachfolgenden Tabelle 4 ist die Stickstoffbilans 
dieser Versuche sa ersehen. 

Tabelle 4. 



Mehrzufuhr 
von N 

(= Lupinen-N) 
ff 

Mehraosscheidungen von N 

Resorb. 

Lupinen-N 

pCt. 

An¬ 

gesetzter 

Lupinen-N 

pCt. 

im Kot 

im Urin 

ins¬ 

gesamt 

Pat. S. 

16,718 

-0.6492 

10,0888 

9,4346 

100 00 

48,55 

• G. 

20,08 

6,4946 

13,9088 

20,9088 

67,66 

— 

_ 2 a l 

7,528 

0.6428 

6,7819 

7,4247 

91.46 

13 22 

Durchschnittlich: 

— 

— 

— 

86,87 

— 


Besonders bemerkenswert ist das Ergebnis des Versuobs bei 
Patient S. Es handelt sich um einen 41jährigen Mann, Rekonvales¬ 
zenten naoh einer schweren Nephritis, der sich in schlechtem Ernährungs¬ 
zustand befand. Bei diesem Patienten ist das Lupineneiweiss nicht nur 
restlos verdaut und resorbiert worden, es ist sogar ein beträchtlicher 
Teil, 48,5 pOt, angesetzt worden. Dass die Menge des Stickstoffs im 
Stuhl nioht zugenommen, sondern sogar um ein geringes abgcDommen 
hat, lässt sich wohl dahin deuten, dass in Gegenwart des Lupinen¬ 
ei weisses sogar das übrige Eiweiss besser ausgenützt worden ist. Auoh 
bei Patient A., der 91,46 pCt. N resorbiert und 13,22 pCt. N angesetzt 
bat, ist das Ergebnis gut zu nennen. Am geringsten ist die Ausnutzung 
bei Patient G., der sioh, wie Pat. A. in relativ gutem Ernährungs¬ 
zustand befunden bat. Somit beträgt bei diesen drei Versuchen die 
durchschnittliche Ausnutzung des Lupinenei weisses 86,37 pCt., ein Wert, 
der die Ausnutzung des Brotes aus dekortiziertem Getreide (74,3 pCt.) 
und des Eiopferbrotes (77,9pCt.) ganz erheblich übertrifft. 

Das für die Versuche gelieferte Lupinenbrot unterschied sich 
von Roggenbrot durch einen leicht bitteren Geschmack und etwas 
teigige Konsistenz. Es wurde von den obigen drei Versuchs¬ 
personen gern genommen, auch äusserten sie auf wiederholtes 
Befragen keinerlei Klagen. Ich habe sodann dies Brot anderen 
Patienten als Zngabe zur Krankenkost gereicht, habe auch selbst 
etwa 10 Tage lang meinen Brotbedarf durch Lupinenbrot gedeckt, 
ohne irgend welche Magen- und Darmstörungen zu bemerken. 
Um den Geschmack des Brotes zu prüfen, habe ich verschiedenen 
Personen aus meinem Bekanntenkreise, ohne sie vorher auf¬ 
zuklären, worum es sich handle, Kostproben dieses Brotes dar¬ 
gereicht. Das Urteil war nicht übereinstimmend: Während einige 
Personen das Brot wegen des bitteren Geschmackes verschmähten, 
hatten andere nichts daran auszusetzen. 

Es konnten noch Bedenken, besteben, dass vielleicht das Ent- 
bitterungsverfabren der Lupinenverwertungsgesellschaft die Lupinen¬ 
samen nicht genügend entgifte und so der Genuss des Lupinenbrotes 
gewisse Intoxikationsgefahren berge. Dazu teilt mir die Gesellschaft 
folgendes mit: „Was die Entgiftung von Lupinen betrifft, so hat das 
Reichsgesundheitsamt festgestellt, dass das Vorhandensein von 0.1 pCt. 
Lupinin die Verwendung von Lupinenmebl als Nahrungsmittel un¬ 
bedenklich erscheinen lässt. Die Analysen, welche wir regelmässig 
durch vereidete Chemiker von unserem Fabrikat herstellen lassen, haben 
ergeben, dass in unserer Ware nur 0,005 und 0,006 pCt. Lupinin ent¬ 
halten gewesen sind, also nur etwa Vto der unbedenklich zulässigen 
Menge. Da zweckmässig 10 Teile Lupinenmehl zu 80 Teilen Brotmehl 
zugesetzt werden, so ergibt sioh bei dieser Art der Brotbereitung ein 
Vorhandensein von Lupinin nur zu etwa Vioo der vom Reiehsgeaund- 
heitsamt gestatteten Menge.* 

Zusammenfassend möchte ich also mein Urteil dahin ab¬ 
geben, dass wir in dem Lupinenbrot ein Nahrangsmittel kennen 
gelernt haben, das vom menschlichen Darmkanal gut vertragen 
und besser ausgenutzt wird als das Klebereiweiss des Roggen¬ 
brotes. Da ferner bei guter Entbitterung der Lupinensamen 
keine Gefahr einer Vergiftung vorhanden ist, so bestehen vom 
ärztlichen Standpunkt aus keine Bedenken, dieses Brot in grossem 
Umfange der Bevölkerung als Nahrungsmittel zuzufübren. 


BQcherbesprechungen. 

Vo« Altertum zur Gegenwart. Die Kulturzusammenbänge in den 
Hauptepochen und auf den Hauptgebieten. Skizzen von F. Boll, 
L. Curtius, A. Dopsoh, E. Fraenkel, W. Goetz, E. Goldbeok, 
P. Hensel, K. Holl, J. Ilberg, W. Jaeger, H. Lietzmann, 
E. v. Lippmann, A. v. Martin, E. Meyer, L. Mitteis, C. Müller, 
E. Norden, J Partsoh-Freiburgi.B., J. Partsoh-Leipzig. A. Rehm, 
G. Roethe, W. Schulze, E. Spranger. H. Stadler, M. Wundt, 
J. Ziehen. Leipzig und Berlin 1919, Verlag von B. G. Teubner. 
Vm. u. 308 S. 8. Geh. 9 M., geb. 10,50 M. 

Auf einem stark umstrittenen Gebiete das Urteil zu klären, ist das 
Ziel des vorliegenden Sammelwerkes: es handelt sich um die Frage, ob 
das Vermäohtnis des Altertums wert ist, von der Gegenwart weitergehütet 
sowie zu ihrem eigenen und der Zukunft Nutzen gemehrt zu werden. 
Sechsundzwanzig auf ihren eigensten Gebieten zum Worte kommende 
Faohleute fordern hier in einmütiger Geschlossenheit, dass man uns zu 
immer neuer innerer Stärkung und Erhebung unangetastet lasse das 
lebensvoll frische Bild, das die figurenreiche Kulturgeschichte wie der 
gesamten europäischen Menschheit so auoh insonderheit unseres Volkes 
darstellt, und zeigen auf den verschiedensten Wegen, dass das Hellenen¬ 
tum wie so oft, so auoh jetzt die Aufgabe erfüllen müsse, zum Heile 
unseres Volkes mitzuwirken. Der in dieser Nummer auszugsweise wieder¬ 
gegebene Beitrag über Medizin von Johannes Ilberg möge eine Vor¬ 
stellung von der Art des Buches vermitteln. Wir verweisen gleichzeitig 
auf die in der vorigen Nummer abgedruckten Aeusserungen von B.v.Kern. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hfi 89* 


v. Ziemssei’s Rezepttaseheibieh fttr Kliaik «ad Prazif. Elfte Auf¬ 
lage, neu bearbeitet von Dr. H. Rieder and Dr. M. Zeller. Leipzig 
1919. Verlag von Georg Thieme. 

Für den Praktiker sind Rezepttaschenbüoher unentbehrlich. Za den 
besten derartigen Zusammenstellungen gehört das vielverbreitete Z.’sobe 
Rezepttaschenbucb, welches in 11. Auflage vorliegt. Die allgemeine 
Arzneiverordnungslehre and die Vorschriften zum Billig-Ordinieren für 
die Kassenpraxis werden kurz, aber erschöpfend behandelt. Im Abschnitt 
Unguenta wäre es wünschenswert, wenn die verschiedenen Ersatzmittel, 
welche in neuerer Zeit für die früher als Salbengrundlagen dienenden 
Fette angegeben worden sind, Berücksichtigung gefunden hätten. Adeps 
/ suillus, Adeps benzoatus werden ja vorläufig nooh vollständig fehlen und 
kommen als. Salbengrundlagen in der nächsten Zeit nicht in Frage. 
Dass die Rotulae menthae piperitae offizineil sind, beruht wohl auf 
einem Irrtum, ebenso die Angabe, dass bei der Neubearbeitung das 
Deutsche Arzneibuch 1918 berücksichtigt worden ist. Im speziellen 
Teil sind die einzelnen Arzneimittel alphabetisch geordnet. Hier ist bei 
den neueren Arzneimitteln und Spezialitäten mit Kritik eine Auswahl 
getroffen worden, wertlose Reklamepräparate sind nicht berücksichtigt. 
Es finden sich nooh einige Kapitel über Nährpräparate, über Behandlung 
der akuten Vergiftungen, über Bäder und Kurorte. Ein therapeutisches 
Register erleichtert die Benutzung des recht brauchbaren Buches, welches 
sich bei den Praktikern nooh weitere Freunde erwerben wird. 


8ig«iad Priukel: Die Ameinittelsyiitkese auf Grudlage der Be- 
liehugeii zwischen chemischem Aifbaa and Wirkug. Berlin 
1919. Verlag von Julius Springer. 4. umgearbeite Auflage. 

Auf die Vorzüge dieses Buches ist gelegentlich der Besprechung der 
zweiten (diese Wochenschrift, 1906, Nr. 23, S. 758) und dritten (ebenda, 
1912, Nr. 21, S. 996) Auflage hingewiesen worden. Das Buch ist auoh 
in seiner vierten Auflage wesentlich vergrössert, und es unterliegt keinem 
Zweifel, dass die folgenden Auflagen noch mehr an Umfang zunehmen 
werden. Es wäre deshalb vielleicht zweckmässig, wenn einige ältere 
Theorien über den Zusammenhang zwischen chemischer Konstitution und 
pharmakologischer Wirkung (z. B. die Theorie von Curci, S. 26, wonach 
bei den organischen Giften dem Kohlenstoff eine lähmende, dem Wasser¬ 
stoff eine erregende und dem Sauerstoff eine indifferente Wirkung zu¬ 
kommt) nicht diskutiert würden. Die Entwicklung der Pharmakologie 
in den letzten Dezennien hat gezeigt, dass die Wirkung der Gifte nur 
in vereinzeltep Fällen duroh ihre Konstitution erklärt werden kann. Die 
spärlichen experimentellen Ergebnisse auf diesem Gebiete sind früher 
sioher überschätzt worden. Die gesamte umfangreiche Literatur ist bis 
November 1918 (vgl. auoh die Nachträge am Schlüsse des Buohes) be¬ 
rücksichtigt worden. 

Für jeden, der sioh auf diesem Gebiete orientieren will, ist das 
F.’sohe Buoh unentbehrlich geworden, und der Kreis seiner Freunde 
wird duroh die Neuauflage sicher noch mehr erweitert werden. 

_ Joaohimoglu-Berlin. 


B. Noeht und Martia Mayer*. Die Malaria. Eine Einführung in ihre 
Klinik, Parasitologie und Bekämpfung. Preis 11 M. 

Die Schrift enthält das für die Erkennung und Behandlung der 
Malaria praktisch Wissenswerte in kurzer Uebersiobt zusammen gestellt, 
so wie es bei den während des Krieges am Institut für Tropenheilkunde 
abgehaltenen Kursen von den Verfassern dargestellt und vorgetragen 
wurde. Es war wünschenswert, dass, wie es in dieser Schrift geschehen 
ist, einmal die umfangreiche Kriegsliteratur auf diesem Gebiete von er¬ 
fahrenen Kennern der Malaria kritisch gesichtet und auf ihren praktischen 
Wert geprüft wurde. Wenn man den Ausführungen der Verff. in diesem 
Sinne folgt, so kommt man allerdings zu dem Schluss, dass die reichen 
Kriegserfahrungen für unsere Kenntnis des Wesens und der Klinik der 
Malaria kaum nennenswerte Früchte erbracht haben. Bei der überaus 
grossen Verbreitung, welche die Malaria trotz aller Prophylaxis auoh im 
deutschen Heere gefunden hat, und den trotz aller Behandlungsmethoden 
in überraschender Häufigkeit vorkommenden Rezidiven der Krankheit 
wird diese den Aersten in Deutschland im Verlaufe der nächsten Jahre 
ohne Zweifel noch recht häufig begegnen. Wer sich für solche Fälle 
einen authentisohen Rat sucht, dem kann die duroh ihre klare und 
sachliche Darstellung ausgezeichnete Schrift der genannten Autoren ein¬ 
dringlich empfohlen werden. F. Munk. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

H. v. Euler und I. Laurin-Stockholm: Verstärkung der Katt* 
insewirkang in Hefezellen. 2. Mitteilung. (Zschr. f. physiol. Chem., 
Bd. 106, H. 5 u. 6, S. 312—316.) Die schon früher bei einer Oberhefe 
gefundene Aktivierung der Katalasewirkung duroh Chloroform wurde auch 
bei Saccharomyces Tbermantitonum nachgewiesen, dagegen zeigt sich bei 
dieser Hefe keine Aktivierung duroh Temperaturerhöhung. Durch die 
Strahlen des Sonnenlichtes wird die Wirkung der in den lebenden Zellen 
enthaltenen Katalase in kurzer Zeit geschwäoht. 

H. v. Euler und 0. Svanberg-Stockholm: 8aeeharo8egehalt md 
Saeehamehildug ii der Hefe. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 106, 


H. 5 u. 6, S. 201—248.) Für zwei seit 1911 bzw. 1917 bearbeitete Hefen 
wurde bei gleicher Vorbehandlung die Konstanz der Saccharosewirkung 
festgestellt, wobei als Einheit der Inversionsfähigkeit lebender Zellen 

T __ Inversionskonstante k . g Rohrzucker 

lDT * ~ Zeilenzahl 

angenommen wurde. Für eine Hefenart wurde ein ausgesprochenes Tem- 
peraturoptimnm der Sacoharinbildnng zwischen 26 und 80• festgestellt, 
von 80° an hört die Sacoharinbildung auf. Die Saooharinbildung ist stark 
von der Azidität der Lösung abhängig. Das Maximum der Enzymbildung 
fällt mit dem Optimum der Wirksamkeit der Saocbarase nabe zusammen. 

E. Vahlen: lieber Metabolit md Antibolin tu Hefe. (Zsohr. f. 
physiol. Cbem., Bd. 106, H. 5 u. 6, S. 183—180) Das aus Hefe dar¬ 
gestellte Metabolin ist mit den früher aus Rinderpankreas gewonnenen 
Stoffen nicht identisch, es stimmt jedoch in seinen Haupteigensobaften 
mit diesen überein: Metabolin beschleunigt die alkoholische Gärung und 
setzt den Zuckergehalt des Harnes bei experimenteller Glykosnrie herab, 
während Antibolin die Gärung verzögert. Duroh eine Reibe Substanzen 
können Metabolin und Antibolin ineinander umgewandelt werden. Es wird 
ans Hefe ein Metabolinderivat dargestellt, das niobt mehr in Antibolin 
verwandelt werden kann, das jedoch ebenfalls eine beschleunigende Wir¬ 
kung auf den Gärongsverlauf ausübt und in zwei Diabetesfällen die 
Menge des Harnzuckers erheblioh herabsetzte. Ein ähnliches, irrever¬ 
sibles Metabolin derivat wird ans Kartoffeln gewonnen. 

E. K er t ose-Heidelberg: Zur Frage des Eatstebaagsortoi aad der 
Eatotehaagsart der Acetoakärper. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 106, 
H. 5 u. 6, S. 258—270.) In Durohblutungsversuchen ist die der Leber 
eigene Funktion, aus bestimmten Substanzen Azeton zu bilden, festge- 
stellt worden. Untersuchungen an Hunden mit Eek’soher Fistel und 
umgekehrter Eok’scher Fistel haben erwiesen, dass bei experimenteller 
Ketonarie die Ausscheidung der Ketonkörper bei den ersteren viel 
niedriger, bei den letzteren jedoch viel grösser als bei niobt operierten 
Hunden ansfiel. Hierdurch war ein weiterer unter physiologischen Be¬ 
dingungen geführter Beweis für die Annahme der Leber als Bildungs¬ 
stätte der Ketonkörper erbracht. Der Verf. prüfte die Frage, wie die 
Azetonkörperaussoheidung des Tieres mit Eok'soher und umgekehrter 
(Ueberleitung des gesamten Kavablutes in die Porta) Eok’soher Fistel 
zu beeinflussen ist. Versuche mit Butter, Fett und Speck, die an ope¬ 
rierten Hunden vorgenommen worden, führten zu keinem klaren Er¬ 
gebnis. Dagegen zeigten Hunde mit umgekehrter Eok*scher Fistel naoh 
intravenöser, d. h. direkt die Leber passierender d-l-Leuzininjektion eine 
ganz sichere auf diese zurüokzuführende Steigerung der Azetonkörper. 
Ein Eck-Fistelhund zeigte dagegen in der Ausscheidung der Azeton- 
menge keine Beeinflussung durch die Injektion. (Die Azetonurie wurde 
duroh Phloridzin hervorgerufeu.) 

E. Abderhalden und H. Spinner-Halle: Das Problem der physio¬ 
logisches Polypeptidsynthese. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 106, H. 5 
n. 6, S. 309—311.) Im Anschluss an einen Hinweis Herrn. Pauly's, 
dass die Aneinanderreihung der Aminosänren im Organismus in der 
Weise erfolgt, dass au9 Aminosäuren ihre Aldehyde entstehen und diese 
mit den freien Aminogruppen anderer Eiweissbausteine in Reaktion 
treten, wird über Versnobe berichtet, die die Kondensation je eines Mole- 
küles Benzaldebyd und Glykokoll and die nachfolgende Oxydation des 
Kondensationsproduktes zu Hippursäure zum Ziele hatten. Trotz der 
Anwendung äquimolekularer Mengen entstand nicht die erwartete Bensi- 
lidenverbindnng C 6 H B —CH = N—CH* . COOH, sondern die Benziliden- 
verbin dang C e H ß . CH(OH). CH^Hg) . N = CH . C e H 5 infolge der zwischen 
drei Molekülen Benzaldehyd und einem Molekül Glykokoll eintretenden 
Reaktion. Bei Einwirkung von Permanganat auf ein Gemisch von 
Benzaldebyd und Glykokoll in alkalischer Lösung wurde trotzdem 
Hippursäure, wenn auoh nur in geringer Ausbeutung, erhalten. 

E. Abderhalden und H. Spinner-Halle: Studien über die Syn¬ 
these von Polypeptiden, an deren Aufbau Cystin beteiligt ist. (Zsohr. 
f. physiol. Chem., Bd. 106, H. 5 u. 6, S. 296—808.) Die Verff. hatten 
die Absicht, möglichst hochmolekulare Polypeptide darzustellen. Das 
Ziel wurde nur unvollkommen erreicht, da mit zunehmendem Molekular¬ 
gewicht die Reinigung sich schwieriger gestaltete und die Neigung zum 
Kristallisieren abnahm. Das Cystin wurde als Baustein gewählt, um ein 
schwefelhaltiges, höhermolekulares Polypeptid zu erhalten, und vor allem 
auch deshalb, weil ziemlich rasch hochmolekulare Produkte zu erwarten 
waren, da vorausgesetzt werden durfte, dass immer zwei Aminosäure¬ 
moleküle auf einmal eingeführt werden konnten. Die Darstellung der 
erhaltenen Polypeptide wird eingehend besohrieben. 

I. Lifschütz - Hamburg: Zur Kenntnis des Oxyehelofterilfl. 
(Cholesterindibromid-,Metacholesterin*-Oxyoholesterin.) 8. Mitteilung. 
(Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 106, H. 5 u. 6, S. 271—295.) Das Oxy- 
oholesterin ist als zweiwertiger Alkohol mit zwei OH-Gruppen aufzu¬ 
fassen. Die höhere Reaktionsfähigkeit dieses Alkohols gegenüber der des 
eigentlichen Cholesterins lässt schon an sich die Vermutung zu, dass 
die neue (zweite) OH-Gruppe an einem der zwei im Cholesterinmolekül 
durch eine doppelte Bindung zusammenhängenden C-Atomen gelagert 
Bein müsste. Der Verf. sucht die Richtigkeit dieser Anschauung zu be¬ 
weisen durch Versuche, die er an Cholesterindibromid vornahm, einem 
Cholesterin derivat, das gerade an jenen ungesättigten C-Atomen eine 
starke Reaktionsempfindlicbkeit aufweist. 

R. Fe ul gen- Berlin: Ueber die Giaaylsäare, ihre Darstellung ond 
Fällbarkeit. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 106, H.5u.6, S. 248—957.) 
Verf. weist nach, dass die Fällbarkeit der naoh der Bang’sohen Methode 


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29. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


927 


dargestellten „Guanylsäure* daroh Essigsäare nicht durch diese, sondern 
daroh das sioh bei der Neutralisieiang bildende Natriumazetat bedingt 
wird. Die Bang*sohe Guanylsäure ist nicht die freie Säure, sondern 
deren Alkalisalz. Als charakteristische Eigenschaften der Guanylsäure 
bsw. ihrer Alkalisalae werden folgende beschrieben: Das neutrale guanyl- 
saure Natrium ist in kaltem Wasser ziemlich, in heissem sehr leicht 
löslioh, durch Salze (Natriumazetat) wird es in der Kälte fast fällig 
wieder abgeschieden. Duroh Zusatz von Natronlauge löst sioh in Wasser 
suspendiertes guanylsaures Natrium sehr leicht auf; es wird aus der 
alkalischen Lösung duroh Salze nioht mehr abgeschieden. Alkohol fällt 
es aus alkalisoher Lösung sirupös, aus neutraler flockig aus. Auf Zu¬ 
satz von Mineralsäuren löst sich in Wasser suspendiertes guanylsaures 
Natrium unter Bildung der freien Guanylsäure auf. Duroh Essigsäare 
wird es ebenfalls aufgelöst, jedoch unter Gelatinieren der gesamten 
Flüssigkeit infolge Bildung des sauren Salzes. Bei der alkalischen Hydro¬ 
lyse des Pankreasproteides wird neben der Guanylsäure eine Nuklein¬ 
säure vom Typus der eohten frei. Diese beiden Nukleinsäuren kommen 
im Proteid in molekularen Gewichtsverhältnissen vor. 

H. Wieland und E. Boersch-München: Untersuchungen über 
Galleuiirei. 5. Mitteilung. Die Redaktioa der Dehydrechoisäare 
ud der Dehydrodesoxylskire. (Zschr. f. physioi. Chem., Bd. 106, 
H. 4, S. 190—200.) Naoh dem Verfahren von Clemmensen wird die 
Reduktion mit amalgamiertem Zink und Salzsäure vorgenommen. Hier¬ 
durch werden die Ketone in die entsprechenden Methylverbindungen 
übergeführt. Die Dehydrocholsäure verliert eine der drei Ketongruppen, 
und geht bei Anwendung von Alkohol als Lösungsmittel in den Methyl¬ 
ester einer mit Dehydrodesoxyoholsäure isomeren Säure Ct 4 H M 0 4 über, 
die die Verff. als Dehydroisodesoxyoholsäure bezeichnen. Verstärkte 
Reduktion der Dehydrocholsäure führt zur Entfernung der beiden noch 
erhaltenen Ketogruppen, und es entsteht eine Säure C 24 H 40 O 2 , für die 
die Verff. den bisher für ein Oxydationsprodukt der desoxycholsäure 
verwendeten Namen Cholansäure in Anspruch nehmen. Bei der Re¬ 
duktion von Dehydrodesoxyoholsäure entsteht eine Ketosäure CaiBagOj, 
die a-Ketocholansäure benannt wird. Als weiteres Reduktionsprodukt 
der Dehydrodesoxycholsäure wird die Oxy-Ketocholansäure dargestellt. ' 

H. Wiel and-München: Untersuchungen über die Gallensäiren. 
4. Mitteilung. Die Synthese der GJykodesexyeholsäare und der 
Tanredesoxycholsänre. (Zschr. f. physioi. Chem., Bd. 106, H. 4, S. 181 
bis 189.) Nachdem die natürliche Cholsäur© als Additionsver bin düng 
von Desoxycholsäure und Fettsäure erkannt worden ist, soll die Frage 
geprüft werden, inwieweit die Einselbestandteile der Galle, insbesondere 
die Paarungsprodukte der Desoxycholsäure, an der lür die Verdauung 
wesentlichen Fähigkeit der Galle, an sioh schwer lösliche oder unlösliche 
Stoffe aufzunehmen, beteiligt sind. Die vorliegende Mitteilung beschäftigt 
sioh mit der Synthese der gepaarten Desoxyoholsäuren mit den natür¬ 
lichen Paarlingen Glykokoll und Taurin. Desoxyoholsäure wurde über 
den Ester in das Hydrazid verwandelt, dies mit Nitrit in das Azid, und 
das Deaoxyoholsäureazid dann unter Abspaltung von Stickwasserstoff in 
alkalischer Lösung mit Glykokoll und Taurin kombiniert. 

H, N. CH a COOH 

CggH$§OgCONg ^ QssHssOgCO. NH. CHjCOOH 

HgN.CHg.CHgSOgH 

CnH^OtCON, - > CaiHjgOgCO. NH. CH t CH,. SO t H. 

Beide gepaarten Säuren wurden in reinem, kristallisiertem Zustande er¬ 
halten. J. Hirsch. 


Pharmakologie. 

S. Loewe und G. Magnus-Göttingen und Marburg: Zur Pkarma- 
kalegie der Wundbehandlung. (Ther. Mh., 88 . Jahrg., Aug. 1919.) 
HL Mitteilung als Fortsetzung des im Februarheft 1918 begonnenen 
Aufsatzes. Originallektüre empfohlen. Bertkau. 

F. Kl ose-Berlin: Experimentelle Versuche zur Therapie der Gas- 

ddeaerkraakung mit Vniin. (D.m.W., 1919, Nr. 88 .) Vuzin in Form 
von 1- und 2 proz. Vuzinalkohol tötet Mykoides- und Milzbrandsporen 
nioht ab, eignet sich daher zur Sterilisierung von Katgut nicht. Die 
von Morgenroth und Bieling festgestellte keimtötende Wirkung des 
Vuzins 1:10000 auf die Sporen oder Gasödembazillen konnte selbst für 
die Verdünnung 1:100 nicht bestätigt werden. Die neutralisierende 
Wirkung des Vuzins auf Gasödembazillengifte konnte von K. nicht nach¬ 
gewiesen werden. _ Dünner. 

Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

L. Göttel-Greifswald: Ein Fall von primären Herstnmar. (D.m.W., 
1919, Nr. 84.) Rundzellensarkom, ausgehend vom Septum des Vorhofs. 

G. B. Gruber-Mainz: HerasehnssverleUnngen. (D.m.W., 1919, 
Nr. 85.) Mehrere interessante Autopsien von Herzsohussverletzungen. 
Ein Fall zeigte, dass bei günstigen Verhältnissen ein Herzstecksohuss 
die Herzfunktion kaum beeinträchtigt. In einem anderen Fall war das 
Herz durohbohrt, ohne dass im Perikard ein Looh gefunden-wurde. 

* Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

H. Pr eil-Stuttgart: Zur Frage der hitlegifehen Bekämpfug 
»atkogeier Darnbakterien durch apathogeae. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88 , 
H. 8.) Verdrängungsversuche im Darm führten nioht zu dem gewünschten 
Brftlg. 


Fr. Graetz-Hamburg: Bakteriolegisch-ätielegische Stadial bei 
der Iaflaeuaepideoiie voa 1918. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88 , H. 8 .) Verf. 
lehnt den Pfeiffer’schen Influenzabazi 11 us als Erreger der letzten Grippe¬ 
epidemie ab. Ueber den wirklichen Erreger ist nooh gar nichts bekannt. 

Th. Messersohmidt, K. Hundesbagen und K. Scheer-Strass¬ 
burg: Untersuchungen über die Influeniaepidemie 1918. (Zschr. f. Hyg., 
Bd. 88 , H. 8 .) Der Pieiffer’sche Bazillus wurde im Juni/Juli in 48,9 pCt., 
im September/Oktober in 90 pCt. der untersuchten Influenzakranken naoh- 
gewiesen. Bei Gesunden und anderen Kranken wurden sie nioht ge¬ 
funden. Es liegt zunächst kein Grund vor, die Erregernatur des Basilius 
in Abrede zu stellen. 

H. Schmidt: Ueber die Wirkung des SchüUelas auf Senn, mit 
besonderer Berücksichtigung der Konpleneatwirkmg des Meerschwein¬ 
chenserums. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88 , H. 3.) Die Inaktivierung des hämo¬ 
lytischen Komplements duroh Sohütteln ist kein Oxydationsvorgang, 
sondern durch Oberflächenadsorptionsvorgänge bedingte Störung des 
kolloidohemischen Gleichgewichts im Serum. Sohmits. 

F. Feinhardt: Zur Diagnose des Fleekflebers mittelst der Weil- 
Felix’sehen Reaktion. (W.kl.W., 1919, Nr. 35.) Proteusstämme, wie 
sie Töpfer angegeben hat, eignen sich zur Anstellung der Weil-Felix- 
schen Reaktion noch besser als X^, da sie bei derselben Agglutinier- 
barkeit in einfacher Weise, mit einem Konservierungsmittel versetzt, 
Daueraufschwemmungen ergeben. Eine solche Emulsion eines Töpfer¬ 
stammes hat noch nach 7 Monaten die ursprüngliche Agglutinations- 
fähigkeit gezeigt. Eine isolierte, deutlioh positive Reaktion 1:100 ist 
für Fleckfleber beweisend, tritt aber erst am Ende der ersten Krank¬ 
heitswoche auf. Glaserfeld. 

0. Grütz: Ueber küastlieh erzeugte Agglatiaabilität gewöhnlicher 
Protensstämme gegenüber Fleekfleberkraikeiseren. (Zschr. f. Hyg., 
Bd. 88 , H. 3.) Es ist Verf. mehrfach gelungen, nichtagglutinablen Pro¬ 
teusstämmen durch ZüohtuDg auf Fleckfieberblut eine geringgradige, 
vorübergehende Agglutinabilität anzuzüchten. Xj#-Stämme, die schleoht 
agglutinabel geworden waren, erreichten durch das gleiche Verfahren 
ihre volle Agglutinabilität wieder. Sohmits. 


Innere Medizin. 

E. Lewy-Rostock: Zur Oedemkraakkeit in den Gefaageaealagera. 
(M.m.W., 1919, Nr. 85.) Genaue Schilderung des Oedemkrankeitsbildes, 
das im wesentlichen mit den bekannten Beschreibungen übereinstimmt. 
Hervorgehoben sei die Herabsetzung des Blutdrucks, häufigere Sub- bzw. 
Anazidität, niedrige Hämoglobinwerte, mässige Leukopenie. Unter Bett¬ 
ruhe schwanden die Oedeme bald. Als Ursache der Oedemkrankbeit ist 
eine länger dauernde Inanition anzunehmen, die zu allgemeiner Ent¬ 
kräftung und grossen Veränderungen des Stoffwechsels und damit der 
Gewebe führt, duroh welohe insbesondere eine Art Oedembereitsehaft 
geschaffen wird. 

Florsohütz-Gotha: Die Grippeepidemie von 1919 in der Statistik 
der Lebensversicherung. (M.m.W., 1919, Nr. 34.) Durch die Grippe¬ 
epidemie ist die Lebeusversioherung schwer getroffen worden, einmal 
sohon duroh die Höhe der Verluste, dann weil gerade viele, erst auf- 
genommene junge Leute starben. Die Kurve der naoh dem Alter ge¬ 
ordneten Todesfälle bei der Grippeepidemie 1889/90 verlief völlig anders, 
als bei der jetzigen. Damals stieg mit dem Alter stetig die Mortalität, 
wobei zwischen 15—30 Jahren überhaupt keine Todesfälle vorkamen. 
1918 dagegen war die Sterblichkeit zwisohen 15—30 Jahren gleich eine 
sehr hohe, die nur nooh vom höchsten Greisenalter übertroffen wird. 
Dazwischen liegt eine Senkung, die ihren tiefsten Punkt in dem Alter 
von 51—60 Jahren erreicht. Dieser Verlauf lässt sioh gut in Ueberein- 
stimmung bringen mit der Annahme einer durch die Epidemie 1889/90 
erworbenen Immunität, denn gerade mit 19 Jahren sinkt die Mortalität 
ab, and ebenso lange ist es seit dieser Epidemie her. 

0. Speidel-Stuttgart: Enzephalitis, Sehlafsaeht aad Starr© hei 
Grippe. (M.m.W., 1919, Nr. 34.) Es lassen sich 4 Erscheinungsformen 
der Enzephalitis bei Grippe, die allerdings oft miteinander vermisoht 
sind, unterscheiden, nämlich 1. die gewöhnliche, unkomplizierte Form, 
2. die Enzephalitis mit Sohlafsucht, 3. die Enzephalitis mit Starre mit 
dem klinischen Bilde, ähnlioh einer Paralysis agitans sine agitatione 
und 4. die Enzephalitis mit psychischen Störungen. Darunter gehört 
auch die früher als Encephalitis lethargioa bzw. catatonica beschriebene 
Form. Die einzelnen Symptome hängen wohl mit der verschiedenen 
Lokalisation der Herde zusammen. 

M. Knorr-Kurn-Tsohesme (Türkei): Ueber lateste Danülfektiea. 
(M.m.W., 1919, Nr. 84.) Unter den deutschen Truppen in der Türkei 
waren latente Darminfektionen, besonders mit den Krankheitserregern 
aus der Halbparasitengnippe, namentlich Paratyphus- und Ruhrgruppe, 
häufig. Vielfach erst eine andere Infektionskrankheit, wie Malaria oder 
Grippe, bildete das auslöseude Moment lür das Wirksamwerden dieser 
Erreger. R. Neumann. 

H. Wörner-Frankfurt a. M.: Zur Behandlung der Malaria Bit 
Danskomplikatieaea. (Ther. Mb., 88 . Jahrg., Aug. 1919.) Untersuchungen 
der Chininausscheidung im Stuhl von darmaifizierten Malariakranken 
und Gesunden haben ergeben, dass 1 . bei Dünndarmstörung bisweilen 
die Chininausscheidung vermehrt sein kann, so dass parenterale Chinin¬ 
applikation vorzuzieken ist; dabei ist die intravenöse Injektion besser 
als die intramuskuläre; 3. Ruhrkranke mit vorwiegenden Diokdarm- 


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928 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89. 


ersoheinungen scheiden nicht mehr Chinin mit dem Stuhl ans als Darm¬ 
gesunde; orale Chiningaben genügen; 8. die Chininaussoheidung durch 
den Darm ist bei Ruhrkranken wie Gesunden nach 8—4 Tagen beendet. 

J. Oldevig: Die Wanderniere, Ren mobilis, und ihre Behandlaig 
mit Heilgymnastik, unter Hinzuiügung einiger neuer Uebungen. (Ther. 
Rh., 83. Jahrg., Juli u. Aug. 1919.) Im Anschluss an den Aufsatz im 
Jnli- und Augustheft der Ther. Mh., 1916, werden unter Zugrundelegung 
eines Falles die in der Behandlung der Wanderniere mittelst Heil¬ 
gymnastik mit Erfolg angewandten Uebungsschemata angegeben, die 
Uebungen genau beschrieben und ihre Wirkungsweise erklärt. 

Kirsohner-Königsberg i. Pr.: Zu der Arbeit des Herrn Dr. Walter 
Nie. Clemm »Der Einfluss der fettanien Ernährung auf die Gallen- 
steiikraikheitei*. Walter Nie. Clemm: Erwiderung an Herrn Pro¬ 
fessor Kirsohner. (Ther. Mh., 88. Jahrg., Aug. 1919.) Polemik für 
und wider die interne bsw. chirurgische Behandlung der Cholelithiasis. 

Bertkau. 

A. Hahn-Berlin: Zur Frage der quantitativen Bestimmnng des 
Harnstoffs im Urin mittelst Urease. (D.m.W., 1919, Nr. 33.) ü. hält 
die von ihm angegebene Methode mittelst Urease für ausreichend, die 
von anderer Seite empfohlene Säurevorlage für überflüssig. Dünner. 

H. Flöroken-Paderborn: Direkte Blnttraasfnsien bei perniziöser 
Anämie. (M.m.W., 1919, Nr. 35.) Verf. sieht die Thorium X-Therapie 
und die Splenektomie der von Oehleoker in Nr. 32 dieser Woohenschr. 
empfohlenen direkten Bluttransfusion bei perniziöser Anämie vor. 

R. Neumann. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

E. Kahn-München; Psychopathie und Revolation. (M.m.W., 1919, 
Nr. 34.) Wie immer in bewegten Zeiten traten auch in der Revolution 
psychisch auffällige Mensohen hervor. Es werden 4 typisohe Psycho¬ 
pathen, die in der Münchener Räterepublik eine grosse Rolle gespielt 
haben, geschildert: Toller, der zahlreiche hysterische Züge zeigte; Müh¬ 
sam, ein psychopathischer Typ, der durch kritiklos fanatische Verbohrt¬ 
heit bei eingehendem Selbstgefühl gekennzeichnet ist. Dann 2 psycho¬ 
pathische Verbreoher: Eglhofer, »einer der gefährliohten Mensohen, die 
jemals in Bayern gewirkt haben“ und Winkler, ein psychopathischer 
Hochstapler, beides Kommandanten der roten Armee. R. Neu mann. 

E. Förster-Bonn: Einwirkung der Lnmbalpnnktioi auf das weib¬ 
liche Genitale. (D.m.W., 1919, Nr. 38.) Nach Lumbalpunktion trat 
einmal Abort ein, ein anderes Mal erfolgten wieder Menses, die 14 Monate 
ausgeb lieben waren. 

Perthes- Tübiogen: Beobachtungen bei elektrischer Reinig frei¬ 
gelegter verletzter Nerven im Vergleich mit dem learologisehea und 
histologischen Befände. (D.m.W., 1919, Nr. 38.) Die jungen Nerven¬ 
fasern, welche sich infolge von Nervendurchtrennungen, auch infolge von 
Schädigungen mit Erhaltnng der Kontinuität nach voraufgegangener De¬ 
generation der alten Fasern entwickeln, sind vor Abschluss der Regene¬ 
ration nur mit grösserer Stromdiohte erregbar als normale Fasern. Ver¬ 
letzte Nerven sind deshalb in der Periode der Regeneration oft bei 
direkter Freilegung faradisch erregbar, auch wenn sie bei neurologischer 
Untersuchung völlige EaR zeigten. Fälle, in denen Reaktion des frei¬ 
gelegten Nerven nur peripherisch, nicht aber zentral von der Verletzungs¬ 
stelle gefunden wurde, sprechen für eine Mitbeteilung der Elemente der 
peripherischen Nervenabsohnitte an der Regeneration. Dünner. 

Perthes-Tübingen: Ueber das elektrische Verbaltei Motorischer 
Nervei während der Regeneration. (M.m.W., 1919, Nr. 36.) In Ver¬ 
suchen an Kaninchen, bei denen der Ischiadikus zunächst durchschnitten 
und daun wieder vereinigt wurde, ergab sich folgendes: Der durchtrennte 
Nerv erwies sich bei der faradisoheo Prüfung im peripheren Abschnitt 
20 Stunden post trauma noch sohwaoh erregbar. Nach 54 Stunden war 
jede Erregbarkeit gesohwunden. Erst vom 56. Tage an wird der Nerv 
wieder erregbar. Bei den in Regeneration befindlichen Nerven war 
für die Erregung die 14 fache Intensität des für die Erregung des 
normalen Nerven nötigen Stromes erforderlich. Mit der Zeit sinkt 
dann die Reiswelle wieder ab, ein Beweis dafür, dass der regenerierte 
Nerv einen Ausreifungsprozess durohmacht. Bei Schussverletzungen hat 
sich dann gezeigt, dass der operativ freigelegte Nerv bei direkter fa- 
radisoher Reizung noch reagiert, während er bei der perkutanen neuro¬ 
logischen Prüfung keine Reaktion aufwies. Daraus ergibt sich, dass eine 
durch perkutane Untersuchung festgestellte komplette Eotartungsreaktion 
eine im Gang befindliche Regeneration keineswegs ausschliesst. Ferner 
dass die Beobachtung, dass nach Nervendurohtrennung die willkürliche 
Bewegung eher als die elektrische Erregbarkeit wiederkehrt, nur eine 
soheinbare ist. 

Perthes-Tübingen: Ueber das elektrische Verhalten von Muskel® 
nach Durch trenn vag der »gehörigen Nervei. (M.m.W., 1919. Nr. 36.) 
Direkte faradische Reizung freigelegter, durch Schussverletzung des 
Nerven gelähmter Muskulatur ergab, dass die gelähmten Muskeln in der 
Zeit von 2 Monaten bis iy 2 Jahren nach dem Anschuss des zugehörigen 
Nerven deutliche faradische Erregbarkeit zeigen. Dieser Befund steht 
im Gegensatz zu der bisherigen Regel, dass der Muskel in 8—10 Tagen 
naoh der Durchtrennung des zugehörigen Nerven seine faradische Er¬ 
regbarkeit verliert. Dieser Satz gilt nur für die perkutane Prüfung mit 
den neurologisch zulässigen Stromintensitäten. Bei Reizung nackter 
Muskeln mit stärkeren Strömen behält der Muskel dagegen weit über 
1 Jahr seine faradische Erregbarkeit. 


E. Naef-München: Klinisches über die Oldemische Encephalitis. 

(M.m.W., 1919, Nr. 36.) 8 Fälle von Enzephalitis, die dem Bilde 

der Encephalitis lethargica Economos ähnlich waren. Die hervorstechenden 
Symptome waren: Sohlafsuoht, Delirien, Lähmungen besonders der Augen¬ 
muskeln, Hirndruckerscheinungen, bulbäre Störungen, allgemeine Hyper¬ 
tonie, zerebellare Störungen, tabesähnliche und choreatisch-athetotische 
Reizerscheinungen. Neben ausgesprochenen Fällen kamen auch Formes 
fruBtes vor. Ein Zusammenhang mit der Grippe erscheint sicher. Die 
Therapie ist machtlos, Lumbalpunktionen besserten subjektiv. 

Oberndorfer-München: Ueber die Encephalitis lethargica und 
ihre Folgen. (M.m.W., 1919. Nr. 86.) Die 8 beobachteten Fälle gleiohen 
ganz den von Economo 1917 beschriebenen Fällen. Charakteristisch 
ist der eigentümliche Schlafzustand. Daneben mässiges Fieber, mit¬ 
unter leiohte Paresen, besonders Ptosis und erhöhter Muskeltonus. Meist 
piötzliober Beginn, mitunter gingen rheumatische Erscheinungen voraus. 
Alle 8 Fälle starben. Pathologisch-anatomisch fanden sich makroskopisch 
leichtes Oedem der weichen Hirnhäute und flohstiohartige Blutungen in 
der grauen Substanz. Mikroskopisch bestanden Ringblutungen im Ge- 
sässe mit sekundärer GliazellWucherung und perivaskuläre Rundsellen¬ 
infiltration ec in den Sohläfenlappen, am Aquädukt, am Boden des 4. Ven¬ 
trikels, am Balken dann mitunter nesterlörmige, kleine Zellinfiltrate in 
der grauen Substanz, selten Ganglienzelldegenerationen. Es sohemt ein 
grosser Zusammenhang mit der Grippe zu bestehen, dooh ist die Art des 
Zusammenhanges fraglich. Die Fälle traten alle im Vorfrühlung auf und 
gingen somit der Grippeepidemie voraus. Der histologische Unterschied, 
wie er von Economo zwischen der Encephalitis lethargioa und grippalis 
gemacht wird, ist naoh 0. nicht so scharf. R. Neumann. 

F. Breslauer-Berlin: Die Gehirnerschütternig. (D.m.W., 1919, 

Nr. 83.) Das klinisohe Bild der Gehirnerschütterung inklusive der Be¬ 
wusstlosigkeit entsteht durch Drueksohädigung der Hirnatammes am 
Boden der Rautengrnbe. Dünner. 

A. v. Domarus-Berlin-Weissensee: Ueber myotonische Pnpillen- 
hewegaag. (M.m.W., 1919, Nr. 85.) Während bisher myotonische 
Pupillen bewegung, d. h. längeres Bestehenbleiben der Pupillen Verengerung 
nach Auslösen der Konvergenz, nur bei Erkrankungen des Zentralnerven¬ 
systems oder Migräne und Basedow beobachtet worden ist, wird ein 
Fall beschrieben, wo dieses Phänomen, auch wie meist einseitig und an 
einer liohtstarren Pupille, bei einer völlig gesunden Person besteht. Es 
handelt sich wahrscheinlich nm eine angeborene Anomalie. 

H. Gurschmann-Roctock: Ueber sensible und sensorische Tetanie. 
(M.m.W., 1919, Nr. 35.) Mitteilung zweier bisher nicht bekannter Er- 
sebeinmngsarten der Tetanie, einer eigenartigen rein sensiblen und einer 
überwiegend sensorischen Form. Als rein sensible Form ist folgender 
Fall aufzufassen: Bei einer 30 jährigen Patientin bestehen seit 5—6 Jahren 
eigenartige, 5—10 Min. dauernde Anfälle mit starker Steigerung der 
Empfindung des eignen Körpers mit allen seinen Organen. Daneben 
findet sioh nichtschmerzhafte Hyperästhesie für Tastendrücke und Be¬ 
wegung. Während der Anfälle sind alle Tetaniestigmata vorhanden 
und paroxysmal gesteigert (Erb, Chvostek, Trousseau) und besonders be¬ 
steht Uebererregbarkeit der sensiblen Nerven. Als sensorische Tetanie 
wird folgender Fall aufgefasst: Bei einer 40jährigen Patientin treten 
seit 8—4 Mon. Anfälle von Hautjjuoken, Parästhesien in der Mundhöhle, 
Zungenkrämpfe und hochgradige Störungen des Geschmacks und Geruchs 
auf. Auch hier bestehen im Anfall die bekannten Tetaniesymptome. 
In beiden Fällen wirkten Kalksalse, wie stets bei Tetanie, sehr günstig. 
Diese müssen lange Zeit und in genügender Dosis — nioht unter 8 g 
pro die — gegeben werden. 

F. Eberstadt-Frankfurt a. M.: Klinisohe Untersuchungen über 
Lähmnag des Miscilus iliopsoio. (M.m.W., 1919, Nr. 86.) Es sind 
direkte Ursachen der Iiiopsoaslähmung zu unterscheiden. Zu den ersten 
gehören Erkrankungen und Verletzungen des Zenträlnerven- und Muskel- 
systems der Wirbelsäule sowie angeborene Defekte. Zu den indirekten 
Becken- und Hüftgelenksanomalien ohne direkte Beteiligung des 
Iliopsoas selbst. Atavismus und Vererbung spielen eine Rolle bei der 
Entstehung der abnormen Beokenaufrichtung, die sekundär zur Iliopsoas- 
insuffizienz führt. Die Iiiopsoaslähmung wird vor allem durch das Lud- 
lofTsohe Phänomen diagnostiziert, d. h. das Unvermögen bei sitzender 
Haltung, das gestreckte Bein bei gleichseitiger Streokung der Unter¬ 
schenkel zu heben. R. Neumann. 


Kinderheilkunde* 

E. Steinert-Pragx Kongenitale Syphilis in der Aussenpflege. 
(Jahrb. f. Kdhlk., 1919, Bd. 90, H. 1, S. 27.) Berioht über 4 Fälle, in 
denen Frauen, denen anscheinend gesunde Säuglinge aus der Prager 
Findelanstalt in Pflege gegeben wurden, von diesen mit Syphilis an- 
gesteokt wurden und zwar dreimal beim Stillen; einmal handelte es 
sioh um ein künstlich ernährtes Kind. In 8 weiteren Fällen erfolgte 
die Uebertragung duroh Säuglinge, bei denen die Krankheit bereits in 
der Anstalt vor der Abgabe in die Aussenpflege erkannt war. Es 
soheint, dass die Wassermanu’sohe* Reaktion berufen sei, die Wieder¬ 
holung solcher Uebertragungen ln Zukunft zu verhüten. 

A. v. Bosänyi-Budapest: Die Behandlung der hämorrhagischen 
Diathesei mit hypertonischen Kochsalclösangen. (Jahrb. d. Kdhlk., 
1919, Bd. 90, H. 1, S. 1.) Bei 7 Fällen von Purpura Simplex, Morbus 
maoulosus, Werlhof und Hämophilie erprobte Verl, die Therapie mit 
hypertonischen Kochsalzlösungen, die einen sichtlichen und nachhaltigen 


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20. September 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


029 


Erfolg darbot. Die Konzentration der angewandten Lösungen schwankte 
iwischen 5 und lOpCt., ddoh scheinen die höher Konzentrierten erfolg* 
reicher zu sein. Die Injektionen (5—10 ccm) sind täglich — bis zur 
Heilung — zu wiederholen, in sehr schweren Fällen auch mehrmals 
täglich, da die Wirkung des Kochsalzes nach 3—4 Stunden abklingt. 
Die Wirkung ist am intensivsten bei intravenöser Einverleibung der 
Lösung, am besten in die Mediana oder Jugularis, dagegen widerrät 
Verf. die Injektion in den SiDus nach Tobler. Bietet die intravenöse 
Injektion allzugrosse technische Hindernisse, kann man ohne Bedenken 
auch zur subkutanen Anwendung schreiten. R. Weigert-Breslau. 

K. Oohsenius-Chemnitz: Weitere Erfahrungen über die Bntter- 
mehliabriiBg. (M.m.W., 1919, Nr. 34.) Die Czerny- Kleinsohmidt’sche 
Buttermehlnahrung ist infolge ihres grossen Kaloriengehalts und viel¬ 
seitigen Verwendbarkeit auch in der allgemeinen Praxis, besonders bei 
dem jetzigen Mangel au Malz, von grossem Werte. Die Buttermehl¬ 
nahrung wird schon von den jüngsten Säuglingen vertragen, ebenso wie 
von älteren Atropthikern. Weitere Indikationen bilden: sehr schwäch¬ 
liche Säuglinge, Frühgeburten, Nichtgedeihen infolge akuter Infektions¬ 
krankheiten und Lues, Milohnäbrschaden, Pyodermie und Furunkulose, 
neuropathische und Gärungsdyspepsie an der Brust; Tetanie. Bei Er¬ 
nährungsstörungen kann schon vor dem Ende der dyspetischen Er¬ 
scheinungen ButtermehlDahrung gegeben werden. Auch die Kombination 
von Buttermehlnahrung mit Buttermilch hat sich gut bewährt. Dauernd 
ärztliche Kontrolle wegen der Gefahr der Ueberernährung und genaues 
Einhalten von mindestens 4stündigen Pausen ist erforderlich. 

R. Neumann. 

J. Cohn-Breslau: Ueber Verdanugslipämie und Fettgehalt des 
Blates beim Säagliag. (Jahrb. f. Kdhlk., 1919, Bd. 90, H. 1, S. 44.) 
Im Nüchternblut des Säuglings findet man mit dieser Methode stets 
etwa 0,1 proz. körpereigenes Fett. Der Verlauf der Verdauungslipämie 
beim gesunden Kinde richtet sich nach Art und Menge des zugeführten 
Fettes. Je kleiner die zugeführte Menge ist, desto rascher verschwindet 
sie aus dem Blote. Nach Kubmilcbgenuss erreicht die Verdauungslipämie 
ihr Maximum nach 3 Stunden, nach Frauenmilch wenig später. Das 
Nabrungsfett ist nach Kuhmilcbzufuhr nach 5, nach Frauenmilch nach 
9 Stunden aus dem Blute verschwunden. Frauen milch fett in Kuhmilch- 
Magermilch verhält sich wie Frauenmilch, Kubmilcbfett in Frauenmilch- 
Magermilch wie Kuhmilch. Nach Lebertran und Olivenöl ist der An¬ 
stieg flacher, der Abfall nach Lebertran steiler, nach Olivenöl ebenso 
langsam wie nach Frauenmilch. Das Fehlen der Verdauungslipämie nach 
einer geeigneten Probemahlzeit ist als Anzeichen einer Störung im Fett¬ 
stoffwechsel anzusehen. R. Weigert-Breslau. 


Chirurgie. 

E. Vogt: Praktische Erfahrungen mit der HändedesiafektioB itek 
Gocht. (D.m.W., 1919, Nr. 83) V. empfiehlt das Gocht’sche Ver¬ 
fahren (die angefeuchteten Hände werden jn Gips getaucht und dann 
10 Minuten gewasohen; darauf 3 Minuten Alkoholwaschung) als zuver¬ 
lässig und billig. Dünner. 

Güokel - Nürnberg: SoggestivBarkosc. (M.m.W., 1919, Nr. 85.) 
Unter Suggestivnarkose ist Einleitung der Inbalationsnarkose durch ein¬ 
fache Schlafbypnose zu verstehen. Erst wenn die Hypnose im Gange 
ist, wird das Narkotikum aufgeträufelt. Die Suggestivnarkose hat fol¬ 
gende Vorzüge: Wegfall des Exzitationsstadiums, geringerer Verbrauch 
des Narkotikums und damit Verminderung der Narkosegefahr. Sie ist 
ferner humaner und nimmt dem Patienten die Soheu vor der Narkose 
und Operation. Sie ist berufen, die Narkose des praktischen Arztes, 
der Gelenkchirurgie und Geburtshilfe zu werden. R. Neu mann. 

W. v. Reyhn-Dorpat: Studien zur Frage der Wundinfektion im 
Kriege. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) Eingehende, sich auf die 
Literatur und eigene Versuche stützende Monographie. 

M. Krassing-Wien: Von der onaeroken Infektion der Seine* 
wanden. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) Verf. gibt seine Er¬ 
fahrungen über die von ihm beobachteten anaerob infizierten Kriegs¬ 
wunden wieder unter besonderer Berücksichtigung der klinischen Be¬ 
funde und des Krankheitsverlaufs. Hay ward - Berlin. 

H. Schum - Berlin: Unblutige Luxation im Kniegelenk mitZer- 
reUsnng der Arteria, nachfolgende Gaggangrän des Unterschenkels 
ohne äussere Wunde. (Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 114, H. 4 [68. Kriegs¬ 
chirurg. Heft]) Mitteilung eines sehr interessanten Falles. Seiner Ent¬ 
stehung nach gehört er zu den als typisch für den Seekrieg beschrie¬ 
benen durch Stauchung hervorgerufenen Verletzungen, bei denen die 
Stauchung von unten her, hier durch das Emporschleudern eines kleinen 
Wasserfahrzeuges infolge einer Mine zustande kam. Die Eintrittsstelle 
für die Gasbranderreger ist unklar. Vielleicht kommt der Darm in 
Frage. W. T. S i m o n - Frankfurt a. M. 

A. Nast-Koib - Stuttgart: Plastische Deckung von Ampntations- 
Stümpfen mit Brüekealappen. (M.m.W., 1919, Nr. 83.) Die Brücken- 
lappen, auch Steigbügel- oder Visierlappen genannt, die sich am besten 
für die lokale Plastik eignen, werden fol gen denn aassen gebildet: Am 
Untersohdnkel wird auf der Rüokseite ein querer Hautsohnitt bis auf 
die Faszie entsprechend der Breite des Lappens angelegt: Dieser 
Lappen wird vom vorderen freien Rande her völlig durch Unterminierung 
abgelöst, bis er auoh seitlich freie Bewegung hat und sich ohne Spannung 
über das Stumpfende herüberlegen lässt. Die Ernährung des Lappens 
ist durch die beiden seitlichen Stiele gesichert Der freie Rand des 


Lappens wird mit dem oberen angefrischten Hautrand vernäht. Der an 
der Rückseite entstandene Defekt bleibt offen; er verheilt von selbst 
oder wird später durch Thiersch’sche Läppchen gedeckt. Ebenso verfährt 
man am Oberschenkel, nur nimmt man den Lappen hier von der Vorder¬ 
seite des Stumpfes. R. Neumann. 

M. Zondek-Berlin: Umbildung an Amputationsslümpfen. I. Osteo¬ 
plastische Amputation Am Oberschenkel. (D.m.W., 1919, Nr. 32.) Bei 
einem Oberschenkelamputierten, bei dem die Patella zur Stumpfdeokung 
beutzt war, hatte sich die Patella verschoben und aus dem distalen 
Ende des Quadrizeps und dem Ligamentum patellae superior eine neue 
Knoohenkappe gebildet, 

R. du Bois-Reymond-Berlin: Umbildung an Amputations- 
Stümpfen. II. Die Veränderungen an den Muskeln der Stümpfe. 
(D.m.W., 1919, Nr. 32.) Muskulatur und Knochenbildung kann sich in 
Amputationsstümpfen sehr verschieden verhalten. Durch fortgesetzte 
Beobachtung von Stümpfen wird man dio Bedingungen ermitteln, unter 
denen sich ein kräftiger neuer Muskelansatz oder eine schützende 
Knoohenplatte im Stumpf entwickelt. Dünner. 

A. Blencke-Magdeburg: Ueber da9 Reiten unserer Oberschenkel¬ 
amputierten. (Zsobr. f. Krüppelfürs., 1919, Bd. 12, H. 5) Während 
Unterschenkelamputierte ohne Schwierigkeiten reiten, wird hier von zwei 
Oberschenkelamputierten, die wieder völlig sicher reiten lernten, be¬ 
richtet. Nicht die Prothese ist maassgebend für die Leistungsfähigkeit 
des Amputierten, sondern Energie und Geschicklichkeit. Künne. 

A. Szenes-Wien: Ein Beitrag zur Frage der operativen Behand¬ 
lung frischer Vorderarmfrakturen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, H. 5 u. 6.) 
Von 7 operativ behandelten Fällen wurden 5 blutig reponiert (in Plexus¬ 
anästhesie); es empfiehlt sich, stets mit dem Radius bei der Reposition 
zu beginnen. Im allgemeinen soheint die Konsolidationsdauer der blutig 
reponierten Vorderarmfrakturen gegenüber den unblutig reponierten ver¬ 
längert zu sein. B. Valentin -Frankfurt a. M. 

Fr. Schede - München: Ulnarisschicne. (M.m.W., 1919, Nr. 35.) 
Angabe einer einfachen Schiene, die die Fingergrundglieder in leichter 
Beugung hält.* Bei dieser Haltung können die Mittel- und Endglieder 
wieder gestreckt werden. Die Schiene wird bei Stiefenhofer in München 
hergestellt; sie besteht aus einem gepolsterten Stahldraht, der von der 
Streokseite der Grundglieder über die Beugeseite der Metakarpalköpfohen 
hinweg zum Handrüoken verläuft. R. Neumann. 

E. F. C. Heinemann-Smyrna: 26 schwere Mastdarm Vorfälle. Bei¬ 
trag zur Pathogenese, Klinik und Therapie des Rektalprolapses. (D. 
Zschr. f. Chir., Bd, 150, H. 5 o. 6.) Die 26 Fälle wurden sämtlich bei 
türkischen Soldaten beobachtet und operiert. Für die Entstehung eines 
Mastdarmvorfalls kann weder der eine noch der andere Grund für sich 
allein verantwortlich gemacht werden. Es wird immer eine Mehrzahl 
von Momenten in Frage kommen. Operiert wurde stets nach der 
Methode von Poppert, meist in Lumbalanästhesie. 

B. Valentin-Frankfurt a. M. 

R. Hofstätter- Wien: Erfahrungen an doppelseitigen Ober¬ 
schenkel fraktnren. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) Die eigen¬ 
artige Erscheinung, dass bei doppelseitigen Oberschenkelfrakturen stets 
auf beiden Seiten eine gleich grosse Verkürzung eintritt, wurde von H. 
näher studiert. Er glaubt die Ursache darin gefunden zu haben, dass, 
unabhängig von der Art des Knochenbruchs, die Retraktion der Weich¬ 
teile auf beiden Seiten mit gleicher Kraft wirksam ist, wobei den 
Muskeln nicht die Bedeutung zukommt, die ihnen gewöhnlirh zu¬ 
geschrieben wird, sondern Faszien, Muskelinterstitien, Gefässscheiden 
und Gefässe besonders sich an der Retraktion beteiligen. 

Hay ward - Berlin. 

0. Hirschberg - Frankfurt a. M.*. Isolierte Luxation einer Becken¬ 
hälfte nnd Technik der Reposition. (D.m.W., 1919, Nr. 33.) Durch 
sohwere Ueberfahrung entstand isolierte Luxation einer Beckenbälfte, 
d. h. das Becken war nur in seinem Bandapparat auseinander gerissen, 
während die Knochen des Beckenrings völlig intakt blieben. Es bestand 
eine weite Diastase der Sympbysenenden. Die Reposition gelang durch 
den mittels Hackenbruch’scher Klammern zusammenschraubbaren Gips- 
verband. Es blieb nur eine Diastase von 17a cm. Dünner. 

F. Friedländer - Wien: Ueber die Ursachen und die diagnostische 
Bedeutung des TrendeleBbnrg’schen Hüftsynptomes. (W.kl.W., 1919, 
Nr. 32.) Das Symptom beweist nur die Insuffizienz der tiefen Gesäss- 
muskulatur. Diese Insuffizienzerscheinungen müssen auf die Erkrankung 
des Muskels selbst zurückgeführt werden. Sie entstehen bei der an¬ 
geborenen Hüftgelenksverrenkung durch Ueberdebnung; bei Coxa vara 
handelt es sich um Inaktivitätsatrophie; bei Entzündungen sind sie die 
Folge einer Erkrankung des Knochens im Bereich der Muskelinsertion, 
bei Koxitiden und bei Arthritis deformans sind sie durch die Ent¬ 
zündung der Kapsel im Bereioh des Muskelfleisches bedingt; endlich 
können sie aus einer von Gelenkprozessen unabhängigen Erkrankung der 
peripheren Nerven und aus spinalen oder zerebralen Prozessen entstehen. 

Glaserfeld. 

J. Philipowioz - Wien: Ueber HafscblagverletxiflgeB. (Arch. f. 
klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) Mitteilung einschlägiger Fälle, die bei einer 
Kavallerieformation beobachtet worden sind. 

Siegfried - Potsdam: Frühzeicken des tiefen Halsabszesseg. (Arch. 
f. klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) „Treten bei einem mit Fieber und hef¬ 
tigen — zuweilen auoh unter geringen — Aligemeinersoheinungen er¬ 
krankten Menschen Schlingbeschwerden und Schmerzen in der Gegend 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89. 


des äusseren Ohres auf, sowohl davor als auch dahinter, und fehlt bei 
einem solchen Kranken jeglicher Befund im Ohr, Rachen und auf den 
Mandeln, so muss an einen tiefen Halsabszess gedacht werden. 0 

K. Sohläpfer- Wien: Zum Verschluss rin Gaumendefekten 
Mittel! gestielter Halshautlappeu. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) 
Die Deckung angeborener oder erworbener Gaumendefekte mittels ge¬ 
stielter Halshautlappen, die zuvor naoh Esser mit Thiersch'schen 
Läppchen unterfüttert waren, hat sich bewährt. 

J. F. S. Esser - Berlin: Typische Herbeiführung von Material bei 
allseitig«! n4 doppelseitigen Hasenscharten. (Arch. f. klin. Chir., 
Bd. 112, H. 1.) E. benutzt einen die Arteria angularis enthaltenden 
spitzwinkligen Lappen aus der Nasen-Wangengegend. 

Hay ward - Berlin. 

R. Drachter-München: Zur Aetiologie der Gesichtsspalte. (D. 
Zsohr. f. Chir., Bd. 150, H. 5 u. 6) Mitteilung eines sehr interessanten 
Falles, bei dem sich ein eigentümliches Verhalten der Nabelschnur zur 
Spaltbildung des Gesiohts zeigte. B. Valentin-Frankfurt a. M. 

H. Mos es-Berlin: Zur Kasuistik des Aigiowa arteriale race- 
nosnm capitis. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) Kurze Mitteilung. 
Der Tumor wurde erfolgreich entfernt. Hay ward-Berlin. 

H. Schmidt: Aasgedehnte Darwresektion bei arteriell-enboli- 
sehe« Daraiafarkt. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, H. 5 u. 6.) Ausführ¬ 
liche Beschreibung. Guter Erfolg. 

K. Stromeyer-Jena: Verschliss einer Lungeuabszesskökle iid 
dreier Brencbialfisteli ait Fett. (D. Zschr. f. Chir.. Bd. 150, H. 5 u. 6.) 
Bei einem durch lofanterieschuss an der linken Lunge verwundeten 
Mann wurden zur Deckung der Abszesshöhle und der Bronohialfisteln 
zwei grosse gestielte Fettlappen mit bestem Erfolg verwendet. Ausser¬ 
dem gelang es nooh mit Hilfe des Fettes, die abundante Blutung aus 
der Lunge prompt zum Stehen zu bringen. Der Erfolg war auch noch 
8 Monate nach der Operation ein guter. Das Fett ist als das beste 
uns zur Verfügung stehende Material zum Verschluss von Lungenhöhlen 
mit Bronohialfisteln zu bezeichnen, gleichgültig, ob es frei oder gestielt 
transplantiert wird. 

Bode-Homburg: Die Beziehungen des iitraabdoaiialei Fett- 
sehwindeg zur Bildung von Heniei ud iineren Daraversehlissei. 
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, H. 5 u. 6.) Je mehr Fettgewebe sich im 
Laufe der Zeit innerhalb des Bauchraulnes zwischen den beiden Mesen¬ 
terialblättern und an den übrigen Ansatzpunkten ablagert, um so ge¬ 
ringer wird die Verschieblichkeit des gesamten Peritooealinhalts sein, 
besonders diejenige des am freien Rande hängenden Darmes. Bei ein¬ 
setzendem Fettschwund erlangen die einzelnen Därme früher oder später 
eine immer grösser werdende Beweglichkeit, was ein vermehrtes Vorkommen 
der Hernien und die Zunahme der Brucheinklemmungen begünstigt. 

R. v. Wistinghausen: Seltenere Fälle von mechanischem Ileus. 
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, H. 5 u. 6.) Kurze Mitteilung von 4 an 
Zeichnungen erläuterten Fällen. B. Valentin-Frankfurt a. M. 

H. Thierry - München: Düandarasteaese nach Bracheinklemang. 
(M.m.W., 1919, Nr. 35.) Beschreibung zweier Fälle von sekundärer, 
d. h. erst mehrere Wochen nach der Herniotomie auftretender Dünn¬ 
darmstenose und Brucheinklemmung bei einem Schenkel- und einem 
Nabelbruch. Beide Fälle wurden durch Operation geheilt, einmal durch 
einfache Durchtrennung der Stenose und nachfolgende seitliohe Ana- 
stomose, das andere Mal duroh Darmresektion und seitliche Anastomose. 
Bei dem Nabelbruoh fand sich ein erbsengrosses Geschwür an der in- 
karzerierten Stelle. R. Neumann. 

F. Ranzel-Dzieditz: lieber den arteriomesenterialen Duodenal- 
▼erschloss. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 150, H. 5 u. 6.) Zwei Fälle. Der 
arteriomesenteriale Duodenalversohluss stellt ein selbständiges primäres 
Krankheitsbild dar, das meist im Anschluss an Operationen im Bauch¬ 
raum, also als postoperative Komplikation auftritt. Weitaus seltener ist 
ein spontanes Entstehen. Die Magendilatation ist eine in der Mehrzahl 
der Fälle zu beobachtende Folgeerscheinung des arteriomesenterialen 
Duodenalverschlusses, ohne aber einen integrierenden Bestandteil des 
Symptomenkomplexes zu bilden. Therapeutisch sind bei der primären 
Erkrankung in erster Linie Knieellenbogenlage, bei bestehender Magen¬ 
dilatation der Magenschlauch am hängenden Kopf anzuwenden. Die 
Nahrungszufuhr per os hat ganz zu unterbleiben. Versagen alle diese 
Maassnahmen, dann schreite man zur Gastroenterostomie, ehe der Kräfte¬ 
verfall zu hoben Grad erreicht. B. Valentin-Frankfurt a. M. 

Vallaoott- Plymouth: Entzündung eines Dickdarmdivertikels. 
(Brit. med. Journ., Nr. 3057.) Ein unter dem Bilde einer Wurmfort- 
satzentsündung verlaufener Fall von akuter Entzündung eines Divertikels 
am Qaerkolon mit Perforation in die freie Bauchhöhle. Das Divertikel 
war mit verhärteten Kotmassen angefüllt und machte bei der Entfernung 
den Eindruck einer bösartigen Geschwulst. Heilung durch Darmresektion. 

Schreiber. 

J. Dubs-Winterthur: Ueber Ulcus Simplex perforatum des Dick¬ 
darms. (D. Zsohr. f. Chir., Bd. 150, H. 5 u. 6.) Ein 20 jähriger Land¬ 
wirt erkrankte plötzlioh mit Leibschmerzen und wurde unter der Diagnose 
Appendicitis acuta operiert. Bei der Operation zeigte sich l 1 /» Hand¬ 
breit oberhalb der Einmündungsstelle der Appendix ins Zökum, un¬ 
gefähr an der Grenze zwischen diesem und dem Colon ascendens, eine 
Perforationsöffnung. Die Perforationsstelle wurde übernäht, Ausgang in 
Heilung. B. Valentin -Frankfurt a. M. 


H. F. Brunze 1 • Braunsohweig: Appendizitis, yergetinsckt durch 
Erkrankung der rechtsseitigen Bee^enlymphdrüsei, zugleich ein Bei¬ 
trag zur Frage der KoDtaktinfektion des Peritoneums. (Arch. f. klin. 
Chir., Bd. 112, H. 1.) In zwei Fällen verlief eine von einer oberfläch¬ 
lichen Wunde des Fusses bzw. Knies herrübrende akute Entzündung der 
retroperitonealen rechtsseitigen Beckenlymphknoten unter dem Bilde 
der akuten Appendizitis. Erst die Operation deckte den wahren Sach¬ 
verhalt auf. 

W. Noetzel - Saarbrücken: Traumatische Milzruptur hei Milz- 
tuherkulose. Paukreasruptur. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) 
Bei einem 22jäbrigen Bergmann musste 14 Stunden nach einem Trauma 
die rupturierte Milz entfernt werden. Es zeigte sich, dass das Organ 
zahlreiche Tuberkel enthielt. Der über viele Jahre beobachtete gute 
Verlauf bewies, dass es sich um eine isolierte Milztuberkulose gebandelt 
hatte. Die gleichzeitig vorhandene Pankreasruptur hatte zu einer lang¬ 
wierigen, bedrohlichen Eiterung geführt. 

W. Noetzel - Saarbrücken: Zur Talmaeperatieu der Leberzirrhose. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 1.) Mitteilung eines mit vollem Erfolg 
operierten Falles. Hayward • Berlin. 

L. Fronius: Operationsplai zur sündigen Ableitung der Bauch¬ 
wassersucht. (W.khW., 1919, Nr. 32.) Freilegung der Vena saphena 
an einem Oberschenkel, Durohschneidung etwa 15 cm unterhalb der 
Fossa ovalis, Einpflanzung des nach oben zurückgeschlagenen proxi¬ 
malen Venenendes in die Peritonealhöhle. Eine hierdurch bewerk¬ 
stelligte Verbindung zwischen der Bauchhöhle mit einer zum Hohl¬ 
venensystem gehörigen Vene dient zur ständigen Ableitung des Aszites 
in den Blutkreislauf. Dieser theoretisch ausgearbeitete Operationsplan 
ist bisher nooh nicht in die Praxis umgesetzt worden. Glaserfetd. 

Men de: Ueber Hyperimie und Oedem bei der Hemmung des Rück¬ 
flusses des venösen Blutes durch die Staubiide. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 150, H. 5 u. 6) Aus den Versuchen ergibt sich, dass man ein 
Oedem auch bei der Stauung mit erheblichem Druck und rasch zu¬ 
nehmende Sohwellung des gestauten Gliedes erzielen kann, die haupt¬ 
sächlich duroh Blutüberfüllung bedingt ist. 

B. Valentin-Frankfurt a. M. 


Röntgenologie. 

W. E. Pauli - Jena: Ueber eine Ksthodenrökre mit auswechsel¬ 
barem Al um in iumfeuster. (D.m.W., 119, Nr. 34.) Dünner. 

W. Friedrich - Freiburg: Ueber die Bedeutung des Dosimeter¬ 
verfahrens für die Beantwortung biologischer Fragen der Strahlei- 
therapie. (M.m.W., 1919, Nr. 34.) Ein Dosimeterverfahren ist nur 
dann imstande, einwandfreie Untersucbuugen der Abhängigkeit der 
Stärke der biologischen Wirkung von der Härte der Strahlung zu ge¬ 
statten, wenn das Verhältnis der Grösse der Absorption im Prüfkörper 
and im biologischen Objekt für verschiedene Strahlenhärten konstant ist. 
Diesen Anforderungen genügt von den gebräuchlichen Dosimetern nur 
das auf der Iooisation der Luft durch die Strahlung beruhende Ionto- 
quantimeter. Jedoch nur dann, wenn bei der käuflichen Ionisations¬ 
kammer der Fehler der sekundären Wandstrahlung durch Benutzung 
von Graphit statt wie bisher von Aluminium beseitigt wird. Ein so ge¬ 
bautes Iontoquantimeter, wie es nach den Angaben des Verf. bei Rei¬ 
niger, Gebbert & Schall fabriziert wird, kann als einwandfreies Dosi¬ 
meterinstrument zur Lösung aller biologischen Fragen verwandt werden, 
während sonst Fehler von mehreren 100 pCt. unterlaufen können. 

R. Neumann. 

L. Pick-Berlin: Zur Röntgeudiagnose der aigeboreueu Kioekea- 
sypbills. (D.m.W., 1919, Nr. 35 u. 36.) Vortrag mit Projektionen im 
Verein für innere Medizin und Kinderheilkur.de am 24. März 1919. 
Siehe Gesellsobaftsbericht der B.kl.W., 1919, Nr. 19. Dünner. 

Ch. Müller - München: Die Steckschüsse. (M.m.W., 1919, Nr. 84.) 
Erfahrungen der Steokschussabteilung Münchens über an längere Zeit 
im Körper gebliebene Steckschüsse. Die Fremdkörperentfernnng ist an¬ 
gezeigt: 1. bei Fremdkörpern, die Ursache einer chronischen Eiterung 
sind, 2. bei solchen, die Organ- oder sonstige Funktionsstörungen ver¬ 
anlassen, 3. bei allen, deren Entfernung der Patient wünscht. Aus¬ 
genommen sind nur solche, die ihrer topographischen Lage naoh chi¬ 
rurgisch nicht zugänglich sind und solche, bei denen die Gefahr des 
Eingriffs den zu erwartenden Erfolg übersteigt. Vorbedingung für die 
Entfernung ist die genaue Lokalisation der Fremdkörper. Schilderung 
des LokalisationsVerfahrens, wobei sieh die stereoskpisehen Apparate von 
Hasselwander und von Bayerlen gut bewährt haben. Die Entfernung 
der Splitter wurde in röntgenoskopisoher Operation mittels der Unter¬ 
tischröhre und des Kryptoskops vorgenommen. Die Apparatur und 
Operation8teobnik wird genau beschrieben. Mittels dieser Methodik 
gelang es, bei 824 operativ angegangenen Steckschüssen die Geschosse 
bis auf 3 zu entfernen. R. Neumann. 


Urologie. 

J. J. Stutzin - Darmstadt: Zur Klinik des Urogenitalsystems. 
(D.m.W., 1919, Nr. SS.) Bericht über 135 nrologisch-chirurgisoho Fälle 
von Taberkulose, Nierentumoren, H&ragesohwülsten, Tumoren der äusseren 
Genitalorgane, Strikturen usw. Dünner. 


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29. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

F. Kaoh - Barmbeok: Ueber gelegentliche Befahren kosmetischer 
Paraffininjektionen. (M.m.W., 1919, Nr. 34.) Bei einer Frau, die sich 
aus kosmetischen Gründen Paraffininjektionen in beide Brüste hatte 
machen lassen, entstand danach eine derbe Infiltration und chronische 
Eiterung der Brüste und ein chronischer Gelenkrheumatismus der meisten 
Extremitätengelenke, schliesslich ein psychischer Zustand ähnlioh der 
Paralyse. Erst die Amputation der Brüste bewirkte eine Ausheilung 
aller Erscheinungen. Es ist möglich, dass eine naoh der Paraffin- 
iojektion einsetzende Bestrahlungsbeb and lung diese schweren Erschei¬ 
nungen durch Erweichnng des Paraffins ausgelöst hat. 

Rieoke - Göttingen: Salvarsanprophylaxe. (Mjn.W., 1919, Nr. 34.) 
Im Gegensatz zu Taege, der in Nr. 39 dieser Woohensohrift empfiehlt, 
in zweifelhaften Fällen von gesohwürigen Genitalerkrankungen und sogar 
schon bei Leuten, die stark verdächtig sind, sich angesteckt zu haben, 
noch vor dem Auftreten von krankhaften Erscheinungen, eine kombi¬ 
nierte Quecksilbersalvsrsanbehandlung einzuleiten, steht Verf. auf dem 
Standpunkte, dass nur nach sicherer Feststellung der Syphilis anti- 
luetisch behandelt werden darf. R. Neumann. 


Augenheilkunde. 

Koeppe: Elinisohe Beobachtungen mit der Nenstspaltlampe u4 
dem Htrabaatmikroskop. 16. Mitteilung: Ueber den feineren histo¬ 
logischen Bau der lebeiden normalen Iris nebst Bemerkungen über den 
feineren Histomechaaismns der Pnpillarbeweging. (Graefes Aroh., 
Bd. 99, H. 4.) Die Spaltlampenuntersuchung der vordersten Zellagen 
der normalen Iris fübrt zu der Annahme, dass sich unmittelbar unter 
der Irisoberfläche Hohlräume befinden, die naoh ihrem Aussehen und 
Verlaufe vielleicht ein subendotheliales Lymphraumsystem darstellen. 
Die Flächensumme aller Krypten sämtlicher Ordnungen, die auf der 
normalen lebenden Iris verteilt sind, ist unabhängig von der Stroma¬ 
pigmentierung und fast eine konstante. Neben dem gefässhaltigen Tra¬ 
bekelsystem birgt die Iris noch ein gefässloses derartiges System ver¬ 
schiedener Ordnungen, das naoh seiner statomechanischen Konfiguration 
und Anordnung ein ausschlaggebender Faktor für die Erhaltung der Kreis¬ 
form der Pupille für die Wirkung des M. »phincter pupillae ist und eine zu 
diesen direkt konjugierte Veränderliche bildet. Aus dem Spaltlampenbild 
des gesamten Trabekelsystems der lebenden Iris lässt sich mit einer ge¬ 
wissen Wahrscheinlichkeit sohliessen, dass es neben den eigentlichen 
spezifisch muskulären Elementen des normalen Irisgewebes eine eigene 
Kontraktilität besitzt, die von der anatomisch bekannten und gering aus¬ 
gebildeten Gefä9smuskulatur bis zu einem gewissen, vorläufig noch 
nioht näher bestimmbaren Grade unabhängig ist. 

Vogt: Reflexlinien durch Faltnng spiegelnder Grenzflächen im 
Bereiche Yen Kornea, Linsenkapsel and Netshant. (Graefes Arch., 
Bd. 99, H. 4.) Das Hornhautmikroskop mit der Gullstraod’schen Spalt¬ 
lampe gestattet im vorderen und hinteren Augapfel Reflexe zu beob¬ 
achten, die durch faltenartige Gestaltung spiegelnder Grenzflächen zu¬ 
stande kommen. Das Verhalten dieser Reflexlioien ist ein gesetz- 
mässiges und wird durch die Art der Oberflächenkrümmung, die Rich¬ 
tung des einfallenden Lichtes und die Beobachterriohtung bestimmt. 
Aus der Art der Reflexlinien lässt sich die Gestalt der sie erzeugenden 
Fläche konstruieren; das ist besonders da wichtig, wo die anatomische 
Untersuchung versagt, z. B. für die präretinalen Reflexe. Verf. erörtert 
eingehend das optische Verhalten der Reflexlinien, die er in unregel¬ 
mässige und regelmässige einteilt, und demonstriert es experimentell an 
künstlich erzeugten Falten glatter Flächen. Im klinischen Teil der 
Arbeit wird eingehend das Bild der Hornhautstreifen geschildert, die Falten 
in der Deszemet, seltener in der Bowman’schen Membran darstellen and 
differentialdiagnostisch von Trübungen entlang den Hornhautnerven, 
Rissen in der Membrana Descemetii, Gefässresten usw. zu unterscheiden 
sind. Weiterhin werden Falten der Augapfelbindehaut, des Naohstars 
(bzw. der Kapsel schrumpfender Stare) und präretinale Reflexlinien be¬ 
schrieben, die Faltenreflexe der Limitans interna darstellen und am 
besten im rotfreien Licht untersucht werden. 

K. W. Ascher: Zur Keratoplastikfrage. Bericht über 49 in den 
Jahren 1908—1917 ausgeführte Hornbautpfropfungen. (Graefes Arch., 
Bd. 99, H. 4.) An 40 Augen von 34 Personen wurde 35 mal die Horn¬ 
haut in ihrer ganzen Dioke transplantiert (penetrierende Methode), nur 
unvollständig, d. h. schichtweise (lameliierende Methode) 14mal, und 
lmal kam die Methode Löhlein’s zur Verwendung, bei der ein Horn¬ 
hautband mit einem oberen und einem unteren Bindehautlappen über¬ 
pfropft wird. Bei dem penetrierenden Verfahren heilte der Lappen 
10mal nicht an, 11 mal heilte er trübe, 7mal mit unvollständiger und 
7mal mit vollständiger Durchsichtigkeit ein. Die zwei Autoplastiken 
heilten trübe ein, die Heteroplastik wurde abgestossen, bei den 82 
Homoioplastiken waren Wirt und Spender 15mal von gleichem und 
10mal von verschiedenem Geschlecht: bei Geschlechtsgleiohheit ist die 
Wahrscheinlichkeit der Einheilung vielleicht etwas grösser, ebenso dann, 
wenn der Lappen von der gleichnamigen Körperseite des Spenderauges 
stammte. Die Untersuchungen auf Isohämolyse und Isoagglutination 
zwischen Spender und Wirt ergaben noch keine klaren Beziehungen 
zum Erfolge der Pfropfung. Relativ junges Alter des Spenders soheint 
eine klare und durchscheinende Einheilung zu begünstigen. Bei jungen, 
unruhigen Patienten ist Narkose und Zügelnaht angezeigt. Blutung aus 
der Hornhautwunde scheint nicht sonderlich gefährlioh zu sein. Vor¬ 


931 

liegende Iris muss abgetragen werden. Entfernung der Linse, aber be¬ 
sonders Glaskörperverlust haben üblen Einfluss. Nur bei drohendem 
Glaskörperverlust muss der Lappen durch Naht befestigt werden. Stets 
wird für 14 Tage ein Druckverband angelegt, der auch die meist be¬ 
deutungslosen Epithelstöruogen des eingepflanzten Lappens günstig be¬ 
einflusst. Die Zeit des Erscheinens der ersten Trübungen im Lappen 
ist ungleioh und prognostisch bedeutungslos. Die Gefässneubildung 
setzt ungleiohmässig ein und erreicht in der 4.-6. Woche ihren Höhe¬ 
punkt. Quellung des Lappens und Glaukomanfälle sind von übler 
Wirkung, Senkung des Lappens dagegen bedeutungslos. Rezidive des 
Grundleidens im überpflanzten Lappen sind von übler Bedeutung. 

K. Steindorff. 

Ige rsh ei m er- Göttingen: Eine Spiegelbrille für kopfschnssverletxte 
Halbseitenblinde (Hemiasepiker). (Zschr. f. Krüppellürs., 1919, Bd. 12, 
H. 7.) Verletzte mit totaler Halbseitenblindbeit sind schlechter daran 
als solche, die ein Auge verloren haben und deren anderes Auge ganz 
gesund ist. Die Firma Zeiss-Jena stellt wenig auffallende Brillen her, 
welche durch Anbringung eines Spiegels vor das Auge, welches der 
blinden Gesichtsfeldseite entspricht, den Defekt ausgleichen. Was für 
den Beinamputierten die Prothese, das ist für den Hemianopiker die 
Spiegelbrille. Künne. 

Gellhorn: Ueber die Lokalisatioi mad den Verlauf von De- 
generationsembeinungen an Optikii nach intraoknlaren Encfln- 
dnngen, die zum Verlust des Sehvermögens und zur Enukleation geführt 
haben. (Graefes Arch., Bd. 99, H. 4.) Untersuchung von 20 Augäpfeln, 
die meist naoh durchbohrender Hornhaut- oder LederhautverletzuDg an 
intraokularer Entzündung erkrankt waren, ln */s der Augen fand sich 
eine chronische Iridozyklitis, in Vs Panophthalmie. Pathologisch-anato¬ 
misch bestanden teils Degeneration ohne Entzündung, teils degenerativ- 
entzündliche Veränderungen des Sehnerven. Die Degeneration zeigt 
sich an den Marksoheiden und Neurofibrillen, der EodausgaDg ist der, dass 
statt de9 Sehnerven ein Strang aus Binde- und Gliagewebe übrig bleibt. 
Entzündung des N. opt. findet sich häufiger bei Erkrankung des hinteren 
Bulbusabschnittes als bei Iridozyklitis. Die Intensität der Entzündung 
entspricht keineswegs den Veränderungen der Markscheiden und Neuro¬ 
fibrillen. Die Ursache der degenerativen Veränderungen im Sehnerven 
sind die Toxine. Welcher Teil des Nerven empfindlicher ist, ob Mark¬ 
scheiden oder Neurofibrillen, lässt sich nicht sagen. Die Schädigung 
des Sehnerven geht von den Netzhautganglien, dem nutritiven Zentrum 
der Nervenfasern, aus. Die wechselnde Toxizität der Infektionserreger 
bedingt die Verschiedenheit der pathologischen Sehnervenbefunde unter 
sonst gleichen Bedingungen. K. Steindorff. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

0. Seidel-Jena: Einkeilang and unlösbare Verankerung eines 
kflnstlieken Gebisses im unteren drittel der Speiseröhre mit letalem 
Ausgang. (Arch. f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfhlk., Bd. 104, H. 1 u. 2.) 

Sturmann. 

Ortloff-Elberfeld: Zur operativen Behandlung der Ozaena nach 
Wittmaack. (D.m.W., 1919, Nr. 34.) Ebenso wie W. hatte 0. gute 
Resultate mit dem Einpflanzen des Münducgsganges der Oberspeichel¬ 
drüse in die Kieferhöhle, so dass das Sekret in die Nasenhöhle fliessen 
kann. 0. hat, um die Beschwerden des Nasenflusses zu mindern, die 
Kieferhöhle von der Alveole aus angebohrt und einen Gumminagel ein¬ 
geführt, der vor dem Essen herausgenommen wird. Das Sekret läuft 
dann in den Mund zurück und nicht mehr zur Nase heraus. 

Dünner. 

C. Kircher-Würzburg: Ueber Fremdkörper in der Kieferhöhle. 
(M.m.W., 1919, Nr. 34.) Beschreibung eines Falles von Kieferhöhlen¬ 
entzündung, bei dem ein eingelegter Gummidrain vom Alveolarfortsatz 
aus in die Kieferhöhle hineingerutscht war. Zum Nachweis empfiehlt 
sich die Röntgenuntersuchung, zur Entfernung die breite Eröffnung der 
Kieferhöhle. Diese ist überhaupt bei Eiterungen der Drainage vorzu¬ 
ziehen, zum mindesten müssen die Drainröhrchen aber durch Seidpnfaden 
an der Wange oder HeftpflaBterstreifen am Ohre gesichert sein. 

R. Neumann. 

Mayrhofer: Ueber die genauere pathologische Anatomie des 
Gerber’schei Walstes und über die Operation grosser Kieferzystea, 
welche das Antrum verdrängen. (W.kl.W., 1919, Nr. 33.) Der Gerberische 
Wulst kann bei vollkommen intaktem knöchernen Nasenboden vorhanden 
sein. Er ist meist duroh eine reine Einwärtsdrängung der lateralen 
Wand des untern Nasengangs bedingt. Der seitliche Gerberwulst ist 
bedeutend häufiger als der untere. Die landläufige Meinung von dem 
engen Zusammenhang zwischen GerberwulBt und Schneidezahnzysten ist 
irrig: man trifft den Gerberwulst bei von andern Zähnen ausgehenden 
Zysten häufiger als bei Zysten der Schneidezähne. Für die Operation 
der Zysten sind die rhinologischen Methoden der alten Partsch’scben 
Methode überlegen; die Erhaltung des schuldigen Zahnes duroh Wurzel¬ 
spitzenresektion ist bei der rhinologischen Methode möglich. 

Glaserfeld. 

H. Zwaardemaker-Utreoht: Ueber Hörapparate. (Arch. f. Ohren-, 
Nasen- u. Kehlkopfhlk., Bd. 104, H. 1 u. 2.) Eine Hörsohärfe von 1 bis 
2 m Flüstersprache wird duroh akustische Hörübungen nach einem be¬ 
stimmten phonetischen System unter Vermeidung des Ablesens von den 
Lippen günstig beeinflusst. Die für stärkere Schwerhörigkeit notwendige 
Wahl eines Hörapparates muss sioh auf eine genaue akustiaoh-otfatrische 


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982 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89. 


Untersuchung des Kranken stützen. Dem entsprechend sind die Hör¬ 
apparate vom Fabrikanten aknstisch zu katalogisieren nach ihrem mittleren 
Verstärkungsgrad, nach der rom Apparat bevorzugten Verstärkungszone 
und nach seinem Nachhall. Bei erhaltener kranieller Leitung kann nach 
Einübung das mit den Zähnen festgehaltene Audiphon von grossem 
Nutzen sein. Der Vorteil eines Hörrohrs liegt nicht in der Verstärkung 
des Schalles, sondern in der Annäherung der Schallquelle zum Sinnes¬ 
organ. 

H. Streit: Abweiekvngei von loraalea Verkaltei bei Prüfiagei 
des statisches Apparates und ihre Berücksichtigung für die Beurteilung 
von Flngsengführern. (Arch. f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkoplhlk., Bd. 104, 
H. 1 u. 2.) Das wesentlich-ite Ergebnis der Untersuchung von etwa 
900 gesunden jungen Männern ist, dass die Empfindlichkeit des Vesti- 
bularapparates ziemlich bedeutende individuelle Schwankungen zeigt. 
Nur erhebliche Abweichungen erlauben von einer Ueber- oder Unter¬ 
empfindlichkeit des Vestibularis zu sprechen. Bei kalorischer Prüfung 
anscheinend normaler Fälle können recht starke Differenzen in der Emp¬ 
findlichkeit beider Seiten Vorkommen. Sturmann. 

Th. Al brecht-Halle: Otologischer Beitrag zu objektiven Begrün¬ 
dung neurasthenischer nid verwandter Zustände. (M.m.W., 1919, 
Nr. 85.) Bei neurasthenischen, erschöpften und an verwandten Zu¬ 
ständen leidenden Kranken fanden sich im Gegensatz zu dem seltenen 
Vorkommen bei Normalen regelmässig folgende beiden Symptome: 
Frühes Verklingen und häufiges intermittierendes Wiedergehörtwerden 
einer einmal angeschlagenen Stimmgabel. Dazu eignet sich am besten o. 
Dann das Ueberspringen des vestibulären Reizes bei der Brüoing’achen 
kalorischen Prüfung auf Trigeminus-, Vagus- und Vasomotorenzentrum. 
Es treten also bei dieser vestibulären Reizung im Gegensatz zum Nor¬ 
malen, wo sich nur Vorbeizeigeo, Fallen, Sohwindelgefühl und Nystagmus 
findet, bei diesen Kranken Kopfschmerz, Oebelkeit, Erbrechen, Puls¬ 
frequenzänderung, Erröten, Erblassen, Schweisse, Benommenheit, Schwarz¬ 
werden vor den Augen, allgemeine Schwäche, Angst auf. 

R. Neumann. 

S. E. Henscben - Stockholm: Zur Aphasie bei dei otitischen 
Temporalabszessea. (Arch. f. Ohren , Nasen- u. Kehlkoplhlk., Bd. 104, 
H. 1 u. 2.) Uebersicht über 78 Fälle von linksseitigem Temporal¬ 
abszess, von denen 8 ohne Aphasie verliefen. 

G. V. Th. Borries-Kopenhagen: Lambalpanktat bei Hin- ud 
Sabdaralabszessen. (Arch. f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkoplhlk., Bd. 104, 
H. 1 u. 2.) Wenn bei otogener Meningitis das Lumbalpunktat steril 
ist oder anfangs trübe und bakterienhaltig, später steril wird und sich 
aufhellt, obwohl die Krankheit ernst verläuft oder gar. tödlich endet, 
liegt eine sekundäre Meningitis vor, die von einem Hirn- oder Sub- 
duralabBzess induziert ist. Die wiederholte Punktion und Untersuchung 
des Punktats kann daher zur Diagnose eines sonst symptomlosen Ab¬ 
szesses führen und duroh rechtzeitige Operation den letalen Ausgang 
verhüten. Sturm an n. 

Hygiene und Sanitätswesen. 

J. Nitsch-Berlin: Hygienische Untersuchungen in der GarteSBtadi 
Staakei bei Spandau. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88, H. 3.) Zu kurzem 
Referat ungeeignet. _ Schmitz. 


Soziale Medizin. 

0. Neustätter: Eine Kriegsbeschftdigtenschsle vor 100 Jahrei. 
(Zschr. f. Krüppelfürs., 1919, Bd. 12, B. 4.) In Marienwerder in West* 
preussen wurde im Jahre 1816 eine „freie Werkschule“ ins Leben gerufen, 
welche „hauptsächlich den verstümmelten Kriegern, die ihr Augenlicht ganz 
oder zum Teil verloren babeD, deren Sprache oder Gehör zerstört worden, 
denen die Arme und Füsse ganz verloren oder sonst gelähmt oder be¬ 
schädigt sind, eine nützliche Kunstfertigkeit zu lehren, wobei sie ausser 
den Invalidenunterstützungen, die sie von den Gemeinden und Kreisen 
erhielten, noch etwas selbst erwerben und sich nützlich beschäftigen 
können, ohne einer drückenden Langeweile und stetem missmutigen Ge¬ 
fühle und Unglüok preisgegeben zu sein“. 

F. Knabe-Berlin: Handwerksnässige Ansbildaog jugendlicher 
Krüppel beiderlei Geschlechts in Anstalten. (Zschr. f. Krüppelfürs., 1919, 
Bd. 12, H. 4) Für 35 000 jugendliche, heimbedürftige Krüppel stehen 
5000 Plätze in Privatkrüppelheimen zur Verlügung. Nach Biesalski’s 
Statistik 1916 gab es 64 Krüppelheime mit 2870 Betten. 93 Berufe 
wurden gelehrt. Krüppel sollen zu Qualitätsarbeit angehalten werden. 

Künne. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie and Nervenkrankheiten. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 12. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Gassi rer. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

1. Hr. Poll a. G.: Fetisch wind der Nervei. 

Vortr. demonstriert eine Anzahl von Hüftnerven, in denen im Gegen¬ 
satz zu Präparaten, die von vor der Kriegszeit stammen, das Fett völlig ge¬ 


schwunden war. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, welche 
Rolle anerkanntermaassen die Fettstoffe im Körperhaußhalt spielen. Es 
ist nicht undenkbar, dass eine Anzahl nervöser Erscheinungen mit diesem 
hochgradigen Fettverlust in Zusammenhang stehen. Die mikroskopischen 
Präparate von Schnitten duroh den Ischiasnerven zeigten zum Teil ganz 
ungeheuerliche Verluste an Fett, so dass bei einer ganzen Anzahl auoh 
keine einzige Fettzelle mehr sichtbar war. (Eigenbericht.) 

Aussprache. 

Hr. Kramer weist darauf hin, dass während des Krieges häufiger 
als im Frieden, gerade im Ischiadikusgebiet (Peroneus), Lähmungen 
beobachtet wurden, für die eine Erklärung nicht gefunden werden konnte. 
Es wurde auch daran gedacht, ob nicht die mangelhafte Ernährung die 
Nerven gegenüber äusseren Einflüssen, z. B. Drucksohädigung, weniger 
widerstandsfähig macht. Hiermit würde ja auch der anatomische Befund 
übereinstimmen. K. fragt, ob dieser Fettverlust auch an anderen Nerven 
festgestellt wurde. / 

Hr. Poll (Schlusswort) hat andere Nerven bisher daraufhin niobt 
untersucht, glaubt aber auoh, dass derartige Untersuchungen, besonders 
auch unter Berücksichtigung der Markscheiden, sehr wichtig wären. 

2. Berichterstattung der Komwissioi für die Beantragung eint« 
Irrenanstalt« Anfnabmegesetxes. Berichterstatter A. Leppmann. 

Die auf den Beschluss der Vereinsversammluog eingesetzte Kom¬ 
mission (vergl. Neurol. Zbl., 1919, S. 248 u. 252) schlägt Ihnen vor, 
eine Reihe von Leitsätzen mit voraufgehender kurzer allgemeiner Be¬ 
gründung zunächst an den Verein Deutscher Irrenärzte zu senden, mit 
der Bitte, sie seinerseits zu prüfen und entweder zu einem selbständigen 
Anträge an die Staatsregierung zu verwerten, oder mit irgendwelcher 
Meinungsäusserumg seinerseits an dieselbe weiterzureichen. 

loh werde Ihnen dann den Inhilt der Leitsä'ze und das entworfene 
Vorwort zu denselben vortragen, will aber hier noch kurz anführen, 
welobe Erwägungen, die ja schon in früheren Sitzungen der Voll¬ 
versammlungen vörkamen, für die Entschliessungen der Kommission 
m*assgeblich waren. 

Zunächst wurde die Frage nochmals geprüft, ob es denn ratsam sei, 
jetzt an die StaatsregieruDg heranzutreten. Es bestände die Gefahr, 
dass bei dem Einfluss, welchen gewiss« weitgehende politische Kreise 
auf Gesetzgebung und Verordnung jetzt haben, ein Gesetz zustande 
kommen könnte, welches mehr von politischen als von ärztlichen Er¬ 
wägungen ausgeben könnte und so dem wirklichen Interesse der Kranken 
nicht entsprechen würde. 

Wir verkennen diese Gefahr nicht, sind aber der Meinung, dass 
jedenfalls eine gesetzliche Sicherstellung des Irrenanstaltswesens in Kürze 
von politischen Kreisen, ja von der Gesamtbevölkerung, gefordert werden 
wird, und dass wir Irrenärzte deshalb nicht abwarten dürfen, bis aus 
nichtmedizinisohen Kreisen Gesetzesvorschläge einseitig festgelegt sind, 
sondern dass wir von vornherein sagen, falls Ihr die Irrenaostaltsfrage 
gesetzlich regeln wollt, so habt Ihr hier gleichsan die Mindestforderungen, 
die einesteils im Interesse unserer Kranken, andererseits im Interesse 
einer geordneten Irrenpflege notwendig sind. 

Deshalb wollen wir in unserem Vorschläge auch mit voller Schärfe 
zum Ausdruck bringen, dass, was heutzutage immer wieder von Laien 
behauptet und leider sogar von manohen Aerzten missverständlicherweise 
als gesetzliche Norm angesehen wird, dass nicht blos die Gemein- 
sohädliobkeit Grund datür ist, dass ein Mensch wider seinen Willen in 
eine Anstalt aufgenommen werden kaon, sondern auch dessen persönliches 
Interesse die Notwendigkeit von Heilungs- und Besserungsraaassnahmen 
und der Schutz vor drohender Verwahrlosung. 

Unsere Vorschläge sohliessen sich in gewisser Beziehung an das 
seit 1910 bestehende badische Irrengesetz an, bleiben aber durchaus 
selbständig und gehen insbesondere in einzelnen Punkten über dasselbe 
hinaus. Der wichtigste dieser Punkte ist die notwendige. Schaffung 
einer Möglichkeit, einen naohgewiesen gemeingefährlichen Menschen, der 
der Geisteskrankheit dringend verdächtig ist, bei dem aber die Möglichkeit 
nicht besteht, diese durch eine Einzeluntersuchung oder durch einzelne 
Untersuchungen sicher nachzuweisen, zu kurzer Beobachtung zwecks 
endgültiger Feststellung der Krankheit einer Anstalt zu überweisen. 
Die Uebelstände, weiche sich bei dem Mangel einer solchen Maassregel 
geltend machen, finden sich namentlich, wie z. B. jeder hiesige Medi¬ 
zinalbeamte bekunden kann, in den verwickelten Verhältnissen der 
Grossstadt, deshalb legen wir Wert darauf, eine diesbezügliche Be¬ 
stimmung natürlich mit den notwendigen Sohutzmaassregln in ein neues 
Gesetz aufgenommen zu sehen. 

Endlich halten wir es für wichtig, die Frage der Einweisung in die 
Irrenanstalt, bzw. die Festhaltung in derselben, ganz von der Frage der 
Geschäftsfähigkeit getrennt zu lassen. Eine Verquickung beider Fragen 
schafft nur Unklarheiten. Deshalb wollen wir auch den Widerspruch 
gegen die Einweisung bzw. FesthaltuDg nicht, wie es der bayerische 
Zusatz-Gesetzentwurf zum Polizeistrafgesetzbuoh vorsieht, den ordent- 
liohen Gerichten, sondern einem besonderen Verwaltungsgeriohtsverfabren 
überweisen. 

Die von der Kommission festgestellte Eingabe lautet folgender- 
maassen: 

Verschiedene Uebelstände, welche sich bei Einweisung und Fest- 
haltung in Irrenanstalten unter den jetzigen gesetzlichen und Ver- 
waltungsvorsohriften in Preussen und anderen Bundesstaaten gezeigt 
haben, machen die Schaffung neuer gesetzlicher Vorschriften zur 
dringenden Notwendigkeit. Zu diesen Uebelständen gehört einerseits 


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20. September 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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die Tatsache, dass gerichtliche Entscheidungen ergangen sind, welohe 
die gesetzliche Gültigkeit der jetst für die Aufnahme in Privatanstalten 
geltenden Ministerialverordnung vom 26. Mars 1901 bestreiten, anderer¬ 
seits der Umstand, dass gegenwärtig keine gesetzliche Unterlage dafür 
besteht, ausnahmsweise auch eine geistig zweifelhafte, d. h. noch nicht 
endgültig für geisteskrank erachtete Person rasch zu einer kurzen vor¬ 
läufigen Beobachtung einer Anstalt zu überweisen, sofern sie sich selbst 
oder anderen gefährlich ist. Der § 81 der St.P.O. und der § 656 der 
Z.P.O. genügen dem in dieser Beziehung bestehenden Bedürfnis durch* 
aus nioht. Sie sind an engbegrenzte Voraussetzungen gebunden und 
lassen ein rasohes Eingreifen nioht zu. Bei einer vorzunehmenden 
gesetzlichen Regelung werden folgende Grundsätze als wesentlich vor- 
gesohagen: 

1. Das zu erlassende Gesetz soll womöglich ein Reiohsgesets sein, 
damit nioht durch Buntsobeokigkeit der Bestimmungen in den ver¬ 
schiedenen Staaten namentlich bei der Verwahrung gemeingefährlicher 
Kranker so verschieden ausfallen, dass, wie es jetzt Vorkommen kann, 
ein Kranker, der aus der Irrenanstalt eines Staates wegläuft, in einem 
anderen ohne weiteres freien Aufenthalt erhält, bis er neue Aus¬ 
schreitungen begeht. 

2. Die Stattbafterklärung jeder Aufnahme soll behördlich erfolgen. 
In dringenden Fällen soll die Möglichkeit einer vorläufigen Aufnahme 
geschaffen werden, bei welcher die Statthafterklärung innerhalb kurzer 
Zeit naohzuholen ist. 

8. Es muss Bowohl den Angehörigen, wie dem eventuellen gesetz¬ 
lichen Vertreter des Kranken, endlich aber auch dem volljährigen 
Kranken selbst, ohne Rücksicht, ob Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit 
bestehen, Gelegenheit gegeben werden, gegen seine Aufnahme bzw. Fest¬ 
haltung auf dem Wege der gerichtlichen Entscheidung vorzugehen. Der 
Widerspruch soll aber in einem reinen Verwaltungsgeriohtsstreit geltend 
gemacht werden, gänzlioh getrennt von der sonstigen bürgerlichen 
Gerichtsbarkeit. Es soll auch die Unterbringung bzw. Festhaltung in 
der Anstalt ganz unabhängig von der unter Pflegsohaftstellung bzw. 
Entmündigung bleiben, denn die Voraussetzungen für die Notwendigkeit 
der Anstaltsbeobaohtung decken sich durchaus nicht immer mit der 
Einschränkung oder Aufhebung der Fähigkeit, seine Angelegenheiten zu 
besorgen. Eine Verquickung dieser beiden Dinge würde nur Unklar¬ 
heiten schaffen. 

4. In dem Gesetz selbst soll ausdrücklich zum Ausdruck gebracht 
wergen, dass nicht etwa bloss das öffentliche Interesse bzw. die Gemein- 
gefährliobkeit Grund zur Aufnahme eines Kranken in eine geschlossene 
Anstalt ist, sondern dass ein solober auch dann, selbst gegen seinen 
Willen, in eine Anstalt eingewiesen oder dort festgehalten werden kann, 
wenn es in seinem Interesse nach ärztlicher Sachkunde notwendig er¬ 
scheint, um seine Geistesstörung gerade durch die Anstaltsbehandlung 
zu heilen bzw. zu bessern oder Verschlimmerung vorsubeugen oder ihn 
vor anderem persönlichen Schaden, wie Verwahrlosung, Ausbeutung sowie 
Selbstbesohädigung zu schützen. 

5. Bei der Schaffung der Möglichkeit der Unterbringung eines ge¬ 

meingefährlichen, der Geisteskrankheit dringend verdächtigen, aber noch 
nioht abccbliessend als geisteskrank begutachteten Menschen sollen fol¬ 
gende Grundsätze gewahrt werden: a) direktss Vorgehen einer Polizei¬ 
oder sonstigen Verwaltungsbehörde, welche die Verdaohtsgründe zunächst 
amtlich feststellt; b) Einweisung nur in eine öffentliche Irrenanstalt; 
c) Beschränkung der Beobaohtungsfrist auf eine möglichst kurze Zeit, 
höchstens 14 Tage. (Eigenbericht.) 

Aussprache. 

Hr. Levinstein: Es bestehen sohwere Bedenken, dass der in die 
Anstalt frisch anfgenommene Geisteskranke Gelegenheit haben soll, offi¬ 
ziell gegen die Einlieferung Widerspruch zu erheben. So legt man doch 
besonders den Manischen gleich ins Bett oder eventuell in ein Dauerbad. 
Wenn der Kranke nun anfangen sollte, Beschwerden zu schreiben und 
Konferenzen beispielsweise mit einem Anwalt abzuhalten, so würde dies 
die Behandlung erschweren. Das Gleiohe gilt für paranoide Zustände. 
Ausserdem wären die Depressiven im Nachteil gegenüber den Erregten, 
da erstere gar nicht daran denken zu protestieren. Wenn der Direktor 
einer öffentlichen Irrenanstalt oder der Kreisarzt begutachtet hat, dass 
das betreffende Individuum in eine geschlossene Anstalt gehört, so muss 
es eben vorläufig als geschäftsunfähig gelten. (Eigenbericht.) 

Hr. Sohlomer: Es erscheint erwünscht, für die Aufnahme gemein¬ 
gefährlicher Geisteskranker die Mithilfe der Polizei gesetzlioh festzulegen. 
Wenn jetst die Polizei von seiten eines Arztes darum ersucht wird, 
lehnt sie dies mit der Bemerkung, der Kranke habe nooh keine gemein¬ 
gefährliche Handlung begangen, ab. Dadurch kommt es gewöhnlich erst 
an einer sohweren Schädigung anderer, bevor es gelingt, sich des gemein 
gefährlichen Geisteskranken zu bemächtigen. 

Zu der Frage der Ueberweisung der Proteste Geisteskranker gegen 
ihre Internierung an besondere Geriohte, um dadurch das Verfahren zu 
vereinfachen, erscheint mir diese Bestimmung nur für den einmaligen 
Protest gegen die Aufnahme ratsam, da die Proteste der Kranken sich 
sonst unzweckmässig häufen würden. 

Dagegen ist die Kontrolle der besonders in den Privatirrenanstalten 
befindlichen Geisteskranken in Bezug auf die Notwendigkeit ihrer Inter¬ 
nierung schärfer auszuüben. Die einmal im Jahre durch die Kommission 
vorgenommene Revision genügt nioht; es müsste jeder Kranke in Inter¬ 
vallen von 4—6 Wochen amtsärztlich untersuoht werden. 

(Eigenbericht.) 


Hr. Henneberg: Die Forderungen entsprechen im wesentlichen 
den Bestimmungen des Badischen Gesetzes von 1910. Die Erfahrungen, 
die in Baden gemacht worden sind, sollen, soweit verlautet, günstige 
sein. Unbefriedigend ist die Stellung des in der Praxis Btehenden psy¬ 
chiatrischen Facharztes im Badischen Gesetz. Der Psychiater als solcher 
findet überhaupt keine Erwähnung. Als psychiatricher Sachver¬ 
ständiger erscheint in erster Linie der Bezirksarzt, von dem spe- 
zialistische Kenntnisse auf psychiatrisch neurologischem Gebiete nicht 
erwartet werden können. Auch in Preussen gilt zur Zeit bei den Be¬ 
hörden und Gerichten als psychiatrischer Sachverständiger in erster 
Linie der Kreisarzt. Auch in den Gerichtsentscheidungen, über die ich 
berichtet habe, kommt dies zum Ausdruck. In der jetzigen Zeit, in der 
jeder Stand und Beruf seine Forderungen mit Energie verfechten muss, 
erscheint es angezeigt, dass auch die Psyohiater ihre Standesinteressen 
zur Geltung bringen. In der Praxis stehende Fachärzte mit gründlicher 
psychiatrisch-neurologischer Ausbildung sind in den meisten grösseren 
Städten vorhanden. Dass diese zu den rein psychiatrischen Funktionen 
der Kreisärzte herangezogen werden können, erscheint mir billig und ist 
im Interesse des Ansehens der Irrenheilkunde nur wünschenswert. Der 
Einwand, dass der Beamtencharakter des Kreisarztes eine grössere Ga¬ 
rantie bietet, ist nicht stichhaltig, da einer Vereidigung des psychiatrischen 
Facharztes niohts im Wege stehen kann. (Eigenbericht./ 

Hr. Falkenberg gibt zu, dass der Vorschlag, im Gegensatz zu 
dem Badischen Gesetz dem volljährigen Kranken ohne Rücksicht auf 
seine Geschäftsfähigkeit die Berichtigung zur Klage bzw. zum Einspruch 
in den in §§ 4*, 5* u. 9 a des genannten Gesetzes vorgesehenen Fallen 
zuzuerkennen, gelegentlich einmal zu Unbequemlichkeiten bei der Be¬ 
handlung führen kann. Die Vorteile dürften aber doch bei weitem über¬ 
wiegen. Im Interesse der Allgemeinheit und ebenso in dem der Irren¬ 
pflege selbst müsse Wert darauf gelegt werden, das Verfahren so zu 
gestalten, dass es auch einer wenig wohlwollenden Kritik, an der es 
nicht fehlen werde, Standbalten könne. Einen neuen Rechtsweg zum 
Schutze der persönlichen Freiheit zu schaffen, ihn aber dem in erster 
Linie Betroffenen, dem Kranken selbst, bei ablehnendem Verhalten 
seines gesetzlichen Vertreters in vielen Fällen durch den Einwand der 
mangelnden Prozessfähigkeit zu verschliessen, erscheine — auch im Hin¬ 
blick auf die in § 664 und 675 Z P.O. einem sonst Geschäftsunfähigen 
einegräumten Rechte — nicht empfehlenswert. In allem übrigen könne 
das Badische Gesets auch für eine reichsgesetzlicbe Regelung der Irren¬ 
fürsorge in dem vorgeschlagenen beschränkten Umfange als geeignete 
Grundlage angesehen werden. (Eigenbericht.) 

Hr. Leppmann (Schlusswort): Aus der Aussprache habe ich ge¬ 
sehen, dass eigentlich grundsätzliche Bedenken gegen den Entwurf nicht 
vorliegen. — Auf die Bedenken des Herrn Levinstein, betreffs der 
K 1 ageberechtigung der Internierten selbst hat Herr Falkenberg bereits 
den grundsätzlichen Standpunkt der Kommission erläutert. Herrn 
Sohlomer gegenüber will ich bemerken, dass seine Erwägungen gewiss 
nicht bedeutungslos sind, dass aber die Tendenz der Versammlung von 
vornherein dahin gegangen ist, nicht Vorschläge zur gesetzlichen Regelung 
des gesamten Irrenwesens zu machen, sondern nur zu den wichtigen 
Punkten der Irrenanstaltsaufnahme und der Festhaltung. — loh hoffe, 
dass Sie nunmehr mit dem Kommissionsentwurf völlig einverstanden 
sein werden. (Eigenbericht.) 

Die Gesellschaft nahm darauf hin den Kommissions Vorschlag an. 

8. Frau Stoliaer: Psychepathelogisehes in der Revolitiea. 

Das Eigentümliche der Revolutionsverhältnisse zeitigt psychopathische 
Erscheinungen im Gesamtbild der Nationen, die je nach Veranlagung 
und Stellung des Einzelnen zur Sache mehr manisohe oder depressive 
Ausschläge machen. Die Revolution von 1918 liess mehr als je eine 
frühere derartige Bewegung, besonders die jugendlichen Psychopathen 
mobil werden, die ohne Interesse an der Politik sich der Bewegung an¬ 
schlossen, um namentlich unter dem Namen von Spartakisten ihren ego¬ 
istischen asozialen und antisozialen Neigungen zu folgen: Gewalttägige, 
Unbeherrschte, Haltlose, dazu Schwachsinnige aller Grade und interessanter 
als die vorgenannten eine Anzahl Intellektueller, deren überreizter Idea¬ 
lismus an die Verwirklichung von Utopien glaubt, die in der Aus¬ 
führung zunächst mehr als ein Inferno erscheinen. Wenn das Gesamt¬ 
bild besonders auch die Strasse so ausserordentlich von Jugendlichen be¬ 
herrscht wurde, so lag dies mit an den vielfachen Neurasthenien depressiven 
Charakters, welche jene ergriffen batten, die bisher Führer des Volkes, 
waren. Erschöpft durch die sich nun als nutzlos herausstellenden 
Strapazen eines vierjährigen Krieges und durch die Notwendigkeit einer 
Umstellung in der Dynamik der bisher verfolgten Zielrichtungen, ge¬ 
langten viele von ihnen zu einer weitgehenden Abulie und zum Taedium 
vitae. Diese sohweren Neurasthenien wurden vertieft durch den Mangel 
an Nahrungs- und an Geuussmitteln. Gans Deutschland leidet seit 
Jahren unter einer so weitgehenden Lustberaubung in materieller, 
ästhetischer und ethischer Richtung, dass es zu einer Luxuria, die not¬ 
gedrungen die Abstinenz der einen Seite stützen müsste, nicht mehr 
kommt, wenn nioht Lustbetonung in einer anderen Richtung vikariierend 
eintritt. Jede Lustberaubung aber wirkt verstimmend, die Jugend bei 
weloher der Horror depressionis am stärksten ausgebildet ist, benutzt 
die ihr physiologisch zustebende aphrodisische Note, um sich vor Ver¬ 
zweiflung zu bewahren. So ist das, was als Tanzwahnsinn immer wieder 
angegriffen wird, als, wenn auch nicht als Weg, so doch als Wille zur 
Gesundung, der nur mit sehr ungeeigneten Mitteln arbeitet, anzusehen. 
Diese Tanzwut trat ja zu allen Zeiten grösster Verelendung auf, hatte 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


im 14. bis 17. Jahrhundert den Charakter von Epidemien und tobte sioh 
in der grossen französischen Revolution im selben Sinne wie heute aus. 
Dem Arzt, dem es gelange, die dort versohwendeten Energien in nutz¬ 
bringende Arbeit umzusetzen, fiele das Verdienst eines wahren Volks¬ 
erretters zu. Die allgemein herrschende Arbeitsunlust ist nur zum 
kleinsten Teil eine pathologisch bedingte aus nervöser Erschöpfung und 
aus in der ganzen Anlage verankerter Arbeitsscheu asozialer Elemente 
geboren. Im übrigen hängt sie mit volkswirtschaftlichen Phänomenen 
zusammen. Ausschläge der Massensuggestion sind während der Revolution 
in ihrer einfachsten Form selbstverständlich häufig zu beobachten. Sie 
zeigen die Explosionsfähigkeit grosser Volksmengen, die, von intellektuellen 
Erwägungen unbeeinflusst, einer plötzlich einsetzenden Gravitation folgen 
und in ihren einzelnen Ausschlägen die Neigung zur Nachahmung fanden. 
Der Mord an dem Offizier in Halle ähnelt durchaus dem an dem Volks¬ 
vertreter in Dresden. Dagegen fehlt es an dem stärksten Grade der 
Massensuggestion, der an intelektuell höherstehende Individuen diesen 
bisher wesensfremde Ideen überträgt, wie es in der französischen Re¬ 
volution, z. B. naoh den Reden Mirabeaus und anderer beobachtet 
werden konnte. \ 

Das hat seinen Grund darin, dass jene Revolution von den feinsten 
Geistern und besten Sprechern der Nation geführt wurde, diese aber 
aus dem Proletariat selbst hervorging und sehr bald in eine Wirtschafts¬ 
und Streikbewegung überleitete, die wenig Fortreissendes hat. An¬ 
gesichts ' der Ungeheuerlichkeiten traten psychopathische Ausschläge 
heftiger in die Erscheinung als in der Ruhe. Eine Reihe latenter 
Psyohopathien sind aktiv geworden; grausame, blutige Uebergriffe haben 
die Erregung der Massen gesteigert. Immerhin bewegen sioh die Reaktionen 
auf die furchtbaren Erlebnisse noch immerhin in Grenzen, die eine 
baldige Wiedergenesung des Volkes erhoffen lassen. (Eigenbericht.) 

Ausspraohe. 

Hr. Schuster: Wenn die Frau Vortr. die bei der jetzigen Revolution 
zutage tretende Vergnügungssucht und Tanzlust mit den gleichen Er¬ 
scheinungen bei der französischen Revolution verglichen hat, so kann 
man das wohl ohne weiteres für zutreffend erklären. Doch möchte ich 
Einspruch dagegen erbeben, wenn die Frau Vortr. die genannten Er¬ 
scheinungen mit der sogenannten Tanzwut des späten Mittelalters ver¬ 
gleicht. Die sogenannte Tanzwut, welche iu Deutschland zuerst gegen 
Ende des 14. Jahrhunderts auftrat und sich dann über grosse Länder¬ 
strecken verbreitete und auch unabhängig vom Herde des ersten Auf¬ 
tretens in Deutschland (Gegend von Aaohen) an anderen Stellen Europas 
beobachtet wurde (Schweiz, Böhmen, Eisass, Italien), würde nach unserem 
heutigen Sprachgebrauoh wohl kaum als eine Tanzkrankheit bezeichnet 
werden können. Es handelte sich damals offenbar um eine schwere 
psychisohe Seuohe mit hysterisohen und hysteroepileptisohen Erschei¬ 
nungen. Uehrigens wurden in den Berichten über jene Krankheit auoh 
mancherlei körperliche Krankheitserscheinungen, so besonders Auftreibung 
des Leibes, beschrieben. Der Tarantismus in Italien, welcher angeblich 
durch das Gift der Tarantel entstanden sein soll, scheint gleichfalls eine 
Aeusserung der Massenhysterie gewesen zu sein. Wenn sioh natürlich 
auoh in damaligen Zeiten viel Gesindel männliohen und besonders weib- 
liohen Geschlechts den Kranken ansohloss, so ist die Grundursache des 
ganzen Phänomens doch nicht in übertriebener Vergnügungssucht und 
Tanzsucht zu suchen. Es handelte sich, wie gesagt, um ausgesprochen 
pathologische Erscheinungen, was von der heutigen Tanzsuoht nicht be¬ 
hauptet werden kann. (Eigenbericht.) 

Hr. Levinstein: Frau Stelzner befindet sich im Irrtum, wenn 
sie meint, dass die Hysteriker infolge der Kriegs- und Revolutions¬ 
ereignisse aufgehört haben, in der Häuslichkeit Familienszenen auf¬ 
zuführen* Das Reservelazarett Heilstätte Sohöneberg ist leider gesegnet 
mit Kriegshysterikern und Revolutionöhysterikern. Im Lazarett geht es 
im grossen und ganzen mit solchen Leuten, so dass man nach Verlauf 
einer gewissen Zeit nicht umhin kann, ihnen Ausgänge zu gewähren. 
Oft genug aber hört man hinterher von Müttern, Ehegatten oder Ge¬ 
schwistern, dass der Hysteriker zu Hause gedroht hat, Scheiben ein- 
zusohlagen, Einriohtungsgegenstände zu zerstören oder aach tatsächlich 
derartiges ausgeführt hat. (Eigenbericht.) 

Hr. Simons glaubt auoh nicht, dass die heutige Tanzwut eine 
hysterische Massenpsychose wie im Mittelalter ist. Vielmehr ist sie, 
und das meinte wohl auch Frau Stelzner, Abwehrreaktion, Flucht in 
Vergnügen nach jahrelanger Entbehrung. Die Masse liebt diese Lebens¬ 
bejahung mit starker motorischer und sexueller Entladung. Naoh jedem 
verlorenen Krieg, naoh jeder Revolution ist maasslos getanzt worden. 
Das beweist z. B. Literatur und Bild der französischen und englischen 
Revolution. Arthur Sohnitzler hat diese Stimmung im grünen Kakadu 
gut wiedergegeben. (Eigenbericht.) 

Hr. Falkenberg: Dem Zweck der Leiohensohmäuse wird man 
durch rein psychologische Erwägungen nicht gerecht werden; man wird 
vielmehr bei einer so weit verbreiteten, zu allen Zeiten und auf der 
ganzen Erde vorkommenden Sitte auch die Ergebnisse volkskundlicher 
und ethnographischer Forschung mitberücksiohtigen müssen (Wegzehrung 
für den Toten, Opfermahl usw.). Dass für das Festhalten an dem alten 
Gebrauch auch die engen Beziehungen zwischen depressiven Affekten 
und lukullischen Freuden im Sinne der Vortr. von Bedeutung waren, 
wird zuzugeben sein. (Eigenbericht.) 

Frau Stelzner (Schlusswort): loh bin ganz Herrn Schuster’s 
Meinung, dass die Tanzepidemien im Mittelalter von den Tanzereien 
heutiger Tage durch die stark hysterische Färbung abweiohen, betrachte 


sie aber trotzdem als kausal gleich bedingte. Die Hysterischen über¬ 
sprangen eben zunächst leiohter die von Kirche und Sfaat den Lustbar¬ 
keiten gesetzten Hemmungen, Von ihnen stammt die pathologische 
Ausdrucksform des sogenannten Tanzes. Dass aber bei der Menge — 
in Metz allein zählte man 1100 Tanzende — eine notorische Lust¬ 
betonung vorlag, wird durch den Umstand wahrscheinlicher, dass mehrere 
solcher Epidemien im Anschluss an übermässig gefeierte Volksfeste auf- 
traten. Der Tarantismus trat, soweit ich die Literatur übersehe, nie 
als Massenerkrankung auf. Wenn Herr Levinstein betont, dass die 
Hysterien im allgemeinen zugenommen haben, so bestätigt sioh ja das 
aus den verschiedensten Zusammenstellungen. Mir will es nur erscheinen, 
als ob ein bestimmter Ausdruck der weiblichen Hysterie, die sioh be¬ 
sonders durch ein Aufsuohen erregender Momente, Familienszenen usw. 
kundgibt, durch die Störungen und Unruhen der letzten Jahre ihre Be¬ 
friedigung gefnnden habe. (Eigenbericht) 


Die Medizin der Griechen 1 ). 

Von 

Jehaiie» Ilberg. 

Eines verheissungsvollen Aufschwungs erfreute sich in den letzten 
Jahrzehnten die Medizingeaohiohte, nicht zum wenigsten die des Alter¬ 
tums; war man ja gerade vor Kriegsausbruch nach den umfassendsten 
Vorarbeiten damit beschäftigt, die gesamte medizinische Literatur der 
Griechen und Römer in vielen Bänden mustergültig herauszugeben. Das 
grosse Unternehmen, an dem ausser deutschen Gelehrten auch solche in 
Dänemark, Sohweden und Italien beteiligt sind, kann hoffentlich naoh 
Friedensschluss energisch fortgesetzt werden, wenn auch die äusseren 
Bedingungen dafür ungemein schwierig geworden sind; erst naoh seiner 
Vollendung wird es möglich sein, im wahren Sinne eine Geschichte der 
griechischen Heilkunde zu schreiben. 

Ist dieses Ziel auch für die kargen Jahre, die kommen werden, er¬ 
strebenswert? Dürfen wir uns, in Deutschland wenigstens, den Luxus 
der historischen Behandlung einer Wissenschaft gönnen, deren praktische 
Hilfe uns gerade jetzt so unentbehrlich ist? Ich möchte darauf hin- 
weisen, dass die Entwicklung der antiken Heilkunde nicht nur für jene 
verflossene Kulturperiode von Wert gewesen ist, sondern auch dem 
heutigen Forscher und Betrachter ein anregendes und maassgebendes 
Schauspiel von höohster Wichtigkeit bietet; beobaohten wir doch dabei 
Werden und Wachsen der Natur- und Geisteswissenschaften überhaupt. 
Die damals gefundenen Methoden und Grundsätze sind in den Haupt¬ 
punkten unerschüttert; es hat sich im Laufe der Jahrhunderte schwer 
gerächt, wenn man sie vergessen hatte, und ihre Wiederaufnahme 
lohnten stets neue Erfolge. Das Grieohentum hat auch hier eine 
zeugende Kraft an den Tag gelegt, die über Zeit und Raum erhaben ist 
und sioh auch bei denen erweist, die unbewusst von ihm befruchtet 
waren. Denn auoh hier ist es nicht äussere Naobahmung, die das Heil 
und den Fortschritt bringt, nicht Aneignung von Einseiergebnissen, 
mögen sie noch so bedeutsam sein, sondern die Weiterarbeit in jenem 
Geiste voraussetzungslosen Denkens und unermüdlichen Beobachtend, wie 
er einst an den Küsten Kleinasiens, Unteritaliens und Siziliens, dann 
auch in Athen und endlich in Alexandreia und Rom betätigt und von 
Lehrer auf Schüler fortgepflanzt wurde.- 

Der Fülle des Lebens verdankt die grieohisohe Medizin trotz der 
Unvollkommenheit mancher theoretischen Grundlagen ihren dauernden 
Wert. Eine Beobachtungsgabe von einzigartiger Schärfe befähigte jene 
Forscher, das Wesentliche zu erkennen und zu kombinieren; die leiden¬ 
schaftlich von den Hellenen geübte Gymnastik und Athletik bot stete 
Gelegenheit zum Studium des lebenden Körpers, das ihnen am toten 
meist versagt blieb; endlich dürfen wir nioht vergessen, dass ihnen in 
ihrer unvergleichlich für wissenschaftliche Darlegung und Terminologie 
geeigneten Spraohe das denkbar beste Werkzeug zu Gebote stand. Es 
sind nioht allein Aphorismen, schlagende Eiuzelsätze und geflügelte 
Worte, die sioh dem Gedächtnis aller Zeiten eingeprägt haben: unsere 
gesamte medizinische Terminologie ist bekanntlich bis auf den heutigen 
Tag das durch Humanistenlatein oder bereits früher leicht umstilisierte 
Griechisoh; nahezu alle Namen beispielsweise der Anatomie des Auges 
gehen auf Galenos zurück.- 

Obgleich die Anatomie bereits seit den Anfängen der medi¬ 
zinischen Wissenschaft beachtenswerte Entdeckungen aufsuweisen hat 
und Sektionen von Tierkörpern, auoh Vivisektionen, vorgenommen 
wurden, kam es dooh erst in Alexandreia zu systematischer Ausübung 
der Autopsie in grösserem Maassstabe, dabei auch zu lebhaften Streitig¬ 
keiten über ihre Zulässigkeit und ihren Wert. Dass Herophilos, der 
Begründer der alexandrinisohen Anatomie, und naoh ihm der grosse 
Erasistratos duroh königliche Erlaubnis in den Stand gesetzt worden 
waren, sogar lebendige Verbrecher zu sezieren, erregte Entrüstung in 
den Reihen der Gegner; die Vivisektion von Tieren betrieb noch Ga¬ 
lenos, der das in Alexandreia gelernt hatte, mit seinen Schülern in 
wissenschaftlichen Lehrgängen und selbst in voller Oeffentliobkeit, um 
einem interessierten Laienpublikum Roms gewisse physiologische Tat¬ 
sachen darzulegen. Die bei dem Römer Celsus in seinem enzyklopä¬ 
dischen Werk überlieferte Anatomie der Eingeweide, auch der weibliohen. 


1) Sonderabdruok (im Auszug) aus „Altertum und Gegenwart*. 
Verlag und Druck von B. G. Teubner in Leipzig. 


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vird fast durchweg als ausgezeichnet anerkannt; sie stammt ebenfalls 
aus den alezandrinischen Präpariersälen. 

Ohne die subtilsten anatomischen Arbeiten wären die ausserordent¬ 
lichen Fortschritte der Ph 7 siologie der hellenistischen Periode un¬ 
denkbar. Das Gehirn hatte für das Zentralorgan der Wahrnehmungs¬ 
und Verstandestätigkeit schon Alkmaion von Kroton erklärt, ein Schüler 
des Pythagoras. Die hippokratische Schule von Kos war anderen Auf* 
fa 3 sungen gegenüber, die den Sitz des Verstandes im Zwerchfell oder 
im Herzen erblickten, jener Lehre treu geblieben, ebenso wie Demo- 
kritos und Platon, aber es gelang weiterhin erst dem Herophilos, dank 
vervollkommnter Untersuohungsmethode die aus dem Gehirn und 
Rückenmark entspringenden Nerven za entdecken und ihre Funktionen 
naohzuweisen. Da» er dafür den alten, für Bänder und Sehnen ge¬ 
brauchten Namen beibehielt, ist noch heute daraus erkennbar, dass wir 
im ursprünglichen Sinne vom „nervus rerum“ oder von „nervigen Armen 0 
sprechen, im anderen dagegen auch von „nervöser Konstitution 0 . Emp- 
findungs- und Bewegungsnerven au unterscheiden lehrte dann Era- 
sistratos, und aus Galen’s umfangreichen anatomischen und physio¬ 
logischen Schriften ersehen wir, wie eingehend und erfolgreich diese 
Studien weiter betrieben worden. 

Pathologie als Wissenschaft kann nur auf genauer Kenntnis des 
Körpers und seiner Funktionen aufgebaut werden; es ist also begreiflich, 
wenn sie sich im Altertum erst in zweiter Linie entwickeln konnte und 
deshalb vielfach rückständig blieb. Freiliph nicht in jedem Sinne. Die 
scharfe Beobachtungsgabe der grieohischen Aerzte und ihre Berück¬ 
sichtigung aller natürlichen Umstände und Einflüsse hat erstaunlich 
Zutreffendes über Einteilung, Ursachen und Symptome der Krankheiten 
ermittelt und dadurch die Kunst sioherer Diagnose und Prognose auf 
einen hohen Stand erhoben. In den unter dem Titel „Epidemien 0 
überlieferten Kraokheitsgesohiohten der Hippokratiker vermögen wir Tag 
für Tag bis ins einzelne zu verfolgen, was dem Arzte charakteristisch 
erschien, und bewundern die sachlich genauen Schilderungen an hun¬ 
derten von Fällen. Berühmt ist bei Celsus das Kapitel über die 
Schwindsucht; der moderne Arzt findet darin die wesentlichen Symptome 
der Lungentuberkulose verzeichnet sowie eine mit der heutigen grossen- 
teila übereinstimmende Therapie. Die Fieberlehre war aufs eingehendste 
ausgebildet, der Verlauf zahlreicher Gattungen wird vollkommen riohtig 
beschrieben; allerdings erblickte man darin noch nicht Symptome, 
sondern eigene Krankheiten, bei den meisten Arten handelt es sich um 
Malariafieber. Waren auch die Temperatursohwankungen ohne Thermo¬ 
meter nur mangelhaft anzugeben, so hatte man es doch seit der helle¬ 
nistischen Zeit zu einer uns übertrieben fein erscheinenden Systemati¬ 
sierung der Palslehre gebracht; bereits Herophilos pflegte die Puls¬ 
frequenz seiner Patienten mit Hilfe einer Tasohenwasseruhr festzustellen. 
Besondere Anerkennung zollt die neuere Medizin den Krankheits¬ 
beschreibungen \iei Aretaios, der z. B. ein treues Bild der Diphtherie 
überliefert und eine Schilderung der Lungenschwindsucht, die heute ge¬ 
schrieben sein könnte. 

In den „Epidemien 0 heisst es, dass die Naturkraft der rechte Arzt 
sei, der berühmte Asklepiades (seit etwa 91 v. Ohr. in Rom) war der 
Begründer des Naturheilverfahrens, und Galenos nennt den Arzt Diener 
der Natur, der ihr zu seiner Zeit zur Wirksamkeit verhelfen müsse. 
Das ist ein goldener Grundsatz für die Therapie aller Zeiten, der 
Arzt ein Physikus; nicht Buohgelehrsamkeit, nioht Begriffsspalten und 
graue Theorie wollen die besten Vertreter der griechischen Heilkunde 
gelten lassen, sondern nur die Kunst, die ihre Kraft aus tiefer Einsicht 
in die Wirklichkeit schöpft. Mit wenigen Medikamenten suchte die 
Kölsche Schule auszukommen; der einfachsten Hilfsmittel bediente sich 
die ältere Chirurgie, die doch so musterhaft arbeitete, dass der mo¬ 
derne Fachmann bei ihr manches Praktische und seitdem Neuentdeokte 
oder Wiederaufgenommene bereits vorfinden kann. Wer etwa die Ver¬ 
bandmethoden der Hippokratiker mustert, wird das Vertrauen auf die 
Natur als beste Aerztin deutlich herauserkennen, der eine behutsame 
Teohnik verständnisvoll zu Hilfe kommen will. Bei Operationen kannte 
man, wie aus der Kaiserzeit bezeugt ist, die Narkose durch Mandragoras, 
allerdings ein gefährliches Betäubungsmittel; die vielfach gefundenen 
chirurgischen Bestecke weisen vortreffliche Arbeit auf und zeigen auch, 
wie sorgsam und zweokmässig etwa Augenkranke oder die römischen 
Legionssoldaten von ihren Truppenärzten behandelt wurden, weit besser 
als noch die Verwundeten des 16. und 17. Jahrhunderts; für das Unter¬ 
binden der Blutgefässe mit Fadenschlingen bediente man sich nach 
Galens Angabe eines aus Gallien bezogenen Stoffes, der an das in 
neuerer Zeit gebrauchte Katgut erinnert, und Anfänge des aseptischen 
Verfahrens sind schon in den Zeiten des Hippokrates nachweisbar. 
Selbst im Kompendium des Paulos von Aegina (7. Jahrhundert n. Chr.), 
der uns darin die einzige systematische Darstellung der Chirurgie aus 
dem Altertum bietet, erscheint die damals erreichte Höhe sehr aohtungs- 
wert. Die gründliche Erforschung der antiken Augenheilkunde hat 
eine besonders überraschende Entwicklung dieses Zweiges ans Licht 
gebracht, die in der Hauptsache im 1. Jahrhundert n. Chr. abgeschlossen 
war; wir besitzen in dem Sammelwerke des Aetios (6. Jahrhundert) nach 
dem Urteil ^des kompetentesten Fachmannes (J. Hirschberg) das beste, 
geistreichste und vollständigste Lehrbuch, das auf uns gekommen 
ist, und man müsse bis zum 18., in mehreren Fällen bis ins 19. Jahr¬ 
hundert herabsteigen, ehe man Besseres und Lehrreicheres finde (1850 
Erfindung des Augenspiegels durch Helmholtz). Einen weitreichenden 
Einfluss auf die Folgezeit hat auoh die antike Geburtshilfe ausgeübt, 
obwohl die griechischen Originalwerke früh in den Hintergrund traten 


und durch mangelhafte Surrogate ersetzt wurden, die zum Teil für den 
Gebrauch von Hebammen bestimmt waren. Nooh im 17. Jahrhundert 
finden sich in geburtshilflichen Werken Abbildungen, die auf Soranos 
von Ephesos aus der Zeit Trajan’s zurückgehen. Es hat sich hier in 
der Systematik und im einzelnen sehr vieles zähe erhalten bis auf die 
Neuzeit, wo besonders seit Entdeckung der Ursache des Kindbettfiebers 
duroh Semmelweis (1847) ein bedeutender Aufschwung eintrat. Was 
wir bei Soranos über die ersten Mutterpflichten und über Kindespflege 
lesen, berührt durchaus vertrauenerweckend; es hat lange gedauert, biB 
man zu seiner Wissenschaftlichkeit zurückgekehrt ist. Aehnliche Ein¬ 
drücke gewährt die antike Psychiatrie, der bereits Hippokrates eine 
rein medizinische Grundlage zu geben versuchte. Dass jede Geistes¬ 
krankheit Gehirnkrankheit sei, erkannte Asklepiades und suchte es im 
einzelnen zu erklären; systematische Darstellungen geben Celsus und 
später namentlich Aretaios (nach Archigenes) und Caelius Auielianus 
(nach Soranos). Gar manchen der empfohlenen Maassnahmen für Heilung 
und Pflege wurde erst duroh die grosse Reform der Irrenbehandlung 
seit Beginn des 19. Jahrhunderts wiederum Bahn gebrochen, deren 
Träger Philippe Pinel gewesen ist. 

Nach welchen Grundsätzen die grieohischen Aerzte ihre Praxis aus¬ 
übten, kann hier nur gestreift werden. Das erstrebte Ideal des As- 
klepiosjÜDgers, wie er sein soll, ist sehr hoch. Unbestechlicher Wahr¬ 
heitssinn in der Forschung, auch bei Misslingen, Würde, Menschenliebe 
und Uneigennützigkeit den Patienten gegenüber, auch möglichste Er¬ 
haltung des Ungeborenen wird verlangt und betätigt; „rein und fromm 
will ich mein Leben und meine Kunst bewahren 0 schwört der Neuling. 
Dass der Aerztestand ein Kulturelement ersten Ranges bildete, beweisen 
nicht zum wenigsten seine Verdienste um die Gesundheitspflege im all¬ 
gemeinen, die duroh ein weitgehendes Verständnis des grossen Publikums 
dafür wesentlich gefördert wurde. Der bedeutende Anteil der praktischen 
Wissenschaften am Bildungsideal des Hellenismus darf ja überhaupt nicht 
vergessen werden; in der Medizin insbesondere zeigt er sich früh duroh 
populäre Schriften, namentlich diätetischen Inhalts, und die eifrig be¬ 
triebene Gymnastik veranlasste den einzelnen immer aufs neue dazu, die 
Vorschriften erfahrener Fachmänner zu beachten. Die Notwendigkeit des 
Gleichgewichts zwischen Arbeit und Ernährung wird schon von den 
ältesten unter ihnen eingehend dargelegt und seine Störung als Kranke 
heitsursaobe festgestelit. Lehrbücher über „hygienische 0 Lebensweise 
hat es in grosser Mannigfaltigkeit gegeben, und dass die öffentliche Ge¬ 
sundheitspflege auf erstaunliche Höhe gelangt war, haben wir mehr und 
mehr kennen gelernt: nach dem wohlbegründeten Ausspruch eines Sach¬ 
verständigen (F. Hueppe, 1897) „war die ganze modernste Technik der 
letzten Dezennien dazu nötig, um die Antike darin wirklich zu über¬ 
treffen 0 . 

Wir glauben im allgemeinen nicht mehr an das „Dunkel 0 des Mittel¬ 
alters und müssen auch in der Medizingesohiohte unser Urteil differen¬ 
zieren. Im byzantinischen Osten haben wissenschaftliche Sammelarbeit 
und praktische Krankenpflege manche Verdienste aufzuweisen. Weiterhin 
im Orient entwickelte sich, durch Uebersetzungen griechischer Werke ins 
Syrische und Persische angeregt, hauptsächlich aber auf Grund der Ori¬ 
ginalschriften, die ungemein einflussreiche Medizin der Araber, denen 
der Ruhm zukommt, am meisten auf diesem Gebiet im Mittelalter für 
die Erhaltung griechischer Geistesarbeit beigetragen zu haben, soweit sie 
von ihnen aufgenommen werden konnte. In Unteritalien, wo sich an¬ 
tikes Wesen lange erhalten hatte, blühte die Civitas Hippocratioa von 
Salerno, auch von lateinischen Uebersetzungen arabischer Griechenweis¬ 
heit befruchtet; und von den Arabern Spaniens führte seit dem 11. Jahr¬ 
hundert ein reicher, wenn auoh durch denselben doppelten Prozess stark 
getrübter Wasser lauf aus griechischer Quelle nach den Pfiegstätten der 
Wissenschaft im Westen. Im ganzen jedoch muss der Verfall als ausser¬ 
ordentlich bezeichnet werden, namentlich auf den grundlegenden Ge¬ 
bieten der Anatomie und Physiologie. Mit dem Vertrocknen seiner 
Lebenssäfte war der stolze Baum morsch geworden, und Parasiten¬ 
gewächs hatte sich auf ihm angesiedelt: Autorität, Dogma, scholastischer 
Formalismus, Aberglaube. Das alles war ja auch im Altertum vorhanden 
gewesen, aber nioht hoch gekommen. Wer schärfer zusieht, kann ver¬ 
folgen, wie es sich an einzelnen Stellen der äbsterbenden antiken Lehre 
allmählich einnistet und ausbreitet, ja wie sogar grundsätzlich Opposition 
gemaoht wird, mag er etwa das Doktorbuoh des Galliers Marcellus Em- 
pirious (4. u. 5. Jahrhundert) zur Hand nehmen, das dem Kulturhisteriker 
vieles Volkstümliche bietet, oder bei Aetios eine ganze Kollektion von 
Amuletten empfohlen finden, wo dessen hellenistischer Gewährsmann der¬ 
artiges entschieden abgelehnt hatte, oder das kürzlich bekannt gewordene 
Gedicht „Antipooras 0 des Dominikanermönchs Nikolaus von Polen ge¬ 
messen, der am Anfang des 14. Jahrhunderts in Montpellier heftig 
gegen die Hippokratiker kämpft und durch die Gnade des Himmels mit 
seiner „Dreokapotheke 0 alle Krankheiten zu heilen verspricht. 

Doch die echte Wissenschaft hatte nur geschlummert, die alten 
Meister erstanden aufs neue und wirkten in ursprünglicher Gestalt. . Und 
sie fanden Geschleohter, die ihrer würdig waren. Die vielseitigen Hu¬ 
manisten, denen wir jene Ausgaben verdanken, waren sich bewusst für 
die geistige Emanzipation zu arbeiten gegen Scholastik und Arabismus. 
Allerdings lag in der Wiedererweckung die Gefahr neuen Autoritäts¬ 
glaubens; wenn man z. B. im 16. Jahrhundert zu Florenz eine „Neue 
Galenische Akademie 0 begründete, so konnte dadurch zwar gewiss die 
Kenntnis erweitert, aber selbstständiger Fortschritt gehindert werden. 
Die Gefahr ist nicht immer vermieden worden, aber sie wurde über¬ 
wunden. Wie unverpflichtet sioh erleuchtete Geister fühlten, in jener Zeit 


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986 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89. 


des „Iuvat vivere*, zeigt die Anschauung des Paraoelsas: „Natur und 
Leben sind das Ziel, nicht tote Büohergelehrsamkeit. Was in Qalenus’ 
Schriften zu finden ist, das gleicht dem Schwamme, der auf dem Baume 
wächst. Ein Tor, wer hiermit den Baum selbst zu kennen glaubt. 0 
Gerade solch befreiende Wahrheit verkündete ja das Griechentum; es 
erwies sioh nioht nur als Norm, sondern als Samen, ein Charisma, das 
fiberall von ihm ausging, wo es verstanden wurde. Auch die moderne 
Medizin als autonome, allein auf Erfahrung begründete Wissenschaft ist 
in der Renaissance geboren, also im letzten Grunde griechischer 
Herkunft. -- 

Seit der Renaissance ist in der medizinischen Wissenschaft und 
Praxis vieles wieder aufgenommen worden, was die Grieohen kannten, 
manches entdeckt, was sie geahnt hatten, mehr, was sioh ihrer Beob¬ 
achtung und Technik entziehen musste. Das eine ist unbestreitbar, 
dass der heutige Stand ohne ihren Vorgang nioht erreioht worden wäre. 
Das Studium des Griechischen ist es gewesen, das der Medizin einst¬ 
mals die Emanzipation gebracht hat; möge sie des Humanismus nioht 
uneingedenk sein! 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge¬ 
schlechtskrankheiten hält ihre nächste Aussohusssitzung am Donners¬ 
tag, den 16. Oktober, naohmittags 4 Uhr, im Herrenhause ab; am 17. 
mittags findet die Eröffnung der gemeinschaftlich mit dem NationaL 
Hygienemuseum Dresden veranstalteten Ausstellung im Landesausstellungs¬ 
gebäude am Lehrter Bahnhof statt; in der am selben Tage abends 
7 V 2 Uhr im Festsaal des Herrenhauses stattfindenden Generalversammlung 
wird San.-Rat Dr. Bio oh-Hannover über die vom Reiche in Aussicht 
genommene neue Gesetzgebung zur Bekämpfung der Geschlechtskrank¬ 
heiten sprechen. 

— Die ärztliche Gesellschaft für Sexualwissenschaft und 
Eugenik in Berlin stellt folgende Preisaufgabe: „Hat der Mensch zwei 
Arten von Spermatozoon ?* Die Frage ist im Sinne der neuseitigen Anschau¬ 
ungen über Geschleohtsbestimmung zu prüfen. Termin der Ablieferung ist 
der 1. Oktober 1920. Der Preis für die beste Arbeit beträgt 1000 M. 
Für die nächstbesten sind kleine Preise nach Befinden der Preisrichter 
ausgesetzt. Alles andere teilt auf Anfrage der Schriftführer MaxHirsoh, 
Berlin W. 80, Motzstr. 84, mit. 

— Der Spezialarzt für Herzkrankheiten Dr. Reh fisch und der 
Ohrenarzt Dr. Barth erhielten das Prädikat Professor. 

— Dr. Reokzeh, Asstistent der II. medizinischen Klinik, wurde 
zum dirigierenden Arzt am Krankenhause in Mülheim a. d. Ruhr 
ernannt. 

— Dr. L. Huismans, leitender Arzt am Vinoenzhospital in Cöln, 
hat den Professortitel erhalten. 

— Die im Aufträge des Kommissars und Militär-Inspekteurs der 
freiwilligen Krankenpflege errichtete Zentralauskunftsstelle für die Arr 
beitsvermittelung der freiwilligen Krankenpflege des Zentral¬ 
komitees der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, Berlin W. 85, Am 
Karlsbad 28, ist seit dem 15. September aufgelöst 

— Die weltlichen Krankenschwestern in Oesterreich er¬ 
halten nach einer neueren Verfügung ein Gehalt von 800 Kronen im 
Monat bei vollkommen freier Station, Kleidung, Reinigung der Wäsche 
und einer Entschädigungssumme von 25 K. für Abnutzung der Be- 
sohuhung. Die Arbeitszeit beträgt 8 Stunden im Tag und 48 Stunden 
in der Woche. Die Schwestern sind gegen Unfall und Krankheit ver¬ 
sichert; sie erhalten im Krankheitsfalle ausser den Leistungen der Kasse 
ein halbes Jahr das ganze und das nächste halbe Jahr das halbe Gehalt 
sowie Verpflegung in der 2. Klasse. Während des Urlaubs, der min¬ 
destens 4 Wochen, naoh zehnjähriger Tätigkeit 6 Wochen beträgt, werden 
alle Gebühren und Ersatz für Verköstigung (6*/s K.) und Wohnung (8K.) 
gezahlt. 

— In Ems soll ein Genesungsheim für Gelehrte und Künstler 
gegründet werden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 20 M. (für Gelehrte uu-1 
Künstler 10 M.), Stiftung eines Freibettes 5000 M. Der Beitrag für ew go 
Mitgliedschaft beträgt 200 M. 

— Die allgemeine Ortskrankenkasse in Neukölln wird im 
Strandhaus Neuwasser bei Rügenwalde an der Ostsee ein Ge¬ 
nesungsheim einriohten. 

— Naoh Mitteilungen aus Wiesbaden ist jetzt der Besuch Wies¬ 
badens durch Kranke aus dem nichtbesetzten Gebiet erlaubt. Schrift¬ 
liche Gesuche sind an den „Magistrat der Stadt Wiesbaden, Einreise¬ 
bureau 0 zu richten unter Anlügung von 4 Mark in Reiohskassensoheinen 
für die Drahtantwort, zwei Passphotographien, ärztliohes Zeugnis über 
das Fehlen einer ansteckenden Krankheit und genauer Personalbeschreibung. 

— Zur Erinnerung an ihr hundertjähriges Bestehen gibt die Firma 
H. Win dl er eine reioh illustrierte Festsohrift heraus, in welcher die 
Geschichte des Hauses von Dr. Morenhoven geschildet ist, während Dr. 
Paul Mollenhauer die Entwicklung der orthopädischen Heilkunde, 
Generaloberarzt Prof. Dr. Albert Köhler die Geschichte der Instru¬ 
mentenkunde behandelt. 


— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reioh (7. bis 
18. IX.) 16. Fleckfieber: Deutsches Reich (7.—13. IX.) 8. Ge¬ 
nickstarre: Preussen (31. VHL bis 6. IX.) 1. Schweiz (24. bis 
80. VIII.) 1. Spinale Kinderlähmung: Schweis (24.—80. VIII.) 2. 
Ruhr: Preussen (81. VIII. bis 6. IX.) 669 und 64 f. Mehr als ein 
Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Krupp in Linden, 
Wilhelmshaven; Keuchhusten in Gleiwits, Saarbrücken; Typhus in Elbing 
und Halberstadt / (Vcröff. d. Reiohs-Gea.-Amts.) 

Hochschulnachrichten. 

Leipzig: Prof. Bürgers, Assistent am hygienischen Institut, hat 
einen Ruf naoh Düsseldorf an die Akademie für praktische Medizin er¬ 
halten. — Münster: Prof. Kurz, bisher Vorstend des anatomischen 
Instituts der deutschen Medizinschule in Schanghai, ist zum 1. Prosektor 
und Konservator der anatomischen Sammlung ernannt worden. 

Wir bitten zur Vermeidung von Nachsendungen alle redaktionellen 
Briefe, wenn sie an einen der Herausgeber persönlich gerichtet sind, 
mit dem Vermerk „Redaktionsangelegenheit* oder aergl. versehen 
zu wollen. Prof. Dr. Hans Kohn ist bis Mitte Oktober verreist, Geh. 
Rat Posner von der Reise zurüok. Redaktion. 


Amtliche Mitteilungen. 

JPeraon&lien« 

Ernennungen: Bisherig. 0 . Prof, an d. Universit. in Strassburg Dr. Erich 
Meyer und bisher. Abt.-Vorst am Anat. Instit d. Univers. in Königs¬ 
berg Prof. Dr. Hugo Fuohs zu ordentl. Professoren in d. mediain. 
Fakult. d. Univers. in Göttingen; bisherig. Priv.-Doz. an d. Univers. 
in Strassburg Prof. Dr. Otto Loos z. ao. Prof, in d. medizin. Fakult 
d. Univers. in Frankfurt a. M.; bisherig, ausserplanmäss. Wissensohaftl. 
Mitglied d. Landesanstalt f. Wasserhygiene in Berlin-Dahlem Dr. phil. 
H. Stroff z. planmässig. Wissensohaftl, Mitglieds d. Anstalt. 
Niederlassungen: Margarete Genckin Greifswald, J. A. v. Hansen 
in Lubmin (Kr. Greifswald), Dr. 0. Radzwill in Bromberg, Dr. G. 
Pietrek in Breslau, Dr. F. W. Braams in Altheide, Dr. G. Hänsch 
in Glatz, W. v. Holst in Kessel-Sohosdorf (Kr. Löwenberg i. Sobl.), 
Dr. R. Wolfrom in Magdeburg, Dr. B. Orlob in Kötzsohlitz (Kr. 
Merseburg), Dr. K. Burchardi und R. Wilmanns in Altona, Dr. 

E. Wöbbecke und Dr. A. Hillebrecht in Linden, Med.-Rat Dr. 
H. Sünder in Hameln, Dr. F. Ballhorn, Dr. Günther Wolff und 
Dr. Walter Bohrend in Göttingen, Dr. 0. Wahlmann in Goslar, 
Dr. H. Grenaoher in Lauenlörde, Dr. Chr. Seheilke in Nord- 
stemmeD, Dr. K. Meyhoff in Lautenthal, Dr. Rob. Hintze in Lüohow, 
Dr. P. Vischer in Westerhauderfehn (Kr. Leer), Dr. J. Geyken in 
Loga b. Leer, Dr. H. Diddens in Bunde (Kr. Weener), Dr. Th. 
Hobbeling in Senden (Kr. Lüdinghausen), Dr. H. Hesseler in Biele¬ 
feld, Dr. Gerhard Thomas und Dr. H. Widder in Lüdenscheid, 
Dr. B. Westriok in Castrop, Dr. J. Barbrook, Dr. Herrn. Hoff- 
mann, Dr. Heinr. Kayser, Dr. H. Wex und Dr. K. Jörgens gen. 
Heidtmann in Gelsenkirohen, Dr. H. Lorch in Hagen i. W., Dr. J. 
Linden in Fröndenberg, Dr. 0. Frowein in Beringhausen, Dr. Erich 
Müller in Hilohenbach, Dr. Fritz Stern in Rinteln, Dr. J. Tichy 
in Marburg, Dr. F. Trimborn in Wiesbaden, Dr. W. Witze 1 in 
Sonnenberg (Ldkr. Wiesbaden), Dr. R. Sturn in Ahrweiler, Ob.-St-A. 
Dr. F. Klehmet in Winningen (Ldkr. Koblenz), Dr. P. Seuwen in 
Golkrath (Kr. Erkelenz). 

Verzogen: San.-Rat Dr. 0. H. A. Müller von Merseburg und 
Dr. E. Blenke von Bromberg naoh Kosen, Dr. Karl Harnisoh 
von Gröbzig naoh Ammendorf (Saalkreis), Dr. K. Baumhardt von 
Ammendorf nach Gröbzig i. Anhalt, San.-Rat Dr. F. Br eh me von 
Artern nach Halle a. S., Dr. J. Krause von Hohenvestedt (Kr. Rends¬ 
burg) nach Belgern a. E. (Kr. Torgau), Dr. W. Platt und Dr. E. 
Soheele von Strassburg nach Mühlhausen i. Thür., Dr. A. Bilger 
von Duisburg und Dr. 0. D ei hm an n von Essen (Ruhr) naoh Bochum, 
Dr. J. Quante von Göln und Dr. Friedr. Schmitz von Hamburg 
nach Dortmund, Dr. H. Isbrück von Langendreer naoh Castrop, Dr. 
W. Kenokel von Gelsenkirohen naoh Langendreer, Dr. H. Sohreff 
von Ickern naok Holzwickede (Ldkr. Hörde), Dr. W. Heipmann von 
, Dortmund nach Hagen i. W., Dr. Gust. Roth von Hanau naoh Pforz¬ 
heim, Dr. H. Sohaum von Frankfurt a. M. nach Gelnhausen, Dr. 

F. Kuborn von Diedenhofen nach Hanau, Dr. W. Witze 1 von Wies¬ 
baden naoh Mainz, Dr. G. Kreglinger von Hannover naoh Koblenz, 
Dr. H. Herber von Neumünster nach Münster a. Stein (Kr. Kreuz¬ 
nach), R. Thelen von Rhens naoh Brey (Kr. St. Goar), Dr. Chr. 
Stiede von Kreuznach naoh Simmern, Dr. H. Meinke von Bedburg- 
Hau, Dr. P. Vollmer von Düsseldorf und Dr. Gertrud Degen er 
von Lübeck nach Barmen, Dr. F. Tröster von Braoht und Dr. W. 
Gronemann von Charlotten bürg nach Düsseldorf, Dr. H. Paskert 
von Brakei (Kr. Höxter) nach Fischlaken b. Werden (Ldkr. Essen), 
Prof. Dr. Siegfried Schönborn von Posen nach Remscheid, Dr. 
W. Regenauer von Cöln-Mülheim naoh Ohligs (Kr. Solingen). 

Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. Karl Fleischer in Glatz, Dr. Fritz 
Bauer in Altscherbitz, San.-Rat Dr. K. A. Schütze in Kosen. 

Fir di« Redaktion rerantwoftlioh Prof. Dr. Han» Roh n, Berlin BajrentherStr. 41. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin VW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin V.4. 


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Dt« Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nummern Ton etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis TierteljUhrlioh 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Bnehhandlnngen and Postenstalten an. 


BERLINER 


AB« Cinmndnngen Clr die Redaktion and Expedition 
wolle men portofrei an die Yerlagsbnehhandlang 
▲ngaetHirsehwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 


KLINISCHE WOGHENSfJHltlFT. 


Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Mei-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prot Dr. Haas Kohl August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin. 

Montag, den 6. Oktober 1919. JV2 40. Sechsundfönfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origiiiliei: Brugsch und Blnmenfeldt: Die Leistungszeit des Honens 
and ihre klinisch-diagnostische Bedeutung. (Ans der II. medizini- 
sohen Klinik der Charite [Direktor: Geheimrat F. Kraus].) S. 937. 
Boas: Ueber die Gregersen’sohe Modifikation der Benzidinmethode 
für den okkulten Blutnachwei«. S. 989. 

Isaae: Zar Stoffwechselpathologie der Leber. (Aus der medizini¬ 
schen Poliklinik der Universität Frankfurt a. M. [Direktor: Prof. 
Dr. Strasburger].) S. 940. 

Bloch: Drei Fälle von Peritonitis tuherculösa, geheilt duroh Dr. 

F. F. Friedmann’s Heilmittel. S. 943. 

Hopfner: Ein Fall Yon Thyreoiditis aonta suppurativa. (Ans der 
medizinischen Klinik in Göttingen [Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. 0. Hirsch].) S. 944. 

Zondek: Ueber kombiniertes Auftreten von Infektionskrankheiten. 

(Ans einem Kriegsseuohenlazarett Rumäniens.) (Illnstr.) S. 945. 
Brohns und Löwenberg: Ueber SilbersalYarsannatrium und die 
Dosierung des Salvarsans nebst Mitteilung eines Falles von Ence¬ 
phalitis haemorrhagiea nachNeosalvarsao. (Aus der dermatologisehen 
Abtlg. des Charlottenburger städt. Krankenhauses.) (Schluss.) S.948. 


Bfieherbespreehugei : Seifert: Bluttransfusion. S. 950. Ellermann: 
Die übertragbare Hühnerlenkose (Leukämie, Pseudoleukämie, Anämie 
n. a). (Ref. Hirsohfeld.) S. 950. — Berufswahl and Berufsberatung. 
(Ref. Gastpar.) S. 950. 

Literfttir- Auszüge: Physiologie. S. 951. — Therapie. S. 951. — Para¬ 
sitenkunde und Serologie. S. 951. — Innere Medizin. S. 951. — 
Psychiatrie und NerYenkrankheiten. S. 952. — Kinderheilkunde. 
S. 952. — Chirurgie. S. 958. — Röntgenologie. S. 958. — Haut- und 
Gesohleohtskrankheiten. S. 958. — Geburtshilfe und Gynäkologie. 
S. 954. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 954. — Hygiene 
and Sanitätswesen. S. 954. 

Verhaadlugei ärztlicher Gesellschaften: Berliner orthopädische 
Gesellschaft. S. 955. — Medizinische Sektion der schlesi- 
sohen Gesellschaft für vaterländische Oultnr zu Breslau. 
S. 956. — Aerztlicher Verein zu Frankfurt a.M. S. 958. 
Sohmidt-Rund: Emil Fisoher +. S. 958; 

Tagesgesohiohtliche Notizen. S. 959. 

Amtliohe Mitteilungen. S. 960. 


Aus der II. medizinischen Klinik der Oharit6 (Direktor: 
Geheimrat F. Kraus). 

Die Leistungszeit des Herzens und ihre klinisch- 
diagnostische Bedeutung. 

I. Mitteilung. 

Yon 

Prof. Dr. Theodor Brigsch und Dr. Enit Blimeifeldt. 

Die Klinik berücksichtigt das zeitliche Moment der Herz¬ 
arbeit (als Minutenvolnm) in der Pulsfrequenz (wenngleich ohne 
Kenntnis des Schlagvolumens, die gewissermaassen durch die Be¬ 
tastung des Pulses zu ersetzen versucht wird). Wäre die Zeit 
jeder einzelnen Herzleistnng, d. b. die Zeit des Auswerfens des 
SchlagYolums bei jedem Herzschläge proportionell stets die 
gleiche, so würde in der Tat die Kenntnis der Pulsfrequenz völlig 
befriedigen. Aber die Dauer der Herzsystole ändert sich bei ge¬ 
änderter Pulsfrequenz. So finden schon Zuntz und Schumburg 
nach Arbeit ein Anwachsen proportionell der Systoleodaner mit 
zunehmender Pulsfrequenz! Kraus 1 ) findet unter Bestätigung 
früherer Versuche (1891), dass die Systolendauer herzgesunder 
Individuen hei verschiedenen Pulsfrequenzen in dem Sinne variiert, 
dass sie bei zunehmender Pulsfrequenz absolut abnimmt, relativ 
aber zunimmt. 

Wir haben nun die Leistungszeit des Herzens an einem 
grösseren Material zu studieren unternommen, um überhaupt über 
den Gegenstand grössere einschlägige Erfahrungen zu Hammeln, 
vor allem aber, weil es sich bald herausstellte, dass der Fest¬ 
stellung der Leistungszeit ein funktionell-diagnostischer Wert für 
die Klinik zukommt, der nicht etwa bloss durch einen Paralel- 
lismns zwischen Pulsfrequenz und Anwachsen der Systolendauer 
zum Ausdruck gebracht wird. 

Was ist die Leistungszeit der Ventrikel? Die HUrthle’sche 
BexeichnungswCise der einzelnen Herzphasen, die in die Klinik 
Eingang gefunden hat, definiert die Systole vom Erklingen des 

1) Kraus - Nicolai, Das Kardiogramm. 


1. Tones bis zum Erklingen des 2. Ton SA also umfassend An- 
Bpannungs- und Austreibungsfeit, die Physiologen (vgl. Nicolai) 
sehen aber als Systole gewissermaassen die ganze Zeit an, in der 
sich ein Kammermuskel noch in Kontraktion befindet und be¬ 
zeichnet die Hürthle’schen Phasen als Tensions- bzw. Detensions- 
phase. Mao könnte nach der letzten Auffassung der Systole ver¬ 
leitet sein, die ganze Tensions- plus Deteosionsphase als Leistungs¬ 
zeit zu betrachten und nur die Pause als Ruhezeit. Dagegen 
aber spricht einmal, dass das Herz nur in der Tensionszeit 
„leistet“, infolgedessen schon die Detensionseit fortfallen muss; 
aber auch noch ein anderes ist unseres Erachtens von Bedeutung, 
das ist die fast völlige Kongruenz der systolischen Phase (im 
Hürth le’schen Sinne) mit der Däner der Zeit vom Beginn der 
I-Zacke bis zum Verschwinden der F-Zacke im Elektrokardiogramm. 
Diese Kongruenz ist insoweit vorhanden, dass man sagen kann, die 
Hürthle’sche Systole deckt sich, abgesehen von gewissen Ans¬ 
nahmen, mit der aktiven Ventrikelphase im Elektrokardiogramm. 
(In der folgenden Mitteilung werden wir uns noch eingehend mit 
der Frage der Kongruenz und Inkongruenz beider beschäftigen.) 

So blieb nur die Ausarbeitung einer Methodik übrig: Zur 
Bestimmung der Herzsystole eignet sich am uneröffneten Brustkorb, 
also beim Menschen das Phonokardiogramm, d. h. die Registrie¬ 
rung der Herztöne. Die Zeit vom Beginn des 1. Tones bis znm 
Beginn des 2. Tones nmfasst ja die Systole. Zar Kontrolle und 
sam Vergleich wnrde auf die gleiche Kurve das Elektrokardio¬ 
gramm übertragen. 

Zur Tonregistrierung bedienten wir uns der Ohm’sehen Methodik, 
nur dass wir nioht mit dem Lichtstrahl sohrieben, also die Spiegel- 
methodik verwandten, sondern die Schallwellen mittels Schlauchleitung 
mit swisohengelegter Lnftdämpfung naoh Ohm auf ein Gelatinehäutohen 
übertrugen. An diesem war ein feiner Metallfaden befestigt, dessen 
freies Ende mikroskopisch vergrössert auf denselben Papierstreifen photo¬ 
graphiert wnrde, auf den die Schwingungen des Binthoven’schen Elektro- 
kardiographen registriert wurden. (Die genauere Methodik wird in der 
ausführlichen Publikation veröffentlicht werden.) Die Zeitschreibung be¬ 
trog Vs« Sekunden, wodurch es ermöglicht wurde, da der Abstand der 
7m Zeitmarken bis zu 3—4 mm auf den Kurven betrug, mit Hilfe eines 
Zirkels und feingradnierten Lineals eine Ablesung von fast Vioo Sekunden 
zu erreichen. Die Ableitung der Herztöne gesohah von der Herzspitze. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40 


Wir haben fSr die in dieser Mitteilang niedergelegten Re¬ 
sultate nur die Ausmessungen des Phonokardiogramms zugrunde¬ 
gelegt, wobei betont werden muss, dass die Ausmessung stets an 
einer fortlaufenden Reihe von Pulsen (meist zwischen 10 bis 
20 Pulsen) geschah, aus denen dann das arithmetische Mittel 
genommen wurde. Die höchsten und niedrigsten Werte neben 
gleichzeitiger Feststellung der Pulsfrequenz wurden gleichfalls 
vermerkt. Aus der durchschnittlichen Zeit von Systole und Dia¬ 
stole in absoluten Sekundenwerten wurde dann die proportionelle 
Dauer der Systole (in Prozenten der gesamten Herzrevolution) 
berechnet und aus der absoluten Dauer der Herzrevolution die 
Pulsfrequenz. 

Wir geben nun unsere Ergebnisse zunächst an herz- 
gesunden und sonst nicht abnorm gerichteten Individuen 
beiderlei Geschlechts wieder. 


1. Einfluss des Alters: 

a) für die erste Stufe (1—3 Jahre) proportionelle Dauer 
der Systole 60—48pCt.; 

b) für die erste Streckung (4—6 Jahre) 48 pCt.; 

c) das verlangsamte Wachstum von (7—11 Jahre) 48 bis 
45 pCt.; 

d) die zweite Streckung (12—17 Jahre) 44—39 pCt.; 

e) für 18—25 Jahre (sehr verlangsamtes Wachstum und 
Höhenabschluss) 88,5—36,5 pOt. 

Mit zunehmendem Alter nimmt also im Wachstum 
die Leistungszeit des Herzens ab. 


2. Einfluss des Geschlechts. 

Zwischen Mädchen und Knaben fanden wir keine wesent¬ 
lichen Unterschiede, sofern nicht in der Entwicklung zu stark 
abweichende Individuen verglichen wurden. 

3. Die (proportionelle) Dauer dei Systole ist durchaus nicht 
eine (alleinige) Funktion der Pulsfrequenz, wie beifolgende kleine 
Tabelle normaler, aber verschiedener Altersindividuen ergibt, die 
zunächst nach der Pulsfrequenz geordnet ist: 


Pulsfrequenz ' proportionelle Systolendauer 


69 

37,9 pCt. 

76 

37,5 

» 

77 

38,4 

36,7 

» 

77 


91 

44^ 

* 

94 

43,4 

» 

98 

45 

» 

106 

48,4 


107 

47,5 

ff 

U07 

46 

» 

112 

49,6 

ff 

115 

46,3 

» 

117 

48,8 

>» 

127 

46 

ii 


Ordnet man aber die Tabelle nach dem Alter, so ergibt sich 
eine mehr oder minder unabhängig von der Pulsfrequenz ab- 


nehmende Kurve der proportiouellen Systolendauer. 

4 ix /t u \ Pulsfrequenz Proportionelle 
Alter (Jahre) « d# ate) Systolendauer 

1 

107 

46 pCt. 

3 

106 

48,4 „ 

6 

106 

48,4 „ 

7 

112 

49,6 * 

7 

117 

48,8 „ 

8 

107 

47,5 , 

9 

115 

46,3 „ 

10 

127 

46 w 

11 

98 

45 „ 

12 

94 

43,4 „ 

15 

91 

44,2 * 

15 

115 

40,9 , ' 
88,4 „ 

18 

77 

18 

76 

87,5 „ 

20 

69 

87,9 „ 

23 

77 

86,7 „ 

30 

72 

37,5 „ 

33 

63 

35,3 „ 

35 

66 

34,2 „ 

38 

59 

33,4 „ 

41 

56 

30 „ 

48 

66 

85,9 „ 

58 

62 

36,3 „ 

63 

66 

36,3 „ 

70 

50 

35 „ 

73 

70 

37,1 „ 


4. Indessen beeinflussen die Faktoren, die eine Zunahme der 
Pulsfrequenz bewirken, auch die Leistungszeit, d. h. die pro¬ 
portioneile Systolendauer im Sinne einer Zunahme. 

Beispiel (Versuch Nr. 57). 20jähriger Laboratoriumsdiener; in der 
Ruhe 69 Pulse, proport. Systole = 37,9 pCt. Nach 20 Kniebeugen 
steigt die Pulsfrequenz auf 84, die proport. Systole auf 40,5 pCt. 

Besonders deutlich wird das auch bei pathologischen Herz¬ 
fällen (siehe weiter unten), doch lässt sich auch dort weder ein 
Paralellismns noch ein irgendwie bestimmbares Abhängigkeits- 
Verhältnis zwischen der Zunahme der proportionellen Systolen¬ 
dauer und dem Anwachsen der Pulsfrequenz herausfinden. 

5. Die proportionelle Dauer der Systole stellt beim aus¬ 
gewachsenen gesunden Individuum einen konstanten Wert in der 
Ruhe dar, der bei verschiedenen Individuen verhältnismässig nur 
in geringen Grenzen schwankt. 

Der Wert liegt für einen Mann von 26—70 Jahren 
zwischen 83,5—37,5 pCt. (dabei die Pulsfrequenz schwankend 
zwischen 60—78 Pulsen). 

6. Bei der gesunden Frau in der Ruhe variiert der 
Wert ebenfalls zwischen 33,6—37,6 pCt., hält sich indessen 
meist näher der oberen Grenze (die Pulsfrequenz schwankend 
zwischen 60—75 Pulsen). 

Die auffallende Konstanz der von uns an normalen Individuen 
festgestellten Werte für die proportionelle Dauer der Systole lässt 
den Gedanken aufkommen an konstitutionell minderwertigen bsw. 
an kranken Herzen die Frage der Leistungszeit zu studieren. 
Wir haben in dieser Beziehung das Material nach verschiedenen 
Richtungen durcbgearbeitet, immerhin mögen manche der Re¬ 
sultate noch der Erweiterung, andere der Einschränkung be¬ 
dürfen; wir wollen indessen hier schon, um gerade den klinisch- 
diagnostischen Wert zu betonen, eine Reihe von Ergebnissen an- 
führen. 

So zeigt z. B. das Tropfenherz einen gegenüber der Norm 
geänderten Wert der proportionellen Systole. 

Fall 59. 49jähriger Mann, Verdacht auf Tuberkulose. Reine 
Herztöne, kleines (Tropfen-)Herz. Pulsfrequenz 97. Proportionelle Dauer 
der SyBtole = 48,4 pCt. 

Ein anderes, nicht so ausgeprägtes Tropfenherz bei einem 
23 jährigen Manne (Fall 67) zeigt bei 70 Pulsen den Wert von 
39,2 pCt. 

Aehnlich liegen die Verhältnisse beim Kugelherzen. 

Fall 47. 20jähriger Mann. Kugelherz, Aktionstyp. Reine Töne. 
111 Pulse, proportionelle Dauer der Systole 48,4 pCt. 

Bei Herzkyphoskoliose fanden sich Werte über 87,6pCt 

Sehr erheblich sind die Veränderungen der proportioneilen 
Dauer der Systole bei Herzfehlern; z. B. der Stenose des Aorten- 
ostiums. 

Fall 7. Bei 82 Pulsen 47,5 pCt. proportionelle Systolendauer. 

Oder bei der Aorteninsuffizienz. 

Fall 30. 82 Pulse. 41,7 pCt. proportionelle Systolendauer. 

- Fall 19. 92 Pulse. 49,2 pCt. proportionelle Systolen dauer. 

Man hat im ganzen den Eindruck, als ob die Zunahme der 
proportionellen Systolendauer von der Grösse des Klappendefektes 
abhänge. 

Bei der Stenose des Mitralostinms zeigte sich in den Fällen 
mit starkem präsystolischen Geräusch und kleinem linken Ven¬ 
trikel die proportionelle Systolendauer nicht vermehrt. 

(Fall 66 . Pulsfrequenz 66 , proportionelle Systolendauer = 35,5 pCt.) 

Bei Fällen mit grossem linken Ventrikel und deutlichen 
Zeichen von Mitralinsuffizienz wächst die proportionelle Dauer 
der Systole. 

Fall 37. 80 Pulse, proportionelle Systolendauer = 41,3 pCt. 

Fall 12. 79 Pulse, proportionelle Systolendauer = 44,6 pCt. 

Bei der Mitralinsuffizienz scheint wieder die Länge der 
Leistungszeit von der Grösse des Klappendefektes abzuhängen. 

Wir wollen nioht unerwähnt lassen, dass schon Steriopulo unter 
Nioolai’s Leitung an unserer Klinik das Elektrokardiogramm an Herz¬ 
fehlern auf die Dauer der Herzphasen hin studiert hat 1 ), und dass er 
am Elektrokardiogramm als Wert für die Systole für die Aorteninsuffizienz 
40 pGt., die Mitralinsuffizienz 35 pCt. und die Mitralstenose 36 pCt., pro¬ 
portional auf die ganze Herzrevolution bezogen, ermittelt hat. Da wir 
unsere Werte phonokardiographisch ermittelt haben, lässt sich natur- 
gemäss nioht eine völlige Kongruenz der Werte annehmen, doch zeigt 
sich auoh sohon in den Ergebnissen von Steriopulo deutlich die be¬ 
sonders starke Systolenzunahme bei der Aorteninsuffizienz. 

1) Zschr. f. exper. Path. u. Ther., 1910, Bd. 7. 


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6. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


939 


Weiter fanden wir, dass der proportionelle Wert der Systolen- 
daaer bei den Unregelmässigkeiten des Herzens Abweichungen 
aufweist. So stellten wir bei respiratorischer Arrhythmie Er¬ 
höhungen über 87,5 bis 42 pCt. und mehr fest. Auch bei Extra¬ 
systolen Hess sich, wenn sie gehäuft auftraten, eine Vergrösserung 
im Wertes über die von uns ermittelten Normalwerte feststellen. 
Bei Ueberleitungsstörungen konstatieren wir Verringerungen der 
proportioneilen Systolendauer: 

Fall 75. 81jährige Sehwester. Vollkommener Kammerbloek. 
45 Pulse, proportioneile Systolendauer = 27,9 pCt. 

Dagegen zeigt wieder das Herz mit Pulsus irregularis respi¬ 
ratorras reoht erhebliche Ueberschreitungen des Normalwertes. 

Fall 8. 90 Pulse, proportionelle Systolendauer = 41,7 pCt. 

Fall 21. 104 Pulse, proportionelle Systolendauer = 40,5pCt. 

Die letzte Gruppe führt uns zum insuffizienten Herzen über, 
dessen proportionelle Systolendauer sich stets, wenn auch oft 
nur wenig erhöbt zeigte. 

Sehr deutlich zeigt sich der Einfluss der Digitalis. Diese 
setzt den proportionellen Systolen wert sehr erheblich herab. 

So lag z. B. im Falle 28 der proportionelle Systolenwert nach 
Digitalis bei 27,4pCt.! Es handelte sich dabei um ein kleines, nicht 
insuffizientes Herz; die Pulsfrequenz ging auf 48 herunter. Fälle von 
Pulsus irregularis (z. B. Fall 13 und 14) ging in der proportionellen 
Systolendauer bei 59 bzw. 56 Pulsen auf 29,2 bzw. 25 pCt. herunter. 

Wir wollen die Zahl der Beispiele nicht vermehren; sie 
sollen ja auch durchaus nicht das Thema erschöpfen, sondern 
nur zeigen, dass die Feststellung der Leistungszeit des Herzens 
eine funktionell diagnostische Bedeutung hat, die über das, was 
uns die Pulsfrequenz klinisch sagt, noch hinausgebt. Zur Ver¬ 
anschaulichung dessen, was die Leistungszeit des Herzens be¬ 
deutet, sei die proportionelle Systolendauer auf die 24 Stunden¬ 
leistung des Herzens umgerechnet. Bei einer solchen Umrechnung 
wird der Ruhewert des Tages gewissermaassen als der Durch¬ 
schnittswert aus Tages- und Nachtwert angesehen, dann braucht 
der proportionelle Systolenwert nur mit u / 10 o multipliziert zu 
werden, um den Arbeifsstundentag des Herzens anzugeben. Das 
Verfahren wird manchem plausibel erscheinen. Das normale 
Herz hat für den Erwachsenen einen Arbeitsstundentag, der 
zwischen 8—9 Stunden liegt, das Kind in den ersen Lebensjahren 
einen Wert von 11—12 Stunden; je älter das Kind wird, um so 
niedriger wird der Arbeitsstunden tag; der Jüngling von 15 Jahren 
bat einen Arbeitsstundentag von etwa 10 Stunden, der aus¬ 
gewachsene Mann den Arbeitsstundentag von 8,5 Stunden. Alles, 
was die Leistungszeit des Herzens erhöht, erhöht bzw. umgekehrt 
erniedrigt den Arbeitsstundentag. 


Ueber die Gregersen’sche Modifikation der 
Benzidinmethode für den okkulten Blutnachweis. 

Von 

Prof. Dr. I. Boas-Berlin. 

Von den zahlreichen Methoden zum Nachweis okkulter Blu¬ 
tungen in den Fäzes und im Mageninhalt ist zurzeit die Benzidin¬ 
reaktion wohl das verbreiteste Verfahren. Indessen schon der 
Umstand, dass es ausserordentlich zahlreiche Modifikationen dieser 
Methode gibt und dass jede derselben ihre Anhänger und Gegner 
hat, beweist, dass sie keineswegs allen Ansprüchen an Genauig¬ 
keit und Sicherheit entspricht. Immer wieder wurden Stimmen 
laut, dass man dieser Reaktion nicht recht trauen könne, dass 
sie zu empfindlich sei, dass man auch bei Blutabwesenheit posi¬ 
tive Reaktionen erhalten könne. Indessen blieb die Ursache dieser 
Fehlerquellen vorderhand dunkel. Allerdings hatte schon Hallez 1 ) 
vor mehreren Jahren darauf hingewiesen, dass vollkommen fleisch¬ 
frei ernährte Hunde in ihren Fäzes eine positive Benzidinreaktion 
zeigten, und einige Jahre später ist Grund man n 2 3 ) auch bei 
normalen, lange Zeit lakto vegetabilisch ernährten gesunden Menschen 
zu den gleichen Ergebnissen gelangt. Ebenso konnte ich 8 ) im 
Jahre 1917 feststellen, dass bei Individuen nach absolvierter 
Ulkuskur und bei subjektiv völligem Wohlbefinden noch immer 
positive Benzidinreaktionen erzielt werden können. Aber erst 
vor kurzem hat Gregersen 4 ) durch eingehende Untersuchungen 

1) Hallez, Archives des malad, de l’appareil digestif et de la 
nutrition, 1918, Bd. 7. 

2) Grundmann, B.kl.W., 1916, Nr. 85. 

3) Boas, Aroh. f. Verdauungskr., 1917, Bd. 28, H. 4. 

4) Gregersen, Aroh. f. Verdauungskr., 1919, Bd. 25, H. 8. 


als Ursache dieser praktisch wichtigen Fehlerquelle gefnnden, 
dass sämtliche früheren Untersucher mit zu starken Konzentrationen 
des Benzidinreagens operiert haben. 

Schoo Grund mann — und ihm hat sich Gregersen ange¬ 
schlossen — hat der Anschauung Ausdruck gegeben, dass der 
positive Ausfall der Benzidinreaktion bei fleischfrei ernährten 
normalen Individuen darauf zurückzuführen sei, dass sich den 
Exkrementen minimale Blutspuren beimischen, die bei der über¬ 
aus grossen Empfindlichkeit des Benzidinreagens zu positiven 
Reaktionen Veranlassung geben müssen. Grund mann glaubte 
dieser Vermutung dadurch besonderen Nachdruck zu verleihen, 
dass er die Fäzes zunächst mit Wasserstoffsuperoxyd be¬ 
handelte und dann erst die Benzidinreaktion anstallte. Sie fiel 
dann bei wiederholter Einwirkung genügend konzentrierter Wasser- 
stoffsuperoxydiösung zusehends schwächer aus, um allmählich 
ganz negativ zu werden. 

Ohne mich dieser meiner Meinung nach keineswegs über¬ 
zeugenden Beweisführung anzuschliessen, unterliegt die Annahme, 
dass in der Verwendung hochkonzentrierter Benzidinlösung unter 
Umständen eine gewisse Täuschungsmöglichkeit vorliegt, keinem 
Zweifel. Von dieser Erfahrung ausgehend bat nun Gregersen 
eine neue Modifikation der Benzidinprobe angegeben, die ich auf 
Grund eingehender Nachuntersuchungen insofern als einen Fort¬ 
schritt bezeichnen muss, als hierbei die oben erwähnte Fehler¬ 
quelle unbedingt in Fortfall kommt. 

Der genannte Autor geht ein für alle Mal von einer */ 2 proz. 
Benzidinlösnng aus und benutzt ferner statt des leicht zersetzlichen 
Wasserstoffsuperoxyds das wesentlich haltbarere Baryumsuperoxyd. 

Im einzelnen gestaltet sieh die Gregersen’sohe Methode folgender- 
maassen: 0,025 g Benzidin und 0,1 g 1 ) Baryumsuperoxyd, beide als ge¬ 
trennte Pulver werden in 5 ccm 50 proz. Essigsäure gelöst. Von dem 
auf Blutspuren zu untersuchenden Stuhl wird, wie dies bereits Wagner 8 ) 
vor mehreren Jahren empfohlen hatte, ein hanfsamengrosses Partikelchen 
auf einem auf einer weissen Unterlage befindlichen Objektträger mittels 
eines Streichholzes fein ausgestrichen und nun einige Tropfen der ge¬ 
nannten Lösung hinzugesetzt. Bei Blutanwesenheit erfolgt je nach dem 
Grade des Blutgehälts innerhalb weniger Sekunden Blau- oder Grün¬ 
färbung, bei Fehlen von Blut tritt kein Farbenumsohlag ein. Da das 
Benzidingemisch sich schnell zersetzt, müssen die Reaktionen mit 
jedesmal frisch zubereiteten Reagentien angestellt werden. 

Diese Modifikation ist, wie ich mich an zahlreichen Versuchen 
überzeugt habe, in ihrer Ausführung sehr einfach und gibt sowohl 
bei normalen, fleischlos ernährten Individuen als auch bei Magen- 
Darmkranken ohne endogene Bluthng stets negative Reaktionen. 
Bei Blutanwesenheit dagegen erhält man je nach dem Gehalt 
bald kürzer, bald schneller tiefblaue oder grüne Verfärbung. 
Insofern würde die genannte Modifikation nicht bloss allen An¬ 
sprüchen an Einfachheit, sondern auch an Exaktheit genügen. 
Eine andere Frage ist aber, ob sich bei der von Gregersen 
vorgeschlagenen starken Verdünnung des Reagens nicht 
wieder umgekehrt minimalste, aber noch essentielle Blutungen 
dem Nachweise entziehen könnten. Diese Frage muss ich auf 
Grund eigener Nachprüfungen und Kontrolluntersuchungen mit 
der von mir 8 ) vor einigen Jahren angegebenen Chloral-Alkohol- 
Guajakprobe, die sich mir immer wieder als bestes katalytisches 
Reagens für den Blutnachweis bewährt hat, entschieden bejahen. In 
einer ausführlichen Arbeit werde ich den Beweis hierfür erbringen. 

Nichtsdestoweniger möchte ich die Modifikation nach Gre¬ 
gersen für den praktischen Blutnachweis keineswegs herabsetzen. 
Sie hat allerdings ausser dem genannten Fehler den Missstand, dass 
das Benzidinpulver sich schwer quantitativ genau in die Essig¬ 
säure überführen lässt, da es am Papier (auch an Wachspapier) 
mit der Zeit festkleben bleibt. Für das Barymsuperoxyd gilt dies 
übrigens nicht. 

Das war der wesentliche Grund, weshalb ich mich entschlossen, 
habe, die beiden Reagentien in Tablettenform zu bringen, und 
zwar enthält jede Tablette 0,05 g Benzidin, purissim. (Merck) und 
0.2 Baryumsuperoxyd. Die Tablette wird in 10 ccm 50 proz. 
Essigsäure gelöst 4 ). Die Mengenverhältnisse sind also, wie man 
sieht, die gleichen wie bei Gregersen. 

1) An einer anderen Stelle seiner Arbeit gibt G. die Dosis von 
Baryumsuperoxyd auf 0,2 g an. loh habe bei meinen Untersuohungen 
aussohlie8slioh mit der oben angegebenen Dosis gearbeitet. 

2) Wagner, Aroh. f. Verdauungskr., 1915, Bd. 20, S. 552. 

8) Boas, B.kl.W., 1916, Nr. 51, und Biooh. Zsohr., 1917, Bd. 79, 
H. 1 u. 2. 

4) Die genannten Tabletten werden unter der Bezeichnung Benzidin¬ 
tabletten zum Blutnachweis von der Firma E. Merck in Darmstadt in 
den Handel gebracht. 

1 * 


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040 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Es hat sich mir die Gregersen’sche Modifikation in dieser 
ausserordentlich handlichen und, wie ich himufögen möchte, halt¬ 
baren Form so bewährt, dass ich mich entschlossen habe, diese 
kleine aber sehr nützliche Verbesserung zu veröffentlichen. Auch 
sonst weicht mein Vorgeben in kleinen Einzelheiten von der 
Gregersen'schen Modifikation etwas ab. Die genannte.Modifi¬ 
kation als solche wird dadurch natürlich nicht berührt. Im 
einzelnen gehe ich folgendermaassen vor: 

leb streiche auf ein kleines Porzellanschälchen ein etwa linsen¬ 
grosses Fäzespartikelchen in der Mitte 90 fein als möglich aus. Dann 
nehme ioh eine Benzidin-Baryumsuperoxydtablette, bringe sie in einen 
mit 10 00 m 50 proz. Essigsäure gefüllten kleinen Maasszylinder, zerdrücke 
sie innig mit einem Glasstab und filtriere. Von dem Filtrat giesse ioh 
einige Tropfen auf den Fäzesausstrich des Porzellansehälohens. Bei 
Blutanwesenheit erfolgt binnen wenigen Sekunden eventuell auch erst 
nach 1—2 Minuten je nach dem Blutgehalt eine tiefblaue bzw. grüne 
Verfärbung, die naoh längerem Stehen in kirschrot übergeht. Bei Fehlen 
von Blut erfolgt kein Farbeneinsohlag, auch später keine Rot¬ 
färbung. Auoh das genannte Filtrat hält sich nur kurze Zeit (etwa 
20—30 Minuten) wasserklar, dann veriärbt es sich bräunlich und ist 
nioht mehr brauchbar. In Ermangelung eines Porzellanschälchens kann 
man die genannte Reaktion noch einfacher auf einem Streifohen Karton¬ 
papier, beispielsweise einem Stückchen einer Visitenkarte, ausführen. 
Man streicht mit einem Glasstab eine Spur der Fäzes fein aus, lässt 
trooknen und setzt 1—3 Tropfen der genannten Losung hinzu. 

Wie ich mich überzeugen konnte bleibt die Reaktion in der 
Gregersen’schen Modifikation auch bei Chlorophyllallwesenheit 
negativ. Ich erwähne das deshalb, weil Kuttner und Gutmann 1 ) 
vor kurzem das Chlorophyll als eine blutvortäuschende Substanz 
bei Anwendung des Benzidins bezeichnet haben. 

Mit Rücksicht auf die beim, katalytischen Blutnachweis viel¬ 
fach erörterte Frage des blutvortkuschenden Einflusses pflanzlicher 
Oxydationsfermente, auf den auch die eben angegebenen Autoren 
in ihrer Arbeit ausführlich eingegangen sind, habe ich diesem 
Gegenstand in neuester Zeit meine besondere Aufmerksamkeit 
zugewendet. Deber das Ergebnis werde ich gleichfalls binnen 
kurzem im Archiv für Verdauungskrankheiten berichten. An 
dieser Stelle möchte ich als Resultat meiner Untersuchungen nur 
so viel hervorheben, dass die pflanzlichen Oxydationsfermente selbst 
bei Anwendung scharfer katalytischer Proben nicht entfernt eine 
so grosse Rolle spielen, wie man bisher allgemein angenommen 
bat. Bei Verwendung der Gregersen’schen Modifikation und der 
Chloral-Alkohol-Guajakprobe wenigstens kommen sie als störende 
Faktoren, wie ich mich überzeugen konnte, kaum in Betracht. 

Alles in allem besitzen wir in der Benzidinprobe nach Gre¬ 
gersen eine entschieden zuverlässige Reaktion für den schnellen 
Blutnachweis, namentlich wehn man sie als erste Orientierungs¬ 
und Vorprobe benutzt. Sie eignet sich daher besonders für die 
Zwecke der täglichen Praxis. Nur bei sehr schwachem Blut¬ 
gehalt kann sie versagen. Dann ist eine Kontrolle mittels der 
GhloraUAlkohol Guajakprobe entschieden anzuraten. Fällt letztere 
noch positiv aus, so ist dies für Blutanwesenheit beweisend und 
umgekehrt. 

Nachschrift. Nach Fertigstellung dieser kleinen Arbeit 
kam mir der kurze Aufsatz von Schlesinger und Gattner 2 ) 
zu Gesicht, in welchem sie sich bezüglich der Konzentration der 
Benzidinlösung Gregersen’s Ansicht anschliessen, aber ausser¬ 
dem auch die Menge’ der zur Lösung benutzten Essigsäure als 
wichtigen Faktor für den Ausfall der Reaktion betrachten. Ohne 
mich über diesen Punkt zu äussern, möchte ich nur hervorheben, 
dass die von Gregersen als Fehlerquelle der bisherigen Benzidin¬ 
proben gefundene übermässige Konzentration des Benzidingemisches 
unter anderem auch für die Schlesinger-Holst’sche Benzidin¬ 
probe gilt. Damit sind auch die Ein wände, die seinerzeit 
Schümm und ich dem genannten Verfahren gegenüber geäussert 
haben, als nicht mehr der Diskussion bedürftig zu betrachten. 

Aus der medizinischen Poliklinik der Universität Frank¬ 
furt a. M. (Direktor: Prof Dr. Strasburger). 

Zur Stoffwechselpathologie der Leber. 

Von 

Privatdosent Dr. S. Isaae, Oberarzt der Poliklinik. 

Von den zahlerichen in der Leber verlaufenden chemischen 
Prozessen, die zu Oxydationen und Reduktionen, Spaltungen und 
Synthesen, ja komplizierten molekularen Umlagerungen führen, 

1) Kuttner und Gutmann, D.m.W., 1918, Nr. 46. 

2) Sohlesinger und Gattner, B.kl.W., 1919, Nr. 30. 


haben bis jetzt relativ wenige klinisches Interesse erlangt, haupt¬ 
sächlich weil Störungen derselben nicht genügend leicht nach¬ 
weisbar sind. Nor bei einigen wenigen Teilprozessen des Leber¬ 
stoffwechsels hat sich bisher eine Differenzierung des Patho¬ 
logischen vom Physiologischen durchführen lassen, und zwar 
müssen wir das Pathologische im wesentlichen in quantitativen 
Verschiebungen normaler Vorgänge erblicken. Eine in dieser 
Weise quantitativ veränderte Teilfunktion führt nun aber — einen 
gewissen Grad der Störung vorausgesetzt — meist zu einer Be¬ 
einflussung der Gesamtleistung des Organs: Gleichgewichts¬ 
zustände zwischen verschiedenen Prozessen, die miteinander ver¬ 
knüpft sind und in ihrer Gesamtheit den harmonischen Ablauf 
des Stoffwechsels bedingen, werden aufgehoben, und die aus 
dieser Dissoziation der Lebertätigkeit resultierende Gesamtstörung 
wird eine äusserst komplizierte. Die häufigste Grundursache der¬ 
artiger komplexer Störungen des Stoffwechsels der Leber sind, 
wie wir sehen werden, primäre Veränderungen des Kohlenhydrat¬ 
stoffwechsels. 

Alterationen des Kohlenhydratstoffwechsels der Leber, mit denen 
wir uns daher zunächst beschäftigen wollen, können in verschiedener 
Weise in die Erscheinung treten: als Störungen des Glykogenbildungs¬ 
vermögens oder als solche des Aufbaues und Abbaues des Zuckers. Die 
Glykogenbildnng bängt aber so eng mit den Vorgängen der Synthese 
des Zuckers und seinem Abbau zusammen, dass Anomalien im Ablauf 
dieser Prozesse meist auoh in Störungen der Glykogenie zum Ausdruck 
kommen. 

Isoliert findet sich eine solohe als reine Insuffizienz der Glykogen¬ 
bildung, wenn die Leber von einer grösseren Zuokermenge plötzlich 
überschwemmt wird. In diesem Falle, der allerdings unter den Be¬ 
dingungen der gewöhnlichen Ernährung niemals vorkommt, reicht das 
Vermögen der Leber, Zucker zu Glykogen zu polymerisieren, oft nioht 
mehr aus, und es pflegt dies in einem Ansteigen des Blutzuckers zum 
Ausdruck zu kommen (alimentäre Hyperglykämie). 

Von der Voraussetzung ausgehend, dass der in den Magen gelangte 
Zuoker tatsächlich in überwiegender Menge die Leber passiert und nioht 
etwa auf dem Wege über die Lymphbahnen eine „anbepatische* Rioh- 
tung ©inschlägt, suohte man durch Bestimmung der nach Dextrosezufuhr 
im Blute und Harne erscheinenden Zuokermenge ein klinisohes Maass 
für das quantitative Vermögen der Leber, Glykogen zo bilden, zu ge¬ 
winnen. Durch neuere Arbeiten wei&9 man allerdings, dass das Er¬ 
scheinen oder Nichterscheinen des Zuckers im Harne, trotz etwa be¬ 
stehender Hyperglykämie, vom Verhalten der Niere abhängig ist. Aber 
auoh die Erhöhung des Zaokerwertes im venösen bzw. Kapillarblute gibt 
nur ein relatives Maass des die Leber unverändert verlassenden Zuckers, 
da der Betrag des aus dem hyperglykämischen Lebervenenblut in die 
Gewebsdopots abströmenden Zuckers unbekannt bleibt, worauf auch 
neuerdings Bernstein und Falta 1 ) hingewiesen haben. Daneben 
spielt sicher auoh der augenblickliche Glykogenreichtum der Leber eine 
Rolle. Diese und noch andere Punkte, auf die hier nicht näher einge¬ 
gangen werden soll, verdienen jedenfalls weitgehende Berücksichtigung, 
wenn man in der alimentären Hyperglykämie in dem eben erörterten 
Sinne ein Maass für die Ausgiebigkeit und Schnelligkeit der Glykogen¬ 
bildung erblicken will. 

Was das Auftreten der alimentären Hyperglykämie betrifft, so er¬ 
geben die Untersuchungen vonBaudouin, Frank, Waoker, Jakobson 
und Bing 2 ) u. a., dass beim gesunden Menschen naoh einmaliger Ver¬ 
abreichung einer grösseren Menge (etwa 100 g) Traubenzuckers noch 
2—3 Stunden später in der Mehrzahl der Fälle eine mehr oder weniger 
beträchtliche Erhöhung des Blutzuckerspiegels nachweisbar ist. Ver¬ 
folgt man naoh Dextrosezufuhr das Verhalten des Blutzuckers in kurzen 
Abständen von 10—15 Minuten (Jakobson, eigene Untersuchungen), 
so zeigen fast alle Kurven kürzer oder länger andauernde Erhebungen 
und nur wenige lassen eine Erhöhung des Zuckerspiegels über den Aus¬ 
gangswert vermissen. Gelegentlich folgt, ohne dass Glykosurie auftritt, 
eine hypoglykämisohe Phase; auf letztere haben schon Bönniger und 
Frank 8 ), allerdings unter Niohtberücksiohtigung der vorhergehenden 
Hyperglykämie, aufmerksam gemacht, und letzterer hat daraus in solchen 
Fällen auf eine besondere Funktionstüohtigkeit der Leber in bezug auf 
die Glykogenie geschlossen. Naoh dem oben Gesagten darf man wohl 
den Grund für das Absinken des Blutzuckers in diesen Fällen in einer 
besonderen Zuokeravidität der Gewebe suohen. Die anderen Befunde 
zeigen jedenfalls, dass schon physiologisoherweise bei zu grossem Ange¬ 
bot von Zucker eine Insuffizienz der Glykogenbildung eintritt, die 
übrigens naoh Versuchen von Welz 4 ) und Jakobsen*) auoh nach 
reichlicher Stärkezuzuhr nachweisbar ist. In Anbetracht dessen 
muss man sioh fragen, ob der bei gewissen pathologischen 
Zuständen zu findenden alimentären Hyperglykämie nach 
Dextrose tatsächlich die Bedeutung zukommt, die ihr bisher 
allgemein beigelegt wird. Von der alimentären Glykosurie sagt 


1) Areh. f. klin. Med., 1918, Bd. 125. 

2) Arch. f. klin. Med., 1914, Bd. 113. 

3) Zschr. f. phys. Chem., 1911, Bd. 70. 

4) Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1913, Bd. 73. 

5) Bioohem. Zschr. 1913, Bd. 56. 


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6. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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bereits t. Noorden, dass sie bei den meisten Krankheiten kaum 
leiohter so ersielen sei als beim Gesunden. 

Die nach Verabfolgung von Dextrose auftretende physio- 
logisohe Leberinsuffizienz tritt viel weniger oder gar nicht 
in die Erscheinung naoh Darreiohung des dem Trauben¬ 
zucker strukturell gleichartigen Ketomuokers, nämlich der 
Lävulose. Reim Gesunden zeigen naoh Verabfolgung von 
100 g die Blutsuckerkurven, welche duroh Untersuchungen 
in kurzen Zeitabständen gewonnen waren, weit niedrigere 
Erhebungen als sie naoh Dextrosezufuhr beobaohtet wurden; 
bei manohen Individuen besteht zu keinem Zeitpunkte eine 
Erhöhung des Zuckerspiegels über den Ausgangswert; 
gelegentlich hat sogar die Kurve von vornherein eine dau¬ 
ernde Tendenz zum Sinken. Diese Feststellungen kann man ins¬ 
gesamt dahin interpretieren, dass die Lävulose von der normalen Leber 
wesentlich leiohter als Dextrose zu Glykogen umgewandelt wird. Viel¬ 
leicht kommt es aber auch deshalb so selten zur Hyperglykämie naoh 
Verabreichung von Lävulose, weil ein Teil des Fruchtzuckers in der 
Leber sofort abgebaut wird. Neubauer 1 ) glaubt auf Grund seiner 
Untersuchungen an einem Kranken mit spontaner Lävuiosurie, dass auoh 
beim Gesunden die Glykogenbildung aus Lävulose keine vollständige 
ist, vielmehr ungefähr 15 pCt. unmittelbar verbrennt würden; in diesem 
Sinne sprioht auch die von Benedikt 2 ) bei Respirationsversuohen ge¬ 
machte Beobachtung einer besonders starken Steigerung der GO*-Pro¬ 
duktion nach Lävuloseverfütterung und der im Embden’sohen Institut 
von S. Oppenheimer 8 ) erhobene Befund, dass Lävulose in der über¬ 
lebenden Leber ungleich leiohter als Dextrose zu Milchsäure abgebaut wird. 
Die sich hieraus ergebende Vorstellung, dass die Lävulose ein 
der Leberzelle besonders adäquater Zucker sein muss, erfährt 
eine weitere Stütze duroh die von Embden und seinen Mitarbeitern 4 5 ) ge¬ 
fundene Tatsaohe, dass bei der oxydativen Zuokerbildung aus Sorbit primär 
Lävulose entsteht und bei der Zuokersynthese aus unnatürlichem 
Glyzerinaldehyd eine Ketose sich bildet. Demzufolge ist es auch sehr 
leioht möglich, dass bei dem Aufbau des Traubenzuckers aus Milchsäure 
als intermediäres Produkt Lävulose auftritt. Diese wird allerdings, wie 
frühere Versuche von mir 8 ) zeigten, sehr schnell zu Dextrose umge¬ 
wandelt. Bei dieser Umwandlung entsteht, wie man vielleicht annehmen 
kann, eine sehr reaktionsfähige Zwischenstufe, etwa die Enolform, welche 
leioht angreifbar und auch zur Glykogenbildung besonders geeignet ist. 
So würden die gefundenen Unterschiede im Verhalten des Trauben¬ 
zuckers und des Fruohtzuckers dem Verständnis näher gebracht. Auch 
die sohon von Minkowski festgestellte bessere Ausnutzung der Lävu¬ 
lose boim Diabetes passt in den Rahmen dieser Befunde. Gleichzeitig 
wird auoh erklärt, warum aus beiden Zuokerarten ein identisches 
Glykogen entsteht. 

Wenn sohon physiologischer weise nach dem im Vorstehenden Ge¬ 
sagten das Glykogenbildungsvermögen der Leber — wenigstens was 
die Dextrose betrifft — sich in relativ engen Grenzen bewegt, so ist 
natürlich bei Erkrankungen des Leberparenohyms eine weitere Ein¬ 
schränkung zu erwarten. Dementsprechend wird auch häufig bei Leber¬ 
kranken, die übrigens bei gewöhnlicher Kost niemals abnorme Zuckerwerte 
im Blute aufweisen, sehr erhebliche alimentäre Hyperglykämie nach Dex¬ 
trose gefunden. Die Befunde sind aber zu jnkonstant und erfahren eine 
grosse Einschränkung durch die oben erwähnte Tatsaohe eines oft be¬ 
trächtlichen Anstieges des Blutzuckers auoh beim Mensehen mit ge¬ 
sunder Leber, als dass man daraus mit Sicherhei tim einzelnen Falle auf eine 
pathologische Leberinsuffizienz schliessen dürfte. Seit den bekannten 
Beobachtungen von Strauss und Saohs, dass bei Leberkrankheiten 
häufiger nach Lävulose- als Dextrosezufuhr alimentäre Glykosurie auftritt, 
gilt denn auoh die Anschauung, dass eine Funktionsstörung der kranken 
Leber weniger in einer verschlechterten Assimilation gegenüber Dextrose 
als in einer solchen gegenüber Lävulose zum Ausdruck käme. Dem¬ 
gegenüber haben meine (noch unveröffentlichten) Unter¬ 
suchungen ergeben, dass nach Zufuhr von Lävulose, ebenso 
wie beim Gesunden, auch beim Leberkranken — trotz etwa 
vorhandener Lävuiosurie — die Gesamtblutzuokerkurven 
weit niedriger als naoh Dextrosezufuhr sind, und oft nioht 
wesentlich höher als beim Normalen. Wenn auoh manohmal 
die Glykogenie auoh' aus Lävulose in der kranken Leber nicht so voll 
kommen ist als in der Normalen, so kann jedoch keineswegs wie bis¬ 
her der Schluss gezogen werden, dass die Glykogenbildung aus Frucht¬ 
zucker in der pathologischen Leber weniger leicht als aus Trauben¬ 
zucker zustande käme. Vielmehr das umgekehrte ist der Fall, was mit 
den obigen Darlegungen über die leichtere Assimilierbarkeit der Lävulese 
in Einklang steht und überdies auoh mit experimentellen Erfahrungen 
übereinstimmt, denen zufolge sogar bei sohweren Schädigungen des 
Leberparenchyms (z. B. Phosphorvergiftung) wohl noch aus Lävulose, 
nicht aber aus Dextrose Glykogenabiagerang in der Leber zu erzielen 
ist. Man wird also besser in der alimentären Lävuiosurie 
nioht eine spezifisoheFunktionsstörung derLeber erblicken, 
sondern auoh hier für das Erscheinen des Fruchtzuckers 


1) M.m.W., 1905, S. 1525. 

2) D. Aroh. f. klin. M., Bd. 110. 

3) Bioohem. Zschr., Bd. 45. 

4) Embden und Griesbach. Zschr. f. pbys. Chem., Bd. 91; 
Embden, Sohmitz und Wittenberg, ebendas., Bd. 88. 

5) Zschr. f. pbys. Chem., Bd. 89. 


im Harne eine wechselnde Durchlässigkeit des Nieren¬ 
filters als Grund annehmen. Die naoh Zufuhr der Lävulose 
bei Leberkranken zu beobachtende Hyperglykämie ist nach unver¬ 
öffentlichten Untersuchungen zum grössten Teile duroh eine Zu¬ 
nahme des Traubenzuokergehaltes des Blutes bedingt und bezeichnender¬ 
weise ist der Anteil der Lävulose an Gesamtzuokergehalt des Blutes 
bei Leberaffektionen nicht höher alsgfbeim Gesunden. Daraus ergibt 
sich, dass die erwähnte elementare Funktion der Leberzelle,; Lävulose 
in Dextrose umzulagero, duroh Erkrankungen des Parenhoyms nicht 
beeinträchtigt wird; was von der zugeföhrten Lävulose der Glykogen¬ 
bildung entgeht, wird eben zum grössten Teile in Traubenzucker um¬ 
gewandelt. 

Die im Vorstehenden besprochenen alimentären Störungen des Gly- 
kogenstoffweohsels wurden früher in Beziehungen zur diabetischen Stoff¬ 
wechselstörung gebracht, deren Wesen man lange Zeit in einer weiteren 
Steigerung dieser normalen Schwäche der Glykogenbildung zu erblioken 
glaubte: die Glykogenarmut der diabetisohen Leber wäre durch ihre 
Unfähigkeit, Glykogen zu bilden bzw. abzulagern bedingt (Dyszoamylie 
Naunyns). Die Ursache der diabetischen Stoffweohselstörung liegt aber 
tiefer, und alle Versuche, in der Kenntnis derselben weiter vorzudringen, 
müssen bei der Frage der Zuokerbildung ansetzen. Dass letztere in der 
diabetisohen Leber vermehrt ist, wird jetzt allgemein angenommen; 
allerdings grundlegende Differenzen bestehen in dem Punkte, ob die Er¬ 
höhung der Zuckerproduktion einen primären oder sekundären Vorgang 
darstellt. Letzteres nehmen die Autoren an, welohe das Hauptgewieht 
auf eine periphere Störung der Zuokerverwertung legen. Zu der Frage, 
inwieweit eine solohe besteht, soll hier nioht weiter Stellung genommen 
werden. Von maassgebenden Klinikern, insbesondere von v. Noorden 1 ) 
wird jedoch auf Grund des jetzt vorliegenden Tatsachenmaterials das 
Vorhandensein einer solchen sehr in Zweifel gezogen und die Mehr¬ 
bildung von Zucker als der Ausdruck einer primären Funktionsstörung 
der Leber angesehen: „der zuokerbildende Apparat befindet sich ent¬ 
weder infolge einer primären Anomalie der Leberzellen oder infolge 
stärkerer (ohromaffinogener) Erregung oder infolge geringerer (pankrea- 
togener) Hemmung im Zustande grösserer Erregbarkeit. Während 
v. Noorden diesen erhöhten Reizzustand derLeber im wesentlichen „in 
einer stürmischen Erregung des nicht mehr gezügelten diastatischen Pro¬ 
zesses sieht“, ist nach Kolisoh’s 3 ) Reiztheorie der normale und kon¬ 
tinuierliche Vorgang der Abspaltung von Kohlehydratmolekülen aus 
dem Protoplasma infolge nervöser oder toxischer Reize gesteigert. 

Vertritt man also die Anschauung, dass im Diabetes die Leberzelle 
sich in einem Reizzustande befindet, so würde sich dieser Zustand dem 
allgemein zellulärpathologischen unterordnen, demzufolge die von ab¬ 
normen Reizen betroffene Tätigkeit des Protoplasmas sieb in Verschie¬ 
bung des Gleiohgewiohts zwisohen Aufbau und Abbau äussert. In 
der normalen Leber wird Zucker nioht nur aufgebaut, sondern, wie 
Embden gefunden hat, zweoks Deckung ihres eignen Energiebedarfs auoh 
dauernd zu Milchsäure abgebaut. Untersuchungen von Embden und 
Isaao 8 ) an der überlebenden Leber haben gezeigt, dass in der normalen 
Leber der Abbau des Zuckers zu Milchsäure und der Aufbau der Milch¬ 
säure zu Zucker derart fein gegeneinander abgestimmt sind, dass weder 
Milchsäure noch Zucker als solche in Verlust geraten; es handelt sich 
nach den von Ihnen entwickelten Anschauungen beim Zuckerabbau und 
der Zuokerbildung um einen reversiblen Prozess, der duroh eine höhere 
Konzentration des Zuckers in der Leber in Richtung der Milchsäure, 
bei vermehrter Konzentration der Milchsäure aber in Richtung des 
Zuckers beeinflusst wird. Anders bei der diabetisohen Leber. Die er¬ 
wähnten Untersuchungen haben Embden und Isaao zur Auffassung ge¬ 
führt, dass hier als Wirkung des hepatischen Reizzustandes eine Ver¬ 
schiebung dieses den Zuokerstoffweohsel beherrschenden Gleichgewichts 
in Richtung der Synthese vorliegt, ohne dass die Leber an sich die Fähig¬ 
keit zum Zuokerabbau verloren hätte. Die hierdurch hervorgerufene 
höhere Konzentration des Zuckers müsste eigentlich den anderen rever¬ 
siblen Vorgang ZuckerGlykogen, wie es in der normalen Leber geschieht, 
in Richtung der Glykogenie drängen, was aber nioht zutrifft; vielmehr 
ist das umgekehrte der Fall. Die Analyse der Adrenalinwirkung hat 
nämlich gezeigt, dass die gleiohen Reize, welohe den Zuokerstoffveohsel 
in der Leber in die Richtung des Aufbaus drängen, auch die diastatischen 
Prozesse weitgehend beeinflussen und eine vermehrte Umwandlung des 
Glykogens zu Zucker bewirken. Daduroh wird die Zuckermenge weiter 
vermehrt und die Glykogenarmut der diabetischen Leber bedingt. Auf 
Grund der Lessergehen 4 ) Untersuchungen über die differente Stabilität 
des Glykogens bei bestimmten Zustandsänderungen der Zelle könnte 
man sich die Wirkung dieser Reize derart vorstellen, dass duroh sie 
eine physikalisch-ohemische Beeinflussung des Zellmechanismus etwa 
im Sinne von inneren Permeabilitätsänderungen stattfindet, wodurch die 
Einwirkung der Diastase auf das Glykogen erleichtert wird, was um so 
wahrscheinlicher ist, als bisher im Diabetes eine quantitative Ver¬ 
änderung des Diastasegehaltes nioht gefunden wurde (Schirokauer und 
Wilenoko). So wären also unter dem Einflüsse der diabetogenen Reize 
zwei Gleichgewiohtsreaktionen verschoben: einmal die Reaktion Milchsäure 
Glykose in Richtung der Synthese, zweitens die Reaktion Dextrose 


1) v. Noorden, Die Zuokerkrankheit. Berlin 1917. 

2) R. Kolisoh, Die Reistheorie und die moderne Behandlungs¬ 
methode des Diabetes. Berlin und Wien 1918. 

3) Zsohr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 99. 

4) M.m.W., 1918, Nr. 7. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


«Zt Glykogen in Riohtnng des Abbaus. Je nach der Schwere der Störung 
bzw. der Starke der wirkenden Reize lassen sioh die zahlreichen lnten- 
aitätaunterschiede der Erkrankung begreifen, insofern in leichteren Graden 
nur die zweite Reaktion gestört ist. 

Kennen wir nun ebenfalls pathologische Bedingungen, unter denen 
der Gleichgewichtszustand zwisohen Zuokeraufbau und Abbau auch im 
umgekehrten Sinne versohoben ist, so dass im Gegensatz zum Diabetes 
eine Verminderung der Zuckerbildung erfolgt? Offenbar liegt etwas der* 
artiges beim epinephrektomierten Tiere vor, wie die nach Entfernung 
der Nebennieren einsetsende Hypoglykämie zeigt. Hier gewinnt infolge 
Wegfalls oder starker Abschwächung jener normalen, durch das sym¬ 
pathische Nervensystem vermittelten Reize, deren Verstärkung beim 
Diabetes die vermehrte Zuckerbildung veranlasst, die dissimilatorische 
Phase deB Zuckerstoffwechsels das Uebergewicht. Es müsste dies auoh 
in einer vermehrten Ausscheidung der Milohaäure zum Ausdruck kommen, 
was aber bisher noch nicht untersucht ist. 

Die oharakteristisohe Verbindung von vermehrter Bildung der Milch¬ 
säure mit späterem Sinken des Blutzuckers wurde jedooh bei der Phos¬ 
phorvergiftung gefunden. Der Phosphor bewirkt offenbar das entgegen¬ 
gesetzte wie die diabetogenen Reize: er beeinflusst die Protoplasma¬ 
tätigkeit, wenigstens soweit der Zuokerstoffwechsel in Betracht kommt, 
ganz im Sinne des Abbaues, so dass das in der Leberzelle vorhandene 
Glykogen rapide unter Milchsäurebildung zerfällt; der ganze Zuoker- 
stofiweohsel wrid allmählich so sehr in die Richtung der Dissimilation 
gedrängt, dass auoh aus der, der Leber von den Muskeln her zuströmenden 
Milchsäure kein Zucker mehr gebildet wird. Frühere von mir 1 ) ver¬ 
öffentlichte Durohblutungsversuche an der überlebenden Phosphorleber 
zeigten denn auch ganz eindeutig, dass aus zugesetzter Milchsäure kein 
Zucker mehr entsteht, vielmehr duroh etwa im Durohströmungsblute 
nooh vorhandenen Zucker die Milohsäurebildung noch weiter gesteigert 
wird. So wird es auch erklärlich, dass eine Steigerung der normaler 
Weise zur Zuckerbildung rührende Reize, etwa duroh Injektionen von 
Adrenalin, eine Zuckerbildung nicht mehr erfolgt, wie das Ausbleiben 
der Hyperglykämie beim phosphorvergiftetenTiere zeigt(Frank undlsaao). 

Wir glauben also, dass durch Verstärkung normal wirkender 
Reise der Zellchemismus bo verändert werden kann, dass Gleich¬ 
gewichtszustände zwischen Abbau und Aufbau schwer gestört bzw. 
aufgehoben werden können. Es lässt sich schwer vorstelien, dass, 
solange die Zelle überhaupt lebt, elementare Funktionen derselben 
wie der Abbau des Zuckers zu Milchsäure oder der Aufbau der letz¬ 
teren tu Zucker oder die Glykogenie völlig vernichtet sein sollen. 
Darum sehen wir auch, dass Störungen der Gleichgewichte weniger 
in die Erscheinungen treten, wenn den pathologischen Reizen durch 
Erleichterung der antagonistischen Funktion entgegen gearbeitet 
wird: also in der diabetischen Leber durch Verabfolgung leicht 
angreifbarer Zucker wie Lävuloso, die hier wenigstens zum Teil 
abgebaut wird, in der Phosphorleber durch Verabfolgung einer 
dem Zucker schon näher stehenden Substanz als es die Milch¬ 
säure ist. Bei Durchblutung der Phosphorleber konnte nämlich 
mit einem derartigen Körper, dem Dioxyazeton, das allem An¬ 
scheine, nach bei der Umwandlung der Milchsäure zu Trauben¬ 
zucker im normalen Organismus als Zwischenprodukt auftritt, 
noch eine deutliche Zuckerbildung erzielt werden, die unter 
gleichen Bedingungen nach Milchsäurezufuhr ausblieb (Isaac). 

Da nun im schweren Diabetes infolge der erörterten Verschiebung 
des Gleichgewichtszustandes zu wenig Zuoker in der Leber zum Abbau 
gelangt, so muss diese den anderen ihr zur Verfügung stehenden N-freien 
Energieträger, die Fette, zur Deckung ihres Energiebedarfs heranziehen. 
Auch das geschieht infolge ihres Reizzustandes unter einer so ungezü¬ 
gelten Mobilisation von Fettsäuren, dass diese teilweise nioht mehr bis zu 
den Endprodukten abgebaut werden, und es daher zu Auftreten der Azeton¬ 
körper kommt. Neuere Untersuchungen von Embden und Isaac 2 ) 
haben auf die sieh hierbei abspielenden intermediären Prozesse einiges 
Lioht geworfen: danach konkurrieren in der Leber dauernd zwei Vor¬ 
gänge miteinander, nämlich die Azetessigsäurebildung aus Fettsäuren 
und die Bildung von Milchsäure aus Kohlehydrat. Solange die letztere 
in genügendem Umfange stattfindet, wird erstere in Schranken gehalten; 
ist das aber nicht der Fall, so wird die Bildung der Azetessigsäure 
vermehrt. Gelingt es, etwa durch Zufuhr eines leicht angreifbaren 
Zuckers wie Lävulose, in der diabetischen Leber Kohlehydrat zum Ab¬ 
bau zu bringen, so wird die Azetessigsäurebildung eingeschränkt. Die 
sogenannte antiketogene Wirkung der Kohlehydrate beruht also nioht 
darauf, dass, wie früher Naunyn und Rosenfeld annahmen, durch 
die Oxydation des Zuckers die Energie der Verbrennungsprozesse ge¬ 
steigert wird, sondern es handelt sich einfach um die Verdrängung der 
Fette aus den Abbau Vorgängen. 

Bei der Phosphorvergiftung kommt es nun, wenn die Kohlehydrate¬ 
depots des Körpers geleert sind, infolge der verminderten Synthese 
ebenfalls zum Zuokermangel; daher wandert auch hier das Fett zur 
Leber, und man müsste aus Gründen der Oekonomie einen vermehrten Ab¬ 
bau desselben erwarten. Aber die in der Verschiebung des Prozesses Zuoker- 
synthesell^Abbau in der Richtung des letzteren zum Ausdruck kommende 

1) Zschr. f. physiol. Chemie, 1917, Bd. 100. 

2) 1. c. 


verminderte Vitalität der Zelle äussert sich jetzt darin, dass eine Steigerung 
der Fettverbrennung nicht stattfindet. Die Frage der Fettverbrennung bei 
Phosphorvergiftung war bis vor kurzem nicht völlig geklärt. Bei meinen 
Versuchen an der überlebenden Phosphorleber war trotz hochgradiger 
Verfettung derselben die Azeton bildung, welche nachEmbden’s grund¬ 
legenden Untersuchungen bei dieser Versuohsanordnung ein Maass der 
Fettverbrennung darstellt, nicht vermehrt. Was den Mechanismus dieser 
Störung der Fettverbrennung betrifft, so habe ich auf Grund der Fest¬ 
stellung, dass niedere Fettsäuren in der Pposphorleber ganz glatt unter 
Azeton bildung verbrannt werden, die Vermutung ausgesprochen, dass 
die erste, zur Bildung hochmolekularer ungesättigter Säuren führende 
Phase des Fettabbaues gestört sei. Die neueren umfassenden Unter¬ 
suchungen von Luce und Fei gl 1 ), welohe in mehreren Fällen von 
Leberatrophie die hier vorhandene Lipämie eingehend analysiert haben, 
sprechen zum Teil auch in diesem Sinne. 

Während die diabetische Leber den Ausfall der in ihr nioht mehr 
zum Abbau gelangenden Kohlehydrate duroh gesteigerte Fettverbrennung 
kompensieren kann, fehlt auf Grund des eben Besprochenen der Phos¬ 
phorleber die Möglichkeit, den auch bei ihr bald ein tretenden Kohle¬ 
hydratmangel in dieser Weise auszugleichen; daher hier die starke Er¬ 
höhung des Eiweisszerfalls. Man hat diesen seit langem als toxogenon 
bezeichnet, um so mehr als auoh das vermehrte Auftreten intermediärer 
Produkte des Eiweissstoffweobsels im Blute und ihre Aussoheidung 
durch den Harn Ausdruok eines schon iotra vitam stattfindenden auto¬ 
lytischen Verfalles der Leber zu sein schien. Ganz allgemein kann 
man nun als toxisch zerfallenes Eiweiss den Anteil an der Eiweiss- 
zersetzung bezeichnen, der durch Kohlehydrate nioht ausgleiohbar ist. 
Von diesem Gesichtspunkte aus hat Rettioh 2 ) in einer unter E. Grafe 1 * 
Leitung verfertigten Arbeit gezeigt, dass sioh bei pbosphorvergifteten 
Tieren durch reichliche Zufuhr von Kohlehydraten die Erhöhung des Ei- 
weisszerfalles ganz oder nahezu aufheben lässt und damit die schon 
früher von E. Frank und mir vertretene Auffassung gestützt, dass es 
sioh bei der Protoplasmaeinschmelzung im Verlaufe der Phosphorver¬ 
giftung nicht um eine primär-toxische Schädigung der Leberzelle handelt, 
sondern um eine Folge des Kohlehydratmangels und der, wie wir jetzt 
hinzufügen müssen, nur nooh in beschränktem Maasse möglichen kom¬ 
pensatorischen Verbrennung der Fette durch die eigenartige Störung 
ihres Abbaues in der Leber. 

Die Frage des toxisehen Ei weisszerfalls bei Phosphor ver¬ 
giftung hat noch ein allgemeineres Interesse. Es liegt nahe, 
auch bei anderen Krankheitszuständeo, in welchen man mit dem 
Vorhandensein eines solchen rechnet, so vor allem beim Fieber, 
die vermehrte Ei Weisszersetzung auf Rechnung des Kohlenhydrats¬ 
mangels zu setzen, sei es nun, dass dieser durch Ioanition oder 
etwa durch Störungen der Synthese in der Leber bedingt ist. 
Grafe hat denn auch durch seine umfassenden Untersuchungen 
gezeigt, dass im Fieber ein durch Kohlehydrate nicht deckbares 
Eiweissdefisit nicht vorhanden ist. 

Damit soll aber das Vorkommen eines toxischen Eiweiss¬ 
zerfalles, spziell in der Leber, nicht in Abrede gestellt werden. 
Bei der akuten gelben Leberatrophie, die deshalb mit der Phos¬ 
phorvergiftung nicht ohne weiteres vergleichbar ist, findet sich 
nämlich im Gegensatz zu dieser ein derartig hochgradiger 
Schwund des Leberparenchyms, dass die Tatsache einer beträcht¬ 
lichen intravitalen Autolyse nicht zu bestreiten ist. Auch die 
neueren wichtigen Untersuchungen von Feigl und Luce 8 ) über 
die Leberatrophie bieten dafür mannigfache Anhaltspunkte, 
zeigen aber zugleich, dass auch hier die Modifikationen im N-Stoff- 
wechsel, besonders die Erhöhung des AminosäurespiegeU im Blote 
ausser durch die heterolytischen Abbauvorgänge auch durch 
schlechtere Verwertung der der Leber zugeführten Eiweissspalt¬ 
produkte bedingt sein können. Letztere beruht wohl im wesent¬ 
lichen auf Störungen des Desamdierungsvermögens, die ich auch 
bei der Durchblutung der überlebenden Phosphorleber mit Leuzin 
und Tyrosin sah und die das neuerdings auch von Bang fest¬ 
gestellte vermehrte Auftreten der Aminosäuren im Blute phosphor¬ 
vergifteter Tiere erklären. 

Dass gerade die Leber, ähnlich wie es wohl bei der akuten 
Atrophie der Fall ist, unmittelbar auf bestimmte toxische Reize 
hin mit einem gesteigerten lokalen Eiweisszerfall reagieren kann, 
zeigen die sehr interessanten Versuche von Hashimoto und 
Pick 4 ), welche bei mit Eiweiss sensibilisierten Tieren in der 
Leber eine starke Vermehrung des Prosentgehaltes an nicht 
koagulablen Stickstoff als Ausdruck eines vermehrten lokalen 
Eiweissabbaues fänden. Sie sehen darin die Manifestation einer 
besonderen, durch ihre spezifische Funktion bedingten Reaktions¬ 
qualität des Leberzelle. 


1) Biochem. Zschr., Bd. 86. 

2) Arch. f. exper. Patb. u. Pharm., Bd. 76. 

3) Biochem. Zschr., Bd. 79. 

4) Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 76. 


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6. Oktober 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Aus dem Vorstehenden ergibt sich also, in wie mannigfacher 
Weise die Leber auf nervöse und toxische Reise reagieren kann. 
Immer handelt es sich um eine Steigerung spezifischer Funktionen: 
beim Diabetes um eine solche der Zuckerbildung, beim Phosphor 
um eine solche des Zuckerabbaues, bei den nach dem Typus des 
parenteral sugeföhrten Eiweisses wirkenden Giften um eine Er¬ 
höhung ihres eigenen Eiweisszerfalles. Integrierende Begleit¬ 
erscheinungen dieser zunächst isolierten Störungen sind, wie 
oben beim Diabetes und der Phosphorvergiftung gezeigt wurde, 
weitere tiefgreifende Aenderungen des gesamten Leberstoff¬ 
wechsels, die schliesslich zu seinem völligen Zusammenbruch 
fahren können. 


Drei Fälle von Peritonitis tuberculosa, geheilt 
durch Dr. F. F. Friedmann’s Heilmittel. 

Von 

Kinderarzt San.-Rat Dr. med. W. Bloch-Cöln a. Rh. 

Als durch die Vorträge der Herren Prof. Dr. Schleich, 
E. Möller, Thalheim, Immelmann und Geh.-Rat Kraus 1 ) 
die Anwendung des Heil- und Schutzmittels des Herrn Dr. F. Fried - 
mann zur Behandlung der Tuberkulose und Skrofulöse auch in 
weiteren Aerztekreisen in den Vordergrund trat, versuchte auch 
ich in mir geeignet scheinenden Fällen das Mittel. Die ersten 
Fälle wurden von mir bereits im Jahre 1914 behandelt und nach 
mehrjähriger Kriegsunterbrechung das Mittel erst im Jahre 1918 
wieder angewandt. 

In letzter Zeit sind über das Mittel und seine Erfolge, nament¬ 
lich bei chirurgischen Tuberkulosen, zahlreiche Veröffentlichungen 
erfolgt; der grösste Teil derselben stammt aber aus Kliniken. Es 
dürfte deshalb von allgemeinem Interesse sein, über 3 meiner 
Fälle, wo es sich um eine Peritonitis tuberculosa im Kindesalter 
und ambulante Behandlung durch einen Praktiker handelt, eine 
kurze Mitteilung zu machen. 

Fall 1. SohloBserkind Peter R., geboren 26. II. 1912, aus Hoch* 
emmerioh stammend. Eltern gesund; im Januar 1914 mit Erbrechen 
erkrankt; keine Durchfälle. In den folgenden Wochen starke Abmagerung 
und allabendliche Fiebersteigerung zwischen 38,3 und 38,5°. 

Kommt am 5. III. 1914 in meine Behandlung (Sprechstunde). 

Befund: Lungen frei; Haut fühlt sich heiss an; starke Abmagerung. 
Leistendrüsen wenig vergrössert. Leib gespannt, aufgetrieben; neben 
freier Flüssigkeit deutlioh haselnuss- bis kastaniengrosse zahlreiche 
Knoten im Peritoneum fühlbar. 

Diagnose: Peritonitis tuberculosa; Pirquet’sche Hautimpfung. 

6. III. Pirquet stark positiv. 

8. IIL Injektion Friedmann mittelstark, intraglutäal. 

11. III. Starke Infiltration an der lojektionsstelle; Fieber bis 39°. 

13. III. Fieber und Infiltration wieder geringer. 

Pat. reist nach Hause. Mutter berichtet, dass der Appetit sioh be¬ 
deutend gehoben hat. 

2. V. Erste Wiedervorstellung: Im Leibe kein freier Erguss und 
keine Knotenbildung mehr fühlbar. Bedeutende Gewichtszunahme, 
frischeres Aussehen. Pat. läuft wieder munter umher. 

30. VI. Zweite Wiedervorstellung: Völliges Wohlbefinden. 

81. V. 1919. Auf Wunsch zum drittenmal wieder vorgestellt: Der 
Knabe hat sich kräftig entwickelt und hat immer frohen Mut; er be- 
sueht das 2. Schuljahr, bat nie mehr über den Leib geklagt, ist über¬ 
haupt seither nioht mehr krank gewesen. Im Leibe völlig normaler 
Befund, keine Spur mehr der früheren Erkrankung naohzuweisen. Der 
Appetit soll stets grossartig sein. 

Da seit der Behandlung 5 Jahre ohne Rezidiv vergangen 
sind and das Kind, stets munter, kräftige Entwicklung zeigt, 
darf man wohl eine vollständige Ausheilung^der tuberkulösen 
Bauchfellentzündung annehmen. 

Fall 2. Oberlehrerkind Helmut H., geboren 1. V. 1913, aus Rudol¬ 
stadt. Keine erbliche Belastung; erkrankte am 23. VIH. 1918 an tuber¬ 
kulöser Peritonitis mit 39,7°. In den folgenden Wochen hält sich das 
Fieber zwischen 37,8 (morgens) und 88,3—38.6° (abends). Zum Kon¬ 
silium Mitte September in R., wo ich als Militärarzt tätig war, zu¬ 
gezogen, konnte ich folgenden Befund aufnehmen: 

Blasses, fahles Aussehen; Fieber zwischen 88 und 89°; Lungen und 
Herz o. B.; Leib sehr druckempfindlich, aufgetrieben. Man fühlt einen 
hufeisenartig um den Nabel sioh von reohts naoh links ziehenden 
harten Tumor, der sioh gegen Leber, Milz und Magendarmkanal gut ab¬ 
grenzen lässt Die Resistenz sitzt im Peritoneum, und es handelt sioh 
wahrscheinlich um das aufgerollte, tuberkulös entartete Netz. Es ist 
nur wenig freie Flüssigkeit vorhanden. Durohfälle bestehen nioht. 


1) B.kl.W., 1913, Nr. 45. 


Da für einen'operativen Eingriff, wie auch der zugezogene Chirurg 
zustimmte, eine schlechte Prognose zu stellen war, schlug ich Behand¬ 
lung mit dem Friedmann’schen Heilmittel vor. 

Die Temperaturen waren zwar in den folgenden Tagen etwas niedriger, 
das Allgemeinbefinden aber unverändert, der Leib stets draokempfindlioh 
und der Appetit gering. 

Am 23. IX. 1918 Injektion Friedmann sohwaoh, intraglutäal. 

25. IX. Leichte Temperatursteigerung bis 88°; nur geringe lokale 
Reaktion. Naoh 8 Tagen wird der Appetit lebhafter; die Temperatur 
sinkt langsam. 

11. X. Leib fast nioht mehr druckempfindlich; Tumor wird kleiner. 
Behandlung mit Höhensonne alle 4 Tage. 

28. X. Gatts Allgemeinbefinden, Aussehen frischer; Appetit vor¬ 
züglich; Pat steht aut 

10. XI. Tumor vollständig verschwunden, Leib gut eindrüokbar, 
schmerzfrei. 

Ende November: Wohlbefinden; Pat. bewegt sich gut, zeigt nur 
noch ab und zu leiohte abendliche Temperatursteigerung bis 37,6° 
(Mastdarm). 

1. VI. 1919. Wie mir der Vater des Kindes brieflich mitteilt, ist 
Pat. munter, wohlaussehend und völlig rezidivfrei; er soll ein Soolbad 
aufsuoben. 

Auch im Fall 2, der prognostisch kein grosses Vertrauen 
erweckte, können wir also eine völlige Heilung einer tuber¬ 
kulösen Peritonitis durch eine einmalige Injektion des Mittels 
feststellen. 

Fall 8. Schirmarbeiterkind Leo B., geboren 1. I. 1917, aus Coln 
stammend. 11. HI. 1919 in der Sprechstunde vorgestellt. 

Eltern gesund; seit einigen Wochen Leib angeschwollen, blasses, 
leidendes Aussehen. Das Kind läuft zurzeit nicht mehr, fiebert jeden 
Naohmittag und Abend; keine Durchfälle; geringer Appetit; starke Ab¬ 
magerung; verdriessliche Stimmung. 

Befund: Temperatur 37,8°; Aussehen blass; Lungen frei; Leib 
sehr stark trommelartig aufgetrieben; Haut darüber glänzend, gespannt; 
Nabel leicht verstrichen. Kein Tumor; keine Knoten fühlbar; nur freie 
Flüssigkeit nachweisbar. Leber 2 cm unterhalb des Rippenbogens, Milz 
nioht palpabel. Urin frei von Eiweiss und Zucker. 

Diagnose: Peritonitis tuberoulosa (Aszites). 

31. III. Umfang des Leibes: a) um den Rippenbogen 57 cm, b) 5 cm 
oberhalb des Nabels 56 1 /* cm, o) um den Nabel 587t cm, d) 5 om unter¬ 
halb des Nabels 4872 cm. Injektion Friedmann schwach; intraglutäal. 

3. IV. Keine lokale Infiltration; Temperatur 37,8°. 

10. IV. Fieber völlig geschwunden; Appetit sehr gut; das Kind 
will ins Freie. Leibesumfang: a) um den Rippenbogen 55 om, b) 5 om 
oberhalb des Nabels 537s om, o) um den Nabel 5072 om, d) 5 om 
unterhalb des Nabels 477i om. 

17. IV. Leib nooh einmal ziemlioh geschwollen, sonst gutes Be¬ 
finden; noch einmal geringe Temperatursteigerung. Umfang des Leibes: 
a) um den Rippenbogen 56 cm, b) 5 cm oberhalb des Nabels 5572 om, 
c) um den Nabel 54 cm, d) 5 cm unterhalb des Nabels 4872 om. 

24. IV. Pat. ist sehr munter; Aussehen bedeutend gebessert. Zunge 
rein; Appetit vorzüglich. Keine Flüssigkeit mehr naohzuweisen. Das 
Kind fängt wieder an zu gehen. Der Leib ist ganz flach geworden; die 
Leber kaum noch zu fühlen. Umfang des Leibes: a) um den Rippen- 
bqgen 557z om, b) 5 om oberhalb des Nabels 5372 om, c) um den 
Nabel 507s om, d) 5 om unterhalb des Nabels 47 om. 

14. VII. Pat. hat bedeutend an Gewicht zugenommen, ist munter; 
Aussehen frisch, springt den ganzen Tag herum. Umfang des Leibes: 
a) um den Rippenbogen 54 cm, b) 5 om oberhalb des Nabels 527a om, 
o) um den Nabel 5072 om, d) 5 cm unterhalb des Nabels 47 om. 

Auch in dem Fall 8 darf mao schon heute von einer voll¬ 
ständigen Heilung durch eine einmalige Einspritzung des Heil¬ 
mittels sprechen. 

Die von mir mitgeteilten Fälle sind noch insofern inter¬ 
essant, dass es sich um drei verschiedene Arten der Peritonitis 
tuberculosa handelt, nämlich die Knoten-, Tumor- und Aszites- 
form. In allen drei Formen wurde durch eine einmalige intra- 
glutäale Einspritzung des Heilmittels in verhältnismässig kurzer 
Zeit das Leiden völlig behoben. Auffallend ist stets die bald 
eintretende Besserung des Appetits und des Allgemein¬ 
befindens. Die Anwendung des Mittels ist ja äusserst einfach 
und kann, wenn sie unter aseptischen Kantelen geschieht, von 
jedem Praktiker erfolgen. In keinem der Fälle, wo ich das Mittel 
brs heute verwandte, habe ich irgendeinen Nachteil für den 
Patienten gesehen. 

Anmerkung: Seit der Drucklegung obiger Arbeit habe ioh nooh 
gute Heilerfolge bei einem weiteren Fall von Peritonitis tuberculosa, 
ferner je einen Fall von Kniegelenkstuberkulose, multipler Knochen¬ 
tuberkulose, tuberkulösen Hautabszessen, Darmtuberkulosen im Kindes- 
alter gesehen. 


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944 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Aus der medizinischen Klinik in Göttingen (Direktor: 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Hirsch). 

Ein Fall von Thyreoiditis acuta suppurativa. 

Von 

Dr. H. Höpfher, Assistenzarzt. 

In seiner Monographie „die akute nicht eitrige Thyreoiditis* be¬ 
schreibt de Qnerrain eine gegenüber den chronischen Erkrankungen 
der Schilddrüse seltene Form der Schilddrüsenerkrankung. Die ersten 
Aufzeichnungen darüber finden vir zu Beginn des 19. Jahrhunderts 
unter dem Namen Cynanohe thyreoidea [Ph. Th. Walter 1817 *)J Angina 
tbyreoidea [Weitenweber 1845 1 2 )] und Thyreophima acutum [J. P. 
Frank 1820 3 )]. Diese Darstellungen ergaben nicht mit Sicherheit, ob es 
sich um eine Erkrankung der gesunden oder kropfig entarteten Schilddrüse 
handelt. Im Jahre 1862 gibt Lebert 4 ) dann eine Uebersicht der bis 
dahin bekannt gewordenen Fälle. Eingehendere und genauere Krankheits- 
sohilderungen geben uns ausser der anfangs erwähnten Monographie 
de Quervain’s die Abhandlungen Ewald's über die Erkrankungen der 
Schilddrüse in Nothnagel’s Spezieller Pathologie und Therapie und 
eine gleiche von Eiseisberg über Krankheiten der Schilddrüse. 

Die jüngere Literatur bringt immer wieder kasuistische Beiträge, die 
beweisen, dass auoh heute das Interesse an dieser Art von Schild- 
drüsenerkrankung nicht gesohwunden ist. 

Ich berichte über einen Fall, den ich zu'Beginn dieses Jahres 
in unserer Klinik zu beobachten Gelegenheit fand. 

Er betrifft eine 25jährige Köchin, die stets gesund war, und die 
einer Gegend, in der Kropferkrankungen auftraten, nicht entstammte. 

Am 4. I. 1919 erkrankte sie plötzlich in der Nacht unter Fieber¬ 
erscheinungen mit Halsschmerzen und Sohluckbeschwerden. Jede Be¬ 
wegung des Halses war schmerzhaft, die Schmerzen strahlten nach der 
linken Halsseite und dem Sohultergürtel zu aus. Am folgenden Morgen 
bemerkte sie eine Anschwellung des Halses. Am 8. I. erfolgte die Auf¬ 
nahme in die Klinik. Temperatur 87,8. Man fand eine starke, gegen 
die Umgebung deutlich abgrenzbare Anschwellung der vorderen und 
beider seitlichen Halsgegenden. Die Anschwellung war links stärker als 
rechts. Das Jugulum war verstrichen. Am vorderen Rande des linken 
KopfniokerB zwischen Schildknorpel und Sternum, desgleichen vor dem 
rechten Kopfnioker fühlte man eine sehr schmerzhafte, derbe, prall ge¬ 
spannte Resistenz mit glatter Oberfläche. Beim Sohluokakt stieg die 
Geschwulst nach oben. Die Haut darüber war verschieblich, gerötet und 
fühlte sioh heiss an; Fluktuation war nicht nachweisbar. Die Sprache 
war heiser und rauh, jede Schluokbewegung schmerzhaft. Die Unter¬ 
suchung des Halses und der Ohren ergab gesunde Befunde, die Kehl¬ 
kopfspiegeluntersuchung zeigte ein geringes Oedem der Gegend der Ary- 
knorpel. Die inneren Organe waren gesund. Behandlung: Priessnitz- 
umschläge, abends 0,01 Morph, hydrochlor. 

Am folgenden Abend Temperatur 88,0, Puls 96 Sohläge in der Mi¬ 
nute, Druckgefühl und Schlingbeschwerden nehmen zu. ’Die Geschwulst 
erstreckte sioh vorwiegend auf den linken Schilddrüsenlappen. Patientin 
klagte über starke Schmerzen bei jeder Halsbewegung, die Sprache war 
heiser. Es bestand häufiger Hustenreiz. Die Leukozytenzahl betrug 
22 000. Im Blutausstrioh: 91 pCt. neutrophile polymorphkernige Leuko¬ 
zyten, 15 pCt. kleine Lymphozyten, 8,8 pCt. mononukleäre Formen, 
0,6 pCt. Uebergangsformen. Die Röntgenaufnahme ergab keinen sub- 
sternalen Schatten. An den folgenden Tagen gingen unter heissen Lein¬ 
samenumschlägen die Beschwerden zurück. Die Stimme wurde freier. 
Am 17. I. traten erneute Schmerzen beim Schlucken auf, die Sprache 
war wieder klanglos. Starkes Spannungsgefühl, Klopfen und Stechen der 
linken Halsseite, Atembesohwerden, ausstrahlende Sohmerzen nach der 
linken Halsseite und der linken Schulter. Temperatur 86,6. Am 
folgenden Tage in der Höhe des Schildknorpels, zwischen diesem und 
dem linken Kopfnicker, eine etwa talergrosse umschriebene Rötung der 
Haut. An dieser Stelle deutliche Vorwölbung mit Wellenbewegung. 
Leukozytenzahl 17 800. Am 21.1. Verlegung in die ohirurgisohe Klinik. 
Am 28. L Inzidierung der fluktuierenden Stelle, aus der sich etwa eine 
Fingerkuppe gelben sanguinolenten Eiters entleert. Die bakterielle 
Untersuchung blieb aus, das eingesandte Untersuchungsmaterial ging 
leider verloren. Am 8. II. erfolgte Entlassung. Es bestand noch eine 
etwa kastaniengrosse, derbe Gesohwulst, die der vergrösserten Schild¬ 
drüse entsprach. 

Fassen wir die Haupterscheinengen zusammen, so erhalten wir kurz 
Umrissen folgendes Krankheitsbild: Ein 25jähriges junges Mädohen, stets 
gesund und vorher nicht an Kropf leidend, erkrankte plötzlich unter 
Fieber mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Heiserkeit an einer 
Anschwellung des Halses- Nach einigen Tagen klingen die Beschwerden 
ab, um nach 14 Tagen erneut aufzutreten. Es besteht jetzt eine um¬ 
schriebene Rötung der Haut mit Fluktuation. Inzision an dieser Stelle 

1) Walter, Neue Heilart des Kropfes. Sulzbaoh 1817. 

2) Weitenweber, Ueber die Entzündung der Schilddrüse. Wien 
1845. Med. Jahrb. des österr. Staates, Bd. 53. 

8) Frank, De curandis tomium morbis epitome. Lib. VI, p. 807. 
Zitiert naoh de Quervain. 

4) Lebert, Die Krankheiten der Schilddrüse und ihre Behandlung. 

Breslau 1862. 


und allmählicher Rückgang der Beschwerden mit langsamer Rückbildung 
des Infiltrates. 

Die Krankengeschichte zeigt uns folgenden klinischen Verlauf: 

Die Erkrankung beginnt unter den allgemeinen Erscheinungen einer 
plötzlich einsetzenden fieberhaften Erkrankung. Ueber Nacht treten die 
Beschwerden auf, nehmen rasch zu und klingen zunächst in wenigen 
Tagen ab. Die Gesohwulst erstreckt sioh im Anfang über einen Lappen. 
Die Konsistenz ist derb, die Druokempfindliohkeit hochgradig. Der Kopf 
wird in einer bestimmten Zwangslage gehalten. Ausser diesen lokalen 
Erscheinungen finden wir die von de Quervain 1 ) angegebene Sym- 
ptomentrias, zu der als frühestes Symptom die ausstrahlenden Sohmerzen 
nach dem Ohr, Hinterhaupt und die Schulter, sodann die Schling¬ 
besehwerden und die Behinderung der Atmung gehören. Die oft dabei 
bestehende Heiserkeit ist naoh ihm der Ausdruck einer bestehenden Re- 
kurrensparese, der Hustenreiz ist durch den mechanischen Druok der 
Gesohwulst auf die Trachea erklärt. Nach anfänglicher Besserung und 
naoh dem Zurüokgehen der akuten Entzündungserscheinungen kam es 
in unserem Falle naoh Ablauf einer Woche zu erneuter Exazerbation. 
Die Sohmerzen nahmen wieder zu, alle erwähnten Symptome steigerten 
sich und führten in wenigen Tagen zu deutlicher Gewebseinschmelzung. 
Es bestand an einer Stelle, über der die Haut in der Ausdehnung eines 
Talerstückes gerötet war und sich heiss anfühlte, deutliche Wellen¬ 
bewegung. Naoh der Inzision gingen die Beschwerden zurück. Die 
Patientin konnte nach 14 Tagen entlassen werden; lediglich eine kleine, 
etwa kastaniengrosse Gesohwulst war zurückgeblieben. 

Es handelt sioh bei unserer Beobachtung um die Erkrankung eines 
Mädchens. Naoh den bisherigen Mitteilungen ist das weibliche Ge- 
schleoht und dieses wieder im gesohleehtsreifen Alter für diese Er¬ 
krankung besonders empfänglich. Holger Mygind 2 ) berichtet über 
18 Fälle, von denen 11 Frauen, 7 Männer und einer 1 Kind betrafen, 
desgleichen befinden sich unter den 58 Fällen de Quervain’s 8 ) 38 Frauen, 
gleich 57 pCt. Bauchet 4 ) führt diese Prädispositien auf eine bei der 
Menstruation und in der Gravidität eintretende Hyperämie der Sohild- 
drüse zurück. Aus den Angaben der Patientin ist nioht zu entnehmen, 
dass vorher eine Erkankung der Schilddrüse bestanden hat. Andere 
sichere Anhaltspunkte für die Entstehung der Erkrankung liessen sioh 
nicht finden. Naoh der Beschreibung de Quervain's handelt es sioh 
demnach um die klinisch primäre Form der Sohilddrüsenentzündung. 

Aetiologisch sind viele Erkrankungen angeführt, in deren Folge sich 
eine Thyreoiditis entwickeln kann. Die traumatischen Einflüsse verur¬ 
sachen in den meisten Fällen wohl Blutungen aber keine Entzündungen. 
Als Ursache findet man den Rheumatismus, über dessen Zusammen¬ 
hänge mit der Thyreoiditis besonders in der französischen Literatur viel 
geschrieben ist [Vulpian, Charcot, Given 8 )]. Man gibt der Er¬ 
krankung dort den Namen Thyreoidite aigue rheumatismale. Ferner 
soll nach Diphtherie, Tbyphus, Scharlach, Masern, Lungenentzündung 
und Variola ihr Auftreten beobachtet sein. Auoh die Influenza gehört 
zu den Ursachen. Trotzdem das gehäufte Auftreten von Grippefallen 
zu Beginn des Jahres 1919 dafür spreohen könnte, liegen in unserm 
Falle keine Anhaltspunkte vor, die eine vorausgehende Grippeerkrankung 
annehmen lassen. Ob es sioh daher um die Form der Thyreoiditis Sim¬ 
plex handelt, bei der naoh de Quervain die Entzündungserreger sioh 
direkt in der Sohilddrüse ansiedeln, oder ob es sioh um die Form einer 
toxischen Thyreoiditis handelt, bei der im Körper zirkulierende Toxine 
auf die Sohilddrüse einwirken, muss dahingestellt bleiben; besonders 
aus dem Grunde, da das Untersuchungsmaterial bakteriologisch nioht 
untersucht wurde. Wie vorsichtig man aber bei der Annahme einer 
idiopathischen Thyreoiditis sein muss, lehrt eine Arbeit Honsell's 9 ), 
dem es gelungen war, im Eiter Pneumokokken nachzuweisen,-auch ohne 
dass vorher eine manifeste Pneumonie bestanden hatte. Naoh Honsell's 
Ansioht können in solchen Fällen die Tonsillen oder kleine, unbeaohtet 
gebliebene, pneumonische Herde die Eintrittspforte und die Quelle der 
Entzündung bilden. Trotzdem ist das Auftreten von Sohilddrüsenent- 
zündungen bei Infektionskrankheiten selten. Hierfür sucht man die Er¬ 
klärung in den entgiftenden Eigenschaften, die man der Schilddrüse zu- 
sobreibt. Bei dieser Gelegenheit gleioh noch ein Wort über den Grund 
des häufigeren Auftretens einer Strumitis. Es sollen die bei einer 
Strumitis vorhandenen Nekrosen und Blutungen die Ansiedelung der Er¬ 
reger begünstigen und so zu leichter Abszedierung führen. 

In all den Fällen, in denen man die Entwicklung des Krankheits¬ 
bildes beobachten kann, ist die Diagnose nicht schwer. Der Sitz der 
Erkrankung, das Hinaufsteigen der Gesohwulst beim Schluckakt, maoht 
eine Verweohlung mit anderen Geschwülsten dieser Region schwer. 
Wichtig ist die Entscheidung, welcher Natur die Entzündung ist. Eine 
einfache Thyreoiditis kann naoh einer Woche glatt heilen, jede ein¬ 
tretende Eiterung macht die Erkrankung ernster. Naoh de Quervain 
ist wieder die einfaohe Strumitis ernster als die eitrige Strumitis. Bei letzterer 
beschränkt sich die Eiterung auf den Kropfknoten, bei ersterer kann dieselbe 

1) de Quervain, Die akute nioht eitrige Thyreoiditis. Mitt. 
Grenzgeb., 2. Supplementband. 

2) Mygind, Thyreoiditis acute simplex. Journal of laryngology, 
1898. 

3) de Quervain, Die akute nicht eitrige Thyreoiditis, S. 46. 

4) Bauchet, Zit. naoh de Quervain, S. 45. 

5) Zit. nach de Quervain. 

f 6) B. Hon seil, Metapneumonisohe Strumitis. Beitr. z. klin. Cbir., 
Bd. 20, H. 3. 


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6. Oktober 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


046 


fortkrieohend das gante Drüaengewebe befallen. Im Gegensatz zu der festen 
Kapsel des Kropfknotens stellt sich nur der Wall yonweissen Blutkörperchen 
dem Umsichgreifen der Eotsündung entgegen. Im Beginn der Ein- 
sohmelzung kann diese so gering sein, dass sie dem tastenden Finger 
entgeht. Der negative Ausfall einer Probepunktion beweist, dass die 
Nadel den Eiterherd nioht gefunden hat. Ein wichtiges Hifsmittel für 
die Diagnose bleibt die wiederholte Zählung der Leukozyten. Auch in 
unserem Falle liess eine schon frühzeitig auftretende Leukozytose eine 
Eiterung vermuten. Dass auch sorgfältige Temperaturmessungen not* 
wendig sind, ist selbstredend; doch auoh diese lassen, wie unser Fall 
beweist, oft im Stich. 

Auf einen Zusammenhang möchte ich nooh eingehen. Als unsere 
Patientin eingeliefert wurde, wurden uns mit der Anamnese Angaben 
sur Verfügung gestellt, die eine deutliche Veränderung ihres Wesens 
erkennen liessen; diese war mit der Patientin in den letzten Tagen 
vor dem plötzlichen Beginn ihrer Erkrankung vor sich gegangen. Es 
war in der Familie, bei der die Patientin als Dienstmädchen in Stellung 
war, aufgefallen, dass sieh dieselbe in den letzten Tagen ungewöhnlich 
und auffallend in ihrem .ganzen geistigen und körperlichen Verhalten 
goändert hatte. Sie maohte einen geistig trägen, oft wie abwesenden 
Eindruck, sie schien beständig zu Bohlafen und musste sich zu jeder 
Tätigkeit gewaltsam aufraffen, sie war ungesohiokt. Alles Veränderungen, 
die entgegen ihrem früheren Verhalten so plötzlich aufgetreten waren, 
dass sie der Umgebung auffielen. Ohne diesen Erscheinungen allzu 
grossen Wert beizumessen, und ohne sie etwa mit Sicherheit auf Ein¬ 
flüsse von Seiten der Schilddrüse zurückzuführen, erinnern diese Er* 
soheinungen an die Zusammenhänge, die zwischen der akuten Sohild- 
drüsenentsündung und dem Myxödem bestehen. 

Auch für das Myxödem werden Infektionskrankheiten genannt 
Ewald und Köhler sahen bei einem 25jährigen Mädchen, das an einer 
Aktinomyzesgeschwulst der Schilddrüse litt so dass die ganze Hälfte 
der Drüse durch die Geschwulst eingenommen war, ein typisches Krank- 
heitsbild des Myxödems sich anschliessen. Der myxödematöse Zustand 
ging mit der Entfernung der Geschwulst zurück. Es scheint demnach, 
dass der Rest der Drüse, solange die Geschwulst nooh vorhanden war, 
seine Funktion in entsprechender Weise änderte, nach der Entfernung 
aber seine Tätigkeit wieder in ausreichender Weise aufnahm. Naoh den 
Untersuchungen de Quervains kann vor allem die bakterielle 
Thyreoiditis das Schilddrüsengewebe derartig schädigen, dass eine 
Funktionsveränderung eintreten kann, aus der sowohl eine Funktions¬ 
verminderung als auoh eine Funktionssteigerung sich ergeben kann. Da 
aber meist nur ein kleiner Teil der ganzen Drüse erkrankt ist somit 
immer nooh zwischen den erkrankten Stellen soviel gesundes Sohild- 
drüsengewebe übrig bleibt, so erklärt dieses zur Genüge die Seltenheit 
des Vorkommens von ausgedehnten Erscheinungen einer Gaohexia strumi- 
priva. Wir wollen auf diese Zusammenhänge nur hinweisen. Es ent¬ 
stehen myxödematöse Zustände auch ohne Erscheinungen von seiten der 
Schilddrüse. Remlinger 1 ) berichtet über einen akut auftretenden Fall 
von myxödematösen Zuständen, die sioh ohne nachweisbare Thyreoiditis 
an einen Typhus ansohloBsen. Vielleicht handelt es sich dabei um das 
Einwirken von Toxinen, wie man auch versucht das infantile Myxödem 
damit zu erklären, dass während der Gravidität Toxine auf die Thyreoidea 
des Fötus ein wirken. 

In gleicher Weise wie beim Myxödem hat man auch iür die Base- 
dow’sohe Krankheit erwiesen, dass diese aus einer Schilddrüsenerkrankung 
herrorgehen kann. Man betraohtet dabei die Thyreoiditis mit de 
Quervain als das Bindeglied zwischen akuten Infektionskrankheiten 
und dem Basedow. 

Die Behandlung erfordert, solange eine Einschmelzung nicht vor¬ 
liegt, lediglich eine Berücksichtigung der Entzündungserscheinungen und 
ihrer Symptome. Jede erkannte Eiterung erfordert freien Abfluss des 
Eiters nach aussen durch Inzision. Schon Peter Frank berichtet vor 
einem Jahrhundert, wie er durch den Dorfbarbier vom Tode des Er¬ 
stickens gerettet sei. Es handelte sioh bei ihm um eine Kropfeiterung, 
die der Feldchirurg nioht zu inzidieren wagte. „Er hielt es für einen 
zerrissenen Nerven und glaubte, der tödliche Ausgang sei unvermeidlich" 
(sit. naoh de Quervain, Spez. ohirurg. Diagnostik, S. 154). Selbst¬ 
heilungen sind beobaohtet mit spontanem Durohbruoh nach aussen. 
Aber auoh gefährliche Eitersenkungen, Durchbrüche in die Traohea 
können die Folge sein. Eiseisberg beriohtet von einer Abssessbildung 
des Mundbodens, Lyar von einer Arrosion der Karotis. Die Diagnose 
einer Thyreoiditis suppurativa ist demnach für den Kranken von lebens¬ 
wichtiger Bedeutung. _ 


Aus einem Kriegsseuchenlazarett Rumäniens. 

Ueber kombiniertes Auftreten von Infektions¬ 
krankheiten. 

1. Typhus und Ruhr, 2 . Heckfieber und RQckfallfieber. 

Von 

Gand. med. S. 6 . Zeidek. 

Ueber kombiniertes Auftreten der oben geannten Infektions¬ 
krankheiten finden sich in der Literatur nur wenig Angaben. 

1) Remlinger, Aroh. de med. et de pharm, militaire, 1899, sit naoh 
de Quervain, S. 151. 


Die Mitteilung derartiger Beobachtungen ist insofern gerecht¬ 
fertigt, als man häufig geneigt ist, solche Fälle für eine atypische 
Infektion au halten, während die genauere Untersuchung das Be¬ 
stehen eines kombinierten Infektes anzeigt. Interessant ist auch 
folgende Frage allgemeiner Natur: „Wie können sich zwei gleich¬ 
seitig bestehende Infektionen gegenseitig beeinflussen? u 

1. Typhus und Ruhr. 

Unter der grossen Zahl der snr Zeit einer Typhus- und 
Ruhrepidemie im Seuchen]asarett behandelten Erkrankungen dieser 
Art habe ich eine Reihe von Fällen beobachtet, bei denen beide 
Krankheiten kombiniert, und zwar sowohl nacheinander, als anch 
nebeneinander aufgetreten sind. Die letzterwähnte Kombination 
fand sich seltener; die Reihenfolge beider Erkrankungen wechselte. 

Bei 18 Patienten traten in der Rekonvaleszenz des Typhus bzw. 
Paratyphus 8—14 Tage naoh vollständiger Entfieberung plötzlich blutig- 
schleimige Durchfälle, verbunden mit Leibsohmerzen and Tenesmen auf; 
im allgemeinen das typisohe klinisohe Krankheitsbild der Ruhr. Der 
Verlauf dieser posttyphösen Ruhrerkrankung bot nichts besonderes. 
Eine Beeinflussung duroh den kurz znvor überstandenen Typhös hat 
sich in keiner.Weise gezeigt. Die Schwere der Erkrankung entsprach 
dem Durchschnitt der sonst hei uns beobachteten Ruhrerkrankungen. 
Nur ein Fall verlief tödlioh. Es handelte sioh um einen 40jährigen, 
äasserst schmächtig gehanten Mann, der eine Paratyphus B-Erkrankung 
durohgemaoht hatte und am 14. fieberfreien Tage im Krankenzage an 
Ruhr erkrankte. Bei der 2 Tage später erfolgten Aufnahme in unser 
Lazarett machte Patient bereits einen sehr elenden, verfallenen Eindruck. 
Die Ruhrerkrankung war eine sehr schwere. Schon am 12. Krankheits¬ 
tage trat unter dem Bilde der Ruhrkachexie (skelettartige Abmagerung, 
Herzschwäche, Oedeme, Untertemperatur) der Tod ein. Ohne Zweifel hat 
in diesem Falle die Paratyphus B-Erkrankung insofern anf den Verlauf 
der Ruhrerkrankung eingewirkt, als Bie den Kräftezustand des an sich 
schon sehr schwächlich gebauten Mannes so stark beeinträchtigte, dass 
die Ruhr ungewöhnlich frühzeitig zum Tode geführt hat. Ein Fall sei 
noch besonders erwähnt. 8 Tage naoh der Entfieberung eines an Para- 
typhns B erkrankten Patienten wurden im Stahl Ruhrbasillen nach- 
gewiesen. Entsprechende klinische Symptome bestanden zunäohst nioht. 
Erst 4 Tage später traten Durohfälie auf, die bald den Charakter der 
typisohen Ruhrstühle annahmen. 

Hieraus lässt sich folgern, dass Ruhrkranke auch 
schon während der Inkubationszeit Ruhrbasillen ans- 
scheiden und so ffir die Umgebung eine Gefahr bilden 
können. 

4 Patienten schieden in der Rekonvaleszenz von Paratyphuserkran- 
kungen ebenfalls RuhrbasUlen aus, ohne dass bei ihnen zu irgendeiner 
Zeit irgendwelche klinischen Rnhrersoheinnngen beobachtet werden 
konnten. 

Die Anamnese vieler Typhuspatienten des Lazaretts er¬ 
gab, dass die Kranken an der Front an blutigen Durchfällen er¬ 
krankt waren, die mehr oder weniger lange Zeit anhielten. 
Während diese blutigen Durchfälle. noch vorhanden waren, 
stellten sich Fieber und Kopfschmerz ein, Erscheinungen, die 
zuerst fehlten. Die Kranken kamen daran! ins Lazarett. Es 
wurde Typhus nachgewiesen. Es sind dies höchstwahrscheinlich 
Fälle von Ruhr mit nachfolgendem Typhus. Ich will sie jedoch 
nicht als beweiskräftig gelten lassen, da sie während der Rubr- 
periode äritlich nicht beobachtet sind, und mich daher nur mit 
den Fällen beschäftigen, die während der ganzen Krankheits¬ 
dauer verfolgt worden sind. Die Abgrenzung des Typbus gegen¬ 
über der Ruhr ist nicht immer leicht, da der Typhus und ins¬ 
besondere der Paratyphus häufig unter einem rnhrähnlichen Bilde 
verlaufen kann. Diese Fehlerquelle musste berücksichtigt werden. 
Mein Material stützt sich daher nur auf solche Fälle, bei denen 
die Ruhr klinisch und meist auch bakteriologisch zweifellos als 
selbständige Krankheit identifiziert werden konnte. Die Wieder¬ 
gabe einiger Krankengeschichten möge den Verlauf der Erkran¬ 
kungen näher kennzeichnen. 

Fall T.R.I (Kurve 1). Geh:. V. Bei nooh vorhandenen blntig-sohleimigen 
Stühlen setzt plötzlich Fieber ein, das in der für den Typbus ohar&k- 
teristisohen Weise treppenförmig ansteigt. Die Kontinua bleibt ans. 
Es besteht remittierendes Fieber mit Spitzen bis 40° einen Monat lang, 
dann kurz intermittierender Typus and Temperaturabfall. Wir haben 
also einen Typhus abdominalis, der bei bestehender Ruhr beginnt und 
in seiner langen Fieberkurve ganz atypisch ist. Die Stühle, die während 
der Ruhrerkrankung in charakteristischer Weise verändert waren, ver¬ 
lieren ihre Beschaffenheit gleioh in den ersten Tagen naoh Einsetzen 
des Fiebers. Anoh die Zahl der täglichen Entleerungen einkt sohneil 
herab. Meist war dann täglioh nur ein breiiger Stuhl vorhanden. Der 
Pols zeigt die tiefe Kurve des Typhus. Typhus abdominalis iet dureh 
Agglutination und Blut-Gallekulturen, Ruhr duroh die charakteristischen 
Blutstühle naohgewieeen. 

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Kurve 1. (Fall T.R.I.) 



Eine Beeinflussung 
desTypbus durch die 
Ruhr ist nicht nach¬ 
zuweisen; die uncha¬ 
rakteristische Kurve 
sahen wir auch bei 
anderen Kranken. Die 
Ruhr dagegen wurde 
durch den Typhusauf¬ 
fallend schnell und 
unerwartet beendet. 

Fall T. R. II (Kurve 2). 
Fahrer H. Bei noch vorhan¬ 
denen, ungefähr seit 8 Tagen 
bestehenden blutig-schleimi¬ 
gen Stühlen setzt plötzlich 
Fieber als Beginn einer Para¬ 
typhus A-Erkrankung ein. 
Die Dauer des Fiebers be¬ 
trägt 10 Tage. Der Verlauf 
der Fieberkurve ist ganz 
unregelmässig und atypisch. 
Der Puls zeigt die tiefe 
Kurve des Typhus. Die 
blutig-schleimigen Stühle 
schwinden innerhalb der 
ersten 6 Tage der Para¬ 
typhuserkrankung. Von 
dieser Zeit an 1—2 dick- 
breiige Stühle. Nach 10 
Wochen leichte, nur einige 
Tage anhaltende Rezidiv¬ 
erkrankung der Ruhr, dann 
vollkommene Genesung. Der 
Paratyphus A ist durch Blut- 
Gallekulturen, die Ruhr¬ 
erkrankung durch den Nach¬ 
weis des Bacillus dysenteriae 
Shiga Kruse im Stuhl bak¬ 
teriologisch festgestellt. 

Die Ruhr wird durch 
den einsetzendenPara- 
typhus A zunächst 
schnell beendet. Sie 
tritt nach 10 Wochen 
als leichtes Rezidiv 
auf. 

Fall T. R. III (Kurve 3). 
Fahrer St. Nachdem 6—8 
Tage lang bei Fieberfreiheit 
blutig-schleimige Stühle be- 


näckig; ihr Verlauf ist sohleppend. Sie gelangt erst 10 Wochen nach 
Ablauf des Paratyphus zur vollkommenen Heilung. Der Allgemein¬ 
zustand ist während der ganzen Krankheitsdauer befriedigend. Der 
Paratyphus B ist durch Blut-Gallekulturen, die Ruhr duroh den Nach¬ 
weis des Baoillus dysenteriae Flezner im Stuhl bakteriologisch fest¬ 
gestellt. 

Es handelt sich hier also um das gleichzeitige Bestehen von 
Paratyphus B und Ruhr. Die Ruhr ist durch den Päratyphus 
nicht nachweislich beeinflusst worden. Eine über so viele Wochen 
sich erstreckende, der Therapie nur schwer zugängliche Ruhr- 


Kurve 2. (Fall T. R. II.) 


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erkrankung gehört nicht zu den Seltenheiten. Ob andererseits 
der Paratyphus B durch die Ruhr beeinflusst ist, lässt sich auch 
nicht mit Sicherheit bestimmen, da das Krankheitsbild des Para¬ 
typhus B innerhalb sehr weiter Grenzen schwankt. Der Verlauf 
war jedoch auffallend kurz und durchaus harmlos. 

Wenn man in Fällen wie in dem vorliegenden nicht an die 
Kombinationsmöglichkeit mit einer anderen fieberhaften Erkran¬ 
kung denkt, so wird man den Fehler begehen, alle Krankheits¬ 
erscheinungen der Grundkrankheit zur Last zu legen und den Ver¬ 
lauf eventuell als atypisch zu bezeichnen. In unserem speziellen 
Fall hier wäre es durchaus möglich gewesen, die Fiebererschei¬ 
nungen, die vom Paratyphus B herrührten, der gleichzeitig be¬ 
stehenden Ruhrerkrankung zuzuschreiben, zumal diese ja auch 
mit Fieber einhergehen kann. 

In 10 Fällen traten in der Rekonvaleszenz von Ruhr Para¬ 
typhuserkrankungen — fast durchweg Paratyphus A — auf. Der 
Verlauf bot nichts Besonderes. Eine Beeinflussung des Paratyphus 

Kurve 3. (Fall T. R. III.) 



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: ^" 3 '“i j "‘ p l: * ’ jA , 3 s Kopfschmerz und Mattigkeit 

l'fI. iitiUiiiüictisiii höheres Fieber auf. Es er- 
[1!, s ~ e “" I " _ a s g * folgt Lazarettaufnahme. 

- —— ---I_ü Hier wird Paratyphus B nach- 

gewiesen. Das Fieber hält 
7Tage lang an, es ist anfangs kontinuierlich und fällt darauf ziemlich schnell 
ab. Während der Fieberzeit besteht Ikterus. Der Puls zeigt die tiefe 
Kurve des Typhus. Die blutig-schleimigen Ruhrstühle, die schon 8 Tage 
vor Auftreten des Fiebers bestanden, halten in unveränderter Weise 
während der Paratyphus B-Erkrankung an. Die Ruhr ist sehr hart- 


durch die kurz zuvor überstandene Ruhr hat sich nicht nach- 
weisen lassen; doch war der Eindruck vorhanden, dass in diesen 
Fällen der Paratyphus im allgemeinen noch leichter verlief als 
sonst. 

Zusammenfassung: Die in der Rekonvaleszenz von Typhus 
aufgetretenen Ruhrerkrankungen zeigten keinen abnormen Ver¬ 
lauf: desgleichen die Typhus- bzw. Paratyphusfälle, die einer ab¬ 
gelaufenen Ruhr folgten. Die erste Erkrankung hat, sofern sie 
nicht eine allzugrosse körperliche Schwächung des Patienten 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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verursachten, auf den Verlauf der zweiten Erkrankung keinen 
nachteiligen Einfluss ausgeübt. Die Typhus- bezw. Paratyphus¬ 
fälle schienen im allgemeinen sogar abgeschwächt. Mehr Inter¬ 
esse beanspruchen die Fälle, bei denen Typhus und Ruhr sich 
unmittelbar ablösten oder gleichzeitig bestanden. Sie haben nicht 
nachteilig aufeinander eingewirkt. Die eben ablaufende oder gar 
noch bestehende Krankheit stellte für die neuauftretende zweite 
Erkrankung kein erschwerendes und prognostisch besonders ins 
Gewicht fallendes Moment dar. Die Typhus- bzw. Paratyphus¬ 
erkrankungen, die bei einer schon längere Zeit bestehenden oder 
gerade ablaufenden Ruhrerkrankung einsetzten, haben letztere 
meist unerwartet und schnell beendet oder für einige Zeit unter¬ 
brochen. War das nicht der Fall, so 
liefen beide Erkrankungen nebeneinander 
her, ohne sich gegenseitig ungünstig zu 
beeinflussen. Der Typhus bzw. Paratyphus 
schien durch die Kombination mit ;der 
Ruhr meist sogar gemildert zu sein. 

Nicht in allen Fällen^ deutet der Verlauf 
ohne weiteres darauf hin, dass man es 
! mit zwei verschiedenen Krankheiten zu 
tun hat. Ist die klinische Beobachtung 
nicht genau, so wird man geneigt sein, 
an eine atypische Form eines Krank¬ 
heitsbildes — atypische Ruhr oder aty¬ 
pischer Typhus — zu denken; wahr¬ 
scheinlich sind auf diesen dia¬ 
gnostischen Fehler ein Teil der 
sogenannten atypischen Krank¬ 
heitsformen überhaupt zurückzu¬ 
führen. 


erreioht. Dem Temperaturabfall folgt durchaus keine Besserung im Be¬ 
finden. Unter Zunahme der sohweren typhösen Ersoheinungen tritt in 
tiefem Koma am 11. Krankheitstage der Tod ein. Während der Fleck- 
fiebererkrankung sind im Blute zu keiner Zeit Rekurrensspirillen nach¬ 
weisbar. 

Fall F. R. II. Infant. Karl B. Erster Rekurrensfall (im Blut Re¬ 
kurrensspirillen -J-) vom 10.—14. IV. Am 14. kritischer Temperatur¬ 
abfall. Nach 2tägiger Fieberfreiheit (16. IV.) neuer plötzlicher Tem¬ 
peraturanstieg als Beginn des Fleckfiebers. Am 3. Tage der Fleckfieber¬ 
erkrankung erscheint das typische Exanthem. Der weitere Verlauf zeigt 
dieselben stürmischen Krankheitsersoheinungen wie Fall 1. Am 11. Tage 
tritt der Tod ein. Bei Beginn des Fleckfiebers erhielt Patient 0,4 g 
Neosalvarsan intravenös injizierf, da der Temperaturanstieg anfangs der 


Kurve 4. (Fall F. R. III.) 


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2. Fleckfieber und Rückfallfieber. 

Während einer grossen Fleckfieber- und Rückfallfieberepidemie 
(es wurden etwa 1000 Fleckfieber- und 150 Rückfallfieberfälle 
behandelt) konnten auch Kombinationen in dem Auftreten dieser 
beiden Krankheiten beobachtet werden. 

In 20 Fällen schloss sich das Fleckfieber einem überstandenen 
Rückfallfieber an. Es setzte im allgemeinen 8—12 Tage nach dem 
zweiten Anfall des Rekurrensfiebers ein, so dass wir anfangs glaubten, 
es mit einem neuen, d. h. dritten Anfall zu tun zu haben. Der weitere 
Verlauf sicherte jedooh bald die Diagnose „Fleckfieber“. Die Krankheit 
lief im allgemeinen etwas schneller ab, bot aber sonst nichts Atypisches. 
Die Prognose war die gleiche. Rückfallfieber im Anschluss an Fleck¬ 
fieber haben wir nicht beobachtet; dies ist auch ohne weiteres erklärlich, 
wenn man folgendes berücksichtigt: Die Fleckfieberkranken wurden 
gründlich entlaust, von jedem Ungeziefer fern gehalten und streng 
isoliert. Eine Neuinfektion mit Febris recurrens war von dem Tage der 
Lazarettaufnahme an also nicht mehr möglich. Das Entlausung»- und 
Isolierungsverfahren galt natürlich auoh für die Kranken mit Rückfall¬ 
fieber; auch sie waren mit dem Tage der Lazarettaufnahme vor einer 
Neuinfektion mit Fleckfieber gesichert. Die Neuinfektion konnte nur 
vor der Lazarettaufnahme, also in den ersten Krankheitstagen oder 
während der Inkubationszeit der jedesmal ersten Erkrankung erfolgen; 
die Neuinfektion mit Fleckfieber eventuell auch noch während des 
ersten und zweiten Rekurrensanfalles, falls der erste Anfall — was 
häufiger vorkam — als solcher nicht erkannt und Lazarettaufnahme 
nicht erfolgt war. Als entscheidendes Moment kommt nun hinzu: die 
Inkubationszeit für Fleckfieber ist eine ziemlich lange, die für Rückfall- 
fieber dagegen sehr kurz, sie beträgt nur 5—7 Tage. Unter diesen Um¬ 
ständen ist es natürlich nicht möglich, dass das Rückfallfieber sich an 
die durchschnittlich 14—16 Tage lang dauernde Fleokfiebererkrankung 
anschliesen konnte. Das Rückfallfieber, d. h. sein erster Anfall, konnte 
im günstigsten Falle nur in die Zeit der Fleckfiebererkrankung selbst 
fallen. Aber auch diese Kombination haben wir nicht beobachtet. 
Wahrscheinlich hat in solchen Fällen das starke Fleckfiebervirus — ich 
komme später noch darauf zurüok — das Rekurrensfieber unterdrückt. 
Es kamen aber auch Fleckfiebererkrankungen vor — 6 Fälle —, die in 
den Verlauf des Rekurrens eingeschaltet waren. Einige sollen näher 
beschrieben werden. 

Fall F. R. I. Freiw. Pfleger Karl B. Erster Rekurrensanfall (im 
Blute Rekurrensspirillen +) vom 8.—18. IV. Am 13. kritischer Tem¬ 
peraturabfall. Tags zuvor intravenöse Injektion von 0,45 g Neosalvarsan. 
Nach zweitägiger Fieberfreiheit (15. IV.) neuer, plötzlicher Temperatur¬ 
anstieg als Beginn der Fleckfiebererkrankung. Auffallend frühzeitig 
(16. IV. = 2. Tag des Fleckfiebers) Erscheinen des typischen Exanthems. 
Von nun an schwere (iehirnerscheinungen. Starke Benommenheit, De¬ 
lirien, zunehmender Tremor der Arme, Zuckungen der Gesichtsmuskulatur. 
Puls wird sehr frequent, unregelmässig und äusserst leicht unterdrück¬ 
bar, Atmung angestrengt und beschleunigt. Schneller Kräfteverfall. 
Schon vom 6. Tage der Fleckfiebererkrankung an fällt das bisher kon¬ 
tinuierlich verlaufene Fieber ab und hat am 10. Tage subnormale Werte 


Rekurrenserkrankung zugesohrieben wurde. Während der Fleckfieber¬ 
erkrankung waren im Blut zu keiner Zeit Rekurrensspirillen nachweisbar. 

Fall F. R. 111. Inft. Max Sch. Fieberkurve 4! Erster Rekurrens¬ 
anfall vom 4.—8. IV. Am 8. kritischer Temperaturabfall. Am 10. neuer, 
plötzlicher Temperaturanstieg als Beginn der Fleckfiebererkrankung 
(12. IV.). In den folgenden Tagen schwere Gehirnerscheinungen; starke 
Delirien, Herztätigkeit schlecht; sehr frequenter, kleiner und äusserst 
leicht unterdrückter Puls. Verlauf im allgemeinen stürmisch und 
schnell. Schon am 10. Krankheitstage (20. IV.) Temperaturabfall zur 
Norm. Allmähliche Besserung des Allgemeinbefindens Bis zum achten 
fieberfreien Tage Sensorium noch getrübt. Daran anschliessend voll¬ 
kommene Genesung. Während der Fleckfiebererkrankung im Blute zu 
keiner Zeit Rekurrensspirillen nachweisbar. 

Die sechs beobachteten Fälle glichen sioh in jeder Beziehung. 
Die Fieberkurven zeigten keine nennenswerten Abweichungen von 
Kurve F.R.III. Das Fleokfieber setzte nach dem ersten Rekurrensanfall ein. 
Sein Krankheitsbild war charakterisiert durch den schnellen, schweren 
und äusserst stürmischen Verlauf. Auffallend früh — am 2. oder 3. 
Krankheitstage gegenüber dem 4.—5. Tage in normalen Fällen — er¬ 
schien das typische Exanthem; während der ganzen Krankheitsdauer 
schwere Gehirnerscheinungen; schneller Kräfteverfall; schlechte Herz¬ 
tätigkeit; im allgemeinen das Bild der schwersten Infektion. Während 
der Fleckfieberperiode Hessen sich im Blute zu keiner Zeit Rekurrens¬ 
spirillen nachweisen. Der zweite Rekurrensanfall, der eigentlich in die 
Zeit der Fleckfiebererkrankung hätte fallen müssen, blieb aus. Bei 
Fall I und II könnte man dies der Salvarsanbehandlung zuschreiben; 
bei den übrigen Fällen dagegen muss angenommen werden, dass das 
starke Fleckfiebervirus Oberhand über die Rekurrenserkrankung gewinnt 
und den zweiten Anfall unterdrückt. Die übrigen im Lazarett beob¬ 
achteten Rekurrenserkrankungen zeigten alle zwei oder mehrere Anfälle. 

Der schwere und vor allem so stürmische Verlauf des Fleck¬ 
fiebers dürfte wohl als Folge des unmittelbar vorangegangenen 
ersten Rekurrensanfalles aufzufassen sein. Neben einer all¬ 
gemeinen körperlichen Schwächung hat dieser jedenfalls auch 
Schädigungen des Zentralnervensystems hinterlassen und so für 
das Fleckfieber besonders günstige Bedingungen geschaffen. Die 
gegenseitige Beeinflussung beider Krankheiten zeigte 
sich also darin, dass das Fleckfieber durch die Kom¬ 
bination mit Rückfallfieber sehr erschwert, das Rück¬ 
fallfieber dagegen durch das Fleckfieber unterdrückt 
wurde. Ob bei Fall I und II auch die Salvarsaninjektion dazu 
beigetragen hat, den Verlauf des Fleckfiebers so zu erschweren, 
lässt sich nicht entscheiden; meines Erachtens aber kommt 
der vorangegangenen Rückfallfiebererkrankung die grössere Be¬ 
deutung zu. 

Auffallend ist der zeitliche Beginn des Fleckfiebers; in allen 
Fällen 2 oder 3 Tage nach dem ersten Rekurrensanfall. Die 
Inkubationszeit für das Rekurrensfieber beträgt 5—7 Tage, die 
Dauer seines ersten Anfalls 6 Tage. Zählen wir nun die 2 oder 3 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


fieberfreien Tage noch hinzu, eo leigt lieh, dass iwischen der 
Infektion mit Rekorreni nnd dem Beginn des Fleckfieberi eine 
Zeitspanne ?on 12—14 Tagen liegt. Da diese Zeitspanne als 
Inkubationszeit für das Fleckfieber in Frage kommt, so ist die 
Möglichkeit nicht gans auszuschliessen, dass wir es hier 
mit einer gleichseitigen Infektion von Rückfallfieber nnd Fleck¬ 
fieber durch ein und dieselbe Laus su tun haben. 

Vergleicht man die bei dem kombinierten Auf¬ 
treten von Fleckfieber and Rückfallfieber gemachten 
Beobachtungen mit denen, die sich bei der Kombi¬ 
nation von Typhus und Ruhr zeigten, so ergibt sich 
folgendes: Bei gleichseitigem Bestehen von swei In¬ 
fektionskrankheiten kann die eine die andere unter¬ 
drücken; der Typbus kann die Ruhr, das Fleckfieber 
das Rückfallfieber überwinden und ausschalten. Dabei 
ist der Verlauf des Typhus bsw. Paratyphus durch die 
Kombination mit Ruhr keineswegs erschwert, eher ge¬ 
mildert, der Verlauf des Fleckfiebers aber durch die 
Kombination mit Rückfallfieber durchaus ungünstig 
beeinflusst. 


Aus der dermatologischen Abteilung des Charlotten¬ 
burger städtischen Krankenhauses. 

UeberSilbersalvarsannatrium und die Dosierung 
des Salvarsans nebst Mitteilung eines Falles von 
Encephalitis haemorrhagica nach : Neosalvarsan. 

Von 

Prof. C. Brnhis und Dr. Llwenkerg, Assistensant. 

(Schluss.) 

II. 

Die Grundüberlegung bei jeder Salvarsanbehandlung muss 
immel sein: Wie machen wir es am besten, um einerseits die 
Heilwirkung des Präparats so stark wie müglich aassanntsen und 
andererseits die Gefahr der Schädigung nach Möglichkeit aus- 
suschalten. Wir können daher im Silbersalvarsan ein Präparat 
sehen, das zweifellos durch die intensive Wirkung der kleinen 
Dosen und die verhältnismässig geringe Giftigkeit infolge dieser 
niedrigen Dosierung berufen ist, in der Arsentherapie der Lues 
eine wichtige Rolle zu spielen. Die grüsste und schwerste Schädi¬ 
gung, die wir fürchten, ist ja die Enzephalitis; an zweiter Stelle 
kommen in Betracht die Dermatitis, die Neurorezidive, der IkteruB, 
die Nephritis usw. 

Die Todesfälle durch Enzephalitis sind zwar im Verhältnis 
zur Häufigkeit der Anwendung des Salvarsans sehr selten, aber 
auch bei vorsichtigster Dosierung hat sich bei den bisherigen 
Salvarsanpräparaten dieser unglückliche Ausgang noch nicht gans 
vermeiden lassen, wie wir selbst vor kurzem bei einer Kranken 
zu beobachten Gelegenheit hatten. Die Klinik der Fälle von 
Encephalitis haemorrhagica ist jetzt hinreichend bekannt, 
trotzdem interessiert doch noch jeder derartige Fall besonders 
hinsichtlich der Vorgeschichte, der Grüsse der verwendeten Dosen 
und der getroffenen therapeutischen Maassnahmen. Aus diesem 
Grunde seien zunächst die Daten einer tödlich verlaufenen der¬ 
artigen Erkrankung kurz mitgeteilt, die nach fast neunjähriger 
ausgiebigster Befassung mit den verschiedenen Salvarsanpräparaten 
als erster Fall von Enzephalitis auf unserer Krankenabteilung 
vorgekommen ist. 

Pat. M. G., 26 jährige Ehefrau, Infektion mit Lues angeblich vor 
8 Jahren, damals 8 Salvarsaneinspritsungen erhalten (Dosis unbekannt). 
Wegen Papeln vor 4 Jahren Sohmier- und Spritzkur. Am 25. III. 1919 
Aufnahme ins Krankenhaus wegen Papeln in der Umgehung der Geni¬ 
talien und des Afters von spätsekundärem Charakter. Keine wesentliche 
Drüsenschwellung, keine sonstigen Erscheinungen, Wassermann +- 
Am 26. und 28. III. je 0,05 Hg. sal., am 1. IV. Neosalvarsan 0,15, am 
2. IV. 0,05 Hg. sal., am 4. IV. Neosalvarsan 0,8, am 5., 7., 9. IV. jedes¬ 
mal je 0,05 Hg. sal*., am 11. IV. Neosalvarsan 0,45, am 12. IV. Hg. sal. 
0,05. Die Papeln sind verschwunden. 

Am 18. IV. (2 Tage naoh der letzten Salvarsaneinspritzung) morgens 
Erbreohen, Kopfschmerzen, am Nachmittag Befinden besser. Pat. unter¬ 
hält sioh mit einem Besuoh lebhaft. Gegen Abend etwas Unklarheit, 
Pat. sehr unruhig. Am 14. IV. vormittags ist Pat. gans unbesinnlich, 
reagiert nicht auf Anruf. Leichte motorische Unruhe, Pat. macht viel 
Bewegungen mit Armen und Händen, wenn man ihr den Kopf hebt, 
macht sie lebhafte Abwehrbewegungen. Lebhafter Singultus. Pupillen 
massig weit, reagieren auf Liohteinfall, Kornealreflez lebhaft vorhanden. 


Patellairefleze lebhaft, nicht besonders erhobt. Fusssohlenreflez beider¬ 
seits lebhaft, Babinski nioht auslösbar, Fuss- And Patellarklonus nicht 
vorhanden, leichte Hypertonie der Muskulatur. Bauohdeckenreflex beider¬ 
seits schwach, Gesicht leichter Trismus. 

Der Puls ist voll, kräftig, regelmässig, 80. Temperatur 87,1°. Pat 
lässt unter sich. 

Mittags zunächst Entnahme von 200 com Blut. Von Infusion von 
Kochsalz wird auf Rat des von uns konsultierten Internisten (Oberarzt 
Dr. Werner Schultz) abgesehen, um den Druck nioht zu erhöhen. 
Danach Lumbalpunktion, Entnahme von etwa 14 ccm Spinalflüssigkeit. 
Druck anfangs 160 mm, nach Ablassen etwa 110. (Die Lumbalfiüsaig- 
keit zeigte später bei der Untersuchung beziehentlich der Zellen normalen 
Befund, Nonne-Apelt -+-, Wa. R. bei Auswertung bis 1 g negativ.) Ferner 
wird Suprarenin 1: 1000 intramuskulär gegeben und dies dreistündlich 
fortgesetzt. Bis zum nächsten Tage erhält sich die Unbesinnlichkeit in 
gleioher Weise, während der Nacht zum 15. IV. wiederholt kurzdauernde 
Krampfanfälle mit tonisehen und klonisohen Zuckungen. Am Morgen 
maoht die Pat. einen tiefkomatösen Eindruck, die Augen sind starr, 
halb geöffnet. Pupillen reagieren auf Liohteinfall. Die Atmung tief, 
ruhig und gleiobmässig. Puls regelmässig, sehr gespannt, 72, Temperatur 
88,1°. Weitere Therapie Suprarenin und Verlegung auf die chirurgische 
Abteilung des Krankenhauses Westend zwecks Trepanation. Letztere 
wird gegen 1 Uhr vorgenommen. Die vorher ausgeführte Augenspiege¬ 
lung ergibt normalen Augenhintergrund. Bei der breiten Eröffnung des 
Schädels fällt zunächst auf, dass die Diploe ganz ausgefüllt ist, so dass 
bei der Durchmeisselung kaum Blutung erfolgt. Nach Aufklappen des 
Lappens ist die Dura nicht besonders vorgewölbt. Zunächst ist keine 
Pulsation siohtbar. Naoh Einschneiden der Dura quillt ziemlich viel 
klare, gelatinöse Flüssigkeit heraus. Die Hirnmasse wölbt sich jetzt 
stark vor, Pat. wird mobiler, nachher setzen swei Krampfanfälle ein. 
Die Pat bleibt aber auch naoh der Operation unbesinnlioh. Die 
Temperatur war vor der Operation 88, etwa 1 Stunde naoh der Operation 
87,2, 3 Stunden später 37,9°. Der Puls war vor der Operation 60, 
ausgesprochener Druckpuls bald nach Eröffnung des Schädeldaches und 
Einsohneiden der Dura stieg er auf 106, 1 Stunde nach der Operation 84, 
3 Stunden später 134. Abends 10 Uhr trat Exitus ein, ohne dass die 
Pat. die Besinnung wiedererlangt hatte. 

Aus dem Obduktionsbefund (Prof. Dr. Versö) sei nur folgendes 
hervorgehoben. Das Schädeldach zeigt ziemlich diffase Sklerotisierung, 
so dass von Diploe kaum etwas su erkennen ist. Die Dura siemlioh 
gespannt, die Hirnwindungen abgeplattet. Die Venen ebenfalls etwas 
platt, ziemlich gefüllt. 

Auf dem Durchschnitt durch das Gehirn erscheint die Hirnsubstans 
etwas geschwollen, die Rinde blass, blaurötlich gefärbt. Zwischen 
äusserer Kapsel und vorderen Windungen der Insel findet sieh ganz 
symmetrisch beiderseits ein etwas schräg gestellter ovaler Herd, in 
dessen Bereich die stärken geschwollene Marksubstanz mehr rot gefärbt 
und zentral erweioht ist An den Randteilen finden sioh kleinste, steck¬ 
nadelspitzgrosse Blutungen. Die grösste Länge der Herde beträgt 1,5 cm. 
Am hinteren Ende der reohten zweiten Stirnwindung erscheint in der 
Rinde ein linsengrosser, aus kleinen Blutungen sich zusammensetzender 
Herd. Vereinzelte kleine Blutungen in den Gefässscheiden finden sioh 
auoh neben dem Unterhorn und dann vereinzelt auoh im Pons. Befund 
in Brust- und Bauchhöhle im wesentlichen o. B. 

In der Hälfte des Gehirns wurden 0,4 mg Arsen naohgewiesen 
(Oberapotheker Dr. Beckstroem). 

Das Bemerkenswerte der Krankengeschichte ist su- 
nächst, dass es sieb um eine alte, 8 Jahre surückliegende Lues 
handelt mit spätsekundären Erscheinungen (Papeln, stark positive 
Wassermann’sche Reaktion). Die Annahme einer Reinfektion und 
das Vorliegen einer frischsekundären Lues, das nach dem Bilde der 
Papeln wohl denkbar gewesen wäre, wird durch das Fehlen einer 
allgemeinen Drüsenschwellung unwahrscheinlich gemacht. Die 
Unbesinnlichkeit setxte 2 l j t Tage nach der letzten Neosalvarsan- 
einspritsung ein, die klinischen Erscheinungen der Enzephalitis 
waren die typischen. Therapeutisch wurde ausser Blutentnahme, 
Adrenalineinspritzungen und Lumbalpunktion auch noch Trepa¬ 
nation vorgenommen. Auch das pathologisch-anatomische Bild 
zeigte den gewöhnlichen Befund geringer Blutungen und Er¬ 
weichungen. 

Stühmer hat in jüngster Zeit die schon von Ehrlich ge¬ 
stellte Forderung warm vertreten, in allen Fällen von Hirn¬ 
schwellung, wenn irgend angängig, die Trepanation vorzunehmen, 
da die Lumbalpunktion allein nicht zur Druckentlastung genüge. 
In Erinnerung an diesen Vorschlag haben wir unseren Fall etwa 
86 bis 40 Stunden nach Eintreten der ersten Unbesinnlichkeit 
dem Chirurgen zur Trepanation zugeführt, nachdem 24 Stunden 
vorher eine ausgiebige Lumbalpunktion vorgenommen war. Die 
letztere hatte noch keine wesentliche Druckerböhung gezeigt 
(160 mm Druck), die Trepanation aber zeigte, ähnlich wie in 
dem von Stühmer beschriebenen Fall, die Hirnschwellung in 
vivo bestätigt. Nach Eröffnung der Schädeldecke ist zunächst 
keine Pulsation sichtbar, sie tritt erst allmählich auf, nach Ein- 
sebneiden der Dura quillt ziemlich viel klare Flüssigkeit heraus, 


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and die Hirnmasse wölbt sieh vor. Der Radialispuls, vor der 
Operation 60, steigt nach Ablaasen der Flüssigkeit durch Er¬ 
öffnung der Hirnbaut auf 106. Die Patientin wird mobiler, be¬ 
kommt nachher öbrigens, noch auf dem Operationstisch, swei 
Krampfanfälle. Leider ist die Trepanation auch erfolglos, die 
Patientin stirbt 8 bis 9 Stunden später. 

Trotz dieses Misserfolges in Stühmer’s und unserem Fall 
erscheint die Trepanation theoretisch nnd auch praktisch durch 
die iwei objektiven Befunde in vivo, die die vorhandene Druck- 
erhöhung dokumentierten, wohl begründet und sollte in jedem 
dieser traurigen Fälle, denen wir sonst so machtlos gegenüber- 
stehen, angeraten werden, natürlich ist möglichst frühe Aus¬ 
führung wünschenswert. 

Die Anschauungen über das Zustandekommen der Enzephalitis 
sind noch vollkommen ungeklärt. Nur verhältnismässig Wenige 
(wie Pinkus u. a.) nehmen an, dass es sich um Herxheimer’sche 
Reaktion von nicht erkennbaren syphilitischen Veränderungen 
handele, die Folgen dieser Reaktion brauchten erst nach Tagen 
wahrnehmbar zu werden. Die Mehrzahl der Autoren fasst die Hirn¬ 
erscheinungen als Vorgang einer Intoxikation auf bei einem über¬ 
empfindlichen Individuum. Zu dieser Anschauung wird man in 
der Tat gedrängt durch die ausserordentliche relative Seltenheit 
des Vorkommens dieser Erscheinungen. Alle Deutungen, die auf 
der Basis der Herxheimer’schen Reaktion fussen, lassen nicht er¬ 
kennen, warum unter den unendlich vielen, die an syphilitischen 
Erscheinungen leiden und mit Salvarsan behandelt werden, nur 
so wenige es sind, die der Salvarsaneinspritzung zum Opfer fallen. 
Diese Tatsache führt doch immer wieder zur Vorstellung einer 
besonderen üeberempfindlichkeit des einzelnen Organismus. Da¬ 
zu kommt nun noch der spezielle Befand im Gehirn der Enzepha¬ 
litisfälle, der abgesehen von den Blutungen und gelegentlichen 
Erweichungen meist ein makro- und mikroskopisch ganz negativer 
ist. Die Fälle, in denen etwa durch Herxheimer'sche Reaktion 
eine verhängnisvolle Zunahme einer nach der Sektion sichtbar 
vorhandenen syphilitischen Erscheinung im Gehirn eintritt, z. B. 
GefüssVerstopfung durch endarteriitiscbe Schwellung, wie im Falle 
A. Hoffmann’s (Düsseldorf), sondern wir ja vorläufig von jenen 
eigentlichen Enzephalitisfällen, deren Charakteristikum in dem 
erwähnten ganz oder fast negativen Bild liegt, ab. Es bleibt 
nun allerdings durchaus offen, ob der Befand bei der sogenannten 
Encephalitis haemorrhagioa in Wahrheit so geringfügig ist. Hier 
mögen doch wohl noch andere Untersuchungsmethoden nötig sein, 
als die bei der Sektion meist nur mögliche grobe makroskopische 
Durchsicht und die mikroskopische Durchmusterung einiger Stellen, 
an denen makroskopische Veränderungen gefunden wurden. Mit 
Recht weist Wechselmann darauf hin, dass die kleinen, durch 
Diapedese hervorgerufenen Blutungen den Tod, der so überaus 
schnell eintritt, nicht erklären, und stellt Aufschlüsse auf Grund 
nearohistopathologischer Untersuchen in Aussicht. 

Die tödlichen Hirnerscheinungen traten in unserm Falle nach 
der dritten Einspritzung von Neosalvarsan ein. Die Dosierungen 
waren geringe und die Zeitintervalle entsprachen durchaus dem 
üblichen Vorgehen. Innerhalb 11 Tagen wurde 0,9 Neosalvarsan 
gegeben und zwar am 1. Tag 0,16, am 4. Tag 0,8, am 11. Tag 
0,45 vor, zwischen und noch einmal nach den Neosalvarsan- 
einspritzungen wurde 7 mal 0,05 Hg. sal. verabfolgt. Andere am 
gleichen Tage mit Neosalvarsan Eingespritzte zeigten gar nichts 
Abnormes. Wir wissen allerdings heute, dass die Enzephalitis¬ 
fälle nach grösseren Dosen erheblich mehr Vorkommen (Mei- 
rowsky und Kretzmer), aber auch die kleinen Dosen vermögen 
nicht immer den schlimmen Ausgang zu verhindern. Stern sah 
tödliche Hirnschwellung nach einer zweiten Injektion von 0,8 
Salvarsan intravenös, nach dem die erste ebenso grosse Infusion 
vier Wochen vorher gegeben war, zwischendurch batte Schmierkur 
stattgefunden. In Wechselmann’s Fall war sogar schon nach der 
Einführung von 0,2 Salvarsan — sechs Tage vorher war 0,1 ein¬ 
gespritzt — der Exitus eingetreten. 

So sehen wir, dass der unglückliche Ausgang in tödliche 
Hirnschwellung durch niedrige Dosierung sicher nicht ganz aus- 
zuschalten sein wird. Immerhin mahnt die zweifellose Fest¬ 
stellung, dass nach grösseren Dosen häufiger der verderbliche 
Verlauf beobachtet worden ist, dazu von grossen Dosen Abstand 
tu nehmen, um so mehr, da in gar keiner Weise bewiesen er¬ 
scheint, dass wir bei intravenöser Einverleibung durch grosse 
Dosen mehr erreichen. Gerade in den Mitteilungen der Kriegszeit 
finden wir wieder oft verhältnismässig grosse Dosen angewendet, 
nachdem eigentlich vor den Kriegsjahren schon ein allgemeineres 
Einsehwenkeo auf die niedrigeren Dosierungen zu bemerken war. 


Das Vorkommen der bekannten schweren Ikterusfälle führte su 
einer militärischen Verordnung für die Lazarette, die Höhe der 
Dosen einsuschränken. Wir wissen heute, dass speziell die Ikterus- 
erkrankungen kaum sich auf die höheren Dosierungen beziehen lassen 
(Pulvermacher u. a.), wohl aber müssen wir für das Zustande¬ 
kommen der Enzephalitis, ebenso wie für die Salvarsandermatitis, 
die Dosierung als nicht gleichgültig ansehen. 

Ausser der Einzeldosis kommt es aber natürlich auch auf 
die Intervalle zwischen den einzelnen Injektionen sehr an. Wir 
wissen, dass die Ausscheidung der Salvarsanpräparate nach intra¬ 
venöser Einverleibung nicht immer so schnell vollendet ist, wie 
man anfangs annahm, sondern dass auch nach Wochen und Mo¬ 
naten noch Spuren von Arsen nachweisbar sein können. Bei zu 
kurzen Intervallen müssen wir also mit einer Summation der an 
sich vielleicht gar nicht grossen Einzeldosen rechnen, wodurch 
dann bei dem überempfindlichen Individuum die abnorm tief¬ 
gerückte Grenze der Verträglichkeit überschritten wird. 

Stühmer verlangt auf Grund seiner experimentellen Arbeiten ein 
Intervall von 10 Tagen zwischen erster und zweiter Salvarsaneinspritzung. 
Vom 2. bis 8. Tage an bilde sioh durch das eingeführte Salvarsan im 
Blut ein synthetisches Produkt, ein hoohzusammengesetzter Eiweiss¬ 
körper, der ein Salvarsanoxyd leioht abspaltbar enthält Diese Kuppe¬ 
lung halte im normalen Körper fest zusammen und wirke für gewöhn¬ 
lich entgiftend. Ein solcher im Blut gebildeter Eiweisskörper sei bis 
zum 7. Tage naoh der Salvarsaninjektion nachweisbar (Trypanosomen- 
versuoh). Es sei nun denkbar, dass Menschen gelegentlich diesem kom¬ 
binierten Körper dem „Oxydtoxin“ gegenüber überempfindlich sind oder 
dass das in ihm enthaltene Oxyd zu schädlicher Wirkung frei werde. 
Wenn man nun am 6. bis 7. Tage erneut Salvarsan injiziert, so 
komme man eventuell gerade in die in Entwicklung begriffene Ueber- 
empfindliohkeitsreaktion hinein und verstärke sie unheilvoll. Deshalb 
müsse man ein Probeintervall ven 10 Tagen abwarten zwischen der ersten 
und zweiten Injektion. Durch diese Analogisierung des Vorganges bei 
der Salvarsanintoxikation mit der Serumkrankheit und den daraus zu 
ziehenden therapeutischen Schlussfolgerungen hofft St die überempfind¬ 
lichen Individuen vor weiterer Schädigung zu bewahren. 

Dem stehen nun freilich die Fälle gegenüber, wo der Hirntod ein¬ 
getreten ist, obgleioh die 1. und 2. Injektion duroh längere Frist als 
10 Tage getrennt waren (Fälle von Fisoher, Hammer, KannengieBser, 
Stern u. a., in Stern’s Fall wurden nur 2 Dosen von 0,8 Altsalvarsan 
mit einem Zwischenraum von 4 Wochen gegeben, Exitus 2 Tage nach 
der 2. Infusion). 

Also absolut vermeidbar, wie Stühmer meint, werden die 
Fälle von Enzephalitis auch nicht sein durch Einhalten des Inter¬ 
valls von 10 Tagen. Wenn auch vielleicht manober Fall durch 
Innehalten des Probeintervalls gesicherter sein mag, so liegt hierin 
doch noch nicht des Rätsels Lösung. 

Aber sicher sind wir, alles in allem genommen, geschützter 
vor schlimmem Ausgang, wenn wir kleine Dosen in grösseren 
Zwischenräumen verwenden. Diesem Prinzip steht praktisch die 
dabei erforderliche lange Ausdehnung der Kur gegenüber, die gar 
nicht immer durchführbar ist, namentlich nicht bei klinischer 
Behandlung. Wir sind da in einem Dilemma, das nicht ganz ge¬ 
löst werden kann. Durch zu frühes Abbrechen der Kur kommen 
wieder die Neurorezidive zustande, eine unvollkommene Salvarsan- 
behandlung schränkt die allgemeine syphilitische Durchseuchung 
ein; nur die vom Blutstrom aus leicht zu erreichenden Spiro¬ 
chäten werden abgetötet, dort aber, wo sie schwerer zu fassen 
sind, in den Gefässwandüngen und im Gehirn, bekommen sie 
einen um so intensiveren Wachstumstrieb, weil durch den Rück¬ 
gang der allgemeinen Durchseuchung ja auch vom Körper weniger 
Abwehrstoffe gebildet werden (Gennerich). 

Auch ich habe trotz Kombination mit einer möglichst wirk¬ 
samen Hg.-Kur im vorigen Jahre allein in der Privatpraxis kurz 
hintereinander vier Fälle von Neurorezidiven, darunter drei 
schwere, wieder erlebt. 

Sie traten sämtlich naoh der Behandlung sekundärer Syphilis (Exan¬ 
theme) auf. Naoh 0,9 Neosalvarsan -f- etwa 1,2 Hg. sal. zeigte sioh 
Abduzenslähmung, Vestibularerkrankung, spezifischer Prozess an den 
Häuten des Halsmarkes (Prof. Cassirer), naoh 1,7—1,8 Neosalvarsan -f- 
voller Schmierkur schwere Neuroretinitis speoifioa (Fehr), Schwindel, 
Kopfsohmerz, naoh 1,8—1,9 -f- 1,0 Hg. sal. Augenmuskellähmung, 
Sohwindel und Kopfschmerzen, naoh 2,25 Neosalvarsan + 0,8 Hg. sal. 
sehr schwere Kopfschmerzen. 

In allen diesen Fällen, mit Ausnahme des letzten, konnte aus äusseren 
Gründen nioht so viel Salvarsan gegeben werden, wie beabsiohtigt war. 
Besonders klein, nämlich 0.9, ist die Dosis allerdings nur im ersten Fall, 
im zweiten und dritten Fall bleibt sie nur wenig hinter der gewöbnlioh 
von mir gegebenen Gesamtdosis von 2 1 /* bis 2 1 /* g Neosalvarsan zurück. 

Immerhin, die Neurorezidive sind doch meist duroh Queck¬ 
silber oder kombinierte Behandlung heilbar. Jedenfalls sind sie 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


gegenüber der tödlichen Intoxikation das kleinere Uebel, er¬ 
forderlich ist nnr, dass sich der Patient, sobald die Erscheinungen 
eines Nenroresidivs auftreten, sofort in ftrstliche Behandlung 
begibt. 

Aus diesen Gründen rate ich doch auf jeden Fall zu kleiner 
Dosierung, wird Neosalvarsan verwendet, meist nicht über 0,45, 
höchstens 0,6, und zu Intervallen von 10 Tagen zwischen erster 
und zweiter und von 7—10 Tagen zwischen den späteren Ein¬ 
spritzungen. Als Gesamtkur 2—3, eventuell auch 4 g Neosalvarsan 
in kombinierter Verwendung mit Quecksilber. Wo ausführbar, rate 
ich nach unseren Erfahrungen mit Silbersalvarsan zu einer Kur 
möglichst mit diesem Präparat. Ich habe mich, entsprechend diesen 
Prinzipien, auch noch nicht zu Abortivkuren mit grosseren Dosen 
in Intervallen von nur wenig Tagen entschlossen können (nach 
F. Lesser dreimalige Einspritzung von 0,4 Altsalvarsan innerhalb 
einer Woche). Wohl aber möchte ich für die Fälle, wo man 
ohnehin in wiederholten Kurven Vorgehen will, also in 
erster Linie bei Kranken, die erst im Sekundärstadium 
zur Behandlung kommen, und die wir doch meist, wie 
früher, noch intermittierend zu behandeln pflegen, eine 
recht lange Ausdehnung der Behandlung anraten. Wir 
wissen heute, dass wir recht grosse Gesamtdosen von Salvarsan 
geben können, wenn nur die Einzeldosis klein ist und die Zwischen¬ 
räume gross genug sind. Wir haben kaum Schädigungen kennen 
gelernt von Gaben, die sich auf beträchtliche Grammmengen, über 
viele Monate oder Jahresfrist gegeben, erstrecken. Da wir an¬ 
nehmen, dass die Rezidive auf der Auskeimung liegengebliebener 
Spirochäten beruhen, so ist die Konsequenz, dass wir versuchen, 
den Körper möglichst dauernd unter dem Einfluss von antisypbi- 
ütiseher; Mitteln zu halten. Nach allgemeinen Erfahrungen be¬ 
kommen wir bei Fällen, die mit frischsekundären Erscheinungen 
in unsere Behandlung getreten sind, trotz sorgfältiger kombinierter 
Kur mit Quecksilber und Salvarsan — über die Dauererfolge bei 
Silbersalvarsanbehandlung können wir uns noch nicht aus¬ 
sprechen — recht häufig einige Monate nach Abschluss der ersten 
Kur Rezidive, zum mindesten im zunächst schon negativ ge¬ 
wordenen Blutserum. Diese Fälle bedürfen also wiederholter 
Kuren. Geben wir nun in Abständen von 3—4 Wochen zwischen 
zwei Hauptkuren erneut immer wieder eine Neosalvarsaneinspritzung 
von etwa 0,45, so gelingt es eher, die Wassermann’sche Reaktion 
negativ zu erhalten. Praktisch ist diese permanente Kur 
ganz gut durchzuführen. Man wird bei Gebrauch von Neosalvarsan 
dafür sorgen, dass die Salvarsandarreichung nach einer gewissen 
Zeit, z. B. nach 3—4 Monaten für etwa 8—10 Wochen durch 
die Verwendung von Quecksilber unterbrochen wird, oder man 
wird gerade mit besonderem Vorteil Silbersalvarsankuren ohne 
Quecksilber, wo sie durchführbar sind, anwenden, und wird 
zwischen zwei dieser Kuren Quecksilberbehandlung mit etwas 
auseinandergezogenen Einspritzungen unlöslicher Hg-Salze vor¬ 
nehmen. Jedenfalls hat man es in der Hand, die zu lang¬ 
dauernde Verabreichung eines Mittels hintereinander durch die 
Möglichkeit des Gebrauches unserer beiden zur Verfügung 
stehenden Medikamente zu vermeiden. Diese permanente Kur, 
wie sie auch seinerzeit von Neisser, Duhot u. a. empfohlen 
wurde, gestattet sicherlich auch eine Abkürzung der Gesamt¬ 
behandlungsdauer der ursprünglich seropositfven frischen 
Syphilis, und der Patient wird namentlich die fortgesetzte Sal- 
varsanbehandlung sehr gut vertragen. 

Die Abortivbehandlung bei Primäraffekt vor Aoftreten der 
Sekundärerscheinungen werden wir entweder nur mit einer gut 
dutchgeführten 6—8wöchigen Silbersalvarsan- bzw. kombinierter 
Hg-Neosalvarsankur leiten, oder wer denkt, vorsichtiger ver¬ 
fahren zu müssen, wird auch in diesen Fällen, ganz besonders 
bei schon seropositivem Primäraffekt, auch eine permanente 
wechselnde Kur über etwa 4—5 Monate binziehen; ich selbst 
bin mehr für letzteres Verfahren. Wann bei frisch sekundärer 
Lues mit einer solchen permanenten Kur aufgebört werden soll 
— etwa nach Jahresfrist, wenn drei Hauptkuren mit ein¬ 
gefügter Zwischenbehandlung nach dem oben geschilderten Prinzip 
ausgeführt sind — das wird von der Schwere der vorangegangenen 
Erscheinungen, vom Verlauf und dem Befund, der, wenn irgend 
möglich, anch durch eine Liquorkontrolle abgeschlossen werden 
soll, abhängen. Dass immer weitere sorgfältige Beobachtung der 
Kranken durch Jahre hindurch unbedingt erforderlich ist, speziell 
wegen der bekannten Nacbkrankheiten, ist selbsverständlich. Es 
sei übrigens darauf hingewiesen, dass auch bei den letzteren, 
den Späterkrankungen, gerade in jüngster Zeit von Schott¬ 


müller 1 ) eine ähnliche permanente Kur, wie wir sie, hier für die 
frischen Luesfälle empfehlen, angeraten worden ist, ein Kranker 
Schottmül ler’s mit Aortenaneurysma hat dabei in der Zeit 
von 16 Monaten nicht weniger als 17 g Neosalvarsan erhalten 
und vertragen. 


BQcherbespreohungen. 

E. Seifert- Würzburg: Blattraasfisisi. Würzburger Abhandlungen, Bd. 18, 
Et. 8 u. 4. Leipzig und Würzburg 1919. Verlag von Kabitzsoh. 108 S. 
Preis 2,40 M. 

Bei der grossen praktischen Bedeutung, welche die Bluttransfusion 
gewonnen hat, ist es mit Freude zu begrüssen, dass Verf. in diesem 
kleinen Heft alles theoretisch und praktisch Wichtige über diese Methode 
zusammengestellt hat Für solche Leser, die sioh für Einselfragen inter¬ 
essieren, ist ein Literaturverzeichnis angefügt. 


V.Blleriiani-Kopenhagen: Die übertragbare Hübaerleakose (Leukämie, 
PseadoleiklBie, AliBie a. a.). Mit Beiträgen zur normalen Hämato¬ 
logie der Hühner. Mit 4 Tabellen und 18 Textabbildungen. Berlin 1918, 
Verlag von Julius Springer. 82 S. Preis 4 M. 

Ellermann, der vor einigen Jahren gemeinsam mit Bang die 
fundamental wichtige Tatsaohe entdeckte, dass es bei Hühnern eine 
Leukämie gibt, die nicht nur übertragbar, sondern auch mit zellfreien 
Organfiltraten anderen Hühnern eingeimpft werden kann, gibt jetzt eine 
monographische Darstellung seiner für die vergleichende Pathologie so 
wertvollen Arbeiten über diese Frage. Nach einleitenden Kapiteln über 
die Geschichte der Leukämiefrage, das Blot und die Blutbildungsorgane 
normaler Hühner gibt er eine ausführliche Schilderung seiner Ueber- 
tragungsversuohe. Dann folgt eine Schilderung der histologischen Organ- 
vefänderungen, durch instruktive Abbildungen erläutert, und danaoh 
eine Beschreibung der klinischen Typen. Es gibt eine lymphatiaohe 
und eine myeloische Hühnerleukose sowie eine anämische Leukose, die 
mit der menschlichen Leukanämie Parallelen zeigt. Einmal sah er auch 
eine Myeloblastenleukämie. Alle diese 3 Typen können innerhalb des¬ 
selben experimentellen Stammes auftreten, sind aber vom gleichen Virus 
verursacht. E. vermutet, dass auch die Menschenlenkämie eine durch 
ein filtrier bares Virus verursachte Krankheit darstellt. Zweifellos wird 
diese monographische Darstellung der so verdienstvollen E.’schen Unter¬ 
suchungen auch auf das Studium der menschlichen Leukämie, besonders 
in ätiologischer Riohtung, anregend und befruchtend wirken. 

H. Hirsohfeld. 


Benftwahl tud Berufsberatung. Eine Einführung in die Praxis von 
Dr. med. Martha Ulrich, Dr. Curt Piorkowski, Otto Nenke, 
Georg Wolff, Dr. Ernst Bernhard, eingeleitet von Dr. Alfred 
Kühne. Berlin 1919, Trowitzsoh & Sohn. Preis 6,50 M. 

Die Verff. haben versuoht, in 5 Abschnitten den Aufgaben der Be¬ 
rufsberatung vom Standpunkt des Arztes, des Psychologen, des wirt¬ 
schaftlichen Sachverständigen, des Lehrers und des Organisators gerecht 
zu werden. Ihre Absicht war, nicht etwa einen Berufsratgeber dar¬ 
zustellen, der Eltern oder Jugendlichen spezielle Auskunft in Fragen 
der Berufswahl geben soll, vielmehr wollten sie auf die zuständigen 
Fachleute und die von Sachkennern geleiteten Berufsberatungsstellen 
hinweisen. Nur diese allein sind imstande, im Einzelfall Rat und Aus¬ 
kunft zu erteilen. 

Diese Aufgaben haben die Verff. restlos erfüllt, sie haben sogar 
noch mehr geboten. Besonderes Interesse verdienen neben den ärzt¬ 
lichen Darlegungen die Feststellungen des Psychologen. Gerade der 
ärztliche Berater, der Schularzt, empfängt von diesem Abschnitt reiche 
Anregung. Besonders hervorgehoben sei das Kapitel über die Gliederung 
der Berufe in Gruppen entsprechend ihren psychischen Verschieden¬ 
heiten, ebenso das Kapitel über die Methoden zur Erkenntnis der Berufs¬ 
eignung. 

An der Hand reichen Materials und in klarer, anschaulicher Form 
wird der Leser in die Verhältnisse in Handwerk und Industrie, Handel 
und Landwirtschaft eingeführt. Man möchte wünschen, dass insbesondere 
die Ausführungen über die Lage der ungelernten Arbeiter in den Ober¬ 
klassen der Volksschulen bekannt würden. 

Die Mitwirkung der Schule bei der Berufsberatung beruht auf der 
Beobachtung und auf der Beurteilung dieser Beobachtungen. Wat der 
Verf. hier über die mangelhafte Registrierung der Beobachtungen des 
Lehrers schreibt, deckt sioh vollständig mit den Erfahrungen der Schul¬ 
ärzte. Notwendig ist im Interesse der Schule und des Schülers der 
Personalbogen, der den Schüler durch die ganze Schulzeit begleitet 
Vielleicht wäre nooh ein Hinweis darauf erwünscht oder nötig gewesen, 
dass die eingehende Beobachtung des Schülers dem Lehrer in der Gross¬ 
stadt nur dann ermöglicht wird, wenn er für den einzelnen Schüler eine 
genügend lange Zeit aufwenden kann, wenn also die Herabsetzung der 
Schülerzahl in den einzelnen Klassen und das Verbleiben des gleichen 
Lehrers von der 6. Klasse bis zur 8. Klasse durohgeführt wird. 


1) Med. Kl., 1919, Nr. 7. Vergl. dazu auch die sehr interessanten 
Diskussionsbemerkungen von Gennerich, Nonne, Deneke, Del- 
banoo u. a., mitgeteilt Derm. Wsohr., 1919, Nr. 28 u. 24. 


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6. Oktober 1010. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


061 


Im Sohlusskapitel über die Organisation und die Tätigkeit der 
Berufsberatungsstellen werden wertvolle Winke über die Organisation 
der Beratungsstellen naoh ihrer extensiven und intensiven Seite gegeben 
und die bisherigen Ergebnisse der Beratungsstellen besprochen. 

Das Buoh ist jedem, der sich über die Frage der Berufsberatung 
unterrichten will oder muss, also insbesondere auch den Aersten, warm 
su empfehlen. Gastpar-Stuttgart. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

Grob er-Jena: Untersuchungen über die BlitiiflftMensetsug im 
Wlstenklima. (M.m.W., 1919, Nr. 87.) Die Untersuchungen wurden 
in Belad el Djerid im Norden Afrikas an Eingeborenen angestellt. Es 
ergab sich, dass die Zahl für die Erythrozyten höher ist als bei uns, 
ebenso seigt das Hämoglobin eine geringe Erhöhung. Dagegen seigte 
das Blut bezüglich spezifischen Gewiohts, Refraktometerwert,. Eiweiss¬ 
gehalt und Trockensubstanz dieselben Werte wie bei uns. Also auoh 
im Wüstenklima hält das Blut seine regelrechte Zusammensetzung fest, 
und es kommt keinesfalls su einer Abgabe von harnfähigen Substanzen 
aus dem Blut, etwa auf dem Wege über die Sohweissdrüsen. Somit 
besteht diese Indikation, aus der früher Nierenkranke in das Wüsten¬ 
klima gesohiokt wurden, nicht zu Recht. R. Neu mann. 


Therapie. 

Th. Rosenthal - Charlottenburg: Die Behandlung der Farink fl¬ 
iese Bit Opsonogen. (Ther. d. Gegenw., Aug. 1919.) Behandlung der 
Furunkulose mit Opsonogen, das aus mehreren Staphylokokken¬ 
stämmen hergestellt und von der Obern. Fabrik in Güstrow in den 
Handel gebracht wird. Günstige Erfolge, mitunter traten stärkere Tem¬ 
peratursteigerungen auf, die bald wieder abklangen. Die Paokung ent¬ 
halt dosierte Ampullen von 100 Mill., 250, 500, 750 und 1000 Mill. 
abgetöteter Staphylokokken in 1 ccm. Die erste subkutane Iojektion 
mit 7s ccm = 50 Mill., am zweiten Tage wieder 7s com, dann mit 
8—4—5 tägigen Zwischenpausen bis zum Verbrauch der 10 Ampullen. 

R. Fabian. 

B. Ulrich - Finsterwalde: Kauterisation der Karbunkel, insbe¬ 
sondere der Milcbrandkarbunkel. (D.m.W., 1919, Nr. 34.) U. empfiehlt 
rücksichtsloses Eautorisieren. Diese Brennstiche an der Grenze des 
Karbunkels im Gesunden angelegt, umkreisen in weiterem Abstand den 
Eiterherd; dazwischen zahlreiche oberflächliche Kauterpunkte, bis ein 
anämischer Kreis zustandekommt. Lymphstränge werden tief in der 
Längsrichtung kauterisiert. 

Meye-Kiel: Zur Chemotherapie der Taberkalese der oberen 
Luftwege mit Kryaalgan. (D.m.W., 1919, Nr. 35.) Krysalgan ist ein 
Spezifikum gegen die Tuberkulose. Es eignet sich besonders für die Be¬ 
handlung von Tuberkulosen der Nasen-, Raohen- und Mundschleimhaut 
und des Kehlkopfs. Auoh werden geeignete Fälle von Lungentuber¬ 
kulose günstig beeinflusst. Gesteigert wird seine Wirkung bei gleich¬ 
seitiger Anwendung strahlender Energie und Tuberkulin. Geringe Neben¬ 
erscheinung, keine Nierensohädiguag. 

A. Lippmann und G. Samson - Hamburg: Zur Therapie der 

Grippeempyeme mit Bülau’seher Heberdrainage. (D.m.W., 1919, Nr. 37.) 
Die Bülau’sche Heberdrainage eignet sich vorzüglioh zur Behandlung der 
Grippeempyemej besonders der frischen Formen mit grossem, dünn¬ 
flüssigem Exsudat, bei denen die überaus schonende Methode vielfach 
lebensrettend wirkt. Die Rippenresektion ist für frische Grippeempyeme 
ungeeignet. Tritt naoh dreiwöchentlicher Anwendung des Bülau keine 
Besserung ein, so soll operiert werden. Dünner. 

G. Klemperer und L. Dünner: Krankheiten des Verdauungs- 
apparatM. (Ther. d. Gegenw., August 1919.) Repetitorium der Therapie. 

, R. Fabian. 

K. Taege- Freiburg i. Br.: Zu dei Mitteilung über abortive Cheme- 
tkerapie akiter Ophthalmoblennorrhoen von Ssily und Stransky. 
(M.m.W., 1919, Nr. 87.) Einspritzungen der von obigen Verff. angege¬ 
benen Lösung von Natr. ohiorat. 30, Kalo, ohlor. 1,0, Aq 100 in die 
Muskulatur machte sehr schmerzhafte Abszesse, weshalb von weiteren 
Versuchen abzuraten ist. R. Neu mann. 

B. Stein - Zagreb: Zur Vakliietkerapie des Bauehtyphus, mit dia¬ 
gnostischen Bemerkungen. (W.kl.W., 1919, Nr. 36.) Die Behandlung 
des Typhus mit subkutanen Injektionen von sensibilisierter Vakzine 
nach Besredka kürzt Krankheitsdauer und Rekonvaleszenz ab; es ge¬ 
nügen meist 4 Injektionen 0,5—1 com. — Bei 20 Typhusfällen zeitigte 
die intramuskuläre Verwendung von Kolivakzine keinen Misserfolg. 

Glaserfeld. 

G. Joerdens: Beitrag zur Therapie des Sehwarnwasserfiebers. 
(Ther. d. Gegenw., Aug. 1919.) Es wurde ein Fall mit der von Matko 
angegebenen Methode (Injektion von Dinatriumphosphat und hyper¬ 
tonischer Kochsalzlösung) behandelt. Zurüokgehen des Eiweiss- und 
Hämoglobingehaltes nach den beiden ersten Infusionen, Besserung des 
Allgemeinbefindens. Heilung. R. Fabian. 

F. Kauert-Barmbeok: Ueber Preteinkdrpertherapie bei Adnex- 
erkfaukuagen. (M.m.W., 1919, Nr. 86.) Versuohe mit frischer Milch 


wie mit Milchpräparaten (Aolan, Ophthalmosan) bei Entzündungen der 
weiblichen Adnexe ergaben keinen wesentlichen Heilerfolg. Da ausser¬ 
dem, besonders bei Injektionen frischer Milch, noch zahlreiche un¬ 
angenehme Nebenwirkungen wie Fieber, Schmerzen usw. auftreten, wird 
diese Behandlung abgelehnt. R. Neu mann. 

0. VÖgeli - Basel: Ein Vorschlag zur Transfusion entgifteten 
Bigenblntes. (Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 2$,) Um bei Vergiftungen 
möglichst grosse Mengen Blut in relativ kurzer Zeit zu behandeln, 
empfiehlt Verf. naoh Venaeseotio der ersten Blutmenge, mittels Auto¬ 
transfusion. durch elastische Umwicklung der unteren Extremitäten dem 
Körper erst wieder Blut zuzuführen. Später lässt man duroh die eine 
Armvene das duroh Kohle filtrierte, entgiftete Blut einlaufen, aus der 
anderen das nooh giftbeladene ablaufen. Diese Prozedur wird mehrmals 
wiederholt bis zu ausreichender Wirkung. R. Fabian. 


Parasltenkunde und Serologie. 

G. Weil-Breslau: Experimentelle Untersuchungen über die Be- 
dentung der Gewebsquetschung für die Pathologie und Therapie des 
Gasbrandes. (M.m.W., 1919, Nr. 37.) Die Versuche wurden an Kaninohen 
und Meerschweinchen einerseits mit den Bazillen des malignen Oedems 
und Höchstserum sowie v. Wassermann-Fickerserum, andererseits mit 
einem Fraenkelstamm und Höchstserum angestellt. Sie ergaben folgendes: 

1. Kulturmengen der beiden untersuchten Erreger des Gasbrandes, die 
im gesunden Gewebe der Versuchstiere ohne weiteres überwunden werden, 
wirken tödlioh, wenn sie in die gequetschte Muskulatur gebracht werden. 

2. Das pathologisch-anatomische Bild der Fraenkelinfektion zeigt am 

Tier kaum Unterschiede im gequetschten oder un ge quetschten Gewebe. 
Dagegen ruft der Bazillus des malignen Oedems im ungequetschten Ge¬ 
webe hämorrhagisches Oedem hervor, während ee im gequetschten Ge¬ 
webe zu Gasbildung kommt. 3. Die Gasbrandsera üben, wenn die Gas¬ 
branderreger in geschädigtem Gewebe zur Entwicklung kommen, mini¬ 
male oder überhaupt keine Schutzwirkung aus. Für die Praxis ergibt 
sich daraus die Notwendigkeit chirurgischer Maassnahmen neben der 
Serumtherapie. R. Neumann. 

R. Dörr und A. Schnabel: Experimentelle Untersuchungen über 
Imfektioi ud iBBiiität bei Fleekfleber. 3. Mitteilung. (W.kl.W., 
1919, Nr. 36.) Auf Grund der verschiedenen Untersuohungsergebnisse 
bestehen ernste Zweifel, ob es möglich sein wird, durch die Immuni¬ 
sierung mit abgetöteten Fleckfiebererregern eine Widerstandsfähigkeit 
gegen die Fleokfieberinfektion zu erzeugen, welche der durch Ueberstehen 
der Krankheit erworbenen gleichkommt. Glaserfeld. 

E. F r ä n k e 1 - Heidelberg: Untersuchungen mit der Flockungsreaktion 
■ach Sachs-Georg!. (D.m.W., 1919, Nr. 37.) Paralleluntersuohungen 
mit Wassermann zeigen die Brauchbarkeit der Methode, die noch den 
Vorteil hat, dass man weder Hammelblut noch Meersohweinchenserum 
benötigt. Dünner. 

E. Frankel-Heidelberg: Beiträge zur Theorie tob SerBBreaktionea 
bei Lues ud KaninoB. (M.m.W., 1919, Nr. 37.) Aus dem Verlauf 
der Reaktion bei der Komplementbindung nach Wassermann und bei 
der Flockungsreaktion nach Saohs-Georgi geht hervor, dass im 
luetisohen Serum besondere durch veränderte chemische Zusammensetzung 
bedingte physikalische Umgruppierungen stattgefunden haben, wodurch 
es unter bestimmten Verhältnissen leiohter zu einer Ausflockung der 
Lipoide und Globuline im Serum und Extrakt kommt als bei anderen 
Seris. Ferner ergaben die Untersuchungen über alkoholische Organ¬ 
extrakte bei Lues und Tumorreaktionen, dass für die Wirksamkeit der 
Extrakte bei den Luesreaktionen lediglich ihr Gehalt an bestimmten 
Lipoiden, Seifen usw. maassgebend ist, nicht aber die Gewebe, aus 
denen sie bereitet werden. Denn auoh Tumorextrakte erwiesen sich als 
gutes Reagens für luetisohe Sera. R. Neumann. 


Innere Medizin. 

K. Dresel-Berlin: Die Blutdruekveräuderung nach Adrenalin- 
Injektionen als Gradmesser für den Tonus in antonoaen and sympathi¬ 
schen Nervensystem. (D.m.W., 1919, Nr. 35.) Durch die Injektion von 
1 com Suprareninlösung 1 : 1000 und anschliessende Blutdruckmessung 
nach 5, 10, 15 u. s. f. Minuten lässt sich ein klares Bild gewinnen über 
den Tonus im vegetativen Nervensystem. Der Beginn der Kurve der 
Blutdruokveränderungen nach Adrenalininjektionen beim Normalen ist 
annähernd parabolisch, der beim Vagotoniker S-förmig oder in den 
schweren Fällen sogar zunächst negativ, der des Sympathikotonikers 
schnell und steil ansteigend und ebenso abfallend. 

J. Volk man n-Braunsohweig: Zpr Technik der intrakardialen In¬ 
jektion. (D.m.W., 1919, Nr. 35.) Angabe der von ihm angewandten 
Technik. 

G. Joerdens-Dresden: Ueber Spontanpnenmothorax. (D.m.W., 
1919, Nr. 85.) Mitteilung eines Falles, für den J. ätiologisch Tuber¬ 
kulose ablehnt, da der Betreffende u. a. alle Kriegsstrapazen ohne Schä¬ 
digung ertragen hat. Vielleicht ist der Pneumothorax Folge einer ge¬ 
platzten Empbysembla8e. 

H. Bergmann-Stettin: Für die Puenatotkoraxbehandlang der 
Lungenabsxesse. (D.m.W., 1919, Nr. 35.) B. tritt Brüning (D.m.W., 
1919, Nr. 27) gegenüber, der für ohirurgisohe Behandlung eingetreten 
war, nochmals für die Pneumothoraxbehandlung der Lungenabszesse ein. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


J. Neumann-Hamburg: Zur Frage der Relaxatio (Rventratio) 
diaphragmatiea. (Djn.W., 1919, Nr. 33 u. 34.) Es ist anzunehmen, 
dass die Relajatio diapbragmatioa auf dem Wege über die Zwerchfell- 
lähmung durch eine dauernde Sohädigung des N. pbrenicus entsteht. 
Eine traumatische Entstehung der Relaiatio diapbragmatioa ist über dem 
Wege der PhreniknsTerletiung möglich. Die Relaxatio diapbragmatioa 
kann in jedem Alter entstehen; die angeborene Anomalie ist von ge¬ 
ringer Bedeutung. 

N. Wel wart -Wien: Zur frühzeitigen Erkennung der gewerblichen 
Bleivergiftung mit Hilfe der Blitutersnekong. (D.m.W., 1919, Nr. 34.) 
W. fand im Stuhle eines Tisohlers, der mit Blei in Berührung kam, 
Blei. W. regt weitere Nachprüfung in entsprechenden Fällen an. 

t. Redwitz-Heidelberg: Ueber Obstipation bei Uleas ventrieiÜ. 
(D.m.W., 1919, Nr. 34.) Yerf. konnte feststellen, dass die Obstipation 
mit der Entfernung des Ulkus durch Operation verschwand und sich 
mit dem Auftreten eines Ulkusrezidivs wieder prompt einstellte. Dabei 
bestand keine Gesetzmässigkeit zwischen Säurebefund und Obstipation. 
R. nimmt an, dass die Obstipation eine Begleiterscheinung des Ulcus 
ventriouli ist. 

Hagen - Cuxhaven: Paratyphis B ud Galleahlaseientstadiig. 

(D.m.W., 1919, Nr. 35.) H. glaubt, dass in dem mitgeteilten Falle es 
sioh um eine durch Paratyphus B hervorgerufene Erkrankung der Gallen¬ 
blase handelt. Der Patient schied andauernd Bazillen aus, ohne dass 
klinisch Darmersoheinungen bestanden. 

G. Wagner-Kiel: Einige seltenere holmiathologisehe Befände im 

Kriege. (D.m.W., 1919, Nr. 34.) Nach einem Vortrag in der medizini¬ 
schen Gesellschaft in Kiel am 13. März 1919. Siehe Gesellsohaftsberioht 
der B.kl.W., 1919, Nr. 34. Dünner. 

Th. Brugsoh: Wesen und Behandlung des Diabetes Melittas. 
(Ther. d. Gegenw., Aug. 1919.) Verf. sieht in dem Diabetes eine Er¬ 
krankungsform des gesamten Kohlehydratsystems. Er unterscheidet: 
die reinen Insulardiabetesfälle mit geringer Harnmenge und mässiger 
Zuckerbildung aus Eiweiss, wozu die meisten Arteriosklerosislälle ge¬ 
hören; 2. den eohten Pankreasdiabetes (Sklerose der Drüse -f- Insular¬ 
atrophie und Degeneration); 3. die Fälle mit hypophysärem Charakter, 
die Beziehungen zu Prozessen an der Hirnbasis und eine abundante 
Polyurie aufweisen. Was die Therapie betrifft, so ist darauf zu achten, 
dass die Nahrungsmenge gerade ausreichend bemessen wird und die 
Eiweissmenge sioh wenig über dem Eiweissminimum hält. Die Ka¬ 
lorienmenge beträgt pro Kilogramm Körpergewicht 30, also bei einem 
Durchschnittsgewicht von 70 kg = 2100 Kalorien, bei Individuen 
von 60 kg 28—30 Kalorien, wenn das Individuum auf das Eiweiss- 
tninimum gesetzt wird. Als Eiweissminimum werden für animali¬ 
sches Eiweiss Fleisch, Eier, Miloheiweiss und für Kartoffel- und Reis- 
eiweiss 30 g, für Broteiweiss (Kleber) 50—60 g, für Gemüseeiweiss (Kohl¬ 
arten) 60—70 g gerechnet. Die leiohten und mittelschweren Fälle lassen 
sich bei einer derartigen Kosteinstellung leicht entzückern, auch bei den 
sohwer Diabeteskranken kann die Glykosurie auf ein Minimum herab- 
gedrüokt werden. Bei den schweren Fällen ist nach Möglichkeit eine 
Unterernährung zu vermeiden; es empfiehlt sich hier eher Kohlehydrate 
als Eiweiss zuzulegen. R. Fabian. 

H. Salomon-Wien: Weitere Erfahrungen über Diabetes innoeeis. 

(W.kl.W., 1919, Nr. 35.) Der wiohtigste Typus des innozenten renalen 
Diabetes ist die kontinuierliche Ausscheidung weniger Zehntelprozent 
Zuoker, welohe bei grösstem Wechsel im Kohlehydratgehalt der Kost 
eine nur geringe Schwankungsbreite zeigt; die wenigen Zehntelprozent 
sind durch die schärfste Diät nicht zu entfernen. Nüchternblutsuoker 
ist normal, selten erhöht. Alimentäre Hyperglykämie fehlt in der Regel; 
ihr Fehlen ist der sicherste Gegenbeweis gegen das Bestehen von ge¬ 
wöhnlichem Diabetes. Es gibt auch einen Typus des Diabetes innoeens, 
bei dem bei geringerer Kohlehydratzufuhr kein Zuoker ausgeschieden 
wird und daher eine Toleranzgrenze vorhanden ist. Eine seltene Er¬ 
scheinungsform des Diabetes innoeens geht mit hoher prozentualer 
Zuckeraussoheidung und entsprechend grösseren Tagesausscheidungen 
von Zucker einher; diese Fälle kann man vom eohten Diabetes nur da¬ 
durch unterscheiden, dass Nüohtern- und alimentäre Hyperglykämie 
fehlen. Endlioh seien nooh transitorische und intermittierende Erschei¬ 
nungsformen des Diabetes innoeens erwähnt. , Glaserfeld. 

F. Munk-Berlin: Zur Pathogenese und pathologischen Anatomie 
der Gicht. (D.m.W., 1919, Nr. 84.) M. berichtet kurz über seine ana¬ 
tomischen Untersuchungen bei Gicht. Im Referat lassen sich seine 
äusserst interessanten Ergebnisse nioht darstellen. Erwähnt sei, dass er 
in sohweren Fällen vornehmlich ein Befallensein des Knochenmarks ge¬ 
funden hat, so dass man von einer Osteomyelitis spreohen kann. 

Dünner. 

Peters: Ueber einen eigentümlichen Fall von weiblieber Häme- 
philie. (W.kl.W., 1919, Nr. 85.) 42jährige Patientin. Familienanamnese: 
ein Bruder sicherer Bluter, ein Bruder in der Jugend Bluter, Gross- 
mutter, Mutter Menorrhagien. Nach transzervikaler Abtragung eines 
xnyomatösen Uterus und der linksseitigen Adnexe treten am 6. Tage 
post Operationen! grosse subkutane Hämatome auf. Als diese sich schon 
fast resorbiert hatten, stellten sioh beiderseits des Uterusstumpfes hühnerei- 
grosse Hämatome subperitoneal ein. Glaserfeld. 

H. Soh ade -Kiel: Untersuchungen in der Erkiltingsfrage. (M.m.W., 
1919, Nr. 86.) Die Massenexperimente, die durch die Verhältnisse des 
Krieges angestellt wurden, ergaben im Bereich einer Division folgendes: 


In dem strengen Winter 1916/17 fand ein bedeutend höherer Anstieg 
von Erkältungskrankheiten statt als im milden Winter 1915/16. Truppen, 
die 3 Tage lang schutzlos Kälte und Nässe preisgegeben waren, zeigten 
einen Anstieg von Erkältungskrankheiten um das Vierfache gegenüber 
dem Rest, der in Quartieren geblieben war. Weitere Beobachtungen 
ergaben, dass Kälte und Nässe besonders das Auftreten von rheuma¬ 
tischen Erkrankungen, Kälte und Wind das Entstehen von Krank¬ 
heiten der Atemvege begünstigt. Die Erkältungen gingen Btets der 
Kurve der Erfrierungen parallel. Diese Ergebnisse stimmen völlig 
überein mit denjenigen, die man aus dem Riesenmaterial der jährlichen 
Sanitätsberichte der Medizinalabteilung des preussischen Kriegsministe¬ 
riums gewinnen kann. Eine Zusammenstellung der Erkältungskrank¬ 
heiten über einen Zeitraum von 12 Jahren ergibt nämlich, dass die Er- 
kältungskatarrhe stets im Januar und Februar ihren steilen Winteranstieg 
haben und dass sie den Frostschäden parallel laufen. Aus alledem geht 
mit Sicherheit hervor, dass die Abkühlung durch das Wetter und das 
Auftreten der Erkältungskatarrhe im engsten Zusammenhang Bteht. Es 
gibt 3 Wege, auf denen die Kälteeinwirkung die Vorgänge des Körpers 
im krankmaohenden Sinne beeinflussen kann: die lokale Gelose, d. h. 
kolloide Gewebsveränderungen, die reflektorischen Fernwirkungen auf den 
Bahnen des vegetativen Nervensystems und die Herabminderung der 
Immunität. R. Neumann. 

S. Rosenberg-Berlin: Symptomles verlatfeide Fleekfieberf&lle. 
(D.m.W., 1919, Nr. 35.) Ein sicherer Flecktyphus hatte überhaupt 
keinen Weil-Felix. Andererseits ermöglicht positiver Weil-Felix die Dia¬ 
gnose in Fällen, bei denen klinisoh kein Anhalt für Fleokfieber besteht 

Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

H. Eicke-Berlin: Die klinische Goldseireaktion. (M.m.W., 1919, 
Nr. 37.) Normaler Liquor ändert in den vorgeschriebenen Verdünnungen 
das Goldsol nicht. Dagegen findet bei entzündlichen Veränderungen 
des Liquors eine Ausflookung statt, deren Maximum bei luischen Er¬ 
krankungen bei Verdünnungen zwischen 40—80, bei anderen entzünd¬ 
lichen Erkrankungen erst bei 640—2400 liegt. Die Goldsolreaktion gibt 
also Auskunft, ob der Liquor normal ist, ob er entzündlich syphilitisch 
oder ob er entzündlich nioht syphilitisch verändert ist Somit übertrifft 
sie alle anderen Liquorreaktionen, auoh den Wassermann an Feinheit 
Zumal man sogar noch aus der Intensität und dem Uebergreifen auf 
die benachbarten Liquorverdünnungen die Art der luetischen Erkrankung, 
ob Lues II, Tabes, Paralyse, erkennen können soll. So soll bei Paralyse 
regelmässig das Goldsol in den Röhrchen von 10- bis etwa 640 faoher 
Verdünnung völlig entfärbt sein. Die Schwierigkeit der Reaktion liegt 
nur in der Herstellung des kolloidalen Goldes, die oft misslingt 

R. Neumann. 

G. Rosenow-Königsberg: Intradiraler Tut? des Dorsalmarks. 
(D.m.W., 1919, Nr. 36.) Demonstration im Verein für wissenschaftliche 
Heilkunde in Königsberg am 26. Mai 1919. Siehe Gesellsohaftsberioht 
der B.kl.W. Dünner. 


Kinderheilkunde. 

E.Sohindler-Münohen: Ueber die Irisfarbe des Säuglings. (Zschr. 
f. Kindhlk., 1919, Bd. 19, H. 4.) Im 1. Lebensquartal haben 75pCt 
aller gesunden Säuglinge Münchens blaue Irisfarbe, im 4. nur noch 
58pCt. Bei Säuglingen mit schwereren Formen von Ernährungsstörung 
(meist Dekomposition) ist die Iris seltener blau, nur in 88,8 pCt. im 
1. Vierteljahre und Grau und Graubraun überwiegen. Zweimal konnte 
der Umschlag von Blau in Grau im Laufe einer Ernährungsstörung direkt 
beobachtet werden. 

H. Langer und M. Soldin-Berlin-Wilmersdorf: Zur Aetiolegie 
der Säuglingspyelitis. (Zschr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 19, H. 4.) Im 
Katheterurin von 188 nioht syphiliskranken Säuglingen fanden sioh 
immer Darmbakterien, selten Koli, meist Streptooocous lactieus. Die 
Bakterien maohen keine krankhaften Erscheinungen. Durch Milieu¬ 
änderung, z. B. Sohädigung des Kindes durch Infekte, überwuchert das 
Baoterium coli und bringt die sekundäre Pyelitis hervor. Selten ist 
die durch endogenen Einbruch von Krankheitserregern in die Harnwege 
hervorgerufene Nephropyelitis (herdförmige Nephritis von Kowits). 

A. Sohmincke-München: Beitrag zur Kenntnis der Paehymenin- 
gitis haemorrhagica interna bei Lnes congenita. (Zschr. f. Kindhlk., 
1919, Bd. 19, H. 4.) Die Untersuchung eines Falles bei einem 10 Wochen 
alten Kinde ergab für traumatisohe Paohymeningitis charakteristische 
Veränderungen (Geburtstrauma). Der Prozess war aber nioht mit der 
Organisation der traumatischen Blutung zu Ende gekommen, sondern 
war progredient geworden, was Verf. auf die Lues schiebt. 

R.Neurath -Wien: GeschlechtsreifenndKörperwachstim. (Zschr. 
f. Kindhlk., 1919, Bd. 19, H. 4.) Verf. konnte ein Mädchen mit vor¬ 
zeitiger Gesohlechtsentwicklung vom 6. bis zum 15. Lebensjahre beob¬ 
achten. Im 6. Jahre übertraf m an Körperlänge seine ältere Sohwester, 
im 15. war es bedeutend kleiner als diese: Die verfrühte Pubertät be¬ 
endet frühzeitig die Funktion der Epiphysenfugen und damit das Höhen- 
waohstum. Umgekehrt war bei zwei Jünglingen mit verspäteter Ge- 
sohleohtsentwicklung eine relativ vergrösserte Beinlänge vorhanden. 

B. Wirs-München; Ueber latente kongenitale Syphilis im späteren 
Kindesalter. (Zsohr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 19, H. 4.) Von 200 in 
jeder Beziehung unverdächtigen 5- bis 14 jährigen Kindern hatten 6 


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6. Oktober 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


953 


positive Wassermann’sche Reaktion. Der Befand lässt siob in Ueber- 
einstimmung bringen mit den von Saenger an der Münchener geburts¬ 
hilflichen Klinik gefundenen 6,9 pCt. luetischer Neugeborenen, wenn 
man die Mortalität dieser Kinder in Betracht sieht. Von 9752 klinischen 
Aufnahmen der letzten 12 Jahre hatten 131 Rinder Lues tarda. Nur 
der vierte Teil dieser Kinder hatte keine spezifischen Zeichen abgelaufener 
Lues. 

M. Pfaundler und L. v. Seht-Munohen: Zur Systematik der 
Blntingsübel im Kindesalter. (Zsohr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 19, H. 5 u. 6.) 
Verf. unterscheidet 4 Hauptgruppen: 1. Blutungsübel bei Blutkrank¬ 
heiten bekannter (Anämie, Leukämie usw.) und unbekannter Natur: 
symptomatischer und idiopathisoher Werlhof- oder tbrombopenischer 
Typus. 2. Blutungsübel, die duroh engste Beziehungen zu spezifischen 
Allgemeininfektionen charakterisiert sind (Meningitis cerebrospinalis, 
Septikämie usw.). Die Gruppe ist inhomogen. Manche Fälle folgen 
dem Werlhof-, manohe dem anaphylaktoiden Typ, manche kann man, 
da bei ihnen die Blutungen offenbar durch örtliohe Krankheitsherde be¬ 
dingt sind, plurifokal-infektiös nennen. 3. Allgemeinersoheinungen, Haut¬ 
flecken, Darmkolik, Gelenkerscheinungen, Auftreten in Schüben: Schön- 
lein-Henoch’soher Typus. 4. Barlow-Skorbuttypus. Von Glanz mann’s 
Auffassung weicht Verf. in einzelnen Punkten ab, besonders bezüglich 
der Gruppe der anaphylaktoiden Purpura. Bei der Behandlung sind 
die Erfolge nicht einheitlich. Lokal hilft gut Klauden, Koagulen und 
Diphtherieheilserum. In schweren Fällen muss die intramuskuläre In¬ 
jektion von defibriniertem Mensohenblut versucht werden. Bei Darm- 
ersoheinungen ist Atropin wertvoll. Herbst. 

J. Ohlmann-Berlin: Brustwandffdem als Symptom schwerer 
Lungenentzündung bei Kindern. (D.m.W., 1919, Nr. 37.) Das bei 
Pleuritis und Empyem vorkommende Brustwandödem ist als ein ent¬ 
zündliches Oedem aufzufassen. Daneben kommt bei Pneumonien und 
bei Erkrankungen, die eine Kreislaufschwäche im Gefolge haben, ein 
lokales Brustwandödem vor. Dieses Oedem ist als Stauungsödem auf¬ 
zufassen und bedingt duroh die Versohleohterung der Herztätigkeit. 

Dünner. 

F. Sachs - Leipzig: Ueber toxische Rohr in Kildesaltcr. (M.m.W., 
1919, Nr. 86.) Zwei dreijährige Zwillinge erkrankten kurz hintereinander 
unter dem Bilde einer schwersten akuten Intoxikation mit Bewusstseins¬ 
störung, Krämpfen und dünnen Stühlen. Während das eine Kind inner¬ 
halb 12 Stunden starb, erholte sich das andere in den nächsten Tagen 
wieder, ln beiden Fällen wurden im Darminhalt Pseudodysenterie¬ 
basillen Typus D gefunden. Bei der Sektion des einen Kindes ergab 
sieh ein schwerer akuter Diokdarmkatarrh von ruhrartigem Charakter. 
Die Bewusstseinsstörung und die Krämpfe traten zuerst so hervor, dass 
zunächst an eine echte alimentäre Vergiftung gedacht wurde. Thera¬ 
peutisch muss für möglichst schnelle Entleerung des Magens und Darms 
durch Spülungen gesorgt werden. R. Neu mann. 


Chirurgie. 

C. Hirschmann u. H. Landau: Untersuchungen über die Dakin- 
schc Lösung und das Präparat „Mea Jsdina“ als Behandlungsmittel 
infizierter Wunden und als Händedesinfektionsmittel. (Bruns’ Beitr., 
1919, Bd. 116, H. 1, 70. kriegsohir. Heft.) Die Dakin’sche Lösung wie 
das Präparat „Mea Jodina“ zeigen keine Vorteile gegenüber den sonst 
üblichen Methoden der Wund Versorgung. Es ist unmöglich mit diesen 
Mitteln eine Sterilisierung infizierter Wunden zu erreichen. Als Des¬ 
infektionsmittel für die Hand kommen diese Mittel als völlig unzuläng¬ 
lich nioht in Betraoht. 

Fr. Keysser-Jena: Chemische Aitiseptik und Desinfektion in 
der Behandlung infizierter Winden und eitriger Prozesse usw. (Bruns’ 
Beitr., 1919, Bd. 116, H. 1, 70. kriegsohir. Heft.) Sowohl bei frischen 
Verletzungen wie bei eitrigen Prozessen besteht nicht die geringste Des¬ 
infektionswirkung weder der Jodoform- noch der Trypaflavingaze. Eine 
Schädigung der Gewebe bei Behandlung mit Jodoformgaze wurde nioht be¬ 
obachtet, wohl aber bei Trypaflavingaze „stark*. Bei letzterer wird 
auch die Granulationsbildung und die Heilungsdauer auffallend verzögert. 
Injektionen mit TrypaflavinlÖBung beeinflussen nioht den Keimgehalt, 
ebensowenig mit Vuzin. Beim Trypafiavin treten aber schwere Gewebs¬ 
schädigungen auf (gelbspeckiger Belag der Wundfläche, Auftreten von 
Rezidiven, verzögerte Heilung, Keimverschleppung). Das Vuzin scheint 
eine unverkennbare Wirkung auf den Verlauf bestimmter eitriger Pro¬ 
zesse zu haben. Eine Keimabtötung, geschweige eine Herdsterilisation 
findet nicht statt. Gewebssohädigungen scheinen ebenfalls aufzutreten 
(laokfarbenblutiges Exsudat, verzögerte Heilung, blaurötliche Verfärbung 
der Haut). Bei schweren eitrigen phlegmonösen Prozessen schien eine 
Verschlechterung unter Vuzinbehandlung einzutreten. Sehr interessant 
sind die Erfolge, die mit hypertonischer Kochsalzlösung bei Abszess¬ 
behandlung (z. E. Mastitis) erzielt wurden; sohwere phlegmonöse Pro¬ 
zesse wurden jedoch damit nicht beeinflusst. Weitergehende Erfolge, als 
sie mit Serum- und hypertonischer Kochsalzbehandlung erzielt würden, 
hat die Vuzinbehandlung nioht aufzuweisen, im Gegenteil war bei der 
Vuzinbehandlung der Heilverlauf verzögert. 

A. Läng-Budapest: Ueber Nachblutungen. (Bruns’ Beitr., 1919, 
Bd. 116, H. 1, 70. kriegsohir. Heft.) Verf. weist nach, dass es sich 
unter 51 Nachblutungen in 74pCt. der Falle um Arrosionsblutungen ge¬ 
handelt hat, die meist infolge einer von der Adventitia ausgehenden Ne¬ 
krose erfolgten. Nachblutungen aus Venen gehören zu den Seltenheiten. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 


J. Diemel-Hamburg: Lokales Tetanisrezidiv duroh Narbenexiision 
geheilt. (D.m.W., 1919, Nr. 34.) Spättetanus kann durch ein Trauma 
entstehen, durch welches das Narbengewebe gesprengt wird, in dem die 
Tetanuserreger eingekapselt sind, wie der von D. mitgeteilte Fall zeigt. 
Durch Narbenexzision, also Entfernung der Bazillenherden, wurde der 
Tetanus geheilt. Dünner. 

0. Retzlaff: Ueber Krebsbildung in Schussverletzungen. (Bruns’ 
Beitr., 1919, Bd. 116, H. 1, 70. kriegsohir. Heft.) Mitteilung eines 
Falles, bei dem sich nach 47 Jahre zurückliegender Schuss Verletzung 
des Unterschenkels ein Narbenkarzinom bildete, das die Exartikulation 
notwendig machte. 

Fr. Brüning - Konstantinopel: Freie Kiocheiüberpflaizuig bei 
Pseudarthosen und Knoehendefekten. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 116, 
H. 1, 70. kriegschir. Heft.) Von 60 Fällen (42 Unterkieferplastiken, 
8 Extremitätenplastiken) ist in 48 Fällen das Transplantat fest ein- 
geheiltl Auf eine breite Vereinigung des Periosts muss Sorge getragen 
und auoh das Knochenmark für die Knoohenneubildung ausgenutzt werden. 
Für Operationen am Uoterkiefer ist die offene Wundbehandlung als 
Nachbehandlung dringend zu empfehlen. 

Fr. Duncker: Zur Frühoperation der Nervendurchtrennung mit 
einem Beitrag zur Ekzision der Granatschusswunde. (Bruns’ Beitr., 
1919, Bd. 116, H. 1, 70. kriegschir. Heft.) 3 Tage nach der Verwundung 
nähte Verf. nach Ausschneidung der Wunde den durchschossenen Nerv, 
radialis. Nach 6 Tagen erste Anzeichen wiederkehrender Sensibilität, 
nach 10 Tagen Beginn wiederkehrender Motilität. Auf Grund dieses 
Falles und anderer Fälle der Literatur ist die primäre Nervennaht in 
allen Fällen anzustreben. Bei mangelnder Asepsis der Wunde, die sonst 
eine Kontraindikation darbietet, kann oft durch Exzision derselben die 
Möglichkeit primärer Nervennaht erreicht werden. 

A. Hilse-Dorpat: Erfahrungen über die Behandlung der Bauch¬ 
schüsse auf dem Hauptverbandsplatz. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 116, 
H. 1, 70. kriegschir. Heft.) Die Arbeit behandelt Erfahrungen, die 
an der russischen Front gewonnen wurden. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

I. Joseph-Berlin: Für tiesichtsplastik mit besonderer Berücksich¬ 
tigung der Nasenplastik. (D.m.W., 1919, Nr. 35.) Nach einem Vor¬ 
trage, gehalten in der Berl. med. Ges. am 11. Dezember 1918 u. 29. Ja¬ 
nuar 1919. Siehe Gesellschaftsbericht der B.kl.W., 1918, Nr. 52, und 
1919, Nr. 7. Dünner. 

F. Weichselbaumer-Linz: Ueber einen Fall von Adamantiiom 
des Oberkiefers. (W.kl.W., 1919, Nr. 35.) Der Tumor bei dem 27 jähr. 
Pat., welcher total exstirpiert wurde, stellte sich als ein Rezidiv eines 
17 Jahre vorher dem Pat. entfernten Oberkiefertumors dar. Histologisch 
handelte es sich um einen fibroepithelialen Tumor mit den Merkmalen 
eines Zylindroms ohne Anzeiohen von Malignität. Die Adamantinome 
leiten sich vom Sohmelzkeimepithel ab. Glaserfeld. 

M. Klein: Ueber abdominelle Psendotnmoren. (Schluss.) (Ther. 
d. Gegenw., August 1919.) Besonders häufig treten entzündliche Ab¬ 
dominaltumoren in der Ileozökalgegend auf und nehmen ihren Ausgangs¬ 
punkt vom Typhlon oder von der Appendix. Entweder ist eine sichere 
Appendizitis vorhergegangen, oder die Erkrankung batte einen latenten 
Verlauf. Diagnostische Irrtümer mit Karzinom oder Tuberkulose. Mit 
der Aktinomykose kann die Erkrankung wohl kaum verwechselt werden, 
weil hier ausgedehnte Verwachsungen mit den Bauchdecken und den 
Beokenorganen sich finden und kleine Abszedierungen und Fistel¬ 
bildungen zweifellose Erkennungsmerkmale gewähren. Im Gegensatz zum 
Karzinom zeigen die Pseudogeschwülste häufig keine okkulten Blutungen, 
keinen Wechsel zwischen Diarrhoen und Obstipation, keinel Aussparung 
in der Darmzeichoung bei der Röntgenuntersuchung. Beweisend für den 
entzündlichen Charakter des Pseudotumors ist eine vorangegangene Appen¬ 
dizitis. Es kommt infolge toxischer Wirkung von Keimen in der Appendix 
zu einer starken Bindegewebswucherung; eine solche kann auch nach 
einet Appendektomie auftreten. Die Diagnose kann in vielen Fällen 
erst durch die Probelaparotomie und durch die histologische Untersuchung 
sichergestellt werden. _ G. Fabian. 


Röntgenologie. 

R. Spiegel-Berlin: Verbesserte Röntgendiagnostik der Magen - 
darmtraktur mit „Zitobaryum" als Kontrastmittel. (D.m.W., 1919, 
Nr. 36.) Empfehlung des Zitobaryam. Dünner. 


Haut* und Geschlechtskrankheiten. 

E. Hoffmann-Bonn: Durch Muttermilch übertragene Arznei- 
exaitkeme (Brustkindtoxidermien). (D.m.W., 1919, Nr. 37.) H. sah 
einmal ein Bromexanthem bei einem Säugling, dessen Mutter längere 
Zeit Bromkali genommen hatte. Fälle der Art sind verhältnismässig 
selten in der Literatur beschrieben, wie H. zeigt. Man weiss, dass Brom, 
Jod, Quecksilber, Aspirin, Arsen und Salvarsan durch die Frauenmilch 
ausgeschieden werden. Dünner. 

E. Hoffmann - Bonn: Ueber den Wert der Versandmethoden 
spiroch&tenhaitigen^Materials für die Früherkenuung der Syphilis. 
(M.m.W., 1919, Nr. 37.) Von den Versandmethoden spirochätenhaltiger 
Flüssigkeit überragt die Kapillarmethode an Wert weit das Ausstrich¬ 
präparat, das Deokglaspräparat und die Methode des angetrockneten 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Sekrettropfens. Nachteile der Kapillarmethode liegen darin, dass die 
Spirochäten schnell ihre charakteristischen Bewegungen einstellen und 
Degenerationsformen auftreten. Ausserdem gehört zur Abnahme des 
Materials und zur Untersuchung besondere Erfahrung, ln zweifelhaften 
Fällen von Lues ist deshalb die Vorstellung des Patienten selbst in 
der Spezialklinik dringend anzuraten. R. Neumann. 

E. Hoff mann-Dasseldorf: Notwendige Sicherungen der Früh¬ 
diagnose der Syphilis und Bemerkungen zur Salvarsantberapie. 
(D.m.W.. 1919, Nr. 86.) Bei jeder noch so unscheinbaren Affektion der 
Genitalien ist genaueste Untersuchung auf Spiroohaten nicht nur im 
Oberflächensekret, sondern im Gewebssaft ton Primäraffekt und regio¬ 
nären Drüsen mit Hilfe der Punktion event. mehrfach durchzuf&hren. 
Hierbei ist die Gefahr der Verwechslung mit Pseudopallidae duroh Be¬ 
achtung der Hoffmann’schen Regel und Entnahme aus der Tiefe zu Ter¬ 
meiden. Jede antiseptische und spezifische Behandlung muss bei un¬ 
klaren Affektionen unterbleiben, bis der Spiroohätennachweis geglückt 
ist. Die abortive Heilung mittels kombinierter Hg-Salvarsannatriumkur 
gelingt bei seronegativer primärer Syphilis so gut wie sicher, kann aber 
mit zwei genügend starken derartigen Kuren mit 8—10wöchentlichem 
Intervall auch bei seropositiver Syphilis fast regelmässig erzielt werden. 
Auch für ganz frische sekundäre Syphilis genügt meist diese Behandlunng. 
Bei hartnäckiger und älterer Syphilis sind 8—4 kombinierte Kuren er¬ 
forderlich. 

No 11en - Düsseldorf: Silbersalvarsan. (D.m.W., 1919, Nr. 86.) 
Silbersalvarsan ist das energischste Antiluetikum, was Schwinden der 
Spirochäten, Resorption der klinischen Symptome und Umwandlung der 
Wassermann’schen Reaktion anbetrifft. Die Nebenerscheinungen sind 
ganz geringfügiger Natur. Bei Verwendung einer genügend grossen 
Zahl von Injektionen in Dosen von 0,1—0,8 ohne gleichzeitige An¬ 
wendung von Hg ist die Therapie als am meisten wirksam zu empfehlen. 

Dünner. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

A. Labhardt: Straflose Abtreibung im Kaitoi Basel-Stadt? 

(Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 29.) Referat, gehalten in der Sitzung der 
Medizinischen Gesellschaft Basel am 5. Juni 1919. Ablehnung des von 
Dr. Welti beantragten Gesetzes, weil es nicht die Zulassung des sozialen 
Abortes bedeutet, sondern dem indikationslosen, uneingeschränkten 
Abortieren freie Bahn öffnet. Nioht zu unterschätzen sind die Gefahren 
der Blutung, der Infektion, der ungewollten Neben vor letiung und der 
duroh nichts eingeschränkten Summation der künstlichen Aborte bei der 
gleichen Frau. R. Fabian. 

Winter-Königsberg: Die Sterilisation beim eigen Becken. (Msohr. 
f. Geburtsh., Aug. 1919.) Symphyseotomie und Hebosteotomie sind in 
geübter Hand heute lebenssichere Operationen, und deshalb können enge 
Becken, welche durch diese Operationen zu entbinden sind, keine Indi¬ 
kation zur Sterilisation abgeben. Dasselbe gilt vom Kaiserschnitt und 
auch vom wiederholten Kaiserschnitt. Der Wunsch der Patientin, sich 
nicht einem wiederholten Kaiserschnitt unterziehen zu müssen, darf 
daher keine Veranlassung zur Sterilisation geben. Auch die Furcht vor 
einer Narbenruptur rechtfertigt sie prinzipiell nicht; sie ist aber be¬ 
rechtigt in denjenigen Fällen, wo man auf eine von einem früheren 
Kaiserschnitt herrührende dünne schlechte Narbe bei Ausführung des 
neuen Kaiserschnitts stösst. L. Zuntz. 

P. Hündgen - Mainz: Zwei seltene Indikationen zur Sectio cae¬ 
sarea. (D.m.W., 1919, Nr. 87.) Bei dem einen Fall wurde der Kaiser- 
sohnittt wegen Vulvaödem, in dem zweiten wegen akuter Anämie infolge 
unstillbarer Blutung aus einem Varixknoten der Vagina gemacht. 

Dünner. 

H. Guggisberg - Bern: Neue Ergebnisse der Sekaleforschang. 
(Msohr. f. Geburtsh., Aug. 1919.) Die Ansichten über die Brauchbarkeit 
des Sekale als Wehenmittel sind sehr widersprechende. Das liegt zum 
Teil sicher daran, dass das Sekale eine sehr wandelbare Droge darstellt. 
In eigenen Versuchen am überlebenden Uterus wurde festgestellt, dass 
frisches Infus wenig oder gar nicht wirksam ist. Dann beginnt langsam 
die Wirksamkeit zuzunehmen, um nach 24 Stunden einen Höhepunkt zu 
erreichen. Nach 48 Stunden beginnt die unwirkseme Phase, die 8—10 
Tage nach Zusetzen des Infuses andauert. Danach wird das Infus 
wieder wirksam. Dabei haben aber die frischen Infuse eine rhytmogene 
Wirkung, während die Wirkung während der zweiten Wirksamkeitsphase 
eine mehr tetanische ist. Diese interessanten Ergebnisse erklären die 
widersprechenden Ergebnisse verschiedener klinischer Beobachter. Erst 
wenn es gelungen ist, den Abbau des Sekale bei seiner biologisch wirk¬ 
samsten Phase zu hemmen und auf ihr festzuhalten, dürfen wir einen 
sioheren Erfolg der Sekaletherapie erwarten. ' 

W. Stoeokel - Kiel: Zur operativen Herstelling einer künstlichen 
Vagina. (Mschr. f. Geburtsh., Aug. 1919.) 4 Fälle. Im ersten wurde 
die Vagina aus dem heruntergezogenen Peritoneum des Douglas her¬ 
gestellt. Das Resultat war objektiv ungenügend infolge starker 
Schrumpfung, wenn auch die Patientin subjektiv zufriedengestellt war. 
Im zweiten Fall kam die Methode von Baldwin-Mori — Herunter¬ 
leiten einer ausgesobalteten Dünndarmschlinge — zur Anwendung. Das 
anatomisch und funktionell nicht schlechte Resultat war getrübt duroh 
Deszensus des Darms und die sehr störende, ätzende Schleimhaut¬ 
sekretion. Da diese Methode ausserdem nach den Publikationen anderer 
Autoren mit mehreren Todesfällen belastet ist, ist als Methode der 


Wahl die von Schubert anzusehen (Verwendung des Rektnm), die im 
dritten und vierten Fall zur Anwendung kam. Das sonst namentlich 
im vierten Fall sehr gute Ergebnis war nur durch eine Sphinkterschwäche 
gestört, die sioh aber wohl bei vorsichtiger Operation vermeiden lässt 

R. Schröder - Rostook: Die Pathogenese und Therapie der die 
chronische Endometritis charakterisierenden Symptome: Blntnngoi, 
Flnor. nnd Schmerzen. (Msohr. f. Geburtsh., Aug. 1919.) Mit der Er¬ 
kenntnis der regelmässigen periodischen Veränderungen der Uterus¬ 
schleimhaut im Zusammenhang mit der Eireifung ist der alte Begriff 
der Endometritis hinfällig geworden. Die im Titel genannte Symptomen- 
trias ist in jedem einzelnen Fall in bezug auf ihre Ursaohen genau zu 
analysieren, um zu einer ätiologischen Behandlung zu kommen, die 
häufiger eine allgemeine als eine lokale sein muss. Vor allem ist vor 
der kritiklosen Anwendung der Kürette zu warnen; doch kann das 
Kurettement ausser in Fällen von Endometritis post abortum und in 
solchen, wo es aus diagnostischen Gründen indiziert ist, in einzelnen 
Fällen als gutes Stimulans für die Uterussohleimhaut wirken. 

F. Marchand - Leipzig: Ueber die sogenannten Krakenberg*schen 
Ovarialtimorei. (Msohr. f. Geburtsh., Aug. 1919.) M. beschreibt einen 
Fall bei einem 14jährigen Mädchen. Es wurden in ihm eigentümlich 
blasige Zellkörper gefunden, die duroh ihren diohten Besatz mit feinen 
geschlängelten Fäden sioh von allen bekannten Zellformen unterschieden. 
Es handelt sich um Sohleimzellen, bei denen der Schleim in dieser 
eigentümlichen Form ausgeschieden wurde. Es sind demnach diese Tu¬ 
moren als Carcinoma mucooellulare zu bezeichnen. Die Frage nach der 
Abstammung dieser charakteristischen zeitigen Elemente ist noch nioht 
mit Sicherheit zu lösen, wenn auch eine Herleitung vom Follikelepithel 
oder Keimepithel sehr wahrscheinlich ist, da diese Elemente sich durch 
ihre Neigung zu schleimiger oder pseudomozinöser Umwandlung aus- 
zeiohnen. — Eine siohere Unterscheidung von metastatisoben Tumoren 
der Ovarien wird auf Grund des histologisohen Befundes allein nicht 
immer möglich sein. _ L. Zuntz. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankhelten. 

0. Beck: Ueber 8elbstbeschBdigiingeB an GehSrorgaa. (W.m.W., 
1919, Nr. 86 u. 37.) Die Selbstbesohädigungen können sich erstrecken: 
a) auf den äusseren Gehörgang, b) auf den Gebörgang und das Trommel¬ 
fell, c) auf den Gehörgang und die Mittelohrgebilde, d) auf das äussere, 
mittlere und innere Ohr; e) es können Komplikationen von seiten des 
Warzenfortsatzes und des Nervus facialis meist mit schweren Laayrinth- 
erscheinungen hervorgerufen werden. Eine der bekanntesten Folgen ist 
die hochgradige Stenose des äusseren Gehörganges durch Einbringen 
ätzender Flüssigkeit. Es werden verschiedene Krankheitsbilder nach 
Selbstbeschädigung beschrieben. G. Eisner. 


Hygiene und Sanltitswesen. 

H. Haustein - Berlin: Die sozialhygienische Betätigung der 
Landesversicherungsanstalten, dargestellt am Beispiel der Landesver¬ 
sicherungsanstalt der Hansestädte. (Zsohr. f. Hyg., Bd. 88, H. 8.) Die 
Hauptaufgabe der Landesversioherungsanstalten besteht in der Hilfe¬ 
leistung für Arbeiter im Falle der Invalidität, nach und nach ist man 
jedoch auch dazu übergegangen, duroh rechtzeitige Behandlung und 
Pflege die Invalidität möglichst zu verhindern. Näheres ist im Artikel 
selbst nachzulesen. 

P. Vonderweidt - Saarbrücken: Praktische Seuchenbekämpfung 
bei übertragbarer Genickstarre. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88, H. 3.) Die 
rasche Durchuntersuchung der Umgebung auf Meningokokken hat zu 
vollem Erfolge geführt. Verf. verlangt eine dreimalige Durchuntersuohung. 

H. Hennis - Gelsenkirchen: Geschlossene mnd offene Lnngen- 
tuberknlose. (Zschr. f. Hyg., Bd. 88, H. 3.) Verf. stellt einige Richt¬ 
linien zur Bekämpfung der Tuberkulose auf. Schmitz. 

H. Dold- Halle: Ein Vorschlag, die Bezeichnung „Bazillenträger“ 
nnd „Dauerausscheider“ durch die Bezeichnungen „Kontaktträger“ nid 
„Rekonvaleszenzträger“ („Kontaktaasscheider“ nnd „Rekonvaleszenz- 
ausscheider“) zu ersetzen. (M.m.W., 1919, Nr. 37.) In Ueberein- 
stimmung mit der englisch-amerikanischen Literatur spricht man aus 
logischen Gründen besser statt von Bazillenträgern und Daueraus¬ 
scheidern von einem Kontaktträger (Kontaktausscheider) « eine Person, 
welohe durch Berührung mit Kranken oder Krankheitsstoffen Krankheits¬ 
keime aufgenommen hat, und, ohne sofort klinisoh zu erkranken, in sich 
beherbergt (ausscheidet), und von einem Rekonvaleszenzträger (-aus- 
scheider) = eine Person, welohe nach erfolgter Genesung die Krankheits¬ 
keime noch weiter beherbergt (aussoheidet). R. Neu mann. 

Huntemü 11 er - Giessen: Beitrag zur Epidemiologie nnd Be¬ 
kämpfung der Diphtherie. (D.m.W., 1919, Nr. 35.) Ursache für eine 
Diphtberieepidemie bei einem Regiment im Felde war allgemeine Re- 
sistenzherabsetzung, ungesunde Unterkunftsverhältnisse und Witterungs- 
einflüsse und Reizung der Raohenorgane durch Kalkstaub. Die Er¬ 
krankungskurve besserte sich mit dem Ausbau der Stellung; dabei 
wurden aber noch viele Bazillenaussoheider gefunden. H. versuchte 
eine Dauerdesinfektion der Mundhöhle mit Desinfisientien in Tabletten¬ 
form. Dünner. 

Sohuster - Berlin: Ueber die praktische Bedeitug der direkten 
mikroskopischen Bakterieniähiing für die bnktoritlogische Wasser- 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 




6. Oktober 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


955 


Vltennchnng. (Zachr. f. Hyg., Ed. 88, H. 8.) Die direkte Bestimmung 
der im Wasser vorhandenen Keime mittels Eisenoxyehloridfullung ist 
für quantitative Keimbestimmung ungeeignet. Zur orientierenden, un¬ 
gefähren Bestimmung ist sie ausreichend. Schmitz. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner orthopädische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 26. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Gooht. 

Schriftführer: Herr Böhm. 

Duroh Beschluss der Abnahmekommission wird Herr San.-Rat Dr. 
Jottkovitz als Mitglied aufgenommen. 

Hr. Böhm gibt Kenntnis von der Gründung der „orthopädischen 
Sektion“ der amtlichen Bildstelle, erklärt die Ziele dieser Einrichtung 
als Filmzentrale für Unterricht und Zensur und bittet die Mitglieder, 
Vorschläge für geeignete Films orthopädischen Inhalts einzureichen. 

Tagesordnung. 

Hr. Zuelser- Potsdam: Demonstration eines Knnstarms. 

(Erschien in Nr. 39 unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Hr. Peltesohn: Ueber Verkennung der psychogenen Aetiologie 
von Deformitäten. 

(Erschien in Nr. 86 unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Aussprache. 

Hr. Wollenberg: loh habe mit grossem Interesse die Ausführungen 
des Vorredners angehört, und mir sind bei der Erzählung seiner Fälle 
zahlreiche ähnliche eingefallen, die ich gesehen habe, und so wird es 
auch Ihnen ergangen sein. Auch ich habe mich, besonders in den ersten 
Kriegsjahren mehrmals täuschen lassen, besonders bei den schweren 
Störungen in der Haltung des Rumpfes nach Verschüttungen. Ich 
möohte bei dieser Gelegenheit nur mit einem Worte hinweisen auf die 
interessanten funktionellen Störungen, welche bei wirklichen Verletzungs¬ 
folgen gewissermaassen als Nebenbefund erhoben werden, z. B. auf die 
funktionellen Lähmungen, welche einer organisch bedingten Nerven¬ 
lähmung nioht selten aufgepfropft sind. 

Sohliesslioh möohte ioh der Reihe von ärztlichen Irrtümern, welche 
der Vorredner anführte, noch zwei seltsame Fälle gegenüberstellen, bei 
denen der umgekehrte Fehler gemaoht worden ist. Es handelte sich 
um 2 Fälle von doppelseitiger Hüttgelenksversteifung, der eine infolge 
Arthritis deformans, der andere infolge schwerster Goxa vara. Beide 
mussten einen Teil des Feldzuges mitmacben, ihre Beschwerden wurden 
vielfaoh verkannt, teils für Ischias, Rheumatismus oder Hysterie gehalten 
und demgemäss behandelt. 

Hr. Jottkowitz: Gestatten Sie mir «mit wenigen Worten auf die 
Ausführungen des Herrn Peltesohn einzugehen. 

Was zunächst die Unterscheidung zwischen psychogenen und orga¬ 
nischen Deformitäten anlangt, bo meine ich, man muss vor endgültiger 
Stellungnahme stets die Krankengeschichte heranziehen. Sie wird bei 
Kriegsbeschädigten, abgesehen von Ausnabmefällen, wo sie vielleicht auf 
dem Rüokzug verloren gegangen ist, immer zu erlangen sein, und wenn 
sie auch nioht immer gut geführt ist, doch wertvolle Anhaltspunkte 
über den ersten Befund geben. So würde in den Fällen, die von Herrn 
Müller veröffentlicht und von Herrn Peltesohn zitiert sind, aus den 
Krankenblättern wohl zu ersehen sein, ob einige Tage nach der Ver- 
sohüttung am Rumpf irgendwo die Erscheinungen eines subkutanen 
Blutergusses aufgetreten sind. Wenn eine Kontusion oder Ueberdehnung 
der Muskeln in so hohem Grade stattgehabt hat, dass Muskelsubstanz 
zertrümmert oder zerrissen wurde, so muss ein subkutaner Bluterguss 
in Erscheinung treten, hat er gefehlt, so ist nach meinem Dafürhalten 
eine so erhebliche Läsion, wie sie für spätere Kontrakturbildung voraus¬ 
gesetzt werden muss, auszuschliessen, und es hat sioh in diesen Fällen 
bei der späteren Haltungsanomalie um eine psychogene Affektion ge¬ 
handelt. 

Dass auoh die Narkose in manchen Fällen mit Erfolg zur Differential- 
diagnese herangezogen werden kann, möchte ich nur kurz erwähnen. 

Ist man nun zu der Ueberzeugung gelangt, dass es sioh um eine 
psychogene Deformität handelt, so muss man naturgemäss in erster 
Reihe ergründen: Was will der Verletzte? Von weloher Vorstellung 
ist er beeinflusst? Im allgemeinen bietet die Psychoanalyse nach dieser 
Riohtung keine so grossen Schwierigkeiten. Während des Krieges war 
es im allgemeinen der Wunsch, nicht wieder an die Front zu kommen, 
der das Verhalten der Kranken diktierte. loh habe im Laufe des letzten 
Kriegsjahres als Chefarzt des Reserve-Lazaretts II Spandau auf der 
grossen neurologischen Abteilung des Lazaretts zahlreiche Neurotiker 
gesehen, bei welchen alsbald ein Rüokgang der Erscheinungen eintrat, 
nachdem ihnen gesagt war, dass sie an der Front nioht mehr verwendet 
wurden. 

Jetzt nach Ablauf des Krieges steht hinter dem Verhalten der 
Kriegsverletzten häufig der Wunsch,' eine Rente zu erlangen oder eine 
Kürzung zu vermeiden, genau wie bei ben Unfallverletzten. Auoh der 
Wunsoh nach einem orthopädischen Apparat ist in diesen Fällen häufig 
unter dem gleiohen Gesichtspunkt zu beurteilen. Wiederholt ist es mir 


gelungen, den direkten Beweis hierfür zu erbringen. Ein Kriegsbeschä¬ 
digter, der mit einem Hessingapparat ausgerüstet war, bei in Streck¬ 
stellung versteiftem Hüftgelenk und tragfihigem Bein, sagte mir nach 
längerer Unterhaltung und naohdem ihm die Tragfähigkeit seines Beins 
demonstriert war: Es würde ja wohl gehen ohne Apparat, aber wenn 
der Apparat wegtällt, bekomme ich auch keine Verstümmelungszulage 
mehr. 

Es fragt sich nun, soll man in solohen Fällen die Fortlasaung des 
Apparats erzwingen. Das ist sehr schwer. Es handelte sich in diesem 
Fall um einen Mann von einigen 40 Jahren, und er trägt den Apparat 
seit 1916. Da ist die Entziehungskur besonders unter heutigen politi¬ 
schen Verhältnissen nicht sehr aussiohtsvoll. Darum möchte ich es 
völlig unterschreiben, was Herr Peltesohn ausgeführt hat, man soll 
mit sehr genauer Indikation bei der ersten Gewährung der Stützapparate 
Vorgehen und darauf achten, dass dieselbe ganz klar durch organische 
Erkrankungen gegeben ist, ja, ioh möohte nooh einen Schritt weiter 
gehen, auoh bei organischen Erkrankungen werden bisweilen nach meiner 
Erfahrung Apparate gewährt, wo sie nicht am Platz sind. Ioh habe da 
besonders einen Fall vor Augen, in welchem ein Tabiker orthopädische 
Stiefel beantragt hatte. Dem Manne ging es zur Zeit des Antrags so 
schlecht, dass er bettlägerig war. Er musste infolgedessen in seiner 
WohnuDg ärztlioh untersucht werden, und es wurden ärztlicherseits zwei 
Hessingapparate bis zum Sitzknorren empfohlen. Nach Lage der Dinge 
hätte das Maassnehmen in der Wohnung und die weitere Ausführung 
grosse äussere Schwierigkeiten gefunden. Ioh legte mir aber auch weiter 
die Frage vor, ob ein Tabiker, der keine Arthropathie, sondern lediglich 
hochgradige Ataxie hat, in ‘der Tat von den Apparaten den erhofften 
Vorteil haben würde, und kam zu dem Sohluss, dass ihm ein Selbstfahrer 
für seinen Wunsch, ins Freie zu gelangen, bessere Dienste leisten würde. 
Unerwartet erschien der Patient nach einigen Wochen, er hatte sioh er¬ 
holt und ging ganz leidlich mit einem Stock allerdings hochgradig atak¬ 
tisch im Zimmer umher. Er bat nun nochmals um die Stiefel, denn 
diese wären doch so sohwer zu beschaffen, und er hoffte auch in den¬ 
selben weniger umsuknicken. Die Apparate wolle er nicht, den Wagen 
würde er auch ganz gerne haben. 

In jedem Falle scheint es mir deshalb bei der Erstgewährung von 
Apparaten notwendig, eine sehr sorgsame Indikation zu stellen, denn 
später vom Apparat loszukommen ist ausserordentlich schwer. Wo ein 
Apparat als vorübergehende Anwendung gedacht ist, dürfte es sich 
empfehlen, dieses dem Verletzten ausdrücklich zu sagen und es aus¬ 
drücklich im Krankenblatt und im Antrag zu vermerken. 

Hr. Sachs: Zur Behandlung sehr hochgradiger Kniekontraktaren. 

Zur Ausgleichung von Kniekontrakturen, bei denen eine unblutige 
Streckung unmöglich ist, weil sie knöchern ankylosiert oder sonst sehr 
stark fixiert sind, wird von verschiedenen Seiten die parartikuläre Osteo¬ 
tomie am Oberschenkel empfohlen. Ihr Hauptvorteii soll sein, dass sie 
ausserhalb eines vielleicht im Kniegelenk noch bestehenden Krankheits¬ 
herdes liegt. Bei Kontrakturen höheren Grades soll — um den Kniok 
an der Osteotomiestelle nicht zu gross werden zu lassen — eine zweite 
Osteotomie am Unterschenkel hinzugefügt werden, so dass auf diese 
Weise durch zwei ausserhalb eines eventuellen Krankheitsherdes liegende 
Operationen die Deformität ohne allzu grosse Abweichung von der Längs¬ 
achse ausgeglichen wird. Wenn die Kniekontraktur jedoch sehr hoch¬ 
gradig ist, 90° weit überschreitet, so ist der parartikuläre Ausgleich sehr 
unvorteilhaft. Die statisohen Verhältnisse, die durch ihn gesohaffen 
werden, sind ungünstig, ebenso die kosmetischen, und schliesslich ver¬ 
zichtet man dabei auf die Erzielung der grösstmögliohen Länge des 
Beines. In diesen Fällen ist die Keilresektion die sinngemässere Opera¬ 
tion, und man sollte auf sie, wenn mau nicht triftige Gründe hat, einen 
floriden Prozess im Kniegelenk anzunehmen, nioht verzichten. Die Keil¬ 
resektion lässt sich jedoch bei Kontrakturen im spitzen Winkel deswegen 
nicht ohne weiteres anwenden, weil die Gefahr der Gangrän des Fusaes 
infolge Ueberdehnung der Arteria poplitea nicht von der Hand zu weisen 
ist. Bei einer Kontraktur von etwa 80° wurden naoh Keilresektion und 
Streckung des Beines die Zehen blau, und es traten oberflächliche Ne¬ 
krosen an den Zehen und an der Ferse auf. Die Krummstellung des 
operierten Beines beim Auftreten derartiger bedrohlicher Erscheinungen 
kann nur als unvollkommenes Hilfsmittel angesehen werden in Rücksioht 
auf den zwischen den Sägeflächen sich entwickelnden Bluterguss usw. 
Es wurde daher bei hochgradigen Kniekontrakturen die Keilresektion 
zweimalig vorgenommen. Erst wurde in bekannter Weise ein Keil von 
etwa 60° entfernt, der Kontrakturwinkel um diesen Keil verkleinert, 
eingegipst und knöoherne HeiluDg erzielt. Naoh 6 Wochen wurde von 
einem Hautschnitt in der Operationsnarbe aus ein zweiter Keil entfernt, 
der die vollkommene Streckung der Kontraktur zuliess. Zwischenfälle 
sind nioht aufgetreten. Die Operation wurde in 19 Fällen ausgeführt; 
einmal hat ein Patient die zweite Operation verweigert, da ihm das 
Knie schon gestreckt ersohien. Einmal wurde die Operation auoh bei 
nioht knöcherner Kontraktur — und zwar lag ein spitzer Winkel von 
fast 0° naoh Kinderlähmung vor — mit gutem Erfolg vorgenommen. 
Die einzige Methode, um eine zweizeitige Operation zu umgehen, wäre 
die Resektion des Knies, bei deq so viel entfernt wird, dass eine Dehnung 
der Arteria poplitea nicht mehr in Frage kommt. Dieses Vorgehen hat 
aber den Nachteil, dass es bei den meist schon verkürzten Beinen nicht 
die grösstmögliche Länge erzielt, und dass die knöcherne Heilung, da 
die adaptierten Sägeflächen viel kleiner sind, und nioht duroh die straffen 
Weiohteile der Kniekehle zusammengehalten werden, unsicherer ist. 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 




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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Aussprache. 

Hr. Peltesohn: Ich möchte mir mit Rücksicht auf die metapbysären 
Verbiegungen der Femora, die ioh auf einigen der gezeigten Photographien 
sah und auf deren Vorkommen bei Knieflexionsankylosen besonders Hof¬ 
meister aufmerksam gemacht hat, an den Herrn Vortragenden die 
Frage gestatten, an welcher Stelle er die Keile aus dem Knochen ent¬ 
fernt. Nimmt er sie, wie ich anzunehmen geneigt bin, Yon der Stelle 
der stärksten Konvexität, also da fort, wo früher das tuberkulöse Gelenk 
war, so wäre es weiter interessant zu erfahren, ob er niemals, auch nicht 
bei Kindern, die er ja ebenfalls nach seiner Methode reseziert hat, lokales 
Neuaafleben oder Dissemination der Tuberkulose erlebt hat. Denn be¬ 
kanntlich iat man ja gerade wegen dieser mit der Eröffnung alter tuber¬ 
kulöser Herde verknüpften Gefahren von den Resektionen zu den in 
dieser Hinsicht weniger gefährlichen paraartikulären Osteotomien mit 
Korrektur bei Kindern und Jugendlichen mit posttuberkulösen Deformi¬ 
täten übergegangen. 

Hr. Gocht erklärt sich als Anhänger der keilförmigen Osteotomie 
bei Kniekontrakturen unter Schonung der Gefässe. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultur za Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 20. Juni 1219. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Minkowski. 

Hr. Uhthoff: Wir haben den Tod zweier hoohverdienter Mitglieder 
unserer Gesellschaft zu beklagen. 

Als das arbeitsreiche Sommersemester sich der Pfingstpäuse näherte, 
harrte der Professor Ordinarius honorarius Dr. Franz Roehmann bis 
zuletzt auf seinem Posten aus und hielt noch seine Vorlesung ab, als 
er sioh schon krank fühlte. Gleich darauf musste er sich legen, die 
Krankheit nahm einen gefährlichen Charakter an, und dem Wirken des 
nimmermüden und unausgesetzt tätigen Forschers wurde ein jähes Ende 
bereitet. Gerade diese Pflichttreue bis zum letzten Augenblick war 
charakteristisch für Roehmann, und sie ist es auch, die wir alle an 
ihm so sehr geschätzt und verehrt haben. Er war das Muster eines 
unermüdlichen und rastlos tätigen Forschers und Lehrers. 

Roehmann entstammte einer bekannten Berliner ärztlichen Familie. 
Sein Vater starb früh, und seine Erziehung leitete seine Mutter in 
strenger Zucht und tiefem Ernst. Sie lehrte ihn die Arbeit schätzen 
und verwies ihn auf den Wert der idealen geistigen Güter gegenüber 
den materiellen Interessen und Vorteilen des Lebens. Und nach diesen 
Grundsätzen hat der Verewigte sein Leben lang gehandelt, seine Wissen¬ 
schaft und seine Forschertätigkeit waren ihm alles. 

Roehmann studierte in Würzburg, Strassburg und Berlin, und zu 
seinen Lehrern zählte er die berühmtesten Universitätslehrer jener Zeit. 
Männer wie Kölliker, Paalzow, du Bois-Reymond, Hoffmann, 
v. Helmholtz, Virchow, Leyden, Baumann, Salkowski haben 
seinen Entwicklungsgang segensreich beeinflusst. Seit 1881 war er 
Assistent bei Heidenhain am Physiologischen Institut zu Breslau, 
1882 habilitierte er sich, 1898 wurde er zum Professor extraordinarius 
ernannt, 1907 Abteilungsvorsteher am Physiologischen Institut und 1912 
Professor Ordinarius honorarius, und so schritt er stetig vorwärts in 
seiner akademischen Laufbahn und in seinen wissenschaftlichen Erfolgen. 
Ja, man kann von Roehmann sagen, je weiter er im Lebensalter vor¬ 
schritt, um so produktiver wurde er auf wissenschaftlichem Gebiete. 

Die physiologische Chemie und die Biochemie waren sein eigent¬ 
liches Arbeitsgebiet. Ueber letztere hat er auch ein Lehrbuch geschrieben 
und sie dadurch auch dem Studierenden verständnisvoll nähergebracht. 
Es steht mir nicht zu, über seine Arbeiten, die meinein Verständnis 
ferner liegen, ein maassgebendes Urteil abzugeben, es wird das später 
noch von anderer Seite im Schosse unserer Gesellschaft geschehen. Aber 
erinnern möchte ich doch noch an seine hoohbedeutsamen Arbeiten aus 
der letzten Zeit, „ Ueber künstliche Ernährung und Vitamine“ sowie über 
die „Milohzuokerentstehung usw. K , über die er nooh jüngst in unserer 
Gesellschaft berichtete. 

Wahrlich, ein gesegnetes und an wissenschaftlichen Erfolgen und 
Leistungen reiches Leben hat hier seinen Abschluss gefunden. 

Ehre seinem Andenken! 

Und einen zweiten schweren Verlast hat unsere Gesellschaft durch 
den Tod unseres allverehrten und verdienten Mitgliedes des Geh. San,- 
Rats Dr. Theodor Toeplitz erlitten. Es war ein selten reiches, 
segensvolles Leben, das hier am 3. Juni seinen Absohluss fand. Er war 
einer unserer populärsten und bekanntesten Aerzte, den Sie alle kannten 
und den jeder von uns gern hatte.' 

Wohl selten hat sioh ein Arzt vielseitiger und segensreicher be¬ 
tätigt als der Verewigte. Seine medizinische Tätigkeit galt vor allem 
der Kinderheilkunde, der er sich bald nach seiner Niederlassung als 
Spezialist zuwandte. Seine ärztlichen Leistungen waren allgemein an¬ 
erkannt, und besonders ist auch seine langjährige Tätigkeit in der 
Leitung des Krankenhauses Bethesda hervorzuheben, der sich auch der 
Unterricht in der Ausbildung der Krankenschwestern angliederte. 

Aber das war nur ein Teil der reiohen Tätigkeit dieses unermüdlich 
und rastlos arbeitenden Mannes. Von seinen grossen und langjährigen 


Verdiensten weiss auch das Stadtparlament zu berichten, dem er lange 
Jahre als Mitglied und bei vielen kommissarischen Beratungen angehörte. 

Den letzten Gross brachten ihm die Mitglieder der Deutschen 
Turnersobaft, die dankbar und in feierlicher EhruDg ihre Fahnen über 
das offene Grab senkten. Sie nahmen Abschied von ihrem begeisterten 
und erfolgreichen Vorsitzenden, der sie bis dahin führte. 

Aufopferungsvoll stellte er seine Kraft in den Dienst der kollegialen 
Standesinteressen, die Schlesische Aerztekorrespondenz besass in ihm 
einen ausgezeichneten Redakteur, der es auch verstand, duroh treffliche 
Referate und Beiträge belehrend auf die Kollegen einzuwirken. Seine 
Umsicht, Geschäftbkenntnis und seine Gewissenhaftigkeit befähigten ihn 
ganz besonders zu einer derartigen Schriftleitung. Seine ärztliohen 
Leistungen während der Kriegszeit fanden * gebührende Anerkennung an 
seinem Grabe aus dem Munde des militärischen Vertreters. 

Man versteht es kaum, wie Toeplitz neben seiner umfangreiohen 
praktischen Tätigkeit ein so vielseitiges, aufopferungsvolles Wirken für 
das Allgemeinwohl durchführen konnte. Und doch hat er es gesobafft 
unter der treuen Fürsorge seiner ausgezeichneten Gattin. Wir ab» 
wollen ihm in dieser Stunde für alles tief dankbar sein und unser» 
grossen Verehrung für den Verewigten Ausdruck geben. 

Hr. Minkowski: Mageikolonflstel. 

Ein 50 jähriger Mann hat angeblich im Dezember 1918 nur einmal 
etwa 1 1 Blut erbrochen, blieb dann besohwerdefrei bis zum 6. VI. 1919. 
Seit diesem Tage übelriechendes Aufstossen und fäkulentes Erbrechen 
nach jeder Nahrungsaufnahme. Magenausspülung fördert breiige Fäkal¬ 
massen hervor. Nach Eingiessung von Bismuth- oderKohlenaufschwemmung 
per reotum sind diese sofort im ausgeheberten Mageninhalt nachweisbar. 
Man fühlt einen etwa apfelgrosseu, derben, beweglichen Tumor links 
vom Nabel. Eine Röntgenaufnahme lässt an dieser Stelle deutlich die 
Kommunikation zwischen Magen und Colon transversum erkennen. Es 
soll die operative Entfernung des offenbar karzinomatösen Tumors ver¬ 
sucht werden. 

Ausspraohe. 

Hr. Küttner hat mehrfach Magen und Colon transversum gleich¬ 
zeitig reseziert und zwar bei Magenkrebsen, die auf das Kolon selbst 
oder auf das Mesooolon transversum übergreiien und hier zur Unter¬ 
bindung der Arteria oolioa media nötigten, so dass die Gangrän un¬ 
vermeidlich war. Im letzteren Falle näht er naoh vollendete Magen¬ 
resektion das zu entfernende Querdarmstüok in das Peritoneum ein und 
lagert es vor die Bauohdeoken, reseziert also den Dickdarm zweizeitig. 
Der Eingriff ist stets gross und gefährlich, bei dem vorgestellten Patienten 
jedooh wegen des trostlosen Zustandes angezeigt. Für den Versuch der 
Operation spricht auoh die Tatsache, dass unter 6 Patienten der Klinik des 
Redners, welche die Magenkolonresektion wegen Karzinoms Überstunden, 
2 dauernd geheilt sind. 

Naoh trag: Der Fall erwies sich als operabel. Es handelte sioh, 
wie erwartet, um ein auf das Querkolon übergegangenes Magenkarzinom. 
Magen und Kolon wurden in einem Stück reseziert, die Magen- und 
Darmenden blind verschlossen, am oralen Magenstampf eine Gastro¬ 
enterostomie ausgeführt und das Querkolon durch Seit-zu-Seit-Anastomose 
vereinigt. 

Hr. Roseothal demonstriert ein 20 jähriges junges Mädchen mit 
kezstitatioiellen hämelytisehen Ikterus, der seit dem 4. Lebens¬ 
jahre mit schwankender Intensität besteht. Seit etwa 8 Jahren klagt 
Pat. über kolikartig auftretende Schmerzen im Bereioh der Milsgegend. 
Wie in den in der Literatur beschriebenen Fällen war auoh der hi» 
vorliegende hämolytische Ikterus durch eine starke Vergrösserung der 
Milz, duroh reichlichen Bilirubingehalt des Serums bei Fehlen von Gallen¬ 
farbstoffen im Urin, durch reiohlichen Bilirubingehalt der Fäzes und des 
Urins sowie duroh eine sehr beträchtliche Herabsetzung der Resistenz 
der roten Blutkörperchen gegen hypotonische Salzlösungen und Essig¬ 
säure, weniger gegen Saponin charakterisiert. Die Herabsetzung der 
Resistenz der roten Blutkörperchen war in dem vorliegenden Falle so 
beträchtlich, dass der Wert für die minimale Resistenz bei 0,81 proz. 
Kochsalzlösung lag. Morphologisch war das Blutbild duroh Anisozytose, 
Polyohromasie, basophile Punktierung, durch reichliches Auftreten der 
Substantia retioulo-granulo-tilamentosa und duroh die Anwesenheit von 
spärliohen Normob lasten gekennzeichnet. Die Zahl der roten Blut¬ 
körperchen zeigte bereits in kurzen Abständen sehr erhebliche Schwan¬ 
kungen, bis zu 1 000 000 und mehr. »Die Pleiochromie der Galle konnte 
mit Hilfe der Duodenalsonde in markanter Weise nachgewiesen werden. 
Der Gallenfarbstoff, naoh Hyjmans van den Bergh bestimmt, betrug 
gegenüber dem bei normalen Individuen gewonnenen Duodenalinhalt das 
5—6 fache und mehr. Ebenso fand sich das Gesamtcholesterin im Duo¬ 
denalinhalt beim hämolytischen Ikterus erheblich gesteigert. Der Gallen¬ 
farbstoffgehalt im Blute zeigte recht erhebliche Schwankungen; die Bili¬ 
rubinreaktion im Serum ergab nur naoh Vorbehandlung des Serums mit 
Alkohol eia positives Resultat, während die direkte Reaktion auf Bili¬ 
rubin naoh Hyjmans van den Bergh im Gegensatz zum Stauungs- 
ikterus stets negativ ausfiel. 

Für die zentrale Bedeutung der Milz beim Zustandekommen des 
Ikterus, wie sie zuerst von Minkowski angenommen worden ist, spricht 
auch die gemeinsam mit Herrn Dr. Botzian gemachte Beobachtung, 
dass naoh Injektion von Adrenalin, welches auoh beim hämolytischen 
Ikterus zu einer beträchtlichen Verkleinerung der Milz führt, ein stark» 
Anstieg des Bilirubinspiegels im Serum im Gegensatz zu den von Bauer 
und Spiegel erhobenen Befanden beim Gesunden stattfindet. Im An- 


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sohluu an die Adrenalininjektion trat bei der Pat. ein etwa 48 Stunden 
anhaltender, mit intensiven Kopfsohmerxen, Straflösigkeit und Prostration 
▼erlaufender eigentömlioher Vergiftungszustand ein, welcher beim Nor¬ 
malen bisher nicht zur Beobachtung gelangt ist und auf die Aus¬ 
schwemmung ?on toxischen Milzsubstanzen zu beziehen sein dürfte; Die 
roten Blutkörperchen dieses Falles zeigten im Stadium der lebhaften 
Erythrozytolyse bei normaler Trockensubstanz und normalem Eiweiss¬ 
gehalt beträchtliche Herabsetzungen des Cholesterins, des Lezithins und 
des Lipoidphosphors, ohne dass sich hieraus ein Verständnis für das 
Wesen der stark herabgesetzten Resistenz der Erythrozyten gegen hypo¬ 
tonische Salzlösungen ergeben dürfte. Der Rezeptorenapparat der roten 
Blutkörperchen beim hämolytischen Ikterus zeigte, wie Immunisierungs- 
▼ersuche ergaben, keinerlei Abweichungen gegenüber normalen Blut¬ 
körperchen, ebenso war der Gesamtasohengehalt der roten Blutkörperchen 
gegenüber normalen Blutkörperchen nicht wesentlich verändert. Die 
Untersuchung der Familienangehörigen ergab keine krankhaften Ver¬ 
schiebungen der Resistenz der roten Blutkörperchen; nur bei der Mutter 
fand sich eine physiologische Hyperbilirubinämie. Die bei der Pat. be¬ 
absichtigte Splenektomie gibt gleichzeitig Veranlassung zur Bearbeitung 
weiterer Fragen über die Funktion der Milz. 

Hr. Miikowski: Milzexstirpation hei perniziöser Aiftmie. 

Eine 40 jährige Frau, die seit Beginn dieses Jahres an zunehmender 
Schwäche und Blässe leidet, wird am 28. IV. 1919 mit allen Zeichen 
einer perniziösen Anämie in die Klinik aufgenommen: 38pCt. Hämo¬ 
globin, 1200 000 Erythrozyten (Färbeindex 1,4), Aniso-, Makro- und 
Peikilosyten, Megalob lasten, 2800 Leukozyten, darunter 55 pCt. Lympho¬ 
zyten, 40 000 Blutplättchen. Trotz wiederholter Salvarsaninjektionen, 
wie sie in anderen Fällen sehr günstig gewirkt hatten, rasche Ver¬ 
schlimmerung des Krankheitszustandes, äusserster Kräfteverfall, Fieber, 
Neigung zu Hämorrhagien auf Haut und Schleimhäute, Sinken des Hämo* 
globins auf 22 pCt., der Erythrozyten auf 750 000, der Leukozyten auf 
1900, der Blutplättchen auf 30000. Am 10. V. wird die Milz ex* 
stirpiert. Infolge Verwachsung ihres oberen Pols mit dem Zwerchfell 
gestaltet sich die Operation sehr schwierig und dauert ziemlich lange. 
Trotzdem bereits nach 5 Stunden nachweisbare Zunahme des Hämo¬ 
globins, der Leukozyten und Blutplättchen. Die Neigung zu Hämor¬ 
rhagien verliert sich unmittelbar nach der Operation. Am folgenden 
Tage auffallende Blutkrise: in jedem Gesichtsfeld mehrere Normoblasten, 
110 000 Erythrozyten, 5700 Leukozyten mit 75pCt. neutrophilen und 
nur 21 pCt. Lymphozyten, 68 000 Blutplättohen. Allmählich Ansteigen 
des Hämoglobins auf 64pCt., der Erythrozyten auf 2 000 000. Die 
Hyperohromie nimmt also sogar zu (Färbeindex 1,6). Die Leukozyten¬ 
zahl vorübergehend 9600, später 5200—6700, Blutplättchenzahl nach 
vorübergehender Steigerung auf 135 000, später 80—90 000. Die Besserung 
des Allgemeinbefindens und Zunahme des Kräftezustandes geradezu ver¬ 
blüffend. Pat. ist kaum wiederzuerkennen. 

Wenn auffallende Besserungen bei perniziöser Anämie, wie be¬ 
kannt, auch sonst nicht selten Vorkommen, so kann an der günstigen 
Wirkung der Operation nioht gezweifelt werden. Leider darf man nach 
den Berichten in der Literatur (s. Hirsohfeld) kaum hoffen, dass die 
Heilung von Dauer sein wird. 

Nach dem günstigen Verlauf dieses Falles wagte man es, einen 
anderen Kranken mit perniziöser Anämie, der schon fast moribund war 
und an den Erscheinungen einer kombinierten Strangsklerose litt, der 
Operation zu unterziehen. Obgleich der schon äusserst entkräftete Pat., 
trotzdem die Operation sich bei ihm sehr leicht gestaltete, nooh an dem¬ 
selben Tage zugrunde ging, machte sich der Einfluss der Milzexstirpation 
auf das Blutbild auch bei ihm bemerkbar. Hämoglobingehalt, Erythro- 
und Leukozytenzahl, die vor der Operation auf 16pCt , 534 000 bzw. 
1700 gesunken waren, betrugen schon 1 f 2 Stunde naoh der Operation 20 pCt., 
700 000 und 5700, naoh 6 Stunden 22pCt., 900 000 und 6200. 

Redner bespricht die theoretischen Vorstellungen, die man sich über 
die der perniziösen Anämie zugrunde liegenden Störungen und ihre Beein¬ 
flussung durch die Milzexstirpation gemacht hat. Vieles sprioht dafür, 
dass die Milz bei der gesteigerten Zerstörung der roten Blutkörperchen 
mitwirkt. Bemerkenswert ist in dieser Beziehung auch das sofortige 
Schwinden der Urobilinurie naoh der Operation, wie sie in ähnlicher 
Weise auoh beim hämolytischen Ikterus nach Milzexstirpation beobaohtet 
wird. Ausserdem aber muss eine Einwirkung der Milz auf die blut¬ 
bildenden Organe angenommen werden, eine Steigerung der Knochen- 
marksfunktion naoh der Milzexstirpation, die durch das massenhafte 
Auftreten von kernhaltigen roten Blutkörperchen bewiesen wird. Eine 
Korrelation zwisohen Blutzerstörung und Blutbildung ist ohnehin aus 
vielen Gründen sehr wahrscheinlich. 

Ausspraohe. 

Hr. Küttner hat die Patientin seit ihrer Rückverlegung in die 
medizinische Klinik nioht mehr gesehen und ist erstaunt über die 
ausserordentliche Erholung der Kranken, die er kaum wiedererkannt 
hätte. Die Splenektomie war wegen sehr fester und ausgedehnter Ver¬ 
wachsungen des oberen Pols der Milz mit dem Zwerchfell und der Un¬ 
möglichkeit, das Organ vorzuziehen, sehr schwierig, wurde aber trotz des 
äusserst elenden Zustandes der Kranken gut überstanden. Sehr einfaoh 
dagegen war die Splenektomie bei dem zweiten Patienten, der in fast 
moribundem Zustande operiert wurde und den Eingriff nur 10 Stunden 
überlebte, trotzdem aber bereits eine Besserung des Blutbildes zeigte. 
Es gibt wenig Operationen, die so verschieden sioh gestalten wie die 
Splenektomie. Ist die Milz gut luxierbar und nioht zu sehr verwaohsen, 


so ist der Eingriff denkbar leioht; ist die Milz in breite, gefässreiche 
Adhäsionen eingebettet und nicht vorxiehbar, so kann die Operation die 
grössten technischen Schwierigkeiten bieten. 

Hr. Rosenfeld: Sie erinnern sioh wohl noch der Patientin mit 
perniziöser Anämie, die ich Ihnen vor 2 Jahren naoh Milzexstirpation 
vorgestellt habe. Sie bestätigt die Tatsache, dass die Erholung leider 
nioht die Heilung zu bedeuten pflegt. Denn obwohl sie ebenso erholt 
war, wie diese Patientin es jetzt ist, so ist sie doch nach etwa ein¬ 
jährigem gutem Befinden eingegangen. — Es scheint übrigens, als ob 
die neuerdings mehr geübten Mensohenbluteinspritzungen eine gute Be¬ 
handlung darstellten. 

Hr. Schenk demonstriert nochmals die Patientin mit hämolytitthem 
Ikterus, bei der inzwischen auf Injektion von 1 mg Suprarenin. hydr. 
synth. eine Verkleinerung der Milz um ungefähr Handbreite eingetreten 
ist. Die Allgemeinreaktion war wie bei den früheren Untersuchungen 
bei der Patientin eine äusserst starke. 

Es war in Frey’s Phase I eine bedeutende Lymphozytose ein¬ 
getreten (von 1880 auf 4484 im emm) bei gleichzeitiger Vermehrung 
sämtlicher anderen Zellen. Die Zahl der Erythrozyten war von 8200000 
auf 4100000 gestiegen. Die Zahl der Blutplättchen stieg in dieser Zeit 
(25 Minuten) von 251000 auf 815000. Diese Vermehrung der Plättchen 
fand Redner häufig in Phase I. Sie ist wohl dahin zu deuten, dass die 
Adrenalinwirkung in erster Linie als Milzwirkung aufzufassen ist, und 
dass die Wirkung auf das gesamte lymphatische System und die vege¬ 
tativen Nerven erst an zweiter Stelle in Frage kommt. Die Vermehrung 
der Erythrozyten, die Redner in den meisten Fällen fand, dürfte sich wohl 
wie die Zunahme des Hämoglobins in der Hauptsache als Folge der 
Filtration aus dem Kapillargebiet der Gefässe in das Parenchym der 
umgebenden Gewebe deuten, wie es bereits Erb und Hess bei Hunden 
festgestellt haben. Der Beweis dafür ist in der Gewichtszunahme der 
Trockenmasse des Serums zu erblicken, die in diesem Falle von 8,66 pCt. 
auf 8,82 pCt. des Serums stieg. In anderen Fällen betrug die Gewichts¬ 
zunahme der Trockensubstanz bis und über 1 pCt. des Serums. Naoh 
einer Stunde trat allmählich wieder Abnahme aller korpuskulären Ele¬ 
mente und Verdünnung des Serums ein. Besprechung der Feststellungen 
von Bauer und Fröhlich über die Wirksamkeit des Suprarenins auf 
Vasokonstriktoren und Dilatatoren. 

Hr. Fraak demonstriert Rtiatgenbilder voa Abdomiialoffektioiei, 
die mit Hilfe der Gaseinblasung in die Bauchhöhle nach Goetze und 
Rautenberg gewonnen sind. Er bespricht zunächst die einfache und 
gefahrlose Technik, die in der Klinik nach dem Prinzip des gasförmigen 
Verdrängers geübt wirt (Stichinzision mit Hilfe der Frank e’schen Nadel 
an der von Goetze bezeichneten Stolle, 3—5 cm unterhalb des Nabels 
links in der Mitte des Rektus, dann Zuführung des Sauerstoffs unter 
geringem Druek mit Hilfe der vorn balbstumpfen, mit seitlichem Schlitz 
versehenen Deneke’sohen Pneumothoraxnadel). Der Vortr. zeigt zu¬ 
nächst, dass sich Leber, Gallenblase, Milz, Niere ausgezeichnet dar¬ 
stellen lassen und demonstriert dann Bilder von einer steingefüllten, 
durch Adhäsionen fixierten Gallenblase, sowie von Stauungsblase bei 
Gholedochusversohluss, ferner Unebenheiten der Leber bei Leberzirrhose, 
eine harte Leber mit aufgeworfenem Rande bei diffuser Karzinomatose 
des Organs, Netztumoren, Adhäsionen bei Peritonitis tuberculosa mit 
kleinem Flüssigkeitsspiegel. 

Hr. Bittorf demonstriert einen Patienten mit Botiliflmifl, der sich 
im Anschluss an Genuss von Pferdewurst entwickelt hat. Die ersten 
Erscheinungen (Magendruck) traten 8 Stunden nach dem Genuss auf. 
Nach über 24 Stunden erfolgte Erbrechen von Wurstresten. Gleichzeitig 
traten Schwindel, Sebstörungen, Trockenheit im Munde, Schluckstörung, 
zeitweise Doppelsehen, Erschwerung der Harnentleerung und Verstopfung 
auf. Diese schweren Störungen bestehen fast unverändert jetzt noch 
nach 16 Tagen fort. In den letzten Tagen (kachektisohes) Unter¬ 
schenkelödem. Puls kräftig, aber verlangsamt (58). 

Besonders stark ist die vollkommene Akkommodationsläbmung, die 
Trockenheit von Zunge (Pökelzunge) und Gaumen, sowie die Scbluck- 
störung, die selbst eine Wasseraufnabme sehr erschwert und die rönt¬ 
genologisch nachweisbare Oesophagus-(Pharynx)läbmung. 

Das Blut zeigt bei 6600 weissen Blutkörperchen eine sehr starke 
Lymphozytose (48pCt.) und 2 pCt. Eosinophilen undTürk’schoReizform, 
45 pCt. Polynukleäre und 8 pCt. grosse Mononukleäre. 

Ansohliessend berichtet er über eine früher von ihm beobachtete 
Massenerkrankung von 28 Fällen mit 5 Todesfällen, und betont be¬ 
sonders die Atemlähmung (ganz flache, fast abdominale, verlangsamte 
und unregelmässige, auoh aussetzende Atmung), die in akuten schweren 
Fällen oft die Todesursache ist. 

Hr. Sehäffer zeigt eine 44jährige Frau mit totalem Herzblock. 
Seit 4 Jahren klagt Patientin über allgemeine Schwäche und Atemnot 
bei geringen Anstrengungen. Niemals bestanden Anfälle von Bewusst¬ 
losigkeit oder Krämpfen. Infektionskrankheiten gingen nicht voraus. 
Keine Anhaltspunkte für Lues und Potus. Wa.R. negativ. Blutdruck 
178 mm Hg. Albumen negativ. Hers fast 2 Querfinger nach links di- 
latiert, bietet den Befund einer Mitralinsuffizienz + Stenose. Der deutlioh 
sichtbare Jugilarvenenpuls scheint 2—3 mal häufiger zu schlagen als die 
Karotis. Am Röntgenschirm erkennt man die kleinen schnellen Kon¬ 
traktionen der Verböte und die langsamen, ausgiebigen Aktionen der 
Kammern. Letztere zeigen in Rübe meist 36—40, die Vorböfe, wie sich 
aus den Venen pulskurven ergibt, 92 Schläge pro Minute. Nach körper¬ 
lichen Anstrengungen steigt nur die Frequenz der Vorhöfe, nioht der 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Kammern. Ebenso bleiben selbst 1,5 mg Atropin ohne Einfluss auf die 
Kammern, während die Sohlagfolge der Vorhöfe auf 106 steigt. Dass 
es sich in der Tat um eine völlige atrioventrikuläre Dissoziation handelt, 
wird weiterhin durch das Elektrokardiogramm bewiesen. Die erhalteneu 
Kurven zeigen die völlige Unabhängigkeit der A-Zacken einerseits, der 
I- und F-Zacken andererseits. Beide haben untereinander völlig gleiche 
Abstände; auf 40 I- und F-Zacken kommen 92 A-Zaoken. Schon nach 
geringen Anstrengungen tritt eine mehrere Minuten anhaltende Bige- 
minie auf, die nach dem E.K.G. durch atrioventrikuläre Extrasystolen 
bedingt ist. Ihr Ursprungsort muss also im Reizleitungsbündel unter¬ 
halb der Läsionsstelle sitzen. Aush durch Injektion von 1 mg Adrenalin 
subkutan wurden extrasystolische Bigeminien und auch Trigeminien aus¬ 
gelöst. Dass die Blutdrucksteigerung als Ursache hierfür nicht in Frage 
kommt, geht daraus hervor, dass zur Zeit der Aufnahme der Kurven 
(25 Min. post inj.) der Blutdruck bereits wieder den Wert vor dem 
Versuoh erreicht hatte. Mit Wahrscheinlichkeit liegt also eine Ein¬ 
wirkung auf die Endigungen der N. acoelerantes vor. Da der Weg über 
das His’sche Bündel jedoch im vorliegenden Fall blockiert ist, so muss 
angenommen werden, dass diese direkte Angriffspunkte an der Kammer¬ 
muskulatur besitzen. Unter der seit ®/ 4 Jahren durcbgeführten inter¬ 
mittierenden Behandlung mit kleinen Atropingaben hat sich die körper¬ 
liche Leistungsfähigkeit der Patientin erheblich gebessert. 


Aerztlicher Verein zu Frankfurt a. M. 

Sitzung vom 7. April 1919. 

Hr. Goldsteift: Versteifung eines Falles tob Dystrophia adiposo- 
genitalis bei eiiem Maine nach Schädeltramna (wahrscheinlich Hydro- 
cephalus int.). Die Temperaturmessungen ergaben auf beiden Seiten 
verschiedene Resultate; bei akuten Zuständen von Verschlimmerung 
traten Temperaturen bis 42,8 auf bei einem Puls von 70! Man muss 
annehmen, dass eine Schädigung des Zentrums im Gehirn (Infundibulum) 
vorlag. 

Hr. Fischer: Demonstrationen. 

Hr. Meyer-Köppem: Epikritisches znr Einteilung nnd Beurteilung 
der kriegsnenrotischen Störungen. Der Ausspruch Oppenheim’s: 
„Die Hysterie ist über ihre Ufer getreten und nichts ist mehr vor ihr 
sicher* besteht heute mehr denn je zu Recht. Bei den kriegsneurotischen 
Störungen fehlt der hysterische Charakter meistens vollständig, denn 
auch bei völlig Gesunden kann Hysterie auftreten. Weder die klinische 
noch die psychologische, noch die physiologische oder biologische Be¬ 
trachtungsweise geben uns die Möglichkeit an die Hand, eine Einteilung 
der verschiedenen Krankheitsbilder vorzunehmen. 

Hr. Schnltze-Köppem: Eine nene Methode der Intelligenzprfifnng. 
Die Methode besteht darin, dass man die Patienten Mosaikbilder, wie 
sie die Kinder zum Spielen benutzen, zusammensetzen lässt. Es be¬ 
steht, wie an verschiedenen Tabellen gezeigt wird, eine bestimmte 
Reihenfolge in der Schnelligkeit des Zusammensetzens, je nach dem 
Grade der Intelligenz; ausserdem ist eine bestimmte Korrelation zwischen 
Kopfrechnen und dieser neuen Methode naohzuweisen. Sch. betont, dass 
in erster Linie das klinische Gesamtkrankheitsbild von Wichtigkeit ist, 
dass alle experimentell-psyohologischen Methoden, deren Wert eine Zeit¬ 
lang überschätzt wurde, erst in zweiter Linie in Betracht kommen. 


Ausserordentliche Sitzung vom 28. April 1919. 

1. Hr. Adler: 8ehilddrü8e nnd Wärmeregulation. 

Bei Warmblütern bemerkt man bei einer Temperaturerhöhung um 
1—2 Grad die Kohlensäureansscheidung um 80—100 pCt. steigen; bei 
Kaltblütern (Fröschen) ist dies nicht der Fall. Dieses sonderbare Ver¬ 
halten des Frosches zu erklären ist der Zweck der Versuche A.’s. Die Schild¬ 
drüsen von Fröschen aus verschiedenen Gegenden sind ganz verschieden: 
Alpenfrösche haben stark funktionierendes, Adriafröscbe schwach funk¬ 
tionierendes Sohilddrüsengewebe. Dagegen zeigen Alpenfrösche, die man 
bei Hitzetemperaturen grosszieht, eine hochgradige Atrophie der Schild¬ 
drüse, im Gegensatz dazu bei Kälte grosse Schilddrüsen. Bei wechseln¬ 
der Temperatur sieht man im histologisohen Bild Wucherungen mit 
atrophischen Stellen ab wechseln. Die Sohilddrüse der Amphibien stellt 
also einen Regulierungsmechanismus dar. 

Die weitere Fragestellung war: Wie verhält sich die Schilddrüse 
beim Säugetier? An Winterschlaf enden Fledermäusen sind einzelne Teile 
stark zerstört, funktionsunfähig, das Kolloid verschwindet, die Follikel 
fallen infolgedessen atelektatisch zusammen. Tiere mit den stärksten 
Temperaturextremen zeigten die stärksten Veränderungen. Spritzt man 
winterschlafenden Igeln, die eine Temperatur von 8—9 Grad haben, 
Schilddrüsenextrakt ein, so wird 1^2 Stunden nach der Injektion die 
Atmung frequenter, die Tiere entrollen sich, nach 3 Stunden stehen die 
Tiere auf und laufen davon (Temperatur 84—35 Grad). Andere Organ¬ 
extrakte waren ohne jeden Erfolg. Histologisch zeigte sich bei erwachten 
Tieren nur fuchsinophiles, kein gerbsäurefestes Kolloid, bei winter¬ 
schlafenden Tieren umgekehrt. Thymushypertrophie steigert die Funktion 
der Sohilddrüse, Thymusextrakt wirkt auf dem Wege über die Schilddrüse, 
andere Extrakte wirken gar nicht. 

Wie kommt die Wärmebeeinflussung zustande? Das Wärmezentrum 
im Gehirn zeigt bei Fieber erhöhte Erregbarkeit, sympathikuserregende 
Substanzen erregen auch das Wärmezentrum, daher bei Basedow Tem¬ 
peraturerhöhung, bei Myxödem Temperaturerniedrigung. Die Sohild¬ 


drüse trägt dazu bei, den Tonus des Wärmezentrums zu erhöhen. Die 
Frage, wie weit das Schilddrüsenextrakt nur zentral oder vielleicht anch 
peripher wirkt, ist noch nicht gelöst. Die Schilddrüse ist also, wie ans 
den schönen Versuchen hervorgeht, von grosser Bedeutung für den 
Wärmehaushalt. 

2. Besprechung der Thesen der Herren ▼. Dihring nnd Hannner, 

die angenommen werden: 

1. Die Tatsache, dass nach zahlreichen ärztliehen Untersuchungen 
unter den in Fürsorge befindlichen Zöglingen ein ausserordentlich hoher 
Prozentsatz, mindestens 60—70 pCt., anormal ist, macht es zur unbe¬ 
dingten Pflicht, alle Fürsorgezöglinge zunächst auf kürzere oder längere 
Zeit unter ärztliche Beobachtung zu stellen. 

2. Die Leitung aller Fürsorgeerziehungsanstalten muss sich in 
Händen von Aerzten befinden. Es genügt nicht, dass Aerste im Neben¬ 
amt angestellt sind. 

3. Ebenso müssen die Anstalten für Idioten und Schwachsinnige 
ärztlich geleitet werden. Die Zahl dieser Anstalten ist so weit zu ver¬ 
mehren, dass alle Schwachsinnigen und Idioten in Anstalten unter¬ 
gebracht werden können. 

4. Für kriminell gewordene Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr 
sind besondere Behörden zu schaffen, denen ein Arzt angehört. Ausser 
dem Richter gehöit in diese Behörde ein Pädagoge. Naoh Würdigung 
aller Bedingungen der Anlage und des Milieus im weitesten Sinne hat 
diese Behörde zu entscheiden, ob die straffällig gewordenen Jugendlichen 
überhaupt vor ein Gericht gehören. In den übrigen Fällen ordnet diese 
Behörde an, wo es die Verhältnisse erlauben, die Zuweisung der Jugend¬ 
lichen an die Eltern, Verbringung in Erziehungsanstalten oder in dem 
Fall angemessene Krankenanstalten. Für alle Jugendlichen wird aus¬ 
nahmslos die bedingte Verurteilung gefordert. 

5. Die Heraufsetzung des straffälligen Alters, mindestens auf das 14., 
besser auf das 18. Jahr ist zu fordern. 

6. Die Verbringung in Untersuchungshaft für Jugendliche ist aus¬ 
geschlossen. Es sind dafür besondere Abteilungen in den Jugend- 
erziehungsanstalten zu schaffen, in denen die jugendlichen Gesetzes¬ 
übertreter sofort unter ärztlicher Kontrolle stehen. 

7. Zu Jugendrichtern dürfen nur solohe Richter gewählt werden, 

die genügende Kenntnis in der Beurteilung jugendlicher Gesetzesüber¬ 
treter erworben haben. B. Valentin-Frankfurt a. M. 


Emil Fischer f. 

Der Verlust, den die Naturwissenschaften, nicht nur die Chemie- 
duroh den am 15. Juli erfolgten unerwarteten Tod Emil Fischer’s ge 
troffen hat, ist sehr gross! 

Ueberblickt man seine Lebensarbeit, wie sie sich in den Werken: 
„Untersuchungen in der Puringruppe 0 ; „Untersuchungen über Amino¬ 
säuren, Polypeptide und Proteine“; „Untersuchungen über Kohlenhydrate 
und Fermente“; und in den im Druck befindlichen „Untersuchungen 
über die Gerbstoffe“ darbietet, so wird ganz besonders klar, wie be- 
träohtlioh sein Forsohen such zum Fortschritt der medizinischen Wissen¬ 
schaften beigetragen hat, 

Es war ihm bei seiner Arbeit nioht darum zu tun, durch neue 
Methoden die Erkenntnis nur seiner Spezialwissenschaft zu förden, viel¬ 
mehr zog er das gesamte Naturerkennen in seinen Gedankenkreis. 
Fette, Kohlenhydrate und Eiweissstoffe sind die grossen Bausteine des 
organischen Lebens; die Fette waren, besonders duroh die grundlegenden 
Arbeiten Chevreul’s in ihrer Konstitution aufgeklärt, ihre Synthese im 
Laboratorium durebgeführt, auf den beiden andern Gebieten aber fanden 
sich nur einzelne unzusammenhängende, wenn auch in ihrer Be¬ 
deutung nicht zu unterschätzende Beobachtungen vor, bevor Fischer 
in jahrelanger systematischer Arbeit den Urwald lichtete, sozusagen 
die einzelnen Ansiedlungen darin durch breite, allen gangbare Strassen 
verband. 

Ja, er begnügte sieh nicht mit der Analyse, dem Erkennen der 
unbekannten Stoffe, dem Aufklären ihrer chemischen Struktur, sondern 
ihn lookte fast noch stärker die Synthese, und immer von neuem zwang 
er sie in seinen Dienst. In faustischem Drang suchte er es der schaffenden 
Natur gleich zutun und gar manches Mal hat er sie in der Zahl der von 
ihm naohgebildeten Produkte übertroffen. 

Gleioh am Anfang seiner chemischen Laufbahn, als Schüler Baeyer’s, 
gelang ihm die Synthese der Hydrazine, deren einer Vertreter, das 

Phenylhydrazin, ihm später wertvolle Dienste leistete zur Identifizierung 
der verschiedenen Zuckerarten und das in den Händen Knorr’s den Bau¬ 
stein zum Antipyrin und seinen zahlreichen Derivaten lieferte. 

Neben Arbeiten mehr rein chemischen Charakters, so z. B. über 
Farbstoffe, schliessen sich daran die Arbeiten über die Puringruppe. 

Ihr ältester Repräsentant ist die Harnsäure, deren chemische Ge¬ 
schichte besonders reich ist, denn sie war der Gegenstand be¬ 

rühmter Untersuchungen von Liebig und Wöhler, von A. Strecker 
und Adolf von Baeyer, ohne dass es gelungen wäre, ihre chemisohe 
Natur endgültig festzustellen. Wichtig war für die physiologische Chemie 
die Aufklärung des Zusammenhanges der Harnsäure mit Xanthin, Hypo¬ 
xanthin und Adenin, Bestandteile der Zellkerne, die auch das Ausgangs¬ 
material für die Bildung der Harnsäure im Organismus liefern. Natür¬ 
lich zog auch die praktische Medizin aus diesen neuen Tatsachen ihre 
Schlüsse, wenigstens für die diätetische Behandlung der Gicht. Viel¬ 
leicht nooh bedeutungsvoller'war der Nutzen, den die praktische Chemie 


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aus der Konstitutionsaufklärung und Synthese der ebenfalls in diese 
Grnppe gehörenden Substanzen: Koffein, Theobromin und Theophyllin 
zog. Bis dahin hatte man sie ans Kaffee- und Kakaobohnen fabrikmässig 
dargestellt, ein recht kostspieliges Verfahren! Nun bot sich die billige 
Harnsäure • als Ausgangsmaterial dar, so dass diesem wissenschaftlichen 
Erfolg zugleich gewisse volkswirtschaftliche Bedeutung zukam. Eine 
weitere praktische Frucht der synthetischen Studien anf dem Gebiet 
dieser Gruppe war das Veronal, von dessen Bedeutung und den zahl¬ 
reichen ähnlichen ihm folgenden Präparaten vor diesem Forum ja nioht 
gesprochen zu werden braucht. 

Der Gang dieser Untersuchungen in der Puringruppe ist charakte¬ 
ristisch für die Arbeitsmethode Emil Fischer's. All diese verschiedenen 
Verbindungen werden zurüekgeführt auf eine Stammsubstanz: das Purin, 
dessen Konstitution klargestellt wird. Ja, die einzelnen Atome dieses 
komplizierten Moleküls werden durch Zahlen in ihrer Stellung zu ein¬ 
ander genau festgelegt, und nun kann man alle seine Derivate mit der 
Exaktheit mathematischer Formeln danach bezeichnen. 

In den anschliessenden Untersuchungen über die Kohlenhydrate 
lässt sich ein Schema nicht so einfach durchführen, wir können nioht 
•ine Substanz als den Grundstoff bezeichnen, von dem sich alle anderen 
ableiten. Aber eine übersichtliche Systematik schuf auch auf diesem be¬ 
sonders verwirrenden Gebiet Klarheit. Wir unterscheiden jetzt Mono- 
und Polysaccharide, und die ersteren werden naoh der Zahl der sie 
bildenden C-Atome eingeteilt in Di-, Tri usw. bis Nonosen. Fischer 
selbst hat die äussersten Glieder dieser Reihe im Laboratorium dar¬ 
gestellt. 

Bei den Hexosen, den physiologisch wichtigsten Vertretern, lieferten 
ihm die neuen Theorien von van’t Hoff und Le Bel über das asym¬ 
metrische und daher optisch aktive C-Atom das Einteilungsprinzip, ln 
dem Molekül der Hexosen finden sich nioht weniger als 4 solcher asym¬ 
metrischer Kohlenstoffatome. Da nun jedes von ihnen eine rechte und eine 
linke Form bedingt, so ergibt die Rechnung, dass nicht weniger als 
16 geometrisch verschiedene Substanzen von der Struktur des Tranben- 
zuokers möglich sind, von denen man bereits 12 Vertreter kennt. Auf¬ 
fallend ist, dass eine nur so geringfügige Abweichung, wie sie diese 
Stereoisomerie mit Bich bringt, genügt, um die Mehrzahl als Nahrungs¬ 
mittel für die Hefe auszuschalten. Nur bei einigen Verbindungen ist die 
Konfiguration so, dass sie von den Fermenten angegriffen werden können, 
was Fischer zu dem ausohauliohen Vergleich von Schloss und Schlüssel 
führte. Ueberrasohend ist die Tatsache, dass die Zahl der das Kohlen¬ 
hydrat bildenden C- Atome keine Rolle spielt, so wurde die Manno-Nonose 
auch als vergärungsfähig befunden, die gewöhnlichste Funktion eines 
Lebewesens scheint danach mehr von der molekularen Geometrie als 
von der Zusammensetzung des Nährmaterials abzuhängen. 

Wiohtig für die Stoffwechsellehre war die Möglichkeit, in vitro die 
einzelnen Zuokerarten ineinander überführen zu können, und die Er¬ 
kenntnis des Zusammenhanges der Kohlenhydrate mit den Fetten, wo 
bei es ohemisch gleichgültig ist, ob man in der Stoffwechselpathologie 
hierfür mehr das Glyzerin oder die Fettsäuren in Betracht zieht. 

Die Kohlenhydrate kommen in der Natur, besonders im Pflanzen¬ 
reich, häufig nioht frei, sondern in Verbindung mit anderen Körpern als 
Glukoside vor. Erinnert sei zur Illustration an das Amygdalin nnd Sa¬ 
lizin. Auch ihre Zusammensetzung wurde geklärt und durch die Syn¬ 
these zahlreicher Verbindungen erhärtet, worunter die Glukoside der 
Purinreihe wie das Theophyllinglukosid therapeutisches Interesse bean¬ 
spruchen werden, während das Xanthinglukosid ein§ wichtiger Schritt 
vorwärts auf dem Wege zur Erkenntnis der Struktur der Nukleo- 
proteine ist. 

Neben diesen Arbeiten führte EmilFisoherzu gleicher Zeit, unter¬ 
stützt durch eine grosse Zahl von Mitarbeitern, die systematischen Unter¬ 
suchungen über die Proteine und Aminosäuren durch. Auch hierbei 
leitete ihn der Gedanke, dass man von der Aufklärung ihrer Struktur 
und ihrer Metamorphosen die wichtigsten Aufschlüsse für die biologische 
Chemie erwarten dürfe, da die Proteine bei allen chemischen Prozessen 
im lebenden Organismus auf die eine oder andere Weise beteiligt seien. 
Wohl hatte bisher die physiologische Chemie Bemerkenswertes geleistet 
in bezug auf Untersuchung, Isolierung und biologische Charakterisierung 
der zahlreichen natürlichen Proteine, die Kenntnisse von ihrer chemischen 
Zusammensetzung waren aber sehr gering. Hier setzte die Veresterung 
als hervorragende Methode zur Isolierung der häufig kaum zu trennenden 
Bausteine ein. Jetzt liess sich quantitativ die Zusammensetzung zahl¬ 
reicher Eiweisskörper bestimmen, wobei die Zahl der bekannten Amino¬ 
säuren nioht unerheblioh vermehrt wurde. 

Auch hier findet man, wie bei den Kohlenhydraten, in der Natur 
nur die optisch aktiven Komponenten, deren Entstehen überhaupt im 
Pflanzenreich vielleicht duroh den asymmetrischen Bau des Chlorophylls 
bedingt ist. Jedenfalls bereitete ihre Darstellung im Laboratorium dem 
Forscher immer wieder grosse Schwierigkeiten, bis Emil Fischer angab, 
die Säuren mit optisch aktiven Basen, z. B. Bruzin oder Strychnin zu 
kuppeln, wodurch sich die Trennung der ursprünglich racmischen Ver¬ 
bindung leioht vollzieht. 

„Noch wichtiger“, sagt Emil Fischer in einem Vortrag in der 
Deutschen chemischen Gesellschaft 1906, „scheinen mir die auf gleiohem 
Wege gefundenen Methoden zur Umwandlung der Aminosäuren in ihr« 
amidartigon Anhydride, für die ioh den Sammelnamen „Polypeptide“ 
gewählt habe. Die höheren Glieder dieser synthetischen Körperklasse 
sind in bezug auf äussere Eigenschaften, gewisse Farbenreaktionen, 
Verhalten gegen Säuren, Alkalien und Fermente den natürlichen Pep¬ 


tonen so ähnlich, dass man sie als ihre nächsten Verwandten betrachten 
kann und dass ioh ihre Gewinnung als den Beginn der Synthese der 
natürlichen Peptone und Albumosen bezeichnen möchte.“ 

Er verwahrte sich aber energisch gegen die „phantasievollen Ueber- 
treibungen“, wie sie damals vielfach in der Tagespresse auftauohten, er 
war sich der Grenzen unseres Naturerkennens wohl bewusst. 

Wie weit andererseits das intuitive Erfassen der Naturprobleme 
in ihm ausgebildet war, erhellt wohl aus folgendem Beispiel. Auf der 
NaturforscherversammluDg in Wien im Jahre 1913 formulierte Emil 
Fischer die Meinung, dass eine Reihe natürlicher Gerbstoffe Zucker 
seien, deren Hydroxyle nicht sämtlich, sondern nur teilweise mit Säure¬ 
radikalen in Verbindung getreten seien. In unermüdlicher, jahrelanger, 
durch die Kriegszustände stark erschwerter Arbeit ist der experimentelle 
Beweis hierfür erbracht worden. 

Was hier in grossen Zügen an den Hauptwerken Fi sch er's gezeigt 
werden konnte, zieht sich auch duroh seine zahlreichen anderen Unter¬ 
suchungen. Er war kein Forscher, der nur in seinem engen Bereich 
arbeitete, der über die Grenzen seines Spezialgebietes nioht hinaussah! 
Gerade die Chemie ist ja so reich an Beziehungen zu anderen Wissen¬ 
schaften. Aber ihre eminente Bedeutung liegt nioht nur auf rein 
ideellem Gebiet, nein, Deutschlands Grösse, einst aufgebaut auf seiner 
Industrie und seinem Handel, verdankte ein gut Teil davon dieser un¬ 
serer Disziplin. 

Diesen Zusammenhang hat Emil Fischer weder als Forscher noch 
als Lehrer jemals ausser acht gelassen, vielmehr immer wieder auf seine 
Bedeutung hingewiesen. In diesem Sinne hat er auch bei der Gründung 
der Kaiser Wilhelm-Institute mitgewirkt. Deshalb wäre auch gerade 
jetzt, wo es gilt, durch das Handinhandarbeiten aller Faktoren dem 
wirtschaftlichen Niedergang zu steuern und neu aufzubauen, der Jugend 
das Naohholen der verlorenen Jahre zu ermöglichen, seine Mitarbeit 
doppelt wertvoll gewesen. 

Dass er im Kriege, dessen trauriges Ende er lange voraussah, alle 
seine Kräfte in den Dienst des Vaterlandes stellte, braucht wohl kaum 
besonders betont zu werden. 

Aus seinem Leben sei kurz folgendes erwähnt. Im Jahre 1852 in 
Euskirchen im Rheinland geboren, studierte er in Bonn und Strassburg 
Naturwissenschaften, Adolf von Bayer ist als sein Lehrer zu be¬ 
zeichnen. Ihm folgte er naoh München, wo er sich habilitierte. Er 
wirkte als ordentlicher Professor in Erlangen, Würzburg, und nahezu 
25 Jahre als Nachfolger A. W. von Hofmann's in Berlin. Alle Ehren, 
über die die Wissenschaft verfügen kann, sind ihm zuteil geworden; er 
war Mitglied zahlreicher gelehrter in- und ausländischer Körperschaften, 
Inhaber der verschiedensten Ehrenzeichen und Orden, so des Pour le 
merite, er erhielt den Nobelpreis für Chemie. 

Alle, denen es vergönnt war, in persönliche Beziehung zu Emil 
Fis oh er zu treten, standen sofort unter dem Banne einer überragenden 
Persönlichkeit, ein Eindruck, der duroh das liebenswürdige Entgegen¬ 
kommen noch vertieft wurde. Ein strenger Richter eigener und auoh' 
fremder wissenschaftlicher Arbeiten, aber voll milden Verständnisses für 
alle menschlichen Fehler und Schwächen anderer. Seinen Schülern Var 
er ein stets hilfsbereiter Lehrer, nioht nur in ihren chemischen Sorgen 
und Nöten. Gern teilte er ihnen aus dem reichen Schatz seiner Lebens¬ 
erfahrungen mit und suchte auoh so bildend auf sie einzuwirken. 

Dr. phil. et med. Charlotte Sohmidt- Rund. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der diesjährige deutsche Aerztetag hat am 27. und 
28. September zu Eisenach unter Dippe's Vorsitz stattgefunden. Er war 
zahlreich besucht, die zur Verhandlung gestellten Themata (Sozialisierung, 
medizinische Ausbildung, Kassenfragen u. a.) führten zu lebhafter Aus¬ 
sprache. Wir werden einen ausführlichen Bericht aus der bewährten 
Feder unseres Kollegen Henius in nächster Nummer dieser Wochenschrift 
veröffentlichen. 

— Der Lupus-Aussohuss des Deutschen Zentral-Komitees zur 
Bekämpfung der Tuberkulose hält am Donnerstag, den 16. Oktober, 
vormittags 10 Uhr, in der Hautklinik der Charite, Berlin NW., Luisen¬ 
strasse 2, eine Sitzung ab. Tagesordnung: Begrüssungsansprache des 
Vorsitzenden. Bericht des Schriftführers: 10 Jahre Tätigkeit der Lupus- 
Kommission (1908/1918). Vorträge: 1. Die Ansteokungsgefährliohkeit 
bei Haut- und Schleimhauttuberkulose und die Unterbringung Lupus¬ 
kranker ausserhalb von Krankenhäusern und Lupusheimen. Bericht¬ 
erstatter: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. J adassohn-Breslan. 2. Die Behand¬ 
lung des Lupus mit allgemeinen Lichtbädern. Berichterstatter: Prof. 
Dr. Jesionek-Giessen (Sonnenlichtbehandlung), Prof. Dr. Rost-Freiburg 
(Kombinierte Lichtbehandlung). 3. Die kombinierte Chemoradiotherapie 
der Haut-, Knochen- und Drüsentuberkulose. Berichterstatter: San.-Rat 
Dr. Schindler-Hanau (Fortschritte und Probleme in der Photo- und 
Chemo- und spezifischen Therapie des Lupus), Prof. Dr. Freund-Wien 
(Eine neue Behandlungsmethode des Lupus). Die Lupus-Kommission. 
Der Vorsitzende: Kirchner, Wirkt. Geh. Ober-Med.-Rat. Der Schrift¬ 
führer: Dr. Helm, Generalsekretär. 

— Zu Ehren des Geheimrat Prof. Dr. Wilhelm Schütz, der am 
15. September seinen 80. Geburtstag feierte, gab die Deutsche Tier¬ 
ärztliche Woohensobrift eine reichhaltige Festnummer heraus, welche 
wissenschaftliche Beiträge der hervorragendsten Vertreter der Veterinär- 


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960 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. 40. 


medizin enthielt. Dass das Lebenswerk von Schutz auch in hervor¬ 
ragendem Maasse der menschlichen Pathologie zngute gekommen ist, 
wird in einem warm geschriebenen Artikel von M. Kirchner dargetan, 
in welchem besonders auf die enge Arbeitsgemeinschaft, die zwischen 
ihm und Robert Koch bestand, hingewiesen wird. 

— Dr. Felix Glaser, dirigierender Arzt der II. inneren Abteilipg 
am Angusta-Viktoriakrankenhause in Schöneberg und Dr. Dobbertin, 
Direktor der chirurgischen Abteilung am Krankenhaus in Nieder- Sohöne- 
weide haben den Professortitel erhalten. 

— Oberarzt Dr. Falkenberg wurde als Direktor der III. städtischen 
Irrenanstalt in Buch gewählt. 

— Als Nachfolger von Professor Grotjahn, der die Leitung des 
Heimstättenamtes übernommen hat, ist Dr. Gustav Tugendreich zum 
Sozialhygieniker der Stadt Berlin gewählt worden. 

— Prof. Grisson, Leiter der chirurgischen Abteilung des Freimaurer- 
Krankenhauses in Hamburg, ist im Alter von 58 Jahren gestorben. 

— Der Augenarzt Dr. Ohm in Bottrop (Westfalen) hat den Pro¬ 
fessortitel erhalten. 

— Hofrat Bach, dirigierender Arzt der inneren Abteilung des 
Diakonissenkrankenhauses in Dresden, hat sein Amt niedergelegt 
un d übernimmt die Leitung der medizinischen Poliklinik. Sein Nach¬ 
folger ist Hedizinalrat Dr. Hey de. 

— In schwerer Notlage befinden sich die ans Elsass-Lothringen 
vertriebenen deutschen Aerzte. Zur Wahrung ihrer Interessen 
hat sioh, im Anschluss ah den Hilfsbund vertriebener Eisass Lothringer 
eine besondere „Vereinigung vertriebener elsass-lothringischer Zivilärzte“ 
mit dem Sitz in Frankfurt a. M. gebildet. Ein Ausschuss, bestehend 
aus den Herren Prof. Dr. H. Freund als Vorsitzender, Dr. W. Baok 
als Schriftführer, Dr. W. Ernst als Kassierer und Dr. J. Nottebaum 
als Geschäftsführer fordert zum Beitritt auf; es wird angestrebt, durch 
besonderes Reichsgesetz die Vergütung der „Verdrängungsschäden“ zu 
regeln. Diese Bestrebungen sind der Sympathie uncj Unterstützung aller 
Kollegen sicher! 

— Die Kurvorstehung von Meran teilt uns mit, dass nunmehr der 
Kurbetrieb eröffnet werden konnte, da seitens der italienischen Regierung 
die Einreise freigegeben wurde. Zur Einreise ist nur ein befristeter 
Auslandspass nötig, der das Visum einer italienischen Mission^ oder 
Konsulats, oder einer Schweizer Gesandtschaft oder Konsulats für die 
Hin- und Rüokreise enthalten muss. Nähere Auskünfte hierüber erteilt 
die Kurvorstehung Meran auf schriftliche Anfragen. 

— ln der medizin-historischen Abteilung des Germanischen 
Museums in Nürnberg soll ein Gedenkalbum aller dem Kriege 
zum Opfer gefallenen Aerzte angelegt werden. Es haben Dr. med. 
Ludwig Ferdinand von Bayern, Obergeneralarzt Dr. Reh in 
München und Hofrat Dr. Max Emmerioh in Nürnberg die Vorarbeiten 
zur Sammlung des biographischen Materials in die Hand genommen. 

Hoohschulnaoh richten. 

Frankfurt a. M.t Zum Nachfolger von Prof. Goeppert ist Prof. 
Bluntsohli als Ordinarius für Anatomie in Aussioht genommen. — 
Halle a. S.: Auf den Lehrstuhl für Chirurgie wurde Prof. VöIcker in 
Heidelberg berufen. — Leipzig: Prof. Roliy wurde zum etatmässigen 
Extraordinarius für physikalisch-diätetische fleilmethodik ernannt. — 
Basel: Privatdozent Dr. Hüssy wurde zum Oberarzt der gynäkologischen 
Abteilung der kantonalen Krankenanstalt in Aarau gewählt. 

Wir bitten zur Vermeidung von Nachsendungen alle redaktionellen 
Briefe, wenn sie an einen der Herausgeber persönlich gerichtet sind, 
mit dem Vermerk „Redaktionsangelegenheit“ oder dergl. versehen 
zu wollen. Prof. Dr. Hans Kohn ist bis Mitte Oktober verreist, Geh. 
Rat Posner von der Reise zurüok. Redaktion. 


Amtliche Mitteilungen. 

JPex-BonaJLlen« 

Ernennungen: Bisherig. Mitglied d. Hyg. Instituts in Posen Prof. Dr. 
Gildemeister z. Regierungsrat und Mitglied des Reichsgesundheits¬ 
amts; Kreisass.-Arst Dr. F. Dörsohlag in Militsch z. Kreisarzt daselbst. 
Versetzungen: Kreisarzt Dr. Beit zke von Tuchei naoh Gross Warten - 
berg, Kreisarzt Dr. Bräuer von Czarnikau naoh Sohneidemühl, Kreis¬ 
arzt Med.-Rat Du Haack von Gnesen nach Lüneburg, Kreisarzt Dr. 
Köster von Wresohen naoh Habelsohwerdt, Kreisarzt Dr. Lewerenz 
von Kolmar i. P. naoh Schleswig, Kreisarzt Dr. Möller von Burgdorf 
nach Peine, Kreisarzt Dr. Neuling von Birnbaum nach Wiedenbrüok, 
Kreisarzt Dr. Opitz von Peine naoh Bonn, Kreisarzt Med.-Rat Dr. 
Jul. Schmidt von Neustadt O.-S. naoh Schweidnitz, Kreisarzt Dr. 
Schopohl von Malmedy nach Papenburg (Kr. Aschendorf). 
Versetzungen in den Ruhestand: Reg.- u. Geh. Med.-Rat Dr. 
K. Deneke in Magdeburg, Kreisarzt Med.-Rat Dr. J. Furch in Gross 
Wartenberg, Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. F. Hesse in Lüneburg, 
Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. F. Ludwig in Habelschwerdt, Kreisarzt 
Geh. Med.-Rat Dr. F. Marx in Fulda, Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. 
H. R. Mayer in St. Goarshausen, Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. W. 


Sohlüter in Gütersloh (Kr. Wiedenbrüok), Kreisarzt Geh. Med.-Rat 
Dr. E. Suadioani in Schleswig, Kreisarzt Med.-Rat Dr. N. Wirsch 
in Bonn; Oberarzt am Knappschaftskrankenhause in Bardenberg (Ldkr. 
Aaohen) San.-Rat J. Quardflieg. 

Niederlassungen: Dr. Wilh. Reinioke in Ditzum (Kr. Weener), 
Dr. A. Sicking in Borghorst, Dr. W. Nordmann und Dr. W. Wirts 
in Gelsenkirohen, Dr. E. Sie bei in Niedersohelden (Kr. Siegen), Dr. 
Ph. Vial in Marburg, Dr. A. Kaempfer in Antweiler (Kr. Adenau), 
Dr. H. Feit und Ob.-St.-A. Dr. J. Langheld in Koblenz, Dr. Max 
Beer und Dr. 0. Berkenkamp in Düsseldorf, Paul Brandt in 
Elberfeld, A. Knotte in Essen (Ruhr), Dr. H. Rünte in Essen-Alten- 
essen, Dr. K. Feldhoff in Essen-Borbeok, E. Schümer in Velbert 
(Kr. Mettmann), Dr. F. Ranft, Dr. H. Roderburg und Dr. A. 
Pankok in Mülheim (Ruhr), Dr. F. Nohl II in Gummersbaoh, J. Neuy, 
Dr. K. Rabich und Dr. Edm. Hofmann in Bonn, Dr. H. Kircb 
gaesser, Dr. J. Kühl, Dr. J. Haokmann, Dr. F. Rüttle und Dr. 
P. Wecker in Cöln, Dr. Karl Jansen in Jünkerath (Kr. Prüm), 
Dr. Paul Jansen und Dr. F. Wesener in Aaohen, Dr. P. Hündgen 
in Weiden (Ldkr. Aaohen). 

Verzogen: San.-Rat Dr. Friedr. Fischer von Castrop und Dr. 0.Dicke 
von Gelsenkirchen naoh Essen (Ruhr), Dr.M.Günxburger von Düsseldorf 
nach Wildbad in Württemb., Dr. R. Pätzmann von Essen (Ruhr) naoh 
Harzburg, Friedr. Jürgens von Horahausen naoh Schlettau (Bez. 
Merseburg), Dr. W. Lütjohann von Kiel nach Flensburg, Kreisarzt 
a. D. Med.-Rat Dr. Aug. Dietrich von Jeserioh i. d. Mark nach 
Augustenburg, Dr. H. A. Andersen von Apenrade naoh Tändelet, 
Dr. W. Lester von Hamburg naoh Sonderburg, Dr. Hans Krause 
von Kropp und Dr. H. Kraef von Zittau nach Rendsburg, Dr. K. Bruhn 
von Kiel naoh Itzehoe, Dr. L. Fulda von Neakuhren nach Telling- 
stedt, Dr. W. Vordtiede von Linden naoh Jevenstedt, Dr. J. Klie- 
mann von Linden, St.-A. Dr. A. Dreist von Mains und Dr. Ernst 
Lehmann von Wernigerode naoh Hannover, Dr. R. Klages von 
Berlin naoh Hameln, Dr. Otto Sohrader und Dr. H. Buhmann 
von Hannover naoh Nienburg, Dr. H. Friese von Helmstedt naoh 
Einbeck, Dr. G. Gerke von Celle nach Salzderhelden, Dr. Heinr. 
Bartels von Berlin-Steglitz nach Göttingen, Erwin Niemeyer von 
Kircholsen naoh Liebenburg, Dr. Angustin Hartmann von Erkelenz 
naoh Duderstadt, Dr. R. Hirt von Salzwedel nach Wustrow, Dr. F. 
Cardauns von Bonn nach Münster, Dr. Th. Untiedt von Münster 
naoh Reoklioghausen, Dr. J. Sohwenke von Andernach und Dr. 
Heinr. Günther von Gütersloh naoh Braokwede (Kr. Bielefeld), Dr. 
F. Bioknese von Fulda naoh Sieker (Kr. Bielefeld), Dr. B. Dirks 
von Düsseldorf naoh Lippspringe, Dr. E. Vieting von Essen nach 
Gelsenkirohen, Dr. Adolf Müller von St. Wendel nach Dahl, Dr. 
Fritz Ziegler von Metz und Dr. H. Oberstadt von Troisdorf nach 
Hagen i. W., Dr. A. Midder von Recklinghausen nach Werries (Ldkr. 
Hamm), Dr. Anton Lewandowski von Strassburg i. Eis. naoh 
Wenden, Dr. Th. Sohrenk von Frankfurt a. M. und Dr. Rob. Kauf¬ 
mann von Gross Auheim naoh Freudenberg, Dr. K. Geller von Essen 
nach Siegen, Dr. Karl Walter von Grossmövern i. Lothr. naoh Nieder¬ 
sohelden, San.-Rat Dr. Aug. Walther von Windeoken naoh Olden¬ 
burg, Dr. M. Ehrenpfordt von Halle naoh Amöneburg, Dr. Kurt 
Becker von Breslau, Dr. Herb. Vogel von Freiburg, Dr. E. Senn 
und Dr. Karl Westphal von Berlin, Dr. F. Weokert von Karlsruhe 
sowie Dr. Hans Smidt von Strassburg i. Eis. naoh Marburg, Dr. 
A. Bossert von Niederwalluf naoh Eltville, Dr. 0. Veit von Wies¬ 
baden nach Idstein, Josef Kaiser von Mains naoh Eppstein, San.- 
Rat Dr. Max Butt mann von Berlin-Sohöneberg nach Hornau i. T., 
Dr. P. Nikolay von Frankfurt a. M. nach Oberreifenberg, Geh. Med.- 
Rat Prof. Dr. F. Hersing von Kreuznach naoh Darmstadt, Erich 
Degener von Cöln nach Elberfeld, Dr. F. Reissmann von Zwickau, 
Dr. G. Schaffrath von Crefeld, Dr. H. Rühl von Beuel und Dr. 
P. Handly von Berlin naoh Bonn, Dr. A. Reusch von Göttingen 
und'Dr. M. Tillmann von Bursoheid naoh Cöln, Dr. J. Welling 
von Bonn naoh Rheinbacb, Dr. M. Sarrazin von Kempen naoh Wesse¬ 
ling (Ldkr. Bonn), Dr. M. Wassermeyer von Bonn naoh Alsbaoh, 
Jul. Schaaf von Cöln nach Hürtgen (Kr. Düren), Th. Bongartz 
von Trier naoh Düren, Dr. Ludwig Müller von Pfalzburg i. Lothr. 
naoh Malmedy, Dr. R. Schild von Cöln nach Aaohen, H. Claass von 
Tingleff nach Wacken (Kr. Rendsburg), Dr. Erich Günther von 
Jüterbog nach Sülzhayn, San.-Rat Dr. K. Wickel von Dziekanka naoh 
Kloster Haina als Direktor des dortigen Landeshospitals, Dr. E. Milde 
von Sonderburg naoh Oberhausen (Rhld.), Dr. A. van Ahlen von 
Hordel b. Bochum naoh Stoppenberg (Ldkr. Essen). 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. Walter Haupt 
von Schnelsen (Kr. Pinneberg), Dr. 1. Mühsam von Niedernhausen 
(Kr. Untertaunus), Dr. K. Ahronheim und Dr. R. Kohlsohein von 
Essen (Ruhr). 

Gestorben: San.-Rat Dr. Ernst Weber in Halle a. S., San.-Rat Dr. 
K. Schwer und San.-Rat Dr. H. Henrichsen in Altona, Geh. San.- 
Rat Dr. ErnBt Müller in Hildesheim, Dr. K. Pesohke in Neuhaus 
a. d. Oste, San.-Rat Dr. H. Schnütgen in Münster i. W., Geh. San.- 
Rat Dr. V. Esau in Gadderbaum (Kr. Bielefeld). 


Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreather Str.42. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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BDe Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Monteg in Nummern too etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis viertel jährlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
aHe Bnchhandlnngen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen Air die Redaktion und Expedition 
wolle man portofrei an die Yerlagabnehhandlnng 
August Hirschwald, Berlin NW., Unter den Linden 68k 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Mod -Rat Prof. Dr. C. Posnor und Prot Dr. Bobs Mn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 13. Oktober 1919. Jl£ 41. Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origiialiei: Lub&rsoh: Zur Neaordnung des ärztliohen Unterriohts 
and Prüfangswesens. S. 961. 

Seligmann und von Gutfeld: Praktische Untersuchungen mit 
der Bindangsreaktion von Sachs und Georgi sum Naohweis ge¬ 
kochten Fleisches. (Aus der bakteriologischen Abteilung des 
Medizinalamtes der Stadt Berlin [Stadtmedizinalrat, Geheimer 
Regierungsrat Dr. Weher].) S. 964. 

Kiokhefel: Lähmung des veiohen Gaamens nach Grippe. (Aus 
dem Universitäts-Ambulatorium für Stimm- und Sprachstörungen 
in Berlin.) S. 967. 

Frendenberg: Lokale"Anwendung von Ghlorkalzium zur Verhütung 
der gefahrdrohenden Blutungen hei der suprapubischen Prosta¬ 
tektomie. (Aus der chirurgisch -urologisohen Privatklinik von 
Dr. A. Freudenberg in Berlin.) S. 967. 

Bornstein: Kriegslehren für die Friedensernährung. S. 968. 

Bfleherbespreehuiigen: v. Kern: Die Religion in ihrem Werden und Wesen. 

(Ref. Buttersack.) S. 972. — Munk: Pathologie nnd Klinik der 

Nephrosen, Nephritiden und Sohrumpfnieren. (Ref. Hirschfeld.) S.972. 


Zur Neuordnung des ärztlichen Unterrichts 
und Prüfungswesens. 

Von 

0. Lubarseh. 

Ueher dieses Thema ist in jüngster Zeit so viel veröffentlicht 
worden — .ich nenne nnr die Schriften von J. Schwalbe 1 ), 
B. Fischer 2 * ), Br. Hellpach 8 ), die Aafs&tze von Aschoff 4 ), 
Er. Meyer 5 6 ) und Lenz 2 ) — dass es überflüssig erscheinen kann, 
noch mehr Ansichten darüber in die Oeffentlichkeit zu werfen, 
um so mehr, als ja auch die Meinung vielfach verbreitet ist, der 
auf diesem Gebiete jetzt hervortretende Neuordnungseifer sei 
erst durch den Krieg und den politischen Umsturz hervor- 
gerafen. Das Gegenteil freilich ist richtig — die öffentliche 
Aassprache über die gerade in Universitätskreisen als unumgänglich 
nötig empfundene Neuordnung des medizinischen Unterrichts and 
Prüfangswesens ist durch Krieg und Umsturz verzögert worden, 
und es ist begründete Befürchtung vorhanden, dass hei dem jetzt 
herrschenden Wirrwarr die Neuordnung weniger nach sachlichen, 
als nach politischen Gesichtspunkten erfolgen soll. Deswegen 
scheint es mir gerade Pflicht der akademischen Lehrer, ihre 
Ansichten über diese Fragen der Oeffentlichkeit nicht vorzu- 
enthalten. 

Fast allgemeine Uebereinstimmung herrscht darüber, dass 
unsere jetzige Ausbildung Aerzte geschaffen hat, die im Dnrch- 
schnitt sowohl za wenig wissen wie zu wenig können. Es ist 
begreiflich, dass von der einen Seite mehr der Mangel an Wissen, 
von der anderen mehr der Mangel an Rönnen in den Vordergrand 

1) J. Schwalbe, Zar Neuordnung des medizinischen Stadiums, 
Leipzig 1918, Verlag von Thieme. 

2) B. Fisoher, Zur Neaordnung des medizinischen Studiums und 
Prüfungswesens. München 1919, Verlag-von F. J. Lehmann. 

8) Br. Hellpach, Reform des medizinischen Unterriohts. Leipzig 
und Wien 1919, Verlag von Urban & Schwarzenberg. 

4) As oh off, Der medizinische Unterricht in Deutschland. Zschr. 
f. ärztL Fortbild., 1918. 

5) Er. Meyer, Zur Reform des medizinischen Unterriohts. D.m.W., 
1919, Nr. 25 u. 26. 

6) Lenz, M.m.W., 1919, Nr. 6. 


Literatir-Aisiflge: Physiologie. S. 978. — Pharmakologie. S. 973. — 
Therapie. S. 978. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie. S. 974. — Parasitenkunde und Serologie. S. 974. — Innere 
Medizin. S. 974. — Psyohiatrie und Nervenkrankheiten. S. 975. — 
Chirurgie. S. 975. — Röntgenologie. S. 975. — Haut- und Ge¬ 
schlechtskrankheiten. S. 976. — Augenheilkunde. S. 976. — Hals-, 
Nasen- und Ohrehkrankheiten. S. 976. — Hygiene und Sanitäts¬ 
wesen. S. 976. — Militär-Sanitätswesen. S. 976. 

Verkaadlugen festlicher Gesellschaften: Laryngologisohe Gesell¬ 
schaft zu Berlin. S. 976. — Medizinische Gesellschaft zu 
Göttingen. S. 979. 

Henius: Vom 41. ordentlichen Deutschen Aerstetage in Eisenach am 
27. und 28. September 1919. S. 979. 

Münzer: Die Psyohopathologie in der Diohtung. L Kleist's Penthesilea. 
S. 982. 

Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 988. 

Amtliche Mitteilungen. S. 984. 


gestellt wird. Wenn Schwalbe dnrchblicken lässt, dass der 
Unterricht zu gelehrt gewesen wäre-und deswegen Verkürzung 
und Vereinfachung des wissenschaftlichen Lehrstoffs verlangt, so 
kann ich dem nicht zustimmen and, soweit ich sehe, folgen ihm 
darin auch weder E. Meyer, noch B. Fischer nnd Hellpach. 
Natürlich mag es Vorkommen, dass einzelne Dozenten zu schwer 
und zn wissenschaftlich in Vorlesungen and Kliniken gewesen 
sind; das wird sich nie vermeiden lassen, so lange es noch eine 
Lehrfreiheit in Deutschland gibt, die aber vielleicht in der „neuen 
Zeit“ auch nicht mehr ganz gesichert sein dürfte. Die von 
Schwalbe weitergegebenen Klagen mancher Stndierender, dass 
sie immer nnd immer wieder von der Zelle etwas z? hören be¬ 
kämen, beim Zoologen, Botaniker, Anatomen nnd Physiologen 
— den Pathologen haben die Ankläger vergessen oder augen¬ 
scheinlich nicht gehört — rühren mich wenig; sie beweisen 
höchsten8 die geringe Fähigkeit der Zuhörer, zu begreifen, wie 
wichtig das Zellproblem für alle biologischen und morpho¬ 
logischen Fragen ist nnd wie anziehend, lehrreich und geistes- 
schärfend, es von den verschiedensten Gesichtspunkten beleuchtet 
zu erhalten. Trotz dieser Ueberfütterung mit Zelllehre weiss 
übrigens die überwiegende Mehrzahl der Studierenden, wie ich 
in der Staatsprüfung immer wieder feststellen konnte, von der 
biologischen and morphologischen Bedeutung der Zelle meist so 
gut wie nichts. Dass dies in der Hauptsache darauf beruht, dass 
die Studierenden während ihrer langen Studienzeit immer mehr 
das Denken verlernen, falls sie es jemals gekonnt haben, darauf 
gehe ich noch später ein. — Hier möchte ich zunächst fest¬ 
stellen, dass auch darüber wohl allgemeine Uebereinstimmung 
herrscht, wie Schwalbe nnd Fischer besonders betonen zu 
müssen glauben, dass der ärztliche Unterricht an den Universi¬ 
täten derartig eingerichtet werden mnss, dass gute praktische 
Aerzte herangebildet werden, aber weder Wissenschaftler noch 
Spezialisten. Es scheint mir zweckmässig, das hier zu betonen, 
weil namentlich Schwalbe’s Buch bei Laien den Eindruck her- 
vorgernfen zn haben scheint, als wäre die jetzige Aasbildung 
wirklich eine derartige, dass teils zu gelehrte, teils zu spezia- 
listisch vorgehildete Aerzte von den Universitäten abgingen. So 
schreibt z. B. Unterstaatssekretär Prof. Becker, also ein Laie, der 
bei der Neugestaltung des ärztlichen Unterrichts und der ärzt- 


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UNIVERSUM OF IOWA 







BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. 41. 


Öö2 


liehen Prüfungen wahrscheinlieh ein Wort wird mitzureden haben: 
„Wir erzogen Ohren-, Nasen- and Hautspezialisten, aber keine 
Aerzte.“ Das ist weder Absicht gewesen, noch jemals er¬ 
reicht worden, sondern es liegt eigentlich viel schlimmer, die 
Mehrzahl der iq die Praxis eintretenden Aerzte waren weder 
allgemein, noch spezialistisch, noch wissenschaftlich 
genügend aasgebildet. Ueber das Ziel besteht also völlige 
Uebereinstimmung, Uneinigkeit höchstens über den Weg. Auf 
den richtigen Weg wird man zweifellos dann am ehesten kommen, 
wenn man zwei Fragen beantwortet: 1. Worin bestehen and 
worauf beruhen die Mängel der jetzigen Ausbildung? und 2. Was 
für Fähigkeiten können dem zukünftigen Arzt von der Universität 
mitgegeben werden? Beide Fragen sind in ausgezeichneter Weise 
von E. Meyer beantwortet worden, und ich habe seinen Aus¬ 
führungen nur wenig binzuzufügen. Alles, was er gegen den 
von manchen Seiten geförderten Bestrebungen, einen Gegensatz 
zwischen „ärztlicher Kunst“ und „ärztlicher Wissenschaft 11 aufzu- 
richten und das Heil in einer Förderung der praktischen auf 
Kosten der wissenschaftlichen Ausbildung zu suchen — Bestrebungen, 
denen auch Schwalbe nicht ganz fern zu stehen scheint — aus¬ 
führt, unterschreibe ich vollständig; ebenso seine grundsätzlichen 
Ausführungen über Ziel und Methoden der Ausbildung. Das Ziel 
muss sein, den künftigen Arzt zum selbständigen Sehen, 
Beobachten, Denken und Handeln zu erziehen. Dass das 
bisher nicht gelungen ist, liegt allerdings zu einem grossen Teil 
daran, dass man nicht genügend berücksichtigt, aus welchem 
Menschenmaterial sich der ärztliche Stand ergänzt und, wie ich 
hinzufügen möchte, mit welch geistiger Vorbildung er auf die 
Universität gebt. Es ist in der Zukunft noch eine weitere Er¬ 
schwerung nach dieser Richtung zu befürchten. Schon jetzt ist 
die Zahl derjenigen, die das Studium der Heilkunde ausschliesslich 
aus äusseren Gründen (Rücksichten der gesellschaftlichen Stellung, 
Familienüberlieferung, Gelderwerb usw.) ergreifen, sehr gross, wie 
das im allgemeinen mit Zunahme der Zahl der Studierenden stets 
der Fall zu sein pflegt. Da bisher die Zahl der Studierenden noch 
immer mehr zunimmt und trotz aller Warnungen und Verschlech¬ 
terung der Aussichten in absehbarer Zeit mit einer wesentlichen 
Abnahme kaum zu rechnen ist, so wird somit auch die Zahl 
derjenigen, die aus äusseren Gründen dem Arztbernf sich widmen 
wollen, noch zunehmen. Nun deckt sich freilich keineswegs 
diese Gruppe der Studierenden mit der der ungeeigneten schlecht¬ 
hin, sondern es gibt unter ihnen auch geeignete, solche, die un¬ 
bewusst das für sie richtige erwählt haben; immerhin wird doch 
unter ihnen eine erhebliche Zahl sein, die zum mindesten nicht 
mit innerer Anteilnahme und Leidenschaft dem Studium sich 
hingeben. Bei ihnen besonders, aber auch bei den von'E. Meyer 
angeführten Gruppen, den mehr „exakt“ und den mehr „human“ 
gerichteten, und ebenso bei den studierenden Frauen macht sich 
als ein grosses Hemmnis geltend die mangelhafte geistige Aus¬ 
bildung, mit der sie auf die Universität kommen, oder vielleicht 
besser gesagt, der, Geist, in dem sie das Lernen aufzufassen ge¬ 
wohnt sind. Es handelt sich nicht allein darum, dass die Mehr¬ 
zahl der Schüler, wenn sie die höheren Schulen verlassen, nicht 
nur .sowohl im Beobachten, wie im Denken und das Gedachte 
auszudrücken, recht mangelhaft ausgebildet sind, sondern dass 
sie die Lehrstoffe, mit denen sie sich auf der Schule beschäftigt 
haben, nicht als Erziehungsmittel zu betrachten gewohnt sind, 
sondern als Selbstzweck betrachten, dass sie nur Kenntnisse zu 
erwerben beabsichtigen, die ihnen im späteren Leben Nutzen 
bringen sollen. Die ganze Bewegung gegen das alte humanistische 
Gymnasium wurde ja in der Oeffentlichkeit getragen und erstritt 
ihre Erfolge im wesentlichen unter dem Feldgeschrei, dass dort 
totes, unnützes Wissen gelehrt würde, und dass an Stelle davon 
Lehrstoffe zu treten hätten, die unmittelbar im späteren Leben 
verwertbar wären. Es liegt mir natürlich fern, hier auf die Er- 
ziehungs- und Unterrichtsfragen einzugehen, die ja allerdings 
gerade auch bei allen Neuordnungsbestrebungen für den Hoch¬ 
schulunterricht kaum ausser acht gelassen werden dürften. Aber 
ich sehe in dem durch den jetzigen Schulunterricht grossgezo¬ 
genen Geist, der auf die Erwerbung nützlicher Kenntnisse ge¬ 
richtet ist, mit eine der Hauptursachen dafür, dass die Heil¬ 
kunde Studierenden ihre Aufgabe von vornherein falsch an¬ 
fassen und in der Hauptsache Einseikenntnisse zu erwerben 
suchen. Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass die Ergebnisse in 
den naturwissenschaftlichen Fächern bei der ärztlichen Vorprüfung, 
wie Meyer schreibt, als geradezu kläglich bezeichnet werden. 

Das liegt nicht nur, wie Meyer meint, am System und auch 
nicht daran, dass die naturwissenschaftlichen Fächer nicht mit 


besonderer Berücksichtigung der für den Mediziner wichtigen 
Fragen gelehrt werden, sondern in der Hauptsache daran, dass 
es in den ersten Studienhalbjahren und durch den üblichen Lehr¬ 
betrieb nicht gelingt, den Geist der Studierenden statt auf. das 
einzelne, auf das allgemeine zu richten und sie zu befähigen, 
sich mit einem Mindestmaass von Kenntnissen selbständig 
fortzuhelfen. Dieses Ziel müsste den Studierenden durch die 
Art des Unterrichts geradezu eingehämmert werden, weil der 
Durchschnitt der Menschen es überhaupt liebt, ausschliesslich 
Gedächtnisarbeit zu leisten und mit Erinnerungsbildern zu ar¬ 
beiten. Es ist ausserordentlich bemerkenswert, dass die* Klagen 
der naturwissenschaftlichen und medizinischen Professoren über 
die mangelhafte Ausbildung der Studierenden in Physik and 
Chemie jetzt mindestens noch genau so stark sind, wie zu der Zeit, 
als ausschliesslich die vom humanistischen Gymnasium mit Reife¬ 
zeugnis Abgegangenen zum Studium der Heilkunde zugelassen 
waren, obgleich doch jetzt vielleicht die Mehrzahl der Mediziner 
vom Realgymnasium oder der Oberrealschule herkommen und sie 
im allgemeinen alle — einschliesslich der vom humanistischen 
Gymnasium Reifegeprüften — mit bedeutend mehr Einzelkennt¬ 
nissen in Physik und Chemie auf die Universität kommen, wie 
früher. Aber an der systematischen Schulung des Geistes zur 
Erfassung des Wesentlichen, des Allgemeinen und nicht des Ein¬ 
zelnen hat es gefehlt. Daher kommt es, dass, wie überein¬ 
stimmend namentlich von den inneren Klinikern geklagt wird, 
die Mehrzahl der Studierenden durchaus abgeneigt ist, chemische 
Formeln zu entwickeln, sondern sie auswendig zu lernen sich 
abmüht, mit einem Wort, dass sie selbst nicht das Bedürfnis hat, 
zu einem Verständnis zu gelangen. Deswegen verspreche ich 
mir von dem Vorschlag Meyer’s, dass Physik und Chemie mit 
besonderer Berücksichtigung auf das für den Mediziner Notwen¬ 
dige und Wissen werte gelehrt werden soll, wenig Erfolg; im 
Gegenteil, dadurch würde der Sion der Studierenden wieder nur 
auf das praktisch Wertvolle gelenkt und ihre Neigung, sich mit 
Kenntnissen zu beladen, gefördert. Und das ist besonders gefähr¬ 
lich in den Studienhalbjahren, in denen an sich schon an das Ge¬ 
dächtnis besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Denn 
im anatomischen Unterricht, so notwendig er ist und so sehr er 
auch die Sinne zu schärfen imstande ist, wird zunächst doch vor 
allem eine grosse Summe von neuen Kenntnissen gesammelt und 
zahlreiche Namen müssen auswendig gelernt werden, die nament¬ 
lich dem Studenten mit Realgymnasial- und Oberrealschulbildung 
grosse Schwierigkeiten bereiten, so dass sie oft schon nach wenigen 
Semestern vergessen sind. Deswegen erscheint mir von den beiden 
Studienplänen, die Meyer und Fischer vorlegen, der des letzteren 
bei weitem vorzuziehen, wenn ich auch im einzelnen manche Ab¬ 
weichungen für wünschenswert halte. Das Grundsätzliche, worin 
ich Fischer folgo, ist, dass in den Halbjahren, in denen vor¬ 
wiegend naturwissenschaftliche Studien getrieben werden müssen, 
keine weitere schwere Belastung namentlich des Gedächtnisses der 
Studierenden erträglich ist. Doch würde ich insofern abweichen, 
als ich in Uebereinstimmung mit Meyer eine Sstündige Vorlesung 
über allgemeine Zoologie und Botanik für ausreichend halte, oder 
sogar dem Vorschlag von Aschoff beipflichte, dass man nur 
eine dieser Vorlesungen vorschreibe, entweder allgemeine Zoologie 
oder allgemeine Botanik, da beide der Einführung in die Biologie 
dienen. Dann bliebe noch Zeit für einen Kurs in der experimen¬ 
tellen Biologie, den Aschoff vorschlägt. Dann gewinnt man für 
andere Vorlesungen und Kurse Platz. Ich würde daher die bei¬ 
den ersten Studienhalbjahre folgendermaassen gestalten: 


1. Stadienhalbjahr. 

Anorganische Chemie.5 Std. 

Physik. 1. Teil.6 

Allgemeine Zoologie .... 3 
Allgemeine Botanik .... 3 
Philosophie, (Logik, Erkenntnis¬ 
theorie oder Gesch. d. Philos.) 4 
Allgemeine Anatomie . . . . 2 


” x oder nur eines von beiden 
" } u. daneben ein J—4stdig. 
” ' Kurs in d. exper. Biol. 


22 Std. 


2. Studienhalbjahr. 

Organische Chemie.5 Std. 

Physik. 2. Teil.5 „ 

Physikal. Praktikum .... 4 „ 

Chem. Praktikum.6 „ 

Osteologie und Myologie. . . 4 „ 

24 Std. 


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13. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


968 


Ich halte mit Schwalbe, Fischer and Hellpach die Be¬ 
schäftigung [mit der Philosophie im Gegensatz zu Meyer und 
vielen anderen für notwendig. Ich weiss wohl, welche Einwände 
erhoben werden, vor allem, dass die verschiedenen philosophischen 
Systeme za scharf einander gegenüberstanden — aber es handelt 
sieh ja nicht am die Eroberung and Erwerbung bestimmter Kennt¬ 
nisse, sondern darum, dass der Studierende anf Fragen gelenkt 
wird, mit denen et sich sonst nicht beschäftigt, und die ihm auch 
bei seinem späteren Studium kaum wieder nahegebracht werden. 
Deshalb empfehle ich vor allem eine Vorlesung über Logik und 
Erkenntnistheorie, möglichst unter Berücksichtigung der Logik 
der Naturwissenschaften. Es ist für die gesamte Ausbildung des 
Arztes als Persönlichkeit wichtig zu wissen, welche Sicherheit 
die Ergebnisse der Naturwissenschaften besitzen. — Des weiteren 
scheint es mir wichtig, dass schon in den beiden ersten Halb¬ 
jahren wenigstens die Einführung in die Anatomie erfolgt, wes¬ 
wegen ich im ersten Halbjahr eine Vorlesung über allgemeine 
Anatomie and im 2. die Knochen- und Muskellehre empfehle. 
Damit ist die Ueberleitung zum 8. and 4. Studienhalbjahr ge¬ 
geben, in denen Anatomie und Physiologie im Mittelpunkt stehen. 
Hier sind wieder einige wichtige Vorfragen zu entscheiden, in 
erster Linie, wieviel Zeit dem anatomischen Präparieren gewidmet 
werden soll and ob die Stunden für den physiologischen Unter¬ 
richt vermehrt werden oder etwa gar vermindert werden können. 
Schwalbe und Fischer sind dafür eingetreten, dass man sich 
mit einem Halbjahr Präparieren begnügen soll, während Meyer 
an dem bisherigen Gebrauch der zwei halbjährigen Präparier¬ 
übungen festgehalten wissen will, aber mit einer im ganzen 
lOstündigen physiologischen Vorlesungen (3. und 4. Semester je 
6 Stunden) auskommen zu können glaubt. Dass die bisherige 
Art des anatomischen Unterrichts sehr viel, wirklich wohl über¬ 
mässig viel Zeit in Anspruch nimmt, ist eine weitverbreitete An¬ 
schauung, der auch Vertreter der normalen Anatomie zustimmen 
(z. B. Gerl ach). Trotzdem halte ich die Zusammendrängung 
der Präparierübungen auf ein Halbjahr schon aus technischen 
Gründen für andurchführbar, auch wenn man auf manche Fein¬ 
heiten beim Präparieren verzichtet. Besonders bei der. grossen 
Zahl der Präparanden würde auf kleineren und mittleren Uni- 
yersitäten der Platz noch weniger ausreichen als jetzt. Deswegen 
scheint es mir doch nötig, an dem zweimaligen Präparieren fest- 
suhaiten, aber mit der Maassgabe, dass im ersten Halbjahr nHr 
8—10 Stunden darauf verwendet würden, im 2. Halbjahr 15 Stan¬ 
den. Freilich bleibt da noch eine Schwierigkeit, über die man 
aber hinwegkommen müsste, dass nämlich nach der nun einmal 
herrschenden Sitte nur im Winterhalbjahr Präparierübungen ab¬ 
gehalten werden. Davon muss man eben abgehen und die nötigen 
Einrichtungen schaffen, um auch im Sommerhalbjabr präparieren 
lassen za können. Eine Verkürzung der physiologischen Vorlesung 
am eine Stunde, die Meyer wohl deswegen vorschlägt, weil er den 
Sonnabend durchaus frei von Vorlesungen haben will, halte ich 
weder für nötig noch wünschenswert; selbst wenn man den Sonnabend 
grundsätzlich in allen 4 Halbjahren frei von medizinischen Vor¬ 
lesungen lassen will, wird sich die Zeit finden lassen, an der 
6stündigen Vorlesung (zweimal l^und dreimal 1 Stunde) festzuhalten. 

Ebensowenig halte ich aber eine Vermehrung der Standen 
für die physiologische Vorlesung von 12 auf 16 Stunden für not¬ 
wendig; Fischer hat auch besondere Gründe dafür nicht angeführt. 
Dagegen scheint mir eine vierstündige Vorlesung über Entwicklungs¬ 
geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Vererbungslehre 
besonders wichtig. Sind dem jungen Mediziner die Schwierigkeiten 
der Vererbungsfragen vom experimentellen und allgemein-biologi¬ 
schen Standpunkt klar geworden, wird er mit besserem Urteil an 
die Vererbungsfragen in der Pathologie herantreten. Auf diese Weise 
käme man zu folgendem Plan für das 3. und 4. Stadienhalbjahr. 

8. Halbjahr. 

Anatomie I.6 Standen 

Physiologie 1.6 „ 

Histologischer Kurs.6 „ 

Präparierübang.8—10 „ 

Entwicklungsgeschichte and Vererbungslehr e 4 „ _ 

30—32 Stunden 

4. Halbjahr. 

Anatomie II.6 Stunden 

Physiologie II.6 „ 

Physiologisches Praktikum. 5—6 „ 

Präparierübung. . 15 „ _ 

32—33 Stunden 


Dass hierbei die von Fischer als Höchstmaass vorgeschlagene Zahl 
von 30 Wochenstnnden etwas überschritten wird, halte ich für 
durchaus erträglich. — 

Damit wäre die Einteilung für die vorklinischen Fächer be¬ 
endet, und es kommt daher jetzt in Frage, in welcher Art die 
Prüfungen eingerichtet werden sollen. Soll man, wie Meyer 
und Fischer übereinstimmend Vorschlägen, die ärztliche Vor¬ 
prüfung teilen, so dass man am Schluss des 2. Halbjahres eine 
erste Prüfung in den naturwissenschaftlichen und am Schlüsse 
des 4. oder 5. eine zweite Vorprüfung in den vorbereitenden 
medizinischen Fächern abhalten lässt? Ein Bedenken steht dieser 
Regelung entgegen, dass an sich eine Vermehrung der Zahl der 
Prüfungen nichts Gutes ist, im Gegenteil: je weniger Prüfungen, 
um so besser. Auch wird in. der Regel von den Studierenden 
ein Fach, in dem sie geprüft sind, von da an als abgetan be¬ 
trachtet, wie ja die allgemeinen Erfahrungen über das er¬ 
schreckende Sinken der Kenntnisse der Studierenden in der 
Physiologie beweisen, seitdem in der Staatsprüfung nicht mehr darin 
geprüft wird. Aber auf der anderen Seite sind doch so grosse Vorteile 
mit dieser Teilung verknüpft, und die in der Schweiz darüber vor¬ 
liegenden Erfahrungen, wo diese Einrichtung seit Jahrzehnten be- 
steht,8ind doch so günstige, dass auch ich ihr dasWort reden möchte. 

Eine weitere umstrittene Frage ist, ob die zweite ärztliche 
.Vorprüfung am Schlüsse des 4. oder des 5. Studienhalbjabres er¬ 
folgen soll oder nicht. Fischer, der für die Beibehaltung der 
jetzigen Einrichtung — Schluss des 6. Halbjahres — eintritt, tut 
dies augenscheinlich ausschliesslich mit Rücksicht auf seinen 
Wunsch, eine Prüfung in der allgemeinen Pathologie vor Beginn 
der klinischen Studien erfolgen zu lassen; denn der von ihm 
entworfene Studienplan enthält im 5. Semester nichts, was noch 
unbedingt in die vorklinischen Studien hineingehörte. Dieses 
Verlangen gründet sich darauf, dass nach Fischer’s Ansicht 
niemand mit Erfolg die Klinik besuchen kann, der nicht in die 
allgemeine Pathologie eingeführt ist, und er fürchtet, dass eine 
Vorschrift, wonach nur der Besuch einer derartigen Vorlesung 
nachgewiesen werden muss, keine Gewähr für den wirklichen 
Besuch bietet. Das mag an sich zugegeben werden, rechtfertigt 
aber noch nicht die Einführung der allgemeinen Pathologie als 
besonderes Prüfungsfach in der zweiten ärztlichen Vorprüfling; 
wie überhaupt diese Begründung bedenkliche Folgen haben 
könnte. Auch der Besuch der Kliniken für Haut- und Geschlechts¬ 
krankheiten sowie der Frauenklinik ist zweck- und erfolglos, 
wenn nicht vorher die innere und chirurgische Klinik besucht 
worden ist, und man müsste, wenn man Fischer folgen will, 
folgerichtigerweise verlangen, dass vor Zulassung zum Besuch der 
Spezialkliniken der Nachweis eines erfolgreichen Besuchs der 
Hauptkliniken durch eine Prüfung erbracht würde. Mit einem 
Worte, man müsste von dem doch im wesentlichen guten und 
erfolgreichen deutschen Grundsatz, der akademischen Lehr- und 
Lernfreiheit abgehen und zu dem der Jahres- oder gar Hälb- 
jabresschlussprüfungen übergeben, wie es in Belgien, Holland, 
zum Teil auch in Frankreich und Nordamerika üblich ist. Ich 
würde das für einen sehr grossen Rückschritt halten, und 
Fischer selbst bat dem ja auch sonst nicht das Wort geredet. 
Auch würde, wenn man den Studienplan in der Hauptsache 
nach Fischer’s Vorschlägen gestaltete und die zweite Vorprüfung 
an den Schluss des 5. Halbjahres legte, der Nachteil vorhanden 
sein, dass in dem Halbjahr, in dem geprüft wird, die Haupt¬ 
prüfungsfächer (Anatomie und Physiologie) nicht mehr gelehrt 
werden. Ich glaube, man wird daher ohne jedes Bedenken die 
zweite Vorprüfung an den Schluss des 4. Semesters verlegen 
können, um so mehr als ja in Deutschland für absehbare Zeit 
gegenüber dem früheren Zustand ein Halbjahr durch den Fortfall 
der militärischen Dienstzeit gewonnen wird. Als Prüfungsgegen¬ 
stände würden dann nur Anatomie und Entwicklungsgeschichte 
und Physiologie in Frage kommen. Ich habe überlegt, ob man 
nicht auch eine kurze Prüfung in Philosophie und Geschichte der 
Naturwissenschaften zufügte, will aber auf diesen Punkt erst 
weiter unten bei Erörterung der medizinischen Prüfungsordnungen 
zurückkommen. — Die Vorschläge Meyer’s und Fischer’s, dass 
dieHeilkundebefli8senen in der vorklinischen Studienzeit praktischen 
Dienst als Krankenpfleger in den Ferien tun müssen, halte ich für 
sehr glücklich, und ziehe Meyer’s Vorschlag, in den Ferien nach 
dem 1. und 3. Halbjahr den Krankenpflegerdienst zu verlegen, dem 
Fischer’schen vor; auch würde ich es für sehr zweckmässig halten, 
eine kurze praktische Prüfung an diesen Dienst anzuschHessen. 

(Fortsetzung folgt) 

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064 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 41 


Aus der bakteriologischen Abteilung des Medizinal¬ 
amtes der Stadt Berlin (Stadtmedizinalrat, Geheimer 
Regierungsrat Dr. Weber). 

Praktische Untersuchungen mit der Bindungs¬ 
reaktion von Sachs und Georgi zum Nachweis 
gekochten Fleisches. 

Von 

Dr. B. Seligmau, und Dr. F. vc* Gatfeld, 

Abteiin ogsv ortteher. ständiger Bakteriologe. 

In der Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene 1 ) hatten wir 
körxlich über Untersuchungen berichtet, die mit Hilfe des Prä¬ 
zipitationsverfahrens nach Uhlenhuth an Würsten und Fleisch¬ 
arten an gestellt worden waren. Es hatte sich ergeben, dass ein 
grosser Teil der während des Krieges im Berliner Handel befind¬ 
lichen WurBtarten mit Pferdefleisch verfälscht war. Bei einem 
anderen Teil der untersuchten Würste lag der .gleiche Verdacht 
vor; er war jedoch durch die biologische Methode nicht sicher¬ 
zustellen, da reagierfähiges Eiweiss bei der Behandlung nicht in 
Lüsung ging. Es waren dies Wurstarten, bei deren Herstellung 
höhere Temperaturgrade längere Zeit eingewirkt hatten, so dass 
auch die innersten Teile nur noch durch Hitze verändertes EiweiBs 
enthielten. Hierher gehörten Blutwürste, Leberwürste, Jagdwürste, 
Brühwürste und Wurstkonserven. Es kommt jedoch nicht nur 
die Erhitzung in Frage, wenn Wurstmaterial biologisch nicht zu 
differenzieren ist. Es gelingt nämlich auch, einer nicht ge¬ 
kochten Wurst oder rohem*Fleisch durch tagelanges Auslaugen 
mit Wasser bei Zimmertemperatur das gesamte reagierfähige 
Eiweiss zu entziehen, so dass aus solchem Material ein zur Prä¬ 
zipitation brauchbarer Extrakt nicht mehr zu erzielen ist. Damit 
ist eine weitere Möglichkeit gegeben, Würste der biologischen 
Kontrolle zu entziehen. 

Es liegt daher das Bedürfnis vor, für die Prüfung solchen 
Materials, cias mittels Präzipitation nicht untersucht werden kann, 
nach einer anderen, geeigneteren Methode zu suchen. 

Von den zu diesem Zweck vorgescblagenen Untersuchungs¬ 
verfahren schien allein die Methode von Sachs und Georgi 2 * ) 
geeignet zu sein, zumal auch J. Bauer 2 ) bei ihrer Nachprüfung 
zu recht günstigen Ergebnissen gelangt war. Die Methode stützt 
sich auf theoretisch sehr interessante Versuche von Forssmann 4 ), 
die von Orudschiew 5 ), Dörr und Pick*) u. a. bestätigt und 
erweitert worden sind. Forssmann batte gefunden, dass man 
bei Kaninchen durch Injektion von Meerschweinchenorganen 
(Niere und Nebenniere, Leber, Hoden, Gehirn) ein Hammelblut- 
bämolysin erzeugen kann, das sowohl von den Organen der Vor¬ 
behandlung, als auch von Organen anderer Tiere gebunden wird. 

Im Verlauf der Untersuchungen stellte sich heraus, dass das 
„Antigen“ koktostabil ist. Da es sich ferner bei Meerschwein¬ 
chen, Pferd, Hund, Katze, Huhn und Schildkröte vorfindet, dagegen 
bei Rind, Hammel, Ziege, Schwein, Kaninchen, Ratte, Mensch, 
Gans und Taube [Dörr und Pick*)] und Hirsch (eigene Unter¬ 
suchungen) fehlt, so lag die Möglichkeit einer praktischen dia¬ 
gnostischen Verwertung vor. Sachs und Georgi haben das zu¬ 
erst erkannt und daraufhin eine Methode zum Nachweis gekochten 
Eiweissmaterials ausgearbeitet. Die Methode stellt nicht eine für 
eine Tierart spezifische Reaktion dar, vielmehr zeigt der Ausfall 
der Reaktion nur an, ob das untersuchte Eiweiss zu einer be¬ 
stimmten Tiergruppe gehOrt. Die Zusammensetzung der beiden 
verschiedenen Gruppen hat augenscheinlich mit biologischer Ver¬ 
wandtschaft nichts zu tun; es ist daher von vornherein fraglich, 
ob wir es mit einer spezifischen Reaktion im üblichen, biologischen 
Sinne zu tun haben. 

In der ersten Gruppe wird der hämolytische Ambozeptor des 
Antiseroms an das tierische Material gebunden: Nach Zusatz von 
Komplement und Blot tritt keine Hämolyse ein = positive 
Bindungsreaktion; in der zweiten Gruppe bleibt der Ambozeptor 
frei und löst nach Komplementzusatz das sugefügte Hammelblut 
= negative Bindungsreaktion. 


1) Neumark und v. Gutfeld, Zsohr. f. Fleisoh- u. Milchhyg., 1919, 
Jg. 29, H. 22. 

2) Sachs und Georgi, Zschr. f. Immun., Bd. 21. 

8) Bauer, Zsohr. f. Fleisch- u. Milchhyg., Jg. 27, H. 7. 

4) Forssmann, Biooh. Zsohr., Bd. 87. 

5) Orudschiew, Zsohr. f. Immun., Orig., Bd. 16. 

6; Dörr und Pick, Biooh. Zschr., Bd. 50. 


Betrachten wir zunächst den letztgenannten Fall, so könnte 
eine negativ reagierende Wurst das Eiweiss eines Vertreters 
folgender Spezies enthalten: Rind, Hammel, Ziege, Schwein, 
Kaninchen, Gans, Taube, Ratte und Mensch. Das Fleisch der 
erstgenannten vier Arten ist als zur Wurstherstellung gebräuch¬ 
lich zu betrachten, Gans und Taube sind höherwertig, Kaninchen 
nicht ebenwertig, aber auch nicht zu beanstanden, Ratten- und 
Menschenfleisch, deren Verwendung ein Verbrechen bzw. schweres 
Vergehen voraussetzt, lassen sich mit dieser Methode nicht nach- 
w eisen. Es wäre also möglich, dass eine Wurst, die einen nega¬ 
tiven Ausfall der Reaktion zeigt, Menschen- oder Rattenfleisch 
enthielte. 

Günstiger liegen die Verhältnisse für die Bewertung des 
positiven Ausfalls der Bindungsreaktion, da hier die Anwesenheit 
des Fleisches von Meerschweinchen, Pferd, Hund, Katze, Huhn 
und Schildkröte in Frage kommt. Man kann kaum annehmen, 
dass Meerschweinchen- und Schildkrötenfleisch zur Wurstherstellung 
mit herangezogen wird, da sich die Verarbeitung dieser Tiere 
wegen ihrer Kleinheit bzw. des hohen Preises wegen nicht lohnen 
würde. Das Huhn, dessen Verwendung eine Verbesserung be¬ 
deuten würde, wird schon wegen des hohen Preises deklariert 
werden. Bei positivem Ausfall der Reaktion kann man daher 
annehmen, dass Pferde-, Hunde- oder Katzenfleisch in dem unter¬ 
suchten Material vorhanden ist, wenn Hübnerwurst auszuschliessen 
ist. Man wäre also bei positivem Ausfall unter diesen Umständen 
zu dem Schlüsse berechtigt, dass eine minderwertige Beimengung 
in der Wurst enthalten ist. 

Versuchsanordnung. 

Unsere Versuchstechnik schloss sich eng an die von Sachs 
und Georgi vorgeschlagene an. Das zur Reaktion erforderliche 
Organantiserum wurde durch mehrmalige Injektion von Meer¬ 
schweinchen-Nieren- und Nebenniereobrei in die Bauchhöhle von 
Kaninchen gewonnen. Es zeigte sich, dass Sera mit niedrigem 
hämolytischen Titer (etwa bis 1:400) beim Versuch unsichere 
Resultate 1 ) geben; es ist zu fordern, dass der Titer mindestens 
etwa 1: 800 beträgt, d. h. 1 ccm einer Serumverdünnung 1:800 
muss mit 0,5 ccm 10 proz. Meerschweinchenkomplements 0,5 ccm 
5pros. Hammelbluts komplett lösen. 

Die Bindung des Organ an tiserums an das Material lässt 
man während einer Stunde bei 37° unter mehrfachem Umrübren 
vor sich gehen. Danach wird filtriert; vom Filtrat werden fallende 
Mengen (im gleichen Volumen) mit Komplement (10 pCt.) und 
Hammelblut (5 pCt.) versetzt. Der hämolytische Versuch kann 
im Wasserbad oder im Brutschrank (jeweils bei 37*) stattfinden. 
Eine Kontrolle mit dem Organantiserum, die den gesamten Arbeits¬ 
gang (Bebrütung, Filtrieren) mitmacht, ist erforderlich. Die Ab¬ 
lesung des Resultats kann nach Sachs Und Georgi erfolgen, 
wenn die Kontrolle gelöst ist. Nach unseren Erfahrungen .empfiehlt 
sich eine Versuchsdauer von 1 Stunde. 

Im einzelnen wurden die Versuche in folgender Weise an¬ 
geführt: Etwa 2—8 g des frischen, oder die entsprechende Menge 
des bei 37° getrockneten Materials wurden möglichst von Fett¬ 
teilchen befreit, fein zerkleinert und mit 10 ccm Serumverdünnung, 
enthaltend 40—100 Amboieptoreinheiten, im Reagenzglas über¬ 
gossen. 

Als Kontrolle dienten 10 ccm der gleich starken, unbehandelten 
Organantiserumverdünnung. Die Röhrchen kamen für eine Stunde 
in ein 37° Wasserbad. Die Mischung wurde mehrfach mittels 
Glasstab umgerührt. Dann wurde der Inhalt der Röhrchen 
, filtriert. Eine geringe Trübung des Filtrats schien keinen Ein¬ 
fluss auf die Resultate zu haben. Es gelang aber fast stets, 
durch Verwendung der von Sachs und Georgi empfohlenen 
Hartfilter 2 ) eine wasserklare Flüssigkeit zu erhalten. Vom Filtrat 
wurden fallende Mengen (Volumen 1 ccm) mit 0,5 ccm, 10proz. 
Komplements und 0,5 ccm 5 proz. Hammelbluts versetzt und eine 
Stunde in den Brutschrank gesetzt. Dann wurde das Resultat 
abgelesen und nach 24 ständigem Zimmeraufenthalt nochmals 
kontrolliert. Schwache Hemmungen waren dann gewöhnlich nacb- 
gelöst, während die kompletten Hemmungen unverändert geblieben 
waren. 

Versuchsbeispiel. 

a) Pferdefleisch, 2 g mit 10 ccm Antiserum (40 Amboieptor¬ 
einheiten) 1 Stunde bei 37° digeriert und filtriert. 


1) Die Versuche mit niedrigwertigem Serum sind in dieser Arbeit 
fortgelassen. 

2) Schleicher und Sohüll 605. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


066 


13. Oktober 1019. 


b) 10 ccm Antiserum (40 Ambozeptoreinheiten) 1 Stande bei 
87° gehalten, filtriert. 

a and b werden in fallenden Mengen mit dem hämolytischen 
System versetzt. 


Resultat nach 1 Stunde abgelesen: 


Filtratmengen, 
anfgefüllt auf 1 com 

a 

b 

1,0 = 40 A.-E. 

_ 

++++ 

0,5 = 20 „ 

— 

++++ 

0,2 = 8 „ 

— 

++++ 

0,1 = 4 , 

— 

++++ 

0,05 = 2 „ 

— 

++++ 

0,025 = 1 „ 

— 

++ 


= komplette Losung, — = komplette Hemmung. 


Kontrollen, sämtlich aufgefallt auf 2,0 ccm. 


Antiserum 

com 

Komplement 

com 

Blut 

com 

Resultat 

1 

0,0 

0,5 

_ 

0 

0,5 

0,5 | 

— 

0 

0,0 

i 

0,5 j 

— 


In Vorversuchen warde zunächst festgestellt, ob positiv 
reagierende Wurste oder Fleischarten auch nach längerem Kochen 
die positive Reaktion beibehalten. 4 Pferdewfirste, 1 Hfihnerwnrst 
and eine durch Präzipitation nicht identifizierte Probe ergaben im 
rohen Zustande positive Bindüngsreaktion; nach halbstündigem 
Kochen ging beim Aaslaagen Eiweiss nicht mehr in Lösung, die 
Präzipitation versagte. Die Bindüngsreaktion dagegen fiel 
nach wie vor positiv aus. Damit ist der Grandversach von 
Sachs und Georgi bestätigt. 

Des weiteren wurden rohe Fleisch- bzw. Wurstarten durch 
mehrtägiges Auslaugen in Wasser ohne Kochen von präzipitier- 
barem Eiweiss befreit. Der Rückstand gab lösliches Eiweiss nicht 
mehr ab, ermöglichte daher auch nicht mehr die Präzipitin¬ 
reaktion. Dagegen ergab er nach wie vor positive Bindungs- 
reaktion. Damit ist die Anwendungsmöglichkeit der Reaktion 
für praktische Zwecke erweitert. 

Praktische Ergebnisse. 

Die Präfang der praktischen Brauchbarkeit der Reaktion 
wurde an dem umfangreichen Material vorgenommen, das dem 
Medisinalamt von den verschiedensten Seiten zur Untersuchung 
zuging. Die gleichzeitig angesetzte Präzipitation belehrte in der 
Mehrzahl der Fälle über die Fleischart der Proben. Nur ein Teil 
entzog sieb der Kontrolle, da entweder kein reagierfähiges Eiweiss 
zu extrahieren war, oder das erhaltene Eiweiss mit keinem der 
benutzten präzipitierenden Antisera reagierte. 

Die Untersuchungen wurden im Laufe eines Jahres aus- 
geführt. 

Im Folgenden soll über die Ergebnisse, getrennt nach 
Wur8tproben, Fleischsorten, Blntarten und Lebern berichtet werden. 

A. Wurstproben. 

Im ganzen wurden 142 Wurstproben untersucht, davon gaben 
73 eine positive, 65 eine negative, 4 eine zweifelhafte Bindungs¬ 
reaktion. Bezeichnet waren diese Würste 16 mal als Schlack¬ 
wurst oder Dauerwurst, 43 mal als Jagd- oder Brühwurst, 45 mal 
als Leberwurst, 5 mal als Blutwurst, 33 mal verschieden („Ge¬ 
flügel warst“, „Wurst“, „Teewurst“ usw.). Die Proben wurden zum 
Teil mehrfach im Bindungsversuch geprüft. 

In den Proben wurde durch Präzipitation die Anwesenheit 
von folgenden Eiweissarten festgestellt: Pferd (55), anderes Ei¬ 
weiss (58); kein Eiweiss enthielten 29 Proben. Die Bindungs- 
versuche ergaben folgende Resultate: 

1. Durch Präzipitation Pferdeeiweiss nacbgewiesen (55 Proben): 

Bindungsversuch 

positiv negativ zweifelhaft 

45 9 1 

Aus der Uebersicbt geht hervor, dass wir bei diesen Würsten 
10 Versager hatten. 

In allen 10 Proben war durch Präzipitation Pferdeei weiss 
nacbgewiesen; 3 mal ausserdem noch Ziege, 2 mal Kaninchen und 
lmal Kaninchen und Ziege. 


2. Würste, die Eiweiss, aber kein Pferdeei weiss enthielten 
(58), davon waren 18 positiv, 86 negativ, 4 zweifelhaft. Im 
Einzelnen: 

Eiweissart. 



Ein Teil der Würste war mit allen zur Verfügung stehenden 
präzipitierenden Antisera geprüft worden. Eine Gruppe, die als 
Beispiel angeführt sei, zeigte dabei folgendes Verhalten: 


Präzipitation mit 

An- 

Bindungs¬ 

versuch 

Rind 

Pferd | 

Schwein] 

Hand | 

Katze | 

Ziege 

Kaninchen 

zahl 

+1 - 

+ 

- j 


- 

- 

- 

— 

4 

3 1 


Es ist immerhin denkbar, wenn auch unwahrscheinlich, dass 
in manchen der positiv reagierenden Würste der ersten Tabelle 
noch eine Tierart (abgesehen von Pferdefleisch) enthalten war, 
die die Fähigkeit, Organantiserum zu binden, besitzt. Aber auch 
in der mit allen zur Verfügung stehenden Antiseren geprüften 
Kategorie müssen wir 3 sichere Versager verzeichnen, wenn man 
nicht annehmen will, dass die betreffenden Proben Hühner-, 
Meerschweinchen- oder Schildkrötenfleisch enthielten. 

3. Würste, in deren Extrakt kein Eiweiss nachweisbar war, 
da sie entweder zu stark gekocht waren, oder das Eiweiss durch 
Auslaugen entfernt war: (29). Davon gaben 16 eine positive, 
13 eine negative Bindungsreaktion. 

Die positiv reagierenden Würste trugen folgende Bezeichnungen: 
5 mal Ziegenleberwurst, 1 mal Ziegenschlackwurst, 1 mal Ziegen¬ 
jagdwurst, 1 mal Geflügel leberwurst, lmal Eselswurst, lmal Leber¬ 
wurst. Die 13 negativ reagierenden: 3 mal Ziegenleberwurst, 3 mal 
Ziegenjagdwurst, 4 mal Leberwurst, 2 mal Jagdwurst, 1 mal Wurst. 
— Da eine Kontrolle der wahren Zusammensetzung dieser Proben 
nicht möglich war, können aus dem Ausfall der Bindungsreaktion 
in dieser Gruppe keine Schlüsse auf die Brauchbarkeit der Methode 
gezogen werden. 

B. Fleischprobefi. 

80 Fleischproben wurden untersucht, davon gaben 36 eine 
positive, 41 eine negative und 8 eine zweifelhafte Reaktion. 


Es reagierten: 


positiv 

negativ 

zweifelhaft 


Pferd 

19 mal 

Kaninchen 11 mal 

Meerschweinchen 


Meerschweinchen 

14 w 

Ziege 

20 „ 

(Hirn) 3 mal 

An¬ 

fRenntierrauohfl. 

1 „ 

Pferd 

1 „ 


geblich 

\Rindsgoulasch 

1 „ 

Mensch 

2 * 



Kraftfl .-Konserven 

1 „ 

Hirsoh 

2 - 





Rind 

4 „ 





^Hammel 

1 » ! 



Nach Fleischarten geordnet ergab sich folgendes: 



Es reagierten 

Summe 

positiv 

negativ' 

zweifelhaft 

Pferd . . . 

19 

1 

_ 

20 

Ziege .... 

— 

20 

— 

20 

Hammel . . 

— 

1 

— 

1 

Hirsch . . . 

— 

2 

— 

2 

Rind .... 

— 

4 

— 

4 

Kaninchen. . 

— 

11 

— 

11 

Meersohw. . . 

14 

— 

3 

17 

Mensoh . . . 

— 

2 

— 

2 

Verschiedene. 

3 

— 

— 

3 


Die Herkunft der Proben von Pferd, Ziege, Kaninchen, Mensch, 
Hirsch, Hammel, Rind und Meerschweinchen war unzweifelhaft. 
Die als Renntierrauchfleisch bezeichnete Probe ergab bei der 
Prüfung mittels Präzipitation negativen Ausfall für Pferd und 
Rind; Rindsgoulasch und Kraftfleischkonserven waren stark erhitzt 
gewesen und gaben keine Ei weissreaktion. 

2 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 




Diese Versuche gestalten eine Bewertung der Methode, da 
hier mit Ausnahme von 3 Proben nur bekanntes Material sur 
Verwendung kam. 

Bei 77 Fleischproben ergab die Methode 73 mal das er¬ 
wartete Resultat, in 4 Fällen fiel sie nicht ganz erwartungsgemäss 
aus. Es handelt sich einmal um Ausbleiben der Bindung bei 
Pferdefleisch, 3 mal um recht unvollkommene Bindung bei Meer¬ 
schweinchenhirn. 

Bei den Versuchen war uns aufgefallen, dass die mit Ka¬ 
ninchenfleisch ausgeffihrten Proben eine deutlich stärkere Hämo¬ 
lyse zeigten als die Serumkontrollen gleicher Ambozeptorkonzen¬ 
tration. Das konnte auf normalen hämolytischen Eigenschaften 
des Kaninchenfleisches beruhen. Tatsächlich ist ein mit physio¬ 
logischer NaCl-Lösung hergestellter Extrakt aus normalem Ka¬ 
ninchenfleisch imstande, bei Anwesenheit von Komplement Hammel¬ 
blut in mässigem Grade aufzulösen. Es wäre also immerhin 
denkbar, dass in einer Wurst, die Pferde- und Kaninchenfleisch 
enthält, der Antagonismus zwischen der organantiserumbindenden 
Komponente des Pferdefleisches und der hammelblutlösenden des 
Kaninchenfleisches zugunsten der letzteren ausfiele. 

C. Blutproben. 

Da nach den älteren Versuchen sich Blutkörperchen in 
mancher Beziehung anders als Organe der betreffenden Tierart 
verhalten, war es erforderlich, die verschiedenen Blutarten be¬ 
sonders zu prüfen. Wurde doch das Verlangen, die Herkunft von 
Blutwurstarten u. ä. zu prüfen, nicht selten an uns gestellt. 

Eis war bekannt, dass Organantiserum an gewaschene Hammel¬ 
erythrozyten gebunden wird. Es erschien möglich, dass auch eine 
Hemmung der Hämolyse durch Digerieren des Antiserums mit 
geronnenem Hammelblut (Blutkuchen) stattfindet. Da in Blut¬ 
würsten gekochtes Material vorliegt, erschien es notwendig, auch 
gekochtes Hammelblutgerinüsel zu prüfen. 

Die hämolytische Kraft des Organantiserums erstreckt sich 
auch auf Ziegenblutkörperchen. Es wurden daher auch mit 
Ziegenblutgerinnseln Bindungsversuche angesetzt 

Nach Möglichkeit wurden auch andere Blutarten geprüft 

Da es sich im vorliegenden Fall um Prüfungen handelt, die 
lediglich praktische Ziele anstreben, teilen wir nur die Ergebnisse 
unserer hierher gehörigen Untersuchungen mit 

Das frisch entnommene Blut 1 ) wurde bis zur Gerinnung 
stebengela8sen, das überstebende Serum abgegossen und der Blot¬ 
kuchen kurz mit physiologischer Kochsalzlösung abgespült. 1 bis 
2 g wurden ohne weitere Manipulation, die gleiche Menge nach 
2 Minuten langem Erhitzen in siedendem Wasser (der Blutkuchen 
befand sich im Reagenzglas) mit 10 ccm Serumverdünnung, die 
80 Ambozeptoreinheiten enthielt, übergossen. Im übrigen vollzog 
sich die Technik wie oben beschrieben. 

Zur Untersuchung kamen 18 Proben von 5 verschiedenen 
Spezies mit folgendem für rohes und erhitztes Material gleich¬ 
artigen Ergebnis: 


Tierart 

Anzahl 

Bindungsversuoh 

positiv 

zweifelhaft 

negativ 

Pferd. 

6 


_ , 

6 

Kaninchen .. 

2 

— 

— 

2 ■ 

Ziege. 

4 

2 

1 

1 

Hammel. 

2 

2 

— 

— 

Meersehweinehen . . 

4 

— 

— 

4 


Es zeigt sich also eine erhebliche Differenz zwischen dem 
Ausfall der Bindungsreaktion mit Blut und mit Fleisch derselben 
Spezies. Ziegen- und Hammelblut zeigen gewöhnlich positiven 
Reaktionsausfall, obwohl die Organe dieser Tierarten negativ 
reagieren. Umgekehrt binden Pferde- und Meerschweinchenblut gar 
nicht, während ihre Organe besonders starke Bindungskraft besitzen. 

Der Ausfall des Bindungsversucbs muss ^aher bei blut¬ 
haltigem Material ganz anders beurteilt werden, wie derjenige 
von Organbindungen. 

Weiterhin komplizierend wirkt noch die von uns nicht nach¬ 
geprüfte Angabe in der Literatur (Dörr und Pick), dass das 
Blutplasma aller Tierarten der positiven Gruppe ein gewisses, 
wenn auch schwach ausgeprägtes Bindungsvermögen besitzt. 

Somit stehen der praktischen Verwertung der Bindungs¬ 
reaktion bei Blutwürsten bisher unüberwindbare Schwierigkeiten 
im Wege. 

1) Nur Pferdeblut benutzten wir in getrocknetem Zustande. 


D. Lebern. 

Schon bei den ersten Versuchen nach Entdeckung der 
heterogenetischen Hammelbluthämolysine hatten sich Differenzen 
in den Ergebnissen bei Bindungsversuchen mit Leberzelien er¬ 
geben. Hinzu kam, dass auch in unseren Versuchen Leberwürste 
nicht selten recht unerwartete Resultate gaben. Es war möglich, 
dass ähnlich wie Blut aoeh die Leber im Bindungsversuch be¬ 
sondere Eigenschaften aufweist. Wir prüften daher das Ver¬ 
halten von Lebern verschiedener Tierarten gegenüber unserem 
Antiserum in der gewöhnlichen Versuchsanordnung. 

Diese Versuche hatten folgendes Ergebnis: Von 27 unter¬ 
suchten Proben gaben 23 eine negative, 4 eine zweifelhafte 
Reaktion. Die Herkunft der Proben war bekannt. Die Unter¬ 
suchung wurde zum Teil am frischen, zum Teil an Material, das 
bei 37° im Faust-Heimischen Apparat getrocknet war, ausgeführt 
Ein Unterschied zwischen frischen tind getrockneten Lebern war 
bei der Bindungsreaktion nicht zu konstatieren. 


Es reagierten: 


Tierart 

positiv 

negativ 

- zweifelhaft 

Somme 

Ziege . 

_ 

3 

_ 

8 

Pferd. 

— 

9 

— 

9 

Rind. 

_ 

3 

— 

3 

Schaf . 

— 

3 

— 

3 

Meerschweinchen 

— 

5 

4 

9 


Es zeigte sich also die auffällige Tatsache, dass Pferdeleber 
niemals eine positive Bindung ergab, und dass Meerschweinchen¬ 
leber 5 mal negativ, 4mal nur schwach reagierte. Die praktische 
Folgerung, die sich daraus ziehen lässt, ist, dass die Erkennung 
von Pferdeleber mittels Organantiserum nicht möglich ist. 

Eine einwandsfrei positive Bindungsreaktion trat in keinem 
Falle ein. Meerschweinchenleber verursachte eine schwache Hem¬ 
mung der Hämolyse, die sich unter Modifizierung der Versuchs- 
anordnung vielleicht noch deutlicher herausarbeiten lässt. Die 
übrigen Tierarten, insbesondere auch Pferd, zeigten in der gewöhn¬ 
lichen Versuchsanordnung keine Spur hämolysehemmender Eigen¬ 
schaften. 

Wir dachten an die Möglichkeit, dass irgendwelche hämo¬ 
lytischen Bestandteile der Leber eine positive Reaktion verdecken 
könnten. Besondere Versuche lehrten, dass diese Vermutung 
nicht berechtigt war; hämolytische Substanzen Hessen sich durch 
Extraktion mit Kochsalzlösung aus den Lebern nicht gewinnen. 

Für praktische Zwecke ergibt sich daher, dass der Nachweis 
von Pferdeleber mit Hilfe der Bindungsreaktion nicht möglich 
ist. Auch für Leberwürste, soweit sie wirklich aus Lebern her¬ 
gestellt werden, muss die Methode daher versagen. 

Wir hatten gefunden, dass Lebern so gut wie gar keine 
bindenden Eigenschaften besitzen. Um.so auffälliger war es, dass 
gerade Leberwürste nicht selten positive Bindungsreaktion gaben. 
Nun ist bekannt, dass die im Handel befindlichen Leberwürste 
darchaus nicht nur aus Leber bestehen, dass auch andere Fleisch- 
und Organteile verarbeitet werden, dass Mehl, Salz und Gewürz¬ 
zusatz für den Geschmack eine Rolle spielen. Stärkemehl bindet, 
wie besondere Versuche zeigten, den hämolytischen Körper des 
Organantiserums nicht. Auch der Salzgehalt ist nicht von 
wesentlicher Bedeutung. Bei einigen der positiv reagierenden 
Würste wurde in dem auf gewöhnliche Weise hergestellten Ex¬ 
trakt der Kochsalzgehalt bestimmt; es fanden sich Werte, die 
zwischen 1,2 und 2,8 pCt. lagen. Da der Zusatz von 2,8proz. 
Kochsalzlösung zur Kontrolle in keinem Falle die Hämolyse be¬ 
hinderte, kann die Salzkonzentration als Fehlerquelle auch nicht 
in Frage kommen. Es bleibt also nur übrig, andere Fleisch¬ 
bestandteile für die positive Reaktion verantwortlich zu machen. 
Damit werden die praktischen Schwierigkeiten für die Leberwurst¬ 
untersuchungen mit Hilfe der Bindungsreaktion noch weiter erhöht. 

Ueberblicken wir das Gesamtresultat unserer Untersuchungen, 
so ergibt sich leider, dass auch die Sachs-Georgische Reaktion 
in ihrer bisherigen Anwendungsform nicht geeignet ist, den bio¬ 
logischen Nachweis gekochten Eiweissmaterials mit Sicherheit zu 
führen. Die Fehlerquellen sind so gross und so verschiedenartig, 
dass sie ein wissenschaftlich begründetes Gutachten in der Praxis 
nicht gestatten. Die von Sachs und Georgi angedeutete Modi¬ 
fikation unter Zuhilfenahme eines auf Rinderblut hämolytisch 
wirkenden Serums würde die Reaktion sehr komplizieren, ohne 


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13. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


96T 


ihre Fehlerquellen mit Sicherheit auszuschalten. Das gleiche gilt 
von dem vorherigen Erbitsen jeder Untersuchungsprobe. Es 
müsste schon nach anderen Modifikationen gesucht werden, um 
die an sich aussichtsreich erscheinende Methode doch noch der 
Praxis dienstbar machen sn können. 


Aas dem Universitäts-Ambulatorium für Stimm- und 
Sprachstörungen in Berlin. 

Lähmung des welchen Gaumens nach Grippe 1 )« 

T Von 

Dr. 9. Kickhefel. 


Die im Jahre 1918 aufgetretene Pandemie der Grippe, die 
ihren verderblichen £jig von Spanien her (spanische Krankheit) 
fiber die ganze Welt antrat, konnte durch die Beobachtung, dass 
sie vorwiegend das jugendliche Alter bis zum 30. Lebensjahre 
befiel und ältere Leute* verschonte, während die früheren Epi¬ 
demien eine gefürchtete, Krankheit älterer Leute war, Zweifel an 
der Identität dieser Pätodemie mit früheren Grippeepidemien, be¬ 
sonders derjenigen von 1889/90 entstehen lassen. Die Fort¬ 
schritte der medizinischen Forschung haben inzwischen die Frage 
der Identität der Grippepandemie von 1918 mit früheren Epi¬ 
demien in positivem Sinne entschieden; Fleischmann kam in 
seinem auf einem kriegsärztlichen Abend gehaltenen Referat über 
die spanische Krankheit (Zschr. f. ärztl. Fortbildung, 1919, Nr. 16) 
zu dem Schluss, dass „der Verlauf der Krankheit in wechselnder 
proteusartiger Form, das Hervortreten der Allgemeinerscheinungen, 
die grosse, das Fieberstadium manchmal lange überdauernde 
Prostratio virium, und auch die einzelnen Symptome sich mit 
früheren Beobachtungen deckt, dass überall sich das alte Bild 
der Influenza wiederfindet 11 . 

ln der kurzen Publikation möchte ich von einer Nach¬ 
krankheit nach Grippe berichten, welche ich in dem grossen 
Material des Uoiversitätsambulatoriums für Stimm- und Sprach¬ 
störungen in 4 Fällen zu beobachten Gelegenheit hatte; es handelt 
sich um Lähmungen des weichen Gaumens. In der mir zur 
Verfügung stehenden Literatur finde ich keine Mitteilung über 
Gaumensegellähmungen nach Grippe; diese Lücke in der Beob¬ 
achtung mag meine kurze Publikation rechtfertigen. 

Aus den Krankengeschichten gebe ich kurz folgende Daten: 

1. E. S., 38 Jahre alt, Beamtin, trat in Behandlung am 16.1. 1919. 
Im Oktober 1918 erkrankte sie mit hohem Fieber, welches 3 Wochen 
anhielt. Starker Husten und Verschleimung im Halse, Kopf- und 
Gliederschmerzen. Keine ärztliche Behandlung. Nach Abfall des Fiebers 
trat nasale undeutliche Sprache auf. 

Befund: beiderseits Bewegungen des weichen Gaumens träge; die 
Hebung des Velums zum Rachenabschluss ist ungenügend. Sprache 
näselnd. A-i-Probe -{-. Ein Zurückfiiessen von Flüssigkeiten durch die 
Nase beim Trinken findet nicht statt. 

3. P. Sch., 8 Jahre alt, Arbeitersohn, trat in Behandlung am 
25. III. 1919. Vor 4 Wochen fieberhaft an Grippe erkrankt; die Dia¬ 
gnose durch den Arzt gesichert. Bronohialkatarrh, starke Glieder- und 
Kopfschmerzen. Nach dem Fieberabfall nasale Sprache, Flüssigkeiten 
regurgitieren durch die Nase. 

Befund: beiderseits träge Bewegungen des weiohen. Gaumens. A-i- 
Probe +. 

3. F. N., 16 Jahre alt, Gepäckträgertoohter, trat • am 16. V. 1919 in 
Behandlung. Im Juli 1918 leicht an Grippe erkrankt; nur 1 tägiges 
Fieber und leichte Gliederschmerzen. Die übrigen Familienmitglieder 
waren schwer erkrankt, eine Schwester hat 6 Wochen gelegen. 8 Tage 
nach Beginn der Erkrankung wurde die Sprache undeutlich und nasal. 

Befand: Das Gaumensegel bewegt sich beiderseits träge; A-i-Probe-}-. 

4. E. D., 5 Jahre alt, Bäokermeistertoohter, trat in Behandlung am 
14. IV. 1919. Vor 5 Wochen schwer an Grippe erkrankt; ärztliche Be¬ 
handlung. Die Spraohe wurde gegen Ende der fieberhaften Zeit nasal, 
Flüssigkeiten regurgitieren nicht durch die Nase. 

Befund: Beiderseits träge Bewegungen des Gaumensegels; A-i- 
Probe -f-. 

In allen 4 beobachteten Fällen handelt es sich um Gaumen¬ 
segellähmungen nach Grippe. Alle Patienten hatten die charak¬ 
teristischen Erscheinungen: Fieber, Gliederschmerzen, heftige Kopf¬ 
schmerzen, grosse Mattigkeit, Schmerzen in den Augen, Katarrhe 
des Respirationsapparates. Uebereinstimmend gaben die Patienten 
an, dass Belag im Halse nicht vorhanden gewesen sei und Schluck¬ 
schmerz und Drüsenschwellungen am Halse nicht bestanden haben, 
so dass eine diphtherische Erkrankung auszuschliessen ist. 

1) Vortrag, gehalten in der Laryngologisohen Gesellschaft zu Berlin 
am 16. Mai 1919. 


In sämtlichen Fällen bestand nur eine Parese des weichen 
Gaumens; die Bewegungen des Velums waren träge, aber immer 
noch so ausgiebig, dass sie normale Bewegungen des Gaumens 
Vortäuschen konnten. Erst die A-i-Probe lieferte den Beweis, 
dass eine Rhinolalia aperta bestand. Die H. Gutzmann*sche 
A-i-Probe besteht darin, dass sich bei der Rhinolalia aperta ein 
deutlicher Unterschied in der Klangfarbe der Sprache zeigt, je 
nachdem man den Patienten abwechselnd mit offener und ge¬ 
schlossener Nase artikulieren lässt; bei normalem Abschluss des 
Nasenrachens vom Mundrachen durch das kontrahierte Gaumen¬ 
segel tritt kein Unterschied in der Spraohe ein. 

Der ungenügende Abschluss des Nasenrachens durch das 
Gaumensegel lässt sich auch feststellen durch den Ausschlag des 
Hebels einer Marey’schen Kapsel, welche durch einen Gummi- 
schlauch mit einer in eine Nasenöffnong eingeführte Olive ver¬ 
bunden ist. 

Wie bei den postdiphtherischen Gaumensegellähmungen tritt 
such bei den Lähmungen nach Grippe in vielen Fällen eine 
spontane Heilung ein. Dies lässt sich so erklären, dass durch 
die Hebung des Zungenrückens bei der Artikulation das ge¬ 
lähmte Gaumensegel passiv gehoben wird und durch die Art der 
Massage sich allmälich entschliesst, auch wieder aktive Bewegungen 
zu machen. 

Es gibt aber Fälle, bei denen die spontane Heiluog ausbleibt. 
Woran liegt das? Die Patienten haben sich an die mangelhaften 
oder aufgehobenen Bewegungen so gewöhnt, dass sie dieselben 
noch anwenden, nachdem die Parese des Velums zurück gegangen 
ist. Die Patienten haben vergessen, die Muskeln des Gaumen¬ 
segels richtig zu gebrauchen; die Bewegungsvorstellung ist ihnen 
verloren gegangen. Aus der organischen Rhinolalia aperta in¬ 
folge der Lähmung ist eine habituelle Rhinolalia aperta geworden. 
Wjr finden analoge Vorgänge bei den habitaellen Aphonien. Die 
den akuten Kehlkopfkatarrh begleitende Insuffizienz der Glottis- 
schliesser bleibt bestehen, wenn die katarrhalischen Erscheinungen 
schon zurückgegangen sind; die Patienten wissen nicht mehr, wie 
sie die Stimmlippen bewegen müssen, um einen normalen Glottis¬ 
verschluss zu erreichen. Auch das freiwillige Hinken des Kindes 
gehört zu den Erscheinungen, bei denen es sich um einen Verlust 
der Bewegungsvorstellungen bandelt. 

In diesen Fällen, wo sich an die Parese des Gaumensegels 
eine habituelle Rhinolalia aperta angeschlossen hat, sind wir ge¬ 
nötigt nachzuhelfen. Da es sich um verloren gegangene Be- 
wegung8vorstellungen handelt, kann die einzig richtige Therapie 
nur darin bestehen, durch Uebung die Bewegungen wieder in 
normale Bahnen zu lenken. Wir benutzen neben einem syste¬ 
matischen Artikulationsunterricht dazu seit vielen Jahren mit 
gutem Erfolge einen Gaumenheber, mit dem wir das Gaumensegel 
nach hinten oben anheben. Nur in seltenen Fällen musste der 
elektrische Strom angewandt werden. 

Die Beseitigung der habituellen Rhinolalia aperta bat grosse 
praktische Bedeutung. Wir wissen, dass die Kraft des Gaumen¬ 
verschlusses eine recht bedeutende ist: die einzelnen Sprachlaute 
haben verschiedene Abschlusskraft; Biebendt fand, dass dieselbe 
bei den S Lauten am grössten ist. Der Gaumenverschluss wird 
am leichtesten daher gerade bei den Sprachlauten versagen, bei 
denen er besonders kräftig sein muss. Daraus erklärt sich auch, 
dass der besonders beim weiblichen Geschlecht auftretende Sigma¬ 
tismus (Lispeln) gelegentlich von einer Rhinolalia aperta begleitet 
ist und zum Sigmatismus nasalis wird. Dieses Näseln wird be¬ 
sonders unangenehm empfunden und hat in vielen Fällen einen 
ungünstigen psychischen Einfloss, so dass die Patientinnen weniger 
das Lispeln, als gerade das diesen Artikulationsfehler begleitende 
Näseln zum Arzt führt. 


Aus der chirurgisch-urologischen Privatklinik von 
Dr. A. Freudenberg in Berlin. 

Lokale Anwendung von Chlorkalzium zur Ver¬ 
hütung der gefahrdrohenden Blutungen bei der 
suprapubischen Prostatektomie. 

Von 

A. Frendeiberg. 

Starke Blutungen, die während oder nach der suprapubischen 
Prostatektomie auftreten, stellen eine der Hauptgefabren dieser 
Operation dar. Manchem Operateur haben sie schon sorgenvolle 


2 * 


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968 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 4L 


Standen bereitet, wohl wenige mit grösserer Erfahrung auf 
diesem Gebiete dürfte es geben, die nicht einen oder den anderen 
Patienten, trotz Heisswasserspölangen, fester Tamponade, erneuter 
Freilegung des Blaseninnern usw., daran verloren haben. 

Ich glaube ein Verfahren gegen diese Gefahr gefunden zu 
haben; es besteht in der lokalen Applikation des Calcium 
chloratum sic cum bei der Operation. 

Ich wende eine 6proz. Losung des Mittels an, und zwar, wie ich 
ausdrücklich betone, eine 6proz. Lösung des pulverförmigen oder körnigen 
Calcium chloratum sicoum; beiVerwendungdeskristallisiertenCaloium 
chloratum müsste man, entsprechend dessen Gehalt an Kristallwasser 
und Wasser, das noch aus der Luft angesogen wird, eine entsprechend 
höhere Konzentration anwenden. 

Das Verfahren bei der Anwendung des Mittels ist in meiner Klinik 
das folgende: 

Bei Beginn der Vorbereitung des Patienten werden 100 com der 
Lösung in die durch den Katheter entleerte Blase injiziert, die also 
10—20 Minuten Zeit haben, einzuwirken. Unmittelbar vor dem Haut- 
schnitt wird die Flüssigkeit aus der Blase gelassen und durch injizierte 
Luft ersetzt. Nach der möglichst schnell und nach möglichst kleinem 
Einschnitt in die Blase erfolgten Enukleation der Prostata wird dann 
die Nische der Prostata mit Vioformgaze, die mit der Chlorkalzium* 
lösung getränkt ist, fest austamponiert; oberhalb davon wird das 
dicke Freyer’sohe Gummidrain eingelegt, und oberhalb davon der Rest 
der Blasenhöhle ebenfalls mittels in der Chlorkalziumlösung getränkter 
Vioformgaze ausgestopft. Durch das Freyer’sche Drain habe ich in der 
letzten Zeit von vornherein einen Nölatonkatheter eingesohoben, der mit 
Verlängerung duroh Gummisohlauoh oder Glasansatz versehen, den 
grössten Teil des Urins nach aussen ableitet, und so von vornherein 
die Durohnässung des Patienten verhindert oder mindestens wesentlich 
verringert. Die Bauchdeoken werden dann bis dicht oberhalb und 
unterhalb der herausgeleiteten Drains genäht, und zwar, indem ab¬ 
wechselnd nur Hant und Faszie, und Haut, Faszie und Muskulatur mit 
der Naht erfasst werden. Die Blase selbst wird entsprechend 
der Freyer’sohen Teohnik nioht genäht. 

Das Freyer’sohe Drain wird meist bereits nach 24 Stunden ent¬ 
fernt, indem man es über den — liegen bleibenden — Nelaton heraus¬ 
sieht; ebenso die den oberen Teil der Blase tamponierende Gaze. Die 
die Prostatanisohe tamponierende Gase wird meist nach 48 oder 
72 Stunden entfernt, natürlich vorsichtig und eventuell unter Naehbilfe 
mit Wasserstoffsuperoxyd, um nioht meohanisch Blutung zu erzeugen. 
Den Blasenspülungen wird in den Tagen naoh der Operation der Vor¬ 
sicht halber auoh Chlorkalxium zugesetst. 

loh habe bis jetzt mit der Anwendung des Chlorkalziums in dieser 
Weise 26 Fälle operiert, ohne auch nur ein einziges Mal eine 
erwähnenswerte, geschweige denn eine gefahrdrohende Blu¬ 
tung zu erleben, wie es vorher auch bei mir leider oft genug der 
Fall gewesen. Ich glaube daher mit fast an Sicherheit grenzender 
Wahrscheinlichkeit annehmen zu können, dass es sioh hierbei nioht nur 
um einen Zufall gehandelt haben kann, und ich halte mich daher für 
berechtigt, zu einer Nachprüfung dieses Verfahrens aufzufordern. 

Uebngens habe ich den Eindruck, dass die günstige Einwirkung 
des Chlorkalsiums auf den Verlauf der Operation nioht nur auf der 
Verminderung des Blutverlustes beruht, ln der Tat ist, seitdem ich 
das Mittel in der beschriebenen Weise anwende, der Verlauf meist ein 
so überraschend leichter, dass ich an eine direkt tonisierende 
Wirkung des Chlorkalzium dabei glauben möohte. Es ist das ja auoh 
nicht unwahrscheinlich, da bekanntlich den Kalksalzen eine kräftigende 
Wirkung auf die Herzaktion zugeschrieben wird. Die eben gegebene 
Erklärung ist natürlich nur eine Vermutung; die Tatsache aber, dass 
seit der Anwendung des Chlorkalsium in der beschriebenen 
Weise der Verlauf der Operation bei meinen Patienten ein 
sehr viel leiohterer und besserer geworden ist, ist für mioh 
unbestreitbar. 

Ueber Anwendung des Chlorkalzium bei Urogenitaloperationen ist 
mir nur bekannt, dass Leweson-Gower-Gunn 1 ) 1896 bei perinealer 
Operation von Samenblasentuberkulose gegen die Gefahr der Blutung 
8 Tage lang prophylaktisch innerlich Chlorkalsium nehmen liessen, 
und dass Friedrich Adolf Hesse*) 1918 bei Erwähnung dieser Arbeit 
schreibt: „Weitere Erfahrungen über diese Medikation fehlen an¬ 
scheinend.“ Ueber die lokale Anwendung von Chlorkalzium bei Pro¬ 
statektomie oder anderen Urogenitaloperationen ist mir aus der Literatur 
nichts bekannt. 

Ich selbst besitze über die prophylaktische innere Anwendung des 
Chlorkalsium bei Operationen keine eigene Erfahrung; gegen die Kom¬ 
bination einer solchen mit der oben beschriebenen lokalen An¬ 
wendung scheint mir ein Bedenken nioht vorsuliegen. 


1) Medical Press, 1906, S. 86. Referat im Zbl. f. d. Krankh. der 
Harn- u. Sexualorgane, 1906, Bd. 17, S. 882. 

2) Die Tuberkulose der Prostata. Zbl. f. d. Grenzgeb. d. Med. u. 

Chir., 1913, Bd. 17, S. 588. 


Kriegslehren für die Friedensernährung 1 * ). 

Von 

Dr. KarlBermsteii-Berlin. 

ln einem Geleitworte zu dem sehr empfehlenswerten Buche 
des Stadialstes Dr. Dienemann (Dresden): „Briefe eines 
Arztes über die Ernährung an einen Laien us ) und in 
seinem kürzlich in der Zeitschrift „Oeffentlicbe Gesundheitspflege“*) 
veröffentlichten Aufsatze übt der Jenaer Hygieniker Abel scharfe 
Kritik an der verhängnisvollen Kriegsernährungswirtschaft, die er 
als Beirat des Ernährungsamtes nicht länger miftmacheo konnte, 
da sein Rat zwar gehört, aber nicht befolgt wurde. Wer sich 
eingehend mit den lebenswichtigen Fragen beschäftigt, kann Abel 
nur beistimmen. Aufgabe der Wissenschaft, der Aerzte ist es, sich 
jetzt mehr denn je, „als aktive Politiker der Volkswohl¬ 
fahrt“ 4 ), „als Verwaltungsbeamte des organischen Ka¬ 
pitals des Staates“, wie sie Prof. Tandler (Wien), de? jetzige 
Unterstaatssekretär für Gesundheitswesen, nennt, an der Hebung 
der tief gesunkenen Volkswohlfahrt zu beteiligen, Führer des 
Volkes in Gesundheitsfragen zu sein. — 

Am Anfang war der Magen! Vor der Tat steht der Magen und 
stellt wohlbereohtigte Ansprüche. Ist Deutschland imstande, diese An¬ 
sprüche aus eigener Kraft zu erfüllen? In einer Volkshocbschulfrage 
habe ich jüngst diese schwerwiegendste Frage mit Ja beantwortet, und 
ich wiederhole dieses Ja auch heute. Voraussetzung ist, dass Deutsch¬ 
land sich endlioh auf sich selbst besinnt, Vertrauen fasst zu seiner eigenen 
Kraft und zu seinem ergiebigen Boden, der bei guter Bewirtschaftung, 
bei welcher ihn Wissenschaft, Staat und Gesellschaft intensiv unter¬ 
stützen müssen, und bei Aufschliessung der Oedländereien nooh 20Millionen 
mehr an Menschen ernähren kann. 

„Wir brauohen bei einer mittleren Ernte dem mensch¬ 
lichen Konsum gar keine Schranken aufzuerlegen“, sagt der 
Altmeister der Ernährungsphysiologie, mein verehrter Lehrer Zunts, 
dessen gemeinsam mit Dr. Kuczynski verfasstes, 1915 erschienenes 
Buch „Unsere bisherige und zukünftige Ernährung im Kriege“ 
Dauerwert behält. „Die Sage, dass wir absolut nioht in der Lage seien, 
unsere Ernährung durch eigene Mittel zu bestreiten, ist falsch“, sagt 
Rubner*). 

Das Thema Volksernährung ist im Laufe der letzten Jahre in 
ausgedehnter Weise erörtert worden: Was die Zensur durchliess, durfte 
gesagt werden. Die verdienstvolle Zentralstelle für Volkswohlfahrt liess 
bei ihrer grossen Tagung Ende Oktober 1915 im Sitzungssaal des Reichs¬ 
tages unter anderem auch die Frage der Volksernährung behandeln. 
Rubner hielt den Hauptvortrag. In der freien Aussprache bekannte ich 
mioh damals wie heute zu der wohlerwogenen Auffassung, dass die ge¬ 
samte in Deutschland vorhandene Nahrung, geteilt duroh die Anzahl der 
Einwohner; bei vernünftiger Ernährung, fast restloser Erfassung und ge¬ 
rechter Verteilung einem jeden das ihm zukommende Quantum sichere. 
„Addieren wir aber“, fügte ich hinzu, „die gesamte in Deutsch- 
land vorhandene Vernunft und teilen sie duroh die Anzahl 
der Einwohner, dann erhält jeder nicht die nötige Menge 
an Vernunft. So war es im Frieden, so ist es im erhöhtem Maass¬ 
stabe im Krieg“. Leider ist der Vernunftsteil jetzt noch kleiner geworden: 
wie konnte es auoh anders sein! 

Ich bin mir der schweren Verantwortung wohl bewusst, wenn ich 
mich vor diesem wissenschaftlichen Forum in der Ernährungsfrage zu 
einem Gewissensoptimismus bekenne und ein Urteil abzugeben wage. 
Seit mehr als 25 Jahren beschäftige ich mioh wissenschaftlich und prak¬ 
tisch mit Ernährungsfragen, habe ich durch zahlreiche, oft langdauernde 
Stoffwechsel versuche, grösstenteils an mir selbst, zu den verschiedensten 
Fragen Stellung genommen. Während des Krieges habe ioh als Mit¬ 
glied und Leiter verschiedener Ausschüsse in Leipzig praktisch an der 
Ernährung mitgearbeitet und stets darauf gedrungen, dass mein Rat, ob 
erbeten oder nicht, nioht nur gehört, sondern auoh befolgt wurde. Sonst 
wären wir Aerzte ja nur eine Dekoration und gut genug, 
die Sünden anderer zu decken. Ich scheute auoh die schwierige 
Reise nach Kopenhagen nicht, um mit Dr. Hindhede, dem aus¬ 
gezeichneten Forooher und Praktiker, in Gedankenaustausch zu treten. 

r * Lässt sich Deutschland in der Ernährungsfrage von 
Vernunftgründen leiten, nicht von falsch verstandenen 
oder falsch aufgestellten Theorien, nicht vom falsch, 
zum Teil verderblich eingestellten Gaumen und Magen, 
so ist es m. ft. stets in der Lage, seine Einwohner jetzt 


1) Vortrag, gehalten am 16. Juli 1919 in der Berliner medizinischen 
Gesellschaft. 

2) Jena 1918, Verlag Gustav Fischer. 

8) Abel, Die nächsten Aufgaben der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege, 1919, H. 1. 

4) Bornstein, Der Arzt als aktiver Politiker der Volkswohl¬ 
fahrt,11919. Zsohr. f. ärztL Fortb., 1919, H. 8. 

5) Die Volksernährung imj Kriege. Kriegsärztl. Vorträge, l.Teil, 
S. 120. Jena 1915, Verlag Gustav Fischer. 


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18. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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gut und auskömmlich, später reichlich zu ernähren. 
Es muss aber endlich in letzter Stande einsehen, worauf 
es ankommt und wie man leben muss: es muss aus dem 
Kriege lernen! 

Wenn wir aus den trüben Kriegserfahrungen anoh in der Ernährungs- 
frage Lehren ziehen wollen, soll man nicht glaaben, dass wir neue 
Wahrheiten zu verkünden haben. „Ueberblioken wir*, sagte A. Loewy 
in seinen „Ergebnissen der Eriegserfahrungen für die Phy¬ 
siologie der Ernährung* 1 ), „was die Kriegsernährungen für die Er¬ 
nährungsphysiologie gelehrt haben, so müssen wir sagen, dass die Grund¬ 
lagen der wissenschaftlichen Ernährungslehren nicht erschüttert, ja nicht 
einmal verändert worden sind.* Gewiss, die Grundlagen waren vor¬ 
handen. Sie haben aber bei ihrer Uebertragung in die Praxis des täg¬ 
lichen Lebens nicht immer genügend Rücksicht genommen auf die Er¬ 
fahrungen des Lebens und die wirklichen Bedürfnisse des Volkes. 

Z. B.: Die Wissenschaft lehrte, dass zur Erhaltung des Eiweiss¬ 
bestandes des Organismus, seines organischen Kapitals, 120 g fiiweiss 
nötig seien. Sie lehrt jetzt in Uebereinstimmung mit den tatsächlichen 
Verhältnissen, dass durchschnittlich 70—80 g genügen, und dass die 
nötige Eiweissmenge durch Pflanzen- und Milcheiweiss völlig gedeckt 
werden könne, dass es aber aus verschiedenen Gründen angebracht sei, 
einen Teil des Eiweissbedarfes duroh Fleisch zu decken, Eiweiss ist 
lebenswichtig, Fleisch ist es nioht; das muss festgehalten und 
als alte, aber stets neue Wahrheit immer wieder laut und 
deutlich gesagt werden, damit der soheinbar unausrottbare 
und für eine auskömmliche Nahrungsbeschaffung direkt un¬ 
heilvolle Fleisohaberglaube endlich und für alle Zeiten 
schwindet. Die Gleiohung Fleisch = Eiweiss hat viel zur Konfusion 
in der Emährungsfrage beigetragen. 

Vor einigen Wochen fand hier im kleinen Saale eine Diskussion 
über einen Vortrag statt, der das Eiweissminimum betraf. Da hörte 
man in der Diskussion wieder die Behauptung von der Notwendigkeit 
sogar grosser Fleischmengen, und von der überragenden Stellung des 
animalen Eiweisses — man meinte des Fleisches. Bekannt ist der 
hervorragende Wert des Kartoffeleiweisses. Fleischarme, selbst fleischlose 
Kost ist ja durchaus nioht Pflanzenkost. Niemand wird Milch, Käse, 
Eier für pflanzliche Produkte halten. Eine gesunde Mischung von 
Pflanzen- und animalischem Eiweiss kann auch bei Ausschaltung des 
Fleisches vorhanden sein, für die ich aber persönlich nur im Not¬ 
fälle eintrete. loh möchte das ausdrücklich betonen, um 
Missverständnissen zu begegnen. Fleisch ist ein angenehmes und 
wegen seiner Reizstoffe genussreiches Nahrungsmittel, an das wir uns ge¬ 
wöhnt haben und dessen Ausschaltung eine Umstellung in unserem 
kleinen persönlichen und grossen wirschaftlichen Leben bewirken würde, 
die wir nioht ohne grosse Not vornehmen sollen. — Der Krieg hat uns 
ja bis zur Evidenz an Millionen von Beispielen gezeigt, dass der Hungrige 
in erster Reihe nach Brot und Kartoffeln schrie. Wie viele tauschten 
ihre Fleischkarten um, um für das bisschen Fleisch, das soheinbar un¬ 
entbehrliche, mehr Nähr- und Sättigungswerte enthaltende Leguminosen 
zu erhalten? loh habe mich oft diesen Vielen angeschlossen, weil ich 
mir und meiner Familie damit einen grossen Dienst erwies. „Ich habe immer 
darauf hingewiesen,* sagt auch Rubner, „dass eineMinderung desFleisches 
in der Kost an sich kein Grund für allgemeine Befürchtungen und für 
die physiologische Minderwertigkeit der Kost ist.* 

Waren denn die Deutschen 1918 viermal kräftiger oder klüger — 
viele behaupten, dass Gehirnarbeit mehr Fleisohzufuhr erfordert — als 
1818 oder zweimal so kräftig und klüger als 1870? Der Fleisohkonsum 
von 1918 zu 1870 zu 1813 war 4:2:1; 56 kg: 26:13! Das deutsche 
Volk hat bis vor kurzer Zeit schwer gearbeitet und wird nooh schwerer 
arbeiten müssen trotz verkürzter Arbeitszeit. Nehmen wir ihm endlich 
den falschen Glauben, dass es diese schwere Arbeit nur mit grossen 
oder vergrösserten Fleischmengen leisten kann. 1913 brauchte 
England, das als fleischfressend verschrieen ist, 48 kg pro Kopf und Jahr, 
Frankreich 34 kg, Oesterreich-Ungarn 29 kg. Und dabei vergisst man, 
dass erst 6—8 kg Pflanzen- und auch Milcheiweiss und nooh grössere 
Mengen (etwa 50 kg) Kohlehydrate verfüttert werden und zugrunde gehen 
müssen, ehe ein prozentual kleiner Teil Eiweiss, vielleicht 20 pCt., sich 
uns in Fleisch präsentiert. Wer durch seinen Sohrei nach 
grossen Mengen Fleisoh zur Vergeudung lebenswichtiger, 
für die Menschen bestimmter Nahrung beiträgt, versündigt 
sich am Volkswohl, verstärkt die etwa eintretende Unter¬ 
ernährung und zwingt den Staat zur Einfuhr kostspieliger 
Waren. ’ 

Zuchtdirektor Mommsen (Halle) hat Ende Juli 1918 in der Vossisohen 
Zeitung naohgewiesen, dass wir bei längerem Verzicht auf die geringen 
Mengen Fleisch und die kleinen Buttergaben täglich pro Person Vs Liter 
Milch erhalten könnten. In einem ergänzenden Aufsatz habe ich mich 
als Emährungspraktiker sofort auf die Seite Mommsen’s gestellt und 
betont, dass auf diese Weise unsere Eiweiss- und Fettmenge um je 10 g 
pro Tag, unsere Kalorienmenge um 250 steigen würde, eine nioht zu 
verachtende Zunahme. — Aber die damalige Regierung sah und hörte 
nioht. Das Volk musste, wenn es irgend ging, in Stimmung erhalten 
werden: also Bier her und Fleisch! Und, statt die Mommsen-Born- 
stein'sche Formel zu akzeptieren, gab man sogar eine Fleischzulage, als 


1) D.m.W., 1919, Nr. 14. 


Kartoffeln fehlten, und erhielt das Volk in dem falsohen und schäd¬ 
lichen Glauben, dass es etwas Besseres bekäme. In Wirklichkeit wurde 
seine Kalorienzufuhr nooh ganz bedeutend kleiner. Dafür bekam es 
mehr psychisohe Nahrung, Stimmung, aber nicht Sättigung. Gelingt 
es uns, das Volk satt zu machen, am liebsten mit Fleisch, das ich 
gern in Mengen von 1 Pfund pro Kopf und Woche ihm wünsohe, im 
Notfall auoh ohne Fleisoh, dann haben wir die Garantie, dass es ge¬ 
nügend Eiweiss bekommt, um das organische Kapital auf der Höhe zu 
erhalten. Kein vernünftiger Mensch hat sich je für ein Eiweissmiuimum 
eingesetzt, das in Experimenten möglich ist, auch Hindhede niemals. 
Man kann auch bei fleischloser Kost weit mehr Eiweiss zu sich nehmen, 
als sogar Voit - Pflüger verlangen. Soll eine Verschiebung der Eiweiss¬ 
zahl eintreten, dann lieber nach oben! Dass wir im Kriege mit der 
allgemeinen Unterernährung eine besonders schädliohe Eiweissunter¬ 
ernährung hatten, war eine der traurigsten Erscheinungen, weil dadurch 
unsere Arbeitsmasohine immer defekter wurde, unser Nervensystem 
Schaden erlitt und unsere Regulatoren, die Hormone, abnahmen. 

Zu unseren besten Eiweissträgern gehört ausser dem Getreide die 
Milch mit ihrem ausgezeichneten plastischen Eiweiss, dem Kasein, vor¬ 
ausgesetzt, dass man es bekommt. Von diesem prächtigen Kasein 
wurden in Friedenszeiten jährlich 213 Millionen Kilogramm, in Form 
von Magermilch mehr als 5 Milliarden Liter, ins Schwein verfüttert. 
Damals merkten wir die Schweinekonkurrenz nioht, wenn auoh, wie 
Hindhede hervorhebt, ein Sohwein an guten menschlichen Nahrungs¬ 
mitteln für 2,3 Menschen frisst und nur Nahrung für 0,6 Menschen 
wiedergibt. Wie glüoklioh wären wir und unsere Patienten gewesen, 
wenn wir ihnen täglich Vs—1 Liter Magermilch hätten geben können. 
Dem Landwirt steht und wohnt das Sohwein eben näher als der wenig 
beliebte Städter oder gar Grossstädter. Dass auch 3 Millionen Tonnen 
Roggen verfüttert wurden und unsere Brotnot erhöhten, sei auoh als 
Illustration zu der Tatsache erwähnt, wie anders die Ernährung aus- 
sehen könnte und wie sie ausseben wird und muss, wenn wir endlich 
aus den Versündigungen im Kriege für den Frieden lernen. Die Ei¬ 
weiss- und Kohlehydratmenge unserer Nahrung steigt mit 
sinkender Sehweinezahl. Nicht 25 Millionen, für die das Ausland 
teilweise sorgte durch Lieferung von Futtermitteln für 5 Millionen, es 
genügen 10 Millionen, ja weniger, wenn wir ausser dem Abfall und 
dem direkten Schweinefutter nioht mehr Nahrung entbehren können. 
Lieber wenig gut gemästete Tiere als viel sohleoht genährte oder auf 
unsere Kosten gemästete. 

In seinen zahlreichen dieser Frage gewidmeten ausgezeichneten 
Aufsätzen behandelt May 1 ) das Sohwein als Konkurrent der v 
menschlichen Ernährung und 2 ) Einwände gegen Verminderung 
des Sch weinebestandes. 80 pCt. des Eiweisses und 80 pCt. der 
Kalorien gehen durch die Fütterung verloren. Das Schwein frisst 
67 pCt. der Kalorien und 87 pCt. an Eiweiss des Volksnahrungsumfanges. 
Ohne Schwein könnten 86 Millionen Menschen ihr Eiweiss und 46 Millionen 
neue Nahrung erhalten. May verlangt immer wieder durch begründete 
Eingaben an die Behörden weitestgehende Reduktion der Sehweinezahl, 
ohne die Aufzucht beschränken zu wollen. In den „Beiträgen zur 
Kriegswirtschaft*, herausgegeben von der volkswirtschaftlichen Abteilung 
des Kriegsernährungsamtes, Heft 20/21, Das Schwein in der Kriegs- 
ernährungswirtschaft von Prof. Dr. Skaiweit (Giessen) und Dr. 
Walter Klaas (Berlin) heisst es am Schluss: „Fleisch und Fett 
werden allerdings zunächst knapp werden, aber Brotgetreide und Kar¬ 
toffeln müssen vorhanden sein. Denn Kartoffeln und Brot sind für die 
Menschen nötiger noch als Fleisoh und Fett. Das haben die gemachten 
Erfahrungen gelehrt.* Aehnlich May, der bei der übergrossen Ver¬ 
bitterung von Kartoffeln und anderen Kohlehydraten ausruft: „Die 
Kohlehydrate sind also unsere Rettung. Und da sollen wir sie uns von 
den Schweinen wegfressen lassen, nur damit die ländliche Bevölkerung, 
die auch heute nooh 100 pCt. ihrer Friedenskalorien geniesst — die wir 
ihr ja auoh lassen wollen — und eine schmale städtische Obersohicht 
mehr Fleisch und Fett erhält?* 

Vor 21 Jahren habe ich hier in der Medizinischen Gesellschaft über die 
Möglichkeit der Eiweissmast 8 ) naoh Selbsversuohen im Zuntz- 
schen Laboratorium gesprochen. Später habe ich meine ausgedehnten 
Forschungen über Zellmast 4 ) zum Teil unter Benutzung der mir von 
dem damaligen Vorsitzenden Virohow empfohlenen Literatur fort¬ 
gesetzt. Ich habe zu beweisen versuoht, dass bei minderwertigen Or¬ 
ganismen zunächst auf eine Besserung und Mehrung, Qualität und 
Quantität der Zelle, der mit Bedarf begabten Substanz (Pflüger), durch 
entsprechende Mehrzufuhr von Pflanzen- oder Milcheiweiss — Fleisch 
hat zu diesem Zwecke nie genügt — hinsaarbeiten sei. Die Er¬ 
fahrungen des Krieges und besonders die jüngsten Arbeiten des Ham- 


1) B.kl.W., 1917, Nr. 52. 

2) B.kl.W., 1917, Nr. 51 u. 52, 1918, Nr. 1 u. 2. 

8) K. Bornstein, Ueber die Möglichkeit der Eiweissmast B.kl.W., 
1898, Nr. 86. 

4)K. Bornstein, EiweisBmast und Muskelarbeit. Pflüg. Aroh., 
1901, Bd. 83. — Entfettung und Eiweissmast. B.kl.W., 1904, Nr. 46 u. 47. 
— Ein weiterer Beitrag zur Frage der Ei weissmast. Verh. des 21. Kongr. 
für inn. Med., Wiesbaden 1904, J. F. Bergmann, S. 523—534. — Ueber 
den Schwefel- und Phosphorsteffweohsel bei abundanter Eiweisskost Ein 
neuer Beitrag zur Frage der Eiweissmast Pflüg. Arch., 1904, Bd. 106, 
S. 66—79. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41 


burger Forschers Kestner 1 ), der bei jeder Ei weisszulage ein gieriges 
Aufsaugen der Zulage durch die au Inanition leidende Zelle feststellen 
konnte, and der daraufhin seinen erschütternden offenen Brief an 
Wilson, den negativen Weltbeglücker, veröffentlichte, haben auch die 
Richtigkeit meiner Resultate bewiesen, die ich auf Grund vieltausend¬ 
facher Erfahrung in praxi für feststehend betraohten musste. loh ver¬ 
weise auf meine zusammenfassenden Arbeiten: Die Zellmast 2 * ) und 
Die Zellmast in Theorie und Praxis 8 ). Bei sehr herunter¬ 
gekommenen Diabetikern gelang es v. Noorden - Lampe 4 5 ) mit dem 
Klopfer’schen Leiithineiweiss, das aus Weizenkleie hergesteilt war, rasch 
grossen Fleischansatz zu erzielen: Fleisch leistete nichts! 

An heruntergekommenen, an Inanition leidenden Personen fehlt es 
leider nicht. Sie brauchen mehr Eiweiss, das Protoplasma bildet Soll 
ein grosser Teil des vorhandenen Pflanzen- und Milcheiweisses erst 
unter grossen Verlusten in das für diesen Zweck völlig unzureichende 
Fleisch verwandelt werden? loh warne nochmals und dringend, warne 
besonders die Aerzte, in diesen falsohen Ruf mit einzustimmen. Mein 
Verlangen naoh Eiweissüberernährung bei Minderwertigen 
zeigt, weloh besondere Bedeutung ich dem Eiweiss beilege. 
Bei Gesunden verlange ich genügende EiweissmeDge, im Durohschnitt 
70—80 g, bei minderwertigem Organismen abundante Eiweisskost. Mit 
der Krankenernährung steht es besonders schlecht. Für einen kleinen 
Teil Bedürftiger gibt es ja kleine Mengen Milch usw. Im übrigen aber 
gibt es für die beste und heilbringendste Helferin des Arztes, für die 
diätetisohe Therapie, ohne welche alles Handeln Stückwerk ist, wenig, 
meistenteils nichts. Und dabei soll man als gewissenhafter Arzt 
Therapie treiben! In dem Gedicht von Heine: Die beiden Grena¬ 
diere heisst es: Lass 1 sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind! Ajuch 
das können wir unseren Patienten nicht raten, sie bekommen ja nichts. 
Aber zur Benutzung des Schleichhandels, zum Aufsuchen der fluch¬ 
würdigen Sohieber, mussten wir leider raten, wenn wir nützen wollen. 
Sind das würdige Zustände? Und dabei die Ueberzeugung haben: Es 
ist alles da, besonders auch für Kranke, es kommt aber entweder in die 
Brauereien oder in den Tiermagen oder zu dem grossen Geldbeutel! 
Dieser Gedanke ist bei allem anderen grossen Leid der letzten Jahre, 
Tage und Stunden ein besonders betrübender. Ich behaupte vor 
aller Oeffentlichkeit, dass unsere Erkrankungs- und Sterbe¬ 
ziffer trotz aller Blockade eine ganz andere gewesen wären, 
wenn das Inland uns nioht blockiert hätte und wenn Männer 
wieZuntz, Abel und andere mitzutaten gehabt hätten. Es ist zu¬ 
zugeben, dass unser Milchviehbestand, einst 11,5 Millionen Kühe mit 
durchschnittlich jährlich 2000 Liter Miloh und mehr, an Menge und 
Leistung zurüokgegangen ist. Um so mehr muss alle noch vorhandene 
Miloh für Kranke und Gesunde zur Verfügung stehen, muss für eine 
Aufbesserung des Bestandes und der Milohergiebigkeit der Kühe gesorgt 
werden. Erst Arbeitstiere und Milohvieh, dann Schlachtvieh. Das ver¬ 
langt auch Zuntz 6 * ) immer wieder. Jede Kuh mit 6—8 Litern Milch 
täglich erhält uns die gleiche oder grössere Anzahl Säuglinge, die sonst, 
wenn die Muttermiloh fehlt, zu Grunde gehen, erhält im anderen Falle 
die Stillfähigkeit der Mütter, die Kraft der Schwangeren, bewirkt die 
Heilung vieler Kranken. „Die Milchkühe naoh Möglichkeit er¬ 
halten 0 , „Die Einschränkung des Viehbestandes in erster 
Lini.e bqi den Schweinen vornehmen 0 , heisst es bei Eltz- 
b ach er 6 ). So wird es naoh meiner Schätzung auch ohne Einfuhr von 
Futtermitteln allmählioh möglich sein, auf die Fleisohzahl von 1870 
(1 Pfund pro Kopf und Woche im Durohschnitt) zu kommen, womit 
wohl ein jeder zufrieden sein dürfte. Der unzufriedene karnivore 
Mensch wird noch immer Gelegenheit haben, seinem Karnismus zu 
fröhnen. Aber unser schwer erarbeitetes Geld, unser letztes Gold ins 
Ausland tragen, um Unnötiges hereinzuholen, das können wir nicht ver¬ 
antworten ! Die Zusatznahrung hätte Deutschland seinen Einwohnern 
noch reichlicher liefern können, wenn die Deutschen, die es angeht, 
anders gedacht hätten! Wir haben erst dann das sittliche Recht, 
Hilfe von Fremden zu verlangen, wenn wir selbst unsere 
Pflicht undSohuldigkeit bis zum Aeussersten erfüllt habenl 

Jetzt oine andere tieftraurige und beschämende Frage: Es dürfte 
Ihnen bekannt sein, dass vor dem Kriege jährlich 35 Millionen Zentner 
Gerste in Bier verwandelt worden sind, und dass das Deutsche Volk 
einschliesslich der Aerzte jährlich 70 Millionen Hektoliter Bier verbraucht 
hat, also mehr als 100 Liter pro Kopf und Jahr. Und dies alles zur 
Erhöhung der Stimmung, der Kraft, des Verstandes; als Anregungs-, 
Betäubungs- und Schlafmittel, zur Begeisterung und zur Entgeisterung, 
schliesslich als Füllmittel für Krankenhäuser, Irrenhäuser, Gefängnisse, 
Zuohthäuser, als Verminderer der Gesundheit, als Verkürzer der Lebens¬ 
dauer, als Vermehrer der Geschlechtskrankheiten usw. usw» 50 Pfund 


1) Ke st ne r - Hamburg, Die Unterernährung unserer Grossstadt¬ 
bevölkerung. D.m.W., 1919, Nr. 9, S. 235. 

2) K. Bornstein, Die Zellmast. v. Noorden f s ZbL f. d. ges. Physiol. 
u. Pathol. d. Stoffwechsels, 1906, S. 257. 

8) K. Bornstein, Die Zellmast in Theorie und Praxis. Zschr. f. 
physik. diät. Ther., 1912, Bd. 16. 

4) Lampe, Haferkuren. Zschr. f. physik. diät. Ther., 1909/10, 
Bd. 13, H. 4. 

5) Zuntz, Die Aufgaben des Arztes beim gegenwärtigen Stande 
der Eraährungetragen. D.m.W., 1917, Nr. 45, S. 1412. 

6) Die deutsche Volksernährung und der englisohe Aushungerungs¬ 

plan, S. 116, Braunsohweig, 1915, Vieweg k Sohn. 


Gerste pro Kopf und Jahr! Noch während des Aushungerungskrieges 
sind den Brauereien trotz aller Nabrungsnot und damit zur Erhöhung 
der Not 35 Millionen Zentner Gerste, d. h. fast 100 Pfund auf den Kopf 
der Bevölkerung überlassen worden. Da vielleicht nur 20 Millionen Ein¬ 
wohner unterernährt waren, hätte jeder während des Krieges, d. h. in 
50 Monaten, etwa 300 Pfund Gerste oder ihre Produkte erhalten können, 
d. h. wöchentlich IV 2 Pfund! — Das will heissen, dass unverantwortlich 
gehandelt worden ist! — In einer Anfrage, die der Abgeordnete Lizentiat 
Mumm vor einigen Tagen an die Nationalversammlung gerichtet hat, 
heisst es nach Aufzählung dieser Tatsachen: „Wieviel Nahrungsmittel 
sind seit November 1918 zur Herstellung alkoholischer Getränke freigegeben 
worden? Hat die Regierung Maassnahmen getroffen, um die Nahrungs¬ 
mittel künftig der Volksernährung zu sichern? Ich erwarte schriftliche 
Antwort 0 . Wir, die vor wenigen Monaten von dieser Stelle die er¬ 
schütternde Klage in die Welt hinausgehen Hessen, wie traurig unsere 
Ernährungsverhältnisse bestellt seien, dass Krankheits- und Sterbliohkeits- 
Ziffer besonders bei Säuglingen und Tuberkulösen zum Himmel schreien, 
dürfen nioht zugeben, dass mit unseren besten Nahrungsmitteln himmel¬ 
schreiend umgegangen wird. Wir müssen uns endlich von der Kollektiv¬ 
schuld freimachen und der Regierung bei der Antwort an Mumm zu 
Hilfe kommen, indem wir sie auf fordern, jegliohe Belieferung an 
Brauereien und Brennereien zu verbieten; zunächst für die Zeit 
der Nahrungsnot; das andere findet sich später! 

Vertreter der Regierung und andere verantwortungsvolle Stellen 
erklärten mir oft auf meine Klagen, man müsse das Volk in Stimmung 
erhalten: Stimmungsbier, Stimmungsschnaps und Stimmungs¬ 
wein. 

Eine kleine Rechnung soll Ihnen zeigen, wie leioht es besser zu 
machen ist. — In letzter Zeit las man, dass man den Brauereien nur 
noch einen geringen Teil ihres sonstigen Bedarfs zur Umwandlung in 
Gift liefern wollte, für irgend eine Zeit 38 000 Tonnen gleich 38 Mil¬ 
lionen Kilogramm Gerste. Eine Statistik sagt uns, dass jährlich an 
2,6 pCt. der Einwohner erkranken. loh rechne 3 pCt. oder bei 66 Mil¬ 
lionen Einwohner 2 Millionen Kranke. Geben wir die 38 Millionen Kilo¬ 
gramm Gerste oder ihre Produkte den 2 Millionen Kranken, dann er¬ 
hielte jeder 19 kg zur Bereitung von Graupen oder Malz oder ähnlichem. 

Die Brauereien, die sich leicht in andere volksnützliche Gewerbe 
umstellen Hessen, z. B. Trockenanstalten für Miloh, Kartoffeln und Ge¬ 
müse u. a., und es vielfach taten, verschlingen nicht nur Riesensummen 
Menschennahrung, sie brauchen auch zur Erhaltung ihres Betriebs 
Hunderttausende kräftiger Männer, bestgenährte Pferde und Millionen 
Zentner Kohlen, Holz, Eisen, Maschinen, Flaschen usw., so dass man 
sich wundern muss, dass nicht schou längst gegen diese Art von Ver¬ 
geudung von Energien und Energiespendern eingesohritten worden ist. 
Aber: was grau vor Alter ist, das ist ihm heilig, dem Volke und be. 
sonders auch den Regierenden. 

Ausser Gerste und Weizen zu Brauzwecken wurden und werden 
grosse Mengen Getreide und besonders viele Millionen Zentner Kar¬ 
toffeln in Branntwein umgewandelt. Soweit der Spiritus technischen 
Zwecken dient und auf anderen Wegen nicht zu beschaffen ist, wird 
man den minderwertigen Kartoffeln den Weg in die Brennereien ge¬ 
statten. Aber der Gedanke, dass wir das Volk hungern lassen, um dem 
Branntweinkitzel zu genügen, erscheint »mir entsetzlich und unfassbar. 
Wir betteln um ausländische Nahrung und zahlen mit Gold, und hier treiben 
wir unverantwortliche Politik! Einmachezuoker gibt es nicht, dafür aber 
Anweisungen — es klingt wie Hohn — sogar Preisausschreiben, wie 
Früchte, wenn man sie hat, zuckerfrei konserviert werden können. Aber 
für Weinzuckerung sind 300000 Zentner vorhanden. Der schöne Trauben¬ 
zucker, 16 pCt., geht bei der Weinfabrikation fast völlig durch Umwand¬ 
lung in Alkohol verloren, vom Eiweiss 98 pCt., Mineralstoffen 76 pOt. 
Damit aber die Stimmung des Weinliebhabers, die durch den sauren 
Wein leiden könnte, gebessert wird, muss das deutsche Volk Hundert¬ 
tausende Zentner Zucker zur Weinversüssung hergeben. Aber die Re¬ 
gierung ist gut. Sie lässt, „wie aus unterrichteten Kreisen in Weimar 
mitgeteilt wird, zur Sonderverteilung von Zucker 100 000 Zentner aus 
Böhmen kommen 0 , zahlt also dem tscheoho-slowakischen Staate viele 
Millionen Mark, um jedem V« Pfand Zucker, ä 2,50 M. pro Pfund, d. h. 
für den fünffachen Preis, zu geben. 

Wie wohltätig der Alkobolmangel in Deutschland gewirkt hat, ist 
den Aerzten besonders durch die Berichte aus den Anstalten für Nerven- 
und Geisteskranke bekannt. Gibt es eine bessere Kriegslehre für die 
Friedensernährung! Auch hier in der Aufklärung über die Alkohol¬ 
schäden: Aerzte an die Front! Die künstliohe Stimmung macht niemals 
Sättigung. Aber der Satte hat eine natürliche Stimmung. Weloh ver¬ 
hängnisvolle Rolle auch der Alkohol im Felde in den meisten Fällen 
gespielt hat, darüber wird noch manches zu sagen sein. 

Deutschland ist ein Land mit überreicher Kartoffelernte. 
52 Millionen Tonnen ergab das Jahr 1913. Auch die späteren Jahres¬ 
mengen hätten trotz Herabgehen des Ertrages mehr als genügt, um die 
für den Mensohen nötige Menge siohersustellen. Bei 5 Kilo wöchentHch, 
die wir immer wieder verlangt haben, brauchten wir nur 17 Millionen 
Tonnen. Aber wir bekamen höchstens 3 V 2 kg, in den meisten Fällen 
weniger und manchmal sehr wenig, und es langte trotzdem nioht. Trotz 
hoher Preise rentiert sich eben bei den Preisen für heimlich ge¬ 
schlachtetes Vieh die Kartoffel besser im Schwein als im Mensohen. 
Und im Zeitalter der Reinkultur von Mammonismus, wo 
Weltanschauung und Geldansohauung identisch sind und 
Mensohenwerte gering gesohätzt werden, muss man lernen, 


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auch die wunderbare Denkart zu verstehen. Trotz der geringen 
Erträgnisse der letzten Jahre dürfen wir überzeugt sein, dass die aus¬ 
gezeichnete Kartoffel, die bei vernünftiger Zubereitung und bei richtiger 
Benutzung der Kauwerkzeuge in grössten Mengen gut verdaulich und 
deren Eiweiss von besonderem Werte ist — die klassischen Versuche 
Hindhede’s dürften Ihnen bekannt sein — stets in mehr als genügen¬ 
der Menge vorhanden sein werden. Es werden immer noch, auch wenn 
wir die unvermeidlichen Verluste in Rechnung setzen, für das Vieh und 
technische Zwecke grosse Mengen übrig bleiben. Aber erst der Mensch, 
der Rest fürs Vieh und anderes! Der Krieg hat alle aufs Deutlichste 
gelehrt, dass wir die Kartoffeln als Mensohennahrnng nicht hoch genug 
einschälzen und diese Schätzung für alle Zeiten beibehalten müssen. 
Sowohl bei Kartoffeln ine auoh besonders bei Getreide! 

Hierbei kommen wir zu einem äusserst wichtigen Teil unserer Er- 
nährungswirtsohaft Von der richtigen Erledigung dieser Frage bängt 
unsere Existenz ab: es handelt sich um die Brotfrage! Deutschland 
ist so reich an Brotgetreide, dass es im Frieden auch ohne 
jegliche Zufuhr glänzend ausgekommen wäre, wenn wir nicht 
das Getreide aufs feinste au9gemahlen und auoh sonst in 
jeder Beziehung Schlemmerwirtsaft im wahrsten Sinne ge¬ 
trieben hätten. 60 Billionen Kalorien war unser Bedarf an Nahrung, 
70 Billionen standen uns zur Verfügung und — 90 Billionen verbrauchten 
wir. Wer sich der Zeiten vor dem Kriege erinnert, wo z. B. weit mehr 
Fett in das Abflusswasser kam, als jetzt auf den Tisch des Hausse9 
und a. m., wird mir beistimmen, dass wir mit den Nahrungsmitteln 
zum Teil verschwenderisch umgegangen sind, obwohl nicht alle Ein¬ 
wohner satt wurden. Die Gesamtproduktion an Nährwerten in 
Deutschland betrug nach mir an amtlicher Stelle gemachten Mitteilungen 
280 Billionen Kalorien: höchstens Vs davon brauchte der Mensch! 
Von der Brotgetreideernte der letzten Friedensjahres — 
12 Millionen Tonnen Roggen und 4 V 2 Millionen Tonnen 
Weizen — gingen 3 Millionen Tonnen Roggen und Vs Mil¬ 
lion Tonnen Weizen fürs Vieh und gewerbliche Zwecke ab. 

Wo Brot, da keine Not! Hier heisst es alles daran setzen, 
um ans mit Brot und Kartoffeln, den Grundlagen einer 
sättigenden und arbeitsfähig erhaltenden Ernährung satt 
zu machen. Instinktiv fühlte das Volk in den letzten Jahren, dass ihm 
vor allen Dingen Brot und Kartoffeln fehlten, die starken Wurzeln seiner 
Kraft! Ein Herabsetzen der Ration brachte Entsetzen und Enttäuschung, 
ein Heraufsetzen löste Freude aus. Brot und Kartoffeln um jeden Preis! 
Und was bei den Kartoffeln alle Regierungserlasse nicht vermochten, 
50 M. für den Zentner braohten ungeahnte Mengen in den Handel. 

Nehmen wir an, die nächste Brotgetreideernt« beträgt nur 2 / 8 der letzten 
Friedensernte. Rechnen wir also mit 11,5 Millionen Tonnen Roggen und 
Weizen. 1,4 Millionen Tonnen wurden in Friedenszeiten zur Aussaat 
gebraucht, bleiben also rund 10 Millionen Tonnen für die mensohliohe 
Ernährung. Die Erträge für 1915, 1916, 1917 waren 12 bzw. 12,4 
bzw. 9,6 Millionen Tonnen, also, wenn es einigermaassen ehrlich 
xuging, völlig ausreichend; für 1918 liegen noch keine abschliessenden 
Zahlen vor. Wer die Ernteangaben im Kriege kennt, weiss, dass wir 
ruhig 10 pCt. höher rechnen können. Das wurde mir auoh an der Stelle, 
die es am besten wissen muss, zugegeben. Auoh sagten mir maass¬ 
gebende Landwirte des Ostens, dass die Getreideernte 1918 um durch¬ 
schnittlich 15 pCt. besser gewesen sei als 1917. Unsere jetzige Aus¬ 
mahlung beträgt 94 pCt. Hierbei mochte ich mit Freude konstatieren, 
dass wir auf dem besten Wege sind, ein Brot herzustellen, das fast 
ganz aus Vollkorn besteht und doch gut verdaulich ist. Je höher 
die Ausmahlung, desto höher die Brotmenge, desto satter das Volk. 
Die dahingehenden, mit allen Mitteln zu unterstützenden Versuche, die 
Kleie weitestmöglich aufzusohliessen und auch den menschlichen Darm 
anzupassen, scheinen dem Abschluss nahe. Diese Frage ist zu wichtig, 
um mit alten Schlagworten, wie Schwerverdaulichkeit der Kleie und 
bessere Verwertung für das Vieh, abgetan zu werden. Wiederholt tritt 
auch von Noorden 1 ) für die Mechanisierung der Roggenkleie.und Bei¬ 
mischung bis zur Höbe des vollen Kleiegehalts ein. Er findet gute 
Resorption, hohen Eiweiss- und Mineralstoffgehalt und abhärtenden Ein¬ 
fluss auf die Verdauungsorgane. In einer Diskussionsbemerkung zu 
einem Vortrag von Embden im ärztlichen Verein Frankfurt a. M. vom 
31. März 1919 über die Bedeutung der Phosphorsäure, deren 
glänzende Wirkung auf Muskelkraft und Frische gerühmt wird, hebt 
von Noorden die Wichtigkeit dieser Forschung hervor und empfiehlt 
statt des Natriumphosphats andere phosphorhaltige Nahrungsmittel, be¬ 
sonders die Roggenkleie, die natürlich fein verteilt sein 
muss. Es wird und muss gelingen, die nährstoffreichen, das Beste des 
Korns enthaltenden Kleieabfälle auf ein Minimum zu reduzieren. Ich 
rechne nur mit 90 pCt. Ausmahlung, bei 10 Millionen Tonnen Getreide 
mit 9 Milionen Tonnen Mehl. Verteilt auf 66 Millionen Menschen; 
136 kg Mehl pro Kopf und Jahr = 177 kg Brot, beinahe 1 Pfund pro Tag! 

Keines der Ministerien, die alle der Volkswohlfahrt 
dienen aollen, keine A erste Vereinigung, gleichgültig welchem 
Zweck sie sonst dient, darf an der lebenswichtigen Brotfrage 
Vorbeigehen. All unser Bestreben muss darauf gerichtet sein, dass es 
am täglichen Brote nioht fehlt, dass ein vollwertiges, alle lebens- 


1) Ther. Mb., 1917, Sept. — v. Noorden und Ilse Fischer, 
Neue Untersuchungen über die Verwendung der Roggenkleie für den 
Menschen. D.m.W., 1917, Nr. 28. 


wichtigen Bestandteile enthaltendes, schmaokhaftes und gut bekömm¬ 
liches Brot vorhanden ist. Wer Brotgetreide naoh falscher 
Richtung oder zu eigennützigen Zwecken verwendet, ver¬ 
sündigt sich in unverantwortlicher Weise am Volksganzen 
und muss ausserhalb der Volksgemeinschaft gestellt werden, 
desgleichen die Bäcker, die ihren duroh Absch affung der 
Nachtarbeit gehobenen Beruf nicht auoh im sozialen Sinne 
ausüben. Im Interesse der Kranken und auoh zur Herstellung der 
ungern entbehrten Weissbrötohen soll ein reichlicher Teil des Weizens 
wie im Frieden ausgemahlen werden. Es muss aber dafür gesorgt sein, 
dass der grösste Teil der dann vorhandenen grossen Weizenkleiemenge 
in irgend einer Form, 9ei es als verdaulich gemachter Zusatz zum Brote, 
oder in aufgeschlossener Form eines Eiweiss und Salze enthaltenen Nähr¬ 
präparates, den Menschen wieder zugute kommt. Warum das Beste dem 
Vieh? Bei meiner obigen Brotbereohnung bei 90pCt. Ausmahlung bleibt 
immer noch für das Vieh 10 pCt. = 1 Millionen Tonnen Kleie ausser 
allem anderen, damit das sogenannte Kraftfutter vermehrt wird. 

Es muss uns auch möglich sein, ans der grossen Gerste- und Hafer¬ 
ernte, von dem wir dem Vieh seinen Teil gönnen, grössere Mengen für 
die menschliche Ernährung frei zu machen, so dass unsere Kohlehydrat- 
zufuhr eine ausreichende und die Eiweissmenge erhöht wird. Dazu 
kommen Zuckermengen, die wir selbst bei mässiger Ernte auf 25 kg pro 
Kopf und Jahr erhöhen können — früher waren es 18—20 kg. Es ist 
bekannt, dass wir vor dem Kriege fast die Hälfte unseres Ertrages aus¬ 
geführt haben. Trotz Rückgangs der Zuokeranbaufläche werden wir für 
uns übergenug haben und noch zum Warenaustausch ausführen können, 
wenn wir nicht die Weinzuckerungspolitik fortsetzen und ähnliches zu¬ 
lassen. Zucker wird dann Gold sein. Hierzu reehne man Eiweiss und 
Kohlehydrate aus Leguminosen, deren Anbaufläche noch ertragreicher 
gestaltet werden kann. 

Da9 Eiweiss- und Kohlehydratproblem ist meiner Ansicht naoh 
leicht zu lösen. Schwieriger aber das Fettproblem. Wenn Fett auoh 
theoretisch und rein praktisch durch äquivalente Mengen Kohlehydrate 
ersetzt werden kann: die Forschungen der letzten Jahre und die unan¬ 
genehmen Kriegserfabrungen haben uns dooh gezeigt, dass Fett durch 
seinen Ergänzungs- und Sondernährwert in seinen Lipoidsubstanzen ein 
Nährmittel eigener Art sein muss 1 ). Der Fettverbranch im Frieden war 
nach Rüge 2 ), Vorstandsmitglied der Reichsstelle für Speisefette, wöchent¬ 
lich im Darobsohnitt 300 g, im Kriege knapp 75 g bei all den vielen, denen 
der Wille und teilweise der Geldbeutel nioht die »künstliche Ernährung 
hintenherum“ gestattete. Füttern und erhalten wir die Hilohkühe naoh 
den geschilderten Grundsätzen, mästen wir weniger Schweine reoht fett, 
vermehren wir die Pflanzenfette durch Mehranbau von Oelfrüchten und 
die auch sonst nährstoffreichen Nüsse, erfassen wir dann alles für alle, 
dann errechne ich dooh 200 g Fett pro Woche unter allmählicher Stei¬ 
gerung. Vergessen wir auoh nicht, dass ein beträchtlicher Teil der 
früheren grösseren Fettmenge unausgenutzt vergeudet wurde, wie Rubn er 
oft betont. Etwas Fett werden wir anfangs sohweren Herzens auoh aus 
dem Auslande hereinholen können, mehr aus psychischen, als aus physi¬ 
schen Gründen. Auch hier heisst es: sich unabhängig maohen! 

Nun zu einer anderen erfreulicheren Frage*. Der Sommer zeigt uns 
täglich, welche grossen Mengen und Werte in Obst und Gemüse in 
Deutschland vorhanden sind. »Für die Beurteilung des Nährwertes von 
Obst und Gemüse ist in erster Linie sein Reichtum an vegetabilischen 
Extraktstoffen massgebend. Dadurch kann bei sonstigen geringen Brenn¬ 
werten der Nährwert sehr bedeutend sein“, schreibt Aron 1 ). Ausser 
diesen grossen Werten hat besonders das Obst so viele unvergleichliche 
subjektive Werte, dass ein jeder Volksfreund nur wünsohen kann, dass 
Deutschland in Anbau und vernünftiger Verwertung des Obstes und auch 
der zahlreichen Gemüsearten bald das Höchstmögliche erreieht. Und 
was man nicht frisch verzehren kann, werde in bekömmlicher, natür¬ 
licher Weise konserviert. Dadurch wird auch die Winterzeit reioh an 
zuträglichen Nahrungsgenüssen. Der Einmachezucker darf hier nicht 
fehlen. Obstkonserven und Marmeladen werden auoh im Frieden eine 
Rolle spielen, man lasse sich nicht durch Schlagworte wie Ueber- 
sättigung in Marmelade täuschen. Die Marmeladenfabriken liefern im 
Gegensatz zu Bier- und Schnapsfabriken der Gesundheit zuträgliche Nahrung. 
Der Krieg hat auch den Letzten überzeugt, dass diese unvergleich¬ 
lichen Werte nioht verschleudert werben dürfen. Nur keine Umwandlung, 
bei der Kalorien und Gesohmackswerte verloren und dafür schädliche 
und eingebildete Genusswerte eingetauscht werden. Wir brauohen mehr 
denn je wirkliche Genüsse in materieller Beziehung. Wir haben es 
z. B. während der letzten Jahre unangenehm empfunden, dass uns die 
Kaffeebohne fehlte, ja nicht einmal ihr Ersatz, die geröstete Gerste, zur 
Verfügung stand. Wenn wir auoh aus geldlichen Gründen uns die reiche 
Kaffee-Einfuhr nicht mehr gestatten dürfen: etwas werden wir uns schon 
im Austausch gegen Ueberflüssiges hereinholen müsses, um es als an¬ 
genehmes Anregungs- und Genussmittel, als ungern vermisstes Getränk 
zu uns zu nehmen. Auch der Gebrauoh des Kakaos lässt sich gegen¬ 
über dem Friedensgebrauch sehr einsohränken. Wir werden uns auch 
bei kleineren Mengen mit Genussfreudigkeit an seinem Theobroma (Götter¬ 
speise) ergötzen. 


1) Aron-Breslau, Ueber den Nährwert Biochem. Zsohr., 1918, 
Bd. 91. 

2) Deutschlands Milch- und Speisefettversorgung im Kriege. Bei¬ 
träge zur Kriegswirtschaft. Herausg. v. d. Volkswirt. Abt d. Kriegs- 
ernährungsamtes, Heft 3 u. 4, S. 211. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


Bp&fia : Speise. Dieses Wort führt mioh za einem hochinteressanten 
Aufsatz, der vor kurzem in der Biochemischen Zeitschrift erschienen 
ist, hoffentlich aber bald auch in anderer, mehr der Gesamtheit der Aerzte 
zugänglicher Stelle zu lesen sein wird. Der Leiter der deutschen 
Forsohungsanstalt für Lebensmittelchemie in München, Geheimrat Th eo d or 
Paul, schreibt dort über Wesen und Bedeutung der Bromatik, 
d. h. der Lehre für die Zubereitung der Speisen nach wissen¬ 
schaftlichen Grundsätzen. Die dort vertretenen Gedanken verdienen 
schnellstens Gemeingut der Aerztescbaft und duroh sie der All¬ 
gemeinheit zu werden. Auch hier wird der an anderer Stelle erwähnte 
Ausschuss für hygienische Volksbelehrung Wichtigstes leisten können. 
„Auch heute noch“, klagt Paul, „liegt die Zubereitung von Speisen in 
den Händen von Leuten, die von den Eigenschaften der Lebensmittel 
und ihrer rationellen Verwertung sehr wenig, meist so gut wie nichts 
verstehen. Unsummen von Werten gehen dadurch verloren.“ — Deutsch¬ 
land gab für Lebensmittel im Frieden jährlich 19 Milliarden aus; 
im Kriege stieg die Summe bedeutend. Millionen zahlten 50—60pCt. 
ihrer Einnahmen, viele bis 70pCt. nur fürs Essen. Die Bromatik — 
Gelehrte genierten sich früher, über derlei zu schreiben — soll die 
Hausfrau lehren, aus einheimischen Erzeugnissen bei mässiger 
Verwendung von Fleisoh und auch ohne Fleisch schmack¬ 
hafte und abwechselungsreiche Speisen zu bereiten mit 
möglichst wenig Geld. Das Gleiohe soll im Gasthaus, in 
Volksküche und Speiseaostalten möglioh sein. 

Ich wünsohte, ich könnte Ihnen ausführlich über diese sehr ein¬ 
gehende Schrift berichten. Wer über Ernährungsfragen zum Volke 
spricht, kommt oft in die Lage, sich auch über die dort behandelten 
Dinge zu verbreiton. So hielt ich es für meine Pflicht, als Kochsohüler 
meiner Frau mich erst über alles Küchenmässige genauestens zu in¬ 
formieren, ehe ich mein Lieblingsthema: Wie nähre ich mich gut und 
billig? in allen möglichen Variationen behandelte. Stets vor dem Kriege 
und mit erschwerenden Einschränkungen auoh während des Krieges 
suchte ich in ähnlicher Weise, wie es der Münchener Gelehrte vorschlägt, 
auch den Genuss der Nahrung besonders zu betonen und billige 
Mittel und leichte Wege anzugeben, um diesen Genuss zu erreichen, 
dem Volke zu zeigen, was es zur Erhaltung von Kraft und Gesundheit 
braucht. 

Deutschland wird ein armes Land. Es soll und darf aber nicht 
auf gesunde Genüsse verzichten, die zur Erhöhung des Lobenswertem bei¬ 
tragen, auf gesunde geistige und auoh körperliche Genüsse. Welch 
schöne und dankbare Aufgabe für die Aerzte, ihm auoh hierin auf¬ 
klärend den Weg zu weisen. 


Bflcherbesprechungen. 

Berthold ▼. Kern: Die Religion in ihrem Werden nnd Wesen. Berlin 
1919. Verlag von August Hirschwald. 438 S. Preis Mk. 24.—. 

Vor 80 Generationen — nur so wenige trennen uns von den vor¬ 
hippokratischen Zeiten! — waren Heilkunde und Religion in der Tempel¬ 
medizin eng vereint. Im Laufe der Geschiohte haben sie sich geschieden 
und stehen sich heute wesensfremd gegenüber. Es ist ein merkwürdiges 
Zeichen der Zeit, dass jetzt ein auf den Höhen der Naturforschung 
wandelnder Arzt es unternimmt, sich dem entzweiten Zwillingsbruder zu 
nähern und mit dem geläuterten Verständnis der heutigen Wissenschaft 
ihn in seinem Werdegang zu verfolgen. Denn niohts Geringeres bietet 
Kern, als eine auf naturwissenschaftlichem Denken aufgebaute Ent¬ 
wicklungsgeschichte der Religion. 200 Seiten sind der historischen Auf¬ 
einanderfolge der einzelnen Religionsformen und ihren psychologischen 
Wurzeln gewidmet, 100 Seiten dem Wesen der Religion und ihrem Eigen¬ 
gehalt; den Beschluss macht in synthetischer Zusammenfassung die Er¬ 
örterung der Religion als Ganzes in ihrer Bedeutung für das Leben. Aus 
den Forderungen des praktischen Lebens ist die Religion entsprossen, 
und ihnen zu genügen ist ihr Endziel. Nicht unbestimmte Gefühle, nicht 
der Trieb nach Erkenntnis, nicht sagenhafte Erleuchtung bat die Re¬ 
ligion entstehen lassen, sondern die bittere Notwendigkeit, zu handeln, 
nach irgendwelchen Grundsätzen sich in der realen Welt zurechtzufinden; 
und dementsprechend definiert Kern die Religion für gestern, heute und 
morgen als „die einheitliche Ordnung des gesamten inneren und äusseren 
Lebens nach Maassgabe eines idealen Wertes, der dem Leben erkenntnis- 
gemäss zugrunde gelegt wird“. Sie ist das einheitliche Zusammenwirken 
von Erkenntnis, Gefühlsleben und Willensleben, sie steht als Begriff dar¬ 
über, basiert aber inhaltlich auf deren Inhalten, hat sie nur unter sich, 
im Innern des Menschen wie in seinen Beziehungen nach aussen, dergestalt 
in Einklang zu bringen, dass als praktischer Ausdruok sich ergibt: ich 
handle so, weil ich nicht anders handeln kann. Die Anschau¬ 
ungen im einzelnen können wechseln, ja, sie müssen wechseln; denn das 
Leben steht nie still. Aber unveränderlich bleibt die Grundlage, un¬ 
veränderlich das Wesen der Religion als der harmonischen Auseinander¬ 
setzung des Menschen mit sich selbst und mit der Welt und dem Leben. 
Und der Sinn des Lebens stellt sioh dann dar als Arbeit zur Selbst¬ 
entwicklung, zur geistigen Freiheit und Betätigung dieser Freiheit in 
einer Lebensethik, welche die Entwicklung des Ganzen, in welchem wir 
als seine Teile stehen, zum idealen Ziel hat. 

Alle Fragen, welche je die Herzen der Gläubigen bewegten, werden 
erörtert, und das Lob, das einst Schiller seinem Freunde W. v. Hum¬ 
boldt spendete: er verstehe ebenso soharf zu scheiden wie vielseitig zu 


verbinden, würde er gewiss auch Kern zukommen lassen. Man staunt 
ebensp über die Tiefgründigkeit seiner Forschung, wie vor dem hoch¬ 
ragenden Bau der Weltidee, in welcher für ihn die Religion gipfelt. Die 
Weltidee als der volle Inhalt des gesamten Seins und Geschehens von 
Ewigkeit zu Ewigkeit, als ein ideales Ganzes in seinem einheitlichen 
inneren Zusammenhang, in welchem die von uns Menschen hinein¬ 
getragene Trennung in Natur und Geist wieder aufgehoben ist, ist das 
Höchste, was für den Menschengeist denkbar. Sie erfüllt in gleicher 
Weise das Gefühl wie das Erkennen und leitet schliesslich unser Handeln. 
Aber bei unserer Unvollkommenheit bleibt sie ewig Aufgabe, mit weloher 
jede Zeit und jedes Individuum nach ihren Kräften zu ringen haben. 
Deshalb bleibt die Religion bestehen, so lange es Menschen gibt. Sie 
leugnen, heisst kompasslos auf dem Ozean des Geschehens treiben; sie 
bekämpfen bedeutet einen Kampf gegen den eigenen Geist. Aber eben 
der Kampf um Wahrheit, über den Glauben ohne genügende Erkenntnis 
hinaus, ist das treibende Motiv, das die Menschheit als Ganzes ge¬ 
nommen die Fesseln jeglicher zeitlicher Religionsform sprengen lässt 
und immer von neuem, wenn auch unter schweren Opfern, dem Ziel 
zutreibt. 

„Grosse Geister streben immer höher“ (Sakuntala). Nicht allen 
ist es gegeben, auf solchen Höhen zu wandeln, wie der Arzt-Philosoph 
Kern. Aber an seiner Hand einen Bliok in das Ewigkeitsgetriebe im 
Weltganzen wie im Innern des eigenen loh zu tun, erfüllt gewiss jeden 
mit tiefster Ehrfurcht, und mit gesteigerter Religiosität kehrt er, ein 
gehobener Mensch, in die Niederungen des flüchtigen Daseins zurück. 

Buttersaok. 


Fritz Muk: Pathologie and Klinik der Nephrosen, Nephritiden ud 
Sehrnrnpfaieren. Einführung in die moderne klinische Nierenpatho¬ 
logie. Mit 27 Textfiguren und 4 farbigen Tafeln. Berlin und Wien 1918, 
Verlag von [Jrban & Sohwarzenberg. 868 S. 

Das vorliegende Buch verdankt, wie der Verf. angibt, seinen Ur¬ 
sprung einer Abhandlung über die Fortschritte der klinischen Nieren¬ 
pathologie für eine medizinische Enzyklopädie und gewann erst später 
den Charakter einer Einführung in die moderne klinische Nierenpatho¬ 
logie. Im wesentlichen scheint die Aufgabe, die sich M. gestellt hat, 
gelungen zu sein, und wohl jeder Arzt, der das Werk gelesen hat, wird 
hieraus eine reiche Belehrung gewinnen. Etwa der dritte Teil der Aus¬ 
führungen ist dem allgemeinen Teil gewidmet, der Physiologie der Niere, 
den Harnveränderungen und der Prüfung der Funktionsstörungen. Dann 
folgt die Schilderung der Nephrosen, und zwar sowohl der im An¬ 
schluss an gewisse Infektionskrankheiten als der naoh Intoxikationen 
entstehenden degenerativen Zustände. Echte Nephritiden sollen nur 
naoh einer sekundären komplizierenden Infektion, vor allem mit Strepto¬ 
kokken sioh entwickeln. Die einzelnen Nephroseformen werden .klar 
und übersichtlich beschrieben. Auoh eine Salvarsannephrose wäre bis¬ 
weilen anzunehmen, die sich durch Neigung zu Nierenblutung auszeichnet. 
Bei einer schon durch Quecksilber hervorgerufenen Schädigung der Niere 
ist daher grosse Vorsicht bei der Anwendung von Salvarsan geboten. 
Es würde den Rahmen eines Referats weit übersteigen, wenn auf alle 
interessanten Einzelheiten eingegangen würde. Nur einige Punkte seien 
kurz berührt. M. steht zwar im allgemeinen auf dem Boden der von 
Fahr und Volhard verfochtenen Anschauungen, jedoch wahrt er durch¬ 
aus seinen eigenen Standpunkt. So ist ihm auoh wohl ohne weiteres 
zuzustimmen, wenn er die von jenen Autoren angenommene Herd¬ 
nephritis nioht gelten lässt und vor allem ihre Unterscheidung von 
den leichteren Formen der diffusen Nierenentzündungen nioht für 
möglich hält. Auch die Auffassung, als ob die Hypertonie sioh im 
wesentlichen auf Grund von sklerotischen Veränderungen an den kleinsten 
Gefässen entwickle, wird mit Recht bekämpft. Auffallend erscheint dem 
Ref. die Behauptung, dass mittlere Grade von Blutdruckerhöbungen von 
160—180 mm Hg sowohl in der klinischen als privaten Praxis selten 
angetroffen würden. Sobald die Kranken mit den üblichen subjektiven 
Erscheinungen zum Arzte kämen, finde man fast immer eine beträcht¬ 
liche Druokerhöhung (200 mm Hg und mehr). Diese Erfahrung darf 
jedenfalls nicht verallgemeinert werden, denn Ref. fand sie keinesfalls 
bestätigt, sondern sah bei der gewöhnlichen Hypertonie (blanden oder 
benignen Nierensklerose) in der grossen Mehrzahl nur jene massigen Er¬ 
höhungen von 140—170 mm, die hohen Werte dagegen nur bei den 
schwereren Formen von Nierenleiden, die nach neuerer Auffassung als 
maligne Nierensklerose oder Kombinationsnepbritis aufzufassen wären. 
Ueberbaupt fehlt bei der Beschreibung der Hypertonie die von den 
meisten Klinikern anerkannte Tatsache, dass oft genau die gleichen 
Symptome bei Personen auftreten, die jede Blutdrucksteigerung ver¬ 
missen lassen. Zu bedauern ist das Fehlen der Beschreibung der Krank¬ 
heiten des Nierenbeckens; dieser Mangel haftet jedoch auch dem grossen 
Volhard’schen Werke an. Die grössten Bedenken wären jedoch gegen 
die zu reichliche Eiweissnahrung bei Nierenkranken zu erheben. Den 
an einer reinen Hypertonie ohne Niereninsuffizienzersoheinungen Leidenden 
will M. täglich 100—120 g Eiweiss, d. h. Tagesgaben von etwa 200 g 
Fleisoh und selbst bei geschädigter Nierenfunktion und einfacher Hypo- 
sthenurie sowie mässig erhöhtem Rest N (etwa bis 100 mg) sogar nooh 
80 g Eiweiss täglich gestatten. Nachdem Ref. jetzt seit mehreren Jahren 
durch eine starke HerabsptzuDg der Eiweisszufuhr bis auf 30— 40 g 
täglich neben einer starken Beschränkung des Salzgenusses die günstigsten 
Wirkungen auf die krankhaften Erscheinungen, bei Nephritikern nament¬ 
lich eine Verringerung oder Verschwinden der Albuminurie und eine 


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18. Oktober 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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weitgehende Besserung der geschädigten Nierenfunktionen festgestellt 
hat, scheint eine so reichliche Ei weissnahrung, wie sie M. wünscht, um 
so weniger am Platze, als sie mit den sonstigen Erfahrungen auf dem 
Gebiete der Ernährungslehre im schärfsten Widerspruohe steht. Durch 
das Massenexperiment der Kriegsernährung ist wohl genügend deutlich 
erwiesen, dass vor allem auf reichliche Kalorienzufuhr und nicht auf 
eine bestimmt hohe Eiweissnahrung geachtet werden muss. Wennschon 
soll wer Arbeitende sich mit täglioh 50—60 g Ei weise erhalten konnten, 
wird man bei den doch meist nicht kräftige Muskeltätigkeit leistenden 
Nierenkranken nicht durchgängig eine grössere Eiweissmenge in der 
Kost angemessen finden. Jedoeh sollen durch diese Ausstellungen die 
vorher erwähnten Vorzüge des Munk’schen Werkes nicht beeinträchtigt 
erscheinen. F. Hirschfeid. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

E. Abderhalden und A. Koebler - Halle: Ueber die Einwirkung 
eines die alkoholische Gärnng beschleunigenden, in Alkohol löslichen 
Produktes ans Hefe auf niedere Organismen. I. Mitteil. (Pflüg. Arch., 
Bd. 176, H. 3 u. 4.) Es handelte sich um die Fragestellung, ob die 
obige Wirkung auf Anregung eines vermehrten Wachstums der Zellen 
beruht. Die Versuche zeigen, dass dies der Fall ist, und dass dieselbe 
Einwirkung auch an anderen Organismen, nämlich Colpoda ououllus 
und der Alge Ulothrix nachzuweisen ist. Zugleioh konnte eine ver¬ 
mehrte Resistenz gegenüber den Stoffen Methylenblau und salzsaurem 
Chinin festgestellt werden. 

P. Häri - Budapest: Beiträge zur Physiologie der Schilddrüse. 
(Pflüg. Arch., Bd. 176, H. 3 u. 4.) Kritisohe Studie zur Richtigstellung 
einer Reihe von Experimentalergebnissen G. Mansfeld’s und seiner 
Mitarbeiter über die Beziehungen der Sohilddrüsenfunktion zum Eiweiss¬ 
umsatz. Diese Beziehungen betreffen: 1. Die Erhöhung der N-Aus- 
scheidung bei O s -Mangel. H. weist naoh, dass Versuchsfehler, un¬ 
genügende Gleiohheit der Giftdosen und sonstige nicht einwandfreie 
Versuchsbedingungen vorliegen. 2. Die Blutbildung, ebenfalls bei 
Oj-Mangel: hier sollen naoh H. die Versuohsergebnisse und Berechnungen 
irrig gedeutet sein. 3. Die prämortale Steigerung der Eiweisszersetzung: 
es wird dargelegt, zum Teil an einzelnen Versuchsfällen, dass die M.’sche 
Beweisführung eine unannehmbare ist, somit die Schlüsse mindestens 
stark übertrieben sind. Hasebroek. 

E. Lenk: Die Bestimmung tob Azeton nnd Asetessigsänre mit 
dem Antenrieth’schen Kolorimeter. (M.m.W., 1919, Nr. 39.) Bemer¬ 
kungen zu der Arbeit von Schall in Nr. 26 dieser Wochenschrift. 
L. nimmt für sich die Priorität der Methode in Anspruch. Schall habe 
nur statt eines Messzylinders den Autenrieth’sohen Kolorimeter benutzt. 

R. Neumann. 

S. Galant-Bern: Reffexss eoehleopalpehralis und Ohr- Lidschlag¬ 
reflex. (Pflüg. Arch., Bd. 176, H. 8 u. 4.) Von Kisch ist „ein un¬ 
bekannter Lidschlag- und Thränenreflex“ veröffentlicht worden. Naoh G. 
war schon vorher ein physiologischer Ohr-Lidschlagreflex unter dem 
obigen Namen bekannt, der sich nur durch die Auslösungsweise von 
dem Kisch’schen unterscheidet. 

R. Demo 11 - München: Die AkkomBiodatioB des Alsiopidenauges. 
(Pflüg. Arch., Bd. 176, H. 3 u. 4.) Es handelt sich um die polemisohe 
Verteidigung einer von Hesse und Demoll aufgestellten Akkom- 
modationsbypothese gegenüber der abweichenden Auffassung, zu welcher 
neuerdings v. Hess gekommen ist (Plüg. Arch., Bd. 172). 

Hasebroek. 


Pharmakologie. 

G. Liljestrand und R. Magnus - Utrecht: Ueber die Wirkung 
des NovokaiBS auf den normalen und den tetannsstarren Skelett- 
mBskol und über die Entstehung der lokalen Muskel starre beim 
Wundstarrkrampf. (Pflüg. Arch., Bd. 176, H. 3 u. 4.) Die Untersuchung 
wurde veranlasst durch die widerspruchsvolle Diskussion über Muskel¬ 
starre und Tetanus zwischen einerseits Erich Meyer und Weiler, 
andererseits A. Fröhlich und H. H. Meyer, in der das Novokain zur 
Aufklärung der tetaniscben Muskelstarre benutzt wurde, ohne dass 
vorher seine Wirkung auf den normalen Muskel hinreichend untersucht 
werden wäre. Dies wird nunmehr duroh L. und M. in zahlreichen Tier¬ 
versuchen durcbgeführt. 1. Die Wirkung auf den Muskel im Zustand 
der Enthirnungsstarre: letztere wird durch kleine Dosen duroh Lähmung 
der sensiblen Muskelnerven vermindert, wobei die aktive Beweglichkeit 
erhalten bleibt, und wird duroh grosse Dosen zusammen mit der aktiven 
Beweglichkeit aufgehoben und zwar duroh Lähmung auch der motorischen 
Nervenendigungen im Muskel. 2. Die Wirkung kleiner Dosen auf den 
Skelettmuskel normaler Katzen: mit dem Resultat einer Erschlaffung 
des Muskels und Tonusverlust bei völlig erhaltener aktiver Beweglichkeit 
(für die Klinik wichtig, weil dieser Zustand demjenigen nach Förster¬ 
scher Hinterwurzeldurohsohneidung entspricht). 3. Die Wirkung auf den 
tetanusstarren Skelettmuskel: die genau mit deijenigen beim normalen 
Tier übereinstimmt. — Es ergibt sioh aus allem, dass auoh beim 
Menschen die Tetanusstarre hauptsächlich durch propriozeptive Reflexe 
der starren Muskeln selbst unterhalten wird, denn sie lässt sich durch 
intramuskuläre Injektion von Novokain bei unverändert erhaltener Inner¬ 


vation losen. So werden die Erklärungsversuche von E. Meyer und 
Weiler („unbekannte“ Wirkung auf den Muskel) und Fröhlioh und 
H. H. Meyer (dass die gesamte motorische und sensible Innervation 
ausgeschaltet wird) hinfällig. Es folgen weitere Beobachtungen über 
die tetanisohe Muskelstarre, deren Deutung jedoch zuvor eine Neu¬ 
bearbeitung der Physiologie des zentral innervierten Warmblüters er¬ 
fordert. Hasebroek. 


Therapie. 

0. Kestner-Hamburg: Isovisköse physiologische Kochsalzlösung. 

(M.m.W., 1919, Nr. 88.) Iofolge der Durchlässigkeit der Gefässwände 
für die Ringer’sohe Lösung wird diese naoh intravenöser Infusion schnell 
wieder unter Bildung von Oedemen ausgesohieden. Duroh Erhöhung 
der Viskosität duroh Zusatz von 3 pCt. Gummi arabicum wird das 
Oedem längere Zeit hintangehalten, auch kann man damit überlebende 
Organe längere Zeit als bisher am Leben erhalten. Sohliesslioh gelang 
es, damit Hunde nach einem viel grösseren Blutverlust noch zu retten, 
als es mit der einfachen Ringerlösung gelingt. Auf Grund dieser Ver¬ 
suche wird empfohlen, auoh beim Menschen der Ringer- oder physi¬ 
kalischen Kochsalzlösung 30 g Gummi arabicum auf 1 Liter zuzusetzen, 
natürlich nur für intravenöse Infusionen. 

A. Grimme - Hamburg: Ueber Copellft Birsa pastoris als Hfeo- 
styptikum. (M m.W., 1919, Nr. 39.) Das Extract. fluid. Bursae pastor., 
8 mal täglioh 15—BO Tropfen, wurde viel als hämostyptisches Mittel, 
besonder.* bei Hämoptoe, verordnet. Naoh den Analysen des Verf. ist 
das beste Präparat das Styptural. liquid, der Firma E. Tosse & Co. in 
Hamburg, da es den höchsten Gehalt an den wirksamen anorganischen 
Verbindungen und an Bursasäure enthält. 

M. Maier - Stuttgart: Behandlung von Staphylokokkenerkrankungen 
mit übermangansaurem Kali. (M.m.W., 1919, Nr. 39.) KMn0 4 wirkt 
spezifisch auf Staphylokokken. Deshalb bewähren sich lOproz. Lösungen 
davon sehr gut bei Stapbylokokkenerkrankungen, besonders zur Be¬ 
handlung der Furunkulose, zumal durch die Säureentwicklung der 
Staphylokokken bei ihrem Waohstum dem Kal. permang. ein besonders 
günstiger Boden zu seiner Wirkung bereitet wird. Man pinselt die 
Lösung entweder auf oder verbindet mit Tupfern und Gazedrains, die 
mit KMn0 4 getränkt sind. R. Neu mann. 

A. Strübel - Dresden: Ueber Staphar (Mast Staphylokokken-Ein- 
heitsvakzine). (D.m.W., 1919, Nr. 88) Entsprechend den Partial an tigenen 
des Tuberkelbazillus (Deycke und Much) enthalten die Staphylo¬ 
kokken die Partialantigene Stapbyloalbumin, Stapbylofettsäurelipoid, 
Staphylonastin. St. hat nun eine aufgeschlossene Maststaphylokokken¬ 
einheitsvakzine (Staphar) hergestellt, deren Wirkung bei den Staphylo¬ 
kokkeninfektionen (Karbunkel, Akne usw.) ausgezeichnet ist. 

Dünner. 

K. Ta ege- Freiburg i. Br.: Nochmals die Salvarsanprophylaxe der 
Syphilis. (M.m.W., 1919, Nr. 89.) T. verteidigt gegenüber Riecke 
seinen in Nr. 30 dieser Wochenschrift gemachten Vorschlag der prophy¬ 
laktischen antiluetisohen Behandlung von Frauen, die mit ansteckungs¬ 
fähigen Syphilitikern Verkehr gehabt haben. 

W. Schönfeld und G. Birnbaum - Würzburg: Ueber Silher- 
saivarsainitriam mit besonderer Berücksichtigung des Veihaltens der 
Wassermann’sehen Reaktion. (M.m.W., 1919, Nr. 38) Das Silber- 
salvarsannatrium ist wirksamer als das Neosalvarsan und das Saivarsan- 
natrium, es steht hinter dem Altsalvarsan etwas zurüok, ist aber weniger 
giftig als dieses. Es wirkt schnell auf klinische Erscheinungen, gering 
auf Drüsenschwellungen. Das serologische Verhalten ist folgendes: Bei 
Frühsyphilis mit positivem Wassermann und kurz zurückliegendem 
Krankheitsbeginn wird die Wassermann’sche Reaktion' in 2 /s der Fälle 
nach 6 Wochen negativ, in Vs der Fälle bleibt sie positiv. Aeltere 
Syphilis mit positiver Wassermann’scher Reaktion verhielt sioh refraktär. 
Die angewandte Dosis betrug 0,1—0,35 pro dosi; damit fanden 11—12 
Injektionen innerhalb von 8—12 Wochen mit einer Gesamtdosis von 
2,95 statt. An Nebenwirkungen wurden beobachtet: am häufigsten der 
angioneurotische Symptomenkomplex, daneben vereinzelt Frühikterus, 
Exanthem, Thrombosen an der Injektionsstelle, ein Neurorezidiv. An¬ 
haltende Nebenwirkungen traten nicht auf. Die Veiff. empfehlen bei 
älteren Syphilisfällen naoh wie vor eine kombinierte Queoksilberbehand- 
lung, unter Umständen abwechselnde Kuren mit Hg und Silbersalvarsan- 
natrium. R. Neumann. 

M. Mayer - Hamburg: Ueber die Wirkung von Methylenblau hei 
Maltrin qatrttaa. (D.m.W., 1919, Nr. 38.) Methylenblau in Tages¬ 
gaben von 5 mal 0,2 und fortlaufend wie bei der üblichen Nocht’sohen 
Chininkur gegeben war bei 3 Fällen von Malaria quartana von prompter 
Wirkung auf Fieber und Parasiten. Methylenblau ist ein Spezifikum. 

Dünner. 

H. Zimmermann - Frankfurt a. M.: Die künstliche Höhensonne 
im Dienste der Rentenempfänger. (M.m.W., 1919, Nr. 38.) 1. Die 
rein konservative Behandlung von Narbengeschwüren mit der künst¬ 
lichen Höhensonne ist zwecklos. 2. Die Quarzstrahlenbehandlnng von 
Fisteln oichttuberkulöser Natur ist aussichtslos. 3. Trag- und be¬ 
lastungsfähige, schmerzlose Amputation&stümpfe sind nur auf chirur¬ 
gischem Wege zu erzielen. 4. Die künstliche Höhensonne kann für 
Rentenempfänger nur als ein die Heilung unterstützendes Mittel zur 
Anwendung kommen, in Kombination mit anderen spezfischen Be- 
handlungrfmaassnabmen, niobt als Heilfaktor der Wahl. 

R. Neumann. 


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974 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


G. K lern per er and L. Dünner: Behaidling der Mageakrank- 
keitei (Schluss). (Ther. d. Gegenw., Sept. 1919.) Repetitorium der 
Therapie. R. Fabian. 

R. Th. v. Jas oh ke - Giessen: Behandlung akut bedrohlicher Ei¬ 
teraugen iü Bereich des weihlichea Genitalapparates. (D.m.W., 1919, 
Nr. 88.) Verf. besprieht das Verfahren bei den Pyosalpingen, zirkum- 
skripten intraperitonealen Eiterungen, Abszessen im Beckenbindegewebe. 

Dünner. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

P. Prym-Bonn: Spoataapaenmothorax bei Paeaaoaie. (M.m.W., 
1919, Nr. 88.) Kruppöse Pneumonie des rechten Mittellappens, die in¬ 
folge plötzlichen Auftretens eines Pneumothorax zum Exitus kam. Als 
Ursache fand sioh eine grössere Stelle im oberen Mittellappen, aus der 
sich auf geringen Druck reichlich Oedem und Luft durch die Pleura 
hindurch entleerte. Wahrscheinlich hat sioh in den wieder lufthaltig 

f jwordenen oberen Abschnitten des Mittellappens ein vikariierendes 
mphysem gebildet, das zu einer Ueberdeckung der Pleura mit Luft- 
dur oh tritt geführt hat. R. Neu mann. 

H. Roges: Perforierende Tiberkni ose des Schädeldaches. (La 
Presse m6d., Aug. 1919, Nr. 48.) Eine einzige scharf umschriebene 
Perforation von 50 Centimesstückgrösse, an der Aussenseite von glattem 
Periost überzogen, während innen die Dura etwas adhärent ist; iu dem 
das Loch ausfüllenden Knochenbau keine grösseren Sequester; Pia 
und Cerebrum sehen an der entsprecheuden Stelle wund aus und zeigen 
keine Verwachsungen. Der umgebende Knochen trägt weder Osteo- 
phyten noch Nekrosen, noch Erweichungen, noch Verdickungen oder 
Eburnation. Die Perforation sass an der Prädilektionsstelle, nämlich 
dem Stirnbein. Bei dem Kranken bestand ausserdem Pott’scher Buckel, 
Herde im Rückenmark, Milz, Lunge, Leber und Nebennieren; die Stirn¬ 
affektion wurde erst bei der Autopsie (es handelte sich um einen Senegal¬ 
soldaten) gefunden. Krakauer - Breslau. 


Parasitenkunde und Serologie. 

V. van der Reis- Greifswald: Zar Agglntinabilität des Weil- 
Felix-Bazillas. (M.m.W., 1919, Nr. 88.) Die zuckerfrei gezüchteten 
X lt -Kulturen werden durch Patientenserum stärker agglutiniert als durch 
Kaninchenserum. Die Agglutination daroh Kaninohenserum ist bei 
Zuokerzusatz von 1 pCt. bzw. 1—12pCt. am kräftigsten und geht bis 
zur Titerhöhe des Serums hinauf. Die Agglutination duroh Patienten¬ 
serum zeigt keine charakteristische Schwankung. Die verschiedenen 
Zuokerarten unterscheiden sich dabei nicht. Spontanajrglutination trat 
niemals auf. R. Neu mann. 


Innere Medizin. 

Hediger-Zürioh: Die Methode der Volumbolometrie. (Zschr. f. 
klin. M., Bd. 88, H. 1 u. 2.) Die klinische Bedeutung der besonders 
von Sahli und seinen Schülern angegebenen Volumbolometrie ist eine 
erhebliche. Verf. bat besonders die Beeinflussung des Pulsvolumens 
duroh kalte und warme Bäder studiert. Seine Versuche ergaben eine 
Verringerung des Pulsvolumens und der Pulsarbeit im kalten Bade und 
eine Zunahme beider Werte im warmen Bade. Die Methode der Volum¬ 
bolometrie ist berufen, uns neue Erkenntnisse in physiologischer, dia¬ 
gnostischer und prognostischer Hinsicht zu erschliessen. 

H. Hirschfeld. 

M. Porges: Ueber das Schtttz’sche Herzsymptom. (W.m.W., 1919, 
Nr. 86.) Sch. hat gezeigt, dass die Verbreiterung der Herzdämpfungs¬ 
figur, besonders nach rechts, bei Personen mit Meteorismus eine be¬ 
trächtliche Verkleinerung erfahre, wenn man den Patienten in hori¬ 
zontaler Lage untersucht. Verf. hat dies Phänomen naobgeprüft. 

G. Eisner. 

E. Hirsoh-Berlin: Korrektor am Recklingbausea’scheu Tono- 
Bieter. (D.m.W., 1919, Nr. 86.) Um die oszillatorischen Schwankungen 
deutlicher zu machen, benutzt H. einen Quetschhahn, der das Ver¬ 
bindungsstück zur Druckpumpe oder zum Gummigebläse dicht unterhalb 
der Ableitungsstelle komprimiert. Mit demselben Moment steigen die 
Schwankungen auf das drei- bis vierfache. Die VergrösseruDgen der 
Druokschwankungen erklären sich wohl aus der Ausschaltung der Luft¬ 
drucksäule zur Luftpumpe. Dünner. 

R. Ohm-Berlin: Ein Fall von Eadocarditis ulcerosa maligna mit 
im Veneapals erkennbarer und durch die Autopsie bestätigter hoch¬ 
gradiger Staunng der rechtes Kammer. (Zsohr. f. klin. M., Bd. 88, 
H. 1 u. 2.) Der Fall zeigt die Richtigkeit der vom Verf. vertretenen 
Venenpulsdiagnostik. Die nach seinem photographischen Verfahren ge¬ 
wonnenen Venenpulskurven Hessen eine hochgradige Stauung der rechten 
Kammer erkennen, was durch die Autopsie bestätigt wurde. 

H. Hirsohfeld. 

Walk er-Birmingham: Plötoliebe Entstehung eines Aneurysma 
dissecans. (Brit. med. joum., Nr. 3059.) Ein Mann von 65 Jahren, 
vorher stets gesund, bricht plötzlich zusammen, erholt sich daun wieder 
und klagt über heftigen Schmerz unter dem Brustbein und über 
Schmerzen und Schwäche in einem Bein. 88 Stunden später plötzlicher 
Tod. Sektionsbefund: hochgradige Verkalkung der Aorta; Loslösung 
des grösseren Teils der Aortenintima, die in der Lichtung des Gefässes 
liegt und zahlreiche Löcher aufweist. Schreiber. 


Al der-Zürich: Eine klinische Methode der BlatkörpercheiYelamea- 
bestimmang. (Zschr. f. klin. M., Bd. 88, H. 1 u. 2.) Die Methode be¬ 
nutzt den Pulfrich’schen Refraktometer. Bezüglich der Einzelheiten 
der Technik muss auf die Originalarbeit verwiesen werden. 

Kaznelson-Prag: Nachtrag zu meiner Arbeit „Thrombolytische 
Purpura“. (Zschr. f. klin. M., Bd. 88, H. 1 u. 2.) Bericht über den 
weiteren Verlauf der in dieser Arbeit beschriebenen 4 Fälle von tbrombo- 
lytischer Purpura, die mit Milzexstirpation behandelt worden waren. 
In 2 Fällen ist das Befinden bis heute gut geblieben, beim dritten Fall 
treten noch öfter Blutungen auf, aber geringer als früher und seltener. 
In der Literatur wird über 2 weitere, mit gutem Erfolg duroh Spien- 
ektomie behandelte Fälle beriohtet. 

E. Frank-Breslau: Bemerkungen zu der Arbeit von A. Klingen 
Studien über Hämophilie. (Zschr. f. klin. M., Bd. 88, H. I u. 2.) In 
der genannten Arbeit hat Klinger zwei Arten von Hämophilie unter¬ 
schieden, deren eine, bei der es zu Spontanblutungen kommt, nach ihm 
den eigentlichen hämorrhagischen Diathesen nahesteht. Gegen diese 
Auffassung wendet sich Frank und behauptet, dass der als Beweis von 
Klinger angeführte Fall von Hämophilie mit Plättohenmangel ein 
echter Morbus Werlhof ist. Beim Morbus Werlhof ist die Plättchenzahl 
stets unter 30 000 und kann in schwersten Fällen auch unter 10 000 
sinken, bei echter Hämophilie ist die Plättchenmenge normal oder ver¬ 
mehrt. Erst Fälle mit dem kritisohen Wert der Blutplättchenzahl von 
30 000 und weniger sind unbedingt zum Morbus Werlhof zu rechnen. 

Haenisch und Quem er-Hamburg: Ueber Tnmorbildangeu bei 
lenkämisehen Erkrankungen, besonders im Skelettsystem. (Zschr. f. 
klin. M, Bd. 88, H. 1 u. 2.) Es werden einige bemerkenswerte Fälle 
von Leukämie beschrieben, die duroh lokal tumorartiges Wachstum aus¬ 
gezeichnet waren. Der erste Fall war eine akute lymphatische Leuk¬ 
ämie, bei welcher von der Thymus ausgehende Wucherungen bis in den 
Herzbeutel und in die Herzmuskulatur durchgebrochen waren. Der 
zweite Fall war eine chronische lymphatische Aleukämie, die kurz vor 
dem Tode in ein leukämisches Blutbild übergegangen war. Hier waren 
an verschiedenen Knochen des Skeletts, besonders auch im Sohädeldach, 
aggressiv wachsende, aus Lymphozyten bestehende Geschwulstmassen 
festzustellen, die schon im Leben röntgenologisch sichtbar waren. Aach 
der dritte Fall ist eine lymphatische Aleukämie mit röntgenologisch 
nachweisbaren Tumorbildungen im Skelett. Der vierte Fall war eine 
typische, chronische, myeloische Leukämie, in welchem gleichfalls rönt¬ 
genologisch tumorartige Bildungen im Skelett nachweisbar waren. In 
den zuletzt genannten Fällen mit Skelettbeteiligung bestanden heftige 
Schmerzen in den verschiedensten Körperregionen. In allen solchen 
Fällen ist eine Röntgenuntersuchung von grosser diagnostischer Wichtigkeit. 

Pulay-Wien: Thyridismus nid Morbne Basedowii als eine 
Form der traimatisehen Neurose. (Zur Pathologie des Thyreoidismns 
und des Morbus Basedowii.) (Zsohr. f. klin. M., Bd. 88, H. 1 u. 2.) 
Im Anschluss an Granatversohüttung sah Verf. in 10 Fällen Erschei¬ 
nungen auftreten, die als eine Läsion der Thyreoidea und des Sym¬ 
pathikus aufzufassen waren, und zwar Tachykardie, Struma, Dermo¬ 
graphismus, Tremor, Hyperidrosis universalis, Effluvium capillitii, akutes 
Ergrauen der Haare. Die Conditio sine qua non für die Entstehung 
dieser Fälle wie der traumatischen Nearose überhaupt ist in der ab¬ 
normen Konstitution, der H degenerativen Anlage des Individuums zu 
sehen. Speziell eine Sympathikusneurose wird dort entstehen, wo das 
vegetative Nervensystem und das Vasomotorensystem ein Locus minoris 
resistentiae ist. Der Morbus Basedowii ist die entwickeltste und aus¬ 
gesprochenste Form der Sympathikusneurose. Die Affektion der Schild¬ 
drüse ist nicht die primäre Ursache der Krankheit, wie es Möbius und 
seine Anhänger annehmen, vielmehr ist die Hyperthyreose nach Ansicht 
des Verf. nur ein den übrigen Basedowsymptomen koordiniertes Symptom. 

Bradt-Berlin: Ueber Langenschässe. (Zschr. f. klin. M., Bd. 88 
H. 1 u. 2.) Die Prognose der Lungenschüsse ist bei Jugendlichen am 
sohlechtesten. Die meisten Patienten hatten Beschwerden in der Brost, 
viele besonders Fremdkörpergefübl, auch wenn die Kugel wo anders 
steckte. Die meisten konnten nicht auf der verletzten Seite liegen. 
Der objektive Befund hing von der Grösse der Pleuraverwachsungen ab. 
Zur Untersuchung der Exkursjonsfähigkeit des Zwerchfells wurde die 
Röntgenuntersuohung herangezogen, ferner zur Beurteilung der Funktions¬ 
fähigkeit der Lungen auch die Spirometrie angewendet. Der Blutdruck 
bewegte sioh an den unteren Grenzen der Norm, die Atemzahl war in 
allen Fällen beschleunigt. Die Therapie bestand vorwiegend in Lungen¬ 
gymnastik. Ein besonders günstiger Einfluss von Fibrolysin wurde nicht 
beobachtet. H. Hirsohfeld. 

R eye-Ham bürg: Milben in den Fäzes des Menschen. (D.m.W., 
1919, Nr. 37.) In den Fäzes des Mensohen können sich Milben aus der 
Familie der Tyroglyphiden nebst Eiern finden, gelegentlich in beträcht¬ 
licher Zahl. Sie stammen aus den aufgenommenen Speisen, besonders 
aus getrockneten Früchten. Die im Stuhl gefundenen Milben sind 
Pseudoparasiten; sie haben für den Menschen keinerlei pathologische 
Bedeutung. 

W. Fi sch er -Schanghai: Das Blitbild bei Amöbendysenterie. 
(D.m.W., 1919, Nr. 36.) Eine typische Veränderung des Blutbildes lässt 
sich nioht feststellen. Dünner. 

A. May er-Berlin: Bakteriologische Ergebiisse bei rahrartigei 
Darmerkrankuugeu ohne Rahrbasillei. (Zsohr. f. klin. M., Bd. 88, 
H. 1 u. 2.) In zahlreichen Fällen von Ruhr ohne Ruhrbaxillen wurden 


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18. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


975 


atypische Kolistämme nachgewiesen, daneben fanden sich ausser*un- 
spezifischen Stäbchen und Kokken aller Art ausserordentlich häufig 
grampositive Kokken, Bacillus laotis aerogenes und bisveilen auoh 
Proteusstämme. H. Hirschfeld. 

V. Arnold-Lemberg: Ueber Neuritis optica als Spätsymptom bei 
Fleckfieber. (W.kl.W., 1919, Nr. 36.) Unter 244 klinisch sicheren 
Fleokfieberfällen wurde in 59 pCt. der Fälle Neuritis optica gefunden. 
Die ersten deutlichen Veränderungen der Papille werden nicht vor dem 
B.—9. Krankheitstage beobachtet. Die volle Entwicklung der Neuritis 
fällt gewöhnlich in die Zeit der lytischen Entfieberuog oder in die 
letzten Tage des hohen Fiebers; es handelt sich daher um ein Spät¬ 
symptom. Nach der Entfieberung bildet sich die Neuritis rasch und 
vollständig zurück, sie kann aber alle KrankheitserscheinuDgen über¬ 
dauern. Die Neuritis ist als Folge der anatomisch und klinisch nach¬ 
weisbaren Entsündungserßcheinungen der weichen Gehirnhäute anzusehen. 

Glaserfeld. 

Gibson: Bemerkungen über Leberabszess. (Brit. med. journ., 
Nr. 3059.) Verf. unterscheidet zwischen epigastrischen und subdiaphrag¬ 
matischen Fällen. Erstere gehen gewöhnlich mit Lebervergrösserung 
einher und treten einzeln auf, letztere haben keine nachweisbare Leber¬ 
vergrösserung zur Folge, sind oft multipel und werden, da sie vielfach 
eine basale Lungenentzündung Vortäuschen, leicht verkannt. 

Ai len-London: Vorkommen und Bedeutung des Lenziis im Bari. 
(Brit. med. journ., Nr. 3088.) Verf. vermutet, dass das Leuzin ein viel 
häufigerer und auch bedeutungsloserer Bestandteil des Harns ist, als 
man heutzutage allgemein annimmt. In einem Falle von schwerer Gelb¬ 
sucht fand Verf. regelmässig bei Untersuchung frischer Harnproben 
Leuzinkristalle, während Proben, die älter als 2 Stunden waren, das 
Leuzin vermissen Hessen. Danach scheint die Leber nicht nur das 
Leucin auszuscheiden, sondern gleichzeitig auch das eiweissverdauende 
Ferment, das normalerweise das Leuzin im Körper zersetzt. 

Schreiber. 

M. Zondek-Berlin: Zur Diagnostik der Nieren- nnd Uretersteine. 
(D.m.W., 1919, Nr. 37.) Z. bespricht eingehend die Diagnostik. 

Dünner. 

Ko hl er-Berlin: Ueber den Einlings adsorbierbarer (besonders 
kolloidaler) Stoffe auf den Ansfall der Harnsäure und ihrer Salze aus 
übersättigter Lösung. (Zschr. f. klin. M., Bd. 88, H. 1 u. 2.) Im An¬ 
schluss an die Arbeiten von Marc und in Rüoksicht auf die Beob¬ 
achtungen von Lichtwitz wird der Einfluss kolloidaler und sonstiger 
adsorbierbarer Stoffe auf den Ausfall des Urats aus übersättigter Lösung 
und der freien Harnsäure aus saurer Uratphosphatlösung untersucht mit 
dem Ergebnis, dass die von Maro gefundenen Gesetzmässigkeiten zwar 
im wesentlichen auoh für die Harnsäure zutreffen, dass die verzögernde 
Wirkung hier jedoeh eine verhältnismässig geringe ist. Die Ergebnisse 
dieser Arbeit stützen die Anschauungen des Verf., dass zur Erklärung 
der grossen Löslichkeit der Harnsäure in tierischen Flüssigkeiten die 
Kolloide überflüssig oder zum mindesten nebensächlich sind. 

H. Hirschfeld. 

F. Eisler-Wien: Ueber HiBgcrerkrankmgen de« Skelettsystems. 
(M.m.W., 1919, Nr. 37.) Bemerkungen zu der Arbeit von W. V. Simon 
in Nr. 29 der M.m.W. Die von Wiener Autoren beschriebenen mala- 
zischen Erkrankungen bei Erwachsenen sind identisch mit den Beob¬ 
achtungen deutscher Autoren bei jugendlichen Personen. Die Scheidung 
zwischen Rachitis tarda und Ostemalazie ist schwierig, besonders im 
Röntgenbild lassen sioh keine wesentlichen Differenzen feststellen. 
Wichtig ist, dass auoh «in sonst intaktes Skelett in jedem Alter an 
Rachitis erkranken kann. R. Neumann; 

K. Holzapfel-Charlottenburg: Kalkaneusexostosen iaek Gonor¬ 
rhoe. (D.m.W., 1919, Nr. 36.) Nach Gonorrhoe findet sich auf dem 
Boden einer Disposition eine periostitische Wucherung am Processus 
medialis tuberis calcanei, die ähnliche Symptome macht wie der Platt- 
fuss. Man findet eine zirkumskripte, allmählich entstandene Druck¬ 
schmerzhaftigkeit. Therapie: Einlage von Filzsohle mit einem LdCh, das 
für die Exostose Platz gibt. Dünner. 

Magnus-Levy-Berlin: Ueber den Mineralstoffgehalt einiger Ex- 
■adate and Transsudate. (Zschr. f. klin. M., Bd. 88, H. 1 u. 2.) Mit¬ 
teilung der Ergebnisse einiger Untersuchungen über Aschenmenge, 
Chlorgehalt, Kalzium, Magnesium, Kalium, Phosphorsäure, Natrium in 
verschiedenen Exsudaten und Transsudaten. H. Hirsohfeld. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Heinicke-Waldheim: Zur Frage kritischer Selbstbeobachtang 
Geisteskranker. (Arch f. Psych., Bd. 61, H. 1.) Aufzeichnungen eines 
an typischem Trinkerwahnsinn Erkrankten über seine Halluzinationen. 

S. Galant - Bern-Belp: Die Neologismen der Geisteskranken. 
(Aroh. f. Psych., Bd. 61, H. 1.) Sehr interessante Studie, in denen die 
Neologismen bei Dementia praecdx und Epilepsie einer ein gehenden 
Analyse unterzogen werden. 

Ph. Jolly-Nürnberg: Assoziationsyersneke bei Debilei. (Arch. f. 
Psyoh., Bd. 61, H. 1.) »Während der Normale zur Bevorzugung von 
Assoziationen neigt, und zwar bei ausgesuchten Reizworten, haben die 
Debilen in der Regel sowohl untereinander als dem Normalen gegenüber 
verschiedene Assoziationen*. Der Durchsohnittsmensoh hat gewisse fest- 


. gelegte Sprachverbindungen, die dem Debilen fehlen. Während wir 
beim Normalen meist mechanische Reaktionen finden, die sich in gegen¬ 
sätzlichen Assoziationen äussern (weiss-schwarz), besteht beim Debilen 
die Neigung auf den Sinn des Reizwortes einzugehen, es zu erklären. 

Schott-Stetten i. R.: Ueber die Ursache« des Schwaeksiai« im 
jugendlichen Alter. (Arch. f. Psych., Bd. 61, H. 1.) Die grösste Be¬ 
deutung für die Entstehung des jugendlichen Schwachsinns kommt den 
Hirnerkrankungen zu. Auf Erblichkeit und Trunksuoht als alleinige 
Ursachen entfällt */z der Fälle. Als wesentliche ätiologische Schädlich¬ 
keiten kommen fernerhin in Betracht: Kropfverletzungen, Geburtsschä¬ 
digungen, Gicht, Infektionskrankheiten, englische Krankheit, Tuberkulose. 

R. Weich brodt-Frankfurt a.M.: Die Therapie der Paralyse. (Aroh. 
f. Psych.. Bd. 61, H. 1.) Alle Versuche, mit chemischen, namentlich 
spirilloziden Mitteln die Paralyse therapeutisch zu beeinflussen, sind 
bisher misslungen. Auch die Fiebertherapie hat noch nicht zu ein¬ 
deutigen Ergebnissen geführt. Durch die Versuche von Wassermann 
wurde erwiesen, dass Temperaturen zwisohen 42° u. 43° imstande sind, 
einen Kaninchenschanker zur Abheilung zu bringen. Weitere Unter¬ 
suchungen muss überlassen bleiben, ob diese Ergebnisse für die Para¬ 
lysetherapie Bedeutung gewinnen werden. 

W. H. Becker-Herborn: Die Wirkung des Kriege« auf unsere 
Geisteskranken. (Arch. f. Psych., Bd. 61, H. 1.) Der grösste Teil der 
in den Landesanstalten verpflegten Geisteskrankon ist von den Ereig¬ 
nissen des Krieges nicht berührt worden; nur eine kleine Minderheit 
erlebte teilweise die grosse Zeit innerlich mit. Einige Fälle wiesen eine 
ausgeprägte Kriegsfärbung des Wahnsystems auf. Durch das Stocken 
des Anstaltsbetriebes bei der Mobilmachung, durch die Ernährungs- 
Schwierigkeiten, durch das Ueberbelegen der einzelnen Räume infolge 
Licht- und Heizungsmangels wurde der Verlauf der Psyohosen nach¬ 
haltig beeinflusst. Die Erscheinungen, unter denen die Unterernährung 
und Erschöpfung auftraten, sind oftmals als Oedemkrankheit beschrieben 
worden. Durch die knappe Ernährung war die Sterblichkeit erhöht 
Die Zahl der Aufnahmen ist fast durchweg zurückgegangen. 

G. B. Gr über und H. F. Lanz- Mains: Ischämische Herzmuskel - 
nekrose bei einem Epileptiker nach Jod im Anfall. (Arch. f. Psych., 
Bd. 61, H. 1.) Kasuistischer Beitrag. — Die Nekrose wird auf eine 
Ernährungsstörung des betreffenden Herzabsohnitts, die durch einen 
Spasmus der in Frage kommenden Koronaräste verursacht war, zurüok- 
geführt. 

Jürgens-Kiel: Ueber die Heredität der mnltiplen Exostosen. 
(Aroh. f. Psych., Bd. 61, H. 1.) Die multiplen Exostosen entstehen 
meist hereditär. Die Erkrankung bevorzugt das männliche Geschlecht. 
Eine Ursache hierfür ist nioht zu erkennen. . 

E. Bartel-Königsberg i. Pr.: Beitrag zum Benedikt’sehen Sym- 
ptomenkomplex. (Arch. f. Psych., Bd. 61, H. 1.) Beschreibung eines 
einschlägigen Falles — gleichseitige Okulomotoriuslähmung mit gekreuzter 
Hemiparese verbunden mit Zittern. — Das Zittern hat entweder den 
Charakter der Paralysis agitans oder der multiplen Skleroso, der Chorea 
oder Athetose. Für das Zustandekommen der Bewegungsstörungen ist 
eine Schädigung des Hirnschenkelhaubengebietes, des Bindearmsystems, 
insbesondere des roten Kerns anzunehmen. A. Münzer. 


Chirurgie. 

H. Wolf-Wien: Ueber eine Modifikation der Extonsionsklnmmor 
nach Schmerz. (W.kl.W., 1919, Nr. 36.) Da die Schmerzklammer zu 
geringe Federkraft besitzt, hat Verf. dieselbe dadurch modifiziert, dass 
er die Klammer in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften teilt, welche 
ihrerseits duroh Scharniere mit dem Bügel in Verbindung stehen. Es 
entstehen zwei ungleicharmige Winkelhebel, die durch Sohraubenzug 
gleichzeitig kongruent die Kraftübertragung übermitteln. 

Glaserfeld. 

A. Nuss mann-Bonn: Schiene zur Behandlung von Obersckenkel- 
brticken. (M.m.W., 1919, Nr. 37.) Angabe einer Schiene, die die Vor¬ 
nahme frühzeitiger Bewegungen duroh Sohienung des Oberschenkels bei 
erhaltener Suspension desselben ermögUcht. Die Schiene wird bei Esoh- 
baum-Bonn hergestellt. R. Neu mann. 

H. Walther: Die Behandlung komplizierter Finger- nnd Hand- 
verletznngen im Streckverband. (D.m.W., 1919, Nr. 38.) Bei schweren 
Finger- und Handverletzungen werden die besten Ergebnisse mit Streok- 
verbandbehandlung erzielt. Diese erfüllt gleichzeitig am besten die zur 
Bekämpfung der Infektion nötigen Bedingungen, so dass Inzisionen ver¬ 
mieden werden. Dünner. 

Anders-Rostock: Ueber Fliegerverletzungen. (Bruns* Beitr., 1919, 
Bd. 114, H. 5, 59. kriegsohir. Heft.) Ausführliche Mitteilung des Sektions¬ 
befundes zweier Fälle. W. V. Simon -Frankfurt a. M. 


Röntgenologie. 

Th. Christen: Bestimmung der Wellenlänge homogener Röntgen- 
strahlen auf elementarem Wege. (M.m.W., 1919, Nr. 38.) Aus dem 
leicht zu berechnenden Schwächungsquotienten, der die vereinte Wirkung 
von Absorption und Streuung berücksichtigt, ergibt sich leicht die 
Wellenlänge. Denn zwischen der Wellenlänge und dem Schwächungs¬ 
quotienten besteht eine eindeutige, zwangsläufige Abhängigkeit, es ent¬ 
spricht also jedem Wert des Sohwächungsquotienten nur eine Wellen¬ 
länge. R. Neumann. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


H. Kloiber-Frankfurt a. M.: Zur Röntgentechnik der axiales 
Sehilteraifnahmen. (D.m.W., 1919, Nr. 38) Aufnahme in Rücken¬ 
lage; der Arm wird bis zu einem Winkel von 90° abduziert. Die Platte 
steht unmittelbar über dem Akromion, die Röhre unterhalb der Achsel¬ 
höhle. Dünner. 

W. Altschul-Prag: Invnginatio ileocoeealis im Röntgenbilde. 
(M.m.W., 1919, Nr. 39.) Bei einem Falle, der die Erscheinungen einer 
ohronischen Darmstenose bot, konnte mittels der Konstrastmahlzeit die 
Diagnose: Stenose an der Valvula Bauhini, Verdacht auf Invaginatio 
iieoooecalis gestellt werden. Es fand sich nämlich eine Dilatation der 
untersten Ileusschlinge, während der Zökumschatten fehlte. Mit Rück¬ 
sicht auf das Fehlen der Haustrenzeichnung der proximalen Kolonfüllung 
und das Umsichgreifen derselben mit Haustrenzeichnung zeigenden Gas 
blasen, wurde der Schatten im Anfangsteile des Transversum als in- 
▼aginierter Dünndarm autgefasst. Die Operation bestätigte die röntgeno¬ 
logische Diagnose. Der Kontrasteinlauf hatte negatives Ergebnis, man 
muss also immer auoh die Untersuchung duroh Kontrastmahlzeit an¬ 
wenden. _ R- Neu mann. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

F.W. Oelze-Leipzig: Praxis der Spiroehätennntersnchnng. (M.m.W., 
1919, Nr. 88.) Zusammenstellung der an der Leipziger dermatologischen 
Universitätsklinik gebräuchlichen Methoden des Spirocbätennachweises. 
Es werden beschrieben: Die Serumentnabme; die Dunkelfelduntersuohung; 
das Tusche- und Cyanoohinverfahren (Cyanoohin ist eine Mischung von 
Chinablau und Cyanosin und wird wie die Tusche verwandt, vor der 
sie gewisse Vorzüge hat); die Fontanaversilberung; die Giemsafärbung; 
die Fuchsinfärbung von Stonamine und die Vitalfärbung von Mei- 
rowsky. R. Neumann. 

E. Jeanschul: Die grossen Stufen fransösiseher Syphilisforsehnng. 
(La Presse möd., 1919, Nr. 49.) Die Arbeit, die nichts neues enthält, 
weist auf die grossen Verdienste Rioord’s und Fournier’s hin und 
die Fortschritte in der modernen Vorbeugung, Erkrankung und Behand¬ 
lung; bemerkenswert ist sie vielleicht noch dadurch, dass hierbei die 
Namen Neisser, Ehrlich, Schaudinn keine Erwähnung finden, der 
Wassermann’s nur in der Bemerkung, dass sich seine Reaktion auf 
den Arbeiten Gengou’a und Bordet’s aufbaut. 

Krakauer-Breslau. 


Augenheilkunde. 

Fehr-Berlin: Ueber Sehprüfnng «ad Brillenvererdnnng. (Ther. 
d. Gegenw., Sept. 1919.) R. Fabian. 

H. Koel ln er-Würzburg: Ueber die Beziehungen i wischen den 
sogenannten Ekzem der Angen and der Tnberknlinempfindlichkeit 
der Halt. (M.m.W., 1919, Nr. 89.) Beobachtungen an Kindern mit 
Keratoconjunctivitis phlyctaenulosa ergaben ein völliges Parallelgehen 
der Tuberkulinempfindlichkeit der Haut, gemessen an der Stärke der 
Pirquet’schen Kutanreaktion oder dem Intrakutantiter beim Deyke-Much- 
Verfahren und der phlyktännlären Erkrankung. Mit Zunahme der Tu- 
berkulinempfindlichkeit der Haut, also der Allergie, nimmt das Ekzem 
zu, mit Abnahme der Tuberkulinempfindlichkeit, also einsetzender Anergie, 
bessert sich auch das Ekzem oder heilt ganz ab. R. Neumann. 


Hals-» Nasen- und Ohrenkrankhelten. 

W. Goebel-Giessen: Ein Fall von Fremdkörper im Oesophagus 
mit letalem Ausgaag. (M.m.W., 1919, Nr. 39.) Bei einem l'Uiihiigen 
Kinde kam es durch ein Stüok einer getrockneten Birne, das sich an 
der Bifurkationsstelle festgesetzt batte, zum totalen Oesophagus Ver¬ 
schluss. Nach 5 Tagen Exitus unter Herzschwäche. 

L. Haymann - München: Ueber die Prinzipien der chirurgische! 
Behandlung tob Ohrschfissen. (M.m.W., 1919, Nr. 38.) Die Therapie 
der Ohrsohüsse ist eine vorwiegend operative. Steckschüsse sollen im 
allgemeinen operiert und das Geschoss entfernt werden, besonders die 
in oberflächlichen Bezirken steckenden. Aehnlich verfährt man mit 
Durchschüssen. Die Freilegung ist hier stets indiziert bei fraglicher 
Hirnläsion, bei Wundinfektion oder sekundären Mittelohreiterungen, bei 
grossen Zerstörungen des Ohrgebildes. Glatte Durchschüsse ohne Hirn¬ 
läsion kann man zunächst konservativ behandeln. Bei Prell- und Streif¬ 
schüssen ohne Scbädelinhaltverletzung ist konservative Behandlung an¬ 
gebracht. _ R- Neumann. 

Hygiene und Sanitfitswesen. 

Ickert-Stettin: Weg© lur Volkshygiene. (D.m.W., 1919, Nr. 88.) 
Im Anschluss an die Arbeit von Schmidt in der D.m.W., 1919, Nr. 17, 
zeigt I. die Wege und Mittel zur Hebung der Volkshygiene. Die neuen 
Institutionen sollen sich nach Möglichkeit an bereits bestehende an¬ 
lehnen. Dünner. 


Mllit&r-Sanitfttswesen. 

Herhold-Hannover: Die Rentenfeststellung der Kriegsbeschä¬ 
digte!. (D.m.W., 1919, Nr. 38.) Um ein gerechtes Urteil zu fällen, 
ist in jedem Fall eingehendes Studium der Akten und der Kranken¬ 
geschichten, genaue Untersuchung, event. unter Heranziehung eines 
Faoharztes, erforderlich. Man wird dann viele finden, die bisher als 
krank galten, in Wirklichkeit aber gesund sind. Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

LaryngologiBche Gesellschaft in Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 16. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Hey mann. 

Schriftführer: Herr Gutzmann. 

Vorsitzender: Ich habe Ihnen die tranrige Mitteilung von dem 
Hinscheiden unseres langjährigen Kassenwarts, des Herrn Musehold zu 
machen. Der Vorstand hat Ihnen alten seinerzeit eine Benachrichtigung 
gesandt und Sie gebeten, an der Beerdigung teiizunehmen. Wir haben 
im Namen der Gesellschaft einen schönen Kranz auf den Sarg gelegt, 
und ich habe einige Worte des Gedenkens am Grabe gesprochen. 

Albert Musehold stammte aus landwirtschaftlichen Kreisen. Er 
ist im Jahre 1854 in Oberschlesien geboren, studierte iu Berlin auf der 
Kaiser Wilhelm-Akademie Medizin. Nach dem Staatsexamen wurde er 
zur Marine versetzt und ging mit dem Schulschiffe „Woli“ nach China. 
Dort war er 2*/* Jahre stationiert und soll sehr segensreich gewirkt 
haben. Nach seiner Rückkehr zum Land beer versetzt, war er Stabsarzt 
beim Elisabeth-Regiment, später io Naumburg und nahm, nachdem er 
eine schwere Pneumonie überstanden hatte, im Jahre 1888 seinen Ab¬ 
schied. Er arbeitete dann bei B. Frankel und im Hygienisohen In¬ 
stitut. Seine Tätigkeit als Facharzt hier in Berlin ist den Herren 
bekannt. Die wissenschaftliche Arbeit Musehold’s konzentrierte sioh 
im wesentlichen auf das Gebiet der Phonetik, insbesondere auf die 
Photographie und Stroboskopie des Kehlkopfes, über die er eine Reihe 
sehr bemerkenswerter Arbeiten gemacht hat. Er hat dann seine Studien 
und Erfahrungen in einem vorzüglichen kleinen Buche *Allgemeine 
Akustik und Mechanik des menschlichen Kehlkopfes“ zusammengefasst, 
das leider nicht so bekannt geworden ist, wie es verdient hätte. Für 
eine Ausstellung von Photographien des Kehlkopfes auf dem phonetischen 
Kongress in Mailand hat er eine Medaille bekommen. 

Während des Krieges fungierte Musehold als Chefarzt erst im 
Reservelazareit Bookbrauerei und dann im Garnisonl&zarett II in Tempel¬ 
hof. Zahlreiche Kranke haben mir seine gütige Fürsorge und seine 
Gewissenhaftigkeit gerühmt. 

Musehold gehörte zu den Gründern unserer Gesellschaft, von 
denen nach seinem Hinsoheiden nur noch acht am Leben sind. Bald 
nach der Begründung, schon im November 1889, wurde er in die Anf- 
n&hmekommission gewählt, der er mit kurzer Unterbrechung bis Januar 1912 
augehörte. Er wurde dann au Stelle des ausscheidendeu Herrn Schoets 
in den Vorstand entsandt and hat zu unserer vollsten, ihm oft aus¬ 
gesprochenen Zufriedenheit das mühe- und verantwortungsreiohe Amt 
des Kassenführers bekleidet. 

Ich bitte Sie, sich zu seinem Gedenken von den Sitzen zu erheben. 
(Geschieht.) Ich danke Ihnen. 

Wahl©!. 

An Stelle des verstorbenen Kassierers Herrn Musehold wird in 
Zettelwahl gewählt Herr Kirsohner mit 17 von 81 abgegebenen Stimmen. 
Auf Herrn Ritter entfallen 8 und auf Herrn Sturmann 6 Stimmen. 
Herr Kirsohner nimmt die Wahl mit Dank an. 

Demonstrationen. 

1 . Hr. Weingärtner zeigt ein 7 jähriges Kind, das eine Rarität in¬ 
sofern darstelit, als es eine linksseitige Rekurrenslähmung im Kehl¬ 
kopfspiegel deutlich erkennen lässt. Ueber die Ursache der Rekurrens¬ 
lähmung gibt uns das Röntgenbild einen gewissen Aufschluss (Demon¬ 
stration). Sie erkennen auf der Rontgenplatte einen enormen Hocbstand 
des reohten Zwerohfells und eine starke Verdrängung des Herzens nach 
links. -Wie mir Kollege Lind, der uns das Kind überwiesen hat, mit- 
teilt, liegt nach Ansicht der Pädiater eine reohtsseitige Phrenikuslähmung 
vor, und zwar wahrscheinlich verursacht durch eine Bronchialdrüsen- 
erkVankung. Die linksseitige Rekurrenslähmung kann denselben Ur¬ 
sprung haben. Sie kann durch Broochialdrüsenerkrankung bedingt sein, 
sie kann aber auch dadurch verursacht sein, dass das Hers sehr stark 
nach links verdrängt ist und damit eine Zerrung des Rekurrens statt* 
findet. An diese Möglichkeit müssen wir auch denken. 

W. demonstriert dann einen Patienten, der im März 1918 wegen 
einer beiderseitigen Postikuslähmung ausserhalb tracheotomiert wurde. 
Er kam im März d. J. zu uns und gab an, dass er duroh die Kanüle 
keine Luft mehr bekomme. Die Untersuchung ergab, dass die Kanüle 
gar nicht in der Trachea stak, sondern dass eine Via falsa vorhanden 
war, und dass zu der Kanüle heraus ein Granulationspfropf heraus* 
gewachsen war. Wir haben die Kanüle sofort weggenommen. Wenn 
Sie den Pat. jetzt atmen hören, so ist meist ein leichter, aber deut¬ 
licher Stridor vorhanden. Wenn wir ihn laryngoskopieren, so haben wir 
das Bild einer Postikuslähmung beiderseits. Untersuchen wir nun aber 
den Pat., während er hustet, dann ergibt sioh, dass die Stimmbänder 
während des Hustenaktes weit auseioandergehen. Der Larynx geht weit 
auf. Man beobachtet diese normale Aktion der Stimmlippen beim 
Husten und das Fehlen der Abduktion nach der Phonation bei diesem 
Pat mit ziemlicher Regelmässigkeit. Nur in ganz seltenen Momenten 
ist auch bei der einfachen Phonation eine normale Abduktion der Stimm¬ 
lippen zu sehen gewesen. 

Das Interessante an dem Fall ist, dass er gleichzeitig eine von den 
Neurologen mit Sicherheit naohgewiesene Hintorstrangerkrankung hat, 


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18. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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und »war halten die Herren die Affektien für eine leichte Tabes. Non 
ist für uns die Frage: Hängt diese Erscheinung an den Stimmbändern 
mit der organischen Affektion zusammen, mit der Nervenerkrankung, 
•der ist es eine psychogene? W. spricht sich dahin aas, dass es sich 
mit ziemlicher Sicherheit wohl um eine psychogene Störung handle. 

Aussprache. 

Hr. Ritter teilt eine andere, sehr seltene Ursache einer Rekurrens¬ 
lähmung bei einer Krankenpflegerin mit. Die Untersuchang ergab 
komplette linksseitige Lähmung, eine umschriebene Dämpfung am 
Sternum links in Höhe der zweiten Rippe und auf dem Röntgenbild 
einen etwa kleinapfelgrossen, scharf umgrenzten Schatten. Mangels 
anderer Ursaohen musste man an einen Mediastinaltumor denken. Nach 
einer Reihe von Monaten waren alle Erscheinungen vollständig ver¬ 
schwunden. Es stellte sioh dann erst heraus, dass die Heiserkeit in 
unmittelbarem Anschluss an einen sehr schweren Keuchhusten an fall auf¬ 
getreten war. Es muss danach als Ursaehe der Rekurrenslähmung eine 
Gefässzerreissung im Mediastinum mit Hämatombildung angenommen 
werden. 

2 . Hr. Weiaglrtaer: Noch einen dritten Fall möchte ich erwähnen. 
Es handelt sich um einen Fremdkörper. Der Pat. kam zuerst mit der 
Angabe, dass er seit einigen Tagen nicht mehr schlucken könne. Wir 
haben ihn laryngoskopiert und fanden die linke Arygegend stark höckrig 
geschwollen, zum Teil oberflächlich ulzeriert; ebenso aber in geringerem 
Grade die rechte Arygegend. Wir dachten noch zunächst bei der ein¬ 
fachen Kehlkopfspiegelung an Karzinom, zogen Tuberkulose in Erwägung. 
Erst als wir mit dem Reiohert’schen Haken den Pat. untersuchten — 
die Epiglottis lehnte sioh fast an die hintere Racbenwand an —, fand 
sich eine Vorwölbung der hinteren Rachenwand, und am unteren Ende 
dieser Vorwölbung erkannte man eine Nadelspitze. Nun haben wir alle 
den Pat. untersucht, er wurde von etwa 10 Herren untersucht. Als ich 
ihn zuletzt wiedersah, war die Nadelspitze nicht mehr zu erkenben. 
Nun wäre es ja möglich gewesen, dass die Nadel herausgefallen und in 
den Oesophagus gekommen war, aber da9 Röntgenbild (Demonstration) 
zeigt, dass die Nadel noch an Ort und Stelle geblieben und dass der 
grösste Teil unter der hinteren Rachenwand versteckt war. 

Nachdem mit dem Kehlkopfspiegel der Fremdkörper nicht mehr zu 
sehen war, war zu entscheiden, womit die Nadel herauszuholen. Ich 
habe den Mann am anderen Tage in Schwebelaryngoskopie gebracht und 
habe zunächst einmal versucht, die Nadel zu entdecken. Sie war auoh 
mit dieser Methode nicht zu sehen, aber es fand sich an der unteren 
Grenze der Vorwölbung eine kleine Fistel, duroh die offenbar die Nadel 
früher herausgeragt hatte. Von dieser Fistel aus habe ich mit dem 
Sichelmesser die hintere Raohenwand durchtrennt, liess mir die Wände 
auseinanderhalten und tastete mit der Sonde, bis ich das Fremdkörper¬ 
gefühl hatte. Dann ging ich mit einer rechtwinklig abgebogenen Zange 
in die Wunde hinein, und es gelang schliesslich mit Hilfe des Tast¬ 
gefühls, den Fremdkörper zu entfernen. Der Pat. ist reaktionslos 
geheilt. 

3. Hr. Killiai: loh wollte Ihnen zwei Fälle von Fremdkörpern der 
Speiseröhre vorstellen, die sehr lehrreioh sind und deswegen Beachtung 
verdienen. 

Der Pat. hier, der sich jetzt in einem Fieberzustande befindet — 
er hat 39,5* —, hat am 28. IV. eine Gräte verschluckt. Man hat die 
Gräte mit einem Grätenfänger bearbeitet, ohne Erfolg. 

Der Mann bekam am nächsten Tage Schüttelfrost und Fieber, und 
am dritten Tage —es war der SO. IV. — kam er zu uns vormittags 
mit 38,4°. Es wurde in der Poliklinik die Oesophagoskopie gemacht. 
Man hat die Gräte gesehen. Sie war in die rechte Oesopbaguswand 
hooh oben eingespiesst. Bei der Extraktion streifte sie sich am Röhren¬ 
ende ab und wurde versohluckt. Das hat weiter keinen Schaden ge¬ 
bracht. 

Am Abend desselben Tages hatte Pat. bereits 40°. Die reohte 
Halsseite war sehr druckempfindlich, aber nioht geschwollen. Wir 
mussten auf eine beginnende Mediastinitis sohliessen. Es wurde daher 
sofort die rechtsseitige Oesophagotomie gemacht. Wir hatten das Glück, 
ohne weiteres, vielleicht 2 Finger über dem Niveau der Klavikel auf 
einen kleinen Abszess zu kommen, aus dem sich stinkender Eiter ent¬ 
leerte, und an dessen medialer Wand man ein kleines Loch sah. Das 
war die Perforation des Oesophagus. Die Wunde wurde offen gehalten 
und gut drainiert, und wir gaben uns der Hoffnung hin, dass damit nun 
eine Heilung eingeleitet sei. Es ging dem Pat. auoh besser, besonders 
lokal. Er kann bequem schlucken. Das Fieber dauerte an, und es 
entwickelte sich eine Pneumonie in beiden Unterlappen, besoqders im 
rechten. Offenbar ist die Mediastinitis durch den operativen Eingriff 
nioht zum Stillstand gekommen. In der Tat entleerte sich jeden Tag 
eine ganze Menge Eiter aus der Tiefe. Um eine bessere Desinfektion 
eintreten zu lassen, haben wir zwei Drainagen eingeführt und stunden¬ 
weise mit Vuzinlösung gespült, jetzt schon 10 Tage lang. Bei dem auf¬ 
fallend langsamen Verlauf sind wir berechtigt, noch einige Hoffnung auf 
Erhaltung des Lebens zu hegen. 

Der zweite Pat. hat vor 3 Tagen einen Knochen verschluckt. Er 
ging dann in ein hiesiges Krankenhaus. Man hat dort die Oesophago¬ 
skopie gemaobt und hat sich, wie er sagt, 3 Stunden vergebens ab¬ 
gemüht, den Knochen herauszubringen. Dann wurde uns der Pat. ge¬ 
schickt. Herr Weingärtner hat noch einmal ösophagoskopiert, es war 
aber nioht möglich, den Knochen herauszuziehen. 


Schliesslich wurde mir der Fall vorgestellt. Auch ich versuchte 
mein Glück. Mit einem dicken Rohr gelang es sehr leicht, den Knochen 
einsustellen. Man hatte den Eindruck, als wenn es eine breite Platte 
sei, welche sioh quer vor das Rohrende stemmte. Mit den üblichen 
Zangen war nichts auszurichten. Auch konnte die Platte niqfit gedreht 
werden. An einer Eoke gefasst, glitt der Fremdkörper meist aus oder 
die geschwollene Oesophagushaut stülpte sich mächtig vor ihm her. 
Schliesslich kam ich zu der Ueberzeugung, dass die Sache von innen 
her nicht zu machen sei. Es musste von aussen eingegangen werden. 
Um keine Zeit zu verlieren, haben wir noch am selben Tage, d. h. am 
Tage des Verschluokens, operiert. Da der Fremdkörper mehr rechts 
Schmerzen machte und auch die Spitze, an der ich gewirkt hatte, rechts 
lag, bin ich rechts eingegangen. Als ich in die Tiefe kam, fühlte ieh 
mit dem Finger den Knochen duroh die Wand der Speiseröhre hinduroh. 
Ich musste ein ziemlich grosses Loch maohen, um den Fremdkörper 
herauszubringen. Das erscheint begreiflich, wenn man das „Knöchelchen“ 
ansieht. Es misst 4,3—4,0—2,0 cm. Dass dieser voluminöse, zackige 
Fremdkörper nicht auf natürlichem Wege herauszubringen war, wird 
wohl jeder begreifen. Der Pat. ist fieberlos. Dieser Fall wird also 
nach menschlichem Ermessen einen glatten Verlauf nehmen. 

4. Hr. Kickhefel: Ganmensegellfthmnig aacb Grippe. 

(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.) 

Aussprache. 

Hr. A. Bruck: loh kann mich der Daten nicht erinnern, weil es 
zu lange her ist, aber ich entsinne mich, dass iob vor vielleicht 15 oder 
20 Jahren in der Laryngologischen oder Medizinischen Gesellschaft einen 
Fall vorgestelt habe, in welchem tatsächlich eine komplette Gaumen¬ 
lähmung nach Grippe — damals nannte man es Influenza — vorhanden 
gewesen ist. Der Fall war dadurch bemerkenswert, dass die Patientin 
— dessen entsinne ich mich noch — ein doppelseitiges Mittelohrtrans¬ 
sudat hatte. Der Fall ist nach längerer Zeit spontan zurückgegangen. 

Hr. A. Peyser: Möglich ist es, dass es sich um Grippe gehandelt 
hat, aber man muss doch auch an latente Diphtherie denken. Ich habe 
einen Fall von Gaumensegelläbmung in den letzten 5 Monaten gesehen, 
wo die Anamnese auch nichts von Diphtherie enthielt. Er war als 
Grippe geführt. Ich war im Begriff, ihn hier als Grippe vorzustellen, 
bin aber nachher doch davon abgekommen und zwar aus einem Grunde, 
der auf dem Gebiet der Aetiologie liegt. Nämlich in einem sehr genau 
von dem Hausarzt und von mir beobachteten Falle einer recht schwer 
verlaufenen Otitis media mit Einschmelzung des Proc. mast, und Laby¬ 
rinthitis serosa haben sich im Ohreiter, ohne dass jemals Beläge da¬ 
gewesen sind, echte Diphtheriebazillen gefunden. Da bat man auch 
nicht an Diphtherie gedacht. Es ist also doch möglich, dass auch die 
GaumensegelIähmung auf ähnliche unerkannte Prozesse zurückzuführen ist. 

Hr. Sturm an n: Wir können sehr häufig gar nichts über die Ur¬ 
sache der Gaumensegellähmung sagen, wenn wir nicht die Diphtherie 
vorher gesehen haben oder noch Bazillen nachweisen können. Ich er¬ 
innere mich, solche Fälle gesehen zu haben, wo eine Gaumensegel¬ 
lähmung bestand, und wo ich ohne weiteres, obwohl die Anamnese ver¬ 
sagte, annahm, das9 Diphtherie voraufgegangen war. Vor einigen Mo¬ 
naten habe ich wieder einen Fall erlebt, wo bestimmt vorher keine 
Halsentzündung bestanden und die wiederholte Untersuchung niemals 
Diphtberiehazillen ergeben bat. Da auch keine Grippe vorherging, so 
fehlte jede bekannte Ursache. 

Hr. Gutzmann: Wir haben eine ganze Anzahl soloherFälle beob¬ 
achtet. Es sind 4, wo positiv angegeben wurde, dass schwere Grippe 
vorhanden war und im Anschluss daran eine derartige Lähmung ein¬ 
getreten war. Mir war es auffallend, denn in den früheren Grippe¬ 
epidemien habe ich niemals derartiges gesehen. Die toxischen Ein¬ 
wirkungen könnten wohl ebenso gut bei der Grippe eine derartige 
Lähmung verursachen, wie bei der Diphtherie. So erstaunlich wäre es 
also nicht. Es ist immerhin auffallend selten. Deshalb hatte ich Kol¬ 
legen Kickhefel gebeten, den Fall vorzustellen. 

Ich möchte aber auch den Gaumenbeber gern einmal vorführeo, um 
zu zeigen, wie er einwirkt. Bei der ai-Probe. die ich vor vielen Jahren 
angegeben habe, kommt ein sehr starker Klangunterschied zustande, 
sowie das Gaumensegel auch- nur wenig offen ist. Wenn ich das Gaumen¬ 
segel jedoch mit dem Instrument anhebe, muss das natürlich ver¬ 
schwinden. (Demonstration.) 

Hr. Finder: Ich möchte zur Unterstützung dessen, was Herr 
Peyser gesagt hat, folgendes anführen. Zu mir kam vereinigen Tagen 
eine Frau mit der Angabe, sie wäre an Influenza erkrankt gewesen und 
könne nach der Influenza nioht mehr so gut sprechen wie früher. Die 
Patientin hatte eine Gaumensegellähmung. Ich inquirierte sie, ob sie 
nioht Halsschmerzen gehabt hätte. Sie leugnete es. Sie wäre fieberhaft 
erkrankt gewesen und hätte nur Gliederschmerzen gehabt. Schliesslich 
gab sie auf wiederholtes Befragen dooh zu, dass sie beim Schluoken 
etwas Beschwerden gehabt habe. Man hätte nach der Anamnese glauben 
können, dass es sich hier um Influenza gehandelt hat. lob habe mich 
aber nioht mit dieser Anamnese begnügt, sondern habe auf Diphtherie¬ 
bazillen untersuchen lassen, und der Befund war positiv. 

Hr. A. Bruck: Ich möchte ergänzend hinzufügen, dass in dem von 
mir erwähnten Falle zweifellos der klinische Befund für Grippe sprach 
und die Untersuchung auf Diphtberiebazilleu negativ ausfiel. 

5: Hr. Heymaan: Im Anschluss an die Demonstration des Herrn 
Blumentbal in voriger Sitzung bähe ich von einem sehr eklatanten 
Fall von Besserung von Lapis ateh dem Friedmaan’sekea Mittel be- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


riohtet. Der Zufall hat gewollt, dass ioh diesen Patienten, den ich 
seit 1914 nicht gesehen habe, inzwischen wieder in meine Behandlung 
bekommen habe. Br sitzt dort, und ich bitte, sich davon zu überzeugen, 
dass der Patient ausserordentlioh gebessert, ja nahezu geheilt ist. Der 
Lokalbefund vom 26. August 1911 lautete: 

Der ganze weiche Gaumen ist bis auf einen kleinen Bezirk an der 
Uvula in ein derbes Tumorgewebe verwandelt, das in der ganzen Aus¬ 
dehnung kleine Knötchen aufweist. Die ganze hintere Baokenwand zeigt 
dasselbe Tumorgewebe bis unmittelbar über den Keblkopfeingang. 
Etwas mehr als die ganze linke Hälfte des Kehldeckels ist in eine dicke 
derbe und starre Geschwulstmasse verwandelt. Das ganze Kehlkopf¬ 
innere weist dieselben Geschwulstmassen auf, so dass die einzelnen Teile 
nur sehr schwer voneinander zu trennen sind. Beide Stimmbänder 
sind in grosse höckrige Tumormasse verwandelt, von ihrer Struktur ist 
niohts mehr zu erkennen. 

Patient ist über ein Jahr heiser, fast tonlos, seit drei Jahren 
lungenleidend, hat starken Husten und bis vor kurzer Zeit blutigen 
Auswurf. 

Gr hat dann von Friedmann drei Injektionen bekommen, wovon 
eine von einem sehr schmerzhaften Abszess gefolgt war. Ich habe ihn 
dann noch ein paarmal gesehen, später ist er ganz aus meinem Gesichts¬ 
kreis geschwunden. Vor etwa 14 Tagen ist er wieder in meiner Poli¬ 
klinik aufgetaucht. Er hat jetzt die Zweckmässigkeit gehabt, sich eine 
Lues dazu anzuschaffen, die eine grosse Infiltration und Geschwürsbildung an 
der Lippe gemacht hat, wahrscheinlich in Verbindung mit dem alten 
Lupus. Jedenfalls sind die Anschwellung und die Beschwerden an 
den Lippen nach 2 Salvarsaninjektionen sehr zurückgegangen. 

Der gegenwärtige Befund in Rachen und Kehlkopf zeigt, wie Sie 
sieb überzeugen werden, nahezu normale Verhältnisse. Nur am linken 
Tascbenbande findet sich noch eine mehr lappige Geschwulst, deren 
Natur ich bisher nicht habe ergründen können. 

6 . Hr. Flader: Es ist lange her, dass in dieser Gesellschaft ein Fall 
von Rhinofiklerom demonstriert worden ist. Wir müssen auch für die 
nächsten Jahre, wo der Besuch aus den östlichen und südöstlichen 
Ländern ausbleiben wird, damit reobnhn, dass uns solche Fälle nicht so 
leicht zu Gesicht kommen werden. Ich möchte daher die Gelegenheit 
wahrnehmen, da ich einen solchen Fall zur Verfügung habe, um Ihnen 
denselben zu demonstrieren. Es handelt sich um eine 48jährige Patientin, 
aus dem Kreise Leobscbütz in Obersohlesien gebürtig. Die ersten An¬ 
zeichen des Rhinoskleroms zeigten sich bei ihr im 18. Lebensjahr, und 
zwar scheinen sie in der Nase und im Nasenrachenraum lokalisiert ge¬ 
wesen zu sein, denn die Patientin gibt an, dass sie damals keine Luft 
durch die Nase bekommen habe. Sie kam dann in die Neisser’sohe 
Klinik nach Breslau; das Rhinosklerom hatte sich inzwischen auf die 
äussere Haut ausgebreitet, und es wurde eine Exzision von der Ober- 
lippe gemacht. Sie ist in der Neisser’sohen Klinik mehrfach behandelt 
worden und kam später nach Berlin. Im Jahre 1903 wurde ihr im 
Krankenhaus am Friedrichshain von Prof. Neu mann ein Rhinosklerom- 
knoten am linken Nasenflügel exzidiert. Es wurde eine Hautplastik 
gemacht. Das Resultat war, dass der linke Nasenflügel so verengt ist, 
dass ein Einblick in das Innere der Nase nicht möglich ist. 

Die histologische Untersuchung hat damals die Diagnose Rbino- 
sklerom. die bereits in Breslau gestellt war, noch einmal sichergestellt. 
Herrn Kollegen Felix Pinkus, dem Dermatologen, dessen Freundlich¬ 
keit ioh diesen Fall verdanke, ist es auch gelungen, die Rhinosklerom- 
bazillen damals in Reinkultur zu züchten. An der Diagnose kann also 
kein Zweifel sein. 

Was Sie an der Patientin jetzt sehen, ist folgendes: Ein Einblick 
in die linke Nase ist, wie gesagt, nicht möglich. In der rechten Nase 
sehen Sie die Sohleimhaut atrophiert und schwielig entartet, den Nasen¬ 
boden etwas höher gezogen; nach der Cboane zu besteht eine Ver¬ 
engerung. Das Auffallendste ist das Bild des Pharynx. Es ist eine 
vollkommene Verwachsung der hinteren Pharynxwand mit dem hinteren 
Gaumenbogen eingetreten. Nur an einer Stelle ist es mit einer ganz 
dünnen Sonde noch möglich, in den Nasenrachenraum zu gelangen. Es 
ist hier also das Stadium vorhanden, das in seiner klassischen Schil 
derung des Pharynxskleroms Pieniazek im Heymann’schen Handbuch 
so darstellt: „Allmählich wird die Kommunikationsöffnung nach dem 
Nasenrachenraum zu immer mehr eingeengt. Eine Zeitlang lässt sich 
noch die eingeengte Kommunikationsöffnung, wenn sie auch schon ganz 
unkenntlich geworden ist, doch noch mit einer feinen Sonde durch¬ 
dringen, zuletzt wird sie aber gänzlich verschlossen.“ Dieses Stadium 
ist hier vorhanden. Nach unten zu, nach dem Hypopharynx ist eine 
Verengerung vorhanden, das Lumen ist hier ein Markstüok gross. In 
dßr Tiefe dieser Verengerung sieht man die Epiglottis, die deformiert ist 
und mit ihrer Umgebung zum Teil verwachsen. Ein Einblick in den 
Larynx ist sehr erschwert. Aber ich glaube doch gesehen zu haben, 
dass die Stimmbänder verdickt sind. Ioh glaube auch gesehen zu haben, 
dass unterhalb der Stimmbänder eine Verengerung vorhanden ist. Ich 
möchte das aber nicht mit absoluter Sicherheit behaupten, da durch die 
Deformation der Epiglottis und die Verwachsung der Einblick sehr er¬ 
schwert ist. 

7. Hr. Halle: Gelegentlich einer Radikaloporatioa einer Oberkiefer- 
kühle fand ich zu meiner grossen Verblüffung, dass, als ioh die kranke 
Schleimhaut entfernen wollte, sioh scheinbar die ganze hintere Wand der 
Höhle mitbewegte. Bei vorsichtiger Untersuchung stellte sioh heraus, dass 
es sich um einen Fremdkörper in der Oberkieferhöhle handelte, der der 


hinteren Wand aufsass und sie völlig bedeckte. Er erwies sich als ein 
Tumor von annähernd Halbkugelform, Grösse 2 X 2,5 cm mit einer 
glatten konvexen und einer rauben konkaven Oberfläche. Die Konvexität 
entsprach der konkaven Form der hinteren Wand der Kieferhöhle, an 
der der Tumor leicht hin und her glitt. Die konkave Fläohe bzw. Höhlung 
war mit polypöser Sohleimhaut bedeckt. 

An der knöchernen Wand der Kieferhöhle war keine Veränderung. 
Die Hinterwand zeigte keine kranke Schleimhaut. Der Tumor konnte 
wohl nur zweierlei sein, ein Osteom oder ein Odontom. Osteome der 
Oberkieferhöhle sind wiederholt beobachtet worden. Sie sind gewöhn¬ 
lich solider. Ioh habe, weil ich nicht gern vor der Demonstration das 
Präparat verderben wollte, ein Röntgenbild von dem Tumor machen 
lassen. Dieses Röntgenbild zeige ioh Ihnen vielleicht am besten im 
Lichtbild. Sie sehen in diesem Röntgenbilde zwei deutliche helle Stellen, 
die wohl als Zahnkeime anzusehen sind. Auch Williger, dem ich den 
Tumor und das Röntgenbild zeigte, nahm an, dass es sich um Odontom 
handele. Es konnte sich, da der 8. Zahn links oben fehlt, um einen 
versprengten achten Zahnkeim handeln, aber das Röntgenbild ergab, 
dass der dritte Molnar noch im Kiefer steckt. Es musste also, wie es 
Öfter vorkommt, ein besonderer Zabnkeim vorhanden sein, der diesen 
Tumor gebildet hat, wobei ich mit einer gewissen Reservatio sprechen 
muss, denn das endgültige mikroskopische Bild fehlt. Aber da der 
Tumor sonst das Bild eines reinen Knochengewebes zeigt, in dem nur 
diese beiden hellen Stellen erscheinen, so ist die Wahrscheinlichkeit, 
dass es ein sehr seltenes Odontom ist, sehr gross. Das endgültige Ur¬ 
teil wird der mikroskopische Befund geben. 

Ioh möchte Ihnen dann einen zweiten Fall vorstellen, der an ein 
Gebiet anschliesst, das ich schon wiederholt hier besprochen habe, näm¬ 
lich an die Gesiohtsspaltenzysten. Die Gesichtsspaltenzysten habe 
ioh hier, soviel ich weiss, bis jetzt allein zeigen können. Es handelte 
sich in allen Fällen um einseitige Gebilde. Hier sehen Sie einen Fall 
von doppelseitiger Gesichtsspaltenzyste. Sie sehen dicht hinter dem 
Eingang der Nase beiderseits einen kleinen Tumor. Der untere Nasen¬ 
gang seheint sioh von der Seite her vorzuwölben und hat eine gewisse 
Aehnlichkeit mit den an dieser Stelle öfter vorkommenden, aber kleineren 
kavernösen Gebilden. Wenn Sie genauer hinsehen, sehen Sie, dass es 
ein Tumor ist, der von der Seite vorkommt. Wenn Sie dicht seitlich 
am Nasenflügel palpieren, fühlen Sie eine Zyste. Man entfernt den 
Tumor am besten durch einen Schnitt an der Umschlagfalte der Mund¬ 
schleimhaut, Freilegung der Zyste und vorsichtiges Ausscbälen. Die 
Nasenschleimhaut reisst leicht ein, wenn man nicht sorgsam operiert. 

Der näohste Patient, den ich zeigen wollte, ist leider nicht ge¬ 
kommen oder schon weggegangeh. Ich kann Ihnen nur die Bilder zeigen, 
behalte mir aber vor, ihn noch persönlich vorzustellen, weil er einen 
Fall von ungewöhnlichen technischen Schwierigkeiten bot. Sie sehen 
hier auf dem Bilde einen Offizierstellvertreter, der vom Flugzeug ge¬ 
stürzt ist. 

Ihm wurde dabei die Nase zertrümmert, so dass eine stark ver¬ 
breiterte und eine Sattelnase entstand. Die Scheidewand war ebenfalls 
an verschiedenen Stellen gebrochen, verbogen, perforiert und beiderseits 
mit der Scheidewand flächenhaft verwachsen. In der rechten Nasenseite 
fand sich eine starke Stenose des Einganges, durch die allenfalls eine 
Erbse durchgehen konnte. Unglückseligerweise war bei dem Sturz beider¬ 
seits der Tränensack verletzt, und es hatte sich reohts eine-Ektasie des 
Sackes mit starker Eiterbildung, links eine Fistel gebildet, aus der 
massenhaft Eiter entleert wurde. Nasenseiten und Unterlid stark ge¬ 
schwollen. * 

Ein bekannter Augenarzt hatte den reohten Tränensack von aussen 
operiert. Es war aber keine Heilung erzielt worden, sondern nur noch 
auch reohts eine Fistel entstanden, aus der es stark eiterte. Eine 
erneute Operation hielten verschiedene Augenärzte für wenig aus¬ 
sichtsreich. 

In diesem Zustand sab ich den Patienten nach fast zehnmonatlicher 
Behandlung. 

Trotz aller Komplikationen aber glaubte ich, ihm eine Heilung inner¬ 
halb einer Woche versprechen zu können. Ich habe das Versprechen 
halten können. Ioh zeige das Bild des Patienten nach einer Woohe post 
operationem. Sie sehen, dass die Schwellung fast geschwunden ist. Die 
rechte Fistel ist geschlossen, die linke, die nach der intranasalen Tränensack¬ 
operation ausgeschnitten und vernäht wurde, ist geheilt. Das Septum 
habe ioh vorher submukös exzidiert und intranasal genäht, so dass eine 
relativ gute Scheidewand wieder entstanden ist. Die Verwachsungen 
wurden ausgeschnitten. 

Dann kam es darauf an, die Stenose zu heilen. Um den reohten 
Tränensack intranasal operieren zu können, hatte ioh den stenotischen 
Ring zuerst in sagittaler Richtung durch einen tiefgehenden Schnitt 
durchtrennt. Nach Abschluss der Septumoperation und der beiderseitigen 
Tränensackoperation ging ioh an die Beseitigung der Stenose. 

Da möchte ich vorläufig eine Mitteilung über die gewählte neue 
Methode machen. Ich habe hier wiederholt Fälle vorgestellt, wo ich 
eine Stenose durch subkutan-submuköses Ausschneiden des Ringes und 
Einpflanzung Thiersch’scher Lappen geheilt habe. Dieser Fall aber war 
besonders ungünstig und besonders deswegen schwer, weil ich in einer 
Sitaung operieren wollte und musste. 

Ioh bin nun folgendermaassen vorgegangen: 

Wie gewöhnlich habe ich den stenosierenden Ring subkutan-sub¬ 
mukös herausgeschnitten. Die oberen und lateralen Wundstellen wurden 
durch die erhaltenen Teile der Haut bzw. Schleimhaut gedeokt. Am 


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13. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Boden der Nase aber, wo durch schalenförmiges Abmeisseln des Knochens 
ein breiter Eingang geschaffen war, war ohne weiteres keine Deckung 
vorhanden. Diese konnte auf vier verschiedene Methoden beschafft 
werden: 1. Durch Thiersoh’sohe Lappen. Diese batten für die Einheilung 
wenig Chancen wegen der Eiterung in der Nase. 2. Durch Entnahme 
eines gestielten Hautlappens von der Wange. Hiervon sah ich ab, um 
weitere überflüssige Narben zu vermeiden und auch, weil Patient bat, 
davon abzusehen, weil durch die dann notwendige mehrfache plastische 
Operation eine verhältnismässig lange Heildauer notwendig wurde. 
3. Es konnte ein zungenförmiger Lappen aus der Schleimhaut der Scheide¬ 
wand gebildet werden mit der Basis nach unten. Dieser konnte um 
etwa 90 Grad gedreht und vorn eingenäht werden. Dieser Weg verbot 
sich wegen der Zertrümmerung der Scheidewand. 4. Es bot sich 
somit nur nooh die Möglichkeit, die erforderliche Deckung vom 
Boden der Nase zu gewinnen. Und diesen Weg habe ich gewählt. 

loh legte zwei sagittale Schnitte duroh Schleimhaut und Periost des 
Nasenbodens, einen dicht am Septum, den anderen dicht an die laterale 
Wand. Die Schnitte wurden hinten am Ende des harten Gaumens durch 
einen transversalen Schnitt verbunden. Vorn gingen sie nur bi9 etwa 
1,5 cm bis zum Naseneingang. Den umsohnittenen zungenförmigen Lappen 
habe ich mit meinem freien Elevatorium abgelöst, nach vorn um 180 Grad 
gedreht und das hintere Ende vorn in den Defekt eingenäht. Die vordere 
untere Knoohenwunde wurde durch den Lappen völlig gedeckt. 

Der Erfolg war einwandfrei. Naoh 8 Tagen liess ich vorn alle Tam¬ 
ponade weg. Die Oeffnung hat sich seither nicht im geringsten ver¬ 
engert, obgleich 9 Wochen seither vergangen sind. 

Hr. A. Peyser: Ergebnisse der endobronehialen Asthmabehandlnng. 

(Vortrag ersohien in der L. Brieger-Festnummer der Zeitschrift lür 
physikalisch- diätetische Therapie.) 

Die Aussprache wird auf die nächste Sitzung verschoben. 


Medizinische Gesellschaft zu Göttingen. 

Sitzung vom 8. Mai 1919. 

1. Hr. Fromme berichtet im Anschluss an den am 10. April 1919 
in der medizinischen Gesellschaft über „eine endemisch auftretende 
Erkrankung des Knochensystems“ gehaltenen Vortrag, über seine 
weiteren Beobachtungen, wie über das Resultat des erwähnten Rund¬ 
schreibens. Die Zahl der io der chirurgischen Poliklinik beobachteten 
Krankheitsfälle von Spätraohitis bzw. Osteomalazie ist auf 66 gestiegen. 
In den letzten Wochen ist durchschnittlich täglich ein neuer Krankheits¬ 
fall zur Beobachtung gekommen. Von 32 Aerzten sind Mitteilungen 
eingegangen. Diese berichten über 266 Erkrankungsfälle in der Ado¬ 
leszenz oder im späteren Alter, wobei nur die zahlenmässigen Angaben 
Verwertung fanden, während Allgemeinangaben, wie „es wurden einige 
oder zahlreiche Fälle beobaohtet“ keine Berücksichtigung finden konnten 

Während eine Reihe von Aerzten, die reine Landpraxis betrieben, 
schrieben, sie hätten überhaupt keinen derartigen Krankheitsfall ge¬ 
sehen, ist die Erkrankung in städtischen oder sonst schlecht versorgten 
Gegenden allgemein beobaohtet worden. Es ist bemerkenswert, dass 
eine Reihe von Kollegen ausdrücklich auf die ausserordentliche Zunahme 
der Erkrankung in der allerletzten Zeit hinwiesen, so dass zunächst 
wahrscheinlich nooh mit einer Zunahme der Erkrankungszahlen zu 
rechnen ist. 

Von den 266 Fällen betrafen 254 das männliche und 12 das weib¬ 
liche Geschlecht. Von den 254 männlichen sind 239 in der Adoleszenz 
und 15 in höherem Alter. Von den 12 weiblichen waren 7 in der Ado- 
teszenz und 5 älter, 4 von letzteren entweder gravide oder in der Lak- 
lationsperiode, eine in sehr hohem Alter. 

Da weiter viele Aerzte schrieben, sie hätten eine ausserordentliche 
Zunahme der Rachitis im frühen Kindesalter beobachtet, weiter ein Schul¬ 
arzt mitteilte, dass er im Alter von 6—12 Jahren zahlreiche Fälle von 
Raohitis mit Verbiegung und Spontanfrakturen gesehen hätte, so zeigt 
die Zusammenstellung, dass alle Lebensalter betroffen werden, in be¬ 
sonderem Grade aber diejenigen, in denen duroh das Wachstum ein 
grosser Bedarf an Nährstoffen vorhanden ist, und von den wachsenden 
wieder die, die infolge schwerer körperlicher Arbeit einen besonders 
grossen Nahrungsumsatz haben; daher die hervorragende Beteiligung des 
männlichen Geschlechts. Die Nachfrage ergab aber weiter, dass die 
Gravidität und die Laktationsperiode, ebenfalls wegen der vermehrten 
Ansprüche, eine Disposition abgibt, und endlich das höchste Alter wegen 
des normalerweise stattfindenden Abbaus im Knoohensystem betroffen 
wird. 

Während die Erkrankung in der Adoleszenz die Symptome der 
schwerer^ Spätracbitis bedingt und nur in schwersten Fällen die Sym¬ 
ptome der Osteomalazie zeigt, tritt sie ausserhalb der Adoleszenz sofort 
unter den Erscheinungen der Osteomalazie auf. 

Drei Kollegen haben sich der grossen Mühe unterzogen, in ihren 
Krankenkassen genauere Statistiken aufzustellen. Ein Arzt im Harz hat 
sämtliche auf einem Bergwerk versicherte Arbeiter untersucht. Von 
200 älteren Arbeitern waren 8 erkrankt = 4 pCt. Von 72 jugendlichen 
Arbeitern dagegen nicht weniger als 27 = 37 pCt. Da diese Zahlen 
die bei der Krankenkasse Krankgemeldeten wiedergibt, so bedeutet diese 
Feststellung die höchste Erkrankungsziffer, die F. bisher beobachtet hat. 

Im Anschluss an diesen Vortrag beschliesst die medizinische Ge¬ 
sellschaft folgendes Telegramm an die Reichsregierung zu schicken: 
Die medizinische Gesellschaft Göttingen lenkt die Aufmerksamkeit der 


Reichsregierung auf eine in hiesiger Gegend endemisch auftretende 
Knochenerkrankung, die durch Unterernährung bedingt wird und daher 
als Folge des langen Bestehens der Hungerblockade anzusehen ist. Da 
die Erkrankung besonders die arbeitende Adoleszenz betrifft, werden 
grosse Teile der Jugend geschädigt und damit voraussichtlich eine ganze 
Generation des arbeitenden Volkes für die Dauer des Lebens in ihrer 
Gesundheit und Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. 

Aussprache. Hr. Göppert berichtet über einen günstigen Er¬ 
folg der Zusammenstellung der Krankheitsfälle, dass nämlich den 12 bis 
18jährigen in der Stadt Zusatzkarten bewilligt sind. Ferner hat er 
einem Amerikaner, der über Deutschlands Ernährung Erkundigungen 
einzieht, einen Bericht über die Erkrankung geschickt mit der Berechti¬ 
gung voller Benutzung. 

2. Hr. Rieck demonstriert einen 45jährigen Mann, der seit seinem 
15. Lebensjahr an Lupus vulgaris exfoliaticus am Hinterhaupt und 
Backe leidet, auf dessen Boden sioh jetzt ein Karzinom entwickelt 
hat, nach langer Bestrahlung mit Röntgen. Therapie: Röntgen tief en- 
bestrahlung. 

3. Hr. 8tich erwähnt von den „chirurgischen Naehkrankheiten 
der Grippe“ verschiedene Weiohteilabszesse, Thoraxphlegmone, grippöse 
Pyämien, vielleicht auch Fälle der neuen „endemischen Erkrankung“, 
besonders aber die grippösen Empyeme. Von den in der Göttinger 
Epidemie beobachteten 60 Fällen von Empyemen schwerster Art mit 
vorwiegend Streptö- und Pneumokokken — der Pfeiffer’sohe Influenza- 
bazillus allein wurde nie gefunden — hatte er 18 pCt. Mortalität, die 
Mehrzahl im 2.—3. Jahrzehnt. Therapeutisch wurde sofortige Rippen¬ 
resektion als zu eingreifend bald unterlassen, die Vuzinbehandlung ver¬ 
sagte vollkommen. Vortr. empfiehlt die Behandlung mit 2 Troikarts als 
Dauersaugung mit gleichzeitiger Dauerberieselung mit Vuzin. 

Aussprache. Hr. Hippel erwähnt die an sich selbst naoh der 
vorigen Influenzaepidemie erfahrene Neigung zu alljährlichen Rezidiven. 
Schwere kruppöse Augenerkrankungen wurden nicht beobachtet 

Im Anschluss an den Vortrag kündigt Herr Schnitze den näheren 
Bericht über 2 Fälle von grippöser Enzephalitis an. 

4. Hr. Heubner bespricht in seinen „Bemerkungen über die Kalk¬ 
therapie“ die mannigfaltigen therapeutisehen Verwendungen des Kal¬ 
ziums und die Wirkungsursache. Der Theorie von Hans Meyer über 
die abdiohtende Wirkung auf die Kapillaren als entzündungswidrige 
Wirkung stellt Vortr. auf Grund von Versuchen vielmehr eine nervöse 
Theorie gegenüber, vielleicht eine Wirkung auf die peripheren Nerven 
im Entzündungsgebiet, da auch eine Gefühlsabstumpfung vorhanden ist, 
und er setzt die Wirkung des Kalziums daher in Parallele mit derjenigen 
der Analgetika, besonders des Atophans. In bezug auf den Ca-Gehalt 
des Blutes haben tierexperimentelle Versuche ergeben, dass bei schneller 
intravenöser Einspritzung hoher Dosen etwa nach 10 Minuten die beste 
Wirkung eintrat, wobei Vs des Eingespritzten im Blut wiedergefanden 
wurde. Langsame, aber stärkere Wirkung erreicht subkutane Appli¬ 
kation. Besonders empfiehlt Vortr. die Kalkmedikation per inhalationem, 
die in feinster Verteilung ohne lokale Reizung ist, mit einer 40proz. 
Kalklösung, eine bei Kampfgasvergiftung gegen Lungenödem angewandte 
Therapie. Die Frage nach dem Verbleiben des Ca im Körper ist nooh 
nicht gelöst. 

In der sehr lebhaften Aussprache regt u. a. Herr Oehme an, die 
Untersuchung der Galle zur Klärung des letzteren Punktes vorzunehmen, 
da bei sehr reichlicher Absonderung derselben Osteoporose beobaohtet ist. 

Aussprache. Hr. Lange stützt die nervöse Theorie durch die 
Beobachtung, dass die Kalkwirkung bei Heuschnupfen nicht graduell, 
sondern individuell verschieden ist. Röder. 


Vom 41. ordentlichen Deutschen Aerztetage in 
Eisenach am 27. und 28. September 1919. 

Von 

Geh. Sanitätsrat Dr. Benins-Berlin. 

Nachdem im vorigen Jahre ein ausserordentlioher Aerztetag in 
Eisenach getagt hatte, fand nach fünfjähriger Pause die 41. ordentliche 
Aerzteversammlung ebendort statt. Trotz der Beschwerlichkeiten der 
Reise hatten sich gegen 300 Abgeordnete zusammengefunden, die es nicht 
unlieb autnahmen, dass der Rahmen der Versammlung anders aussah 
als in den früheren Jahren. Dieses Mal wurde der Aerztetag einen Tag 
vor der geschlossenen Sitzung des Leipziger wirtschaftlichen Verbandes 
abgehalten, ausser einer kurzen aber herzlichen Begrüssung durch den 
Oberbürgermeister von Eisenach fielen die üblichen Reden der Regierungs- 
Vertreter fort, von denen die Herren Paasch vom Ministerium des Innern 
und Hamei vom Reichsgesundheitsamt zugegen waren, endlich fanden 
keinerlei Festlichkeiten statt. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb 
war der Verkehr der aus allen Teilen Deutschlands zusammen geströmten 
Kollegen weil ungezwungen ganz herzlich, und vor allem wurde es 
angenehm empfunden, dass die Nachmittagssitzungen nicht wegen des 
drohenden gemeinsamen Festmahles überhastet und zu schnellem Ab¬ 
schluss gebracht werden mussten. So wurde fieissig gearbeitet, die 
Sitzungen beider Tage dauerten je acht Stunden lang, und es machte 
sich trotzdem kein Zeichen von Ermüdung bemerkbar, und jeder Teil¬ 
nehmer kehrte heim mit dem Bewusstsein, einer bedeutenden Versamm¬ 
lung beigewohnt zu haben. Die Verhandlungsgegenstände waren mit 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


gutem Bedaeht gewählt, die Vorträge der Berichterstatter waren ein¬ 
gehend und anregend, und die folgenden Besprechungen standen auf 
einer Hohe, dass sie das Maass anderer Versammlungen weit überragten. 

Nachdem der Vorsitzende Dippe-Leipzig der im abgelaufenen Jahre 
dabingeschiedenen hervorragenden Führer Meyer-Fürth und Eiermann- 
Frankfurt in warmen Worten gedacht und mitgeteilt hatte, dass das 
Loebker-Denkmal vollendet sei, machte er darauf aufmerksam, dass 
noch eine ganze Anzahl deutscher Aerzte sich in Gefangenschaft befinde, 
ohne dass sie eine berufliche Tätigkeit auszuüben hätten. Wir wollen 
i n energischem Protest darauf dringen, dass diese Unglücklichen dem 
Vaterlande und ihrer Familie wiedergegeben werden. In der Eröffnungs¬ 
rede betonte Dippe, dass das deutsche Volk eine gute, wirtschaftlich 
gefestigte, wissenschaftlich und moralisch-ethisch hochstehende Aerzte- 
schaft jetzt nötiger denn je brauche, dass wir selbst über die jetzt viel¬ 
fach verlangte Umgestaltung der Grundlagen unseres Standes bestimmen 
wollen, dass unsere selbstgescbaffene Organisation 6ich auch in den 
schweren Kriegs- und Revolutionszeiten gut bewährt habe, dass wir uns 
eifrig betätigen wollen auf dem Gebiete der Bevölkerungspolitik und der 
sozialen Hygiene, und dass wir fieissig arbeiten müssen, um das Er¬ 
strebenswerte für des Volkes Wohl in die Tat umzusetzen. Nötig sei 
es, dass der Arzt mehr als bisher sich mit den Dingen in Gemeinde uod 
Staat, mit Verwaltung und Politik beschäftige, dass wir in geschlossener 
Front einig und treu fest Zusammenhalten und die Treue auch denjenigen 
Kollegen geloben und halten wollen, die in den von Deutschland abzu¬ 
trennenden Gebieten einer unsicheren Zukunft entgegensehen. 

Ueber unsere Stellung zu den Krankenkassen berichtet der 
Versitzende des Leipziger Verbandes Hartmann, dass jetzt die Frage 
der Mittelstandskassen im Vordergründe stehe. Der Begriff „Mittel¬ 
stand“ habe sich gegen früher verschoben, zumal das Versicherungsrecht 
jetzt unbegrenzt geworden ist. Mit den Eisenbahner- und Knappschafts¬ 
kassen, die bisher sich am energischsten der Einführung der freien Arzt¬ 
wahl widersetzt hatten, sohweben erfolgversprechende Verhandlungen, 
da die Kassenmitglieder selbst auf die freie Arztwahl drängen. — Da 
den Aerzten daran liegt, mit den Kassen zu einer befriedigenden Einigung 
zu gelangen, ist man seitens des Leipziger Verbandes den fünf grossen 
Kassenverbänden näher getreten und wird hoffentlich zu einem beide 
Teile zufriedenstellenden Ergebnis gelangen. Auf beiden Seiten ist man 
darüber einig, dass die Mitwirkung der Behörden, wie sie sich nament¬ 
lich in dem Wirken der Schiedsämter betätige, nicht von Segen sei. 
Naoh kurzer Aussprache wird folgender Antrag der ärztlichen Be- 
sirksvereine Münchens einstimmig angenommen: „Der Deutsche 
Aerztetag erklärt im Hinblick auf die grossen und wichtigen sozial- 
hygienischen Aufgaben der Krankenkassen seine Bereitwilligkeit, an dem 
Ausbau der bewährten sozialen Gesetzgebung des Reiches nach besten 
Kräften mitzuarbeifen. Er erblickt in dem Abschlüsse von Tarifver¬ 
trägen mit den Krankenkassen ein geeignetes Mittel für ein gedeihliches 
Zusammenwirken zwischen Krankenkassen und Aerzten. Zur Erfüllung 
dieser Aufgaben und zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen stellt 
die deutsche Aerzteschaft für den Abschluss solcher Tarifverträge folgende 
Grundsätze auf: 1. Gesetzliche Einführung der organisierten freien 
Arztwahl bei allen Krankenkassen, 2. Anerkennung der ärztlichen Orga¬ 
nisation als gleichberechtigten Vertragsteil (Koalitionsrecht), 3. Paritätisch 
zusammengesetzte Einigungs- und Scbiedsinstanzen, 4. Honorare, die der 
ärztlichen Tätigkeit würdig sind und dem niederen Geldwerte ent¬ 
sprechen, 5. Ausübung der Kontrolle der Kassenärzte durch sachver¬ 
ständige ärztliche Kontrollkommissionen bzw. Vertrauensärzte, die von 
der ärztlichen Organisation zu wählen sind.“ 

Die Verhandlung über die Sozialisierung des Heilwesens litt 
darunter, dass kein Korreferent bestellt war, der die Ansichten zur 
Geltung brachte, welche von den für die Sozialisierung eintretenden 
Aerzten ins Feld geführt werden, und dass der Referent Mugdan-Berlin 
den Begriff der Sozialisierung zu eng fasste. Er versteht darunter die 
von der Sozialdemokratie verlangte gesetzliche Regelung der ärztlichen 
Berufstätigkeit. „Sozialisierung des Aerztestandes fordert die völlige 
Verbeamtung aller Aerzte und die Gewährleistung des Rechtes für jeden 
Deutschen, zur Erhaltung und zur Wiedergewinnung seiner Gesundheit 
die Hilfe eines dieser beamteten Aerzte unentgeltlich in Anspruch zu 
nehmen.“ Die Sozialisierung sei abzulehnen, weil sie dem Kranken 
grosse Unbequemlichkeiten bringen, das Vertrauensverhältnis zwischen 
Arfct und Patienten stören, die Verwendung von Heilmitteln und die 
Anwendung von Heilmethoden einengen, die Entwickelung der medizini¬ 
schen Wissenschaft hemmen, die Wertschätzung des ärztlichen Standes 
wegen der Gefahr der Bevorzugung, Schieberei und Liebedienerei herab¬ 
mindern und endlich die individuelle Gesundheitspflege verschlechtern 
und dadurch die Volksgesundheit schwer schädigen würde. Der fest 
angestellte Arzt soll nur in Tätigkeit treten, wo es sich um die Allge¬ 
meinheit, um die gesundheitliche Pflege und Fürsorge für ganze Be¬ 
völkerungskreise handelt. Naoh langer sehr angeregter Besprechung, in 
welcher namentlich eine Rede von Hellpach-Karlsruhe mit grösstem 
Beifall aufgenommen wurde, gelangte schliesslich folgender Antrag 
Soholl-München und Hellpach-Karlsruhe zur Annahme: „Die Aerzte- 
sohaft al 9 die berufene Hüterin der Volksgesundheit spricht sich dahin 
aus, dass die Bekämpfung der Volkskrankheiten und die soziale Hygiene 
duroh beamtete Fürsorgeärzte und die Errichtung eines Landgesundheits¬ 
amtes mit einem Arzt an der Spitze planvoll durchzuführen ist. Da¬ 
gegen lehnt sie eine Verstaatlichung der Aerzte bezüglich der Behand¬ 
lung der Kranken im Hinblick auf das unbedingt notwendige persönliche 
Vertrauensverhältnis zwischen Ant und Kranken, im Interesse der Kranken 


selbst, des ärztlichen Berufes und der ärztlichen Wissenschaft grund¬ 
sätzlich ab. — Die restlose Durchführung der organisierten freien Arzt¬ 
wahl im gesamten kassenärztlichen Dienst sichert am vollkommensten 
die Erfüllung auch der umfassendsten Aufgaben des Heilwesens. Der 
ärztliche Stand ordnet sich am zweckmässigsten in freien genossenschaft¬ 
lichen Formen dem Organismus des werktätigen Volkes ein.“ 

Ueber die sozialhygienischen Aufgaben sprach Professor 
Krautwig-Cöln. In der Einleitung hob er die Verdienste des verab¬ 
schiedeten Ministerialdirektors Martin Kirchner gebührend hervor, 
der trotz geringer Staatsmittel viel Gutes geschaffen habe, vor allem das 
segensreiche Seuchengesetz. Auch die neue Regierung scheine für die 
Volkswohl fahrt wenig übrig zu haben, denn es werden noch weniger 
Mittel bewilligt als früher. Unter wiederholter Betonung, dass der prak¬ 
tische Arzt bei den Bestrebungen zur Förderung der öffentlichen Hygiene 
zur Mitarbeit energisch herangezogen werden müsse, gibt er folgende 
Richtlinien für das spätere Vorgehen an» welche von der Versammlung 
gebilligt werden: 

1 . Geburtenrückgang und schwere gesundheitliche Volkssohäden 
(hohe Gefährdung der Säuglings- und Kinderwelt, hohe Gefährdung aller 
Altersklassen duroh die Tuberkulose) bedrohen die Kraft und Zukunft 
unseres Volkes, das im blutigen Krieg seine gesundesten und tüchtigsten 
Glieder im Uebermaass opfern musste. So muss die heilende und er¬ 
haltende Tätigkeit des Arztes und die im grossen vorbeugende Tätigkeit 
der Öffentlichen Gesundheitspflege zur höchsten Leistung gesteigert 
werden. 

2. Die öffentliche Gesundheitspflege muss zur Erhaltung und 
Mehrung der Gesundheit des Volkes neben den bisherigen bewährten 
physikalischen, chemischen und bakteriologischen Forsohungsmethoden 
in immer steigendem Maasse die sozialhygienisohe Arbeitsrichtung 
verfolgen. 

3. Die öffentliche Gesundheitspflege kann sich nur frei und wirk¬ 
sam erhalten bei einer Organisation, welche ihr von der Zentralstelle 
bis zu den ausführenden Lokalinstanzen die notwendige Selbständigkeit 
und ausreichende Geldmittel zur praktischen Arbeit zur Ver¬ 
fügung stellt. 

4. Notwendig hierzu ist ein besonderes Gesandheits- und 
Wohlfahrtsministerium mit ärztlioher Leitung und ausreichendem 
Etat. Im Interesse einer durchgreifenden und gleiohmässig wirksamen 
Gesundheits- und Wohlfahrtspflege liegt die Schaffung eines Reichs- 
gesundheitsministeriums, als dessen Hilfsorgane das Reich9gesundheits- 
amt (unter ärztlicher Leitung) und der Reichsgesundheitsrat tätig 
sind. Auch in diesen beiden Organen muss die sozialhygienisohe 
Arbeitsrichtung zur Geltung kommen (Reichs Wohlfahrtsamt, Reichs wohl¬ 
fahrtsrat). 

5. Unter dem Gesundheitsministerium des Reiches erscheinen je 
naoh der politischen Gestaltung der Zukunft Landes- (Provinzial-) and 
Bezirks- (Regierungs-) Gesundheitsämter, einmal als staatliche Auf- 
siohtsorgane (mit weiser, möglichst weitgehender Selbstbesohränkung). 
zum zweiten aber zur Förderung der gemeindlichen Gesundheits- and 
Wohlfahrtsarbeit. 

Der Entwickelung der gemeindlichen Wohlfahrtspflege ist ent¬ 
sprechend der kulturellen und wirtschaftlichen Eigenart des Bezirks 
volle Freiheit zu lassen. Den Landes- und Bezirksgesnndheitsämtern 
ist ein Wohlfahrtsausschuss zur Seite zu stellen. 

6 . Als wichtigstes Or^an der öffentlichen Gesundheitspflege ist das 
örtliche Gesundheits- und Wohlfahrtsamt in Kreis und Stadt auszubilden. 
Es ist einem Arzt im Hauptamt zu unterstellen. An die Stelle des 
staatlichen Kreisarztes tritt der Kreiskommunalarzt, der Stadtarzt, dessen 
Vorbildung die Reichsbehörde bestimmt, dessen Wahl die Ortsbehörde 
vornimmt. 

Die bisherige Dienstanweisung des Kreisarztes ist zu vereinfachen, 
von der gerichtsärztlichen Tätigkeit und aller überflüssigen Kontrell- 
und Attestarbeit zu entlasten. Der Kreiskommunalarzt (Stadtarzt) be¬ 
arbeitet die gesamten gesundheitlichen Fragen seines Bezirkes, ins¬ 
besondere auob die gesamte sozialhygienisohe Fürsorge. Nebenamtlich 
überträgt ihm die Zentralbehörde diejenigen Funktionen des Kreis¬ 
arztes, die auch in Zukunft aus gewichtigen Gründen den staatlichen 
Organen verbleiben müssen (sanitätspolizeiliohe Maassnahmen, besonders 
Seuchenbek ämpfun g). 

Der Kreiskommunalarzt (Stadtarzt) ist als Magistratsmitglied an¬ 
zustellen, dem das Recht zusteht, gesundheitliche Vorlagen der be- 
schliessenden Instanz (Kreistag, Stadtverordnetenversammlung) vor¬ 
zulegen. 

Für das Gesundheitsamt (Wohlfahrtsamt) ist ein besonderer, aus¬ 
reichender Etat aufzustellen, zu dem bei leistungsschwachen Kreisen 
und Städten das Reich angemessene Zuschüsse zu leisten hat. Dem 
Kreisgesundheitsamt stehen ausgebildete Fürsorgerinnen und ein Gesund¬ 
heits- (Wohlfahrts-) Ausschuss zur Seite. 

7. In allen Instanzen des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist die 
ärztliche Standesvertretung mit gebührendem Einfluss zu beteiligen. 

8 . Das Reich (der Staat) muss ohne Verzug für die sozial- 
hygienische Ausbildung aller Aerzte, besonders der beamteten Aerzte, 
Sorge tragen. 

Es folgt ein Antrag der Gross-Berliner ärztlichen Standesvereine, 
der naeh einer kurzen wirksamen Empfehlung duroh Alexander-Berlin 
gebilligt wurde, dahingehend, dass der Gesohäftsaussohuss an geeigneter 
Stelle dahin zu wirken beauftragt werde, dass auf Grund des Ar¬ 
tikels 7 Nr. 8 und 10 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 


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18; Oktober 1918. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


981 


11 . August 1919 eine ärztliche Standesvertretung für das Deutsche 
Reioh gesohaffen werde, welcher die Abfassung einer Aersteordnung 
obliegen soll. 

Nach einer Mitteilung der bayerischen Aerzte wird in Oesterreioh 
gewünscht, dass die österreichische ärztliche Approbation auch 
in Deutschland Geltung habe und umgekehrt. Bei den traurigen Zu¬ 
ständen in Oesterreich tragen sioh mehrere Hunderte derartiger Aerste 
mit der Absicht, sich in Bayer-n und im übrigen Deutschland nieder¬ 
zulassen. Da die Angelegenheit zu wichtig erscheint, als dass kurzer¬ 
hand darüber beschlossen werden könne, wurde sie dem neuen Ge* 
sohäftsaussohusB zur Behandlung übergeben. In den letzteren 
wurden gewählt: Dippe, Hartmann, Sardemann - Marburg, 
Winkelmann- Barmen, Mugdan, Dörfler - Weissenburg, Vogel- 
Heppenheim, ßehm, Franz - Greis, Franke - Danzig, Bok - Stuttgart 
und Stöter. Er ergänzt sich duroh Zuwahl. 

Zwischen der Kurpfuschereikommission des Aerztevereins- 
bundes und der Gesellschaft zur Bekämpfung der Kur¬ 
pfuscherei in Dresden hatte in letzter Zeit ein etwas gespanntes 
Verhältnis bestanden. Die Parteien haben sich dahin geeinigt, und der 
Aerztetag stimmt zu, dass beide selbständig, aber unter gegenseitiger 
Fühlungnahme arbeiten sollen. Von dem für die Zwecke der Kur- 
pfasobereibebämpfung angesammelten Kapital sollen 20000 M. der Ge¬ 
sellschaft zur Bekämpfung der Kurpfuscherei überwiesen werden. Be¬ 
züglich des Antrages der Arzneimittelkommission des Deutschen 
Kongresses für innere Medizin betreffs jährlicher Zuweisung von 
3000 M. an die Geschäftsstelle wird Vertagung beschlossen, bis die 
Frage der Errichtung eines Arzneimittelprüfungsamtes geklärt sei. 

Den ersten Punkt der Verhandlungen des zweiten Tages bildete 
die Neuordnung des medizinischen Unterrichts. Der Bericht¬ 
erstatter Schwalbe, der diese ganze wichtige Angelegenheit mit in 
Fluss gebracht und wesentlich gefördert hat, knüpfte in seinen aus¬ 
führlichen, gehaltvollen und tief durchdachten Vorschlägen an die den 
älteren Besuchern noch erinnerlichen Verhandlungen des Aerztetages in 
Weimar im Jahre 1891 an. Berichterstatter waren damals Fi lehne 
und Bardeleben. Wie damals griffen auch jetzt mehrere Universitäts¬ 
lehrer in die Verhandlung ein, doch beteiligten sioh diesesmal prak¬ 
tische Aerzte und Krankenhaosärzte in grösserem Maasse. Mehr als 
20 Redner kamen zum Wort, und man muss gestehen, dass fast alle 
wirklich etwas zu sagen hatten, so dass die Verhandlungen sehr auf 
der Höhe standen. Die Forderungen von Schwalbe sind kürzer zu* 
sammengefasst folgende: Vertiefung und Erweiterung der praktischen 
Ausbildung unter voller Wahrung des wissenschaftlichen Charakters. 
Der notwendige theoretische Lehrstoff ist zu verbreitern, der überflüssige 
einzuengen. Die neue Studienordnung soll bindend für alle Universi¬ 
täten werden; Verlängerung des Studiums von 10 auf 11 Semester, 
es scheidet sioh in 3 Hauptabschnitte: vorklinisoher (1.—4. Semester), 
proprädeutisoher (5.—7. Semester), klinischer (8.—10. Semester). Das 
11. Semester bleibt für Hygiene, soziale Medizin, ärztliche Rechts- und 
Gesetzeskunde einschliesslich StandeBfragen und Ergänzungsvorlesungen. 
Vor dem 2. Hauptabschnitt vollständiges Bestehen der Vorprüfung, vor 
dem 3. vollständiges Bestehen einer Zwischenprüfung, vor Beendigung 
SohluHsprüfung, in der die früher bestandenen Prüfungsfächer nicht 
wiederholt werden. Der Unterricht soll soweit wie möglich semi¬ 
naristisch sein. Ausarbeitung des Stundenplans von Vertretern 4 aller 
Fakultätsmitgjöpder vor Beginn des Semesters. Der behördlich* fest¬ 
gesetzte Beginn und Sohluss des Semesters ist pünktlich innezuhalten. 
Numerus clausus in den Kursen und Kliniken. Abschaffung der Prak- 
tikantenscbeine oder Ausstellung als Besuchsbescheinigungen. Jeder 
pfliohtmäs8ige Lehr gegenständ ist besonderer PrüfungsgegeDstand, doch 
darf die Prüfung duroh Spezialfachmänner nicht zu übermässiger Stei¬ 
gerung der Examensansprüohe führen. Beibehaltung des praktischen 
Jahres, die Kandidaten heissen dann Hilfsassistenten und erhalten eine 
EinheitsVergütung und sind nur auf der inneren, chirurgischen und 
gynäkologischen Abteilung zu beschäftigen (Ausnahmen mit behördlicher 
Genehmigung). Die Doktorprüfung ist auf eine schriftliche Arbeit zu 
beschränken. — Als besondere'Forderungen werden aufgestellt: 1. F$r 
den vorklinisohen Hauptabschnitt: Vorlesungen über Physik und Chemie 
von medizinischen Universitätslehrern, angepasst den Bedürfnissen des 
Mediziners, für Botanik, Zoologie, vergleichende Anatomie und Ent¬ 
wicklungsgeschichte eine Vorlesung über allgemeine Biologie, wenn 
nötig zu erweitern durch allgemeine Physiologie. Der Unterricht in 
Anatomie und Physiologie ist von Einzelheiten zu entlasten, insbesondere 
Einschränkung der Präparierübungen. Bei Studienanfang eine Vorlesung 
über die Aufgaben des Studiums und den Studiengang mit kurzem Ab¬ 
riss der Geschichte der Medizin. Neu einzufügen: Vorlesung über Philo¬ 
sophie, insbesondere Psychologie, wenn möglich auch eine Vorlesung 
über Staatsbürgerkunde. — 2. Für den proprädeutischen Hauptabschnitt, 
der alle Vorlesungen umfasst, die für eine hinreichende Verwertung des 
klinischen Unterrichts unerlässlich sind: Vorlesungen und Kurse über 
allgemeine. Pathologie und pathologische Physiologie und Anatomie, 
Bakteriologie und Immunitätsforschung, ebenso Vorlesungen und Kurse 
über allgemeine Diagnostik, d. h. Auskultation und Perkussion (kann, 
wenn Zeit vorhanden, schon im 4. Semester gelehrt werden), interne 
physikalisch-chemische Untersuchungen, Augen-, Obren-, Nasen-, Kehl¬ 
kopfkurs, gynäkologischer und geburtshilflicher Untersuchungskurs, 
endlich Vorlesungen und Kurse über allgemeine Therapie mit allem, 
was dazu gerechnet werden kann. — 8. Für den klinischen Haupt¬ 
abschnitts Vorträge in den Kliniken mit Krankendemonstrationen, Prak¬ 


tikantendienst in Universitätskliniken oder -Polikliniken und in Kranken¬ 
häusern je zwei Monate auf den Hauptabteilungen, je einen Monat auf 
den Nebenabteilungen. — Im 11. Semester Vorlesung über allgemeine 
Hygiene ohne überflüssigen Ballast, über ärztliche Rechts- und Gesetzes¬ 
kunde, gehalten von Lehrern der Staatsarzneikunde; die Vorlesung über 
soziale Medizin und Hygiene ist mit praktischer Anschauung und Uebung 
zu verbinden. 

Mit ebenso ausführlich ausgearbeiteten Gegenvorschlägen, die sich 
aber in vielen Punkten mit denen Schwalbe ’s decken oder nabe be¬ 
rühren, trat Professor Fischer-Frankfurt a. M. in die Schranken und 
wusste sie in so lebendiger und anregender Weise vorzutragen, dass er 
die ^Zuhörer gauz mit sioh fortriss. Er verlangt bei der bisherigen 
theoretischen Schulung eine Vertiefung und Erweiterung der praktischen 
und technischen Ausbildung, Verlängerung der Studienzeit auf 12 Se¬ 
mester, von denen 5 der vorklinisohen, 7 der klinischen Ausbildungszeit 
angehöreu. Das praktische Jahr kann fortfallen, dafür praktische Aus¬ 
bildung durch systematische Unterweisung vor der Schlussprüfung in 
den Ferien. Dafür sind alle geeigneten Krankenanstalten in Deutsch¬ 
land heranzuziehen. Es stad nachzuweisen für die Zulassung zur Vor¬ 
prüfung mindestens 3 Monate Krankenwärterdienst, vor der Schluss¬ 
prüfung mindestens 4 Monate Krankenhaustätigkeit in der inneren Me¬ 
dizin und mindestens je 3 Monate in der Chirurgie und in der Geburts¬ 
hilfe. 

Die praktische Krankenhaustätigkeit ist mit seminaristischem, ent- 
geltliohem Unterricht io den klinischen Hauptfächern zu verbinden. 
Soll trotzdem das praktische Jahr beibehalten werden, so soll nur eine 
einjährige klinische Assistentenzeit ohne jede weitere Einschränkung 
verlangt werden. In der Prüfungsordnung sind die in den einzelnen 
Fächern notwendigen Kenntnisse genau abzugrenzen. Die Hochschul¬ 
lehrer sind zu verpflichten, ihr Fach in der vorgeschriebenen Zeit und 
Stundenzahl vollständig .vorzutragen. Eine die lückenlose Ausbildung 
des Arztes sichernde Studienordnung ist aufzustellen. Der Studienplan 
darf in keinem Semester mehr als 6 Stunden täglich und mehr als 
30 Stunden wöchentlich vorschreiben. Für die Pflichtvorlesungen ist 
die nötige Stundenzahl zu begründen. Die Ausbildung in den wissen¬ 
schaftlichen Grundlagen und Hauptfächern, wozu auch die Standeskunde 
gehört, ist in den Vordergrund zu stellen, die Spezialfächer sind sowohl 
in der Studien- als in der Prüfungsordnung nur fo weit voll zu be¬ 
rücksichtigen, als sie für den praktischen Arzt von Wichtigkeit sind. 
Verteilung der Vorlesungen, ihre Reihenfolge und Stundenzahlen sind 
für alle Universitäten bindend; alle 3 Jahre ist die Studienordnung 
nachzuprüfen. Studien- und Stundenpläne sind durch einen Lehrplan- 
aussohuss, in dem auch die Privatdozenten und Studierende vertreten 
sind, unter Vermeidung jeder Kollision der Pflichtvorlesungen auf¬ 
zustellen. Beginn und Schluss des Semesters, von der Behörde fest¬ 
gelegt, sind pünktlich einzuhalten; Immatrikulation und Belegen der 
Vorlesungen sind einfach und für ganz Deutschland einheitlich zu ge¬ 
stalten. Der naturwissenschaftliche Unterricht ist den medizinischen 
Fakultäten anzugliedern. Der anatomische Unterricht ist zu verein¬ 
fachen und durch Unterricht am Lebenden zu ergänzen; Präparier¬ 
übungen nur in einem Wintersemester. Die allgemeine Pathologie wird 
vor der Vorprüfung gelesen. Der Unterricht in der Pharmakologie ist 
zu erweitern durch praktische Uebungen in den gesamten Heilmittel¬ 
methoden. Neu aufzunehmen sind Vorlesungen über Philosophie (etwa 
im 2. Semester), Psychologie mit Uebungen (etwa im 3. und 4. Semester), 
pathologische Physiologie mit Uebungen, soziale Medizin und Hygiene, 
dazu ärztliche Ethik und Standeskunde. Das Prüfungswesen ist ganz 
umzugestalten, statt der Etnzel- sind Kollegialprüfungen bzw. Kollegial- 
urteile einzuführen. Bei den naturwissenschaftlichen Prüfungen sollen 
Lehrer der Medizin, bei allen Prüfungen praktische Aerzte als stimm¬ 
berechtigte Mitglieder aufgenommen werden. Die Vorprüfung ist am 
besten in 2 Teilen abzulegeu, in den naturwissenschaftlichen nach dem 2. 
und in Anatomie, Physiologie, allgemeiner Pathologie ui d Psychologie 
nach dem 5. Semester, ebenso ist die ärztliche Prüfung in 2 Abschnitte 
zu teilen: nach dem 9. Semester für die Grundlagen der klinischen 
Medizin und die Hauptfächer, nach dem 12. Semester für die Einzel- 
fäoher. Für den Doktortitel ist nur eine schriftliche Arbeit notwendig. 

Natürlich war es nicht möglich, trotz der langausgedehnten Er¬ 
örterung über die einzelnen Punkte abzustimmen, und so wurde schliess¬ 
lich folgender zusammenfassender Antrag angenommen: „Der 41. Deutsohe 
Aerztetag richtet an das Reichsministerium des Innern die dringende 
Bitte, die Neuordnung des medizinischen Studiums sofort mit allem 
Nachdruck in Angriff zu nehmen. Der Aerztetag verlangt, dass bei den 
dazu nötigen Beratungen neben Vertretern der medizinischen Fakultäten 
Vertreter des Aerztevereinsbundes in gleicher Anzahl und Medizin¬ 
studierende aus den letzten Semestern hinzugezogen werden und über¬ 
weist seine Verhandlungen als zu berücksichtigendes Material. Er 
empfiehlt insbesondere die Leitsätze von Fischer zur Beachtung.* 
(Nur durch ein Versehen ist wohl nach der etwas angestrengten Ver¬ 
handlung der Hinweis auf die Leitsätze von Schwalbe unterlassen 
worden; dieselben batten in der Aussprache die gleiche Beachtung und 
Billigung gefunden wie die von Fischer.) 

Nach dieser ausgedehnten Verhandlung war die Höhe der Tages¬ 
ordnung überschritten. Bezüglich des Abkommens mit dem Unfall- 
versicherun gs verbände wurde nach dem Vorschläge von Henius 
eine Kündigung zum 1. Januar 1920 beschlossen. Ein neues Abkommen 
soll nur getätigt werden, wenn für das Anfangs- und Scblusszeugnis je 
10 M. t für das Zwischenzeugnis 6 M. bewilligt werden (bisher 77t* 5 


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982 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Rr.il. 


und 5 M.). Id der Regel sollen in jedem Sohadenfalle Anfangs- and 
Sehlusszeugnis eingefordert werden. Die sogenannten Konponatteste 
(von einer grösseren Gesellschaft für Militärverletzte ein geführt» aas¬ 
gestellt von Sanitätsbeamten, aber unterschrieben von einem Arzte, 
wofür dieser 1 (!) Mark Honorar erhält) sollen von Aerzten weder aus¬ 
gestellt nooh unterschrieben werden. — Zum Schluss erstattete Mugdan 
den vorgesohriebenen Bericht über die Versicherungskasse der 
Aerzte Deutschlands. Mit besonderer Genugtuung wurde dabei die 
in Gross-Berlin seit einigen Wochen eingefübrte, etwa 2500 Kollegen 
umfassende und unter Aufsiobt des Reichs Versicherungsamts stehende 
Zwangsversicherung der Kassenärzte hervorgehoben, wonach diesen das 
Recht auf ein je nach der Höhe der Einnahme aus der Kassenpraxis 
gestaffeltes Sterbe-, Kranken-, Invaliden- und Hinterbliebenengeld zu¬ 
steht. Dabei wird von einer ärztlichen Untersuchung vor der Aufnahme 
abgesehen. Dagegen sprach ein Vertreter des Leipziger Verbandes für 
die von diesem eingefübrte freiwillige Sterbe- und Invalidenversicherung. 
Lobenswerte Einrichtungen sind in Düsseldorf und in Barmen getroffen. 
In Düsseldorf wird das Einkommen der einzelnen Kassenärzte nach oben 
begrenzt. Was darüber ist, fliesst in einen Fonds, der jetzt schon 
600 000 M. beträgt, durah dessen Verwendung den Aerzten vom 60. Jahre 
an die Hälfte des Kasseneinkommens garantiert wird. Die Witwe hat 
auf 5 Jahre das Anreoht auf die halbe zugesicherte Abfiodung, bei 
einer grösseren Kinderzahl auf das gesamte Ruhegehalt. Und in Barmen 
ist durch Staffelung der Abzüge von den Kasseneinnahmen ein Kapital 
von 350 000 M. gesammelt, das ebenfalls für die spätere Versorgung der 
Kassenärzte Verwendung finden soll. Wenn man diese freiwillige Liebes¬ 
tätigkeit keineswegs unterschätzen oder gar bekämpfen soll, unterliegt 
es doch wohl keinem Zweifel, dass die RechtsversioheruDg bei der Ver- 
sioherungskasse für die Aerzte Deutschlands zumal bei dem erprobten 
versicherungsteohnischen Betriebe und den Reserve- und StiftuDgsfonds 
von mehr als 7 Millionen Mark bei weitem den Vorzug verdient. Es 
wurde dem Gesohäftsaussohusse anheimgegeben, die gesamte Frage der 
Fürsorge für Aerzte als einen Hauptverhandlungsgegenstand auf die 
Tagesordnung des näohsten Aerztetages zu setzen. 


Die Psychopathologie in der Dichtung. 

I. Kleist’s Penthesilea. 

Von 

Dr. Arthur Minier- Charlottenburg. 

»Sie sank, weil sie zu stolz und kräftig blühte. 

Die abgestorbne Eiohe steht im Sturm, 

Doch die gesunde stürzt er sohmetternd nieder, 

Weil er in ihre Krone greifen kann.“ 

Penthesilea, die Königin der Amazonen, braust wie der Sturmwind 
über ihre Feinde daher. Stolz und kühn wirft sie sioh in die Schlacht 
und dient dem Kriegsgott mit voller Hingabe. — Ein frühes Schicksal 
band sie an Aohill, den herrlichen Helden. Als ihre Mutter Otrere ihrer 
Todesstunde entgegenharrte, da mahnte sie: »Geh,, mein süsses Kind! 
Mars ruft dich! Du wirst den Peliden dir bekränzen’/ 

Nur einer kleinen Schar von Mädchen war es im Amazonenstaat 
vergönnt, sich einem Mann zu eigen zu geben. So oft nach jährlichen 
Berechnungen die Königin dem Staat ersetzen wollte, was der Tod ent- 
rafft, berief sie die blühendsten Mädohen nach ThemiBcyra und flehte 
im Tempel der Artemis den Segen keusoher Marsbefruchtung auf sie 
hernieder. Der Gott aber zeigt durch seine Priesterin »ein Volk an, 
keusch und herrlich“, das statt seiner als Stellvertreter erscheinen soll. 
Mit Pfeil und Doloh bewaffnet, steigen die Marsbräute hernieder, reiten 
in das Lager der Auserwählten und kehren mit ihnen in die heimat¬ 
lichen Fluren zurück. Nur eine kurze Glücksfriit ist ihnen vergönnt: 
das Rosenfest vereint im Tempel der Diana die Mädchen mit ihren Aus¬ 
erwählten. Aber am Tage des Festes der reifen Mütter scheiden die 
Männer von binnen, und viele Tränen fliessen. 

Als Penthesilea bei einer kriegerischen Feier den Peliden, den ihr 
des Schioksals Walten bestimmt, zum erstenmal erschaut, da färbt die 
Glut ihr bis zum Hals das Antlitz, und trunken ruht ihr Blick auf 
seiner schimmernden Gestalt. Besiegelt ist ihr Los. Ihr Sinnen und 
Denken gehört nur ihm. Als mitten im Schlaohtengewühl Deiphobus 
mit tückischem Schlag den Helden trifft, streokt sie den Angreifer mit 
einem Schwertstreich nieder und rettet Aohill vom sicheren Tode. Sie 
sehnt sich mit der ganzen Kraft ihres Herzens, ihn zu ihren Füssen zu 
sehen; nur wenn sie ihn im Kampf niedergezwungen, darf sie ihm an¬ 
geboren. Auf dem Sohlachtfeld begegnen sich die beiden: Penthesilea 
sinkt, von Aohills Lanze getroffen, in den Staab. Als sie aus tiefer 
Bewusstlosigkeit erwacht, sieht sie sich dem Helden gegenüber. Sie 
wähnt ihn von ihrem Schwert bezwungen, wird von ihm in dem Glauben 
bestärkt und öffnet nun dem Herrlichen ihr verschlossenes Herz: in 
flammenden Worten kündet sie ihm heisse Liebe. Der Ueberwinder 
Hektors muss — dessen ist sie sicher — ihr nach Themisoyra folgen, 
und dort wird sie in seligem Aufjauobzeu die Seine werden. Da nabt 
das Schicksal, ln der Ferne ertönt Waffenlärm. Die Grieohen, gedrängt 
von der Amazonensohar, weichen zurüok. Im Angesicht des bevor¬ 
stehenden Kampfes eröffnet Aohill der Amazonenkönigin, dass sie, von 
seinem Schwert bezwungen, ihm als Gefangene gehöre. Nioht werde er 


ihr naoh Themisoyra folgen, aber heimführen werde er sie nach der 
blühenden Phthia Fluren und als seine Königin sie setzen auf seiner 
Väter Thron. Aohill rüstet sioh zum Kampfe, heisst die Königin hinweg¬ 
führen. Da brausen schon die Amazonen heran und befreien Penthesilea. 
Ia ihr wühlt der Sohmerz über die erlittene Sohmach; sie sieht ihren 
Traum, an der Seite des Geliebten nach Themisoyra zu ziehen, ent- 
sohwinden. Ein Herold, gesandt von Achill, naht und fordert im Namen 
seines Herrn die Amazonenkönigin zu neuem Kampf ins Feld, auf dass 
das Schwert zwischen beiden entscheide. Nioht erkennend, dass AohiU 
nur zum Schein diesen Kampf begehrt, sieht sie in dieser Herausforderung 
eine neue grenzenlose Demütigung. Er, der sie zu schwach weiss, sich 
mit ihm zu messen, ruft sie aufs neue ins Feld! Nur um sie vollends 
zu zerschmettern? Rührt ihn ihre Treue erst, wenn sie elend am Boden 
liegt? Wut und Schmerz paoken ihre Seele, todwund das Herz, schreit 
sie nach Rache. Der Wahnsinn fasst sie. Sie ergreift den Bogen und 
sammelt ihre Reiterschareo. Mit Elefanten und Hunden, mit Feuer¬ 
bränden und Sichelwagen stürzt sie sioh in den Kampf. Nichtsahnend 
naht ihr Aohill, nur zum Schein mit einem Spiess bewaffnet. Er ge¬ 
denkt die Geliebte zu umfangen und trifft eine Rasende. Die Jung¬ 
frauen, die sie aufzuhalten suchen, tritt sie in den Staub. Sie wütet 
unter ihren Hunden und hetzt sie auf das schönste Wild. Als Aohill, 
aus den Gezweigen heraustretend, ihr zu Füssen sinken will, spannt sie 
den Bogen und jagt ihm den Pfeil durch den Hals. Wie er, den Pfeil 
im Halse steckend, sich überschlägt, aber noch versucht, zu entfliehen, 
hetzt sie die Hunde auf ihn und wirft sioh über den zu Tode Getroffenen. 
In wilder Raserei reisst sie ihm die Rüstung herunter und schlägt ihm, 
wetteifernd mit den Hunden, die Zähne in die Brust. Lautlos steht sie 
naoh vollbrachter Tat. Sie betrachtet den schlanken Pfeil, dreht und 
wendet ihn, säubert ihn von Blut, trocknet das Gefieder. Als sie 
wieder in den Kreis der Genossinnen tritt, öffnet sioh zum erstenmal 
der stumm gewordene Mund. Sie ist in weite Fernen entschwebt und 
wähnt sich im Elysiüm. Da plötzlich, als sie die Leiche des AohiU er¬ 
blickt, fällt der Schleier von ihren Augen. Aus dem Munde der Ober¬ 
priesterin erfährt sie die grausige Tat. Voller Wehmut küsst sie die 
Leiche des Geliebten. In dem festen Willen, zu sterben, sinkt sie dahin 
und findet im Tode die Erlösung von schwerem Seelenleid. 

Darf es der Psyohopathologe wagen, das, was der Feuergeist eines 
Diohters ersonnen, mit nüchternen Worten zu zergliedern? Darf er mit 
rauher Hand an die in tiefen Seelensohmersen geborene Arbeit tasten? 
Darf er Recht sprechen über Tun und Treiben, Denken und Fühlen, 
Wollen und Streben der Menschen, die ein Dichterhirn zum Leben er¬ 
weckt? Ist nicht ein Diohterwerk ein Heiligtum? In Wolken schwebend, 
erdenfern, nur dazu bestimmt, den Menschen Freude und Labsal zu 
spenden! 

Des Diohters höchste Kraft ruht in seiner Phantasie; gerade sie 
entbindet ihn der Fesseln, die den gewöhnlichen Menschen ketten, und 
schafft ihm die Freiheit, Menschen und Dinge, so wie er sie Behaut, zu 
gestalten. Seinem Seherauge tritt das Leben in tausend Mannigfaltig¬ 
keiten entgegen; mit sicherer Hand greift er einen Stoff heraus und 
formt ihn zum Kunstwerk. — Einen machtvollen Anreiz zu dichterischer 
Schilderung bietet sicherlich das krankhafte Gemütsleben des Mensohen. 
Ergreifend und packend wirkt auf jeden Mensohen daB Schicksal einer 
kranken Seele. Wieviel mehr aber erst auf den Dichter, der den ge¬ 
heimsten Regungen der Seele nachzuspüren und das diohtversohlungene 
Netzwerk der Gemütsbewegungen zu entwirren versnobt! Und doch 
bleibt der Dichter auch hierin Diohter. Er weiss niohts von den streng 
gesetzmässigen Erscheinungen, in denen eine Geistes- oder Gemütskrank- 
heit zum Ausdruck kommt, und kennt nioht die Regeln, die das psycho- 
pathologische Geschehen beherrschen. Er kann nur nach seinem eigenen 
Empfinden schildern. . Die Ausdrueksformen und Gefüblsäusserungen, 
die er schon aus dem Leben des Geistesgesunden kennt, Sohmerz, Trauer, 
Wut, Zorn, Raserei usw., bleiben auoh für die Schilderung der kranken 
Psyche maassgebend; der Dichter steigert oder verzerrt sie, verbindet 
sie in einer beliebigen Form und schafft derart ein Bild des Wahnsinns. 
So kommt es meist zu einer mehr äusserliohen Schilderung, aber die 
innere Entwicklung, die zum Ausbruch der Geisteskrankheit führt, wird 
nicht gefunden; das Dichtwerk bleibt in dieser Beziehung gefühlsmässig 
bedingt. Und hier ist es nun von höchstem Interesse, zu ergründen: 
inwieweit stimmt das Gefühl des Diohters mit der Realität überein? 
Wie tief ist er in die Zusammenhänge des krankhaften Gemütslebens 
eingedrungen? Sieht er die tiefe, unüberbrückbare Kluft, die die Er- 
soheinungswelt des gesunden Geistes von der des umnaehteten scheidet? 
Im Hinblick hierauf ist die oben gestellte Frage, ob ein Psyohopathologe 
wagen darf, ein Dichtwerk zu untersuchen, unbedingt zu bejahen. 

Drei verschiedene Motive sind es, die die Amazonenkönigin in Wahn¬ 
sinn stürzen: der Schmerz über die erlittene Niederlage, die Verzweiflung 
über die scheinbar getäusohte Liebe und das Gefühl der Demütigung 
infolge der erneuten Herausforderung des Aohill. So tief ist vom 
Dichter deren Wirkung auf Penthesilea gedacht, dass ihre Seele die 
durch sie gesetzten Erschütterungen nicht zu überwinden vermag; der 
Zusammenbruch tritt ein. Sie, die wie von der Naohtigall geboren war, 
die den Wurm am Boden nicht trat, die den Pfeil zurückrief aus des 
Ebers Brust, sie wird zur Furie, deren Rachedurst nioht Ziel und Grenzen 
kennt, die in ihrer Raserei den in tiefstem Innern geliebten Helden 
zerschmettert. Wie ist solche Wandlung möglich? Nur der Wahnsinn 
kenn eine solche Tat vollbringen: tiefe Naeht hat sioh auf das gequälte 
Gemüt gesenkt, das Bewusstsein umflort sich, die klare Erkenntnis der 
Aussenwelt schwindet Von der Tatsaohe der Bewusstseinstrübung 


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13. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


988 


ausgehend, müssen wir den vom Dichter geschilderten Zustand als 
Dämmerzustand in psychiatrischem Sinne auffassen. Wir wissen, 
dass im Dämmersustand sich die Handlungen des Individuums häufig 
folgerichtig vollziehen, dass sie aber durchaus nioht immer mit der 
psyohisohen Normalkonstitution des Erkrankten in Einklang zu bringen 
sind. Inselartig hebt sich das Denken und Handeln während eines 
Dämmerzustandes aus dem sonstigen seelischen Geschehen hervor; es 
steht fast ganz allein für sioh da. Die Fäden, die zur Umwelt führen, 
sind völlig gelöst. Die Hemmungen, die normalerweise das seelische 
Leben beherrschen, fallen fort, und zügellos walten die Affekte. All 
das sehen wir an Penthesilea. Die Liebe und tiefe Verehruog für den 
Helden sind versunken, ihr weiches Gemüt ist erstarrt. Nur unbezähm¬ 
bare Rachgier lodert in ihr. Sie sieht nicht, dass Achill ihr nur allein 
naht, dass er nur zum Schein mit einem Spiess ausgerüstet ist. Als er 
eben aus dem Gezweige heraustritt, um ihr zu Füssen zu sinken, ruft 
sie in ihrer Verblendung: „Ha, sein Geweih verrät den Hirsch*, und 
sendet den todbringenden Pfeil. Mit ihren Hunden zusammen vollendet 
sie ihr grausiges Werk. Gerade in dieser Phase ihres Handelns sehen 
wir den Wahnsinn \in vollster Deutlichkeit zum Ausbruch kommen, 
gerade hier erkennen wir, wie die „Helligkeit* des Bewusstseins mehr 
und mehr abgenommen, das Blickfeld immer „trüber* geworden und 
das Seelenleben in den tiefen „Dämmerzustand völlig eingehüllt ist. 

Für den Psyohopathologen genügt es nun aber keineswegs, einen 
Dämmerzustand festsustellen. Denn dieser ist ja nur ein Symptomen - 
komplex, nicht aber ein in sioh geschlossenes Krankheitsbild. Wo wir 
also einen Dämmerzustand diagnostizieren, ist es unsere Pflicht, zu er¬ 
gründen, in welche psychische Erkrankung er einzureihen ist. Hier 
kommen für uns die beiden grossen Krankheitsgruppen der Epilepsie 
und der Hysterie in Betracht. Schauen wir xunäohst nach der Epilepsie. 
Sind in der Wesensschilderung der Penthesilea irgendwelche epilep¬ 
tischen Merkmale angegeben? Nirgends. Wir finden nichts von An¬ 
fällen, Krämpfen, Verstimmungen, sonstigen Charakteranomalien. Im 
Gegenteil, Penthesilea ist das Urbild der Gesundheit. Vergleicht sie 
ja doch der Diohter mit der Eiche, die uns immer das Symbol 
der Kraft und Stärke gewesen! Ruhig, stolz und gleichmäßig zieht die 
Amazonenkönigin ihre Bahn. Ihr Körper wird nicht zermürbt durch 
irgendwelches Leiden, und ihre Seele schwankt nicht in dem hastigen 
Getriebe der Welt. Wenn aber auch der Morbus sacer nicht als vor¬ 
liegend erachtet werden kann, so ähnelt dooh zweifellos der geschilderte 
Wahnsinnsaofall in mancher Beziehung einem epileptischen Dämmer¬ 
sustand. Gerade die furohtbare Raserei, die maasslose Erregung, die 
sohäumende Wildheit, die rohe Grausamkeit sehen wir hier oft genug 
hervortreten. Wie Penthesilea sich mit ihren Hunden auf Achill stürzt, 
wie sie ihre Zähne in seine Brust gräbt, das kann wohl die Erinnerung 
an die Gewalttaten der Epileptiker wsohrufen. Auch 'der Ausbruch des 
Dämmerzustandes wird wie bei Penthesilea nicht selten durch einen 
heftigen Affekt herbeigeführt. Sehr prägnant sind bei der Ausführung 
der Tat einzelne Züge geschildert, die man ohne weiteres für die Dia¬ 
gnose verwerten könnte. Das eigenartig Starre, Traumhafte, das wir so 
oft beim Epileptiker im Dämmerzustand sehen, finden wir in den Worten 
ausgedrüekt: 

„Jetzt steht sie lautlos da, die Grauenvolle, 

Bei seiner Leioh*, umsohnüffelt von der Meute, 

Und blicket starr, als wär’s ein leeres Blatt, 

Den Bogen siegreich auf der Schulter tragend, 
hi das Unendliche hinaus und schweigt.* 

So traumhaft, weltabgeschieden, so ganz in sich versunken erscheint 
Penthesilea auoh, als sie mit der Leiohe des Achill zu den Ihren zurüok- 
kehrt. Sie „blicket immer auf die Priesterin ein*, sie dreht und wendet 
den schlanken Pfeil, säubert ihn von Blut, trocknet und kräuselt sein 
Gefieder. Weitab scheint sie von dem grausigen Geschehen der ver¬ 
gangenen Stunden. Charakteristisch ist fernerhin, wie sie beim Er¬ 
wachen sioh ihrer gar nioht bewusst ist. Sie wähnt sioh im Elysium, 
glaubt in ihrer Gefährtin Prothoe eine junge Nymphe zu sehen. Sie ist 
so selig, so überselig. Zwar ’ireiss sie nioht, was mit ihr geschehen, 
aber sie könnte gleich des festen Glaubens sterben, dass sie den Peliden 
überwunden. Der Kenner wird in diesen Worten die Amnesie aus- 
gedrüokt finden, der wir so oft naoh dem Dämmerzustand begegnen. 
Erst durch die Erzählungen der Oberpriesterin wird sie zu der traurigen 
Wirklichkeit zurückgeführt und bricht unter ihrer Wucht zusammen. 
Zusammenfassend können wir sagen, dass wir in dem Wahnsinn, wie 
des Diohters Kunst ihn schildert, manche Zeichen des epileptischen 
Dämmerzustandes sehen; wir dürfen aber trotzdem diese Annahme im 
Hinblick darauf, dass die wichtigsten Merkmale der Erkrankung fehlen, 
nioht gelten lassen., 

Wie ist es nun mit der Hysterie? Schon das Wilde, Maasslose, 
Tierische in der Tat der Penth'silea passt nicht zu einem hysterisohen 
Dämmerzustand. Aber auch der Charakter, ihr ganzes Gebahren und 
Verhalten, ihr Wesen widersprechen dieser Erkrankung vollkommen. 
Sie, die stolze Amazonenkönigin, die Führerin ihrer tapferen Scharen, 
die sioh nioht scheut, dem Achill entgegenzutreten, die alle Gefahren 
und Sohreoknisse des Krieges mutig besteht, sie ist gewiss keines jener 
zarten, emfindsamen und reizbaren Geschöpfe, wie die Hysterie sie her- 
vorbringt Wohl wird sie weich, als Achill ihr naht, als sie ihn mit 
Rosen bekränzt. Aber hier gerade wird sie die echte Frau, der die 
Liebe, wenn sie einmal erblüht, der Inbegriff des Lebens bedeutet. 
Wie herrlioh malt sie den Augenbliok, als sie zum erstenmal den Peliden 
erbliokt: 


„Ein Tagsstern unter bleiohen Nachtgestirnen! 

So müsst 1 es mir gewesen sein, wenn er 
Unmittelbar mit seinen weissen Rossen 
Von dem Olymp herabgedonnert wäre, 

Mars selbst, der Kriegsgott, seine Braut zu grüssen!* 

Nicht eine Hysterische spricht hier, sondern eine von inniger Liebe 
durchglühte Frau, deren Herz dem Helden, dem lang gesuchten, zitternd 
entgegenbebt, ein Weib, an das ihr Schioksal getreten. Gerade die 
zarte Weichheit in dem «entscheidenden Augenblick zeigt uns das Wahre 
und Gesunde in ihrem Wesen: die Liebe ist ihr Los, ist ihre Erfüllung. 
Auch die Diagnose Hysterie kann für uns nioht in Betracht kommen. 

Nur im Vorübergehen sei nooh erwähnt, dass Dämmerzustände, wie 
sie bei Psychopathen usw. beobachtet werden, für unsere Erörterungen 
von vornherein ausscheiden. 

Wir kommen zu dem Sohlusse, dass der Wahnsinn der Penthesilea, 
wie ihn des Diohters Hand gestaltet, sioh in keines der bekannten 
psychiatrischen Krankheitsbilder einreihen lässt. Nur ein Neben¬ 
einander von Symptomen, aber nicht das Bild einer Erkrankung bat 
Kleist geschallen. 

Hierin liegt zugleich die Erklärung dafür, dass die Entstehung des 
Leidens vom Diohter nicht genügend motiviert ist. Kleist begründet 
den Wahnsinn seiner Heldin in einer Weise, wie der Laie häufig sich 
den Vorgang der Entstehung einer Geisteskrankheit ausmalt Er lässt 
sie hervorgehen aus der tiefen Gemütsersohütterung, die duroh die 
Schmach der Niederlage und die vermeintliche tiefe Demütigung von 
9 eiten des Geliebfen bedingt ist. Gerade das aber ist eine durchaus 
laienhafte Auffassung. Es gehört wohl zu den grössten Seltenheiten, 
dass tiefe Gemütsbewegungen bei einem gesunden Menschen eine 
Geisteskrankheit auslösen. Kummer,Sorge,Schmerz,Hoffnungslosigkeit usw. 
mögen wohl zu einer kürzen Depression, zu einer momentanen Schwan¬ 
kung des seelischen Gleichgewichts führen, vermögen aber nur selten, 
die Geisteskraft völlig zu brechen. Nur bei psychopathischen Persön¬ 
lichkeiten, bei denen der Boden für die Entstehung der Psyohose wohl 
vorbereitet ist, bildet der tiefgehende Affekt häufig die letzte Ursache 
für den Ausbruch der Erkrankung. Es ist übrigens bis jetzt, wie 
Kraepelin betont, nooh nicht möglich, bestimmte klinische Krank¬ 
heitsbilder in ursächliche Beziehung zu heftigen Gemütsbewegungen zu 
setzen. Eine „Emotionspsychose* gibt es nicht. 

Wenngleich naoh dem Vorhergehenden der Psyohopathologe in der 
WahnsinnssohilderuDg der Penthesilea nur eine gewaltige dichterische 
Sohöpfung erkennen kann, so wird er trotzdem die vielen feinen Züge 
in ihr und die Gesamtanlage der Szene bewundern müssen. Wie hier 
das Sohicksal hinwegbraust über ein armes Menschenkind und im harten 
Kampf, des Lebens seine Seele knickt, wird uns mit erschütternder 
Wirkung vor Augen geführt. 

Ein Punkt nooh scheint mir der Erörterung wert: als Penthesilea 
aus tiefer Umnaohtung wieder zum Bewusstsein erwacht und ihre 
Schreckenstat in vollem Umfaog kennen lernt, da bricht sie unter der 
ungeheuren Last, die ihre Seele bedrückt, zusammen; ihre Sehnsucht, 
dem Geliebten in den Tod zu folgen, wird erfüllt. In wunderbar poetischen 
Worten schildert uns Kleist ihren Willen zu sterben: 

„Denn jetzt steig’ ich in meinen Busen nieder, 

Gleich einem Sohaoht, und grabe, kalt wie Erz, 

Mir ein vernichtendes Gefühl hervor. 

Dies Erz, das läutr’ ich in der Glut des Jammers, 

Hart mir zu Stahl; tränk’ es mit Gift sodann, 

Heissätzendem der Reue, durch .und durch, 

Trag’ es der Hoffnung ew’gem Amboss zu 
Und schärf’ und spitz’ es mir zu einem Dolch; 

Und diesem Dolch jetzt reich* ich meine Brust: 

So! so! so! Und wieder! — Nun ist*« gut.* 

Ich wurde bei diesen Worten an eine kleine Novelle unseres modernen 
Erzählers Ernst Zahn erinnert, der in so feinsinniger, tief empfindender 
Weise Menschen Schicksale zu zeichnen versteht (Was das Leben zer¬ 
bricht, Novellen!. In dieser Erzählung tritt uns eine Frau entgegen, 
die unter der Wucht schwerer Sohioksalssohläge den Tod sioh herbei- 
wünacht und* nur duroh die Kraft ihres Willens „ihr eigenes Hers zer¬ 
bricht*. So ungefähr drückt sich der Dichter aus. — Ist es möglich, 
so möchte ich fragen, dass ein Mensoh, gebeugt duroh Kummer und 
Sorge, nur duroh eigenen Willen „sein Herz zerbrioht*? Sicherlich nioht 
gerade in der Weise, wie es der Diohter uns dargestellt. Aber ist 
überhaupt zu denken, dass unter gewaltigen psyohisohen Einflüssen ein 
Herz im Lauf derZeit gebrochen wird? Das müssen wir wohl sugeben, 
und viele unter uns haben schon dergleichen Fälle erlebt. Kummer, 
Weh und Leid können den Menschen zermürben, seine Lebenskraft 
untergraben; und ohne dass wir imstande sind, eine bestimmte organische 
Schädigung nachzuweiaen, kann ein Körper dahinsieohen und ein Herz 
zerbrechen unter der rauhen Hand des Sohioksals. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der wissenschaftliche Teil der Sitzung der Berliner Gesell¬ 
schaft für pathologische Anatomie und vergleichende Patho¬ 
logie vom 2. Oktober 1919 (Vorsitzender Herr Lubarsoh) war der Be¬ 
sprechung des Themas: „Fern- und Spätwirkuugen von Traumen 
an inneren Organen* gewidmet Herr Kleeberger demonstrierte 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 




984 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


aas der Kaiser Wilhelms-Akademie eine Fälle interessanter Präparate, 
die die überraschende Mannigfaltigkeit der Fernwirkung der Traumen 
dartaten. Blutungen, Zerreissungen, Nekrosen, sekundäre Veränderungen 
werden an inneren Organen beobaohtet, die von der direkten Wirkung 
der Verletzung völlig verschont geblieben waren. Redner betont mit 
Recht die Bedeutung dieser Fern Wirkung für die Beurteilung des Renten- 
anspruchs der Kriegsteilnehmer. Herr Carl Benda besprach unter 
Vorführung von seltenen Präparaten die Spätwirkungen der Verletzungen 
des Rückenmarks, soweit sie durch Narbenbildung bedingt sind. Herr 
L. Pick demonstrierte einen bemerkenswerten Fall von Rückenmarks- 
Verletzung nach einer Verschüttung, bei dem weder klinisch noch ana¬ 
tomisch eine Verletzung der Wirbelsäule festgestellt werden konnte. 
Herr Max Koch zeigte an zwei instruktiven Präparaten die Folgen einer 
indirekt entstandenen Zwerchfellzerreissung für Leber (Ischämie und 
Nekrose eines Teiles des rechten Lappens) und Darm. Herr Versö 
projizierte mikroskopische Präparate von sarkomäholiehen Tumoren, die 
sich im Anschluss an Traumen der Rippen gebildet hatten. Es handelte 
sioh um ausserordentlioh bösartige, zu zahlreichen Metastasen Veran¬ 
lassung gebende Geschwülste. Herr Bürger gab gestützt auf 10 selbst 
beobachtete Fälle ein Bild von den zahlreichen Gewebsveränderungen, 
die in den verschiedenen Organen (Lungen, Herz, Nieren usw.) durch 
Fettembolien entstehen können. Die Fettembolien selbst waren die Folge 
von Traumen; häufig waren Knochenbrüche nicht nachzuweisen. Die 
Aussprache über die Demonstrationen wurde vertagt. 

— Vom Deutschen Verein für öffentliche Gesundheits¬ 
pflege. Der Vereinsvorstand hat nunmehr alle Vorbereitungen zu der 
am 27. und 28. Oktober in Weimar stattfindenden Jahresversammlung, für 
die seit Monaten ein ungewöhnlich hohes Interesse namentlich in ärztlichen 
Kreisen bekundet wird, getroffen. Am 27. Oktober werden zwei Gegen¬ 
stände behandelt: 1. Sozialisierung des Heilwesens; Bericht¬ 
erstatter: Dr. A. Fischer, Arzt in Karlsruhe, und 2. Hebung der 
Volkskraft durch Ernährung und Körperpflege; Berichterstatter: 
Geh. Obermedizinalrat Prof. Dr. Abel, Direktor d.es Hygienischen 
Instituts in Jena und Prof. Dr. Selter, Direktor des Hygienischen 
Instituts in Königsberg. Am 28. Oktober folgt die Beratung der Frage: 
Wie weit kann das Wohnungswesen vergesellschaftet werden? 
Berichterstatter: Regierungsrat Dr. Kampffmeyer, Landeswohnungs¬ 
inspektor in Karlsruhe. 

— Am 25. und 26. Oktober 1919 findet in Halle a. S. die XXII. Ver¬ 
sammlung mitteldeutscher Psychiater und Neurologen statt. 
Die Tagesordnung umfasst folgende bisher angemeldete Vorträge in 
alphabetischer Reihenfolge. Die Vorträge werden nach Themen zusammen- 
gezogen. 1. Herr An ton-Halle: Röntgendiagnostik der Entwicklungs¬ 
störungen. 2. Herr Berger-Jena*. Hirnbefunde bei frischen Kriegs¬ 
verletzungen. S. Herr Den so w-Jena: Ueber Reflexepilepsie. Mit Kranken¬ 
vorstellung. 4. Herr Giese-Nietleben: Ueber Grundlagen der psycho¬ 
logischen Eignungsprüfung. 5. Herr Hoppe- Rinteln: Erkenntnistheoretische 
Fragen in der Psychopathologie. 6. Herr Jo 1 ly-Halle: Die Einwirkung 
des Krieges auf die alten traumatischen Neurosen. 7. Herr Jacobi- 
Jena: Ueber Nirvanolexantheme. 8. Herr Pfeifer-Nietleben: Ueber 
Sensibilitätsstörungen im Gebiete der Genito- Analhaut bei Hirn verletzten. 

9. Herr v. Rohden - Nietleben: Ueber Reaktionsversuche an Hirnverletzten. 

10. Herr Schultz-Jena: Zur Abgrenzung der echten nervösen Erschöpfung 
durch psychologische Leistungsprüfungen. 11. Herr Speer-Jena: 
Operationen in Hypnose. 12. Herr Stoeltzner-Halle: Die Aetiologie 
des Mongolismus. 18. Herr v. Strümp eil-Leipzig: Die myostatische 
und die myodynamische Innervation und ihre Störungen. 14. Herr 
Tiling-Jena: Zwei Fälle von Tetanie-Epilepsie. 15. Herr Volhard- 
Halle: Ueber Urämie. 16. Herr Weygandt-Hamburg: Thema Vor¬ 
behalten. 17. Herr Wichura-Blankenburg: Salvarsanbehandlung der 
multiplen Sklerose? iS. Herr Winternitz-Halle: Magenneorosen bei 
Kriegsteilnehmern. 

— Die Vereinigung der Assistenzärzte Leipzigs ladet im Ein¬ 
verständnis mit verschiedenen anderen Ortsgruppen alle Assistenzarztver- 
einigungen Deutschlands ein zur Gründung eines „Bundes deutscher Assis¬ 
tenzärzte“ im Anschluss an den „Leipziger Verband“. Hierzu beruft sie einen 
Vertretertag auf Sonntag, den 26. Oktober, morgens 9 Ub«i nach Leipzig, 
Medizinische Poliklinik, Nürnberger Str. 55 pt.; Vorabends 9 Uhr ist 
gesellige Zusammenkunft im Gasthaus „Burgfriede 11 , Dufourstrasse, vor¬ 
gesehen. Tagesordnung: Gründung, Satzungen und Leitsätze des Bundes. 
Die Vereinigung der Assistenzärzte Leipzigs hat in Zusammenarbeit mit 
dem Leipziger Verband einen entsprechenden Entwurf fertiggestellt, 
dessen Abschrift verschickt und auf Anfordern nachgeliefert wird. 
Sonstige Anträge, sowie Anmeldungen zum Vertretertag werden bis 
spätestens zum 15. Oktober an Privatdozent Dr. Sonntag, Leipzig, 
Liebigstr. 20, erbeten. 

— Der Chirurg Dr. Ernst Unger, der Prosektor am städtischen 
Krankenhause am Urban Dr. Max Koch in Berlin, der Prosektor am 
städtischen Krankenhause in Danzig Dr. Stahr, und der dirigierende Arzt 
am städtischen Krankenhause in Potsdam Dr. Rosenbach erhielten den 
Professortitel. 

— Als Nachfolger von Stadtrat Gottstein ist Stadtrat Prof. Röthig 
zum Dezernenten lür das Gesundheitswesen der Stadt Char¬ 
lottenburg gewählt worden. 


— Der Ausschuss des Gross-Berliner Aeratebundes hat zum 
ersten Vorsitzenden Prof. R. Lennboff gewählt, zum zweiten Vorsitzenden 
Geb. Med.-Rat Prof. Frans, zum dritten Vorsitzenden Dr. A. Soheyer, 
zum ersten Schriftführer Dr. G. Ritter, zum zweiten Schriftführer San.- 
Rat J. Sternberg, zu Beisitzern Geheimrat Alexander, San.-Rat 

E. Kuthe, Dr. Falkenberg, zum Kassenführer Dr. Helmbold. Organ 
des Bundes ist die Berliner Aerzte-Correspondenz. 

— Prof. Magnus, Ordinarius für Pharmakologie in Utreoht, wurde 
zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Amsterdam ernannt 

— Volkskrankheiten. Pooken: Deutsches Reioh (21. bis 
27. IX.) 25. Deutsohösterreich (7.—18. IX.) 1. Fleckfieber: 
Deutsches Reich (21.—27. IX.) 18. Deutschösterreich (7. bis 
18. IX.) 1. Geniokstarre: Preussen (14.—20. IX.) 4 und 8 f. 
Schweiz (7.-rl3. IX.) 1. Spinale Kinderlähmung: Preussen 
(14.-20. IX.) 1. Ruhr: Preussen (14.—20. IX.) 1210 und 112 +. 
Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Soharlaoh in Buer, 
Wanne; Masern und Röteln in Bamberg; Keuchhusten in Berlin-Friedenau, 
Solingen. (VeröfL d. Reichs-Ges.-Amts.) 

Hochsohulnachriohten. 

Halle: Prof. Dold, ehemaliger Leiter des Instituts für Hygiene 
und Bakteriologie der Deutschen Medizinschule in Schanghai, hat sioh 
habilitiert. Dem Privatdozent für Chirurgie Dr. Zander ist der Pro¬ 
fessortitel verliehen worden. — Rostook: Prof. Reinmüller, Direkter 
der Zahnklinik, wurde zum o. Professor ernannt. — Wien: Der neu¬ 
ernannte Professor der Pharmakognosie 0. Tunmann ist im Alter von 
52 Jahren gestorben. 

MT“ Wir bitten zur Vermeidung von Nachsendungen alle redaktionellen 
Briefe, wenn sie an einen der Herausgeber persönlich gerichtet sind, 
mit dem Vermerk „Redaktionsanffelegenheit“ oder dergl. versehen 
zu wollen. Prof. Dr. Hans Kohn ist bis Mitte Oktober verreist, Geh. 
Rat Posner von der Reise zurück. Redaktion. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: ao. Prof, in d. raedizin. Fakult. der Univera. in Kiel 
Dr. Klingmüller z. ord. Prof, in ders. Fakultät. 
Niederlassungen: Dr. Egon Wolf, Dr. P. Beckmann, Dr. Lies- 
beth Mühlpfordt und Anton Zimmermann in Königsberg i. Pr., 
Dr. Ella Doehring in Frauenburg (Kr. Braunsberg), Dr. M. Schiff¬ 
macher in Sohmalimingken (Kr. Ragnit), Dr. W. Barde leben, Dr. 
K. Belgardt, Dr. K. Berent, Dr. Georg Blumenthal, Dr. Alfred 
Cohn, Dr. A. Gosslaü, Dr. F. Hübotter,. Alfred Löser, 

F. Rauschenberger und Dr. F. Weimann in Berlin, Dr. W. 
Benningson, Else Cohn, Dr. Willy Cohn, Dr. A. Dönitz, Dr. 
Dora Hochdorf, Dr. Max Löwenstein, Anna Raabe, Marie 
Schuster und Josef Walhorn in Berlin-Sohöneberg, B. Zurkuhlen 
in Hennigsdoif (Kr. Osthavelland), Dr. K. Küchenmeister in Kyritz, 

G. Erdmann in Perleberg, Dr. H. Siebert in Berlin-Liohterfelde, 
Dr. F. Mommsen in Berlin-Friedenau, Gen.-Ob.-Arzt Dr. Emil 
Wagner und Ob.-Arzt W. Lambeek in Brandenburg a. H., Dr. 
0. Daube, L. Matties und Dorothea Labuda in Guben, Dr. M. 
Mannheim in Sorau, Dr. M. Sass in Triebei (Kr. Sorau), Dr. A. 
Gusinde in Cottbus, Dr. W. Tauscher in Anklam, Dr. F. Geis in 
Treptow a. d. R., Dr. P. Philipps in Gross Möllen (Kr. Köslih), Dr. 
E. Bode in Lauenburg i. Poinm., Dr. J. Hei necke in Binz a. Rüg., 
Dr. Alex. Kessler, Dr. E. Hardrat, Dr. W. Glasow und Dr. 

H. Dumrath in Stralsund, Dr. Friedr. Werner in Zingst (Kr. Franz¬ 
burg), Dr. H. Müok in Ahrenshoop (Kr. Franzburg), J. M. v. Hansen 
in Lubmin (Kr. Greifswald), Göttfr. Möller und E. Meyner in 
Greifswald, Dr. Alfred Simon in Erfurt. 

Verzogen: Dr. F. Wolters von Neuss und Dr. H. Stammen von Bonn 
nach Crefeld, Dr. H. A. Westpfahl von Lübeck, Dr. W. Wisbrun 
von Remsoheid, Dr. Hein r. Berger fon Neuss, Dr. B. Zopp ritz von 
Stuttgart und Dr. Leop. Stern von Mets nach Düsseldorf, Prof. Dr. 
Eduard Martin von Berlin naob Elberfeld als a Direktor der dortigen 
Prov.-Hebammenlehranstalt, Prof. Dr. W. Keppler von Berlin nach 
Essen (Ruhr), Dr. H. Mirgel von Bonn nach Cöln, Dr. H. Amacker 
von St. Privat und Dr. Albr. Schwarz von Saargemünd nach Saar¬ 
brücken, Dr. Klem. Reuter von Bonn naoh Trier, Dr. Jakob 
Becker von Immingen (Lotbr.) naoh Mehring (Ldkr. Trier) 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. Leop. Rothe 
von Berlin. 

Gestorben: Dr. B. Hippel in Heilsberg, M. Kotei mann in Beelitz, 
San.-Rat Dr. J. F. Lauer in Anklam, Geh. San.-Rat Dr. Wilh. Rein¬ 
hard in Stralsund, San.-Rat Dr. R. Kutzner in Greifswald, San.-Rat 
Dr. G. Garbsch in Wengern (Ldkr. Hagen), Dr. Emil Lorenz in 
Siegen, Dr. K. Tholl in Eltville a. Rh., Dr. Rob. Schütz, Reg.- u. 
Geh. Med.-Rat a. D. Dr. Aug. Pfeiffer und San.-Rat Dr. A. Brück 
in Wiesbaden, Dr. R. Battes in Oberursel (Kr. Obertaunus), Dr. 
E. Sieburg in Barmen, Geh. San.-Rat Dr. J.~ E. Metzmacher in 
Monheim (Ldkr. Solingen), San.-Rat Dr. M. Tornier und San.-Rat 
Dr. J. Rau in Essen (RuhO* San.-Rat Dr. W. Reis in Trier. 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W„ Bayreuther itr. 42. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 






Bf» Berliner Klinisch« WoeheM ehr! ft erscheint jeden 
HonUg In Naomtm ron etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Bnebhandlnngen and PosUnstalten an. 


BERLINER 


Ule Blnsendnngen Ar die Redaktion and Erpeditien 
wolle man portofrei an die Yerlagsbnehhandlnng 
▲ngnst Hirschwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSGHEIET. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rit Prot Dr. C. Posner und Prot Dr. Hans Koha 


Montag, den 20. Oktober 1919. 


M. 42 . 


Sechsundfüüfzigster Jahrgang. 


I n H 

OrigUaliea: Klose: Die gonorrhoisohe GelenkentzündaDg; Typen, Ver¬ 
lauf und ohirurgisohe Behandlung. (Aus der ohirurg. Univ.-Klinik 
Frankfurt a. H. [Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Rehn].) S. 985. 

Klotz: Behandlung der Diphtherie nach Behring oder Bingel? S. 987. 

Dorn: Zur Frage der Diphtheriebehandlung mit normalem Pferde¬ 
serum. (Aus dem Kinderhospital zu Lübeck [Direktor: Dr. Klotz].) 
(Illustr.) S. 388. 

Oppenheim and Wacker: Das Ausbleiben der postmortalen Saure- 
bildung im Muskel als Ursache der verschiedenen Intensität der 
Totenstarre menschlicher Leichen. (Aus dem pathologischen In¬ 
stitut der Universität München [Direktor: Prot. Dr. Max Borst].) 
S. 990. 

Strassmann: Auffällig langes Erhaltenbleiben roter Blutkörperchen 
nach dem Tode. (Aus der ünterrichtsanstalt für Staatsarzneikuude 
der Universität Berlin.) (Illustr.) S. 994. 

Bab: Beitrag zu den Augenstörungen durch Methylalkoholvergiftung. 
(Aus der Klinik und Poliklinik des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Silex 
in Berlin.) S. 995. 


Aus der chirurgischen Universitätsklinik Frankfurt a.M. 
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. ßehn). 

Die gonorrhoische Gelenkentzündung; Typen, 
Verlauf und chirurgische Behandlung. 

Von 

Prof. Dr. Heinrich Klose. 

Der Krieg hat uns durch seine tiefgreifende Demoralisation 
nach eine erschreckende Zunahme der Gonorrhoe gebracht. 
Zweifellos haben auch die Gelenkkomplikationen zugenommen, 
nnd dadurch hat diese Erkrankung eine erhöhte chirurgische Be¬ 
deutung gewonnen. Während wir vor dem Kriege in etwa 
2 pCt. aller Tripperinfekte eine gonorrhoische Gelenk¬ 
entzündung auftreten sahen, ist heute die fünffache 
Anzahl nicht zu hoch gegriffen. 95 pCt. aller io die 
Frankfurter chirurgische Klinik eingeiieferten Gelenkerkran¬ 
kungen sind gegenwärtig gonorrhoischer Natur; dabei 
ist noch za bemerken, dass dem Chirurgen gewöhnlich nur die 
schwersten Fälle zugehen. Mehrere Ursachen sind für diese 
Häafung anzuschuldigen: eigene Gleichgültigkeit, forcierte 
and unzweckmässige Behandlung des primären Infektes stehen an 
erster Stelle. Zweitens muss berücksichtigt werden, dass sich 
die Erkrankung in einem durch die Kriegswirkungen ge¬ 
schwächten und erschöpften Organismus abspieit. Es 
bedarf nur einer Vorbereitung der Gelenke auf dem Boden von 
Traumen verschiedenster Art, um den in geringer Zahl im 
Blute kreisenden Erregern oder ihren Toxinen einen Angriffs¬ 
punkt zu gewähren. 

Das die Komplikation anslösende Trauma verdient dabei 
unsere besondere Beachtung, insofern als es durchaus keine 
schwere Verletzung zu sein braucht. Beispielsweine kann längeres 
Stehen und Gehen bei Männern oder der dauernde Gebrauch der 
Hand und Ellenbogengelenke bei Frauen genügen, um eine gün¬ 
stige Bedingung zur Ansiedelung der Gonokokken in den funk¬ 
tionell am meisten belasteten Gelenken zu schaffen. Lokalisation 
and klinische Eigenheiten des Verlaufes finden darin ihre bak¬ 
terielogische Aetiologie. 


ALT. 

Fischer: Ueber das Auftreten der Mikrosporie in Berlin and ihren 
Erreger, eine neue Varietät des humanen Typs. (Aus der derma¬ 
tologischen Abteilung des Rudolf Virohow- Krankenhauses (dirig. 
Arzt: Prof. Dr. Buschke.) S. 996. 

Lubarsoh: Zur Neuordnung des ärztlichen Unterriohts und Prüfungs¬ 
wesens. (Fortsetzung.) S. 998. 

Bfiekerbesprechangea : v. Kern: Sehprobentafeln. (Ref. Napp.) S. 1002. 
— Kopsoh: Die Entstehung von Granulationsgesohwülsten und 
Adenomen, Karzinom und Sarkom durch die LarVe der Nematode 
Rhabditis pellio. (Ref. v. Hansemann.) S. 1003. — Abderhalden: 
Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. (Ref. Wohlgemuth.) 
S. 1003. 

Literatur -Auszüge: Physiologie. S. 1003. — Therapie. S. 1003. — 
Parasitenkunde und Serologie. S. 1003. — Innere Medizin. S. 1003. 
Verhaadlugen ärztlicher Gesellschaften : Medizinische Sektion 
der schlesisohen Gesellschaft für vaterländische Cultur 
zu Breslau. S.1005.—Aerztlioher Verein zu Hamburg. S.1005. 
Spatz: Franz Nissl +. S. 1006. 

Tagesgesohiohtl.Notizen. S. 1007. — Amtl.Mitteilungen. S. 1008. 


I. Entstehung and Typen. Um zu einem klaren Ver¬ 
ständnis der Pathogenese und Verlaufsarten der gonor¬ 
rhoischen Gelenkentzündung za gelangen, müssen wir uns folgen¬ 
des vergegenwärtigen: sie tritt während des floriden Infektes 
meistens in der dritteu und vierten, vereinzelt in der ersten und 
zweiten Woche auf. Seltener wird sie auch noch mehrere 
Monate nach Ablauf des akuten Stadiums beim chronischen 
Tripper beobachtet, wenn durch eine aktive Behandlung oder 
alkoholische Exzesse die Gonokokken auf die tieferen, eine 
schnellere Resorption vermittelnden Schichten der 
erkrankten Schleimhaut und damit in die Blutbahn ge¬ 
langen. Es ist also für die embolisch-mykotische Verschleppung 
weder ein Uebergreifen des Genitalprozesses auf die Pars 
posterior und Prostata noch anf das Endometrium ausschlag¬ 
gebend. 

Der metastatische Charakter der gonorrhoischen 
Gelenkentzündung ist erwiesen, einmal aus der Anwesenheit 
der spezifischen Erreger in dem Gelenkexsudat, die aus ihm in 
50—60 pCt. unserer Fälle auf geeigneten Nährböden gezüchtet 
werden können, und dann auch durch die Befunde im kreisenden 
Blute selbst, wo sie immerhin schon von einigen Autoren fest¬ 
gestellt wurden. Ein kleiner Prozentsatz der Erkrankungen mag 
lediglich durch Gonokokkentoxine verursacht sein. 

Für die Metastasierung sind die grossen Gelenke in hohem 
Maasse geeignet und unter ihnen steht mit mehr als 50pCt. 
das Kniegelenk obenan. Das hat seinen Grund allgemein in 
der reichlichen kapsulären Gefässversorgung des jugendlichen 
nnd knochenkräftigen Alters und im besonderen in der Aus¬ 
dehnung des synovialen Gefässnetzes des grössten und funktionell 
stark in Anspruch genommenen Gelenkes. Es folgen dann Fuss-, 
Schulter-, Hand-, Ellenbogen- und Fingergelenke. Es kann aber 
jedes Gelenk einmal gonorrhoisch erkranken. Auch solche Ge¬ 
lenke, die von anderen Erkrankungen nur sehr selten befallen 
werden, sind von der Tripperentzündung nicht ausgeschlossen, 
so das Kiefergelenk, das Sternoklavikulargelenk und selbst die 
Kehlkopfgelenke. 

Männer and Frauen erkranken gleich häufig, nur 
werden bei Männern häufiger die unteren Extremitätengelenke, 
bei Franen die oberen befallen. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42 


Wir müssen nach pathologisch-anatomischen und klinischen 
Gesichtspunkten zwei wohl zu trennende Verlaufsarten 
unterscheiden, zwischen denen natürlich — und das ist bei 
den schwarten Formen die Regel — mannigfache Kombinationen 
Vorkommen. Beide Typen können, wie in einzelnen Fällen be¬ 
kannt geworden ist, durch Gonokokkenallgemeininfektion mit 
Metastasierung den Tod herbeiführen. 

1. Der gonorrhoische Gelenkerguss. Siedeln sich die 
Gonokokken in dem oberflächlichen, die Gelenkschmiere pro¬ 
duzierenden Synovialüberzug an, so tritt die Bildung eines 
Gelenkböhlenexsudates in den Vordergrund der klinischen 
Erscheinungen. Meist bleibt es beim reinen oder trübserösen 
Hydrops, öfter findet man auch mehr oder weniger reichliche 
Beimengungen von Fibrinflocken zu einem sero-fibrinösen Ex¬ 
sudat Selten sind hämorrhagische Ergüsse. Andere Autoren 
haben auch den rein eitrigen Erguss beobachtet. Wir selber 
wollen diese Art des leukozytenreichen Exsudates als Ausdruck 
des isoliert gonorrhoischen Gelenkinfektes zwar nicht leugnen, 
haben sie aber bisher nicht gesehen, ohne dass Mischinfektionen 
mit Staphylokokken zugrunde lagen. Offenbar entfaltet der 
Gonokokkus im Gelenke nur unter besonderen uns bisher unbe¬ 
kannten Bedingungen seine pyogene Fähigkeit. 

Unter dem Einfluss der exsudativen Entzündung verliert die 
Synovialmembran ihren Glanz, ist stark gerötet, geschwollen, auf¬ 
gelockert. Frühzeitig werden die Gelenke in Entlastungs¬ 
stellung gebracht, weil so durch die gross möglichste Kapazität 
die Schmerzen am geringsten sind. Bei längerem Bestehen eines 
sehr grossen Ergusses weitet sich der Kapselbandapparat, wo¬ 
durch der Eintritt eines Schlottergelenkes begünstigt wird. 
Durch ungleichmässige Schrumpfung einzelner Teile des Kapsel¬ 
bandapparates kommen auch recht häufig Subluxationsstel¬ 
lungen der Gelenke zustande, wobei man den Eindruck ge¬ 
winnt, „als ob das Gelenk mit unwiderstehlicher Gewalt in die 
falsche Stellung gezogen würde u . Späterhin verwischt sich der 
primär exsudative Charakter der Entzündung durch sekundäre 
produktive Prozesse. Es kann schliesslich von der bindegewebigen 
Synovia ein reichlich vaskularisiertes Granulationsgewebe 
ausgehen, das den Knorpelüberzug der Gelenkkörper überwäcbst, 
arrodiert und den Gelenkspalt ausfüllt; es kann sich auch in 
seltenen Fällen eine Hypertrophie der Zotten als Folge des 
chronischen Reizzustandes entwickeln mit dem Endstadium der 
Arthritis villosa. 

Es ist klar, dass uns der exsudative Charakter der Tripper¬ 
gelenkerkrankung am ausgeprägtesten an den Gelenken mit 
grösserem Kapselhohlraum entgegentritt. Dementsprechend werden 
wir diesem Typus der Erkrankung weniger an den kleinen und 
kleinsten Gelenken begegnen. 

Der gonorrhoische Gelenkerguss befällt meistens mehrere 
Gelenke zugleich und ähnelt dadurch der rheumatischen 
Polyarthritis, wenngleich die Gelenke gewöhnlich nicht so zahl¬ 
reich, dafür aber hartnäckiger ergriffen werden. Wir müssen die 
vielfach geäusserte Ansicht bekämpfen, nach der stets bei der 
gonorrhoischen Arthritis im Gegensatz zur rheumatischen Poly¬ 
arthritis nur ein Gelenk erkrankt. Schon aus diesen diagnostisch, 
und wie wir gleich sehen werden, prognostisch wichtigen Grün¬ 
den ist, wenn möglich, eine Trennung der beiden Verlaufstypen 
durchzuführen. Auch Nolen fand bei 118 Fällen von gonor¬ 
rhoischer Gelenkentzündung nur 23mal eine reine Monarthritis. 

Die Schmerzen sind sehr erheblich, das Fieber erreicht 
nur selten über 40 Grad. Der Genitalausfluss nimmt, sofern er 
noch bestand, häufig mit dem Ausbruch der Komplikation ab, 
wohl als Folge des Fiebers, wie ja auch sehr oft das Hinzutreten 
anderer fieberhafter Erkrankungen eine günstige, allerdings vor¬ 
übergehende Beeinflussung des primären Infektes mit sich bringt 

2. Die gonorrhoische Kapselphlegmone. Bei dieser 
Form ist das subsynovial gelegene, zahlreiche Blut- und Lymph- 
gefässe führende Bindegewebe der Gelenkkapsel und ihrer Hilfs¬ 
apparate der Hauptsitz der Erkrankung. Demgemäss tritt die 
eigentliche Höhlenexsudation zurück, vielmehr gibt eine phleg¬ 
monöse Infiltration der fibrösen Kapselteile dem klinischen 
Bild ihr Gepräge. Vom Kapselbandapparat erstreckt sich die¬ 
selbe sehr bald auf das para artikuläre Gewebe, wobei es so gut 
wie nie zur Eiter- und Abszessbildung kommt. Die gonorrhoische 
Phlegmone zeichnet sich durch eine eigentümliche gallertig sulzige, 
graue Beschaffenheit des Gewebes aus, das mit trüb-serösem ent¬ 
zündlichen Oedem durchsetzt ist. Wird auch die eitrige Ein¬ 
schmelzung fast ganz vermisst, so ist der Name „Phlegmone“ 
doch zutreffend, wenn wir das Hauptgewicht auf das schnelle 


Fortschreiten in die Umgebung des Gelenkes, in die 
Muskelzwischenräume, Sehnenscheiden und Schleim* 
beutel, auf die erheblich entzündliche Schwellung der 
Kapsel und die hervorragende Schmerzhaftigkeit legen. 
Untersucht man histologisch eine derartige mehr akut „phleg¬ 
monöse“ Kapsel, so sind ihre sämtlichen Gewebsschichten durch 
Oedem stark auseinandergedrängt. Besonders der subsynoviale 
Anteil zeigt eine ausgedehnte Plasmazelleninfiltration, die in be¬ 
sonders charakteristischer Weise um die Gefässe herum ange¬ 
ordnet sind. Hier gelingt dann auch in den Frühstadien mit 
Hilfe spezifischer Färbemethoden der Nachweis der Gonokokken. 

Für die Diagnose der Kapselphlegmene lassen sich aus 
den pathologisch anatomischen Befunden gegenüber der exsudativen 
Form folgende Unterschiede herleiten: die Gelenkkapsel selbst 
ist bedeutend verdickt, die Umgebung, die Haut inbe¬ 
griffen, teigig-ödematös, hoch gerötet. Während bei¬ 
spielsweise beim Kniegelenk die diffuse Schwellung sich bis zur 
Mitte des Ober- und Unterschenkels ausdehen kann, wodurch 
das Gelenk einem Fungus ähnlich wird, fehlen die mehr oder 
weniger plastischen und charakteristischen Auftreibungen der Ge- 
lenkrezessus. Jede aktive und passive Bewegung ist un¬ 
möglich, selbst die geringste Berührung löst häufig laute 
Schmerzen88chreie aus. Gewöhnlich und glücklicherweise lo¬ 
kalisiert sich die gonorrhoische Kapselphlegmone auf 
nur ein Gelenk. Auch ist sie in ihrer reinen Form viel 
seltener als der gonorrhoische Gelenkerguss. 

II. Die Prognose. Durch energische Behandlung 
wird die Mehrzahl der gonorrhoischen Gelenkergüsse 
zur Re Sorption ge bracht,ohne funktionelle Schädigungen 
zu hinterlassen. Hingegen hat die phlegmonöse Form 
die ausgesprochene Neigung zur narbigen Schrumpfung 
des Kapselbandapparats. Infolgedessen kommt es zur kon¬ 
zentrischen Verödung des Synovialschlauches, zur Entstehung von 
Knorpelgeschwüren und weiterhin zur flächenhaften Verwachsung 
der Gelenkfläcben. Es entsteht sogar recht häufig und auffallend 
schnell aus der fibrösen eine ossale Ankylose, und sehr bald 
sind auch Stellungsanomalien der Gelenke zugegen. Wir 
können oftmals schon nach vier Wochen im Röntgenbild eine 
zunehmende Verkleinerung des Gelenkspaltes wahnehmen, ja wir 
verfügen über Beobachtungen, die bereits nach zehn bis fünfzehn 
Wochen ein völliges Verschwinden des Gelenkspaltes erkennen 
Hessen. Der Ausgang der schwersten gonorrhoischen Kapsel¬ 
phlegmone ist also gewöhnlich der, dass nach einem monatelangen 
qualvollen Krankenlager die Gelenkfunktion völlig erlischt. Die 
Gelenkversteifungen sind es, die die Prognose dieser Erkrankungs¬ 
form so ernst und gefürchtet machten. Payr hält es für ärzt¬ 
liche Pflicht, den Kranken nach Sicherung der Diagnose auf 
die schwerwiegenden funktionellen Folgen im voraus binzuweisen. 
Nach unseren Erfahrungen sch Hessen wir uns der Payr ’schen 
Mahnung an. 

III. Die Therapie. Ihre Aufgabe besteht darin: 

a) die Schmerzen, den Infekt und seine Entzündungs¬ 
produkte zu beseitigen; 

b) möglichst ein funktionell vollwertiges Gelenk 
zu erzielen. Natürlich ist die prophylaktische Aufgabe 
ebenso wichtig, wenn man hört, dass ein Patient 19 mal ein 
Tripperrezidiv und ebenso oft eine Arthritis gonorrhoica erlitt. 
Bei einmaliger spezifischer Gelenkerkrankung sind im Falle des 
Rezidives oder der Neuinfektion und Exazeibation eines chronischen 
Trippers fast mit Bestimmtheit auch Gelenkrezidive zu erwarten. 
Von «dieser vorbeugenden, die Verstopfung der Infektionsquelle 
erstrebenden Aufgabe kann hier nicht die Rede sein. 

Ad a) Jedes akut erkrankte Gelenk bedarf der Ent¬ 
lastung und Ruhigstellung. Dazu ist sachgemässe Schienung 
und gleichmässige Bindeneinwicklung des Gelenkes durchaus nötig. 
Grössere Gelenkergüsse besonders die der Hüfte legt man am 
besten in kräftige Extension. Ein souveränes Mittel gegen go¬ 
norrhoische Entzündungen ist die Bier’sche Stauung. Sie darf 
allerdings nur in der Klinik angewandt werden wegen der un¬ 
erlässlichen Kontrolle einer exakten Dosierung. Zu stark schadet 
sie, zu wenig nützt sie nichts. Je akuter der Prozess, um so 
höher die Stundenzahl der Stauung. In ganz frischen Fällen staut 
man 22 Stunden hindurch: die Schmerzen schwinden augenblick¬ 
lich, die Toxine werden durch das Oedem verflüssigt und schneller 
resorbiert. Viele suchen die Wirkung der Stauung durch inner¬ 
liche Gaben von Jodkalium oder Natrium salicylicum und Atophan 
zu verstärken. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





20. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Neuerdings wird durch Injektion polyvalenter Gono¬ 
kokken vakzine, Artbigon oder Gonargin, eine aktive Immuni¬ 
sierung und damit ein beschleunigter Rückgang der entzündlichen 
Erscheinungen erzeugt. Man injiziert vom Arthigon in steigenden 
Dosen 0,5 g am ersten Tag, 1,0 g am dritten Tag, 1,5 g am 
fünften Tag, 2,0 g am siebenten Tag. Weitere Versuche mit diesen 
Mitteln sind empfehlenswert. 

Ausgehend von der Tatsache, dass Gonokokken in vitro bei 
Temperaturen über 42° C zugrunde gehen, hat Weiss heisse Voll¬ 
bäder in die Therapie der allgemeinen und auch der Gelenk¬ 
gonorrhoe eingeführt. Bei erreichten Mundtemperaturen bis zu 
43° und bis 80 Minuten Dauer berichten einige Autoren von 
glänzenden Erfolgen, die hingegen von anderen stark augezweifelt 
werden. 

Oertlich werden Moor- und Fangopackungen sowie Kata- 
plasmierungen des Gelenkes und Heissluftbehandlung — täglich 
bis 1 Stunde — angewandt. Franz König hat empfohlen, das ganze 
Gelenk mehrmals bis zur Blasenbildung oder Gerbung der Haut 
mit Jodtinktur anzustreicben. 

Die Kombination aller zur Verfügung stehenden allgemein 
und lokal wirkenden Mittel bedeutet bei einer so folgenschweren 
Erkrankung keine Polypragmasie. Sie alle können gelegentlich 
in einer der Lage des Falles angepassten Auswahl Gutes leisten. 

Ad b) Um einer Kapselerschlaffung vorzubeugen, 
werden erhebliche Exsudate, die sich nach 8 Tagen nicht wesent¬ 
lich resorbiert haben, punktiert. Der Punktion folgt eine Aus¬ 
spülung mit */a P r °z- Karbolsäure, andere injizieren kleine Mengen 
von Jodtinktur oder LugoPscher Lösung. 

Die Arthrotomie gonorrhoisch erkrankter Gelenkei 
ist bisher nur selten ausgeführt worden. Infolgedessen hat sich 
eine erfahrungsmässig festgelegte Indikationsstellung noch nicht 
herausgegildet. Als der Erste berichtet wohl Christen 1898 
über einige Fälle von Arthritis gonorrhoica, die erfolgreich mit 
Eröffnung des Gelenkes und nachfolgender antiseptischer Aus- 
Ausspülung behandelt wurden. König teilt 1896 die Operation 
eines gonorrhoisch erkrankten Schultergelenks mit, das mit guter 
Beweglichkeit ausgebeilt ist. Dabei hat es sich wohl kaum um eine 
Kapselphlegmone gehandelt. Auch in der Bergmännischen Klinik 
wurde vereinzelt die operative Eröffnung gonorrhoischer Arthri¬ 
tiden vorgenomraen. Nasse stellte erstmalig den Grundsatz auf, 
dass solche Fälle gonorrhoischer Gelenkentzündung operativ 
anzugreifen seien, die der Behandlung lange Zeit trotzen und 
deren Prognose in bezug auf die Funktion sowieso schlecht ist. 

1917 hat endlich Wilms seine Erfahrungen hinsichtlich der 
operativen Behandlung phlegmonös-gonorrhoischer Arthritiden 
mitgeteilt: sie gipfeln vor allem in der Erreichung funktionell 
guter Resultate durch Ermöglichung einer frühzeitigen, energischen 
mediko- mechanischen Nachbehandlung. 

Der Rehn’schen Klinik steht eine reiche operative Erfahrung 
zu Gebote, die sich auf eine bestimmte Indikationsstellung 
aufbaut. Seit dem Jahre 1909 haben wir systematisch die 
schwersten Erkrankungsformen operiert. Die Arthrotomie 
wird ausgeführt: 

1. Beim gonorrhoischen Gelenkerguss: 

a) wenn nach einmaliger Punktion ein erneuter Erguss mit 
erheblicher Kapseldebnung unter Schmerzen sich ausbildet; 

b) wenn sich die Anfänge einer Subluxationsstellung des 
Gelenkes bemerkbar machen. 

2) Bei phlegmonösen und gemischten Erkrankungs¬ 
formen: 

a) frühzeitig im Verlaufe der ersten Tage einer schwersten- 
Phlegmone, wenn die Kranken durch Schmerzen und Schlaf¬ 
losigkeit sichtlich herunterkommen; 

b) bei gonorrhoischen Allgemeininfektionen, die von einem 
Gelenkinfekt ausgehen; 

c) bei schweren primären Infekten mit Komplikation von seiten 
des Genital- oder uropoetischen Systems, die eine energische 
konservative Behandlung der Gelenkinfektion erschweren. 

d) bei multiplen Gelenkinfekten, die einer gleichzeitigen 
Behandlung nicht zugänglich sind, nach sorgfältiger Auswahl der 
betreffenden Gelenke; 

e) grundsätzlich nach drei Wochen, wenn in dieser Zeit 
eine zielbwusste Behandlung schwerster Infekte keinen merkbaren 
Rückgang der subjektiven Beschwerden erreicht hat. Dabei ist 
vor allem die frühzeitig beginnende Kontrakturstellung 
des Gelenks durch Infiltration der Beugesehnen zu beachten 
und zu verhindern. Eine systematische Kontrolle durch 
das Röntgenbild belehrt uns über eintretende Kapsel- 


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Schrumpfung, über Atrophie der Gelenkkörper und Un¬ 
scharfwerden ihrer Konturen. 

Die Erfolge der Arthrotomie beruhen wohl auf der Ab¬ 
leitung der toxinhaltigen Gewebsflüssigkeit und der dadurch be¬ 
dingten allgemeinen Entlastung des Gewebes. Wie tnit einem 
Schlage sind die Schmerzen beseitigt, womit sich dann eine 
Hebung des Allgemeinzustandes einleitet. Das Heilverfahren 
wird, um lange qualvolle Monate verkürzt. Zwei bis drei Wochen 
nach der Operation kann bereits die mediko-mechanische Nach¬ 
behandlung einsetzen. 

Wir müssen Heilung richtig verstehen: bei den kleinen 
Gelenken kehrt durchweg vollwertige Gelenkfunktion zurück. 
Anders beim Hüft- und besonders beim Kniegelenk, wo sich 
in dem grossen, für die Gleitbewegungen so bedeutsamen oberen 
Reze88U8 die Narben- und Verwachsungen erzeugenden Eigen¬ 
schaften der Gonokokken baldigst geltend machen. * Bedenkt man, 
dass diese schwersten Fälle ohne Operation ausnahmslos nach 
vielen Monaten in völliger Ankylose enden, so sind in kurzer 
Zeit zu erreichende aktive Bewegungsausmaasse um 
Winkel von 40—60* doch als recht erfreuliche Resultate zu 
buchen'. In 14pCt. der von uns operierten Kniegelenkserkran¬ 
kungen, die bereits irreparable Schädigungen aller Gelenkanteile 
erlitten hatten, liess sich eine Ankylose nicht mehr vermeiden; 
hier müssen wir uns mit der Kupierung der subjektiven Symptome 
begnügen. 

Seit Kriegsende haben wir 35 Fälle operiert und zwar 
2 Handgelenke, 4 Fussgelenke, 2 Hüftgelenke, 1 Ellenbogengelenk. 
Alle übrigen (26) waren KniegelenksentzünduDgen. 

Ueber die Technik ist nnr wenig zu sagen. Das Knie¬ 
gelenk wird in typischer Weise durch zwei bogenförmige Schnitte 
zu beiden Seiten eröffnet; das Ellenbogengelenk durch einen 
Schnitt lateral vom Olekranon und nach dem Vorgänge von 
Wilms noch durch einen medialen zweiten Schnitt vor dem 
Condylus internus. DaR Hüftgelenk haben wir gewöhnlich von 
vorneher angegriffen, Wilms legt die hintere Kapsel frei und 
macht dann mehrere Einschnitte. Das Schultergelenk eröffnen 
wir von einem Schnitt am medialen Rand des Musculus deltoideus, 
an der Bizepssehne vorbei. Fass und Handgelenk werden durch 
mehrere Inzisionen zwischen den Strecksehnen freigelegt. Wilms 
legt Gewicht darauf, dass Haut- und Kapselschnitt nicht in das 
gleiche Niveau fallen, um Sekundärinfektionen zu vermeiden. 
Diese Vorsicht ist nicht unbedingt nötig. Grössere Gelenke 
werden ausgespült und eventuell mehrfach drainiert. 

Das operierte Gelenk wird für 8—14 Tage ruhiggestellt, an 
der unteren Extremität durch Gipsverband. Dann kann die Wunde 
durch sekundäre Nabt geschlossen werden. 

Auf die Indikation und Methodik der operativen Mobilisierung 
gonorrhoisch versteifter Gelenke kann hier nicht eingegangen 
werden. Uns lag daran, auf die grosse Leistungsfähigkeit der 
chirurgischen Behandlung anch in ihrer gegenwärtigen sozialen 
Bedeutung hinzuweisen und ebenso andere Kliniken zu veranlassen, 
zu den angeregten Fragen Stellung zu nehmen. 


Behandlung der Diphtherie nach Behring 
oder Bingel? 

Von 

Dr. Max Klotz, 

Direktor des Kinderhospitals in Lübeck. 

Bisher hat die Behandlung der Diphtherie mit antitoxin¬ 
freiem Serum nach Bingel keine Fürsprecher gefunden. Ueber- 
rascbt hat die Bingel’sche These in der medizinischen Welt un- 
gemein. Instinktiv wendeten sich Opposition und Zweifel da¬ 
gegen. Und selbst die von vornherein niemals eine befriedigende 
Aufklärung versprechende Annahme, Bingel habe mit Serum 
ausrangierter Heilserumpferde gearbeitet, wurde ernstlich gegen 
Bingel verwertet, bevor man auf breiter Grundlage an eine 
klinische und experimentelle Nachprüfung der Frage heranging. 
Von klinischerSeite — um nur Feer, Czerny, die StrümpeU’sche 
Klinik zu nennen — Wird die Leerserumbehandlung mehr oder 
weniger abgelebnt. Die experimentelle Pathologie und Therapie 
vollends hat in Nachprüfung der Grundlagen der Bingel’schen 
Auffassung inzwischen ein Tatsachenmaterial angebäuft, das 
geradezu imponiert durch die Lückenlosigkeit der Beweisführung. 
Danach müsste eine weitere Diskussion über die Frage: leeres 
oder antitoxinhaltiges Serum? gegenstandslos sein, dei n die be- 

1 * 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


dingungslose Ueberlegenbeit des Heilserums ist im Tierversuch 
schlagend erwiesen. Aber leider eben nur im Tierversuch. In 
der menschlichen Pathologie liegen die Dinge wesentlich anders. 
So ist Bingel auf Grund mehrjähriger Beobachtung am Kranken¬ 
bett überzeugt, dass die Unterschiede in der Wirksamkeit beider 
Sera nicht gross sind, und seit jeher bilden ja die Misserfolge 
der antitoxischen Serumbebandlung — bei rechtzeitiger An* 
Wendung und höchsten Dosen — für Klinik und Laboratorium 
ein ForschuDgsproblem. Selbst wenn wir an die Bingel’sche 
Veröffentlichung den schärfsten Maassstab der Kritik legen und 
in Widerspruch zu Bingel aus ihr den Schluss ableiten, dass 
allenfalls eine Gleichwertigkeit der Leerserumbehandlung mit 
der antitoxischen besteht, keineswegs aber eine Ueberlegenheit, 
so kommen wir doch eben um diese überraschende Tatsache nicht 
herum. Ich selbst habe seit dem Winter 1918/19 die Behand¬ 
lung mit Leersernm durchgeführt und möchte, veranlasst durch 
die in letzter Zeit sich häufenden Publikationen, Stellung hierzu 
nehmen. 

Meiner Auffassung nach ist die durch Bingel akut gewordene 
Frage: Leerserum oder Heilserum? schon jetzt präzise zu beant¬ 
worten. Und zwar muss man bei der Beantwortung von einem 
Gesichtspunkt ausgehen, welcher in den bisherigen Veröffent¬ 
lichungen weit schärfer hätte betont werden müssen: Die Verant¬ 
wortung des Arztes dem Kranken und sich selbst gegenüber. 
Der Arzt übernimmt dem Kranken gegenüber die moralische 
Verpflichtung, dasjenige Heilmittel in Anwendung zu bringen, 
welches nach der herrschenden Lehrmeinung die meiste Heil¬ 
wirkung verspricht. Und das ist das Heilserum. Wenn unglück¬ 
licherweise gerade bei der Behandlung der Diphtherie Tier¬ 
experiment und Wirklichkeit in gewissem Widerspruch stehen, 
so darf uns das nicht abbalten, doch dasjenige Heilmittel an¬ 
zuwenden, welches die grösste Heilwirkung in sich trägt. An¬ 
genommen, dass in 99 von 100 Fällen dem Leerserum Erfolg 
beschieden sei, so wird der menschlich fühlende Arzt an dem 
hundertsten, aber unglücklich ausgehenden Fall, an diesem ein¬ 
zigen Febl8chlag schwerer tragen als an 99 glücklichen Ans¬ 
gängen. Er wird sein ärztliches Gewissen nicht damit beruhigen 
können, dass er sich aus seiner Praxis erinnert, wie auch mit 
Heilserum erschütternde Misserfolge nicht zu vermeiden waren. 
Er wird die Frage der inneren Stimme: „Hätte hier das Heil¬ 
serum nicht doch besser gewirkt? 11 nicht leicht beschwichtigen 
können. Denn er weiss, von welch unbekannten geheimnisvollen 
Möglichkeiten der Verlauf einer Diphtherie oft abhängt. Bei 
jeder Spritze Leerserum, die der Arzt gibt, wird ihn das un¬ 
behagliche Gefühl beschleichen: die experimentelle Medizin, der 
wir das Beste in der Therapie verdanken, lehrt, dass das Heil¬ 
serum im Tierversuch dem Leerserum weit überlegen ist. Ueberall 
folgen wir sonst dieser Lehrmeisterin; hier, bei dieser tückischen 
Krankheit dagegen nicht. 

Es lässt sich die Tragik dieses Konfliktes zwischen Wissen¬ 
schaft und Praxis nicht verkennen, aber der Weg für den Prak¬ 
tiker ist meines Erachtens klar durch höhere Gesichtspunkte 
vorgezeichnet. Er darf sich in der ärztlichen Moral durch die 
Misserfolge der antitoxischen Behandlung und die gewiss höchst 
unliebsamen oft enormen Kosten des Heilserums nicht wankend 
machen lassen, und er wird jeden Diphtheriekranken, den er 
überhaupt spritzt, mit Heilserum spritzen. Selbstverständlich auch 
bei der prophylaktischen Injektion. Glaubt der Arzt in leichteren 
Fällen ohne Iojektionsbehandlung auszukommen, so tue er es, 
wenn er es verantworten zu können glaubt. Aber wenn er spritzt, 
dann stets und immer nur Heilserum. 

Ich selbst also rate den Praktikern aus dem eben ent¬ 
wickelten Gedankengang heraus, kein Leerserum zu geben und 
scheide in dieser Frage zwischen Wissenschaft und Praxis. 
Meine persönlichen Erfahrungen über das Leerserum sind soweit 
zum Abschluss gelangt, dass ich mir ein durchaus abgerundetes 
Bild über seine Wirksamkeit bei der Diphtherie machen kann. 
Und zwar habe ich — fast möchte ich sagen leider — Günsti¬ 
geres vom Leerserum gesehen als die meisten Beobachter, die 
nach Bingel bisher darüber zu Wort gekommen sind. Ich habe 
nicht die Ueberzeugung gewonnen, dass schwerste Diphtherie 
(sogenannte Diphtherie III) durch Heilserum wesentlich günstiger 
beeinflusst wird als durch Leerserum. Ich selbst habe ferner 
keineswegs gesehen, dass die Beläge bei Leerserum immer 
wesentlich später abgestossen werden als bei antitoxiscbem Serum, 
und habe bereits früher darauf hingewiesen, dass in dieser Hin¬ 
sicht irrtümliche Auffassungen zu herrschen scheinen, indem man 
dogmatisch annimmt, dass die Beläge bei Heilserum immer eher 


verschwinden. Das ist schon vor Jahren von kritischen Beob¬ 
achtern als irrig erwiesen worden. Es besteht auch vielfach die 
Ueberzeugung, dass zwischen der Dauer der Membranhaftung und 
der Möglichkeit toxischer Schädigungen eine Reziprozität besteht, 
die von vornherein durchaus einleuchtend wäre. Ich habe aber 
keine Erfahrungen gemacht, die mich zwingen könnten, dieser 
Auffassung beizupflichten. 

leb sah Dutzende von Malen, dass trotz Heilseruminjektionen 
— auch bei intravenöser und zwar wiederholter Applikation — 
die Membranen Zunahmen, von der einen Tonsille auf das Zäpf¬ 
chen, die andere Tonsille wanderten und den Rachen ausfüllten. 
Ja, ich sah wie bei Leerserum so auch bei Heilserum ein Weiter¬ 
greifen auf den Kehlkopf, so dass Tracheotomien notwendig 
wurden. Hier muss ich allerdings eine Einschränkung machen. 
Ich möchte auf Grund neuer Erfahrungen glauben, dass man 
durch prinzipielle Anwendung der intravenösen Injektion hoher 
Dosen (500 I. E. pro Kilo) und erforderlichenfalls täglich wieder¬ 
holte Injektion, vielleicht doch noch die Resultate der Heilserum- 
behandlung wird verbessern können. 

Ich kann also aus meinen klinischen Erfahrungen heraus 
mich dem absoluten Verdikt des Leerserums nicht anschliessen. 
Ich habe selbst im Gegensatz zu Birk bei prophylaktischen Dosen 
von 1500 Einheiten den Ausbruch von Rachendiphtherie bei 
Kindern erlebt. 

Auf die Frage der Behandlung mit Leerserum auf klinischen 
Abteilungen ausführlich einzugehen, ist hier nicht der Platz. 
Das wäre auch ein weites Feld der Diskussion. Soviel steht 
schon heute ganz unbestreitbar fest, dass man keinem Diphtherie- 
kranken durch Behandlung mit Leerserum mehr nützt, als wenn 
man Heilserum spritzt. Dem für Anstalten ausserordentlich be¬ 
deutungsvollen Vorteil der Verbilligung der Diphtheriebehandlung 
durch Leerserum stehen so viele Bedenken gegenüber, dass man 
der Behandlung nicht recht froh wird. Es sind sehr viele 
Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ehe man klinisch Leerserum 
spritzt, und erst sehr grosse Erfahrungen berechtigen den Ge- 
reifteren dazu, sich dieser Methode zu bedienen. Das grosse 
Problem: Worauf beruhen bei ausreichender Dosierung und recht¬ 
zeitiger Anwendung die Versager der Heilserumbehandlung und 
wie können wir sie vermeiden? wird im Grunde durch die Leer¬ 
serumtherapie gar nicht berührt. Darüber dürfte sich auch der 
wohlwollendste Kritiker Bingel’s klar sein und aus dieser Er¬ 
kenntnis seine Konsequenzen ziehen. Durch die Leerserum- 
bebandlung ist das Problem überhaupt nur auf ein anderes Gleis 
geschoben worden. Wir wissen jetzt, dass es mit der Leer- 
aerumbehandlung insofern nichts auf sich hat, als wir die Mor¬ 
talität der Diphtherie dadurch in keiner Weise stärker herab¬ 
setzen können als durch Heilserum. An dieser Tatsache lässt 
sich nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse nicht rütteln, 
und darin liegt das Urteil über die relative Nutzlosigkeit der 
Leerserumbehandlung bei der Diphtherie. Aber Bingel hat in¬ 
direkt das Verdienst, durch seine Zweifel an der Heilserum¬ 
wirkung die Forschung mobil gemacht zu haben. Und dieser 
Anregung verdanken wir wichtige Erkenntnisse. 

Wir wissen jetzt, dass im Heilserum zwei Faktoren wirksam 
sind: die spezifische Heilwirkung des Antitoxins und die un¬ 
spezifische Wirkung des artfremden Serums mit ihrer, wenn auch 
noch nicht aufgeklärten, so doch unzweifelhaften, merkwürdigen 
Stimulierung der Abwehrkräfte des erkrankten Organismus. Aus 
dieser Erkenntnis müssen wir, wie das schon Czerny betont hat, 
die logische Folgerung ableiten, nicht einseitig den Antitoxin¬ 
gehalt des Heilserums in die Höhe zu treiben auf Kosten der un- 
spezifischen Serumkomponente. Denn auch dem leeren Serum 
wohnen wichtige Heilkräfte inne. 

Aus dem Kinderhospital zu Lübeck (Direktor: Dr. Klotz). 

Zur Frage der Diphtheriebehandlung mit nor¬ 
malem Pferdeserum. 

Von 

Dr. K. Dora. 

Während im Tierexperiment durch die Arbeiten von Ko Ile 
und Schlossberger 1 ) und von S. Meyer 2 ) mit einer an 
mathematische Beweisführung grenzenden Sicherheit die völlige 

1) Kolle und Schlossberger, Med. Klin., 1919, Nr. 1, 4, 93, 
94, 31. 

S. Meyer, M.m.W., 1919, Nr. 81. 


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Original from 

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20. Oktober 1919 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ueberlegenheit des antitoxischen Serums über das sogenannte 
Leerserum, bzw. die fast völlige Unwirksamkeit des letzteren be¬ 
wiesen worden ist, konnte man für die menschliche Pathologie 
bisher nicht zu derartig eindeutigen Resultaten gelangen. Gegen¬ 
über der Bingel’schen Auffassung von der Gleichwertigkeit des 
Normalpferdeserums und des Heilserums erschienen bisher ab¬ 
lehnende klinische Mitteilungen von Feer 1 ) und von Karger 2 ). 
Ohne die Frage irgendwie entscheiden zu wollen, möchte ich nur 
kurz erklären, dass wir nach unseren bisherigen klinischen Er¬ 
fahrungen den völlig ablehnenden Standpunkt Feer’s ebensowenig 
teilen können wie den Karger’s. Die Karger’sche Beobachtung 
gerade gibt uns indirekt Veranlassung zu diesen Zeilen. 

Karger teilte kürzlich die Krankengeschichte eines an Nasendiph¬ 
therie erkrankten Kindes mit, aus welcher die Wirkungslosigkeit des 
Leerserums in prophylaktischer und therapeutischer Hinsicht schlagend 
hervorgeht. So sehr ich nun aber von der Nutzlosigkeit des Leerserums 
bei der Prophylaxe der Diphtherie — nicht nur der Nasendiphtherie — 
überzeugt bin, so wenig berechtigt scheint es mir, sich von der un¬ 
zweifelhaft bei einem Falle von Nasendiphtherie beobachteten prompten 
Wirkung des antitoxischen Serums grundlegend beeinflussen zu lassen. 
Aus diesem Grunde veröffentliche ich die nachstehende an und für sich 
ganz anspruchslose Krankheitsgeschichte zweier an Rachendiphtherie er¬ 
krankter Geschwister, um zu zeigen, dass bei diesen Kindern ein Unter¬ 
schied in der Heilwirkung von antitoxisohem und Leerserum vollkommen 
ausblieb. Von einer entscheidenden Bedeutung des Antitoxingehaltes war 
hier nichts zu bemerken. 

Es handelt sich um Bruder und Schwester, Kinder aus bestem Milieu 
und von tadelloser Konstitution, welche im Kinderhospital ganz leichte 
Masern durchmachten und im Anschluss daran an Diphtherie erkrankten. 
Frühere Krankheiten liegen bei beiden nioht vor. Der Verlauf war 
folgender: 

Ursula K., 7 Jahre alt, wegen Masern seit 28. VII. im Kinderhospital, 
erkrankt am 30. VII. mit Schnupfen und Katarrh der oberen Luftwege. 
Der Rachen ist gerötet. Gaumenmaudel und Halsdrüsen, besonders die 
seitlichen Halsnackendrüsen geschwollen. Abends zeigt sich etwas weiss¬ 
gelblicher Belag am oberen Rand der rechten Tonsille. Am 31. VII. 
hat der Belag auf der reohten Tonsille zugenommen, ebenso die Schwellung 
der Hals- und Nasendrüsen. Periglanduläres Oedem. Die Untersuchung 
des Rachenabstrichs ergibt Diphtheriebazillen. Süsslich-fader Foetor ex 
ore. Mehrmals Erbrechen. Der Urin ist frei von E. und Z. Sediment 
o. B. Injektion von 10 ccm Normalpferdeserum intramuskulär, da intra¬ 
venöse Injektion an der Unruhe scheitert. Behandlung im übrigen mit 
Halspriessnitz, Gurgeln mit Wasserstoffsuperoxyd. Am Tage nach der 
Injektion hat sich der Belag auch auf die liuke Tonsille und die Um¬ 
gebung des Zäpfchens ausgedehnt. Das periglanduläre Oedem hat zu¬ 
genommen, der Hals ist unförmig geschwollen. 

Kurve 1. (Ursula K.) 



2. VIII. Gleioher Befund. Nachts pseudokruppartiger Husten. Pho¬ 
nation heiser. Im Urin E., mikroskopisch zahlreiche Leukozyten, ver¬ 
einzelt Erythrozyten, Epithelien. 

In den folgenden Tagen allmähliches Abklingen der entzündlichen Er¬ 
scheinungen im Raohen, Abnahme der Drüsenschwellungen. 

Am 8. VIII. noch schleierartiger Belag auf der rechten Tonsille. 
Peritonsilläres Oedem verschwunden. Befinden gut. Appetit wieder 
rege. Im Urin Eiweiss, mikroskopisch Leukozyten, Epithelien, ver¬ 
einzelt Erythrozyten und hyaline Zylinder. 

Rolf K., 6 Jahre alt, ebenfalls an Masern erkrankt, bekommt am 
1. VIII. Schüttelfrost und Erbrechen. 

2. VIII. Halssohmerzen. Belag auf beiden Gaumenmandeln. Seit¬ 
liche Hals- und Nackendrüsen sowie Mundbodendrüsen geschwollen. 
Schnupfen. Noch mehrmals Erbrechen. Urin frei von Eiweiss und 

1) Feer, M.m.W., 1919, Nr. 13. 

2) Karger, D.m.W., 1919, Nr. 22. 


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Zucker, Sediment o. B. Intravenöse Injektion von 8 com Diphtherie¬ 
heilserum Ruete-Enoch, 4000 I. E. Lokale Behandlung wie bei U. K. 

3. VIII. Der Belag hat noch nioht abgenommen. Membranen auch 
am Zäpfchen. Sprache völlig aphonisch. Zunahme des periglandulären 
Oedems am Hals und Nacken. Nachts Krupphusten. In den folgenden 
Tagen allmähliches Zurückgehen der Drüsenschwellung in völlig gleicher 
Weise wie bei der Schwester. 

6. VIII. Masernartiges Serumexanthem auf Brust und Bauoh. 


Ho 


HO 


39.0 


38,0 


37,0 


36,0 

8. VIII. Der Urin enthält Spuren von Eiweiss. Im Sediment Leu¬ 
kozyten, vereinzelt Erythrozyten, Epithelien. Noch etwas Belag auf der 
linken Tonsille. Halsdrüsen wenig geschwollen. Bakteriologisch wurden 
auch in diesem Falle Diphtheriebazillen nachgewiesen. 

Wir haben es hier mit. zwei Kindern aus gleicher Familie 
und von gleicher Körperkonstitution zu tun. Für beide kann man 
wohl eine Infektion mit ein und demselben Bazillenstamm ent 
weder aus der gleichen Infektionsquelle annehmen, oder aber der 
Junge infizierte sich an der zwei Tage vorher erkrankten Schwester. 
Diese Annahme dürfte sogar mehr Wahrscheinlichkeit für sich 
haben, da die Born e, die beide Kinder auf der Privatstation ver¬ 
sorgte, später ebenfalls — trotz prophylaktischer Injektion von 
1500 I. E. antitoxischen Serums! — an Rachendiphtherie er¬ 
krankte. Auch der weitere klinische, für beide Kinder völlig 
gleichartige Verlauf bestätigt die Berechtigung dieser Aunahme. 
Um so eher hätte man erwarten dürfen, einen deutlichen Unter¬ 
schied in der Wirkungsweise des antitoxischen und Leerserums 
zu finden. Dieses ist jedoch keineswegs der Fall. Vielmehr ver¬ 
laufen beide Fälle vollkommen parallel. Insbesondere vermissen 
wir einen unmittelbaren Einfluss der lujektion des antitoxischen 
Serums, die hier in der denkbar günstigsten Form, der intra¬ 
venösen, erfolgte, auf die Temperaturkurve. Die Temperatur 
steigt nach der Injektion noch etwas an, hält sich eine Zeitlang 
auf der erreichten Höhe und fällt dann erst lytisch ab. Ganz 
die gleiche Kurve, fast ein Spiegelbild der vorigen, bietet der mit 
leerem Serum gespritzte Fall. Auch hier kein unmittelbares Ab¬ 
sinken der Temperatur nach der Injektion, wobei allerdings zu 
berücksichtigen ist, dass die Injektion intramuskulär erfolgte. 
Bei beiden Behandlungsarten konnte ferner ein rasches Schwinden 
des lokalen Krankheitsprozesses nicht beobachtet werden. Viel¬ 
mehr nahm in beiden Fällen der Belag nach der Injektion 
noch an Ausdehnung zu. Das periglanduläre Oedem wurde stärker, 
es kam zu Reizerscheinungen von seiten des Kehlkopfes, alles 
Umstände, die für ein weiteres Umsichgreifen der Entzündung 
sprechen. Erst einige Tage nach der Injektion begann der Belag 
zurückzugehen, war jedoch in beiden Fällen 8 Tage nach der 
Injektion noch vorhanden. Endlich kam es im Verlauf beider 
Fälle zu Reizerscheinungen der Harnwege. Die Ueberlegenheit 
des antitoxischen über das leere Serum konnte also in 
beiden vorliegenden Fällen nicht beobachtet werden. 

Ich betone aber nochmals, dass ich durch diese im klinischen 
Betriebe gewonnene Beobachtung, der ich eine ganze Anzahl 
analoger anreihen könnte, in keiner Weise etwa für die Leer¬ 
serumbehandlung in der breiten Praxis Propaganda treiben will. 
Es ist lediglich klinisch-wissenschaftliches Interesse, welches diese 
Veröffentlichung veranlasst hat. Ganz im Gegenteil möchte ich 
die Leerserumbehandlung ausschliesslich der Klinik Vorbehalten 
wissen und dem Praktiker abraten, sich einer Therapie zu be¬ 
dienen, die bestenfalls nicht mehr leisten kann als das altbewährte 
Heilserum. 


2 

Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 


Kurve 2. (Rolf K.) 


1. 3. 4. S. 6. 7 <9. 3. 10. 


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9ÖÖ 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. 42. 


Aus dem pathologischen InstitutderUniversitätMünchen 
(Direktor: Prof. Dr. Max Borst). 

Das Ausbleiben der postmortalen Säurebildung 
im Muskel als Ursache der verschiedenen In¬ 
tensität der Totenstarre menschlicher Leichen. 

Von 

Dr. Frau Oppenheim und Prof. Dr. Leonhard Wacker. 

Nach früheren Untersuchungen 1 ) ist die Totenstarre auf 
einen Komplex von physikalisch*chemischen Erscheinung«! zurück- 
zuführen, die durch den Abbau des Glykogens zur Milchsäure 
und Neutralisation der letzteren durch die alkalischen Bestand¬ 
teile des Muskels eingeleitet werden. Als direkte Ursache der 
Totenstarre kann zunächst eine Steigerung des osmotischen 
Druckes innerhalb der Muskelfasern als Folge der Zertrümmerung 
des grossen Kolloidmolekuls „Glykogen“ in zahlreiche kleinere 
Moleküle der Kristalloidsubstanz „Milchsäure“ gelten, ferner kann 
eine weitere Druckbildung durch Entbindung von Kohlensäure 
aus Kaliumbikarbonat unter der Einwirkung der Milchsäure erfolgen, 
und schliesslich wird die Abscheidung eines voluminösen Eiweiss* 
körpere aus den Alkalialbuminaten durch die Säure zur Ver¬ 
steifung des Muskels beitragen. Der genetische Zusammenhang 
der chemischen Prozesse liess sich durch eine graphische Dar¬ 
stellung (Kurven) des Reaktionsverlaufs auf Grund analytischer 
Unterlagen wahrscheinlich machen. Bei den zahlreichen zum 
Studium dieser Vorgänge angestellten Tierversuchen wurde im 
frischen Muskel (Quadrizeps) regelmässig eine gewisse Menge Gly¬ 
kogen und nach Ablauf von 5—6 Stunden das Auftreten einer 
ziemlich konstanten Säuremenge unter Abnahme des Glykogen¬ 
bestands bei gleichzeitigem Eintritt der Totenstarre nachgewiesen. 
Um so mehr musste es auffallen, dass in manchen 
Fällen im M. quadriceps der menschlichen Leiche keine 
postmortale Säurebildung beobachtet wurde. Ein solcher 
Muskel verhielt sich bezüglich seiner chemischen Reaktion 
analog jenem eines Hundes sofort nach der Entnahme intra 
vitam (in der Narkose) oder unmittelbar nach dem gewaltsamen 
Tod. Er unterschied sich von letzterem durch das Fehlen des 
Glykogens. 

Dieser auffallende Befund kann als weiterer Beweis für die 
Richtigkeit der oben angeführten chemischen Ursachen der 
Totenstarre gelten, denn es zeigte sich, dass mit dem vollstän¬ 
digen oder teilweisen Ausbleiben der postmortalen Säurebildung 
eine erheblich verringerte Intensität des Rigors parallel ging. 

Mit Rücksicht auf die erwähnten für die Genese der Toten¬ 
starre wichtigen chemischen Prozesse lassen sich aus den analy¬ 
tischen Ergebnissen dreierlei Gesichtspunkte festhalten bezw. drei 
Reihen von Leichen unterscheiden, die durch die folgende Ueber- 
sicht charakterisiert wird: 


Tabelle I. 



Glykogen¬ 
gehalt des 
Muskels 

Postmortale 

Säurebildung 

Gehalt des 
Muskels an 
Kalialbuminat 

Totenstarre 

1 . Reihe 

vorhanden 

vorhanden 

wenig 

kräftig 

2 . , 

fehlt 

» 


schwach 

3. . 


fehlt 

viel 

fehlt 


Bei den unter 1 zusammen gestellten Fällen ist der Tod rasch ein¬ 
getreten. Die Ergebnisse der Untersuchung sind vergleichbar mit jenen 
der früher durchgeführten Tierversuche über die Totenstarre 2 3 * ). Die 
durch Nackenschlag oder Entblutung getöteten Tiere besassen zweifellos 
einen im normalem Ernährungszustand befindlichen Muskel. Dasselbe 
ist anzunehmen bei Selbstmördern oder bei Verunglückten mit rasch 
nachgefolgtem Tode. Unter diesen Umständen enthielt der Muskel 
nach Eintritt der postmortalen Säurebildung noch Glykogen. Dagegen 
hat die Säure die Kalialbuminate zerlegt und die Eiweisskörper inner¬ 
halb der Zellen des Muskels abgelagert. Im Extrakt sind die Albuminate 
daher nur noch in geringer Menge nachweisbar. 

Zur zweiten Kategorie gehören jene Leichen, welche zwar kein Gly¬ 
kogen mehr zeigen, wohl aber noch Säure produziert haben und daher 
nooh eine erhebliche, wenn auch geringere Totenstarre besitzen als die¬ 
jenigen der ersten Reihe. Diese Verhältnisse lassen sioh in befrie¬ 


1 ) Physikalische und chemische Vorgänge im überlebenden Muskel 

als Ursache der Totenstarre. Biochem. Zsohr., 1916, Bd. 75, S. 130. 

3) Biochem. Zsohr. a. a. 0., M.m.W., 1915, Nr. 36, S. 874, Nr. 37, 

S. 913. 


digender Weise wie folgt erklären: Der Ernährungszustand war infolge 
der voraDgegaogenen Erkrankung weniger gut. Zur Zeit des Ablebens 
enthielt der Muskel entweder nnr noch eine geringe Menge Glykogen 
(etwa 0,15—0,26 pCt.) als solches oder in Form einer Zwischenstufe 
zur Milchsäure (fiexosen oder Laktazidogen). Diese Stoffe reichten 
gerade noch hin, um durch Bildung von Milchsäure den ganzen oder 
teilweisen Umschlag in die saure Reaktion berbeizuführen. Analoge 
Verhältnisse wurden auoh bei manchen in weniger gutem Ernährungs¬ 
zustände befindlichen Kaninohenleichen 1 ) beobachtet. Der vorhandene 
geringe Glykogengehalt verschwand etwa 5—6 Stunden nach dem Tode 
völlig, doch trat nooh eine normale Säurebildung mit Totenstarre ein. 
Die neugebildete Säure war ähnlich wie bei der menschlichen Leiche an 
die Stelle des Glykogens getreten. 

Bei einer dritten Reihe von Leichen sind noch schlechtere Er¬ 
nährungsverhältnisse denkbar. Infolge von anhaltender Krankheit und 
Fieberzuständen sowie verminderter Nahrungsaufnahme können die Gly¬ 
kogendepots zur Zeit des Ablebens vollkommen erschöpft sein. Es 
mangelt unter diesen Bedingungen sogar an den zum Betriebe der Herz- 
und Atemmuskulatur erforderlichen Energie spendenden Reservestoffen, 
so dass es wohl sehon aus diesem Grunde zum Erlöschen des Lebens 
kommen kann. Dieser vollkommene Mangel an Glykogen (oder an 
Kohlehydraten überhaupt) ist die Ursache des Ausbleibens der post¬ 
mortalen Säurebildung, weil die Grundsubstanzen zur Milohsäure- 
erzeugung fehlen. Es liegen also gegenüber den beiden vorangegangenen 
Reihen ganz andere Verhältnisse vor. Osmotischer Ueberdruck konnte 
ebensowenig wie Kohlensäuredruok in den Muskelfasern entstehen, weil 
die Bedingungen hierzu nicht vorhanden waren. Auoh die Abscheidung 
der Eiweisskörper im Muskel unterblieb, sie fanden sich deshalb im 
Muskelextrakt als Alkalialbuminate vor. Solche Zustände treten häufig, 
wenn auch nicht ausnahmslos, nach Peritonitis ein. Man beobachtet 
sie auoh nach anderen septischen Erkrankungen, Inanition, ohroniseher 
Tuberkulose und anderen mit Kachexie einhergehenden Krankheiten; 
siehe Tabelle 3 u. 4. 

Eine besonders kräftige Totenstarre wird bei kaohektisohen Zu¬ 
ständen infolge der Einsohmelzung von MuBkelsubstanz ohnehin nicht zu 
erwarten sein. Selbst unter normalen Verhältnissen wird die Intensität 
des durch Anhängen von Gewichten an das Bein gemessenen Rigors mit 
der Entwicklung der Muskulatur wechseln. Aus diesem Grunde wurden 
bei der Untersuchung (für die Tabelle 4) nur Fälle mit möglichst gut 
erhaltener Muskulatur ausgesucht. Um allen Einwendungen zu be¬ 
gegnen, wurde die am Bein gemessene Starre auf das Gewicht des aus¬ 
geschnittenen Muskels (M. rectus femoris) umgereohnet bezw. auf 100 g 
dieses Muskels reduziert, so dass man also von einer absoluten 
Totenstarre ohne Berücksichtigung der Masse der Muskulatur 
und einer relativen, bezogen auf das Gewioht des Muskels, 
sprechen kann. Da die gebildete Säure von entscheidendem Einfluss 
auf die Intensität der Starre ist, sollen diese Verhältnisse etwas ein¬ 
gehender besprochen werden. 

Wie schon an anderer Stelle mitgeteilt wurde, wird bei der Säure¬ 
bestimmung im Extrakt des totenstarren Muskels nicht freie Milchsäure, 
sondern das bei der Neutralisation der Milohsäure durch Dikalium- 
phosphat entstandene Monokaliumphosphat 2 ) titiert, aus der sioh die 
Milchsäure berechnen lässt. Um die Menge der entstandenen Miloh¬ 
säure zu ermitteln, wurde der Extrakt vor und nach Eintrit der p. m. 
Säurebildung titriert. Beim Kaninchen und Hunde beträgt dieselbe pro 
100 g Muskel etwa 0,18—0,21 g als Milchsäure berechnet. Selbst im 
sauersten Muskel ist im Extrakt noch eine gewisse Menge Alkaleszcnz 
nachweisbar, die als Restalkaleszenz bezeichnet wurde. Umgekehrt 
wurde in dem in der Narkose entnommenen und sofort untersuchten 
Muskel nie ein vollkommenes Verschwinden der Azidität beobachtet. 
Der ausgeruhte (erholte) Muskel sowohl wie der ermüdete (totenstarre) 
besitzen also eine amphotere Reaktion, nur ist das Verhältnis von Azi¬ 
dität zur Alkaleszcnz verschoben. Es ist demnach eigentlich unriohtig, 
wie dies weiter oben der Einfachheit halber geschehen ist, von einem 
sauren und alkalisohen Muskel zu sprechen, es sollte damit nur gesagt 
sein, dass im einen Fall die Säure, im andern das Alkali überwiegt. 
Setzt man die (durch Titration gefundene Anzahl Kubikzentimeter) Al- 
kaleszenz = 1 und vergleicht damit die Azidität derselben Muskelprobe, 
so ergeben sich die in der folgenden Tabelle 2 niedergelegten Verhältnis¬ 
zahlen. 

Wie ersichtlich enthält der totenstarre Muskel etwa 3 bis 4 mal so 
viel saure Bestandteile als der nicht totenstarre. Die Menge der Säure 
wechselt innerhalb gewisser Grenzen mit der Jahreszeit bzw. Aussen- 
temperatur und der nach dem Ableben verstriohenen Zeit. Im Sommer 
wird der Muskel rascher sauer als im Winter. Im frischen Muskel ist 
die Alkaleszcnz annähernd gleich der Azidität, es wurden jedoch auch 
vereinzelnte Fälle beobachtet, bei denen auf etwa 2 Teile Alkaleszcnz 
1 Teil Azidität trafen 8 ). Duroh die mit dem Ableben beseitigten Hem¬ 
mungen geht die Alkaleszenz im warmen Muskel rasch zurüok, so dass 
die obemische Untersuchung verspätet einsetzt. Es ist daher gar nicht 
nnmöglich, dass im ausgeruhten Muskel regelmässig auf 1 Teil Azidität 
2—3 Teile Alkaleszenz treffen, also ziemlich genau die umgekehrten 
Verhältnisse wie bei der Starre bestehen. Dies wird um so wahrschein¬ 
licher, wenn man sioh vergegenwärtigt, dass die Versuchstiere beim Ein- 


1) Biochem. Zsohr. a. a. 0., S. 110. 

2) Biochem. Zsohr. a. a. 0., S. 119. 

3) Biochem. Zsohr. a. a. 0., 106 S., Taf. 2, Serie 3. 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 



20. Oktober 1010. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


991 


Tabelle 2. 


Art und Zustand 
des Muskels 

Zeit der Beob¬ 
achtung nach 
dem Tode 

Ukales- 

zenz 

Azidität 

Albuminat- 
eiweiss des 
Extraktes 

Be¬ 

merkung. 

Totenstarrer 
Muskel d. Mensch, 
naoh CO-Ver- 
giftung (1 Fall) 

48 Std. im 
Winter 

1 

4,0 

0,07 

— 

Totenstarrer 
Muskel d. Mensch, 
bei Unfall oder 
Selbstmord 
(8 Fälle) 

16—27 Std. 
im Winter 

1 

3,0 

0,09 


Totenstarrer 
Muskel d. Hundes 
nach gewaltsam. 
Tode (Mittel aus 
4 Analysen) 

24-48 Std. 
im Sommer, 
Herbst und 
Winter 

1 

4,0 

0,04 


Toten starrer 
Muskel d. Kanin¬ 
chens (Mittel aus 
10 Analysen) 

24—31 Std. 
im Sommer, 
Herbst und 
Winter 

1 

4,0 

0,06 


Frischer Muskel 
des Hundes 
(Mittel aus 

10 Analysen) 

Sofort p. m. 
entnommen 
im Sommer, 
Herbst, Wintei 

1 

0,8 

0,89 


Frischer Muskel 
des Kaninchens 
(Mittel von 

15 Analysen) 

Sofort p. m. 
entnommen 
im Sommer, 
Herbst,Winte> 

1 

1,1 

0,70 


Mensohl. Muskel 
beim Ausbleiben 
der Totenstarre 

25*/a Std. 

im Winter 

1 

0,7 

0,77 

i 

Versuch 1 
Tabelle 4 


fangen, bei der Narkose und der Tötung Widerstand leisten, wobei im 
Muskel Säure produziert wird. 

Jedenfalls ist aus der Tabelle 2 so viel ersichtlich, dass im frischen 
Muskel in bezug auf Verteilung von Alkaleszenz und Azidität analoge 
Beziehungen bestehen wie im Muskel der menschlichen Leiche beim 
Ausbleiben der Totenstarre. Dasselbe trifft auch bezüglich der Kalium- 
albuminate des Extraktes zu. Wenn im Extrakte des nioht totenstarren 
Muskels rund 10 mal so viel Eiweisskörper in Lösung sind wie im 
starren Muskel, so ist dies so zu deuten, dass im starren Muskel 
0,7 bis 0,8 pCt. des Gesamtmuskels oder 4—4,5 pOt. des getrookneten 
Muskels eines voluminösen Eiweisshörpers abgeschieden sind. Diese 
Menge fällt um so mehr ins Gewicht als die Kaliumalbuminate 
nioht über den ganzen Muskel gleiohmässig verteilt sind, sondern inner¬ 
halb der Zellen, z. B. im Sarkoplasma in einem grösseren prozentischen 
Verhältnis angehäuft sein werden, als die Berechnung auf den Gesamt¬ 
muskel aussagt* 

Einen weiteren Einblick über die Verteilung von Alkaleszenz und 
Azidität im totenstarren und nioht totenstarren Muskel gewinnt man, 
wenn man die wässerigen Extrakte eintrocknet, verasoht und den wasser¬ 
löslichen Teil der Asche mit der gleichen Menge Eitrakt vor der Ver- 
asohung vergleicht. 

Es zeigt sich, dass beide Extrakte bei der Verbrennung und Oxy¬ 
dation an Alkaleszenz zugenommen haben und zwar deijenige bei starker 
Totenstarre (vgl. z. B. Versuche Nr. 14, 15 u. 16 der Tabelle 4) er- 
heblioh mehr als jener bei geringer Starre (Versuche Nr. 1, 2, 3 und 5). 
In beiden Fällen ist der wässrige Auszug der Asohe alkalisch geworden 
und zeigt keine amphotere Reaktion mehr. Auf Zusatz von Phenolphtalein 
erfolgt eine Rotfärbüng, die duroh den Gehalt an Kaliumkarbonat ver¬ 
ursacht ist. Eine quantitative Bestimmung der Menge des Karbonats 
ergibt, dass dieselbe nahezu konstant ist, gleichgültig ob ein totenstarrer 
oder nioht totenstarrer Muskel verascht wurde. Dasselbe gilt von der 
Menge des Dikaliumphosphats. Die Menge des Kaliumkarbonats beträgt 
gemäss Tabelle 4 im Mittel (aus 18 Analysen) 0,17, diejenige des Phos¬ 
phats 0,58 bzw. 0,57 pCt. (mittlere Werte der titrimetrischen bzw. ge- 
wiohtsanalytischen Bestimmung). 

Die Alkalisalze organischer Säuren liefern bei der 
Veraschung bekanntlich Alkalikarbonat. In analoger 
Weise ist der Gehalt der Muskelascbe an Karbonat auf 
das Kaliumlaktat und andere organische Kalisalze des 
Muskels zurückzuföhren. Aus der Alkaleszenzzunahine 
bei der Veraschung gegenüber dem unveränderten Ex¬ 
trakt lässt sich de*r Gehalt des Muskels an Salzen or¬ 
ganischer Säuren berechnen. 

Uebereinstimmend mit der direkten Titration der sauren Bestandteile 
findet man im Bauren Muskel erheblich viel mehr Kalisalze organischer 
Säuren (0,58 als Laktat berechnet gemäss Versuchen 14, 15 und 16, 
Tabelle 4) wie im nioht totenstarren (0,20 pCt. nach den Versuchen 1, 
2, 8 und 5). Zu bemerken ist nooh, dass der wässerige Muskelextrakt 


noch geringe Mengen (0,024 pCt. des Muskels im Mittel aus 11 Ver¬ 
suchen) Magnesiumphosphat gelöst enthält, das beim Veraschen des ein¬ 
gedampften Extraktes in eine unlösliohe Form übergeht. Wahrschein¬ 
lich wird dasselbe durch die sauren Salze des Extraktes in Lösung ge¬ 
halten. Man könnte sogar an eine automatische Regulation der Muskel¬ 
tätigkeit duroh das Magnesium denken. Bekanntlich führen Magnesium¬ 
salze im tierischen Organismus Läfamungserscheinungen 1 ) herbei. Das 
beim Sauerwerden des Muskels bei der Arbeit in Lösung gehende 
Magnesiumphosphat könnte den Zweck haben; die Erregung des Muskels 
einzuschräoken, wenn ein gewisser Säuregrad bzw. ein gewisses Er¬ 
müdungsstadium erreicht ist. Die erfolgreiche Verwendung der Magnesium¬ 
salse bei Tetanus spricht für obige Annahme, doch geben leider die 
wechselnden Phosphatmengen des Extraktes (siehe Tabelle 4) hierüber 
keinen Aufschluss. Die grossen Differenzen bei der Analyse mögen zum 
Teil auf die Fehlerquellen bei den zur Wägung kommenden geringen 
absoluten Mengen zurüokzuführen sein. 

Zur Bestimmung des Gehaltes an alkalischen und sauren Bestand¬ 
teilen, an Albuminat-Eiweisskörpern, Glykogen usw. wurde das'früher 
beschriebene Verfahren 2 ) eingesohlagen, auch die Methode zur Unter¬ 
suchung der Asohenbestandteile des Extraktes*) wurde bereits mit¬ 
geteilt. 

Bekanntlich tritt nach dem Tode bei der menschlichen Leiche ins¬ 
besondere dann eine Temperatursteigerung ein, wenn der Tod unter 
heftigen Fieberersobeinungen und Muskelkrämpfen erfolgt ist. Die Ur¬ 
sache dieser postmortalen Wärmebildung ist in gesteigerten che¬ 
mischen Vorgängen zu suchen, welche den Stoffwechselprozessen analog 
sind. Sind die Betriebsmittel d. h. die chemischen Reservestoffe (Glykogen) 
duroh den Krankeitsverlauf aufgezehrt, so bleiben Wärme- und Toten¬ 
starre aus. Die physikalischen Erscheinungen sind also in jeder Be¬ 
ziehung abhängig von dem Verlauf der chemischen Prozesse nach dem 
Eintritt des Todes. 

Die Messung der Intensität der Totenstarre gesohah in folgender 
Weise: Die Leiche wurde derart auf den zum Transport bestimmten 
Wagen gelegt, dass die Beine über das untere Ende des Wagens hin¬ 
ausragten und die Kniekehlen durch die zum Schieben des Wagens be¬ 
stimmte Handhabe in Form einer Querstange unterstützt waren. Ueber 
den Fussrüoken, der Verbindungslinie beider Knöchel entsprechend, 
wurde nunmehr der Bügel einer Wagschale gelegt und duroh Aufsetzen 
von Gewichten das zur Beugung des Beines im Kniegelenk erforderliohe 
Gewicht bestimmt. Man muss dabei bestimmte Vorsichtsmaassregeln 
beobachten. Zunächst ist erforderlich, das Becken der Leiche fest auf 
der Unterlage zu befestigen, was durch verschiebbare, auf beide Darm¬ 
beinstacheln sich aufsetzende Querleisten erreicht wurde. Andernfalls 
richtet sich nämlich beim Anhängen grösserer Gewichte ein in voller 
Totenstarre befindlicher Leichnam wie eine einheitliche starre Masse auf, 
so dass die ganze Leiche einen zweiarmigen Hebel bildet mit einem in 
der Kniekehle gelegenen Drehpunkt. 

Legt man nun bei einer derartig hergeriohteten Leiche eine Anzahl 
Gewichte auf die Wagsohale, welohe aber zur Lösung der Totenstarre 
nicht auBreiohen, so erfolgt trotzdem im Laufe von 1—2 Minuten eine 
hochgradige Abbiegung des Beins im Kniegelenk. Diese Abbiegung hat 
aber mit der Lösung der Totenstarre nichts zu tun, was bereits daraus 
hervorgeht, dass nach Entfernung der Gewichte die Abbiegung wieder 
verschwindet. Es bandelt sich dabei lediglioh um eine elastisohe Ab¬ 
biegung, wie eben jede galgenförmige Vorrichtung sich biegt, wenn man 
sie an ihrem freien Ende belastet. Während aber ein Galgen aus 
Holz oder Metall beim Anhängen von Gewichten augenblicklich die der 
Sohwere des angehängten Gewichtes entsprechende Form anoimmt 
und bei Wegnahme des Gewichtes sofort wieder zurückfedert, besitzt 
der Muskel bekanntlich die Eigensohaft der elastischen Nachdehnung 
und Nacbschrumpfung, d. h. er nimmt beim Anhängen von Gewiohten 
erst langsam im Laufe von einigen Minuten die der Belastung ent¬ 
sprechende Gestalt an und kehrt bei Wegnahme der Belastung ebenso 
langsam wieder in seine ursprüngliche Form zurüok. Diesen langsamen 
Ablauf der Erscheinung muss man sich zu Nutzen maohen, indem man 
die Gewiohte rasch auflegt und duroh entsprechendes Zulegen von Ge¬ 
wiohten diejenige Belastung ermittelt, bei der die Totenstarre gelöst 
wird, was daran erkenntlich ist, dass der Untersohenkel mit einem Male 
herabsinkt. Bei geringer Totenstarre lässt sich das zu ihrer Lösung 
erforderliche Gewioht mit grosser Genauigkeit bis auf Bruchteile eines 
Kilogramms feststellen, dagegen wird bei starker Totenstarre das Ver¬ 
fahren durch die stärkere elastisohe Abbiegung des herausgestreokten 
Unterschenkels erschwert. Ferner ist es bei Gewichten von etwa Vs bis 
1 Vf Zentner nioht so einfach, sie mit der notwendigen Schnelligkeit auf- 
zulegen, zumal man zuviel aufgelegte Gewichte nicht wieder wegnehmen 
kann, da ja die Totenstarre dann bereits gelöst ist. Wir haben es da¬ 
her für zweokmässig gefunden, das Bein nicht genau wagreoht hinaus- 
zustreoken, sondern eine im Winkel von etwa 80° naoh aufwärts ge¬ 
richtete Linie als die Ausgangslage anzunehmen. Es ist dann in der 
Regel das Bein infolge der elastischen Abbiegung etwa in der Horizontal¬ 
ebene an gekommen, wenn das zur Lösung der Totenstarre erforderliche 


1) Meitzer und Auer, Amerioan. journ. of physiol., 1905, Bd. 14, 
S. 566; 1908, Bd. 21, S. 400; 1909, Bd. 24, S. 141. Weitere Literatur 
bei Abderhalden, Lehrb. f. physiol. Chemie, 1915, Bd. 2, S. 912, 
8 . Aufl. 

2) Bioohem. Zschr. a. a. 0., S. 110 u. 119. 

8 ) Pflüg. Aroh., 1919, Bd. 174, H. 4-6, S. 486. 

2 * 


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UNIVERSUM OF IOWA 



092 


BERLKfER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


Tabelle 8. 


« E 
► <0 

11 

■3 | 

H 

kg 

11 

»a 

al 

c td. 

Gewicht des 
Muse. reot. 
fern. 

g 

Absolute 

Totenstarre 

ke 

Krankheit und Todesursache 

Sekt.- 

Nr. 

0 

15 

78 

Eigengew. 

Sepsis naoh Grippe (27 Jahre alt) 

18 

0 

25»/* 

90 

» 

Bulbärpara'yse, ohron. Inanition, abgelaufene 
Myokarditis (55 J.) 

88 

0 

19 1 /* 

78 


Lungeophthise (49 J.) 

85 

0 

19 

? 


Sept. Grippe, Empyeme, abszed. Pneumonie 
(14 J.) 

44 

0 

24 

55 


Myelitis, Decubitus perm. Sepsis (45 J.) 

57 

1,0 

8 •/« 

90 

r. 2, 1. 0 

Herzklappenfehler, Hydrops (Beinödem!) (71J.) 

51 

1,1* 

25 

180 

i 1 

r. u. 1. 2 

Uterusruptur, Totalexstirpation, Peritonitis 
(20 J.) 

56 

1,8 

14 

83 

r. 2, 1. 1 

Ulzeröse Lungen-Kehlkopf Darmtbo. (49 J.) 

31 

ca. 2,0 

11 

ca. 100 

r. u. 1. 2 

Diabetes, NagelbetteiteraDg; diabet. Gangrän 
(71 J.) 

Tenreig. 

3,1 

U‘/, 

145 

r. 5, 1. 4 

Herniotomie, Bauchdeckenphlegmone, Sepsis 
(68 J.) 

86 

8,5 

18 

85 

r. u. 1. 8 

Rektumkarzinom, Anus praetern., lokale Peri- 
tonitis (43 J.) 

58 

8,7 

16«/, 

164 

r. u. 1. 6 

Septische Grippe, Bronohopneomonie, Pleura¬ 
empyem, sept. Milztumor (24 J.) 

12 

4,8 

14Ve 

124 

r. 6 

Puerperale Sepsis naoh Zwillungsgeburt vor 
16 Tagen. Beinamputation (24 J.) 

54 

5,0 

15»/* 

140 

r. 6, 1. 8 

Sepsis und Peritonitis nach Grippe post part. 
(47 J.) 

38 

5,5 

14 

100 

r. 6, 1. 5 

Postpneumon. Empyem nach Grippe, ulzeröse 
Enteritis (47 J.) 

32 

5,6 

18 Vt 

135 

r. 7, 1. 8 

Supravag. Amputation des Uterus. Grippe, 
Pneumonie, Empyeme, Peritonitis (88 J.) 

6 

5,6 

*4»/. 

250 

r. u. 1. 14 

Arteriosklerose, Hochdruck, Herzhypertrophie, 
Sohrumpfniere, Ponsblutung (51 J.) 

1180 

5,9 

20 

185 

r. u. 1. 8 

Sept. Grippe, diphtheroide Laryngitis, eitrige 
Pneumonie, Empyem (17 J.) 

34 

6,5 

19Vi 

130 

r. 9, 1. 8 

Magenkarzinom, Bronchopneumonie, Kachexie 
(53 J.) 

21 

6,9 

16 

r. 150. 1.161 

r. 9,5, 1. 12 

Sept. Grippe, Empyeme, Pneumonie (21 J.) 

1176 

6,9 

17»/a 

116 

r. 8 

Aortenlues mit Verschluss der Koronargefässe, 
Stauung (60 J.) 

29 

7.0 

11 

98 

r. 6, 1. 7 

Tuberkulose (47 J.) 

25 

7,8 

14 

115 

r. u. 1. 9 

Aortenlues, Atheroskl. Stauung, alteEnzephalo- 
malazie, Bronchopneumonie (64 J.) 

37 

8,1 

12V 4 

105 

r. 9, 1. 8 

Generalisierte Tuberkulose (43 J.) 

22 

8,2 

974 

122 

1. 10 

Atherosklerose, Leberzirrhose, Paobymeningitis 
haem (67 J.) 

20 

8,8 

1474. 

84 

r. u. 1. 7 

Ohron. Klappenleiden, mässige Atherosklerose 
(73 J.) 

24 

9,2 

17 

174 

r. 17, 1. 15 

Rheumat.Pankarditis, ohron. Stauung, Hydrops 
(54 J.) 

27 

10,9 

13 

257 

r. 23, 1. 88 

Toxische Grippe: hämorrhag. Pneumonie, 
hämorrhag. Magenerosionen (22 J.) 

46 

11.4 

23 V 4 

236 

r. 26, 1. 27 

Unfall: Schädelbruoh, Trepanation (29 J.) 

26 

11,8 

12 

127 

r. 15, 1. 14 

Ohron. Bronchitis, Bronohiektasen, Pneumonie 
(59 J.) 

1185 

12,5 

87a 

215 

r. 25, 1. 29 

Magenkarz., enorme Lungenlymphbahnkarz., 
keine Kaohexie! (187 cm, 83 kg, 54 J.) 
Toxisohe Grippe: Bronchopoeum., wachsart. 
Degenerat., keine Eiterungen (18 J.) 

48 

12,6 

24 

250 

r. 80, 1. 33 

14 

18,9 

1574 

140 

r. 18, 1. 21 

Status puerp. Toxisohe Grippe, Pneumonie, 
keine Eiterungen (83 J.) 

18 

14,1 

1174 

188 

r. 27, 1. 26 

Pleuratumor. Verblutungstod duroh Arrosion 
der Art. pulm. (88 J.) 

23 

14,4 

207a 

167 

r. u. 1. 24 

Aeltere Apoplexie, frische Bronchopneumonie 
(56 J.) 

5 

14,5 

17 

257 

r. 40 

Selbstmord: Herz-Lungenschuss. Herznaht, 
Anämie (21 J.) 

1188 

15,0 

18 

140 

r. 24, 1. 18 

Doppelseitige Pyosalpinx, Peritonitis, Milz* 
sohwellung (36 J.) 

68 

15,6 

15 

115 

r. u. 1. 18 

Morphinismus, Schrumpfniere, Herxhypertr., 
Urämie (86 J.) 

80 

16,6 

87* 

145 

1. 24 

Toxisohe Grippe: Bronchopneumonie, Adi¬ 
positas, grosse retroperiton. Zyste, keine 
Eiterungen (27 J.) 

20 

17,1 

19 

r. 82, 1. 68 

r. 12,2, 1. 22 

Arterioskler. Scbrumpfniere, Urämie, Broncho¬ 
pneumonie (51 J.) 

1179 

17,2 

1674 

285 

r. u. 1. 49 

Unfall: Schädelbruch (40 J.) 

70 

18,8 

8*/ 4 

101 

r. 19, 1.18 

Phlegmone, geringe schlaffe Pneumonie (79 J.) 

10 

19,4 

27 

214 

r. 41, 1. 42 

Selbstmord (Fenstersturz, sofort tot): Tabes 
dors., multiple Frakturen. Aortenruptur 
(50 J.) 

45 


Gewicht aufgelegt wird. Eine noch weitere Ab¬ 
biegung des Unterschenkels über die Horiiontale 
nach abwärts, hätte Dämlich eine Verkürzung 
des Hebelarms, an welchem die Gewichte ziehen, 
zur Folge und würde damit die Vergleichbarkeit 
der Resultate beeinträchtigen. Die geschilderten 
Umstände haben es zur Folge, dass bei stark 
entwickelter Totenstarre die Fehlergrenze unserer 
Methode ziemlioh gross ist und schätzungsweise 
5pCt. beträgt; sie wird bei stärkster Totenstarre 
wohl auf 10—15 pCt. steigen. Wir haben daher 
stets an beiden Beinen die Grosse der Totenstarre 
bestimmt und das- Mittel aus beiden Werten ge¬ 
nommen. ln seltenen Fällen bestehen aber so 
grosse Differenzen zwischen beiden Beinen, dass 
sie nioht durch die Fehlergrenze der Methode 
erklärt werden können. Es handelt sich dann 
entweder um eine Erkrankung des einen Beines, 
z. B. Muskelschwund bei Hüftgelenksankyloae, 
Oedem bei Schenkelvenenthrombose, Schuea- 
verletxung. In anderen, übrigens sehr seltenen 
Fällen, in denen derartige Befunde niebt vor- 
liegeo, müssen wir an nehmen, dass mit dem 
einen Bein, während die Totenstarre im Entstehen 
war, eine Bewegung vorgenommen wurde und 
dass dadurch die Totenstarre partiell gelöst wurde. 
Dies gilt z. B. für unseren Fall 10,9 der Tabelle 8 
(Totenstarre rechts 23, links 83 kg). Wir haben 
uns nämlich wiederholt davon überzeugt, dass die 
Totenstarre, falls sie bald nach dem Tode (etwa 
8—6 Stunden) gelöst wird, wiederum eintritt aber 
schwächer wie zuvor. Der in vielen Lehr¬ 
büchern befindliche Satz, dass die Toten¬ 
starre, einmal gelöst, nicht wieder auf- 
tritt, ist also unrichtig oder wenigstens 
ungenau. Es muss riohtig heissen, dass 
die Totenstarre vollkommen eingetreten 
und alsdann gelöst nicht wieder auftritt. 
Wenn nämlich der chemische Prozess, welcher 
der Totenstarre zugrunde liegt, abgelaufen ist, 
wenn die reagierenden Substanzen siob voll¬ 
kommen umgesetzt haben, dann kann die Toten¬ 
starre natürlich niobt wieder auftreten, weil eben 
die Quelle, aus der sie hervorgeht, versiegt ist. 
Wir haben s. B. die Leichen von zwei in den 
Münchener Revolutionsstrassenkampfen er¬ 
schossenen muskelstarken, gesunden, jungen 
Männern daraufhin untersucht mit folgendem 
Ergebnis: ^ 

Fall 1. 20jähriger Handwerker, verletzt 
durch Bauehschuss am 18. IV. 1919, gestorben 
nach 1 Va Tagen am 15. IV. 19 7*/ 4 Uhr vormittags. 
Lösung der Totenstarre am rechten Bein 5 1 /» 
Stunden nach dem Tode. Es war dazu die Auf¬ 
wendung der vollen Körperkraft erforderlich. Die 
Messung der Totenstarre am nächsten Vormittag, 
28 8 /4 Stunden naoh dem Tode, ergab rechts 
19 kg, links 29 kg. 

Fall 2. Unbekannt. Auf der Strasse er- 
sohossen (Kopfschuss) und alsbald tot ins Insti¬ 
tut eingeliefert. Die Totenstarre des rechten 
Beins wurde etwa 6 Stunden nach dem Tode 
gelöst, wozu 20 kg erforderlich waren. Am 
nächsten Tage war das Bein wieder vollständig 
totenstarr, so dass eine erneute Lösung 17 kg 
erforderte, während am linken Bein über 20 kg 
zur Lösung der Totenstarre erforderlich waren. 

Io def geschilderten Weise wurde bei 70 
Leichen die Totenstarre gemessen 1 ) und zwar 
wurden alle in den letzten Dezemberwochen und 
in den ersten Januarwochen ein gelieferten Leichen 
verwendet, so dass keinerlei Auswahl der Fälle 
stattgefunden hat. Ferner wurde eine Anzahl in 
den Münchener Revolutions-Strassenkämpfen ge¬ 
fallener, gesunder, junger Leute untersucht. Wir 
haben dabei gefunden, dass der Bruttowert der 
Totenstarre, den wir als absolute Totenstarre 
bezeichnen, zwischen dem Eigengewicht des 
Unterschenkels und mehr als 70 kg schwankt 
Dieser Wert ist abhängig: 

1. von der zwisohen Tod und Messung ver¬ 
strichenen Zeit; 

2. von der Masse der Muskulatur; 

1) Io der Tabelle sind nur 48Fälle angeführt, 
weil diejenigen Leichen, welche früher als 8 und 
später als 28 Stunden naoh dem Tode untersucht 
wurden, unberücksichtigt bleiben sollten. 


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Gck igle 


Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 




20. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


993 


3. von der Masse der Betriebs* s — ^ os >< 9 ^ o ^ oo ^ ^ u t>s _ 

Versnch Nr. 

Stoffe, welche dem Muskel zur o — < 

Verlügung stehen, was wiede- ® -j oö ® co w cd S ® eS “ ü> os 

rum von der Krankheit ab- 5. ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ 

hängt, an der das betreffende q. cd cd cd o cd co cd cd cd cd cd cd cd cd cd cd 

Individuum gestorben istj gq* cc co co ü oo oo cd oo cd cd cd oo oo cd cd cd 

Sektions- 

Nr. 

4. von der Temperatur j g ^ 

5. von der Länge des Unter- * — 2 . 

Schenkels, d. h. von der Länge gr * =* 3 * d_* 3 * * 3 3 3 3 * 

des Hebelarms, an welchem das « 

angehangte Gewichs angreift. £ ©©e*©2:-'i»<ö^ oooooot- — co cp 

Die unterschiedliche Länge des g. © © © © ©© © © © . «— «—• p «- 

Alter 

und 

Geschlecht 

Unterschenkels hat, da wir mit einer £L 

einzigen Ausnahme nur Erwachsene Z ©&©©$d^*®-c» -j -q cp *o © »oo 

verwendet haben, keinen wesent- **■ © o © “cp cp _ “co © er. o V- “cp “cp © © 

a Absolute 

^ Totenstarre 

liehen Einfluss &uf den Bruttow^rt) ^ 

so dass wir von einer Reduktion "• oo — 1 I 1 o» 1 So 1 w 1 1 © oo cd 

„t . , ^ 0< ifk ü. 1 1 ' © 1 Cp 1 er« 1 CP © © 

Gewicht des Muse, 
rectus femoris 

Unterschenkellänge Abstand ge- Ef ^ ^ ^ 1 | | £ | y, | cp 1 | © - © 

nommen haben. Die durchschnitt- ^ io “cd © cd V © 

0 Relative 

5* Totenstarre 

liehe Länge des Unterschenkels be- ®. oocpcp^©cp--cpcp , ^ m ^ 

trägt nämlich etwa 39 cm und vari- 5 . © oo -q — cd cd cp cd © 1 cd -q cd © enoo 

ä tiewioüt der 

Leiche 

iert um etwa =fc 3 cm. Der durch g. 

Vernachlässigung der Variation be- g ©~i^q©cc— oo^j© ^5 © © ^3 cp cp 

gangene Fehler beträgt also im un- — ^ iF £> 

3 Zeit der Messung 
^ nach dem Tode 

7,7 pCt., ein Wert, der fast noch B a ^ ps ? a oo^o ^ “0 os 

innerhalb der Fehlergrenze der Me- ® 2. 3 “ 5 sl 5 * < g-g »" 2. -rjjf 11 -o ® -0 u ? So, ST®. ^5. 

thode liegt. 1 7 = Ib:|S ? |l ?? S' = ?=.Srflg S § § ?£ ä 3 ?g 5 

Auch die unterschiedliche Tem- g g ^ ° ™ 5 £ 0 ; g H 2 ^ S.^ § s § 0 J* ? S- ^ 2-® 5 £ £ S.*} 

peratur dürfte die Vergleichbarkeit £' S g. g co g. 5 o* E. g £ g. 5* ns g h ” § 2. B 5. g. e sr ^ ® ,g ® 5-5 

unserer Werte kaum beeinträchtigen, M gl £- 2 * ' S 0 ®‘ S* c 5‘ 5 cg ® » £. g P er 

da wir nur solche Untersuchungen 3 | ^ ? r " “® p * ' ? £§ • * g| 8 

in unserer Tabelle aufgenommen ^ 

Todesursache 

haben, welche in den letzten Dezem- g corowcoc# 

ber- und ersten Januar-Wochen vor- 5f *- je- je- j-j }° 0 ©cd 00 co © p je- 

geoommen wurden, in denen die" ww»«-.»»-.-.® o-r 

Alkaleszenz pro 
100 g Muskel in 
ccm n /io*Säure 

Wässriger Muskelextrakt vor der Veraschung 

Temperatur der Leichenaufbewah- n 

l _ £ iKeeeo'ieewto co 00 co ca to coco 

rungsraume ziemlich Konstant etwa m it- c cc d w 00 co 0 © 0 00 to^ 

7—130 betrug. ® co “-q 00 © “ 0 © w “co © co -0 “-j "-j © la © 

Azidität pro 

100 g Muskel in 
ccm n / 10 Alkali 
Verhältnis v. Al- 
kaleszenz zu Azid. 
Alkaleszenz = 1 

Der Einfluss der seit dem Tode g 

verstrichenen Zeit auf die Grösse S w w w 00 *e -10 co — © —— p j- © p © 

der Totenstarre ist ein sehr wesent- ~T ©®®co^©©^^ 00 ® 2 öS 00 ^2 

versucht, indem wir nur die Resultate ©cr»©©©©o»c»o» © © © o* © ©cn 

von Leichen berücksichtigt haben J P P P P P-- P P -» PP P •“ g P 

welche m der Zeit zwischen 0 und 

0 ' Summe von 
n Alkaleszenz 

3 -f- Azidität 

28 Stunden nach dem Tode unter- j? P P P PP g g ® *S , § S 'S 

sucht worden sind. Wir_ glauben, r SEg'SSSS 1 'SS: 1 ^ S$ 

0 Albuminat- 
eiweissgehalt 

dass die Totenstarre nach 8 Stunden | w M M w »w « » » » *. « *. 

vollkommen oder nahezu vollkommen v> oo “co V cd cc Xr> cp 1 1 co oo I Ve '-j © 

eingrA treten ist. und dass nach £ MtnN. 0.-.»-.© 1 1 -> » ® « » 

0 Trockengehalt 
®~* des Extraktes 

28 Stunden die LöaungserscheinuDgen w- © © © © ©o © © pp © © © 

sich noch nicht bemerkbar machen. t» » d “ S o“ oo 2 • © od * 2 — 2 

0 Aschengehalt 
des Extraktes 

Die Lösung der Totenstarre geht wohl ja 

überhaupt langsamer vor sieb, als ®. S © p S ©p . j© . ,»5 . ? ? 

man gewöhnlich annimmt. Wir haben g. ^ V oo 1 V 1 1 » 2 2 "© 

Getrockneter Muskel- 
^ rückstand nach dem 
Auskochen 

Münchener Revolutionsstrassenkäm- gj © © © . . . . 

pfen erschossener Leute noch 11 Tage <*j_ 1«' © c^ 

nach dftm Tode eine erhebliche Toten- ^ 

Asche d.Muskelrück- 
^ stand, n. d. Auskoch. 
(Erdphospbate) 

starre feststellen können, ohne dass g. ^ S . & 

die Leiohen während dieser Zeit durch 2 © Vj cd cd oo Vj r -j 1 • cd “cd ' oo © cd 

Karbonatalkalesz. 
in ccm n /i 0 -Säure J 

Wasserlöslicher Teil der Asche 
des Muskelextraktes 

chemische oder thermische Mittel | 

konserviert waren. Aehnliche Beob- g* p © » p cc ■#*- -j p | | p » | oo » © 

fiAhtnnff^n wurrlftn ^nhnn friihfir ini ® ® ^ ^ 

Gesamtalkaleszenz { 
in ccm n / 10 -Saure ] 

acuiungeu wuruen suuuu iruuer t»xu -?• 

Ull „o_ g. CD CD CD CD tOCD CD tD . , to to . CD CD NO 

nunae gemaent. ^ ©ho©©© ©| | © © | cd 4 >-cn 

Von sehr erheblichem Einfluss- B © cd V “-4 w'-q © “© “-q Vj “-q V- 

Phosphatalkalesz. 
in ccm n /i 0 -Säure 

ist schliesslich auch der Entwick- ^ © © © © pp po. . © © . © © © 

lungszustand der Muskulatur, denn es ® So©^j©^q^qoo© q E ^ ^ cp 

Kaliumkarb. in g 
pro 100 g Muskel 

ist ohne weiteres klar, dass bei B ©©©©©©©© »p© © ©© 

starker Muskulatur auoh die Toten- ’S. g Sü g g 2g g 85 1 1 ^ © 1 S © t 

ni.e.e otn.La. oaln wiwd alo Kai ulnar cf W c>* •“* <D M ^ bO CD © 

oDikaliumphosph. 
durch Titration 

918116 SlaiKQl 96111 WllU als üöl ClUCl M ^ ^ ^ ^ ^ q ^ q q 

schwach entwickelten. Wir haben jj' yi ui c« l et l l l 1 c» V II © cp 

daher gleichsam als Repräsentanten |f S S 2 8 « 2SS S© 

^Difcaliumphosph | 
gewichtsanalyt | 

der Muskulatur den M. reotus femoris g* 

« . fi * i j i ^ o o o o o o o o o o o o o 

in jedem Falle gewogen und dabei o o o o o o o 1 1 o o 1 o o o 

als niedersten Wert 55 g, als hoch- 3 » Z3 S ä Slq 13 - ©cd © 5© 

Unlöslich, der Asche 
^ des Muskelextraktes 
Mg-Phnsphat 

SchwankungeDMigeu, wie notwendig | SSSÜSSSg, lg « | g SS 

die Berücksichtigung des Entwick- 13 ^ ©'^ © © “-4 cd -1 “-q © 

Alkaleszeuzzunabme d. 
Muskelextraktes bei der 
Verasch, ccm n /j 0 Säure 

eine richtige Wertung der Toten- a* oo©©©©©©. ,©©, © ©© 

starre ist. Wir haben z. B. bei ■» g» “cp “cp “© cp'^ “cp © 1 1 “© 1 “© © — 

eipem Selbstmörder, welcher durch » 

Organ. Kalisalze als 
^ Kaliumlakt., berechn 
a. d. Aikal.-Zunahme 

sofort tödlichen Fenstersturz seinem 5 -22 -2 2 1 1 2 2 1 2 2 2 

Leben ein Ende machte, eine abso- B © 0 w 2 »w 8 0 ^ ^ © 8 ^ 8 8© 

lute Totenstarre von 41,5 kg ge- p 3 ^ 

“i*“”"’» Google IJNiVERS 

0 Glykogengehalt des 
Muskels 

8 

inal from 

ITY OF IOWA 


Tabelle 4, 











BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


fanden, während sie bei einem herkulischen, in den Revolutions¬ 
kämpfen erschossenen Handwerksmeisterssohn etwa 75 kg betrug. 
Reduziert man in beiden Fällen auf die Masseneinheit der Musku¬ 
latur (auf einen M. rectus femoris von 100 g), so erhält man als rela¬ 
tive Totenstarre bei dem Selbstmörder 19,4 kg, bei dem Revolutions¬ 
kämpfer 19,2 kg, weil nämlich letzterer einen M. rectus femoris von 
390 g hatte, während bei dem ersteren das Muskelgewicht nur 214 g 
betrug. 

In der vorstehenden Tabelle 3 sind die Werte der absoluten 
Totenstarre für beide Beine, das Gewicht dos M. rectus femoris und der 
Wert der relativen Totenstarre zusammengestellt und nach steigenden 
Werten der relativen Totenstarre geordnet. Wir haben in einer weiteren 
Spalte auch die zwischen Tod und Messung verstrichene Zeit beigefügt, 
um auf diese Weise den etwa erhebbaren Einwand zu entkräften, dass 
das von uns gewählte Intervall von 8—28 Stunden nach dem Tode zu 
lang sei, und dass die differenten Werte etwa auf Zeitdifferenzen zurück¬ 
zuführen wären. Man überzeugt sich auf diese Weise leicht, dass die 
Werte für die Zeit durchaus keine einheitliche, steigende oder fallende 
Reihe bilden, sondern dass sowohl am Anfang wie am Ende der Reihe 
extrem hohe und extrem niedere Werte zu stehen kommen. 

Anders liegen die Dinge für die Spalt«, in welcher das Gewicht 
des Muse. rect. fern, aufgeführt wird. Man gewinnt hier den Eindruck, 
dass die Werte im allgemeinen mit der relativen Totenstarre ansteigen, 
und man könnte den Einwand erheben, dass wir unsere Werte zwar auf 
die Masseneinheit der Muskulatur reduziert haben, nicht aber auf die 
Masseneinbeit kontraktiler Muskelsubstanz; die unterschiedliehen Werte 
für die relative Totenstarre seien einfach darauf zurückzuführen, dass 
bei der dem Tode vorausgehenden Muskelsubstanzverminderung die spe¬ 
zifische kontraktile Muskelsubstanz rascher abgenommen hätte als die 
nicht kontraktile Substanz (das interstitielle Bindegewebe usw.). Dieser 
Einwand ist sicher bis zu einem gewissen Grade berechtigt, aber er 
genügt keinesfalls, um die grossen Differenzen bei den Werten der re¬ 
lativen Totenstarre zu erklären. Betrachtet man z. B. einen Fall wie 
unseren Fall mit 1,1 kg relativer Totenstarre. Es handelt sich hier um 
eine kräftig gebaute 20jährige Frau, die im Anschluss an eine Uterus¬ 
ruptur im Verlauf von wenigen Tagen einer Peritonitis erlag; eine hoch¬ 
gradige Einschmelzung von Muskelsubstanz ist in der kurzen Zeit kaum 
erfolgt, das Gewicht des Muse. reot. fern, der Leiche war dementspreohend 
hoch und betrug 180 g. Trotzdem belief sich die relative Totenstarre 
nur auf 1,1 kg. In solohen Fällen müssen wir mit Sicherheit annehmen, 
dass nicht nur die kontraktile Substanz durch die Krankheit aufgezehrt 
worden ist, sondern dass vor allem der für sie erforderliche Betriebs¬ 
stoff verbraucht war; dass also der geringe Wert der relativen Toten¬ 
starre auf die geringe Menge der Reservestoffe zurückzuführen ist, 
welche im Augenblick des Todes in einer für den Muskel verwertbaren 
Form dem Organismus zu Gebote standen. Diese Anschauung wird 
durchaus bestätigt, wenn man die in einer weiteren Reihe unserer Ta¬ 
bellen zusammengestellten Krankheiten betrachtet, welche den Tod her¬ 
beiführten. Man findet alsdann am Anfang der Reihe Sepsis, Tuber¬ 
kulose und Diabetes. Es folgen septische Grippe (wir verstehen darunter 
eine mit Eiterungen, Empyemen usw. einhergehende Form der Grippe) 
und Karzinome. Alsdann trifft man Herzinsuffizienzen. Es ist auf¬ 
fallend, wie z. B. die einzelnen Herzfälle mit 6,9—9,2 kg relativer 
Totenstarre hintereinander kommen. Es schliessen sich an die toxischen 
Grippen (wir verstehen darunter rasch verlaufende, schwerste Formen 
der Grippen ohne Eiterungen und ohne lokalisierte Metastasenbildung). 
Den Schluss bilden Urämien, bei denen der Tod ja auf eine Ver¬ 
giftung als auf eine Erschöpfung zurückzuführen ist und die trau¬ 
matischen Todesursachen. Es ist bemerkenswert, dass auch hier die 
Unfälle und Selbstmorde, welche sofort zum Tode führten, höhere Werte 
aufweisen als diejenigen, welche noch einige Tage im Krankenhause in 
Behandlung standen. Sehr deutlich war dieser Unterschied auch bei 
in den Revolutionsstrassenkärapfen Gefallenen, obwohl wir hier bei dem 
Durcheinander der Revolutionstage nicht immer exakte Aufzeichnungen 
machen konnten und namentlich das Gewicht des Muse. rect. fern, oft 
nicht ermittelt wurde. Aus diesen Gründen, sowie wegen der anders¬ 
artigen Temperaturverhältnisse (die Untersuchungen sind im Mai ge¬ 
macht) haben wir diese Fälle nicht in die Tabelle aufgenommen. Es 
mag die Feststellung genügen, dass die absolute Totenstarre stets 
über 30 kg betrug und oft zu gewaltigen Werten anstieg, so dass 
das Körpergewicht eines erwachsenen Mannes zu ihrer Lösung kaum 
ausreichte, und dass die relative Totenstarre wohl stets über 15 kg lag. 


Soweit sich solche überhaupt finden, herrscht die Anschauung vor, 
dass das Blut naoh dem Tode verhältnismässig rasch in Fäulnis über¬ 
geht (Kratter). Nach Kratter’s Ansicht sind die Veränderungen, die 
die Formelemente des Blutes an der Leiche erleiden, besonders an den 
roten Blutkörperchen ausgeprägt und treten frühzeitig nach dem Tode 
auf. Die Erythrozyten zerfallen schliesslich infolge der Verwesung unter 
Abgabe ihres Blutfarbstoffes. Dieser völlige Zerfall der roten Blut¬ 
körperchen soll 20—25 Tage nach dem Tode (Tamssia) vollendet sein, 
nach Kratter bereits früher eintreten. Die farblosen Blutkörperchen 
sollen von der Verwesung erst später ergriffen werden als die Erythro¬ 
zyten, aber schliesslich unter Verlust ihres Kerns auch zerfallen (Kockel). 
Ueber die Zeit, in welcher die weissen Blutkörperchen nach dem Tode 
duroh Fäulnis zerfallen, habe ich ausser dieser Bemerkung von Kockel 
in der Literatur nichts erwähnt gefunden. 

Abbildung 1. 


Dicker Blutstropfen aus dem Erguss der linken Brusthöhle einer 7 Monate 
nach dem Tode obduzierten, ausgegrabenen Leiche. Zahlreiche erhaltene 
rote Blutkörperchen. Mikrophotogramm Leitz, Okular 1, Objektiv 3. 


Abbildung 2. 

Rote Bk. 


Aus der Unterrichtsanstalt für Staatsarzneikunde der 
Universität Berlin. 

Auffällig langes Erhaltenbleiben roter Blut¬ 
körperchen nach dem Tode. 


Dünner Blutstropfen desselben Falles mit einer Anzahl erkennbarer 
roter Blutkörperchen. Mikrophotogramm Leitz, Okular 1, Objektiv 3. 

Jedoch konnte ich bereits an Ausstrichen aus dem Herzblut 
an zwei Leichen, von denen die eine 7 Wochen, die andere zwei 
Monate nach dem Tode exhumiert wurde, nach weisen 1 ), dass die 
Angaben über den frühzeitigen Zerfall der Blutkörperchen nach 
dem Tode nicht für alle Fälle Gültigkeit haben. 

In den beiden ebenerwähnten Fällen waren in den naoh May- 
Grünwald und Giemsa gefärbten Blutausstriohen noch gut erkennbare 

1) Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med., 1919, 3. Folge, Bd. 58, H. 1. 


Dr. med. Georg Straismann. 

Ueber die Art und Zeit, in der sich die VerwesuugsVorgänge 
am Blute, besonders an den Blutkörperchen abspielen, sind in 
der gerichtlich-medizinischen Literatur nur spärliche Angaben 
vorhanden. 


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20. Oktober 1012. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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und gefärbte Erythrozyten vorhanden, die zum Teil jedenfalls ihre ur¬ 
sprüngliche Gestalt behalten and nicht seriellen waren. Ebenso waren 
eine grossere Ansahl von Lymphosyten su finden, die swar vielfach ihre 
Form and Gestalt gegenüber der Norm verändert hatten, aber som 
grossen Teil noch als Lymphosyten erkennbar waren. Dagegen fand 
ich keine normal gebauten neutrophilen und eosinophilen Leukozyten 
vor. Diese mussten daher nach dem Tode frühseitiger serfallen als die 
Lymphosyten und Erythrosyten. Aus diesem Befuode sohloss ioh auf 
eine erhebliche Widerstandsfähigkeit der roten Blntkdrperohen und der 
Lymphosyten gegenüber den FäalniBVorgängen. 

Dass Blutkörperchen noch länger als 2 Monate nach dem 
Tode der Verwesung widerstehen und erkennbar bleiben, dürfte 
ein seltenes und darum bemerkenswertes Ereignis darstellen. 

Der Befund, den ich am Blute einer am 15. Juli 1919 voü 
den Gericbtsärsten Medizinalrat Stoermer und Geheimrat 
F. Strass mann sezierten Leiche erheben konnte, beansprucht 
deshalb vielleicht allgemeineres Interesse. 

Es handelte sich um einen 84 jährigen Mann, der in den Morgen¬ 
stunden des 19. Desember 1918 vor einem Lokal von einem anderen 
Manne durch einen Revolversohuss, der die Brust traf, erschossen wurde. 
Die Leiche wurde am 8. Januar 1919 beerdigt und auf richterliche An¬ 
ordnung am 12. Juli 1919 ausgegraben. Die gerichtliche Obduktion 
fand am 15. Juli 1919, also fast 7 Monate nach dem Tode, statt. 
Aeusserlioh seigte sioh die Leiche duroh Fäulnisvorgänge, die während 
des sechsmonatigen Aufenthalts in der Erde eine erhebliche Ausdehnung 
genommen hatten, fast zur völligen Unkenntlichkeit entstellt. Die 
Haare fehlten völlig, ebenso die äusseren Geschlechtsteile. Kopf und 
Gesioht waren mit diohten weisseo Sohimmelrasen übersät, von der Haut 
und den bedeokenden äusseren Weichteilen war nur noob wenig er¬ 
halten. Dagegen waren die inneren Organe der Brust- und Bauchhöhle 
so weit noch erhalten, dass sioh an ihnen die Verlaufsriohtung der töd¬ 
lichen Sohussverletzung erkennen liess. Danach musste der Schuss, der 
in die linke Brustseite eingedrungen war, die linke Herzkammer und 
den linken Uoterlappen der Lunge durchbohrt und einen etwa 17a l 
betragenden Bluterguss in der linken Brusthöhle verursacht haben. Es 
war daher erklärlich, dass der Schuss den sofortigen Tod herbeigeführt 
hatte. An dem Bluterguss der Brusthöhle fiel die dunkle schwarzrote 
Farbe deswegen besonders auf, da sieh entsprechend den hochgradigen 
äusseren Zeichen von Verwesung eine Farbenveränderung durch Fäulnis 
an den inoeren Organen und dem Blutergusse hätte erwarten lassen. 

In dem frischen, dem Erguss entnommenen und unter das Mikroskop 
gebrachten Blutstropfen Hessen sioh, trotzdem fast 7 Monate seit dem 
Tode des v Mannes vergangen waren und die Leiche mehr als 6 Monate 
in der Erde gelegen hatte, gut erkennbare rote Blutkörperchen von swar 
blasser Färbung, aber normaler Grösse und Gestalt nachweisen. Zwei 
Mikrophotogramme, Abb. 1 und 2, von einem ohne Zusatsflüssigkeit 
untersuchten dicken und einem dünneren Blutstropfen lassen eine 
grössere Anzahl typischer guterhaltener roter Blutkörperchen als matt¬ 
gelbliche Scheiben erkennen. Ausser den roten Blutkörperchen fanden 
sich zahlreiche Beimischungen, die durch die vorgeschrittene Fäulnis 
bedingt waren und das mikroskopische Bild störten. In dünnen, nach 
May-Grünw ald und Pappenheim gefärbten Blutausstriohen zeigte 
es sich, dass die Beimischungen sum grössten Teil aus Fäulnisbakterien, 
meist langen Stäbohen, bestanden, von denen viele endständige Sporen 
aufwiesen. Auch in den fixierten Blutpräparaten fanden sich eine An¬ 
sahl swar blassrosa gefärbter, aber dennooh gut erkennbarer und nioht 
wesentlich veränderter roter Blutkörperchen. Daneben waren Erythro¬ 
syten verschiedenster Gestalt nnd Form vorhanden, die Vakuolen¬ 
bildungen im .Innern und andere Zerfallsersoheinungen zeigten. In ein¬ 
zelnen Teilen des Präparats waren keine Erythrozyten mehr erkennbar, 
sondern man sah nur rote Sohollen und Leisten, die wohl Ueberreste 
der roten Blutkörperchen darstellten. 

In den Präparaten fanden sich ferner vereinzelte blaugefärbte rund¬ 
liche Zellen, von blassblauem Saum umgeben, die möglicherweise 
Lymphosyten darstellten. Ihre Grösse und Gestalt war verschieden. 
Sie waren so sparlioh vorhanden, dass man nur die Vermutung aus- 
spreehen kann, es handle sioh wahrscheinlich um Lymphozyten. Andere 
Arten weisser Blutkörperchen konnte ioh trots sorgfältigen Durohsuohens 
der frischen und der gefärbten Präparate nioht finden. Man mnss 
daher wohl annehmen, dass ausser den Lymphozyten die übrigen Arten 
der weUsen Blutkörperchen in diesem Bluterguss der Brusthöhle naoh 
7 Monaten infolge der Verwesung bereits serfallen waren, während die 
roten Blutkörperchen und möglicherweise auch ein Teil der Lymphosyten 
erhalten geblieben waren. 

Zusammenfassung. 

Rote Blutkörperchen können sich demnach lange Zeit nach 
dem Tode gegenüber den Verwesungsvorgftngen widerstandsfähig 
erhalten. Io dem Bluterguss aus der Brusthöhle einer Leiche, 
die 67s Monate in der Erde gelegen hatte und erst 7 Monate 
nach dem Tode obduziert wurde, waren noch unveränderte, gut- 
erbaltene rote Blutkörperchen vorhanden, während von den 
weissen Blntkörpercben sich vielleicht noch einzelne Lympho¬ 
zyten, dagegen sonst keine anderen Arten nachweisen Hessen. 


Die weissen Blutkörperchen mussten daher mit Ausnahme der 
Lymphosyten in der seit dem Tode verstrichenen Zeit bereits zer¬ 
fallen sein. 


Aus der Klinik und Poliklinik des Herrn Geheimrat 
Prof. Dr. Silex in Berlin. 

Beitrag zu den Augenstörungen durch Methyl¬ 
alkoholvergiftung. 

Von 

Dr. Wener Bah, 

Assistenten der Poliklinik. 

Die Schwierigkeiten, die sich der Veiabfolgung reiner, wohl¬ 
schmeckender, alkoholischer Getränke während der letzten Jahre 
entgegenstellten, sind bekannt. Zum Teil die teuren Preise, 
zum Teil der verringerte Gehalt an Alkohol und damit der Verlust 
des Wohlgeschmackes haben offenbar su einer Einschränkung 
des Verbrauches geführt. Das zeigt sich deutlich s. B. in der 
Abnahme der Fälle an Delirium tremens und anderen Alkobol- 
psychosen wie auch io der Seltenheit der Fälle von Alkohol¬ 
amblyopie. Die Häufung dagegen von Fällen von Tabaksamblyopie 
(Febr) und Methylalkohol Vergiftung [Birch-Hirschfeld] 1 ) be¬ 
weisen, dass versucht wurde, die Entbehrung des einen Gennss- 
mittels durch andere zu ersetzen. 

Der Methylalkohol oder Holzgeist ist das unterste Glied in 
der Reihe der einwertigen Alkohole und hat die Formel CH s OH 
(der gewöhnliche Alkohol CjH b OH = CH a .CH s OH). Er wird bei 
der trockenen Destillation des Holzes gewonnen, wird jetzt auch 
rein dargestellt und unterscheidet sich dann weder in Aussehen, 
noch Geruch und Geschmack vom Aethylalkohoi [Stadelmann 
und Magnus-Levy]*). Nur ist er für den Genuss (auch ein- 
geatmet) ungleich giftiger als dieser. Harnack 8 ) gibt an, dass 
8 g Methylalkohol toxisch, 30 g tödlich wirken. Kasass 4 ) hat 
hat als tödliche Dosis 2 Esslöffel einer 40proz. Lösung experimentell 
festgestellt; zur Erzeugung dauernder Blindheit solle schon ein 
Esslöffel dieser Lösung genügen. Die Schwere der Vergiftnngs- 
erscheinungen und gelegentlich immer wieder auftretende Massen¬ 
vergiftungen haben Allport 5 ) in den Vereinigtem Staaten und 
auch deutsche Forscher bewogen, das Verbot der Herstellung des 
Holsgeistes zu befürworten. 

Der Wichtigkeit des Themas entsprechend, sei es gestattet, 
3 Fälle von Metbylalkoholvergiftung, die wir jetzt kurz hinter¬ 
einander beobachtet haben, mitzuteilen. Es handelte sich wahr¬ 
scheinlich am Getränke, die durch den Schleichhandel in den 
Verkehr gekommen sind (man sieht jetzt in Berlin sogar Wagen 
mit Schnaps- und Likörflaschen, die auf der Strasse umher- 
fahrond „ein Gläschen“ feilbieten!). In einem Falle wurde der 
Patient besonders beruhigt, da ihm der’Schnaps als „Friedens- 
wäre“ empfohlen wurde. 

Fall 1. K., Eisenbahn Arbeiter, 81 J. alt, früher stets gesund; kein 
Abos, aloohol. Am 8. VI. 1919 trank er 8—10 kleine Gläser Schnaps, 
der „wie richtiger Schnaps schmeokte“. Den ganzen folgenden Tag 
schlief er durch und wurde am nächsten Tage ins Krankenhaus gebracht. 
Dort waren der Restaurateur und ein Kollege, die ebenfalls von dem 
Schnaps getrunken hatten (letzterer nicht mehr alB Pat.), bereits ge¬ 
storben. Seine Frau, die nur 8—4 Sohnäpse getrunken hatte, war unter 
Uebelkeit, Erbrechen, Schlafsucht und Sebstörungen erkrankt, genas 
aber nach 8 Tagen; auch das Sehvermögen stellte sioh wieder völlig her. 
K. erkrankte unter den gleichen Erscheinungen, er verlor zeitweise die 
Besinnung, das Sehvermögen verschlechterte sioh am 4. Tage (11. VI.) 
ganz plötzlich, er sah „nur noch einen kleinen hellen Schimmer*, am 
näohsten Tage nichts mehr. Behandlung: znnäohst Magenspülungen, 
dann allgemeine roborierende Maassnahmen. Am 25. VI. Aufnahme im 
St. Maria-Viktoria Krankenhaus. 

Hier besserte sich das Sehvermögen insofern, als Pat. am 7. VII. 
beiderseits das Licht einer elektrischen Lampe erkennen konnte, ohne 
cs jedoch genau projizieren zu können. Er konnte sehen, dass der Arzt 


1) Biroh-Hirsohfeld, Zum Kapitel der Intoxikationsamblyopien. 
Zsohr. f. Aughlk., 1916, Bd. 85. 

2) Stadelmann und Magnus-Levy, Ueber die in der Weih¬ 
nachtszeit vorgekommenen Massenvergiftungen. B.kl.W., 1912, S. 177 
u. 193. 

3) Harnaok, Die akute Erblindung duroh Methylalkohol ond andere 
Gifte. M.m.W., 1912, S. 1941. 

4) Kasass, Zar Pathologie der Methylalkoholamaurose. Ref. in 
Klin. Mbl. f. Aughlk., 1913, Bd. 51. 

5) Allport, State legislation oonoerning wood aloohol. Ophthalmo- 
logy, 1916. 

8 * 


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weis® gekleidet war. Geringe Schwankungen bestanden seitdem daaernd, 
am 26. VII. bestand rechts Lichtschein, Projektion -f-, nur nach rechts 
fehlend, links wurde Licht nur unsicher erkannt; am 2. VIII. reohts 
Amaurose, links nur Lichtschein (grosse elektrische Lampe ohne Pro¬ 
jektion). 

Die Pupillen waren stets maximal weit, reagierten nicht auf Licht, 
wohl aber bei Konvergenz (bei der übrigens das reohte Auge abwich), 
wenn auch wenig ausgiebig. Jetzt fehlt auoh diese (2. VIII) Die Pa¬ 
pillen waren sohmutziggrau-rötlioh, wie mit einem leichten Sohleier 
überzogen, die Grenzen ziemlich Boharf; in der näheren Umgebung der 
Papillen geringfügige Veränderungen (leichte Verschleierung der Gefäss- 
konturen, Pigmentanomalien. Maculae o. B. Die Arterien sehr eng. 

Sonst war ein pathologischer Befund nioht festzustellen. Behandlung: 
Sohmierkur (5 g tägl.) bis 7 VII., Sohwitzen, Stryohnininjektionen, Jod¬ 
kali, Theophyllintabletten. 

Pall 2. F., Arbeiter, 89 J. alt, wurde am 8 . VII. 1919 in die 
Klinik aufgenommen. War im Felde, stets gesund, mässig, Abos alc. 
und Inf. ven. neg. Er wurde von einem Arzte aus seiner Heimatstadt 
wegen Neuritis optica überwiesen. Auffallend waren gleich die weiten, 
liohtstarren Pupillen, die Konvergenzreaktion bestand; Visus: R Vio. LO. 
Typische Neuritis optica. Erst nach längerem Fragen gab F. an, am 
24. oder 25. Juni „einen kleinen Schnaps, Friedensware* getrunken zu 
haben; die Wirtin, die gleichfalls davon getrunken habe, soll ganz 
gesund geblieben sein. Es traten bei Pat. nur Storungen von seiten 
des Sehvermögens auf. Am 16. VI. war das Sehen rechts etwas beein¬ 
trächtigt, am 29. wurde auoh das linke Auge schlechter. Er konnte 
zwar noch alles sehen, aber „es war dunkel vor den Augen*. Kurs 
darauf habe er links plötzlich niohts mehr sehen können, rechts noch 
ein wenig. Eine Behandlung fand ausser Kamillenumsohlägen und 
homöopathischen Tropfen nicht statt; der Arzt wurde erst am 2. VII. 
aufgesucht. Die Therapie bestand auoh hier in Schwitzen, Strychnin- 
injektionen, später Jodkali und Theophyllin. 

Die Amaurose links blieb bestehen. Reohts besserte sioh der Visus 
etwas, so dass am 7. VII. fast V 6 gesehen wurde, dann wurde er auoh 
hier rapid schlechter, so das seit 20. VII. bis jetzt (2. VIII.) beiderseits 
Amaurose bestand. Auch eine einmalige lokale Blutentziehung half 
nioht. 

Die Neuritis ist bereits deutlich in eine Atrophie übergegangen, 
die Papillengrenzen sind unscharf, die Sehnervenscheiben weise, die 
angrenzenden Partien verschleiert. Gefässe, besonders Arterien, etwas 
eng. Maoulae frei. 

Die Weite der Pupillen ist nicht mehr maximal, die rechte ist 
etwas grösser als die linke, die Lichtreaktion fehlt, die Konvergenz- 
reaktion ist prompt, aber wenig ausgiebig. 

Die Wassermann’sche Reaktion war negativ, die interne Unter¬ 
suchung ergab nur unwesentliche Befunde. 

Fall 8 . R., Arbeiter, 88 J. alt, stellte sich in der Poliklinik nur 
einmal vor. Er hatte am 6 . IV. 1919 8—10 Kognaks, der „wie Brenn¬ 
spiritus* schmeckte, getrunken. Die ihn verabfolgende Wirtin trank 
auch davon, lag 8 Tage zu Bett; das Sehen war bei ihr nur vorüber¬ 
gehend sohlechter. R. erkrankte am 7. IV. mit Kopfschmerzen und Er¬ 
brechen. Am folgenden Tage wieder Erbrechen, mittags stellte sich 
ganz plötzlich Erblindung auf beiden Augen ein. Vom 10. IV. bis 1*VII. 
befand er sich in einer Klinik Jür Augenkranke und wurde dort mit 
Schwitzbädern und Jodkali behandelt. Das Sehvermögen stellte sioh 
nach 14 Tagen wieder her, er konnte Spielkarten ungefähr erkennen, 
sich völlig orientieren. Dann nahm das Sehvermögen rapid wieder ab. 
Seit 1. VII. behandelt ihn ein Arzt mit Stryohnininjektionen. 

Befund: Guter Allgemeinzustand. Pupillen fast maximal weit, 
lichtstarr, Konvergenzreaktion besteht. Auf beiden Augen besteht das 
Bild einer abgelaufenen Neuritis optioa, die Papillen sind blass, die 
Grenzen ziemlich scharf. Gefässe verengt. Maculae frei. 

Nachtrag bei der Korrektur ( 8 . X. 1919): Bei K. (Fall 1 ) be¬ 
steht seit 18. VIII. beiderseits Amaurose. Die Papillen sind deutlioh 
atrophiert (weisse Färbuüg). Pat. F. wurde am 80. VIII. zuletzt beob¬ 
achtet; die Amaurose bestand auf beiden Augen weiter. 

Epikrise: Die beschriebenen Fälle sind in jeder Weise 
typisch. Den klassischen Ausdruck für das Symptomenbild hat 
Hirschberg 1 ) 1912 gegeben: „Wenn unter einer Bevölkerungs¬ 
gruppe, welche regelmässig und reichlich Schnaps, und nicht den 
besten, zu sich zu nehmen gewohnt ist, plötzlich, ja explosiv, 
eine Vergiftungskrankheit ausbricht, mit Kopf- und Magenscbmerz, 
Erbrechen, Betäubung, weiten, starren Pupillen, jäh und regel¬ 
mässig eintretender und vollständiger Erblindung, in den 
schlimmsten Fällen mit tödlichem Ausgang, schon wenige Stunden 
nach dem Beginn der ersten Erscheinungen, so sollte man ■ zu¬ 
nächst immer an Methylschnapsvergiftung denken und die Quelle 
dieser Vergiftung zu verstopfen suchen.“ 

Auffallend war bei zweien unserer Kranken, dass das Bild 
einer typischen Neuritis optica nicht ausgeprägt war. Die Pupillen 
waren zwar leicht verschleiert, ebenso wie die Umgebung, die 


1 ) Hirschberg, Ueber Methylsohuapsvergiftung. B.kl.W., 1912, 


Nr. 42 


Arterien abnorm eng, aber die Begrenzung der Sehnervenscheiben 
war doch nicht so unscharf, wie dies sonst bei der Entzündung 
des Optikus und auch in dem Falle F. meist zu finden ist. Dies 
mag damit Zusammenhängen, dass der ganze Prozess urplötzlich 
einsetzt und in kürzester Zeit sein Endstadium erreicht. Aehn- 
licbes erwähnt ühtboff 1 ) in seiner Darstellung im Haodbuch von 
Graefe-SaemUch. 

Wenngleich noch nicht feststeht, ob der Methylalkohol selbst, 
Beimengungen oder Abbauprodukte toxisch wirken, so ist er im 
ganzen jedenfalls ein starkes Blutgift mit elektiver Wirkung auf 
Sehnerven und Netzhaut. Experimentell und autoptisch konnten 
demgemäss stets Befunde festgestellt werden, die auf einen ge¬ 
steigerten Abbau der nervösen Substanz hindeuten: Veränderungen 
in der Ganglienzellenschicht der Netzhaut, Blutergüsse in die 
Sehnervenscheide, Oedem der Retina und des Optikus, Wieder¬ 
herstellung der gestörten Blutzirkulation [übthoff*), Kasass»)]. 
Die zeitweise Besserung der Sehschärfe nach der bereits erfolgten 
Erblindung, ein geradezu pathognostisches Zeichen, steht damit in 
Zusammenhang. 

E#8 handelt sich also um einen ausgesprochen degenerativen 
Prozess. Das erklärt die Unwirksamkeit jeder Therapie, die wir 
auch leider in unseren Fällen beobachten konnten. 

Anschliessend möge ein Fall Erwähnung finden, der diffe¬ 
rentialdiagnostisches Interesse bat. 

Fall 4. W., Eisenhahnunterassistent, 80 Jahre alt, gibt an, am 
80. III. 1919 eine einzige Scheibe Bookwurst gegessen und etwa neun 
Schnäpse zu sioh genommen zu haben. Die Wurst soll nach Karbol 
gerochen haben. Am 81. III. Unwohlsein und starkes Erbrechen; kurz 
darauf Verschlechterung des Sehens; es war, als ob sioh ein Schleier 
über die Augen legte. Am Abend war zuerst das linke, dann das 
rechte Auge „völlig blind*. 

7. bis 30. IV. Behandlung in der Klinik: Schwitzen, Abführen, 
lokal Jodanstriohe. Eine innerliohe Untersuchung ergab niohts von 
Bedeutung. 

Zunächst bestand leichte Neuritis optica beiderseits (Grenzen ver¬ 
sohleiert und leicht verwaschen). Papillen fast maximal erweitert. 
Liohtreaktion fehlte. Beiderseits Amaurose. 

Langsame kontinuierliche Besserung des Sehvermögens, so dass am 
y® */x« L Vis gesehen wurde, was bis jetzt geblieben ist (R V 7 » 
L 8 /io am 2. VIII.). Die Pupillen sind normal weit, rund und reagieren 
prompt auf Licht und Konvergenz. Ophthalmologisch abgelaofene Neu¬ 
ritis optioa. 

Der Unterschied dieses Falles von den drei ersten besteht 
vor allem in der anhaltenden Tendenz zur Besserung. Doch 
muss hier die Frage offen bleiben, ob es sich um einen (nur un¬ 
vollständig ausgeprägten) Fall von Botulismus oder vielleicht 
ebenfalls um eine Methylalkohol Vergiftung handelt. 

Die Warnung des Publikums vor dem Ankauf von Nahrungs¬ 
und Genussmitteln unkontrollierbarer Herkunft muss daher von 
dem Arzte eifrig betrieben werden, zumal in der Jetztzeit. Die 
schnelle Erkennung des Krankheitsbildes kann weiteres Unheil 
oft verhüten. In bezug auf die Gefährlichkeit des Methylalkohols 
dürfte, falls die Einstellung der Fabrikation unmöglich erscheint, 
der Zusatz kleiner Mengen widerlich schmeckender, unschädlicher 
Stoffe das wirksamste Mittel sein, den immer wieder auftretenden 
Vergiftungen vorzubeugen. 


Aus der dermatologischen AbteilungdesRudolfVirchow- 
Krankenhauses (dirig. Arzt: Prof. Dr. Buschke). 

Ueber das Auftreten der Mikrosporie in Berlin 
und ihren Erreger, eine neue Variet&t des 
humanen Typs. 

▼ob 

Oberarzt Dr. W. Fischer. 

Bei den duroh Haarpilze hervorgerufenen Kopferkrankungen der 
Kinder lassen sioh generell zwei Gruppen feststellen, welche sioh durch 
den klinischen Verlauf und das biologische Verhalten der Erreger 


1 ) Uhthoff, Die Augenstörungen bei Vergiftungen. Handb. d. 
Aughik., v. Graefe-Saemisch, 1911, 2. Aufl. 

2) Uhthoff, Beitrag zu den Sehstörungen duroh Methylalkohol- 
Vergiftung. Klin. Mbl. f. Aughik., 1915, Bd. 54. 

8 ) Kasass, Ueber Veränderungen in Netzbaut und Sehnerv bei 
Vergiftung durch Methylalkohol. Ref. in Kliu. Mbl. f. Aughik., 1913, 


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20. Oktober 1919 


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deutlich voneinander unterscheiden. Die erste Groppe amfasst die 
richtigen Trichophytien; die oberflächlich bleibenden, daroh das 
Tr. crateriforme und acuminatom bedingten Formen sind exquisite Kinder¬ 
krankheiten und kommen z. B. in Paris sehr häufig vor, fehlen jedooh 
in Deutschland; die tieferen mit Entzündung und Eiterung (Kerion) 
bsv. mit schneller Abszedierung einhergehenden triohophytischen Pro¬ 
zesse verdanken ihre Entstehung denselben Pilzen, welche bei Er¬ 
wachsenen Bartflechten verursachen. Diese sind entsprechend der Ver¬ 
mehrung der Bartflechten überhaupt in Deutschland in den letzten 
Jahren bedeutend näufiger geworden, man kultiviert aus ihnen vorzugs¬ 
weise das Tr. cerebriforme und GypBeumarten, nur gelegentlich das Tr. vio- 
laoeum. Die zweite Gruppe umfasst die sogenannten Mikrosporien, 
das sind oberflächliche, reizlose, stark zu epidemischer Ausbreitung 
neigende Infektionen der Kopfhaut mit Pilzen, die sich vor allem mikro¬ 
skopisch durch die Kleinheit ihrer Sporen und ferner dadurch auszeichnen, 
dass sie bei Erwachsenen nur ganz ausnahmsweise auf der Haut haften. 
Der bekannteste und verbreitetste Vertreter des humanen Typs dieser 
Mikrosporons ist das Micr. Audouini. 

Während in manchen Ländern, speziell in den grossen Städten 
diese Mikrosporien seit altersher unter der Kinderwelt endemisch in 
grossem Umfange Vorkommen, hat man, abgesehen von Hamburg, wo 
die Mikrosporie ebenfalls endemisch herrscht, und io den westlichen 
Grenzgebieten, z. B. in Cöln, im zentralen Deutschland immer nur ge¬ 
legentlich kleinere oder grössere Epidemien beobachtet, die sich im all¬ 
gemeinen schnell bekämpfen Hessen. So lenkte im Jahre 1908 Chajes 
zuerst die Aufmerksamkeit auf das Auftreten einiger Mikrosporiefälle in 
einer Berlin-Sohöneberger Schule, es gelang damals sohnell, durch ge¬ 
eignete Maassnahmen eine weitere Verbreitung zu verhindern. 

Seitdem sind in Grossberlin bis Anfang des vorigen Jahres keine 
Mikrosporiefälle mehr bekannt geworden, bis mir im April 1918 zwei 
Kinder zugeführt wurden, die bereits mehrere Wochen von verschiedenen 
Seiten in Unkenntnis der eigentlichen Natur ihres Leidens erfolglos be¬ 
handelt worden waren. Es handelte sich um Geschwister, und besonders 
der Knabe wies bereits sehr zahlreiche Herde auf dem behaarten Kopfe 
auf. Die Mutter derselben wurde übrigens im weiteren Verlaufe eben¬ 
falls an einem Arm infiziert, es entwickelte sich bei ihr ein oberfläch¬ 
licher reizloser, schuppender Ring, der sich bald wieder zurüokbitdete; es 
war dies einer der seltenen Fälle, wo die Erkrankung auf die freie Haut 
eines Erwachsenen überging. Die Infektionsquelle war nicht sicher zu 
eruieren, vielleicht waren die Keime durch den kurz vor Ausbruch der 
Erkrankung von Nordfrankreich auf Urlaub befindlichen Vater ein- 
gesohleppt worden. Kulturell erwies sich der Erreger als das Micr. 
Audouini. 

Etwa zu der gleichen Zeit — Anfang Mai 1918 — wurden im 
Virchowkrankenhaus auf die Abteilung von Herrn Prof. Wechselmann 
17 Kinder aus einem Berliner Stift aufgenommen, die ebenfalls, zum 
Teil in sehr ausgedehntem Maasse, an typischer Kopfmikrosporie erkrankt 
waren. Ein Zusammenhang mit den ersterwähnten 2 Fällen bestand in 
keiner Weise, vielmehr schien die Infektionsquelle eher im Osten zu 
liegen. Diese kleine Epidemie gab Gelegenheit, die Sohulärzte durch 
Demonstrationen mit dem Krankheitsbild bekannt zu machen und das 
städtisohe Medizinalamt auf das erneute Auftreten dieser Mykose in 
Berlin hinzuweisen. Es schien auch eine Zeitlang, als ob man der 
Krankheit Herr geworden wäre; bis Anfang 1919 kamen keine neuen 
Fälle zur Beobachtung. Da traten in. demselben Stift wieder mehrere 
Erkrankungen auf, die Zahl der Fälle war eine bedeutend grössere, 
und das wurde anscheinend der Ausgangspunkt für die weitere Ver¬ 
breitung und Verschleppung 1 ). Bisher haben wir in dem unserer 
Abteilung angegliederten Ambulatorium für Frauen und Kinder im 
ganzen bei etwa 200 Kindern Mikrosporieerkrankungen feststellen können, 
und zwar stammt die überwiegende Mehrzahl der kleinen Patienten aus 
2 Stiften und einem Waisenhaus. Es finden sich aber in der letzten 
Zeit bereits auoh Infektionen bei frei wohnenden Kindern, und zwar 
zum Teil bei solchen, welche die gleichen Schulen besuchen, in 
denen auoh die Insassen der Stifte bzw. des Waisenhauses unterrichtet 
werden. 

Die weitere Bekämpfung dieser überaus übertragbaren Mykose wird 
darauf binzielen müssen, die erkrankten Kinder möglichst schnell zu 
isolieren und einer saohgemässen Therapie zuzuführen: ferner wird man 
die Infektionsquellen nach Möglichkeit feststellen und abgrenzen, um so 
die eigentlichen Krankheitsherde auszusohalten. Dies ist verhältnis¬ 
mässig leioht durohzuführen in Internaten, d. h. in solohen Instituten, 
wo die Zöglinge wohnen und verpflegt werden. Von diesen Stellen 
können weitere Infektionen nur insofern ausgehen, als die Kinder die 
in der Nähe befindlichen Sohulen besuchen; die Kranken lassen sich ja 
leicht in den Stiften und Waisenhäusern selbst von den Gesunden ab¬ 
sondern. Schwerer ist es in Stiften und Horten, wo ein Teil der In¬ 
sassen sich nur tagsüber aufhalten und des Nachts bei den Eltern 
schla f en, da man keine gesetzliche Handhabe hat, die Behandlung oder 
Isolierung dieser Kinder zu erzwingen, und die Eltern sioh auoh weigern, 
die eventuell nötige Krankenhausbehandlung zu bezahlen. Es wäre zu 
erwägen, ob nioht in solchen Fällen, wo wir wiederholt Ueber- 
tragungen auf Geschwister sahen, aus hygienischen Rüoksiohten die 


1) Eine Reihe von diesen Kindern habe ich bereits in einer Sitzung 
der Berliner Dermat. Gesellschaft am 13. Mai 1919 vorgestellt und dabei 
auch sohon auf die kulturellen Besonderheiten des Erregers hingewiesen. 


Stadt für die entstandenen Behandlungskosten aufkommen sollte. Selbst¬ 
verständlich müssen in Instituten, wo Infektionen vorgekommen sind, 
lange Zeit hindurch periodisch alle Kinder untersucht werden, sonst 
können sie duroh einzelne, unbemerkt gebliebene Fälle jahrelang dauernde 
Endemien entwickeln, deren Bekämpfung dann geradezu aussichtslos 
werden kann. Um weiteren Schulinfektionen vorzubeugen, haben wir 
bisher dem städtischen Medizinalamt die Sohulen und Klassen namhaft 
gemacht, aus denen wir infizierte Kinder zu Gesicht bekamen. Duroh 
die Herren Sohulärzte werden dann die betreffenden Klassen kontrolliert 
und krankbefundene oder krankheitsverdächtige Kinder unserem Ambu¬ 
latorium im Rudolf Virohow-Krankenbaus zur weiteren Untersuchung 
bzw. Behandlung zugewiesen. 

Was die Diagnose der Mikrosporie betrifft, so wird dieselbe dem 
mit dem klinischen Bilde nicht vertrauten Arzt zweifellos anfangs 
Schwierigkeiten machen. Das erste Symptom der Infektion, ein kleiner 
rundlioher, ganz leicht entzündlicher Fleck wird in den meisten Fällen 
übersehen werden, sehr bald schwindet auch die angedeutete Rötung 
und es entsteht eine kleienförmig schuppende Stelle; nun kommt es 
rasch zur Infektion fast sämtlicher Haare in dieser Partie. Charak¬ 
teristisch ist im Anfangsstadium ein scharf begrenzter grauer, runder, 
linsen- bis pfennigstüokgrosser, wie mit Staub bedeckter Kreis, dann das 
eigentümliche Aussehen der Haare, die als weissliehe, glanzlose, einige 
Millimeter über dem Hautniveau abgebrochene Stümpfe in dem Herd sitzen 
und sich im Gegensatz zu den gesunden Haaren leicht, anfangs noch mit 
der Wurzel, später abgebrochen mit einer Pinzette epilieren lassen; in 
diesem Falle wachsen von der zurückgebliebenen Wurzel aus die infizierten 
Haare allmählich wieder nach. Die Zahl der Herde ist naturgemäss zuerst 
gering, man findet im allgemeinen nur 2—5 kranke Stellen, bei längerem 
Bestände kann sioh ihre Zahl erheblich vermehren, und in ausgedehnten 
Fällen kann man 10—15 zählen, die durch Eigen Wachstum oder oft 
duroh Konfluenz mit anderen einen Umfang von 8—9 cm erreichen 
können. Um diagnostische Irrtümer zu vermeiden, sollte in jedem ver¬ 
dächtigen Falle auf Pilze gefahndet werden; ihr mikroskopischer Nach¬ 
weis in Schuppen und Haaren sichert zum mindesten die Diagnose einer 
PilzerkrankuDg. Durch die mikroskopische Untersuchung zusammen mit 
dem klinischen Aspekt lässt sioh aber auoh die Differentialdiagnose 
zwisohen Mikrosporie und Trichophytie leicht stellen, die wegen 
der verschiedenen Infektiosität der Affektionen sehr wichtig 
ist. Die Sporen der Mikrosporiepilze sind nämlioh auffallend klein und 
umhüllen das Haar von aussen wie ein Mantel, während die Trioho- 
phytiepilze grosssporig sind und wie z. B. das Tr. violaoeum nur inner¬ 
halb, eder wie das Tr. cerebriforme innerhalb und ausserhalb des Haares 
ihre Sporen bilden. Allein eine Trichophytongruppe bildet ähnlich den 
Mikrosporons ektotrisohe, mikroide Sporen, sie verursacht aber in den 
meisten Fällen bei Kindern ganz akute schnell zur Vereiterung führende 
Prozesse. 

Die eminente Infektiosität der Mikrosporie erfordert energische pro¬ 
phylaktische und therapeutische Maassnahmen; die ersteren sind bereits 
kurz besprochen. Die einzige Behandlungsmethode, bei der man Aus¬ 
sicht hat, in absehbarer Zeit Heilungen zu erzielen, ist die Röntgen¬ 
bestrahlung; diese wird in unserem Krankenhaus von Herrn Professor 
Levy-Dorn geleitet; die Kranken bekommen in 6—7 Einstellungen 
eine Volldosis mit tyj mm Aluminiumfilter, so dass eine Enthaarung des 
ganzen Kopfes eintritt 1 ). An sich Hesse sioh dies Verfahren ambulant 
dutohführen, aus Gründen der Verbreitungsgefahr sollte man aber doch 
mindestens die ausgedehnten Fälle bis zur erfolgten Epilation der Haare 
in stationärer Behandlung halten. Eine ambulante Behandlung ist nur 
dann ratsam, wenn eine genügende und streng durchgeführte Isolierung 
auch draussen gewährleistet werden kann; selbstverständlich sind solche 
Kinder vom Schulbesuch zu dispensieren! Neben der Röntgentherapie 
lassen wir feste Kopfverbände tragen, applizieren 5—15 proz. Salixyl- 
sohwefelsalben und lassen die Kopfhaut mit Jodtinktur oder Salizyl- 
spiritus einpinseln. Nach der Entlassung werden die kleinen Patienten 
in bestimmten Abständen zur Nachuntersuchung bestellt, um Rezidive, 
die bei nicht vollständiger Epilation gelegentlich Vorkommen, so sohnell 
wie möglich in Behandlung zu nehmen. ' 

Die bisher in Deutschland vorgekommenen Mikrosporieepidemien, 
auoh die letzte von Gut mann aus Assmannshausen a. Rh. beschriebene, 
sind ausnahmslos duroh das Micr. Audouini verursacht worden. Nur 
die Hamburger Mikrosporie wird nach Plaut vorwiegend von einer 
zwischen dem Micr. Audouini und lanosum stehenden Form bedingt. 
Der Erreger der hier in Frage stehenden Berliner Fälle zeigt mikro¬ 
skopisch hinsichtlioh seiner Struktur im Haar keine Abweichungen von 
den bekannten Bildern, auch in den bei 2 Kindern beobachteten, duroh 
Autoinfektion bedingten Hanteffioreszenzen batten die Myzelien im 
Gegensatz zu den Triohopbytiepilzen mehr gewundene und gebogene 
Formen. In Schuppen der erkrankten Kopfhaut sieht man allerdings 
auch gradlinig wachsende Myzelien. Diese Unterschiede sind meines 
Erachtens an sioh überhaupt nicht für die einzelnen Pilzarten charak¬ 
teristisch, sondern nur Zeichen einer geringeren (gewundene Myzelien) 
oder stärkeren (gerade Myzelien) Waohstumsenergie, man kann die gleichen 


1) Die Bestrahlungen wurden in einer Sitzung durchgeführt; der 
grösste Teil der Kinder zeigte einige Stunden später leichtere oder 
schwerere Störungen im Allgemeinbefinden, wie Apathie, Kopfschmerz, 
Uebelkeit und Erbrechen, doch gingen die Symptome in jedem Fall sehr 
schnell restlos zurück. 


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998 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 43. 


Befände bei der akuten und chronischen Form dee Eksema marginatum 
erheben; trotsdem lassen sich aus diesem Tersohiedenen Verhalten dia¬ 
gnostische Schlüsse ziehen. Auffallenderweise zeigt aber der Pilz hin- 
siohtlich seiner Kulturform erhebliohe Abweichungen vom 
Audouinityp. Als ioh ihn noch auf dem Sabouraud’sohen Original¬ 
nährboden züchtete, was allerdings aus Mangel an Material nur in ganz 
beschränktem Maasse geschehen ist, ging die Mehrzahl der Impfangen 
überhaupt nicht oder sehr langsam an, und nur verhältnismässig selten 
gelang es, zarte, meist kleinbleibende Kulturen zu erzielen. loh nahm an, 
dass der Säuregehalt des Nährsubstrats daran schuld sei, da Mikrosporie¬ 
pilse besser auf neutralen oder leicht alkalischen Nährböden wachsen. 
Später musste ich mit Bierwürzenährboden bzw. mit französischer Maltose, 
der deutsches Pepton zugesetst war, arbeiten, dabei ergaben sioh kurz 
zusammengefasst folgende Kultarresultate: Etwa am 5. Tage, manchmal 
auch noch später, beginnt sich das geimpfte Haar mit einem zarten Myzel 
zu umgeben, von dem aus auf der Oberfläche des Nährbodens langsam 
feine, kaum sichtbare, voneinander getrennte Fäden strahlig auswachsen; 
eine Flaumbildung, d. h. ein Wachstum in die Luft findet zuerst über¬ 
haupt niobt statt. Allmählich verdiohtet sioh die Kultur etwas mehr, 
sc dass sie einen grau-weissen Farbenton annimmt und erreicht erst 
nach etwa 4 Wochen die Grösse eines Zehnpfennigstüokes; radiäre 
Faltungen treten nie auf. In älteren grösseren Kulturen entwickeln 
sich wie beim Mior. Audouini einzelne fleokförmige, weisse flaumige 
Stellen, die schliesslich die ganze Fläche überziehen können. Mit dieser 
auffallend geringen Waohstumstendenz geht Hand in Hand ein fast voll¬ 
kommener Mangel von Sporutationsbildungen; ich habe in zahlreichen 
darauf durchgesehenen Kulturen weder sporulierende Hyphen noch 
Konidien nooh Spindelsporen finden können. Ganz selten sah ioh an¬ 
gedeutete Kolbenbildungen (Raquetteform); die Myzelien, die zuerst grad¬ 
linig auswachsen, nehmen bald eine gewundene Form an und bilden 
kammartige seitliche Auswüohse (die Organes pectines oder orosses = 
Krummstab Sabourauds), wie sie auch bei den bekannten Mikrosporon- 
arten Vorkommen, und entwickeln später interkaläre und endständige 
Chlamydosporen, auch sind die Myzelenden sehr häufig gegabelt und 
gefingert und gelegentlich keulenförmig verdickt. Im ganzen gewinnt 
man den Eindruck von einer sehr geringen Waohstumsenergie des Pilzes 
auf den gebräuchlichen Nährböden, durch die es nur zu Anfängen und 
Andeutungen differenzierterer Sporulationsvorgänge kommt. 

Wenn diese vorläufigen Kulturergebnisse auch nooh genauerer Nach¬ 
prüfungen bedürfen, so unterliegt es dooh wohl keinen Zweifel, dass wir 
hier eine bisher in Deutschland nicht bekannte Abart der 
Mikrosporiegruppe und zwar des humanen Typs vor uns haben. 
Herr Prof. PI aut-Hamburg, unser erfahrenster Pilzkenner in Deutsch¬ 
land, der so liebenswürdig war, meine Kulturergebnisse naohzuprüfen, 
ist der gleichen Ansicht. Nun bat Guögaeu 191® im Aroh. de Para¬ 
sitologie, Bd. 14, H. 2, ein Miorosporon depauperatum beschrieben, 
das nach seinem kulturellen Verhalten vollkommen mit meinen Züchtungs¬ 
resultaten übereinstimmt. G. hat damals nur einen Fall bei einer 
älteren Frau beobachtet und den Pilz aus Schuppen kultiviert. Wir 
müssen also .annehmen, dass derselbe jetzt seinen Weg nach Deutsch¬ 
land gefunden hat und die jetzige Epidemie verursacht. 

Vielleicht im Zusammenhang damit sind auoh die klinischen Er¬ 
scheinungen bei der jetzigen Epidemie im gewissen Grade von denen der 
Audouinimikrosporie etwas abweichend. Die klassische Form habe ioh 
weiter oben kurz skizziert. Wichtig ist es allerdings für jeden, der die 
klinischen Bilder richtig deuten will, dass unter allen Umständen vor¬ 
her auch die Diagnose „Mikrosporie“ einwandsfrei durch mikroskopische 
Untersuchung und bei atypischen Fällen durch Kultur gestellt wird. 
Unter meinen kleinen Patienten befanden sioh wiederholt solche, bei 
denen keine Mikrosporie, sondern Trichophytien Vorlagen; so stellte ioh 
z. B. einmal unter 50 angeblich Mikrosporiekranken 8 Fälle von Violaceum- 
und von 2 von Cerebriforme-Trichopbytie fest. Namentlich das Tr. cerebri- 
forme kann im oberflächlichen Anfangsstadium, wenn zahlreiche Haare 
infiziert sind, leicht zu Verwechslungen Veranlassung geben; durch den 
Pilzbefund im Haar (grosse endo- und ektotriohe Sporen) ist aber 
mikroskopisoh eine Unterscheidung sofort möglich. Unter Berücksichti¬ 
gung dieser Forderung habe ich den Eindruck, als ob die entzündlichen 
Vorgänge in einer Anzahl von Fällen etwas mehr in den Vordergrund 
treten, wie wir es sonst zu sehen gewöhnt waren. Die Rötung im ersten 
Stadium hält etwas länger an, und häufig sieht man lange Zeit am Rande 
der Herde eine entzündliche Reizung in Form eines leioht geröteten Ringes 
fortbestehen. Der infizierte Follikel reagiert auf die Pilzinvasion mit einer 
vermehrten Hornproliferation (Hornkomedonen), wodurch das Haar in seinem 
Waohstum gehemmt wird und Verbiegungen und Krümmungen erleidet, die 
an Formen erinnern, wie man sie sonst nur bei Trichophytien findet. 
Sabouraud stellt das gradlinig herauswachsende Mikrosporiehaar gerade¬ 
zu als differentialdiagnostisch wichtiges Merkmal gegenüber den ver¬ 
bogenen Haaren der Kindertrichophytien hin. Ein Beweis für die stärkere 
entzündliche Reaktion ist es auoh, dass nicht selten naoh der Röntgen¬ 
epilation an Stelle des Follikel im Bereiohe der erkrankten Partien kleine 
atropisohe, eingesunkene Närbohen auftreten, ähnlich den Narben einer 
Folliculitis decalvans. Besonders auffallend ist schliesslich das relativ 
häufige Vorkommen von schweren Ke rionbildungen und Absze¬ 
dierungen, die wir bis jetzt unter 200 Fällen 4 mal gesehen haben. 
In einem Falle bestand bei einem Mädchen ein talergrosser, tief infiltrierter, 
follikulär vereiterter Herd auf dem Scheitel, bei drei Knaben entwickelten 
sich aus anfänglich oberflächlichen Herden akut tiefe Vereiterungen und 
Abszedierungen mit sohwammigen Granulationen, die chirurgisch be- 

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handelt werden mussten *)• Eins dieser Kinder hat kürzlich am Rumpf 
ein follikulär angeordnetes Exanthem von kleinen braunen 
Papelohen bekommen, das entsprechend den bei Triohophytien vor¬ 
kommenden Triohophytiden vielleicht als „Mikrosporid“ gedeutet 
werden kann. Intrakutane Injektionen von Trichophytin (Miuse- 
favusextrakt eigener Herstellung) ergab bei den 4 Kindern 8 mal ein¬ 
deutig positive Reaktionen, bei einer Reihe von oberflächlich er¬ 
krankten Fällen zeigten sich an der Einstichstelle leiohte Rötungen, die 
man nieht sicher als positiv deuten konnte, andere reagierten glatt negativ. 

Auf welchem Wege diese Epidemie zu uns gelangt ist, liess sieh 
leider nicht mehr feststellen, wahrscheinlich liegen Einschleppungen aus 
den besetzten feindlichen Gebieten vor. Die Insassen des zuerst be¬ 
fallenen Stiftes waren vorwiegend östlioher Herkunft, von Militärärzten 
hörte ioh wiederholt, dass in Polen und auf dem Balkan die Mikrosporie 
ausserordentlich verbreitet wäre; eine Uebertragung von dort, sei es 
direkt oder durch totes Material — Mikrosporiesporen können sehr lang¬ 
lebig sein — ist also sehr wohl möglich. Da der Erreger bereits in 
Frankreich kultiviert ist, liegt allerdings eine Einschleppung aus dem 
Westen näher. 

Zusammenfassung: In Berlin herrscht zurzeit eine Mikrosporie¬ 
epidemie, die wenn sie auch in der freiwohnenden Bevölkerung noch 
keinen' besonderen Umfang angenommen hat, doch, um ihre Weiter¬ 
verbreitung zu vermeiden, zu energischen Abwebrmaassregeln zwingt. 
Als Infektionsherde kommen, da es sich um eine exquisite Kinderkrank¬ 
heit bandelt, in erster Linie Stifte, Waisenhäuser, Horte und Schulen 
in Betraoht, und es muss Sache der Anstalts- und Schulärzte sein, 
durch periodische Klassenvisitationen eventuell erkrankte Zöglinge fest¬ 
zustellen und für ihre Isolierung und Behandlung zu sorgen. Zur Be¬ 
gutachtung unklarer Fälle steht das dermatologische Frauen- und 
Kinderambulatorium des Rudolf Virchow-Krankenhauses zur Verfügung. 
Die Epidemie ist von einem in Deutschland bisher nicht bekannten 
Vertreter des humanen Typs der Mikrosporiegruppe, allem Ansohein 
nach von dem Miorosporon depauperatum, hervorgerufen und 
zeigt auch klinisoh Abweichungen von dem bekannten Bilde der mensch¬ 
lichen Mikrosporie, insofern entzündliehe Vorgänge mehr io den Vorder¬ 
grund treten. _ 

Zur Neuordnung des ärztlichen Unterrichts 
und PrQfungswesens. 

Von 

0. Laharseh. 

(Fortsetzung.) 

Damit kommen wir nun zu dem wichtigsten und umfang¬ 
reichsten Teil der ärztlichen Studien, den klinischen. Hier müssen 
wir uns zunächst über einige grundsätzliche Fragen klar werden, 
bevor wir auf Einzelheiten eingeben können. Von fast allen 
Seiten wird eineVermebrung des Lehrstoffes gefordert — Schwalbe 
wünscht Vermehrung des Unterrichts in der Ohren-, Hals- und 
Nasenheilknnde, der Dermatologie and Sypbilodologie, der Kinder¬ 
heilkunde, gründlichen Unterricht in der Orthopädie, Mechano- 
tberapie und Massage, der sozialen Medizin und Hygiene, Meyer 
fügt dazu noeh die Neurologie, der er im ganzen etwa 12 Stunden 
gewidmet wissen will; Fischer dazu noch experimentelle Patho¬ 
logie, Zabnheilkunde, ärztliche Ethik und Recbskunde usw., auch 
Hellpach verlangt Vermehrung des Unterrichts in den Kliniken 
für Sonderfächer (Haut-, Kinder-, Obren-, Hals-, Irren- und Augen¬ 
klinik), wenn er anch betont, dass in den Kliniken nichts gelehrt 
werden dürfe, was nur spezialistisches Interesse hat; am beschei¬ 
densten ist Asch off, der freilich auch keinen im einzelnen durch¬ 
gearbeiteten Lehrplan vorlegt. Da erhebt sich also sofort die 
Frage, wo soll die Zeit dazn herkommen? Scbwalbe meint, 
dass sie dadurch zu gewinnen sei, dass man die auf die theore¬ 
tische Medizin — besonders allgemeine Pathologie und pathologi¬ 
sche Anatomie -- verwendete Zeit verkürzt; anch Meyer scheint 
gerade dieses Fach bluten lassen zu wollen, wenn er ihm im ganzen 
innerhalb von 8 Halbjahren 13Stnnden and einen ganzen Nachmittag 
zubilligt gegenüber 10 Standen für die Hautklinik and 12 Stunden 
and einen Nachmittag für Psychiatrie und Neurologie, während 
Fischer im ganzen 84 Standen für die Pathologie verlangt. 
Darauf komme ich noch zurück. Im allgemeinen stimmen aber 
doch alle die genannten Autoren darin überein, dass die bisher 
zur Verfügung stehende Zeit von 5 Halbjahren nicht einmal für 
die bisher empfohlenen Lehrgegenstände ausreicht, geschweige 
denn für das in der Zukunft zu bewilligende Pensum. Deswegen 

1) Dass auoh das Mikrosporon Audouini gelegentlich solche stärker 
entzündliche zur Pu&tulation führende Prozesse auslösen kann, geht 
ans den Mitteilungen von Plaut und Lewandowski hervor. Immer¬ 
hin handelt es sioh dabei naoh den bisherigen Erfahrungen um sehr 
seltene Ausnahmen. 

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20. Oktober 1919, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


909 


wird eine Vermehrung der klinischen Studienzeit am 2—3 Halb¬ 
jahre and eine stärkere Inanspruchnahme der Ferien verlangt. 
Das ist allerdings das mindeste, was verlangt werden muss, wenn 
man die Ausbildung der Studierenden wirklich verbessern und 
nicht verschlechtern will. Ich selbst stehe der Vermehrung der 
Lehr- and Präfangsgegenstände mit grossen Zweifeln gegenüber. 
Der Mangel der bisherigen Ausbildung ist es, dass die Studierenden 
von einer Klinik, einer Vorlesung, einer Uebung sur anderen ge¬ 
botst werden, überhaupt nicht sur Besinnung kommen und viel 
in ermüdet sind, um noch irgend etwas von dem, was sie gebürt 
haben, su Hause durchxuarbeiten oder Zeit finden, ihre Allgemein¬ 
bildung su vertiefen. Der Hauptmangel ist bisher die Ungründ¬ 
lichkeit und Oberflächlichkeit der Ausbildung, dass die zukünftigen 
Aerite fast in keinem Fache eine so gründliche Ausbildung er¬ 
langen, dass sie sich wirklich sicher darin fühlen. Die Art des 
klinischen Unterrichts verführt zudem die Studierenden zur kasu¬ 
istischen Lernweise, man bat immer den Eindruck, als wollten 
sie möglichst viel Einzelerfahrungen sammeln, damit ihnen in der 
zukünftigen Praxis kaum ein Fall begegnet, den sie nicht schon 
„gesehen* oder von dem sie wenigstens „gehört“ haben. Es ist 
eine ständige Erfahrung, die ich bei diagnostischen Uebungen 
und in den Prüfungen immer von neuem wieder mache, dass mir 
gleichsam zur Entschuldigung gesagt wird, „das habe ich noch 
nie gesehen“ oder „davon habe ich nichts gehört, nichts gelesen“. 
Immer der unglückliche Gedanke, dass sie vor allem mit Er¬ 
innerungsbildern arbeiten sollten, was ja natürlich das bequemste 
ist. Dabei wissen die Teilnehmer an meinen Uebungen und 
Seminar, dass mir gar nichts auf das Endergebnis der Unter¬ 
suchung, Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Diagnose ankommt, 
sondern vielmehr darauf, dass sie die geistige und technische 
Methodik kennen, wie man zur Diagnose gelangen kann. Und 
das können sie am besten erproben an Aufgaben, deren Lösung 
nur grundsätzlich, aber .nicht im einzelnen vorgemacht ist. Eine 
Vermehrung des Lehrstoffs auch nur in geringem Umfang be¬ 
deutet aber zunächst eine Verflachung und nicht Vertiefung der 
Ausbildung, und deswegen stehe ich den Lehrplänen, wie sie von 
Meyer und Fischer entworfen sind, und den Forderungen von 
Schwalbe und Lenz, die eine bessere technische Ausbildung in 
möglichst viel Sonderfächern verlangen, recht sorgenvoll gegen¬ 
über; ganz besonders dann, wenn die Vermehrung der praktischen 
Fächer auf Kosten der wissenschaftlichen Ausbildung erfolgen 
soll, wie das vor allem von Lens, aber auch von Schwalbe 
und teilweise auch von Meyer 1 ), wenn von ihm auch mehr un¬ 
beabsichtigterweise, befürwortet wird: 

Namentlich Lenz geht soweit, für eine Abschaffung aller 
allgemeinen Vorlesungen einsutreten und zu verlangen, dass nur 
Repetitorien (d.h. „Paukkurse“) abgehalten werden und der Schwer¬ 
punkt auf die praktische Unterweisung in möglichst kleinen Grappen 
gelegt wird. Fischer hat mit Recht darauf hingewiesen, dass 
man auf diese Weise wohl „Routiniers“, aber keine wissenschaft¬ 
lich gebildeten Aerzte heranbilden könne. Man würde zudem zu 
einem System übergehen, das dort, wo es bisher geherrscht hat, 
immer mehr verlassen wird, ln Nordamerika geht man seit 
eioem Jahrzehnt immer zielbewusster zu einem Universitätsunter¬ 
richt Über, der nach dem deutschen Muster gestaltet ist, das 
jetzt bei uns als schädlich verketzert wird. Ich persönlich würde 
daher die Neuordnung des ärztlichen Unterrichts am liebsten in 
ganz anderer Richtung, wie sie jetzt allgemeines Feldgeschrei 
ist, vorschlagen: nämlich Vertiefung des theoretischen 
und praktischen Unterrichts in den Hauptfächern, 
Beschränkung in den Sonderfächern. D. h. bessere 
und vermehrte Ausbildung in der allgemeinen Pathologie 
und pathologischen Anatomie, der inneren Medizin einschliess- 

1) Der Grundgedanke Meyer’s, den Plan so anzulegen, dass jedes 
vorausgehende Semester wirklich auf das folgende vorbereitet, ist ja an 
sieh verführerisch, aber doch auch nicht unbedenklich, indem er die 
Gefahr bietet, dass die Studierenden das Fach nun ein für alle Mal als 
erledigt betrachten und es nachher nur noch insoweit beaohten, als es 
ihnen in der Prüfung — je nach der Strenge oder Milde des Prüfers — 
beachtenswert erscheint. Deswegen kommt durch Meyer’s Vorschlag, 
die Ausbildung in der allgemeinen Pathologie und pathologischen Ana¬ 
tomie auf einen Nachmittag zusammenzudrängen — man denke Sektions¬ 
kurs, pathologische Histologie, Uebungen in der makro- und mikroskopi¬ 
schen Diagnostik alles an 5 Nachmittagen, was schon technisch selbst 
an den grössten Instituten kaum durchführbar sein würde — die patho¬ 
logische Anatomie zu kurz. Upd für den fast wichtigsten Teil der 
pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie dem Demonstrations¬ 
kurs, sind überhaupt nur — zusammen mit Uebungen! — 8 Stunden im 
11. Semester vorgesehen! 


lieb Neurologie, der Chirurgie, Geburtshilfe und Frauen- und 
Kinderheilkunde und der allgemeinen Therapie. Dagegen Be¬ 
schränkung des Unterrichts in Augen-, Nasen-, Ohren-, Haut- 
und Geschlechts , Irrenheilknnde und Hygiene auf das für den 
praktischen Arzt notwendige Maass. Das scbliesst keineswegs 
aus, dass auch in diesen Fächern die Ausbildung eine gründ¬ 
lichere ist als bisher, wenn eben alles vermieden wird, was nur 
spezialärztliches Interesse hat, wie es ja auch Hellpach ver¬ 
langt. Aber ich halte es für ganz ausgeschlossen, diese Fächer 
nicht doch vorwiegend spezialistisch zu lehren, wenn ihnen ungefähr 
der gleiche Raum im Lehrplan zugebilligt wird, wie grundlegen¬ 
den Hauptfächern. Ich habe auch die feste Ueberzeugung, dass 
gerade auf diese Weise eine bessere Ausbildung der Aezrte nicht 
erreicht werden würde; die allgemeine Grundlage würde noch 
schlechter werden als bisher und deswegen die bessere prak¬ 
tische und spezialistische Ausbildung an der Oberfläche haften 
und im Laufe der Zeiten ganz verloren gehen; es würde ja 
der Fehler des bisherigen Systems, immer mehr Einzel¬ 
fächer hinzuzunehmen, nicht vermieden, sondern noch ver¬ 
stärkt. Schwalbe hat allerdings ein Ziel im Auge, das an 
sich sehr erstrebenswert ist — er will praktische Aerzte 
schaffen, die ähnlich, wie es bis in die 70er Jahre des vorigen 
Jahrhunderts hinein der Fall war, fast das ganze Gebiet der 
praktischen Heilkunde beherrschen und die Zuziehung von Sonder¬ 
ärzten auf ein möglichst geringes Maass zurückführen. Ich 
glaube, dass dieses Ziel höchstens dann erreicht werden könnte, 
wenn man die Studienzeit, wie in Schweden, auf etwa II Jahre 
festsetzte und auch ähnlich anordnete. Schon in den Nieder¬ 
landen, wo die Studienzeit etwa 7 Jahre beträgt und der ganze 
Unterricht in systematisch vorgeschriebener Form erfolgt, wird 
das Ziel nicht erreicht, und wenn wir auch noch so unzufrieden 
mit den Ergebnissen unserer Ausbildung sind, so können wir 
doch ohne Ueberhebung sagen, dass durchschnittlich besser aus¬ 
gebildete Aerzte nur in den nordischen Staaten, besonders 
Schweden und allenfalls noch den Niederlanden und der Schweiz 
su finden sind, also überall dort, wo die Studienzeit eine zum 
Teil erheblich längere ist oder wenigstens die viel bessere 
Art des Prüfungswesens eine gründlichere Ausbildung der 
Studierenden erzwingt. Wenn wir die Minderwertigkeit der 
^rctljchen. Ausbildung so besonders stark empfinden,-%»-liegt* das 
su einem grossen Teil daran, dass die ältere Generation — die¬ 
jenigen, die bis allenfalls Mitte der 80er Jahre ihre Prüfungen 
bestanden — für die allgemeine ärztliche Praxis erheblich besser 
ausgebildet war als die jetzige. Das lag zu einem Teil daran, 
dass die Spezialisierung der ärztlichen Wissenschaft und Kunst 
damals noch nicht so weit getrieben war, wie jetzt, zu einem 
erheblichen Teil aber auch daran, dass die Ausbildung eine 
bessere allgemein wissenschaftliche Grundlage und geistige 
Schulung gab. Es war der Sinn noch nicht in so erheblichem 
Maasse auf das rein Nützliche, das unmittelbar Verwertbare ge¬ 
lenkt. Ebensowenig wie uns die Betonung der „Realien“ in der 
Schulbildung genützt hat, hat uns bei der ärztlichen die Be¬ 
tonung der praktischen Gesichtspunkte genutzt. Im Gegenteil 
haben uns diese Methoden mehr Schaden als Nutzen gebracht — 
die allgemeine Bildung und Befähigung zum selbständigen Denken 
und Handeln sind erheblich zurückgegangen, und der Gewinn an 
praktischen Kenntnissen und Fertigkeiten ist nicht gross genug. 
Und doch ist die letzte Neuordnung des Prüfungswesens gerade 
unter dem Gesichtspunkt einer Verbesserung der praktischen Aus¬ 
bildung erfolgt. Dass sie ihren Zweck vollkommen verfehlt hat, 
wird fast allgemein zugegeben. Heller und nach ihm Fisch er haben 
das vollständige Ueberwiegen derJaristen in dem die Prüfungsordnung 
beratenden Ausschuss dafür verantwortlich machen wollen. Meiner 
Meinung nach nicht ganz mit Recht. Die Juristen haben sich 
sicher dem einen in der Kommission sitzenden Mediziner gefügt, 
der weder Erfahrungen als Lehrer, noch als Prüfer besass und 
ebensowenig jemals mitten in ärztlicher Praxis gestanden hatte, 
trotzdem aber die Gutachten der Fakultäten so gut wie gar nicht 
berücksichtigte, sich aber den von den Vertretern der Mehrheit 
der Aerzte erhobenen Wünschen nur allzu gefügig erwies. Denn 
die Einführung des praktischen Jahres — das sollte man doch 
nicht vergessen — verdanken wir in erster Linie dem Einfluss 
der praktischen Aerzte, ebenso wie auch die höchst unglücklichen 
Bestimmungen über die zur Ableistung des praktischen Jahres 
ermächtigten Anstalten durch Rücksichtnahme auf Wünsche der 
praktischen Aerzte erlassen wurden. Deswegen stimme ich dem 
Vorschläge Fischer’s, den zur Beratung einer Neuordnung zu 
berufenden Ausschuss gleicbmässig aus Vertretern der praktischen 


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1000 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42 


Aerzte, wie der medizinischen Fakultäten zusammenzusetzen, durch¬ 
aus nicht zu. Es ist selbstverständlich, dass auch Vertreter der 
praktischen Aerzte bei der Neuordnung mitwirken sollen; aber 
ihnen den gleichen Einfluss zuzubilligen wie den Hochschul¬ 
lehrern, scheint mir schon deshalb ganz unberechtigt, weil ihnen 
sowohl hinsichtlich des Unterrichts wie der Prüfungen praktische 
Erfahrungen nur in sehr beschränktem Maasse zur Verfügung 
stehen. Neben den praktischen ‘Aerzten sollte man zum min¬ 
desten mit beratender Stimme auch einen Vertreter der Studieren¬ 
den zola8sen; die Mehrzahl dagegen dem Kreise der Hochschul¬ 
lehrer entnehmen. Juristen brauchen in dem Ausschuss überhaupt 
nicht zu sitzen, da Rechtsfragen gar nicht in Frage kommen und 
das Formalistische von den Vertretern der beteiligten Ministerien 
zufriedenstellend erledigt werden kann. 

Wenn ich also auch gegen die Pläne eiuer Vermehrung der 
Sonderfächei* und einer sehr starken Betonung der praktischen 
Seite des Unterrichts erhebliche Bedenken habe, so verkenne ich 
doch nicht, dass wenig Aussicht besteht, dagegen erfolgreich an¬ 
zukämpfen und mein Programm der stärkeren Beschränkung der 
Sonderfächer zur Anerkennung zu bringen. Ich fürchte, dass mir 
darin selbst manche Vertreter der theoretischen Medizin nicht 
folgen würden. Trotzdem halte ich es nicht für überflüssig, diese 
Bedenken auszusprechen. Man wird sieb also damit abfinden 
müssen, dass bei der Neuordnung nicht eine Entlastung, sondern 
eine neue Mehrbelastung der Studierenden das Ergebnis sein 
wird. Um so mehr wird es Aufgabe sein, diese Mehrbelastung 
so einzuriebten, dass sie möglichst wenig empfunden werden 
kann und damit auch eine Verstärkung der allgemeinen wissen¬ 
schaftlichen Ausbildung erreicht wird, die an sich schon Er¬ 
leichterung schafft. Unter allen Umständen wird also eine Ver¬ 
längerung des Studiums nötig sein, gegen die freilich wegen der 
Mehrkosten Bedenken erhoben sind. Das kann aber gar nicht in 
Betracht kommen; will man sich dadurch schrecken lassen, ist 
es besser, die Hand von jeder Neuordnung zu lassen. Hier ledig¬ 
lich durch eine bessere Ausnutzung der Ferien zum gewünschten 
Ziel gelangen zu können, wie Schwalbe meint, halte ich für 
ganz ausgeschlossen, und ich glaube nicht, dass diejenigen, die 
aus eigner Erfahrung und nicht nur aus Erzählungen anderer die 
schon jetzt bestehende Ueberlastung der Studierenden kennen, 
ihm beistigomen werden. 

Meyer und Fischer, die ja die ausführlichsten Studien¬ 
pläne ausgearbeitet haben und eigene Erfahrungen besitzen, treten 
deswegen auch, wie mir scheint, durchaus unabhängig vonein¬ 
ander, sowohl für eine Verlängerung der Studienzeit auf volle 
6 Jahre als für stärkere Ausnutzung der Ferien ein. Beide wollen 
dies erreichen durch Abschaffung des praktischen Jahres. 
Darin stimme ich ihnen vollständig bei, aber ich bin etwas er¬ 
staunt darüber, dass sie diesen Vorschlag ganz kurz begründen. 
Es ist richtig, dass das praktische Jahr fast allgemein als ein 
Fehlschlag angesehen wird — auch Hellpach ist durchaus für 
seine Abschaffung, und Schwalbe, der es beibehalten wissen 
will, weiss Gründe für seine Beibehaltung kaum anzuführen. 
Aber man unterschätzt nach meiner Meinung sehr die Wider¬ 
stände, die sich der Aufhebung des praktischen Jahres entgegen¬ 
stemmen werden, und deswegen halte ich es nicht für überflüssig, 
auf die Frage des praktischen Jahres etwas näher eintugeben. 
Zunächst werden alle für Beibehaltung des praktischen Jahres 
in irgendeiner Form sein, die die Machtstellung der Universitäten 
zu erschüttern suchen, und deren sind im „neuen“ Deutschland 
Legion, und sie finden offenes Gehör bei den derzeitigen Macht¬ 
habern; denn in der Einführung des praktischen Jahres sab man 
schon eine Durchbrechung des bisherigen Grundsatzes, dass die 
Ausbildung der Mediziner ausschliesslich Sache der Universitäten 
sei; eine Aufhebung zugunsten einer Verlängerung des Universitäts- 
Studiums wird daher von diesen Gesichtspunkten aus entschieden 
bekämpft werden. Als weitere Widersacher werden wir alle die¬ 
jenigen zu erwarten haben, die von der Einführung des Medizinal- 
praktikate8 Vorteile hatten — kleine Städte und Anstalten, die 
auf diese Weise billige Hilfskräfte erhielten, und die Studierenden 
und ihre Angehörigen, die hervorbeben werden, dass das Studium 
erheblich verteuert wird, da sie ja nicht mehr die Einnahmen 
haben, die wenigstens ein erheblicher Teil der Medizinalprakti¬ 
kanten durch freie Station und Geldzuwendungen hatten. Das 
sind natürlich alles Gründe, die die Sache nicht treffen, höchstens 
wird noch bervorgeboben, dass an den kleineren Universitäten 
ungenügendes Unterrichtsmaterial vorhanden sei, während zahl¬ 
reiche Gemeindekranken häuser bessere Unterrichtsgelegen beiten 
hinsichtlich des Materials darböten. Es fragt sich daher zuerst, 


ob die Einrichtung des praktischen Jahres sachlich begründet ist. 
Man hat zur Verteidigung der Einrichtung darauf hinge wiesen, 
dass ja auch die praktische Ausbildung der zukünftigen Richter 
und Verwaltungsbeamten sowie der höheren Lehrer nach Be¬ 
endigung des Hochschulstudiums erfolge. Aber hier bestehen 
grosse Unterschiede: bei den Juristen erfolgt die Ausbildung nach 
einem bestimmt vorgeschriebenen Plan in der Weise, dass die 
Referendare von dem Oberlandesgerichtspräsidenten (Regierungs¬ 
präsidenten) den verschiedenen Gerichten und Dienststellen über¬ 
wiesen werden; es besteht keine Freizügigkeit, wenn auch Wünsche 
berücksichtigt werden können. Nach der erfolgten praktischen 
Ausbildung erfolgt aber erst die staatliche Hauptprüfung, von 
der aus die weitere Anstellung abhängt und sofort ohne weitere 
Ausbildung erfolgen kann. Auch bei den höheren Lehrern er¬ 
folgt die praktische Beschäftigung (das Probejahr) nach vor¬ 
geschriebenem Plan unter ständiger Aufsicht. Für das praktische 
Jahr der Mediziner gibt es aber nur eine einschränkende Be¬ 
stimmung, dass nämlich mindestens 4 Monate der Ausbildung in 
der inneren Medizin gewidmet sein müssen uud dabei der Begriff 
„innere Medizin“ sehr weit gefasst wird, so dass die Beschäftigung 
in einer Heilanstalt für Geistes- und Nervenkranke oder einer 
Lungenheilanstalt als zur inneren Medizin gehörig angesehen wird, 
ein Medizinalpraktikant al*o ein ganzes Jahr an derartigen 
Spezialanstalten zubringen kann. Im übrigen kann der Medizinal¬ 
praktikant ganz frei wählen, wo und wie er in der Zeit be¬ 
schäftigt wird, und die Erfahrung hat gezeigt, dass die über¬ 
wiegende Anzahl der Medizioalpraktikanten dorthin geht, wo sie 
am besten bezahlt werden, und vielleicht noch, wo sie eine mög¬ 
lichst selbständige Stellung finden. Deswegen sind namentlich 
die Krankenhäuser kleiner und mittlerer Städte, wo der Leiter 
ein vielbeschäftigter praktischer Arzt zu sein pflegt, der durch¬ 
schnittlich 1 l /a—2 Stunden täglich im Krankenhaose ist und den 
Medizinalpraktikanten, neben denen mhistjtein Hilfsarzt vorhanden 
ist, die Hauptsache überlässt. Dort eignen sie sich allmählich 
eine gewisse Gewandtheit (Routine) an, erhalten aber keine.oder 
sehr mangelhafte Anweisung, lernen nichts zu, vergessen aber 
viel von dem, was sie allenfalls gelernt hatten. Aus allen diesen 
Gründen hatte sich sebpn im Jahre 1911 der akademische Rat 
der Düsseldorfer Akademie für praktische Medisio, deren geschäfts¬ 
führender Professor ich damals war, gegen eine Beibehaltung des 
praktischen Jahres in der bisherigen Form ausgesprochen und 
verlangt, 1. dass nur solche Krankenanstalten die Berechtigung 
zur Aunahme von Medizinalpraktikanten erhielten, die mit allen 
wissenschaftlichen Hilfsmitteln ausgestattet seien und auch hin¬ 
sichtlich der ärztlichen Leiter eine Gewähr für eine sachgemässe 
Ausbildung darböten; 2. die Medizinalpraktikanten nicht frei 
wählen könnten, wo sie das praktische Jahr ableisteten, sie viel¬ 
mehr unter möglichster Berücksichtigung persönlicher Wünsche 
und Verhältnisse von einer Zentralbehörde (Regierungspräsident) 
den einzelnen Anstalten überwiesen werden; 3. dass die Aus¬ 
bildung Dach einem bestimmten Plan — unter besonderer Be¬ 
rücksichtigung der Geburtshilfe und der sozialen Medizin — zu 
erfolgen habe. Es ist wohl zweifellos, dass auf diese Weise die 
grössten Mängel des praktischen Jahres beseitigt würden — aber 
doch nur ein Teil. Es bleibt bestehen, dass bei ganz ungenügender 
Ausnutzung des praktischen Jahres durch Medizinalpraktikanten 
keine Möglichkeit besteht, ihnen die Approbation zu verweigern; eine 
Verlängerung des praktischen Jahres ist vorgesehen, nicht aber eine 
Verweigerung, nicht einmal bei sittlichen Verfehlungen schwerer Art. 
Es ist aber ganz unmöglich, einen Teil der Gesamtausbildung in eine 
Zeit zu verlegen, nach der eine Entscheidung über die Zulassung 
zu. dem betreffenden Beruf nicht mehr möglich ist. Das würde 
selbst dann ein schwerer Fehler sein, wenn man die eigentliche 
Ausbildung, wie bei den Oberlehrern, als vollkommen abgeschlossen 
betrachten könnte und nur noch ein Probejahr für praktische 
Ausbildung angliederte. Jetzt müsste es ja aber gerade mit dazu 
dienen, einen Teil der Mehrbelastung durch Vermehrung des 
Unterrichtsstoffes aufzunehmen, und dadurch würde der ganze 
Zweck des praktischen Jahres wesentlich verändert, ganz ab¬ 
gesehen davon, dass dann erst recht nicht alle beliebigen Kranken¬ 
anstalten zur Annahme von Praktikanten berechtigt werden dürften. 
Wollte man aber auch noch versuchen, auf irgendeine Weise 
dem praktischen Jahre die Aufgabe, die praktische Ausbildung 
der Mediziner zu vervollständigen und zu verbessern, vorzubehalten, 
so wäre auch dieses Ziel als wenig erstrebenswert abzulehnen. 
Theoretische und praktische Ausbildung stehen in der ärztlichen 
Ausbildung in so inniger Wechselbeziehung, dass es an sich ein 
verfehlter Gedanke war, das praktische Jahr dem Medizinstudium 


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20. Oktober 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1001 


anzuhängen, and Asch off hat ganz recht, wenn er sagt, dass 
die durch das praktische Jahr beabsichtigte Ergänzung des 
klinischen Unterrichts in dieser Zeit zu spät komme. — Des¬ 
wegen möge man sich keinesfalls anf irgendwelche Kompromisse 
einlassen, wie Aschoff z. B. vorschlägt, wenn er das praktische 
Jahr auf x / s beschränken will, sondern das praktische Jahr kurz 
entschlossen fallen lassen. Die sehr erfahrenen und praktischen 
Schweizer, die ihre neuen Pröfnngsvorschriften erst lange nach 
den unsrigen Vornahmen (Verordnung vom 29. Nov. 1912), als 
genügende Erfahrungen über das praktische Jahr Vorlagen, haben 
nach eingehenden Ueberlegungen von der Einführung dieser Ein¬ 
richtung abgesehen, und darin sollten wir ihnen folgen. — 

Wir kämen auf diese Weise zu einer Verlängerung des ärzt¬ 
lichen Universitätsstudiums um 2, wenn man das jetzt fortfallende 
militärische Dientbalbjahr binzurechnet, um 8 Halbjahre, und 
nach Meyer’s Vorschlägen, denen ich mich anschliesse, zu einer 
Verlängerung der klinischen Studienzeit um 8 Halbjahre. Das 
wird in der Hauptsache genügen, um den gesamten Lernstoff 
und die praktische Ausbildung zu bewältigen, wenn auch noch 
die Ferien zu Hilfe genommen werden. Auch darin herrscht ja 
eine erfreuliche Uebereinstimmung, dass die Ferien zur Aus¬ 
bildung mit herangezogen werden müssen und können. In welcher 
Form darin die praktische Ausbildung zu erfolgen bat, darüber 
wird man sich, glaube ich, leicht einigen können, wenn auch 
jetzt noch die Ansichten etwas auseinandergehen. Mir scheinen 
die Vorschläge von Aschoff und Fischer, die in der Haupt¬ 
sache auf eine Zwangsfamulatur innerhalb der Ferien hinaus- 
kommen, am besten; damit müsste man den Vorschlag Meyer’s, 
die Studierenden in den letzten Ferien als Hilfsassistenten einige 
Monate so zu beschäftigen, dass sie den gesamten ärztlichen 
Dienst — einschliesslich des Aufnahme- und Nachtdienstes — 
zu besorgen hätten, verbinden. Ihnen zu diesem Zwecke, wie 
Aschoff vorschlägt, eine „vorläufige“ (widerrufliche?) Appro¬ 
bation zu erteilen, erscheint mir ganz unnötig. Da sie doch 
diese Tätigkeit unter Aufsicht auszuüben hätten, werden die bei 
dieser Tätigkeit zu leistenden Unterschriften, soweit sie zur Vor¬ 
aussetzung die ärztliche Approbation haben, von dem aufsichts- 
fübrenden Arzt gegeben werden müssen. Ausserdem kann, soweit 
die Zeit reicht, auch noch im Studienhalbjahr eine praktische 
Beschäftigung in Kliniken und Instituten erfolgen, die aber nicht 
als Zwangsmaassregel gedacht werden soll. Dass bei dieser 
praktischen Beschäftigung der Studierenden als Zwangsfamuli 
und Hilfsassistenten auch andere Krankenanstalten herangesogen 
werden müssen, als die mit Universitäten verbundenen, halte ich 
für selbstverständlich; nur wird eine sorgfältigere Auswahl dabei 
vorgenommen werden müssen, als es seinerzeit für die Ableistung 
des praktischen Jahres erfolgte. Alle anderen Fragen, auf die 
Aschoff und Fischer einen gewissen Wert legen, ob die Do¬ 
zenten und Hilfsärste, unter deren Leitung die Studierenden in 
den Ferien praktisch beschäftigt werden Bollen, dafür besondere 
Gebühren erhalten sollen oder nicht, halte ich für nebensächlich 
— zumal heutzutage, wo man schwer sagen kann, von wem das 
Geld dafür aufgebracht werden soll. Eher könnte es vielleicht 
erreicht werden, dass die Studierenden während ihrer Famuli- 
und späteren Hilfsassistentenzeit freie Wohnung und Verpflegung 
in den betreffenden Krankenabteilungen erhielten. Dagegen halte 
ich es für wichtig, ganz genau zu bestimmen, in welchen kli¬ 
nischen Abteilungen die Ausbildung erfolgen soll, genaue An¬ 
weisungen über die Ausbildung zu erlassen und die Zahl der 
Teilnehmer nach der Grösse und Belegung der Krankenabteilangen 
and der Anzahl der dort vorhandenen Hilfsärzte zu begrenzen, 
ln erster Linie müsste nach meiner Meinung die Gebortshilfe 
und innere Medizin gestellt werden, während eine Beschäftigung 
in den kleineren Sonderfächern (Augen-, Obren-, Hals- und 
Nasenkrankheiten usw.) nicht gestattet sein dürfte. Auch müsste 
besonderer Wert darauf gelegt werden, dass bei der Beschäftigung 
in den chirurgischen Abteilungen der poliklinische Betrieb be¬ 
rücksichtigt und eine gründliche Ausbildung in der kleinen 
Chirurgie erfolgte. Inwieweit auch eine kurze Beschäftigung bei 
Krankenkassenärzten oder Landärzten zweckmässig sein könnte, 
wage ich nicht zu entscheiden. Die Sache hat jedenfalss auch 
ihre bedenklichen Seiten 1 ). 


1) In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als ich 
studierte, war es sehr verbreitet, dass die älteren Kandidaten der 
Medizin als Vertreter von Aerzten in den Ferien aufs Land gingen und 
so jedenfalls den ärztliohen Betrieb dort kennen lernten. Für die Ge- 
samtausbildung war das aber wohl kaum von grosser Bedeutung. 


Bevor ich nun auf den Studiengang in den klinischen Halb¬ 
jahren eingehe, halte ich es für notwendig, zu erörtern, in 
welchem Umfange man Zwangsvorschriften einführen will. 
In Grossbritannien. Nordamerika, den romanischen Ländern und 
den Niederlanden besteht ja die akademische Lernfreiheit in un¬ 
serem Sinne nicht, sondern es sind zum mindesten die Fächer, 
in denen Vorlesungen und Uebungen gehört werden müssen, für 
jedes Halbjahr oder jedes Jahr genau vorgeschrieben. Zu diesem 
System überzugehen, ist bei uns von keiner Seite empfohlen 
worden; aber Meyer und besonders Fischer wollen mit Zwangs¬ 
vorschriften doch recht weitgehen. Meyer’s Stundenplan 1 ) ist 
so gedacht, dass jedes voraufgehende Halbjahr auf das folgende 
vorbereitet, der zum mindesten im „Prinzip“ eingebalten werden 
soll, wenn auch nicht „alle Vorlesungen obligatorisch sein 
werden“. Das ist ohne einen gewissen Zwang nicht möglich, 
ebenso wie die Festsetzung der Stundenzahl für die einzelnen 
Lehrfächer, die „der Willkür des einzelnen Dozenten entrückt 
sein müssten“. Fischer geht aber noch weiter: die Studierenden 
sollen nicht nur zur Einhaltung eines bestimmten Studienganges, 
sondern auch dazu verpflichtet sein, „die einzelnen Fächer in 
der richtigen Reihenfolge zu hören“. Wenn es nicht gelänge, 
die Studienpläne auf allen deutschen Hochschulen grundsätzlich 
gleichartig zu gestalten, müsste erwogen werden, „den Wechsel 
der Hochschule nur nach Erledigung bestimmter Studienabschnitte 
zu gestatten“. Durch den Staat muss festgesetzt werden, welche 
Lebrplanvorlesungen nach Inhalt und Umfang in jedem Fach 
gelesen werden müssen, und die Dozenten müssen amtlich ver¬ 
pflichtet sein, in diesen von ihnen pflichtgemäss zu lesenden 
Stunden den von der Prüfungsordnung vorgeschriebenen Wissens¬ 
stoff vollständig zu bringen. 

Das sind wohl die schwersten Eingriffe in Lern- und Lehr¬ 
freiheit, die bisher je vorgeschlagen sind. Fischer meint zwar, 
dass weder Lehr- noch Lehrnfreibeit dabei geschädigt, ja auch 
nur berührt würden, und sagt: „Der Absolutismus der Ordinarien 
in dieser Richtung, schamhaft verhüllt unter dem Namen der 
Lehrfreiheit (die damit gar nichts zu tun hat), muss meines 
Erachtens aufbören.“ Ein Satz, der ja wunderschön in unsere 
„neue“ herrliche Zeit passt, den sich Fischer aber doch wohl 
nicht ganz gründlich überlegt hat. Denn es handelt sich um 
Eingriffe nicht nur in die Lehr-, sondern geradezu in die Ge¬ 
wissensfreiheit. Nach Fischer soll der Staat, d. h. die jeweilige 
Regierung, nicht nur Inhalt und Umfang der Vorlesungen be¬ 
stimmen, sondern auch den Dozenten verpflichten, in den vom 
Staat ihm zudiktierten Stunden den von der Prüfungsordnung 
(d. h. wieder dem Staat) vorgeschriebenen Wissensstoff vollständig 
zu bringen. Wer dies zu beaufsichtigen bat, ist nicht gesagt; 
vielleicht der „Obmann“ eines noch zu bildenden Studentenrates 
oder ein von der Regierung ernannter „Volksbeauftragter“. Und 
wer dann den vorgeschriebenen Wissensstoff nicht „vollständig“ 
bringt, wird hoffentlich abgesetzt. Ich muss sagen, dass ich 
geradezu erschrocken war, als ich diesen Vorschlag eines von 
mir so hochgeschätzten Facbgenossen las, und ich halte ihn für 
ein Erzeugniss der von demokratisch-ungeschichtlichem Geist er¬ 
füllten Frankfurter Umwelt. Fischer wird vielleicht einwenden, 
dass ja Umfang der Vorlesungen, Stundenzahl, ja der ganze 
Stadienplan von den Fakultäten entworfen werden wurde und 
die Regierungen daran nichts ändern würden. Ich habe dieses 
Zutrauen zu den Regierungen des „neuen“ Deutschland nicht, 
und ich sträube mich mit Händen und Füssen dagegen, dass uns, 
nachdem wir willenlose Sklaven der Feinde und der Handarbeiter 
geworden und uns die Verfügung über unsere materiellen Besitz¬ 
tümer genommen ist, nun auch das letzte, was wir besitzen, die 
geistige Freiheit, genommen werden soll. Derartige bindende 
Fesseln anzulegen, wie Fischer vorschlägt, geht schon deswegen 
nicht an, weil in vielen der in Frage stehenden Dinge die An¬ 
sichten auch der objektivsten Sachverständigen auseinandergehen 
werden und müssen. Ich bin überzeugt, dass Fischer sich seinen 


1) loh halte es an sich für sehr verdienstvoll, dass Meyer sich der 
Mühe unterzogen hat, nicht nur einen Studien-, sondern sogar einen 
Stundenplan zu entwerfen; aber ich glaube nicht, dass das von einem 
einzelnen gemacht und etwa gar für alle Universitäten gloiobmässig 
bestimmt werden kann; denn für die Stunden sind dooh auch örtliche 
Verhältnisse maassgebend, die in Gressstädten andere sind als in Mittel¬ 
und Kleinstädten. Die für die pathologisch-anatomischen Uebungen 
(Sektions- und mikroskopische Uebungen) von Meyer vorgeschlagenen 
Stunden sind z. B. die denkbar ungünstigsten, weil bei künstlicher Be¬ 
leuchtung diese Uebungen mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft, 
zum Teil überhaupt nicht durchführbar sind. 


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1002 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42 


Stndieoplan sehr genau überlegt bat, ebenso wie Meyer, und 
trotzdem weichen beide nicht nur hinsichtlich der Reihenfolge, 
sondern auch betreffs der Ausdehnung der Vorlesungen und 
Uebungen erheblich voneinander ab. Ja, ich bin überzeugt, dass 
es kaum ein Fach geben wird, io dem nicht die verschiedenen 
Fach Vertreter recht verschiedene Ansichten über die Art und die 
Dauer haben, in der ihr Fach zu lehren ist. Non wird Fischer 
sagen, dass er das gerade vermeiden will. Aber die Be¬ 
stimmungen können doch nur von einem Ausschuss vorbereitet 
werden, in dem nicht einmal alle Sonderlicher mit beschliessender 
Stimme vertreten sein können, geschweige denn die an den ver¬ 
schiedenen Universitäten herrschenden verschiedenen Ansichten 
zu Wort kommen werden. Es werden Mehrheitsbeschlüsse gefasst 
werden, die dann zu einer geistigen Vergewaltigung führen. Ich 
selbst habe die Frage der Neuordnung des ärztlichen Studiums 
und die Einführung eines systematischen Studienplans seit Jahren 
sehr eingehend studiert und überlegt, ich kenne als langjähriger 
akademischer Lehrer und als langjähriger Berater von praktischen 
Aerzten und Krankenhausärzten die Bedürfnisse der Studierenden 
und der Praktiker recht genau, ich stimme in vielen Grund¬ 
gedanken und manchen Einzelheiten mit Meyer und Fischer 
überein, aber gerade für mein eigenes Fach halte ich die Vor¬ 
schläge meines engeren Facbgenossen Fischer für wenig glücklich. 
Er hält eine 6stündige Vorlesung über allgemeine Pathologie im 
5. Semester für nötig, ich dagegen nicht; er wünscht eine zehn¬ 
stündige Vorlesung über spezielle pathologische Anatomie, während 
ich diese Vorlesung von allen für die entbehrlichste halte; er 
begnügt sich mit 2 Stunden pathologisch-anatomischer Demon¬ 
stration jedesmal in 3 Studienhalbjahren, während ich einen 
10—128tündigen Demonstrationskurs in 2 oder 3 Halbjahren für 
nötig halte. Wessen Ansicht soll nun geltend und durchschlagend 
sein, und soll nun wirklich derjenige, der eine bestimmte An¬ 
ordnung für ganz verfehlt hält, gezwungen sein, sich ihr zu 
fügen? — Und wie sehr wird durch Fischer’s Vorschläge die 
Lernfreiheit und damit die geistige Selbständigkeit und das Ver¬ 
antwortlichkeitsgefühl der Studierenden geschädigt, ja selbst ihre 
Freizügigkeit beschränkt. Es wird z. B., wenn man Fischer’s 
Vorschläge annehmnn wollte, den Studierenden nicht mehr 
möglich sein, schweizerische und österreichische Universitäten zu 
besuchen, da man sie ja doch nicht zwingen könnte, dieselben 
Stunden- und Studienpläne anzunebmen wie die deutschen. 

Ich stimme dem Gedanken, dass der ärztliche Unterricht in 
ein bestimmtes System gebracht werden muss, an sich durchaus 
zu; aber alle Zwangs Vorschriften müssen dabei auf ein Mindest- 
maass herabgesetzt werden. Alle Erfahrungen — und das ist 
doch nun einmal der einzig sichere Boden für unser Handeln und 
nicht Hoffnungen und Annahmen — zeigen, dass seit Einführung 
der Zwangsvorschriften bei Medizinern und Juristen die Aus¬ 
bildung nicht besser, sondern schlechter geworden ist. Man ver¬ 
gleiche in dieser Hinsicht die Ausführungen eines so fortschritt¬ 
lich gesinnten Mannes wie W. Ostwald 1 2 ) und meine Auseinander 
Setzungen in meiner Schrift „Zur Frage der Hochschulreform“ *). 
Nicht die Art der von den Fakultäten empfohlenen Stundenpläne 
hat den Studierenden an sich die Befolgung fast unmöglich ge¬ 
macht, sondern der Mangel der zur Verfügung stehenden Zeit 
machte es den Fakultäten unmöglich, wirklich brauchbare Studien¬ 
pläne aufzastellen. Sobald dieser Hauptmangel beseitigt ist, wie 
es durch die Vermehrung der Studienzeit und die bessere Aus¬ 
nutzung der Ferien sicher der Fall sein wird, wird es den 
Fakultäten möglich sein, Studien- und Stundenpläne aufzustellen, 
deren grundsätzliche Befolgung Schwierigkeiten nicht machen 
wird, und zwar um so weniger, je mehr Freiheit man im einzelnen 
lässt. Ich denke, man wird sowohl zu den Dozenten wie zu den 
Studenten das Vertrauen haben dürfen, dass sie freiwillig den 
Studiengang so einrichten werden, wie er von erfahrenen Lehrern 
empfohlen wird. Ja ich bin sogar überzeugt, dass dann auch 
ein grundsätzlich einheitlicher Studienplan für alle deutschen 
medizinischen Fakultäten durch Uebereinkunft wird festgelegt 
werden können. Deswegen bin ich der Ansicht, dass man sich 
auf folgende Zwangsbestimmungen wird beschränken müssen: 
1. Die Kliniken dürfen erst nach Ablegung der ärztlichen Vor¬ 
prüfungen besucht werden. 2. ln der vorkliniscben Zeit hat eine 
Ausbildung als Krankenwärter zu erfolgen. 3. Zwangsfamulatur 
mit Hilfsassistentenzeit in den Ferien zwischen den letzten Studien- 


1) W. Ostwald, Die Forderung des Tages. Leipzig 1910, S. 551» 
566, 567. 

2) Verlag von J. F. Bergmann, 1919, S. 54—56. 


halbjabren. — Es kann überlegt werden, ob nicht noeh eine Be¬ 
stimmung dazu aufgenommen wird, „dass die Grundzüge der all¬ 
gemeinen Pathologie vor dem Eintritt in das Studium der klinischen 
Fächer gehört werden müssen und die Sonderkliniken (Augen-, 
Nasen-, Ohren-, Haut-, Kinder-, Irrenklinik) erst nach Besuch 
der drei Hauptkliniken (medizinische, chirurgische und geburts¬ 
hilfliche) besucht werden dürften. Ich persönlich halte von 
diesen Bestimmungen wenig; es würde dadurch lediglich das er¬ 
reicht, dass die betreffenden Vorlesungen und Kliniken in der 
bestimmten Reihenfolge belegt würden. Man würde also dasselbe 
erreichen wie jetzt mit den Praktik an tenscb einen und Zwangs¬ 
vorlesungen. Und dass diese Erfahrungen nicht erfreuliche sind, 
wird ja doch von Meyer und Fischer selbst hervorgeboben — 
besonders dort, wo eine grosse Zahl von Praktikanten und Zu¬ 
hörern vorhanden ist, bedeutet dieser Zwang nicht viel mehr als 
ein Zwang zum Belegen, aber nicht zur Teilnahme an Vorlesungen 
und Uebungen. Und selbst wenn man sich dazu entschHessen 
wollte, eine Aufsicht über die Anwesenheit der Studierenden 
täglich vorzunehmen und womöglich „Entschuldigungszettel“ für 
Versäumnisse zu verlangen, würde man sicher damit bei denjenigen, 
die nicht von selbst Aufmerksamkeit und Fleiss dem Unterricht 
entgegenbringen, nichts anderes erreichen, als dass sie die ver¬ 
langte Zeit absässen. Deswegen trete ich sehr entschieden dafür 
ein, alle Zwangsvorschriften hinsichtlich des Besuchs von Vor¬ 
lesungen und Kursen fallen zu lassen, auch auf die Praktikanten¬ 
scheine zu verzichten. Das wird ja auch dann besonders leicht 
möglich sein, wenn man Zwangsfamulatur und Zwangshilfs- 
assistententum einführt. Hinsichtlich der Zwangsfamulatur 
möchte ich nur noch bemerken, dass man sich hierbei nicht auf 
eine Famulatur an den Kliniken beschränken, sondern auch eine 
an einem pathologischen Institut verlangen sollte. Dass man 
auch ohne Zwangsbestimmungen auskommen kann, zeigen doch 
die Erfahrungen der pathologischen Anatomen, deren Vorlesungen 
und Uebungen im allgemeinen doch recht stark besucht wurden, 
obgleich die Pathologie das einzige Fach ist, für das Zwangs¬ 
vorschriften auf Veranlassung Rudolf Virchow’s unterlassen 
waren. 

Will man aber doch bei der Einrichtung von Zwangs¬ 
vorlesungen und Praktikantenscheinen bleiben, und ich fürchte, 
dass die Mehrzahl der Sachverständigen sich dafür au9sprechen 
wird, dann möge man die bisherige Liste einer gründlichen Ueber- 
prüfung unterwerfen und sich vor allem davor hüten, Haupt- und 
Nebenfächer gleichzusetzen. Man möge dann wenigstens den 
Nachdruck legen auf diejenigen Fächer, die für die allgemeine 
geistige Schulung und die allgemeine Ausbildung des praktischen 
Arztes wichtig sind, und die Sonderfächer möglichst zurücktreten 
lassen. Dann müssten zu den Zwangs Vorlesungen und Uebungen 
neben der Vorlesung über allgemeine Pathologie und den patho¬ 
logisch-anatomischen Uebungen vor allem eine Vorlesung über 
Psychologie und über Geschichte der Medizin kommen, was unten 
noch näher begründet werden soll. Dagegen würde ich z. B. die 
gerichtliche Medizin als Zwangs Vorlesung nicht bei behalten. 
Wenn in den Schweizer Vorschriften für die Medizinalprüfungen 
die gerichtliche Medizin als Zwangsvorlesung vorgescbrieben ist 
und in diesem Fach auch besonders, sowohl in der praktischen 
als mündlichen Prüfungsabteilung geprüft wird, so ist das da¬ 
durch begründet, dass e9 in der Schweiz keine besonderen 
Prüfungen für Gerichts- und Bezirksärzte gibt, wie bei uns. So 
lange besondere staatliche Prüfungen für Gerichts- und Kreis- 
(Bezirks-)ärzte aber bestehen — und das ist ja im ganzen deutschen 
Reiche der Fall — erscheint es durchaus überflüssig, die gericht¬ 
liche Medizin als ein Zwangsfach bestehen zu lassen, was natür¬ 
lich nicht ausschliesst, dass es in den Studienplan mitauf- 
genommen wird. 

(Fortsetzung folgt.) 


BQcherbesprechungen. 

Bertheld von Kern: Sehproben-Tafeln. 5. neubearbeitete Auflage. 
Berlin 1919. Verlag von August Hirschwald. 

Die fünfte Auflage der bestbekannten Kern-Scholi’schen Seh¬ 
tafeln ist neue bearbeitet von Kern. Der.bisherige Mitarbeiter Soholz 
ist während des Krieges einer schweren Erkrankung zum Opfer gefallen. 
Auf der Grundlage des Snellen’sohen Prinzips aufgebaut und in der 
Grösse dem Roth’schen Beleuchtungskasten angepasst haben sich die 
Sehtafeln zahlreiche Anhänger erworben. Allgemein wird begrüsst werden, 
dass die zur Verhütung von Täuschungsversucben vorzüglich geeigneten 
Tafeln 111 und IV jetzt anoh in der Grösse der Beleuchtungskästen ge¬ 
fertigt sind. Für Spiegelschrift (Tafeln V nnd VI) ist das breitere nnd 


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UMIVERSITY OF IOWA 



20. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1008 


kürzere Format beibebalten. Neu hinzugefügt ist — zur Untersuchung 
▼on Analphabeten und Kindern — die Tafel VIII, eine modifizierte 
Hakentafel. Die bisher ubliohe Hakenform ist etvas umgeändert und 
der Form des Buchstabens fi angenäbert. Damit hält die Hakentafel 
das Snellen'sohe Prinzip, jeder Linienbreite einen Sehwinkel von 1 Mi¬ 
nute zugrunde zu legen, auch für die weissen Zwischenräume fest. 

_ Napp. 


Fr. K§pseh: Die Kitstehug von Oranilatiensgesekwfilsten Md 
Adenomes, Karzinom Md Sarkom dnrch die Larve der Nematode 
Rhabditis pellio. Leipzig 1919. Verlag von Georg Thieme. Preis 
geb. 25 M. und 25 pCt. Teuerungszusohlag. 

Bei Gelegenheit einer Epidemie unter seiner Frosobzucht hat der 
Verf. eine typische Krankheit gefunden, die duroh die Nematode Rhab- 
ditis pellio erzeugt wurde. In der vorligenden Untersuchung hat er sioh 
zur Aufgabe gestellt, die histologischen Veränderungen, die durch diese 
Infektion zustande kommen, genauer zu studieren, und er hat das in 
einer Vollständigkeit erreicht, die ton einer ganz ungewöhnlichen Aus¬ 
dauer und Geschicklichkeit zeugt. Indem er den Parasiten züchtete und 
dann duroh den Zwischenwirt, den Regenwurm, auf die Frösche über¬ 
trug, hat er alle Entwicklungsstadien der Wurmknötcben festgestellt 
und zwar durch eine Fülle von Serienschnitten, die ungefähr die Zahl 
von 85 000 erreicht. Die geweblichen Veränderungen, die zunächst in 
Wucherungen und Infiltrationen bestehen, hat er dann in ihrer geweb¬ 
lichen Entwicklung weiter verfolgt und gefunden, dass aus diesen 
ursprünglich mehr entzündlichen Veränderungen allmählich weitergehende 
Wucherungen entstehen, die sich als Granulationsgewebe darstellen und 
weiterhin eine solche Differenzierung annehmen, dass der Verf. berechtigt 
zu sein glaubt, von Sarkom zu sprechen. Aber nicht nur an den binde¬ 
gewebigen Bestandteilen der Gewebe, speziell des Magens und der Leber 
entwickeln sich solche Wucherungen, sondern auch am Epithel, und so 
hat der Verf. adenomatöse Wucherungen festgestellt und einen kleinen 
Proliferationsherd in der Leb*er, der ihm so abweichend von der nor¬ 
malen Lebersubstanz erscheint, dass er sioh berechtigt glaubt, diesen 
Wuoherungsherd als ein Karzinom zu bezeichnen. Von grossem Inter¬ 
esse sind auch Veränderungen, die die Wurminfektion weitab von der 
eigentlichen Infektionsstelle erzeugt, nämlich an der Zunge und in der 
Harnblase, Hier entstehen eigentümliche metaplastische Zustände, die 
doch offenbar mit einer wirklichen Gesohwulstbildung nicht in irgend 
einem Zusammenhang stehen, obwohl es auch hier zu heterotopen 
Wucherungen kommt. Die Untersuchungen sind auf 28 Tafeln durch 
107 Abbildungen belegt, die nioht bloss in ihrer Reproduktion, sondern 
auch in ihrer Darstellung so tadellos sind, dass man sie ohne Kenntnis 
der Originalpräparate für teilweise schematisiert halten könnte. Deshalb 
fühlt sich Referent verpflichtet, besonders zu betonen, dass er die 
Originalpräparate gesehen hat und bezeugen kann, dass die Abbildungen 
durchaus realistisch und den geradezu wundervollen Originalpräparaten 
entsprechen. _ v. Hansemann. 


I. Abderhalden-Halle: Handbach der biochemischen Arbeitsmethoden. 
IX. Band. Mit 250 Fig. Berlin 1919. Verlag von Urban & Schwarzen¬ 
berg. 

Nach einer Pause von 4 Jahren erscheint nunmehr der 9. und letzte 
Band von A.*s Handbuch. Die lange Verzögerung hat offenbar ihren 
Grund in den schwierigen Verhältnissen, unter denen dieser Band ent¬ 
standen ist. Sie haben aber seinem inneren Wert keinen Abbruch getan; 
er reiht sich würdig seinen Vorgängern an. 

Ausser für die bioohemisohe Forschung wichtigen technischen Ab¬ 
handlungen finden wir in ihm sehr schätzenswerte Kapitel von H.J. Ham¬ 
burger-Groningen über das Arbeiten mit Phagozyten zu biologischen 
Zwecken; von R. Kobert-Rostook über die Bewertung der Adstrin- 
gentien mit Hilfe von Blutkörperchen; von F. Sieburg-Rostock über 
den Nachweis von Arsen im Organismus, insbesondere über die Aus¬ 
scheidung im Harn; von K. Linsbauer-Graz über Methoden der 
pflanzlichen Reizphysiologie (Geotropismus); von H. Lieb-Graz über 
die organisohe Mikroanalyse naoh Fritz Pregl. Einen ganz besonders 
breiten Raum nimmt eine mathematische Behandlung biologischer Pro¬ 
bleme ein, bearbeitet vonEiohwald und Fodor-Halle; sie umfasst für 
sioh allein nioht weniger als 860 Seiten. So schätzenswert dieselbe auch 
ist, so liesse sich doch wohl darüber streiten, ob eine derartige Abhand¬ 
lung in solchem Umfang in einem Handbuch biochemischer Arbeits¬ 
methoden am Platze ist. J. Wohlgemuth. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

0. Nast- Hamburg: Experimentelle LiqiorMtersiehnigea auf der 
Basis der Vitalflrbnng. (Derm. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 87.) Die 
Vitalfärbung des Liquors findet vom Blut aus nicht einwandfrei statt. 
Endolumbal eingespritzt findet eine Färbung der Gehirn- und Rüoken- 
markshaute und des Plexus ohorioideus statt, während Gehirn und 
Büokenmark freibleiben, dagegen die Organe und Gefässe aufs inten¬ 
sivste und sehr rasch sioh vital färben. Immer wahr. 


Therapie. 

F. Fi sohl: Ueber Therapie der Trichophytie, mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung ihrer tiefen Formen. (W.kl.W., 1919, Nr. 88.) Die tiefe 
Trichophytie reagiert am besten auf kombinierte Terpentininjektions- 
Resorzinpastentherapie. Naoh der dritten Terpentininjektion wird 
manuell oder mit Röntgenstrablen epiliert. Wenn die Knoten nur noch 
als feinwarzige Flächen erscheinen, wird Jodjodkalisalbe oder graues 
Pflaster angewandt. Für die mehr infiltrativen, im Gewebe fort¬ 
schreitenden Formen der tiefen Trichophytie sind Triohophytininjektionen 
von sehr guter Wirkung. Bei der Behandlung der oberflächlichen 
Trichophytie kommt man mit Unguentum sulfuratum Wilkinsonii, Pasta 
Zinoi ana oder mit Perhydrol gut zum Ziel. 

H. F. Roll und R. Reitler: Beiträge zur Therapie der Malaria. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 88.) Die Kupierung der Malariaanfälle geschieht 
am besten durch folgende Methode: Nachdem die Temperatur von der 
Akme um 1° gefallen ist, erhält Pat. 2 g Chinin, welches er binnen 
einer Stunde einzunehmen hat. 5 Tage lang wird danach nooh täglich 
1 g Chinin morgens auf nüchternem Magen gegeben. Während der 
Cbinintage sollen die Kranken das Bett hüten. Prinzipiell werden nur 
die Anfälle behandelt, da das eventuelle Zirkulieren von Parasiten im 
peripheren Blut während der afebrilen Periode als dem Körper nioht 
schädlich aufgefasst wird und überdies zu dieser Zeit dem Parasiten 
durch Chinin nicht recht beizukommen ist, welohem sie zur Zeit der 
Anfallsperiode so leicht erliegen. 

St. Rusznyak: Zur Therapie des Sehwariwasserfiebers. (W.kl.W., 
1919, Nr. 88.) In einem Falle von Schwarzwasserfieber sistierte die 
Hämoglobinurie kurz nach der intravenösen Einverleibung von Matko¬ 
scher Salzlösung (400 ccm Wasser, in denen je 12 g NaCl -f- Na*HP0 4 
gelöst sind). Eine schnelle Regeneration des Blutes trat aber nicht ein, 
dagegen schwand die Chininempfindlichkeit, so dass der Kranke Chinin, 
als Malariaplasmodien wieder auftraten, anstandslos vertrug. 

Glaserfeld. 


Parasitenkunde und Serologie, 

M. Weiss-Wien: Ueber ein neues Verfahren der Kachf&rbnng von 
Tsberkelbazillenpräparaten. (Zschr. f. Tbc., Bd. 80, H. 6.) Bei der 
Ziehl-Neelsenlärbung wird als Ersatz des Methylenblaus eine 1 prom. 
Lösung von Kaliumpermanganat verwendet. Vorzüge: günstige Kontrast- 
färbung, Billigkeit. H. Grau-Honnef. 

B. Fellner: UeberimpfMgsversiche Mit Pirqnet’schen Papel¬ 
substanzen an Measehea. (W.kl.W.. 1919, Nr. 88.) 1. Die passive 

Uebertragung der Pirquet’schen Papelsubstanzen allein auf andere Haut¬ 
stellen desselben Kranken erzeugt keine oder höchstens geringe Haut¬ 
reaktionen. 2. Die Hautreaktion einer reaktiv wirkenden Tuberkulin¬ 
konzentration wird durch gleichzeitige Ueberimpfung von Papelsubstanzen 
verstärkt. 8. Tuberkulinkonzentrationen, welche bei dem betreffenden 
Kranken keine Reaktion hervorrufeD, werden duroh Mitimpfung der 
eigenen Papelsubstanzen derart sensibilisiert, dass sie eine positive, oft 
starke Reaktion hervorrufen. 4. Die sich in der Hautreaktion mani¬ 
festierende Tuberkulinüberempfindliohkeit eines Kranken ist mittels der 
Papelsubstanzen auf einen Ueberempfindliohen zu übertragen. Diese 
passiv übertragene Ueberempfindlichkeit ist örtlich und zeitlich ver¬ 
schieden begrenzt. Verf. bezeichnet die die Hautreaktion verstärkenden 
oder sogar aulösenden Substanzen als Prokutine, welche den Charakter 
von sensibilisierenden Ambozeptoren haben. 

C. Stern borg-Brünn: Serologische Md bakteriologische Befude 

bei Fleckfleberkraikea. (W.kl.W., 1919, Nr. 88.) Die Agglutination 
verschiedener Bakterien durch Fleokfiebersera lässt sich weder durch 
die Annahme einer polyagglutinatorisohen Eigenschaft derselben. noch 
durch Paragglutination erklären, vielmehr dürfte diese Erscheinung in 
den einzelnen Fällen eine verschiedene Ursache haben. Sehr oft bandelt 
ob sich um eine duroh das Fleokfieber unspezifisch hervorgerufene Steige¬ 
rung oder Wiedererweckung ursprünglich spezifisoh entstandener Agglu- 
tinine. Glaserfeld. 

F. Zimmern-Wilhelmshaven*. Zur klinischen Brauchbarkeit der 
Auflocknngsreaktion nach Sachs Md Georgi. (Derm. Wsohr., 1919, 
Bd. 69, Nr. 88.) Für die Frühdiagnose der Lues ist die Ausflockungs¬ 
reaktion nur mit Vorbehalt zu verwenden und steht an klinischer Brauch¬ 
barkeit der Wassermann’schen Reaktion naoh. Immerwahr. 


Innere Medizin, 

K. Dietl: Grssdlagci der Taberkalosepathologie. (W.m.W., 1919, 
Nr. 82.) Vererbung von Tuberkulose ist sehr selten. Neugeborene 
Kinder tuberkulöser Eltern reagieren nicht auf Tuberkulin. Die Tuber¬ 
kulose wird bei Stadtkindern in fast 100 pCt. übertragen, wenn sie auch 
meist völlig latent bleibt. Eine gewisse Disposition wird wahrscheinlich 
von Eltern auf Kinder übertragen, möglicherweise aber auch gleichzeitig 
eine relative Immunität. Kinder gesunder Eltern erkranken nämlich oft 
ernster und schwerer. Der Säugling steht der Infektion sohutzlos gegen¬ 
über, der Erwachsene besitzt duroh die in der Kindheit überstandene 
Infektion eine relative Immunität. Der Hauptinfektionsmodus ist die 
aerogene Infektion; die sogenannte Fütterungstuberkulose tritt hinter 
der Inhalationstuberkulose zurück. Es entsteht zunächst der Primär¬ 
affekt, ein zirkumskripter Herd in der Lunge. Von den mitbefallenen 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1004 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. 42 


Drüsen aus erkranken dann sekundär die Lungen. Die Infektion in der 
Kindheit hat einen bestimmenden Einfluss auf die Erkrankung des Er¬ 
wachsenen. Diese ist vielleicht als Spätform der Tuberkulose des Kindes 
aufsufassen. Diese wäre dann das tertiäre Stadium, die Bionohialdrüsen- 
tuberkulose des Kindes mit ihrem Primäraffekt in der LuDge das primäre 
Stadium. 6. Eisner. 

O. Wiese-Landsbut: Lugtntuberkalose md Grippe (Spanische 

Krankheit« 1918). (Zsohr. t. Tub., Bd. 80. H. 6) Verl, glaubt na«h 
seinen Beobachtungen den verschlimmernden Einfluss der Grippe im 

S.uoe der Aktivierung einer Tuberkulose gering anschlagen zu sollen. 

Die Wirkung der Erkrankung ist bei glücklichem Ausgang eine Mobili¬ 
sation von Antikörpern. 

H. Maendl und J. Hirschsohn -Alland: Ueber Arbeitsbesehäfti- 
gaag ia Heilstätte!. (Zsohr. f. Tub., Bd. 80. H. 6) Unter 260 Krauken 
wurden io 2,4 pCt. Herdreaktionen beobachtet. Richtig augewendete 
Muskelarbeit ist ein wertvolles diagnostisches und therapeutisches Hilfs¬ 
mittel. H. Grau-Hoonef. 

H. Po l litier-Wien: Ueber Volimea painoaii iiminitam. (M.m.W., 
1919, Nr. 39) Als Volumen pulmonis diminutum wird ein Zustand der 
Lunge bezeichnet, bei dem der vordere rechte Lungenrand, der sehr 
konstant gegenüber anderen Einwirkungen am linken Sternalraod ver 
läuft, sich aus dem Sinus costo-mediastiualis xurück zieht, dadurch also 
das Hers entblösst und so das Bild einer Vergrösserung der absoluten 
Herzdämpiung vortäusoht. Dieses Volumen pulmonis diminutum findet 
sich regelmässig bei Chlorose, Morbus Basedow und der latenten oder 
ohronisohen Malaria. Es beruht wahrscheinlich auf einer Ischämie der 
Lunge infolge habitueller Gelääskontraktion bei den ersteren beiden 
Krankheiten, infolge der cbronisohen Infektion der Lungenge'ässe bei 
der Malaria. 

W. Frey-Kiel: Das Verhalten des Herzgefässsystens bei der 
Kompression arteriovenöser Aaeirysmen. (M.m.W., 1919, Nr. 89.) 
Bei Kompression arteriovenöser Aneurysmen tritt regelmässig Blutdruck- 
Steigerung und beträchtliche Pulsverlangsamung ein, die durch Atropin 
beseitigt werden kann. Der Pulssteigerungsmechanismus ist folgender: 
Auf reflektorischem Wege wird bei Druck auf das arteriovenöse An¬ 
eurysma dem Vaguszentrum eine Erregung übermittelt, welche su Brady¬ 
kardie führt. Gleichzeitig kommt es reflektorisch durch Reizung des 
Vasomotorenzentrums su Blutdrucksteigerung. Beide Zentren stehen 
funktionell in engem Konnex. 

A. PI aut-Hamburg-Eppendorf: Ulkistrlger «i4 Ulkisk ranke. 
(M.m.W, 1919, Nr. 89.) Bemerkungen su der Arbeit von Georg 
B. Gr über in Nr. 85 M.m.W. Man muss den klinischen Begriff der 
Ulkuserkrankung von dem anatomischen unterscheiden. Während sich 
im hohen tireisenalter ein hoher Prozentsatz von Ulzera auf dem Sektions¬ 
tisch findet, die keine klinischen Erscheinungen gemacht haben, findet 
sich die Ulkuserkrankung am häufigsten im 2. und 3. Jahrzehnt. Man 
unterscheidet deshalb besser zwischen Ulkusträger und Ulkuskranken. 

R. Neumann. 

G. Ke Hing-Dresden: Ueber Vorkommen, Beurteilung und Fest¬ 
stellung der Snbaziditit beim Ulens veatrienli. (Arch. f. Verdauungs- 
krkb., Bd. 24, H. 1 u. 2.) Beim gewöhnlichen Ulcus ventricüli betrug 
die Zahl der subaziden Falle nur 2 pCt.; bei Komplikationen, die zur 
Operation führen, stieg sie bei Männern auf 11, bei Frauen auf 20pCt. 
Die Subazidität tritt um so leichter ein, je asthenischer die Konstitution 
der Kranken ist. 

Th. Hess-Thaysen-Kopenhagen: Beitrag zur Klinik und Rönt¬ 
genologie der chronischen habituellen Obstipation 1. (Arch. f. Ver- 
dauungskrkh., Bd. 24, H. 1 u. 2.) Coronisobe Appendizitis wird häufig 
mit Darmstörungen, einer Kolitis oder ohronisoüen Obstipation ver¬ 
wechselt, die Sohmerzen in der rechten Fossa iliaca und häufige Tem¬ 
peraturerhöhungen bis 38° machen. Nach einer Appendektomie der¬ 
artiger Patienten tritt häufig wesentliche Verschlimmerung der Be 
schwerden ein. Es ist darum erforderlich, in, Fällen von chronischer 
Appendizitis in höherem Grade als bisher seine Aufmerksamkeit auf die 
Fehlerquelle zu richten, welohe die chronische Obstipation und besonders 
die Assendenzobstipation bietet. Der Befund einer Aszendenzobstipation 
kontraindiziert am ehesten eine Appendektomie, selbst in den Fällen, 
wo die Symptome für das Vorhandensein einer ehronisohen Appendizitis 
sprechen könnten. Emmo Sohlesinger. 

P. Chevallier: Fleischkost hei Gelbsucht. (La Presse möd., 
Aug. 1919, Nr. 48.) Sobald feste Speisen verdaut werden können, wird 
Fleisoh (blutig-rot) empfohlen, dazu Hülsenfrüchte, dagegen Brot unter¬ 
sagt. Wird der Ikterus dadurch auch nicht abgekürzt, so trägt Fleisch 
doch zur Kräftigung bei bzw. verhindert Entkräftigung. 

Krakauer-Breslau. 

M. Rosenberg-Charlottenburg: Ueber das Auftreten eines Cbromo- 
gens der Uroroseiufarbstoffgrappe im Blut tob schwer azotämiseben 
Nierenkrankei. (D.m.W., 1919, Nr. 88.) Bei schwer azotamischen 
Nierenkranken sowie bei rein mechanisch bedingter schwerer Azotämie 
tritt im Blut, in den Ex- und Transsudaten und in den Organen das 
Chromogen eines rosa bis weinroten Farbstoffes auf, das bei längerem 
Stehen einen gelben bis schokoladenbraunen Ton annimmt. Bei leiohten 
Azotämien ist das Chromogen im Urin nachweisbar, bei mittelsohweren 
auch im eingeengten Blut. Es handelt sich wohl um Urorosein. Die 
spontane Bildung des Farbstoffes aus dem Chromogen im enteiweissten 
Blut ist von infauster Prognose. Dünner. 


7. Karewski-Berlin: Akato Pcriiephritfs — eine häufige Quelle 
diagnostiNcher Irrtümer. (Ther. d. Gegenw., Sept. 1919.) Verf. führt 
aus einer grossen Zahl von Beobachtungen 4 Fälle von Perinephritis 
an. Die Allgemeinersobeinungen haben nichts Besonderes. Rücken- 
schmerzen, besonders einseitige und ins Bein ausstrahlende, machen 
eine Palpation des Abdomens erforderlich. Findet sich eine erhöhte 
Resistenz in der Nierengegend, und stehen die Respirationsstörungen im 
Widerspruch su dem physikalischen Befund, so ist stets an das Vor¬ 
liegen einer renalen Affektion su denken, selbst wenn die physikalisch- 
chemische Untersuchung des Urins negativ ausfällt. Letztere zeigt erst 
bei wiederholter Untersuchung Leuko- und Erythrozyten sowie einzelne 
Zylinder. Die Endoskopie und die funktionelle Untersuchung der Nieren 
sind von geringerer Bedeutung. Als Eingangspforte für die Keime der 
Perinephritis sind häufig Kontinuitätstrennungen der äussereD Haut, wie 
Scbrundeo usw., anznspreohen. Difierentialdiagnostisoh sind Pneumonie, 
Pleuritis und Peritonitis auszuscbHessen. R. Fabian. 

S. silbiger: Zur Epidcmielogie des Paratypku A. in Welhyaiea 
nebst einigen klinischen Bemerkungen. (W.m.W., 1919, Nr. 82.) Die 
Paratypbus A-Erkrankungen in Wolhynien sind südlichen und westliohen 
Ursprungs (Balkan u. westl. Front). Die Uebertragung geschah wahr¬ 
scheinlich duroh Kontaktinfektion. Die Diagnose wurde auf Grund des 
klinischen Bildes, des bakteriologischen und serologischen Befundes ge¬ 
stellt. in klinisch einwandfreien Fällen auch bei fehlendem BaziIlen befand 
auf Grund früher positiver Agglutination. Gruppenagglutination war 
häufig. Bei Mitagglutination entschied der höhere Titer resp. die Agglu- 
tinationskurve. Klinisch differentialdiagnostische Momente waren i der 
intermittierende und remittierende Fieberverlauf, Ausbreitung und Be¬ 
schaffenheit der Roseolen, gastroenteritische und dysenterische Erschei¬ 
nungen. Es kamen viel leichte Fälle vor. Die sohweren Fälle sind in 
bezug auf Komplikationen und Naohkrankheiten nicht weniger ernst wie 
der Typhus abdominalis oder Paratyphus B. G. Eisner. 

E. Friedberger und V. van der Reis-Greifswald: Ueber ein 
besonderes Verhalten der Haat Fletkfiaberkriakor. (M.m.W., 1919, 
Nr. 48) Subkutane und intrakutane Injektionen kleiner Dosen ab¬ 
getöteter Weil-Fdix-Bazillen — 1 Oese auf 50 bsw. 10 ccm Kochsalz¬ 
lösung — rief bei Normalen oder bei irgendwelchen anderen Krankheiten 
fast immer eine intensive Entzündung meist schon nach 2—3 Stunden 
hervor. Dagegen blieb diese Reaktion bei Fleckfieberkranken in der 
Regel aus oder trat nur ganz sohwaoh ein. Das Fehlen der Entzündung«- 
reaktion bei fleckfieberverdäohtigeu Fällen sprioht deshalb für Fleokfieber. 

A1 wens - Frankfurt a. M.: Ueber die Beziehungen der Unter¬ 
ernährung aar Osteoporose and Osteomalazie. (M.m.W., 1919, Nr. 38.) 
Von März bis Juni wurden 26 Fälle von Erkrankung des Knochensystems 
beobachtet, die in ihren Symptomen und ihrem Verlauf sehr an die aus 
Wien beschriebenen Fälle von Hungerosteomalazien und Osteopathien 
erinnern. Davon waren 23 Frauen im klimakterischen und postklimak¬ 
terischen Alter, die 8 Männer standen zwisohen dem 80.—60. Lebens¬ 
jahr. Die Symptome sind: ziehende Sohmerzen, leiohte Ermüdbarkeit, 
watschelnder Gang, Ausbildung von Deformitäten der Wirbelsäule und 
des Thorax, Frakturen und Infraktiouen, positive Loewi’sehe Adreualin- 
reaktiou, typischer röntgenologischer Knochenbefund (Verschmälerung 
und Verdünnung der Knochenbälkohen und Erweiterung der dazwischen 
liegenden Hohlräume). Diese Erkrankung ist als Osteoporose aufzufassen, 
hervorgerufen durch dauernde Unterernährung mit einer eiweiss-, kalk- 
und phospborarmen Nahrung, sie entspricht der senilen Osteoporose. 
Sie lässt sich von der Osteomalazie unterscheiden durch die sohneile 
Entwicklung der Symptome, dem vorwiegenden Ergriffeusein älterer, 
schlecht genährter Menschen, der vorherrschenden Beteiligung des Brust¬ 
korbes und der Wirbelsäule und dem Fehlen von typischen-Beckeo- 
veränderungen. Die Behandlung muss für ausreichende, gemischte 
Nahrung sorgen. Medikamentös empfiehlt sich Phosphorlebertran, Calcium 
laoticum oder chloratum 3,0 pro die, besonders Strontium laoticum 8—6 g 
pro die. 

G. Butten wies er und R. Koch-Frankfurt a. M.: Schlagartige 
Schmerzen aad MaskeJzickinge« bei Osteomalazie. (M.m. W., 1919, 
Nr. 89.) ln zwei Fällen von Osteomalazie traten aofallsweise schlag- 
artige Schmerzen und Muskelzuckungen in den Extremitäten neben den 
typischen Knochen sohmerzen auf. Als mögliohe Ursache wird eine 
federnde Kompression des Rückenmarks und der Wurselnerven durch 
die erkrankte Wirbelsäule angenommen. 

E. Hueber-Salzburg: Ein Fall von Lamiialrergiftiig mit töd¬ 
lichem Ausgang. (M.m.W., 1919, Nr. 38.) Bei einem 40jährigen Manne 
stellten sich nach vierwöchiger Einnahme von Luminal, die täglich etwa 
0,5, im ganzen 30 Tabletten zu 0,5 betrug, zunächst folgende Er¬ 
scheinungen ein: Nephrose mit vorübergehender Anurie, ausgebreitetes 
grossfleckiges Exanthem, Oedem der Beine. Dann zeigte sich plötzlich 
Fieber, Husten und über beiden Lungen die Zeichen eines Aufflammens 
und Verbreitung der früheren inaktiven Tuberkulose. 10 Tage danach 
trat der Tod eio. Naoh dem Verf. macht Lumioal eine Alteration der 
kleinen und kleinsten Gefässe, die wie auf der Haut auoh au den inneren 
Organen zu einer Byperämisierung und Sohwelluug führt, woduroh hier 
der tuberkulöse Herd io der Lunge zur Entfaltung gebracht wurde. 

R. Ncumann. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



20. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1005 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Medizinisch« Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cmltar in Breslan. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 27. Juni 1919. 

Vorsitzender: Herr ühthoff. 

Schriftführer: Herr Minkowski. 

Der Vorsitzende teilt mit, dass Herr Witte-Kadowa am Erscheinen 
durch den Eisenbahnerstreik verhindert, ist nnd dass für ihn Herr Hei¬ 
ni an n eingetreten ist. 

HHr. Roaeith&l und Patike: Ueber Cholesterin Verarmung der 
roten Blutkörperchen nid des Serams nnter dem Einfliss der Kriegs- 

ernfthrang. (Erschien in Nr. 34 unter den Originalien dieser Wochen¬ 
schrift.) 

Aussprache. 

Hr. Rosenfeld: Die Schlüsse des Herrn Vortragenden aus der 
Cholesterinarmut der jetzigen Bevölkerung erscheinen durchaus an¬ 
nehmbar. Es ist nun die Cholesterinverminderung nicht die einzige 
Folge der Abschnürung der oholesterinspendendeh Nahrungsmittel Milch, j 
Eier, Fleisch usw., sondern es ist auoh durch die Verringerung eben 
dieser Nahrungsmittel die Zufuhr von phosphorhaltigen Eiweisskcrpern 
von Nukleoalbumin und damit die Versorgung des Körpers mit Phosphor 
und auch durch das Fehlen derselben kalkreichen Nahrungsmittel mit 
Kalk schwer geschädigt, wie ja duroh die gehäuften Fälle von Spätrachitis 
genügend bewiesen wird. 

Die Cholesterinarmut lässt einen Zusammenhang noch in anderer 
Rjchtung vermuten. Herr Rosentbal hat sie uns bei einem Falle von 
hämolytischen Ikterus berichtet. Nun haben Sie wohl gelesen, wie in 
englischen Zeitungen der Anblick unseres Volkes geBohildert wurde: es 
sähe jeder so aus, als ob er die Gelbsucht habe. Das wird auoh von 
den Personen als riohtig bezeichnet, die inzwischen einmal das neutrale 
Ausland besucht haben. Dass wir es selbst nioht überall so sehen, be¬ 
ruht auf derselben Gewöhnung, welche die Sonnenbräunung im Seebade 
nioht bemerken lässt. Diese ikterisobe Färbung kann nun als eine An¬ 
deutung von hämolytischem Ikterus aufgefasst werden, zumal auch die 
massigen Stuhlgänge eine kräftige Braunfärbung zeigen, so dass auch das 
Symptom der Polyoholie nioht zu fehlen scheint. 

Frl. Julie Cohn: Ich habe im Jahre 1914 Untersuchungen über 
Schwankungen des Cholesterinspiegels im Serum naoh grossen Fettmahl¬ 
zeiten gemaoht. Die Patienten erhielten 500 g Sahne -+- 100 g Butter, 
ohne dass der Cholesterinspiegel anstieg. Da das Serum im Durch¬ 
schnitt 0,15 pCt. Cholesterin enthielt, der Cholesteringehalt der Probe¬ 
mahlzeit etwa 1 g betrug, das sioh dann auf 1—2 Liter Serum zu ver¬ 
teilen hatte, so war ein Ausbleiben des Anstiegs bei der relativ kleinen 
Cholesterinmenge nicht erstaunlich. Es wurden daher grössere Mengen 
Cholesterin zugeführt, 3 g Cholesterin in 100 g Olivenöl, aber auch hier 
blieb eine Vermehrung des Cholesteringehaltes im Serum aus. Duroh 
eine einmalige Zufuhr von Cholesterin, die die in der Nahrung zuge¬ 
führte Menge nioht allzustark überschritt, war es also nicht möglich, 
eine Cholesterinanreicherung im Serum hervorzurufen. 

Hr. Aron: Bisher war es nur in Tierversuchen gelungen zu zeigen, 
dass gewisse Bestandteile der Nahrungsfette auf die Dauer nicht ent¬ 
behrt werden können, und dass die einzelnen Fettarten infolge ihres 
verschiedenen Gehaltes an Lipoiden auch verschiedene biologische Wertig¬ 
keit besitzen. Gegen die Uebertragung der Ergebnisse dieser Tier¬ 
versuche auf den Menschen konnte der Einwand erhoben werden, dass 
die Unentbehrlichkeit der lipoidartigen Bestandteile gewisser Nabrungs¬ 
fette für den Mensohen nicht experimentell sicher erhoben sei. Durch 
die Untersuchungsergebnisse des Herrn Rosenthal ist jetzt überzeugend 
naohgewiesen, dass auch beim Mensohen eine dauernd lipoidarme 
Ernährung zu objektiv nachweisbaren Störungen führt. 

Nach meiner Auffassung ist die Cholesterinverarmung im Blute aber 
nioht die direkte Folge einer zu geringen Cholesterinzufuhr in der Nah¬ 
rung; denn Tierversuche zeigen, dass durch Zulagen von Cholesterin zu 
einem lipoidarmen Nahrungsfett, wie z. B. der Margarine, die infolge 
lipoidarmer Ernährung auftretenden Störungen nicht ausgeglichen werden 
können. Ich glaube vielmehr, dass die Cholesterinverarmung nur als 
ein Ausdruck der darniederligenden Zellfunktion anzusehen ist. Der 
Organismus hat unter der lipoidarmen Ernährung die Fähigkeit verloren, 
das Cholesterin wie sonst in der Norm zu bilden. Diese verminderte 
Cholesterinbildung stellt wahrscheinlich nur eine der vielen Störungen 
dar, welche der Organismus duroh die lipoidarme Ernährung erleidet; 
sie darf deshalb nur als Indikator, aber nicht als das wesentliche Mo¬ 
ment der Folgeerscheinungen lipoidarmer Ernährung betrachtet werden. 
Dies hervorzuheben ersohien mir deshalb wiohtig, weil man ja sonst auf 
die Idee kommen könnte, die Schädlichkeiten einer fett- bzw. lipoid¬ 
armen Ernährung duroh reichliche Gaben von Cholesterin zu beheben. 
Dieser Gedanke muss wohl auf Grund unserer bisherigen Kenntnisse von 
vornherein als aussichtslos von der Hand gewiesen werden; denn es 
fehlt dem fettarm ernährten Organismus an Lipoiden und 
nioht an Cholesterin, das ja nur einen Bestandteil der Lipoide bildet, 

Hr. Minkowski: Die Höhe des Cholesteringehalts im Blute bängt 
nioht allein von der Cholesterinzufuhr in der Nahrung ab. Es wird ja 
Cholesterin in£der Galle und in anderen Sekreten ausgeschieden und 


wahrscheinlich auoh im Organismus verbraucht und in verschiedenen 
Geweben angehäuft, vielleicht auch im Organismus neu gebildet. Wie¬ 
viel Cholesterin in den Blutkörperchen festgehalten wird, bängt wahr¬ 
scheinlich von ihrer Zusammensetzung ab, und das Sinken des Chol¬ 
esterinspiegels kann nur als ein Indikator für eine abnorme Beschaffen¬ 
heit des Blutes angesehen werden, wie sie im vorliegenden Falle unter 
dem Einflüsse der veränderten Ernährungsverhältnisse zustande ge¬ 
kommen ist. 

Hr. Heimann: Physiologische Gewichtsabnahme nnd transitorisches 
Fieber heim Neugeborenen. 

Yortr. hat an sehr grossem selbstbeobachteten Material naoh den 
Ursachen der physiologischen Gewichtsabnahme geforscht. Er wendet 
sich vor allen Dingen gegen die Ansichten der meisten geburtshilflichen 
Lehrbücher, dass das Anfangsgewicht bereits am 10. Tage erreicht sein 
müsse. Unter seinem Material waren es nur 5*/z pUt. der Kinder, die 
das Geburtsgewicht am 10. Tage erreicht hatten. 

Bezüglich des transitorischen Fiebers konnte Verf. zeigen, dass 
sicherlich eine Reihe von Faktoren — Gewichtsabnahme, Resorption 
pyrogener Substanzen, Kampf zwischen Milch- und Mekoniumflora — 
Zusammenkommen müssen, um die an und für sioh harmlose Erscheinung, 
die man aber kenneh muss, um den uns an vertrauten Müttern Sorge 
und Aufregung zu ersparen, hervorzurufen. 

(Erscheint als Original in der Monatsschrift für Geburtshilfe und 
Gynäkologie.) 

Aussprache. 

Hr. Gräper: Dass es sich bei der Gewichtsabnahme der Neuge¬ 
borenen um eine Ernährungsstörung handelt, darauf weisen auch ge¬ 
wisse anatomische Befunde hin. Hammar hat unzweifelhaft nacbge- 
wiesen, dass die geringsten Ernährungsstörungen, selbst wenn sie nioht 
duroh Gewichtsabnahme des ganzen Körpers nachweisbar sind, sich doch 
sofort durch eine beträchtliche Abnahme des Thymusvolumens bemerkbar 
machen. Hammar glaubt nun, dass die Thymus von ihrem ersten 
Erscheinen bis zur Pubertät dauernd und kontinuierlich wächst, aus 
seinen Tabellen und meinen Untersuchungen geht aber unzweifelhaft 
hervor, dass in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt physio- 
logisoherweise eine Gewichts- und Volumenabnahme der Thymus im 
Höohstmaasse bis auf V« ihres Gewichtes erfolgt. Dies weist auf eine 
physiologische Ernährungsstörung des Neugeborenen hin, die sich abf 
drei Wochen nach der Geburt erstrecken kann. 

Hr. Klarfeld demonstriert mikroskopische Präparate von einem 
Fall, der klinisch das Bild eines atypischen Trinkerdelirs mit beider¬ 
seitiger Ptosis und 79 Lymphozyten im Liquor geboten hatte. Mikro¬ 
skopisch fand sich eine in den BasalgaDglien und im Hirnstamm, ins¬ 
besondere in der Augenkern gegen d lokalisierte Enzephalitis mit lympbo- 
und plasmozytären Infiltraten. Der Falt wird später ausführlich in 
einem grösseren Zusammenhänge veröffentlicht werden. 


AerztUcher Verein za Hamburg. 

Sitzung vom 13. Mai 1919. 

1. Hr. Calvary beriohtet über einen Fall akuter fieberhafter Er¬ 
krankung im Bereich des Hirnstammes; ähnliche Fälle sollen in 
grösserer Zahl in Kiel vorgekommen sein. Uebertragung vielleicht duroh 
den Sohn, der in Kiel studiert und alle acht Tage herüberkommt. 

2. Hr. Weis stellt eine Dame vor, die seit Sommer 1918 Schmerzen 
in allen Gliedern hatte und sioh kaum noch bewegen konnte: am her¬ 
vorstechendsten war der mühsame watschelnde Gang. Es wurde eine 
Osteomalazie angenommon; differentialdiagnostisch! kam Karzinose in 
Betracht, da die Dame vor einigen Jabreu wegen Uteruskarzinoms ope¬ 
riert war. Ex juvantibus konnte die Diagnose einer Osteomalazie be¬ 
stätigt werden. Als wichtigstes Medikament kommt Phosphorlebertran 
in Betracht; Verabreichung von Eierstockpräparaten, die im generations¬ 
fähigen Alter gute Dienste leisten, hätten bei der im 56. Lebensjahr 
stehenden Patientin keinen Zweck gehabt. 

3. Hr. Heilemann zeigt eine Fat., die, nachdem schon in der 
zweiten Schwangerschaft Sehstörungen aufgetreten wareD, in der dritten 
Gravidität mit Kopfschmerzen, Schwiodelgefühl und zunehmenden Seh¬ 
störungen erneut erkrankte. Es wurde Optikusatrophie und bitemporale 
Hemianopsie fastgestellt. Die Röntgenaufnahme ergab Erweiterung der 
Sella turcioa, also Hypophysentumor. 

Ein Zusammenhang der Entwicklung, bzw. des Wachstums der Ge- 
sohwulst mit der Schwangerschaft ist nicht von der Hand zu weisen, da 
bei jeder Schwangerschaft der Vorderlappen der Hypophyse sich ver- 
grössert. 

4. Hr. Sudeck : Bei weitem die häufigste Lähmung bei Armverletzungen 
ist die Radialislähmnng; sie beeinträchtigt die Erwerbsfähigkeit um 
60—70 pOt. Duroh Operation ist Heilung oder doch wesentliche Besse¬ 
rung in den meisten Fällen zu erzielen. Wenn die Nervennaht versagt 
oder nioht möglioh ist, so kann duroh Sehnentransplantation die Ge¬ 
brauchsfähigkeit der Hand wesentlich gesteigert werden. Die bisherigen 
plastischen Operationen hatten den Nachteil, dass sie die Funktion der 
vom Radialis versorgten Muskeln gänzlioh ausschalteten. Wenn dann 
wider Erwarten der Nerv wieder leitungsfähig wurde — was naoh neueren 
Erfahrungen noch nach 4 Jahren eintreten kann; Vortr. selbst sah einen 
Fall, bei dem die Funktion des genähten Nerven erst nach 3*/* Jahren 
sich wieder einstellte —, so waren die Muskeln zur Uebernahme ihrer 
Funktionen nioht mehr imstande. 


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1006 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


Vortr. führt deshalb eine Sehnentransplantation aus, bei der mög¬ 
lichst wenig Zusammenhänge zerstört werden und erzielt trotzdem vor¬ 
zügliche Resultate. Er stellt einen Fall vor, bei dem die sehr kom¬ 
plizierte Perthes’sche Operation ausgeführt worden ist und zwei andere, 
bei denen nach seiner Methode nur die Sehne des Flexor carpi ulnaris 
von ihrem Ansatz abgetrennt und an die langen Strecker der Finger 
und des Daamens angenäht wird. Die Gebrauchsfähigkeit der Finger 
und der Hand ist in allen drei Fällen eine vorzügliche. 

5. Hr. Tietzei zeigt Kulturen eines Bazillus aus der Reihe des 
Ffter&lis alkaltgenes, die dem Tbyphus nahe stehen. Die Kulturen 
zeigen 8—4 verschiedene Wuchsformen. Vortr. deutet diese verschiedenen 
Wuchsformen als Mutationen und Variationen und hofft, durch Auf¬ 
findung und Beschreibung vieler Bakterienstämme, die ähnliche Ueber- 
gangsformen zeigen, allmählich zur Aufstellung von festumrissenen Bak¬ 
terienfamilien zu kommen, deren verwandtschaftliche Beziehungen duroh 
solche Uebergangsformen bewiesen werden sollen. 

6. Hr. Lorenz bespricht die Technik der Jaeobaens’sehen Lapa¬ 
roskopie und ihre Bedeutung für die Röntgenaufnahmen der Abdominal¬ 
organe. Demonstration zahlreicher Aufnahmen, die nach dieser Methode 
gewonnen sind. 

7. Naehrnfe für die kürzlich verstorbenen Kollegen Stei n, Paulsen, 
Willmanns, Rosatzin. 

8. Hr. Feigl: Kriegswirknng anf Ern ähringsVerhältnisse, Mor¬ 
bidität and Mortalität. 

Die meisten nahrungsmittelchemischen Untersuchungen stützten sich, 
auch im Kriege, auf die in Tabellen festgelegten Kalorienzahlen. Das 
führte unter den Ernährungsverhältnissen des Friedens zu keinen er¬ 
heblichen Fehlern; bei der ganz anders gearteten Zusammensetzung der 
Nahrungsmittel im Kriege (z. B. des Kriegsbrotes) führte das zu ganz 
falschen Resultaten. Das Brat- und Kochfett z. B. bestand nicht, wie 
es sollte, zu 80—100 pCt., sondern in 28 von 110 untersuchten Fällen 
nur zu 83 pCt. aus Fett. Wie die Untersuchungen des Vortr. ergeben 
haben, spielen die Vitamine eine wichtige Rolle. Bei der Ernährung mit 
Kriegsbrot fallen mehr als ein Drittel der Kohlehydrate aus, und ausser¬ 
dem werden duroh diese voluminösen Nahrungssohlaoken auch noch die 
Vitamine adsorbiert, so dass der Aufbau der Körperzellen in zweifacher 
Weise Mangel leidet. Feststellungen des Vortr. in vielen tausenden 
von Untersuchungen haben ergeben, dass unsere Kriegsernährung, be¬ 
sonders in dem verhängnisvollen Winter 1916—17 bei weitem nioht 
das Kalorienbedürfnis der Erwachsenen befriedigte. 


Franz Nissl. t 

Am 11. August d. J. ist Geh.-Rat Prof. Franz Nissl nach kurzem 
Krankenlager einem alten Nierenleiden erlegen. Nissl war geboren als 
Sohn eines bayrischen Studienlehrers am 9. September 1860 zu Franken¬ 
thal in der bayrischen Rbeinpfalz, aufgewachsen zu Freising. Zuerst 
Assistent an der Klinik Bernhard v. Gudden’s in München, wurde 
er später langjähriger Arzt an der Städtischen Irrenanstalt in Frank¬ 
furt a. M. Im Jahre 1895 folgte er einem Ruf an Kraepelin’s Klinik 
in Heidelberg, wo er später 14 Jahre lang ordentlicher Professor für 
Psychiatrie gewesen ist. Im Frühjahr 1918 gab er seinen Lehrstuhl 
auf, um sioh ganz seinen anatomischen Studien an der eben eröffneten 
Forschungsanstalt für Psychiatrie in München zu widmen. Nur wenig 
über ein Jahr sollte es ihm vergönnt sein, befreit von der Bürde aller 
sonstigen Pflichten, ganz seinen wissenschaftlichen Bestrebungen zu 
leben. Sein Tod ist für dieses junge Institut, das vor einem Jahr den 
Verlust K. Brodmann’s zu beklagen hatte, ein ebenso vernichtender 
Schlag wie für die gesamte wissenschaftliche Psychiatrie. 

Zweierlei ist es, was dem Namen Nissl’s Weltruf versohaff t hat: 
seine Untersuchungen über den feineren Bau der Nervenzellen und seine 
Arbeiten über die pathologischen Veränderungen der menschlichen 
Grosshirnrinde als der materiellen Unterlage der Geisteskrankheiten. 
Nissl’s Forschungsweise war ausgesprochen intensiv 1 ); ein verhältnis¬ 
mässig engbegrenztes Gebiet hat er sich gewählt, in ihm ging er ganz 
auf, und da hat er das Fundament für einen Zweig des menschlichen 
Wissens geschaffen, der für immer mit seinem Namen verknüpft sein 
wird. Zur Zeit, als Nissl als Schüler Gudden’s mit der Gehirn¬ 
anatomie bekannt wurde, da konnte diese Wissenschaft bereits auf statt¬ 
liche Erfolge zurüokblicken. Durch bewusst gesetzte Läsionen im Tier¬ 
versuch sowie aus Verletzungen und herdartig lokalisierten Erkrankungen 
des Gehirns beim Mensohen hatte man erkannt, dass dieses Organ sich 
aus verschiedenen Apparaten mit verschiedener Funktion zusammensetzt, 
dass von bestimmten Regionen bestimmte seelische Leistungen, wie z. B. 
das motorische Spraohvermögen, abhängen. Topographisch-lokalisatorische 
Interessen beherrschten die damalige Forschungsrichtung, und das Augen¬ 
merk war fast ausschliesslich gerichtet auf die sogenannten Gehirn- 
„bahnen“, die Bündel, zu welchen sich die Nervenfasern ordnen, und 
deren Verlauf und funktionelle Zusammengehörigkeit man mit den ver¬ 
schiedensten Methoden (Stilling, Waller, Marcbi, v. Gudden, 
Flechsig) verfolgte. Obwohl Nissl die Bedeutung dieser „fa9er- 
auatomisohen“ Forschungsrichtung an sich keineswegs unterschätzt hat, 
so hat er später dooh einmal ausgesprochen, dass der Psychiatrie aus 
diesem Wissen von unzähligen „Bündeln und Bündelchen“ doch nur 


1) Schon seine Dissertation ging über die Nervenzelle und ihre 
Darstellung. 


wenig Nutzen erwachsen ist. Sein Verdienst ist es, die Aufmerksamkeit 
der Psyohiater, in deren Händen die Hirnanatomie grossenteils lag, auf 
den Teil des Gehirns hingewiesen zu haben, der für sie sicherlich doch 
in allererster Linie in Betracht kommt, die Grosshirnriodo. Und hier 
war es die Nervenzelle (d. h. die kernführende Plasmaportion der 
Zelle), die durch ihn gegenüber der Faser wieder zu ihrem Recht kam. 
Es ist bekannt, dass Nissl’s Untersuchungen über die Nervenzelle 
basieren auf einer eigenen Methode (Färbung mit Seifenmethylenblau 
nach Fixierung in 96proz. Alkohol und Schneiden am uneingebetteten 
Block). Einmal erhalten wir hierdurch ein Uebersichtsbild über die 
Gesamtheit aller Nervenzellen („Zellbild“); diese treten, da das Grund¬ 
gewebe und die Nervenfasern völlig ungefärbt bleiben, auf hellem Grund 
elektiv gefärbt hervor; auf dieser Methode bzw. ihren Modifikationen 1 ) 
bauten sich daher auch alle Untersuchungen über die „Zytoarchitektonik“ 
(gegenüber der „Myeloarohitektonik“) des Gehirns auf. Sodann aber bietet 
uns die „Nisslfärbung“ ein Bild der feinsten Innenstruktur der Nerven¬ 
zellen im Gegensatz zur so viel verwandten Golgimethode, welche uns 
den Verbindungsmodus der Elemente untereinander dartut, die sonst 
aber gewissermaassen nur eine Silhouette der Zelle erkennen lässt, wo¬ 
bei alle Zellen, um Nissl’s drastische Ausdrucks weise zu gebrauchen, 
„schwarz waren, so sohwarz, dass sie sich genau ebenso ähnlich sahen 
wie ein Kaminfeger dem anderen“. Nissl’s Darstellung der Nerven¬ 
zelle beruht insbesondere darauf, dass duroh die basischen Anilinfarben 
zwischen den ungefärbt bleibenden endozellulären Fibrillenzügen gewisse 
Bestandteile des Nervenzellplasmas gefärbt hervortreten, die häufig als 
„Nisslkörper“ bezeichnet worden sind. Nissl (der sich übrigens stets 
gegen diese ihm zu sehr vereinheitlichende Bezeichnung gewandt hatte) 
erkannte, dass die „basisoh färbbaren Substanzportionen“ wegen ihrer 
verschiedenen Anordnung und Färbungsintensität ein brauchbares Ein¬ 
teilungsprinzip der Nervenzellen ergeben, sowie dass sie, infolge ihrer 
enormen Zersetzbarkeit, ein feines Reagens auf alle Schädlichkeiten dar¬ 
stellen. Man hat darüber gestritten, ob es sioh hier um Strukturen 
bandelt, die in der lebenden Zelle vorgebildet sind, oder um solche, 
die erst nach dem Zelltod in Erscheinung treten. Nissl brach diesem 
Streit die Spitze ab durch die Aufstellung des Begriffs des „Aeqnivalent- 
bildes“. Immer und immer wieder betonte er, dass seine Behandlungs¬ 
weise im Gegensatz zu anderen Methoden — wie er, ein Meister der Technik, 
vielfaoh ausprobiert hatte — ungemein konstante Veränderungen an der 
lebenden Zelle hervorruft, d. h. von einer bestimmten an eine bestimmte 
Oertlicbkeit gebundenen Nervenzellart einer nach einer bestimmten Weise 
getöteten Tierspezies erzeugt sie bei genauer Einhaltung der Vorschriften 
immer wieder das gleiohe Abbild, welches also der lebenden Zelle 
gleichwertig, äquivalent ist. Aber auch dann noch kommen, auch bei 
dieser Methode, gewisse, offenbar duroh lokale Fixierungseinflüsse be¬ 
dingte Abweichungen vom Aequivalentbild vor (sogenannte „Chromo- 
philie“), die dem Untersucher bekannt sein müssen; für die übrigen 
Abweichungen darf dieser dann die Ursache im veränderten Zustand 
der Zelle selber suchen. Diese strengen Forderungen mochten 
manchem als übertrieben erscheinen, und doch liegt hierin bei der 
Kompliziertheit und Feinheit der Verhältnisse, auf die es ankommt, das 
Fundament zur Zellularpathologie im Sinne Nissl’s. — Im Gegensatz 
zur Lehre Meynert’s und Kölliker’s war Nissl zu der Lehre ge¬ 
kommen, dass der Begriff Nervenzelle ein Gattungsbegriff sei für eine 
Anzahl spezifisch gebauter Nervenzell arten. Die klassische Schilderung, 
die er von diesen entwirft, berücksichtigt mit grösster Genauigkeit und 
Naturtreue die letzten Feinheiten und ist gleichzeitig von unerreichter 
Lebendigkeit und Anschaulichkeit duroh die Wahl drastischer, über die 
Bedeutung des Gesehenen, aber nichts vorwegnehmender Bilder. Die 
Kenntnis der normalen Nervenzellarten war die Vorbedingung für die Auf¬ 
stellung verschiedener Erkrankungstormen der Nervenzelle. Duroh umfang¬ 
reiche Vergiftungsversuche konnte Nissl dann zeigen, dass ein jedes Gift bei 
einer bestimmten Intensität („subakute, maximale Vergiftung“) eine für 
jede Zellart spezifische Veränderung des Aequivalentbildes hervorruft; 
das schien für seine Hypothese zu sprechen, dass dem besonderen Bau 
der verschiedenen Nervenzellarten unter allen Umständen auch eine be¬ 
stimmte Funktion entsprechen müsse. Ferner gelang es Nissl auoh, 
zu zeigen, dass die verschiedenen Nervenzellarten auch bei verschiedenen 
physiologischen Zuständen, wie Ruhe und Tätigkeit* ein verschiedenes 
Strukturbild aufweisen. 

Auf die experimentellen Arbeiten Nissl’s folgte eine Hochflut von 
Untersuchungen über die Nervenzellen und ihre Veränderungen unter 
den verschiedensten Beeinflussungen. Nissl, der stets vor zu weit¬ 
gehenden Schlussfolgerungen gewarnt hatte, der sich aber auch nie 
scheute, eigene Irrtümer einzugesteben, hat als einer der ersten auf die 
Grenzen der von ihm inaugurierten Forschungsrichtung hingewiesen. Be¬ 
sonders bei dem Versuch der Ausdehnung der durch das Experiment 
gewonnenen Ergebnisse auf die menschliche Pathologie — und darum 
war es ihm in letzter Hinsicht immer zu tun — ist Vorsioht geboten. 
Hier, hat Nissl betont, ist es — von Ausnahmen abgesehen — nicht 
möglich, für jede Krankheit, so wie beim Vergiftungsversuch bei einer 
bestimmten Intensität (aber auoh hier nur bei dieser!) für jedes Gift, 
eine spezifische Nervenzellveränderung zu eruieren. Einmal sind die 
Bedingungen in der menschlichen Pathologie eben viel kompliziertere: 
es sind da unter anderem die Veränderungen, bedingt duroh inter¬ 
mittierende körperliche Erkrankungen, durch Marasmus und duroh lange 

1) Am meisten verwandt: Alkoholfixierung, Zelloidineinbettung, 
Färbung mit Thionin oder Toluidinblau. 


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20. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1007 


Agone, sowie in geringerem Grade auoh kadaveröse Einflüsse abhängend 
von der Zeit bis zur Sektion, welche das durch den eigentlichen krank¬ 
haften Prozess hervorgerufene Bild trüben. Weiter kam Nissl aber 
auch zur Ueberzeugung, dass es ein Irrtum war, verursacht durch den 
Schematismus der von ihm heftig bekämpften Neuronenlehre, wenn man 
in der Nervenzelle gewissermaassen das einzige anatomische Substrat 
der spezifisoh nervösen Funktion suchen zu müssen glaubte. Er wies 
darauf hin, dass ausser Zelle, Faser und ihren Endverzweigungen noch 
eine nicht auflösbare 1 ) nervöse Grundsubstanz, das „Grau*, innerhalb 
der Zentren existiere, die in der Hirnrinde gerade bei den höchst- 
stehenden Stufen in der Tierreihe am stärksten entwickelt ist (d. h. je 
höher die Stufe, desto weniger Nervenzellen bevölkern einen ent¬ 
sprechenden gleich grossen Raum, desto ausgesprochener ist also die 
Zwischenmasse). Nun ist das „nervöse Grau* aber bei unseren heutigen 
Hilfsmitteln der histopathologischen Analyse fast völlig unzugänglich. 
Wir brauchen gröbere Anhaltspunkte, und da sind es denn die Ver¬ 
änderungen, die am ektodermalen und am mesodermalen Stützgewebe 
sowie den Gefässen des Zentralorgans vor sich gehen, aus welohen wir 
indirekt einen Schluss auch auf die Veränderung der eigentlich nervös 
funktionierenden Elemente ziehen dürfen. Von dem ektodermalen An¬ 
teil des Stützapparates, der Glia, liefert die Nisslmethode ein Aequi- 
valentbild ähnlich wie von den Nervenzellen, und wir verdanken Nissl 
nebst Weigert und Held die wichtigsten Erkenntnisse auoh über die 
Gliazellen und ihre Erkrankungsformen. 

So zeigt Nissl, dass wir das Gesamtbild der Veränderungen aller 
Gewebsbestandteile berücksichtigen müssen, wenn wir seinem Ziel näher 
kommen wollen, „verschiedene Irreseinsformen auf bestimmte 
Erkrankungaformen der Hirnrinde zurückzuführen*. Dass dies 
Ziel erreichbar ist, hat er im Verein mit seinem langjährigen Mitarbeiter 
und wissenschaftlichen Freund A. Alzheimer zunächst an dem Bei¬ 
spiel der Paralyse bewiesen. Er lehrte, dass ein Symptom des anatomi¬ 
schen Befundes das Plasmazelleninfiltrat so charakteristisch ist, dass es 
„auch dem in der mikroskopischen Untersuchung des kranken Nerven¬ 
systems ungeübten Irrenarzt* möglich macht, bei gewissen Aus¬ 
schliessungen eine Diagnose zu stellen. Nachdem er wegen des Fehlens 
der Leukozyten, deren Aufgaben im Zentralnervensystem ganz allgemein 
mehr von GKazellen übernommen werden, anfänglich bei der Paralyse 
den entzündlichen Charakter geleugnet hatte, spricht er diesen Prozess 
später als chronische Entzündung an, wobei aber gleichzeitig selb¬ 
ständige, primäre Degenerationen einhergehen. (Dies lange vor dem 
Nachweis der Spirochaete pallida bei der Paralyse im Gehirn durch 
Noguohi.) Zu diesen allgemeinen Feststellungen war Nissl gekommen 
auf dem Wege der genauesten Analyse der einzelnen patho¬ 
logischen Gewebselemente und ihrer Herkunft. Hierbei waren 
ihm seine ausserordentlich vielseitigen experimentellen Erfahrungen der 
unentbehrliche Wegweiser, aber als ebenso wichtig erschien ihm die Zu¬ 
sammenarbeit mit der Tätigkeit des Klinikers und wiederholt hat er 
hervorgeboben, dass der Fortschritt auf dem einen Hand in Hand gehe 
mit der Vertiefung auf dem anderen Gebiet Aus dieser Erkenntnis 
heraus gab er eine Folge von kasuistischen Arbeiten heraus, io denen 
klinischer Verlauf von einem Kliniker und anatomischer Befund von 
einem Anatomen in ausführlicher Weise dargelegt, einander gegenüber¬ 
gestellt wurden. Dabei ergab sich freilich immer wieder, dass wir bezüglich 
Einzelheiten noch sehr wenig au9machen können. Nissl, der aller un¬ 
klaren Sepekulation abhold war, wandte sich energisoh gegen alle ge¬ 
wagten Deutungsversuche. Klar bebt er hervor, dass wir noch nicht 
daran denken können, irgend ein morphologisches Merkmal als Substrat 
eines bestimmten psychischen Phänomens zu betrachten (z. B. gewisse 
Faserzüge mit der „Assoziation* im psychologischen Sinne oder bestimmte 
Rindenteile mit dem „Denken* in Zusammenhang zu bringen) und dass 
wir noch viel weiter davon entfernt sind, einzelne Erscheinungen des 
Irreseins auf bestimmte sichtbare Veränderungen im Hirn zurück- 
zuführen. Er hat dafür ein ungeheures auf seiner exakten Methode 
basierendes Tatsachenmaterial gesammelt (leider stellt das, was er 
veröffentlicht hat, nur einen Bruchteil dessen dar, was er als Erfahrungs¬ 
schatz besass). Viele von den morphologischen Einzeltatsaohen müssen 
wir heute noch einfaoh als gegeben hinnehmen, aber sie bilden kein 
totei Material und auoh keine Sammlung von ästhetisch reizvollen 
Bildern; sie sind die notwendige Grundlage für alle ferneren Forschungen 
und auch, wenn die Mikrochemie einmal weiter vorgeschritten sein wird, 
muss sie doch auf diesem Fundament aufbauen; manche morphologische 
Einzelheit mag dann neue Bedeutung erlangen. 

In seinen letzten Arbeiten hat sich Nissl wieder dem Experiment 
zugewandt. Schon früher batte er betont, dass die Rinde ein Komplex 
von Organteilen mit verschiedenem Bau sei. Brodmann war es dann 
geglückt, die Oberfläche der Grosshirnrinde in landkartenartig abge¬ 
grenzte Felder, die einander in der ganzen Tierreihe homolog sind, ein¬ 
zuteilen. Das Prinzip dieser Einteilung beruhte auf morphologischen 
Unterschieden, auf Verschiedenheiten des Aufbaues der Rindenschichten 
aus verschiedenen Nervenzellarten, beruhte also auf Grundsätzen und 
der Arbeitsweise Nissl’s. Diesem gelang es nun auf experimentellem 
Wege zu zeigen, dass auoh wieder innerhalb eines solchen Feldes funk¬ 
tionell verschiedenartige Organteile vereinigt sind. Bei völliger Iso¬ 
lierung der Grossbirnrinde verändern sich die inneren Schichten in 
regressivem Sinne, weil sie in inniger Beziehung mit bestimmten 

1) Durch die neueren Fibrillenmethoden sind wir freilich inzwischen 
auoh hier weitergekommen. 


Tbalamuskernen stehen, die äusseren dagegen bleiben intakt bzw., wenn 
der Eingriff am neugeborenen Tier gemacht wurde, entwickeln sie sioh 
in normaler Weise weiter, obwohl sie nie funktionieren können. Es wäre 
vielleicht naheliegend gewesen, aus diesem Verhalten der oberen Rinden- 
schiohten, die gewissermaassen ein Dasein für sich führen, Schlüsse zu 
ziehen auf ihre Bedeutung für die höheren seelischen Funktionen. Nissl 
beschränkte sich auf die Feststellung der Tatsache, aber auch hierbei 
begnügte er sich nicht mit dem Ergebnis einer Versuchsreihe, sondern 
fasste das gleiche Problem immer wieder von einer andern Seite an. 
„Das Misstrauen gegen sich selbst ist eine der wichtigsten Eigenschaften 
des Forschers*, hatte er einmal gesagt. Bei allen Vergleichen hielt er 
sich, wenn irgend möglich, an die objektive photographische Platte, denn 
man sieht sonst „in einer geradezu unangenehm vordringlichen Weise 
das, was man intellektuell erfasst zu haben glaubt*. Die letzten Ar¬ 
beiten Nissl’s beschäftigen sioh mit dem ihn schon lange bewegenden 
Problem der Projektion der Hirnrindenfehler auf die Thalamuskerne. Es 
gelang ihm durch eine ebenso sinnreiohe wie mühevolle, experimentelle 
Methode festzustellen, dass der Thalamus aus — oft nicht scharf von¬ 
einander geschiedenen — Nervenzellhaufen zusammengesetzt ist, von 
denen jeder von einer bestimmten Hauptregion Brodmann’s (bzw. 
von den unteren Schichten einer solchen) abbängt. An Stelle der alten 
topographischen konnte er so eine neue physiologische Einteilung der 
Thalamuskerne setzen. An diesem Werk hat Nissl noch bis in 
die letzten Tage seines Lebens gearbeitet, er, der körperlioh schon lange 
ein schwer Leidender war, er, der so tief seelisch litt unter der Not des 
Vaterlandes. Er sollte die Arbeit nicht mehr zum Abschluss bringen 
dürfen. 

Nissl’s Persönlichkeit trug den Stempel des Ausserge wohn liehen 
an sich. Den Fernerstehenden, so den Studenten, denen er ein sehr 
beliebter Lehrer war, erschien er wohl oft als ein Typus des gemütlichen, 
urwüchsigen Altbayer mit allerhand Merkwüdigkeiten. Diejenigen, denen 
das Glück zuteil ward, diesen seltenen Mann näher kennen zu dürfen, 
haben von seiner Persönlichkeit Erinnerungen erhalten, die sie als 
teuersten Sobatz für ihr Leben bewahren werden. Nissl, der Bahn¬ 
brecher, ist das Ideal des ringenden Wahrheitssuohers und der ge¬ 
schworene Feind aller Aeusserlichkeit und alles Strebertums. Sein Geist 
bewegte sich trotz der Intensität, mit der er seine Ziele verfolgte, nicht 
in festgefabrenen Geleisen, stets suchte er Neues mit der ihm so eigen¬ 
tümlichen kritischen Art zu verarbeiten und das Brauchbare davon zu 
verwerten. Von nichts war er weiter entfernt als davon, eine Lehrmeinung 
einem andern, und auoh dem jüngsten Schüler nicht, aufzudrängen. — 
Als klinischer Psychiater ist Nissl, der mit einzigartiger Gewissenhaftig¬ 
keit sein Amt als Klinikdirektor sowie als akademischer Lehrer versah 
— für seine anatomischen Studien erübrigte er bis zu seiner Ueber- 
siedlung an das Forschungsinstitut meist nur Nachtstunden — in wissen¬ 
schaftlicher Hinsicht weniger hervorgetreten. Aber er war ein guter 
Arzt, ein guter Seelenarzt. Die Gabe, auf die Mensohenseele zu wirken, 
die mancher in heissem Bemühen nicht erringen kann, war ihm von 
Natur aus gegeben. Das Geheimnis des Einflusses, den alle verspürten, 
lag wohl in der grossen, verstehenden Herzensgüte eines tiefinnerliohen 
Menschen. H. Spatz. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Unser hochverehrter Kollege E. Salkowski beging am 
11. d. M. seinen 75 Geburtstag, wozu wir nachträglich unsere wärmsten 
Glückwünsche ausspreohen. 

Den Professortitel erhielten Dr. Seefisch, leitender Arzt der 
ohirurgisohen Abteilung am Lazaruskrankenhaus, Dr. Rosenstein, 
leitender Arzt der chirurgischen Poliklinik am jüdischen Krankenhaus, 
und Dr. Nake, der frühere Leiter des Wöchnerinnenheims am Urban! 

— Der wissenschaftlichen Hilfsarbeiterin beim Reiohsgesundheitsamt 
Frl. Dr. Zuelzer ist die Stelle eines ständigen Mitarbeiters unter der 
Amtsbezeichnung „ständige Mitarbeiterin* übertragen worden. 

— Sanitätsrat Dr. Nacht weg ist zum besoldeten Stadtmedizinalrat 
in Berlin-Lichtenberg ernannt worden. 

— Io Cöln wurde eine Assistenzärzte-Vereinigung gegründet, deren 
Vorsitzender Dr. Diok (Kinderklinik in Göln-Lindenthal) ist. 

— Geh. Med.-Rat Prof. Dr. H. Gerber, Direktor der Poliklinik für 
Hals- und Nasenkrankheiten in Königsberg, ist am 13. d. M. verstorben. 
Gerber war am 14. März 1863 in Königsberg geboren und seit 1895 
daselbst habilitiert. Durch seine vielseitige literarische Tätigkeit hatte 
sich Gerber einen weithin geachteten Namen erworben und ein dauerndes 
Andenken gesichert. 

— In Stuttgart starb der Facharzt für Harn- und Blasenkrankheiten, 
Dr. A. Stein, der dem Vorstande der Deutschen Gesellschaft für Urologie 
als Schatzmeister angehörte und sioh in seinem Wirkungskreis wie unter 
seinen Fachgenossen ausserordentlioher Beliebtheit erfreute. 

— Der Reiohsminister des Innern hat kürzlich in einem Erlass 
darauf hingewiesen, dass unter den demnächst heimkehrenden Kriegs¬ 
gefangenen sioh auoh in grösserer Anzahl deutsche Aerzte befinden, 
denen durch ihre so spät erfolgte Rückkehr aus der Gefangenschaft 
ausserordentlich sohwere wirtschaftliche Nachteile erwachsen. Namentlich, 
soweit ihre Unterbringung in für sie geeignete Stellen in Kranken¬ 
anstalten in Frage kommt, werden sie insofern besonders ungünstig 


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1008 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


gestellt sein, als die hierfür in Betracht kommenden Assistensarststellen 
und dergleichen sumeist bereits duroh aus dem Felde zurüokgekehrte 
Aerzte auf längere Zeit hinaus besetzt sein dürften. Om so mehr wird 
darauf Bedacht zu nehmen sein, dass nicht nur dort, vo es angängig 
ist, weitere Assistenzarzt- oder Volontärarztstellen eingerichtet werden, 
sondern dass vor allem auch alle in den Krankenanstalten bereits vor¬ 
handenen derartigen Stellen tatsächlich nur mit approbierten Aerzten 
besetzt werden. Hierzu ist vor kurzem von dem Verband der Aerzte 
Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen mitgeteilt 
worden, dass „aD vielen Krankenanstalten nooh männliche und weib¬ 
liche Kandidaten der Medizin wie auch Praktikanten Assistenzarststellen 
innehätten, während die aus dem Felde zurückkehrenden jungen Aerzte 
abgewiesen würden“. Es solle dafür Sorge getroffen werden, dass nur 
approbierte Aerzte Inhaber der Assistentenstellen in Krankenanstalten 
sind und dass möglichst die Aerzte, die aus Gefangenschaft zuruck- 
kebreu, bei der Besetzung solcher Stellen berücksichtigt werden. Den 
Krankenanstalten war gleichzeitig nahegelegt, sich namentlich auch 
soloher aus dem Felde oder der Gefangenschaft zurückgekehrter Aerzte 
anzunebmen, die infolge von eingreifenden Verstümmelungen oder 
sonstigen schweren Gesundheitsschädigungen zur Ausübung der freien 
Praxis nicht mehr imstande sind, und für diese tunlichst dauernde 
Assistentenstellen einzurichten. Insbesondere dürfte in den vielgestaltigen 
Betrieben grosser Krankenanstalten durch teilweise Verwendung solcher 
Aerste zu ärztlichen und Verwaltungsdiensten, wie auch zur Instand¬ 
haltung von Sammlungen, zur Anfertigung von statistischen Arbeiten, 
von Krankenhausberichten und dergleichen sich die Möglichkeit ergeben, 
selbst sehr erheblich geschädigte Aerzte noch einer nutzbringenden Ver¬ 
wertung der ihnen verbliebenen Fähigkeiten susuführen. 

— Der Vorstand der Robert Koch-Stiftung zur Bekämpfung 
der Tuberkulose bewilligte für Prof. Thiemich, Direktor der Kinder¬ 
klinik in Leipzig, für Untersuchungen über die Bedeutung des Tuberkel¬ 
bazillus vom Typus humanus für die Entstehung der Peritonealtuber¬ 
kulose 2000 M. 

— Nach dem Geschäftsberichte des Deutschen Zentralkomitees zur 
Bekämpfung der Tuberkulose für 1918 beträgt die Zahl der Heilstätten 
für erwachsene Lungenkranke in Deutschland 166 mit 16765 Betten, 
die der Kinderheilbtätten, in denen teils lungenkranke, teils an Knooben- 
oder Gelenktuberkulose erkrankte, teils von Tuberkulose bedrohte, skro¬ 
fulöse und erholungsbedürftige Kinder Aufnahme fanden, ebenfalls 166 
mit insgesamt 14000 Betten. Walderholungsstätten sind 133 vorhanden, 
Waldschulen mit vollwertigem Unterrichte 17, ländliche Kolonien 5, dar¬ 
unter 3 für Erwachsene und 2 für Kinder. In 33 Genesungsheimen 
finden Tuberkulöse meist nur mit geschlossener Tuberkulose Aufnahme. 
Der Auslese der Kranken für die Heilstätten dienen 84 Beobachtungs¬ 
stationen. Es bestehen ferner 328 Tuberkulosekrankenhäuser, Invaliden¬ 
heime und Pfiegestätten. Die Zahl der Auskunfts- und Fürsorgestellen 
beträgt 1269; hierzu kommen nooh die 42 bayerischen Beratungsstellen, 
die 673 Tuberkuloseorganisationen in Sachsen, die 604 Tuberkulose- 
aussohüsse in Baden und die 460 Hilfsfürsorgestellen der Laodes- 
versioherungsanstalt Thüringen. Es sind also alles in allem rund 
8000 Stellen, d. h. 1000 mehr als bei der letzten Zählung im Jahre 1915. 
— Die Ausgaben des Zentralkomitees sind von rund 200000 M. im 
Jahre 1913 auf rund 600000 M. im Jahre 1918 gestiegen. 

— Volkskrankheiten. Pookent Deutsches Reich (28. IX. 
bis 4. X) 10. Fleckfieber: Deutsches Reioh (28. IX. bis 4. X.) 8. 
Genickstarre: Preussen (21.—27. IX.) 2 u. 3 •f. Ruhr: Preussen 
(21.—27. IX.) 1613 u. 163 f. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen 
starb an Scharlaoh in Buer; Keuohhusten in Berlin-Reiniokendorf. 

(Veröff. d. Reichs-Ges.-Amts.) 

Ho ohsohuln ach richten. 

Berlin: Habilitiert: Prof. B. Moeller (bisher in Strassburg) für 
Hygiene. Gleichseitig wurde er zum Regierungsrat und Mitglied des 
Reichsgesundheitsamts ernannt. — Bonn: Habilitiert: Dr. Martins für 
Gynäkologie. — Giessen: a. o. Professor und Prosektor am anatomi¬ 
schen Institut B. Henneberg ist zum ordentlichen Honorarprofessor 
ernannt worden. — Hamburg: Der a. o. Professor für innere Medizin 
G. Hegeier wurde zum Oberarzt am allgemeinen Krankenhaus St. Georg 
ernannt. — Kiel: a. o. Professor Klingmüller, Direktor der Klinik 
für Haut- und Geschlechtskranke, wurde zum ordentlichen Professor er¬ 
nannt. — Leipzig: Habilitiert: Dr. Oeller für innere Medizin. — 
Marburg: Zahnarzt Seidel in Münster hat einen Ruf als Nachfolger 
von Prof. Fischer als Leiter des zahnärztlichen Instituts erhalten. — 
München: Habilitiert: Dr. Hahn für Physiologie. — Münster: a. o. 
Prof. Kassner wurde zum ordentlichen Professor für pharmazeutische 
Chemie ernannt — Rostock: Zu ordentlichen Professoren wurden er¬ 
nannt Prof. Dr. Brüning, Direktor der Kinderklinik und Prof. Frieboes, 
Direktor der Hautklinik. ____ 

Amtliche Mitteilungen. 

PerMonalleii, 

Versetzungen: Gerichtsarzt Dr. Doellner von Duisburg als Kreisarzt 
naoh Fulda. 

Niederlassungen: Dr. E. Friedag in Tirschtiegel (Kr. Meseritz), 
R. Nawratb, Dr. R. Horwitz, Dr. K. Lerog, Dr. fl. Lux, Dr. 


F. Kraeger, F. Kempf, Dr. R. Reichle und Dr. E. Kleemann 
in Breslau, Dr. Siegfried Lewi und Dr. F. Zydek in Beuthen (O.-S.), 
Dr. E. Ei so er in Hindenburg, Dr. Aug. Hei mann in Ruda (Kr. 
Hindenburg), Dr. H. Kaestner und 0. Janusoh in Ziegenhals (Ldkr. 
Neisse), Ri oh. Wolf in Oppeln, H. Kaul in Bogutschütz (Ldkr. 
Kattowitz), Dr. Herb. Hartmann in Neu Heiduk (Kreis Beuthen, O.-S.), 

„ Dr. M. Guisohard in Gross Salze (Kr. Galbe a. S.), Dr. E. Singer¬ 
hoff, Dr. L. Wang und Dr. M. Stappenbeok in Salzwedel, Dr. 
Adolf Meissner in Pretzier (Kr. Salzwedei), Ob.-St.-A. a. D. Dr. 
F. Lippelt in Wernigerode, Dr. Ernst Friedheim in Naumburg a.S., 
Dr. W. Nordmann in Stolberg a. H. (Kr. Sangerhausen), Otto 
Becker in Erfurt, Dr. Erioh Schade in Nordhausen, Dr. Frans 
Hofmann in Sollstedt (Kr. Grafsch. Hohenstein), Dr. Paul Hesse 
in Benneokenstein (Kr. Grafsch. Hohenstein), Dr. R. Erdmenger in 
Bleicherode (Kr. Grafsch. Hohenstein), St.-A. a. D. Dr. Hans Wilh. 
Köhler, F. v. Fisoher-Benzon und Dr. W. Kecker in Neu¬ 
münster, Dr. Herrn. Schuster in Westerhorn (Kr. Pinneberg), Dr. 
W. Beckmann, Dr. F. Gebeoke und Dr. R. Speisebecher in 
Kiel, St-A. a. D. Dr. G. Jorns und R. Ramke in Altona, Dr. H. Bette 
in Hannover, Dr. Aug. Otto in Duderstadt. Dr. Karl Riohard in 
Haselünne (Kr Meppen), Dr. F. Hapke in Emden, Dr. F. Gröning 
in Emsdetten (Kr. Steinfurt), L. Kreyenberg in Münster i. W., St.-A. 
Dr. R. Möslein in Minden, Helmuth Faber in Bethel b. Bielefeld, 
Dr. Hans Pape in Herford. 

Verzogen: Dr. A. Söller von Malmedy nach Aachen, Dr. Engelbert 
Jansen von Erkelenz naoh Esohweiler, Dr. Mathias Schmitz von Esch- 
weiler nach Bardenberg (Ldkr. Aachen), R. Hase mir von Darkehmen naoh 
Angerburg, Dr. H. Katseh von Domnau nach Darkehmen, Heinr. Bolle 
von Greifenberg i.Pomm.nach Berlin, Dr. Theod. Goldschmidt und Dr. 
Paul Meyer von Charlottenburg sowie Geh. San.-Rat Dr. E. Schwerin 
vonWannsee naoh Berlin-Schöneberg, Dr. EvaLübeok von Neusalz a.O., 
San.-Rat Dr. Fritz Schlesinger vonBerlin und H.Stoppel von Wismar 
nach Neukölln, Dr. F. Maske von Freiburg und Dr. U. Vollrath 
von Görden-Brandenburg nach Potsdam, Dr. Erwin Hoffmann von 
Görden-Brandenburg naoh Teupitz (Kr. Teltow), Dr. Wilh. Rosen- 
thal von Landoberg a. W. nach Güstrin, Dr. W. Sohwanecke von 
Gharlottenburg nach Berg Dievenow (Kr. Gammin), Dr. W. Forkel 
von Kriesoht (Nm.) nach Fiddichow (Kr. Greifenhagen), P. Kanzow 
von Neukölln nach Mühlhaasen i. Thür., H. Waniorek von Degow 
naoh Treptow a.d.R., Dr. Theod. Jahn von Stettin, Dr. G. Liebreoht 
von Berlin, Dr. F. Preissner von Lüben, Dr. H. Ferbers von 
Düsseldorf und Dr. W. Sossinka von Scheibe naoh Breslau, Hans 
Fromm von Conradswaldau naoh Nieder Hermsdorf b. Waldenburg, 
F. Hohlfeld von Laurahütte nach Gonradswaldau (Kr. Brieg), Dr. 
L. Thürwäohter von Rybnik, Dr. F. Schöps von Breslau und San.- 
Rat Dr. Johs. Dinter von Leubu9 nach Brieg, letzterer als Direktor 
d. dortig. Prov.-Heil- u. Pflegeanstalt, Dr. Th. Pulvermaober von 
Berlin und Dr. W. Münzer von Kattowitz nach Landeck (Kr. Habel- 
schwerdt), Dr. A. Mierzowski von Breslau nach Bismarokbütte, Dr. 
U. Rohner von Danzig und Dr. K. Pavel von Breslau naoh Oppeln, 
Dr. P. Herfurth von Glowno nach Königshuld (Kr. Oppeln), A. Roll 
von Magdeburg und Bernh. Franke von Salzwedel nach Hamburg, 
Dr. Alfred Glaser von Jena nach Sangerhausen, San.-Rat Dr. G. 
Kall mann von Wollstein nach Halle a. S., Dr. W. Sernau von 
Halle a. S. nach Karlsfeld b. Brehna (Kr. Bitterfeld), Dr. Johs. 
Krause von Belgern a. E. nach Torgau, Dr. K. Matthias von 
Göttingen nach Bad Saohsa, Dr. W. Dibbern von Preetz naoh Krons¬ 
hagen (Kr. Kiel), Dr. Rud. Möller von Gross Berkenthin naoh Stein¬ 
horst (Kr. Herzogt. Lauenburg). 

Praxis aufgegeben: Geh. San.-Rat Dr. Wilh. Ehrhardt in Kiel. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. A. Reue von 
Kiel. 

Gestorben: Dr. Fritz Sohön in Rybnik, Dr. H. Wolthaus in Bad 
Sachsa, Dr. G. Quellhorst und San.-Rat Dr. F. Schönhardt in 
Hannover, San.-Rat Dr. J. Beermann in Rheine, San.-Rat Dr. P. 
Schult in Esohweiler. 


Berichtigungen. 

In der Arbeit „Ein Fall von Thyreoiditis acuta suppurativa* von 
Dr. Hopfner in Nr. 40, Seite 944, 1. Spalte, Absatz 6, hinter „die 
Sprache war heiser“ ist einsuschieben „die Atmuog war nicht behindert.... 
Im Blutausstrich: 81 pCt. neutrophile polymorphkernige Leukozyten usw. 
0,6 pCt. Mastzellen und 0,6 pCt. Uebergangsformen. 

Die Anmerkung 3, Seite 944, Spalte 1 ist zu ändern in „Frank, 
De curandis hominum morbia epitome, Lib. VI, p. 807. Zitiert nach 
de Quervain“. 

Seite 944, Spalte 2, letzter Absatz. Es ist zu ändern „naoh de 
Quervain ist wieder die einfache Strumitis ernster als die eitrige 
Strumitis“ in „naoh de Quervain ist die eitrige Thyreoiditis ernster als 
die eitrige Strumitis“. 

ln der Arbeit Alker, Ueber die Lupine als menschliches Nahrungs¬ 
mittel, Nr. 39, S. 925, Sp. 2, muss es im vorletzten Abschnitt heissen: Da 
zweckmässig 20 Teile Lupinenmehl anstatt 10 Teile. 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreather Ztr. 49. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Original frn-m 

UNiVERSUY OF IOWA 




!>!• Berliner Klinische WoohenaohHft e re oheint jeden 
Montag in Nummern von etwa 8—6 Bogen gr. 4. *— 
Preis vierteljährlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buehhaodlungen und Postanstalten an. j 


BERLINER 


Alle Einsendungen Air die Redaktion und Expediert 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirsohwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 

Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof Dr. Hans Kohl . August Hirsohwald, Torligshoohhaadloig in Borlii. 

Montag, den 27. Oktober 1919. Jfä 43 . Sechsundfüßfzigster Jahrgang. 


INH 

Origiaaliea: Simon 8: Malaria-Erfahrungen und kritisohe Studien über 
den Uoitarismus. (Aus der medizinischen Klinik der Düsseldorfer 
Akademie für praktische Medizin [Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. 
A. Hoffmann].) S. 1009. 

Raabe: Ueber Parallelversuche mit Serum und Liquor nach Wasser¬ 
mann und Saehs-Georgi. (Aus der Universitätsklinik und Poli¬ 
klinik für Haut- uod Geschlechtskrankheiten Berlin [Direktor: 
Prof. Dr. G. Arndt]) S. 1012. 

Engelmeier: Die neueren Einteilungen der Lungentuberkulose io 
Stadien und ihre klinisohe Bewertung. (Aus der medizinischen 
Universitätsklinik Göttingen [Geheimrat Prof. Dr. Hirsch]) S. 1014. 

Samson: Die Versorgung der Kehlkopftuherkulöseo. S. 1018. 

Meyer: Der Begriff der Erythemdose bei harter Röntgenstrahlung. 
S. 1020. 

Neumann: Gegen die Kurpfuscherei und Verwandtes. S. 1021. 

Luharsch: Zar Neuordnung des ärztliohen Unterrichts und Prüfungs¬ 
wesens. (Fortsetzung!) S. 1022. 

Aus der medizinischen Klinik der Düsseldorfer Aka¬ 
demie für praktische Medizin (Direktor: Geh.-Rat Prof. 
Dr. A. Hoffmann). 

Malaria-Erfahrungen und kritische Studien über 
den Unitarismus. 

Von 

Dr. phil. nat. Helimath^Smoss. 

Gelegentlich meiner zoologischen Tätigkeit in einem Teile des stell¬ 
vertretenden VII. Armeekorps (Düsseldorf und weitere Umgebung) habe 
ich teils an obiger Kiinik, teils am Material auswärtiger Lazarette 
287 Fälle von Malaria untersuoht. Von diesen 287 Fällen mochte ich 
zunächst über Erfahrungen an 66 reinen Fällen berichten, worunter ich 
unter „reinen* Fällen solche verstehen möchte, die anamnestisch zuver¬ 
lässig im Felde oder früheren fleimatlazaretten nur an einer der drei 
Fieberarten erkrankten und während des Aufenthalts im Heimatlazarett 
unter meiner ständigen Kontrolle morphologisch dieselbe Parasitenart 
wie in der Anamnese aufwiesen. Das übrige Krankenmaterial war 
grösstenteils für meine nachstehenden parasitologischen Untersuchungen 
nicht zu brauchen, weil io den Krankengeschichten meistens nur der 
ominöse Satz stand: „Es wurden Plasmodien .festgestellt*; hei einem 
anderen Teil waren infolge von Kriegsereignissen die Krankengeschichten, 
verloren gegangen. Die 66 Fälle verteilen sich folgendermaassen: 
58 Tertiana, 12 Perniciosa, 1 Quartana. 

Parasitologie der Tertianarezidive: Als Rezidive fasse ich 
mit Ziemann „die nach relativer Ausheilung der*Malaria nooh nach 
Monaten oder Jahren auftretenden Anfälle auf*. Die sogenannten Rück¬ 
fälle habe ioh, da stets, energisch chininisiert wurde, niemals gesehen, im 
übrigen lassen sich ja, wie Ziemann mit Recht betont, Rückfälle und Re¬ 
zidive nicht ätiologisch, sondern nur zeitiioh unterscheiden. Die 53 reinen 
Tertianafälle, die ich teilweise mehrere Jahre lang von Zeit zu Zeit 
beobaobten konnte, zeigten trotz energischer Chinin- und Salvarsan- 
behandlung nach mehreren Monaten bis spätestens 1*/* Jahren Rezidive. 
Io den weitaus meisten Fällen bandelte es sich um Leute, die schon 
im Felde und in anderen Lazaretten mehrfach, zum Teil sehr hart¬ 
näckige Rezidive erlitten, ln 87 Fällen trat das Rezidiv nach 3^-4, in 
12 Fällen nach 7—8 Monaten und in 4 Fällen nach einem Jahr und länger 
seit meiner letzten Beobachtung ein. Es handelte sich hier fast stets 
um latente Malariafälle im Sinne Ziemann’s mit mildem, ohronisohem 
Verlauf, ohne dass klinisch eine Anämie stärker in den Vordergrund 
trat. Bis auf diese letzten 4 Fälle konnte ioh hei 49 Tertianafällen 


ALT. 

Stelznerr Erwiderung auf die Arbeit von Herrn Prof. Dr. Rae;biger 
in dieser Wochenschrift, 1919, Nr. 38. S. 1025. 
Bfieherbesprechoagen : Rauber-Kopsoh: Lehrbuch der Anatomie. 
(Ref. Virchow.) S. 1025. — Presoher und Rabs: Bakteriologisch- 
chemisohes Praktikum. (Ref. Miohaelis.) S. 1025. — Goldstein: 
Die Behandlung, Fürsorge und Begutachtung der Hirn verletzten. 
(Ref. Henneherg.) S. 1025. 

Literatir-Auszüge: Innere Medizin. S. 1026. — Chirurgie. S. 1026. — 
Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1026. — Geburtshilfe und 
Gynäkologie. S. 1027. — Augenheilkunde. S. 1027. — Hygiene und 
Sanitätswesen. S. 1029. 

Verhandlugei ärztlicher Gesellschaften : Aerztlioher Bezirks¬ 
verein zu Zittau i. Sa. S. 1029. —Naturhistorisoh-medizi- 
nisoher Verein zu Heidelberg. S. 1030. — Aerztlioher 
Verein zu Hamburg. S. 1031. 

Ludwig Brieger f, S. 1081. 

Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 1031. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1032. 


durch die von Zeit zu Zeit ambulant erfolgende Blutuntersuchung im 
dicken Tropfen stets Parasiten naohweisen, trotzdem die Leute naoh der 
Nooht’schen Kur in unserer Klinik sorgfältig behandelt worden waren. 
Es ist mir also geglückt, 37 mal in der Latenzzeit von 3—4 Monaten 
und 12 mal in der Latenzzeit von 7—8 Monaten im dioken Tropfen stets 
Parasiten autzufinden. In 47 von 49 Fällen = 95,92 pCt. handelt es 
sich bei den Parasiten um sehr geringe Mengen Sohizonten. Es waren 
alle Stadien der Schizogonie zu finden. Niemals, auoh unmittelbar. vor 
dem Anfall nicht, fand ich hei diesen Fällen Gametozyten bzw. An- 
zeiohen von Parthenogenese. In 2 von den 49 Fällen = 4,08 pCt. fand 
ioh Sohizonten ab und zu mit Makrogametozyten untermischt, kurz vor 
dem Anfall, etwa 2 Tage vorher, aber nur Makrogametozyten allein, die 
in beiden Fällen unzweifelhaft Anzeichen einer parthenogenetisohen 
Sohizontenentstehung, so wie sie von Grassi und Sohaudinn zuerst 
beschrieben wurde, erkennen Hessen. Wir sehen also aufs neue den 
schon 1896 von Ziemann und später von Ross und Thomson 1 ) er¬ 
hobenen Befund bestätigt, dass vor dem Anfall Parasiten nachzuweisen 
sind. Die Scttizonten waren in den meisten Fällen in ganz überaus 
spärlichen Fällen vorhanden; sehr oft wurde erst nach über zwei¬ 
stündigem Durchsuchen von drei dioken Tropfenpräparaten 
desselben Patienten ein einziges Plasmodium gefunden. 
Durch diese Befunde erscheint statistisch die Auflassung Nooht’s, der 
sich ja auch Ziemann, M. Mayer, Darling u. a. angeschlossen haben, 
dass der überwiegende Teil Rezidive reine Sobizooteorezidive sind, 
während nur ein kleiner Teil einem parthenogenetisohen Prozess seine 
Entstehung verdankt. Einige englische Autoren, wie z. B. Harriion 2 ), 
haben auoh die Seltenheit einer Parthenogenese zugegeben, ihr aber 
einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung der Rezidive daduroh 
einzuräumen gesucht, dass sie die Parthogeuese in innere Organe, be¬ 
sonders die Milz, verlegt habeo. Nach meinen Beobachtungen dürfte 
diese Auffassung kaum zu teilen sein, da ich in den zugesandten Milz- 
p unk tat- Ausstrichen von 17 Fällen des Latenzstadiums, wovon 5 dreimal 
zu verschiedenen Zeiten, die übrigen einmal punktiert wurden, niemals 
Parthenogenese, sondern nur alle Stadien der Sohizogenie 
und Gametenbildung gefunden habe. Den Standpunkt von 
Ross, Thomson, Graig und Bignami, die eine Parthenogenese glatt 
ablehnen, halte ioh, wenigstens bei der Tertiana, für falsch. Gegen eine 
solohe generelle Ablehnung spricht vorläufig auoh die höchst wichtige 
Beobachtung von Aoton und Knowles 8 ), welche, naoh dem fiass- 


1) Ross und Thomson, Proo. roy. soo., 1910, Bd. 88 n. Liverpool 

school of trop. med., 1912. * 

2) Harrison, Joum. of army med. eorps, 1909, Nr. 6. 

3) Knowles, Indian journ. med. researoh, 1914, H. 4, 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 







1010 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


•obeii Kulturorfahreu, bei Haemoproteus oolumbae die Mikrogameto- 
ijten schnell absterben, die Makrogametozyten aber naoh längerer Zeit 
Sohisonten liefern saben. Dieses Ergebnis ist bisher, soviel mir bekannt, 
noob nirgendwo nacbgeprüft worden. 

Besondere Aufmerksamkeit sobenkte iob der Frage, wie siob die 
Entwioklungsverhältnisse der Sobiaonten im Latensstadium 
der Tertiana verhielten. In Ziemann’s Handbnoh habe ioh An¬ 
gaben über diesen Punkt seitens früherer Autoren nicht gefunden. Bei 
8 Fällen, wo ieh täglich dicke Tropfeupräparate durohmusterte, fand iob 
diesbezüglich sehr lehrreiche Ergebnisse. Die Entwicklung der Sobi¬ 
aonten erfolgte in einem ausserordentlich langsamen, unregelmässigen 
Rhythmus. Man kann dies besonders deutlich aus dem Auftreten der 
Morulae, die ja in dioken Tropfen bei der Giemsa-Methode besonders 
leioht auffallen, beobachten. Ich sah monatelang die Morulae in un¬ 
regelmässigen Intervallen von 5—9 Tagen auftreten, um etwa 8 Tage 
vor Ausbruch des Rezidivs ungefähr in den Tertianarhythmus über¬ 
zugehen. Ferner konnte ich feststellen, dass die Entwicklung innerhalb 
ein und derselben Parasitengeneration auffallend gleichmässig ist. 
Während man selbst in den „naoh der Uhr 0 verlaufenden Anfällen kurs 
nach einer Neuinfektion immer eine grössere Anzahl Nachzügler im 
Teilungsrhythmus findet, fand ioh hier stets alle Parasiten auf beinahe 
der gleichen Entwicklungsstufe. Wenn z. B. Morulae vorhanden waren, 
so waren niemals Ringe, erwachsene Sohisonten, Kernteilungsbilder zu 
finden und umgekehrt. Es soheint also eine Eigentümlichkeit des 
Latenzstadiums eines Sohisontenrezidivs bei gewissen Tertianfiebern 1 ) 
zu sein, dass der normale Entwioklungsrhythmus bei den aufeinander¬ 
folgenden Generationen unregelmässig verlangsamt ist, während er inner¬ 
halb ein und derselben Generation auffallend synchron abiäuft. Aehn- 
liche Beobachtungen konnte ioh auch in 88 anderen Fällen maohen. 
Da es mir aber nicht möglich war, alle diese Patienten ununterbrochen 
auf längere Zeit zu beobaohten, so habe ioh, um bei meiner Statistik 
mögliohst wahrheitsgetreu zu sein, nur die eben erwähnten 8 Fälle an¬ 
geführt. 

Man könnte nun bei oberflächlicher Betrachtung gegen meine Be¬ 
hauptung eines verlangsamten Entwioklungsrhythmus von Generation zu 
Generation ein wenden, dass ich bei den ganz ausserordentlichen geringen 
Mengen von Sohisonten, um die es sich handelte, einen Tertianrhythmus 
übersehen hätte. Dieser Einwand ist dadurch zu entkräften, dass ioh 
in den 8 Fällen niemals einen tertianen Rhythmus gefunden habe; 
selbst wenn ioh sehr oft den Tertianrhythmus übersehen hätte, müsste 
er dooh auch mit grösster Wahrscheinlichkeit im Verlauf der Monate 
dauernden, täglichen Untersuchungen einige Male oder wenigstens ein¬ 
mal zu beobachten gewesen sein. Das war aber, wie schon gesagt, 
niemals der Fall. 

Wurden die aus reiner Sohizogenie entstandenen Rezidive un¬ 
genügend oder nioht sofort behandelt, so fanden sich beim nächsten 
Anfall, spätestens aber beim darauffolgenden, in 90pCt. aller Fälle 
ziemlich zahlreich, teilweise sogar masseohaft Gametozyten. Man wird 
also gut tun, dem reinen Sohizontenrezidiv einer Tertiana ganz besondere 
Sorgfalt in der Behandlung angedeihen zu lassen. 

Die Natur der Rezidive bei der Perniziosa habe ioh in 
12 reinen Fällen ebenfalls eingehender zu ergründen gesucht, indem ioh 
auoh hier, ähnlich wie bei der Tertiana, vom letzten behandelten Anfall 
ab bei weiterer Chininkur täglich untersuchte. Bei energischer Chininkur 
(14 Tage lang 2 g pro die, dann Nocht’sohes Schema) sah ioh die Halb¬ 
monde naoh etwa 4 Wochen auf mehrere Monate versohwinden. Das 
Rezidiv trat in 11 Fällen völlig unvermittelt auf, nur einmal Sah ioh 
an dem Tage vor dem Rezidivanfall sehr geringe Mengen Halbmonde in 
dioken Tropfen. Ferner habe ich naoh dem letzten Anfall, der die 
Latenzperoide einleitete, vom ersten Auftreten der Halbmonde ab vier 
Woohen hinduroh täglich auoh Ausstriche untersucht, um auf partheno- 
genetische Vorgänge zu fahnden. Es war dies bei .der durch die 
Therapie sohliesslioh minimalen Anzahl von Halbmonden eine sehr mühe¬ 
volle Arbeit, die sich aber duroh ihre Ergebnisse vollauf gelohnt hat. 
Zunäohst fand ich mit Uebereinstimmung der verschiedensten Autoren 
bestätigt, dass die männlichen Halbmonde in den ersten Tagen ihres 
Auftretens stark überwiegen, während im späteren Fieberverlauf be¬ 
deutend mehr weibliche Halbmonde auftreten. Quantitativ lagen bei 
den 12 Fällen (sämtlich Mazedonier) die Verhältnisse : J vom Tage 
des Auftretens der Halbmonde ab etwa so: 


1. Tag 



8:1 bis 5:1 

keine wesentliche Aenderung 

5:1 bis 6:1 
7:1 „ 9:1 


1) Ich betone ausdrücklich bei „gewissen Tertianafiebern*. Es 
handelte sioh in den erwähnten Fällen stets um mazedonisohe Ter¬ 
tiana. Ob dies eine Eigentümlichkeit der mazedonischen Tertianapara- 
siten an sioh ist, wage ioh nioht zu behaupten. Vielmehr neige ioh 
der Ansicht zu, dass duroh die oft völlig sinnlosen, sehr hohen Salvarsan- 
und Chinindosen, die, wie ich den meisten Krankengeschichten entnahm, 
auoh zu ganz verkehrten Zeiten gegeben wurden, bei den betreffenden 
Patienten schnell giftfeste Parasitenstämme herangezüohtet und gleich¬ 
zeitig die Patienten selber daduroh ihrer natürlichen Widerstandsfähig¬ 
keit beraubt wurden. In, einigen Fällen hatte trotz wiederholter An¬ 
falls in früheren Lazaretten keine Blutuntersuohung und Therapie 'statt¬ 
gefunden!! 


6. 

Tag 1 7:1 

bis 9 < 1 

7. 

• 

6 11 


8:1 

8. 

9 

1 «:1 

9 

8:1 

9. 

9 

. J5:l 

9 

8:1 

10.—12. 

9 

2:1 

9 

1:1 

15. 

9 

C 1:9 

9 

1:11 

16. 

9 

1:12 

9 

1:15 

17. 


1:82 

9 

1:40 


18. „f 1:85 

Vom 19., spätestens aber 21. Tage ab fand ich in den 12 Fällen 
überhaupt keine Mikrogametozyten mehr, sondern Makrogametozyten. 
An den Makrogametozyten habe ioh während der ganzen Beobachtungs¬ 
zeit niemals Bichere Andeutungen von Parthenogenese gesehen. Neeb 1 ) 
und Swellengrebel*) haben ja Parthenogenese bei den Pernisiosa- 
makrogametozyten beschrieben, während Ziemann schon früher an 
Kulturen und aus dem Studium seiner Präparate sioh gegen die Partheno¬ 
genese ausgesprochen hat. Dass ein so erfahrener Beobachter wie 
Ziemann noch keine sichere Parthenogenese feststellen konnte, soheint 
mir sehr bedeutungsvoll. Uebrigens hat sioh ja Neeb auoh nioht un¬ 
bedingt sioher auf eine Parthenogenese festgelegt und hält Verwechse¬ 
lungen mit Sohizogeniestadien des Tertian- oder Quartanparasiton als 
Fehlerquelle für durohaus möglich; ähnliches könnte auch bei Swellen¬ 
grebel zutreffend gewesen sein. Die Parasitologie der Perniziosarezidive 
ist noch sehr unklar. So beschrieb Elting*) bei Impfung mit angeblich 
nur Gameten führendem peripheren Blut eines Perniziosakranken auf 
drei gesunde Individuen, dass nach wochenlanger Beobachtung niemals 
Parasiten oder Fieber auftraten, während er mit gameten- und sohizonten- 
haltigem Blut eines anderen Patienten 6 Versuchspersonen mit typisoher 
Perniziosa infizieren konnte. Thayer*) gelangte in einem Falle von 
Verimpfung nur gametenhaltigen Blutes zum Belben Ergebnis wie Elting. 
Dagegen sah Calandruooio*) in einem Selbstversuch duroh angeblioh 
nur gametenhaltiges Blut Fieber und typisohe Pemiziosaparasiten (auch 
Ringe) auftreten. Diese reinen Gametenimpfungen bedürfen dringender 
Naobprüfung in grösserem Maassstab. 

Viele Autoren, soweit sie sioh nicht mit der Protozoologie befasst 
haben, sind in dem Dogma befangen, dass die Pathogenese eines Malaria- 
rezidivs nur duroh besonders widerstandsfähige Gameten zu erklären 
sei. Diese Anschauung erweist sioh aber als einigermaassen unberechtigt, 
wenn man die biologisoh sehr ähnlichen Trypanosomenrezidive zum Ver¬ 
gleich heranzieht. Da bei den Trypanosomen weder im Ueberträger 
nooh im Wirt mit Sicherheit sexuell differenzierte Stadien gefunden 
worden sind, so sind die Rezidive hier wohl ausschliesslich duroh be¬ 
sonders angepasste (serum- oder giftfeste) vegetative Individuen au 
erklären. Bel dem Malariarezidiv spielen die Gameten (zum mindesten 
bei der Tertiana) eine Rolle, aber in Analogie mit den biologisoh eehi 
ähnlichen Trypanosomrezidiven darf diese Rolle keineswegs überschätzt 
werden; vielmehr dürfen wir uns wohl der Auffassung von Nooht, 
Ziemann, Mayer und Darling anschliessen, die durch meine oben 
mitgeteilten Erfahrungen bestens bestätigt wird, dass die Rezidive der 
Malaria zum allergrössten Teil auf resistente Schizonten und nur zu 
einem sehr kleinen Teil auf Gameten zurüokzuführen sind. 

Einen wohl einzig dastehenden Fall von Perniziosa sah ioh gelegent¬ 
lich meiner zoologischen Studienzeit in Villefranohe (Alpes maritimes) 
im März 1914. Bei einem französischen Matrosen, der sioh in Kamerun 
infiziert hatte, fand ich ein Rezidiv, bei dem als Maximum einmal über 
240 000 Halbmonde (Zählpipette) im Kubikmillimeter Blut ge¬ 
zählt wurden! Der Patient, der von einem französischen Marinearzt 
behandelt wurde, reagierte sehr schleoht auf Chinin, hatte aber trotz 
hochgradiger Anämie ausser leichter Beklemmung keinerlei Beschwerden, 
vor allem gar keine Hirnsymptome, was bei den ungeheuren Parasiten¬ 
mengen sehr verwunderlich war. Auf dem Höhepunkt der Halbmend- 
bildung sah das Blut des Patienten im durohfallenden Sonnenlicht in¬ 
folge der enormen Pigmentmengen so aus, als ob man feinste Kohle- 
teilohen darin suspendiert hätte. Liess man etwas defibriniertes Blut 
einige Zeit im Reagenzglas stehen, so sammelten sioh die Hauptmengen 
der Halbmonde am Boden in Form eines dioken schwarzen Ringes, 4®r 
duroh die ungeheuren Pigmentmassen entstand. Der Patient war in 
einigen Woohen bis auf eine geringe Anämie wieder völlig hergestellt! 

Von klinischem Interesse dürfte wohl ein Quartanafall 
sein. Es handelte sich um einen 46 jährigen Mann, der naoh längerem 
Aufenthalt in Niederländisch-Indien an Malaria und Sohwarzwasserfieber 
erkrankte. Pat. wurde naoh seinen Angaben später von Nooht im 
Hamburger Tropeninstitut behandelt, der die Diagnose Qaartana stellte. 
Trotz Anwendung von Chinin, Arsenik, Methylenblau, Salvarsanpräparaten 
und physikalischer Therapie, wie Milzduschen usw., blieben die Anfälle 
woohenlang nicht aus, um dann ganz allmählich nachzulassen. Pat. be¬ 
richtete ferner, dass Nooht ihn als einen seiner schwersten Fälle be- 
zeiohnete und ihm wenig Aussicht auf Dauerheilung gemacht hätte. 
Nooht behielt reoht, indem Pat. fast in jedem Frühjahr eine grosse 
Anzahl schwerster Anfälle erlitt, die grösstenteils delirant verliefen. 
Ioh hatte nun Gelegenheit, in unserer Klinik diesen Patienten vom 
15. März bis 1. Juni 1918 dauernd wieder zu beobaohten. Der klinische 


1) Neeb, Geneesk. Tgdschr. Nederl. Indiö, 1909, Deel 49. 

2) Swellengrebel, Zbl. f. Bakt., I. Abt„ Orig., 1918, Bd. 70. 

8) Elting, Zsohr. f. klin. M., 1899, Bd. 86. 

4) Thayer, Leot. on the malarial ihvas., 1897, S. 75. 

5) Calandruooio, sit. bei di Mattei, Arch. f. Hyg., 1895, Bd. 22. 


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27* Oktober 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1011 


Verlauf der Anfälle und die Therapie gestalteten sieh folgender* 
maassen: 

Zwei Anfälle von Aber 41,5°. Nächster Anfall daroh Neosalvarsan 
Dosis IV auf 88° herantergedrüokt. Inswisohen Chinin, Salvarsan, 
Optoohin, trotsdem 5 schwere Anfälle (4 Anfälle hintereinander Aber 42, 
der näohate sogar 48,5°). Die nächsten 8 Anfälle zeigen bei Optoohin 
die Temperaturen 41,5, 41, 39,8°. Der nächste Anfall bleibt anf Neo- 
salTarsan Dosis IV aas. Es folgen wiederum 2 Anfälle 42,5°, trots 
Optoohinbehandlang. Bei weiterer Optoohinbehandlung treten 4 gans 
leichte Anfälle auf, welche die Temperatur 37,5° nicht wesentlich über¬ 
schreiten. Trotz kombinierter Salvarsan- and Optocbinbehandlang folgt 
nan wieder ein neuer heftiger Anfall über 40°. Nächster Anfall kaum 
über 87 0 (am 8 Standen anteponierend). Optoohin wird jetzt abgesetzt, 
die nächsten beiden Anfälle bleiben aus. Darauf wieder neuer Anfall 
von fast 48°. Nächster Anfall bleibt bei Optoohinbehandlang aas. 
Darauf wieder leiohter Anfall von 38.5°, trotz Optoohin. Nächster An¬ 
fall bei Optoohingabe bleibt aas. Wiederum starker Anfall Yon 40°, 
trots kombinierter Chinin-SalYarsantherapie. Darauf leiohter Anfall über 
38°, trots Optoohin. Die nächsten 3 Anhillstage zeigen, bei langsam 
zunehmendem Anteponieren, Temperaturen Yon 37—87,5°. Pat. wird 
auf seinen Wunsoh als gebessert entlassen. 

Man ersieht die vollkommene Machtlosigkeit der Therapie bei diesem 
Fall. Am besten schien noch Optoohin za helfen; es wurden 30 Stunden 
vor dem za erwartenden Anfall alle 5 Stunden 0,2 g verabreicht. Die 
Anfälle erfolgten gewöhnlich mit unheimlicher Regelmässigkeit zwischen 
4 Uhr 5 Min. und 4 Uhr 10 Min. morgens, nur einige Male war ein 
anteponierender Verlauf bei den kleinen Anfällen zu beobachten. Sehr 
auffallend war, dass nach diesen kleinen Anfällen ein sehr schwerer 
Anfall wieder auf die Minute, kurz nach 4 Uhr morgens, eintrat. Diese 
Beobachtung konnte zweimal gemacht werden. Auch nachdem ein 
einziges Mal zwei Anfälle duroh die Therapie ganz unterdrückt wurden, 
trat der nächste Anfall ohne jedes Anteponieren pünktlich um 4 Uhr 
morgens ein. Die Fieberparoxysmen und das Delirium dauerten selbst 
bei den schwersten Anfällen höchstens eine halbe Stunde. Trots 
eifrigsten Suchens wurden nur zweimal Parasiten im dieken Tropfen ge¬ 
funden. Es handelte sioh beide Male um überaus spärliche jüngste 
Sokisonten, die keine Differentialdiagnose zuliessen. Wenn ich aber 
diesen Fall trotzdem als reinen Quartanafall auffasse, so geschieht dies 
im Hinblick auf die sehr zuverlässige Anamnese und den klinischen 
Verlauf der Anfälle. Geradezu ungeheuerlich war der Sohweissausbruoh 
dieses Mannes. Naoh den zuverlässigen Aussagen zweier Kranken¬ 
schwestern lief das Wasser duroh Hemd, Betttuch und die aller¬ 
dings sehr dünne Matratze (!) glatt duroh und bildete auf dem 
Boden eine deutliche Lache. Trotz der ungemeinen Sohwere der 
Anfälle zeigte der Patient organisch, ausser leiohtem Milztumor, keine 
Veränderungen. Wie mir Herr Geheimrat Hoffmann versicherte, muss 
der Patient neben einer gans ausserge wohn lieh kräftigen Konstitution 
ein Hers von phänomenaler Leistungsfähigkeit besessen haben, da sioh 
während der ganzen Anfallsperiode bis zur Entlassung kein pathologi¬ 
scher Befund daran erheben Hess. 

Ueber das Verhalten der Leukozyten bei der Malaria konnte 
ioh bei meinen Kriegsfällen keine wesentlich neuen Erfahrungen machen. 
Immerhin war es mir auffallend, dass ioh trotz eifrigen Suohens in 
keinem der 287 Falle pigmenthaltige Leukozyten gefunden habe. In 
diesem Befand erblicke ich eine ausgezeichnete Stütze der Ansicht 
Ziemann’s, dass eben der energische Ghiningebrauch der Europäer 
eine derartig chronische Gameten bi 1 düng und damit verbundene Pigment- 
anhäufung, wie sie z. B. bei Negerkindern vorkommt, verhindert; deshall) 
braucht auch der Organismus des Europäers nur in den seltensten 
Fällen Leukozyten und grössere Pigmentmassen fortzusebaffen. Bei dem 
vorhin erwähnten Perniziosafall mit enormer Gametenbildung musste 
naoh dieser Auffassung Ziemann’s eine rege Beteiligung der Leuko¬ 
zyten an der Verarbeitung des Pigments zu beobachten sein, was auch 
die Untersuchung bestätigte. Hier war das Verhalten der Leukozyten 
insofern recht interessant, als sämtliche Leukozyten formen, aus¬ 
genommen die Uebergangsformen mit bohnenförmigem Kern und die 
Mastsellen, sehr lebhaft phagnzytierten. Besonders auffällig schien mir 
die ausnahmslose Beteiligung aller Eosinophilen, eines sehr 
grossen Teiles aller Neutrophilen und kleinen Lymphozyten. Der Or¬ 
ganismus, der sioh nach unseren sonstigen Erfahrungen über die Phago¬ 
zytose bei infektiösen Erkrankungen meistens der Mononukleären, schon 
weniger der Neutrophilen und äusserst selten der Eosinophilen und 
kleinen Lymphozyten bedient, war in diesem Fall eben daroh die un¬ 
geheure Masse der Parasiten gezwungen, sonst seltener verwendete 
Leukozytenformen zur Unterstützung der Phagozytose heranzuziehen. 

Es sei hier im Zusammenhänge noch eine kurze literarische Be¬ 
merkung gestattet. Schon M. Mayer 1 ) hob vor kurzem hervor, dass 
die zahlreichen Kriegsarbeiten über das leukozytäre Malariablutbild 
lediglich Bekanntes bestätigt hätten. Als sehr wesentliche Ursache 
dafür möchte ioh anführen, dass den meisten Autoren die sehr ein¬ 
gehende Arbeit von Poech*) aus dem Nooht’sohen Institut unbekannt 
geblieben ist. Bei Poech finden sioh sohon Beobachtungen, die meist 
weit über die Ergebnisse der Kriegsarbeiten auf diesem Spezialgebiet 
hinausgehen; ausserdem bringt die Arbeit wertvolle Angaben für die 


1) M. Mayer, D.m.W., 1919, Nr. 8. 

2) Poech, Das Verhalten der weissen Blutkörperchen^bei^der 

Malaria. Zsohr. f. Hyg., 1908, Bd. 42. 


Teohnlk der Parasitensählnng, sowie interessante quantitative Daten 
über die Beeinflussung der Halbmondbildung darch Chinin. 

Die therapeutischen Erfahrungen der Klinik zeigten, dass 
Chinin, trotsdem es keine Sterilisatio magna garantiert, dooh das beste 
aller bisher angewandten Mittel ist. Bei Tertiana und Qaartana gaben 
wir 5—-7 Stunden vor dem zu erwartenden Anfall Chinin und behan¬ 
delten naoh den Angaben Ziemann’s oder Nooht’s weiter. Bei der 
Perniziosa sahen wir gute Erfolge, wenn sofort naoh Stellung der Dia¬ 
gnose ohne Rüoksichf aaf die vorhandenen Parasitenstadien mit der 
Chininbehandlung 4 mal 0,5 pro die begonnen wurde, wie das ja bereits 
Ziem an n dringend empfahl. Bei sehr hartnäckigen Perniziösen er¬ 
hielten wir gute Erfolge naoh einem von mir vorgesohlagenen Sohema 
(14 Tage hintereinander 2 g, dann 3 Tage Pause, 1 Tag 1,5 g, 3 Tage 
Pause, 1 Tag 1 g, and dann dem Nooht’sohen Sohema entsprechende 
Weiterbehandlung). Bei stärkerer Anämie oder ausgesprochener Chinin- 
resistens gaben wir, manchmal mit bestem Erfolg, neben dem Chinin 
nach den Angaben Stephen’s 1 * ): Calo. laot. 10 Tabletten zu 0,5 g 
und Calo, permanganicum 1 : 800 (1 Esslöffel auf 1 Glas Wasser im 
Laufe des Tages schluckweise naoh den Mahlzeiten zu trinken). 
Wenig Erfreuliches sahen wir von alleiniger Anwendung des Neosal- 
varsans oder Silbersalvarsans. Bei der Tertiana zeigten sioh nur Blend¬ 
erfolge: schnelles Verschwinden der Parasiten, dafür aber nach 14 Tagen 
bis 2 Monaten wieder ein Rezidiv. Summa*) sowie Memmi und 
Cantieri*) haben ja sohon ähnliche Erfahrungen bei der Tertiana mit¬ 
geteilt. Bei der Quartana und Tropika haben wir bis auf 2 Fälle 
niemals Salvarsanpräparate verwendet, wegen der schlechten Erfolge, 
die Iversen und Tusohinsky 4 ), Tusohinsky®) sowie Werner*) 
bei ihren Fällen hatten. Nur in 2 Fällen machten wir je einen Versuch 
mit Neosalvarsan und Silbersalvarsan; beide Male konnte ich eine 
sohnelle, zwei- bis dreifache Vermehrung der Halbmonde feststellen 
(Konträraffekt von Iverson-Tusohinsky). Im Gegensatz zu letzt¬ 
genannten Forschern fand ioh niemals morphologische und färberische 
Veränderungen an den Perniziosa Gameten, die duroh die Chemotherapie 
bedingt worden wären. Duroh Unterriohtserfahrungen bin ioh zu der 
Ueberzeugung gokommen, dass wohl in vielen Arbeiten sehr vorschnell 
Färbuogsanomalien und pathologische Parasiten formen naoh Ver¬ 
abreichung chemotherapeutischer Mittel beschrieben sein werden, wo 
es sioh entweder um Kunstprodukte oder um irgendwelche, auch nor¬ 
malerweise vorkommende, noch nicht näher, erklärbare physikalisch- 
chemisohe Umstimmungen der Protozoenzelle gehandelt hat. Für den 
letzteren Fall sei hier nur als Analogon an die von Jollos 7 ) bei der 
Teilung des Amöbenkerns beschriebenen Färbungsschwankungen erinnert, 
die an gewissen Kernelementen naoh Anwendung von Safranin-Liohtgrün 
auftraten. 

Von epidemiologischem Interesse dürfte es wohl sein, dass in 
Düsseldorf im Frühjahr des vergangenen und jetzigen Jahres einige 
zweifellose Neuinfektionen an Tertiana beobachtet wurden. Ferner habe 
ioh im August 1917 in Duisburg bei einem Kinde, das'angeblioh niemals 
aus der Stadt herausgekommen war, eine Perniziosa mit zahlreichen 
Halbmonden festgestellt. Im Süden und Osten von Düsseldorf konnte 
ioh vereinzeltes Vorkommen von Anopheles maoulipennis nachweisen; 
in der südlichen Umgebung Düsseldorfs waren Anophelinen sohon im 
Frieden von Herrn Geheimrat Hoffmann festgestellt worden. Ueber 
die Verbreitung von Anophelinen in Duisburg hatte ioh keine Zeit, 
Untersuchungen anzustellen. Naoh den mir gemachten Angaben dürfte 
aber im Duisburger Stadtwald vereinzeltes Vorkommen von Anophelinen 
nioht ausgeschlossen sein. In beiden Städten hatten sioh malariakranke 
Soldaten längere Zeit ausserhalb der Lazarette aufgehalten. 

Kritik des Unitarismus. 

Die Frage der Arteinheit der Malariaparasiten ist im Kriege wieder 
lebhaft erörtert worden, und die unitarisohe Lehre fand zahlreiche An¬ 
hänger und Gegner. Naoh meinen persönlichen Erfahrungen, sowohl 
vor dem Kriege als auch im Kriege, muss ioh mich als unbedingten 
Gegner des Unitarismus bekennen. 

Eine eingehendere kritische Auseinandersetzung über den Uni- 
tarismus erscheint wohl gerechtfertigt, da ausser den sohon vor dem 
Kriege bekannten Verfechtern dieser Lehre (Laveran, Thiroux, 
Sillet, Marohiafava, Celli, Plehn) neuerdings wieder eine nicht 
geringe Anzahl von Autoren, gestützt auf ihre Kriegserfahrungen, für 
die Arteinheit der Malariaparasiten eingetreten ist. 

Gleichgültig, ob man sich für oder wider den Unitarismus bekennt, 
kann man ihn zunächst nur duroh möglichst genaue morphologische 
Analyse begründen bzw. ablehnen, weil er dooh von der Lehre der 
„gegenseitigen Umwandlung der Typen 0 handelt, also eine rein morpho¬ 
logische Theorie ist Man muss also vom Unitarier verlangen, dass er 
nns die „Umwandlung der Typen 0 mit allen Uebergängen, Sobritt für 
Schritt mikroskopisch beweist Das ist aber nooh keinem Unitarier von 

1) Stephens, ref. in Baumgarten’s Jahreaber., Bd. 26, S. 911. Die 
dort ursprünglich angegebene KMnCVDosis ist aber viel zu hoch. 

2) Summa, Aroh. f. Schiffs- u. Trop. Hyg., 1918, Bd. 17. 

8) Memmi und Cantieri, Atti d. soo. per gli studi d. mal., 1914, 
Bd. 14. 

4) Iverson und Tusohinsky, D.m.W., 1911, Nr. 8. 

5) Tusohinsky, D.m.W., 1912, Nr. 88. 

6) Werner^Aroh. f. Schiffs- u. Trop. Hyg., 1912, Bd. 16. 

7) Jollos, Aroh. f. Protistenk., 1917, Bd. 87. 

1 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


Lavoran bis Plehn und neuerdings Seyfarth 1 ) gelungen. Was 
Seyfarth an Beweisen für die Umwandlungstbeorie beibringt, ist recht 
dürftig. Warum soll das von Müh lens beobaohtete lokal isolierte und 
seltene Auftreten von Quartana in Nordwestdeutschland sich aus¬ 
gerechnet besser „zwanglos* durch Parasitenumwandlung als durch Art- 
.konstant erklären lassen? Es gibt doch in der Botanik und Zoologie 
genug Beispiele dafür, dass Arten in ganz bestimmten Gegenden nur 
sporadisch und streng lokalisiert auftreten. Weshalb soll das bei einer 
Malariaparasitenart nicht auch Vorkommen können? Trotzdem Seyfarth 
die schwerwiegenden Beweise eines morphologischen Unterschiedes in 
drei Arten anerkennt und einsieht, dass Jene scharfe Trennung aufrecht 
erhalten werden muss“, behauptet er wenige Zeilen später, dass „Ueber- 
gänge Vorkommen können* 1 . Auf der einen Seite also „scb&Tfe Trennung 1 *, 
auf der anderen „mögliche Uebergänge“, wie reimt sich das zusammen? 
Sehr wenig kritisch ist auch Seyfarth’s lapidarer Satz: „Vollzieht sich 
ein solcher Uebergang, so geschieht er gesetzmässig (!)“, obgleich er 
später selbst zugibt, dass die letzten Bausteine für diese Annahme (der 
Uebergänge) noch fehlen. Seyfarth, aber auch zur Arteinheitsfrage 
ziemlich neutral stehende Autoren, wie Fors.chbach und Pysz- 
kowsky 2 3 ) sagen, dass die unitaristisohe Auffassung von den übrigen 
deutschen Forschern verworfen worden sei aus Gründen, die nioht den 
strengen Anforderungen einer biologischen Beweisführung genügen. Oie 
klassischen Ueberimpfungsversuche von Antolisei und Angelini, 
Gualdi und Antolisei, Bacelli, Bignami und Bastianelli, 
Grassi, Callandruccio, di Mattei, Bein, Sacharow, Elting, 
Mannaberg, Ziemann u. a. # ) zeigten, sofern wirklich einwandsfrei 
eine Misohinfektion ausgeschlossen werden konnte, dass' der überimpfte 
Parasit sich im Impfling niemals umwandelte, sondern seine morpho¬ 
logischen Eigenschaften zähe festhielt und stets denselben Fiebertypus 
erzeugte. Diese Arbeiten genügen doch sicherlich ganz entschieden 
besser „den strengen Anforderungen biologischer Beweisführung** als die 
morphologisch völlig unbewiesenen Theorien der Unitarier. Da die 
morphologische Beweisführung für das Vorhandensein einer Arteinheit 
im peripheren Blut nicht gelungen ist, versuchen manche Unitarier, 
darunter auch Seyfarth, ihre Lehre damit zu verteidigen, dass sie 
die Umwandlung in innere Organe verlegen und Rasseeigentümlichkeiten 
des Wirtes, Klima, Temperatur und dergleichen, als Umwandlungs¬ 
faktoren ansehen. Eine morphologische Umwandlung der Parasiten ist 
aber in den inneren Organen ebensowenig bewiesen wie im peripheren 
Blut. Was die von den Unitariern angeführten UmwaodluDgsfaktoren 
anbetrifft, so werden auch ihre Gegner unumwunden die grossen Ver¬ 
dienste Laveran’s und Plehn’a darin sehen, dass sie die besondere 
Aufmerksamkeit auf diese Faktoren gelenkt haben; andererseits hat sich 
aber gezeigt, dass diese Faktoren lediglich in noch nicht näher erklär¬ 
barer Weise den Verlauf der akuten und chronischen Malaria sowie den 
Ausbruch der Rezidive beeinflussen, ohne dass sich jedooh ein Poly¬ 
morphismus der Parasiten nachweisen liess. 

Wenn die Unitarier behaupten, dass die gegen ihre Theorie 
sprechenden Ueberimpfungsversuche oben genannter Autoren nicht bio¬ 
logisch eiakt genug waren, so muss ihnen insofern recht gegeben 
werden, als biologische Faktoren bei der künstlichen Ueberimpfung so 
gut wie gar nicht berücksichtigt worden sind. Die besten Beweise gegen 
den Unitarismus werden wir erst dann in der Hand haben, wenn man 
mit nur einer Parasitenart infizierte Impflinge aller möglicher Menschen¬ 
rassen verschiedenen Temperatureu, Klimaten usw. aussetzt (wobei in 
Malariagegeoden eine natürliche Superinfektion durch Müokensohutz- 
vorrichtungen sorgfältig zu vermeiden ist); es wird sioh dann mit aller¬ 
grösster Wahrscheinlichkeit zeigen, dass der morphologische Charakter 
der Parasitentypen sioh nicht ändert, wir also tatsächlich getrennte 
Formen vor uns haben. 

(Schluss folgt.) 


Aus der Universitätsklinik und Poliklinik für Haut- 
und Geschlechtskrankheiten Berlin (Direktor: Prof. 

Dr. G. Arndt). 

Ueber Parallelversuche mit Serum und Liquor 
nach Wassermann und Sachs-Georg!. 

Von 

Frau Dr. med. Aina Baabe. 

Der Weg von der Entdeckung der Wassermann’schen Serum - 
reaktion bis zu den neuesten serologischen Reaktionen führt über 
zahlreiche Versuche in den verschiedensten Formen, die wohl zu 
einer Klärung der Biochemie der Syphilisreaktion beitrugen, aber 
zunächst kein praktisch verwendbares Resultat für die Diagnostik 
ergaben wegen ihrer Unspezifizität für Lues, so dass bisher die 
Wassermann’sche Reaktion als die einzige verlässliche erschien. 


1) Seyfarth, Zbl. f. Bakt., I. Abtlg., Orig. Bd. 82, 1919, H. 7. 

2) Forsohbaoh und Pyszkowsky, D.m.W., 1918, Nr. 9. 

3) Ausführlich referiert bei Elting (a. a. 0.), di Mattei (a. a. 0.) 
und Mannaberg: Malariakraukbeiteu, 1899. 


In der letzten Zeit wendet sich das Interesse zwei Reaktiofeen 
zu, nämlich der von Meinicke and der von Sachs-Georgi. 
Die Meinicke'scbe Reaktion hat den grossen Nachteil, dass Liquor 
cerebrospinalis überhaupt nicht mit dieser Methode geprüft werden 
kann, und dass eine Reihe von Seren sich gar nicht zur Unter¬ 
suchung eignen. 

Die Reaktion, die wir in unserem serologischen Labora¬ 
torium neben der Wassermann’scben zur Anwendung gebracht 
haben, ist die von Sachs-Georgi. 

Sie ist einfacher als die von Meinicke und lässt die Prüfung von 
Liquor cerebrospinalis und aller klaren Seren zu. Ihrem Wesen nach 
gehört sie wohl, wie die Wassermaon’sohe auch, zu den kolloidalen 
Fällungsreaktiooen, bei denen die Vereinigung von Sernmeiweiss und 
Extraktlipoiden stattfiodet, hier aber zum Unterschied von der Wasser- 
mann’sohen Reaktion dem Auge sichtbar ausgefällt werden. 

Ueber das Wesen seiner Reaktion sagt Sachs: „Es ist zu berück¬ 
sichtigen, dass das entstandene Präzipitat nicht allein aus Globulin, 
sondern aus Globulin-Lipoidkomplexen bestehen dürfte.** 

Das Bestreben von Sachs war, die Präzipitation nach Möglichkeit 
den Bedingungen der Wassermann’schen Reaktion anzupassen. Es werden 
physiologische Kochsalzlösung und natürliche cholesterinierte Organ¬ 
extrakte verwendet. 

Der Hauptversuch, wie Saohs ihn angibt, ist folgender: 

Es wird 1 ccm Patientenserum (inaktiviert durch halbstündiges Er¬ 
hitzen auf 55—56° und zehnfach verdünnt in 0,85 proz. Kochsalzlösung) 
zusammengebracbt mit 0,5 ccm alkoholischem, cholesteriniertem Rinder¬ 
herzextrakt (6 fach verdünnt mit 0,85proz. Kochsalzlösung). 

Wie bei der Wassermann’soben Reaktion gibt es Extrakt- und 
Serumkontrollen. 

„Positives und negatives Vergleiebsperum werden wie im Haupt- 
versueh behandelt. 

Serumkontrollen: 1 oom zehnfacher Verdünnung jedes einzelnen 
Serums wird in gleicher Weise, wie im Hauptversuoh, mit 0,5 ccm sechs¬ 
fach mit physiologischer Kochsalzlösung verdünntem Alkohol gemischt. 

Extraktkontrolle: 0,5 ccm der Extraktverdünnung werden mit 1 ccm 
0,85proz. Kochsalzlösung gemischt.* 

Die beschickten Röhrchen werden gut geschüttelt und 2 Stunden 
im Brutschrank, sodann 18—20 Stunden bei Zimmertemperatur gehalten. 
Danach lassen sich die Ergebnisse durch das von Kühn-Woithe an¬ 
gegebene Agglutinoskop ablesen. Ein negatives Serum ist klar durch¬ 
scheinend, nur schwach opaleszierend. Positive Sera sind erkennbar an 
zahlreichen kleinsten Körnchen, die sich hell von dunklem Grunde ab¬ 
heben und deutlicher nooh zu Tage treten nach nochmaligem Sobütteln. 

Die Stammextrakte werden nach Sachs wie folgt bereitet: „lg 
feuchte Herzmuskelsubstanz wird mit 5 ccm Alkohol extrahiert. Der 
derart erhaltene Extrakt wird konzentriert und verschiedengradig mit 
Alkohol verdünnt, mit verschiedenen Cholesteriozusätzen (lproz. alkoho¬ 
lische CholesterinlösuDg) beschickt, um optimale Verdünnung nnd Cbol- 
esterinzusatz zu ermitteln. Maassgebend für den auch zur Bereitung 
cholesterinierter Extrakte für die Wassermann’sohe Reaktion geltenden 
Vorgang ist die sich aus dem Untersuchungen von Sachs und Rondpni 
ergebende Tatsache, dass für die Wirksamkeit der Extrakte nicht ein 
einziges Lipoid, sondern das Zusammenwirken mehrerer Lipoidsubstanzen, 
und nioht ihre absolute, sondern ihre relative Konzentration von wesent¬ 
licher Bedeutong sind.* 

„Der cholesterinierte Rindbrberzextrakt ist von folgender Zusammen¬ 
setzung : 

100 oom Rohextrakt, 

200 ccm Alkohol, 

18,5 emm 1 proz. alkoholischer Cholesterinlösung. 

Für jeden Extrakt müssen, wie das übrigens auoh bei der Cholesteriuie- 
rung für die Wassermann’sche Reaktion gilt, optimaler Verdunnungsgrad 
und geeigneter Cholesterinumsatz — beide stehen in gegenseitiger Ab¬ 
hängigkeit voneinander — erprobt werden.“ 

Für daB Verfahren der Flockung ist die Art der Verdünnung des 
alkoholischen Extraktes von grösster Wichtigkeit. Die rasoh hergestellte 
ExtraktlÖ8ung ist am wenigsten wirksam, wird sie zu langsam bereitet, 
so kann sie ihre Homogenität verlieren. 

Die Verdünnung wird hergestellt, in dem man zu der abgemessenen 
Menge des oholesterinierten Rinderherzextraktes die gleiche Menge physio¬ 
logischer Kochsalzlösung schnell hinzugiesst, diese horizontal schüttelt 
und danaoh die weiteren vier Teile Kochsalzlösung rasoh bin »ti lügt. 
Diese Extraktlösung ist klar, durchscheinend und opaleszent. 

Das Patientenserum muss möglichst frisch und klar und vor dem 
Versuch eine halbe Stunde laDg im Wasserbad von 56° C inaktiviert sein. 

Die physiologische Kochsalzlösung muss klar und steril sein. 

Stark positive Sera sind schon nach 4—6 Stunden gut abzulesen, 
werden aber bei längerem Stehen noch verstärkt. 

In unserem serologischen Laboratorium haben wir annähernd 2000 
Versuche angestellt, einen Teil davon hat Dr. Franz Blumenthal 
sohon in seinem Vortrag über die Saobs-Georgi’sohe Reaktion in der 
Dermatologischen Gesellschaft im Februar 1919 besprochen. Gut 400 
, wurden mit einem uns von Sachs zur Verfügung gestellten Extrakt, die 
übrigen mit einem von uns selbst genau uaoh den Vorschriften von 
Sachs bereiteten Extrakt gemacht, der nooh besser übereinstimmende 
Resultate mit der Wassermann’sohen Reaktion lieferte, als der uns so- 


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27 . Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1013 


gesandte. Vor der eigenen Herstellung des Extraktes benutzten wir 
einen anderen uns zugesandten Extrakt aus dem Frankfurter sero¬ 
logischen Institut und landen fast in allen Fällen positive Ausschläge. 
Der Extrakt war unbrauchbar und hatte vielleioht durch Lagerung ge¬ 
litten. Die Sachs-Georgische Reaktion ist wohl ausschliesslich von der 
Güte des Extrakts abhängig. 

Von den 1750 Parallel versuchen zwischen Wassermann und Sachs- 
Georgi fielen übereinstimmend positiv aus 569 Untersuchungen. 
Von diesen positiven Fällen handelt es sich in 519 Fällen um klinisch 
sichere Lues, in 23 Fällen um fragliche Lues, in den übrigen Fällen 

in 4 Fällen um Skabies 

„ 1 Falle „ Hirnabszess 

„ 1 „ „ Panaritium 

„ 1 „ „ Nervenleiden 

„ 1 * „ Deformation des Gaumens 

a 1 a » Ulcus cruris 

a 1 « » Eczema cruris 

a 1 a n Vitium cordis 

a 1 a 9 Nasenerkrankung; auf Wunsoh 

a 1 « a ohne Symptome; auf Wunsoh 

a 1 a a Dermatitis 

a 2 Fällen „ Kniegeienksentzündung 
a 4 „ a Gonorrhoe 

a 1 Falle „ Muskelatrophie 

a 1 a a Laryngitis 

a 1 a a Ikterus -f" Gonorrhoe 

a 1 a a StTUma 

a 2 Fällen „ Lichen chron. 

, 1 Falle „ Urticaria. 

Uebereinstimmend negativ waren 1005 Fälle, davon 422 Lues 
latens, Lues I oder II während oder naoh der Behandlung und Tabes 
dorsalis; 99 fragliche Lues. Io den übrigen Fällen handelt es sich um 
nieht luetische Erkrankungen, und lOmal fehlt die Diagnose. 

Von den Differenzen waren bei Saohs schwach positiv, bei 
Wassermann negativ: 

27 bei klinisoh sicherer Lues; davon waren 7 Fälle am Ende der Be¬ 
handlung. Wassermann’sohe Reaktion schon negativ. Sachs 
noch sohwach positiv 
3 bei fraglicher Lues 
1 „ Ulcus molle 

1 „ H niegelenksgesohwulst 

1 „ Lupus 

1 „ Nierenleiden 
1 „ Dermatitis und Gonorrhoe 

1 „ Gonorrhoe 
1 „ Gonitis. 

Von den Differenzen waren ferner bei Saohs stark positiv, bei 
Wassermann negativ 7 Fälle von klinisoh sicherer Lues; in diesen 
Fällen handelte es sioh einmal um Lues I, Primäraffekt, Spiroohaeta 
pallida naohgewiesen, einmal um Lues 11 während der Behandlung nach 
4 Neosalvarsan- und nach 2 Sublimat- und 4 1 /* Hg-Salizylspritzen, 
Wassermann war zum erstenmal negativ, Sachs nooh positiv, 

lmal um Lues II naoh 4 Neosalvarsan (nach der 5. Neo¬ 
salvarsan waren beide Reaktionen negativ), 
lmal um Lues latens naoh der Kur, 
lmal um Lues latens nach 4 Kuren, 
lmal um Lues II, Spiroohaeta pallida 
in den erodierten Papeln naohgewiesen; Wassermann’sohe Reaktion war 
bei der 5. Blutentnahme wieder negativ, Saohs, der bei der 5. Blut¬ 
entnahme parallel gesetzt wurde, stark positiv, 
lmal bei Tabes dorsalis, 
lmal bei fraglicher Lues. 

Die Wasser mann’sehe Reaktion zeigte 4 mal stark positiv an bei 
Lues latens, während Sachs negativ war, und lmal beim Primäraffekt. 

Ferner zeigte Wassermann schwaoh positiv an in 36 Fällen bei 
sicherer Lues, 

5 mal bei fraglicher Lues, 
lmal bei Neurasthenie, 
lmal bei Herzleiden, 
lmal bei Skabies, 

2 mal bei Gonorrhoe, 
lmal bei Ulcus cruris. 

Von Uloera moilia wurden 122 Fälle untersucht, davon war in 
einem Falle die Sachs-Georgische Reaktion sohwach positiv, während die 
Wassermann’sohe Reaktion negativ ausfiel, ln einem Falle waren beide 
schwaoh positiv, und in den übrigen 120 Fällen waren beide Reaktionen 
übereinstimmend negativ. 

Liquor cerebrospinalis wurde in 79 Fällen geprüft. In den 
übrigen 53 Fällen von Prüfung von Liquor oerebrospinalis fielen beide 
Reaktionen übereinstimmend negativ aus. 

17 mal waren beide Reaktionen stark positiv, 

2 mal war die Wassermann’sche Reaktion stark positiv und die 
Sach-Georgische schwach positiv. 

In beiden Fällen handelt es sioh um Lues oerebri. Die Resultate 
waren bei den Mengen von 0,2 ccm Wassermann’scher Reaktion 4*« 
nach Saohs —, bei 0,5 com nach Wassermann 4""K naoh Saohs 4H~> 


bei 1,0 com nach Wassermann 4‘4~4H~* Zur letzten Menge von 1,0 com 
für Saohs fehlte es an Liquor oerebrospinalis 1 ). Bei dem zweiten Falle 
von Lues oerebri verhielten sich die Reaktionen in folgender' Weise: 
Bei der Menge von 0,2 com fiel die Wassermann’sohe Reaktion negativ, 
die Sachs Georgische ganz schwach positiv aus. Bei der Menge von 
0,5 com Wassermann’sche Reaktion 4“4 —h"K Saohs 4 4“» bei 1»0 ccm 
Wassermann’ache Reaktion 4’4H“K Saohs 4“4“* 

Einmal war Sachs stark positiv und Wassermann negativ. Hier 
handelte es sioh um eine siohere Lues II, Papeln ad genitale, Spiroohaeta 
pallida 4“ und rechtsseitige Fazialisparese. Im Serum waren beide 
Reaktionen stark positiv. Einmal war Sachs sohwach positiv, während 
Wassermann’sehe Reaktion negativ ausfiel, es handelte sioh um Lues II. 
Serum stark positiv bei beiden Reaktionen. 

Zusammenfassend ist zu sagen, dass unter 1750 untersuchten Fällen 
1577, also 90 pCt., in beiden Reaktionen übereinstimmende Resultate 
ergaben. Sachs allein fiel 45 mal positiv aus, während Wassermann negativ 
war. Wassermann zeigte 52 mal positiv an, während Sachs negativ war. 
Unter den Differenzen waren klinisch oder anamnestisch sichere Lues¬ 
fälle 75, fragliche Luesfälle 9, andere Erkrankungen 13. Sehr wenig 
Differenzen resultieren aus dem von uns bereiteten Extrakt. Für die 
erheblich grössere Zahl muss der uns zugesandte Extrakt verantwortlich 
gemaoht werden. 

In dem Frankfurter Institut für experimentelle Therapie wurden 
von Sachs und Georgi nahezu 3000 Sera geprüft, von denen 140 
divergierende Resultate ergaben. 

Sachs selber sagte über seine Ergebnisse: „Aus den von uns er¬ 
haltenen Ergebnissen möchten wir zunächst nur die Schlussfolgerung 
ziehen, dass die benutzte einfaehe Methodik zu einer Differenzierung von 
biologischen Verschiedenheiten des Blutserums führt. Bei der Ueberein- 
stimmung, die in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit der Wasser- 
mann’sohen Reaktion besteht, sind unsere Untersuchungen jedenfalls für 
die Analyse und das Verständnis der Serumeigenschatten bei Syphilis 
und ihres Zusammenwirkens mit den Extraktstoffen von Interesse.“ Er 
weist auf die praktisch-klinisohe Erprobung hin, die zeigen wird, inwie¬ 
weit die einfache Methodik sich als brauchbar erweisen wird für die 
Serodiagnostik der Syphilis. 

Ueber weitere Erlabrungen mit der Sachs-Georgischen Reaktion be¬ 
richten Nathan und Weiohbrodt, die sie an fast 3000 Sera prüften. 
Sie fanden in 94,9 pCt. der Fälle Uebereinstimmung zwischen der Aus¬ 
flockung und der Komplementbindungsreaktion, ln 3,18 pCt. war die 
Sachs-Georgi’sohe, in 1,88 pCt. nur die Wassermann’sche Reaktion stärker 
oder allein positiv. Dabei lag in 3,4 pCt. der Fälle anamnestisch 
Syphilis vor. 

Ueber Untersuchungen von Lumbalfiüssigkeiten berichtete Georgi 
bei der Tagung der Südwestdeutschen Dermatologischen Vereinigung. 
Von 110 Fällen fielen SO mal beide Reaktionen übereinstimmend positiv 
und 69 mal übereinstimmend negativ aus. In 11 Fällen war Saohs 
negativ, Wassermann positiv. Die Versuche wurden mit nicht inakti¬ 
viertem Liquor oerebrospinalis gemacht, während wir in unserem In¬ 
stitute den Liquor oerebrospinalis zur Wassermann’schen sowie den zur 
Saohs’schen Reaktion inaktivierten und in aufsteigenden Mengen von 
0,2—-0,5—1,0 com untersuchten. Wir erhielten mit dem inaktivierten 
Liquor sehr gute Resultate. Wassermann und Saohs stimmten völlig 
überein in 79 geprüften Fällen, zweimal davon war Sachs schwächer 
positiv. In einem Falle von sicherer Lues war Sachs stark positiv, 
während Wassermann negativ blieb. Beobachtungen von Nathan, dass 
bei primärer Syphilis die Ausflookung vor der Komplementbindung 
positiv wird, und dass sie während einer antiluetischen Kur länger 
positiv bleibt, haben wir in mehreren Fällen bestätigen können. Viel¬ 
leicht zeigen längere Beobachtungen, dass die Sachs-Georgische Reaktion 
unter Umständen empfindlicher ist als die Wassermann’sche Reaktion. 

Zusammenfassend ist zu sagen: Die unschätzbare Bedeutung, 
die die Wassermann’sche Reaktion für die Diagnostik, Therapie 
und Prognose der Lues besitzt, geht bei der weitgehenden Ueber¬ 
einstimmung beider auch auf die Sachs*Georgische über. Als 
ein Ersatz der Wassermann’schen Reaktion kann sie trotz ver¬ 
einfachter Technik noch nicht angesehen werden. Dafür ist die 
Zahl der untersuchten Fälle noch zu klein, auch müssten die 
Prüfungen noch auf mehr nicbtluetiscbe Erkrankungen ausgedehnt 
werden, um abgrenzen zu können, wie weit die Reaktion für 
Lues spezifisch ist* Aber dass die Sacbs-Georgi’sche Reaktion 
eine wertvolle Kontrolle der Wassermann’schen Reaktion ist, und 
der gleichmässige Ausfall beider Reaktionen uns eine gesteigerte 
Sicherheit der Serodiagnostik der Syphilis darstellt, darf heute 
schon ausgesprochen werden. 

Wenn auch die Technik bei der Ausführung der Sachs- 
Georgischen Reaktion eine bedeutend vereinfachte ist, so darf 
nicht unbeachtet bleiben, dass zum Ablesen der Resultate durch¬ 
aus ein geschultes Auge erforderlich ist und diese Reaktion 
wiederum nur bei einem erfahrenen Serologen jene obenerwähnte 
Sicherheit bietet. 

1) Dieser Fall ist daher nioht zu verwerten. 


* 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1014 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


Aus der medizinischen Universitätsklinik Göttingen 
(Geheimrat Prof. Dr. Hirsch). 

Die neueren Einteilungen der Lungentuber¬ 
kulose ln Stadienlund Ihre klinische Bewertung. 

Von 

Dr. med. Kirt Eigelmeier. 

Die grosse Mannigfaltigkeit der klinischen und pathologisch- 
anatomischen Erscheinungsformen der Lungentuberkulose brachte 
es mit sich, dass man schon frühzeitig versuchte, gewisse Krank¬ 
heitstypen und in sich geschlossene Bilder nach einheitlichen 
Gesichtspunkten zusammenzufassen. Solchen Versuchen begegnen 
Wir bereits in der vor bakteriellen Zeit; da jedoch eine scharfe 
Trennung der eigentlichen tuberkulösen Prozesse von andersartigen 
Erkrankungen der Lunge noch nicht möglich war, so durfte man 
sich von diesen Versuchen von vornherein wenig Erfolg ver¬ 
sprechen. 

Eine neue Aera für die pathologisoh-anatomisohen und klinischen 
EinteiluDgsversuohe braohte Koch’s geniale Entdeckung im Jahre 1882; 
nunmehr erst wurde die grosse Mannigfaltigkeit der durch den einen 
Erreger ausgelösten Vorgänge klar, während doch nooh Virchow die¬ 
jenigen Veränderungen, welche, wie die käsige Pneumonie, ohne Tuberkel¬ 
bildung in streng anatomischem Sinne verlaufen, von der eigentlichen 
Lungentuberkulose abgetrennt hatte. 

In neuerer Zeit legt man den Einteilungen der Lungentuberkulose 
fortschreitende Eotwickelungsstadien zugrunde, indem man zugleioh ver¬ 
sucht, den pathologisoh-anatomisohen Befund mit dem jeweiligen klini¬ 
schen Bild in Verbindung zu bringen. Wie wenig jedoch auch die 
meisten der neueren Einteilungsversuche daB vorhandene Bedürfnis be¬ 
friedigen, geht daraus hervor, dass noch im Jahre 1910 Albert Frankel 
auf dem Kongress für innere Medizin sagen konnte, dass wir immer 
noch unter dem Mangel einer für klinische Zweoke brauchbaren Ein¬ 
teilung der Lungentuberkulose leiden. 

Ein Teil der neueren Einteilungen der Lungentuberkulose beschränkt 
sich auf die Auswertung der tuberkulösen Erscheinungen in den Lungen 
selbst; unter diesen finden wir einmal rein klinisch formale Einteilungen, 
welche entweder vorwiegend diagnostische oder vorwiegend topographische 
Gesichtspunkte berücksichtigen; andere wieder legen den Hauptwert auf 
den pathologisoh-anatomisohen Befund; unter diesen versuchen einige 
eine Einteilung auf röntgenologischer Basis. 

Als eine zweite Gruppe lassen sich die nicht ausschliesslich organ- 
beschränkten Einteilungen abtrennen; sie beruhen hauptsächlich auf der 
Auswertung der Morphologie in pathologische Prozesse unter Heran¬ 
ziehung der Ergebnisse des Tierexperiments und der allgemeinen Immuni- 
tätsforsohung. 

I. Teil. 

Eine rein klinisch formale Einteilung der Lungentuberkulose findet 
sich bei Lenhartz; sie ist zugleioh der Typus einer schon im 18. Jahr¬ 
hundert gebräuchlichen Einteilung, welche jedooh von Lenhartz auf 
moderner diagnostischer Grundlage ausgebaut ist. 

Lenhartz unterscheidet drei Stadien, die er als 1. Phthisis in- 
oipiens, 2. Phthisis confirmata, 8. Phthisis oonsumata bezeichnet. 

Das erste Stadium bereitet der Diagnose grosse Schwierigkeiten, 
zumal es sich im Anfang duroh physikalische Methoden nicht näohweisen 
lässt. Das zweite Stadium geht allmählich und ohne scharfe Grenzen 
aus dem ersten hervor; es lässt sioh dabei mit Sicherheit bereits eine 
Infiltration der Lungen feststellen. Das dritte Stadium, das den höobsten 
Grad der Entwicklung der Lungentuberkulose darstellt, ist duroh aus¬ 
gedehnte Zerstörungen im Lungengewebe gekennzeichnet. 

Die Bezeichnung „Phthisis®, wie sie Lenhartz bei einer be¬ 
ginnenden Tuberkulose gebraucht, kann den Ansprüchen der modernen 
Nomenklatur nicht genügen; aber auoh abgesehen davon erscheint die 
Lenhartz’sohe Einteilung lür die Praxis wenig brauchbar, da sie die 
Abgrenzung der einzelnen Stadien zu sehr dem subjektiven Ermessen 
des Untersuohers anheimstellt. Ein weiterer Mangel liegt darin, dass 
in der Einteilung in keiner Weise die pathologisch-anatomischen Ver¬ 
hältnisse und die Art der tuberkulösen Prozesse berücksichtigt werden. 

Der Wunsch, eine Einteilung der Lungentuberkulose zu finden, bei 
der die klinisch feststellbare Tendenz der Krankheit zum Fortschreiten 
oder zum Stillstand ausschlaggebend ist, veranlasste Sohut im Jahre 
1912 zur Aufstellung eines solchen Schemas. Von einer brauchbaren 
Einteilung verlangt Sohut u. a. die Möglichkeit, einen Kranken, den 
man im zweiten oder dritten Stadium befindlich erkannt hat, bei Aus¬ 
heilung seines tuberkulösen Prozesses ohne Schwierigkeit wieder in das 
erste bzw. zweite Stadium zurüokzubringen. 

Sohut unterscheidet: I. eine obsolete Tuberkulose; II. eine latente 
Tuberkulose; III. eine manifeste Tuberkulose; nur diese, mit ausge¬ 
sprochenen, objektiv feststellbaren Herdsymptomen einhergehende Form 
kann bei einer Einteilung naoh klinischen Gesichtspunkten berücksichtigt 
werden; Schut trennt sie in 

1. Erkrankungen ohne nachweisbare Tendenz zum Fortsohreiten 
und zwar 


a) mit überwiegend proliferativem Charakter; 

b) mit überwiegend exsudativem Charakter. 

2. Erkrankungen mit ausgesprochener Tendenz zum Fortsohreiten 

a) mit überwiegend proliferativem, 

b) mit überwiegend exsudativem Charakter. 

Naoh Meissen erfüllt die Schut'sohe Einteilung alle Anforderungen, 
die an eine solche gestellt werden müssen. Wie er das T.urban’sohe 
Schema mit dem Linnö’schen System vergleicht, so bezeichnet er die 
Sohut’sohe Einteilung als den ersten Versuch eines „natürliehen 
Systems*; er betont vor allem den Wert der Einteilung für die Auf¬ 
stellung der Statistiken. 

Trotzdem muss die klinische Brauchbarkeit der Sohut'sohen Ein¬ 
teilung gering eingeaobätzt werden, da sie zu wenig die klinischen nnd 
pathologisoh-anatomisohen Erscheinungsformen der Tuberkulose berück¬ 
sichtigt. Die Trennung in obsolete und latente Formen gibt zu Miss¬ 
verständnissen Anlass, da man unter obsoleten Formen nur solche ver¬ 
steht, bei denen die Ausheilungsvorgänge abgelaufen sind. 

Einen gewissen Mangel seiner Einteilung deutet Sohut selbst an, 
indem er hervorhebt, dass in derselben nur Rücksicht genommen ist 
auf den Zustand der Lungen selbst; Komplikationen von Seiten anderer 
Organe können natürlich die Prognose des Lungenprozesses in mannig¬ 
facher Weise mitbestimmen. 

Auf der Internationalen Tuberkulosekonferenz zu Wien im Jahre 1908 
suchte man sich über eine allgemein einzuführende Stadieneinteilung 
zu verständigen; man einigte sich auf das Turban-Gerhardt’sche 
Sohema, welches auoh heute nooh weit verbreitet ist; es bildet auch 
heute noch die Grundlage für die Arbeiten des Gesundheitsamtes nnd 
der Landesversioherungsanstalten. 

Turban gibt folgendes Sohema: 

1. Stadium, d. h. leichte, auf kleine Bezirke eines Lappens (meist 
des Oberlappens) beschränkte Erkrankungen, welche 

a) bei einseitiger Affektion vorn nioht über die 2. Rippe, 

b) bei doppelseitiger Affektion nioht über die Spina soapulae 
bzw. das Schlüsselbein hinausgehen. 

2. Stadium, welches 

a) bei leiohten Erkrankungen höchstens einen Lappen, 

b) bei sohweren Erkrankungen höchstens einen halben Lappen 
umfasst 

8. Stadium, d. h. alle über das 2. Stadium hinausgebenden Erkran¬ 
kungen. 

Trotz des grossen Fortschrittes, den das Turban’sohe Sohema 
gegenüber den alten Einteilungen bedeutet, worauf vor allem auoh 
Meissen bin weist, kann es den modernen Ansprüchen nioht mehr ge¬ 
nügen. Eine auf rein quantitative Unterschiede aufgebaute Einteilung 
muss für die klinische Beurteilung ein sehr unvollkommenes Bild er¬ 
geben; auoh eine Unterscheidung leichter und schwerer, d. h. prognostisch 
günstiger und ungünstiger Fälle ist auf Grund der Ausdehnung des 
Lungenprozesses allein nioht möglioh; diese Unterscheidung hängt neben 
der Ausdehnung der Erkrankung sehr wesentlich auoh von der Art des 
jeweiligen Prozesses ab. 

Ausserdem wird ein tieferes Verständnis für den Tuberkulose verlauf 
nur angebahnt, wenn die Lungenerkrankung als Teil des ganzen Tuber¬ 
kuloseprozesses bewertet wird; in einem grossen Teil der Fälle liegt 
nämlich eine Allgemeinkrankheit mit mehr oder minder vorwiegender 
Lokalisation in den Lungen vor. 

Um das Turban Gerhardt’sohe Sohema brauchbarer zu maohen, 
schlägt Meissen vor, jedesmal das Vorhandensein oder Fehlen von 
Fieber und Tuberkelbasillen im Auswurf anzugeben; ähnliche Vorschläge 
sind auoh von anderen Autoren gemaoht worden. Wegen der einseitigen 
Berücksichtigung lediglich der Ausdehnung der Lungenprozesse lehnen 
auch Al brecht, Frankel, Nicol, Sohut und Soholz das Turban’sche 
Sohema ab. Gerade das 8. Stadium der Einteilung muss wegen der un¬ 
sicheren Abgrenzung der zu ihm gehörigen Formen die Kritik herauu- 
fordern. Meissen bezeichnet es geradezu als ein Prokrustesbett, in 
dem alles untergebracht wird, was in die anderen Stadien nioht hinein¬ 
passt. Albrecht hebt ausserdem hervor, dass das Turban’sche 
Sohema trotz zugegebener Brauchbarkeit für die Praxis zu sehr das Ge¬ 
präge der reinen Empirie trägt, so dass es auoh für den Kliniker ein Be¬ 
dürfnis sei, es duroh eine andere Einteilung unter Berücksichtigung der 
pathologischen Anatomie zu ersetzen. Nicol macht vor allem Bedenken 
gegen die heute noch viel geübte Anwendung des Turban’sohen 
Systems zu statistischen Zweeken geltend; auoh darin, dass dem sub¬ 
jektiven Urteil des Untersuohers ein zu weiter Spielraum gelassen wird, 
sieht Nicol einen Mangel des Turban’schen Schemas. Soholz weist 
auf die Unbrauobbarkeit der Einteilung bei der militärärztliohen Begut¬ 
achtung der Dienstfähigkeit bzw. -Unfähigkeit hin. 

Einen beachtenswerten Vorschlag, die Turban’sohe Einteilung für 
die Praxis brauchbarer zu gestalten, macht Bang. .Er rät, den Begriff 
„Lungenlappen* als metrisohe Einheit fallen zu lassen und statt dessen 
die Lunge in eine grössere Anzahl von „Lungenfeldern" — nach seinen 
Erfahrungen am besten in 18 — einzuteilen. Indem er nun für jedes 
dieser Felder bei leiohten Erkrankungen (im Sinne Turhan’s) 1 Point, 
bei schwerer Erkrankung 2 Points rechnet, kommt er sa dem Schluss, 
dass das 1. Stadium 1—9 Points, das zweite 9—18 Points und das 8. 
mehr als 18 Points umfasst. Naoh Bang bat sich dieses Schema in 
den meisten dänischen Sanatorien gut bewährt; trotz allem kann es 
ebensowenig Anspruch auf Brauchbarkeit machen wie das Turban’sohe 


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27. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1015 


• System, da es wie dieses rein auf der Luogentopographic aafgebaut ist, 
ohne aber die natürlichen Grensen nnd die dadurch s. T. bedingte Ans- 
breitungsweise an berücksichtigen. - «... , 

Die üeberaeogung, dass duroh die bisher üblichen Einteilungen der 
Lungentuberkulose in 8 Stadien — vornehmlich durch das Turban’sohe 
Schema — das Verstäodnis für den Verlauf der Erkrankung nicht ge¬ 
klärt werde, veranlasste Gabrilowitsoh im Jahre 1907 aur Aufstellung 
einer neuen Einteilung. Als erster berücksichtigt er in eingehender 
Weise die Art des pathologisch* anatomischen Befundes der Lungentuber¬ 
kulose. 

Gabrilowitsoh berücksichtigt in seiner Einteilung nur die chro¬ 
nische Lupgentuberkulose; er unterscheidet 

I. Primäre Formen, d. h. durch fortschreitende Entwicklung aus 
dem ersten tuberkulösen Herd in der Lunge hervorgehende Erkrankungen, 
welche sich trennen lassen in 

1. Tuberculosis sicca, d. h. fibröse oder auch exsudativ-kasige 
Herdchen in einer Lungenspitae; die Clavicula b*w. die Spina 
soap. sind nioht überschritten; 

Tuberculosis oatarrhalis, welche aus der ersten Form duroh 
Fortentwicklung des Proaesses und ausgedehnteren üebergang 
der fibrösen Knötchen in Verkäsung entsteht; ihre untere 
Grenae ist der Angulus scap.; 

8. Tuberculosis fibrosa, welche duroh Eindringen der käsigen 
Massen in das umliegende Gewebe entsteht; der Angulus soap. 
wird nioht überschritten; 

4. Tuberculosis ulcerosa duroh Fortsohreiten der Verkäsung und 
des Zerfalls in einer der bestehenden Höhlen. 

IL Sekundäre Formen, bei welohen es durch Aspiration von 
käsigen Massen aur Bildung von neuen, örtlich getrennten Herden 
in den Unter- baw. dem r. Mittellappen oder in der anderen Lunge 

1. Bronchopneumonia metastatica chronica, duroh Aspiration von 
käsigen Massen in feinen Hauptbronohus des Unterlappens 
entstehend, 

a) fibröse Form, 

b) ulseröse Form; 

8. Pneumonia tuberculosa, entstehend duroh Konfluieren aahl- 
reicher bronohopneumonischer Herde au einer homogenen, 
exsudativ-käsigen Tuberkulose, 

a) fibröse Form, 

b) ulzeröse Form. 

Der Frankfurter Pathologe Albrecht hat im Jahre 1907 em Ein¬ 
teilungsschema der Lungentuberkulose aufgestellt, welches sich besüglich 
der Ausbreitung der Lungenproaesse auf dem Turban’schen System 
aufbaut, das aber mehr wie dieses durch Berücksichtigung der Art der 
Lungenproaesse den Ansprüchen der Klinik und Praxis Reohnung tragen 
möchte. 

Albrecht teilt die Lungentuberkulose ein 

I. nach der Ausdehnung der Proaesse 

1. in isolierte Herde, besonders in den Oberlappenspitaen ein¬ 
seitig oder doppelseitig — mit oder ohne Herde in den ent¬ 
sprechenden „Unterlappenspitzen“; 

8. in ausgedehntere Oberlappenprozesse, welche, 

a) auf eine Seite beschränkt bleiben, 

b) ihit einer ausgedehnteren Unterlappentuberkulose derselben 
Seite einhergehen; 

o) mit einer gering- oder höhergradigen Oberlappentuber¬ 
kulose der anderen Seite kombiniert sind; 
d) mit ausgedehnteren Oberlappenproaessen beider Seiten 
einhergehen, eventuell kombiniert mit ünterlappenproaessen 
usf. 

n. Nach der Qualität der Lungenproaesse 

1. indurierende, airrhotisohe Formen, 

2. knotige — bronchial, peribronchial und perivaskulär fort¬ 
schreitende — Proaesse, 

3. käsig-pneumonische Formen. 

Kavernenbildung kann bei jeder der drei genannten Formen vor- 

k0ID Unter Zugrundelegung des Albreoht’sohen Schemas stellte Fränkel 
im Jahre 1910 ein neues Einteilungssystem der Lungentuberkulose auf; 
schon im Jahre 1906 hatte Fränkel gelegentlich seiner, gemeinsam 
mit v. Rosthorn vorgenommenen Studien über die Beziehungen awischen 
Tuberkulose und Schwangerschaft einen Versuch nach dieser Richtung 
veröffentlicht. Auch er betont im Gegensata au Turban die Notwendig¬ 
keit, bei einer Einteilung der Lungentuberkulose nicht nur die räum¬ 
liche Ausdehnung der Proaesse, sondern vor allem auch die Art der¬ 
selben au berücksichtigen. Fränkel unterscheidet bei der Lungentuber¬ 
kulose i 

I. Naoh der räumlichen Ausdehnung der Proaesse 

1. ein erstes Stadium, welches den Primärherd in der Lunge um¬ 
fasst und gewöhnlich in den Oberlappenspitaen — einseitig 
oder doppelseitig — seinen Sita hat (nioht selten jedoch auch 

» in der Lingula und im Hilus) 

a) mit Besohräuktbleiben des Proaessen auf den Primärherd; 

b) mit Neigung au langsamerem oder rascherem Fortsohreiten. 


Dadurch ist der üebergang der Erkrankung in das 

8. Stadium gegeben, wo wir mehr oder weniger den ganaen 
Oberlappen — einseitig oder doppelseitig — «JE 1 !® 0 “ “ nd0n » 

8. Stadium durch weiteres Fortschreiten und üebergreifen 
des Proaesses anf die Unterlappen baw. den rechten Mittel¬ 
lappen — einseitig oder doppelseitig “• 

II. Naoh der Qualität der Lungenproaesse, wobei Frankel die oben 
erwähnte Albreoht’sche Art-Differenaierung gebraucht. 

Die modifisierte Fränkel’sche Einteilung, die wegen ihrer vielfachen 
Beaiehungen aum Albrecht’sohen Schema, häufig auch als Frankel- 
Albreoht’sohe Einteilung beaeiohnet wird gehört heute - weben dem 
Turban’sche System — au den am meisten gebräuchlichen. Bezugt ch 
der praktischen Verwertbarkeit der Einteilung^betont Frankel, dass sich 
ihm das Schema besonders bei der Begutachtung von 
bewährt hat; auch für die Ordnung eines giosseren klinischen Materials 
aum Zwecke der Beurteilung therapeutischer Erfolge bat, es sich ihm ab 
nütalich erwiesen. Auch Büttner-Wobst und EnchMeyerhaben 
die Brauchbarkeit des Fränkel’schen System erprobt und betonen l noch 
1916 den klinischen Wert dieser Einteilung. Sohola berichtet über die 
Bewährung des Sohemas bei der Untersuchung auf Tauglichkeit aum 
Heeresdienst und bei der Beurteilung von Rentenanspruehen; in den 
weitaus meisten Fällen ist bei eingehender Beobachtung-die Einreihung 
des klinischen Falles in das Schema möglich. “atomiMhen Stod- 

punkt aus besteht eine gewisse Unklarheit wohl dann,8 dws unter die 

klinisch als knotige — bronchial und penbronchia! 
diagnostiaierten Formen sehr viel käsig pneumonische 
Umfanges fallen. Sohola hebt hervor, dass es für den üntersuoher 
selbst ausserordentlich lehrreich ist, sich bei Benutzung des ^ a nke 
sehen Sohemas über den jeweiligen anatomischen Befund in der Lunge 
Rechenschaft geben au müssen. _ „ , ., . 

Andere Autoren mnohen Bedenken gegen die Frankel rche Ein¬ 
teilung geltend. Naoh Sehnt erfüllt eie die Anforderungen, die an 
ein solches Schema gestellt rrerdon müssen,jnioht ToUstaodig, d<ennooh 
erkennt auoh er den grossen Fortschritt an, den die EinteüuDg — be- 
sonders gegenüber dem Turban’sohen Schema - bedeutet, d» mobt 
wie dieses aussohliesslioh für die AnsbreitungTder LuDgenproMsse ge- 
gründet ist, sondern auoh die Art der Prosesse gebührend berücksichtigt. 

Asohoff rermisst yor allem die Berücksichtigung der Genese, welche un¬ 
bedingt sum vollständigen Bild des jeweils vorliegenden tuberkulösen 
Prosesses gehöre. Ausserdem hält er eine Teilung der **»"*•* “hen 
nodösen Formen im Niool’sohen Sinne in asinos-nodose (d. h. indurierende) 

und lobulär-käsige (d. h. ulserierende> Formen für wnnsohenswert. Niool 

weist darauf hin, dass die Lappeneinteilung für die Beseiohnung der 
Ausdehnung der Prosesse keine glüokliohe sei, da sioh die Lungen¬ 
phthise in ihrer Ausbreitung nioht an t diei.Lappenbegrensung, halt 

Ablehnender noch verhält sioh Besold, der die Ansicht vertritt, dass 
es eine erschöpfende Stadieneinteilung .kaum jemals geben wkd. Das 
Fränkel’sohe Schema erscheint ihm sn grob, es fehl dim insbesondere 
.das für die allgemeine Prognose und für die Beurteilung der Leistungs¬ 
fähigkeit notwendige Kriterium der suverlässigen oder unsicheren oder 
fehlenden Krankheitsabgrensung*. . . ... 

Entgegen diesen einfachen Bedenken muss immer wieder der prak 
tische Wert der Fränkel’schen Einteilung, der . T ° r m ^. 1 ®"} 
rüoksiohtigung der Art des Lungenprosesses und d »“ 1 * J“ F/®??“® 

liegt, betont werden. Wenn Büttner-Wobst sa^, mit der Festatellung 

der Art des Prosesses falle der Würfel über das Schicksal des Krwiken, 
so ist das allerdings wohl su weit gegangen, da üebergange Vorkommen, 
und da sweifellos in jedem!Stadium der Lungentuberkulose pnnsipielle 
Wendungen sum Besserem und Schlechteren eintreten und den 
des Prosesses ändern können. Wenn das Frankel sehe Schema 
nicht noch weitere Verbreitung gefunden hat, so liegt dies einmal daran, 
dass die Einreihung in das System erst nach legerer Becbaohtung mo^ 
lieh ist, ein Hauptgrund, weshalb von vielen das Turban sohe System 
vorgesogen wird, da es eine sofortige Einreihung ermöglicht Anderer¬ 
seits erscheint für die Praxis die Abgrensung de,r einseineni Stadien i“ 
soharf genug, ein Punkt, auf den vor allem Niool aufmerksam ge- 

m a°hßie a* mmer wieder betonte Schwierigkeit, bei d« Einteilung der 
Lungentuberkulose su einer Verständigung swischen Kliniker und Anatom 
SU tommen, und der Wunsch, eine solche auf einer gememaamen Grund- 
lage su ersielen, lag Niool bei der Aufstellung seines Einteilungssohemas 
als Hauptziel vor Augen. 

Niool unterscheidet: 

I. Die okkulte Phthise, unter der er den Primäraffekt in der Lunge, 
d. h. alle miliaren Knötohenbildungen der Lungentuberkulose, so lange 
sie zirkumskript bleiben, versteht. . , ... . 

II Die manifeste Phthise, welohe er in 8 Stadien einteilt und 
* i. die Initialphthise, d. h. stets zirkumskripte Herde, welche 
gewöhnlich in den Lungenspitzen ihren Sitz haben (nur aus¬ 
nahmsweise, speziell bei Kindern, liegen sie in den tieferen 
Teilen des kranialen Lungenabsohnitts oder auch im Hilus). 
Pathologisch - anatomisch werden folgende Unterabteilungen 
unterschieden: ... . . 

a) die azinös-nodöse Form, d. h. eine vorwiegend proli- 
ferierende Tuberkulose, welohe, wie ihr Name sagt, in den 
Aaini der Lunge ihren Sita hat, und welohe von vornherein 
au Induration neigt; 


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UNiVERSUY OF IOWA 



1016 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


b) die käsig-bronohopneumonisohe Form, charakterisiert 
durch das Ueberwiegen und Exsudation and Verkäsung; 
e) als Bindeglied zwischen den beiden genannten Formen die 
käsige Bronchitis oder Bronchiolitis, welche daroh 
kontinuierliches Fortsobreiten des azinösen bzw. käsig- 
pneumonischen Prozesses auf die Bronchien bzw. Bron¬ 
chiolen, also durch Ausbreitung der Tuberkulose auf dem 
„Sftkretionswege“ entsteht. 

2. Die disseminierte, nodöse Phthise, charakterisiert duroh all¬ 
mähliche Dissemination der Prozesse vom kranialen Lungen- 
absohnitt nach abwärts. 

Pathologisch anatomisch können in diesem Stadium dieselben Unter¬ 
abteilungen unterschieden werden wie be! der Initialphthise, nur mit 
dem Unterschied, dass der Prozess nicht zirkumskript, sondern diese- 
miniert ist. Die Abtrennung dieser Unterabteilungen, die für den 
Pathologen wohl immer möglich sein wird, ist, wie Nicol zugibt, für 
den Kliniker bedeutend schwieriger. Als Hilfsmittel hat sich hier ein¬ 
mal das Röntgenverfahren bewährt, wenn Nicol auch davor warnt, aus 
ganz bestimmten physikalischen Symptomen die Art der Prozesse heraus¬ 
lesen zu wollen. Wichtiger ist die längere Beobachtung des Kranken, 
um dadurch festzustellen, ob und wie schnell sich der Prozess fort¬ 
entwickelt. Beobachtet man z. B. nur langsames Fortsobreiten, so kann 
man mit grosser Wahrscheinlichkeit die azinös-nodöse Form diagnosti¬ 
zieren; sieht man dagegen schnelles Vorwärtssohreiten des Prozesses, 
so ist man berechtigt, an die käsig-pneumonische Form zu denken. 

8. Die vorgeschrittene ulzeröze Phthise, bei welcher durch weitere 
räumliche Ausdehnung der Prozesse auch der kaudale Lungen- 
absehnitt (unter Zugrundelegungder T e n d e 1 o o’sohen Trennungs¬ 
ebene) und damit fast die ganze Lunge ergriffen ist; charak¬ 
terisiert ist dieses 3. Stadium duroh eine flächenhafte, diffuse 
Ausbreitung. Eine Trennung in vorwiegend proliferierende 
und vorwiegend exsudative Formen ist auch in diesem Stadium 
möglich; dementsprechend unterscheidet Nicol eine 

a) azinös - nodöse Form oder die sogenannte zirrhotische 
Phthise; 

b) käsig-pneumonische Form oder sogenannte lobäre käsige 
Pneumonie. 

Der Fortschritt der Niool'schen Einteilung liegt in der besonderen 
Beaobtung der Prognosestellung, welche ja gerade för die Praxis und 
die einzusohlagende Therapie von grösster Wichtigkeit ist. As oh off 
erwähnt, dass sich ihm das Nicol'sehe Schema bei zweijähriger Erprobung 
gut bewährt habe; er spricht dabei aber wohl mehr vom Standpunkt 
des Pathologen als des Klinikers. Vor allem hält Aschoff die Niool- 
sohe Bezeichnung „azinös* für sehr glücklich gewählt; ihre allgemeine 
Einführung würde er im Interesse einer klareren und genaueren Nomen¬ 
klatur sehr begrüssen. 

Wenn trotzdem die Niool’sche Einteilung bisher keine grosse Ver¬ 
breitung gefunden hat, so liegt dies, wie Büttner-Wobst betont, vor 
allem daran, dass sie neben der ihr zweifellos zukommenden Exaktheit 
den Naohteil zn, grosser Kompliziertheit bat; gerade dem Fränkel'scheu 
Sohema gegenüber bietet sie keine besonderen Vorteile. Ein weiterer 
Mangel der Einteilung liegt darin, dass über das histopathologische 
Prinzip das lungentopographische noch übergelagert ist; dadurch fallen 
diejenigen Fälle nicht ins Sohema, die ein kranio-kaudales Wachstum 
nicht deutlich erkennen lassen. Gerade für die ersten Stadien ist dies, 
wie das Röntgenbild lehrt, nicht ganz selten, indem initiale Herde 
klinisch oft in der Nähe des Hilus mehr manifest werden als in der 
Spitze. 

In neuerer Zeit ist eine Abgrenzung und Einteilung der Tuber¬ 
kuloseformen naoh röntgenologischen Gesichtspunkten versucht worden. 
Als erster stellte Gerhartz im Jahre 1915 auf Grund ausgedehnter 
röntgenologischer Lungenuntersuohungen ein Einteilungsscbema auf. 
Gerhartz ist der Ueberzeugung, dass das Röntgenbild genügenden Auf¬ 
schluss über alle Punkte geben kann, welche für eine Einteilung der 
Lungentuberkulose von Wichtigkeit sind; denn einmal lässt es klinisch 
genau gekennzeichnete und feststellbare Typen unterscheiden, anderer¬ 
seits ergibt es sogar bessere anatomische und prognostische Anhalts¬ 
punkte, als es die bisherigen Einteilungsarten vermögen. Gerhartz 
unterscheidet 

1. die kleinknotige disseminierte Tuberkulose; hierzu gehören 

a) alle primären Knötchenbildungen der Lunge; soweit sie rönt¬ 
genologisch nachweisbar sind, erscheinen sie als feinste, etwa 
stecknadelkopfgrosse Sobattenherdohen: sind sie zahlreich und 
disseminiert, so entsprechen sie dem Bilde der akuten Miliar¬ 
tuberkulose; 

b) die akute submiliare disseminierte perichondritisohe Knötohen- 
tuberkulose; sie zeigt ebenfalls sobarfbegrenzte, herdförmige 
Knötchen, welche jedoch etwas grösser als bei der Miliar¬ 
tuberkulose sind; sie sind gewöhnlich im Oberlappen entlang 
den Bronchien lokalisiert; 

2. die grosBknotigen Tuberkulosen und zwar 

a) die grossknotige, fibröse Tuberkulose, welohe den Uebergang 
zwischen den kleinknotigen und grossknotigen Formen her¬ 
stellt, indem sie duroh Konfluieren von Herden der ersten 
Gruppe entsteht. Röntgenologisch hat ihr Bild mit den Formen 
der ersten Gruppe gewisse Aehnliohkeiten, so die strangförmige 
Anordnung, das Auftreten kleiner Herde, welche von der 
Peripherie an Grösse abnehmen; 


b) die grossknotige ulzeröse Tuberkulose, welche die Hauptform ' 
der grossknotigen Tuberkulosen darstellt; bei ihr sind die 
einzelnen Herde, welche wenig Neigung zur Verästelung und 
kaum Zusammenhang untereinander zeigen, plump und kolbig; 
die straug r örmige Anordnung, die für die erste Gruppe charakte¬ 
ristisch war, fehlt; 

$. Taberkuloseformen, welohe im Gegensatz zu den knotigen durch 
homogenherdige Prozesse ausgezeichnet sind. Röntgenologisch erkennen 
wir eine fläohenhafte Trübung, welohe entweder aus diohtstehenden 
kleinsten Knötchen zusammengesetzt ist — was prognostisch sehr un¬ 
günstig ist — oder mehr homogen-diffos erscheint. Im ersten Falle 
handelt es sich klinisch um eine käsige Pneumonie; im Röntgenbild 
sieht man häufig disseminierte, intensive Sobattenherdohen in den homo¬ 
genen, gewöhnlich sehr ausgedehnten Hauptsohatten eingesprengt. 

Ausserdem erscheinen der peripheren Ausbreitung der Prczesse ent¬ 
sprechend in den Randteilen isolierte, noch nicht konfluierte grössere 
Knötchen. Der mehr homogen-diflusen Schattenbildung liegen ausgedehnte 
exsudative Prozesse oder Schwielen, Atelektasen und Schwarten zugrunde; 
eine zusammenfassende klinische Bezeichnung dieser Gruppe ist nicht 
möglich. 

Von den drei genannten Hauptforinen der Lungentuberkulose trennt 
Gerhartz zwei weitere Gruppen ab, welche sich in keines der ge¬ 
nannten Stadien einreiben lassen; röntgenologisch bieten sie aber ein 
typisches Bild, dass ihre gesonderte Besprechung notwendig erscheint. 

Die erste Form umfasst die vom Hilus ausgehenden Tuberkulosen, 
deren röntgenologisches Bild bekannt ist. Die zweite Gruppe stellt die 
ausgedehnte fibröse, zirrhotische Lungentuberkulose dar, welche röntgeno¬ 
logisch durch intensive, diffus-flächenhafte Schattenbildung mit Ver¬ 
kleinerung des erkrankten Lungenfeldes, Verlagerung der Mediastinal- 
organe und Zwerehfellhoohstand auf der kranken Seite einbergeht; eine 
Unterart dieser Gruppe bildet die katarrhalisch-asthmatische Form der 
langsam progredienten Alterstuberkulose. 

Gegen die Möglichkeit einer Einteilung der Lungentuberkulose auf 
röntgenologischer Basis sind von vielen Seiten Bedenken erhoben worden. 
Sobolz hält den Zeitpunkt für eine solche Einteilung noch nicht für 
gekommen, da erst die Znkunft lehren muss, wie weit das Röntgen¬ 
verfahren zur Feststellung der klinischen Formen und damit zur Möglich¬ 
keit einer Einteilung geeignet ist. Rach macht geltend, dass eine ein¬ 
seitige röntgenologische Diagnose dem Kliniker nie genügen kann. Da 
er seine Aufgabe darin sehen muss, ein einheitliches Bild der Er¬ 
krankung zu gewinnen, kann er auf die verschiedenen physikalischen 
Spezialuntersuohungen nicht verzichten; deshalb bedient er sich auch 
besser eines der gebräuchlichen klinischen Einteilungssysteme. 

Im Gegensatz dazu weist Fränkel darauf hin, dass sohon heute 
duroh das Röntgen verfahren die älteren physikalischen Untersuohunga- 
methoden täglich mehr in den Schatten gestellt werden. Bei weiterer 
Vervollkommnung eröffnet sich nach seiner Ansicht die Möglichkeit, 
nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ die Tuberkuloseformen 
zu differenzieren und damit eine praktisch brauchbare Einteilung der 
Lungentuberkulose auf röntgenologischer Basis zu finden. Auch Gut¬ 
stein betont die Berechtigung einer solchen Einteilung, weil dadurch 
eine viel genauere Lokalisation der Erkrankung ermöglicht werde als 
duroh die alleinige klinische Untersuchung. Gerade das Gerhartz'sohe 
System hat sieh ihm bei seinen Untersuchungen gut bewährt. Gegen 
eine Ueberschätzung dessen, was das Röntgen verfahren bei aller Wichtig¬ 
keit als Ergänzungsmethode allein leistet, ist andererseits von vielen 
Seiten Front gemacht worden, so z. B. auch in einer Diskussion Erich 
Meyer’s gegen Fränkel io einer Sitzung der niederelsässisohen Aerzte- 
Vereinigung. 

Ausser der Gerhartz'schen Einteilung ist bisher kein Versuch 
einer Einteilung der Lungentuberkulose auf röntgenologischer Basis ge¬ 
macht worden, neuerdings hat Büttner-Wobst mitgeteilt, dass sich 
nach seinen Erfahrungen eine Einteilung der Lungentuberkulose naoh 
dem Fränkel'schen System allein auf Grund der röntgenologischen 
Diagnose erwiesen hat. 

Die klinisohe Brauchbarkeit der röntgenologischen Einteilungen ist 
heute noch ziemlich gering einzusohätzen; denn einerseits wird uns das 
Röntgen verfahren über den Charakter und das Alter eines Verdichtungs¬ 
herdes in der Lunge niemals etwas Positives aussagen können; hierzu 
bedarf es stets der Hilfe duroh andere klinische Untersucbuogsmethoden, 
als welohe weniger die Perkussion in Frage kommt, da ihre Resultate 
denen der Röntgenuntersuchung qualitativ, wenn auch nicht immer 
quantitativ, sehr nabe stehen, als vielmehr besonders die Auskultation. 
Andererseits kann der Kliniker zur tieferen Erkenntnis eines tuberkulösen 
Lungenprozesses nicht verzichten auf die Berücksichtigung der patho¬ 
logisch-anatomischen und biologischen Verhältnisse, wie sie in anderen 
Einteilungen zum Ausdruck kommen. 

II. Teil. 

Wir kommen nun zur zweiten Hauptgruppe der Einteilungen 
der Lungentuberkulose, nämlich zu denjenigen Einteilungs- 
versueben, welche sich nicht allein anf das Organ, die Lungen, 
beschränken. 

Gewisse Beziehungen der infektiösen Granulationsprozesse bei 
der Tnberknlofte und Syphilis und eine gewisse Aehnlichkeit im 
Verlauf beider Krankheiten veranlasste Hamburger im Jahre 1912, 
eine neue Einteilung der Lungentuberkulose aufzustellen. 


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27. Oktober 1919. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. lölf 


Nach Analogie mit der Syphilis unterscheidet er bei der 
Tuberkulose ein primäres, sekundäres and tertiäres Stadium; die 
Grensen zwischen den einzelnen Stadien sind nicht scharf, sondern 
durch fliessende Uebergänge miteinander verbunden. 

Das primäre Stadium wird nach Hamburger gebildet durch den 
sogenannten Primäraffekt in der Lunge. Ein solcher wird duroh jede 
Injektion mit virulenten Bazillen bei bisher tuberkulosefreien Menschen 
hervorgerufen. Nach einer Inkubationszeit von 2—3 Woohen entsteht 
dabei eine klassische Tuberkelbildung an der Inlektionsstelle; gleich¬ 
zeitig werden nach dem Cornet’sohen Lokalisationsgesetz regelmässig 
die regionären Lymphdrüsen mitergriffen. Klinisch verläuft die Mehrzahl 
der primären Stadien latent. Hamburger nimmt an, dass fast alle 
Mensohen in den ersten 12 Lebensjahren einen solchen Primäraffekt in 
der Lunge durchstachen. 

Als sekundäres Stadium bezeichnet Hamburger die Zeit, die 
sioh vom Primäraffekt bis zur Maniiestierung der Krankheit erstreokt 
und gewöhnlich bis in die Pubertät hineiureioht. Aus Analogie mit 
dem Tierexperiment glaubt Hamburger nämlich den Sohluss ziehen zu 
können, dass nach Ueberstehen des Primäraffektes duroh neue Infektionen 
mit Tuberkelbazillen zunächst keine neuen Herde in der Lunge hervor- 
gerufen werden; die Bazillen können vielmehr in diesem Palle monate- 
oder sogar jahrelang lebenslähig in der Lunge liegen bleiben, um dann 
eventuell plötzlich durch irgendeine auslösende Ursaohe am Orte der 
Reinfektion einen neuen Prozess hervorzurufen. 

Das primäre und sekundäre Stadium wird von Hamburger auch 
als das Fiühstadium der Lungentuberkulose zusammengefasst. 

Das tertiäre Stadium setzt, wie oben erwähnt, stets eine Infektion 
in der Kindheit und darauffolgende spätere Reinfektion voraus; bis zu 
ihrer Entwicklung vergehen, von der Reinfektion an gerechnet, gewöhn¬ 
lich mehrere Jahre. Dementsprechend findet es sioh bei Kindern jen¬ 
seits des Säuglingsalters gar nicht oder nur selten; Hamburger be¬ 
zeichnet es geradezu als eine Erkrankung der Erwachsenen und älteren 
Kinder. Da das Fiühstadium völlig latent verlaufen kann, so ist es 
verständlich, weshalb auch solche Menschen tertiär 'erkranken können, 
welche in ihrer Kindheit scheinbar tuberkulosefrei geblieben waren; aus¬ 
schlaggebend für die Entwicklung des tertiären Stadiums ist nur die 
Disposition. 

Eine Einteilung naoh Immunitätsperioden, und zwar ebenfalls in 
drei Stadien, deren zeitliche Aufeinanderfolge im grossen und ganzen 
denen der Hamburger’sohen Einteilung entspricht, finden wir auch 
bei v. Pirquet. 

Das primäre Stadium ist auch bei ihm charakterisiert duroh die 
Ausbildung des tuberkulösen Primärafiektes in der Lunge. Obwohl dieser 
klinisch nur bei Säuglingen in Erscheinung tritt, neigt Pirquet im 
Gegensatz zu Hamburger doch der Ansicht zu, dass er m jedem 
Lebensalter Vorkommen kann. 

Naoh der Lokalisation und Ausbreitung unterscheidet Pirquet 
zwei Formen des primären Stadiums und zwar 

a) die Bronohialdrüsentuberkulose, 

b) die tuberkulöse Bronchitis und käsige Pneumonie, welche nur 
beim Säugling durch Debergreifen des Primärherdes auf das 
benachbarte Lungengewebe oder duroh Einbruch einer ver¬ 
kästen Drüse in einen Bronohus zustande kommt. 

Das sekundäre Stadium beginnt mit dem Augenblick der Aus¬ 
saat der Tuberkelbazillen auf dem Blut-, Lymph- oder Digestionswege. 
Naoh Pirquet gehört dieses Stadium nicht notwendig zum Bilde der 
Tuberkulose; naoh den meisten Infektionen sogar, die erst im späteren 
Kindesalter statthaben, tritt es überhaupt nicht ein. 

Als Unterabteilungen unterscheidet Pirquet im sekundären Stadium 

a) die akute Miliartuberkulose, durch massenhaften Einbruch von 
Bazillen in die Blutwege entstehend; 

b) die subakut oder ohronisch verlaufenden tuberkulösen Mani¬ 
festationen, die duroh Einbruch weniger Bazillen ins Blut in 
fast allen Organen Vorkommen können; bevorzugt sind die 
Sohleimhäute, Knochen, Sexualorgane und das Gehirn; 

o) der Symptomenkompiex der Skrofulöse, der nach Pirquet 
eine besondere Disposition, die durch den Lymphatismus oder 
die exudative Diathese gegeben ist, voraussetzt. 

Als tertiäres Stadium unterscheidet Pirquet die chronische 
Lungentuberkulose. Sie geht durch Ausbreitung des Primäraffektes in 
der Lunge gewöhnlich nach mehr oder weniger langer Latenz aus dem 
primären Stadium hervor. 

Hamburger und Pirquet haben das Verdienst, zuerst die immu¬ 
nisatorischen Verhältnisse bei der Einteilung der Lungentuberkulose 
verwertet zu haben. Beide Einteilungen haben jedoch bisher wenig An- 
klang gefunden; die Gründe hierfür liegen einmal darin, dass beide Ein¬ 
teilungen zu sehr auf der Theorie der Tuberkulose als Kindheits¬ 
infektion aufgebaut sind, ausserdem einen zu weit gehenden Parallelismus 
zwischen Phthiseogenese und Einteilung konstruieren, wodurch die für 
die klinisohe Diagnostik notwendigen Formen der Tuberkulose zu wenig 
berücksichtigt werden. 

Hamburger betont, dass eine strenge Soheidung der einzelnen 
Stadien, vor allem des sekundären und tertiären, klinisch oft nicht 
möglich sei. Er hält die Einteilung in drei Stadien für besonders 
wiohtig für das Verständnis der Tuberkulosepathologie; sie allein gibt 
uns duroh die Auffassung der Lungentuberkulose des Erwachsenen als 
Spätform eine befriedigende Erklärung für die Entstehung der Lungen¬ 


phthise. Ohne auf das Problem der Phthiseogenese, das mit der Frage 
naoh der besten Einteilung der Tuberkulose nicht identisch ist, näher 
eingehen zu wollen, muss demgegenüber hervorgehoben werden, dass 
wenigstens naoh der heute wohl verbreitetsten Ansicht die Tuberkulose 
des Erwachsenen nur selten duroh Wiedererwachen einer früheren In¬ 
fektion bedingt wird, dass vielmehr der Hauptgrund für die Entwicklung 
einer initialen Phthise bei Erwachsenen, abgesehen von den konstitutio¬ 
nellen und erworbenen endogenen Verhältnissen, in der Gelegenheit und 
Massivität der Reinfektion und nicht in der Kindheitsinfektion gelegen 
ist. Sohut hält es für praktischer, die beiden ersten Stadien des 
Hamburger’sohen Systems zu kombinieren und nur ein erstes und ein 
zweites Stadium zu unterscheiden, wie es ja auch Hamburger selbst 
sohon andeutet, wenn er von Früh- und Spätformen spricht. Emen 
Mangel der Hambur ger’sohen Einteilung sieht Sohut darin, dass, ab¬ 
gesehen davon, dass nur das dritte Stadium klinisch verwertbar ist, die 
Einteilung weder für die Prognose noch für die Beurteilung thera¬ 
peutischer Maassnahmen oder Statistiken irgendwelchen Wert hat. 
Meissen erkennt die Berechtigung der Hamburger’schen Einteilung 
zwar an, betont aber ausdrücklich den geringen Wert, den dieselbe für 
Klinik und Praxis hat, da sie die klinischen Formen der Tuberkulose 
zu wenig berücksichtigt. 

Eine Einteilung der Lungentuberkulose auf pathologisch anatomischer 
Grundlage, die aber nicht aussohliesslioh darauf ausgebaut ist, sondern 
für den Kliniker gerade auch durch Einbeziehung seiner Bedürfnisse, 
duroh Berücksichtigung des ganzen Organismus von Bedeutung ist, hat 
Ranke im Jshre 1916 angegeben. Fussend auf den neueren anato¬ 
mischen Forschungen von Albreoht, Ghon usw. ist er vor allem be¬ 
strebt, die verschiedenen anatomischen Bilder als morphologische Doku¬ 
mente einer in den einzelnen Stadien der Tuberkulose wechselnden Re¬ 
aktionsweise des Organismus dem Verständnis näher zu bringen; er 
strebt also nichts Geringeres an, als die Verschmelzung von patho¬ 
logischer Anatomie und Immunitätsbiologie. In Anlehnung an die Ein¬ 
teilung der Lues in ein primäres, sekundäres und tertiäres Stadium gibt 
Ranke folgendes Sohema: 

L Die isolierte primäre Tuberkulose der Lungen als erstes 
Stadium; sie umfasst den sogenannten Primäraffekt mit Tuberkulose, 
als welchen Ranke das Nebeneinander von Primärherd im Lungen¬ 
gewebe oder Bronohialbaum mit in strenger Abhängigkeit davon (naoh 
dem Cornet’sohen Lokalisationsgesetz) lymphogen entstandener Er¬ 
krankung der regionären Lymphdrüsen bezeichnet. Charakteristisch 
sind dabei die entzündlichen Kongestionen (oder bei abheilenden Fällen 
Bindegewebswuoherungen mit chronischen Bronchitiden der anliegenden 
Luftwege), die sioh so regelmässig in der Umgebung des Lungen- bzw. 
Drüsenherdes und im Gebiet zwisohen diesen beiden finden, dass aus 
ihnen allein die Diagnose einer zum primären Komplex gehörigen Ver¬ 
änderung gestellt werden kann, selbst dann noch, wenn die Tuberkulose 
sioh beliebig ausgebreitet hat. 

1L Die Lungentuberkulose bei generalisierter Tuberkulose als 
zweites Stadium. Ranke versteht darunter diejenigen Erkrankungen, 
bei denen es neben den Lungenherden auch noch zu einem Weiter¬ 
greifen auf solche Lymphstromgebiete gekommen ist, welche nicht in 
das unbegrenzte Stromgebiet zwischen Primärherd und nächstgelegener 
Einmündung des abführenden Lymphstromes in die Blutbahn ein¬ 
geschaltet sind. Bezüglich der Reaktion des Organismus gegen die ein- 
gedrungenen Tuberkelbazillen naoh vorausgegangener Erstinfektion kann 
man es auch als das Stadium der Giftüberempfindlichkeit, der Anaphy¬ 
laxie, bezeichnen. 

Das zweite Stadium umfasst die grosse Masse der klinisohen Tuber¬ 
kulosen; ihr Formenreichtum erklärt sich dadurch, dass es zwischen 
einem ganz geringfügigen, chronischen Uebertritt von Bazillen ins 
Blut und massenhaften Einbrüchen mit zahlreichen Metastasen in fast 
sämtliche Organe alle möglichen Uebergänge gibt; auch im Verlauf 
derselben Erkrankung können diese Uebergänge periodenweise ab- 
wechseln. 

Aus diesem Formenreichtum der generalisierten Tuberkuloso fasst 
Ranke folgende Haupttypen zusammen: 

1. Uebergangsformen zwisohen der primären Lungentuberkulose und 
der von ihr ausgehenden Generalisation; sie sind gekennzeichnet duroh 
tuberkulöse Manifestationen in Drüsen, welche nioht direkt in die Ab¬ 
flussbahn der Primärherdes eingeschaltet sind. 

2. Erkrankungen mit geringfügiger hämatogener Generalisation 

a) mit akutem Verlauf; 

b) mit chronischem Verlauf; 

c) die sogenannten grossknotigen Miliartuberkulosen als Binde¬ 
glied zwischen beiden. 

S. Die sogenannten zirrhotisohen Organ tuberkulösen, welche stets 
hämatogen entstehen und sioh an eine mehr chronisch verlaufende 
Primäraffektion der Lunge ansohliessen. Ranke nimmt an, dass in 
diesem Stadium bereits eine gewisse Immunität des Gesamtorganismus 
sustandegekommen ist, die nur unter bestimmten Umständen in ein¬ 
zelnen Organen durohbroohen wird; bevorzugt sind dabei die Organe 
mit vorgebildetem Kanal- und Höhlensystem — z. B. Nieren- und 
Genitalorgane —, wodurch eine der bronchogenen Ausbreitung in der 
Lunge analoge Ausbreitung auf dem „Sekretionswege“ ermöglicht wird. 

4. Die isolierte Phthise als drittes Stadium. Es handelt sioh 
dabei um eine auf die Lunge beschränkt bleibende Tuberkulose, welohe 
nach Ranke ihre Erklärung darin findet, dass bei der Immunisierung 
des Körpers die Empfänglichkeit für eine tuberkulöse Erkrankung in 

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der Lange zuletzt von allen Körperorganen erlischt; die isolierte Phthise 
wäre demnach eine typische Erkrankung der Immunitätsperiode und 
sugleioh die letste Erkrankungsform vor der vollständigen Immuni* 
sierung. 

Die isolierte Phthise zerfällt in zwei Unterabteilungen: 

1. die Erkrankungen, die sich aus dem primären Stadium unter 
Ueberspringen der generalisierten Tuberkulose entwickeln. Es handelt 
sich dabei wahrscheinlich um eine neue nachträgliche, exogene Infektion 
der Lungen, die auf Grund der überstandenen und eventuell ab¬ 
geheilten Primäraffektion und der dadurch hervorgerufenen weitgehenden 
Immunisierung zu den typischen Erscheinungen der isolierten Phthise 
führt. 

2. Die Erkrankungen, die sich an das sekundäre Stadium der 
Generalisation mehr oder weniger direkt anschliessen; es handelt sioh 
dabei klinisoh meist um sehr akut verlaufende Erkrankungen. 

Banke betont, dass er bei seiner Einteilung den Hauptwert auf 
das Gesamtbild der tuberkulösen Erkrankungen des Organismus gelegt 
habe; er hat damit als erster ein Einteilungsprinzip verwertet, wie es 
vor ihm noch nioht angewendet war. 

Er ist der Ueberzeugung, dass seine Einteilung sofort für die ärzt¬ 
liche Praxis verwertbar ist; er hofft sogar, dass sich daraus bei weiterer 
Vertiefung unserer Kenntnisse therapeutische Maassnahmen werden ab¬ 
leiten lassen. Das erste Stadium seiner Einteilung deckt sioh im grossen 
und ganzen mit dem gleichen Stadium bei Hamburger, Pirquet und 
Ghon. Im Gegensatz zu Hamburger betont er jedoch ausdrücklich 
die Unabhängigkeit des ersten Stadiums und damit der allergisoben 
Umstimmung im Körper vom Lebensalter, eine Auffassung, die nach 
Asohoff in ihrer strengen Forderung ebenso über das Ziel hinaus- 
aohiesst wie die völlige Ablehnung der Bedeutung der Immunisierungs¬ 
vorgänge. 

Aus unserer Darstellung erhellt, dass die neueren Untersuchungen 
und Ansichten Banke’a nooh weiterer Ausarbeitung und Betätigung 
bedürfen. Zweifellos aber dürfte, gegenüber den früheren Einteilungen, 
hier die Richtung der weiteren Forschung liegen, die auch dem Be¬ 
dürfnis des Praktikers, die Lungentuberkulose in Stadien zu sichten, 
forderlich sein wird. Vorläufig dürfte sich die klinische Praxis kaum 
auf eines der von uns besprochenen Einteilungssohemata festlegen, 
sondern, das Gute nehmend, wo es zu finden ist, aus jeder der re¬ 
ferierten Bestrebungen die brauchbaren Gesichtspunkte herauslesen, um 
im Einselfalle durch Betrachtung von verschiedener Seite unsere Dia¬ 
gnose und Prognose zu vertiefen. Ueber jeder schematischen. Betrachtung 
aber muss die richtige Einschätzung des kranken Individuums stehen. 
Wir müssen eiDgedenk bleiben der Mahnung Wunderlioh’s: wir be¬ 
handeln nioht Krankheiten, sondern kranke Menschen. 


Die Versorgung der Kehlkopftuberkulösen. 

Von 

Dr. med. J. W. Banses-Berlin, 

Amt der Tuberknlosesution der Lendesrersicheningeenstalt Berlin und Spexielaret für 
Lungen-, Hals- und Nasenkrankheiten. 

Der verschärfte Kampf gegen die Tuberkulose, welcher in¬ 
folge des ungeheuren Ansteigens dieser Volkskrankheit durch den 
Krieg schon während desselben eingesetzt bat, hat auch die Auf¬ 
merksamkeit aller beteiligten Kreise auf die Komplikationen der 
häufigsten Tuberknloseform von neuem gelenkt. Wenn auch 
immer noch die Tuberkulose der Lungen als die gefährlichste 
Volksseuche im Vordergrand des Interesses steht — es beträgt 
in Deutschland die Mortalität an Lungentuberkulose schätzungs¬ 
weise m/u a ^ er Tuberkulosetodesfälle —, so hat doch gerade 
die Kehlkopftuberkulose wegen ihrer gesteigerten Infektiosität 
die Revision unserer Anschauungen über die Maassnahmen ihrer 
Bekämpfung notwendig gemacht. 

Der ganze Erfolg der Tuberkulosebekämpfung ist ja auf das engste 
verbunden mit der Frage, wie die Basillenstreuer unterzubringen sind, 
und da schätzungsweise die Kehlkopftuberkulösen etwa doppelt so oft 
Tuberkelbazilleo enthaltende Sputa haben als die Lungentuberkulosen — 
in einer Untersuchung Bingler’s 1 ) wird die Zahl der offenen Lungen¬ 
tuberkulosen gegenüber der Gesamtzahl dieser Kranken auf 30, und die 
mit Kehlkopftuberkulose komplizierten Fälle auf 75,8 pCt. angegeben —, 
so erhellt daraus die ausserordentliobe Wichtigkeit der Maassnabme zu 
ihrer Heilung und Unschädlichmachung für die Allgemeinheit. Von 
laryngologisoher Seite ist schon im Jahre 1912 durch Friedrich 
(Tagung des Vereins deutscher Laryngologen) auf diese Verhältnisse 
hingewiesen worden. 

Während wir jedooh bei dem weiteren Ausbau unserer Bekämpfung 
and Fürsorgemaassnabmen nächst der Lungentuberknlose auch andere 
Formen wie den Lupus und die chirurgische Tuberkulose immer mehr 
ins Auge gefasst haben, ist die Kehlkopftuberkulose etwas im Hinter¬ 
grund der öffentlichen Diskussion geblieben. Der Grund hierfür Hegt 
darin, dass isolierte, primäre Kehlkopftuberknlosen ein äusserst seltenes 
Vorkommnis sind, und wohl fast alle tuberkulösen Erkrankungen des 


1) Bin gl er, Zsohr. f. Tbe., Bd. 20. 


Nr. 48. 


Kehlkopfes mit einer gleiohen Erkrankung der Lange vergesellschaftet 
sind, so dass die Träger von Kehlkopferkrankungen in den Lungenheil¬ 
stätten oder auf den Tuberkuloseabteilungen anderer Krankenanstalten 
zweokentspreobend unterbracht, behandelt und, soweit nötig, isoliert 
wurden. Man war die Kehlkopftuberkulösen sozusagen los und brauchte 
sioh um sie nicht besonders zu sorgeo. Der oft traurige Verlauf der 
vorgeschrittenen Kehlkopltuberkulosen, ihre weiter bestehende oder ge¬ 
steigerte Infektiosität nach der Entlassung aus den Heilstätten, haben 
von neuem die Erörterung ihrer Behandlung und Unterbringung not¬ 
wendig gemacht. Dazu kommt, dass man gelegentlich ihre Zahl auch 
recht unterschätzt hat. Statistiken, bei denen die Zahl der mit Kehl- 
kopferkrankungen komplizierten Lungentuberkulosen auf 4 pCt. angesetzt 
ist, dürfen wir heute getrost als falsoh zurückweisen, und wenn man die 
auf ein Sektionsmaterial oder auf eine wirklich durchgehende genane 
laryngologisohe Untersuchung gegründeten Angaben berücksichtigt, so 
wird man nioht zu hooh greifen, wenn man ihre Zahl auf Vc bis Vs &m- 
setzt. Abnorm hohe Zahlen, wie z. B. die Angabe Max Sohätfers 
von 97 pCt., sind wohl darauf zurüokzufübren, dass bei den Laryngo¬ 
logen naturgemäss eine besonders hohe Zahl von Kehlkopfkranken mit 
Lungentuberkulose erscheint. Die auffallend niedrigen Angaben da¬ 
gegen stammen oft von einem Krankenmaterial her, das, wie in den 
Heilstätten, hauptsächlich aus leichteren und mittleren Fällen von 
Lungentuberkulose zusammengesetzt ist und im allgemeinen daher eine 
spezifische Kehlkopferkrankung, die ja vorwiegend den vorgeschritteneren 
Stadien der Lungentuberkulose zugehört, nooh nioht bietet. Die Privat¬ 
lungenheilanstalten schwanken ebenfalls in ihren Zahlen, da auoh sie 
ein durchaus verschiedenes Material aufweisen, und einige Anstalten, 
wie Biumenfeld 1 ) erwähnt, auf Grund eines besonderen Rufes als 
„Halsheilanstalten“ ein grösseres Material besitzen. 

Als unter Würdigung dieser Verhältnisse Friedrioh erneut im 
Jahre 1918 (Ausschussverhandlungen des Deutschen Zentralkomitees zur 
Bekämpfung der Tuberkulose) über die Bedeutung der Kehlkopftuber¬ 
kulose bei der Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit be¬ 
richtete, herrschte sowohl auf laryngologisoher Seite (Finder) wie auf 
Seiten der Lungenheilanstaltsärzte über die Notwendigkeit vollkommenes 
Einverständnis, den Kehlkopftuberkulosen, sowohl in den Lungenheil¬ 
stätten, als auoh in den anderen Krankenanstalten künftighin eine ge¬ 
steigerte Aufmerksamkeit und Fürsorge zu widmen. Indessen war man 
über die praktische Durchführung dieser Maassnahmen nooh keiner be¬ 
stimmten Ansiobt. 

Folgende Vorschläge dürften, wie ich glaube, alle die Möglich¬ 
keiten, die für die praktische Lösung der Frage in Betraoht kommen, 
enthalten: 

L Die Unterbringung aller Lungentuberkulosen mit zugleich be¬ 
stehender Kehlkopferkrankung in besonderen Tuberknlosekrankenhäusern. 

IL Die Angliederung besonderer Abteilungen für Kehlkopfkranke 
an die bestehenden Lungenheilstätten. 

UL Die Angliederung besonderer Abteilungen für Kehlkopftuber¬ 
kulose an die allgemeinen Krankenhäuser. 

IV. Die Gründung besonderer Heilstätten für mit Kehlkopftuber- 
kulose komplizierte Lungenkranke. 

V. Die Belassung der Kehlkopfkranken in dem allgemeinen Betrieb 
der Lungenheilstätten und ihre Behandlung daselbst durch einen konsul¬ 
tierenden Laryngologen, oder 

VI. durch die Lungenheilstättenärzte. 

Ad I. Zu Gunsten dieses Vorschlages bat Friedrioh geltend 
gemacht, dass die Kehlkopftuberkulösen im Interesse der Bekämpfung 
der Tuberkulose als Volkskrankheit einer besonders weitgehenden 
Trennung von der Allgemeinheit bedürfen. 

Während jedooh bei den Lungentuberkulosen die Unterbringung 
in den Heimen für Schwerkranke durch das böse Omen, welohes solohen 
Anstalten durch die Bezeichnung „Sterbehäuser“ oder „Sieohenhäuser* 
anhaftet, auf grosse Abneigung stösst, Hesse sie sioh bei den Kehl¬ 
kopftuberkulösen eher durchführen. Begründet wird diese Ansicht mit 
dem Hinweis darauf, dass die Kehlkopftuberkulösen ohne Rücksicht 
auf das Stadium ihrer Lungenerkrankung alle als schwerkrank an- 
gesproohen werden, und so gemeinsam auoh mit den leichteren Fällen 
untergebraoht werden sollen, die dann nach erfolgter Ausheilung 
und Entlassung der Anstalt den Charakter eines Sterbehauses nehmen. 

Dieser von einem warmen, ärztUohen Fühlen getragener Gedanke 
hat angesichts der schweren, unheilbaren und besonders unglücklichen 
Kehlkopfsohwindsüohtigen eine grosse Werbekraft. 

Baut man diese Anstalten in die grossen Städte, wie andere 
Krankenhäuser, so nimmt man den mittleren und leiohten Fällen die 
Vorteile eines Heilstättenaufentbalts. Das wäre um so mehr zu be¬ 
dauern, als doch erfahrungsgemäss, abgesehen von der durchaus opti¬ 
mistisch zu beurteilenden lokalen Behandlung der beginnenden und 
leichten, sowie eines Teils der mittleren Stadien der Kehlkopftuber- 
knlosen, die gleiohen allgemeinen und speziellen Heilfaktoren, die wir 
znr Ausheilung der Lungentuberkulose in den Heilstätten zur Verfügung 
haben, bei der CDgen Zusammengehörigkeit beider Erkrankungen auoh 
von entscheidendem Werte für die Kehlkopfkranken sind. Baut man 
diese Anstalten dagegen ins Gebirge, in Waldebenen oder an die See, 
so werden sie selbstverständlich mehr und mehr unter Heranziehung 
aller bygienisoh diätetischen Behandlungsmethoden das Gepräge einer 
Sonderheilstätte für Kehlkopftuberkulose und zwar aller Stadien tragen. 

1) Biumenfeld, Handb. d. Tbc., Bd. 3. 


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97. Oktober 1919. 


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1010 


Wie veit eine solobe Trennung von den Lungenheilstätten zweokmissig 
erscheint, wird ad m erörtert werden. 

An einer anderen Stelle weist Friedrich jedoch daran! hin, dass 
die Heilungsmögliohkeit der Kehlkopftuberkulosen nioht nach dem Kehl¬ 
kopfbefand allein sa beurteilen ist, „vielmehr mass sa ihrer Beurteilung 
die Schwere der Langenerkrankang, der allgemeine Kräftezustand, das 
Bestehen von Fieber in Rechnung gesogen werden. Durch eine 
kritische Auswahl werden viele Kehlkopfkranke als geeignet für die 
Heil8tättenbehandlung befunden werden, denen bisher keine Unterkunft 
bereit stand*. 

Ad II. Die Angliederung besonderer Abteilungen für Kehlkopf¬ 
kranke an die bestehenden Lungenheilstätten lässt sich bei allen An¬ 
stalten mit einer grösseren Krankenzahl zweifellos durchführen. Wenn 
man von einer besonderen Abteilung für solche Kranke spricht, so hat 
man doch wohl dabei besondere Räumlichkeiten sowie besondere Be¬ 
handlungen und Verpflegungsmöglichkeiten im Auge. Wie weit derartige 
Maassnahmen im Rahmen kleinerer Heilstättenbetriebe sich als durch¬ 
führbar erwiesen, ganz besonders, was die Unterbringung in räumlioh 
getrennten Abteilungen an belangt, muss doch, abgesehen von der oft 
reoht geringen Anzahl der Kranken, auch bezüglich der durch sie ver¬ 
ursachten Kosten, fraglioh erscheinen. Auch würde hier wieder das 
gesamte Material ohne Rücksicht auf die Schwere sowohl der Lungen¬ 
ais auch der Kehlkopferkrankung zuBammenliegen, abgesehen davon, 
dass die Frage, wer hier zu behandeln hatte, auch auf Schwierigkeiten 
stösst. (Vergleiche ad 5 u. 6.) Dem Einwand, dass noch kleinere Ab¬ 
teilungen auch unter der Leitung eines faohlich ausgebildeten Laryngo- 
logen stehen sollten, kann man sich nicht verschHessen, und Finder 1 ) 
hat mit Reoht darauf hingewiesen, dass an der Spitze einer solchen 
Heilstätte mit Kehlkopfkrankenabteilung ein Arzt genügt, der laryngo- 
logisch absolut firm ist, und dessen Kenntnisse sieh nicht nur auf die 
Kehlkopftuberkulose beschränken, sondern der auch auf dem ganzen 
Gebiete där Erkrankungen der oberen Luftwege bewandert sein muss. 

Ad. III. Dieser Vorschlag ist wohl nur denkbar an Anstalten, 
welche überhaupt eine Abteilung für Kehl köpf kranke besitzen. Ist dies 
der Fall, so können die Tuberkulösen dort, wenn möglioh räumlich 
getrennt, untergebracht und von dem leitenden Laryngologen behandelt 
werden unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass dieser 
Laryngologe, kraft seiner Ausbildung, auch mit den internen Fragen 
der Lungenkrankheiten hinreichend vertraut ist, eine Forderung, die 
sowohl von Friedrich (s. o.) als auch von Kuttner 2 ) erhoben wurde. 

Auf solchen Abteilungen würde man, soweit dies vorauszusehen, 
wahrscheinlich nur den schwereren und ganz besonders chirurgisch oder 
mit anderen speziellen Behandlungsmethoden zu behandelnden Kranken 
begegnen, da man die leichteren und mittleren Fälle wohl kaum aller 
jener Vorzüge einer Heilstättenbehandlung berauben wollen wird; da 
nun, wie hinreichend bekannt, fast alle Kehlkopftuberkulosen mit einer 
solohen der Lungen vergesellschaftet sind, so würden .die in Frage 
kommenden Kranken an all den zahlreichen, mittleren und kleineren 
Krankenhäuser!), die über eine besondere Kehlkopfabteilung nioht ver¬ 
fügen, nach wie vor auf den inneren Stationen untergebracht werden 
müssen, während sich auf den Kehlkopfabteilangen eine beträchtliche 
Anzahl von Lungenkranken ansammeln würden. 

Ad IV. Am meisten Schwierigkeiten bei der praktischen Durch¬ 
führung würde der Vorschlag begegnen, die Lungenkranken mit Kehl¬ 
kopftuberkulösen Komplikationen in besonderen Heilstätten zu sammeln. 
Im Vordergründe des Interesses bei allen Kehlkopftuberkulosen steht, 
mit einigen Ausnahmen schwerster Kehlkopferkrankung, die Lungen¬ 
tuberkulose. Diese ist der Ausgangspunkt des Leidens. Von hier aus 
wird das Leiden gewissermaassen unterhalten. Mit der Ausrottung der 
Infektionsquelle ln den Lungen ist eine grosse, vielleicht die grösste 
Schädlichkeit für das Weiterbestehen des Kehlkopfleidens erloschen. 
Den Schwerpunkt des ärztlichen Interesse würde, abgesehen von 
den eben erwähnten geringen Ausnahmen, die Lungenkranken bilden, 
und mit einer Lungenheilstätte, in der zwar alle Insassen ein 
mehr oder weniger ausgesprochenes tuberkulöses Kehlkopfleiden haben, 
wären wir da, wo wir heute sind, nur dass zahlenmässig ein Unterschied 
besteht. 

Stellt man sich wie Kuttner auf den Standpunkt, dass nur Kranke 
mit sohwereren Kehlkopfkomplikationen in solohe Spezialkehlkopfheil¬ 
stätten gesohiokt werden sollen, so bleibt der glücklicherweise immerhin 
noch reoht grosse Prozentsatz von Leichtkranken wieder in den all¬ 
gemeinen Lungenheilanstalten, und alle Fragen ihrer Versorgung und 
Behandlung, ob Lungenarzt, ob Kehlkopfarzt, ob beides in einer Person, 
und ob in getrennten Abteilungen oder ob im Rahmen des allgemeinen 
KrankenmaterialB usw. bleiben in Fluss. Gerade hier erkennt man 
deutlich, dass die Lungenheilstätte auch auf die Behandlung und 
Unterbringung nioht nur der leichten und beginnenden Kehlkopftuber¬ 
kulosen eingerichtet sein muss. Für die ganz schweren und ganz spe- 
spielle Behandlungsmethoden erfordernden Kehlkopfkranken kann und 
braucht die Lungenheilstätte ebenso wenig eingerichtet sein, wie für die 
ganz schweren und ganz besondere Maassnahmen erfordernde Lungen¬ 
tuberkulosen, die ja auch bisher, sofern sie sich für die Behandlung in 
einer Heilstätte als nioht geeignet erwiesen haben oder besonders ein¬ 
greifende chirurgische Behandlung erforderlich maohten, in die grossen 
Krankenhäuser überführt wurden, von wo sie, falls eine Besserung er¬ 


1) Finder, Laryngologische Gesellschaft au Berlin, 31. Jan. 1919. 

2) Kuttner, Zsohr. f. Tbc., Bd. 80, H. I. 


folgte und Aussicht für ein erfolgreiches Weiterführen der Heilstittenkur 
bestand, ln die letzteren zurüokgebracht wurden. 

Dem Vergleich der Komplikation einer Kehlkopferkrnnkung bei be¬ 
stehender Lungentuberkulose mit einer Taberkulose des uropoetisohen 
Systems und die Herleitung der Notwendigkeit hier heraus, wie die 
Nieren tuberkulösen, so auch die Kehlkopftuberkulösen besonderen Heil¬ 
anstalten zuzuführen zu müssen, wie Kuttner (s. o.) dies vorgesohlagen 
hat, wird man um so weniger zustimmen müssen, als, wie bereits er¬ 
wähnt, bei dem untrennbaren Zusammenhang zwischen Lungen- und 
Kehlkopferkrankung die Lungenheilstätte unbedingt auch auf die Be¬ 
handlung der wichtigsten Komplikationen eingeriohtet sein muss. Es 
wird ja auch von einer für die operative Behandlung der Blasentuber¬ 
kulose eingerichteten chirurgischen Abteilung ein Kranker nicht in eine 
Sonderanstalt überführt, weil er eine Ureter-Tuberkulose ausserdem 
noch hat. 

Die unter 5 erwähnte Möglichkeit lässt sich nioht grundsätzlich als 
zweckmässig oder unzweokmässig erörtern und ist je naoh den örtlichen 
Verhältnissen zu entBoheiden. Da, wo ein Laryngologe von Fach mit 
dem modernen Rüstzeug für die Behandlung der oberen Luftwege in 
unmittelbarer Nähe einer Heilstätte ansässig ist, also hauptsächlich wohl 
bei den vor den Toren grösserer Städte gelegenen Lungenheilanstalten, 
kann ein solches Zusammenarbeiten zwischen konsultierendem Laryngo¬ 
logen und dem Lungenarzte durchaus zweckmässig für Patient und Arzt 
sein. Gibt doch dieses Zusammenarbeiten, das infolge der geringen Ent¬ 
fernung hinreichend oft und gründlich geschehen kann, den Lungen¬ 
ärzten den gar nicht hoch genug zu veranschlagenden Vorteil, dass die 
Behandlung der Kranken mit allen ihren Komplikationen wenigstens 
annähernd in ihrer Hand bleibt, und so wirklioh Gewähr geleistet ist, 
dass hier nioht einzelne kranke Organe, sondern der ganze kranke 
Mensch behandelt wird, eine Forderung, die angesichts der zunehmenden 
Auffaserung der Medizin in kleine Spezialgebiete im Interesse der 
Kranken oft genug betont worden ist. Immerhin bleibt auoh dies ein 
Notbehelf, der aber zugegebenermaavsen für diagnostisch und thera¬ 
peutisch besonders schwierig liegende Komplikationen in den oberen 
Luftwegen besohritten werden kann. 

Fraglich bleibt aber auoh dann, wie weit der konsultierende Laryngo¬ 
loge sich zu grösseren und komplizierteren Eingriffen in der Lungen¬ 
heilstätte selbst entschlossen wird, die ja doch niemals den Charakter 
einer larybgologisoben Klinik haben kann und nioht auch hier die Ueber- 
weisung solcher Patienten in ein geeignetes Krankenhaus für erforderlich 
gehalten wird. 

Da aber, wo durch die isolierte Lage der Anstalt und durch ihre 
grosse Entfernung von der Stadt sich die Besuche des Laryngologen nur 
in grösseren Abständen ermöglichen lassen, würde zweifellos im Interesse 
aller Beteiligten sowohl die Untersuchung als auoh die Behandlung der 
überhaupt für eine Heilstätte aussichtsreich erscheinenden Kehlkopf¬ 
kranken am besten durch die Lungenheilanstaltsärzte selbst vorzunehmen 
sein. Dazu kömmt, dass die Beiordnung eines auswärtigen Laryngologen 
zur Behandlung der Keblkopftuberkulösen in den Heilanstalten, so er¬ 
freulich sie sich in diesem oder jenem Falle auoh gestalten kann, auf 
seiten der Heilstättenärzte, wie dies durohaus zu verstehen ist, manchem 
Bedenken begegnen wird, wie dies auoh die deutschen Lungenheilanstalts¬ 
ärzte bereits zum Ausdruck gebracht haben 1 ). 

Damit komme ich zu Punkt 6. In der Erfüllung dieses Vorschlages 
dürfte die gründlichste und restlose Lösung der ganzen Frage liegen. 

Die Vorteile, die die Vereinigung der Behandlung von Lungen¬ 
erkrankungen und Kehlkopfkomplikationen in der Hand eines Arztes 
bildet, sind schon oben gestreift und haben ihr Hauptgewicht darin, 
dass die Zusammenfassung beider Krankheiten klinisch durch das stets 
gleichzeitige Vorkommen einer Langenerkrankang und Keblkopftuber- 
kulose durchaus berechtigt ist, wie dies auoh Friedrich (siehe oben) 
hervorgehoben hat. Und wie von laryngologisoher Seite die Forderung 
aufgestellt ist, dass der Kehlkopfarzt, der einer Sonderabteilung an einer 
Lungenheilstätte als Leiter oder Konsiliarius vorsteht, selbstverständ¬ 
licherweise mit den Erkrankungen der Lunge gut vertraut sein muss, 
so dürfen w i r diese Forderung auoh durebgebends im umgekehrten 
Siqne für die Lungenheilanstaltsärzte erheben. Es darf nioht verkannt 
werden, dass die Behandlung und Erforschung der Kehlkopftuberkulose 
durch die deutschen Lungenheilanstaltsärzte, wie jeder, der die Heil¬ 
stätten Verhältnisse kennt, weiss, eine ausserordentliche Förderung er¬ 
fahren hat; und nur die gesteigerte Aufmerksamkeit für die Kehlkopf¬ 
tuberkulose angesichts der allgemeinen Tuberkulosemorbidität lässt eine 
nooh grössere Verallgemeinerung dieser Verhältnisse als bisher wünschens¬ 
wert erscheinen. Die beginnende Kehlkopftuberkulose kann bekanntlich 
so symptomlos verlaufen, dass der Arzt durch keinerlei Klagen des 
Kranken auf eine Halserkrankung aufmerksam wird. Deshalb ist selbst¬ 
verständlich jeder Lungenkranke ohne Ausnahme laryngologisoh zu 
untersuchen, und hierbei bieten gerade die beginnenden Fälle gelegent¬ 
lich auch differentialdiagnostisohe Schwierigkeiten, genau so wie die be¬ 
ginnende Lungentuberkulose. Deshalb muss der untersuchende Heil¬ 
stättenarzt auch mit den anderen Erkrankungen des Kehlkopfes genügend 
vertraut sein, denn nioht jede Kehlkopfveränderung bei einer Lungen¬ 
tuberkulose braucht tuberkulös zu sein. 

Bei der Behandlung wird sich aber erst vollends der Vorteil zeigen; 
den die Vereinigung aller dieser Kenntnisse in dem Können eines Arztes 
bietet. Die Frage der spezifischen Behandlung der Tuberkulose, die 


^ 1) Beitr. z. Klin. d. Tbc., 1918. 


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102Q 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Frage der chirurgischen Behandlung, des künstlichen Pneumothorax, der 
Thorakoplastik und vieles andere ist auf das engste im Zusammenhang 
mit einer Kehlkopferkrankong erst su beurteilen und umgekehrt: alle 
lokalen Eiogrife im Kehlkopf mit Medikamenten, die mit dem Kurette- 
ment, Exzisionen und Galvanokaustik sind nnr an der Hand einer ge¬ 
nauen Beurteilung der Lungenerkrankung und des allgemeinen Zustandes 
su entscheiden. Dass dabei auch die Beurteilung und Behandlung 
andrer nioht tuberkulöser Komplikationen im Kehlkopf und in der Nase: 
Mundatmung durch Adenoide, Polypen, Septum- und Musohelanomalien 
sur Beurteilung des Verlaufes der Lungenerkrankung für den Heil- 
st&ttenarst von ausserordentlicher Bedeutung sind, bedarf eigentlich 
keiner besonderen Hervorhebung. Besonders wiohtig ist die Beherrschung 
der Erkrankung der oberen Luftwege aber bei der Prognosenstellung 
und bei der Festsetsung der Erwerbsfahigkeit beim Abschluss der Heil- 
stättenkur. 

Aus diesem kurzen Programm ergibt sich schon, dass der Heil- 
stattenarzt su seiner Ausbildung einer nicht geringen Kenntnis der Patho¬ 
logie und Therapie der oberen Luftwege als des häufigsten in Mitleiden¬ 
schaft gezogenen Organsystems bei der Lungentuberkulose dringend 
bedarf. Wenn hierzu von laryngologisober Seite auch die Beherrschung 
der Laryngofissur und anderer grösserer Eingriffe gefordert worden ist, 
so dürfte diese Forderung doch als zu weitgehend bezeichnet werden, 
denn das sind Eingriffe, die, wie gesagt, in eine Klinik gehören und die 
auoh der Laiyngologe von Fach in einer Heilstätte kaum vornehmen 
wollen wird. Im Zusammenhang hiermit lösen sich auoh die Bedenken, 
die gegen die Anschaffung eines vollständigen, auf moderner Höhe 
stehenden rhinolaryngologisohen Instrumentariums wegen der zu hohen 
Kosten erhoben worden sind. Nachdem auch die kleineren und mittleren 
Heilstätten ein Röntgeninstrumentarium für Diagnostik und Therapie, 
kostspielige Liobtbestrahlungsapparate und in zunehmendem Maasse einen 
Operationsraum für Pleurakomplikationen und künstlichen Pneumothorax 
als unumgänglich nötiges Rüstzeug besitzen, müssen und können auch 
die Instrumente für die landläufige Behandlung der Erkrankungen der 
oberen Luftwege angesobafft werden. Gans selten gebrauchte, ausge¬ 
fallene, kostspielige, komplizierte Instrumente kommen dabei nioht in 
Frage, denn für das Ausgefallene ist, wie gesagt, die Heilstätte über¬ 
haupt nioht der Platz, sondern die Klinik. Im übrigen sind die An- 
sohaffungskosten des erwähnten Instrumentariums im Vergleich zu den 
Röntgenapparaten und anderen durchaus nicht so unerschwinglich. 

Besonders die Diätvorschriften für Kehlkopfkranke werden in der 
Heilstätte ebensowenig auf Schwierigkeiten stossen, wie für Magen- und 
Darnikranke, an denen das Heilstättenmaterial ja durohaus nicht arm ist. 

Die deutschen Lungenheilanstaltsärzte haben erklärt, mit Freuden 
bereit zu sein, sich angesichts des gesteigerten Zustroms von Tuber¬ 
kulösen in die Heilstätten auoh den gesteigerten Anforderungen an die 
Beherrschung der Erkrankungen der oberen Luftwege anzupassen. Diese 
Erklärung ist um so mehr zu begrüssen, als sie für viele Tuberkulose¬ 
ärzte die Anregung sein wird, soweit sie dies noch nioht getan haben, 
bei ihrer Ausbildung als „Lungenspezialisten* oder „Heil stätten ärzte“ 
oder „Tuberkuloseärzte* eine gewisse Zeit für das Studium der Erkran¬ 
kungen der oberen Luftwege anzusetzen, ehe sie sich ihrem definitiven 
Spezialfach znwenden. Es ist häufig betont worden, dass die immer 
weitere Auflösung des ärztlichen Gesamtkönnens in kleinere Spezial¬ 
gebiete manche Gefahren in sich schliesst. Diese Gefahren werden be¬ 
seitigt. wenn der Spezialist wenigstens sein engeres Fach so vielseitig 
wie möglich fasst, wenn er auch die Beherrschung der Grenzgebiete von 
sich verlangt und auf seinem Gebiet alle Behandlungsmethoden zu be¬ 
herrschen trachtet: die inneren und die chirurgischen. Stellt 
doch die grosse Mannigfaltigkeit der Behandlungsmethoden selbst auf 
dem engeren Spezialgebiete der Lungentuberkulose sohon heute an das 
intern-medizinische, röntgenologisohe, chirurgische und laryngologische 
Können des Facharztes erhebliche Anforderung! Und wie auch auf 
anderen Spezialgebieten der Medizin eine gewisse Vielseitigkeit der Aus¬ 
bildung bis zum „Facharzt* erforderlich geworden ist, so wird auch 
künftighin „der Lungenspezialist* bei seiner Ausbildung eine ^ge¬ 
messene Zeit für das Studium der Rhino-Laryngologie ansetzen müssen. 
Wem hierfür eine 1—l 1 /*jährige Zeit, wie sie Kuttner für notwendig 
erachtet, als su lange erscheint, der denke an die jahrelange Vorbildung, 
die ein Chirurg, ein Interner, ein Magen-Darmspesialist oder ein Derma¬ 
tologe haben muss, wenn er wirklich auf der Höhe modernen Könnens 
sein und nioht bei jeder Gelegenheit einen neuen Spezialisten zuziehen 
will. Hierin liegt letzten Endes die Lösung aller Bedenken gegen das 
Spezialistentum: weiteste Fassung, auoh des kleinsten Gebietes 
und völlige Beherrschung aller in Frage kommenden Behandlungs¬ 
methoden, auoh der chirurgischen. 

Die dieser Auffassung huldigenden Spesialärzte werden nicht nur 
unendlich wertvoller für ihre Kranken sein, sondern sie werden die tiefe, 
innere Befriedigung auskosten, wenigstens auf ihrem Gebiete sich als 
vollkommene Beherrscher zu fühlen, denn eng begrenzte Gebiete gibt 
es nicht in der Medizin, im Zusammenhang mit dem kranken Menschen 
sind sie alle unerschöpflich, und hier heisst es, erst vom Allgemeinen 
ins Besondere zu gehen und nicht umgekehrt. 

Wenn Finder das Ideal darin erblickt, dass die Heilstätteninsassen 
„in ständiger Beobachtung und dauernder Behandlung eines Laryngo- 
logen sich befanden*, so möchte ioh dem entgegenstellen, dass das 
Ideal die Vereinigung der Behandlung der Lungen-Kehl- 
kopfkranken in der Hand des Heilstättenarstes ist, ein Ideal, 


Nr. 48. 


dass von den deutschen Lungenheilanstaltsärzten ohne Zweifel erreicht 
werden wird. 

Ganz besonders segensreich wird sich die Vereinigung von Lungen- 
und Halsarzt in einer Person bei der Tuberkulosefürsorge erweisen. Hat 
diese unter ihren Hauptforderungen als erste die gesetzt, die Früh¬ 
diagnose der Lungentuberkulose zu stellen, so muss ihr als ebenso 
wiohtig hinzugesellt werden: die Frühdiagnose der Kehlkopftuberkulose, 
denn hier wie dort gipfeln alle Maassnahmen in der Frühdiagnose. Auch 
ist su berücksichtigen, dass, obgleioh man der primären Larynxtuber- 
kulose für die Klinik keinerlei Bedeutung zuzumessen braucht., bei der 
Fürsorgetätigkeit gewisse Fälle eine ganz besondere soziale Bedeutung 
beanspruchen, bei denen nämlioh die ersten klinischen Erscheinungen der 
Tuberkulose durch die Kehlkopferkrankung sich offenbaren, während die 
Lungenerkrankung sich der Diagnose entzieht, worauf K »fern ann 
(Kehlkopftuberknlose. und Lebensversicherung) 1900 ebenfalls hinge¬ 
wiesen hat. 

Ganz besonders wiohtig muss auoh bei der Fürsorge, soweit sie die 
Unschädlichmachung der Infektionsquellen anstrebt, die Isolierung der 
Kehlkopftuberkulose in den Familien gelten! Denn bei der Kehlkopf- 
tnberkulose ist, sobald sie in da9 Stadium der Gesohwürsbildung ge¬ 
treten ist, selbst gegenüber der offenen Lungentuberkulose die Gefahr 
für die Umgebung vertausendfacht. 

Alles, was hier nooh die Sammlung und Vernichtung des Auswurfs 
su verhindern vermag, wird bei jener durch den quälenden Reizhusten 
und die forcierte Ausatmung beim Spreohen illusorisch gemacht, worauf 
auch Friedrioh (s. o.) hingewiesen hat. 

Aus diesen beiden Gründen muss sowohl die Diagnose als auch die 
Ueberwachung der Kehlkopftiiberkulose bei den Fürsorgemaassnahmen 
ganz besonders in den Vordergrund gerückt werden, und auoh hier wird 
sioh eine Beherrschung der Kehlkopferkrankungen duroh den Fürsorge- 
arzt als ausserordentlich segensreioh erweisen. 


Der Begriff der Erythemdose bei harter 
Röntgenstrahlung. 

Von 

Dr. Fritz M. Meyer-Berlin. 

Sowohl in der Literatur wie in der Fühlungnahme mit Kol¬ 
legen und insbesondere mit Kursisten, welche die Grundlagen der 
Strahlenbehandlung in früheren Zeiten bereits kennen gelernt 
hatten, aber zu den modernen Prinzipien in Beziehung treten 
wollten, habe ich mich stets von neuem überzeugt, dass über den 
Begriff der Erythemdose bei harter Röntgenstrahlung weitgebende 
Unklarheit herrscht. Diese Tatsache ist vor allem durch den 
Umstand bedingt, dass bei der in der Praxis früher fast aus¬ 
schliesslich angewandten mittelweichen Strahlung zufällig eine 
vollständige Parallelität zwischen einem bestimmten biologischen 
Effekt und dem Einfluss auf eine chemische Substanz, das Barium- 
platinzyanür, bestand, insofern als die Strahlenmenge, die eine 
festgesetzte Verfärbung, die als Teinte B bekannte Testfarbe, 
hervorrief, in einer Sitzung appliziert, von individuellen und 
regionären Schwankungen abgesehen, ein Erythem der Haut 
zeitigte. Diese Verhältnisse werden nun heute noch von vielen 
auf die harte Strahlung übertragen, wodurch in praktischer Hin¬ 
sicht die Technik falsch gestaltet und in jedem Falle unterdosiert 
wird. Hierdurch begeben wir uns aber der Möglichkeit, den 
Kranken den grösstmöglichen Nutzen zuteil werden zu lassen, 
andererseits wird häufig Schaden angerichtet, indem bei der Be¬ 
handlung der malignen Geschwülste nicht die beabsichtigte Zell¬ 
lähmung, geschweige denn der Zelltod herbeigeführt wird, sondern 
eine Reizung der Zelle erfolgt, d. h. ihr Wachstum propagiert 
wird. Das Verhalten der in dieser Weise vorgehenden Aerzte 
ist um so unverständlicher, als schon das Studium der weichen 
Strahlen, um das sich besonders der verstorbene Frank Schultz 
verdient gemacht hat, den Beweis erbrachte, dass mit Verände¬ 
rung des Strahlungscharakters die Relation zwischen biologischem 
und chemischem Effekt aufzuhören besteht, und dass man, wenn 
man bei Benutzung einer weiohen Röntgenröhre unerwünschte 
Erytheme vermeiden will, etwa 30 pCt. von der zur Gewinnung 
der Teinte B erforderlichen Zeit abziehen muss. 

Die bestehende Unklarheit wird noch duroh Fehler erhöht, dis be¬ 
züglich der Nomenklatur Vorkommen und selbst namhaften Strahlen¬ 
therapeuten unterlaufen. Es ist bei vielen, die ihre Messungen mit 
Hilfe der Bariumplatinzyanürtabletten vornehmen, zur Sitte geworden, 
die gewonnenen Werte in der Einheit X des Kienböok’sohen Dosimeters 
anzugeben. Abgesehen von den Mängeln, die diesem Dosimeter an und 
für sich anhaften, besteht bei zunehmender Härte zwischen Sabou- 
reaud und Kienböok überhaupt keine Parallelität mehr, so dass es 
physikalisch unrichtig und in praktischer Hinsicht gefahrlioh ist, die 
Verhältnisse des einen Dosimeters auf das andere su übertragen. 


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27. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1021 


Was nun die Erythemdose bei der harten Strahlung an betrifft, so 
liegen bei ihr die Dinge allerdings nicht so einfach, wie es bei ober¬ 
flächlicher Betrachtung scheinen möohte. Denn wenn tatsächlich die 
meistens vertretene Ansicht zu Recht besteht, dass nur die absorbierten 
Strahlen einen Effekt zeitigen, während der penetrierende Teil der Strah¬ 
lung kein Wirkung nach irgend einer Richtung hin auslöst, dann kann 
auoh bei der härtesten Strahlung nur der weiche Anteil derselben das 
Erythem der Haut übernehmen, so dass die einmal ersielte Teinte B 
tatsächlich das Maass der Strahlenenergie darstellt, das nur verabfolgt 
werden darf, wofern keine unerwünschte Hautreaktion auftreten soll. In 
Wirklichkeit kann aber erfreulicherweise je naoh der Strahlenhärte und 
der angewandten Filterdioke dieses Maass mehr minder erheblich über¬ 
schritten werden, ohne dass die Gefahr eines Erythems besteht. Der 
soheinbar hierin liegende Widerspruob findet seine Klärung, wenn man 
sich zu dem von mir schon lange vertretenen Standpunkt bekennt, dass 
bei der harten Strahlung der biologische Effekt sich aus zwei Kom¬ 
ponenten zusammensetzt, nämlich der absorbierten Strahlung und den 
Veränderungen, die die lebende Zelle bei dem Durchtritt der nicht ab* 
sorbierten Strahlung erfährt. Für die Richtigkeit dieser Auffassung 
sprioht auch das Wesen und der Verlauf der bei harten Röntgenstrahlen 
auftretenden Reaktionen, die klinisoh ein anderes Aussehen darbieten als 
die Reaktion bei mittelweicher Strahlung und, von der Spätreaktion ab¬ 
gesehen, prognostisch viel günstiger anzusprechen sind. 

Die Nomenklatui als solohe muss nun diesen Tatsachen Rechnung 
tragen. Es ist unlogisch und unwissenschaftlich, dies in der Weise zu 
tun. dass man z. B. angibt, bei einer bestimmten Strahlenhärte könnten 
zwei Erythemdosen verabreicht werden, ehe ein Erythem auftritt, wofern 
man unter der Erythemdose diejenige Strahlenmenge versteht, deren 
Applikation eine Rötung der Haut zur Folge hat. Man wählt besser 
dann den Umweg, von mehreren Teinte B zu spreohen oder, unter Zu¬ 
grundelegung der beim Fürsten au’schen Intensimeter üblichen Einheit F, 
die zulässige Strahlenmenge in der F-Zahl auBzudrüoken. Weiss ich 
z. B., dass bei einer Strahlenhärte von etwa 12 Webnelt und einer Filter¬ 
dioke von 1 mm Aluminium, zwei Teinte B erst die Erythemdose dar¬ 
stellen und eine Teinte B = 180 F ist, so erscheint es am einfachsten 
zu sagen, dass bei dem gewählten Beispiel 260 F ohne Gefahr einer 
Hautreaktion verabfolgt werden köntoen. 

An der Hand zahlreicher in meinem Institut vorgenommener Unter¬ 
suchungen, deren Richtigkeit in langjähriger klinischer Erfahrung sioher- 
gestellt wurde, haben sioh für die bei der harten Strahlung üblichen 
Röhrenhärten von 12 Wehnelt folgende Werte für die jeweilige Erythem¬ 
dose ergeben: 

12 Wehnelt ohne Filter.= n /2 Teinte B = 180 F 

* * mit Alumidiumfilter v. 1 mm Dicke = 2 „ B = 260 F 

* w ; - . 2 „ , =2V 2 , B = 350F 

* * * » „ 3 * ' * =s S * B = 465 F 

, , , , „4 , , =4 m B = 680 F 


Zu diesen Werten ist zu bemerken, dass sie nur Durchschnittswerte 
darstellen, die eine Aenderung erfahren müssen, je nachdem wir einen 
Hautbezirk bestrahlen, der erfabrungsgemäss besonders empfindlich gegen 
Röntgenstrahlen ist (z. B. das Gesicht), oder eine Unterempfindliohkeit 
besitzt (z. B. Abdomen). Ausserdem gelten die Zahlen nur für den 
Fall, dass die zulässige Menge in einer einzigen Sitzung appliziert wird. 
Sie wird grösser, wenn wir in dosi refraota bestrahlen, und zwar muss 
man sich merken, da für die unzähligen möglichen Variationen undenkbar 
Tabellen aufgestellt werden können, dass die Erythemdose um so mehr 
wäohst, je kleiner die in der einzelnen Sitzung applizierte Strahlenmenge 
ist und je grösser die zwischen den Sitzungen erfolgenden Pausen sind. 
Gebe ich zum Beispiel bei einem Filter von 1 mm Dioke jedesmal 
ty 2 Teinte B = 65 F und wähle eine einwöohentliobe Pause bis zur 
nächsten Bestrahlung (Bestrahlungsmodus beim Ekzem), so ist die 
Erythemdose erst bei 325 F erreicht; erstreoken sich die Pausen über 
10 Tage (Bestrahlengsmodus bei leichtem Kinderekzem), V- können im 
ganzen 390 F appliziert werden, ehe man mit dem Auftreten eines 
Erythems zu rechnen brauoht. Im ersten Falle können also fünf, im 
zweiten sechs Sitzungen eine Bestrahlungsserie bilden. 

Für die Praxis ersieht man neben der Notwendigkeit, sich 
Aber den Begriff der Erythemdose klar zu werden, aus den ge¬ 
fundenen Werten und angegebenen Beispielen, wie ausserordent¬ 
lich man die Technik in jedem einzelnen Falle variieren kann. 
Die Tatsache, dass eine Krankheit auf einen bestimmten Be- 
strah1ung8modu8 nicht reagierte, ist infolgedessen kein Beweis 
dafür, dass das betreffende Organ nicht auf die Röntgenstrahlung 
anspricht, sondern zwingt uns nur, unser therapeutisches Pro¬ 
gramm zu ändern und die Technik anders zu gestalten. Besonders 
in der Röntgentiefentherapie ist es unmöglich, so wie es früher 
geschah, als unsere Kenntnisse auf diesem Gebiete noch recht 
gering waren, wenige Schemata aufzustellen, die leicht zu er¬ 
lernen sind und die Fähigkeit verleihen, sachgemäss mit Röntgen¬ 
strahlen zu behandeln, sondern nur derjenige, der an tausenden 
von Kranken Einblick in die ebenso interessante wie schwierige 
Materie genommen hat, ist jeder Situation gewachsen tfhd in der 
Lage, von vornherein — ohne über viele Wochen sich erstreckende 
Vorversnche — in den meisten Fällen die richtige Technik zu 
wählen, die am schnellsten, gefahrlosesten und regelmässigsten 


zum Ziele führt. Wenn auch nach der Ausbildung, welche die 
Röntgentiefentherapie erfahren hat, wir gezwungen sind, wesent¬ 
lich grössere Dosen zu verabfolgen als es früher geschah, so ist 
ist uns trotzdem nach wie vor die Möglichkeit gegeben, die uns 
gestellte Aufgabe ohne Auftreten einer erheblicheren Reaktion 
zu lösen. 


Gegen die Kurpfuscherei und Verwandtes. 

Von 

Dr. Neumana, Geueraloberarzt a. D. 

Während des Weltkrieges ist das Inseraten wesen seitens der Kur¬ 
pfuscher und der ihr verwandten Heilmethode durch die Erlasse der 
kommandierenden Generäle eingesohränkt oder verboten worden. Jetzt 
schiesst das Kurpfuschereiinserat wieder üppig in das Kraut und weil 
bei der derzeitigen Lage der Dinge keine Aussicht besteht, dass ein Ge¬ 
setz gegen die Kurpfuscherei zustande kommt, so bleibt kein anderes 
Mittel, als das der Aufklärung und Warnung. Das Wort von der freien 
Bahn für den Tüchtigen müsste sioh auoh auf den gewerbsmässigen 
Kurpfuscher und Statistiker anwenden lassen, wenn sioh der Nachweis 
erbringen Hesse, dass die Erfolge der Niohtärzte grösser wären, als die 
der Aerzte. Der gewissenhafte Arzt treibt mit seinen Erfolgen keine 
Reklame, dem gewissenlosen Kurpfuseher ist jedes Mittel recht. Die 
Naturheilmethode hat neue Erfolge nicht zu verzeichnen; ihre Therapie 
ist sobon längst auf dem toten Punkt angelangt und bewegt sich in 
denselben Bahnen. Es fehlt ihr jede wissenschaftliche Entwicklung. 

Die Naturheilmethode hat auoh an der Bekämpfung der Volksseuohen, 
die durohaus erfolgreich während des Weltkrieges war, nicht den ge¬ 
ringsten Anteil, denn sie hat sich von jeher gegen die Grundsätze der 
«Schulmedizin“ gewendet, und die Anhänger der sogenannten medi¬ 
zinischen Biologie haben die Naturheilmethode hier unterstützt Ins¬ 
besondere wird in den Zeitschriften der Naturheiler und der Biologen 
immer wieder der Wert der Schutzimpfungen bestritten, während es als 
bewiesen gilt, dass gerade die streng durobgeführten Schutzimpfungen 
die Weiter Verbreitung der Seuchen herabgesetzt haben. 

Infolge der Kurierfreiheit und Inseratenfreiheit arbeiten die Kur¬ 
pfuscher und die ihnen verwandten Heilmethoden wieder mit allen Mitteln. 
Neuerdings maehen sie auch Blutuntersuchungen. Mystik und Laien¬ 
hypnose spielen eine grosse Rolle. Dass unter diesen Auswüohsen der 
Gewerbefreiheit die Volksgesundheit leidet, ist so klar, dass es nicht erst 
naobgewiesen zu werden brauoht. Wie soll es mit der Volksgesundheit 
besser werden, wenn der Heilbetrieb ohne Vorbildung, ohne Ausbildung, 
ohne moralische Gewähr erfolgt, wenn die marktschreierische Reklame 
erlaubt ist mit ihren nioht erfüllbaren Versprechungen, wenn in „Heil- 
Bchulen* Berufs kurpfuseher ohne Verantwortungsgefühl herangebildet 
werden. Das gilt ganz besonders von der Kurpfuscherei bei Frauen¬ 
krankheiten und bei den Geschlechtskranken. Vielleicht ist der Aus¬ 
bau der ärztlichen Beratungsstelle ein Mittel, den Heilbetrieb der Kur¬ 
pfuscher einzudämmen. Immer noch erscheint es zweifelhaft, wer als 
Kurpfuscher anzusehen ist. Kurpfuscher ist jeder, der Kranke gewerbs¬ 
mässig behandelt, ohne dazu einen Befähigungsnachweis zu haben, wie 
er für Aerzte staatlioherseits vorgeschrieben ist. Die Bezeichnung: 
Kurpfuscher ist nioht an sioh eine Beleidigung, denn sie betrifft Menschen, 
die ohne Approbation erwerbsmässige Krankenbehandluug ausüben. 
Nioht auf die Erfolge kommt es aber an. Jeder Niohtapprobierte kann 
Erfolge, jeder Approbierte kann Misserfolge haben. Das Wort «Kur¬ 
pfuscher* ist eine Berufsbezeichnung. 

Was die Aussichten für eine Gesetzesvorlage gegen die Kurpfascher 
und Verwandtes anbelangt, so sind sie zurzeit leider gering. Vielleicht 
öffnet aber der Regierung und Volksvertretung die Tatsache die Augen, 
dass die Zahl der Geschlechtskrankheiten sioh ungeheuer vermehrt hat 
und dass die Bevölkerungssah 1 zurüokgeht. Jeder Geschlechts¬ 
kranke gefährdet den Nachwuchs. Das Kurpfuschertum, in dessen 
Händen sioh die Geschlechtskranken befinden, bildet eine Gefahr'für das 
Volk. Wo aber eine Gefahr vorliegt, hört das Reoht des Einzelnen auf, 
sioh behandeln zu lassen, wo er will. Die Allgemeinheit verlangt ein 
Gesetz der Behandlung Geschlechtskranker durch Aerzte, nicht durch 
Kurpfuscher oder Naturheiler. Diese sehen ihr Gewerbe bedroht, wenn 
die Kurierfreiheit für die Geschlechtskrankheiten aufgehoben wird. Es 
geht aber im sozialen Sinne nioht an, dass die von den Kurpfuschern 
und Naturheilern geforderte Erhaltung der Kurierfreiheit um den Preis 
der Vermehrung der Geschlechtskrankheiten und somit der Volksverminde¬ 
rung ihnen zugestanden wird. Jede Behandlung Geschlechtskranker durch 
Nichtärzte ist gesetzlich zu verbieten. Dem Arzt ist auoh die Fern¬ 
behandlung zu verbieten. Man mag zu der Kurierfreiheit heute stehen, 
wie man will, in bezug auf die Geschlechtskrankheiten kann man dooh 
wirklich nur von einer öffentlichen Gefahr spreohen, die nur daduroh 
beseitigt werden kann, dass der gesetzliche Behandlungszwang dnroh 
Aerzte eingeführt wird. Die Vermehrung der Geschlechtskrankheiten 
würde sogar sohliesslioh zur Einführung freier Behandlung durch hier¬ 
zu bestellte Aerzte führen müssen, so drohend ist die Gefahr! 

Wenn nicht ein Gesetz zustande kommt, welches die Behandlung 
Geschlechtskranker durch Niohtärzte verbietet, dann bleibt natürlich nur 
die Aufklärung übrig. Die Naturheiler haben aber aus dem Prinzip der 
Kurierfreiheit, welches sie verteidigen, an der Aufklärung kein Interesse, 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


obwohl sie die Belehrung des Volkes auf ihre Fahne geschrieben haben. 
Hier klafft ein gans unlösbarer Widerspruoh, während es die Aerzte an 
der Aufklärung, Belehrung und an der Beseitigung der Irrlehren nicht 
haben fehlen lassen. Die Naturheilkunde ist keine natürliche Bundes¬ 
genossin der Aerste, weil sie systematisch alles bekämpft, was die 
Sohulmedisin lehrt. Ist dooh das Wort „Schulmedizin" von ihr geprägt, 
um einen Qegensats zur „Naturheilmethode" darzustellen. Und nun er¬ 
eignet sich das Merkwürdige, dass für den Arzt eine gründliche Aus¬ 
bildung allerseits verlangt wird, z. B. über Diagnose der Geschlechts¬ 
krankheiten mit allen Regeln der Wissenschaft, während für den Nicht- 
arzt, der gar nicht darin ausgebildet ist, die „Kurierfreiheit* verlangt 
wird. Was wir Aerzte der „Sohulmedizin* an der Naturheilkunde aus¬ 
zusetzen haben, ist weniger der Iohalt jener Lehre, weil wir wissen, 
dass die Heilfaktoren der Naturheillebre ganz altes Rüstzeug der „Sohul¬ 
medisin" sind, als der Umstand, dass die Naturbeilbewegung zum grossen 
Teil Kurpfuscherei ist, soweit sie Krankenbehandlung ist. Selbst Freunde 
der Bewegung haben gesagt, dass der Irrtum mit dem Augenblick ein¬ 
trat, als die „gesundheitsgemässe Lebensweise zur Heilweise" wurde. 
Die Verquickung von Naturheiler und Kurpfuscher ist eben zum Ver¬ 
hängnis geworden. Kein Arzt wird eine Laienbewegung bemängeln, die 
für die gesundheitlichen Gesetze eintritt, er wird aber nioht sugeben 
können, dass der Arzt mit dem „Krankenbehandler" auf eine Stufe ge¬ 
stellt werden kann. Der Staat verlangt vom Arzt eine besondere Aus¬ 
bildung, welche der Niohtarzt eben nicht hat. Es ist hier ganz gleich¬ 
gültig, wie sich der Nichtarzt bezeichnet. Das Interesse der Volks¬ 
gesundheit verlangt, dass Krankheiten von Aerzten behandelt werden 
und nicht von Laien. Auf allen anderen Gebieten wird ein Befähigungs¬ 
nachweis verlangt, und dort, wo es sich um Leben und Gesundheit 
handelt, sollen Ausnahmen bestehen? 

, Warum wagt sich denn der Nichtarzt nicht an Operationen? Weil 
er weiss, dass dazu mehr gehört als Luft, Licht, Wasser und Diät! 
Selbst wenn der Zentral verband für Parität der Heilmethoden seine 
Forderung durchsetzen würde, welche den Vorrang des approbierten 
Arztes beseitigen will, so blieben dooh das Wissen und Können maass¬ 
gebend. Hierauf muss der Staat den Wert legen kraft der wissenschaft¬ 
lichen Vorbildung. Anders geht es nioht. Die Approbation, welche das 
Volk durch Vertrauenskundgebung verleiht, so heisst es in einem Aufruf 
des Gottlieb’sohen Zentralverbandes, ist der Approbation duroh Examina 
gleiobzustellen. Wie wäre es, wenn man z. B. beim Lokomotivführer 
geradeso verfahren wollte? Wer fahrt dann noch auf der Eisenbahn? 
Das intensive Einsetzen der Kurpfuscherei und des Heilmittelschwindels 
verlangt im Interesse der Volksgesundheit den Kampf der Aerzte gegen 
die Kurpfuscherei und verwandte Heilmethoden. Frecher als je erhebt 
die Kurpfuscherei ihr Haupt, tritt mit unglaublichen Forderungen auf 
und mit einem Selbstbewusstsein, das stärkste Zurückweisung fordert. 
An den Aerzten ist es,* das Material zu sammeln, um der Gefahr der 
Kurpfusoherei wirksam zu begegnen, welohe die Volksgesundheit bedroht, 
deren Hüter wir sind, damit wir zu einem wirksamen Gesetz gegen die 
Kurpfusoherei gelangen. 


Zur Neuordnung des ärztlichen Unterrichts 
und Prüfungswesens. 

Von 

0. Lnbarseh. 

(Fortsetzung.) 

Ich beabsichtige nnn nicht, zu den von Meyer, Fischer, 
Hellpach u. a. aufgestellten Studienplänen einen eigenen neuen 
hinsuzufügen, sondern mich mehr über einige grundsätzliche 
Fragen auszulassen. Was zunächst das 5. Studienhalbjahr an¬ 
betrifft, so glaube ich, wird darüber Uebereinstimmnng bestehen, 
dass esder unmittelbaren Vorbereitung für den klinischen 
Unterricht dienen soll. Deswegen sollen in diesem halben 
Jahre möglichst nur diejenigen Fächer gelehrt werden, zu deren 
Verständnis eine vorherige Beschäftigung mit kranken Menschen 
nicht nötig ist. Selbstverständlich ist es daher, dass in diesem 
Halbjahr der Perkussions- und AuskultationBkurs abzuhalten ist. 
M«yer schlägt daneben noch vor, „Einführung in die innere 
Medizin“ (pathologische Physiologie), dreimal Einführung in die 
Chirurgie, dreimal topographische Anatomie und fünfstündig all¬ 
gemeine Pathologie, während Fischer, der das 5. Halbjahr ja 
noch als vorklioisches Halbjahr behandelt wissen will, 6 Stunden 
allgemeine Pathologie, 4 Stunden histologischen Kurs der all¬ 
gemeinen Pathologie, Infektion und Immunität, dreistündig, topo¬ 
graphische Anatomie dreistündig, physiologisches Praktikum acht¬ 
stündig, Embryologie und Psychologie je dreistündig empfiehlt. — 
Das» ich Fi sch er *s Vorschlägen nicht folge, habe ich oben schon 
auseinandergesetzt. Aber auch Meyer’s Vorschlag kann ich nicht 
ganz beistimmen; ich halte zwar seinen Vorschlag hinsichtlich 
der Einführung in die innere Medizin als pathologische Physio¬ 
logie and Einführung in die Chirurgie für sehr glücklich, kann 
mich aber weder mit ihm noch mit Fischer darin einverstanden 


erklären, dass eine grosse 5—Bstündige Vorlesung über allgemeine 
Pathologie in diesem Semester gehalten werden soll, and zwar 
als die einzige Vorlesung über allgemeine Pathologie während 
eines 8halbjährigen Studiums. Das entspricht nicht der Be¬ 
deutung dieses Faches an sieb, ist aber meiner Meinung nach auch 
an sich sehr unzweckmässig« da eine ausführliche Vorlesung über 
allgemeine Pathologie nur dann wirklichen Wert hat und wirk¬ 
lich lebensvoll für den Studierenden gehalten werden kann, wenn 
er bereits klinische Erfahrungen besitzt, wenn er bereits mit den 
kranken Menschen zu tun gehabt hat. Ich selbst habe daher 
stets meinen Zuhörern empfohlen, die allgemeine Pathologie in den 
letzten Halbjahren zum mindesten noch einmal zu hören, und ich 
bin daher erstaunt, dass zwei so angesehene Pathologen wie 
Asch off und Fischer ohne weiteres dem Wunsche vieler Kliniker 
naebgegeben haben, wonach die allgemeine Pathologie in ein 
vorklioisches Studienhalbjabr zu verlegen sei. Fischer spricht 
davon, dass die Studierenden, bevor sie zu den klinischen Studien 
kämen, in die allgemeine Pathologie „eingeführt“ werden müssten. 
Dem kann ich ohne Bedenken und aus voller Ueberzeugung zu¬ 
stimmen. Aber es ist ein grosser Unterschied, ob man eine Vor¬ 
lesung über „Grundbegriffe oder Grundzüge der allgemeinen 
Pathologie“ hält, die als dreistündige Vorlesung beqndm abgehalten 
werden kann, oder ob man eine wirklich ausführliche Vorlesung 
über allgemeine Pathologie abhält, in der alle Fragen der all¬ 
gemeinen Gesetze und Regeln der pathologischen Physiologie, 
Pathogenese und Aetiologie erörtert werden. Das ist erfolgreich 
nur möglich, wenn die Studierenden die einzelnen Krankheits¬ 
typen aus eigener Anschauung kennen, wenn sie durch Leichen¬ 
öffnungen, Kurse der pathologischen Gewebelehre und Demon- 
strationsübongen einiges Verständnis für die Nosologie und die 
bei den einzelnen Krankheiten vorkommenden anatomischen Ver¬ 
änderungen gewonnen haben. Wie will man allgemeine Patho¬ 
logie vor Zuhörern halten, die weder jemals einen kranken 
Menschen gesehen, noch pathologische Gewebelehre, noch 
pathologisch-anatomische Präparate kennen? Natürlich kann man 
auch vor solchen Zuhörern gewisse allgemein-pathologische Fragen 
erörtern und ihnen auch Präparate demonstrieren, aber doch nur 
in sehr beschränkter Zahl. Das, was Fischer, Meyer u. a. 
wollen, wird leicht erreicht, wenn man eine dreistündige Vor¬ 
lesung hält, die man „Einführung in die allgemeine Pathologie 
oder Grundzüge der allgemeinen Pathologie“ nennen mag, und 
in der die Grundbegriffe, wie Entzündung, Fieber, Degeneration, 
Gewächse, Thrombose usw. kurz erörtert werden, soweit sie für 
das Verständnis der Klinik und der speziellen pathologischen 
Anatomie nötig und unentbehrlich sind. Eine derartige ein¬ 
führende Vorlesung hätte auch den Vorteil, dass man in der 
späteren grösseren Vorlesung über allgemeine Pathologie in 
5—6 Stunden wirklich den ganzen Stoff erledigen könnte, da 
man dann eben die Grundlagen voraussetzen darf. Des weiteren 
trete ich dafür ein, dass die pathologische Physiologie in dem 
Sinne als Einführung in die innere Medizin gelesen wird, wie es 
Meyer vorschlägt und auch Fischer befürwortet. Ich bin 
durchaus dagegen, besondere Lehrstühle und Anstalten für ex¬ 
perimentelle Pathologie zu errichten, wie es Aschoff 
empfiehlt. Die pathologische Physiologie und experimentelle 
Pathologie * ist ein Fach, das in so viele andere hineinschlägt, 
dass man es nicht mit Vorteil aus den Beziehungen zu diesen 
Fächern herauslösen kann — es steht in innigster Verknüpfung 
mit der inneren Medizin, der Pharmakologie und pathologischen 
Anatomie. Die Erfahrungen in anderen Ländern (Oesterreich, 
Italien) beweisen auch, dass derartige von der Beschäftigung mit 
lebenden und toten Menschen losgelöste Anstalten wenig frucht¬ 
bringend sind. Die grössten Fortschritte in der experimentellen 
Pathologie sind nicht von diesen Anstalten ausgegangen, sondern 
vom Krankenbett und Seziertisch. Das schliesst natürlich nicht 
aus, dass man auch mal einem hervorragenden experimentellen 
Pathologen eine ordentliche Professur und eine eigene Arbeits¬ 
stätte schafft, die aber dann — je nach der besonderen Richtung 
des betr. Gelehrten — entweder mit einer Krankenabteilung oder 
einer pathologisch-anatomischen Abteilung verbunden sein müsste. 
Grundsätzlich aber besondere Lehrstühle für experimentelle Patho¬ 
logie zu errichten, hiesse geradezu künstlich ohne Not ein neues 
Sonderfacb errichten und dafür ein altes allgemeines Fach 
schädigen und zu einem Sonderfach herabdrücken. Nimmt man 
den Vertretern der pathologischen Anatomie die allgemeine Patho¬ 
logie in ihrer Gesamtheit, so wird sie wieder zu dem, was sie 
vor Virchow war; nämlich zu einer rein morphologischen 
und nicht einer biologischen Wissenschaft, zu der sie Virchow 


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27. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1028 


erheben wollte and erhoben hat Dass sie unter seinen Schülern 
und Nachfolgern zu stark die morphologische Seite betont bat, 
ist bedauerlich genug und besonders, dass sie sich die ätiologische 
Forschung so gut wie ganz hat entreissen lassen. Nimmt man 
ihr jetzt noch einen grossen Teil der allgemeinen Pathologie — 
io Oesterreich wird die allgemeine Pathologie ja von den Ver¬ 
tretern der experimentellen Pathologie gelesen —, so nimmt 
man ihr das Beste fort, was sie noch hat. Und man nutzt da¬ 
mit weder der Forschung noch dem Unterricht. — Zu den 
Fächern, die in das 6. Halbjahr hineingehören, weil sie eine 
Bekanntschaft mit den kranken Menschen nicht voraussetzen und 
weil sie zur Vorbereitung für den klinischen Unterricht dringend 
nötig sind, gehört ferner die Bakteriologie und Immunitätslehre. 
Es gibt keine Klinik, in der nicht ungemein häufig von krank¬ 
machenden Spaltpilzen die Rede ist; in der inneren Klinik werden 
die Grundbegriffe der Immunitätslehre und der Serologie, die 
Lehre von der Anaphylaxie und Allergie ungemein häufig be¬ 
rührt. Das meiste, was wir darüber wissen, findet seine Be¬ 
gründung im Tierversuch und ist verständlich ohne genauere 
Kenntnis der menschlichen Krankheiten. — Deswegen würde ich 
die Beschäftigung mit der gesamten Bakteriologie in dieses 
Semester verlegen und ihr mit praktischen Uebungen (bakterio 
logischer Kurs) 5—6 Stunden einräumen. 

Ebenso erscheint eB mir zweckmässig die physiologische 
Chemie, die sowohl Meyer wie Fischer in ihren Lehrplan für 
die klinische Studienzeit überhaupt nicht aufgenommen haben, in 
ein Halbjahr zu verlegen vor dem Besuch der medizinischen Klinik, 
wo sie doch die giösste Rolle spielt. Ein 2 ständiger Kurs in 
der klinischen Mikroskopie und Chemie, wie ihn Fischer im 
6. Halbjahr vorschlägt, ist kein genügender Ersatz dafür. — End¬ 
lich konnte man daran noch gleich die Toxikologie in einer 
2 ständigen Vorlesung anschliessen. Und ebenso ist es mit Rück¬ 
sicht auf die chirurgische Klinik zweckmässig eine topographisch¬ 
anatomische Vorlesung vorzusehen. Man käme denn zu folgendem 
Plan für das 

5. (1. klinische) Halbjah.r 

Einführung in die innere Medizin (pathol. Pbysiol.) 4 Std. 

Einführung in die Chirurgie (allg. Chirurgie) ... 8 „ 

Einführung in die allgemeine Pathologie.8 „ 

Perkussion und Auskultation für Anfänger .... 3 „ 

Bakteriologie und Serologie mit Uebungen .... 6 „ 

Pathol. u. pbysiol. Chemie mit Uebungen .... 4—5 „ 

Toxikologie.2 „ 

Topographische Anatomie. . 3—4 „ 

26—27 Std. 

Für die folgende Studienzeit ist es nun nötig, sich zu ent¬ 
scheiden, ob man Meyer’s Vorschlag folgen will, dass in jedem 
Halbjahr eines der Lehrfächer als Hauptfach gelten soll und ihm 
dann grundsätzlich der ganze Nachmittag zu widmen ist Denn 
es häogt davon die Verteilung der Stundenzahl an den Vormittagen 
ab. Bei Meyer ist die Verteilung etwas ungleichmässig, insofern 
sie in den eipzelnen Studienhalbjabren zwischen 9 und 24 Std. 
in der Woche schwankt (durchschnittlich 17 ß / 7 Std.). Fischer 
versucht es durchzuführen, dass in keinem Halbjahr die Gesamt- 
beschäftiguog — soweit sie im Studienplan festgesteilt ist — 30 Std. 
in der Woche übersteigt. Bei Meyer würde die Durchschnittszahl 
entschieden höher werden. Der Normalarbeitstag des Studierenden 
würde dann zwischen 5 und 8 Std. schwanken, und das wäre ja 
gegenüber dem jetzigen Zustand eine ausserordentlich erfreuliche 
Verbesserung. Zweifellos hat auch der Vorschlag Meyer’s 
manches Bestechende an sich, aber er scheint mir dann doch zum 
mindesten in dem von ihm vorgeschlagenen Umfang nicht nötig, 
wenn man eine Zwangsfamulatur und Hilfsassistentenzeit in den 
Ferien einführt; dann kann man die praktische Beschäftigung an 
den Nachmittagen auf die Fächer beschränken, die für die Zwangs¬ 
famulatur nicht in Frage kommen. Im übrigen kann ich mich 
in vieler Hinsicht den Vorschlägen Meyer’s anschliessen, möchte 
nur betonen, dass man bei allen den Studien- und Stundenplänen 
möglichst viel Freiheit und Spielraum lassen soll. Es wird, wie 
ich vorhin schon erwähnte, gar nicht möglich sein, die Stunden 
einheitlich festzulegen, sondern das wird örtlich verschieden sein 
müssen. Aber auch in der Zahl der jedem Fach zuzubilligenden 
Stunden und der Verteilung über die einzelnen Halbjahre wird 
man eioe gewisse Weitherzigkeit üben müssen. An grossen Uni¬ 
versitäten mit grossem anatomischen Material wird es z. B. leicht 
möglich sein, den so ungemein wichtigen pathologisch-anatomischen 
Demonstrationskurs, aus dem erst das wirkliche Verständnis für 
die Beziehungen zwischen anatomischen Veränderungen und Funk¬ 


tionsstörungen erwachsen kann, 5—6 ständig an 3 verschiedenen 
Tagen abzuhalten, während das an anderen Universitäten mit ge¬ 
ringem und wenig vielseitigem anatomischen Material nicht mög¬ 
lich ist und man sich mit einem (1 mal wöchentlich 2—8 Stunden 
oder 2 mal wöchentlich 2 Stunden) wird begnügen müssen. Es 
kommt auch wenig darauf an, ob man diesen Kurs in das 9. Studien¬ 
halbjahr setzt oder in ein späteres, nur darauf, dass er den 
Studierenden empfohlen wird erst für die Zeit, die nach dem Be¬ 
such der Hauptkliniken liegt. Ebenso muss man für die grosse 
Vorlesung über allgemeine Pathologie — sozusagen „allgemeine 
Pathologie für Vorgeschrittenere“ — einen gewissen Spielraum 
hinsichtlich der Zeitbestimmung lassen — es genügt zu bestimmen, 
dass sie am besten erst gehört wird, nachdem die Hauptkliniken 
besucht sind und einmal auch schon pathologisch*anatomische 
Demonstrationen gehört wurden. Dann erst wird die Vorlesung 
wirklich sich lebensvoll gestalten lassen, dann erst kann sie das 
geben, was sie eigentlich geben soll: eine allgemeine Theorie, 
eine Art Philosophie der Krankheitslehre. — Auch für zwei 
weitere Vorlesungen, die ich als wichtige Bestandteile des Lehrplans 
betrachte, möchte ich nur allgemeine Richtlinien für die Besuohs- 
zeit binstellen. Das sind die Vorlesungen über Psychologie 
und Geschichte der Medizin. Beide halte ich für dringend 
notwendig, notwendiger als manches kleine Sonderfach, denn sie 
können in sehr erheblicher Weise zu der allgemeinen Ausbildung 
des Arztes beitragen. Ich weiss, dass gerade auch bei den Pro¬ 
fessoren der Naturwissenschaften und der Medizin erhebliche 
Bedenken dagegen bestehen, überhaupt irgend eine philosophische 
Vorlesung als wichtigen Bestandteil in den Lehrplan aufzunehmen 
oder gar zur Zwangseinrichtung zu machen. Es wird gesagt, 
dass nirgends so scharfe Gegensätze der Ansichten beständen, wie in 
der Philosophie, wo jeder Philosoph beinahe sein eigenes System 
habe. 

Selbst wenn das der Fall wäre, könnte mich das nicht be¬ 
wegen, von meinem Vorschlag abzugehen, denn es handelt sich 
nicht darum, den Studierenden bestimmte positive Kenntnisse 
beizubringen, sondern sie mit Fragen bekannt zu machen, ja 
ihnen erst das Dasein wissenschaftlicher Rätsel zu zeigen, an 
dem die Mehrzahl der Aerzte unberührt vorbeigeht, und ihnen 
auch deren Bedeutung für ihre späteren praktischen Aufgaben zum 
Bewusstsein zu bringen und sie damit zum Nachdenken darüber 
anxuregen. Das zu tun, scheint mir am besten in der Zeit, wo 
sie anfangen, sich mit kranken Menschen zu beschäftigen, und wo 
sie lernen sollen, sich auch in die Gemütszustände der Kranken 
und deren Aeusserungen hineinzudenken. Das Hesse sich also 
entweder auch noch in das 5. Halbjahr aufnehmen, das dadurch 
nicht überlastet würde (28—30 Stunden umfassen würde) oder 
auch unmittelbar vor dem Besuch der Nerven- und Kinderklinik. 
Mir schiene es freilich am besten, wie auch Fischer vorschlägt, 
die psychologische Vorlesung in das 5. Halbjahr zu setzen, bevor 
der Student in die chirurgische Klinik eintritt, weil die Kenntnis 
der Psychologie der Angstvorstellungen und des Schmerzes gerade 
auch für den Besuch dieser Klinik äusserst wertvoll ist. Gut 
wäre es sicher — und ich bin überzeugt, dass sich das leicht 
erreichen Hesse —, wenn eine derartige psychologische Vorlesung 
als eine besondere Vorlesung mit besonderer Berücksichtigung 
der Interessen des Mediziners gehalten würde. — Wenn ich mit 
besonderem Nachdruck dafür eintrete, dass die Geschichte der 
Medizin nicht nur als Vorlesungsgegenstand in den Lehrplan 
aufgenommen, sondern auch Prüfungsfach wird, so wird mir 
das, wie manche andere meiner Ansichten, vielleicht den Vor¬ 
wurf besonderer Rückständigkeit eintragen. Denn das demo¬ 
kratische Zeitalter, in dem das geschichtslose Massenurteil be¬ 
sonders einflussreich ist, sieht ja seine Stärke in der Abkehr 
von dem intellektuell-geschichtlichen Erziehungsideal, das seit 
Hegel — der ja auch eine Stütze der „Reaktion“ war — die 
deutschen führenden Geister beherrschte, und an deren Stelle 
jetzt bald ein künstlerisches oder realistisches, bald rein völkisches 
oder allgemein menschliches gestellt wird. Nun hat die Berück¬ 
sichtigung der Geschichte einer Wissenschaft freilich gar nichts 
mit der berechtigten Gegenströmung gegen das rein intellektuell- 
geschichtliche Erziehungsideal zu tun. Die Bedeutuog der Ge¬ 
schichte bleibt, auch wenn das Erziehungsideal ein anderes wird. 
Nietzsche, der schon zu Beginn der 70er Jahre des vorigen 
Jahrhunderts besonders entschieden die damals herrschende An¬ 
wendung des Hegel'sehen Erziehungsideals bekämpfte und eine 
harmonische Ausbildung der ganzen Persönlichkeit verlangte, in 
deren Mittelpunkt deutsche Sprach© und Kultur stehen sollte, 
hat aber auch den Satz geschrieben: „Auch der Begabteste 


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1024 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


bringt ns nur in einem fortwährenden Experimentieren, sobald 
der geschichtliche Faden der Entwicklung einmal abgerissen ist.“ 
Es ist, als hätte Nietzsche mit seherischem Geist die Ent¬ 
wicklung der neuzeitlichen Heilkunde voransgeahnt, die durch 
dieses fortwährende Experimentieren nach allen Seiten hin aus¬ 
gezeichnet ist. Ich glaube, man übertreibt nicht, wenn man 
sagt, dass es keinen akademisch gebildeten Stand gibt — viel¬ 
leicht den der Zahn-, Tierärzte und Apotheker ausgenommen —, 
der so bar jeden geschichtlichen Sinnes und so vollkommen un¬ 
bewandert in der Geschichte der eigenen Wissenschatt und Kunst 
ist wie der ärztliche. Und das ist nicht etwa nur ein Schön¬ 
heitsfehler, sondern ein tiefgreifender Mangel, der sich immer 
wieder von neuem schwer fühlbar macht, besonders in solchen 
Zeiten, in denen durch die immer wachsende Zahl der praktisch 
und wissenschaftlich arbeitenden Aerzte und die gewaltigen 
gesellschaftlichen Verschiebungen ein fester Boden besonders not¬ 
täte. Ich habe keinen Zweifel, dass die für die deutsche Aerzte- 
welt und ärztliche Wissenschaft wenig ruhmvollen Zeiten des 
Tuberkulin-, Diphtherieserum- und Salvarsantaumels nicht zu 
verzeichnen sein würden, wenn nicht „der geschichtliche Faden 
der Entwicklung“ abgerissen wäre, und wenn ärztliche Praktiker 
und Gelehrte die Geschichte der Medizin und besonders der 
therapeutischen Bestrebungen so weit gekannt hätten, dass sie aus 
ihr für die Gegenwart zu lernen imstande gewesen wären. Wie 
gänzlich ohne Kenntnis auch nur der allerneuesten Geschichte 
der Medizin die jetzigen Studierenden sind, davon kann man sich 
immer wieder überzeugen, wenn man in der Prüfung nach der 
geschichtlichen Bedeutung Rudolf Virchow’s oder Robert 
Koch’s fragt, oder sie auffordert, einiges über die geschichtliche 
Entwicklung der Bakteriologie oder der Immunitätslehre zu sagen. 
Die gewöhnlichen Antworten über Virchow sind: „er hat die 
Zelle entdeckt“ (oder „erfunden“) oder er hat die „Geschwülste 
entdeckt“, über Koch: „er. hat den Milzbrandbazillus entdeckt“ 
oder den „Tuberkelbazillos, Gboleravibrio (manche sagen auch 
die „Malariaplasmodienentdeckt“. Abgesehen von den tatsäch¬ 
lichen Jrrtümern beweisen die Antworten, wie wenig die Ge¬ 
fragten überhaupt nur einen Begriff besitzen von dem, was „ge¬ 
schichtliche Bedeutung“ eines grossen Forschers heisst. Natürlich 
sind die Studierenden daran nicht schuld, denn nirgends im Unter¬ 
richt wird ihr Auge und ihr Geist auf geschichtliches Verständnis 
gelenkt; sie selbst haben an sich gar keine Abneigung dagegen. 
Ich persönlich benutze jede Gelegenheit zu kurzen geschichtlichen 
Rückblicken; ich habe in Kiel in dem „pathologischen Seminar“, 
das ich für Vorgeschrittene abhielt, neben Uebungen im patho¬ 
logischen, anatomischen und histologischen Diagnostizieren auch 
stete kleine Vorträge und Aufsätze über allgemeine pathologische 
und geschichtlich medizinische Fragen an fertigen lassen und ge¬ 
funden, dass die Teilnehmer eine besondere Freude an diesen 
Arbeiten hatten. Es scheint mir nur nötig zu sein, den Sinn 
der Mediziner darauf hinzulenken und sie nach dieser Richtung 
anzuregen, damit man Erfolg erzielt. Natürlich ist es nötig, 
auch den Unterricht in der Geschichte der Medizin nicht spezia- 
listisch, sondern stets mit Rücksicht auf allgemeine Fragen abzu¬ 
halten. Ich will den anerkannten Vertretern dieses Faches nicht 
vorgreifen, möchte nur ganz unmaassgeblich sagen, dass ich mir 
den Unterricht in Form eines 3ständigen Seminars denke, von 
dem etwa diö ersten 8 Wochen vom Lehrer dazu benutzt werden, 
die Studierenden in zusammenhängender Darstellung mit den ge¬ 
schichtlichen Grundlagen der heuzeitlichen Heilkunde bekannt zu 
machen und zu zeigen, dass auch das naturwissenschaftliche Zeit¬ 
alter der ärztlichen Wissenschaft sich allmählich aus dem philo¬ 
sophischen und rein empirischen entwickelt hat, während in den 
folgenden Wochen die Stunden teils zur Ergänzung dieser Grund¬ 
lagen, teils zur Lektüre klassischer medizinischer Schriften und 
zur Bearbeitung von kleinen geschichtlich-medizinischen Fragen 
durch die Teilnehmer benutzt werden müssten. Von einer nur ein- 
stündigen Vorlesung über Geschichte der Medizin, wie Fischer sie 
vorscblägt, verspreche ich mir wenig. Sie könnte im günstigsten 
Fall einige geschichtlich-medizinische Kenntnisse vermitteln, aber 
nicht zur Erweckung geschichtlichen Sinnes beitragen. Auch 
diese Vorträge wird man naturgemäss erst für Studierende der 
älteren Jahrgänge — also erst nach Besuch der Hauptkliniken — 
erfolgreich abhalten können; ob man sie aber in das 9., 10., 11. 
oder 12. Halbjahr einlegt, scheint mir eine nebensächliche Frage, 
die mit Rücksicht auf die sonstige Belastung der einzelnen Se¬ 
mester und örtliche Verhältnisse zu lösen ist. 

Fischer hat nun noch eine ganze äeihe von bisher nicht 
im Studien plan empfohlenen Fächern als unbedingt nötige Lehr¬ 


gegenstände hingestellt, von denen z. B. ein nicht unerheblicher 
Teil in Meyer's Plan fehlt Ich will mich auf eine ausführliche 
Beurteilung nicht einlassen; möchte mich aber besonders da¬ 
gegen wenden, dass auch für alle Sonderkliniken noch eine be¬ 
sondere Einführung für nötig gehalten wird. Diese Einführung 
ist durch die grossen Kliniken und die praktischen Uebungen 
gegeben, und es ist unnötig, den Studienplan dadurch noch 
mit 7 Stunden wöchentlich zu belasten. — Auch die Vor¬ 
lesungen über ärztliche Rechtskunde und Gutachtertätigkeit und 
gerichtliche Psychiatrie halte ich für überflüssig, in die ärztliche 
Gutachtertätigkeit müssten die Studierenden während der Hills- 
aasistententätigkeit eingeführt werden. Dagegen wäre es aller¬ 
dings wohl zweckmässig, eine 1 ständige Vorlesung über ärztliche 
Ethik und Standesfragen in den Lehrplan aufzunehmen. Emp¬ 
fehlenswert erscheint es mir ferner, noch neben dem Studienplan, 
der die Vorlesungen und Uebungen umfasst, die für unbedingt 
nötig gehalten werden, ein kurzes Verzeichnis derjenigen Vor¬ 
lesungen aufzustellen, die daneben noch als nächst wichtige in 
Betracht kommen; da könnte dann auch gerichtliche Psychiatrie, 
ärztliche Rechtskunde, Volkswirtschaftskunde und Soziologie ihren 
Platz finden. 

Bevor ich nun zu der so äusserst wichtigen Frage der - 
Prüfungsordnung übergehe, möchte ich nochmals betonen, dass 
die Studienpiäne, wie ich sie besprochen und zum Teil empfohlen 
habe, unter keinen Umständen bis ins einzelne zwingende Vor¬ 
schriften sein, und für alle Fakultäten gleichmässig festgelegt 
werden dürfen. Es genügt durchaus, eine Uebereinstimmung in 
allen Hauptpunkten herbeizuführen und dafür allgemeingültige 
Bestimmungen zu treffen — eine Einschnürung der geistigen 
Betätigung durh bindende Verpflichtungen und Schematisierung 
wäre aber das grösste Unglück, was es geben könnte und dazu 
ist eine leider sehr starke Neigung vorhanden, weil die bisherige 
Systemlosigkeil mit Recht als besonders schädlich empfunden 
wird. Ich würde es z. B. für sehr wohl erträglich halten, wenn 
der Plan von Meyer in den Hauptzügen von Göttingen und der 
von Fischer — allerdings mit einigen wesentlichen Verände¬ 
rungen hinsichtlich der Frage der Ablegung der zweiten ärzt¬ 
lichen Vorprüfung und einiger anderer Punkte — von Frankfurt an¬ 
genommen und wiederum an anderen preussischen und nicht- 
preussischen Universitäten noch andere in nebensächlichen Punkten 
abweichende Pläne Gültigkeit erlangten. Das würde sogar den 
Vorteil bieten, dass Lehrer und Lernende erproben könnten, 
welche Zusammenstellungen sich am besten bewährten. — Auch 
muss man sich schon deswegen hüten, allzu starre Bestimmungen 
zu machen, um der Begabung und Neigung des einzelnen besser 
gerecht werden zu können. Wer manuell geschickt ist, eine 
sichere Hand und ein sicheres Auge hat, der wi{d sich in vielen 
praktischen Fächern rasch zurecht finden und nicht nötig haben, 
die Uebüngen mehrmals hintereinander zu besuchen. So möchte 
ich z. B. den Sektionskurs nicht öfter als einmal in den Studien- 
plan aufgenommen wissen; wenn die Studierenden ihn wirklich 
ausnutsen, können sie das, was sie in ihm lernen sollen, bei 
sorgfältiger Unterweisung auch wirklich lernen. Schwalbe hat 
sich besonders dagegen gewehrt, dass ein zweimaliger Besuch 
des Sektionskurses jetzt verlangt würde, was gar nicht der Fall 
ist. Der Studierende braucht ihn jetzt überhaupt nicht zu be¬ 
suchen. Und von Vereinigungen medizinischer Studenten ist ver¬ 
langt worden, ihn ganz zu streichen. Wenn es sich nur um die 
Erlernung der Technik handelte, könnte man vielleicht wirklich 
ganz auf ihn verzichten, obgleich das bedeutete, dass die prak¬ 
tischen Aerzte überhaupt nicht mehr an Leichenöffnungen beteiligt 
werden könnten — aber Aschoff hat mit Recht hervorgehoben, 
dass in den Sektionskursen sehr viel mehr gelehrt wird als 
SektionBtechnik, dass sie dem Studenten die Grundlage für das 
anatomische Denken in der Medizin geben. Das kann aber sicher 
in einem Studienhalbjahr erreicht werden, wenn in späteren Halb¬ 
jahren der pathologisch-anatomische Demonstrationskurs eindring¬ 
lich zur Ergänzung hinzutritt. Deswegen würde ich auch den 
Sektionskurs nicht, wie es jetzt vielfach üblich ist, in die späteren 
Semester, sondern schon in das 7. Semester verlegen. Wenn man 
nach den oben hervorgehobenen Grundsätzen den Studienplan 
ändert, sorgt man nach meiner Ueberzeugung gleichmässig für 
die wissenschaftliche, allgemeingeistige und praktische Ausbildung 
des Mediziners. Noch weiter zu gehen, wie es z. B. Hellpach 
verlangt, und den Unterricht in den drei Hauptklioiken durch 
alle klinischen Semester durchgehen zu lassen, würde eine einiger- 
maassen genügende wissenschaftliche Ausbildung unmöglich machen; 
auch nach meinen Vorschlägen würde dafür gesorgt, dass innere 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1026 


27. Oktober 1919. 


Medisin, Chirurgie und Geburtshilfe den Kern bilden nnd dem 
Studierenden sozusagen in Fleiseh und Blut übergehen. Dass zu 
diesem Zwecke auch die Unterrichtsmethode geändert oder besser 
ergänzt werden muss, ist ja schon betont worden und wird durch 
die Vorschriften über Zwangsfamulatur und Hilfsassistentenseit 
genügend gewährleistet. 

Mit einer grundsätzlichen Aenderung der Prüfungsordnung 
haben sich schon Aschoff und Fischer befasst, während 
Schwalbe und Meyer sie nur kurz berühren. Zunächst wird 
so fragen sein, welche Gegenstände geprüft werden sollen und 
ob in allen sowohl eine praktische wie mündliche Prüfung er¬ 
folgen soll. Hinsichtlich der ärztlichen Vorprüfungen bestehen 
hier keine wesentlichen Meinungsverschiedenheiten, wenn ich von 
dem oben schon besprochenen Vorschlag Fischer’s für die 
zweite Vorprüfung absehe. Nur hinsichtlich der ersten ärztlichen 
Vorprüfung kann man darüber streiten, ob man in allgemeiner 
Zoologie und allgemeiner Botanik prüfen lassen will oder nur ab¬ 
wechselnd in einem dieser Fächer. Wenn man, wie Aschoff 
und auch ich empfehlen, nur eines oder das andere dieser Fächer 
in den Studienplan aufnimmt, wird man folgerichtigerweise auch 
nur das eine oder das andere Fach als Prüfungsgegenstand ver¬ 
langen dürfen, oder es Hessen sich vielleicht beide Fächer zu¬ 
sammenziehen in den Prüfangsgegenstand: „allgemeine Biologie 44 , 
wobei abwechselnd der Zoologe und der Botaniker zu prüfen 
hätte. Das wäre eine sehr wünschenswerte Vereinfachung. — 
Ich habe nun ferner oben bereits die Frage berührt, ob nicht 
auch eine kurze Prüfung in der Philosophie (Logik und Er¬ 
kenntnistheorie) und Geschichte der Naturwissenschafteb zu ver¬ 
langen sei. Die Bedenken, die mau dagegen erheben wird, liegen 
vor allem in der Befürchtung, dass eine solche Prüfung zu 
spesialistisch ausfallen könnte und jeder Philosoph nur sein 
eigenes System oder das der Schule, zu der er gehört, anerkennen 
würde. Auch hängt nach meiner Meinung die Beantwortung der 
Frage mit davon ab, wie man in der Zukunft die Anforderungen 
für die Reifeprüfung an den höheren Schulen gestaltet. Wird in 
den obersten Klassen eine philosophische Propädeutik gründlich 
und in dem Sinne getrieben, dass die aus jeder Binzeiwissenschaft 
sich ergebenden allgemein - philosophischen Fragen behandelt 
werden und wird dies auch Profungsgegenstand, dann kann man wohl 
auf diese Prüfung in der ärztlichen Vorprüfung verzichten. Solange 
das nicht der Fall ist, würde ich es für dringend erwünscht 
halten, eine kurze philosophische Prüfung am Schlüsse der ärzt¬ 
lichen Vorprüfung vorzunehmen, wobei freilich die Prüfung in 
einem philosophischen Sonderfach auszuschHessen sein würde und 
sie mehr als Prüfung in allgemeiner Bildung, die man vom zu¬ 
künftigen Arzt mindestens ebenso verlangen muss wie vom Ober¬ 
lehrer, vorzunehmen wäre. — Sehr wünschenswert wäre es auch, 
in der naturwissenschaftlichen (1.) Vorprüfung aus der Geschichte 
der Naturwissenschaften zu prüfen; das brauchte aber nicht ein 
besonderer Prüfungsgegenstand zu sein, sondern könnte in 
Form einer Anweisung für die Prüfer in Physik, Chemie und 
allgemeiner Biologie festgelegt werden, dass sie sich davon zu 
überzeugen hätten, dass die Prüflinge auch mit den geschicht¬ 
lichen Unterlagen der betreffenden Wissenschaften sich vertraut 
gemacht haben. 

(Schluss folgt) 


Erwiderung 

auf die Arbeit von Herrn Prof. Dr. Raebiger in dieser Woohensohrift, 
1919, Nr. 88. 

Von 

Heleiefriderike Stolzier. 

Prof. Raebiger wendet sieh in seiner Arbeit (B. kl.W., 1919, 
Nr. 88) «Zur Kenntnis der Gift- und Nutzpilze“ gegen mein 
unter demselben Titel in d. Woehensohr. 1918, Nr. 41 veröffentlichtes 
Untersuchungsergebnis über den Panthersohwamm, das an einer Katze 
starke duroh den genannten Pilz erzeugte Vergiftungsersoheinungen fest¬ 
stellte, die deutlich den Stempel des Myzetismus oerebralis — Extremi¬ 
tätenlähmungen, Schwindel, tonisoh-klonische Krampfanfälle, furibunde 
Delirien usw. — trugen. Ohne auf die Eigenart dieses charakteristischen 
Symptomenkomplexes würdigend einzugehen, behauptet Raebiger, dass 
die Katze kein geeignetes Versuchstier sei und wahrscheinlich Sauer¬ 
kraut ebenso schlecht vertragen würde wie Pantherschwämme. Das 
wird in der populären Literatur sicher ausserordentlich zündend wirken, 
für die wissenschaftliche ist Raebiger einen beweisenden Versuch schuldig 
geblieben. Dass er mit Sauerkraut keine pathologischen Nervenzustände 
hervorrufen konnte, ist klar; nun hat er einen Katzen versuch aber über¬ 
haupt nicht gemacht. Dass Meerschweinchen, Schweine, Ziegen und 


Kaninchen nach Fütterung mit giftigen und giftigsten Pilsen gesund 
blieben, war namentlich-für die beiden letztgenannten Tierarten zu er¬ 
warten; denn Meyer und Gottlieb weisen in ihrer experimentellen 
Pharmakologie 1914 eigens darauf hin, dass Ziegen und Kaninchen gegen 
Atropin, also auch gegen Pilzatropin, giftfest, Katzen giftempfindlioh 
sind, was mein Versuch des weiteren bestätigte. Alle dem Mensohen 
bekömmlichen Pilzgeriohte vertrug mein Versuchstier, sie in der Hunger- 
periode 1917 gern aufnehmend, recht gut, so auch den Perlpils samt 
seiner Oberhaut, während es auf den Fliegenschwamm mit verhältnis¬ 
mässig geringen Störungen reagierte. Wenn nun Raebiger mit vielen 
anderen Pilzkennern die Erfahrung gemacht hat, dass der Panthersohwamm 
für den Mensohen ungiftig sei, andere ebenfalls vollwichtige Autoren das 
Gegenteil behaupten, so sei an Husemann’s 1 ) vermittelnde Bemerkung 
erinnert, dass der von ihm selbst als giftig angenommene Pilz in einigen 
Gegenden ungiftig sei. Raebiger und seine Gewährsleute entnahmen 
ihr Material vorwiegend der mitteldeutschen Ebene, ioh das meine der 
Kalkalpenzone Nordtirol’s. Hat übrigens der Pantherschwamm, wie Rae¬ 
biger betont, wenig bekannte giftige Doppelgänger, die selbst erfahrene 
Pilzkenner, zu denen ich mich rechne, täuschen könnten, so ist diesem 
Pils gegenüber jedenfalls grösste Vorsicht am Platze. Nach den vielen 
Unstimmigkeiten, die noch immer in der Literatur und unter prsktischen 
Pilzkennern herrschen, wäre es angezeigt, alle Publikationen mit guten 
Photographien oder kolorierten Bildern des bei den Untersuchungen 
verwandten Einzelexemplares zu versehen, um wenigstens Identitäts¬ 
zweifel zu vermeiden. 


Bacherbespreohungen. 

Roiber-Kepsch: Lehrbuch der Asatoaie. Abteilung 2: Knochen, 
Bänder. 11. Auflage. Leipzig 1919. 

Durch die ungünstigen Zeitverhältnisse: stetig steigende Löhne, 
Papiermangel, schlechte Beschaffenheit des Papiers, durch welche der 
Figurendruok leidet, ist auch so manohe wissenschaftliche Arbeit ver¬ 
zögert und verhindert. Die Lehrbüoher aber dürfen keinen Aufschub 
erloidon, da jährlich hunderte von neuen Studierenden danaoh verlangen, 
und besonders jetzt nach dem Kriege viele herandrängen. So ist auch 
der oben genannte Lehrbuchband wieder neu erschienen, und man wird 
ihn mit Befriedigung und Beruhigung durchgehen und sagen, es ist alles 
getan worden, was geschehen konnte, ja mehr als man erwartet hätte. 
Zwar ist das Papier ein anderes, und auf diesem anderen Papier haben 
die Figuren einen etwas veränderten, man möchte sagen missmutigen 
Ton, aber ihre Deutlichkeit hat dadurch nicht gelitten; der Textdruok 
ist von gleicher Klarheit wie früher. Wenden wir uns von diesem Ge¬ 
wände dem Inhalt zu, so bemerken wir manche Veränderungen und 
Bereicherungen. Hinzugekommen sind an Figuren 1, 6, 12, 15, 19, 28, 
117, 159, 201, 206, 216, 217, 327, 834, 339, 359, 374, 375, 382. Diese 
zahlreichen Abbildungen sind in der Ausführung und im Druck durch¬ 
aus den alten gleich. Im Text sind die Riohtungsbezeichnnngen kranial 
und kaudal, dorsal und ventral, medial und lateral strenger eingehalten. 
Neue Arbeiten sind, berücksichtigt und ihre Ergebnisse eingefügt; die 
von Baum über die Lymphgefässe des Knochens (S. 21), von Else 
über das Gaumehbein (S. 101), von Peter über die Nasenmuscheln 
(S. 120). Eine eingehendere Besprechung haben die Beokenmaasse ge¬ 
funden (S. 166—170). Herausgeber und Verleger waren also trotz der 
ungünstigen Zeitverhältnisse nicht müBsig. H. Virohow. 


Johannes Prescher und Viktor Rabs: Baktoriologisck-eheHisehes 
Praktika*. Die wichtigsten bakteriologischen und klinisoh-chemisohen 
Untersuchungsmethoden für Apotheker und Aerzte mit einer Auswahl 
nahrungsmittelchemisoher Arbeitsmethoden. 3. Aufl. Leipzig und 
Würzburg 1918. Verlag von Curt Kabitisch. 824 S., 4 Tafeln, 48 Text¬ 
abbildungen. Preis UM. 

Eine brauchbare Zusammenstellung der allerwiohtigsten Unter- 
suehungsmethoden, hauptsächlich wohl für den Apotheker berechnet. Die 
bakteriologischen Methoden scheinen mir öfter kürzer bedaoht zu sein 
als die chemischen. Die serologischen Methoden sind nioht ausreichend 
dargestellt, Wassermann-Reaktion fehlt ganz. Sehr brauchbar ist die 
Darstellung der chemischen Untersuchung der Nahrungsmittel. 

L. Michaelis. 


Holdstoii: Die Bekaadlaag, Fürsorge «ad Begatoehtaag der Hirnver- 
letatea. Zugleich ein Beitrag zur Verwendung psychologischer Me¬ 
thoden in der Klinik. 240 S. Leipzig 1919. Preis 20 M. 

Das Buch bringt die Ergebnisse der Arbeiten in dem Institut zur 
Erforschung der Folgeerscheinungen von Hirnverletzungen in Frank¬ 
furt a. M. Die in alle Einzelheiten eindringende Darstellung behandelt, 
die ärztliche Behandlung, die psychologisoh-pädagogische Behandlung: 
die Arbeitsbehandlung und die Begutachtung der Hirn verletzten hin¬ 
sichtlich der Dienstfähigkeit und der Erwerbsfähigkeit. Bei Besprechung 
der chirurgischen Behandlung warnt Verf. mit Recht vor der jetzt viel¬ 
fach geübten Knoohendeckung. Die experimentell-psychologischen Unter¬ 
suchungen: taohistoskopisohe Untersuchungen, ReaktionsTersuohe,Reohnen- 
bogenprüfung, Ergographenversuohe werden in ihrer Technik und in ihren 
Ergebnissen geschildert, ferner die Uebungsbehandlung bei den ein- 


1) Husemann, Pilzvergiftung, Handb. d. spez. Ther. d. Vergiftung. 


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1028 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


seinen (in erster Linie den aphasischen) Ausfallserscheinungen. Einsei¬ 
ergebnisse, Untersuohungsbogen, Formulare usw. werden mitgeteilt. 

Vieles, was in dem Buch ausgeführt wird, hat durch den Ausgang 
des Krieges und den Umsturs der Verhältnisse an Bedeutung yerloren. 
Nur das Notwendige, nicht das unter den günstigsten Bedingungen Er¬ 
reichbare kann noch angestrebt werden. Es ist nicht angängig, auf 
eine unsichere Hoffnung, auf einen praktisch belanglosen Erfolg einen 
Hirnverletzten lange Zeit in einem Spesiallazarett su behandeln. Das 
Buoh bietet andererseits soviel von dauerndem Wert, dass die Lektüre 
jedem, der mit Hirnyerletsten su tun hat und sich mit psychologischen 
Untersuchungen befasst, empfohlen wird. Henneberg. 


Llter&tur-AuszQge. 

Innere Medizin. 

K.Tuszewski-Beriin-Reiniokendorf: Ueber Vergifttilg Bit falschen 
Bittermaadelffl (Nitrobensol). (Ther. d. Gegenw., Sept 1919.) 8 Fälle 
yon Vergiftung mit Nitrobenzol, das betrügerischerweise unter dem 
Namen „Bittermandelessenz“ yon einem Strassenhäudler verkauft wurde. 
Die Patienten hatten 1—3 com getrunken. 2 Fälle Heilung, 1 Fall 
Exitus. Es kam zur Methämoglobinbildung, subikteriscben Verfärbung 
der Haut, Militumor, Ausscheidung von Urobilin im Urin. Atemnot 
fehlte fast völlig. Therapie bestand in der Vornahme eines Aderlasses 
mit Iofuaion von 1000 oom physiologischer Kochsalzlösung. Daneben 
Sauerstoff Inhalation. R. Fabian. 


Chirurgie. 

K. Mulley-Graz: Eine Modifikatisi der Plexusanästhesie (nach 
Kulenkampff) behufs Vermeidung einer Plenraverletssng. (Bruns’Beitr., 
1919, Bd. 114, H. 5, 59. kriegsohir. Heft.) Die bei den KulenkampfPschen 
Injektionen zuweilen eintretenden Anfälle von Atemnot, Erstickungs¬ 
gefühl, Brustschmerzen usw. sind als durch Pleura- und Lungenverletzungen 
entstanden anzusehen, während Phrenikuslähmungen, vor denen man bei 
keiner supraklavikulären Iojektion sicher ist, für den Pat. völlig be¬ 
schwerdelos verlaufen. Zur Vermeidung der Pleuraverletzungen sohlägt 
Verf, die Anästhesierung von einem Punkt vor, der etwa 8 Querfinger 
oberhalb der Klavikula und etwa Vz cm nach hinten von der Vena ju- 
gularis externa liegt. Der Einstichpunkt liegt dann in der Mitte der 
Spitze eines Dreiecks, dessen Basis von der Klavikula, dessen mediale 
Begrenzung von dem gespannten Sternokleidomastoideus und dessen la¬ 
terale Begrenzung von der Nackenmuskulatur gebildet wird. 

K. Vogeler - Kniersohied: Kriegserfahrungen über den Tetanie. 
(Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 114, H. 5, 59. kriegschir. Heft.) Dem Trauma 
(Operation, Eisenbahntransport usw.) kommt ein grosser Einfluss auf den 
Ausbruoh des Tetanus zu. Daher erklärt sich auch die anscheinende 
Differenz der Inkubationszeit in den einzelnen Fällen. Aus diesem 
Grund ist öftere Gabe der prophylaktischen Dosis vor Operationen, 
grösserem Verbandwechsel usw. (20 ccm in Abständen von 8—5 Tagen) 
am Platze. Die einzige ätiologische 'Behandlung ist die Serumtherapie 
(20 A.E. alle 5 Tage). Daneben weitgehende Anwendung des Magnesium¬ 
sulfats, das in chronischen Fällen intramuskulär (20proz. Lösung in 
12 Stunden 800 ccm), bei sohweren Krampfzuständen intravenös in 8 proz. 
Lösung (100—150 ccm mehrfach); ausserdem Chloral und Morphium. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

Renner: Zum Gasbrand der Gasphlegmone. (D.m.W., 1919, Nr. 86.) 
Mitteilung dreier Fälle, die zeigen, dass es für alle Eingriffe bei Gas¬ 
infektionen und schweren Eiterungen, bei denen nach Möglichkeit Blut¬ 
leere nötig ist, besser ist, diese durch Fingerdruck zu erreichen, um 
jede weitere Schädigung auszusohliessen, die das Weiterschreiten des 
Prozesses begünstigt. Dünner. 

Heddaeus: Ueber die Behandln* schwerer Eiteraugen mitStrepto- 
kokkenseram. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 114, H. 5, 59. kriegschir. Heft) 
Im Antistreptokokkenserum besitzen wir ein wirksames Mittel zur Be¬ 
kämpfung dor Streptokokken- und Staphylokokkeninfektionen. Es handelt 
sioh dabei nioht um eine spezifische Wirkung auf den Streptokokkus, 
sondern im wesentlichen um eine ReizwirkuDg auf die lymphatischen 
Organe und dadurch bedingter Anregung der Phagozytose. Kleine Dosen 
sind nur prophylaktisch anzuwenden; bei ausgeprägter Eiterung sind 
grosse Dosen am Platze nach Bedarf in mehrfacher Dosis. Die An¬ 
wendung (in 64 Fällen) erfolgte intramuskulär, intravenös und intra¬ 
arteriell, teilweise kombiniert. Die intravenöse Injektion scheint am 
wirksamsten su sein, dooh tritt ziemlich häufig dabei Anaphylaxie auf. 
Die intraarterielle Einspritzung kommt weniger in Betracht. Nur bei 
Erysipel zeigte sioh keine besondere Wirkung. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

Baisch-Heidelberg: Ueber die sogenante „Tarsalia“ und ihre Be¬ 
deutung für die Fnssverletzungen. (M.m.W., 1919, Nr. 88.) Es ist 
wichtig su wissen, dass bei einer Anzahl von Menschen akzessorische 
Tarsalia Vorkommen. Diese sind keine Sesambeine, wie meist bezeichnet, 
sondern echte inkonstante Skelettstücke. Das häufigste ist das Os tibiale 
externum, das eine direkte Fortsetzung der Tuberositas navicularis 
bildet, ein zweites ist das Os peroneum, das mit dem Kuboid in Ver¬ 
bindung steht. Röntgenologisoh treten sie deutlich hervor und werden 
bei Fussb68ohwerden öfters fälschlicherweise als Frakturen gedeutet. 

R. Neumann. 


J. Fuohs-Ettlingen: Der Sitsstoek bei doppelseitiger Oberschenkel- 
aapatatioa. (D.m.W., 1919, Nr. 86.) Beschreibung des Sitaetocks, der 
nach dem Prinzip des von Baeyer’sohen für einseitig Amputierte kon¬ 
struiert ist 

P. S u d e o k - Hamburg: Zur Sekaeatraasplaatatiea bei der Radialis- 
Uhaiaag. Die Ausschaltung der Wartezeit durch eine sohonsame Trans¬ 
plantationsmethode. (D.m.W., 1919, Nr. 87.) Demonstration im ärzt¬ 
lichen Verein in Hamburg am 18. Mai 1919. (Siehe Gesellsohaftsbericht 
der B.kl.W. Dünner. 

H. Küttner-Breslau: Beiträge zur Chirurgie der grossen • Blflt- 
gefftssstiuiBe. III. Die Freilegung der groaaea Arterienstämme am 
Aortenbogen, besonders al9 Notoperation mit einfachen Mitteln. (Bruns’ 
Beitr., 1919, Bd. 114, H. 5, 59. kriegschir. Heft.) K. beschreibt unter 
Beifügung anatomisch-topographischer Abbildungen die von ihm aus- 
gearbeitete Methode der Freilegung der grossen Arterienstämme am Aorten¬ 
bogen, die für die Operation des im Jugulum zutage tretenden rasch 
wachsenden oder zu Nachblutungen neigenden arteriellen oder arterio¬ 
venösen Hämatoms oder Aneurysmas bestimmt ist. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

B. Martin-Berlin: Ueber Fetttransplaatatioa bei traumatischer 
Epilepsie. (D.m.W., 1919, Nr. 87.) M. erklärt nach den Erfahrungen 
die Fetttransplantation zum Ersatz von Duradefekten und zur gleich¬ 
zeitigen Ausfüllung von Gehirn defekten für ungeeignet. Im besten Falle 
wird eine sehr langsam schrumpfende und feste Verbindung zwisohen 
Hirnrinde und Sohädeldaoh hergestellt. Dünner. 

P. Müller: Ueber die Verwendung des Brastheias zur Schädel- 
defektdeekung und ihre Erfolge. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 114, H. 5, 
59. kriegsohir. Heft) Empfehlung des Brustbeins als Entnahmestelle des 
Transplantats. Die Entnahme des Knochenstückes macht keine 
Schwierigkeiten, es lässt sich leicht bearbeiten und ist wegen seiner 
Weiohheit sehr anpassungsfähig. Einen weiteren Vorteil bildet das 
feste Anheften des Periosts. Eine Atrophie oder ein Weioherwerden des 
Transplantates wurde nioht beobachtet. Nähere Angabe der Technik. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

K. Rohde-Hannover: Sekundäre Pankreasnekrose mit grossem 
Blutergass in die Bauchhöhle. (D.m.W., 1919, Nr. 87.) Bei einem Pat 
mit Ileusersoheinungen, bei dem die Diagnose auf malignen Tumor ge¬ 
stellt wurde, fand sioh bei der Operation ein grosser Bluterguss und bei 
der Autopsie ein Magensarkom mit sekundärer Pankreasnekrose. 

Dünner. 

H. Küttner-Breslau: Das Cholesteatom der Harnwege. (Bruns’ 
Beitr., 1919, Bd. 114, H. 5, 59. kriegsohir. Heft.) Nach Mitteilung eines 
eigenes Falles von Cholesteatom des Nierenbeckens, der sich sehr sobnell 
nach einem Blasenschuss entwickelte und durch Exstirpation der Niere 
zur Heilung kam, gibt Verf. eine eingehende Besprechung der Aetiologie, 
der pathologischen Anatomie sowie der Klinik der Leukoplakien und 
Cholesteatombildung der Harnwege. W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

T. Hryntsohak: Ein Fall von Blasendivertikel und Prostata- 
hypertrophie einseitig operiert. (W.kl.W., 1919, Nr. 86.) Die mit¬ 
geteilte Krankengeschichte stellt den ersten Fall der Literatur dar, in 
welohem in einer Sitzung vom typischen Sectio alta-Schnitt aus die 
radikale Entfernung eines Divertikels und die Exstirpation von zwei 
mandelgrossan Prostataknoten erfolgreich in Lokalanästhesie durchgeführt 
wnrden. Zur Prostataanästhesierung wurde eine eigens konstruierte ge¬ 
bogene Pravazkanüle, welche, 12 cm lang, eine halbkreisförmige Krümmung 
hat und 1 cm hinter der Spitze ein angelötetes Metallplättchen zur Ver¬ 
hinderung eines allzu tiefen Eindringens ins Prostatagewebe trägt, ver¬ 
wandt. Die Harnblase wurde vor der Operation nicht mit Wasser ge¬ 
füllt, sondern es wurde in diese ein Metallkatheter eingeführt, aus dessen 
vorderen Ende eine kräftige Stahlfeder naoh Art einer Bellocq’sohen 
Röhre vorgeschoben werden kann, so dass der Blasensoheitel weit naoh 
vorn zwischen die auseinander gehaltenen Bauohdeckenwundränder her¬ 
vordrängt. _ Glaserfeld. 


Haut* und Geschlechtskrankheiten. 

E. Meirowsky-Cöln a. Rh.: Ueber dieEotstehung der sogenannten 
kongenitalen Missbildangen der Hart. (Arch. f. Denn. u. Syphilis, 
1919, Bd. 127, H. 1.) Im Keimplasma müssen die Grundbedingungen 
für die zukünftige Gestaltung des Hautorgans liegen. Jeder Baustein 
der Haut und jeder ihrer physiologischen Zustände, selbst der kleinsten 
Körperstelle, ist keimplasmatisch angelegt, und jede Veränderung dieser 
inneren Anlage muss zur Folge haben, dass die zugehörige Awsen- 
eigensohaft eine Abweichung vom normalen Bau der Haut zeigt. Diese 
Erkenntnis gibt den Schlüssel für den Modus der Nävusbildung. M. 
versteht unter einem Nävus eine Veränderung der Haut in toto oder an 
zirkumskripter, keimplasmatisoh angelegter Stelle, die sioh darin äussert, 
dass an der betreffenden Stelle infolge einer fehlerhaften Zusammensetzung 
der Gene des Keimplasmas Gewebssubstanzen oder Funktionszustände 
auftreten, die an sich ganz normal, aber für die betreffende Stelle ab¬ 
norm sind. Der systematisierte Nävus kommt alsdann dadurch zustande, 
dass innerhalb des Liniensystems ein für die betreffende Stelle abnormer 
Gewebsübersohuss oder Gewebsmangel oder Funktionszustand der Haut 
entsteht, also Veränderungen, deren letzte und tiefste Ursachen in der 
Zusammensetzung der Erbeinheiten des Keimplasmas liegen müssen. 
Die universellen Genodermatosen, wie Hypo- und Hypertrichosis, Iohthy- 
08 », Epidermolysis bullosa hereditär» und wahrscheinlich die Reckling- 


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27. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


10273 


hausen’sohe Krankheit sind ebenfalls als auf eine Veränderung des Keim- 
plasmas beruhend auf xufassen. 

P. Pin kos-Berlin: Die Pehl-Piieu’seke Marke an den Haarea 
beim akatea Haarausfall aaeh Grippe. (Denn. Zschr., August 1919.) 
Der Fieber-Haarausfall ist eine pathologische Mauserung. An den Haaren 
ist durch die Pohl-Pincus’scbe Marke: „Haarverdünnung, Aufhellung 
und Verlust des Haarmarkes“ die Zeit und Dauer der Grippeerkrankung 
au erkennen. Die Grundursache des Absterbens der Haare und nooh 
mehr des allgemeinen Neuwuchses ist nooh nicht gefunden. 

S. Ehrmann-Wien: Zur Frage der Livedo racemasa. (Denn. 
Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 95.) E. halt es für gans gut denkbar, dass 
aueh etwa irgend welobe durok toxische oder infektiöse Einflüsse erseugte 
Spasmen des Arteriennetaes hydrodynamisch gans ebenso wirken, wie 
eine anatomische Veränderung, und so die Livedo racemosa auch ohne 
syphilitische Endarteriitis entstehen kann. 

W. Freischmidt-Berlin: Ueber einen Fall von isoliertem Vor¬ 
kommen von Pktkiriu iigilsalis in den Zilien. (Denn. Wsohr., 1919, 
Bd. 69, Nr. 82.) Im Gegensatz xu der vielfach beschriebenen Wanderung 
der Phthirii aus der Schamgegend in andere behaarte Körperteile handelte 
es sich um das ausserordentlich seltene primäre Auftreten in den Zilien. 

R. Polland-Graz: Neue klinische Beiträge zur Klarstellung des 
Unterschiedes zwisohen Dermatosis dysmenorrhoiea, Herpes nenroticns 
uni Selbstbeschfidiguig. (Denn. Zschr., August 1919.) Die Dermatosis 
dysmenonhoica ist eine typische Hauterkrankung, welohe wahrscheinlich 
auf Störungen des inneren Stoffwechsels der Ovarien beruht. Ebenso 
gibt es einen einwandfreien „Herpes neurotious“, der stets auf ein be¬ 
stimmtes Nervengebiet beschränkt ist; im Gegensatz zu dem symmetrischen 
Auftreten der Dermatosis dysmenorrhoiea, was auf ihren hämatogenen 
Ursprung binweist. In allen Fällen des Verf.’s waren die Hauterscheinungen 
spontan aufgetreten und nicht artefiziell herbeigeführt worden. 

C. Gutmann - Wiesbaden: Zur Frage, der Dermatomykosen. (Derm. 
Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 85, 86 u. 37.) Am häufigsten wurde das 
Trichophyton oerebriforme gefunden, ihm zunächst, aber nur in einem 
Viertel der Fälle, das Trikosazeum. 

R. Ledermann-Berlin: Ueber dermatotherapeitiseke Ersatzpri- 
parate. (Derm. Zsohr., August 1919.) Besprechung der während des 
Krieges eingefübrten Ersatzpräparate und deren Brauchbarkeit. 

C. Langrock-Leipzig: Ueber den syphilitischen PrimKraffekt der 
Augenbraue. (Derm. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 36.) 

F. Fischl-Wien: Beitrag zur Lehre von „Syphilis mit Reiinng“. 
(Denn. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 37.) Ein typisches ständig rezidivierendes 
Analekzem wurde durch Röntgenbestrahlung zur Heilung gebracht. Bald 
darauf zeigten sioh an derselben Stelle bei dem vor 5 Jahren an Lues 
erkrankten Patienten breite Kondylome. 

J. Hell er-Charlottenburg: Die Stellung des Facharztes bei der 
Begutaehting der Nichtinftkuosititi eines Patienten zu dem Paragraphen 8 
(Geffthrdnngsparagraphen) des neuen Gesetzes zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten. (Derm. Zschr., August 1919.) H. hebt die 
Schwierigkeiten hervor, welohe der Facharzt haben wird, wenn er irgend 
eine Untersuohungsmethode unterlässt, und bezüglich des Unterschiedes 
der Konstatierung der Nichtinfektiosität im Hinblick auf die Heirats¬ 
erlaubnis und zum Zwecke des ausserehelichen Verkehrs. 

A. Alexander - Charlottenburg: Die Erkanknngen des Nervus 
oetavns im Frühstadium der Lues und die Beeinflussbarkeit des Nerven 
durch unsere kombinierten Hg-Salvarsanknren. (Derm. Wsohr., 1919, 
Bd. 69, Nr. 34.) Die systematisch durohgeführte Reihenuntersuchung 
von etwa 100 Fällen von primärer und frühsekundärer Lues vor Beginn 
der kombinierten Kur ergab, dass in eineip auffallend hohen Prozentsatz, 
ohne dass irgend welche subjektiven Symptomen bestände, der Nervus 
acustious spesifisoh erkrankt war. Die Hauptfrage, ob durch die kom¬ 
binierte Hg-Salvarsanbehandlung toxisch auf den Nervus 8 eingewirkt 
wird, konnte mit absoluter Sicherheit nicht beantwortet werden, dooh 
sprechen die Beobachtungen dafür, dass eine derartige Gefahr nicht be¬ 
steht.. 

L. Schweich-Trier: Kriegserfahmngen über Gonorrhoe. (Derm. 
Wschr., 1919, Bd, 69, Nr. 82, 38 u. 84 ; Statistische Mitteilungen über 
die Verbreitung der Gonorrhoe, ihre Dauer, Behandlung und Feststellung 
der Heilung, über prophylaktische Methoden und über provokatorische 
Einspritzungen. _ Immer wahr. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

B. Sohiok: Der Nährwertbedarf der stillenden Frau. (W.m.W., 
1919, Nr. 82.) Die Grösse der Milchproduktion hängt von der indi¬ 
viduellen Leistungsfähigkeit der Brustdrüse ab. Diese ist bei genügender 
Ernährung von Schwankungen der täglichen Nährwertzufuhr unabhängig. 
Wenn die individuelle Anlage fehlt, nützt reichliche Ernährung gar niohts, 
um die Milohproduktion zu steigern. Störungen im Befinden der Mutter 
(mit vorübergehender geringerer Ernährung) haben keinen Einfluss auf 
die Milohproduktion, ebensowenig der Wiedereintritt der Menstruation. 
Die Milohproduktion geht mit Verlust an Nährwert einher. Es ist zum 
Grandbedarf der stillenden Frau daher deV Nährzusohlag zu reohnen, 
der höher ist, als der Nährwert der gelieferten Milch entspricht. Bei 
der unterernährten Frau muss der Grandbedarf höher angesetzt werden. 
Der Grundbedarf einer stillenden Frau kann durchschnittlich mit 
2000 Kalorien angenommen werden. Bei 1000 g Milohproduktion müssen 


1000 Kalorien hinzugereohnet werden. Es ist nicht erforderlioh, besonders 
viel Eiweissstoffe susufahren, da die Frauenmilch relativ eiweissarm ist. 

G. Bisner. 


Augenheilkunde. 

W. Uhthoff-Breslau: Ein Fall von extrem hochgradigem para¬ 
lytischen Einwirtsschielen beider Augen und seine operative Behand¬ 
lung. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juli—August 1919, Bd. 63.) Das hoch¬ 
gradig paralytisohe Einwärtsschielen wurde im beschriebenen Falle sehr 
begünstigt durch die lange eiförmige Gestalt der hoohgradig myopischen 
Bulbi, welohe sioh gleichsam völlig querstellten. Ohne eine ausgiebige 
Rüoklagerung auch der oberen und unteren kontrakturierten geraden 
Augenmuskeln wäre eine Besserung nicht möglich gewesen. 

H. Davids - Munster: Leiden schielende Kinder unter Doppel¬ 
bildern? (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juli—August 1919, Bd. 63.) Die be¬ 
schriebenen Fälle zeigen, dass der Nachweis des Doppeltsehens auoh 
bei Kindern möglich ist, wenn genaue Nachforschungen und Beob¬ 
achtungen angestellt werden. Sie zeigen nioht nur, dass bei Kindern in 
der ersten Zeit der Entwicklung des Sohielens tatsächlich Doppeltsehen 
auftritt, sondern sie beweisen auoh, dass die Kinder die Doppelbilder 
störend empfinden und darunter leiden. F. Mendel. 

J. E. Dinger-Amsterdam: Die Tiefe der Korueoskleralriiie und 
die Emmetropisation. (Graefe’s Aroh., Bd. 100, H. 1 u. 2.) Die an- 
gestellten Messungen ergaben keinen deutlichen Zusammenhang zwisohen 
der Tiefe der Korneoskleralrinne und der Refraktion, also keinen Beweis 
für Straub’s Theorie der Emmetropisation. Dagegen zeigten sioh ge¬ 
wisse Beziehungen zwischen der Tiefe der Rinne und der Krümmung 
von Hornhaut und Lederhaut: je tiefer die Rinne, um so stärker die 
Krümmung der Kornea, um so schwächer die der Sklera. Also ist die 
Rinne tatsächlich ein Ausdruok des Unterschiedes der Krümmungsradien 
von Kornea und Sklera. Die Bedeutung freilich, die ihr die Straub’sohe 
Theorie für das Verständnis der Emmetropisation zulegt, besitzt sie 
wohl nioht. K. Steindorff. 

A. Eis oh nig-Prag: Ueber die Biutflrbiag der Koraca. (Klin. 
Mbl. f. Aughlk., Juli—August 1919, Bd. 68.) Die intensive sogenannte 
Blutfärbung der Kornea entsteht wohl durch die Kombination der an 
sich klinisch vielleicht kaum oder nioht bemerkbaren Hämoglobinfärbung 
mit den durch ihre zarte Färbung und durch ihr hohes Liohtbreohungs- 
vermögen wirkenden Körnohen, und als letztes Moment tritt wohl auoh 
die vom Verf. und von Kusama nachgewiesene Ablagerung von Blut- 
pigment in der Kornea hinzu. 

R. Salus-Prag: Zur Klinik und Pathogenese der Keratitis reden. 
(Klin. Mbl. f. Aughlk., Juli—August 1919, Bd. 63.) Der Fall bot die 
Möglichkeit, ein Ulcus corneae rodens von den allerersten Anfängen 
seiner Entwicklung za beobachten. 

A. Eyer-Giessen: Auffallende Heilung eines Uleas rodest eoraeae 
aaeh Gesichtserysipel. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juli—August 1919, Bd. 63.) 
Bisweilen kommen gans hartnäckige, hauptsächlich skrofulöse Hornhaut¬ 
erkrankungen durch ein interkurrentes Gesichtserysipel, das bei Skrofu¬ 
lösen von der Nase ausgehend ziemlich häufig ist, oder durch inter- 
karrente Anginen mit hoher Temperatursteigerung rasch zum Abheilen. 
Verf. erblickt bei derartigen Fällen in der Temperatursteigerang mit 
ihren charakteristischen Veränderungen den heilenden Faktor. 

H. Rönne-Kopenhagen: Astigmatismeabestimmingeu bei hohen 
Ametropien. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juli—August 1919, Bd. 68.) Für 
Referat nicht geeignet. 

M. Müller-Frankfurt a. M.: Xeroderma pigmentosa« and Angea- 
erkraakaagea. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juli—August 1919, Bd. 68.) Es 
handelt sioh bei dem epibulbären Tumor um einen Plattenepithelkrebs, 
dessen histologischer Bau als Aasgangsort das Korneaepithel bezeichnet. 

F. Mendel. 

Lederer: Die Beteiligung des Auges an dem Krankheitsbilde des 
Xeroderma pigmentosa«» (Graefe’s Aroh., Bd. 100, H. 1 n. 2.) Aus 46 
bisher veröffentlichten Fällen, von denen 2 neu sind, zeichnet L. ein 
Bild der klinischen Erscheinungsformen des X. p. am Auge. Zwischen 
dem Beginn der Erkrankung, der entweder in die früheste Jugend oder 
in die Zeit naoh Eintritt der Pubertät fällt, und dem ersten Auftreten 
von Augenerscheinungen liegen durchschnittlich 2—10 Jahre. Familiäre 
Verbreitung, die aber nie die Aszendenz betrifft, wird 17 mal angegeben. 
An subjektiven Augenbeschwerden finden sioh: Lichtscheu, Tränen¬ 
träufeln, Klagen über Sehstörung. Alle aus der Dermatologie be¬ 
kannten Erscheinungsformen des X. p. zeigen sioh auoh an der Lidhaut: 
rote und pigmentierte Flecke, Teleangiektasien, Narben, Atrophie, 
Warzen, Geschwülste, gesohwüriger Zerfall bis zum Verlust ganzer Lider. 
Am Lid und der Bindehaut stellt sioh eine mit Art und Grad der Er¬ 
krankung parallel gehende Beteiligung ein. In der Bindehaut kann es 
zu Schrumpfung event. mit gleichzeitiger Narbenbildung (bzw. Sym¬ 
blepharon) kommen. Die Lokalisation der krankhaften Veränderungen in 
der Kornea kann oberflächlich oder tief sein. Die oberflächlichen treten 
entweder als pannöses Gewebe auf oder als keine Herde, während die 
tief sitzenden als parenchymatöse Trübung oder als tiefsitzende Fleoke 
beschrieben werden. Im Limbus entstandene Tumoren können auf die 
Kbrnea übergreifen. Die Sklera ist nur selten an dem Krankheits¬ 
prozess beteiligt. In der Iris bleibt zunächst der Pupillarteil frei, 
während im Ziliarteil herdweise Pigmentvermehrung sioh zeigt, an die 
sioh Atrophie anschliesst, die zu Depigmentierung und Substanxver- 


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1028 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


^ armung fährt and sohliesslioh sa völligem Schwand der Iris fortsohreiten 
. kann. Es zeigt sich hier also das Wesen des X. p. wie in der Haut 
als eine mit Pigmentbildang einhergehende Atrophie. In einzelnen 
Fällen kam es za Darohwuoherung des Corpus ciliare, za Phthisis bulbi 
und za sekundären Bewegungsbeschränkangen. Entsprechend der Bös- 
artigkeit der Tumoren ist von der Therapie nicht viel zu erwarten. Die 
Lokalisation der krankhaften Veränderungen am Auge spricht für einen 
Einfluss des Sonnenliohts auf die Entstehung des X. p. 

K. Steindorff. 

E. Fuchs-Wien: Direkter oder indirekter SkleralriM? (Elin. Mbl. 
f. Aughik., Juli—August 1919, Bd. 68.) Es ist bisher kein Fall von 
Skleralriss an atypischer Stelle bekannt, wo unmittelbar Gewalteinwirkung 
auf die Rissstelle sicher ausgeschlossen werden kann, so dass ein solcher 
Riss als ein indirekter zu bezeichnen wäre. Eine Ausnahme machen 
nur die Fälle einer schon vor der Verletzung bestehenden umschriebenen 
Verminderung der Festigkeit der Sklera. F. Mendel. 

H. Weve-Rotterdam: Zur Physiologie des Liehtreflexes der Papille. 
(Graefe’s Arch., Bd. 100, H. lu.2.) Behr stellte eine Hypothese auf, dass iso¬ 
lierte Reizung der nasalen Netzhauthälfte nur direkte, isolierte Reizung 
der temporalen Netzhauthälfte ausschliesslich indirekte (konsensuelle) 
Papillen Verengerung hervorrafe. Er nimmt an, dass die in je einem 
Traktus vereinigten gekreuzten und ungekreuzten Pupillenfasern sich 
weiter zentral in einer totalen Kreuzung begegnen und dann in das 
gegenüberliegende Kerngebiet einstrahlen. Wäre dem so, so müsste 
die bemianopische Papillenreaktion eine physiologische Erscheinung 
sein, was aber nicht der Fall ist. Weitere Ein wände, die sioh gegen 
Behr’s Hypothese erheben lassen, veranlassten W. zu einer Nach¬ 
prüfung mit eigener Versuohsanordnung, und es ergab sich, dass die 
direkte und indirekte Reaktion für beide Netzhauthälften nahezu dieselbe 
und fast stets gleich gross ist, und dass nur ausnahmsweise die nasale 
Hälfte sowohl für indirekte wie auch für direkte Reaktion die tem¬ 
porale übertrifft K. Steindorff. 

0. Triebenstein-Rostook: Zur Frage der Vossiu’sehen Riig- 
trübllg. (Klin. Mbl. f. Aughik., Juli—August 1919, Bd. 63.) Die 
Vossius’schen Ringtrübung besteht aus korpuskularen Auflagerungen auf 
die vordere Linsenkapsel. Die Annahme Vogt’s, es handle sioh dabei 
um Pigment, besteht zu Recht. Vorbedingung zur Entstehung des 
Vossius’sohen Ringes oder richtiger der Scheibe ist intraokulare Druok- 
steigerung und Ausscheidung einer eiweissreioben, d. h. klebstoffhaltigen 
Flüssigkeit. F. Mendel. 

A. Vogt u. U. Lüs8i-Basel: Weitere Untersuchungen über das Relief 
der menschlichen Linsenkernoberfliche. (Graefe’s Arch., Bd. 100, 
H. 1 u. 2.) Die gegen die Rinde scharf abgesetzte Reliefbildung der 
Oberfläche des menschlichen Linsenkerns, wie sie sioh in der Gull- 
strand’schen Spaltlampe zeigt, ist gewöhnlich zwischen dem 40. und 
80. Lebensjahre nachweisbar. Auch die hintere Kernoberfläche zeigt 
ein solches Relief, ebenso die äussere Embryonalkernvorderfläche. Die 
Reliefbildung, deren Einzelheiten an der Hand von Abbildungen be¬ 
schrieben werden, beeinflusst weder die Durchsichtigkeit der Linse noch 
die Sehschärfe. Sie verhält sich in beiden Augen gleich und ist im 
40.>-60. Lebensjahre häufiger als im Alter, wo sie wohl öfter durch 
Katarakt verdeckt wird; mit zunehmendem Alter wird die Reliefbildung 
immer ausgeprägter. 

J. E. Dinger-Amsterdam: Der Eiifliss der Kopfhaltung aaf das 
Alge aad die Xyopiegeiese. (Graefe’s Arch., Bd. 100, H. 1 u. 2.) 
D. konstruierte einen eigenen Apparat und fand beim Stadium der Be¬ 
deutung der Augenmuskeln für die Stellung des Bulbus, dass er sioh 
beim Fixieren eines nahen Objekts nach vorn und etwas medial ver¬ 
schob. Diese Bewegung wird durch eine Protraktion der Mm. obliqui 
erklärt, die stärker ist als die Retraktion durch die Mm. recti; doch 
wirken beide Muskelgruppen nicht rein antagonistisch. Was den Ein¬ 
fluss des Augenlidapparats auf die Fixierung des Bulbas und der Orbita 
angeht, so zeigt sich bei aktivem weiten Oeffnen der Lider (auch in 
gebückter Stellung) ein Vorrüoken des Bulbus infolge Entspannung des 
M. orbioularis; beim Aufheben des Oberlids sinkt der Augapfel etwas 
naoh hinten. Durch Stauung der Halsgefässe erfolgte eine Verlagerung 
des Bulbus nach vorn, die bei Emmetropen und Hypermetropen durch¬ 
schnittlich 1,04 mm, bei Myopen 0,9 mm betrug; vermutlich besteht 
auch ein Zusammenhang zwischen der Grösse der Verschiebung und 
dem Abstand des höohsten Punktes der Kornea vor der Ebene des 
Augenhöhlenrandes. D. untersuchte weiter, ob in dem Stand des Bulbus 
bei verschiedener Refraktion ein Unterschied zu bemerken sei, und fand, 
dass der myopische Augapfel im Durchschnit um 0,5 mm weiter nach 
vorn liegt. Beim Bücken wird der kurzsichtige Augapfel weniger ver¬ 
lagert als es bei anderen Refraktionen der Fall ist. Augen mit grossem 
Volumen sinken durchschnittlich beim Büoken mehr hervor als solohe 
mit kleinem. Mehr nach vorn gelegene Bulbi werden in geringerem 
Grade beim Büoken nach vorn verschoben. Die Lageveränderung des 
Bulbus beim Büoken ist eine Wirkung der Schwerkraft und der Blut¬ 
stauung, wodurch die den Bulbus stützenden Muskeln nachgeben. Bei 
Stauung vermindert sioh die Refraktion, Druck des Augenlides verkürzt 
die Augenaohse. Aus seinen Befunden konstruiert D. eine Theorie 
darüber, wie die Haltung die Entstehung der Myopie verursacht. 

K. Steindorff. 

G. A. Hegner: Klinisohe Untersuchungen über die Dauererfolge 
der Glaikomtrepenatioi. (Klin. Mbl. f. Aughik., Juli—August 1919, 
Bd. 68.) Naoh den vorliegenden Beobachtungen meint Verf., dass die 


Trepanation gegenüber der einfachen lxidektomie, besonders hinsichtlich 
der leichteren Technik, vielleicht gewisse Vorteile bietet, dass sie aber 
im allgemeinen keine Erfolge zeitigt, welche die anderen Operations¬ 
methoden verdrängen oder ihr eine überragende Bedeutung sichern 
könnten. Es gibt allerdings Fälle, bei denen naoh einem gänzlichen 
Versagen aller anderen Methoden gerade die Präparation rettend wirken 
kann. Zweifellos bedeutet die Einlührung der Trepanation in die 
Therapie des Hydroophthalmus einen Gewinn und bietet von allen 
Glaukomarten hier vielleicht am meisten Aussicht auf einen traten Heil¬ 
erfolg. 

E. Ammann-Winterthur: Die Uafallfrage bei der Netskut- 
abllsing. (Klin. Mbl. f. Aughik., Juli-August 1919, Bd. 63.) Un¬ 
angefochten als Ursache blieb von Anfang an eine einmalige heftige 
Quetschung des Bulbus selbst. Als nioht gelöst erscheint die Unfall¬ 
frage: 1. bei leichten direkten Quetschungen des Bulbus; 2. bei Er¬ 
schütterungen des Kopfes durch Schlag oder Stoss gegen denselben; 
3. bei Erschütterungen des ganzen Körpers; 4. bei Entstehung nach 
Bücken, Heben von Lasten, Pressen der Bauchdecken und ähnlichem. 
Nach den Erfahrungen des Verf. sind solche Ablösungen nach Hyper¬ 
ämie des Kopfes in Mehrzahl vorgekommen, effektiv, nicht fingiert und 
konstruiert. Auch eine grössere Anzahl von Netzhautablösungen gibt es, 
die sicher im Anschluss an körperliche Anstrengungen aufgetreten sind. 

M. Homver: Ein Fall von Thrombose einer Vena vortieosa. (Klin. 
Mbl. f. Aughik., Juli—August 1919, Bd. 63.) Die Thrombophlebitis der 
Orbita veranlasst bisweilen eine Thrombose der Vordervenen. Im be¬ 
schriebenen Falle ist diese sicher nachgewiesen; in mehreren Fällen der 
Literatur ist sie wahrscheinlich. Sie kann Iridoohorioiditis, Panophthalmie 
usw. Vortäuschen. Die Möglichkeit, dass Sohwellung der Ziliarfortsätze 
den Verschluss des Kammerwinkels erzeugen und dadurch einen akuten 
Glaukomanfall auslösen kann, ist nicht ganz zu verneinen. 

G. Augstein-Bromberg: Einseitige Papilloretiiitis mit ausser- 
ordentlioh grosser Sternilgir nid Risgskoiom bei Sklerose. (Klin. 
Mbl. f. Aughik., Juli—August 1919, Bd. 63.) 21jährige Patientin. Für 
die Diagnose ist bemerkenswert, dass bei alleiniger geringlügiger Ver¬ 
änderung an der Pupille* der halbringförmige Ausfall im G. F. auf die 
Schwere der Erkrankung hinwies, ohne dass in der Makulagegend die 
geringste Abweichung von der Norm festsustellen war. F. Mendel. 

F. Best-Dresden: ZurThoorie der Hemianopsie nnd der höheren Seh¬ 
zentren. (Graefe’s Arch., Bd. 100, H. 1 u. 2.) Zunächst wendet Verf. 
sich gegen Igersheimer, der bei Sehnervenleiden stets Gesichtsfeld¬ 
aasfälle fand, die zum blinden Fleck in Beziehung standen; theoretisch 
sind sie nur für den Fall möglich, dass ein Herd an der Papille und 
dicht hinter ihr liegt. Was die Einstrahlung der peripheren Sehbahn 
in die Rinde der Kalkarina angeht, so ist die Kalkarina im wesentlichen 
nur das Zentrum der relativen binokularhn Lokalisation. Die Ver¬ 
schiedenheit des Ausfalls der einzelnen peripher vorgebildeten Seh¬ 
funktionen sprioht nioht gegen eine punkt- oder gruppenweise Zu¬ 
ordnung von Kalkarinaelementen zu denen der Retina. Gegenüber 
Poppelreuter nimmt B. den Standpunkt ein, dass die vertikale 
Trennungslinie bei Halbblindheit mit den physiologischen Längsmittel- 
absohnitten der Netzhäute übereinstimmt. Auch gegen die Anschauungen 
dieses Autors über Tiefenwahrnehmung wendet er sioh. Wilbrand's 
Lehre von der Doppelversorgung der Makula lehnt B. (wie schon früher) 
ab. Die Lage der Makula im hinteren Pol hält er für unsicher. Aus¬ 
führlich beweist B., dass die Kalkarinatätigkeit sich im wesentlichen auf 
die binokulare Bildvereinigung beschränkt, wobei er die Art und Weise 
erörtert, wie das Verhältnis der niederen zu den höheren optischen 
Funktionen sein mag. 

Zade: Periphere Rlngskotome. II. (Graefe’s Arch., Bd.100, H. 1 u.2.) 
Von den Fliegern hatten 92 pCt., von den im Abwehrdienst Beschäftigten 
45 pCt. Ringskotome, auch bei den sogenannten Störungssuchern der 
Telegraphen truppen wurden sie beobaohtet. Die Skotome liegen auf¬ 
fallend oft etwa 50° vom Fixierpunkt. Sie nehmon mit der Dauer des 
Dienstes zu und werden durch das Tragen gefärbter Schutzbrillen ver¬ 
mieden. Ueber ihr Zustandekommen ist Doch nichts Sicheres zu sagen. 

E. Seidel - Heidelberg: Experimentelle Untersuchungen über die 
Lage der Versorgungsgebiete der Nervenfasern des Sehnervenstammes 
in der Netzhaut des Menschen. (Graefe’s Aroh., Bd. 100, H. 1 u. 2.) 
Die Frage, ob die peripher im Sehnervenquersohnitt gelegenen Fasern 
die Netzhautperipherie versorgen und die axial gelegenen das Gebiet um 
die Papille, oder ob das Umgekehrte der Fall ist, suchte S. dadurch zu 
beantworten, dass er in einem sehtüchtigen, aber zur Enukleation be¬ 
stimmten Bulbus eine indirekte Leitungsunterbrechung duroh perineurale 
Novokaininjektion herbeiführte und das Gesichtsfeld naoh Bjerrum 
prüfte. Nach etwa 15 Minuten begann eine ungleichmässige periphere 
GesiohtsfelderaeDguDg, die nach 45 Min. den Höhepunkt erreichte und 
naoh 60 Min. vollkommen zurüokgegangen war. Das zentrale Gesichts¬ 
feld und die zentrale Sehschärfe blieben ganz intakt. Damit ist, 
wenigstens für das mittlere Drittel des orbitalen Sehnervenstamms, die 
Richtigkeit der Theorie von ühthoff - Wilbrand - Sänger bewiesen, 
dass die peripher im Optikusstamm verlaufenden Nervenfasern die Licht¬ 
empfindung der peripheren Netzhautbezirke zum Gehirn leiten. 

K. Steindorff. 

H. Hensen-Hamburg: Ueber Salvarsanwirkugen bei Irischen 
Aogenerkrankugen. (Klin. Mbl. f. Aughik., Juli—August 1919, Bd. 68.) 
Das Salvarsan ist ein brauchbares symptomatisches Heilmittel für eine 


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27. Oktober 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1029 


Reihe ton luetischen Augenerkiankungen. In Verbindung mit Hg ist 
m geeignet, die Dauer der Behandlung bei der Keratitis parenchymatöse 
e lue congenita abzukürzen. Sehr gut wirkt Salvarsan auf die luetische 
Iritis und Iridozyklitis besonders im Sekundärstadium. Bei der Behand¬ 
lung der Augenmuskellähmungen ist die Salvarsan Wirkung ebenso wie 
die des Quecksilbers unsicher. Bei der tabiscben Sehnervenerkrankung 
bringt die Salvarsanbebandlung keinen Nutzen, kann aber ebenso wie 
Hg in seltenen Fällen zum beschleunigten Verfall des Sehvermögens 
fuhren. Gegenüber dem Quecksilber hat das Salvarsan den Nachteil, 
dass es häufiger Erkrankungen der Hirnnerven in einem relativ frühen 
Stadium der Lues bewirkt. Bei Augenerkrankungen Im Sekundärstadium 
kann man unbedenklich mit Nutzen vom Salvarsan ausgiebigen Gebrauch 
machen. Spätlues behandelt man zweckmässig in erster Linie mit 
Quecksilber und Jod. Wenn diese nicht vertragen oder schnellere 
Wirkung erwünsoht wird, kommt Salvarsan in Frage. 

A. Raueiser Freiburg i. B : Ueber kOBBWnizierende extra- and 
iitrierhitale Dermoide (Zvcrohsaokdermoide der Orbita). (Klin. Mbl. 
f. Augblk., Juli—August 1919, Bd. 63.) Ausführliche Veröffentlichung 
von zwei Krankengeschichten. 

W.Rumbaur -Breslau: Ueber intraokalare Fremdkörper im Kriege. 
(Klin. Mbl. f. Augblk,, Juli—August 1919, Bd. 63.) Bei der Wirkung 
der intraokularen Fremdkörper im Kriege ist stets die Infektion am. 
meisten zu fürchten. Diese Gefahr ist beim Blei gegenüber den Fremd¬ 
körpern anderer Natur geringer. Ist der Fremdkörper aseptisch eip- 
gedrungen, so ist die Wirkung des Eisens und Kupfers am gefährlichsten. 
Die durch Geschosswirkung in das Auge gelangten Eisensplitter sind 
gefährlicher als die durch Unfall hineingelangten. Die Magnetextraktion 
war in über der Hälfte der Fälle von Erfolg gekrönt, vielfach noch Jahr 
und Tag qach der Verwundung. Das Kupfer ist imstande, eine charakte¬ 
ristische Linsentrübung hervorzurufen. Kleine Steinsplitter oder Sand¬ 
körner können unter Umständen besonders im vorderen Bulbusabschnitt 
gut vertragen werden. Sympathische Ophthalmie wurde nicht beobachtet. 

G. Tobias-Lichtenberg: Ein Fall von vierjährigem reaktionslosen 
Verweilen eines Nickel Knpfersplitters in der Retina. (Klin. Mbl. f. 
Augblk., Juli—August 1919, Bd. 68) Der Splitter ist von aussen, un¬ 
weit des Ganthus externus io der Flugriohtung von unten nasal ins 
Auge gespritzt. In den ersten Monaten befand sich an der vermutlichen 
Einschlagstelle duroh die Bulbushüllen die Andeutung einer feinen Ver¬ 
färbung in der Konjunktiva. 

W. Zimmermann-Breslau: Seltenere Fälle von Angtnkompli- 
katienen Bach Iaflaeaxa. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juli—August 1919, 
Bd. 63.) Eine für die Influenza typische Augenkomplikation ist noch 
nicht beobachtet worden. Die rezidivierende oder mit Rezidiven des 
Grundleidens einhergehende Neuritis optica in ihren verschiedenen Er¬ 
scheinungsformen kann vielleicht als eine der Influenza eigentümliche 
Erkrankung angesehen werden, doch sind noch weitere Beobachtungen 
in dieser Richtung notwendig. F. Mendel. 

E. Wölfflein: Klinische Untersuchungen über Halflflympathikaz- 
reiiBBg. (Graefe’s Arch., Bd. 100. H. 1 u. 2.) Die Symptome der Hals- 
sympathikusreiznng können vollständig zurüokgehen, bestehen bleiben 
oder in eine Lähmung übergehen. Ausnahmslos findet sich eine Er¬ 
weiterung der Pupille der entsprechenden Seite, fast immer Erweiterung 
der Lidspalte, während am wenigsten zuverlässig der Exophthalmus ist. 
Weitere Begleitsymptome sind: Veränderung der Bindehaut-, Netzhaut- 
und Aderhautgetässe, Tränenträufeln, Erhöhung des Binnendrucks des 
Auges, Emporsträuben der Kopfhaare der gereizten Seite, Druck- und 
Schmerzhaftigkeit des Ganglion cerv. supr. Die Frage, ob die Reizung des 
Halssympathikus Pigmentveränderungen hervorruft, ist noch ungekläit. 
DiC vaskulären Zeichen sind weniger konstant und klingen schneller ab 
als bei Sympathikuslähmung. Die Reizung kann peripheren wie zen¬ 
tralen Ursprungs sein, ausgehend von einem noch nicht näher be-. 
kannten subkortikalen Vasomotorenzentrum, von dem die Reize durch 
das verlängerte und das Halsmark nach segmentären Bezirken im Dorsal¬ 
mark ausstrahlen, von wo aus sie durch den Halssympathikus zum 
peripheren Endorgan ziehen. Ein solches Zentrum scheint im Hypo¬ 
thalamus zu liegen. Zentral ausgelöste Reize passieren dieses sub¬ 
kortikale Zentrum. K. Steindorff. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

W. Löwen fei d: Ueber Desinfektiongmethoden zur Bekämpfung 
der Bartflechte in Rasierstaben. (W.kl.W., 1919, Nr. 38.) Kochendes 
Wasser und heisse Sodalösung sind am wirkungsvollsten. Ihre An¬ 
wendung bei nur kurzer Wirkungsdauer wird sich überall dort empfehlen, 
wo nicht die Art des vet wendeten Materials es verbietet. Alle zu des¬ 
infizierenden Gegenstände sind erst mechanisch von Sohmutzteilen zu 
befreien. Als Desinfektionsflüssigkeit für Gegenstände, welche heisses 
Wasser oder Soda nicht vertragen, ist besonders 20 proz. Formalinlösung 
in halbstündiger Einwirkung zu empfehlen. Glaserfeld. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Aerstlicher Bezlrksvereln zu Zittau 1. Sa. 

Krankenhausabend vom 8.'Mai 1919. 

1. Hr. C. Klieneberger: Demonstration des CoHämoglobia-Spek- 
trams Bach Lenehtgasvergiftnng. 

Der 16jäbrige Vergiftete hatte aus Furoht vor Strafe einen Selbst¬ 
mordversuch (Oeffnen des Gashahoes in der Küche) unternommen und 
wurde bewusstlos aufgefunden. Die Vergiftang war nicht besonders 
schwer. Das Bewusstsein kehrte sehr rasch wieder zurück. Kopf¬ 
schmerzen, periphere Gefässveränderungen, Atem-, Herz- und Nieren- 
störungen fehlten. Bei schweren Fällen erfolgen gewöhnlioh Krämpfe 
epileptiformer Art, auf die man aus Verletzungen, insbesondere Zungen¬ 
biss rückschliessen kann. (Drei Beobachtungen in den letzten Monaten.) 

2. Hr. Wilisch: An der Hand von schulärztlichen Untersuchungen 
spricht sich Vortr. über das Verhältnis von Turnübungen tu! Turn¬ 
spielen sn der Hersfehlerdiagnose aus. Er ist der Ansicht, dass der 
Begriff „Herzfehler* ärztlicherseits vielfach missbraucht werde, namentlich 
in all den Fällen, wo niohts anderes als subjektive Empfindungen auf 
die Möglichkeit einer Herzerkrankang hinzuweisen scheinen. Als un¬ 
liebsame Folgen solcher Fehldiagnosen glaubt er die zahlreichen ärzt¬ 
lichen Atteste bezeichnen zu müssen, die den sogenannten „herzkranken* 
Kindern oft auf Jahre jede Turnübung verbieten und ihnen damit 
wichtige Momente entziehen, die ein Aequivalent gegenüber geistiger 
Anstrengung, wie sie die Schule erfordert, und ein Prophylaktikum 
gegen Neurasthenie einschliesslich Herzneurasthenie vorstellen. 

3. Hr. Moser: a) Vortr. stellte verschiedene Schwerverletzte vor, 
um sein möglichst konservatives Vorgehen zu zeigen. Bei einem 
schweren Fall von Fusszertrümmerung wurde Sprung- und Fersenbein 
nebst Teilen von Wirbel und Kahnbein erhalten, das Talokrualgelenk 
durch Einschlagen eines Nagels von der Fusssohle her versteift, die 
Achillessehne verlängert, der grosse Hautdefekt auf der Vorderseite des 
Talus und der Tibia durch einen Wanderlappen vom anderen Unter¬ 
schenkel gedeckt. Die Verletzte tritt auf normale Soblenhaut auf, kann 
ohne Prothese gut stehen und gehen, und hat duroh Erhalten der Ferse 
einen Stumpf, an dem der Schuh gut hält. 

Bei einer anderen Fusszertrümmerung wurde die Sägefläche der 
Tibia durch einen Wanderlappen gedeckt. 

Bei zwei schweren Hand Verletzungen mit Hautablösung rings um 
die Handgelenke waren auoh Wanderlappen zur Deckung benutvt. In 
dem einen Fall war ausserdem der Nerv, medianus, die meisten Beuge¬ 
sebnen und beide Unterarmknochen genäht. Es war gute Beweglichkeit 
des Unterarms, Hand und Finger bei vollständiger Supination und Pro¬ 
nation erreicht. 

b) Demonstration eines 65 cm langen resezierten Jejanimstfickes, 

das 8 haselnuss- bis walnussgrosse Divertikel enthält, die im Gekröse 
liegen, ein Meckel’sohes Divertikel von demselben Fall. Der 52jährige 
Mann hatte über 10 Jahre lang an Koliksohmerzen und Magenbescbwerden 
gelitten. Im Bereich der Divertikel waren die Lymphdrüsen leicht ge- 
sohwollen. 

4. Hr. C. Klieneberger: Niereaerkraakangen and ihre Be¬ 
nennung. 

Die Bright’sohen Untersuchungen und Beobachtungen (1827) schufen 
die Grandlage der Klinik der Nierenkrankheiten. Schon Bright er¬ 
fasste die Komplikationen durch Beteiligung des Herzens und der Ge- 
fässe. Schon B right unterschied in seinen anatomischen Feststellungen 
Beteiligung von Parenchym, Gefässsystem und Interstitium. In der* 
Folgezeit bis auf den heutigen Tag war man bemüht, nach ätio¬ 
logischen, anatomischen, funktionellen Gesichtspunkten die 
verschiedenen Bilder und Verlaufsstadien der „Nephritis* zu trennen. 
Es ist nicht möglioh, nach ätiologischen Gesichtspunkten eine be¬ 
friedigende Scheidung erfolgen zu lassen. Die gleichen Infektionen, 
die gleichen Gifte, dieselben äusseren Schädlichkeiten können oft ganz 
verschiedene Erkrankungen (Oedembildung, Hämaturie, blande Urin- 
veränderung) hervorrufen. Man muss freilich anerkennen, dass bestimmte 
Infektionen und bestimmte Gifte vielfach homologe Krankheitsbilder 
auslösen (Scharlacbfieber, Sublimatvergiftung usw.). Man hat lange die 
im Kriege beobachteten Nierenentzündungen als besondere Form der 
Nierenkrankheiten, als „Kriegsnephritis* auffassen wollen. Diese Auf¬ 
fassung ist nicht zutreffend. Vortr. bat im Kriege die7gleichen Nieren¬ 
erkrankungen wie im Frieden beobachtet, wenn auch zugegeben werden 
soll, dass im Kriege oft besonders viel Fälle mit Oedembereitsohaft 
beobachtet werden konnten. Auch der Verlauf der sogenannten Kriegs¬ 
nephritis ist nicht neu oder ungewöhnlich gewesen. Das Ungewöhnliche 
des Krieges war die aussergewöbnliohe Zunahme von auf die Nieren 
wirkenden Schädlichkeiten und die Möglichkeit, Nierenerkrankungen 
früher in klinische Beobachtungen zu nehmen, als es im Frieden ge¬ 
wöhnlioh der Fall ist. Dazu kam vielfach die Einstellung von ohronisoh 
Nierenkranken in die Truppe, ohne dass die Nierenkrankheit bekannt 
war. Die anatomische Auffassung der*Nierenentzündung als rein 
parenchymatöse Entzündung (Virchow, Wagner) wurde von Cohn- 
heim als nicht zutreffend erwiesen. Seitdem unterscheiden Anatomen 
und Kliniker besonders das Vorkommen sieht entzündlicher und ent¬ 
zündlicher Nieren Veränderungen. Mit den Komplikationen (Beteiligung 
der Gefässe, sekundär auftretende Nekrose, Entzündung usw.) setzen 
sich die verschiedenen Autoren verschieden auseinander (Lubarsoh, 


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1080 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


Bibbert, F. Hüller, Asohoff, Volhard-Fahr). Während Müller 
die nioht entzündlichen und Gefässveränderungen (Nephrose) den ent* 
sündliohen Veränderungen (Nephritis) gegenüberstellt, sohlägt Volhard 
eine Dreiteilung in Nephrose. Nephritis, Arteriosklerose vor. Die 
Müller’sohe and die Volhard’sche Lehre haben in der Klinik besondere 
Verbreitung und Anhängerschaft gefunden, während die rein anatomische 
Gliederung von Asohoff: Nephropathie und Nephrozirrhosis sioh nicht 
recht hat einbürgern können. Sohlayer hat auf Grund von Kaninchen* 
versuchen eine funktionelle Gliederung, tubuläre und vaskuläre Form der 
Nierenentzündungen aufgestellt. So interessant die Kaninchenversuche 
von Sohlayer sind, für den Menschen können sie eine Geltung nicht 
beanspruchen. Gerade Volhard hat nacbgewiesen, dass das Ergebnis 
der Prüfungen mit Koohsalz, Jodkali, Milchzucker usw. beim Menschen 
wenig übereinstimmt mit dem, was man nach den Tierversuchen er¬ 
warten musste (Versuche bei Nephrose, Nephritis). Uebrigens ist ja noch 
nioht einmal physiologisch die Funktion von Kanälchen und Glomerulus 
sicher erkannt und unterscheidbar. So wird z. B. von Koranyi als Ort 
derRochsalzausscheidung derGlomerulus angenommen,während Sohlayer 
sioh der verbreiteten Auffassung, dass diese Ausscheidung in den Ka* 
nälohen statt hat, anschliesst. Auch Prüfungen mit körperfremden oder 
quantitativ körperfremden Substanzen sind immer nur sehr bedingt ver¬ 
wertbar (Kreatinin*, Koohsalzbelastung). Funktionelles und anatomisches 
Verhalten übrigens brauchen gar nioht einander parallel zu verlaufen, 
wie das auoh sonst klinisch beobachtet werden kann. So kann schwere 
funktionelle Veränderung bei anatomisch anscheinend normalem Ver¬ 
halten vorliegen und umgekehrt 1 ). Da die gleiche Infektion Nephritis 
und Nephrose bervorrufen kann, da die einzelnen Formen der Nieren¬ 
krankheiten naoh Volhard durch die sehr früh auftretenden sekundären 
Prozesse ineinander übergehen können (Kombinationsform!) sind wir noch 
nioht in der Lage, scharf zu trennen. Wahrscheinlich hat stets eine 
diffuse Nierenscbädigung mit verschieden starker Beteiligung der ver¬ 
schiedenen Elemente statt. Bei der Benennung der Nierenerkrankungen 
wird gemeinhin zu wenig der Verlauf berücksichtigt. Die klinische 
Beobachtung müsste häufig jahrelang bzw. ein Leben lang fortgesetzt 
und später kontrolliert werden. Oft wird nur bei langer Beobachtung 
die Beteiligung des Organismus (Hers, Kreislanf, Stoffwechsel) geklärt. 
So kann die heutige Einteilung nooh nicht viel anders lauten als es bei 
Wagner und Senator der Fall war: akute, subakute, subobronisohe 
und ohronische Formen. Dabei müssen die Fragen der Schrumpfung, 
die Beteiligung von Herz und Gefässen (Blutdruck), der Sedimentbefund, 
die Eiweissaussoheidung usw. mit berücksichtigt werden. Für die Be¬ 
urteilung am Krankenbett übrigens genügt im allgemeinen eine einfache 
Methodik (Wasseraufnahme, Wasseraussoheidung,Konzentrationsleistungen, 
Verhalten bei Belastung durch Kochsalz, nach Kostveränderung, Be¬ 
wegung, Arbeit usw.). Die feineren Laboratoriumsergebnisse (der Blut- 
und Harnanalyse) sind oft recht erwünscht, aber gewöhnlich entbehrlich. 

_ C. Klieneberger. 


Naturhistorisch-medizinigcher Verein zu Heidelberg. 

Sitzung vom 18. Mai 1919. 

1. Hr. Veite«!liste: Ueber Epithelmetsplasie. 

Den Grund für die Uneinigkeit in allen Fragen, welche die nicht 
nur für die Biologie, sondern auch für den Praktiker und besonders für 
die Krebslehre sehr interessante Epitbelmetaplasie betreffen, sieht T. in 
dem Mangel eines zum Studium der Epithelmetaplasie geeigneten Materials 
beim Menschen. 

In einer bei der Ratte epidemisch auftretenden chronischen und 
mit ausgedehnter Bronchiektasenbildung einhergehenden, in einem be¬ 
stimmten Stadium stets mit Metaplasie verbundenen Bronchopneumonie 
fand er ein allen Anforderungen entsprechendes Untersuchungsobjekt. 
Naoh Demonstration einer lückenlosen Serie aller Phasen der Epithel- 
umwandlung vom normalen Flimmerepithelbelag bis zu epidermisartiger 
Auskleidung eines ganzen Lungenflügels weist T. auf die Ueberein- 
8timmung seiner Befunde von Bronchialepithel mit den von Sohridde 
in den späteren Stadien der Entwicklung des Oesophagusepithels beöb- 
aohteten hin. Da der Prozess der Epithelmetaplasie mit lebhafter Zell¬ 
teilung und Charakterumwandlung einhergehe, sei er recht eigentlich 
als EntwioklungsVorgang im fertigen Organismus zu bezeichnen. 
Dabei spielen die normalen, sioh lebhaft teilenden, also relativ in¬ 
differenten und daher noch umwandlungsfähigen Basalzellen des 
Bronohialepithels die grösste Rolle. 

Wie aus dem Vergleich mit der Entwicklung des Oesophagusepithels 
hervorgeht, ist die Bildung verhornenden Plattenepithels der Ausdruok 
einer Weiterentwicklung (Prosoplasie) und zwar in der Richtung 
der normalen (Oesophagus) Entwicklung: denn da auoh im Oesophagus 
in einer früheren Entwicklungsstufe vorübergehend Flimmer- (und 
Becher-) Epithel auftrete, könne man das normale Bronchialepithel, 
dessen erste Entwicklungsstufen ja mit denjenigen des Oesophagusepithels 
zusammenfallen, als ein auf dieser Stufe stehengebliebenes Speiseröhren- 
epithel auffassen. Bei der Metaplasie von Flimmerepithel in Faserepithel 
werde also nur nooh die letzte Etappe einer gesetzmässig vorgezeiohneten 
Entwicklungsstrecke zurüokgelegt. Das neugebildete Produkt sei also 
kein beliebiges, sondern bedeute das Ausspielen einer letzten, den Basal¬ 
zellen nooh innewohnenden Bildungsfähigkeit (Potenz) und sei daher das 

1) G. Klieneberger u. Ozenius, Urine und Urinsedimente, Queok- 
silbersohmierkuren, Salizyltherapie. 


einzig mögliche. Bef einem auf noch niederer Stufe stehengebliebenen 
Epithel seien natürlich mehrere Bildungsmöglichkeiten vorhanden; aber 
da die Richtung des Entwicklungsvorganges vorgezeiohnet ist, nicht be¬ 
liebige, sondern stets prosoplastisobe. ■ , 

Die an und für sioh unwahrscheinliche Lehre der indirekten Meta¬ 
plasie mit Eotdifferenzierung sei daher überflüssig. Ebenso die An¬ 
nahme anormal erweise, aus der Embryonalzeit in einem Stadium hoch¬ 
gradiger Indifferenz persistenter Zellen zur Erklärung der Faserepithel¬ 
bildung an Stelle von Flimmer-, Becher-, Drüsenepithel und von 
Stäbchensaum- und Sohleimbildung in Serosaepithelien. Beide bedienen 
sioh Hilfshypothesen, für welche keinerlei Anhaltspunkte erbracht und 
welche bei unvoreingenommener Berücksichtigung der von T. demon¬ 
strierten Befunde gar nioht benötigt werden. 

1. Jede Epithelmetaplasie 1 ) erscheint demnaoh als Prosoi- 
plasie, d. h. als die ortsangehörige Fortsetzung oderZuende* 
führung eines an dieser Stelle unter normalen Umständen 
nioht zum letztmögliohen Abschluss "gelangten Entwiok* 
längs geschehene, 

II. Die Fähigkeit qur Epithelmetaplasie liegt in d.an 
(normalentwickelten) Basalzellen gewisser physiologisoher- 
weise auf einer relativ frühen Entwicklungstufe verharren¬ 
den Epithele. (Selbstberiobt) 

2. Hr. Grafe: Beiträge «zr Keaatais der Reaktiea des Orgaalnaas 
auf Veräaderaagea der Nahraagszafahr. 

Naoh Besprechung des im Kriege gewonnenen Tatsachenmaterials, 
welohes für eine Anpassungsfähigkeit des gesunden Menschen für starke 
Unterernährung spricht, berichtet G. über neue Versuche an Hunden 
zur Frage der Luxuskonsumption, die in Gemeinschaft mit Eokstein ist 
den Jahren 1911—1918 angestellt wurden. 

In der ersten Versuchsreihe von 52 Tagen wurde nach einleitender 
Hungerperiode fortlaufend der Einfluss einer etwa dreifachen Ueber¬ 
ernährung mit einer an Kohlehydrat sehr reichen und an Eiweiss relativ 
armen Kost, bestehend aus kondensierter Milch, Reis und kleinen Fleisch¬ 
mengen, auf Gewicht und respiratorischen Gas Wechsel untersucht. Es 
zeigte sich, dass entsprechend früheren Beobachtungen am Menschen 
nach anfänglichem Absinken bei zunehmender Dauer der Ueberernährung 
die Verbrennungen langsam Anstiegen, so dass zur Zeit der grössten 
Reparatur des im Hunger verlorengegangenen Gewebes 8pCt., zum 
Schluss jedoch 87,4 pCt. des NahrangsübersohuBses verbrannt wurden. 
Die Nachwirkung der Ueberernährung erstreckte sich weit bis in die ab¬ 
schliessende Hungerperiode hinein. 

Die weiteren Versuchsreihen beschäftigten sich mit der Frage nach 
der Ursache für das Zustandekommen der gewaltigen zunehmenden 
Steigerungen der Verbrennungen nach überreichlicher Nahrungszufuhr. 
Zu dem Zweoke wurden einem Hunde, bei dem früher eine Luxus¬ 
konsumption festgestellt war, die Ovarien exstirpiert; der Versuch dauerte 
160 Tage. Das Resultat war, dass zwar ein Absinken des Nüchtern¬ 
stoffwechsels um 28pCt. eintrat, dass aber eine nennenswerte Abnahme 
der sekundär-spezifisch-dynamischen Steigerung nach 2—8 faoher Ueber* 
ernährung nicht zu erkennen war. Dagegen kam es im Gegensatz zum 
Verhalten vor der Operation zu einem kleinen Gewiohtsanstieg. 

Einen entscheidenden Einfluss übt auf das Zustandekommen dek 
Luxuskonsumption anscheinend die Schilddrüse aus, denn in einer dritten 
Versuchsreihe von 261 und 58 Tagen fiel nach “Exstirpation der Thyreo¬ 
idea die vorher deutlich vorhandene Luxuskonsumption fort. Die Wirkung 
wird durch nachfolgende Exstirpation der Ovarien anscheinend nooh 
weiter verstärkt und tritt am stärksten erst einige Monate nach der Ex¬ 
stirpation der Thyreoidea hervor. Die Ansätze an Körpergewicht und 
Stickstoff waren gewaltig. 

Somit muss angenommen werden, dass die Thyreoidea nicht nur 
bei der Intensität der Verbrennungen im Nüohternzustand eine grosse 
Rolle spielt, sondern auch beim Zustandekommen der primären und vor 
allen Dingen der sekundären spesifisoh-dynamischen Steigerung durch 
überreichliche Nahrungszufuhr. 

8. Hr. Seidel: Ueber die Aitbreitug der Optiknsfasern in der 
Retina. Vortr. injizierte einem Patienten, dem wegen Aderhautsarkome 
das Auge enukleiert werden sollte, Novokain in der Tiefe der Orbita 
perineural um den N. opticus und konnte alsbald eine konzentrische 
periphere Einengung des Gesichtsfeldes feststellen, die naoh einigen 
Stunden wieder versofiwand. Dadurch ist bewiesen, dass die peripheren 
Optikusfasern auch in der Retina peripher liegen, die zentralen Seh¬ 
nervenfasern in der Mitte, eine Ansicht, die von Uhthoff vertreten, 
aber anatomisch nioht bewiesen werden konnte. 


Sitzung vom 27. Mai 1919. 

1. Hr. Fleischmain demonstriert 2 Fälle jiveniler Paralyse (19 und 
28 Jahre alt) und bespricht das Krankheitsbild. 

2. Hr. A. Sack: Vergleichend Anatomisches über die Genese and 

Strnktnr des Penis nnd des Os priapi. (Ausführlicher Berioht über 
eine vergleichend-anatomische Arbeit, die Vortr. vor 88 Jahren unter 
Fürbringer gemacht, aber nooh nioht veröffentlicht hat. Eignet sioh 
nioht zum kurzen Referat.) V. Hoffmann-Heidelberg. 


1) Gemeint sind die besprochenen Formen derselben beim er¬ 
wachsenen Säuger. 


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27. Oktober 1912. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1081 


Atrxttleker Verein in Hamburg. 

Sitzung tod 27. Hai 1919. 

/>r 1. Hr. Miller demonstriert eine Reibe Ton Rüitgeiplatten ivr 
Lekalisatloi Fremdkörpern nach versebiedenen Methöden. 

*' 3. Hr. Jakob demonstriert Mikrophotogramme eines Falles von 
Rflekeimarksenehftttermng. Es handelt sich um eine Sohussverletzung, 
die su fast fülliger Querschnittsaffektion des Rüokenmarks ge¬ 
führt batte, obwohl nur der linke Querfortsats des 13. Brustwirbels leioht 
lädiert, der Wirbelkanal selbst aber Töllig intakt geblieben war. 
Mikroskopisch fanden sich im Sakral- und Lumbalmark verwasohene 
Marksoheidenzeiohnung, Lüokenfelderbildung an der Grense zwischen 
Grau und Weise, Marohischollen, Rörnchensellen, progressiT veränderte 
Gliaiellen, Quellung der Markscheiden und Aohsenzylinder, sohwere 
Gangliensellyeränderung, bindegewebige Verdiokung der Pia, Hin» 
oinwuohein der Glia in die Pia, Lüokenfelderbildung in den hinteren 
Wurzeln, sekundäre ansteigende Degeneration. Die Befunde bestätigen 
die experimentellen des Vortr. 

8. Hr. Kämmeil stellt einen Pat. yor, dem er 1918 die karzinomatöse 
Prostata mit gutem Dauererfolg exstirpiert hat. Namentlich die auf 
dem Boden der Prostatahypertrophie entstandenen Karzinome geben bei 
Frühoperation günstige Heilungschanoen. Die Diagnose stützt sich auf 
die relativ akute Entwicklung, die harte Konsistenz des Organs und die 
Schmerzhaftigkeit. Des weiteren zeigt Vortr. einen Pat., dem er die 
hypertrophische Prostata entfernt hat, in einem Stadium, in dem A 
= 0,64, Pat dicht vor der Urämie stand. In solchen Fällen muss un¬ 
bedingt zweiseitig operiert werden; zunächst wird eine BlaBenfistel durch 
Sectio alta angelegt und Pat. mit Spülungen behandelt, bis A normal 
ist Dann folgt unter Lokal- und Sakraianästbesie die Entfernung der 
Drüse. 8 derartige Fälle bat Vortr. so operiert, die nach seiner 
Ueberzeugung bei einzeitiger Operation unfehlbar zngrunde gegangen 
wären. 

4. Hr. None zeigt einige von 13 Pat mit Grippeenzephalitis, die 
er in letzter Zeit beobachtet hat. Ein Fall verlief als Landry’sche 
Paralyse und ging in> Heilung über. Bei fast allen bestanden Hirn¬ 
nervenlähmungen, am häufigsten Augenmuskel- und Fazialislähmungen 
(doppelseitig), sehr oft Sohluckstörungen, nie Sensibilitätsstöruogen oder 
JSxtremitätenlähmungen, wohl aber starre Spannungen derselben, die zu¬ 
sammen mit dem duroh doppelseitige VH-Läbmung bedingten masken¬ 
haften Gesichtsausdruok grosse Aehnliobkeit mit Paralysis agitans ber- 
vorrufen. Reflexe waren normal. Starke Schlafsucht („Enoephalitis 
lethargica“) stand oft im Vordergrund und Hess in einem Fall zunächst 
an Hysterie denken. Oft war starke Prostration, Masies, 8 mal sohwerer 
Dekubitus vorhanden. Der Liquor zeigte keinerlei krankhaften Befund, 
Fieber bestand nur selten. 1 Fall bot das Bild reiner zerebellarer 
Ataxie. 3 Fälle kamen bisher ad exitum. Vortr. macht darauf auf¬ 
merksam, dass bei Obduktionen mehrfach in Fällen, bei denen starke Schlaf¬ 
sucht bestanden hatte, die stärksten Veränderungen in den Stamm- 
ganghen gefunden wurden, was gut zu Trömmer’s Tüeorie von dem dort 
gelegenen Schlafzentrum passen würde. 

5. Hr. E. Fraenkel zeigte 3 Präparate von Milznptur hei Typhus 
abdominalis. In beiden Fällen, die junge Männer betrafen, hatte ein 
breiter querer Riss in der Milskapsel zu einer gewaltigen intraabdomi¬ 
nellen Blutung geführt. Das Ereignis ist äusserst selten. Ueber seine 
Ursachen ist nooh nichts bekannt. Mikroskopisch fand sioh im ersten Fall 
in der frisch fixierten Milz eine ungewöhnlich grosse Anzahl von Typhus¬ 
bazillen, wie man sie sonst nur am bebrüteten Organ findet. Vielleicht 
ist hierauf der Befund einer grossen Anzahl bis an die Kapsel beran- 
reiohender Nekroseherde surücksuführen, die wahrscheinlich zu einer 
Schwächung der Widerstandsfähigkeit der Kapsel geführt haben, so dass 
diese der Schwellung nachgab. Im zweiten Fall fand sich in der Nähe 
der Oberfläche eine auffallende Kernarmut des Gewebes und ebenfalls 
sehr zahlreiche Bazillen. Klinisoh muss an Milzrupttur gedacht werden, 
wenn bei Abwesenheit von Darmblutungen rasoh auffallende Blässe auf- 
tritt. Mit Rüoksioht auf die Gefahr der Ruptur soll die Palpation der 
Typhusmilz sehr vorsichtig erfolgen, eine Punktion auf alle Fälle unter¬ 
bleiben. 

6) Hr. Kühler: Ueber Kriegsamenorrkee. 

Vortr. batte Gelegenheit in 4 Fällen von Kriegsamenorrhoe gelegentlich 
aus anderweitigen Gründen vorgenommener Operationen Probeexzisionen 
aus dem Ovarium zu machen. Bei der mikroskopischen Untersuchung 
der Gewebsstüoke fand er z. T. kleinzystische Degeneration, Verminderung 
der Primordialfollikel mit Degenerationserscheinungen, Fehlen von Graaf- 
sohen Follikeln und Goipora lutea, Verminderung, Verengung und hyaline 
Degeneration der Gefässe. Die Amenorrhoe hatte 9 Wochen bis l*/s J*hre 
bestanden. Die als Ursache der Kriegsamenorrhoe oft angegebenen Mo¬ 
mente wie psyohisoher Ghok, Ueberarbeitung, sexuelle Abstinenz spielen 
naoh seinen Erfahrungen keine Rolle. Auch die Unterernährung als 
solche kann nioht schuld sein, da die Erscheinung auch bei Frauen ge¬ 
funden wird, bei denen von einer solchen nioht die Rede sein kann. 
Vortr. stimmtvielmehrFischer zu, der in der mit dem stark ausgemahlenen 
Mehl erfolgenden chronischen Darreichung geringer Mutterkornmengen die 
Ursache der Kriegsamenorrhoe erblieokt. Da Kob ert unter den Symptomen 
der Mutterkornvergiftung hyaline Degeneration der Gefässe anführt, so 
führt Vortr. die Gefässveränderungen in den Ovarien hierauf zurüok. Die 
Affektion ist nioht leioht zu nehmen, sonst wird ein grosser Prozentsatz 
steriler Frauen zu erwarten sein. Therapeutisch hat Vortr. gute Erfolge 


mit Tohimbin gehabt, das vermutlich die Sekalewirkung koupiert und den 
Ovarien Blut zuführt, aber nur, wenn die Amenorrhoe nioht länger als 
Vs Jahr gedauert hatte, und nur, solange das Mittel gereiobt wurde. 

7. Bespreehng der Vorträge der Herren Raspel, Fahr, Feigl «ad 
Kühler Aber Ernlhrnngsfragen. 

Hr. Kestner: Die grossen Eiweissverluste, wie sie im Kriüg erfolgen, 
können nur duroh Einsohmelzung von Organsellen Zustandekommen, wo¬ 
bei eine bestimmte Reihenfolge statthat, indem die weniger lebens¬ 
wichtigen Organe zuerst betroffen werden. Das ist vielleicht der Grund 
für die Ovarialveränderungen. Möglicherweise werden auoh die «Seiten¬ 
ketten“ eher abgebaut als die die eigentliehe Funktion bedingenden Teile 
der Zelle, was die geringere Widerstandsfähigkeit, gegenüber Infektions¬ 
krankheiten erklären würde. 

Hr. Wolff; Die Heilstättenärzte waren sioh gerade vor dem Krieg 
einig geworden, dass mit der Ueberernährung, ja, mit der Milobkost bei 
Tuberkulösen gebrooben werden müsse. Die guten Erfolge, die bei 
einem grossen Teil der Fälle auoh im Kriege erzielt wurden, bestätigen 
diese Ansicht. Nur die Unverständigen, die schlechten Esser, die, die 
«alles nicht vertragen können“, die sich über das mangelhafte Essen 
aufregen, hatten geringeren Erfolg. Hält man die Patienten an, regel¬ 
mässig und wahllos zu essen, so genügt für sie die Kriegskost. 

Hr. Liohtwitz teilt Gewichtszahlen aus dem Altonaer Krankenhaus 
mit, die zeigen, dass bei Männern der Gewichtsverlust 1917 durch¬ 
schnittlich 9,5 pCt., bei Frauen 6,5 pCt. betrug, dass dagegen im Jahre 
1918 wieder eine leiohte Hebung der Gewichte erfolgte. L. hat duroh- 
gesetzt, dass im Altonaer Krankenhaus die Kost kalorisch auf den Wert 
der Friedenskost gebracht wurde, sodass nur nooh qualitative Abweichungen 
von dieser bestehen. Hierbei wurden durchschnittlich 8,1 g N aus¬ 
geschieden, ein Wert, der eine nur wenig unter der Norm bleibende Ei¬ 
weissresorption dartut. F. Wohlwi 11 -Hamburg. 


Ludwig Brieger f. 

Am 19. d. M. ist naoh längerem Leiden Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. Ludwig Brieger entsohlafen, dem wir erst vor kurzem zu 
seinem 70. Geburtstag einen herzlichen Glüokwunsob xurufen 
durften. Wir haben damals der hohen Verdienste gedacht, die 
sich der Verstorbene auf dem Gebiete der physiologischen und 
pathologischen Chemie, der Serum- und Immunitätsforschung und 
in den letzten Jahren seines Lebens auch um die wissenschaftliche 
Begründung und den praktischen Ausbau der physikalischen Heil¬ 
methoden erworben hat — heut geben wir der Trauer um den 
Verlust des geistvollen und immer tätigen Forschers Ausdruck. 
Eine eingehendere Würdigang seiner Leistungen bleibt besonderem 
Nachruf Vorbehalten. P. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In der Sitzung der Berliner medizinischen Ge¬ 
sellschaft vom 33. Oktober 1919 hielt Herr Fritz Munk den an¬ 
gekündigten Vortrag: «Die arterielle Hypertonie und die Hershyper- 
trophie als Krankheitabegriff" (Aussprache: die Herren Strauss, Plehn, 
G. Zuelser, Max Rosenberg, Hans Rosenberg). Die weitere Aus- 
spraohe wird vertagt. 

— Am 15. Oktober fand aus Anlass der Tagung der Lupuskommission 
eine ausserordentliche Sitzung der Berliner Dermatologischen 
Gesellschaft in der Universitätsklinik für Hautkrankheiten statt. Naoh 
einleitenden Worten des Vorsitzenden Herrn 0. Rosenthal stellte Herr 
R. Ledermann einen Fall von universellem Lichen ruber planus mit 
besonderer Beteiligung des Gesiohts und einen Fall von narbiger Er¬ 
krankung der Kopfhaut zur Diagnose vor (Diskussion: Herr E. Hoff¬ 
mann -Bonn). Herr Heller demonstrierte einen Fall von syphilitischer 
Fazialislähmung und einen Fall von Lupus vulgaris der Kopfhaut (Dis¬ 
kussion: Herren Jadassohn-Breslau, E. Hoff mann, Saalfeld, Arndt, 
Heller). Herr B lasch ko demonstrierte einen Fall von Epidermolysis 
acquisita (Diskussion: Herren Jadassohn, O.Rosenthal, Blasohko). 
Aus der Universitätsklinik für Hautkrankheiten stellten Herr Löhe 
einen Fall von Lepra, Herr Seder vier Fälle von Pemphigus, Frau Dr. 
Kaufmann einen Fall von Urtioaria pigmentosa, einen Fall von Lupus 
pernio, einen Fall zur Diagnose u. a. vor (Diskussion: Herren Jadas¬ 
sohn, Delbanco, Arndt, E. Hoffmann). Herr Jaffö zeigte einen 
Fall von Lupuskarzinom und einen Fall von Rots (Diskussion: Herren 
Arndt und Heller). Zum Schluss sprach Herr E. Hoffmann: Ueber 
eine besondere Funktion der Haut. Eine gemütliche Zusammenkunft 
mit den auswärtigen Gästen beschloss diesen interessanten und lehr¬ 
reichen Abend. 

— Die Deutsohe Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge- 
sohleohtskrankheiten hielt am 18. d. M. unter A. Blaschko’s um¬ 
sichtiger Leitung ihre Hauptversammlung ab. Aus seinen Worten sowie 
aus dem vom Generalsekretär Prof. Pinous erstatteten Jahresbericht 
ergab sioh erneut, in wie sohreokenerregender Weise unsere Volksgesund- 


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UNIVERSUM OF IOWA 







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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43 


heit darob die Ereignisse der letzten Monate bedroht ist, und in welchem 
Maasse namentlich die überstürzte Demobilisation und das ungeordnete 
Zurüokfluten der Heeresmassen die Heimat gelährdet — leider auob, 
wie sohweren Schaden die zuchtlose Lebensführung weiter Bevölkerungs- 
sohiohten andauernd herbeitührt. Die Aufgaben der Gesellschaft sind 
daher wichtiger, aber auoh schwieriger als je zuvor — .es wird unaus¬ 
gesetzter Arbeit bedürfen, um einigermaassen diesen Schädigungen zu 
steuern. Dass die Ortsgruppen niobt minder wie die Zentrale sioh der 
Grösse ihrer Aufgabe bewusst sind, war aus allen Mitteilungen zu ent¬ 
nehmen; hoffentlich werden auoh die von Herrn San.-Rat Block- 
Hannover in eingehenderer Darstellung begründeten Vorschläge zur 
Regelung der Prostitution und zur Vorbeugung der venerischen Er¬ 
krankungen in ihren Hauptzügen zur Durchführung gelangen und dann 
sioher grossen Nutzen stiften! Im Rahmen dieser Tagung wurde auch 
die grosse Aasstellung im Landesausstellungspark eröffnet, um deren 
Zustandekommen sioh die Gesellschaft im Verein mit dem National- 
Hygiene-Muaeum in Dresden verdient gemacht hat. Der Oberbürger¬ 
meister von Dresden, Herr Dr. Bühl er, der preussische Minister für 
Volkswohlfahrt, Herr Stegerwald, Herr Blaschko, Herr Stadt¬ 
medizinalrat Weber und der sächsische Gesandte Herr Dr. Koch legten 
in eindringlichen Worten die Bedeutung dieser Ausstellung dar; sie ent¬ 
hält in der Tat alles, was sioh auf die Geschlechtskrankheiten bezieht, 
in mustergültiger Darstellung — Tabellen, Bilder, Moulagen — und in so 
reicher Fülle und so anschaulicher Anordnung, dass auch den Aerzten 
der Besuch nicht dringend genug empfohlen werden kann. 

— Der 36. Balneologen-Kongress wird im März 1920 in Berlin 
tagen. Anmeldungen zu Vorträgen und Demonstrationen sind bald- 
gefälligst an den Generalsekretär Geh. Sanitätsrat Dr. Brook in Berlin 
NW, Thomasiusstr. 24, zu richten. 

— Zufolge einer Anregung des Reichsausschusses für das ärzt¬ 
liche Fortbildungswesen in Berlin sollen mit Rücksicht auf die 
ungeheure Ausbreitung der Tuberkulose im November d. J. kurzfristige 
Kurse für bremische Aerzte auf dem Gebiet der Tuberkulose in Bremen 
veranstaltet werden, ln Aussicht genommen sind folgende Vorträge: 
1. Tag 13. Nov. 1919; Bakteriologie und pathologische Anatomie der 
Tuberkulose (Prof. Dr. Meyer und Prof. Dr. Bor mann; 2. Tag 
(10. Nov. 1919) Physikalische und spezifische Diagnostik der Tuberkulose 
(Dr. K. Stoeveaandt, Prof. Dr. Sohelble); 3. Tag (17. Nov. 1919) 
Hygienisoh-diätetisohe, spezifische und chirurgische Behandlung der 
Tuberkulose, Pneumothorax-Therapie (Prof. Dr. Stoevesandt, Prof. 
Dr. Jacob, ProL Dr. Sattler, Prof. Dr.Strube); 4. Tag(24.Nov. 1919) 
Soziale Bedeutung und Bekämpfung der Tuberkulose (Prof. Dr. Tjaden, 
Dr. Stade). Die Vorträge finden um 7 Uhr abends im Hörsaale des 
Pathologischen Instituts der Krankenanstalt, Bremen, Am schwarzen 
Meer Nr. 134/135, statt. Die Teilnahme ist unentgeltlich. Für aus¬ 
wärtige Teilnehmer wird eine Beihilfe zu den Reise- und Aufenthalts¬ 
kosten beantragt werden. Wegen einer Wiederholung der Kurse für die 
Aerzte aus der zu Oldenburg und der Provinz Hannover gehörigen wei¬ 
teren Umgebung Bremens ist mit den Vorständen der zuständigen 
Landesversioherungsanstalten in Verbindung getreten. Anfragen an 
den Geschäftsführer des Gesundheitsrats, Bremen, Schlüsselkorb 1. 

— .Am 1. November dieses Jahres begeht Herr Stabsarzt a. D. 
Dr. Wolzendorf in Wiesbaden seinen 80. Geburtstag. Er ist Verf. 
eines «Handbuches der klinischen Chirurgie“, das zu seiner Zeit ein viel 
gebrauchtes Buch, drei Auflagen erlebte. Ferner stammt von ihm eine 
kleine interessante Monographie «Die Medizin der Bibel (Christus als 
Arzt)“. In den letzten Jahren hat sioh Wolzendorf fast ausschliess¬ 
lich medizinisch-historischen Studien gewidmet, deren Ergebnisse er in 
den wissenschaftlichen Sitzungen des Vereins der Aerzte Wiesbadens mit 
bewunderungswürdiger Frische deB Geistes bis in die jüngste Zeit hinein 
vorträgt. 

— Dr. phil. Hans Stoof wurde zum planmässigen Mitglied der 
Landesanstalt für Wasserhygiene in Berlin-Dahlem ernannt. 

— Nachdem die baulichen Veränderungen und technischen Arbeiten 
des Lazarettes Schloss Charlottenburg beendet waren, fand am 
15. Oktober J919 unter Leitung von Stabsarzt Dr. Bohm eine Besich¬ 
tigung statt, zu der der Reichspräsident Ebert, Reichswehrminister 
Noske, Oberst Reinhardt und Generalarzt Schultzen und Vertreter 
verschiedener Ministerien erschienen waren. 

— Die sozialdemokratische Fraktion der Neuköllner Stadtverordneten¬ 
versammlung will beantragen, die Errichtung von städtischen 
Apotheken in Neukölln in die Wege zu leiten. Das Berliner Polizei¬ 
präsidium als Genehmigungabehörde für neue Apotheken soll duroh den 
Magistrat ersucht werden, bis zur gesetzlichen Regelung der Apotheken¬ 
frage und der Kommunalisierung der Apotheken keine neuen Apotheken¬ 
konzessionen an Private zu verleihen. 

— Die Studentenvertretung der Berliner Universität legten Protest 
ein gegen die Erhöhung der Auditorien-, Praktikanten- und In¬ 
stitutsgebühren um 100 v.H. 

— Der bisherige Assistent an der Univ.-Poliklinik für Haut- und 
Geschlechtskrankheiten zu Würzburg Dr. Riohard Neuendorff ist 
zum Polizeiarzt in Halle a. S. ernannt worden. 


— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reich (5. bis 
U.X.)14. Kleckfieber: Deutsches Reich (5.—ll.X.)l. Deutsch- 
Österreich (14.—20. IX.) 4. Genickstarre: Preußen (28. IX. bis 
4. X.) 5 u. 8 f. Spinale Kinderlähmung: Sohweiz(21.—27. IX.) 5. 
Ruhr: Preussen (28. IX.—-4. X.) 1342 u. 155 f. Mehr als ein Zehntel 
aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Krupp in Gera, Regensburg, 
Wilhelmshaven; Keuchhusten in Tilsit, Würzburg; Typhus in Rheydt. 

(Veröff. d. Reiohs-Ges.-Amts.) 

Ho oh sch ul nach richten. 

Berlin. Der Privatdozent für Physiologie Prof. Nicolai wurde 
zum ao. Professor ernannt. — Frankfurt a. M.: Habilitiert: San.-Rat 
Dr. Hanauer für soziale Medizin. — Göttingeii: Habilitiert für 
Chirurgie Dr. W. v. Gaza mit einer Probevorlesung über „Stoff Wechsel- 
Vorgänge im Wundgewebe“. — Jena: ao. Prof. Eden ist aus dem 
Lehrkörper ausgesohieden und siedelt mit Geheimrat Lexer an die 
Freiburger chirurgische Klinik über. — München: Der ao. Professor 
für Gynäkologie Amann ist gestorben. — Rostock: Dem Privatdosenten 
für Geburtshilfe und Gynäkologie Dr. R. Schröder ist der Titel Pro¬ 
fessor verliehen. — Stuttgart: Habilitiert an der technischen Hoch¬ 
schule: Geh. San.-Rat Dr. Fauser, Direktor der Kranken- und Irreu¬ 
abteilung des Bürgerhospitals, für Serologie. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Auszeichnungen: Prädikat „Professor“: Dozent d. Akademie f. 

prakt. Medizin in Düsseldorf Dr. G. Molineus. 

Ernennungen: Kreisarzt Dr. A. Ostermann in Osohersleben z. Reg.- 
u. Med.-Rat unter Ueberweis. an die Regierung in Magdeburg; Kreis¬ 
arzt Dr. 0. Zi 11 essen in Trier s. Reg.- u. Med.-Rat unter Ueberweis. 
an die dortige Regierung; Institutsassistent Dr. 0. Sohiemann in 
Berlin z. Wissenschattl. Mitglieds bei d. lost. f. Infekt-Krankheiten 
„Rob. Koch“ in Berlin; Stadtassist-Arzt Dr. A. Ruckert in Ahrweiler 
z. Kreisassist-Arzt in Cochem unter Beauftragung mit d. Verwalt, d. 
dortigen Kreisarztstelle; St. A. a. D. Dr. K. Todt in Dortmund z. 
Kreisassist-Arzt daselbst unter Ueberweis. an d. Kreisarzt d. Landkr. 
Dortmund. 

Versetzungen: Kreisarzt Dr. Deokner von Cosel nach Neustadt O.-S. 
Versetzungen in den Ruhestand: Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. 
K. Koeppe in Zell; Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. A. Krau in Schweidnitz; 
Kreisarzt Med.-Rat Dr. Bruno Kuehn in Ratibor. 
Niederlassungen: Dr F. He ber 1mg m Benneckenstein (Kr. Grafsch. 
Hohenstein), Dr. A. Roedel in Göttingen, Dr. G. G log er in Gemünden 
a. d. Wohra (Kr. Frankenberg), Dr. Hertha Schulz in Hanau, H. 
Heiermann in Fritzlar, Dr. F. fluyeng in Adenau, Dr. P. Lind- 
paintner in Koblenz, Dr. F. A. Salomo in Mayen, K. Gerner in 
Braunfels (Kr. Wetzlar), Dr. J. Kuckes, Dr. Paul Arens, Dr. 
A. Kleebank, W. Spier u. W. Sporrenberg in Düsseldorf, Dr. 
Arthur Bär u. Dr. E. Eick in Essen (Ruhr), Dr. W. Ernestus, 
Dr. Georg Heinrioh, Dr. M. Wild u. H. Empting in Elberfeld, 
Dr. Bruno Klein u. Dr. F. Berk in Cölu, Dr. W. Marie in Cöln- 
Kalk, Dr. A. Gissinger in Euskirchen, Dr. K. Beckey in Zülpich, 
Aug. Müller in Rösrath b. Hoffoungsthal (Kr. Mülheim a. Rh.), Dr. 
J. Amuser in Speicher (Kr. Bitburg), Dr. Heinr. Reich in Neun- 
kirohen (Kr. Ottweiler), Dr. Karl Jansen in Jünkerath (Kr. Prüm), 
Dr. Herrn. Krause in Sigmaringen. 

Verzogen: Dr. B. Noltenius von Bremen nach Nebel a. £.mrum, 
Dr. Johs. Grote von Osnabrück nach Westerland a. Sylt, Dr. A. 
Biermann von Steinhorst nach Mollhagen (Kr. Stormarn), Dr. 
Charlotte Schütz geb. Besch von Königsberg naoh Kiel, Dr. J. 
Wortmann, von Hamburg nach Altona, Dr. Walter Jaoobi 
von Altona nach Jena, Dr. E. Wöbbecke von Linden und Dr. Kurt 
Fromm von Koblenz nach Hannover, Dr. Martin Klehmet von 
Greifswald naoh Heidehaus (Kr. Neustadt a. Rgb.), Dr. H. Wessling 
von Hildesheim nach Northeim, Dr. Th. Baumeister von Bochum 
naoh Velen (Kr. Borken), Dr. J. Boving von Velen nach Bochum, Dr. G. 
Klages von Wilhelmshaven nach Bad OeynhauseD, W. Restemeyer 
von Dortmund u. Dr. F. Benkwitz von Strassburg i. Eis. naoh Bielefeld, 
Dr. Th. Robbers von Wesel naoh Rietberg i. W. (Kr. Wiedenbrück), 
Dr. Karl Georg von Cassel nach Paderborn, J. Piokenbaoh von 
Merxhausen naoh Jena, Dr. W. H oh mann von BeriiD naoh Neukirohen 
(Kr. Ziegenhain), Dr. F. Benzei von Gemünden a. d. Wohra nach 
Mainz, Dr. F. Bema von Berlin nach Wiesbaden, E. Bonelmann 
von Berlin nach Ehringshausen (Kr. Wetzlar), Dr. A. Spreen k von 
Solingen, Dr. J. Züll von Bonn u. 0. Schubens von Gelsenkirchen 
naoh Barmen, Dr. E. Lind von Aplerbeck nach Düsseldorf, Dr. H. 
Stammen von Bonn u. Dr. J. Feld von München nach Crefeld. 
Praxis aufgegeben: Dr. Otto Lange in Essen (Ruhr). 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: M. lmmisoh von 
Merxhausen, Dr. Philipp Schultz von Frankfurt a. M., Dr. Friedr. 
Jul. Laohmann von Cöln-Mülheim. 

Gestorben: Dr. 0. Cleve in Düsseldorf, Dr. David Simon in Cöln- 
Mülheim, San.-Rat Dr. M. Dederiohs in Jünkerath (Kr. Prüm). 


Für di» Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Ham Rohn, Berlin W., Bayrenthar itr.42. 


Verlag und Eigentum von August Hiraohw&ld in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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Gck igle 


Original frnm 

UNIVERSITÄT OF IOWA 




Dl» Berliner EltnUoh© Wo<jhen»«hrlft erooh»lnt jeden 
Montag In Nnmmern »bn etw» 3—6 Bosen gr. 4. — 
Prei« vierteljährlich 10 Mark. Beateilangen nehmen 
eile Baehbendlnngen and Postanitalten an. 


BERLINER 


Alle fibmendnngen für die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei aa v die Terlagabaohhandlnnf 
Angnet Hirsehwald, Berlin NW., Unter den Linden 
adressieren. 


KLINISCHE WCHENSCHEIET. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Mei-R&t Prof. Dr. G. Posner und Prot Dr. Haas Kehn. 


Montag, den 3. November 1919. 


Jl* 44. 


Sechsimdfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origiialien: Barth: Ernst Küster zum 80. Geburtstage. S. 1033. 

Forsohbaoh: Zur B&diotherapie der Erythrozythämfe. (Aus der 
medizinischen Klinik der Universität und der medizinischen Ab¬ 
teilung B des AHerheiligenbospitals in Breslau.) S. 1034. 

Hesse: Zur Färbung der Guarnieri'sehen Körperchen. (Aus der 
bakteriologischen Abteilung des Reichsgesundheitsamts.) S. 1035. 

Weil: Ueber Nierenfuuktionsuntersuohungen bei diabetischen und 
postdiabetischen Nierenerkrankungen. (Aus der inneren Abteilung 
des Krankenhauses der jüdischen Gemeinde zu Berlin.) S. 1037. 

Kornitzer: Zur Kenntnis der Pleuratumoren: Leiomyom der linken, 
Eadotheliom der rechten Pleura. (Aus der Prosektur des Garnison- 
apitales Nr. 1 in Wien.) (Illustr.) S. 1039. 

Simons: Malaria-Erfahrungen und kritische Studien über den Uni- 
tarismus. (Aus der medizinischen Klinik der Düsseldorfer Akademie 
iür praktische Medizin.) (Schluss.) (Uiustr.) S. 1041. 


ALT. 

Lubarsoh: Zur Neaordnung des ärztlichen Unterriohts und Prüfungs- 
wesens. (Schluss.) S. 1044. 

B&ckerbespreehsngen: Hackenbruoh: Die Behandlung der Knoohen- 
brüohe mit Distraktionsklammern. (Ref. Karl.) S. 1047. — von 
der Reis: Die Geschichte der Hydrotherapie von Hahn bis Priess- 
nitz. (Ref. Laqueur.) S. 1048. — Goetze: Wasserversorgung. S. 1048. 
Kruse: Die hygienische Untersuchung und Beurteilung des Trink- 
wassera. (Ref. Heymann.) S. 1048. 

Literatur- Aissttge: Physiologie. S. 1048. — Pharmakologie. S. 1049. — 
Therapie. S. 1049. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie. S. 1050. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1050. — Innere 
Medizin. S. 1050. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1051. 

Verhaadlnagei festlicher Gesellschaften: Physiologische Gesell¬ 
schaft zu Berlin. S. 1052. — Berliner otologisohe Gesell¬ 
schaft. S. 1053. — Freiburger med. Gesellschaft. S. 1054. 

Tagesgesobiohtl. Notizen. S. 1055. — Amtl. Mitteilungen. S. 1056. 


Ernst Küster zum 80 . Geburtstage. 

Am 2. November vollendet unser Altmeister der Chirurgie Ernst Küster sein 80. Lebensjahr, herzlieh verehrt von seinen 
zahlreichen Freunden und Schülern, von denen viele, wie Schreiber dieser Zeilen, aus ihrer Assistentemeit ein Freundschaftsband 
mit ihm verbindet. Wie eine deutsche Eiche, zäh und charakterfest, steht er uns älteren ans der Zeit seiner Schaffenskraft in der 
Erinnerung, and so steht er auch heute noch in seinem Greisenalter vor uns, den Stürmen der Zeit trotzend. Sahen wir ihn doch 
noch jüngst im feldgrauen Rock in den Heimatlazaretten tätig, mit seiner reichen Erfahrung die jüngeren unserer Zunft beratend. 

In den Kreisen- der deutschen Gesellschaft für Chirurgie, deren Vorsitzender er 19u3 war, ist Küster von Anbeginn bis 
in die. letzten Tagungen eine der hervorstechenden und sympathischsten Erscheinungen gewesen, and weit darüber hinaus erfreute er 
sieh in ärztlichen Kreisen namentlich Berlins — aus der Zeit seines hiesigen Wirkens — der grössten Beliebtheit. Sein gerades, 
männliches Wesen und seine natürliche Liebenswürdigkeit trugen hierzu ebenso bei wie seine hervorragenden Leistungen als Chirurg. 

Bezeichnend für Küster ist sein Werdegang. Nach nur 2 jähriger Assistentenzeit bei Wilms in Bethanien erhielt er 1871 
die damals noch recht kleine chirurgische Abteilung des Augusta-Hospitals in Berlin. Aber ans dieser bescheidenen Stellung nahm 
er und mit ihm das Hospital einen schnellen Aufstieg. Unter seiner und Senators Leitung wuchs sich'das unscheinbare Hospital 
zu einem angesehenen und beliebten Krankenbause aus, das fortgesetzt erweitert werden musste, am dem Zustrom der Kranken aus 
Stadt und Provinz zu genügen. Küster’s Ruf als Cnirurg verbreitete sich weithin, and der kleine Operationssaal des Augusta- 
Hospitals wurde ein Treffpunkt von Aerzten aller Nationen. Man bewanderte seine vorzügliche Technik and erfreute sich an den 
selbständigen Ideen, die er bei der Ausführung von Operationen hatte. Auch der Erfahrene konnte daran lernen. Dabei war 
Küster Din guter Beobachter und verstand sein Material wissenschaftlich zu verwerten, wovon zahlreiche Veröffentlichungen ans 
jener Zeit Zeugnis ablegen. Am bekanntesten davon sind seine Verdienste um die Radikaloperation des Brustkrebses. Küster’s 
Anregung verdanken wir die systematische Ausräumung der Achselhöhle bei diesem Leiden unter methodischer Schonung des den 
M. lat.dorsalis inaervierenden Subskapularnerven (von den Chirurgen seitdem kurzweg als Küster’scher Nerv bezeichnet), nnd unter seiner 
Leitung entstand die wertvolle Arbeit seines Schülers L. Heidenhain über die Verbreitung des Brustkrebses in dem Lymphbahnnetz 
der Pektoralfaszie. Die Radikaloperation des Brustkrebses machte mit der sich hieraus ergebenden Forderung der^Fortnahme des 
M. pectoralis ihren bedeutendsten und segensreichsten Fortschritt. 

Auch als Lehrer erfreute sich Küster in Berlin, wo er sich habilitierte and 1879 ao. Professor geworden war, einer grossen 
Beliebtheit. Seine diagnostischen Kurse im Augusta Hospital waren stark frequentiert. 

Aber erst spät, als 50 Jähriger, erhielt er 1890 einen Ruf als klinischer Lehrer nach Marburg. Ohne Schwanken and freudig 
nahm er denselben an, trotzdem er eine glänzende Stellung aufgab ond geradezu kümmerliche Verhältnisse in Marburg vorfand. Ihn 
lockte die^ Lehrtätigkeit und die Aussicht, sich in der kleinen ruhigen Stadt wissenschaftlich sammeln zu können, and ihn lockte 
die Aufgabe, mit dem jämmerlichen Zustande der Marburger Klinik aufzuräumen npd etwas Neues zu schaffen. Gerade das, was 
andere in seinen Jahren abgeschreckt hätte, zog ihn an. Steckt doch in diesem kerndeutschen Mann ein gnt Teil Kampfnatur, für 
ihn waren Schwierigkeiten nur dazu da, um überwunden zu werden. So verdankt ihm Marbopg die schöne chirurgische Klinik, die 
1895 eröffnet wurde and dem Unterricht ausserordentlich .förderlich war. Mit berechtigtem Stolz konnte er dieselbe seinem Naohfolger 
übergeben, als er 1907 sein Amt niederlegte, am sich nach Charlottenburg zurückzaziehen. — In Marburg vollendete er seine Nieren- 
Chirurgie, die 1902 als Teilband der „Deutschen Chirurgie" erschien und zu den besten Liefernngen dieses grossen Sammelwerkes gehört. 

Ernst Küster darf heute auf ein Leben zurückblicken, das reich an Arbeit and grossen Erfolgen war. Möge der verdiente 
Mann die Frende daran noch recht lange gemessen. Arthur Barth-Danzig. 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 





1034 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44 


Aus der Medizinischen Klinik der Universität und, der 
Medizinischen Abteilung B des Allerheiligenhospitals, 
in Breslau. 

Zur Radiotherapie der Erythrozythämie. 

Von 

Prof. Femhkaek. 

ln der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur 
habe ich in der Sitzung vom Mai 1919einen Fall von Erythro- 
zythämie vorgestellt, der durch Röntgenbestrahlungen einen auf¬ 
fallend langdauernden Heilerfolg aufweist. Bei der Wichtigkeit 
des Gegenstandes sei das kurze Referat in folgendem mit aus¬ 
führlichen Daten belegt. 

61 jähriger Mann, ln der Jugend bereits auffallende Gesichtsröte* 
Seit 1912 wegen Schmerzen im Epigastrium, taumeligen Gefühls und 
Blutandranges nach dem Kopfe in Behandlung der Medizinischen Poli¬ 
klinik getreten. Im Mai 1912 lautet der Befund: Blaurote Färbung der 
Gesiohtshaut; leichte periphere Arteriosklerose; Milz- und Lebertumor; 
Blutdruck 165; Erythrozyten 6 000 000. Diagnose: Erythrozythaemia 
rubra der hypertonischen Form. 

Bis Juli 1916 allmähliche Verschlimmerung. Pat. kann zeitweise 
infolge des Sohwindelgefühls nur mit Begleitung gehen. Erythrozyten 
schwankten zwischen 7 000 000 und 12 500 000, Hämoglobin zwischen 
100 und 150 pCt., Leukozyten zwischen 10 700 und 13 600. Harn ent¬ 
hält zeitweise Eiweiss und Zylinder. 

Ausgiebige Aderlässe brachten keine Besserung. 

Ansgehend von der Vorstellung der Steigerung der erythro- 
blastischen Tätigkeit des Knochenmarks bei der Erythrozythämie 
liess ich am 22. VII. 1916 mit RöntgentiefenbeBtrahlungen der 
langen Röhrenknochen beginnen, die vom 22. VII. bis 3. VIII. in 
der Medizinischen Klinik, vom 12. VIII. bis 6. IX. in der Haut¬ 
klinik (Oberarzt Dr.Kuznitzky) vorgenommen wurden. Im allgemei¬ 
nen wurden die Röhrenknochen mit lüX pro loco bei 3, später 4 mm 
Aluminiumfilter bestrahlt. Vom 12.VIII, ab wurden die Knochen syste¬ 
matisch unter Kreuzfeuer genommen, indem die Extremitäten vorn 
und hinten in je zwei Feldern bestrahlt wurden. Ein Bestrahlungs¬ 
turnus dauerte gewöhnlich 8 Tage; die Pausen waren anfangs 
etwa 8 Tage lang, richteten sich später natürlich nach dem 
Stande des Blutbildes. Einzelheiten sind aus der Tabelle zu er¬ 
sehen. 

Tabelle 1. 


Datum 

Rote 

'Weissel ®** >- 

! 1 •/. 

Bltdr. 

Bestrahlungen 

18. VII. 1916 

i 

CO 

i ' 

118 200; 91 

i : 

— 

I. 22. VII.—8. VIII. 1916 
11 Bestrahl, auf alle 
Extrem., Vorderfiächen 
und Rückgrat ä 10 X 

8. IX. 1916 

8200 000 

11 800 100 

; i 


U. 12. —16. VIII. 1916 
16 Bestrahl, auf Ober- 
u. Unterarm-Vorder fl. 
u. Vorder- u. Hioterfl. 
der Beine (pro Knooheo 
2 Felder) 


Die ersten zwei Bestrahlungsergebnisse zeigten eine so völlige 
Wirkungslosigkeit auf das Blutbild, dass wir die Bestrahlungen 
abbrachen unter Widerspruch des Patienten, der merkwürdiger¬ 
weise unter der Wirkung der Strahlen subjektive Erleichterung 
verspürt zu haben angab. 

Tan er 6’**} Bericht über günstige Erfolge der Knochen¬ 
bestrahlung veranlasste uns ein Jahr später zur Wiederaufnahme 
der Therapie. Der Fall Tancrö’s zeigt Absinken der Roten von 
14 200 000 auf 6 600 000, des Hämoglobins von 175 auf nur 
163 pCt. 

Die Knochen wurden nunmehr mit verschieden langen Pausen 
in 6 Turnus in der beschriebenen Weise vom 24. IX. 1917 bis 
23. V. 1918 bestrahlt, diesmal unter 4 mm Aluminium. Unsere 
Blutbefunde bringt Tabelle 2. 

Aus der Tabelle 2 wird klar, dass nach der VIII, Bestrah¬ 
lungsperiode, also erst nach 96 Bestrahlungen die Zahl 
der roten Blutkörperchen schnell fkllt, sich von einem 
Tiefstand am 13. IX. 1918 mit 3 300000 und 62pCt. nach 
Aussetzen der Bestrahlungen bald auf das Normal- 


Tabelle 2. 


Datum 

Rote 

Weisse 

Hgb. 

%- 

Bltdr. 

Bestrahlungen 

15. IX. 1917 

14 000 000 

12300 

115 

170 

_ 

22. IX. 1917 

11300000 


115 

140 

III. 24. IX.—2. X. 1917 
16 Bestrahl. Untere 
Extrem, vorn u. hinten 
ä 1 Feld, obere Extr. 
a 2 Felder 

4. X. 1917 

10400 000 

— 

— 

— 

— 

10. X. 1917 

10 520000 13600 

— 

— 

IV. 12. —20. X. 1917 
16 Bestrahlungen 

5. XL 1917 

8 000000 

— 

— 

— 

V. 5.—15. XL 1917: 15 
Bestrahlungen 

19. XL 1917 

9 496 000 — 

— 

— 

— 

13. XII. 1917 

10 000 000 


« — 

— 

VI. 14.-28. XII. 1917 
16 Bestrahlungen 

9. 1. 1918 

8 000 000 

— 

i — 

— 

VII. 21. —29. I. 1918 
16 Bestrahlungen 

8. III. 1918 

9 024 000 

2200! 

— 

— 

— 

4. IV. 1918 

7 700 000 

4800 

— 

— 

— 

11. V. 1918 

9 450 000 


— 

— 

VIII. 9. IV.— 11. V. 1918 
16 Bestrahlungen 

27. V. 1918 

6 620 000 

8200 

! 81 


IX. 23., 28 , 80. V., 4 , 
7., 12., 17., 21. VI. je 
2 Felder der Extrem.- 
Kooohen = 16 Bestr. 

6. VII. 1918 

5 800 000 

8600 

65 

— 

— 

13. IX.1918 

3 300 000 

— 

62 

— 

— 

26. XL 1918 

5 160 000 

7000 

80 

— 

—- 

17.11. 1919 

4 700 000 

— 

95 

— 

— 

23. IV. 1919 

4 796 000 

5000 

90 

, 173 

— 


niveau erbebt, so dass jetzt seit einem Jahre ein völlig 
normales rotes Blutbild fortbesteht bei weitgehendster 
Besserung aller subjektiver Beschwerden. Durch die 
Daüer der Heilwirkung übertrifft unser Fall alle bisher bekannt 
gewordenen. MitTancrö und uns hat gleichzeitig auch.Lüdin 1 ) 
im Juni 1916 bei einem Falle von Erythrozythämie ohne Milz- 
tumor und Hypertonie nach 94 Volldosen mit 3—4 Aluminium 
auf die Röhrenknochen einen Abfall von 800 800 bei 160 pCt. 
Hämoglobin auf 4 880 000 bei 100 pCt. verzeichnet. Seine Publi¬ 
kation hat Guggenheimer 2 ) zu gleichen Versuchen veranlasst. 
Er benutzte ebenfalls hohe Dosen harter Strahlen, bestrahlte die 
kurzen Knochen, Brustbein, Schulterblätter, Becken, Kreuzbein 
(insgesamt 28 Felder), indem er täglich 4 Felder Vs Stunde lang 
vornabm. (Müller-Siederöhre Belastung 2—3 min, A. Wehnelt, 
Zinkfilter 0,6.) Nach 3 Monaten waren die Roten von 7 100 000 
mit 140 pCt. Hämoglobin auf 3 800 000 Rote mit 80 pCt. Hämo¬ 
globin gesunken. Das Blut enthielt Normoblasten. Der Milz¬ 
tumor wurde weicher. Nach 4Vs Monaten war die Milz nicht 
mehr tastbar, nach 5Vs Monaten die Erythrozyten auf 4 400 000 
mit 100 pCt. Hämoglobin gestiegen. 

Wir w ollen nur daran erinnern, dass der erste, der bewusst 
Knochenbestrahlungen bei Erythrozythämie vornahm, Parkinson*^ 
war. Er bestrahlte seinen Fall 2 vom September 19C8 bis 190$ 
ohne exakte Messung Nanfangs 3 Wochen täglich, später 1—2 ma} 
wöchentlich. Er sah Absinken der Erythrozytenzahlen voty 
12500000 in 3 Monaten auf 7800000. Allerdings waren nach> 
9 Monaten die Zahlen wieder auf 12000000 gestiegen. 

Auf Einzelheiten der Gestaltung des Blutbildes möchte icH 
noch kurz eingehen. J 

Wir sahen ähnlich wie Guggenheimer unter den Be¬ 
strahlungen zunächst uoternormale Zahlen der Roten und d<$s 
Hgb. Bei Guggenheimer zeigten sich wohl als Ausdruck d«$r 
lebhaften Regeneration kernhaltige Rote. Wir müssen daraus 
schliessen, dass die Schädigung des erythropoetischen Apparates 
bereits zu weit gegangen war. Daraus folgt, dass die Be¬ 
strahlungen nur unter genauester Kontrolle des roten Blutbildes 
vorgenommen werden müssen. Ich halte mit Rücksicht auf (die 
kräftige Nachwirkung iotensiver Bestrahlungen für zweckmässig, 
im allgemeinen 8 tägige Bestrahlungsperioden von 8tägigen Pausbn 
folgen zu lassen. 

Auch die Bewegung der Leukozyten werte legt diese Mahnung 
nahe. Wie zu erwarten war, richtet sich die deletäre Wirkung 
der Strahlen schon sehr zeitig gegen die Leukozyten. Schon am 


1) Ref. s. diese WocbenBobr., 1919, Nr. 88, S. 910. 

2) Tancre, Arch. f. klm. M., 1917, Bd. 128, S. 435. 


1) Lüdin, Zsohr. f. klin. Med., Bd. 84, H. 5 u. 6. 

2) Guggenheimer, Zsobr. f. physik. diät. Ther., 1918, Bd. 22, S. 253. 

3) Lanoet, 1912, S. 1425. 


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3. November 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1036 


18. XII., zu einer Zeit, wo die Roten noch keine Neigung zum 
Abfall leigen, beginnt der Abfall, der nnter der Nachwirkung der 
Periode VII bis auf den kritischen Wert 2200 hernntergeht. Za 
Beginn der Periode*IX ist Erholung zu erkennen; doch fällt 
unter ihrer Wirkung die Zahl wieder auf 3600. Die Behandlung 
muss also zur Vermeidung excessiver Leukopenien stets 
auch unter Kontrolle der Leukozyten geleitet werden. 

Der Milztumor war wie bei Parkinson und Guggen- 
heimer mit der Aenderung des Blutbildes bedeutend kleiner 
geworden. 

Die subjektiven Beschwerden, Schwindel usw., ver¬ 
schwanden. Die Gesichtsfarbe des Patienten wurde fast 
normal. 

Die bestehende Hypertonie ist bei der vorhandenen peri¬ 
pheren Sklerose und der gelegentlichen Albuminurie und Cylin- 
drurie mit Sicherheit auf eine Sklerose der Nierengefässe iu 
beziehen. Es war also ein Einflass der Radiotherapie auf den 
Blutdruck kaum zu erwarten, ln der Tat ist er unverändert ge¬ 
blieben (173). Da aber wahrscheinlich ist, dass bei der Ery- 
tbrozytbämie ein Teil der Blutdrucksteigerung dürch die Steigerung 
der Viskosität des Blutes verursacht ist, so wird in anderen Fällen 
wahrscheinlich auch die Hypertonie günstig beeinflusst werden. 
Darauf werden künftige Untersuchungen evtl, unter Kontrolle 
der Viskosität zu achten haben. 

Die bisherigen Beobachtungen berechtigen also da¬ 
zu, in jedem Falle von Erythrozythämie die Knochen¬ 
tiefenbestrahlungen der kurzen und langen Knochen vor¬ 
zunehmen. Doch sollen diese nur unter strengster 
Kontrolle des roten und weissen Blutbildes erfolgen, 
um kritischen Leukopenien und einer schweren Anämi- 
sierung vorzubeugen. Bei prämonitorischer Leukozyten¬ 
senkung sind die Pausen zu verlängern. 


Ans der bakteriologischen Abteilung des Reichs¬ 
gesundheitsamts (Direktor: Geh. Regierungsrat 
Prof. Dr. L. Haendel). 

Zur Färbung der Guarnieri’schen Körperchen. 

Von 

Stabsarzt Dr. Erieh Hesse, kommandiert zum Reichsgesandheitsamt. 

ln zwei vorangegangenen Arbeiten haben Ungermann und 
Zülzer 1 ) über einige Ergebnisse berichtet, welche sie bei den in 
der bakteriologischen Abteilung des Reichsgesundheitsamts unter 
Leitung von Direktor Haendel durcbgefübrten Pocken arbeiten 
erzielt hatten. Dabei sind die Verfasser auch auf die all¬ 
gemeinen histologischen Verhältnisse bei der experimentellen 
Variola-Vakzineinfektion der Kaninchenbornbaut und auf das Auf¬ 
treten und die Darstellung der Guarnieri’schen Körperchen (G.K.) 
im Schnitt und im Friscbpräparat des Nähern eingegangen. 

Für die Diagnose der Pockenepitheliose sind danach von 
einer gewissen Bedeutung: die stark vergrösserten, abgerundeten, 
ÖdematÖsen Zellen mit sehr verbreitertem, schwach färbbaren 
Plasmasaum, die Mantelzellen, Abkömmlinge der ödematösen, 
die Schachtelzellen, die durch unvollkommene Teilung oder 
durch phagozytäre Tätigkeit des degenerierenden Epithels entstehen, 
and die verhältnismässig seltenen vielkernigen Riesenzellen. 
Wenn das Vorkommen aller dieser Gebilde auch nicht nur auf 
den Variola-Vakzineprozess der Kaninchenhornhaut beschränkt 
ist, so ist es bezüglich der Masse ihres Auftretens dafür doch 
ziemlich charakteristisch. Immerhin genügt ihr Vorhandensein 
allein nicht, um eine positive Pockendiagnose zu rechtfertigen, 
sondern für diese muss ausserdem der Nachweis der G.K. er¬ 
bracht werden. 

Hinsichtlich der Färbungsyerhältnisse fanden die Verff. zwischen der 
Schnitt- und der Frischfärbung keine qualitativen, wohl aber quantitative 
Unterschiede in dem Sinne, dass die Frischfärbung überlegen ist und 
häufiger den Nachweis der Gaarnieri’schen Kötpereben ermöglicht, als dies 
in Schnittpräparaten gelingt. Diese Beobachtung findet ihre Erklärung 
leicht in dem Umstand, dass man im Friscbpräparat die ganze Fläche 
des Entzündungsherdes dem Auge zugänglich macht, während der Schnitt 


1) E. Ungermann und Margarete Zülzer, Zur experimentellen 
Pookendiagnose. D.m.W., 1919, Nr. 23. — Dieselben, Beiträge zur 
experimentellen Pockendiagnose, znr Histologie des kornealen Impfeffekts 
und zum Nachweis der Guarnieri’sohen Körperchen. Arbeiten a. d. 
Reiohagesundheitsamt, Bd. 52. 


jeweils nur einen verschwindend geringen Braohteil des Gewebes amfasst, 
so dass bei spärliohen Herden die Möglichkeit sehr nabe liegt, dass man 
diese nur mit grossen Schwierigkeiten oder unter Umständen auch Über¬ 
haupt Dioht in den Schnitt hinein bekommt. Freilich darf nicht uner¬ 
wähnt bleiben, dass gelegentlich auch im abgekratzten Epithel, das zum 
Friscbpräparat verarbeitet wird, bei schwacher Infektion ein längeres 
Sachen erforderlich sein kann. 

Was die Deutung der Guarnieri’sohen Körperchen anlangt, so sind 
nach Ungermann und Zülzer und unserer Auffassung diese Gebilde 
eine Erscheinungsform des Pockenerregers, die niobt in den Entwicklnngs- 
zyklus des Organismus hineiDgehört, sondern die durch die Besonderheiten 
des Mediums der Kaninchen hornhautzelle bedingt ist, indem das G.K. 
entweder gewissermaassen eine Kolonie des Pockenerregers oder eine 
Vielheit desselben naoh Art der Chlamydozoen darstellt. Auf Veranlassung 
von Direktor Haendel habe ich mich seit März d. J. bei den im Ge¬ 
sundheitsamte im Gange befindlichen Pookenforschungen damit beschäftigt, 
ein Färbe verfahren zum Nachweis der G.K. auszuarbeiten, das mit der 
Schnelligkeit der Ausführung eine Differenzierung der Kör¬ 
pereben vereinigen und wenn möglich auch einen Ausbau der von 
Ungermann und Zülzer angegebenen Frischfärbung gestatten 
sollte. Besonders war mir dabei daran gelegen, durch ein geeignetes 
Vorgehen die feinere Struktur der Körperchen selbst zur Darstellung zu 
bringen. 

Ich konnte diesen Arbeiten eine Reihe von Untersuchungen zugrunde 
legen, die ich bereits vor dem Kriege unter Herrn Geh.-Rat Prof. Dr. 
Lents ausgeführt hatte und worüber dieser in der Sitzung der Berliner 
mikrobiologischen Gesellschaft am 15. Januar 1914 kurz berichtet hat 1 ). 
Es war uns damals gelungen, die G.K. naoh der von Lentz für die 
Färbung der Negri’schen Körperohen angegebenen Methode mit Eosin 
und Methylenblau vorteilhaft darzustellen, wobei auch gelegentlich eine 
Färbung der Innenkörpereben zu beobachten war. Recht gute Resultate 
hatten wir auch bei Verwendung von Methylgrün und nachfolgender 
Beizung mit Lugol’scher Lösung analog der Gramfärbung oder mit Zett- 
now’soher Beize und in beiden Fällen Differenzierung mit Methylalkohol 
und Azeton zu gleichen Teilen. Gute Bilder ergab endlich auch die 
Färbung mit polychromem Methylenblau, Beizung mit Chromsäure und 
Differenzierung mit Tannin nach van Krogb. 

Wenngleioh diese Färbungen znm Teil recht schöne Bilder lieferten 
und die intensiv gefärbten Körperchen sich aus dem fast gänzlich ent¬ 
färbten Gewebe sehr scharf abhoben und somit eine schnelle und siobere 
Beurteilung möglich war, so maohte sioh dooh häufig insofern ein Nach¬ 
teil bemerkbar, dass, wenn die Entfärbang nicht mit grösster Vorsicht 
and nnter ständiger mikroskopischer Kontrolle vorgenommen worde, recht 
oft auch die G.K. den Farbstoff abgaben, was nm so eher eintreten 
kann, als sich bekanntlich die G.K. färberisch den Zellkernen sehr ähn¬ 
lich verhalten: sie nehmen im allgemeinen alle Kernfarbstoffe begierig 
auf, entfärben sioh aber, wie schon Hü ekel*) in seiner ausgezeichneten 
Abhandlung festgestellt hat, langsamer als Leukozyten und ruhende 
Kerne, schneller jedooh als Zellkerne, die sich vor oder in der Teilung 
befinden oder diese eben hinter sioh haben. Es können daher diese Ge¬ 
bilde, wenn sie den Farbstoff noch nicht abgegeben haben, die Deutung 
des mikroskopischen Bildes erschweren oder wenigstens die Uebersicht 
beeinträchtigen. Dabei sind allerdings etwa nicht entfäibte Epithelkerne 
im allgemeinen weniger störend, da sie nur selten zu einer Verwechslung 
mit G.K. führen können; auoh die Gefahr, dass ein vielleicht unmittelbar 
über oder unter dem gefärbten Kern gelegenes G.K. dem beobachtenden 
Ange entgeht, ist nicht so gross, dass dadurch die Sicherheit der Dia¬ 
gnose schwerwiegend beeinträchtigt würde, da die Gebilde, wenn sie 
überhaupt vorhanden sind, meist nicht allzu vereinzelt auftreten. Viel 
unangenehmer dagegen sind die Leukozytenkerne oder deren Zer¬ 
fallsprodukte, die häufig das Gewebe gerade im Bereich der zu unter¬ 
suchenden Impfstelle durchsetzen und die, durch phagozytäre Tätigkeit 
von den Epithelzelien aufgenommen, bei nicht entsprechender Differen¬ 
zierung den G.K. äusserst ähnlich sein können („Pseudokörperchen“). 
TJnd wenn sieh auch für die meisten Methoden gewisse Normen auf¬ 
stellen lassen, wie sioh bei den einzelnen Farbstoffen die G.K., wie sich 
die Leukozyten und andere Gebilde färben, so lehrt andererseits die Er¬ 
fahrung, dass doch dabei gelegentlich Ab weich nngen Vorkommen: es gibt 
auch hier zahlreiche Uebergänge und Farbabstufungen, die 
eine Deutung fraglicher Gebilde erschweren können. Diese 
Schwierigkeiten werden noch vermehrt durch die Tatsache, dass 
die G.K. selbst sich niobt gleiobmässig den Farbstoffen gegenüber ver¬ 
halten, eine Eigenschaft, die im Bau der Körperchen, ihrer wechselnden 
Dichte, dem verschiedenen Alter und etwaigen Quellungsvorgängen in¬ 
folge des benachbarten Entzündungsherdes begründet sein dürften. 
Selbst die Anwendung des Biondi’schen Farbgemisches, mit dem HuckeI 
bei Tausenden von Schnitten arbeitete, lieferte ihm trotz ausgezeichneter 
Kontrastwirkung und bestechender Farbenpracht nicht immer ganz ein¬ 
deutige Bilder. Ein weiterer Nachteil vieler bisher empfohlener Färbe- • 
methoden besteht endlich darin, dass deren Ausführung eine recht 
lange Zeit, zum Teil 24 Stunden und mehr, in Anspruch nimmt, ein 
Zeitverlust, der in allen Fällen, wo eine schnelle Diagnose gestellt 
werden soll, recht unerwünscht ist. 

1) B.kl.W., 1914, Nr. 8. 

2) Hückel, Die Vakzinekörperohen. Naoh Untersuchungen an der 
geimpften Hornhaut des Kaninchens. Ziegler’s Beitr. z. pathol. Anat. 
n. allgem. Path. 2. Suppl.-H. Jena 1898, Guat. Fischer. 

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1086 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


Eine Verbesserung der Färbemethode muss also, wie schon oben 
betont, folgende Gesichtspunkte berücksichtigen. Zunächst ist für eine 
sohneile und siohere Diagnose ein Verfahren notwendig, das 
in kurzer Zeit ausführbar ist und bei dem nur die G.K. den 
Farbstoff behalten, die Zellkerne, Leukozyten und deren Zerfalls¬ 
produkte aber ungefärbt sind. Eine fernere Aufgabe, die aber mit der 
ersten nicht unbedingt verbunden zu sein braucht, ist es dann, zwecks 
weiteren Studiums der Natur der G.K. eine Differenzierung 
dieser Gebilde selbst zu erzielen. Wenn ich dabei noch be¬ 
sonderen Wert auch auf die Verbesserung der Frischfärbungsmethode 
gelegt habe, so geschah dies wegen der von Ungermann und Zülzer 
damit gemachten günstigen Erfahrungen. 

Was nun die erste Forderung anlangt, so glaube ich naoh einer 
grossen Anzahl von Versuchen ein Verfahren gefunden zu haben, das 
mit einfacher Handhabung eine weitgehende Sicherheit so¬ 
wohl hinsichtlich der Ergebnisse als auch der Deutung des Bildes ver¬ 
bindet. Meine Beobachtungen beruhen bisher allerdings hauptsächlich 
auf dem Studium der mit Lapine geimpften Kaninchenhornbaut; hinsicht¬ 
lich der praktischen Anwendbarkeit für die Pockendiagnose fehlen mir 
aus Materialmangel umfangreichere Erfahrungen; es ist aber nach dem 
Stande unserer bisherigen Kenntnisse über diese Fragen und nach den 
von mir auch mit Variolamaterial gemachten Beobachtungen anzunebmen, 
dass die Verhältnisse bei der Lapineinfektion sich höchstens quantitativ 
von denen der Variolainfektion unterscheiden. 

Zanäohst sei über die Beobachtungen an Schnittpräparaten 
berichtet. Als Fixierungsmittel wurde der von Paul 1 ) angegebene 
Sublimatalkohol verwandt und die Einbettung wurde mit re^ht gutem 
Erfolge naoh dem von demselben Autor beschriebenen Schnellverfahren 
in Paraffin vorgenommen. Stärkere Gewebsscbrumpfungen sind dabei 
freilich nicht immer zu vermeiden und trüben gelegentlich das histo¬ 
logische Bild. Die Dicke der Schnitte wurde im Durcbsohnitt auf 
2i/,—S ß bemessen. 

Zur Färbung verwandte ich das als vorzügliches Kernfärbemittel be¬ 
kannte Kresylechtviolett (Grübler) und zwar in folgender, dem für 
die Gramfärbung gebräuchlichen Karbolwassergentianaviolett entsprechen¬ 
den Losung: 10com einer gesättigten alkoholischen Lösung von Kresyl¬ 
echtviolett werden zu 90 ccm 5proz. Karbolsäurelösung zugesetzt; naoh 
gründlicher Mischung wird der Farbstoff filtriert und [kann sofort ver¬ 
wandt werden. 

Nachdem die auf dem Objektträger haftenden Schnitte mit Xylol 
entparaffioiert uftd das Xylol mit absolutem Alkohol entfernt worden ist, 
werden sie 15—20 Minuten mit der KresylviolettlÖ9ung gefärbt und, ohne 
vorherige Wasserspülung, ebensolange mit einer nochmals zu erneuernden 
2,5proz. Lösung von schwefelsaurem Eisenammoniumoxyd (das amethyst- 
blaue Salz) in destilliertem Wasser gebeizt. Naoh kurzem Abspülea in 
Aqua dest. kommen die Objektträger zur Differenzierung in eine60proz. 
Lösung von Azeton in Aqua dest. Die in 20—30 Minuten sich abspielende 
Differenzierung muss von dem weniger Geübten zunächst unter dem 
Mikroskop verfolgt werden. Es lässt sich so unschwer der Augenblick 
ermitteln, wo Zellkerne (ausser Mitosen s. o.) und Leukozyten den 
letzten Rest von Farbstoff abgegeben haben, während die 
G.K. duroh ein schwärzliches Violett sich besonders scharf 
und deutlich herausheben. War die Entfärbung nicht weit genug 
getrieben worden, so sieht man neben den verhältnismässig spärlichen 
gefärbten Mitosen nur noch die Leukozytenkerne fingiert, jedoch kann 
deren schmutzig hellgrauer Farbton bei einiger Uebung keine Verwechs¬ 
lung mit den viel intensiver gefärbten G.K. Aufkommen lassen. Falls es 
— für Demonstrationspräparate*— erwünscht sein sollte, eine Gegen- 
färbung des Gewebes vorznnehmen, so möchte ioh in erster Linie 
die Verwendung einer sehr dünnen wässrigen Pikrinsäurelösung 
empfehlen; die G.A. heben sich dann von dem schwach gelblich gefärbten 
Gewebe des Hornhautepithels in vortrefflicher Schärfe ab. Auch die 
diffuse Gewebsfärbung mit einer dünnen alkoholischen Lösung von 
Lichtgrün liefert gute Bilder, während die Verwendung von Kernfarb| 
stoffen, wie Bismarckbrann oder Karmin, durch Verwischen der Unter¬ 
schiede weniger vorteilhaft ist. Die in Wasser kurz ausgewaschenen 
Präparate lässt man im Brutschrank abtrooknen und legt sie in Kanada¬ 
balsam ein; sie sind, zweokmässig aufbewahrt, unbegrenzt haltbar. 

Da sich wie beim Karbolgentianaviolett auch bei dem hier ver¬ 
wandten Farbstoff leicht Niederschläge bilden, die gelegentlich stören 
und die Klarheit des Bildes beeinträchtigen können, ist es notwendig, 
die Farblösung von Zeit zu Zeit durch ein doppeltes Papierfilter 
zu filtrieren. 

Das geschilderte Verfahren kann als eine schnell und sicher 
ausführbare Elektivfärbung für die ta K. empfohlen werden, es 
dürfte besonders für solohe Fälle, wo es sich in erster Linie um 
eine Diagnosestellung bandelt, wertvoll sein. Dagegen ist es 
weniger geeignet für solche Untersuchungen, bei denen es auf, ein 
Studium des Wesens und des Baues der G.K. ankoromt, da die G.K. 
dabei den Farbstoff mit einer so grossen Zähigkeit festhalten, dass 
Einzelheiten in den Gebilden nicht mehr zu erkennen sind. Ich suchte 
daher in weiteren Versuchen einen Farbstoff zu ermitteln, der einen 


1) G. Paul, Zur histologischen Technik des KornealVersuches bei 
der Pockendiagnose. D.m.W., 1917, Nr. 29, S. 900. — Aetiologische 
Untersuchungen bei Variola. Beitr. z. Klinik d. Infektionskrkh. u. zur 
Immunfoisohung, Bd. 7, S. 267.|* ‘ 


Einbliok ln das Innere der Körperehen selbst, eine Diffe¬ 
renzierung ihrer Struktur ermöglichen sollte. 

Aus der grossen Zahl der hier beobachteten Fehlscbläge sei nur 
erwähnt, dass das für die Gramfärbung verwandte Karbolwassergentiana¬ 
violett mit nachfolgender Lugolbehandlung und Alkoholentfärbung sich 
nicht bewährt hat; die Färbung des Protoplasmas im Vergleich zu den 
G.K. ist sehr erheblich, und der dann notwendig werdenden starken 
Entfärbung halten auch die G.K. selbst nicht mehr stand. 

Dagegen glaube ich mit der Verwendung des Malaohitgrün 
krystall. extra rein einen Fortschritt erzielt zu haben. Der Farbstoff 
wird wieder als ein Karbolwassermalachitgrün (10 ccm ges. alkoh. Farb¬ 
lösung + 90 ccm öproz. Karbolsäurelösung, filtrieren) benutzt. Die 
Färbung ist etwas schwieriger und erfordert auch längere Zeit (etwa 
3 Stunden), liefert aber dafür sehr schöne, soharfe und farbenprächtige 
Bilder. Man verfährt in folgender Weise: Der entparaffinierte Schnitt 
wird auf dem Objektträger 1 Stunde gefärbt, 1*/*—2 Stunden mit Lugol- 
scher Lösung gebeizt, 10 Minuten mit 2,5 proz. Eisenammoniumsulfat¬ 
lösung (s. o.) behandelt (zwischendurch keine Wasserspülung). Die nun¬ 
mehr erfolgende Differenzierung des stark überfärbten Schnittes muss 
vorsiobtig und mit ganz allmählich zu verstärkenden Mitteln in folgender 
Weise vorgenommen werden: 3 Minuten ganz schwache (zitronengelbe) 
wässrige Pikrinsäurelösung, 3—5 Minuten alkoholische Pikrinsäurelösung 
gleicher Konzentration. Unter mikroskopischer Kontrolle muss nun die 
Entfärbung verfolgt werden, um in dem Augenblick aufhören za können, 
wo alle Gewebsteile bis auf die G.K. und die Mitosen entfärbt sind. 
Sollte dies, wie es gelegentlich zu beobachten ist, etwas lange dauern, 
so lässt sich die Entfärbung durch sekundenlanges Eintauchen in 60 proz. 
Azeton und sofortiges Abspülen in destilliertem Wasser sehr erheblieh 
beschleunigen. Es muss aber darauf bingewiesen werden, dass die 
Azetondifihrenzierung wegen ihrer sehr energischen Wirkung nur mit 
grosser Vorsicht anzuwenden ist, damit nicht auch eine Entfärbung der 
G.K. eintritt. Hat man sich aber die erforderliche Uebung angeeignet, 
so gelingen die Präparate ohne Schwierigkeit. Man sieht dann in dem 
leicht gelblich gefärbten Hornbautepithel in prachtvoller Schärfe die 
saftig-grünen G.K , zum Teil völlig aufgelöst in einzelne feinste Körnchen 
(?. Prowazek’sche Initialkörpercheß?). Daneben sieht man auch in der 
Kernsubstanz und im Protoplasma der Epithelzellen in der Nähe der 
Impfstelle vielfach teils einzelne, teils in Gruppen zusammen liegende 
fernste, intensiv grüngefärbte Körnchen, auf die hier jedoch nooh nicht 
näher eingegangen werden soll, da ich zurzeit nooh mit deren genauerem 
Studium beschäftigt bin. 

Die beschriebene Malachitgrünfärbung kann man vorteilhaft mit 
einer Safraningegenfärbung verbinden und dadurch das Verfahren 
nooh etwas vereinfachen: nachdem das Präparat naoh obiger Vorschrift 
mit Farbstoff und Lugol behandelt ist, wird es in diesem Falle ohne 
jede weitere Differenzierung mit einer SafraninlÖ9ung (konz. alkohol. 
Lösung und'destilliertem Wasser zu gleichen Teilen) übergosseD; nach 
etwa 10—15 Minuten ist die überschüssige grüne Farbe herausgezogen, 
und die zeitigen Bestandteile haben einen diffusen,'saftig-roten Farbton 
angenommen, der sich vom leuobtenden Grün der G K. wieder scharf 
abbebt. Dabei kommt vielfach auch die bereits von Hüokel beschriebene 
Hülle der G R. („Mantelkörperoben*) in schönem Rot zur Beobachtung. 
Sollte das Präparat etwa nooh zu viel Malachitgrün enthalten, so kann 
dieses durch eine sehr kurze Azetonbehandlung auch nachträglich ent¬ 
fernt werden. Das Einlegen der Präparate in Ranadabalsam zur Kon¬ 
servierung erfolgt anoh hier am besten nach gründlichem Trocknfn an 
der Luft,- da die Alkohol-XylolbehaBdlung die Gefahr weiterer, un¬ 
erwünschter Entfärbung in sich birgt. 

Von einer Anwendung dieses Malaohitgrünverfahrens zur Färbung 
des frisch abgekratzten Hornbautepitbels konnte infolge der 
erforderlichen langen Zeitdauer und der erheblichen Anzahl der be-, 
nötigten, zum Teil recht energisch wirkenden Chemikalien kein Erfolg 
erwartet werden. v Eher war anzunehmen, dass die zuerst beschriebene 
Kresylviolettfärbung beim Frischpräparat zu brauchbaren Ergebnissen 
führen würde, obwohl auoh diese Farblösung infolge ihres hohen Karbol¬ 
säuregebalts eine für die Gewebszellen höchst differente Flüssigkeit dar¬ 
stellt, die eine Gerinnung des Eiweisses, eine erhebliche Fältelung und 
Schrumpfung des Materials bedingen muss. 

Auf Grund sehr zahlreicher Versuche hat sich mir dann die nach¬ 
stehend beschriebene Methodik für eine solche Frischtärbung als recht 
brauchbar bewährt. Entsprechend dem Vorgehen von Ungermann und 
Zülzer wird zunächst das Auge kokainisiert und aus der Orbita heraus- 
luxiert, was mit einem feinen Haken' völlig schmerzlos gemacht werden 
kann. Die Oberfläche der Hornhaut wird nun mit reichlicher Kochsalz¬ 
lösung, die aus einer Pipette aufgespritzt wird, von dem auflagernden 
Schleim und Eiter gründlich gereinigt (zur ErzieluDg klarer Bilder sehr 
wichtig). Alsdann kratzt man mit einem Messer oder einer Impflanzette 
das Epithel im Bereioh der Irapfschnitte 1 ) unter massigem Druck ab 
und überträgt die erhaltenen Fetzchen in einen Tropfen Kochsalzlösung, 
der auf einen gut gereinigten Objektträger gebracht wird. Der Objekt¬ 
träger ist, wenn das Gewebe nicht sofort weiter verarbeitet werden 
kann, oder wenn ein Teil davon für- eine spätere Färbung zurück¬ 
behalten werden soll, in einer feuchten Kammer aufzubewahren. Unter 
der Präparierlupe werden nun die Gewebe mit Nadeln möglichst gleich- 


1) Die Impfung wird am besten mit 4—5 parallelen Schnitten,* die 
siob über die’ganze Kornea erstreoken, aber den Limbus nicht erreichen 
dürfen, ausgeführt. ; 


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3. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


10Ö7 


massig ausgebreitet; ein Zerzupfen muss bei diesem Verfahren 
zunächst vermieden werden. Dann saugt man mit einem Streifen 
Filtrierpapier vom Rande her die Kochsaislösung vorsiohtig und voll¬ 
ständig ab und ersetzt sie durch 2—3 Tropfen Karbolwasserkresylviolett. 
Es empfiehlt sioh, wegen der nunmehr eintretenden Schrumpfung und 
Aufrollung, die eine ungleichmässige Färbung verursachen würden, die 
Gewebsteile nochmals sorgfältig auszubreiten und duroh Hin- und Her¬ 
bewegen in der Farblösung dafür zu sorgen, dass nicht etwa noch an¬ 
haftende Kochsalzlösung eine Verdünnung des Farbstoffs in unmittel¬ 
barer Nachbarschaft der Epithelfetzen herbeiführt. Nach 10—15 Minuten 
saugt man die Farbe mit Filtrierpapier ab und übergiesst die schwarz- 
blau gefärbten, auf dem Objektträger verbleibenden Gewebe mit der 
oben beschriebenen Eisenammoniumsulfatlösung, die ebenfalls 10 bis 
15 Minuten einwirken soll. Die etwas spröde gewordenen Brockel fischt 
man nun mit der Präpariernadel auf und überträgt sie in ein Schälchen 
mit 60proz. Azeton, das von Zeit zu Zeit, um eine gieichmässige 
Wirkung zu erzielen, etwas geschwenkt wird. Nach 15—30 Minuten 
kann man an einem aufgefangeneD Epithelteil unter dem Mikroskop 
kontrollieren, ob die Differenzierung genügend weit gediehen ist. Als 
guter Maassstab kann in dieser Hinsicht die Durchmusterung einiger 
dünnen Randpartien empfohlen werden; ist hier das Protoplasma 
völlig farblos geworden, während die Zellkerne einen saftigen, braun¬ 
violetten Farbton zeigen, so ist der richtige Zeitpunkt getroffen. Bei 
einiger Uebung ist dies leicht festzustellen; auch ist die sehr feste Ver¬ 
ankerung des Farbstoffs an Zellkerne und G.K. gegen eine etwas längere 
Azetonbehandlung nicht allzu empfindlich. Nun werden die Gewebs¬ 
teile auf 5—10 Minuten in ein Schälchen mit destilliertem Wasser über¬ 
tragen, um die noch anhaftenden Reste von Azeton zu entfernen und 
daduroh eine nachträglich sioh fortsetzende Entfärbung zu verhindern. 
Zur Aufhellung und Konservierung des fertigen Präparats bringt man 
die Epithelbröckel in einen Tropfen Glyzerin, den man auf einen Objekt¬ 
träger aufgetupft hat, glättet und breitet nochmals die fein zerzupften 
Stückchen recht sorgtäliig aus und bedeckt das Ganze unter mässigem 
Druck mit einem Deckgläschen. Auf die sorgfältige Glättung und Aus¬ 
breitung der Stückchen muss besonderer Wert gelegt werden, da wegen 
der schon erwähnten unvermeidlichen SchrumpfungsvorgäDge die Prä¬ 
parate sonst leicht faltig werden. Da diese Fältelung schon sofort naoh 
Einwirkung des Karbolkresylvioletts beginnt, ist eine gleichmässig durch¬ 
setzende Färbung des Gewebes nur durch sorgtältiges Zerzupfen der 
Stüokohen in kleinste Teile zu erreichen. Namentlich die dünnen 
Randpartien der Epithelfetzen sind dann aber selbst mit den stärksten 
Vergrösserungen gut zu untersuchen. Die so hergestellten und in 
Glyzerin eingelegten Präparate besitzen anderen Frischfärbungen gegen¬ 
über die wertvolle Eigenschaft, dass sie sich, vor direktem Tageslicht 
gesohützt, ohne Schaden längere Zeit aufbewahren lassen. So¬ 
weit meine bisherigen Beobachtungen bisher ergeben haben, waren selbst 
nach Ablauf von sechs Wochen die Bilder noch durchaus soharf und die 
Farbunterschiede kaum beeinträchtigt. 

Die Bilder gestatten beim Vorhandensein von G.K. durch ihre 
Schärfe und den Farbenkontrast ohne weiteres die Diagnose. Zum 
Aufsuohen der die G.K. enthaltenden Stellen empfiehlt es sich zunächst, 
sohwaohe Vergrösserung zu benutzen und dann erst die Präparate mit 
den stärkeren Vergrösserungen zu betrachten. Das Zellbild ist dabei 
von einer Naturtreue und Plastik, wie sie eben nur das Frisch¬ 
präparat bietet. Die verschiedenen für die Pockenepitbeliose charakte¬ 
ristischen Zellarten (Schachtelzellen, geblähte Zellen, Riesenzellen) sind 
mit einer Schärfe zu erkennen, wie sie im Schnittpräparat selten erreicht 
wird. An den Zellen selbst macht sich trotz der während des Färbens 
zu beobachtenden Fältelung eine Schrumpfung nur hin und wieder und 
und auoh dann in sehr geringem, durchaus nioht störenden Grade 
bemerkbar. Die Zellkerne, deren Struktur in allen Einzelheiten zur Dar¬ 
stellung kommt, sind je naoh dem Grade der Eatfärbung, bräunlich¬ 
violett bis blau gefärbt, das völlig wasserhelle Protoplasma wird 
durch die deutlich sichtbaren Zellmembranen abgegrenzt. Die G.K. 
erscheinen meist von einem hellen Hofe umgeben, entweder als leuchtend 
rot gefärbte Gebilde oder sie lassen, je nach dem Grade der Differen¬ 
zierung und vielleicht auoh nach dem Stande ihrer Entwicklung, durch 
eine sohwach bläulich gefärbte Hülle sehr deutlich eine ver¬ 
schieden grosse Zahl (5—15) leuohtend rot gefärbter, sehr feiner, 
rundlicher, scharf von einander abgegrenzter Innenkörper¬ 
chen erkennen. Diese Formen namentlich machen einen durchaus 
chiamydozoenartigen Eindruck. Es sind auch derartige feinste 
Körnchen gelegentlich im Zellprotoplasma in der Umgebung des Kernes 
zu beobachten. Eine Beeinträchtigung der Bilder durch Leukozyten kerne 
kommt dabei nicht in Frage, da solche bei einwandfreier Technik über¬ 
haupt nur sehr spärlich vorhanden sind und auch wegen ihrer schmutzig¬ 
blauen Färbung und der völligen Undurohsichtigkeit ein gänzlich anderes 
Bild bieten wie die G.K. 

Warum sich nun bei der Frischfärbung die Guanierischen Körper- 
ohen rot färben und in soweit gehendem Maasse ihre Innenstruktur er¬ 
kennen lassen, während sie bei den mit denselben Mitteln bergestellten 
Sohnittpräparaten intensiv sohwärzlioh violett erscheinen, wird zurzeit 
von mir noch untersucht. Sehr nahe liegt es ja, dieses unterschiedliche 
Verhalten auf Veränderungen zurückzuführen, die durch die Sublimat- 
fizierung bedingt sind, oder es mit der bei den Schnittpräparaten not¬ 
wendigen Xylol- oder Chloroformbehandlung (Lipoidentziehung) in Zu¬ 
sammenhang zu bringen. Voraussichtlich wird das nähere Studium dieser 


Fragen auoh dazu beitragen, unsere Kenntnisse über das Wesen der 
G.K. zu fördern. 

Die bisherigen Ergebnisse, die mir das beschriebene Frisch¬ 
färbungsverfahren geliefert hat, lassen jedenfalls m. E. schon 
jetzt einen recht bedeutsamen Schluss zu, dass die G.K. keine 
Abkömmlinge der Epithel- oder Leukozytenkerne sind. 
Das färberisch völlig andere Verhalten and die bei der Differen¬ 
zierung in den G.K. zu beobachtenden scharf charakterisierten 
Körneben sprechen doch in vieler Hinsicht, entsprechend der An¬ 
schauung von Prowazeks und der zuletzt von Ungermann 
und Züizer geäusserteo Auffassung, für eine spezifische und 
besondere Natur der Gebilde. 

Dennoch halten wir bezüglich der Deutung der in den G.K. und 
im Zellprotoplasma beobachteten roten Körperchen noch eine 
vorsichtige Beurteilung für geboten und zur völligen Klärung 
dieser Frage noch weitere vergleichende Forschungen, auch mit 
Varizellenmateriai [Gioz 1 )], für notwendig. Bei diesen Unter¬ 
suchungen dürfte das angegebene, von mir aasgearbeitete Färbe¬ 
verfahren mit Vorteil verwertet werden können. 

Aus der inneren Abteilung des Krankenhauses der 
jüdischen Gemeinde zu Berlin (Direktor: Geh.-ßat 
Prof. Strauss). 

Ueber Nierenfunktionsuntersuchungen bei dia¬ 
betischen und postdiabetischen Nierenerkran¬ 
kungen. 

Von 

Dr. Pail Weil, Volontärarxt. 

Die Kombination von Albuminurie und Diabetes ist bekannt¬ 
lich nicht allzu seiten. Prinzipiell kann man 3 Formen dieser 
Kombination unterscheiden: 

1. eine harmlose, den Vorgang der Glykosurie begleitende 
Albuminurie, die mit dem Verschwinden des Zuckers 
oder bei Herabsetzung höherer Zucker werte zurück¬ 
geht = „sacharogeue“ Albuminurie (Strauss); 

2. eine durch komplizierende Arteriosklerose bzw. Arteriolo- 
sklerose bedingte Albuminurie (= Nephroskierosis dia¬ 
betica); 

3. eine durch echt nephritische Prozesse erzeugte Albu- 
minurie (= Nephritis oder Nephrosis diabetica). 

Vom theoretischen und praktischen Standpunkte aus hat von 
jeher besonderes Interesse die sub 2 genannte Form beansprucht 
und zwar sowohl als ein den Diabetes begleitender, wie als post- 
diabetischer Vorgang. Hat man doch auch vom prognostischen 
Standpunkte aus diesen Vorkommnissen besondere Beachtung ge¬ 
schenkt, indem man in der Zeit, in welcher man Nephrosklerosen 
und Nephritiden nicht genauer uuterschieden hat, davon sprach, 
dass der Diabetes in Form einer Nephritis „geheilt“ sei, aber 
doch betont hat, dass der Uebergang des Diabetes in eine chro¬ 
nische Nephritis vom prognostischen Standpunkte aus nicht gerade 
immer aussichtsvoll sei. Von Noorden sagt, dass 2 / a der ge¬ 
nannten Fälle in 2—8 Jahren einen recht üblen Verlauf nehmen. 
Es wäre deshalb sehr erwünscht, im Einzel fall die Prognose 
quoad tempus genauer stellen zu können. Im allgemeinen ist 
dies aber schwer möglich, wenn nicht gerade bestimmte, anf 
einen schlimmen Verlauf hinweisende, klinische Kennzeichen vor¬ 
handen sind. 

Die neuere Entwicklung der Untersuchung Nierenkranker 
gibt uns immerhin auf dem vorliegenden Gebiete einige Aus¬ 
sichten auf Fortschritte, insofern wir durch die Nierenfunktions- 
prüfung bis zu einem gewissen Grade in der Lage sind, die 
benignen und die malignen Formen der Nierensklerose voneinander 
zu unterscheiden. 

Aus diesem Grunde beanspruchen vielleicht einige Unter¬ 
suchungen über das funktionelle Verhalten der Nieren derartiger 
Fälle ein gewisses Interesse. 

Soweit ich die Literatur übersehe, liegeh auf diesem Gebiete bis 
jetzt nur Fuoktionsprüfungen an niereu ge sunden Diabetikern vor. 
So berichtet Fahr über mehrere Funktionsproben, die alte eine ver¬ 
längerte Koohsalzabsoheidung ergaben. Sonst fand sich keinerlei Ab- 

1) Gins, Ueber histologische Veränderungen und bisher unbekannte 
Zelleinsohlüsse in der mit Windpockenpustelinhalt geimpften Kaninchen¬ 
hornhaut. (Zsohr. f. Hyg., Bd. 86, S. 299.) 

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1088 


BERLIUER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


weiohung ?on der Norm. In UebereinstimmuDg mit gewissen Befunden 
von 0. Cohnheim erklärt Fahr, die verlängerte Kocbsalsausscheidung 
damit, dass Zucker und Kochsalz nur dann ausgeschieden werden, wenn 
sie an gewisse Zellbestandteile gebunden sind. Zucker- und Koohsalz- 
ausscheidung sollen jedes für sioh eine starke Arbeitsbelastung der 
Epithelzellen bedeuten, so dass ein Ueberscbuss an Zuoker die Aus¬ 
scheidung an Koohsalz stört und umgekehrt. 

Weiterhin hat Knack Besonderheiten der Nierenfunktion beim 
Diabetes mellitus festgestellt. Er fand, dass trotz der durch die 
Polyurie bedingten erheblich vermehrten Gesamtwasserausscheidung die 
Ausscheidung der anfangs zugeführten WasserbelastuDg verlangsamt ist, 
und dass die Konzentrationsbreite bei diesen Diabetesiällen infolge des 
dauernd stark konzentrierten Urins gerade nach unten beschränkt ist, 
während sie nach oben die höchsten zur Beobachtung gelangenden 
Werte erreicht. 

Im folgenden erlaube ich mir deshalb auf Veranlassung von 
Herrn Geheimrat Strauss über einige Nierenfunktionsprüfnngen 
zu berichten, die an 5 Patienten angestellt worden sind, welche 
entweder an Diabetes und Nierenerkrankung zugleich oder an 
einer postdiabetischen Nierenerkranknng litten, und bei welchen 
wir in der Lage waren, Informationen über den weiteren Ver¬ 
lauf des Falles zu gewinnen. 

Fall 1. 60jähriger Mann. Anamnese: Vor Jahren erkrankt an 

Gallensteinkoliken. Vor einem Monat wurde nach einer Influenza bei 
der Untersuchung des Urins 1 pCt. Zucker und Eiweiss festgestellt. 
Klagt über allgemeine Schwäche. 

Befund: Kräftiger Mann ohne Oedeme. Cor: Keine Verbreiterung, 
2. Aorten ton akzentuiert. Herzaktion regelmässig. Puls gespannt; 
Blutdruck 90/180 mm Hg. Sonst keine besonderen pathologischen Ver¬ 
änderungen. 

Ergebnisse der Nierenfanktionsprüfung: Uraninausscheidung: Beginn 
nach 10 Min., Ende nach 62 Stunden: verlängert. Wasserabscheidung: 
nach 8 Stunden 412 ccm, im ganzen 630 ccm: verzögert und vermindert. 

Verdünnungstähigkeit min. 1006: herabgesetzt, Konzentrationsfähig¬ 
keit mäx. 1026: gut, Kochsatzausscheidung min. 0,3276, max. 1,1466: 
normal; befindet sich etwa 2 Jahre nach der hier angeführten Funktions¬ 
prüfung noch in gutem Allgemeinzustande. , 

Fall 2. 64jährige Frau. Anamnese: Vor lO^Jahren zunehmende 
Schwäche, danach Zucker festgestellt (etwa 2 pCt.). Patientin machte 
daraufhin eine antidiabetische Kur durch und wurde vorübergehend 
zuckerfrei, ln den späteren Jahren schied Patientin bei nicht strenger 
Diät nicht mehr als 1 pCt. Zuoker aus. Vor einigen Jahren wurde auch 
Eiweiss im Urin festgestellt. 

Befund: Reduzierter Enährunga- und Kräftezustand. Cor: Grenzen 
fingerbreit vom rechten Sternalrand nach aussen, links 2 Querfinger breit 
ausserhalb der Medioklavikularlinie. Töne: rein, 2. Aortenton akzen¬ 
tuiert. Puls: sehr hart, schnellend; Arterienwand verdickt; Blutdruck 
120/240; Urin hell, klar; Alb. + (1 pM. Essbach), Sacbar. 0,5 pCt. 

Ergebnis der Nierenfunktionsprüfung: Uraninausscheidung: Beginn 
nach 25 Min., Ende nach 116 Std.: verlängert. Wasserausscheidung: 
naoh 3 Std. 1005 ccm, im ganzen 1855 ccm: überschiessend. Ver¬ 
dünnungsfähigkeit min. 1002 gut, Konzentrationsfähigkeit max. 1010: 
gering. Koohsalzaussoheidung min. 0,351, max. 0,819: ziemlich gut. Ist 
1 Jahr 3 Mon. nach^ der oben angeführten Funktionsprüfung nach 
längerem Krankenlager gestorben. 

Fall 3. 67jähriger Mann. Anamnese: Vor etwa drei Jahren 

naoh rascher Körpergewichtsabnahme Schwäche und vermehrtes Durst¬ 
gefühl. Damals wurde 5 pCt. Zucker naehgewiesen. Bei strenger Diät 
sank der Zuckergehalt auf durohschnittlich 0,6 pCt. Vor 2 Jahren 
linksseitiger Sohlaganfall. Seither Sehbehinderung, Schwäche, Ab¬ 
magerung. Vor 6 Wochen schwollen Beine und Hodensaok plötzlich 
rasoh an. Subjektiv keine besonderen Beschwerden. 

Befund:* Reduzierter Ernährungszustand, schwache Muskulatur. 
Herz: Spitzenstoss undeutlioh in der Mamillarlinie. Grenzen: Rechter 
Sternalrand, i Querfinger ausserhalb der linken Mammillarlinie. Puls 
regelmässig, aqual, gespannt. Blutdruck 125/205. Lungen: Ueber dem 
Unterlappen inspiratorisches Rasseln. Sonst keine abnormen Befunde. 
Urin Alb. +; Sach. —. 

Ergebnisse der Nierenfunktionsprobe: Uraninausseheidung: Beginn 
nach 85 Min., Ende nach 147 Std.: verlängert. Wasserabscheidung: 
nach 3 Std. 1170 ccm, im ganzen 1535 com: übersohiessend. Ver¬ 
dünnungsfähigkeit min. 1002 gut, Konzentrationsfähigkeit max. 1016: 
herabgesetzt. Kochsalzausscbeidung min. 0,2106, max. 0,7524: gut. 
Rest-N 42 mg. Ist etwa 1 Jahr 4 Mon. nach Anstellung der Funktions¬ 
probe an Sohlaganfall gestorben. 

Fall 4. Aamnese: Vor 19 Jahren wurde 6,75pCt. Zucker fest¬ 
gestellt. Bei mittelstrenger Diät ist Patient späterhin oft zuokerfrei. 
Meistens schied er 1—2pCt. Zucker aus. Zurzeit klagt er über An¬ 
fälle von starker Atemnot, Husten und reichlichem Auswurf. 

Befund: Ziemlieh kräftiger Mann in gutem Ernährungszustände. 
Gor: Spitzenstoss ausserhalb der Mammillarlinie. Grenzen reobts Mitte 
des Sternum: links 1 Querfinger ausserhalb der Mammillarlinie. 

Töne: Ueber der Spitze und der Pulmonalis systolische Geräusche. 
Puls: kräftig, gespannt, regelmässig. Blutdruck 185/95 mm Hg, sonst 
keine auffälligen Befunde. Urin: Alb. 2pM., Sach. —. 


Ergebnisse der Nierenfunktionsproben: Uraninausseheidung verzögert. 
Beginn nach 15 Min., Ende nach 150 Std.: verlängert. Verdünnungskraft 
min. 1006: herabgesetzt, Konzentrationskraft max. 1012: herabgesetzt. Koqh- 
salzausscheiduug: min. 0,1404, max.0,468: vermindert. Wasserabscheidung 
nach 3 Std. 320 ccm: verzögert, im ganzen 1150ccm. Rest-N 118,4mg. 
Ist ungefähr 11 Monate naoh obiger Punktionsprüfung nach längerem 
Krankenlager gestorben. 

Fall 5. 72 Jahre alte Frau. Anamnese: Vater war zuckerkrank. 
Im Alter von 30 Jahren wurde zum ersten Male Zucker lestgestellt. Viel 
Durst, wenig subjektive Beschwerden. Befolgte jahrelang antidiabetisohe 
Diät. Wurde dieselbe streng durebgefübrt, so hatte Pat. 3pCt. Zucker; 
bei weniger strenger Diät bis zu 5 pCt. .Vor 6 Jahren begannen 
Herzbeschwerden, vor allem Atennot. Seit 5 Wochen schwollen die 
Füsse an. 

Befund: Guter Ernährungszustand. Gor: Im 5. l.G. in 1. Mamillar¬ 
linie bebender und leicht verbreiterter Spitzenstoss. Grenzen: Rechts 
1 om vom rechten Sternalrand nach rechts; links entsprechend dem 
Spitzenstoss. An der Spitze und über Pulmonalis systolische Geräusche. 
Puls: Arterien sehr rigide, ungleich, unregelmässig. Blutdruck 170/80. 
Beginnende Gangrän der rechten Zehe; die übrigen Organe ohne patho¬ 
logischen Befund. 

Ergebnisse der Funktionsprüfung: Uraninausseheidung. Beginn naoh 
25 Min., Ende nach 56 Std.: verlängert. Wasserabscheidung: Nach 3 Std. 
123 ccm, im ganzen 613 ccm: verlängert und vermindert. Verdünnungs- 
fähigkeit min. 1012: schlecht, Konzentrationsfähigkeit max. 1032: gut. 
Kochsalzabscheidung min 0,4212, max. 0,9828: gut. Rest-N 70. Ist 
etwa 2 Monate nach obiger Funktionsprüfung unter dem Krankheitsbilde 
einer asthenischen Urämie gestorben. 

Im ganzen betrachtet ergab die Funktionsprüfung für unsere 
5 Fälle von Nierensklerose etwa folgendes Bild: Abgesehen von 
verlängerter Farbstoffausscheidung, die allen Fällen gemeinsam 
war, beschränkt sich der Funktionsausfall bei Fall 1 nur auf 
verringertes Wasserausscheidungsvermögen mit dementsprechend 
herabgesetzter Verdünnungskraft. Fall 2 und 3 zeigten haup' 
sächlich eine eingeschränkte Konzentrationskraft, bei relativ gut 
erhaltener Kocbsalzausscheidung. Bei Fall 4 ergab sich eine Ver¬ 
zögerung der Wasserausscheidung, eine Einschränkung des Ver¬ 
dünnungs- und Konzentrationsvermögens sowie eine herabgesetzte 
Kochsalzausscheidung. Ausserdem war bei Fall 4 der Reststick¬ 
stoffwert bedeutend erhöht. Bei Fall 5 fiel vor allem auf, dass 
entsprechend der stark eingeschränkten Flüssigkeitsausscheidung 
die Verdünuungskraft erheblich herabgesetzt war, also Oligurie 
im Vordergründe stand, die wir in diesem Fall als kardiales 
Stauungsphänomen deuten mussten. 

Nach dem Ausfall der Funktionsprobe mussten wir die Fälle 1, 
2, 3 als einfache benige Sklerosen auffassen. Fall 4 und 5 sind 
aber wegen des erhöhten Reststickstoffwertes und der anderen 
stark beeinträchtigten Teilfunktionen der Nieren za den malignen 
Sklerosen zu rechnen. 

Der weitere Verlauf der Fälle entsprach auch annähernd 
dieser Prognose; denn von den 3 einfachen Skleiosen befindet 
sich zurzeit noch ein Fall (1) bei relativem Wohlbefinden. Fall 3 
ist bei vorher befriedigendem Gesamtzustande plötzlich einem 
Schlaganfall erlegen. Fall 2 ist im Alter vo.i 65 Jabren 1% Jahre 
nach Anstellung der obigen Funktionsprüfung gestorben, bei den 
malignen Sklerosen trat nach einem kürzeren Zeiträume der Tod ein. 
Fall 4 starb nach 11 Monaten, Fall 5 nach 2 Mon. unter dem 
Bilde einer asthenischen Urämie. 

Somit können wir zusammen fassend sagen: Ein auf hoch¬ 
gradige Nierenstöruog hinweisender Befund, insbesondere ein stark 
erhöhter Reststickstoffwert lässt die Prognose quoad tempus un¬ 
günstig erscheinen. Ein Funktionsbefund jedoch, wie man ihn 
bei den einfachen Sklerosen zu finden pflegt, berechtigt quoad 
tempus zu besseren Hoffnungen, wobei er allerdings den Eintritt 
von Zufällen (Fall 4, Apoplexie), welche auch ohne den Zwischen¬ 
tritt von Niereninsuffizienz die Lebensdauer abzukürzen vei mögen, 
nicht ausscbliesst. Vom diagnostischen und prognostischen Stand¬ 
punkte aus geben also die diabetischen Nierensklerosen zu ganz 
ähnlichen Betrachtungen Anlass, wie die nicht-diabetischen 
Nierensklerosen und es sollten auch bei den diabetischen Nieren- 
komplikationen Funktionsprüfungen der Niere mehr als bisher 
benutzt werden. Für die Verwertung der Befunde sind dieselben 
Gesichtspunkte maassgebend, wie wir sie von den nichtdiabetischen 
Fällen kennen. 

Literatur: Tb. Fahr, Diabetesstudien. Vircb. Arch.,J2d. 22, H. 3. 
— Knack, Prüfung der Nierenfunktion. Aerztl. Verein Hamburg, 
5. Juni 1917, offhielles Protokoll. — Naunyn, Diabetes mellitus. Notb- 
nagel’s Handb., 1907, Bd. 7, 6. Teil. — v. Noorden, Zuckerkrankheit, 
1917. — H. Strauss, Nephritiden 1917 und Diätbehandlung innerer 
Krankheiten, 1909. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


3. November 1919. 


1039 


Aus der Prosektur des Garuisonspitales Nr. 1 in Wien. 

Zur Kenntnis der Pleuratumoren: Leiomyom 
der linken, Endotheliom der rechten Pleura. 

Von 

Dr. Ernst Kornitzer. 

Leiomyome finden sich weitaus am häufigsten im Uterus und 
an seinen Adnexen. Ausser vom Uterus entwickeln sich Tumoren, 
die zum grössten Teil aus glatten Muskelfasern bestehen, nur sehr 
selten. Es sind Myome des Verdauungstraktes bekannt — hier 
oft multipel auftretend, Myome der Haut, des Ureters, der Harn¬ 
blase, der Prostata, des Hodens, der Niere, weiters der Brust¬ 
warze, der Vulva und noch vereinzelt anderer Organe *), schliess¬ 
lich als integrierender Bestandteil der verschiedenen Misch¬ 
geschwülste. 

Die Lehrbücher der pathologischen Anatomie führen allgemein 
in einem gewissen Gegensatz zu den echten Myomen die vorwiegend 
aus glatten Muskelfasern bestehenden hyperplastischen Bildungen 
verschiedener Art und Genese an („elephantiastische“, entzünd¬ 
liche, dann die muskulären Hyperplasien der Prostata), ferner 
Hamartien Gewebsmissbildungen und Choristome-Gewebsverlage- 
ruugen, doch sind diese theoretisch berechtigten Unterscheidungen 
— wie sich auch hier wieder gezeigt bat — für den konkreten 
Fall oft nur schwer oder gar nicht durchführbar. 

Die glatten Muskelfasern stellen ein relativ hoch differen¬ 
ziertes Gewebe dar, sie zeigen daher ausser an der Prädilektions¬ 
stelle — dem Uterus — eine relativ geringe Tendenz zu blasto- 
matösem Wachstum. 

Bei einer Sektion fand sich nun als Nebenbefund ein Leio¬ 
myom der Pleura. Der Fall erscheint aus diesem und noch 
einigen anderen Gründen bemerkenswert. 

Auszug aus der Krankengeschichte (Kriegsspital Grinzing, 
Abt. 1, Pr. Nr. 54059). 

Josef Z., 40 Jahre alt, war nach 17 monatlicher Felddienstleistung 
mit Atembeschwerden und Stechen auf der Brust erkrankt — meldete 
sich Anfang Juli 1917 krank, passierte verschiedene Front- und Etappen¬ 
spitäler und kam am 27. VII. 1917 an das Kriegsspital Grinzing. Ueber 
frühere Erkrankungen ist nichts vermerkt. Die objektive Untersuchung 
ergab: Dämpfung über der rechten Thoraxhälfte, darüber Atmung und 
Stimmfremitus aufgehoben — subfebrile Temperaturen. Die Probe¬ 
punktion ergab hämorrhagische Flüssigkeit. 

Diagnose: Pleuritis haemorrhagica. 

Die Krankheitserscheinungen nahmen einen rapiden Fortgang. 

13. VIII. Neuerlich Pleurapunktion, Entleerung von 1 / 2 1 hämor¬ 
rhagischer Flüssigkeit. 

14. VIII. Trotz Punktion hält die Atemnot an — grosse Unruhe 
des Nachts. 

15. VIII. Heftige Atemnot — Kampfer, Mo. 

16. VIII. 5 Uhr früh Eiitus. 

Sektion: (Dr. Jaffe) 16. VIII. Auszug aus dem Obduktions¬ 
befund (PSP. Nr. 2501/1917, Garn. Sp. Nr. 1). Schlecht genährte, 
kräftig gebaute männliche Leiche. Die Leptomeningen blutieich und 
stark durchfeuchtet, das Gehirn leicht atrophisch, von mittlerem Blut¬ 
gehalte und feucht. 

Das Zellgewebe im vorderen Mediastinum schwielig verdichtet, im 
rechten Brustfellraum 4500 ccm blutig seröse Flüssigkeit. Die Leber 
wird durch das pleurale Exsudat stark nach abwärts gedrängt und über¬ 
ragt in der Mamillarlinie handbreit den Rippenbogen. Die pleurale 
Auskleidung des rechten Brustfellraumes ist in eine dicke, hellgrauweisse 
derbe Schwarte verwandelt. Sie erreicht über dem Zwerchfell die 
grösste Dicke und ist am dünnsten über der vollkommen atelektatischen 
Lunge. 

Die Innenfläche dieser Schwarte ist durch leistenförmige Vorsprünge 
und flaohe, beetförraige Plaques uneben. In der Muskulatur der 
rechten Zwerchfellhälfte finden sich bis hanfkorngrosse grauweisse runde 
Knötchen. 

Beim Lösen der Verwachsungen der linke Lunge gelangt man an 
der Hinterfläche des Unterlappens, mehr basalwärts gelegen, zu einem 
zwischen den Verwachsungsmembranen gelegenen etwa apfelgrossen, 
kugeligen Tumor von derb elastischer Konsistenz. Seine Oberfläche ist 
glatt, sie wird von einer derben Kapsel gebildet, es bestehen nirgends 
festere Verwachsungen mit der Umgebung. Auf der Schnittfläche ist das 
Gewebe von hellgraugelber Farbe, durch schmale grauweisse Binde- 
gewebszüge entsteht Andeutung eines groblappigen Aufbaues und im 
Zemtrum der Geschwulst liegen unscharf abgegrenzte bis kirschgrosse 
Hohlräume, die eine klare fadenziehende Flüssigkeit enthalten. 


1) Wetzel beschreibt in der gynäkologischen Rundschau, 1914, 
Nr. 25 ein Myom des präperitonealen Bindegewebes, als dessen Aus¬ 
gangspunkt er die Vasa umbilioalia oder sonstige versprengte Keime 
glatter Muskulatur annimmt. 


Histologisch: Glatte, langgestreckte Muskelfasern ordnen sich zu 
breiten Zügen, die in verschiedeuer Richtung sich durchflechten. Die 
Kapsel besteht aus derbem Bindegewebe mit perivaskulären Rundzellen- 
ansammluDgen, im Tumor findet sich bis auf die breiten Züge nur wenig 
lockeres Bindegewebe, das die Muskelfasern umspinnt. 

Im Herzbeutel vermehrte trübe gelbe Flüssigkeit, das Epikard glatt 
und zart, das Herz schlaff, von entsprechender Grösse, das Myokard 
graubraun, verquollen, die Klappen zart. Die Milz etwas vergrössert, 
schlaff, mit zahlreichen Blutungen in der Pulpa, die Leber und die 
Nieren ziemlich derb, blutreioh, mit deutlicher Organzeichung, die Neben¬ 
nierenrinde fettreich, das Pankreas, die Beckenorgane, Magendarmkanal und 
Hoden ohne Besonderheiten. 

Auf dem Peritoneum, namentlich des rechten Hypochondriums zu 
grösseren Plaques konfluierende, flache, grauweisse, ziemlich derbe 
Knötchen, hanfkorngrosse seichte, flache Knötchen im grossen Netze und 
im Mesenterium. 

Einzelne Lymphdrüssen an der grossen Kurvatur des Magens sind 
etwas vergrössert, ziemlich derb, auf der Schnittfläche von reinweisser 
Farbe. Auch in den tieferen zervikalen Lymphdrüsen links und in den 
pulmonalen und bronchialen Lymphdrüsen finden sich Einsprengungen 
von weissem, derbem Gewebe. 

Histologischer Befund der rechten Pleura: Grosse, flache 
polygonale Zellen mit relativ grossen runden oder rundovalen Kernen 
werden von einem bindegewebigen Retikulum umsponnen, das ao manchen 
Stellen sich zu hyalinen Septen verbreitert. An den Kernen der Zellen 
fällt eine ziemlich grosse Unregelmässigkeit auf, auch einzelne Riesen¬ 
zellen sind vorhanden, Mitosen weniger zahlreich. 

In den Lymphdrüsenmetastasen tritt das Stroma gegenüber den 
Eadothelzellen zurück. 

Anatomische Diagnose: Endotheliom der rechten Pleura 
mit Metastasen in thorakalen und abdominalen Lymphdrüsen und 
im Peritoneum. Rechtsseitige hämorrhagische Pleuritis. Apfel¬ 
grosses Leiomyom der linken Pleura. 

Wir sehen also in diesem Falle einige bemerkenswerte Be¬ 
funde: das an sich nicht allzu seltene Vorkommen zweier ver¬ 
schiedener Tumorarten bei demselben Individuum. Dass beide 
Tumorarten in der Pleura ihren Sitz haben, scheint auf den ersten 
Blick für eine Disposition der Pleura dieses Falles zur blasto- 
matösen Entartung zu sprechen. 

Da einer der beiden Pleuratumoren in dieser Lokalisation 
bisher nicht bekannt wurde, soll er eingehender beschrieben 
werden. 

Seine Maasse betragen 9:6:6cm. Er steht durch ein dünnes,'bis 
5 cm breites Band mit der Oberfläche des linken Lungenunterlappens 
in Verbindung; dieses Band setzt sich an der Hinterseite des Unter¬ 
lappens, 4 cm oberhalb seines unteren Randes an, und geht ohne Grenze 
in die Kapsel des Tumors über 1 ). Einzelne dünne Bindegewebsstränge 
verbinden anderseits den Tumor mit der Pleura costalis. Die Pleura 
visceralis ist namentlich oberhalb des bandförmigen TumoraDsatzes un¬ 
regelmässig streifenförmig verdichtet, 
unterhalb dieses Ansatzes ziehen kleine 
Falten fächerförmig gegen die Ansatz¬ 
linie. 

Die Oberfläche des Tumors ist 
ziemlich glatt, hell gelblichgrau, an 
einigen Stellen finden sich einzelne 
Fettläppchen und Bindegewebsstränge. 

Der Tumor lässt sich ziemlich leicht 
aus dem kapselartigen Ueberzuge, der 
aus mehreren Schichten zusammen¬ 
gesetzt erscheint, auslösen, an seiner 
freien Oberfläche findet sich eine flache, 
grobhöckerige Lappung angedeutet. 

Die Schnittfläche ist glatt; durch 
schmale, stellenweise auch etwas 
breitere, blassgraue Septen entsteht 
eine groblappige Zeichnung (siehe Ab¬ 
bildung). In den Maschen dieses binde¬ 
gewebigen Netzwerkes liegt eine ziem¬ 
lich derbe blassrötlichgraue Substanz, 
die Andeutung einer zarten Faserung 
aufweist; daneben findet man auch 
Stellen, die weicher sind, von hellgelber 
Farbe und homogenem Bau. Die Ab¬ 
grenzung dieser beiden Gewebsarten L = Partie aus dem linken Lungen¬ 
gegeneinander ist stellenweise scharf, unterlappen. M M = Myom der 
stellenweise gehen sie aber ineinander Pleura (aufgeschnitten), 

über. Im oberen Anteile des Tumors 

liegen mehrere kleine, bis höchstens bohnengrosse glattwandige Hehl¬ 
räume, die mit einer fadenziehenden klaren Flüssigkeit angefüllt sind. 

Die Pleura in der Umgebung des Tumors zeigt bis auf die früher 
erwähnten strangförmigen Verdickungen nichts Abnormes. Das 



1) Man gewinnt dabei den Eindruok, als würde die Pleura visceralis 
mesenteriumartig den Tumor überziehen. 


2 * 


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1040 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


Lungengewebe iat im Berefohe des ganzen Unterlappens lufthaltig, ohne 
irgendwelche krankhafte Veränderung. 

Zur histologischen Untersuchung wurde eingelegt: 1. Ver¬ 
bin dungsstrang mit angrenzender Lungen- und Tumorpartie. 2. Fibröse 
Tumorpartie mit der Kapsel. 8. Keil mit weioher Tumorpartie. 4. Par¬ 
tien aus dem derben Tumorabsohnitt. 5. Ein Stück aus dem zystischen 
Anteil. (6. Endotheliom aus der rechten Pleura. 7. Metastasen des 
Endothelioms aus verschiedenen Regionen). 

Als Färbemethoden wurden verwendet: Hämalaun-Eosin, Van Gieson, 
Mallory, Bielschowsky, Giemsa Romanofsky, Weigert*« Fibrinfärbung, 
Hamalaun-Sudan III. 

Die im Obduktionsprotokoll gegebene mikroskopische Beschreibung 
entspricht der den Hauptanteil des Tumors bildenden soliden, derben 
Partie. 

Es iat das Bild eines ziemlich zellreichen Leiomyoms, das innig von 
bindegewebigen Elementen durchsetzt wird. Vielfach bilden diese einen 
integrierenden Bestandteil des Tumors, streckenweise geradezu das 
einzige Tumorgewebe. Breitere fibrpse, teilweise hyaline Sträoge teilen 
den Tumor in einzelne Knoten. 

Die glatten Muskelfasern zeigen verschiedene Grösse, ihr Proloplasma 
ist bald heller, bald dunkler tingiert, in den van Giesonschnitten in¬ 
tensiv gelb gefärbt. 

Auch die Kerne verhalten sich tinktoriell nicht einheitlich; meist 
ist das Cfiromatin in feinen Körnchen angeordnet, von einem aus¬ 
gesprochenen Kerngerüst ist nichts zu sehen; ein Kernkörperchen lässt 
sich nur vereinzelt mit Sicherheit auffinden; die* Form und Grösse der 
Kerne variiert in ziemlich weiten Grenzen, von mehr längsovalen bis zu 
ausgesprochen Stäbchen- und keulenförmigen finden sioh alle möglichen 
Uebergänge. 

Diese Zellen ordnen sich zu Zügen verschiedener Länge und Breite 
und durcbfiechten sich gegenseitig. Vereinzelt liegen auch in den 
Bindegewebssepten isolierte kleine Gruppen glatter Muskelfasern. Stellen¬ 
weise scheinen sie sioh ausgesprochen perivaskulär anzuordnen; in einigen 
Partien fällt der Gefässreiohtum des Tumors auf. 

Vielfach .finden sich perivaskuläre Anhäufungen kleiner Rundzellen 
von verschiedenem Umfange. Sie bestehen aus einem spärlichen Reti¬ 
kulum, in dessen Maschen vorwiegend Lymphozyten liegen; daneben 
sieht man auch viele spindelige Elemente vom Fibroblastenlypus, dann 
polymorphkernige Leukozyten und in verschiedener, teilweise recht be¬ 
trächtlicher Menge Plasmazellen. 

An einer rein bindegewebigen Stelle findet sioh eine Zellanbäufung 
besonderen Cherakters: Sie setzt sich zusammen aus grossen Zellen von 
teils kubischer, teils kurz spindeliger oder auch kipfelförmiger Gestalt. 
Das Protoplasma ist bell (bei van Giesonfärbung hellgraugelb), von 
wabiger Struktur, die Kerne — vielfach auch 2—3 in einer Zelle — 
sind sehr gross, blasig, kugelig oder klumpig, mit deutlichem Kern- 
geröst und sichtbarem Kernkörperohen. Diese Zellen nehmen — wie 
die Untersuchung an Serienschnitten ergab — nur ein kleines Gebiet 
ein; sie zeigen epitheliale Anordnung und liegen vollkommen isoliert, 
ohne Zusammenhang mit ihrer Umgebung. Nach ihrem Aussehen sind 
sie gänzlich verschieden von den sonst im Tumor vorhandenen Zellen, 
doch zweifellos ebenfalls Tumorzellen, jedoch anderer Art. Ihr Ver¬ 
halten entspricht dem Zelltypus des in der rechten Pleurahöhle 
gefundeneu Endothelioms, das somit neben anderen Meta¬ 
stasen auch eine nur mikroskopisch auffindbare in den 
zweiten gutartigen und älteren Tumor gesetzt hat. 

Gegen die Oberfläche des Tumors zu ordnen sioh die Muskelzellen 
zu parallel zur Oberfläche gestellten Zügen, die von einer breiten, 
bindegewebigen Kapsel umgeben werden. Im Bereiche dieser, durch 
mehrere Bindegewebsschiohten gebildeten Kapsel finden sioh wieder 
zahlreiche Inseln kleinzelliger Infiltration von dem früher geschilderten 
Typus. 

Das mikroskopische Verhalten der weichen Tumoranteile ist kein 
wesentlich verschiedenes von dem die Hauptmasse bildenden derben 
Gewebe, doch erscheinen hier die zelligen Elemente duroh eine leichte 
ödematöse Durchtränkung aufgelockert. Ein näherer Zusammenhang 
dieser weicheren Partien mit den (bei der makroskopischen Beschreibung 
erwähnten) zystisch erweichten Tumorteilen liegt nahe. Zur Prüfung 
auf regressive Metamorphosen wurden die von erweichten Stellen stark 
durchsetzten Areale mit Sudan III-Hämatoxylin gefärbt. Es zeigte sich 
eine herdweise Verfettung, teils aus kleinsten intrazellulären Fett- 
tröpfchen bestehend, teils aus vollkommen verfetteten Zellen zusammen¬ 
gesetzt, daneben fanden sich auch freie Fetttropfen. Von dieser Ver¬ 
fettung erscheinen Bindegewebs- wie glatte Muskelzellen in gleicher 
Weise betroffen, doch sieht man mitten durch solche verfettete Partien 
auch kurze Züge von erhaltenen Muskelfasern hindurchziehen. 

Ausserhalb dieser mehr umschriebenen Verfettungsherde sind nur 
ganz vereinzelte Zellen mit kleinen Fettröpfchen beladen sichtbar. In 
der fibrösen Kapsel zeigen sich wieder grosse Fetttropfen. 

Die histolosisohe Untersuchung der den zystisch erweichten Partien 
benachbarten Tumoranteile ergibt folgenden Befund: Sie sind auf¬ 
gelockert, an der Grenze der Hohlräume ballen sich die Kerne zu¬ 
sammen und zeigen Degenerationserscheinungen in Form von Pyknose 
und Kariolyse. Das Protoplasma dieser Zellen ist zerfallen. Einzelne 
znm Teil gut' erhaltene Zellen finden sieb auch frei im Lumen der 
Zysten, eingelagert in ein spärliches fädiges Netzwerk, das den Eindruok 
eines Gerinnungsproduktes macht, jedoch keine Fibrinreaktion gibt. 


Reaktive Veränderungen sind in der Umgebung des ErweiohungsherdM 
nicht nachweisbar. 

Schliesslich wurde noch — um den Zusammenhang des Tumors mit 
der Umgebung festzustellen — der Verbindungsstrang mit der Lunge 
in Stufenserien untersucht: 

Die angrenzende Lungenpartie zeigt sich frei von irgendwelchen 
Veränderungen. Die subpleurale Bindegewebslage ist etwas verbreitert, 
in geringem Grade hyalinisiert und zeigt an einigen Stellen kleinzellige 
Infiltration von der Beschaffenheit der im Tumor gefundenen. Von einem 
Pleuraendothel ist an der Stelle unter dem Abgänge des Verbindungs¬ 
stranges nichts zu sehen, dasselbe bedeokt vielmehr von aussen den 
zum Tumor führenden Verbindungsstrang. 

Dieser Strang geht ohne Grenze aus der Bindegewebslage der 
Pleura visceralis hervor und besteht aus dickeren und dünneren Binde- 
gewebssträngen, zwischen denen und an deren Aussenfläche man allent¬ 
halben das charakteristische, einreihige kubische Pleuraendothel findet. 
Dieses setzt sich dann auf die freie Tumorfläcbe fort, wo es überall 
deutlich erkennbar ist. 

Der Verbindungsslrang ist sehr reich an grösseren und kleineren 
Gelassen, die vielfaoh miteinander anastomisieren. 

Es handelt sieb also züsammenfassend um ein 
apfelgrosses Fibroleiomyom der linken Pleura, das von 
der Hinterfläche der linken Lunge seinen Ausgang 
nimmt und durch einen fibrösen Strang mit ihr ver¬ 
bunden ist. Sowohl dieser Verbindungsstrang wie auch 
die freie Oberfläche des Tumors werden von Pleura¬ 
endothel überzogen, das mit dem der Lungenoberfläche 
zusammenhängt. Ein von der Pleura der anderen Seite 
ausgehendes Endotheliom hatte neben zahlreichen an¬ 
deren Metastasen auch eine paikroskopisch kleine in 
das Fibromyom gesetzt. 

Eine Myombildung in der Pleura wurde — soweit aus der 
Literatur ersichtlich — bisher noch nicht beschrieben. Nnr 
Forkel 1 ) berichtet über ein Fibromyom der Lunge, das mit 
vorliegendem Falle gewisse Analogien besitzt. An der Spitze 
der linken Lunge sass mit breiter Basis eine kugelige, derbe 
Geschwulst, die auch mit der Pleura costalis breit verwachsen 
war. Mikroskopisch erwies sich der Tumor als Fibromyom, das 
von Pleuraendothel bedeckt’war. Dieser Tumor soll nach Forkel 
von dem in der Lunge vorkommenden glatten Muskelgewebe in 
der Wand der Bronchien und der Gefässe seinen Ausgang ge¬ 
nommen haben. 

Die Frage der Myombildung in der Lunge bzw. Pleura streift 
hier ein mehr allgemeines Gebiet — das über die Beziehungen 
zwischen Tumor und Entzündung. 

Bekanntlich kommt es bei chronischer Pneumonie zu einer 
„Zirrhose“ des Lungengewebes. In manchen dieser Fälle findet 
sich neben der Bindegewebswucherung eine starke Proliferation 
der glatten Muskelfasern. Davidsohn 2 ), der einen solchen Fall 
beschreibt, will gerade für diese Ausgangsform der chronischen 
Pneumonie die Bezeichnung „Karnifikation“ reservieren, dann 
nämlich, „wenn Muskelfasern mit Bindegewebsfasern gemischt 
sind oder sie gar ersetzen“. Schon vor Davidsohn batte Orth 
die Beobachtung gemacht, dass bei brauner Induration der Lunge 
das Muskelgewebe in Form breiter Wülste an vielen Stellen in 
das Lumen der Alveolen und Alveolargänge vorspringt, und hat 
weiterhin daraus die Möglichkeit der Bildung voq Myomen, event. 
von Angiomyomen in Betracht gezogen. 

Es ist zunächst nicht undenkbar, dass der vorliegende Tumor 
auf diese Art entstanden ist, doch ist diese Annahme recht un¬ 
wahrscheinlich, denn — abgesehen von der mit negativem Er¬ 
gebnis durebgeführten Serienuntersuchung des Verbindungsstranges, 
der von der Lunge zum Tumor führt — zeigt das angrenzende 
Lungengewebe auch keine Zeichen abgelaufener Entzündung. 

Myome entwickeln sich in der Regel dort, wo schon normaler¬ 
weise glatte Muskelfasern Vorkommen, obwohl natürlich der Aus¬ 
gangspunkt nur in den allerersten Stadien nachgewiesen werden 
kann. Hier können wir nur das subpleurale Gewebe mit Wahr¬ 
scheinlichkeit als Ursprungsstätte annebmen. Es ist in den ver¬ 
schiedenen Handbüchern der vergleichenden Anatomie und der 
Embryologie nirgends ein Hinweis darauf zu finden, dass im Ge¬ 
webe der Pleura selbst glatte Muskelfasern Vorkommen. So bleibt 
nur die Möglichkeit, abgesprengte Muskelzellen aus der Wand 
von Blutgefässen als Keimmaterial des Tumors anzunehmen. Die 
subpleurale Bindegewebslage ist auch etwas verbreitert, und es 
wäre sehr gut denkbar, dass es im Verlaufe einer Pleuritis zu 


1) Forkel, Zsohr. f. Krebsforsch., 1910, Bd. 8. 

2) Davidsohn, B.kl.W., 1907, r _Nr. 2. 


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B. November 1919. 


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einer solchen Keimausschaltung gekommen ist. Bei der blaslo 
matösen Proliferation hat nun der Tumor das Pleuraendothel vor 
sich hergeschoben. 

Es wäre dabei jedoch sehr gesucht, in der Pleuritis selbst 
schon den Anstoss zur Tumorbildung anzunehmen, da die Rolle 
der Entzündung namentlich für gutartige mesenchymale Tumoren 
noch sehr hypothetisch ist. 

Die Entscheidung, von welchem der beiden Pleurablätter der 
Tumor ausgegangen ist, ergibt sich aus der Betrachtung ihrer 
Verbindungsstränge mit dem Tumor: der eine, der den Zusammen¬ 
hang mit der PJeura pulmonalis vermittelt, stellt ein breites, 
kräftiges Band mit zahlreichen Blutgefässen dar, der andere, der 
zur Pleura parietalis führt, besteht aus einigen spärlichen Binde- 
gewebssträngen. Der Tumor dürfte daher in der Pleura pulmonalis 
seinen Ursprung genommen haben. 

Die im Tumor wie in den Verbindungssträngen und auch in 
der Pleura Vorgefundenen Rundzelleninfiltrate sind wohl jüngeren 
Datums als der Tumor, wahrscheinlich bedingt durch mechanische 
Reizung bei der Atmung, namentlich in der späteren Zeit 
durch angestrengte Atmung, die vikariierend nach Ausfall der 
rechten Lunge durch die hämorrhagische Pleuritis dieser Seite 
einsetzte. 

Durch gesteigerte Atmung erklärt es sich auch, dass der 
Tumor unter Dehnung der zu den beiden Pleurablättern führenden 
Verbindungsstränge in diesen ^scheinbar isoliert zur Entwicklung 
gelangt ist. 

Eine kurze Betrachtung sei dem Zusammentreffen zweier 
verschiedener primärer Tumoren bei demselben Indi¬ 
viduum und in demselben Organsystem gewidmet: 

Die Zahl der diesbezüglichen Beobachtungen ist so gross, 
dass nur spezielle Gründe die Erörterung eines weiteren Falles 
überhaupt rechtfertigen können. 

In einer 7 Jahre umfassenden Statistik stellte Egli 1 ) 1914 
die Fälle von primärer Multiplizität von Tumoren aus dem Ma¬ 
terial -;des Hedinger’scben Institutes in Basel zusammen. Dar¬ 
nach wurden bei 4765 Sektionen 966 mal Tumoren gefunden, 
unter diesen 263 = 27,2 pOt. primär multiple, wobei Egli benigne 
Strumen, Retentionszysten and Prostatahypertrophien nicht als 
Tumoren rechnet. 

In unserem Falle nun fanden “ sich zwei histologisch und 
genetisch verschiedene Tumoren, die wohl nicht in dem gleichen 
Organ, jedoch in dem gleichen Organsystem lokalisiert waren. 
Dieses Zusammentreffen bietet andere Gesichtspunkte, als etwa 
der Befund eines Adenokarzinoms des Darmes bei gleichzeitigem 
Vorkommen multipler papillärer Adenome. In diesen oft beob¬ 
achteten Fällen ist die engere genetische Zusammengehörigkeit 
des Karzinoms mit den Polypen nachgewiesen, während in den 
meisten anderen Fällen das gleichzeitige Vorkommen mehrerer 
verschiedener primärer Tumoren nur als Zufallsbefund erwähnt 
wird. 

In unserem speziellen Falle wäre es gewiss naheliegend, bei 
dem gleichzeitigen Vorkommen zweier verschiedener Tumoren 
in je einer Pleurahöhle eine spezielle Disposition dieses Organ¬ 
systems zur Tumorbildung anzunehmen. 

Ueber eine Beobachtung, die mit unserer eine gewisse Ana¬ 
logie besitzt, berichtet Nothdurft 2 ), der ein Plattenepithel¬ 
karzinom des linken Nierenbeckens zugleich mit papillären 
Adenomen der rechten Niere beschreibt, ohne jedoch an diesen 
gewiss recht auffälligen Befund irgendwelche Schlüsse im posi¬ 
tiven oder negativen Sinn nach der Frage einer Disposition zur 
Tumorbildung zu knüpfen. Doch handelt es sich bei Nothdurft 
um zwei epitheliale Tumoren, in unserem Falle jedoch um ein 
Myom, dessen Elemente sicherlich mesodermaler Abkunft sind, 
und ein Endotheliom vom Typus der „Endothelkarzinome“. Es 
ist schwer, sich vorzustellen, dass in einem Organsystem nach¬ 
einander die Tendenz zur Bildung einerjepithelialen und einer 
Bindesubstanzgeschwulst besteht, selbst wenn man als wahr¬ 
scheinlich annimmt, dass zwischen der Entstehung des Myoms 
und de9 Endothelioms eirr Zeitraum von Jahren, vielleicht von 
Jahrzehnten liegt. 

So kann auch in diesem Falle das gleichzeitige Vorkommen 
zweier verschiedener Tumoren in den beiden Pleurahöhlen nur 
als Zufallsbefund gedeutet werden. 

1) Egli, Schwei*. Korr. Bl., 1914, Nr. 15. 

2) Nothdurft, Prager med. Wsohr., 1911, Nr. 47. 


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Aus der medizinischen Klinik der Düsseldorfer Aka¬ 
demie für praktische Medizin (Direktor: Geh.-Rat Prof. 
Dr. A. Hoffmann). 

Malaria-Erfahrungen und kritische Studien über 
den Unitarismus. 

Von 

Dr. phil. nat. Hellmuth Simons. 

(Schluss.) 

Solange diese Versuche noch nicht gemacht sind, müssen wir unä 
vorläufig naoh einigen anderen Argumenten gegen den Unitarismus um 
sehen, deren Stichhaltigkeit doch immerhin gross genug ist, um die voll¬ 
kommene Haltlosigkeit der unitarischen Lehren *u erkennen. 

1. Kulturversuche in vitro von Ziemann, Bass u. a. haben 
gezeigt, dass, trotzdem Gelegenheit zur Anpassung an ein fremdes 
Medium gegeben war, sich gewisse, als arteigentümlich erkannte Kri¬ 
terien, wie s. B. die Schüffner-Tüpflang des Tertian- .und die 
Maurer-Fleokung des Perniziosaparasiten sich durchaus behaupten. 

2. Als weitere Beispiele dafür, wie zähe eine Parasitenform bei der 
Malaria ihre morphologischen Eigentümlichkeiten festbält, möchte ich 
einige selbst beobachtete Fälle anführen. An dieser Stelle erscheint es 
mir auch nützlich, einige für die Malariaforschung wichtige Fragen zu 
streifen, die mit diesen Fällen im Zusammenhang stehen, obgleich sie 
mit der Kritik des Unitarismus direkt nichts zu tun haben. 

Es handelt sich zunächst um einen 34jährigen französischen Ma¬ 
trosen, wo sich eine Tertiana mit multipler Lymphosarko- 
matose 1 ) kombinierte. Der Patient hatte sich vor langen Jahren in 
den Tropen mit Tertiana infiziert, die nur ab und zu milde Rüekfälle 
veranlasste. Herbst 1913 erkrankte er an einer Lymphosarkomatose, 
die in sehr foudroyantem Verlauf eine schwere Anämie und Kachexie 
herbeiführte. Im Frühjahr 1914, einige Wochen bevor ich den Patienten 
sah, brach ein Tertianarezidiv aus, das anfangs nur sehr schwer, später 
überhaupt nicht mehr mit Chinin oder Salvarsan zu beeinflussen war. 
Patient starb, nachdem die Anfälle ungefähr 8 Wochen gedauert 
hatten, während eines Schüttelfrostes. Als unmittelbare Todesursache 
nahm Brisson die auf dem Boden der Lymphosarkomatose, Kaohexie 
und Anämie wieder neu aufgelebte schwere Tertiana an. 

Nun tili es im Fieberverlauf des Patienten auf, dass der Tertian- 
typus allmählich durch mit jedem Anfall zunehmendes Postponieren in 
einen Q lartautypus überging, der bald ebenfalls deutlich postponierte, 
so dass der letzte tödliohe Anfall unter Zugrundelegung eines Quartan- 
typus sich um 6 Stunden verspätete. Der Arzt, der beim Ausbruch 
des Rezidivs nur Tertianparasiten fand, glaubte wegen der sich immer 
deutlicher herausbildenden Quartanakurve, dass hier eine Umwandlung 
von Tertiana in Quartana im Sinne der Unitarier vorliegen müsse. 
Genaues Studium der fast täglich angefertigten Blutpräparate lehrte 
aber, dass stets, also auoh während der später vorliegenden Quartana¬ 
kurve, Tertianaparasiten, und zwar nur Schizonten mit allen arteigen¬ 
tümlichen Kriterien (Schüffner - Tüpfelung, starke Schwellung der be¬ 
fallenen Erythrozyten usw.) vorhanden waren; von Quartanparasiten 
oder Uübergangsstadien von Tertianparasiten in solche war keine Spur 
zu finden. Die unitaristischen Erklärungsversuche waren hier also eine 
glatte Unmöglichkeit; damit bleibt aber der erhebliohe Widerspruch 
zwischen der mikroskopischen Diagnose und dem weiteren klinischen 
Verlauf des Fiebers noch immer unaufgeklärt. 

Da kam mir der Gedanke, dass vielleicht durch den kachektisch- 
anämischen Zustand, infolge der nebenher laufenden Lymphosarkomatose, 
die Wachstumsgeschwindigkeit der Tertianparasiten sich verlangsamt 
haben könnte, weil sich die Ernährungsbedingungen im Blut ver¬ 
schlechterten. Eine genauere morphologische Analyse der Präparate 
aus der Zeit des quartanen Fiebertypus bestätigte dann auoh diese An¬ 
nahme. Interessanterweise machte sich ein verlangsamtes Wachstum 
erst bei der Kernteilung der erwachsenen Schizonten bemerkbar. Die 
Stadien der zentralen Konzentration des Pigments und die der Aus¬ 
bildung der Merozoite unmittelbar vorangehenden Entwicklungsstufen 
waren etwa um 10 — 14 Stunden verzögert; und auoh die reifen Morulae 
verweilten fast doppelt solange wie sonst im Blut, bis die Merozoite 
frei wurden. Somit sehen wir wiederum ein treffendes Beispiel, dass 
ein Malariaparasit auch unter starken biologischen Veränderungen des 
Mediums — denn solche müssen im Blute eines kachektisch-anämischen 
Mensohen unbedingt vorhanden sein — keine grob morphologischen Form¬ 
änderungen, sondern nur physiologische Anpassung, nämlich eine ver¬ 
minderte Teilungsgeschwindigkeit zeigt. 

Kasuistisch habe ich für die Kombination M&lalaria -f- Lympho¬ 
sarkomatose trotz eifrigen Suehens in der Literatur nur eine einzige An¬ 
gabe gefunden, ln den neunziger Jahren impfte Bein 2 ) einem Fall 
von multipler Lymphosarkomatose künstlich Tertianablut ein. Der 
Impfling zeigte nach 11 Tagen eine Tertiana duplex, die mit Chinin 
gut ausheilte. Hier lagen die Verhältnisse insofern anders als bei dem 
eben beschriebenen Fall, weil bei der künstlichen Impfung Bein’s die 
kaohektisoh-anämisohen Veränderungen des Blutes infolge der Chinin- 

1) Auf diesen Fall rnaohte mich der Marinearzt Brisson im Früh¬ 
jahr 1914 in Villefranobe aufmerksam. 

2) Bein, Gharit6-Ann., 16. Jahrg. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


therapie nur kurze Zeit auf die Parasiten wirkten. Da ausserdem. B e i n 
nicht angibt, wie weit die Kachexie zur Zeit der Impfung fortgeschritten 
war, lassen sich diese beiden Fälle wohl nicht vergleichen. Ich möchte 
noch ausdrücklich bemerken, dass bei dem Fall von Brisson der merk¬ 
würdige Uebergang des Fiebers vom Tertian- in den Quartantypus erst 
mit rasch fortschreitender, sehr hochgradiger Kachexie in Erscheinung 
trat. 

Ganz ähnliche Zusammenhänge zwischen kachektisoh-anämischen 
Zuständen und verminderter Teilungsgeschwindigkeit des Parasiten 
schienen mir bei einem sehr fortgeschrittenen Fall von Magenkarzinoro 
und einem Fall von Malariakachexie zu bestehen. 

Bei dem Karzinomfall — es handelte sich um einen Soldaten, der 

sich 1917 in Mazedonien mit Tertiana infizierte und später an Kar* 

zinom erkrankte — bekam ich nur einen Blutausstrich, Fieberkurve 
und kurze klinische Angaben zugeschickt. Auch hier lag wieder eine 
schlechte Reaktion auf Chinin (10 Anfälle hintereinander, dann Exitus) 
und starkes Postponieren um 8—17 Stunden vor, jedoch war kein 
Quartantypus in der Fieberkurve vorhanden. 

Rei dem Fall von Malariakacheiie trat trotz Chinintherapie 8 mal 
hintereinander nach SVi—3 8 / 4 Tagen ein Fieberparoxysmus auf. Der 
Patient ^kräftigte sich dann zusehends, bekam aber nochmals ein 
Rezidiv, das nun auffallenderweise 2 Anfälle von leicht ante- 

ponierondem Typus, der ja bei der Tertiana gewöhnlich vorherrscht, 
auslöste und dann mit Chinin bald ausheilte. Wir sehen hier also, 

dass bei goter Ernährung des Wirtes die Vermehrungsgeschwindigkeit 
des Blutparasiten grösser ist als bei schlechter. 

Ueber diese Parasitenbefunde an kachektischen Individuen habe ich 
bisher nichts veröffentlicht, weil ich mir über die Ursachen, worauf 
denn letzten Endes bei verschlechterter Ernährung die geringere Ver¬ 
mehrungsfähigkeit eines protozoischen Blutparasiten beruht, keine be¬ 
friedigende Antwort zu geben wusste. Nun konnten vor kurzem Joh. 
Müller und ioh 1 ) zeigen, dass bei experimenteller akuterTypanosomen- 
infektion ganz erstaunliche Einflüsse der Ernährung des Wirtes auf die 
Vermehrung der Blutparasiten vorliegen. Wir fanden nämlich, dass 
Naganamäuse, je nach Dauer des absoluten Hungers (nur Wasserzufuhr), 
eine 8—150fach geringere Parasitenzahl als die mit besonders eiweiss- 
reioher Kost (Brei aus eingedickter Vollmilch und Mehl) gefütterten 
Kontrolliere aufwiesen. Zu diesen Versuchen kamen wir durch Beob¬ 
achtungen, die ich 2 ) gelegentlich früherer Arbeiten über experimentelle 
Nagana machte. Die ganzen Gedankengänge haben wir in unserer ge¬ 
meinsamen Arbeit ausführlich dargelegt, weshalb ich hier nur sehr kurz 
auf die theoretischen Andeutungen unserer Ergebnisse eingehen will. 
Der eine von uns (Müller) nimmt an, dass die auf dem Wege der 
Verdauung ins Blut gelangenden Stoffe von der Natur der Aminosäuren 
und Polypeptide ganz besonders für eine normale Lebenstätigkeit der 
Blutparasiten notwendig sind. Vermindern sich durch den Hunger diese 
Körper oder fehlen sie schliesslich ganz, so muss das auf die Parasiten 
schädigend wirken, mithin auch ihre Vermehrungsfähigkeit ungünstig 
beeinflusst werden. 

Von dieser Annahme Müller’s ausgehend, werden auch meine 
Beobachtungen an kachektischen Individuen viel verständlicher. Bei 
einem durch Lymphosarkomatose, Karzinom oder sonstwie kachektisch 
gewordenen Malariker haben wir gewissermaassen eine Art natürlichen 
Hungerversuohs am Menschen vor uns. 

Es ist daher höchstwahrscheinlich, dass sich, ähnlich: wie im Tier¬ 
versuch, mit dem Trypanosomen auch hier die geringere Vermehrungs¬ 
fähigkeit der Plasmodien durch den Mangel an Eiweissabbauprodukten 
vom Typus der Aminosäuren und Polypeptide erklären wird. Mein be¬ 
scheidenes Tatsachenmaterial dürfte jedenfalls beweisen, dass Unter¬ 
suchungen über die Beziehungen zwischen Ernährungszustand des Wirtes 
und Lebenstätigkeit der Parasiten bei allen Infektionskrankheiten am 
Krankenbett und im Tierversuch zukünftig ganz besonderer Beachtung 
wert sind. 

8. Dass Aenderungen der Temperatur keine Parasitenumwand¬ 
lungen bedingen, bewies vor längerer Zeit schon Saoharoff 8 ) in seiner 
scheinbar sehr in Vergessenheit geratenen Arbeit über den Einfluss der 
Kälte auf die Lebensfähigkeit der Plasmodien. Er liess u. a. einen Blut¬ 
egel an einem an Perniziosa Erkrankten saugen, setzte ihn 4Tage 
lang auf Eis und injizierte sich dann intravenös dessen Blut, worauf 
er bald an typischer Perniziosa erkrankte. Selbstverständlich darf aus 
diesem Versuch nicht a priori gefolgert werden, dass Aenderungen der 
Lufttemperatur auf die Parasiten im Menschen ebenso unwirksam sein 
müssen; aber es ist doch wohl nach diesem Blutegelversuch sehr un¬ 
wahrscheinlich, dass Temperaturänderungen der äusseren Umgebung bei 
Menschen einen so tief greifenden Einfluss awf die Formbildung der Para¬ 
siten, wie ihn die Unitarier acnehmen, ausüben sollten. 

4. Geradezu ein Kardinalfehler der Unitarier liegt darin, dass 
sie eine morphologische Theorie meistens nicht aus morphologischen, 
sondern überwiegend epidemiologischen und klinischen Ergebnissen ab¬ 
zuleiten suchen. Besonders der extreme Flügel der deutschen Unitarier 
unter Führung von Plehn stützt sich bei seinen Beweisen hartnäckig 
auf die geographisch-epidemiologische Statistik. Diese ist aber ein Lochst 

1) Job. Müller u. Simons, Ueber den Einfluss des Hungers auf 
eine experimentelle Trypanosomeninfektion. Erscheint in den nächsten 
Heften der Zsohr. f. Biologie. 

2) Simons, Zschr. f. Hyg., 1918, Bd. 87. 

8) Saoharoff, Zbl. f. Bakt., 1894, Bd. 15. 


Nr. 44. 


unsicherer Stützpunkt, da z. B. bei sehr starkem Ueberwiegen der Perni¬ 
ziosa auch Tertiana Vorkommen' kann und umgekehrt, wie dies vor 
dem Kriege schon Ziemann und andere gezeigt haben. So stellte Zie- 
mann in Togo neben der Perniziosa auch Tertiana fest, so dass hei 
dem bekannten Fall Plehns, der nach seiner Ankunft in Deutschland 
beim ersten Rezidiv Perniziosaringe, später aber Tertianaparasiten zeigte, 
wohl sicher eine Mischinfektion Vorgelegen haben wird. Die epidemio¬ 
logische Statistik der Malaria ist eben nur für gewisse Landstriche hin¬ 
reichend sicher; aber auch in den Gegenden, wo seit Jahren nur eine 
bestimmte Parasitenform gefunden wurde, könnte eitmal eine der anderen 
Formen eingeschleppt werden, ohne dass sie dabei besonders in den 
Vordergrund zu treten braucht. Bei nicht zu gewichtiger Einschätzung 
der Sicherheit einer epidemiologischen Statistik lür eine bestimme Gegend 
bat sich denn auch gezeigt, dass die Epidemiologie gegen den Unitaris- 
mus spricht. Woerner 1 ) uud Eisner 2 ) haben noch vor kurzem drauf 
aufmerksam gemacht, dass in Serbien und in Mazedonien nur solche 
„Patienten im Frühjahr an Tertianaanfällen erkrankten, nachdem sie vor¬ 
her Tropika gehabt hatten, die auch in der Tertiauazeit des Vorjahres 
in der Malariagegend waren. PatieDbn, die erst später dorthin gekommen 
waren und noch mit Tropika ii liriert wurdeD, erkrankten im nächsten 
Frühjahr niemals an Tertiana“. Nach meinen Beobachtungen an insgesamt 
22 Perniziosafällen, bei denen obige Voraussetzungen zutrafen, kann ich 
mich den beiden Autoren nur durchaus anschliessen. Alle anderen schein¬ 
bar unitarischen Fälle von Stränsky 8 ), Heinrich 4 }, Forsohbach 
und Py szkowsky 8 ), Miete ns 6 ) u. a. kann man unschwer auf Doppel¬ 
infektion oder Superinfektion zurückführeD, wie das zuletzt noch Woerner 
und Eisner getan haben. Bei 85 „Umwandlungslällen“ von Perniziosa 
in Tertiana bestätigte mir die Angabe der Patienten, dass sie entweder 
schon einmal an Tertiana erkrankt oder zur Tertianazeit in der be¬ 
treffenden Gegend gewesen waren, also eine latente Tertiana 7 ) an¬ 
zunehmen war. ^ 

5. Einen weiteren Beweis gegen die Arteinheit der Malariaparasiten 
liefert die MischiDfektion. Di Mattei war der erste, der das von den 
Unitariern in Abrede gestellte Vorkommen von echten Misohinfektionen 
experimentell prüfte, indem er «inen nur an Quartana Leidenden Per- 
niziosaparasiten einimpfte und umgekehrt. Er bewies: 

a) Dass eine neue, ins Blut eingeführte Parasitenart über die vor¬ 
herherrschende die Oberhand gewinnt, ein Befund, den Marchiafava 
Bignami, sowie im heutigen Krieg viele Autoren bestätigt haben. 

b) Dass es nicht möglich ist nachzuweisen, „dass sich eine ein- 
geimpfte Parasitenart in eine andere Art ändert, möge man auch eine 
laDge Zeit hindurch die strengsten Untersuchungen den Blutes des Impf¬ 
lings immer und immer wieder vornehmen“. 

Bald darauf fanden Vincenzi, Mannaberg, sowie Thayer und 
Hewetson, dass Mischinfektiouen, bei denen gleichzeitig zwei Parasiten¬ 
arten (Tertiana + Perniziosa) im Blut auftraten, auch unter natürlichen 
Verhältnissen Vorkommen. Diese Beobachtungen wurden dann später 
dahin erweitert, dass auch Quartana -(- Perniziosa und Tertiana -f- Quar¬ 
tana ja sogar in seltenen Fällen Tertiana -f- Quartana -j- Perniciosa 
nebeneinander mikroskopisch und häufig auch klinisch erkannt wurden. 

Die morphologische Erklärung dieser Befunde, besonders das gleich¬ 
zeitige Vorkommen von drei verschiedenen Formtypen, kann von den Uni¬ 
tariern nur durch sehr komplizierte Hilbhypothestn gegeben werden. 
Klar und übersichtlich dagegen wird die Morphologie und Klinik solcher 
Infektionen, wenn man nach dem, von der Mehizahl aller Malariaforscher 
angenommenen Satze Golgi’s den 3 klinisch unterscheidbaren Fieber¬ 
typen je eine konstante Parasitenart zugrunde legt. 

Naoh den eben mitgeteilten Beobachtungen Di Mattei’s und dem 
Golgi’scben Satz wird es auch verständlich, dass z. B. bei einem mit 
Tertiana -f- Perniziosa infizierten Individuum zu bestimmten Zeiten bald 
die Tertiana, bald die Perniziosa klinisch und mikroskopisch allein vor¬ 
herrschen, oder mit anderen Worten, dass die Tertiana und die Perni¬ 
ziosa eine verschiedene „Saison“ haben. Die restlose Erklärung, worauf 
diese Saison eigentlich beruht, wird uns sobald nicht glücken, denn 
wir wissen ja beispielsweise auch nicht, wie Ziemann so treffend sagt, 
warum bestimmte Pflanzen zu bestimmten Jahreszeiten blühen; ebenso¬ 
wenig können wir vorläufig die letzten Ursachen dafür ergründen, warum 
manche Tierformen nur zu gewissen Jahreszeiten auftreten. 

Für eine Misohinfektion, sei sie nun durch ungefähr gleichzeitige 
Doppelinfektion oder durch eine zeitlich weit auseinander liegende Super¬ 
infektion entstanden, gilt diese „Saison“ der beiden Komponenten nicht 
immer ganz streng, da ja, wie schon oben angegeben, eine Reihe 
von Beobachtern die beiden Parasitenarten nebeneinander naohgewiesen 
haben. 

Beispielsweise fanden bei Tertiana + Perniziosa schon vor langem 
Thayer und Hewetson in fast 2pCt. ihrer Fälle aus Baltimore die 

1) Woerner, D.m.W., 1919, Nr. 7. 

2) Eisner, B.kl.W., 1919, Nr, 17. 

3) Stränsky, Med. Klin., 1918, S. 311. 

4) Heinrich, W.kl.W., 1917, Nr. 42. 

5) Forschbach und Pyszkowsky,£D.m.W., 1918, Nr. 9. 

6) Mietens, M.m.W., 1919, Nf. 3. 

7) Herr Prof. Fromme teilte mir folgende interessante Beob¬ 
achtungen mit, die er als Hygieniker an der Westfront machte: Bei 
Mannschaften vom serbisch mazedonischen Kriegsschauplatz trat, nach¬ 
dem sie einige Monate im Westen waren, Tertiana auf, obwohl sie im 
Osten kein Chinin nahmen und keine Malariafälle erlitten. 

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3. November 1910 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1048 


Parasiten gleichzeitig im Blute. Kiewet de Jonge sah bei insgesamt 
5,2 pOt. seiner Fälle sämtliche denkbaren Kombinationen der 3 Arten 
nebeneinander. 

6. Wir müssen uns zum Schluss noch etwas eingehender mit der 
mikroskopischen Diagnostik der Malaria beschäftigen, weil bisher unbe¬ 
achtet gebliebene Fehlerquellen in der Färbetecbnik die Diagnosestellung 
von Mischinfektionen unsicher machen und damit auch unitarischen An¬ 
schauungen Vorschub leisten können. 

In der Diagnostik der Malaria spielt die Methode des dicken Tropfens 
bekanntlich eine sehr wichtige Rolle und ist. im Kriege wohl Allgemein¬ 
gut aller in Betracht kommenden Kliniken und Iostitute geworden. 
Als besonders praktisch erwies sich die vereinfachte Färbemethode der 
deutschen Schlafkrankheitskommission (Giemsafärbung des lufttrockenen 
Tropfens ohne vorherige Hämolyse und Fixierung). Wie M. Meyer 
(a. a. 0.) betonte, „waren alle komplizierenden Modifikationen dieser 
Methode überflüssig und oft nur der verbreiteten Sucht nach Verbesse¬ 
rungen entsprungen“. Richtig ist, dass eine Abänderung der Giemsa- 
methode an sich unnötig ist; nur möchte ich beweisen, dass die in 
der Blutparasitologie unentbehrliche Methode nicht für alle 
Fälle der Malariadiagnostik ausreioht. 

Während meiner Untersuchungen über die Nagana fiel es mir auf, 
dass sich in dicken Tropfenpräparaten unter Umständen manche Trypa¬ 
nosomen trotz nooh so langen Färbens fast vollkommen refraktär gegen 
die Giemsalösung verhielten, indem das Protoplasma sich kaum, der 
Kern gar nicht färbte. Diese Beobachtung konnte ich öfter machen, 
wenn der Tropfen eine bestimmte Dicke überschritt. An der Güte der 
betreffenden Farblösung war nichts aüszusetzen, da zur Kontrolle an¬ 
gefertigte Ausstrichpräparate von Trypanosomen, Trichomonaden und 
‘'Malariaplasmodien sich tadellos färbten; es muss also die schlechte 
Färbbarkeit dadurch erklärt werden, dass bei zu grosser Dicke der Blut- 
schioht die Protozoenzelle den Giemsafarbstoff nicht mehr absorbieren 
kann. Es erschien mir deshalb von grösster Wichtigkeit, die Sicherheit 
der Giemsamethode auch bei dicken Tropfenpräparaten von Malariapara¬ 
siten zu prüfen. Meine an fast 1000 Präparaten angestellten Versuchs¬ 
reihen ergaben folgendes: 

Die vereinfachte. Methode des dicken Tropfens der deutschen Schlaf¬ 
krankheitskommission arbeitet absolut zuverlässig bei Tertiana 
und Quartana, nicht aber bei der Perniziosa, wenn es sich 
um den Nachweis von Halbmonden handelt. Im dicken Tropfen 
nach Giemsa zeigt°n sich nämlich neben vielen tadellos gefärbten Halb¬ 
monden im selben Präparat öfter solche, deren Plasma sich färberisch 
fast oder ganz refrakträr verhielt, obwohl auch hier wieder durch Ver¬ 
gleich mit Ausstrichen von Malariaparasiten und anderen Protozoen ein 
Fehler in der Farblösung selber ausgeschlossen war. Entweder war um 
die zentrale Pigment-Chromatinzone nur ein ganz schmaler Protoplasma¬ 
saum gefärbt (Abb. 2) oder dieser fehlte ganz (Abb. 3), was zutaeist der 
Fall war. In den wie in Abb. 2 gefärbten Gebilden könnte man allen- 


Abbildung 1. 


Abbildung 2. Abbildung 3. 



p = Pigment, Chr = Chromatin, Pl9 = Protoplasma9aum. ^ 
Abbildung 1: Normal gefärbter Halbmond aus Ausstrichen und ^dicken 
Tropfen fachematiscb). Das ganze Plasma gefärbt. 
Abbildung 2 und 3: Anormal gefärbte Halbmonde aus einem dicken 
Tropfen (Giemsafärbung). Die gestrichelt umgrenzten, weiss gehaltenen 
Teile bleiben ungefärbt! 


falle noch geschrumpfte Tertian- oder Quartan-Parasiten vermuten, bei 
den Gebilden in Abb. 3 geht fast jede Möglichkeit verloren, sie als Para¬ 
siten, geschweige denn als Halbmonde zu erkennen. So hielten denn 
auch weniger Geübte, denen ich solche Präparate vorlegte, die letztge¬ 
nannten Gebilde ausnahmslos für „Dreck“ oder „freies Malariapigment“; 
nur sehr erfahrene Diagnostiker sahen in dem „Pigmentkügelchen“ bei 
sehr vorsichtiger Verwendung der Mikrometerscbraube plötzlich ein rotes 
Körnchen (Chromatin!) aufblitzen, weshalb sie an einen Malariaparasiten 
dachten, ohne aber jemals auf einen Halbmond zu schlossen. loh muss 
gestehen, dass tatsächlich niemand, der nur solche Gebilde zu Gesioht 
bekommt, in der Lage wäre, die Diagnose auf Halbmonde zu stellen, 
wenn er sich nicht sohon vorher durch ein Ausstriohpräparät davon über¬ 
zeugt hatte. 

Diese Mängel der Färbetechnik waren weder durch vorhergehende 
Fixierung in absolutem Alkohol, Formoleisessig nach Rüge oder Methyl¬ 
alkohol, noch durch Abänderung des Romanowski-Effektes nach Zie¬ 
rn an n oder Schilling zu beseitigen; nur warZiemann’s Romanowski- 
färbung wenigstens insofern besser, als hier etwas weniger Halbmonde 
die geschilderten Färbungsanomalien aufwiesen. Weitere Untersuchungen 
zeigten, dass dieser Fehler genau wie bei den Trypanosomen umsomehr 
in den Vordergrund tritt, je ^dicker der Blutstropfen gewählt wird. 


Hierdurch wird die Sicherheit der Diagnosestellung stark beeinträchtigt, 
da es doch gerade im Sinne des Verfahrens liegt, einen möglichst 
grossen und dicken Tropfen und damit ein möglichst grosses Blut¬ 
volumen zu untersuchen. Ferner kann die Auffindung der Halbmonde 
sehr erschwert oder gar völlig unmöglich werden, sobald sie in genügend 
kleinen Mengen Vorkommen, weil dann die Färbungsanomalie sehr stark 
ins Gewicht fällt. In solchen Fällen kann auch — und deshalb be¬ 
handle ich diese mikrotecbnische Frage im Zusammenhang mit dem 
Unitarismus — bei eineT Mischinfektion die Perniziosa voll¬ 
kommen übersehen we’rden, wenn die Halbmonde, wie das zumeist 
der Fall ist, neben den Tertian- oder Quartanparasiten nur sehr spärlich 
vertreten sind. loh bin der festen Ueberzeugung, dass durch 
Nichtbeachtung der geschilderten Färbungsanomalie in sehr 
zahlreichen Fällen die neben einer Tertiana oder Quartana 
ziemlich latent verlaufende Perniziosa nicht entdeckt wurde 
und dann unitarische Hypothesen auftratejp, sobald mit der 
„Saison“ die fast latente Perniziosa in Erscheinung trat. 

Nach längeren Versuchen ist es mir geglückt, ein bequemes Färbe¬ 
verfahren ausfindig zu machen, welches die Trypanosomen und Halb¬ 
monde in den geringsten Mengtn auch in sehr dicken Tropfen (von etwa 
der 1V 2 fachen Fläche und V 10 Dicke eines Zehnpfennigstückes) mit grösster 
Sicherheit naohzuweisen gestattet. Auf diese Methode habe ich (a. a. 0.) 
schon früher kurz hingewiesen; sie ist scheinbar nicht beachtet worden, 
weil sie an etwas versteckter Stelle stand. Nach Fixierungen in Ruge- 
scbem Formoleisessig wird mit Manson’schem Boraxmethylenblau ge¬ 
färbt und dann wie ein Paraffinschnitt mit steigendem Alkohol duroh 
Xylol in Canadabalsam überführt. Vielfachen Wünschen entsprechend 
stelle ich die Methode hier nochmals etwas ausführlicher zusammen: 

Auf sorgfältigst entfettetem Objektträger angefertigten möglichst 
grossen Blutstropfen (bis 1 1 / 2 fache Fläche eines Zebnpfennigstüoks ist 
zulässig) bei Zimmertemperatur au staubfreiem Ort trocknen lassen. 
Nach etwa 12 Stunden fixieren und hämolysieren in Ruge’s Formol- 
eisessig (am besten ist: 40 proz. Formol 2 ccm, Eisessig 1 com, Aqua 
dest. 80 ccm). Objektträger möglichst horizontal legen (in den Deckel 
einer Petrischale oder dergl.). Sehr vorsichtig in einem Glas Leitungs- 
waaser abspülen. Dann färben in stets frisch zu bereitender, gerade 
noch durchsichtiger, mit Leitungswasser verdünnter Manson'scher 
Stammlösung (2 g Methylenblau [pur. med.!] und 5 g pulverisierten 
Borax innig verreiben, 100 ccm kochendes Aqua de9t. aufgiessen, einige 
Zeit kräftig umrühren, erkalten lassen, filtrieren). Lösung nach 3 Tagen 
brauchbar, unbegrenzt haltbar, färbt mit zunehmendem Alter imm$r 
besser. Man färbt, bis der Tropfen tief dunkelblau erscheint, was ge¬ 
wöhnlich nach 10 Minuten der Fall. Wieder sehr vorsichtig mit Leitungs¬ 
wasser abspülen. In steigenden Alkohol (70, 96, 100 pCt.) übertragen, 
Xylol, Canadabalsam, Deckglas. Die Durchführung durch die Alkohol¬ 
reihe darf im ganzen höchstens 8—10 Sekunden dauern, da sonst alles 
Methylenblau extrahiert wird. Im absoluten Alkohol muss der Tropfen 
noch eine deutlich blaugrüim Färbung haben. Plasma der Halbmonde 
tief blaugrün, Leukozyten tiefblau. Halbmonde können niemals mit 
elliptisch deformierten Leukozyten verwechselt werden, wenn man auf 
die für sie typische, zentral gelegene Pigmentmasse aohtet, die durch 
die Xylolaufhellung leuchtend dunkelbraun oder schwarz hervortritt. 

Die drei Alkohole und das Xylol hebt man am besten in weit¬ 
halsigen, zylindrischen, mit Korkstopfen versch Messbaren Gläsern auf, 
wie sie in jedem histologischen Laboratorium üblich sind. Man kann 
viele Dutzende Präparate in den Alkoholen färben, auch vwnn sie duroh 
extrahiertes Methylenblau schon stark gefärbt sind; nclr der absolute 
Alkohol muss, um richtige Aufhellung zu erreichen, gut wasserfrei ge¬ 
halten werden. 

Die Vorteile der neuen Methode liegen darin, dass man absolut 
zuverlässige Diagnosen auf Halbmonde oder Trypanosomen stellen kann. 
Die Parasiten heben sich sehr scharf von ihrer Umgebung ab, weil diese 
im Gegensatz zu der Giemsalösung vollkommen niederschlagsfrei und 
nur schwach gefärbt ist, das Plasma dagegeu an allen Stellen gleioh- 
mässig blau bis blaugrün gefärbt wird (wie in Abb. 1). Dieser Umstand 
ermöglicht es bei einiger Uebung, Halbmonde schon bei starkem, 
Trypanosomen sogar schon bei mittleren Trookensystemen 
aufzufinden. Dies ist von grossem Wert für die Sicherheit der Dia¬ 
gnose, weil man so viel grössere Gesichtsfelder überblicken und den 
ganzen Tropfen sicherer restlos durchsuchen kann als mit der Oel- 
immersion. 

Mittels dieser verbesserten Färbetechnik ist es den Herren der 
Klinik und mir öfter gelungen, bei der Therapie der Perniziosa oder 
Mischiofektionen noch Halbmonde aufsufinden, wo die Giemsamethode 
wegen der besprochenen Färbungsanomalie keine oder nur höchst un¬ 
sichere Resultate geliefert hatte. Nach unseren Erfahrungen konnte die 
neue Methode etwa 4 mal bäofiger die Miscbinfektionen Tertiana + Per¬ 
niziosa erweisen, als dies bei den bisher üblichen Färbungen des dicken 
Tropfens der Fall war.£- 

Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geheimrat Ho ff mann für 
Ueberlassung zahlreicher Fälle und Krankengeschichten sowie sämtlichen 
Herren der Klinik für ihre gütige Unterstützung bestens zu danken. 


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1044_BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 44. 


Zur Neuordnung des ärztlichen Unterrichts 
und Prüfungswesens. 

Von 

0. Labarseh. 

(Schluss.) 

Was nun die Prüfungsfächer in der ärztlichen Haupt¬ 
prüfung anbetrifft, so wird ja hier voh vielen Seiten eine er¬ 
hebliche Vermehrung der Prftfungsgegenstände verlangt, und leider 
ist ja auch schon noch mitten während des Krieges und bald 
nachher ohne Rücksicht auf die spätere Neuordpung und auf die 
Ratschläge der Fakultäten (ja zum Teil ohne diese zu befragen) 
eine Vermehrung der Prüfungen in den Sonderfächern angeordnet 
worden (Kinderheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, 
Ohren-, 1 Hals- und Nasenkrankheiten). Eine besondere Prüfung 
in sozialer Medizin wird vor allem von den praktischen Aerzten 
verlangt, wofür auch Sch walbe und Fischer eintreten; letzterer 
lässt dazu noch Orthopädie, pathologische Physiologie und gericht¬ 
liche Medizin hinzutreten, während nur Meyer, so viel ich sehe, 
sich für Wiedereinführung der Prüfung in der Physiologie für 
die Hanptprüfung ausgesprochen hat. Ich stehe allen diesen Vor¬ 
schlägen — mit Ausnahme des letzteren — scharf ablehnend 
gegenüber. Eine Vermehrung der Sonderprüfungen be¬ 
seitigt nicht die Mängel des jetzigen Prüfungsverfahrens, 
sondern erhöht sie. Denn schon jetzt ist es ein Grundfehler 
der Prüfungsordnung, dass durch sie die Prüfung in zahlreiche 
Einzelprüfungen zerfällt, in der jeder Prüfer nach Belieben so 
spezialistisch prüfen kann, wie er will. Und gerade das ist der 
Hauptgrund, weswegen sich die Prüflinge mit einer Unmenge von 
Kenntnissen nur für die Prüfung beladen, die'nach ganz kurzer 
Zeit ihnen wieder entschwunden sind. Vermehrung der Prüfungs¬ 
fächer bringt deswegen nur eine erhebliche Neubelastung und ge¬ 
währleistet keineswegs, dass die Ausbildung im ganzen eine bessere 
wird. Gerade deswegen sollte man von der Einführung neuer 
besonderer Prüfungsabschnitte, soweit sie nicht wirklich unbedingt 
nötig sind, entschieden absehen. Zu den unumgänglich notwen¬ 
digen muss man das Gebiet der Kinderheilkunde und der Ge¬ 
schlechtskrankheiten rechnen, nicht aber das der speziellen Derma¬ 
tologie und noch weniger das der Orthopädie, Ohren-, Hals- und 
Nasenkrankheiten, d£r sozialen und gerichtlichen Medizin, sowie 
der pathologischen Physiologie. Ueber letztere beiden Fächer habe 
ich oben ja schon meine Meinung ausgesprochen. Noch weniger 
berechtigt erscheint mir eine Fachprüfung in der „sozialen Me¬ 
dizin“. Der Begriff „soziale Medizin“ ist schon so unscharf und 
mehrdeutig, dass man alles mögliche darunter verstehen kann; 
z. T. gehört sie in die Hygiene, z. T. in die sogen. Versicherungs- 
medizin. Was der zukünftige Arzt davon wissen muss, kann in 
der hygienischen Prüfung und in klinischen Prüfungen erledigt 
werden. — Dagegen halte ich die Wiedereinführung der 
Physiologie als besonderen, von dem Fach Vertreter zu prüfenden 
Gegenstand für unbedingt nötig; ich glaube nicht, dass das durch¬ 
aus in Form eines besonderen Prüfungsabschnitts nötig ist, sondern 
dass es im Rahmen der später zu besprechenden kollegialen 
mündlichen Prüfung geschehen kann. Aber sicher geht es nicht 
in der Form der bisher geltenden Prüfungsbestimmungen, wonach 
in jedem Abschnitt, der Prüfer auch über Physiologie prüfen kann; 
> diese Bestimmung ist höchstens von den Vertretern der inneren 
Medizin, Pharmakologie und Pathologie — und natürlich keines¬ 
wegs regelmässig — benutzt worden. Sie hat nicht verhindern 
können, dass das Maass der Kenntnisse in der Physiologie bei 
der Mehrzahl der Prüflinge verschwindend klein ist und dass das 
wenige, was sie allenfalls noch fpr die Prüfungszeit eingelernt 
hatten, nach wenigen Wochen ganz dahin ist, wovon man sich 
leicht überzeugen kann, wenn man im Doktorkolloquium einige 
physiologische Fragen stellt. — Das ist natürlich ein ganz un¬ 
haltbarer Zustand, dem abgebolfen werden muss. — Auch einige 
andere Fächer, denen eine Stellung in der Prüfungsordnung ein¬ 
geräumt werden soll, wie Ohren- und Halskrankheiten, Geschichte 
der Medizin, vielleicht auch Orthopädie, können im Rahmen der 
mündlichen Prüfung erledigt werden, Worauf ich weiter unten 
zurückkommen werde. 

Wichtiger noch als die Frage nach den Prüfungsfächern ist 
die nach der Einrichtung der ganzen Prüfung. Ich habe oben 
schon hervorgehoben, dass der Grundfehler der jetzigen Prüfungs¬ 
ordnung darin besteht, dass sie die Gesamtprüfung in zahlreiche 
selbständige Einzelprüfungen au^öst. Das kam nicht nur darin 
zum Ausdruck, dass selbst schon in der ärztlichen Vorprüfung 


niemals die Gesamtzahl der Prüfer zusammenkam und vor ihnen 
die Prüfung abgelegt wurde, und in der ärztlichen Hauptprüfung 
überhaupt nur Einzelprüfungen erfolgten, sondern auch darin, 
dass es ein Nichtbestehen in der ganzen Prüfung nicht gab — es 
brauchten stets nur die einzelnen Fächer oder Abschnitte oder 
Unterabteilungen davon wiederholt zu werden. Die Nachteile 
sind eingehend von v. Kries 1 )» Aschoffund Fischer geschildert 
worden und auch Meyer berührt sie. Kuriosa, wie Fischer sie 
erzählt, sind sicherlich öfters vorgekommen. Ich selbst habe als 
84 jähriger Extraordinarius in Rostock, a^s ich für den erkrankten 
Fachprofessor zu prüfen hatte, 2 Prüf linge gehabt; von denen der 
eine l / 2 Jahr und der andere 2 Jahre vor mir die ärztliche Prüfung 
begonnen hatte, die also 11 — 18 Jahre in der Prüfung waren. 
Ich habe ausgerechnet, dass man nach den vor 1901 gültigen 
Restimmungen der Prüfungsordnung weit über 26 Jahre für die 
Erledigung der Prüfung brauchen konnte. Dem ist ja schon durch 
die Bestimmungen der jetzigen Prüfungsordnung ein Riegel vor¬ 
geschoben, und Fischer wünscht eine Bestimmung, wonach sämt¬ 
liche Facbprüfungen im Laufe von 2 Jahren unter allep Um¬ 
ständen — ohne jede Rücksicht auf Krankheiten und Wieder¬ 
holungen — bestanden sein müssen, widrigenfalls sie alle zu 
wiederholen sind. Danach soll eine weitere Wiederholung nicht statt¬ 
haft sein. Die zeitliche Begrenzung auf 2 Jahre scheint mir schon 
das allermindeste, was man verlangen muss, Die schweizerische 
Verordnung für die eidgenössischen Medizinalprüfungen kennt eine 
derartige zeitliche Begrenzung nicht, deswegen, weil nach den- 
sonstigen Bestimmungen der Prüfungsordnung eine so lange Dauer 
gar nicht in Frage kommt. Ganz allgemein wird es ja als Haupt¬ 
übelstand empfunden, dass nach den jetzigen Bestimmungen ein 
Nicbtbestehen der ganzen Prüfung überhaupt so gut wie niemals 
vorkommt. Asch off hat eindringlich auseinandergesetzt, wie 
der Mangel jeglicher kollegialer Zusammenwiikung bei der Prüfung 
daran schuld ist, und auch die Bestimmung, dass bei der zweiten 
Wiederholung der Prüfungsvorsitzende zugegen sein muss, keinen 
praktischen Wert besitzt. Er hat daher der Einführung einer 
kollegialen Entscheidung das Wort geredet und folgenden Vor¬ 
schlag gemacht: Es müssen sämtliche Fächer hintereinander er¬ 
ledigt werden, ohne dass eine Wiederholung nicht bestandener 
Abschnitte möglich ist; dann wäre im Gesamtkollegium bei Nicht¬ 
bestehen in mehr als einem klinischen und einem theoretischen 
Hauptfach zu entscheiden, ob die Piüfung überhaupt im einzelnen 
oder in ihrer Gesamtheit wiederholt werden darf und muss oder 
nicht. Dieser Vorschlag, den ich zwar auch nicht zum Gesetz 
erhoben haben möchte, ist jedenfalls dem Vorschläge Fischer’s 
erheblich vorzuziehen, der eine kollegiale theoretische Haupt¬ 
prüfung am Schlüsse des 9. Studienhalbjahrs in allen für die 
praktische Medizin grundlegenden Fächern (allgemeine Pathologie 
und pathologische Physiologie, Hygiene und Pharmakologie, innere 
Medizin und Chirurgie) eingeschoben und danach am Schlüsse des 
12. Halbjahrs die praktischen Fachprüfungen angeschlossen wissen 
will. Gegen diesen Vorschlag habe ich zunächst das allgemeine 
Bedenken, dass er die Zahl der voneinander unabhängigen Prü¬ 
fungen noch vermehrt, und das ist ein grosser Fehler, wenn man, 
wie ich, alle Prüfungen für ein, allerdings unentbehrliches Uebel 
hält Dann aber würde dadurch, dass man die praktischen Fach¬ 
prüfungen an den Schluss legt und sie naturgemäss in Einzel¬ 
fächer zerlegt, wobei doch immer wieder der einzelne Facbver- 
treter entscheidet, der Hauptfehler der jetzigen Prüfungsweise 
nicht beseitigt. Führt man eine kollegiale Prüfung ein, 
so gehört sie unbedingt an den Schluss. Dass einer obli¬ 
gatorischen kollegialen Prüfung nicht nur sachliche Bedenken 
entgegenstehen, ist sicher — an den grossen Universitäten mit 
einer sehr grossen Anzahl von Prüflingen diese'ganze Prüfungs¬ 
kommission immer zusammen zu bringen, wäre geradezu eine 
technische Unmöglichkeit, und deswegen halte ich, so sehr ich 
im übrigen eine kollegiale Prüfung für nötig halte, den Vorschlag 
von Aschoff auch für kaum durchführbar, wenigstens nicht für 
die ärztliche Hauptprüfung. Eher schon für die beiden ärztlichen 
Vorprüfungen; schon wegen der geringen Zahl der Fächer und 
der Prüfer würde für den nicht praktischen Teil der Prüfungen 
die Anwesenheit aller Prüfer und des Vorsitzenden leicht durch¬ 
führbar sein und die Entscheidung stets in die Hände der ganzen 
Prüfungskommission zu legen sein. Diese hätte zu entscheiden, 
ob die ganze Prüfung (Regel) oder ausnahmsweise nur ein Fach 
zu wiederholen sei und sie hätte den Zeitpunkt der Wiederholung 


1) v. Kries, Zar Organisation der ärztlichen Prüfungen. Frei¬ 
burg i. B., 1898. 


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-UNIVERSITY-OFIOWA 





vember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1046 


festxusetzen. Dabei wäre sie in der Lage, Ausgleiche za treffen und 
etwas minderwertige Leistungen in einem Fache durch gute und 
sehr gute iu einem andern zu kompensieren. 

Für die Hauptprüfung scheint mir dagegen eine Aunäherung 
an die Schweizer Bestimmungen die beste Lösung zu sein, ln 
der Schweiz gibt es zunächst überhaupt keine Einzelprüfungen, 
da zu den praktischen Prüfungen immer ein zweiter Prüfer 
(„Koexaminator“) beigegeben ist, dem es frei steht „nach eigenem 
Ermessen sein Urteil in einer besonderen Zensurnote abzageben u . 
In der mündlichen Prüfungsabteilung, die an die praktische an- 
schliesst, muss, wie es in Art. 85 heisst, „ausser dem Orts¬ 
präsidenten 0 und dem Examinator stets noch ein weiteres 
Mitglied der Prüfungskommission anwesend sein“. Das wich¬ 
tigste ist aber, dass nach Art. 38 „das Ergebniss der prak¬ 
tischen Abteilungen der Fachprüfungen für die Zulassung zu den 
mündlichen Prüfungen entscheidet“ und hierfür besondere Grund¬ 
sätze aufgestellt sind, die in Art. 86 und 87 festgelegt sind. Für 
jede praktische Prüfungsleistung und für jedes Fach erhält der 
Kandidat eine in einer Zahl ausgedrückte Note; die Zahlen gehen 
von 1 (geringste) bis 6 (beste). Nun ist weiter bestimmt, dass 
ein Durchschnitt der Facbnoten unter 3,6 von der Zulassung zu 
einer weiteren Prüfungsabteilung oder einem weiteren Prüfungs¬ 
abschnitt ausschliesst; das gleiche ist der Fall, wenn eine Fach¬ 
note unter 2, zwei Fachnoten unter 3, drei Fachnoten unter 4, 
ebenso, wenn zwei Einzelnoten unter 2. vier unter 3 erteilt sind. 
Hier ist also der Grundsatz durchgeführt, dass zunächst alle 
praktischen Prüfungen hintereinander erledigt werden und dann 
erst die Zulassung zu der Prüfungsabteilung erfolgt, von deren 
Bestehen die Erteilung der Approbation abhängt. Diesen Grund¬ 
satz sollte man bei uns auch annebmen und ausbauen, was ohne 
erhebliche Belastung der gesamten Prüfungskommission möglich 
ist. Und man soll weiter alles tun, um die vollkommene Zu¬ 
sammenhangslosigkeit der Einzelprüfungen zu beseitigen, wodurch 
es erschwert ist, den besonderen Begabungen des Einzelnen ge¬ 
recht zu werden. Ich habe in meiner Eigenschaft als Vorsitzender 
der Prüfungskommission in Kiel auch für die Prüfungen in meinem 
Sonderfach manches gelernt, dadurch, dass ich in dieser Eigen¬ 
schaft über jeden Prüfling und seine vorhergehenden Leistungen 
in anderen Prüfungsabschnitten unterrichtet war, und ich vermisse 
das jetzt in Berlin. Man konnte oft schon aus den Einzel¬ 
nummern in den klinischen Abschnitten erkennen, wes Geistes 
Kind die Prüflinge waren. Deswegen möchte ich folgende Ein¬ 
richtungen für die Prüfungsordnung vorschlagen: Die Studierenden 
erhalten für die Zeit der Zwangsfamulatur und Hilfsassistenten¬ 
tätigkeit ein ausführliches Zeugnis, in dem sie nach Leistungen, 
Kenntnissen, Neigungen, Fähigkeiten gekennzeichnet werden. Diese 
Zengniase werden jedem Prüfer von dem Vorsitzenden der Prüfungs¬ 
kommission übersandt, ebenso die Beurteilung des Prüflings in 
den Abschnitten, in denen er bereits geprüft wurde. Diese Vor¬ 
schrift würde den Prüfling und den Prüfer unabhängiger machen 
von den Zufälligkeiten und Unvollkommenheiten, die jeder Prüfung 
anhaften; man wüsste bei vielen, wo ihre Stärke und wo ihre 
Schwäche ist und könnte das bei der Prüfung berücksichtigen. 
Die Urteile in jedem Prüfungsabschnitt und Unterabschnitt sollen 
mit einer kurzen Begründung versehen sein, wie es jetzt bereits 
Vorschrift ist, wenn „ungenügend“ oder „schlecht“ erteilt ist. 
Das ist aber auch für bessere Noten durchaus wünschenswert, denn 
es gestattet das Urteil individueller zu gestalten und feiner zu 
differenzieren, als die blossen Urteile oder Zahlen — denn es 
gibt bei jedem kurzen Urteil solche, die mehr nach oben und 
solche, dte mehr nach unten neigen. Für das Schlussurteil über 
die gesamte Persönlichkeit und die gesamten Leistungen ist das 
aber wichtig. Sind alle Fachprüfungen erledigt, hat die Kommis¬ 
sion auf Grund der sämtlichen Urteile zu entscheiden, ob und in 
welchem Umfange sich der Prüfling dpr mündlichen Prüfung zu 
unterziehen hat. Für die mündliche Prüfung schlage ich 
nämlich vor zu unterscheiden die Fächer, in denen immer ge¬ 
prüft werdenmuss, und solche, in denen nur auf Beschluss 
der Kommission geprüft werden muss. Fächer, in denen 
immer geprüft werden muss, sind solche, in dftien eine praktische 
Prüfung nicht abgelegt zu werden braucht, nach meinen Vor¬ 
schlägen also: Physiologie, Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, 

1) Der Ortspräsident der Schweizer Medizioalprüfuogen bat eine 
Stellung, die teils der des vortrageaden Ministerialrats, der die Prüfungs¬ 
angelegenheiten bearbeitet, teils der eines Prüfungsvorsitzenden ent¬ 
spricht. Daneben besteht aber nooh ein „leitender Examinator“, dem 
ein Teil der Aufgaben zufälit, die bei uns dem Prüfungsvorsitzenden 
obliegen. 


Geschichte der Medizin, vielleicht auch noch ärztliche Psychologie 
und „Unfallmedizin“, wie es in der schweizerischen Prüfungs¬ 
ordnung heisst, wobei freilich sehr genau zu bestimmen wäre, was 
man darunter zu verstehen hat. Iu allen übrigen Fächern wird 
nur dann geprüft, wenn dies auf Grund des Ausfalls in der 
praktischen Prüfung von dem Prüfer oder einem anderen Mitglied 
der Prüfungskommission beantragt und von der Kommission be¬ 
schlossen worden ist. Alle die bisher berichteten Abstimmungen 
der Kommission werden in der Regel schriftlich erfolgen können, 
ohne dass sie Zusammentritt. Natürlich werden für die Ent¬ 
scheidung, ob ein Prüfling zur mündlichen Prüfung zuzulassen ist, 
oder ob er vorher einen oder mehrere Abschnitte der praktischen 
Prüfung oder die ganze praktische Prüfung wiederholen muss, 
gewisse allgemeine Grundsätze aufgestellt werden müssen, die ich 
aber weder unbedingt in der Art der Vorschriften der Schweizer 
Prüfungsordnung, noch nach den Vorschlägen von Asch off von 
vornherein starr begrenzt und von vornherein festgelegt wissen 
möchte, oder höchstens werden hier gewisse wohl ziemlich selbst¬ 
verständliche Regeln aufzustellen sein, dass z. B. beim Nichtbe¬ 
stehen von 2 klinischen und 2 theoretischen Hauptfächern die ganze 
praktische Prüfung wiederholt werden muss. Der Antrag, dass 
noch eine mündliche Prüfung in einem nicht als Zwangsprüfungs¬ 
fach eingeführten Fach erfolgen solle, ist gleich nach Beendigung 
der betreffenden Fachprüfung zu stellen, kann aber auch nach 
Beendigung der ganzen praktischen Prüfung gestellt werden. Eine 
mündliche Verhandlung aller Prüfer, also eine Vollsitzung der 
Kommission, muss staltfinden, wenn es der Vorsitzende für nötig 
hält oder einer der Prüfer es nach Ablehnung eines von ikqp ge¬ 
stellten, nnr in schriftlicher Abstimmung erledigten Antrags ver¬ 
langt. In dem Falle, dass noch eine mündliche Ergänznngs- 
prüfung in einem oder mehreren nicht obligatorischen Fächern 
stattzufinden hat, muss ausser den Prüfern noch ein anderes 
Mitglied der Prüfungskommission anwesend sein, das keines der 
in mündlicher Prüfung vorgeschriebenen Fächer vertritt und zwar, 
wenn es sich um klinische Fächer handelt ein Vertreter eines 
theoretischen Faches und umgekehrt. Ausserdem soll bei der 
mündlichen Prüfung stets ausser dem Vorsitzenden ein Vertreter 
eines klinischen and eines theoretischen Hauptfaches als stimm¬ 
berechtigtes Mitglied zugegen sein. Ueber das Ergebnis der münd¬ 
lichen Prüfung entscheidet die Mehrheit der anwesenden stimm¬ 
berechtigten Mitglieder; sie beschliesst, ob die mündliche Prüfung 
ganz oder teilweise zu wiederholen oder auch noch in eiuem 
praktischen Fach stattfinden soll. Die schweizerische Prüfungs¬ 
ordnung- bestimmt dabei, dass bei der „Fachprüfung“ die Wieder¬ 
holung der praktischen Abteilung erlassen wird, wenn der Kandidat 
mit der Gesamtnote 5 oder darüber zur mündlichen Prüfung zu¬ 
gelassen war; die Wiederholung der mündlichen Prüfung muss 
daun aber unter allen Umständen vor der gleichen Prüfungs¬ 
kommission erfolgen. Ausserdem muss die Prüfungskommission 
noch das Recht haben zu bestimmen, dass eine ernente Prüfung 
erst wieder stattfinden kann, nachdem der Prüfling noch 1 / 2 Jahr 
an einer deutschen Universität studiert hat oder eine bestimmte 
Zeit als Hilfsassistent tätig gewesen ist. Die schweizerische 
Prüfungsordnung kennt eine ähnliche Bestimmung nur nach 
2 maligem Nichtbestehen (Art. 44, Abs. 2: „Nach 2 maligem Durch¬ 
fallen in einer Fach prüfung hat der Kandidat 2 Semester neuer 
Studien in der Schweiz nacbzuweisen, um zu einer ferneren Prüfung 
zugelassen zu werden“). Zu diesen Beschlüssen bedarf es aber 
immer einer mündlichen Beratung der gesamten Prüfungs¬ 
kommission. 

Man wird diesen ganzen Vorschlägen entgegen halten, dass 
sie zu verwickelt und daher praktisch schwer durchführbar seien. 
Aber nach meiner Meinung ist der so oft erhobene Vorwurf, dass 
eine bestimmte Regelung zu verwickelt sei, nur der Ausfluss von 
Bequemlichkeit. Je einfacher Bestimmungen sind, um so be¬ 
quemer sind sie sicher, und daher hasst der geborene Bürokrat 
alle nicht einfachen and bequem haudbareu Bestimmungen. Aber 
das Leben and besonders das neuzeitliche Leben ist nicht einfach, 
sondern vielfältig and verwickelt. Und es gilt bei Prüfungen, in 
denen die Prüfer nicht nur die Verantwortung für Lebensschick¬ 
sale, sondern auch für das Volkswohl zu tragen haben, dieser 
Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit des Lebens und der lebendigen 
Menschen gerecht zu werden. Deswegen dürfen die Bestimmungen 
nicht zu einfach and zu starr sein, sondern sie müssen Biegsam¬ 
keit und Mannigfaltigkeit ermöglichen. Die bisherigen Bestimmungen 
waren zu einfach und starr und führten in ihrer Zusammenhangs¬ 
losigkeit zu dem Zustand, dass eine Siebung und Ausschaltung 
ganz ungeeigneter Elemente unmöglich war. Meine Vorschläge 


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1046 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. __Nr. 44. 


sollen Zusammenhänge schaffen und eine Mitwirkung der Gesamt¬ 
kommission, soweit sie nötig und überall durchführbar ist, berbei- 
führen. Die dadurch bewirkte Belastung der einzelnen Prüfer 
ist keineswegs eine übermässige, nur der Vorsitzende wird er¬ 
beblich mehr Arbeit haben; aber die Mitgliedschaft und gar der 
Vorsitz der Prüfungskommission darf nicht als eine Last 
sondern muss als eine Ehre betrachtet werden, aus der natur- 
gemäss Verpflichtungen erwachsen. Sollten sich aber meine Vor¬ 
schläge wirklich als zu verwickelt und zu schwer durchführbar 
erweisen, so empfehle ich zum mindesten das Schweizer Ver¬ 
fahren, bei dem es ein Nichtbestehen in einem einzelnen Fache 
überhaupt nicht gibt, sondern, falls die Mindestvorschriften nicht 
erfüllt werden, die ganze Prüfung, sowohl im praktischen, wie 
im mündlichen Teil, wiederholt werden muss. Dies Verfahren 
hat sich bewährt und einerseits eine viel stärkere Siebung er¬ 
möglicht als bei uns, andererseits aber auch eine zu spezialistische 
Handhabung der Facbprüfungen verhindert. 

Ich komme damit zur Frage nach der Zusammensetzung der 
Prüfungskommission. Fischer hat eine stärkere Heranziehung 
praktischer Aerzte vorgeschlagen, in der Form von Beisitzern, 
die über das Ergebnis mit abzustimmen haben, aber, wie es 
scheint, nicht prüfen sollen. Er verlangt für die 2. Vorprüfung 
2 praktische Aerzte zu 3 Prüfern, bei der von ihm vorgescbla- 
genen theoretischen Hauptprüfung einen praktischen Arzt als 
Vorsitzenden und bei den Facbprüfungen in allen Fächern neben 
dem prüfenden Fachvertreter 2 Beisitzer, von denen einer ein 
praktischer Arzt sein muss. Ich halte auch diese Vorschläge 
nicht für glücklich. Fischer kommt damit ja zweifellos einer 
herrschenden Strömung entgegen, die sich sicher bei der bevor¬ 
stehenden Neuordnung sehr stark geltend machen wird. Sachlich 
sucht er sie damit zu begründen, dass die Mitwirkung praktischer 
Aerzte deshalb besonders wertvoll sein würde, „weil sie in vielem 
am besten beurteilen könnten, welche Kenntnisse für den prak¬ 
tischen Arzt die notwendigsten und wichtigsten sind und welche 
Fehler gerade in dieser Richtung besonders schwer wiegen“. Ich 
möchte das sehr stark bezweifeln, denn es setzt das ein sehr 
hohes Maas» von Selbstkritik voraus, das man der Mehrheit un¬ 
serer praktischen Aerzte ganz sicher nicht Zutrauen darf. Aber man 
sollte annehmen, dass das auch die Vertreter der klinischen Fächer 
an unseren Hochschulen zum grösstenTeil können und vielleicht noch 
besser als die praktischen Aerzte. Ich halte aber auch Fiscber’s 
Vorschlag praktisch für undurchführbar — man bedenke nur, eine 
wie grosse Anzahl von praktischen Aerzten bei jeder Prüfungs¬ 
kommission nötig wäre, und dass es deshalb schon ganz aus¬ 
geschlossen wäre, eine grössere Anzahl von nur einigermaassen 
sachverständigen Herren zu finden. Ich kenne z. B. in so grossen 
Städten wie Kiel und Düsseldorf, in denen ich in beiden Orten 
über 4 Jahre in enger Verbindung mit den Praktikern stand, 
auch nicht einen einzigen, dem ich ein sachverständiges Urteil 
über pathologisch-anatomische, bakteriologische oder physio¬ 
logische Fragen Zutrauen könnte. Ich halte es ferner für ganz 
unmöglich, dass praktische Aerzte in so grosser Anzahl; wie sie 
nach Fischer’s Vorschlag erforderlich sind, die genügende Zeit, 
Ruhe und Müsse finden würden, um an den Prüfungen teilnehmen 
zu können. Endlich ist es durchaus unberechtigt, Aerzte, denen 
man nicht die Fähigkeit zutraut, zu prüfen, zu stimmberechtigten 
Mitgliedern der Prüfungskommission zu ernennen; wer nicht so 
viel weiss und kann, dass er zu prüfen imstande ist, der kann 
auch das Wissen und die Leistungen eines anderen nicht richtig 
beurteilen; deswegen kann vor allem in der anatomisch-physio¬ 
logischen Prüfung kein Platz für praktische Aerzte sein. Ueber- 
haupt darf auch diese Frage nicht schematisch gelöst werden; 
hat man an einem Ort einen oder den anderen praktischen Arzt, 
der als Prüfer in irgendeinem Fach geeignet scheint, so soll man 
ihn unter Umständen nehmen. Auch könnte man allenfalls bei der 
mündlichen Prüfung einen Arzt mit beratender Stimme zuziehen. Dies 
kann in den Bestimmungen über die Zusammensetzung der 
Prüfungskommission durch einen Satz ausgedrückt werden, etwa 
so: Auch sollen nach Möglichkeit geeignete praktische Aerzte 
als Prüfer oder Beisitzer mit beratender Stimme bei der münd¬ 
lichen Prüfung binzugezogen werden. Die Schweizer Prüfungs¬ 
ordnung bestimmt nur ganz allgemein (Art. 15), dass die Prüfungs 
kommissionen — es handelt sich um Bestimmungen für die ärzt¬ 
lichen, zahnärztlichen, tierärztlichen und pharmazeutischen Prü¬ 
fungen — „aus Lehrern der höheren schweizerischen Lehr¬ 
anstalten und aus geprüften Praktikern“ zusammengesetzt sind. 
Doch hat diese Bestimmung nicht den Sinn, dass praktische Aerzte 
in der Prüfungskommission sitzen müssen; denn tatsächlich sind in 


der Schweiz bei den ärztlichen Prüfungen nur Hochschullehrer 
Mitglieder der Prüfungskommission und nicht einmal unter den 
„Koexaminatoren“ praktische Aerzte. Lediglich der Ortspräsident 
— also der Verwaitungsbeamte — wird stets aus den Reihen 
der praktischen Aerzte entnommen. 

Von weiteren Aenderungen möchte ich folgendes Vorschlägen. 
Es scheint mir zweckmässig, die Prüfung in der Pharmakologie 
aus dem Abschnitt für innere Medizin herauszunehmen und za 
einem besonderen Prüfungsabschnitt über allgemeine Therapie zu 
erweitern, wobei die Kenntnisse der Prüflinge in allen Heilmethoden 
festzustellen wären und dementspreccend auch die Mecbano- und 
Hydrotherapie und auch die psychischen therapeutischen Methoden 
Gegenstand der Prüfung sein sollten. Wenn auch alle diese 
Methoden unter Umständen in den klinischen Fächern Gegenstand 
der Prüfung sein können, so kommt das doch oft nur neben¬ 
sächlich in Betracht. Natürlich dürfte dann in diesem Abschnitt 
nicht der Pharmakologe allein prüfen. Hier wäre vielleicht eine 
Stelle, wo ein praktischer Arzt als 2. Prüfer mir besonders geeignet 
scheint. Ob man ferner durchaus ao den Bestimmungen über 
Rezepteschreiben und der Kenntnis der Maximaldosen festhallten 
muss, erscheint mir zweifelhaft. Die schweizerische Prüfungs¬ 
ordnung, in der in Arzneimittellehre nur mündlich geprüft wird, 
kennt keine derartigen Vorschriften. — Im operativen Teil der 
chirurgischen Piüfung sollte auf eine besondere Prüfung in der 
Operationslehre verzichtet oder wenigstens auf die auch für 
Praktiker wichtigen Methoden beschränkt werden'. Ueber- 
haupt sollte alles, was vorwiegend Gedächtnisarbeit ist, nach 
Möglichkeit beschränkt und das Hauptgewieht auf Verständnis 
und Können gelegt werden. Deswegen halte ich es auch für 
wünschenswert, in der Pathologie auf die besondere eingehende 
mündliche Prüfung zu verzichten; sowohl bei den Sektionen 
wie bei den makro- und mikroskopischen Demonstrationen hat 
der Prüfer reichlich Gelegenheit, sich über die Kenntnisse des 
Prüflings in der allgemeinen Pathologie und speziellen patho¬ 
logischen Anatomie zu überzeugen. EiDe derartige allgemeine 
Anweisung, dass in den Prüfungen immer auf das allgemeine 
Verständnis und praktische Können, weniger auf Einzelkennt- 
nisse das Gewicht zu legen ist, könnte in die Prüfungsordnung 
aufgenotqmen werden. — Wenn auf diese Weise, wie ich vor- 
geschlagen habe und ja auch Fischer besonders empfiehlt, die 
Prüfungen in den Einzel fächern rasch hintereinander abgelegt 
werden, und zwischen jeder Fachprüfung nicht mehr Zwischenzeit 
liegt, wie aus technischen Gründen unbedingt nötig ist (Warten 
auf Geburten, Leichen), tritt auch eine erhebliche Verkürzung 
der Prüfungsdauer ein, die auch mit Rücksicht auf die Nerven 
der Prüflinge sehr nötig ist. Eine solche Unannehmlichkeit, wie 
es nun mal eine Prrüfung zu sein pflegt, soll mau wie eine 
schlecht schmeckende Arznei behandeln und nicht tropfenweise, 
sondern mit möglichst kräftigem Schluck auf einmal zu sich 
nehmen. Eine weitere Verkürzung wird noch eintreten, wenn 
man für die klinischen Prüfungen, deren Normaldauer durch die 
jetzigen Vorschriften mindestens 4—5 -Wochen betrug, auf die 
Beobachtungszeit der einzelnen Fälle verzichtet oder sie wenigstens 
wesentlich verkürzt. Ich glaube nicht, dass von den klinischen 
Lehrern grosser Wert auf die Beibehaltung gelegt werden wird. 
Die schweizerische Prüfungsordnung kennt diese Bestimmungen 
überhaupt nicht, und bei der Beratung am 8. Januar 1915 über 
die abgekürzte Kriegsprüfung, die im März-April 1915 in Geltung 
war, wurde von den anwesenden Klinikern ausdrücklich bervor- 
gehoben, dass die dreitägige Beobachtung jedes einzelnen Falles 
ohne wesentlichen Wert sei. 

Ich komme nun endlich zur Frage der ärztlichen Doktor¬ 
prüfung. Hier haben sowohl Meyer wie Fischer sich für den 
Fortfall der mündlichen Prüfung eingesetzt mit der kurzen Be¬ 
gründung, dass sie jetzt .doch nur Formsache, Fischer 82 gt: 
eine „rein symbolische Handlurg“ sei. Das ist allerdings leider 
richtig, rechtfertigt aber nach meiner Meinung keineswegs den 
Verzicht auf die mündliche Prüfung. Fischer meint, wenn der 
Kandidat alle Prüfungen bestanden bat, wäre er genug geprüft, 
das Doktorexamen %önne ruhig fortfallen und die Doktorwürde 
einfach demjenigen approbierten Arzt erteilt werden, der eine 
„brauchbare“ wissenschaftliche Arbeit der Fakultät vorlegt. 
Diese Ansicht zeigt leider, wie recht ein berühmter Philologe 
hatte, als er mir vor kurzem schrieb, dass die medizinische 
Fakultät „ein Sonderleben“ innerhalb der Universität führe. Io 
keiner anderen Fakultät denkt man daran, die Verleihung der 
rein akademischen Doktorwürde mit der Ableistung der staat¬ 
lichen Prüfungen in irgendeinen Zusammenhang zn bringen; der 


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1047 


( 

3 . November 1919. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Jurist ist, wenn er die Assessorprüfung bestanden hat, ein 
mindestens ebenso schwergeprüfter Mann wie der approbierte 
Arzt, und er hat sogar drei grössere schriftliche Ausarbeitungen 
liefern müssen, während vom Mediziner überhaupt keine verlangt 
wird; ebenso beim Theologen und Philologen. Und trotzdem 
wird io diesen Fakultäten die Doktorprüfung sowohl hinsichtlich 
der Dissertation als den Anforderungen in der mündlichen Prüfung 
recht ernsthaft gehandhabt. Die Anforderungen sind nicht geringere 
als in der staatlichen Piüfung, sondern in wissenschaftlicher Hinsicht 
höhere. Und soweit mir bekannt, sind auch an den technischen Hoch¬ 
schulen die Auforderungen, die für die Erteilung des„Dr.ing.“ gestellt 
sind, recht hohe. Die bei vielen Medizinern, man kann sagen bei der 
ganz überwiegenden Mehrheit auch der medizinischen Professoren 
herrschende Ansicht, dass man in der Doktorprüfung unmöglich 
mehr verlangen könne wie in der ärztlichen Hauptprüfung, geht 
doch von falschen Voraussetzungen aus. In der ärztlichen Haupt¬ 
prüfung sollen die Prüflinge nachweisen, dass sie die für einen 
praktischen Arzt nötigen wissenschaftlichen und praktischen 
-Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, in der Doktorprüfung da- 
gegen r dass sie „gelehrte Männer“ sind. Das ist der Sinn der 
Doktorwürde, und das ist auch der Grund, warum in allen 
Faku11ätssatzungen der Besitz der Doktorwürde unbedingte Vor¬ 
aussetzung für die Zulassung zur Privatdozentur ist, nicht aber 
die Ablegung der Staatsprüfung. Wie steht es nun aber mit der 
„Gelehrtheit“ der Prüflinge in der medizinischen Doktorprüfung? 
Dass hier geradezu himmelschreiende Missstände herrschen, die 
man am liebsten öffentlich nicht erörtert, wird eigentlich ganz 
allgemein zugegeben. Schon die schriftlichen Doktorarbeiten sind 
zum allergrössten Teil minderwertiger Natur, da die Mediziner 
ganz überwiegend zu denjenigen Dozenten gehen, die ihnen die 
Fertigstellung der Arbeit in 2—3 Wochen gewährleisten! In 
der philosophischen Fakultät pflegt man für die Doktorarbeit im 
Durchschnitt eine etwa einjährige Arbeitszeit anzunehmen, und 
bei den Medizinern kann man sich etwa unerwünschten Andrang 
durch nichts besser vom Halse halten, als wenn man für die An¬ 
fertigung der Doktorarbeit eine mindestens 4— flnjonatige Arbeit 
verlangt. Das sind doch schon unerhörte Zustände. Und nun 
gar die Ergebnisse des „Colloquium“. Das pflegt in der philo¬ 
sophischen Fakultät etwa 2 Stunden zu dauern, in der medi¬ 
zinischen beschweren sich die Prüflinge aber bereits, wenn man 
länger als 5 Minuten prüft (also im ganzen etwa Vz Stunde)! 
Viele Prüfer betrachten daher dieses „Colloquium“ wirklich nur 
als „symbolische Handlung“, die sich auf zwei Verbeugungen und 
einen Händedruck beschränkt. Ich prüfe nun allerdings auch im 
Colloquium und zwar meist l U Stunde, mitunter auch noch länger, 
und habe dabei sehr lehrreiche Erfahrungen gesammelt. Ich 
prüfe ausschliesslich aus dem Gebiet, aus dem die schriftliche 
Arbeit des Prüflings entnommen ist, und ich mache fast aus¬ 
nahmslos die Erfahrung, dass die Prüflinge auf diesem Gebiete • 
so unwissend sind, dass selbst ein sehr milder Prüfer sie in der 
ärztlichen Prüfung nicht durcbkommen lassen würde, und zwar 
auch dann, wenn die Kandidaten gute und sorgfältige Arbeiten 
aus dem Gebiete der klinischen Medizin, Therapie oder Hygiene 
gemacht haben. Prüflinge, die recht hübsche Arbeiten über die 
bakteriologischen Methoden zum Typhusnachweis geliefert hatten, 
wussten von der allgemeinen Pathologie und pathologischen 
Anatomie des Typhus so gut wie nichts; prüfte ich bei Herren, 
die über Röntgendiagnose der Tuberkulose, über serodiagnostische 
Methoden der Tuberkulose, über zytologische und serologische 
Diagnostik bei progressiver Paralyse und Rückenmarkssyphilis 
gearbeitet hatten, über allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie dieser Krankheiten, so fand ich meist „tabula rasa“. 
Und solchen Leuten soll man dann die akademische Doktorwürde 
verleiben, das ist doch geradezu eine Schande! Ich persönlich 
ziehe auch stets die Folgerungen und schreibe „ungenügend“ ins 
Protokoll, was aber bisher ohne Wirkung geblieben ist, da die 
anderen Herren Prüfer sich meinem Verfahren nicht anschlieasen. 
Zur Begründung dieses Verhaltens wird gewöhnlich angeführt, 
dass das Publikum ja doch jeden Arzt mit^Herr Doktor“ anrede. 
Dann müsste man natürlich folgerichtig auf jede Prüfung, die 
recht viel Geld und immerhin auch einige Zeit kostet, verzichten. 
Aber das ist doch wirklich nicht ernsthaft zu nehmen; wie das 
Publikum die Aerzte nennt, ist doch wirklich gänzlich gleich¬ 
gültig, und die Bezeichnung „Doktor“ für Aerzte hat sich doch 
auch nur deswegen so eingebürgert, weil es in der Tat fast keinen 
Arzt gibt, der nicht den Doktortitel besitzt. Deswegen ist es 
unbedingt nötig, dass die Verleihung der Doktorwürde von den 
medizinischen Fakultäten wieder ernsthaft gehandhabt wird und 


niemand den Titel erhält, der nicht sich wirklich als wenigstens 
in einem Teilgebiet der Heilkunde „gelehrter“ Mann erwiesen 
hat. Dazu gehört erstens eine schriftliche Arbeit von einigem 
wissenschaftlichen Wert, die zeigt, dass der Verfasser es versteht, 
ein wissenschaftliches Problem zu erfassen und einigermaassen 
erschöpfend zu behandeln; zweitens eine mündliche Prüfung, in 
der der Prüfling in einem selbstgewählten Hauptfach und einem 
oder zwei Nebenfächern'ernsthaft, d. h. mindestens 1 Stunde zu¬ 
sammen geprüft wird, und bei der er gründliche wissenschaftliche 
Kenntnisse nachzuweisen hat. Hat sich also jemand als Haupt* 
fach das Gebiet der Ohrenheilkunde oder der Hygiene oder patho¬ 
logischen Anatomie gewählt, so wird er weit gründlichere wissen¬ 
schaftliche Kenntnisse nacbzuweisen haben, als in der Staats¬ 
prüfung von ihm verlangt werden. Diese Prüfung darf dann 
nicht, wie es jetzt geschieht, von jedem Prüfer einzeln abgehalten 
werden, sondern muss unter dem Vorsitz des Dekans im Beisein 
der übrigen 2 oder 3 Prüfer erfolgen und diese über das Ergebnis 
Beschluss fassen. 

Auf diese Weise wird es gelingen, den ärztlichen Doktortitel, 
der jetzt bei den übrigen Fakultäten ein Gegenstand des SpotteB 
ist, wieder zu Ehren zu bringen. — Entschliefst man sich zu 
dieser Neuordnung, die nach meiner Meinung keinen Aufschub 
verträgt, so muss man damit auch Bestimmungen verbinden, 
durch die die Kosten für die Erlangung der Doktorwürde erheb¬ 
lich erniedrigt werden, d. h. man muss die Bestimmung fallen 
lassen, dass alle Doktordissertationen zu drucken und in einer 
Zahl von 200—300 Exemplaren der Fakultät einzureichen seien, 
wodurch namentlich jetzt sehr erhebliche Kosten entstehen. Die¬ 
jenigen Arbeiten, die wirklich wertvolle wissenschaftliche Arbeit 
enthalten — auch wenn sie nur zwei Druckbogen oder weniger 
stark sind — lasse man in Zeitschriften erscheinen und fordere 
davon für die Fakultät und den Verfasser eine mä9sige Anzahl 
von Sonderabdrücken ein, deren Preis jedenfalls das dem Verfasser 
zukommende Zeitschriftenhonorar nicht übersteigen darf. Die 
weniger wertvollen lasse man überhaupt nicht im Druck er¬ 
scheinen, sondern gebe nur einen kurzen Auszug über den Inhalt 
und Ergebnisse in Zeitschriften, oder man sammle, wie mir mal 
Kollege Asch off im Gespräch vorschlug, aus den Gebühren für 
die mündliche Prüfung einen Grundstock für-^die Drucklegung 
von Dissertationen an; so dass jedenfalls dem Verfasser aus der 
Drucklegung Kosten nicht mehr entstehen können. 

Diese Neuordnung erscheint mir nicht nur mit Rücksicht auf 
die Öffentlichkeit und die Interessen der medizinischen Fakul¬ 
täten nötig, sondern vor allem auch mit Rücksicht auf die Stel¬ 
lung der medizinischen Fakultät innerhalb der ganzen Universität. 
Sie soll nicht eine Fachschule sein, die in rein äusserlicher Ver¬ 
bindung mit der Universität steht, sondern ein organisch in ihren 
Bau eingefügter Teil. Dazu gehört auch, dass das Bewusstsein 
ihrer Mitglieder von dem Geiste der Zusammengehörigkeit erfüllt 
ist, und dass gerade bei der Verleihung der einzigen Würde, die 
sie selbständig verteilt, die eine Fakultät nicht Bestimmungen 
bat, die von denen aller anderen Fakultäten nicht nur ab weichen, 
sondern durch und durch minderwertig sind. 

Ich bin mir bewusst, dass meine Vorschläge von den bisher 
veröffentlichten auch grundsätzlich in nicht wenigen Punkten ab¬ 
weichen und dass sie den in der Aerzteschaft, der Öffentlichkeit 
und den zurzeit Regierenden herrschenden Strömungen nicht ge¬ 
rade entgegenkommen. Aber das halte ich für einen Vorteil; es 
muss doch auch die Auffassung zur Geltung kommen, die doch 
wohl weit verbreiteter unter unseren Aerzten und Studierenden ist, 
als angenommen wird, und die verhindern will, dass derAerzte- 
stand in Banausen- und Routiniertum versinkt. Wir wollen doch 
hoffen, dass auch unter den jetzigen schwierigen Verhältnissen 
nicht die sozialdemokratischen Aerztevereine die für die Neu¬ 
ordnung des ärztlichen Unterrichts- und Prüfungswesen einzig 
maassgebengen Faktoren sein werden. 1 ) 


Bücherbesprechungen. 

Haekenbraeh: Die Behanülnag der Knoekenbrüche mH Distraktiois- 
klamnern. Wiesbaden. Verlag von J. F. Bergmann. PreiB 15 M. * 
Die Hackenbruch’schen Distraktionsklammern sind ja bereits all¬ 
gemein bekannt und haben in der Praxis, besonders im Kriege bei den 


1) Dieser Aufsatz wurde in den ersten Septembertagen dieses Jahres 
beendet. Deswegen war es natürlich nioht mehr möglich, später er¬ 
schienene Veröffentlichungen und vor allem die Verhandlungen des 
Aerztetages in Eisenaoh zu berücksichtigen. 


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1048 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 44 


Sohussbrüohen, ausgiebige Verwendung gefunden. Da sie eine absolut 
gute Stellung der Bruchenden und ein sehr frühes und schmerzfreies 
Herumgehen garantieren, ausserdem durch Lösung der entsprechenden 
Kugelgelenke der Klammern die aktive Bewegung der benachbarten Ge¬ 
lenke ermöglichen, sind von dem Verf. und anderen Autoren recht be¬ 
achtenswerte Resultate damit erzielt worden. Es ist sioher für die 
Methode von grossem Vorteil, dass der Erfinder in einem Buche noch¬ 
mals die genaue Herstellung des Gipsverbandes und die Wattepolsterung 
mit besonderer Berücksichtigung jedes einzelnen Körperabscbnittes, die 
Anlegung der Klammern und die Reposition der Bruchenden im Ver¬ 
bände klar und verständlich schildert, so dass bei Beachtung dieser 
Vorschriften kein Schaden angeriohtet werden kann, besonders auch 
Drucksohäden verhindert werden. 

Das Buch wird jedem, der sich mit der Technik der Distraktions¬ 
methode beschäftigen will, ein ausgezeichneter Ratgeber sein. Karl. 


Vietor tob der Reis*. Die Geschieht« der Hydrotherapie tob Haha 
bis Priessnitz. 68 S. Berlin 1914. Allgem. med. Verlagsanstalt. 

Um die Hydrotherapie in weiten Volks- und Aerztekreisen wirklioh 
zu popularisieren, bedurfte es erst der Wirksamkeit eines Laien, 
Vincenz Priessnitz. Diese Erscheinung ist um so eigentümlicher, als 
es vor Priessnitz keineswegs an Aerzten gefehlt hat, die (allerdings 
auch rein empirisch) für ausgedehnte Anwendung der Hydrotherapie 
eingetreten waren. Angefangen mit Johann Sigismund Hahn (1696 
bis 1778) haben, wie sobon bekannt war, eine Reihe von Autoren, wie 
Tissot, Hufeland, Currie, Ringseis, Horn u. a. in diesem Sinne 
gewirkt 1 ;. In der vorliegenden Schrift lernen wir aber noch viele andere 
in das genannte Zeitalter (etwa 1750—1840) fallende Publikationen 
kennen, welche sich auf die Hydrotherapie beziehen, und zwar von Autoren 
aller Länder. Nicht weniger als 150Aerxte haben sich vor Priessnitz 
mit Hydrotherapie literarisch beschäftigt, dieser selbst hat kaum etwas 
Neues — ausser der Wollstoffbedeckung der feuchten Kompressen — 
hinzugefügt, und trotzdem haben jene Autoren zum grossen Teil tauben 
Ohren gepredigt! Zum Erfolge Priessnitz* und seiner Adepten trugen 
wesentlich die Zeitumstände mit bei, es war dies zum Teil auch eine 
Reaktion gegen den therapeutischen Nihilismus der Wiener Schule zur 
Zeit Rokitansky’s. Die fleissige Arbeit des Autors bildet eine wert¬ 
volle Ergänzung unserer Kenntnisse der Geschichte der Hydrotherapie. 

A. Laqueur-Berlin. 

Eugen Goetze: Wasserversorgung. Weyl’s Handbuch der Hygiene. 
I. Band, 1. Abteilung. Leipzig 1919. Verlag von Ambros. Barth. 

Der Verf. bringt nach einer kurzen Besprechung der modernen 
Fortschritte auf dem Gebiete der zentralen Wasserversorgung eine ein¬ 
gehende Darstellung des Wasserverbrauchs der Städte und seine Be¬ 
rechnung, behandelt alsdann den Ursprung und das Vorkommen zur 
zentralen Wasserversorgung geeigneten Wassers sowie seine Beschaffen¬ 
heit an der Hand der bekannten, vom Reichskanzler empfohlenen Grund¬ 
sätze für Einrichtung, Betrieb und Deberwachung öffentlicher Wasser- 
versorgungsanlagen. Es folgen alsdann ausführliche Kapitel über Ge¬ 
winnung und Nutzbarmachung des Wassers aus Zisternen, Talsperren, 
Flüssen und Seen einschliesslich der Reinigungsverfahren mittels Fil¬ 
tration, Elektrizität und Chlorkalk, und eine erschöpfende Schilderung 
der Grundwasserversorgung in quantitativer, qualitativer und technischer 
Hinsicht. Das letzte Kapitel bespricht die Aufbewahrung des Wassers 
in Erdbehältern und Wassertürmen, sowie seine Verteilung in den Rohr¬ 
netzen bis zum Verbraucher. Die sehr lesenswerte Abhandlung ist 
durch zahlreiche Abbildungen erläutert. 


Walther Kruse: Die hygienische Untersuchung uad Beurteilung des 
Trink Wassers. Weyl’s Handbuch der Hygiene. I. Band, 1. Abteilung. 
Leipzig 1919. Verlag von Ambros. Barth. 

Nach einleitenden Ausführungen über die Anforderungen an ein gutes 
Trinkwasser behandelt Verf. die Beziehungen des Trinkwassers zu den an¬ 
steckenden Krankheiten, den Nachweis einer Trinkwasserverseuchung durch* 
epidemiologische Beobachtungen und die Feststellung der Verseuchbarkeit 
einer Wasserversorgung durch örtliche, bakteriologische, mikroskopische und 
chemische Untersuchungen, denen sich ein Kapitel über die Verhütung 
und Beseitigung einer Trinkwasserverseuohung ansohliesst. Es folgen 
hierauf die durch Trinkwasser möglichen Vergiftungen, die Bedeutung 
der Temperatur, des Aussehens, Geruchs und Gesohmacks des Wassers 
für seine Geniessbarkeit, der Härte, des Eisen- und MangaDgeh&lts für 
seine hauswirtsohaftliche Brauchbarkeit, sowie Erörterungen über Menge, 
Verfügbarkeit und Preis des Wassers. Mit einer eingehenden Anleitung 
zur Trinkwasseruntersuchung schliesst das anregende, von reicher eigener 
praktischer Erfahrung und tiefer theoretischer Durchdringung des Stoffes 
zeugende Werk. Bruno Heymann. 

Literatur-Auszflge. 

Physiologie. 

0. Kestner-Hamburg, W. Gross-Heidelberg, F. Laquer-Frank¬ 
furt, E. Sch lagintweit- München, H. Web er-Zürich. (Zschr. f. Biol., 

1) Vergl. die sehr eingehende historische Einleitung zu Winternitz’ 
Hydrotherapie. Leipzig 1881. 


Bd. 70, H. 8—5.) Vorbemerkungen zu den hier zusammen veröffent¬ 
lichten Untersuchungen, die von der Expedition im Monte Rosa-Labora- 
torium, Instituto Mosso col d’Olen und Margherita-Hütte vorgenommen 
wurde. 

F. Laqu er-Frankfurt: HöhenkllBia uad Blatienbildung. (Zschr. 
f. Biol., Bd. 70, H. 8—5) Nachdem Verf. bereits vor Jahren durch 
Vergleich der Blutregeneration (Hämoglobin und Erythrozyten) bei Tieren 
im Höhenklima und in der Ebene naohgewiesen hatte, dass die Blut¬ 
neubildung im Höhenklima rascher erfolgt als in der Ebene, nahm er 
diesmal die Versuche in umgekehrter Reihenfolge vor, zuerst in der 
Ebene, hernach in der Höbe, um dem möglichen Einwande zu begegnen, 
die damals in der Ebene festgestellte längere Dauer der Blutneubildung 
rühre von einer Schwächung der blutbildenden Organe fnfolge der auf 
den Bergen zuvor vorgenommenen Aderlässen her. Verf. gelangte bei den 
neueren Versuchen zu demselben Ergebnis wie früher. 

H. Weber-Zürich: Ueber den Verlauf akuter, experlBBBfeiler* 
Blutgiftanämien im Höhenklima. (Zschr. f. Biol., Bd. 70, H. 8—5) 
Durch eine einmalige Einverleibung von Pyrodin anämisch gemachte 
Tiere regenerieren den Blutverlust im Höhenklima rascher als in der 
Tiefe. Als Ausdruck der intensiveren Blutneubildung wird das bei den 
Höhen versuchen zeitiger zu beobachtende Auftreten der kerhaltigeq 
roten Blutkörperchen aufgefasst. Die durch Biutgift verursachten 
Anämien werden in der Hohe rascher ausgeglichen als die durch Ader¬ 
lass bedingten. Nur in der Höhe erfolgt die Blutregeneration unter 
nennenswertem Gewiohtsansatz. Durch Verabreichung- von Eisen konnte 
die toxische Anämie nur bei erstmals anämisierten Tieren, und zwar 
erst im Endstadium der Blutregeneration deutlich beeinflusst werden. 

E. Sch lagintweit-München: Ueber die Sauerste ff Versorgung im 
Hochgebirge. (Zschr. f. Biol., Bd. 70, H. 3—5) Bei dem im Höhen¬ 
klima entnommenen arteriellen Blut sind die Differenzen der Sauerstoff¬ 
mengen zwischen geschütteltem und niohtgeschütteltem Blute nioht 
grösser als bei dem in tiefem Klima entnommenen; ein Sauerstoffmangel 
dürfte deshalb wohl nioht anzunehmen sein. Der starke Abfall des 

Sauerstofflruckes in der Alveolarluft muss deshalb durch das Hämoglobin 
kompensiert werden. 

F. Laqu er-Frankfurt: Ueber den Milchsäuregehait des Blute» im 
Höhenklima. (Zschr. f. Biol., Bd. 70, H. 3—5.) In einer Höhe von 

2900 m fand L. eine geringe Zunahme der Milchsäure im Blut von 

Menschen und Hunden, während er diese in 450 m Höhe eigentümlicher¬ 
weise vermisste. Zwischen Milchsäuregehalt einerseits und Blutkörperchen- 
Vermehrung, Akklimatisation und Bergkrankheit andererseits liess Bich 
kein unmittelbarer Zusammenhang nachweisen. 

H. Weber-Zürich: Die Viskosität dos Blutes nud Blutserums im 
Höhenklima. (Zschr. f. Biol., Bd. 70, H. 3—5.) Die im Höhenklima 

zu beobachtende Erhöhung der Blut Viskosität ist eine Folge der Ver¬ 
mehrung der Erythrozyten. Die Viskosität des Serums hingegen nimmt 
in der Höhe ab, was wohl als eine regulatorische Erscheinung aufxn- 
fassen ist. Wie in der Ebene ist die Blutviskosität auch in der Höhe 
zu verschiedenen Tageszeiten Schwankungen unterworfen. 

H. Weber-Zürich: Viskosimetrische Befunde hei Muskelarbeit 
im Hochgebirge. (Zschr. f. Biol., Bd. 70, H. 8—5.) Durch Arbeit im 
Höhenklima werden bei verschiedenen Tieren die Blut-, Plasma- und 
Serumviskosität herabgesetzt, nur bei einem stark angestrengten Tier 
erhöht. Beim Menschen zeigte sich anlässlich von Touren, die bei 
kühlem Wetter unternommen wurden, eine geringe Beeinflussung der 
Blutviskosität, dagegen eine deutliche Erhöhung der Serumviskosität. 
Bei Touren, die mit reichlichem Schwitzen verbunden waren, stieg die 
Blut- und Serumviskosität beträchtlicher. Am stärksten erhöht war sie 
während grosser Anstrengungen bei salzfreier Kost. 

0. Kestn er-Hamburg, W. Gross-Heidelberg: Ueber die Ein¬ 
wirkung der Moskelarbeit and des Schwittens auf Biat and Gefässe. 
(Zschr. f. Biol., Bd. 70, H. 5—7.) Mit Schweissabsonderung verbundene 
Muskelarbeit bedingt Uebertritt von Wasser und Salz aus dem Gewebe 
ins Blut, von dem es dann als Schweiss abgegeben wird; dabei wird das 
Blut duroh Zunahme von Plasma und relative Abnahme der Blut¬ 
körperchen verdünnt, das Plasma selbst jedoch durch Anreicherung mit 
Eiweiss konzentrierter; der Prozentgehalt an Salz bleibt ziemlich gleich. 
Grössere durch den Schweiss abgegebene Wassermengen können nnr 
dann vollständig wieder ersetzt werden, wenn neben dem Wasser auch 
ein entsprechendes Quantum Salz zugeführt wird. 

J. Freund-Budapest: Ueber den Einfluss der Temperatur iif 
Zytozym (Thrombokin&se)-Lösungen. (Biochem. Zschr., 1919, Bd. 94, 
H. 5 u. 6.) Die Anwendung der Hirschfeld-Klinger’schen Luesreaktion 
legt cs nahe, zu untersuchen, wieweit die Wirksamkeit einer verdünnten 
Zytozymlösung durch Erwärmen auf 50—60° verändert wird. Die zum 
Gerinnen notwendige Zeit gibt einen Maassstab für die Wirkung des 
Zytosyms. Mit Kochsalz verdünntes und eine Stunde auf 60° erwärmtes 
Zytozym ist wirkungsvoller als niohte'rwärmtes. Eine gewisse Quantität 
Wasser ist notwendig, damit die Wirkung des Erwärmens auf Zytosym- 
lösungen hervortrete. Die Versuche legen die Annahme nahe, dass im 
Zytozym ausser den Lipoiden vielleicht nooh alkoholische Spaltungs¬ 
produkte des Eiweisses enthalten sind. 

J. Feigl-Hamburg: Ueber das Vorkommen von Phosphaten im 
menschlichen Blutserum. VIII. Weiteres über die Systematik der Phos¬ 
phorverteilung, mit besonderer Berücksichtigung der bisher als Phosphor 
in proteinartiger Bindung geführten Fraktion. (Bioohem. Zsohr., 1919, 
Bd. 94, H. 5 u. 6.) 


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UNIVERSUM OF IOWA 




3. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1049 


J. F ei gl -Hamburg: Ueber das Vorkommen von Phosphaten im 
■ei8ehliehen Blote. IX. Zar Frage der Methodik, der Verteilung des 
Phosphors and der Beziehungen beider mit besonderer Berücksichtigung 
der Verhältnisse im normalen Erythrozyten. (Bioohem. Zschr., 1919, 
Bd. 94, H. 5 u. 6.) 

W. Wol ff- Hamburg: üeber die Ambard’sehe Harnstoff konstante. 
(Bioohem. Zschr., 1919, Bd. 94, H. 5 u. 6.) Eine Nachprüfung dn Am* 
bardischen Konstante ergab im Mittel 0,09 bis 0,1 auf Harnstoff N be¬ 
rechnet, gegen 0,06 bis 0,08 bei Ambard auf Harnstoff berechnet. Im 
Wasserversuoh steigt die Konstante regelmässig an. Im Harnstoffversuch 
treten Schwankungen ein, die aber nicht eindeutig sind. Bei Nieren¬ 
gesunden beobachtet man Schwankungen, die in anderen Ursaohen zu 
snohen sind. Somit ist die praktische Anwendbarkeit der Konstante für 
die Klinik sehr fragwürdig. R. Lewin. 

J. Stephan-Offenbaoh a. M.: üeber die Reaktionszeit hei plötz¬ 
licher Körperneigang. (Zschr. f. Biol., Bd. 70, H. 1 u. 2.) Zwischen 
Reaktionen (disjunktiven und einfachen) auf optische Reize und solche 
auf Körperneigung besteht hinsiohtlich der Reaktionszeit kein wesent¬ 
licher Unterschied. 

E. Backhaus-Steinbach-Hallenberg: Ueber den Einfluss der Kopf¬ 
haltung bei einem besonderen Fall der Lageempfindung. (Zschr. f. 
Biol., Bd. 70, H. 1 u. 2.) Mittels des zur Untersuchung von Flug¬ 
schülern konstruierten Neigungsstuhles liess sich zeigen, dass die Ein¬ 
stellung des Sitzes in die Horizontale durch ungewöhnliche Kopfhaltungen 
und Kopfbewegungen (passive wie aktive) bei gleichzeitiger Ausschaltung 
des Gesichtssinns nur unbedeutend verschlechtert wird. Für die ge¬ 
nannte statische Funktion kommt daher zur Hauptsache der Druck- und 
Muskelsinn der Obersohenkel und des Gesässen in Betracht, während der 
Einfluss der im Kopf lokalisierten Sinnesorgane (besonders des Laby¬ 
rinthes) hierfür unwesentlich zu sein scheint. 

G. Hess: Ueber Gesichtsfeld, Silberglanz und Sehqnalitäten der 
Fisehe und üer die Liohtverteilung im Wasser. (Zschr. f. Biol., Bd. 70, 
H. 1 u. 2.) Das Gesichtsfeld der Fische erweist sich nach den Ver¬ 
suchen von H. als beträchtlich weiter, als man bislang angenommen 
hatte; die grosse Ausdehnung des Gesichtsfeldes kommt durch das Zu¬ 
sammenwirken von 8 Faktoren zustande: 1. durch das Vortreten eines 
Teiles der Linse aus der Pupillarebene, 2. durch die starke Zunahme 
des Brechungsindex von der Rinde nach dem Kern der Fischlinse, 
3. durch das Vorrücken der Netzhaut nach vorn, wodurch die innere 
Augenwand lichtempfindlich wird bis zu einer annähernd unter bzw. 
über der Linsenmitte gelegenen Stelle. — Der Silberglanz an den Flanken 
der Fische ist als eine Anpassung an die von der Wasseroberfläche 
kommenden Lichtstrahlen zu betrachten; infolge der spiegelnden Körper¬ 
oberfläche erscheinen die Fische dem im Wasser von unten blickenden 
Auge nicht als dunkle Körper. — Durch eine besondere photometrische 
Methode lässt sioh die bisherige Annahme, dass ein im Wasser schweben¬ 
der Organismus Lioht von allen Seiten von ungefähr gleicher Stärke 
erhalte, widerlegen. Desgleichen weist Verf. die Irrigkeit gewisser An¬ 
schauungen hinsichtlich der bunten Färbungen von Wassertieren nach; 
rote und gelbe Farben erscheinen in einer gewissen Wassertiefe stets 
blau oder blaugrün. — Bei Untersuchung des Lichtsinnes der Fische 
konnte sich Verf. auf verschiedenen Wegen stets von der völligen Farben¬ 
blindheit der Fisohe überzeugen. 

H. Henning-Frankfurt: Gemehsversuche am Hand. (Zsohr. f. 

Biol., Bd. 70, H. 1 u. 2.) Nach den bisherigen Versuchen schien der 
Geruchssinn des Hundes durch vegetabilische Gerüche nicht ansprechbar 
zu sein. Dass aus dem Fehlen einer motorischen Reaktion beim Dar¬ 
bieten solcher Gerüche nicht der Schluss gezogen werden dürfe, dass 
der Hund die vegetabilischen Gerüche überhaupt nicht rieche, konnte H. 
durch Dressurversuche nachweisen. Da die Vegetabilien für den Hund 
nicht die Rolle eines biologischen Reizes spielen, reagiert der Hund 
zwar unter gewöhnlichen Umständen mit keiner Bewegung, wohl aber 
wenn man ihn durch Dressur lehrt, auf die Wahrnehmung der betreffen¬ 
den Gerüche eine gewisse Bewegung zu vollführen. Die Reizschwelle 
Pflanzendüften gegenüber liegt verhältnismässig etwa eben so hoch wie 
bei animalischen Gerüchen. In der Wahrnehmung jener Gerüche steht 
der Hund dem Menschen nioht nach. E. Schmidt. 


Pharmakologie. 

H. Jastrowitz-Halle a. S.: Ueber die biologische Wirkung des 

Tkeriims. (Biochem. Zschr., 1919, Bd. 94, H. 5 u. 6.) Das Thorium 

zeigte weder im Organ noch im Tierexperiment einen Einfluss auf die 
Urikolyse, ebensowenig auf Nuklease. Bei Hunden fand Verf. nach 
Thoriuminjektion eine Tendenz zur Ausschwemmung der Harnsäure, ob¬ 
gleich beim Hunde die Purinkörper eino geringe Rolle im Stoffwechsel 
spielen. In überfüllter Harnsäurelösung verlangsamt Thorium X den 
Ausfall des Urates. Die peptolytischen Fermente werden in vitro durch 
Thorium nicht beeinflusst, auch nicht das peptolytisohe Spaltungs- 

wermögen des tierischen Serums naoh Peptoninjektion. Die experi¬ 

mentelle peptolytische Fähigkeit des Organismus ist somit nicht an den 
Leukozytenapparat gebunden. Die normale peptolytische Tätigkeit der 
Niere wird durch toxische Dosen Thorium ungünstig beeinflusst. Per¬ 
oxydase wird in vitro durch Thorium gehemmt. Die Wirkungsweise bei 
der Gicht besteht einmal in einer vermehrten Ausschwemmung der Purin- 
aubstanxen, wohl zum Teil infolge Nierenreizung (toxisohe Wirkung des 


Thorium auf die Niere), sodann in einer Steigerung des gesamten Grund¬ 
umsatzes, endlich in einer grösseren Stabilität in Lösung der Urate. 
Die meist häufig auftretende sogenannte Reaktion unter dem Einfluss 
radioaktiver Substanzen kann man sich durch das plötzliche Zugrunde- 
gehen der Zellkerne im Körper erklären. Verf. weist sohliesslioh auf 
den Zusammenhang zwischen dem Zugrundegehen der nukleinreichen 
Zellen und der vermehrten Purinausschwemmnng und der Hemmung der 
Peroxydase. Hieraus ergäbe sich eine Stütze für die Auffassung des 
Kerns als Aktivationsort des Sauerstoffs. 

W. Griesbach und G. Samson-Hamburg: Beitrag zur Frage der 
Wirkungsweise des Atophais aaf den Parinstoff Wechsel. (Bioohem. 
Zsohr., 1919, Bd. 94, H. 5 u. 6.) Bei einer Reihe von Personen gelang 
es, einen Zeitpunkt zu finden, in dem naoh Einverleibung von Atophan 
oder Hexophan der Blutharnsäurespiegel gegenüber dem endogenen Wert 
erhöht ist. Diese Erhöhung konnte sich bei nioht purinfrei ernährten 
Personen über einige Stunden erstrecken; zeigte £ber hierbei fallende 
Tendenz. Bei einer kurze Zeit purinfrei ernährten Person folgte dem 
primären Anstieg sehr rasch ein Abfall. Unter den jetzigen Ernährnngs- 
bedingungen zeigt die Kurve bereits nach einer Stunde eine Vermin¬ 
derung gegenüber der Norm. Durch die Versuche wird die Wein- 
traud’sche Hypothese der Nierenwirkung des Atophans gestützt. 

R. Lewin. 


Therapie. 

O. Rosenthal: Ueber dringliche Gefahren bei der gebräuchlichen 
ärztlichen Sauerstoffanwendnng. (M.m.W., 1919, Nr. 41.) Auf Grand 
wiederholter Verwechslungen wird dringend darauf hingewiesen, die zur 
Einatmung dienenden Sauerstoffbehälter vor der Anwendung durch einen 
glimmenden Holzspan auf ihren Inhalt zu prüfen. Wie der beschriebene 
Fall beweist, kann leicht eine Verwechslung mit den jetzt zur Pneumo¬ 
thoraxbehandlung gebrauchten Stickstoffbehältern geschehen und, wie 
hier, zu letalem Ausgang führen. 

E. Gallus- Bonn: Behandlung der gonorrhoischen Augeneiternig 
der Neugeborenen mit Airol, eine einfache und zuverlässige Methode 
für den Praktiker. (M.m.W., 1919, Nr. 40.) Airol bewährt sioh sehr 
gut bei der Blennorrhoe, auob bei ambulanter Behandlung; schon in 
wenigen Tagen lassen Schwellung nnd Sekretion naoh, in 14 Tagen ist 
meist die Heilung erreioht. Anwendungsweise: Nach gründlicher 
Reinigung der Angen wird auf die beiden ektropionierten Lider mit 
Hilfe eines Glasspatels ein Häufchen Airol geschüttet. Naoh Ver¬ 
wandlung des Pulvers in einen Brei bringt man die Lider zurück. 
Zuerst tägliche Wiederholung dieser Prozedur. R. Neumann. 

P. Mühlens - Hamburg: Verhütung und Bekämpfung der Malaria 

im Felde und in der Heimat. (D.m.W., 1919, Nr. 39.) Das beste all¬ 
gemeine Mittel zur Vorbeugung der Malariaausbreitung ist neben der 
Ermittelung und konsequenten Behandlung der ans dem Felde heim¬ 
gekehrten und der einheimischen Parasiten träger der systematische 
Kampf gegen die Anopholesmüoke. Das sicherste persönliche Schutz¬ 
mittel ist das gewissenhaft benutzte Moskitonetz. Chininprophylaxe 
allein hat im Felde in stark verseuchten Gegenden nicht zur völligen 
Malariaverhütung genügt. Dünner. 

M. Cloetta: Ueber die Anwendnngsweise der Digitalispräparate, 
(Schweiz. Korr. 61., 1919, Nr. 32.) Bei der chronischen Behandlung 
empfiehlt Verf. das Digalen nüchtern za geben, weil durch Einwirkung 
der HCl des Magensaftes auf die Digitalisglykoside chemische Körper 
gebildet werden, welche keine Herzwirkung besitzen, wohl aber sehr 
toxisch auf das Nervensystem wirken. Bei gestörter Resorption vom 
Darm aus und bei stark vergrösserter Leber kommen die intravenöse 
oder intramuskuläre Anwendung in Frage, für erstere beträgt die ge¬ 
wöhnliche Dosis 2 ocm. Digalen, höchstens 4 ccm. Die intramuskulären 
Injektionen dürfen nur in ödemfreiem Gewebe gemacht werden. Dosis 
bis 6 com pro die. Bei schweren Zirkulationsstörungen ist die rektale 
Anwendung am Platze. Eiohhorn empfiehlt als Mikrojrlysma: 10 Tropfen 
Digalen, 10 Tropfen Tinct. Strophanti, 0,3 Theozin auf 5 com warmes 
Wasser. (Bei Erbrechen ist die Theozindosis zu verkleinern. 

R. Fabian. 

R. Th. Jasohke - Giessen: Behandlung der Embolie im Wochen¬ 
bett. (D.m.W., 1919, Nr. 40.) Zur Prophylaxe empfiehlt sich das Früh- 
aufstehen der Wöchnerinnen. Therapeutisch besteht die Hauptaufgabe 
darin, einerseits die Loslösung neuer Thromben za verhüten, andererseits 
die Herzkraft aufreohtzuerhalten: Also Bettruhe, Morphium. Herzmittel 
nur im ersten Moment nach erfolgter Embolie. 

J. Zadek - Neuköln: Zur Therapie der kryptogenetischen perni¬ 
ziösen Anämie. (D.m.W., 1919, Nr. 41.) Es wird eine bestimmte, ans 
Bettruhe, Diät, Arsen- und Salvarsaninjektionen,’’Salzsäure und Tier¬ 
kohle per os sowie Magendarmspülungen bestehende Behandlungsart der 
■kryptogenetischen perniziösen Anämie empfohlen, die mit Sicherheit in 
einigen Wochen langanhaltende Remissionen zu erzielen imstande ist. 

Bovermann-Somborn: VergiftungserseheinungenVnach 1 Genuss 
von Asthmatee. (D.m.W., 1919, Nr. 40.) Ein Mann, der Asthmatee 
zum Aufgiessen eines Tees an Stelle zum Einatmen der* Dämpfe ver¬ 
wandt hatte, wurde besinnungslos. Baldige Genesung. Man sollte bei 
Verordnung von Asthmakraut genaue Signatur vornehmen lassen. 

Dünner. 

P. Ryhiner - Zürich*. Ueber Milehinjektionstherapie. t (Schweiz. 
Korr. Bl., 1919, Nr. 86.) Keine therapeutisoho Wirkung der Miloh- 


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UMIVERSITY OF IOWA 










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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


injektionen bei verschiedenen Krankheiten (Diphtheriebazillenträger, 
Blatangen, Anämien, Osteomyelitis, Sepsis, Barlow, Erysipel, Vulvo- 
vaginalis gon., hämorrhag. Nephritis). Darch Injektion ganz frischer, 
möglichst steril entnommener Milch "wurde eine Reaktion nicht aus¬ 
gelöst; diese soheint durch bakterielle Toxine oder daroh Zersetzungs- 
produkte der Miloh bedingt zu sein, R. Fabian. 

L. Seitz u. H. Wintz - Erlangen: Die ausschliessliche Röntgen¬ 
behandlung des Gebärmntterkrebses, der Rtintgen-Wertkeim. (M.m.W., 
1919, Nr. 40) Die Resultate der ausschliessliohen Röntgenbestrahlung 
haben ergeben, dass bei der kombinierten Radium-Röntgenbehandlung 
die Röntgen strahlen die Hauptrolle spielen. Es gelang nämlich bei 
24 Fällen 23mal mit Röntgenstrahlen allein das Karzinom zur Rück¬ 
bildung zu bringen und die Kranken vorläufig klinisch zu heilen. Die 
dabei angewandte Methode der aussohliesslichen Röntgenbestrahlung war 
folgende: Die Dosis betrug 110 pCt. der Hauteinheitsdosis. Das Uterus¬ 
karzinom wurde von 3 Zonen aus bestrahlt. Die erste Bestrahlung gilt 
der Zerstörung des Primärtumors, die zweite trifft das rechte Para- 
metrium mit den darin liegenden Karzinomzellen und Drüsen, die dritte 
das linke Parametrium. Die 3 Bestrahlungen werden im Abstand von 
6 Wochen vorgenommen. Dieser „Röntgen-Wertheira muss sehr genau 
erlernt und geübt werden. R/Neumanu. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

O. Lubarsoh: Zur Frage des Ursaehenbegriffes. (M.m.W., 1919, 
Nr. 41.) Kurze Bemerkung zu der Arbeit B. Fisch er’s in Nr. 35 
dieser Wochenschrift. L. betont nach einigen prioristischen Bemerkungen 
die volle Uebereinstimmung zwischen sich und Fischer über den Ur¬ 
sachenbegriff. 

G. Lindemann u. G. B. Gruber: Zur Klinik und Pathologie der 
vollkommenen Transposition der arteriellen Ansflnssbahnen des Herzens. 
(M.m.W., 1919, Nr. 40.) Beschreibung zweier Fälle von Transposition 
der grossen Sammelgefässe, bei denen nur durch das ovale Fenster und 
den Ductus Botalli eine Verbindung zwischen grossem und kleinem 
Blutkreislauf bestand. Das Blut der unteren Hohlvene strömt dabei 
durch das Foramen ovale in den linken Vorhof, von da durch die trans¬ 
ponierte Arteria pulmonalis in die Lungen, sodann durch den Ductus 
arteriös. Botalli in die deszendierende Aorta hinüber. Die untere 
Körperhälfte erhält also teilweise sauerstoffhaltiges Blut. Im Gegensatz 
dazu muss das Blut der oberen Hohlader sofort aus der rechten Kammer 
in den transponierten, aufsteigenden Aortenteil einfiiessen, das Arterien¬ 
gebiet der Karotiden und Subolaviae erhält also nur venöses Blut. 
Klinisoh äussert sich diese ungleiche Blutverteilung in einer regionär 
ungleich starken Blausucht: Hände und Gesicht sind zyanotischer als 
Thorax, Gesäss und Beine. Dieser Befund unter Beiücksichtigung der 
Dyspnoe und des Mangels an Herzgeräuschen lässt event. die Diagnose 
der arteriellen Transposition stellen. Die Lebensdauer ist natürlich nur 
eine ganz beschränkte. R. Neumann. 

B. 0. Pribram - Berlin: Die polyzystische Brustdrflsendegeneration 
nnd die Entstehung der Karzinom*. (D.m.W., 1919, Nr. 39.) Der 
Entzündungsreiz wirkt sowohl zellschädigend als proliferationsreizend. 
Die lebenssohwachen Zöllen degenerieren und gehen zugrunde in einem 
Senium praecox, die resistenzfähigen dagegen geraten in Wuohetung. 
P. steht auf dem Standpunkt, dass das Ovarium in gleiobem Maasse bei 
der polyzystischen Degeneration wie beim Karzinom wirkt. Es wirkt 
physiologiscberweise das Ovarium fördernd auf das Wachstum desBruät- 
drüsenepithels wie der Hoden hemmend wirkt. Deshalb sollte man 
therapeutisch die Ovariektomie und Hodenimplantation bzw. Verfütterung 
sowohl beim Polyzystom als beim Brustdrüsenkarzinom versuchen. 

. Dünner. 

C. Goronini u. A. Prieset: Pathologisch-anatomische und bak¬ 

teriologische Befunde bei der Grippeepidemie 1918. (W.m.W., 1919, 
Nr. 35 u. 36.) Schwere Lungentuberkulose war selten, dagegen oft mehr 
oder minder ausgeheilte Spitzenkatarrhe. Die Gravidität hat mehrfach 
zum letalen Ausgang beigetragen. Herzveränderungen wurden 37 mal 
gefunden. Es wurden Blutungen aller Art gefunden. Parenchymatöse 
Entartung als Ausdruck toxischer Schädigung fand sich am Herzfieisch, 
in der Leber, in den Nieren. Bemerkenswert ist ein Fall mit frischer 
Thrombose beider Nebennierenvenen (mit hämorrhagischer Insuffizienz 
der Organe) und ein Fall von Thrombose der linken Nebennierenvene 
und Nierenvene. Schwerer Ikterus bestand 8 mal, öfter leichter Ikterus. 
Die bakteriologische Untersuchung ergab, dass bei der Grippepneumonie 
verschiedene Bakterienarten allein oder miteinander vergesellschaftet 
naobgewiesen sind. Der Pfeiffer’sche Influenzabazi!lus konnte nur in 
9 Fällen, dabei nie in Reinkultur isoliert werden. Besondere Aufmerk¬ 
samkeit erregte ein kleiner gramnegativer Streptokokkus. Er war auf 
gewöhnliobem Agar kultivierbar, wuchs aber besser bei Serum- oder 
Blutzusatz. Vier dieser Stämme waren stark tierpathogen, indem sie 
eine besondere Affinität zum Respirationstraktus erkennen Hessen. Bei 
der Grippeerkrankung des Menschen spielte dieser Kokkus wahrsoheinlich 
nur eine sekundäre Rolle, da die Sera Grippekranker dies Bakterium 
nur iukonstant agglutinierten. G. Eisner. 

P. Prym-Bonn: Zur pathologischen Anatomie der Inflnenza 

von 1918. (D.m.W., 1919, Nr. 39 u. 40.) Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie, 

G. Sohröder-Scböneberg: Experimenteller Beitrag zur Kenntnis 
des. Friedmann’schen Tnberknloscstammes. (D.m.W., 1919, Nr. 4L) 
Die Infektionsversuche ergaben zweifellos eine Pathogenität des ver¬ 
wandten Friedmann Stammes für das Meerschweinehen, die sich durch 
Tierpassage ganz erheblich steigern liess. Bei der dritten Serie bildete 
sieb bereits eine ausgedehnte Phthise. Der Friedmann-Stamm schützt 
Kaninchen nicht vor den Wirkungen einer nachfolgenden bovinen Tuber¬ 
kuloseinfektion. Dünner. 

J. L. Burckhardt-Basel: Inflnenzaartige Stäbchen als Eiter¬ 
erreger. (Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 37.) 2 Fälle, je eine Beob¬ 
achtung am Kind und am Erwachsenen, bei denen ohne Influenzaepidemie 
bei verschiedenen Eiterungen Stäbchen aus der Gruppe des Bacterium 
influenzae naebzuweisen waren. R. Fabian. / 

F. Kirstein-Berlin: Ktimfreimaehang der Schntzpockenlymphe 
mittels Morgenroth’scher Chinaalkaloide. (D.m.W., 1919, Nr. 40) 
Es gelingt mit Hilfe eines geringen Eukupinzusatzes (1:5000) und nach¬ 
folgender Paralysierung mit Sodalösung leicht, eine keimfreie oder 
wenigstens ganz keimarme Lymphe bei erhaltener kräftiger Virulenz 
zu erzielen. Dünner. 

B. Lipp-Ulm: Eine leiobt ausführbare Mikromethode zur Anstellung 
der Sachs-Georgischen Ansflockongsreaktion. (M.m.W., 1919, Nr. 42.) 
An Stelle der Leukozytenpipette, wie es Scheer in Nr. 32 der M.m.W. 
angegeben batte, benutzt der Verf. eine Tropfenpipette, wie sie zur 
Ausführung der Gruber-Widal’sohen Typhusagglutinabon gebraucht wird. 
1 Tropfen inaktiviertes Serum wird dann mit 9 Tropfen physiologischer 
NaCl-Lösung gemischt und diese Verdünnung mit 5 Tropfen unver¬ 
dünnter Extraktlösung versehen. Die Mischung wird in einem Wasser- 
manmöhrchen von 1 cm Durohraesser torgenommen. Die Ablesung er¬ 
folgt durch Lupe oder schwächstes Mikroskopobjektiv. Diese Methode 
ist sehr genau und eignet sich für alle Fälle, in denen wenig Blut vor¬ 
handen ist, besonders also für Säuglinge und Kinder. 

R. Neumann. 

W. Steiner: Ueber die KomplementhindoDg von Fleckfiebersera 
mit Extrakten von Proteus X 19 (D.m.W., 1919, Nr. 4L) Es lässt sich 

im Blute der Fleckfieberkranken ein für Proteus X 19 spezifischer Ambo¬ 
zeptor mit Hilfe der Komplementbindnng nicht naebweisen; ein Um¬ 
stand, der wesentlich gegen die Annahme des Proteus X 19 als Fleck¬ 
fiebererreger spricht. _ Dünner. 

Innere Medizin« 

F. Stirni mann-Luzern: Die Respi rationskurve kindlicher nnd 
jogcndlicher Lungenspitzen. (Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 31.) Zur 
genaueren Kontrolle, besonders zur Frühdiagnose tuberkulöser Luügen- 
erkrankungen, nahm Verf. bei Kindern die Bewegungsvorgänge der 
Spitzenatmung als Kurven auf und benutzte hierzu den Jaquet’scben 
Spbygmokardiographen. Mittels der Kurven gelingt es, die Zeitdauer 
und die Art des Ablaufs der Respirationspbasen (verlängertes Exspirium, 
verschärftes und abgeschwächtes Atrnem) zu fixieren. 

E. Geymüller-Basel: Einfluss der Inflnenza auf Schwangerschaft 
nnd Wochenbett. (Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 32.) Bei Schwangeren 
zeigt die Influenza eine Neigung zur Deszendenz in den Luftwegen und 
führt häufiger zu Pneumonie als ausserhalb der.Gestationszeit. Die In¬ 
fluenzapneumonien haben bei Schwangeren eine Mortalität von 50pCt. 
und führen,häufig eine vorzeitige Unterbrechung der Gravidität herbei. 

G. Sobernheim-Bern: Ueber Inflnenza! (Schweix. Korr.-Bl., 1919, 
Nr. 33 u. 34) Vortrag, gehalten am 6. Febr. 1919 im medizinischen 
Bezirksverein in Bern. Bei Influenzagefabr empfiehlt Verf., die Schutz¬ 
impfungen vorzunehmen, da diese Bich als unschädlich erwiesen haben. 

R. Fa bi all» 

A. Dübrssen-Berlin: Der Streit um das Friedmann’sche Tab<*- 
kalosemittel. (M.m.W., 1919, Nr. 40.) Polemische Bemerkungen, i 
denen sich D. als absoluter Anhänger Friedmann’s bekennt. j 

R. Neumann. | 

F. F. Friedmann-Berlin: Erwiderung auf die^Abwehr des Herrn 

Geheimrat Kirchner in Sachen des Friedmann’scheB Tilerknls# 
heilmittels. (D.m.W., 1919, Nr. 89.) T 

M. ßirohner-Berlin: Antwort auf die Erwiderung des Herrn Prif. 
Friedmann in Sachen des Friedmaiin’sehen T&lerknloseheilniltteJk 
(D.m.W., 1919, Nr. 39.) Es handelt sich um den Versuch des Beweises 
und Gegenbeweises in der bekannten Angelegenheit. Die einzelnhe 
Punkte kann man nicht in einem Referat wiedergeben. 

W. Blumenthal-Coblenz: Verdickung der Speicheldrüsen fei 
Kriegsteilnehmern. (D.m.W., 1919, Nr. 41.) B. will sie beobachtet 
haben, ohne eine Ursache angeben zu können. ' Dünner. 

W. Fl ein er-Heidelberg: Neue Beiträge zur Pathologie des Magens. 
(M m.W., 1919, Nr. 40 u. 4L) Als „spastische oder Reteutionsdyspepsiie“ 
wird ein Krankheitsbild bezeichnet und beschrieben, das auf verminderter 
oder verzögerter Entfaltung des Magens und gesteigerter oder länger 
dauernder Zurückhaltung des Mageninhalts beruht, wobei die beiden 
Faktoren einzeln für sich oder zusammen wirken. Beide Zustände führen 
zu einer Verkleinerung der Magenhöhle und werden röntgenologisch Als 
Spasmus bezeichnet, während der Laie dafür den Ausdruck Magenkrartpf 
seit Alters gebraucht. Die in jedem Lebensalter vorkommenden spasft- 


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UNIVERSUM OF IOWA 







3. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1051 


9ohen Dyspepsien sind als psychogene Abwehrreflexe zu deuten. Die 
Diagnose dieser Zustände lässt sich nur röntgenologisch mit Sicherheit 
stellen, im übrigen müssen die subjektiven Beschwerden berücksichtigt 
werden: Gefühl der Völle, Sodbrennen, Luftschluoken, Singultus, Er¬ 
brechen, Schmerzen; sie sind verschieden, je nachdem ob die Sperre an 
der Kardia, in der Mitte des Magens oder am Fylorus sitzt. Als Be¬ 
handlung ist eventuell die Eingiessung von kohlensaurem Wasser mittels 
Sonde in die Tiefe des Magens zu versuchen, aber nur dann, wenn ein 
Ulkus mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Daneben ist kohlensaures 
Alkali innerlich und psychische Behandlung am Platze. 

A. Hirsch-Stuttgart: Zur Kenntnis der diffusen Speiseröhren- 
erweiternng dnreh chronischen Kardiospasmns. (M.m.W., 1919, Nr. 40.) 
Es wird dem Versuch Fleiner’s in der M.m.W., 1919, Nr. 22, entgegen¬ 
getreten, der an Stelle des Kardiospasmus bei der diffusen Speiseröhren¬ 
dilatation einen nicht erwiesenen Spasmus des Magens als ätiologischen 
Faktor eintühren will. Sowohl die röntgenologischen Befunde als die 
glänzenden therapeutischen Erfolge mit energischer Dilatation der Kardia 
bestätigen die Richtigkeit der alten Ansohauung vom Kardiospasmus. 

G. Singer-Wien: Hypertonische Mngendarmbliitnng. (M.m.W., 
1919, Nr. 41.) Beobachtung je eines Falles von Polycythaemia hyper- 
tonioa und Aortitis luetica, bei denen es zu einer schweren Magendarm¬ 
blutung kam, welche an Geschwürsbildung denken Hess. Ursache dafür 
sind Veränderungen im Zirkulationsapparat. Die richtige Erkennung 
der Blutungsquelle in solchen Fällen ist für Prognose und besonder# 
Therapie wichtig. Denn während Geschwüre mit Arrosion von grösseren 
Blutgefässen zur Operation kommen müssen, ist diese bei Blut- und 
Arterienerkrankungen der geschilderten Art streng kontraindiziert. 

B. Neumann. 

M. v. Krem pelh über-Würzburg: Zur Pathogenese des runden 
Magengeschwürs. (D.m.W., 1919, Nr. 40.) Für die Entstehung eines 
chronischen Magengeschwürs müssen gewöhnlich zwei Bedingungen er¬ 
füllt sein: 1. das häufige Wirken von Schädlichkeiten, wie freie Salz¬ 
säure, Pepsin und andere Fermente, thermische, chemische und mecha¬ 
nische Insulte von seiten der Ingesta; 2. eine anatomisch oder funktionell 
begründete Herabsetzung der Heilungsbedingungen an der defekten 
Magen wandstelle; vor allem ist an die Striktion der kleinen, zur Schleim¬ 
haut tretenden Gefässchen durch den Zug des belasteten und längs¬ 
gedehnten Magens zu denken. Dafür spricht das sehr häufige Zusammen¬ 
sein von Ulkus und Gastroptose, ferner das Auftreten der Geschwüre 
an und nahe der kleinen Kurvatur und an der oberen Wand des Pylorus, 
d. h. an den Stellen, wo die Aufhängeapparate des Magens angreifen. 

L. Feilchenfeld-Berlin: Ueber die Diät. (D.m.W., 1919, Nr. 40.) 
Im allgemeinen spricht F. der Diät das Wort. Sie leistet seiner Meinung 
nach wenig bei Gicht, Nierenstein- und Gallensteinkoliken und Arterio¬ 
sklerose. Dünner. 

J. Bang-Lund f: Die diabetische Lipoidämie. (Biochem. Zschr., 

1919, Bd. 94, H. 5 u. 6.) Aus den Untersuchungen folgen als allgemeine 
Gesichtspunkte: Der Konnex zwischen Kohlehydrattoleranz und Lipämie 
ist keine konstante Erscheinung. Die diabetische Lipämie ist alimen¬ 
tären Ursprungs. Stets findet man im nüchternen Zustande morgens 
und während der Hungertage die niedrigsten Werte. Die Hyperlipämie 
aber ist keine rein alimentäre Erscheinung, da die Steigerungen meistens 
viel grösser, sind als normal. Dem diabetischen Organismus fehlt also 
die Fähigkeit, das resorbierte Nahrung9fett schnell und vollständig zu 
deponieren. Diese Fähigkeit kommt vor allem der Leber zu. Verf. 
bringt die Leberinsuffizienz nicht mit der Azidose oder Hyperglykämie 
in Verbindung. Vorzugsweise findet sie sich bei den schweren Diabetes- 
lormen. Aber auch bei leichten Formen von Diabetes kann eine recht 
bedeutende Hyperglykämie Vorkommen. Die Bedeutung der Lipämie ist 
nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung noch nioht eindeutig 
festzulegen. Robert Lewin. 

E. Gehre 1 e Leipzig: Die MesenterialdriLsentuberkulose. (D.m.W., 
1919, Nr. 41.) G. entwirft ein kurzes Bild von der Aetiologie, Sympto¬ 
matologie, Diagnose, Differentialdiagnose, Prognose und Therapie, 

Dünner.. 

A. Kirch-Wien*. Zur Frage der ÜrobiliBurie bei Nierenerkran- 
knngeB. (M.m.W., 1919, Nr. 40.) Kurze vorläufige Mitteilung dreier 
Fälle von Nierenentzündungen verschiedener Form und mit eohter Ur¬ 
ämie, die trotz Kombination mit Pneumonie bzw. Leberzirrhose kein 
Urobilin im Harn aufwiesen. R. Neu mann. 

K. Hofmann: Ueber seltenere oder schwerer diagnostizierbare 

Formen von Hämaturie. (W.m.W., 1919, Nr. 34 u. 35.) Beschreibung 
einer Reihe von Krankbeitsbildern und speziellen Fällen, in denen be¬ 
sondere Ursachen für Blutbarnen Vorlagen oder auch die Quelle der 
Blutung nioht festgestellt werden konnte. G. Eisner. 

H. Flebbe: Ueber die Malaria ha Taurus (Kleinasien). (D.m.W., 
1919, Nr. 41.) Auseinandersetzung mit Schilling und Bentmann. 

Dünner. 

A. Rothacker-Jena: Blut- nnd LiqaorbefaBde bein Fieckfleber. 

(M.m.W., 1919, Nr. 42.) Ein typisches Blutbild, das nur dem FJeok- 
fieber zukommt, gibt es nicht. Frühestens vom 10. Tage ab ist das 
Blutbild für die Diagnose verwendbar. Am 1.—4. Tage ist das Blut¬ 
bild bis auf die Anwesenheit von Jugend- und Reizformen (Riesenzellen 
und wenige Myelozyten) normal, vom 4.—7. Tage nehmen bei normaler 
Gesamtleukozytenzabl die polymorphkernigen Zellen zu, die Eosinophilen 
fehlen völlig. Vom 10. Krankheitstage ab besteht im allgemeinen 


folgendes Bild: Die Gesamtleukozytenzahl beträgt 10—14 000. Davon 
sind 95—97 pCt. polymorphkernige, darunter in toxischen Fällen 10 bis 
15 pCt. Jugend-, Reiz- und Uebergangszellen. Die Lymphozyten fehlen 
fait ganz (3—6 pCt.), die Eosinophilen immer. Die roten Blutkörperchen 
sind auf 2—3 Millionen herabgesetzt, während der Hämoglobingeb&lt 
sich nicht wesentlich ändert. Bis zur Entfieberung bleibt dieses Blut¬ 
bild ziemlich unverändert, dann erscheinen langsam die Eosinophilen, 
und oft nimmt anfangs in der Rekonvaleszenz die Gesamtleukozytenzahl 
stark zu. Der Liquorbefund wurde nicht zur Stellung der Diagnose ver¬ 
wandt Der Druck war selten erhöht, die Nonne’sche Reaktion fast 
immer negativ. Dagegen fand sich eine starke Vermehrung der seifigen 
Elemente, besonders der kleinen und grossen Lymphozyten. Der Eiweiss- 
jgehalt war leicht vermehrt. R. Neu mann. 

W. Lehmann-Göttingen: Ueber erworbenes Riesenwuchs der 
linken unteren Extremität und angeborenen Nävus. (D.m.W., 1919, 
Nr.4L) Mitteilung eines sehr interessanten Falles.' Der Nävus ist an¬ 
geboren. Wahrscheinlich hat bereits eine Tendenz zu stärkerem Wachs¬ 
tum der einen Extremität bestanden, aber erst in späteren Jahren ist 
durch das Grösserwerden des Nävus sowie der Venenerweiterungen und 
durch ein Zunehmen der Zirkulationsstörungen der Riesenwuchs ent¬ 
standen. 

F. Partsch-Dresden: Ueber gehäuftes Auftreten von Osteomalazie. 
(D.m.W., 1919, Nr. 41.) Innerhalb 2 Monate wurden in 15 Fällen ein¬ 
wandfrei osteomalazische Veränderungen am Skelett festgestellt. Man 
muss daher ein endemisches Auftreten der Osteomalazie annehmen, die 
das Senium und vorwiegend Frauen betrifft. 

A. Poniemunski-Lübeck: Ein Fall von Schlangenbiss. (D.m.W. 
1919, Nr. 40.) Ein Kind verspürte im Walde plötzlich heftigsten 
Schmerz in der Wade. Es folgte Erbrechen, Atemnot, Ohnmacht, kleiner 
schneller Puls. Es traten zahlreiche flächenhafte Blutungen unter der 
Haut neben der Schwellung und den Verletzungen an der Wade auf. 
Ein lokaler Eingriff war nicht notwendig. 

F. Rabe-Hamburg: Der Einfluss des Eiweisshungers auf den Gas¬ 
wechsel. (D.m.W., 1919, Nr. 40.) Die zahlenmässigen Ausschläge sind 
bei den Patienten mit Eiweisshunger absolut klein. Es besteht bei 
ihnen eine Neigung zu unerwarteten Verschiebungen im Verhältnis von 
Kohlensäure zu Sauerstoff, also zu ungewöhnlichen respiratorischen 
Quotienten. Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

A. Adler: Ueber die Lokalisation der Blasenfnnktion in der Hirn¬ 
rinde. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 19.) Wir haben in der Hirnrinde zwei 
motorisohe Zentren für die Harnblasenfunktion anzunehmen, ein Zentrum 
lür den M. sphinoter externus in der Gegend des Hüftzentrums für das 
Willkürliche Hintanhalten der Miktion oder ihre Unterbreohung, ein 
Zentrum für den M. sphinoter internus in der Gegend des Bein- bezw-. 
Fusszentrums für die ausdrücklich gewollte Urinentleerung zu einer 
uns passenden Zeit. E. Tobias. 

E. Rothlin-Zürioh: Ueber die Funktionen des Kleinhirns und 
dessen Nachbaro/gane. (Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 30 u. 31.) Vortrag, 
gehalten in der neurol. Ges. Zürich. R. Fabian. 

S. Galant: Teste zur Prüfung des Sprach Vermögens. (Neurol. 
Zbl., 1919, Nr. 17.) Da Teste zur Prüfung des Sprachvermögons gänz¬ 
lich fehlen, sucht Verf. bei der experimentellen Untersuchung des Sprach- 
vermögens des Individuums geeignete Teste zu finden. Die genaue 
Schilderung der Versuche hat rein psychologische Interessen. 

Niessl v. Mayendorf: Der scnsomotorische Assoziationsbogen 
im zentralen Mechanismus der Sprache. (Ein Beitiag zur anatomischen 
Deutung der sog. Leitungsaphasien.) (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 17.) 
Dem klinischen Bilde der Leitungsaphasie, welohes zweifellos existiert 
und Wernicke richtig als Assoziationsstönmg erkannt bat, entspricht 
keine anatomische LeitungsunterbrechuDg — die bei ibr gefundenen 
pathologischen Veränderungen haben direkt nichts mit ihr zu tun und 
vermögen sie nicht zu begründen, sondern es ist der Mangel an funktio¬ 
nellen Assoziationen der rechten Hemisphäre, welcher das Krankheitsbild 
hervorbringt. E. Tobias. 

R. Henneberg-Berlin: Zur Irrengesetzgebung. (Mschr. f. Psyeb., 
Bd. 46, H. 3, vgl. Refer. d. Berl. Ges. f. Psych. u. Neurol. vom 13. 1. 19.) 
Die Arbeit bringt die verschiedenen Gerichtsurteile in einem Fall wört¬ 
lich und die anwaltlichen Schriftsätze in extenso. 

K. Bonhöffer-Berlin: Zur Frage der Schrechpsychosen. (Mschr. 
f. Psych., Bd. 46, T. 3.) Verf. setzt auseinander, dass die Freude vieler 
geheilter Kriegsneurotiker mit der Pathogenese ihrer Neurose aus Wunsch¬ 
komplexen nicht im Widerspruch* steht, da der hysterische Zustand nur 
bei der Simulation willkürlich festgehalten wird. Durch Sohreck¬ 
emotion kann auch eine Neigung zu Bewusstseinsabspaltungen epilep¬ 
tischen Charakters hervorgerufen werden (im Sinne der organischen 
Dämmerzustände). 

E. Förster-Berlin: Die psychischen Störungen der Hirnverletzten. 
(M. f. Psych., Bd. 45, H. 2.) (Ref. auf der Vers, des deutsch. Vereins f. Psych. 
Würzburg, 1918.) Verf. fand, dass die Symptome denen bei Friedens- 
Verletzungen gleichen und sich aus Herd- und Allgemeinsymptomen zu¬ 
sammensetzen. Die Bewusstlossigkfeit ist oft ein „Herdsymptom“ als 
Ausdruck einer Medulla-Schädigung. Bei der traumatischen Psychose 
sind oft neben AllgemeinstöruDgen schon Herdsymptome zu finden. 


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UMIVERSITY OF IOWA 








1052 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nh 44. 


Die Allgemeinerscheiungen kommen zustande duroh Hirndruck (in¬ 
folge der nie fehlenden Meningitisserosa) oder durch Hämatome, Hydro- 
oephalus bei infektiösen Prozessen oder eitrige Meningitis. Das Hirn 
reagiert auf diese Allgemeinstörungen duroh symptomatische Psy- 
ohosen, meist ist der amnestische Symptomkomplex bei einfachem 
Hirndruck, schwere Erregungszustände bei infektiösen Prozessen. An 
Herdsymptomen sind charakteristisch die räumlich optische Störung nach 
Parieto oocipital-Verletzung und der Mangel an Antrieb bei bestimmter 
Stirnhirn?erletzung. Die traumatische Epilepsie, die meist erst ein halbes 
Jahr nach der Verletzung auf tritt, ist ausserordentlich häufig. Es 
gibt keine „traumatische Demenz“. Bei leichter Hirnverletzten sind die 
Ausfallserscheinungen im Endstadium nur durch komplizierte Leistungs¬ 
prüfungen naohzuweisen. Die hysterische Reaktion unterscheidet sicj) 
nicht von der bei andern Pat. (Umgebung). F. Loewy. 

A. Pilcz: Ueber nervös-psychische Störung®® nach Typhus- bezw. 
Choleraschatimpfangei. (W. m. W., 1919 ,Nr. 35.) In 7 Fällen traten 
Fieberdelirien auf, in 5 Fällen ein typisches Delirium tremens nach 
Schutzimpfungen. Dreimal werden hysterische Dämmerzustände unter 
dem Einfluss lokaler Schmerzempfindlichkeit und allgemeines Krankheits¬ 
gefühl beobachtet. Ferner werden einige Fälle mit epileptischen An¬ 
fällen, mehrwöchentliohe Amentia und je ein Fall von schwerer Manie 
und Meningitis nach Schutzimpfung beschrieben. G. Eisner. 

K. Birnbaum: Abartige Vorstellungsabliufe. In Dokumenten 
dargestellt. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 16.) Abartige Vorstellungsabläufe 
nennt Verf. dem Bewusstseinsinhalt fremde und auch als fremdartig 
empfundene Vorstellungen, welche sich unwillkürlich dem Geiste aut- 
drängen und mit ungewöhnlicher plastischer Lebhaftigkeit sich Geltung 
verschaffen. Er schildert sie in Dokumenten von Friedrich Nikolai, 
Richard Wagner, Th. Gautier, Varnhagen van Ense, Jean 
Jacques Rousseau und vielen anderen in der verschiedenen Art ihres 
Auftretens. 

Hr. Sichert: Die psychiatrische Stellung der pathologischen 
Ranschznst&nde. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 19.) Den sichersten Beweis 
kann die Vorgeschichte liefern, wenn einwandfrei früher pathologische 
Reaktionsformen beobachtet wurden. Erinnerungslosigkeit und Dissozia¬ 
tion im Denken und Handeln genügen nicht. Die Bedingungen der 
Erziehung und des Milieus müssen ebenso geprüft werden wie der 
Charakter der im Rausch begangenen Handlungen. Dann ist die Körper¬ 
lichkeit zu untersuchen und auf psychische Entartung zu fahnden. 

E. Tobias. 

K. Schneider-Köln: Ueber reaktive Manie and Aagstaianie. 
Msohr. f. Psych. Bd. 46, H. 8.) Nicht zur echten Manie gehören die 
reaktive Manie („Närrisch werden vor Freude“, Griesinger) und die 
Angstmanie (Fliehen vor sich selbst in die Expansion). Beide Formen 
können ausser beim Gesunden auch beim echt manisch-depressiven Vor¬ 
kommen. 

W. Cohn-Wismar: Ueber gehäufte kleiae Aaf&lle bei Kindern. 
(Msohr. f. Psych., Bd. 46, H. 2 u. 8.) Verf. unterscheidet folgende Arten 
Absenzen bei Kindern: 1. epileptische (Petit mal), 2. epileptisch-spasmo- 
phile, 3. nicht epileptisohe (mit günstiger Prognose): a) hysterische, 
b) spasmophile, c) endogen-nervöse, d) solche unbekannten Ursprungs. 

0. Pötzl-Wien: Zur Klinik und Anatomie der reinen Worttaubheit 
(über die Beziehungen der reinen Worttaubheit, Leitungsapbasie und 
der Tontaubheit). (Abh. a. d. Neur. u. Psych., H. 7.) Der Fall des 
Verf. zeigte einen ganz kleinen linksseitigen Herd bei bilateraler Herd¬ 
läsion. Beide Herde lagen streng symmetrisch in der 1. Temporal¬ 
windung. Die Wirkung der beiden Grosshirnhälften kommt daher hier 
sehr rein zum Ausdruck. E. Loewy. 

W. Sterling: Ueber traumatische Anosmie zerebralen Ursprungs. 
(Neurol. Zbl., 1919, Nr. 15.) Zu unterscheiden sind Geruchsstörungen 
mechanischer Herkunft oder sog. respiratorische Anosmien, funktionelle 
Geruchsstörungen und die essentielle Anosmie, letztere als isolierte 
Störung oder als Symptom einer organischen Erkrankung des Nerven¬ 
systems. Besonders bemerkenswert sind die traumatischen Formen, die 
Anosmie traumatica extra- und intracranialis. Von letzterer unterscheidet 
Verf. unmittelbare Läsion verschiedener Abschnitte des nervösen Ge- 
sichtsapparateB nach Schusswunden, Fraktur der Schädelbasis mit Zer¬ 
quetschung der Lamina cribrosa ossis ethmoidalis und Trauma der 
Hinterhauptsgegend. Von letzterer Art wird ein interessanter Fall be¬ 
schrieben. Die Störung war durch Geschmackstörung kompliziert. 

K. Keller: Unerwartete Heilnng einer rasch verlaufenden epide¬ 
mischen Gehirnhautentzündung. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 16.) Der ge¬ 
schilderte Kranke machte eine epidemische Meningitis cerebrospinalis 
duroh, welche am 6. Tage seiner Kraukheit nach einer einzigen Lumbal¬ 
punktion in Heilung überging. Schon im allerersten Beginn fehlte das 
Kernigsohe Symptom, fehlten die Sehnenreflexe der Unterextremitäten 
und bestand eine deutliche Hypotonie der Extremitätenmuskulatur. Der 
stark eitrige Liquor Hess kaum eine so schnelle Heilung erhoffen. Die 
erwähnten paradoxen Erscheinungen führt Verf. auf eine Schreck Wirkung 
infolge des gesteigerten Liquordruckes, wie sie Bastian bei der hohen 
Rüokenmarksdurchschneidung aufgestellt hat, zurück. 

K. Mendel und F. Selberg: Meaingomyelitis unter dem Bilde 
eines Rfickenmarkstamors. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 18.) Im vorliegenden 
Falle, der wegen seines typischen Befundes dem Chirurgen überwiesen 
wurde, ergab die Operation, dass eine Geschwnlst nicht vorlag. Es 
handelte siob vielmehr um eine Pachymeningitis dorsalis bypertrophica, 


welche nicht durch Druck das Rückenmark in Mitleidenschaft gezogen 
hatte, sondern deren fibrösen Stränge auch in die Rückenmarkssubstanz 
selbst übergegriffen haben. Die Aetiologie ist unklar. E. Tobias. 

0. Sittig-Berlin: Ueber ein besonderes Rfiekenmarkssyndrom 
aaeh Schussverletzaag (Monoplegia spinalis spastica superior). (Mscbr. 
f. Psych., Bd. 46, H. 2.) ln mehreren Fällen von partieller hoher Hals¬ 
markverletzung durch Schuss wurde ein Symptomenkomplex beobachtet, 
der durch eine spastikale Monoplegie bzw. -parese einer oberen Extre¬ 
mität charakterisiert war. Daneben bestand einige Male eine Sensibilitäts¬ 
störung an der Ulnarseite des paretischen Arms. Das Syndrom kann 
Bich aus verschiedenen Krankheitsbildern entwickeln, es kann auch primär 
Vorkommen. g. Loewy. 

W. Alexander-Berlin: Ueber Qiinekes Theorie der Neuralgie 
(D. m. W., 1919, N. 39.) Vortrag am 14. Juli 1919 im Verein für innere 
Medizin u. Kinderheilkunde in Berlin. Siehe Gesellschaftsbericht der 
B. kl. W. Dünner. 

R. Wich mann: Traumatische Lähmung des Radial!« profund*« 
mit psychogener Sensibilitätsstörang. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 17.) 
Es handelt sich in dem geschilderten Fall um einen Mann, der mit 
ausgestreckten Armen vornüber zu Boden fiel und auf dessen rechten 
Arm Erdschollen stürzten. Er befreite sich nach 5 Minuten selbst und 
bemerkt sofort motorische und sensorische Lähmung des ganzen rechten 
Arms. Die Lähmung geht in 24 Stunden zurück bis auf eine organische 
Radialislähmung und psychogene Sensibiiitätsstörnng der rechten Hand. 
Nur der Ramus profundus ist betroffen und zwar über dem Radius¬ 
köpfchen in der Eilenbeuge. 

A. Henszelman: Einige Daten über die elektropsyehisehe Be¬ 
handlung der Kriegsneuroscn. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 18.) Die an¬ 
gewandte Methode unterscheidet sich von dem originalen Kaufmann- 
Bchen Verfahren darin, dass sie nicht in einer Sitzung unbarmherzig 
die Heilung erzwingt, sondern in einer, zwei bis drei Sitzungen und 
immer nur mit einem sekundenlang dauernden Elektrisieren heilt. Die 
Methode ist daher eine energie- und zeitschonende. Im Falle einer 
Simulation hat der Pat. Zeit zum Nachdenken und in sioh za kehren. 
Sie macht auoh die Uebungen gegen den funktionellen Defekt über¬ 
flüssig. Man muss dem Kranken eine 24 bis 48ständige Frist gewähren, 
um nach dieser ersten psychischen und körperlichen Ueberrumpeluog 
sich erholen zu können.' Damit wurde fast eine lOOpros. Heilung er¬ 
reicht. E. Tobias. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Physiologische Gesellschaft za Berlin, 

Sitzung vom 18. Juli 1919. 

Hr. Leonor Michaelis: Ueber^den gegeaw&rtigea Staad der Lehre 
voa der AdsorptioB. 

Zur Erklärung der Adsorption aus Lösungen wurde überwiegend 
das Gibbs’acbe Tneorem herangezogen, welches lehrt, das&~oberflächen¬ 
spannungserniedrigende Stoffe adsorbiert, oberflächenspannungserhöhende 
negativ adsorbiert werden müssen. Der Messung zugänglich ist aber 
immer nur die Oberflächenspannung einer Lösung gegen Luft, nicht die 
gegen das Adsorbens. Trotzdem hat sich die Regel in vielen Fällen 
gut bewährt. Aber es gibt viele Ausnahmen. Zunächst hat es sich 
nicht bestätigt, das9 oberflächenspannungserhöhende Stoffe negativ ad¬ 
sorbiert werden. Von Kohle werden überhaupt alle in Wasser gelösten 
Stoffe positiv adsorbiert; nur bei Glykokoll und bei den Alkalisulfaten 
ist eine Adsorption durch Kohle nicht nachweisbar. Auoh einige 
organische, nicht oberflächenaktive Stoffe, wie Zocker und Aminosäuren, 
werden von Kohle adsorbiert. Auf der anderen Seite lässt sich ent¬ 
gegen dem Theorem das Adsorptionsvermögen für oberflächenaktive 
Niohtelektrolyte bei anderen Adsorbentien als Kohle nur in Spuren 
wiederfioden; am meisten noch bei Talk; gar nicht z. B. bei Eisen¬ 
hydroxyd. Die Adsorbierbarkeit der Elektrolyte duroh Kohle geht nicht 
parallel mit ihrer Obeiflächenaktivität; sie ist eine additive Eigenschaft 
der Ionen. Die Kationen werden in der Reihe Alkali—Erden—Sohmer- 
metalle—H Ion immer besser adsorbiert, die Anionen in der Reihe CI— 
Br—NO a —J—CNS—OH. Bei der Adsorption der Elektrolyte, die man 
am leichtesten an der Adsorption der organischen nichtkolloidalen Farb¬ 
stoffe studieren kann, sind überhaupt folgende Fälle zu unterscheiden: 
1. Aequi valentadsorption von Anion und Kation; 2. hydroly tische 
Adsorption: Base wird adsorbiert, freie Säure bleibt in Lösung oder 
umgekehrt; 3. Austauschadsorption, z. B. kieselsaurer Kalk -f- 
Methylenblauchlorid = kieselsaures Methylenblau -J- CaCI* (letzteres 
geht in Lösung); 4. Aufladungsadsorption; überschüssige Adsorption 
des Kations (oder Anions) unter elektrischer Aufladung; sie führt nie¬ 
mals zu analytisch nachweisbaren Umsätzen und spielt eine Rolle bei 
der Flockung der Kolloide. Analytisch nachweisbar ist bei Kohle 
immer nur AequivalentadsorptioD, bei Kaolin oder bei Eisenhydroxyd 
(welches stets basisches Eisenchlorid enthält) immer nur Austausch¬ 
adsorption. Hydrolytische Adsorption kommt bei den gewöhnlichen Ad¬ 
sorbentien überhaupt nicht vor; ein Fall von Hydrolyse daroh Adsorption 
ist: Mn0 2 + NaCl (oder andere Neutralsalze) erzeugt in Lösung eine 
Spur freier HCl. 

Obwohl das Gibbs’sche Theorem, weil thermodynamisoh gut be¬ 
gründet, nicht falsob sein kann, nutzt es uns in zahllosen Fällen für 


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8. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1068 


die Voraussage der Adsorption nichts. Das liegt daran, dass z. B. in 
allen .Fällen, wo eine elektrische Ladung des Adsorbens gegen die Lösung 
zu erwarten ist, die Oberflächenspannung gar nicht zu beurteilen ist, 
wegen des Einflusses der Ladung auf die Oberflächenspannung. Es 
empfiehlt sich daher, statt der thermodynamischen Begründung eine 
atomistische Auffassung der Adsorption einzufübren. Nach dieser be¬ 
ruht die Adsorption auf chemischer Affinität zwischen Adsorbens und 
Adsorbendum. Diese Theorie ist zunächst für alle Adsorbentien ausser 
der Kohle ganz glatt durchführbar; für die Kohle müsste man nur noch 
eine bis dahin noch nicht bekannte Restaffinität des Kohlenstoffs an¬ 
nehmen, deren Existenz und Sinn sieh sehr gut mit den Anschauungen 
decken würde, die die moderne Valenzlebre auf Grund der Elektronen- 
theorie des Aufbaues der Atome verlangte. Es entsprechen sich folgende 
Eigenschaften des C-Atoms: 1. gleich gute cbemisohe Affinität zu elektro- 
positiven wie negativen Elementen: gleich gutes Adsorptionsvermögen 
für positive wie negative Ionen. 2. Fähigkeit der Ring- und Ketten¬ 
bildung: hohes Adsorptionsvermögen für kohlenstoffreiche Niohtelektro- 
lyte (die sogenannten oberflächenaktiven Stoffe). 3. Hohe Kernladung 
bei kleinem Atomvolumen: hohes Adsorptionsvermögen. 


Berliner otologische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom SO. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Passow. 

Schriftführef! Herr Beyer. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Fassew : Durch Verfügung des Bundesrates ist im Frühjahr 
vorigen Jahres, wie Sie wissen, bestimmt worden, dass Dermatologie und 
Pädiatrie in der ärztlichen Prüfung von den Fach Vertretern geprüft 
werden sollen. Leider ist die Ohren-, Hals-, Nasenheilkunde abermals 
leer ausgegangen, ln einer Eingabe, die ich bald naoh Bekanntwerden 
der obigen Verordnung an Exzellenz v. Scbjerning in meiner Eigenschaft 
als Generalarzt d. L. machte, wies ich darauf hin, dass die Otolaryngo- 
logie die gleiche Bedeutung für die Volkswohlfahrt habe wie die oben 
genannten Fächer. Diese Eingabe ist vom Feld-Sanitätschef warm befür¬ 
wortet an das Reiohsamt des Innern weitergegeben worden. Es war das 
kurz vor der Revolution. 

Bei einer Besprechung mit dem zuständigen Vortragenden Rat im 
Reicbsamt des Innern habe ich dann die Eingabe, die mehr die mili¬ 
tärische Wichtigkeit der Frage hervorhob, noch im Einverständnis mit 
Manasse und Kümmell ausgearbeitet, selbstverständlich nicht, ohne 
mich mit Kollegen Killian ins Einvernehmen zu setzen. Mein Entwurf 
ging an sämtliche akademischen Lehrer der Otiatrie und Laryngologie 
und fand unter geringfügiger Abänderung Zustimmung. Die Eingabe 
ist dann an das Reicbsamt des Innern am 14. März 1919 abgegaDgen. 

Inzwischen hat Denker geschrieben, dass in der Nationalver¬ 
sammlung durch Abderhalden mit Erfolg für unsere berechtigten 
Wünsohe Stimmung gemacht worden ist. 

Hr. fiüttieh: Fall von positivem Aspirationsnystagmis bei in¬ 
taktem Trommelfell. 

Bei dieser Patientin, deren Trommelfelle ohne Besonderheiten sind 
und deren Hörbild die Zeichen einer sohweren Nervenschwerbörigkeit 
bietet, lässt sioh duroh Aspiration mit dem Politzer Ballon ein fein¬ 
schlägiger Nystagmus zur entgegengesetzten Seite auslösen, und zwar 
nur vom linken Ohr aus. Beim Andrücken des Tragus treten langsame 
Bulbusbewegungen zur gleiohen Seite auf, dabei ist die Abweiohe- 
reaktion mit beiden Armen nach rechts. — Es handelt sich um eine 
hereditäre Lues, die Patientin wurde schon mit dieser Diagnose von der 
Augenklinik geschickt. Alexander - Wien hat des öfteren ähnliche 
Fälle beobaohtet. Bei unserer Patientin reagiert der Vostibularis nicht 
auf kalorischen und Drehreiz. 

Aussprache. 

Hr. Herz fei d: Ich glaube nicht, dass es sich in dem vorgestellten 
Fall um einen labyrintbär aasgelösten Nystagmus bandelt. Die ZuckungeQ 
erfolgen naoh beiden Seiten gleich schnell, während dieselben beim 
vestibulären Nystagmus bekanntlich eine schnelle und eine langsame 
Komponente erkennen lassen. 

Hr. Halle: loh habe den Eindruck, dass hier ein mechanisches 
Moment mitsprioht. Die Patientin kann bei Berührung des GehörgaDgs 
mit dem Finger den Nystagmus auslösen, und zwar erfolgen flur ganz 
wenige Zuckungen bei immer wiederholter Einwirkung des Fingers. E 9 
scheint doch sehr möglioh, dass hier ein Effekt über den R. aurioularis 
ragi erzielt wird. 

Hr. Güttich: Wir können dieses Symptom sehr oft als End¬ 
stadium bei geringgradig erregbaren Labyrinthen finden, und haben oft 
diesen Nystagmus. Wenn man das in der Literatur verfolgt, so sind 
das häufig über 30 pCt. derJFälle. loh glaube, dass den Labyrinthen 
nooh eine gewisse Kraft innewohnt, deshalb auch das Vorbeizeigen beim 
Fistelsymptom. Sehr oft zeigen sie falsch vorbei. Für den Labyrinth¬ 
nystagmus spricht vor allem das Vorbeizeigen. 

Hr. Halle: Krankenvorstfllusg. 

Die 53jährige Patientin, die ioh Ihnen vorstelle, habe loh vor 
2 1 /« Jahren wegen umfangreichen Krebses des linken Obres operiert. 
Der Tumor hatte einen grossen Teil der Ohrmuschel ergriffen, war iu 


die Tiefe bis zam Antrum vorgedrungen und erstreokte sieh weit nach 
abwärts in die Spitze des Warzenfortsatzes hinein. 

Die von Herrn Prof. Oestreioh ausgeführte mikroskopische Unter¬ 
suchung bestätigte die Diagnose Plattenepithelkrebs. 

Angesichts des Umfanges des Prozesses und der bekanntlich nicht 
gerade günstigen Prognose des Krebses am Ohr entschloss ich mich zu 
einer möglichst umfassenden Operation. loh nahm die Ohrmuschel und 
den ganzen Knochen des Warzenfortsatzes fort, ging naoh oben bis in 
das Schläfenbein, nach hinten weit ins Hinterhauptbein. loh liess nur 
stehen den Canalis Falloppii und das Labyrinth, von dem ich auch-von 
hinten her möglichst jede Knochenzelle entfernte. Die Dora lag in 
breitester Ausdehnung frei. 

Die Heilung erfolgte glatt. Der bisher einwandfreie Erfolg recht¬ 
fertigt den Umfang des Eingriffes, wobei man allerdings nicht sagen 
kann, dass durch ihn der Erfolg verbürgt wurde. Wenn ioh auoh einige 
gleich gute Erfolge beobachtet habe, so kam in zwei anderen Fällen 
doch nach wenigen Monaten das örtliohe Rezidiv trotz des an¬ 
gewandten Radiums, von dessen Heilwirkung ich einigermaassen skeptisoh 
denke. 

Ich zeige Ihnen ferner einen Verwundeten, bei dem eine Atresie 
des licken Nasenloches bestand infolge starker Narbenbildung bei teil¬ 
weisem -Defekt der Oberlippe. Ioh habe ihm zuerst die Oberlippe er¬ 
setzt, wie Sie sehen, mit einwandfreiem Erfolge. Nur war die Lippe 
noch etwas breit. Bei der zweiten Operation habe ioh die den Nasen¬ 
eingang versohliessenden Narben total entfernt. Die fast auf das Drei¬ 
fache verdickten Teile des Nasenflügels und des erhöhten Nasenbodens 
habe ich nnter sorgfältiger Schonung der Haut bzw. der Schleimhaut in 
grossem Umfang herausgeschnitten, die Apertura piriformis freigelegt 
und an ihrem Rand einige abgesprengte Knoohenstüoke entfernt. Von 
dem Bodetr der Nase wurde, wie ioh das schon wiederholt betont habe, 
durch schalenförmiges vorsichtiges Abmeisseln ein erhebliches Stück ab¬ 
getragen und nunmehr ein dreiseitiger Lappen aus der neugebildeten 
Oberlippe gewonnen mit der Basis nach unten und rechts. Dieser wurde 
um etwa 90 Grad nach oben gedreht, mit seiner Spitze an die Nasen¬ 
schleimhaut angenäbt und dann allseitig duroh feine- Seidennähte mit 
der Nachbarschaft vereinigt. 

Der Erfolg entspricht jeder Anforderung. Patient hat eine an¬ 
nähernd normale Nasenöffnung bekommen, die ihre Grösse auch be¬ 
halten muss. 

Die Atresien und Stenosen des Naseneingangs stellen der Therapie 
ungewöhnlich starke Widerstände entgegen, deswegen will ich noch 
einmal auf eine Demonstration zurüokkommen, die ioh vor kurzem in 
der Berliner laryngologisohen Gesellschaft gemacht habe. 

Ein Offizier war mit dem Flugzeug gestürzt und batte sich eine 
traumatische Sattelnase zugezogen. Die innere Nase war ebenfalls 
völlig zertrümmert, die Scheidewand geknickt, nach Beiden Seiten ver¬ 
bogen und beiderseits zum Teil fläoheDbaft mit der Seitenwand ver¬ 
wachsen. Rechts bestand eine möglicherweise angeborene hoobgradige 
Stenose erheblicher Art. Die NaseDÖffoung war nur etwa für eine 
kleinere Erbse durohgängig. 

Ausserdem war aber beiderseits der Thränensaok verletzt worden, 
und es bestanden Fisteln, die rechts durch eine vergebliche von einem 
erfahrenen äugen ärztlichen Operateur ausgeführte äussere Exstirpation 
des Sackes entstanden war. Es bestand ferner eine starke Schwellung 
des Gesichts und stark eitrige Sekretion aus den Fisteln. 

Patient wurde mir zur intranasalen Operation des Thränensackes 
zugeschickt. 

Sie sehen an diesem € Tage nach der Operation aufgenommenen 
Bild, es besteht naturgemäss noch eine geringe Schwellung der Weich¬ 
teile, aber beide Fisteln sind geschlossen, es entleerte sich kein Eitftr 
mehr, auch nicht jetzt nach 6 Wochen post operationem, und auoh die 
Nase ist geheilt. 

Ioh ging hier folgendermaassen vor: Zuerst habe ich von links her 
die innere Nase reguliert, indem ich naoh submuköser Resektion der 
stark verlagerten Knorpel und Knoohen die Schleimhaut aus ihren 
flächenhaften Verwachsungen ablöste. Rechts ging das natürlich erst, 
nachdem ioh mir Zagang durch die Stenose geschaffen hatte. Ioh be¬ 
merke hierbei, dass man bei umfangreichen Verwachsungen ganz davon 
absehen sollte, dieselben einfach zu durohtrennen. Dabei bleibt immer 
die sehr schwer zu bekämpfende Tendenz zu einer neuen Syneohien- 
bildung. Man mus9 in solchen Fällen eine submuköse Septumresektion 
vornehmen, die sich rötigenfalls nur auf die Stelle der Verwachsung 
bezieht. Erst dann bekommt man eine schnelle und befriedigende 
Heilung. 

Iq diesem Falle habe ich die erhaltenen Teile der Septumschleim- 
baut soweit genäht, dass ein einigermaassen genügendes Septum 
herauskam. Dann habe ioh beiderseits den Tränensack nach meiner 
Methode intraDasal breit eröffnet und den Sohleimbautperiostlappen 
über die Wandfläche gebreitet. Es wurde beiderseits sehr"reichlich 
Eiter gefunden. Die linke äussere Fistel wurde naoh Anfrischung 
genäht. 

Nunmehr ging ich an die Operation der Stenose. Sie war behufs 
Schaffung der Möglichkeit der Tbränensaokoperation durch einen 
sagittalen tiefgreifenden Schnitt durchtrennt worden. Auf diesen Schnitt 
wurde ein reobtwinkelig dazu stehender, frontal verlaufender gelegt, und 
nun wurde von diesem T-Schnitt aus unter sorgfältigster Schonung der 
Haut bzw. Schleimhaut das subkutane Gewebe umfangreich entfernt, 
der Rand der Apertur freigelegt und schmale Knoohenstüeke von ihm 


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1054 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 


entfernt. Von dem freigelegten Naseoboden wurden schalenförmige 
Stücke berausgemeisselt und nunmehr die ausgesparte Haut bzw. Schleim¬ 
haut auf den Defekt gelegt. Sie reichte naturgeraäss nicht aus. 

Ich habe wiederholt Patienten vorgestellt, bei denen ich in solchen 
Fällen den Hautdefekt durch Thiersch’sohe Lappen gedeckt habe. Bei 
sorgfältigem Vorgehen ist in geeigneten Fällen ein guter Erfolg ersielt 
worden. Hier erschien diese Methode nicht gerade aussichtsreich, weil 
der von oben fliessende Eiter die Einheilung der Läppchen ungünstig 
beeinflussen musste. 

*Ioh habe deswegen ein neues Verfahren angewandt. loh habe vom 
Boden der Nase einen zungenförmigen Schleimhaut-Periostlappen ge¬ 
bildet mit der Basis naoh vorne und habe ihn um 180 Grad gedreht, 
so dass ioh die hintere Spitze des Lappens vorn in den Defekt einnähen 
konnte. 

Der Erfolg entsprach durchaus den Erwartungen. loh habe den 
Eingang nur 8 Tage unter leiohtem Tampondruck gehalten und dann 
alles fortgelassen. Die Heilung ist naoh jeder Richtung hin befrie¬ 
digend. 

Statt des Schleimhaut-Periostlappens aus dem Nasenboden könnte 
man in ähnlichen Fällen einen gleichgeformten Lappen aus der Mukosa 
des Septums gewinnen, wobei man allerdings darauf zu achten hätte, 
dass der Lappen nicht zu weit vorne entnommen wird. Dann wäre nur 
eine Drehung um etwa 90 Grad mit seitlioher Verschiebung notwendig. 
Diese Methode aber, die auoh leichter ist, verbot sich hier wegen der 
Zertrümmerung des Septums und umfangreicher Zerstörung der Nasen¬ 
sohlei mhaut. 

Tagesordnung. 

Hr. Passow: Krtikenverstelloog. 

Vortr. stellt einen Soldaten vor, der eine Granatsplitterverletzung 
der Stirn erlitten batte. Als er in die Klinik kam, sah man 'durch 
einen etwa 4 cm breiten Defekt in beide Stirnhöhlen, die mit gesunder 
Sobleimhaut ausgekleidet waren, die zerebrale Wand pulsierte (also 
auch hier ein Knochendefekt). Die Verbindung nach der Nase zu war 
frei, denn die Ritter’sohe Sonde konnte leicht eingeführt werden. Reiz* 
erscbeinungen bestanden nicht. Es wurde, ähnlich wie bei dem Ver¬ 
schluss persistenter retroaurikulärer Oeffoungen, die Haut an den Rändern 
des Defektes Umschnitten und naoh innen umgestülpt. Dann wurde 
durch zweckmässige Lappenbildung aus der Stirn der grosse Defekt mit 
Haut gedeckt. Das Lumen der Stirnhöhle blieb also erhalten. 

Der kosmetisohe Erfolg ist, wie sich bei der Vorstellung ergibt, 
günstig. 

Hr. Beyer: Lues des Mittelohrs. 

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die .seltene Erkrankung des 
Mittelohra bei Lues lenken und Ihnen einige Bilder derartiger Fälle 
zeigen. Es sind 7 Fälle, die ich im Laufe der letzten Jahre gesehen 
habe, eine verschwindende Zahl bei der Grösse unseres Materials. Das 
liegt einmal daran, dass das Bild dem einer akuten Mediä sehr ähnlich 
sieht und dann dafür gehalten wird, und zweitens daran, dass die 
Symptome nur geringfügig sind, weswegen die Patienten selten den Arzt 
aufsuohen. 

Diese Art der Mittelohrlues, die als eine hämatogene aufxufassen 
ist, ist streng zu scheiden von der wirklichen Media im Gefolge von 
Erkrankungen des Rachens (Ulzerationen usw.) und der Nase. Vor 
längerer Zeit bat Kollege Graupner uns 2 Fälle von Lues congenita 
gezeigt und sie als Myringitis gummosa bezeichnet. Das Charakte¬ 
ristische dabei war, dass der Hammergriff in einen roten Infiltrations- 
streifen verwandelt war, dessen Granulationen transparent erschienen, 
während die Membrana tensa so gut wie keine Veränderung aufwies. 
Die Erkrankung betrifft also hauptsächlich den Hammergriff, ein Befund, 
der in den mikroskopischen Befunden von Stein, Panse und Grün- 
berg eine Erklärung fiDdet. Ich schlug damals die Bezeichnung Peri¬ 
ostitis gummosa vor. Dieses Bild habe ioh bei meinen Fällen ebenfalls 
gesehen, nur mit der Erweiterung, dass diese Infiltrate auch zur Ab¬ 
szedierung kamen, wobei sich in dem Sekret Spirochäten naohweisen 
Messen» Beteiligt sich der ganze Hammer an der Erkrankung, so kann 
auoh mal das Bild wie bei einer akuten Kuppelraum^rkrankung ent¬ 
stehen. Auch der knöcherne Gehörgang am Rande des Trommelfells be¬ 
teiligt sich mitunter an der Erkrankung, ebenfalls in Gestalt eines 
derben Infiltrats von charakteristischer Farbe, ohne Veränderung des 
Trommelfells. Nach Abklingen aller Erscheinungen kann dann eine 
derbe Sohwielenbildung bestehen bleiben. 

Abgesehen von den typischen Bildern bin ioh zu der Diagnose ge¬ 
kommen duroh die Anamnese, die Blutuntersuohung, den völlig schmerz¬ 
losen Verlauf, die charakteristische Hörprüfung und besonders auoh 
duroh den Labyrinthbefund. Fast alle Fälle zeigten das früher erwähnte 
Symptom, nämlioh das Fehlen der Zeigereaktion naoh Drehung und 
mitunter auoh das Fehlen der gekreuzten Abweichung auf Kalorisation. 

Aussprache. 

Hr. Lehr: Ich möohte die Ausführungen des Herrn Beyer dahin 
ergänzen, dass die Lues des Mittelohrs auoh unter dem Bilde eines 
einfachen serösen Katarrhs der Paukenhöhle auftreten kann ohne die 
von Herrn Beyer mitgeteilten Trommelfellerscheinungen und ohne eine 
Erkrankung des Nasenrachenraums. Der Fall betraf einen 62 jährigen 
Herrn, der ein sehr hartnäckiges seröses Exsudat mit äusserst quälenden 
subjektiven Beschwerden hatte, das jeder Lokalbehandlung, auch wieder¬ 
holter Parazentese, trotzte, bis ioh eines Tages eine Untersuchung des 
ganzen Körpers vornahm und am Sternokleidomastoideus die spindel¬ 


förmige gummöse Verdickung und ausserdem ein Aortenaneurysma fand. 
Damit war die ursprünglich geleugnete Lues sichergestellt. Wenige 
Löffel Jodkali genügten, das Beröse Exsudat der Paukenhöhle dauernd 
zum Verschwinden zu bringen. 

Hr. Beyer: Ich habe derartige hartnäckige Katarrhe bei Lues nur 
bei gleichzeitiger Nasen- und Rachenerkrankung gesehen und habe sie 
nicht spezifischer Natur gehalten. Die Beobachtung des Kollegen 
Lehr findet die Bestätigung im mikroskopischen Befunde von äusserst 
zähen und plastischen Transsudatmassen in der Pauke. 

Sitzung der Aufnahmekommission: Aufgenommen wird Herr 
Dr. Ludwig Joseph. _ 


Freiburger medizinische Gesellschaft. 

Sitzung vom 20. Mai 1919. 

Vor der. Tagesordnung pathologisch-anatomische Demonstrationen 
durch Hrn. Ascheif: Leiehcnwaehsbildeegei bei eiuer exhumierten 
Leiche. Pseudomyxom des Peritoneums, ausgehend vom Ovarium, 
Gallensteine und Choledochussteine. Das seltene Auftreten von Steinen 
verschiedener Generationen in ein und derselben Gallenblase. 

Zur Aussprache: Hr. Opitz. 

Hr. Noeggerath beantragt die Einleitnng eines Protestes gegen die 
verlangte Ablieferung von 150 000 Milchkühen an den Feind. Die hier¬ 
für versprochene kondensierte Milch würde bei Säuglingen in grossem 
Maasse Skorbut hervorrufen. 

Hr. Knhn-Strassburg (als Gast): Bemerkungen über Spirochäten 
als Erreger d«*r multiplen Sklerose. (Demonstrationen von Präparaten.) 

Hr. Ulrich demonstrierte einen fanstgrossen elepbantiastischei 
Mammatnmor bei einer 24 jährigen. 

1. Hr. Determann: lieber sn rasche Magenentleernngen. Die vor¬ 
zeitige Magenentleerung ist samt den entsprechenden Darm- und Ver¬ 
dauungsstörungen nicht selten bei Achylie, jedoch kommen auch bei 
normalem Magenchemismus ähnliche Beschwerden in Gestalt von 
Kollern, Druck, Ziehen und allgemeinen Unterleibsbesohwerden vor. 
Die Röntgenuntersuchung solcher Fälle zeigt eine auffallend rasche, 
sehubweise Entleerung des Magens, in einem Falle sogar direktes Durch¬ 
laufen der aufgenommenen Speisen ohne Aufenthalt. Vorzugsweise 
kommt dieser rasche Entleerungstyp zor Beobachtung bei nervösen 
Patienten, die durch hastiges Essen und schlechtes Kauen die Mund- 
verdauung vernachlässigen und gleichzeitig durch Sorgen, Aerger usw.' 
psychisch bei der Nahrungsaufnahme belastet sind. In zweiter Linie 
spielt auoh die Natur der aufgenommenen Nahrungsmittel eine Rolle, 
indem ganz besonders fein verteiltes Essen von geringer Giösse und 
Feste die aktiven Kontraktionen des Magens zu wenig anregte. Als un¬ 
beabsichtigte Folge lang fortgeführter Brei- und Suppendiät können solche 
Zustände auch künstlich hervorgerufen werden. Vor dem Röntgenschirm 
zeigt sich der Magen im allgemein tiefstehend in Syphonform. Für 
die klinischen Folgen der raschen Eatleerung ist auch die mangelhafte 
Anpassung des Dünndarms, welcher nicht vikariierend für den Magen 
eintritt, verantwortlich zu machen. Aehnliche Verhältnisse und Be¬ 
schwerden liegen bei manchen Gastroenterostomierten vor, bei denen 
auch ein Vermeiden von längerer Brei- und Suppendiät ebenso wichtig 
ist, wie die Verordnung von konsistenter Nahrung, das Anhalten zum 
Kauen, langsames Essen, weniger Trinken beim Essen und Vermeiden 
nervöser Ablenkung. Obst und Gemüse sind zu vermeiden; dagegen 
eine konsistente Fleiscb- und Brotnahrung aus den erwähnten Rück¬ 
sichten auf mechanische Beschaffenheit von Wert; die Zahl der Mahl¬ 
zeiten sei nicht zu gross. Die Patienten nehmen nach dem Essen mit 
Vorteil die linke Seitenlage ein und erhalten eventuell 8mal täglich 
ganz geringe Mengen Opiumtinktur vor dem Essen (2—4 Tropfen). 

Aussprache: HHr. Ascboff, Hahn und Determann. 

2. Hr. Gazas: Zor Einrichtung und Betrieb eines deutschen Frat«i- 
laxsretts in französischen Kriegsgebiet nsw. (mit Lichtbildern). Be¬ 
schreibung der Einrichtung und Arbeitsweise des oben erwähnten Laza¬ 
rettes, das, aus geringen Anfängen hervorgehend, am Schlüsse den Auf¬ 
gaben einer grossen Frauenklinik gerecht werden konnte. 


Sitzung vom 24. Juni 1919. 

1. Hr. Bnndsehnh: Ueber die Keilosteetonie des Scheikelhalaes 
nach Kranke bei Cexa vara. 

Die Verbiegung des Schenkelhalses nach unten, die Coxa vara, ent¬ 
steht entweder kongenital oder erworben durch Ueberlastung und 
Wachstumsstörungen. Die Unterscheidung der beiden Arten ist nach 
dem Verlauf der Epipbyseulinie möglich. 

Die erworbene Coxa vara, am häufigsten im Entwicklungsalter, führt 
zur Tiefstellung des Scbenkelfemurkopfes nach unten, während die Kon¬ 
vexität des Schenkelhalses verlängert ist. Das Bein weist hierdurch eine 
mehr oder weniger starke Verkürzung und eine ausgeprägte Adduktion 
auf. Therapeutisch genügt in leichten Fällen ein Redressement und 
Ruhigstellung, eventuell Gipsverband. Für schwerere Fälle batte Hoffa 
Osteotomie unter der Linea intertrochanterioa angegeben. Die Kraske- 
sebe Keilosteotomie des Schenkelhalses stellt demgegenüber eine Ver¬ 
besserung dar, indem die Operation am Punkt der Verbildung selber ein¬ 
setzt. Die Heilresultate sind gute, vor allem wenn mit Rücksicht auf die 
frische Knochen wunde die erneute Belastung sehr langsam und schonend 
vorgenommen und eine sorgfältige Nachbehandlung beobachtet wird. 


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3. November 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1065 


Der Eiowand gegen die Operationsmethode, dass das Hüftgelenk 
eventuell in fixiert werden könnte, dass der Sohenkelhals übermässig vor- 
kürst wird, and dass Rückfälle Vorkommen, lassen sich daroh ent¬ 
sprechendes technisches Vorgehen hinfällig maohen. 

2. Hr. Friedrich: Die Dosimetrie der inkorporalen Radium* 
behandlung. 

v Während bei der Verwendnng der Röntgenstrahlen das Dosimeter¬ 
problem als gelöst zu betrachten ist, liegt die Dosimetrie bei der in¬ 
korporalen Radiumbehandlung, d. h. bei der Einführung der Strahlen¬ 
quelle in den Körper selbst, nooh sehr im argen. Der Grund für das 
bisherige Fehlen einer Lösung dieses Dosimeterproblems liegt wohl 
hauptsächlich in der viel grösseren, räumlichen Verschiedenheit der 
Energiediohte der Strahlung, als wie bei der Verwendung der Röntgen* 
strahlen, wo der Ort der Applikation relativ sehr viel weiter entfernt 
liegt von der Strahlenquelle, begründet. Die bisher meistens geübte 
Dosimetrie ist die, sich rechnerisch unter Heranziehung des Gesetzes von 
der räumlichen Ausbreitung der Strahlen (quadratisches Gesetz) und der 
Absorption ein Bild von der Dosis bzw. Dosenverteilung zu maohen. 
Als Doseneinheit wird die Milligrammstunde angenommen, das heisst 
die Dosis, die ein Milligramm Radiumelement in einer Stunde einem 
Gewebselement appliziert, das in 1 cm Abstand von der Strahlenquelle 
gelegen ist. Wie der Vortragende in Gemeinschaft mit B. Krönig bei 
der Verwendung der Röntgenstrabion zeigen konnte, ist ein derartiger 
Weg, rechnerisch die Grösse der Dosis zu ermitteln, mit sehr grossen 
Fehlern behaftet, da ein grosser Faktor, die Streustrahlung des durch¬ 
strahlten Gewebes, die eine erhebliche Schutzdosis bedingt, bei der 
Rechnung der Dosis nioht berücksichtigt ist. Ausserdem ist der Aus¬ 
gedehntheit der Strahlenquelle nicht die genügende Bedeutung zuer¬ 
kannt. Der Vortragende hat es in Gemeinschaft mit 0. Glaser unter¬ 
nommen, eine experimentelle Untersuchung über den Einfluss dieser 
beiden Faktoren auf die Dosis wie auf die Dosen Verteilung bzw. auf die 
absolute Grösse der Dosis anzustellen. Als Methode zur Messung der 
Dosis wurde die Ionisationsmethode gewählt. Eine kleine Ionisations¬ 
kammer war sondenartig in ein Wasserphantom eingeführt und konnte 
in jeder gewünschten Lage zur Strahlenquelle messbar eingestellt werden. 
Die Stärke des Ionisationsstromes in der Ionisationskammer ist pro¬ 
portional der Dosis, die einem der Ionisationskammer entsprechenden 
Phantc meiement verabreicht wird. Der Ionisationsstrom wurde durch 
ein Elektrometer gemessen. Die Versuche ergaben, dass auch bei der 
inkorporalen Radiumbehandlung die Streustrahlung des durchstrahlten 
Gewebes nioht vernachlässigt werden darf. Der Einfluss der Streu¬ 
strahlung auf die Dosis ist in der Nähe der Strahlenquelle ein geringerer, 
als weiter entfernt davon und beträgt bis zu mehr als 100 pCt. 
Auch für die absolute Grösse der Dosis ist die Streustrahlung von Be¬ 
deutung. Wird beispielsweise die Dosis in 1 cm Abstand von der 
Strahlenquelle in Luft mit 100 bezeichnet, so ergibt sich bei der Messung 
in mit Waaser gefülltem Phantom an dieser Stelle eine Dosis, die nicht 
nur die Absorption durch die Streustrahlung aufhebt, sondern um 8 pCt. 
grösser ist, als wie die im leeren Pbautom gemessene. In der folgenden 
Tabelle sind die Werte für die berechnete und gemessene Dosis ein¬ 
getragen. 


Abstand 
in Zentimeter 

Gemessene 

Dosis 

Berechnete 

Dosis 

Unterschied in 
pGt. d. berechn. 
Dosis 

1 

108 

90 

20 

2 

25 

20,26 

23 

-3 

11 

8,1 

36 

4 

5,8 

4,1 1 

42 

5 

3,6 

2,36 

53 

6 

i 2,4 

1,48 

62 

7 

! 1,8 

0,65 

100 

10 

i 0,8 

0,35 

130 


Das ausgemessene Präparat, das in einem Silberröhrchen von 28 mm 
Länge und 4 mm Darohmesser bestand, war in einem Messingfilter von 
15 mm'Dicke eingeschlossen. 

Bei ausgedehnteren Strahlenquellen, wie sie zuweilen in der Praxis 
benutzt werden, z. B. zur Bestrahlung eines Gebärmutterkörperkrebses, 
maoht sich besonders der Einfluss der Ausgedehntheit der Strahlenquelle 
neben der Streustrahlung geltend. Durch die Ausgedehntheit der Strahlen* 
quelle wird bedingt, dass die Abnahme der Dosis mit der Entfernung 
der Strahlenquelle noch allmählicher erfolgt. In der folgenden Tabelle 
sind die berechneten und gemessenen Werte für eine derartige ausge¬ 
dehnte Strahlenquelle eingetragen, die aus drei, wie oben dimensionierten 
Präparaten, die hintereinander in einer 1,5 mm dioken Messingfilter- 
büohse eingelegt waren, bestand. (Siehe nachstehende Tabelle.) 

Aus der Tabelle geht deutlich die allmählichere Abnbahme der 
Dosis mit der Entfernung hervor. Der Unterschied, in der berechneten 
und gemessenen Dosis beträgt hier bis zu mehreren 100 pCt. 

Bei der Berechnung über die Verteilung der Dosis im durchstrahlten 
Körper war bisher meist angenommen, dass die Flächen gleicher Dosis 
Kugelschalen darstellen, die um die Strahlungsquelle als Mittelpunkt 
liegen. Erst in letzter Zeit hat man der Zylinderform der Strahlungs- 
quelle Rechnung getragen und als Flächen gleicher Dosis Zylinder mit 
Kugelhauben angenommep. Die experimentelle Untersuchung des Vor¬ 
tragenden hat gezeigt, dass duroh die verschieden starke Abnahme der 


Abstand 
in Zentimeter 

Gemessene 

Dosis 

Bereohnete 

Dosis 

Unterschied in 
pGt. d. berechn. 
Dosis 

1 

108 

90 

20 

2 

| 35 

20,26 

73 

3 

1 17 

8,1 

110 

4 

! 10 

4,1 

144 

5 

6,0 

2,36 

164 

6 

4,5 

1,48 

204 

8 

2,6 

0,65 

0,35 

300 

10 | 

1,6 

857 


Dosis in der Mitte bzw. an den Enden der Strahlungsquellen grosse Ab¬ 
weichungen von den bisher angenommenen Formen der Flächen gleicher 
Dosis bedingt werden. Der Vortragende demonstriert die Schaubilder 
von Fläohen gleicher Dosis für einige Formen von Strahlenquellen. Aus 
dem Verlauf der Flächen gleicher Dosis, denen der Vortragende die 
Namen Isodon gegeben hat, geht hervor, dass die bisher verbreiteten 
Ansichten über die räumliche Verteilung der Dosis durchaus irrig ist. 
So erhält z. B. eine Gewebspartie, die der Mitte der Strahlungsquelle 
anliegt, eine vielfach höhere Dosis als ein den Enden der Strahlungs¬ 
quelle anliegende. Zum Schluss skizziert der Vortragende eine Methode 
zum Bestimmung der Dosis bei inkorporaler Radiumbehandlung in ab¬ 
soluten Einheiten, und zwar in elektrostatischen Einheiten, denselben 
absoluten Einheiten, die von dem Vortragenden für die Dosimetrie der 
Röntgenstrablen eingeführt sind. Es ergibt sich hieraus die Möglichkeit, 
für die kombinierte Bestrahlung mit Röntgen- und Radiumstrahlen die 
Dosis in absoluten vergleichbaren Einheiten anzugeben. Eine ausführ¬ 
liche Publikation des Vorgetragenen wird an anderer Stelle erscheinen. 

% Sohottelius. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In der Sitzung der Berliner medizinischen Ge¬ 
sellschaft vom 29. Oktober 1919 wurde die Ausspraohe über den 
Vortrag des Herrn Munk „Die arterielle Hypertonie und die Herz- 
bypertrophie als Krankheitsbegrifl“ fortgesetzt. Es beteiligten sich daran 
die Herren G. Ben da, *osin, Rehfisch, Ernst Mosler, Saaler, 
Arthur Meyer, M. Katzenstein, Jakob, Kraus, Munk. 

—*!— In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für patho¬ 
logische Anatomie und vergleichende Pathologie vom 23. Ok¬ 
tober 1919 (Vorsitzender Herr Lubarsoh) wurden zunächst die Vor¬ 
standswahlen vervollständigt (Lubarsch, Eberlein, Roller, Max 
Kooh, Knuth engerer Vorstand, G. Benda, Bongert, Heinroth, 
L. Pick erweiterter Vorstand und Aufnabmeaussobuss). Herr G. Benda 
und Herr Ziemann zeigten Präparate der Filaria loa. Herr Ziemann 
wies auf die Bedeutung des Wurmes als Erreger der Muskel Schwellungen 
und Muskelabszesse in Kamerun hin. Die eigentliche Tagesordnung 
war der Ausspraohe über das Thema der vergangenen Sitzung: „Fern¬ 
and Spätwirkungen von Traumen an inneren Organen 0 ge¬ 
widmet; an ihr beteiligten sioh die Herren Lubarsch, C.,Benda, 
L. Pick, Versö, Heller, Kleeberger. Ausführlich besprochen wurde 
die Frage der Bildung ischämisoher Infarkte durch Reizung der Vaso¬ 
konstriktoren nach Traumen an entfernter Stelle. Während einzelne 
Redner diese Theorie vertraten, machte Herr Lubarsoh grosse Bedenken 
geltend und wollte mehr lokale Toxinwirkung betont wissen. Sehr 
wichtig war die Feststellung, dass eigentlich keiner der anwesenden 
Pathologen über einen einwandfreien Fall verfügte, in dem eine bös¬ 
artige Geschwulst in unmittelbarem Anschluss an ein Trauma als Spät¬ 
wirkung entstanden war. Herr Lubarsoh übte an allen bekannten 
Fällen, auch an den demonstrierten des Herrn Versö scharfe Kritik. 
Herr L. Pick versprach, einen ihm beweiskräftig erscheinenden Fall in 
der nächsten Sitzung zu zeigen. Herr Heller betonte, dass die ärzt¬ 
liche Praxis, insbesondere bei der Rentenfestsetzung, eigentlich in einem 
scharfen Gegensatz zu der Erfahrung der pathologischen Anatomen sich 
stelle. In der Besprechung der Bürger’sohen Fälle von Fettembolie 
wurde der Beweis für die schwere Sohädigung der Gewebe des grossen 
Kreislaufes durch die Fettemboliq, auf die Herr Bürger besonderen 
Wert gelegt hatte, vermisst. 

— Am 1. Oktober d. J. beging die allbekannte Hirsohberg’sche 
Augenheilanstalt ihr 50jähriges Jubiläum. Ausser der weltberühmten 
Anstalt v. Graefe’s gab es damals fn Berlin keine private Klinik für 
Augenkranke; denn die einzige vorher nooh vorhandene, die des Prof. 
L. Boehm, war kurz nach dessen Tode geschlossen worden. Seit dem 
Jahre 1873 befindet sich die Hirschberg’sohe Klinik in dem Hause 
Karlstrasse 36, und 34 Jahre stand sie unter der Leitung ihres Be¬ 
gründers. Nicht weniger als 200 000 Kranke wurden dort unentgeltlich 
behandelt, und zahlreiche treffliche Augenärzte haben dort ihre Aus¬ 
bildung genossen. Im Jahre 1909 legte Hirsohberg die Leitung der 
Klinik, die zwei Jahre vorher ganz umgebaut worden war, in die Hände 
seines Schülers W. Mühsam und zog sich von der operativen Tätigkeit 
.zurüok, um sioh ganz seiner inzwischen vollendeten grossen Gesohiohte 
der Augenheilkunde zu widmen. 


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1056____ _BERLINER KLINI SCHE WOCHEN SCHR IFT. Nr. 44. 


— Den Glückwünschen für Ernst Küster, welohe an der Spitze 
dieser Nummer von einem ihm besonders nahestehenden Schüler und 
Freunde ausgesprochen werden, schliessen sich Redaktion und Verlag 
dieser Woohensohrift in herzlicher Verehrung an. 

— Dr. E. Seeligmann, Leiter der bakteriologischen Abteilung am 
Medizinalamt der Stadt Berlin, und Dr. E. Fuchs, Spezialarzt für innere 
Krankheiten, haben den Titel Professor erhalten. 

— Dr. 0. Schiemann wurde zum wissenschaftlichen Mitgliede bei 
dem Institut für Infektionskrankheiten »Robert Koch“ ernannt. 

— In Konstanz verstarb am 17. Oktober der Leiter der II. gynä¬ 
kologischen Klinik in München, Prof. Dr. J. A. Amann, 53 Jahre alt. 

— Der ehemalige Direktor des Wiener allgemeinen Krankenhauses 
Hofrat Dr. V. Mucha ist im Alter von 76 Jahren gestorben. 

— Zu Gruppenärzten in der Reichswehr wurden ernannt: 
Reiohwehr-Gruppenkommando 1: Generaloberarzt Dr. Heokmann, bis¬ 
her Abteilungschef bei der Medizinalabteilung des früheren preussischen 
Kriegsministeriums. Reichswehr-GruppeDkommando 2: Generaloberarzt 
Dr. Hormann, vor dem Kriege Chefarzt des Garnisonlazaretta in Rastatt. 
— Für die 20 Reichswehrbrigaden wurden zu Brigadeärzten ernannt der 
Generaloberarzt Dr. Hinze, Dr. Merkel, Dr. Zabel; die Oberstabs¬ 
ärzte Dr. Knust, Dr. Harmel, Dr. Schrecker, Dr. Doebbelin, 
Dr. Sohnütgen, Dr. Sühring, Prof. Dr. Thöle, Dr. Pfeiffer, Dr. 
Franz, Dr. Crampe und Dr. Metz. 

— Am 18. Oktober d. J. bat sich in Berlin ein „Verband Deutscher 
Kolonial- und Auslandsärzte“ gebildet. Der Verband bezweckt, 
den Kolonial- und Auslandsärzten, welohe durch den unglücklichen Aus¬ 
gang des Krieges ihren Wirkungskreis eingebüsst haben, den Uebergang 
in neue Bahnen zu erleichtern, die Interessen der deutschen Aerzte, 
welche ins Ausland gehen wollen, wahrzunehmen und lür eine fach¬ 
männische Vertretung der deutschen Aerzte im Au*wand$rungs- und 
Konsulats wesen einzutreten. Der Vorstand setzt sich zusammen aus 
den Herren Prof. Dr. Claus Schilling-Berlin, Generaloberarzt a. D. 
Dr. Waldow-Kamerun und Stabsarzt a. D. Dr. Manteufel-Ostafrika. 
Die Geschäftsstelle des Verbandes, Berlin W. 35, Sohöneberger Ufer 13IV, 
erteilt auf Anfrage weitere Auskunft. 

— Der Aufstieg der Dermatologie zur vollen Stellung innerhalb 
der Universitäten vollzieht sich weiter in erfreulicher Weise. Die Gesamt¬ 
zahl der ordentlichen Professoren in Deutschland beträgt jetzt 11. In¬ 
folge der Errichtung eines etatsmässigen Ordinariats in Cöln und Rostock 
ist die Zahl der planmässigen Professuren in Preussen auf 4 (Berlin, 
Breslau, Frankfurt, Cöln), im übrigen Deutschland auf 2 (Leipzig, 
Rostock) gestiegen. Dazu kommen 2 persönliche Ordinärii in Preussen 
(Bonn, Kiel) und drei im übrigen Deutschland (Freiburg, Giessen, 
Heidelberg). 

— Im Rheinland haben sich 15 Privatheilanstalten zu einem Ver¬ 
band ärztlich geleiteter rheinischer Privatheilanstalten zur 
Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen zusammengesohlossen. Vor¬ 
sitzender ist Dr. Schorlemmer in Godesberg. 

— Der Medizinalkaltfnder für das Jahr 1920, herausgegeben von 
Herrn Regierungs- und Geheimen Medizinalrat Dr. B. Sohlegtendal 
(Verlag von August Hirschwald), ist soeben erschienen. Auoh in diesem 
71. Jahrgange des Kalenders sind die seit Jahren bewährten Grund¬ 
sätze der Anordnung und Einteilung des Suffes unverändert beibehalten 
worden. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reich (12. bis 
18.X.) 5. Fleokfieber: Deutsches Reioh (12.—18.X.) 1. Deutsch- 
österreioh (21.—27. IX.) 1, (28. IX.—4. X.) 1. Ungarn (25.-31. VIII) 
8, (1.—7. IX.) 1. Genickstarre: Preussen (5.—11. X.) 7 u. 4 +. 
Spinale Kinderlähmung: Schweiz (28. IX.—4. X.) 3. Ruhr: 
Preussen (5.—11. X.) 958 u. 1231* Mehr als ein Zehntel aller Ge¬ 
storbenen starb an Diphtherie und Krupp in Rüstungen; Typhus in 
Hagen. (Veröff. d. Reichs-Ges.-Amts.) 

Ho oh sch ulnachrichten. 

Breslau. Zum Abteilungsvorsteher am physiologischen Institut 
als Nachfolger des verstorbenen Prof. Röhmann ist Privatdozent Dr. 
E. Schmitz in Frankfurt a. M. in Aussicht genommen. — Cöln a. Rh.: 
Habilitiert: DDr. E. Thomas (Kinderheilkunde), Oertel (Anatomie).-— 
Düsseldorf: Dem Dozenten für Chirurgie an der Akademie für prak¬ 
tische Medizin Dr. E. Moli neu s ist ^er Professortitel verliehen worden. — 
Hannover: Privatdozent Dr. Messerschmidt, bisher in Strassburg, 
wurde zum Vorstand der bakteriologischen Abteilung der hygienisch¬ 
ohemischen Untersuchungsstelle X. A.-K. ernannt; er liest an der tech¬ 
nischen Hochschule über ansteckende Krankheiten und ihre Bekämpfung. — 
Heidelberg: Prof. Sachs in Frankfurt a. M. hat einen Ruf als ao. 
Professor und Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des Instituts für 
experimentelle Krebsforschung erhalten. — Jena: Zum Oberarzt der 
psychiatrischen Klinik ist Prof. Strohmayer als Nachfolger von Prof. 
Berger ernannt worden. — Würzburg: Prof. Manasse, bisher in 
Strassburg, wurde als Nachfolger von Hofrat Seifert zum etatsmässigen 
ao. Professor für Nasen- und Kehlkopfleiden unter Verleihung von Titel, 
Rang und Rechten eines ordentlichen Professors ernannt. 


Amtliche Mitteilungen. 

. Perwonollen, 

Ernennungen: ao. Prof, an d. Universit. in Heidelberg Dr. F. Völoker 
z. ordentl. Prof, in d. mediz. Fakult. d. Universit. in Halle a.S.; 
Priv.-Doz, in d. mediz. Fakult. d. Universit. in Berlin Prof. Dr. Nioolai 
z. ausserordentl. Prof, in derselb. Fakult.: Mitgl. d. Reiohsgesundheity- 
amW Reg.-Rat Dr. E. Ungermann z. Wissenschaftl. Mitglieds bei 
d. Inst. f. Infekt-Krankheiten „Rob. Koch“ in Berlin; Mar.-Gen.-Ob.-Arzt 
a. D. Dr. Willy Böhm in Oppeln z. Kreisarzt u. ständig. Hilfsarbeiter 
bei d. Regierung in Oppeln. 

In den Ruhestand getreten: Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. Otto 
Voigt in Cammin. 

Zurückgenommen: Versetzung d. Gerichtsarztes Dr. Doellner in 
Duisburg als Kreisarzt nach Fulda. 

Zu besetzen: Die nicht vollbesoldete Kreisarztstelle der Kreise Fulda 
und Gersfeid mit dem Amtssitz in Fulda. Bewerbungen sind bis zum 
10. November an den Minister für Volks Wohlfahrt einzureiohen. 

Niederlassungen: Dr. E. Mae ding in Fischhausen, Dr. E. A. Herford 
u. Dr. Herrn. Joaohim in Königsberg i. Pr., E. Brosteroski in 
Barten (Kr. Ra9tenburg), Dr. H. Foethke in Rasten bürg, Ob.-Arzt 
R. Kasemir in Angerburg, Dr. Friedrich Lewinski in Tilsit, Dr. 
Alfred Tietz in Berlin, Dr. Alfred Beyer, Felix Boehm, Dr. 
K. Heilborn, Dr. R. Rurwitz, Dr. K. Sohmilinsky, Dr. W. 
Schwechten, Dr. M. Victor, St.-A. Ludwig Wagner, Andreas 
Wetze 1 u. Dr. Georg Wolff in Charlotten bürg, Dr. E. Nord mann 
in Berl.-Sohöneberg, Dr. W. Heyn, Dr. A. Prorok u. Dr. H. Weis- 
bein in Berl.-Wilmersdorf, Dr. W. Alberts in Berl.-Steglitz, Dr. 
R. Groppler in Liebenwalde, Dr. R. E. Frommherz in Buoh (Kr. 
Niederbaroim), Dr. Walter Krause in Gross-Sohönebeok (Kr. Nieder¬ 
barnim), Dr. J. Balcerek u. Dr. E. Nober in BerL-Pankow, Dr. Ri ob. 
Lewin in Berl.*Reinickendorf, Dr. K. Albath u. Dr. H. Schnabel in 
Berl.-Weissensee, Dr. Rudolf Mohr in Alt-Landsberg, Dr. H. Evers 
u. Dr. M. Frenzei in Beeiitz Heilstätten, W. Zymalkowski in 
Falkenberg (Kr. Teltow), Dr. Friedr. Krüger in Fnedland N.*L. (Kr. 
Lübben), Dr. A. Querfeld in Lübben, Dr. Wilh. Rosenthai in 
Cüstrin Neustadt, Dr. P. Gaertig in Cüstrin-Altstadt 

Verzogen: Dr. W. Take von Berlin-Steglitz nach Ohligs (Ldkr. Selingen), 
Geh. San.-Rat Dr. E. Mütze von Cöln nach Kettwig (Ldkr. Essen), Dr. 
E. Bull mann von Wanne u. Dr. Karl Schöning von Düsseldorf nach 
Essen (Ruhr), Dr. J. Goseinak u. Dr. L. Struokmann von Essen nach 
Hamborn, Dr. B. Lohoff von Wiesbaden nach Alpen (Kr. Mors), Dr. 

G. Berneaud von Kiel u. Dr. F. Albers von Küdinghoven nach 
Elberfeld, Dr. Frans Döring von Cöln nach Schwabenhein b. Lin gen, 
Dr. F. Krische von Eiohstätt u. Dr. 0. Mergelsberg von Saarlouis 
nach Bonn, Heinr. Behrendt von Berl. Stralau, Dr. Ernst Frankel 
von Breslau, Dr. E. Löher u. Dr. Bruno Rosenhain von BerL- 
Sohöneberg, Dr. H. Scrhoof von Berl.-Steglitz sowie Julius Strauss 
von Frankfurt a. M. nach Berlin, P. Bendig von Oliva, Djr. Wilh. 
Grossmann u. Dr. Emil Hirsch von Berlin, Dr. H. Schlier u. Dr. 
£. Seyberth von Berl.-Wilmersdorf, Dr. Erwin Straus von Berl.- 
Grunewald, Dr. M. Troitsoh von Zell u. Dr. B. Zondek von Göttingen 
nach Charlotten bürg, Selma Friedrich von Berl.-Schöneberg, Dr. 
Wilh. Walter von Charlottenburg u. Dr. Alice Weinberg von 
Hobenlyohen nach Berl.-Wilmersdorf, Heinr. Kuhlmann von Berlin 
nach Neukölln, Dr. Kurt Meyer von Charlotten bürg nach Gotha, 
San. Rat Dr. Alfred Seeliger von Berlin naoh Wehlen a. Elbe 
(Saohsen), Geh. San.-Rat Dr. E. Patschkowski von BerL-Wilmersdorf 
nach Berl.-Grunewald, Dr. Georg Joachim'von Berlin nach BerL- 
Lichterfelde, Geh. San.-Rat Dr. Karl Pahlke von Berlin nach Oranien¬ 
burg, Dr. 0. Wohfgarth von Osnabrück naoh Grabowsee (Kr. Nieder¬ 
barnim), Dr. P. von der Heyden von Cassel naoh Schöneiohe (Kr. 
Niederbarnim), J. Schrankenmüller von Grabowsee nach Ramberg 
(Pfalz), E. Kaebsoh von Berlin nach Belzig, San.-Rat Dr. E. Sohmar- 
sow von Berl.-Wilmersdorf nach Beelitz (Kr. Zauoh-Behig), Dr. Paul 
Klaus von Neuruppin nach Treuen briet zen, Dr. H. Rieokenberg 
von Dresden naeh Sommerfeld „Waldhaus Charlottenburg“ (Kr. Ost¬ 
havelland), Dr. M. Adamkiewioz von Schweidnitz nach Falkenhagen 
(Kr. Osthavelland), Dr. Heinr. Klein von Bergrücken naoh Mannheim, 

H. Wünsch von Greifswald nach Arnswalde, Dr. Eva Witzig von 
Breslau nach Sellnow (Kr. Arnswalde), Dr. E. Heling von Marienberg 
(Kr. Oberwesterwald) nach Gernsheim (Hessen), Dr. R. Cords von 
Bonn nach Cöln, Dr. Theod. Wegener u. Dr. H. Depenthal von 
Cpln nach Cöin-Mülheim, Dr. Nikolaus Lang von Daun nach Neun¬ 
kirchen (Kr. Ottweiler), Dr. W. SohÖttke von Kleinrossein u. Dr. 
Josef Jacob von Trier nach Saarbrücken. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr.MaxHummel 
von Berl.-Wilmersdorf. 

Gestorben: Martin Wolffenstein in Berlin, Geh. San^Rat Dr. 
Alfred Richter, Direktor d. städt. Irrenanstalt in Buoh (Kr. Nieder¬ 
barnim). 


Fttr di« Redaktion verantwortlich Prot Dr. Hans Kobs, Barlin W., Bajrauthar 9tr.4S. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druek von L. Sehumaoher in Berlin N. 4. 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 



Die Berliner KllolseheWoebeaaehrlft eraebelnt jeden 
Monteg in Nommern von etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die Redaktion und Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirsohwald, Berlin NW., Unter den Linden 68. 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCimiFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizihaigesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Mti-Bat Prof. Dr. C. Posier und Prof Dr. Hans Kok 


Montag den 10. November 1919. 


«M 45. 


Sechsundfünfzigster Jahrgaog. 


INHALT. 


Originalton : Frank: Ueber Beziehungen des autonomen Nervensystems 
zur quergestreiften Muskulatur. (Aus der medizinischen Klinik 
der Universität Breslau.) S. 1057. 

Levy und Schiff: Eine dritte Form des Paratyphus (Paratyphus ß 
Weil, Paratyphus Ersindjan Neukirch). (Aus der II. med. Klinik der 
Charitö u. dem hakt. Laboratorium des Krankenh. Moabit.) S. 1059. 
Zondek: Hamfistelo. S. 1060. 

Pfister und Böhme: Ein pathogener Diplokokkus der Harnorgaue 
und seine Autovakzinebehandlung. (Aus dem Beservelazarett VI 
Dresden.) S. 1063. 

Blamenthal: Tragbare Uebungsapparate für Amputierte mit 
Muskelkanälen nach Sauerbruch, (lllustr.) S. 1064. 

Samson: Vorschläge zur Tuberkulosebekämpfung nach dem Kriege 
in Frankreich. Uebersichtsreferat. S. 1065. 

Hansen: Erläuterung zu H. Sohelenz' Aufsatz «Nochmals Goethe’s 
Krankheit“ in dieser Wochenschrift, 1919, Nr. 11. S. 1067. 

Bleherbesprechnngen: Strauss: Magenkrankheiten daroh Kriegsein¬ 
wirkungen. (Bef. Albu.) S. 1068. — Lassar-Cohn: Einführung 
in die Chemie in leichtfasslicher Form. (Bef. Kohn.) S. 1068. — 


Aus der medizinischen Klinik der Universität Breslau 
(Direktor: Oeh. Med.-Rat Prof. Dr. Minkowski). 

Ueber Beziehungen des autonomen Nerven¬ 
systems zur quergestreiften Muskulatur 1 ). 

Von 

Prof. Dr. E. Frank, Oberarzt der Klinik. 

1. Anatomisch-physiologische Grundlagen. 

Die Gruppe derjenigen motorischen Nerven, die nach dem 
Verlassen des Zentralnervensystems noch durch Ganglienzellen 
unterbrochen sind und dann — postganglionär — nackt, ohne 
Markscheide znm Erfolgsorgan ziehen, beherrscht die der Willkür 
entzogenen Funktionen der glattmuskeligen Organe; sie steht als 
„autonomes * 12 ) System den bis zu den Endigungen markumhüllten 
Nerven gegenüber, welche die Willensimpulse und reflektorische 
Entladungen zur quergestreiften Muskulatur leiten. Diese Ab¬ 
grenzung der Kompetenzen beider Systeme ist dem Mediziner von 
der Schulbank her geläufig; es mag ihm Vorkommen, als werde 
an einem Dogma gerüttelt, wenn behauptet wird, der Sympathikus 
erstrecke Seinen Einfluss auch auf die Skelettmuskulatur. 

Aber diese anscheinend revolutionäre Fragestellung hat be¬ 
reits ihre Geschichte. 

Schon lange ist bekannt (Grützner, 1883), dass die roten, sarko- 
plasmareiohen Muskelfasern, die sich entweder zu eigenen Muskeln zu¬ 
sammenordnen oder unter die anderen — weissen, fibrillenreichen — 
gemischt sind, die Eigemtümliohkeit haben, sich langsam zusammenzuziehen 


1) Nach einem am 26. Oktober 1917 in der medizinischen Sektion 
der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur gehaltenen Vortrage. 

2) Zur Nomenklatur! Die Gesamtheit der vegetative Organfuoktioneu 

beeinflussenden Nerven wird als „autonomes“ Nervensystem bezeichnet. 

Dieses gliedert sich in zwei Gruppen: 1. die dem Dorsalmark ent¬ 
stammenden-, den Grenzstrang konstituierenden Fasern des Sympathikus, 

2. die aus dem Mittelhiru einerseits, aus dem Sakralteil des Büoken- 

marks andererseits entspringenden Nervenfasern (kranio-sakrales System, 

erweiterte Yagusgrnppe und N. pelvious); man fasst diese zweite Groppe 

neuerdings als Parasympathikus zusammen. 


Ilberg: Geisteskrankheiten. (Bef. Bunge.) S. 1068. — Nassauer: 
Die hohe Schule für Aerzte und Kranke. (Bef. Buttersack.) S. 1069. 

Literatnr-Auszüge: Physiologie. S. 1069. — Pharmakologie. S. 1069. — 
Therapie. S. 1069. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie. S. 1069. — Innere Medizin. S. 1069. — Psychiatrie und 
Nervenkrankheiten. S. 1070. — Kinderheilkunde. S. 1070. — Chirurgie. 
S, 1070. — Bontgenologie. S. 1072. — Baut- und Geschlechtskrank¬ 
heiten. S. 1072. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1078. — Augen¬ 
heilkunde. S. 1073. — Hals-, Nasen- und Ohre (Krankheiten. S. 1073. 
— Hygiene und Sanitätswesen. S. 1078. — Unfallheilkunde und 
Versicherungswesen. S. 1074. — Gerichtliche Medizin. S. 1074. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaft*!: Berliner medizinische 
Gesellschaft. S. 1074. — Verein für innere Medizin und 
Kinderheilkunde zu Berlin. S. 1075. — Medizinische Sek¬ 
tion der schlesischen Gesellschaft für vaterländische 
Cultur zu Breslau. S. 1075. — Aerztlioher Verein zu 
Frankfurt a. M. S. 1078. 

Marx: Aerztliohe Gedanken zur Bevolution. S. 1079. 

Tage8gesohichtl. Notizen. S. 1080. — Amtl. Mitteilungen. S. 1080. 


und im Zustande der Verkürzung zu verharren. Botazzi 1 ) bat die 
Lehre verfochten, dass auch das Sarkoplasma mit Kontraktilität begabt 
sei, dass die doppelthreohende Fibrille, das Element der raschen Zuekung 
und Erschlaffung, in eine plasmatische Substanz eingebettet sei, deren 
Kontraktion nach Form und Dauer den Funktionsäusserungen des glatten 
Muskels nahestehe. Die Sarkoplasmareaktion (d. h. also Verlangsamung 
der Zuckung and anhaltende Verkürzung) wird bei VeratrinVergiftung 
besonders deutlich; aber auch der ermüdete, der abgekühlte Muskel zeigt 
sie; maoohe wollen sie auch in der eigentümlichen Nachdauer der Kon¬ 
traktion bei der Myotouia congenita wiederfinden. Man hat ihr eine 
grosse Bedeutung für den Ablauf der Muskeltätigkeit überhaupt zu- 
gesohrieben: schon Grützner spricht von „innerer Sperrung“; sie ver¬ 
hindert gewissermassen, dais nach jedem Impuls der verkürzte Muskel 
immer wieder zur Abszisse zurücksinkt, und bindet die durch die dis¬ 
kontinuierliche Nervenerregung bedingten Einzelstösse zur Btetig fort¬ 
schreitenden, weichen Muskelbewegung zusammen. 

Bereits im Jahre 1904 hat dann Angelo Mosso 2 * * * * * ) auf Grund der 
Untersuchungen des Anatomen Perroncito, aus denen sich eine 
doppelte Innervation des quergestreiften Muskels za ergeben schien, den 
Satz aufgestellt: Die Vorderwurzelnerveo beherrschen lediglich die 
schnelle Zuckung; die langsame tonische Kontraktion steht unter dem 
Einflüsse des Sympathikus. Im Gegensatz zu Botazzi legt er allerdings 
beiden Aktionen des Muskels das nämliche Substrat zugrunde. 

Die Konzeption Mosso’s, damals noch reichlich spekulativ 
und im übrigen, wie sich herausstellte, auf anfechtbare anatomi¬ 
sche Befunde gegründet, hat durch die Forschungen der letzten 
Jahre wesentliche Stützen erhalten, insbesondere darf seit den 
ausgezeichneten Studien des holländischen Anatomen 
Boeke 8 ) die Existenz einer sympathischen Innervation 
des quergestreiften Muskels als erwiesen gelten. 

Beim Studium der feineren Histologie der Eudplatte des motorischen 
Nerven hat Boeke 1909 die Entdeckung gemacht, dass jede Muskel¬ 
faser unter dem Sarkolemm von zwei Nervenfasern erreicht wird. Die 
eine ist der motorische Nerv, der durch Eotbündelung und Schlingen- 
bildung zusammen mit partieller Spaltung und neuartiger Verwachsung 
der Neurofibrillen das komplizierte Gefüge des nervösen Endorganes im 


1) Botazzi, Arch. f. Phys., 1901, S. 377; siehe auch Meyer und 
Gottlieb, Exper. Pharm., Abschnitt: Pharmakologie der Muskulatur. 

2) A. Mosso, Aroh. ital. de Biologie, 1904, Bd. 41, S. 183. 

8) J. Boeke, Aoat. Anz., 1910, Bd. 85, S. 481; 1913, Bd. 44, S. 843ff* 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1058 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. _Nr. 46. 


Muskel schafft. Die andere sogenannte aksessorisohe Faser ist marklos 
und seigt sehr charakteristische einfache ring- und ösenförmige End¬ 
ausbreitungen, die absolut identisch sind mit den Endigungen eines 
autonomen Nerven an der glatten Muakelxelle. Durchschnitt Boeke 
einen markbaltigen Nerven, 2 . B. den Troohlearis, so degenerierte die mo¬ 
torische Endplatte mit ihrem Fibrillen wirr varr, und er erhielt die akzesso¬ 
rischen, dem vegetativen Nervensystem entstammenden Endausbreitungen 
sozusagen in Reinkultur, so dass nun das Bild der Nervenendigungen 
im quergestreiften Obliquus superior und im glatten M. ciliaris durch¬ 
aus übereinstimmt. 

Die physiologischen Untersuchungen, die sich an die Entdeckung 
von Boeke anschliessen, wollen sämtlich im Sinne der Lehre von Mosso 
darauf hinaus, dass es zwei völlig differente Aktionsformen des Muskels 
gibt, die wir kurz als Tetanus und Tonus einander gegenüberstellen 
können. Reizung des zerebrospinalen Nerven löst die rasche Zuckung 
der anisotropen Fibrille aus, die in ihrer Summation als tetanische 
Kontraktion imponiert; Impulse im autonomen Nerven führen zu träger 
Zusammenziehung und lang dauernder Verkürzung eines eigenen Tonus¬ 
substrates (wahrscheinlich des Sarkoplasmas). Nach Kurarisierung muss 
demnach die Tetanisierung des Muskels vom Nerven her aufgehoben 
sein, während tonisierende Impulse sich nach wie vor geltend machen 
können (die Dauerkontraktur erhalten bleibt). 

Aufgabe dieser Abhandlung soll es sein, tu zeigen, dass auch 
die klinische Pathologie in zunFTeil bereits lange gekannten 
Krankheitsbildern und Einietphänomenen, zum Teil aber auch 
erst neuerdings studierten Symptomenkomplexen und pharma¬ 
kologischen Reaktionen Beweismaterial genug in dieser Frage zur 
Verfügung stellt. 

Es wird zunächst nötig sein, anzugeben, welche Gründe für 
die scharfe Trennuog einer tetanischen und einer tonischen Inner¬ 
vation ins Feld geführt werden und daraus die Kriterien abzu- 
leiten, aus denen im Einzelfaile das Bestehen der einen oder der 
anderen Kontraktionsform erschlossen wird. 

Ein Hauptargument sind die Befunde von Bethe und Parnas 1 ) 
au den sogenannten Tonusmuskeln der Wirbellosen. Die Autoren haben 
gezeigt, dass z. B. der Schliessmuskel der Muscheln im Zustande der 
Kontraktur, auch wenn er sehr stark belastet wird, keine Zeioben von 
Ermüdung und vor allem keinen Energieverbrauch (also keine vermehrte 
O a -Zehrung oder CO a -Abgabe) erkennen lässt. Fröhlich und H. H. Meyer 
haben dem binzugetügt, dass von dem kräftig kontrahierten Schliess- 
muBkel auch keine Aktionsströme zu erhalten sind, während im Moment 
des Zusammenklappens der Muschelschalen oder bei reflektorischer Reizung 
des verkürzten Muskels durch Säurebetupfung des Mantelrandes die 
Saite des Galvanometers sehr deutliche Ausschläge macht. Diese Tonus¬ 
muskeln der Wirbellosen verhalten sich also nach dem Ausspruch von Bethe 
wie ein auf wechselnde Längen einstellbares totes elastisches Band; sie 
sind bei erheblicher Arbeitsleistung völlig bar jener Aeusserung der 
Vitalität (Ermüdung, messbarer Energieverbranch, Wärmebiidung, bio¬ 
elektrische Erscheinungen), die doch mit dem Kontraktionsvorgange sonst, 
vor allem mit dem durch elektrische Reizung oder Strychnineinwirkung 
erzielbaren tetanisoben Krampfzustände, untrennbar verknüpft sind*). 
Am quergestreiten Muskel ist nun nach Fröhlioh und H. H. Meyer 9 ) 
ein analoger Zustand wechselnder Ruhe- oder Gleichgewichtslage, eine 
krampflose Verkürzung mit Hilfe der Tetanustoxinvergiftung sehr deut¬ 
lich zu machen. Wie die sehr gut gewählte Bezeichnung „Starrkrampf* an¬ 
zeigt, lässt sich die Krankheit, die den Namen Tetanus führt, in zwei 
Reihen von Symptomen auflösen, einmal in die reflektorischen Streck¬ 
krämpfe, die echte Tetäni sind, andererseits in die Zustände von Starre 
(beginnend mit Kieferklemme, Nackensteifigkeit, Opisthotonus), also Dauer¬ 
verkürzungen, die, wie die experimentelle Analyse lehrt, zwar auoh vom 
Nervensystem abhängig sind, im übrigen aber echte tonische Ver¬ 
kürzungen darstellen, über welche sich, so lange die Kontraktur noch 
nicht maximal ist, die tetanisohen Erregungen lagern können. 

Fröhlich und Meyer haben den dauernd verkürzten »tetanisoh- 
starren“ Wadenmuskel einer mit Tetanustoxin vergifteten Katze mit dem 
Saitengalvanometer untersuoht, aber keinen Aktionsstrom ableiten 
können, während die Saite sogleich in Schwingungen geriet, wenn sie 
den Muskel gewaltsam dehnten, d. h. eine reflektorische tetaoLche 
Kontraktion auf die tonische superponierten. Ishizara hat auf Veran- 
anlassung von Meyer bei Katzen durch lokale Toxinapplikalion eine 
isolierte Starre der Gastrocnemii einer KörperBeite erzeugt und den 
Glykogengehalt der brettharten, maximal verkürzten Muskeln mit dem 
der gleichnamigen Muskeln der anderen Körperhältte verglichen. Er 
fand in den starren Muskeln stets erheblich mehr Glykogen als in den 
symmetrischen schlaffen. Da nun der Muskel bekanntlich auf Kosten 
der Kuhleohydrate arbeitet und bei intensiver Betät gung, insbesondere 
im tetanisoben Kramplzustande, sehr stark von seinen eigenen Glykogen¬ 
vorräten zehrt, könnte der Befund Ishizara’s bedeuten, dass die Ver¬ 


1) Bethe, Allg. Anat. u. Pbys. d. Nervensystems, 1903, S. 867. 
Pflüg. Arch., 1911, Bd. 142, S. 291; 1910, Bd. 134, S. 441. 

2) Zum Verständnis des Fehlens energetischer Prozesse bei der to¬ 

nischen Kontraktur siehe Riesser, Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 80, 

S. 187 ff. 

8) A. Fröhlioh u. H. H. Meyer, Arob, f. erper. Path. u. Pharm., 

1913, Bd. 79, S. 65. 


kürzungsstarre des quergestreiften Muskels bei der Krankheit Tetanus 
ebenso ohne Energiemebrverbrauch verläuft wie die Kontraktur des 
Scbliessmuskelapparates der Muscheln. 

Die negative Feststellung eines fehlenden Glykogeoschwundes 
erschöpft unsere Kenntnisse vom Muskelchemismus während des 
tonischen Zustandes der Muskulatur nicht. Dieser ist vielmehr, 
wie wir aus den grundlegenden Untersuchungen Pekelharing» 1 ) 
und seiner Schüler wissen, positiv biochemisch charakterisiert 
durch die Bildung und .Vermehrung des Kreatins, eines 
Stoffes, der seit Liebig als wichtiger Bestandteil des Muskel- 
fleisebes erkannt ist, aber bis zu den Forschungen Pekelbaring's 
ohne rechten Erfolg mit der Muskelfunktion in Beziehung zu 
bringen versucht wurde. Nach Pekelharing darf das Krea¬ 
tin, das quantitativ ausserordentlich exhkt bestimm¬ 
bar ist, als Maass des Muskeltonus angesehen werden. 
Das Kreatin im Muskel erfährt niemals eine Zunahme, wenn man 
diesen, selbst bis zum völligen Versagen, faradisiert, die Kreatinin¬ 
ausscheidung im Harn ist durchaus unabhängig von der an¬ 
gestrengtesten Muskelarbeit (z. B. mehrstündigen Märschen). Da¬ 
gegen ist die straffe Körperhaltung gegenüber der schlaffen, der 
Wachzustand überhaupt gegen den „gliederlösenden“ Schlaf durch 
eine Zunahme des Harnkreatinins ausgezeichnet. Die elektrische 
Reizung der Froschmuskulatur, an sich, wie erwähnt, unwirksam, 
führt zur Vermehrung des Kreatingeb altes im Muskel, wenn 
gleichzeitig tonnserhöhende Gilfte wie Veratrin, Koffein, Nikotin 
einwirken, so dass nunmehr durch den Reiz des Stromes aus¬ 
gesprochene Muskelsteifigkeit oder Starre bewirkt wird. Zar 
Demonstration der Kreatinvermehrung im Warmblütermubkel be¬ 
diente sich Pekelharing jener Starre der Körpermuskulatur, 
die nach Sh erring ton dann zustandekommt, wenn man den 
Himstamm in der Gegend der Corpora quadrigemina vom Vorder¬ 
hirn abtrenht, nnd die reflektorisch von den hinteren Wurzeln 
unterhalten wird. Einseitige Durchtrennung der hinteren Wurzeln 
gibt also ein schlaffes Testobjekt, dessen Kreatingehalt von dem 
symmetrischer starrer Muskeln der anderen Seite um so mehr 
Übertroffen wurde, je stärker die „decerebrgte rigidity“ aus¬ 
gebildet war 2 * ). 

Resümieren wir jetzt noch einmal die Merkmale des teta¬ 
nischen Krampfes und der tonischen Spannungsändernng, so wäre 
zu sagen: 

Der Tetanus ist ausgezeichnet durch Ermüdbarkeit des 
Muskels, starken Glykogenschwund; Zunahme der 0| Zehrung 
und der CO a -Produktion, diskontinuierliche Aktionsströme (ent¬ 
sprechend der Zahl der Nervenimpulse, die ihn hervomifen); 
dem Tonus fehlen alle die genannten Eigenschaften, dagegen ver¬ 
mehrt sich daB Maskelkreatin, dessen Menge wiederum beim 
Tetanus sich gleich bleibt 8 ). 

Dass der Tonus der quergestreiften Muskulatur (den wir immer 
in dem eben definierten Sinne verstehen wollen) unter der Herr¬ 
schaft des Sympathikus stehe, hat, angeregt durch die Unter¬ 
suchungen Boekes, zuerst de Boer 4 * * ) nachzuweisen gesucht. 


1) A. Pekelharing u. van Hoogenhuyze, Zsohr. f. pbysioLChem.j 
1910, Bd. 64, S. 262; Nederlandaoh Tijdschr. voor Geneeskuode, 1915,^ 
Bd. 2, Nr. 9. 

2) Ob die Enthirnungsstarre rein tonischen Charakters ist oder ala 
eine Mischung von tonischer und tetanischer Innervation aufzufassen ist, 
lässt sich noch nicht entscheiden. Io Übereinstimmung mit der 
Kreatin Vermehrung konstatierten Boaf und Sterling Fehlen energe¬ 
tischer Mehrleistung bzw. erhöhter Wärmeproduktion während der Starre, 
andererseits konnten Dusser de Barenne und Buytendiek von den 
Btarren Muskeln die für den Tetanus charakteristischen oszillierenden 
Aktionsstiöme ableiten. 

3) Ein weiteres biochemisches Merkmal, um tetanische und toniaehe 
Form der Muskeliätigkeit zu unterscheiden, wird sich vielleicht aus den 
Forschungen Embden’s über die organische Pöospborsäure des Muskels 
gewinnen lassen. Embden gliedert die organisch gebundene Phosphor¬ 
säure des Muskels m H^xosediphosphorsäure (Laktazidogen) und eine 
chemisch noch nicht definierte Restphosphorsäure. Aus dem Laktazidogen 
entsteht auf fermentativem Wege unmittelbar Milchsäure und anorga¬ 
nische Phosphorsäure. Das Laktazidogen fehlt in der glatten Muskulatur 
und ist aus dem weissen quergestreiften Muskel in erheblich grösseren 
Mengen erhältlich als aus dem sarkoplasmareiohen roten. Dem würde 
entsprechen, dass die Milchsäure ja neuerdings als Ursache der Fibrillen¬ 
quellung sive -Verkürzung, d. h. als der eigentliche Kontraktionsreiz 
aufgefasst wird. .Dagegen findet sich die organische Restphosphortäure 
wiederum in deutlich höherem Maasse in den roten Muskeln. (Embden, 
Med. Klio., 1919, Nr. 30). 

4) S. de Buer, Zsohr. f. Biol., 1914, Bd. 65, S. 238. Folia neuro- 
biologica, 1918, Bd. 7, S. 878 tu 887. 


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10. November 1010. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Br behauptet, dass Dnrohtrennung der Rami oommunicantes grisei zum 
Hüftnerven das nämliche Ergebnis habe wie der Br ond ge es tsohe Versuch 
(Nachlass der Beugung im Knie- und Fussgelenk beim dekapitierten Frosch 
nach Durcbschneiduog des Ischiadicus oder der afferenten Fasern). Beim 
Warmblüter (Katze) beobachtete de Boer nach Ausrottung eines Grenz- 
stranges geringeren Wiederstand der Beuger und Strecker bei passiven Be¬ 
wegungen, Schlaffheit der Muskelbäuche, stärkeres Herunterhängen der 
Extremität, wenn er die Katze am Fell in die Hohe hielt und an beiden 
Hintergliedmaassen gleiche Gewichte ziehen Hass» Jansma 1 2 3 ) und Dusser 
de Barenne*) haben die Resultate von de Boer bestätigt, doch be¬ 
tonen beide, dass durch Ausschaltung des Sympathikus nur eine Hypo¬ 
tonie bewirkt wird, die nach Durchtrennung der peripheren Nerven oder 
der hinteren Wurzeln stark an Iateosität sunimmt. Nach Dusser de 
Barenne bildet sich die durch Grenzstraogausrottung bervorgerufene 
Hypotonie im Laufe einiger Wochen vollständig zurück. Demnach wäre 
bei weitem nicht der ganze Betrag des Brondgeestseben Tonus auf 
Rechnung des Sympathikus zu setzen. Die physiologische Muskel* 
Spannung würde sich aus zwei Teilerregungen, die übrigens beide reflek¬ 
torisch 8 ) unterhalten werden dürften, zusammensetzen: einer tetaniseben, 
durch motorische Nerven vermittelten Komponente, die Langelaan 4 5 6 ) 
als kontraktilen Tonus bezeichnet, und einer sympathikogenen tonischen, 
die er mit Sherrington plastischen Tonus nennt 8 ). 

Im Hinblick auf die Lehre Pekelharing’s war es natürlich 
von besonderem Interesse, zu prüfen, wie sich das Mnskelkreatin 
bei Ausschaltung bzw. starker Inanspruchnahme der sympathischen 
Innervation verhält. Riesser*) bat diese Frage am Kaninchen* 
unter gründlicher Variation der Versuohsbedingungen geprüft, 
nachdem bereits Jansma im Froschversuch als Folge def Durch - 
schneidnng der Rami commnnicantes eine deutliche Abnahme des 
Kreatingehalts der zugehörigen Muskeln beobachtet hatte. Riesser 
stellt zunächst fest, dass wohl die Nervendurchschneidung, nicht 
aber die Km-arisierung die auffällig konstante Kreatinmenge im 
Muskelgemisch der Hinterbeine den Kaninchens herabsetze. Die 
Kreatinverminderung trat aber auch ein, wenn am kurarisierten 
Tiere nachträglich Femoralis und l<chiadikus durchschnitten 
wurden, d. h. sie kann, da ja die motorischen Vorderwurzelnervan 
durch Kurare bereits ausgeschaltet waren, nur auf einen Fortfall 
der sympathischen Innervation bezogen~werden, die durch Kurare 
nicht tangiert wird. Setzte er umgekehrt eine starke Erregung 
im sympathischen Nervensystem durch Injektion von Tetrabydro- 
naphthylamin, welches die sympathischen Zentren im Mittelhirn 
reizt und zu Pupillenerweiterung, Exophthalmus, Gefässverengerung, 
Hyperglykämie, Temperaturanstieg führt, so nahm der Kreatip 
geh alt der Muskeln erheblich zu 4 (von 0,45 pCt. auf maximal 
0.55 pCt.); dieser Anstieg konnte durch Nervdurchschneidung, 
nicht aber durch Kurarisierung verhütet werden. Die Kreatin¬ 
vermehrung schien nm so grösser in sein, je heftiger, an der 
Fieberböhe gemessen, der Erregungszustand der sympathischen 
Zentren war. Bei Versuchen mit dem Krampfgift Pikrotoxin 
konnte sich R. andererseits überzeugen, dass ganz entsprechend 
der Angabe Pekelharing’s auch die stärksten motorischen Ent¬ 
ladungen ohne jeden Einfluss auf die Kreatinmenge <m Muskel 
sind. So wird das Mnskelkreatin, in seiner Quantität 
nach Pekelbaring von der tonischen Anspannung,*nach 
Riesse^ von dem Reizzustande des Sympathikns ab¬ 
hängig, zum Bindegliede, welches gestattet, Tonus- 
funktiou des Skelettmuskels und sympathische Inner¬ 
vation aufeinander zu beziehen und den Begriff des 
autonom-nervös bedingten bzw. beeinflussten k Muskel- 
tonus zu prägen. 

(Schluss folgt.) 


1) I R. Jansma, Zschr. f. Biol., 1914, Bd. 65, S. 376. 

2) Dusser de Barenne, Pflüg. Aroh., 1916, Bd. 166, S. 145. 

3) Die TetanustoxinstarreJ die wir als Beispiel eines echt tonischen 
Zustandes kennen lernten, wird, wie E. Meyer und Weiler (M. m. W., 
1916, S. 1525) entdeokt haben, durch Novokainiojektion in den starren 
Muskel aufgehoben. Das beruht, wie Liijestraud und Magnus (M. 
m. W., 1919, S. 551) zeigen konnten, auf der Lähmung sensibler Muskel- 
nerven, die reflektorisch die Starre des eigenen Muskels bedingen. 

4) I W. Langelaan, Bram, 1915, Bd. 88, Teil 3, S. 235. 

5) Dabei ist allerdings zu bedenken, dass nicht alle autonomen 
Nervenfasern bei der Darohsohneidung der Grenzstrangnerven getroffen 
werden müssen; vielleicht treten auoh Anteile des autonomen Systems 
mit den hinteren Wurzeln aus. Ich erinnere an die bekannten Vor¬ 
stellungen von Bayliss über die Identität der Vasodilatatoren mit den 
afferenten Nervenfasern und seine Lehre von der antidromen Leitung. 
Es muss also noch offen gelassen werden, ob nichl doch das autonome 
System allein den physiologischen Tonus unterhält, 

6) 0. Ri esse Arch.f. exper. Patb. u. Pharm., 1916, Bd. 80, S. 183. 


Aus der II. medizinischen Klinik der Charit4 und dem 
bakteriolog. Laboratorium des Krankenhauses Moabit, 
Berlin. 

Eine dritte Form des Paratyphus [Paratyphus S 
Weil, Paratyphus Ersindjan Neukirch]'). 

Von 

F. H. Lewy und F/Sehiff. 

Trotz der Mannigfaltigkeit bakteriologisch unterschiedlicher 
Formen, die die Bazillen der Paratyphnsgruppe anfweisen, haben 
als Erreger menschlicher Allgemeininfektionen bisher nur 
zwei serologisch scharf geschiedene Formen, der Paratyphus A- 
und der Paratyphus B Bazillus, grössere Bedeutung gewonnen. 
Andere hierhergehörige Keime, wie der Gärtoer’scbe Enteritidis- 
oder der von Uhlenhoth Paratyphus C genannte Bazillus, sind 
als Erreger von Allgemeininfektionen nur bakteriologische 
Kuriositäten, während sie allerdings bei Fleischvergiftungen mit 
gastrointestinalen Erscheinungen eine erhebliche Rolle spielen 
können. Paratyphus A ond B verhalten sich nach ihrer geogra¬ 
phischen Verbreitung, wie bekannt, recht verschieden. Paratypbas A 
gilt als die exotische Form, und erst der Krieg bat uns in 
Deutschland, und auch da im wesentlichen an den Fronten, mit 
grösseren Epidemien bekanntgemacht. 

Eine dritte, bisher unbekannte Form der Paratyphuserkrankung, 
die an Bedeutang, wenigstens unter gewissen Verhältnissen, den 
A- und B Epidemien gleicbkommen und sie sogar erheblich über- 
treffen kann, haben wir gleichfalls im Kriege kennengelernt. 
Ihr Erreger, der schon nach unseren bisherigen Kenntnissen ein 
so weites Verbreitungsfeld bat, dass er allein deshalb Beachtung 
verdient, kann eine klinisch nnd pathologisch eigenartige, oft 
sehr schwer verlaufende Allgemeiniofektion bervorrufeiw 

Die ersten Mitteilungen über das epidemische Auftreten des Bazillus 
wurden im Jahre 1915 etwa gleichzeitig von Neukirch und von Weil 
gemacht. 

Neukirch fat.d bei gehäuft auftreteoden Ruhr fällen und bei eigen¬ 
artigen fieberhaften Erkrankungen in Ost-Anatolien, später auoh in Kon¬ 
stantinopel, im Blute der Patienten, bisweilen auch im Stuhl und im 
UriD, einen Bazillus der Paratyphusgmppe, der nach seinem kulturellen 
Verhalten dem Paratypbus B nahestand, serologisch aber zunächst nicht 
eiDzuordnen war. Nach dem ersten Fundort hezeiobnete ihn Neukirch 
als „Bazillus Ersindjan“. Wie sich später berausstellte, stehen alle 
damals von Neukirch gezüchteten Stämme dem Bacillus suipestifer 
Voldagsen sehr nahe, einem beim Sobwein vorkommenden und dort unter 
Umständen anscheinend pathogenen Basilius. 

Weil und Saxl fanden in Wolhynien und Weil bald darauf in 
Albanien bei menschlichen Allgemeininfektionen einen Bazillus, dessen 
enge Beziehungen zu dem von Nenkiroh gefundenen Weil alsbald 
feststellte. Das Krankheitsbild war insofern verschieden, als Ruhr¬ 
erscheinungen fehlten. Das Bild war vielmehr das einer typhös-septischen 
Erkrankung. 

Sowohl Weil wie Neukirch berichteten über eine erhebliche Zahl 
von Todesfällen, und beiden Autoren war aufgefallen, mit weloher 
Leichtigkeit sich der Keim ans dem Blute züohten liess. 

Aus Osteuropa beriohten ferner Dienes und Wagner über eine 
Reibe hierhergehöriger Fälle. 

Besonders weitverbreitet und von fast endemisobem Charakter ist 
der Bazillus in der asiatischen Türkei, wie unsere eigenen Beobachtungen 
ans den Jahren 1916—19 zeigten. 

Der eine von uns (Schiff) stellte im Jahre 1916 gemeinsam 
mit V. Schilling in dessen Laboratorium in Aleppo in einigen 
Fällen den Bazillns fest. Einer der Ei krankten war frisch von 
Mos8ul zugereist und schon unterwegs krank gewesen, so dass 
auch in Obermesopotamien das Auftreten des Bazillus als sicher 
angenommen werden kann. Später fand der eine von uns in 
Damaskus sowie in Nord- und Mittelpalästina, der andere in Ost- 
und Westanatolien zahlreiche weitere Fälle. Bis zum Beginn des 
Rückzugs im September 1918 haben wir im ganzen etwa 80 
bakteriologisch gesicherte Fälle gesehen. Weitere 25 Erkran¬ 
kungen haben wir in der Folgezeit im Ortslazarett Haidar Pascha 
beobachtet 8 ). Schliesslich ^ wurden 1919 noch Erkrankungen bei 
aus Trapezunt za Schiff nach Konstantinopel gereisten deutschen 
Soldaten festgestellt, so dass als Verbreitungsbezirk des Bacillus 

1) Eine ausführliche Arbeit erscheint im Arch. f; Sobiffs- u. Tropen¬ 
hygiene. 

2) Die relative Häufigkeit des Bacillus Ersindjan iu Haidar Pascha 
geht aus folgenden Zahlen hervor. Vom 1. Oktober 1918 bis 10. Fe¬ 
bruar 1919:30 Paratyphus A-Fälle, 20 Ersindjanfälle, 10 Typhusfälle, 
1 Paratypbus B-Fall. 

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1060 


Nr. 46. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ersindjan bis jetzt die gesamte asiatische Türkei von Mossul 
über Syrien and Palästina, durch Ost* nnd Westanatolien bis 
zum Bosporus, ferner Albanien, Wolhynien und andere Teile 
Russlands anzusehen sind. 

Leichteste Infektionen mit dem Bacillus Ersindjan scheinen 
unter der einheimischen Bevölkerung sehr häufig zu sein. Da¬ 
neben werden aber Fälle beobachtet, und das waren in Palästina 
bei den deutschen Soldaten die Mehrzahl, die unter dem Bilde 
eines protrahierten Fiebers von ganz unregelmässigem Typus oft¬ 
mals zum Tode führten. 

Die Ersindjaninfektion als solche verläuft typisch unter dem 
Bilde einer septischen Erkrankung, die klinisch durch stark 
remittierende Fieber. Bakteriämie, septisches Blutbild, embolische 
Abszesse in der Haut und in inneren Organen, pathologisch¬ 
anatomisch durch hämorrhagische Entzündungen der Niere, des 
Darms, der Leber, Abszesscben und Nekrosen der Leber und 
Nieren, Hämorrhagien auf allen serösen Häuten und septische 
Milz charakterisiert wird. Bakterienanhäufungen an besonderen 
Stellen können z. B. septische Meningitis, septische Pneumonie 
oder eine Pyelitis bedingen. 

Die Fieberkurve kann zeitweise an Typhus abdominalis er¬ 
innern. Auch eine anfangs bisweilen vorhandene Leukopenie, 
eine gelegentlich beobachtete Typbuszunge, vorübergehend be¬ 
stehende relative Pulsverlangsamung und neuritische Nachkrank¬ 
heiten passen zum Bilde einer typhösen Erkrankung. Niemals 
aber haben wir das geschlossene Bild des sch ul massigen Abdo¬ 
minaltyphus gesehen, nie eine dauernd typische Fieberkurve oder 
Roseolen und charakteristische Darmveränderungen. 

Die Krankheit kann sich mit mannigfachen Remissionen und 
Intermissionen unter zunehmender Entkräftung über 4 und 
5 Monate binziehen, aber schliesslich doch noch in Heilung aus¬ 
gehen. 

Die Fälle, die in Haidar Pascha tödlich verliefen, waren 
sämtlich mit schweren anderen Erkrankungen verbunden, denen 
der Hauptanteil an dem ungünstigen Verlauf zugesprochen werden 
musste. Es gibt aber zweifellos auch ganz reine Ersindjan- 
infektionen, die tödlich verlaufen. 

Daneben gibt es leichteste Fälle, die 'sich von dem be¬ 
schriebenen Bilde etwas entfernen und an eine Grippe oder einen 
„kleinen“ Typhus erinnern, Fälle, wo nach etwa 4—8 Tagen die 
Temperatur plötzlich steil abfällt, und wo alsbald oder doch 
nach einem Stadium subfebriler Temperatur rasch Heilung eintritt. 

Auch nach dem Ablauf der Infektion und vielleicht über¬ 
haupt ohne jemals klinische Erscheinungen gemacht zu haben, 
kann sich der Bazillus in inneren Organen halten. 

Dies Verhalten hat er, ebenso wie seine Fähigkeit, lang- 
dauernde septische Fieber und Eiterungen zu erzeugen, mit den 
anderen Bazillen der Typhus-Paratyphusaruppe gemeinsam. Aber 
während ein ausgesprochen septischer Verlauf beim Typbus ab¬ 
dominalis selten und beim Paratypbus A und B immerhin nicht 
das Typische ist, ist er beim Bacillus Ersindjan die Regel. Er 
zeigt damit ein Verhalten, wie es von anderen Bazillen der Para¬ 
typhusgruppe bei Tierinfektionen wohlbekannt ist. 

Auch die auffallend häufige Verbindung der Ersindjaninfektion 
mit andersartigen Infektionen findet eine Analogie in Verhält¬ 
nissen, wie Bie gerade auch für Bazillen der Paratyphusgruppe 
aus Tierversuchen bekannt sind. Es sei an. die interessanten. 
Versuche von Uhlenhutli und Haendel erinnert, die bei Gärtner¬ 
bazillen ausscheidenden Ratten eine Allgemeinerkrankung erst 
dann auftreten sahen, wenn bei diesen Ratten ein künstlich ge 
setzter Impftumor zur Entwicklung kam. 

Die durch die Sepsis bedingte Mannigfaltigkeit der klinischen 
Erscheinungen, die Nenkirch veranlasst hat, eine septische, eine 
typhöse und eine dysenterische Form zu unterscheiden, liess uns 
immer wieder die Frage aufwerfen, ob der Bazillus nicht doch, 
ähnlich wie der Bacillus suipestifer bei der Schweinepest, nur 
ein zufälliger Nebenbefund wäre. 

Diese Möglichkeit musste schon deshalb ernstlich erwogen 
werden, weil ja auch für Typhus- und Paratyphus B- Bazillen das 
gelegentliche Auftreten im Blute bei Gesunden nacbgewiesen 
worden ist. 

Untersuchungen an Sektionsmaterial, die wir im Winter 1918/19 
in Haidar Pascha ausfübren konnten, waren zunächst auch nicht 
geeignet, eine Deutung in diesem Sinne zu widerlegen. Denn der 
Bazillus fand sich in Fällen mit den verschiedensten klinischen 
und pathologischen Diagnosen. 

Die genauere Analyse dieser Fälle und die Berücksichtigung 
der Anamnese sowie die Beobachtung von etwa 15 weiteren 


Erkrankungen zeigte aber, dass doch von einem ganz bestimmten 
Krankheitsbilde gesprochen werden kann, das nur oft durch eine 
gleichzeitige Ruhr, Grippe oder Malaria mehr oder^ weniger ver¬ 
schleiert war. 

Wenn von 7 Sektionsfällen 6 schwere Diokdarmulserationen batten, 
so fallen diese nicht dem Bacillus Ersindjan sor Last, sondern sie 
müssen als spezifische RuhrveränderuDgen angesehen werden, znmal 8 
von ihnen pathologisch anatomisch alle Merkmale der Amöbenrnhr, die 
8 anderen die typischen Eigenheiten der Bazillenruhr aufwiesen. 

Ueber die Art der Uebertragung der Krankheit wissen wir 
nichts Bestimmtes. Wir müssen aber annehmen, dass der er¬ 
krankte Mensch dabei eine Hauptrolle spielt, daneben käme eine 
Infektion durch Nahrungsmittel in Frage. Schweinefleisch, an 
das bei den Beziehungen des Bazillus zur Suipestifergruppe wohl 
zunächst zu denken wäre, scheidet aber für unser Gebiet, die 
asiatische Türkei, von vornherein aus. 

Praktisch wichtig ist die Frage, ob wir auch bei uns das 
Auftreten von Ersindjaninfektionen erwarten müssen. Die Möglich¬ 
keit besteht, und es ist bemerkenswert, dass schon vor dem 
Kriege durch Bernhardt 1 ) über „Menschliche Infektionen mit 
Bazillen vom Typus suipestifer Voldagsen“ berichtet wurde, und 
zwar aus der Mark Brandenburg. Auch Einschleppung, z. B. 
durch aus dem Orient oder aus Russland heimkehrende Kriegs¬ 
gefangene, käme in Betracht. Bei unklaren fieberhaften Er¬ 
krankungen sollte also auch bei uns mit dem Vorkommen des 
Bazillus gerechnet werden. Bei der leichten Züchtbarkeit des 
Bazillus Ersindjan wird die bakteriologische Diagnose nicht schwer 
sein, wenn überhaupt an ihn gedacht wird. 


Harnfisteln. 

Von 

Professor Dr. X. Zsadek-Berlin. 

Nach Erkrankungen, Verletzungen und operativen Eingriffen 
an den Harnorganen bleiben zuweilen schwer zu heilende Fisteln 
zurück, ln der Literatur fiodet man verhältnismässig wenig 
darüber. Die Fisteln sind selten und zumeist nur als Einzelteile 
beschrieben; deshalb seien hier ans einer grösseren Zahl von 
beobachteten Fällen einige mitgeteilt, um an ihnen praktische 
Gesichtspunkte zu erörtern. 

I. Urethra fisteln. 

Uretbrafisteln sind im allgemeinen leioht zu diagnostizieren. Der 
Barn entleert sich aus der Fistel nioht andauernd unwillkürlich, sondern 
nur bei jedesmaliger Miktion. Der Urin flieset oder tropft, in ganzer 
Menge oder nur zum Teil, durch die Fiste), während der übrige Harn 
durch den Meatus externus entleert wird. Oft ist aber die Umgebung 
der kleinen Fistelöffaung fast andauernd etwas feucht und dann gewöhn¬ 
lich mit etwas Eiter bedeokt. Der Urin kann sich sogar aus der Fistel 
andauernd unwillkürlich in grösserer Menge entleeren, und trotzdem kann 
eine Urethrafistel vorliegen. Das habe ioh bei einer Fistel an der 
Pars prostatica der Urethra, ferner in Fällen beobachtet, in denen 
sehr lange Zeit ein Dauerkatheter gelegen hat. Schwieriger ist*die Dia¬ 
gnose, wenn die Fistelöjfnung nicht wie gewöhnlich an der unteren, 
sondern seitlichen und, wie in einem Falle meiner Beobachtung, an der 
oberen Wand der Harnröhre gelegen ist. Man kann dann kaum der in 
die Fistel eingeführten Sonde die Krümmung geben, um in das Loch zu 
gelangen. Zuweilen ist der Gang so gewunden, dass er für die Sonde 
nicht bis zur Fistel in der Harnröhrenwand passierbar ist. ln solohen 
Fällen habe ioh intramuskulär Indigkarmin injiziert. Danaoh färbte 
sich das Sekret, wenn es nicht Btark eitrig war, blau. Bei einer 
Rekto-Urethrafistel war die Blaufärbung erst an einem Wattetampon zu 
erkennen, der in das Rektnm eingeführt Worden war. Durch stereo¬ 
skopische Röntgenaufnahme nach Einführung eines Metallbougies 
in die Harnröhre und einer Metallsonde in die Fistel konnte ich stets 
mit Sicherheit oder mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit die 
Lage der Fistel an der Harmöbrenwand bestimmen. 

Ist jedoch das Lumen der Harnröhre verengt, bo kann man im all¬ 
gemeinen annebmen, dass die Fistel etwas proximalwärts von der Ver¬ 
engerung liegt, ln drei Fällen, die anderweit schon */«~~l Jahr lang 
vergeblich behandelt worden waren, fiel mir die starke Eiterung an der 
Fistelöffnung und am Meatus externus der Urethra auf. Das Bougieren 
*ar kaum möglich. Beim Fehlen von Gonorrhoe dachte ich an das Vor¬ 
handensein von Fremdkörpern in der Urethra oder ihrer Umgebung. In 
zwei Fällen zeigte auch das Röntgenbild pflaumengrosse scharfkantige 


1) Drei liebenswürdigerweise von Herrn Dr. Bernhardt zur Ver¬ 
fügung gestellte Stämme verhielten sich serologisch allerdings ganz 
anders als die Türkeistämme. Vgl. auch Geissler, Zsobr. f. Mediz. 
Beamte, 1918, S. 760 und Klieneberger, B.kl.W., 1914, Nr. 31. 


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10. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE .WOCHENSCHRIFT. 


1001 


Granatspitter, die die Urethra verdrängt und komprimiert hatten. In dem 
drittep Fall war ein am freien Rand inkrustierter Knochensplitter in der 
Urethra vorhanden, der sich in die Wand der Urethra eingespiesst hatte. 
Die Fremdkörper mussten erst entfernt werden, bevor die Fisteln heilen 
konnten. 

In einem Falle blieb, nachdem auch dieFistelwandung exzidiert worden 
war, keine Striktur zurück. Bougierung. Heilung. Im zweiten trat zwar 
später nochmals eine Striktur -auf. Nach weiterer Bougierung aber end- 
gültige Heilung. Im dritten Falle blieb eine nioht zu beseitigende 
Striktur bestehen; volle Heilung der Fistel war nicht zu erzielen. Das 
Lumen des proximal von der Fistel gelegenen Teils der Urethra war 
durch narbiges und kallöses Gowebe verengt. Selbst nach Gyetostomia 
suprapubica war die retrograde Einlührung eines Katheters nicht mog- 
lieh. Der Granatsplitter hatte ein etwa halbmarkstückgrosses Stück aus 
dem aufsteigenden Ast des Schambeins herausgerissen. Starke Binde- 
gewebsmassen und kallöses Gewebe verengten durch Kompression, Zer¬ 
rung und Knickung das Lumen der Urethra. Das narbige Gewebe in 
der Umgebung der Urethra wurde soweit wie möglich entfernt. Zwar 
erfolgte schliesslich die Harnentleerung aus der äusseren Harnröhren- 
öffnnung in ziemlich dickem Strahl, aber aus der Fistel sickerten immer 
noch einige Tropfen Hatn hervor. 

Es ergibt sich also: Bei starker Eiterung aus Urethrafisteln 
ist an Fremdkörper in der Urethra oder ihrer Umgebung zu 
denken. Der Fremdkörper muss erst entfernt werden, ehe 
an eine Heilung gedacht werden kann. Sie kann erst nach 
Beseitigung der Striktur erfolgen. 

In den übrigen Fällen gelang es, allein durch regelmässiges Bou- 
gieren die Striktur zu beseitigen und durch Behandlung mit Paquelin, 
Bäder, Aetzung mit Argent. nitr. die Fistel zu heilen. Heilung erfolgte 
auoh in einem Falle, in dem das Röntgenbild an den unteren Rändern 
der beiden Schambeine Kallusmasse zeigte. Ferner in Fähen von Kom¬ 
plikationen mit stark eiternden, schweren Wunden der benachbarten 
Gewebe. Schliesslich auch in Fällen, in denen zur Beseitigung der 
Striktur kallöse Massen am Damm und ein grösserer Teil der unteren 
Harnröhren wand operativ entfernt werden mussten. 

Es schien mir zweckmässig, den Dauerkatheter kurz vor end¬ 
gültigem Schluss der Fistel zu entfernen. Ich tat dies des¬ 
wegen, weil, abgesehen davon, dass Harn auoh Öfters neben dem Ka¬ 
theter entleert wird, meines Erachtens das urethritisohe Sekret die im 
letzten Stadium befindliche - Heilung der Fistel behindert. Naoh Bou¬ 
gierung schloss sich dann sehr bald die Fistel endgültig. 

Der Dauerkatheter darf also nicht zu lange liegen. Das 
kann die Heilung der Fistel direkt verhindern. 

Bei einem mir zugewiesenen Patienten bestand je eine Fistula 
perinealis und sorotalis. Aller Harn entleerte sich aus einer grossen 
Zystoatomiewunde. Gleichwohl lag der Dauerkatheter, aus dem kein 
Tropfen Harn herauskam. loh entfernte sogleich den Daoerkatheter, und 
die Fisteln, die sohon lange bestanden hatten, schlossen sich unter Be¬ 
handlung mit Bädern und Aetzungen in kurzer Zeit. 

Auch in anderen Fällen, in denen der Harn nicht proximalwärts 
durch eine künstliche Oeffnung abgeleitet wurde, gelang es, nach Ent¬ 
fernung des Dauerkatheters mit gleicher Nachbehandlung die Fisteln zu 
heilen. 

Io einem Falle genügte nicht mehr die • Entfernung des Dauer¬ 
katheters zur Beseitigung der akut entzündlichen Erscheinungen. Es 
handelte sich allerdings um eine erst kurze Zeit bestehende Harnröhren¬ 
fistel. Die Heilung erfolgte erst nach einem operativen Eingriff: 

Fünf Tage nach der Granajsplitterverletzung am Damm, die die 
Harnröhrenfistel verursacht hatte, war ein Dauerkatheter eingelegt worden. 
Nach 2 Tagen musste der Katheter aber wegen grosser Schmerzen ent¬ 
fernt werden. Es hatte sich links neben der Radix des Penis ein In¬ 
filtrat gebildet, das vereiterte und nach Perforation eine Harnfistel 
herbeifübrte. Eine periurethrale Phlegmone zwischen den beiden äusseren 
Fistelöffnungen gebot breite Spaltung zum freien Abfluss der peri¬ 
urethralen infektiösen Sekrete. Danach trat bald endgültige Heilung 
beider Harnröhrenfisteln ein. 

Da der Dauerkatheter urethritische Eiterung verursaoht, ist an seiner 
Stelle vielfach zur Ableitung des Harns die Zystostomie gemacht 
worden. Das genügt aber nicht immer allein zur Heilung der Fistel. 

In einem mir überwiesenen Fall war auch naoh vorangegangener 
Z/stostomie und Entfernung des narbigen Gewebes in der Umgebung der 
Fistel keine Heilung erfolgt. Erneute Operation mit Deckung der Fistel 
durch einen Hautlappen aus der Umgebung führte ebenfalls nioht zum 
Ziel. Erst nachdem die Urethra in weiter Ausdehnung aus ihrer narbigen 
Umklammerung befreit, die an der oberen Wand der Urethra gelegene 
Fistel vernäht und die ganze Wuodfläche mit einem von der Seite ge¬ 
nommenen kräftigen Hautlappen bedeckt worden war, war die Heilung 
angebahnt. Zwar trat noch, offenbar infolge der ausgedehnten Aus- 
hülsuog der Urethra, eine parazystische Eiterung auf, die durch Inzision 
beseitigt wurde; allmählich jedooh stellte sich bei regelmässigem ßou- 
gieren Heilung ein. 

Io „einem Falle meiner Beobachtung war die Harnröhrenfistel mit 
der unteren kariösen Wand des Sohambeins verwachsen, die fortdauernde 
Knooheneiterung behinderte die Heilung. 

Bei ausgedehnter Resektion macht man naoh Pasteur und Iselin 
die aweizeitige Operation. Bei ganz grossen Defekten hat Payr als 
Ersatzatüok die Vena saphena, Sohmieden einen Teil des Ureters, 
Lexer den Wurmfortsatz implantiert. 


Neben der Fistel am Perineum kann noch eine weitere in das Rektum 
mündende vorhanden sein. 

Naohdem ich in einem solchen Falle die Perinealfistel durch Ent¬ 
fernung der narbigen Massen und Deckung mit einem von der Seite 
hergeholten kräftigen Hautlappen geheilt hatte, blieb noch die Rekto- 
Urethrafistel zurück. Sie konnte erst naoh intramuskulärer Indig- 
karmin* Injektion festgestellt werden. Daraufhin Inzision halbbogen¬ 
förmig in einem naoh vorn leicht konvexen Bogen etwas oberhalb des 
Anus. Quere Durehsobneidung der Fistelwandung. Beide Teile der 
Fistelwandung gesondert exzidiert. Fistelöffaungen am Rektum und an 
der Urethra durch Katgut verschlossen. Jodoformgazetamponade. Dauer¬ 
katheder für sechs Tage. Danach regelmässige Bougierung, Sitzbäder, 
Heilung. 

Schliesslich sei nooh kurz ein besonderer Fall von Rekto-Urethra- 
Fistel erwähnt. Bemerkenswert erscheinen hier: die besonderen Krank- 
heitserscheinungen, die zur Diagnose einer zwischen Blase, Urethra 
und Rektum gelegenen, zeitweilig mit Rektum und Urethra kommuni¬ 
zierenden Eiterung führten, ferner die Diagnostik parazystitisoher 
Bauch wandfisteln. Bei einem Durchschuss seitlich durch das Becken 
waren die Harnröhre dioht unterhalb des Orifioium internum und das 
Rektum verletzt. Das war aus der Verlaufsrichtung des Sohusskanals, 
der starken Schmerzhaftigkeit bei der Urinentleerung — auf die Farbe des 
Urins batte der Pat. wegen der grossen Schmerzen nicht geachtet — 
und der starken Blutbeimisohung im Stuhl nach der Verwundung zu er¬ 
kennen. Es folgten dann mehrtägige Fieberperioden mit fieberfreien 
Intervallen. Auch soll im Stuhl Eiter vorhanden gewesen sein. Etwa 
3 Monate naoh der Verwundung kommt P. auf meine Station. Harn sehr 
trübe, zuweilen rein eitrig, zuweilen mit Luftblasen vermischt. Es be¬ 
steht also eine Kommunikation zwischen Rektum und Harntraktus. 
Links neben der Blase Druckschmerzhaftigkeit, Muskelspannung, leichte 
Resistenz in der Tiefe. Dieser Befund zusammen mit folgender Beob¬ 
achtung bringt volle Klarheit: Einführung eines Dauerkatheters. 
Der Harn wird zwar klar, aber die Temperatur steigt bis zu. 
40°. Entfernung des Katheters. Der Harn wird nun wieder 
stark trübe, aber das Fieber fällt fast bis zur Norm. Das 
entspricht der Beobachtung bei einseitiger Pyonephrose. Ver¬ 
stopfung des Auslührungskanals erzeugt Fieber, es entleert sich nur 
der klare Ha r n der andern gesunden Niere. Fliesst der Eiter aus der 
erkrankten Niere wieder ab, dann wird der Harn zwar wieder trübe, 
aber das Fieber schwindet. Es besteht also hier links neben Blase und 
Rektum eine Eiterung, die nach dem Grade der Retention Fieberung 
erzeugt. Daher links neben der Blase Eindringen in die Tiefe. Es ent¬ 
leert sich ein übelriechender Abszess. Das Fieber schwindet vollkommen. 
Aus der Wunde fliesst zunächst Harn, später Wun dsekret. Beweis: Naoh 
Indigkarmininjektion wird zwar der Harn blau, nicht aber 
die aus der Fistel stammende Flüssigkeit. Ferner zeigt die 
Röntgenaufnahme naoh Füllang der Blase mit Kollargol und 
der Fistel, mit Kontrastin, dass das Ende der Fistel eine Strecke 
weit von der Blase entfernt liegt. Erst hach längerer Bäderbehandlung 
und lokaler Aetzung war Heilung der tiefen Bauchfistel zu erreichen. 
An Stelle des Abszesses blieb eine ausgedehnte Narbenbildung zurück, 
welche die volle Entfaltung der Blase eineogte. Zystoskopisch und 
ebenso nach Kollargolfüllung der JJlase wurde an Stelle der physio¬ 
logischen Rundung eine starke Abplattung der linken Blasenwand fest¬ 
gestellt. 

Betrachten wir nun insbesondere noch die Fisteln an der 
Pars pendula der Urethra. Sehr kleine Fisteln können durch 
Behandlung mit Paquelin geheilt werden. Die Heilung grösserer 
Fisteln ist aber oft recht schwierig. Dieffenbach hielt die 
Operation grosser Harnröhrenfisteln für eine der schwierigsten 
Aufgaben der Chirurgie. Czerny und Lauenstein sprachen 
sich in ähnlichem Sinne aus. Zur Operationsmethode sei kurz 
bemerkt: die einfache Anfrischung der Umgebung der Fistel 
und Naht der etwas mobil gemachten angrenzenden Haut scheint 
nicht zweckmässig zu sein. Mehr Erfolg verspricht folgende ein¬ 
fache Lappenplastik: 

Umsohneiduog der Fistel in der Längsrichtung. Durch das obere 
und untere Ende des in der Längsriobtung verlaufenden Schnitts wird 
je ein Querschnitt gelegt und die Haut beiderseits von der Fistel seit¬ 
lich abpräpariert. So sind zwei seitliche Hautlappen gebildet. Ver¬ 
schluss der Fistel durch Lembert-Nähte. Darüber werden die seitlichen 
Hautlappen vernäht. 

Ein anderes Prinzip verfolgen das Verfahren von Alliot und das 
von Lonmeau. Naoh beiden Methoden wird die Umgebung der Fistel 
in der Form eines Viereoks angefrischt. Nach Alliot soh.ebt man 
einen seitlich gebildeten viereckigen Hantlappen über die Fistel hinweg 
und vernäht ihn mit der Haut an der Grenz» der Anfrischung. Nach 
Loumean werden znvor noch die Fistelränder vernäht. Zur Ent¬ 
spannung der Nahtstelle wird zweckmässig auf der ihr gegenüber¬ 
liegenden Seite ein Entspannungssohnitt der Haut gemacht. 

In einem Falle habe ich die oben erwähnte einfaobe Lappenplastik, 
in einem anderen die Methode nach Loumeau angewandt, beide nioht 
mit endgültigem Erfolg, vielleicht infolge nngünstigar Begleiterscheinungen. 
Voller Erfolg aber trat ein, als lob folgende Grundsätze bei der Be¬ 
handlung verfolgte: Gute Mobilisation der Harnröhre, Naht in 
sohräger oder querer Riohtung, zur Vermeidung einer späteren 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


Verengerung des Lumens, Anfrisohung der Umgebung der Fistel 
in grosser Ausdehnung und Deckung-mit einem guten Lappen 
aus der Umgebung, wobei auf die Sobrumpfung der Lappen nach 
der Ablösung zu achten ist. Bei der ausgedehnten Narbenbildung nach 
SohussTerletiung habe ich gelegentlich auch zwei Lappen nehmen müssen. 
In einen oder beide unteren Wundwinkel wurde je ein kleines Drain 
gelegt und nach einigen Tagen entfernt. Rothschild empfiehlt, einen 
grossen Hautlappen vom Bein zu nehmen, loh habe auch mit Lappen, 
die ich der Skrotalhaut, dem Präputium entnahm, gute Erfolge gehabt. 

Von Bedeutung ist auoh die.Nachbehandlung. Wenn der Harn 
sauer und klar ist, lege ioh keinen Dauerkatheter ein, den ich in solchen 
Fällen für direkt sobädlioh halte. In den ersten zwei Tagen nach der 
Operation wird der Harn mit einem dünnen Nölatonkatheter vorsichtig 
abgenommen. Bei möglidbst wasserarmer Nahrung: war dies nur zwei 
bis dreimal in 24 Stunden nötig. In einem Falle aber, in dem 
der Harn stark eitrig war, habe ich den Dauerkatheter mit Erfolg ange¬ 
wandt. Von der Urethrotomia posterior oder Zystostomie, die vielfach 
zur Ableitung des Harns vorgenommen wird, habe ich in meinen Fällen 
geglaubt absehen zu können. Sehr störend auf die Heilung wirken 
Erektionen. Sie sind schwer zu verhindern. Als bestes Mittel dagegen 
hat sich mir Morphium bewährt. Wenn Pat. das Eintreten der Erektion 
merkte, wurde die Injektion sofort gegeben. 

In 5 Fällen , von Fisteln an der Pars pendula habe ich auf diese 
Weise Heilung erzielt, ln zwei Fällen waren es Fisteln von Mandel- 
bezw. Pflaumen kern grosse an der unteren Wand der Harnröhre, am 
Angulus peno-sorotalis. Sie waren durch Druck eines Metallkatheters 
entstanden. Der Metallkatheter war anderweitig als Dauerkatheter ver¬ 
wendet worden, was selbstverständlich nie angebracht ist. In zwei 
anderen Fällen lag die Fistel etwas proximalwärts vom Sulcus coronarius 
giandis, im anderen Fall etwa daumenbreit vor dem Ansatz des Sorotum. 

II. Blasenflsteln. 

Bezüglich der frisohen Blasenflsteln, aus denen sich im unmittel¬ 
baren Anschluss an Schussverletzungen der Blase Harn entleert, sei auf 
die umfassende und eingehende Arbeit von Kielleuthner verwiesen. 
Bemerkt sei nur, dass bei gut liegendem uud sorgfältig überwachtem 
Dauerkatheter unkomplizierte Fisteln gewöhnlich nach 1—2 Woohen 
heilen. Wie Kielleuthner, habe ich an meinem grossen Material nur 
einen Fall gesehen, bei dem nach der Anamnese eine Spontanheilung 
anzunehmen war. Sind aber Komplikationen vorhanden, dann führt der 
Dauerkatheter allein gewöhnlich nioht zur Heilung. So verhindern 
Fremdkörper in der Blase jede Heilung. Sie sind in erster Reihe zu 
entfernen. Oft tritt danach allein spontane Heilung ein. 

So in einem Falle, bei dem ich aus dem Kavum der Blase und 
ihrer Umgebung 9 Fremdkörper entfernt hatte. Eine Gewehrkugel, die 
in die Mitte des linken Obersohenkels eingedrungen wer, batte auf dem 
Wege duroh die Hosentasohe eine metallene Zigarettenschaohtel ge¬ 
troffen, sie und weiterhin die Symphyse zerschmettert und war selbst 
zerrissen worden. Blech-, Knochen- und Kugelstüoke wurden duroh die 
Wucht des Schusses in und neben die Blase geschleudert. Die Fremd¬ 
körper verlegten gelegentlich die Ureterostien, so dass starke Nieren¬ 
koliken auftraten, die Harnmen^e war vermehrt, der Ham ver¬ 
dünnt, und offensichtlich war eine Ausweitung des Ureters und des 
Becken-Kelch-Systems aufgetreten.j Es bestand eine linksseitige supra- 
pubische Fistel, aus der sich der Harn entleerte. Die Fistel wurde ge¬ 
spalten und aus ihr Knochen- und Geschosssplitter entfernt. Man kam 
in einen Hohlraum, von der Grösse eines Borsdorfer Apfels und von dort 
duroh ein etwa pfennigstückgrosses Loch an der vorderen Blasenwaod 
in das Kavum der Blase. Aus der Höhle neben der Blase und aus 
dieser wurden Knochensplitter, inkrustierte Bleohstüoke, ein pfirsich¬ 
grosser Stein entfernt. Ausspülung, Drain. Da der Harn durch die 
suprapubische Wunde freien Abfluss hatte, wurde kein Dauerkatheter 
eingeführt. Nach 3 Woohen war bei kräftiger Granulation der Bauch¬ 
wunde die Blasenwunde geschlossen. 

Io einem anderen Fälle genügten nioht allein die Entfernung des 
Fremdkörpers aus der Blase — einer inkrustierten Sohrapnellkugel — 
und Dauerkatheterismus zur Heilung der Blasenfistel. Erst musste ich die 
schwartig veränderte mit dem Peritoneum verwachsene vordere Bauoh- 
und Blasenwand in der Umgebung der Fistel operativ beseitigen und 
dann die Blase nähen. Dann Heilung. 

Bemerkenswert war hier zweierlei: 1. vor der Operation die typischen 
Erscheinungen für einen freien Fremdkörper in der Blase: Beim Stehen 
kam bei willkürlicher Entleerung der Harn im Strahl nur duroh die 
Blasenfistel, beim L'egen durch die Urethra. Die Röntgenuntersuohung 
und Zystoskopie zeigte eine Sohrapnellkugel in der Blase. 

2. die eigenartige Iokrustation der Kugel. Sie sah wie ein Kalbs¬ 
auge aus. An einem kleinen Segment die bleierne Oberfläche, von da 
an die allmählich zunehmende Inkrustation. 

Dies war offenbar daduroh entstanden, dass die Kugel zunächst mit 
einem kleinen Segment in den Weichteilen lag, mit der übrigen Ober¬ 
fläche aber in das Blasenkavum hineinragte. Hier war sie von Harn 
umspült, aus dem sich Sedimente auf sie absetzten. Später fiel die 
Kugel in das Kavum der Blase. Beim Einnehmen aufreohter Haltung 
des Patienten fiel die Kugel nach unten und verlegte das Orifioium 
internum der Blase. 

Da die InkruBtationssohicht spezifisch leichter ist als das Blei, kam 
der Schwerpunkt der gesamten Kugel verhältnismässig nabe der Blei¬ 


oberfläche zu liegen. Daher dürfte auch beim Aufstehen des Patienten 
die Kugel mit ihrer bleiernen Oberfläche auf dem Orifizium aufgelegen 
haben, während die übrige Oberfläche der Kugel im Harnbade lag, aus 
dem sich auoh weiterhin Salze an sie ansetzten. 

Bei Substanzverlusten an den unteren beiden Quadranten der Blase, 
insbesondere bei gleichzeitiger Schussverletzung des Rektums, führt ge¬ 
wöhnlich nicht der Dauerkatheterismus, sondern die frühzeitige supra¬ 
pubische Zystostomie mit täglichen Spülungen der Blase bald zur 
Heilung. Wird aber diese Operation erst spät oder überhaupt nicht aus- 
geführt, dann bleiben zumeist die Fisteln. 

Wie schnell sioh eine Buprapubisohe Blasenöffnung naoh 
sofortiger Anwendung des Dauerkatheterismus schliessen 
kann, zeigt folgender Fall: 

Ferdinand B. Nach Verletzung des Beckens ohne Mitbeteiligung 
der Blase oder des Rektums ausgebreitete . tiefgehende prävesikale 
Eiterung. 28. IX. 1917'Aethernarkose, Einführung einer Kornzange in die 
suprapubisohe Fistel. Beim weiteren Vordringen kommt aus der Tiefe 
Eiter. Ohne einen Druck auf die Kornzange auszuüben, indem fast nur 
ihre Schwere wirkt, dringt die Kornzange in die offenbar usurierte und 
in grösserer Ausdehnung der vorderen Bauchwand adhärente Blasen¬ 
wand. Es entleert sioh Harn. Einführung eines Dauerkatheters, 2 dünne 
Drains in die erweiterte suprapubische Wunde. 1. X. Harn klar, 
Katheter entfernt. 3. X. Temperatur normal. Aus der Wunde entleert 
sich weniger Urin. Patient Kann spontan Urin lassen. 7. X. Harn 
nur per urethram, normal entleert. Drain fortgelassen. Danach glatte 
Heilung. 

Da der Harn normal war und bekanntlich bei längerem Liegen des 
Dauerkatheters eitrig geworden wäre, entfernte ich in diesem Falls 
bereits am dritten Tage den Dauerkatbeter. Die Harnentleerung aus 
dem suprapubisch eingeführten Drain liess allmählich nach, und vom 
achten Tag nach der Operation wurde aller Harn per urethram entleert. 
Etwa ein Monat naoh der Operation waren zystoskopisoh an der Stelle, 
an der offenbar die Fistelöffnung bestand, einzelne narbige, steok- 
nadeldünne Streifen vorhanden. 

Naoh Verletzung der Blase und des Rektums kann die Blasenwunde 
heilen, im Rektum aber eine schwer zu heilende Fistel Zurückbleiben. 
Ein solcher Fall sei hier kurz erwähnt, bei dem ich nooh zur Be¬ 
schleunigung der Heilung einen benachbarten Muskel lappen in 
die Wunde einschlug. 

In der rechten Gesässbacke war naoh Heilung der Blasenwnnde 
eine hoch ins Rektum mündende Fistel zurückgeblieben, die dunh Ein¬ 
führung je einer Sonde in die Fistel und das Rektum festgestellt wurde. 
Die Röntgenphotographie ergab noch an der seitlichen Wand des Kreuz¬ 
beins ein Loch, etwa von der Grösse eines halben Zehnpfennigstüoks. 
Nach vergeblicher Kauterisation der Fistel mit Paquelin, täglichen Sitz¬ 
bädern und Aetzungen mit Argentum nitricum brachte ich die Fistel 
schliesslich auf folgende Weise zur Heilung: 

Spaltung der Fistel nach unten. Freilegung des Schusskanals im 
Knoohen; von aussen her nach unten die Knochenwunde schräg ab¬ 
geflacht. An der Innenwand des Knochens ist das Rektum angewachsen. 
Dieses wird stumpf abgelöst. Es zeigt sich ein etwa 1 cm langes spalt¬ 
förmiges Loch im Dickdarm. Paquelinisierung der Fistel. Eine Naht 
ist in der Tiefe hiebt möglich. Ein Muskellappen von dem an¬ 
grenzenden Glutäud wird eingestülpt und über das Loch im 
Darm gelagert. Einführung eines kleinen dünnen Drains nach der 
Knochenfistel. 2 Hautnähte. Ein kleines Drain in den oberen Wund¬ 
kanal eingelegt. Verband. Danach normale Temperatur. Naoh 10 Tagen 
wird aus der untersten Wundöffnung Kot in Spuren entleert, aber 
schon nach etwa 5 Tagen nur wässeriges Sekret. Etwa 57a Wochen 
naoh der Operation Wunde geheilt. Nach zweimaliger vorüber¬ 
gehender etwa 14 Tage währender Oeffnung endgültiger Schluss der 
Fistel und Heilung. 

Schliesslioh sei noch auf einen Fall von Blasen- und Dünn¬ 
darm fiste 1 kurz verwiesen, der insofern bemerkenswert erscheint, als 
im allgemeinen intraperitoneale Blasenverletzungen kom¬ 
biniert mit Darmverletzung für absolut tödlich gehalten 
wurden. Die Heilung in diesem Falle dürfte wohl eine Ausnahme 
bilden. 

Die Fisteln lagen etwa 2 fingerbreit oberhalb der Symphyse. Das 
Röntgenbild zeigte diffus im ganzen Beoken verbreitete Granatsplitter. 
Hohes Fieber. Zunächst konservative Behandlung, Dauerbad, wenn 
Patient nicht im Bade lag Dauerkatheter, Blasenspülungen. Allmähliche 
Verkleinerung der Wunde. Nach Entleerung eines etwa wall nussgrossen 
Sequesters bleibt eine Fistel zurück, aus der sich mit feinsten Granat¬ 
splittern durchsetzter Eiter entleert. Erneute Röntgenaufnahme: Granat¬ 
splitter fast nur im Bereioh der Fistelöffnung oberhalb der Symphyse. 
Die Fistel schliesst sich, bricht aber nach kurzer Zeit von neuem auf. 
Durch operative Entfernung eines Knoohensequesters, von Granat¬ 
splittern und eines etwa murmelgrossen Feldsteins, der mit Granatsplittern 
zugleich in die Wunde eingedrungen wär, gelang es, endgültige Heilung 
zu erzielen. 

III. Ureterflsteln. 

Bezüglich der Ureterfisteln sei auf meine früheren Ausführungen 
hingewiesen *)• Erwähnt sei nur, dass gelegentlich diagnostische Irrtümer 
Vorkommen. So wurden in zwei mir zugeführten Fällen naoh Sohuss- 


1) Zur Chirurgie der Ureteren. 1905, Verlag von Aug. Hirsohwald. 


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10. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Verletzungen auftretende, wässrige Flüssigkeit entleerende Fisteln für 
Ureterfisteln gehalten. Daroh Injektion von Indigkarmin konnte 
ioh aber den Naohweis führen, dass die aus den Fisteln entleerte 
Flüssigkeit 1 nicht Harn war. Der Blasenharn färbte sich naoh 
kurzer Zeit blau, während die Fistelflüssigkeit ungefärbt 
blieb. Es war also Liquor und stammte von Verletzungen der Wirbel¬ 
säule. In zwei anderen Fällen konnte ioh erweisen, dass die im Bereich 
des Ureters gelegenen Fistel nicht mit diesem Zusammenhängen. Ich 
führte eine Sonde in die Fistel, einen Katheter mit Mandrin 
in den Ureter. Die stereoskopische Röntgenaufnahme zeigte 
darauf einwandfrei, dass der Ureter unbeteiligt war. 

IV. Nierenflsteln. 

Nierenfisteln sind jetzt seltener als früher. Bei Hydronephrose 
führt man nicht mehr die Nephrostomie aus, nach der oft Fisteln Zurück¬ 
bleiben, sondern macht eine der rationellen Operationen zur Beseitigung 
des Abflusshindernisses 1 ). Auch wird bei weit vorgeschrittener Pyo- 
nepbrose die Nephrostomie seltener als früher ausgelührt, da die Resultate 
der Nephrektomie sich als besser als die der Nephrostomie herausgestellt 
haben. Selbstverständlich wird aber bei nicht zur Erhaltung des Lebens 
hinreichender Funktion der anderen Niere die Nephrostomie angewandt, 
ebenso auch bei nicht zu weit vorgeschrittener Pyonephrose. Achtet 
man bei der Operation darauf, dass auch jede vereiterte Kelchhöhle 
freien Abfluss naoh dem Becken hin hat, dass kein Stein, Pseudo¬ 
membran oder losgelöstes Gewebsstüok zurückbleibt, das den Harnabfluss 
behindern könnte, dann wird die Nephrostohiie nicht zur Fistel führen, 
vorausgesetzt, dass das Ureterlumen nicht dfurch Stenose oder Knickung 
sehr verengt ist. Zur Verhütung der Bildung einer Nierenfistel führe 
ich naoh dem Vorschläge Albarran’s nach der Nephrostomie sogleich 
einen möglichst dicken Uretherkatheter ein. Kommt man aber bei Ein¬ 
führung des Ureterkateters auf ein Hindernis, 60 kann das dadurch 
verursacht sein, dass der Katheter sich in einer Scbleimbautfalte ge¬ 
fangen hat oder das Ureterlumen durch akut entzündliche Schwellung 
so verengt ist, dass es für den Katheter nicht passierbar ist. Man 
wartet daher zweckmässig einige Zeit. Oft gelingt dann der Katbete- 
rismus bis ins Becken, und die Fistel scbliesst sich sehr bald. 

Wie verhalten wir uns nun, wenn die Fistel nicht heilt, oder wenn 
wir eine lange bestehende Nierenfistel in Behandlung bekommen? Setzen 
wir voraus, dass die obenerwähnten Rarnabflusshindernisse in der Niere 
beseitigt sind, so kann gelegentlich durch sehr langes Liegen eines 
Drains in der Nephrostomiewunde die .Fistelwand narbig werden, in¬ 
krustieren und sich nicht sohliessen. Demgegenüber erscheint mir eine 
Beobachtung an einem anderweit operierten Fall bemerkenswert. Naoh 
der Nephrostomie war eine Nierenfistel zurückgeblieben. Nach etwa 
einem Jahre hatte sie sioh geschlossen und war, als ich den Patienten 
sab, bereits lA/z Jahr geheilt. Die Röntgenphotograpbie zeigte eine 
Inkrustation des ganzen Fistelkanals. Meines Wissens ist das 
bisher nicht bekannt. Die Heilung wird aber im allgemeinen erst er¬ 
möglicht durch Auskratzung der Fistel. 

Bleibt jedoch naoh der Auskratzung die Fistel bestehen, dann muss 
ein Katheter in den Ureter bis ins Becken eingeführt werden. Ob aber 
der Katheter bis ins Becken gelangt ist, lässt sich nur dadurch fest¬ 
stellen, dass von der Nierenfistel aus eingespritzte Flüssigkeit in die 
# Blase dringt, nicht aber umgekehrt; denn in den Ureterkatheter von ! 
unten her eingespritzte Flüssigkeit kann durch das Becken und durch 
die Fistel naoh aussen kommen, auch wenn der Ureterkatketer nicht 
bis ins Becken vorgedrungen ist. Gelangt der Ureterkatheter bis ins 
Becken, dann ist er zweckmässig nach einigen Tagen durch einen 
stärkeren Kalibers zu ersetzen, damit der oft flockige Harn durch ihn 
hindurch in die Blase frei abfliessen kann. 

Wie verhalten wir uns nun Nierenfisteln nach Nephrostomie bei 
Kindern, bei denen nur ein dünnes Ureterzystoskop und ein nur engkali- 
briger Katheter eingeführt werden kann? Ich wandte hier folgende meines 
Wissens nioht bekannte Methode an: 

Bei einem Mädchen von 11 Jahren hatte sich nach der Nephro¬ 
stomie die Nierenfistel nicht sohliessen wollen. Das Nierensekret war 
stark flockig. Duroh das Ureterzystoskop konnte nur ein Katheter von 
Nr. 5 eingefübrt werden. Dieser reichte nioht hin zur Ableitung des 
flockigen Harns. Die Fistel blieb bestehen. Ioh half mir nun damit, 
dass ioh nacheinander zunächst neben dem Ureterkatheter 
eine Sonde und an deren Stelle nach zwei Tagen einen 
zweiten Ureterkatheter Nr. 5 in den Ureter brachte. Da¬ 
nach schloss sich die Fistel. Eine Kontrolluntersuobung nach 
6 Jahren ergab, dass die Fistel andauernd geschlossen geblieben war. 

Ist aber das Hindernis im Ureter nicht zu überwinden, dann kommt 
eine plastische Operation am Ureter, gegebenenfalls bei hinreichender 
Funktion der anderen Niere Nephrektomie in Betracht. 

Von Fisteln naoh Schussverletzungen der Niere sei nur noch ein 
Fall kurz gestreift: 

Die Fistel schloss sich nach tiefer Spaltung der sinuösen para- und 
perinephritischen Sohwarten und Biterabszesse naoh Resektion der 
untersten Rippe. Es blieb Pyelitis zurück. In dem mittels Ureter- 


1) M. Zondek, Retentionsgeschwülste der Niere. Spez. Pathol. u. 
Thor, innerer Krankh. Herausg. von Kraus und Brugseh. 


katheter aufgefangenen Harn zahlreiche Leukozyten, Erythrozyten, 
Staphylokokken, einige hyaline Zylinder. Nach zweimaliger Nieren¬ 
beckenspül ung mit Arg. nitr.-Lösung wurde der Harn klar, und die 
Indigkarminreaktion ergab gute Funktion der Niere. 


Aus dem Reservelazarett VI Dresden. 

Ein pathogener Diplokokkus der Harnorgane 
und seine Autovakzinebehandlung'). 

Von 

Dr. E. Pfister (früher Kairo), und Dr. W. Bühne, 

ordlu Arzt der urolog. Station, Abt.-Vorstand im 8äehs.Sernmwerk, Dresden. 

In der Bakterienflora der Harnorgane spielen auch die Diplo¬ 
kokken ihre Holle, teils als pathogene, teils als harmlose Schma¬ 
rotzer. Ausser dem wichtigsten, dem Gonokokkus, ist eine Reibe 
anderer Diplokokken bekannt und beschrieben worden, z. B: der 
Diplococcus pyogenes, non pyogenes, Pseudogonococcus, Diploc. 
subflavus, candidus, trifoliatus, iiquefaciens u. a. m. Viele von 
ihnen, hauptsächlich aus der Harnröhre stammend, sind nur un¬ 
deutlich beschrieben und charakterisiert worden, so dass ein 
neuer Mikroorganismus auch dieser Gattung und das Ergebnis 
der Vakzination eine kurze Schilderung verdient, zumal, wenn er 
deutliche Charakteristika zeigt, die ihn von den bisher beob¬ 
achteten in wesentlichen Punkten unterscheiden. 

Der den Diplokokkus führende Urin stammt von dem Offizierstell¬ 
vertreter H, der, früher nie krank gewesen, auch an Gonorrhoe nicht, 
im April 1918 erkrankte, über Kreuz- und Kopfschmerzen klagte qnd 
Albuminurie zeigte; keine Oedeme, weisslich getrübten Harn aufweisend. 
Eine vorübergehende Besserung der Beschwerden ohne Klärung des 
Urins trat ein und nach einer Erkältung kamen die Kopf- und Krenz- 
sohraerzen aufs Neue. Im Reservelazarett für Nierenkranke in Langebrück 
bei Dresden, wo ich den Kranken zum erstenmal auf der Abteilung von 
Herrn Oberstabsarzt Dr. Müller untersuchen konnte, zeigte der Urin 
weisslich-milchl'ohe Färbung, im Sediment sehr viele weisse und rote 
Blutkörperchen nebst auffallend viel grampositiven Diplokokken; da¬ 
neben war eine Prostatitis mit viel Eiterzellen ohne Bakterien vor¬ 
handen. Die Funktionsprüfnng ergab erhebliche Störung der Aus- 
scheidungs- und Konzentrationsfähigkeit der Nieren; der Augen¬ 
hintergrund war o. B, Wassermann negativ, Röntgenbild der Nieren' 
negativ. Der Blutdruck betrug 111 — 121 R.R, der Eiweissgehalt 
schwankte zwischen 0,1—1,0 pCt.; die Urinmenge war normal. Deutlich 
erhöbt war der Reststickstofl im Blute, der 64 mg auf 100 com Serum 
betrug; bei Arbeitsbelastung stieg der Eiweissgebalt Mit Rücksicht auf 
die Kopf- und Kreuzsrhmerzen, die mangelhafte Nierenfunktion und die 
Erhöhung des Reststickstoffes im Blute musste eine Erkrankung der 
Nieren und mit Berücksichtigung der Pyurie auch eine solche des 
Nierenbeckens angenommen werden, also eine chronische Pyelonephritis 
ohne Zylinder, daneben eine aseptische Prostatitis; zystitische Anzeichen 
traten nicht hervor, Zystoskopie mit Sondierung der Harnleiter zur 
Sicherung der Diagnose Mess Patient leider nicht zu, obwohl sie über 
Ein- oder Doppelseitigkeit der Erkrankung Aufschiass gegeben hätte; 
doch lässt sich wohl aus dem ganzen Krankheitsbilde der Nieren- 
insuffizienz und Erhöhung des Reststickstoffes an der Doppelseitigkeit 
nicht zweifeln; um eine der typischen Kriegsnephritiden handelt es sich 
aber augenscheinlich nicht. Im Sediment Hessen sich zahllose gram¬ 
positive Diplokokken nachweisen, sowohl intra- als extrazellulär gelagert. 
Der Urin wurde, steril entnommen, zwecks Herstellung einer Anto- 
▼akzine, der bakteriologischen Abteilung des Sächsischen Serumwerkes 
in Dresden eingesandt. 

Naoh 24 Stunden bei 37° wuohsen auf lakmusalkalischen Agar¬ 
platten ausserordentlich feine, griesliche Kolonien, die innerhalb zwei 
Tagen etwas stärker angingen, jedoch auch später stets zarter noch 
blieben als z. B. ein guter Goaokokkenstamm auf Serumagar. Auf den 
Differentialnährböden, die vorher mit dem Zentrifugat in Vermutung des 
Bacterium coli beschickt worden waren, wuchs nichts. Nach weiteren 
Bouillonpassagen erreichten die einzelnen Kolonien auf der Agarplatt.e 
schliesslich einen Durchmesser von V 50 —Vio B® 1 anfangs zögerndem 

Wachstum ging der Stamm unter Gewöhnung an das Näbrsubstrat, so¬ 
dann auch auf gewöhnlichem Scbrägagar- und Serum agarstrich (Pferde¬ 
blutserum) gut, d. h. immer in erwähntem feinen Wachstum, an. Bei 
schwacher Vergrösserung erwiesen sich die einzelnen unregelmässig ge¬ 
fransten, abgegrenzten Kolonien als undurchsichtig, grausobwarz, fein 
gekörnt, mit noch dunklerem Kero. Der Objektträgerau9strioh vom 
Sohrägagar Hess mit gewöhnlichen Anilinfarben leioht färbbare, gram¬ 
positive, ovoide Diplokokken erkennen. Sie bilden gern durch Seiten-* 
iagernng Tetratenform und unter Beibehaltung solcher Lagerung zu 6 
bis 20 und mehr Paaren Haufen. Die Grösse der einzelnen Diplokokken 
entspricht ungefähr derjenigen der Pneumoniekobken, doch zeigen sie. 
von diesen schon im mikroskopischen Lagerungsbild als im weiteren 


1) Naoh einem Vortrage in der dermatologisoh-urologisohen Ver¬ 
einigung Dresden. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45 


kulturaellen Verhalten und bezüglich ihrer Mäusepathogenität genügende 
Unterscheidungen. — Auf das weitere Verhalten in der stets klar bleiben- 
den Bouillon, in Milch, Ausböhlen der Gelatine, das anaerobe Waohstum, 
die Indolbildung u. s. f. sei im Interesse der Raumersparnis hier nioht 
ausführlicher eingegangen. 

Zur Feststellung der Tierpathogenitat wurden vier Mäuse mit V 4 » 
V 2 und sogar 1 ccm und ein Meerschweinchen mit 2 ccm Bouillonkultur 
subkutan gespritzt, die sämtlich ohne beträchtliche Veränderungen des 
Allgemeinbefindens am Leben blieben, wenn auch leichte Erkrankung 
durch die Injektion ausgelöst wurde. 

Die Berechtigung, den hier gefundenen Diplokokkus ätiologisch als 
pathogenes Bakterium des geschilderten Prozesses anzusprechen, leiten 
wir aus der Tatsache her, das9 

1. seine Züchtung aus dem kranken Urin in Reinkultur gelang, 

&. im Blute des Patienten Agglutinine in der für Kokken beachtens¬ 
werten Titerhöhe vojj 1 : 500 nachweisbar waren, 

3. sofort naoh Beginn der Auto Vakzination Klärung des Harnes ein- 
trat und die Diplokokken neben Hebung des Allgemeinbefindens 
aus dom Harn verschwanden. 

Welche Rolle dieser Diplokokkus in den Harnorganen spielt, ob er 
an sich oder nur fakulativ pathogen ist, lässt sich aus dem Vorliegenden 
nioht ersehen; dieser Diplokokkus scheint allerdings äusserst selten auf- 
zutreten, da er im hiesigen Institut bei einer grossen Anzahl laufender 
bakteriologischer Harnuntersuchungen bisher noch nie gefunden wurde. 
Soweit uns die noch hier einschlägige Literatur bei den herrschenden 
Schwierigkeiten zugängig lar, konnten wir diesen Mikroorganismus mit 
keinem der bisher einigermaassen untersuchten Kokken, die aus Urin 
gezüchtet oder in der normalen und kranken Urethxa vorgefunden 
wurden, identifizieren. Seine spezifischen Charakteristika ersehen wir 
einmal schon in seiner ungewöhnlichen Zartheit auf allen Nährböden, 
die Gonokokkenwachstum auf Serumagar im Vergleich fast üppig er¬ 
scheinen lässt; hierdurch scheiden bereits die meisten verwandten 
Kokken aus, ferner sein Verhalten auf dm gebräuchlichsten Nährsub¬ 
straten, sodann zur Gramfärbung, seine Gruppierung im mikroskopischen 
Präparal und seine Beherrschung des klinischen Bildes berechtigen da¬ 
zu, ihn gesondert zu führen. 

Dieser Diplokokkus wurde zu einer Auto-Vakzine verarbeitet, die 
in 1 ccm 20, 50, 100, 250 Millionen Keime enthielten. Als der Erfolg 
der Vakzine sich sofort, auch für den Patienten sichtbar, durch Klärung 
des Harnes bemerkbar machte, wurde neue Vakzine hergestellt von 500, 
1000, 2000, 3000 Millionen Keimen im ccm. 

Die Erfahrungen mit Vakzinebehandlung sind bei Diplokokken in 
der Urologie noch sehr gering; weitaus die meisten beziehen sich auf 
Kolistämme, zumal bei Pyelitis. Die Absicht, die bisherigen Erfahrungen 
such auf andere als pathogen erkannte Mikroben auszudehnen, liesa 
diesen besonderen Fall zur Autovakzination geeignet erscheinen. 

Hierbei trat, wie schon kurz bemerkt, schon nach den ersten In¬ 
jektionen eine deutliche Aufhellung des sonst stets weissliohen, milchigen 
Urins ein, also eine deutliche Abnahme des Eitergehaltes, so dass die 
Behandlung, durebgeführt, mit erhöhten Dosen fortgefübrt wurde, bis die 
gelegentlich noch wieder auftretenden Trübungen bleibend verschwanden, 
so dass der Erfolg für die Erkrankung des Nierenbeckens augenscheinlich 
war, zumal wenn man bedenkt, dass durch innere Harndesinfizientia, Wil- 
dunger Wasser, BlasenspüluDgen u. s. f. monatelang vorher nichts erreicht 
worden war. Nioht gleichen Schritt damit hielt fiie Beeinflussung der nephri- 
tischeo Symptome: die Albuminurie schwand nicht völlig, ging mehrmals 
auf 0,1 pM. herunter, hielt sich aber meist zwisoben 0,8 bis 0,4 pM., mehr 
als dem unbedeutenden Eitergehalte entsprochen hätte. Eine Funktions¬ 
bestimmung der Nieren bei Abschluss der Vakzination ergab gleich 
schlechte Funktion für Konzentration und Ausscheidung wie früher. 

Die Wirkung der Vakzine war demnach eine partielle, elektiv auf 
das Nierenbecken beschränkte, wie dies ja für die Vakzinebebandiurg 
der Pyelitis überhaupt bekannt ist. Vielleicht darf nach Ausheilung der 
Nierenbeokenerkrankuüg, die leider durch Lokalbehandlung mit Spülungen 
der Nierenbecken wegen Weigerung des Pat. nioht unterstützt werden 
konnte, auch für die Nieren selbst eine wohltätige Beeinflussung noch 
mit der Zeit erwartet werden. Der Pat. hat jetzt jedenfalls einen völlig 
klaren Harn und ein blühendes Aussehen und fühlt sich bedeutend besser; 
Kopf- und Kreuzsohmerzen sind verschwunden. 

Was den Befund von Bakterien im Urin, im besonderen bei Nephri¬ 
tis, anbetrifft, eo ist bekanntlich stets zu unterscheiden, ob rs sich um 
Zufälligkeiten oder um Passanten der Nieren handelt oder um ätiologisch 
in Betracht kommende pathogene Bakterien, mit welcher Frage sich z.B. 
E. Scheidemandel 1 ) befasst bat, und es kämen dann für die Nieren 
hierbei hauptsächlich die von den Bakterien erzeugten Giftsteife als 
Hauptnoxe in Betracht. Naoh seinen Feststellungen kommt auf ICO Fälle 
von Infektionen der Harnwege 1 mal ein Diplokokkus. Jedenfalls hätte 
die ätiologische Behandlung der Nephritis im bakteriellem Sinne — wie 
* zumeist — so auch hier versagt. Um so befriedigender war sie für die 
Pyelitis. Die Kläruog des Harnes infolge von Abnahme des Eiterge¬ 
haltes erfolgte prompt und dauernd, ebenso das Versohwinden der Rücken¬ 
schmerzen und Hebung des Allgemeinbefindens. 


1) E. Scheidemandel, Ueber die Bedeutung der bakteriologischen 
Harnuntersuchung für die Diagnose und Therapie (speziell der akuten 
Nephritis. M. m.W., 1913, Nr. 81 u. 82 u. a. 0. 


Bezüglich der Invasion der beschriebenen Diplokokken lag 
es mit Rücksicht auf die vorhandene Prostatitis nabe, an einen 
der vielen D'plokokken der Harnröhre zu denken, also an eine 
urothrogene Infektion der Prostata und, aufsteigend., der höheren 
Haruwege; doch fehlte eben dieser Diplokokkus sowohl in der 
Harnröhre als auch in der Prostata, die auch kulturell steril 
waren, so dass am wahrscheinlichsten eine hämatogene Infektion 
erscheint; welche die Nieren und Nierenbecken befiel, vielleicht 
auch eine Zystitis und daran anschliessend eine anfsteigende In¬ 
fektion der Nierenbecken nnd Nieren (zystogene Pyelonephritis) 
hervorbraebte; jedenfalls aber stehen wir nicht an, den be¬ 
schriebenen Diplokokkus ätiologisch in Anspruch in. nehmen, 
sei nnn der Infektionsmodus auf oder absteigend gewesen. Sicher 
wiesen die Initialsymptome der Erkrankung mehr auf die Nieren 
als die Blase hin. Therapeutisch lehrt aber der Fall, dass man 
auch in anderen als durch Bakterium coli hervorgerufenen In¬ 
fektionen des Harnapparates die Beeinflussung des Prozesses durch 
Autovakzination mit Erfolg anwenden kann. 


Tragbare Uebungsapparate für Amputierte mit 
Muskelkanäleu nach Sauerbruch’). 

Vh 

San.-Rat Dr. Max Blamentfcal Berlin. 

Bei den nach Sauerbruch kanalisierten Amputierten ist 
die Einübung der neugewonnenen Muskelfunktion von ausschlag¬ 
gebender Wichtigkeit für ihre spätere Verwendung bei der Be¬ 
dienung der Prothese. Liegt in dieser Beziehung schon recht 
vieles im Argen während des klinischen Aufenthaltes der Ampu¬ 
tierten, so steigern sich die traurigen Folgen einer mangelnden 
Einübung der Mnskeln, wenn die Leute in die Ambulanz oder 
gar in die Heimat entlassen sind, bevor ihr Kunstglied berget«teilt 
ist. Auch schon nach kürzeren (4 wöchentlichen) Pausen sieht 
man in manchen Fällen ein völliges Versagen der Muskeln — 
wie andererseits auch dasselbe bei jähen übermässigen An¬ 
strengungen der Muskeln zu beobachten ist. Um diesen Uebeln 
abzuhelfen, lasse ich den Amputierten, sobald es die Heilnngs- 
vorgäoge gestatten, resp. sobald sie mir überwiesen worden 
sind, einfache Uebungsapparate („Uebungsarme“) anfertigen, welche 
stundenweise, halbe oder ganze Tage getragen werden können. 
Das Gestell, dessen einfachste Anordnung bei Biceps- und Triceps- 
kanalisierten Oberarmamputierten auf Abb. 1 und 2 dargestellt 
ist, wird von den Muskelzugscbnüren selbst an den Stampf an¬ 
gedrückt gehalten; der Zug geschieht an Spiralfedern, welche 
durch angemessene Spannung bis za einem gewissen Grade die 
fehlenden Antagonisten ersetzen; sie sind in den' Boden einer 
8—10 cm langen und mit einem Längsschlitz versehenen Büchse* 
eingehängt und tragen eindh im Schlitz erscheinenden Mitnehmer, 
welcher als Zeiger dient. An der einen Seite des Schlitzes ist 
eine */* cm-Einteilnng für den Weg, an der anderen eine durch 
Aichung festgestellre Einteilung für den Kraftaufwand in */ 3 kg 
durch eingeschlagene Striche und Zahlen kenntlich gemacht, so 
dass der Amputierte seine Arbeitsleistung stets genau kontrollieren 
und die Fortschritte selbst verfolgen kann. Es trägt das, wie 
ich immer wieder bemerke, viel dazu bei, das Interesse an der 
Einübung wacbzuhalten und nicht weniger auch die Langmut der 
Amputierten zu stärken, mit welcher sie zuweilen auf die Aus¬ 
führung ihrer Piothese warten müssen. 

Ein weiterer nicht minder wichtiger Zweck der Uebnngs- 
apparate ist die Umstellung der Musketfurktion in denjenigen 
Fällen, in welchen gesunde höher aofwärts liegende Muskeln 
kanalisiert worden sind. Als Erläuterung diene Abb. 3—5. Bei 
dem Unterarmamputierten H. sind 8 Kanäle angelegt (Operateur 
Herr Esser), der eine durch die amputierten Hand- und Unter- 
armbenger, der zweite durch den Biceps braebii (dessen Sehne 
nebst Lacertns fibrosus abgetrennt .ist), der dritte durch einen Teil 
des Latissimus dorsi. Um den Biceps, welcher an der Unterarm- 
bengung jetzt nicht mehr teilnimmt, seiner neuen Aufgabe zuzu- 
fübren und ibn an die veränderten Dehnungs- und Elastizitäts- 
Verhältnisse zu gewöhnen, ist das Gestell, im Ellbogengelenk in 
mehreren Winkel lagen durch einen einfachen Handgriff fixier bar 
(völlige Streckung in Abb. 8 und 4). Erst diese Vorübungen 


1) Vortrag, gehalten in der Berliner orthopädischen Gesellschaft 
am 21.. Juli 1919. 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 






10. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1065 


Abbildung 1. 


Abbildung 2. 




befähigen den Muskel nachher zu selbstän¬ 
diger Tätigkeit. Anderer Art ist die interessante 
Funktionsumstellung am Latissimus, bei welchem der 
kanalisierte Teil desselben gegenüber dem Rest als be¬ 
sonderes Muskelindividuum aufzufassen und als 
solches auszubilden ist (Abb. 5). In diesem Falle 
ist def einfacheren Technik wegen die Spirale ohne 
Mess-Büchse angebracht. Die Leistungen aller drei 
Muskelgruppen sind schon nach wenigen Tagen der 
Einübung ziemlich befriedigend (Demonstration). 

In dem dritten Beispiel, das ich hier noch an- 
führen will 1 ), ist bei dem in der Schulter „exarti¬ 
kulierten“ Herrn B. mit noch vorhandenem beweg¬ 
lichen Humeruskopf der Pectoralis major kanalisiert 
(Operateur Herr Unsrer). Auch in diesem Falle ist 
die Einübung an dem Uebungsapparat von besonderer 
Wichtigkeit. Ich bin, nachdem ich an einer Reihe 
von einfachen und komplizierteren Fällen meine Er¬ 
fahrungen gesammelt habe, der Ansicht, dass eine 
Einübung mit derartigen tragbaren Appa¬ 
raten in jedem Falle dem Anlegen der Kunst¬ 
glieder selbst vorherzugehen hat. 

1) Aufnahme der betreffenden Abbildungen wurde 
versagt. 


Abbildung 4. 



. Abbildung 3. 



Abbildung 5. 



Vorschläge zur Tuberkulosebekämpfung nach 
dem Kriege in Frankreich. 

Uebersichtsreferat. 

Von 

J. W. Samson. 

Es ist in der letzten Zeit eine umfangreiche Literatur über das 
Ansteigen der Tuberkulose in bezug auf Morbidität und Mortalität ent¬ 
standen, und es ist darauf hingpwiesen worden, dass der Krieg mit 
seinen tief in die sozialen und individuellen Verhältnissen eingreifenden 
Folgen als Ursache dieser traurigen Folgen an gesprochen werden darf. 
Erwähnt sei hier nur, dass die Sterblichkeit an Tuberkulose in Preussen, 
über die wir eine ausgezeichnete Kurvendarstellung vom Jahre 1876 bis 
1916 besitzen, im Jahre 1917 an dem Punkte endigt, wo sie 1893 auf 
einer von 1876 an schnell abfallenden Kurve hält, nachdem sie bereits 
1913 eine ganz wesentliche Abnahme gegen 1918 gezeigt hatte, d. h. 
also mit anderen Worten, dass wir durch den Krieg etwa auf den Stand¬ 
punkt von 1898 zurückgeworfen sind, wobei leider konstatiert werden 
muss, dass die Lage von 1918—19 aller Wahrscheinlichkeit nach noch 
eine weitere Verschlechterung bedeutet. Für Berlin liegen die Verhält¬ 


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nisse, wie für alle grossen Industriezentren, dabei besonders ungünstig, 
denn hier ist etwa im Jahre 1917 der Stand von 1889 wieder erreicht, 
so dass man also mit tiefer Bekümmernis feststellen muss, dass die Er¬ 
folge io der Tuberkulosebekämpfung der letzten 20 Jahre durch den 
Krieg vernichtet sind. 

Was hier für Gebiete des Deutschen Reiches gesagt worden ist, gilt 
aber auoh für andere europäische Länder, in denen man in den letzten 
Jahrzehnten der Tuberkulose mit vielem Interesse und beachtenswerten 
Erfolgen zu Leibe gegangen ist. Frankreich, das bekanntlich bezüglich 
der Tuberkulosesterblichkeit von jeher einen nicht sonderlich günstigen 
Platz unter den Kulturnationen eingenommen hat, hat, ebenso wie 
Deutschland, ein erhebliches Anwachsen der Tuberkulose zu verzeichnen. 
Diese Tatsache sowohl als der Wunsch, dieser Volksseuche Herr zu 
werden, kommt in der französischen Literatur und in den Verhandlungen 
der gelehrten Gesellschaften zu einem lebhaften Ausdruck. Wenn im 
folgenden aus diesen Erörterungen einiges kurz angeführt wird, so kann 
dieses nicht zum Tröste dafür dienen, dass wir hinsichtlich dieses Un¬ 
glücks nicht allein stehen, sondern vielmehr um der Frage halber 
geschehen, ob und was wir aus den Vorschlägen die jenseits des 
Rheins gemacht werden, für unsere Verhältnisse etwa lernen können 
und gleichzeitig die praktischen Forderungen der beiden Nationen ver¬ 
gleichen. 

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UMIVERSITY OF IOWA 

























1066 BERLIN RR KLINISCHE; WOCHENSCHRIFT._ Nr. 46. 


Guinon 1 ) beriohtet über die Wohnungsbesuche, und seine Aus* 
führungen lassen sich etwa wie folgt zusampnenfassen: 

Es wird behauptet, dass die Tuberkulosebekämpfung vor dem Kriege 
sehr unvollkommen war wegen des nicht genügend ausgebauten Systems 
der Fürsorgeschwestern, die Wohnungsbesuche zu machen hatten. Mit 
amerikanischem Gelde sind zahlreiche Fürsorgestellen in Frankreich für 
die an Tuberkulose erkrankten Soldaten gegründet. Das amerikanische 
Rote Kreuz hat Kinderasyle gegründet, Fürsorgestellen in Paris und in 
der Provinz. Das Sanatorium hat nur eine individuelle Tätigkeit, es 
strebt danach, die geringe Zahl der Kranken, die es aufnimmt, zu 
bessern oder manchmal zu heilen. Es hat auch eine soziale Wirkung, 
da es die Familie beschützt, indtm es den Kranken daraus entfernt uqd 
erzieht. Das Krankenhaus nimmt die unheilbaren Fälle zu spät auf, 
wenn sie die Krankheit bereits ausgestreut haben. Die Seehospize 
nehmen die für die Krankheit Disponierten und die leichterkrankten 
Kinder auf und sohieben den Ausbruch der Krankheit hinaus, verhindern 
sie oder unterbinden einen akuten Ausbruch. Die Unbeständigkeit der 
Heilungen zeigt sich oft unter den Kindern der Pariser Krankenhäuser. 
Die Tuberkulosefürsorge versorgt die Tuberkulosen aller Grade. Malvez 
in L ; ege, Calmette in Lille haben erkannt, dass die Durchführung 
allep in der Fürsorgestelle gegebenen Ratschläge nur durch eine be¬ 
sondere Mittelsperson, die dem Fürsorgearzt beigegeben ist, durebgeführt 
werden kann (e.quö eur). Dieser ist einer von den geheilten Arbeitern, 
aber er erfüllt nur einen Teil der Aufgabe, welche die Wohnungs- 
sohwester auszufübren hat. Aiteh sie macht eine Nachfrage in sozialer, 
hygienischer und moralischer Hinsicht, sie erleichtert die Aufgabe des 
Arztes, indem sie ihm die Anamnese des Kranken und die für die 
Diagnose nötigen Unterlagen liefert. Gut eingearbeitete Fürsorge¬ 
schwestern bereiten den Objektträger für die Bazillen Untersuchung vor. 
Danach wird die Fürsorgeschwester aber die Ausführerin der ärztlichen 
prophylaktischen Maassnahme im Hause des Kranken. Sie kümmert 
sich um die Spuckflaschen, Desinfektion des Auswurfs, der Wäsohe, 
Lüftung der Wohnung usw., indem sie immer eine individuelle Für¬ 
sorge in Rücksicht auf die Besonderheit der betreffenden Familie treibt. 
Sie macht die Eingaben zur Aufnahme in die Ferienkolonien, die See¬ 
hospize oder die Sanatorien. Nach der Rückkehr der Kinder besucht 
sie sie wiederum zum Zwecke weiterer Ueberwachung, Temperatur- 
messung usw. Sie überwacht die Reinlichkeit in der Wohnung und 
kümmert sich um das tägliche Wohl und Wehe der Kinder. 

Guinon weist mit Recht darauf hin, dass es sich hier um eine 
ebenso wundervolle wie dankbare Aufgabe für die Frauen handelt, und 
er verlegt den Schwerpunkt der Tuberkulosebekämpfung in die Familie 
durch die . Hand der Besuchssohwester. Mit amerikanischer Hilfe hat 
dieses System wichtige Ergebnisse gezeitigt. In diesem Zusammenhänge 
wird auf die Wichtigkeit der Bekämpfung der Tuberkulose in den 
Schulen hingewiesen. Lehrer und Schularzt machen gemeinsamere er¬ 
holungsbedürftigen Kinder ausfindig. Erwähnt sei, dass .die Schulkasse 
an solche Kinder Lebertran und Fleischpulver verteilen lässt und dass 
eine Sohulkantine für Verbesserung der Ernährung bedrohter Kinder 
sorgt. Bis zur. Verschickung des gefährdeten Kindes vergeht indessen 
eine Zeit, in welcher es allen häuslichen Schädlichkeiten noch weiterhin 
ausgesetzt ist. Hier hat die Fürsorgebesuchsschwester einzugreifen, in¬ 
dem sie für Abstellung all dieser Schädlichkeiten in der Familie nach 
Maassgabe des Möglichen sorgt. 

Die grosse Bedeutung dieser Fürsorgebesuchsschwestern hat die 
amerikanische Kommission Rockefeller veranlasst, diese Einrichtung in 
Frankreich zu entwickeln, indem sie Schulkassen eingerichtet hat, welche 
die Besuchsfürsorgeschwestern besolden. So wird die Besuchsfürsorge¬ 
schwester zu einer sehr wesentlichen und wirkungsvollen Unterstützung 
des Arztes, welcher sich durch sie nicht behindert fühlen darf, sondern 
ihr die Wege im eigensten Interesse ebnen muss. 

Ueberbtiokt man diese Ausführungen, so lässt sich im grossen und 
ganzen sagen, dass die darin gesteckten Ziele von der deutschen Tuber¬ 
kulosefürsorge nach Maassgabe der besonderen örtlichen Verhältnisse 
und der Möglichkeit in dieser Zeit des Mangels durchgeführt sind. Der 
Gedanke, dass eine Mittelsperson aus den Kreisen der geheilten Patienten 
zur Unterstützung des Arztes für die Durchführung aller häuslichen 
Schutz- und Fürsorgemaassnahmen besonders gut zu sorgen in der Lage 
ist, weil sie gewi9sermaassen als eine lebende Reklame des Systems 
wirkt, ist zweifellos glücklich. Gerade bei uns, wo jetzt eine besondere 
Neigung für Arbeiterräte und dergleichen Einrichtungen vorhanden ist, 
könnte eine solche Maassnahme, zur ständigen Einrichtung erhoben, von 
Nutzen sein. Tatsächlich betätigen sioh ja hier und da bereits geheilte 
Patienten und Patientinnen besonders wirksam auf dem Gebiete der 
Tuberkulosefürsorge. Ich kann aus eigenster Erfahrung sagen, dass 
z. B. in Berlin cm von einer schweren Tuberkulose geheilter Patient, 
der übrigens einer der ersten von Robert Koch erfolgreich mit Tuber¬ 
kulin behandelten Fälle war, als Helfer des Samariterbundes vom Roten 
Kreuz seine diesbezügliche Tätigkeit mit besonderem Erfolge und Ver¬ 
trauen von seiten der Bevölkerung ausfübrt. Die besondere Anstellung 
von Wohnungsbesuoherinnen bei Schulkindern auf Kosten e'ner zu diesem 
Zwecke eingerichteten Schulkasse würde bei dem deutschen System eine 
Dezentralisation der Fürsorgemaassnahmen bedeuten, denn in der bereits 
in früheren Jahren erlassenen Bestimmung über die Ablegung einer 
Prüfung der Tuberkulosefürsorgesohwestern ist der Beachtung der 

1) Guinon, Infirmiöres visiteuses. La presse möl., 24. Febr. 1919, 
Nr. 11. 


Wohnung in allen ihren Einzelheiten und dem Schutze gefährdeter, 
schwächlicher oder bereits infizierter Kinder ein breiter Raum gegeben. 
Die verschiedensten Organe der Tuberkulosebekämpfung in Deutschland 
haben nach dieser Richtung hin in den letzten Jabren ausführliche 
Dienstanweisungen für die bei ihnen beschäftigten Fürsorgesch western 
gegeben. Um zu zeigen, wie weit dem Gedanken von Guinon bei uns 
Rechnung getragen ist, möge nur ein Beispiel dienen aus der Dienst- 
anweisung lür Tuberkulosefürsorgerinnen, herausgf geben vom Verein zur 
Bekämpfung' der Tuberkulose im Regierungsbezirk Wiesbaden. Dort 
heisst 6 b an einer Steile in dem Abschnitt über Wohnungsbesuche: „Fest¬ 
stellung, nach welcher Richtung die Fürsorge sich zu erbtreoken hat“, 
worunter sich alle die hinlänglich bekannten Bestimmungen, u. a. auch 
die Bestimmung „Zumietung eines Zimmers, Anweisung eines Bettes 
oder Bettschirmes zur Absonderung oder sonstigen Unschädlichmachung 
des Kranken** befinden. Ferner bei gefährdeten Kindern „Milchfrüh¬ 
stücke in den Schulen, Luft und Sonnenbäder, Turnspiele, Wanderungen, 
Waldschulen, Schulzahnpflege, Ferienkolonien, Sool- und Seebäder, Unter¬ 
bringung in Anstalten, geeigneten Familien u. a.“ Dabei ist selbst¬ 
verständlich der Isolierung des Kranken durch Ueberweisung in Heil¬ 
anstalten, Krankenhäusern, Tuberkuloseheimen'usw. ebenfalls ausführlich 
gedacht. Die Landesverstcherungsanstalteu haben zu einem grossen Teil 
diese Gedanken sowohl duroh ausgedehnte Organisation als auch durch 
die ihnen oft reichlioh zur Verfügung stehenden Mittel im grossen Um¬ 
fange in die Praxis umgesetzt. 

Nachdem bereits im Jahre 1913 1 ) die französische Akademie der 
Medizin hinsichtlich der Anzeigepflicht bei Tuberkulose den Beschluss 
gefasst batte, dass sofort nach der Diagnose jeder Fall von offener 
Tuberkulose im öffentlichen Interesse gemeldet werden soll, steht neuer¬ 
dings die Frage der Meldepflicht wieder im Vordergrund des Interesses. 
tarn Vergleich, mit den deutschen Verhältnissen sei erwähnt, dass bis 
jetzt in Preussen eine Meldepflicht nur für die Todesfälle an Tuber¬ 
kulose besteht, während Sachsen bereits im Jahre 1900, Baden 1902, 
Württemberg 1910 die Anzeigepflioht bei Tuberkuloseerkrankungen ein¬ 
geführt haben. Was das Ausland anbelangt, so hat Norwegen im Jahre 
1900, Dänemark 1905, Schweden 1914 hierhingehende Bestimmungen er¬ 
lassen, ebenso mehrere Kantone der. Schweiz 1909—1910. In aller- 
neuester Zeit bat das deutsoh-österreichisobe Landesamt für Volks¬ 
gesundbeit (24. Jan. 1919) Anzeigepflicht für jeden Fall von Erkrankung 
oder Tod an ansteckender (offener) Lungen- oder Kehlkopftnbcrkulose 
verordnet und zwar für alle Kranken- und FürKorgeaostalten»* sowie 
Wohngemeinschaften, bei Einzelpersonen mit der Einschränkung „wenn 
eine Weiterverbreitung der Krankheit zu befürchten islV Unter an¬ 
steckender (offener) Tuberkulose sind alle Fälle von Lungen- oder 
Kehlkopftuberkulose zu verstehen, bei denen Tuberkeibazillen nachzu* 
weisen, oder die Kranken schon durch ihre klinisoheu Erscheinungen 
(vorgeschrittenes Stadium) als Bazillenausscheider erkennbar sind. Es 
ist damit hier auch den Fällen Rechnung getragen, bei denen der B&- 
zillennaohweis nicht gelingt, und in einer weiteren Anweisung auch 
solcher Fälle von geschlossener Tuberkulose, bei denen durch ungünstige 
Wohnverhältnisse eine gewisse Ansteckungsgefahr (vor allem für mit¬ 
wohnende Kinder im Kleinkinderalter) gegeben ist. 

Sehen wir uns nun den Beschluss der Pariser medizinischen Gesell¬ 
schaft vom/ 11. April 1919 2 ) an. Dort heisst es: „Die medizinische 
Gesellschaft kommt zu dem Schluss 1. dass die obligatorische Melde¬ 
pflicht der Tuberkulose nicht die conditio sine qua non in der Organi¬ 
sation und Wirksamkeit der Tuberkulosebekämpfung ist, dass mit ihr 
der Kampf nicht zu beginnen braucht, solange wenigstens nicht, als man 
dafür nicht dem Kranken spezifische und durchschlagende Heilmethoden 
bieten kann oder eine strenge Isolierung, die genügt, um die Gesamtheit 
zu schützen; 2. dass die Meldepflicht gegenwärtig auf den unangenehmen 
Schluss hinauslaufen würde, eine Zahl von Kranken zu erfassen, welche 
in gar keinem Verhältnis zu den Mitteln steht, welohe den öffentlichen 
Dienststellen zu ihrer Versorgung stehen, und dass unter diesen Um¬ 
ständen die obligatorische Meldepflicht nioht allein' unnütz, sondern 
überflüssig und unannehmbar ist; 3. dass, wenn später das Rüstzeug 
gegen die Tuberkulose augewendet und als wirksam erkajont ist, die 
Meldepflicht für ein gutes Arbeiten der zuständigen Stellen unentbehrlich 
ist, nnd dass sie dann ihre Einführung in die Verwaltung ins Auge 
fassen wird, aber nicht vorher. Die Pariser medizinische Gesellschaft 
steht auf dem Standpunkte, dass die freiwillige Meldepflicht, so wie sie 
gegenwärtig existiert, genügen wird, um einesteils dem tuberkulösen 
Bedürftigen und seiner Familie den Beistand des Staates zu sichern 
und andererseits die Maassnahmen voll zu erfüllen, die zugunsten dieser 
Kranken von den öffentlichen Stellen geschaffen sind. Sie glaubt, dass 
als Erstes, Wichtigstes und Notwendigstes die Bereitstellung einer ge¬ 
nügenden Anzahl von Krankenhausbetten und die schnelle Durchführung 
der von Granoher angegebenen Maassnahmen zum Schatze der Kinder 
von Tuberkulösen ist. Die Pariser medizinische Gesellschaft gibt u. a. 
folgende Richtlinien: dass der Staat unablässig die 4 Hauptursachen der 
Infektionsgefahr bekämpft, die ungesunden Wohnungen und Werkstätten, 
den Alkoholismus, die Unsauberkeit und die Armut. Dass alle die 
Maassoabmen, welche bisher eine bemerkenswerte Verminderung der 
Tuberkulose herbeigeführt haben, sobald als möglioh ausgebaut werden, 
indem vor allem für die heilbaren Fälle Versicherungsanstalten, Hilfs¬ 
kassen, Sanatorien und Schützmaassregeln für die Jugend geschaffen 

1) Ballet, de l’acad. de m6i. 3. sör., Bd. 69, S. 18. 

2) La presse mödicale, Nr. 22. 


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10. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1067 


▼erden, and dass endlich die gesamte Aerztewelt gemeinsam mit den 
öffentlichen Stellen an dem grossen sozia'hygienischen Werke arbeitet, 
da sie der einzige wirkungsvolle Bürge ist.“ 

Die medizinische Gesellschaft der Lyoner Krankenhäuser nimmt am 

1. April 1919 1 ) folgenden Beschluss an: „Die Mitglieder der medizinischen 
Gesellschnft der Lyoner Krankenhäuser sind der Meinung, dass die 
Meldung der Falle offner Tuberkulose Zwang werden muss, in Ueber- 
einstimmung mit dem Gesetzentwurf vom 16. Januar 1919 unter der 
Bedingung, dass zu gleicher Zeit alle Behändlungs- und sozialen Vor¬ 
beugungsmittel in Kraft treten oder ausgebaut werden und einer sehr 
grossen Zahl von Tuberkulösen entsprechen müssen, welobe auf diese 
Weise angemeldet werden; ferner, dass hauptsächlich von jetzt ab der 
Beschluss durcbgeführt wird, welcher die Isolierung der Tuberkulösen 
in den Krankenhäusern vorsieht. Fehlen diese Voraussetzungen, so glaubt 
die Gesellschaft, dass das Gesetz unwirksam und nicht zu billigen sei.“- 

Aus den Aeusserungen beider Gesellschaften geht hervor, dass man 
sich von einem Erfolg der Meldepflicht nur bei einem genügend um¬ 
fangreichen Ausbau aller anderen Bekämpfungsmaasnabmen etwäs ver¬ 
spricht. Hiermit stimmt auch die neueste bereits erwähnte Verfügung 
de» deutsch österreichischen Landesamtes überein, indem sie hervor¬ 
hebt, dass die Anzeigepflicht nur dann wirksam wird, wenn alle jene 
Einrichtungen in genügendem Ausmaasse vorhanden sind, die der Be¬ 
treuung der Kranken in ihren Wohnungen, ihrer Absonderung und ihrer 
Heilung dienen. 

Zum Schluss mögen noch einige Ausführungen von Georges Hayem 
in der Akademie der Medizin 2 ) Erwähnung finden, welohe im weiteren 
Zusammenhänge mit anderen Bekämpfungsmaassoahmen die Meldepflicht, 
ihr Für und Wider, erörtern. 

Die Akademie glaubt nicht, dass es nötig ist, den Äerzten die 
Meldepflicht für die von ihnen diagnostizierten Fälle von offener Tuber¬ 
kulose aufzuerlegen. 

Es genügt 1. durch öffentliche Maassnahmen die Leichttuberku1Ö3en 
und selbst die chronischen Huster zu verpflichten, sich an die Fürsorge- 
steilen zu wenden, in denen die Aerzte nach Feststellung einer exakten 
Diagnose für jeden einzelnen Fall das anzuwendende Heilverfahren be¬ 
stimmen; 

2. den Aerzten die Meldung zu überlassen, da, wo sie sie für an¬ 
gebracht halten. Diese Meldung kann den Aerzten der Fürsorgestellen 
gemacht werden, was wiederum die Statistik erleichtert. 

3. Den Fürsorgestellen die unmittelbare Meldung der akuten Fälle 
vorzuschlagen, die im Notfall der Aufnahme in ein Krankenhaus be¬ 
dürfen. Diese Meldung, oder vielmehr dies Gebot der Krankenhaus- 
aufnahm« wird ausgeführt durch den Arzt, das Familienoberhaupt oder 
durch einen Verwandten oder, falls dieser fehlt, durch den Wirt. 

Unterlagen für diesen Vorschlag. Auoh hier wieder ist die 
Fürsorgestelle der eigentlich antibazilläre Drehpunkt. Ehe man ein 
Urteil über die Meldepflicht gewinnt, muss man sich die Arbeitsweise 
der Fürsorgestellen vor Augen führen. 

1. Untersuchung zu denjenigen Stunden, an denen der Arbeiter 
ohne Berufsstörung erscheinen kann. 

2. Verteilung von Spuckflaschen und antiseptischen Lösungen. 

3. Hygienische Belehrungen. 

/ 4. Gewährung von Nährmitteln. 

5. Auswurf und Röntgenuntersuchung. 

6. Hausbesuche durch die Fürsorgesohwester, Wohnungsdesinfektion 
bei offener Tuberkulose, naoh Todesfällen Desinfektion und bei jedem 
Wohnungswechsel. 

Gewährung von Kohlen, Wäsche, Landaufenthalt der Kinder, Ueber- 
Weisung der Unheilbaren in Spezialanstalten, Sanatorien für die, die 
nicht zuhause versorgt werden können. Mechanische Wasohküche für 
die Desinfektion der Wäsche derjenigen offenen Tuberkulösen, die in 
den Fürsorgestellen ausgeschrieben sind. Gratislieferung von absolut 
dichten Säcken zu diesem Zweoke. 

Der Pariser Gemeinderat hat über folgende Anordnungen verfügt:. 
Anmeldung aller Todesfälle an Tuberkulose, danach Desinfektion, ln 
einigen Fürsorgestellen können- die Kranken Kur machen in gut ge¬ 
lüfteten Räumen auf Liegestühlen bei ausreichender Ernährung. Der¬ 
artige Fürsorgestellen können nicht alle in den grossen Städten, sondern 
auch in den Vororten untergebracht werden. Man hat gesagt, die 
Meldepflicht ist eine unumgängliche Maassnahme. Zugunsten der Melde¬ 
pflicht wird geltend gemacht: 

1. Man kann ein Uebel nicht bekämpfen, solange man es nicht 
kennt. Der Meldepflicht würde hingegen eine gewisse Anzahl immer ent¬ 
schlüpfen. Die Statistik wird also auoh bei der Meldepflicht ungenau. 

2. Die Meldepflicht würde auch die Wohnungshygiene verbessern 
helfen. Ausserdem hat die Meldepflioht im Ausland gute Resultate er¬ 
geben. Die reichen Tuberkulösen können für sioh selber sorgen, die 
Bedürftigen achten zum Teil nicht auf ihre Krankheit, haben keine 
Aerzte, sowohl die chronischen, die akuten und subakuten Fälle müssen 
alle den Weg zu den Füsorgestell'en finden. 

3. Vorschlag. Um den von den Fürsorgestellen, sowie von den 
Sanatorien, den Spezialkrankenhäusern, den ländlichen Kolonien organi : 
sierten Kampf zu vervollständigen, verlangt die Akademie die Aus¬ 
dehnung a des Schutzes für die Kinder, sowie es durch das Departement 
de la Seine verlangt wird. Sie lenkt auch die Aufmerksamkeit der öffent- 


1) La presse medioale, Nr. 21. 

2) ^15. April 1919, La presse mödicale, Nr. 33. 


liehen Stellen auf die Wichtigkeit hygienischer Vorschriften, betreffend 
die Schlachthäuser, die Viehställe und die Nahrungsmittel, welohe der 
Verunreinigung durch Strassenscbmutz und Insekten ausgesetzt sind. 

Unterlagen für den 3. Vorschlag: Der Kioderschutz, wie ihn 
Dr. Halle leiten will, ist folgender: Erziehung der älteren in den Für¬ 
sorgestellen. Aufklärung über Kontaktinfektionen und Trennung der 
Kranken von den Kindern. Der Säugling muss vor der Infektion ge¬ 
schützt werden, eutweder im Hause. oder in Säuglingsheimen. Andere 
Kinder können getrennt werden durch Landaufenthalt; Schulärzte. 

Für bereits infizierte Kinder kommt in Frage: Verbesserung der 
Lebensbedingungen, Freiluftschule für die latenten Fälle, für die schweren 
Fälle Seeküstenaufenthalt, insbesondere für die Drüsentuberkulosen; für 
die offenen Lungentuberkulosen Land- und Höbenaufenthalt. 

Die Akademie glaubt den öffentlichen Stellen ios Gedächtnis rufen 
zu müssen, dass der Kampf gegen die Bazillen und die Krankenfürsorge 
nur einen Teil des hygienisch-sozialen Hilfswerkes darstellt. Es ist gut 
die Tuberkulösen zu versorges, besser dem Ausbruch der Krankheit vor¬ 
zubeugen. ^ 

Io dieser Hinsicht ist es sehr au der Zeit die seit mehreren Jahren 
durch alle antituberkulösen Gesellschaften aufgestellten Ziele zu ver¬ 
wirklichen, welohe Verbesserungen der Rasse anstreben. Sie besteht 
darauf, dass die unsauberen Wohnungen verschwinden und für die 
Arbeiter billige Wohnungen mit Luft und Licht gebaut werden. Diese 
strebt besondere Gesetze zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs an, 
Gesetze zur Prophylaxe der Syphilis; endlich naoh dem Vorschläge von 
Dr. Reynier verlangt sie von Staats wegen die Gründung von sozialen 
Versicherungsgesellschaften gegen Krankheiten nach dem Muster derjenigen 
von England und Deutschland. 

- Begründungen: Es wird zuviel Werl auf die Kontaktinfektionen 
und zu wenifc^ert auf die Ursachen gelegt. Im weiteren wird besonders 
.die konstitutionelle, soziale Ursache im Gegensatz zur Kontaktinfektion 
gebracht, wobei der Referent konstatiert, dass* Frankreich sich augen¬ 
blicklich auf einen fast tragischen Punkt der sozialen Entwicklung befindet. 

Geburtenrückgang, Menschenverluste durch den Krieg, schlechte wirt¬ 
schaftliche und Finanzlage, dazu der Achtstundentag, welcher vielen 
Arbeitern nur Gelegenheit - gibt in der freien Zeit auszuschweifen, ge¬ 
schlechtlich und alkoholisch. 

5. Vorschlag: Die Arbeit der Tuberkulose bekämpfenden Gesell¬ 
schaft und allgemeinen sozialbygienisohen Gesetze wird eine Tätigkeit 
zahlreicher Hygieniker notwendig machen. Der hygienische Unterricht, 
der in Frankreich ungenügend ist, wird von der Akademie revidiert 
werden, gemäss der Diskussion über die Entvölkerung im Jahre 1917. 
Sie wünscht, dass ein oder mehrere national-hygienische Institute die- 
Aufgaben haben die Hygiene wissenschaftlich zu fördern und Hygieniker 
auszubilden. • 

Man muss die Grosszügigkeit der französischen Bestrebungen an¬ 
erkennen, sie sind aus der Not der Zeit geboren. Gerade durch sie wird 
in ganz besonders starker Weise der Eindruok erweckt, dass wissen¬ 
schaftliche Fragen nicht durch nationale Grenzen einzuengen sind. Wie 
die deutsche Tuberkulosebekämpfung von den französischen Dispensaires 
gelernt hat, so verlangen jetzt die Franzosen eine ganze Reihe von Ein¬ 
richtungen, die in Deutschland als dem Vorbilde sozialer Fürsorge, seit 
langer Zeit bereits bestehen. Nur zwei Punkte seien zum Schluss noch 
kurz gestreift. Die- von Hayem geforderte Behandlung von Kranken 
in den Fürsorgestellen ist bei uns nach gründlicher Erörterung allgemein 
abgelehnt worden, nachdem zugestandenermaassen unter bestimmten 
lokalen Verhältnissen eine Verquickung von Tuberkulose-Fürsorgestelle 
mit ambulanter Behandlung als nützlich erachtet werden kann. Be¬ 
strebungen zur Verbesserung der Rasse, als ziir Bekämpfung der Tuber¬ 
kulose gehörend, haben auch bereits in Deutschland Ausdruck gefunden. 
So hat die Berliner Gesellschaft für Rassenhygiene im Jahre 1917 unter 
der Ueberschrift „ein Rat für Eheschliessende“ ein Merkblatt heraus¬ 
gegeben, in welchem sich folgende Worte finden: „Krankheit eines Ehe¬ 
gatten kann auch die Gesundheit des andern Gatten schädigen; dies 
Vit besonders für alle ansteokenden Krankheiten wie Lungensuberkulose 
(Sohwindsucht, Geschlechtskrankheiten) usw.“ 


Erläuterung 

zu H. Schelenz’ Aufsatz „Noohmals Goethe’s Krankheit“ in dieser 
Wochenschrift, 1919, Nr. 11. 

Von 

Dr. A. Hansen- Giessen. 

Der Verfasser versucht die im Jahre 1898 von W. A. Freund über 
Goethe’s Krankheit geäusserte, aber von einer Reihe namhafter Mediziner 
als völlig verfehlt und unrichtig bezeichnete Ansicht wieder aufleben zu 
lassen 1 ). Da es sich um eine rein medizinische Diagnose bandelt, kann 
Herr Apotheker Schelenz nicht als letzte Autorität gelten. Ich selbst 
habe mich nur deshalb an der Frage beteiligt, weil Freund aus dem 


1) W. A. Freund, Zu Don Sassafras usw. M.m.W., 1918, Nr. 48. — 
P. J. Moebius, ebenda, Nr. 51. — A. Kirrstein* Allg. m. Zztg., 1898, 
Nr. 99. — B. Fränkel, Zsohr. f. Tbc., Bd. 15, H. 4. — A. Hansen, 
Goethe’s Leipziger Krankheit und Don Sassafras. Leipzig 1910, A. Hoff- 
mann. — J. H. Gerber, B.kl.W., 1910, S. 1482. 

8 * 


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1068 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr 46 


von Goethe angeführten Rollennamen „Don Sassafras * sohliessen 
wollte, dass Goethe Sassafrasholz als Arzneimittel benutzt habe, was, 
da dies ein Antisyphilitikum sei, auf die Natur der Krankheit sohliessen 
lasse. Meine nur durch wiederholte Anfragen über diesen botanisohen 
Gegenstand veranlasste Schrift erschien 1910 und erwies die Haltlosig¬ 
keit auoh dieser Freund’schen Voraussetzung. Herr Schelenz be¬ 
sprach diese Arbeit in den Mitteil. z. Gesch. d. Med. u. Naturw., 10. Jahrg., 
S. 574, in abfälliger Weise, obwohl er sie gar nicht gelesen hatte, 
sondern nur aus einem fremden Referat kannte, wobei er Freund’s 
Ansicht zustimmte. Da der Herausgeber der Mitteilungen, K. Sudhoff, 
diese Kritik als „grösstenteils uozutreffend“ beseichnete (Mitt. 11, Nr. 1), 
so war mir die Mühe einer Richtigstellung erspart. Naoh 8 Jahren 
fühlt sich Herr Schelenz veranlasst, nochmals auf den Gegenstand 
zurüokzukommen, ohne etwas Neues zu bringen, als eine breitere Dar¬ 
stellung, wobei er ganz unnötigerweise meine Darstellung rekapituliert, 
sie aber dann mit gleich dürftigen Gründen als unzutreffend usw. „ab¬ 
weist“. Nar erneute Anfragen von auswärts zwingen mich jetzt zu einer 
Azrtwort. 

Ich muss mich zunächst gegen den Ton und die unrichtigen An¬ 
gaben verwahren, mit denen Herr Schelenz erneut auftritt Br ist 
der Ansicht, „das von Hansen Hervorgeholte als ungenügend abweisen 
zu müssen“. Ich habe nichts „hervorgeholt“, sondern eine sorgfältige 
Untersuchung vorgelegt, aus der übrigens der Kritiker alles ihm Passende 
ganz unnötigerweise wiederholt. Irreführend ist seine Angabe: „es 
sprioht nichts dafür, dass Goethe, wie Hansen wissen will, nichts von 
Syphilis gewusst hat, dass er deshalb auoh nioht auf seine etwaige 
Krankheit hingewiesen haben kann (S. 9)“. 

Diese mir zugeschriebene Meinung findet sich weder S. 9 noch 
überhaupt in meiner Schrift. Ich habe S. 6 hervorgehoben,' dass Goethe 
damals selbst keinesfalls gewusst habe, was ihm fehlte. Herr Schelenz 
hat also Worte und Sinn völlig verändert 

Gegen meinen Nachweis, dass Goethe kein Sassafrasholz als Arznei¬ 
mittel benutzt habe, und dass das Holz kein Antisyphilitikum sei, 
wendet Herr Schelenz sich zum zweiten Male mit.dem HinweiB auf 
einige obsolete Rezepte von Holztränken, in denen Sassafras ein Be¬ 
standteil gewesen, worüber ich schon viel ausführlicher wie Herr 
Schelenz berichtet habe. Die Hauptsaobe, der Nachweis, dass Goethe 
solche Tränke eingenommen, fehlt vollständig. Zu irgendeinem Resultat 
ist der Kritiker nioht gelangt, und man muss fragen: Was soll dieser 
Aufsatz? Seine Meinung, Sassafras sei ein Antisyphilitikum, ist unhalt¬ 
bar. Seit Lin ne in seiner Materia medica in dem angefügten Index 
Morborum (S. 288) Sassafrasholz als Antisyphilitikum unrichtig katalogi¬ 
sierte, findet sich dieser Irrtum noch heute in zahlreichen pharmako¬ 
logischen Repetitorien, die nicht wissenschaftlich maassgebend sind. Es 
ist aber bezeichnend, dass Linnö, der frühere Arzt, im beschreibenden 
Teil die Eigenschaften (Qaalitas) des Holzes riohtig angibt: subdulcis, 
aoris, aromatioa, fragrans, und al9 Wirkung in erster Linie die schweiss- 
treibende bervorhebt. Maassgebende Pharmakognosten, wie Flüokiger, 
Marm6/Tscä rsoh, nennen Sassafras gar nioht mehr als Antisyphi- 
litiknm. Tsohirsch hat in seinem grossen Handbuch der Pharma¬ 
kognosie das Holz von der Sarsaparille und dem Guajakholz als Safrol- 
droge getrennt und schreibt ihm gar keine antisyphilitische Wirkung 
zu. In manchen alten Holztränken figuriert Sassafrasholz als aromatischer 
und sch weisstreiben der Nebenbestandteil. An seine Stelle ist heute 
Fenchel, Anis und Süssholz getreten. Will man, wenn jemand Fencheltee 
getrunken hat, darauf auch nach dem Muster von Herrn Schelenz die 
Diagnose auf Syphilis stellen, weil Fenchel auch zum Deooctum Zitt- 
manni gehört? 

Herr So he lenz benutzt übrigens seine Sassafrasrezepte gar nicht 
zu Schlussfolgerungen, sondern fusst mit seiner Meinung, genau so wie 
Freund, auf Briefetellen an Käthohen Schönkopf, die mit den Sassafras- 
rezepten gar keinen Zusammenhang haben. Er glaubt, dass diese Brief¬ 
stellen, „so dunkel sie sind, völlig eindeutig und einzig in ihrer 
Art, eine Selbstbezichtigung in bezug auf die vielbesprochene Krank¬ 
heit bedeuten“. Es bleibt abzuwarten, wie die Goetheforschung diese* 
Interpretation beurteilen wird. Herr Schelenz sucht seine Interpretation 
durch Schilderung des „Lebens der Studenten im Pleisse-Atben“ und 
„ihrer freundlichen Helfer“ in antisyphilitisoher Therapeutik zu stärken. 
Auf welchen Quellen diese Angaben beruhen, ist nioht angegeben, es 
sind wahrscheinlich ganz ähnliche Phantasien, wie sie Schelenz auoh 
in anderen Goetheaufsätzen produziert, z. B. in seinem Aufsatz „Goethe, 
der Dichter-Naturkundige, über heilnaturkundliohe Dinge“. Erheiternd 
wirkt sohon die Behauptung, „durch die Apotheke ging tum guten Teil 
auch Goethe’s Weg zur Kenntnis der Natur, hier zuerst in Betracht 
kommend, zu der der Pflanzen. Er bemängelt dann das Gedicht 
„Gingko biloba“. Dieser Baum ist gar kein „heil-naturkundliches Ding“. 
Schlimmer ist aber, dass Herr Schelenz es befremdlich findet, dass 
Goethe als Naturkundiger nichts von der „bedeutungsvollen Entstehung 
des Gingkoblattes duroh das fläohenförmige Zusammenwaobsen früherer 
Nadeln“ gewusst habe. Herr Schelenz bekundet dadurch, dass ihm 
Blattentwioklung ganz fremd ist. Das Gingkoblatt entwiokelt sich, wie 
jedes Blatt, aus einem Zellhöcker; die Verwachsung aus früheren Nadeln 
ist eine Fabel, mit der der Kritiker Goethe’s sioh stark verfahren bat 1 )- 
Das sind Gründe genug für mich, Herrn Schelenz in der Botanik und 
Goetheforschung nicht für kompetent zu halten. Was nun seine nooh- 


1) Berichte der Deutschen pharmazeutischen Gesellschaft, 1919, 
H. 2, S. 128. 


malige Auffrischung von Freund’s abgetaner Meinung über Goethe’s 
Krankheit betrifft, so kann ich folgendes mitteilen: Freund schrieb mir 
nach Veröffentlichung meiner Schrift, er werde sieb, auch anf Aufforde¬ 
rung, nicht weiter über diese Frage auslassen. Erich Schmidt be¬ 
dauerte, dass er als Eidesbelfer Freund’s aufgetreten sei, da er nicht 
überzeugt gewesen sei. Seine Bemerkung in der Vorrede der Volks¬ 
ausgabe von Goethe’s Werken habe gar nicht auf Freund’s Meinung 
hindeuten, sondern nur besagen sollen. Goethe habe in Leipzig seine 
Gesundheit nicht gesobont. Beide Briefe habe ich dem Goethe-Archiv 
in Weimar übergeben, und es ist daher bedauerlich, eine von ihren 
Autoren ausdrücklich zurückgezogene Meinung nochmals in der vor¬ 
liegenden klägliohen Begründung wieder aufleben zu lassen. 

BQcherbesprechungen. 

B. Straus: Mageakraikheitea darefc Kriegseil wirk ■■£«■. Laxarett- 

erfahrungen auf dem Gebiete der allgemeinen Pathologie, Klinik und 
Begutachtung der Magenkrankheiten. Mit einem Vorwort von General¬ 
arzt Dr. Sohultzeo. Bibliothek Coler-v. Sobjerniug. Bd. 41. Berlin 
1919. Verlag von August Birschwald. 128 Seiten. Preis 8 M. 

Es ist bekannt, dass auoh die innere Medizin durch den Krieg in 
ausserordentlicher Weise befruchtet worden ist. Auf dem Gebiete der 
Veidauungskrankheiten sind zahlreiche Erfahrungen gesammelt worden, 
welche weit über das militärärztliche Interesse hinaus die Pathologie 
sehr bereichert haben. Es ist darüber bereits eine umfangreiche Literatur 
entstanden, die der Verf. ausführlich zitiert, mit Ausnahme der noch 
1918 erschienenen Arbeiten, die wohl auch noch hätten Berücksichtigung 
finden sollen, um dem Leser ein abschliessendes Urteil über den Stand 
der Verdauungskrankheiten während des Krieges zu gewähren. Die 
eigenen Beobachtungen des Verf. erstrecken sich anf ein grosses Kranken¬ 
material, die er in einem Speziallazarett machen konnte, in dem alle 
Hilfsmittel moderner Diagnostik und Therapie zur Verfügung standen. 
Die Beobachtungen führten vielfach zu Ergebnissen, welche unsere bis¬ 
herigen Kenntnisse der Pathologie der Magenkrankheiten naoh mancher 
Richtung wertvoll ergänzen. Einen weit breiteren Raum als die im 
Kriege so ungemein zahlreich hervorgetretenen funktionellen Magen- 
erkrankuDgen nehmen der Natur der Sache nach die Erörterungen über das 
Magengeschwür ein, dessen Diagnostik in gedrängter, aber das Wesentliche 
erschöpfender Darstellung abgehandelt wird. In der wichtigen Frage 
der Rentenversorguog infolge von Kriegsdienstbesebädigung nigimt der 
Verf. einen sehr zurückhaltenden kritischen Standpunkt ein, den alle 
auf diesem Gebiete Erfahrenen teilen. Albu. 


Lassar-Coho: Einftibrusg ii die Chemie ia leiehtfasslieber Fenn. 

5. Auflage. Leipzig-Hamburg Verlag von L. Voss. Preis UM. 

Der Verf. des unübertrefflichen, je kaum erreichten Musters volks¬ 
tümlicher Darstellung, der Chemie im täglichen Leben, bat uns auch 
mit obigem Buche beschenkt. Es will die wissenschaftlichen Grundlagen 
der Chemie in neuer Form geben, die das Studium des Baches auch 
dem gebildeten Laien möglich macht. Die Darstellung dringt jedoch 
so weit in die Materie ein, dass sie auoh dem Bedürfnis der auf der 
Grenze zwischen dem Laien und dem geschulten Chemiker Stehenden 
gerecht wird; and auf dieser Grenze steht heutzutage auch die grosse 
Mehrzahl der Aerzte. Ihnen allen sei das Werk deshalb aufs wärmste 
empfohlen; es ist wohl geeignet, eine Lücke in ihrem Wissen auszu¬ 
füllen. Hans Kohn. 


fl. Ilberg: fleieteskraikbeitei. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. 
130 Seiten. Leipzig und Berlin 1918, Verlag von G. B. Teubner. 
(Aus Natur und Geisteswelt, Sammlung wissenschaftlich-gemeinver¬ 
ständlicher Darstellungen). Preis 1 M. 50 P/. 

Mag man über die Popularisierung der Wissenschaft denken wie 
man will, man wird der gemeinverständlichen Abhandlung llberg’s 
über die Geisteskrankheiten, die als Bändchen der bekannten Teubner- 
schen Sammlung in der 2. Auflage erschienen ist, seine Anerkennung 
nioht versagen können. Kurz, einfach, klar und sachlich und dabei 
doch anregend geschrieben unterrichtet Bie den Laien in gefälliger Form 
über alles Wissenswerte auf dem für viele mit^nystisoben Nebeln um¬ 
gebenen Gebiet der Geisteskrankheiten und ist in ihrer schmucklosen 
Eindringlichkeit geeignet, über viele ihm dunkle Gebiete Aufklärung zu 
bringen und Vorurteile zu zerstreuen, ln der anregenden Sohilderung 
der Führung duroh eine moderne Anstalt wird er mit den allgemeinen 
Zeichen der Geisteskrankheiten bekannt gemacht. Im speziellen Teil 
erleichtern instruktive Krankengeschichten das Verständnis. Wenn bin 
•und wieder übergrosse Kürze dem Laien die Erfassung bestimmter Ge¬ 
biete erschweren mag und das Fehlen einer zusammenfassenden Schil¬ 
derung der Behandlung der Geisteskrankheiten auffällt, so wird daduroh 
unser obiges Urteil nicht beeinträchtigt. Für den gerade auf diesem 
Gebiet weiter auszubauenden Schwesteraunterricht wi^d das Buch alz 
wertvolle Unterstützung zu empfehlen sein. Runge. 


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10. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1069 


NaMaier, Max: Die hohe Schale für Aerzte and Kranke. 2. Auflage. 

Manchen 1919. Verlag der ärztlichen Rundschau. 88 Seiten. Preis 3 M. 

Nassauer hat 1908 im gleiohen Verlag eine kleine Broschüre er¬ 
scheinen lassen: Der Arzt der grossen und der kleinen Welt. Hatte 
er dort den Arzt als Fronarbeiter, Faiseur, Märtyrer, Sozialhygieniker, 
Philosophen usv. skizziert, so lässt er diesmal hinter die Kulissen des 
Gynäkologen blicken. Von Endometritis, Myomen, Ovarialsysten und 
dergleichen bringt er allerdings nichts, wohl aber schildert er die 
sphinxhafte Psyche der Frauen in ihren verschiedenen Abwandlungen 
als Nymphomane, Schwangere, Zimpferliohe, Anspruchsvolle, Undankbare, 
Ungebildete. Auch auf die Männer fällt daneben manches Streiflicht. — 
Das lokal-anatomische Denken und Handeln hat bei vielen Aerzten das 
Verständnis für den ganzen Menschen getrübt, und so kommt es, dass 
sie sich von den inneren Antrieben ihrer Mitmenschen und Patienten 
nur oberflächliche Vorstellungen machen, welche mit Notwendigkeit zu 
Missverständnissen, Misshelligkeiten führen müssen. Aerztliche Psycho¬ 
logie kann man natürlich nicht lehren; das ist eine angeborene Kunst. 
Aber dass sie so vollständig übersehen wird, bleibt lür Aerzte und 
Patienten bedauerlich. Deutlichkeit ist nicht immer das Ergebnis vieler 
Worte (Hyrtl). Ein Heft mit solchen Erfahrungen, wie sie Nassauer 
bringt, ist ganze Bibliotheken wert. Buttersaok - Osnabrüok. 


Llter&tur-AuszQge. 

Physiologie. 

ß. Brinkman - Groningen: Eine Bemerkungen über die Bedeutung 
des Biatkalks. (Biochem. Zschr., 1919, Bd. 95, H. 1 u. 2.) Verf. weist 
darauf bin, dass Heubner und Rona ein früher von ihm und Ham¬ 
burger gefundenes Prinzip übersehen haben, wonach für die Erhaltung 
der normalen Funktionslähigkeit der Membranen eine ganz bestimmte 
Kalziumionenkonzentration notwendig ist, die nur um einige tausendstel 
Prozent variieren darf. Diese Imenkonzentration ist in Lösungen, die 
eine konstante Wasserstoffionenkonzentration und eine konstante 
[CiCOs'] haben, automatisch eingestellt. Auch für die Ca-Ionen gibt es 
also im Blut ein Puffersystem. Für die funktionelle Wirkung des Blut¬ 
kalks spielen die Ca-Ionen die Hauptrolle. Auch für die Höber’sche 
Theorie der biologischen Wirkung des Kalzium kommen nur Ca-Ionen 
in Betracht. Dies hat sich dem Verf. bestätigt in Untersuchungen über 
den Einfluss der Ca Ionen auf die Permeabilität der Glomerulusmembran 
des Frosches für Glukose und über den Einfluss der Hämolyse von 
Menscbenblutkörpercben duroh Hypotonie. Verf. fand, dass für die nor¬ 
male Impermeabilität der Glomerulusmembran für physiologische Glukose 
konzentrationen Ca-Ionen in der Durohströmungsflüssigkeit notwendig 
sind,'und zwar in ganz bestimmter Konzentration. 

F. E. Nottbohm - Hamburg: Ist die Milch altmelker Kühe als 
SäagliBgsoahrBBg geeignet? (Bioohem.Zschr., 19l9,Bd.9o,H. 1 u.2.) Nach 
den vorliegenden Untersuchungen unterscheidet sich die Miloh altmelker 
Kühe weitgehend von normaler Milch. Die besondere Zusammensetzung 
der Miloh gestattet nicht ihre Verwendung zur Kindernahrung. Es ist 
Dach Verf. in ErwäguDg zu ziehen, ob nicht die Milch aus dem letzten 
Stadium der Laktation überhaupt vom Verkehr aus Busch Hessen ist. Nach 
Verf. könnte man die Verschiebung des Verhältnisses der Alkalien zu¬ 
einander als Maassstab wählen. Die Natronsalze überwiegen in der 
Miloh altmelker Kübe gegenüber den Kalisalzen. Dies lässt den Schluss 
zu, dass zu diesem Zeitpunkt das Blutserum bei der Bildung des Sekretes 
eine weit grösere Rolle spielt als zur Zeit normaler Milcbsekretion. 
Im Verhältnis Natron: Kali zeigen die Milch altmelker Kübe, patho¬ 
logische Milch bei Euterentzündungen und Blutserum weitgehende Ueber- 
einstimmuog. /Durch die Wirkuog der in einer pathologischen Milch 
vorhandenen Blutflüssigkeit wird die Gerinnung naoh Labzusatz ver¬ 
hindert (Labhemmprobe). Eine von altmelken Kühen stammende Miloh 
muss sioh gegen Lab ebenso verhalten wie pathologische Milch. Duroh 
die Verschiebung der Mengenverhältnisse der beiden Alkalien kann 
möglicherweise auch die Löslichkeit des Kaseins beeinflusst werden. 

M. Jaeoby-Berlin: Ueber Bakterie! Katalase. III. (Biochem.Zschr., 
1919. Bd. 95, H. 1 u. 2.) Verf. schildert weiter die Technik der Isolierung 
der Katalase aus Proteusbakterien. ' 

C. Lange - Berlin: Ueber Jod-StKrkereaktion und ihre Verwendung 
für eine kolorimetrisehe Eiweisebestimmnog bei ImmnnitätBprozeMtB. 
(Biochem. Zschr., 1919, Bd.95, H.lu.2 ) Bei genauerer Analyse derDiastase- 
bestimmung mittels Jodstärkereaktion ergab sich die Möglichkeit, die 
Jodstarkereaktion für eine quantitative kolorimetriscbe Eiweissbestimmung 
zu benutzen. Die Diastasebestimmung mittels Jodstärkereaktion ist 
duroh Körper zu beeinflussen, die schon bei Zimmertemperatur in kurzer 
Zeit Jod chemisch binden, speziell durch Eiweisskörper. Nach Be¬ 
sprechung der pbysikalisch-obemischen Eigenschaften der Jodstärke be¬ 
spricht Verf. die quantitative Eiweissbestimmung mittels der Jodstärke¬ 
reaktion. Sohliesslich entwickelt Verf. die Grundlage für eine Methodik 
der Gesamteiweissbeetimmung und weist bin auf die Bedeutung dieser 
Bestimmung für die Analyse der Immunitätsprozesse. 

J. Traube u. H. Rosenstein: Ueber die Wirkung von oher- 
Mäelienaktiven 8t@ffea auf PflaDzensamen. (Bioohem. Zschr., 1919, 
Bd. 95, H. 1 u. 2.) Verff. untersuchten die Wirkung oberflächenaktiver 
Stoffe auf die Keimung und das Wachstum von Gerste und anderen 


Pflanzensamen. Für die eigentlichen Narkotika (Chloroform, Aethyläther, 
Urethan usw.) ergab sieb annähernd dieselbe Reihenfolge der narkotischen 
Wirkungen wie bei der tierischen Narkose. Auch bei den Pflanzen gibt- 
es in bezug auf die Vorgänge der Keimung und des Wachstums eine 
reversible und irreversible Narkose, sowie ein Erregungsstadium. Aebnlioh 
waren die Ergebnisse bei m-Kresol, Naphthalin usw. Die höheren Fett¬ 
säuren, wie Kapronsäure, Kaprylsäure wirken in kleinen Mengen stark 
erregend auf die Keimungsgeschwindigkeit der Gerste. Zu den ober¬ 
flächenaktiven S'offen gehören auch die Duftstofie der Pflanzen, die also 
wohl auch eine Reizwirkung ausüben. 

W. Armbrecht - Wien: Beiträge zur Kenntnis der Cbitese. 
(Biochem. Zsohr., 1919, Bd. 95, H. 1 u. 2.) Bei Einwirkung von salpetriger 
Säure auf Chitosan geht dieses vollständig in Lösung. Die resultierende 
Zuckerlösung enthält ein Gemeoge reduzierender Aldosen (Hexosen). 
Es bestätigt sich die Auffassung Neuberg’s, wonach die hypothetische 
Chitose eine wahre Hexose ist. R. Lewin. 


Pharmakologie. 

J. Halberkann - Hamburg: Chinin und Bydroekinin im mensch¬ 
lichen Organismus, Verhalten des Chinins gegen rote Blutkörperchen 
(Bioohem. Zsobr., 1919, Bd. 95, H. 1.1 u. 2.) Das aus dem Barn nach Verab¬ 
folgung von Chinin isolierte Alkaloid ist unverändertes ChiDin. Eine 
Entgiftung des Chinins im Organismus duroh Ueberführung in gepaarte 
Schwefelsäure oder io eine glykuronsaure Verbindung war nicht zu er¬ 
mitteln. Hydrochinin verhält sieb ähnlich im Organismus. Zur Frage 
des Verhaltens des Chinins im Tierkörper stellte Verf. Versuche m vitro 
über die Chininspeicherung der roten Blutkörperkhen an. Es fand sioh, 
dass die Blutkörperchen für Chinin permeabel sind. Die Diffusion geht 
aber nicht bis zur gleichmässigen Verteilung zwischen Blutkörperchen 
und Serum. Vielmehr erfolgt eine Speicherung in ersteren, die den 
osmotischen Druck innerhalb der Zelle verstärkt. Quantitative Versuche 
Hessen erkennen, dass das Chinin weitgehend von den Erythrozyten ge¬ 
speichert wird, etwa zu 85—-48pCt., wobei es gleichgültig ist, wieviel 
Chinin dem Blut zugeführt wird. Die Aufnahme des Chinins fiodet 
nicht in relativer Weise statt, vielmehr wird nur ein Gleichgewicht, 
Blutkörperchen : Serum =5 85—48: 65—52 hergestellt. R. Lewin. 

W. Nonnenbusch: Ueber die AnsseheidnBg von Gallenfarbstoffei 
bei experimenteller Nephritis (Mitt. Grenzgeb., Bd. 31, H. 4.) Uran, 
Chrom und Sublimat setzen Nierensebädigungen, die zu einer Sperre 
der Bilirubinausscheidung durch die Niere führen können bei starkem 
Bilirubingehalt des Blutes. Th. Müller - Augsburg. 


Therapie. 

J. Boas-Berlin: Die radikale Heilung der Hämorrhoiden auf un¬ 
blutigem Wege. (D.m.W., 1919, Nr. 42.) B. macht Injektionen mit 
96 proz. Alkohol in die Hämorrhoiden, die er vorher mit dem Saugglas 
maximal staut. Je nach der Grösse der Knoten spritzt er .2—5 oem ein. 
Die Knoten werden dann reponiert. Die Erfolge sind sehr gut. Bei 
der Methode sind eine Reihe von Vorschriften und Maassnahmen er¬ 
forderlich, die B. eingehend schildert. Dünner. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

A. Bi er-Berlin: Beobachtungen über Regeneration beim Menschen. 
20. Abhandlung: Regeneration der'Gefässe. (D.m.W., 1919, Nr. 41 u. 42.) 

Dünner. 


innere Medizin. 

H. v. Hab er er: Zur Frage des Magenkarzinoms auf Ulknsbasis 
und zur Verwechslungsmöglichkeit von Ulkns and Karzinom. (Mitt. 
Grenzgeb., Bd. 31, H. 4.) An der Hand sehr instruktiver Kranken¬ 
geschichten wird gezeigt, dass die Gefahr der Verwechslungsmöglichkeit 
von Karzinom und Ulkus sehr gross ist, weder klinischer noch Operations¬ 
befund sind eindeutig. Grosse Ulkustumoren mit entzündlich infiltrierten 
Drüsen wurden für Karzinom gehalten, sioher karzinomalös aussehende 
Geschwüre erwiesen sich bei mikroskopisoher Durchmusterung als gut- 
artig und umgekehrt. Sehr leicht können deshalb dem Anhänger pallia¬ 
tiver Methoden für die operative Behandlung des Magenulkus verhängnis¬ 
volle Irrtümer unterlaufen. Wegeu dieser Gefahr ist Resektion des 
Ulkus prinzipiell der Gastroenterostomie vorzuzieben. 

Theo Müller-Augsburg. 

A. Galambos-Budapest: Symptom des freien FlüfMigkeitNergeszes 
im Abdomen als Zeichen einer Darmokklnsion der Ileozökalgegetad. 
(D.m.W., 1919, Nr. 42.) Man kann im Falle einer Passagestörurg der 
ileozökalgegend das Symptom, eines geringgradigeren freien Flüssigkeits¬ 
ergusses im Abdomen vot finden, ohne dass deren Ursache im Peritoneum 
zu suchen wäre. In diesen Fället ist dieses Zeichen auf Grund des 
Füllutffeszustandes (leer, mit Luft bzw. Flüssigkeit gefüllt) leicht zu er¬ 
klären. 

W. H. Veil-Frankfurt a. M.: Ueber das BegrUfcproblem der 
Urämie. (D.m.W., 1919, Nr. 42.) (Antrittsvorlesung.) Die Arbeit ist 
eine kritisohe Darstellung. Zu dem Begriff der Urämie gehört notwendig 
der Nachweis der Reststirkstoff- oder Harnstoffvermehrung im Blute. 
Für die im Laufe der urämischen Nierenkrankheit einzeln Auftretenden 


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1070_ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. __Nr. 4g 


transitorischen Anfälle ekl&mptischer oder aogiospastisober Natur schlägt 
V. die Bezeichnung eklaroptische Krise bei Urämie vor. Die akute 
.oder eklamptische Urämie sollte nephrogene eklamptisohe Krise heissen, 
und für die echte Pseudourämie käme der Name hypertonische Krise in 
Betracht. Dünner. 

K. Beckey und E. Schmitz: Klinische und chemische Beiträge 

zur Pathologie der Verbrennung. (Mitt. Grenzgeb., Bd. 31, H. 4.) Die 
wichtigste Blutveränderung nach Verbrennung ist eine zuweilen ausser¬ 
ordentlich hohe Leukozytose. Im Urin ist fast ausnahmslos Indikan 
und ein noch nicht näher zu identifizierender, sicher ei weissartiger 
Körper enthalten. Mit den klinischen Erscheinungen sind diese Befunde 
ursäohlich nicht in Zusammenhang zu bringen. Zur Erklärung der 
Todesursache nach Verbrennung muss meist eine Kombination ver¬ 
schiedener Noxen angenommen weid#n, die auch nach Grad der Ver¬ 
brennung verschieden zu beurteilen sind. Wahrscheinlich werden Gift¬ 
körper (Eiweissabbauprodukte) im Organismus gebildet, die. durch den 
Urin ausgeschieden werden. Theo Müller-Augsburg. 

P. Auerbach - Burkhardtswalde: Vergiftung mit Eukalyptusöl. 
(D.ra.W., 1919, Nr. 42.) Der Kranke hatte etwa 20 ccm Eukalyptusöl 
genommen. Es traten auf Bewusstlosigkeit, Zyanose, Pulsbesobleunigung, 
enge Pupillen. Nach Magenspülung trat Besserung ein. Heilung. 

Dünner. 

Schilling-Leipzig: Schwere Arsenikvergiftnng bei Psoriasis- 
bebaidlang. (Aerztl. Saehverst.-Ztg., 1919, Nr. 17.) Ein Soldat erhielt 
wegen Psoriasis Fowler’sohe Lösung. Er überschritt während dpr Ein¬ 
nahme 2 Monate lang die Qöchstdosis mit 36—87 Tropfen. Es stellte 
sich bei ihm schwerer Ikterus, Mattigkeit, Kopfweh und dunkle Haut¬ 
farbe ein. Das Mittel wurde sofort ausgeBetzt und Patient wurde wieder 
gesund. Bemerkenswert ist, dass die Leber verkleinert war und dass 
im Urin Leuzinkugeln und Thyrosinnadeln gefunden wurden. Ausserdem 
bestand eine schwere Anämie. H. Hirschfeld. 

Böhme-Bochum: Gehäuft auftretende Knoebenerkrankingen in¬ 
folge von Unteren* ährnng. (D.m.W., 1919, Nr. 42.) Ebenso wie an 
anderen Orten wurden auch in Bochum Knocbenerkrankungen beobachtet, 
die teils in das Gebiet der Rachitis, teils in das der Osteomalazie fallen. 
Aetiologie: Unterernährung. Dünner. 

L. Starker: Knochenusur duroh ein hämophiles, subperiostales 
Hämatom. (Mitt. Grenzgeb., Bd. 31, H. 4.) Bei einem Bluter ent¬ 
wickelte sich am Femur ein subperiostales Hämatom, das klinisch und 
im Röntgenbild einem. Sarkom glich. Duroh stetige Blutung in den 
derben Periostsaok, der sich über ein gewisses Maass nicht ausdehnen 
konnte, kam N es zu Knochenusur, so dass das Hämatom die Eigen¬ 
schaften und Folgen eines Aneurysma spurium aufwies. Ausführliche 
histologische Würdigung des Sektionspräparats. 

_ Theo Müller-Augsburg. ( 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

H. Siechen-Bürstadt: Ueber die Ursachen des Qniacke’schen 
Oedems. (D.m.W., 1919, Nr. 42.) S. sah 2 Fälle von Qaincke’achem 
Oedem, bei denen als Ursache intestinale Störungen bzw. vorangegangene 
Infektionen, wie Influenza, in Betracht kamen. 

A. Salomon-Berlio: Zur Klinik der Meningealblutungen. (D.m.W., 
1919, Nr. 42.) S. hat eine Meningealblutung operiert, die im Anschluss 
an einen Fall entstanden war, und die sich dadurch auszeiohnete, dass 
die Symptome nach -dem Beginn der Erkrankung 7 Tage stationär 
blieben; im allgemeinen sieht man ejnen stürmischen Verlauf. Es trat 
Heilung ein. Die fehlende Sprache kehrte bald nach der Operation 
zurück. Dünner. 


Kinderheilkunde. 

E. Rach*Wien: Die Milch als Vergleickselnheit für die Nährwert- 
koBientratioB der Nahrungsmittel. (M.m.W., 1919, Nr. 42) Es wird 
versucht, das Pirquet’ache System der Ernährung, das den Nährwert von 
1 g Milch = 1 Nem zur Grundlage hat, durch Rückführung auf kurze 
Formeln zu erklären und seine Vorteile klarzumaohen. Diese beruhen 
darauf, dass statt der bisherigen kalorischen Berechnung der Nahrungs¬ 
werte der tägliche Nährwertbedarf durch die erforderliche Milchmenge 
ausgedrückt wird und so neben den abstrakten Zahlen auch für den 
Laien anschauliche, leicht haftende Erinnerungsbilder gemessen werden. 

E. Moro-Heidelberg: Die Bedeutung der endogenen Infektion deB 
Dünndarms für das Zustandekommen der Dyspepsie. (M.m.W., 1919, 
Nr. 40) Der Dünndarm ist normalerweise keimfrei. Unter bestimmten 
Bedingungen kam aber der selbsttätige Desinfektiousmeohanismus dieses 
Organs versagen. Dann kommt es besonders durch Einwanderung vom 
Diokdarm her zu einer Bakterienvegetation im Dünndarm. Diesen Vor¬ 
gang hat M. als endogene Infektion des Dünndarms bezeichnet. Man 
unterscheidet hierbei die leichtere Form als Cbymusinfektion, wobei die 
endogene Infektion ausschliesslich sich auf den Darminhalt beschränkt 
und die schwerere Form, wobei auch die Darmwandfläcbe selbst mit 
Bakterien infiziert ist, als Wandinfektion. Bei der Chymusinfektion kommt 
es zu einer Störung des Chemismus und explosiven Vergärung der Kohle¬ 
hydrate. Die dabei gebildeten niedrigen Fettsäuren bewirken einen Ka¬ 
tarrh der Darm sch leim haut. Bei der Wandinfektion wird das Darm¬ 
epithel selbst primär stark geschädigt, es kommt zur abnormen Durch¬ 
lässigkeit des Darms und somit leicht zu den Erscheinungen der schweren 
Dyspepsie. 


M. Holland u. L. Meyer- Tübingen: Beobachtungen an den Halt- 
kapillaren bei Kindern mit exsudativer Diathese. (M.m.W., 1919, 
Nr. 42.) Kinder mit exsudativer Diathese weisen bei der Beobachtung 
mittels der Müller-Weiss’dchen Kapillarmethode ein eigenartiges, von der 
Norm abweichendes Bild der Hautkapillaren auf. Die charakteristischen 
Merkmale sind folgende: Auffallend lange Endsohlingen mit erheblichen 
Längen- und Breitenunterschieden sowie starken Kaliberschwankungen. 
Also gegenüber dem normalen Säugling ein sehr regelloses unruhiges 
Bild, das durch zahlreiche Anastomosen im Gebiet des subpapillären 
Plexus und der Endschlingen selbst noch verstärkt wird. Zuführender 
und abführender Schenkel sind meist gut differenziert Die EndschliDgen 
zeigen stellenweise vermehrte Soblängelung. Der subpapilläre Plexus 
ist gut sichtbar, der Untergrund ist ohne Besonderheiten. 

R. Neumann. 

Cassel-Berlin: Zur operativen Behandlung der akuten Nieren¬ 
entzündung. (D.m.W., 1919, Nr. 39.) Vortrag, gehalten in der pädi¬ 
atrischen Sektion des Vereins für innere Medizin und Kinderheilknnde 
am 2. Juni 1919. Siehe Gesellschaftsberioht der B.kl.W., 4919, Nr. 37. 

Dünner. 

' W. Stöltzner-Halle: Die zunehmende Schwere der Varicellen. 
(M.m.W., 1919, Nr. 41.) Seit der letzten Zeit vor dem Kriege nehmen 
die Varizellen an Schwere zu. Dies zeigt sich in einem früheren und 
reichlicheren Ausschlag von variolaäbnlichem Charakter, höheren Fiebern 
und schwererem Allgemeinbefinden. Ferner hinterlassen die Varizellen 
jetzt oft Narben. Einmal trat eine Staphylokokkenpyämie im Anschluss 
an Varizellen auf, zweimal eine Verschlimmerung einer bis dabin günstigen 
Tuberkulose. In 2 Fällen erkrankten Erwachsene an Varizellen. 

R. Neumann. 


Chirurgie. 

Siegfried: Erfahrungen über offene Wundbehandlung. (Bruns' 
Beitr., 1919, Bd. 116, H. 2 [71. Kriegsohirurg. Hefi]) Für manche 
Wunden, besonders für grosse eiternde Wunden mit und ohne Knochen¬ 
verletzung ist die offene Wundbehandlung angelegentlich zu empfehlen, 
zuweilen sogar das Verfahren der Wahl. Wie diese stattzufiodeo ha f , 
wird in der Arbeit auseinandergesetzt. Vor allem ist für den freien 
Abfluss des Eiters zu sorgen. Dass von den verschiedenen Autoren so 
verschiedene Resultate mit der offenen Wundbehandlung erzielt wurden, 
erklärt sich daraus, dass der freie Luftzug für die offene Wundbehand¬ 
lung die geradezu notwendige Vorbedingung ist, la geschlossenen 
Räumen, bei Wunden, die unter der Reifenbahre oder unter der Bett¬ 
decke liegen, sind die Resultate ganz andere und teilweise recht un¬ 
erfreuliche. 

J. F. S. Esser - Berlin: Arteria angnlaris-Lappen für Oberlippen- 
bau und deren Defekte. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 116, H. 2 [71. Kriegs¬ 
ohirurg. Heft]) An Hand von 9 operierten Fällen zeigt Verf. die Vor¬ 
teile der Verwendung eines die Arteria angularis enthaltenden Lappeos 
für Oberlippenplastiken, wie er bereits früher seine Erfahrungen mit 
Anwendung eines solchen Lappens für die Plastik der Unterlippe, >ür 
die Deokung von Gaumen defekten und für die Operation bei an¬ 
geborenen Hasensobarten veröffentlicht hat. 

C. Johnsen: Der plastische Ersatz der Nase und des Auges. 
(Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 116, H. 2 [71. Kriegsohirurg. Heft]) Operativ 
technische Angaben. W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

M. Cohn-Berlin: Ueber die Beziehung zwischen Knochenatrophie 
und Knochenregeneration auf dem Wege der Kalkwandefnng. (Arch. 
f. klin. Chir., Bl. 112, H. 2.) C. bat gefunden, dass die Knocheoatrophie, 
wie sie nach Verletzungen und entzündlichen Prozessen in den Knochen 
gefunden wird, nicht ihre Ursache in der Ruhigstellung des Gliedes bat, 
wie bisher im einzelnen angenommen wurde. Vielmehr beruht sie auf 
einer Abwanderung der Kalksalze aus dem Knochen, die durch einen 
retrograden Säftestrom nach der Stelle der Fraktur gebracht und dort 
zum Aufbau des Knochens verwendet werden. Es gibt also neben der 
bisher bekannten und anerkannten endostalen und periostalen Knochen- 
neubildung eine dritte Art, wobei die Kalksalse aus dem peripheren 
Knoohensystem' des verletzten bzw. erkrankten Knochens genommen 
werden. 

0. Ring leb-Berlin: Die Entfernung der vergrösserten Vorsteher¬ 
drüse von der Harnröhre aus. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 2.) 
R. bevorzugt «die suprapubisohe Methode der Prostatektomie nach Freyer. 
Jedoch geht er vom Blaseninnern aus nicht durch die die Prostata be¬ 
deckende Sohleimbautscbioht auf dieses Organ vor, sondern er bahnt 
sich einen Weg zu ihm von der Harnröhre aus. Es gelingt so, die ver- 
grösserte Drüse ohne j-)de Neben Verletzung besser auszuschälen. 

Hay ward-Berlin. 

Thöle: Zur Verbaudsteehnik nach Helenkresektionen. (Bruns* 
Beitr., 1919, Bd. 116, H. 2 [71. Kriegschirurg. Heft]) Da nach Resek¬ 
tionen nach Sohussverletzungen der Gelenke die vorher kräftige Mus¬ 
kulatur sobnell atrophiert und der Gipsverband daher zu weit wird, da 
ferner unter dem Gipsverband Abszessbildungen unbemerkt bleiben 
oder nach kurzer Zeit zur Abnahme des Verbandes zwingen können, 
lehnt Th. den Gipsverband ab und verwendet grundsätzlich dafür mit 
Extension kombinierte Sohienenverbände. 

W. V. Simon - Frankfurt a. M. 


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10. November 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1071 


F. Bahr - Hannnover: Die isolierte Fraktur des Kroieiifortsatses 
der Ulna. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 151, H. 1 u. 2.) Beschreibung von 
zwei, bei Frauen beobachteten Fällen dieser seltenen Frakturforra. 

B. Valentin - Frankfurt a. M. 

Raesohke - Göttingen: Beitrag zur SrquestrotouUe. (Bruns’ Beitr., 
1919, Bd. 116, H. 2 [71. Kriegschirurg. Heft] ) Die Frage, ob man bei 
Knoohenfisteln nach Schussverletzungen die radikale Sequestrotomie 
ansführen oder die von Klapp, Eis u. a. empfohlene schonende Ex¬ 
traktion der Sequester vornehmen soll, beantwortet Verf. an Haöd der 
in der Göttinger Klinik gemachten Erfahrungen dahin, dass bei Knochen¬ 
brüchen die mit wenig seröser Flüssigkeit absondernden Fisteln geheilt 
sind und deren Röntgenbild eine kleine Höhle mit leicht erreichbarem 
Sequester zeigt, zunächst die konservative Methode der Sequester¬ 
entfernung angezeigt ist. Führt dieses Verfahren nicht zum Ziel, so ist 
die radikale Sequestrotomie am Platze, die auch in den Fällen vor- 
xunehmen ist, bei denen sich das Krankheitsbiid einer traumatischen 
Osteomyelitis entwickelt bat. W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

J. Dubs - Winterthur: Gallertzyste oder Kolloidkarzinom als Ur¬ 
sache eines Dünndarmvolvnlns. (Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 33 u. 34.) 
61jährige Patientin, Operation, Exitus. R. Fabian. 

A. Szenes-Wien*. Zur blutigen Reposition der Laxatio ohtnra- 
toria. (D. Zsohr. f. Chir., Bd. 151, H. 1 u. 2.) Ein 21 jähriger Soldat 
wurde duroh eine einstürzende Barackenwand verschüttet und erlitt da¬ 
durch eine rechtsseitige Hüftgelenksluxation nach vorn und abwärts 
(Luxatio obturatoria).' Mehrmalige unblutige Repositionsversuche miss¬ 
langen- Daher blutige Reposition mittels Kocher’schen Schnittes. Das 
Endresultat war ein ziemlich gutes. Der Gang des Patienten war gut, 
wenn auch wegen einer leichten Adduktionsstellung ein leioht hinkender. 

M. Budde - Cöln: Beitrag zur Kenntns der isolierten Verletzung 
des hinteren Kniegelenkkrenzbandes. (D. Zsohr. f. Chir., Bd. 151, 
H. 1 u. 2.) Beschreibung eines Falles, bei dem erst die Röntgenauf¬ 
nahme, die einen deutlichen Knoohenschatten auf der Rückseite des 
Sohienbeinkopfes zeigte, die Wahrsoheinliohkeitsdiagnose einer Verletzung 
des hinteren Kreuzbandes ermöglichte. 

B. Valentin - Frankfurt a. M. 

H. Sauer-Hamburg: Ein Fall von tiefsitzendem kaveratiseu Angiom 
am Halse. (M.m.W., 1919, Nr. 40.) Mitteilung eines seltenen Falles 
von tiefsitzendem kavernösen Angiom der linken Halsseite. Heilung 
duroh teilweise Exstirpation der Geschwulst. R. Neumann. 

E. Waldstein: Ueber künstlich erzeugte Phlegmonea. (W.m.W., 
1919, Nr. 36 u. 37.) Die künstlich erzeugte Phlegmone unterscheidet 
sich von den natürlichen Phlegmonen. Während bei diesen die Ent 
zündung und Eiterung im Vordergrund steht, handelt es sich bei den 
künstlichen Phlegmonen um NekrotisierungsvorgäDge. Ein prinzipieller 
Unterschied besteht nicht, sondern nur ein quantitativer. Konzentrierte 
Noxen erzeugen Nekrosen, dieselben Nozen in verdünntem Zustand 
Eiterung. Es wird über 51 Fälle von künstlich erzeugten Phlegmonen 
bei Kriegsteilnehmern berichtet, das Krankheitsbild sowie die Therapie 
eingehend besprochen. G. Eisner. 

E. Duthweiler: Ueber die Verwendbarkeit der diagnostischen 
Thberkuliainjektion in der chirurgischen Tuberkulose des Kindes¬ 
alters, verglichen mit anderen diagnostischen Mitteln. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 151, H. 1 u. 2.) Die Erfahrungen der Heidelberger chirurgischen 
Klinik über die diagnostische Tuberkulinherdreaktion, wie sie neuer¬ 
dings von Stromeyer empfohlen wurde, lauten ungünstig, denn die 
Reaktion war nur in 6 unter 28 auf andere Weise sioher gestellten 
Fällen von chirurgischer Tuberkulose positiv. Ein negativer Ausfall der 
Herdreaktion sohliesst Tuberkulose nicht aus. Der positive Ausfall in 
Form der Herdreaktion ist ein untrügliches Zeichen von Tuberkulose. 
Nachhaltige Schäden haften der Reaktion bei der Verwendung als 
Diagnostikum bei der ohirurgisohen Tuberkulose des Kindesalters nicht 
an, sofern mit kleinen Dosen vorgegangen wird. 

R. -Gebhardt: Ueber die SchÜdelplaztik nach Kopfschüssen. 
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 151, H. 1 u. 2.) Von einer Eröffnung und Re¬ 
sektion der Duranarbe wurde fast stets abgesehen; G. ging von der 
Annahme aus, dass das die Duranarbe ersetzende feine Bindegewebe 
das daruntorliegende Hirn nicht wesentlich beeinträchtigen kann. Es 
wurde stets ein osteoplastischer Lappen nach Müller - König gebildet. 
Für den Zeitpunkt der Vornahme der Schädelpla^tik sind zwei Gesichts¬ 
punkte maassgebend: bei bedrohlichen Gehirnersoheinungen sofortige 
Operation ohne Rüoksioht auf die Wundverhältnisse; bei normalem Heil¬ 
verlauf erst, wenn die Wunde vollkommen verheilt ist und keine Gefahr 
eines Wiederaufflackerns entzündlicher Prozesse besteht. 

• B. Valentin - Frankfurt a. M. 

Linok - Königsberg: Weiterer Beitrag zur chirurgischen Behandlung 
von Kriegsverletzungen an der Schädelbasis, (Bruns’ Beitr., 1919, 
Bd. 116, H. 2 [71. Kriegschirurg. Heft]) Die vorliegende Arbeit bildet 
eine Ergänzung einer früheren Veröffentlichung des Verf. über Schädel¬ 
kriegschirurgie in den Bruns’ Beitr. Neben 5 Schussfrakturen an der 
Schädelbasis wird über 4 Falle von Sohädelbasisverletzung duroh stumpfe 
Gewalt berichtet. Die Diagnostik, die Indikationsstellung werden ebenso 
wie die speziellere chirurgische Technik besprochen. 

0. Stracker • Wien: Ergebnisse der Operationen &■ den peripheren 
Nerve*. (Bruns’ Beitr., 1919, Bd. 116, H. 2 [71. Kriegsohirurg. Heft]) 
Verf. berichtet über das Material von 441 operierten Nerven des ortho¬ 
pädischen Spitals und ier Invalidenschulen in Wien. Die Neurolysen- 


Operation zeigt einen bedeutend höheren Prozentsatz von Heilungen als 
die Naht. Bei der Neurolyse funktionieren sämtliobe Muskeln bei der 
Nachuntersuchung in 31 pCt., bei der Naht in 13pCt. An der oberen 
Extremität sind die Erfolge der Nervennaht bessere als an der unteren. 
Von den Ueberbrückungsverfahren hat nur die Tubulisation gute Er¬ 
folge (60 pCt.), doch darf die Distanz nicht mehr als 3 cm betragen. 
Die Implantation fremder Nerven zeigte ausser Sohwinden der Atrophie 
keinen Effekt. Pfropfungen hatten hur Erfolg, wenn sie naoh An¬ 
frischung des Querschnittes nach Art einer Nervennaht ausgeführt 
wurden. Die Leistungsfähigkeit der erfolgreich operierten Extremität 
steht mit den weitgehenden motorischen Besserungen nicht im Einklang. 
Sensibilitätsdefekte werden meist gebessert, aber nicht völlig-behoben. 

* W. V. Simon - Frankfurt a. M. 

Henschen-St. Gallen u. Najer - Zürich: Die paruissslo (trans- 
ethmoidale) Operation des Hypophysentnmors nebst Bemerkungen zur 
Chirurgie der Schädelbasis. (Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 35 u. 36.) 
Vortrag, gehalten in der städt. Aerztegesellschaft Zürich, Mai 1918. 

R. Fabian. 

E. Liek-Danzig: Ueber Ursache und Behandlung des erschwerten 
Dekanüiements. (Aroh. f. klin. Cbir., Bd. 112, H. 2.) Von der Er¬ 
fahrungstatsache ausgehend, dass das erschwerte Dekanülement bei der 
unteren Tracheotomie sehr selten ist, hat in einschlägigen Fällen L. 
neben der schon bostehenden oberen Tracheotomie die untere hinzugefügt 
und konnte dann bald die Kanüle ohne Schwierigkeiten entfernen. 

Hay ward-Berlin. 

J. Dubs - Winterthur: Hernia diaphragmatica vera paroesophagea 
mit Volvalas und Rnptar des Magens. (D. Zsohr. f. Chir., Bd. 151, 
H. 1. u. 2.) Der in der Überschrift gekennzeichnete Fall ist der sechste 
seiner Art. Die Patientin starb bald naoh der Operation. 

B. Valentin - Frankfurt a. M. 

K. Lutz-Berlin: Die Bedeutung der okkulte* Blutungen für die 

Diagnose des Magenkarziuoms. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 2.) 
Das Magenmaterial der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses 
Berlin-Pankow wurde auf okkulte Blutungen untersucht, und es konnte 
hierbei deren Bedeutung für die Diagnose wesentlich erweitert werden. 
Der konstante Blutnachweis im Stuhl ist das sicherste und wohl auch 
das früheste Karzinomsymptom. Besonders wertvoll ist die gleichzeitige 
Untersuchung des Mageninhalts auf Blut. Wird dieses nachgewiesen, 
dann deutet dieser Befund auf den Sitz der Gesohwulst im Magen hin. 
Bei Pyloruskarzinom wird mitunter der Mageninhalt frei von Blut ge¬ 
funden. Ein einziger negativer Blutbefund im Stuhl spricht gegen das 
Vorhandensein eines Karzinoms. Auch für die Beurteilung des Dauer¬ 
erfolgs nach einer Magenresektion wegen Karzinom ist der Blutnaoh weis 
von Wichtigkeit, indem in einem. Wiederauftreten von Blut die Ent¬ 
wicklung eines Rezidivs sioh anzeigt. Hay ward-Berlin. 

M. Lüdin - Basel: Regionärer GastrospasBis bei Cholezystitis. 
(Schweiz. Korr. Bl^ 1919, Nr. 38) 2 Fälle. Die Differential diagnose 
des regionären piapylorischen Gastrospasmus gegenüber Karzinom dieses 
Magenabschnittes gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Magen- 
radiologie. Häufig ist eine Probelaparotomie notwendig, bei der dann 
gleich die Ursache für den regionären Spasmus beseitigt werden kann, 
wie z. B. die erkrankte Gallenblase mitsamt den Steinen bei den zwei 
mitgeteilten Fällen. 

C. Krähenbühl - Riehen (Basel): Beiträge zur Statistik der 
chirurgischen Erkrankungen der Gallenwoge und zum „Courvoisier- 
sohen Gesetze“. (Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 39 ) Das Courvoisier’sche 
Gesetz formuliert Verf. folgendermaassen: Die Verlegung des Choledochus 
wird bei lange bestehendem Tumor der Gallenblase in der Regel durch 
Neubildung der Gallenwege, bei vorübergehendem oder fehlendem Tumor 
der Gallenblase hingegen durch Steinbildung bedingt. Unter 498 Gallen-* 
steinoperierten fanden sich 41 mal Karzinome der Gallenblase = 8,2 pCt. 
Bei diesen 41 Fällen war das Gourvoisier’sche Zeichen klinisch 34 mal 
positiv, 8 mal negativ, und 4 mal konnte es nioht mit Sicherheit fest¬ 
gestellt werden. In 36 Fällen fanden sich neben dem Karzinom Kon¬ 
kremente. R. Fabian. 

A. Krecke-Münohen: Beitr % zur Behandlung der skaten Appen¬ 
dizitis, insbesondere bei der umschriebenen Abszessbildnug. (M.m.W., 
1919, Nr. 37.) In den ersten 2 Tagen ist die Operation der Appendizitis 
immer angezeigt, wenn: 1. eine ausgespoehene Bauchdeckenspannung 
besteht; 2. die Pulszahl beim Erwachsenen über 100 hinaufgeht; 3. wieder¬ 
holtes Erbrechen vorhanden ist; 4. die Temperatur am 2. Tage im Rek¬ 
tum neoh über 88° ist; 5. der Sohmerz andauernd heftig ist; 6. die 
Leukozytenzahl über 15000 beträgt. Diese Indikationsstellung bedeutet 
die Operation der akuten Appendizitis fast in jedem Fall. Nach dem 
2. Tag muss geachtet werden darauf 1. ob eine Beteiligung der Serosa 
vorliegt. Dann muss operiert werden; 2. ob eine freie Peritonitis vor¬ 
handen ist. Dann ist sofortige Operation indiziert; 8. ob sich eine ab¬ 
gekapselte Peritonitis mit umschriebenem Exsudat gebildet hat. In diesem 
Falle sind die Meinungen noch geteilt, doch ist die Mehrzahl der Chirurgen 
auch hier für die sofortige Operation. Dort nur für die Inzision mit Er¬ 
öffnung des Abszesses, während die Radikaloperation mit Appendix¬ 
exstirpation von den meisten abgelehnt wird. Wird sie dooh gemacht, 
so muss duroh Beckenhoohlagerung, Abstopfen der Bauchhöhle vor der 
Abszesseröffaung und Vermeiden von gewaltsamem Lösen von Verwach¬ 
sungen die Bauchhöhle vor dem Eiter sorgfältig gesohützt werden. Unter 
Beobachtung dieser Indikationen sank die Gesamtmortalität bei 586 Appen* 
diaiti»Operationen auf 8,2 pCt. R. Neumann. 


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1072 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


H. Reusoh - Würzburg Ueber die Ileasfälle der Krieg9jahre io 
der chirurgischen Universitätsklinik Wtirzbnrg. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 151, H. 1 u. 2.) Wie an einigen anderen Kliniken, so wurde auch 
in W. eine Zunahme der Ileuslälle während des Krieges beobachtet. 

H. Walther - Jena: Ueber paralytische! Ileas infolge von Darm- 
glrnig (Ilensgftrnng). (D. Zschr, f. Chir., Bd. 151, H. 1 u. 2 ) Tritt in 
stagnierendem, vegetabilienreiobem Darminhalt eine starke Zellulose* 
gärung auf, so kommt es durch Schädigung der Darmmuskulatur durch 
die Gärungsprodukte in kurier Zeit zur Ausbildung eines Gärungsileus, 
der ein paralytischer ist. Er unterscheidet sich von anderen lleusarten 
durch das Fehlen der Symptome des peritonealen Schocks. Seine Be¬ 
handlung besteht in rascher Entleerung des Darms durch hohen Einlauf. 

G. Winterthur: Ueber isolierte, perforierende Mesenterial* 
riptir aaeh direkter, Stampfer Gewaltein Wirkung; zugleich ein Bei¬ 
trag zur Entstehung der posttraumatischen Darmstenose. (D. Zschr. 
f. Chir., Bd. 151, H. 1 u 2.) Als isolierte Mesenterialverletzungen sind 
diejenigen aufzufassen, die ohne gleichzeitig bestehende Darmverletzung 
nach irgendwelcher Gewalteinwirkung offen oder subkutan entstanden 
sind. Als perforierende Bind sie zu bezeichnen, wenn sie beide Mesen¬ 
terialblätter zugleich durchsetzen; penetrierende sind sie dann, wenn 
nur ein Mesenterialblatt verletzt, die Kontinuität der Gekrösewand also 
nicht vollständig aufgehoben ist. Mitteilung von zwei Fällen; der erste 
ist bemerkenswert durch zwei Tatsachen: 1. durch die begleitende 
Ruptur der linken Niere, 2. durch den schliesslichen Endausgang: Tod 
des Patienten an Ileus, 9 Monate nachdem er das Spital geheilt ver¬ 
lassen hatte, wobei die Ursache des Darmverschlusses mit Folgezuständen 
der glücklich geheilten Mesenterialruptur zusammenhing. 

V. Hoffmann • Heidelberg: Zur Kenntnis der Cbylnszysten. 
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 151, H. 1 o. 2.) Mitteilung eines operierten Falles 
von Cbyluszyste bei einem 45jährigen Mann. Die grösseren Chylus- 
zysten, die als abdominale Tumoren klinisches Interesse habeo, ent¬ 
sprechen den zystischen Lymphangiomen und sind diesen analog als 
Geschwülste aufzufassen, die in naher Beziehung zu den Missbildungen 
stehen; Stauung spielt dabei nur eine sekundäre Rolle. 

B. Valentin - Frankfurt a. M. 


Röntgenologie. 

R. Glocker - Stuttgart: Die Bedeutung der NetispannnugssehwAn- 
kungen für den diagnostischen und therapeutischen Röntgenbetrieb. 
(M.m.W., 1919, Nr. 41.) Mittels einer neuen Messmethode wurde der 
Einfluss der Netzspannungsschwankung des Elektrizitätswerkes, der in 
Stuttgart im Laufe eines Tages 20pCt. beträgt, auf die Zusammensetzung 
der Röntgenstrahlung untersucht. Es zeigte sieb, dass sich bei den ge¬ 
wöhnlichen gashaltigen Röntgenröhren sowohl die Gesamtintensität als 
auch die Strablungszusammensetzung, d.h. das Verhältnis der Intensitäten, 
in der die weichen, mittelharten und barten Strahlen Vorkommen, ändern. 
Z. B. nahm bei einer Erhöhung der Primärstrahlen ufh 6 pCt. die Inten¬ 
sität der weichen Strahlen um 20pCt., die der harten um 32pCt. zu. 
Diese Aenderungen spielen auch im diagnostischen und therapeutischen 
Röntgenbetrieb eine oft unerkannte Rolle. Besonders lür die Therapeuten 
ergibt sich daraus die Forderung, stets mittels Voltmeter die Primär- 
8 pannung des Röntgenapparates zu kontrollieren. 

Glocker-Stuttgart u. Schlager-Berlin: Die Messung der Gewebs- 
dnrchl&ssigkeit mittels Rön.tgenstrahlen. (M.mW., 1919, Nr.41.) DieVerf. 
kommen zu folgender Zusammenfassung: Es wird eine Methode und Apparate 
zur exakten Messung der Gewebsdurchlässigkeit für Röntgenstrablen 
angegeben. Messungen bei normalen Männern ergaben für die Weich¬ 
teile des Oberarms einen ziemlich konstanten Wert. Unter patholo¬ 
gischen Verhältnissen wurden mehrfach erhebliche Steigerungen der Durch¬ 
lässigkeit naohgewiesen. 

W. Steuernagel-Würzburg: Dosiernngsfragen. (M.m.W., 1919, 
Nr. 40.) Kritische Betrachtungen über Tbeone und Praxis. Alle Mess¬ 
methoden, die eine höhere Fehlerquelle als rfc 10 pCt. zulassen, sind 
für den röntgentherapeutischen Betrieb unbedingt zu verwerfen, be¬ 
sonders bei der Tiefentherapie. Keins der gebräuchlichen Messinstrumente 
gibt die sogenannte Tiefendosis wirklich an, sondern die Tiefendosis 
muss immer erst aus der festgestellten Oberfiächendosis in Verbindung 
mit dem Absorptionskoelfizienten berechnet werden. Die Obeiflächen- 
dosis wird mittels der bekannten Messmethode entweder radiodynamisch 
(Verfahren von Sabouraud, Kienböck, Holzknecht, Dessauer, 
Fürstenau U9W.) oder elektrodynamisch (Klingelfuss und Bergonier, 
Walter) festgestellt. Für den Praktiker als geeignet haben sioh Von 
all diesen nur die Methode nach Fürstenau und Walter herausgestellt. 
Bei den gashaltigen Röntgenröhren muss mindestens jeden Morgen die 
Härte der Röhre mittels des Fürstenau’sohen Verfahrens festgestellt 
werden, bei den einmal auf eine bestimmte Härte geeiobten gasfreien 
Röhren, deren Konstanz gesichert ist, bedarf es ausser der Feststellung 
des Fokusabstandes überhaupt keiner Messung mehr. Diese Röhren 
werden praktisch einfach nach der Bestrahlungszeit dosiert. 

R. Neumann. 

A. Lorey Hamburg: Zur Röhren frage. (Fortsohr. d. Röntgenstr., 
Bd. 26, H. 4 u. 5.) Durch die modernen gashaltigen Röhren ist der Be¬ 
trieb so vereinfacht, dass er in dieser Beziehung nur wenig hinter dem 
mit gasfreien Röhren zurücksteht. Vergleichende Angaben. 

A. Lorey und F. Kamp-Hamburg: Ein neues Verfahren zur Her¬ 

stellung voi Schntzwänden tad -körpars gegen Röntgenstrablen. 


(Fort8chr. d. Röntgenstr., Bd. 26, H. 4 u. 5.) Herstellung eines Schuts- 
stoffes von hohem Absorptionsvermögen lür Röntgenstrablen mit einem 
geeigneten Banmörtel in verschiedenem Mischungsverhältnis zugleich als 
Baust« ff für die Scbutzwand unter Ausschluss von Blei al9 sicherer 
Strablenschutz. 

R Leuk- Wien: Zur Frage der aknten Knocbeistrspbie hei 
KnochenbrÜcben. (Fortscbr. d. Röntgenstr., BL 26, H. 4 u. 5) Sie 
ist eine regelmässige Begleiterscheinung der Knochenbrüche. Ihr Beginn 
ist im Röutgenbild frühestens 3*/* Wochen nach der Verletzung zu kon¬ 
statieren. Sie lokalisiert sich meist unabhängig von der Frakturstelle 
in allen Gelenken der verletzten Extremität, in seltenen Fällen ist sie 
in dem der Frakturstelle näobstgelegenen Gelenk am deutlichsten zu 
erkennen. Der Inaktivität kommt bei ihrer Entstehung die grösste Be¬ 
deutung zu; nur selten dürften andere Momente mitspielen. Sie ist nicht 
die Ursache verzögerter Kallusbildung. Sie ist .prophylaktisch durch 
möglichste Vermeidung der Inaktivität zu bekämpfen. Schnötgen. 

Max Sgalitzer: Zar Diagnostik panvertebraler Ahszasahildug 
durch die Röntgenuntersuchung. 

Max Sgalitzer: Zur Röntgendiagnostik der Wirkeltuberkulese, be¬ 
sonders von der Ausbildung eines nachweisbaren Gibbas. (Mitt Grenzgeb., 
Bd. 31, H. 4.) Eiteransammlung bei Karies der BrustwirbelsäuJe ist 
röntgenologisch in Form eines die Brustwirbelsäule spindelförmig um- 
schliessenden Schattens darzustellen. Solcher Schatten macht auch auf 
sonst unbemerkt bleibende Abszessherde in der Wirbelsäule aufmerksam. 
Abszessbildung bei Tuberkulose der Brustwirbelsäule ist so häufig, dass 
das Fehlen eines Abszessschattena bei deutlicher Destruktion eines Wirbels 
auf andersartige Erkrankung (Lues oder Tumormeta&taseD) binweist. Ist 
ein Abszess röntgenologisch uachgewiesen, so soll gleich die Jodoform¬ 
therapie eiosetzen. Stets soll auch io seitlicher Richtung durchleuchtet 
werden; bei dieser Technik sind kleinste Destruktioosherde lange vor 
Abszessbildung darzustellen. Theo Müller (Augsburg). 

Ass mann-Leipzig: Die Broncbiek tasten in Röntgenbilde. (Fort¬ 
sohr. d. Röntgenstr., Bd. 26, H. 4 u. 5.) Schilderung der typischen 
Darstellungsweisen der Bronchiektasien im Röntgenbilde. Angaben über 
sackförmige, zylindrische Bronohiektasien und isolierte bronchiektatische 
Kavernen. 

A. Akerlund-Stockholm: Magen divertike), similierend« Duodenal- 
divertikel an der Fltxura dnodeno-j^junalis. (Fortscbr. d. Röntgenstr., 
Bd. 26, H. 4 n. 5.) Als „funktionelle* bzw. „spastische persistierende* 
und andere „rätselhafte* Magendivertikel bezeicbnete Falle dürlten wohl 
retroperitoneale, eventuell auch hinter dem Pankreas belegene Duodenal- 
divertikel von der Gegend der Flexura duodeno-jejunalis sein. Ein Nach¬ 
weis desselben kann bei Operation unmöglich sein. Angaben für diese 
Ansicht. Ein solches Divertikel geht bei Verschiebungen mit dem Magen¬ 
schatten nicht mit und die Kontoren des Magensobatten9 laufen über 
die Divertikelbildung hin. Einziehung, Aufschürzung, Fixierung der 
Magenkootur an der Divertikelbildung kommt nicht vor. 

0. Müller-Göttingen: Mitteilungen über die röntgenologisohe Dia¬ 
gnose eines grosse! Nierensteines von eigenartiger Form und abnormer 
Lage. (Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 26, H. 4 u. 5) Grosser Stein in 
der rechten stark vergiösserten und verlagerten Niere, der die Gestalt 
eines mit seichten Furchen und stumpfen Kanten versehenen Eoteneies 
hat. Die Schmerzen, die er verursachte, waren vorher im Sinne einer 
Cholelithiasis oder einer Wanderniere gedeutet. 

W. Hof mann - Berlin: Ueber den Röntgenbeftnd bei Ruresii 
nocturna (Spina bifida ooculta). (Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 26, 
H. 4 u. 5.) Man findet bei Kindern oft bei Enuresis nocturna im Röntgen¬ 
bilde eine Spina bifida ocoulta im Bereich der Lumbosakralgegend (in 
59,2 pCt.); am meisten besteht Spaltung des 1. Sakralwirbels, seltener 
die des 5. Lumbalwirbels, aber auch eine solohe im Bereich der anderen 
Sakralwirbel. Das Röotgenbild ist oft das einzige Hilfsmittel, um das 
Vorhandensein einer Spioa bifida occulta festzustellen. 

__ Schnütgen. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

M. Genok-Greifswald: Die Erkennung der Krätimilben durch das 
Hautmikroskop. (D.m.W., 1919, Nr. 40.) Man kann mit Hilfe des Weiss- 
schen Hantmikroskops für Untersuchung der Hautkapilien die Krätzmilben, 
die Eier, den Kot, wie die beigefügte Abbildung zeigt, sehr schön er¬ 
kennen. Die Methode lässt sioh diagnostisch gut verwerten. 

C. Stern-Düsseldorf: Ueber Entstehung und Verhütung vor Sal- 
Yarsanschädigang. (D.m.W., 1919, Nr.41.) In den letzten Jahren sind 
mehr Salvarsanschädigungen beobachtet worden. St. meint, dass Sal- 
vanan auf der Magen darmschleimbaut ausgesclfieden wird. Besteht hier 
eine Störung, so kann sie durch Salvarsan gesteigert werden, es kann 
zu Ikterus kommen. Die Salvarsan- und Quecksilberexantheme hält St 
für autotoxisebe Erytheme, die durch die Noxe des Salvarsans ausgelöst 
werden können. Sie entstehen gegenwärtig häufiger, weil durch die Art 
der Ernährung die Neigung zu Darmstörungen häufiger ist Personen mit 
MagendarmStörungen sind von der Salvarsantherapie anszusohliessen bis 
zur Behebung der Störung. Dünner. 

B. Harlose : München: Ueber Rektalgonorrhoe. (M.m.W., 1919, 
Nr. 40.) Unter 100 Frauen mit Gonorrhoe des uropoetisoben Apparates 
wurde in 14 Fällen Rektalgonorrboe mit dem Befand eines gram-negativen, 
intrazellulären Diplokokkus festgestellt. Als Qauptinfektionsmodoa ist 


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UMIVERSITY OF IOWA 






10. November 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1073 


das UeberfÜessen des gonorrhoischen Genitalsekretes anzunehmen. Die 
anderen Infektionsmöglichkeiten: Coitus penoreotalis, Uebertragung auf 
meohanischem Wege und Durchbruch eines Bartholini’schen Abszesses in 
das Rektum treten demgegenüber stark zurück. Die Prognose quoad 
vitam ist gut, quoad Dauerheilung sehr schlecht. Therapeutisch kommen 
Einläufe mit Sol. urgent, nitr. 1:5000, täglich */* Liter oder 2 proz. 
Koliargolklysmen in Anwendung. R. Neu mann. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Ed. Martin-Elberfeld i Die Nengeotaltnng des Hebammenwesens. 
(Mschr. f. Geb. u. Gyn., September 1919.) Zustimmende Besprechung 
des Antrags, /der vom Ausschuss für Bevölkerungspolitik der Preussisohen 
Laudesrersammlung vorgelegt worden ist. Zu verlangen ist nur, dass 
für eine Versorgung der Hebamme gesorgt wird, die ohne ihr Ver¬ 
schulden vorzeitig ihre Tätigkeit aufgeben muss, weil sie den zu stellenden 
Anforderungen nicht mehr genügt. L. Zuntz. 

Grünewald - Dortmund: Zur Anwendung des Dämmerschlafs. 
(M.m.W., 1919, Nr. 40.) Der Dämmerschlaf sowohl in der alten Form 
als auch in der neuen von Stegei modifizierten Vorm unter Beifügung 
von Chinin, bibydr. hat mancherlei Nachteile. In lOpCt. versagt der 
Dämmerschlaf völlig, in 20—SOpCt. treten Aufregungszustände auf, in 
SO pCt. Nachlassen der Wehen. Jedes dritte Kind ist apnoisch-a^phyktisoh. 
Das Schema des Dämmerschlafs muss im Original nachgelesen werden. 

Fr.Engelmann-Dortmund: Ueber die Berechtigung einer allgemeinen 1 
Anwendung des Dämmerschlafs unter der Gebart (M.m.W., 1919, 
Nr. 40.) Zur Schonung der zurzeit herabgesetzten Widerstandsfähigkeit 
der Frauen und zur Hebung der Gebärfreudigkeit ist jetzt eine aus¬ 
gedehntere Anwendung von schmerzlindernden Mitteln während der Ge¬ 
burt berechtigt. Am besten ist der Dämmerschlaf, dort darf dieser 
wegen mancher Gefahren im allgemeinen nur in der Klinik angewandt 
werden. In der Hauspraxis genügt eine vorübergehende Betäubung bei 
besonders schmerzhaften Geburtsmomenten mit Aether- und Chloräthyi- 
rauscb und Pantopon bzw. Narkophin. R. Neumann. 

P. Küssy-Basel: Das spätere Schicksal herz , langen- nnd nieren¬ 
kranker Schwangerer. (Schweiz. Korr. Bl., Nr. 31.) Schwere Klappen¬ 
fehler des Herzens werden durch die Gravidität ungünstig beeinflusst, 
relativ viele Frauen sterben noch in den nächsten Jahren nach der Ge¬ 
burt, auch wenn sie die Geburt selbst scheinbar gut überstanden haben. 
Besonders gefährdet ist die Mitralstenose. Bei der Tuberkulose nimmt 
Verf. einen optimistischeren Standpunkt ein. Latente Tuberkulose wird 
kaum beeinflusst. Verf. ist der Ansicht, dass nicht die Gravidität an 
sich zur Verschlimmerung führt, sondern der Moment der Geburt, der 
zur Propagierung der Bazillen Anlass geben kann. Die ohronische 
Nephritis wird durch die Schwangerschaft sebn verschlimmert, */* sämt¬ 
licher Frauen gehen zugrunde, 20 pCt. leiden unter schwerer Ver¬ 
schlimmerung. A. Fabian. 

G. Klein - München: Die Bauchhöhle als Lymphranm und die ße- 
deatug des Netzes. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., September 1919,) Das 
Nets ist ein Blutbehälter zum Ausgleich der Blutmenge im Magen und 
Darm in den einzelnen Stadien der Verdauung; es bietet sowohl me¬ 
chanischen wie Wärmeschuts für die Baucborgane und spielt die Rolle 
eines Polizeisoldaten der Bauchhöhle. — Die Bauchhöhle als Lymph- 
raum enthält schon normalerweise eine geringe Menge von Lymphe. 
Der Aszites entsteht als Vermehrung der Lymphmenge wahrscheinlich 
nur ausnahmsweise durch meobanisobe Stauung. In den meisten Fällen 
bandelt es sich um einen biologischen Vorgang. Eine vermehrte Ab¬ 
sonderung von Lymphe entsteht unter dem Einfluss tcxieoher Produkte. 
Durch Ableitung mittels eines Dochtes oder Gummirohrs kann der Lymph- 
strom zur Fortschaffung von Bakterien ubw. gebracht werden. Durch 
Einbringen von Kampferöl in die Bauchhöhle werden Bakterien ver¬ 
nichtet, Leukozyten angelockt und peritoneale Verklebungen verhütet. 

P. Kuge-Berlin: Ovariotomie wegen kärsinomatöser Eierstocks- 
geschwnlst, und Eatfernang der Gebärmutter durch die Scheiden wegen 
Körperkarziaom. — Heilungsdauer bis jetzt 26 Jahre. (Msbhr. f. Geb. 
n. Gyn., September 1919) Inhalt in der Uebersohrift. 

W. Hann es-Breslau: Zur Orgaatherapic der Gebäraiatterblntangca. 
(Mschr. f. Geb. u. Gyn., September 1919.) Versuche mit Luteoglaodol 
der Chemischen Werke Grenzach. Das Mittel wurde in der Form sub¬ 
kutaner Injektionen angewandt. Die Erfolge waren ausgezeichnet bei 
klimakterischen und juvenilen Blutungen chne krankhaften Tastbefund 
und auch bei Kranken mit entzündlichen Adnextumoren. Häufig schon 
nach der ersten Injektion, spätestens nach der 3. amtierten die Blu¬ 
tungen. Die folgenden Menstruationen kamen manchmal verspätet, waren 
meist schwächer; gelegentlich mussten die Injektionen wiederholt werden. 
Das Mittel verdient weitgehende Anwendung. L. Zuntz. 


Augenheilkunde. 

A. Gutmann-Berlin: Ueber Kampfgaserkraukung des Anges. 
(D.m.W., 1919, Nr. 39.) G. fand in schweren Fällen venöse Stauung 
der Bindehautvenen und Netzbautvenenstauung. Er hatte auch Gelegen¬ 
heit, Augenerkrankung durch Gelbkreuzgas zu beobaobten. Es bestand 
starke Bindehaatabsonderung. ln der Hornhaut bestand feine Stippung 
des Epithels in punktförmigen Herdohen. In der Regenbogenhaut fand 
er Hyperämie und stark verengte* Popille. Behandlung: Sorge für 


Sekretabfluss durch Oeffnen der Lidspalte viertelstündlich, später ein- 
bis zweistündlich, Aufenthalt im dunklen Zimmer oder Tragen dunkel¬ 
grauer Gläser. Dünner. 

E. Selz-München: Beitrag zur Augenmassage. (Zschr. f. Aughlk., 
Bd. 41, H. 5.) Die Etkrankungen der Bindehaut und der Lider stellen 
ein dankbares Feld für die Anwendung der Massage dar. Der Daumen 
der linken Hand wird mit seiner Radialseite an das Oberlid, der Zeige¬ 
finger der rechten in der Längsrichtung an das Unterlid gelegt. Be¬ 
handlung etwa 3 Minuten täglich, später ein über den anderen Tag. 

M. Kochgürtel: Ueber Allgemeiniitoxikationen nach Homatropin- 
eintriafeliag. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 5.) Die Intoxikation ist 
in den drei Fällen durch die Einträufelung von Homatropin hervor¬ 
gerufen worden. Warum aber gerade die betreffenden 3 Personen erkrankten, 
während zahlreiche andere mit derselben LösuDg Behandelte keinerlei 
schädliohe Folgen zeigten, und warum die mitgeteilten 3 Fälle im Laufe 
von 8 Tagen sich ereigneten, hat sieh nicht feststellen lassen. Die er¬ 
krankten Personen waren sämtlich infolge des Krieges unterernährt, und 
es ist möglieh, dass unterernährte und geschwächte Personen schon auf 
geringe Dosen Homatropin mit schweren Intoxikationsersoheinungen 
reagieren können. 

Junius Bonn: Ueber „spontane“ vordere Synechien. (Zschr. f. 
Aughlk., Bd. 41, H 5.) Es kann im Verlauf von chronischer Uveitis 
zum völligen Versiegen der Kammerwasserproduktion kommen. Es kann 
infolgedessen vollständige Aufhebung der vorderen Kammer eintreten. 
Bei diesem Zustande der Augen können Verwachsungen zwischen dem 
vorderen Blatt der Iris und der Hinterwand der Hornhaut sich ent¬ 
wickeln. F. Mendel. 

G. A. Heyn er-Bern: Erfahrungen über die Glaakomtrepanation 
nach Elliot. (Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 33 u. 34 ) Im ganzen 
wurden 40 Fälle operiert; in 65 pCt. der Fälle wurde eine gute Druck¬ 
regulierung erzielt; in bezug auf das Sehvermögen ergaben sich 72,5 pCt. 
günstige Resultate. R. Fabian. 

Brückner-Berlin: Zur Frage der indirekten traumatischen Netz- 
hautabhebnng. (Znebr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 5) Die Grösse der in 
Betracht kommenden Kräfte, welche geeignet erscheint, eine Schädigung 
der Netzhaut, insbesondere eine Läsion bzw. Loslösung der Retina von 
der Unterlage herbeizuführen, kann nicht ganz gering sein. Sie dürfte 
etwa Werte von 20—50 Erg. pro Q ladratmillimeter Netzhaut als unterste 
Grenze besitzen, ist aber wahrscheinlich wesentlich höher. Es erscheint 
aber verständlich, dass auch heftigere Erschütterungen, welche den 
ganzen Körper tr«ffen, wie z. B. ein Fall auf die Füsse aus grösserer 
Höhe, geeignet sein müsseD, bei gegebener Disposition eine Netzbaut- 
abhebung hervorzurufen, weil hier die grosse Masse des Körpers für die 
Energieentwicklung in Frage kommt. 

R. Seefelder - Leipzig: Ein kliniaoher Beitrag zur Frage der 
Embolie von Aderhantgefävsen. * (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41, H. 5) 
Durch eine Fülle von Tatsachen und Ueberlegungen und durch den 
ganzen Verlauf des veröffentlichten Falles kommt Verf. zu dem Schlüsse, 
dass die sämtlichen klinisch nachweisbaren Veränderungen durch Zirku¬ 
lationsstörungen im Bereiche der Aderhaut hervorgerufen und dass die 
Zirkulationsstörungen durch Embolien von kleinsten Aderhautgefässen 
verursacht worden sind. Der beschriebene Fall ist der einzige, bei dem 
die klinische Diagnose der Embolie von Aderhautgefässen gestellt worden 
ist, und weil er selbst unter Berücksichtigung des Tierexperiments der 
einzige ist, der den schweren, wenn auoh unbeabsichtigten Eingriff 
einer solchen Embolie glüoklioh überstanden hat. F. Mendel. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankhelten. 

B. Griessmann-Nürnberg: Wie vermeidet man die Gefahren der 
Sondierung nnd Ausspülung der Stirnhöhle? (Mm.W., 1919, Nr. 40.) 
Genaue Beschreibung der operativen Freilegung der natürlichen Stirn- 
höhlenöffouog vermittelst einer Modifikation der Halle’sehen Methode der 
endonasalen Freilegung der Stirnhöhlenmündung. Nach diesem kleinen 
Eingriff kann man weiterhin leicht und sicher die Stirnhöhle sondieren 
und ausspülen. Meist gelingt damit die Heilung kranker Stirnhöhlen, 
so dass die äussere Operation fast immer vermeidbar ist. 

P. Zemker Cannstadt: Die Dnrchschneidong des Nervus laryngens 
snperior als sioherste Anästhesierang des tuberkulösen Kehlkopfes 
und als Heilmittel der tuberkulösen Kehlkopfentzündung. (M.m.W., 
1919, Nr. 41.) Die Durcbschneidung des Nervus laiyngeus superior ist 
das beste Mittel zur Bekämpfung des Sobluckschmerzes. Beschreibung 
der Methodik. Der Eingriff nimmt den Sterbenden die stärksten Qualen, 
änderet seits wirkt er heilend, selbst bei schwersten tuberkulös entzünd¬ 
lichen Kehlkopfveränderungen. Er ist also besonders angezeigt bei 
Kranken mit Ansheilnngsmögliohkeit der Lungentuberkulose. Die 
Operation ist nicht schwierig und ungefährlich. * R. Neu mann. 


Hygiene und Sanltfttswesen. 

H. Selter - Königsberg: Hygiene and Sozialhygiene. (D.m.W., 
1919, Nr. 41.) S. verteidigt die Hygieniker gegen den Vorwurf, dass sie 
die Sozialhygiene zu wenig pflegen. 

B. Heymann - Berlin: Ueber die Arbeitszeit im Steinkohlenberg¬ 
ban. (D.m.W., 1919, Nr. 40.) Die Arbeit enthält einen Bericht über 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1074 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. _Kr. 45. 


die Tätigkeit einer Kommission, die prüfen sollte, ob eine weitere Ver¬ 
kürzung der Arbeitszeit der Bergleute, die bisher eine Schiebt von 
8 1 /» Stunden haben, erforderlich sei. Das Urteil lautete, dass eine 
weitere Sohichtverkürzung zwar im gesundheitlichen Interesse der Ar* 
beiter wünschenswert, die Notwendigkeit ihrer unverzüglichen Einführung 
aber nicht zu begründen sei. Dagegen wurde empfohlen, die Gesund¬ 
heitsverhältnisse der Bergarbeiter durch bau- und psychotechnisehe Be¬ 
triebsverbesserungen, durch reichlichere Lebensmittelversorgung usw. zu 
verbessern. Dünner. 

A. Bier - Berlin: Zur Frage der Leibesttbnngei. (M.m.W., 1919, 
Nr. 41.) Veröffentlichung einer Eingabe, die B. an das preussische 
Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung gemacht hat. 
In dieser fordert er unter Angabe genauer Vorschläge anstelle der uns 
verloren gegangenen gross artigsten Körperschulung, des Militärdienstes, 
die Einführung einer gesetzlichen Dienstpflicht für alle jungen Männer 
in Gestalt eines Pflichtjahres der Leibesübungen. Nur das kann das 
deutsche Volk vor körperlicher und sittlicher Entartung retten. Be¬ 
sonders die Universitäten sollten sich der Pflege der Leibesübungen, wie 
das in anderen Ländern schon längst der Fall ist, annehmen. Auch in 
wissenschaftlicher Beziehung. Es sollen Lehrfächer der Leibesübungen 
an den Universitäten eingerichtet werden. Für die Berliner Universität 
wird ein genauer Lehrplan aufgestellt und als Leiter der ganzen Ein¬ 
richtung der bekannte Sportsmann und Sportsar^t Dr. Mallwitz vor¬ 
geschlagen. 

J. Zadek - Neukölln: Weitere Beiträge zum Verlauf der Lizgea- 
tuberkulose im Kriege. (M.m.W., 1919, Nr. 42.) Die Analyse von 
300 lungentuberkulösen Kriegsbeschädigten führte zu folgendem auf¬ 
fallenden Ergebnis*. Die bei früher kräftigen und lungengesunden Sol¬ 
daten während des Heeresdienstes in grosser Zahl erfolgten Erkrankungen 
an Lungentuberkulose weisen von vornherein einen bösartigen Charakter 
und progressiven Verlauf auf. Bei den bereits früher lungenkranken, 
im Heeresdienst wiederum an Tuberkulose erkrankt* n Mannschaften da¬ 
gegen überwiegt trotz gleicher äusserer Bedingungen nicht in demselben 
Maasse die Tendenz zur malignen Propagation, vielmehr halten hier 
die leichteren uhd gutartigen Formen den schweren die Wage. 

R. Neumann. 

Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

Stenger - Königsberg: Zur Reform der ärztliehei Vorbildung in 
Rücksicht auf die Begntachtnngstätigkeit. (Aerztt. Sachverst^-Ztg., 
1919, Nr. 17.) Die Mehrzahl der Aerzte hat nicht die nötige Vorbildung, 
um gut begründete Gutachten zu verfassen. An der Hand der lang¬ 
jährigen Erfahrungen der miiitärärztlichen Gutachtertätigkeit müsste 
von den Fakultäten ein neuer Lehrplan für die Gutaghtertätigkeit 
ausgearbeitet werden. 

Bürger - Berlins Zur Reform der ärztlichen Vorbildung in Rück¬ 
sicht auf die Begntaehtungetätigkeit. (Aerztl. Sachverst.-Ztg, 1919, 
Nr. 18.) Die Klagen Stenger’s sind berechtigt. Als Lehrer für die 
ärztliche Sachverständigentätigkeit kommen nur die gerichtlichen uud 
versicherungsrechtlichen Mediziner in Frage. 

Stapfer - Nürnberg: Zusammenhang zwischen einem Sarkom und 
einem Betriebsunfall verneint. (Msohr. f. Unfallhlk., 1919, Nr. 8.) Aus¬ 
führliche Mitteilung der über diesen Fall erstatteten Gutachten. 

Lossen - Darmstadt: Entscheidungen und Mitteilungen des Reiehs- 
Tersichernngsamtes. (Mschr. f. Unfallhlk., 1919, Nr. 8) Von 190 Ent¬ 
scheidungen werden einige besonders interessante kurz referiert. 

Bahr - Hannover: Das Wertverh&ltiis der Arm- in den Beinver¬ 
lusten. (Msohr. f. Unfallhlk., 1919, Nr. 8) Die Bedeutung des Beines 
für die Erwerbsfähigkeit ist geringer als diejenige des Armes. Die Er- 
satzmögliohkeit des Beines ist eine wesentlich günstigere. Der Verlust 
des Beines macht sioh im alltäglichen Leben weniger fühlbar. Deshalb 
ist der Verlust des Beines mit */ # , höchstens ®/ 4 des Verlustes des Armes 
zu bewerten. H. Hirsohfeld. 


Gerichtliche Medizin. 

Ledderhose - München: Ueber einige gerichtsärztliche Fehlurteile. 
(Aerztl. Sachverst.-Ztg., 1919, Nr. 18.) Mitteilung einiger geriohtsärzt- 
licher Fälle, die duroh irrtümliche Deutung des Befundes an Leichen 
oder an Lebenden und durch falsche Folgerungen bemerkenswert sind. 
So wird häufig auf Grund des geringen Blutgebaltes von Leiohenorganen 
eine Verblutung angenommen, die in Wirklichkeit gar nioht statt¬ 
gefunden hat. Es wird dabei überseheo, dass bei vorgeschrittener 
Fäulnis das Herz und die grossen Gefässe sehr wenig Blut enthalten, 
weil der rote Blutfarbstoff in Lösung gegangen ist und alle Organe mit 
rot gefärbter Flüssigkeit getränkt sind. Schwierigkeit bereitet oft die 
Frage, ob Sohädelverletzungen duroh einmalige oder mehrfache Gewalt¬ 
einwirkungen zustandegekommen sind. Bei Sittlichkeitsverbrechen werden 
oft fälschlicherweise Verletzungen des Hymens angenommen, die in 
Wirklichkeit gar nioht vorhanden sind. In zweifelhaften Fällen sollen 
wenig Erfahrene lieber ein offenes non liquet ausspreoben. 

H. Hirschfeld. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Nachtrag kur Sitzung vom 23. Juli 1919. 

Aussprache sum Vortfag des Herren 8. Bergei: Beiträge rar 
Bielegie der Lymphozyten. 

Hr. Schilling: Als Vertreter der hier auch zitierten Ansiobt, dass 
der grosse mononukleäre Monozyt ein eigenes Zollsystem bedeutet, 
möchte ich von diesem Standpunkt aus kurz auoh gegen den Vortrag 
des Herrn Vorredoers einiges einwenden., loh schliesse mich alledem, 
was er über die Lymphozyten gesagt hat, durchaus an; die amöboiden * 
Bewegungen, die Auswanderungen aus den Gelassen waren zum Teil 
bekannt, zum Teil sind unsere Kenntnisse durch diese Untersuchungen 
ergänzt worden. In bezug auf die Auffassung der grossen Mononukleären 
möohte ich aber doch eine andere Ansicht hier vertreten. Das erste ist 
eine andere morphologische Ansioht über die Zellen selbst. Der grosse 
tyononukleäre sieht in jeder Weise, in jeder Gestalt ganz anders aus als 
der grosse Lymptozyt oder die amöboide* Form des Lymphozyten. Seine 
„Körnung“ ist eine andere als die Plasmosomen der Lymphozyten, die 
von dem Herrn Vorredner hier auch azurophile Granulation genannt 
wurden. Der grosse Mononukleäre ist nach den neueren Ansichten der 
Hämatologen, wie sie vor allem von Rieux, Hynek, von Nägeli und 
von mir vertreten sind, eine Zelle mit charakteristischer azurophiler 
Bestäubung des Protoplasmas, die man wohl einer Granulation gleich 
setzen kann, die aber jedenfalls mit der lymphozitären „Granulation* 
kaum irgendwelche Ähnlichkeit hat. Nägeli hat auch jetzt den selb 
ständigen Charakter dieser azurophilen Bestäubung der Mononukleären, 
die Pappenheim ebagrinartig genannt hat, in seinem Buche besonders 
hervorge hoben und erkennt damit an, dass der grosse Mononukleäre 
eine Sonderstellung unter den übrigen Zellen verdient. Einige Autoren. 
haben den grossen Mononukleären, wie der Vortragende, zu den Lympho¬ 
zyten rechnen wollen. Nägeli ist aber ein Anhänger der alten 
Ehrlich’sohen Ansicht genesen, der die grossen Mononukleären zudem 
Granulozytensystem, den neutrophilen oder myeloischen Zellen in nahe 
Beziehung brachte. Diese Sonderstellung, die bei Nägeli, Ehrlich, 
bei Türk, Schleip und anderen nur als eine gewisse Abtrennung, als 
eino Parallelsteliurg sum myeloischen System gilt, ist von anderen zu 
einer wirklich systematischen Sonderstellung der grossen Mono¬ 
nukleären ausgebaut worden. Für diese wirkliche Sonderstellung glaube 
ich gerade einen ziemlich schlagenden Beweis in der Entdeckung einer 
grossen monozytären Leukämie gegeben zu haben, und damit komme 
Ich zu dem zweiten Einwand, der ein histologischer ist. Diese grosse 
monozytäre Leukämie bat uns Gelegenheit gegeben, die Herkunft der 
\ grossen mononukleären Zellen zu verfolgen, und wir sind da nioht etwa 
im Sinne des Vortragenden auf das ly mph osy tische System, auf die 
Keimfollikel der Milz und auf die Lymphdrüse gekommen, sondern im 
Gegenteil, wir haben gefunden, dass sioh diese Keimfollikel der Milz vor 
dem entstandenen monozytären Gewebe der monozytären Leukämie 
surückzogen, wie bei der myeloischen Leukämie Sich das lymphozytische 
Gewebe vor dem sioh ausbildenden myeloischen Gewebe zurücksiebt. 
Damit wären wir der alten Theorie nabe gekommen, dass der grosse 
Mononukleäre eine myeloische Zelle ist. Andere Befunde, besonders 
Vergleiche mit Material von Infektionskrankheiten haben aber gezeigt, 
dass diese Analogie nur eine teilweise ist, nnd dass der grosse Mono¬ 
nukleäre auch im scharfen Gegensatz zum myeloisoheu Gewebe stehen 
kann. Wir müssen mit der dualistischen Ansicht brechen, wir müssen 
eine trialistische Ansicht aufstelleD; das ist natürlich schwer duroh- und 
auszudenken. Wenn wir immer von der Ansicht ausgegangen sind, dass 
in der Milz bloss zwei Systeme sind, dass wir einmal den Follikel haben, 
in dem sioh Lymphozyten bilden, und andererseits den Zwischenraum, 
die sogenannte Milzpulpa, für Granulozyten, dann bleibt allerdings kein 
Platz in der Milz für das dritte System. Jetzt müssen wir so weit um- 
denken, dass wir sagen: wenn ein drittes System vorhanden ist, so wird 
es sioh dooh auoh irgendwo in der Milz zeigen müssen! Es zeigt sioh 
auoh in der Milzpulpa in den Endothe lsellen. — Damit haben 
wir einen sehr schönen Berührungspunkt mit den neuen Asohoff- 
Landau’sohen Untersuchungen, die festgestellt haben, dass bei Karmiu- 
injektionen die endotheloiden Zellen der Milzpulpa, aber auoh die des 
Knochenmarks, der Leber und anderer Organe diese Karminmengen auf¬ 
nehmen. Dieselbe Zelle ist es, die dann sioh loslöst und in das Blut 
bzw. in das Exsudat, wie es der Herr Vortragende hier erwähnt hat, 
von den Adventitiazellen und den Endotheloidenzellen aus als grosser 
Mononukleärer ein wandert. Wir müssen also dieses dritte System, das 
Asohoff und Landau das retikuloendotheliale genannt haben, in unseren 
Vorstellungskreis hineinnehmen und überall einschalten zwischen das 
myeloische und das lymphozytäre System. 

Wenn wir die Untersuchungen des Herrn Vortragenden von diesem 
Gesichtspunkt aus betrachten, so können wir alles das sehr wohl billigen, 
was über die Rolle der Lymphozyten gesagt worden ist. Wenn dann 
aber Zellen auftauchen, die ähnlich aussehen wie grosse Monozyten 
— und als Charakteristikum bat der Herr Vortragende angegeben: 
grosse Mononukleäre mit basischem Protoplasma —, so brauchen wir 
diese Zellen doch nioht als spezifische grosse Mononukleäre Ehrliches 
anzuerkennen, denn das Hauptoharakteristiknm, die feine azurophile Be¬ 
stäubung fehlt ja in dieser Definition. loh habe die Präparate hier 


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dorobgesehen: soweit man hier io der Schnelligkeit sehen konnte, scheint 
es sich mir auch nicht am grosse Mononakleäre zu bandeln. Wenn 
einige dazwischen sind, so sind es abgelöste Adventitia- oder Endothel- 
zellen, die ja auch in dem Exsudat neben dem anderen Vorkommen, 
das ist eine parallele Reaktion, wie es der Herr Vortragende genannt 
hat. Ja selbst, wenn grosse Mononukleäre und Lymphozyten parallel 
reagierten, brauchten sie deshalb noch nicht demselben System anzu¬ 
gehören. Wir haben eine Menge klinischer Beispiele, dass Granulozyten 
und Lymphozyten, die wirklich ganz verschieden sind, doch einmal 
parallel reagieren können: bei jeder gewöhnlichen Leukozytose vermehren 
sich auch die Lymphozyten. So könnten wir uns sehr gut vorstellen, 
dass Lymphozyten und grosse Mononukleäre parallel bei der Fettver- 
dauung reagieren! Aber wir haben eine grosse Menge Beispiele klinischer 
Art — auch diese Monozytenleukämie —, dass die grossen Mononukleären 
eine ganz eigene Reaktion haben können! Nägeli, der ja theoretisch 
und praktisch über sehr grosse Erfahrungen verfügt, hat in seiner letzten 
Auflage noch den grossen Mononukleären als myeloische Zelle hin¬ 
gestellt. Er hat als Beweise nicht so sehr die morphologischen als die 
klinischen Stützen anführen zu können geglaubt und hat mehrere Seiten 
Beispiele aufgeführt, in denen er überall nach dem Blutbilde eine 
Parallele zwischen den grossen Mononukleären und den myeloischen 
Zellen findet. Der Vortragende hat Beispiele genannt, in denen sich 
die gleiche Parallele mit den iymphatisoben Zellen findet Da ist wohl 
der einfachste Sohluss: Wir haben hier ein drittes Zollsystem, welches 
bald mit dem myeloischen, bald mit dem lymphatisohen mitgeht, aber 
ein eigenes Zollsystem ist, wie ich es mitbewiesen habe. Diese Be¬ 
weise bilden nur den weiteren Ausbau der Lehre, die schon von Rieux 
und anderen aus morphologischen Gründen aufgestellt wurde, dass man 
den grossen Mononukleären als-«in eigenes System ansehen 
sollte. 


Verein für innere Medizin and Kinderheilkunde zn Berlin. 

Sitzung vom 23. Juni 1919. 

Hr. J. Citren: Die Tonsillen als Eingangspforte von Infektionen. 

Vermöge ihrer anatomischen Beschaffenheit und ihres Sitzes sind 
die Tonsillen in hohem Maasse geeignet, als Eingangpforte für Infektionen 
zu dienen. Sicher ist bezüglich ihrer Funktion, dass sie Lymphozyten 
bilden, welche durch die Schleimhaut nach aussen wandern, und man bat 
ihnen auch innersekretorische Wirkungen, wie Einfluss auf den Skelett¬ 
bau und die Stimmbildung zugesprochen. Sie haben auch die Auf¬ 
gabe, Fremdkörper auszusohalten. Andrerseits aber geben sie als Ba¬ 
zillenfänger auoh Veranlassung zu Allgemeininfektionen. Die Affektionen 
der Tonsillen sind aber nicht bei allen Infektionskrankheiten die primäre 
Lokalisation des Leidens, sondern es handelt sich oft auch um sekun¬ 
däres Ergriffensein dieser Organe, z. B. bei Lues, Iofluenza, Fleckfieber. 
Am wichtigsten sind die Beziehungen zwischen den Mändeln und Gelenk¬ 
rheumatismus, Glomerulonephritis, Purpura und allen Infektionen mit 
Staphylo-, Strepto- und teilweise auch Pneumokokken. Ft)wler beschrieb 
bereits 1880 eine Tonsillitis in 80pCt. der Fälle von Gelenkrheumatis¬ 
mus, die dem Ausbruch des Rheumatismus 4—8 Wochen vorausgegangen 
war. Auoh der sekundäre chronische Gelenkrheumatismus ist im Gegen¬ 
satz zu der primären Form die Folge einer chronischen Tonsillitis. 
Vortr. hat die Erfahrung gemacht, dass viele Fälle von Nephritis erst 
heilten, nachdem die Tonsillarpfröpfe ausgedrückt waren. Oft war auch 
die Tonsillektomie erfolgreich. Sektionen von Nephritikern ergaben regel¬ 
mässig tonsilläre Veränderungen. Auch viele Fieberzustände von Pleu¬ 
ritis, Endo- und Perikarditis und überhaupt viele unklare Fieberzustände 
beruhen offenbar auf Infektionen, die von den Tonsillen ausgehen. Be¬ 
merkenswert ist, dass dauernde Temperatursteigerungen auf 37,1 bis 
37,2° vielfach nicht durch Tuberkulose, sondern durch chronische Ton¬ 
sillitis zu erklären sind. Die Beziehungen der Tonsillen zur Entstehung 
der Tuberkulose sind noch nicht genügend geklärt. Zum Schluss be¬ 
spricht Vortr. die* Methoden zur Ausschaltung der- schädlichen Wir¬ 
kungen der Tonsillen, die Expression, das Aussaugen, die Galvanokaustik, 
die Tonsillotomie und die Tonsillektomie. 

Aussprache. 

Hr. Sohulz weist darauf hin, dass auoh die Rachentonsillen als Ein¬ 
gangspforte der Krankheitserreger angesehen werden müssen. Purpura 
ist häufig der erste Ausdruck einer Infektion mit einem unbekannten 
Erreger. 

Hr. Westenhöfer weist gleichfalls darauf hin, dass auch die andern 
lymphatischen Apparate als Eintrittspforte für Krankheitserreger in 
Frage kommen. Die Mandelo, die niobt erkranken, haben eine Immunität 
ererbt. 

Hr. Brugsch bemerkt, dass mit den Jahren die Neigung zu rheu¬ 
matischen Erkrankungen abnimmt, was für einen Zusammenhang mit den 
Tonsillen spricht, da ja der lymphatische Apparat mit den Jahren atro- 
phiert. 

Hr. Finder empfiehlt die Tonsillektomie als beste Methode. 

Hr. Stur mann warnt vor verfrühten operativen Eingreifen an den 
Tonsillen. Die Mundhöhle enthält ja, ausser den Tonsillen, sehr viel 
adenoides Gewebe, das nioht auszusohalten ist. Auoh tonsillektimierte 
Individuen erkranken noch sehr häufig. Die Tonsillektomie ist zudem 
kein gleichgültiger Eingriff. 

Hr. Citron: Schlusswort. 


Sitzung vom 14. Juli 1919. 

Hr. Heniis: Der künstliche Psemothorax ii der Behandlung toi 
Laagenkrankheiten. 

Die Pneumothoraxbehandlung hat sich sehr gut eingeführt, doch 
herrschen noch über viele Einzelfragen Differenzen. Schon die Indikation 
wird verschieden gestellt. Manche Autoren halten schwerste einseitige 
Phthisen für ungeeignet, andere wollen wieder so früh wie möglich den 
Pneumothorax anlegen. Sehr verschieden sind die technischen Methodep, 
die ausführlich besprochen werden. Der auf der Kraus’sohen Klinik 
gebrauchte Apparat wird demonstriert. Zum Einstich wird bei diesem 
eine Doppelkanüle benutzt, deren innerer Teil abgerundet endet und 
seitliche Löcher tür den Austritt der Luft trägt. Man darf niemals ge¬ 
waltsam Adhäsionen durchstechen, sonst gibt es auch bei diesem Apparat 
Gasembolien. Bei vorsichtigem Arbeiten unter Beobachtung des Mano¬ 
meterdrucks kann aber mit diesem seit Jahren erprobten Apparat eine 
Gasembolie vermieden werden. Während Bauer einen künstlichen 
Pneumothorax als Ultimum refugium bei einseitiger kavernöser Phthise 
betrachtet, sind die Indikationen der Krau suchen Klinik viel weitere. 
Bei jeler einseitigen kavernösen Phthise soll man bei nur leichter Er¬ 
krankung der anderen Seite den Pneumothorax anwenden, ferner bei 
einseitigen infiltrativen fieberhaften Prozessen, bei Hämoptoe, wenn die 
Blutung sicher nur von einer Seite kommt und gefahrbringend wird, bei 
Pleuritiden mit sehr grossen Ergüssen, bei Bronchiektasen und Lungen¬ 
abszessen. Kontraindikationen sind vorgeschrittene Kehlkopf- und Darm¬ 
tuberkulose. Von Komplikationen muss die Gasembolie jetzt als 'sehr 
selten betrachtet werden, ebenso Hautemphyseme. Die sogenannte 
pleurale Eklampsie ist niobt immer eine Gasembolie, sondern wirklioh 
reflektorischer Natur. Deshalb empfiehlt H., prinzipiell mit Lokal¬ 
anästhesie zu arbeiten. Die Pneumotboraxtherapie soll unter Röntgen¬ 
kontrolle geübt werden. Die günstige Wirkung beruht auf der Ruhig- 
stellung, dem Kollaps der Höhlen, der die Heilung befördert, und der 
besseren Durchblutung. In Heilstätten beträgt die Zahl der Erfolge 
60—70pCt., darunter 10—löpCt. Heilungen. 

Aussprache. 

Hr. Rosenthal hält die Schnittmethode zur Anlegung des Pneumo¬ 
thorax für besser, weil sie allein Sicherheit gegen Gasembolien gewahrt. 

Hr. F. Klemperer ist von der Schnittmetbode ganz abgekommen, 
er benutzt ganz gewöhnliche Nadeln ohne Lokalanästhesie. Zweimal 
hat er Gasembolien beobachtet, die aber günstig verliefen. Das Ideale 
wäre, wenn man gerade Frühfälle der Pneumothoraxbehandlung unter- 
z ; eht Die Erfolge der Methode sind ganz eklatant. 

Hr. Zinn hält die Schnittmetbode für die sicherste, Lokalanästhesie 
ist unbedingt erforderlich. 30—40pCt. der Falle lassen einen deutlichen 
Erfolg erkennen. Die Resultate der Thorakoplastik werden überschätzt. 

Hr. Kraus bemerkt, dass nicht der Streit um die Methodik hier 
ausgefochten werden solle, sondern dass die Diskussion dieses Themas 
die Aufmerksamkeit der Praktiker auf diese viel zu selten geübte Be¬ 
handlungsmethode lenken sollte. 

Hr. Henius: Schlusswort. 

Hr. W. Alexander: Ueber Qaincke’s Theorie der Neuralgie. 

Quincke hat vor einiger Zeit eine neue Theorie über die Patho¬ 
genese der Neuralgie aufgestellt. Nach seiner Auffassung spielen bei 
der Auslösung des neuralgischen Anfalls ähnliche Vorgänge eine Rolle 
wie bei der Urtikaria es kommt zu kleinen und kleinsten Quaddel- 
bilduogen im interstitiellen Gewebe der NerveD, die durch Druck die 
Schmerzen auslösen. Wenn diese Theorie auch auf den ersten Blick 
bestechend ist und' manches bisher Unerklärliche erklärt, so ist sie 
doch abzulebnen. In erster Linie ist jiervorzuheben, dass nach unseren 
Erfahrungen Oedeme überhaupt keine Schmerzen machen, im Gegenteil, 
sie wirken speziell am Nerven, wie die Erfolge der Injektionstherapie 
beweisen, schmerzstillend. Das gleiche gilt für die Quaddeln der 
Scbleich’scben Infiltrationsanästhesie. Ferner ist zu berücksichtigen, 
dass bei Neuralgikern sonst keine Neigung zu exsqdativen Prozessen, 
etwa zu Qiinoke’schem Oedem, besteht. Auoh die Neigung zum 
Wandern, zur universellen Ausbreitung, die dem Quincke’schen Oedem 
eigentümlich ist, kommt bei Neuralgien nicht vor. Endlich wird hervor¬ 
gehoben, dass ein häufiger Sitz von Neuralgien das Ganglion Gasseri ist, 
in welchem wegen seiner äusserst straffen bindegewebigen Organisation 
Quaddelbildung ganz undenkbar ist. H. Hirsch fei d. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultnr zn Bredlau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 4. Juli 1919. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Parts oh. 

HHr. Httrthle and Rosenfeld: Zim Andenken an Franz Röhmann, 
prof. ord. konor. 

Die Versammlung ehrt das Andenken durch Erheben von den 
Plätzen. 

Hr. Hans Aron: „Ueber vegetabilische Extraktstoffe nnd ihre 
therapeutisch« Verwertbarkeit* *). 

Auf Grund des Nachweises, dass Extraktstoffe aus Weizenkleie und 


1) Eine ausführliche Mitteilung der Versuohe erscheint in der Monats¬ 
schrift für Kinderheilkunde. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 45 


Malz das Gedeihen und die Gewichtszunahme junger Ratten entscheidend 
beeinfi jssen können, war die Auffassung vertreten worden, dass der be¬ 
sondere ernäbrungstherapeutische Eff kt des Malzextraktes in erster 
Linie auf die Extraktstoffe des Malzes zurüokzufiihren ist Es wird jetzt 
die weitgehende Frage aufgeworfen, ob die Extraktstoffe der Vege- 
tabilien ganz allgemein als Nabrungsbestandteile auch in anderen Fällen 
von Bedeutung für den Säugling und das junge Kind sind. Für diese 
Anschauung spricht eine Reihe praktischer Erfahrungen. Bei den heil¬ 
samen Wirkungen, welche so häufig durch die Einschaltung von Gemüse¬ 
in ahlseiten oder eine „gemischte Kost“ überhaupt erzielt werden, spielt 
wahrscheinlich die Zulage .von Extraktstoffen eine wichtige Rolle, mög¬ 
licherweise eine ausschlaggebendere als die Einschränkung der Milohmenge, 
die man bisher für das Wesentliche hielt. Mit Extraktstoffen aus Mohr 
»üben konnten im Tierversuch ähnliche Wirkungen erzielt werden, wie 
mit den aus Kleie oder Milz bereiteten Extraklstoffen. Junge wachsende 
Ratten wurden mit extraktstofffreien Nabrungsgemischen aus Kasein, 
Stärke (Dextrin-Maltose), Butter und Lebertran und Mineralstcffen 
gefüttert. Als die Gewichtszunahme und das Gedeihen nachliessen, wurden 
die Extrakte aus Mohrrüben getrennt von der vorigen Nahrung 
als Zulagen verabreicht. Die Besseruog des Allgemeinbefindens, der 
Anstieg des Gewichts erfolgten prompt. Der Mohrrübenextrakt ist als 
extraktsteff eicher zu beachten als der Malzextrakt, aber ärmer an Ex¬ 
traktstoffen als die Kleieextrakte. Vor diesen hat er aber den wesent¬ 
lichen Vorteil erheblich besseren Geschmackes und eignet sich deshalb 
besonders zur Verabreichung an Säuglinge und .Kinder, von denen er in 
geeigneten Mischungen gern genommen und gut vertragen wird. 

Bei einem ausreichend mit Eiweissmiloh und Kohlenhydraten er 
nährten Säugling konnte nach Gewichtsstillstand ein laogdauernder 
Gewichtsanstieg durch Zulage des Mohrrübeoextraktes erzielt werden. 
Bei der 4 Monate fortgesetzten Eiweissmilohernäbrung traten unter Zu¬ 
lage des Mohnübeoextraktes "nicht die sonst bei langer Eiweissmilch 
ernäbruDg beobachteten Störungen auf. Ein l*/ 2 jähriges Kind mit ali¬ 
mentärer Anämie zeigte bei über 4 Monate langer ausschliesslicher Er¬ 
nährung mit reichlichen Milchmengen unter Zutage von Plasmon und 
Kohlenhydraten auf Beigabe der Extraktstoffe aus Mohrrüben eine wesent¬ 
liche Zunahme des Hämoglobingebalts und eine glänzende allgemeine 
körperliche Entwicklung. Ueber die Wirkung der Extraktstoffe bei Rachitis 
lässt sieb noch nichts Definitives sagen. 

Durch die Bereitung der Extrakte z. B. aus Mohrrüben ist ei mög¬ 
lich, die für die Ernährung wertvollen Extraktatoffe von den übrigen 
Bestandteilen der Vegetabilien zu trennen, welche grösstenteils nur Ballast¬ 
stoffe darstellen. Ein endgültiges Urteil über die Brauchbarkeit dieser 
vegetabilischen Zwacke kann erst nach weiterer Ergäuzung und Nach¬ 
prüfung der klinischen Beobachtungen abgegeben werden. 


Klinischer Abend vom 11. Juli 1919 in der cbirurgischon Klinik. 

Vorsitzender: Herr Küttner. 

Hr. Ktittaer demonstriert: 1. einen Fall von hämelytisehem Ikteras, 
durch Splenektonie geheilt. Die 21 jährige Patientin wurde von Herrn 
Minkowski am vorigen klinischen Abend vorgestellt. Heute, 14 Tage 
nach der Operation, ist der seit 17 Jahren bestehende Ikterus voll¬ 
kommen verschwunden, ebenso «ist die durch diese grosse 5 Pfd. schwere 
Milz (Demonstration des Präparates) hervorgerufene erhebliche Belästi¬ 
gung beseitigt, so dass Patientin jetzt bereits ohne.Beschwerden herum¬ 
geht. Die Zahl der roten Blutkörperchen ist von 3500000 auf 8700000, 
die der weissen von 6200 auf 1L500, der HämoglobiDgehalt von 69 auf 
80pCt. gestiegen. 

2. Einen Fall von Hirsehsprnag’seber Krankheit bei einem 18jährigen 
Patienten, der von früher Kindheit an Magenbeschwerden und Aufblähung 
des Leibes gelitten batte. Die enorm erweiterte Flexura sigmoidea wufde 
zweizeitig reseziert (Demonstration des Präparates). Patient ist jetzt 
besch werdefrei und hat sioh ausserordentlich erholt. 

S. Einen kindskopfgroasen Kotstein bei Hirsehspraag’scher Krank¬ 
heit, der bei einem öjabrigen Kinde hochgradige Stenosenerseheinungen 
gemacht hatte. Auch hier wurde mit Erfolg .die äusserst erweiterte 
Flexura sigmoidea zweizeitig reseziert. 

4. Einen Fall von Exstirpation des Ganglion flasseri bei schwerster 
Trigemiansnearalgie. Die Operation war dadurch sehr erschwert, dass 
seit Beatehen der Neuralgie 14 Jahre Jang Alkoholinjektionen meist an 
die Schälelbasis gemacht worden waren. Das Ganglion war mit den ab¬ 
gehenden Aasten in dichte Narbenmassen eingebettet und konnte nur 
stüokweise mit Eröffnung der verwachsenen Dura reseziert werden. Trotz¬ 
dem prompte Beseitigung aller neuralgischen Beschwerden. Durch die 
Alkoholinjektionen ist ferner der Fazialis gelähmt und das Kiefergelenk 
ankylotisch, weshalb Arthroplastik in Aussicht genommen ist. Der Fall 
lehrt, dass die Behandlung mit Alkoholinjektionen nicht übertrieben 
werden soll. 

5. Als Illustrationen zu seinem früheren Vortrage über chirurgische 
Nekrose und Gangrän wird demonstriert a) ein Fall von Penisgangrän 
im Anschluss an einen pbagedänischen Schanker bei einem 16jäbrigen 
Knaben. 

b) Ein Fall von Nekrose der Zehes, ischämisch er Maskelkon- 
traktar und bleibeader Lähmung aller Untersohenkelnerven daroh zu 
festen Veband bei Obersohenkelfraktur. 


c) Ein Fall von aearitiseher Gangrän des Fasses, die sioh 4 Jahre 
nach einer Wirbelfraktur entwickelt hatte. 12 Jahre nach der Amputa¬ 
tion des Unterschenkels neuroparalytisches Geschwür am Stumpf. 

6. Ein Fall von Kalkaaeasfraktar durch Explosionssitoss von 
unten. Der Patient bewachte als Führer eines Grenzschutzkommandos 
eine zur Sprengung vorbereitete Brücke, als der Blitz in die Br&eke 
schlug und die Spreegmunition entzündete. Patient wurde in die Luft 
geschleudert und fiel in weichen Sumpfboden. Die Kompressionsfraktur 
des Kalkaneus kann nur durch den von unten her wirkenden Explosiona- 
8tos8 erfolgt sein in der gleichen Weise, wie dies im Seekrieg bei Jkuf- 
beuluDgen des Decks durch Minen- und Torpedoexplosionen beobachtet 
worden ist. 

7. Ein Fall von 8kapalarkrathea. 

Hr. Dreyer spricht über die Eiareakaag der aagebereaea Hftft- 
verreaktag aaf dem Exteasieastlach nach Bade, Biesalski und 

Lange. Da bisher Schädigungen nicht beobachtet wurden, andererseits das 
Verfahren die Einrenkung mancher Fälle erleichtert, so sollte es weiterhin 
geprüft weiden (Krankeodemonstration). Zum Schluss Vorstellung eines 
Falles, der Dach 3 maliger Reluxation schliesslich mittelst des vorderen 
Schnittes nacbLudloif blutig reponiert wurde und jetzt 6 Monate nach der 
Operation mit Gehversuchen hat beginnen können. Beweglichkeit des 
Hüftgelenks ist auffallend gut. 

Hr. Renner: Fremdkörper im Oesophagns. 

Fremdkörper im Oesopnagus sind nicht grade etwas seltenes. Wenn 
ioh Ionen trotzlom heute einen solohen zeige, so geschieht es, weil er 
durch seine Form, Grösse und die Länge der seit dem Verschlucken ver¬ 
gangenen Zeit bemerkenswert ist. Es bandelt sich um ein annähernd 
rechteckiges, sehr seharfrandiges flaches Knoohenstück, das der Patient 
8 Tage vorher unbemerkt mit Kiössen verschluckt batte. Er konnte 
gleich hinterher nicht weiterebsen und hatte Schmerzen etwa in Mitte 
der Brust. Sein Arzt kam mit Sohlaucb nicht durch. Seitdem konnte 
er nur nooh Flüssigkeiten schlucken. Die ohne vorherige Sondierung 
vorgenommene Oesophagoskopie ergab bei 19 em Entfernung von der 
Zahnreihe eine Ausfüllung mit einer unkennbaren Masse. Druck gegen 
dieselbe erzeugte leichten Sohmerz. Nach Betupfen mit unverdünntem 
Suprarenin schwoll die Schleimhaut so weit ab, dass nunmehr ein grau- 
rotlicher von stinkenden Speiseresten zum Teil überlagerter Fremdkörper 
sichtbar wurde, der schräg von hinten reohts nach vorn links gelagert 
war. Die Zange glitt mehrmals ab, er war zuerst weder duroh Tieler- 
drüoken, nooh durch Drehen und Ziehen zu lockern. Erst nach längeren 
Bemühungen gelang es, ihn an das Rohr gepresst unter ziemlicher Kraft- 
anwenduDg herauszuziehen, was mässigen Schmerz verursachte. Er war 
8:2 cm gross und an der dicksten Stelle nur 3 mm dick, sehr scharf- 
randig, hatte mit einer Ecke nach unten gesteckt, während die beiden 
benachbarten Koken sioh seitlich festgebobrt hatfen. 

Da bei der langen Dauer der Einkeilung, dem Vorhandensein 
faulender NabruDgsre&te und der Schwierigkeit der Entfernung die Gefahr 
einer Mediastinitis gross war, verbot ioh dem Pal. tür 24 Stunden jede 
Nahrungs- und Fiüssigkeitsaufnabme, die erst allmählich wieder erfolgte, 
als der Verlauf ein ganz glatter und vollkommen fieberfreier war. 

Ich benutze die Gelegenheit, um wiedereinmal. wie schon früher mehr¬ 
mals, vor dem Gebrauch des Münzenfäogers in solchen Fällen zu warnen. 
Diese zaokigen Fremdkörper stellen sich selbstverständlich immer mit 
dem schmälsten Ende nach unten ein. Wenn sie dann dort vom Münzen- 
fänger gefasst werden, muss dieser sie, wie Sie an diesem Kartonmodell 
sehen, beim Eutfernungsversuch notwendigerweise um die oberen ver¬ 
hakten Enden kanteD, also breitstellen (Demonstration) und so nooh mehr 
verhaken, wobei leicht einmal eine Perforation der Oesopbaguswand oder 
wenigstens eine gröbere Verletzung eintreten kann. Im Gegensatz dazu 
lässt ihn die EotlernuDg mit Oesophagoskop in seiner natürlichen Stellung 
oder sucht ibu unter Leitung des Auges in eine günstigere zu bringen 
oder durch vorsichtiges Tieferdrücken oder Drehen aus seiner Verhakung 
zu befreien, wonach er unter Aopressen an das untere Rohrende, das 
nun die Schleimhaut mehr oder weniger, je nach Ueberstehen der Ränder 
schützt, mit dem Rohr zusammen entfernt wird. 

Von den anderen zahlreichen in der Klinik entfernten Fremdkörpern 
zeige ich heute nur nooh ein Gebiss mit dreieckiger Platte und 2 Zähmen, 
das 6 Wochen in 23 cm Tiefe in der Speiseröhre gesteckt hatte, ohne 
schwerere Erscheinungen zu verursachen. Die Entfernung gelang mir 
damals sehr leicht, der Verlauf war, wie in den anderea Fällen, ein 
ganz glatter. 

Hr. F. Laadeis demonstriert einen Pat. mit Pereazephalie. Es 
handelt sioh um einen 16 jährigen Jungen, der wegen schwerer halb¬ 
seitiger Lähmung mit Krämpfen von ihm am 1. März 1919 operiert wurde. 
Bei der Operation fand sioh im rechten Stirnbirn eine fast fausfgrosse 
porenzephalische Zyste, die bis an die rechte Zentralwindung heran¬ 
reichte, und die frische Blutkosgel enthielt. Der Deckel wurde zurück¬ 
geklappt, die Dura wurde zugenäht bis auf eine kleine OtffouDg als Ventil 
lür den Fall, dass die Zyste sich wieder füllte. .Nach 18 Tagen hörten 
die Krämpfe auf; allmählicher Rückgang der Lähmung, jetzt voll¬ 
kommene Heilung. Patient ist geistig normal und kann alle Arbeit ver¬ 
richten. 

Aussprache: Hr. Mann. 

Hr. Weil stellt vor Mageatamorea, denen expansives Wachst« 
gemeinsam ist: 

1. ein Leiomyom des MagenB, apfelsiaengross, exogastrisob ent* 


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10. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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viokelt, entfernt bei einem Manne mittleren Lebensalters, der wegen 
Blutung und Stenosenerscheinungen zur Operation kam. Heilung; 

2. und 3. solitäre polypöse Karzinome; 

4. einen faustgrousen polypösen Tumor, entfernt bei jüngerem 
Manne mit Anatidität und Stauungsersoheinungea. 7 Jahre nach der 
Resektion kein Rezidiv; 

5. einen hühnereigrossen Polypen mit karzinomatöser Entartung 
bei älterem Manne. Charakteristisches Röntgenbild. Histologisoh Drüsen* 
karsinom. Rezidiv nach l 1 2 3 /* Jahr; 

6. faustgrosses polypöses Sarkom, entfernt bei älterem Manne 
ohne Salzsäure, mit Stauung. Resektion. Residiv im 5. Jahre post 
operationem. Histologisch: polymorphzelliges Sarkom. Ueber dem rund¬ 
lichen Tumor ist die Magenschleimhaut hochgradig atrophisob, aber 
überall in einzelliger Sohioht erhalten; 

7. ein exögastrisoh entwickeltes Magenendotbfeliom. Ein 
Knoten wird seit mehreren Jahren beobachtet; Stauungsersoheinungen, 
verminderte Salzsäure. Faustgrosser, vom Magen ins grosse Nets ent¬ 
wickelter knolliger Tumor. Magenschleimhaut über ihm ulzeriert. Re¬ 
sektion. Heilung. 1 Jahr post operationem völlig gesund. Histologisch: 
Sarkomelemente mit zahlreichen Blutgefässen. Endotheliomstruktur. 

Hr. Melekior: 1. „Kriegsaialazie“ wad Fraktarkeilang. 

Bei dem vorgestellten 17jäbrigen Patienten entwickelte sieh nach 
Heilung einer auswärtig behandelten Diaphysenfraktur des Femur und 
Wiederaufnahme der Funktion eine rasch zunehmende erhebliche Ver¬ 
krümmung des Oberschenkels. Dabei bestanden keine Schmerlen, das 
Bein konnte voll belastet werden. Im Rontgenbilde lässt bich der vier 
Monate nach dem Unfall noch deutlich erhaltene Bruchspalt kontinuier¬ 
lich in den sehr durchsichtigen und gering entwickelten Kallus hinein 
verfolgen; im übrigen bestehen ausgesprochene Zeichen riner floriden 
Rachitis. Die Annahme einer reinen Kallubfraktur tat auf Grund des 
klinischen Verhaltens auszuschliessen; im Vordergründe steht vielmehr 
die abnorme Weichheit (Erweichung?) des Kallus. Diese patho¬ 
logische Eigenschaft der Knochenkitteubstanz bildet hier offenbar eine 
eigenartige Teilerscheinung der bestehenden allgemeinen Skelett¬ 
erkrankung, die ihrerseits in den Rahmen der neuerdings viel diskutierten 
Jugendlieben Malazie* gehört, eine Folge unzulänglicher „Kriegs¬ 
ernährung*, welche ein geradezu endemisches Auftreten angenommen hat. 
Wie hochgradig im vorgestellten Falle die Weichheit des Knochens war, 
zeigte sich besonders beim Versuch der Nagelextension. Hierbei liess 
sich der Nagel ohne nennenswerte Kraftanwendung durch den nach¬ 
giebigen Knochen durobtreiben und fand keinen festen Halt. Manuelles 
Redressement gelang leicht. 

Vortr. hat auch sonst den Eindruok gewonnen, dass — offenbar 
unter dem Einfluss derartiger, augenblicklich weitverbreiteter Ernährungs¬ 
störungen des Skeletts — Verzögerungen der knöchernen Konsolidation 
nach Frakturen neuerdings häufiger Vorkommen, als man es früher sab. 

Aussprache. 

Hr. Tietse hat am Material des Allerheiligen*Hospitals gleichfalls 
Beobachtungen gemacht, welohe die Auffassung von Herrn Melchior 
zu bestätigen scheinen. Augenblioklioh befinden sich auf seiner Ab¬ 
teilung zwei Fälle von verzögerter Kallusbildung bei jugendlichen 
Männern, für welohe eine andere Erklärung als allgemeine Ernährungs 
Störungen nicht gefunden werden konnte. 

Hr. Melekior: 2. Zar Thynschirargie des Basedow. 

Bei der jetzt 21jährigen Patientin wurde vor einem Jahre wegen 
eines leichten Basedow ausser einer ausgiebigen Verkleinerung der 
Sohilddrüse gleichzeitig eine Tbymusreduktion (15 g) vorgenommen. 
Nach anfänglich gutem Resultat trat später unter Zunahme des Kropf¬ 
restes wieder eine Verschlimmerung ein, so dass der Zustand jetzt 
wesentlich schlechter ist als vor der Operation. 

Vortr. bespricht im Anschluss hieran die neueren Wandlungen der 
operativen Therapie des Basedow und legt dar, dass die vornehmlich 
von Capelle begründete Ansicht, wonaoh der postoperative Basedowtod 
ein „Tbymustod“ sei bzw. die Grösse des Thymus einen Indikator der 
Schwere des Grundleidens darstelle, duroh die Tatsachen längst wider¬ 
legt ist Dass auch die Tbymusreduktion nicht die an sie geknüpften 
Erwartungen erfüllte, lehren — ausser dem vorgestellten Falle — be¬ 
sonders die Erfahrungen Garre’s, wonach unter 11 Fällen, in denen 
dieser Eingriff ausschliesslich oder kombiniert vorgenommen wurde, nicht 
weniger als 2 starben, 2 wurden geheilt, in 4 Fällen wurden Naoh- 
operationen an der Schilddrüse erforderlich, über 3 Fälle fehlen Nach¬ 
richten 1 )* Wenn Capelle sich also neuerdings zu dem Satze bekennt: 
„Die allgemeine Praxis muss sich vorderhand bei der Schilddrüsen¬ 
therapie bescheiden . .**), so liegt darin eine späte Anerkennung des 
Standpunktes, wie ihn Vortr. schon seit langer Zeit, anfangs vergeblich, 
verfoohten hat*). 

Hr. Barweh demonstriert das Präparat eines von ihm operierten 
Falles einer «ater dem Bilde eiwer akwtei schwere« Appendizitis ver- 
laafeaea Perforatiow des Colo« transvcrs«m i« die rechte Tobe. Die 


1) Naegeli, Bruns’ Beitr., Bd. 115. 

2) Zschr. f. ärztl. Fortbildung, 1918. 

3) Die Beziehungen der Thymus zur Basedow’sohen Krankheit. Zbl. 
f. d. Grenzgeb., 1912, Nr. 15. Ist der postoperative Basedowtod ein 
Tbymustod? B.kl.W., 1917. 


Perforation war unter zipfelförmiger Ausziehung des Qoerdarms in das 
abdominelle Ostium der Tube hinein erfolgt UDd batte hier einen Ab¬ 
szess gesetzt. Der vom Netz gedeckte Tumor liess- sich unter Resektion 
von Nets, Tube und eines Quer dar mzipfels geschlossen entfernen. Der 
Wurmfortsatz erwies sich als intakt. Ob der Prozess auf eine primäre 
Tubenerkranknng mit sekundärem Durchbruch in das Kolon zurüok- 
zuführen ist oder umgekehrt, ist nicht zu eruieren. Gegen einen assen- 
dierenden Prozess spricht, dass die makroskopische Betrachtung und 
mikroskopische Untersuchung des uterinen Teiles des entfernten Eileiters 
einer Virgo absolut normale Verhältnisse darbot. Andererseits gab die 
Anamnese keinen Anhaltspunkt für eine durcbgemachte ulzeröse Darm¬ 
erkrankung, so dass die Annahme am wahrscheinlichsten bleibt, dass es 
sich um die Perforation durch einen Fremdkörper — eine Nadel, Gräte 
usw. — gehandelt hat, wenn es auch nicht gelang, einen Fremdkörper 
nachzuweisen. Der glatt geheilte Fall wird demonstriert! 

Hr. Hwhn stellt zunächst 2 Patientinnen vor mit vorübergehender 
Heiserkeit «ach Rtiatgeabestrahlaag tob taberkalffsea Halsdrlses. 
Bei beiden trat im Anschluss an eine Erhöhung der Strahlendosis auf 
etwas über */ 4 der toxischen Hautdosis Dach Bestrahlung durch 8 mm 
dickes Aluminium eine auffallende Heiserkeit ein, die als Bestrahlung«- 
reaktion aufgefasst werden musste. Da beide Patientinnen ebenso wie 
verschiedene andere sn solcher Heiserkeit Erkrankte in einer Sitzung 
bestrahlt worden waren, so kann angenommen werden, dass diese Er¬ 
scheinung duroh Summation der von rechts und linkB einfallenden hart¬ 
gefilterten Strahlen bedingt und durch einseitige Bestrahlung zu ver¬ 
meiden ist. 

Ausserdem wird eine Röntgenpbotographie von einem ProceMll 
sipracoadyloideai bzw. eadepieoadyloideas, einem hakenförmigen 
Kuochenvorsprung an der Innenseite der distalen Humerusdiapbyse, 
demonstriert, der eotwicklungsgesohichtlich insofern von Interesse ist, 
als naoh Wiedersheim sich dieser Vorsprung zuweilen als eine ge¬ 
schlossene Knoohenspange nicht allein bei zahlreichen Säugern, sondern 
auch schon bei Reptilien und selbst bei fossilen Amphibien findet. 
Chirurgisch interessant ist, dass ähnliche Vorsptünge auch an der 
äusseren Seite des Humerus als Processus ectepicondyloidei und auch 
am Femur beobachtet worden sind. Man wird bei der Beobachtung 
knöcherner Vorsprünge in diesen Gegenden immer an diese atavistischen 
Fortsätze denken müssen. 

Sobliesslioh werden noch plastische Röntgenbilder, die naoh 
dem Verfahren von Alexander Bela angefertigt sind, demonstriert. 

Hr. Preasse stellt einen Patienten vor mit gekeiltem Strepthetrix- 
abszess de« Gehirns. Dieser hatte sich 9 Monate nach M. G.-Verletzung 
der rechten motorischen Region entwickelt. In dem Eiter fanden sich 
grampositive feine Pilsfäden mit echten Verzweigungen ohne Keulen¬ 
bildung. Dieselben wuchsen in Bouillon anaerob als feine, gelbliche 
Kolonien am Rand des Glases. Es bandelt sich also um einen Strepto- 
thrixabszess des Gehirns, wie EppiDger, Ferrö und Faguet, Horst 
sie beschrieben. Eine generalisierte Erkrankung bestand bei dem Pat. 
Dicht. Die Wundheilung verlief ungestört. 

Hr. Hammer demonstriert einen Patienten, dem duroh Sectio alta 
ein Sehrapae]ikagel8teia der Blase entfernt wurde. Die antänglioh 
geringen Erscheinungen von Seiten der Blase, sowie die im Feldlazarett 
röntgenoskopisch festgestellte extravesikale Lage des Projektils lassen 
die Vermutung zu, das9 die Kugel sekundär auf dem Wege der Eiterung 
in die Blase gelangt ist. Der bühnereigrosse Phosphatstein enthält im 
Innern, exzentrisch gelagert, die Kugel. 

Aussprache. 

Hr. Goebel berichtet über und demonstriert einen Granatsplitter* 
stein der Blase, den er 1917 einem algerischen Gefangenen in Bukarest 
duroh Sectio alta entfernt hat. Der Kranke war 1914 verwundet und 
hatte in den deutschen Gefangenenlagern Rumäniens gearbeitet, war 
dann aber mit hohem Fieber und Blasenkatanh in ein rumänisches 
Lazarett eingeliefert. Die Diagnose des Steins war mit Sonde und duroh 
das Röntgenbild leicht. In letzterem bemeikt man deutlich den dichteren 
Schatten des Granatsplitters im Zentrum des Konglomerats (Demonstra¬ 
tion). Noch besser und sehr deutlich zu sehen ist dies in einem Röntgen- 
bild des exstirpierten Steines allein (Demonstration). Der reine Phosphat¬ 
stein ist 6Vt: 4: 4 cm gross, längliohoval mit einem breiteren, einem 
schmaleren abgerundeten Ende. Der Splitter des Zentrums etwa 
3: 1,3 cm gross, zackig, fest von den Kalksalzen eingefasst. Gewicht des 
Steins (mit Splitter) etwa 90 gr. 

Die Rekonvaleszenz war ungestört, trotz des schweren Katarrhs und 
trotz des Umstandes, dass sich bei der Operation in der rechten Blasenwand 
ein — noch 1917 offener — Schlitz fand (nur fühlbar mit dem Finger!), 
durch den der Splitter in die Blase gedrungen sein musste. An der 
reohten Seite des Beokens zeigte das Röntgenbild auch noch verschiedene 
Granatsplitter neben der Blase. 

Die Frage, ob die Splitter, um welche sich Steine bilden, sekundär 
in die Blase gewandert oder primär bineingedrurgen sind, ist schwer 
zu lösen. Im allgemeinen dürfte ersteres die Ausnahme sein. Dagegen 
spricht nicht, dass öfter bei der Annahme eines Geschosses in der Blase 
die Sectio alta vergebens gemacht ist Denn man findet siohere Ge- 
sobosäe im Blaseninneren oft bei der Seotio alta sehr schwer. Die ge¬ 
schwollene Blasenschleimhaut verbirgt die Steine gelegentlich so, dass 
man Mühe hat, sie selbst bei sorgfältigem Abtasten des Blaseninnern 
von der Seotio alta-Wunde aus zu tasten. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45. 


= I 


1078 


Hr. Wiesaer demonstriert eioe geheilt« isolierte Taberkalese des 
Kiefergelenks bei einer 43jährigen Frau, ln der Gegend des letzten 
Backzahns bestand eine Fistel, das Röntgeobild zeigte Fraktur des auf- 
steigenden Astes der Mandibula dicht am Gelenk, die als Spontan fraktur 
gedeutet wurde. Bei der Operation, die in Lokalanästhesie vom Mondo, 
aus vorgenommen wurde, konnte der in toto sequestrierte Gelenkfort- 
satz, der mit tuberkulösen Granulationen und Ktötohen besetzt war, 
berausgezogen werden. Tamponade, Bestrahluog, gute Heilungstendenz. 
Oeffnung des Mundes ungestört. 

Hr. Hering zeigt einen Patienten mit 8trnna apoplectica. 5 Tage 
Vor der Aufnahme trat nach einem Hüftenstoss eine starke Vergrösserung 
der linken Kropfbälfte und gleichzeitig schwere Atemnot ein. Bei der 
Operation fand sich eine mächtige frUobe Blutung in der Struma. 

Hr. Dittrieh stellt einen an RicseaEelleasarkoai des Talas operierten 
SOjähr. Patienten vor, der anschliessend an einen Stutz nicht mehr 
lauten konnte. Es bestand in der Gegend des linken inneren Foss- 
knÖcbelsSohwellung, unterhalb desselben Druckschmerzhaftigkeit. Röntgen- 
bild: Kastanien grosse, scharf umrissene Aufhellung im Knochenschatten 
des Talus, die durch eine sohalenartige Auftreibung derselben begrenzt 
wurde. Nach 1 / i Jahre ist Pat. rezidivfrei. Der braunrote Tumor be¬ 
stand aus sehr eng gelagerten, grossen polymorphen Zellen, zwischen 
die überaus zahlreiche Riesenzellen vom Typ der Megakariozyten ein¬ 
gestreut waren. Wie M. Boro har dt konnte auch Redner in seinem 
Tumor Knorbelgewebe nachweisen. 

Hr. Schneit stellt einen Fall von Platteaepithelkarsiaovi aaf 
Chopartstonpf vor, das durch langjährige Insulte durch sch lech tsitzen des 
Sohuhwerk auf der Amputationsnarbe entstanden war. Es handelte sich 
um ein stark zur Verhornung tendierendes Karzinom. 

Hr. Olbrich stellt einen Fall von tiefritzcadem llcas vermiaosas 
vor, der naeh 3 mal 24 Stunden durch spontanen Abgang eines reichlich 
hühnereigrossen, in Kot eingehüllten Konvoluts von Askariden zur 
Heilung kam, und sohliesst daran eine kurze Besprechung der zum Ileus 
führenden Darmparasiten. 

Aerztücher Verein zu Frankfurt a. M. 

Sitzung vom 5. Mai 1919. 

Hr. Fiseber: Dcnozstrationea. 

Hr. Kloiber: Röstgeadiagnose de« Ileas ohne Koatrastnitfel. 

Da ein Ileus nicht immer leicht und sicher von vornherein zu dia¬ 
gnostizieren ist, andererseits eioe schnelle Diagnose von grösster Wichtig¬ 
keit ist, so trat man an die Röntgendiagnostik mit grossen Erwartungen 
heran. Aber eine per os gegebene Rieder-Mahlzeit ist nicht anwendbar, 
da bis zu ihrem Erscheinen im Darm zu lange Zeit verstreicht, ebenso 
ist die Anwendung eines Klysmas meist nicht möglich. K. beobachtete 
nun bei einem Fall von Adhadonsileus einen Flüssigkeitsspiegel mit 
Gasblasen. In der Literatur ist das Verfahren schon mehrfach be 
schrieben (Schwarz, Stierlin usw.). K. will die Methode nicht nur 
bei chronischem, sondern auoh bei akutem Ileus angewendet wissen; 
er verzichtet ganz auf Kontrastbrei und verlässt sich nur auf die Beob¬ 
achtung von Flüssigkeitsspiegel -f Gasblase. Insbesondere bei zweifeb 
haften Fällen leistete das Verfahren Gutes, zahlreiche Gasblasen sprechen 
für tiefsitzenden Ileus. (Projektion von Röntgen bildern.) 

Aussprache. 

Hr. Groedel: Durch eine Aufschwemmung von Wismut in Milch 
lässt sioh der Kontrastbrei schon nach 1—2 Stunden im Dickdarm nach- 
weisen, ebenso gibt der Einlauf gute Resultate. G. konnte auch ohne 
Ileus (z. B. bei Hysterie, Gärungsdispepsie usw.) genau die gleichen 
Bilder nachweisen, wie sie der Vortragende eben demonstrierte; ebenso 
ist bei Kindern der Dünndarm bekanntlich immer lufthaltig. Er kann 
daher den Flüssigkeitsspiegel mit der Gasblase nioht als pathognomisohes 
Zeichen ansehen, da er auch bei rein funktionellen Zuständen vorkommt. 
Auch für die topische Diagnostik ist er ohne Bedeutung. 

- Hr. Schürer: Ueber gutartige epidemische Gelboaeht. 

Bericht über eine Epidemie von gutartig verlaufender Gelbsucht, 
die in Rumänien beobachtet wurde. Die Temperatur stieg nur bis 
höchstens 37,8, die Hälfte aller Fälle verlief ohne jede Temperatur¬ 
steigerung. Schmerzen in der rechten Oberbauchgegend infolge von 
Leberschwellung, am 3. Tage Ikterus, der nioht sehr intensiv war, der 
Harn ohne Eiweiss, der Stuhlgang nioht ganz entfärbt. Der Verlauf war 
stets günstig, die Patienten waren meist nach 3 Tagen ausser Bett. 
Die Aetiologie ist unbekannt, eine Nahrungsmittelvergiftung lag nicht 
vor, es muss sich wohl um einen katarrhalischen Ikterus in^gehäufter 
Form gehandelt haben. 

Ausspraohe. Hr. Rosenhaupt berichtet über ähnliche Beob¬ 
achtungen bei einem Transport aus Italien. 


Sitzung vom 19. Mai 1919. 

Hr. Fiseber: Denoistratiosea. 

Diskussion za dem Vortrag des Hem Adler: 8ebilddrtt«e «ad 
Wärmeregulation. 

Hr. Isaak; Io der Kälte gehaltene Tiere zeigen höheren Blutzuoker- 
gebalt als in der Wärm« gehaltene. Dubois fand bei winterschlafenden 
Murmeltisren, bei denen die Sohilddrüse atrophisch ist, einen zehr 


niedrigen Blutzuckergehalt, was eine Bestätigung der von Adler auf- 
gestellten Thesen bedeuten würde. 

Hr. v. Noorden: Bei Fieber fiodet sioh eine Hyperthyreosis, die 
Schilddrüse ist bei Fieber toxisch erregt. 

Hr. Adler (Schlusswort;: Beim Winterschlaf spielt die Schilddrüse 
eine grosse Rolle; sie ist, ebenso wie die Nebenniere, in Hyperfunktion. 

Hr. Sippe]: Die Uafroebtbarkeit der Frai aad die Möglichkeit 
ihrer tkerapeatisehea BeeisflasNiBg. 

Bei Entzündungen um die Tube herum fst es möglich, durch die 
Operation die vorher bestandene Sterilität zu beseitigen. Bei Entzün¬ 
dungen auf gonorrhoischer Basis dagegen soll man nioht operieren, da 
der Eutzündungsprozess zu leicht wieder su'fUckert. Bei obliterierten 
Tuben, die ein Passagebindernis für das Ei bedeuten, hat es keine? 
Zweck, ein Fenster in die Tube eiozuscbneiden. Dass auch ohne Tube 
Schwangerschaft möglich ist, beweist ein Fj. 11 von Küstner. Auch 
intraligamentäre Myome können ein Schvangerscbaftsbiudemis abgebeo, 
ihre Exstirpation schafft Koqzeptinnsmögliohkeit, was durch einen -ope¬ 
rierten Fall bewieseu wird. Der Vaginismus wird durch Fissuren aus- 
gelöst, die man sich aber nur io tiefer Narkose sichtbar maoben kaon. 
B**i Verengungen des äusseren und inneren Muttermundes empfiehlt sieh 
eine lange fortgesetzte gründliche Dehnung durch Lamina r iastifte. Auch 
abnorme Portioformen können das Eindringen der Sp*-rmatozoen ver¬ 
hindern, ebenso die Lageveränderungcn des Uterus. Es wurde wieder¬ 
holt beobachtet, dass nach Einlegen von Pessaren eine Konzeption eintrat. 

Hr. Gold«t*ia: Die Prüfung der körperlichen iad psychisch» 
LeUtsagsfähigkeit als ^raaGage der Begafaehvaag. 

Mao unterscheidet bei der Untersuchung Gebirn- und Nervenkranker 
d : e abstrakte und die konkrete Methode, letztere besteht darin, dass 
man die Kranken bei der Arbeit beobachtet und ihre Arbeitsfähigkeit 
registriert. Bei der abstrakten Prüfung wiasee die Kranken nicht, worauf 
es ankommt, und das ist von Wichtigkeit. Am besten ist es, beide 
Methoden nebeneinander au verwenden, aber nur scharf voneinander ge¬ 
trennt Bei der abstrakten Methode verwendet man am besten Rechen¬ 
aufgaben, Ergograpben usw. Der alte Mosso’scbe Ergograph ist nicht 
brauchbar, G hat eioen grösseren konstruiert, mit dem die Versuobe 
angestellt worden (Demonstration von Kurven). Ein einzelner Versuch 
hat keinen Sinn, nur mehrere verschiedene, die miteinander verglichen 
werden müssen. Bei der Begutachtung der Kranken muss der Beruf 
mehr als bisher Berücksichtigung finden, das geschieht am besten, wenn 
man die Patienten in Werkstätten arbeiten lässt, wo sie positive Arbeit 
leisten, für die sie auoh bezahlt werden. 


Sitzung vom 2. Juni 1919. 

Hr. Valeatia: Demeastration. 

Die sohtechten Ernährungsverbältnisse haben uns eine neue Art 
von Knoohenerkrankung kennengelebrt; auch auf scheinbar sonst ganz 
bekannten Gebieten, wie z. B. dem der Knochentuberkulose, werden wir 
neue Formen zu sehen bekommen. Vorstellung eines 8jährigen Mädchens, 
das früher eine tuberkulöse Spondylitis durobgemacht hatte. Im An¬ 
schluss daran Sohmerzen in beiden Beinen, namentlich links, allmähliches 
Hinken. Bei der Aufnahme starke Auswärtsrotation des linken Beines 
und Verlängerung desselben um 4 cm. Der linke Oberschenkel ist 5 cm 
dünner als der rechte. Pirquet und Tuberkulioimpfung positiv. Auf 
dem Röntgenbilde fällt vor allem die beiderseits bestehende Coxa valga 
auf. Die linksseitige Verlängerung des Beines ist dureb die Wucherung 
uod Verbreiterung der unteren Femurepiphyse bedingt, ein Bild, wie es 
schon von Ludloff im Jahre 1913 beschrieben wurde. Ausserdem ist 
noch auf dem Röntgenbilde der abnorme Tiefstand und die Vergrössemng 
der Patella zu beachten, bedingt durch die Ueberdehnung und die In¬ 
suffizienz des Quadriteps. 

Hr. Fischer: Demoastratioaea. 

Hr. Flesrh: Ueber da« Lesea der Rffatgeabilder. 

Auch ohne stereoskopische Aufnahme oder andere Hilfsmittel gelingt 
es, namentlich bei Steckschüssen, viel mehr aus den Röntgenbildern 
herauszulesen, als man gewöhnlich glaubt. Projektion von zahlreichen 
Röntgenbildern, die das beweisen sollen. 

Hr. Michael: Die Behaadlang der Trichophytie. 

Man unterscheidet oberflächliche und tiefe Fermen der Trichophytie. 
Da bei der oberflächlichen Form Aerobier die Erreger sind, so ist ein 
luftdichter Abschluss der Haut die Hauptsache, auoh muss man die 
weitere Umgebung mit in die Behandlung einbeziehen. Bei der tiefen 
Form injizierten zuerst Plato und später Blooh Kulturen von Tricho¬ 
phytiepilsen. Das Trichophytin wird angewandt in einerWerdunnung 
von 1:100, steigend bis 1:10. Die Sykosisformen sind leichter zu 
heilen, während die furunkelartigen die refraktärsten sind. Das einzige 
Mittel ist hier die Röntgenbestrahlung mit gefilterten Strahlen. 


Sitzung vom 16. Juni 1919. 

Hr. Grosser: Kam Mittellaag Aber Erythem iafectiesaai. 

Seit Februar d. J. beobaobtete G. wiederholt, meist bei Kindern, 
ein im Gesicht beginnendes Exanthem, das leichtgerötete Färbung zeigt. 
Am 4.-6. Tage ist wieder alles vorbei. Dieses harmlose, keiner Behand¬ 
lung bedürfende Erythem wurde 1889 zuerst 'in Graz beobachtet, es 
tritt immer sporadisch auf und hat nur differentialdiagnostische An¬ 
deutung gegenüber Masern und Röteln. 

Hr. Fischer: Pemeastratloaea. 


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Original ffom 

UMIVERSITY OF IOWA 



10. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. G. L. Dreifte: Silkerialvarsa* bei itetieehei Erkrankungen 
dei Nervensystem. 

Der chemotherapeutische Index des Alt- und Neosalvarsans ist 1: 10, 
wahrend der des Silberaalvarsans 1:80 ist, die toxische Dosis ist also 
dreimal so gross. Im Reizserum verschwinden die Spirochäten bei 
Silbersalvarsan schon nach 24 Stunden. Die meisten Patienten wurden 
ambulant behandelt; das Silbersalvarsan ist ein dunkles, in Wasser 
leichtlösliches Pulver, jede Ampulle wird in 25—SO com Aqua deatillata 
gelöst. Es empfiehlt sich, keine Metall-, sondern Glasspntzen zu ver¬ 
wenden. Die Fälle lassen sich in drei verschiedene Kategorien einteilen, 
die ganz verschiedene Dosierung haben: 1. Frühlues des Gehirns, 2. Lues 
cerebrospinalis, 8. Tabes. Bei 1. gibt man 0,2—0,25 dreimal pro Woche, 
bei 2. beträgt die Gesamtdosis 8 g, bei 8. schliesslich muss man ganz 
kleine Dosen geben und 0,1 nicht überschreiten, pro Woche nicht mehr 
als 0,3. Die besten Erfolge hat man bei 1, bei den Tabikern gingen 
die subjektiven Erscheinungen gut zurück, insbesondere Hessen die 
Schmerzen naoh. Auoh bei anderen Nervenkrankheiten (Polioenzephalitis, 
Malaria tropica) waren gute Erfolge zu verzeichnen. Als Neben¬ 
erscheinungen treten grosse Ermüdbarkeit bei zu hoher Konzentration und 
vasomotorische Erscheinungen auf. Als Kontraindikation gilt dieAortenlues. 

Aussprache. Hr. Kölle: Viele Schädigungen, die dem Salvarsan 
zpgesohrieben werden, sind in Wirklichkeit dem Queoksilber aufs Konto 
zu setzen. K.’s Bestreben ging daher dahin, das Hg ganz auszuschalten. 
Ein Kaninchen kann man mit Hg nicht heilen, dagegen mit Ag-Präpa- 
raten. Der Arsengehalt im Silbersalvarsan ist viel geringer als in den 
anderen Salvarsanpräparaten. Das Silber wirkt entwicklungshemmend. 

B. Valentin-Frankfurt a. M. 


Aerztliche Gedanken zur Revolution 1 ). 

Von 

tt. Marx-Berlin. 

Das erste R-jvolutionsjahr, dessen Ende wir soeben erleben, bat mit 
vollendeter Deutlichkeit erkennen lassen, dass die ganze politische Be¬ 
wegung unter dem Zeichen der seelischen Erschöpfung stand und noch 
steht. Es hat zwar unmittelbar nach Unterzeichnung des Friedens ein 
grösserer Zufluss von Lebensmitteln begonnen. Aber was in vier Jahren 
gefehlt hat und gefehlt ist, kann in ebensoviel Monaten nicht gut ge¬ 
macht werden, denn, wie ein altes Wort sagt: Krankheiten kommen zu 
Pferd und geheu zu Fuss. 

Wir erleben in Deutschland eine ausgesprochene Revolution der 
Müden. Dementsprechend zeitigt die Bewegung die deutlichsten Aus¬ 
fallserscheinungen. Ich hatte schon in meinem ersten Aufsatz be¬ 
tont, dass die gesteigerte psychische nnd körperliche Beweglichkeit unserer 
Tage eine aus Kraftübermaass fliessende Steigerung der Aktivität nur' 
vorijiuscht, dass die vermehrten psycho- und lokomotorischen Aeusse 
rungen lediglich als Zeiohen einer asthenischen Neurose aufzufAssen sind. 
Ebenso hatte ich die gesteigerte Suggestibilität dieser unruhevollen Tage 
gestreift; auch sie ist eine blosse Ausfallserscheinung, eine vermehrte 
Hingabe müder Gehirne an fremde Gedankenreihen. 

In der Tat hat das Revolutionsjabr, das hinter uns liegt, nicht eine 
einzige produktive und autochthone deutsche Idee hervorgebracht. Nichts 
wie kritiklose Nachahmung östlicher Vorbilder, die für uns nicht passen 
wollen. In der Verkennung der Tatsaohe selbst, dass ein asiatischer 
Sozialismus die komplizierte deutsche Wirtsohaftsmaschine mit Gewiss¬ 
heit zerstören muss, liegt eine Ausfallserscheinung gröbster Art, ein 
offensichtlicher praktischer Schwachsinn. 

Man darf ganz allgemein von einer Wirkliohkeitsfremdheit als einem 
der bedeutendsten Krankbeitszeichen unserer Zeit sprechen; ich möchte 
an dieser Stelle auf eine ausgezeichnete kleine Schrift des Baseler 
Kollegen Dr. A. L. Visoh er (1. o.) verweisen, der dieses Symptom als 
ein Kardinalleichen der Psychologie der „Uebergaogszeit* bewertet. 
Wie wirklichkeitsfremd ist die Arbeite- oder besser Nichtarbeitspolitik 
und -Taktik der Massen. Ihre Politik bedeutet Eisenbartkuren am 
Wirtscbaitskörper und erinnert an die Aderlässe der «Grands Saigneurs*, 
die den halb Entkräfteten durch immer neue Aderlässe zu retten wähnten. 
Wer nicht begreift, dass Streiks zwar die Löhne, aber niemals die Menge 
der auf den Markt kommenden Waren erhöhen können, ist eben schwach¬ 
sinnig, denn er erkennt nicht, dass nur produktive Arbeit die Zahl der 
Güter vermehren und so die Preise, herabsetzen kann, während sein 
Streik lediglich die Preise erhöht, indem er zugleich die Summe der 
Waren relativ vermindert. 

Eine wesentliche Erscheinung unserer Tage ist das Schwinden in¬ 
dividuellen Denkens und Fühlens. Die Menschen neigen, man kann es 
wohl so ausdrüoken, zur „Agglutination*, zur Zusammenballung. Man 
erlebt eine Flucht in die Masse. Und hier in der Masse walten die bekannten, 
vornehmlich von Le Bon undSighele aufgedeckten Gesetze. Die Masse 
bedeutet zwar eine Summierung von Personen, nicht aber von Persön¬ 
lichkeiten. Die Summe von Intelligenz in der Masse steht immer weit 
unterhalb der Intelligenz der Intelligenten in ihr und erscheint an die 
geringste der Intelligenzen innerhalb des Massenkörpers angenähert. Man 


1) Vergleiche meinen Aufsatz in Nr. 12, 1919 d. Woohensohrift, 
ferner Kraepelin in H. 9 der Süddeutschen Monatshefte, Stelzner und 
Kahn in der Zschr. f. d. ges. Neurol. u. Psych., A. L. Visober, Zur 
Psychologie der Uebergaogszeit, Basel 1919. 


1079 


male sich demnaoh den Charakter einer ausschliesslich von der Masse 
geschaffenen und getragenen Kultur aus. Hierzu kann man vielleicht 
noch anmerken, dass das Gedächtnis der Massen ein ausgesprochenes 
Eintagsgedächtnis ist, und dass selbst dieses kurze Genäcbtms schnell 
und leicht zugunsten von Augenblickssuggestionen ausgeschaltet wird. 
So begreift sich die freiwillige und immer wieder gein geübte Flucht in 
die Masse ohne weiteres als eine prägnante Ausfallserscheinung. 

Geradezu unfasslich ist es, wie manche politische Ideen die Massen 
mit sioh reissen, obwohl diese Ideen, wie Vi sch er -Basel treffend be¬ 
merkt, an die Gläubigkeit der Massen grössere Anforderungen Btellen als 
jemals irgend ein biblisches Wunder. Man denke an die Theorien ge¬ 
wisser Politiker, die erst alles vernichten, erst alles zerstören wollen, 
um auf den Trümmern, aus dem Nichts eine neue Welt aufzubauen. 
Grosse Massen hängen diesen Lehren an, grosse Massen, die sicher ent¬ 
rüstet wären, wenn man ihnen zumuten wollte, an weniger erstaunliche 
Wunder des alten und des neuen Testamentes zu glauben. 

Iq der Masse erstirbt das Persönliche. Eintönigkeit ist das psychische 
Gepiäge des Massengeschehens. Bei einem Gange durch die Strassen, 
bei einer Fahrt in öffentlichen Fahrzeugen kann man sioh leicht davon 
überzeugen, wie gleichmässig io allen Gesprächen selbst die Worte und 
Redewendungen geworden sind. Wie ein grauer Staub überzieht diese 
Uniformität alles seelische Einzelgeschehen und erstickt die poly¬ 
pragmatische und polyästhetische Buntheit des Lebens. 

In welchem Maasse der grossen Masse des Volkes die praktische Ver¬ 
nunft ausgegangen ist, lässt sich an einer Erscheinung zeigen, die wie 
kaum eine andere für den Stand der Intelligenz von heute bezeichnend 
ist. Ich denke an die merkwürdige Verschiebung der Begriffe und 
Probleme. Ein Schulbeispiel ist die Art, wie die Massen den Begriff der 
Freiheit praktisch erfassen. Sie identifizieren ihn geradezu mit dem Begriff 
der Willkür und kommen daiuroh zu einer Freiheit, die, bei den heutigen 
aussenpolitischen Verhältnissen, der Freiheit eines Eingekerkerten gleiobt, 
dem man gestattet hat, die Möbel seiner Zelle zu zerschlagen. Man 
sieht hier das Produkt allernaivsten Unverstandes, der mit Treffsicher¬ 
heit an der einzig vernünftigen Auslegung des Begriffs vorübergeht, jenes 
Begriffes Freiheit, der in Wirklichkeit nichts anderes ist wie das ver¬ 
nünftige und gesunde Verhältnis von Rechten und Pflichten zueinander. 
In dem gleichen Atem aber proklamiert man die Diktatur des Prole¬ 
tariats, d. h. die Unfreiheit der Anderen. Von der Verwirrung des Be¬ 
griffes „Kapitalismus* liesse sioh ähnliches sagen. Die Führer wissen, 
warum sie so unlogisch sind. Die Massen aber sind es aus Urteilslosigkeit. 

Neben diesen intellektuellen Defekten steht ergänzend der Mangel 
jeglicher Hemmung. Die Triebhaftigkeit ist bis ins Uugemessene gestiegen. 
Raub, Mord und Totschlag sind an der Tagesordnung, das jugendliche 
Element ist an der Kriminalität stärker beteiligt als je, das kriminal- 
anthropologische Antlitz unserer Zeit ist von Grund auf verwandelt. 
Ungeheuer ist die Zahl der Geschlechtskrankheiten und der Abtreibungen 
angestiegen; und die „Aufklärungsfilme*, die man dem Volke vorführen 
zu sollen glaubt, regen in den dunklen Räumen der Kinos die sexuelle 
Begierde der dicht gedräogt Sitzenden nur nooh mehr an. 

Wir sind ein müdes Volk, und daraus sollten wir Aerzte vor allem 
eine Mahnung ableiten. Wir geraten in Gefahr, in einen Rausch von 
Reformen hineinzutaumelo. Die Journale wimmeln von Gesetzesvor- 
schlagen. Ein neues Zeitalter soll von heute auf morgen geschaffen 
werden, loh meine aber, dass es nicht gut sei, dass ein krankes Volk 
sich von heute auf morgen Gesetze gibt, die sein Leben grundsätzlich 
umformen und auf lange Zeit hinaus beherrschen sollen. An solchen 
Gesetzen ist kein Segen. Also hüten wir uns davor, jetzt allzuviel' 
reformieren zu wollen. Das Kleid, das wir uns heute anmessen, könnte 
uns sonst gar bald nicht mehr passen. 

Jetzt ist es Zeit, schlimmste Auswüchse eines kranken Volkswillens 
zu verhüten und einer weitergreifenden Erkrankung des Volkskörpers 
vorzubeugen, nicht zuletzt io psychischer Richtung. Wir kennen dis 
ungeheure Infektiosität gewisser Ideen und die Empfänglichkeit der 
Massenpsycbe für sie. Der Arzt kann dem Politiker die Lehren mitteileo, 
die er, der Mediziner, aus dem grossen Kapitel von den Infektionskrank¬ 
heiten und ihrer Verhütung und Bekämpfung empfangen bat. Man ver¬ 
gesse nicht, dass es ausser Kranken und Kraokbeitsverdächtigen auoh 
Bazillenträger gibt. Man lerne, das Volk vor der Infektion zu schützen. 

In positiver Richtung gilt es, die Aufklärung der Massen in die 
Hand zu nehmen, und dabei scheint es mir von grundlegender Bedeutung, 
den Begriff der Entwicklung lebendig und fesselnd darzustellen, der 
Entwicklung, die die Natur selbst lehrt und die zu stören eine Sünde 
gegen den grossen und reinen Geist der Natur ist. 

Wir Aerzte wollen aber schliesslich nicht vergessen, dass auoh viele 
von uns die allgemeine Sucht naoh Reformen mitergriffen hat. Es ist heute 
soviel von der „Sozialisierung* des Aerztewesens die Rede. Es gibt 
Kollegen, die lieber heute als morgen „sozialisiert* sein möchten. Es 
gilt für uns, was für die Allgemeinheit gilt. Seien wir geduldig und 
fest, ln einer Zeit allgemeiner seelischer Krankhaftigkeit soll man keine 
Reformen unternehmen, die einen Stand wie den unsern von Grund auf 
umformen und geeignet sein würden, aus dem deutschen Arzt, der, in 
seinen besten Vertretern, heute noch ein Künstler sein kann, einen 
farblosen Beamten zu machen. Und ist denn die Bürokratie schon deshalb 
eine andere, weil ihre Kappe einen rötlichen Schimmer bekommen hat? 

Cavete oollegae! Fest und geduldig Bein und eng aneinander 
sohliessen! Wir haben für ein krankes Volk zu sorgen und müssen des¬ 
halb besonders darauf halten, selbst gesund zu bleiben. 


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1080 


BERLINER KONISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 4S 


TagesgeschlchtUche Notizen. 

Berlin, ln der Sitzung der Berliner medizinischen Ge¬ 
sellschaft vom 5. November 1919 hielt Herr E. Holländer den an- 
geküudigten Vortrag: „Nierensteinbildung nach Wirbelsäulenverletzung* 
(Aussprache: die Herren Zondek, Joseph, Benda, Posner, Schluss¬ 
wort Herr Holländer) und Herr G. Zuelzer seinen Vortrag: „Zur 
Soharlachfr&ge* (Aussprache: die Herren Ziemann, Lens, Bernhardt). 
Die weitere Aussprache wird vertagt. 

— ln der Sitzung der Berliner urologischen Gesellschaft 
am 4. d. M. sprach HerrZondpk über Harnfisteln unter Vorführung von 
Patienten und Präparaten; Herr J. Heller demonstrierte Präparate von 
Streptokokkenerkrankung der Niere naoh schwerer Dermatitis; (Aus¬ 
sprache: Die Herren Freudenberg und Portner.) Herr Arthur 
Lewin zeigte verschiedenartige Fremdkörper aus der Blase und bespraoh 
Fälle von Blasenvarizen and Blasenzysten (Aussprache: Herr P. Rosen¬ 
stein). Herr Gasper zeigte einen Tupfer, der sich in einer von 
anderer Seite durch Sectio alta operierten Blase fand und der durch 
neue Operation entfernt werden musste (Aussprache: Die Herren Zondek, 
Littbauer, W. Israel, Knorr, Rumpel). Zum Schlüsse sprach 
Herr Posner über klinische Mikroskopie des Harns unter Berück¬ 
sichtigung der Quenselschen Färbemethode (Ausspraohe: Die Herren 
Freudenberg und Casper). 

— In der Sitzung der Berliner orthopädischen Gesellschaft 
vom 27. Oktober 1919 stellte Herr Gocbt einen mit Kurzstumpfprothe&en 
ausgestatteten Doppelt-Unterschenkelamputierten vor. Herr Mü Iler sprach 
über Nachbehandlung der eingerenkten angeborenen Hüttluxation und 
Herr Peltesohn über kasuistische Mitteilungen aus dem Felde. 

— Die Südostdeutsohe Cbirurgenvereinigung wird, wie sie uns mit¬ 
teilt, ihre Sitzungen sofort wieder aufnehmen, wenn die politischen und 
Verkehrsverhältnisse es gestatten. 

— Die Medizinische Fakultät der Hamburgischen Universität 
erteilte die Venia legendi Herrn Prof. Dr. Paschen für das Fach der 
Impfteohnik, Herrn Prof. Dr. Matthaei für Geburtshilfe und Gynä¬ 
kologie, Herrn Prof. Dr. Haenisch für Röntgenologie, Herrn Prof. Dr. 
Plate für physikalische Therapie, Herrn Prof. Dr. Ringel für Chirurgie, 
Herrn Dr. Oehlecker für Chirurgie, Herrn Dr. Lorey für das Röntgen- 
fach, Herrn Dr. Kotzenberg für Orthopädie, Herrn Piof. Schümm für 
physiologische und pathologische. Chemie. 

— Der Senior der Dresdner Frauenärzte, Geh. Rat Carl Louis 
Klotz, begeht in diesen Tagen in voller Frische und nooh inmitten 
•einer ausgedehnten Tätigkeit seinen 75. Geburtstag. 

— Der gekannte Sozialhygieniker Dr. Sehallmayer ist in Krail¬ 
ling bei Münohen gestorben. 

— Der Dermatologe Prof. Hallopeau ist in Paris, 77 Jahre alt, 
gestorben. 

— Als einstweiliger Nachfolger von Geheimrat Behla ist Ober¬ 
stabsarzt Dr. Bludau mit den Geschäften eines Medizinalreferenten 
im Preussischen Statistischen Landesamt beauftragt worden. 

— In voriger Nummer der Wochenschrift war die Verleihung des 
Professortitels an den Spezialarzt für innere Krankheiten „Dr. E. Fuchs* 
mitgeteilt; es handelt sich hier um einen Druokfehler: die Ernennung 
ist dem Kollegen Dr. E. Fuld zuteil geworden. Zahlreiche andere Herren 
erhielten inzwischen den gleichen Titel. 

— Das Viotoriahaus und der in ihm wohnende Verein der 
Viotoriaschwestern, eine Gründung der ehemaligen Kronprinzessin Victoria, 
nachmaligen Kaiserin Friedrioh, wird voraussichtlich seine Selbständigkeit 
aufgeben und in städtische Verwaltung übernommen werden. Der 
Gründung lag seinerzeit die Absicht zugrunde, junge Mädchen aus ge¬ 
bildeteren Kreisen für die Krankenpflege zu gewinnen, und so konnte 
man unter den Victoriaschwestern die besten deutschen Familiennamen 
vertreten finden. Der Zweck, die Krankenpflege zu heben, wurde zweifellos 
erreicht, und die ärztliche Erfahrung, dass unsere Patienten in den 
Händen einer gebildeten Pflegerin im allgemeinen besser aufgehoben sind, 
fand in den Viotoriaschwestern ihre Bestätigung. Diese allgemeine 
Regel wird auch durch die Tatsache nicht umgestossen, dass man, wie 
zum Arzt, so auch zur Krankenpflegerin geboren sein muss, und dass 
Güte, Hingebung, Takt sich unter den einfachsten Verhältnissen finden 
lassen. Aber so unerlässlich diese Eigenschaften des Herzens sind, so 
genügen sie doch für eine Schwester nicht, in der der Arzt neben der 
Helferin eine Ergänzung und bis zu einem gewissen Grade eine Stell¬ 
vertretung erblicken will. Dazu sind auch intellektuelle Eigenschaften 
nötig, die, wie die Dinge vorläufig liegen, in den gebildeteren Kreisen 
ungleich häufiger gefunden werden. Es wäre deshalb zu bedauern, 
wenn mit der geplanten Verstadtlichung des Victoriabauses sein oben 
gekennzeichneter Charakter verloren ginge. Der zu erwartende Einwand, 
dass auch bei den katholischen Ordensschwestern Standesuntersohiede 
nicht gemacht würden, ist nicht zutreffend. Zunächst werden vielleicht 
auch hier manche Orden sich mehr aus gebildeteren, manche mehr aus 
einfacheren Kreisen rekrutieren; aber vor allem ist in dem religiösen 
Motiv, das diese zusammenführt, schon ein gleichmachendes Moment von 
grosser Kraft gelegen, und das Band, das sie zusammenhält, von einer 
Starke, mit dem sich das, man möchte sagen fast rein wirtschaftliche 
eines weltiiohen Vereins gar nicht messen lässt. So würden wir 


wünschen, dass die naoh der Tagespresse zu erwartende Vereinheitlichung 
des Berliner SohWesternwesena nioht zur Tatsache wird, dass man 
wenigstens vorläufig auf diesem Gebiete mit der allgemeinen Gleich¬ 
macherei wartet, bis auf anderen Gebieten Erfahrungen gesammelt und 
vor allem bis durch die beabsichtigten Einheitsschulen die Grundlagen 
hierfür geschaffen sind. H. K. 

— Gegen die Ablieferung der im Friedensvertrag verlangten Ab¬ 
lieferung von 140 000 Milchkühen erhebt eine Denkschrift Einspruch, die 
unterzeichnet ist von Lord Robert Ceoil, Lord Lansdowne, die ESrz- 
' bischöfe von Canterbury und York, die Herzogin von Bedford, Sir Hugh 
Bell, Right Honurable Arthur Henderson und vielen anderen her¬ 
vorragenden Vertretern ües englischen öffentlichen Lebens; sie ist der 
Kommission für Wiedergutmachung in Paris am 17.V.M. von Frau Creigh- 
ton und Fräulein Margaret Maomillan im Aufträge der Unterzeichner 
überreicht worden. Die Denkschrift beweist durch Auszüge aus dem 
britischen Weissbuoh betreffs Lebensmittelknappheit in Deutschland, dass 
der grosse Mangel an Milch dort bereits grosses Elend unter den Kindern 
anrichtet, der sich in dem vorstehenden Winter nbch bedeutend ver¬ 
schlimmern wird. „Die ganze zivilisierte Welt muss den Wunsch haben, 
jede vermeidbare Ausdehnung der Kindersterblichkeit, welche der Krieg 
mit sich gebracht hat, zu verhindern.* Die Denkschrift bittet die 
Kommission dringend, als Ersatz für die Ablieferung der Milchkühe 
Deutschland zu erlauben, für die Kühe zu bezahlen, welche vom Aus¬ 
land nach Frankreich und Belgien importiert werden, und betont 
besonders, dass im Augenblicke ungefähr 60 000 Milchkühe aus Amerika 
naoh Frankreich eingeiührt werden. Eine ähnliche Denkschrift, unter 
- zeichnet von hundert vornehmen Persönlichkeiten aller Zweige des öffent¬ 
lichen Lebens, worunter die Bischöfe von Hereford und Liohfield, Doktor 
Scott Lidgett, Doktor F.B. Meyer, Abgeordneter Kolonei Will Thor ne, 
Abgeordneter J. H. Thomas, Miss Mary Macarthur, Mr. und Mrs. 
Sidney Webb, Mr. John Masefield, Prof. Gilbert Murray, Vor¬ 
sitzender Richter Mao Karness und Lord Parmoor, ist auch der 
Kommission für Wiedergutmaohuog von den folgenden Delegierten über¬ 
reicht: Mrs. Ck. Burton, Miss Pye (de.la Lögion d’Honneur), Dr. Ethel 
Bontham u. a. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reich (19. bis 
25. X.) 5. Deutsch-Oesterreich (5.—11. X.) 2. Fleokfieber: 
Deutsches Reich (19.—25. X.) 1. Deutsoh-Oesterreich (5. bis 
11. X.) 1. Ungarn (8.—14. IX) 2. Genickstarre: Preussen (12. 

bis 18. X.) 11 u. 4 +. Spinale Kinderlähmung: Preussen (12. 

bis 18. X.) 1. Schweiz (5—11. $.) 2. Ruhr: Preussen (12. bis 

18. X.) 808 u. 99 f. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an 

Scharlach in Buer, Gladbeck, Hamm; Diphtherie und Krupp in Erfurt, 
Wilhelmshaven; Keuchhusten in Gelsenkirchen. 

(Veröff. d. Reichs-Ges.-Amts.) 

Hochschulnachriohten. 

Berlin: Der Privatdozent für innere Medizin Dr. Lesohke hat den 
Professortitel erhalten. — Bonn: Prof. Oehme ist mit Geheimrat 
Hirsoh von Göttingen als Oberarzt der medizinischen Klinik nach Bonn 
übergesiedelt. 


Amtliche Mitteilungen, 

Personalien« 

Ernennungen: Bisherig. Abteü.-Vorsteher am Anatomisoh. Institut u. 
ao. Prof, in d. medis. Fakultät der Universität in Frankfurt a. M. 
Dr. H. Blu f ntsohli z. ordentl. Professor in ders. Fakult. 

Bestellung: Arzt, Staatarat Dr. F. Dörbeok, früher in St. Petersburg, 
jetzt in Berlin, z. Hilfsarbeiter im Ministerium für Volkswohl fahrt. 

Niederlassungen:Dr. H. Schlinck io Neustadt (Dos&e), Dr. E. Koster- 
litz in Gransee (Kr. Ruppin), Dr. Richard Bartel in Rheinsberg, Dr. 
M. Range in Aogermünde, Dr. F. Zurkullen in Henningsdorf (Kr. 
Osthaveliand), Olga Philip in Nauen, E. Rechtem in Nowawes bei 
Potsdam, Dr. Walter Haupt in Herzfelde (Kr. Niedtrbarnim), Dr. 
P. Pertsch u. E. Kaseburg in Pyritz, Dr.E Grubertin Falkenburg 
(Kr. Dramburg), Dr. K. Lengfellner in Kolberg, Wilh. Wodtke in 
Sohlawe, Dr. G. Feohner in Stolp i. Pomm., San.-Rat Dr. F. Martens 
u.H. Jarre inGreifswald, Dr.B.Kusche, Wilh.Wetzel, Dr.B. Knote, 
Dr. Leop. Sohwarz, Dr. Wilh. Frei, Dr. Marie Wiener, Dr. W. 
Böhringer, H. Brieger, Dr. Ferd. Schreiber u. Dr. E. Pelz in 
Breslau, E. Sporleder in Guhrau, Dr. G. Sohoebe in Münsterberg, 
H. Noderberg in Juliusburg (Kr.Oels), Dr.H. Mosenthin in Mertschütz 
(Ldk. Liegnitz), Dr. J. Münch, Dr.H. Sohaffraoeck, Dr. E. Augustin 
u. Dr. Fritz Friedländer in Liegnitz, Dr. Egon Berthold in Krumm¬ 
hübel, Dr. E. Miohalczyk in Kunzendorf (Kr. Hindenburg), Dr. Al- 
fonsPoppe in Neustadt, O.-S., Dr. J. Hudalla in Gogolin (Kr. Gross- 
Strehlitz). 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. Friedr. Holz * 
von Altefähr (Kr. Rügen), Dr. Eva Lübeck von Neusalz a. 0. 

Gestorben Dr. G. Peplau in Potsdam, Dr. Else Kooh in Goslar, 
Geb. San.-Rat Dr. H. Wittkamp in Herne, .San.-Rat Dr. Herrn. Weber 
in Veckerhagen (Kr. Hofgeismar), Ernst Koch in Heubach (Kreis 
Schlüchtern), Dr. HbWettwer in Witzenhausen. 

Fflr die Redaktion verantwortlich Prot Dr. Hana Kehn, Berlin W., Bayreuther 8er.4). 


Verlag und Eigentum von August Hirsokwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Schumaoher in Berlin N. 4. 


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the Bortiner ffltaisehe Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nummern von etw» 3—8 Bogen gr. 4. — * 
Preis vinrteljtthrlieh 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle fiineendongen für die Redaktion nnd ÜxpedHfa* 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
Angast Hirschwald, Berlin NW., Unter den Linden ML 
adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat ProMk C. Posuer und Prot Dr. Hass Kohl August üirsehwald, Terlugsbuchhudluug ia Berlin. 

Montag den 17. November 1919. M 46. Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


INH 

örfgl»*Ii«i : Möllers: Was hat uns die letzte Grippeepidemie gelehrt? 
S. 1081. 

Lichtwitz: Der Kapillarpuls bei Iofektionskrankheiten, besonders 
* bei der Grippe. (Aus der medizinischen Abteilung des städtischen 
Krankenhauses Altona.) S. 1083. 

Böttcher: Ueber die Verwendung des Orthoforms in der Psychiatrie. 
S. 1084. 

Bios: Ueber die Tragweite der Entdeckung der Tuberkulose-Orga¬ 
nismentherapie durch Friedmann. S. 1084. 

Frank: Ueber Beziehungen des autonomen Nervensystems zur quer¬ 
gestreiften Muskulatur. (Aus der medizinischen Klinik der Uni¬ 
versität Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Minkowski].) 
(Schluss.) . S. 109Ö. 

BBeherbeapreehungeM: Abderhalden: DieGrundlagen unserer Ernährung 
und unseres Stoffwechsels. (Ref. Loewy.) S. 1094.— Winterstein: 
Die Narkose, Monographien aus dem Gesamtgebiet der Physiologie 
der Pflanzen und der Tiere. S. 1094. Bachem: Arzneitherapie des 
praktischen Arztes. (Ref. Joachimoglu ) S. 1094. — Schütz: Grund- 


Was hat uns die letzte Gripriepidemle gelehrt? 

t Von 

Prof. Dr. Bernhard Möllers 1 ). 

Als der Weltkrieg sich im vergangenen Sommer seinem Ende 
zaneigte, wurde die Menschheit von einer schweren Grippeepidemie 
heimgesucht, die an Kranken und Todesopfern die gefürchtetsten 
Kriegsseuchen weitaus in den Schatten stellte. Die Grippe befiel 
die neutralen Nationen in gleicher Weise wie die kämpfenden 
Völker and betraf alle Weltteile ohne Ausnahme. Fast in jedem 
Lande der Welt wurde das wirtschaftliche Leben durch die Epi¬ 
demie in weitestem Umfange zeitweise gestört; enorme Verluste 
an Menschen und Vermögenswerten sind eingetreten, die nur von 
der durch die vierjährigen Schrecknisse des Krieges abgestumpften 
Menschheit so stoisch Eingenommen wurden. 

Obwohl die Todesopfer, die die Grippeepidemie in der ganzen Welt 
gefordert hat, schwer zu schätzen sind, hat dooh die englische Schätzung 
manche Wahrscheinlichkeit für sich, dass etwa 6 Millionen Menschen im 
Verlauf weniger Monate der Grippe bzw. der nachfolgenden Lungen¬ 
entzündung erlegen sind, da allein in Indien über 3 Millionen Todesfälle 
verzeichnet wurden. Die Grippe hat somit in wenigen Monaten annähernd 
die gleiche Zahl von Toten gefordert, wie der Weltkrieg auf allen Kriegs¬ 
schauplätzen innerhalb von 4*/z Jahren. 

Gehen wir dem geographischen Verlauf der Epidemie nach, so kamen 
die ersten Nachrichten über eine rätselhafte Krankheit aus Spanien im 
Frühjahr 1918, wo in kurzer Zeit gegen 100 000 Menschen erkrankten. 
Zunächst war man sich über die Natur der spanischen Krankheit nicht 
recht im Klaren; die Krankheit dehnte sich zwar ungeheuer rasch aus, 
verlief aber im allgemeinen leicht und verursachte nur selten Todesfälle. 
Ia dieser leiohten Form verbreitete sioh die Krankheit über ganz Europa 
und von dort nach Amerika und Asien. Im August und September 
kamen aus Amerika Nachrichten über eine bedenkliche Verschlimmerung 
des Charakters der Seuche; Anfang Oktober traten die schweren Er- 
krankungsformen in einem neuen Seuohenzuge auch in Europa allgemein 
in die Erscheinung und verbreiteten sioh mit der Schnelligkeit der Ver¬ 
kehrsmittel bald über die ganze Erde. 

Die Art und Sohneiligleit der Ausbreitung der Grippepandemie von 
1918 zeigte in epidemiologischer Beziehung eine völlige Uebereinstimmung 


1) Antrittsvorlesung als Privatdozent an der Berliner Universität, 
gehalten am 14. Oktober 1919. 


ALT. 

züge der Heilquellenlehre und ihre Anwendung in der ärztliohen 
Praxis. (Ref. Kaminer.) S. 1094. — Winkler: Opera omnia. Tome 
aixieme (Manuel de Neurologie, Tome l premiöre partie). Anatomie 
du sy&töme nerveux; les appareils nerveux de Rolfaction, de la 
vision, de la seosibiliiö gönörale, du goüt. (Ref. Schuurmans.) S. 1094. 

Literatur-Aisikge: Physiologie. S. 1094. — Pharmakologie. S. 1095. — 
Therapie. S. 1095. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie. S. 1096. — Innere Medizin. S. 1096. — Psychiatrie und 
Nervenkrankheiten. S. 1096. — Kinderheilkunde. S. 1096. — Chirurgie. 
S. 1097 — Röntgenologie. S. 1099. — Haut- und Geschlechtskrank¬ 
heiten. S. 1099. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1100. — Augen¬ 
heilkunde. S. 1100. 

Verhandliagea ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische 
Gesellschaft. Munk: Die arterielle Hypertonie und die Herz¬ 
hypertrophie als Krankheitsbegriff. S. 1100. — Medizinische Ge¬ 
sellschaft zu Göttingen. S. 1103. 

Tagesgesobiohtliohe Notizen. S. 1108. 

- Amtliche Mitteilungen. S. 1104. 


mit der letzten grossen Influenzapandemie der Jahre 1889—1890, so 
dass kein Zweifel mehr bestehen kann, dass Influenza und Grippe ein 
einheitlicher Krankheitsbegriff sind. Während früher die epidemischen 
Anstiege der Iufluenzakurve in der Regel in den Winter und das Früh¬ 
jahr fielen, machte die im Juli 1918 gipfelnde Epidemie eine Ausnahme 
von der Regel; ganz ungewöhnlich war weiterhin die Erfahrung, dass 
binnen so kurzer Zeit wie von Juli bis Oktober 1918 eine zweite epide¬ 
mische Welle folgte. ~ , 

Die Infektiosität der Grippe steht in der Epidemiologie einzig 
dar; denn selbst das Dengue-Fieber, welches ein mit der Grippe noch' 
am meisten verwandtes K rank hei tsbiid liefert, ist an das heisse Klima 
gebunden. Der Grippekeim dagegen übersohreitet mit dem Weltverkehr 
die Meere und findet bei allen Völkerstämmen die gleichen günstigen 
Entwicklungsbedingungen, so dass man in vollem Sinne von einer pan- 
demisohen Krankheit sprechen kann. 

Die Grippe haftet nicht an einzelnen Orten, sondern sie geht und 
kommt mit den Menschen mit der Geschwindigkeit der Verkehrsmöglich¬ 
keiten. Eine Uebertragung der Krankheitskeime mit den Luftströmungen 
ist nach den Erfahrungen der letzten Epidemie nicht mit Sicherheit 
beobachtet worden. Wir müssen vielmehr annebmen, dass sich die 
Grippe in der Regel durch die Tröpfcheninfektion, ähnlich wie die Tuber¬ 
kulose ausbreitet. Die Hauptrolle spielt wahrscheinlich das Niessen, 
wobei die Keime in mikroskopisch kleinen Teilen zerspritzt werden und 
auf diese Weise lange in der Luft sohweben und eingeatmet werden 
können. 

Die bisherigen Angaben über die tatsächliche Zahl der Todesopfer 
der Grippe sowie über das Verhältnis der Gestorbenen zur Gesamtzahl 
der Erkrankten sind schwer nachzuprüfen, solange nioht die amtlichen 
statistischen Zahlen vorliegeD. Im Gegensatz zu früheren Grippe¬ 
epidemien, bei denen hauptsächlich die älteren Leute der Krankheit er¬ 
lagen, hat die vorjährige Grippeepidemie die mittleren Lebensjahre von 
20 bis 40 Jahren bevorzugt; so betrafen z. B. in Hamburg 91 pCt. aller 
Todesfälle Patienten im Alter unter 40 Jahren und nur 19 pCt. gehörten 
den höheren Lebensaltern an, obwohl diese in der Bevölkerung stark 
überwogen. Ia Amsterdam waren im Jahre 1900 56 pCt der an Grippe 
Gestorbenen älter als 65 Jahre im Gegensatz zu 4,6 pCt. im Jahre 1918. 

Die auffallende Tatsache, dass an der Grippeinlektion gerade die 
kräftigsten Individuen starben, hat man in verschiedener Weise zu er¬ 
klären versuoht. Hohlweg und Fischer nehmen an, dass der Orga¬ 
nismus der jugendlichen Personen zu einem schnelleren Abbau der Bak¬ 
terien und Kokken befähigt ist. Da besonders die Kokken, die sioh 
massenhaft als Träger der Misohinfektion vorfindeo, zu den Keimen mit 
starkem Innengift zählen, muss eine plötzliche Abtötung und Auflösung 
derselben eine Uebersohwemmuog des Körpers mit jenen Toxinen be* 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1082 _BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. __Nr. 46. 


wirken. Die kräftigen Leute gehen deshalb so schnell an der Misch¬ 
infektion zugrunde, weil bei ihnen infolge der Güte und Stärke der Ab¬ 
wehrkräfte die Auflösung der Bakterien und das Freiwerden der Endo¬ 
toxine ziemlich plötzlich erfolgt. So fällt der akut vergütete Körper 
der Infektion in einigen Tagen, oft sohon in wenigen Stunden zum Opfer, 
während weniger kräftige Personen die Bakterien erst mehr oder minder 
allmählioh abtöten und auflösen und dieser langsamen Vergiftung eher 
Herr werden. Diese theoretische Erklärung bietet manche Bedenken, da 
nach dem heutigen Standpunkt der Immunitätsforschung die gesunden 
Individuen nioht infolge der Güte und Stärke ihrer Abwehrkräfte zu¬ 
grunde gehen, sondern weil sie im Gegenteil zu wenig davon haben. 

Das klinisohe Krankheitsbild der Grippe ist ausserordentlich 
wechseftoll, hat aber seinen seit den vielen Epidemien der letzten Jahr¬ 
hunderte bekannten Charakter im vergangenen Jahre kaum verändert. 
Die typische Grippe schildert Leichtenstern in seiner klassischen Dar¬ 
stellung nach den Erfahrungen der Jahre 1889—1890 als einen plötz¬ 
lichen, mit Frost oder häufigem Frösteln einsetzenden Fiebersturm von 
ein- bis mehrtägiger Dauer, verbunden mit heftigen Kopfschmerzen, 
Schwindel, Rücken- und Gliederschmerzen, mit unverhältnismässig grosser 
Hinfälligkeit und darniederliegendem Appetit. 

Je nachdem sich die einzelnen Krankheitssymptome weiter entwickeln 
und im allgemeinen Krankheitsbilde stärker hervortreten, unterscheidet 
man die verschiedenen Formen der Grippe, deren einheitliche Zusammen¬ 
fassung nur auf Grund der epidemiologischen Verhältnisse möglich ist. 
Während die gastrointestinale Form bei der vorjährigen Epidemie ver¬ 
hältnismässig selten beobaohtet wurde, gab ihr besonders im Oktober 1918 
die pneumonische Form ihr eigentümliches Gepräge. Die Grippepneu¬ 
monie nahm überaus häufig einen tödlichen Ausgang und steht unter 
den unmittelbaren Todesursachen bei weitem an erster Stelle. 

Charakteristisch für die letzte Grippeepidemie war das gehäufte Auf¬ 
treten von Blutungen. Nioht selten wurde starkes Nasenbluten, ferner 
Blutungen in den Darm, das Nierenbecken und die Pleurahöhlen beob¬ 
achtet. Das mikroskopische Blutbild ändert sich bereits in den ersten 
Krankheitstagen im Sinne einer Leukopenie. Nach 3—4 Tagen steigt 
die Zahl der Leukozyten in der Regel wieder an, um frühestens 4 bis 
5 Tage nach dem Fieberabfall zur Norm zurückzukehren. Bei der Leuko¬ 
penie gehen besonders die polymorphkernigen Leukozyten zugrunde, die 
nach Metsohnikoff die hauptsächliche Waffe des Organismus gegen die 
bakteriellen Infekte darstellen. Beim Vorhandensein oder Auftreten von 
Komplikationen tritt dagegen eine Leukozytose auf. 

Auf das klinisohe Krankheitsbild der Grippe hier näher einzugehen, 
prübrigt sich, da es durch zahlreiche Veröffentlichungen allgemein be¬ 
kannt ist und da die letzte Epidemie ihm wenig Neues hinzugefügt hat. 

Auffallend war der besonders schwere Verlauf der Grippeinfektion 
bei Schwangeren und Gebärenden; in manchen Gebäranstalten gingen 
fast alle Schwangeren, die an Grippe mit Pneumonie erkrankten, zugrunde. 

Im Gegensatz zu früheren Epidemien trat bei vielen Kranken, nament¬ 
lich jungen Frauen, ein starker Haarausfall ein. 

Die klinischen Symptome, unter denen die Grippe beim Kinde auf- 
tritt, unterscheiden sioh wohl kaum von denen bei Erwachsenen, nur 
mit dem Unterschied, dass Erkrankungen des Kehlkopfs und der Luft¬ 
röhre bei Säuglingen mitunter bedrohliche Stenoseerscheinungen hervor- 
rufen. Im 'allgemeinen überstehen aber Kinder die Infektion leichter 
als Erwachsene. Mit der sogenannten Grippe der Säuglinge hat die 
epidemische Grippe nur den Namen gemeinsam. 

Entgegen den Erfahrungen früherer Epidemien haben Kranke mit 
Lungentuberkulose eine auffallend geringe Neigung zur Erkrankung an 
Grippe gezeigt. Es scheint, als ob die Tuberkulose einen gewissen 
Schutz gegen die Grippe und die komplizierenden Mischinfektionen ver¬ 
leiht und auch auf den Krankheitsverlauf mildernd einwirkt. 

Unerwartete Schwierigkeiten hat der wissenschaftlichen Forschung 
die Klärung der Aetiologie der Grippe gebracht. 

Seit seiner Entdeckung durch Richard Pfeiffer im Jahre 1892 
wurde der Influenzabazillus allgemein als Erreger der Grippe ange¬ 
sehen. Eine eindeutige Bestätigung dieser Anschauung bat aber die 
letzte Grippeepidemie nicht mit absoluter Sicherheit gebraoht. 

Wohl wurde der Pfeiffer’sche Bazillus in zahlreichen Fällen im 
Auswurf und Eiter der Grippekranken und in verschiedenen Organen 
und Gewebssäften der Leichen gefunden und auf künstlichen Nährböden 
in Reinkulturen gezüchtet. Diesen Fällen stehen jedoch andere gegen¬ 
über, in denen es geübten Beobachtern trotz genauester Beobachtung 
der Vorschrift nur selten oder gar nicht gelang, in typischen Grippe¬ 
fällen den Pfeiffer’schen Bazillus nachzuweisen. Das Niobtaulfloden 
des Bazillus ist natürlich kein Beweis dafür, dass er nicht der Erreger 
der Grippe ist. 

Der allgemeinen Anerkennung des Pfeiffer’schen Bazillus als 
Grippeerregers steht jedenfalls der Umstand hindernd im Wege, dass 
diese Bazillen keineswegs so regelmässig wie etwa der Diphtheriebazillus 
bei der Diphtherie, der Tuberkelbazillus bei der Schwindsucht oder der 
Cholerabaziilus bei der Cnolera in jedem Erkrankungsfalle nacbgewieBen 
werden. Dass ein Teil der negativen Befunde zumal in der ersten Zeit 
auf mangelhafter bakteriologischer Technik beruhen mag, unterliegt wohl 
keinem Zweifel. Manche Autoren haben direkt angegeben, dass sie er¬ 
heblich häufiger zu positiven Befunden des Influenzabazillus gelangten, 
seitdem sie die neuerdings von Levinthal und anderen empfohlenen 
elektiven Hämoglobinagarnährböden benutzten. 

Trotz des nicht in Abrede zu stellenden ubiquitären Vorkommens 
der Pfeiffer’sohen Bazillen sind in epidemiefreien Zeiten niemals so 


eigenartig klassische Grippeerkrawfcungen mit den charakteristischen 
Lungenbefunden der vorjährigen Pandemie gesehen worden, so dass von 
vornherein die Frage gerechtfertigt erscheint, warum der Pfeiffer’sche 
Bazillus jetzt plötzlich solche pathologisch-anatomischen Veränderungen 
und klinischen Krankheitsbilder hervorrufen kann, zu denen er in den 
17 Jahren vorher niemals Veranlassung gab. 

Die schweren LuogenveTänderungen werden ohne Frage grösstenteils 
durch die Sekundärinfektionen mit hämolytischen Streptokokken, Pneumo¬ 
kokken oder Diplokokken hervorgerufen; doch ist es zweifellos der Grippe¬ 
erreger, welcher den genannten Begleitbakterien erst die Fähigkeit ver¬ 
leiht, in so besonders schwerer Form in das Lungengewebe einzudringen. 
Auffallend ist auch, dass dieselben Begleitbakterien bei anderen Krank¬ 
heiten wie Masern und Scharlach selbst dann nicht die charakteristischen 
Veränderungen der Grippepneumonie hervorbringen, wenn neben den 
Streptokokken auch der Pfeiffer’sche Bazillus im Lungensekret nach¬ 
weisbar war. 

Will man den Standpunkt aufrecht erhalten, dass der Pfeiffer’sohe 
Bazillus tatsächlich der Erreger der grossen Grippepandemie war, so 
müsste man als Erklärung dazu annehmen, dass der Bazillus durch ge¬ 
wisse noch unbekannte Einflüsse während der Pandemie einen besonders 
hohen Grad von Virulenz erreicht habe. 

Sahli versucht durch die Theorie einer obligaten Symbiose des In¬ 
fluenzabazillus mit anderen Krankheitserregen die widersprechenden Er¬ 
gebnisse der zahlreichen zur Klärung der Aetiologie der Grippe ange- 
stellten Untersuchungen in einen logisohen und biologischen Zusammen¬ 
hang zu bringen. Das Krankheitsgift ist nach seiner Auffassung ein 
zusammengesetztes, ein sogenanntes komplexes Virus. Bei der Infektion 
sind eine Reihe von Bakterien beteiligt, die obligat zusammengehören 
. und gemeinsam infizieren und gewissermaassen eine Symbiose, eine 
höhere Einheit bilden. 

Die mehrfach, unter anderen von Uhlenhuth, versuchte künstliche 
Infektion von Menschen durch Einatmen von Influenzabazillen ist bisher 
ebensowenig geglückt wie die einwandfreie Uebertragung und Weiter¬ 
impfung des Grippevirus auf empfängliche Tiere. Auch ist bisher der 
Nachweis von spezifischen Agglutininen gegenüber dem Pfeiffer’schen 
Bazillus im Blute» der Grippekranken oder Rekonvaleszenten nioht in 
überzeugender Weise gelungen. 

Daher ist es leicht erklärlich, dass eine Anzahl von Untersucbem 
überhaupt bezweifeln, dass die Grippeerreger zur Klasse der Bakterien 
gehören. So wurde fast gleichzeitig von deutschen, französischen, eng¬ 
lischen, japanischen und ungarischen Autoren über Untersuchungen be¬ 
richtet, die auf die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit hinwiesen, dass 
der tatsächliche Grippeerreger ein filtrierbares Virus ist. Diesem 
gegenüber würde der Pfeiffer’sohe Bazillus dann etwa die gleiche 
Stellung einnehmen, wie der Baoillus suipestifer gegenüber dem invisiblen 
Virus der Schweinepest. Den von den verschiedenen Autoren Ange¬ 
stellten Infektionsversuchen mittelst filtriertem Sputum kann man aber 
nur eine bedingte Beweiskraft zuerkennen, da sie alle während der Grippe¬ 
epidemie erfolgten und somit die Möglichkeit einer gleichzeitigen natür¬ 
lichen Infektion mit Grippe vorliegt. 

Inwieweit die von Binder und Prell, v. Angerer, Lesohke, 
Kronberger, Fejes, Pöppelmann u. a. beschriebenen Influenza- 
körperchon in ätiologischem Zusammenhang mit der Grippeinfektion stehen, 
lässt sich heute noch nioht entscheiden, solange nicht einwandfreie, in 
grösserem Umfange an Menschen und geeigneten Versuchstieren vor-' 
genommene Nachprüfungen vor liegen. 

Eine lebhafte Erörterung hat sich an die Frage geknüpft, ob nach 
Ueberstefaen der Grippe eine länger andauernde Immunität eintritt; 
dafür spricht das überwiegende Befallensein des 2. und 3. Lebens¬ 
dezenniums während der Epidemie von 1918, während die älteren Leute 
noch von der vorherigen Epidemie der Jahre 1899—90 immun waren. 

Sicher sind mehrfache Infektionen derselben Person bei der jetzigen 
Epidemie vorgekommen. Diejenigen Personen, die während einer früheren 
Epidemie einmal erkrankt waren, sind jedoch diesmal wohl an leichter 
Grippe, sehr selten aber an der schweren Grippepneumonie erkrankt 
Es scheint sich hier also wohl nicht um eine absolute, sondern nur 
um eine relative Giftfestigkeit zu handeln, ähnlich wie das bei den 
Blattern nach der Pockenimpfung der Fall ist. 

Die pathologisch-anatomischen Veränderungen der Grippe ent¬ 
sprechen dem klinischen Verlauf und haben bei der letzten- Epidemie 
die von früher her bekannten Befunde bestätigt. 

Die Diagnose der Krankheit bietet, namentlich auf der Höhe der 
Epidemie, keine Schwierigkeiten und muss sich auf die klinische Beob¬ 
achtung, weniger auf den Bazillenbefund stützen. 

Die zu prophylaktischem Zwecke empfohlenen Mittel haben im 
allgemeinen versagt. Keine in grösserem Umfange erprobte Maassnahme 
ist imstande gewesen, der Grippe einen wirksamen Damm zu setzen. 
Da die Grippe sioher nur von Mensch zu Mensoh übertragbar ist, kommen 
prophylaktisch in Frage eine rationelle Mund- und Zahnpflege und die 
möglichste Vermeidung des Verkehrs mit Grippekranken. Besonders an¬ 
steckend sind die Kranken mit Grippepneumonien, da es wiederholt 
vorgekommen ist, dass eine zunächst milde verlaufende Epidemie nach 
dem Hinzukommen ^ines schwerkranken Pneumonikers plötzlich einen 
viel ernsteren Charakter erhielt und eine Reihe weiterer Pneumonien zur 
Folge hatte. Die Kranken mit beginnenden Pneumonien sind daher 
verschärften Absperrungsmaassnahmen zu unterwerfen. 

Scharfe gesetzliche Maassnabmen gegen die Grippe wurden in der 
Schweiz ergriffen. Personen aus Häusern, in denen Grippekranke wohnten, 


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17. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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warde der Besuch von Kirohen, Sobulen, Wirtschaften und anderen 
öffentlichen Lokalen untersagt. Bei starkem Auftreten der Krankheit 
wurden Schulen und Kirchen geschlossen. Wenn die Erkrankung aber 
über eine gewisse Grenze hinausgegangen ist, so kommen Absperrungs- 
maissnabmen meist zu spät. In manchen Krankenhäusern wurden mit 
Schutzmasken, besonders für das Pflegepersonal der Sehwerkranken, gute 
Erfolge erzielt. Deber den praktischen Wert von Schutzimpfungen 
mit abgetöteten Iofluenzabazillen, Streptokokken und Pneumokokken so¬ 
wie mit Strepto und Pneumokokkenserum liegen noch keine aus¬ 
reichenden Erfahrungen vor. Eine endgültige Klärung dieser praktisch 
wichtigen Frage ist erst dann zu erwarten y wenn die Frage des Grippe¬ 
erregers einwandfrei gelöstf ist. 

Die Prognose der Krankheit entscheidet sich in der Regel in den 
ersten 8 Tagen. Aussergevöhnlich schwer ist der Verlauf der Grippe 
ausser bei Schwangeren bei Komplikation mit Malaria und Ruhr, während 
eine auffallende Immunität der Typhuskranken und Typhusrekonvales- 
zenten gegen Grippe beobachtet wurde. 

trt^Bei der Behandlung der Grippe ist das wichtigste, dass die 
fitbernden Kranken von Anfang an Bettruhe halten, um das Auftreten 
von Komplikationen nach Möglichkeit zu verhüten. Die verschiedenen 
Krankheitsäusseruogen erfordern symptomatische Behandlung, besonders 
verdienen die drohenden Herzstörungen eine energische Beachtung. Zur 
Verhütung des häufig tödlichen Ausgangs der Grippepneumonien sind 
alle irgendwie geeigneten Mittel von den Aerzten angewandt worden von 
der alten Wasserbehandlung und dem Aderlass bis zu den modernsten 
Präparaten der Caemotherapie, der Strahlenbehandlung und der spe¬ 
zifischen oder auch unspezifisohen Serotherapie. E<n Idealheilmittel 
gegen die Grippe ist leider bisher noch nicht gefunden, wie am besten 
daraus hervorgeht, dass immer wieder neue Behandlungsmethoden erprobt 
und empfohlen wurden. Die Krankheit nimmt meist ihren natürlichen 
Verlauf, der, je nachdem ob Komplikationen eintreten, ein leichter oder 
sohwerer ist. Viele, und zwar oft die sonst gesündesten und kräftigsten 
Mensohen sind der tückischen Seuche erlegen, trotz der grössten An¬ 
strengungen, die mit allen Mitteln der ärztlichen Kunst versucht wurden. 
Manoh Menschenleben ist aber zweifellos auch dam sonst sicheren Tode 
abgerungen wordea durch die energische Bekämpfung der Herzschwäche 
bei der Grippepneumonie sowie durch die neuen chemo- und serothera¬ 
peutischen Präparate. 

Neben den bekannten Antipyretizis und Herzmitteln wurden die 
verschiedenen Kolloidmetallpräparate, ferner das Salvarsan, Neosalvarsan, 
Adrenalin, Sublimat, und von neueren chemotherapeutischen Präparaten 
besonders das Optochin und Eukupin verordnet. Von den beiden 
letzteren Mitteln hat sioh das Optochin besonders bei der kroupösen 
Pneumokokkenpneumonie, das Eukupin bei Streptokokkeninfektionen, den 
gefürchtetsten Komplikationen der Grippe, bewährt. 

Von den Serumpräparaten wurden sowohl normales Menschen* 
und Tierserum, Diphtherie- und Pestserum sowie spezifische Sera (Rekon¬ 
valeszenten-, Iofluenzabazillen-, Streptokokken-, Pneumokokkenserum so¬ 
wie Gemische derselben) mit teilweise reoht gutem Erfolge gegeben. 
Auch mit einer aktiven Immunisierung durch abgetötete Pfeiffer¬ 
sche Bazillen, Streptokokken, Pneumokokken und filtrierbares Virus 
wurden in den verschiedenen Ländern Versuche angestellt. Ein ab¬ 
schliessendes Urteil über den Wert dieser neueren Heilbestrebungen lasst 
sich zur Zeit noch nicht abgeben, da die Versuche grösstenteils in die 
Zeit fallen, als die Epidemie bereits im normalen Abklingen begriffen 
war. immerhin verdienen sowohl die Chemo- wie die Sero- und Vakzine- 
tberapie der Grippe bei späteren Epidemien eine ernsthafte Beachtung 
zumal zur Verhütung der verhängnisvollen Mischinfektionen. 

Die Lehren der letzten Grippeepidemie lassen sich kurz dahin zu¬ 
sammenfassen, dass es sioh bei dieser Weltseuche um ein periodisches 
Neuauftreteo der -klassischen, seit mehreren Jahrhunderten bekannten 
Influenza gehandelt hat, mit der sie in epidemiologischer, klinischer und 
pathologisch anatomischer Beziehung in allen wesentlichen Punkten über¬ 
einstimmt. Als neues Forschungsergebnis der letzten Epidemie ist die 
Erkenntnis anzusehen, dass die ätiologisshe Bedeutung des Pfeiffer¬ 
schen Bazillus noch nicht einwandfrei feststebt, dass vielmehr mit der 
Möglichkeit eines filtrierbaren Grippevirus gerechnet werden muss. Immer¬ 
hin ist nicht*zu leugnen, dass der gehäufte Nachweis der Pfeifferschen 
Bazillen in den erkrankten Organen, besonders im Sputum der Grippe¬ 
kranken, ein wesentliches Charakteristikum der letzten Epidemie war. 
Hoffnungsvolle Ausblicke gewähren bezüglich der Möglichkeit einer Her¬ 
absetzung der hohen Sterbliohkeitsziffer der Grippepneumonie die neueren 
Behandlungsmethoden mit chemotherapeutischen Präparaten sowie mit 
spezifisohen oder auch unspezifisohen Schutz- und Heilseris. 


Aus der medizin. Abteilung des städtischen Kranken¬ 
hauses Altona. 

Der Kapillarpuls bei Infektionskrankheiten, 
besonders bei der Grippe. 

Von 

L. Lichtwitz. ~~ 

Unter Kapillarpuls verstehen wir eine stossweise Fortpflanzung 
der Pul8wel)en in die Arteriolen und Kapillaren, sichtbar an dem 
rhythmischen Erröten und Erblassen der Haut, insbesondere der 


Fingernägel. Gewöhnlich kommt der Kapillarpuls, wie bei der 
Aorteuiosufficienz, dadurch zustande, dass das Herz in den Arterien 
grosse Biutdrack(Pul8druck-)8chwankungen erzeugt. Dieser zentrale 
Kapillarpuls ist, wie bekannt, nicht für die Aorteninsuffizienz 
kennzeichnend, sondern kommt anch sonst bei verstärkter Herz¬ 
aktion vor, z. B. bei Basedowkranken, und sogar bei Normalen. 
Eine Pulsation der Haut sieht man auch bei peripherer arterieller 
Hyperämie, so über entzündeten Hautpartien, nach Alkoholwirkung 
und bei Hautrötung infolge hoher Aussentemperatur. Für einen 
Teil dieser Fälle ist sicher eine zentrale (kardiale) Ursache nicht 
vorhanden, sondern es ist an eine Erschlaffung der Arteriolen 
und Kapillaren zu denken, die in diesem Zustande der Pubwelle 
so nachgeben, dass die Pulsation sichtbar wird. Wie allgemein 
bekannt, beobachtet man auch beim Fieber Kapillarpuls. Wenn 
die Erscheinung im Fieber nur bei verstärkter Zirkulation oder 
bei starker Hautrötung auftreten würde, so wäre es überflüssig, 
ein Wort darüber zu sagen. 

Zahlreiche Beobachtungen haben uns aber gezeigt, dass diese 
beiden Bedingungen nicht gegeben sind. Im Verlauf der grossen 
Grippeepidemie haben wir sehr oft Kapillarpuls gesehen, und 
zwar in 38 pCt. der mit Pneumonie komplizierten Fälle und in 
20 pCt. der Kranken ohne erkennbaren Lnngenherd. Wir haben 
seitdem regelmässig bei jedem Infektionskranken auf Kapillarpuls 
geachtet und wiederholt auch bei schweren Typhuskranken, in 
einem Falle von schwerem toxischen Scharlach und in einem 
schweren Falle von Erysipel einen positiven Befund gehabt. 
Und zwar ist der Kapillarpuls in Infektionskrankheiten sehr oft 
von einer Stärke, dass er, ohne einen Handgriff sichtbar, als 
ein sehr auffallendes Symptom erscheint. 

Die folgenden Beobachtungen beziehen sich auf Grippekranke. 

Wichtig ist, dass die Erscheinung bei Pulszahlen zwischen 
70 und 140 Schlägen und sehr oft bei niedrigem Blutdruck 
beobachtet wurde. Gleichzeitig, aber durchaus nicht immer, be¬ 
stand ein Pulsus celer von weicher Beschaffenheit. Dikrotie des 
Pulses wurde nicht häufig bemerkt. 

Wichtiger ist, dass der Kapillarpuls bei Körpertemperaturen 
zwischen 37 und 41° gesehen wurde, und dass er nicht selten 
das Fieber überdauerte. Ebenso wichtig ist, dass der Kapillar¬ 
puls nicht nur bei fieberhaft geröteter Haut erschien, sondern 
auch bei Kranken mit Hautblässe, mit zyanotischer Blässe und 
mit allen Zeichen der Vasomotorenlähmung. 

Und am auffallendsten ist, dass in einigen Fällen der Kapillar¬ 
puls Belbst bei extremer Kreislaufschwäche, bei sehr kleinem, 
frequentem Puls, leisen Herztönen und starker, gleicbmässiger 
Zyanose noch kurz vor dem Tode deutlich sichtbar war. 

Aus diesen Beobachtungen gebt hervor, dass der Kapillarpuls 
im Fieber nicht die Folge einer verstärkten Herztätigkeit, der 
gesteigerten Temperatur oder einer vermehrten Hautrötung ist, 
sondern dass seine Ursache in der Kreislaufperipherie, am Orte 
der Erscheinung, liegt. Welcher Art die Veränderung der Gefäss- 
wand ist, lässt sich nach den einfachen Beobachtungen nicht mit 
Sicherheit sagen. Die Annahme einer Erschlaffung, und nur 
einer solchen, erscheint nicht für alle Fälle ausreichend, be¬ 
sonders nicht für Kapillarpuls bei nicht geröteter Haut. Zu 
denken ist auch an die Auffassung Hasebroek’s, dass der 
Kapillarpuls das Zeichen einer erhöhten Reizbarkeit der Gefäss- 
wand sei, die bewirkt, dass die Pulswelle, selbst bei geschwächtem 
Herzen, energischere Kontraktionen auslöst. 

Die toxische Schädigung der peripheren Kreislanforgane bei 
Infektionskrankheiten ist eine festbegründete Tatsache. Die Er¬ 
scheinung des Kapillarpnlses in diesen Zuständen ist ein Symptom, 
welches sich dem Kreise der bekannteren angliedert und mit 
Deutlichkeit dartut, wie die periphersten Kreislauforgane, be¬ 
sonders bei der Grippe, in einem Grade, beteiligt sind, dass man 
die wirksamen Toxine als Kapillargifte anzuspreeben geneigt ist. 

Dass gerade bei der Grippe in einem so erheblichen Prozent¬ 
satz der Fälle ein Kapillarpuls beobachtet wird, stimmt mit 
anderen Veränderungen, die die peripheren Gefässe bei dieser 
Krankheit anfweisen, überein. Die bunten Bilder, die die Gesichts¬ 
farbe zeigt, die tiefrot, fleckig gerötet, fleckig zyanotisch oder, 
ohne kardiale oder pulmonale Veranlassung, tief zyanotisch er¬ 
scheint, die Neigung der Schleimhäute und serösen' Häute zu 
Blutungen, die relative Häufigkeit von Phlebitis und Arteriitis 
zeugen von dem Einfluss dieser Infektionskrankheit auf die Ge¬ 
fässe. Von besonderer Bedeutung sind die Gefässprozesse im 
Gebiet des kleinen Kreislaufs. Die Stase, deren Auftreten auf 
der Haut ffir die Schwere der Intoxikation spricht, wird in der 
Lunge Ursache und Beginn der Pneumonie. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Kr. 46. 


Ans den bisherigen Beobachtangen muss ich scbliessen, dass 
der Kapillarpals besonders häufig bei der Grippe vorkoimnt, und 
zwar bei den schweren Erkrankungen. Als differentialdiagnostischer 
Hinweis, aber nur als solcher, ist er vielleicht gegenüber der 
genuinen Pneumonie, bei der dies Symptom selten zu sein scheint, 
zu verwerten. Eine prognostische Bedeutung haben wir nicht 
gefunden. 

Das hauptsächliche Interesse der Beobachtung liegt in der 
Erkenntnis, dass der Kapillarpuls in Infektionskrankheiten nicht 
von der Körpertemperatur, der Hautrötung, der Kraft und Schlag¬ 
folge des Herzens abbängt, sondern der leicht feststellbare Aus¬ 
druck einer toxischen Schädigung der Artenden und Kapillaren ist. 


Ueber die Verwendung des Orthoforms in der 
Psychiatrie. 

Von 

Dr. noed. W. Böttcher, 

IL Ar« der Psychiatrischen und Nervenkliuik der Universität Leipsig. 

Zu den üblen Angewohnheiten gewisser Geisteskranken gehört 
u. a. auch das fortwährende Nichtinruhelassen von Wunden, Ek¬ 
zemen U8W. Wir sehen das hauptsächlich bei kongenital oder 
sekundär Verblödeten (Idioten, Hebephreniker bzw. Kata- 
tonikern und Paralytikern). Verbindet man die wunden Stellen, 
so tasten die Kranken mit den Fingern unter die Verbände, bis 
sie an den Wunden angelangt sind, um sie zu kratzen oder in 
ihnen berumzubohren. Nicht selten veranlagst der von den 
Wunden ausgehende Reiz die Kranken auch dazu, die ganzen 
Verbände abzureissen. Nicht nur wird dadurch Schmatz in die 
Wunden gebracht und das Auftreten von Wundeiysipel gefördert, 
sondern es wird auch der sonstige normale Heilungsverlauf 
gestört, weil die Wunden weiter offen gehalten und vergrössert 
werden, so dass schliesslich nichts weiter übrig bleibt, als einen 
derartigen Kranken wochenlang in seiner Bewegungsfreiheit zu 
beschränken, wodurch wiederum seine Psychose ungünstig be¬ 
einflusst werden kann, insofern durch den erheblichen Zwang 
Erregungszustände auftreten. Ein mit den gewöhnlichen Mitteln 
behandelter Rrätzeausschlag, der anch nach Abtötung der Krätz¬ 
milben noch tagelang Jacken zu verursachen pflegt, ist mitunter 
ohne Arm- und Beinbescbränkung gar nicht zur definitiven Aus 
heilung zu bringen, weil das Kratzen und Scheuern nicht aufhört. 
Kranke (Katatoniker), welche zeitweilig die üble Angewohnheit 
haben, sich systematisch ein Haar nach dem andern auf dem 
Kopfe auszutupfen, setzen dies zuweilen aus dem Grunde fort, 
weil sie einmal etwaige Ekzeme u. dgl. auf dem Kopfe nicht 
io Ruhe lassen oder weil von den Stellen, an welchen das her- 
ausgerisseoe Haar gesessen hat, ein geringer Reiz ausgeht, der 
den betreffenden Kranken immer wieder veranlasst, seine Hand 
an die bewusste Stelle zu führen, zu schauern und weitere Haare 
herauszureissen, so dass schliesslich grössere kahle Flächen ent 
stehen. Am unangenehmsten aber ist die hartnäckig betriebene 
Masturbation namentlich bei weiblichen Individuen, wenn sie 
vernrsacht wird durch Pruritus vulvae et vaginae. Der Pruritus 
vulvae äussert sich bekanntlich in fortwährendem Kitzeln, Jucken 
oder Brennen an den äusseren Sexualorganen. Gewöhnlich besteht 
dabei eine Rötung und Schwellung der Vulva. Die Ursachen 
dafür sind verschiedener Art (herabfliessendes Sekret aus katar¬ 
rhalischen oder gonorrhoischen Uteruserkrankungen, Oxyuren usw.). 
Das Herumtasten an den Sexualorganen wird oft ganz exzessiv 
betrieben, da der Juckreiz fortgesetzt andauert und auch die 
Nachtruhe in empfindlichster Weise zu stören vermag. Fort¬ 
gesetzt werden die Hände an die Genitalien geführt, um duich 
Scheuern Linderung zu verschaffen, und da Kitzel, Schmerz und 
Wollustgefühl au den Sexualorganen dicht beieinander liegen, 
so führt die Berührung der Genitalien gar nicht selten zur 
Masturbation, die auch mitunter dazu dient, um das lästige 
Jucken und Brennen zu übertöneu oder um durch die durch den 
sexuellen Orgasmus berbeigeführte nervöse Erschlaffung den 
durch den Pruritus gestörten Schlaf herbeizuführen. 

Es kommt infolgedessen zunächst darauf an, den fortwähren¬ 
den Juckreiz zu beseitigen, damit die Aufmerksamkeit der Kranken 
von den affizierten Stellen abgelenkt wird; daneben muss natürlich 
die Grundursache beseitigt werden. 

Es scheint speziell in psychiatrischen Kreisen wenig bekannt 
zu sein, dass wir in dem Orthoform (p Amido-m-Oxybeozoe- 
säuremethylester) ein brauchbares Mittel für diese Zwecke be¬ 


sitzen. In der übrigen Medizin ist es nicht unbekannt und wird 
zur Beseitigung von Schmerzen au äusseren und inner lieben 
Wanden verwandt. Das Orthoform wirkt nur auf freiliegende 
Nervenendigungen, und man kann es als Streupulver oder in 
Salbenform verwenden. Die anästhesierende Wirkung dauert 
10—30 Stunden an. Neben dieser anästhesierenden Wirkung 
bat es noch eine sekretioosbeschränkende und desinfizierende, 
die nicht zu unterschätzen ist. Bei empfindlicher Haut wirkt es 
allerdings in stärkerer Konzentration mitunter reizend und lässt 
sich auch nicht zu subkutanen Injektionen verwenden, weil es 
durch seine Reizwirkungeo hier sterile Eiterungen erzeugt.- 
Meistens wird eine lOproz. Salbe benutzt. Bei dem sekundären 
Pruritus vulvae kann man es, um gleichzeitig einen Zervikal¬ 
katarrh zu behandeln, resorbierenden oder entzüudungswidrigen 
Medikamenten binzusetzen, wie z. B. dem Ichthyol oder Tumenol. 
Ich verwende es gewöhnlich alsöproz. Ichthyolorthoformglyzerin- 
misebung (Tampon). Wo das Orthoform nicht vertragen wird, 
kann man das weniger reizende ihm verwandte Propaesin 
(p-Amido-Benzoesäurepropylester) benützen. Das Aufträgen der 
Ortboformsalbe auf Wunden braucht nur in dünner Schiebt zu 
geschehen, so dass die Giftwirkung, die übrigens mindestens 
20mal geringer ist als die des Kokains, nicht gefürchtet zu 
werden braucht. 


Ueber die Tragweite der Entdeckung der Tuber¬ 
kulose-Organismentherapie durch Friedmann. 

Vorbemerkungen zu den nachfolgenden Krankengeschichten. 

Von 

Bdwia Bios, prakt. Arzt in Karlsruhe. 

1. Die Krankengeschichten stammen aus dem Mittelstände des 
Volkes, sind Erzeugnisse der hausärztlichen Praxis, fern den Kranken¬ 
kassen und der Praxis aurea; sie sind aufgenommen im Sommer des 
Jahres 1914. Im Frühjahr 1914 war ioh bei Friedmann, um die 
Sache zu studieren; der Beginn des Krieges entzog mich plötzlich der 
sekundären Mitarbeit an diesem wichtigen Werke; dasB es ein solches 
sei, war mir im Friedmann’aohen Institut theoretisch und praktisch 
klar geworden. 

. II. Die Nachprüfung der geimpften Patienten erstreckte sioh bis in 
den Sommer 1919. 

III. Zu einer kurzen und praktisch genügenden Verständigung über 
die Dignität der Lungentuberkulose ist das Fr&ukel-Albreohi’sche Schema 
gewählt mit seinen 3 Hauptgruppen, der Tuberculosis cirrbotica, der 
Tuberculosis nodosa und der Tuberculosis pneumonica. Die Malignität 
beginnt mit der Nodosa. Die reine Form der Nodosa und Pneumonica 
seb liegst die Friedmann’sche Behandlung aus; ihre äusserste Grenze 
liegt in der Kombinationsform der Tuberculosis oirrhotica = nodosa. 

IV. Es gibt einen Zustand iu der kranken Lunge, wo weder das 
Röntgenbild nooh die makroskopische Autopsie in den Lungenspitzen 
eine Veränderung nachzuweisen vermögen, und wo doch die Erkrankung 
bereits eingesetzt hat. Ein feines Obr wird Dämpfung und verändertes 
Atemgeräusch hören, die TastuDg einer besonders zarten und geübten 
Hand wird vielleicht eine Veränderung der Konsistenz der Spitzen und 
ihres Luftgebalts verspüren, ohne dass der Anatom wagen würde, einen 
Sobluss daraus zu ziehen; das Mikroskop dagegen wird deutlich die 
ersten lärberisch-pathologisohen Elemente in den Zellen der Bronchiolen 
und den Interstitien der Alveolen sehen lassen, aber keinen Tuberkel, 
keine BazilleD; denn iu ein gesundes Gewebe spaziert nioht einfach das 
Tuberkelstäbchen hinein und fängt nun Krach und Krankheit an. 
Geben wir einen Schritt weiter; die Krankheit schreitet fort, der ubiqoi- 
täre TuberkelbaziiluB der Species humana wandert aus seinem Drüsen- 
Schlupfwinkel in das schon kranke, d. b. in voller tätiger Krankheits- 
bereitsebaft stehende Gewebe ein und fällt über die Zellen her wie die 
Spinne über die im Netz bereits gefangene Fliege: die Knötohenbildung 
beginnt. 

Den beiden geschilderten Stadien geht aber noch ein allererster, 
krankhafter Zustand voraus, eine dynamische Veränderung im Zellbestand 
der Lungenspitze, die auch dem Mikroskop sich entzieht. Die reine 
funktionelle Krankbeitsbereitsobaft des Organs, bestehend in einer 
Schwächung des Lebens, einem Verlust der Spannkraft der vorher ge¬ 
sunden Zelle. Diese drei sioh steigernden Zustände möchte ich die drei 
theoretischen Stadien der Lungentuberkulose nennen, deren letztes 
Grenze und Uebergang bildet zu den drei praktischen Stadien der 
Albrecht-Fränkel’schen Einteilung. 

Der theoretisch kranke Zustand ist wiBsensohaftlioh-klinisch nioht 
nachweisbar, aber er ist eine Denknotwendigkeit, er ist erschlossen 
durch jenes Erkenntnisvermögen, das wir ärztliche Kunst nennen, und 
besteht so sicher und gewiss wie das Gesetz der Gravitation, das auch 
nioht handgreiflich zu beweisen, aber durch Anschauung und Naoh- 
denken als unbedingt theoretisch vorhanden aufzustellen ist; denn es 
gibt ein Instrument zur Erforschung der Dinge, das feiner und zarter 


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ist als jedes von Menschenhand gefertigte Hilfsmittel, und das ist das 
menschliche Gehirn mit seinen Vorwerken, den Sinnen. Allerdings er¬ 
fordert es einige Kunst der Anwendung und lür unseren speziellen 
Zweck ein Studium der pathogenetischen Gesetze, wie sie uns in den 
klassischen Arbeiten Riffel’s seit Jahren vorliegen, deren Zukunfts- 
Wirkung nicht mehr allzu fern sein dürfte. Die Lebensarbeit Riffel’s 
enthält die Grundtatsachen, die notwendig zu jenen theoretischen Stadien 
gravitieren und das Gehirn zwingen, sie zu denken. Stelle ich mir 
einen kränkelnden Menschen mit negativem Organbefund vor, zusammen 
mit seinem Milieu und seiner Deszendenz, und analysiere ich dies Ge¬ 
samtbild in Gemässheit der pathogenetischen Gesetze, wie sie für Tuber¬ 
kulose gelten, so führen Anschauung und Nachdenken zu der Diagnose 
der Tuberkulose in ihrem dynamisch-theoretischen Stadium und zum 
praktischen Zweck dieser ganzen Ueberlegung: zur besten Therapie der 
Lungentuberkulose. 

V. Inzwischen sei noch einer Tatsache Erwähnung getan, die be¬ 
rufen sein dürfte, zu entscheiden, ob eine Impfung prophylaktische oder 
therapeutische Wirkung erzeugt hat, ob der behandelte Mensch nur im 
allgemeinen zur Lungentuberkulose disponiert, oder ob seine Lunge be¬ 
reits dynamisch erkrankt war; im zweiten Falle hätten wir wirklich 
eines der theoretischen Stadien dor Lungentuberkulose mit unserer 
Behandlung getroffen. 

t Diese Tatsache beruht auf der Analyse der Impfaktion, sowohl an 
Ort und Stelle als auch am erkrankten Organ, des subkutanen Impf¬ 
infiltrates und der spontanen Aussage des Patienten über Regungen 
irgendwelcher Art im Bereiche der LuDge. Ich habe die Erfahrung ge¬ 
macht, dass bei einem orgaogesunden Menschen, der schutzgeimpft wird, 
weder lokal noch im allgemeinen eine Reaktion auftritt, dass dagegen 
bei einem Menschen, der sicher ausserhalb der praktischen Stadien der 
'Lungentuberkulose steht, der also aus theoretischen Gründen geimpft 
wurde, deutliche Zeichen einer Reaktion sich nachweisen lassen, ent 
weder an der Impfstelle, in Form einer Infiltration bzw. einer läoger 
dauernden Sensation, wie Jucken, Kribbeln, Brennen der Haut über der 
Iojektionsstelle, oder im Bereich der Lunge in Form von deutlich aus¬ 
gesprochenen Beschwerden, wie Druck, Stechen, Atemnot. Diese Re¬ 
aktionen treten rasch auf und verschwinden ebenso rasch wieder, nach 
4 Wochen ist nichts mehr nachzuweisen und zu erfahren. 

Eine Analogie und Stütze der Deutung erfährt diese Beobachtung 
durch die geimpften Kranken der massiven, praktischen Stadien. Hier 
habe ich eine Reaktion nie vermisst; Impfstelle oder krankes Organ 
haben immer, und zwar ziemlich proportional der Schwere der Er¬ 
krankung, angezeigt, dass eine Veränderurg im Kranken vor sich gehe; 
die Extreme waren Abszedierung des Iufiltrats oder vorübergehend 
blutiger Charakter des Auswurfs, die leisesten Anzeichen schlossen sich 
in entsprechender Steigerung an die eben geschilderte Reaktion der 
theoretischen Stadien an. 

VI. Die Friedmann’sehe Behandlung wirkt mit ihren autoehthonen, 
lebendigen Schildkrötentuberkelbazillen sehr eigentümlich, wie wir es 
von keiner anderen Therapie kennen. Wir können durch die Jenner¬ 
sehe Schutzpockenimpfüng einen gesunden Körper ziemlich rasch um¬ 
disponieren, aber einen kranken Leib so schnell umzustimmen, dass er 
in einigen Tagen bereits die krankhaften Reaktionen und Sekretionen 
einstellt, wie es Fall 2 lehrt, das ist doch eine neuartige Erscheinung 
in der Organismentherapie, im Gebiete der chemischen Therapie etwa 
vergleichbar der Jod Wirkung bei tertiärer Lues. 

VII. Der beste Zeitpunkt zum Angriff für die Friedmann’sohe 
Therapie ist bei der Lungentuberkulose ihr theoretisches Vorstadium; 
das ist keine Schutzimpfung mehr, sondern schon wirkliche Therapie. 
Ueber die Schutzimpfung bin ich eben im Begriff, mir Erfahrungen zu 
sammeln. Der Schutzwirkung am nächsten im Erfolg muss kommen die 
Behandlung eines dynamisch kranken Zustandes in irgendeinem Organ. 
Hier fordert am energischsten die Lungentuberkulose eine kausale Be¬ 
kämpfung dieser aktivierten Disposition als des Vorstadiums der späteren 
katastrophalen Veränderungen der Lunge. Gerade das hier Geforderte 
leistet die Friedmann’scbe Organismentherapie; sie vermag die eben 
tätlich werdende KraDkheitsbereitsohaft in ihren latenten Zustand zurück^ 
zubekämpfen. Wie viel weniger hat sie hier zu leisten als in dem eben 
zitierten Fall 2. Die prophylaktische und die theoretische Impfung werden 
ihrem ganzen Wesen nach die Domäne des Hausarztes werden. 

VIII. Die Fri$dmann’sche Impfung ist ein einmaliger Eingriff und 
wirkt auf Monate und Jahre hinaus, soviel wir heute aus Erfahrung 
wissen können. 

IX. Der Weg zur Erforschung der Methode ist nicht neu, Jenner 
und Pasteur haben ihn gebahnt, aber niemand hat ihn weiterhin be¬ 
schritten; Behring ausgenommen, als er den Jenner’schen Versuch 
beim Rinde maohte und Rinder mit dem säurefesten Tuberkelstäbchen 
des Menschen sohutzzuimpfen bestrebt war. Aber er verliess diesen Weg 
bald wieder, und erst Fried mann schritt rüstig auf der Bahn der 
Organismentherapie fort. Der Fortschritt ist heute offenbar und nioht 
mehr zu bezweifeln. 

X. Das Friedmann’sche Mittel kann bei offenen Tuberkulosen den 
Eintritt von Blutungen nicht verhindern; sie waren in meinen Fällen 
harmloser Art, haben aber von seiten Friedmann’s zu der Vorschrift 
geführt, bei Lungentuberkulosen, die geblutet haben, wöchenlang zu 
warten, bis zur Vornahme der Impfung. Die Zeit ist kostbar, die 
Impfung wirkt rasch; ioh sehe hier bisweilen eine Indikation für den 
Pneumothorax, lediglich um die Impfung unverzüglich vornehmen zu 
können*. Fall 4 belegt diese Forderung. 


XL Sehr wiohtig ist es, am richtigen Ort in der Glutäalgegend zu 
injizieren; die Vorschrift lautet, ein- bis zweifingerbreit nach innen von 
dem Trochanter major. Führt man die Injektion in dieser Weise am 
stehenden Patienten aus, so kann es Vorkommen, dass ein etwa ein¬ 
tretendes Infiltrat über den Knochen zu liegen kommt, der bei der 
Beugung und Drehung des Beines ganz beträchtlich median hinüberrollt 
Das kann woohen- und selbst monatelaug zu recht unangenehmen Be¬ 
schwerden führen, das Liegen auf der injizierten Sjite ist unmöglich. 
Die Kalamität wird vermieden, wenn man so vorgeht, dass man den 
Patienten auf die rechte Seite liegen, das rechte Bein gestreckt halten, 
das linke Bein im Hüftgelenk stark beugen lässt und nun ein- bis 
zweifiogerbreit vom einwärts gerollten Knochen entfernt über dem deut¬ 
lich weichen, nachgiebigen linken Muskel injiziert; nunmehr liegt ein 
eventuelles lofiltrat werich gebettet auf der Muskelfaszie, und der Patient 
kann auf seinem linken Rollhügel und damit auf der linken Seite über¬ 
haupt liegen. 

XII. Die intravenöse Zwischeninjaktion, die die übermässige Pro¬ 
duktion von Heilstoffan an der Impfstelle und ihre Abszedierung zu ver¬ 
hüten vermag, die also nachträglich das Ausmaass der Impfung noch 
zu dosieren uns in den Stand setzt, bedarf eine Wiederaufnahme der 
Prüfung. Die neuesten Richtlinien Friedmann’s zur Anwendung seines 
Mittels haben diese theoretisch wie praktisch gleich interessante Methode 
zwar kassiert, aber was soll z. B. getan werden, wenn ein sekundäres, 
in das Lymphsystem des Perineums verschlepptes Impfdepot anfäogt zu 
wachsen, die deckende Haut ergreift und zu perforieren droht? Und d^s 
alles monatelang nach der primären Impfinjektion in der Glutäalgegend, 
die auch bereits abszediert ist, und, was den ganzen Verlauf recht¬ 
fertigt, bei einer Heilwirkung auf die Lunge, die zauberhaft genannt 
werden müss! Eine solche durch fortgewandertes Impfmaterial veran- 
lasste Abszedierung neben dem After, die sich nebenbei gesagt auf das 
Lymphsystem beschränkt und haarscharf neben Septum und Rapbe ab¬ 
schneidet, muss vermieden werden können. Hier dürite die Zwischen- 
inj-iktion hin und wieder in ihre Rechte treten. 

XIII. Die Lungenkranken aus dem-Mittelstände des Volkes können in 
der Regel weder wie die Angehörigen der Krankenkassen in ein Sana¬ 
torium des Inlandes, noch wie die Patienten der Praxis aurea in ein 
Sanatorium des Auslandes gehen. Die Macht der Oekonomie entscheidet 
hier oft über Leben und Tod. Gegen diese Gewalt bat Fried mann 
die versöhnende Schranke aufgerichtet; die Kraft des Geistes hat das 
therapeutische Monopol des Auslandes überwunden: Davos und Leysin 
liegen heute im praktischen Machtbereich jedes deutschen Arztes. 

Dies mein letztes Wort möge sich Herr Langstein zu Herzen 
nehmen, der soeben in den praktischen Jahreskursen gelegentlich einer 
Abhandlung über die Tuberkulose des Kindesalter9 sich in logisch rich¬ 
tiger, aber in praktisch selbstmörderischer Weise über diesen Punkt hat 
vernehmen lassen. Die Therapie der Tuberkulose als einer Volkskrank¬ 
heit war bisher wesentlich eine Geldfrage; das harte Geschick eines arm 
gewordenen Volkes in dieser Hinsicht gemildert zu haben — wer mochte 
das Verdienst Friedmann’s gerade in diesem Augenblick übersehen? 
Herr Langstein hat mir beinahe Lust gemacht, aus dem Material der 
folgenden Krankengeschichten auszurechnen, wieviel Geld und Arbeits¬ 
kraft durch die Friedmann’sche Organismentherapie gespart und ge¬ 
wonnen worden ist und wieviel wir sparen und gewinnen werden. 

1. Bertha M., 25 Jahre alt. Tuberc. pulm. dextr. cirrhotica nodosa. 
Asthma bronob. Am 18. II 1914 wird von mir rechtsseitige Oberlappen¬ 
tuberkulose festgestellt mit bazillenhaltigem Auswurf, kompliziert mit bron¬ 
chialem Asthma. Durch Aufenthalt im Schwarzwald und Pflege ist Ge¬ 
wichtszunahme um 7 kg eingetreten, aber der objektive Be¬ 
fund mit Husten, Auswarf, Asthma nooh derselbe. RHO. bis über 
die Spina scapulae herab und RVO. bis zur dritten Rippe Dämpfung, 
Broohialatmem, klein- und mittelgrossblasige, klingende Geräusche, an 
den unteren Grenzen der Dämpfung reines, kleinblasiges, fenchtes 
Rasseln. Patientin versucht die Liegekur mit der häuslichen Arbeit zu 
vertauschen, was aber nicht gelingt, die Kräfte fehlen. Am 18. VI. 
Friedmann’sche Impfung I 0,8. 26. VI. Der gelbgrüne Auswarf fängt 
an, sich deutlich zu vermindern. 10. Vll. Die Geräusche gehen nicht 
mehr so tief herunter, etwa zweifingerbreit ist ihre Grenze nach oben 
gerückt. Husten noch derselbe. 30. VII. Husten besser, Auswurf 
nimmt weiter ab, sein Aussehen wird schleimig-grau, die grosse körper¬ 
liche Mattigkeit fängt an zu schwinden. Die lujektionsstelle ist etwas 
geschwollen und druckempfindlich. 

10. L 1915. Patientin sieht gut aus, besser wie je; es ist ihr im 
letzten halben Jahr gut gegangen, das Asthma bat sich fast ganz ver¬ 
loren, der Auswurf ist morgens ab und zu noch «pärlioh vorhanden, frei 
von Bazillen, dementsprechend hat sioh auch der Hustenreiz vermindert. 
Befund: RHO. bis zur Mitte der Skapula und RVO. ober und unterhalb 
des Schlüsselbeins Dämpfung und unreines Atemgeräusch von verschärft 
vesikulärem Charakter. Patientin i&t jetzt wieder in der alten Weise 
wie vor der Erkrankung tätig, ohne mehr, als der Arbeit entspricht, 
müde zu werden. 

4. I. 1916. Derselbe gute Status. Auswurf war gelegentlich noch 
bei Erkältungen, ist voll in 4er Arbeit. 

V. 1919. Patientin ist gesund und vollkommen beschwerdefrei. 

2. Karl B., 69 Jahre alt. Nebenhodentuberkutose links. 29. IV. 
1914. Entfernang des linken Hodens. Nebenhoden verkäst, Samenstraog 
weit hinauf erkrankt, kann nicht im Gesunden reseziert werden. Es 
entwickelt sich eine Fistel vom Samenstrangstumpf ausgehend, die stark 
seierniert. 


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UNIVERS1TY OF IOWA 






1086 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


4. VI. Friedmann’sche Impfung II und III simultan. 

12. VI. Fistel trocken. 

7. VII. Fiste) trocken geblieben, Heilung. 

I. 1915. 'Samenstrang dauernd ausgebeilt geblieben. Patient ist 
vollkommen gesund. 

3. Elisabeth M., 21 Jahre alt. Rechtsseitige Nierentuberkulose. 
1913 Nierenblutung, 14 Tage hindurch bei fieberhaftem allgemeinen Zu¬ 
stand, danach schlechter Appetit, Abnahme des Körpergewichts. 

Befund am 10. VII. 1914: Sehr blasses Mädoben, die rechte Niere 
ist vergrösaert zu palpieren, schmerzbatt auf Druck, im Urin massig 
Eiweiße Eiterzellen, rote Blutkörperchen und Tuberkelbazillen. Temp. 
36,7, Puls 86, klein. Friedmacin’sche Impfung II nnd 111 simultan. 
26. II. 1915. Briefliche Mitteilung: es geht seit der Impfung gut. 
Patientin fühlt sich wohl, kann tüchtig arbeiten* und bat ordentlichen 
Appetit. Vom Hausarzt werden noch Spuren von Albumen festgestellt. 
VI. 1919. Patientin ist beschwerdefrei geblieben, sie sieht frisch und 
gesund aus. Nierenbefund nach jeder Richtung bin negativ. Fragt an 
wegen Heiratskonsens, der ihr anstandslos gegeben werden kann. 

4. Anna J., 16 Jahre alt. Lungentuberkulose. Trat am 27. II. 1914 
in Behandlung. Seit einem Jahre krank; Beginn mit Blutspucken und 
Fieber, keine Schmerzen, wenig Husten; Menorrhagien. Befund: Blasses, 
ängstliohes, nervöses Mädchen, Gewicht 44 kg. Temperatur 38,2, Pul» 90, 
Appetit ziemlich gut. Lunge RH. über der ganzen Seite Dämpfung, 
kleine und mittelgrossblasiges, klingendes Rasseln. RV. in der Ober¬ 
und Unterschlüsselbeingrube Dämpfung und dasselbe Rasseln wie hinten. 
Täglioh Blutspucken, was leicht unter etwas Räuspern vor sich gtht. 
Diagnose: Tuberkulosis pulmonum nodosa. Therapie: Pneumothorax am 
2. III. 1914 von mir angelegt, danach auffallende Besserung, in Bezug 
auf die Hämoptoe. 15. IV. heftige Menorrhagie. Temperatur langsam 
normal geworden, aus der Lunge kein Blut mehr gekommen. 10. VI. 
Es hat sich regelmässiges Husten morgens eingestellt. Die Temperatur 
fängt seit einigen Tagen wieder an zu steigen. Heute 37,5, Puls 100, 
blassbläuliches Aussehen. 15. VI. Friedmann’sche Impfung I 0.3. 26. VI. 
deutliche Besserung, sieht nicht mehr so zyanotisch aus. Temp. 36 8 
nicht übersteigend, Pols 76. Regel, die immer einen enormen Blut¬ 
verlust verursachte, heute zum erstenmal in normalen Grenzen. 6. VII. 
geht gut, Temp. normal, Gewicht 47.6 kg. 22. VII. Atemnot bei Be¬ 
wegung hat abgenommen, kann im Garten arbeiten, fohlt sich innerlich 
kräftiger, wird nicht mehr so müde wie früher. 5. VIII. Allgemein¬ 
befinden gut, Temperatur normal. Lungenbefund: Ueber der rechten 
Lunge bestehen noch Rasselgeräusche in der alten Ausdehnung, aber 
sie haben jetzt trockenen Cüarakter nnd sind überwiegend kleinblasig 
und viel spärlicher als vor der Impfung. Die Dämpfung ist dieselbe 
geblieben. Kriegsbeginn. Unterbrechung der Behandlung. 5. XII. 1914 
aus dem Felde erkrankt zurückgekehrt, sehe ich mich nach der Patientin 
um. Von Monat zu Monat hatte sich ihr Kräftezustand bei gutem 
Appetit gehoben. Andauernd normale Temperatur, guter Schlaf, Freisein 
von Husten, lufluenza am 22 XI. Danach tritt der Husten wieder auf 
mit andauerndem Fieber bis 38. 13 II. 1915. Appetit schlecht, Nacht- 
schweisse, Atemnot. Die Untersuchung ergibt eine Aufflackerung der 
alten rechtsseitigen katarrhalischen Erscheinungen in der ganzen Aus¬ 
dehnung, wie sie am 27. II. 1914 beschrieben wurde. Das Krankheits¬ 
bild im ganzen sieht jetzt recht bedenklich aus. Hier ist durch die 
interkurrente Infektion, wie es Fried mann schon 1914 und auch in 
seinen „Leitlinien“ und Impflisten äusführt, die durch das Friedmann’scbe 
Mittel erzeugte Tuberkuloseimmunität gebroohen; es wäre eine Wieder¬ 
holung der Impfung erforderlich gewesen, die leider aus äusseren Gründen 
unterbleiben musste. 

17. II. 1915. Geht rasch abwärts, es entwickelt sich das Bild der 
pneumonisoben Form der Tuberkulose. Prognose wird infaust. Epikrise: 
Die Influenza hat die offenbare Heilwirkung der Friedmann’schein 
Impfung unterbrochen, den pneumonischen Charakter der Erkrankung 
veranlasst, gegen den die Impfung jetzt nicht mehr aufkommen konnte. 
Problem: Die Impfung soll nach Vorschrift 4 Wochen n*ch dem Auf¬ 
hören der Lungenblutung frühestens vorgenommen werden; erlaubt der 
Pneumothorax, die Friedmann’sche Impfung nach Lungenbluten unver¬ 
züglich anzuwenden, wenn durch diesen Eingriff die Blutung steht? 
In frischen Fällen ist jeder Tag ein Gewinn, an dem die Impfung früher 
vorgenommen werden kann. 

5. Frau Katharina A. 80 Jahre alt. Caries cranii. Vor 2 Jahren 
bildete sich auf der linken Scbädelseite eine schwappende Geschwulst, 
die auf Röntgenbestrahlung wieder verschwindet. Seit einigen Wochen 
merkt Pat. wieder diese Anschwellung an derselben Stelle, die lokale 
und allgemeine Kopfschmerzen verursacht. Befund am 3. VI. 1914: 
Hühnereigrosse Gesohwulst unter der Kopfhaut, ausgehend vom Os 
parietale sin. Die Punktion ergiebt rahmigen Eiter; mit der Nadel ist 
in der Tiefe rauher Knochen zu fühlen. Röntgen strahlen sind diesmal 
therapeutisch ohne Erfolg, deshalb Punktion und Jodoformglyzerin¬ 
injektion; danach Besserung der Schmerzen; aber bald füllt sich der 
Hautsack wieder zu . schmerzhafter Spannung. 10. VI. Friedmann’sche 
Impfung II u. III Simultaninjektion. Danach 14 Tage gestörtes All¬ 
gemeinbefinden; in den nächsten Wooherf wird der Abszess kleiner. 
Revision am 15. VII. 1915. Der Abszess ist versohwundm, Pat. bat 
keine Beschwerden mehr, kann den Hut wieder gut tragen; auch die 
allgemeinen Kopfschmerzen sind endgültig verschwunden. 

6. Christine J. Witwe, 80 Jahre alt. Caries cranii. Seit Ende 
1912 Gesohwulst an der linken Kopfseite, die unter Schmerzen und 


Reissen am Kopf wächst. Befund am 12. II 1913: Schwappende Ge¬ 
schwulst über dem Os temporale sin. Röntgenbehandlung, Punktion, 
Jodoformglyzeriniigektionen ohne Erfolg. Am 18. I 1913 ist Fistel¬ 
bildung zu konstatieren, die Sonde kommt in fungoses Gewebe und auf 
rauhen Knochen io der Ausdehnung von 8 cm unter der Haut. 18. VL 
Friedmann’sche Impfung II u. 111 simultan. 23. X. 1915. Die Eiterung 
ist nicht zum Versiegen gekommen. Tod an Herzschwäche. 

7. Röschen H. 6 Jahre alt. Tuberc. pulra. s»n. cirrhotioa. Lympho- 
mata colli tuberc. Seit 2 Jahren ist das Kind kränklich, hustet, fiebert 
wochenlang, hat Nachtsohweisse und keinen Appetit; dazwischen kurze, 
bessere Zeiten. Vor einem Jahr sind geschwollene Halsdrüsen auf- 
gebrochen und eitern bis heute. Befund 23. IV. 1914: Zartes, blasses 
Mädchen. Puls 110, Temp. 38 in axilla. Rings um den Hals zerstreute, 
bohnengrosse Drüsen, links eine grössere, die fistelt. Ueber dem linken 
Oberlappen der Lunge Dämpfung und die Zeichen frischen Katarrhs 
bis zur Basis dieses Lappens herab. Allgemeine diätetische Behandlung 
vermag k«ine Wendung in den Krankheitszustand zu bringen. 

12. VI. Friedmann’scbe Impfung I 0,3. 

6. VII. grosse fluktuierende Schwellung in der Umgebung des Impf¬ 
stelle; die flüssige Hasse ist dicht vor dem Durchbruch, den eine intra¬ 
venöse Zwisohenicijektion 0,25 nicht mehr verhüten kann. Aseptische 
Deckung. Es entleert sich eine Woohe lang reichlich serös gelblich?, 
dünne Flüssigkeit aus der kleinen Fistel, dann versiegt die Stkretioh 
langsam im Verlaufe von 2 Wooben. Verlauf: Das Kind bekommt ab 
und zu im Laufe des Jahres 1914 auf 15 Fieberanfälle an 3—8 Tagen 
mit aufflackerndem Katarrh in der linken Spitze und Hilusgegend; dann' 
hören diese Anfälle anf, auch die Halsdrüsenfistel sehliesst sieb, das 
Kind entwickelt sich gut bis 1919, wo ich es als ein blühendes Schul¬ 
kind wiedersusehen Gelegenheit habe. 

8. Fr 1. Rosa Soh. 30 Jahre alt, blutsverwandt mit dem Kinde 
Nr. 7. Beide reagieren lokal ähnlich auf das Impfdepot. Diagnose: 
Tuberc. pulm. dntr. cirrhotioa. Pat. leidet seit 6 Jahren an rezidi¬ 
vierendem Lungenkatarrh, ist viel von Husten geplagt, der im Frühjahr 
und Spätjahr unter woohenlangen Fieberersoheinungen wiederkebrt. 
Dabei ist sie hochgradig abgemagert, klagt über schlechten Appetit, 
Auswurf und Nachtsohweisse. 

Befund 5. VI. Iß 14: Sehr magere Person^ hustet andauernd während 
der Untersuchung. Ueber dem rechten Ober- und Mittellappen die 
Zeichen alten und frischen Katarrhs. Sputum bazillenhaltig. Temp. 37,5 
in axilla. Puls 90. 

12. VI Friedmann’sohe Impfung I 0,4. 

15. VII. Kirecbgrosses Infiltrat an der Impfstelle, Jucken and 
Stechen in dieser Gegend. 

17. VII. Die Haut fäDgt an, sich livide zu verfärben über dem In¬ 
filtrat, deshalb intravenöse Zwischeninjektiön II, einige Tropfen, darauf 
geht die Anschwellung zurück. 

8. II. 1915. Der frische Katarrh mit Husten und Auswurf ist ver¬ 
schwunden, über der rechten Hilusgegend hört man npoh einige knackende 
Geräusche. Das Allgemeinbefinden ist so gut, dass Pat. wieder voll 
ihre Hausarbeit versehen kann. 

V. 1919. Pat. ist bis heute gesund und arbeitsfähig geblieben; 
kein Rezidiv während der Kriegsjahre. 

9. Emma E. 13 Jahre alt. Tuberkulose des unteren Tibiaendes 
mit Osteomyelitis und periostalem Abszess (Röntgenbild). Seit 10 Woeben 
Schmerzen und Schwellung im reohten Unterschenkel und Fussgelenk 
mit Fieber. 

15. VII. 1914. Friedmann’sohe' Impfung II u. III simultan bei 
ziemlich gutem allgemeinem Kräftezustand Leider konnte ioh den Ver¬ 
lauf nioht überwachen. Im Februar 1915 erfahre ich bei meiner Rück¬ 
kehr aus dem Felde, dass noob im August 1914 in einem Krankenhaus 
der Unterschenkel amputiert worden ist. 1919. Das Mädoben ist honte 
gesund und kräftig. 

10. Emil N. 6 Jahre alt. Spondylitis lumbalis tjib. Spinaventosa 
sin. Seit 1913 klagt das Kind über Schmerzen in der linken Hand nnd 
im Rücken, es entwickelt sich eine Anschwellung über dem Rüoken der 
linken Mittelhand, die abszediert und dann fistelt; danach wird all¬ 
mählich ein Gibbus der Lendenwirbelsäule deutlich; das Kind klagt 
über solch heftige Schmerzen, dass es 4 aaern d ®P r Rückenlage ge¬ 
zwungen ist. Ein Gipsbett stillt die Sobmerzen. 10. VI. 1914. Im Ver¬ 
lauf der Lendenwirbelsäule drängt sich der 2. und 3. Lendenwirbel vor. 
Die Tuberkulose eines Os metaoarpale sin. besteht fort mit erheblioher 
Schwellung der darüberliegenden Weichteile und Fistelbildung. Inter¬ 
mittierendes Fieber: freie Zeiten wechseln ab mit Wochen, in denen 
das Fieber steigt bis 40°. Das Gipsbett kann wegen Schmerzen nicht 
verlassen werden. Friedmann’tcbe Impfung II u. III simultan. 29.1.1915 
erfahre ich, aus dem Felde zurückgekehrt, leigendes: Bald nach der 
Impfung wurd^das Kind andauernd fieberfrei. Zu Ende des Jahres 1914 
flog es wieder an zu stehen und zu gehen, jetzt kann es gehen und 
springen ohne Beschwerden. Die Fistel der linken Band ist ausgeheilt, 
die Schwellung verschwunden. Das Kind sieht, wie ich mich überzeuge, 
gut aus, fühlt sich ganz wohl. 28. 111. 1916. Das Allgemeinbefinden ist 
gestört, leichte Temperaturen treten auf. Jetzt wäre der gegebene Zeit¬ 
punkt für eine Wiederholung der lujektion intramuskulär gewesen; auch 
hier war das aus äusseren Gründen leider unmögliob. Die Mutter bringt 
das Kind in das Soolbad Rappenau. Am 2. VII. erfahre ioh von dort, 
es seien unstillbare Durohfälle aufgetreten, die rasph zum Tode führten. 


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17. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1087 


11. MariaS., Modistin, 29 Jahre alt. Tuberculosis pulm. oirrhotica- 

nodoBa deztra et sioistra. Mit 16 Jnbreo Lungenspitzenkatarrb. Lungen¬ 
heilstätte Nordrach. Seit April 1913 wieder Husten, Auswurf, Stechen 
unter dem rechten Schulterblatt, Appetitlosigkeit. 3. VI. 1918. Lunge: 
RHO. bis unter die Spina scapulae Dämpfung, Bronchialatmen, knackende, 
ab und su klingende, mitteIgrossblasige Geräusche, Basillen im Sputum. 
Temp. 37,6, Puls 100. Diätetische Kur bis Gode August 1913, wo sie 
wieder arbeitsfähig wird. 9. X. Die rechte Lunge wesentlich gebessert, 
die Sohlüsselbeingruben ziehen f-ich ein. In der linken Lunge beginnt 
ein frischer Prozess. Pat. arbeitet bis zum 6. III. 1914, wo sie sich 
wieder vorstellt. Husten mit blutigem Auswurf, müde, matt und arbeits¬ 
unfähig, schleohter Esser war sie von jeher. Uel>er beiden Oberlappen 
finden sich die Zeiohen frischen Katarrhs' bis zur Basis dieser Lappen 
herab. Temp. zwischen 37 und 38 in axilla. 12. VI. Friedmanu’st he 
Impfung I 0.8. 30 VI. Pat. gibt an, dass sie ein Gefühl bei der 

Atmung habe, als ob sie schwerer atmen müsste (Narbenzug?). Husten¬ 
reiz seltener, Sputum ohne Blut, Temperatur fällt langsam, Appetit 
hebt sich. 21. I. 1915. Appetit seit Monaten gut, ebenso der Schlaf, 
der seit der Pubertät gestört war. Im November 1914 hatte sie eine 
Influenza durchgemacht, die ohne Einfluss auf die Heilung der Lungen¬ 
erkrankung geblieben ist Sie hat bald naoh der Impfung dauernd ohne 
Beschwerden gearbeitet. Ihr Aussehen ist frischer und gesünder als je. 
Ueber dem linken überlappen H. stärkere Dämpfung als über dem 
rechten, dagegen über diesem das Bronchialatmen stärker ausgeprägt 
als links. Die Geräusche sind links ganz verschwunden, RHO. Atem¬ 
geräusch noch unrein. 

7. VII. 1915 hat viel gearbeitet ohne Ruhepause, seit 1 Mohat hat 
sich die Gesundheit plötzlich und rasch zunehmend wieder verschlechtert; 
klagt über Stechen, schlechten Appetit, Naohtschweisse, erhöhte Tem¬ 
peratur, kein Husten. Befund: sieht wieder sehr blutarm aus, Temp. 
37,4, in ax. Im linken Oberlappen ein ausgedehntes Rezidiv. Diätetische 
Behandlung in städtischem Milieu; gegen Ende November des Jahres 
hat sie sich so weit erholt, dass sie die Arbeit wieder aufnehmen kann. 
Hier wäre eine Wiederholung der Injektion am Platze gewesen, die aus 
äusseren Gründen unmöglich war. 

Am 23. II. 1916 erscheint P. wieder, weil sich seit einigen Tagen 
Stechen in der linken Brustseite, Husten und Auswurf eingestellt bat. 
Im linken Überlappen wiederum ein leichtes Rezidiv mit trockener Pleu¬ 
ritis; auch RHO. ist etwas kleinblasiges Rasseln zu hören. Ruhe und 
Morphium bessern die Beschwerden, so dass P. sich nicht abbalten lässt, 
naoh einer Woche die Arbeit wieder aufzunehmen, zumal der Appe.tit 
gut ist. 

Am 10. IV. 1916 heftige Influenza mit frischem Bronchialkatärrh 
und Fieber zwischen 38—39°. Leider war ich zu dieser Zeit militärisch 
ungehalten, und so musste die jetzt dringend notwendige intermuskuläre 
Reinjektion unterbleiben. Alsbald tritt eitrig blutiges Sputum mit Tu¬ 
berkelbazillen auf, das Fieber bleit konstant, Husten und NachtBchweisse 
werden quälend, die.Geräusche nach 4 Wochen klingend und grossblasig, 
bleiben in den mittelgrossen Bronchien dauernd bö>bar. Gegen Ende 
Juni 1916 bewegt sich die Temperatur regelmäßig um 89° und bleibt 
so, bis im November d. J. im linken Oberlappen ein** Kaverne nach¬ 
weisbar wird; das Bild der Phthise ist voll ausgeprägt. Juni 1917 
Exitus. £ 

12. David S., 14 Jahre alt. Doppelseitige Halsdrüsen tuberkulöse. 
Vor 10 Jahren habe ich dem Jungen tuberkulöse Halsdrosen rechts und 
links entfernt, im Frühjahr 1914 Rezidiv auf beiden Seiten. Tuber¬ 
kulinkur vom 4. IV.—2. VI. 1914. Am 4. VI. Friedinann’sche Impfung II 
u. III simultan, nachdem die Punktion der walnusgrossen Diüsen er¬ 
geben hatte, dass keine Einsohmelzung bestand. Die Tuberkulinkur 
wird, nicht weiter fortgeführt. Am 9. VI schmerzhafte Schwellung der 
Iojektionsstelle, Temperatur zwischen 3? und 38 hält an bin zum 12. VI., 
danach Temperatur normal, Schwellung geht zurück. 8 Woeben nach 
der Impfung sind die Drüsen unverändert, sind Naohtschweisse und 
wählerische Nahrungsaufnahme noch vorhanden; auch in den nächsten 
Monaten ändert sich daran nicht viel. Es ist zu beaohten;* dass die 
Impfung gemacht wurde mitten in einer Tuberkulinkur; durch Beob¬ 
achtungen Friedmann’s ist es bereits sicher gestellt, dass diese Inter¬ 
ferenz die Wirkung der Impfung erheblich stört. 

Am 13. II. 1915 plötzlich Exitus an kruppöser Pneumonie. 

13 Frl. Philippine K, 21 Jahr« alt. Multiple Tuberkolose. Tbc. 
pulm. dextr. oirrb , Lymphomata colli, Otitis media dextr. tuberc., Fistula 
tuberc. ad labium majus sin. Seit 5 Jahren krank: zuerst erschienen 
die Halsdrüsen rechts; sie wurden zweimal exstirpiert, waren aber nach 
beiden operativen Eingriffen rasch wieder in der gleichen Grösse nach¬ 
gewachsen. Bald darauf fing das rechte Ohr an zu laufen, zeigte keine 
Neigung zur Heilung, weshalb Anfang März 1914 die Aufmeisselung 
des Warzenfortsatzes vorgenommen wurde; die Eiterung dauerte fort und 
besteht heute noch. Pat. klagt über Husten, Naohtschweisse, Fieber, 
Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Schwinden der Kräfte und des 
Körpergewichts; Menses postponiereod. 

Befund: Der rechte Oberlappen der Lunge bietet die Zeiohen des 
geschlossenen, schrumpfenden Lungenspitzenkatarrhs. Hinter dem rechten 
K'eferwinkel sitzt breit ein fau9tgrosses, höokriges Drüsenpaket, das das 
Mädchen gewaltig verunstaltet. Darüber eine längs verlautende Narbe. 
Hinter dem rechten Obr eine Knoobennarbe, rahmig eitrige Sekretion aus 
dem Mittelohr. Grosse Trommelfellperforation mit unregelmässigen, 
fetzigen Rändern. Neben der Harnröhre im linken Labium majus ist 


die Haut geschwollen und unterminiert; aus einer Fistel entleert-sich 
aus dem Ünterhautzellgewebe rahmiger Eiter. Temperatur zwischen 
37,3 u. 38,6 seit Monaten schwankend. Auffallende Anämie und sohlaffe 
Muskulatur. 

5 VI. 1914. Friedmann’sche Impfung II u. III simultan. 16. VI. 
Sekret aus der Paukenhöhle und der Labiumfistel zum ersten Male seit 
der Erkrankung blutig. ; 24. VI. Temperatur normal, das Allgemein¬ 
befinden hebt sich; die Impfstelle uezerniert leicht, „sebweisst“. 5. VII. 
Impfstelle trocken, Temperatur normal geblieben. Allgemeinbefinden 
sehr gut. Vom 1.—8. XI. 1914 geht es* ihr schlechter; Gefühl eines 
Rückschlages, Schmerzen in der Oberschlüsselbeingrube und der Hals¬ 
drüsengegend rechts; das gleiche passiert Anfang Januar 1915 ungefähr 
während einer Woche. Sie bat unterdessen angefangen. in der Haus¬ 
haltung wieder zu arbeiten, hat in 7 Monaten 7 kg zugenommen, kein 
Husten mehr, der Lungenbefund am 13 I. 1915 bis auf erhöhten Stimm- 
fremitus RHO. negativ. Ohr- und Labiumfistel auFgeheilt. Die Drüsen 
sind erheblich kleiner geworden, verschieblich, nicht mehr verbacken zu 
einem grossen JIlumpen, sondern einzeln zu palpieren. 

8. V. 1916, Hat seit der Impfung 10 kg zugenommen, ist im t Hause 
wieder voll tätig. Die Drüsen sind bis auf einige fühlbare Kapsel- 
verdickuogen verschwunden. Nichts mehr zu sehen; das Mädchen sieht 
blühend aus, die Muskulatur ist fest geworden, der Hals schlank, hat 
sich verlobt. 

VIII. J916. Verheiratet und gesund. 

1919. Erste Gravidität bei voller Gesundheit. 

14. v Frau Karoline K. 25 Jahre alt. Tuberc. pulm cirrh.-nodosa. 
Hat zweimal geboren, Kinder leben, das zweite sehr schwach; klagt über 
Appetitlosigkeit, Schwindel, Herzklopfen, Mattigkeit, Husten, Stechen 
unter beiden Schulterblättern. Vor einem Jahr Lungenspitzenkatarrh 
durcbgemacht, seit 10 Tagen die Regel ausgeblieben. 

Befund am 27 IV. 1914: Sehr blasse Frau, Atmung beschleunigt, 
Temp. 37,2 in axilla, Gewicht 56 kg. Ueber dem linken Oberlappen 
der Lunge Zeichen frischen Katarrhs. Auswurf bazillenhaltig, Gravidität 
im 2. Monat. 

10. VI. Hat andauernd erhöhte Temperatur gehabt zwischen 87,2 
und 37,5 in axilla. Körpergewicht nimmt stetig ab, heute 52,5 kg. 
Objektiv hat sich der Katarrh über dfen linken Oberlappen weiterhin 
verbreitet. Pat. macht einen sobwerkranken Eindruck. Friedmaon’sobe 
Impfung 10 3. 

Am 2. II. 1915, als ich aus dem Felde zurückkehrte, erzählte mir 
Pat., dass im August 1914 die Gebärmutter künstlich entleert worden 
sei. sie habe 4 Wochen an Venenentzündung der Beine danach gelegen. 

8 Tage nach d^m Eingriffe habe sie zum erstenmal die Impfstelle 
schmerzhaft verspürt, es sei eine mässige Infiltration aufgetreteD, die 
vom Arzt, der nichts über den Charakter der Impfung wusste, sofort 
inzidiert worden sei. So konnte die Impfung keine Wirkung haben 
und hat auch keine gehabt, es geht der Pat. nicht besser. 

15. Georg L. 35 Jahre alt. Tuberc. pulm. dext. oirrhotica*nodosa, 
Otitis media tuberc. Seit Jahren N kränklich, rechtsseitige Spitzentuber- 
kulose bald aktiv, bald latent, neigt immer wieder zu Stillstand und 
Vernarbung, aber auch zu Blutungen, die vor 3 Jahren so stark und 
bedrohlich wurden, dass ioh sie mit Pneumothorax behandeln musste, 
deren Erfolg prompt und bis beute anhaltend war. In der letzten Zeit 
klagt Pat. über Nackenkopfscbmerzen, starkes, ab und zu blutiges 
Ohrenlaufen, schlechten Appetit und Husten. Die Besserungen wurden 
immer in häuslicher Pflege erzielt, er hat seinen Bureaudienst nur wenig 
unterbrochen. 

Befund am 28. V. 1914: Sehr blasser, hagerer, grosser Mann mit* 
langem, schmalem Thorax. Der rechte überlappen in der Lunge zeigt 
wieder Zeichen frischen Katarrhs. Linkes Ohr: der Hammer in Narben 
eingebettet, Perforation mit unregelmässigen Rändern im unteren, vor¬ 
deren Quadranten, woraus sich rahmig-blutiger Eiter entleert. Das 
Obr soll operiert werden, wenn die Friedmann’sche Behandlung nicht 
helfen sollte. 

9. VI. Friedmann’scbe Impfung I intramuskulär. 

16 VI Ziemlich starkes Impfinfiltrat. 

3.1. 1915. Das Impfinfiltrat ist bald seinerzeit spontan zurück- 
gegangen. Ab und zu zeigt sich ein empfindliches Knötchen, das in 
kurzer Zeit wieder versohwindet. Vor \ Tagen ist das Knötchen wieder 
erschienen. Der Erfolg der Impfung war e : ne baldige Besserung des 
Allgemeinbefindens, Verschwinden des Hustens und Versiegen der Obr¬ 
eiterung. Pat. ist heute in normaler Weise arbeitsfähig, arbeitet sogar 
über seine Pflicht hinaus, um so viel kräftiger fühlt er sioh. Die Unter¬ 
suchung ergibt keihe frischen Zeiohen des Katarrhs mehr über den 
Lungen und ein trockenes Mittelobr. Jetzt bat er einen echten Keuch¬ 
husten akquiriert, der in seiner Familie grassierte und der ihn seit einem 
Monat plagt, ohne dass ein Rezidiv der Tuberkulose eingetreten wäre. 

Verlauf: Pat. verliert den Keuchhusten Iargsam, und das Jahr 1915 
geht gut vorüber. Im Jahre 1916 macht er im April eine fieberhafte 
Angina mit vorübergebender Bronchitis durch; die Lunge bleibt still. 
Er arbeitet das ganze Jahr ohne auszusetzen. Das Jahr 1917 gebt vor- - 
über ohne jede Störung der Gesundheit. Am 3. III. 1918 schwere Grippe 
mit starker Beteiligung der Lungen. Auch hier wäre eine Wiederholung 
der Iujektion am Platze gewesen. Der Verwalter meiner Praxis (ich 
selbst bin von 1917—1919 wegen Krankheit der Praxis fern), der die 
Geschichte des Pat. nicht persönlich mit erlebt hat, gibt dem Drängen 
des Pat. nach frühem Aufstehen und baldigem Wiederaufnehmen der 

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1088 B ERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT Wr. 46. 


Berufsarbeit nach; einige Monate nach der Grippe entwickelt sich eine 
Pneamonie, die bald zum Exitus führt. 

16. Frau Minna Z., 43 Jahre alt, Tuberc. puim. dextr. et sin. cirrb. 
Im Jahre 1910 wurde der Pat. von mir der Uterus myoraatosus entfeint 
wegen chronischer Blutungen, während der Nachbehandlung eine doppel¬ 
seitige Lungenspitzentuberkulose zirrbotisrher Art konstatiert und be¬ 
handelt. Gut gegangen bis Mitte Mai 1914, wo sie anfing zu klagen 
über Schmerzen in der Brust, besonders links vorn, über schaumiges 
Blutspucken, Nachtschweisse und Nachlassen des Appetits. 

Befund 6. VI. 1914: Der linke Oberlappen und in geringerem der 
rechte weisen die Zeichen einer Tuberc. ciirhotica. auf, mit frischen 
Prozessen an der Basis. 

9. VI. 1914 F. I. 1. 

15. L 1915 schreibt mir die Pat.: »Mit der Impfung war ich sehr 
zufrieden, ich spürte bald Linderung, mit jedem Tag wurde mein Atem 
leichter, ich hatte bisher kein Weh mehr auf der Brust. 

VI. 1919. Pat. stellt sich vor als vollkommen geheilt, auch die Kriegs¬ 
jahre haben kein Rezidiv gebracht. 

17. Frau Anna K., 37 Jahre alt, Lymphomata colli sin. tuberc. 
Im Jahre 1911 habe ich die Pat. an Carcinoma ovarii operiert, seither 
rezidivfrei. Am 18. VII. 1914 klagt sie über Drüsenschwellung an der 
linken Halsseite, schlechten Appetit, morgendliches Uebelsein, Mattigkeit. 
Die Untersuchung ergibt bei der blassen, schlanken, anämischen Frau 
frische, druckempfindliche Drüsenschwellung hinter dem linken Kiefer¬ 
winkel unterhalb einer kirscbgrossen Drüse, die schon seit 20 Jahren 
besteht; ebenso lange ist es her, dass submentale Drüsen vereitert sind. 
Auoh in dieser Gegend sind noch kleine, "alte Drüsen zu fühlen. Lunge 
intakt. 

23. V. 1914 F. I. II und III simultan. 

31. VII. 1914. An der Impfstelle eine linseDgrosse Infiltration zu 
palpieren. Das Allgemeinbefinden ist sehr gut beeinflusst worden, das 
schlechte Befinden am frühen Morgen ist verschwunden; der Appetit ist 
vorzüglich. Pat. fühlt sich kräftiger als vor der Impfung. Die akute 
Drüsenschwellung ist beträchtlich zurückgegangen. 

10.11. 1915. Die Drüsenschwellung ist ganz veschwunden. Pat. 
fühlt sich gesund. 

VI. 1919. Pat. erfreut sich dauernd cfer besten Gesundheit. 

18. TheodorSch., 5y 2 Jahre alt, Meningitis tubereolosa. Am 
21. VI. 1914 erbricht das Kind, verdreht die Augen, klagt über Stirn¬ 
kopfschmerzen und Schmerzen auf der Brust bei gutem Appetit. Im 
Februar 1914 war das Kind von einem Stück Holz mit heftigem Schlag 
auf den Vorderkopf getroffen worden. Die Quetschwunde heilte rasch zu; 
in den letzten Wochen vor dem Erbrechen ist das Kind schon immer 
unsicher im Gehen gewesen und oft hingefallen. 

Befund: 29. VI. 1914. Das gut genährte Kind verzieht in der Ruhe 
sohmerzlioh das Gesioht, es ist unruhig, zittert mit den Händen, wenn 
es etwas fasst, will immer trinken. Puls regelmässig, 80. Temp. 37,7 
in ano. Bei leisem Klopfen auf die Stirne, besonders auf der rechten 
Seite Schmerzäusserungen, schwankt beim Stehen. Hautnarbe in der 
Mitte der vorderen Haargrenze. Die Lumbalpunktion ergibt klaren L : quor 
bei massig erhöhtem Druck. 

6. VII. 1914. Friedmannsohe ImpfuDg, da an der Diagnose einer 
tuberkulösen Hirnhautentzündung kein Zweifel mehr besteht. 

Iu den nächsten Wochen steigt der Hirndruck und die Menge der 
Lumbalflüssigkeit, die anfangs alle 4 Tage, später alle 1—2 Tage ab¬ 
gelassen wird*, worauf das unbesinnliche, in Krämpfen liegende Kind jedes 
Mal prompt wieder munter wird, Nahrung tüchtig wieder zu sich nimmt 
und sich gut im Körperstande hält. Temp. supfebril, unregelmässig, 
zeitweise normal. Ich batte im allgemeinen den Eindruck, dass bei 
genügend lange durcbgeführter DruckentlastuDg des Gehirns das Kind 
sich glücklich seiner Krankheit erwehrt hätte, da bis zum letzten Tage 
der Behandlung, dem 3. VIII. 1914, der Appetit gut war und ein Kräfte¬ 
verfall sich nicht zeigte. 

Bei Ausbruch des Krieges musste ioh das Kind verlassen, dem in 
dem abgesperrten Dorf der Pfalz nunmehr keine sacbgemäase Behandlung 
mehr zu Teil werden konnte. Der Zustand verschlimmerte sich, wie ich 
später erfuhr, beim Aussetzen der Lumbalpunktion bald und der Exitus 
erfolgte rasoh in den nächsten Wochen. 

19. Frl. Frieda Gl, 20 Jahre alt, Tuberc. pulm. dextr. cirrb.-nodosa. 
Im Jahre 1911 rechtsseitige, offene Lungentuberkulose mit wiederholten 
abundanten Luogenblutungsn, nach einer Liegekur von anderthalb Jahren* 
verschwindet das Blut im Sputum. Es tritt ein fieberfreier Zustand ein, 
mit Neigung zu Husten bei Temperaturänderung, Bewegung oder dem 
Versuch, zu arbeiten (Gesangsstudium). Der Zustand bleibt schwankend, 
der Auswurf tuberkelbazillenhaltig, Pat. hält sich mit grösster Vorsicht. 

1. VII. 1914 fäogt Pat. au, ernster zu klagen über Schwäche, Appetit¬ 
losigkeit und quälenden Husten. Der Befund ergibt -ein Aktivwerden 
des alten Prozesses im rechten Oberlappen. F. I. I 0,4. 

28. I. 1915 erzählt mir Pat. folgendes: »Anfangs war es merk¬ 
würdig. In den ersten 8—14 Tagen nach der Impfung war es mir bei 
kalter, äusserer Temperatur heiss, bei warmer kalt. Der Schlaf entweder 
sehr tief oder ganz fehlend, der Appetit schlecht oder zum Heisshunger 
gesteigert. Dann glich sich die Sache nach albn Richtung hin all¬ 
mählich aus und führte zu Wohlbefinden und Zunahme des Körper¬ 
gewichts wie nie zuvor, auoh zum Verschwinden des Hustens. Ich fühlte 
mich kräftiger als je, kann arbeiten, ohne wie früher müde zu werden, 
habe meine Gesangsstudien wieder aufgenommen, konnte die Sommer¬ 


frische entbehren und arbeite auch in den Nachmittagsstunden, die ich 
vorher glaubte. Die anders als auf dem Liegestubl zubringen zu können.* 
Der Befund ergibt keine aktiven Prozesse mehr. 

V. 1919. Das Resultat hat sieb erhalten, trotz vielen und sohweren 
Kummers und Entbehrungen in den Kriegsjabren. Die juDge Frau, deren 
Mann gefallen ist, übt ihren Beruf als SäDgerin und Gesaogslebrerin in 
normaler Weise aus. 

20. Frau Elise R., 54 Jahre alt, Tubero. cirrh. nodosa, dextr. et sin. 
Pat. klagt über Husten. Atemnot, Fieber, schlechten Schlaf, Abmagerung, 
stetige Abnahme des Appetits seit °/ 4 Jahren. Befund am 1. VH. 1914: 
Ueber dem rechten Oberlappen der Lunge leises Brorchialatmen mit 
knackenden Geräuschen, über dem linken Oberlappen verschärftes Vesi¬ 
kuläratmen und reichlich kleinblasiges Rasseln. Ueber dem linken Unter- 
lappen, der bei der Atmung zurückbleibt, pieuritisches Reiben. Temp. 
37,4 in axilla. Sputum bazillenhaltig. Puls 95. 

6. Vil. 1914 F. I 1,03 bei einer Temp. von 38 in axilJa. 

10. VII. Temp. 38,7. 

13. VII. Temp. 38. 

15. VII. Temp. 37. 

20. VII. Temp. 86,2. Seit diesem Tage steigt die Temp. nicht mehr 
über 37. 

24. VII. 1914. Pat. spürt mehr Kräfte, mehr Appetit. 17.11. 1015 
erfahre ich von der Pat. folgendes: Bis in den September 1914 hinein 
ist es gut gegangen, sie wurde frei von Beschwerden und Auswurf. Seit 
Weihnachten 1914 ist der Appetit wieder schlechter geworden. Das 
Kriegsbrot wurde nicht vertragen, batte viel Sorgen in ihren häuslichen 
Verhältnissen, batte aber fortwährend ihre Haushaltung besorgt, war 
nicht mehr bettlägerig gewesen. Seit einigen Tagen hat sie etwas Hasten 
und Auswurf. 

Befund: Pat. ist fieberfrei, sieht besser aus als vor der Impfung, 
die Oberlappen der Lunge zeigen keine floriden Erscheinungen mehr, da¬ 
gegen ist rechts und links HU. pieuritisches Reiben zu hören. Der 
Auswurf ist bazilleDfrei. 

1919 über den weiteren Verlauf konnte ich keine Naohricht er¬ 
halten. 

21. Mathilde Sch., 13 Jahre alt. Lymphomata colli tuberc. dextra, 
Otitis media tuberc. dextr. 1910 Erkrankung des reohten Ohres, trotz 
Radikaloperation horte die Eiterung nicht auf. Hinter dem reohten 
Kieferwinkel entwickelt sich ein nussgrosses Paket geschwollener Drüsen. 

6. VII. 1914 stellte ich Wiederauifi&okern der Ohreiterung fest, sie 
tritt intermittierend auf, kommt und geht; wenn sie kommt, fühlt sich 
das Mädchen matt und bei schlechtem Appetit, wenn sie geht, wird ihr 
wieder wohler. Die Halsdrüsen bestehen schmerzlos in der alten Weise 
fort Das Mädchen' ist blass und mager. Friedmann’bche Impfung 0,5. 

4. I. 1915 habe ich folgendes notiert: Im Oktober 1914 hat die 
Impfstelle 8—4 Tage spärlioh sezerniert, die Halsdrüsen sind ver¬ 
schwunden, das Ohr hat 3 Wochen nach der Impfung zu eitern aufge¬ 
hört und ist bis heute trocken geblieben. Gewicht um 3 kg gestiegen, 
sieht blühend aus, hat feste Muskulatur bekommen. 

V. 1919. Das Befinden ist dauernd gut geblieben, das Mädoheu 
hat sich vortrefflich entwickelt. 

22. Frau Ottilie F., 28 Jahre alt. Tuberc. pulm. cirrh. sin. 
Lymphomata colli tub. sin. et dextr. Graviditas. Mit 17 Jahren Hals¬ 
drüsen links, wurden geschnitten. Im Januar 1914 sind wieder Hals¬ 
drüsen aufgetreten, die bald aufbrachen. Schlaf unruhig, Herzklopfen. 
Befund: 7. III. 1914. Ueber dem linken Oberlappen Zeichen des frischen, 
tuberkulösen Katarrhs. An der linken Haisseite Drüsenfistel. Temp. 
36,9. Puls 86, zeigt Extrasystolen. 1. IV. Frische Halsdrüsen rechts, 
Brustschmerzen, schlechter Appetit. Regel ausgeblieben. 

6. VII. Status idem. Schwangerschaft im 4. Monat. Friedmann’sobe 
ImpfuDg 10 5. 

12. II. 1915 erfahre ich: Pat. bat sich auf die Impfung hin bald 
wohler und kräftiger gefühlt. Die rechtsseitigen Halsdrüsen sind lang¬ 
sam geschwunden, links bat sich die Drüsenfistel geschlossen, das All¬ 
gemein befiöden ist sehr gut, so dass sie die Stillung ihres Kindes ganz 
durchführen kann. Der linke Oberlappen ist bei der heutigen Unter¬ 
suchung frei von Katarrh, an der linken Halsseite sind einige linsen¬ 
grosse Kapselreste zu palpieren. 

23. Frau Karoline G., 35 Jahre alt. Tubero. pulm. dextr. oirrh.- 
nodosa. Im J&Duar 1914 exsudative Pleuritis mit Punktion behandelt, 
seit der Zeit immer Hüsteln, ab und zu Nachtschweisse, Abnahme des 
Körpergewichts, mässiger Auswurf. Befund 9. VII.: RH. Dämpfung über 
der ganzen Lunge, über dem Oberlappen verschärftes Vesikuläratmen, 
kleinblasiges Rasseln, über dem Mittellappen Bronchialatmen und mittel¬ 
grossblasiges, da und dort klingelndes Rasseln; über dem Unterlappen 
abgescbwäcbtes Atemgeräuscb. Bei der Untersuchung dauernd Husten¬ 
reiz. Temp. 37,5 in axilla, Puls 90. 

80. VII. Friedmann’sche ImpfuDg I 0,4. 

16. II. 1915. Nach der Impfung gut gegangen, Husten und Aus¬ 
wurf geschwunden, Appetit gut. 

10. 111. Klagt von neuem über Hustenreiz ohne Auswurf, Druck 
auf der Brust, etwas Atemnot, wehes Gefühl im Rücken. Temp. 37,6 
in axilla, Puls 85. Die Dämpfungsverhältnisse sind noch wie oben ge¬ 
schildert, nirgends Geräusche zu hören. Hier wäre Wiederholung der 
Injektion notwendig gewesen. 1919: Ueber den weiteren Verlauf konnte 
ich keine Naohricht erhalten. 


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17. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1089 


24. Frl. Bertha Sch., 23^Jahre alt. Caries vertebrae dorsalis X. 
Basedow gratis. 

S-3it 1911 schwer krank, es entwickeln sich ziemlich gleichzeitig ein 
sohwerer Basedow mit Struma, Glotzaugen und Vermehrung der Puls* 
frequenz und eine Tuberkulose im X. Dorsalwirbel mit Fieber, chroni¬ 
schem Erbrechen, Gürtelsohmerzen, Abmagerung, Appetitlosigkeit. Seit 
der Zeit liegt Pat. beständig flach auf dem Rücken, der Zustand ist 
stationär geblieben, nicht besser geworden. 

10. VII. 1914. Friedmann’sohe Impfung II und III simultan. Bald 
nach dieser Impfung stellte sich sichtliche Besserung ein, Fieber und 
Erbrechen Hessen nach, ebenso die Schmerzen; Pat. wurde beweglicher 
und im Laufe eines Jahres war sie imstande aufzustehen. Auch die 
Basedowbeschwerden verringerten sich, der Exophthalmus ging stark 
zurück, die Struma wenig, aber das Herzklopfen schwand ganz. Heute, 
1919, arbeitet Pat. ihren ganzen Haushalt auf dem Lande, macht leichte 
Feldarbeit und fühlt sich gesund. 

25. Adolf M., 19 Jahre alt. Tuberc. pulm. sin. cirrh. 

27. VII. 1914. Pat. klagt seit 2 Monaten über Stechen unter dem 
linken Schulterblatt, Mattigkeit, wenig Appetit, Hüsteln. Befund: 
Blasser, schlanker Mensch, die linke Brustseite schleppt nach, über dem 
linken Oberlappen Dämpfung, abgeschwächter Stimmfremitus und klein¬ 
blasiges Rasseln. 

81. VII. Friedmann’sohe Impfung I 0,5. 

I. 1915 erfahre ioh, dass der junge Mann sich wohl fühlt, nicht 
mehr klagt, den Feldzug in der vordersten Linie mitmaoht. VII. 1919 
stellt er sich vor, er war dreimal verwundet, zuletzt schwer, das linke 
Bein ist erhebüoh verkürzt, aber die Lunge hat standgehalten. 

Unterdessen ist eine 18jährige Schwester an Lungentuberkulose er¬ 
krankt und vor kurzem von mir mit dem Friedmann’soben Mittel be¬ 
handelt worden. 

26. FriedaSt., 9 Jahre alt. Lupus-und Hauttuberkulose. 23. VII. 
1914. Im dritten Lebensjahr zum ersten Male Eiterung in der Ge- 
siohtsbaut und Fistelbildung daselbst 1—2 Jahre lang. Seit 5 Monaten 
Rezidiv, dabei nimmt sie ab, sieht immer schlechter aus, kommt zu¬ 
sehends herunter. 

Befund: Starke Anämie. Vor dem rechten Ohr zeigt die Backen¬ 
haut eine 3 cm lange, 1 cm breite geschwollene und livide verfärbte 
Stelle, schmerzhaft auf Druck; mehrere Fisteln führen unter die Haut 
In der Haut selbst, in der Peripherie dieser Stelle, mehrere byper- 
ämisohe, knötchenartige Erhebungen von der Grosse eines Hirsekorns, 
Schwellung der regionären Lympbdrüsen* Temp. 37,8 in axilla. 

Therapie: Friedmann’sche Impfung I 0,4. 

6. II. 1915. Das Kind sieht blühend aus; seit Mitte September 
1914 sind die Fisteln geschlossen, die regionären Drüsen sind abge¬ 
schwollen, Temperatur normal. Die Haut ist normal gefärbt, die Lupus¬ 
knötchen sind abgeheilt. Nach der Impfung war die Absonderung viel 
stärker als vor derselben; zwei direkte Löcher sollen in der Backe ge¬ 
wesen sein. Auf einihal schlossen sie sich. Hat 10 Pfund zugenommeD, 
geht in die Schule. 1919. Das Mädchen ist gesund geblieben. 

27. Karl H., 5Va Jahre alt. Drüsentuberkulose. 29. VII. 1914. 
Das Kind ist körperlich in der Entwicklung zurückgeblieben, Bettnässer, 
von jeher schechter Esser. In der letzten Zeit ist der Appetit noch 
schlechter geworden, seit am Hals Knoten aufgetreten sind, klagt viel 
über Kopfweh in der Scheitelgegend, neigt zu Schweissen. 

Befund: Rings um den Hals grössere und kleinere Drüsenketten, 
besonders links im vorderen Halsdreieck. Die grösseren schmerzhaft auf 
Druck und verwachsen mit der Umgebung. Temp. 87,7 in axilla. 

Therapie:- Friedmann’sche Impfung 10 2. 

13. II. 1915. Der Appetit ist eine Zeitlang nach der Impfung gut 
gewesen, dann wieder sohlechter geworden nach Erkältungen; die Drüsen 
sind in ähnlicher Grösse noch fühlbar, aber nicht mehr druckempfind¬ 
lich und nioht mehr verwachsen. Im ganzen geht es dem Kinde in 
bezug auf Aussehen und Kräftezustand besser. 

1919. Das Kind hat sich sehr gut entwickelt, die Drüsen sind 
nicht mehr nachweisbar. 

28. Frl. Frieda D., 30 Jahre alt. Kniegelenktuberkulose rechts. 
Von Jagend auf krank gewesen, im 10. Lebensjahre von mir operiert an 
verkästen Halsdrüsen und an rechtsseitiger Fusswurzelkaries. Nach 
mehreren Eingriffen und Soolbadkuren Heilung. Im 26. Lebensjahr be¬ 
gann die rechte Kniegelenksgegend zu erkranken, zuerst periartikulrr 
mit Sehnenscheidenentzündung der äusseren, dem Kniegelenk benach¬ 
barten Obersohenkelsehnen mit Fistelbildung. Zustand wechselnd, Ge¬ 
lenk bald mehr, bald weniger beweglich. 

Therapie: 31. VII. 1914. Friedmann’sohe Impfung I und II simultan. 
Reagiert 3 Tage mit Fieber, am 5. Tage wird die Impfstelle empfindlich. 

1L 1915. Es ist gut gegangen, das Gelenk ist abgeschwollen, die 
Fisteln sind versiegt bis auf eine, die nur wenig absondert. Die Funktion 
hat sich gehoben; Pat. kann wieder gehen und arbeiten. 

1917. Die Tuberkulose im Kniegelenk ist nioht ganz erloschen, 
aber es besteht ein ruhender Zustand in und um das Gelenk bei massiger 
Sehwellung. Die Fistel sondert noch spärlich ab, aber die Funktion ist 
so gut, dass Pat. im Gebirge bis zu 20 km marschieren kann, wenn sie 
sioh das Gelenk durch einen selbstkonstruierten Pappverband schützt. 

1918. Die Arbeitsfähigkeit hält an, sie steht den ganzen Tag als 
Büglerin am Bügelbrett, die Tuberkulose ruht und neigt zur Ausheilung. 

VI. 1919. Im Herbst 1918 fällt Pat. die Treppe herunter, Dis¬ 
torsion des kranken Kniegelenkes mit Zerreissung der lateralen Liga¬ 
mente. Aufilackerung der Tuberkulose. Gehen und Arbeiten wird un¬ 


möglich, das Gelenk ist stark geschwollen, es bilden sich wieder peri- 
artikuläre Abszesse, die aufbreohen und neue Fisteln veranlassen. Das 
Gelenk wird unbeweglich, es wird so schmerzhaft, dass ein gefensterter 
Gipsverband angelegt werden muss, vor allem auoh zur Ausschaltung 
der pathologischen Seitenbewegungen des Gelenkes.. Es wird der Pat. 
eine erneute Friedmann’sche Impfung vorgeschlagen, die das erstemal 
eine so zweifellos wohltätige Wirkung auf den Prozess gehabt bat. 

29. Friedrich Sch., 21 Jahre alt. Tuberc. pulm. oirrh. dextr. 
et sin. 

Seit % Jahren Abnahme des Körpergewichts um 4 kg, schlechter 
Appetit, viel Hüsteln, Entwicklung von Halsdrüsen, die seit 14 Tagen 
anfangen zu schmerzen. Befund: Ueber der Lunge die Zeichen frischen 
Katarrhs in beiden Oberlappen. Hinter dem rechten Ohr walnussgrosse 
tuberkulöse Drüse, in der Abszedieruog begriffen. 

5. VI. 1914, Friedmann’sche Impfung I 0,4. 

4. II. 1915. In den Monaten nach der Iojektion trat bald Wohl¬ 
befinden ein, die abszedierte Drüse heilte bald ab, Pat. ist frei von 
Husten, bei gutem Appetit und voll leistungsfähig. Seit Januar steht 
er als Infanterist im Eisass und tut vollen Dienst. 

Ein halbes Jahr nach der Injektion war die Impfstelle noch fühlbar, 
bald mehr, bald weniger, im letzten Falle spürte er vorübergehende 
Müdigkeit. 

30. Sofie Th., 28 Jahre alt. Tuberculosis pulmonalis dextra et 
sinistra cirrhotina-nodosa. 

Im Sommer 1913 Aufenthalt in der Lungenheilstätte Luisenheim— 
Schwarzwald. Tuberkulinkur daselbst. 

22.1. 1914. Eitriger, bazillenhaltiger Auswurf, Schmerzen unter dem 
rechten Schulterblatt. Befund: Ueber der Lurge RHO. bis unter die 
Spina kleinblasiges Rasseln und Knacken, erhöhter Stimmfremitus, LHO. 
abgeschwächter Stimmfremitus und unreines, bronchiales Atemgeräusch. 

16. V. 1914. Blut im Auswurf. 

30. VI. 1914. Friedmann’sche Impfung I 0,4. Der eitrige Aus¬ 
wurf ist andauernd morgens blutig gewesen, sie klagt heute über Mattig¬ 
keit, Appetitlosigkeit und viel Hustenreiz. 

11. II. 1915 erfahre ioh: Ausgangs August 1914 hat Pat. eine In¬ 
filtration an der Impfstelle bekommen, die perforierte, etwas gelbe 
Flüssigkeit entleerte und danach 14 Tage gesohweiskt hat. Am auf¬ 
fallendsten war, dass der Appetit sich bald und dauernd wieder¬ 
hergestellt hat, der während der ganzen vorhergehenden Beobachtung 
und Behandlung immer schlecht geblieben war. Der Auswurf wurde 
allmählich schleimig-grau, * ab und zu morgens noch rotgefärbt. Den 
eitrigen Charakter hat er ganz verloren, ebenso die Bazillen. Schmerzen 
unter dem rechten und linken Schulterblatt abwechselnd noch vor¬ 
handen; über der Impfstelle eine rotverfärbte kleine Hautpartie. Ueber 
Müdigkeit hat P^t. nicht mehr zu klagen, arbeitet in der Haushaltung 
und in der Landwirtschaft der Eltern alles und fühlt sioh wohl. 

21. VII. 1915. Hat Zeiten von Nachtschweissen gehabt, im all¬ 
gemeinen geht es gut, arbeitet ununterbrochen, sieht gut aus; über 
beiden ‘Spitzen Dämpfung und unreines Atemgeräusoh, verschärft vesi¬ 
kulär rechts und links. Beide Unterschlüsselbeingruben eingezogen. 

1919. Pat. ist gesund und arbeitet andauernd. 

Epikritisohe Bemerkungen. 

Bei allen 30 Fällen von 1914, mit Ausnahme von Fall 12 (Heil¬ 
störung durch Tuberkulin), Fall 14 (Inzision des Impfdepots), Fall 6 
(versagende Herzkraft bei einer 80 jährigen Greisin), war ein heilender 
Einfluss unverkennbar. Eine Unterbrechung des Heilverlaufs durch 
interkurrente Erkrankungen (Grippe. Ruhr, vgl. die Friedmann’sohen 
„Leitlinien“) trat in den Fällen 4, 10, 11, 15 ein. Zur dauernden rest¬ 
losen Heilung gelangten ohne irgendwelche weitere Therapie daroh eine 
im Sommer 1914 vorgenommene intramuskuläre bzw. simultane Injektion 
die Fälle 1, 2, 8, 5, 7, 8, 9, 18, 16, 17, 19, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 
28, 29, 30. 

Unter diesen Geheilten sind Fälle der mannigfaltigsten Formen der 
Tuberkulose, nämlich der Lungen, Drüsen, Knoohen, der männlichen 
und weiblichen Geschlechtsorgane, der Nieren, Haut, Wirbelsäule, Base¬ 
dow und Lupus. Es sind ferner unter den Geheilten alle Altersstufen 
vertreten, vom frühen Kindesalter bis ins hohe Greisenalter. 

Fall 14 und 22 geben mir Anlass zu bemerken, dass ich meine 
Anschauungen über die Indikation zum Abortus arteficialis bei Tuber¬ 
kulose von Grund aus zu revidieren im Begriffe bin, seit ioh die be¬ 
schriebene Therapie kenne. 

Ioh werde mir Mühe geben, das hier beschriebene Material im Auge 
zu behalten und werde nach einer angemessenen Pause zusammen mit 
den neuen Beobachtungen wieder Bericht erstatten. Ich habe im Mai 1919 
nach 4*/ajähriger Kriegspause meine Praxis wieder aufgenommen und 
seitdem 44 weitere Fälle geimpft. Die Wirkung dieser neuen Impfungen 
ist heute schon unverkennbar, zuweilen imponierend. Ein Fall sei an¬ 
gedeutet: Ein Kollege, selbst ein in der Tuberkulosetherapie erfahrener 
Arzt, wird von mir am 8. VI. 1919 mit 2-Tropfen „ganz schwachen“ 
Impfstoffs, also nahezu der schwächsten möglichen Dosis, geimpft; er 
erlaubt mir, folgendes heute mitzuteilen: „Was der Schwarzwald und 
Davos nicht schaffen konnten innerhalb zweier Jahre, das hat das 
Friedmann’sohe Mittel in 14 Tagen geleistet, Sputum und Bazillen zum 
Verschwinden zu bringen, nun schon seit drei Monaten bewährt.“ Der 
Kollege steht in vollem ärztliohen Dienst und behält sich vor, eines 
Krankengeschichte selbst in extenso zu publizieren. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


1060 


Aus der medizinischen Klinik der Universität Breslau 
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Minkowski). 

Ueber Beziehungen des autonomen Nerven¬ 
systems zur quergestreiften Muskulatur. 

Von 

Prof. Dr. E. Fraik, Oberarzt der Klinik. 

(Schluss.) 

II. Adrenalintremor, thyreotoxisches Zittern, Schüttel¬ 
frost. 

Die neuen anatomischen, physiologischen und biochemischen 
Forschungen, welche die bereits von Grötzner, Botazzi, 
Joteyko geforderte Sonderstellung der Tonusfonktion des Skelett- 
mnskels scharf betonen und ihre Beziehungen zum autonomen 
Nervensystem begründen, bedürfen zweifellos noch in mancher 
Hinsicht der Festigung und Durcharbeitung. Als wichtiges Teil¬ 
problem erscheint insbesondere das Ineinander der tonischen und 
tetanischen Aktion, ihre Verknüpfung zum einheitlichen Akt 
einer oder mannigfacher Leistungen des Muskels, wie sie z. B. 
bereits in der Lehre von der inneren Sperrung oder inneren 
Unterstützung bei jeder Willkürbewegung bzw. in der Anschauung 
von der Sperrbakenfunktion des ohne Energiemehrverbrauch 
dauernd verkürzt bleibenden Muskels zum Ausdruck kommt. Er- 
fahrungsgemäss wird zur Klärung neu sich auftuender Gebiete 
der biologischen Erkenntnis nicht selten die Pathologie, das 
Naturexperiment am Menschen, mit Nutzen herangezogen, und so 
müchte ich im folgenden versuchen, klinische Einzelbeobachtungen 
und ganze Krankheitsbilder, nicht unbekannt, aber in diesem Zu¬ 
sammenhänge meines Wissens noch nicht betrachtet, als Bau¬ 
steine in diesem Neuland der Lehre vom autonomogenen Muskel¬ 
tonus zu verwenden. 

Schon lange bevor ich die Untersuchungen Boeke's und 
die experimentellen Forschungen über die Beziehungen markloser 
Nerven zur quergestreiften Muskulatur kannte, hatte ich persön¬ 
lich die Ueberzeugung gewonnen, dass eine sympathische Inner¬ 
vation des Skelettmuskels existieren müsse. Dieser Gedanke 
hatte sich mir zuerst aufgedrängt, als ich die subkutane An¬ 
wendung des Adrenalins beim Menschen immer und immer wieder 
von einem ausserordentlich sinnfälligen Tremor beantwortet sah. 
Fast ein jeder, der unter Adrenalinwirkung steht, beginot alsbald 
merklich za zittern, und zwar handelt es sich um einen raschen, 
feinschlägigen Tremor, der bald nur Hände und Arme, bei 
empfindlichen Individuen oder genügender Dosis aber auch die 
unteren Extremitäten befällt bzw. ganz universell wird und bei 
starker Stigmatisierung im vegetativen System in mehreren Fällen 
unserer Beobachtung, z. B. bei einem Patienten mit Status asth- 
maticus, sich zu einem veritablen Schütteln und Zähneklappern 
steigerte. 

Der Adrenalintremor ist in seiner physiologischen Bedeutung 
bis jetzt nicht ausgewertet worden. Er darf nicht als toxisches 
Symptom aufgefasst werden, sondern ist den physiologischen 
Reizwirkungen der Substanz, also der Blutdrucksteigerung und 
Hyperglykämie, und ihren therapeutischen Effekten, z. B. der 
Brouchialmuskelerschlaffung beim Asthma, der Vasokonstriktion 
der Hautgefässe und Beseitigung des Juckreizes bei der Urtikaria 
durchaus koordiniert. Nun lassen sich bekanntlich sämtliche 
akuten Adrenalinwirkungen auf ein gemeinsames Prinzip zurück¬ 
führen. Das Adrenalin ist elektiv eingestellt auf das nämliche 
Substrat in der glatten Muskelfaser und .Drfisenzelle, auf 
welches die dem Grenzstrang des Sympathikus entstammenden 
Nerven Einfluss haben, während es im Bereiche des kranialen 
und sakralen Anteils des autonomen Systems, des sogenannten 
Parasympathikus, völlig unwirksam ist. Wo immer das Adrenalin 
die Funktion eines Organs fördert (konstriktoriscb, sekretorisch 
wirkt), stets hat auch Reizung des diesem Organ zugeteilten 
Grenzstrangnerven fördernden Einfluss; wo Adrenalin hemmt 
(Erschlaffung, Nachlass einer Sekretion bewirkt), stets hat 
auch der sympathische Nerv inhibitoriscbe Wirkung, und zwar 
ist der Adrenalineffekt dann am intensivsten, wenn die Nerven¬ 
zweige, mit deren Reizung die Wiiksamkeit des Adrenalins 
gleichsinnig ist, zur Degeneration gebracht sind. Das Adrenalin 
bat also einen peripheren Angriffspunkt: nach der Nomen¬ 
klatur von Langley und Elliot ist dies die sogenannte myo¬ 
neurale Junktion, eine Seitenkette des Protoplasmas, welche 
trophisch zum Erfolgsorgan gehört, aber funktionell mit der 
sympathischen Nervenendigung korrespondiert. Wenn also alle 
Adrenalineffekte „sympathikoroimetische“ sind, dann liegt der 


Scblass gewiss nahe: der Tremor, dieses Fundamentalsymptom 
kleiner Adrenalin gaben, zeigt an, dass auch im Plasma 
des quergestreiften Muskels jene rezeptive Substanz oder myo¬ 
neurale Junktion vorhanden sein mnss, welche auf sympathische 
Nervenendigungen eingestellt ist. Es soll damit, wie gleich von 
vornherein bemerkt sei, nicht behauptet sein, dass sympathische 
Nerveneinflüsse unmittelbar den Tremor erzeugen, sondern es soll 
nur ausgesagt werden, dass Reize längs einer sympathischen 
(von der motorischen verschiedenen) Bahn die Zustandsbedingungen 
innerhalb der Muskelfaser so verändern, dass rhythmischeZuckungen 
der Fibrillen die Folge sind. 

Als ich die anatomischen Arbeiten Boeke’s kennen lernte 
und zu meiner freudigen Ueberrascbung aus ihnen ersah, dass 
die von mir supponierten marklosen Nervenfasern des quer¬ 
gestreiften Muskels tatsächlich existieren, verlor die hier gegebene 
Erklärung des Adrenalintremors für mich den Charakter des 
Hypothetischen: Die Tremorreaktion, diese einfache Beobachtung 
am Krankenbett, scheint mir als wichtige Stütze zu den im An¬ 
schluss an die Entdeckung des holländischen Anatomen unter 
nommenen experimentell-physiologischen Untersuchungen sich zu 
gesellen, welche auf den Nachweis von Beziehungen des auto¬ 
nomen Nervensystems zur Skelettmuskula.tur hinzielen. 

Ausser dem Adrenalintremor kennen wir übrigens noch ein 
sehr interessantes Beispiel der Beeinflussung quergestreifter 
Muskeln durch das Adrenalin. Der Tetanie Anfall, also der 
typische Spasmus, vorzugsweise im Ulnaris- und Iscbiadikusgebiet, 
lässt sich meist durch Suprarenininjektionen leicht provozieren, 
auch in denjenigen Fällen, die wenig zu spontanen Krämpfen 
neigen, sondern nur durch mechanische, reflektorische(Trousseau!) 
und elektrische Uebererregbarkeit gekennzeichnet sind. 

Sind Wirkung des Adrenalins und Reizung sympathischer 
Nervenendigungen auch für den quergestreiften Muskel identisch, 
dann bestimmt sich nach den Auseinandersetzungen des ersten 
Abschnitts als Ort seines Angriffs der glatte Muskel, der 
sich . gewissermaassen in jedem quergestreiften ver¬ 
birgt, also das, was wir als Tonussubstrat bezeichnen und nach 
Botazzi und Joteyko mit dem Sarkoplasma gMcbsetzen können. 
Durch diese Auffassung werden einige ältere Angaben über das 
Verhalten des quergestreiften Muskels nach subkutaner Injektion 
oder direkter Inkorporation von Nebennierenextrakt in den zu 
untersuchenden Muskel, die bis jetzt in der Luft schwebten, leicht 
verständlich. Oliver und Schäfer 1 ) haben gefunden, dass nach 
Injektionen von Nebennierenextrakt die Muskeln des Kalt- und 
Warmblüters einen verlängerten Kontraktionsverlauf auf elektri¬ 
schen Reiz aufweisen, Boruttau 2 ) schildert Vergrösserong der 
Hubhöhe, Abflachung des aufsteigenden und besonders des ab¬ 
fallenden Kurvenschenkels und beträchtlichen Verkürzungsrück¬ 
stand. Oliver und Schäfer betonen selbst die Aehnlichkeit 
der Zuckungskurve mit der veratrinvergifteter Muskeln, und in 
der Tat lässt' sich ja aus den Beschreibungen der genannten 
Autoren die typische Sarkoplasmareaktion mit leichter Mühe er¬ 
kennen. Von dem Gedanken ausgehend, dass das Adrenalin auf 
das Sarkoplasma wirke, hat Joteyko 8 ) das Verhalten des sarko- 
pl&smareichen Gastroknemius der Kröte und des sarkoplasma- 
armen Gastroknemius des Frosches nach direkter Aufbringung 
der Substanz auf die Muskeln verglichen. Das Adrenalin allein 
bringt keine Reaktion des Muskels hervor, aber wenn man 
elektrisch reizt, sieht man die Kontraktionen des Krötenmuskels 
sich auf eine immer höhere Abszisse aufsetzen; es entsteht eiiie 
Treppenkurve, welche auf langdauernder und bei wiederholter 
Applikation sich steigernder Kontraktur des Sarkoplasmas beruht; 
denn beim weissen Froschmuskel ist nichts von einer Tonus- 
erböbung zu merken, es sei denn, dass man ihn längere Zeit in 
einer Adrenalinlösung baden lässt; dann lässt auch er die Neigung 
zu tonischer Kontraktion erkennen. 

Adrenalin (und ebenso der sympathische Nerv) erregt also 
nicht das Sarkoplasma, sondern steigert nur seine Erregbarkeit, 
so dass es nun auf vorher unwirksame Reize anspricht. Diese 
Erregbarkeitssteigerung müssen wir uns aber auch als eine bio¬ 
chemische Zustandsäuderung 4 ) denken, welche für den in das 


1) Oliver und Schäfer, Journ. of physiol., 1895, Bd. 18, S. 280. 

2) Boruttau, Pflüg. Arch., 1899/1900, Bd. 78, S. 97. 

3) Mlle I. Joteyko, Journ. m6d. de Bruxelles, 1903. 

4) Ihr Ausdruck ist die vermehrte Kreatinbildung, die Riesser 
übrigens auch nach Adrenaliniojektionen im Kanincbenmuskel nacbge- 
wiesen bat und als peripher bedingt dadurch erkannte, dass sie nicht 
nur naoh Kurarisierung, sondern auch naeh Durohschneidung der Nerven 
erhalten bleibt. 


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17. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1091 


Sarkoplasma eingebetteten Fibrillenapparat nicht gleichgültig sein 
kann. In noeh nicht näher angebbarer Weise scheint dieser in¬ 
folge der durch den Reiz des sympathischen Nerven (oder des 
^Adrenalins) gesetzten Sarkoplasmaalteration zu einem rhythmischen 
Spiel von Tätigkeit und Erschlaffung angetrieben zu werden, 
das wahrscheinlich, wie wir noch sehen werden, häufig nur von 
mikroskopischen Ausmaassen ist und erst beim Ueberspringen 
stärkerer Erregungen vom Sarkoplasma auch grobsinnlicb als 
Zittern in die Erscheinung tritt. Der Tremor darf nämlich keines¬ 
wegs als Funktionsäusserung des trägen Sarkoplasmas (bezw. des 
Tonussubstrats) aufgefasst werden; das verbietet schon die rasche 
Folge seiner Schwingungen, vor allem aber auch die Art der 
später noch zu besprechenden elektrischen Stromschwankungen, 
die ihn begleiten. Auch der sogenannte „tonische“ Krampt der 
Tetanieattacke, der, wie erwähnt, durch Adrenalin ausgelöst werden 
kann, ist durchaus ein Tetanus: lm Elektromyogramm der durch 
die Nervenumschnürung nach Trousseau krampfhaft zusammen 
gezogenen Vorderarmmuskulatur erkennen wir deutlich die zahl¬ 
reichen Schwingungen der Galvanometersaite, die für die statische 
Wfllkürinnervation oder die permanente Kontraktion durch den 
faradiachen Strom charakteristisch sind [Frank und Scbäffer 1 )]. 

Zusammenfassend können wir also sagen: Der Adrenalintremor 
Ist ein im anisotropen Anteil der Muskelfaser sieb abspielender 
Vorgang, der aber auf dem Umwege über das Sarkoplasma aus¬ 
gelöst wird, d. h. mit anderen Worten: nicht nur der motorische 
Nerv, sondern auch der Sympathikus vermag den Fibrillen- 
apparat in Tätigkeit zu setzen. Die spezifisch • sym¬ 
pathische Reaktion ist ein feinschlägiges Zittern, bei 
stärkerer Intensität des Reizes ein rhythmisches 
Wackeln oder Schütteln. 

Diese Anschauung lässt sich noch in mannigfacher Weise 
verifizieren. Gibt es einen sympatbikogenen Tremor — so können 
wir deduzieren —, dann müsste er sich bei allgemeiner Erregbar¬ 
keitssteigerung im autonomen Nervensystem oder in gewissen 
Gruppierungen sympathischer Einzelphänome zu einheitlichen Syn¬ 
dromen wiederfinden lassen. Als Beispiel der ersten Kategorie 
dörfte die Basedowsche Krankheit widerspruchslos anerkannt 
werden; als Typus eines zweckmässigen sympathischen Komplexes 
können wir etwa die Wärmeregulation bezw. d*as Fieber wählen. 

Was zunächst die Thyreotoxikosen anlangt, so ist seit Charc^t 
und P. Marie ein feines, scbnellschlägiges Vibrieren der Glieder 
als nahezu regelmässig auftretendes Fundamentalsymptom all¬ 
gemein angenommen. Es fiel zunächst aus dem Rahmen der 
anderen Symptome (Exophthalmus, Stell wag, Graefe, Tachy¬ 
kardie, Hyperglykämie, Hypertonie, Hyperthermie, Durchfälle, 
Scbweisse, Oedeme), die sich sämtlich als Reizerecbeinungen im 
vegetativen Nervensystem auffassen lassen, völlig heraus, wird 
aber jetzt als Antwort auf Impulse, die in efferenten sympathischen 
Bahnen zur quergestreiften Muskulatur getragen werden, leicht 
verständlich, um so eher, als der Basedo wtremor dem Adrenalio- 
tremor wirklich aufs Haar gleicht 

Betrachten wir nun das Zusammenspiel sympathischer Zentral¬ 
apparate zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur bei drohen¬ 
der Abkühlung oder, was das gleiche ist, zur plötzlichen Ein¬ 
stellung auf höhere Temperaturgrade beim Kreisen pyrogener 
Substanzen. Das Zentrum der Wärmeregulation hat in beiden 
Fällen die Aufgabe, Wärme zu speichern und Wärme zn schaffen. 
Es sendet gleichzeitig Impulse durch die Grenzstrangnerven zu den 
Gefäßen der Haut, um durch deren Konstriktion das Blut von 
der Körperoberfläche fernzohalten, und durch den Splanchnikns 
zu den grossen Drüsen des Unterleibs, um in ihnen, besonders 
in der Leber, die chemischen Umsetzungen anzufacben. Es 
appelliert aber drittens, um die Wärmeb’ldung möglichst zu 
steigern, an die quergestreiften Muskeln, welche bekanntlich sehr 
wichtige Produktionsstätten thermischer Energie sind. Ich glaube, 
man hat sich bisher zu wenig überlegt, dass dieser einheitlicbe 
Akt der Wärmeregulation, einer ausgesprochen vegetativen Funk¬ 
tion, sich auch, so#eit er die quergestreifte Muskulatur mit ein¬ 
bezieht, in einheitlichen Bahnen abspielen dürfte, dass also der 
Vorgang der Wärmeregulation sozusagen schon eine sympathische 
Innervation der Skelettmuskulatur postuliert. Jedoch muss zu¬ 
gegeben werden, dass Rolche Ueberlegungen spekulativen Charakter 
tragen, Rolaoge sie dem Experiment nicht in irgend einer Form 
zugänglich sind. Ein solches Experiment ist nun auch hier wieder 
die Erzeugung von Zittern durch das sympatbikotrope Adrenalin. 
Die Adrenalinreaktion der Muskeln bei kleiner Gabe und normaler 


1) Noch nicht veröffentlichte Versuche. 


Empfindlichkeit ist mit dem Kältezittern, bei Steigerung der 
Dosis oder abnormer vegetativ-nervöser Erregbarkeit mit dem 
Schütteln des Fieberfrostes wiederum durchaus identisch. Die 
mechanische Begleiterscheinung der chemischen Wärmeregulation 
ffihrt auf die Fährte der sympathischen Bahnen zum Skelettmuskel, 
die im Dienste dieser Regulation stehen. 

Wir können aber das mit Hilfe des Adrenalins Erschlossene 
noch auf andere Weise stützen. Wir verdanken Riessers 1 ) vor¬ 
erst allerdings nur orientierenden Versuchen den Nachweis, dass 
auch bei der Abkühlung der Kreatingebalt der Muskeln, der uns 
immer ein Kennzeichen sympathisch vermittelter Sarkoplasma- 
tätigkeit ist, deutlich ansteigt, auch nach Ansschaltung des 
motorischen Nerven durch Kurare, nicht aber nach Durch- 
schoeHung der kurarisierten Nerven. 

Wir ziehen hier auch die neuen Untersuchungen von Mans¬ 
feld und Lukacs 2 ) zur Frage des chemischen Mnskeltonus heran. 
0. Frank und F. Voit, sowie neoerdingR Tang! haben einwarfs¬ 
frei nacbgewie8en, dass vorsichtige Kurarisierung, welche aber die 
Leitung im motorischen Nerven sicher aufhebt, kein Absinken 
des Energienmsatzes beim ruhenden Hunde zur Folge hat, dass 
ferner auch die Regulation der Stoffwechsel Vorgänge erhalten 
bleibt, indem bei Abkühlung des Tieres der Gas Wechsel ansteigt. 
Die entgegengesetzten Resultate von Pflüger und Zuntz (Um¬ 
satzminderung um 36 respektive 50 pCt.) führen sie darauf zu¬ 
rück, dass diese Antoren durch zu grosse Kuraredosen auch die 
Vasomotoren gelähmt haben. Ans diesen Untersuchungen gebt 
hervor, dass die motorischen Nerven mit der Erhaltung des Ruhe¬ 
umsatzes und wohl auch mit der Steigerung der Stoffwechsel Vor¬ 
gänge des Muskels im Dienste der Wärmeregulation nichts zu tun 
haben, aber jene „Vasomotorenläbmung“, auf die sie das positive 
VersuchsergebDis von Pflüger .und Zuntz zurückführen wollen, 
braucht durchaus kein gleichgü’tiger Vorgang za sein; wir werden 
in unserer den neuen Erkenntnissen angepassten Nomenklatur viel¬ 
mehr sag»n, dass Pflüger und Zuntz durch ihre Ueberdosiernng 
auch den Eir fluss des Sympathikus auf die Muskeln ausgescbaltet 
haben, und dass die Differenz der Versuchsresultate eher zn be¬ 
weisen scheine, dass die thermisch-energetische Leistung des 
Muskels durch den Sympathikus reguliert werde. Den Beweis 
für diese Auffassung haben Mansfeld und Lukacs zu erbringen 
versucht. Sie stellten fest, dass beim ruhenden kurarisierten 
Tiere, das gegen Entwärmung geschützt ist, die Schwankung des 
0 2 -Verbrauches maximal 8,1 pCt., die der C0 2 6,6pCt. beträgt. 
Durchschnitten sie nnn aber Ischiadici und Femorales des kurari¬ 
sierten Tieres, so sank der Ruheumsatz sofort, indem die 0 2 Zehrung 
um 10,8—16,2 pCt., die C0 2 Produktion um 6,2—20pCt sieb ver¬ 
ringerte. Wurde vor Beginn des Stoffwechsel versuche der sym¬ 
pathische Grenzstrang in der Bauchhöhle exstirpiert, so fehlte 
nunmehr nach der Nervendurchschneidung die Minderung des 
Ruheumsatzes. Man könnte natürlich sagen, auch aus diesen Ver¬ 
suchen lasse sich nichts anderes sch Hessen, als dass die mit der 
Lähmung sympathischer Bahnen verbundene Schädigung der vaso¬ 
motorischen Innervation die Sebald an der Stoffwechseländerung 
trage; aber der Fortschritt der Erkenntnis scheint mir gerade 
darin zu liegen, dass wir anf diese reichlich unklare Vorstellung: 
Aenderong des Blutgehaltes der Organe führe zu Aenderungeu 
ihres Stoff- und Energiewecbaels nicht mehr zu rekurrieren 
brauchen: nach der Entdeckung Boekes^weisen eben diese Ver¬ 
suche sehr deutlich auf die Funktion hin, mit . welcher die 
akzessorischen mark losen. Nerven des quergestreiften Muskels be¬ 
traut sind. 

Wir bilden nns also folgende Vorstellung: Der Adrenalin- 
und Basedowtremor, das Kältezittern and das Schütteln im 
Fieberfrost, die Vermehrung des Muskelkreatins bei der Ab¬ 
kühlung, die Minderung des Grundumsatzes durch Unterbrechung 
sympathischer Bahnen (bei völliger Unabhängigkeit des Stoff¬ 
wechsels vom motorischen Neuron!),. übrigens auchjseine Mehrung 
bei der Basedowschen Krankheit — alle diese Momente scheinen 
darauf hintuweisen, dass die Wärmeproduktion im Muskel, soweit 
sie nicht Begleiterscheinung grober mechanischer Arbeit ist, vom 
vegetativen Nervensystem beeinflusst wird. Der Nervenreiz trifft 
das Sarkoplasma (bzw. das Tonnssubstrat): 'erst auf diesem Um¬ 
wege wird * eine Funktion des anisotropen Apparates aasgelöst, 
die oft genug (Ruheumsatz, chemische Wärmeregulation) unter 
der Schwelle der makroskopischen Wahrnehmbarkeit bleibt und 
erst bei stärkerer Intensität des Reizes (erheblicheres Sinken der 


1) Riesser, 1. o. 

2) Mansfeld und Lukas, Pflüg. Arch., 1915, Bd. 161, S. 467. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


Außentemperatur, Uebererregbarkeit des Wärmezentrums durch 
pyrogene Substanzen, abnorme Empfindlichkeit der vegetativ- 
nervösen Einflüssen unterliegenden Erfolgsorgane bei der Thyreo- 
toxikose) grobsinnlich als Zittern oder gar Schütteln merkbar 
wird. Bei dieser Art der Betrachtung scheint mir auch die alte 
Streitfrage, ob eine chemische Wärmeregulation ohne Muskel¬ 
bewegung denkbar ist, keinen rechten Sfnn mehr zu haben. 

Es ist schliesslich — obgleich es aus der Darstellung 
eigentlich klar genug hervorgeht — vielleicht nicht ganz über- 
fifissig, ausdrücklich zu betonen, dass die hier geforderten Be¬ 
ziehungen des Sympathikus zur chemischen Wärmeregulation 
nicht in Widerspruch stehen zu dem Ergebnis des ersten Ab¬ 
schnittes, dass die sympathische Innervation eine tonische, d. h. 
ohne Energiemehraufwand verlaufende Kontraktur auslösen kann. 
Die gesteigerte Wärmeproduktion ist natürlich Ausdruck und Folge 
einer tetanischen Muskelaktion, aber dieser Tetanus ist eben 
angeregt durch eine sympathikogen vermittelte Zustandsänderung 
des Tonussubstrates. 

III. Ueber die zentrale Lokalisation der autonomen 
Innervation der quergestreiften Muskulatur auf Grund 
neoropathologischer Erfahrungen. 

Zwei Reaktionsformen haben wir als Antwort des Muskels 
auf autonome Reize kennen gelernt: Neigung zu tonischer Kon¬ 
traktur und Tremor. In dieser Kombination sind eigentümlicher¬ 
weise die wesentlichen Merkmale scharf umschriebener neuro¬ 
logischer Krankheitsbilder gegeben, die gerade neuerdings 6 das 
Interesse der Nervenärzte fesseln. Ich meine die altbekannte 
Schüttellähmung Parkinson’s und das moderne zweifellos der 
Paralysis agitans nabe verwandte Bild der Wilson’schen Krankheit 
(sive Pseudosklerose mit knotiger Leberhyperplasie und Korneal- 
pigmentierung). Steifigkeit, Starre, Nachdauer der Kontraktion, 
Stellungsfixation und Kontraktur auf der einen Seite, ein ryth- 
misches gleichmässiges Zittern oder Wackeln auf der andern sind 
die Kardinalsymptome, an welchen diese Krankheitszustände er¬ 
kannt werden — Grund genug, um beim Auf- und Ausbau der 
Lehre vom Muskeltonus und seiner Abhängigkeit vom autonomen 
Nervensystem alles, was über ihre pathologische Physiologie und 
ihr anatomisches Substrat bekannt geworden ist, einer eingehenden 
Betrachtung zu unterziehen. 

Die Erschwerung der Bewegungen, die Rigidität der Mus¬ 
kulatur bei diesen Krankheiten, ist toto coelo verschieden von 
den Spasmen, die nach Schädigungen der Pyramidenbahnen auf- 
treten. Zunächst fehlen bei der Paralysis agitans und bei der 
Wilson’schen Krankheit die obligatorischen Attribute des Pyra¬ 
midenspasmus, also die zum Klonus gesteigerten Sehnenreflexe, 
die abnormen Hautreflexe (Babinski’s, Oppenheim’s Phänomen), 
das Erlöschen der Bauchdeckenreflexe. Aber auch die Art der 
Steifigkeit ist eine ganz andere: wir finden weder wie bei der 
spastischen Rigidität den heftigen Anfangswfderstand beim Ver¬ 
suche passiv zu bewegen noch die ruckweise erfolgende Steigerung 
des Spasmus bei brüsker Weiterführung der Bewegung; die 
Steifigkeit besteht, wie Oppenheim sagt, andauernd und gleich- 
mässig und setzt den langsam ausgeführten passiven Bewegungen 
denselben Widerstand entgegen wie den forcierten. Der Pyramiden¬ 
spasmus ist eben ein reflektorisch bedingter Tetanus; hier aber 
scheinen wir einem Beisptel übertriebener tonischer Anspannung 
zu begegnen, für welche der von Sherrington geprägte und 
von Langelaan aufgenommene Ausdruck „plastischer 11 Tonus 
ganz ausserordentlich bezeichnend ist. Aus dem Rahmen einer 
Pyramidenstörung fällt ferner die permanente Starre des Gesichts, 
die durch Steifigkeit (nicht durch Parese) bedingte Erschwerung 
des Sprechens und Sehlingens, sowie der dauernde Kontraktions¬ 
zustand der Beuger des Kopfes und der Rumpfmuskulatur. Auch 
dies erinnert viel eher an einen tonischen Zustand, wie er (wenn 
auch zum Teil in anderen Muskeln lokalisiert) etwa durch das 
Tetanustoxin erzeugt wird. Hervorzuheben ist endlich noch die 
eigentümliche Erschwerung der aktiven Bewegungen, die schein¬ 
bar ein Latenzstad iuln zwischen Willensimpuls und Beginn der 
Bewegung erkennen lässt; doch erklärt sich dieses Verhalten 
wohl aus einer an die Myotonie gemahnenden Nachdauer 1 ) der 
Kontraktion, die es unmöglich macht, prompt eine antagonistische 
Bewegung auszuführen, z. B. die geballte Faust zu öffnen oder 
die gerunzelte Stirn zu entfallen. Auf der Nachdauer der Kon- 


1) S. A. K. Wilson, Progressive lentikuläre Degeneration im Hand¬ 
buch der Neurologie, herausgegeben von Lewandowski, Bd. 5, S. 951. 
— Strümpell, D. Zsohr. f. Nervenhlk., 1915, Bd. 54, S. 207. . 


traktion beruht wohl auch das neuerdings bei der Pseudosklerose 
hervorgebobene Symptom der Adiadochokinesis 1 ). Hierher gebürt 
auch die sogenannte paradoxe Kontraktion Westphal’s, d. h. das 
Verharren des passiv dorsalflektierten Fusses in der ihm ge¬ 
gebenen Stellung. Stöcker*) hat übrigens einen sehr inter¬ 
essanten und wichtigen Fall von Hypertonie mit Tremor im 
Sinne der Wilson’soben Krankheit beschrieben, bei dem zunächst 
längere Zeit lediglich die typischen Erscheinungen der Myotonie 
bestanden. 

Alle diese Umstände machen es wahrscheinlich, dass wir es 
bei Paralysis agitans bezw. der Pseudosklerose nicht mit einer 
tetanischen Kontraktion des Fibrillenapparates, sondern mit einer 
übermässigen Tätigkeit des Tonussubstrates zu ton haben. Nach 
den Erörterungen des vorigen Abschnittes würde das kl einschlägige 
Zittern oder das lediglich eine Steigerung darstellende, auffällig 
regelmässige rhythmische Wackeln diese Vermutung wohl be¬ 
stätigen können. Ich möchte aber nochmals betonen, dass der 
Tremor nur Indikator einer gesteigerten Erregbarkeit des Sarko- 
plasmas ist, nicht etwa selbst durch eine Sa'koplasmazusammen- 
ziehung zustaudekommt Speziell vom Tremor der Paralysis 
agitans haben Bornstein und Sänger 8 ) Elektromyogramme auf¬ 
genommen, denen zu entnehmen ist, dass auf jeden einzelnen 
Zitterstoss 3—-6 elektrische Schwankungen kommen, dass also 
die Zitterbewegung eine ausgesprochen tetanisebe ist. 

Die Kriterien für die tonische Natur der Muskelsteifigkeit, 
die wir früher festgelegt haben, sind allerdings auf diese Krank¬ 
heitszustände noch nicht angewendet worden; es wird eine wich¬ 
tige, aber nicht ganz leichte Aufgabe sein, das Verhalten des 
Glykogens, der Phosphorsäure und des Kreatins in den rigiden 
Muskeln, sowie ihr bioelektrisches Verhalten zu untersuchen. 
Dass der Gesamtumsatz der Kranken trotz der andauernden 
Hypertonie keine Steigerung erfährt und dass die subjektive Er¬ 
müdung fehlt, haben Pfeiffer und Scholz 4 ) bereits fest¬ 
gestellt 5 ). 

Dem Symptomenkomplex des plastischen Hyper- ' 
tonus mit Tremor entspricht, wie uns die glänzende Entdeckung 
Wilson’s lehrt, eine engumschriebene Läsion des Zentralnerven¬ 
systems im Bereich der grossen Stammganglien, nämlich eine 
fortschreitende Degeneration des Linsenkerns, vor allem 
des Putamens, während die Capsula interna mit ihren 
motorischen Bahnen in allen reinen Fällen völlig in¬ 
takt ist. In den schwersten Fällen fand Wilson 8 ) eine völlige 
Erweichung und Aushöhlung des Linsenkerns, in anderen nur 
eine Schrumpfung; wieder andere liessen erst mikroskopisch den 
Ausfall der Ganglienzellmassen und der Nervenfasern mit starker 
gliöser Wucherung erkennen. F. H. Lewy 7 ) hat in typischen 
vorgeschrittenen Fällen von Paralysis agitans die ausgesprochensten 
Veränderungen ebenfalls im Linsenkern gefunden, allerdings meist 
lange nicht so hochgradig wie bei den jüngeren Individuen mit 
Wilson’scher Krankheit, aber doch durch starke Schrumpfung der 
Ganglienzellen, Veränderung ihrer Kerne, erhebliche Vermehrung 
der Gliakerne and reichliche Abbauprodukte der grauen Substanz 
längs der Wand der Gefässe hinreichend charakterisiert. 

Aus diesen Befunden folgt, dass ausser dem System der 
kortiko-spinalen Bahnen noch ein zweites, mit dem Linsenkern in 
Beziehung stehendes, motorisches System existieren muss, dessen 
Erregung oder Ausschaltung die eigenartigen motorischen Reiz- 
erscheinungen herbeizuführen imstande ist. Ich möchte aber noch 
einen Schritt weitergehen und zu begründen versuchen, dass diese 


1) Rausch u. Schilder, D. Zsohr/f. Nervenhlk., 1914, Bd. 52. — 
Strümpell, 1. o., S. 289. 

2) W. Stöcker, Zsohr. f. d. ges. Neurol. u. Psyoh., 1916, Bd. 82, 
S. 837. 

8) A. Bornstein u. A. Sänger, D. Zschr. f. Nervenhlk., 1914, 
Bd. 52, S. 1. 

4) Pfeiffer u. Scholz, zit.* nach H. Curschm&nn, Paralysis 
agitans, Handb. d. inn. Med. von Mohr - Stähelin, Bd. 5. 

5) Es sei hier bemerkt, dass, falls mit Hilfe der biochemischen 
Charakteristik und des Saitengalvanometers Unterschiede zwischen dem 
tetanischen Pyramidenspasmus und dem echten Tonus bei Paralysis 
agitans gesucht werden, dann nicht die Stadien sekundärer starker Kon¬ 
traktur gewählt werden sollten. Die sekundäre permanente Kontraktur 
bei Pyramidenbabnenläsionen (etwa nach Apoplexie oder bei amyo- 
trophischer LateraUklerose) ist wahrscheinlich myogen superponiert und 
lässt nach den Untersuchungen von Bornstein und Sänger keine 
Aktionsströme erkennen, ebensowenig wie nach Fröhlich und Meyer 
die durch Eingipsen erzeugte Fixationskontraktur. 

i 6) Wilson, 1. o. 

7) F. H. Lewy, D. Zscbr. f. Nervenhlk., 1918, Bd. 50, S. 50. 


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17..November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1093 


extrapyramidale Bahn zum autonomen Nervensystem zu 
rechnen ist, dass sie von efferenten Fasern vegetativer Zentren 
gebildet wird, deren Endigung schliesslich die akzessorische 
Faser von Boeke bezw. ein dieser gleichwertiges Formelement ist. 
Dieser Gedanke wird dadurch nahegelegt, dass die Bahn mit 
Funktionsäusserungen des Muskels in Beziehung steht, die wir in 
dieser Arbeit fortgesetzt als vom autonomen Nervensystem ab¬ 
hängig zu erweisen bemüht sind. Einen lückenlosen Beweis für 
meine Behauptung zu erbringen, wird vorerst noch nicht möglich 
sein, aber man wird .sehen, dass sich doch die Indizien klinischer 
und anatomischer Natur häufen. 

Klinisch muss folgendes zu denken geben: alle zusammen¬ 
fassenden Darstellungen der Paralysis agitans betonen neben den 
motorischen Phänomenen Reizerschrinungen im autonomen Nerven¬ 
system. Oppenheim 1 ) z. B. hebt hervor, dass die Kranken 
unter starken Schweissausbrüchen und abnormem Speichelfluss 
leiden. Curschmann 2 3 ) nennt vasomotorische, trophische und 
sekretorische Veränderungen häufige Begleiterscheinungen des 
Leidens. Er legt neben der starken Speichel- und Schweiss- 
sekretion besonderen Wert auf das konstante quälende Hitze¬ 
gefühl, das mit Erweiterung der Hautgefässe einhergeht. Nach 
Strümpell ist häufig die Temperatur der Haut erhöht, was wohl 
auf starke Vasodilatation schliessen lässt. Auch!) Tränenfluss, 
Supersekretion des Magens, Polyurie und Störungen der Blasen¬ 
entleerung sind gelegentlich beobachtet. 

Betrachten wir diese vasomotorisch-sekretorischen Begleit¬ 
erscheinungen der Parkinson’schen Krankheit genauer, so muss 
dem Kundigen auffallen, dass sie sämtlich als Erscheinungen 
einer Reizung im parasympathischen (kranial autonomen) Nerven¬ 
system aufzufassen sind. Bekanntlich haben die unwillkürlich 
arbeitenden Organe vielfach eine Doppelinnervation: zwei auto¬ 
nome Nerven treten sieb antagonistisch gegenüber, derart, dass, 
falls der sympathische Nerv (oder das Adrenalin) eine Funktion 
fördert, der parasympathische hemmend wirkt, und umgekehrt. 
Die Drüsensekretionen (Speichelfluss, Tränenabsonderung, Schweiss- 
produktion, Magensaftabscheidung) werden nun sämtlich vom Para¬ 
sympathikus bzw. vom Pilokarpin (PhysostigmiD, Cholin), welches 
die elektiven Reizsubstanzen des parasympatbischen Systems sind, 
im fördernden Sinne beherrscht. Ebenso ist die Dilatation der Haut¬ 
gefässe einer parasympathischen Erregung zuzuschreiben. Dazu 
kommt, dass das Physostigmin im Tierexperiment starkes, durch 
Kurare nicht aufhebbares Muskelzittern hervorruft 8 ), während 
andererseits das einzige Mittel, mit welchem sich der Tremor bei 
der Paralysis agitans beschwichtigen lässt, das die Endigungen 
der parasympathischen Nerven lähmende Hyoszin 4 5 ) ist 6 ). 

Wir wären also geneigt, eine parasympathisch-motorische 
Innervation der quergestreiften Muskulatur zu konstruieren, die 
allerdings in diesem Falle nicht als Antagonist der sympathischen 
aufzutreten scheint. Immerhin wirken die beiden Bahnen doch 
nicht ganz gleichsinnig. Das Adrenalin bzw. der Sympathikus 
macht setine] lsch tägigen Tremor und disponiert das Sarkoplasma 
nur zur tonischen Reaktion, steigert also nur seine Erregbarkeit. 
Der parasympathische Nerv ruft einen Tremor von geringer 
Schwingungszahl (4—5 Schwingungen in der Sekunde bei der 
Paralysis agitans) hervor und bewirkt tonische Kontraktion, wirkt 
also direkt erregend. Das sind immerhin Unterschiede, welche 
die Annahme zweier differenter myo neuraler Funktionen im 
Skelettmuskel begründet erscheinen lassen. 

Es ist nun sehr wichtig, dass auch die hirnanatomischen 
Befunde bei Wilson’scher Krankheit und Paralysis agitans mit 
der „Parasympathikustheoiie“ wohl in Einklang zu bringen sind. 

Die Zentren der autonomen Innervation werden neuerdings 
meist in das Grau der Zwischenhirnbasis verlegt. .Ich erinnere 
daran, dass Kar plus und Kr ei dl 6 ) mittels elektrischer Reizung 
von der Gegend des Infundibulums Pupillenerweiterung, Aufreissen 


1) I# Oppenheim, Lehrb. d. Nervenkrankh., 1908, Bd. 2, S. 1501. 

2) H. Curschmann, 1. ©., S. 934. 

3) Meyer und Gottlieb, Experimentelle Pharmakologie, S. 147. 

4) W. Erb, „Paralysis agitans“ in der deutschen Klinik im Anfang 
des 20. Jahrhunderts. 1901, Bd. 6. 

5) loh weiss wohl, dass die motorisoh-beruhigende Hyoszin Wirkung 
als zentral bedingt aufgefasst wird, aber es ist dooh bemerkenswert, 
dalB das Hyoszin eine Erschlaffung der Muskulatur schon bewirkt, 
während die Patienten noch bei Bewusstsein sind und Reize perzipieren 
und dass das Zittern bei einer Paralysis agitans erfolgreich Bohon durch 
Dosen bekämpft wird, welche überhaupt nicht notwendig narkotisch 
wirken. 

6) Karplus und Kreidl, Pflüg. Arch., Bd. 129, 185, 148. 


der Lider, Schweisssekretion und Konstriktion der Ohrgefässe 
hervorriefen, dass Aschner 1 ) durch Einstich in das Tuber 
cinereum regelmässig Glykosurie auslösen konnte. Auch die 
Wärmeregulation und die Fähigkeit, zu fiebern, welche ja durch¬ 
aus auf der Funktion sympathischer Zentren basieren, sind nach 
Krehl und Isenschmid 2 ), Citron und Leschke 8 ) an die In¬ 
taktheit der Regio subthalamica gebunden. Hier wird also auch 
der zentrale Ausgangspunkt der (in Abschnitt 2 betrachteten) 
sympathisch motorischen Bahn zu suchen sein, und es ist gewiss 
interessant, dass, zufolge einer Angabe Isenschmid’s, Kaninchen, 
bei welchen durch Zerstörung des ventralen Höblengraus des 
dritten Ventrikels die Wärmeregulation aufgehoben ist, auf Kälte¬ 
einwirkung nicht mehr mit Zittern reagieren. 

Gehen wir einen Schritt, weiter, so gelangen wir zu Zentral¬ 
apparaten, welche die autonomen Zentren des Hypothalamus in 
bestimmter Auswahl zu einheitlichen Akten, sozusagen zu Hand¬ 
lungen des vegetativen Systems zusammenordnen. Ich denke 
z. B. an die körperlichen Begleiterscheinungen der Affekte im 
Bereiche von willkürlicher Beeinflussung entzogenen Organen: in 
diesem Falle könnte es z. B. der Thalamus opticus sein, welcher 
die für einen bestimmten Affekt charakteristische Gruppierung 
vermittelt. 

Auch die Wärmeregulation ist solch ein einheitlicher Akt, 
und wenn wir mit H. H. Meyer 4 ) von einem Wärmzentrum 
sprechen, ist damit ein übergeordneter Apparat gemeint, welcher 
bei seiner Erregung Vasomotorium, Splancbnikusbahn zur Leber 
und sympathisch motorische Bahn zu den Muskeln zu gemein¬ 
samer Aufgabe zusammenfasst. Ein solches Zentrum liegt nun 
nach den bekannten Untersuchungen von Aronson und Sachs 
sowie Rieh et im Schwanzkern des Corpus striatum; dass von 
hier aus wirklich die Temperatur des Körpers reguliert wird, 
scheint aus den Versuchen von Barbour 6 ) sich zu ergeben, 
welcher bei lokaler Erwärmung der Fieberstichstelle Sinken, bei 
lokaler Abkühlung Steigen der Körpertemperatur beobachtete Und 
deshalb die Bluttemperatur selbst als den adäquaten Reiz dieses 
Zentrums bezeichnet. 

Für uns ist von besonderem Interesse, dass im Corpus striatum 
ein Zentralapparat nachgewiesen ist, der zu den autonomen 
Einzelzentren in der Regio subthalamica in engster Beziehung 
steht. Aber auch das erscheint von Bedeutung, dass nach Krehl 
und Isenschmid Abtrennung des Corpus striatum vom Zwischen¬ 
hirn die Wärmeregulation nicht aufhebt. 

Ist der Nucleus caadatus ein Gebiet, das engen Konnex xur 
autonomen Innervation unterhält, dann ist es nicht von der Hand 
zu weisen, dass auch in anderen Teilen des Streifenbügels, also 
im Linsenkern, solche Zentren zu suchen sind. Wir werden in 
dieser Auffassung nur bestärkt, wenn wir erfahren, dass als 
wichtiges Ergebnis der anatomischen Forschungen von Wilson 
bei seiner Krankheit, von Jelgersma 6 ) und F. H. Lewy bei 
Paralysis agitans die DegeUeration der Ansa lenticularis 
zu buchen ist, jener mächtigen Bahn, welche aus dem Linsenkern 
in die Regio subthalamica zieht. Und es wird schliesslich kein 
Zufall sein, dass nach F. H. Lewy einerseits ein grauer Kern, 
welcher der Ansa lenticularis anliegt, der sogenannte Meynert’scbe 
Kern der Substantia innominata, andererseits der sogenannte 
vegetative Vaguskern am Boden der Rautengrube (dem man sekre¬ 
torische Funktionen zuschreibt) die schwersten Zellyeränderungen 
aufweist. Auch dass Symptome einseitiger Paralysis agitans gerade 
bei Herden im Thalamus oder bei Prozessen an er tsprechenden 
Stellen der Hirnbasis mehrfach beobachtet [sind, verdient hier 
hervorgehoben zu werden. 

Wir würden schliesslich zu folgender Vorstellung gelangen: wir 
haben im Linsenkern eine oberste Instanz des Parasym¬ 
pathikus vor uns, welche den mechanischen Muskeltonus 
reguliert und somit das bedingt, was uns als Straffheit der Musku¬ 
latur ganz allgemein und als Dauerspannung bestimmter Muskel¬ 
gruppen (Kiefermuskeln, Kopfbalter, Rückenstrecker, Bauchmusku¬ 
latur) im besonderen entgegentritt. Dieser Muskeltonus wiederum 
kann nur als Teilerscheinung des protoplasmatischen Tonus über- 

1) B. Aschner, B.kl.W., 1912, Nr. 27. 

2) R. Isenschmid,'Med. Elin., 1914, Nr. 7, das. weitere Literatur. 

3) Gitron und Leschke, Verhandl. <L deutsch. Kongr. f. innere 

Med., 1913. ^ 

4) H. H. Meyer, Referat über das Fieber. Verhandl; d. deutsch. . 
Kongr. #innere Med., 1913. 

5) Barbour, Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1912, Bd. 70, S. 1. 

6) Jelgersma, zit. nach F. H. Lewy, Patbol. Anatomie der Para¬ 
lysis agitans in Lewandowski’s Handbuch der Neurologie, Bd. 8, S. 925. 


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1094 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr, 46. 


haupt aufgefasst werden, d. h. jener vom Begriffe der Vitalität gar 
nicht trennbaren Dauereinstellung der vegetativen Organe auf eine 
mittlere Funktionslage, wie sie etwa in Safifülle und Kolorit der 
Haut und im kontinuierlich leisen Strome der Drusensekretionen 
sich kundgibt. Fallen die Zügel fort, die vom Linsenkern durch die 
Ansa lenticularis zu den Einzelzentren im Hypothalamus führen, 
dann entwickelt sich ein ins Uebermaass verzerrtes Abbild des 
vitalen Tonus, eben jene allgemeine Rigidität der Muskulatur, 
Schwellung und Rötung der Haut und Steigerung der Speichel , 
Schwees , Tränensekretion. 

So erscheint uns das gesamte Corpus Striatum als eine Zen¬ 
trale des vegetativen Lebens, und wir verstehen, warum — mit 
Edinger zu reden — dieses grosse und uralte Ganglion schon 
bei den ältesten Fischen ebenso aussieht wie beim Menschen, 
während das Neenzephalon, das eigentliche Grossbim, noch 
bei den Vögeln ganz wenig entwickelt ist, und selbst bei vielen 
niederen Säugern vom Hirnstamm quantitativ öbertroffen wird. 

Doch ich will hier abbrechen, um nicht das Wahrscheinliche 
durch Belastung mit allzuviel Hypothetischem zu diskreditieren. 
Imdem zum erstenmal versucht wird, die Lehre von der autonom¬ 
nervös bedingten Tonusfunktion des Skelettmuskels in die Klinik 
einzufübren, konnte von einer abgerundeten Darstellung natur- 
gemäss noeh nicht die Rede sein; doch kam es vor allem darauf 
an, zu zeigen, dass die Klinik durchaus berufen ist, zu diesem 
Problem Stellung zu nehmen, ja, dass sie vermag, die noch 
stark umstrittene Anschauung vom Muskeltonus und seinen Be¬ 
ziehungen zum autonomen Nervensystem gewichtig zu stützen und 
neue Gesichispunkte für die Behandlung dieser neuen und inter¬ 
essanten Frage geltend zu machen. 


Bücherbesprechungen. 

Emil Abderhalden:- Die flriidlagen anderer Ersäbnag nad unseres 
Stoffwechsels. S. erweiterte und umgearbeitete Aufl. 166 Seiten. 
Berlin 1919. Preis 5,60 M. 

Die schnelle Folge der Auflagen beweist, dass das A.’sche Büchlein 
den Anklang gefunden hat, den es verdient, da es ausgezeichnet in die 
Ernährungslehre einfübrt. Es bringt alle Tatsachen von weiten Ge¬ 
sichtspunkten aus, ist flüssig geschrieben und weist auf das zurzeit noch 
Unbekannte und Strittige bin. Die neue Auflage ist etwas anders an¬ 
geordnet als die früheren, manches breiter ausgelührt und ist vermehrt 
um die neueren Untersuchungen über die Drüsen mit innerer Sekretion 
und deren Einfluss auf das Wachstum und die Entwicklung. E>n letztes 
Kapitel beschäftigt sich mit einigen praktischen Fragen. So über Nah¬ 
rungsrationierung. über Verbesserung der Volksernährung. Die speziellen 
Hinweise auf die Ernährungsverbältnisse im Kriege sind fortgefallen. 

_ A. Loewy. 


Huts Wintersteiir. Die Narkose, Moiogrsphiea aas dem tiesamtgehiet 
der Physiologie der Pflanzen and der Tiere. 2. Baud. Berlin 1919. 
Verlag von Julius Springer. 

Die Narkose ist ein Problem, welches nicht Dur den Pharmakologen, 
sondern auch den Physiologen wegen seiner Bedeutung für die allge¬ 
meine Physiologie in hohem Maasse interessiert. Es ist zu begrüben, 
dass der Rostocker Physiologe Winterstein, dem wir eingehende Unter¬ 
suchungen auf diesem Gebiet verdanken, in der vorliegenden Mono¬ 
graphie mit Sachkenntnis und Kritik die Frage der Wirkung der Nar¬ 
kotika und die vielen Theorien über den Mechanismus der Narkose be¬ 
leuchtet. Es werden lediglich rein wissenschaftliche Gesichtspunkte 
berücksichtigt und praktisch medizinische Fragen nicht berührt. Trotz-, 
dem kann das Buch nicht nur dem Theoretiker, sondern auch dem. 
wissensohaftlioh denkenden Praktiker zum Studium empfohlen werden. 


C. Bachem: Arzoeitherapie des praktischen Arztes. Zweite Auflage. 

Berlin 1919. Verlag von Urban & Schwarzenberg. 

Das schneller Vergriflensein der ersten Auflage (vgl. d. Woobenschr., 
1918, Nr. 36, S. *861) weist darauf hin, dass die Zusammenstellung B.’s 
in der Tat eine Lücke ausfüllt. Es fragt sich, ob der Verf. in seinem 
Bestreben, die neueren Medikamente zu berücksichtigen, doch nicht zu 
weit geht. Es werden allenthalben neben guten Präparaten, deren Ein¬ 
führung in die Therapie als ein Fortschritt anzusehen ist, auch solche 
Reklamepräparate genannt, welche lediglich aus merkantilen Gründen 
entstanden sind. Hier ist mehr Kritik am Platze. Der praktische Arzt 
lernt derartige Präparate meistens aus dem Anzeigenteil seiner medi¬ 
zinischen Wochenschrift kennen. Findet er sie auoh in einem wissen¬ 
schaftlichen Buch angeführt, so kann er leicht zu dem Glauben kommen, 
dass sie eise Bereicherung des Arzneisohatzes bedeuten und sie bei 
seinen Patienten anwenden. Wozu soll der Arzt z. B. Kepbgidol ver¬ 
schreiben? Nach den Angaben des Verf. (S. 74) besteht dieses Präparat 
aus 50pCt. Phenacetin., 3*2 pCt. Sal zylsäure und 5 pCt. Zitronensäure 
au Natrium uud Chinin gebunden. Will der Arzt diese Arzneimittel zu¬ 


sammen verordnen, so kann er sie in einem Rezept einfach kombinieren. 
Dass die Generation der Aerzte, die ein ordentliches Rezept schreiben 
können, im Ausaterben begriffen ist, beruht darauf, dass die Fabrikanten 
ihnen die Mühe des Nachdenkens beim Rezeptschreiben abnehmen. Der 
„moderne“ Arzt verordnet bei Agrypnie Gelonida somuifera (S. 99), 
bei Magenbeschwerden Gelonida stomachica. Sind diese erheblich, so 
würde er wohl Gelonida stomachica fortiora (S.231) verschreiben. Kohle 
in Form der Kompretten (S 228) Marke MBK (Merck, Boehringer, Kooll) 
sogar mit Silberfolie überzogen (Carbo sanguinis 0,1 Argent. obduct.) 
zu verordnen, ist wohl kaum richtig. Es liegt mir fern, den Verf. für 
diese Missstäode verantwortlich maohen zu wollen. Man darf ihnen nur 
nicht Vorschub leisten. Abgesehen von diesen kleinen Mängeln ist das 
Buch ganz brauchbar und erfüllt effenbar vollkommen seinen Zweck. 

Joachimoglu - Berlin. 


Julius Sekftz: Groadzüge der Beilquelleulehre uud ihre Auweuduug 
iu der äntlicheu Praxis. Wien 1919. Verlag von Moritz Perles. 
288 Seiten. 

Der Verf. hat sich in dem glänzend und anschaulich geschriebenen 
Kompendium zwei Aufgaben gestellt: 1. Eine Darstellung der wesent¬ 
lichsten Tatsachen zu geben, welche als wissenschaftliche Grundlage der 
Hei'q'jellenbehandlung angesehen werden können. 2. Die ihm am wich¬ 
tigsten scheinenden Richtlinien der praktischen Anwendung von Heil¬ 
quellen zu entwickeln. Beides ist ihm in vorbildlicher Weise gelungen. 
Besonders wertvoll sind die Kapitel über die Wirkungen einrelntr Heil¬ 
quellenbestandteile und den Witkungsmechanismns der wichtigsten Heil¬ 
quellengruppen. Das Buch gibt einen weiten Ueberblick über die 
Fortschritte, welche die wissenschaftliche Balneologie in den letzten 
Jahrzehnten vor dem Kriege gemacht bat and wird nicht unwesentlich 
dazu beitragen, das letzte Misstrauen zu überwinden, das ncch von 
wenigen der praktischen Anwendung von Heilquellenkuren entgegen¬ 
gebracht wird. Ein gutes Literaturverzeichnis und ein baineographi¬ 
scher Anhang vervollständigen das Buch, dessen Herausgabe durch den 
Krieg bedauerlicherweise verzögert wurde. Das Werk muss eine grosse 
Verbreitung finden, da kein spezieller Balneologe es wird entbeffftm 
können. Aber auch den praktischen Arzt wird sein Besitz vom barneo¬ 
logischen Schematismus befreien und ihm die rationelle Anwendung 
von Heilquellenknren ermöglichen. Kamin er. 


Corvelis Winkler-Utrecht: Opera oaaia. Tome sixi&me (Maaael de 
Neurologie, Tome 1 premiere parfie) Anatomie da eystäme ner- 
?eox; les appareils nerven de l’olfaetioa, de la Vision, de la sei- 
sibiliid göhdrale, da goftt. Haarlem 1918. Verlag de Erven Bohn. 
436 Seiten. Preis Fl. 11,30. 

Nicht einmal während des Weltkrieges haben die Holländer ihre 
internationalen wissenschaftlichen Beziehungen preisgegeben. So darf man 
sich nicht darüber wundern, dass die gesammelten Werke des 
bekannten holländischen Neurologen Winkler teilweise ins Deutsche, 
teilweise ins Englische, teilweise in Französische übersetzt, neu her¬ 
ausgegeben wurden bei Gelegenheit seines 25jährigen Amtsjubiläums. 
Sind diese 6 Bände nicht unverwerfliche Zeugen von Winkler’* Ar¬ 
beitskraft, Wink lei’s Ruf und Winkler’s Energie? Aber wer in der 
Gesohichte der heut ; gen Neurologie und Psychiatrie bewandert ist, wird 
sich darüber gewiss nicht wundern, dass seine Freunde und Verehrer, 
Standesgeno.ssen und Fremde sich zu dieser Herausgabe entschlossen haben! 
Vor uns liegt als 6. Band der von Prof. Dr. Viktor Willem (Gent) 
ins Französische übersetzte 1. Band des grossen Handbuches der Neuro¬ 
logie Winkler’s, welcher in holländischer Sprache Anfang 1917 im 
Verlag de Erven Bohn in Haarlem erschien. Dieser erste Teil enthält 
nur die Besprechung der Anatomie, des Nervensystems, der Sinnes¬ 
organe. des Geruchs, Gesichts, Geschmacks und der allgemeinen Sensibilität 
VAukler selbst bezeichnet ganz charakteristisch die Ausgabe dieses 
Nachschlagewerkes als „Einen Versuch zur Gruppierung in funktionelle 
Systeme der Wege und Zentren diverser Lokalisation, mit Hilfe welcher 
die diversen Sinneseindrücke sich in Reflexe umsetzen können“. Eine 
ganze Reihe vom Verf. selbst hergestellter meisterhaften Zeichnungen 
illustriert das Buch, das überall gekennzeichnet ist durch die Genialität 
der Auffassung und di'e Deutlichkeit der Darstellung dieses Meisters auf 
dem Gebiete der Anatomie des zentralen Nervensystems. 

W. Schuurmans - Stak ho von. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. w 

P. Kühl - Giessen: Das Blut der Haustiere mit neuen Methoden 
untersucht. I. Untersuchung des Pferde-, Ri■ der- nad Haadeklates. 
(Pflüg. Arcb., Bd. 176 H. 5 u. 6) Nach Hinweis auf die Fehlerhaftig¬ 
keit der älteren Methoden, handelt es sich im wesentlichen um Erythro¬ 
zytenzählungen und deren B^z'ehungen zu bämatotogischen Feststellungen 
des Hämoglobingehaltes. Hauptresultate: Die ermittelten Erythro- 
svthenzahlen sind niedriger als die von anderen Autoren gefundenen. 
Der mittlere Hämoglobineehalt eines Erythrozyten wird zum erstenmal 
genauer mit 18—19 bei Pferd und Riud, 24 beim Hund and SOx 10— u g 
beim Menschen gefunden. Bestätigt wird die früher sobon gefundene 
starke Lymphozytose beim Rinde gegenüber Pferd und Hund. Der 


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1095 


Berechnnngsexponent des Plasmas ist mit 1,3490 in Mittel bei allen 
3 Tieren recht konstant. Bio Einfluss der Geschlechter war nicht nach¬ 
weisbar. 

Kampffer Frankfurt a. M.: Bine neue Methole der intrakardialen 
DrackerhShang keim Kaltblüter (Frosch), ihre Ergebnisse und ihr 
Wert im Vergleich mit den älteren Methoden. (Pflüg. Arcb., Bd. 176, 
H. 5 u. 6.) Das Herz des kurarisierten Tieres bleibt in situ nach dem 
Engel ma>nn sehen Suspensionsverfahren. Die Injektion wird von den 
Lymphräumen der Schädelböhle aus vorgeDommen, die beim Frosch mit 
dem Innern des Herzens durch Vermittelung der Venen in Verbindung 
stehen. Die Einlaufmethode stellt ein Verfahren dar, das von der ge¬ 
wöhnlichen Belastung automatisch zur Ueberbelastung übergeht. Der 
Vorteil besteht in der Möglichkeit genauerer Datierung der Belastung. 
Resultat: Priraärwirkung ist dauernd Frequenzsteigerung mit Abnahme 
der Zuokungsgrösse, doch kommt auch das Gegenteil vor, was weniger 
auf Vaguswirkung beruht als rein mechanisch durch' die häufige Un¬ 
möglichkeit einer rasch verlaufenden steilen Zuckung des Herzmuskels 
zu deuten ist. Die Ausbeute an Arhythmien und Regelwidrigkeiten ist 
eine reichhaltige, die des Näheren im Origioal studiert werden muss. Die 
Methode ist vielleicht auch herzpharmakologisch zu verwenden. 

E. Abderhalden-Halle: Weitere Studien über die von einzelnen 
Organen hervorgebrachten Substanzen mit spezifischer Wirkung. H. Mit¬ 
teilung. (Pflüg. Arcb.,.Bi. 176, H. 5 u. 6.) Verf. gibt in längerer Ein¬ 
leitung eine Uebersicht über das neue Forschungsgebiet, das in engster 
Beziehung zu dem Problem der Wechselbeziehungen der einzelnen Organe 
zueinander mittels Fernwirkung der sogenannten „Inkrete“ steht. Es 
ist Aufgabe der Forschung, diese Stoffe aus ihren Biudungen zu isolieren 
und zu prüfen. Nach Mitteilung einer Reihe von etwas abseits stehenden 
interessanten Fütterungsversuchen an sich entwickelnden Insekten (z. B. 
Raupenstadium der Schmetterlinge) folgen die eigentlichen Versuche an 
Batracbiern über den Einfluss auf Wachstum und Entwicklung, 
speziell an Kaulquappen (6 Bildertafeln). 1. Schilddrüsensubstanz: 
starke Beeinflussung des Stoffwechsels und der morphologischen Verhält¬ 
nisse. II. Tbymussubstanz: Die Tiere wurden zum Teil Resen, 
zeigten Kugelform, mit veränderter Schwimmart. III. Hypophysen¬ 
substanz: Resultate nicht einheitlich. IV. Geschleohtsdrüsen- 
substanz: vielfach rascheres Wachstum ohne Aenderung der Meta¬ 
morphose. V. Nebennierensubstanz: Bildung eines Transsudates 
unter der Haut. VI. Plazentasubstanz: Ausserordentliche Be¬ 
schleunigung des Wachstums. — Bemerkenswert ist, dass sowohl die 
Organsubstanzen selbst als deren durch Hydrolyse gebildeten Piodukte 
wirksam waren, ein Beweis dafür, dass die wirksamen Stoffe einfacherer 
Natur sein müssen. Hasebroek. 

E.Laqueur-Gent: Ueber künstlich erzeugtes (osmotisches) Langei- 
tfdem und über Resorption in der LuDge. (M.m.W, 1919, Nr. 43.) 
Versuche an Katzen und Kaninchen ergaben, dass Einspritzung von 
Wasser oder isotonischer NaCl Lönung in die Trachea eine Flüssigkeits¬ 
anhäufung in der L'ing* erzeugt, Einspritzung von stark hypertonischer 
Lösung aber wie 70 pCt. NaCl- und 50 pCt. Traubenzuckerösung ein 
echtes (osmotisches) Oedem der Lungen. Mit letzterem geht zugleich 
eine Exsudation in die serösen Höhlen, besonders das Perikard, einher. 
Ebenso wie beim toxischen Ordern erfährt auch beim osmotischen das 
Blut eine Eindickung. Die klinischen Symptome sind gering, solange 
die Tiere in der Ruhe sind, erst bei Bewegung tritt erhebliche Dyspooe 
auf. Die Atemfreqienz wird gesteigert, die Atemliefe vermindert sich. 
Die nachweisbaren Kreislaufveränderungen sind als Erstickungssymptome 
aufzufassen. Die Resorption in der Lunge ist eine ausserordentlioh 
schnelle. Die Hauptmenge wird sofort, der Rest viel langsamer resorbiert. 
Die Oedemfltissigkeit setzt sich ziemlich schnell mit dem Blutserum ins 
osmotische Gleichgewicht. Die Resorption in der Lunge steht der von 
serösen Häuten sehr nahe. R. Neumann. 

J. von Kries - Freiburg i. B.: Ueber die Wirkung von Stromstitasen 
auf reizbare Gebilde, insbesondere den motorischen Nerven. (Pflüg. Arch., 
BL 176, H 5 u. 6) Zweck der Untersuchung ist, die Abhängigkeit der 
R-*izerfolge von Dauer und Stärke des elektrischen Stromes zu er¬ 
mitteln, als Teil der Aufgabe, die Reizerfolge als Funktion der 
Eiek trizitätsbeweguDg darzustellen. Die Arbeit bewegt* sich auf 
theor> tisebem Gebiet, bzw. demjenigen der ErreguDgsvorgäoge des moto¬ 
rischen Nerven und kann in einem kurzen Referat nicht wiedergegeben 
werden. Hasebroek. 

C. Dorno-Davos: Physik der Sobbcb- und Himnelstrablang. 
(Strahlentber., Bd. 9, H. 2.) Die Erdatmosphäre, welche aus Gasen in 
dauernder Luftströmung und chemischer Umsetzung (unter dem Einfluss 
des Ultravioletts) besteht, bewirkt eine selektive Absorption, die zur 
Umwandlung in andere Energieformen führt, und eine Extinktion — die 
diffuse Himmelstrablung. Daraus erklärt sir-h die Differenz zwischen 
dem „terrastrischen“ (in der Atmosphäre) nnd dem „extraterrestrischen“ 
Sonnenspektrum. Das erste hat etwa 17 pCt. mehr Ultrarot, 12 pCt. 
weniger sichtbares Spektrum und 4 pCt. weniger Ultraviolett. (Daher 
auoh das Farbenspiel von BlaugrÜD, Gelb, Gelborange und Rot der vom 
Zenit zum Horizont sinkenden Sonne.) Diese kosmischen Verhältnisse 
sind nicht ohne Einfluss auf die biologische Wirkuog der Sonnenstrahlen. 
So sind die Wärmestrahlung, die Helligkeitstrahlung und die ultra¬ 
violette von der Jahreszeit und Feuchtigkeit der Luft io verschiedenen 
Klimen abhängig. Zahlreiche Tabellen zeigen, wie der Jahresgang die 
verschiedenen Spektralbezirke fortlaufend ändert. So ist die Herbst¬ 
sonne viel reieber an Ultraviolett als die Frübjahrssonne; Vormittag und 


Naobmittag, klare und trübe Tage zeigen schon Schwankungen an. Dies 
ist von grosser praktischer Bedeutung, da es die bessere Ausnutzung 
der Sonoenonergie gestattet, die von Klima uod Jahreszeit abbäogt. • 

0. Bernhard-St. Müritz: Das photoeheBiiBche Klima, im beson¬ 
deren des Hochgebirges, in seinen Beziehungen zur Heliotherapie. 
(Strahlenther., Bd. 9, H. 2 ) Die Sounenlichtbebaudlung ist. kein Monopol 
dos Hochgebirges. Auch das Wüsten- und Steppenklima bietet vorzüg¬ 
liche Verhältnisse für die Heliotherapie; nur sollen dort die chemischen 
Strahlen in ihrer Wirkung schwächer sein. Demgegenüber sind See , 
Iosel- und Küstenklimen nicht zuletzt als Lichtheitfaktoren anzusehen. 
Direkte Lichtmessungen ergaben, dass das Sonnenlicht durch die Erd* 
atmospbäre ärmer an kurzwelligen Strahlen wird; das rote uod Wärme¬ 
spektrum verlieren weniger dabei. Je reiner und trockuer die Luft ist, 
desto grösser und dauernder die Liobtintensität. Innerhalb der Wende¬ 
kreise wird die Erde am besten belichtet, wobei die Liohtintensität und 
Wärmemenge vom A»quator nach den Polen hin abnehmen. Was das 
Hochgebirge speziell betrifft, so lässt sich mit Dorno der Satz auf- 
steilen, — dass der Hauptfaktor des Hochgebirges das Verhältnis seiner 
S 'onenstärke nicht nur zum Flat hland, sondern auch zum Schatten ist. 
Lufttemperatur und Wärmeintnnsität der Sonnenstrahlen differieren da 
gleich proportional der Seeböhe. Der Unterschied zwischen Schatten 
und Sonne in einer Höhe von 1800 m ist zehnfach so gross wie der im 
Meeresniveau. Für die Praxis kommen neben anderen Faktoren haupt¬ 
sächlich die Sonnenscheindauer und die Lichtintensität in Betracht. 
Beide sind klimatisch badiogt und. lassen sich empirisch messen. Was 
die für die Therapie wichtigen ultravioletten Strahlen betrifft, zeigte sich 
die Herbstsonne (namentlich August) von grösster Licht- und geringer 
Wärmeintensität. Da ausser den chemischen Strahlen auch die anderen 
Komponenten der Sonnenstrahlen therapeutisch wirksam sind, hält Bern¬ 
hard das Hochgebirge für die Trägerin all dieser Qualitäten. Von da 
aus berichtet er auch ü^er die günstigen Erfolge bei der chirurgischen 
Tuberkulose: von 1000 Fällen 858 geheilt, bei 0,8 pCt. Mortalität. 

F. Sohanz-Dresden: Liebt Bfid Liehtbehtad lang. (Strahlentber., 
Bd. 9, H. 2.) Allgemeine Betrachtungen über Licht und Lichtquellen, 
spezial! der „Höbensoone“, von der Verf. Tiber verschiedene biochemische 
Zersetzungsprozesse berichtet. Organische Stoffe können sich im Quarz- 
licht bis auf ihre Radikale und Elemeote spalten. Das Licht wirkt 
aber auch thermisch, und zwar setzt diese Wirkung die chemische voraus. 
Spezielle Untersuchungen an der Augenlinse zeigten, dass die ultra¬ 
violetten Strahlen im Laufe des Lebens die Sklerosierung des Linsen¬ 
kerns bedingen. Das Licht verwandelt leicht lösliche, dialysierte Eiweisse 
in schwer lösliche. Auf das Z^llpasma wirken die kurzwelligen Strahlen 
direkt ein, die langwelligen nur vermittelst Sensibilatoren, zu denen 
Verf. auch die Pigmente in der Haut der Tiere zählt Auf unseren 
Organismus wirkt das Licht aller Wellenlängen. Den Ueberschuss der 
Q larzlampen an Ultravio'ett hält Autor für einen Nachteil. Eine Licht- 
q teile mit gleich massigem Spektrum sei die zweokmässigste für die 
Therapie. Er empfiehlt daher die Aureo 1 lampe, welche jedoch der 
weiteren Vervollkommnung bedarf. R. Gassul. 


Pharmakologie. 

S. NeuBohloss-Budapest: Untersuchungen über die GawöhBBBg 
ai Gifte. I. Mitteilung. Das Wesen der Cbiniafestigkeit bei Protozoen. 
(Pflüg. Arcb., Bd. 176, H. 5 u. 6.) Die Versuche wurden an Para- 
maecium caudatum angestellt, die gegen Chinin sehr empfindlich 
sind, mit dem Schwellenwert töilicher Konzentration gleich 1:100 000. 
Es wurde die Möglichkeit einer Gewöhnung an steigende Konzen¬ 
tration bis zur Festigung gegen Giftwirkung festgestellt. Diese 
Festigkeit liess sich brechen duroh gleichzeitiges Hinzufügen von geringen 
— an sich unschädlichen — Mengen von Na 8 As0 3 , und zwar dadurch, 
dass die erworbene Fähigkeit, das Chinin zu zerstören, durch das 
Arsen gehemmt wurde. • Hasebroek. 


Therapie. 

A. Stühmet-Freiburg i. B.: Besteck zur intrayeBÖseB InjektioB 
BBdorcbsichtiger L#*ongeB. (M.m.W., 1919, Nr. 43) Um zu erkennen, 
ob man sich mit der Nadel in der Vene befindet, was bei der kaffee¬ 
braunen Farbe des Silbersalvarsans schwierig ist, bat Verf. an die 
Schreibersche Nadel eine kleine viereckige Schale als Tropfenfänger an- 
bringen lassen. Diese Nadel wird zusammen mit einer 30 com Rekord¬ 
spritze, graduiertem Lösungsgetäss und Rekordspritzenverschlussstüok als 
Besteck für intravenöse Injektion undurchsichtiger Lösungen von der 
Firma Horst in Freiburg, Kaiserstrasse, geliefert. 

E. F. Müller-Hamburg: Die Bedeutung des KaseiiB in der Milch¬ 
therapie. (M.m.W., 1919, Nr. 43.) Bemerkungen zu der Arbeit „Das 
Kasein als Heilmittel“ P. Lindig in Nr. 33 der M.m.W., 1919. Im 
Gegensatz zu L. hat der Verf. nicht nnr mit reinem Kasein, sondern 
auch mit den anderen isolierten Bestandteilen der Milch und sogar mit 
kaseinfreier Milch gute, dem Kasein ähnliche Wirkungen erzielt. Nach 
ihm bandelt es sich bei der parenteralen Zufuhr von Milch oder deren 
Bestandteilen nioht um spezifische Wirkungen bestimmter Faktoren, 
sondern um einen reinen Fremdkörperreis. R. Neu mann. 

H. Schäfer-Hamburg: Die Heliotherapie hei chirurgischer ?iler- 
knlose der Kinder. (Strahlenther., Bd. 9, H. 2.) Berioht über günstige 
Behandlung von tuberkulösen Kindern im Eppendorfer Krankenhaus 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1096 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


daroh nicht kombinierte Sonnenbestrahlungen. Die Rinder vertrugen die 
Kuren sehr .gut. In dringenden Faden wurden Resektionen gemacht 
und in den Wintermonaten zur „künstlichen Höhensonne“ Zuflucht ge¬ 
nommen. 

A. Bacmeister-St. Blasien: Ueber die Anwendung der Strahlen¬ 
therapie bei der menschlichen Lungentuberkulose. (Strahlentber., 
Bd. 9, fl. 2.) Als Grundlage und Voraussetzung für jede Strahlentherapie der 
menschlichen Lungentuberkulose soll die allgemeine individuelleklimatisch- 
diätetisohe Behandlung ev. die Hydrotherapie dienen. Nicht alle Fälle 
von Lungentuberkulose sind für die Sonnentherapie geignet. Fiebernde, 
destruierend - progrediente Fälle, sowie alle pneumonischen Formen 
vertragen die Reaktionen in ihren Lungenherden nach der Bestrahlung 
sehr schlecht und müssen erst vorbehandelt werden durch Gewöhnung 
des Körpers an Luft und Lioht. Bei der Sonnentherapie aehte man auf 
die genaue Dosierung. Das einfache Liegen in der Sonne ist unter Um¬ 
standen verhängnisvoll; mit 5 Minuten Bestrahlungsdauer soll man an¬ 
fangen und die dazu geeigneten Kranken an die Strahlen sich gewöhnen 
lassen. Die künstliche Bestrahlung, die aus klimatischen Schwierigkeiten 
angewandt wird, erreicht keineswegs in ihrem Einfluss die Wirkung der 
Sonnenstrahlen; sie besitzt aber aktiv immunisatorische Eigenschaften und 
bewirkt durch die erzeugte Hyperämie der Haut eine Entlastung der 
Lunge, was bei stationären und zur Latenz neigenden Fällen von Lungen¬ 
tuberkulose von günstigem Erfolg begleitet wird; Am wirksamsten ist! 
aber die kombinierte Strahlentherapie. Die Röntgenstrahlen 
gehören hier za I den mächtigen Heilfaktoren. Das tuberkulöse Granu- 
latioDsgewebe wird ja durch sie in Narbengewebe umgewandelt. Daher 
die günstigen Erfolge bei Drüsen-, Knochen-, Gelenk- und Weiehteil- 
tuberkulöse. Zu schneller Gewebszerfall nach Bestrahlungen kann 
schädigend auf den Gesamtorganismus wirken, und daher warnt Verf. 
vor Ueberdosierungen. An der Hand von Beispielen schildert Verf. die 
erfolgreiche Röntgen-Quarzliohtbehandlung. Die Kombinations- 
metbode bestand in 6 Q larzlämpenbestrahlungen und 8—10 Röntgen 
ä 47s—9 X mit nachfolgenden 6 Quarzbestrahlungen. Beigefügte Röntgen¬ 
aufnahmen von 8 Fällen zeigen ganz deutlich Schrumpfungen mit Auf¬ 
hellungen in den infiltrierten .Lungenbezirken nach den Bestrahlungen. 

R. Gassul. 

G. Spiess: Zur kombinierten Chemo- Bil Strahkstherapie bös¬ 
artiger Geschwülste. Mit einem Beitrag von F. Voltz: Ueber Seknndär- 
strahlentherapie. (Fortschr. d. Röotenstr., Bd. 26, H. 4 u. 5.) Voltz 
stellt fest, dass die von Sp. verwandte Goldlösung wohl imstande ist, 
eine therapeutisch verwertbare Sekundärstrahlung zu emittieren; der 
Sättigungsgrad der Lösung muss dann aber ein möglichst hoher sein. 
Das Optimum der Sekundärstrahlung wird bei einer möglichst homogenen 
PrimärBtrahlung der Halbwertschioht 8,5 mm Aluminium erreicht. Da 
die primäre Röntgenstrahlung eine sehr harte ist, ist dieselbe besonders 
zur Behandlung tiefliegender Gewebe geeignet, wo sie in dem hier ab¬ 
gelagerten kolloidalen Golde eine intensive Sekundärstrahlung zu er¬ 
zeugen imstande ist. Sp. glaubte nun durch Kombination der Gold¬ 
therapie mit der Röntgentherapie, und zwar durch Ausnutzung ihrer 
Sekundärstrahlung, gesteigerte Heilwirkung bei bösartigen Gesohwülsten 
zu erzielen. Zu greifbaren Resultaten ist er nicht gelangt; nennens¬ 
werte Sekundärstrahlung ist auf chemotherapeutischem Wege nicht zu 
erreichen. Sohnütgen. 

X. Wolff-Berlin: Die Behandlung der chronischen Malaria mit 
Röntgenstrahlen. (Strahienther, Bd. 9, H. 2.) In fünf schweren Fällen 
von chronischer Malaria wurde allein durch Röntgenbestrahlung der Leber 
und Milz eine völlige Heilung erzielt (vorläufig 10—17 Monate anfalls¬ 
frei). Die anderen Fälle sind ebenfalls sehr lange Zeit (ohne Coinin* 
darreichung) anfallsfrei erhalten geblieben. Der Einfluss der Bestrahlung 
zeigt sich erst nach 5—6 Sitzungen. Technik: Siederohr von 10 bis 
12 Wfhnelt, 450 F. Gesamtdosis (Intensimeter Fürstenau), 8 mm Alu¬ 
miniumfilter. Röntgenschädigungen wurden nicht beobachtet. 

S. Nordentoft-Dänemark: Ueber Röntgenbehandlnng von Gehirn¬ 
tumoren. (Strahienther., Bd. 9, H. 2.) 18 Fälle von Tumoren der Hemi¬ 
sphären und des Kleinhirns (mit negativem Wassermann) wurden mit 
Röntgenstrahlen behandelt und zum grossen Teil geheilt. 

• R. Gassul. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie* 

C. Hart: Pathologisch-anatomische Beobachtungen über die Tuber¬ 
kulose an während des Krieges seziertem Sektionsmaterial. (Zschr. f. 
Tbo., Bd. 81, H. 8.) Die Bearbeitung des im ganzen 601 Sektionen um¬ 
fassenden Materials ergab zwei wichtige Tatsachen. Die erste ist die 
verhältnismässig geringe Häufigkeit von Tuberkulosebefunden — im 
ganzen 85,6 p.Ct. Die zweite Tatsache ist das relativ zahlreiche Vor¬ 
kommen von frischen Infektionen, die sich duroh deutlich vorhandenen 
Primäraffekt und vielfach sehr erhebliche Drüsenaffektionen kenntlich 
maohte. H. Grau-Honnef. 


Innere Medizin. 

A. Adler-Zürich: Anhaltspunkte für die Prognosen Stellung der 
Lnngontnberknloso ans refraktometrlschen und viskosimetrischea 
Seramnntersnchangen. (Zsohr. f. Tbo., Bd. 81, H. 1.) Lungentuber¬ 
kulose führt zu einer — niohtspezifischen — Vermehrung des Serum- 
eiweisses und relativen Globulinvermehrung, die mit der Erkrankung 
fortschreitet. Die Bestimmung dieser Erscheinung hat eine prognostische 
Bedeutung. H. Grau-Honnef. 


P. F. Nigst-Bern: Ueber Osteochondritis dissecans, mit besonderer 
Berücksichtigung des Ladloff’schen Krankbeitsbildcs. (M.ra.W., 1919, 
Nr. 43.) Auf Grund der Beobachtung an 6 Fällen kommt der Verfasser 
zu dem Schlüsse, dass es eine spontane Osteochondritis dissecans im 
Sinne Königs und Ludloffs gibt Die Aetiologie, ob insbesondere ein 
Trauma erforderlich ist, ist noch nicht genügend geklärt, ebenso sind 
die Vorstadien der Krankheit noch unklar. Wir kennen nur den Aus¬ 
gang derselben, der darin besteht, dass Knochenknorpelstücke aus den 
sonst ganz intakten Gelenkenden losgelöst werden. Prädilektionsstelle 
ist der mediale Kondylus des Femur. Es ist nötig, beide korrespon¬ 
dierenden Gelenke zu röntgenen. ' 

L. Külz: Ueber die Notwendigkeit fachärstlicher Bchandlnag 
exotischer Krankheiten und deren Möglichkeit in Deutschland. (M. m. 
W., 1919, Nr. 43.) Die aus exotischen Ländern heim kehren den Soldaten 
haben uns teilweise exotische Krankheiten eingeschleppt. Vor allem 
bandelt es sich ihn Malaria und Dysenterie, deren Weiterverbreitung in 
der Bevölkerung vorgebeugt werden muss. Die Erkennung und Behand¬ 
lung dieser Krankheiten muss bei den damit unvertrauten Aerzten ge¬ 
fördert werden. Als Mittel dazu werden unter anderen vorgescblagen: 
Fortbildungskurse, Berücksichtigung im klinischen Unterricht, Aufsätze 
in Zeitschriften. Ferner müsste jedes Untersuchungsinstitut einen in 
den Tropenkrankheiten ausgebildeten Bakteriologen haben. Die Melde¬ 
pflicht müsste ein geführt werden. Ein gutes Merkblatt ist soeben von 
dem Münchener Institut für angewandte Zoologie herausgegeben worden. 

_,<■ R. Neumann. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

E. Stern-Hamburg: Der Begriff und die Untersuchung der „natfir- 
lichen“ Intelligenz. (Mschr. f. Paych. u. Neurol., Bd. 46, H. 9.) In An¬ 
lehnung an Lipmann meint Verf., dass neben der „theoretischen* In¬ 
telligenz eine „praktische“ in Betracht kommt, die io der psychiatrischen 
Untersuchung bisher vernachlässigt wurde. Gerade bei der Bestimmung 
der sozialen Verwendbarkeit Schwachsinniger ist diese Untersuchung 
wichtig. Verf. untersuchte mit „lebensferneren“ Aufgaben (wissentliche 
Prüfung) und „lebensnahen“ (unwissentliche). Der Ausfall der Prüfung 
fällt meist, aber nicht immer mit der der theoretischen Intelligenz zu¬ 
sammen. Die lebensnahen Aufgaben sind im allgemeinen leiohter als 
die lebensfernen. 

M. Grünthal-Berlin: Ueber Schizophrenie im Kindesalter. (Mschr. 
f. Psych. u. Nearol., Bd. 46, H. 9.) Verf. beschreibt mehrere Sohizopbrenie- 
fälle mit Beginn zwisohen 10 und 16 Jahre. Nur in wenigen Fällen 
handelte es sioh um eine auf einen Sohwaohsinn aufgepropfte Hebepbrenie. 

E. Loewy. 

Perthes-Tübingen: Ueber die Spontanheilung von Nervenschass- 
verletzongen. (M.m.W., 1919, Nr. 43.) Während bei einer Anzahl von 
Fällen die Restitution der Nerven schon früh im ersten Monat einsetzt, 
tritt diese bei den übrigen viel später, meist im 4.-6. Monat, auf. Die 
Ursache für diese Differenz liegt darin, dass die Regeneration bei den 
spät heilenden Fällen einer Degeneration der -Nervenfasern nachfolgt, 
während bei schneller Wiederherstellung die vorübergehend unterbrochene 
Leitung wiederhergestellt wird, ohne dass es zur Degeneration der Fasern 
gekommen ist. R. Neumann. 


Kinderheilkunde. 

Z. v. Bokay - Budapest: Ueber phlegmonös-skleröse Laryngitis 
im Ausrhlass an Influenza. (Jahrb. f. Kindhlk., 1919, Bd. 90, H. 2.) 
Kasuistik. 

A. Niemann - Berlin: Zum Keachbustenproblem. (Jahrb. f. Kindhlk., 
1919, Bd. 90, H. 2.) Eine Eeuchhustenepidemie, die . Bich an eine 
Grippebausepidemie ansobloss, gibt Verf. Anlass, neuerdings darauf hin¬ 
zuweisen, dass der Keuchhusten nicht durch einen spezifischen Infekt 
entsteht, sondern sich aus Anlass einer anderen infektiösen Erkrankung 
der Luftwege bei einzelnen Kindern entwickeln kann. Bei der Er¬ 
örterung der Frage, warum das typische Krankheitsbild des Keuchhustens 
bei bestimmten Kindern entsteht, lehnt Verf. den von Reyher an¬ 
genommenen Zusammenhang mit der Spasmophilie ab. Der Infekt 
müsse eine besondere Beziehung zum Husten haben, wie die Grippe. 
Vielleicht gibt es noch mehr Infekte, die durch eigentümliche Lokali¬ 
sation oder durch Verbreiterung der Hustenreizzone (Czerny) eine 
solche Eigenschaft gewinnen, wohl auch der, bei dem man den Bordet- 
Guyon-Bazillus findet. 

F. Weihe - Duisburg: Ueber den Wert der Schwellciwerlper- 
kussion bei der kindlichen Bronchialdrüsentnberknlvse. (Jahrb. 
f. Kindhlk., 1919, Bd. 90, H. 3.) Im Gegensatz zu anderen Autoren 
schätzt Verf. die Schwellenwertperkussion im Dienste der Diagnose der 
Bronchialdrüsentuberkulose hoch ein und hält sie gegenüber anderen 
Untersuchungsmethoden, speziell der Röntgenuntersuchung, für gleich¬ 
wertig. 

E. Slawik - Prag: Serologische and klinische Beiträge zur Kenntnis 
der Dysenterie der Säuglinge. (Jahrb. f. Kindhlk., 1919, Bd 90, H.3.) 
Gelegentlich einer Dysenterieendemie in der Findelanstalt in Prag an- 
gestellte Untersuchungen ergaben, dass im Blutserum gesunder Neu¬ 
geborener Ägglutinine nicht waohweisbar waren, und dass ein plazentarer 
Uebergang von Agglutininen von der Mutter ebensowenig atattfindet wie 
aus der Milch von Frauen, die selbst nach überstandener Ruhr Agglu- 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 





17. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1097 


tinine enthält. Dysenteriekranke Säuglinge bildeten, wenn sie nicht 
kaohektisch waren, schon in den ersten Lebensmonaten Agglutinine, 
ohne dass die Höhe des Agglutinintiters einen Schluss auf die Schwere 
der Erkrankung zuliess. Injektionen von roher Milch rekonvaleszenter 
Frauen nach Dysenterie steigerten die Agglutiniobildung, ohne den 
Krankheitsverlauf zu beeinflussen. 

Schott • Stetten i. R.: Ueher Hineitsflidang im Kindesalter. 
(Jahrb. f. Kiodhtk., 1919, Bd. 90, H. 3.) Bei 2200 Epileptischen und 
Schwachsinnigen fuhrt die Vorgeschichte in rund 24 pCt. unter den ur¬ 
sächlichen Beziehungen ein Hirn leiden aD, davon in etwa 57 pCt. Hirn¬ 
entzündung, 34 pCt. zerebrale Kinderlähmung, 5 pCt. Mikrozephalie. 
HirneDtzündung scheint eher Schwachsinn zu erzeugen als Epilepsie, 
besonders in den ersten 4 Lebensjahren; die-zerebrale Kinderlähmung 
zeigt grosse Neigung zur Epilepsie. Diese Epilepsien weisen im Verlauf 
keine grundlegenden Unterschiede gegenüber der gemeinen Epilepsie auf. 
Mikrozephalie und Hydrozephalie stehen zur Entstehung des Schwach¬ 
sinns im engeren Verhältnis als zur Epilepsie. 

R. Weigert - Breslau. 

H. Putzig - Berlin: Gonokokken-Otitis bei Säuglingen. fD.m.W., 
1919, Nr. 42.) Bei einem Säugling mit langdauernder Ohreiterung bei 
vorangegangener Blennorrhoe fanden sich im Ohr-Sekret, Gonokokken. 
Therapie: Spülung mit lproz. Protargol. Dünner. 

W. Knöpfelmacher - Wien: Rash bei Varizellen. (Jahrb. f. 
Kindhlk., 1919, Bd. 90, H. 3.) Im allgemeinen ist der Rash ein Initial- 
symptom oder häufiger Prodromalsymptom (Prodromalexanthem) der 
Varizellen. Bisweilen kommt er erst in den ersten Tagen der Vari- 
zellenerkrankung zur Beobachtung, ist dann aber von einem neuen 
Ausbruch von Varizellenbläschen gefolgt; bisweilen tritt er zugleich mit 
den Varizellen auf, Gleichzeitig mit dem Rash erfolgt zumeist das Auf¬ 
treten von Fieber (auch Schüttelfrost) und allgemeinem Krankheits¬ 
gefühl. Der Rash ist zumeist ein sehr flüchtiges (24 Stunden) 
Exanthem und nie von Schuppung gefolgt. Er sitzt im allgemeinen am 
Thorax und greift selten auf Gesicht und Extremitäten über. Seine 
Farbe ist zumeist bellrot oder rosarosig, seltener mehr saturiert, Beine 
Form selten morbilliform, zumeist skarlatina-ähnlich, bisweilen purpuri¬ 
form oder polymorph. Bei der scharlachartigen Form ist zur Differential¬ 
diagnose gegen Sobarlacherkrankung zu bemerken, dass die Zunge von 
den bei Scharlach charakteristischen Veränderungen stets freibleibt. 
Die Pathogenese des Rash ist noch vollständig unbekannt. 

R. Lange - Frankfurt a. M.: Zur Klinik der Sänglingsines. (Jahrb. 
f. Kindhlk., 1919, Bd. 90, H. 2.) Die Nierenerferankuogen der luetischen 
Säuglinge können spezifische sein. Die Nierensyphilis machte in den 
beobachteten Fällen Symptome der hämorrhagischen Nephritis; hei 
schweren Erkrankungen traten Oedeme auf. Die therapeutische An¬ 
wendung des Quecksilbers hatte keinen sichtlichen ungünstigen Einfluss 
auf die Nephritis, auch dann nicht, wenn sie nicht ganz sicher als 
spezifisch anzusehen war. Bei 18 pCt. der beobachteten kongOnital- 
]ueti8cben Säuglinge fand sich eine Anämie, die duroh Q leoksilber 
günstig beeinflusst wurde. R. Weigert - Breslau. 


Chirurgie. 

A. A.Friedländer-Freiburg: Hypnonarkose. (M.m.W., 1919,Nr.42.) 
Die Anschauungen Guekel’s über Suggestivnaikose in Nr. 35 der M.m.W. 
werden im wesentlichen bestätigt. Als unbedingte Forderungen hei der 
Anwendung der Hypnonarkose werden aufgestellt: 1. dass der Kranke 
über das Wesen der Narkose aufgeklärt wird; 2. dass die Hypnonarkose 
in einem vom Operationsraum getrennten Zimmer vorgenommen wird; 
3. dass ein tieferer Grad der Hypnose mit erhaltenem Rapport erzielt 
wird und 4. dass der Hypnotiseur die Narkose selbst durchführt oder 
während der Narkose für den Rapport sorgt. Als bedingte Forderungen 
werden angeführt, J. dass der Kranke einige Tage vor der Operation 
regelmässig zu der Zeit der beabsichtigten Operation hypnotisiert wird 
und 2. die eventuelle Ausbildung von Narkosespezialisten wie in England. 

E. Speer-Jena: Der praktische Wert der Suggestivnarkose. (M.m.W., 
1919, Nr. 42.) Bemerkungen zu der Arbeit Guckel’s iu Nr. 35 der 
M.m.W. Die Suggestivnarkose Guckel’s wird sich praktisch im wesent¬ 
lichen auf die Fälle beschränken, hei denen die Narkosemittel aus 
strengster Indikation heraus möglichst ausgesohaltet werden müssen. 
Beim Durchschnittsmaterial kommt man ohne mehrtägige Einübung und 
ohne beruhigende Mittel wie Skopomorphin vor der Narkose kaum aus. 

R. Neumanu. 

F. Stricker-Berlin: Erfahrungen über Tetanas während des Welt¬ 

krieges. (D.m.W., 1919, Nr. 39.) Die Behandlung mit Antitoxin hat die 
Sterblichkeit an Tetanus sehr erheblich eingeschränkt. Magnesiumsulfat 
für sich allein steht bezüglich der Heilerfolge gegen Antitoxin weit 
zurück. Mit Ein- und Durchführung einer Schutzimpfung im Feld nahm 
der Zugang an Tetanus in der Ht-imat bis zum vollständigen Stillstand 
ah. Erst mit der Märzoffensive 1918 gelangten von neuem Tetanusfälle 
zur Beobachtung, aber relativ spärlich. Dünner. 

G. Neu her-Kiel: Wandlungen der Wundbehandlung. (Arch. f. 
klm. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. Dr. 
Rehn gewidmet.) Historischer Rückblick. 

A. Schubert-Frankfurt a. M.: Malaria als Wnndkonplikation. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. 
Dr. Rehn gewidmet.) Es ist für die Wundbehandlung scharf zwischen 


plötzlichen, hoch fieberhaften Malariaanfällen, die sowohl hei frischer als 
auch auf dem Boden der chronischen Erkrankung Vorkommen können, 
und der ohronisch-latenten Form der Malaria zu unterscheiden. Bei 
dem akuten Malariaanfall ist der Parasitennachweis -leicht zu führen; 
auf Chinintherapie kehren die Wundveränderungen rasch zur Norm zu¬ 
rück. Die ohronisch-latente Form der Malaria maobt für die Diagnosen- 
stellung häufig allergrösste Schwierigkeiten; neben dem eventuellen 
Parasitennachweis sind die sekundären Blutveränderungen in Betracht 
zu ziehen. Bei der Auffassung der Malaria als einer chronisch rezidi¬ 
vierenden Infektionskrankheit mit Gegenwirkung von Giftbildung und 
immunisatorischen Vorgängen lassen sich die durch sie bedingten Wund¬ 
veränderungen am leichtesten erklären; exakte Diagnose und richtige 
Therapie voraus gesetzt, wird sich der schädigende Einfluss der Malaria 
auf den Wuodverlauf stets beseitigen lassen. 

E. Seitz-Frankfurt a. M.: Das Verhalten des Blatsnekers hei 
ehirnrgisehen Erkrankungen. (Arch. f. klin. Cbir., Bd. 112, H. 3 u. 4. 
Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Die vorliegende 
erste Mitteilung enthält Untersuchungen über die Bedeutung des Blut¬ 
zuckers für die Entstehung und den Verlauf von Staphylokokken¬ 
infektionen. Zur kurzen Inhaltsangabe im Referat nicht geeignet. 

Hay ward-Berlin. 

W. Weiland: Giykosnrie nnd Diabetes bei chirnrgisehen Erkran¬ 
kungen. (2. Mitteilung.) (Mitt. Grenzgeb., Bd. 31, H. 4.) Diabetes be¬ 
deutet für jeden chirurgischen Eingriff ernste Komplikation, so dass nur 
absolut notwendige Operationen in möglichst einfacher Weise ausgeführt 
werden dürfen. Am gefährdetsten sind unbehandelte Diabetiker, also 
auch in erster Linie solche Kranke, bei denen gelegentlich der Urin¬ 
untersuchung vor der Operation oder eben bei plötzlicher Komplikation 
erst der Diabetes bemerkt wird. Strengste diätetische Behandlung muss 
vor der Operation eingeleitet werden. Infektion (Karbunkel, Furunkel) 
und Gangrän bei Diaheteskranken sind keine spezifischen Erscheinungen; 
ihr Verlauf wird nur durch den Diabetes in entscheidender .Weise beein¬ 
flusst. Auch Extremitätengangrän der Diabetiker unterscheidet sich nicht 
von arteriosklerotischer Gangrän, sondern ihr bösartiger Verlauf ist flie 
Folge der geringen Widerstandsfähigkeit der Diabetiker. 

Th. Müll er-Augsburg. 

Kehl-Marburg: Eine Schlüsselbein- und Rippevschere. (M.m.W., 
1919, Nr. 43 ) Angafie einer Schere auf dem* Prinzip einer doppelten, 
zweiarmigen Hehelübertragung, analog der Arterienklemme von Zweifel 
und dem Darmquetscher von v. Eiseisberg undLanz, die sich bei der 
ersten Wund Versorgung von Knoohenbrüohen und Rippenresektionen gut 
bewährt. Die Schere wird in der Fabrik chirurgischer Instrumente von 
Holzhauer-Marburg hergestellt. R. Neumann. 

A. Bier-Berlin: Einiges ühör osteoplastische Anpntationsstiimpfe. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. 
Dr. Rehn gewidmet.) B. hat mehrfach erfolgreich den Kalkaneus aus dem 
Fusse bei Oberschenkelamputationen herausgeschält und auf den Ober¬ 
schenkelknochen nach entsprechender Herrichtung des Transplantats auf¬ 
gesetzt. Es haben sioh hierbei sehr tragfähige Stümpfe ergeben, 
namentlich da frühzeitig mit Stumpfmassage und Gehversuchen auf einer 
Behelfsprothese angefangen wurde. 

Wieting: Einiges zur Technik der Resektionen nid Amputationen. 
(Aroh. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn Geheirarat Prof. 
Pr. Rehn gewidmet.) Praktische Winke über die Iadikationsstellung und 
Ausführung der gebräuchlichen Resektionen und Amputationen. 

Hay ward-Berlin. 

Widowitz - Wien: 8ehaffiiig von Hantoberfläehenznwaehs dnreb 
den Hantepanner. Verb. d. Dtsch. orthop. Ges. (Zsohr. f. orthop. Chir., 
Bd. 38, Beilage-H.) Vorläufige Bekanntmachung mit einem als „Haut¬ 
spanner“ hezeichoeten Apparat, welcher dazu dient, eiöe Hautober- 
flächenvergiösserung zur Deckung von Hautdefekten zu schaffen. Auf 
eine Holswalze mit Klinkerrad und Schlüssel wird ein mit Mastix be¬ 
strichener FlanelJstreifen, der mit der benachbarten Haut in Ver¬ 
bindung steht, allmählich aufgerollt. An 5 Fällen wurde innerhalb von 
10 Tagen ein überraschender Erfolg erzielt. 

A. Schanz - Dresden: Die Wertigkeit der Ampntationsstümpfo. 
Verh. d. Dtsob. orthop. Ges. (Zschr. f. orthop. Chir., Bd. 38. Beilage-H.) 
Auf einem geeigneten Arbeitsplatz leistet der Amputierte soviel wie 
jeder andere, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist er nicht vollwertig. 
Es gibt Fälle, in denen Amputation der Funktion günstiger ist als Er¬ 
haltung. Verlust einzelner Zehen beeinträchtigt die Tragfähigkeit des 
Fusses nioht sonderlich, Verlust der Grosszebe bedingt Valgusstellung, 
Verlust aller Zehen schädigt die Fussfeder, Absetzung einer Längsseite 
des Fusses ist zu vermeiden. Exartikulation nach Syme ist dem Piro- 
goff noch vorzuziehen. Amputationen im Spongiosateil geben immer, 
im Röhrenteil nie tragfähige Stümpfe. Enukleation im Knie ist dem 
Gritti, welcher die vorteilhaften Kondylenausladungen opfert, vorzuziehen. 
Naoh S. geht der in der Hüfte Eiartikulierte besser als der Hocbam- 
putierte. Ellbogenaussohälung bietet günstige Befestigung für die Pro¬ 
these, kürzester Oberarmstumpf ist kosmetisch besser als Exartikulation, 
bei Absetzung im Handgelenk erscheint die Prothese zu lang, Finger¬ 
stümpfe und selbst der blosse Handteller bergen in sich noch gut aus¬ 
nützbare Bewegungsreste. 

Gocht- Dresden: Ueber den Begriff der Tragfähigkeit von Ampn- 
tationsslänipfen. Verh. d. Dtsch. orthop. Ges. (Zschr. f. orthop. Chir., 
Bd. 38, Beilage-H.) Nach Gocht unterscheidet man heute 1. trag- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


fähige, 2. belastungsfähige, 8. belastangsunfäbige Amput ationsstäropfe. 
Der tragfähige Stumpf trägt das Körpergewicht ohne Mithilfe höher ge¬ 
legener Stützflächen ohne objektive Schädigung und ohne subjektive 
Beschwerden; die belastungsiähige Stumpfsohle trägt nur mehr oder 
weniger mit, der Rest des Körpergewichts wird höher abgefangen; der 
belastungsunfähige Stumpf verträgt überhaupt kein Aufxtützen' der 
Stumpfsohle. Die Tragfähigkeit hängt so gut wie ausschliesslioh vom 
Knochen ab. Kriegsdiaphysenstümpfe sind so gut wie nie tragfähig. 

; B lenoke - Magdeburg: Ueber Stnnpfverbesseraagea. Verb. d. 
Dtsob. orthop. Ges. (Zschr. f. orthop. Chir., Bd.*38, Beiiage-H.) Die 
Stumpfbehandlung ist nioht damit abgeschlossen, dass die Wunde geheilt 
ist, vielmehr muss der Stumpf systematisch abgehärtet und für seine 
künftige Aufgabe, den\Körper zu tragen und die Prothese zu bewegen, 
erzogen werden. Dazu dienen Bäder, Massage, Lazarettbein, Geb- und 
Tretübungen, Pendeln, psychogene Stumpfgymnastik, Beweglichmachung 
der Kontrakturen, dürch Gewiohtszüge und portative Apparate, durch 
Redressements, Sehnen- und Kapseldurchschneidungen. Cbopart- und 
Lisfrankstümpfe neigen? zu Spitztussstellungen, auch beim Pirogoff ist 
die Gehfähigkeit nicht immer eine gute, Syme ist empfehlenswert. Für 
Stump f geschwüre empfiehlt sich die UmschneiduDg nach Nussbaum, 
die Hauteztension nach Zondek, die Brückenlappenplastik nach Haus 
und Röpke. Dm Knochenwuoherungen zu vermeiden, ist die Markböhle 
nnangetastet zu lassen und das Periost nur wenig zu kürzen. Bei 
Neuromen sind die Nerven erst abzuquetschen, dann zu durobsobneiden. 

Erlaoher - Graz: Operative StaaipfverbesseroBgea. Verb, d Dtsch. 
orthop. Ge 9 . (Zsohr. f. orthop. Cnir., Bd. 38, Beilage H.) Bei jeder Stumpf¬ 
operation ist die Nichteröffnung des Knochenmarks für den Wundverlauf 
von grosser Bedeutung. Bei Cbopart und ähnlichen Stümpfen gibt die 
Entfernung des Talus gute Resultate. Die einfache Periostdeckung des 
Stumpfendes hat Vorzüge vor der osteoplastischen Methode Bier’s. Das 
Wadenbein ist mit dem Schienbein gleich laog zu lassen, die Enden 
sind periostal zu verbinden. In 22 Fällen von subperiostaler Entfernung 
des Fibularestes wurde keine einzige Knievereiterung erlebt. 

' Muskat-Berlin: Stampfverbesseraag darch Maskelsehitiring. 
Verh. d. Dtscb. orthop. Ges. (Zsohr. f. orthop. Chir., Bd. 38, Beilage-H.) 
Bei den sehr kurzen Stümpfen * erweisen sich Falten zwischen Rumpf 
und Stumpf, in die etwas eingeklemmt werden kann, als vorteilhaft. 
Sohulterkontrakturen beruhen zum fgrossen Teil auf Spannungen des 
M. pectoralis, die Vortr. durch seine Pektoralissohnürung zu überwinden 
sucht. Die Schnürung wirkt einmal rein mechanisch, indem sie die 
Muskelkulisse verringert, dann durch den Hautreiz, indem die abnorme 
Spannung des Muskels beseitigt wird. 

Schanz -Dresden: Zur Tragfähigkeit der Aaipatatioasstfiapfe. 
Verh. d. Dtsch. orthop. Ges. (Zschr. f. orthop. Chir., Bd. 38, Beilage H.) 
S. vergleicht den tragenden Amputationsstumpf mit einer lasttragenden 
Säule, die aus Säulenkopf, Säulenschaft und Säulenfuss besteht. Wie 
der Techniker die Belastung, die auf die Flächeneinheit des Säulenfusses 
entfällt, berechnet, so lässt sich auch der Belastungsdruck auf den 
Qiadratzentimeter der Stumpfendfläche bestimmen. Die Ergebnisse 
dieser Berechnung stimmen mit den allgemeinen Erfahrungen über 
Tragfähigkeit der Stümpfe überein. Der Stumpf ist um so tragfähiger, 
je geringer die Belastung ist, die auf die Flächeneinheit des Stumpf¬ 
endes entfällt, und je besser der Säulenfuss ausgebildet ist. Die Reihen¬ 
folge nach der Tragfähigkeit lautet: Knieexartikulation, Syme, Pirogoff, 
Gritti, Oberschenkeidiaphyse, Untersohenkeldiaphyse. 

Könne - Steglitz. 

0. Stracker-Wien: Zur Korrektur rhachitisrfaer Beiaverkrfiai- 
amagen. (M.m.W., 1919, Nr. 42.) In schweren Fällen rbachitisohcr 
Beinverkrümmungen ist die Osteotomie nicht zu vermeiden. Bei unge¬ 
fähr V« aller Fälle aber, besonders im Anfangsstadiura, lässt sich infolge 
der Kalkarmut ein manuelles Redressement der Knochen ohne weiteres 
mechanisches Hilfsmittel erzielen. Die dabei in Narkose erziejte Stellung 
wird durch Gipsverband oder ausserordentliche Gipsseitensohiene fixiert. 
Der Verband muss 3—4 mal nach Verlauf von je 4 Wochen erneuert 
werden. Die Konsolidierung in dieser korrigierten Stellung wird durch 
Allgemeinmaassnahmen wie Ruhe, Luft und Licht, Kalzium und Phosphor 
unterstützt. Dieses schonende Verfahren erspart die Osteotomie und 
arbeitet der häufigen Skoliose entgegen. 

L. Böller-Bozen: Die faaktioaelle Bewegaagsbebaadlaag der 
„typischen“ Radiasbrttche auf anatomischer und physiologischer Grund¬ 
lage. (M.m.W., 1919, Nr. 42) Die Hauptpunkte der angegebenen Be¬ 
handlungsmethode sind folgende: Reposition des Bruches in Narkose. 
Dabei wird die Hand proniert, ulnar abduziert und volar flektiert. Danach 
wird die Hand in Dorsalflexion gebracht und, was »ehr wichtig ist, durch 
eine dorsal angelegte Schiene, die möglichst einen dorsalen und ulnaren 
Winkel hat, in dieser Stellung fixiert Die Hohlhand bleibt frei von 
Polsterung. Es wird sofort mit, wenn möglich, aktiven, sonst passiven 
Fingerübungen begonnen, nach 4—5 Tagen folgen Pronations- und 
Supinationsübungen, dann Strecken und Beugen im Ellbogengelenk. Die 
Schiene bleibt am besten 3 Wochen liegen. Die funktionellen Resultate 
sind sehr gute. B. Neu mann. 

E. Rehn* Jena: Zu den Fragen der Traa'plaatatioa, Regeaeratioa 
und ortseinsetzenden faiktionetlfH Metaplasie (Sehne, Faszie, Meta¬ 
plasie;. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 8 u. 4. Festschrift, Herrn 
Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet) Aus den experimentellen Unter¬ 
suchungen des Verf., die sich zum Teil mit den Untersuchungsergebnissen 
Bier’s über die Regeneration deoken, ergibt siob für die chirurgische 


Praxis das folgende wichtige Resultat: Durch Verpflanzung gestielter 
Gewebslappen gelingt es, eine Umwandlung dieser Gebilde zu erzielen, 
die den Bedürfnissen der Gewebe entspricht, an welche die Trans¬ 
plantation hin vorgenommen wird. An einer Reihe von Kranken¬ 
geschichten werden die Methodik und das Ergebnis dieser Transplanta¬ 
tionen erläutert und durch instruktive Abbildungen veranschaulicht. 
Als Beispiel mag hier die operative Beseitigung einer Narbei/bernie 
dienen: Zunächst wird die Narbe entfernt und wie gewöhnlich nach Er¬ 
öffnung der Bauchhöhle etwaige Netz- oder Darmadbäsionen gelöst. 
Hierüber wird das Peritoneum geschlossen und dann die erhaltenen 
ßauohdeckenschiohten vernäht. Zur Sicherung dieser Bauchdecken- 
absohnitte wird aus einem der beiden Wundränder, welche Haut, Unter¬ 
bautzellgewebe und Fett enthalten, ein Lappen geschnitten, der so gross 
sein [muss, dass er die gesamte narbig veränderte Faszienscbicht gut 
deckt. Die Basis dieses Lappens liegt von dem ursprünglichen Haut 
schnitt abgewendet. Nunmehr wird von diesem Hautlappen die Epi¬ 
dermis abgetrennt, über die schwache Stelle der Bauchmuskulatur 
herübergesogen und an seinen Enden mit einigen Nähten fixiert. Ueber 
diesem Lappen wird die Haut wieder geschlossen. Nachuntersuchungen 
ergaben,! dass sich aus der subkutan gelagerten Kutis und Subkutis ein 
der Faszie vollkommen analoges Gebilde entwickelt. Die Ausführungen 
des Verf. verdienen im Original genau studiert werden. 

A. Barth-Danzig: Ueber die Eatstehaag der freien Gelenkkörper, 
mit besonderer Berücksichtigung der arthritisehea Gelenkkörper. 
(Arch. f. klin. Cbir., Bd. 112, H. 2) Freie Gelenkkörper entstehen 
entweder durch ein Trauma oder durch Arthritis deformans. Die Lehre 
Axhausen's, der eine prftnäre Knorpeinekrose annimmt, wird abgelebnt. 

E. Gillert Berlin: Ueber ischämische Miskelkoatraktarea. (Arch. 
f. klin. Chir., Bd. 112, H. 2.) An der chirurgischen Klinik der Charite 
wurde in 3 Fällen von ischämischer MuNkelkontraktür am Arm der Ver¬ 
such gemacht, teilweise durch Neurolys», teilweise durch Exstirpation 
einer Handwurzelreihe, das Leiden zu beheben. Es gelang jedooh nur, 
einen partiellen Erfolg zu erzielen. 

F. Bode-Homburg v. d. H.: Grundlagen und Erfolge der Riad- 
flei8eh’»chen Vnrizeneperation. (Arch. f. klin. Cbir., Bd. 112, H. 3 u. 4. 
Festschritt, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Die spiral¬ 
förmige Umschneidung des Beines ,bei Varizen nach Rindfleisch hat 
siob dem Verf. gut bewährt. 

W. Körte-Berlin: Ueber Kriegsverletzungen der Arterim glataea. 

(Arch. f. klia. Chir., Bd. 112. H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn Geheimrat 
Prof. Dr. Rehn gewidmet.) K. hat im Kriege 9 Verletzungen der Arteria 
glutaea gesehen, die er im einzelnen ^beschreibt. Die Verletzung dieses 
Gefässes hat deshalb als besonders schwer zu gelten, weil es meist nicht 
möglich ist, die Blutung an der Stelle der Verletzung zu stillen, sondern 
weil man die Arteria bypogastrica typisch freilegen und unterbinden mnss. 

Hay ward-Berlin. 

G. B. Gruber und B. Werner-Mainz: Zur Frage der Unterbindung 

der Karetis und ihrer Folgen nafs Gehirn. (D. m.W., 1919, Nr. 41.) 
Die Unterbindung der Vena jugularis zugleich mit der Karotis vermeidet 
nicht immer die schweren Gehirnschädigungen. Man soll daher möglichst 
die Gelässnaht aasführen. Dünner. 

A. Bien oke-Magdeburg: Eia weiterer Beitrag zu den Kriegs- 
verletsaagea der peripheren Nerven. (Arch. f. klin. Cbir., Bd. 112, 

H. 8 u. 4. Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Be¬ 
richt üb*»r die Erfahrungen, welche der Verf. in über 1000 eigenen und 
fremden Verletzungen der Nerven während des Krieges hat sammeln können. 

S. Au erb ach-Frankfurt a M.: Ueber einige wichtige Fragen bei 
der Behandlung von 8fha*sverletziiDgei der peripheren Nerven. (Arcb. 
f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn 
gewidmet.) Wiedergabe von einer Reihe von Fragen, welche vom neuro¬ 
logischen Standpunkte aus sieb beim Studium der Sohussverletzuogen 
des Nervensystems ergeben haben, sowie der Beziehungen zwischen den 
neurologischen Untersuchungsresultaten und chirurgischen Befunden. 

R Eden-Jepa: Die* freie Transplantation der peripheren Nerven 
zum Ersatz von Nerven defekten. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. 
Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Die freie Trans¬ 
plantation peripherer Nerven ist experimentell und klinisch erprobt und 
als wirkungsvoll erkannt worden. Hierbei gebt das spezifische Nerven¬ 
gewebe des Transplantats zagrunde und dient als Brücke für die vom 
zentralen Ende her auswaöbsenden Nervenfasern. 

E. Rehn-Jena und R. Cob et- Greifswald: Ausgewählte Beiträge 
zu den SehsssverletiaagtB des Thorax and derea Folgea. (Aroh. f. 
klin. Chir, Bd. 112, H. 2.) Monographie über die im Felde erhobenen 
Befunde, unter spezieller Berücksichtigung der Diagnose der Infektion 
der Pleurahöhle. 

K. Propping-Frankfurt a. M.: Ueber den Blatgebalt der Paeamo* 
tborax lange. (Arcb. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn 
Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Aus den Ergebnissen der ex¬ 
perimentellen Untersuchungen geht' hervor, dass die Kollapslunge bei 
offenem einseitigen Pneumothorax weniger Blut enthält als die gesunde 
Lunge. Jedoch ist es nicht statthaft, diese Ergebnisse auch auf den 
geschlossenen Pneumothorax und vor allem auf die physiologische Ex¬ 
spirationslunge zu übertragen. Die vollkommene Erklärung der Wirkung 
des künstlioben Pneumothorax bei der Behandlung der Lungentuber¬ 
kulose ist bei der bisherigen Versuchsanordnung nooh nicht experimentell 
möglich gewesen. 


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17. November 1919. 


BRKLTNER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1099 ’ 


H. Nie den Jena: Zur ehirargischea Behandln* des Magen- aad 
Daodenalgeschwiirs, insbesondere Beobachtungen über Dauererfolge 
nach Pylorasahschnüriuig. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. 
Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Die Abschnürung 
des Pylorus mit autoplastischem Material und die Anlegung der hinteren 
Gastroenterostomie bat sich gut bewährt. Für diejenigen Fälle, in 
welohen eine sehr starke Peristaltik vorliegt, ist es zweckmässig, an 
Stelle der Abschnürung von der Ausschaltung des Pylorus nach v.Eiseis¬ 
berg Gebrauch zu machen. 

A. Eiseisberg-Wien: Zur Aassehaltaag des Magens durch die 
Jejoaostomie. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn 
Gebeimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Eine 29 Jahre alte Patientin, die 
im 9. Lebensjahre von Billroth wegen eines Echinokokkus der Leber 
operiert worden war (Eröffoung des Sackes, Füllung mit Jodoformglyzerin, 
vollkommene Naht), erkrankte unter den Erscheinungen der Pylorus¬ 
stenose. Es warde eine Gastroenterostomie ausgetührt, wobei es sioh 
auch zeigte, dass der Echinokokkus vollkommen verschwunden war. 
Kurze Zeit nach dieser Operation entwickelte sioh ein Ulcus pepticum 
jejuni, welohes durch Jejunostomie zur Ausheilung kam. la einem 
weiteren Falle von Linitis plastica wurde ebenfalls die Jejunostomie mit 
vollem Erfolg angewendet. 

W. Müller-Rostock: Beobachtungen über nmsrhriebeneae akut 
entzündliche Darmwanderkranknigen. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, 
H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) 
Interessante Kasuistik, die namentlich hinsichtlich der Schwierigkeit der 
Diagnose akut-entzündlicher Erkrankungen der Bauchhöhle Interesse bietet. 

H. Kloib er -Frankfurt a. M.: Die Rd'ntgendiagnose des Ileus ohne 
Koitrastmittel. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, 
Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Die Röntgenuntersuchung 
der mit der Diagnose Ileus in die Klinik eingelieferten Fälle hat einige 
wichtige Ergebnisse gezeitigt: Findet man bei der Aufnahme ohne vor¬ 
herige Verabreichung von Kontrastmitteln Flüssigkeitsspiegel mit Gas- 
blasen, so spricht das für die Diagnose eines Ileus. Form, Grösse, Lage 
und Zahl der FlüssigkePsspiegel lassen ein Urteil über den Sitz des 
Darmverschlusses zu. Die Untersuchung ist schnell auszutühren und 
vermeidet dadurch, dass keinerlei Kontrastmittel eingegeben werden, 
eine Belästigung und Gefährdung des Patienten. Hayward Berlin. 

R. Kositschona: Zur Kenntnis der Heniia barsae omentalis cnm 
prolapsa. (Mitt. Grenzgeb., Bd. 31, H. 4.) Beschreibung eines Bauch* 
situs. Durch einen Defekt in der hinteren Platte des grossen Netzes 
waren Dünndarmschlingen in die Bursa om. maj geschlüpft, sodann war 
es zur Dehiszenz des kleinen Netzes und Austritt der Schlingen ober¬ 
halb des Magens gekommen. Tb. Mül ler-Augsburg. 

Steiger-EsSbn: Der saprasymphysäre wage rechte Haitsehnitt bei 
der Operation des doppeltes Leistenbracha. (D.m.W., 1919, Nr. 40) 
St. empfiehlt die Methode als sehr zweckmässig. 

F. Brüning-Berlin: Akuter 11/118 als erstes Krankh«its<.ymptora 
bei Dfinndarmtaberkalose und Bemerkungen über die Taberkalose bei 
Mesenteri&ldräsen. (D.m.W., 1919, Nr. 40.) Mitteilung von zwei Fällen, 
bei denen eine tuberkulöse Darmerkrankung mit einem akuten Ileus ein¬ 
setzte, ohne dass vorher irgend welche Krankheitssymptome bestanden 
hatten. Bei einer Mesenterialdrüsentuberkulose machte B. eine partielle 
Exstirpation der Drüsen mit günstigem Erfolg auf das Fieber. Der 
Kranke starb später an einer Lungentuberkulose. Man muss bei der¬ 
artigen Operationen darauf aohten, durch zu zahlreiche GJässunterbin- 
dungen die Ernährung der Darm wand nioht zu sohädigen. Dünner. 

C. Meyer-Berlin: Heilung eines 16 om langen, durch Scbuss- 
verletzung gesetzten Harnröhreadefekts durch Mobilisatioa des Restes 
voa 8 cm and Vernäbneg an die Blase. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, 
B. 2.) Das Wesentliche der Arbeit wird durch den Titel wiedergegeben. 

C. Roh de - Frankfurt a. M.: Zur Pathologie und Chirurgie der 
Steiakrankbeit und der entziMliehea Prozesse der Oalleawege. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festsohrift, Herrn Geheimrat 
Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Eingehende Studie über die pathologisoh- 
anatomiscben und klinischen Erfahrungen, welche in den letzten 10 Jahren 
an der Reh naschen Klinik an 393 Fällen haben gesammelt werden 
können. 

F. Kleeblatt-Frankfurt a. M.: Beiträge zur Klinik und Patho¬ 
genese der Spleiomegalien, nebst Bemerkungen über die Therapie. 
(Arch. f. klin. Cnir., Bd. 112, H. 3 u. 4. Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. 
Dr. Rehn gewidmet.) Aus den Untersuchungen, die ao der Rehn’soben 
Klinik angestellt wurden, ergeben sioh folgende praktische Gesichts¬ 
punkte: Morbus Banti und Leberzirrhose sind als der Ausdruck der¬ 
selben Systemerkrankung des Leber-, Milz-, Kaochmarkapparates auf- 
zufaqsen. Eine genauere Indikationsstellung für die Milzexstirpation ist 
zurzeit nur für die Fälle mit starker Hämolyse möglich. Hier führt die 
Operation zu einem Dauererfolg. Bei den fibroadenischen Formen ist 
diese Operation in dem präaszitischen Stadium zu empfehlen, im End¬ 
stadium nur als Ultimo ratio dagegen angebracht 

A. Fromme und W. Frey-Göttiogen: Experimentelles zur Re« 
sorplioa voa Bakterien aus dem Peritoneam. (Äroh. f. klin. Chir.,* 
Bd. 112, H. 2.) Bei der Resorption voa Bakterien aus der Bauohhöhle 
spielt der Ductus thoracious eine bedeutende Rolle* Die Unterbindung 
dieses Ganges zur Verhinderung der Resorption ist nicht angezeigt, da 
seine Mündung in den Blutkreislauf nioht konstant nur duroh einen 
Gang erfolgt, und da er auf seinem Wege auch der Vena azygos und 


bemiazygos eine Rrihe feiner Aeste abgibt, welche bei einem dauernden 
Verschluss im Sinne von Kollateralen wirken würden. 

L. Drüner-Fischbachtal: Ueber die 8tereor$otgenographie aad 
8tereegrammetrie des Beekeas. (Arch. f. klin. Ccir., Bd. 111, H. 3 u. 4. 
Festschrift, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rehn gewidmet.) Die Bedeutung 
des Stereobildes für die Geburtshilfe wird an Hand einer grossen Zahl 
eigener Untersuchungen erläutert und duroh entsprechende Abbildungen 
veranschaulicht. Hayward-Berlin) 


Röntgenologie. 

J. F. Lilienfeld-Leipzig: Neue Eigenschaften der Röntgen 
Straklnng. (Fortsohr. d. Röntgenstr., Bd. 26, H 4 u. 6) Es wird eine 
neue Klassifikation der Brennfleckstrablungen gegeben. Für die sicht¬ 
bare graublaue Strahlung wird mitgeteilt, dass sie restlos parallel zur 
Brenn fleckebene linear polarisiert ist. Ferner, dass sie ein kontinuier¬ 
liches Spektrum besitzt, das dem eines auf äusserst hohe Temperatur 
erhitzten festen Körpers sehr ähnlich ist. Für die Röntgenstrahlung sind 
die nämlichen Eigenschaften nachgewiesen, nur dass bei ihr der gedachte. 
Polarisationszustand aus Gründen experimenteller Natur vorerst nur in 
den Ausser zonen besonders geformter BrenDflecke photographiert werden 
konnte. Zum mindesten ist ein Teil der Röntgenstrahlung keine Brems¬ 
strahlung, muss vielmehr auf einen regelmässigen Sohwingungsvorgang 
zurückgeführt werden. Einige Angaben über Struktur der Doppelschicht 
und die Art des in ihr stattfiadenden Sohwingungsvorganges. 

R G lock er-Stuttgart: Eine neue Messmethode zur Untersuchung 
der Zasammensetznng voa Rör genstrahlusgen. (Fortschr. d. Röntgenstr., 
Bd. 26. H. 4 u. 5) Nach einleitendem Ueberblick über die bisherigen 
Methoden zur Messung der Intensität und Härte wird eine auf dem 
Prinzip der Sekundärstrahlungserregung beruhende photographische Me¬ 
thode zur Untersuchung der Zusammensetzung von Röntgenstrahlungen 
angegeben und sodann eine quantitative Ausgestaltung dieses Verfahrens 
unter Benutzung einer Ioniuationsmessmetbode beschrieben. An zahl¬ 
reichen Beispielen Erläuterung der Anwendung der Methode. Nachweis, 
dass die neue Messmethode eine einfache Klassifikation aller Röntgen¬ 
strahlungen liefert und dadurch erhebliche Vereinfachungen auf dem Ge¬ 
biete der Diagnostik und Therapie in Aussicht stellt. 

A. Basch-Berlin Schöneberg: Ueber die direkte Herstellnag von 
positiven Röntgenbildern. (Fortsohr. d. Röntgenstr., Bd. 26. H. 4 u. 5 ) 
Durch Einführung des sog. Umkehrverfahrens, das geschildert wird, 
kann der Unterschied von „Negativ“ und „Positiv“ Wegfällen. Man hat 
dann nur noch „Positive“, „Originalbilder“ und die „Kopien“. 

Sobnütgen. 

K. Zoeliner-Berlin: Beitrag zum Verhalten des hämatopoetisehen 

Systems nnter dem Einflass von Strahlen (radioaktive Substanzen und 
Röntgenstrahlen). (Strablonther, Bd. 9. H 2.) Meerschweinchen wurden 
tödliche Dosen von Thorium X und Röotgenstrahlen verabreicht; die 
Untersuchungen des Blutes in beiden Versuchsreihen ergaben eine poly¬ 
morphkernige Leukopenie und sioh daran anschliessende Ly mph o- 
penie. R. Gassul. 

P. Köhler: Ueber die Kaocheaeatziindnng der Maskelarbeiter. 
(Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 26, H. 4 u. 5.) Bericht über einige Fälle 
der interessanten Krankheit von Patienten aus der deutschen Perlmuttpr- 
und Muschelwarenindustrie Adorf im Vogtlande. Genaue Schilderung 
der Krankheitsseichen und Erörterungen über das Zustandekommen der¬ 
selben. 

H. Gei gor-Charlottenburg: Ueber BadiamprttparatO: die Gefahr 
ihrer Beschädigung und deren Verhütung. (Fortschr. d. Röntgenstr., 
Bd. 26, H. 4 u 5) Anhaltspunkte dafür, wie Verlust und Beschädigung 
nach Möglichkeit vermieden werden können bzw. wie man am zweck- 
massigsten verfährt, wenn ein Radiumpräparat durch Bruch zu Schaden 
gekommen ist. Schnütgen. 

Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

0. Sinn-Bonn: Ueber Nearerezidive nach reiner Salvarsaa- and 
Silbersalvarsan brhandlnng. (A m.W., 1919, Nr. 43.) In 4 Fällen, die 
mit reinen Salvarsanpräparaten fAltsalvarsan, Neosalvarsan und Salvarsan- 
natrium) in Gesamtdosen von 2,4—4,1 g behandelt worden waren, stellten 
sich Neurorezidive ein. Deshalb ist diese Behandlung zu vermeiden und 
kombinierte Anwendung von Quecksilber und Salvarsan zu gebrauchen. 
Nach Silbersalvarsan wurde nur ein Neuroresidiz beobachtet, die Gefahr 
ist hier also geringer als bei reinem Salvarsan. Ob aber das Silber- 
salvarsan ebenso sicher die Neurorezidive zu vermeiden gestattet, wie 
die Hg-Salvarsanbehandlung ist noch nioht genügend bewiesen. — Seit 
1910 wurden ferner drei Salvarsantodesfälle durch Enzephalitis beob¬ 
achtet, dazu zwei durch Altsalvarsan, einer durch Silbersalvarsan. Nach 
Natrium- und Neosalvarsan fehlen solche Beobachtungen. 

J. H. Rille u. R. Frühwald-Leipzig: Die Behandlung der Syphilis 
mit SUbersalvarsaaaatriam. (M m.W., 1919, Nr. 43.) Es werden die 
Beobachtungen von 9ä Fällen mitgeteilt, die aus verschiedenen Stadien 
der Lues stammten. Die Einspritzungen erfolgten in 3—7 tägigen Inter¬ 
vallen; die Einzeldosen betrugen 0,2—0,4, die in 5—lOocm destillierten 
Wassers gelöst wurden. Es wurden 6—8 Injektionen mit einer Gesamt¬ 
menge von 1,6— 1,8 Silbersalvarsan gegeben. Die Einwirkung auf kli- 
nisehe und serologische Erscheinungen erfolgte schnell und rasoher als 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1100 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 46. 


bei der kombinierten Neosalvarsanbehandlung. Die Wirkung tritt bei 
fiel geringeren Dosen als bei anderen Salvarsanpräparaten ein. Da 
ausserdem das Präparat nur 2 /a des Arsengehaltes des Altsalvarsan hat, 
ist man bei der Neosalvarsanbehandlung weit unter den toxischen Dosen. 
Schwere Schädigungen wurden nicht beobachtet, nur trat nach der 
1. Iojektion meibt Fieber auf. R. Neumann. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

F: Munk-Berlin: Uebcr die Nephrose mit besonderer Berücksichti¬ 
gung der Sehwangerschaftsnephrose. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., Sep¬ 
tember 1919.) Nach kurzer Bet>prechung der verschiedenen Formen der 
Regeneration des Nierenepithels wird die Schwangerschaftsnephrose als 
lipoide Degeneration charakterisiert, die durch das Auftreten doppelt- 
brechender Substanzen im Urin gekennzeichnet ist. Der Verlauf der 
Lipoidnephrose, die ein gut charakterisierbares Krankbeitsbild bietet und 
etwa der chronisch-parenchymatösen Nephritis der früheren Autoren ent¬ 
spricht, wird geschildert. Therapeutisch ist im akuten Stadium der hohen 
Eiweissausscheidung und der starken Oedeme Bettruhe notwendig; in 
bezug auf die Ernährung ist das Wichtigste die Kochsalzbescbränkung; 
da eine Stickstoffretention nicht besteht, darf Eiweiss — auch in der 
Form von Fleisch — gegeben werden. Reine Milchdiät ist wegen der 
grossen Flüssigkeitszufuhr kontraindiziert. Bei starken Oedemen leistet 
die Bautdrainage gute Dienste. — Nach Ablauf des akuten Stadiums 
soll man die Patienten trotz noch bestehender Albuminurie nicht im 
Bett halten. 

O. Frankl-Wien: Ueber die noraale Lösung der Plazenta. 
(Mschr. f. Geb. u. Gyn., September 1919.) Auf Grund der Untersuchung 
von 2 Präparaten von Plazenta in situ nach AusstossuDg der reifen 
Frucht kommt F. zu der Anschauung, dass die normale Lösung der Pla¬ 
zenta erfolgt durch das E n9trömen einer grossen Blutmenge in die eben 
der Frucht entledigte Gebärmutter, wodurch Ruptur der ad maximum 
erweiterten, durch ihr Kaliber und ihre Lagerung zur Ruptur prädesti¬ 
nierten Spongiosagefässe und damit Zerreissung der Spongiosasepten zu¬ 
stande kommt. Nachwehen und Verkleinerung der Haftstelle sind nicht 
Ursachen der Ablösung, sondern deren zeitliche Folgeerscheinurgen. 

Koblanck - Berlin: Zur Behandlung der allgemeinen eitriges 
Wofhenb Ubaachfellentzündang. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., September 
1919.) Die Ausführungen stützen sich auf das Material der letzten 
12 Jahre, in welcher Zeit 136 Fälle operiert wurden, von denen 106 
starben, 53 nicht operiert wurden, von denen 5 genasen. Prinzipiell 
soll jeder Fall operiert werden; jedoch erscheint ein Eingriff von vorn¬ 
herein völlig aussichtslos, wenn die Bauchfellentzündung länger als 3 Tage 
besteht und wenn virulente Keime im Blut vorhanden sind. — Die Ope¬ 
ration ist möglichst einfach zu gestalten; die Entfernung der Gebärmutter, 
der Adnexe oder thrombosierter Gefässe ist zwecklos, ebenso mehr? 
fache Iazisionen. Die Bauchhöhle wird durch einen medianen Längs¬ 
schnitt eröffnet; ob Wegspülen oder Auftupfen des Eiters besser ist, ist 
bis jetzt unentschieden; verklebte Darmschlingen müssen gelöst werden. 
Das EingieBsen von Kampferöl soheint zwecklos. Die Wnnde wird breit 
tamponiert. — Von grösster Wichtigkeit ist eine sorgfältige Nacbbehand- 
lang. 

P. Math es-Innsbruck: Mutterschutz and Schwangerenfürsorge. 

(Mschr. f. Geb. u. Gyn., September 1919.) Es sind die bestehenden 
Organisationen für Mutterschutz auszubauen und unter staatliche Auf¬ 
sicht zu stellen. Auf dem Lande sind geeignete Hebammen auszubilden 
und als Bezirksfürsorgerinnen anzustellen. Alle Sobwangeren sollen 
folgender Einrichtungen teilhaftig werden können. Vor der Gehurt: 
Völlige Freiheit von Erwerbstätigkeit die letzten 6 Wochen vor der Ent¬ 
bindung; Gelegenheit zu unentgeltlicher ärztlicher Untersuchung; wenn 
nötig Aufnahme in Heime; unentgeltliche Badegelegenheit, leihweise 
Lieferung der für die Geburt notwendigen Wäsche und Gerätschaften; 
unentgeltliche Beistellung von Hebamme und Arzt resp. Aufnahme in 
Gcbäranstalten. Nach der Geburt: Gänzliche Freiheit von Erwerbstätig¬ 
keit während 8 Wochen; Stillunterstützung durch weitere 12 Wochen; 
Beisteilung einer Hauspflegerin resp. Aufnahme in Wöchnerinnenbeime. 
Zur Durchführung dieser Maassnahmen ist eine Neuregelung des Her 
bammenwesens Voraussetzung. Alle Mädchen haben Mutterschulen zu 
besuchen. Alle gewerblichen Betriebe sind daraufhin zu prüfen, ob die 
Arbeit in ihnen den weiblichen Organismus schädigt und wenn ja, ist 
Frauenarbeit ganz zu verbieten. Die Mittel zu diesen Einrichtungen sind 
durch eine allgemeine Mutterschaftssteuer aufzubringen. Fruchtabtreibung 
und präventiver Geschlechtsverkehr können durch diese Vorkehrungen 
nur indirekt bekämpft werden. Eine direkle Bekämpfung ist wenig aus¬ 
sichtsreich — höchstens kann die Reklame für Präventivmittel verboten 
und bestraft werden. . L. Zuntz. 


Augenheilkunde. 

A. Vogt: Beobachtungen an der Spaltlamp'e über eine normaler¬ 
weise den Hyaloidearest der Hinterkapsel umziehende weisse Bogen- 
liaie. (Graele’s Aroh., Bd. 100, H. 8 u. 4.) Die Bedeutung der Linie 
ist unklar. Wahrscheinlich handelt m sich um eine embryonale 
Bildung. Ihre Krümmung ist regelmässig, ihre Breite beträgt 0,02—0,6 mm. 
Anscheinend liegt sie an der Oberfläohe der hinteren Kapsel. Ihre Ge¬ 


nese bleibt dunkel. Auch bei Kaninchen und Hunden findet sie sich, 
liegt hier aber schlafenwärts. 

Igersheimer: Zur Pathologie der Sehbahn. IV. flesichtsfeld- 
verbessernng bei Hemianopikern (Graefe’s Arch , Bd. 100, H. S u. 4.) 
Durch Anbringung einer Spiegelvorrichtung an eine Brille vor das dem 
Gesichtsfelddefekte gleichnamige Auge gelingt es, eine totale Halbblind¬ 
heit in eine partielle zu verwandeln. Die Besserung lässt Bich durch 
binokulare Perimetrie nachweisen. Gewöhnung, d. h. richtige Lokalisation 
des Spiegelbildes tritt sehr schnell ein. Kurt Steindorff. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Olfizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 22. Oktober 1919. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Schriftführer: Herr Israel. 

Vorsitzender: Ijh habe die .Gesellschaft diesmal ungewöhnlich 
früh zur WmtertagUDg zusammenberufen und zwar aus verschiedenen 
Gründen: erstens haben unsere Ferien schon über drei Monate gedauert; 
zweitens sind so viele Vorträge aDgemeldet, dass'bereits für das ganze 
Wintersemester so ziemlich alle Tage besetzt sind, und dass ich die 
Wünsche, die mir von denjenigen Herren, die zuletzt Vorträge ange- 
meldet haben, in bezug auf die Zeit ausgesprochen wurden, wann sie 
auf die Tagesordnung gesetzt werden möchten, leider nicht in der Lage 
bin, zu erfüllen, da natürlich ältere Rechte den neueren Vorgehen. 

Ich habe aber noch einen allgemeineren Grund gehabt. Die Er¬ 
starrung — kann man fast sagen —, welche das Ende des Krieges mit 
den Waffenstillstands- und Friedeosbedingungen herbeigeführt hat, scheint 
mir allmählich sich zu löden, und die Ueberzeugung allgemeiner zu 
werden und in die Tat umgesetzt zu werden, dass uns nur Arbeit und 
Arbeit und immer wieder Arbeit frommen kann. 

Der deutschen Wissenschaft haben unsere Feinde nichts anbaben 
können; sie hat während des Krieges nicht gelitten, ist ungeschwächt 
aus ihm hervorgegangen; es wird also Aufgabe der Wissenschaft sein, 
in der Arbeit mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Berliner medi¬ 
zinische Gesellschaft hat ihre wissenschaftliche Tätigkeit auch während 
des Krieges so gut wie möglich aufrecht erhalten: nun aber sollte sie 
sich doppelt eifrig dieser Tätigkeit widmen und wissenschaftlich arbeiten. 
Damit wollen wir beute beginnen. ~" 

Ehe wir aber in die wissenRchaftlicne Arbeit eintreten, habe ich 
noch eine Anzahl geschäftlicher Mitteilungen zu machen. Zunächst ge¬ 
denke ich einer Reihe von Toten. Noch nicht beerdigt ist unser lang¬ 
jähriges Mitglied, seit 1889, Herr Geheimrat Brieger, der auch durch 
Vorträge und Eingreifen in die Diskussionen sich aktiv an der Tätigkeit 
der Gesellschaft beteiligt hat. Dann sind ferner verstorben: Herr 
Sanitätsrat Dr. Hayn, Mitglied seit 1905, Herr Sanitätsrat Dr. Lands¬ 
berger, Mitglied seit 18S2, und Herr Dr. Leubuscher, erst seit 1913 
Mitglied. 

Endlich haben wir auch ein auswärtiges Ehrenmitglied verloren in 
dem Anatomen Professor Retzius in Stookholm. Es wird um so mehr 
unsere Pflicht sein, seiner zu gedenken, weil gerade die schwedischen 
Gelehrten uns am meisten die Treue gehalten haben. 

Ich bitte Sie, sich zu Ehren der Verstorbenen zu erheben. (Geschieht) 

Ausgeschiedeu sind wegen Verzugs nah ausserhalb die Herren 1 
von Kaufmann, seit 1913 Mitglied, Rekzeh, seit 1914 Mitglied, und 
Regelaberger, der erst in diesem Jahre uns zugetreten war. 

Von freudigen Ereignissen habe ich mitzuteilen, dass Herr Geheimrat 
Dr. Karl Rüge I am 15. August das 50jihrige Doktorjubiläum ge¬ 
feiert bat, zu dem ihm gratuliert worden ist. Ebenso ist gratuliert 
worden Herrn G^heimrat Fürbringer, der am 7. August 70 Jahre alt 
geworden ist. Herr Geheimrat Fürbringer hat anläassich seines Ge¬ 
burtstages der Medizinischen Gesellschaft ein Geschenk von 1000 Mark 
überwiesen für einen beliebigen Zweck, über den der Vorstand noch 
weiter beraten wird. Ich darf für diese schöne Gabe wohl den be¬ 
sonderen Dank der Gesellschaft ausspreohen. 

Die Berliner Akademie hat mich gebeten, der Gesellschaft davon 
Mitteilung zu machen, dass von Mitgliedern und Beamten der preussiseben 
Akademie der Wissenschaften im Laufe des Winters eine Reibe von 
Vorträgen gehalten werden, deren Ertrag für wissenschaftliche Zwecke 
bestimmt ist: die Akademie wünscht, dass die Abhaltung dieser Vor¬ 
träge möglichst bekannt werde und dass recht viel Gebrauch davon 
gemacht werde. Ich lege eine Anzahl Programme, aus denen Art und 
Zeit der Vorträge zu ersehen ist, auf den Tisch des Hauses nieder. 

Vom Hohen zum Niedrigeren: Das Berliner Theater hat eine Reihe 
von Zetteln geschickt, auf die man zu halben Preisen bis zum 31. Oktober 
Einlasskarten zu den „Bettelstudenten“ bekommen kann. loh lege auch 
diese auf den Tisch des Hauses nieder. 

Tagesordnung. 

Hr. J. Muk: Die arterielle Bypertoaie ind die Herzhypertrophie 
als Krankheitsbegriff. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 


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UNIVERSUM OF IOWA 


17. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1101 


Ausspraohe. 

Hr. Strauss: Der Herr Vortrageode hat so zahlreiche Fragen io 
den Kreis seiner Betrachtungen gezogen, dass es im Rahmen einer 
kurzen Aussprache nur möglichst, zu wenigen dieser Fragen Stellung 
zu nehmen. 

Der Herr Vortragende hat mit grosser Kritik die theoretischen Auf¬ 
lassungen diskutiert, die dem Leiden zugrunde liegen, und hat mit Reoht 
gegen die exklusive Theorie eines nephrogenen Ursprunges der diffusen 
Sklerose der kleinsten Arterien des Körpers Front gemacht. In der 
Tat ist schon seit einer Reihe von Jahren von mehreren Seiten — und 
je mehr ich mich selbst in diese Fragen vertiefe, um so mehr trete auch ich 
den betreffenden Autoren bei — die Auffassung geäussert worden, dass 
man es bei dem vorliegenden Krankheitszustand mit einer System- 
erkrankung, d. h. mit einer Ausbreitung eines Prozesses zu tun hat, der 
nicht bloss bei den Nieren zum Ausdruck kommt. Bei den Sektionen 
findet man allerdings bei der überwiegenden Zahl der Fälle Ver¬ 
änderungen an den Nieren im Sinne einer präkapillaren Sklerose, im 
Sinne einer anatomischen Veränderung an den Vasa afferentia. Die Be¬ 
teiligung der Nieren ist aber nicht obligatorisch, und wenn auch in der 
Mehrzahl der Fälle bei den Sektionen Veränderungen gefunden werden, 
so ist doch aus dem sicher vorkommenden Fehlen solcher Veränderungen 
an den Nieren der Schluss gerechtfertigt, dass die Krankheit in einer 
Veränderung besteht, die mehr oder weniger Aehnliohkeit mit dem hat, 
was schon vor mehr als 50 Jahren Gull und Sutton beschrieben haben. 
Zur Aufstellung einer prinzipiell neuen Symptomatologie der Erkrankung 
liegt aber kein Anlass vor. Denn es wird der Hauptsache naoh nur 
etwas Bekanntes mit einem neuen Namen belegt. Seitdem namentlich 
durch die Forschungen und durch die Darstellungen von Friedrich 
Müller die Aufmerksamkeit in besonderem Grade auf die Arterioien, 
auf die kleinen Gefässchen, gelenkt worden ist, nennen wir eben die uns 
allen bekannten Krankheitsbilder der Arteriosklerose der inneren Organe, 
von weloher wir früher unterschieden haben eine kardiale, eine zerebrale, 
eine renale Form, eine abdominelle bzw. pankreatische Form usw., heute 
Arteriolosklerose dieser Organe. Dies möchte zu einer gewissen Beruhigung 
derjenigen gesagt sein, die da glauben, dass wir nun plotzlioji auch eine 
neue klinische Einteilung und Gruppierung der Erscheinungen auf Grund 
von Veränderungen in der genetischen und anatomischen Betrachtungs¬ 
weise vornehmen müssen. Ich sage dies, trotzdem nicht jeder Fall von 
Hypertonie durch eine anatomische Gefässveränderung bedingt ist, sondern 
zahlreiche Fälle nur funktioneller Natur sind. Die Symptome hängen 
aber mehr vom Ort als von der Art der Störung ab. 

Was die Aetiologie betrifft,, so sind m. E. grundsätzlich zwei Grupen 
zu unterscheiden, anatomisch fixierte und funktionelle Hypertonien. Man 
kann ferner permanente und transitorische bzw. intermittierende Formen 
unterscheiden. Gerade der Krieg hat uns noch viel mehr als früher 
Gelegenheit gegeben, uns davon zu überzeugen, dass es auch funktionelle 
Hypertonien mit hohen Blutdruokwerten gibt. Denn wie ist es anders 
als auf funktionellem Wege zu erklären, wenn ein akuter Nephritiker 
eine Reihe von Woohen hinduroh einen sehr hohen Blutdruck hat, und 
dass dann dieser hohe BLutdrack wieder verschwindet. Aber noch mehr. 
Wir haben gerade während des Krieges sehr intensive Spannungszustände 
im Nerven- und Seelenleben gesehen. So erinnere ich mich einer ganzen 
Reihe von jungen Männern in den zwanziger und dreissiger Jahren, die 
ich zu begutachten hatte und die bei der Untersuchung einen Blutdruck 
von 170 oder 180 hatten, aber bei einer mehrere Tage später vor¬ 
genommenen Untersuchung nur einen Blutdruck von 130 oder 140 auf¬ 
wiesen. Bei diesen Fällen hatte die seelische Spannung beim Akt der 
Begutachtung den Blutdruck auf dem Boden einer primären Labilität in 
die Höhe getrieben. Wer zahlreiche Fälle von Hypertonie klinisch zu 
behandeln Gelegenheit hatte, weiss ferner zur Genüge, dass es reoht 
viele Fälle .gibt, welche mit einem Blutdruck von 180 oder 200 in die 
„ Behandlung kommen, und die naoh mehrwöchiger Ruhe und lakto-vege- 
tabilischer Diät und einer auch sonst reizlosen Lebensweise auf 140 
bis 160 herabfallen. 

Ich will dabei hier garnicht von den krisenartigen Hypertonien sprechen, 
wie sie im Anschluss an gastrisohe Krisen, an Bleikolik usw. beobachtet 
werden können. Ich unterschreibe aber völlig, was Herr Munk über 
die Bedeutung der vasomotorischen Erregbarkeit für den hier zur Rede 
stehenden Vorgang gesagt hat. Ich halte es allerdings nicht für nötig, 
im vorliegenden Zusammenhang "noch^Vasotonien und Sympathikotonien 
zu unterscheiden, denn ich habe bei zahlreichen Untersuchungen gesehen, 
dass man für sehr zahlreiche Fälle mit der feineren Unterscheidung 
einer V^gotonie und Sympathikotonie praktisch nicht viel weiter kommt, 
als mflF der Feststellung einer vasomotorischen Erregbarkeit bzw. einer 
viszeralen Neurose. Jedenfalls spielt eine erhöhte vasomotorische Erreg¬ 
barkeit beim Zustandekommen von funktionellen Hypertonien eine grosse 
Rolle. Den rein neurogenen Formen darf man aber auch toxisch-neurogene 
gegenüberstellen. Zu letzteren rechne ich besonders diejenige Form, die 
bei der sekundären Schrumpfniere vorkommt. In bezug auf die bei der sekun¬ 
dären Schrumpfniere vorkommende Hypertonie halte ich aber an meiner 
sohon vor fast 2 Jahrzehnten geäusserten Anschauuog fest, dass nephrogen¬ 
toxische Momente als blutdruckerzeugender Faktor in Frage kommen. 
Diese Fälle legen es nahe, die Eatstehung der Hypertonie auch bei 
akuten Nephritiden in gleicher Weise zu deuten. Denn, wenn ich auoh 
gerne zugebe, dass bei den akuten Nephritiden auch die Gefässe der 
Haut und des Unferhautzellgewebes und sonstiger Gewebe mit erkrankt 
sind, bo istj^damit absolut nicht bewiesen, dass für die Entstehung 
der Hypertonie bei akuten Nephritiden die Erkrankung der Körper- 


gefässe entscheidend und die Funktionsstörung der Niere belanglos ist. 
Aber wie ich schon sagte, bin ich in bezug auf die Aetiologie kein 
Unitarist, sondern Pluralist, indem ich glaube, dass eine ganze Reihe von 
ätiologisch verschiedenartigen Momenten als Ursache in Betracht zu 
ziehen sind. Zu den auf chemischem Wege wirksamen Faktoren reohne 
ich u. a. auoh den Hyperthyreoidismus und auch andere innersekre¬ 
torische Ursachen. Nach dieser Richtung darf ich vielleicht einige Beob¬ 
achtungen bezüglich der juvenilen Hypertonie erwähnen, die ich als 
militärischer Gutachter zu machen Gelegenheit hatte. Sie betrafen junge 
Leute von 20 bis 80 Jahren mit Hochwuchs, der fast an Eunuchoidismus 
erinnerte, mit femininem Behaarungstypus, femininer Fettverteilung 
und hohem Blutdruck (160—180 mm Hg), bei welchen eine rasche 
Abnützung des Herzens schon bei massiger militärischer Inanspruch¬ 
nahme auftrat. Ich möchte ferner im Zusammenhang mit dem, was 
der Herr Vortragende über Beziehungen zu Einflüssen von seiten des 
Gesohlechtsapparates gesagt hat, noch einige weitere Beobachtungen bei 
Jugendlichen erwähnen, die mir selbst sehr auffällig waren, die aber 
vielleicht den Kinderärzten besser bekannt sind. loh habe im Laufe der 
letzten Jahre mehrfach junge Mädchen im Alter von 13 bis 14 Jahren, zur 
Zeit der beginnenden Geschlechtsreife, mit einem Blutdruck von 160 bis 
170 mm Hg, mit erregbarem Nerveusyatem und tiefer, in gewisser Be¬ 
ziehung an die Herz T sche Phrenokardie erinnernder Atmung gesehen, die 
nach Brom- oder Bromuralbehandlung bald wieder normalen Blutdruok 
gezeigt und auoh die Tiefatmung verloren haben.. Ursächlich ist hier 
an Momente zu denken, die in dem Pubertätsvorgang begründet sind, 
vielleicht an eigenartige Reflexe, oder an toxische oder auf chemischem 
Wege wirkende Faktoren, die von den Ovarien ausgehen. Jedenfalls 
hat man prinzipiell anatomisch fixierte und funktionelle Zustände aus¬ 
einanderzuhalten, und es ist besonders bedauerlich — das hat der Herr 
Vortragende ja selbst gesagt —, dass wir klinisch bei Dauerhypertonien 
meistens nicht in der Lage sind festzustelien, ob in dem konkreten Falle 
nur eine funktionelle Störung oder sohon eine anatomisch fixierte Ver¬ 
änderung vorliegt. Man darf wohl annehmen, dass Hypertonien, die ein 
Jahrzehnt oder noch länger gedauert haben, der Hauptsache naoh anato¬ 
misch fixiert sind, wenn ich auoh gern zugebe, dass auch in solohen 
Fällen funktionelle Momente superponiert sein mögen. Ich möchte aber 
doch sagen, dass die Erfahrungen, die wir in den beiden letzten Jahr¬ 
zehnten, seitdem wir Blutdruckuntersuohungen systematisch betreiben, 
gemaoht haben, uns zu einer entschieden optimistischeren Auffassung der 
Prognose der Hypertonie geführt haben, als dies früher der Fall war. 
Auoh ich habe eine Reihe von Fällen in Beobachtung, bei welchen ich 
vor mehr als 15 Jahren einen Blutdrucks wert von 160 bezw. 180 mm Hg 
festgestellt habe und es geht den Betreffenden auch heute noch gut. 
Sie sind im Berufe voll tätig. Ebenso machen uns auch die Beobachtungen, 
die wir über die Mitwirkung funktioneller Momente gesammelt haben, 
in bezug auf die Tnerapie etwas optimistischer und ich stimme dem 
Herrn Vortragenden völlig bei, wenn er meint, dass wir auch den be¬ 
ginnenden Formen von Hypertonie therapeutisch mehr Beachtung sohenken 
sollten und dass wir, da wir über entspannende Medikamente von sicherer 
Wirkung nicht verfügen — auch hierin trete ich ihm völlig bei — mit 
der Regulierung der gesamten Lebensweise, mit einer vorwiegend 
hygienisch diätetischen Entspannungstherapie — ich möchte hier dieses 
Wort im körperlichen und im seelischen Sinne gefasst wissen — schon 
ziemlich früh beginnen sollen. Wesentlich bleibt aber, wie ioh dies 
schon anderwärts mehrfach erörtert habe, stets die Behandlung des 
Grundleidens. Denn die Hypertonie ist in der Regel nur ein Symptom. 

Was die funktionellen Störungen von seiten der Nieren betrifft, die 
der Herr Vortragende hier erörtert hat, so gibt es eine ganze Reihe ver¬ 
schiedenartiger Formen mit zahlreichen Uebergängen. Wir dürfen uns 
nicht auf die Anfangsstadien und die Schlussstadien festlegen, sondern 
es gibt da reoht verschiedenartige Zustände, die aber, wenn man von 
der sogenannten malignen Sklerose als dem Finalzustand einer benignen 
Sklerose absieht, das gemeinsam zeigen, dass meist die Konzentrations¬ 
fähigkeit ziemlich gut ist und dass die Verdünnungsfähigkeit oft mehr oder 
weniger herabgesetzt ist, wenn es sich nicht gerade um Fälle ^handelt, 
die im Anfangsstadium sind? und bei welohen die Mitbeteiligung der 
Niere an der Systemerkrankung nur gering ist. Ich habe u. a. eine 
Reihe von Fällen erlebt, die sicher in die vorliegende Gruppe gehören, 
welche Männer im Alter etwa von 40 bis 50 Jahren betrafen, die mich 
mit recht mässigen Allgemeinerscheinuogen, d. h. mit etwas Herzdruck, 
Herzklopfen und allgemeiner Neurasthenie aufsuohten und bei der Nieren- 
funktionsprüfuog eine ausgeprägte Oligurie und eine starke Herabsetzung 
derVerdünnungsreaktion bei annähernd normalen oder nur wenig erhöhten 
Werten für den Reststickstoffgehalt des Blutes darboten. Es bandelte 
sich um Leute, die im Beruf voll tätig waren und keine Erscheinungen 
darboten, die für Stauungsniere sprachen. Einen Teil dieser Pat. habe ich 
schon 4 Jahre und mehr in Beobachtung und sie sind alle, zum Teil in 
sehr verantwortlichen Stellen, auch jetzt noch im Beruf tätig. Die Mit- 
beteiliguoi^-der Nieren in Form einer Nierensklerose kann also zu reoht 
verschiedenartigen Störungen bei Anstellung der Nierenfunktionsprüfung 
Anlass geben. Diese Störungen sind aber, wenn man von den rasch pro¬ 
gredienten malignen Sklerosen absieht, die ein ähnliches Funktionsbild 
darbieten, wie sekundäre Sohrumpfnieren, ziemlich relativ geringfügig, und 
gerade deshalb liegen auch die Gefahren der einfachen Nierensklerose 
nioht in der Richtung der Urämie, sondern entsprechend der Ausbreitung 
der Arteriolosklerose über den Gesamtkörper weit mehr in der Riohtung 
der kardialen Insuffizienz, der Apoplexie und sonstiger — insbesondere 
von seiten des Nervensystems kommender — Zufälle. 


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Original frnm 

UNIVERSITÄT OF IOWA 





1102 __ BERLINER KLINISC HE WOCHENSCHRIFT. _Nr. 48 


Hr. Plehn: Ich habe schon jahrelang vor dem Kriege angefangen, 
mich mit der Frage der Hypertonie za beschäftigen und kann bezüglich 
der Tatsachen ungefähr alles bestätigen, was Herr Munk ausgefübrt bat. 
Vor allem wichtig ist eben, dass eine, und zwar hochgradige Hyper¬ 
tonie vorkommt, ehe sioh irgendwelche anderen klinisehen Erscheinungen, 
sei es an der Niere, sei es sonstwo,' feststellen lassen. Was man beob¬ 
achtet, sind die Zeichen der Neurasthenie in ihren verschiedenen Formen. 

Was die Aetiologie anlangt, so steht es schon deshalb lest, dass 
anatomische Veränderungen, sei es im Gefässsystem, sei es an den Nieren, 
nicht nachweisbar zu sein brauchen, weil Väsotonien, auch wenn sie 
sioh über Monate und über Jahresfrist erstrecken, zurückgehen können, 
eventuell unter Hinterlassung!der Herzbypertrophie, wie durch Röntgen¬ 
bilder nachgewiesen werden kann. Es bestehen fliessende Uebergäüge 
von diesen Hypertonien zu den nephritischen Hypertonien, und ich 
möohte doch bezweifeln, ob die Veränderungen, welche gleichzeitig mit 
einer Nieren- oder Arteriensklerose.oder mit Veränderungen arteriofibröser 
Art in anderen Organen auftreten, auf die Hypertonie allein zurüok- 
zuführen sind, wie Herr Munk meint. Die Ursache für die Hypertonie 
ist letzten Endes „doch nephrogen. Wie ich an anderer Stelle mit dem 
betreffenden Material ausgeführt habe, durfte sie in einer funktionellen 
Exkretionsstörung der Nieren zu suchen sein, infolge deren, sei es von 
den Nebennieren, sei es von anderen Orgapen gelieferte tonisierende Sub¬ 
stanzen zurückgehalten werden. 

Sehr bezeichnend in diesem Sinne ist die Wirkung des Stellungs¬ 
wechsels auf den Blutdruck bei labiler Nierenfunktion. Wir sind im 
Krackenhause dazu gekommen, eine Funktionsprüfung der Nierentätig- 
keit in der Weise vorzunehmen, dass wir Leute, welche die Symptome 
einer akuten Nephritis verloren haben, und bei denen der früher ge¬ 
steigerte Blutdruck nun zur Norm zurückgekehrt ist, zur Probe 4 bis 5 bis 
7 Standen aufstehen lassen. Ist die Nierenfunktion noch nicht ganz 
wiederhergestellt, so steigt der Blutdruck am Ende dieser Zeit um 10 bis 
20 mm Hg und mehr. Keineswegs zu Anfang etwa infolge des Stellungs¬ 
wechsels, der gar keinen Einfluss beim Gesunden ausübt, wie auch wir 
festgestellt haben, sondern einer Funktionsstörung der Niere. Ich weiss 
nicht, wie man die Erscheinung sonst erklären soll. Legt man die Leute 
nachher eine Reihe voq Stunden, eventuell bis zum nächsten Morgen, 
wieder horizontal, dann zeigen sie wieder den alten niedrigen Blutdruck. 
Es ist ja möglich, dass den Hypertonien’verschiedene Ursachen zugrunde 
liegen. Aber ich glaube, es besteht kein Hindernis, sie sämtlich auf 
Funktionsstörungen der Nieren zurückzu führen, auch wenn anatomische 
Veränderungen sioh nicht oder noch nicht nachweisen lassen. 

Was die Bewertung des Grades der Hypertonie anlangt, so darf 
man da zweifellos nicht zu streng urteilen, ich möchte doch Bedenken 
tragen, einer Hypertonie von 160 bei einem Manne von über 40 oder 
50 Jahren eine wesentliche Bedeutung beizumessen. Aber viel wichtiger, 
weil konstanter als der sogenannte Maximaldruck, ist der Minimaldruck. 
Ein konstanter Minimaldruck von 90 ist doch schon verdächtig und 
ernstere Bedeutung kommt dauernder Erhöhung auf 100 und datüber zu. 

Aetiologisch bin auch ich nicht in der Lage, weiteres mitzuteilen. 
Einen gewissen Eir fluss scheint — das konnte man im Frieden beob¬ 
achten — starke Fettleibigkeit auszuüben; mit deren Beseitigung ging 
auch die Hypertonie zurück. 

Was die Behandlung anlangt, so halte ich es'für wichtig, die aul¬ 
rechte Haltung duroh längere Ruhepausen zu unterbrechen. Sicher ist, 
dass selbst hochgradige Hypertonie jahrelang ohne Rückwirkung auf 
das Allgemeinbefinden und ohne nachweisbare Organscbädigung — die 
Arbeitshypertrophie des Herzens möchte ioh als eine solche nicht ohne 
weiteres betrachten — fortbestehen kam). 

Hr. Zuelzer: Zur Beurteilung der Hypertonie und besonders zur 
Beurteilung der Wirkung der gleich zu besprechenden Therapie erscheint 
auch mir der Minimaldruck von grosser Bedeutung. Bei der Begrenzung 
des zur essentiellen Hypertonie gehörigen Gebietes ist Herr Munk viel¬ 
leicht etwas weitherzig gewesen. Bei dem ausführlich geschilderten Fall 
bestanden Zeichen von Nephritis, Glykosurie und Klimakterium; jedes 
dieser drei Momente kann eine Hypertoph% bervorrufen; die Glykosurie, 
indem die sie hervorrufende Adrenalämie nach der von mir aufgestellfen 
Diabetestheorie und in Uebereinstimmung mit der eben geäusserten An r 
sicht auch den Blutdruck erhöhen muss. Bezüglich des Klimakteriums 
sind ja höchstwahrscheinlich endokrine Drüsen, die duroh Ausfall der 
Eierstockssekretion das Uebergewicht gewinnen, die Ursache des erhöhten 
Blutdrucks; solange man sie aber nicht genauer kennt, igt es wohl ge¬ 
rechtfertigt, trotz dieser Annahme diese Blutdrucksteigerung als essen¬ 
tielle zu betrachten. 

Die Basoh’sohe Annahme einer Kontraktion der kleinsten Gefässe 
als letzte Ursache der Hypertonie scheint auch mir die wahrschein¬ 
lichste. Auf dieser Annahme habe ich die Behandlung mit einem neuen 
geiässentspannenden Mittel aufgebaut. Sie werden sich erinnern, dass 
seiner Zeit einmal ein Hormonalpräparat zu Kollapsen, d. h. zu Gefäss- 
entspannung, geführt hatte; diese Präparatnummer war durch ein (heute 
nicht mehr mögtiches)J r fabrikatorisobe8 Versehen mit Albumosen ver¬ 
unreinigt gewesen; ich habe nun versucht, die AlbumoBen zur willkür¬ 
lichen Gefässentspannung zu verwenden, was aus vielen Gründen nicht 
anging. Schliesslich gelang es, in dem Eiweiss avirulenter Bakterien 
den geeigneten Stoff zu finden; eine solche entsprechend behandelte, 
dosierbare Koliaufschwemmung wird in Gelatine eingebettet, deren Fest¬ 
bleiben jede Verunreinigung ausschliesst. Dieses Präparat — Depressin 
— wird in 6 verschiedenen Stärken intramuskulär iqjiziert und bewirkt 


in den Fällen von reiner, alsp nicht primär nierenskleroliscber Hyper¬ 
tonie eine allmählich im Laufe von 24 Stunden etwa sich vollziehende 
Blutdrucksenkung; kontinuierlich angewandte Depressionjektionen können 
zu sehr ansehnlichen und anhaltenden Blutdrucksenkungen führen. Das 
gleichzeitige Sinken des diastolischen Blutdrucks lässt die eigentliche 
Wirkung des Depressins als Lösung eines Krampfzustandes der kleinsten 
Gefässe erscheinen. 

Hr. Max Rosenberg: loh möohte Ihnen nach dem grossen Material 
der D mb ergehen Abteilung im Krankenhaus Westend zunächst über 
das von Plehn heute zur Prüfung empfohlene Vasotonin berichten, das 
wir seit zwei bis drei Jahren in einer grösserep Reibe von Fällen ange¬ 
wandt, immer wieder aufgegeben haben und, weil es immer wieder emp¬ 
fohlen wurde, von neuem eingestellt haben und von dem wir nicht die 
allergeringsten Erfolge gesehen haben. 

Was das Zustandekommen der Hypertonie anlangt, so glaube ich 
auch, dass man nicht auf die Nierenarterien allein den ausschlaggeben¬ 
den Wert legen muss, wenn wir auch in fast allen zur Sektion ge¬ 
kommenen Fällen dieser Art eine erhebliche Arteriosklerose der Nieren 
feBtstellen konnten. 

Eine besonders grosse Rolle spielt die Nierenerkrankung unseres 
Erachtens bei den jugendlichen Formen der Sklerose, die ziemlich selten 
beobachtet werden. Wir haben unter Hunderten von Hypertonien, die 
wir in den letzten 6 Jahren verfolgt haben, nur vereinzelt, etwa 10 bis 
12 Fälle von Hypertonie bei Jugendlichen zwischen 25 und SO Jahren 
gesehen. Diese Fälle bieten meines Erachtens ein ganz anderes klini¬ 
sches Bild, als die Hypertonie in höherem Lebensalter. Es handelt sich 
auch hier selbstverständlich um sogenannte essentielle Hypertonie, bei 
der keine akute oder chronische Nephritis als Ursache der Blutdruck¬ 
steigerung vorliegt. Diese Fälle sind hauptsächlich charakterisiert durch 
ihren ausserordentlich rapiden Verlauf, sie kommen auffallend schnell 
ins losuffizienzstadium und gehen ausschliesslich an Urämie zugrunde. 
Die Dauer dieser Fälle kann, nach den subjektiven Beschwerden ge¬ 
rechnet, Monate, höchstens 1—2 Jahre betragen. Wir haben bei ihnen 
relativ häufig eine initiale Retinitis albuminurica beobachtet und, was 
die Blutuntersuchung anlaDgt, einen verhältnismässig hohen Iodikanwert 
bei relativ niedrigen Reststickstoff- bzw. Harnstoffwerten* festgestellt. 
Diese Formen bieten meines Erachtens ein anderes Bild, als die meisten 
Hypertonien des höheren Alters, und sie sind ätiologisch besonders 

unklar, da alle Faktoren, oder die bei der Arteriosklerose der älteren 

Leute in Frage kommenden Abnutzungsmomente bei ihnen fortfallen. 

Hr. Hans Rosenberg: Auf Veranlassung des Herrn Munk habe 
ich bei einer Anzahl von rein hypertonischen, aber auch von nieren¬ 
kranken Personen, sowie von solchen, bei denen aus anderen Gründen 
Veränderungen im Blut erwartet werden konnten, Untersuchungen vor- 
geDommen, und zwar vor allen Dingen mit Mikromethoden. Ich habe 

das getan im Anschluss an die Arbeiten von Bönniger über die 

Chemie des Blutes, der selbst io einer seiner letzten Arbeiten vor¬ 
schlägt, man möge mit Mikromethoden an diese Fragen heTangeben, um 
weiter und ausgedehnter als bisher die Veränderungen verfolgen zu 
können. Ich will hier nähere methodische Ausführungen nicht machen, 
Tatsache ist, dass man mit sehr kleinen Blutmengen ausreichend genaue 
Doppelbestimmungen ausführen kann, die auch geeignet Bind, bei einer 
Anzahl von Kranken Aufschluss berbeizuführen. Dagegen muss ich be¬ 
kennen, dass ich bei den Hypertonien — was ja eigentlich auch bei 
der verschiedenartigen Aetiologie, die hier mehrfach betont wurde, nabe- 
1 legend ist — nicht emsinnige und eindeutige Veränderungen finden 
konnte. Schon ein Schüler von Bönniger, Meyer-Bisch, hat eine 
Anzahl Hypertoniefälle veröffentlicht, in denen er bei Blutuntersuchungen 
feststellen konnte, dass, wie er sich selbst ausdrückt, gegenüber der 
Norm keinerlei Veränderungen be&teben. Ich will nur uagefähr an¬ 
deuten, wohin meine Untersuchungen zielten! Ich habe im Anschluss „ 
au Bönniger zunächst das Volumen der roten Blutkörperchen fest¬ 
gestellt, um die Verteilung der einzelnen Stoffe auf die roten Blut¬ 
körperchen und das Serum vornehmen zu können, und habe dann an 
roten Blutkörperchen und Serum sowohl den gesamten Stickstoff, den 
Eiweiss- und Reststickstc ff, das ionisierte Chlor, Wassergehalt und ausser¬ 
dem noch einige physikalische Daten bestimmt. Abgesehen von der 
Auszählung der roten Blutkörperchen (sowie der Hämogiobinbestimmung) 
habe ich die Viskosität, zum Teil auch die Oberflächenspannung und 
den Gefrierpunkt geprüft. Es sind am Serum von hypertonischer Zähig¬ 
keit und Trcpfenzahl auf Anregung von Brugsoh in der zweiten medi¬ 
zinischen Klinik auch schon früher gemessen worden, ohne fass eine 
Beziehung von Serumbeschsffeubeit und Blutdruck sich ergebeir batte. 
Ich muss dasselbe sagen für die Untersuchungen am gesamten Blut 
Tatsächlich ist die Viskosität des Gesamtblutes hauptsächlich von der 
Zahl der roten Blutkörperchen abhängig. Besteht, wie das ziemlich 
häufig ist, bei hypertonischen Personen eine Andeutung von Erythro¬ 
zytose, so findet man auch erhöhte Viskosität*werte; dagegen kommen 
auch Fälle vor, wo die Viskosität sogar merklich herabgesetzt ist, wie 
der von Herrn Munk eingehender besprochene Fall von Arteriosklerose 
der Pankreas- und Hirngefässe beweist, bei dem ich keine Rest-N-Er- 
böbung im Serum fand. Hier bestand bei einer normalen Zahl der roten 
Blutkörper, ihres Volumens und Himoglobingehalts eine Herabsetzung 
der Viskosität im Serum infolge Eiweissverarmung und verminderter 
Zähigkeit des Gesamtblutes. 

Berücksichtigt man diese und andereldifferente Befunde, so wird 
man sagen müssen, dass auf einheitliche Ergebnisse in dieser Richtung 


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17. November 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1103 


kaum zu hoffen ist. loh glaube, dass auoh sonstige, von anderer Seite 
vorgenommene ohemisobe Untersuchungen noch keinen allgemeinen 
pathogenetischen Aufschluss erteilt haben. Zum Beispiel ergab die 
Fahndung nach Hypercholesterinämie, die von einigen Autoren als Ur¬ 
sache bestimmter -Gefässveräoderungen bei Hypertonie betraohtet wurde, 
keine konstanten Befunde. Neue Untersuchungen von Port und Stepp 
haben eher das Gegenteil bewiesen. So hat sich gezeigt, dass gerade 
bei Lipoidnephrosen eine starke Anreicherung von Lipoiden im Serum 
eintritt, während sowohl Blutdruckerhöhung als auoh eine mit der 
Hypercholesterinämie zusammenhängende Gefässveränderung fehlt. An¬ 
dererseits wird gerade bei denjenigen Krankheiten, die von den ge¬ 
dachten Gefässveränderungen begleitet sind, zumeist ein niedriger Blut- 
oholesterinspiegel gefunden. 

Ich selbst möohte annehmen, dass bei Erkrankungen, die mit 
dauernden Veränderungen der Kapillarwand verbunden sind, es sioh um 
eine zum Teil vielleicht reversible, überwiegend jedoch irreversible Schä¬ 
digung der Kolloide in der Kapillarwand handelt, so dass auf diese 
Weise der Austausch zwischen dem Inhalt der Kapillare und dem Ge¬ 
webe gestört ist. Dass bei diesem Austausch die Kapillaren aktiv be¬ 
teiligt sind,* konnte ich folgendermaassen beweisen: Wenn man normalen 
Menschen eine stark hypertonische Kochsalzlösung intravenös injiziert, 
tritt nur anfangs eine geringe Verdünnung des Gesamtblutes auf, und 
das Blut dickt sich bald* ein; das heisst, die Vorgänge folgen nicht 
einfach den osmotischen Gesetzen, die einen starken Zustrom von 
Flüssigkeit aus den Geweben verlangen, sondern die Getäßwand- 
endothelien befördern das Kochsalz umgebend mit etwas Blutwasser 
entgegen dem osmotischen Druok aus der Blutbahn in die Gewebe 
weiter. In welchem Umfange diese Befunde, die mit den erwähnten 
Methoden unmittelbar mit der Koohsalzinjektion beginnend, fortlaufend 
erhoben wurden, zu einer Funktionspiüfung der Kapillareqjlothelien 
herangezogen werden können, vermag ich noch nicht zu sagen. Wichtig 
sind in diesem Zusammenhänge die Ergebnisse Veil’s über Aderlass bei 
Arteriosklerotikern, die nach einer grösseren Blutentziehung zur Her¬ 
stellung der ursprünglichen Blutzusammensetzung sehr viel längere Zeit 
brauchen als Normale. Es ist also bei solchen Kranken die Gleich¬ 
gewichtseinstellung von Flüssigkeit und wohl auch von anderen Stoffen 
zwischen Blut und Gewebe durch die kolloide Trennungsmembran 
hindurch behindert, und ich möchte die mechanische Folge dieser 
Storung dahin definieren, dass durch jedesmalige Flüssigkeitszufuhr bei 
diesen Patienten gleichsam eine künstliche und periodische Plethora 
hervorgerufen wird, womit der in solchen Fällen bemerkbare klinische 
Eiofluss von Flüssigkeitsüberlastung und -emtziehung im Einklang steht. 
Obwohl ich mich der hypothetischen Natur dieser Erklärung nicht ver- 
sohliesse, scheint es immerhin möglich, dass auoh auf diesem Wege eine 
Herzbypertropbie zustandekommt und bis zu einem gewissen Grade 
mechanisch begriffen werden kann, wie es in einseitiger Weise die ältere 
Klinik für das Bierberz annahm. 

Selbstverständlich wird das nicht für alle Fälle zutreffen. 
Vielleicht aber dürfte sioh bei Verfolgung dieser Vorstellungen eher 
eine einheitliche Auffassung gewisser hypertonischer Zustände gewinnen 
lassen, als durch die bisherigen Methoden der Blutuntersuchung ein¬ 
schliesslich der vorerst ebenfalls ergebnislosen Prüfung des Adrenalin¬ 
gehaltes bei dauernder Blutdrucksteigerung. 


Medizinische Gesellschaft za Güttingen. 

Sitzung vom 16. Mai 1919. 

Hr. Göppert berichtet, dass eine Abschrift von dem Vortrag von 
Herrn Fromme „Ueber die endemische Knochenerkraokung“ den Friedens- 
Verhandlungen in Versailles unterbreitet werden soll, und dass eine 
gleiche auf Bitten von Frau Lehmann (Göttingen) an den Sozial¬ 
demokratischen Parteitag nach der Schweiz geschickt ist. 

1. Hr. Göppert berichtet über einen Fall von Paratyphis-B bei 
einem 3 jährigen Kind, der mit ruhrartigen Stühlen begann und unter 
dem Bilde einer Meningitis, die sioh als serös erwies, verlief. 

2. Hr. Ebbecke schildert die durch Druok eines Nervenstammes ent¬ 

stehenden, im Bezirk der Nervenendausbreitungen lokalisierten sensiblen 
Reiserscheinungen und ihre Beeinflussung durch gleichzeitige, benach¬ 
barte, großflächige taktile Hautreize. Er benutzt dieses Beispiel, um 
daran die Eigentümlichkeiten der zentralen Hemmung, insbesondere 
Hemmungsänderung und Hemmungsrüoksohlag, zu veranschaulichen, und 
vergleicht damit die Hemmungen auf motorischem Gebiet (Rückenmarks¬ 
reflexe) und sekretischem Gebiet (Speichelsokretion, Schweisssekretion), 
die Hemmung'swirkungen der Aufmerksamkeit und die ebenfalls als 
Hemmung verständlichen optischen Erscheinungen von Simultankontrast 
und gleichsinniger Induktion, Den in der zentralen Hemmung Bich 
äassernden „Wettstreit der Erregungen“ deutet Vortragender als eine 
trophisohe Konkurrenz benachbarter Gebiete. (Autoreferat.) 

3. Hr. Schnitze, Demonstration. I. Encephalitis lethargica. 

a) Der 24 Jahre alte, sehr grosse, ungemein kräftig gebaute Kranke X. 
wird Anfang April in die Nervenklinik gebracht. Er geht langsam, 
mühsam, trippelnd, aof die Arme zweier Begleiter gestützt und macht 
einen ganz erschöpften Eindruck. Wenn er nur ein paar Schritte ge¬ 
gangen ist, mu84 ersieh ausruhen. Aufforderungen kommt er, wenn über¬ 
haupt, nur sehr langsam und mühsam nach; bei allen Bewegungen un- 
gemein umständlich. Sein ganzes Benehmen macht einen ausgesprochen 
hysterischen Eindruck. Um so mehr fällt es auf, dass er unmittelbar naoh 


der Aufnahme auf der Abteilung tief schlafend, schwer röchelnd gefunden 
wird. Beiderseits Babinski! Der neurologische Befund ist fast negativ. 
Wassermann im Blut und Liquor negativ. Nonne positiv. Zellen 35:8. 

Die Sachlage wird dadurch geklärt, dass in der Folgezeit zwei 
Symptome das Kraokheitsbiid beherrschen. Einmal eine Ptosis, bald 
rechts, bald links, bald beiderseits, bald nur schwach, eben angedeutet, 
wie bei Eintritt des Schlafes, bald so ausgesprochen wie nur möglich, 
und eine Schlafsucht. 

Die Temperatur zeigt leichte Steigerungen, selten über 38,2°. 
Neurologischer Befund in der Folge: Geringe Nackensteifigkeit, Patellar- 
reflexe lebhaft, Babinski bald rechts, bald links, bald beiderseits, Kernig 
angedeutet, Romberg sehr ausgesprochen. Gehen bei Augenschluss un¬ 
möglich, Stehen auf einem Bein fast unmöglich. Ataktischer Gang. 
Erst einige Wochen naoh der Aufnahme kann 4ie Anamnese ver¬ 
vollständigt werden. Danach ist X., der Ende Oktober 1918 aus dem 
Felde heimkehrte, anfangs März aufgefallen durch zunehmende Mattig¬ 
keit, sowie durch Klagen über eigenartige Sensationen in den Augen¬ 
brauen; auch die Angehörigen haben zeitweilig das Herabhängen der 
oberen Augenlider beobachtet. Vorübergehend bestanden Erregungs¬ 
zustände, in denen er Kriegsereignisse halluzinatorisch wieder erlebte. 
Später kam eine erhebliche Schlafsucht hinzu, so dass er auoh am Tagg 
vielfach einschlief, sowie ein fast uDstillbarer Hunger. Sch. nimmt eine 
Eozephalitis an. Da in der Umgebung des Kranken Grippe aufgetreten ist, 
ist an eine Influenza-Enzephalitis (Leiohtenstern, Oppenheim, Nau- 
werk) zu denken. Das Symptomenbild des X. gleicht durchaus dem von 
Economo vor kurzem beschriebenen Krankheitsbild der Encephalitis 
lethargica; ob sie eine Sonderstellung verdient, lässt. Sch. unent¬ 
schieden. Auffällig ist, dass die Encephalitis lethargica, über die aus 
Oesterreich, England und Frankreich viele Mitteilungen vorliegen, in 
Deutschland bisher nur selten — anscheinend nur in Kiel — beobachtet 
worden ist. — Sch. macht hier darauf aufmerksam, dass er bei der dies¬ 
jährigen Grippeepidemie ungewöhnlich häufig Syroptomenkomplexe psycho¬ 
genen Charakters, zuweilen neben organischen Erkrankungen des Zentral¬ 
nervensystems, beobachtet hat, wie auoh bei diesem Fall. 

b) ¥., 81 Jahre alt, früher immer gesund. November 1918 aus 
dem Felde 'heimgekehrt.^ Erkrankt anfangs April unter Schlaflosigkeit, 
Schweissausbrüchen, Fieber, Schwindel und Vergesslichkeit. Eode April 
Herabhängen des rechten oberen Augenlides; ferner grosse Müdigkeit, 
Erschwerung der Sprache und eine auffallende Schlafsucht. 6. April 
in die Klinik aufgenommen. Am rechten Auge Ptosis von wechselnder 
Stärke, ferner eine Lähmung des rechten Musoulus reotus inferior und 
rectus internus (Augenklinik Professor Igersheimer). Sonst neuro¬ 
logisch nichts. Wassermann im Blut und Liquor negativ. Nonne sohwaoh 
positiv. Zellen 28:3. Auch in der Klinik klagt er über starke Müdig¬ 
keit, und vor allem schläft er auffallend viel, sehr gegen seinen Willen, 
was von ihm selber höchst unangenehm empfunden wird. Dieser Fall 
ist diagnostisch ebenso zu deuten wie der vorige. 

II. Meningitis tnberculosa mit Wassernann’seher Reaktion in 
Liqaor. 

Das 13 Jahre alte, immer schwächliohe Mädchen bietet das Bild der 
Meningitis tuberculosa; Freilich sind im L'quor Tuberkelbazillen bei 
wiederholter mikroskopischer Untersuchung nicht gefunden worden. Das 
Ergebnis des Tierversuchs steht noch aus. 

Bemerkenswert ist der positive Ausfall der Wassermann’schen Reaktion 
im Liquor, auch mit einem Originalextrakt, bei negativem Wassermann 
im Blut. Freilich ist im vorliegenden Falle die Diagnose der tuber¬ 
kulösen Meningitis nicht über allen Zweifeln erhaben. Aber der neuro¬ 
logische Befund, das Spinnengewebegerinsel und vor allem der weitere 
Verlauf macht die tuberkulöse Natur der Meningitis im höohsten Grade 
wahrscheinlich. 

4 Hr. Schmidt demonstriert 2 Fälle von Atrophien, die sioh nicht 
ganz in die Bilder der bekannten Nervenkrankheiten einreihen lassen, 
ein Fall von neuraler Atrophie mit Zügen der Poliomyelitis anterior 
chronica, ein anderer Fall eine Misch form von der Dystrophia musoulorum 
mit der spinalen Muskelatrophie. " * 

5. Hr. Fromme berichtet an der Hand von zahlreichen Demon¬ 
strationen über die Albee’sche Operation bei Spondylitis tabercilosa, 
die anatomische Knocbeneinheilung und -Umbildung und das nach 
2—3 jähriger Beobachtung nach der Operation am Patienten beobachtete 
Resultat. Da, abgesehen von den an Tuberkulose anderer Organe ver¬ 
storbenen Patienten fast alle besohwerdefrei geblieben sind, mit mehr 
oder weniger gutem kosmetischen Resultat, empfiehlt Vortragender für 
alle Fälle von Spondylitis ohne ausgedehnte Tuberkulose anderer Organe 
und bei aseptischen Verhältnissen der TransplantationsstelLe die Operation 
im Gegensatz zu der konservativen Behandlung, deren ungünstige Resultate 
zusammen fassend in einer Arbeit aus der chirurgischen Klinik von 
Fräulein zur Red den dargestellt sind. Röder. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft 
vom 12. November 1919. Vor der Tagesordnung: Herr Kurt Kayser: 
„Zur Kasuistik des Rückfallfiebers“ (Aussprache: Herr Ziemann). 
Tagesordnung: Fortsetzung der Besprechung des Vortrages des Herrn 
G. Zuelz er: „Zur Schar lach frage“. Es beteiligten sioh daran die Herren 
Fritz Meyer, Jürgens, J. Ritter, P, Jungmann, Mosse, Morgen- 
roth, Schlusswort Herr Zuelser. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Kr. 40. 


— Die Hauptstelle für Matter* und Säuglingsfürsorge 
in GroSB*Berlin hält am 27. November, nachmittags 6 Uhr, im Landes¬ 
hause der Provinz Brandenburg, Berlin W., Matth äikirchstr. 19/21, eine 
öffentliche Konferenz ab, auf der „Die Wege der Matterfürsorge in 
Gross-Berlin" erörtert werden sollen. Es werden folgende Referate ge¬ 
halten: 1. Die Schwangerenfürsorge in Gross-Berlin, a) Die 
neue Schwangerenberatung der Stadt Berlin; b) Die Schwangerenberatung 
der Stadt Charlottenburg in der Säuglingsfürsorgestelle VI. 2. Geburts¬ 
und Woohenhilfe. a) Das neue Gesetz über Wochenhilfe und Wooben- 
fürsorge; b) Die praktische Erfahrung der Wochenhilfe in Gr.-Lichter¬ 
felde. S. Ueber Anstaltsfürsorge lür stillende Mütter, a) Näh-, 
Lehr- und Stillstuben; b) Zur Frage der Mutterheime in Gross-Berlin. 
Im Anschluss an die Referate findet eine Erörterung statt. 

— Als erste Privatdozentin bat sich in der philosophischen Fakultät 
der hiesigen Universität Dr. Paula Hertwig, die durch ihre embryo- 
logischen Arbeiten bekannte Tochter Oskar Hertwig’s, habilitiert. 

— Am 15. d. M. feiert Herr Geheimrat Prof. Dr. Heffter, Direktor 
des Pharmakologischen Instituts, seinen 60. Geburtstag, wozu wir herz- 
liohst Glück wünschen. 

— Am 5. d. M. verstarb im Alter von 71 Jahren der Geh. Ober¬ 
medizinalrat Prof. Dr. Carl Moeli, früher langjähriger Leiter der 
städtischen Irrenanstalt Herzberge, bis zuletzt als ständiger Hilfsarbeiter 
in der Medizinalabteilung des Ministeriums des Innern tätig. Durch 
seine wissenschaftlichen Arbeiten im Kreise der Faohgenossen hoch¬ 
geschätzt, durch seine Charaktereigenschaften bei den Kollegen allbeliebt, 
hat Moeli sioh ein dauerndes Andenken gesichert — auch unsere 
Wochenschrift betrauert in ihm einen hochverehrten Freund und Mitarbeiter. 

— Prof. Robert Stierlin, Oberarzt der Chirurgischen Klinik und 
erster Assistent von Prof. Sauerbruch, ist in München gestorben. 

— Von der Karlsruher Hochscbulvereinigung wurden dem ao. Professor 
für Psychologie an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe Dr. Willy 
Hellpach 8000 Mk. für psycho-physiologische und sozialpsychologische 
Forschungsarbeiten bewilligt. 

— Die ausserordentliohen Professoren Dr. Hermann Brüning 
(Kinderheilkunde), Dr. Joh.Reininöl ler (Zahnheilkunde) und Dr. Walter 
Frieboes (Dermatologie) zu Rostock sind anlässlich des Universitäts- 
jubiläums zu Ordinarien ernannt worden. 

— Die Münchner med. Wochensohr, veröffentlicht in ihrer Nr. 44 eine 
gegen Herrn Sohwalbe gerichtete Erklärung des Herrn Prof. Kruse in 
Leipzig in Sachen des Friedmann’schen Mittels. Wir können es billiger¬ 
weise Herrn Sohwalbe selbst überlassen, ob und inwieweit er hierauf 
zu antworten gedenkt. Uns interessiert aber ein Punkt, auf den wir ein- 
gehen müssen: Wenn Herrn Schwalbe dauernd, und nicht blos wie hier 
in der medizinischen, sondern lauter noch in der politischen Presse der 
Vorwurf gemacht wird, dass er Arbeiten, die das Friedmann’sche Mittel 
rühmen, aus Voreingenommenheit unterdrückt, bo scheint es uns eine 
kollegiale Pflicht, hiergegen auch unsererseits Einspruch zu erheben. 
Jeder Herausgeber einer Zeitschrift hat es mit sich und seinem Gewissen 
abzumachen, welche Artikel er zum Abdruck bringen will; aus einer 
Zurückweisung kann keine persönliche, sondern nur sachliche Kritik ge¬ 
folgert werden. Auch Herr Schwalbe bat verschiedene, für Fried - 
mann zeugende Arbeiten publiziert; glaubt er jetzt, dass nunmehr eine 
Periode ruhiger, nicht dur.ch immer neue Anpreisungen unterbrochener 
Beurteilung eintneten solle, und warnt er dabei vor Erweckung über¬ 
triebener, vom Entdecker selbst gar nicht verheissener Erwartungen, so 
dürfen dem keine unsachlichen Motive untergelegt werden. Wir nehmen 
das gleiche Recht für uns in Anspruch, wenn wir es freilich auch z. Zt., 
wie gerade die vorliegende Nummer zeigt, für zweckdienlicher halten, die 
Ansichten und Erfahrungen solcher Kollegen, die sich viel mit dem 
Friedmann’schen Mittel beschäftigt haben, unverkürzt unseren Lesern 
zu unterbreiten, um damit zu immer weiterer Prüfung anzuregen. In 
einer so bedeutungsvollen und schicksalsschweren Frage sollte jedenfalls 
von allen Seiten alles vermieden werden, was sie aus der Sphäre ernst¬ 
hafter Kritik und vorurteilslosen Abwartens in die Regionen persönlicher 
Polemik herunterdrückt! P. 

— „Ein ganz unpraktischer Arzt" — diese seine Eigenschaft ent¬ 
schuldigt nicht, dass er sich anonym an un9 wendet — schreibt uns 
u. a.: „Es wird in der letzten Zeit leider wieder genug Humbug ge¬ 
trieben, besonders auf dem Gebiete der Sexualwissenschaft und der 
Psychotherapie, — alles mit dem wissenschaftlichen Mäntelohen und 
deshalb ist diesen Herren schwer beizukommen; aber eine so plumpe 
Reklame (Voss. Ztg., 11. V. 1919), wie in dem nachstehenden loserat, sollte 
von der vornehmen medizinischen Fachpresse niedriger gehängt werden." 

„Frohe Botschaft an Herzkranke! 

Leset folgende Schriften: 

Krankheiten des Herzens, ihre Entstehung, Verhütung und Be¬ 
handlung^ von San.-Rat Dr. Sch urig M. 8.20 

Herzveränderungen bei Kriegsteilnehmern von San.-Rat Dr. Pick M.4.— 
Was können Herzkranke zu ihrer Gesundung tun? Von San.-Rat 

Dr. Wachenfeld.M.2.15 

Wie erhalten sich Herzkranke leistungsfähig? Von Dr.Silbermann M. 2.15 
Nachnahme je 45 Pf. mehr. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W. 30, I.“ 

Wir kommen dem Wunsche des Einsenders nach, teilen aber keineswegs 
seine Vermutung, dass der Verlag vorher die Erlaubnis der Autoren zur 


Veröffentlichung der geschmacklosen Anzeige eingeholt hat; sind viel¬ 
mehr vom Gegenteil überzeugt und bringen seine Beschwerde nur des¬ 
wegen, weil es sich um einen Verlag handelt, der doch mit ärztlichen 
Dingen einigermaassen Bescheid wissen sollte. 

— Volkskrankheiten. Pest: Niederländisch-Indien (Sept) 
85 f. Pocken: Deutsches Reioh (26. X. bis 1. XL) 4, nachträglich 
(19.—25. X.) 5. Deutsch-Oesterreich (12—18. X.) 5. Fleokfieber: 
Deutsches Reioh (26. X. bis 1. XL) 2, nachträglich (19.—25. X) 1. 
Deutsch-Oesterreich (12.—18. X.) 1. Genickstarre: PreuBsen 
(19 —25. X.) 6 u. 2 +. Spinale Kinderlähmung: Schweiz (12. bis 
18. X.) 3? Ruhr: Preussen (19.—25. X.) 571 u. 92 f. Mehr als ein 
Zehntel aller Gestorbenen starb an Keuchhusten in Görlitz; Typbus in 
Recklinghausen. (Veröff. d. Reichs-Ges.*Amts.) 

. Hoohsohulnaohriohten. 

Breslau: San.-Rat Martin Ghotzen erhielt einen Lehrauftrag für 
sexuale Hygiene und sexuale Pädagogik. — Greifswald: Dr. Ernst 
Hannemann, I. Assistent am Pathologischen Iostitut, ist gestorben. — 
Halle: Geheimrat Oberst ist zum ao. Honorarprofessor ernannt worden. — 
Marburg: Prof. Arthur Lawen-Leipzig hat einen Ruf auf den Lehr¬ 
stuhl der Chirurgie als Nachfolger Gu leke’s erhalten and angenommen. 

Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: Ob.-St.-A. a. D. Dr. E. Kownatzki in Danzig z. Kreis¬ 
assist.-Arzt daselbst, unter Uebertragung d. Kreisassistenzarztstelle f. 
d. Stadtkr. Danzig; Arzt Dr. A. Vasen in Buir (Bez. Cöln) z. Kreis¬ 
assist.-Arzt in Jülich, unter Beauftragung mit d. Vertretung d. dortig. 
Kreisarztes. 

Niederlassungen: Dr. E. Caesar in Niesky O.-L., Prof. Dr. H. Dold, 
Dr. G. Ettisoh, Dr. F. Friedland, Dr. Rob. Hoffmann, Dr. H. 
Hohlfelder, Dr. 0. Homuth und Dr. R. Kohlschütter in Halle 
a. S, Dr. Werner Schumann in Wandsbek, Dr. A. Brnnke in 
Oldesloe, Dr. K. Genzken in Preetz (Kr. Ploen), Dr. R Harzbaoh 
in Rendsburg, Dr. K. Bottler in Altona, Priv.-Doz. Dr. Theod. 
Messersohmidt, Dr. F. Schott und Dr. H. Haselhorst in Han¬ 
nover, Dr. Theod. Ulrich in Hildesheim, Dr. W. Borkowski in 
Wildemann (Kr. Zellerfeld), Dr. Ostrid Kaiser in Goslar, Dr. H. 
Werlemann in Drochtersen (Kr. Kehdingen), Erich Brauns in 
Geestenseth (Kr. Geestemünde), Dr. Karl Vollmer in Lesum (Kr. 
Blumenthal i. Hann.), Dr. G. Loyen in Telgte (Ldkr. Münster), Dr. 
P. Sassen, Dr. W. Pott, Dr. G. Pickert und Dr. Ernst Simon 
in Bochum, Dr: H. Bunge in Dortmund, Dr. Ludw. Schmidt in 
Hamm, Otto Müller in Fulda, W. Eckhardt in Grabenstein (Kr. 
Hofgeismar), Otto Köhler, Dr. W. Saok, Jeanette Levy, Dr. 
Tb. Vaternabm, Dr. Hans Hofmann, Dr. Karl Meyer, Dr. W. 
Nalty, Dr J. Ullmann, Dr. F. Laquer, Dr. K. Herdrich, Dr. 
Hans Müller, Dr. M. Hachau, Dr. H. Harf, Dr. A. Gotthilf, 
Dr. W. Elia8sow, Dr. H. Geller, Dr. Willy Hoffmann, Dr. 
Friedr. Rosenberg, Dr. Rud. Meyer, Dr. Martha Türk, Dr. 
Hans Reh und Dr. W. Guisberg in Frankfurt a. M., Dr. H. Kleffel 
in Bad Homburg v. d. H., Dr. Jobs. Salomon in Oberursel (Kr. 
Obertaunus), Dr. Max Hoffmann in Sauerbrunnen (Hunsrück), Dr. 
G. Colmant in Bendorf (Ldkr. Koblenz), Ob.-Gen.-A. Dr. R. Hüner- 
mann in Koblenz, Dr. R. Laurent in Düsseldorf, Dr. Frans Rose, 
Dr. A. Nerking und Dr. A. Danco in Essen (Ruhr), Dr. E. Schild 
in Geldern, Dr. K. F. Langhoff in Oberbausen, Dr. H. Fels in 
Wesel, Dr. B. Der lesen und Dr. E. Henssen in Emmerioh, Dr. 
Otto Löwenstein, Dr. J. Wiliisob und H. Chautraine in Bonn, 
Theod. Josef Schmitz in Beuel, Dr. J. Dieck, Dr. Otto Frei¬ 
herr v. Bötseler, Wilh. Keller, Dr. M. Kirrenbaum und Dr. 
P. Halberkann in Cöln, Dr. F. Noht in Dieringhausen (Kr. Gummers¬ 
bach), Dr. Nikolaus Lang in Neunkirchen (Kr. Ottweiler), Karl 
Mühe in Blankenbeim (Eifel). 

Verzogen: Dr. Ludw. Borchard von Berlin nach Cbarlottenburg, Dr. 
W. Tasche von Hagen i. W. nach Treptow a. R, Dr. H. Zeller von 
Greifswald nach Sch&ulen (Litauen), Dr. H. Freyvogel von Mann¬ 
heim, Dr. Heinr. Herrmann von Königsberg, Prof. Dr. F. Strecker 
von Berlin, Dr. R. Gluskinos von Bad Ems u. Dr. W. SoBsika von 
Scheibe b. Glatz nach Breslau, Dr. W. Münzer von Breslau nach 
Laiideck (Kr. Habelschwerdt), Martin Lindner von Peterswaldau 
nach Gross Tin« (Ldkr. Liegnitz), Dr. K. Stetter von München nach 
Hohenwiese (Kr. Birschberg), Dr. R. Dühr von Baden-Baden nach 
Scbmiedeberg i. R., Dr. Walter Sachs von Breslau riaoh Buchwaid 
i. R, J. Höppobeu von Gleiwitz nach Dresden, Dr. R. Sachtleben 
von Ridahammer nach Rybnik, Dr. R. Rollnik von Stettin nach 
Rudahammer (Kr. Hindenburg), Dr. E. Kühnelt von Breslau nach 
Oppeln. 

Verzogen ohoe^Angabe des neuen Wohnortes: H. Claas von 
Tingleff (Kr. Tondern), Dr. A. Wiemers von Cöln, Dr. Peter Hoff¬ 
mann von Blankenheim (Eifel). 

Gestorben: Sin.-Rat Dr. Karl Mayer in Wiesbaden, Dr. Ferd. 
Greven und Dr. J. Stroink in Oberhausen. 


Fftr di« Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Ham Kohn, Berlin W., Bayreuth« 8tr.il. 


Verlag und Eigentum von Aogust Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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Dte^rllnsr KUnlsclieWoobenBohrift erscheint Jeden 
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wolle man portofrei an die Verlagsbachhandlnng 
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Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 


Redaktion: 

fl«h. Med.-Rat Prof. Dr. G. Posner and Prot Dr. Haas Kob 


Expedition: 



Montag den 24. November 1919. JV2 47. Sechsuüdfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origiialiea: Sohultxe: Das Verbot hypnotischer Schaustellungen. 
S. 1105. 

Rott: Die Bedeutung der von der Entente' geforderten Milchvieh¬ 
ablieferung für die Frisohmilchversorgung der Bevölkerung, ins¬ 
besondere der Säuglinge und Kinder. S. 1108. 

Wolffensteic: Praktische Fragen zur Sachs-Georgi-Reaktion. (Aus 
der dermatologischen Abteilung des städtischen Krankenhauses 
Charlottenburg [leitender Arzt: Prof. C. Bruhns].) S. 1110. 
Rosenthal: Weitere Erfahrungen über die Behandlung der Leakämie 
mit Tiefenbestrahlung. (Au9 der 1. medizinischen Klinik der 
Universität in Budapest [Direktor: Prof. Dr. Rudolf Bälint].) 
(lllustr.) S. 1118. 

Arneth: Zum Verhalten des Pektoralfremitus bei der kruppösen 
Lungenentzündung. S. 1116. 

Klien: Zur Morphologie der Lymphozyten. S. 1117. 

Bfteäcrbespreehniigen : Taschenbuch für praktische Untersuchungen der 
wichtigsten Nahrungs- und Gennssmittel. (Ref. Beckstroem.) S. 1118. 
r- Friedberger und Pfeiffer: Lehrbuch der Mikrobiologie (mit 


Das Verbot hypnotischer Schaustellungen 1 2 ). 

Von 

Ernst Schulten. 

Vor Jahresfrist berichtete ich über den unglaublichen Miss¬ 
brauch, den ein Lehrer mit der Hypnose gemacht hatte, die er 
von einem Heilpädagogen in einem psychopathischen Kursus für 
Volksschöllehrer zwecks Behandlung stotternder Kinder kennen 
gelernt hatte 3 ). Im Anschluss daran besprach ich die recht 
mangelhafte, vielfach geradem versagende .Gesetzgebung gegen die 
missbräuchliche Anwendung der Hypnose. Immerhin konnte ich 
darauf hinweisen, dass fast alle Generalkommandos während des 
Krieges in nicht misszuverstehender Form die Anwendung von 
"Hypnose und ähnlichen Methoden durch Laien untersagt haben. 

Wenn ich eher, als ich selber ahnen konnte, wieder zn der 
Frage der sozialen Bedeutung der Hypnose das Wort ergreife, so 
ist daran mittelbar die Revolution und die grosse Umwälzung, 
die anser Vaterland damit erfuhr, schuld. Denn die oben er¬ 
wähnten Verbote der Generalkommandos verloren mit dem 
0. November 1918 ihre Gültigkeit. Die Kurpfnscherei macht 
sich wieder überall breit, nnd wer die Tageszeitungen der letzten 
Monate durchliest, wird geradezu erschrocken sein ifrer die vielen 
Anzeigen hypnotischer Schaustellungen. Ich wilmiur hervor¬ 
heben, dass man oft genug in ein und derselben Nummer mehrere, 
bis zu 4, 5 derartiger Anzeigen findet. Die gewaltigen seelischen 
Eindrücke, die wir alle erleben, machen es, vielleicht zusammen 
mit dem Wegfall oder der Einschränkung mancher Reiz- und 
Genussmittel, vor allem des Alkohols and des Tabaks, nach der 
zermürbenden Wirkung der fünf langen Kriegsjahre erklärlich, 
dass der Hang nach allem Mystischen beute grösser ist als je. 

Den Anlass zur heutigen Mitteilang gibt folgende Be¬ 
obachtung: 

Mitte September suohte mich ein 22 jähriges Mäichen X. mit seinen 
Verwandten io meiner Sprechstunde auf. Die Grossmutter väterliofaer- 

1) Nach einem Vorträge in der Medizinischen Gesellschaft zu 
Göttingen am 16. Oktober 1919. 

2) Zur sozialen und sanitätspolizeiliohen Bedeutung der Hypnose. 

Aerztl. Saehverst.-Ztg., 1919, Bd 24, S. 201. 


ALT. 

besonderer Berücksichtigung der Seuohenlehre). (Ref. Haendel.) 
S. 1118. — Langstein: Ernährung und Pflege des älteren Kindes 
(nach dem SäugliDgsalter). S. 1118. Birk: Leitfaden der Säuglinga- 
krankheiten für Studierende und Aerzte. (Ref. Meyer.) S. 1116. 
Literatar-Aissüge: Therapie. S. 1118. — Allgemeine Pathologie und 
pathologische Anatomie. S. 1119. — Parasitenkunde und Serologie. 
S. 1119. — Innere Medizin. S. 1119. — Psychiatrie und Nerven¬ 
krankheiten. S.1120. — Chirurgie. S. 1120. — Röntgenologie. S. 1121. 
— Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1122. — Geburtshilfe und 
Gynäkologie. S. 1122. 

Verhaid lange» ärztlicher Gesellschaft«» : Berliner medizinische 
Gesellschaft. Fortsetzung der Besprechung des Vortrages des 
Herrn Munk: Die arterielle Hypertonie und die Herzhypertrophie 
als Krankhettsbegriff. S. 1122. — Berliner orthopädische Ge¬ 
sellschaft. S. 1126. 

Dorn: Nachtrag. S. 1127. 

Tagesgeschiohtliche Notizen. S. 1127. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1128. 


seits hat an Melancholie gelitten; eine Schwester des Vaters war duroh 
Suizid gestorben. Sonst keine Heredität. Normale Entwicklung. Körper¬ 
lich gesund, wenn auch anämisch; intellektuell gut veranlagt, mit vielen 
Interessen, immer etwas pessimistisch, wenig Zutrauen zu sieb, selten 
zufrieden mit ihrer Arbeit, deren Wert sie unterschätzt, mied vielfach 
die Gesellschaft, lieber tür sich allein. 

Sie wurde von einem Hypnotiseur, der hier in Göttingen auftrat, 
eines Abends in einer öffentlichen Vorstellung hypnotisiert. Der Hypno¬ 
tiseur starrte sie nach den mir gewordenen Mitteilungen an, zäh't* von 
1 bis 11, zuletzt langsam, leise, einschläfernd, und versetzte si** leicht 
in einen tiefen Schlaf. Sie war „das beste Medium* des Abends, das 
er zu vielen Experimenten verwandte. Er liess sie das Märchen „Tisch¬ 
leindeckdich, Knüppel aus dem Sack* erleben. Vor allem benutzte er 
sie zu dem letzten Teil seiner Vorstellung, den er Fakirismus nannte. 
Er suggerierte ihr, dass ein Fakir auftritt, der ein Seil in die Luft wirft; 
an diesem Seil klettert ein Junge empor. Der Fakir, dem der Kopf 
abgeschlagen wird, nimmt naoh seiner weiteren Suggestion seinen Kopf 
ab und setzt ihn sich wieder auf, überreicht ihn der hypnotisierten 
Person usw. Nach den Angaben ihrer Verwandten bekam sie in der 
Hypnose „Nervenzucken* und empfand anscheinend starke Sohmerzen 
in der Stirn, die sie ständig rieb; offenbar litt sie sehr unter der 
schreokenerregenden Fakirszene. Duroh Anpusten oder das Ausspreohen 
des Wortes „Alpha* erweckte er sie wieder entsprechend der vorher er¬ 
teilten Suggestion. 

Naoh Schluss der Vorstellung verliess die X. mit ihren Verwandten 
den Saal, doch lief sie an dessen Tür wieder zurück, so dass ihre An¬ 
gehörigen glaubten, sie habe etwas liegen lassen, und eilte in noch leicht 
benommenem Zustande in das Nebenzimmer der Bühne zu dem Hypno¬ 
tiseur. Dieser gab ihr den Befehl, zu erwaohen, nach Hause zu gehen, 
sich schlafen zu legen und an nichts weiter zu denken. Von ihrem 
Heimwege, den sie gemlinsam mit ihren Angehörigen antrat, ging sie 
nochmals zurück zu dem Hypnotiseur, der ihr denselben Befehl erteilte. 
Sie trat von neuem den Heimweg an. Aber kaum batte sie sich 
100 Schritte entfernt, als sie unbedingt wieder zurück wollte, was ihre 
Angehörigen nioht zu Hesse» . Zu Hause lief sie mit starren Augen und 
vorgestreckten Händen umher, „offepbar nooh benommen und geistes¬ 
abwesend*, erkannte ihre Umgebung zwar, tat aber nioht, was man ihr 
sagte. Sie berief sich auf Vorhalt darauf, dass der Hypnotiseur ihr zwar 
nicht gesagt habe, sie solle wieder zu ihm kommen, aber doch diesen 
Gedanken gehabt habe. Die Familie konnte sie nicht beruhigen und 
sohiokte in ihrer Not noch abends spät zu dem Hypnotiseur, der ihr 
erneut unter Bestreiohen des Gesichts den Befehl 'gab, zu erwachen und 
sioh dann schlafen zu legen; in 14 Tagen komme er wieder. Sie er¬ 
wachte dann und legte sioh schlafen. 


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1106 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


Am naobsten Tage ging die X., nachdem sie sohleoht geschlafen 
hatte, ins Geschäft, konnte aber die gewohnte Arbeit nioht verrichten. 
Von innerer Unruhe getrieben, ging sie auf und ab, braohte nichts 
fertig, erschrak, wenn einer sie ansah, und fürchtete, von neuem hypno¬ 
tisiert au werden. Sie sah geradezu „verfallen* und „entstellt“ aus 
und musste weggeschickt werden. Zu Hause legte sie sich zu Bett.- 
Nach einigen Stunden fühlte sie sich wieder wohl er, war aber doch nicht 
in der Lage, im Geschäft zu arbeiten. Sie wurde sofort müde und 
zeigte sich wenig regsam, geradezu teilnahmslos und war „sehr empfind¬ 
lich gegen die Blicke anderer“. Ihre Arbeit verrichtet sie mehr 
mechanisch, da sie, im Gegensatz zu früher, wie die Ihrigen meinen, 
immer jum Grübeln neigt; in Gedanken sei sie immer noch bei ihm. 

Am Tage darauf, also am zweiten Tage nach der Hypnose, suchte 
sie mich in meiner Sprechstunde auf. Sie klagte über das Gefühl eines 
Zwanges oder Dranges, das sie seit der Hypnose nicht los werden könne 
und das sie in unerklärlicher Weise zum Hypnotiseur hin treibe: „loh 
muss immer wieder zu ihm zurück; es zog mich irgend etwas — was, 
weiss ich nicht — zu ihm zurück mit einer Macht, der ioh mich nicht 
entziehen konnte“. Sie sieht diesen immer; sein Kopf schwebt ihr nur 
so vor, wie sie ihn auf den in den Geschäften ausgehängten Werbean¬ 
zeigen gesehen hat, freilich nicht ganz so deutlich, sondern nur ver¬ 
schwommen. Dabei empfindet sie ein freudiges Gefühl, das sie nicht 
genau beschreiben kann; sie umschreibt es mit Sympathie oder Freund¬ 
schaft und redet von einer Macht, die er wie kein Mensch bisher auf 
sie ausgeübt hat. Sie klagt weiter, dass sie seit jenem Abend nicht 
mehr klar denken könne, die Gedanken kämen ihr abhanden, als ob sie 
ihr unter den Händen wegsohlüpfen, und das Arbeiten falle ihr sehr 
schwer, zumal sie ungemein schnell ermüde. Sie leidet vor allem unter 
dem Gefühl der inneren Unruhe, das sie immerzu umhertreibt, und 
einem Gefühl von Trauer und Angst. Besonders in den ersten Tagen 
hatte sie in dem Geschäft das Gefühl, als ob ein anderer sie duroh An¬ 
sehen hypnotisieren wolle. 

Der Zustand war in der folgenden Zeit manchen Schwankungen 
unterworfen. Bald ging es besser, so dass die Angehörigen schon an 
eine Genesung glaubten; bald wieder ging es ihr sohleohter. Aber 
immer wieder fiel den Angehörigen auf, dass sie sehr unruhig schlief 
(nach ihrer eigenen Angabe träumte sie immerzu wieder von dem 
Hypnotiseur, der sie duroh Anstarren erneut in Hypnose versetzen wollte) 
und wenig ass. Sie sah blass, sehleoht aus, war geradezu „vorzeitig 
gealtert“ und zog sich noch mehr vom Verkehr zurück denn sonst. 
Wiederholt traten Zustände auf, in denen sie vor sich hinstarrte und 
wenig Notiz von ihrer Umgebung nahm. Es war ein richtiger „Traum¬ 
zustand“, sagte» die Ihrigen. Das Bedenkliche der Maassnahmen des 
Hypnotiseurs sieht sie ohne weiteres ein; sie meint geradezu, das sei 
Unfug oder eine gefährliche Geschichte, da sie gesehen habe, wie leicht 
ein anderer durch seinen starken Willen die Herrsohaft über sie ge¬ 
winnen könne. 

Nach etwa 8 Tagen wurde sie in Gegenwart eines Kollegen hypno¬ 
tisiert — bei ihrer leichten Hypnotisier bar keit und der Vorgeschichte 
erschien uns diese Vorsiohtsmaassnahme doppelt geboten. Die Hypnose 
trat sehr schnell ein. Wir suggerierten ihr, dass sie in Zukunft nur 
gemeinsam von uns beiden hypnotisiert werden könne und dass sie nach 
Beendigung dieser Hypnose nioht die geringsten Beschwerden haben 
werde. Die Hypnose wurde sehr langsam und vorsichtig beendet. 

Einige Tage später suchte sie mich auf. Sie war wieder ganz die 
alte; sie fühlte sich frisoh und wohl, war genau so arbeits- und leistungs 
fähig wie vordem und hatte sich auch körperlich in kurzer Zeit ungemein 
erholt Die Angehörigen waren sehr erfreut über die völlige Wieder¬ 
herstellung, die auch von anderen bestätigt wird; gegen früher sei sie 
nicht wieder zu erkennen. 

Um sicher zu gehen, habe ich mich noch bei anderen ein¬ 
gehend nach der X. erkundigt. Deren Bericht stimmte in den 
wesentlichsten Punkten mit dem überein, was die Angehörigen 
mir gesagt hatten. Besondere Beachtung verdient die Mitteilung 
des Prokuristen des Geschäfts, in dem die X. angestellt war. 
Als er sie am Tage nach der Hypnose sab, war er geradezu er 
schrocken über die X., die ihn „so komisch und mit stieren 
Augen* ansah. Er vermutete sofort, dass sie „eingeschläfert* 
war; er hatte sich früher viel mit Hypnose beschäftigt. In 
glaubhafter Weise versichert er, dass er vorher nicht das J Ge¬ 
ringste von einer hypnotischen Vorstellung gewusst hätte. Auch 
er betont die gewaltige Veränderung, die die Hypnose bei ihr 
hervorgerufen hat, und ihre vollständige endgültige Heilung. 

Für den Fachmann, der sich häufig mit Hypnose beschäftigt 
hat, bietet die vorliegende Mitteilung nichts Ungewöhnliches. 
Sie lehrt, dass die Hypnose doch nicht so ungefährlich ist, wie 
gerade von den Laienhypnotiseuren immer wieder behauptet wird; 
sie zeigt vielmehr, dass nach der Hypnose allerlei körperliche 
und psychische Störungen, die als Kopfschmerzen, Schwindel, 
Benommenheit, Erschwerung des Denkens usw. geschildert werden, 
auftreten können. Daneben finden wir bei der X. noch eine aus¬ 
gesprochene Hypnosesucht — so wenigstens möchte ich den 
inneren Drang, immer wieder den Hypnotiseur aufzusuchen, auf¬ 
fassen — sowie die Autohypnose, d. h. das spontane Eintreten 


einer. Hypnose. In übereinstimmender Weise wird von ihren An¬ 
gehörigen und dem Prokuristen berichtet, dass sie zeitweilig olme 
sichtbaren Grund in einen Zustand „eigentümlicher geistiger Starre* 
geriet, in dem sie wie gedankenabwesend vor sich binstierte. Zu¬ 
treffend wird man diese Zustände wohl als psychogene auffassen. 

Es liegt in der Natur der Sache, dass die durch die Hypn&tf* 
gesetzten Schädigungen funktioneller Natur sein müssen. Sie 
sind also grundsätzlich heilbar. Eine hiesige Zeitung batte durch¬ 
aus unrecht, wenn sie in einem Bericht über obigen Vorfall aus- 
führte, die Beschwerden könnten zu einem Starrkrampf und damit 
zum Tode führen. Die Erfahrung lehrt vielmehr, dass eine sach- 
geroässe Hypnose das beste Heilmittel ist Das trifft auch für 
den vorliegenden Fall zu. ,, 

Immerhin muss aber doch hervorgehoben werden, dass die 
Hypnose eine Gesundbeitssebädigung gesetzt hat. Wie ich von 
Kollegen, die der Vorstellung des Hypnotiseurs beigewohnt haben, 
hörte, fand die Beendigung der Hypnose so statt, wie mir von 
den Angehörigen berichtet wurde. Daraus geht zur Genüge her¬ 
vor, dass die angewandte Technik nicht einwandfrei war. Vor 
allen Dingen hat es der Hypnotiseur unterlassen, die Hypnose 
langsam ausschleichen zu lassen, und ebenso hat eres versäumt, 
den hypnotisierten Personen während der Hypnose zu suggerieren, 
dass sie aus ihr ohne alle Beschwerden erwachen werden. Gerade 
dem Mangel dieser „desuggestionierenden* Maassnahme ist es su- 
zuschreiben, dass die Hypnose bei der X. solche Folgen haben 
konnte. An dieser Auffassung ändert der Umstand nichts, dass 
die X. eine psychopathische Persönlichkeit war. Den eben¬ 
erwähnten Kollegen war ein solcher Verdacht schon aufgetreten, 
als die X. die Bühne betrat. Ich will noch hervorheben, dass 
der Hypnotiseur den Verwandten der X. in ihrer Wohnung Vor¬ 
haltungen gemacht bat, weil sie in ihrer Angst die Stirn ihrer 
plötzlich anscheinend so schwer erkrankten Angehörigen mit 
Wasser benetzt hatten; das sei das Verkehrteste, was sie hätten 
machen können. Dieser Vorwurf ist sicher unberechtigt. Das 
Vorgehen des Hypnotiseurs ist wohl darauf zurückzuführen, dass 
er sich von vornherein gegen alle nachteiligen Folgen schützen 
wollte. Wie der Hypnotiseur vom wissenschaftlichen Stand¬ 
punkte aus zu beurteilen ist, beweist nichts deutlicher Als die 
Tatsache, dass er beim Verlassen des Hauses dem Onkel der X. 
heim lieb zuflüsterte, seine Nichte sei geschlechtlich reif; das 
möge vielleicht auch einen Einfluss ausüben. 

Ohne weiteres ist, wie aus der Literatur sich ergibt, so* 
zugeben, dass auch die ärztlich geleitete Hypnose nicht immer 
ohne unangenehme Folgen bleibt. Aber das sind doch Ausnahme¬ 
fälle, zumal im allgemeinen nur der Arzt in seiner Praxis die 
Hypnose verwendet, der sich mit ihrer Technik eingehend ver¬ 
traut gemacht hat. Ich bin überzeugt, dass schädliche Nach¬ 
wirkungen bei Laienbypnosen viel häufiger sind, als wir vermuten 
und als vor allen Dingen den Aerzten und damit vielleicht den 
Behörden bekannt wird 1 ). So wurde mir mitgeteilt, dass noch ver¬ 
schiedene Personen am Tage nach jener Vorstellung sich im Gast¬ 
haus nach dem Hypnotiseur erkundigt hätten, anscheinend weil 
auch ihnen die Hypnose nicht gut bekommen wäre. Es darf 
doch nicht vergessen worden, dass gar mancher sich schämt, 
ärztliche Hilfe wegen der Nach wehen einer Hypnose aufzusuchen, 
die ein Laie, der von Ort zu Ort umherzieht, vorgenommen bat. 
Dieselbe Beobachtung können wir ja auch bei den Kurpfuschern 
machen. Nur die günstigen Erfolge werden berichtet und zu¬ 
gunsten der Tüchtigkeit der Kurpfuscher verwertet. Wer aber bpi, 
ihnen nicht die erhoffte Hilfe gefunden hat oder gar geschädigt 
worden ist, das erfahren wir Aerzte meist nur durch Zufall. 

Aber ni^t nur in dieser Hinsicht habe ich Bedenken gegen 
die hypnotischen Vorstellungen. Diese liegen auch noch auf 
anderem Gebiet. Ich finde es unwürdig, wenn Personen aus dem 
Publikum die Bühne betreten und zum Spielball der Launen oder 
des Willens des Laienhypnotiseurs, zum Gespött der Zuschauer 
werden. Man kann mir entgegenhalten, wer sich hypnotisieren 
lasse, handle aus freiem Willen. Aber dem möchte ich doch 
entgegenhalteo, dass die meisten die Bühne betreten, ohne zu 
ahnen, was ihnen bevorsteht. Nebenbei möchte ich darauf hin- 
weisen, dass Log und Trug, wenn auch unbewusst, bei. diesen 
Schaustellungen oft genug eine Rolle mitspielen. Von mehr als 
einem Hypnotisierten habe ich mir erzählen lassen, dass er sich 
geschämt habe, den Hypnotiseur blosszustellen, und nur deshalb 
habe er ihm zu Willen gehandelt. Andere fühlen sich ge¬ 
schmeichelt, wenn der Hypnotiseur, der sich meist auf dis. 


1) Siehe die Anmerkung 1) auf S. 1137. 


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24. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1107 


psychische Behandlung nnd Beurteilung seiner Mitwelt ungemein 
gut versteht, sie als sein vorzüglichstes Medium hinstellt, und sie 
quittieren diese lohnende Anerkennung mit einer besonderen Ge¬ 
fügigkeit, an deren Zustandekommen die Hypnose nur wenig be¬ 
teiligt ist. Der Hypnotiseur rechnet auch hier, wie immer, er¬ 
folgreich mit der menschlichen Eitelkeit. 

Das Bestreben, weitere. Kreise mit den Fortschritten der 
Naturwissenschaft und damit auch der Medizin bekanntzumachen, 
ist ja gewiss gerechtfertigt. Aber ich muss gestehen, ich habe 
die grössten Bedenken, diesen Standpunkt auch hinsichtlich der 
Hypnose gelten zu lassen. Denn es darf nicht übersehen werden, 
dass von den Tausenden von Zuschauern, die sich in die hypnoti¬ 
schen Vorstellungen geradezu drängen, doch nur sehr wenige von 
wirklich wissenschaftlichem Interesse getrieben werden; es kommt 
ihnen nicht darauf an, einen Einblick in dieses Gebiet zu ge¬ 
winnen, sondern im wesentlichen handelt es sich nur um eine 
grobsinnlicbe Neugier, die scharf getrennt werden muss von dem 
durchaus anzuerkennenden rein idealen Wissensdrang. leb bin 
gar nicht darüber im Zweifel, dass rein theoretische Vorlesungen, 
ohne Experimente, vor allem ohne Experimente an Personen aus 
dem Publikum, an den lieben Mitmenschen, nur sehr geringen' 
Zulauf finden werden. Zudem handelt es sich hier um ein Ge 
biet, hinsichtlich dessen man sehr im Zweifel sein kann, ob es 
dem Laien erschlossen werden kann oder soll. 

Abgesehen von den bisher erwähnten Mängeln sei noch be¬ 
tont, dass Laien die Hypnose, die sie gelegentlich in den Vor¬ 
stellungen kennen gelernt haben, leicht missbräuchlich anwenden. 
Ich erinnere mich noch sehr gut der Zeit, als Hansen in Deutsch¬ 
land von Ort zu Ort zog und überall seine zahlreich besuchten 
Vorträge hielt. In meiner Heimat, einem kleinen Städtchen, hatten 
Verschiedene diesen Vorstellungen beigewohnt und wandten die 
Jhnen vorgeführte Hypnose selbständig, geradezu sportsmässig, 
fast Abend für Abend in einer Weise an, die man nur als groben 
Unfug bezeichnen kann 1 ). 

Ohne weiteres ist es verständlich, dass die Preussiscbe Re 
gierung sich nach dem Auftreten von Hansen sehr bald veran¬ 
lasst sab, die öffentlichen Vorführungen hypnotischer Experimente 
zu verbieten (Erlass vom 12. Mai 1881). Sie berief sich dabei 
auf ein Gutachten der Wissenschaftlichen Deputation, das ich 
trotz aller Bemühungen bisher nicht habe einsehen können. Ich 
darf aber wohl annehmen, dass im grossen und ganzen in diesem 
Gutachten alle die Bedenken zum Ausdruck gebracht sind, die 
ich oben erwähnt habe. Dieser Erlass wurde am 2. Juli 1908 
erneuert, der „öffentliche Vorstellungen von sogen. Magnet'seureb“ 
verbietet, da diese „die Möglichkeit einer Schädigung der dabei 
als Medien benutzten Personen sehr nahe legen“. Dieser Erlass 
vorn 1903 ist auf einen Fall „von schwerer Gesundheitsscbädigung“ 
zurückzuführen, „welche neueidings durch die Einwirkung eines 
Suggestors in einer öffentlichen Vorstellung herbeigeführt worden 
ist u . Erfreulicherweise macht der Erlass darauf aufmerksam, dass 
den Magnetiseuren die Suggestoren und Hypnotiseure, gleich zu 
achten sind, und dass „die Veranstaltung öffentlicher Vorstellungen, 
von Einwirkungen auf den Menschen mittels Suggestion, Hypnose, 
Magnetismus und ähnlichen Methoden nicht zu gestatten ist“. 
Dass das öffentliche Hypnotisieren auch in anderen deutschen 
Bundesstaaten wie in anderen Ländern, z. B. Oesterreich, Italien, 
verboten ist, sei der Vollständigkeit halber betont. 

' Es ist erstaunlich, wie erfinderisch die Hypnotiseure, die 
übrigens selten einen echt deutschen Namen tragen, sind, um das 
Publikum anzuziehen, und um vor allen Dingen den früheren Er¬ 
lass zu umgehen und die in dieser Beziehung nicht immer sach- 
khndige Polizei zu täuschen. Nicht nur, dass sie von Suggestion 
oder Hypnose sprechen, reden sie jetzt von Gedankenübertragung, 
Gedankenlesen, von Wachsuggestion oder Massensuggestion. Sie 
sprechen von Fakirismus oder Spiritismus oder Telepathie oder 
nennen sich selber telepathisches Phänomen, meist allerdings 
„Erstes telepathisches Phänomen 11 . Andere hüllen sich in den 
Mäntel der Wissenschaft und bezeichnen sich als „Experimental¬ 
psychologe“ oder gar als „Meisterpsychologe“. Entsprechend den 
neuzeitlichen Bestrebungen, die Mitwelt über alles aufzuklären — 
ich verweise auf die Aufklärungsfilme in sexueller Beziehung —, 
verkünden sie eine Aufklärung über, den Spiritismus odereine 
Erklärung sämtlicher Triks des Gedankenlesens. Ich will nur 
nebenbei darauf aufmerksam machen, dass sie in geradezu markt¬ 
schreierischer Weise ihr Können preisen. Sie überschreiben ihre 
Anzeigen mit den Worten „An der Grenze des Uebersinnlicben“ 


1) Siehe die Anmerkung 2) auf S. 1127. 


oder „Der Erfolg und Misserfolg im Leben“ oder „Man steht vor 
einem Rätsel“ oder „Erstaunlich magische Kraft u u. dergl. mehr. 

Mir ist aufgefallen, dass in letzter Zeit die Laien-Hypnotiseure 
auch die therapeutische Wirkung der Hypnose in ihren Reklamen 
in der Tagespresse — ich habe nur einige Zeitungen aus Göttingen 
und Hannover der letzten Zeit daraufhin durebgesehen — ver¬ 
werten. So erschien eines Tages in der hiesigen Göttinger Zei¬ 
tung eine Mitteilung, dass der zu erwartende Hypnotiseur vielfach 
von Aerzten und Kranken zur Heilung von Nervenleiden in An¬ 
spruch genommen sei und dabei grossen Erfolg aufzuweisen habe. 
Ich möchte wirklich bezweifeln, ob ein ernst zu nehmender Arzt 
sich der Hilfe eines Laien-Hypnotiseurs bedienen wird, um einen 
Nervenkranken zu heilen! Aber auch in den Anzeigen selber wird 
darauf Bezug genommen. Der Laieu-Hypnotiseur verspricht in 
den Anzeigen „Heilerfolge durch Suggestion an Personen ans 
dem Publikum“ oder „Entwöhnung von Leidenschaften, Rauchen, 
Trinken“, ja letzthin las ich „Selbst Suggestion-Heil — jedermann 
sein eigener Heil-Suggestor“. Sollte es wirklich möglich sein, 
sich durch Autohypnose von seinem Nervenleiden zu befreien, wie 
der Urheber dieser Anzeige anzunebmen scheint?! 

Aus all dem geht zur Genüge hervor, wie dringend notwendig 
es ist, dass hypnotische Vorstellungen verboten werden. Die 
hiesige Polizeibehörde hat auf meine Veranlassung durch Vermitt¬ 
lung des Kreisarztes derartige Vorstellungen verboten und zwar 
unter dem Hinweis auf die von mir eingangs geschilderte Gesund¬ 
heitsschädigung. Es lag nahe, dass die Polizei von den Hypnoti¬ 
seuren, die noch hier anftreten wollten, darauf aufmerksam ge¬ 
macht wurde, allerorts fänden derartige Vorstellungen unbehindert 
statt; einer der betroffenen Hypnotiseure sei bereits? in 92 Orten 
Deutschlands aufgetreten. f>ie<er Ein wand besagt natürlich nichts. 
Er lehrt höchstens, dass man andernorts den Ministerialerlass von 
1908, der bis heute noch nicht aufgehoben ist, nicht kennt oder 
nicht handhabt, oder doch wenigstens keinen Grund zu seiner 
Anwendung zu haben glaubt. Erfreulicherweise bat die hiesige 
Polizeibehörde kurzerhand derartige Veranstaltungen verboten upd 
hat sich nicht damit begnügt, einige Sachkundige, darunter natür¬ 
lich den Kreisarzt, in die Versammlung zu senden, um gegebenen¬ 
falls durch die Polizei die Versammlung aufheben zu lassen. Dass 
es hierbei zu höchst unerfreulichen Begebenheiten hätte kommen 
können, liegt auf der Hand. 

Um die Aufmerksamkeit der berufenen Kreise auf diese An¬ 
gelegenheit zu lenken, möchte ich eine Resolution Vorschlägen, 
die wir seitens der Medizinischen Gesellschaft in Göttingen an die 
Medizinalabteilung im Preussischen Wohlfahrtsministerium richten. 
Ich wei88 sehr wohl, dass mir entgegnet werden kann, all zu viel 
Erfolg dürfte man sich nicht davon versprechen, zumal die Kur¬ 
pfuscherei so hochgekommen ist wie kaum zuvor; und es handelt sich 
ja hier um Fragen, die mit der Kurpfuscherei eng Zusammenhängen. 
Ich will nicht widersprechen. Aber ich balle es doch für unsere 
Pflicht, dass wir von unserm ärztlich wissenschaftlichen Standpunkt 
aus auf die grossen Bedenken aufmerksam machen, die aus den, 
wie eine Epidemie um sich greifenden hypnotischen Schaustellungen 
von Laien sich ergeben. Verhallt unser Ruf an die Regierung, 
so brauchen wir uns nicht den Vorwurf gefallen zu lassen, wir 
hätten unsere Pflicht versäumt. 

Ich schlage für unsere Eingabe folgenden Wortlaut vor 1 ): 

„Die hypnotischen Schaustellungen haben in der letzten Zeit 
erschreckend zugenommon. So sehr die medizinische Gesellschaft 
in Göttingen das Bestreben, weite Kreise über naturwissenschaft¬ 
liche Fragen zu unterrichten, unterstützt, * so hält sie es für be¬ 
denklich, dies Bestreben auf Fragen der Hypnose auszudehnen, 
wenn Laienvorträge durch öffentliche Schaustellungen unterstützt 
werden. Nicht nur, dass das, was dort gelehrt und gezeigt wird, 
missbräuchlich von Unberufenen angewandt werden kann, be¬ 
steht auch die Gefahr einer Schädigung, die der Vortragende selbst 
vtrorsacht, indem er Personen ans dem Pnblikum hypnotisiert. 
Dass die Befürchtung nicht unbegründet ist, hat das hiesige Auf¬ 
treten eines Hypnotiseurs bewiesen; eine der Personen, die er hypno¬ 
tisiert hat, musste sich in nervetoärztliche Behandlung begeben. 
Schon am 12. Mai 1881 auf Grund eines Gutachtens der Wissenschaft¬ 
lichen Deputation, dann vor allem am 2. Juli 1908 wurden durch 
einen Ministerialerlass öffentliche Schaustellungen der Art verboten. 

Daher bittet die medizinische Gesellschaft in Göttingen die 
Medizinalabteilung des Wohlfahrtsministeriums auf das dringendste, 
diesen Erlass erneut den beteiligten Behörden in Erinnerung zu 
bringen.’ Die medizinische Gesellschaft legt besonderen Wert dar- 

1) Die Eingabe wurde mit einigen Ergänzungen einstimmig von der 
Versammlung gutgeheissen. 

1 * 


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1106 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47 


auf, dass durch eine weite Passung, wie sie der frohere Erlass 
von 1908 erfreulicherweise zeigt, verbötet wird, dass hypnotische 
Schaustellungen unter Zahilfenahme von verschleiernden Beteich- 
nungen (Wachsuggestion, Gedankenlesen, Gedankenübertragung, 
Hellsehen, Telepathie usw.) stattfinden können.* 4 


Die Bedeutung der von der Entente geforderten 
Milchviehablieferung für die Frischmilchversor¬ 
gung der Bevölkerung, insbesondere der Säug¬ 
linge und Kinder. 

'' Von 

Oberarzt Dr. Rott, 

Direktor des Orgonisationeamtos für Siuglingsschutz und Schriftführer der Dentaohen Ver¬ 
einigung für 8&oglings8cbutt. 

Nach dem Priedensvertrage soll Deutschland an die Entente 
eine bisher nicht festbegrenzte Zahl von Vieh abliefern. 

„Als sofortige Vorleistung auf die im Priedensvertrage 
erwähnten Tiere verpflichtet sich Deutschland, in den drei Monaten 
nach Inkrafttreten dieses Vertrages die folgenden Mengen von 
lebendem Vieh zu liefern, und zwar in jedem Monat ein Drittel 
von jeder Art: 

an die französische Regierung u. a. 90000 Milchkühe im Alter 
von 2—6 Jahren, 

an die, belgische Regierung u. a. 50000 Milchkühe im Alter von 
2—6 Jahren und 40000 Färsen. 

Die zu liefernden Tiere mössen von normaler Gesundheit und 
Beschaffenheit sein 41 . 

Ueber die Bedeutung dieser Minderung in der Frischmilch¬ 
versorgung für die Versorgungsberechtigten, insbesondere die 
Säuglinge, Kinder und Kranken, kann man sich nur an Hand einiger 
statistischen Darlegungen ein -Bild machen. 

Am 2.Dezember 1912 waren 10205185 Milchkühe vorhanden (erst 1916 
wurden wieder Milchkühe gezählt, in dei- Zwischenzeit nicl^t). 

Am i. Dezember 1916 waren 9502469 Milobkübe vorhanden 
„ 1. Dezember 1917 „ 8956924 * » 

„ 2. September 1918 » 8777864 „ „ 

, 1. September 1919 „ 7682785*) * 

Wenn auch rein zahlenmässig die 140000 Stück Milchvieh 
gegenüber dieser Gesamtzahl nur einen kleinen Teil bedeuten, so 
ändert sich das Bild erheblich, wenn man diese Zahlen in ihrer 
.Bedeutung vom Standpunkt der Ernährungspolitik und zwar unter 
dem Gesichtspunkte der Prischmilcbversorgung betrachtet. Der 
überwiegende Teil der gesamten Milchkühe steht auf kleinbürger¬ 
lichen Gütern und^auf den Wirtschaften landwirtschaftlicher Ar¬ 
beiter. Die Milcbk'ühe bilden dort neben Ihrer Milcbproduktion 
vor allem infolge ihrer Düngererzeugnng und des Dienstes, den 
sie als Spannvieh leisten, die Unterlage des landwirtschaftlichen 
Betriebes. (Ihre Wegnahme würde also hier die ganze Wirtschaft 
zerstören.) Für eine Abgabe an Frankreich und Belgien kommen 
sie daher kaum in Betracht, vielmehr müsste dafür auf die Milch¬ 
kühe der Herden des mittelbäuerlichen und vor allem des Grossbe¬ 
triebes zurückgegriffen werden. Diese Milchkühe sind aber in erster 
L’nie die Träger derjenigen Milcherzeugung, die zur Versorgung der 
Städte und insbesondere der Grosstädte dient. Die Milchversorgung 
der Städte ist schön jetzt über alle Maassen ungenügend. 

Der Jah res mi 1 eher trag einer Milchkuh lässt sich für den 
Frieden (Zeit vor dem Kriege) auf 2700 Liter schätzen. 

Der Jabre8ertrag einer Milchkuh kann für 

1916 auf 1800 Liter 

1917 , 1500 „ 

1918 , 1300 , 

1919 »1100 „ 

angenommen werden. 

Mnltipliziert man die wiedergegebenen Milchkuhsahlen mit 
den aufgeführten Milchertragsrablen pro Jahr, so ergeben sich 
für Deutschland insgesamt folgende Jahresmilcher träge sämt¬ 
licher Milchkühe: 

Im Frieden (1912): 27 558 999 500 Liter rund 27,6 Milliarden Liter 

1916 : 17 404 444 200 „ „ 17,1 * 

1917:18 485 886 000 * » 13,4 

1918:11411 228 200 , » 11,4 

1919: 8 451063 500 „ „ 8,5 


1) Diese und die weiteren Zahleneingaben' stützen sich auf amt¬ 
liches Material. 


Im Frieden wurden also in Deutschland pro Kopf on-d Tag 
rund */* Liter Milch verbraucht. Seit dem Kriege sind bekannt¬ 
lich nur einige Bevölkerungsgruppen milcbversorgungsberecbtig), 
nämlich 

Kinder von 1—2 Jahren zum Bezüge von 1 Liter täglioh 


. .3-4 , „ 

. . */4 . 

9 

. . 5-6 . , 

w » V* m 


stillende Frauen „ 

. 9 1 , 

9 

schwangere Frauen in den 



' letzten 8 Monaten * 

„ , # / 4 n 

9 

Kranke (2 pCt. d. Bevolk.) „ 

„ „ 1 » 

9 


Unter den Versorgungsberecbtigten fioden sieb 
Kinder unter 
» von 


1 Jahr . . . 

. . 1 152 000 

1—2 Jahren . . 

. . 1080000 

2-8 , 

. . 1102 500 

8—4 „ 

. . 1080 000 

4-5 „ 

. . 1071000 

5-6 ». . 

. . 1085000 


. . . 900000 


Kranke 

schwangere Frauen. 468 597 • 

Setzt man für diese Bevölkerungsgrnppen die Sätze der Milch¬ 
verordnung ein, so ergibt sich für jede Bevölkernngsgrappe fol¬ 
gender täglicher Milchnotbedarf: 

Kinder unter 1 Jahr (l Liter) 1152000 Liter 


„ von 1—2 Jahren (1 

„ ) 

1080000 


, » 2-8 „ 

«4 

» ) 

826875 

' 9 

„ . 3-4 „ 

(*/4 

* ) 

810000 

9 

„ . 4-5 » 

(V. 

„ ) 

535500 

• 

N 9 5 6 „ 

(Vs 

* ) 

517 500 

9 

Kranke. 

(1 

„ ) 

900000 

9 

Schwangere Frauen 

(V 4 

„ ) 

851448 

mjSmm 


6173323 Liter 


Der tägliche Gesamtbedarf der nach der Milch Verordnung 
zu versorgenden Bevölkerungsgrnppen, also das Existenzminimum 
beträgt demnach 6178328 Liter oder 4012659950 Kalorien. ; 

Würde man annehmen, dass die deutschen Versorg«^gsberech¬ 
tigten nach den Sätzen der Schweizer MilchverordDung versorgt würden, 
so käme auf die Kinder bis zu 5 Jahren je 1 Liter, auf die Kinder von 
6—15 Jahren, auf die Kranken mit ärztliohem Zeugnis und auf die 
Personen über 60 Jahre B /s Liter, endlich auf alle übrigen Personen 

’/* Liter - Milohbedarf 

Zahl in Litern 

Kinder bis zu 5 Jahren (1 Liter) 7917796 7917796 

„ von 6—15 » (■/* „ ) 14314296 10735722 

Kranke ) 900000 675000 

Personen über 60 Jahre ( 8 / 4 „ ) 5080156 8810117 

alle übrigen Personen (*/ a „ ) 16787752 8893876 

S15325U 

Tatsächlich kann der Milcbnotbedarf cur znm Teil gedeckt 
werden; im März war er im Reicbsdurcbschnitt nur zu 66 pCt. 
gedeckt. Mit anderen Worten: cs wurden den Versorgunga- 
berechtigten tatsächlich nnr etwa 4000000 Liter zugefährt. 
Nimmt man an, dass die für die Frischmilch Versorgung in Betracht 
kommende Milchkuh in den Wintermonaten bei leidlicher 
Fütterung im Durchschnitt täglich 4—4*/ 3 Liter Milch an die 
milchversorguDgsberechtigte Bevölkerung geliefert hat, so bedeutet 
die Fortnabme von 140000 Stück Milchkühen einen Verlust von 
rund 600000 Litern täglich, also eine weitere Verminderung der 
den Versorgungsberecbtigten zur Verfügung stehenden täglichen 
Milcbmenge um 15 pCt. Da in dem Reichsdurchschschnitt aber 
auch diejenigen Gebiete enthalten sind, welohe, wie z. B. die 
süddeutschen Staaten, insbesondere Bayern, Württemberg, den ge¬ 
setzlichen Milcbnotbedarf erheblich über 100 pCt. hinaas decken 
können, so ei hellt, dass für andere Gebiete, namentlich Pressten 
und Sachsen, die tatsächliche Versorgung weit unter dem Reieba- 
durchschnitt sich befindet und zum Teil (Düsseldorf, Oberscblesien) 
bis auf 80, 20 pCt.. und weniger zurückgegangen ist. Die Zu¬ 
sammenstellung in Tabelle 1 und 2 gibt einen Ueberblick über 
die äusserst unzulängliche Frischmilch Versorgung der rheinisch- 
westfälischen und der oberschlesiseben Industriestädte im Februar 
1919. Die Verhältnisse in diesem Monat können hinsichtlich der 
Milcbbelieferung. als für die Wintermonate überhaupt typisch 
gelten. Die Tabelle zeigt, dass der Milchnotbedaif (Spalte 2) 
durch die tatsächlich zur Verfügung stehenden Milcbmengen 
(Spalte 8) in der überwiegenden Mehizahl der Fälle nicht einmal 
zur Hälfte (weniger als 50 pCt.) gedeckt werden konnte. Die 
geforderte Abgabe der 140000 Milchkühe an die Entente muss 
sich für die Milch Versorgung im kommenden Winter noch bedroh¬ 
licher gestalten und die Lebensgefährdurg der Kinder nod Kranken 
{ noch wesentlich verschärfen. 


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Gougle 


Original frn-m 

UNIVERS1TY OF IOWA 












24, November 1010. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1100 


Tabelle 1. 

MilohvvrsorguDg der rheinisoh-westfälischen Industriestädte 
im Februar 1919. 


Städte 

Ml lohnotbedarf 
d. Versorgungs- 
bereohtigten 
Liter 

Zum Verzehr 
abgegebene 
Vollmilch 
Liter 

Deokung 
des Milch¬ 
notbedarfs 
in pCt. 

Essen. 

1 889 968 t 

508 951 

88,0 

Düsseldorf. 

1 345 960 

249 140 

18,5 

Duisburg. 

796 320 

264 548 

33,2 

Barmen. 

871112 

210117 

56,6 

Elberfeld. 

879 008 

177 473 

'46,8 

Mühlheim a. Rh. 

444 948 

132 541 

29,8 

Hamborn. T. 

511252 

109 250 

21,4 

Oberhausen.'. 

415 716 

188 495 

33,3 

M.-Gladbach. 

* 208 876 

161962 

48,9 

Sterkrade 

> 224 672 

71487 

31,8 

Solingen. 

145 040 

66 066 

45,5 

Rothausen. 

147 336 

56 239 

88,2 

Stoppenberg. 

170 184 

96 586 

56,8 

Wald.. 

68 868 

86 400 

57,0 

Felbert. 

64 204 

32 188 

50,0 

Et t Leithe. 

102 816 

42 067 

41,0 

Ratingen. 

41916 

16 501 

89,0 

Opladen. 

42 860 

19 505 

45,8 

Kupferdreh ...... 

40 796 

18 536 

45,4 

Cöln. 

1 878 912 

1005 884 

5SJj> 

Bonn. 

421 092 

234 785 

55,8 

Buer. 

889 144 

123 999 

31,9 

Bottrop. 

802 876 

126 680 

41,8 

Recklinghausen .... 

287 V6 

121980 

51,8 

Gladbeck. 

166 600 

67 368 

40,6 

Osterfeld ^. 

133 896 

55 272 

88,2 

Horst- Emseber .... 

104 720 

21754 

20,8 

Datteln . . 

84 476 

42 364 

50,1 

Herten.. 

72 123 

28 385 

82,5 

Dortmund. 

885 428 

486 691 

51,0 

Boohum. 

537 964 

259 284 

48,2 

Herne. 

237 496 

90 870 

41,8 

Hamm. 

188 880 

81 284 

58,5 

Wanne. 

223 692 

121 226 

54,0 

Horde. 

107 016 

58 700 

54,9 . 

Langendreer. 

88 004 

47 502 

54,0 

Iserlohn. 

109 660 

53 284 

53,0 

Haspe. 

68 600 

80 240 

44,1 

Weitmar. 

90 692 

51 469 

56,8 

Gastrop. 

71260 

89 694 

55,8 

Werner. 

66 528 

29 671 

44,7 

Lütgen-Dortmund . . . 

50 484 

20 050 

39,6 

Gerte. 

64512 

82 376 

50,3 

Annen. 

61912 

31 045 

59,9 

Linden-Dahlbausen . . 

74 004 

42 502 

57,4 

Brambauer. 

47 936 

25 687 

63.6 

Marten. 

41 104 

15 146 

86,8 

Menden. 

37 772 

18 038 

47,7 


T a b e 11 e 2, s. 

Milohversorgung der obersoblesisoben Industriestädte im 
Februar 1919. 


Städte 

Milcbnotbedarf 
d. Versorgungs- 
bereohtigten 
Liter 

Zum Verzehr 
abgegebene 
Vollmilch 
Liter 

Deckung 
des Milch¬ 
notbedarfs 
pCt 

Königshütte. 

287 $96 

105 950 

86,8 

Beuthen. 

257 488 

78023 

80,3 

Gleiwit*. 

227 136 | 

46 526 

20,5 

Hindenburg.. 

228 844 

98 178 

42,9 

Kattowits. 

152 768 

70 684 

46,3 

Oppeln. 

115 080 j 

60 997 

53,0 

Bismarokhütte .... 

95 368 

20 197 

21,1 

Zaborze. 

81 082 | 

26 535 

32,7 

Sohwientoohlowltz . . . 

79 660 j 

34 621 

43,5 

Bogutsohütz . . ... . 

83 552 

19 198 

25,0 

Buda. 

91 532 ; 

24 786 

27,1 

Rossberg.. . 

77 560 1 

27 689 

85,7 

Siemianowitz. 

67 284 

26 825 

89,1 

Lipine. 

59 052 

9 822 

16,6 

Myslowitz. 

58 880 

10 252 

17,6 

Zalenze. 

67 844 

18 893 

27,8 

Laurabütte. 

49 896 

28012 

56,1/ 

Mikultschütz. 

83 076 

19 677 

23,7 

Biskupits. 

41 944 

20 922 

49,9 


. Städte 

Milcbnotbedarf 
d. Versorgungs¬ 
berechtigten 
Liter 

Zum Verkehr 
abgegebene 
Vollmilch 
Liter 

Deokung 
des Milob- 
notbedarfs 
in r-Ct. 

Domb. 

50 232 

& 704 

193 

Tarnowitz. 

52 080 

17 272 

33,2 

Chorzow. 

51 156 

11889 

23,2 

Misohowitz. 

58 548 

8 799 

15,0 

Bielsohowitz. 

52 920 

4 665 

8,8 

Hohenlinde. 

52 232 

6060 

11,6 

Rodsinn-Schoppinitz . . 

85 932 

18 697 

21,8 

Bobrek. 

47 096 

8 536 

18,1 

Radzion kau. 

61 600 

8 392 

13,6 

Scharley. 

32 396 

9 424 

29,1 

Antooienhütte .... 

37 660 

9 257 

24,7 

Schlesiengrube .... 

36 456 

7 680 

21,1 


Die Uebersicht in Tabelle 3 zeigt für die beiden Haupt¬ 
industriegebiete den Stand der Milchversorgnug im Sept. 1910 f 
(dem letzten, für den bisher vollständige Nachweisungen vorliegen) 
und im Sept. 1918, dargestellt durch den Prozentsatz, zn dem 
der Milcbnotbedarf in den einzelnen Städten gedeckt war. Der 
in den allermeisten Fällen eingetretene Rückgang im Sept. 1919 
gegenüber dem Sept. 1918 lässt bei dem starken Sinken der Milcb- 
produktion im Winter für die bevorstehenden Wintermonate einen 
noch stärkeren Ausfall der Milchbelieferung befürchten, als er 
im vergangenen Winter (siehe die Zahlen für Febr. 1919) einge¬ 
treten ist. Dabei ist der Produktionsrückgang für den Fall der 
Abgabe der 140 000 Milchkühe noch nicht in Betracht gezogne. 

Tabelle 8. 


Vergleioh der'Milohversorgung der rheinisch-westfälischen 
und obersohlesisohen Industriestädte*im September 1919 und 
September 1918. 


Städte 

Deoku 
Notbe 
im Sep 
1919 
in pCt 

Dg des 
»darfs 
tember 
1918 
in pC» 

Städte 

Deokuc 
Notbi 
im Sep 
1919 
in pCt 

ig des 

3 darf8 
tember 
1918 
in pCt. 

Essen . 

56,4 

99,8 

Königshütte. . . . 

55,8 

61,3 

Düsseldorf. 

43,2 

90 0 

Beuthen. 

481 

67,8 

Duisburg. 

64.7 

97,3 

Gleiwitz. 

47,4 

38,6 

Barmen. 

84 8 

93,5 

Hindenburg . .. . 

59,6 

65,5 

Elberfeld ...... 

95,8 

113,2 

Kattowitz .... 

70,6 

112,0 

Mühlheim. 

56,3 

77 3 

Oppeln. 

88.9 

79,8 

Hamborn. 

52,8 

100,2 

Bismarokhütte . . 

44.2 

46,3 

Oberbausen . . . . 

70,1 

84,8 

Zaborze. 

43,5 

49 v 4 

Sterkrade . . 

940 

1004 

Schwientochlowitz . 

54,6 

69,6 

Rothausen. 

57,6 

64,1 

Bogutschütz . . . 

33 8 

^ - 

Stoppenberg .... 

77,6 

76,6 

Ru da 

8i,r 

49,0 

Kray-Leithe .... 

65,5 

80,6 

Rossberg. 

62,5 

48,2 

Ratingen. 

53,0 

60,9 

Siemianowitz . . . 

380 

50,7 

Opladen. 

98,8 

101,5 

Lipine. 

36,3 

43,2 

Kupferdreh . . . . 

— 

— 

Myslowitz .... 

19,7 

32,7 

Cöln. 

87 8 

97,9 

Zalenze. 

33.5 

49,0 

Bonn. 

71,4 

71,2 

Laurahütte .... 

64,9 

45,6 

Buer. 

59,6 

— 

Mikultschütz . 

— 

39 6 

Bottrop. 

77,2 

82.3 

Biskupitz . . . . 

53.7 

57,8 

Reoklinghausen . . 

58,9 

94,2 

Domb. 

22 3 

26,9 

Gladbeck ..... 

86,1 

66,4 

Chorzow. 

32 0 

40,9 

Osterfeld. 

82,4 

67,0 

Miechowitz .... 

22,7 

26,3 

Horst-Ems 3her . . . 

53.2 

» 65 9 

Bielsohowitz . . 

37.U 

40,9 

Datteln ...... 

84,8 

63,9 

Hohenlinde .... 

24,0 

16,2 

Herten. 

62.1 

43,1 

Rodiin Sohoppinitz . 

25,1 

19,6 

Dortmund. 

89,1 

99 0 

Bobrek. 

80,1 

24 3 

Boohum. 

40.8 

85 3 

Radsionkau.... 

38 5 

52,7 

Herne. 

66,0 

836 

Soharley ..... 

42,3 

60,8 

Wanne ...... 

736 

65.7 

Sohlesiengrube . . 

28,2 

48,5 

Hörde. 

85.2 

92 3 




Langendreer .... 

822 

135,2 




Iserlohn. 

89.2 

838 




Haspe. 

55.3 

80,2 




Weitmar. 

66 0 

94,1 




Castrop. 

700 

55.7 




Werne. 

71,4 

106,4 




Lütgen-Dortmund. . 

74,6 

102,1 




Gerthe. 

76,6 

113,5 




Annen . 

57,2 

57,0 




Linden-Dahlhansen . 

— 

— 





2 


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UNIVERSUM OF IOWA 
















































































































1110 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 4T. 


Die Milchanlieferung von Berlin gestaltete sich wie folgt: 

Sommer 1913.täglioh 1000 000 Liter Vollmilch 

Anfang Augnst 1916 . , 430000 „ n 

ft n 1919 . . 234 000 , 

Ende September 1919. „ 216 000 „ „ 

Oktober 1919. „ 190000 „ 

Zu berücksichtigen ist auch noch, dass unser Milchvieh- 
'bestand infolge der ständig wachsenden Eingriffe für die Be 
Schaffung des nötigen Schlachtviehs im nächsten Winter in seiner 
Gesamtxahl erheblich hinter der des vorigen Winters zurückstehen 
wird, und dass die Eingriffe aus den eingangs angeführten Grün¬ 
den ebenfalls in die grosseren Kubbestände erfolgen müssen und 
werden, wodurch die Aufbringung der erforderlichen Vollmilch 
an sich noch weiter erschwert und beeinträchtigt wird, so dass 
der infolge der abverlangten 140000 Stück Milchvieh sich er¬ 
gebende Prozentsatz des Fehlbetrages erheblich höher wird. 
Ausserdem wird es infolge der geforderten Abgabe von 40000 Stück 
Jungvieh an Nachwuchs fehlen, wodurch nicht nur die Milch¬ 
produkten noch weiter herabgedrückt wird, sondern eine Ge¬ 
sundung der derzeitigen trostlosen Verhältnisse auf lange Zeit 
hinausgeschoben wird. Wenn man die Angabe der 140000 Stück 
Milchvieh — und nach dem Wortlaut der Friedensbedingungen 
ist zu erwarten, dass die besten Stücke herausgenommen werden 
sollen — unter dem Gesichtspunkt der Frischmilch Versorgung im 
kommenden Winter betrachtet, so ergeben sich, weil man Milch 
nicht wie Ackerfrüchte weit transportieren kann, also die bessere 
Produktion der süddeutschen Gebiete für die norddeutschen nicht 
nutzbar machen kann, wenn man ferner die Abtretung erheblicher 
Gebietsteile Deutschlands berücksichtigt, wodurch eine weitere 
Beeinträchtigung der Milcherfassung bewirkt wird, die traurigsten 
Aussichten für die Volksernährung. Es steht namentlich zu be¬ 
fürchten, dass m den milchärmsten Gebieten nur ein so geringer 
Teil Vollmilch zur Verfügung stehen wird, dass die Säuglings¬ 
ernährung direkt in Frage gestellt wird. Mit Kondensmilch 
wirksam zu helfen, erscheint nicht möglich, einmal, weil Kondens¬ 
milch als Dauernahrung für Säuglinge nicht verwendbar ist, und 
zweitens, weil es im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse 
nicht möglich sein wird, so viel Kondensmilch zu kaufen, als 
nötig sein wird, um den Ausfall an Vollmilch zu decken. 

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Angabe von 
140000 Stück Milchvieh von 2—6 Jahren einen erschreckenden 
Niedergang der Milchproduktion zur Folge haben wird und damit 
die Lebensgefährdung der Kinder und Kranken in katastrophaler 
Weise verschärfen wird. Und da es sich für den allergrössten 
Teil der Versorgungsberechtigten um ein durch andere Nahrungs¬ 
mittel nicht ersetzbares Nahrungs-, ja Heilmittel handelt, so 
unterscheidet sich diese Art feindlichen Vorgehens in nichts von 
einer Hungerblockade. Die Aerzte, die berufenen Hüter der 
Volksgesundheir, die Fürsorgeorganisationen und Wohlfahrtsämter 
dürfen hierzu nicht schweigen. 


Aus der dermatologischen Abteilung des städtischen 
Krankenhauses Charlottenburg (leitender Arzt: Prof. 
C. Bruhns). 

Praktische Fragen zur Sachs-Georgi-Reaktion. 

Von 

Dr. W. Wolffensteifl, Assistenzarzt. 

Seit vor etwa Jahresfrist von Sachs und Georgi*) -eine 
Methode angegeben worden ist, mittels Ausflockung durch choleste- 
rinierte Extrakte die Syphilis serologisch festzustellen, ist eine 
Anzahl von Arbeiten erschienen, in denen die Reaktion an grossen 
Untersuchungsreihen auf ihre praktische Brauchbarkeit nach¬ 
geprüft wurde. Im Vordergründe des Interesses steht bei der 
Beurteilung der Reaktion die Extra kt frage, und wir möchten 
in erster Linie auf die zurzeit noch keineswegs überwundenen 
Schwierigkeiten derselben hinweisen. 

Als wir auf unserer Abteilung anfiogen, die Ausflockungen nach 
Sa oh s und Georgi auszufübren, verwandten wir ausser uns von Sachs 
zur Verfügung gestellten Extrakten einige von uns selbst nach dessen 
Vorschrift hergestellte und cbolesterinierte Binderherzextrakte. Die mit 
diesen Extrakten — einsohliesslich der Sa ob suchen — bei Unter¬ 
suchung einiger 100 Fälle erzielten Resultate waren sohleoht, die Zahl 


1) Saobs und Georgi, M. Kl. r .1918, Nr. 33. 


der unspezifischen Reaktionen sehr hooh. Wir gingen deshalb im März 
und April d. J. daran, neue Extrakte herzustellen und dieselben an 
einer grossen Reihe von Kontrollfällen einzustellen, das heiBst, die 
richtige Cholesterinierung ausfindig zu machen. Es gelang uns so die 
Herstellung von zwei Rinderherzextrakten, die bei den eruierten Choleste- 
rinisierungen in den Vorversuchen durchaus brauchbare Resultate ergaben. 

Bemerken möchte ich hier noch, dass ein für die Wassermann'aohe 
Reaktion brauchbarer Menschenherzextrakt sich als untauglich für die 
Sachs-Georgi-Reaktion erwies, da er positive Fälle selbst bei starken 
Qholesterinierungsgraden gar nicht oder nur schwach positiv anzeigte, 
während gleichzeitig mit denselben Seren angestellte Versuche mit 
Rinderherzextrakten positiv ausfielen. Hieraus ein allgemeines Urteil 
über die Brauchbarkeit der Menschenherzextrakte für die Saohs-Georgi- 
Reaktion zu fällen, geht natürlich nicht an; es scheint aber, dass sie 
doch weniger geeignet sind, als Rinderherzextrakte. Zu dem gleichen 
Ergebnis ist bei seinen Untersuchungen auch Münstet 1 ) gekommen. 

Mit unseren beiden als brauchbar befundenen Rinderherzextrakten 
sind 1000 Untersuchungen ausgelübrt worden, ln der Untersuchungs- 
teohnik haben wir streng die ursprünglich von Sachs und Georgi ge¬ 
gebenen Vorschriften befolgt. Die Röhrchen wurden 2 Stunden im Brut¬ 
schrank, danach etwa 20 Stunden bei Zimmertemperatur gehalten. Die 
Ablesung erfolgte durch das Agglutinoskop. Die erst kürzlich von 
Sachs und Georgi 2 ) angegebene Aenderung der Methode, die darin 
besteht, dass die Röhrohen 24 Stunden bei Brutsohranktemperatur ge¬ 
halten werden, haben wir nooh nicht angewandt, da unsere Extrakte 
nach der ursprünglichen Vorschrift eingestellt waren, und wir für die 
veränderten Verhältnisse erneut die Cholesterinierung hätten einstellen 
müssen. B§vor ich auf unsere Resultate eingehe, möohte ich die all¬ 
gemeinen Erfahrungen mitteilen, die wir an unseren Extrakten gesammelt 
haben. Zunächst sei hervorgehobeo, dass ein Extrakt, der sich lange 
Zeit, als brauchbar erwiesen hat, plötzlich demselben Untersucher falsche 
und unbrauchbare Resultate ergeben kann. Mehrmals zeigte uns das 
die ausgeflockte Extraktkontrolie unmittelbar an. An einem Tage war 
es jedoch so, dass, obwohl die Extraktkontrolle keine Ausflockung zeigte, 
wir fast durchweg mit dem einen Extrakt unspezifische Resultate er¬ 
hielten. Das ist eine Erfahrung, die natürlich eine hochgradige Unsicher¬ 
heit in die ganze Methode bringt. Und stellen wir am nächsten Tage 
mit dem gleiohen Extrakt und den gleichen Seren erneut die Versuche 
an, so können wir nunmehr brauchbare Resultate bekommen. Die Ursache 
hierfür kann nur in der Art der Extraktverdünnung liegen, und es ist 
für uns von praktischer Wichtigkeit, wie hier Fehler zu vermeiden sind. 
Wir konnten jedenfalls keine Methode finden, um sie mit Sicherheit 
auszuschalten; im Gegenteil war es unsmehrfaoh möglich, richtige Resul¬ 
tate zu erzielen, obgleich wir die Extraktverdünnung bewusst falsch ge¬ 
macht hatten. Es müssen also dooh unvermeidbare Zufällig¬ 
keiten hier eine Rolle spielen. Da wir stets mit 2 Extrakten 
arbeiteten und an den fraglichen Tagen — unter 90 Untersuchungstagen 
war dies viermal der Fall — nur immer ein Extrakt versagte, so hatten wir 
wenigstens immer noch eine brauchbare Untersuchungsreihe. Wir müssen 
also daraus die Folgerung ziehen, dass es notwendig isf, stetig mit 
mehreren, mindestens aber zwei Extrakten zu arbeiten. 
Dann wird sich voraussichtlich praktisch der Fall vermeiden lassen, dass 
an einem Tage sämtliohe Extrakte versagen, und es wird Bich nur auf 
diese Weise die Unsicherheit ausschalten lassen, die in der Zufälligkeit 
der richtigen Ausführung der Extraktverdünnung liegt. 

Die Schwierigkeit der Extraktfrage wird von fast allen Unterauehern 
hervorgehoben. Nur einige seien angeführt: Georgi 2 ) bezeichnet massig 
fraktionierte Verdünnung als optimal; und Gäethgens 4 ) äussert sieh 
dahingehend, dass sowohl ein zu sohnelles als auch ein zu lang¬ 
sames Verdünnen mit physiologischer NaCl-Lösung den Verlust oder 
eine zu hohe Steigerung der Empfindlichkeit eines an und für sich brauch¬ 
baren Extraktes zur Folge haben kann. Man siebt hieraus, dass m 
keinen bestimmten Anhaltspunkt für die Art der Ausführung der Extrakt¬ 
verdünnung gibt. 

Die Frage, ob sorgfältig eingestellte Extrakte bei richtig ausgeführter 
Verdünnung hinreichend spezifische Resultate ergeben, ist, wie das auoh 
Georgi 2 ) hervorhebt, nicht endgültig aus dem Laboratorium, sondern 
nur aus der Klinik nach erschöpfenden Untersuchungen zu entscheiden. 
Wir schliessen uns ferner durchaus der Aulfassung Georgi’s an, dass 
der Vergleich der Ausflookungsreaktion mit der Komplementbindungs¬ 
reaktion keinen absoluten Wert besitzt. Nur klinisch-anamnestische 
Beurteilung kann hier zur definitiven Urteilsfällung führen. Es erscheint 
uns auch unwesentlich, dass manche Autoren eine UebereinstimmuDg der 
Sachs-Georgi-Reaktion mit der Wa.-Reaktion in 80, manche bis 95pCt 
angeben. Da sieh unter den zur Untersuchung kommendeh Fällen stets 
viele Fälle von Lues latens befinden, und da nns ferner bekannt ist, 
dass die Ausflockung in solohen Fällen, wie übrigens auch in anderen 
Stadien der Syphilis, oft positiv ist, wenn die Wa.-Reaktion negativ an¬ 
zeigt, so wird der Grad der Uebereinstimmung zwischen beiden Reaktionen 
natürlich auch von der Art des zur Verwendung gekommenen klinischen 
Materials in weitgehendem Maas9e abhängen. 


1) Matth. Münster, M.m.W., 1919, Nr. 19. 

2) Sachs und Georgi, M.m.W., 1919, Nr. 1€ 
Ml) Georgi, Denn. Wschr., 1919, Nr. 13. 

4) Gaethgens, M.m.W., 1919, Nr. 33. 

5) Georgi, Derm. Wschr., 1919, Nr. 13. 


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Original frnm 

UMIVERSITY OF IOWA 








24» November 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1111 


loh gehe non dazu über, die Resultate der von uns nach Sachs- 
Qeorgi und Wa. gleichzeitig untersuchten 1000 Fälle mitzuteilen 
(Tabelle 1). 

Aus der Tabelle ergibt sich, dass beide Reaktionen in 85 pCt. über¬ 
einstimmende Resultate zeigten. Ich werde in folgendem zunächst auf 
das Verhalten der Saohs-Georgi*Reaktion bei Lues eingehen. 
Entscheidend für die praktische Brauchbarkeit der Reaktion ist indessen 
ihr Ausfall bei Nicht-Lues (Reihe 9—14 der Tabelle 1). Darauf komme 
ich weiter unten zurück. 


Tabelle 1. 


Diagnose 

Zahl der 
Fälle 

Wa. + 

S.G. + 

Wa. — 

S.G. - 

Wa. + 
S.G. - 

S.G. + 
Wa. - 

1. Lues 1 ..... . 

79 

18 

39 

2 

20 

2.’ Lues II (unbehandelt) . 

103 

98 

3 

1 

1 

3. Lues II (behandelt). . 

76 

24 

25 

— 

27 

4. Lues III. 

19 

14 

2 

1 

2 

5. Lues latens .... 

368 

81 

221 

9 

57 

6. Lues ooDg. 

14 

7 

3 

1 

3 

7. Tabes und Paralyse 

9 

4 

fl 

1 

3 

8. Diagnose unbekannt 1 ) . 

102 

17 

85 

— 

— 

9. Varia, z. B. Lues? (non 






Lues?) ...... 

105 

— 

104 

— 

1 

10. Ulcera mollia und Bubo 






ing. 

41 

1 

33 ; 

— 

7 

11. Gonorrhoe. 

38 

— 

36 

— 

! 2 

12. Nichtluet. Hautaffekt. . 

29 i 

— 

29 

— 

— 

18. Fieberh. Erkrankungen . 

U 

— 

4 

— 

10 

14. Rekonvaleszenz naoh 





I 

fieberh. Erkrankungen . 

3 j 

— 

2 

— ' 

1 


1000 | 

264 

587 

»Jj 

134 

851 

149 


Lues I. Von den in der Tabelle 1 angegebenen 79 Fällen standtn 
51 zur Zeit der serologischen Untersuchung vor dem Beginn der Be¬ 
handlung. Sie allein sind entscheidend für die Frage, ob die Aus¬ 
flockung bei primärer Lues früher ein positives Resultat ergibt, als die 
Komplementablenkung, ob also die Luesdiagnose mit Hilfe des S G. eher 
zu stellen ist als mit der Wa.R. Das Verhalten dieser 51 Fälle im 
einzelnen ist aus folgender Tabelle ersichtlich. 


Tabelle 2. 


Gesamtzahl der vor Beginn 
d. Behandlung untersuchten 
Primäraffekte 

Wa. pos. 
S.G. pos. 

Wa. neg. 
S.G. neg. 

Wa. neg. 
S.G. pos. 

Wa. pos. 
S.G. neg. 

51 

16 

24 

9 

2 


Hieraus ergibt sieb, dass uuter 51 Fällen von primärer Lues 9 Fälle 
bei negativem Wa. bereits positiven S.G. aufwiesen, während nur 2 Fälle 
bei positivem Wa. neg. S.G. hatten. Es sind also von 51 untersuchten 
Primäraffekten s^ronegativ nach Wa. 38, nach S.G. nur 26. D. h.: Etwa 
14 pCt. aller untersuchten Primäraffekte sind nur nach Wa. 
negativ, nach S.G. aber bereits positiv. Nur 4 pCt. aller unter¬ 
suchten Primäraffekte sind nach Wa. positiv, nach S.G. aber noch 
negativ. Dieses Resultat ist in serologischer Hinsicht interessant, denn 
es zeigt zweifellos, dass viele Fälle von Lues I, die wir als seronegativ 
zu bezeichnen pflegen, es gar nicht sind, sondern dass nur die nicht 
genügend empfindliche Wa. R. die tatsächlich bereits vorhandenen 
Globulinveränderungen nicht nachweist. 

Lues 11. Ueber die unbehandelte Lues 11 reoens ist nichts 
besonderes zu sagen. Hier zeigt die Wa. R. wie die S.G. R. in fast 
gleicher Weise an. Anders steht es mit der behandelten Lues II 
recens. Untersucht wurden 76 Fälle nach antiluetisoher Behandlung, 
die jedoch nooh nicht in allen Fällen bis zum Schluss durohgeführt 
war; zum Teil befanden sioh diese Fälle in der Mitte, zum Teil am Ende 
der Kur. Das Resultat war (s. Reihe 3 der Tabelle 1): 

In 24 Fällen waren beide Reaktionen noch positiv, 

9 25 „ „ „ „ bereits negativ, 

n 27 „ war Wa. bereits negativ, dagegen S.G. noch positiv, 

d. h.: Während nach Wa. bereits etwa 70 pCt. der Fälle seronegativ 
geworden sind, sind es nach S.G. nur etwa 33 pCt., die S.G. R. zeigt also 
bei frisoher behandelter Lues erheblich länger an als Wa. Wie bereits 
gesagt sind diese Fälle nicht alle bis zu Ende behandelt. Aber auch 
nach' Abschluss der Kur ändert sich das Verhältnis nicht wesentlich. 
Das geht aus folgender Tabelle 3 hervor, die 18 Fälle von frischer 
sekundärer Lues nach Abschluss einer energischen Kur um¬ 
fasst. Diese Fälle wurden laufend mehrfach während der Kur auf ihr 


1) Reihe 8 umfasst die Untersuohungsergebnisse von Fällen, von 
denen uns das Serum ohne Diagnose zugesohiokt war. Soweit Wa. und 
S. G. abweichende Resultate ergaben, wurde die Diagnose eruiert und 
die Fälle alsdann in der betr. Reihe untergebraoht. Soweit die Resul¬ 
tate übereinstimmteo, wurde der Diagnose nicht weiter naobgegangen. 


Verhalten gegenüber der Wassermann’schen und der Saohs- Georgischen 
Reaktion geprüft. 


Tabelle 3. 

Zahl der laufend unter¬ 
suchten Fälle von Lues 11 

recens 

Nach Abschluss der Behandlung: 

Wa. R. 

S. G. R. 

neg. 

pos. 

neg. 

++++ 

++ 

rfc 

18 

18 

0 

9 

7 

1 

1 


Aus obiger Tabelle ergibt sioh, dass von 18 Fällen von frisoher 
Lues II, die sämtlich nach Abschluss der Behandlung Wa. negativ ge¬ 
worden waren, nur 9, d. b. 50 pCt., auoh nach S. G., negativ anzeigten. 
Da wir gewöhnt sind, die Forderung zu stellen, dass nach Abschluss der 
Kur der Wa. negativ ist, so erhebt sioh die Frage, ob es nicht not¬ 
wendig ist, weiter zu behandeln, bis auoh die S. G. R. ein negatives 
Resultat ergibt. Wenn wir uns über die praktische Brauchbarkeit der 
Reaktion im klaren sind, liegt unseres Eraohtens die Saobe so, dass wir 
so lange weiter zu behandeln haben, bis auoh die nur durch die Aus- 
flöckungsreaktion nachweisbaren Globulinveränderungen sohwinden und 
normale Verhältnisse wieder Platz greifen. 

Lues IH. Hierzu ist nichts von Bedeutung zu sagen. Soweit sioh 
das bei der geringen Anzahl der untersuchten Fälle (19) sagen lässt, 
leistet die Ausflockungsreaktion hierbei nicht mehr und nicht weniger 
als die Komplementablenkung. 

Lues latens. Es wurden im ganzen 368 Fälle untersucht (Reihe 5 
der Tabelle 1); davon 261 vor der Kur und 107 nach der Kur. Ueber 
ihr serologisches Verhalten gibt folgende Tabelle 4 Aufsohluss. 


Tabelle 4. 






Wa.+ S.G.— 

Wa.- S.G.+ 

Lues latens vor der 
Kur . . . . . 

261 

72 

143 

« 

7 = 2,7 pCt. 

89=14,9pCt. 

Lues latens nach der 
Kur . . . . 

107 

j 9 

1 

78 

2 = 1,9 pCt. 

18 = lff,8pCt. 


Es ist also unter 261 von vor der Kur untersuchten Fällen 
von Lues latens in 14,9 pCt. die S. G.R. bereits positiv, wenn 
die Wa.R. noch negativ ist; dagegen ist nur in 2,7 pCt. dieser 
Fälle die Wa.-R. positiv bei negativer S. G. R. 

Von 107 nach der Kur untersuchten Fällen von Lues 
latens ist in 16,8 pCt. der Fälle die S.G.R. noch positiv bei 
bereits negativer Wa.R.; umgekehrt ist nur in 1,9 pCt. der unter¬ 
suchten Fälle die S. G. R. negativ bei nooh positiver Wa. R. Es 
schliessen sich demnaoh diese Resultate den bei Lue9 II gefundenen an, 
indem auch hier in einer nicht geringen Anzahl der Fälle der Umschlag 
der S. G. R. noch nicht erfolgt ist, wenn die Wa. R. bereits negativ ist. 

Hier möchte ich noch die von ans beobachtete Tatsache erwähnen, 
dass einige Fälle von alter gut behandelter Lues latens, die 
jahrelang immer wieder serologisch naoh Wa. untersucht 
worden waren und dauernd negatives Resultat ergaben, 
jetzt bei wieder negativer Wa.R. nach S.G. Btark positiv 
reagierten. Erst die weitere Beobachtung dieser Fälle, die klinisoh 
keine Anzeichen für eine spätluetische Erkrankung darboten, kann ent¬ 
scheiden, ob wir berechtigt sind, aus dem positiven Flockungsresultat 
in derartigen Fällen irgend welche Sohlüsse zu ziehen. Vorausgesetzt, 
dass eioe unspezifisohe Reaktion in diesen Fällen auszuschHessen ist, 
wäre wohl zu bedenken, ob hier nicht eine Untersuchung des Lumbal- 
puktates indiziert ist. Jedenfalls sollte ein derartiger Befund zu ge¬ 
nauer, auch internistischer Untersuchung und weiterhin verschärfter 
Beobachtung anregen. 

Lues oongenita. (Reihe 6 der Tabelle 1.) Die Zahl dei: unter¬ 
suchten Fälle ist nioht gross; eine Fortsetzung der Untersuchurgen er¬ 
scheint uns besonders lohnend, denn die Wa. R. gibt uns dooh leider 
gerade hier in vielen Fällen nicht frühzeitig genug den gewünschten 
Aufsohluss. Erwähnt sei ein Fall, dessen nähere Einzelheiten aus Folgen¬ 
dem ersiohtlich sind: 

Kind Wi., 14 Tage alt. 80. V. Wa. neg. S.G.++ 

4 Wochen alt. 12. VI. Wa.-f+-f + S. G.+-f++ 

Die Mutter des Kindes hatte eine Lues II recens, das Kind selbst 
war ohne Erscheinungen. In diesem Falle war also die S. G. R bereits 
positiv, als die Wa. R. noch negativ anzeigte. Bezüglich des Verhaltens 
der S. G. R. im Kindesalter sei auf eine kürzlich erschienene Arbeit von 
Soheer 1 ) verwiesen. 

Tabes und Paralyse. Die Zahl der untersuchten Falle ist ent¬ 
sprechend dem uns zur Verfügung stehenden Material klein. Die 8 Fälle 
(Reihe 7 der Tabelle), in ,denen die S. G. R. positiv bei negativer Wa. R. 
ist, betreffen Tabiker. 


1) Soheer, 1 M.m.W., 1919, Nr. 32. 


2 * 


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Gougle 


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UNIVERSUM OF IOWA 
























1112 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


Wenn wir die Resultate bei Lues zusammenfasseod be¬ 
trachten, so kommen vir zu dem Sohluss, dass fast durch¬ 
weg die S. G. R. der Wa.B. überlegen ist. Es ist nun von aus¬ 
schlaggebender Bedeutung, ob auch die Spezifität der S. 6. R. eine 
solobe ist, dass praktische Nutzanwendungen aus dem positiven Ausfall 
der Flockungsreaktion bei Lues zulässig sind. 

In den folgenden Betrachtungen gehen wir auf die Resultate bei 
niohtluetisohen Erkrankungen ein. Es handelt sich um Reihe 9—14 
der Tabelle 1. Wie aus der Tabelle ersiohtliob, wurden im ganzen 230 Fälle 
von Nicht-Lues untersucht. Unter diesen Fällen fiel die S. 6. R. 22mal 
positiv aus, zeigte also unspezifisch an, während die Wa. R. nur in einem 
Falle von Ulcus molle ein vorübergehend schwach positives Resultat er¬ 
gab. Diese auffallend hohen Zahlen erklären sich zum Teil aus dem 
Verhalten der Seren von fieberhaft Kranken gegenüber unseren" Ex¬ 
trakten. Die unspezifischen Reaktionen sind im einzelnen folgende: 

In Reihe 9 der Tabelle 1 befinden sich unter der Bezeichnung, 
Varia z. B. Lues 105 Untersuchungsergebnisse. In allen diesen Fällen 
wurden anamnestisob, klinisch und nach dem Ergebnis der Wa. R. Lues 
ausgeschlossen. Es handelte sich im wesentlichen teils um Gesunde, 
die nie Lues gehabt hatten und wegen bevorstehender Heirat eine Blut- 
untersuchung wünschten, teils um solobe, die vor längerer Zeit ein Ulous 
molle überstanden hatten und zur Sicherheit nachuntersucbt wurden. 
In allen diesen Fällen w&r die Wa. R. glatt negativ; die S. G. R. ver¬ 
hielt sich bis auf einen Fall ebenso. Dieser Fall sei wegen der grossen 
Bedeutung, die er für die Beurteilung der Ausflookungsreaktion hat, im 
Felgenden genau angeführt: 

Fall Wo. Es bandelt sich um einen Mann, dessen Ehefrau — 
nach extragenitaler Infektion — an Lues II erkrankt ist. Da der Ehe¬ 
mann bis in die Sekundärperiode hinein mit seiner Frau geschlecht¬ 
lich verkehrt hat, besteht die Möglichkeit der Infektion. Klinisch sind 
keine Anzeichen von Lues nachzuweisen. Es wird eine Blutunter¬ 
suchung gemacht, die am 14. V. bei negativer Wa. R. eine stark posi¬ 
tive S. G. R. ergibt. Irgendwelche praktische Folgerungen hieraus zu 
ziehen, hielten wir uns natürlich nicht für berechtigt. Wir wiederholten 
aber die Blutuntersuchung am 5. VI. (also nach etwa 3 Woohen), die 
nunmehr ein glatt negatives Resultat auch nach S. G. ergab. Es ist 
also keine Frage, dass es sich um eine unspezifisohe Reaktion gebandelt 
hat; irgend eine Ursache dafür war nicht auffindbar. 

Uloera mollia wurden 41 serologisch untersucht. Hiervon rea¬ 
gierten nach S. G. positiv — und zwar überwiegend stark positiv — 
8FäUe, d. h. annähernd 20 pCt., während die Wa. R. nur in einem 
dieser Fälle vorübergehend schwach positiv anzeigte. Im Folgenden sei 
der serologische Verlauf dieser Fälle, die fast alle mehrfach untersucht 
wurden, im einzelnen angegeben: Fall 1—4 sind siohere unspezifische 
Reaktionen; für Fall 5—8 ist zuzugeben, dass dieselben nioht lange 
genug beobachtet wurden, um Lues mit absoluter Sicherheit auszu- 
schliessen. Es bandelt sich jedoch durchweg um klinisch genau beob¬ 
achtete Fälle, die, wie unten im einzelnen ausgeführt, durchaus keine 
Anhaltspunkte für Lues ergaben. 

1. Fri., Bubo inguinalis mit Fieber. 8. VI. Wä. neg., S. G. -f++-f-, 
25. VI. Wa. neg., S. G. +-f-f-f (Bubo inzidiert). 28. VII. Wa. neg., 
S. G. neg. (Bubo abgeheilt). 

Es handelt sich also um eine unspezifisohe Reaktion, die mit Ab¬ 
heilung des Bubo und Wiedereintritt normaler Temperatur abklingt. 

2. Tscb., Bubo inguinalis. 24. VI. Wa. neg., S. G. + ++. 18. VII. 
Wa. neg., S. G. neg. 

3. Ger., Ulcus molle, suspekte Drüsenschwellungen. Temp. normal. 
19. VI. Wa. neg., S. G. -f+. 4. VII. Wa. neg., S. G. neg. 9. VII. Wa. 
neg., S. G. neg. (geheilt?entlassen). 

4. Sae., Ulcera mollia. 2. VII. Wa. neg., S. G. ++• 23..VII. Wa. 
neg., S. G. neg. 

5. Ge., Ulcera mollia. 15. VII. Wa. neg., S. G. -f-j-, 19. VIII. Wa. 
neg., S. G. ± (Ulzera noch nioht völlig abgeheilt). 

6. Schm., Bubo inguinalis. 22. IV. Wa. -f-f, S. G. -f+. 25. IV. 
Wa. -f-f, S. G. -f-f-f-f. 5. V. Wa. neg., S. G. +• 

Weitere Untersuchung war in diesem Fall nicht möglich, da Pat. 
entlassen wurde und Sich nicht zur Nachuntersuchung einstellte. Aus 
dem deutlichen Rückgang der positiven. S. G. R. ist wohl aber auch hier 
der Sohffiss erlaubt, dass es sich um einejunspezifische Reaktion handelt. 
Dieser Fall ist der einzige, in dem auch der Wa. unspezifisch anzeigte; 
er war jedoch nur schwach positiv. 

7. Sohr., Bubo inguinalis. 2. VII. Wa. neg., S. G. -f-f++. 

Nachuntersuchung steht noch aus, da Pat. inzwischen entlassen 

wurde und sich zur Nachuntersuchung bisher nicht eingestellt bat. Kli¬ 
nisch wie anamnestisch bot dieser Fall keinen Anhaltspunkt für Lues. 

8. Gö., Ulcus molle; Bubo inguinalis. 7.VII. Wa. neg., S.G. -f-f--f-f. 

Nachuntersuchung steht auch in diesem Falle aus. Jedoch gab das 

klinisohe Bild keinen Anhaltspunkt für Lues, auoh nach längere Zeit 
fortgesetzter klinisoher Beobachtung nioht. 

Der Prozentsatz der posiliven Reaktionen nach S.G. bei Ulous molle 
ist also recht hoch.' Selbst bei längerer Zeit bestehender posi¬ 
tiver Reaktion dürfen wir daher z. Bi ein auf Mischinfektion 
verdächtiges Ulous molle nioht als Lues anspreohen, denn die 
Reaktion kann sich, wie einige unserer Fälle zeigen, lange Zeit positiv 
halten, um sohliesslioh dooh mit der Abheilung des Ulous bzw. Bubo 
umzuschlagen. 

Gonorrhoe. Es wurden im ganzen 88 Fälle serologisohuntersucht; 
alle waren nach Wa. negativ und boten klinisch keine Anhaltspunkte 


für Lues. In zwei Fällen hatten wir eine stark positive Reaktion nach 
S.G. Es war dies: 

1. Sohü., Frau mit unkomplizierter Gonorrhoe. 11. IV. Wa. neg., 
S.G. -|—f-f. 24. IV. Wa. neg., S G. -|—|—f. 13. V. Wa. neg., S.G. neg. 

Ia diesem Fall Hess sich keine sonstige Ursache für die positive 
Reaktion finden. 

2. BL, Frau mit Gonorrhoe. 23. IV. Wa. neg., S. G. -f-f-f-f. 29. IV. 
Wa. neg., S. G. neg. 

Es handelt sich auch hier um eine unspezifische Reaktion, die viel¬ 
leicht aus der Anamnese zu erklären ist. Denn die Pat war bis zum 
16. IV. wegen Diphtherie in Behandlung gewesen, befand sioh also mr 
Zeit der ersten Blutuntersuehung im Stadium der Rekonvaleszenz naoh 
Diphtherie. Wie weiterhin gezeigt werden wird, ist die positive Aus¬ 
flockung bei fieberhaften Erkrankungen und in der Rekonvaleszenz nach 
solohen durchaus nichts Seltenes. 

Hautaffektionen wurden 29 serologisch untersucht. Es befanden 
sioh darunter Skabies, Lupus vulgaris, Pyodermien, Ekzeme, Hautkarzi¬ 
nome, Ulcera cruris u. a. Alle reagierten naoh Wa. und S. G. überein¬ 
stimmend negativ. 

Es bleiben zum Schluss die fieberhaften Erkrankungen, deren 
Verhalten uns zur Beurteilung der S. G. R. von ganz besonderer Bedeu¬ 
tung zu sein soheint. Fast alle Untersucber haben gefunden, dass die 
Ausflockungsreaktion bei fieberhaften Erkrankungen oft positive Resultate 
liefert, obgleich Lues nicht vorliegt, und v. Wassermann 1 ) hat sioh 
dahingehend geäussert, dass bei allen Präzipitation«methoden der Syphilis 
sich bisher gezeigt bat, dass der pbysikalisoh-chemische Gleichgewichts¬ 
susi and der Eiweisskörper in den GewebbflüsBigkeiten sehr labil und be¬ 
sonders im Verlauf von Infektionskrankheiten von der Norm abweichend 
sein kann. Das haben unsere Untersuchungen in vollem Maasse be¬ 
stätigt. Leider batten wir nicht ausreichendes Material zur Verfügung, 
um diesen praktisch ausserordentlich wichtigen Fragen weiter nach¬ 
zugeben. 

Es wurden von uns 17 Sera von fieberhaft Erkrankten, davon 14 auf 
der Höhe der Erkrankung, 8 in der Rekonvaleszenz naoh Abklingen des 
Fiebers untersucht. Alle waren Wa. negativ. Einzelheiten betreffend 
das Verhalten zur S. G. Reaktion zeigt folgende Tabelle: 


Tabelle 5. 


Diagnose 

Zahl d. Fälle 

S.G. -f 

S.G. — 

Pyelitis (fieberhaft). 

2 

2 

0 

Tbc. pulmonum (fieberhaft) .... 

4 

3 

1 

Endokarditis (fieberhaft). 

3 

1 

2 

Abort (fieberhaft).. 

l 

1 

0 

Gelenkrheumatismus (fieberhaft) . . 

8 

3 

0 

Arthritis gon. (Temp. subfebril) . . 
Rekonvaleszenz nach Pneumonie und 

1 

0 

1 

Grippe (Temp. normal) .... 

3 

1 

2 


Es ergibt sioh also, dass unter 17 Fällen von Infektions¬ 
krankheiten auf der Höhe bzw. in der Rekonvaleszenz 11 naoh 
S.G. positiv reagieren, und zwar, wie noch bemerkt sei, sämt¬ 
lich stark positiv. Inwieweit etwa in einzelnen.Fällen alte Lues 
vorlag, können wir nioht entscheiden, da die Fälle nicht in unserer 
klinischen Beobachtung standen und uns darüber nichts mitgeteilt war. 
Eine wesentliche Aenderung dürfte sioh aber auch dann kaum ergeben, 
wenn einzelne Fälle mit latenter Lues hier ausscheiden müssten. Leider 
war es uns nioht möglich, den weiteren Verlauf der Reaktion bei den 
fieberhaften Fällen zu verfolgen, speziell der Frage nachzugehen, ob mit 
dem Eintritt normaler Temperatur die positive Reaktion abklingt, bzw. 
wie lange nach Eintritt in die RekonvateBzeuz sioh die Reaktion positiv 
erhält. Es wäre sicherlich von praktischem Interesse, weitere dahin¬ 
gehende Untersuchungen anzustellen. Denn wenn etwa sohon kurz 
dauernde Fieberattaoken einen längere Zeit anhaltenden positiven S. G. 
bewirken würden, so wäre natürlich auoh hierin eine wesentliche Herab¬ 
minderung der praktischen Brauchbarkeit der Reaktion zu erblioken. 
Sioher ist jedenfalls, dass nicht das Fieber allein die Globulinverände- 
rung bedjngt, die sich in der Ausflockung zu erkennen gibt; denn wir 
haben unter unseren Fällen eine hochfieberna^ Lungentuberkulose und 
zwei allerdings subfebrile Endokarditiden mit negativem S. G. 

Zusammenfassung. 

1. Die Extraktfrage steht zurzeit so, dass auch sorgfältigste 
Einstellung der Extrakte infolge anscheinend unvermeidbarer Zu¬ 
fälligkeiten bei der Extraktverdünnung vor fehlerhaften Resultaten 
nicht schützt. Es ist daher stets mit mehreren Extrakten zu 
arbeiten, um Fehlresultate nach Möglichkeit auszuscbalten. 

2. Die S. G. R. zeigt bei Lues fast in allen Stadien früher 
bzw. länger als die Wa. R. an, ist ihr also bei Lues überlegen. 

8. Die Zahl der unspezifischen S. G. Reaktionen ist relativ 
hoch. Hieran sind vornehmlich Ulcus molle und fieberhafte Er¬ 
krankungen beteiligt. Auch klinisch ganz Gesunde können in¬ 
dessen nach S. G. vorübergehend positiv reagieren. 

1) Verbandlungsber. d. Berl. med. Ges.« 19. II. 1919. B.kl.W., 1911, 
Nr. 12. 


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24. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1118 


4. Diese Erfahrungen schränken die praktische Brauchbarkeit 
der S. G.-R. gegenüber der Wa. R. erheblich ein. Es ist zurzeit 
jedenfalls nicht zulässig, aus dem positiven Ausfall der S. G. 
Reaktion allein die Diagnose Lues zu stellen, selbst wenn die 
Reaktion sich über längere Zeit positiv erhält. Wir halten uns 
auch nicht für berechtigt, bei früher vorhanden gewesener, schein¬ 
bar ausgeheilter Lues aus einem positiven Ausfall der S. G. R. 
therapeutische Schlüsse zu ziehen. 


Aus der I. medizin. Klinik der Universität in Budapest 
(Direktor: Prof. Dr. Rudolf Balint). 

Weitere Erfahrungen über die Behandlung der 
Leukämie mit Tiefenbestrahlung. 

Vou 

Dr. Engen Rosenthal, Assistenten der Klinik. 

Vor mehr als 2 Jahren veröffentlichte ich meine ersten Ver¬ 
suche über eine Behandlung der Leukämie mit Tiefenbestrah¬ 
lung 1 ). Ich hatte seinerzeit Gelegenheit, zu zeigen, dass bei An¬ 
wendung von Tiefenbestrahlungen in einer Sitzung die Zahl der 
welssen Blutkörperchen bei den Patenten etwa in 10—14 Tagen 
auf die rormale Zahl zurückgeht; dabei wird die Milz wesentlich 
kleiner. Die subjektiven Beschwerden der Patienten schwinden 
selbst in Fällen, wo sich die anderen therapeutischen Methoden 


der weissen Blutkörperchen nach 7 Monaten im Januar 1919 die Zahl 
von 230 000. Am 21. I. 1919 bekam die Pat. die vierte Bestrahlung; 
14 Tage nachher betrug die Zahl der weissen Blutkörperchen etwa 20 000. 
Die Milz ging nach jeder Bestrahlung bedeutend zurück; so z. B. er¬ 
reichte dieselbe nach unten beinahe die Symphyse vor der letzten Be¬ 
strahlung und überschritt die Medianlinie nach rechts; nach der Be¬ 
strahlung reichte aber dieselbe kaum zweifingerbreit unter’die Nabelhöhe, 
während die mediale Kante einen Finger breit ausserhalb der Medio- 
klavikularlinie zu fühlen war. Bis zum lünften, sechsten MonatJ nach 
jeder Bestrahlung fühlte sich die Pat. gesund und arbeitsfähig, nur 
langsam entwickelte sich eine geringfügige Schwäche und ein Druck- 
geJühl in der Milzgegeod infolge der zurückkehrenden Vergrösserung 
derselben, Symptome, welche zu ernsteren Klagen kaum Anlass gaben 
und nach den Bestrahlungen prompt verschwanden. I (Siehe Kurve 1.) 

Ein zweiter Fall an welchem wir die Dauer der Wirkung der Tiefen¬ 
bestrahlung demonstrieren können, ist der folgende: S. 1. stand zum 
ersten Male im Oktober 1916 mit myeloider Leukämie in Behandlung. 
Die Zähl der weissen Blutkörperchen war 300000, welche wir mit Arsen 
und gewöhnlicher Bestrahlung, sowie 6 Wochen langem Verabreichen von 
Benzol bis auf 230000 herunterdrücken konnten. Patientin verliess zu dieser 
Zeit die Klinik, wohin sie im März 1917 zurückkehrte. Zu dieser Zeit 
betrug die Zahl der weissen Blutkörperchen 250000, welche infolge einer 
einzigen Tiefenbestrahlung ganz plötzlich herunterfiel: 10 Tage nach der 
Tiefenbestrahlung war die Zahl der weissen Blutkörperchen 25000, welche 
im Verlauf der folgenden Wochen und Monate langsam noch tiefer sank 
(Ende April 1917: 10000) und begann von dieser Zeit au allmählich, 
aber sehr langsam zu steigen. Gleichzeitig konnte eine ganz wesentliche 
Verkleinerung der Milz konstatiert werden. Seither hatten wir bei dieser 
Patientin nur einmal Gelegenheit, die Zahl der weissen Blutkörperchen 
zu kontrollieren und zwar Mitte November 1917. Zu dieser Zeit, also 
8 Monate nach der Tiefenbestrahlung war die Zahl der weissen Blut- 


Kurve 1. 



(Arsen, Benzol, nicht tiefgreifende Röntgenbestrahlung) als un¬ 
wirksam erwiesen haben. Unsere Erfahrungen erstreckten sich 
znr Zeit unserer ersten Veröffentlichung auf kaum einige Monate, 
and wir betonten schon damals, dass wir über die Dauer der 
günstigen Einwirkung von der weiteren Beobachtung der Fälle 
Aufschluss erwarten müssen: in der vorliegenden Publikation 
möchte ich nun über weitere Fälle und Erfahrungen berichten, 
und möchte zunächst die Erfahrungen über die Dauer einer 
Tiefenbestrahlung betrachten. 

Unsere älteste Beobachtung bezieht sich auf die Patientin G. Gy., 
bei der eine myeloide Leukämie vorhanden war; sie kam im November 
1916 zur Beobachtung; wir versuchten bei ihr vorerst durch 3 Monate 
Arsen, Benzol und gewöhnliche Röntgenbestrahlung, worauf sich die 
Zahl der weissen Blutkörperchen, die zwischen 300 000 und 250 000 
schwankte, nicht besonders änderte. Am 5. II. 1917 bekam die Pat. 
eine Tiefenbestrahlung; am 14. II. war die Zahl der weissen Blut¬ 
körperchen 30 000, welche später noch niedriger wurde und ständig 
unter 50 000 blieb, und zwar bis Ende April 1917. Zu dieser Zeit be¬ 
gann die Zahl der weissen Blutkörperchen allmählich ztr steigen, und 
Ende Oktober 1917, also nach 8 Monaten, erreichte dieselbe die ur¬ 
sprüngliche Zahl von 250 000. Zu dieser Zeit kam die Pat. neuerdings 
zur Röntgenbehandlung, welche auch diesmal aus einer einzigen Tiefen¬ 
bestrahlung bestand. Nun fiel die Zahl der weissen Blutkörperchen 
kritisch bis zu 5000, blieb einige Wochen um diese Zahl und erreichte 
Ende Januar 1918, also nach 3 Monaten, die Zahl von 50 000, und im 
Juni desselben Jahres, also nach 8 Monaten, war die Zahl langsam 
steigend bei 280 000 angekommen. Zu dieser Zeit, am 18. VI. 1918, 
wurde bei der Pat. die dritte Tiefenbestrahlung angewendet, worauf ein 
rapider Abfall der Zahl der weissen Blutkörperchen zu beobachten war, 
so dass 10 Tage nach dieser dritten Bestrahlung die Zahl der weissen 
Blutkörperchen — die vordem höher als 200 000 war — sich zwischen 
5000 und 10000 bewegte. In langsamem Steigen erreichte die Zahl 

1) B.kl.W., 1917, Nr. 89. 


körperohen bei der Kranken 35000. Zu dieser Zeit sahen wir die 
Patientin in sehr gutem Zustand, vollkommen beschwerdefrei; seit dieser 
Zeit meldete sie sich nicht mehr. (Siehe Kurve 2) 

ln einem dritten Fall von myeloider Leukämie (R. R.) war die Zahl 
der weissen Blutkörperchen am 14. Februar 1917 150000. Nach einer 
zu dieser Zeit vorgenommenen TiefenbestraLlung begann di« Zahl der 
weissen Blutkörperchen gleichmässig zu fallen, erreichte das Minimum 
von 12000; etwa ein Monat nach der Bestrahlung begann sie von dieser 
Zeit an .langsam zu steigen. Auf die Höhe der ursprünglichen Zahl 
stieg dieselbe im November 1918, also beinahe 10 Monate nach der Be¬ 
strahlung. Nach einer zu dieser Zeit verabfolgten zweiten Tiefenbe¬ 
strahlung fiel die Zahl der weissen Blutkörperchen kritisch, so dass zwei 
Wochen nach der Bestrahlung die Zahl derselben statt der ursprüng¬ 
lichen 150000, weniger als 5000 war. Die letzte Zählung erfolgte bei 
diesem Kranken im April 1918, bei welcher Gelegenheit wir bei ihm 
4 Monate nach der zweiten Bestrahlung 18000 weisse Blutkörperchen 
fanden. Auch dieser Patient fühlt sich vollkommen wohl und ist arbeits¬ 
fähig. In diesem Falle ging die Milz nach jeder Bestrahlung erheblich 
zurüok. (Siehe Kurve 3.) 

In einem vierten Fall, E. P., myeloide Leukämie, war die Zahl der 
weissen Blutkörperchen vor der ersten Bestrahlung 265000; zwei Wochen 
nach einer Tiefenbestrahlung war die Zahl der weissen Blutkörperchen 
10000. Der Kranke meldete sich 8 Monate nach der ersten Bestrahlung 
neuerdings und wir gaben ihm versuchsweise Arsen in Form von sub¬ 
kutanen Injektionen (0,001—0,020 g Natr. arsenicosum), das die Zahl 
der weissen Blutkörperchen für die Zeit von einem Monat ein wenig bis 
auf 240000—260000 herabdrückte, aber die Kurve der weissen Blut¬ 
körperchen stieg nach dieser kleinen Remission schnell wieder hinauf, 
und der weitere Teil der Kurve ist, als wäre sie die gerade Fortsetzung 
der vor der Arsendarreichung langsam steigenden weissen Blutkörperchen¬ 
zahl. Da erhielt Patient am 27. Dezember 1917 die zweite Tiefenbe¬ 
strahlung, zu einer Zeit, wo die Zahl der weissen Blutkörperchen 400000 
war. Nach der einzigen Bestrahlung fiel die Zahl der weissen Blut¬ 
körperchen ohne Remission, und 14 Tage nach der zweiten Bestrahlung 
war deren Zahl 8000. (Siehe Kurve 4.) 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


Kurve 2. 




Ich könnte über zahlreiche, sehr ähnliche Fälle berichten, 
wenn die grosse Aenhnlichkeit der Fälle dies nicht über- 
flüssig erscheinen liesse. Auch unsere neuen Fälle be- 
kräftigen die in unserer ersten Publikation hervorgehohepe Tat¬ 
sache, dass die Tiefenbestrahlung unter allen bisher 
gegen die Leukämie angewandten therapeutischen Me¬ 
thoden die verlässlichste ist und auch in solchen Fällen 
nicht versagt, bei denen andere therapeutische Maassnahmen (wie 
Arsen, Benzol, nicht tiefwirkende Röntgenbestrahlung) sich als 
unwirksam erwiesen haben. Eine neuere Erfahrung, die wir aus 
unseren Fällen gewinnen können, besieht sich auf die Dauer der 
Wirkung der Tiefenbestrahlung: wir können im allgemeinen sagen, 
dass die vor der Bestrahlung bestandene weisse Blutkörperchen¬ 
zahl im Einselfall wohl verschieden, aber durchschnittlich nach 
etwa 6—10 Monaten zurückkehrt, obzwar wir auch Fälle haben, 
bei welchen 10 Monate nach der Bestrahlung noch der normalen 
Zahl nahestehende Ziffern gefunden werden konnten. Diese 6 
bis 8, eventuell 10 Monate sind auch jene Zeit, in welcher sich 
die Patienten subjektiv Wohlbefinden und arbeitsfähig sind. Die 
Dauer der günstigen Wirkung einer Tiefenbestrahlung 
kann somit etwa auf 8 Monate gesetzt werden, nach deren 
Verlauf die Tiefenbestrahlung zu wiederholen ist. 

Eine zweite Frage lautet dahin, ob bei wiederholter An¬ 
wendung der Tiefenbestrahluug dieselbe bei zweiter oder dritten 
Anwendung gerade so wirksam ist, als zum erstenmal? 

Wir wandten die Tiefenbestrahlung bisher in einem Falle 
viermal, in zwei Fällen dreimal, in 4 Fällen zweimal und in 


4 Fällen eimal an. ln allen Fällen fiel die Zahl der weissen 
Blutkörperchen aufs Normale oder auf eine der normalen ganz 
nahe stehende Zahl herab, und zwar gewöhnlich 14—20 Tage 
nach der Bestrahlung ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine 
erste oder wiederholte Bestrahlung handelte; nach der zweiten 
oder dritten Bestrahlung fiel die Zahl der weissen Blutkörperchen 
gerade so rasch und genau, wie bei den Patienten, welche zum 
erstenmal eine Tiefenbestrablung erhielten. Diese in jedem Fall 
regelmässig eintretende Erfahrung ist besonders wichtig, da 
die übrigen gegen die Leukämie bisher angewandten therapeu¬ 
tischen Faktoren bei wiederholter Anwendung beinahe immer 
versagen, oder zumindest der Erfolg wesentlich geringer ist als bei 
der ersten Applikation des betreffenden Mittels. In bezug auf 
die Tiefenbestrahlung scheint seitens des Organimus keine Ge¬ 
wöhnung einzutreten, was vielleicht darin seine Ursache bat, dass 
die Tiefenbestrahlung relativ selten angewandt wird, und es ist 
wohl möglich, dass «sich der Organismus an solche selten an¬ 
gewandte therapeutische Maassnabmen nicht gewöhnt und seine 
Reaktionsfähigkeit während der eingefügten vielmonatlicben Pausen 
unverändert bleibt. 

Eine zweite Seite der Tiefenbestrablung, von der wir berichten 
wollen, betrifft deren unangenehme Nebenwirkungen und deren Ge¬ 
fahren. In unseren vorherigen Berichten konnten wir diese Frage 
nur kurz berühren, neuerdings besitzen wir aber auch hierüber 
weitere Erfahrungen. Es ist bekannt, dass einige Stunden nach 
jeder Tiefentherapie bei den Patienten eine eigenartige Reaktion 
auftritt, welche in der Mehrzahl der Fälle aus leichtem Brechreiz, 
Appetitlosigkeit, Schwächegefübl besteht und etwa 24 Stunden 
dauert; in einem kleinen Teile der Fälle ist die Reaktion schwerer, 
Erbrechen folgt dem Brechreiz, der Patient leidet an anhaltender 
Appetitlosigkeit nnd dieser Zustand, welcher von ziemlich grosser 
Schwäche begleitet wird, dauert oftmals auch durch 2 Tage. Diese 
Reaktionen werden von den Patienten mehr oder weniger leicht 
überstanden nnd sie kommen bald in Ordnung. Wir hatten aber 
Gelegenheit (noter 25 Fällen) 3 Fälle zu beobachten, wo in 
einem Falle am zweiten, in zwei anderen Fällen einige Tage 
nach der Bestrahlung der Tod eintrat. — Die Wichtigkeit sowie 
das klinische Bild dieser Fälle fordert eine etwas eingehendere 
Besprechung. In einem der Fälle trat einige Stunden nach der 
Bestrahlung unstillbarer Brechreiz und Erbrechen auf, so dass die 
Ernährung des Patienten sozusagen unmöglich ward. Die Herz¬ 
aktion war während dieser Reaktion, sogar am letzten Tage gut. 
Die Zahl der weissen Btutkörperchen fiel bei dem Patienten von 
270000—95000. Der Exitus stellte sich am vierten Tage nach 
der Bestrahlung unter den Symptomen einer Herzmuskellähmnng 
ein. Die Sektion ergab nur eine geringfügige Degeneration des 
Myokards. In einem zweiten Falle zeigte sich am Tage der Be¬ 
strahlung bei der Patientin eine geringfügige Reaktion in Form 
von Brechreiz und Erbrechen, welche aber am nächsten Tage voll¬ 
kommen verschwand. Patientin fühlte sich wohl, hatte aber nur 
wenig Appetit. Am dritten Tage nach der Bestrahlung trat 
Fieber auf, welches bis zu 38,6° stieg; es trat Hüsten auf, Brech¬ 
reiz und Erbrechen traten von neuem auf, diesmal in Begleitung 
von Schmerzen in der Appendixgegend. Am nächsten Morgen 
traten heftige Schmerzen in der Mittellinie des Epigastriums und 
der Appendixgegend hinzu, die Patientin wurde schwer dyspnoisch. 
der Puls war erst dikrot, dann filiform und etwa 1 */* Stunden 
nach Auftritt dieser Schmerzen verschied die Patientin unter dem 
Zeichen sieb immer verschlechternder Herzaktion. Auch in diesen 
Fall war die Herzaktion nur unmittelbar vor dem Tod schlecht. 
Die Zahl der weissen Blutkörperchen fiel zuerst von 870000 auf 
251000, stieg aber am letzten Tage ganz plötzlich beinahe nm 
100000. Die Sektion ergab Degeneration des Parenchyms im 
Herzen, in der Leber und in der Lunge. Eine Veränderung, 
welche die durchaus heftigen Schmerzen im Abdomen erklärt 
hätte, war nicht zu finden. 

In unserem dritten Falle bestand 6 Tage hindurch Brechreiz 
und Erbrechen. Am dritten Tage nach der Bestrahlung klagte 
Patient über heftige Kreuzschmerzen. Zwei Tage später trat an 
beiden untern Extremitäten des Kranken eine schlaffe Lähmung 
auf, verbunden mit Blasenlähmung; im Laufe des Nachmittags 
erstreckte sich die Lähmung auch auf die oberen Extremitäten 
und abends trat eine Lähmung des Zwerchfells ein; nächsten 
Mittag verschied der Kranke onter dem Zeichen der sich fort¬ 
während steigernden Dyspnoe. Die Zahl der weissen Blutkörper¬ 
chen war vor der Bestrahlung 203000. Sie fiel durch 5 Tage 
gleichmässig bis zu 86000; am sechsten Tage stieg sie ganz 
plötzlich auf 167000. Die Sektion war auch in diesem Fall 


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24. November 19X9. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1116 


völlig negativ nnd ergab keinerlei die klinischen Symptome er¬ 
klärende Veränderungen. 

Dass bei Anwendung von strahlender Energie verschieden 
schwere Reaktionen anftreten können, ist allgemein bekannt. 
Diese wurden zuerst von Gynäkologen beobachtet, welche bei 
verschiedenen gynäkologischen Erkrankungen Tiefentherapie zuerst 
angewandt hatten. Die nach der Bestrahlung auftretenden 
Symptome wurden als Röntgenkater beschrieben. Als deren Ur¬ 
sache war am nächstliegenden anzunebmen, dass infolge der Hoch- 
spannungsentladunge» entstehende verschiedene Nitrite die Ursache 
desselben seien, und es wurden dementsprechend neuerdings ver¬ 
schiedene Einrichtungen empfohlen, um die Entstehung dieser 
Nitrite zu vereiteln, wie z. B. die Plazierung der parallelen 
Funkenstrecke in einem geschlossenen Raum, die Ventilation des 
Kastens der Apparatur usw. Bei unserer Einrichtung, mit welcher 
wir den überwiegenden Teil der Bestrahlungen vollzogen, war 
diese Entwicklung von Nitriten eine überaus starke, und wurde 
an einem Tage eine Bestrahlung gemacht, so konnte man nicht 
nur in dem Röntgenzimmer, sondern auch in dessen Nähe ge 
legenem Vorrraum, oftmals sogar in den Stockwerken der Klinik 
den Geruch der Nitrite bemerken. Der Grund für diese Erscheinung 
ist mit aller Wahrscheinlichkeit darin zu suchen, dass ein Teil 
unserer Einrichtung aus einem sehr langen Hochspannungswider- 
stand besteht, dessen grosse Oberfläche reichlich Gelegenheit gab 
zur Bildung von Nitriten. Es ist möglich, dass tatsächlich die 
anhaltende Einatmung dieser Nitrite die Reaktion verursacht. 
Dass dies wahrscheinlich ist, scheint uns folgender Fall zu 
beweisen: Wir bestrahlten einen Patienten, und als wir nach 
Vollendung derselben die verabreichte Dosis messen wollten, 
zeigte sich, dass der Kranke strahlende Energie zufolge eines 
Schaltfehlers überhaupt nicht bekam. Die angewandte Dosis war 
gleich Null; Hochspannungsentladungen kamen dabei aber zu¬ 
stande und der Kranke fühlte sich einige Stunden nach der Be¬ 
strahlung nicht wohl, hatte Kopfweh und Brechreiz, erbrach sogar. 
Diese unsere Beobachtung scheint sehr dafür zu sprechen, dass 
die nach der Bestrahlung auftretende Reaktion nicht von der 
Grösse der verabreichten Dosis, sondern eine mit der Nitrit¬ 
entwicklung zusammenhängende Erscheinung sei. Es scheint 
auch bei Durchsicht unserer übrigen Fälle als wahrscheinlich, 
dass zwischen dem Grad der Reaktion und der Grösse der an¬ 
gewandten Dosis kein sicherer Zusammenhang besteht. 

Wenn wir indessen unsere tödlich verlaufenen Fälle be¬ 
trachten, müssen wir an die Möglichkeit denken, dass die Nitrit¬ 
vergiftung vielleicht nur der eine Grund der Reaktion ist und 
dass beim Entstehen der Reaktionen auch noch andere Faktoren 
mitspielen. Hierauf müssen wir auch daraus folgern, dass in 
zwei unserer Fälle mit der Zunahme der Reaktionserscheinungen 
eine rapide Zunahme der bis dahin sinkenden weissen Blut¬ 
körperchenzahl zusammenging. Dies schien darauf hinzuweisen, 
dass, wie wir es bei einzelnen, vielleicht speziell empfindlichen 
Fällen bei mit gewöhnlicher Bestrahlung behandelten Fällen 
sahen, dass nach der Bestrahlung ein plötzlich auftretendes Akut 
werden des leukämischen Prozesses eintritt, welcher Umstand in¬ 
folge des stark toxischen Einflusses den letalen Ausgang erklärt. 
Dass solch toxische Faktoren eine Rolle spielen dürften, dafür 
ist auch der Umstand ein Beweis, dass auch nach Bestrahlung 
mit Radium solche Reaktionen in kleinerem oder grösserem Maasse 
zustande kommeo. 

Es ist nun eine weitere Frage, ob und wie wir unsere Pa¬ 
tienten vor den grossen Reaktionen schützen können. Mit Rück¬ 
sicht auf den Umstand, dass der schlechte Einfluss der Nitritluft 
wahrscheinlich ist, müssen wir trachten, die Bestrahlung mit 
einer solchen Apparatur zu vollziehen, bei welcher die Nitrit¬ 
bildung entweder minimal ist, oder aber, wenn wir über eine 
solche Einrichtung nicht verfügen, müssen wir für die Ableitung 
dieser Nitrite sorgen. Eine andere Methode, mit deren Hilfe wir 
die Reaktion mildern können, besteht darin, dass wir die an¬ 
zuwendende Dosis mit Hilfe eines entsprechenden Apparates in 
möglichst kurzer Zeit verabreichen, wozu wir natürlich eine be¬ 
sonders wirkungsvolle Apparatur benötigen. Dieses Ziel können 
wir scheinbar in grossem Maasse mit. einem neuen Apparat er¬ 
reichen (Silex}, mit dessen Hilfe wir in der halben Zeit dieselbe 
Dosis applizieren können wie mit dem Unipuls oder Apexapparat. 
Beim Silexapparat gibt es keinen Hochspannungswiderstand, so 
dass bei- dessen Betrieb die Nitritentwicklung eine minimale ist. 
Wir arbeiten mit diesem Apparat erst seit kurzer Zeit, es scheint 
aber, dass die mit demselben anftretenden Reaktionen wesentlich 
geringer sind wie bei unseren beiden anderen Apparaten. Ob 


dies in jeder Hinsicht zutrifft, werden die Erfahrungen der Zu¬ 
kunft zeigen. Das soeben Besprochene bezieht sich aber selbst¬ 
verständlich nur auf den Teil der Reaktionen, welche wir den 
Nitriten zuschreiben können. Angesichts des Umstandes, dass drei 
unserer Fälle letal endigten, befassten wir uns auch mit der 
Modifizierung der Dosis der Bestrahlung. Ausgehend ans dem 
Gedanken, dass wir vielleicht mit kleinerer Dosis auch ent¬ 
sprechende Erfolge erzielen können, wenn wir sie in Form von 
Tiefen bestrahl ung verabreichen, versuchten wir statt den bis¬ 
herigen in 35— 40 Minuten verabreichten beiläufig 600 F. ent¬ 
sprechenden Dosen, in 5 Minuten 160JP\ zu verabreichen. Als 
Wirkung dieser minimalen Dosen ging die Zahl der weissen 
Blutkörperchen zuerst überraschend schön hinab, aber das 
Minimum erreichte in keinem Falle die der normalen nahe¬ 
stehende Zahl, welche wir nach Tiefen bestrahl ungen sonst zu 
sehen gewohnt waren. In einem Falle fiel die Zahl der weissen 
Blutkörperchen in 14 Tagen von 300000 auf 60000; tiefer ging 
diese aber nicht. Nach 5 Monaten war die Zahl beiläufig 160000. 
In einem zweiten Fall fielen die weissen Blutkörperchen von 
70000 auf 20000 in 14 Tagen, aber nach 4 Monaten war sie 
schon wieder 98000. Wir sahen also, dass die in kurzer Zeit 
verabreichte kleine Dosis zwar nur eine kleine Reaktion hervor¬ 
rief, aber die günstige Wirkung war auch bedeutend geringer als 
bei der grossen Dosis. Ein zweiter Gedanke war, ob es nicht 
möglich wäre, mit Erhöhung der Belastung in kurzer Zeit eine 
grosse Dosis anzuwenden, mit welcher Einrichtung wir die wir¬ 
kende Dosis io entsprechender Grösse verabreichen würden, die 
Dauer der Behandlung dagegen ganz bedeutend verkürzt werden 
könnte. Die oben erwähnte neue Apparatur gab uns die Mög¬ 
lichkeit zu solch grossen Belastungen, und wir sind heute im¬ 
stande, in 15—20 Minuten eine 450—600 F. ausmachende Tiefen- 
bestrablung zu vollziehen. Unsere Erfahrung geht dahin, dass 
tatsächlich mit der Verkürzung der Expositionszeit eine wesent¬ 
liche Verminderung der Reaktion einbergeht, und dass wir dieses 
Verfahren empfehlen können, natürlich ohne dabei auRSchliessen 
zu können, dass selbst bei diesem Vorgehen schwerere Reaktionen 
vollständig zu vermeiden wären. 

Einige Worte noch über die Wahl der Dosen. Wir arbeiteten 
zuerst mit Induktionsapparaten (Unipnls, Apex) mit einer para- 
lellen Funkenstrecke von 32—34 cm mit 25 cm Fokushautdistanz, 
mit 0,5 mm Messingfilter, mit 2 l / 2 Milliampere Sekundärbelastung. 
Von dieser Strahlung wandten wir zuerst 360—400 F. an auf die 
vordere, seitliche und dorsale Oberfläche der Milz, zusammen 
also 150—1200 F.; später aber gaben wir, damit wir den guten 
Einfluss der Bestrahlung auf möglichst lange Zeit ausdehnen, 
grössere Dosen, in deren Verlauf wir dreimal 500, 600, jn einem 
Falle sogar dreimal 700 F. gaben. Ein solches Steigern der Dosen 
erwies sich als überflüssig. Das Abfallen der weissen Blutkörper¬ 
chenzahl, wie auch die Dauer der guten Wirkung war den 
übrigen Fällen gegenüber nicht sehr verschieden. Auf Grund 
dieser Erwägung verfuhten wir in einigen Fällen so, dass wir den 
Kranken nur die minimale Dosis der Strahlungen gaben. Die 
Dauer der Bestrahlung war in diesen Fällen nur 5 Minuten auf 
die vordere, seitliche und dorsale Oberfläche der Milz, die Dosis 
war 150—165 F Wir sahen eingangs, dass wir mit den mini¬ 
malsten Dosen auch ganz brauchbare Resultate erhielten, woraus 
wir auf das Zustandekommen der Wirkung wichtige Schlüsse 
ziehen können; die Wirkung selbst scheint in erster Linie nicht 
von der Menge der strahlenden Energie, sondern von dessen 
Tiefenwirkung abznhängen. Wenn auch diese Beobachtnng vom 
theoretischen Standpunkt aus interessant sind, empfehlen wir für 
die Praxis die Verabreichung etwas grösserer Dosen einerseits, 
dass wir das Herabsinken der weissen Blutkörpercbenzabl bis zur 
Norm sichern, und andererseits uro die Dauer der Wirkung mög¬ 
lichst lange Zeit zu sichern. Wir erreichen dieses Ziel ziemlich 
gut, wenn wir die vordere, seitliche und dorsale Oberfläche der 
Milz mit je 400— 600 F. bestrahlen. Dies erreichen wir bei unserer 
neuen Apparatur mit folgender Einstellung: Primär 100—105 Volt, 
18 Ampere; sekundär 6—7 Milliampere; Filter 0.5 mm Messing; 
25 cm Fokusbautdistanz; 38 cm Funkenstrecke. Bei dieser Ein¬ 
stellung beträgt die pro Minute verabfolgte Dosis 32—83 F., das 
sind in 15 Minuten beinahe 500 F. 

Zusamroenfassend können wir somit feststellen, dass die Tiefen¬ 
bestrahlung in der Therapie der Leukämie ein sehr verlässliches 
und energisch wirksames Verfahren darstellt. Wir sahen keinen 
Fall, der auf diesen therapeutischen Eingriff sich refraktär ver¬ 
halten hätte, und selbst jene Fälle, welche sich gegen sonstige 
Eingriffe refraktär zeigten, reagierten prompt auf Tiefenbe- 

Ö* 


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BERLINER KLINISCHE W OCHEN SCH RI KT. 


Sr. 47. 


Strahlung. Die Wirkung der Bestrahlung dauert 6—10 Monate; 
während dieser Zeit fühlen sich die Patienten wohl und* sind 
arbeitsfähig; eine neuerliche Bestrahlung ist von gerade solch 
guter und dauernder Wirkung als die erste. Es unterliegt keinem 
Zweifel, dass diesen überaus günstigen Erfolgen schwere Reaktionen 
(nach unserer Statistik 12 pCt. Mortalität) gegenüberstehen; aber 
in Anbetracht dessen, dass die Leukämie an sich eine Krankheit 
ist, bei der die Prognose stets ernst ist, und bei welcher xum 
Tode führende Exazerbationen selbst bei anderer Bestrahlung sogar 
auch ohne jede Behandlung nicht zu den Seltenheiten gehören, 
und schliesslich in Betracht gezogen, dass durch die Verminde¬ 
rung der Expositionszeit'es scheinbar gelingen wird, die Reaktionen 
zu vermindern, müssen wir an der Tiefenbestrahlung der Leukämie 
als an einem ganz hervorragenden therapeutischen Mittel fest- 
halten. • 

Zum Verhalten des Pektoralfremitus bei der 
kruppösen Lungenentzündung. 

▼oo 

Prof. Arieth-Mün8ter i. Westf. 

Zu diesem Thema sind seit meiner eingehenden Arbeit 1 2 3 ) Studien von 
Wolter*), Hochhaus 8 ) und vor allem letzthin von Zadek 4 5 ) erschienen. 

loh selbst habe im Felde grösseres Pneumoniematerial immer wieder 
zur Nachprüfung der hier vorliegenden Verhältnisse benutzt 8 ), desgleichen 
auch das reiche Pneumoniematerial der Iofluenzaepidemie 6 * ). Immer fand 
Bich die Richtigkeit der 1906 entwickelten und von der bisherigen Lehre i 
abweichenden Auffassung des Verhaltens des Pektoralfremitus bei der 
kruppösen Pneumonie bestätigt. 

‘Da die erwähnten 'Arbeiten meiner Ansicht einen Rückschlag in der 
Lehre vom Pektoralfremitus bedeuten, verlohnt es sich vielleicht, dazu 
Stellung zu 1 nehmen. 

Zadek hebt eingangs seiner Studie mit Bezug auf die Arbeiten 
von Verf., Wolter und Hochhaus hervor, dass trotz zunehmender Er¬ 
kenntnis von der Häufigkeit des verminderten Stimmfremitus auf der 
Höhe der Pneumonie die in Betracht kommenden Verhältnisse «nur wenig 
studiert und nioht gefördert“ worden sind. 

Weil 8r in über 50 pCt. seiner Fälle auf der Hohe der Pneumonie 
— meist nur geringe — Mengen von Exsudat mit der Punktionsspritze 
nachweisen konnte, kommt für ihn nur das Exsudat als die alleinige 
stimmfremitusabsoh wachen de Ursache in Betracht. 

Die Untersuchungen Zadek’s gehen damit aber dooh dem eigent¬ 
lichen Kernpunkt der Sache vollkommen aus dem Wege. Es handelt 
sich nicht darum, dass ein hinzu treten des Exsudat den Pektoralfremitus 
abschwäoht bzw. aufhebt. Daran besteht kein Zweifel und ist diese Mög¬ 
lichkeit von Verf, Wolter und Hochhaus genug betont und nicht 
etwa übersehen worden. Diese Möglichkeit bat also bei der ganzen Frage 
vollkommen auszusoheiden. Ich schrieb wörtlich: «Vor allem wird natür¬ 
lich dann, wenn eine exsudative Pleuritis hinzutritt, die Verstärkung des 
Pektoralfremitus mehr und mehr abnehmen, und wenn die Dicke genügend 
ist, in Aufhebung desselben übergehen.“ Hochhaus sagt (S. 579): «Un¬ 
bestritten ist auch der absohwäohende Einfluss eines pleuritischen Exsu¬ 
dates, das sich neben einer Pneumonie entwickelt.“ Er fügt aber be¬ 
zeichnenderweise hinzu, worauf wir auch später bei der Besprechung der 
Zadek’schen Exsudatbefunde zurüokkommen müssen: „obsobon ich auch 
gesehen habe, dass trotz eines Exsudates, das 1 1 / a cm dick war, der 
Fremitus sich verstärkt erwies.“ Siehe ferner bei Hoobhaus, 1. c., 
S. 579, 580 und 582. Auoh Wolter geht ausdrücklich auf die Fälle 
mit ExsudatbilduDg ein und sohliesst sie ebenfalls aus (1. o., S. 1675 
und 1677). 

Der Angelpunkt der ganzen Frage ist der, warum bei reinen Pneu- 
moniefällen, also ohne jede Exsudatbildung, und gerade bei den stärksten 
Hepatisationen ein abgeschwächter bis, [völlig aufgehobener Pektoral¬ 
fremitus anzutreffen ist, bei gleichzeitig lautestem Bronohialatmen und 
starker Bronohophonie. 

Verf. hat zwei beweisende Sektionsprotokolle veröffentlicht (I. o., 
S. 822), wo bei sehr abgeschwäcbtem |bis aufgehobenem Fremitus sich 
kein Tropfen Exsudat vorfand, ebenso handelt es sich in dem Falle Wil¬ 
helm N. von Hochhaus (1. c., S. 580) um eine maximale Infiltration 
der ganzen linken Lunge (über 1 / i grösser als die gesunde, Rippenein¬ 
drücke, HerzverdräDgung, keine Spur Exsudat bei der Punktion, bei der 
Sektion nuriVerwacbsungen und Fibrinauflagerungen), wobei aber ein 
fast völlig aufgehobener Pektoralfremitus bestand. Zwei andere gleich¬ 
artige Fälle (ebenfalls maximale Ufiltration einer ganzen Lunge) mit 
Sektion wurden von Hoohhaus weiterhin angeführt. 

1) Arneth, M.m.W., 1906, Nr. 17 u. 18. 

2) Wolter, D.m.W., 1908, Nr. 89. 

3) Hochhaus, D. Arcb. f. klin. M., 1911, Bd. 101. 

4) Zadek, B.kl.W., 1919, Nr. 86. 

5) Arneth, Beobachtungen bei kruppöser Pneumonie im Felde; 
Iofluenzapneumonien. Zschr. f. klin. M., Bd. 82, H. 1 u. 2.* 

6) Siehe auoh: Arneth, Ueber Grippebeobach tuDgen im Felde. M. Kl., 

1919, Nr. 7. 


9 £ Bei der Häufigkeit des Pneumoniesektionsmateriales ist die Beweis¬ 
führung in dieser Richtung ausserordentlich leicht gemacht. Wie häufig 
der Pneumonieverlauf auch klinisch ohne jede Exsudatbildung vor sich 
geht, weiss jeder Praktiker. Erst bei der lofiuenzapnenmonieepidemie 
mussten wir immer und immer wieder die Punktionsspritze in die Hand 
nehmen, um uns bei lautestem Bronohialatmen und massiger Dämpfung, 
aber fehlendem Pektoralfremitus immer wieder davon zu überzeugen, 
dass kein Empyem übersehen wurde. Der negative Ausfall der Probe- 
unktion und der weitere klinische Befund Hess also so oft jede exsu- 
ative Komplikation von seiten der Pienra ausschHessen. 

Das sind die Fälle, die für die ganze Fr§ge in erster Linie in Be¬ 
tracht kommen, Fälle, wie sie auoh Zadek selbst unter Rubrik HI in 
seiner Arbeit (Stimmfremitus abgesobwächt, Exsudat nicht vorbaoden) 
susammen8tellt. Eine richtige Erklärung für die 85 Fälle dieser Abtei¬ 
lung weiss denn auch Zadek, der gerade die für diese Gruppe so not¬ 
wendigen Sektionsprotokolle im Gegensätze zu Verf. und Hochhaus 
(a. oben) nicht bringt, keineswegs zu geben.. Er rekurriert lediglich auf 
die alten hierfür versuchten Erklärungen, die er selbst nur als wahr¬ 
scheinlich, denkbar, möglich bezeichnet. Die Zadek'soben Unter¬ 
suchungen r nben uns also gerade in dem wichtigsten Funkte keine Auf¬ 
schlüsse und Förderung bringen können. 1 

In zweiter Linie bedürfen die Fälle Zadek’s unter II (Stimmfremitus 
verstärkt, Exsudat vorhanden), die der Zadek’schen Lehre doch direkt 
widersprechen, der Aufklärung, um so mehr als es sich hier um Iofiltra- 
tionen einer ganzen Lunge handelt. Die Fälle der Abteilung IV (Stimm¬ 
fremitus abgesobwächt, Exsudat vorhanden) müssen, wie eingangs erwähnt, 
überhaupt ausscheiden (s. jedoch auch unten). Für die Beurteilung der 
Fälle unter I (Stimmfremitus verstärkt, Exsudat nioht vorhanden) lassen 
sich nur an der Hand genauer klinischer Befunde Sohlüsse sieben, wie 
dies unten bezüglich der abweichenden Hoehbaus'sohen und Wolter- 
soben Fälle geschah. 

Es lässt sioh somit auoh die Schlussfolgerung Zadek's unter IV, 
wo er als Beweis dafür, dass nur das Exsudat als Ursache des vermin¬ 
derten Stimmfremitus in Frage kommt, den Umstand anführt, dass dabei 
überwiegend häufig Bronchialatmen zu hören ist, keinesfalls aufrecht 
erhalten. 

Eine ganz getrennte Besprechung verdienen die Fälle Zadek’s 
unter IV (Stimmfremitus abgesobwächt, Exsudat vorhanden), die, wie er¬ 
wähnt, im Prinzip eigentlich ausscheiden müssten. Während man doch 
an und für sich eher geneigt sein wird, bei massigen Infiltrations¬ 
verhältnissen, die infolgedessen auch prägnante, nachhaltige, nicht so 
leicht zu verdeckende pbysikalisch-klinisehe Befunde liefern müssen, nur 
eine stärkere Flüssigkeitsansammlung als maassg<bend für eine Ab- 
scbwächung des Pektoralfremitus dabei anzuerkennen, macht Zadek 
diese Annahme schon bei dem Naehweis kleinster Flüssigkeitsbildungen: 
wenn die Probepunktion an ein und derselben Stelle mindestens 5 ccm 
und höchstens 20—25 com (Ausschluss grösserer Exsudate) zutage 
fordert. Nach Schlussfolgerung Nr. 2 wurden augensoheinlioh alle Falle 
hinzugerechnet, selbst wenn bei der Punktion nur einige Tropfen Flüssig¬ 
keit naebgewiesen werden konnten. 

Zadek geht zweifelsohne hier entschieden viel zu weit, und es ist 
siober, dass ein grosser Teil seiner Fälle unter IV (Stimmfremitus ab¬ 
geschwächt, Exsudat vorhanden) im Wesen zur Rubrik III (Stimmfremitus 
abgeschwächt, Exsudat nicht vorhanden) geschlagen werden muss, da 
eben rein physikalisch eine so geringe Exsudatmenge unmöglich für eine 
so einschneidende Modifikation der klinischen Phänomene so gewaltiger 
AggregatzustandsveränderuDgen der Lunge in Betracht kommen kann. 
Hoohhaus erwähnt im Gegensatz dazu (S. 578), dass er sogar bei l 1 /* cm 
dickem Exsudat den Pektoralfremitus verstärkt arigetroffen hat, wie oben 
bereite einmal angeführt wurde. 

Zadek führt 51 Sektionen mit Frsud'i+Lv,— 1 nntn* 
fällen an. Es wäre für die 
wichtigsten gewesen, wenn das 
Tode mit dem Sektionsresultat ^ 

Diese Prüfung wurde ansche/ 
geführt. 

Unter den 51 Sektionsfäl 
als 42 Fälle, b»i denen die 
nur bis zu 150 ccm (von uLtor • 
fanden sich über 250 ccm. Es sin * 
klinisch sich sonst nicht einmal d’ H 

Mengen. Zadek kann aber selbs-’. uTc.iur poau. .iaio ftiuuusse — auoh 
agonale kommen wohl i” ‘rächt — nicht genügend sicher ausschHessen. 

Gegen die «mit auera Vorbehalt“ von Zadek gemachte approxi¬ 
mative Berechnung der wirklich vorhandenen Pleura« xsudatmenge durch 
Multiplikation der au einer Stelle erhaltenen Punküonsflüssigkeitsmenge 
mit 10 Hessen sioh natürlich erst recht die schwerwiegendsten Gründe . 
anführen. 

r Nach Zadek sind die erwähnten kleinsten, auoh radiologisoh nicht 
nachweisbaren Exsudatmengen in dünner Schicht gleichmässig im Pleura¬ 
raum über der Lunge gelagert. Man denke sich einmal eine derartige 
kleinste M^nge von unter 5 ccm Exsudat ab gleichmässig über die 
grosse Oberfläohe eines ganzen oder gar mehrerer Lungenlappen ver¬ 
teilt, so können dabei doch nur allerdünnste, vielleicht kaum messbare 
Schichten von Exsudat zustande kommen, von denen dann bei der 
Punktion einige Tropfen und auoh etwas mehr beim Herausziehen der 
angezogenen Panktionsspritse gewonnen werden. Die Wahrscheinlichkeit 
einer Beeinflussung des physikalischen Befundes durch solche ver- 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 




,24. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1117 


schwindende Mengen in der hoebgradigen Weise, dass ein an sich ver¬ 
stärkter Pektoralfremitus über einem massig infiltrierten grossen Organ 
dadurch abgeBchwäoht bis aufgehoben wird, ist dooh wohl schon rein 
physikalisch betrachtet ein Ding der Unmöglichkeit. Duroh den Nach¬ 
weis solcher kleiner und kleinster Ezsudatmengen selbst ist also noch 
lange nicht der Schluss gestattet, den Zadek macht, dass lediglich da¬ 
durch die Abschwäobung bis Aufhebung des Pektoralfremitus über dem 
völlig hepatisierten Lungengewebe bedingt ist. Einen vollen Beweis bat 
Zadek damit in keiner Weise gebracht. Diese kleinen Ezsudatmengen 
können vielmehr io ihrem Einflüsse auf den Pektoralfremitus kaum 
nennenswert in Betraoht kommen, derselbe wird vielmehr auch dann 
fast ausschliesslich in seinem Verhalten von dem gewaltig veränderten 
Aggregatsustande der Lunge und den dadurch geschaffenen physikalischen 
Bedingungen beeinflusst. Und darum dürften wohl die meisten Fälle 
Zadek** unter IV zu III zu reobnen sein. In dieser Rubrik sind aber 
die von mir aufgestellten Grundsätze geltend. 

Es wäre auch schwer denkbar, wie die so dünnen, geringen Flüssig¬ 
keitsmengen den Pektoralfremitus absohwäohen bis auf heben sollen, 
während das Bronohialatmen und die Stimme in der lautesten Weise 
duroh sie hindurobgeht und verstärkt wird. 

Die Fälle unter der Rubrik Ia (Stimmfremitus verstärkt, Ezsudat 
nicht vorhanden, ausgesprochenes Bronohialatmen) bezeichnet Zadek im 
Gegensatz zu meiner Auffassung als Sohulfälle. Zadek lässt aber bei 
seinen Fällen genauere Angaben darüber vermissen, ob etwa ein tympa- 
nitisoh-gedämpfter Schall (ausser vorn unter dem Schlüsselbein) vorlag, 
ob spärlicheres oder reichlicheres, mehr oder weniger verbreitetes Knistern 
oder ob Rasselgeräusche gleichzeitig vorhanden waren. Es sind dies 
Erscheinungen, die auf nicht komplette Infiltration hindeuten und 
im 1. und 3. Stadium, gemischt auch im 2. Stadium der Pneumonie 
und bei sohlaffen Pneumonien anhaltender Vorkommen. Je nach dem 
verschiedenen Aggregatzustande der Lunge muss aber mit phys kalischer 
Notwendigkeit auoh das Verhalten des Pektoralfremitus in den ver¬ 
schiedenen Stadien wechseln und tut es auch. Niemals würde sich 
dieser Wechsel mit dem Auftreten und Schwinden kleiner Ezsudat¬ 
mengen in so einfacher und restloser Weise deuten lassen. Ohne die 
.eingehende Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse in der von mir 
genau geschilderten Weise lässt sich meiner Ansicht die ganze Frage 
kaum erfolgreich in Angriff nehmen. So ist denn auch die Erklärung 
Zadek’s zu II (Stimmfremitus verstärkt, Ezsudat vorhanden) meiner An¬ 
sicht nach ganz ungangbar und auch direkt mit seinen Grundsätzen selbst 
im Widerspruch stehend. Auoh hier wären*aber wie bei I ezakte An¬ 
gaben über den physikalischen Befund zur genaueren Beurteilung un¬ 
erlässlich. 

Uebrigens hat auoh Wolter 1 ) eingehender Stellung zu der Häufig¬ 
keit der Ezsudatbildung und dessen Einfluss auf den Pektoralfremitus 
genommen. Er fand viel häufiger, als er vermutete, schon in den 
ersten Tagen Flüssigkeitsansammlungen auch bei anscheinend sehr 
massenhafter Pneumonie. Es sei aber nur die Frage, welchen'Umfang 
ein Ezsudat angenommen haben muss, um das Verhalten des Pektoral¬ 
fremitus zu beeinflussen. Nur bei manchen Pneumoniefällen dürfe man 
die Absobwäohung des Fremitus mit der Ezsudatbildung in'Zusammen¬ 
hang bringen. (Dann können es aber logischerweise nur die grösseren 
sein, wie auch Verf. oben ausfübrte.) 

Gegenüber Zadek geben die Untersuchungen Wolter’s im 1. Stadium 
der Poeumonie eine volle Bestätigung meiner Befunde, iodem er immer 
entweder eine Verstärkung des Pektoralfremitus oder ein gleiches Ver¬ 
halten wie auf der gesunden Seite (nach Verf. als Uebergaogsstadium von 
der Verstärkung im 1. Stadium zur Abschwächung im voll ausgebildeten 
2. Stadium aufzufassen), aber in keinem Falle eine AbschwächuDg vor¬ 
fand. In 84 Fällen des 2. Stadiums fand Wolter 46 mal eine Ab 
1 — “cb.^c- .««KfL of 4»oo in manohen dieser Fälle 

Dass solch toxische Faktoren ein«, aber negativ war. 16 Fälle 
Ist auch der Umstand ein Beweis, 
mit Radium solche Reaktionen in kle 
zustande kommen. 

Es ist nun eine weitere Frage, 
tienten vor den grossen Reaktionen 
sicht auf den Umstand, dass der ju * 
wahrscheinlich ist, müssen 

einer solchen Apparatur za 

nioüt getan und auaaruo&uu uie uungcu. 


\ einen deutlich erhöhten 


i 38 Fälle des 2. Stadiums 
sebauungen. Es ist dies 
nauen Angaben der bei« 
ist ohne weiteres klar, 
.ne, die neben Bronchial- 
Rasselgeräusche (fein-, mittel , 
® gezählt bat. Wir haben dies 
Jher denen noch Knisterrasseln 
neben dem Bronchial atmen zu hören ist, als ncc 1 ' -*“ht voll bepatisieit 
und darum noch teilweise wenigstens als zum 1. Stadium gehörig betrachtet, 
selbst wenn bereits Dämpfung vorhanden war. (Ganz besonders häufig 
war dies Verhalten bekanntlich letztbin bei den sohlaffen Infiuenza- 
pneumonien der Fall.) Nach unseren Grundsätzen ist dann aber immer 
eine Verstärkung zu erwarten, so dass auoh diese Fälle Wolter’* wahr¬ 
scheinlich in vollkommener Uebereinstimmung zu meinen Befunden 
stehen. 

Io den Uebergangs- und Mischstadien wird man natürlich ein gleiches 
Verhalten des Pektoralfremitus wie auf der gesunden Seite finden und 
dürften die übrigen 16 Fälle Wolter’s bierberzählen. , 

Gerade in der genauen Verfolgung des Wechsels dieser Verhältnisse 
haben wir die grosse Bedeutung des Verhaltens des Pektoralfremitus 
in diagnostischer, aber auob in prognostischer Biosicht erblickt. 

1) l 9. S. 1677. 


Ein Eiogeben in diese feineren Details lassen die Arbeiten Zadek’s, 
Wolter’s und Hochbaus’ aber vermissen. 

Bei den Fällen von Hochbaus, soweit sie sich an. genaueren 
Befunden nacbprüfcn lassen, liegen die Verhältnisse ähnlich wie bei denen 
von Wolter, so das9 ein besonderes Eingehen darauf sich erübrigt. Der 
klassische 1. Fall von Hocbbaus ist oben bereits genauer berücksichtigt. 
Seine Meinung, dass auf Grund der Befunde Wolter’s meine mit Hilfe 
des Pektoralfremitus für die Diagnose der Pneumonie gezogenen Schlüsse 
wegfielen, halte ich daher nicht f$r begründet. In seinen Leichen¬ 
versuchen fand übrigens auch Hochhaus niemals weder bei einer pneu¬ 
monischen noch auoh tuberkulösen Infiltration der Lunge eine Verstärkung, 
sondern immer eine Abschwächung des Pt ktoralfremitus. Er sagt auch: 
„Jedenfalls stimmt aber, was Arneth auch schon in seiner Arbeit her- 
vorgeboben hat, dass lautes Bronohialatmen und ebenso Broncbopbonie 
deutlich vorhanden sein kann und trotzdem Abscbwächung des Pektoral¬ 
fremitus besteht. 

Die besondere Stellung der Oberlappenpneumonie habe ich selbst 
genügend bervorgehoben. 

Die drei seit meiner 1. Arbeit erschienenen Arbeiten von Wolter, 
Hochbaus und Zadek geben daher keine Veranlassung, die dort nieder¬ 
gelegten Beiträge zum Verhalten des Pektoralfremitus einer Revision zu 
unterziehen, ich kann auch die Kritik von Zadek nicht als berechtigt 
anschauen, dass dadurch die in Betracht kommenden Verhältnisse nur 
wenig studiert und nicht gefördert wurden. Mir däucht, dass dasJ’Gegen- 
teil der Fall ist und die erwähnten Arbeiten einen Rückschritt bedeuten. 
Die Anschauungen des Verf.’s lassen keine Lücke im Verständnisse der 
vorliegenden komplizierten Verhältnisse, was bei den anderen aber nicht 
der Fall ist. Eine zu sebematisebe Beurteilung der hier im raschen 
Wechsel an dem Beobachter vorüberziehenden so verschiedenen Aggregat- 
zustände der Lunge muss nur zu Irrtümmern führen. 


Zur Morphologie der Lymphozyten. 

Bemerkungen zu dem Aufsatz Bergel’s in Nr. 39 dieser Wochenschrift. 

Von 

Prof. H. Kliea. 

Der Aufsatz Bergeis veranlasst mich, auf die Ergebnisse eigener 
Untersuchungen binzuweisen, die mit den Beobachtungen und Auf¬ 
fassungen Bergeis zum Teil in Uebereinstimmung, zum Teil in Wider¬ 
spruch stehen. 

1. Bergei beobachtete, dass bei lymphozytösen Exsudaten, die er 
durch Injektion von Fettemulsion hervorrief, die Kerre der Lymphozyten 
anfangs rund waren, und dass sie nach einiger Zeit Einkerbutgen und 
tiefe Einbuchtungen zeigten. Diese führten aber niemals zu einem voll¬ 
ständigen Zerfall des Kernes, sondern die einzelne Teile blieben stets 
durch grobe Balken verbunden (Riederformen). 

In einer 1914 erschienen Arbeit 1 ; habe ich daraufhingewiesen, dass 
im L'quor cerebrospinalis häufig Lymphozyten verkommen, bei denen 
der Kern in mehrere (2—5) Teile vollständig gespalten ist, so dass sie 
bei manchen Färbungen (vor allem auch in Schnittpräparaten) leicht 
für polynukleäre Leukozyten gehalten werden können. Von diesen unter¬ 
scheiden sie sich durch das basophile nicht neutrophile gekörnte Plasma 
und ferner dadurch, dass sie, wie alle Lymphozyten, bei geeigneter 
Färbung ein wohlentwickeltes Kemkörpercben zeigen, das den poly¬ 
nukleären Leukozyten vollständig fehlt. Bei deo mehrkernig erscheinen¬ 
den Lymphozyten tritt keine Vermehrung der Kernkörperchen ein, sondern 
das Kernkörperohen bleibt in einem, dem grössten Kernstück intakt er¬ 
halten. Daraus geht hervor, dass es sich nicht um eine Teilung des 
Kerns im Sinne einer Vermehrung, nicht um eine Bildung neuer Kreis¬ 
individuen handelt, sondern um eine ZerteiluDg des Kernindividuums, 
um eine Fragmentierung. 

Ich habe seinerzeit betont, dass sieb eine stärkere Fragmentierung 
bei länger, bestehenden lymphozytifren Exsudaten findet, häufig auch bei 
den Lymphozyten des normalen Liquors. Man batte bisher die Ein¬ 
kerbungen des Lympbozytenkerneß einfach als Alterserscheinung gedeutet, 
loh habe mich dieser Ansicht nicht anschhessen können, da ich bei den 
schwer degenerierten Leukozytcnformen bei abküngender Liquor-Lympho¬ 
zytose diese Kernkerbuogen und Spaltungen vermisste. Konform mit 
der jetzt von Bergei gewonnenen Ansicht habe ich mich schon damals 
über die Bedeutung dieser Kernspaltungen folgendermaassen geäussert: 
„Man könnte sieb sehr wohl denken, dass die zu starker Oberfläcben- 
vergrösserung führende Gestaltsveiänderung des Kernes mit bestimmten, 
bisher unbekannten FuDktionszuständtn der Zelle zusammenhäDgt“. Zu 
diesen Funktionen scheint nach den UntersuoLungen Bergel’s unter 
anderem die fettspaltende und fettaufnebmende Tätigkeit der Lympho¬ 
zyten zu gehören. 

2. Bergei stellt die Forderung auf, dass wir künftig zu klinischen 
Zwecken nicht nur die Zahl, sondern auch die Form der 
Lymphozyten in Betraoht zu ziehen haben. Dieser Forderung 
bin ich bereits 1914 an einem Material von 130 zytologisch genau 
analysierten Spioalflüssigkeiten «aebgekommen. 


1) Beiträge zur zytologisohen Untersuchung der Spinalflüssigkeit. 
Zsehr. f. d. ge». Neurol., 1914, Bd. 21. 


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Gck igle 


Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 






1118 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Rr. 47. 


loh sohrieb damals, dass sioh die Kerbung und Fragmentierung der 
Lymphozytenkerne in höherem Grade und besonders zahlreich bei sehr 
ohronischen und bei abklingenden Lymphozytosen findet, während bei 
akuten Lymphozytosen, je akuter dieselben sind, um so mehr Lympho¬ 
zyten mit runden oder nur sch wachbuch ti gen Kernen auftreten. „Z-ügt 
ein grosser Prozentsatz der (Liqaor-)Lymphozyten Kernfragmentation, 
so muss man daraus auf eine geringfügige Proliferation resp. Ein¬ 
wanderung von Lymphozyten schliessen. Ist die Z*hl pro cmm trotzdem 
hoch, so darf man daraus wohl aqf eine entsprechend grössere räumliche 
Ausdehnung des meningealen Prozesses schliessen. Bestehen anderer¬ 
seits keine oder nur Yereinzelte Fragmentierungen und ist trotzdem die 
Lymphozytenzahl pro cmm niedrig, so lässt sioh daraus schliessen, dass 
wohl ein akuterer Prozess mit stärkerer Proliferation resp. Einwanderung 
besteht, dass derselbe aber umschriebene Gebiete betrifft, so dass trotz 
reichlicher Ausstossung von Lymphozyten in den Liquor in diesen um¬ 
schriebenen Gebieten doch die Gesamtzahl pro cmm nur wenig steigt “ 
Diese Formel habe ich seit jener Zeit gelegentlich auch schon diagnostisch 
mit Erfolg verwenden können. 

Auoh über die Bedeutung der Grösse der Lymphozyten und ihrer 
Kern-Plasma Relation, die Bergei nur flüchtig streift, habe ich in jenen 
1$0 Fällen eingehende Untersuchungen angestellt und bin auch hier zu 
einer diagnostisch zu beachtenden Formel gekommen, auf die ich hier 
des Näheren nicht eingehen will. Es sei nur darauf hingewiesen, dass 
auch in diesem Punkte die Forderung Bergei's nach einer künftigen 
diagnostischen Verwertung der Lymphozytenform bereits auf einem Ge¬ 
biete erfüllt worden ist. 


Bücherbesprechungen. 

Tasclöihueh für praktische Untersuchungen der wichtigste! Nahrnngs- 
and Geaassülttel. Nach den von Generaloberstabsarzt Prof. Dr. 
Fl. Ritter Kratsohmer v. Forstburg gehaltenen Vorträgen zu¬ 
sammengestellt von Mr. E. Senft, ehern, k. u. k. Militä«*-Med. Ober- 
offizial. Dritte Auflage, umgearbeitet und vermehrt von Franz Adam, 
k. k. Inspektor an der allg. Untersuohungsanstalt für Lebensrnittel in 
Wien. Mit 7 Abb. im Texte und 8 Tafeln. Wien 1919. Verlag von 
JoBef Safär. 286 Seiten. Preis 12 M. 

Ein handliches Taschenbuch für das Laboratorium, das ursprünglich 
der Ausbildung österreichischer Militärärzte auf dem Gebiete der Nah- 
rungsmitteluntersuchnng zugedacht war, doch auoh für andere, die ge¬ 
legentlich solche Untersuchungen auBzuführen haben, wie Aerzte, Pharma¬ 
zeuten u. a., sehr geeignet ist. Die Methoden passen sioh naturgemäss 
dem Codex alimentarius Austriacus an, daneben -sind Begutachtungs¬ 
normen des Deutschen Reiches vielfach berücksichtigt. Einzelne An¬ 
gaben sind leider sehr kurz gehalten, z. B. der für die Wässerung der 
Miloh wichtige Nachweis der Salpetersäure in derselben und die Be¬ 
stimmung der Härte im Wasser, die hier nur durch Berechnung aus der 
zeitraubenden ge wich tsanaly tischen Bestimmung des Kalziums und Mag¬ 
nesiums festgestellt wird. Da die Beurteilung der Nahrungsmittel in 
Oesterreich vielfach von deijenigen in Deutschland abweicht, eignet sich 
das Taschenbuch bei uns vornehmlich nur für die Ausführung der 
Untersuchungen. Becks troem - Charlottenburg. 


E. Friedberger- Greifswald und R. Pfeiffer-Breslau: Lehrhnch der 
Mikrobiologie (mit besonderer Berücksichtigung der Seoehenlehre). 

2 Bände mit 7 Tafeln, 8 Diagrammen und 867 zum Teil farbigen 
Abbildungen im Text. Jena 1919. Verlag von G. Fischer. Preis 
40 M. 

Das vorliegende Lehrbuch, zu dessen Bearbeitung sich 19 der 
hervorragendsten Fachgelehrten mit den Herausgebern vereinigt haben, 
ist in 2 Bänden erschienen. Es enthält folgende Beiträge: I. Band 
(Allgemeiner Teil): Vorwort der Herausgeber; Geschichte der epidemio¬ 
logischen Forschungen, K. Kisskal|; Einteilung der Krankheitserreger, 
H. Reichenbach; Allgemeine Morphologie und Biologie der Bakterien, 
H. Reiohenbaoh; Allgemeine Morphologie und Biologie der übrigen 
Virusarten, Schimmel, Hefen, 0. Bail; Schimmel- und Hefeerkrankungen, 

O. Bail; Allgemeine Morphologie und Physiologie der Protozoen, 
M. Hartmann; Infektion und Immunität, R. Pfeiffer; Experimentelle 
Chemotherapie, weil. P. Ehrlich; Allgemeine Epidemiologie und 
Prophylaxe, M. Hahn; Desinfektion (Entseuchung), W. Prausnitz; 
Gesetzgebung, K. Kisskalt; Methodik, R. Scheller; Bakterien in Luft, 
Wasser, Erdboden und Miloh, H. Reiohenbaoh; II. Band (Spezieller 
Teil): Milzbrand, M. Neisser; Tuberkulose, H. Kossel; Lepra, E. Got- 
schlich; Epidemische Cholera, E. Friedberger; Abdominaltyphus, 

P. Uhlenhuth; Paratyphus und infektiöse Fleischvergiftungen, P. U h 1 en- 
huth; Ruhrbazillen, W. Kruse; Darmbakterien im Allgemeinen, 
W. Kruse; Kolibazillen, W. Kruse; Pathogene Kokken, M. Fischer,; 
Influenza und dfe Gruppe der hämoglobinophilen Bakterien, R. Pfeiffer, 
Bazillen der Friedländergruppe, M. Neisser; Baoillas pyooeaneus. 
M. Neisser; Pest, M. Neisser; Diphtherie, R. Scheller; Rotz, weil. 
P. H. Römer; Tetanus, weil. P. H. Römer; Malignes Odern, weil; 
P^H/jRömerj^Rauschbtand, weil. P. H. Römer;'Gasbrand,^R. Pfeiffer 
Botulismus, weil. P. H. Römer; Hämorrhagische Septikämie der 
Titre, W. Pfeiler; Sohweinerotlauf, W. Pfeiler; Pseudotuberkulose, 
W. Pfeiltr; Thierpathegtne Erreger der Paratyphusgruppe, W. Pfeiler; 


Aktinomykose, W. Pfeiler; Madurafuss, W. Pfeiler; Spirochätosen 
E. Gotschlich; Pathogene Protozoen, C. Schilling; FJeckfleber, 
E. Gotschlich; Filtrierbare Virusarten, weil. F. Loeffler; Maligne 
Gesohwülste, E. v. Düngern. Entsprechend der Absicht der Heraus¬ 
geber, ein Lehrbuch zu schaffen, das das Schwergewicht nicht so aus¬ 
schliesslich auf die Behandlung der experimentellen Laboratorismna- 
bakteriologie als vielmehr auf die Darstellung der allgemeinen Seuohenlehre 
und des Seuchenschutzes legt, ‘ ist nicht nur in den Beiträgen des all¬ 
gemeinen Teiles des Werkes den allgemeinen und speziellen epidemio¬ 
logischen Fragen ein weiterer Raum gewährt, sondern auoh in denen 
des speziellen Teils ist neben der experimentellen Bakteriologie in enter 
Linie die Epidemiologie und die Bekämpfung bei den einzelnen mensch¬ 
lichen Infektionskrankheiten und den Tierseuchen in erster Linie dar¬ 
gestellt, wobei in den meisten Kapiteln auoh die neuen Erfahrungen, 
welche der Krieg für die Seuchenlebre und die Seuchenbekämpfung 
gebracht hat, Berücksichtigung erfahren haben. Wertvoll ist in der 
erwähnten Hinsicht auch die eingehende Behandlung der gesetzlichen 
Bestimmungen. Viele der Beiträge sind in der formvollendeten, er¬ 
schöpfenden, aber doch knappen und präzisen Weise, in der sie die 
einzelnen Gebiete behandeln, ausgezeichnete Leistungen. Ebenso ist 
anerkennend bervorzubeben, dass der Verlag trotz der durch den Krieg 
bedingten Schwierigkeiten, dooh die Herausgabe des Werkes in der 
vorliegenden guten Ausstattung mit so zahlreichen vorzüglichen und 
instruktiven Abbildungnn zu einem für die gegenwärtigen Verhältnisse 
massigen Preise ermöglicht hat. Die Anschaffung des neuen Lehrbuohs 
ist nicht nur den Studierenden zu empfehlen, sondern seine Beschaffung 
dürfte auch für die beamteten wie für die in der Praxis stehenden 
Aerzte und Tierärzte von Nutzen sein. Haendel. 


Leo Laugstein: Ernährung und Pflege des älteren Kindes (nach dem 

Sänglingsalter). 2. erweiterte Auflage. Berlin, Verlag von Max Hesse. 

Preis 8 M. 

Das für den Laien bestimmte Büchlein enthält ebenso wie in 
der ersten Auflage — nach einer kurzen Einleitung über die Sonder¬ 
stellung des Kindesalters und über das Wachstum des Kindes eines Be¬ 
schreibung der Erscheinungen der Gesundheit und der Abweichungen 
vom normalen Zustand, sowie eine Schilderung der Erkrankungen im 
Spiel- und Schulalter und deren Prophylaxe durch vernünftige Pflege, 
Ernährung und Erziehung. Im Anhang ist ein Merkblatt über die Er¬ 
nährung und Pflege des Säuglings und Kleinkindes wiedergegeben, das 
die durch den Krieg gebotenen Veränderungen und Einschränkungen 
berücksichtigt. Die neue Auflage wird den Kreis der Freunde dieses 
Buches erweitern, zumal an volkstümlich geschriebenen Büchern für daB 
Kleinkindesalter kein Ueberfluss besteht. Der Arzt wird gern das lehr¬ 
reich und anregend geschriebene Buch empfehlen, das dem Laien gibt, 
was ihm frommt. 


Walter Birk: Leitfaden der Sänglingskrankbeiten für Studierende 
and Aerzte. 8 . umgearbeitete Auflage. Bonn 1919, Verlag von 
Marcus & Weber. 

Das kurz gefasste Lehrbuch B.’s hat rasch eine grosse Bedeutung 
unter den Studierenden gewonnen. Die klare, knappe und doch überall 
wissenschaftliche Darstellung, die die Ergebnisse aller Forscbuogs- 
richtungen der Kinderheilkunde objektiv würdigt, verdient den Erfolg. 
Die neue, gegen die vorhergehende wenig veränderte Auflage wird nicht 
nur Studierenden, sondern auch bereits praktisch erfahrenen Aerzten 
willkommen sein. t L. F. Meyer-Berlin. 


Literatur-Auszüge. 

Therapie. 

D. Gerson-Dresden: Zur Lichtbehandlung des Lipaa, besonders 

über das Verfahren nach Bessnnger. (D.m.W., 1919, Nr. 48.) Die Er¬ 
folge, die Verf. mit der Methode nach Bessunger, den Lupus mit 
röntgenisierten Jodsubstanzen zu behandeln, erzielt hat, waren im all¬ 
gemeinen nicht ermutigend. Nur bei einem Fall von Lupus miliar» 
faoiei erfolgte Besserung. Dünner. 

W.Zemann*. Zur Behandlung der Angina ulcerosa (PI aut-Vinoent) 
mit Neosalvamn. (W.kl.W., 1919, Nr. 40.) Der Geschwürsgrund wird 
in seiner ganzen Ausdehnung obetflächlioh mit einer 3proz. Neosalvarsan- 
lösung in sterilem destillierten Wasser infiltriert. 

E. Lekisch: 1 Ueber Modenol. (W.kl.W., 1919, Nr. 89.) Modenol 

hat dieselbe Zusammensetzung wie das französische Präparat Enesol 
(Clin). Es ist ein unsohädliches, mildes, dabei wirksames Antisyphiliti- 
kam und wird auoh von Personen, die die üblichen Quecksilberiojek- 
tionen nicht vertragen, toleriert. Infolge seines Arsengehalts führt seine 
Anwendung zur Erhöhung des Hämoglobingebalts des Blutes und öfters 
zur Gewichtszunahme. Glaserfeld. 

Dürig-Berlin: Zur Behandlung torpider Cleschvrire. (D m.W„ 
1919, Nr. 44.) Eine weinrote Kaliumpermanganatlösung von 40pCi 
wird aus^einem Irrigatorimit 2Jm Gefälle durch ein Giasansatsstüok, das 
vorn bis'auf Stecknadelkopfgrösse zugesphmolzen ist, in dünnem Strihl 
täglich aufgespritzt. Dann trookener Verband. 


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universityofiowa: 



24. November 1010. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1119 


(X Waasertrudinger - Charlottenburg: Erfahrungen mit Vnzin. 
(D.m.W., 1919, Nr. 44.) Verf. benutzt eine Lösung 1: 1000 mit 7a pro** 
Novokainzusatz zu Injektion. Behandelt wurden Erysipele, Drüsenabazesse, 
Mastitiden, Sehnensobeidenphlegmonen, Rückenkarbunkel. Mit den Resul¬ 
taten bei Erysipel und abgeschlossenen Eiterungen ist Verf. zufrieden. 

Dünner. 

A. Winkler: Zur Saccharosebehandlnng der Lungentuberkulose. 

E. Ladek: Zur Behandlung der Taberkalose mit Saccharose«jek- 
tioaen. (W.kl.W., 1919, Nr. 40.) Die beiden Verff. haben, getrennt von 
einander, an zwei steiermärkischen Heilstätten die ‘ accbaroseinjektions- 
behandlung erprobt und gelangen zusammen zu einem ungünstigen Urteil 
dieser neuen Therapie. Temperatursteigerungen und Nachtschweisse 
post injeotionem weisen darauf hin, dass das Mittel nicht einmal harm¬ 
los ist Die einzig günstige symptomatische Wirkung, die Herabminde- 
rung der Auswurismenge, wird durch die Schmerzhaftigkeit der Injek¬ 
tionen aufgewogen. Im objektiven Befund trat keinerlei Aenderung ein. 

Glaserfeld. 

K. Henius Berlin: Die Behandlung der Lungenkrankbeiten mit 
dem künstlichen Paeamotborax. (D.m.W., 1919, Nr. 43) Vortrag im 
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde in Berlin am 14. VIII 1919. 
Siehe Gesellschaftsbericht der B.k.W., 1919, Nr. 45. 

Brünecke-St. Andreasberg: Erfahrungen nach prophylaktischen 
Injektionen des F. F. Friedmannsehen Tnberknlesemittels. (D.m.W, 
1919, Nr. 44.) Nach subkutaner Injektion traten mehrere Male schmerz¬ 
hafte Infiltrate auf. Einmal wurde etwas Eiter entleert, in dem säure¬ 
feste Stäbchen, sonst keine Erreger gefunden wurden. 

R. Mühsam und E. Hay ward-Berlin: Endergebnisse der Behand¬ 
lung mit dem Friedmaniscben Mittel. (D.m.W., 1919, Nr. 43). Die von 
den Verff. angestellten Nachuntersuchungen an Patienten* die sie vor 
5 Jahren gespritzt haben, haben gezeigt, dass da* Mittel in der Zu¬ 
bereitung, wie es 1914 zur Anwendung kam, auch in den Späterfolgen 
nicht die vielfach angegebene Sicherheit in der Heilwirkung entfaltet 
hat und anderen Arten der Tuberkulosebehandlung nicht überlegen ist. 

W. Pfalz - Düsseldorf: Zur Behandlung von Herzkranken mit 
Trnnbenznekerinfnsionen. (D.m.W., 1919, Nr. 43.) Es werden durch¬ 
schnittlich 6—10 Infusiooen von je 200—300 ccm 12—20proz. Trauben- 
zuckerlösuDg gemacht, die bei einer Reihe von Herzkrankheiten, bei 
denen Büdingen „Kardiodystrophie“ annimmt, auf die subjektiven Be¬ 
schwerden günstig wirken. Iq manchen Fällen finden sich auch objek¬ 
tive Symptome einer Besserung. Dünner. 

A. Theilhaber-Münohen*. Der Eiofluss der Diathermiebehandlnng 
auf da 9 Karzinomgewebe. (M.m.W., 1919, Nr. 44.) Bei der Diathermie- 
bebandlung einer Anzahl inoperabler Karzinome trat eine beträchtliche 
Verringerung der Schmerzen ein und in einem Teil der Fälle eine Ver¬ 
kleinerung der Geschwulst. Mikroskopisch zeigten sich Bilder von Rück¬ 
bildung und Untergang von Krebszellen, während die Zone der Rund- 
zelleninfiltratioD zugenommen hatte. Daraus geht hervor, dass die Dia¬ 
thermiebehandlung einmal die Sohutzkräfte des Körpers gegen das 
Karzinom, wie die Rundzellenanhäulung beweist, vermehrt, dann aber 
auoh karzinomzerstörend wirkt. R. Neu mann. 

P. Saxl: Neue Beobachtungen über die Fernwirknng oligodyna¬ 
misch wirkender Substanzen. (W.kl.W., 1919, Nr. 40.) Oligodyna¬ 
misch wirkende Substanzen sind imstande auoh durch die Luft hindurch 
eine aktivierende Wirkung auszuüben. Den aktivierten Substanzen 
kommt neben der desinfizierenden eine permanganatreduzierende Eigen¬ 
schaft zu. — Im übrigen muss auf das Original verwiesen werden. 

Glaserfeld. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

A. Jakob-Hamburg: Ueber das Wesen der progressiven Paralyse. 
(D.m.W., 1919, Nr. 43.) Die durch Anfälle bedingte Steigerung des 
paralytischen Krankheitsbildes charakterisiert sich neben den regressiven 
und progressiven Ersoheinuugen am nervösen Parenchym vornehmlich in 
hochgradigen entzündlichen Vorgängen am Gefässbmdegewebsapparat, 
die sich in vermehrter Infiltration der Pia, der Rindengelässe, i im 
Auswaulero der zeitigen Infiltrationselemente ins Nervengewebe, in 
Bildung von Lymphozyteoherden und eDzephalitischen Prozessen und 
nicht selten zu dem in Entwicklung gummöser Gefässwandveränderungen 
miliaren Gummen in der Grosshirn rinde kundtun. Verf. steht auf dem 
Standpunkt, dass die Paralyse eine Infektionskrankheit ist, und dass die 
durch die An (alle bedingten akuten Schübe mit den Spirochäten in 
ursächlichen Zusammenhang zu bringen sind. Dünner. 


Parasltenkunde und Serologie. 

H. Reiter - Rostock: Eine einfache Methode zur Verminderung der 
Gasuot in Laboratorien und Krankenhäusern. (D.m.W., 1919, Nr. 43) 
Mit Hilfe eines WaBserstrahlluttgebläses lässt sich aus jeder Gasleitung 
auoh io Sperrstunden genügend Gas beraussaugen. Die obere Oeffoung 
des Gebläses wird mit der Gasleitung verbunden und die zweite Oeffnuog 
mit der Lioht- bzw. Heizquelle. 

Hol 1 boro • Leipzig: Eine neue Methode zur Lösung und Ver¬ 
wendung von Eosf 9 Methylenblau. (D.m.W., 1919, Nr. 44.) Man nimmt 
0,5 des Farbstoffs auf 50° erwärmtes Glyzerin. Zum Gebrauch 
benutzt mau 3 Tropfen der Lösung mit 2 ccm destillierten Wassers und 
giesst die Mischung auf das vorher fixierte Präparat. Dünner. 


S. L. Maiowan: Ueber den mikroskopischen Nnehweii der Ti- 
berkeibazillen. (W.kl.W., 1919, Nr. 40.) Gefärbt wird mit einem 
Gemisch von einem Teil Karbolanilinschwarzlösung mit drei Teilen Karbol¬ 
fuchsinlösung; differenziert wird mit Salzsäurealkohol. Glaserfeld. 

E. Zurhelle-Bonn: Zur klinisohen Bewertung der Ausflockuags- 
reaktion anf Syphilis nach Sachs and Georgi. (Derm.Zschr., Sept. 1919.) 
In 87,1 pCt. von 2101 Seren stimmte die Sachs Georgi’sohe Reaktion 
mit der Wassermaon'scheu Reaktion überein, and zeigte nur in 9,7 pCt. 
Differenz und in 3,2 pCt. Eigenflookung. Es besteht also fast vollstän¬ 
dige Spezifizität für Lues. Immer wahr. 


Innere Medizin. 

E. Liebmaon - Zürich: Ein Fall von Herälmuskelentilndung aaeh 
Leuchtgasvergiftung. (D.m.W., 1919, Nr. 43.) Die Untersuchung eines 
Falles von tödlich verlaufender Leuchtgasvergiftung ergab das Vor¬ 
handensein einer schweren interstitiellen und parenchymatösen Myokar¬ 
ditis. Die klmisohen Beobachtungen von Zondek (Blutdrucksenkung, 
Störungen der Schlagfolge, Herzdilatatioo) sind zum Teil wohl ebenfalls 
als Folge derartiger Prozesse aufzulassen. 

Zander - Steglitz: Ausgedehnte Eodemie von Lungenentzündungen 
dnreh Infektion mit Friedländer’sehen Pnenmohasillen unter Zivil¬ 
arbeitern. (D.m.W., 1919, Nr. 43.) Bericht über 411 Fälle mit 144 
Todesfällen. Optochin war wirkungslos. Jugendliebe Personen waren 
hauptsächlich betroffen. Dünner. 

J. E. Kayser-Petersen - Frankfurt a. M.: Ueber die Beziehungen 
zwischer Grippe und Tuberkulose, mit besonderer Berücksichtigung der 
Entstehung zentraler Lungentuberkulose nach Grippe. (M.m.W., 1919, 
Nr. 44.) Bei bestehender Lungentuberkulose ist der Einfluss der Grippe 
abhäDgig von dem Grad der tuberkulösen Erkrankung. Das Manifest¬ 
werden latenter, bisher nicht nachweisbarer Tuberkulose kommt nach 
Grippe vor. In den beobachteten Fällen war die Tuberkulose besonders 
zentral lokalisiert. Dies wird zurückgeführt auf die Tatsache, dass bei 
Grippe die mediastinalen Lymphdrüsen erheblich anschwellen, die dann 
einen Locus minoris resiatentiae für die Tuberkelbazillen bilden. 

R. Neumann. 

(j. Schwonke - Neuenahr: Zur Eventratio diaphragmatica. (D.m.W., 
1919, Nr. 43) Kasuistik. Dünner. 

E. Paulicek: Ueber ein Lippenphänomen beim Typhus. (W.kl.W., 
1919, Nr. 39.) Dunkel weinrote Färbung der Lippen. 

M. Gioseffi: Zur Typhusbekämpfnng in Malariagegenden. (W.kl.W., 
1919, Nr. 31.) Eine saobgemässe Bekämpfung des Typhus in malaria¬ 
durchseuchtem Gebiet wird dadurch erzielt, dass bei jedem fieberhaften 
Zustand Untersuchungen auf Typhus und Malaria gleichzeitig angestellt 
werden. Die Serumreaktion mit formolisierten Bouillonkulturen erweist 
sich bei Verhältnissen, wo eine bakteriologische Frühdiagnose durch 
Kultur aus dem peripherischen Blut nicht möglich ist, im Zusammen¬ 
hang mit dem klinischen Krankheitsbild und bei Erwägung der sonstigen 
begleitenden Umstände als ein sehr wertvolles diagnostisches Hilfsmittel. 

J. Hatiegan: Untersuchungen über die Aetiologie und das klinische 
Bild der epidemischen Gelbsucht. (W.kl.W., 1919, Nr. 39.) Unter epi¬ 
demischer Gelbsucht sind diejenigen Erkrankungen unbekannter Aetio¬ 
logie aufzufassen, welche unter dem klinischen Bild des Icterus catarrhalis 
epidemisch auftreten. Die Erkrankung charakterisiert ein zweizeitiger 
Verlauf: einem kurzen, fieberhaften Abschnitt folgt ein längerer, von 
Gelbsucht begleiteter fieberloser Abschnitt. Das klinische Bild be¬ 
herrschen die grosse Leber, grosse Milz, das Fehlen von Eiweiss im Urin 
und allgemeine toxische Erscheinungen. Die stets vorhandene Uro- 
bilinurie spricht für eine schwere Schädigung der LeberfuDktionen; 
während des fieberlosen Abschnitts und in der Rekonvaleszenz war hoch¬ 
gradige relative und absolute Lymphozytose feststellbar, ln 50 Fällen 
gelang es Verf., in der mit der DuodenaLonde entnommenen Galle ein 
zur Koligruppe gehöriges, ausserordentlioh lebhaftes Bakterium nachzu¬ 
weisen, welches er auch aus dem Blut einiger Fieberfälle züchten konnte. 
Das Bakterium ist sicher mit dem Fleisch in den Organismus gelangt; 
in dem genossenen Fleisch wurde ein Bakterium gefunden, welches dem 
aus der Galle entnommenen vollständig glich. Epidemiologisch ist mithin 
die KTankheit als eine alimentäre Koliartinfektion zu erklären. ADatomisoh 
stellt der epidemische Ikterus eine akute, sioh auf die Leber beschrän¬ 
kende Infektion und Intoxikation, eine lokalisierte Leberkrankheit dar; 
histologisch handelt es sich um eine gutartige Entzündung der Gallen¬ 
wege, verbunden mit degenerativer Entzündung der Leberzellen. 

Glaserfeld. 

G. Den ecke - Greifswald: Fünf atypische Fälle von Erythema 
nodosam. (D.m.W., 1919, Nr. 44.) Üngenöhulich war die Beschränkung 
auf die untere Tibiakante, der chronische, fast fieberlose Verlauf und 
die geringe Druckschmerzhaftigkeit. 

H. Meyer - E9torf - Charlottenburg: Vakuolenbildung in den 

Leukozyten bei symptomatischer Pnrpnra. (D.m W., 1919, Nr. 44.) 
Bei einem vierjährigen Kinde mit Meningitis cerebrospinalis fanden sich 
im Blutbild kleine Vakuolen m den Leukozyten, teils in Reihen am 
Zellrand, teils regellos im Protoplasma. Bis zu 30 Vakuoleu in einer 
Zelle waren zu zählen. Dünner. 

Wandel- Leipzig: Ueber Nitrobenzolvergiftng im Felde. (Mm.W., 
1919, Nr. 44.) Beschreibung eines Falles von Nitrobenzolvergiftung, die 
zunächst für eine echte Blausäurevergiftung gehalten wurde. Dareh 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


Aderlass and Einspritzungen von N*0 2 in 8proz. Lösung konnte der 
Patient gerettet werden, R. Neu mann. 

Koslo wsky - Berlin-Lichtenberg: Aua der Praxis. (D.m.W., 1919, 
Nr. 44.) I. Infektion des Halses und des Anus mit Plaut-Vincent. 
K. Hess den Anus einscbmieren mit Anaesthesin 2,5, Bismutb. subgall. 5, 
Zinc. oxyd. u. Amyl. trit. ana 10, Vaselin ad 50,0. II. Ein Fall von per¬ 
niziöser Anämie bei einer Frau, deren 6jähriges Kind an Zucker ge- 
'storben war. Konstitutionsanomalie. HI. Durchfalle bei Basedow, die 
durch Ovarienpräparate beseitigt wurden. 

J. Bauer-Wien: Die Blutdruckwirkuig des Adrenalins. (D.m.W., 
1919, Nr. 44.) Bemerkungen für die Arbeit von K. Dresel in D.m.W., 
1919, Nr. 39. 

K. Dresel-Berlin: Erwiderung auf den vorstehenden Artikel. 

Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Paetsch-Stettin: Eine eigenartige Meningitisepidemie. (D.m.W, 
1919, Nr. 44;. Eine Beobachtung aus dem Felde. Eine Reihe Soldaten 
erkrankte im Anschluss an eine Erkältung mit meningitischen Er¬ 
scheinungen. Alle bakteriologischen Untersuchungen verliefen negativ. 
Es wurde einmal eine Augenmuskellähmung beobachtet, einmal erfolgte 
Exitus. Ueber die Aetiologie vermag P. nichts sicheres zu sagen. 

Dünner. 

E. Lustig-Pressburg: Ueber Rezidive der Meningitis cerebro¬ 
spinalis epidemiea und deren Verhütungsmöglichkeit. (W.kl.W., 1919, 
Nr. 39 ) Ein achtjähriges, Mädchen, welches 3 Wochen an Genickstarre 
liegt, erkrankt 3 Wochen nach dem Temperaturabfall erneut an denselben 
typischen Symptomen. Der weitere Krankheitsverlauf zeichnet sich da¬ 
durch aus, dass lünfmal 2—7 Tage dauerndes hohes Fieber mit 4—12 
Tage dauernden fi berfreien Intervallen abweohselt. Verhütungsmöglioh- 
k’eiten: Urotropin und Nasenrachenraamauspinselungen während der 
Rekonvaleszenz. Glaserfeld. 


Chirurgie. 

Grünbaum - Wien: Neue Konstraktionspriuzipien für Ober- 
schenkelprothesen. (Verb. d. Dtsch. ortbopäd. Ges., Beil.-H. z. Zschr. 
f. orthopäd. Chir., Bd. 38.) Nach du Bois-Reymond*s Untersuchungen 
.unterscheidet sich das normale Gehen mit Kunstbeinen durch das 
Zurückbleiben ( des Kunstbeinunterscbtnkels beim Vorschwiogen, durch 
das Gestrecktsein des Kunstbeins, so lauge es als Standbein dient und 
durch die vermehrten Hebungen und Senkungen der Hüfte. Letztere 
bedingen eine Mehrarbeit von 50 pCt. beim Gehen. G. empfiehlt die 
Anbringung einer Kniebremse am vorversetzten Kniegelenk, durch welche 
die Sicherheit im Stehen erhöht wird, ferner die Möglichkeit vorliegt, das 
gebeugte Knie zu belasten und der Gang natürlicher und weuiger an¬ 
strengend gestaltet wird. 

Bies&lski: Kraftquellen fär selbsttätige Kunstglieder. (Verb, 
d. D. orth. Ges., Zschr. f. orth. Chir., Bd. 38, Beil.-H.) A. Betätigung von 
Körperkrätten ausserhalb des Stumpfes durch: 1. Brustzug, 2. Schulter¬ 
hub, 3. Schulterstoss, 4. Schulterzug, Ausnutzung des gesunden Armes. 
B. Ausnutzung von Muskelkräften, welche den Stumpf bewegen: 1. a) Steige¬ 
rung der Ellenbeuge, b) Steigerung der Pronation; II. Kraftquellen des 
Oberarmstumpfes; III. Kraftquellen des Unterarmstumpfes; IV. Hand¬ 
stumpf. G. Ausnutzung der dem Stumpfe verbliebenenen Muskelreste: 
I. ohne nachträgliche Operation; II. durch nachträgliche Operation: 
a) Sauerbruoh, b; Krukenbergmethode. D. Ausnutzung einer Kraftquelle 
für zwei Bewegungen, die zwangsläufig lpiteinander verbunden sind. 
E. Ausnutzung einer Kraitquelle für zwei unabhängig nacheinander zu 
betätigende Bewegungen. F. Kraftquellen desBtiues: I. Ausnutzung der 
Muskelkräfte, welche den Rumpf bewegen; II. Ausnutzung der dem 
Stampfe verbliebenen Muskelwerte. 

Sc he de-München: Das Kunstbein als Stützorgan. (Verb. d. D. 
orth. Ges., Zsohr. f. orth. Chir.. Bd. 38, Beil.-H.) Die anatomische Längs¬ 
achse des Stumpfes fällt nicht mit der des künstlichen Oberschenkels 
zusammen, sondern bildet mit dieser einen Winkel. Das Kunstbein ist 
ungeachtet der Stellung des Stumpfes im Sinne einer vollen Hüftstreckung, 
noch besser einer leichten Ueberstrcokung, zu orientieren. Das Knie¬ 
gelenk ist bei längeren Stümpfen nur 1 cm, bei kürzeren 2 cm hinter 
seine normale Lage zu rücken. Die Fussachse ist senkrecht unter der 
Knieacbse oder etwas vor ihr anzubringen. 

Blumenthal-Berlin: Ueber die Aasnatzang selbsttätiger Kraft¬ 
quelle!. (Verb. d. D. orth. Ges., Zsohr. f. orth. Chir., Bd. 38, Beil.-H.) Im 
Original naohzulesen. 

Böhm-Berlin: Ueber den mblatigen Aiseblass von Sinai pfmaskeln 
an Protbesenteile. (Verb. d. D. orth. Ges., Zschr. f. orth. Chir., Bd. 38, 
Beil.-H.) Ausnutzung der Querschnittsveränderung des sich zusammen¬ 
ziehenden Muskels für die Bewegung der Prothese mittels besonderer 
technischer Anordnungen. 

Do Hin ge r-Budapest: Stützflächen der Ersatzbeine. (Verh. d. D. 
orth. Ges., Zscbr.f. orth. Chir., Bd 38, Beil.-H.) Au jedem Kunstbein ist eine 
Entlastung anzubringen, und zwar sind nicht Stützpunkte, sondern Stütz¬ 
flächen zu verwenden. Nur Skelettteile eignen sich als Stützflächen, 
niemals Weichteile. UnterscheDkelamputierte Bind am inneren Schien¬ 
beinknorren, am WadenbeinkÖpfohen, sowie am Sobienbeinhöoker zu ent¬ 
lasten. Für Obersohonkelamputierto besteht die Entlastung in einer 


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Sitzpelotte unterhalb des Sitzbeins. Diese Stützfläche ist bei gestrecktem 
Bein anzubringen und muss horizontal liegen. Bei Oberschenkelampn- 
tierteb mit kurzem Stumpf, sowie bei Hüftexartikulieiten ist die Stütz« 
fläche nioht mit dem Obersohenkelteil, sondern mit dem Beckenteil zu 
verbinden, und das Hüftgelenksscharnier ist in Höhe des Dammes anzu- 
bringen. 

Weber-Wien: Ueber das Maakeltarnen ind Messingen. (Verb. d. 
D. orth. Ges., Ztschr. f. orth. Chir., Bd. 88, Beil.-H.) Turnübungen als 
Vorbereitung auf muskelplastisohe Operationen, bestehend aus Geschick¬ 
lichkeitsübungen der unverletzten Band, sowie Innervationsübungen der 
Scumpfmuskulatnr. 

Spitzy-Wien*. Hand- and Fingerplastikea. (Verh. d. D. orth. Ges., 
Zsohr. f. orth. Chir., 1919, Bd. 88, Beil.-H.) Vor jeder Sehnen Verpflanzung 
ist die Möglichkeit der Nervenoperation zu erwägen. Nach letzterer muss 
lange genug gewartet, bei ersterer muss das soziale Moment der Auf¬ 
stellung des Operationsp laues berücksichtigt werden. Schwerarbeiter be¬ 
dürfen im allgemeinen nur der Aufrichtung der Hand, die Fingerstreoker 
bleiben für das feste Anfassen von Stielen und anderen Gegenständen 
besser ungekürzt. Bei Medianuslähmung ist Ersatz des Flexor sablimus 
durch einen ulnaren Handbeuger zu empfehlen, die Opposition des 
Daumens wird durch Drehung desselben um 90 Grad und Arthrodese im 
Grundgelenk erreicht. Bei Ulnarislähmung bewährte sich die einfache 
Durohtrennung der Fingerstreckung. Bei Hand- und Fingereiterungen 
sind zur Vermeidung von Versteifungen nioht starre, sondern elastisohe 
Schienen anzuwenden, die Sehnen sind durch seitliche kurze Sohnitte 
freizulegen, die Lösung verwachsener Sebüen erfordert eine normale Haut¬ 
decke. Schöne Erfolge gibt die Uebertragung der Sebnensoheide des 
Grosszehenstreckers. Breite Sehnennarben sind nach Lösung vor dem 
Wiederverwacbsen durch nichts zu schützen. Zum Ersatz des Daumens 
hat Sp. die Methode des „Zeigefiogerdaumens“ ausgebildet. Sie besteht 
darin, dass der periphere Teil des Zeigefingermetykarpus auf den ganz 
oder teilweise bestehenden Metarkarpus des Daumens aufgesetzt wird. 

Wittek-Graz: Operation der Ulnarisklanenhand. (Verh. d. D. orth. 
Ges., Zschr. f. orth. Chir., Bd. 38, Beil.-H.) Die Operation, welohe bisher 
4 mal mit gutem Erfolge gemacht wurde, besteht in Folgendem: Die 
Extensor communis-Sehne des Zeigefingers wird geteilt und unter Aende- 
rung ihrer Zugriobtung an der volaren Basis der Grundphalange vernäht. 
Am Mittelfinger bleibt ein Mittelteil der Sehne stehen und wird mit der 
Sehne des Extensor indicis proprius vernäht. Das gleiche Verfahren wird 
am Ring- und Kieinfinger durebgetübrt. Es erfolgt dann Streckung des 
zweiten und dritten Fingers durch den Extensor indicis proprius, des drittes 
und vierten Fingers durch den Extensor proprius des KleiLfiogers, während 
der Extensor communis zum Beuger des Grundgliedes geworden ist. 

S axl-Frankstadt a. R.: Beinverkürzaag and Skoliose. (Zschr. i. 
orth. Chir., Bd. 38) Beinverkürzung bewirkt, selbst bei jahrelangem Be¬ 
stehen, wohl statische skoliotische Haltung, aber keine wirkliche Skoliose. 
Bei vorhandener Anlage zur Skoliose kann die BeinverkürzuDg einen 
richtunggebenden Einfluss ausüben, weshalb. bei Kindern und Jugend- 
Hohen stets die Längendifierenz der Beine ausgeglichen werden muss. 
Bei erwachsenen Obersoheukelamputierten ist das Entstehen wirklicher 
Skoliose nicht zu befürchten. Künne-Steglitz. 

A. Vischer-Basel: Die Kempressionsfraktarei der Brost- and 
Lendeuwirbelkörper. (Bruns 1 Beitr., 1919, Bd. 117, H. 1.) Die Nach¬ 
untersuchungen der Fälle der Baseler Klinik zeigen, dass die Verhält¬ 
nisse für die Heilung der Wirbelkörperfrakturen gewöhnlich günstige 
sind. Sekundäre Erweichungen im Sinne einer Kümmel’sohen Erkrankung 
wurden nioht beobachtet. Verf. tritt dafür ein, die Bettruhe der Patienten 
auf etwa 8 Wochen zu beschränken und äuoh das Korsett fortzulassen, 
vorausgesetzt, dass weitere Beobachtung des Patienten. möglich ist. 
Auch soll sobald als möglich mit leichter Arbeit angefangeu werden. 
Die Erfahrungen der Baseler Klinik in dieser HinBioht sind sehr gute. 
Von wenigen ungünstigen Fällen abgesehen, sind die bleibenden Ein- 
bussen an Erwerbsunfähigkeit bedeutend günstiger, als bisher im all¬ 
gemeinen in der Unfallliteratur angenommen wird. 

W. Peters-Bonn: Die seltenen Formen der Ostoonyelitio. (Bruns* 
Beitr., 1919, Bd. 117, H. 1.) Es werden besprochen und mit Fällen 
aus der Garre*sohen Klinik belegt die subakute und chronische Osteo¬ 
myelitis, die zuweilen schwer von der tuberkulösen OsteomyeUtis unter¬ 
schieden werden kann. Die sklerosierende nioht eitrige Form gibt sehr 
leicht Veranlassung zur Verwechslung mit Sarkom, vor allem, da auch 
die histologische Untersuchung hier zuweilen, wie auch in dem einen 
mitgeteilten Fall, sich irren kann. Weiter wird ein Fall von Platten- 
epitbelkrebs innerhalb des Knochens beschrieben, der sieh auf dem 
Boden einer osteomyeUtischen Narbe entwickelt hatte. Es folgen Bei¬ 
spiele für die Osteomyelitis albuminosa und für den latenten Knochen- 
abszess, welch letzterer 30 Jahre nach einer in der Jugend durch¬ 
gemachten Osteomyelitis entstanden war. Zum Sohluss wird die 
rezidivierende Osteomyelitis besprochen, wobei sioh Verf. über die Streit¬ 
frage verbreitet, ob es sioh bei diesen Fällen um eine Reinfektion oder 
um ein Rezidiv im engeren Sinne bandele. Er kommt zu dem Schluss, 
dass beide Tneorien ruhig nebeneinander bestehen können. 

W. V. Simon-Frankfurt &. M. 

M. Brandes und C. Meyer-Kiel:. Die. Bedeutung von Herren- 
Verlagerung and Gelenksteilnag für die Ermöglichung primärer NerVen- 
■abt. (Mm.W., 1919, Nr. 44) In Leichenvereuchen wurde festzustellen 
versucht, wie grosse Nervendefekte sioh durch Nerven Verlagerung und 
günstigste Gelenkstellung Ausgleichen lassen. Die grösste praktisch» 


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24. November 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1121 


Bedeutung hat die Luxation des Nervus ulnaris in die Ellenbeuge, die 
sehr einfaoh aussufuhren ist und bei gleichseitiger Beugung im Ellen¬ 
bogengelenk eine Ausgleichamögliohkeit bis 6 cm ergibt. Schwieriger 
und dem Gewinn an Zentimetern nach weniger ausgiebig ist schon die 
gradlinige Verlagerung des Nervus radialis von der Achselhöhle bis zur 
Ellenbeuge. Der Verlagerung des Nervus medianus am Unterarm kommt 
wenig Bedeutung su. Hier genügt schon die Beugung im Ellenbogen 
und Mobilisierung des Nerven&tammes ohne Verlagerung. Weiterhin 
wird die zum Defektausgleioh der verschiedenen Nerven an der oberen 
und unteren Extremität günstigste Gelenks£ellung angegeben, die zu¬ 
gleich die primäre Naht ermöglicht. Ein Vergleich der gewonnenen Er¬ 
gebnisse mit den Perthes’soben Angaben ergibt eine ziemlioh genaue 
TTebereinstimmung. R. Neumann. 

F. König-Würzburg: Wiederherstellung der verstümmelten Ober- 
Upp». (Arch. f. klin. CMr, 1919, Bd. 112, H. 3 u. 4, Festschrift für 
L. Rehn.) Das saerst von Estländer im Jahre 1872 beschriebene 
Verfahren, den Defekt einer Lippe duroh eine Plastik aus der anderen 
Lippe au deoken, wurde vom Verf. mehrfach mit gutem Erfolg an¬ 
gewendet. An einer Reihe von Abbildungen werden Technik und 
Resultate der Methode veranschaulicht. Hay ward-Berlin. 

Glas: Ein Beitrag su den Verletinngen der Gefisse im Kriege. 
(Bruns* Beitr, 1919, Bd. 117, H. 1.) Verf. teilt die Erfahrungen mit, 
die er in dem Reservespital in Lemberg auf der Abteilung von 
Zuokerkandl auf dem Gebiete der Gefässcbirurgie gemacht hat. Es 
werden zuerst die Resultate der wegen Blutung an den verschiedenen 
Arterien vorgenommenen Unterbindungen besprochen. Zusammen gefasst 
ist die Prognose der Blutungen schlecht, ln 31 pCt. trat nach der 
Ligatur Gangrän ein; die Mortalitätsziffer war sehr hoch.. Wie sich die 
einzelnen Arterien in dieser Hinsicht verhielten, muss im Orginal naoh- 
gelesen werden. Bei der Behandlung der Aneurysmen, der der zweite 
Teil der Arbeit gewidmet ist, muss eine genaue Auswahl der Fälle 
stattfinden, welche für die Naht oder für die Ligatur, die meist nach 
Kikuzi vorgenommen wurde, geeignet sind. Es ist falsch, sioh prinzipiell 
für die eine oder die andere Behandlungsart zu entscheiden. 

W. Peters-Bonn: Die Bedeutung der Blntnntersncllllg io der 
chirurgischen Diagnose. (Bruns* Beitr., 1919, Bd. 117, H. 1.) Auoh 
bei chirurgischen Erkrankungen vermag die Blutuntersuchung in einer 
Reihe von Fällen zur Unterstützung der Differentialdiagnose verwertet 
werden. Allerdings wird die Beurteilung dadurch erschwert, dass das 
Blutbild duroh verschiedene Momente beeinflusst werden kann, dass das 
an verschiedenen Stellen des Körpers entnommene Blut nicht das gleiche 
Blutbild zu geben brauoht, dass nach Muskelanstrengungen eine myogene 
Leukozytose eintreten kann und anderes mehr. 

W. V. Simon-Frankfurt a. .M. 

W. Hanken: Zur Therapie des Gasüdems und der Sepsis. (M.m.W., 
1919, Nr. 44.) Verf. hatte den Eindruck, dass duroh das antibakterielle 
und antitoxisohe polyvalente Gasödemserum Höchst die Mortalität und 
Zahl verstümmelnder Operationen bei Gasödem herabgesetzt werden. 
Bei Sepsis gelang es gelegentlich, im Beginn nach den ersten Fieber¬ 
anstiegen durch intravenöse Gaben von 5—10 oom einer 2 prox. Kollargol- 
lösung Entfieberung zu erzielen. R. Neu mann. 

H. Kl ose-Frankfurt a. M.: Erfolge und Methodik des 8ehilddrfisen- 
emtses bei Hypothyreosen. (Arch. f. klin. Chir., 1919, Bd. 112, H. 8 
u. 4, Festsohrift für L. Rehn.) Die Sohilddrüsenüberpfropfung ist an¬ 
gezeigt bei Hypothyreosen, welche 1. eine innere Schilddrüsenmedikatieo 
nicht vertragen oder darauf mit Basedowifikation antworten, 2. nach 
halbjahrelanger saebgemässer und ärztlich überwachter Anwendung der 
inneren Schilddrüsenmedikation keine Besserung des myxödematösen 
Zustandes erkennen lassen, 3. aus sozialen, persönlichen oder wirtschaft¬ 
lichen Gründen die innere Schilddrüsenmedikation nicht endlos fort¬ 
setzen können. Das Material wird der Sohilddrüse bei einer Stroma¬ 
operation entnommen und in den Douglas*soben Raum implantiert. 

Hay ward-Berlin. 

B. Neu er-Nürnberg: Behandlung des Grippeempyems. (M.m.W., 
1919, Nr. 44 ) Die Grundlage der Empyembehandlung bildet die 
Rippenresektion, doch darf diese erst vorgenommen werden, wenn die 
begleitenden und komplizierenden Krankheitsbilder geschwunden bzw. 
auf ein Minimum reduziert sind und die toxisohe Allgemeininfektion des 
Körpers abgeklungen ist. Bis dahin muss punktiert werden, oft mehr¬ 
fach, im Anfang meist alle 1—2 Tage. Die Indikation zur Punktion 
bilden die Zeichen erneuter stärkerer Eiteransammlung in der Pleura¬ 
höhle. Prognostisch ungünstig es, wenn nach der Punktion die normaler¬ 
weise sinkende Leukozytenzahl hoch bleibt oder nooh zunimmt. 

R. Neumann. 

K. Vogeler: Erfahrungen über den bogenförmigen Baaehsebiitt. 
(Bruns* Beitr,, 1919, Bd. 117, H. 1.) Der bogenförmige Bauchschnitt 
gibt einen ausgezeichneten Ueberbliok über die Bauchorgane. Schwierig¬ 
keiten -beim Oeffnen oder Sohliessen der Bauchhöhle bestehen nioht. 
Die Narbenbildung ist, wie die Nachuntersuchung an 81 Fällen ergab, 
eine tadellose, die Muskulatur wird nioht gesohädigt, der Zustand der 
Bauohwand beim Pressen und Husten ist ein guter. - 

W. Noetzel-Saarbrücken: Ueber die Technik der mehrreihigen 
Darmnaht. (Bruns* Beitr., 1919, Bd. 117, H. 1.) Kritische Be¬ 
merkungen zur Technik der Darmnaht. 

H. Kloiber-Frankfurt a. M.: Das Uleia eallosnm penetrant und 
seine chirurgische Behandlung mittels Qasrresektion. (Bruns* Beitr., 


1919, Bd. 117, H. 1.) Verf. bespricht an der Hand von 25 Fällen die 
verschiedenen Behandlungsmethoden des Ulcus callos. penettans. Naoh 
seiner Ansicht besteht die zweok.mässigste Behandlung des kallösen 
Ulkus in der Querresektion des gesohwürtragenden Magenteils. Die 
Indikation für die Resektion ergibt sich aus der Schwierigkeit der 
Difierentialdisgnose zwischen Ulcus callosum und Karzinom, aus der 
Möglichkeit einer später eintretenden karzinomatösen Degeneration sowie 
aus den Misserfolgen der Gastroenterostomie. Die Kontraindikationen 
dieser Operation sind vor allem schlechter Kräftezustaod und zu hoher 
Sitz des Ulkus. W. V. Simon-Frankfurt a. M.' 

A mberger-Frankfurt a. M.: Zur Behandlung des. perforierte! 
Magengeschwüre. (Arch. f. klin. Chir., 1919, Bd. 112, H. 8 u. 4, Fest¬ 
schrift für L. Rehn.)' Am besten hat sioh die gleichzeitige Anlegung 
einer Gastroenterostomie bewährt. Hayward-Berlin. 

K. Jansen Bonn: liiere Darmklemmnngen zwischen Jejmii 
■ad Magei lach Gastroenterostomie. (Bruns* Beitr., 1919, Bd. 117, 
H. 1.) Unter Vergleich mit ähnlichen Fällen der Literatur teilt Verf. 
einen weiteren Fall aus der Garre*schen Klinik mit, der eine doppelte 
Relaparotomie notwendig machte und in Heilung ausging. 

W. V. Simon-Frankfurt a. M. 

H. Küiffmell Freiburg: Beitrag zur Frage des Hydrops der 
Gallenblase. (Arch. f. klin. Chir., 1919, Bd. 112, H. 3 u. 4, Festschrift 
für L. Rehn.) Die Arbeit entstammt dem Freiburger pathologischen 
Institut und berichtet über 40 einschlägige Fälle. 

H. Kümmel 1-Hamburg: Zur Chinrgie der Nephritis lu Krieg 
und Frieden. (Arch. f. klin. Chir., 1919, Bd. 112, H. 8 u. 4, Festschrift 
für L Rehn.) Die zahlreichen guten Erfolge, welche im Laufe der 
Jahre bei der chirurgischen Behandlung der akuten und chronischen 
Nephritis erzielt worden sind, und die durch Operationen bei der so¬ 
genannten Kriegsnepbritis eine Erweiterung gefunden haben, lassen es 
angezeigt erscheinen, sioh eingehender mit der Indikation und Prognose 
der Operationen zu befassen. K. glaubt, dass die Verhältnisse hier 
ähnlich liegen wie bei der Appendizitis, welohe ebenfalls von der 
Domäne der inneren Medizin zu der der Chirurgie übergegangeu ist. 

Hay ward-Berlin. 


Röntgenologie. 

F. Vo Hz - Erlangen: Bestimmung der WoHcnllnge homogoacr 
Röntgenstrahlen auf elementarem Wege. (M m.W., .1919, Nr. 48.) Be¬ 
merkungen zu der gleichnamigen Arbeit von Th. Christen i& Nr. 28 
der M.m.W., in denen auseinandergesetzt wird, dass schon von Kossel 
und Siegbahn die Grupdlagen für die Ausführungen Christen*s ge¬ 
schaffen worden sind. R- Neumann. 

Th. Christen • Erlangen: Bemerkungen zur Desiernigsfrnge 
(Strahlentherapie, Bd. 9, H. 2.) Eine Streitschrift gegen den Aufsatz 
von Küpferle und Lilienfeld „Ueber die praktische Dosimetrie der 
Röntgenstrahlen*. 

Tb. Christen - Erlangen: Ueber biologische 8trnbienwirknng. 
(Strahlentherapie, Bd. 9, H. 2.) Physikalisch berpht jede Energiewirküng 
auf Energietransformation. Die Transformation strahlender Eaergie 
findet da statt, wo sie absorbiert wird. Für die Absorption und die 
\ biologische Wirkung von Strahlen gilt das „Arndt’scbe biologische Grund¬ 
gesetz“, wonach schwache Reize fördernd, starke hemmend und sehr 
starke lähmend oder tötend auf die Lebensfunktionen der bestrahlten 
Gewebe einwirken. So werden Karzinomzellen durch genüge Mengen von 
Röntgenstrahlen gereizt, durch grössere gehemmt und schliesslich abgetötet. 
Dasselbe gilt für- die WirkuDg des Ultravioletts auf das Epithel. Was 
die einzelnen Skrahlenarten betrifft, so lässt sich für das optische Licht 
mit abnehmender Wellenlänge eine Verringerung der Penetrationskraft 
nachweisen. Jedooh sei es noch unaufgeklärt, dass die ultraviolette 
Strahlen gerade die tieferen Schichten der Haut schädigen. Dies liesse 
sich duroh die im Gewebe entstehende Fluoreszenz erlären, die bekannt¬ 
lich zur Bildung von /^-Strahlen führt; letztere sind rasch bewegte 
Elektronen, die auf ihrem Wege duroh Gewebe chemische Veränderungen 
hervorTufen. Je kurzwelliger das Licht, desto grösser die Menge der 
sioh bildenden ^-Strahlen. Nach Meinung des Verf. üben die Sonnen¬ 
strahlen sowie das diffuse Tageslicht eine Reizwirkung auf die Haut aus, 
die z. B. bei Tuberkulose zur gesteigerten Immunkörperbildung 
führt. Die Röntgenstrahlen entfalten dieselben biologisöhen Wir¬ 
kungen wie die Liohstrahlen, nur dringen sie tiefer in das Gewebe. 
Die Heilwirkung der Röntgenstrahlen beim Krebs x. B. sieht Verf. in 
den duroh die Bestrahlung verursachten reaktiven Entzündungen. 
Von allen Hypothesen über Röntgenwirkung ist die wahrscheinlichste von 
Leduo. Nach ihm entstehen elektrische Spannungsdifferenzen im Ge¬ 
webe, in welchem nach Absorption der Röntgenstrahlen sekundäre 
l Strahlen sioh bilden; diese Elektronen mit negativer Ladung, zer¬ 
trümmern widerstandsuniähige Moleküle und lösen duroh Bildung von 
Toxinen biologisohe Wirkungen aus. 

E. Kuzuitzky-Breslau: Die bikterleide Wirkung der a-Strahlen 
(Thorium X) allein und im Zusammenhang mit verschiedenen Desinfi- 
zientien. (Strahlentherapie, Bd. 9, H. 2 ) Das vorwiegend a-strahlende 
Thorium X kann eine eminente biologische Wirksamkeit Bakterien gegen¬ 
über entfalten, besonders im Zusammenhang mit anderen chemisohen 
Mitteln. Beigefügte Tabellen zeigen, dass an sioh unwirksame Konzen¬ 
trationen von Desinfektionfaflüssigkeiten im Gemisoh mit Thorium X eine 


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UNIVERSUM OF IOWA 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. 47. 


* 

hohe bakterizide Kraft entwickeln. Die Versuotae wurden mit Typhus, 
Pyozyaneus, Staphylo-, Strepto-, Meningo- und Pneumokokken angestellt. 

M. Levy-Berlin: Der Einfluss nltravioletter Strahlen anf die 
liieren Organe der Maus. (Strahlentherapie, Bd. 9, H. 2.) Histologische 
Untersuchungen von bestrahlten undTnachher getöteten Mäusen ergaben 
makro- und mikroskopische Veränderungen an Leber, Milz, Lunge und 
Niere der Tiere: Hyperämie, Extravasate, Zellinfiltration und Nekrosen. 
Die Ergebnisse lassen auf eine direkte Beeinflussung der inneren 
tierischen Organe durch das Ultraviolett sohliessen, was mit den Unter¬ 
teilungen anderer Autoren übereinstimmt, die ebenfalls eine Tiefen¬ 
wirkung der ultravioletten Strahlen bei den Tieren feststellen konnten. 

R. Gassul. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

F. W. Oelze-Leipzig: Die Mikrophotographie deraatologischer 
Objekte. (Derm. Wschr., 1919, Bd. c 69, Nr. 42.) Anweisung für die 
Ausführung der Mikrophotographie. 

E. Müller-Heidelberg: Koistitutioselle Einflüsse hei Pnrigo. 
(Derm. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 42 u. 43) Prurigo befällt meist 
lymphatische und hypoplastisohe Personen; bei leichten Fallen kann es 
durch Anwendung von Hypophysenderivaten zur Heilung kommen. 

Immerwahr. 

W. Kl eh me t- Hannover: Eine Mikrosporieepideaie mit eigen¬ 
artigem Verhalten in.Hannover. (D.m.W., 1919, Nr. 43.)- Es handelt 
sich um Mikrosporon pertenue. Die erkrankten Haare brachen nach 
dem Rontgenbestrahlen beim Epilationsversuch dicht unter der Haut 
ab und sprossten hier im Gegensatz zu gesunden Haaren bald neu 
empor. Dünner. 

W. Löwenfeld-Wien: Zur Therapie der Triehophytieerkrankangea. 
(Derm. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 39.) „Trichoneinspritzungen“ haben 
sioh als ein wertvoller Faktor im Kampfe gegen die Bartfleohte erwiesen. 
Bei oberflächlichen Triohopbytien hat sich die äussere Anwendung einer 
konzentrierten Ammoniaklösung bewährt, ebenfalls eine unter dem Namen 
„Formaliment“ hergestellte Salbenmasse. 

A. J an een-Berlin :V Die Behandlung des'Uleus crnris mit Dyaial. 
(Derm. Wschr., 1919, Bd. 69, Nr. 40.) Verf. empfiehlt das Dymal als 
ausgezeichnetes Hilfsmittel. 

P. G. Unna-Hamburg: Eine verbesserte Darstellung des Strepto¬ 
bacilli! des weiehea Schaaken. (Derm. Wschr., 1919, Bd. 69, Nr. 43.) 
U. empfiehlt die Rongalitweissfärbung zur Darstellung des Streptobazillus. 

Immerwahr. 

A. Perutz: Die klinische Bedeutung der Serodiagaose der Syphilis 
Mittels der Aisfloekangsreaktion lür die Prognose und Therapie der 
Lu es. (W.kl.W., 1919, Nr. 39.) Die Ausflockungsreaktion weist im 
Primärstadium der Syphilis um ein bis zwei Wochen früher als die 
Komplementbindungsreaktion Reagine im Blut, d. h. die konstitutionelle 
Syphilis, nach. Eine Abortivkur gelingt daher nur bei negativer Prä- 
sipitationsreaktion. Da diese Reaktion früher die konstitutionelle Syphilis 
eAenen lässt, ist der Vorschlag Wassermannes, als Markstein der bio¬ 
logischen Einteilung der Syphilis die Komplementbindungsreaktion zu 
setzen, nicht zweckmässig: in der Vor-Wassermann-Periode kann der Pat. 
Bohon serologisch krank sein. Glaserfeld. 

W. Gärtner-Kiel: Was lehrt die serologische Sonderstellung des 
Liquor cerebrospinalis and des KaMMerwassers bei Typhns, Tleck- 
Heber and Syphilis tür£die Behandlung derJSyphilis? (Derm. Zschr., 
Sept. 1919.) Es ist von grösster Wichtigkeit, die syphilitischen Herde 
der Meningen frühzeitig zu beseitigen. Die Meningen werden vom Liquor 
cerebrospinalis umspült, der ganz anders als die übrigen Körperflüssig¬ 
keiten zusammengesetzt ist, und normalerweise keine Kommunikation 
mit dem Kreislauf hat. Die Agglutinine für Typhus und Paratyphus 
lassen sioh erst dann im Liquor nachweisen, wenn sie im Blute einen 
Agglutinationstiter von 1 : 1000 und mehr erreicht haben. Beim Fleok- 
fieber findet sich auf der Höhe der Erkrankung ein auffallender Ueber- 
tritt von Agglutininen schon bei 1 : 100 Bluttiter. Die Reagine der 
positiven Wassermann-Reaktion treten bei normalen Verhältnissen am 
Zentralnervensystem nicht in den Liquor über; daher iBt das Auftreten 
einer positiven L ; quorreaktion ein Beweis für eine syphilitisohe Affektion 
des Zentralnervensystems. Das Kammerwasser des Auges steht dem 
Liquor sehr nahe. Sollen die in den obersten Schichten der Meningen 
sitzenden Spirochäten von den spirilloziden Mitteln erreicht werden, dann 
muss das Salvaroan endolumbal einverleibt werden. Immer wahr. 

W. Gärtner-Jena: Zur Frage der Infektiosität. der latenten 
Syphilis. (D.m.W., 1919, Nr. 43.) Erwiderung auf den Aufsatz 
E. Friedländer’s in D.m.W., 1919, Nr. 32. Dünner. 

E. 0. H. Neu mann -Berlin: ? Woran sterben die Syphilitiker 
inserer Tage? (Derm. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 38 u. 39.) Todes¬ 
ursachen waren von 500 Fällen: gallopierende Syphilis in 6, tertiäre 
Lues in 18, syphilitische Gehirnaffektionen in 69, Tabes dorsalis in 14 
und Aortenaneurysma in 40 Fällen. Aetiologisoh wahrscheinlich Leber¬ 
syphilis in 88, Nervensyphilis in 52 und Herzsyphilis in 75 Fällen. Die 
übrigen 188 nachweisbar Syphilitischen starben an interkurrenten Krank¬ 
heiten. 

M. Stejskal-Prag: 8piroehätei und Aitilietika. (Derm. Wsohr., 
1919, Bd. 19, Nr. 41.) Während der apirillozide Einfluss der Salvaroan- 


Präparate ein prompter ist, ist bei Hg-Einverleibung in welcher Form 
und Quantität auch immer, ein soloher absolut nicht zu beobachten. 

K. Rühl-Turin: Ueber Disodo-Luargol bei Lues. (Derm. Wsebr., 
1919, Bd. 69, Nr. 40.) Das Disodo-Luargol hat auf den grössten Teil 
der syphilitischen Manifestationen eine bedeutende Heilwirkung ausgeübt. 
Auf die tertiären Erscheinungen war die Wirkung weniger konstant 
Eine Dauerwirkung scheint das Präparat ohne kombinierte Behandlung 
nicht auszuüben. Die Nebenwirkungen waren unbedeutende. 

W. Fis oh er-Berlin: Ueber die Veränderungen der klinischen Formen 
der Syphilis und das häufigere Auftreten schwerer Eiaatbeme Im 
F rühstadinm. (Derm. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 38.) Etwa seit Anfang 
dieses Jahres ist dem Verf. aufgefallen, dass bei frischen Luesinfektionen 
die schweren Ezanthemformen in einer überraschenden Weise an Zahl 
zugenommen haben, und dass sich dieselben auch gelegentlich mit Leber¬ 
schädigungen kombinieren. Die Ursache ist vielleicht in der Unter¬ 
ernährung zu suchen, eher vielleicht in der Einschleppung frischer bei 
uns noch nicht akklimatisierter Infektionsstämme. Möglicherweise hat 
auch eine unzureichende Salvarsanbehandlung die Virulenz der Erreger 
gesteigert. 

W. Lutz - Basel: Paroxysmale Hämeglobissrie nd 8ypkilif. 

(Derm. Zsohr., Sept. 1919.) Dem'Verhalten der Blutgefässe kam im 
Falle des Verf. ein wesentlicher Anteil an der Auslösung der Anfälle 
von paroxysmaler Hämoglobinurie zu. Die Labilität der Gefässe könnte 
sehr wohl auf einer durch die Lues verursachten Veränderung der Ge- 
fässwände selbst beruhen. Die Beziehungen der paroxysmalen Kälte- 
Hämoglobinurie zur Syphilis würden dadurch* noch mehr begründet und 
noch enger gestaltet. 

E. Levin-Berlin: Aus der Salvarsaspraxis. (Derm. Wschr., 1919, 
Bd. 69, Nr. 41.) Vier Fälle von Salvarsansohädigungen. 1. Albuminurie 
nach Neosalvarsan. 2. Erythema unmittelbar nach der Salvarsan- 
einspritzung. 3. Ohnmachtsanfall nach der Einspritzung mit Uebelkeit 
und Pupillenerweiterung. 4. Verwirrtheit und Ikterus, anscheinend Folge 
der Syphilis und nicht der vor längerer Zeit verabfolgten 6 Salvarsan- 
einspritzungen. Baldiger Exitus. Immerwahr. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

R. Th. Jaschke-Giessen: Die Behandlung der akuten pserperales 
UterasinVersion. (D.m.W., 1919, Nr. 44.) Fortbildungsvortrag. J. ist 
für möglichst baldige Reposition, die er schildert Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 29. Oktober 1919. 

Vorsitzender: Herr Ortb. 

Schriftführer: Herr F. Krause. 

Vorsitzender: Es ist das vorige Mal leider vergessen worden, noch 
eines Toten zu gedenken, der seit 1879 unser Mitglied gewesen ist, des 
Geheimrats Grün mach, der schon am 1. August gestorben ist. Ich bitte, 
auch zu seinen Ehren sioh zu erheben. (Geschieht.) 

Die von der Gesellschaft eingesetzte Kommission, welche wegen der 
frauzösichen Anforderungen an die deutschen Aerzte Untersuchungen an¬ 
stellen und einen Vorschlag an die Gesellschaft machen sollte, hat 
folgenden Berioht eingesandt: 

„Die Berliner Medizinische Gesellschaft ist nioht in der Lage, über 
die von den Liller Professoren und der Acadötnie de mödicine gegen die 
deutsohen Behörden erhobenen Anklagen und über die von den deutschen 
Behörden in ihrer Denkschrift ,Lille unter deutscher Verwaltung und die 
Kritik des Gegners 1 beigebrachte Rechtfertigung zu entscheiden. 

Wir stehen aber nicht an, offen zu erklären, dass wir alle inhumanen 
Handlungen auf das Schärfste missbilligen, wo, wann und von wem immer 
sie begangen sein mögen. Diese Stellungnahme entspricht dem von der 
deutschen Aerzteschaft stets hoohgehaltenen Geiste der Medizin, dem wir 
huldigen, dessen Anerkennung wir aber auch bei allen anderen Aersten, 
gleichviel welchem Volk sie angehören, voraussetzen.“ 

Der Vorstand ist durchaus mit dieser Erklärung einverstanden, und 
ich hoffe, es erhebt sioh kein Widerspruch. — Die Gesellschaft ist eben¬ 
falls einverstanden, und damit ist die Angelegenheit erledigt. 

Tagesordnung. 

Fortsetzung der Bespreekung des Vortrages des Herrn Frits Maik: 
Die arterielle Hypertonie and die Heribypertropkio als Kraakkeits- 
begriff. 

Hr. C. Ben da: In dem Vortrage des Herrn Munk ist auch die 
pathologische Anatomie berührt worden. loh bin selber seit längerer 
Zeit mit Untersuchungen über die anatomische Grundlage der Hirnapo¬ 
plexie beschäftigt und bin bei diesen Untersuchungen auf einige Punkte 
gekommen, die mit dem vorliegenden Thema in einer nahen Beziehung 
stehen, nämlioh insofern, als ich mich überzeugt habe, dass weder die 
makroskopischen noeh die mikroskopischen Befunde von Arteriosklerose 
an den Hirnarterien genügen, um die anatomische Grundlage für die 
Entstehung von Apoplexie zu geben, dass man vielmehr sine Grand- 


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24« November 1912. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


bediogaog in Veränderungen des gesamten Kreislaufes suchen muss. 
Hierbei hat sich nun als konstanter Befund eine starke Herzbypertrophie 
ergeben, die, da es sioh meistens um Fälle handelte, bei denen klinische 
Beobachtungen überhaupt gar nicht Vorlagen, doch wohl annehmen lässt, 
dass es sich hier um eine Teilerscheinung von arterieller Hypertonie ge¬ 
handelt hat. Nun lag mir daran, die Ursache dieser Herzhypertrophie 
festzustellen, und ioh kann nur kurz darüber referieren, dass ich in 
allen Fällen, die ioh untersuchen Gelegenheit hatte, die präkapiliare 
Arteriosklerose der Nierenarterien dooh als einen sehr in die Augen 
fallenden und konstanten Befund feststellen konnte. 

Diese Tatsache hätte weiter nichts Merkwürdiges, wenn es sioh bei 
meinen Fällen aussohliesslich um ältere Iodividuen, gewöhnliche Apo¬ 
plektiker gehandelt hätte, bei denen wir vielleicht denken könnten, dass 
hier Veränderungen vorliegen, die man unter Umständen in dem Lebens¬ 
alter auch bei solchen Individuen finden könnte, die nicht gerade Herz¬ 
hypertrophie haben und nicht an Apoplexie sterben. Ich lege aber Ge¬ 
wicht darauf, dass ich diesen Befund auch bei sehr jugendlichen Indi¬ 
viduen erhoben habe, bei einem 23jährigen und einem 30jährigen Sol¬ 
daten, die an Hirnapoplexien eingingen, und bei denen — namentlich 
bei dem 23jährigen — eine ganz ausgebreitete präkapillare Arterioskle¬ 
rose in den Nierenarterien sohon vorhanden war. Das gibt ausserordentlich 
su denken, und ioh möchte an den Herrn Vortragenden, der ja io seinen 
Erörterungen der präkapiilaren Arteriosklerose auch eine Stelle gewidmet 
hat, die Frage riohten, ob denn wirklich auch alle Fälle darauf unter¬ 
sucht worden sind und ob sioh da negative Befunde ergeben haben. 

Ich möchte noch bemerken, dass ich mioh eines schweren Versäum¬ 
nisses bei meinen Untersuchungen schuldig gemacht habe. Den Fall, 
der vielleicht das interessanteste Material dafür gegeben hätte, habe ich, 
da ioh damals der Frage der Hirnarterien Veränderungen ein zu übei- 
wiegendes Gewicht beilegte, nioht nach allen Richtungen untersucht. 
Noch kurz vor dem Kriege — ich glaube es war im Frühjahr 1914 — 
hatte ich Gelegenheit, ein blühendes 16jähriges Mädchen, welches an 
Hirnapoplexie einging, zu untersuchen. Ich habe damals nur die Hirn* 
artenen untersucht und auch den völlig negativen Befund erhalten. Ob 
sioh auch in diesem Falle sohon diese Nierenarteriosklerose gefunden 
hätte, wäre natürlich ziemlioh wichtig gewesen festzustellen. Ich habe 
aber leider damals versäumt, Nierenmaterial eiozulegen, da sich an den 
Nieren keine makroskopischen Veränderungen erkennen Hessen, möchte 
aber jetzt vermuten, dass das auch hier der Fall gewesen ist. 

Hr. Rosin: Bei der Erörterung der äusserst schwierigen und noch 
nioht genügend geklärten Ursachen des arteriellen Ueberdruckes 
müssen wir aus kUnisohen, prognostischen und therapeutischen Gründen 
verschiedene Arten der Hypertensionen unterscheiden. - Die wichtigste, 
auoh schwerste/ wenn auch nioht die allerhäufigste ist diejenige, die der 
Herr Vortragende in den Kreis der Erörterung gezogen hat, welche mit 
den Nierensklerosen, insbesondere mit der primären und sekundären 
verbanden ist. Man darf aber auch nioht ausser acht lassen, dass die 
tertiäre Lues, deren häufigste Erscheinung die Gefäss- und Aortenlues 
ist, in zweiter Reihe eine Hauptursache arterieller Hypertensionen bildet. 
In eine dritte Gruppe einzureihen sind die häufigen Hypertonien, die bei 
den unkomplizierten Formen einfacher Arterioskleiose Vorkommen. 

Diesen Gruppen gemeinsam ist die dauernde Hypertension 
(wenn unbehandelt), die in vielen Fällen, und zwar vornehmlich in den 
mit Nierenerkrankuug komplizierten so hohe Dimensionen annehmen kann, 
dass z. B. die Skala des Riva Rouci’schen Apparates nicht ausreioht und 
der Tonometer Druoke über 800 mm Queoksilber verzeichnet. 

Den genannten Formen gegenüber stehen solche, bei denen die 
Blutdrucksteigerung versohwindet, wenn die Krankheit vorüber¬ 
gegangen ist, s. B. die Basedow’sche Krankheit, hochgradige ner¬ 
vöse Erregungszustände, akute Nephritis und die sogenannten 
Gefässkrisen bei Tabes. 

Eine Gruppe für sich bildet die oft bedeutende Hypertension bei 
der Polyzytämie, bei der der Blutdruck zwar nicht schwindet, weil 
die Grundkrankheit nicht heilbar ist, bei der die Ursache der Hyper¬ 
tension aber nicht eine Gefässwandsrkrankung ist. ^ - 

Blutdrucksteigerungen sind ferner beobachtet und zwar recht be¬ 
deutende bei Einspritzung von Nebennierenextrakt und sind auoh 
klinisch in Fällen von Nebennierenerkrankungen festgestellt worden. 

Man ist geneigt, die vorübergehenden oder wenigstens nioht auf Ge* 
fäs8erkrankungen beruhenden Blutdrucksteigerungen als funktionelle 
den anderen entgegenzustellen. Doch ist prinzipiell ein Unterschied um 
so weniger zu machen, als gerade sie geeignet sind, etwas Licht in das 
noch dunkle Gebiet der Ursachen zu werfen. 

Fragt man sich nämlich, durah welohen Mechanismus kommen denn 
diese Druoksteigerungen zustande, so kann man sie nicht lediglich auf 
die sklerotische 'Verengerung der Gefässbahn oder auf die Starrheit der 
Gefässwände beziehen, auch selbst wenn man annimmt, was anatomisoh 
übrigens nioht erwiesen ist, dass sämtliche kleinsten Arterien sklerotisoh 
seien. Der arterielle Blutdruck wird bekanntlich von zwei Faktoren her¬ 
gestellt und redigiert, vom Sohlagvolumen des Herzens und vor allem 
vom Vasomotorenzentrum, vom sogenannten Gelässherz. Bei der 
Blutdrucksteigerung haben beide Faktoren ihren Anteil am Zustande¬ 
kommen, wobei man aber dem Vasomotorenzentrum einen besonders 
aktiven zusprechen muss, dessen Erforschung freilich noch bevorsteht. 
Wie stark dieser bei der Hypertension mitai beitet, kann man daraus 
ersehen, dass z. B. bei einem moribunden Nephritiker, -dessen Herzkraft 
im agonalen Zustande aufs äusserste erlahmt und dessen Puls faden¬ 


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förmig geworden ist, der Blutdruok noch immer über 200 beträgt. Es 
zeigt sich, dass eben die Vasomotoren von [ihrem pathologischen Erre¬ 
gungszustand auch kurz vor den* Exitus nioht ablassen. 

Als Folge und im engen Zusammenhang’mit der Sklerose der Arterien 
und der Arteriolen bildet Bich al$o erstens die Herzbypertrophie aus und 
zweitens auch jene Dauererregung des Vasomotorenzentrums und der Ge- 
fässwaudmuskulatur, die beide zusammen die Hypertension herbeiführen. 

Ueber die Entstehung der Herzhypertropbie hat man sioh gewisse 
Vorstellungen gemacht. Ausserordentlich schwierig ist aber die Klar¬ 
stellung der Beziehungen dieser Dauererregung der Vasomotoren 
zur Gefässsklerose. 

Es gibt da mehrere Anschauungen. Eine Anzahl von!Autoren ist 
der Meinung, dass die Arteriosklerose die Vasomotoren, d. h. das Gefäss- 
herz, in gleicher Weise zu dauernd vermehrter Arbeit antreibt, wie das 
Muskelherz hypertrophiert. So bleibt nach ihnen im Grunde genommen 
das Primäre diegSklerose,! während^die Herzhypertrophie und der 
gesteigerte Tonus der Vasomotoren als direkte oder reflektorische kon¬ 
sekutive Erregungszustände ansusehen sind. 

Eine andere Gruppe nimmt aber'die Vasomotorenerregung als 
das Primäre an. Sie setzt bei der Arteriosklerose, sowohl bei der¬ 
jenigen, die mit Nierenkrankheiten verbunden ist, als bei anderen 
Formen, z. B. der luischen, voraus, dass die der Krankheit zugrunde 
liegende Noxe zu allererst die Vasomotoren erregt und zur Blutdruok- 
steigeruflg führt. Sie stellt den Zustand in Parallele zur Hypertension 
durch Nebennierenextrakt, nimmt an, dass toxische Momente auch sonst 
die primäre Ursache bilden, wie z. B. das Blei, der Zuoker, die Harn- 
säare, das luische Gift, der Dysthyreoidismus die zuallererst dauernde 
Blutdrucksteigerung durch Dauererregung der Vasomotoren hervorrufen. 
Erst nachher bildet sioh die Gefässsklerose aus. Das Adrenalin¬ 
experiment ist für solche Anschauung maassgebend, denn man kann 
bekanntlich nach längerer Behandlung mit Adrenalineinspritsungen eine 
Sklerose der Gefässe erzeugen, die der Arteriosklerose ähnlich, freilioh 
anatomisch nicht mit ihr identisch ist. Die Autoren, welche diese An¬ 
schauung verteidigen, berufen sioh auoh auf die zahlreichen Fälle von 
Hypertensionen in der Praxis, bei denen es zuerst nicht gelingt, irgend¬ 
wie nenneoswerte sklerotische Veränderungen oder Nierenerkrankungen 
oder Herzhypertrophie naohzuweisen, während später alle diese Zustände 
sioh zeigen. 

Eine mehr vermittelnde Rolle spielt dann die Annahme, dass 
gleichzeitig mit der Gefässerkrankung und durch die gleiche Noxe die 
Hypertensiou erzeugt wird, wie z. B. bei der akuten Nepritis, und es 
besteht dann eine Wechselwirkung zwischen beiden Störungen. 

Wie dem auoh sein mag, jedenfalls haben die Vasomotoren eine 
führende Rolle beim Zustandekommen der Hypertension. Bleibt 
ihr Reizzustand aus, so kann auoh die ausgesprochenste Arterio¬ 
sklerose, die schwersten Erscheinungen von Angina pectoris bestehen, 
es kann die Gefässlues in vorgeschrittenster Weise mit enormer Aorten- 
dilatation und Herzdilatation vorliegen; trotz alledem fehlt dann jede 
Blutdrucksteigerung. Die Blutdruoksteigerung fehlt auoh, falls die Vaso¬ 
motoren nicht mitarbeiten, wenn wie z. B. bei der Arteriosklerose der 
Femoralarterien riesige Gefässbezirke hochgradig verengt sind, die beste 
Widerlegung jener älteren;[Anschauung, dass bei der Nierensklerose 
die Blutdrucksteigerung durch Verengerung der arteriellen Gefässbahnen 
in der Niere erzeugt wird. Unsere Studien über die Hypertension müssen 
sioh daher vor allem deji Vasomotoren zuwenden. 

Wie ich schon betont habe, ist es vorteilhaft, die verschiedenen 
Formen der Erkrankungen, die mit Hypertension einhergehen, su klassi¬ 
fizieren, besonders auch aus therapeutischen Gründen. Zwar gibt es 
Formen, die jeder Behandlung trotzen, und zwar sind das diejenigen, 
die mit Nierensklerose einhergehen, d. b. mit klinisch nioht anatomisch 
nachweisbarer Nierenerkrankung, besonders jene Form, die man früher 
als genuine bezeiohnete und die duroh ihren malignen, zur Urämie 
neigenden Verlauf charakterisiert ist. Aehnliches gilt auch für die aus¬ 
gesprochene Nephritis der Arteriosklerotiker, die meist mit Apoplexie 
oder Herzinsuffizienz endet. Es gibt aber auch sodann eine Reihe von 
Hypertensionen bei Luischen und sonstigen* Arteriosklerotikern, bei denen 
eine vorübergehende oder gar dauernde Besserung oder WiederhersteUung 
duroh geeignete Therapie ermöglicht wird. Da ist das Nitroglyzerin 
das souveräne Mittel, das die Hypertonie der Vasomotoren unter solchen 
Umständen herabdrückt. Die anderen Nitrite kann ioh nicht empfehlen. 
Natrium nitrosum wirkt unvollkommen, vor Amylnitrit ist seiner Giftig¬ 
keit halber zu warnen; niemals kann mau damit eine längere Behandlung 
vornehmen. Hingegen lässt sioh das Nitroglyzerin woohen-, ja monate¬ 
lang ohne Schaden geben, selbstverständlich in kleinen Dosen von Vs m £ 
8—5mal täglich. Hierdurch?gelingt es .in vielen Fällen, eine starke 
Hetabsetzung der Hypertension hervorzurufen, die freilich selten dauernd 
bleibt, aber oft eine gewisse Zeit anhält, um dann durch neue Gaben 
von Nitroglyzerin niedergehalten zu werden. Dem Vasotonin kann ich 
eine erfolgreiche Dauerbehandlung nicht zugestehen, wie ioh bereits vor 
etwa 10 Jahren in einer Dissertation habe feststellen lassen. Es wirkt 
oft toxisch, und da es bei subkutaner Darreichung schmerzt, so ist eine 
Dauerbehandlung in der Praxis auch darum nioht möglich. Erfolgreich 
sind oft die antisyphilitisohen Kuren, ferner die Karellkur und 
vor allem die Aenderung der Diät und Lebensweise, deren 
Fehler ja eine Hauptursache für das Zustandekommen der Erkrankung 
bilden. Schliesslich möchte ich warnen vor wahlloser Anwendung von 
starken Kohlensäurebädern, die ohnehin den Blutdruok steigern, 
bei der Hypertension. Sie haben oft sohon sohwere Schäden verursacht. 
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


Hr. Rehfis oh: Bisher ist immer Dar von einer Herzhypertrophie 
als Folgeerscheinung der Hypertonie die Rede gewesen. • Im Gegensatz 
hierzu mochte ich betonen, dass ich in etwa 10 pCt. der von mir beob¬ 
achteten Fälle von hochgradiger Blutdruöksteigerung mit Werten von 200 
bis 250 ccm Hg das Herz nicht nur nicht hypertrophisch, sondern sogar 
kleiner gefunden habe, als es dem Durchschnittswerte des betreffenden 
Individuums entsprechen würde. Es fragt sich nun, woraus diese Kleinheit 
des Herzens bei Hypertonien zu erklären ist. 

Da in vielen Fällen von HyperteoBion eine Fibrosis capillaris nach¬ 
weisbar ist, so liegt der Gedanke nahe, in diesem pathologischen Befunde 
in den Kapillaren, die man nach Bichat’s Anschauung eher als inte¬ 
grierenden Bestandteil der Organe selbst als des Geiässsystems aufzu¬ 
fassen hätte, bereits den Ausdruck einer Schädigung der Funktion der 
Organe an und für sioh zu suchen und zwar zunächst in einer Herab¬ 
setzung der elastischen Kräfte, die wir nach den Arbeiten von Rosen - 
baoh, Hasebroek, Grützner, Buttersaok, Bier u. a. m. als extra¬ 
kardiale Betriebsfaktoren nicht mehr ignorieren können. Hat aber diese 
elastische Funktion der Organe, d. h. ihre Fähigkeit, durch Aspiration 
den Materialaustausch zwischen Kapillaren und Organgewebe zu ermög¬ 
lichen, gelitten, so müssen, um dieses Defizit an Betriebskraft im Kreis¬ 
lauf zu decken, um also die Stromgeschwindigkeit und die Ernährung 
der Organe weiter aufreoht zu erhalten, zunächst die in ihrer Nähe be¬ 
findlichen kleineren und grösseren Arterien mit erhöhter aktiver Tätigkeit 
eingreifen. In dieser verstärkten Aktion der Gefässe sind in sehr vielen 
Fällen bereits die Anfänge einer Hypertonie begründet. Nur muss man 
siob, wie dies Hasebroek ausgeführt bat, von der Vorstellung frei- 
machen, in der Hypertonie einen stationär verstätkten Kontraktions¬ 
zustand der Gefässe zu erblicken. Ein solcher würde dem Kreislauf 
nicht nur nichts nützen, sondern. lediglich durch den erhöhten Wider¬ 
stand dem Herzen Mehrarbeit verursachen. Vielmehr müssen wir an- 
nehmeD, dass die erhöhte Funktion der Gefässe, die eben klinisch als 
Hypertonie in Erscheinung tritt, sioh in einer verstärkten systolisoh- 
diastolisohen Mitarbeit äussert, als deren anatomischer Ausdruck sich 
eine Hypertrophie der Muskulatur der Gefässe nachweisen lässt. So 
konnte Rössle in einem Falle bei der Obduktion einer sta'-k ent¬ 
wickelten Hypertrophie der Muskulatur der Aorta feststellen, während 
sioh das Herz im Zustand der braunen Atrophie befand. 

Erst dann, wenn auch die erhöhte Inanspruchnahme der Gefässe 
nioht mehr zur Erzielung der notwendigen Stromgeschwindigkeit aus 
reiobt, wird sich als letzte Reservekraft eine Hypertrophie des Herzens 
entwickeln. 

So wird unter diesem Gesichtspunkt betraohtet auoh das öltere 
Vorkommen von kleinen nicht hypertrophischen Herzen auch bei hoch¬ 
gradiger Hypertonie verständlich. 

Hr. Ernst Mosler: Es ist uns ja wohl allen schon aufgefalleo, die 
wir uns mit dem Gebiet der Hypertension näher beschäftigt haben, dass 
es eine Anzahl Hypertoniker gibt, wo man selbst bei subtilster Nieren¬ 
untersuchung diese klinisch wenigstens als gesund bewerten muss. Dooh 
glaube ich, dass diese Fälle nur in ganz geringer Zahl vorhanden sind; 
und auch die sehr interessanten Ausführungen des Herrn Professors 
Benda haben mich heute erst reoht in dieser meiner Auffassung be¬ 
stärkt. Wenn man von den manifesten und den latenten, nur durch 
den Wassermann erkennbaren Luesfällen absieht, so glaube ich, dass 
das Hauptkontingent der an sogenannter essentieller (d. h. selbständiger, 
ohne erkennbare Ursache auftretender) Hypertonie leidenden Leute die 
Giohtiker stellen, und zwar sind es auoh hier, glaube ich, ganz besonders 
jene latenten Gichtiker, bei denen die Gioht nioht manifest zutage liegt, 
sondern nach deren gichtischer Konstitution man erst sorgfältig fahnden 
muss. loh darf wohl bei dieser Gelegenheit an die Arbeit von Geheim¬ 
rat Goldsoheider über atypische Gioht erinnern, der klinisch Ole- 
kranoDtophi, präpatellare Tophi und Kreuzbeintophie als Charakterika 
einer sogenannten atypischen Gicht beschrieb. Wir haben es uns zur 
Aufgabe gemaoht, gerade bei den Hypertonikern auf diese Symptome 
ganz besonders zu achten. Es ist nun wirklich erstaunlich, wie wir bei 
fa 9 t allen Hypertonikern, die «in die Rubrik der essentiellen Hypertonie 
scheinbar hineingehören, diese atypische Gichtkonstitution finden können. 
Auch bei der Klasse von Leuten* die Herr Geheimrat Strauss uns 
näher beschrieben bat, bei jenen Leuten, die bei angestrengter Kopf¬ 
arbeit noch Zeit genug zu einem sogenannten üppigen Leben haben, 
das durch Fleisohgenuss und Alkohol hinreichend gewürzt ist, findet 
man wohl fast stets bei genügend genauec^Untersuchung zum mindesten 
jene atypische gichtische Konstitution. 

Dann habe ioh zu bemängeln, dass Herr Munk einen systolischen 
Blutdruok von dauernd 185 Dereits als pathologisch bewerten will. Ich 
glaube, dass er hier zu weit geht, zumal, wie er selbst sagt, es Bich 
bei seioen Leuten häufig um solche handelt, die eine starke nervöse 
Komponente haben. Dass nun dauernde Hypertonie schliesslich 
Neurastheniker heranzüohtet, ist ja bekannt, umgekehrt steht es wohl 
aber auoh fest, dass Leute mit einer stark neurasthenisohen Veranlagung 
und den dabei vorhandenen Blutdruokschwankungen die beste Vor¬ 
bedingung für eine spätere Hypertension abgeben. Ich kenne Neur¬ 
astheniker, die ich jahrelang beobachtet habe, die dann erst viel später 
ihre Hypertonie bekommen haben, wo nun wieder die Hypertonie un¬ 
günstig auf die Neurathenie ein gewirkt hat, so dass hier tatsächlich ein 
Circulus vitiosus geschaffen ist, wie auoh schon einer der früheren Dis¬ 
kussionsredner erörtert hat. Ich denke vor allen Dingen an einen 
Fall, den ioh jahrelang als atypisohe Gioht und Neurasthenie beobachtet 


habe, der dann viel später seine Hypertension bekam. Der Blutdruck 
betrug schliesslich 180 mm Queckstiber. Die Nieren sind immer gesund 
gefunden worden. Es gesellten sich dann noch zu seiner Hypertonie 
Anfälle, die ioh in diesem Fall au9 vielen Gründen als Anfälle einer 
sicheren Angina pectoris vasomotoria deuten musste. 

Was nun die Behandlung der Hypertonie betrifft, so haben wir vom 
Vasotonin niemals auoh nur den geringsten Erfolg gesehen, dagegen 
einen recht eklatanten Erfolg von einer dauernden und streng durch¬ 
geführten antigichiischen Diät, verbunden mit regelmässiger Darreichung 
von Diuretin und Bromdosen in Gestalt der üblichen Mixtura nervina. 

Die Elektrokardiogramme des Herrn Munk konnten mich von dem 
Vorhandensein einer Hypertonie nicht überzeugen. Auch finde ioh, dass 
sie die bereits klinisch gestellte Diagnose Hypertonie nioht einmal 
charakteristisch stützen konnten. Die Höhe der R- und der S-Zaoke ist 
doch von zu vielen Faktoren abhängig, als dass es angängig wäre, sie 
eindeutig auf %ine Hypertrophie des linken oder reohten Ventrikels zu 
beziehen. 

Und nun erst der Fall mit der negativen T-Schwankung und den 
dort vorhandenen Extrasystolen. Hier scheint mir doch bereits ein 
hochgradiger Fall relativer-Herzinsuffizienz bei einem alten Hypertoniker 
vorzuliegen, dessen Krankheitsbild mir jedenfalls nach dem Elektro¬ 
kardiogramm nicht in jenes Gebiet der essentiellen Hypertonie gehört. 

Ich erkenne natürlich an, dass es bei einem alten Hypertoniker 
schliesslich zu relativer Herzinsuffizienz kommt. Wenn man aber erst 
Patienten in diesem Zustande in die Hände bekommt, so ist es wohl 
unendlioh sohwer, die Hypertonie nun als die Ursaohe aller Folge¬ 
erscheinungen verantwortlich zu machen. 

Hr. 3 aal er: Herr Geheimrat Rosin hat auf die Bedeutung auf¬ 
merksam gemacht, die dem vasomotorischen Zentrum für die Entstehung 
der Hypertonie zukommt. Ioh möchte mir im Anschluss daran nur ge¬ 
statten, darauf hinzuweisen, dass, soviel mir bekannt ist, das Adrenalin 
nioht in erster Linie auf das Vasomotorenzentrum wirkt, sondern auf 
die sympathischen Nervenendigungen und die neuro-muskulären Ver¬ 
bindungen, die „Neuro-muscular junotions“ englischer Autoren, 
deren Namen mir im Augenbliok nioht geläufig sind. Ich meine, dass 
es aus diesem Grunde vielleicht dooh nioht angängig ist, die Hyper¬ 
tonien alle unter einem Gesichtspunkt zu betraohten. Ich glaube, und 
meine Erfahrungen an den Kriegsneurotikern haben mir das bestätigt, 
dass es doch eine grosse Anzahl von Hypertonien gibt — wenn es über¬ 
haupt statthaft ist, in solchen Fällen bereits von einer Hypertonie zu 
sprechen —, es sind das eben Fälle, die sehr erhebliche Blutdruok- 
schwankungen aufweisen, die zum Teil aber nicht nur durch psychische 
Einflüsse zu erklären Bind, bei denen der Angriffspunkt in der Haupt¬ 
sache im sympathischen Nervensystem gelegen ist. loh meine daher, 
dass man den Erscheinungen der Sympatbikotonie bei der Erklärung der 
Hypertension doch etwas mehr Rechnung tragen mus3, als es, wie mir 
scheint, bisher geschehen ist. Es gibt eine Reibe von Fällen, bei denen 
die Hauptersoheinungen der Sympathikotonie — ich nenne nur die auf¬ 
fallende Blässe des Gesiohts, die Erhöbrog der vasomotorischen Erreg¬ 
barkeit, die Neigung zu starken Schweissen und auoh die vermehrte 
Neigung zur Wärmebildung — dooh mit dem erhöhten Blutdruck ver¬ 
gesellschaftet sind, wie ich an einem grossen Material von Kriegs¬ 
neurotikern feststellen konnte. Ioh glaube, dass es daher naheliegt, in 
diesen Fällen den erhöhten Blutdruok durch den Zustand einer erhöhten 
Reizbarkeit im sympathischen Nervensystem zu erklären. 

Was nun das Wesen der Sympathikotonie betrifft, so möchte ich 
darauf hinweiseD, dass ioh in Gemeinschaft mit Professor Caro in Posen 
seinerzeit eine grosse Anzahl von Neurotikern auf das Vorhandensein 
von thyreotoxischen Erscheinungen hin untersucht habe, und dass wir 
damals zu der Anschauung gekommen sind, dass thyreotoxische Einflüsse 
tatsächlich sehr häufig vorhanden sind. Diese praktische Erfahrung 
scheint mir theoretisch auch keineswegs unbegründet zu sein. Die 
Affinität des Sympathikus zu der Schilddrüse ist ja bekannt. Es ist 
ferner bekannt, dass bei Fällen von Basedow’scher Krankheit adrenalin¬ 
artige Stoffe im Blut vorhanden sind. Wir wissen auoh, dass eine 
Sensibiftierung der sympathischen Nervenfasern für das Adrenalin duroh 
das Sekret der Schilddrüse stattfindet. Es erscheint mir daher theo¬ 
retisch nicht gewaltsam erklärt, dass io solohen Fällen die Erhöhung 
des Blutdrucks auf thyreotoxische Einflüsse zurückgeführt werden könnte. 
Diese Erklärung dürfte wenigstens für eine grosse Anzahl von funktio¬ 
nellen Hypertensionen zutreffen. Ich bin nioht der Ansicht, dass die 
Mehrzahl der funktionellen Hypertonien das Anfangsstadium der Arterio¬ 
sklerose darstellt, wie, soweit ioh Herrn Munk verstanden habe, von 
ihm ausgefürt worden ist, und besonders auch deshalb nicht, weil es 
^ms bei Kriegsneurotikern mit erhöhtem Blutdruck gelungen ist, in 
vielen Fällen durch eine einfache psyoho-tberapeutisohe_Maas»nahme den 
Blutdruck herabzusetzen. 

Ich bemerke, dass diesp Erörterungen selbstverständlich nhr für einen 
gewissen Prozentsatz von Hypertonikern Geltung haben, glaube aber, 
dass es doch zweckmässig war, auf diese Fälle hinzuweisen, weil von 
den Herren Diskussionsrednern sowohl wie von Herrn Munk dooh in 
der Hauptsache diejenigen Fälle berücksichtigt worden sind, bei denen 
nervöse Einflüsse und Einflüsse innersekretorischer Art weniger in Be¬ 
tracht kommen. Ich halte es auch für wahrscheinlich, dass es viele 
Fälle gibt, bei denen lediglich ein seelisches Moment für das Zustande¬ 
kommen der Hypertonie ausreioht. Herr Geheimrat Strauss hat am 
vorigen Mittwoch darauf hingewiesen, dass er mehrere junge Mädohen 


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24. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


im Alter, von 13 Jahren gesehen hat, die vorübergehend einen auffallend 
hohen Blutdruck hatten, und er hat die Frage an die Kinderärzte ge¬ 
richtet, ob ihnen das bekannt wäre. Ich bin zwar nicht Kinderarzt, 
aber ich glaube doch, dass ich derattige Fälle gesehen habe, und meine, 
dass es sich hierbei vielleicht um Vorgänge bandelt, welche von Freud 
.als Verdrängungssohub der Sexualität bezeichnet worden sind, die in 
-diesem Lebensalter ja eine besondere Rolle spielen. 

Hr. Arthur -Mayer: Jeder Arzt, der sich für die Frage der 
Hypertension interessiert, hat wohl die Beobachtung machen können, 
dass die Zahl der : Fälle mit Hypertension bei den Fronttruppen auf¬ 
fallend gross war. Ich habe mein ziemlich stattliches Material aus den 
Jahren 1915—1917 nach gewissen Gesichtspunkten geordnet, die aller¬ 
dings nioht umfassend sind, weil das Material, das ich zu sehen hatte, 
nur einen Altersausscbnitt, nämlich die militärtüchtigen Leute, darstellte. 

Dieses Material Hess sich in drei Gruppen teilen. Die eine Gruppe 
umfasste ältere Landsturmleute, etwa im fünften oder Ende des vierten 
Dezenniums, die mehr oder weniger eine ausgeprägte Gefässsklerose, gar 
nioht selten auch schon Zeichen der Nierensklerose aufwiesen. Die 
Urinuntersuchung ergab sehr frühzeitig eine schlechte Konzentration, 
eine schlechte Verdünnungsfähigkeit und einen nicht unerheblichen Stiok- 
stoffrest. Dabei waren, was auch schon Herr Geheimrat Strauss hervor- 
-gehoben hat, die einzelnen Verhältnisse sehr variabel. Bei.einer nicht 
unerheblichen Zahl dieser Leute ergab sioh eine positive Wasser- 
mann’sche Reaktion. 

Eine zweite Gruppe umfasste im Gegensatz zu diesen älteren Leuten 
•jugendliche leicht erregbare Leute, bei denen man eine leichte Thyreo- 
toxikose anzunehmen Veranlassung hatte. Bei diesen Leuten zeigte sich 
keine Nierenskleiose, wohl aber eine erhöhte Diurese, eine sehr aus¬ 
gesprochene Hyperglykämie und, in einer nicht unerheblichen Anzahl 
von Fällen, eine Hy pergJobulie. Sehr auffällig war es auch, dass bei 
diesen Fällen, im Gegensatz zu der ersteo Gruppe, ausgesprochene 
depressive Krisen vorkamen. Die Vermutung lag natürlich nahe, 
dass in diesen Fällen Ueberfunktionszustände der Nebenniere, zum 
mindeßten des ohromaffinen Systems, eine gewisse Bolle gespielt haben. 
Die Untersuchung des Blutserums eines grossen Teils dieser Leute mit 
der ausserordentlich empfindlichen Ehrmann’schen Froscbaugenmethode 
ergab aber in allen Fällen keine Vermehrung des Adrenalingebalts. 
Trotzdem möchte ich es aber doch nicht ablehnen, dass bei diesen 
Leuten tatsächlich (ine gewisse Ueberfunktion des ohromaffinen Systems 
•eine Rolle gespielt bat; man muss nur bedenken, eine wie grosse Ver¬ 
dünnung 1 mg Adrenalin, das ja erhebliche Mengen von Zucker in den 
Urin werfen kann, im Blute des Menschen erfährt. Mit der Gefäss- 
• streifenmethode- habe ioh keine eigenen Erfahrungen. Die Diurese, 
die Hyperglobulie und die Hyperglykämie ist aber etwas so Auf¬ 
fälliges, dass sich dieses Syndrom kaum anders erklären lässt, als dass 
eben, eine Reizung des chromaffinen Gewebes bestanden hat, eine 
Annahme, die noch dadurch gestützt wird, dass bei diesen Leuten immer 
auch noch andere Störungen von Drüsenfunktionen nachweisbar waren: 
fas^ alle batten eine Acbylie, ein nicht kleiner Teil einen auffälligen 
Dyspankreatismus. 

Die wichtigste Gruppe scheint mir indessen diejenige zu sein, die 
bei dieser ganzen Diskussion, übrigens auch in der Literatur, wenig 
gewürdigt worden ist, nämlich die Gruppe d-rj^nigen jungen Leute, bei 
denen die Hypertonie ein Zeichen einer konstitutionellen Anomalie 
ist. Die Hypotonie als konstitutionelle Anomalie ist seit jeher viel 
eingehender studiert worden. Wir wissen vor allen durch die Arbeiten 
von Münzer, dass zwischen Lymphatismus und Hypotonie nicht selten 
gewisse Beziehungen bestehen, obgleich die Koinzidenz von Lymphozytose 
und niedrigem Blutdruck allein nioht beweisend ist. Aber immerhin ist 
doch zuzugeben,, dass gewisse Relationen bestehen. Genau ebenso gibt 
es aber zweifellos eine Form der konstitutionellen Hypertension, 
die gar nicht selten familiär ist. Dass dabei im Gegensatz zur Hypo¬ 
tension eine funktionelle Ueberleistung des chromaffinen Systems das 
Primäre ist, erscheint mir sehr zweifelhaft, sohon deshalb, weil eine 
dauernde Adrenalinzufuhr gar keine dauernde Blntdrucksteigerung macht. 
Viel wahrscheinlicher scheint es zu sein, dass das Primäre eine Schädi¬ 
gung der peripheren Gefässe ist, und zwar in der zuerst von 
v. Romberg beschriebenen Form der juvenilen Arterien-Rigidität. 
Bei der juvenilen Arterien-Rigidität findet man ja bekanntlich kein 
: anatomisches Substrat. Obgleich die Gefässe bejm Lebenden sich recht 
hart anfühlen, lässt sioh keine Spur einer Sklerose nachweisen. Man 
muss also wohl annehmen, dass es sioh entweder um einen reinen Kon¬ 
traktionszustand bandelt oder um eine Kombination von Kontraktion 
und Ueberleistung, wie es von Herrn Reh fisch vorhin dar gelegt worden 
ist. Neueulings sind nun allerdings auoh gewisse anatpmisohe Ver¬ 
änderungen beschrieben worden, in erster Reihe eine.Hyperplasie der 
Gefaiswände, besonders der Media (Wolkow). Aber diese Untersuchungen 
bedürfen dringend noch der Bestätigung. 

Sehr bemerkenswert ist, dass diese aller Wahrscheinlichkeit nach nioht 
anatomisch veränderten Gefässe sich gegenüber thermischen Reizen genau 
so‘verhalten wie sklerotische Gefässe. Sie reagieren auf thermische 
Reize auffallend schwach. 

Von grösster Bedeutung ist nun, dass die juvenile Arterien-Rigidität 
ausserordentlich oft mit Aortenenge und Hypoplasie des Herzens ver¬ 
einigt ist. Der Spitzenstoss ist verbreitert, der zweite Pulmonalton ist 
akzentuiert. Im Röntgenbilde sieht man gewöhnlich eine ausgesprochene 
Dextroposition mit starker Betonung der Pulmonalis und Hervorwölbung 
des mittleren Bogens; nioht selten ist auoh der Aortenbogen hoch¬ 




gestellt. Reine Formen der Hypoplasie findet man allerdings ausser¬ 
ordentlich selten, die Mehrzahl der Hypoplasien, die man zu sehen be¬ 
kommt, ist bereits durch eine Hypertrophie belastet. 

Diese konstitutiooelle’Hypertension Jugendlicher ist prognostisch nicht 
gleichgültig zu beurteilen. Bei den Arbeitern der Zeiss’achen Werkstätten 
hat Krehl vor einer Reihe von Jahren eine Anzahl mit hypop las tischen 
Herzen untersucht und nur bei einem Viertel dieser Leute eine Rigi¬ 
dität der Gefässe und Drucksteigerung gefunden. Als 12 Jahre später 
Faber dieselben Leute naohuntersüchte, hatte sich das Bild erheblich 
verändert: bereits bei mehr als der Hälfte dieser Leute fand sich er¬ 
hebliche Biutdrucksteigerung und sehr erhebliche Rigidigität, das heisst, 
die Rigidität und die Blutdrucksteigerung haben eine Tendenz zur 
Zunahme. 'Wenn man weiter sieht, was auch schon hier von Herrn 
Gebeimrat Strauss erwähnt worden ist, dass die Hypertonie in hohem 
Grade von psychischen Affekten abhängig ist, sa-kann man sich nicht 
wundern, dass gerade während des Krieges die Zunahme der Tension bei 
bestimmten Individuen auffallend rasoh vor sich gegangen ist. Ich habe 
während der Zeit von 1915—1917 eine Anzahl von Leuten mit deut¬ 
licher Hyperplasie des Herzens untersucht: anfangs bestand eine kaum 
angedeutete Rigidität und keine Spur einer Blutdruckerhöhung, nach zwei 
Jahren hatten die Leute einen Blutdruck bis zu 180 und eine aus¬ 
gesprochene Rigidität. Das gibt doch zu denken! Die konstitutionelle 
Form der Hyperplasie ist eben nichts Gleichgültiges und prognostisch 
vorsichtig zu beurteilen. : v 

Von Krehl ist, allerdings mit einer gewissen Reserve, darauf hin¬ 
gewiesen worden, dass die funktionelle Hypertension unter Umständen 
zu einer echten Sklerose^führen kann. Mir scheint es in der Tat aber 
wahrscheinlich zu sein, dass ein nicht unerheblioher Teil, dieser Jugend¬ 
lichen mit konstitutioneller Hypertension zu einer prämaturen Arterio¬ 
sklerose disponiert ist. Ob die konstitutionelle Hypertension, wie von 
Wolkow behauptet wurde, eine sinngemässe periphere Kompensation des 
hypoplastischen Herzens darstellt, scheint mir schwer beweisbar zu sein. 
Jedenfalls wäre es, wenn es der Fall sein sollte, eine recht unzweck¬ 
mässige Kompensation, denn sie bedeutet auf alle Fälle eine nicht un¬ 
erhebliche Gefahr. Die konstitutionelle Hypertension kann also nicht so 
ganz gleichgültig hingenommen werden, wie es vielfach bei der Beur¬ 
teilung anderer Formen jugendlicher Hypertensionen mit Recht geschieht. 

Hr. Katzenstein: Bei der Frage der Hypertension und der Horz- 
hypertrophie stehen wir, glaube ioh, zu sehr unter dem Einfluss der 
schematisierenden Darstellung der Physiologen. Denn nur so ist der 
Einfluss des Ludwig’scben Versuchs auf die Lehre deß Zusammenhangs 
zwischen Nephritis und Herzhypertrophie zu erklären. Wenn man den 
Versuch aber etwas anders anstellt, wenn man die Nierenarterien nicht 
völlig abbindet, sondern sie nur einengt oder ändere Hindernisse im 
arteriellen System der Niere einschaltet, so findet tatsächlich eine Blut- 
druoksteigerung statt. Nach den Lehren der Hydrodynamik ist dieses 
Versuchsergebnis unmöglich. Es ist nur so zu. erklären, dass die Ge¬ 
fässe sich nicht wie passive Röhren verhalten, sondern aktive Organe 
sind. Wären die Gefässe ein passives Röhrensystem, so wäre natür¬ 
lich der Versuch von Ludwig maassgebend, und mein Versuch (auf die 
Tafel deutend) wäre nicht erklärbar. Dann würde die völlige Unter¬ 
bindung der Nierenarterien den grössten Widerstand für den Kreislauf 
darstellen, während die partielle Einengung einen wesentlich geringeren 
Wiederstand abgäbe. Tatsächlich ist es aber so: wenn wir grössere 
Widerstände im Arteriensystem der Niere einschalten, so steigt der Blut¬ 
druck, weil eine aktive sehr wesentliche Tätigkeit der Arterien eintritt, 
die bei völliger Unterbindung nicht möglich ist. Der berühmte Versuch 
von Ludwig kann also für den Zusammenhang zwischen Herzhyper¬ 
tonie und Nephritis nioht maassgebend sein, vielmehr muss mein 
Versuch einen deutlichen Fingerzeig dafür abgeben, dass, eine ak¬ 
tive muskuläre Tätigkeit der Arterien beträchtlichen Grades mit im 
Spiele ist. 

Hr. Jacob: Nur eine ganz kurze Bemerkung. Der Hauptwort ht 
auf die Tension der Arterien gelegt worden. Es ist ja auch ganz sicher 
richtig, dass die Tension der Arterien zu Herzdilatation führt. Ich habe 
selbst klassische Bilder beschrieben, welche mit ungeheurer Erweiterung 
einhergingen, so dass das Herz in einer halben Stunde doppelt so gross 
wurde, als es vorher gewesen war, und einige Tage gebraucht bat, um 
sich wieder zurückzubilden. Aber es ist mir in solohen Fällen von 
Sklerose immer gelungen, durch kohlensaure Bäder den Druck um 50 
bis 60 mm herabzusetzen. In einem Falle gelang es nicht Es war ein 
ausserordentlich kräftiger Mann. Seine Arterien fühlten sich uicht all¬ 
zuhart, aber als sehr dickwandig an. Er hatte einen Blutdruck von 260, 
und es gelang durch die kohlensauren Bäder nicht, den geringsten Ein¬ 
druck zu maohen. Nicht eine Spur senkte sioh der Blutdruck, und dar¬ 
um nehme ioh an, dass es gut ist, ein kohlensaures Bad au geben *und 
festzustellen, ob der Blutdruck sich senkt oder nioht. Wenn er sich 
nicht senkt, 4 ist der Mensch sowieso auf alle Fälle verloren. Ich habe 
leider die Gefässe nicht sämtlich geprüft, ich habe hauptsächlich bei der 
Sektion festgestellt, dass er ein kolossales Cor bovinum batte. Selbst¬ 
verständlich müssen da sämtliche Arterien sklerotisch gewesen sein, 
auoh die des Bauches im Splancbnikusgebiet, denn sonst würde es sicher 
möglich gewesen sein, den Blutdruck einigermassen herabzusetzen. Hier 
war also die Herzbypertrophie durch allgemeine Arteriensklerose erzeugt 
worden. . . » 

> Hr. Kraus weist nach einigen vorausgeschickten gesobichtliohen, 
den^Gegenstand betreffenden Bemerkungen auf die Notwendigkeit hin, 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 




zwischen Blutdrnckerhöhung im allgemeinen und dem, was heute viele 
Kliniker essentielle arterielle Hypertonie nennen, streng zu unter* 
soheiden. Es gilt vor allem, letzteres Krankheitsbild den Symptomen 
und dem Verlaufe naoh vollständiger zu umschreiben. Vor weitgehendem 
Theoretisieren ist zu warnen, denn dabei sind Entgleisungen unvermeid¬ 
lich. Die Praktiker werden es sein, welche immer sohärfer zu beweisen 
haben, wie es schon Federn unternommen hatte, dass das Syndrom 
essentielle Hypertonie nioht einfach abhängig ist von „Schrumptniere“, 
sondern dass die Nierensklerose als Bestandteil des Krankheitsbildes 
hinzukommt. Die Kreislaufsaffektion bei der Ausgangsform der diffusen 
Glomerulonephritis steht nosologisch völlig ausserhalb. 

Ebenso wichtig ist es in der Praxis, auch im Bilde der essentiellen 
Hypertonie selbst die arterielle Drucksteigerung und die Hochdruck¬ 
stauung zwar als „führendes* Symptom zu benutzen, aber, besonders 
bei der Therapie, sich nicht auf die Beseitigung des hohen Druckes allein 
zu versteifen, sondern sioh an das Syndrom als Ganzes zu halten. 
Bei letzterem Vorgehen werden sich viel leichter praktische Erfolge er¬ 
zielen lassen, die einseitig medikamentösen „depressiven" Methoden 
haben bisher wenig zu leisten vermocht. Andererseits Bteht es fest, 
dass arterielle Hypertension allein, selbst bis zu 200 mm Hg, Wohl¬ 
befinden und Leistungsfähigkeit jahrelang nicht zu beeinträchtigen 
braucht 

Damit steht im Einklang, dass sioh durch trockene und knappe Diät 
allenfalls zusammen mit Venaesektionen, Diathermie, d'Arsonvalisation, 
noch weitaus am meisten therapeutisch erzielen lässt. 

Hr. Fritz Munk (Schlusswort): Zunächst möchte ioh nooh einmal 
betonen, dass alles, was ioh in Bezug auf die Aetiologie uod Pathogenese 
der Hypertension hier ausgeführt habe, sioh nicht auf die sekundäre 
Sohrumpfniere bezieht Wenn man für diese Form der Nierenerkrankung, 
wie Herr Strauss es will, von einer „nephrogenen* Hypertonie sprechen 
will, so kann man dem wohl zustimmen in dem Sinne, dass man hier 
in der Pathogenese der Erkrankungen als erste Etappe eben eine akute 
Nephritis hat Aber auch bei dieser Art der Hypertension muss man, 
wie ich bereits ausgeführt habe, entschieden extrarenale Ursachen an 
nehmen. Allerdings muss man zugeben, dass auch die durch eine 
ungenügende Funktion der Nieren zur Retention gelangenden Substanzen 
eine blutdrucksteigende Wirkung haben. Das sehen wir ja aus dem 
Verlauf bestimmter Nephrosen, z. B. der Sublimat-Nephrose, bei den mit¬ 
unter die arterielle Spannung unverhältnissmässig hoch ist im Vergleich 
zu dem allgemeinen desolaten Zustand des Patienten, ferner auch bei 
bestimmten Formen von Anurie. Ich habe alle diese Dinge nicht an¬ 
geführt, weil die sekundäre Schrumpfniere und überhaupt die Glomerulo¬ 
nephritis aus dem Rahmen meiner Ausführungen ausgeschaltet habe. 
Wir müssen uns erinnern, dass schon Bright als die Ursache der Hyper¬ 
tonie sowohl die vaskulären Veränderungen, also die mechanischen als 
auch die chemisehen Ursachen, nämlich die Wirkung der retin : erten 
Stoffe in Erwägung gezogen bat. Für die essentielle Hypertonischer 
kann die chemische Theorie deshalb keine Wirkung haben, weil wir zu 
Beginn der Erkrankung dooh meist oder jedenfalls in der Mehrzahl der 
Fälle keine nachweisbare Retention haben. Wenn man da ebenfalls als 
Ursache der Hypertonie Stoffe annehmen will, die vasokonstriktorisch 
wirken, ohemisch aber nicht nachweisbar sein sollen, so ist das eben 
eine Hypothese; ein Beweis dafür liegt nicht vor. Es ist neuerdings 
eine Arbeit von Klaukert erschienen. 

Herrn Plehn möchte ich darin beistimmen, dass der Erhöhung des 
minimalen Blutdrucks bei der Beurteilung des einzelnen Falles von 
Hypertonie eine maassgebende Bedeutung zukommt. 

Weiter hat Herr Ben da die frage an mich gestellt, ob ich bei den 
Untersuchungen, die ioh zur Begründung meiner Anschauung über die 
primäre Hypertonie ausgeführt habe, in einer grösseren Anzahl über¬ 
haupt keine Veränderungen der Nierenbefunde batte. Ioh muss hier 
auf meine ausführlichen Arbeiten verweisen und will hier nur betonen, 
dass es nicht darauf ankommt, ob in einer Niere 10 oder 100 Glomeruli 
verödet sind oder vereinzelte Vasa vasorum oder Vasa adhaerentia eine 
Degeneration aufweisen, sondern es kommt darauf an, dass eine absolute 
Inkongruenz besteht zwisoben den Nierenveränderungen und der Herz¬ 
hypertrophie bezw. der Hypertonie. 

Dagegen wäre es sehr wünschenswert, dass Herr Ben da bei seinen 
einmal systematischen Untersuchungen die Gefässe aller Organe und 
namentlich auch des Unterhautzellgewebes berücksichtigen würde. Er 
würde dann wahrscheinlich, wie es ja auch schon von anderen Patho* 
logen ausdrücklich vertreten wird, ebenfalls zu der Ueberzeugung 
kommen, dass jedenfalls die Gefässwandungen der Niere niemals die 
Ursache für einen so hohen Grad von Herzhypertrophie, für einen so 
hohen Grad von Hypertonie sein können. 

Herrn Rosin muss ich bestreiten, dass die Syphilis gerade für die 
essentielle Hypertonie eine grosse Rolle spielt. Wenn er einen Fall von 
Polyzythämie anführt, der eine besondere Gattung von Hypertonie sein 
soll, so habe ich schon in meinem Vortrage betont, dass eine Poly¬ 
zythämie gerade zu dem Bilde der essentiellen Hypertonie gehört, und 
möohte deshalb auch den angeführten Fall von Polyzythämie, bei dem 
Herr Benda keine Nierenveränderungen gefunden hat, in die Kategorie 
der essentiellen Hypertonie einfügen. 

Herrn Mosler gegenüber möohte ioh feststellen, dass es mir nicht 
eingefallen ist, bei einem Blutdruck von 185 mm Hg von einer essen¬ 
tiellen Hypertonie zu sprechen. Ich habe mioh vielmehr bemüht, ein 
allgemeines Krankheitsbild, einen Krankheitsbegriff der essentiellen 


Hypertonie zu fixieren, und dafür habe ich eine ganze Reihe von 
Symptomen angeführt, unter anderen auch das Elektrokardiogramm. 
Ioh habe dabei eine Reihe von Elektrokardiogrammen gezeigt mit Er¬ 
scheinungen, die ich bei der Hypertonie immer wieder feststellen konnte. 

Ueber die Therapie ist im Verlauf der Diskussion noch mancherlei 
angeführt worden. Wir haben, wie ich neulich schon betont habe, 
keine medikamentöse Therapie,, mit der es gelingen würde, den Blut¬ 
druck für die Dauer herabzusetzen. Die Behandlung beschränkt sich 
darum vorerst auf individuelle, symptomatisch-prophylaktische Maass¬ 
nahmen. Als physikalische Maassnabme möchte ich jedoch noch den 
Wechselstrom und die Diathermie erwähnen, wobei man zweckmässig 
eine Elektrode auf den Nacken und die andere an die Herzgegend lotet» 
Vielleicht wird es gelingen, wenn wir das Wesen der Hypertonie bener 
erfasst haben und das Krankheitsbild, wie ioh mich bemüht habe, es 
darzustellen, allgemein zur Kenntnis gekommen ist, auch in der Therapie 
Fortschritte zu erreichen. __ 

Berliner orthopädische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 28. Juli 1819. 

Vorsitzender: Herr Gooht. 

Schriftführer: Herr Böhm. 

Demonstrationen. 

1. Hr. Debrnner: Fall von leiraler progressiver Maske)' 
Atrophie mit schweren doppelseitigen Klumpfüssen und Atrophien der 
Handmuskeln; bei dem 20jährigen Fräulein wurde duroh Redression und 
nachfolgende Keilresektion aus der Fusswurzel die Deformität auf beiden 
Seiten beseitigt. Die Indikation zu diesen schwerwiegenden Eingriffen er¬ 
gab sich aus der Umbildung der Füsse, ihrer ungeheuren Hartnäckigkeit, 
sowie aus der sehr sohleppenden Progressionstendenz der Hoffmann'schen 
Muskelatrophien. Seit dem 12. Jahre war das Leiden in der unteren 
Extremität stationär geblieben, hatte ab den Händen nur geringe Fort¬ 
schritte gemacht. Ein Bruder der Patientin litt ebenfalls an einseitigem 
Hohlfuss, der durch Keilresektion gebellt wurde. 

Aussprache. — 

Hr. Peltesohn: Bei der operativen Behandlung der von Debrunner 
gezeigten Fälle ist notwendig, die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk 
zu erhalten. 

Hr. Gooht redressiert sohwere doppelseitige Kiumpfüsse nie in eider 
Sitzung. Die Auswärtsrotation, die nach der Operation noeh besteht, 
rührt vom Unterschenkel, nioht von der Keilentoabme her. 

2. Hr. Gocht: Fälle von schwerem Spitahahlfasi, die wie die von 
Debrunner gezeigten Fälle mit Keilresektion sehr erfolgreich be¬ 
handelt sind. 

Aussprache. 

Hr. Mosenthal: Während die vier letzten Zehen nach dieser Ope¬ 
ration in Plantarfiexion stehen, neigt die grosse Zehe immer nooh zur 
DoraalflexionsstelluDg. M. fragt aD, ob sich die Stellung der grossen 
Zehe ausgleicht oder ob eine Sehnenoperation nooh nachträglich erfor¬ 
derlich sei. 

Hr. Klapp fragt an, ob bei Hallux valgus die Osteotomie im Meta¬ 
tarsus oder die Resektion des Köpfchens bevorzugt wird. 

Hr. Biesalski spricht sich für die Resektion des Köpfchens aus. 

Hr. Gooht sohlie98t sich dieser Ansicht an und beantwortet die 
Anfrage Mosenthal's in dem Sinne, dass mit einem spontanen Aus¬ 
gleich der Gross Zehen-Deformität zu rechnen sei. 

3. Hr. Böhm: Zar Bebaidlaig der habitaellea LaxatioB «ad der 
Sehlettergeleake der Schalter. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

4. Hr. Bawert: Fall von SchUttergeleak der Schalter aach-Seha«- 
verletinvg. Folgende Operation kam in Anwendung: Der Oberarmsobaft 
wurde freigemacht, durchbohrt und ein etwa 20 cm breiter Streifen ans 
der Fasoia lata durchgezogen. Dieser Streifen geht durch die Gelenk- 
hohle, vor dem Ansatz des Deltoideus über di« Klavikula hinweg, auf 
der Unterseite der Klavikula wieder abwärts und tritt von hinten io das 
Oberarmlooh hinein, wird ganz fest angezogen und zusammengenäbt; 
sehr sorgfältige Katgutnaht. — Röntgenaufnahme naoh 10 Tagen zeigt 
den Humerus-Schaft bis dioht unter die Gelenkpfanne emporgehobeo. 
Nach weiteren 14 Tagen ohne Verband. Patient kann den Arm im 
Schultergelenk nach vorn und hinten etwa 80° aktiv bewegen. 'Passiv 
alle Bewegungen frei und sohmerzlos. 

Ausspraohe. 

HHr. Zeller, Gocht und Klapp raten zur operativen Behänd lang 
der habituellen Luxation der Schulter, insbesondere zur Kapselraffong. 

Hr. Biesalski: Jn einem Fall von Sohlottergelenk haben wir in 
meiner Werkstatt dem Herrn an seinem Stützapparat durch eine Zug* 
schnür es ermöglicht, dass er beim Beugen des Ellbogens zu gleiober 
Zeit den Oberarm etwas naoh vorne bringt. 

Hr. Fränkel: loh habe den Biesalski'sehen Patienten zu zehen 
Gelegenheit gehabt und mioh überzeugen können, wie vorzüglich derjroo 
ihm getragene Apparat wirksam ist. 

5. Hr. Molleakaaer: Zar Chopart’sehen Ampatatiea. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 


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24. November 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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6. Hr. Hemmsea: Ueber die Mikiliei-WladhnireiFsefce Ampvtation. 

(Erscheint unter den Originalen dieser Wochenschrift.) 

Aussprache. 

Hr. Biesalski: Io Wien (Sept. 1918) waren alle Redner der An¬ 
sicht, dass die sohlechteste Fussamputation der Cbopart sei. Ich habe 
mehrfaoh in beiden Sprunggelenken nachträglich Aitbrodese gemacht mit 
den besten Erfolgen, auch doppelseitig. 

Hr. Klapp: tfan darf die Kriegserfahrungen nicht als alleinige Basis 
det, Kritik heranziehen. Die Friedenserfahrungen mit Cbopart sind gut. 
Aich die Mikulicz-Wladimirofi’sobe Amputation besteht unter Umsländen 
au Recht. 

Hr. Böbm: Die Amputation von Mikulici-Wladimiroff ist wohl 
so gedaobt, dass der Amputierte nachher ohne Prothese gehen soll. 
Dasu verstehen sich unsere Kriegsbeschädigten heute nicht. Der Cbopart 
ist in toto nicht su verwerfen, denn gelegentlich gibt er sehr gute 
Resultate. 

7. Hr. Frlnkel: a) Eli Fall van „seit#!lenden Knie 0 . Bisher be¬ 
kannt als Aetiologie sohwere Unterschenkel und Knieverletsungen oder 
angeborene Abflaohung der Bminentia intercondyloidea mit Erschlaffung 
der Kreusbänder. Im Frankel’schen Fall liegt eind kartilaginäreExostose 
im oberen Drittel des Wadenbeins vor, welche die Kontraktion des late¬ 
ralen Oastrocnemiaskopfes beeinträchtigt. 

b) Fälle von Hnlinz valgas, geheilt durch LudlofFs Operation (Osteo¬ 
tomie des ersten Mittelfussknochens mit Abtragung der medialen Exostose 
und Lappen bi ldung an dieser Stelle). 

c) Coxa valga Inians, ein von Klapp angegebenes Krankheitsbiid- 
Die Coxa valga ist angeboren, im späteren Lpben tritt allmählioh der 
Austritt des Schenkelkopfes au9 der Hüftpfanne hinzu. 

Ausspraohe. 

Hr. Klapp: Therapeutisch empfehle ich bei Coxa valga luxans 
die Verstärkung des oberen Pfannendaohs durch einen Knochenspan. 

Hr. Biesalski: In einem Fall von Coxa valga habe ich ein oberes 
Pfannendach duroh einen Tibiaspan gebildet. 

Hr. Oocht: Die Antetorsion des Schenkelhalses ist nach Lorenz 
bei der angeborenen Huftluxation das Primäre, die Luxation des Schenkel¬ 
kopfes ist sekundär. 

Hr. Böhm: Das Klapp’sohe Krankheitsbiid ist wohl nur eine Spiel¬ 
art der angeborenen Hüftluxation, beide sind vergleichend anatomisch als 
Variationen der Schenkelhals- und SohenkelkopfstelluDg su erklären. 

8. Hr. Blameuthal: Uetaagsapparat ftr Sanerbmeh Operierte. 

(Erschien in Nr. 45 unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

' Ausspraohe. 

Hr. Zeller weist auf die mangelhaften Vorkehrungen hin, die in 
Berlin getroffen sind, um die Sauerbroch-Operierte mit Kunstgliedern 
auszustatten. 

Hr. Gooht: Es sollte als Grundsatz gelten, dass nur dann eine 
Sauerbruch-Operation ausgeführt wird, wenn die Beschaffung der Prothese 
vorher gesichert ist. 

Hr. Böhm: Die Militärbehörde trifft Vorbereitungen, um im neuen 
orthopädischen Lazarett Schloss Charlottenburg eine Anpassungswerkstatt 
für Sauerbruch-Operierte einzurichten. 


Nacbtrag 

su meiner Arbeit: „Zur Frage der Diphtheriebehandlung 
mit normalem Pferdeserum u in dieser Wochenschrift, 1919, 
Nr. 42, S. 988. 

Auf Wunsch des Herrn Friedberger weise ich darauf bin, 
dass auch er sich mit tierexperimentellen Studieq über die Wirk¬ 
samkeit des Diphtherieheilserums und des normalen Pferdeserums 
befasst hat. Die betreffende Arbeit, in der Verfasser zu ähnlichen 
Resultaten wie Kolle und Schlossberger und S. Meyer kommt, 
findet sich in Nr. 7 dieser Wochenschrift, Jahrgang 1919. 

»*■ Von grosserem Interesse dürfte es sein, dass die Kinder, über 
die seiner Zeit berichtet wurde, nachträglich beide an Lähmungen 
erkrankten, und zwar der mit Heilserum gespritzte Junge an 
Perbnenslähmtmg, das mit Leerserum behandelte Mädchen an 
Gaumensegellähmung. Dr. Dorn. 


Anmerkungen zur Arbeit Ernst Schnitze: „Das Verbot 
hypnotischer Schaustellungen“. 

(Verspätet eingegangen.) 

1) (S. 1106.) Gelegentlich der Ausspraohe zu meinem Vortrage be¬ 
richtete Herr Kollege Eichel her g-Hedemünden über einen ganz ähn¬ 
lichen Fall. Wenige Tage vorher, am 5. Oktober, hatte ihn eine 28jähr. 
ame, Korrespondentin, aufgesucht, die Ende August in einer öffentlichen 
erstellung in Barmen von oinem Laienhypnotiseur hypnotisiert worden 
war. Im Anschluss hieran war sie mehrere Tage vollkommen dösig, 
„loh befand mioh immer wie im Traumzustand; ich bin zwar zum Ge¬ 
schäft gegangen, konnte aber nicht arbeiten und wurde deswegen wieder 


naoh Hause geschickt.* 1 Die Dösigkeit verlor sich naoh etwa 8 Tagen. 
Seit dieser Zeit hat sie unter allgemeinen nervösen Beschwerden, be¬ 
sonders unter Kopfdruok, Appetitlosigkeit und allgemeiner Mattigkeit zu 
leiden. Seit kurzem btfiodet sie sich in der Nähe von Göttingen auf 
dem Lande zur Erholung^ Bei der ärztlichen Untersuchung machte sie 
einen müden, abgespannten Eindruck; ausser erhöhten Reflexen war 
nichts naebzuweisen. In einer Hypnose, die auffallend leioht gelang, 
wurden ihr die entsprechenden Suggestionen erteilt. Nach der Hypnose 
wachte sie frisch und beschwerdefrei auf. Nach 8 Wochen teilte sie mit, 
dass es ihr gut gehe und sie ihrer Arbeit genau so naohgehen könne 
wie vorher. 

2) (S. 1107.) Wie berechtigt diese Befürchtung ist, ergibt eine Notiz 
aus dem Hannoversohen Kurier von Sonnabend, den 25. Oktober 1919, 
Abendnummer: 

«Wie in der letzten Sitzung der Gesellschaft für Psychologie und 
Metaphysik hier von Aerzten mitgeteilt wurde, sind in Hannover allein 
im Oktober drei Fälle bekannt geworden, in denen junge Mädchen von 
Laien mehrfach hypnotisiert worden waren. Zwei von diesen Mädchen 
behaupten, während der Hypnose missbraucht worden su sein und keine 
Erinnerungen an die Vorgänge sn haben. Objektive Erscheinungen liegen 
bei alten drei Mädchen vor; es wird nnr schwierig sein, zu beweisen, 
wann und durch welche Veranlassung diese eingetreten sind, weil natür¬ 
lich in den fraglichen Fällen Zeugen und Sachverständige nicht sogegen 
waren und scharfe Grenzen zwischen Ueberreduqg, Suggestion und 
Hypnose gar nicht bestehen.* 

Daraufhin wurden auch in Hannover die hypnotischen Schaustellungen, 
die in grosser Zahl bisher dort stattgefunden hatten, verboten. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin, ln der am 11. November 1919 abgehaltenen Sitzung der 
Berliner dermatologischen Gesellschaft wurden nach Annahme 
der vom Vorstand vorge9chlagenen Statutenänderungen Herr 0. Rosen« 
thal als erster, Herr Arndt als zweiter Vorsitzender, Herr Blasohko 
und Herr Busehke als stellvertretende Vorsitzende, Herr Ledermann 
als erster, Herr Saatfeld als zweiter Schriftführer* Herr Heller als 
RechnuDgsfübrer und Bibliothekar gewählt. Als Mitglieder der Aufnahme¬ 
kömmission wurden die Herren F. Pinkus, Bruhns, Gebert, Löhe, 
Roscher, Pulvermaoher und Frau Marie Kaufmann gewählt. Herr 
Hoff mann stellt einen Fall von Erythrodermie icbtbyosiforme oongöni- 
tale, Frau Dr. Kaufmann einen Fall von Pityriasis rubra pilaris, Herr 
Ledermann einen Fall von Ulcus durum des Zungenrückens, Herr 
Sprinz einen Fall von endokriner Insuffizienz mit Hautsymptomen, 
Herr W. Friedländer einen Fall von Besserang eines Handekzems 
duroh Kupfersalbe vor (Aussprache: die Herren Pulveripaoher, Rosen« 
thal, Heller, Friedländer). Herr Posner hielt einen Vortrag über 
Syphilis der Harnblase und Herr Blumen thal demonstriert für Herrn 
Soheresohewsky Kaninohensyphilis duroh gesohlechtliohe Uebertragung. 

— Geheimrat Liepmann, Direktor der Irrenanstalt Berlin- 
Herzberge, tritt vom Amte zurüok, um sich ganz seinen wissenschaft¬ 
lichen Arbeiten widmen su können. 

— Am 18. d. M. verstarb im Alter von 55 Jahren Herr San.-Rat 
Dr. Otto Mankiewioz in Berlin, ein geschätzter und vielbeschäftigter 
.Urologe; dem Vorstande der Berliner uro logischen Gesellschaft gehörte 
er als Schatzmeister an. Sie wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. 

— Staatsrat Dr. F. Dörbeok, der naoh seiner Uebersiedelung aus 
Petersburg, wo er die Petersburger medizinische Zeitung herausgab, und 
der Redaktion der Deutschen medizinischen Wochenschrift :n Berlin an¬ 
gehörte, ist zum Hilfsarbeiter im Ministerium für Volks Wohlfahrt bestellt 
worden. 

— Dr. Georg Peritz, Nervenarzt in Berlin, und Dr. Klotz, 
Direktor des Kinderhospitals in Lübeck, haben den Titel Professor er¬ 
halten. 

— Das Mitglied des Reiohsgesandheitsamts, Regierungsrat Dr. Un ger- 
mann, ist au9 dem Dienste des Gesundheitsamts SQsgeschieden und 
zum Wissenschaftlichen Mitglied bei dem Institnt für Infektionskrank¬ 
heiten „Robert Koch“ in Berlin ernannt worden. 

— Die medizinische Fakultät zu Freiburg i. B. schreibt uns: „Geh.-Rat 
Prof. Dr. Schottelius, der bekannte Hygieniker und bis 1912 Direktor 
des Hygienischen Instituts der Universität Freiburg, ist seit Ende Sep¬ 
tember d. J. verschwunden. Alle Nachforschungen sind bisher leider 
vergeblich geblieben. Wir bedauern dieses Ereignis um so mehr, als wir 
unter diesen Umständen darauf verziohteo mussten, seine grossen Ver¬ 
dienste um Wissenschaft und Lehre an seinem 70. Geburtstag, den er 
am 15. November feierte, entsprechend zn würdigen." 

— Die Stadt Berlin hat in Buch ein Kindergenesungsheim 
eröffnet, das unter Leitung * von Dr. Rosenstern steht. Zunächst 
können dort 650 Kinder untergebracht werden. Im Bedarfsfälle kann 
aber auch die doppelte Zahl dort Aufnahme finden. 

— Unterm 24. Juni 1919 hat die Prenssische Staatsregiernng ihre 
Genehmigung zur Errichtung einer „Professor Dr. Hans Aronson-StäRong*^ 
erteilt, welche die Witwe des am 8. März 1919 verstorbenen hervor¬ 
ragenden Bakteriologen mit einem Betrage von vorerst 500000 M. er¬ 
richtet hat, am damit einen von dem Verblichenen selbst lange gehegten 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41 


Plan zu verwirklichen. Der Zweck der Stiftung ist, die deutsche 
Forschung auf dem Gebiete der Bakteriologie und experi : 
mentellen Therapie zu fördern. Dies soll dadurch erreicht 
werden, dass aus den gesamten verfügbaren Zinsen hervorragende wissen¬ 
schaftliche Leistungen deutscher oder deutsch-fösterreichiscber Forscher 
mit Preisen ausgezeichnet werden; und »war soll in der Regel jährlich 
höchstens eme Arbeit mit einem Preise von demnach zunächst min¬ 
destens 20000 M„ mindestens aber alle lünf Jahre eine Arbeit mit 
einem sodann entsprechend höheren Preise bedacht werden. Die Preis- 
verteilung erfolgt am 8. Mars, als dem Datum des Todestages von Pro¬ 
fessor Aronson und swar frühestens im Jahre 1921. Die Arbeiten 
müssen innerhalb der leisten 10 Jahre vor der P/eisverteilung sum Ab¬ 
schluss gebracht worden sein. Das von der Stifterin nach Maassgabe 
der Wünsche ihres Gatten ernannte Kuratorium besteht zurzeit aus den 
Herren: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ernst Bumm - Berlin, Prof. Dr. Adolf 
Lazarus Charlottenburg, Geh. Obermedizinalrat Prof. Dr. Lentz, 
Vortragender Rat im Ministerium des Innern, Berlin, Kaufmann 
L. S ilten - Berlin, Rechtsanwalt Israel - Berlin Paokow. Die Preis- 
verteiluDg erfolgt satzungsgemäss nach sorgfältigster Anhörung berufener 
Sachverständiger durch das Kuratoriam. Zuschriften sind an das Bureau 
des Schriftführers, Rechtsanwalt und Notar Israel - Berlin-Pankow zu 
richten, wo auch Abdrücke der Satzungen erbeten werden können. 
Persönliche Ueberreichungen von Arbeiten und Vorschlägen erscheinen 
in beiderseitigem Interesse unerwünscht. 

_ j Q diesen Tagen jährt sich zum 100, Male das Erscheinen des 

Werkes von Laönneo, in dem er die Auskultation zum ersten Male 
öffentlich bekannt maohte. 65 Jahre waren also vergangen, ehe der 
grossen Erfindung der Perkussion durch den Wiener Arzt Leopold 
Auernbrucker ihre ebenso bedeutende Ergänzung durch Napoleocs 
Leibarzt Laönnec, „der sich fast nie irrte“, folgte. Die Zeitverhältnisse 
sollen uns nicht abhalten, auch unsererseits heute des grossen Franzosen 
dankbar zu gedenken. 

— Die Kohlennot bedroht jetzt auch die Versorgung unserer 
Franken mit Medikamenten. Wie die Tageszeitungen melden, sehen 
sich dadurch die Höchster Farbwerke, ferner die Fabrik Gries¬ 
heim-Elektron 'und die chemische Fabrik Leopold Casella zur 
völligen Stillegung ihrer Betriebe genötigt. 

_Unter dem Titel „Praktische Psychologie“ erscheint eine Monats¬ 
schrift für die gesamte angewandte Psychologie, für Berufsberatung und 
industrielle Psyohoteohnik, herausgegeben von den Herren Dr. W. Moede 
und Dr. 0. Piorkowski (Preis* des vollständigen Jahrgangs 25 M), im 
Verlag von S. Hirzel-Leipzig. 

— Reiohsstatistik der Geschlechtskrankheiten (15. No¬ 
vember bis 14. Dezember 1919). Während Deutschland, namentlich im 
Vergleich zum Ausland, hinsichtlich der Ausbreitung der Geschlechts¬ 
krankheiten bisher im allgemeinen nicht besonders ungünstig gestellt zu 
sein schien, haben die lange Kriegsdauer und die Folgeerscheinungen 
des Kriegsausganges einen Wandel zum Schlimmeren; gebracht, so dass 
nunmehr der Volksgesundheit unermesslicher Schaden droht und die 
Gefahr einer allgemeinen Verseuchung der Bevölkerung besteht. Neben 
der Abwehr durch die Aerzteschaft werden zur Eindämmung des Uoheils 
einschneidende behördliche Maassnahmen unerlässlich sein. Seitens des 
Reichsministeriums des Innern ist deshalb für die Zeit vom 15. November 
bis 14. Dezember 1919 eine Reiohsstatistik der Geschlechts¬ 
kränken in die Wege geleitet worden. Die Ausdehnung auf einen 
Monat erschien erforderlich, um genügende Rückschlüsse auf die Jabres- 
ziffern der Erkrankten machen zu können. Die Einladung zur Be¬ 
teiligung an der Statistik geht allen Aerzten nebst den erforderlichen 
Formularen und einem Anschreiben des Reichsministers des Innern an 
die Aerzteschaft durch die Landesregierungen zu, und es ist zu hoffen, 
das? sich die Herren Kollegen dieser wichtigen Aufgabe nioht entziehen 
werden. 

— Nach einer im „Journal de la Röpublique Fratgaise“ sich finden¬ 
den, in den „Veröffentlichungen des ReiohBgesundsbeitsamt“ auszugsweise 
wiedergegebenen Naohweisung betrug in der Gesamtheit der 77 Departe¬ 
ments Frankreichs, aus denen Angaben über die Bewegung der 


Slkerung 

bis zum Jabre 1917 gemacht worden sind, 

in den 

Ehe- 

die Zahl der 

Sterbefälle von 

Jahren 

Schliessungen 

Lebendgeborenen 

Zivilpersonen 

1918 

247 880 

604 811 

587 445 

1914 

169011 

594 222 

647 549 

1915 

75 827 

887 806 

655 146 

1916 

108 562 

815 087 

607 742 

1917 

158 508 

848 310 

613 148 


Hochschulnaohriohten. 



Frankfurt a. M.: Der Leiter der Zentralstelle für Blindenforsohung 
v. Gerhardt erhielt einen Lehrauftrag für Blindenhunde. — Heidel¬ 
berg: Im 62. Lebensjahr starb Geh. Hofrat Hoffmann, Honorarprofessor 
und Leiter der Ambulanz für Nervenkrankheiten der medizinischen 
Klinik. — Jena: Den neubegründeten Lehrauftrag für physiologische 
(medizinische) Chemie erhielt der ao. Professor Friedrich Schulz. — 
Königsberg: Zum Abteilungsvorsteber am anatomischen Institut ist 
Prosektor Berg ernannt. 


Amtliche Mitteilungen. 

Pernonallen. ___ 

Ernennungen: ao. Prof, in d. mediz. Fakult. d. Upivers. Balle a. 3. Geh. 
Med.-tyat Dr. Oberst z. ordenti. Honorarprofessor in ders. Fakult, 

Versetzungen: o. Prof. Dr. Schmieden in Halle a.S. in gleicher Eigen¬ 
schaft in d. mediz. Fakult d. Universit. in Frankfurt a. M. 

Niederlassungen: M. Eckert in Nordenburg (Kr. Gerdauen), Dr. Auguste 
Saunnus in Königsberg i.Pr., Dr.W.Stengel in Allenburg(Kr.Wehlau), 
Dr. E. Russky in Tilsit, Ob.-St.-A. Dr. G. Ebner in Allenstein, Dr. 
Th. Engwer\ Dr. A. Fertig, Dr. Ernst Heyn u. Dr. Wilh. Heyn 
in Berlin, Fritz Hartwioh u. Dr. H. Studentkowski in Neukölln, 
W. Joachimi in Zeuthen (Kr. Teltow), Dr. Hildegard Strathmann 
in Berl.-Weissensee, Dr. Georg Braun u. Ob. A. Otto Niemeyer in 
in Potsdam, Dr. J. Eisenstädt in Crossen a. 0., Max Möller in 
Lipke (Ldkr. Landsberga. W.j, Dr. W. Ladisch u. Dr. E. Graudens 
in Driesen, Paul Rau in Ferst i. L., Dr. P. Ast in Arnswalde, Dr. 
V. Czerwonski, J. Mochlis u. Dr. E. Stürmer in Breslau, Georg 
Hoffmann in Scheibe (Kr. Glatz), A. Jungnitz in Kudowa, Dr. 
A, de Beisac in Herrnstadt (Kr. Guhrau), G. Blieske in Nimptscb, 
Dr. B. Hager in Hindenburg, Jobs. Schwabe in Kattowitz, Alfons 
Scholz in Brogutschütz, Dr. Rieh. Ullrich in Piltsch (Kr. Leobschüts), 
Dr. Max Buohholz u. Dr. Gust. Huth ln Stendal, Dr. H. Finken 
io Burg (Kr. Jerichow I), Dr. Rudolf Meyer in Hötensleben (Kr. Neu¬ 
haldensleben), Dr. Cbr. Fr. Müller in Frankfurt a. M., Dr. A. Rau¬ 
ei ser in Koblenz. 

Verzogen: E. Schyra von Breslau nach Deutsch Krawarn (Ldkr. Rati- 
bor), Dr. Eduard Anders von Breslau nach Hultsehin (Ldkr.Ratibor), 
Dr. Ludw. Wolff von Piimasens u. Dr. H. Dewes von Zerbst nach 
Quierschied (Ldkr. Saarbrücken), Dr. H. J. Berater von Remagen 
naeh Höngen (Bez. Aachen), Karl Wolter von Niederaussem (Kr. 
Bergheim) nach Düren, Dr. Engelbert Jansen von Erkelenz nach 
Eschweiier, Dr. Adolf Lincke von Berlin nach ßerlin-Tegel, Dr. H. 
v. Schad von Heidelberg nach Berlin-Britz, Dr. Erich Günther von 
Sülzbayo nach Loslau (Kr. Rybnik), Dr. Karl Arndts von Mark. 
Friedland nach Rottleberode, Dr. Charlotte Sohütz von Berlin und 
Dr. R. Speisebecher von München naeh Kiel, Dr. J. Bitterling 
von Pioneberg nach Rellingen (Kr. Pinneberg), Dr. R. Deussing von 
Hamburg und Dr. H. Ploog von Jena nach Wandsbek, Dr. Hans 
Krause von Rendsburg nach Kropp (Ldkr. Schleswig), San.-Rat Dr. 
Ernst Jacobi von Hannover nach Arosa (Schweiz), Dr. Eugen 
Goldbach von Königsberg nach Hannover, Dr. Ernst Strauaa von 
Wildemann nach Langelsheim (Braunschweig), Dr. H. Kunze von 
Rostock nach Goslar, Dr. H. Wessiing von Northeim nach Hildes¬ 
heim, Dr. Otto Friedländer von Neustadt (Meokl.) naoh Dannen¬ 
berg, Dr. G. Beck er t von Frankfurt a. M. naoh Lehe, Dr. W. Laenge 
von Hamburg nach Fischerhude (Kr. Achim), Dr. Adolf Gold- 
schmidt von Duisburg-Ruhrort nach Hagen (Kr. Geestemünde), Dr. 
R. Gebrich voo Strassburg i. Eis. nach Neuhaus a. d. Oste, Dr. W. 
Lüning von Hannover nach Hechthausen (Kr. Neuhaus a. d. Oste), 
Dr. F. Heberling von Benneokenstein naoh Hasbergen (Ldkr. Osna¬ 
brück), San.-Rat Dr. Friedr. Müller von Beendorf (Kr. Neuhaldena- 
leben) nach Ihrhove (Kr. Leei), Dr. W. Wessel von Münster nach 
Olfen (Kr. Lüdinghausen), Dr. 0. Lennenschloss von München nach 
Bochum.Dr. J. Maeder von Rastenburg naoh Angerburg, Dr. H. Katsch 
von Darkehmen naoh Spillen (Kr. Ragnit), Dr. St. Zielon&oki von 
Berlin Daoh Wartenburg i. Ostpr., Dr. Friederike Koch von Hamburg 
nach Neidenburg, H. Gutzmann u. W. Lasch von Berl.-Schöoeberg, 
Prof. Dr. H. v. Hoesslin von Berl.-Lichtenberg, Dr. Arthur Jaoobsohn 
von Rothenburg a. 0. u. Dr. Otto Rosenbaum von Neukölln naoh 
Berlin, Felix Böhm von Charlottenburg u. San.-Rat Dr. H. Korber von 
Berl.-Liehterfelde nach Berl.-Wilmersdorf, Dr. J. Stobwasser von 
Berlin nach Berl.-Reinickendorf, Dr. E. 0. H. Sack von Osterode i. 
Ostpr. nach Strausberg (Kr. Oberbarnim), Dr. Herrn. Krüger voq 
Breslau naoh Hoppegarten (Kr. Niederbarnim), Dr. Margarete Kieke 
von Cassel u. Dr. J. Brook von Charlottenburg naoh Berl.-Weissensee, 
Dr. Karl Roth von Strassburg i. Eis. u San.-Rat Dr. A. Steinhoff 
won Sohwetz nach Potsdam, San.-Rat 0. Feger von Lipke nach Landa- 
berg a. W., Dr. H. Hegemann von Berlin naoh Kriescht (Kr. Ost¬ 
sternberg), Dr. E. Sy bei von Charlottenburg nach Züllichau, R. Maske 
von Stargard nach Arnswalde, Dr. W. Liohtsohlag von Wiesbaden 
u. Dr. Walter Fuchs von Liegnitz nach Breslau, K. Wunder vou 
Breslau nach Weigelsdorf (Kr. Reichenbaoh i. Schl.), Dr. J. Freisei 
von Breslau nach Poln. Neukirch (Kr. Cosel), Dr. W. Urtel von 
Schwientochlowitz naoh Lipine, Dr. Alexander Kolbe von Rudochammer 
nach Schwientochlowitz, A. Flatzek von Breslau nach Rydultau, 
E. Muscholl von Breslau nach Tarnowitz, Dr. K. Kuntzsch von 
Potsdam nach Aschersleben, Dr. Friedr. Niemann von Aschersleben 
naoh Hamburg, Dr. Erich Lukas von Berl.-Lichterfel de nach Stendal. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Paul Fischer 
von Friedeusbütte (Stadtkr. Beutben). 

Gestorben: San.-Rat Dr. Rieb. Hensel in Königsberg i. Pr., Dr. R. 
Goedel in BerÜD. 

Fftr die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hana Koho, Berlin W., Bayreuth«? iw. 49. 


Verlag und Eigentum von Angast Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 


Die Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Monisg in Nummern Ton etw* 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljllhrlioh 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendung®» für die Redaktion und Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof Dr. Haas Mn. 


Montag den 1. Dezember 1919. 


M 48 . 


Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origiialiei: H olländer: Die Ursachen der Steinbildung in den Nieren 
nach Wirbelsäulenverletzung. S. 1129. 

Zuelzer: Zur Scharlach frage. (Illustr.) S. 1131. 

Stoss: Das weisse Blutbild bei chronischer Malaria mit besonderer 
Berücksichtigung der Monozyten. (Aus der ehemaligen Malaria¬ 
station des Reserve-Lazaretts Nürnberg II Ludwigsfeld [leitender 
Arzt: Stabsarzt d. R. Dr. Walterhöfer].) S. 1135. 

Fischer: Wärme und Arbeit im tierischen Körper. S. 1137. 
Oppenheim: Das Spumanverfahren in der gynäkologischen Praxis, 
S. 1139. 

Lenz: Die Auslesebedeutung der Säuglingsfürsorge. S. 1139. 

Btteherbesprechiuigen : Eichwald und Fodor: Die physikalisch-chemi¬ 
schen Grundlagen der Biologie. (Ref. Rona.) S. 1141. — Domarus: 
Taschenbuch der klinischen Hämatologie. (Ref. Hirschfeld.) S. 1141. 
— Baisoh: Leitfaden der geburtshilflichen und gynäkologischen 
Untersuchung. (Ref. Zuntz.) S. 1142. — Hoffmann: Die Behand¬ 
lung der Haut-und Geschlechtskrankheiten. (Ref. Bruhns.) S. 1142.— 
v.Hofmann: Lehrbuch der gerichtlichen Medizin. (Ref. Marx.) S. 1142. 


Die Ursachen der Steinbildung in den Nieren 
nach Wirbelsäulenverletzung 1 ). 

Von 

Eugen Holländer. 

Die Tatsache, dass mit einer ganz auffallenden Häufigkeit 
nach gewissen Rückenmarksverletzungen eine rapide Versteinung 
beider Nierenbecken eintrrtt, ist nach der Publikation von Kurt 
Müller aus der Hallenser Klinik (im Archiv für klinische 
Chirurgie vom Jahre 1895) dem engeren Kreise der Fachkollegen 
bekannt geworden. Da aber dies Syndrom den Aerzten weniger 
vertraut und vom Standpunkt der Kriegsfolge von grosser Be¬ 
deutung ist, will ich zunächst einen besonders typischen Fall mit- 
teilen und sodann den Versuch machen, eine einleuchtende Er¬ 
klärung für das Zustandekommen dieser in der übrigen Nieren¬ 
pathologie einzigartigen Erscheinung zn geben. Denn die von 
den verschiedenen Autoren aufgestellten Hypothesen befriedigen 
nicht, weil sie nur eine gelegentliche Steinbiidung in den Nieren¬ 
wegen erklären, eine Motivierung aber der gesetzmässigen und 
rapiden doppelseitigen Versteinung ausschliesslich im'Falle der 
Rückenmarksverletzung vermissen lassen. 

Der 22jährige kräftig gebaute und vorher gesunde Infanterist'S. kam 
am 7. Januar 1915, nachdem ihm wenige Tage vorher ein lofantrie-Ge- 
schoss im Genick verwandet hatte, in einer Gipslade vermittels Lazarett- 
suges auf meine Abteilung in der Charitä. Es zeigte sich nach Ent¬ 
fernung der Gipslade, dass im Nacken eine faustgrosse Wundböhle vor¬ 
handen war, die von der Schädelbasis bis zum siebenten Halswirbel 
hinabreiohte. Die Wunde war infiziert, man fühlte in der Triefe rauhen 
Knochen und konnte einige Knochenstücke entfernen. Patient fieberte 
und war am ganzen Körper gelähmt, so dass er nur Zunge und Aogen 
willkürlich bewegen konnte. Blase und Mastdarm waren gleichfalls voll¬ 
kommen gelähmt. An den äussersten Fingerspitzen zeigte sioh eine 
geringe Bewegungsfähigkeit. Die Röntgenaufnahme ergab eine Verletzung 
des sechsten, und siebenten Dornfortsatzes. loh erwähne nur flüchtig 
aus der Krankengeschichte eine das Leben bedrohende hypostatisohe 
Pneumonie, schwere Herzunregelmässigkeiten, einen ausgedehnten Dekubi¬ 
tus, um darauf hinzuweisen, dass es in vieler Beziehung der wachsamen 


1) Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 
5. November 1919. 


ALT. 

Literatir-Aifiittge: Physiologie. S. 1142. — Pharmakologie. S. 1142. — 
Therapie. S. 1143. — Allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie. S. 1143. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1143. — 
Innere Medizin. S. 1144. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1144. — Kinderheilkunde. S. 1144. — Chirurgie. S. 1145. — 
Röntgenologie. S. 1146. — Urologie. S. 1146. — Haut- und Ge¬ 
schlechtskrankheiten. S. 1146. — Geburtshilfe und Gynäkologie. 
S. 1146. — Augenheilkunde. S. 1146. — Hals-, Nasen- und Ohren¬ 
krankheiten. S. 1147. — Hygiene und Sanitats wesen. S. 1147. — 
Gerichtliche Medizin. S. 1147. — Sohiffs- und Tropenkrankheiten. 
S. 1147. 

Verhaadlugei ärztlicher Gesellschaft«*: Berliner medizinische 
Gesellschaft. S. 1148. — Verein für innere Medizin und 
Kinderheilkunde zu Berlin. S. 1150. — Aerzte-Verein zu 
Harburg a. E. S. 1150. 

17. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten. S. 1151. 

.Tagesgesohiohtl. Notizen. S. 1151.— Amtl. Mitteilungen. S. 1152. 


Schwesternpflege zu danken ist, wenn der Patient sohliesslioh gesund die 
Oharitö verlassen konnte. 

Schon nach 4 Wochen (genau 27 Tagen) klagte der Patient über 
Spannungsgefühl und Sohmerzen in der rechten Nierengegend, und be¬ 
kam derselbe um diese Zeit seinen ersten schweren hoch fieberhaften mit 
Schüttelfrösten verlaufenden pyelonephritisohen Anfall, der eine Woche 
andauerte. Eiweissgehalt des Urins war vorher sohon festgestellt. Solche 
meist aber etwas kürzeren Fieberattaoken wiederholten sich in den 
folgenden Monaten. Die Urinentleerung war teils durch periodischen 
Katheterismus erfolgt, teils hatte man, namentlich während der Attacken, 
einen Dauerkatheter eingelegt. Die typische alkalische Reaktion und 
eine mässige Zystitis trat zwar auf, konnte aber mit den übliohen Mitteln 
in Schranken gehalten werden. Der Urin war zwar trübe, aber nie 
eitrig und blntig. Abgang von Steinen oder Gries erfolgte nicht All¬ 
mählich war mittlerweile die Lähmung der Extremitäten zurüokgegangen; 
die Wunde am Halse in Heilung, der Patient konnte gebadet und ausser 
Bett genommen werden. Nach einer im Mai wieder aufgetretenen fieber¬ 
haften Nierenattacke wurde eine Röntgenphotographie der Nieren vor¬ 
genommen. Es zeigte sioh, dass in der rechten. Niere bereits über 10 
grössere und kleinere Calouli vorhanden und dass die Versteinung der 
linken Niere nach Grösse und Zahl ziemlich übereinstimmend war. Der 
durch die monatelang dauernde Erkrankung heruntergekommene Patient 
bot in diesem Stadium kein Objekt für eine doppelseitige Nierenoperation. 
Er wird systematisch während einer 4 wöchigen fieberlosen Zeit an Körper¬ 
gewicht in die Höhe gebracht. Eine im Anfang August erneut einsetzende 
schwere linksseitige fieberhafte Nierenerkrankung löste sioh nicht in 
der typischen Weise, und so muss während der Attacke zur Operation 
geschritten werden. Die Freilegung der Niere erfolgte in der übliohen 
Weise. Die Kapsel des stark vergrösserten Organs ist mit dem indu- 
rierten Fett so verwachsen, dass sioh dieselbe vollkommen ablöst. Es 
zeigt sich jetzt, dass die Mitte der Konvexität der stark vergrösserten 
Niere eingenommen ist von einem eitrigen Rindeninfarkt. Ein Stüok des 
Gewebes wird von mir an dieser Stelle zur mikroskopischen Untersuchung 
weggenommen und die Niere jetzt unter der Kontrolle der Röntgenplatte 
entsteint. Dabei müssen einige abgeschnürte Kelche besonders noch auf- 
geschnitten werden, um die eingeborenen Steine herauszuheben. An 
der Stelle des Infarktes wird die Niere drainiert. Es erfolgt Entfieberung 
und Heilung. Patient erholt sioh schnell, bald aber treten erneute 
Nierenschmerzen auf, nachdem mittlerweile die Urinentleerung eine 
spontane geworden war. Diese Schmerzen tragen durchaus einen kolik¬ 
artigen Charakter, dauern meist nur 24 Stunden, sitzen ausschliesslich 
in der nicht operierten Niore und endigen mit dem Abgang eines grösseren 
oder kleineren Steines. Nachdem einmal die Koliken länger andauern, 
wird durch Röntgenuntersuchung festgestellt, dass 3 Nierensteine «ich 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1130 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 48. 


im mittleren Teile des Ureters eingeklemmt haben. Mit dem Ureteren* 
katheter wird durch Einspritzen von Glyzerin in den Ureter der Abgang 
dieser Steine vermittelt. Jetzt gehen auoh die grösseren Steine leioht 
und beinahe täglich ab. Nach einer 4 wöchentlichen, föllig schmerzlosen 
Periode ohne weiteren Abgang von Konkrementen, in der Patient schon 
1—2 Stunden ohne Stock Spazierengehen kann, wird er wahrend meines 
eigenen* Urlaubs in seine Heimat entlassen, leider ohne dass vorher durch 
Röntgenbefund festgestellt wird, ob überhaupt noch Steine in den Nieren 
vorhanden sind. Nhchzutragen ist noch die Diagnose des pathologischen 
Instituts über das exstirpierte Nierenstück: akuteitrige hämorrhagische 
Nierenentzündung, wesentlich interstitieller Art, ferner die Diagnose des 
Nervenfaoharztes bei der Einlieferung: Wirbelsäulen-Verletzung am 
sechsten und siebenten Halswirbel, Hämatomyelie mit Läsion der Seiten- 
stränge und Unterbrechung der zentralen Partien. 

Diese Krankengeschichte ist nur ein Beispiel für einen gut 
verlaufenden Fall; in den MüHerrschen Beobachtungen waren 
8 Sektionsfälle und zwei mit schweren Lähmungen und Kon¬ 
trakturen. 

Betrachten wir jetzt die früheren Erklärungsversuche dieses 
auffallenden Syndroms und suchen sie mit unserer Krankheits¬ 
beobachtung in Einklang zu bringen. 

Die erste Auffassung war, da sich zufällig die Steinbildungen 
der Nieren an Verletzungen der Lumbal Wirbelsäule anschlossen, 
dass das gemeinsame Trauma eine direkte schwere Schädigung 
des Nierenparenchyms verursacht habe, und dass sich aus der 
Durchblutung desOrgans die Steinbildung erklären lasse. 
Ganz abgesehen davon, dass bei schweren Nierenverletzungen ohne 
Wirbelsäulenschädigung keine Nierensteine sich bilden, erledigt 
sich diese Hypothese schon durch die späteren Beobachtungen 
der Verletzungen der Halswirbelsäule mit gleichem Befund. Von 
einer direkten Schädigung der Niere konnte nun nicht mehr die 
Rede sein. 

Der Dekubitus und die dauernde Rückenlage, die als 
Ursache in Erwägung gezogen wurden, kommen bekanntermaassen 
auch bei vielen anderen Krankheitszuständen ohne Steinbildung vor. 

Man wandte sich jetzt, um die akute Steinbildung zu er¬ 
klären, an die Tatsache der aufsteigenden Urin in fektion als Be¬ 
gleiterscheinung jeder dauernden Blasenlähmung. Man wandte 
ein, dass auch bei Achtung aller Kautelen bei lange fortdauern-. 
der Katheterisation eine Urinfektion nicht ausbleibe, umsomehr, 
da auch die durch Posner begründete kryptogenetische bak¬ 
terielle Infektion mit Bakterium Koli den Patienten bedrohe. Die 
pyelonephritischen Attacken und der nach Meckel sogenannte 
steinbildende Katarrh des Nierenbeckens sollte nun die mikro¬ 
geologische Basis für die Steinbildung abgeben. Dieser liefere 
das notwendige organische Gerüst für die verschiedenen Stein¬ 
bildner. Hierbei ergibt sich nun zunächst sofort der Einwand, 
dass genau dieselben Urinverhältnisse überall da vorliegen, wo 
durch die verschiedensten Gründe ein jahrelanger Katheterismus 
nötig ist, also bei Prostatahypertrophie, bei Strikturen und vor 
allem bei den versehiedenen Spinalerkrankungen. Hier aber reicht 
die Ebstein’sche Theorie des organischen Gerüstes allein 
nicht aus, denn in all diesen genannten Krankheitszuständen 
vermissen wir die schnelle, gesetzmässige und doppelseitige Nieren¬ 
steinbildung, wobei wir ausdrücklich anerkennen, dass gelegent¬ 
lich einmal bei diesen Krankheitsformen es zu Bildjungen von 
Nierenkonkrementen kommen kann. Es fehlt also bei dieser 
Infektionstheorie vollkommen' die Begründung des eigenartigen 
Vorgangs. Die Experimente''von Posner und Asch, welche durch 
aseptischen Katbe’terigmus bei einem experimentell am Rücken¬ 
mark verletzten Hunde das Ausbleiben von Infektion und Nieren¬ 
steinbildung beobachteten, sollen hier angeführt werden. Aber als 
wichtigster Gegenbeweis gegen diese Theorie betrachten wir auch 
die mikrochemische Untersuchung der gewonnenen Konkremente, 
welche keine Spur organischen Materials weder im Kern noch in 
den Wänden nachwiesen. Ebensowenig enthielten sie stärkere 
bakterielle Beimischungen. Ueberlegungen dieser Art führten nun 
den genialen Pariser Kliniker Charcot zur Aufstellung einer 
neuen Theorie. Auf der Suche nach dem unbekannten und be¬ 
sonderen Umstand nahm er eine essentielle nervöse Nephritis an, 
der sich auch Müller anschloss. Der Einfluss des nervösen 
Apparates auf die Nierensekretion ist bekannt. Claude Bernard 
lehrte das Vorhandensein des Zentrums derselben am Boden des 
4. Ventrikels. Der Eckhärdt’sche Versuch zeigte nach Durch- 
schoeiduug des Rückenmarks eine erhebliche Verringerung der 
Nierensekretion und der gleichzeitigen erheblichen Harnkonzen¬ 
trationen. Charcot und Müller konnten experimentell nach 
Rückenmarksläsion eine Verfettung der Bpithelien an den Mark¬ 
strahlen nach weisen. Charcot war nun der Ansicht, dass diese 


trophischen Nieren Schädigungen die Unterlage abgäben für die 
schnelle Steinbildung. Der grosse Kliniker Erb bezweifelt schon 
einen direkt trophischen Einfluss und glaubt eine erhöhte La¬ 
bilität der Niere nur durch die veränderten Zirkulationsverb&lt- 
nisse anzunehmen. Der Karlsbader Kurarzt Maschka bat schon 
auf diese vasomotorischen Veränderungen in seiner Pathogenese 
der Nierensteine besonderen Wert gelegt. Diese Statuierung einer 
besonderen nervösen Nephritis zu dem Zwecke der Erklärung der 
Nierensteine erscheint mir gesucht und ohne Parallele in der Patho¬ 
logie. Wir gewinnen durch diese Theorie auch wenig; denn das 
von Charcot durch dieselbe gewonnene nekrotische Epithel- 
material als gesuchtes organisches Gerüst liefert ja schon reich¬ 
lich die begleitende Infektion und die 9tets beobachtete auf¬ 
steigende Pyelonephritis. Dass aber von irgendeiner nennens¬ 
werten organischen Beimengung im Kern der Nierensteine dieser 
Herkunft keine Rede war, haben wir schon erwähnt. Auch das 
Postulat einer für die Steinbildung besonders günstigen Ver¬ 
änderung der chemischen Bestandteile des Harns bei dieser rein 
hypothetischen nervösen Nephritis stützt sich weder auf klinische 
Beobachtungen, noch einer besonderen chemischen Analyse. E* 
ist auch nicht einzuseben, weshalb sich diese nervöse Nephritis 
von der Vielheit der Parenchymveränderungen der Niere anderer 
Herkunft prinzipiell unterscheiden sollten. Ich glaube vielmehr, 
dass diese Hypothese im wesentlichen ihre Entstehung der Ver¬ 
legenheit verdankt, die traumatische Nierensteinbildung unge¬ 
zwungen zu erklären. 

Der Gedanke, einen eigenartigen nervösen Einfluss in Anspruch 
zu nehmen, würde vielleicht den Schein einer Berechtigung haben, 
wenn sonst eine Konkrementbildung in den Nierenabwegen nicht 
vorkäme. Da aber die verschiedensten Ursachen sowohl bekannter 
wie unbekannter Art gelegentlich und in der Mehrzahl einseitig 
zur Steinbildung führen, so iet die Fragestellung für uns folgende: 
Welche durch die Wirbelsäulenverletzung geschaffene patholo¬ 
gische anatomische Veränderung bewirkt es, dass in kürzester 
Zeit und in ausgedehntem Maasse doppelseitig die Versteinung 
ein tritt? 

Ich sehe dieBe pathognomonische Veränderung in 
der durch die Verletzung erfolgten Lähmung des Nieren¬ 
beckens und des Ureters. 

Der komplizierte Abtransport aus der Niere bis zum Austritt 
aus dem Körper ist eine eigenartige mechanisch-dynamische 
Leistung. Die sekretorische Masse des Nierengewebes endet in 
den euterartigen Fortsetzungen, den Pyramiden. Diese werden um¬ 
klammert von den muskulären Ausführungsgängen, in der Weise 
dass sich um die Basis der Pyramiden die äussere Ringmuskulatm 
des Ureterfortsatzes, zu dem Henle’schen Sphinkter ver¬ 
dichtet, herumlegt. Die verschiedenen Schlauchsysteme mit 
äuqserer Ring- und innerer Längsmuskulatur vereinigen sich zu 
den Reservoiren in den Galices und dann zum Nierenbecken. In 
der Adventltia des Ureters liegen markhaltige Nerven, welche 
teils motorisch die Muskeltätigkeit regulieren, teils sensibel sich 
reflexanregend betätigen. Es ist namentlich bei der .Hydro- 
nephrosenfrage immer die Rede von dem Ureterabgang als tiefsten 
Punkt. Die Dynamik des Nierenbeckens ist aber gar nicht im 
Prinzip auf einen solchen eingestellt, da ja auch in der Horizontal- 
lage und bei Becken hoch lagerung ein gleichmässiger Abtransport 
des Urins erfolgt. Das Sekret fällt nicht infolge seiner Schwere 
und fliesst auch nicht nach dem Gesetz der Heberdrainage. In 
Hunderten von Nierenoperationen fanden wir das Nierenbecken 
leer und ohne Spannung. Das Nierenbecken und Ureter stellen 
eine Säugpumpe vor. Die Kontraktionen, vom Operateur oft in 
ihrer Wellenform beobachtet, schaffen Druck und Vakuum und 
fördern den Urin unter Druck in die Blase. Das Herausspritzen 
des Urins aus der Ureterpapille ist uns durch das Kystoskop 
sichtbar geworden. Diese Dynamik von Nierenbecken und Ureter 
regelt ein offenbar sehr feiner Innervierungsapparat. An diesem 
sind sowohl übergeordnete und untergeordnete Zentren im Rücken¬ 
mark als auch eine Reihe von Nerven beteiligt. Der Grenzstrang 
des Sympathicu8, der Vagus, der Splancbnicus major und der 
Plexus coeliacus kommen in Betracht. An welcher Stelle nun 
der Reflexbogen für die geordnete muskuläre Tätigkeit des Ureters 
geschädigt oder unterbrochen wird, hängt von der Art der Ver¬ 
letzung ab. Die Möglichkeit einer Störung im perversen Sinne, 
d. h. eines Muskel kram pfes mit veränderter Drucknchtung liegt 
vor, wissen wir doch, dass der herausgeschnittene Ureter sich auf 
lokale Reize in perversem Sinne kontrahieren kann. 

Wir nehmen nun bei der Erklärung der Nierensteinbildung an, 
dass der reflektorische Reizbogen durch das Trauma unterbrochen 


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1. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1131 


wird. Die Labilität eines solchen gebt hervor aus der Tatsache, 
dass Verletzungen der Wirbelsäule an irgend einer Stelle solche 
hervorrufen können. Wir brauchen dabei gar nicht an aus¬ 
gedehntere Blutungen 4 in die Höhlungen der Wirbelsäule oder 
das Spinalsystem zu denken. Die Fern Wirkungen in Gestalt von 
Nervendegenerationen, ödematöser Durchtränkung und ausgedehnten 
erst mikroskopisch nachgewiesenen Herdnekrosen an der Grenze 
von grauer und weisser Substanz nach blossen Erschütterungen 
der Wirbelsäule sind erst kürzlich durch Jakob und Benda 
nacbgewiesen worden. Diese Fernwirkungen im Rückenmark sind 
alle wieder restitutionsfähig. Die Lähmung von Nierenbecken 
und Ureter kann vollkommen zurückgehen, aber als Dauerbescbä- 
digung bleiben die in dieser Zeit gebildeten Nierensteine zurück. 
Die Folge dieser Lähmung i&t zunächst eine dauernde Füllung 
des ganzen Harnleitu.ngssystems. Nierenbecken, Harnleiter und 
Harnblase werden mässig erweitert und nur unter dem Druck 
stehen, der durch die Harnsekretion erzeugt wird. Die Papillen¬ 
arbeit hat aufgehört, und der Urin sickert in müdem, kontinuier¬ 
lichem Rinnsal aus der offenen Papille heraus. Diese Beobachtung 
konnte ich in mehreren Fällen nach Rückenmarkschussverletzung 
an dem vorher durch Injektion gefärbten Urin demonstrieren. 

Jetzt werden alle die Kräfte und chemischen Vorbedingungen, 
die auch sonst zur Steinbildung in den Nieren gelegentlich führen, 
in erhöhtem Maasse in dem stagnierenden Harne in Erscheinung 
treten. Die Veränderung der Reaktion des Urins, die Infektion, 
wahrscheinlich auch die allgemein klinischen, durch die schwere 
Erkrankung des Gesamtorganismus bedingten sekretorischen Ver¬ 
änderungen des Magens, z. B. die gesteigerte Konzentration usw., 
die dauernde Rückenlage sind jetzt zu nennen. Besonders be- 
. weisend für meine Theorie ist auch die Tatsache, dass die Nieren¬ 
steine ausschliesslich aus Karbonaten und Phosphaten bestanden. 
Ich begnüge mich mit der Erinnerung an diesen an der Steinbildung 
überhaupt beteiligten Komponenten. Mir kam es nur darauf an, 
für die besondere Intensität der Steinbildung für das vorliegende 
Syndrom die Lähmung von Ureter und Nierenbecken in Anspruch 
zu nehmen. 

Wie verhält es sich nun, um auf die klinischen Erscheinungen 
einzugehen, mit der von Müller statuierten Kongruenz der In¬ 
tensität der Steinbildung als abhängig von der Intensität der 
Verletzung? Nach unserer Auffassung und nach den klinischen 
Beobachtungen existiert eine solche nicht. So sahen wir in un¬ 
serem Falle die restlose Rückbildung aller Körperlähmungen bei 
gleichzeitig völliger Versteinung beider Nierenbecken. Die Durch¬ 
musterung der Literatur zeigt uns nun, dass Nierensteinbildungen 
schon erfolgen können nach mässigen Traumen, wie Sturz vom 
Pferde, von der Leiter, ja sogar bei dem Eisenbahnschock. Wir 
müssen also davon absehen, eine Rückenmarksverletzung zu ver¬ 
langen, ja selbst eine direkte Verletzung der Wirbelsäule ist 
nicht nötig, sondern nur eine erhebliche Wirbelsäulenerschütterung. 
Der massgebende Faktor ist nur die Intensität und Dauer der 
Ureterlähmung. Die Blasenlähmung ist aber nur das äussere 
Anzeichen für eventuelle Unterbrechung des übergeordneten Reflex¬ 
bogens von Ureter und Nierenbecken. Typisch nach dieser 
Richtung ist ein von Weber publizierter Fall aus dem Jahre 1897. 
Hier hatte die Berufsgenossenscbaft den Zusammenhang des Todes 
an doppelseitiger Nierensteinbildung mit einem Fall ohne Wirbel¬ 
säulenverletzung, aber mit eintretender Blasen- und Mastdarm¬ 
lähmung anerkannt. 

Wir müssen nun noch untersuchen, inwieweit sich die kli¬ 
nischen Erscheinungen meiner Theorie der Bildung der Nieren¬ 
steine auf Grund von \ Ureterlähmungen anpassen. Zunächst 
ergibt sich aus der Genese der wichtige Unterschied in diesem 
Krankheitsbild zwischen der reinen~ r pyelonephritischen Attacke 
und der Nierensteinkolik. Fieberhafte aufsteigende Nephritiden 
werden in den ersten 3 Monaten in den Krankengeschichten er¬ 
mähnt, sie werden aber vielfach für Nierensteinkoliken an¬ 
gesprochen. Es ist aber niemals der Abgang von Steinen beob¬ 
achtet worden vor wiedereinsetzender spontaner Blasentätigkeit. 
Die Bestrebungen aber des Körpers, die Konkremente loszuwerden, 
können naturgemäss erst einsetzen, wenn die Muskellähmung be¬ 
seitigt ist. So fanden wir in den Krankengeschichten die typischen 
kurzdauernden Steinköliken erst ungefähr vom 4. Monat ab, 
jedenfalls erst nach wiedereinsetzender Blasenfunktion. Jetzt er¬ 
folgte auch in dem von^uns beschriebenen Falle und den übrigen 
die f Abgänge 'der Steine. Dieses Verhalten erklärt^ sich ohne 
weitere Worte durch unsere Theorie, wäre aber bei der In¬ 
fektionstheorie oder der Charkot’scben Annahme unverständlich, 
denn bei diesen müssten gerade die kleinen sandkörnigen Kon¬ 


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krementbildungen im Anfangsstadium das Bestreben haben, den 
Körper zu verlassen. Aus unserer Theorie entwickelt sich nun 
auch von selbst die Indikationsstellung für die operative Be¬ 
seitigung der Steinbildung. Es wäre durchaus fehlerhaft, eine 
solche vorzunehmen bei noch vorhandener Lähmung des Ureters, 
denn eine sofort einsetzende erneute Steinbildung bei noch vor¬ 
handenen günstigen physikalischen Vorbedingungen würde das 
Resultat vereiteln. Erst die wiedereinsetzende Blasenfunktion 
gibt den Termin hierfür an. Da jedoch unter Umständen das 
Zentrum des Reflexbogens für Nierenbecken und Ureter früher 
wieder in Funktion kommen kann, wie das vesico-urethrale, so 
muss man ungefähr vom 3. Monat der Rückenmarksverletzungen 
an durch periodische Zystoskopie kontrollieren, ob eine Lähmung 
des Ureters fortbestebt oder der Urin wieder aus der Papille 
berausgespritzt wird. Hat man sich dann durch die Röntgen¬ 
photographie überzeugt, dass die Einzelsteine zu gross sind, als 
dass sie den Ureter passieren können, so ist die Indikation 
zur Nephrolithotomie gegeben. Im andern Falle kann man den 
Abgang der Steine ab warten und durch geeignete Maassnahmen 
unterstützen. 

Schlussbetrachtungen. 

Wir glauben also, dass durch die Annahme der vorüber¬ 
gehenden Lähmung von Nierenbecken und Ureter als Hauptursache 
das Rätsel des Syndroms Wirbelsäulenverletzung-Nierensteinbildung 
gelöst ist. Es steht noch aus die Feststellung einer solchen 
durch operative Autopsie, die vielleicht gelegentlich einmal er¬ 
folgen kann. Die beobachtete.Lähmung der Papillen bringt den 
objektiven Beweis für meine Theorie, das genaue und un¬ 
gezwungene Hineinpassen der klinischen Symptome den indirekten. 
Auf Grund unserer Ueberlegung müssen wir die Erscheinung der 
Verbindung von Wirbelsäulen Verletzung oder Rückenmarksver¬ 
letzung und Nierensteinbildung präziser folgendermaassen formu¬ 
lieren: Tritt im Anschluss an eine Erschütterung im weitesten 
Sinne der Wirbelsäule Blasenlähmung ein, so wird man mit einer 
ausgedehnten Nierensteinbildung zu rechnen haben. Wir setzen 
dabei die Blasenlähmung als Ausdruck der auch vorhandenen 
Ureterlähmung, wobei theoretisch die letztere auch ohne die 
erstere stattfinden kann. 

Es liegt nun nahe, vom Standpunkt der gestörten Dynamik 
der oberen Harnwege die übrige Nierenpathologie zu durch¬ 
mustern, ob vielleicht dieser Gesichtspunkt eine «weitere Ver¬ 
wertung finden kann. Sofort stossen wir hierbei auf den Begriff 
der. reflektorischen Anurie. Viele klinischen Erscheinungen 
scheinen dafür zu sprechen, dass statt der hypothetischen nervösen 
Unterbrechung der Nierensekretion der reflektorische Verschluss 
durch Krampf des UretOrs zu setzen ist. Es ist, glaube ich, auch 
eine nicht zu weit abliegende Hypothese, Konkrementbildungen 
in den Nieren durch teilweise auf irgendeine Art her vorgerufene* 
Lähmung e nes Kelchsystems zurückzuführen. Ich begnüge mich 
hier durch den Hinweis auf diese Möglichkeit die Aufmerksamkeit 
der Fachkollegen auf die gestörte Dynamik der oberen Harnwege 
als Krankheitsursache zu lenken. 


Zur Scharlachfrage 1 ). 

Von 

Prof. Dr. 6 . Ztelzer. 


Der Scharlach gilt vielen Aerzten — wohl mit Recht — als 
eine der unheimlichsten Krankheiten. Man weiss, wie er beginnt, 
aber niemand kann sagen, wie er endigen wird. Nicht die Tat¬ 
sache, dass wir den Erreger des Scharlachs noch nicht kennen, 
ist für zweifellosen Stillstand in der Scharlachfrage verantwort¬ 
lich zu machen. Hat uns doch die Kriegserfahrung gelehrt, die 
Bedeutung der Bakteriologie für die Klinik wieder auf ihren 
richtigen Wert als Hilfswissenschaft zuzückzufübren und die Be¬ 
deutung der rein klinischen Untersuchungsmethoden und der 
klinischen Beobachtung wieder richtig einzuschätzen. Es sind 
rein klinische Studien, die mich zu der neuen Auffassung des 
Scharlachproblems und ihren praktischen Schlussfolgerungen ge¬ 
führt haben. 

Ich möchte anknüpfen an eine Einteilung der Infektions¬ 
krankheiten von Jürgens, in def* er ohne erkennbaren Grund 
von der gewöhnlichen Klassifizierung abgehend, den Scharlach von 
der das Fleckfieber enthaltenden Gruppe der exanthematischen 

1) Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 
5. November 1919. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1132 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


Krankheiten getrennt hat. Und doch weisen die gesamten klini¬ 
schen Erscheinungen beider Krankheiten auf ihr ausserordentlich 
nahes Verhältnis zueinander hin. Beides sind exanthematische 
Krankheiten, welche zur Schuppung führen; bei beiden sehen 
wir symbiotische Spaltpilze, die für das Krankheitsbild nicht ohne 
Bedeutung sind, die Streptokokken bzw. den Proteus X 19 . Bei 
beiden enthalten die Leukozyten Zelleinschlüsse, die unzweifelhaft 
zu dem eigentlichen Krankheitserreger in nahen Beziehungen stehen, 
beim Scharlach die Döhle’schen Körperchen, bezüglich deren es viel¬ 
leicht wenig bekannt sein dürfte, da$s Döhle selbst, wie mir von 
durchaus zuverlässiger Seite berichtet wurde, aus ihrer An- oder 
Abwesenheit im Blutpräparate in nahezu 100 pCt. der Fälle, ohne 
die Kranken gesehen zu haben, die Diagnose Scharlach oder 
nicht Scharlach richtig gestellt hat. Ihnen entsprechen beim Fleck¬ 
fieber die Prowacek’schen Körperchen, deren noch" schwierige 
Differenzierbarkeit nicht gegen ihre Existenz1[ angeführt werden 
kann. Eine weitere Analogie bietet der in Normal fällen gesetz- 
mässige Fieberablauf, der auch durch keines der üblichen Fieber¬ 
mittel abzukürzen oder zu unterdrücken ist. Beiden Krankheiten 
ist ferner eigentümlich der scheinbar plötzliche Beginn der Krank¬ 
heit, die den Menschen wie ein Blitz aus heiterem Himmel in 
voller Gesundheit befällt. Diese Plötzlichkeit ist aber, wie gesagt, 
nur scheinbar, denn — und darin liegt die wichtigste Analogie 
der beiden Krankheiten und damit komme [ich zugleich zu der 
Grundlage, auf der die Scharlachbekämpfung aufgebaut werden 
soll: durch die klinische Untersuchung*[lässtg sich bei diesen 
beiden Krankheiten, was bisher bei keiner anderen Infektions¬ 
krankheit möglich war, die Infektion bald nach ihrem Beginn, 
also schon während des Inkubationsstadiums, tagelang vor dem 
Ausbruch des Fiebers erkennen und verfolgen. Wenngleich ich 
über die Erkennungsmöglichkeit des Fleckfiebers im Inkubations¬ 
stadium schon früher berichtet habe, muss ich dennoch bei dem 
Widerspruch, den ich vielfach gefunden,"[hier noch einmal kurz 
auf die wesentlichsten Punkte eingehen. Ich habe bei dem Fleck¬ 
fieber — und das gleiche gilt, wie mir die Untersuchungen der 
letzten Jahre gezeigt haben, für den Scharlach — beobachtet, 
dass am ersten Krankheitstage die Milz und die Leber maximal 
vergrössert sind, dass sie dann von Tag zu Tag kleiner werden, 
um mit Ablauf des Fiebers wieder ihre normale Grösse zu er¬ 
reichen. Diese Beobachtungen, die durch einfache Schwellen¬ 
wertsperkussion iü der Mehrzahl der Fälle ganz leicht, in den 
übrigen Fällen unter Berücksichtigung gewisser Kautelen unschwer 
festzustellen sind, wurden von einzelnen' Klinikern bestritten. Be¬ 
züglich der Milz kann ich mich kurz fassen. Die letzte Instanz, die 
pathologische Anatomie — ich nennefu. a. Aschoff, Holler, 
Koch — bat entschieden, dass die Milz in den ersten Fieber - 
tagen gross ist, während die KleinheitJ derj Milz (neben der 
-Braunfärbung) in vorgeschrittenen Fällen,- wie sich Aschoff 1 * 3 ) 
ausdrückt, zum charakteristischen Sektionsbild beim Fleckfieber 
gehört. Eine Reihe von klinischen Beobachtungen anderer Autoren, 
wie z. B. Munk, bestätigen übrigens dieses Verhalten der Milz 
für viele Fälle, doch haben die Autoren* [auch gelegentlich am 
Ende der zweiten oder dritten Woche grosse Milzen gesehen. 
Zweifellos: hier handelte es sich eben — und das haben diese 
Autoren verkannt — um eine sekundäre septische Infektion, die 
das gesetzmässige Verhalten der Milz beim unkomplizierten Fleck¬ 
fieber, das auch der erfahrene^russische^KlinikerJZlatogoroff 
schon beschreibt, nicht tangieren können. Das Verhalten der 
Leber ist vollkommen gleichsinnig dem der Milz. Ich habe vor 
einiger Zeit eine Methode angegeben, durch die man die gesamte 
Leber wandständig und der£einheitlichen leisesten Perkussion zu¬ 
gänglich machen kann*). Die Exaktheit dieser Methode wurde 
durch die Kontrollröntgenuntersuchung von Dr. Schütze bei 
Malariakranken festgestellt. Bedarf es der Begründung, warum das 
Verhalten der Leber beim Fleckfieber wie beim Scharlach bisher 
der Aufmerksamkeit ^entgangen ist? Das Organ hat eben die 
Aufmerksamkeit nicht auf sich gelenkt, da keine Funktions¬ 
störung mit seiner,gjajim übrigen* schnell zurückgehenden Ver- 
grösserung verbunden ist, und da die bei weitem meisten Ob¬ 
duktionsbefunde in die Zeit der wieder mngetretenen Verkleinerung 
fallen. Klinisch ist doch sogar bei der Malaria das anfallsweise 
An- und Abschwellen der Leber soweit übersehen worden, dass 
erst 1918 Seyffarth*) unabhängig von mir auf die überragende 
diagnostische Bedeutung dieses Symptoms hingewiesen hat. 

1) Warschauer Kongress Verhandlungen, S. 176. 

L*) cf., Die Leberperkussion, D.m.W., 1917, Nr. 48. (Die Kranken 
werden aufgefordert, tief einzuatmen und den Leib aufzublasen.) 

3) B.k!w., 1918, Nr. 89. 


Wenn ich aber zunächst nur das Verhalten der Milz in Be¬ 
tracht ziehe, so ergibt sich daraus — und das ist bisher über¬ 
sehen worden — ein bedeutsames biologisches Gesetz: es verhält 
sich die Milz beim Fleckfieber und Scharlach umgekehrt, wie 
wir es bei allen septikämischen Erkrankungen zu sehen gewohnt 
sind. Bei diesen wird die Milz mit dem ansteigenden Fieber 
dauernd grösser, während sie bei den unkomplizierten Fleckfieber- 
Scharlach fällen vom ersten Fiebertage an von Tag zu Tag kleiner 
wird. In seiner pathologischen Anatomie schreibt Orth über 
die sogenannten akuten Milztumoren, dass sie bei septischen In¬ 
fektionen regelmässig, bei Scharlach wenigstens häufig angetroffen 
würden, nämlich, möchte ich hinzofügen, nur in jenen häufigen 
Fällen, in denen die komplizierende Streptokokkensepsis som 
Tode geführt hat. Aus dem geschilderten Verhalten der Milz 
(und der Leber) ist meines Erachtens kein anderer Schluss mög¬ 
lich, als dass sich während der Inkubation, während der sich 
die Vergrösserung bis zum Maximum allmählich entwickelt, die 
Erreger in diesen Organen ansiedeln, um dann vom Ausbruch 
des Fiebers ab ihre Zerfallsprodukte dauernd und so lange in 
die Blutbahn zu entsenden, als Milz und Leber davon noch ent¬ 
halten. Die beiden Organe befinden sich ja auch nicht, wie die 
Milz bei den septikämiscben Krankheiten im Zustande byper- 
piastiscber Entzündung, sondern sie sind einfach das geweblich 
nur wenig tangierte, vermutlich arteriell oder venös byperämisierte, 
als nur quasi mechanisch ausgedehnte Reservoir für die sich ent¬ 
wickelnden Erreger, das sich entsprechend dem Austreten ihrer 
Zerfallsprodukte wieder zusammenzieht. Die Aehnlichkeit dieses 
Verhaltens mit dem bei Malaria liegt auf der Hand. Auch hier 
sehen wir im Inkubationsstadium des einzelnen Anfalles, wie dies 
ja auch Seyfarth beschreibt, Milz und Leber gross werden, bis 
unter plötzlichem Temperaturanstieg die UmwandluDgsformen der 
Mutterparasiten (Sporozoiten) die Scbizonten in die Blutbahn binein- 
gesandt werden. Auf Grund dieser Analogie, die in ihrer Eigen¬ 
art sonst meines Wissens niemals in der Pathologie anzutreffen 
ist, erscheint es vom rein klinischen Standpunkte aus berechtigt, 
auch in den noch unbekannten Erregern des Scharlachs und Fleck¬ 
fiebers den Malariaerregern verwandte Protozoen zu vermuten. 

Binz bat bekanntlich auf Grund seiner Beobachtung, dass 
Chinin freilebende Protozoen abtötet und andererseits der erfanrungs- 
mässigen spezifischen Chininwirkung bei Malaria lange vor der 
Entdeckung der Malariaparasiten diese als Protozoen angesprochen. 

War meine theoretische Annahme bezüglich der klinischen 
Analogie zwischen Malaria einerseits und Scharlach und Fleck¬ 
fieber andererseits sowie bezüglich der Protozoenverwandschaft 
der Erreger der genannten Krankheiten richtig, so musste ebenfalls 
der Scharlach (ich möchte das Fleckfieber jetzt als nicht mehr 
aktuell im Augenblick ausser Betracht lassen) im Inkubations¬ 
stadium durch geeignete Chinindosen zur Abheilung gebracht werddn 
können. Ich brauche kaum hervorzuheben, dass der Beweis dafür 
hier in Berlin, wo seit Jahren stets nur vereinzelte Fälle und auch 
meist nur leichter Natur beobachtet werden, auf sehr grosse 
Schwierigkeiten stiess, wenngleich dasStudium einerkleinen Endemie 
in dem Wilmersdorfer Kinderheim, die ich durch die Liebenswürdig¬ 
keit von Df. Sold in vor etwa 2 Jahren sehr genau beobachten 
konnte, wertvolle Ergebnisse im obigen Sinne brachte. Erst die Beob¬ 
achtung einer schweren Scharlachepidemie in Buer in Westfalen, die 
mir durch die gütige Unterstützung von seiten der Medizinalabteilung 
des Ministeriums des Innern, der Stadtverwaltung und des Kreis¬ 
arztes von Buer und nicht zuletzt durch die Mitarbeit der Buerer 
Aerzte ermöglicht war, hat mir die Gelegenheit gegeben, die 
Grundlagen zu gewinnen, die, wie ich hoffe, eine überzeugende 
Beweiskraft für die Richtigkeit meiner theoretischen Annahme, 
und was noch wichtiger, für die praktische Möglichkeit einer 
Ghininpropbylaxe und Chininfrühbehandlung des Scharlachs er¬ 
langt haben, ln Buer in Westfalen, woselbst bereits vor 2 und 
3 Jahren eine schwere Scharlachepidemie geherrscht hatte, war 
seit Januar d. J. der Scharlach wieder stärker aufgetreten, und 
seit Juli batte sich die Epidemie zu einer schwerenJ mit etwa 
20proz. Letalität entwickelt. 

Zunächst bandelte [es sich darum, die Scharlach fälle vor 
Ausbruch des Exanthems, also frühest, in Behandlung zu be¬ 
kommen. Erkrankte in einem Scharlachhause ein Kind unter 
den üblichen Frühsymptomen mit 39 oder 40 Grad, so hatte es 
eo ipso Scharlach; erwiesen sich dann noch Leber und Milz als 
stark vergrössert, Zunge und Gaumen von typischer Beschaffen¬ 
heit, so war das klinische Bild des Scharlachs schon vor Aas¬ 
bruch des Exanthems vollständig. In einer solchen Umgebung 
wird auch die Scharlachinfektion schon im noch früheren In- 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1133 


kubationsstadium beweiskräftig, wenn die genannten Organ- 
vergrösserungen neben der überaus typischen, schon sehr früh 
sich entwickelnden Scharlackzunge, dem Scbarlacbgaumen, mit 
leichtester Temperaturerhöhung auftritt. In diesem Zeitpunkt der 
Erkrankung gelingt es durch Chinininjektion oder Darreichung 
grösserer Chiningaben per os, die Gesamtheit der Erscheinungen 
in 24 Stunden zum Verschwinden zu bringen. Derartige Beob 
achtungen wurden dort teils von mir und teils von den Kollegen 
allein in mehr als 50 Fällen gemacht. Keines dieser Kinder ist 
nachweislich an manifestem Scharlach oder einer ernsteren Krank¬ 
heit erkrankt. Die Frage, ob bei Kupierung des Scharlachs in 
diesem frühen Inkubationsstadium Nachkrankheiten auftreten 
können, bedarf jedoch ausgedehnter Nachprüfung. 


kurz vor Ausbruch des Exanthems, habe ich 12 Fälle mit Chinin¬ 
injektionen behandeln können. Sie gliedern sich zwanglos in zwei 
Gruppen. Die erstere enthält die unkomplizierten Fälle, in denen 
das Chinin einen kritischen Abfall der Temperatur bewirkt hat. 
In den 7 Fällen — von denen ich 2 Kurven, 1 und 2 hier 
zeige — ist die Temperatur dauernd normal geblieben und sind 
auch sonst keinerlei Komplikationen beobachtet worden. Sehr 
charakteristisch war in allen diesen Fällen das ausserordentlich 
schnelle Zurückgehen der Leber und Milzvergrösserung nach der 
ersten Chinininjektion. Nach 12 — 24 Stunden war beispielsweise 
eine Leber von 11 cm nur noch 6 X J 2 cm gross, die Milz 
von der vorderen Axillarlinie bis zur hinteren zurückgegangen. 
In einzelnen Fällen bestand vor der Chinineinspritzung eine 



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Was die Fälle des späten Inkubationsstadiums anbelangt, 
das gewöhnlich als Stadium exanthematicum oder Prodromal¬ 
stadium bezeichnet wird, so muss man sich zunächst darüber 
klar werden, wie weit die Inkubation reicht. Häufig steigt die 
Temperatur unbemerkt von den Kindern in 2—3 Tagen an, oder 
aber man beobachtet einen plötzlichen, mit Schüttelfrost einher¬ 
gehenden Anstieg, dem nach 1 — 2 Tagen das Exanthem folgt, 
ln dieser Zeit kann die Angina (das Schleimhautenanthem) schon 
voll entwickelt sein, es kann schon zu einem Streptokokkeubelag, 
zur Halsdrüsenschwellung usw. gekommen sein. Daran schliesst 
sich das Stadium exanthematicum an. Das wechselnde Verhalten 
des Exanthems ist bekannt; es kann plötzlich oder allmählich 
auftreten, sich dann zur vollen Stärke entwickeln oder auch 
wieder verschwinden oder selbst bei hohem Fieber vollkommen 
fehlen. Die symptomatische Bestimmung des Zeitpunktes des Auf¬ 
hörens des Inkubationsstadiums bereitet also grosse Schwierig¬ 
keiten. Nun zeigt es sich, dass das Chinin nur bis zu einem 
gewissen Zeitpunkt seine Wirksamkeit entfaltet, den Scharlach 
kupiert. Diesen Zeitpunkt möchte ich als Ende des Inkubations¬ 
stadiums betrachten. In diesem Endstadium der Inkubation, also 


leichteste, Hecken weise, rasbartige Rötung, die bei der Kapillarmikro 
skopie ganz vereinzelte,Kapillaren im Gesichtsfeld erkennen liess. 
Am nächsten Tage war die Rötung uud die Kapillarentwicklung 
nicht mehr zu konstatieren. Ich selbst habe diese Fälle, da ich 
nur 10 Tage in Buer war, nicht weiter verfolgen können. Was 
meine Selbstbeobachtung anbetrifft, so trat am 10. Tage eine 
charakteristische Schuppung an Händen und Füssen auf und eine 
Albumosurie, die über 3 Wochen anhielt, ein Zeichen, dass eine 
selbst so kurze Einwirkung des Scharlacbgiftes trophische Stö¬ 
rungen einleitet, die bei den an und für sich empfindlichen Nieren- 
epithelien wohl leicht zu ernsten Schädigungen führen können, 
während die Schuppung, die ich auch sonst bei frühzeitig kupierten 
Fällen gesehen habe, beweist, dass sie, als sekundäre tropische 
Störung nach der Infektion, mit dem Exanthem nichts zu tun hat. 

Die zweite Gruppe umfasst 5 Fälle, die von vornherein durch 
die schon im Inkubationsstadium aufgetretene Streptokokkenangina 
als schwere — besonders bei der Malignität der Epidemie — 
charakterisiert sind. Der erste Fall verlief analog denen der ersten 
Gruppe. 

Der zweite Fall Helene Soh. mit dickem Belag zeigt nach stärkerem 
Temperaturabfall am näohsten Tage nooh einen neuen Anstieg, der durch 

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UNiVERSUY OF IOWA 







































ßfcRLlKEfc KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Kr. 48 


Ü34 


die noch bestehende Angina erklärt wird. Von da ab fieberloser Ver¬ 
lauf und Heilung. Ebenso verläuft zunächst der dritte Fall, El¬ 
friede Z., nach der Chinineinspritzung; jedoch wird mir berichtet, dass im 
späteren Verlauf vorübergehend Eiweiss und Oedeme aufgetreten sind. 
Bei beiden ist kein Ausschlag aufgetreten. Viel schwerer noch sind die 
beiden letzten Fälle. Christine S. fand ich, nachdem sie sich 10Stunden 
vorher mit schweren Hals- und Kopfschmerzen hingelegt hatte. Sie 
machte einen schwer kranken Eindruck, erhielt abends und am nächsten 
Morgen ganz früh je 1 g Chinin intramuskulär; alB ich sie am Vormittag 
wiedersah, war das Krankheitsbild von Grund auf geändert, sie sass vergnügt 
im Bett und machte sich ihr Haar. Die Kurve (Nr. S) zeigt eine lytische 
Entfieberung, die noch leichten Zacken sind durch die am 3. Tage erst ge¬ 
schwundene Angina erklärt: Auch bei dieser Patientin ist im späteren 
Verlauf Eiweiss aufgetreten, jedoch so leicht, dass sie nach 6 Wochen 
als geheilt entlassen wurde. Der schwerste Fall endlich ist durch 
die letzte Kurve (Nr. 4) illustriert. Der G jährige Knabe trat in sohwer 
krankem Zustande in Behandlung. Es bestand eine hochgradige eitrige An¬ 
gina, die auf die Nase übergegriffen hatte; die Halsdrüsen beiderseits stark 
geschwollen, so dass das Kind nur mühsam Luft bekam. Sohon an sich 
und ganz besonders in Anbetracht des epidemiologischen Charakters 
war die Prognose ohne die Chininbehandlung als absolut infaust an¬ 
zusehen. Der kleine Knabe hatte von dem Arzt zu Hause % g und 
zwei Stunden darauf im Krankenhause Vz g Chinin intramuskulär er¬ 
halten. Schon am nächsten Vormittag war der Eindruck ein ganz ver¬ 
änderter. Die Atmung des Kindes war naturgemäss noch behindert, aber 
das Kind zeigte im Gegensatz zum Tage vorher eine rege Anteilnahme. 
Das Kind erhielt an diesem Tage noch 1 g Chinin und ist, wie die 
Kurve zeigt, von einer kleinen belanglosen Zwisohentemperatursteigerung 
abgesehen, komplikationslos geheilt. Bei allen diesen Fällen ist eben¬ 
falls kein Ausschlag aufgetreten und Leber und Milz analog wie oben 
geschildert zurückgegangen. 

Man hat in allen diesen Fällen den Eindruck gewonnen, dass 
die- Streptokokken in dem Augenblick, wo die Abtötung der 
Schar lachen? ger erfolgt ist, ihre bösartige Wirkung verloren 
haben. Man kann sich gerade unter dem Eindruck dieser Chinin¬ 
wirkung wohl vorstellen, dass die ubiquitären Streptokokken 
unter dem Einfluss des Scharlacherregers oder der Toxine ihre 
verhängnisvolle Virulenzsteigerung, ihre maligne Abartung erfahren. 
Werden die Scharlacherreger nun rechtzeitig abgetötet, so kommt 
es nicht erst zu einer Abartung der Streptokokken — und hierin 
liegt vermutlich die Hauptbedeutung der frühzeitigen Chinintherapie 
beim Scharlach — oder wenn sie bereits sehr frühzeitig eingesetzt 
hat, so kann sie durch Verschwinden der Toxine bis zu einem 
gewissen Zeitpunkte rückgängig gemacht werden. 

Ist erst das Exanthem richtig herausgekommen, so versagt 
die Chinintherapie vollkommen. Das Chinin bewirkt hier weder 
eine Temperaturherabsetzung, noch beeinflusst es irgendwie den 
weiteren Verlauf. Aus diesen negativen Resultaten erhellt eben¬ 
falls die spezifische Wirkung des Chinins im Inkubationsstadium. 

Was die Einzelheiten der Cbinintherapie betrifft, so habe ich 
früher die üblichen Chininkompretten oder -Tabletten gegeben und 
konnte stets die Beobachtung machen, dass die scharlachinku- 
bierten Kinder Chininmengen anstandslos vertragen, bei . denen 
Erwachsene sonst bereits Störungen zu empfinden pflegen. Es 
bekamen Kinder von 8—12 Jahren 1—1,6 g pro Tag. Folgende 
Beobachtung charakterisiert die geradezu spezifische Verträglich¬ 
keit des Chinins von seiten Scharlachinkubierter. 

Ein 18jähr. Mädchen, die Schwester eines frisch Soharlaoherkrankten, 
sollte prophylaktisch 0,75 g pro Tag nehmen. Da sie starkes Ohren¬ 
sausen bekam, nahm sie es sehr bald nicht mehr. Drei Tage später 
bekam sie die Anzeichen einer beginnenden Soharlachinfektion und jetzt 
vertrug sie anstandslos die doppelte Menge. 

Eine wirksamere Medikation stellt zweifellos die intramuskuläre 
Chinininjektion vor. Es ist neuerdings durch die-Kaiser-Friedrich- 
Apotheke in Berlin eine Lösung von Chinin in Antipyrin, Chino- 
lysin genannt, in den Handel gebracht worden, welche 1 g in 
2 ccm gelöst enthält. Es scheint, dass die so entstehende Ver¬ 
bindung des Chinins weniger unangenehme Nebenwirkungen auf¬ 
weist wie daß gewöhnliche Chinin. Die Dosierung betrug bei 
Scharlachkranken vom 15. Jahr aufwärts etwa 1 g Chinin (2,0 ccm 
der Lösung) 2 —3 mal täglich, bei Kindern von 8—16 Jahren 
etwa 0,6—0,76 g mehrmals täglich; 5—8jährige erhielten 0,6 g 
pro dosi, kleinere Kinder entsprechend weniger, in dem einen 
ganz schweren Fall hatte der 6jährige Knabe am ersten Abend 
1,25 g, am nächsten Tage 1 g ohne jede Störung und mit aus¬ 
gezeichnetem Erfolge erhalten. Auch das Eucupin bas. hat sich 
als wirksam erwiesen. 

Was die Frage der Prophylaxe in den Scharlachhäusern an¬ 
belangt, so sind die Versuche, durch orale Verabreichung von Chinin 
den Scharlach zu verhüten, aus dem Grunde gescheitert, weil die 
gewählten Dosen zu klein wa^en. Einzelne Kinder, die bereits p 


im Augenblick der prophylaktischen^Therapie infiziert waren, 
erkrankten auch manifest. Hier wäien, wie die Erfahrung gezeigt 
hat, viel grössere Dosen oder noch viel richtiger prophylaktische 
Chinininjektionen mit vielleicht nachfolgender innerer Chinisieruog 
geboten gewesen. Dies wäre vielleicht der Weg einer allgemeinen 
Seuchenbekämpfung; denn zweifellos findet die Weiterveibreitung 
der Infektion in der Hauptsache im Inkubationsstadium statt. 

Ueber die Artder Weiterverbreitungbaben mir die Beobachtungen 
im Wilmersdorfer Kinderheim wertvollen Aufschluss gegeben. Hier 
waren seinerzeit drei Fälle von akutem Scharlach aufgetreten. 
Während 6 Wochen untersuchte ich jeden zweiten Tag die meisten 
der 24 Insassen und die drei jugendlichen Bediensteten und konnte 
feststellen, dass, von den ganz kleinen abgesehen, wo die regel¬ 
mässige Untersuchung zu schwierig war, fast alle Kinder eine 
Vergrösserung von Leber und Milz entweder in den ersten Tagen 
hatten oder allmählich akquirierten. Bei einer Reihe von Kindern 
gab ich Chinin und konnte damit die Verkleinerung der Organe 
innerhalb weniger Tage feststellen. Aber auch bei den Kindern, 
die kein Chinin erthielttn. gingen die genannten Organe, wenn 
auch iu etwas längerer Zeit, also spontan zurück; dabei war 
häufig — es wurden täglich bei allen Kindern die Temperaturen 
gemessen — ein eintägiger Fieberanstieg bis 39 Grad und mehr 
zu beobachten, ohne dass ein Ausschlag oder Halsbelag, der die 
Ueberführung des Kindes in ein Krankenhaus notwendig gemacht 
hätte, aufgetreten wäre. Ich brauche wohl, nachdem ich meine 
späteren Erfahrungen in Buer geschildert habe, nicht näher za 
begründen, dass es sich in allen diesen Fällen, in denen übrigens 
auch noch zumeist eine spätere Schuppung beobachtet werden 
konnte, um leichtesten Scharlach gebandelt bat. Drei Kinder 
nur aus dieser eng zusammenlebenden Umgebung erkrankten im 
Verlaufe der 6 Wochen an typischem Scharlach, aber — und das 
ist der wichtige Schluss, der sich aus dieser abgeschlossenen 
Beobachtungsreihe ergibt — alle Heiminsassen sind von der In¬ 
fektion befallen worden und wären gegebenfalls in der Lage ge¬ 
wesen, die Infektion nach aussen weiter zu verbreiten. 

Meine bisherigen Ausführungen haben sich fast ausschliesslich 
mit dem Scharlach der Kinder beschäftigt. Wie verhalten sich 
die Erwachsenem dem Scharlach gegenüber? Bekanntlich ist der 
manifeste Scharlach beim Erwachsenen ziemlich selten. Der 
Scharlach gilt vorwiegend als eine Kinderkrankheit. Aus den 
mitgeteilten Beobachtungen geht schon hervor, was ja von den 
Epidemiologen wohl schon al r gemeiu angenommen, aber noch 
niemals exakt naebgewiesen werden konnte, dasB auf einen akuten 
typischen Scharlachfall mit Exanthem usw. ein unbestimmbares 
Mehrfache von leichtesten ambulanten Scbarlacbfällen, die sich 
der Diagnose meist entziehen, kommt. Bei den Erwachsenen ver¬ 
schiebt sich dieses Verhältnis noch ausserordentlich zugunsten 
der nicht manifest, in typischer Weise Infizierten, aber — und 
das muss mit aller Entschiedenheit betont werden — auch der 
Erwachsene ist der Scharlachinftktion in hohem, vielleicht ebenso 
hohem Grade wie das Kind ausgesetzt. Nur die Erscheinungs¬ 
form, die Art des Auftretens der Erkrankung ist beim Erwachsenen 
eine andere wie beim Kind, ein Vorgang, der uns ja auch vom 
Fleckfieber her nicht unbekannt ist, bei dem die Erwachsenen haupt¬ 
sächlich von der typischen schweren Form, dje Kinder meistens nur 
von der leichten, ambulanten befallen werden. Aber auch für das 
Fieckfieber gilt wie für den Scharlach, dass die weit überwiegende 
Zahl der Eikrankungen nicht mit Fieber einhergehen, sondern in 
chronisch protrahierter schleichender Form ablaufen, dass, wie 
man sich auszudrücken pflegt, die Infektion die latente Form 
annimmt. Ich will an dieser Stelle auf die Fieckfieberfrage nicht 
näher eingehen, sondern nur betonen, dass die sogen, uniraristische 
Anschauung, wonach Fleckfieber nur dort anzunehmen ist, wo 
das typische klinische Bild mit etwa 14 tägigem Fieber vorhanden 
ist, wohl heute kaum mehr haltbar sein dürfte, nachdem von 
verschiedenen Seiten, so von Matzdorff 1 ) und v. Maltzan 2 ) Beob* 
aebtungen mitgeteilt worden sind, aus denen hervorgebt, dass in 
ganz leicht verlaufenden atypischen Fällen die Weil-Felix’sche 
Reaktion positiv war, bzw. während der Krankheit anstieg; diese 
Fälle müssen auch von den an die Bakteriologie gebundenen 
Klinikern als einwandfreie Fleck fieberfälle angesprochen werden. 
Damit ist wohl auch der Weg zur Anerkennung des chronischen 
oder schleichenden Fleckfiebers gebahnt. 

Um auf den Scharlach zurückzukommen, so haben meine 
Beobachtungen gezeigt, dass bei den Kindern der Scharlachprozess, 


1) Dissertation, 1918, Kiel. 

2) Dissertation, 1919, Berlin. 


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1. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1185 


ob es sich nun am die manifeste fieberhafte oder die leichteste 
ambal&nte Form handelt, ob er also schwer oder leicht aaftritt, dass 
er in jedem Falle schnell ablänft; Leber und Milz verkleinern sich 
innerhalb weniger Tage, abgesehen von den event. durch Sepsis 
auftretenden Komplikationen. Ganz anders verhalten sich die 
Erwachsenen. Hier ist umgekehrt wie beim Fleckfieber einmal 
die akute manifeste Form selten, ferner aber zeigt der Infekt, der 
der leichten ambulanten Form der Kinder entspricht, vermutlich 
infolge irgendwelcher mit dem Alter zusammenhängender biolo¬ 
gischer Eigenschaften, die Eigentümlichkeit, einen chronischen, 
protrahierten oder schleichenden Charakter anzunehmen. Die 
Diagnose des schleichenden Scharlachs der Erwachsenen stützt 
sich naturgeroäss auf das Verhalten von Leber und Milz, deren 
nachweisbare Vergrösserung genau, wie wir es für die akuten 
Formen gesehen haben, unter Chinin in wenigen Tagen zurück- 
geht. Des weiteren zeigen die erkrankten Individuen die gleichen 
Veränderungen an der Zunge und am Gaumen, die im Inkubations¬ 
stadium der frischen Fälle beobachtet werden; ferner lassen sich 
in den meisten Fällen leichte Temperatursteigerungen, deren die 
Kranken sich meist nicht bewusst sind, nachweisen. Im Laufe 
von etwa 6—8 Monaten bildet sich die Vergrösserung der ge 
nannten Organe allmählich spontan zurück. 

Ich bin mir wohl bewusst, dass die Beweisführung für die 
Existenz dieses chronischen Scharlachs leider, solange wir den 
Scharlach er reger nicht kennen, notgedrungen eine indirekte sein 
muss. Sie ist ein Analogieschluss, der sich auf die oben eingehend 
geschilderten Verhältnisse beim akuten Scharlach stützt, und der 
solange seine Berechtigung hat, als es der Klinik nicht gelingt, 
für diese nachweisbaren pa'hologiscben, aber reaktionsfähigen 
Veränderungen eine andere Deutung zu finden. 

Es ist aber die Erkenntnis dieser Form des Scharlachinfektes 
einmal von grosser epidemiologischer Bedeutung. Sie allein er¬ 
klärt oft die Uebertragung des Scharlachs von einem Kind auf 
ein anderes, das wochenlang von dem kranken getrennt war. 
So habe ich öfters in Häusern, in denen das kranke Kind bereits 
entfernt war und die anderen Kinder noch als gesund befunden 
wurden, bei einem der Eltern die Infektion, und zwar mit leichter 
Temperaturerhöhung diagnostizieren können. Man stelle sich nun 
vor, dass trotz der Desinfektion, deren Zwecklosigkeit in diesen 
Fällen einleuchtend ist, ein zweites Kind, das sich angeblich ausser¬ 
halb — was freilich schwer zu erweisen — nicht habe anstecken 
können, nach Wochen an Scharlach erkrankt, so ist die Uebertragung 
doch zweifellos durch eine der beiden Eltern möglich gewesen. Wie 
lange die Erwachsenen ansteckungsfähig bleiben, mit anderen 
Worten wie lange ihr Inkubationszustand besteht, darüber vermag 
ich nichts zu sagen. Es ist aber sehr wohl möglich, dass bei dem 
langen Verlauf der Erkrankung auch das Inkubationsstadium ein 
um mehrfach längeres als bei den Kindern ist. Nehmen wir 
diesen natürlichen Uebertragungsweg an, so kommen wir dazu, 
uns davon frei zu machen, in den Schuppen der abgeheilten 
Fälle die Ueberträger za sehen. Die rationelle Seuchenbekämpfung 
muss sich auch auf die Ghininbehandlung der Erwachsenen aus- 
debnen. 

Io zweiter Reihe interessiert die Frage nach der Bedeutung 
der chronischen Infektion für das Individuum. Es kann un¬ 
möglich gleichgültig sein, dass jemand wochen- und monatelang 
mit einem chronischen Infekt berumläuft, von dessen akuter 
Form wir wissen, dass sie schwere Nachkrankheiten im Gefolge 
haben kann. Mit anderen Worten, die Nachkrankheiten, welche 
die alten Kliniker nach Scharlach beobachteten, und welche die 
durch das Seuchengesetz angeordnete 6 wöchentliche Isolierung 
und die damit verbundene Schonung zu Seltenheiten gemacht hat, 
bedrohen den sich seines Leidens nicht bewussten chronisch 
Scharlachkranken in erhöhtem Masse. Es sind*dies neben der 
Nephritis vor allem die Tuberkulose und die Herzkrankheiten. 
Ich will hier nur mit wenigen Worten auf die Tuberkulosefrage 
eingehen. Von sehr vielen Seiten ist der heutige Standpunkt in 
der Tuberkulosefrage kurz folgender. Die meisten Menschen er¬ 
werben in der Kindheit eine Tuberkulose, die klinisch ausheilt 
und als latente fortscblummert. Eine neue andersartige Infektion 
wird als notwendig angesehen, um die schlummernde Tuberkulose 
wieder zu erwecken. Zadek hat kürzlich eine Beobachtung in 
einer Fürsorgestelle für Kriegsbeschädigte veröffentlicht; er hatte, 
wie auch andere, gefunden, dass gerade vorher kräftige und ge¬ 
sunde Soldaten an schwerer Tuberkulose erkrankten, während 
unter den bereits früher Lungenkranken, aber im Heeresdienst 
wiederum an Tuberkulose Erkrankten die schweren Formen nicht 
in dem Maasse vorherrschten. Es ist also klar, dass die all¬ 


gemein anzuschuldigenden Ursachen, wie die schlechte Ernährung, 
die ja alle Tuberkulosen gleichmässig trifft, hierfür nicht verant¬ 
wortlich gemacht werden können. Auch Zadek vermutet also 
irgendwelche neuen, unbekannten Ursachen. Eine solche Ursache 
und zugleich die von anderer Seite hypothetisch geforderte aus¬ 
lösende Infektion stellt nun meines Erachtens der chronisch 
protrahierte Scharlach dar, den ich in einer sehr grossen Anzahl 
von frischen Tuberkulosefällen gesehen habe. In Variation eines 
französischen Ausspruches über die Grippe: „1a grippe condamne, 
les streptooocces exöcutenl“ kann man für den vorliegenden Fall 
sagen: der akute Scharlach verurteilt, die Streptokokken voll¬ 
strecken; während für den chronischen Scharlach die Tuberkel - 
bazillen die Vollstrecker sind, anders ausgedrückt: Die Tuber- 
kulosebazillen verhalten sich im chronisch protrahierten Scharlach 
zu den Scbarlachtoxinen wie die Streptokokken zu den Toxinen 
des akuten Scharlachs; ihre Vitalität oder ihre Virulenz wird 
durch die primäre Erkrankung gesteigert. 

Die Zahl meiner Beobachtungen ist naturgeroäss viel zu klein, 
um bei der ungeheuren Verbreitung der Tuberkulose allgemeine 
Schlüsse zuznlassen. Ich möchte aber annehmen, dass eine etwa 
8 tägige harmlose Chininbehandlung in den Fällen, in denen die 
Zeichen des chronischen Scharlachs vorhanden sind, den Tuber¬ 
kulösen auf keinen Fall schaden werden, aber doch die theo¬ 
retische Möglichkeit besserer Heilungschancen darbieten, die ich 
bereits in einer Anzahl von Fällen beobachtet zu haben glaube. 

Ich bin am Schlüsse meiner ^Ausführungen, die das grosse 
Scharlachproblem naturgeroäss auch nicht annähernd erschöpfen 
konnten, und möchte die Hauptscblussfolgerungen kurz zusammen¬ 
fassen. Ich glaube gezeigt zu haben, dass der Scharlach im In¬ 
kubationsstadium erkennbar und durch Chinin heilbar ist. Daraus 
erwächst die Aufgabe, ihn nach Möglichkeit in den Frühstadien zu 
behandeln. Auf diese Weise wird man der individuellen Seuchen¬ 
bekämpfung im Sinne Kraus’ am besten gerecht und erreicht 
zugleich damit, dass die Weiterübertragung, die jedenfalls haupt¬ 
sächlich im lnkubation>stadium erfolgt, eingeschränkt wird. Als 
einen gangbaren Weg möchte ich vorschlagen, dass man jede 
Angina mit grossen Chinindosen behandelt. Einen grossen Prozent¬ 
satz der Anginen stellt zweifellos der Scharlach, und auch in den 
übrigen Fällen wird man den Kranken damit nur nützen, hat 
doch schon vor 40 Jahren von dieser Stelle aus der erfahrene 
Bernhard Fraenkel die Chininbebandlung der Angina als die 
rationellste empfohlen. Bei konsequenter Durchführung dieser 
Therapie neben der prophylaktischen Chinisierung aller derer, 
die bei einem frischen Scharlachfall der Infektion ausgesetzt 
waren, ist zu erhoffen, dass die Morbidität des Scharlachs, die in 
Preussen allein vor dem Kriege die gewaltige Zahl von 120 000 
mit 12 000 Todesfällen betrug, auf eine relativ einfache Weise 
herabgemindert werden wird. 

Aus der ehemaligen Malariastation des Res.-Lazaretts 
Nürnberg Il-Ludwigsfeld (leitender Arzt: Stabsarzt d. lv. 
Dr. Walterhöfer). 

Das weisse Blutbild bei chronischer Malaria mit 
besonderer Berücksichtigung der Monozyten. 

Von 

Gand. med. Max Stegs. 

Unsere Anschauungen über das Blutbild bei Malaria bedürfen 
trotz zahlreicher Untersuchungen immer noch des weiteren Aus¬ 
baues, denn die oft jahrelange Dauer und die Variabilität ihrer 
Manifestation bringt es mit sieb, dass die verschiedenen Autoren 
zu sehr ungleichartigen Ergebnissen gelangten. 

Für die Bewertung der Resultate macht sich der Umstand 
stöfend bemerkbar, dass die Ausgangsbasis, das normale Blutbild, 
so vielen Beeinflussungen zugänglich ist und cnkontrollierbaren 
Schwankungen unterliegt. Die Gesamtleukozytenzahl wird all¬ 
gemein mit durchschnittlich 6—8000 angegeben im nüchternen 
Ruhezustand, und davon abweichende Werte schon als Hyper- 
bzw. Hypoleukozytose bezeichnet. Dagegen fand Frumkin 1 ) bei 
völlig Gesunden 4800—10880 Leukozyten und Rlieneberger 2 ) 
bei gesunden Kriegsteilnehmern 8—12000, selbst bis 17000. 
Klieoeberger’s Zahlen lassen sieb teilweise verstehen durch 

1) Folia baematologioa,' 1911, Bd. 2, H. 1. 

2) M.m.W„ 1917, Nr. 28. 

2 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


die vielerlei oft unbemerkt verlaufenden Infektionen bei Kriegs¬ 
teilnehmern. Gegen die Mitverantwortlichmachung der Impfungen 
sprechen die übereinstimmenden Untersuchungsergebnisse von 
Lipp 1 ), Gourmant und Devic 2 ), die über eine nur vorüber¬ 
gehende Leukozytose berichten. Lipp gibt sogar an, dass bei 
der kombinierten Typhus- und Choleraschutzimpfung schon bei 
der dritten Impfung keinerlei Beeinflussung des Blutbildes mehr 
stattfindet. Auch ich habe bei 7 Malariarekonvaleszenten eine 
nachhaltige Beeinflussung des Blutbildes durch Typhusschuts¬ 
impfung nicht beobachtet. 

Die Verdauungsleukozytose lässt sich durch Nüchternunter¬ 
suchung umgehen. Ist das^ praktisch jedoch nicht durchführbar, 
so sind auch bei Blutuntersuchungen längere Zeit nach dem ge¬ 
wöhnlich sehr eiweissarmen Frühstück grössere Fehler nicht zu 
erwarten, denn nach den Untersuchungen von Hofmeister 8 ) und 
Pohl 4 ) an Fleischfressern tritt Verdauungsleukozytose nur nach 
Eiweissnahrung auf. Eher kommt die nach Muskelaktion auf¬ 
tretende Leukozytose in Betracht, sie ist aber auch bei unruhigen, 
nüchternen Patienten nicht auszuschHessen. Findet die Unter¬ 
suchung kurz nach dem Erwachen statt, so kommt als Fehler¬ 
quelle in Betracht, dass nach Fulpius 5 ) die Lymphozyten 
während des Schlafes auf 40—60 pCt. steigen und erst einige 
Stunden nach dem Erwachen wieder in die normalen Grenzen 
absinken. 

Noch verschiedener als die Gesamtleukozytenzahlen werden 
die relativen Lymphozytenwerte angegeben. Im Gegensatz zu 
dem Normalwert von 23 pCt. fand Frumkin im Mittel 33 pCt. 
absolut 2500 Lymphozyten, Galambos 6 ) sogar 18—67,5 pCt. 
für Lymphozyten mit Monozyten, Mehrtens 7 ) über 40 pCt. Lympo- 
zyten, und Klieneberger ebenfalls 40pCt., absolut 3—5000, 
selten 6—8000. 

Besser stimmen die Zahlen der Monozyten überein. All¬ 
gemein gelten 6 pCt. als normal, Frumkin's Mittelwert ist 
4,7 pCt, absolut 317. Jagic 8 ) gibt 850 als obere Grenze des 
Normalen an, nur Stöbr 9 ) spricht von 1 pCt. 

Aus all dem geht hervor, wie relativ die Begriffe Hyper¬ 
und Hypoleukozytose und -Lymphozytose sind, so dass man 
gut tut, immer von einer grösseren Untersuchungsreihe auszu¬ 
gehen. 

Bevor ich auf meine Ergebnisse eingehe, will ich kurz die 
Resultate früherer Untersuchungen anführen. Bei frischen Fällen 
von Malaria, ohne Unterschied der Art, wird zu Beginn des An¬ 
falls eine mässige Leukozytose, auf der Höhe des Fiebers und 
nach Temperaturabfall geringe Leukopenie angegeben von 
Nägeli 10 ), Billings, V. Schiilling 11 ), Ziemann 12 ), Pöch 18 ), 
was neuerdings von Rotky 14 ) und Klieneberger 16 ) bestätigt 
wurde. Klieneberger beobachtete noch einen weiteren Typus 
der Leukozytenkurve: vor und während des Aufalls Leukopenie 
und am nächsten Morgen dann Leukozytose, die im Laufe des 
Tages wieder sank. Diese Veränderungen treffen hauptsächlich 
neutrophile Granulozyten, die fast stets regenerative Verschiebung 
zeigen. Dagegen sind die Lympbozytenzahlen während des An¬ 
falls und in der ersten Zeit nach dem Fieberabfall entweder nicht 
verändert oder etwas vermindert. 

Bei chronischer Malaria widersprechen sich die Angaben wie 
bei ihrem mehr oder weniger latenten oder manifesten Verlauf 
nicht anders zu erwarten ist. Einigkeit besteht über die wie bei 
allen chronischen Infektionskrankheiten so auch hier vorhandene 
Lymphozytose. Mannaberg 16 ) findet bei chronischer Infektion 
nicht selten Leukozytose, gibt aber als regelmässigen Befund eine 
Verminderung der Leukozyten an, auf die gelegentlich der Re¬ 
zidive eine Vermehrung folgen kann. Aehnlich berichtet Zie- 


1) M.m.W., 1915, Nr. 16. 

2) M.m.W., 1917, Nr. 8. 

8) Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1887, Bd. L2, H. 4 u. 5. 

4) Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1889, Bd. 25, H. 1. 

5) Zit. Krehl u. March and, Hdb. d. allg. Path., Bd. 2, Abt. 1, 
S. 164. 

6) Folia haematologioa, 1912, Bd. 18, H. 2. 

7) Ruf. Zbl. f inn. Med., 1914, Nr. 38. 

8) W.kl.W., 1917, Nr. 48. 

9) Lehrb. d. Hist., 16. Aufl., S 187. 

10) Blutkr. u. Blotdiagnostik. 1907. 

11) Mohr u. Stähelin, Hdb. d. inn. Med., Bd. 1. 

12) Mense, Hdb. d. Tropenkrankh., Bd. 8. 

18) Zschr. f. Hyg. u. lnfektionskrankb., 1903, Bd. 42. 

14) W.m.W., 1917, Nr. 40. 

15) D. Arch. f. klin. Med., 1918, Bd. 126. 

16) Nothnagel, Path. u. Thor., Bd. 2, Abt. 2. 


mann 1 ) bei latenter Infektion nach Ablauf des Fiebers, über 
Leukopenie mit Lymphozytose. Dagegen beobachtete Thomson 
bei 40 Patienten längere Zeit nach den .Anfällen zu der Nach¬ 
mittagszeit, in der sie früher immer aufgetreten waren, kurz¬ 
dauernde Leukozyten von 6000 auf 50000, ja sogar einmal auf 
125000, Scherschmidt 2 ) fand bei seinen 23 Fällen 11 mal 
Leukozytenzahlen zwischen 7 und 12000 und 7 mal über 12000. 

Einer besonderen Beachtung erfreuten sich stets die so viel 
umstrittenen Monozyten. Nach dem Vorschlag Pappen heim's 
hat man unter diesem Namen die grossen Mononukleären und 
die Uebergangsformen Ehr lieh's zusammengefasst, da sie morpho¬ 
logisch und genetisch als zusammengehörig erkannt wurden. 
Die verschiedenen Anschauungen über die Monozytenfrage will 
ich nicht referieren, man findet darüber fast in jedem Band der 
Folia haematologica zahlreiche Angaben. Was ihr klinisches Ver¬ 
halten und ihre Entstehung betrifft, werden sie immer mehr dem 
myeloischen System angegliedert. 

Bei Malaria hat man meist eine auffallende Vermehrung der 
Monozyten gefunden. Die früheren Angaben, bevor man die 
Monozyten durch spezifische Färbung genauer von den grossen 
Lymphozyten differenzieren konnte, übergehe ich. V. Schilling 8 ) 
schreibt, dass schon vor dem ersten Anfall und im Fieberanstieg 
hocbnormale Werte gefunden werden, auf der Höhe des Fiebers 
und nachher steigt die Zahl der Monozyten fast stets über 15 pCt 
ln der Rekonvaleszenz halten sie sich meist längere Zeit über¬ 
normal. Ebensolche Ergebnisse hatte Ziemann. Rotky gibt 
an, dass, wenn auch nicht in allen, so doch in sehr vielen 
Fällen die Monozyten vermehrt sind, im Fieber erfahren sie eine 
Steigerung bis zum Höchstwert von 18 pCt. Ziemann kommt 
zu folgendem Satz: „Diese Mononukleose ist bei Malaria ein so 
ausserordentlich feiner Indikator, dass ich davon womöglich auch 
die Länge der Chininbehandlung abhängig mache“. Jarno 4 ) gibt als 
sichere Grenze, oberhalb deren man Malaria diagnostizieren kann, 
50 pCt. Monozyten an, die absoluten Zahlen seien jedoch sehr 
schwankend und für die Diagnose unbrauchbar, nur in einigen 
Fällen sicherer chronischer Malaria fand sich keine Monozytose. 
Klieneberger kann das Bestehen einer Monozytose bei seinen 
frischen Fällen nicht bestätigen und glaubt, dass vielleicht öfter 
Verwechslungen mit grossen Lymphozyten vorgekommen seien. 
Auf demselben Standpunkt steht Paremusoff 5 ), der im Blut 
eines Malariakranken vakuolisierte, vergrösserte, leukozytoide 
Lymphozytenformen, aber keine Monozytose fand. 

Die Monozytose is durchaus kein Reservat 'der Malaria. Sie 
wurde als vorübergehende Erscheinung besonders von Ziegler 
und Schlecht 6 ) bei den verbreitetsten, einheimischen akuten 
Infektionskrankheiten festgestellt. Bei der Cholera tritt sie nach 
Marcovici 7 ) ziemlich stark in Erscheinung, Benzler 8 ) fand sie 
bei der Quintana und V. Schilling 8 ) bei Pappatacifieber. Bauer 10 ) 
traf auch bei hypoplastischer Konstitution Neigung zur Mono¬ 
zytose. 

Meine Untersuchungen machte ich im Sommer 1918 während 
meiner Dienstzeit im Reservelazarett Nürnberg ll-Ludwigsfeld auf 
Anregung und Unterstützung des Chefs der inneren Station, Privat¬ 
dozent Dr. Walterhöf er-Berlin. Die Beobachtungen erstreckten 
sich auf 53 Malariakranke. Aus den Patienten wählte ich be¬ 
sonders die mit möglichst langer (bis 2 Jahre) Krankheitsdauer 
und hartnäckigen Rezidiven aus. Die meisten hatten im Herbst 
vorübergehende Tropica, jetzt aber nur Tertiana. Die Zählung 
führte ich zwischen l /%ll —V 2 12 Uhr aus, wobei, wie oben er¬ 
wähnt, eine Verdauungsleukozytose kaum in Betracht kam, eine 
Arbeitsleukozyto&e war nach dem Verhalten der Patienten nicht 
zu erwarten 11 ). Das Blut entnahm ich dem Ohrläppchen, da 
nach den Untersuchungen Schwenkeubecher's und Siegel's 12 ) 
sowie von EHermann und Erlandsen 18 ) die Verteilung der 
Leukozyten an jeder Körperstelle gleich ist. Die Zählung er¬ 
folgte an einer Thoma Zeisskammer, zur Ausdifferenzierung zählte 

1) M.m.W., 1917, Nr. 15. . „ 

2) Ueber d. Verh. d. Leuk. im Blute Malariakr. Leipzig 1912. 

3) Mense, Hdb. d. Tropenkrankh., Bd. 2. 

4) W.kl.W., 1917, Nr. 29. 

5) Fol. haemat., 1911, Bd. 12, H.2. 

6) D. Arch. f. klin. Med., 1908, Bd. 92, H. 5 u. 6. 

7) Fol. haemat., 1916, Bd. 20, H. 8. 

8) M.m.W., 1916, Nr. 35. 

9) M.m.W., 1917, Nr. 22. 

10) Die konst. Disp. zu inn. Krankh., 1917. 

11) Das Blutbild und seine klinische Bewertung. 1912. 

12) D. Arch. f. klin. M., 1908, Bd. $2. 

13) D. Arch. f. klin. M., 1911, Bd. 100. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1137 


1. Dezember 1913. 


ich 200 Zellen eines kleinen Objektträgerausstriches. Von der 
Untersuchung wurden die mit Provokationsmethoden oder mit 
Neosalvarsan behandelten Patienten ausgeschlossen. Die übrigen 
standen seit langem unter Chininbehandlung, was allerdings nach 
Ziemann durch Hervorrufung eines reichlicheren Parasiten 
Zerfalls die Leukozyten erhöben soll. Die Resultate habe ich in 
die absoluten Zablenwerte der drei grossen Gruppen Granulozyten, 
Lymphozyten und Monozyten umgerechnet, da die relativen Werte 
nicht genügend vergleichbar sind. 

Aus der Zusammenstellung 1 ) der einzelnen Untersuchungs¬ 
ergebnisse lässt sich folgendes ablesen: Wenn der letzte Anfall 
bereits 2—3 Wochen zurückliegt, so findet sich am Tage des 
Anfalls und einen Tag vorher als das hervorstechendste Merkmal 
eine nicht unerhebliche Monozytose (um 1000 pro Kubikmilli¬ 
meter), die Lymphozyten zeigen keine besonderen Aenderungen, 
nur die Granulozyten sind noch erhöbt. Die Patienten, die 
erst 2 bis 5 Anfälle täglich oder solche mit eintägiger Pause 
hinter sich haben, zeigen am Vormittag des neuen Anfalls eine 
sonst in keinem Stadium erreichte Verminderung der Granulo¬ 
zyten bei einem Gleichbleiben der -Lymphozyten und geringer 
Senkung der Monozyten. Ist der Anfall vorüber, so steigen 
die Lymphozyten allmählich an und halten sich etwa vom 4. bis 
10. Tage nach dem Anfall auf einer Höhe von etwa 5000 im 
Kubikmillimeter, die Monozyten sind noch erhöbt, und die 
Granulozyten erreichen ihre vorherigen Werte. Etwa vom 10. Tage 
ab differieren die verschiedenen Zahlen, viel stärker, da jetzt ein 
Teil der Patienten in die Rekonvaleszenz übergeht, ein anderer 
Teil nach 1—2 Wochen wieder Anfälle bekommt und ein dritter 
Teil zu vorläufig fieberfreien Plasmodienträgern wird. 

Ueberblickt man das Ganze, so treten die hohen Leuko¬ 
zytenwerte besonders in Erscheinung. Von den 53 Fällen weisen 
nicht weniger als 31 Gesamtleukozytenwerte über 9000 im Kubik¬ 
millimeter auf, davon 13 mit mehr als 12 000. Von den übrigen 
haben nur 6 Fälle weniger als 6000. Die Patienten dieser ver¬ 
schiedenen Gruppen haben ausser der Höhe der Leukozytose 
klinisch nichts gemeinsam, so sind unter denen mit mehr als 
12 000 Gesamtleukozyteo sowohl Rekonvaleszenten als schwer 
Rezidivierende, Leute mit und ohne Milztumor. 

Nicht sehr gross ist die' a Intensität der sonst bei chronischer 
Malaria allgemein gefundenen Lymphozytose. Relative Lympho¬ 
zytose besteht zwar fast durchweg, aber was allein ausschlag¬ 
gebend ist, die absoluten Zahlen entsprechen den Prozentzahlen 
nicht ganz. So finden wir über 3000 Lymphozyten bei 29 Fällen, 
darunter nur 6 mit mehr als 5000. Weniger als 2000 Lympho¬ 
zyten haben 7 Patienten. 

Relative Monozytose von 10 pCt. aufwärts war in 15 Fällen 
vorhanden. Absolute Monozytose über 350 im Kubikmillimeter 
dagegen bestand in 50 Fällen, davon hatten 16 mehr als 800. 
Es war also nur in 8 Fällen eine absolute Monozytose nicht 
nachweisbar. Bemerkenswert sind die Durchschnittszahlen bei 
den 11 Plasmodienträgern, Patienten, die seit 3—4 Wochen fieber¬ 
frei waren, aber immer noch spärlich Tertianaplasmodien aller 
Entwicklungsstadien führten, die allmählich dann unter zurück- 
gehendem Milztumor aus dem Blute verschwanden. Die Einzel¬ 
resultate weichen hier' nicht sehr voneinander ab und ergeben 
für Granulozyten 57 pCt., absolut 5365, für Lymphozyten 35,1 pCt., 
absolut 3201, für Monozyten 7,9 pCt., absolut 731, Gesamtleuko¬ 
zyten 9297. Also nur eine mässige relative, aber stärkere ab¬ 
solute Monozytose. 

Zur theoretischen Deutung meiner Untersuchungsergebnisse 
lässt sich folgendes beibringen. Anlässlich der Studien über 
frische Malariafälle wurde allgemein festgestellt, dass es sich hier 
um eine spezifische Schädigung des myeloischen Systems handelt. 
Beim Fieberanfall selbst scheint es sich nach den Untersuchungen 
Hülse’s 2 ) über die dabei stattfindende Purinbasenausscheidung 
um ein direktes Zugrundegeben der Leukozyten zu handeln. Bei 
denjenigen meiner Patienten, die gerade 2—5 Anfälle hinter sich 
hatten, trat diese neutrophile Leukopenie besonders auffallend in 
Erscheinung. Bei frischen Fällen bleibt nun die Neutropenie 
längere Zeit bestehen. Hier handelt es sich aber um Leute, die 
schon monate- oder jahrelang erkrankt waren, so dass sich der 
Organismus den immer wiederkehrenden Schädigungen besser an¬ 
gepasst hatte, infolgedessen kam schon am 2. Tage, wie die 
Tabelle zeigt, die gleichzeitig überkompensierende Reaktion zu¬ 
stande und bewirkte die vorher schon von früheren Anfällen vor¬ 


1) Die Tabellen konnten wegen Raummangels nioht mitgeteilt werden. 

2) B.kl.W., 1917, Nr. 41. 


handene neutrophile Leukozytose. Die Vermehrung der Mono¬ 
zyten steht in engstem Zusammenhang mit dem Verhalten der 
Leukozyten. Ziegler und Sch lenkt sind darüber zu dem Satz 
gekommen, „die Monozyten stellen gewissermaassen die Ersatz¬ 
zellen des myeloischen Apparates dar, welche bei allen schweren 
Schädigungen der Neutrophilen durch vermehrte Bildung in Aktion 
treten“. Das lange Anhalten dieser Reaktion bei Malaria lässt 
sich'durch die ständige Neubildung und den fortwährend statt¬ 
findenden Zerfall von Plasmodien auch nach dem Anfall erklären. 
Inwieweit dabei mitwirkt, dass die Monozyten und Granulozyten 
zur Phagozytose von Erregern und Pigment und letztere ausser¬ 
dem noch als Träger eines proteolytischen Ferments benötigt 
werden, läst sich nicht entscheiden. 

Zusammenfassung. 

Bei chronischer Malaria tertiana trat schon einen Tag vor 
dem zu erwartenden Anfall eine absolute Vermehrung der Mono¬ 
zyten auf etwa 1000 im Kubikmillimeter auf. 

Nach mehreren aufeinanderfolgenden Anfällen trat kurz¬ 
dauernde neutrophile Leukopenie auf, eine neutrophile Leuko¬ 
zytose setzte schon am zweiten Tage nach dem letzten Anfall ein. 

Die nach dem Anfall auftretende Lymphozytose von etwa 
5000 im Kubikmillimeter hielt nur etwa eine Woche an. 

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle waren die Gesamt¬ 
leukozyten erhöht, ebenso die Monozyten, beides wird als Reaktion 
des funktionstüchtigen myeloischen Systems aufgefasst. 

Die Plasmodienträger zeigten nur mässige Monozytose, 7,9pCt., 
absolut 731. 

Zum Schluss ergreife ich die Gelegenheit, meinem hoch¬ 
verehrten Chef, Herrn Privatdozent Dr. Walterhöfer, für die 
entgegenkommende Förderung meiner Arbeit an dieser Stelle 
meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. 


Wärme und Arbeit im tierischen Körper 1 ). 

Von 

Dr. J. Fischer. 

Der tägliohe Nahrungsumsatz eines körperliehe Arbeit von mittlerer 
Schwere verrichtenden, Menschen bat einen Wärmewert von rund 3650 Ka¬ 
lorien. Folgen wir den Tatsachen, die Aufschluss darüber geben, was 
aus diesem Energiebetrage wird! 

In der Leber wird Wärme erzeugt. Im Pfortadergebiet, das die 
Milz und den Magendarmkanal umfasst, desgleichen. Ebenso in den 
Nieren. Vor allem wird ferner Wärme erzeugt im Herzen. Alle diese 
Sitze physiologischer Verbrennung einschliesslich der venösen Blutbahnen, 
die zwischen den Wärmeherden der Bauchhöhle und dem rechten 
Herzen verlaufen, fasse ich im folgenden zusammen unter dem Namen 
„Körperzentrum“. 

Der Maass der tägliohen Wärmebilduog im Körperzentrum lässt sich 
mit einiger Genauigkeit berechnen. Die Venen des Körpers ausserhalb 
des Körperzentrums führen kälteres Blut als die Arterien und zwar liegt 
die Venentemperatur um etwa 0,55° unter der Arterientemperatur. Die 
Blutmenge, die täglioh im Kreislauf gefördert wird, beträgt beim Menschen * 
etwa 6000 Liter, die Wärmekapazität eines Liters Blut ist 1, also werden 
dem Blut im Körperzentrum tägiich 6000 Liter 0,55 = 3300 Kalorien 
zugeführt. In den Lungen wird durch die Atmung Wärme abgegeben, 
und zwar beträgt der tägliche Wärmeverlu9t etwa 275 Kalorien. Somit 
werden im Körperzentrum täglich 3575 Kalorien erzeugt. Ein weiterer 
Wärmebetrag wird noch in den Blutbahnen der Körpergewebe frei, denn, 
wie wir seit Pflüger wissen, wird im Blute, sogar wenn es dem Körper 
entnommen ist, Sauerstoff verbraucht, woraus bereits Zun tz den Sohluss 
zog, das9 ein Teil der Wärmebildung auf die Blutbahn entfalle. Ueber 
diesen Wärmebetrag, lässt sioh Genaueres nioht angeben, doch erscheint, 
naohdem von dem Umsatz nur noch 75 Kalorien übrig geblieben sind, 
die Annahme berechtigt, dass auch sie in Wärme übergeführt werden 
und eben den Kalorien betrag ergeben, der in der Blutbahn entwickelt 
wird. Wir dürfen danach feststellen, dass die chemische Energie der 
Nahrungsmittel im Körper restlos in Wärme übergefübit wird. 

Womit bestreiten nun die arbeitenden Muskelu ihren Energiebedarf? 
D^r ohemisohe Umsatz ist weggegeben, und es ist auch kein Zeichen 
dafür vorhanden, dass sie an ihm sich beteiligen, denn alle unter nor¬ 
malen Umständen angestellten Versuche haben ergeben, dass der Muskel, 
indem er arbeitet, weder Sauerstoff verbraucht noch Kohlendioxyd bildet. 
Damit ist bündig erwiesen, dass die Arbeit der Muskeln keinen anderen 
Ursprung haben kann als Wärme, die, im Körperzentrum und in der 
Blutbahn erzeugt, den Muskeln durch die Blutkapillaren auf dem Wege 
der Wärmeleitung zugeführt wird. Bestätigt wird diese Erkenntnis durch 
den Befund, dass da9 Muskelgewebe um etwa V* 0 kälter ist als das 


1) Vortrag, gehalten in der Berliner Physiologischen Gesellschaft 
am 3. Oktober 1919. 

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1188 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


arterielle Blut. Die chemodynamisohe Theorie der Muskelarbeit, (bis 
beute die herrschende, lässt einen im Nerven wandernden Beiz den 
Muskel treffen und ihn veranlassen, aus chemischer Energie in Richtung 
des Mukeizuges wirkende Kräfte zu entwickeln, eine Theorie, die dem 
Muskel abverlangt, was er nicht besitzt und daher nie und nimmer 
leisten kann. Io ihm herrscht das absolute Vakuum an verfügbarer 
chemischer Energie. Seine einzig mögliche Wirtschaftsführung ist die, 
dass er mit seinen Nerven in einen Eoergieaustausoh tritt. Was er 
selbst geben kann, ist Wärme, und er muss dafür andere Energie zurück* 
empfangen, die er seinen mechanischen Aufgaben dienstbar machen kann. 
Der Muskel ist reich, wenn die Wärme ein vollwertiges Gut ist, aber er 
ist ein Schuldner, wenn chemische Energie die Münze ist, mit der er die 
an ihn gerichteten Forderungen zu begleichen bat; so arm, dass 
man gar nicht erst eine Forderung, in Gestalt der Beizung, an ihn 
riohten sollte, weil ja dooh keine Möglichkeit besteht, dass sie be¬ 
friedigt wird. 

Auf dieser Erkenntnis fusst die von mir aufgestellte, in meinem 
Buche „Die Arbeit der Muskeln“ 1 ) ausführlich dargelegte Theorie der 
tierischen Kraftmaschine: Wärmezufuhr vom Blut zum Muskel, Wärme¬ 
entziehung auf der Körperoberfläohe an den Enden der Hautnerven und 
eine Wärmeumwandlungseioriohtung in Gestalt eines Nervmuskel- 
aggregates, das sioh vom Muskel über das Rückenmark bis zur Haut 
erstreckt; in ihm erfolgt die Umwandlung von Wärme in elektrische 
Energie, die im Muskel als Arbeit nutzbar gemacht wird. Reize zu leiten, 
eine sensorisch-psychische Tätigkeit auszuüben, erkenne ich nur dem 
sensiblen Nerven, als Teilaufgabe, zu: was im motorischen Nerven zum 
Muskel wandert, ist nicht ein auslösender Reiz, der gar nichts vorfände, 
was er auslösen könnte, sondern elektrische Nutzarbeit, welche die 
Zwischenform zwischen der Wärme und der mechanischen Energie 
bildet. 

Nur eine Einschränkung mache ich: bei der künstlichen mechanischen 
Reizung des Muskels, wie sie duroh Schneiden oder Qoetschen bewirkt wird, 
liefert der zuckende Muskel in der Tat selbst cbemisohe Energie. Aber 
diese ist seinen eigenen Baustoffen entnommen: Es entstehen Verletzungs¬ 
ströme duroh kontaktelektromotorisohe Wirkungen; der chemische Um¬ 
satz, auf dem sie beruhen, maoht sich duroh eine Säuerung des Muskel¬ 
gewebes bemerkbar. Diese Energieentfaltung aber, die in der Zuckungs¬ 
arbeit ihr Aequivalent findet, ist Raubbau, sie ist der Anfang vom Ende, 
denn der Muskel verfällt bei Fortsetzung der Eingriffe bald in Starre. 
Nimmermehr kann diese Wirkungsweise als das Abbild des natürlichen 
Vorganges betraohtet werden. Raubbau wird auch geübt, wenn man 
die gleichen äusseren Eingriffe auf den Nerven des Muskels wirken lässt. 
Dann ist es das Nervengewebe, welches, sioh selbst verzehrend, den 
elektrischen Strom liefert, der, den Muskel durchsetzend, die Hubarbeit 
des letzteren leistet. Der Muskel selbst bleibt dabei unversehrt und ist 
im wesentlichen nicht anders gestellt als bei der natürlichen Kontraktion; 
es macht ihm nichts aus, ob die Ströme, die er empfängt, im Nerven 
aus Wärme entstanden, ob eine Verletzung des Nervengewebes ihre Ursache 
war oder ob sie ihm von ausBen, unmittelbar oder über den Nerven, zu¬ 
geführt wurden. 

Die Zuckungsarbeit, hat bei der unmittelbaren oder mittelbaren 
elektrischen Reizung ihr Aequivalent in der Energie der zugeführten 
Ströme, wobei natürlich nur die Energiemenge in Betracht zu ziehen ist, 
die von den den Muskel durchsetzenden Zweigströmen auf diesen über¬ 
tragen wird. Eine Reihe neuerer Versuche mit Kondensatorentladungen, 
die den Nefven treffen, ergibt dies mit grosser Bestimmtheit. In ihnen 
erscheint als der wesentlichste Faktor der Reizung die Energie. Dem¬ 
gegenüber versohlägt es nicht, dass es auch vorkommt, ja bei der üb¬ 
lichen Anwendung schlagartig wirkender Ströme als Regel zuzugestehen 
ist, dass die Zuokungsenergie die aus den elektrischen Werten des Reiz¬ 
stroms sich ergebende Energie übersteigt, worin die Versuchung liegt, 
doch ein Auslösungsverhältnis zwischen Reiz und Zuokungsenergie an¬ 
zunehmen. Aber wer sich hat überzeugen lassen, dass es im Muskel 
niohts gibt, was ausgelöst werden könnte, wird der Versuchung wider¬ 
stehen und die Erklärung des Missverhältnisses darin finden, dass eigene, 
im Elektrodenbereich duroh Verletzung entstehende Ströme sich den 
fremden zugesellen. Eine Auslösung liegt auch in diesem Vorgänge, 
nur nioht im gewollten Sinne; sie geschieht ausserhalb des Ver- 
braoohsorts, und ihr Gegenstand ist nicht chemisohe, sondern elektrische 
Energie. 

Die Nerven sind, wie ich glaube nachgewiesen zu haben, Thermo¬ 
elemente. Jede ihrer Fasern besteht aus zwei selbständigen Plasma¬ 
leitern, die gegeneinander elektrisch isoliert sind. Sie gleichen im Aufbau 
den Thermoelementen der Elektropbysik, die aus Metalldrähten durch 
Verlötung der Enden gebildet werden. Am eindrucksvollsten zeigt sich 
die Elektrizitätserzeugung der Nerven bei den elektrischen Fischen, 
deron von Nerven gespeiste Kondensatorenbatterien Schläge von töd¬ 
licher Wirkung auszuüben vermögen. Gelten sonst die Nervenströme als 
Mittel oder Symptom auslösender Reize, so hätte diese Auffassung bei 
den stromerzeugenden Nerven der elektrischen Fisohe auoh nioht den 
Schein einer Berechtigung, da hier die Elektrizitätserzeugung und -abgabe 
deutlich als Selbstzweck der Nerventätigkeit erkennbar ist. 

Die Muskeln sind nach meiner duroh die histologischen Unterlagen 
aufs beste gestützten Theorie Elektromotoren. Ihre Wirkung beruht auf 
den Anziehungskräften, die gleichgerichtete Ströme in parallelen Leitern 
aufeinander ausüben. Die parallelen Leiter werden gebildet durch die 


l) Erschienen bet Dr. Rothschild-Berlin. 


Fibrillen der Muskelfaser, die geschlossene Zäune bilden und in kurzen 
Abständen duroh Quersoheiben auseinander gehalten werden, mit der 
Wirkung, dass der Stromfluss die einzelnen Fibrillenabschnitte bogen¬ 
förmig einbuohtet und so eine Verkürzung der Faser herbeiführt. 

Nicht nur Erzeuger elektrischer Stiöme sind die Nerven, sie bilden 
auch einen Vorratsspeicher des Körpers, aus dem bei erhöhter Bean¬ 
spruchung der Muskeln verbrauchsbereite elektrische Arbeit entnommen 
werden kann. Die isolierende Wandung zwischen dem Innen- und dem 
Aussenleiter der markhaltigen Nervenfaser ist gleiohzustellen der Glas¬ 
wandung zwischen den Belägen der Leydener Flasche. 

Ein wichtiger Punkt ist die Frage des Wirkungsgrades. Der end¬ 
gültige Nutzertrag der thermoelektrischen Energieumwandlung ist die 
mechanische Arbeit. Ihr Verhältnis zur PrimärenerRie, d. h. der Wärme, 
wird bestimmt durch die Gesetze der Thermodynamik, und zwar ergibt 
sioh aus dem obwaltenden Temperaturunterschied zwischen Körperinnerin 
und Körperoberfläohe ein bestmöglicher Wirkungsgrad von 6,78 pCt. Der 
tatsächliche Wirkungsgrad nun liegt, wie zu verlangen, unter diesem 
Betrage. Man kann ihn auf 4 pCt. veranschlagen. Die höheren Werte, 
die bisher für riohtig gehalten wurden, sind leicht auf verschiedenartige 
Fehlschlüsse und Mängel der Versuchsanordnungen zurückzuführen. Der 
tiefgreifendste Fehler war die Nichtberüoksiohtigungjler Akkumulierungs¬ 
möglichkeit. Denn natürlich ergibt sioh ein zu günstiges Verhältnis der 
Arbeit zum gleichzeitigen Umsatz, wenn unerkannterweise ein mehr oder 
weniger grosser Teil der Arbeit gar nicht aus dem Umsatz bestritten, 
sondern vorhandenen Vorräten verbrauchsbereiter Energie entnommen 
wurde. 

Bei einem Wirkungsgrad von 4 pCt. gegenüber dem bestdenkbaren 
von 6,78 pCt. bleibt ein nicht unerheblicher Raum für die Verluste übrig, 
mit denen der Arbeitsvorgang des Organismus wie der jedes anderen 
Energieumwandlers belastet ist. Verlustposten sind genug angebbar: 
der Atmungswärmeverlust, die Wärmeabgabe der Haut bei vollständiger 
Körperruhe, in der der Umsatz nur dem Zwecke dient, die Betriebs¬ 
bereitschaft des Körpers aufrecht zu erhalten, die Reibung des Blutes 
in den Adern, auch immerhin die Reibung der Gelenke. Auf gleiche 
Stufe mit solohen Verlusten ist die chemisohe Nutzarbeit zu stellen, die 
der Körper leistet, um seine Organe in brauchbarem Zustande zu er¬ 
halten. Kämen zu solchen Abgängen an Primär- und Nutsenergie noch 
erhebliche Verluste bei den elektrischen Vorgängen hinzu, dann wäre 
nicht einzusehen, wie der immerhin noch gute Gesamtwirkungsgrad zu¬ 
stande kommen könnte. In der Tat nun berechtigen die Erscheinungen 
zu der Feststellung, dass in den Nerven und Muskeln die Ströme ohne 
nennenswerten Verlust geleitet werden. Jeder Verlust müsste in einer 
Wärmebildung zum Ausdruck kommen, es gibt aber eine Reihe von 
Beobachtungen, nach denen beim Fliessen der Aktionsströme auoh die 
empfindlichste MesBvorrichtung keine Temperaturerhöhung der Nerven 
oder Muskeln anzeigt. Eine andere Gruppe von Versuchsergebnissen, 
in denen in der Tat doch eine Wärmebildung festgestellt wurde, erkläre 
ich aus der Mitwirkung der Verletzungsströme, die, in ihrer Stärke und 
ihrem zeitlichen Verlauf duroh Zufälligkeiten bestimmt, der Organisation 
der plasmatischen Leiter nicht angepasst sind und daher an den günstigen 
Leitungsbedingungen der Aktionsströme, die zweifellos im Gegensatz zu 
den zur Erregung ungeeigneter Verletzungsruheströmen bestimmte Stärke 
besitzen und einen geregelten, für die erregende Wirkung höohst wesent¬ 
lichen oszillatorischen Verlauf aufweisen, keinen Anteil haben, womit 
zugleich gesagt ist, dass bei deT natürlichen Erregung, bei der keine 
Verletzungsströme auftreten, stets der Fall verlustloser Stremleitung ge¬ 
geben sein wird. 

Wir sehen hier das Joule’sohe Gesetz versagen, mit ihm zugleich 
aber versagt auch das Ohm’sche Gesetz, da beide eng miteinander Zu¬ 
sammenhängen. Wir sehen daraus, dass wir in den plasmatisoben Lei¬ 
tungsbahnen der Nerven und Muskeln Gebilde vor uns haben, in denen 
für Ströme bestimmten oszillatorischen Verlaufs nioht, wie es sonst der 
Fall ist, der Ohm'sohe Widerstand die Gesetze des Stromflusses bestimmt. 
Die Frage, worauf diese Eigenschaft der erregbaren Gebilde beruht, führt 
tief in die Probleme der Elektrizitätsleitung. Vermindert wird die Be¬ 
sonderheit der Tatsache dadurch, dass uns noch andere Fälle bekannt 
sind, in denen das Ohm’sohe und das Joule’sohe Gesetz versagen. Hoch¬ 
frequente Ströme durchsetzen tierisches Gewebe in viel grösserer Stärke, 
als nach dem Ohm’sohen Widerstand zu erwarten wäre. Im Queoksilber 
haben wir einen Leiter kennen gelernt, der bei sehr tiefer Temperatur 
den Widerstand Null annimmt und dann verlustlos jeden Strom leitet. 
Besondere Beachtung verdient ferner die erfahrungsmäsBige Tatsaobe, 
dass es möglich ist, aus metallischen Leitern bestimmter Eigenschaften 
Thermoelemente zusammenzusetzen, die verlustlos den Strom führen. 
Sie haben der Bedingung zu genügen, dass sich die Ohm’schen Wider¬ 
stände der beiden Leiter verhalten wie die Konstanten der Thomson’sohen 
Wärme. Alsdann wird bei einer bestimmten Stromstärke die Joule’sohe 
Wärme durch die negative Thomsoti’sche Wärme gleichen Betrages auf¬ 
gewogen und die gesamte entwickte Wärme wird gleich Null. Wir er¬ 
kennen aus solchen Fällen, dass die Widerstandsformeln nicht die starre 
Geltung haben, die man ihnen zuzusohreiben gewöhnt ist. Das Ohm’sohe 
und das Joule’sohe Gesetz sind nur der Ausdruok von Tatsachen, denen 
die hier angeführten gleichwertig gegenüberstehen. Man fusst nioht fester 
in der Wirklichkeit, wenn man jene, als wenn man diese als Unterlage 
wählt, um a priori ein Urteil über die elektrischen Leistungen der erreg¬ 
baren Gebilde zu fällen. 

Einem Einwand ist noch zu begegnen. Man könnte sagen, dass, 
wenn die Wärmebildung der erregenden Ströme nicht messbar sei, dies 


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1. Dezember 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1189 


darin seinen Grand habe, dass die Stärke der Strome za gering sei, and 
hätte damit aws der Unmöglichkeit, starke Ströme in gewöhnlichen 
Leitern hoben Widerstandes ohne grossen Verlust zu leiten, einen Ge¬ 
sichtspunkt gewonnen, der zur Beibehaltung der Auslösungsvorstellung 
geneigt machen könnte. Aber der Einwand würde sein Ziel verfehlen. 
Die Ströme, die im Nerven zum Muskel fliessen, sind für ihn, den Sitz 
eines absoluten chemischen Vakuums, die einzige Energiequelle. Sie 
mögen klein oder gross sein, jedenfalls hat ihre Energie genau den Be¬ 
trag, den wir in der Hubarbeit des Muskels wiederfinden. Und folgt 
man ferner meiner Erklärung, dass die Wärmebildung im Nerven und 
Muskel, wo eine solche infolge der Erregung bemerkbar wird, auf der 
Joule’sohen Wärme der Verletzungsrubeströme beruht, so hat man 
vollends keinen Grund, das regelmässige Fehlen der Wärmebildung auf 
die zu kleine Stromstärke zurückzuführen, denn nichts berechtigt, die 
Ruheströme für stärker zu halten als die Aktionsströme, da die äusseren 
elektrischen Wirkungen beider von gleicher Grössenordnung sind. 

1 Quantitative Schlüsse auf die innere Stärke der Aktionsströme zu 
ziehen, gestatten uns die mechanischen Einzelheiten der Kraftwirkung 
des Muskels, und zwar ergaben mir überschlägige Rechnungen, dass wir 
im Muskel, unter Voraussetzung einer hohen Permeabilität des in den 
Bahnen des magnetischen Flusses gelagerten Materials, bei einer kräf¬ 
tigen Zugwirkung eine Strombelastung von 1 und selbst mehreren Am- 
pöre auf das Quadratmillimeter Querschnitt anzunehmenfhaben, dies unbe- 
sohadet der Möglichkeit, dass für schwächste Zuckungen auch schwächste 
Ströme ausreichen. Aber die innere Wahrscheinlichkeit der elektro¬ 
dynamischen Theorie der Muskelbewegung wird durch die hohen Strom¬ 
stärken, die sie erfordert, nicht berührt, denn naohdem wir einmal er¬ 
kannt haben, dass der Ohm’sche Widerstand die Gesetze der Aktions¬ 
ströme nicht bestimmt, ist es unwesentlich, um wieviel die Grenze über¬ 
schritten ist, die wir durch die starre OhnTscbe Formel gezogen glaubten. 

* Soviel, meine Damen und Herren, war es, was ioh im Rahmen eines 
kurzen Vortrages über meine Theorie bringen zu können glaubte. Auf 
Einzelheiten einzugehen, namentlich die Fülle der elektrophysiologischen 
Erscheinungen, bisher ein ziemlich zusammenhangloses Gebiet, das aber 
nach der neuen Darstellung zu einem klar übersehbaren Ganzen sich 
vereinigt, vor Ihrem Blick zu entrollen, verbot Idie Kürze der verfügbaren 
Zeit. Nur noch ein Wort über den Fortschritt der Wissenschaft, den 
ich durch den Ausbau meiner Theorie für erreicht halte. Ist die zu¬ 
treffende Erklärung der Muskelarbeit gefunden, so ist ein Problem ge¬ 
löst, das mehr als ein Jahrhundert lang mit heissem Bemühen umstritten 
wurde, und auf einem wichtigen Teilgebiet der Physiologie ist die Ruhe 
der Erkenntnis eingekehrt. Aber mehr als das. Wir sprachen von allen 
Organen der Bauchhöhle, vom Herzen, von der Lunge, vom Blut, von 
den Muskeln und Nerven und von der Haut. Nur wenige Bestandteile 
des Körpers blieben ausserhalb der Betrachtung. Haben aber die auf- 
gezählten Teile die Zwecke, die ioh ihnen zuschreibe, so haben sie in 
den erörterten Beziehungen auch keine anderen Zweoke, und wir haben 
somit ein erschöpfendes Bild von der energetischen Wirkungsweise des 
tierischen Körpers erhalten, für die Physiologie wie für die allgemeine 
Biologie ein sohätzbarer Erfolg, ja die Erreichung des Hauptziels aller 
physiologischen Forschung. 


Das Spumanverfahren in der gynäkologischen 
Praxis. 

Von 

Dr. Habs Oppeiheiu, Frauenarzt in Berlin-Steglitz. 

Die Einwirkung medikamentöser Präparate auf die Organe des 
weibliohen Beckens erfolgte bisher hauptsächlich auf dem Wege der 
Spülung bzw. der Tamponade; die Anwendung des Puderverfahrens} 
sowie die Einführung der wirksamen Substanz in Form sogenannter 
Globuli, Bazilli und Suppositoria bildete nur einen gelegentlichen Modus 
gynäkologischer Therapie. Speziell entzündliche Prozesse der Unterleibs¬ 
organe (Beokenbauohfell, Uterus mit Adnexen, Blase und Rektum) 
wurden bekanntlich mit Resorbentien und Antiseptizis, vorzugsweise als 
Ichthyoltampons, Protargolspülungen, Belladonnazäpfchen usw. behandelt. 
Ausser der Unannehmlichkeit der häufigen Konsultationen brachte dies 
Verfahren den Nachteil mit sich, dass nur eine engümgrenzte Stelle für 
kurzbemessene Frist von der Wirkung des Medikaments betroffen wurde, 
so dass der Effekt entsprechend gering ausfiel und durch eine lang- 
dauernde und oft wiederholte Behandlung wettgemacht werden musste. 
Aus beiden Gründen, der Kostspieligkeit und der Zeitversäumnis dieser 
Therapie, entzogen sich die ungeduldigen Kranken beim ersten Gefühl 
von Besserung nur zu oft voreilig der ärztlichen Behandlung, so wider 
Willen den Anlass zur Chronizität des Leidens gebend. Neigt dooh 
gerade der weibliche Sexualtraktus, im Stadium der Entzündung un¬ 
genügend behandelt, zur Fixierung und Propagation des — ja 'meist 
bakteriellen — Prozesses! 

Die Chemisch-pharmazeutische Fabrik Luitpoldwerk in München 
bringt nun seit einigen Jahren ein eigenartiges, „Spuman“ genanntes 
Präparat in den Handel, das mir zum Ausgleich der obenerwähnten 
Missstände reoht geeignet erscheint. Das in Stäbchenform gelieferte 
P'räparat, leicht löslich im schleimigen Sekret von Vagina, Rektum und 
Urethra, wirkt durch Bildung eines Schaumkörpers aus Kohlensäure, der, 
expansiv sioh ausdehnend, alle Buohten und Hohlräume ausgleioht und 


erfüllt. Es summiert sioh so zu der bakteriziden Wirkung der CO* in 
statu nasoendi der Einfluss der beigemengten Chemikalien (Tannin, 
Protargol, Ichthyol, Zino. sulf. usw.), die mit den Schaummolekülen 
gleichsam automatisch über die ganze Schleimhaut au9gebreitet und 
hingelagert werden. Hinzu kommt als praktisch wichtiges Moment die 
bequeme und leichte Anwendungsform, weil die Patientin, so oft es ver¬ 
ordnet ist, ohne jegliohen Hilfsapparat die Einführung selbst im Hause 
vornehmen kann. Obwohl also keine Fremdhilfe und keinerlei Vor¬ 
bereitung erforderlich ist, wird der Effekt infolge fester Schaumtamponade 
und tiefer Resorptionswirkung gesteigert sein. 

Ioh habe die Styli Spuman, die in 3 Grössen zu 1,0, 0,5 und 0,2 g 
geliefert werden, bei vielerlei Arten vaginaler, zervikaler und urethraler 
Katarrhe sowie bei entzündlichen Erkrankungen im Beckenbindegewebe, 
der Parametrien, des Uterus und der Adnexe versucht und bin zu 
folgenden Ergebnissen angelangt: Fast ausnahmslos rief das Spuman, 
gleichgültig in welofier Kombination, wie mit 3 pCt. Tannin, 0,15 pCt. 
Höllenstein, 5 pCt. Ichthyol, 0,05 pCt. Sublimat usw., zunächst eine 
Reizung in dem Sinne hervor, dass sowohl die entzündlichen Er¬ 
scheinungen — Schmerz, Schwellung, Hitze — als auch das Symptom 
des Katarrhs in Form sch leimig-eitriger Sekretion eine Steigerung er¬ 
fuhren. Liess man sioh indes durch diese nur scheinbare Ver¬ 
schlimmerung nicht abschrecken, sondern setzte man in konsequenter 
und behutsamer Weise die eingesohlagene Therapie fort, so begannen 
bereits mit Beginn der zweiten Woche die geschilderten Symptome, zu¬ 
erst zwar langsam, dann aber in rascher Folge, abzuklingen und ver¬ 
schwanden je nach Intensität, Ausbreitung und Charakter des ursprüng¬ 
lichen Prozesses über kurz oder lang völlig. Wurde indes die Behand¬ 
lung nicht mindestens 2—3 Wochen über diesen Zeitpunkt hinaus 
fortgeführt, sondern sogleich mit dem Sistieren der entzündlichen Er¬ 
scheinungen abgebrochen, so trat mit ziemlicher Sicherheit bald danach 
ein Rückfall ein, der zwar meist leiohterer Natur war, aber dooh die 
BehandluDgsdauer nicht unwesentlich verlängerte. Ich habe den Ge¬ 
brauch der Stäbchen im allgemeinen so handhaben lassen, dass dreimal 
täglich, morgens, mittags und abends, ein Stift io liegender Stellung 
möglichst tief von der Patientin eingeführt und danach ein kleiner 
Wattebausch als Tampon naobgeschoben werden musste. Spülungen 
liess ich meist — abgesehen von besonderen Fällen jauchender oder 
ätzender Sekretion — vermeiden; nur von Zeit zu Zeit, etwa alle 3 bis 
4 Tage, wurde eine Irrigation zur Reinigung der Scheide von Sabstanz- 
resten mit warmem Kami 1 lenaufguss oder dünner essigsaurer Tonerde¬ 
lösung vorgenommen. 

Dass man von Spuman nun nicht etwa die Abheilung umfangreicher 
abszedierender Entzündungen erwarten darf, versteht sich wohl von 
selbst. Auch gewisse Formen subakuter Pyosalpingitiden gonorrhoisoher 
Provenienz reagieren nicht günstig auf den Spumanprozess. Das ändert 
aber schliesslich nicht die Tatsache, dass mir da9 Spuman in den 
zahlreichen Fällen, in denen die sonst übliche Therapie mit Spülungen, 
Tampons, Umschlägen usw. versagt, wirklich wertvolle Dienste ge¬ 
leistet hat. 

Literatur. Lex, Neue Erfahrungen mit dem Spumanverfahren. 
Med. Klinik, 1919, Nr. 17. — Trebing, Spuman, ein Fortschritt in der 
täglichen Utero-Vaginaltherapie. Zbl. f. d. ges. Ther., 1916, H. 9. — 
Birnbaum, Ueber eine Vereinfachung der Therapie im Bereioh des 
weibliohen Genitaltraktus. Gynäkol. Rundschau, 1916, H. 19 u. 20. — 
Enge, Zur Behandlung gynäkologischer Erkrankungen bei Geisteskranken. 
Fortsohr. d. Med., 1916/17. — Caesar, Spuman und Tampospuman in 
der Therapie des Urogenitalapparates. Med. Klinik., 1916, Nx. 45. 


Die Auslesebedeutung der Säuglingsfürsorge. 

Von 

Priv.-Doz. Dr. F. Le»z-München. 

In Nr. 30 des Jahrgangs 1919 der Berliner klinischen Wochenschrift 
hat Prof. L. Langstein, Direktor des „Kaiserin Auguste Viktoria- 
Hauses zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche“, 
einen Festvortrag erscheinen lassen, den er anlässlich des 10jährigen 
Bestehens der Anstalt gehalten hat, und in dem er die Säuglingsfürsorge 
gegen Angriffe verteidigt, die nach seiner Angabe die Rassenhygieniker 
dagegen gerichtet hätten. Es heisst dort ziemlich am Anfang: „Gegen¬ 
wärtig wird in erster Linie von extremen Anhängern der Rassenhygiene 
der Gedanke einer nachteiligen Wirkung der Bekämpfung der Säuglings¬ 
sterblichkeit vertreten. Mit ausgezeichneter Dialektik, allen Mitteln 
einer zielbewussten Propaganda wollen sie dem bestechenden Gedanken 
Bahn schaffen, dass wir durch unsere Fürsorgeeinrichtungen lediglioh 
Quantitätspolitik, aber keine Qualitätspolitik treiben, dass aber für 
unsere Bevölkerungspolitik nioht der quantitative Gesichtspunkt, sondern 
der qualitative ausschlaggebend sein müsse. Sie werfen den Fürsorge- 
einriohtungsn vor, dass sie die Rasse verschlechtern, indem sie die natür¬ 
liche Auslese verhindern; sie fordern infolgedessen nicht Aufbau, sondern 
Abbau der Fürsorgeeinrichtungen.“ Und gegen den Schluss heisst es: 
„Haben die Rassehygieniker recht, die aus diesem Grunde eine Be¬ 
kämpfung der Säuglingssterblichkeit verwerfen?“ Es wäre nun sehr 
dankenswert, wenn Herr Prof. Langstein die „Rassenhygieniker“, 
welche so abscheuliche Machenschaften betreiben, namhaft machen 

8 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


würde. Eine Sohonung ist hier nicht am Platze. loh stehe schon seit 
einer ganzen Reihe Ton Jahren in der rassenbygienisohen Bewegung. Mir 
sind aber solche „Rassenbygieniker“, wie Herr Prof. Langstein sie 
schildert, noch nicht yorgekommen. Um einzelne mir Yielleioht unbe¬ 
kannt gebliebene Aussenseiter kann es sich doch nicht handeln, da 
Langstein von einer systematischen Propaganda beriohtet und ihre Be¬ 
kämpfung für würdig hält, den Gegenstand einer programmatischen Fest¬ 
rede zu bilden. 

Langstein ist der Ansicht, dass die Anerkennung einer Auslese- 
bedeutung der Säuglingssterblichkeit zu einer feindlichen Einstellung 
gegen die Säuglingsfürsorge führen müsste. „Erweist die wissenschaft¬ 
liche Forschung, dass die Säuglingssterblichkeit eine Auslese dar¬ 
stellt .. dann müssten wir die Konsequenz aus einer derartigen 

Tatsache ziehen und unsere Forschung wie auch unsere praktischen. 
Maassnahmen in anderer Richtung einstellen. u So wird allerdings 
Langatein’s Wunsch begreiflich, dass die wissenschaftliche Forschung 
keine Auslese durch die Säuglingssterblichkeit feststellen möge, und sein 
Bestreben, die ganze Lehre von der Auslese als ein unhaltbares Schlag¬ 
wort binzustellen. 

Glücklicherweise scheint mir eine Versöhnung der Gegensätze möglich 
zu sein. Langstein versteht nämlioh offenbar etwas anderes unter Aus¬ 
lese, als es in der wissenschaftlichen Biologie üblich ist. Langstein sagt 
von der natürlichen Auslese: „Sie wirkt nur negativ, indem sie ohne Unter¬ 
schied vernichtet, was gut und schlecht.“ Gerade diese unterschiedslose 
Vernichtung nennen die Rassenbygieniker nun aber Dicht „Auslese“, 
sondern sie betrachten diesen Vorgang vielmehr als das Gegenteil von Aus¬ 
lese und bezeichnen ihn infolgedessen als „nonselektorische Elimination“. 
Auch sind alle Rassenhygieniker einig, dass man diese unterschiedslose Ver¬ 
nichtung möglichst ausschalten müsse. Von Auslese dagegen sprechen die 
Rassenhygieniker gerade umgekehrt wie Langstein dann, wenn der 
Durchschnitt der Ueberlebenden von anderer Beschaffenheit ist als der 
Durchschnitt der Zugrundegehenden. Auch wenn nur ein Unterschied 
geringen Grades zwischen den Sterbenden und den Ueberlebenden be¬ 
steht, ist Auslese wirksam. Die Rassenbygieniker behaupten also durch¬ 
aus nicht, dass durch die Säuglingssterblichkeit „nur (!) diejenigen aus¬ 
gemerzt werden, deren Leben nicht wert ist, gelebt zu werden“, dass 
„nur (!) diejenigen zugrunde gingen, die körperlich minderwertig“, und 
dass duroh den Säuglingsschutz „nur (!) diejenigen erhalten“ würden, 
die nichts weiter darstellen als schädlichen Ballast an unsern Volks¬ 
körper, wie Lang stein es in verschiedenen Wiederholungen darstellt. 
Wenn man von dem Gebrauch der Worte in verschiedener Bedeutung 
absieht, so besteht also gar kein so grosser Gegensatz zwischen den An¬ 
schauungen Langstein’s und der Rassenbygieniker. Und ich meine, 
man kann dabei auch nicht von „Dialektik“ auf seiten der Rassen¬ 
hygieniker reden, da sie das Wort Auslese und die damit zusammen¬ 
hängenden Bezeichnungen durchaus eindeutig in dem schon von Darwin 
klargelegten Sinne anwenden. 

Die führenden Rassenbygieniker haben immer wieder betont, dass 
man sehr wohl die Einsicht in die Auslesebedeutung der Säuglings¬ 
sterblichkeit haben könne, dass aber daraus durchaus keine Feindschaft 
gegen die Säuglingsfürsorge folge. Der Begründer der deutschen Rassen¬ 
hygiene, Alfred Ploetz, hat schon in seinem Buche von 1895 als 
deales Ziel aufgestellt, „dass gar kein Kampf ums Dasein, gar keine 
Ausjätung eintrittV und die ganze Tendenz seines Werkes geht dahin, 
Wege zu finden, auf denen auch ohne ein WalteDlassen der natürlichen 
Auslese die Tüchtigkeit unserer Rasse erhalten beiben könne. Er stellt 
seine Ansicht in Gegensatz zu der „gewisser darwinislischer Kreise“, nach 
deren einseitiger Anschauung er eine „rassenhygienisohe Utopie“ zeichnet, 
in der der natürlichen Auslese ein grösserer Spielraum zugestanden 
würde. Ploetz hat also schon damals ganz wie jetzt Langstein ein¬ 
seitige darwiniBtische Anschauungen auszumalen gesucht; doch heisst es 
selbst in der Schilderung der „rassenbygienisohen Utopie“: „Vor allen 
direkten grossen Schädlichkeiten werden im übrigen die Kinder sorgsam 
bewahrt.“ Langstein kann natürlich nioht dieselben „darwinistischen 
Kreise“, von denen Ploetz im Jahre 1895 spricht, im Auge haben, da 
er ja ausdrücklich sagt, dass die von ihm bekämpften Anschauungen 
gegenwärtig mit allen Mitteln zu verbreiten gesucht würden. 

Iq dem bedeutendsten Werk, welches die rassenhygienische Be¬ 
wegung bisher aufzuweisen hat, in Schal lmayer’s „Vererbung und 
Auslese“, das im vorigen Jahre in dritter Auflage erschienen ist, heisst 
es auf S. 154: „Auoh wer das Ideal der Rassehebung über jedes andere 
stellt, wird ihm in keiner Weise untreu, wenn er sich über jeden Fort¬ 
schritt der Hygiene freut und besonders mit den Bestrebungen zur Ein¬ 
dämmung unserer viel zu grossen Kindersterblichkeit sympathisiert, zu¬ 
mal da unter den bei uns gegebenen Verhältnissen die Auswirkungen 
der Kindersterblichkeit nur einen verhältnismässig schwachen, mit über- 
grossen Opfern bezahlten Erfolg haben können, ganz abgesehen davon, 
dass das Interesse für die Rassetüohtigkeit unserer künftigen Genera¬ 
tionen nicht beanspruchen kann, für unser ganzes Tun und Lassen un¬ 
bedingt maassgebend zu sein, ohne jede Rücksicht auf die uns unmittel¬ 
bar berührenden sozialen und individuellen Interessen.“ Auf S. 365 
sagt Schallmayer direkt: „Eine solche Verschwendung von Menschen¬ 
leben, wie sie die bisherige, sohändlioh grosse Sterblichkeit besonders 
der unehelichen Kinder darstellt, können wir künftig nicht mehr er¬ 
tragen.“ 

Ganz im gleichen Sinne äussert sich auoh Max v. Grub er, der 
Vorsitzende der „Deutschen Gesellsoh&ft für Rassenhygiene“ in seiner 
Schrift über den Geburtenrückgang: „loh bin natürlich durohaus dafür, 


dass man das Möglichste tue, um die Säuglingssterblichkeit, die Kinder¬ 
sterblichkeit, überhaupt herabzusetzen, obwohl dabei manches Leben 
erhalten bleiben wird, das zum allgemeinen, wie zu seinem eigenen 
Besten rasch hätte erlöschen sollen.“ 

Das Also ist der Standpunkt der führenden Männer auf dem Ge¬ 
biete der Rassenbygiene. 

Langstein bezeichnet es als seine „elementare Pflioht, die Lehre 
von der Auslese zu untersuchen“, um nach dem Ergebnis die Arbeit 
der von ihm geleiteten Anstalt „als Pflegstätte der Wissenschaft auf 
dem Gebiete der sozialen Hygiene des frühesten Kindesalters“ zu ge¬ 
stalten; und er hat in dankenswerter-Weise Material über die Auslese- 
bedeutung der Säuglingssterblichkeit beigebiacht. So berichtet er von 
den frühgeborenen Kindern, dass nur 40 bis 45pCt. bis zum Schulalter 
gelangten; und von Kindern, die bei der Geburt unter 1000 g wogen, 
erwies sich später, dass „die grosse Mehrzahl, soweit sie nicht gestorben 
ist, mit eine? Reihe von Defekten behaftet“ war. Von den Kindern, 
welche wegen Ernährungsstörungen im Kaiserin Auguste Viktoria-Haus 
behandelt und durcbgebracht wurden, boten später fast zwei Drittel 
„Zeichen nervöser Reizbarkeit, Neigung zu Ausschlägen, Symptome von 
englischer Krankheit und Blutarmut bzw. waren in der allgemeinen Ent¬ 
wicklung zurückgeblieben“. Von den Kindern, die wegen chronischer 
Ernährungsstörungen behandelt wurden, aber gestorben sind, bot ein 
Viertel Zeichen besonderer Anfälligkeit bzw. Konstitutionsschwäche, und 
ebensoviele waren Frühgeburten. Selbst bei einem Drittel der an akuten 
Ernährungsstörungen verstorbenen Kinder Waren zeichen konstitutioneller 
Minderwertigkeit nachzuweisen. Aus diesen Tatsachen würde nur dann 
nicht eine Bedeutung der Auslese erschlossen werden müssen, wenn bei 
den Kindern die nicht in Anstaltspflege kommen, eine ebensogrosse 
Häufung krankhafter Anlagen bestände. Und die Tätigkeit der Anstalt 
würde nur dann keine Bedeutung für die Auslese haben, wenn die An¬ 
staltspflege keinen Einfluss auf die Sterblichkeit gehabt hätte. Beides ist 
dooh aber glücklicherweise wohl nicht der Fall. 

Wenn Langstein die eben mitgeteilten Tatsachen als Belege an¬ 
führt, dass die Säuglingssterblichkeit keine Auslesebedeutung habe, so 
liegt das eben nur daran, dass er mit dem Worte „Auslese“ einen ganz 
anderen Sinn verbindet, als man [es in der Wissenschaft gewöhnt ist. 
Es ist durohaus nicht notwendig, dass die konstitutionelle Minder¬ 
wertigkeit „die“ Ursache des Todes sei, um eine Auslese zu bewirken. 
Es genügt, dass Konstitutionsschwäohe oder irgend eine spezielle An¬ 
fälligkeit eine der mitwirkenden Bedingungen des Todes sei. Lang¬ 
stein sagt an einer Stelle, dass „Anlage und Aussenbedingungen voll¬ 
ständig gleichwertige Faktoren“ seien. Meines Erachtens kann man das 
zwar so allgemein nicht sagen, weil in manchen Fällen die Aussen- 
bedingungen, in andern die Erbanlagen von grösserer Bedeutung für die 
Entscheidung über Leben und Tod sind; aber auch wenn im Durch¬ 
schnitt den Erbanlagen nur der zehnte Teil der Bedeutung der Aussen¬ 
bedingungen zukäme, so würde im Laufe der Generationen immer noch 
eine sehr wirksame Auslese stattfinden. Andererseits würde gerade in 
dem Falle, dass die erbliche Anlage die allein entscheidende Ursache 
des Todes wäre, wie Langstein es als Ansicht der „Rassenfanatiker“ 
binstellt, natürlich auch alle Fürsorge die Auslese nicht stören können. 
Aber Anlage und Umwelt wirken eben immer zusammen, wie Langstein 
sehr richtig betont, und daraus ergibt sich mit logischer Notwendig¬ 
keit die überragende.Bedeutung der Auslese für alle generelle Gestaltung 
der Organismen. 

Auch mit statistischen Tatsachen und demographischen Erfahrungen 
.widerlegt Langstein die Ansicht, dass die konstitutionelle Minderwertig¬ 
keit nicht die alleinige (!) Ursache der hohen Säuglingssterblichkeit sein 
könne, und diese seine Ueberzeugung verliert nur dadurch etwas an 
Bedeutung, dass niemand das Gegenteil vertritt. Langstein weist auf 
die proletarische Bevölkerung mit ihrer hohen Säuglingssterblichkeit 
hin und sagt, wenn diese ein Zeichen ererbter Minderwertigkeit sei, so 
müssten wir in der ärmeren Bevölkerung eine viel grössere Degeneration 
finden als bei den Reichen, „was beksnntermaassen den Tatsachen nicht 
entspricht“. Auch hier wäre es wertvoll zu erfahren, worauf Langstein 
seine Kenntnis stützt. Nioeforo hat in seinem^grossen Werk über die 
Anthropologie des Proletariats mit guten Gründen und unter Beibringung 
einer Fülle von Tatsachen bekanntlich eine ganz andere Ansiobt ver¬ 
treten. 

Gleich darauf zieht Langstein übrigens den entgegengesetzten 
Schluss. Er erinnert an die hohe Säuglingssterblichkeit der ländliohen 
Bevölkerung. „Wenn wirklich durch die Selektion die Schwachen aus- 
gemerzt werden würden, müssten die folgenden Generationen immer 
besser werden.“ Und das hätte nach Langstein zu einem Absinken 
der Säuglingssterblichkeit in der ländlichen Bevölkerung führen müssen, 
was aber ohne sozial-hygienische Fürsorge tatsächlich Dicht der Fall ge¬ 
wesen sei. Hier könnte man immerhin versucht sein, die hohe Militär- 
tauglichkeit der ländliohen Bevölkerung mit ihrer hohen Säuglingssterb¬ 
lichkeit in Zusammenhang zu bringen. Aber auch wenn die konstitutionelle 
Tüchtigkeit der Landbevölkerung nioht grösser wäre als die der städtischen, 
wäre dooh noch daran zu erinneren, dass die Säuglingssterblichkeit keines¬ 
wegs das einzige Mittel der Auslese, und dass die Auslese nicht die 
einzige Ursache ist, welche über die erbliche Tüchtigkeit'entscheidet. 
Auch wenn die Gestaltung der Säuglingssterblichkeit in einer Bevölke¬ 
rungsgruppe auf Ertüchtigung tendiert, könnte doch aus anderen Ur¬ 
sachen diese Wirkung paralysiert werden und Entartung eintreten. 

Leider steht ähnliches auoh in einem sonst wertvollen Buohe eines 
verdienten Hygienikers zu lesen. Es heisst dort; „Wenn die Sterblioh- 


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1. Dezember 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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keit eine AuBlesewirkung hat, so müssen die Kinder, in deren erstem 
Lebensjahr eine hohe Säuglingssterblichkeit herrsehte, im zweiten eine 
geringere Sterblichkeit aufweisen und umgekehrt.“ Dieser Schluss ist 
aber falsoh, weil dieselben ungünstigen Verhältnisse, welobe die hohe 
Säuglingssterblichkeit bewirkten, auch später noch fortbestehen oder 
naohwirken können. Ihre selektive Wirkung ist dadurch keineswegs 
widerlegt. 

Die Wirkung der Auslese beschränkt sich übrigens durchaus nicht 
nur auf jene Anlagen, die schon in der Konstitution des Säuglings zum 
Ausdruck kommen. So wirkt die Säuglingssterblichkeit unter anderem 
auch züchtend auf die Stilliähigkeit, wie z. B. Schal 1 mayer über¬ 
zeugend dargelegt bat. Still Fähigkeit und damit auch Stillunfähigkeit 
un& Stillsohwäche sind natürlich durch die Erbanlagen der Mutter mit¬ 
bedingt, und diese Erbanlagen gehen von der Mutter auf die Kinder über. 
Wenn also die Kinder stillunfähiger Mütter io höherem Prozentsätze zu- 
grundegehen, so wird die Stillfähigkeit der kommenden Generationen — 
ceteris paribus! — grösser sein als ohne diese Auslese. 

Die Hauptursaohe des Nichtstillens und damit der Säuglingssterblich¬ 
keit liegt nun bekanntlich nicht in dem Mangel körperlicher Stillfähig- 
keit, sondern im Mangel an Stillwillen und in wirtschaftlichen Verhält¬ 
nissen, welche die Mutter hindern, ihren Stillwillen zu betätigen. 
Langstein drüokt das so aus: „Nicht die Natur trifft also die Auslese, 
sondern die Mütter.“ Nun gehören aber auch die Mütter zur Natur, und 
eine Auslese hört darum nicht auf, natürlich zu sein, weil sie durch 
menschliche Verhältnisse erfolgt. Der Stillwillen ist abhängig von der 
Einsicht der Mutter, ihrem Pflichtgefühl, ibrer-Mutterliebe, lauter Eigen¬ 
schaften, die durch ihre Erbanlagen wesentlich mitbedingt sind. Für 
alle diese Anlagen hat die Säuglingssterblichkeit daher eine Auslese- 
bedeutung. 

Auoh die wirtschaftliche Not, welche viele Mütter am Stillen hindert, 
weil sie eben aussei häuslich arbeiten müssen, ist im Durohschnitt durch 
die Erbanlagen der Familien mitbedingt. Um Missverständnissen und 
Missdeutungen nach Möglichkeit vorzubeugen, betone ich: selbstverständ¬ 
lich nicht nur durch die ererbten Anlagen. Aber erbliche konstitutionelle 
Schwäche führt io den bandarbeitenden Schichten fast mit Sicherheit 
zur Armut. Dasselbe tut der Schwachsinn, der in . seinen leichteren 
Graden so häufig ist. Trotz aller Erziehungskünste und aller Protektion 
können sich &chwachbegabte Söhne gebildeter Familien in den geistigen 
Berufen in der Regel nicht halten. Dass Ausnahmen Vorkommen, ändert 
natürlich nichts an diesen Tatsachen, die für den Durchschnitt gelten. 
Die Erringung und Behauptung einer günstigen wirtschaftlichen und ge¬ 
sellschaftlichen Stellung erfordert ein hohes Maass von Voraussicht, 
und was am Proletarier vor allem auffällt, ist sein Mangel an Voraussicht. 
Sauer verdientes Geld irird oft leichtsinnig ausgegeben; Vorräte, die für 
längere Zeit reichen sollten, werden gewöhnlich bald aufgezehrt. In¬ 
folge dieser Seelenverfassung, die durch Unterweisung nicht entscheidend 
geändert werden kann, weiden die so Veranlagten immer wieder ein 
Objekt der Ausbeutung, und so ist das Proletariat wie alles in der Welt 
ein Produkt von Anlage und Umwelt. Folglich aber ist auch jener 
Teil der Säuglingssterblichkeit, der auf ungünstige äussere Verhältnisse 
bezogen werden muss, nicht ohne Auslesebedeutung. In einer entgegen¬ 
gesetzten Lage wie das handarbeitende Proletariat sind z. B. die deutschen 
Jaden. Seit vielen Jahrhunderten auf ganz vorwiegend psychische Be¬ 
tätigung gezüchtet, haben sie auf wirtschaftlichem und geistigen Gebiet 
eine Herrenstellung errungen; und die kluge Voraussicht, welche «ie dazu 
befähigt, findet ihren Ausdruck auch in der aussergewöhnlich geringen 
Säuglingssterblichkeit der jüdischen Familien. 

Aus alledem folgt, dass die Säuglingssterblichkeit mindestens eben¬ 
sosehr wie für die körperlichen Anlagen auoh für die geistigen eine 
züchtende Bedeutung bat. 

Muss aber darum, der selektionistische Rassenhygieniker ein Gegner 
der Säuglingsfürsorge sein? Durchaus nicht. Auoh die Säuglingsfürsorge 
hat nämlich günstige Auslesewirkungen. Durch möglichste Ausbreitung 
des Selbststillens der Mütter werden jene Ursachen der Säuglingssterb¬ 
lichkeit, die geringe oder gar keine Auslesebedeutung haben, weitgehend 
eingeschränkt, so dass nun die züchtend wirkenden, z. B die Unter¬ 
schiede der Konstitution, um so reiner zur Auswirkung kommen können. 
Ja, auch auf jene Anlagen, welche auf dem Umwege über die Mutter aus¬ 
gelesen werden, wirkt die Still Propaganda in günstigem Sinne züchtend. 
Bei grosser Ausbreitung des Stillens wird die Säuglingssterblichkeit in der 
Hauptsache nur noch Kinder wirklich stillunfähiger oder still schwacher 
Mütter betreffen. Und wenn sich stillschwache Mütter trotz aller Belehrung 
der Stillpflicht entziehen, so werden es eben hauptsächlich unbelehrbare, 
pflichtvergessene und herzlose sein. Diese günstige Auslesewirkung er¬ 
streckt sioh aber nicht nur auf die Stillpropaganda, sondern auoh auf 
die .Versorgung mit künstlicher Säuglingsnahrung. Die richtige Durch¬ 
führung künstlicher Ernährung ist ja viel schwieriger als die Brustdar¬ 
reichung. Die einsichtigen und sorgsamen Mütter werden daher auch 
mit künstlicher Ernährung bessere Erfolge haben als die beschränkten 
und leichtsinnigen. Auch dürften jene Mütter, die die Beratungsstellen 
aufsuohen, im Durchschnitt seelisch besser veranlagt sein als die, welche 
den Beratungsstellen fernbleiben. Ebenso werden die besseren Mütter 
von den Ratschlägen des Arztes und der Fürsorgerin erfolgreicheren Ge¬ 
brauch machen. Die Fürsorge wirkt also nioht nur in einer, sondern 
in vielfacher Beziehung züchtend, und zwar nicht nur auf die körper¬ 
lichen, sondern auch auf die seelischen Anlagen der Bevölkerung. 

ln gleicher Weise gilt das von jenen sozialhygienischen Bestrebungen, 
welche zwar nicht direkt auf die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 


gerichtet sind, welche aber doch indirekt diese Wirkung haben, z. B. 
von der Bekämpfung des Alkoholismus, der gewerblichen Vergiftungen 
und ähnlicher Schädlichkeiten von geringer oder fehlender Auslese¬ 
bedeutung. Alle solche nonselektorisohen Schädlichkeiten schränken näm¬ 
lich das Wirkungsfeld der natürlichen Auslese in ungünstiger Weise ein, 
und die Bekämpfung dieser Sohäden schafft folglich Raum für eine 
günstige Auslese. Der Sozialhygieniker hat es also nioht nötig, ent¬ 
gegen aller Logik zu beweisen, dass die Säuglingssterblichkeit ohne Aus¬ 
lesebedeutung sei. 

Selbstverständlich ist auoh eine unzweckmässige Fürsorge möglich, 
z. B. eine solche, die mit grossen Kosten einige minderwertige Kinder 
erhält, während mit dem gleichen Aufwands eine viel grössere Zahl 
besser veranlagter hätte gerettet werden können. Gerade Langstein 
hat ja ip dankenswerter Weise Belege dafür beigebraoht. Als rassen- 
hygienisoh ungünstig muss es auch angesehen werden, wenn Tausende 
von Fürsorgerinnen von ausgesuchter körperlicher und besonders geistiger 
Tüchtigkeit die Kinder minder wertvoller Frauen pflegen und selber 
kinderlos bleiben. Gewiss ist eine grosszügige Säuglingsfürsorge ohne viele 
Fürsorgerinnen nicht möglich; aber hier muss ein Weg gefunden werden, 
auf dem eine derartige ungünstige Nebenwirkung einer an und für sioh 
segensreichen Einrichtung vermieden werden kann. 

So führt denn eine vorurteilslose rassenhygienische Betrachtung nioht 
zu einer Bekämpfung, sondern zur Rechtfertigung der Säuglingsfürsorge, 
von der Langstein sagt, dass diese „steht und fällt mit dem Gedanken, 
dass wir durch die Fürsorge für Säugling und Kleinkind eine Tat voll¬ 
bringen, die nicht nur belohnt wird durch den momentanen Erfolg der 
Heilung kranker Kinder, sondern vor allem dadurch, dass sie eine Ver¬ 
besserung körperlicher und geistiger Fähigkeiten der Ueberlebenden, des 
heranwachsenden Menschengeschlechts mit sich bringt“. Das heisst aber 
nichts anderes, als dass Langstein das Ideal der Rassenhygiene als in 
höchster Instanz entscheidend anerkennt. Ja, er ist darin sogar noch 
rassenhygienischer als die meisten Rastenhygieniker selber. Wir verlangen 
nämlioh durchaus nicht von jeder Einrichtung, dass sie eine Verbesse¬ 
rung der Rassentüchtigkeit mit sioh bringe; wir sind schon sehr zu¬ 
frieden, wenn sie keine Verschlechterung bringt. Selbst auch Einrich¬ 
tungen, die für sioh allein eine Verschlechterung der Rassentüchtigkeit 
bedingen würden, nehmen wir in Kauf, wenn zugleich durch grosszügige 
Maassnabmen anderer Art der Schaden wieder gut gemacht wird. Das 
ist allerdings unerlässlich; und es ist nach Langsteins eben an¬ 
geführten Worten gar nioht anders möglich, als dass er bereit und ent¬ 
schlossen ist, dabei mitzuwirken. Ich gebe mich dieser Hoffnung um so 
lieber hin, als er in seinem Vortrage grossen Nachdruck darauf legt, 
dass „die durch Zeitströmungen und Sohlagworte nicht beeinflussbare, 
alle Sünde wider sie früher oder später unerlässlich rächende Wissen¬ 
schaft“ der einzige Leitstern seiner Arbeit sei 1 ). 


BOcherbesprechungen. 

E. Eichwald und A. Fodor: Die physikalisch chemischen Oraadlagea 
der Biologie. Mit einer Einführung in die Grundbegriffe der höheren 
Mathematik. X. 150 Seiten. Berlin 1919, Verlag von J. Springer. 

Immer mehr bricht sich die Einsicht Bahn, dass ohne die genaue' 
Kenntnis physikalisch-chemischer Vorgänge/ ein wirkliches Verständnis 
der Biologie nicht zu erreichen ist. Damit wächst auch das Bedürfnis 
nach Büchern, die diese Kenntnis vermitteln sollen. Diesem Bedürfnis 
trägt nun das vorliegende Werk Rechnung. Nach einer Uebersicht 
über die Methoden der bisherigen Forschung bringt ein Kapitel von 
etwa 60 Seiten die Grundtatsachen der Differential- und Integral¬ 
rechnung. Dann folgen die Abschnitte über den Zustand der Materie 
(der gasförmige, flüssige, feste Zustand, verdünnte Lösungen, Ober- 
flächenerscheinuDgen, Kolloide), die Atomtheorie und. Strukturlehre, 
Kinetik der chemischen Reaktionen (mit den Fermentvorgängen), die 
Lehre von der Energie (erster, zweiter Wärmesatz, Anwendungen der 
Thermodynamik, Elektrochemie, Photochemie). Da wir vorzügliche Lehr¬ 
bücher der höheren Mathematik in jedem Umfang und mit Berück¬ 
sichtigung aller möglichen Bedürfnisse glücklicherweise in grosser An¬ 
zahl in der deutschen Literatur besitzen, Lhätte das betreffende Kapitel 
wohl besser wegbleiben sollen. Dadurch hätte Raum gewonnen werden 
können für eine breitere Darstellung mancher verwickelter Probleme 
(z. B. Kristallstruktur, 3. Wärmesatz), die in der jetzigen knappen 
Fassung nicht ohne weiteres einem vollen Verständnis bei nicht genügend 
vorgebildeten Lesern begegnen dürften. Andererseits muss zugegeben 
werden, dass der reichhaltige Inhalt des Werkes, in welchem die 
neuesten Forschungsergebnisse stete Berücksichtigung finden, viel Be¬ 
lehrung und Anregung gibt und das Werk seinen Weg voraussichtlich 
finden wii;d. _____ F« Rona. 


?. Domarns: Tasckenbneh der kliaisckei] Hämatologie. 2. Auflage. 
Leipzig^l919. Verlag von Thieme. 187 S. 

Das zuerst im Jahre 1911 erschienene und damals von mir in dieser 
Zeitschrift besprochene Taschenbuch des Verf. kommt jetzt in 2..Auflage 


1) Anmerkung der Redaktion: Herr Prof. Langstein schreibt 
uns hierzu, dass er auf eine Erwiderung verzichte, sioh aber Vorbehalte, 
in einer sich in Vorbereitung befindenden, umfassenden Arbeit sich mit 
der Angelegenheit auseinanderzusetzen. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT'. 


Nr. 48. 


heraus. Trotz Vermehrung des Inhalts ist der Umfang des kleinen, sehr 
brauchbaren Werkes nioht grösser geworden. Es enthält eine Tafel, 
welche das Aussehen 4er verschiedenen Formen der Blutzellen bei May- 
Grünwald-Färbung zeigt. Ein Kapitel über die Röntgenbehandlung der 
Blutkrankheiten ist von H. Rieder verfasst. Wer sich schnell über die 
wichtigsten Fragen auf dem Gebiet der Hämatologie orientieren will, 
wird mit Erfolg das Tasohenbuoh von v. Domarus zu Rate ziehen 
können. * H. Hirschfeld. 


&. Baiseh: Leitfaden der geburtshilflichen and gynäkologischen 
Untersuchung. Leipzig 1919. Verlag von Georg Thieme. 

Die S. Auflage zeigt gegenüber der 1918 erschienenen 2. keine 
wesentlichen Aenderungen. Es genügt daher, auf die empfehlenden 
.Worte hinzuweisen, die der 2. Auflage in Nr. 28 dieser Zeitschrift, 
S. 1080, gewidmet wurden. L. Zuntz. 


E. Bofmann: Die Behandlung der Haut- nnd.Besehleehtskrankheiten. 

Zweite vermehrte Auflage. Bonn 1919, Verlag von A. Marcus und 
E. Webers. Preis ungeb. 5,60 M. 

Naoh wenig mehr als Jahresfrist hat sich schon eine zweite Auflage 
des Hoffmann’schen Büchleins notwendig gemacht. Mit grossem 
Geschick bat Verf. verstanden, auf engem Raum eine ausführliche und 
recht vollständige Therapie der Haut- und Geschlechtskrankheiten zu 
bringen, die auch bei den schwierig in kurze Darstellung zu fassenden 
Kapiteln, wie z. B. bei der Ekzembehandlung, allen verschiedenen 
Stadien der Entwicklung der Erkrankung, Besonderheiten der Lokali¬ 
sation usw. vollkommen gerecht wird. Auch die Gonorrhoe- und Lues¬ 
therapie sind bei aller Kürze eingehend und dabei klar und präzise 
geschildert. So ist das Hoffmann’sche Buch in der Tot gut geeignet, 
auch weiterhin vielen Aerzten ein zuverlässiger Wegweiser auf diesem 
Gebiet zu werden. C. Brubns - Charlottenburg. 


Eduard R. v. Hofmann: Lekrbueh der gerichtliche! Medizin. 10. Aufl. 
Vollständig umgearbeitet von Dr. A Ibin Haberda, o.ö. Professorder 
gerichtlichen Medizin in Wien. Mit neuer Bearbeitung des psy¬ 
chiatrischen Teils von Dr. JuÜub v. Wagner - Jauregg. I. Teil, 
mit 127 Textabbildungen. 500 S. Preis 18 M. 

Ein bewährtes Lebrbuch zu empfehlen, ist für den Referenten immer 
eine Freude, und wenn Haberda Hofmann’s Lehrbuch als klassisch 
bezeichnet, so wird dieser Ausspruch nirgendswo in Fachkreisen Wider¬ 
sprach finden. Hofmann’s Lehrbuch hat vom Jahre 1878 bis zu dem 
vor. 21 Jahren erfolgten Tode v. Hofmann’s 8 Auflagen erlebt. Der 
Nachfolger Hofmann’s auf der Wiener Lehrkanzel A. Kolisko besorgte 
im Jahre 1905 die 9. Auflage. Kolisko ist seinem Vorgänger io das 
Reich der Schatten gefolgt, und nun hat Haberda, der gegenwärtige 
Inhaber des Wiener Lehrstuhls für gerichtliche Medizin in völlig neuer 
Umarbeitung das Hofmann’sohe Lehrbuch zum 10. Male erscheinen 
lassen. Heute liegt uns der 1. Band*vor, der 2. Band soll in Jahres¬ 
frist folgen mit einer neuen Bearbeitung des psychiatrischen Teils durch 
v. Wagner - Jauregg. Der 1. Band umfasst neben der Einleitung und 
dem formellen Teil 4 Hauptabschnitte. Der 1. Hauptabschnitt handelt 
von der Zeugungsfähigkeit und den Zwittern, der 2. von der gesetz¬ 
widrigen Befriedigung des Geschleohtstriebes, der 3. von den Fragen der 
Schwangerschaft, der Gehurt und der Fruchtabtreibung, der 4. von den 
gewaltsamen Gesundheitsbeschädigungen und dem gewaltsamen Tode. 
Mehr brauoht augenblicklich der Referent über dieses Buch nioht zu 
sagen, denn, dass der Leser alle Fragen, die er haben kann, von einer 
reichen Erfahrung beantwortet findet, versteht sich bei den Namen 
v. Hofmann - Haberda von selbst. Nirgendwo strömen die Quellen 
geriohtsärztlicher Erfahrung so reiohlich wie in Wien. Als die letzte 
Naturforscherversammlung vor dem Kriege uns in Wien vereidigt hatte, 
wurden wir von neuem mit Bewunderung für die Fülle des Materials 
und die Sammel- und Lebrkunst der Wiener Kollegen erfüllt. Ein 
Meister unseres Faches lässt uns in diesem Buche an dem teilnehmen, 
was er selbst an jener klassischen Stätte in langen Jahren gesehen und 
wissenschaftlich erlebt hat. Marx-Berlin. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

A. Kossel und S. Ed lbac her-Heidelberg: Ueber die Methylierung 
von Dipeptiden. (Zschr. f. phys. Chem., Bd. 107, H. 1.) Bei der Methy¬ 
lierung von Dipeptiden mit dem Dimetbylsulfat wird der Eintritt von 
drei Metbylgruppen in das Dipeptid beobachtet. In der Regel wird die 
an der Peptidbindung beteiligte Imidgruppe nicht angegriffen, sondern 
es werden nur die freien Amidogruppen unter Bildang von betainartigen 
Körpern substituiert. Aus dem Glyzylglyzin entsteht ein Trimethyl- 
derivat von folgender Konstitution: 

N(CH 8 ) 8 —0—CO 

I I ' 

CH,—CO—NH—CH, (Betain). 


Das dl-Alanylglyzin ergibt: 

. N(CH 8 ) 8 OH 

I 

CH a -CH*-CO-NH-CH,-COOH 
oder das entsprechende Betain. 

S, Edlbaeher-Heidelberg: Ueber die freien Amidogruppen der 
Eiweisskörper. I. Mitteil. (Zschr. f. phys. Chem., Bd. 107, H. 1.) Verf. 
untersucht das Verhalten einer Reihe von Eiweisskörpern gegen Dimethyl- 
sulfat in alkalischer Lösung, um durch die Bestimmung der Anzahl der 
am Stickstoff eingetretenen Methylgruppen Rückschlüsse auf die Zahl 
der ursprünglich vorhandenen freien Amidogruppen im Proteinmolekül 
ziehen zu können. Die durch Methylierung bestimmten freien Amido¬ 
gruppen werden zum Gesamtstickstoff in Beziehung gesetzt und auf diese 
Weise ermittelt, wie viel Methylgrappen auf je 100 Atome Stickstoff bei 
erschöpfender Behandlung mit Dimetbylsulfat in alkalischer Lösung an 
Stickstoff gebunden werden. Diese „Melhylzahl“ wird mit der nachdem 
Soerensen’schen Formoltitrationsverfahren ermittelten Anzahl Amido¬ 
gruppen verglichen, und es gelingt, auf diese Weise scheinbar ganz 
gleichartige Eiweisssubstanzen in exakter Weise voneinander zu unter¬ 
scheiden, da mit fortschreitender Spaltung zunächst sich das Verhältnis 
von Formol- und N-Methylzahl verändert, um dann für den ganzen 
weiteren Verlauf der Reaktion konstant zu bleiben. 

E. Abderhalden und H. Spinner-Halle: Einwirkung von Pjm- 
lidouyleklorid auf Leuzinäthyleeter. (Zschr. f. phys. Chem., Bd. 107, 
H. 1.) Durch Einwirkung von dl-Pyrrolidonylohlorid auf dl-Leuzinätbyl- 
ester wird der dl-Pyrrolidonylleuzinester 

CO * 0 " C 2 H B 

I 

CO'NH * CH * (CH 2 ) 8 • CH 8 

I 

CH NH 

I 

CH, 

I 

CH, 

I 

co— 

dargestellt. Smp. bei 147—148°. Als Nebenprodukt wurde hierbei der 
Glutaminylleuzinätbylester gewonnen. Anhangsweise wird der 1-Leuzin¬ 
methylester beschrieben. 

C. und J. Christiansen-Kopenhagen: Ueber die Balloelektrizität 
amphoterer Stoffe. (Zschr. f. phys. Chem., Bd. 107, H. 1.) Mit Hilfe der 
balloelektrisohen Methode werden die isoelektriscben Punkte der Ampho- 
lyten: Eiweiss uud Aminosäuren, untersucht. Daroh gleichzeitige Vor¬ 
nahme balloelektrischer Messungen und Festlegung der isoelektrischen 
Punkte mittels Viskosimetrie sowie Nachweis freier Salzsäure (beim 
Neutralisieren des Eiweisses) wird festgestellt, dass der isoelektrische 
Punkt einiger Ampholyten (z. B. Albumin, Leuzin usw.^ auch iso-ballo- 
elektrisch ist, d. h. dass die betreffenden Lösungen bei der Wasserstoff- 
ionenkonzentration des isoelektrischen Punktes gleich viele positive und 
negative Elektrizitätsträger beim Spritzen an die Luft abgeben. Andere 
Ampholyten dagegen (z. B. Glyzin, Alanin) zeigen keinen iso-balloelek- 
trischen Punkt. Dieses unterschiedliche Verhalten wird auf den Grad 
der Hydratisation der Ionen zurückgeführt. 

W. Stepp -Giessen: Beiträge zur Kenntnis der reduiierendon Sub¬ 
stanzen des Blutei. Vergleichende Bestimmungen des „Blutzuckers* 
durch Reduktion, Polarisation und Garung bei einigen Fällen von Dia¬ 
betes und Nephritis. (Zschr. f. phys. Chem., Bd. 107, H. 1.) Bei der ver¬ 
gleichenden Bestimmung des „Blutzuckers“ durch Reduktion und Pola¬ 
risation zeigt die Reduktion fast durchweg einen höheren Blutsuckerwert 
an als die Drehung, während der mit Hilfe des Lohnstein’schen Präzisions- 
Gärungssaoobarimeters direkt durch Gärung bestimmte Wert mit dem 
durch Polarisation erhaltenen gut übereinstimmt. Auf Grund der unter¬ 
suchten Fälle kommt der Verfasser zu dem Schlüsse, dass der bei der 
Redaktion erhaltene Wert nicht ausschliesslich duroh die Anwesenheit 
von. Glukose bedingt ist, sondern dass sich an der Gesamtreduktion des 
Blutes noch andere Substanzen (fiüohtige und nichtflüchtige) beteiligen. 

Hirsch. 


Pharmakologie. 

A. Perutz: Ueber den Nachweis gefälschter Salvarsaupr&parate. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 41.) Die erste Probe beruht auf der Fällung von 
Metallionen durch Schwefelammon; dieses verändert Salvarsanlösungen 
nicht. Die zweite Probe ist die von Abelin angegebene Diazoreaktion 
auf Salvarsan. Es ist zweckmässig, folgendermaassen bei intravenösen 
Salvarsaninjektionen vorzugehen: Man hält sioh drei Eprouvetten bereit 
In Eprouvette 1 und II kommen etwa 4 ccm Wasser, in Eprouvette III 
3 ccm des Abelin’schen Resorzinreagens. Hierauf wird das Salvarsan 
aus der Ampulle genommen, gelöst, in die Injektionsspritze gegeben 
und einige Tropfen davon den Eprouvetten I und II zugesetzt; hierauf 
zu Eprouvette 1 Sohwelelammon, zu Eprouvette II Natriumnitrit und Salz¬ 
säure, dann der Inhalt der Eprouvette II tropfenweise zu Eprouvette IH 
gegeben. Ist in der Eprouvette I kein Niederschlag entstanden und hat 
sich in der Eprouvette III die Lösung rot gefärbt, so ist das Salvarsan 
einwandfrei. Endlioh sei daran erinnert, dass ein dunkles oder zitronea- 


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1. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1148 


gelb gefärbtes Präparat entweder eine Fälschung oder ein hocbtöxisohes 
Salvarsanoxydationsprodukt ist und dass ein schwer in Wasser lösliches 
Präparat auf Fälschung verdächtig ist. Glaserfeld. 


Therapie. 

T. Eonteschweller: Fieberbehaidlnng. p (La presse möd., 1919, 
Nr. 45) Fiebererregend sind: intravenös Na. nuclein. in Mengen von 
einigen Milligr. bis Zentigr. Vakzinen; fast imme* 1 Neosalv^rsan (! Ref.); 
intramuskulär Milch (5—10ccm); Hg, insbesondere 01. einer. (!); ferner 
Serum. Per os höchstens Hg. Günstig wirkt das Fieber bei den meisten 
akuten und chronischen Infektionskrankheiten, Absolute Kontraindi- 
kation sind die akute Lungentuberkulose und nioht kompensierte Herz¬ 
klappenfehler alter Leute; relativ hochgradiges Lungenemphysem. Un¬ 
mittelbar nach der Einspritzung tritt Leukopenie, im Fieber Leukozytose 
auf. Besonders bei der Septikämie scheint die Fiebererzeugung der 
einzige Weg zur Behandlung zu sein. Bei der Lues zeigte die Erfahrung, 
dass Sekundärersebeinungen bei interkurrentem Fieber unterdrückt 
wurden oder unter Auftreten einer Herxheimer’schen Reaktion rasch 
verschwanden; Birch erzielte letzteres durch Tuberkulin. Man hat 
auch gesehen, dass Syphilitiker mit länger dauerndem Fieber von Para¬ 
syphilis verschont blieben. Auch das Neosalvarsan, das nioht spezifisch 
ist (Malaria und andere Krankheiten), wirkt in vivo wohl nicht bakterizid 
und nur indirekt. Dagegen sind die Antipyretika bei der Tuberkulose 
angebracht, wo Fieber sohadet, worauf auch die ungünstige Wirkung 
des Tuberkulins zurückzu führen ist. Krakauer. 

S. Ostroski: Ueber Tiefenantisepsis mit Chininalkaloiden, mit 
besonderer Berücksichtigung der Vminbehandlnng. I. (Ter. d. Gegenw., 
Okt. 1919.) Die Untersuchungen wurden teilweise im chirurgischen Re¬ 
servelazarett Tiergartenhof, teilweise auf der chirurgischen Abteilung 
des stätischen Krankenhauses Moabit angestellt. Als Präparate wurden 
angewahdt: OptoChin (Aethylhydrokuprein), Eükupin (Isoamylhydro- 
kuprein) und da& Vuzin (Isoktylhydrokuprein). Als ein besonders stark 
wirkendes Örtliches Antiseptikum erwies sich das Vuzin, welches imstande 
ist, Bakterien auoh im eiweisshaltigen Medium abzutöten. Günstig wurden 
durch das Vuzin beeinflusst Drüseneinschmelzungen, Karbunkel, phleg¬ 
monöse Furunkel und das Erysipel. Die sehr verwickelten Beziehungen 
swisohen den neuen Antiseptizis, den Geweben und den Bakterien sind 
noch nioht geklärt. R. Fabian. 

S. Loewe und G. Magnus -.Göttingen-Marburg: Zur Pharmakologie 
der Wundbehandlung: III. Mitt. (Ther. Mh., Sept. 1919.) Schluss. 

Bertkau. 

R. Purokhauer - München: Zur Behandlung schlecht heilender 
Narbengeschwiire. (M.m.W., 1919, Nr. 45.) Es wird folgende, einfache 
Methode empfohlen: Auskratzung des Geschwürs mit dem scharfen 
Löffel, zirkuläre Umsohneidung desselben bis auf die Faszie und Mobili¬ 
sierung des Randes gegen die Unterlage. Näherung der Wundränder 
durch Heftpflasterstreifen. Unter strikter Bettruhe heilen dabei schon 
lange Zeit bestehende Geschwüre in kurzer Zeit. R. Neu mann. 

M. Miohael - Frankfurt a. M.: Die Behandlung der Bartflechte. 
(Ther. d. Gegenw., Okt. 1919.) Vortrag, gehalten in einem ärztlichen 
Verein. R. Fabian. 

R. Meissner - Breslau: Ueber Neben Wirkungen einiger neuerer 
Schlafmittel (Lumina!, Nirvanol). (Ther. Mh., Sept. 1919.) Mitteilung 
eines Falles von schweren Intoxikationserscheinungen, hohem Fieber, 
Exanthemen und psyohischen Störungen nach mehreren Luminalinjek- 
tionen, sowie zweier Fälle, in denen ähnliche Erscheinungen nach mehr¬ 
fachem Einnehmen von 0,5 Nirvanol aufgetreten waren. Bei dem einen 
entwickelte sich auch eine stark sezernierende Blephare-conjunctivitis. 

> Bertkau. 

E. Kisch - Berlin: Zur Frage der Behandlung der äusseren Tuber¬ 

kulose. (M.m.W., 1919, Nr. 45.) Die Sonnen-, Stauungs- und Jod¬ 
behandlung, wie sie in den Heilanstalten für äussere Tuberkulose in 
Hohenlyohen geübt wird, zeitigt auch in den schwersten Fällen von 
Gelenk- und Knochentuberkulose glänzende Heilungsresultate. Die 
Tuberkulinkur kann in einer Anzahl von Fällen zur Unterstützung mit 
herangezogen werden. Die Behandlung naoh diesen Prinzipien in der 
Ebene ist nicht von längerer Dauer als im Schweizer Hochgebirge und 
gibt ebenso gute Resultate. Da die Anstalten für die grosse Zahl der 
chirurgischen Tuberkulosen nicht ausreichen, so ist von dem Verf. für 
Berlin der erfolgreiche Vorschlag gemacht worden, an der Peripherie 
der Stadt auf umzäunten Wiesen unter Aufsioht ausgebildeter Schwestern 
Sonnen- und Freilufttherapie sowie künstliche Bestrahlung ausüben zu 
lassen. R. Neumann. 

F. Baum-Berlin: Ueber Tnberknlosebehandlnng mit lebendes 

avirulentekKaDbltttertuberkilosebazillei. (Ther. d. Gegenw., Okt. 1919.) 
Günstige Erfolge bei der Hilustuberkulose der Kinder, die in sehr un¬ 
günstigen Verhältnissen lebten. Dosis 0,25 oem Ktb.-Emulsion intra- 
glutäal. Bei der Infiltration, die keine Resorption naoh der Injektion 
zeigten, nahm Verf. eine tägliche Bestrahlung mit normaler oder künst¬ 
licher Sonne oder Röntgenlicht für 3 Minuten vor. R. Fabian. 

M. Per rin: Behandlung der Lnngengangrän durch Amntherapie. 
(La presse möd,, 1919, Nr. 54.) Bei 2 Fällen von Lungengangrän, in 
deren Auswurf neben anderen Mikroorganismen die Symbiose von Baoill. 
fusif. und Spirillen nachweisbar war, wurden durch intravenöse Neo- 
salvarsaninjektlonen beste Erfolge erzielt. Krakauer - Breslau. 


H. Zondek-Berlin: Behandlung der Herzdilatationen bei Schild- 
driueninsnffizienz, (Ther. d. Gegenw., Okt. 1919.) Gute Erfolge erzielte 
Verf. mit Thyreoidin. Die Herzgrösse ging von extremster Dilatation 
zur normalen Grösse zurück, Verschwinden der myxödematösen Symptome. 
Beim Elektrokardiogramm stellten sich sowohl Vorhofszacke als auch 
Nachschwankung wieder ein. Am besten wirkte das Präparat in Form 
von Thyreoidinpulvern (3 mal tägl. 0,1), weniger gut in Tabletten. Dar¬ 
reichung über etwa 8 Wochen, darauf Aussetzen für 2 Wochen, um daun 
nach Angaben des Pat. über einsetzende Beschwerden wieder von neuem 
zu beginnen. Das Th. wird gut vertragen. R. F.abian. 

L. Schliess -.Baden-Baden: Der Unfug mit Phenolphthalein. 
(M.m.W, 1919, Nr. 45.) Es wird dringend vor dem immer mehr zu¬ 
nehmenden, schrankenlosen Gebrauch des Phenolphthaleins, das schon 
wiederholt schwere Vergiftungen, besonders hämorrhagische Nephritis, 
verursacht hat, gewarnt. Sch. hat eine „schwarze Liste“ von 72 phenol- 
phthalinhaltigen Medikamenten zusammengestellt. R. Neumann. 

G. Klemperer und L. Dünnet: Krankheiten des Verdauungs¬ 
apparates. IV. Behandlung der Darmkrankhpiten. (Ther. d. Gegenw., 
Okt. 1919.) Repetitoriutn der Therapie. R. Fabian. 

E. Schiff: Die Behandlung der» Dysenterie mit Formalineinläufen. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 41.) Von einer 1 proz. Formalinlösung wurden 
täglich zweimal je 300 ccm als Einlauf gegeben. Schon binnen der 
ersten Tage setzten die blutigen Entleerungen der meist mit dem Shiga- 
Kruse’sohen Bazillus infizierten Kranken aus; die Zahl der Stühleund 
der Stuhldrang nahmen ab. Die Formalineinläufe haben aber, solange 
die Sohleimbaut sehr erkrankt ist, die Unannehmlichkeit der Schmerz¬ 
haftigkeit; mit dem Heilungsprozess nehmen die Schmerzen ab. 

Glaserfeld. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

H. Sternberg: Ueber zwei Fälle von Dirchbrneh der Aorta in 
die Arteria pulmonalis. (W.kl.W., 1919, Nr. 42.) Im ersten Fall 
handelt es sich um ein Aneurysma der vorderen Aortenwand knapp 
oberhalb der Klappen, welches an typischer Stelle in die Pulmonalis 
durebgebroohen ist. Im zweiten Fall handelt es sich um zwei Perfora¬ 
tionen an der vorderen Aortenwand, die eine in den Hauptstamm, die 
andere in den linken Hauptast der Aorta pulmonalis. Bei dem in die 
Pulmonalisarterie führenden Durohbruch haben wir es mit einer Per¬ 
foration einer durch alle Schichten atheromatös erweichten Aortenpartie 
in die vor der Perforation mit der Aorta verwachsene Pulmonalis zu tun. 

Glaserfeld. 

G. B. Grub er: Ulknsfträger nnd Ulknskranke. (M.m.W., 1919, 
Nr. 45.) Entgegnung auf die Bemerkungen Plaut’s in einer früheren 
Nummer der M.m.W. Naoh Gruber ist der Ulkusträger im Gegensatz 
zu Plaut auoh ulkuskrank, wenn auoh das Ulkus keine klinisch nach¬ 
weisbaren Symptome zeigt. R. Neu mann. 


Parasitenkunde und Serologie. 

R. Debrö und R. Letulle: Die SohnelldiagDose des Diphtherie- 
bazillus bei Anginen nnd Bazillenträgern. (La presse mödicale, 1919, 
Nr. 51, S. 515.) Am besten ist die Doppelfärbung, welche die Babes- 
seben Polkörperchen zur Anschauung bringt. Ihre Technik ist: 20stän¬ 
dige Kultur auf 3 Teile Hammel- oder Rinderserum und 1 Teil 1 proz. 
Glukosebouillon; Ausstrich aller verdächtigen Kulturen und Färbung 
naoh Gram sowie modifizierter Neisserfärbung mit Methylenblem 1,0, 
95 proz. Alkohol 20,0, Aqu. dest. 950,0, Acid. acet. oryst. 50,0; 2 maliges 
Erhitzen bis zur Dampfbildung, dann 5 Minuten Färben, schnell ab¬ 
spülen und 10—20 Sekunden Färben mit Vesuvin 0,5,.Aqu. dest. 250,0, 
(kochend filtriert); danach schnell mit Aqu. dest. abspülen. Die D. 
sind dann braun und tragen an den Enden, meist beiden, tiefsohwarze 
regelmässige, mehr ovale als runde Körpereben, die dicker sind als die 
D. Sehr wichtig ist, dass nicht alle Bazillen einer Reinkultur diese 
Körperchen tragen; aber niemals Ps. d. diese Körperoben aufweisen mit 
Ausnahme des Baoterium cutis commune. Krakauer. 

R. Penecke-Troppau: Zur Verwendbarkeit des Gassner’schen 
Dreifarbennährbodens bei der bakteriologischen Typbns- and Ruhr¬ 
diagnose. (W.kl.W., 1919, Nr. 41.) Wegen der um 50pCt. besseren 
Untersuchungsergebnisse, der leiohten Herstellbarkeit der gegossenen 
Platten, des billigeren Preises ist der Gassner'sche Nährboden geeignet 
im weitesten Maasse zur bakteriologischen Typhus- und Ruhrdiagnose 
herangezogen zu werden und den Drigalskiagar zu ersetzen. 

Glaserfeld. 

A. Eh Wright: Die Lehren des Krieges und neue Ausblicke auf 
dem Gebiete der Imunnotherapie. (La presse medicale, 1919, Nr. 45, 
S. 445—454.) 2 grosse Lehren gab der Krieg: 1. Die Schutzkörper des 
Körpers können unter geeigneten Bedingungen — Entfernung der ab¬ 
gestorbenen und schwer infizierten Teile, Annäherung der Wundränder 
— die Wundinfektion, gleichgültig weloher Art sie ist, ohne Anti¬ 
septika beherrschen. 2. Der Erfolg der Typhussohutzimpfung. Die 
Vakzinetherapie bleibt erfolglos, wenn bereits Allgemeinstörungen 
vorliegen, oder bei geschlossenen Abszessen oder Wunden mit gangrä¬ 
nösen Gewebstrümmern;. Bei alten Infektionen ist ihre Wirkung herab¬ 
gesetzt. Leukozyten und andere Blutbestandteile enthalten normal 
Abwehrkräfte, die Phylaxie; das Vermögen, sie an den Krankheitsherd 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


i 


su bringen, ist die Kataphylaxie; antikataphylaktisoh wirken Kälte, 
Kollapse, Herabsetzung der Lympbalkalität duroh Azidosen. Die 
normalen pbylaktischen und kataphylaktiscben Kräfte können ver¬ 
mehrt werden durch Epipbylaxie; Epipbylaxie tritt z. B. ein bei In¬ 
okulation mit angepasaten Dosen. Unmittelbar auf eine Inokulation mit 
starken Dosen folgt jedoch die negative oder apopbylaktische Phase. 
Punkte, an denen die Abwehrkräfte ausgeschaltet oder ohnmächtig sind 
(s. B. durch Kälte, Zirkulationsstörung, oder, am häufigsten, Bakterien), 
heissen ekphylaktisch. Kataphylaktisch wirkt die Erzeugung neuer 
Leukozytenwanderung, die Einführung neuen physiologischen Serums, die 
Ausschwemmung der ekphylaktißchen Säfte. Hierzu können Inzisionen 
mit oder ohne Saugung, Zufuhr hypertonischer Salzlösungen, wobei der 
„Diffusionsdruok* wirkt, oder reizender, lymphagog wirkender Lösungen 
wie die Dakin’sche Lösung. Hitze, Massage, Bier’sohe Stauung wirken, 
ebenso durch Vermehrung der Transsudation, indem sie ekphylaktische 
Stoffe heraus- und kataphylaktische heranleiten. Bei septischen Kriegs¬ 
wunden stellte sich die Kataphylaxierung durch hypertonische Lösungen 
als die beste Behandlung heraus. Die meisten Mikroben vermehren sioh 
nur in einem Blut, dessen antitryptische Kraft durch Trypsinvermehrung 
oder dessen Alkalinität herabgesetzt ist, diese heissen Serosaprophyten. 
Einige Arten, unter ihnen Staphylo- und Streptokokken, entwickeln sioh 
auch in unverändertem Blut: Serophyten. Danach unterscheidet man 
„infizierte* Wunden mit einem Exsudat verminderter antitryptisoher 
Kraft und multiformer serosapropbytisoher Infektion und reine („propre*) 
Wunden mit Exsudat von erhaltener antitryptischer Kraft und reiner 
serophytischer Infektion. Duroh Zufuhr gesunder Blutflüssigkeit kann 
eine serosaprophytisch infizierte in eine seropbytisch infizierte Wunde um¬ 
gewandelt werden. Nach dieser Umwandlung wird aber neue Zufuhr 
von Blutflüssigkeiten nur Nährboden für die Serophyten hinzufügen. 
Letztere müssen dann duroh Zufuhr von Leukozyten bekämpft werden, 
wie das Experiment (Serophytensaat auf die 3 Schichten defibrinierten, 
zentrifugierten Blutes, nämlich Serum, Leukozyten und Erythrozyten; 
Leukozytensohicht wird steril) beweist. Experimentell lässt sich auch 
zeigen, dass die Leukozytenmikroben nicht nur im Serum suspendierte 
Mikroben durch Phagozyten vernichten, sondern auoh in Salzlösungen 
ohne Phagozytose. Diese Fernwirkung heisst „telergiscb*. Temperaturen 
von 48° an töten die Leukozyten und heben ihre phagozytäre und teler- 
gische Kraft auf. Krakauer. 

F. Mras u. R. Brandt: Beitrag zur Frage der Goldselreaktion in 
Liquor cerebrospinalis (Untersuchungen am Leichenliquor). (W.kl.W., 
1919, Nr. 42.) Leichenliquores von nicht luischen Individuen geben 
mit einer gewissen Gesetzmässigkeit positive Goldsolreaktionen, und zwar 
mit einer für positive Liquores von Syphilitikern charakteristischen 
Kurve. — Im Anhang beschreibt F. Schaffer eine Modifikation der 
Eioke'schen,Herstellungsmethode der Gbldsole. Glaserfeld. 


Innere Medizin« 

Brünecke-St. Andreasberg: Grippe als Auslösungstaktor von 
akutem Addisoa, günstige Beeinflussung dieses duroh Partial Antigeu- 
bekaadlung (Deycke-Mnch.). (Th.Mh., 83. Jg., Sept. 1919). Bei einem 
angeblich seit Jahren „skrofulösen*, wegen beginnender Ulnatuberkulose 
(bei rechtsseitiger Hilusdämpfung und positiver Tuberkulinprobe) in Be¬ 
handlung befindlichen, 12jährigen Mädchen tritt am 4. Krankheitstage 
einer heftigen Grippe ein schwerer Addison auf. Nach täglichen Injek¬ 
tionen der Partigene A, F, N trat unverkennbare Besserung ein, der 
Blutdruck stieg von 70 mm auf 85, das Körpergewicht nahm um 3,5 kg 
zu, die Hautpigmentierung ist abgeblasst. Das Kind ist noch etwas 
schwächlich, kann aber im Freien spielen. Die Injektionen wurden gut 
vertragen, erzeugten kein Fieber; nur trat in den letzten 8 Behandlungs¬ 
tagen massig starker Kopfschmerz auf. Bert kau. 

R. Kaldeck: SpeutanfrakUren des Obersehenkelkalses bei Jugend¬ 
lichen. (W.kl.W., 1919, Nr. 41.) Die sonst nur in höherem Alter auf¬ 
tretenden, zurzeit in Wien bei der ärmsten Gesellscbaftsschicht der 
städtischen Bevölkerung häufigeren, ohne jedes Trauma entstehenden 
Obersohenkelhalsspontanbrücbe beruhen auf trophischen Störungen des 
Skelettes, die durch die jahrelange ohronische Unterernährung bedingt 
sind. _ Glaserfeld. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

P. Ravant: Wann soll man den Liqaor cerebrospinalis eines 
Syphilitikers untersuchen? (La presse mödicale, 1919, Nr. 57.) Be¬ 
obachtungen an 1000 Lumbalpunktionen bei 1000 Syphilitikern ergeben, 
dass bei Kranken ohne klinisch-nervöse Symptome sich im Liqaor bei 
über 90 pOt. Veränderungen finden; die Prozentzahl sinkt dann nach 
3 Jahren allmählich ab, in den ersten 10 Jahren der Syphilis bis auf 
etwas mehr als 20 pOt., bleibt dann 10 Jahre ungefähr konstant, um 
dann wieder zu sinken. Genau umgekehrt verhält sioh die Kurve bei 
Kranken mit klinisch-nervösen Zeiohen: in den ersten 3 Jahren haben 
Li quer Veränderungen nur wenige Prozente, dann steigt bis zum 11. Jahre 
der Lues die Zahl der Abweichungen auf über 80 pOt. Daher punktiere 
man Kranke ohne nervöse Symptome zwisohen dem 4. und 10 Jahre der 
Luob, um die Periode der latenten Septikämie zu vermeiden; gibt der 
Liquor dann einen positiven Befund, so ist diQ Behandlung fortzusetzen 
bis zur Norm, um eine Nervenlues möglichst zu vermeiden; ist er nega¬ 
tiv, so wiederhole man die Punktion im 10. Jahr unter den gleichen 


Gesichtspunkten. Kranke mit Nervensymptomen punktiere man alsbald, 
ohne Rücksicht auf das Alter der Lues. Die Einzelheiten des Liquor¬ 
befundes geben Aufschluss über die Schwere der Meningitis. Bei Kran¬ 
ken mit verdächtigen nervösen oder psychischen Symptomen punktiere 
man ebenfalls sofort, um die organische oder funktionelle Natur dm 
Symptome festzustellen. Hat ein Kranker ohne klinisch nervöse Zeiehen 
aber positiven Liquorbefund, so liegt eine sioh entwickelnde Menin¬ 
gitis vor und eine Indikation zur weiteren Behandlung, unter deren Ein¬ 
fluss meist, nicht immer, ein Stillstand erhofft werden kann. Bei 
negativem Liquorbefund wird meist keine Meningitis vorliegen; doch 
gilt diese Sicherheit nicht für alle Zukunft. Krakauer. 

F. Deutsch: Ein ungewöhnlicher Fall von Plexusllhmuug. (W.kl. 
W., 1919, Nr. 43.) Nach Abheilung eiuer Schrapnell Verletzung der linken 
Schulter ist in den Mm. deltoideus, biceps, brachialis, bracbioradialis, 
pronator teres und supinator brevis völlige EntartuDgbreaktion feststell¬ 
bar, während alle übrigen Muskeln normale Erregbarkeit und gute Mo¬ 
bilität zeigen. Die Sensibilität ist stark herabgesetzt im Bereiche des 
Nervus axillaris und cutaneus antebracohii lateralis, leicht gestört im 
distalen Medianusgebiet. Der Arm kann seitwärts bis 80° unter Mit¬ 
bewegung der Skapula gehoben werden. Die Beugung des Ellbogen¬ 
gelenks gelingt nur aktiv, wenn es auf irgend eine Weise um 10° passiv 
gebeugt wird. 

0. Klaus*. Ein kasuistischer Beitrag zur kiudliefceu Hysterie. (W. 
kl.W., 1919, Nr. 43.) In einer Familie wollte es das Unglöok, dass in 
zwei Jahren hintereinander, an einem Tage, ein Kind geboren wurde, 
am selben eines starb oder tödlich erkrankte. Bei einer nahe bevor¬ 
stehenden Geburt wild von der Familie wochenlang vorher von den 
Todesfällen gesprochen und für den noch vorhandenen dreijährigen Knaben 
gebetet und gesorgt, welcher dem Gespräch der Eltern stets zubört. 
Am Tage der Geburt seines Geschwisters erkrankt der Junge in einer 
Form, wie er es durch die Erzählungen der Eltern vom Tode seiner 
Geschwister sioh gemerkt hatte. Suggestive Therapie bringt völlige 
Heilung. Glaserfeld. 


Kinderheilkunde, 

A. Y1 ppö-Charlottenburg: Pathologisch - anatomische Studien bei 
Frühgeborenen. (Zschr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 20.) 175 Frühgeburten 
wurden seziert und bei 12 derselben die verschiedensten Organe in 
Serien schnitten histologisch untersucht. Besonders berücksichtigt wurden 
die Hämorrbagien, deren grosse Häufigkeit durch eine abnorme Durch¬ 
lässigkeit und Zerreissbarkeit der Gefässe von Frühgeburten, besonders 
der kleinsten, die gegen 1000 g wiegen, bedingt ist. Die Hämorrhagien 
treten während der Geburt ein, die für die noch äusserst zarten Gewebe 
ein starkes Trauma bildet. Am wichtigsten sind die Blutungen am Ge¬ 
hirn, wo sie meist intrapial, subarachnoidal oder in den Ventrikeln 
liegen, und die im Wirbelkanal, die extradural sind. Piaödem ist eben¬ 
falls nach den Blutungen häufig. Alle diese Erscheinungen sind* sicher 
die Ursache für die bei Frühgeburten später so oft auftretenden spasti¬ 
schen Zustände und Intelligenzstöruogen. Interessant ist, dass der grosse 
Kop), den Frühgeburten nicht selten in der späteren Säuglingszeit be¬ 
kommen, nicht auf einem Wasserkopf beruht, sondern auf einem im Ver¬ 
hältnis zum Körper abnorm grossen Gehirn, das offenbar ungestört weiter¬ 
wächst, während der übrige Körper im Wachstum gehemmt ist. Verf. 
schlägt dafür den Namen Makrozepbalus vor. Auch die Blutungen im 
Verdauungstraktus sind von grosser Bedeutung, weil duroh sie das 
Epithel häufig zerreisst und so Eintrittspforten für Bakterien entstehen. 

K. Bamberg und H. Putzig-Charlottenburg: Die Hersgrösse i* 
Sfiuglingsalter auf Grund von Röntgenaufnahmen. (Zschr. f. Kindhlk, 
1919, Bd. 20.) Bei 75 Kindern wurden 133 Aufnahmen gemacht. Gegen¬ 
über den Verhältnissen beim Erwachsenen ist das Herz beim Säugling 
mehr quer gestellt und hat eine grössere Ausdehnung nach reohts. Der 
Gefässscbatten ist relativ breit. Die Herzmasse wird in gleichem Alter 
von der Körperlänge und dem Verhältnis der Rumpfläoge zum Brust¬ 
durchmesser abhängig, dagegen weniger vom Gewicht. 

F. Edelstein und L. L angst ei u-Charlottenburg: Das Eiweias- 
Problem im Sfiuglingsalter. (Zschr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 20.) Verff. 
lehnen die älteren Auffassungen ab, welche glaubten, dass der geringere 
Wert der Kuhmilch für den menschlichen Säugling auf einer besonderen 
Sohwerverdaulichkeit des Kuhmilohkaseins oder auf seiner „Artfremdheit* 
beruhe. Weiter kommt man bei der Erforschung der chemischen Zu¬ 
sammensetzung der Proteine. Geringerwertigkeit mancher Eiweissarten 
für das Wachstum junger Tiere oder zur Erzielung von Stickst* ff$leich¬ 
gewicht Erwachsener ist bedingt duroh das Fehlen bestimmter Amino¬ 
säuren oder Aminosäuregruppen (unvollständige Eiweissarten). Lakt¬ 
albumin und Kasein sind zwar vollständig, doch zeigte sioh in Versuchen 
von Osborne und Mendel das Laktalbumin überlegen für das Wachs¬ 
tum, was wohl auf seinem grösseren Zystingehalt beruht. Wichtig wäre 
es, zu wissen, ob Laktalbumin auoh für den menschlichen Säugling höher¬ 
wertig ist. ln Stoffwechselversucben bei fünf Säuglingen wurden nach 
einer mehrtägigen Periode N-freier oder fast N-freier, aber kalorienreicher 
Ernährung Kasein, Laktalbumin, Frauenmilch und Kuhmilch gegeben. 
Dabei wurde zum ersten Male die Abnutzungsquote Rnbner's (N-Aos- 
soheidung bei N-Hunger) des Säuglings bestimmt. Sie betrug (Harn* 
und Kot-Nj 0,448 g. Der N-Umsatz war, auf 100 Körper-N bezogen, 
grösser als beim Erwachsenen. Die biologische Wertigkeit des Lakt¬ 
albumins war mit nur einer Ausnahme höher als die des Kaseins; ebenso 


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1. Dezember 1919. 


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war der Frauenmilch-N gegenüber dem Kuhmilch-N höherwertig. Die 
Ursache ist in der anderen, dem Wachstum mehr förderlichen Zusammen¬ 
setzung des Frauenmilcbeiweisses za suchen. 

E. Berg mann-Charlottenburg: Zur Frage der Beeinflnssnng der 
Bristkinder durch die Kriegsernähriittg der Mütter. (Zschr. f. Kindhlk., 
1919, Bd. 20) Beobachtungen der Verfasserin, die Aerztin ist, an ihren 
zwei eigenen, an der Brust genährten Kindern, von denen das erste 1915, 
das zweite 1917 geboren wurde. Tägliche Bestimmung der Trinkmenge, 
beim zweiten Kinde im zwölften Stillmonat auch vier Analysen der Brust¬ 
milch, die durchschnittlich nur 621 Kalorien für -ein Liter ergaben. 
Daraus und aus anderen Beobachtungen schliesst die Verf., dass das 
erste Kind knapp, das zweite sogar in gewissem Grade unterernährt war. 
Der Fettgehalt der Milch war gering, weil die Mutter selbst nicht aus¬ 
reichend sich ernähren konnte beim zweiten Kinde. Trotzdem gediehen 
beide Kinder bei mässigen, aber sehr konstanten Gewichtszunahmen sehr 
gut und hatten besonders vorzügliche statische Funktionen. Eine geringe 
Unterernährung an der Brust ist also immer noch weit besser, als aus¬ 
reichende künstliche Säuglingsernährung. 

L. Lande-Charlottenburg: Entwicklung und Schicksal der im 
Kaiserin Angnste-Viktoria-Hans geborenen Kinder. (Zschr. f. Kindhlk., 
1919, Bd. 20.) Das tägliche Bad der Neugeborenen unterbleibt bis zum 
Abfall der Nabelschnur als Sicherung gegen Infektionen. Bei ungenü¬ 
gender Brustsekretion bewährte sich als Zufütterung von der zweiten 
Woche ab die einfache Halbmilch mit’ Sohleim und 5 pCt. Rohrzucker, 
während die Drittelmilch wegen Kalorienarmüt verworfen wird. Ein milder 
Hospitalismus zeigte sich bei den längere Zeit (über 4 Monate) in der 
Anstalt bleibenden Kindern. Als Hauptursachen dafür werden ange¬ 
nommen: Häufuog grippaler Infektionen, Mangel an Luftgenuss im Freien 
während des Winters, dauernde Bettruhe. Die Sterblichkeit der in der 
Anstalt geborenen Kinder war viel geringer als die der Säuglinge Char- 
!Ottenburgs. In der Kriegszeit hat die Stilldauer zugenommen, doch 
waren die Gewichtsverhältnisse det stillenden Frauen und ihr subjektives 
Befinden ungünstiger als früher. Stillunfähig oder ganz stillsohwach 
waren 15 pCt. der Mütter. Herbst. 

F. Wen graf: Beitrag zur Ernährung und Fürsorge des Klein¬ 

kindes. (W.kl.W., 1919, Nr. 43.) Bei der Ernährung der durch Hunger 
atrophisch gewordenen Kleinkinder wird am besten eine gemischte'Kost 
gleich der des Erwachsenen in höchstens vier Mahlzeiten’’ mit langen 
Nahrungspausen flargereioht. Eine Milohbreidiät ist zu verwerfen. Das 
Ernährungsbedürfnis dieser Kinder im zweiten bis dritten Lebensjahr ist 
ein abnorm grosses, sowohl Auf Gewicht als auch Sitzhöhe berechnet. 
Man tut gut, die Nahrungsmenge so reichlich zu bemessen, dass sie dem 
normalen Energieqaotienten bei dem ungefähr normalen Durchschnitts¬ 
gewicht entspricht. Glaserfeld. 

A. Kötz-Kiel: Klinische Beobachtungen über Beeiiflnsübarkeit des 
Keuchhustens. (Ther. Mb., Jahrg. 33, Sept. 1919.) Der Verlauf des Keuch¬ 
hustens wird beeinflusst von einer etwa vorhandenen neuropathischen 
Veranlagung,, eintretenden Komplikationen, inneren Umständen und der 
Behandlung. Abgesehen von den leichten Fällen — unter 20 Anfälle 
in 24 Stunden — sind besonders zwei Formen zu unterscheiden*. 1. Fälle, 
die anscheinend leicht beginnen, aber sieb sehr lange hinziehen und 
duroh Arzneimittel schwer beeinflussbar sind; 2. schwere Fälle mit sehr 
häufigen Anfällen, die therapeutisch gut beeinflussbar sind und relativ 
schnell ablaufen. Interkurrente Erkrankungen steigern Zahl und Sohwere 
der Anfälle nur, wenn sie die oberen Luftwege betreffen oder durch 
hohes Fieber oder sonstwie das Wohlbefinden des Kindes wesentlich be¬ 
einträchtigen. Aeussere Umstände sind von Einfluss, insofern häufig 
ohne jede Medikation Besserung eintritt, wenn die Kinder aiAder Familie 
in die Klinik kommen, wo sie, der übersorgsamen Vielgescftftigkeit der 
Mutter entzogen, grössere Ruhe haben. Andererseits wurde Zunahme der 
Anfälle und Wiederauftreten des Erbrechens auf dem Wege „psychischer 
Infektion“ beobachtet, wenn mehrere Keuchhustenkinder nebeneinander 
lagen. Bezüglich der medikamentösen Beeinflussung zeigte sich, dass 
im allgemeinen ein Keuchhusten um so besser zu beeinflussen ist, je 
frisoher und schwerer er ist. Von den Medikamenten wirkte Chinin 
stets günstig in ganz frischen Fällen. Sehr gut war die Wirkung des 
Chineonals, namentlich bei sehr unruhigen und durch Anfälle sehr 
ersohöpften Kindern, besonders auch im Endstadium der Krankheit. Als 
Narkotikum wurde des guten Erfolges'wegen Codeinsyrup bevorzugt; 
Papaverin und Tussolvin hat demgegenüber keine besonderen Vor¬ 
züge. Vaporin wird als Unterstützungsmittel in schweren Fällen ge¬ 
geben, da es beruhigend und Erleichterung verschaffend wirkt. Die 
besten Erfahrungen wurden mit Thymipin gemacht (morgens und abends 
1 Tropfen in 1 Esslöffel Wasser, * bis die Anfälle abnahmen, dann 2 bis 
3 Tropfen). Nur in Fällen, die schon längere Zeit dauerten und be¬ 
handelt waren, war auch Thymipin, das sonst beste Mittel, ziemlich 
wirkungslos. Ihre Hauptwirkung entfalten alle Medikamente bei frischem 
Keuchhusten; ist die Krankheit in das Endstadium getreten, so ist es 
mit der therapeutischen Beeinflussbarkeit meist vorbei, aber auch die 
grösste Gefahr überstanden. Bertkau. 

J. Sassower*. Ein Fall von vollkommenem Kehlkopfversehlnss 
■ach Intubation and Seknndärtraeheotomie. (W.kl.W., 1919, Nr. 43.) 
Ein dreijähriges Kind erkrankt an Diphtherie, wird intubiert und ein 
Jahr später wegen bedrohlicher Steigerung der Atemnot, die bald nach 
der Intubation aufgetreten war, traoheotomiert. Nach 6 Jahren leid¬ 
lichen Wohlseins, während dessen es fortgesetzt die Kanüle trägt, geht 
es an Pneumonie [zugrunde. Die Obduktion [ergibt einen kompletten 


narbigen Verschluss des Larynx im Bereich des völlig verloren gegangenen 
Ringknorpels. Io dieser Narbenmasse finden sich mehrere kleine Knochen¬ 
stückchen, deren Genese entweder auf Metaplasie des Bindegewebes in 
Knochen oder auf einem Ossifikationsprozeps im Perichondrium beruht. 

Glaserfeld. 

E. Moro-Heidelberg: Ueber den Frühlingsgipfel der Tetanie. 
(M m.W., 1919, Nr. 45.) Sohon seit langem ist die Abhängigkeit der 
Tetanie von der Jahreszeit bekannt. Der Hauptgipfel der Tetanie liegt 
im Frühling. Hier gibt es scharf begrenzte Perioden von selten kurzer 
Dauer, in denen die Tetanie besonders gehäuft zur Beobachtung gelangt. 
1919 fielen die beiden Hauptgipfel mit dem Eintritt höherer Tempera- 
.turen und mit der Zunahme der Sonnenscheindauer zusammen. Das 
muss als ein Hinweis dafür angesehen werden, dass an den grossen 
Tetaniesohüben klimatische Einflüsse, deren genauere Analyse aber noph 
gänzlich unklar ist, beteiligt sein dürften. Der Angriffspunkt dieser 
klimatisohen Agentien beim Menschen ist das regulative Nervensystem, 
das im Frühjahr stärker reizbar ist, wofür auch das gehäufte Auftreten 
von Erythema nodosum, Purpura und Herpes zoster im Frühling spricht. 
„Der Frühling ist die Zeit der inneren Sekretion“. R. Neu mann. 


Chirurgie. 

Fr. Löffler-Halle: Der Wert des HnmanolB für die Chirurgie. 
(M.m.W., 1919, Nr. 45.) Unter Humanol ist operativ aus Bauohfett, 
Netzfett, Lipomen gewonnenes und unter bestimmten Kaute len aus¬ 
gelassenes Menschenfett. Die Injektion des Humanols kann mit Erfolg 
verwandt werden, um Witderverwaohsungen gelöster Sehnen und Nerven 
zu verhindern. Dann lässt sich durch Einspritzung von 1—2 com in 
das Gelenk nach unblutigem Redressement versteifter Gelenke bei Ar¬ 
thritis deformans und arthrogenen Kontrakturen die Wiederverwachsung 
vermeiden. Ebenso Hessen sich duroh Humanolinjektionen von 1—2 ccm 
Knirschen, Reiben und Schmerzen bei Arthritis deformans beseitigen. 
Zu plastischen Zwecken, als narbenlortendes Mittel und zur Behandlung 
von Knochenhöhlen hat es sich nicht bewährt. R. Neu mann. 

A. Kapelusch und 0. Stracker: Zur Behandlung der Knochen- 
and Gelenkstnberknlose. (W.kl.W., 1919, Nr. 43) Beschreibung der 
Behandlungsmethoden an der orthopädischen Anstalt von Spitzy. 

Glaserfeld. 

Asam-Murnau: Zur'Behandlung der Radinsfraktnr. (M.m.W., 
1919, Nr. 45.) Beschreibung einer einfaoben und billigen, leicht zu 
fertigenden Gipsschiene, die aus 4 Lagen Kleister und 4 Lagen Gips¬ 
binde besteht und einen Schlitz zum Hindurchstecken des Daumens 
erhält. R. Neu mann, 

C. Heinemann-Berlin: Zur Therapie der Beinbrüche alter Leite. 
(Ther. Mh,, 33. Jahrg., Sept. 1919.) Die Therapie ist so einzuriohten, 
dass der Patient höchstens einige Tage ans Bett gefesselt wird, um 
einer lebensgefährlichen Ueberanstrengung des Herzens vorzubeugen. 

Bertkau. 

A. Lorenz: Ueber die Behandlung der irreponihlen angeborenen 
Hüftlnxationen und dei Sehenkelhalspsendarthrosen mittels tiabelnng 
(Bifurkation des oberen Femurendes). (W.kl.W., 1919, Nr. 41.) Man 
trennt den Femurknooben unterhalb des Trochanter minor, lagert die 
stumpfe Spitze des # unteren Bruchstückes median und presst sie kräftig 
gegen die PfanneDgegend; die stumpfe Spitze des oberen Bruchstückes 
kommt dacbziegelförmig an die äussere Fläche des unteren Bruchstüokes 
zu liegen, wodurch die knöcherne Aneinanderheilung beider Fragmente 
gesichert ist. Die Erfolge der Operation bestehen besonders in einer 
knöchernen Unterstützung des Beckens; das Trendelenburg’sche Symptom 
wird negativ, das Beoken kanu auf dem kranken Standbein horizontal 
gehalten werden, die Ausdauer im Gehen nimmt zu. 

H. Sohl off er-Prag: Zur Mnskeltransplantation. (W.kl.W., 1919, 
Nr. 42.) Ausführliche Mitteilung einer Beobachtung, bei der ein trans¬ 
plantiertes Muskelstück naoh völliger Abtrennung von seinem Mutter¬ 
boden, nach Durchtrennung aller dasselbe innervierenden Nervenfasern 
und nach seiner Verlagerung an. eine entfernte Körperstelle seine 
Funktion wiedergewann. Da die Ernährung eine genügende war, kam 
es nicht zum Untergang des Muskels, sondern lediglich duroh den Weg¬ 
fall der Innervation zu einer Entdifferenzierung, «während naobher die 
aus der Nachbarschaft einwachsenden Nerven die erforderlichen Impulse 
zur Wiederherstellung der normalen Struktur und WirkungsmögUohkeit 
zuführten. 

En der len: Zum Operationsplan zur ständigen Ableitung der 
Bauchwassersucht. (W.klfW., 1919, Nr. 43.) Die von Fronius (s. Ref. 

B.kl.W., 1919, S. 930) vorgeschlagene Methode ist nicht neu und un¬ 
zuverlässig. Glaserfeld. 

C. Hirsch mann-Berlin: Die Bedeutung und Teohnik des ante* 
thorakalen Speiseröhrenersatzes bei den impermeablen Strikturen. 
(Ther. d. Gegenw., Okt. 1919.) Das Operationsverfahren besteht in einer 
zwischen Halsösophagus und Magen angelegten Hautschlauchbildung, 
wobei einer ausgeschalteten Dünndarmschlinge die Rollo eines Schau¬ 
stückes zwischen Hautschlaucb und Magen zufällt. Es wurden 3 totale 
Plastiken wegen vollkommenen Verschlusses nach Verätzung ausgeführt; 
beim 4. Falle handelt es siob um ein Karzindm. ln dem einen Fall« 
funktioniert der neue Speiseweg vorsüglioh seit 1 l /s Jahren. 

R. Fabian. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


W. Denk: Erfahrungen mit der Kappis’scken Splancknikis- 
anlstkesie. (W.kl W, 1919, Nr. 41) An der Eiselsberg’schen Klinik 
wurden 85 Laparotonr'en in SplaDohnikusanästhesie ausgeführt. Die 
Resultate waren im allgemeinen so gut, dass in den Fällen, in welchen 
die Allgemeinnarkose kontraindiziert ist, die Kappis’sohe Anästhesie 
wegen der Einfachheit der Technik und der Sicherheit der Wirkung 
warm empfohlen werden kann. Vor Beginn der Operation ist die gute 
Wirkung des Verfahrens an der Erschlaffung der Bauchdecken zu er¬ 
kennen; daher ist für lleusoperationen die Splanchnikusanästhesie als 
Methode der Wahl zu bezeichnen: sie verhindert infolge Ausschaltung 
der Bauchpresse das Hervorquellen der Intestina und erleichtert das 
Absuchen der Bauchhöhle. Glaserfeld. 

Fr. Kleeblatt-Frankfurt a. M.: Die Indikationen zar Milz* 
exstirpation bei den Splenomegalien. (M.m.W., 1919, Nr. 45.) Die 
Milzexstirpation ist bisher ziemlich indikations- und kritiklos bei den 
verschiedensten Krankheiten ausgeführt wordeD. Es scheint, dass die 
Erfolge dort am besten sind, wo die hämolytisohen Prozesse, kenntlich 
an der Urobilinausscheidung, am ausgesprochensten sind. Hierzu ge¬ 
hören der hämolytische Ikterus, die hypertrophische Leberzirrhose, das 
1. und 2. Stadium, als Ultima ratio auch das 3. Stadium des Morbus 
Banti. Vorübergehend ist der Erfolg bei perniziöser Anämie. Zu 
empfehlen ist empirisch die Exstirpation auch bei isolierter Milztuber¬ 
kulose. Kontraindiziert ist sie bei der Pfortaderthrombose, allen durch 
primäre Portalstauung hervorgerufenen Prozessen und bei der Poly¬ 
globulie. R. Neumann. 

H. Pozenel-Laibach: Die Radikaloperation der Hämorrkoiden. 
(W.kl.W., 1919, Nr. 41.) Die Whitehead’sche Operation verdient vor 
allen anderen Methoden den Vorzug. Spbincter externus und internus 
werden unter peinlicher Sohonung seiner Fasern völlig freipräpariert, 
alle Reste des Plexus haemorrhoidalis werden exstirpiert. Die rektale 
Mukosa wird genügend hoch (bis 7 om vom After) abgelöst. An der 
Grenze zwischen gesunder und kranker Schleimhaut wird diese schritt¬ 
weise abgetragen und ebenfalls schrittweise die gesunde Schleimhaut 
unter stetem Mitfassen des Spinkters mit der äusseren Haut vereinigt. 

_ Glaserfeld. 


Röntgenologie. 

K. Imme 1 man n-Berlin*. Die Rffntgennntersackang des Magen- 

und Darmkanals mittelst der Zitobarinmkontrastinalilzeit. (M.m.W., 
1919, Nr. 45.)* Die Vorzüge des von Merck-Darmstadt in den Handel 
gebrachten Zitobaryums, dessen wesentlicher Bestandteil Baryum sul- 
furicum purissimum ist, sind folgende: B< queme Herstellung, angenehmer 
Geruoh und Geschmack der Mahlzeit bei relativer Billigkeit. Die Kon¬ 
sistenz des Breies ist auch in flüssiger Form gleichmässig und ergibt so 
gleichmässige Schattenbilder. Unangenehme Einwirkungen auf die Magen- 
und Darmtätigkeit finden dabei nicht statt. R. Neumann. 

Urologie. 

F. Schlagintweit und L. Kielleuthner-München: Urologie des 
praktische! Arztes. (M.m.W., 1919, Nr. 45) Der zunächst veröffent* 
liohte 1. Teil bringt eine genaue Besprechung der Anamnese urologischer 
ErkraukuDgen, der Urinuntersuchung und der urologischen Röntgen¬ 
diagnostik. Zu kurzem Referat sind diese Abhandiyngen nicht geeignet 
Erwähnt sei nur die Forderung einer 3*Gläserprobe, wobei duroh die 
3. Portion nach vorheriger Prostatamassage der Prostatasaft und ausser¬ 
dem die terminalen automatischen Expressionssekrete der zusammen¬ 
gezogenen Blasenwand und des pressenden Schliessmuskeltrichters ge¬ 
wonnen werden. Ferner die Wichtigkeit der Untersuchung des trüben 
Urins, unsedimentiert, zwecks Zählung besonders der Leukozyten bei 
gleichmässiger Verteilung im Urin. Endlich seien folgende urologische 
Kardinalsymptome, die zu baldigster instrumenteller Diagnose und Hilfe 
zwingen, angeführt: akute Harnverhaltung, unerträglicher Schmerz, 
namentlich Koliksohmerz, Fieber, totale Anurie, chronische Harnver¬ 
giftung, rApide Abmagerung, schwere Blutung. R. Neu mann. 

V. Pranter: Beitrag zur Technik der Janet’sehen Spülnngea der 
Harnröhre und Blase. (W.kl.W., 1919, Nr. 42.) Blasenspritze mit Zwei¬ 
wegehahn. Glaserfeld. 

Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

L. Fournier und L. Guenot: Laesakortivknr mit Salvarsan in 
der Inknbationszeit. (La presse möi, 1919, Nr. 55.) 40 Frauen, die 
selbst weder klinisch noch serologisch irgendwelche Zeichen von Lues 
boten, aber ohne jede Vorbeugungsmaassregeln, meist mehrfach, mit 
Männern verkehrt hatten, die klinisch, mikroskopisch oder serologisch 
die Zeichen der Lues I oder II boten, wurden mit Salvarsan, Neo- 
salvarsan oder Luargol intravenös behandelt. Keine erkrankte; Wa. R. 
blieb ebenfalls negativ. Eine von ihnen war Schwanges und gebar normal 
ein gesundes Kind. Andererseits wurde bei einem in gleioher Weise 
behandelten 25jährigen Mädohen Wa. R. schwach positiv. Jedoch hatte 
sie einige Jahre zuvor eine Fehlgeburt, daher ist es wahrscheinlich, dass 
das Salvarsan hier provokatorisch wirkte, da in der Folge, trotz Unter¬ 
lassens der Behandlung, niemals klinische Zeichen von Lues auftraten, 
die Wa. R. auch niemals völlig positiv wurde. Eine andere bekam zwei 
Monate nach Aufhören der prophylaktf sehen Behandlung einen Primär¬ 
affekt an der Nase; ihr Liebhaber hatte Plaques^muqueuses an Lippen, 


Wangen und Tonsillen. Fünf andere, in gleicher Weise gefährdet ge¬ 
wesene Frauen, die die Behandlung verweigerten, wurden syphilitisch. 
Daraus ergibt sich, dass Salvarsaubebandlung während der Inkubation 
die Entwicklung der Lues verhindert und ferner die Berechtigung, in 
allen Fällen, die der Ansteckung ausgesetzt waren, eine Abortivbehand- 
lung vorzunehmen. Wir steigen jetzt auf 2,0—2,5 g Neosalvarsan in 6 
bis 8 Einspritzungen. ______ Krakauer. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

H. Hisgen-Trier: Ueber Blasengangrln nach Wert hei macker 
Kariinomoperntion. (M.m.W., 1919, Nr. 45.) Mitteilung eines Falles 
von in Heilung übergehender Blasengangrän im Anschluss an die 
Operation eines Portiokarzinoms nach Wertheim bei einer 28jährigen 
Frau. Als Ursache des Gangräns ist eine schwere Ernährungsschädigung. 
der weitabgelösten Blasen wand anzusehen. R. Neu mann. 

Augenheilkunde. 

Vogt: Der physiologische Rest der A. hyaioidea der Liasen- 
hiaterkapsel und seine Orientierung zum embryonalen Linsennabt- 
system. (Graefe’s Arch, Bd. 100, H 8 u. 4.) Im Auge des menschlichen 
Embryo erreicht die A. byal. die Tunica vasculosa nasal und unten vom 
hinteren Linsenpol, dem der zentrale Verzweigungspunkt des hinteren 
Nahtdreistrahls entspricht; beide Punkte sind etwa 0,8—0,9 mm von¬ 
einander entfernt. Mit der Gullstrand’schen Spaltlampe und dem Horn¬ 
hautmikroskop siebt man den Eintritt der Hyaioidea auch postembryonal 
fast stets und zwar in konstantem Abstande vom hinteren Linsenpol. 
Die Ausprägung des postembryonal sichtbar bleibenden Hyaloidearestes 
ist, wie Verf. durch Abbildungen zeigt, individuell sehr wechselnd. Er 
ist bisher weder anatomisch noch mikroskopisch naebgewiesen worden. 
Seine extrapolare Lage steht damit in Zusammenhang, dass die A. eentr. 
ret., aus der die A. byal. entspringt, und der N. opt. nasal vom hin¬ 
teren Augenpol verlaufen; auch ist es optisoh notwendig, dass die axiale 
Linsenpartie klar bleibt. K. Stein dorff. 

Rohr-Halle a. S.: Infantiles Glankoni and exsndative Disthese. 
(M.m.W., 1919, Nr. 44.) Bei einem Säugling mit hochgradiger exsa- 
dativer Diathese stellte sich ein Glaukom ein. Während bisher als Ur¬ 
sache für infantiles Glaukom angeborene Bildungsfehler angenommen 
wurden, besteht hier die Möglichkeit einer entzündlichen Veränderung 
am Auge analog den entzündlichen Prozessen an Hant und Schleim¬ 
häuten bei exsudativer Diathese, durch welche eine Störung im Abfluss 
des Kammerwassers hervorgerufen wurde. Jedes infantile Glaukom soll 
deshalb auf die Anwesenheit einer exsudativen Diathese untersucht 
werden. R. Neu mann. 

A. Brückner-Berlin: Zytologiseke Stadien am menschlichen 
Ange. (Graefe’s Aroh., Bd. 100, H. 8 u. 4.) Die zytologisohe Unter¬ 
suchung der intraokularen Flüssigkeiten des menschlichen Auges gibt 
wie die des Liquor und der Exsudate der übrigen Körperhöhlen wichtige 
Aufschlüsse über die Genese der Exsudatzellen. Lokale histiozytäre 
Elemente (Hornhautendothel, Ziliar- und Pigmentepitbel) sind oft er¬ 
heblich an der Lieferung von Entzündungszellen beteiligt. Die Möglich¬ 
keit, neben der Untersuchung der Zellen im Ausstrich mittels derBlot- 
iärbemethode auch das Organ in toto anatomisch zu untersuchen, ergab 
weitere Aufschlüsse über die Beteiligung der hämatogenen Elemente an 
der Bildung der Exsudatzellen. An ihnen finden sieb die charakteristi¬ 
schen Merkmale der Blutlymphozyten; es gelang der Nachweis der 
Durchwanderuog dieser Elemente und des (wenigstens in der Haupt¬ 
sache) hämatogenen Ursprungs der lymphozytären kleinzelligen Infiltrate. 
Ein Teil der sogenannten grossen mononukleären Zellen wandert aus 
den Blutgefässen des Entzündungsgebietes aus, einen anderen Teil 
liefern die lokalen Gewebe (Klasmatozyten bzw. Adventitiazellen); beide 
Gruppen lassen sieb noch nicht differenzieren, werden also zweokmässig 
in eine der Klasse des Asch off’schen Histiozyten einzuordnende Gruppe 
zusammen gefasst. Die Untersuchungen am Auge bestätigen, dass in 
den ersten Stadien der (exogenen traumatischen, niobt spezifischen) Ent¬ 
zündung die Neutrophilen, später die Lymphozyten in grösserer Meng« 
auftreten; das zeitliche Auftreten der grossen Mononukleären ist nioht 
so umschrieben. Die Neutrophilen beteiligen sich als Mikropbagen, die 
Lymphozyten als Makrophagen, die grossen Mononukleären und die Ge¬ 
webszellen als beides. Zu den Makrophagen gehören auch Gitterzellen 
(Fettkörnchenzellen) sowohl aus Ziliar- wie aus Pigmentrpithelien. Die 
fälschlich als Lymphozyten gedeuteten Liquorzellen sind echte sogenannte 
grosse Mononukleäre. Die Beteiligung des Ziliarepithels an der Lie¬ 
ferung von Entzündungszellen, besonders von Makrophagen, entspriobt 
der gleichartigen Beteiligung der Glia des Zentralnervensystems. Die 
Zellen des Ventrikelependyms, die dem Ziliarepithel analog gestellt 
sind, dürften eine ähnliche biologische Funktion haben wie dieses. Das 
Vorkommen freierer Gliazellen im engern Sinne im Augeninnern ist 
möglich, aber nooh nioht erwiesen. Die Pars plana des Corp. oil. be¬ 
teiligt sich sowohl an der Lieferung von Exsudatzellen wie an der Or¬ 
ganisation des Glaskörpers, hat also wesentliche Bedeutung für den 
Stoffwechsel des Glaskörpers, wozu sie auch durch den anatomischen 
Bau der Uvea an dieser Stelle befähigt erscheint. An der Resorption 
und vielleicht auoh an der Absonderung der Augenfiüssigkeiten ist aoeh 
die Iris wesentlich beteiligt, wozu besonders der Pupillarteil mit seinen 
Kapillarnetzen geeignet erscheint. K. Stein dorff. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


1147 


1. Dezember 1919. 


Hais-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

E. Glas: Zum Kapitel der Blatangen Bach Mandelaasaekälnng 
und ihre Bekämpfung. (W.kl.W., 1919, Nr. 40.) Um die Blutungs¬ 
möglichkeit nach Tonsillektomie herabzusetzen, muss man die langsame 
Absohlingung der mittels Eleyatoriums aus der Umgebung losgelösten 
Tonsille durch die Reim ergehe Sohlinge ausführen. Koagula aus der 
Tonsillennisohe sind mit in Klauden getränkten Stieltupfern zu ent¬ 
fernen. Die Tonsillektomie soll nie ambulant ausgeführt werden, erst 
wenn die Blutung naoh Enukleation der ersten Tonsille aufhört, darf 
'mit der Ausschälung der zweiten unter Aetherrausoh angefangen werden, 
während bei geöffuetem Mund der Stieltupfer das erste Wundbett tam¬ 
poniert hält. Das S tu der - Bai 1 enger 'sehe Instrument ist für die 
Tonsillektomie bei Kindern Vorbehalten. Glaserfeld. 

B. Heine - München: Ueber die otogene Pylmie «ad Sepsis. 
(M.bs W., 1919, Nr. 44.; Besprechung der Aetiologie, des klinischen 
Verlaufes, der Therapie und Prognose der otogenen Allgemein¬ 
erkrankungen. Uervorgehoben sei: Otogene Allgemeinerkrankungen 
kommen nur in Ausnahmefällen ohne Sinusbeteiligung zustande. Prak¬ 
tisch deckt sich otogene Pyamie und Sepsis mit Sinuserkrankung, und 
zwar handelt es sioh dabei um Sinusphlebitis oder Sinustbrombose des 
Sinus transversus und sigmoideus und Bulbus der Vena jugnlaris. Als 
Erreger kommen in Betraoht: zumeist Streptokokken, seltener Staphylo¬ 
kokken, Pneumokokken, Baoterium pneumoniae Friedländer, Pyozyaneus 
und bei chronischen Mittelohreiterungen auch Anaerobier. Die Prognose 
der operierten Sinusphlebitiden ist gut; bei 54 Fällen wurden 87 pCt. 
Heilungen erzielt. _ ' R. Neumann. 


Hygiene und Sanit&tswesen. 

A. Gottstein - Berlin: Zum Wiederanfbaa der Bevölkerung. 
(D.m.W., 1919, Nr. 48.) G. zieht zum Vergleich mit der jetzigen Lage 
Dec\jpchlands die Verhältnisse Finnlands herbei, das sich nach ziem¬ 
lichem Niedergang relativ schnell erholt hat. Wenn auch Deutschland 
heute unglücklicher gestellt ist, so besteht dennoch die Möglichkeit einer 
Genesung. Dünner. 

G. B. Gr über-Mainz: Zur Taberkuloaemortalität während des 
Krieges. (M.m.W., 1919, Nr. 44.) Die Tuberkulosesterblichkeit der 
Stadt Mainz, die seit 1904 jährlich abgesuoken war, stieg Beit dem 
ersten Kriegsjahr wieder rapide an. In den letzten 15 Kriegsmonaten 
waren 25pCt. der bürgerlichen Leiohen der Tuberkulose direkt zum 
Opfer gefallen, an latenter Tuberkulose hatten ausserdem noch mehr 
als lOpCt. gelitten. Die ländliche Bevölkerung des Kreises Mainz 
war etwas besser gestellt bezüglich der Tuberkulosemortalität. 

R. Neumann. 


Gerichtliche Medizin. 

K. Meixner*. Fragliches Erhängei hei Lage der Schlinge über 
dem Kinn. (W.kl.W., 1919, Nr. 40.) Durch Versuche an Leiohen 
konnte festgestellt werden, dass ErhäDgen durch Anlegen eines Tuches 
zwischen Kinn und Unterlippe, seitlich über dem Kieferwinkel, möglioh 
ist. Es scheint aber fraglich, ob der Verschluss, wenn nicht das volle 
Körpergewicht mit plötzlichem Ruck einwirkt, so rasch erfolgen würde 
wie beim gewöhnlichen Erhängen. Denn es muss der Kiefer herab¬ 
gezogen und der Nacken stark nach vorn überbeugt werden, welcher 
Stellungsveränderung eine mächtige Muskulatur entgegenwirken kann. 
Kasuistik und Literatur. Glaserfeld. 


Schiffs- und Tropenkfankhelten. 

W. Fischer und Shen Chen Yü: Kurzer Beitrag zur Kenntnis des 
Mongolenflecks. (Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 2.8, H. 19.) — 
W. Fischer: Einiges über den Mongolenfleck. (Ebenda.) Erstere Mit 
teilung ist die Untersuchung von 110 Chioesenkindern, vom Neugeborenen 
bis zum 12 jährigen Kinde, zugrunde gelegt, von denen 80 den Pigment- 
fleok in der unteren Kreuzbeingegend aufwiesen. Letztere Arbeit stützt 
sioh auf die Verarbeitung von 10 Föten bzw. Neugeborenen. Sitz, Form, 
Farbe, Grösse, Häufigkeit, histologischer Befund und Bedeutung des Flecks 
werden erörtert. 

W. Fischer und Dsiao Hsiaog Tsung: Das Lenkozytenblutbild 
bei Chineaen. (Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 28, H. 19.) Zäh¬ 
lungen an 115 gesunden, 20—30 Jahre alten männlichen Chinesen er¬ 
gaben gegenüber den Ermittlungen Sohilling’s (1912) in Europa und 
Miller’s (1914) in Amerika eine nicht unerhebliche Verringerung der 
neutrophilen Leukozyten, eine Vermehrung der Eosinophilen und eine 
wesentliche Vermehrung der Lymphozyten. Letztere erklärt sioh aus 
dem jugendlichen Menschenmaterial, die Eosinophilie aus der Häufigkeit 
von Darmpchmarotzem. 

W. Fischer: Zur Kenntnis der Leberzirrhose in China. (Arch. f. 
Schiffs u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, H. 19.) Für die in China trotz fehlendem 
Alkoholismus häufige Leberzirrhose kommen offenbar mannigfaltige Ur¬ 
sachen in Betracht. So Infektionskrankheiten, die multiple herdförmige 
Nekrosen in der Leber verursachen. Ein derartiger, nach eohten Pocken 
entstandener, klinisch beobachteter und obduzierter Fall einer jugend¬ 
lichen Chinesin wird angeführt. Typhus kann ebenso wirken. Eine 
wesentliche Bedeutung kommt der Ablagerung von Eiern des Sohisto- 
somum japonioum in der Leber zu, sowie der Infektion mit Klonorohis 
(Distomum hepaticum). Malaria dagegen ist als Ursaohe zirrhotisoher 


Leberveränderungen bisher unbewiesen. Zum Schluss wird die Frage der 
Tumorbildung in zirrhotisoher Leber gestreift, die vielleicht öfter durch 
parasitäre Infektion der Gallenwege ausgelöst sein könnte, wie das für 
die Opistorchis felineus - Infektion bekannt ist, die zu biliärer Zirrhose 
und Entwicklung bösartiger epithelialer Geschwülste aus dem gewucherten 
Gallengangsepithel führen kann. 

H. Dold: Weitere Mitteilungen über PyozyaneasenteritUi. (Arch. 
f. Schiffs u. Trop» Hyg., 1919, Bd. 23, H. 19.) D. sah ausser den früher 
beobachteten 11 weitere Fälle von Pyozyaneusenteritis. Das Aussehen 
der Stühle ist wechselnd und bietet keinen sicheren diagnostischen An¬ 
halt; für den bakteriologischen Naohweis bewähren sich die gewöhnlichen 
Endoplatten. Die Bakterien verlieren häufig die Fähigkeit, Farbstoff zu 
bilden. 

A. Plehn: Zur Epidemiologie der Malaria. (Aroh. f. Schiff* u. 
Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, H. 17.) Unter Anführung von Belegen, 
namentlich aus der Kriegsliteratur, und eigenen Beobachtungen weist P. 
auf die Lücken unseres Wissens in der Malarialehre hin und tritt für 
seine Auffassung von der Arteinheit und Variabilität der verschiedenen 
Parasitenformen erneut ein. 

H. Zeiss: Beitrag zur Fleekfleberzehitzimpfnag mit defibriniertem 
Blut. (Arch. f. Schiffe u. Trop. Hyg, 1919, Bd. 23, H. 18.) Die Impfung 
wurde im westlichen Kleinasien an 225 Militär- und Zivilpersonen vor¬ 
genommen mit Blut von 34 fleokfieberkranken Lazarettinsassen, das 
nach der Vorschrift der Medizinalabteilung des Preussischen Kriegs¬ 
ministeriums deflbriniert, bei 60° durch Vs Stunde inaktiviert und — 
in Ermangelung von Versuchstieren — durch Kulturverfahren auf Keim¬ 
freiheit geprüft worden war. Am 1. und 4. Tage wurden je 2 ccm, am 
7. Tage 4 ccm unter die Haut der Brustwarzengegend gespritzt. Es 
traten örtliche und allgemeine Reaktionen auf, deren Stärke im Zusammen¬ 
hänge mit der Schwere des Krankheitsverlaufs des Blutspenders stand. 
Ueberempfiodliobkeit wurde in 3 Fällen beobachtet. Keine der ge¬ 
impften Militärpersonen erkrankte während der Dauer eines Jahres trotz 
ständiger schwerer Ansteckungsgefahr, dagegen 2 zivile Krankenpflege- 
jrinnen 17 bzw. 28 Tage nach der letzten Einspritzung. 

F. Fülleborn: Ueber OphthalnioinyMUis und einen solohen Fall 
aus Nordfrankreioh. (Aroh. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, 
H. 16.) Genauer beschriebene und sichere Fälle von Fliegenlarven im 
menschlichen Auge sind selten. Verf. beobachtete einen solohen im 
Felde bei einem deutschen Soldaten, dem kurz vorher eine Fliege gegen 
das Auge geflogen war und eine mässige Bindehautentzündung hervor¬ 
gerufen batte. Es Hessen sioh etwa 10 Larven von Rhinoestrus naaalis 
aus dem Bindehautsacke entfernen, worauf die Beschwerden schwanden. 

H. Dold: Weitere Studien über die Aetiologie der Sprae. (Aroh. 
f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, H. 19.) Zahlreiche weitere Unter¬ 
suchungen bestätigten die bereits früher vom Verf. vertretene Auffassung, 
dass sich die als Sprue bezeichnete Erkrankung des Verdauungstraktus 
ursächlich zwanglos erklären lässt aus einem Ueberwuchern von GäruDgs- 
erregern, besonders vom Typus Blastomyzes und Oidium, und eine da¬ 
durch bedingte Korrelationsstörung. Zum Beweise dienen: die Erzeugung 
typischer Spruestüble bei Mäusen und Affen durch Verfütterung solcher 
Mikroorganismen sowie der sioh mit dem bei der menschlichen Sprue 
deckende pathologisch-anatomische Befund an den im Verlaufe der 
Fütterungsversuche eingegangenon Tieren. 

H. Dold: Ueber die Ursaohe des sogenannten Hongkongfnsses 
(„Foot tetter“; „Dermatitis rimosa of the toes M ; „Dermatitis bullosa 
plantaris“). (Arch. f. Sch ffs u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, H. 19.) 95mal 
unter 98 Fällen von Hongkongfuss gelang in den erkrankten Hautpartien 
der Naohweis von Fadenpilzen, die mit dem Epidermophyton inguinale 
identisch oder ihm mindestens nahe verwandt sind. Mit Reinkultur¬ 
material des Pilzes Hessen sieb bei 2 Menschen die Erscheinungen des 
Hongkongfusses hervorrufen. Die in der Ueberschrift aufgeführten Krank¬ 
heitsbezeichnungen sind anscheinend nur verschiedene Namen für ein 
und denselben Krankheitsprozess. 

Cl. Schilling: Adrenalininjektion zur Provokation bei Trypaao- 
soMeninfektioaen. (Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, H. 16.) 
Versuche an naganainfizierten Kaninchen zeigten, dass subkutane Ein¬ 
spritzungen von 0,2, 0,5 uad 2,0 mg salzsauren Adrenalins eine mit der 
Dosis zunehmende starke Aussohwemmung von Trypanosomen in das 
peripherische Blut bewirken. Es empfiehlt sich danach die Anwendung 
solcher Einspritzungen (1 mg beim Menschen, 15—25 mg bei grossen 
Tieren) zu diagnostischen Zwecken in den Latenzperioden von Trypano¬ 
somenerkrankungen, vielleicht auch therapeutisch zur Unterstützung der 
Wirkung trypanozider Mittel. 

G. Wülker: Ueber parazitioehe Protozoea Mazedoniens. (Aroh, 
f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, H. 18.) Vorläufige Mitteilung 
über Ergebnisse zoologischer Forschungen im südlichen Wardartal, im 
Bereiche des Doiransees, bei Veles, Uesküb und bei Niscb (Serbien), 
die bezüglich der menschlichen Pathologie nichts Neues bringen. 

P. J. du Toit: Experimentelle Studien über die Pferdeptroplaz- 
mose. 3. Mitteilung: Uebertragungsversuche mit Zecken bei der riro- 
plasma caballi-Iufektion. (Arch. f. Schiff* u. Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, 
H. 16.) Ixodes ricinus scheint Piroplasma oaballi nicht übertragen zu 
können, die Gefahr der Einbürgerung der Pferdepiroplasmose in Deutsch¬ 
land ist danach recht gering. Dagegen fielen Uebertragungsversuche 
mit Dermaoentor retioulatus (aus Mazedonien stammend) positiv aus und 
bestätigten, dass diese Zeckenart in der Tat der Ueberträger der Piro- 


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1148 BERLINEIL KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 48. 


plasma oaballi-Infektion ist. Die Zeoken können sich im Larvenstadium 
infizieren und geben als Nymphen den Infektionsstoff ab; dabei reinigen 
sie sich jedoch nicht, sondern sind im nächsten Stadium als Imagines 
bemerkenswerterweise nochmals infektiös. 

W. Fisoher: Ueber Distomen in Hühnereiern. (Arch. f. Schiffs u. 
Trop. Hyg., 1919, Bd. 23, H. 19.) ln China findet sich in Hühnereiern 
nioht ganz selten ein Sohmarotzer, dessen Eier genau denen von Clonorohis 
sinensis gleichen. Eine Gefahr wird dadurch vermutlich nioht bedingt, 
weil für die Infektion des Menschen ein Zwischenwirt (Fisch) erforder¬ 
lich ist. Weber. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 5. November 1919. 

Vorsitzender: Herr Kraus, später Herr Orth. 

Schriftführer: Herr Benda. 

Vorsitzender Hr. Kraus: loh habe zunächst mitzuteilen, dass die 
Medizinische Gesellschaft den Verlust, des Herrn Kollegen Speyer zu 
beklagen hat. Ich bitte Sie, sich zu seinem Andenken zu erheben. 
(Geschieht.) 

Ich habe weiter mitzuteilen, dass die Medizinische Gesellschaft ihrem 
illustren Mitgliede, dem Kollegen Küster, zu seinem 80. Geburtstage 
gratuliert hat. Ich habe seinen besten Dank zu übermitteln. 

Schriftführer Hr. Benda: In der Sitzung am 29. Oktober wurden 
aufgenommen die Herren: Dr. Walter Jakobi, Dr. Friedrich Altgeld, 
Dr. Willi Jonas, Dr. Hermann Joseph Bock, Dr. Paul Haggenay, 
Dr. Joseph Hecksohen, Dr. Karl Theodor Kandzciora, Dr. Joseph 
Ziegler, Dr. Alexaner Levy, Privatdozent Dr.^Walterhöfer, Stabs¬ 
arzt Dr. Victor Schilling, Oberstabsarzt Prof. Dr. F. K. Kleine, 
Edgar Brann, Dr. Georg Wolff, Dr. Bruno Rünne, Dr. Ludwig 
Joseph, Dr. Siegfried Ostrowski, Dr. Max Köhler, Dr. Siegbert 
Joseph, Dr. Heyn, Fräulein Dr. Else v. Schütz, Dr. Hans Schäfer, 
Dr. Ernst Steiner. 

Tagesordnung. 

1. Hr. E. Holländer: Nierensteiabildnng nach Wirbelsänlenver- 
letmng. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Nummer.) 

Ausspraohe. 

Hr. M. Zondek: Im Anschluss an die interessanten Ausführungen 
des Herrn Vortragenden möchte ich kurz auf folgende Boobachtung von 
mir aufmerksam machen: In einigen Fällen von Verletzung der Wirbel¬ 
säule mit schwerer Rückenmarksläbmung waren Nierensteine vorhanden. 
Dabei fiel mir besonders das Röntgenbild auf. Es zeigte einen Befand, 
wie ich ihn noch nie zuvor bei Nierensteinen gesehen habe: Zahlreiche 
kleine Steinsohatten sind über die ganze Niere zerstreut 
und haben ein eigenartiges, zerklüftetes Aussehen. Das ganze 
Bild ist so eigentümlich, dass ich in einem Falle aus ihm allein die Wahr- 
scheinliohkeits*Diagnose haben stellen können: hier hat eine Rüokenmarks- 
Verletzung Vorgelegen. Bei der Operation zeigten sich im Becken etwas 
grössere, in den übrigen Teilen der Niere zahlreiche kleine Steine. In einem 
Falle waren mehrere Steine in einem Wandabszess der Niere, der eine 
steinhaltige perinepbritische Eiterung verursacht hatte, und als ich 
schliesslich die Niere operativ, par moroellement, mit einem grossen Teil 
des Ureters entfernen musste, waren die einzelnen Teile der Niere von 
zahlreichen kleinen Steinen durchsetzt. (Vorführung der Lichtbilder.) 

Hr. Eugen Joseph: Für die Theorie, für die Herr Kollege Holländ er 
eingetreten ist, möohte ich einen pathologisch-anatomischen Beitrag liefern, 
loh habe zwar keine besonderen Erfahrungen auf dem Gebiete der 
RüekenmarksverletzuDgen, aber ich habe viele Fälle beobachtet, wo es 
sich um nervöse Störungen der Blase infolge von Tabes und ähnlichen 
Erkrankungen handelte. Bei diesen Menschen ist offenbar der nervöse 
Apparat gelähmt und sie merken es nioht, dass er gelähmt ist. Die 
Blase ist überfüllt. Wir haben neulich io der Klinik den Fall gehabt, 
wo ein Mann in der überfüllten Blase etwa zwei Liter Resudalharn ohne 
wesentliche Beschwerden vertrug. Infolgedessen wird der Verschluss¬ 
apparat der Blase gelähmt, die Ureterenversohlüsse werden gesprengt, 
der Urin steigt rückwärts in das Nierenbecken, dilatiert das Nierenbecken 
und die Kelche. 

Ich habe mich längere Zeit mit diesen tabisohen Blasen beschäftigt 
und habe folgende Untersuchungen mit ihnen vorgenommen: Ich habe 
den Patienten Kollargol mit dem Katheter in die Blase eingefüllt. Dahn 
habe ich die Leute auf den Röntgentisoh gebracht und sie aufgefordert, 
in dem Moment, wo die Röntgenaufnahme gemacht wurde, ihren Urin zu 
entleeren, nachdem ich ihnen den Penis vorher abgebunden hatte, d. h. 
die Patienten haben sozusagen* den frustranen Versuch der Urinent¬ 
leerung gemacht. In einigen von diesen Fällen konnte ich sehr gut 
sehen, wie die Patienten rückwärts in die Niere uriniert haben; sie haben, 
da ein Ureterverschluss nioht bestand, den Urin in die erweiterten 
Ureteren bineingedrängt. Das Kollargol steigt dann spontan bis in die 
Kelche ohne Ureterkatheter auf. 

Vielleicht spielen diese Verhältnisse auoh bei den Verletzungen der 
Wirbelsäule eine gewisse Rolle. Dass die Leute uuter der chronischen 


Harostauung leiden, und dass die zweite Komponente hinzukommt, 
nämlich, dass sie nicht merken, dass die Harostauung besteht, das ist, 
glaube ich, der grosse Unterschied gegenüber den übrigen Harnstauungen, 
namentlich gegenüber dem Prostatiker, der ja immer ein gewisses GefühL 
dafür hat, ob seine Blase stark überfüllt ist oder nicht und bei dem 
die Ueberlüllung der Blase auch nicht so akut zustande kommt, wie bei 
den Verletzungen der Wirbelsäule. 

Hr. Benda: loh habe während des Krieges gegen 50 Sektionen von 
Rückenmarksschüssen ausgeiührt und dabei ziemlich die verschiedensten 
Stadien von einer ganz frischen Verletzung bis zu mehzjahrealten Ver¬ 
letzungen mit ihren Folgezuständen zu Gesicht zu bekommen. Darunter 
war eine Anzahl von Fällen mit ausgedehnter Steinbildung.' Immerhin 
muss ich sagen, dass, trotzdem wohl in jedem Falle entweder noch Zeiohen 
einer Urosepsis bestanden oder jedenfalls die Zeichen einer überstandenen 
Urosepsis da waren, doch die Zahl der Steinbildung verhältnismässig 
gering war. Ich habe mir keine Erklärung dafür machen können, und 
ioh glaube, dass die Gedanken des Herrn Kollegen Holländer ausser¬ 
ordentlich beachtenswert sind. Ich muss das Material noch einmal durch 
sehen — ich war nicht vorbereitetet, sonst hätte icb das au beute schon 
getan — ob in meinen Sektionsprotokollen über den genauen Sitz der 
betreffenden Rückenmarksverletzungen bei den Steinbildungen oder über 
sonstige Eigentümlichkeiten im Sinne der Holländer’sohen Ausführungen 
etwas zu finden ist. Jedenfalls glaube ich, dass man seine Anregung 
für eine Erklärung des interessanten, scheinbar willkürlichen Befundes 
der Steinbildung verfolgen muss. 

Hr. Poaner: Die Th’eorie, die Herr Holländer entwickelt hat, ist 
ganz gewiss ausserordentlich interessant und beachtenswert. Dass in 
allen Fällen, wie Herr Holländer es sieb vorstellt, die von ihm an¬ 
gegebenen Erscheinungen gesetzmässig eintreten, ist aber doch wohl zu 
bezweifeln. Es gibt doch, wie schon Herr Benda eben ausgeführt hat, 
eine ganze Anzahl von Fällen von Rückenmarksverletzungen, in denen 
wir vergeblich nach Nierensteinen suchen. loh selbst verfüge über einen 
Fall, in dem es sich um eine sehr schwere Rückenmarksverletzung, eben¬ 
falls Blasenretention und im Anschluss daran Zystitis und Pyelitis 
handelte. Der Fall ist jahrelang beobachtet worden; die Pyelitis hat 
jahrelang bestanden; zur Steinbildung ist es nicht gekommen. 

Dann möohte ich die Frage aufwerfen, ob wirklich die Steinbildung 
immer doppelseitig ist. Auch da habe ich einen, allerdings nicht ganz 
einwandfreien Fall, in dem die Steinbildung vier Monate nach der Ver¬ 
letzung ein trat; sie war aber nur auf eine Seite beschränkt. 

Hr. Holländer (Schlusswort): Die Diskussionsbemerkungen scheinen 
mir ja zum grösseren Teil meine Auffassung zu stützen, aber auch die 
Bedenken sprechen insofern für meine Theorie, als diese meines Br¬ 
achten- mit der bisher geltenden Hypothese der Charoot’schen nervösen 
Nephritis überhaupt ganz unerklärlich waren. Wenn man aber meiner 
Auffassung folgt, dass eine durch Muskelläbmung hervorgerufene Stag¬ 
nation der dominierende Faktor der Steinbildung ist, so erklären sioh 
durch die Einseitigkeit, durch die Dauer und die Rückbildung dieses 
Zustandes von selbst «die gemachten Einwände. Ausdrücklich betone 
ich, dass ich ja natürlich gar nicht behauptet habe, dass es bei jeder 
Rüokenmarkverletzung zu einer Nierensteinbilduog kommt. Statt der 
Hypothese der nervösen Nephritis nahm ich an, dass es im Falle der 
Steinbildung zu einer anatomisch nachweisbaren Läsion des Ureterrefiex- 
bogens gekommen ist, dass also in Fällen von Rückenmarksverletzung 
einerseits, bei denen dieser intakt geblieben ist, die Steinbildung aus¬ 
bleibe, dass andererseits blosse. Erschütterungen ohne Wirbelbruch und 
ohne Rückenmarkverletzung schon 'den Reflexbogen unterbrechen können. 
Ich fürchte deshalb auch, dass die Untersuchung an der Leiche und auch 
die nachträgliche Durchmusterung der Sektionsprotokolle keine weitere 
Förderung dieser Frage bringen wird. Vielleicht kann die chemische 
Analyse der dabei gefundenen Steine hier aufklärend wirken. 

Ich hatte meinen Vortrag noch zu einer Zeit angemeldet, wo die 
traurigen Kriegsverletzungen ein reiches Material für die Prüfung dieser 
Frage abgegeben hätten; jetzt sind wir darauf angewiesen, die ver¬ 
einzelten neuen klinischen Beobachtungen in der von mir angedeuteten 
Weise zü verwerten. 

2. Hr. Zuelier: Zir Scharlachfrage. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Nummer.) 

Aussprache. 

Hr. Ziemann: Ich möchte es für etwas gewagt halten, auf Grund 
von Diagnosen bei einer Erkrankung, die der Herr Vortragende nur 
während des Inkubatiousstadiums gestellt hat, solohe Schlussfolgerungen 
zu ziehen, wie er sie gezogen hat. Aber angenommen auch, die Dia- 
gnosen wären richtig gewesen, es handelte sich also wirklich stets um 
Fälle von Scharlach und nicht bloss um einfache Angina, so muss ioh 
ihm widersprechen, dass aus dem Umstande, dass sioh mit Chinin Hei* 
lungen erzielen Hessen, auch die Protozoennatur des Scbarlaoherregers 
anzunehmen sei. Wir kennen doch Protozoenerkrankungen, wo Chinin 
keine Wirkung ausübt. Bei Trypanosomenerkrankungen können Sie 
pfundweise Chinin geben, wenn der betreffende das ausbalten würde, er 
würde doch nicht geneilt werden. Dasselbe trifft zu in bezug auf die 
Leishmanniaerkrankungen, z. B. tropische Splenomegalie und Orientbenle. 
Wir wissen andererseits, dass wir auch bei bakteriellen Erkrankungen, 
z. B. bei Pneumonie oder auch bei Typhus, besonders im Anfangsstadium, 
mit kleinen Dosen von Chinin oder Optoohin sehr gute Erfolge erzielen 
können. Er hat apoh scheinbar vergessen, dass die Beschreibungen tob 


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1. Dezember 1910 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1149 


Binz über die Wirkung des Chinins auf die Protozoen und speziell die 
tfalariaparasiten doch sohon überholt sind. Chinin wirkt in vitro ganz 
anders als in vivo, und ich habe daher angenommen, dass Chinin auf 
die Maiariaparasiten in vivo nioht direkt, sondern indirekt wirkt. Es 
würde au weit führen, Ihnen das etwas schwierige Kapitel hier des 
näheren auszuführen. Betreffs des angeblich chronischen Verlaufs des 
Scharlaohs bei Erwachsenen möchte ich mich zunächst noch kritisch ver¬ 
halten. 

Was die Uebertragung des Scharlachs von einem Patienten auf den 
andern anlangt, so müssen wir damit rechnen, dass eventuell doch auch 
Insekten in Frage kommen, ohne dass deshalb die Erreger echte Pro¬ 
tozoen sein müssten. Ich habe seiner Zeit Versuche mit der eventuellen 
Uebertragung durch Flöhe begonnen, deren weitere Ausführung leider 
durch die Umstände im Kriege verhindert wurde. 

Hr. Lenti: Was Herr Professor Zuelz er hier vorgetragen hat, hat 
er in einem Bericht bereits an das Ministerium für Volkswohlfahrt ge¬ 
geben. Das Ministerium hat aber auch den .Bericht des Kreisarztes in 
Buer bekommen, und ich muss leider feststellen, dass die beiden Be¬ 
richte recht weit auseinandergehen. Die Aufnahme, die Herr Professor 
Zuelz er in Buer bei den dortigen Aerzten gefunden bat, ist eine sehr 
entgegenkommende gewesen, die Beurteilung der Methode durch' die 
dortigen Aerzte leider keine günstige. Meine Herren, das macht mioh 
nioht irre. Eine neue Methode, die einem grösseren Kreise von prak¬ 
tischen Aerzten vorgeführt wird, wird nicht immer günstig aufgenommen, 
auch wenn sie einen guten Kern bat, und deshalb habe ich hier das 
Wort ergriffen, um auf diesen Punkt noch etwas näher einzugehen. Wir 
haben genau dieselben Erfahrungen bei der Xyphusbekämpfung gemacht. 
Auch da sind wir von den praktischen Aerzten zunächst mit ausser¬ 
ordentlicher Skepsis aufgenommen worden, )a wir haben die Typhus¬ 
bekämpfung anfänglich sogar gegen die praktischen Aerzte führen müssen. 

Ob die Beobachtungen von Herrn Professor Zuelzer beim Schar¬ 
lach zutreffen, oder ob er in einem für den Erfinder einer Methode be¬ 
rechtigten Optimismus hier zu gute Erfolge gesehen hat, will ich zu¬ 
nächst ganz und gar dahingestellt sein lassen. Was mir an der Methode 
vom ersten Moment an gefallen hat — Herr Professor Zuelzer ist vor 
drei Jahren bereits bei mir gewesen und hat mir seine Methode ent¬ 
wickelt —, war das, dass er sagte: wir können den Scharlach bereits 
im Prodromalstadium durch die.Schwellung der Milz diagnostizieren. Ich 
wurde dabei sofort an meine Beobachtungen beim Paratyphus erinnert, 
bei dem ich auch ganz regelmässig bereits in den ersten Tagen der 
Erkrankung einen ganz ausgesprochenen Milstumor habe feststellen 
können, der aber nach zwei Tagen wieder verschwunden war, während 
die meisten Beobachter behaupten, dass beim Paratyphus ein Milztumor 
nioht vorkommt. Ganz ähnlich schienen nach den Beobachtungen, die 
mir Herr Professor Zuelzer entwickelte, die Dinge beim Scharlach zu 
liegen. Dass beim Scharlach inuere Drüsen schwellen, wissen wir. 
Würde die Milzschwellung in der Tat ein regelmässiges Frühsymptom 
sein, so würden wir in der Lage sein, mit der Bekämpfung beim Schar¬ 
lach noch frühzeitiger einzusetzen, als dies jetzt möglich ist. 

Ob aber die Behandlung mit Chinin dabei wertvoll ist, müssen erst 
weitere Beobachtungen lehren. Jedenfalls aber möchte ich Sie alle, die 
Sie in der Praxis stehen, bitten, die Beobachtungen von Herrn Professor 
Zuelzer nachzuprüfen. Vielleicht können wir durch die kritische 
Zusammenarbeit einer grossen Zahl von Praktikern doch zu einem Aus¬ 
bau der Methode kommen, der uns befriedigende Resultate gibt. 

Hr. Bernhardt: Ich möchte nur auf einige Punkte eingehen, die 
der Herr Vottragende berührt hat und die, wie mir scheint, nicht un¬ 
widersprochen bleiben dürfen. Zunächst glaube ich, kann man der Auf¬ 
fassung, als ob bereits Beweise für die Protozoennester des Scharlach¬ 
erregers vorliegen, nioht beitreten. Wir wissen, dass Mallory Protozoen 
beschrieben hat, die, wie Field’s Untersuchungen zeigten, keine sind, 
und dass von Gamalaia u. a. Protozoen gesehen wurden, die auch keine 
sind. Ich selbst habe mich seinerzeit bemüht, die Prowazek’schen 
Einschlüsse naohzuprüfen. Man findet in der Tat intrazelluläre, nach 
Giemsa sich rotfärbende Körnchen. Was diese Körnchen aber sind, 
vermag man nicht zu entscheiden. Der Vortragende sagte, die Doehle- 
schen Zellern Schlüsse ständen zweifellos mit den Erregern im Zusammen¬ 
hang. Ich glaube, dass das nicht richtig ist. Als Doehle seinerzeit, 
ich glaube, es war 1911 oder 1912, diese Einschlüsse zuerst beschrieb, 
prüfte ich sie nach, und man kann sie zweifellos in allen Fällen von 
Scharlach, aber auch ebenso zweifellos nioht selten bei Tuberkulose, bei 
Gelenkrheumatismus und bei Sepsis auffinden, was denn auch von den 
▼erschiedensten Seiten bestätigt worden ist. Es handelt sich offenbar 
bei diesen mit besonderen Färbemetboden darstellbaren Erscheinungen 
neben den Leukozytenkernen um Kernabsprengungen, die färberisoh 
Verlader! sind. 

Zweitens spricht der Vortragende davon, dass Milz- und Leber¬ 
schwellungen nur mit den Anhäufungen des Erregers in dem Organ 
Zusammenhängen sollen. Ich glaube, dass man auch dabei berück¬ 
sichtigen muss, dass bei Scharlach ein enormer Zerfall, .besonders von 
Blutplättchen in der Milz und Leber, statthat, den ioh damals zuefst 
beschrieben habe, und der dann auch von anderen bestätigt worden 
ist. Man findet besonders in den Kupfer’schen Sternzellen und den 
grossen Endothelialzellen der Milz bei Scharlach, der frisch zum 
Tode kommt, eine enorme Anhäufung der Blutplättchen; und ich glaube, 
dass diese Anhäufung von Schlacken, die Aufnahme untergehenden 
körpereigenen Materials, doch vielleicht im Zusammenhang mit der An¬ 


schwellung der Organe steht. loh habe damals diese Präparate u. a. 
Herrn Geheimrat Ben da gezeigt, der auch glaubte, dass dies wohl damit 
in Zusammenhang stehen dürfte. Jedenfalls ist die Schwellung der Milz 
und der Leber nicht mit Sicherheit allein auf die Anhäufung von Er¬ 
regern in den Organen zurüokzuführen, wenn auch vieles dafür spricht, 
dass eine solche statthat. 

Ferner erwähnte der Vortragende, dass Schuppungen bei Scharlach 
zweifellos trophische Störungen sind. Ich habe sehr viele Häute von 
Soharlachkranken in den verschiedensten Stadien untersucht, und es ist 
mir nicht zweifelhaft, dass der Soharlaoh nioht durch trophische Störungen 
der Haut bedingt ist, dass vielmehr ein akuter Infektionsprozess der 
Haut vorliegt, der eine enorme Anhäufung von Zerfallsprodukten be¬ 
sonders in der Schiebt der Stachel- und Riffzellen zur Folge hat. Man 
findet zwischen den auseinandergetriebenen Zähnchen des Stratum den* 
tatum massenhaft mit Giemsa sich blau färbende Zerfallsprodukte, bei 
stärksten Entzündungsersoheinungen, also besonders beim Frieselscbarlach, 
eine geradezu enorme Anhäufung derselben, daneben viele Leukozyten. 

Auch Rach, der sehr sorgfältige pathologisch - anatomische Unter¬ 
suchungen an Scharlach vorgenommen hat, kommt, wie auch Unna, zu 
dem Schluss, dass es sich hierbei um entzündliche Veränderungen an 
der Haut handelt, und dass die durch Entzündungsprozesse veränderte 
Haut dann abgestossen wird. Dafür sprechen auch die Infektionsversuohe, 
die ich damals an Affen maohte, indem ich mit Epithelmaterial Affen 
zweifellos krank machen konnte, die mit hohem Fieber, zum Teil auch 
mit Fiebersturz erkrankten, bei denen Nephritis eintrat, und die nach 
längerer Zeit, nach 4, 6, 8, manchmal auch 25 Tagen, ausgedehnte, 
grosse, lamellöse Schuppungen aufwiesen. Die Haut, die ich damals von 
ganz frisch Gestorbenen abgenommen habe, war eben infektiös. Das 
spricht doch nioht dafür, dass hier trophische Störungen vorliegen, sondern 
dass eine Anhäufung des unbekannten Erregers in der Haut stattfindet, 
entsprechend der Prowazek’schen Hypothese, ähnlich wie beim Fleck¬ 
fieber, bei dem die neueren Untersuchungen doch ebenfalls für Anwesen¬ 
heit des Erregers in der Haut zu sprechen soheinen. 

Auf die Ghininbehandlung möchte ich nicht eingehen; darüber fehlt 
mir das Urteil. Es ist ja wohl auch noch zu früh, kritisch dazu Stellung 
zu nehmen. Aber die Schwierigkeit der Behandlung bei sporadischen 
Fällen muss doch erwähnt werden. Es ist natürlich möglich, "ln einer 
Scharlachepidemie, wo zahlreiche Erkrankungen vorliegen, und die An¬ 
ginaerkrankungen, die in demselben Hause auftreten, ohne weiteres als 
fcharlaoh zu bezeichnen. Es dürfte aber sehr schwer sein, sporadische 
Fälle — und das ist doch die grosse Mehrzahl des Scharlachs in den 
Städten — ganz früh, sohon vor dem Ausbruch des Exanthems, bloss 
auf Grund einer Angina und der Milzschwellung als gesicherten Scharlach 
anzunehmen. Also dürfte auch der Effekt einer Abortivbehandlung in 
diesen Fällen nur ausserordentlich unsioher zu deuten sein. 

Die enormen Virulenzsohwankungen bei Scharlach, auf die der Herr 
Vortragende binweist, sind zweifellos vorhanden, und ich glaube, dass 
die Schwankungen in der Morbidität und in der Schwere der Erschei¬ 
nungen gerade bei Scharlach auf die komplexe Natur dieser Erkrankung 
zurückzuführen sind — der Ausdruck „komplexe Infektion“ ist kürzlich 
von Sahli geprägt worden —, dass eben die Erkrankung zurückzuführen 
ist nicht nur auf das unbekannte Virus, nicht bloss auf die Strepto¬ 
kokken, sondern eben immer auf beides, dass aber die Soharlach- 
angina zweifellos immer durch Streptokokken hervorgerufen wird; und 
wenn wir diese Vorstellung zugrunde legen, dann machen die enormen 
Virulenzschwankungen dem Verständnis des pathologischen Vorganges 
weiter keine Schwierigkeiten. Wir wissen, dass alle Erreger in der 
Virulenz schwanken. Wenn wir annehmen, dass sowohl der unbekannte 
Erreger einmal hochvirulent sein kann, einmal sehr gering, als auch die 
Streptokokken einmal hochvirulent und einmal gar nicht — und das 
ist zweifellos der Fall —, so muss, wenn beide Zusammenkommen, die 
Kurve natürlich übersetzt werden, und wenn bei beiden ein Absinken 
der Virulenz statthat, dann die Schwere der Erkrankung überhaupt ganz 
ausserordentlich abnehmen. So dürfte es zu erklären sein, dass in einer 
Epidemie 30, ja bis zu 40 pCt. Mortalität, wie in England vor einigen Jahren, 
beschrieben worden ist, obwohl sonst die Scharlaohmortalität eine wesent¬ 
lich geringere ist und etwa 3—4 pCt beträgt. Für die grossen Virulenz¬ 
schwankungen spricht auch der Scharlaoh der Säuglinge, der ganz ausser- 
ordentlioh schwer zu erkennen ist, und da ist es noch unerklärt, warum 
eine Mutter an einem sehr schweren Scharlach erkrankt, ihr Kind, ein 
Säugling — ich habe das selbst auf der Jochmannschen Abteilung in 
einer ganzen Reihe von Fällen beobaohtet —, mit hohem Fieber krank 
wird, etwas Rötung bekommt und nach wenigen Tagen wieder gesund 
ist. loh möchte mit dem Herrn Vortragenden durchaus annehmen, dass 
es sich hier um Soharlach handelt, aber der stringente Beweis ist dooh 
eigentlich nicht geliefert. Die leichte Temperatursteigerung in der Um¬ 
gebung immer auf Scharlach zurückzuführen, erscheint auob etwas ge¬ 
wagt, denn Scharlacherkrankungen gehen zweifellos, wie wir alle wissen, 
mit sekundären Streptokokkeninfektionen einher. Warum soll nicht auch 
einmal eine gewöhnliche Angina, ein Raehenkatarrb, auf die Umgebung 
übertragen werden, ohne dass es sich um sicheren Scharlach bandelt? 
Wir wissen dooh, dass Leute, die Scharlach gehabt haben, aus der Um¬ 
gebung eines Schar lach kranken wiederum an Angina erkranken, und da 
ist die einfachste Erklärung: Der Scharlachkranke hat gerade hoch- 
virulente Streptokokken in sich, hustet diese über, und dann erkrankt 
der ihn Umgebende oder ihn Pflegende auch an Angina, diellaber nioht 
durch Soharlach, sondern nur durch die Streptokokken bedingt ist. 


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1150 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 48 


Schliesslich möchte ich mioh sehr skeptisch gegen die Bemerkung 
des Vortragenden verhalten, dass er für einen chronischen Scharlach 
eintritt. Dafür fehlen doch alle Beweise. 

(Die weitere Aussprache wird vertagt.) 


Verein für innere Medisin and Kinderheilkunde so Berlin. 

Sitzung vom 20. Oktober 1919. 

Hr. Arthir Mayer: (Jeher physiologische Erhhhing der Körper¬ 
wärme. Vortr. hatte in verschiedenen Lazaretten Gelegenheit, eine 
grössere Zahl von Patienten zu sehen, die andauernd erhöhte Temperatur 
zeigten, ohne dass sich krankhafte Erscheinungen sonstiger Natur nach- 
weisen Hessen. Die Temperaturkurve hielt sich andauernd auf ungefähr 
gleioher Höhe, ohne die bekannten physiologischen Tagessohwankungen 
zu zeigen. Um diese Fälle genauer zu studieren, wurden zunächst an 
Gesunden eine Reihe von Kontrollmessungen vorgenommen. Es ergab 
sich dabei die sohon von Fürbringer gefundene Tatsache, dass Messungen 
in der trockenen Aohselhöhle andere Werte gaben, wie in der feuchten. 
Dagegen waren bei Kranken, die nicht zum Sohweiss neigten, die Tem¬ 
peraturen in beiden Achselhöhlen meist gleich. Ferner studierte er 
die Temperaturdifferenzen zwischen Achselhöhle und Rektum. Es ergab 
sich, dass die oft erheblichen Differenzen keineswegs konstant sind. 
Besonders gross waren sie nach stärkeren Bewegungen. Vortr. glaubt, 
dass die Ursache der Temperaturdifferenzen zwischen Achselhöhle und 
Rektum schlechte Zirkulationsverhältnisse sind. Er Studierte dann ein* 
gehender nach diesen Feststellungen das Verhalten von 17 Hyperthermeo. 
Er «fand, dass dieselben nach parenteraler Ei weisszufuhr eine besonders 
starke Reaktion zeigten. Stoffweohselversuche ergaben, dass kein ver¬ 
mehrter Eiweisszerfall trotz der erhöhten Temperatur stattfand. Er 
versucht dann eine Erklärung für die Hyperthermie zu geben. Auf 
Grund einer Reihe von Versuchen glaubt er, dass bei diesen Individuen 
gewisse hormonale Einflüsse auf dass Wärmeregulationszentrum fehlen, 
die bei normalen Menschen vorhanden sind. Nach Darreichung von 
Antithyreodin sank die Temperatur, während Adrenalin sie stark erhöhte. 

A usspraohe. 

Hr. Fürbringer verweist auf die überraschende Uebereinstimmung 
der vom Vortr. für die trookene und feuchte Achselhöhle ermittelten 
Temperaturunterschiede mit den Ergebnissen der eigenen systematischen 
in dieser Wochenschrift (1916, Nr. 11 und 20) veröffentlichten Prüfungen 
zum Zweck der Entlastung des Pflegepersonals von der vorscbrifts- 
mässigen unnötigen Austrocknung der schwitzenden Axilla vor der 
Messung. Es fragt sich aber, ob trockene und nasse Aohselhöhle un¬ 
gleich temperiert sind, oder nicht vielmehr in letzterer die wahre Körper¬ 
wärme nur aus physikalischen Gründen (bessere Wärmeleitung!) schneller 
und sicherer ergründet wird. Intensive Anstrengungen, wie namentlich 
Gewaltmärsche mit schwerer Belastung und nach reichlicher Mahlzeit 
können bei Gesunden die Temperatur gelegentlich auf mehr als 39° 
emportreiben. Bei Wettschwimmern sind trotz der abkühlenden Wasser- 
wirkung bis 38,5° festgestellt worden. F. hat an sich nach langen an¬ 
strengenden Sprechstunden wiederholt vorübergehende Erhöhungen um 
0,5 bis 1° beobachtet. 

Hr. Brugsoh erklärt die Aohselhöhle für ganz ungeeignet zu Tempe¬ 
raturmessungen. Die niedrigeren Werte und ihre Inkonstanz ist zurüek- 
zuführen auf den verschiedenen Grad der Durchblutung, der z. B. bei 
abgehärteten Mensohen ein geringerer ist. Die theoretischen Anschau¬ 
ungen Mayers hält er für ganz ungenügend begründet. 
i Hr. His half es für ein Verdienst des Vortr., auf die Existenz 
dieser Fälle mit ätiologisch unklarem Fieber wieder hiDgewiesen zu 
haben, die er auch bäuflg beobachtet hat. Seine Hypothesen kann er 
aber nicht anerkennen. 

Hr. Kraus weist auf die klinische Bedeutung der neueren Fest- 
Stellungen über die normale Körpertemperatur hin, die viele alte An¬ 
schauungen widerlegt haben. 

Hr. Mayer (Schlusswort). 

Hr. Magnas-Levy: (Jeher dei Diabetes im Krieg. 

Mit statistischen Belegen berichtet Vortr. von seinen Erfahrungen 
über den Verlauf des Diabetes im Kriege. Auch er kann die auffällige 
Abnahme dieser Krankheit im Kriege bestätigen. Während im Jahre 
1914 in Berlin noch 444 Todesfälle an Diabetes vorkamen, sank diese 
Zahl 1915 auf 385, 1916 auf 332, 1917 auf 246 und 1918 auf 202. 
Auch der kindliche Diabetes hat auffälligerweise eine Abnahme erfahren. 
Ganz äholiohe Feststellungen gelten nach Rosenfeld für Breslau, während 
der Rückgang in München, wo die ErnährungsVerhältnisse immer bessere 
waren, nioht so stark ausgesprochen war. Dieser Rückgang des Diabetes 
machte sich auch im Krankenhaus bemerkbar, wo im Jahre 1914 
24 Fälle, 1915 16, 1916 11, 1917 9 und 1918 nur 8 Fälle behandelt 
wurden. Auffällig wenig Fälle starben an Goma. Die Glykosurie ver¬ 
lief im allgemeinen leichter. Obwohl es den schweren Diabetikern 
schlechter ging, 9tarben sie doch nioht schneller als im Frieden, weil 
das Goma seltener geworden ist. Häufiger als früher war nur der Aus¬ 
gang in Tuberkulose. Auch bei der Belagerung von Paris 1870 soll 
der Diabetes abgenommen haben. Man soll in Zukunft auch mit reich¬ 
lichem Fettgenuss bei Diabetes vorsiohtig sein. 


(Pädiatrische Sektion.) 

Sitsung vom 27. Oktober 1919. 

HHr. L. F. Meyer (Referent) und A. Jap ha (Korreferent): Der Eil* 
flies der Eriähnig aif das Blit bei Kindern. 

Ebenso wie das Blut des erwachsenen Menschen ist auch das des 
Kindes durch die grosse Konstanz seiner Zusammensetzung ausgezeichnet 
Durch Verschiedenheit der Ernährung bedingte etwaige Veränderungen 
werden durch die Kompensationsvorrichtungen des Organismus sehr 
schnell wieder ausgeglichen. Eine Ausnahme macht nur die Zeit vom 
7. Monat bis zum 4. Lebensjahr, während welcher Periode durch eine 
besondere Zusammensetzung der Nahrung bei manchen Kindern die¬ 
jenige Form der Anaemie entstehen kann, welche als alimentäre be¬ 
zeichnet wird. Man kann 3 Gruppen derselben unterscheiden: die 
leiohteste Form zeigt einen chlorotischen Typus, wobei nur die Menge 
des Hämoglobins herabgesetzt ist, während die Zahl der roten Blut¬ 
körperchen keine, oder nur unwesentliche Verminderung erfährt. Bei 
der zweiten Form findet man erheblichere Herabsetzungen von Hämo¬ 
globin und Erythrozytenzahl und das Auftreten unreifer Formen vpn 
roten Blutkörperchen. Am schwersten ist die dritte Form, die uuter 
dem Bilde der Anämia pseudoleucaemica verläuft. Gans die gleichen 
Formen von Anämie können aber durch infektiöse ond toxische UrBaohen 
hervorgerufen werden. Auf Grund der bekannten Theorie von Bunge 
führte man lange die alimentären Anämien auf den Eisenmangel der 
Milch, besonders der Kuhmilch, zurück. Indessen wird der Erfolg der 
Eisentheraphie, welcher, die Richtigkeit dieser Theorie vorausgesetzt, 
regelmässig eintraten müsste, nicht von allen Kinderärzten anerkannt. 
Dagegen wirkt Eisen prompt bei der experimentell erzeugten Anämie 
eisenarm ernährter Tiere. Bemerkenswert ist, dass auch bei der Anämie 
der Frühgeburten Eisen nicht hilft. Gzerny glaubt deshalb, dass durch 
die einseitige Milchnahrung eine toxisohe Schädigung auf das Blut aus¬ 
geübt wird, wofür nach den Untersuchungen Kleinschmidts besonders 
auch die Hämosiderose der Leber spricht. Der eigentliche Beweis für 
die Richtigkeit dieser Theorie ist die prompte Wirkung der Einschränkung 
oder in schweren Fällen der gänzlichen Ausschaltung der Milch und die 
Darreichung gemischter Kost. Aber nioht alle Autoren bestätigen die 
regelmässige Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode. Nachdem Vortr. 
dann noch die verschiedenen Theorien über den näheren Ghemismfls 
dieser toxischen Wirkung besprochen, kommt er zu dem Schluss, dass 
es in der Lehre von de* Pathogenese der alimentären Anämien noch 
viele ungelöste Fragen gibt: 

Hr. Jap ha zeiohnet das klinische Bild der alimentären Anämie 
auf Grund der eingehenden Schilderungen KLeinscbmidts. Er geht auch 
auf -die infektiösen Anämien des Kindesalters ein, die durch Syphilis, 
Tuberkulose und Eitererreger hervorgerufen werden. Er hält es für 
nicht ganz siohergestellt, dass die Hämosiderose ein unzweifelhaftes 
Zeichen vermehrten Blutserfalls sei. Es könne sich auch um ein blosses 
Liegenbleiben der Blutsohlacken und ihre Nichtverwendung zum Wieder¬ 
aufbau des Blutes handeln. Allerdings spricht der Erfolg der Therapie 
für die Richtigkeit der Anschauung von Gzerny und seiner Sohule. 
Schliesslich weist er auf die Wichtigkeit der Konstitution für das Zu¬ 
standekommen der alimentären Anämie hin. 

Aussprache: HHr. Kleinschmidt, Finkeistein, Mosse, 

Gzerny. HHr. Meyer und Japha (Schlusswort). H. Hirsohfeld. 

Aenste-Verein zu Harburg a, E. 

Sitzung vom SO. Mai 1919. 

1. Hr. Halten : Die Behandlung von Gelenkeiterungen nach Ritter 
mittelst geschlossenen Gipsverbandt. 

Im ganzen wurden auf diese Weise 10 Patienten behandelt und 
zwar mit günstigem Erfolg. Ebenso wie bei Ritter konnte hier ein auf¬ 
fallend schnelles Zurückgaben der starken ödenlatösen Schwellung, eine 
etwas langsamere Abnahme der Wundsekretion, kräftige Granulations- 
bildung mit guter Epithelialisierung und leichte Abstossung der nekro¬ 
tischen Knochen und rasche Entfieberung beobachtet werden. Die Ver¬ 
bandstechnik ist sehr einfach. Aenderungen der Ritter’sohen Methode 
haben sich nioht als notwendig erwiesen. Doch wurde in frischen Fällen 
das Gelenkempyem inzidiert und für wenige Tage drainiert, während 
Ritter in einigen Fällen mit wiederholter Funktion ausgekommes ist 

2. Hr. Weiland bespricht an der Hand eines diagnostisch nicht 
absolut sicheren Falles, der als Typbus abdominalis eingeliefert war, 
die Differentialdiagnose mit der Trichinose. Hervorgehoben wird das 
Symptom des initialen Gesichtsödems, des akuten Beginns mit Schüttel¬ 
frost und Magendarmstörungen und der hochgradigen Eosinophilie bei 
Trichinose. 

Vorstellung eines 19jährigen Menschen mit linksseitiger Ober- 
1 appentuberkulose, bei dem sich'eine symmetrische Schwellung 
der Parotiden, der Tränendrüsen und der Nuhn’schen Drüsen 
findet, die als Miculicz’sohe Erkranknug gedeutet und in ihrem Ge¬ 
samtbild besprochen wird. 

Aus der Gruppe der Entwioklungsstörungen werden zwei 
Krankheitstypen besprochen, nnter Demonstration von Patienten, näm¬ 
lich der reine Iofantilismus und die Dystrophia adiposo-genitalis. 

Anhangsweise Erwähnung der bei Kindern häufigen Differenz zwischen 
Rektal- und Axillartemperatur, die über die gewöhnlichen 0,5° weit 
hinausgeht und kontinuierliches Fieber vortäuBohen kann; es handelt 


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1. Deiember 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1151 


aioh um eine harmlose abnorme Temperatursteigerung im Rektum, deren 
Ursache wahrscheinlich in Zufäligkeiten, nicht in einer Störung der 
Wärmeregulation beruht. 

Unter Demonstration entsprechender Röntgenplatten werden diffe- 
rentialdiagnostisch besprochen: 

Aortenaneurysma und -sklerose mit Herzveränderungen. Mediastinal¬ 
tumor, Pneumothorax und pleuritisches Exsudat, Oesophaguskarzinom-, 
-dilatation und -divertikel. Seltenes Bild bei Magenkarzinom. 

S. Hr. König referiert über Magen- and Duodenalgeschwür. Hin¬ 
sichtlich der Aetiologie bekennt er aioh zu den Anschauungen Berg¬ 
manns. Jedoch räumt er konditionellen Momenten naoh Hart eine 
wesentliche Bedeutung ein. Bei Besprechung der Symptome und 
Diagnose wurde namentlich der Moynihan’sohen Auffassung, dass die 
Anamnese alles, das Ergebnis der Untersuchung nichts bedeute, ent- 
gegengetreten und betont, dass es eine absolut charakteristische Anamnese 
in seinem Sinne überhaupt nicht gibt. Was die Röntgenuntersuchung 
anbelangt, so könne sie nur der Vervollständigung der übrigen Befunde 
dienen, niemals aber für sich allein von entscheidender Bedeutung sein. 

Bei Besprechung der Therapie bekennt sich der Vortragende zu 
den von Miculicz gegebenen Richtlinien, nach denen in gewöhnlichen 
Fallen der chirurgischen eine interne Behandlung voranzugehen habe. 
Die Frage, ob Gastroenterostomie oder Resektion, wenigstens beim 
pylorusfernen Ulkus vorzuziehen sei, wird zugunsten der Resektion 
beantwortet. Sohliesslioh wird der Wert der chirurgischen Therapie für 
gewisse Formen der Ulkuskrankheit in den Fällen betont, denen gegen¬ 
über die interne Therapie machtlos sei. Schäfer. 


17. Jahresversammlung der Deutschen 
Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts¬ 
krankheiten. 

Hatten schon während des Krieges die Geschlechtskrankheiten eine 
unverkennbare Zunahme in allen Schichten der Bevölkerung erfahren, 
so schwollen die Erkrankungsziffern fast unmittelbar nach der regel¬ 
losen Auflösung unseres Heeres, der Revolution und der mit den poli¬ 
tischen Ereignisse^ Hand in Hand gehenden allgemeinen Disziplinlosig¬ 
keit in geradezu erschreckender Weise an. Zehntausende von Gesohleohts- 
kranken verliessen ungeheilt die Lazaretfe, die für die Demobilisierung 
vorgesehenen Maassnahmen der LandesversicheruDgsanstalten, die ein 
Zurückfluten der während des Krieges Erkrankten durch eine syste¬ 
matische Untersuchung verhindern sollten, versagten ebenso wie die 
militärischen Machtmittel, und so mischten sich ungezählte Infektions¬ 
träger unter das Volk, Stadt und Land, Verheiratete und Unverheiratete 
in vorher nie gekanntem Maasse durchseuchend. Diese für die zu¬ 
künftige gesundheitliche Entwicklung unseres Nachwuchses katastrophale 
Erscheinung bedeutete eine ungeheuere Gefahr. Es war ein Verdienst 
der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, 
dass sie diese Gefahr rechtzeitig erkannte und einen vorzüglichen Feld¬ 
zugsplan gegen die Geschlechtskrankheiten durohlührte. Nioht nur, 
dass sie selbst im ganzen Land die Aufklärung und Belehrung vorbild¬ 
lich organisiert hat, wirkt sie auch, wo ihre Mittel nioht ausreichen, gegen¬ 
über den staatlichen und kommunalen Behörden, den Landesversicherungs¬ 
anstalten und Krankenkassen als anregende und begutachtende Körper¬ 
schaft. 

Der derzeitige Generalsekretär, Herr Pinkus, verlas den Jahres¬ 
bericht, der ein anschauliches Bild von der Fülle von Arbeit gab, die 
von der Gesellschaft geleistet und veranlagst worden ist. Neue Bundes¬ 
genossen sind der Gesellschaft in jüngster Zeit in dem Reichs- und 
Landesausschuss für hygienische Volksbelehrung sowie in dem 
.Dresdener Natiqjräl-Hygiene-Museum entstanden. Das letztere hat 
mit seinen grossen Mitteln jetzt auch den Kampf gegen die Geschlechts¬ 
krankheiten aufgenommen und im Verein mit der Deutschen Gesellschaft 
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten sehr zweckmässige Lehr¬ 
ausstellungen geschaffen, deren grösste zur Zeit in den Landesausstellungs¬ 
hallen am Lehrter Bahnhof in Berlin eine würdige Stätte erhalten und 
deren Eröffaung am Tage der Jahresversammlung mit aller Feierlichkeit 
atattgefunden hat. Der Minister für Volkswohlfahrt hielt die Eröffnungs¬ 
rede, nachdem Oberbürgermeister Blüh er-Dresden als Vorsitzender des 
National-Hygiene-Museums die Ausstellung eröffnet hatte. 

Ausserordentliche Gefahren erheischen ausserordentliche Abwehr- 
xnaassnahmen, und so lag es denn nahe, auch die Gesetzgebungsmaschine 
für den Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten in Gang zu setzen. 
Schon im alten Reichstag hatte der Ausschuss für Bevölkerungspolitik 
ein solches Gesetz bis zur 3. Lesung durchberaten. Da wurde diese 
Arbeit duroh die Revolution unterbrochen. Die neue Regierung hatte 
dann im Dezember vorigen Jahres einige Forderungen dieses Entwurfes: 
die Zwangsheilung gemeingefährlicher Geschlechtskranker, die Bestrafung 
des Geschlechtsverkehrs Erkrankter, sowie die Belehrung9pflicht der 
Aerzte auf dem Verordnungswege eingeführt, alle übrigen Forderungen 
jedoch unerledigt gelassen. So entschied sioh denn die Gesellschaft, 
ihre Sachverständigenkommission, die schon flen früheren gesetzgeberischen 
Maassnahmen vorgearbeitet hatte, wieder zusammen zu berufen, um 
Grundlagen für ein solches Gesetz auszuarbeiten. Diesmal freilich 
bandelte es sioh um ganz neue Aufgaben. Bei der Zusammensetzung 


unserer Parlamente ist die Beibehaltung der Reglementierung sehr in 
Frage gestellt, und da ohnehin deren hygienische Wirksamkeit von vielen 
Aerzten stark bezweifelt wird, so kostete es nicht viel Ueberwindung, 
auf das alte System zu verzichten und neue Wege zu gehen. 

Interessant war, wie aus dem Referat des Berichterstatters San.-Rat 
Dr. Block-Hannover hervorging, dass der alte Streit zwischen Reglemen- 
taristen und Abolitionisten durch das jahrelange Zusammenarbeiten 
beider Gruppen in der Sachverständigenkommission so gut wie gegen¬ 
standslos geworden ist und sich schliesslich Vorschläge ergeben, die 
beiden Parteien annehmbar erschienen, und die hoffentlich auch eine 
gute Grundlage für die kommende Gesetzgebung abgeben werden. Die 
Grundzüge dieses Gesetzes sind etwa folgende: Behandlungspflicht für 
jeden Geschlechtskranken, Behandlungszwang für alle, bei denen die 
Gefahr besteht, dass sie ihre Krankheit weiter verbreiten können, Unter- 
suohungszwang für alle einer Geschlechtskrankheit dringend Verdächtigen. 
Dalür: Recht auf freie Behandlung, ferner Anzeigepflioht der Aerzte 
Kranken gegenüber, die ihre Kur unterbrechen oder im Verdacht stehen, 
ihre Krankheit weiter zu verbreiten. 

Verpflichtung der Aerzte, die Quelle der Ansteckung bei ihren 
Patienten zu erforsohen und alle ihre Patienten auf die Gefahr der 
Weiterverbreitung ihrer Krankheit aufmerksam zu machen. Ferner wird 
gefordert: Bestrafung des Geschlechtsverkehrs Kranker, ohne dass eine 
Ansteokung des anderen Teils naohgewiesen zu werden braucht. Verbot 
der Fernbehandlung (brieflichen) von Geschlechtskranken. Verbot der 
Ankündigung von Mitteln, die zur Behandlung von Geschlechtskranken 
dienen. — Ammen müssen vor Ansteckung syphilitischer Kinder, Kinder 
vor Ansteckung durch syphilitische Ammen geschützt werden. — Der 
Kuppeleiparagraptf des Str.G.B. soll die Gewährung von Unterkunft an 
Personen über 18 Jahre, insofern kein Verleiten, Anwerben oder An¬ 
halten zur Unzucht und keine Ausbeutung der Unzucht treibenden Per¬ 
sonen vorliegt, gestatten. Endlich soll strafbar sein, wer öffentlich in 
einer den Anstand gröblich verletzenden Weise zur Unzucht auffordert 
oder siph anbietet. 

Ueber einzelne dieser Forderungen wird sioh nooh streiten lassen. 
Vielleicht ist man hie und da etwas rigoros vorgegangen und man wird 
in der Praxis doch mehr von der Freiwilligkeit als vom Zwange er¬ 
warten dürfen. Darüber werden ja aber die gesetzgebenden Körper¬ 
schaften zu entscheiden haben. Es wäre nur zu wünschen, dass diese 
sioh in dauernden Konnex mit den Sachverständigen der DGBG. setzten 
und nicht ohne genügende Erfahrung und Sachkenntnis Entscheidungen 
treffen. 

Voraussetzung für die Durchführung eines solchen Gesetzes ist 
natürlich die absolute Ausschaltung der Kurpfuscher bei der 
Behandluug der Geschlechtskranken, da diese ja alle staatlichen Auf- 
siohtsmaassnahmen zu niohte machen würden. Es ist daher besonders 
zu begrüssen, dass auf Antrag eines Nichtmediziners, des Senats¬ 
präsidenten Sohmöl der, die Jahresversammlung einen Antrag annahm, 
bei der Reichsregierung und der Nationalversammlung dringend darauf 
hinzuweisen, dass ein solches Verbot unerlässliche Voraussetzung einer 
gesetzlichen Regelung dieser Krankheiten ist. 

Die Versammlung beschloss dann ferner, alle 2 Jahre einen 
Albert-Neisser-Preis für die beste Arbeit auf dem Gebiete der 
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten auszuschreiben unter jeweils 
näher zu präzisierenden Bedingungen. 

In den Vor »Und wurden neu hinzugewähli Präsident Kaufmann 
vom Reichsversioherungsamt, Professor Finger-Wien und Professor 
von Zjimbusch-Munohen. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft 
vom 26. November 1919. Vor der Tagesordnung: 1. Herr Kausch: 
Vorstellung einer von akuter gelber Leberatrophie geheilten Klientin, 
dazu Herr Huber über den klinischen Verlauf. 2. Herr 0. Lew in: 
Kranken Vorstellung zur Immunotherapie des Krebses (Aussprache: die 
Herren Landau, Lewin). 3. HerrPlehnt Demonstration von lebenden 
Filarien. Tagesordnung: Herr Werner Schultz: a) Demonstration 
des Auslösohphänomens bei Scharlach, b) Zur Typhustherapie. (Die Aus¬ 
sprache über Typhustherapie wurde vertagt.) 

— Der Reichsminister des Innern erlässt folgenden Aufruf: An die 
deutsoheAerzteschaft! Die Geschlechtskrankheiten haben nach den 
übereinstimmenden Mitteilungen zahlreicher Sachverständiger nioht allein 
unter der Einwirkung des langwierigen Krieges, sondern auch duroh die 
Folgeerscheinungen des unglücklichen Kriegsausganges eine sehr erheb¬ 
liche Zunahme erfahren. Damit die demgemäss zur Verhütung einer 
weiteren Verseuchung der Bevölkerung treffenden Maassnahmen hinsiebt- 
lich ihrer Art und ihres Umfanges einer sicheren Grundlage nicht er¬ 
mangeln, erscheint es dringend notwendig, durch eine auf das ganze 
Reichsgebiet auszüdehnende Zählung zuverlässige Angaben über die 
gegenwärtige Verbreitung der Geschlechtskrankheiten, insbesondere ihre 
Verteilung auf Stadt und Land und auf die beiden Geschlechter sowie 
über die Beteiligung der Verheirateten und der Jugendlichen, zu be¬ 
schaffen. Eine derartige Erhebung ist schon während des Krieges durch 
eine Entsohliessung des 16. Ausschusses der Reichstags für Bevölkerungs- 
politik gefordert und auch in einer kürzlich abgehaltenen Sitzung des 
Reiohsgesundheitsamts 'einstimmig gebilligt worden. Die. Feststellung, 


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1152 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 48. 


der Anzahl der Geschlechtskranken ist nur mit Hilfe der Aerzteschaft 
möglich und wird sich, um einigermaassen sichere statistische Schluss¬ 
folgerungen zu gestatten, auf die Dauer von mindestens vier Woohen 
erstrecken müssen. Hierfür ist die Zeit vom 15. November bis ein¬ 
schliesslich 14. Dezember 1919 bestimmt worden. Bei der ausserordent¬ 
lichen volksgesundheitlichen Tragweite der Erhebung, dereo Ergebnis 
insbesondere auoh für die zu ergreifenden reichsgesetzlicben Maass¬ 
nahmen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vcn einschneiden¬ 
der Bedeutung werden dürfte, ergeht daher an die deutsche Aerzte¬ 
schaft die Bitte, sich der Mühe der Ausfüllung des Zählbogens und 
seiner Einsendung an das Eeichsgesundheitsamt bis zum 31. Dezember 
1919 gefälligst unterziehen und so zu dem Gelingen der Statistik bei¬ 
tragen zu wollen. Denn nur durch eine einmütige Beteiligung der Aerzte- 
sohaft an der Erhebung wird diese zu einwandfreien Ergebnissen zu 
führen vermögen. Auoh wenn für die Zeit vom 15. November bis 
14. Dezember kein Geschlechtskranker zu melden ist, muss der Zahl- 
bogen dem Reichsgesundheitsamt, lediglich mit der Unterschrift und der 
Adresse des Arztes versehen, zugesandt werden. Damit jedes Bekannt¬ 
werden der Namen der Erkrankten vermieden wird, ist vor der Ab¬ 
sendung des ausgefüUten Zählbogens die die Namen enthaltende Vor¬ 
spalte abzutrennen und für die Beantwortung etwa erforderlicher Rück¬ 
fragen aufzubewahren. 

— Der Verband für erste Hilfe hat seine Einrichtungen der 
Stadt Berlin übergeben und sich aufgelöst. An seine von Berufsgenossen- 
sohaften ausgehende Gründung ist die Erinnerung höchst unliebsamer 
Spaltung der hiesigen Aerzteschaft geknüpft, die zu unterdrücken seiner¬ 
zeit viel Mühe verloren werden musste. Erst spät kam eine Einigung 
mit der Rettungsgesellsohaft zustande, die unter Führung des un¬ 
vergesslichen v. Bergmann von der Mehrheit der Aerzte auf dem 
Grundsatz der freien Zulassung aller dazu bereiten Kollegen errichtet 
worden war. Mit so manchen anderen freien Einrichtungen fällt jetzt 
auch diese der neuen „freien“ Zeit zum Opfer und muss für ihre Selb¬ 
ständigkeit eine bureaukratisohe Verwaltung in Tausch nehmen. 

— Fraternitas medioorum heisst, wie einem Aufsatz von Thor- 
kild Rovsing in der Hospitalstidende (zit. D.m.W., Nr.47) zu entnehmen, 
eilfe auf Moltzer’s Veranlassung im Jahre 1915 beabsichtigte inter¬ 
nationale Vereinigung von Aerzten, die eine Brücke der Verständigung 
zwischen den feindlichen Nationen bilden sollte. Der Eintritt Amerikas 
in den Krieg hat aber auoh auf die Gesinnung der amerikanischen Aerzte 
verwüstend eingewirkt. Nur so ist es zu verstehen, dass der Präsident 
der Amerioan medical Association Arthur Dean Beaven in Chicago 
die deutschen Aerzte solange nicht mehr als Kollegen betrachtet und 
behandelt wissen will, bis sie ... . und nun kommen die sattsam be¬ 
kannten Ausbrüche anglosäohsischen Pharisäertums. Nud, wir deutschen 
Aerzte werden auoh hier gelassen abwarten, bis eine Genesung von der 
geistigen Verwirrung eingetreten ist; die ersten Anzeichen hierfür äussern 
sich schon in dem Wunsche amerikanischer Redaktionen, mit unseren 
deutschen medizinischen Zeitschriften wieder in ein Austauschverhältnis 
zu treten, wie es vor dem Krieg bestanden hatte. H. K. 

— Oberstabsarzt Prof. W. Hoffmann hat sein Amt als Direktor 
des städtischen Untersuchungsamts angetreten. 

— Stadtmedizinalrat Nachtwey in Berlin-Liohtenberg hat auf 
sein Amt verzichtet. 

— Prof. Hell pack erhielt von der Karlsruher Hoohschul Vereinigung 
3000 M. für psychophysiologische und sozialpsychologische 
Forschungsarbeiten. v 

— Der medizinische Nobelpreis wird in diesem Jahre nicht 
verteilt; den für Chemie erhielt Haber -Berlin, für Physik Planck- 
Berlin und J. Stark in Greifswald, so dass also in diesem Jahre drei 
Nobelpreise nach Deutschland fielen. 

— Die badische Regierung hat für Förderung der Leibes¬ 
übungen 1000 000 M. in den Etat eingestellt. 

— Im Prüfungsjahre 1917/18 haben im Deutschen Reiche 611 A erzte, 
71 Zahnärzte,- 28 Tierärzte und 147 Apotheker die Appro¬ 
bation, sowie 21 Nahrungsmittelchemiker den Befähigungsausweis 
erworben. Die Verteilung der Approbationen und Befähigungsausweise 
nach Staaten ergibt sich aus folgender Uebersicht: 



Aerzte 

Zahn¬ 
ärzte i 

Tier¬ 

ärzte 

j Apo- | 
thekerj 

Nahrangs¬ 

mittel¬ 

chemiker 

Preussen. 

321 

| 

; 33 

i 

8 

i 1 

55 

6 

Bayern. 

113 

14 

11 

81 1 

4 

Sachsen . 

30 

I 6 

2 

17 1 

1 

Württemberg. 

12 

i 3 

— 

8 ; 

3 

Baden . 

81 

i 11 

i — 

6 

1 

Hessen. 

7 

— 

i 2 

1 — ; 

— 

Mecklenburg-Schwerin . . . 

Früheres Grossherzogt Sachsen 

34 

4 


! 4 

i 

2 

u. frühere säohs. Herzogtümer 

13 

1 — 

— 

: 5 1 

2 

Braunschweig. 

— 

— 

1 — 

21 

2 

Eisass-Lothringen. 

— 

1 — 

i - 

1 ~ 1 

— 


— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reich (2. bis 
8. XI.) 4. Fleokfieber: Deutsches Reich (2.-8. XI.) 1. Genick¬ 
starre: Preussen (26. X. bis 1. XI.) 2. Spinale Kinderlähmung: 
Preussen (26. X. bis 1. XI.) 1 u. 1 +. Ruhr: Preussen (26. X. bis 
1. XI.) 302 u. 57 +. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an 
Keuchhusten in Osnabrück, Wanne; Typhus in Oberhausen, Reckling¬ 
hausen. (Veröff. d. Reichs-Ges.-Amts.) 

H och schu ln ach richten. 

Erlangen: Geheimer Hofrat Prof. Seitz hat einen Ruf nach 
Wien als Ordinarius für Gynäkologie und Geburtshilfe erhalten. 

Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: ao. Prof. Dr. Laewen in Leipzig z. ordentl. Professor 
in d. mediz. Fakult. d. Univers. in Marburg. 

Niederlassungen: Dr. J. Semrau in Putzig, Sch. Ahmed in Berl.- 
Wilmersdorf, Dr. Reinhard Bruns in Bromberg, Ernst Stellmacher 
in Schneidemühl, Dr. K. Ebertshäuser in Kolmar i. P., Dr. Karl 
Müller in Rossbach, Dr. 0. Milde in Mücheln (Kr. Querfurt), Ger¬ 
trud Losensk in Weissenfels, Dr. Friedr. Brandt u. Dr. K. Staffier 
in Halle a. S., Ob.-St.-A. Dr. P. Regling in Erfurt, Dr. Luise Kan- 
zow in Mühlhausen i. Thür., Dr. Max Weber in Nordhausen, Ernst 
Thieme u. R. Schwarzenauer in Bleicherode, Dr. M. Heitsch in 
Niederorschel (Kr. Worbis), Dr. K. Weissenstein u. Dr. P. Tüffers 
in Leinefelde (Kr. Worbis), Egon Kaiser in Breitenworbis (Kr. Worbis), 
Dr. H. Alnor in Tingleff (Kr. Tondern), Dr. Elga Bauer u. Dr. H. 
Carstensen in Flensburg, Eugen Wunder in Altona, Mar.-St.-A. 
a. D. Dr. F. Laohmund in Grönitz (Kr. Oldenburg i. Holst.), Dr. J. 
Kleinmanns in Gross-Vernich (Kr. Euskirchen). 

Verzogen: Dr. E. Achtzehn von Neuruppin nach Magdeburg, Dr. Erich 
Berger von Magdeburg nach Beendorf (Kr. Neubaldensleben), H. G. 
Krosohel von Rehburg nach Altenweddigen (Kr. Wanzleben), Martin 
Müller von Halberstadt nach Croppenstedt (Kr. Osobersleben), Dr. O. 
Brinck von Halberstadt nach Wernigerode, Dr. A. Jost von Balle, Dr. 
M. Brommer von Erlangen u. Dr. E. Eysen von Spandau nach Halber¬ 
stadt, E. Hacke voq Danzig nach Danstedt (Bez. Halberstadt), Dr. F. 
Brennecke von Braunsohweig u. Dr. E. Wich mann von Kiel nach 
Halle a. S., Dr. 0. Boyksen von Rostock nach Pinneberg, Dr. H. 
Helle von Frankfurt a. M. u. Dr. J. Beving von Borden nach Bochum, 
Dr. 0. Boeters von Berlin naoh Dortmund, Dr. A. Middeler von 
Recklinghausen naoh Werries (Ldkr. Hamm), Dr. H. Hülsemann 
von Herford naoh Soest, Dr. Rudolf Wenzel von Strassburg nach 
Putzig, Dr. W. v. Czarnowski von Schröteradorf u. San.-Rat Dr. W. 
Zietak von Leinefelde nach Bromberg, Dr. H. Sohr von Gollantsch 
nach Schneidemühl, Dr. W. Ser mau von Halle nach Car Isfeld b. 
Brehna, Dr. Ph. Stadler von Wilhelmshaven naoh Bitterfeld, Dr. 0. 
Gummig von Bauchhammer nach Elsterwerda, H. CoOnert von Schkeu¬ 
ditz nach Leipzig, Paul Krüger von Calbe naoh Schkeuditz, W. Kuh- 
wald von Spandau naoh Querfurt, St.-A. R. Stuller von Culm nach 
Gröbers (Saalkreis), G. Huck von Göttingen naoh Sangerhausen, Dr. 
Fritz Müller von Berlin nach Weissenfels, Dr. 0. Stockey von 
Bad Sassendorf i. W. nach Pretzsoh (Kr. Wittenberg), San.-Rat Dr. 
Ernst Albrecht von Pretzsch nach Bad Sohmiedeberg, Dr. Wilh. 
Stahl von Leipzig, Dr. Erwin Becker von Remscheid u. Oskar 
Stephan von Elbing nach Halle a. S.,—Geh. San.-Rat Dr. B. Krevet 
von Halle a. S. nach Mühlhausen i. Thür., Dr. E. Asser von Beuthen 
i. O.-Schl. nach Bad Sachsa, Dr. H. A. Andersen von Tondslet nach 
Apenrade, St.-A. a. D. Dr. Eugen Schmidt von Rendsburg nach 
Mölln (Kr. Herzogt. Lauenburg), Martha Meyer von Hörde nach 
Dortmund, Dr. F. Wendenburg von-Eickelborn nach Gelsenkirchen, 
Geh. San.-Rat Dr. R. Kasprzik von Frankfurt a> M. nach Soden 
(Kr. Sohlüohtern), Dr. A-loys Jacob von Weyhers nach Tauber¬ 
bisohofsheim, Dr. R. 0. Wolfram von Magdeburg nach Witzenhausen, 
Dr. Heinr. Braun von Marburg naoh Rosenthal (Bez. Cassel), Dr. 
G. Paulsen von Hamborn naoh Frankenberg, Dr. W. Welty von 
Düren nach Eltville a. Rh., Dr. Paul Kayser von Berlin naoh Dillen- 
bürg (Dillkreis), Dr. S. Marx von Frankfurt a. M. naoh Stuttgart^ 
Dr. H. Wolfskehl von Oberursel u. Dr. Max Rosenfeld von Strassn 
bürg i. Eis. nach Frankfurt a. M., Dr. A. Schald von Gladenbach naohv 
Dinkelsbühl (Mittelfranken), Dr. F. Dupuis von Bildstock nach Kreuz-? 
naoh, Dr. Viktor Heinrich von Honnef nach Leutesdorf (Kr. Neu-j^ 
wied), Dr. J. Wegmann von Cöln-Deutz naoh Linz (Kr. Neuwied)/ 
Dr. E. Sohedler von Biebrich naoh Paderbach (Kr. Neuwied), Dr/ 
Margarete Schaper von Strassburg u. Dr. A. Loch von Düsseldorf 
naoh Barmen. * 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. A. Simoni» 
von Carlsfeld b.Brehna, Dr. Karl Hesse von Gräfenhainichen, Dr.Lippf- 
mann von Wölfen (Kr. Bitterfeld). ' 

Gestorben: Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. K. Moeli, ständig. Hilfsarbeiter 
im Ministerium f. Volkswohlfahrt. 


Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreather Str. 42.: 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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UNiVERSUY OF IOWA 













Die Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nnmmem Ton etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Treis vierteljährlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


latMUimM IHIU 


Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner uod Prof. Dr. Haas Kohn. August Hirschwald, Verlagsbachhandlang in Berlin. 

Montag, den 8. Dezember 1919. M. 49. Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die Redaktion und Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald, Berlin NW., Unter den Linden 08» 
adressieren. 


INHALT. 


Origiialiei: Fischer: Die Neuordnung des ärztlichen Unterrichts. S.1158. 

Zlooisti: Zur Theorie des Schwarzwasserfiebers. (Aus dem Deutschen 
Roten Kreuz-Lazarett Constantinopel [Chefarzt: Dr. Theodor 
Ziocisti].) S. 1157. 

Neufeld: Ueber ein hämolytisches Phänomen des Harns bei chro¬ 
nischer Nephritis. (Aus dem medizinisch-diagnostischen Institut 
von Dr. L. Neufeld.) S. 1159. 

Bender: Die Variolabehandlung mit Kaliumpermanganat. (Aus der 
medizinischen Abteilung des städtischen Wenzel-Haneke-Kranken¬ 
hauses in Breslau [Primärarzt: Geh. San.-Rat Dr. Drewitz].) 
(Illustr.) S. 1160. 

Herxheimer und Altmann: Ueber Liquor oarbonis detergens. 
(Aus der Universitäts Hautklinik zu Frankfurt a. U.) S. 1162. 

Hoppe und Seegers: Ueber Dijodyl und Jodausscbeidung. (Aus 
dem ohemischen Laboratorium der Landesheilanstalt Uchtspringe, 
Altmark [Direktor: Prof. Dr. Alt].) S. 1164. 

BKeherkegpreehnnge« : Lexer: Wiederherstellungschirurgie. (Ref. Bor- 

chardt.) S. 1165. — Boas: Die Tabes dorsalis der Kriegsteilnehmer 


Die Neuordnung des ärztlichen Unterrichts. 

Von 

Prof. Dr. B. Fischer-Frankfurt a, M. 

Die Neuordnung des medizinischen Studiums scheint auf dem 
Wege zu sein. Es ist zu hoffen, dass der Beschluss des 41. Aerzte- 
tages in Eisenach der Reform einen kräftigen Anstoss geben wird. 
Wenn ich trotz des för meine Vorschläge so günstigen Beschlasses 
des Eisenacher Aerztetages heute zur Reformfrage nochmals das 
Wort ergreife, so geschieht es, um zu der nach der Abfassung 
meiner Broschüre 1 ) über diese Frage erschienenen Arbeit von 
Erich Meyer 2 3 ) und vor allem zu den eingehenden Darlegungen 
meines hochverehrten Fachkollegen 0. Ln barsch 8 ) Stellung zu 
nehmen. 

Dazu habe ich am so mehr Veranlassung, alsLuharsch, ob¬ 
wohl im Ziel und auch in zahlreichen wesentlichen Punkten der 
Ansführung mit mir vollkommend übereinstimmend, doch gegen 
einige meiner Vorschläge schwere Bedenken geltend macht. In 
einer Hauptforderung, vielleicht der wichtigsten, sind wir einig: 

Lubarsoh wie E. Meyer betrachten als das Mindeste, was verlangt 
werden muss, eine Verlängerung des klinischen Studiums um 3 Semester, 
des ganzen Studiums auf 6 Jahre. Das entspricht also ganz meiner 
Hauptforderung, da ich 7 klinische Semester verlange und einen Teil 
des jetzt im klinischen Unterricht vorgesehenen Pensums in das vor¬ 
klinische 5. Semester legen will, das meines^ Erachtens beibehalten 
werden sollte. 

Die wesentliohsten Bedenken erhebt Lubarsch gegen die von mir 
vorgesohlagene Verpflichtung der Hochschullehrer und gegen die Bindung 
der Studienpläne. Sind seine Einwendungen wirklich begründet, können 
wir auf diese Bindungen verzichten? Wenn das Ziel ohne sie erreichbar 
wäre, so unterliegt es ja gar keinem Zweifel, dass man dann auf jede 
systematische Regelung gerne verzichten würde; aber das Ziel ist eben 
leider, wie ich fest überzeugt bin, ohne eine solohe Bindung nicht 
erreichbar. 

Mil Recht betont Lubarsch, dass unseren jungen Aerzten heute 
nioht nur das Können, sondern vor allem auch das Wissen fehlt, und 

1) Zur Neuordnung des medizinischen Studiums und Prüfungswesens. 
München 1919, L F. Lehmann. 

2) D. med. Wschr., 1919, Nr. 25, S. 693. 

3) B.kl.W., 1919, Nr. 41—44. 


und ihre militärärztliohe Begutachtung. (Ref. Birnbaum.) S. 1165. 
— Wilhelmi: Die angewandte Zoologie. (Ref. Deegener.) S. 1165. 
Literatar-Auszüge: Physiologie. S. 1165. — Theraf^. S. 1165.— All¬ 
gemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1166. — Innere 
Medizin. S. 1166. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1167. 
— Kinderheilkunde. S. 1167. — Chirurgie. S. 1167. — Röntgenologie. 
S. 1168. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1168. — Augenheil¬ 
kunde. S. 1169. — Hats-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 1169. — 
Hygiene und Sanitätswesen. S. 1169. — Gerichtliche Medizin. S. 1169. 
Verhaadlingei ärztlicher Gesellschaft«« : Berliner medizinische 
Gesellschaft. Kayser: Kasuistik des Rüokfallfiebers. S. 1170. 
Fortsetzung der Besprechung des Vortrages des Herrn Zuelz er: Zur 
Soharlaohfrage. S. 1170. — Berliner Gesellschaft für Psy¬ 
chiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1178. — Aerztlioher 
Verein zu München. S. 1174. 

Zur Frage des Friedmann’schen Heilmittels gegen Tuberkulose. S. 1174. 
Informatorische Einstellung von Aerzten bei Städtgemeinden. S. 1175. 
Tagesgesohiohtl. Notizen. S. 1175.— Amti. Mitteilungen. S. 1176. 


dass „die Mehrzahl der in die Praxis eintretenden Aerzte weder all¬ 
gemein, nooh spezialistisoh, noch wissenschaftlich genügend ausgebildet“ 
ist. Ich habe das auch mit aller Deutlichkeit in meinem Vortrag auf 
dem 41. Deutschen Aerztetag betont und stimme mit allem, was 
Lubarsoh hier über die Notwendigkeit der Betonung der Hauptfächer 
sagt, vollkommen überein. Gerade auf diesem Gedanken ist aber der 
ganze Studienplan^ wie ich ihn in Vorschlag gebraoht habe, aufgebaut. 

Es ist mir auch in Eisenach vorgehalten wordeD, dass ja unmöglich 
ein Einzelner bestimmen könne, welchen Umfang die einzelnen Fächer 
im Studienplan haben müssen, und Schwalbe hat erklärt, dass er 
deshalb von der Aufstellung eines genauen Studienplans Abstand ge¬ 
nommen habe. Ich betone, dass alle Vorschläge für die Reform in der 
Luft schweben, welche sich dieser Aufgabe der Aufstellung eines 
Studienplans entziehen.* Sie vermeiden es, die Bilanz ihrer Vorschläge 
zu ziehen, und wenn man diese Bilanz aufstellt, so ergibt sieb, dass 
eine Reihe von Vorschlägen schon von vornherein ausfällt, will mau 
nicht das Studium auf 7, 8 oder mehr Jshre verlängern. 

Gewiss ist ein Einzelner nicht in der Lage anzugeben, welcher Um¬ 
fang einem jeden Einzelfach unbedingt im StadieDplan anerkannt werden 
muss. Dies habe ioh aber auch bei der Aufstellung meines Plan¬ 
entwurfes nicht getan. Alles, was ich hier in Vorschlag bringe, gründet 
sich auf die langjährigen Erfahrungen und Verhandlungen unseres Lehr- 
planaussohusses in Frankfurt a. M. Die Stundenzahlen sämtlicher 
Fächer sind in meinem Entwurf so eingesetzt, wie sie in Frankfurt 
bereits durchgeführt sind. Und wenn Lubarsoh z. B. bemerkt, dass 
ioh kein« Begründung gegeben habe dafür, dass der Physiologie 
16 Stunden statt sonst 12 Stunden Vorlesung in meinem Plan ein¬ 
geräumt sind, so liegt die Begründung dafür einfach darin, dass dies 
von den Vertretern der Physiologie in Frankfurt, wie ich glaube mit 
Recht, gefordert und im Lehrplan bei uns durchgeführt wurde. Be¬ 
gründungen habe ich nur da gegeben, wo ioh von der in unserem 
Frankfurter Lehrplan festgesetzten Stundenzahl abgewichen bin oder Er¬ 
gänzungen Vorschläge. 

Da ich als Vorsitzender unseres Lehrplanaussohusses durch Jahre 
hindurch alle Verhandlungen mit jedem Einzelfaoh geführt habe, so weiss 
ioh aber auch, dass diese Forderungen der Einzelfächer, so weit sie bei 
uns erfüllt sind, vollkommen begründet sind. Mein Lehrplaneotwurf 
beruht also nicht, was die Einzelfächer angeht, auf meinen eigenen An¬ 
schauungen, sondern auf Angaben der Fachvertreter. Dass ioh gerade 
die Frankfurter Erfahrungen zugrunde legte, habe ioh mit voller Absicht 
getan, weR bei uns der Grundsatz der Hervorhebung der Hauptfächer 
von vornherein von der ganzen Fakultät als der einzig richtige anerkannt 
und dementsprechend, soweit das im Rahmen der viel zu kurzen Studien¬ 
zeit überhaupt denkbar war, schon durobgefuhrt worden ist. Man kann 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1154 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. »r. 49. 


aber natürlich auch anders vorgeben. Als ioh meine Abhandlung sohrieb, 
war mir eine Zusammenstellung noch nicht bekannt, die inswischen von 
Herrn Prof. v. Kries in Freiburg aufgestellt worden ist und die die 
Durchsohnittsstundensahlen aus allen Lehrplänen der deutschen medi- 
sinischen Fakultäten für die einseinen Fächer berechnet hat. Aus diesen 
kann man ersehen, dass die von mir für die einzelnen Fächer an¬ 
genommenen Zahlen, selbst bei einer Verlängerung des Studiums um 
2 Semester, nioht wesentlich abweichen von den bisher als unbedingt 
notwendig geforderten Durohschnittssahlen. Wenn man nun aber ver¬ 
gleicht, was ich gegenüber dem bisherigen Zustande als Neuforderung 
bringe, so ergibt sich ohne weiteres, dass diese Neuforderungen in erster 
Linie die wissenschaftlichen Grundlagen des ganzen Studiums zu ver¬ 
stärken bestimmt sind. Lubarsch sieht aus diesen Zahlen ohne weiteres, 
dass die Absicht meines Lehrplans eben dahin geht, den Geist der Stu¬ 
dierenden auf das Allgemeine zu richten und sie zu befähigen, „sioh i 
mit einem Mindestmaass von Kenntnissen selbständig fortzuhelfen 1 *. ' 
Deshalb lehne ich es gerade ab, im Gegensatz zu Schwalbe und 
Meyex, unseren Studierenden auch tür die Nebenfächer so eingehenden 
spezialistischen und seminaristischen Unterricht vorzusohreiben wie für 
die Hauptfächer. Aus meinem Entwürfe ergibt sich, dass ich gegenüber 
dem bisherigen Lehrbetrieb 29 weitere Semesterstunden für die wissen¬ 
schaftlichen Grundlagen, 12 weitere Semesterstunden für die Haupt¬ 
fächer und nur 9 weitere Semesterstunden für die Nebenfächer verlange. 
Die praktische und seminaristische Ausbildung kann, davon bin ioh 
überzeugt, in dem Umfange, wie sie Meyer und Schwalbe verlangen, 
überhaupt nicht auf der Universität geleistet werden; sie ist auch not¬ 
wendig nur für die Hauptfächer, und hier muss eben der systematische 
Unterricht in den Krankenabteilungen in den Ferien einsetzen. 

Man sollte sich doch vollkommen klar darüber werden, warum' 
eigentlich das praktische Jahr so sehr versagt hat: Weil eben fast 
niemals der Praktikant systematisch angelernt und unterwiesen wurde,* 
obwohl er ja den ganzen Tag auf der Krankenabteilung war. Statt diesen 
Fehler auszumerzen, will man ihn nun auf die gesamte Universitätsaus¬ 
bildung auch noch übertragen. Man vergesse doch nicht, dass der 
seminaristische Unterricht stets ein Unterricht in mehrfacher Verdünnung 
ist, die zehnfache Zeit erfordert, nur für kleinere Gruppen erfolgreich 
durohgeführt werden kann, sehr viel mehr Lehrer und vor allen Dingen 
eine sehr grosse Anzahl von Kranken erfordert. Wo sollen denn heute 
selbst in den Grossstädten diese vielen Kranken herkommen? Schon 
heute haben die Kliniken, und nicht nur an den kleinen Universitäten, 
die grössten Schwierigkeiten, die nötige Anzahl von Kranken zu be¬ 
kommen, an denen die Studierenden Untersuchungen ausführen, z. B. 
perkutieren und auskultieren können. Es ist einfach unmöglich, an den 
Universitäten in dieser Weise Unterricht so zu erteilen, wenn bei dem 
Unterricht wirklich etwas herauskommen soll. Das hat wohl auch 
Sohwalbe eingesehen, denn er schlägt ja sogar vor, den Studenten die 
Ausübung dieser Tätigkeit auch während des Semesters! in Pro¬ 
vinzkrankenanstalten fern der Hochschule zu gestatten. Damit ist jeder 
systematische Unterricht, jede systematische Ausbildung unterbunden, 
denn die Zeit, die der Student ausserhalb des Universitätsortes zubriDgt, 
kann wohl für spezielle Zwecke auf einzelnen Krankenabteilungen aus¬ 
genutzt werden, nicht aber für ein systematisches wissenschaftliches 
Studium. Damit ist die wissenschaftliche Grundlage des Studiums er¬ 
schüttert, und wir sinken zu Handwerkerscbulen herab. Gewiss soll der 
Student auch das Leben, den ganzen täglichen Betrieb der Krankenstuben 
kennen lernen, aber dazu genügen die Ferien. Derartiges kann doch 
in keiner Weise den ganzen konzentrierten systematischen Hochschul- 
unterrioht in den klinischen Fächern irgendwie auch nur teilweise er¬ 
setzen. 

Nehmen wir aber trotzdem an, es würde so durebgeführt, was 
würde an diesen Nachmittagen auf den klinischen Abteilungen gelernt 
werden? Die Zahl der Teilnehmer ist natürlich sehr gross. Es müssen 
also viele Lehrer, d. h. auch alle jüngeren Assistenten mit herangezogen 
werden; die Praktikanten müssen, um an die Reihe zu kommen, trotz¬ 
dem stundenlang auf den Abteilungen berumstehen. Alles das unter 
der Voraussetzung, dass sich die Kranken auch so häufige Untersuchungen 
gefallen lassen. Nein, das Famulieren auf den Kranken ab teilungen ist 
und bleibt eine Erholung gegenüber der intensiven Semesterarbeit und 
soll es auch sein. 

Aber es muss mehr wie bisher dabei eine systematische Unter¬ 
weisung erfolgen, und deshalb verlange ioh ja, dass püiohtmässig dieses 
Famulieren mit seminaristischen Uebungen verbunden ist, indem ich 
mir denke, dass ausserhalb der tägliohen Krankenbesuche und Unter¬ 
suchungen der leitende Arzt oder Oberarzt oder auch ein älterer 
Assistenzarzt mindestens dreimal* in der Woche in den Abendstunden 
seminaristische Besprechungen mit den Praktikanten abbält. 

Wer den Betrieb auf der Krankenabteilung kennen lernen will, für 
den genügt auch niemals nur der Nachmittagsbetrieb. Selbst wenn, 
wie vorgeschlagen, man auf den Nachmittagsunterricht Rüoksicht nimmt, 
wird dooh nichts Gründliches dabei herauskommen. Die praktische 
Unterweisung am Krankenbette und der gesamte Betrieb der Kranken¬ 
stube lässt sioh nur dann erlernen, wenn man den ganzen Tag dafür 
zur Verfügung stellt. Das wollen wir, und diese ganze gründliche Aus¬ 
bildung verlangen wir deshalb in den klinischen Hauptfächern, aber da 
wollen wir auch kein Surrogat mit Naohmittagsdienst, sondern dafür 
sollen die Studierenden in den Ferien einige Monate opfern, in denen 
sie sonst nichts anderes hören und treiben. Ich nehme nioht einmal 
am Pathologischen Institut einen Famulus an, der nur nachmittags 


kommt, sondern ich verlange, dass er, wenn er bei uns famulieren will, 
auch den ganzen Tag über sich zur Verfügung stellt. Eine halbtägige 
derartige Tätigkeit ist und bleibt eine halbe Sache, und das fällt natür¬ 
lich im Betriebe des Krankensaales nooh viel mehr ins Gewicht. 

In einem sehr lesenswerten Aufsatz hat Hotz im Korrespondenzblatt 
für Schweizer Aerxte, 1919, Nr. 37, die Neugestaltung der chirurgischen 
Operationskurse geschildert. Er zeigt hier, wie die Chirurgie praktisch 
gelehrt werden kann und die älteren Studierenden wirklich zur Aus¬ 
führung der wichtigeren Operationen selbst herangezogen* werden können. 
Es wurden da von 32 Teilnehmern am Kurse im Semester 50 Operationen 
ausgeführt, und der Verfasser fügt hier schon mit Recht hinzu: „Die 
Verantwortung, welche ein Klinikvorstand mit solchen Operationsübungen 
am Kranken übernimmt, ist nicht zu unterschätzen.** Wie aber soll 
ein solcher Kurs durobgelührt werden, wenn nicht 32, sondern 100 oder 
200 Teilnehmer sich melden! Dann hört diese Möglichkeit des Unter¬ 
richts von selbst auf, und man sieht hieraus ohne weiteres, dass ein 
wirklich erfolgreicher praktischer Unterricht in den Hauptfächern nur 
erteilt werden kann, wenn alle Krankenanstalten des Landes dazu 
herangezogen werden. Die Universitäten können das allein nicht leisten. 

Asohoff 1 ) hat mit Recht darauf hingewiesen, dass unsere Studenten 
2 Monate länger Ferien haben als die Studierenden in England und 
Amerika. Wenn wir diese 2 Monate bei der gleichzeitigen Verlängerung 
des Studiums für die praktische Ausbildung an allen Krankenhäusern 
Deutschlands voll ausnutzen, so können wir, glaube ich, das Ziel, das 
uns allen vorsohwebt, wirklich erreichen. 

Die Durchführbarkeit des von E. Meyer aufgestellten Studienplanes 
bestreite ioh also durchaus, wie ich das schon für den Plan Sohwalbe’s 
in Eisenach getan habe. Es ist einfach nioht möglich, auoh an unseren 
grossen Universitäten nicht, die Studierenden den ganzen Naohmittag 
auf einer klinischen Abteilung zu unterrichten und wirklich frucht¬ 
bringend zu beschäftigen. Dazu fehlen die nötigen Lehrer, und vor 
allen Dingen fehlen überall dafür die nötigen Kranken. Diese Art des 
Unterrichts kann nur in kleinen Gruppen erteilt werden, und es ist bei 
den heutigen Verhältnissen ganz ausgeschlossen, dass sich die Kranken, 
selbst einer grossen Klinik, hierfür so zur Verfügung stellen würden, 
dass alle Studierenden wirklioh von diesem Unterricht Vorteil hätten. 
Diese Art des Unterrichts ist sicher in den Hauptfächern unbedingt 
nötig, aber sie ist erst dadurch durchzuführen, dass sämtliche grösseren 
Krankenanstalten Deutschlands, wie das in meinen Vorschlägen aus¬ 
geführt ist, für diesen Unterricht herangezogen werden. Die Studien¬ 
pläne von Meyer und Schwalbe können nur durchgeführt werden, 
wenn zahlreiche bisher von den Einzelfächern geforderte und, wie ich 
glaube, mit Recht geforderte Vorlesungen fortfallen, weil sonst in der 
Zeit von 7 klinischen Semestern dafür kein Platz mehr Vorhemden ist. 
Das hätten die Befürworter dieser Pläne ohne weiteres selbst festgestellt, 
wenn sie einmal die bisher von den Einzelfächern verlangten Stunden 
in ihren Plänen eingesetzt und verarbeitet hätten. Ob man dabei die 
Frankfurter Zahlen oder die Durchschnittszahlen des Herrn v. Kries 
oder irgendwelche anderen zugrunde legt, ist gleichgültig, das Resultat 
wird immer dasselbe sein. 

Mit Recht sieht Lubarsch in der Ungründlicbkeit und Oberfläch¬ 
lichkeit des jetzigen Studiums den Hauptmangel der Ausbildung, und 
ich glaube, dass mein Studienplan diesem voll Rechnung trägt. 

Lubarsch erklärt ja auch, dass er meinen Studienplan dem von 
E. Meyer aufgestellten bei weitem vorziehen würde. Ich glaube, dass 
mein Plan allerdings noch in vielen Einzelheiten verbesserungsfähig ist. 
Alle Diskussionen darüber haben mich aber nur in der Ueberzeugung 
bestärkt, dass er in seinen Grundlinien das Richtige trifft. 

Auf alle Einzelheiten dieses Studienplanes möchte ich hier nicht 
noohmals näher eingehen und nur einige wichtigere Punkte noch kurz 
streifen. Wenn Lubaräch schreibt, dass Aschoff und Fischer „dem 
Drängen der Kliniker folgend**, die allgemeine Pathologie in das letzte 
vorklinische Semester legen wollen, so muss ich jedenfalls für mich das 
ablehnen. Mich hat nooh nie ein Kliniker dazu gedrängt, dagegen 
haben mir immer wieder meine Studenten ungefragt ihr grosses Be¬ 
dauern darüber ausgedrückt, dass sie die allgemeine Pathologie nicht 
vor dem Physikum gehört haben, dass sie in die propädeutischen 
klinischen Vorlesungen hineinkommen, ohne irgendeine Ahnung von 
Entzündung, Geschwulstbildung, Degeneration usw. zu haben. 

Durchaus stimme ich Lubarsch zu, wenn er die allgemeine Patho¬ 
logie nicht von der pathologischen Anatomie trennen will. Auch ich 
würde unsere schönste Lehr- und Forscheraufgabe um keinen Preis an 
ein anderes Fach abtreten wollen, und ich denke auoh gar nicht daran, 
so etwas vorzuschlagen. Die pathologische Physiologie braucht aber 
gar nicht das, was wir jetzt in der allgemeinen Pathologie bringen, an 
sioh zu reissen, und das österreichische Beispiel ist für uns nioht maass¬ 
gebend. Das, was Lubarsch erreichen will dadurch, dass er eine 
zweite Prüfung in der Physiologie für die Schlussprüfung vorschlägt, 
das will ich durch die Einführung der pathologischen Physiologie als 
Lehr- und Prüfungsfach erreichen, denn ohne gründliche Repetitionen 
der normalen Physiologie wird niemand der pathologischen Physiologie 
folgen oder in ihr bestehen können, und die Abgrenzung dieses Faohes 
in seiner Lehrtätigkeit von den vielen anderen Fächern erscheint mir 
durchaus nicht so schwierig, wie Lubarsoh es darstellt. 


1) Waffenbrüderliche Vereinigung Budapest, Sept. 1918. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




8. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1155 


Lubarsoh hält es ferner für unnötig, dass für alle Spezialfächer 
einführende Vorlesungen im Studienplan vorgesehen werden. Diese 
wesentliche Belastung des Stundenplanes könne fortfallen. . / 

Vor allem muss ich hier betonen, dass auoh diese Einführungen für 
uns in Frankfurt nichts Neues sind. Wir haben sie seit Gründung der 
Fakultät für alle Fächer durchgeführt und nur die allerbesten Erfahrungen 
damit gemaoht. Früher wurden ja in den klinischen Einzelfäohern theo¬ 
retische Vorlesungen über das ganze Gebiet gelesen. Diese sind jetzt 
wohl überall vollkommen fortgefallen, und es entsteht der grosse Nach¬ 
teil, dass hierdurch die Studenten wohl viele Fälle zu sehen bekommen, 
aber nirgends ' einen systematischen Ueberblick über das ganze Gebiet 
erhalten. Dem soll diese Einführung abhelfen, und sie tut es auoh tat¬ 
sächlich. Sie soll auch vor den Kliniken gehört werden, damit der 
Student bereits einen Ueberblick über das Fach hat, wenn der klinische 
Unterricht beginnt. Die grosse Bedeutung dieses Vorgehens ist aller¬ 
dings an anderer Stelle von Lubarsoh selbst in schärfster Weise be¬ 
tont worden. Er tritt in seiner Hochschulreform (S. 54) mit Recht für 
die Abhaltung allgemeiner Vorlesungen ein und betont, „dass sie gerade 
in den Wissenschaften, in denen der Uebungsunterricht vorwiegt, der 
leicht einen kasuistischen Charakter annehmen kann, gleich notwendig 
sind für Lehrer wie Lernende“. Er fügt hinzu, dass nichts ein besseres 
Gegengewicht gegen das Spezialistentum sei, „als der Zwang einer 
allgemeinen ein grösseres Gebiet umfassenden Vorlesung“. Und 
ebenso ist für die Lernenden der Zwang, sich in die allgemeinen Ge¬ 
danken eines Wissenschaftsgebietes in zusammenhängender Darstellung 
hineinzufinden, um so wohltätiger, je mehr der sonstige Unterricht durch 
Einzelheiten zu kasuistischer Denkweise verführt. Das gilt doch aber 
in erster Linie für die klinischen Sonderfächer, und so halten wir in 
Frankfurt in allen diesen Fächern einführende Vorlesungen ab, die, da 
ihnen nur ganz kurze Zeit zur Verfügung stebt, sioh selbstverständlich 
auf das Wichtigste und Allgemeine beschränken müssen — ganz im 
Sinne von Lubarsch selbst. 

Die von mir aufgestellteu Neuforderungen erfüllen also vor allem 
das wichtigste Postulat von Lubarsch: Vertiefung des theoretischen 
und praktischen Unterrichts in den Hauptfächern, Beschränkung in den 
Sonderfäohern. Diese grundsätzlichen Aenderungen kann man aber, da¬ 
von bin ich fest überzeugt, an den Fakultäten weder durchführen, noch 
vor allem für die Zukunft aufrecht erhalten, wenn nicht eine ganz andere 
Verpflichtung der Fakultäten wie der Universitätslehrer eintritt als bis¬ 
her. Dieser meiner Forderung ist nun Herr Kollege Lubarsoh mit dem 
schwersten Geschütz entgegengetreten. Ich muss gestehen, dass es mir 
ganz gruselig wurde, als ich seine Ausführungen über die Folgen meiner 
Vorschläge las. Ich darf wohl annehmen, dass Lubarsch mir selbst 
nioht zutraut, meine Vorschläge wollten auch nur im entferntesten der¬ 
artiges herbeiführen, was er als Folgen derselben fürchtet. Aber ich' 
halte auoh seine Befürchtungen für wirklich grundlos und bin überzeugt, 
dass die Durchführung meiner Vorschläge ganz andere und sehr günstige 
Resultate zeitigen würde. 

Zunächst: Aus meiner Frankfurter Zeit stammen diese Ideen nioht; 
sie sind viel älter, und. wenn ich sohreibe* „der Absolutismus der Ordi¬ 
narien in dieser Richtung muss aufhören“, so bitte ich Herrn Kollegen 
Lubarsoh mir zu glauben, dass ich diesen Grundsatz schon lange vor 
der „neuen Zeit“ vertreten und befolgt habe. Ich habe als junger 
£rivatdozent mich über diesen Absolutismus empört. Es kam vor, dass 
eine Fakultät die wichtigsten Vorlesungen, z. B. den Perkussionskurs, 
nicht in den offiziellen, den Studenten in die Hand gegebenen Studien¬ 
plan aufnahm, wohl aber ganz unwichtige Vorlesungen, weil der Per- 
kuBsionskurs von einem Privatdozenten, die anderen von einem Ordinarius 
gelesen wurden. Damals, als junger Privatdozent, habe ich mir vor¬ 
genommen, dass ich, falls ich es je zum Ordinarius bringen sollte, mit 
aller Entschiedenheit gegen dieses Verfahren der Ordinarien Vorgehen 
würde. Und diesen Vorsatz habe ich gehalten, weiter nichts. Die Zahl 
der Stunden, die den Einzelfächern im Lehrplan zukommen, muss naoh 
dem Bedürfnis des Studenten und des Unterriohts fessgelegt werden, 
nioht danach, wer Ordinarius ist, nicht vor allem auch danach, wer 
unter den Ordinarien die stärksten Ellbogen hat. 

loh denke gar nicht daran, hier, wie es Lubarsoh aufgefasst hat, 
Polizeivor8obViften das Wort zu reden, die zu irgendeiner Einschnürung - 
der Persönlichkeit der Dozenten führen könnten, sondern ioh möchte mit 
den eigenen Worten von Lubarsoh auf seine Kritik antworten: „loh 
reohne bei all diesen allenfalls zu treffenden Bestimmungen viel weniger 
auf eine rechtliche wie auf eine sittliche Wirkung“ 1 ). Der Grund dafür, 
dass ioh für eine solche moralische Verpflichtung der Hochschullehrer 
eintrete, liegt nicht in der „demokratisch ungesohichtliohen Umwelt von 
Frankfurt“, sondern in Erfahrungen, die ich bereits als Privatdozent ge¬ 
maoht habe. Allerdings bei uns in Frankfurt besteht dieser „Absolu¬ 
tismus der Ordinarien“ nicht, denn ioh bin dafür eingetreten, dass vom 
ersten Tage der Gründung unserer Fakultät an im Lehrplanausschuss 
auch die Privatdozenten und jetzt auoh die Studierenden vertreten sind. 
Es ist ein duroh nichts zu reohtfertigender Absolutismus, wenn die 
Stundenpläne naoh den persönlichen Wünsohen, ja ioh muss leider sagen, 
manchmal sogar Interessen der Ordinarien aufgestellt wurden und nicht 
nach rein sachlichen Gesichtspunkten. Weiterhin aber ist mit der Auf¬ 
stellung des Studienplans durch die Fakultät noch nicht alles getan. 
Jedem werden Beispiele dafür bekannt sein, dass ein Professor indirekt 
und oft genug auch direkt auf die Studierenden noch einen schweren 


1) Lubarsch, Hochschulreform. Wiesbaden 1919, S. 36. 


Druok ausübt, dass sie ausser den Lehrplanstunden noch andere Vor¬ 
lesungen und Kurse bei ihm hören müssen, weil sonst die Gefahr des 
Durchfallens im Examen wesentlich vergrössert wird. Das Bedauern 
über solche Dinge schafft deren Tatsächlichkeit leider nicht aus der 
Welt, und hier soll einmal mit aller Klarheit gesagt, amtlich erklärt 
werden (mehr ist nioht nötig), dass das unstatthaft ist. 

Kamen derartige Dinge bisher schon vor, so ist die Gefahr in Zu¬ 
kunft wesentlich vergrössert. Immer neue Ordinariate von Spezialfächern 
treten hinzu, und damit wird die Gefahr immer grösser, die ja auoh 
Lubarsoh entschieden bekämpfen will, dass die Spezialisten im Stunden¬ 
plan einen Umfaog beanspruchen, der ihnen für die Ausbildung des 
Arztes nicht zusteht, und dass dadurch vor allem die Hauptfächer schwer 
gesohädigt werden. Wir haben in Frankfurft uns von Anfang an auf 
den Standpunkt gestellt, dass jedes selbständige Spezialfach durchaus 
das Anrecht hat, Ordinariat zu werden, dass das im Interesse des 
wissenschaftlichen Fortschritts von grosser Bedeutung ist, dass aber 
damit in keiner Weise Ansprüche dieses Faches auf vermehrte Berück¬ 
sichtigung im Studienplan begründet sind. Diese Gefahr wird aber auf 
die Dauer nur durch eine bindende Festlegung der Zeiten, die das 
einzelne Fach im Lehrplan beanspruchen kann, beseitigt werden, denn 
wenn diese Dinge bei der Vermehrung der Ordinariate von wechselnden 
Abstimmungsverhältnissen in den Fakultäten abhängig sind, so werden 
sich immer wieder Missstände einschleichen, und die Gefahr ist gross, 
dass diese Nebenfächer sich zum Schaden der Gesamtausbildung im Lehr¬ 
plan breit machen, weil eben ihre Vertreter nun eben so viel oder mehr 
Stimmen in der Fakultät haben wie die Hauptfächer. Dem muss vor¬ 
gebeugt werden, und da es an Fakultäten auch Vorkommen soll, dass 
die persönlichen Beziehungen der Mitglieder unerquicklich sind und ein 
Zusammenarbeiten sehr stark erschweren, so ist m. E. ein guter Lehr¬ 
plan ohne moralische Verpflichtung der Dozenten und gesetzliche Fest¬ 
legung der im Lehrplan für die Einzelfächer vorgesehenen Stundenzahlen 
nioht durchzuführen. 

Lubarsch erklärt selbst, 'dass „die bisherige Systemlosigkeit mit 
Recht als besonders schädlich“ empfunden wird. Aber diese System¬ 
losigkeit kann in gar keiner Weise beseitigt werden, wenn nicht eine 
bestimmte Ordnung für alle Fakultäten festgelegt wird. Viele Fakultäten 
haben ja heute sohon ein gut durchdachtes System ihres Lehrplans — 
ich nehme das i. B. für Frankfurt durchaus in Anpruoh —, abCr-das 
nützt nichts, denn andere Fakultäten haben ein anderes System, und da 
die Studenten die Universitäten wechseln, so müssen sie immer wieder 
den Plan durchbrechen. Ein System ist also notwendig und es muss 
auch an allen Fakultäten in den Grundzügen das gleiohe sein, da es ja 
sonst seinen Zweck nioht erfüllen kann (Hochschulwechsel!). 

Lubarsch schreibt selbst, dass er dem Gedanken zustimmt, dass 
der ärztliche Unterricht in ein bestimmtes System gebraoht werden muss; 
die jetzigen Zustände haben aber gezeigt, dass eben ohne genauere Vor¬ 
schriften ein solches System nicht erreichbar ist. 

Nun aber glaubt Lubarsch, dass meine Vorschläge die schwersten 
Eingriffe in Lehr- und Lernfreiheit, ja geradezu in die Gewissensfreiheit 
der Dozenten bedeuten. Um das anzunehmen, muss man wirklich meinen 
Sätzen eine von mir ganz unbeabsichtigte Auslegung geben. Von allen 
Seiten wird doch zugegeben, dass die Willkür der Stunden Zuteilung an 
die einzelnen Fächer aufhören muss, dass eben festzulegen ist, wie viele 
Stunden jedem Fach im Lehrplan einzuräumen sind. Unter anderen hat 
auch Erich Meyer verlangt, dass „die Stundenzahl der Fächer der 
Wilkür der einzelnen Dozenten entrückt sein muss“. Er dürfte also in 
dieser Forderung auch keinen Eingriff in Lehr- und Gewissensfreiheit 
erklicken. 

Auoh Tandler-Wien hat eine genauere Feststellung des Umfanges 
der einzelnen Disziplinen verlangt. Ich kann nioht einsehen, inwiefern 
eine solohe Festlegung irgendein Eingriff in Lehr-, Lern- und Gewissens¬ 
freiheit darstellen soll. Zum Teil bestehen diese Beschränkungen ja 
heute schon. Im allgemeinen übernimmt z. B. der neu in eine Fakultät 
eintretende Ordinarius ohne weiteres die Stunden im Lehrplan, die sein 
Vorgänger gehabt hat, und wenn die anderen Ordinarien ihm einen 
etwaigen Wunsch auf Verlegung oder Vermehrung seiner Stunden ab- 
schlagen oder zu einer Verlegung oder Beschränkung ihrer Stunden nicht 
bereit sind, so wird er sioh eben meist mit den bisherigen Stunden 
abflnden. Weiterhin habe ich aber schon betont, dass mit dieser Fest¬ 
legung der Stundenzahl für die Einzelfächer es keinem Dozenten ver¬ 
wehrt ist, noch eine Menge von Vorlesungen im gleiohen Fach ausser¬ 
halb des Studienplans zu halten. Da aber bei Annahme meiner Vor¬ 
schläge in Zukunft für Vorlesungen ausserhalb des Studienplans reichlioh 
Platz und Zeit vorhanden ist, so fällt ja sofort jedes Bedenken gegen 
diese Regelung fort. " 

Diese zeitliche Begrenzung der Lehrplanvorlesungen bietet allein.die 
Sicherheit dafür, dass die Ueberlastung des Studierenden und eine zu 
starke Ausdehnung der Nebenfächer auf die Dauer verhindert wird. Da 
der Lehrplan nur die wichtigsten Vorlesungen und Uebungen enthalten 
soll, so wird nunmehr die Freiheit des Unterrichts wieder hergestellt, 
indem dem Studierenden die Möglichkeit, insbesondere die Zeit gegeben 
wird, auoh ausserhalb der Lebrplanstunden noch eine Reihe von Kursen, 
Vorlesungen, besonders aber seminaristischen Uebungen zu hören, wo¬ 
durch die jetzt brachliegenden Lehrkräfte, insbesondere auch der jüngeren 
Dozenten, voll ausgenutzt werden könnten. Geht man über die Stunden¬ 
zahl von 80 Woohenstunden wesentlich hinaus, so ist es wiederum dem 
Studierenden duroh den Zeitmangel unmöglich gemaoht, <fen offiziellen 
Lehrplan naoh eigener Wahl zu ergänzen, denn der Studierende wird 

1 * 


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UNIVERSUM OF IOWA 




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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


auoh ohne jeden Zwang immer in erster Linie die notwendigsten, d. h. 
die Lehrplanvorlesungen hören. 

Non habe iob aber den Vorschlag gemacht, dass die Prüfungs¬ 
ordnung eine Abgrenzung der zu fordernden Kenntnisse bringen und 
die Hochschullehrer verpflichtet sein sollen, in den ihrem Fach im 
Studienplan zustehenden Stunden ihr Fach auch vollständig vorzutragen. 
Da sieht nun Lubarsch die grösste Gefahr, es bedeutet aber wiederum 
meines Erachtens keinerlei Einschränkung der Lehrfreiheit, sondern das 
bedeutet nur eine moralische Pflicht, sich zu konzentrieren, und diese 
Konzentration des Unterrichts brauchen wir, ganz besonders in vielen 
Nebenfächern. 

Auch von Liebermann hat eine solche Umgrenzung der Prüfungs* 
forderungen in neuerer Zeit dringend verlangt, und auch Erich Meyer 
betont mit Recht, dass eine Einigung darüber, wie gross das Maass der 
Kenntnisse sein muss, leicht zu erzielen sein würde. Natürlich denke 
ich mir nicht, dass in der Prüfungsordnung ein Kompendium der Kennt¬ 
nisse, die verlangt werden sollen, gegeben würde, aber man kann doeh 
sehr gut in den Grundlinien abgrenzen, was in der Prüfung verlangt 
werden soll, so dass sich vor allem daraus ergibt, was nicht verlangt 
werden soll. Nun ist Lubarsch empört darüber, dass vom Staat, d. h. 
von der jeweiligen Regierung, Umfang und Inhalt des für den prakti¬ 
schen Arzt notwendigen Wissens festgelegt werden soll. Aus dem 8. 
meiner dem Aerztetag in Eisenach vorgelegten Leitsätze geht aber hervor, 
dass alle diese Vorschläge endgültig von einem Ausschuss der Fakultäten 
und der Aerztesohaft festgelegt werden sollen; also von einer Aenderung 
durch die Jeweilige Regierung" ist gAr nicht die Rede. Auch andere, 
ich erwähne nur Lange, haben die genauere Festlegung des für die 
Prüfung geforderten Wissens verlangt, und ich schlage nun weiter noch 
eine moralische Verpflichtung des Hochschullehrers vor, in diesem Rahmen 
sein Fach auch vollstänndig vorzutragen. Von einer „Kontrolle" und 
Beaufsichtigung dieser Verpflichtung ist keine Rede. Auch bisher haben 
doch die Hochschullehrer schon gewisse Verpflichtungen gehabt, ohne 
dass sie in der Durchführung dieser Verpflichtungen „kontrolliert“ 
wurden, nur das Ministerium hat unter Umständen das Recht einzugreifen, 
und ich könnte Fälle anführen, wo eine derartig skandalöse Vernach¬ 
lässigung des Unterrichts und der meines Erachtens übernommenen Ver¬ 
pflichtungen Vorlagen, dass ein Eingreifen der Regierung hier nach jeder 
Richtung am Plaize gewesen wäre. Was . bezwecke ich nun aber mit 
dem Vorschlag, dem Universitätslehrer eine-moralische Verpflichtung 
aufzuerlegen, sein Fach ganz vorzutragen? Vor allem etwas Negatives. 
Es gibt eben Lehrer, die von ihren Hörern schon jetzt klipp und klar 
verlangen, dass Bie ausser den jetzt nur von der Fakultät empfohlenen 
Lehrplan Vorlesungen noch andere hören sollen und die das Examen be¬ 
nutzen, diese Forderung durchzudrücken. Das will ich vor allen Dir gen 
verhindern. Es soll niemand mehr das Recht haben zu sagen: wenn 
ihr die Vorlesungen ausserhalb des Lehrplans nicht auch noch hört, so 
könnt ihr das Examen nicht bestehen. Der Druck zum Hören der Vor¬ 
lesungen der Examinatoren ist schon hinreichend genug und braucht 
nicht noch durch solohe Dinge verstärkt zu werden. Damit werden 
niemand bindende Fesseln für den Unterricht, für seine geistige Freiheit, 
für seine Lehrfreiheit angelegt. Er wird nur einfach veranlasst, sich auf 
manohem Gebiete im Unterricht zu konzentrieren und gerade das zu 
tun, was Lubarsch als die wichtigste Aufgabe des Unterrichts be¬ 
zeichnet: den Geist des Studenten statt auf das Einzelne, auf das All¬ 
gemeine zu richten und so den grössten Wert auf die Grundlagen und 
nicht auf die Einzelheiten und die Spezialkenntnisse zu legen. Ich bin 
nun durchaus der Ansicht wie Herr Kollege Lubarsch, dass die aka¬ 
demische Lehr- und Gewissensfreiheit in der schönen „neuen Zeit“ 
durchaus nicht so wenig bedroht ist wje früher, und dass hitr Gefahren 
denkbar sind. Aber der Weg, den ich hier für den Unterricht Vor¬ 
schläge, der birgt, wie ich überzeugt bin, diese Gefahren nicht. Es wird 
der politischen Regierung wirklich auch im neuen Staate ganz gleich¬ 
gültig sein, ob ich verpflichtet bin, die allgemeine Pathologie in 5 oder 
6 Wochenstuwden zu lesen. Es ist Sache des Fachausschusses und des 
Saohverständigen-Gesamtausschusses (vergl. meinen Leitsatz 8) dafür zu 
sorgen, dass für die einzelnen Fächer die Stundenzahlen in vernünftiger 
Weise festgelegt werden. Ich bin auoh überzeugt, dass in dieser Rich¬ 
tung gar keine grossen Schwierigkeiten Auftreten werden. 

Um nun aber vollends zu zeigen, dass die Befürchtungen meines 
hochverehrten Faohkollegen gegenstandslos sind, will ich doch noch er¬ 
wähnen, dass derartige Verpflichtungen, wie ich sie hier verlange, für 
einzelne Hochschullehrer schon bisher bestanden haben; so z. B. sind 
mehrfach die Ordinarien der Zoologie, wie ich von gutunterriohteter 
Seite höre, vom preussisohen Ministerium verpflichet worden, die Zoologie, 
soweit sie der Mediziner im Physikum beherrschen muss, vollständig in 
einem fünfstündigen Kolleg in einem Semester vorzutragen. Was ist 
das anders als das von mir Geforderte? Wo hat man je gehört, dass 
diese Ordinarien der Zoologie sich in ihrer Lehr- und Gewissensfreiheit 
bedroht gefühlt haben? Das kann man nun dooh wirklich nicht be¬ 
haupten. 

Nun gebe ich allerdings zu, dass die Fassung meines Leitsatzes 6, 
der dies alles verhindern will, nicht sehr glücklioh ist, und besonders 
der Aufsatz von Lubarsch hat mir gezeigt, zu welchen Missverständ¬ 
nissen die Fassung Veranlassung geben kann. loh möchte deshalb an 
seiner Stelle .eine Fassung empfehlen, wie sie sich mir aus eingehenden 
Besprechungen mit meinen Fakultätskollegen ergeben hat. Ich würde 
jetzt also den 2. Teil meines Leitsatzes so formulieren £} 


In der festgesetzten Stundenzahl muss den Studierenden durch die 
Lehrer des Faches Gelegenheit gegeben sein, das zu behandelnde Gebiet, 
soweit es für die Ausbildung des Arztes erforderlioh ist, vollständig 
kennen zu lernen, auch dann, wenn daneben Spezial Vorlesungen über 
Teilgebiete des betreffenden Faobes gelesen weiden. 

Mit einer solchen Bestimmung würde, glaube ich, alles Beabsichtigte 
erreicht seio. 

Weiterhin sehe ich in einer solchen Verpflichtung der Dozenten 
einen berechtigten Schutz für den Studenten. Ich bin jedenfalls als 
Student sehr empört gewesen, als mich im Physikum ein Prüfer nach 
Dingen und Gebieten fragte, die derselbe in seiner Vorlesung, die ich 
lückenlos gehört batte, niemals auch nur angedeutet hatte. Ich wusste 
zwar das Verlangte, habe aber dooh das Verfahren als ungerecht emp¬ 
funden. Ich halte mioh als Hochschullehrer verpflichtet, einen Prüfling 
nur nach den Dingen zu fragen, deren Grundzüge ich auch im Unter¬ 
richt vorgetragen habe. ' 

Auch die Lehraufträge müssten meines Erachtens in Zukunft genauer 
gefasst werden, da sonst gar zu leicht manche Dinge, wie z. B. die so 
wichtige Neurosen lehre, die Kranken diäte tik, die Heilgymnastik einfach 
nicht gelehrt werden, weil sich z. B. der eine Dozent auf den andern 
verlässt. 

Nicht aber möohte ich damit, dass dem einzelnen Faoh eine be¬ 
stimmte Stundenzahl im Lehfplan eingeräumt ist, nun den Hochschul¬ 
lehrer bis ins einzelne festlegen, wie er diese Stunden ausnutzen soll. 

Wenn Lubarsch z. B. schreibt, dass ihm eine 5stündige Vorlesung in 
zwei Semestern über spezielle pathologische Anatomie entbehrlich er¬ 
scheint, so muss ich darauf erwidern, dass es ganz darauf ankommt, wie 
man diese Vorlesung liest, und dass ja nichts im Wege steht, diese 
Stunden zu einer systematischen Demonstration der speziellen patho¬ 
logischen Anatomie auszunutzen. Da werden sich immer Unterschiede 
der Auffassung ergeben und nichts wäre schädlicher, als wenn die Indi¬ 
vidualität des Lehrers im Unterricht eingeschränkt würde. 

Aus diesem Grunde möchte ich es auoh vollständig ablehnen, in 
dem für alle Fakultäten bindenden Studienplan nun die Tages- und 
Woebenstunden festzulegen. Das wäre wirklich ein Eingriff in die Lehr¬ 
freiheit und würde es verhindern, dass der einzelne Hochschullehrer die 
ihm zustehenden Stunden in der Weise ausnutzt, wie er das für richtig 
hält. Hier muss der Lehrplanausschuss jeder Fakultät eintreten und die 
Stunden nach den Vorschlägen der Fach Vertreter und unter Berück¬ 
sichtigung der bei jeder Fäkultät ja ganz verschiedenen örtliohen Ver¬ 
hältnisse festlegen. 

Ich komme nun zu den Zwangsvorschriften für die Studierenden. 

Auoh Lubarsch erkennt an, dass der ärztliche Unterrioht io ein be- • 
. stimmtes System gebracht werden muss, und er sagt, dass nur der Mangel 
der zur Verfügung stehenden Zeit es den Fakultäten unmöglich gemacht 
habe, wirklich brauchbare Studienpläne aufzustellen. Das ist nur zum 
Teil richtig. Den Mangel an Zeit für das klinische Studium hat ja wohl 
kaum jemand schärfer beobachtet als ich, aber damit allein ist es nicht 
getan. Es müssen unbedingt ausserdem noch bei der Aufstellung der 
Studienpläne die Forderungen der Einzelfächer auf das richtige Maass 
gebracht werden. Das sind Forderungen, die schon vor SO Jahren 
Quincke erhoben bat und die auch in neuerer Zeit von vielen anderen 
erhoben werden. . 

Ganz etwas anderes ist es, ob man ausserdem noch die Studenten 
zwingen - will, einen bestimmten Studienplan einzubalten. Hierin scbliesse 
iph mich vollständig Lubarsch an. Ich habe auch in meiner Schrift 
an keiner Stelle derartige Zwangsvorschriften vorgeschlagen, sondern ich 
habe genau dasselbe gesagt wie Lubarsch. Wenn ich in meiner Broschüre 
wie in meinen Leitsätzen von „Pflichtvorlesungen“ sprach, so tat ich es 
nur der Kürze wegen, wollte damit aber keine gesetzliche Pflicht, die 
Lehrplanvorlesungen zu hören, Vorschlägen. Wenn man für den Studien¬ 
gang Zwangsvorschriften schafft, so sollten diese nach der Wichtigkeit 
der Fächer abgestuft, gleiohmäBsig durchgeführt und die Hauptfächer 
ganz in den Vordergrund gestellt werden. Ich bin aber durchaus da* 
für, dass, sobald einmal ein vernünftiger Studienplan gleiohmässig über¬ 
all aufgestellt ist, Zwangsvorschriften fortfallen, bezw. auf die von 
Lubarsch vorgesohlagenen Verpflichtungen beschränkt werden. Jetzt 
hat der Student überhaupt nioht die Möglichkeit, besonders wenn er die 
Universität öfters weohselt, einen vernünftigen Studiengang einzuhalten. 

Es kollidieren ja immer zahlreiche Vorlesungen, die er gerade hören 
müsste, weil jede Fakultät einen anderen Studienplan hat, ganz von 
4er furchtbaren Ueberlastung infolge der zu kurzen Studienzeit ab¬ 
gesehen. 

Lubarsch warnt so eindringlich davor, bei üer Einrichtung von 
Zwangsvorlesungen mit Praktikantenscheinen Haupt- und Nebenfächer 
gleich zu setzen. Dieser Fehler wird am besten vermieden durch einen 
gesetzlichen Studienplan, in dem dann die Nebenfächer an den einzelnen 
Fakultäten nioht mehr für sich beanspruchen können, als ihnen wirklich 
im Interesse des Ganzen zusteht. 

Hat man einmal einen vernünftigen Studienplan festgelegt, so ist 
m. E. falsch, nun noch weiter die Wertigkeit der einzelnen Fächer ab¬ 
zustufen — sie ist schon in der Zahl der zugewiesenen Stunden deut¬ 
lich zum Ausdruck gebracht. Will der Student nicht einmal das in 
diesem Studienplan vorgesehene Pensum gewissenhaft durohführen, so 
tue er es auf eigene Gefahr, seine eigentliche Ausbildung wird er da¬ 
durch stets gefährden. 

Natürlich bleibt es dabei unbenommen, für die Zulassung zu den 
Kliniken z. B. den Nachweis zu verlangen, dass bestimmte propädeutische 


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UMIVERSITY OF IOWA 








8. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1167 


Vorlesungen und üebungen vorher auch wirklich gehört wurden, ein 
Verlangen, das jetzt ja schon jeder Hochschullehrer ohne weiteres stellen 
kann. Das würde m. E. genügen, um die Studierenden zur Einhaltung 
der im Studienplan vorgesehenen Reihenfolge anzuhalten, und wörtlich 
dasselbe^babe ich bereits in meiner Broschüre, Seite 27, gesagt. 

Sobald durch den Studienplan jedem Studierenden die Möglichkeit 
gegeben ist, das medizinische Studium in logischer Aufeinanderfolge der 
Einzelfächer ohne Ueberhastung, ohne Kollision und mit der nötigen 
Gründlichkeit durchzuführen, kann ihm auch die volle Freiheit des 
Studiums wiedergegeben werden. Das einzige Korrelat dieser wieder¬ 
eingeführten akademischen Lernfreiheit bilden dann die strenger zu ge¬ 
staltenden Prüfungen, die, um die Stetigkeit des Arbeitens zu fördern, 
mehr als bisher über die Studienzeit verteilt werden sollen. 

Unter dieser Voraussetzung schlage ich also vor, alle Vorschriften 
über Zwangs Vorschriften und Praktikantenscheine aufzuheben. Der 
Studierende hat nur bei der Meldung zur Prüfung duroh das Anmelde' 
buch die vorgeschriebenen Semester (die immer erst nach vollständig 
bestandener Vorprüfung angerechnet werden) und durch besondere 
Zeugnisse die Vorgeschriebene Ferientätigkeit nachzuweisen. 

Aengstiiche Gemüter werden natürlich glaubeu, dass durch das 
Fortfällen jeden Zwanges der Bummelei der Studenten Tor und Tür ge¬ 
öffnet wären. Es ist aber ein grosser Irrtum zu glauben, dass die Scheine 
bisher der Bummelei irgendwelchen wesentlichen Eintrag getan hätten. 
Sie sind, sowie es heute allgemein gehandhabt wird, nur eine formelle 
Belästigung des Studenten, weiter nichts! Zudem ist es natürlich 
sinnlos, den Studenten zu zwingen, eine Vorlesung über Pharmakologie 
zu hören (bezw. richtiger gesagt, zu belegen), während er in der Patho¬ 
logie überhaupt nichts gehört zu haben braucht. Wir verdanken es 
Rudolf Virchow, dass keine Zwangsvorsohrift für die Pathologie bei der 
Einführung der Zwangsvorschriften im Jahre 1901 eingeführt wurde. Trotz¬ 
dem sind dadurch keine Schädigungen entstanden. Obwohl also die 
Pathologie offiziell schlechter gestellt war als die anderen Fächer, hat 
sich aus dem Fehlen der Zwangsvorschriften kein Nachteil ergeben. 
Damit ist der Beweis erbracht, dass dieser Zwang überflüssig ist und 
alle Fächer gleichgestellt werden können, d. h. ohne Zwang erfolgreich 
arbeiten können. Gegen die Bummelei helfen in jedem Falle nur strengere 
Prüfungen. 

Wenige Worte noch zu den Prüfungen. Auch hier willLubarsch 
eine Reihe von Spezialfächern streichen, weil die Mängel des jetzigen 
Systems durch eine Vermehrung der Sonderprüfungen nur erhöht werden, 
loh stimme ihm vollkommen zu, wenn er einen Grundfehler darin sieht, 
dass die Prüfung in zahlreiche Einzelprüfungen zerfällt, in denen jeder 
Prüfer nach Belieben so spezialistisch prüfen kann, wie er will. Darum 
beladen sich, sagt er, die Prüflinge mit einer Unmenge von Kenntnissen, 
die sie sehr rasch nach der Prüfung wieder vergessen haben. 

Dieser letztere Grund erscheint mir nicht stichhaltig. Das ist das 
Schicksal aller Prüfungen, und trotzdem sind sie notwendig, und auch 
diese bald wieder entschwundenen Kenntnisse wirken sehr segensreich. 
Auf die grosse Bedeutung solcher, nur noch im Unterbewusstsein 
schlummernder Kenntnisse hat besonders Hellpach eindringlich hin¬ 
gewiesen, und ich stimme ihm vollkommen zu. Es ist eben ein Unter¬ 
schied zwischen dem Nichtwissen zweier Mensohen: der eine hat nie 
etwas von diesen Dingen gehört, der andere hat sie aber einmal gehört 
und verstanden, und sie sind ihm wieder entschwunden. Ohne diese 
Prüfungen in den einzelnen Sonderfächern wird der Mediziner niemals 
den durchaus notwendigen Ueberbliok über die ganze Medizin erwerben. 
Wenn Lubarsoli die Prüfungen in Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten 
streicht, so muss er mit ganz demselben Recht die Ophthalmologie 
streichen. In Wirklichkeit braucht der praktische Arzt die wichtigsten 
Kenntnisse in all diesen Fächern und muss in allen diesen Fächern 
so weit unterrichtet sein, dass er merkt, wann er einen Fall unbedingt 
dem Spezialisten überweisen muss. Noch notwendiger erscheint mir dies 
heutzutage für die soziale Medizin. Ohne eine Prüfung hierin be¬ 
schäftigen sich die Studenten mit diesen Dingen gar nicht, von ver¬ 
schwindenden Ausnahmen abgesehen. Sie sind ihnen während des Studiums 
nicht interessant genug, und erst draussen im Leben merken sie, wie 
wichtig und notwendig für den Arzt diese Kenntnisse sind. Wenn 
Lubarsch sohreibt, was der künftige Arzt davon wissen muss, kann 
iri den hygienischen Prüfungen und in den klinischen Prüfungen erledigt 
werden, so widerspricht er sich selbst, denn gerade in der Physiologie 
hat Lubarsch, und wie ich glaube mit vollem Recht, auf die höohst 
minderwertigen Kenntnisse der Kandidaten in der ärztlichen Prüfung 
hingewiesen, obwohl überall bei den einzelnen Fächern des Staats¬ 
examens besonders darauf hingewiesen wird, dass der Kandidat auch in 
der Physiologie des Faches zu prüfen ist. Das ist selbst in den Examens¬ 
protokollen besonders angegeben, aber es hat alles gar nichts genützt. 
Ebenso wie die gleichen Hinweise für die Geschlechtskrankheiten, die 
Hals-Nasenkrankheiten usw. in den früheren Prüfungsbestimmungen voll¬ 
kommen wirkungslos waren. Es bleibt also gar nichts anderes übrig, 
als in allen Einzelfächern eine kurze Prüfung abzuhalten, weniger weil 
die Prüfung an sioh so bedeutungsvoll ist, als um den Kandidaten zu 
zwingen, sich mit jedem dieser Fächer einmal gründlich zu beschäftigen. 
Schliesslich will Herr Kollege Lubarsch sogar eine Prüfung in der 
Philosophie einführen, da wird doch jeder Arzt die Prüfung in den 
Spezialfächern oder in der sozialen Medizin wirklich für notwendiger 
halten. 

Nun" zur Frage der kollegialen Prüfungen. Ihre unbedingte Not¬ 
wendigkeit wird ja jetzt wohl allgemein anerkannt. Dass die Schwierig¬ 


keiten ihrer Durchführung grosse sind, ist mir vollkommen klar. Aber 
gerade dadurch, dass mehrere Prüfer auch bei den Faobprüfungrn das 
Urteil fällen, wird meines Erachtens allein 1. eine grössere Strenge des 
Examens erzielt und 2. eine zu grosse Spezialisierung in den Forderungen 
der Einzelfächer verhindert. Bei den einzelnen Facbprüfungen genügt, 
wie ich glaube, die Anwesenheit von 3 Prüfern bei der mündlichen 
Prüfung. Ich glaube durchaus nioht, dass es so schwer wäre, auoh dafür 
geeignete praktische Aerzte als Beisitzer zu finden, aber da wären 
natürlich auch andere Wege gangbar. Am wichtigsten ist mir aber 
eine eingehende mündliche Hauptprüfung in den Hauptfächern vor 
5 Examinitoren. Aschoff hat den Vorschlag gemacht, so zu prüfen, 
dass sämtliche Fäoher hintereinander erledigt werden, ohne dass eine 
Wiederholung nioht bestandener Abschnitte möglich ist; dann soll 
das Gesamtkollegium bei Niohtbestehen in mehr als einem klinischen 
oder einem theoretischen Hauptfach entscheiden, ob die Prüfung im 
einzelnen oder in ihrer Gesamtheit wiederholt werden darf und muss 
oder nicht. 

Hiervon verspreche ich mir nichts. Strengere Zensuren in den 
Einzelfächern werden dadurch gar nicht erreicht. Das Zusamn^en- 
bringen des grossen Prüfungskollegiums wird auch die grössten Schwierig¬ 
keiten machen, worauf auch Lubarsch hin weist. Dagegen dürfte es 
nicht schwer sein, ein Kollegium von 5 Examinatoren zusammenzurufen. 
Diese kollegiale Prüfung konnte durchaus ihren Zweok einer gründlichen 
schweren Prüfung erfüllen. Es genügt aber völlig, wenn sie auf die 
wissenschaftlichen Grundlagen der Gesamtmedizin und die Hauptfächer 
beschränkt bleibt. Sie ist von mir als ein Hauptmittel gedacht, um die 
vollkommen Unfähigen wirklich auszuscheiden. Sie kann gleichzeitig 
dazu benutzt Verden, um die Studierenden zu zwingen, zuerst bei 
ihrem klinischen Studium die Grundlagen und die Hauptfächer zu 
berücksichtigen. Aus diesem Grunde soll sie während der klinischen 
Studienzeit verlangt werden, bevor die intensivere Arbeit mit den Neben¬ 
fächern beginnt. Es ist gar nioht einzusehen, warum grundsätzlich eine 
solche kollegiale Prüfung unbedingt an den Schluss des Studiums gelegt 
werden soll, wie Lubarsch verlangt. Nach meinen Vorschlägen hat 
der Student 4 klinische Semester hinter sich, bevor er dieser kollegialen 
Prüfung in den Hauptfächern unterzogen wird, d. h. so viel Zeit als 
jetzt, die meisten Studenten haben, wenn sie in das Staatsexamen ein- 
treten. Es ist also durchaus möglich, sie einer solchen eingehenden 
mündlichen Prüfung zu unterziehen, dann kommt die Ausbildung in 
den Einzeifäohern und zum Schluss wird duroh Prüfungen festgestellt, 
ob der Kandidat sich auch mit all den einzelnen Disziplinen, die der 
praktische Arzt notwendig hat, einigermaassen gründlich beschäftigt hat. 

Was die Doktorprüfung an belangt, so unterschreibe ich alles, was 
Lubarsch sagt, aber die Tatsache, dass die Prüfung jetzt überall 
nur eine „symbolische Handlung“ ist, wird damit nicht aus der Welt 
geschafft. Ich habe selbst geüau so gehandelt, wie Herr Kollege 
Lubarsch und auch wiederholt in der Empörung über die märchen¬ 
haften Unkenntnisse die Zensur „ungenügend“ gegeben. Der Erfolg 
war auch hier in Frankfurt genau derselbe, wie ihn Lubarsch erzählt: 
Mein „ungenügend“ steht im Protokoll, der Kandidat hat aber regelreoht 
bestanden. 

Wenn man $1so praktische Politik treiben will, so muss man 
die Hoffnung, dass hier eine Aenderung bei den Fakultäten eintritt, 
aufgeben. Aus diesem Grunde scheint es mir richtiger zu sein, auf die 
mündliche Prüfung des Doktorexamens zu verzichten und um so sohärfere 
Anforderungen an die wissenschaftliche Arbeit zu stellen. 


Aus dem Deutschen Roten Kreuz-Lazarett Constan- 
tinopel (Chefarzt: Dr. Theodor Zlocisti). 

Zur Theorie des Schwarzwasserfiebers. 

Von 

Theodor Zloeisti-Berlin-Südende. 

Die zusammenfassende Darstellung ZiemannV) entlässt mit 
der peinlichen Erkenntnis, dass keine der angebotenen Er¬ 
klärungen die Genese des Sch wart Wasserfiebers einheitlich erfassen 
kann. Die Ergebnisse wären zum Verzweifeln widerspruchsvoll, 
wenn alle beobachteten Fälle anf eine Formel gebracht werdeo 
sollten. Aber es wäre denkbar, dass dieses Einheitsbedürfnis, 
so stark sein psychologischer Reizwert ist, in die Irre führte und 
dass sich das Schwarz Wasserfieber darstellte als ein einheitlich 
erscheinender Effekt'aus verschiedenen Ursachen. So gewinnt 
jeder einzelne Fall seine Bedeutung, und dies mit um so stärkerem 
Recht, wenn er ohne die Verbundenheit mit anderen gleichzeitigen 
Fällen erscheint. 

Der Fall, an dem der Versuch einer Prüfung angebotener Theorien 
gemacht werden soll, betrifft einen 83jährigen Eisenbahner. Er stammt 
aus einer gesunden Familie; seine Eitern und Geschwister leben. Ver¬ 
heiratet. Drei gesunde Kinder. 1914 eingezogen. Kriegsverwendungs¬ 
fähig; hat den Vormarsoh naob Belgien und Nordfrankreich mitgemaoht. 

1) Ziem an n, in Mense’s Handb. f. Tropenkrankh., Bd. 5. 

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1168 _ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. _Nr. 49 


Keine Krankheiten. Juli 1916 in die Türkei abkommandiert. Arbeitete 
in Airan. Böses Malarianest, in dem ein erheblicher Teil der Mannsohaft 
an schwerster Tropika erkrankte. Die ärztliche Versorgung noch in der 
Organisation. Chininprophylaxe geregelt: an zwei Wochentagen je 3 Tabl. 
0,3 Chm. hydrochlor. Da 1916 weder Chininnot den Verkauf an die 
einheimische Bevölkerung ermunterte, die Deutschen zumeist ernsthafte 
und gut belehrte Familienväter waren, ist der Aussage des Patienten 
zu trauen, dass er die Vorschriften getreulich erfüllt hat. Trotz der 
Prophylaxe: am 20. IX. — also nach etwa zehnwöchigem Aufenthalt 
in dem Fiebernest — plötzlich stundenlanger Schüttelfrost. Er kommt 
auf die Revierstube, wo er zwei Tage bleibt. Keine Behandlung mit 
Chinin. Entlassung am dritten Tage. Weitere drei Tage fieberlos. 
Fährt dienstlich nach Konstantinopel. Auf der Fahrt kein Chinin. In 
unbestimmten Zwischenzeiten abendliche Frostschauer. Auch tagsüber 
sei ihm „warm und kalt“ gewesen. Schlechte Unterkunft im Wagen. 
Ernährung ausreichend. 9. X. Ankunft in Haidar-Pascha. Seit dem 7. 
habe er hohes Fieber gehabt; am 9. X. früh wieder starker Schüttel¬ 
frost. Er sei ohnmächtig geworden und etwa eine Stunde bewusstlos ge¬ 
wesen. Schon seit einigen Tagen merkte er, dass er an den Füssen und 
im Gesicht anschwelle. 

Aufnahme 9. X. 1916 naohmittags. Klagt über Müdigkeit, -Schwere 
im Kopf, Magenkrämpfe und Gürtelschmerzen. Kräftig gebaut. Mittlerer 
Ernährungszustand. Haut kachektisch-blass mit Stich ins Gelbliche. 
Keine ausgesprochene ikterische Verfärbung. Der ganze Körper leicht 
aufgedunsen. Im einzelnen: mäohtiges Oedem der Füsse, von Mitte des 
Oberschenkels an immer erheblicher ansteigend. An beiden Waden 
korrespondierend zwei bandgro&se dunkelblaue Flecke. Partie um das 
linke Auge besonders geschwollen, das übrige Gesiobt weniger, aber 
deutlich. Konjunktiven beiderseits fahlbiass, links leicht ödematös. An 
beiden Uebergangsfalten zarter gelblicher (subikterischer) Saum. Zahn¬ 
fleisch sehr blass, keine ikterische Verfärbung. Zunge feucht, leicht belegt. 
Rachen schmierig belegt; gelb-weisslioh getönt. Lungen: Ueber dem 
reohten Unterlappen leicht verschärftes Atmen und vereinzeltes Giemen. 
Herztöne sehr leise, kaum hörbar. Spitzenstoss nicht fühlbar. Milz: 
ein Querfinger unter Rippenrand. Leberdämpfung ebenso (Rand nicht 
fühlbar). Reflexe o. B. Psychisch: träge, dösig; schwerste Erschöpfung. 
Dauernder Brechreiz. Gelegentlich Erbrechen galliggeiärbter Schleim¬ 
massen. Temp. 38°. Puls (sehr klein) 100. Blutdruck 98 mm Hg. 
Urin (seit heute früh „spärlich und schwarz“) schwarzrot: Diazo 0; 
Album: 4~> mikroskopisch zahlreiche Plattenepithelien, vereinzelte 
Erythrozyten; Heller und Guajak + -f-f— Menge in 24 Stunden 800 g. 

Blut: Dicker Tropfen ist nicht herstellbar; die kaum gelblich 
getönte „Flüssigkeit“ verbreitet sich ohne Neigung zur Gerinnung. 
Nahezu jedes rote Blutkörperchen enthält Tropikaringe. Vereinzelte 
Halbmonde. Hgb. 22pCt. (!!). Therapie: Morphiumirjektionen. 

10. X. Erbrechen hat nachgelassen. Ebenso Brechreiz. Soporös. 
Puls sehr klein, flatternd. 120—140 Schläge; Temp. 36°. Urin unver¬ 
ändert; 800 g. Zwei Kochsalzinfusionen zu 800 com (7 pM.). 

11. X. Bedrohlicher Kollapszustand. Fast komatös. Keine Krämpfe. 
Pupillen sehr weit. Blutpräparat wie am 10. X. Temp. 36,8°—38,4°— 
88,4°. Puls 140. Urin unverändert, 600 ocm. Zwei Koobsalzinfusionen 
wie oben. Ausserdem mittags 1,0 Chin. intramuskulär; abends 1,0 Chin. 
hydrochloric. in Salzsäurelösung. 

12. X. Erhebliche Besserung des subjektiven Befundes. Teilnahme¬ 
voller. Appetit angeregt. Temp. 86,2°—86,6°. Puls 90. Blut: Plas¬ 
modienbefund geringer, Gerinnung schlecht. Hgb. 22 pCt. Blutdruck 
110 mm Hg. Urin aufgehellter; noch Heller und Guajak -J-; abends 
Farbe braun (Menge 960 ccm) Heller+; 2,0 Chin. hydrochlor. (in zwei 
Dosen) mittags und abends. 

Stuhlgang in dieser Periode angehalten; jeden zweiten Tag harter, 
geformter, brauner Stuhl. 

In der Folge weitere Besserung. Langsamer Rückgang der 
Schwellungen. Urin hellbräunlich, frei von Hämoglobin, Urobilin, Gallen¬ 
farbstoffe neg., Album: neg. Keine roten Blutkörperchen wie schon vom 
11. X. an. Menge dauernd über 1000 ccm. Blutdruck auf 115 mm er¬ 
höht. Milz (am 20. X.) nicht mehr palpabel. Temp. unter 87°. Puls bis 
90 Schläge. Vereinzelte TropikariDge. Zahlreiche Halbmonde. Hämo¬ 
globingehalt langsam auf 89 pCt. steigend. Zwischendurch Tage mit 
negativem Blutbefund. 

Therapie am 13. und 14. je 2,0 Chin. hydrochlor. Fowler-Lösung 
3mal 5 Tropfen steigend bis 3mal 10 Tropfen); vom 15. an 5mal 
0,25 Chin. hydrochlor.; in Rhythmus der Nocht’sohen Kur; nur dass an 
den Zwischen tagen das Chinin nicht ganz fortiällt, sondern abends nur 
einmal 0,25 gegeben wird. Am 3. XI. (am chininarmen Tag) erneuter 
schwerer Maiariaanfall mit zahlreichen Tropikaringen (1 g Chin. intra- 
glutäal; 1,0 innerlioh). Keinerlei Hämoglobinurie. Fortsetzung der 
Nooht’sohen Kur. Entlassung 12. XII. Hämoglobingehalt 60°, kein Plas- 
modienbefund, keine Mononukleose; in die Heimat. 

Zasammenfas8end ist zu sagen: Es bandelt sich um einen 
gesunden Mann, der bei vorschriftsmässiger Chininprophylaxe nach 
9 Wochen von einer hochfieberhaften Erkrankung befallen wird, 
die mit Chinin nicht weiterbehandelt, nach körperlichen An¬ 
strengungen in eine Hämoglobinurie ausgeht. Sie entwickelt sich 
im Anschluss an eine neue Fieberattacke; hält etwa 4 Tage an. 
Ueberschwemmung des erheblich in seiner Gerinnungsfähigkeit 
veränderten Blutes mit Tropikaplasmodien. Leichte Herabsetzung 


der Urinmenge, staike des Blutdrucks, enorme des Hämoglobin¬ 
gehaltes. Behandlung mit grossen Chinindosen. 

II. 

ln diesem Zusammenhänge soll nur kurz darauf hingewiesen 
werden, dass — wie auch L. R. Müller 1 ) in seiner Denkschrift 
hervorhebt — die Chininprophylaxe aach hier versagt hatte. 
Weitere prinzipielle Schlussfolgerungen sollen hier nicht gezogeo 
werden. Nur soviel: bei körperlich Angestrengten, die ohne me¬ 
chanischen Mückenschutz in einem — zwar hochgelegenen — 
anatolischen Herde tropischer Malaria hansten, schützte Chinin 
nur in den seltensten Fällen. 

Handelte es sich bei unserem Kranken um Schwarzwasser¬ 
fieber? Ausgeschlossen ist jede Beziehung zu Rekurrens sowohl 
wegen des ganzen Krankheitsverlaufes, als wegen des sicheren 
Fehlens von Spirochäten. Die Verbundenheit mit der Malaria 
ist nicht nur epidemiologisch gegeben, sondern zeigt sich aus 
den zahlreichen Plasmodienbefnnden und dem neuerlichen Anfall 
in der chininarmen Zeit. 

Die vereinzelten Erythrozyten im Urin überraschen bei der 
Tropika nicht, deren Erreger sich vorzugsweise in den Kapillaren 
der inneren Organe vermehren. Abgesehen davon, dass sie nur 
in den beiden ersten Tagen gefunden werden konnten, ist ihr — 
vergleichsweise freilich seltenes — Vorkommen durch Verletzung 
der Harnkanälchen zu erklären, die in mehr oder weniger breiten 
Spalten oder nur in, funktioneller Widerstandsunfähigkeit den 
Durchtritt von Blut ermöglichen, zumal wenn mit toxisch- 
infektiösen Kleinstverletzungen der Nierengefässe zu rechnen ist. 
Durch die neuerlichen Untersuchungen von Strauss 2 ) ist prin¬ 
zipiell festgestellt worden, dass auch ohne das Vorhandensein 
gröberer Nierenschädigungen Erythrozyten unter viel häufigeren 
Bedingungen im Urin zu finden sind, als gemeinhin angenommen 
wurde. Einen ganz besonderen Anteil an dieser Erscheinung 
geben die Infektionskrankheiten. Der bis ins Komatöse gehende 
Zustand zeigte keinen urämische» Charakter. Eine Prädisposition 
von seiten der Nieren war nicht gegeben. Wenn auch etwa 
noch bis zum 4. Tage nach dem Abklingen der Hämoglobinurie 
Eiweiss gefunden wird, so kann man hierin einfach den Ausdruck 
einer besonderen Durchlässigkeit des gereizten Nierenepithels und 
eine Folge des Zugrundegehens besonders zahlreicher roter Blut¬ 
körperchen sehen. Organisierte Elemente fehlten. 

Die allgemeinen Erscheinungen fügen sich glatt in den 
Rahmen der Krankheit ein. Nur in epidemiologischem Belang 
ist darauf hinzoweisen, dass Fälle von Schwarzwasserfieber im 
Amanusgebiet zu den allergrössten Seltenheiten gehörten (siehe 
auch Müller). Wir haben unter mehreren Hundert Krankheits- 
Malaria )fällen aus jenem Gebiet nur diesen einen Fall gesehen. 
Er fiel in den Oktober, in dem im anatolischon Hochgebirge die 
heisse Sommerzeit in die regenreichere kühle Periode übergeht, 
and er bestätigt damit die Erfahrung, dass die Regenzeit und 
(in der Trockenzeit) das Auftreten von kalten Winden die Häufig¬ 
keit der Anfälle mehrt. Immerhin muss für unsern Fall betont 
werden, dass nicht eine ausgesprochene winterliche Kälte, sondern 
nur eine Zeit relativer Abkühlung vorlag. 

Dagegen bestätigt sich nicht, dass ein längeres Verweilen in 
einer Malariagegend für das Entstehen der Krankheit notwendig 
ist. Stellt gemeinhin das zweite bis dritte Jahr die Hauptmasse 
der Fälle, so reiht sich unsere Beobachtung jenen (vergleichsweise 
seltenen von Ziemann) an, in denen bereits ein sechswöchiger 
(und ein kurzfristigerer) Aufenthalt für den Anfall genügte. 

Eine besondere Alteration der Leber (und der Nieren) war 
nicht anzuschuldigen. Patient war .kein ausgesprochener Alkoho¬ 
liker, wenn auch wobl nicht abstinent. Anzeichen für Syphilis 
lagen nicht vor. Dagegen lassen die mächtigen korrespondieren¬ 
den Sugillationeo an den Waden eine besondere Verletzlichkeit 
der Gefässwände erkennen. 

Der Anfall wurde durch einen Schüttelfrost eingeleitet. 
Besondere Prodromalerscheinungen lassen sich nicht heraos- 
differenzieren, da die Attacke innerhalb einer unbestimmt flackern¬ 
den Tropikaerkrankung erfolgte. Die Hämoglobinansscheidnng 
dauerte etwa vier Tage. Rezidive erfolgten nicht. Die Tempera¬ 
turen waren nnr am ersten Tage hoch, wobei wir annehmen, 
dass die der Aufnahme bereits die Lysis anzeigte. Nur am dritten 
Tage erfolgte ein neuerlicher Anstieg, der indes exzessive Höhen 

1) L. R. Müller, Berichtüber die Malaria in der Türkei im Jahre 1916. 
Samml. klin. Vortr., N. F., Nr. 762. 

2) Straass, Ueber Erythrosytenhefande im Urin bei Minimalläsionen 
der Nieren. Zschr. f. klin. M., Bd. 87, H. 1 u. 2. 


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8. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


nicht erreichte. Da sowohl nach der Dauer der Hämoglobinarie, 
wie nach den bedrohlichen Allgemeinerscheinungen unser Fall zu 
den mittelschweren zu rechnen ist, so zeigt er, dass die Tem¬ 
peraturlinie für die Einordnung nicht entscheidend sein' muss. 
Eine Beteiligung der Leber im ersten Schock war sicher. Dagegen 
war der Ikterus nur wenig ausgeprägt. Urin und Stuhl zeigten 
zudem, dass eine erhebliche funktionelle Beeinträchtigung nicht 
vorlag. Das allgemeine Anasarka ist nicht als eine alte regel¬ 
mässige Begleiterscheinnng hinzunehmen. Nach unseren Erfah¬ 
rungen ist sie auf Rechnung der Malaria zu setzen. Wir haben 
es mehrfach als Ausdruck einer latenten Malaria erkennen können 
und dementsprechend nach Chinin verschwinden sehen, nachdem 
salzfreie Diät und Diuretika versagten. Das Anasarka — das 
besonders gern die Rekurrens begleitet — tritt sichtbar im Zu¬ 
sammenhang mit Infektionen auf, die einen starken Zerfall der 
roten Blutkörperchen machen und zu einer oft sprunghaften 
Abnahme des Hämoglobingehaltes des Blutes führen. Wie seine 
Dauer ein Index der ungehemmten Kräfte der Zerstörung ist, so 
zeigt sein Verschwinden den Beginn der Reparation an, auch 
wenn der Häpioglobingehalt selbst noch über eine Weile das alte 
tiefe Prozentverhältnis zeigt. 

Wesentlich sind die allgemeinen Erkenntnisse, die unser Fall 
vermittelt. Ohne prinzipielle Schlüsse zu ziehen, ist die Be¬ 
ziehung zur Malaria sinnfällig und von dichtester Nähe. Auch 
er bestätigt, dass das Schwarz Wasserfieber einen Anschluss, be¬ 
sonders an die Tropika, vorzieht. Aber darüber t hinausgehend 
zeigt er, dass hier nicht ein zeitliches Post-hoc (Folgeerkrankung) 
oder eine wie _ immer zu denkende Verbundenheit aus einer ge¬ 
setzten Prädisposition (Komplikation) vorliegt. Vielmehr erscheint 
hier — durchaus im Sinne der älteren Forscher — das Schwarz- 
wasserfieber als eine schwerste Form der Malaria- 
infektion. Mochte die Beobachtung, dass oft nur wenige oder 
überhaupt keine Plasmodien gefunden werden, dahin geführt 
haben, nach anderen Erregern zu suchen — für derlei wissen¬ 
schaftliche Lücken stellten sich gern die „Chlamydozoen“ als 
Füllsel ein — so bietet sich für unsern Fall ohne weiteres die 
vollkommene Ueberschwemmnng des Blutes mit Plasmodien als 
Causa efficiens an: nahezu jeder .einzelne Erythrozyt mit einem 
Plasmodium besetzt. Der Zusammenhang war so deutlich, dass 
er die vorgefasste Scbulansicht sprengend das therapeutische 
Handeln bestimmte. 

Die Wirkung war überraschend, obwohl'wir uns nicht gleich 
Steudel an Dosen von 6—8 g heran wagten. Und so grosse 
Bedeutung wir den Kochsalzinfusionen beizumessen bereit sind, 
so gewiss war es, dass unser „Kunstfehler 11 geradezu lebensrettend 
wirkte. Schon das erste Gramm zeigte, dass die hoffnungslos 
scheinende Situation sich zum Bessern wendete, sich also der 
von Steudel erhobenen Feststellung anschliessend, die mit 
der Chinintherapie nur 16—17 pCt. Mortalität gegenüber 60 pCt. 
bei den anderen Methoden hat.' 

Im theoretischen Belang stützt unser Fall die Anschauung 
nicht, die das Schwarz Wasserfieber als eine Art Chininvergiftung 
auffasst. Diese, besonders seit Koch geltende Lehre stösst — 
wie aus der Zusammenfassung von Ziemann bervorgeht — auf 
den Widerstand eindeutiger Tatsachen. Anch die Vorgeschichte 
der neuerlich von Seyfarth 1 ) veröffentlichten Fälle aus Bulgarien 
lässt anamnestisch eine fehlende oder ungenügende Chininprophy¬ 
laxe und die unregelmässige Behandlung in der Zeit der Malaria¬ 
anfälle erkennen. Andererseits überraschen diese Fälle, weil bei 
den „besonders dafür Disponierten“ das Üeberschreiten einer 
„Schwellengabe“ Schwarzwasserfieber auslöste. Inwieweit hier 
Ursache und Folge durcheinandergehen, bleibt undeutlich. Aber 
es schien auch hier, dass Erkältungen, Erhitzung, Durchnässung 
und Ueberanstrengnng einen nicht kleinen Anteil im Komplex der 
Ursachen haben. 

Unser Fall zeigt jedenfalls, dass der ‘Vorgang scharf von 
jeder Chinin Vergiftung abzulösen ist. Es ist nicht recht ersichtlich, 
warum bei der ersten Erkrankung im Amanusgebirge das Chinin 
ansgesetzt wurde. Aus Gründen, die sich vielleicht aus dem 
Fehlen eines Mikroskopes oder der mangelnden Kenntnis des ge¬ 
staltenreichen Bildes der Tropika erklären, war damals die 
Tendenz zur Entdeckung neuer Krankheitsformen in jenem Gebiet 
sehr gross, Cuius regio, ejus morbus. Was man nicht „deklinieren“ 
konnte, sah man dort als „taurischerf“ oder „anatolisches“ Fieber 
an. Die Hämoglobinurie unseres Falles macht es im hoben Grade 

1) Carly Seifarth, Schwarzwasserfieber in Südostbu'garien. Arch. 
f. Schiffs- u. Trophyg., Bd. 22. 


1169 


wahrscheinlich, dass sie erst durch die chininlose, d. h. schutz¬ 
lose Preisgabe an die Plasmodien mit entstanden ist. 

Ob das Aussetzen des Chinins dadurch, dass so einer unge¬ 
hemmten Ueberschwemmung des Blutes Vorschub geleistet wird, 
nun die letzte Ursache ist, oder ob die schweren Strapazen einer 
langen Reise anzuschuldigen sind, diesem Urteil liefert unser An¬ 
fall keinen Halt 

Wenn das Wesen des Schwarzwasserfiebers in der massen¬ 
haften Zerstörung roter Blutkörperchen unter Mitwirkung innerer 
Organe zu sehen ist. und Hämoglobinurie auf die Unfähigkeit der 
Leber, die Ueberfülle gelösten Hämoglobins umzusetzen, zurück¬ 
führt, so ist der eine Toxikose vorstellende Allgemeinzustand (sie 
äussert sich auch in der gesteigerten Verletzlichkeit der Gefässe) 
mit der Menge artfremden Eiweisses io Verbindung zu bringen, 
das nach dem Zugrundegeben von Millionen Plasmodien im Blote 
kreist, und wohl eine grössere Bedeutung hat, als die Abbau- 
und Zerfallsprodukte des Blutes, zumal des Stromas, der unter¬ 
gegangenen Erythrozyten, ln unserem Falle folgte der Cbinin- 
injektion ein neuerlicher Temperaturanstieg! Für jene Fälle, die 
eine ursächliche Beziehung zu schwerster Malaria erkennen lassen, 
wird dieser Umstand nicht zu übersehen sein, and dieses am so 
weniger, wenn man den Versuch wird stützen wollen, in dem 
Schwarzwasserfieber einen anaphylaktischen Vorgang herauszn- 
deuten. 

Zusammenfassung. 

1. Das bisherige Material gestattet den Zweifel, ob für alle 
Schwarz Wasserfälle eine einheitliche Genese möglich ist. 

2. An einem Sonderfall wird gezeigt, dass die Theorie, das 
Schwarzwasserfieber aaf eine Chininscbädigung zurückzufÖhren, 
nicht anwendbar ist; 

3. dass vielmehr das Schwarzwasserfieber auch als eine 
schwerste Form der Malariainfektion aufzufassen ist. 

4. ln solchen Fällen wirkt Chinin als kausale, weil plasmodien¬ 
tötende Therapie. 


Ans dem medizinisch-diagnostischen Institut von Dr. 
L. Neufeld. 

Ueber ein hämolytisches Phänomen des Harns 
bei chronischer Nephritis. 

Von 

Dr Ludwig Neufeld-Posen. 

Gelegentlich der serologischen Untersuchung des Harns 
Syphilitischer zeigte sich in einem Falle von Nephritis gravis 
eine bisher unbekannte Erscheinung. 

Der Harn des fraglichen Patienten wies 7 pM. Albumen auf. Die 
Blutreaktion nach Wassermann war stark positiv (-j—f~f—f-). 

Ueber die Verhältnisse des Harns hinsichtlich der W.R. ist nur 
wenig publiziert worden. Angeblich soll sie nur gelegentlich bei starkem 
E'weissgebalt des Harns positiv ausfallen. 

Bei unserem Patienten fiel die W.R. des Harns auch in den höchsten 
Ddsen, aktiv und inaktiv, völlig negativ aus. Dieser negative Ausfall 
der Harnreaktion bei stark positivem Blutbefunde ist auffallend. Er 
widerspricht durchaus der serologisoben Erfahrung mit anderen eiweiss¬ 
haltigen Körperfiussigkeiten. Es lag daher nahe, den Harn auf auxi- 
liitisch«, d. b. di« Hämolyse fördernde Eigenschaften zu prüfen, wie wir 
solche bei einer Reihe von Tierseren kenqen. Die Untersuchung ergab 
denn auch, dass der Harn unseres syphilitischen Nephritikers eine stark 
wirksame, hämotoxisohe Substanz enthielt. Hammelblut, dem Harne zu¬ 
gesetzt, wurde, auch noch bei Verdünnung des Harns mit physiologischer 
Kochsalzlösung, gelöst, während der Harn andere Blutarten (Menschen-, 
Meerschweinchen-, Kaninchenblut) nicht zu verändern vermochte. Ebenso 
wie dem Hammelblut zeigte er sich nur dem artverwandten Rinderblut giftig. 
Die weitere Untersuchung dieser hämolytisch wirksamen Substanz ergab, 
dass dieselbe völlig hitzebeständig ist, sogar da9 Kochen verträgt. Sie 
ist ferner dialysabel nnd lässt sich durch Alkohol, Aether, Chloroform 
nicht extrahieren. Im vorliegenden Falle erwies sich die Substanz noch 
in einer Verdünnung von 1:4 giftig. 

Die klinische Beobachtung ergab nun, dass diese Erscheinung im 
Ham mit Syphilis nichts zu tun hat, sondern sich häufig bei den 
schweren Formen der Nierenentzündung findet. Niemals fand sioh das 
Hämotoxin im normalen Ham, ebensowenig sind Medikamente die Ur¬ 
sache der Giftwirkung. Die Nierenentzündungen, welche das Phänomen 
im Harn aufwiesen, standen alle mehr oder minder mit urämischen Er¬ 
scheinungen in Verbindung. Die Patienten hatten entweder schon 
urämische Attaokeu überstanden oder standen wegen ihres Verfalls in 
dem Verdachte der Urämie. Das Symptom findet sioh im allgemeinen 
korrespondierend dem Eiweissgehalt des Ham9. Je schwerer die Er- 

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1160 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


soheinungen sind, in desto stärkeren Verdünnungen erveist sich die 
Substanz als hämolytisch. Mit der Besserung des objektiven Befundes 
sahen vir die Erscheinung in zwei Fällen schwinden. In einem Falle 
vurde es naohgeviesen bei einem Herzkranken mit schweren Kompen- 
sationsstörungen, obwohl im Harn Eiveiss nicht nachweisbar war. Es 
ist nioht ohne Interesse, dass dieser Fall Symptome aufwies, die als 
den den urämischen absolut äquivalent anzusprechen waren (Prof. Karo). 

Die beiden ersten Patienten, bei welchen die Erscheinung beobachtet 
wurde, gingen innerhalb weniger Tage an Urämie zugrunde, so dass ich 
von vornherein das Phänomen als ein Signum mali ominis auffasste. 
In der Tat kann man durch die Reaktion die schweren Fälle von 
Nephritis aussondern, wie uns dies mehrfach an unbekanntem Material 
von Krankenanstalten gelungen ist. Ein genaues Studium der klinischen 
Beziehungen dieser Reaktion liegt ausserhalb des Rahmens meiner beruf¬ 
lichen Tätigkeit. 

Es ist bisher nioht mit Sicherheit gegluckt, die Substanz im Blute 
nachzuweisen, doch sind weitere Untersuchungen diesbezüglich im Gange. 

Die Frage der Herkunft dieser Substanz begegnet grossen Schwierig- 
taiten. Zuerst ist der Harn von dem Standpunkt aus zu betrachten, 
von dem er für die Hämolyse überhaupt in Frage kommt. 

Der Harn hat, wie bekannt, keinen konstanten osmqtisohen Druck 
wie das Blutserum, sondern derselbe wechselt bereits unter physio¬ 
logischen Verhältnissen. Der Koohsalzgebalt des normalen menschlichen 
Harnes ist im Durohschnitt 12 pM. Dieser Koohsalzgehalt stellt ungefähr 
67 pGt der gesamten organischen Bestandteile dar. Es ist daher ohne 
weiteres ersichtlich, dass, wenn wir die Isotonie des Blutserums mit 

8.5 pM. NaOl berechnen, der Harn eine erheblich hypertonische Losung 
darstellt. Aber die Verhältnisse liegen nioht so einfach für die Frage 
der Hämolyse, da ja in dem Harn Substanzen Vorkommen können, welche 
an sich hämolytisch wirksam sind, deren hämolytische Wirkung aber 
durch die Hypertonie der Lösimg paralysiert wird. Bekannt ist die 
hämolytische Wirkung des Harnstoffes. Ich konnte ferner hämolytische 
Wirkung feststellen bei Monokaliumphosphat und Natriumbiphosphat. 

Es ist nun die Frage aufzuwerfen, ob der bekanntermaassen bei 
chronischer Nephritis sinkende osmotische Druck des Harns für das ge¬ 
schilderte Phänomen von ursächlicher Bedeutung sein kann. Es könnten 
im normalen Harne Substanzen Vorkommen, welche für Hammelblut 
giftig sind, deren Giftwirkung -durch den hohen Grad der Hypertonie. 
verdeckt wird und die erst bei der Herabsetzung des osmotischen Druckes 
ihre Giftwirkung zeigen können. Zur Beantwortung dieser Frage können 
wir die von Hamburger angegebene Blutmethode heranzieben. Setzen 
wir zu einer Lösung einen Tropfen Mensobenblut, so entspricht diejenige 
Lösung, welche Menschenblut gerade spurenweise hämolisiert, einer 

4.5 prorn. Lösung NaCl. 

Untersuchen wir den Ham in dieser Weise, so zeigt sich, menn wir 
den Harn mit Wasser verdünnen, dass natürlich auch erhebliche Schwan¬ 
kungen bei normalen Harnen Vorkommen, dass man aber den Harn im 
allgemeinen bis zu dem Dreifachen seines Volumens verdünnen kann, 
bevor Menschenbluthämolyse eintritt. Die Nephritikerbarne zeigen natür¬ 
lich auoh bei dieser Methode ihren herabgesetzten osmotischen Druok 
und sind entsprechend weaiger verdünnbar. 

Untersuchen wir nun normalen Harn mit Hammelblut fstatt mit 
Menschenblut, so zeigen sich tatsächlich Differenzen, die durch Isotonie- 
untersohiede der beiden Blutarten nicht erklärt werden können, sondern 
beweisen, dass im normalen Harne sich Substanzen finden, welche für 
Hämmelblut giftig sind. 

Das Prototyp einer solohen Substanz ist das Monokaliumphosphat, 
welches für Hammelblut sehr giftig, für Menschenblut fast ungiftig ist. 
Aber trotzdem kann unser Phänomen nicht durch eine normalerweise 
im Harne sioh findende Substanz hervorgerufen werden. Dagegen soheint 
mir folgendes zu sprechen: 

1. Wir könnten bei schweren Fällen die Giftwirkung noch in einer 
Verdünnung von 1:50 NaCl 0,85 pGt. nachweisen. Hier spielen dann 
osmotische Verhältnisse überhaupt keine Rolle mehr, und es müsste durch 
Verdünnungen normalen Harns ebenfalls ein Gifteffekt erzielt werden 
können. Aber der normale Harn lässt s oh mit isotonischer NaCl beliebig 
verdünnen, ohne dass der hämolytische Effekt je eintritt. 

2. Es besteht keine Kongruenz zwischen osmotischen) Druok und 
Hammelblutgiftigkeit. Harne von erheblichem Giftvermögen vertragen oft 
erhebliche Verdünnungen, bis sie Menschenblut auflösen. 

Nach meiner Meinung ist das Hammelbluttoxin eine im normalen 
Harne nicht vorkommende Substanz. Die Harne der Nephritiker ergaben 
selbst keine Anhaltspunkte, die Frage zu lösen. Das spez. Gewicht war 
im allgemeinen ziemlich hoch, der Säuregrad schwankend innerhalb be¬ 
kannter Grenzen. Indikan wurde gelegentlich gefunden. Diabetische 
Harne mit Azeton und Azetessigsäure geben die Reaktion nicht. 

Gegen die lipoide Natur der Substanz spricht der Umstand, dass 
dieselbe mit Aether nicht extrahierbar ist. Da jedoch alkoholische und 
ätherische Extrakte aus Organen häufig ein analoges hämolytisches Ver¬ 
halten zeigen, wurden sowohl Nieren von verstorbenen Nierengesunden 
als auoh von Nephritikern, die auch bei Lebzeiten das Sympton zeigten, 
mit Aether extrahiert. Die ätherischen Extrakte, Dach Verdunsten des 
Aethers in physiologischer Kochsalzlösung aufgenommen, zeigen ein voll¬ 
kommen andersartiges hämolytisches Verhalten. 

Wir wissen, dass die GiftwirkuDg von Organextrakten zurückzuführen 
ist entweder auf lipoide Substanzen oder auf wasserlösliche dialysable, 
hitzebeständige, niedrigstehende Eiweissabbauprodukte. 


Nr. 40. 


Nierensubstanz, sowohl von Kranken als auch Nieren gesunden ge¬ 
wonnen, zeigt in einfaoh wässriger Lösung keine GiftwirkuDg. Die sero¬ 
logische Erfahrung lehrt nuo, dass die Giftigkeit der Extrakte durch 
Autolyse verstärkt wird. Ich habe nun in dieser Richtung bin Versuche 
angestellt und menschliche Organe (Niere, Leber usw.) der antiseptischen 
Autolyse nach Salkowski überlassen. Ich konnte tatsächlich fest¬ 
stellen, dass es dabei gelingt, Autolysate zu gewinnen, welche für 
Hammelblut giftig sind, für Mensobenblut nicht. Aber es ist mir nicht 
gelungen, eine ähnlich intensive Giftwirkung im Autolysat nachzuweisen. 
Sollte es gelingen, die gesuchte Substanz als Eiweissabkömmling zu 
definieren, so würde allerdings das so häufig behauptete, die Urämie 
auslösende Niereneiweisszerfallsgift gefunden sein. Ob dies tatsächlich 
der Fall ist, können erst weitere Untersuchungen ergeben. 


Aus der medizinischen Abteilung des städtischen 
Wenzel-Hancke-Krankenhauses in Breslau (Primärarzt: 
Geh. San.-Rat Dr. Drewitz). 

Die Variolabehandlung mit Kalium¬ 
permanganat 1 ). 

Von 

Dr. med. Willy Bender. 

Im Vordergründe der Behandlung der Variola steht die An¬ 
wendung des roten Lichtes. Sie ist hervorgegaugen aus altem 
Aberglauben lind alter Volksmedizin. Erst am Ende des 19. Jahr¬ 
hunderts hat Fiesen die Methode als eifriger Verfechter wissen¬ 
schaftlich zu begründen versucht. Er kam zu dem Urteil, dass 
die Rotlichtbehandlung als passive Schönungsbehandlung an- 
Zusehen sei. In der Ausschaltung der chemisch wirkenden kurz¬ 
welligen Lichtstrahlen sah er das wirksame Prinzip. 

Ein überzeugender Einfluss für eine sinnfällige Wirkung 
kann der Literatur über die Rotlichtbehandlung nicht zugeschrieben 
werden, wenn auch ein gewisser Notzen anscheinend nicht aus- 
zuschliessen ist, jedenfalls nicht bei frühzeitig zur Behandlung 
kommenden Fällen. Auch die Anwendung der Rotlichtbehaudlung 
in der hiesigen Infektionsabteilung in früheren Jahren hat nach 
persönlicher Mitteilung von Herrn. Geh. San.-Rat Dr. Drewitz 
zu nicht nennenswerten Erfolgen geführt, so dass sie bald ver¬ 
lassen wurde. Dazu kommen noch die von nicht wenigen Autoren 
beschriebenen unangenehmen Nebenwirkungen, z. B. die nicht 
selten beobachtete zerebrale Exzitation infolge der psychisch 
irritativ wirkenden Rotstrahlung, die vom Pflegepersonal und den 
Kranken in gleicher Weise als äusserst unangenehm empfunden 
werden soll. Ferner ist nach Ausschaltung der natürlichen 
Lichtquelle auch die Lufterneuerung in den Krankenräumen in 
Frage gestellt, die bei dem eminent unangenehmen Geruch des 
Blatterneiters eine ausgezeichnete Ventilationsanlage verlangt, 
wie sie in den Infektionsbaraken selten angebracht ist. Ferner 
wäre ein dauernder Wechsel des Pflegepersonals nötig, da man 
diesem kaum länger als 10 Tage einen Aufenthalt im roten Licht 
zumuten kann, ein Aufenthalt, der zudem noch durch den häu¬ 
figen Wechsel von rotem Licht und Tageslicht zu lästiger Hyper¬ 
ästhesie der Retina führt. 

Den Erfolg der Behandlung macht Würtzen 2 ) von ihrem möglichst 
frühzeitigen Beginn abhängig und gibt an, „dass der vierte Krankbeits¬ 
tag der letzte sei, der gute Aussicht gibt". Eine Vorbedingung, die bei 
der schwierigen Diagnosestellung der Variola in den ersten 3—4 Tagen 
wohl nur selten erfüllt wird. Sind doch'in der jetzigen von mir beob¬ 
achteten Epidemie unter 45 Fällen mit entsprechenden Aufzeichnungen 
nur 7 Fälle, die dieser Forderung genügen, und von diesen 7 schalten 2 
als vod vornherein mit hämorrhagischer Diathese kombiniert aus, so dass 
nur 1 Fall am zweiten, je 2 am dritten und vierten Krankbeitstag ein¬ 
geliefert sind. Also wohl ein schwerwiegender Grund, der der Behand¬ 
lung im „roten Zimmer" entgegensteht. 

Hauptsächlich durch den geringen Erfolg und durch die oben er¬ 
wähnten Missstände bewogen versuchte Dreyer 8 ), „das Liohtfilter von 
den Einlassöffnungen für das Liobt gewissermaassen auf die Haut der 
Kranken zu verlegen“. Von der Verwendung roter Farbstoffe nahm er 
Abstand, weil er fürchtete, die Patienten würden sich einer leuchtenden 
Verfärbung ihres Körpers widersetzen. Er wollte nur „eine mehr oder 
weniger braune Verfärbung hervorrufen“ und gelangte so zum Kalium- 


1) Vortrag,Q gehalten in der Schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Gultur am 26. Sept. 1919. 

2) Würtzen, Die Finsenbehandlung bei Pocken. Ergehn, d. inn. 
Med. u. Kindhlk., Bd. 14. 

3) Dreyer (Kairo), Beitrag zur Behandlung der Variola. M.m.W., 
1910, Nr. 31. 


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permanganat, das ihm ausserdem wegen seiner desinfizierenden und 
desodorierenden Eigenschaft recht brauchbar erschien. Er pinselte unter 
besonderer Berücksichtigung des Gesichts sowie der Arme und Hände 
am ersten und event. auch am zweiten Tage 3—4mal täglich, dann 
nur einmal täglioh den ganzen Körper mit gesättigter wässriger Kalium- 
permanganatlösung und erreicht so eine „tietbraune Färbung der Haut“. 
Die Erfolge sollen sich hauptsächlich auf starke Reduzierung der Eiter- 
entwieklung und das Ausbleiben der jauchigen, stinkenden Zersetzungs¬ 
produkte erstreoken. „Auch das Eiterungstieber wird“, seiner Meinung 
nach, „beeinflusst, indem einmal die Temperatur nicht die zu erwartende 
Höhe erreicht, andererseits auch die Zeit des Fiebers gewöbnlioh ab¬ 
gekürzt wird“. Die Narben sollen bei gleicher Tiefe weniger breit sein 
als bei unbehandelten Personen und innerhalb weniger Monate voll¬ 
kommen versohwinden. Einen „Einfluss auf den spezifischen Prozess 
der Pocken“ wird der Permanganatbehandlung nioht zuerkannt. Gegen¬ 
indikation soll grössere Herzschwäche darstellen, da Resorption des 
Kaliums als Herzgift zu befürchten ist. j 

Kurze Originalabhandlungen über die Methode sind vorhanden von 
Morawetz 1 ), Kulka 2 3 ), Justitz 8 ). floppe - Seyler 4 5 6 ), Becker 8 ), 
Leschke*) berichten kurz in medizinischen Gesellschaften. Die bekannten 
Hand- und Lehrbücher erwähnen die Behandlung gar nicht oder kurz. 

Auch die Originaibehandiungen geben nur die mehr oder minder 
günstigen persönlichen Ansichten der Autoren, keine sinnfälligen Be¬ 
weise an. Alle Autoren verlangen weitere genaue Nachprüfung der 
Methode. 

Es erscheint allerdings auf den ersten Blick sehr schwierig, 
bei einer in ihrer Intensität so äusserst verschieden verlaufenden 
Erkrankung eineu exakten, klaren Beweis erfolgreicher Behand¬ 
lung zu erbringen. Eine Schwierigkeit, deren Vorhandensein 
wohl am besten durch die noch nicht erzielte Einigkeit über den 
Wert der seit Jahrhunderten angewandten Rotlichtbehandlung 
beleuchtet wird, so dass Finsen daran arbeitete, eine behördliche 
Kommission von Pockenärzten und Dermatologen zur Prüfung 
seiner Behandlung einsetzen zu lassen. 

Der Leistungsfähigkeit dör Kaliumpermanganatbehandlung' 
wird von vornherein eine Grenze gezogen durch ihre kutane An¬ 
wendungsweise. Es wird nicht die Variola als Infektions¬ 
krankheit behandelt, sondern nur ihre Erscheinungsform auf der 
Haut als dermatologische Affektion im Sinne eines pustulösen 
Aufschlages, der oft nach eitrig jauchiger Zersetzung unter tief¬ 
greifender Geschwürsbildung zu narbigen Defekten der Haut führt. 
Mit Verhinderung dieser fast am ganzen Körper fleck- und 
flächenhaft sitzenden, eitrigen Einschmelzung der Haut wird man 
natürlich von vornherein die durch diese üauterkrankung be¬ 
dingten Komplikationen vermeiden, das septische Resorptions- 
lieber, ausgedehnten eitrigen Dekubitus, eitrige Metastasen, schliess¬ 
lich allgemeine SepsiB. Als Enderfolg wird mit dem geringeren 
Umsichgreifen der Eiterung auch eine Verkleinerung der Narben 
zu erwarten sein. 

Da es sioh also um eine symptomatische Behandlung der Haut- 
affektion der Variola handelt, müssen ohne weiteres natürlich eine 
Anzahl Variationen der Variola von der Behandlung ausgesohieden 
werden, nämlich diejenigen Erkrankungen, die die flautersoheinungen 
nur in sehr geringem Maasse oder gar nicht zeigen. Zu ersteren 
Formen ist die Variolois, die leichteren Grade der Variola discreta und 
die Variola pustulosa haemorrhagioa, zu letzteren die Purpura variolosa 
zu zählen. 

Ich habe nun an 8 Patienten die von Dreyer angegebene Methode 
nachgeprüft und muss auf Grund dieser Erfahrung die Anwendungs¬ 
weise hinsiohtlioh ihrer quantitativen Grösse abändern. Es gelang mir 
meist, am ersten Tage eine zweimalige Pinselung ohne Nebenerschei¬ 
nungen auszufühcen, nur in einem Falle wurde bereits bei der zweiten 
Pinselung unangenehmes Brennen hervorgerufen. Eine dritte Pinselung 
wurde immer von den Patienten bald im Beginn als unerträglich ab¬ 
gelehnt. 

Das Brennen ist wohl auf die Aetzwirkung des Kaliumpermanganats 
zurüokzufübren, ein Umstand, der in dem. ersten Falle Bogar zu einer 
lokalen Hautreizung mit nachfolgender Pigmentierung an der Appli¬ 
kationsstelle nach zehnmaligem Pinseln geführt bat. 

Nach längerem Probieren an den einzelnen Patienten hat sich nun 
als zweckmässig folgendes Verfahren herausgestellt. Am ersten Tage 
der Einlieferung wird einmal der ganze Körper mit gesättigter, frisch 
bereiteter Lösung gepinselt, die bei mittlerer Zimmertemperatur etwa 
6,5proz. ist, dann wird ein zweites oder drittes Mal an einer halben 
Gliedmaasse versucht. Tritt hierbei nach einer halben Stunde kein 
Brennen ein, so wird die Lösung ein zweites oder drittes Mal auf den 


1) Morawetz, W.m.W., 1917, Nr. 23. — W.m.W., 1915, Nr. 20. 

2) W. Kulka, W.m.W., 1917, Nr. 21. 

3) Justitz, W.m.W., 1917, Nr. 41. 

4) floppe-Seyler, Med. Gesellsoh. Kiel, Febr. 1917. 

5) Becker, Aerztlicher Verein in Hamborg, Sitzungen Januar und 
Februar 1917. 

6) Leschke, Berliner med. Gesellsoh., März 1917. 


ganzen Körper eingepinselt. Bei eingetretener Hautreizung wird der 
Versuch mit l,5proz. Lösung an einer anderen Gliedmaasse wieder¬ 
holt und b$i fehlender Schmerzempfindung der ganze Körper gepinselt. 
Nun wird an jedem weiteren Tag, je nach der Empfindlichzeit der flaut 
mit gesättigter oder l,5proz. Lösung, bei sehr empfindlichen Patienten 
mit event. noch stärkerer Verdünnung gepinselt. Ein über eine halbe 
Stunde dauerndes Brennen muss auf jeden Fall vermieden werden. Eine 
Ausnahme machen Hände und Füsse, an denen wegen geringerer Haut¬ 
empfind liohkeit dauernd mit konzentrierter Lösung behandelt werden 
kann. Ein Verfahren, das auch deshalb aozuraten ist, weil hier die 
Schuppen sich am schlechtesten lösen und dies duroh die konzentrische 
Lösung beschleunigt wird. Meist wird zur schnelleren Beendigung der 
Rekonvaleszenz bei Freisein des übrigen Körpers an diesen Steilen eine 
Sohäikur (heisse prolongierte Bäder mit darauffolgender Pinselung mit 
lOproz. Salizylkoilodium) und mechanischer Entfernung nötig sein. Die 
Behandlung mit Kaliumpermanganat wird fortgeführt bis zum spontanen 
Ablösen der Schuppen. 

Um nun den Wert der Behandlung zu erweisen, erscheint es mir 
nioht nötig, alle 8 bisher behandelten Fälle ausführlich zu besprechen, 
vielmehr glaube ich, mit der kurzen Krankengeschichte und besonders 
den bildmässigen Demonstrationen eines Falles einen offensichtlichen 
und exakten Beweis für den Erfolg der Behandlung hinsichtlich ihres 
symptomatischen Wertes erbringen zu können. Der Einfluss auf die 
Allgemeinerkrankung und die Sterblichkeit wird natürlich erst durch 
eine grössere Statistik sicher gestellt werden^ könnnen. 

Ich habe bei diesem Fall die Behandlung nur auf einen kleinen 
Teil des Körpers iesohränkt angewendet, um so duroh Beispiel und 
Gegenbeispiel an einem Kranken ein eindeutiges Urteil gewinnen zu 
können. Unterstützend für die Beweiskraft meiner Versuohsanordnung 
an symmetrischen Körperteilen ist die Tatsache, dass die in gleichem 
Horizontalsohnitt symmetrisch gelegenen Variolaetfloreszenzen so gut wie 
immer die gleiche qualitative und quantitative Entwicklung zeigen. 

Ich betone ausdrücklich, dass alle an diesem Falle gemachten Beob¬ 
achtungen durch weitere 7 Fälle bestätigt und erweitert werden. 

Patientin ist eine 16 1 /) Jahre alte Landarbeiterin. Die Vorgeschichte 
ist belanglos. Ueber eine erfolgreiche Impfung sind keine Feststellungen 
zu erheben. Narben sind nioht vorhanden. 

Am 17. V. 1919 erkrankte sie an Kopfschmerzen, Kreuzsohmerzen 
und Fiebergefühl. Am 19. V. bemerkte sie einen Ausschlag am ganzen 
Körper und Geringerwerden des Fiebers. 

Am 28. V., also dem 7. Krankheitstage, wurde sie dem Kranken¬ 
hause überwiesen. 

Patientin hat 38,2° Temperatur. Die Haut des ganzen Körpers 
zeigt das typische Vanolaexanthem im papulösen Stadium. Neben starker 
Konjunktivitis ist erwähnenswert die Entzündung der Schleimhaut der 
oberen Luftwege. Auf dem weichen Gaumen entwickeln sich am nächsten 
Tage einige Bläschen, die nach Abstossung der Bläsehendeeke in 5 bia 
6 Tagen abheilen. An den inneren Organen ist kein krankhafter Befund 
zu erheben. Der Urin zeigt anfangs leichte febrile Albuminurie. Die 
Temperatur zeigt vom 11. Krankheitstage an tjpisoh septischen Charakter 
und steigt abends zeitweise bis 40,6. Als am 19. Krankheitstag das 
Allgemeinbefinden sioh sichtlich verschlechterte, wird ausser der bereits 
vorher verordneten Digitalis-Koffeintherapie Elektrokollargol intravenös 
gegeben, wegen starker Ueberempfiadlichkeit gegenüber der Schmerz¬ 
haftigkeit der Injektion wurde dann 10 Tage laüg 1—2 mal täglich 
100 ccm einer 2proz. Kollargollösung rektal gegeben. Der Erfolg hin¬ 
sichtlich der Temperatursenkung war vom Tage nach der Injektion an 
deutlioh. Gleich gute Wirkung berichtet Denmann 1 ) vom Elektrargol. 

Vom 8. Krankheitstage an wurde die rechte Seite des Rückens und 
der linke Oberarm zweimal mit gesättigter, einmal mit 3 proz., am. 9. 
bis 11. je einmal mit gesättigter, dann der Rücken 5 Tage lang und 
der Arm 16 Tage lang je einmal mit 1,5proz., frisch bereiteter Kalium- 
permaoganatlösung gepinselt. 

Das Exanthem begann am 8. Krankheitstage in das vesikulöse 
Stadium überzugehen. Bereits am 12. Krankheitstage war ein deutlicher 
Unterschied zwischen behandelten und unbehandelten Stellen zu sehen, 
indem an ersteren die Pusteln weniger erhaben, weniger breit und nioht 
so prall gefüllt sind und auch das Konfluieren der Pusteln seltener ist. 
Im weiteren Verlaufe gehen nun die Pusteln der unbehandelten Stellen 
in starke Eiterung über und wandeln sich in meist borkig belegte, eitrig¬ 
nässende Geschwüre um, während an den behandelten Stellen die Ent¬ 
wicklung der eitrig-geti übten Pusteln vom 12. Tage an zum Stillstand 
kommen u^fl bereits am 14. durch Abfallen einzelner dünner, feiner 
Borken die stellenweise beendete Eintrocknung sich kennzeichnet. Die 
Stadien der Entwicklung sind in 6 Photographien festgehalten, von denen 
hier nur eine vom 22. Krankheitstag abgebildet wird. Auf der rechten 
behandelten Rüokenseite haften unten aussen noch einige feine, dünne 
Borken, die als die grössten auf der behandelten Seite zu gelten haben 
und auch zuletzt abblätterten. Links sieht man deutlioh teils 6—7 mal 
so grosse dicke Borken, teils wallartig umsäumte, eitrig belegte Ge¬ 
schwüre. Dieses eine Bild kann als offensichtlicher eindeutiger Beweis 
einer wirksamen dermatologischen Behandlung gelten. 

Am 25. Krankheitstage waren die behandelten Stellen voll abge- 
sohuppt, die entsprechenden unbehandelten am 49., zuletzt Handteller 
und Fusssohle. am 59. Am 60. Krankheitstage nach 54tägigem Aufent¬ 
halt im Krankenhaus erfolgte die Entlassung. 

1) R. Denmann, Brit. med. jo am., Okt. 1913, zit. naoh D.m.W. 

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Nr. 49. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Der stärkeren Einsobraelzung der Haut an den unbehandelten 
Stellen entsprechend sind hier natürlich auch die Narben kleiner an 
Flächenausdebnuog und geringer pigmentiert. Ueber die Tiefe könnte 
erst bei Beobachtung nach mehreren Monaten «in Urteil gebildet werden. 

Bemerkenswert in Hinsicht der Verschiedenheiten des zeitlichen Ab¬ 
laufes boten no<h zwei Fälle von Variola discrete, bei denen die gesamte 
linke Hälfte des Körpers behandelt wurde. Bekanntlich tritt bei be¬ 
ginnender Exsikkation bei den meisten Variolakranken ein mehr oder 
minder heftiges Hauijuoken ein. Bei diesen Patientinnen trat nun auf 
der behandelten Körperseite das Jucken 3 bzw. 2 Tage früher ein, so 
dass die Patientinnen das anfangs der Behandlung zur Last legten. 



Der unangenehme Eitergeruch bei spät zur Aufnahme gelangenden 
Patienten wurde fast voll beseitigt. 

Als wirksames Prinzip der Methode bezeichnet Dreyer die Abhal¬ 
tung der ultravioletten Strahlen durch die Verlärbung der Haut, nebenbei 
auch die desinfizierende und desodorierende Wirkung des Kaliumperman¬ 
ganats. Falls die Lichtwirkung in Frage kommt, müsste ein indifferenter 
Farbstoff dieselbe Wirkung besitzen. Ich habe bei einer Kranken, bei 
der durch Kaliumpermanganat am rechten Oberarm ein deutlicher Erfolg 
zu erreichen war, die rechte Seite des Rückens mit konzentrierter Eosin¬ 
lösung hochrot gefärbt, die linke frei gelassen. Ein Erfolg war nicht 
zu sehen. 

Ich glaube, die Hauptwirkung des Kaliumpermanganats beruht auf 
der Eigenschaft als Aetzmittel und der dadurch hervorgerufeten sekun¬ 
dären Entzündung, die als künstliche, lokale, nicht spezifische Resistenz¬ 
steigerung im Sinne der Pfeiffer’schen Pseudoimmunität zu betrachten 
ist. Durch die lokale Anhäufung der Transportmittel der Immunstoffe, 
als die Blut, Lymphe und Leukozyten zu gelten habeD, wird die Steige¬ 
rung der Widerstandsfähigkeit hervorgerufen. Es wird so gewisser- 
maassen wie bei der Revakzination die Area, die nach v. Pirquet 1 ) als 
„entzündliche Reaktion dem weiteren Wachstum der Pockenerreger Ein¬ 
halt gebietet“, als allergische Reaktion im Sinne einer beschleunigten 
Reaktion künstlich herbeigeführt. 

Ferner kommt wohl die oxydierende Wirkung des Sauerstoffes in 
statu nascendi bei Zersetzung des Kaliumpermanganates in Frage, die 
nach Kulka 2 ) vielleicht direkt zur ungünstigen Beeinflussung des 
„anaerobe Eigenschaften verratenden Variolaerregers“ führt. 

Durch die häufige Desinfizierung der gesamten Körperobei fläche wird 
das Einwandern von Eitererregern durch die geschädigte Epitheldecke in 
die Pusteln auf ein Minimum beschränkt. 


1) P. Th. Müller, Vorlesungen über Infektion und Immunität. 

2) W. Kulka, W.m.W., 1917, Nr. 21. 


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Zusammenfassend wäre zu sagen: Die Kaliumpermanganat¬ 
behandlung der Vatiola ist eine ausgezeichnet wirkende Methode 
zur Behandlung der dermatologischen Kompouente der Erkrankung. 
Sie ist hierin jeder anderen Behandlung weit überlegen. 

Die günstige Beeinflussung der Schwere der Allgemeininfektion 
ist als teilweise bedingt durch die Hautei krankung und ihre Kom¬ 
plikationen als sicher anzunehmen, aber erst statihtisch erweisbar. 

Das Rekonvaleszentenstadiura wird infolge der Beschleunigung 
der Abschuppung bedeutend verkürzt, zumal wenn die Schälung 
an Handtellern und Fusssoblen durch Scbälkur und mechanische 
Entfernung unterstützt wird. 

Die auf die Kranken psychisch (melancholische Zustände, 
Häufung hysterischer Anfälle usw.) recht lästig wirkende Isolie¬ 
rung wird auf kürzeren Zeitraum beschränkt. 

Sanitätspolizeilich bemerkenswert ist die schnellere Beseiti¬ 
gung und eventuell gleichzeitige Desinfizieiuug der Schuppen, die 
als Infektionsmaterial eine der Infektion*quellen darstellen. 

Der Erfolg der Kaliumpermanganatbehandlung ist so offen¬ 
sichtlich, dass sie eventuell in Verbindung mit Elektrokollargol 
bzw. Kollargol zurzeit die Methode der Wahl genannt werden muss. 


Aus der Universitäts-Hautklinik zu Frankfurt a. M. 

Ueber Liquor carbonis detergens. 

Von 

K. Herxheimer und K. Altmann. 

Unter der grossen Zahl wirksamer Teerpräparate, die ira 
Laufe der Zeit iu den dermatologischen Arzreischatz aufgenommen 
worden sind, haben sich uns unige Teere besonders bewährt. 

Iu Uebereinstimmung mit den meisten Therapeuten, die den 
Steinkohlenteer den pflanzlichen vorziehen, gehören die von uns 
neu eingeführten oder in das therapeutische Arsenal der Frank¬ 
furter Klinik übernommenen Präparate zu den mineralischen 
Teeren. Die Gründe für das Zurücktreten der Pflanzenteere hinter 
dem Steinkohlenteer sind in ihrer dunkleren Farbe, ihrem stärkeren 
Geruch und in ihrer grösseren Reizwirkung zu suchen. 

Von diesen unerwünschten physikalischen und chemischen 
Eigenschaften ist natürlich auch der Steinkobl*nteer nicht frei, 
besonders ist sein Gehalt an unlöslichen Harzen und feinverteilten 
Pechbestandteilen, Stoffe, die bei der Anwendung sich überaus 
störend bemerkbar machen, weil sie die Poren verstopfen und 
schwer von der Haut zu entfernen sind, der Anwendung überaus 
hinderlich. Deshalb hat man versucht, durch verschiedene Ex¬ 
traktionsmittel die therapeutisch .wirksamen Bestandteile des 
Teeres von den unerwünschte Wirkungen entfaltenden zu trennen. 
Diese Versuche haben zur Darstellung des Lithantrols und des 
Karboneols geführt, über die an anderer Stelle berichtet worden 
ist 1 ). 

Neben diesen beiden Teeren, die sich in jahrelangem klini¬ 
schen und ambulanten Gebrauch wegen ihrer Reizlosigkeit und 
der prompten therapeutischen Wirksamkeit ausgezeichnet bewählt 
haben, war es im wesentlichen der Liquor carbonis detergens, 
der von uns in umfangreichem Maasse verwendet wurde. Die 
gleichzeitige Anwendung mehrerer Teerpräparate neben- bzw. 
nacheinander ist ja etwas selbstverständliches. Keiner der ge¬ 
nannten Teere gleicht in seiner Wirkung völlig dem anderen, sie 
ergänzen sich gegenseitig, und jeder hat seine besonderen Indi¬ 
kationen. Um nur einige Beispiele für unsere Teere zu erwähnen, 
so ist in manchen Fällen von Ekzem mit starker Infiltration der 
L : quor carbonis detergens an Tiefenwirkung dem Karboneol über¬ 
legen und wird seiner Reizlosigkeit wegen eher vertragen als 
das Karboneol. Für das Gesicht und den behaarten Kopf eignet 
sich das Karboneol wegen seiner dunklen Farbe und seiner dicken 
Konsistenz nicht. Hier tritt Lithantrol und Liquor carbonis 
detergens dafür ein. Bei der Psoriasis übertrifft das Karboneol 
und Lithantrol den Liquor carbonis detergens an Wirksamkeit. 
Karboneol wird hierbei am besten rein, Lithantrol entweder rein 
(►der in Verbindung mit Salizylsäure in Salbenform angewendet. 
Als Zusatz zu Trockenpinselungen und'zu Glyzerolaten sowie in 
spirituösen Lösungen kommt wegen seiner physikalischen Eigen¬ 
schaften vorzugsweise der Liquor carbonis'detergens in Frage. 

Der Liquor carbonis detergens kam urspiünglich als eng¬ 
lisches Geheim mittel zu uns; *er bürgerte sich seiner guten 

1) K. Herxheimer, B.kl.W., 1908, Nr. 3. — Arch. f. Denn. u. 
Syph., 1912, Bd. 115, H. 2. 


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8. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


chemischen und physikalischen Eigenschaften wegen sehr rasch 
in Deutschland ein und wurde bald auch bei uns hergestellt. 
Nach der Vorschrift im Ergänzungsbuch zum Deutschen Arznei¬ 
buch stellt der Liquor carbonis detergens einen Auszug von Stein- 
koblenteer mit Quillajatinktur dar. 

Während des Krieges machte sich der Mangel an einer 
grossen Anzahl chemischer Stoffe auch bei der Darstellung 
unserer Teere störend bemerkbar. Das Karboneol konnte wegen 
ungenügender Reinheit der Lösungsmittel nicht mehr in der 
früheren Gute hergestellt werden. Wir gingen deshalb immer 
mehr zu der Verwendung des Lithantrols und des Liquor carbonis 
detergens über. Aber auch dessen Darstellung stiess auf immer 
grössere Schwierigkeiten. Die Quillajarinde, die von der in Chile, 
Peru und Bolivien heimischen Quillaja Saponaria gewonnen wird, 
war so knapp und teuer geworden, dass an einen Ersatz gedacht 
werden musste. Da das wirksame teerlösende Prinzip in der 
Quillajatinktur wahrscheinlich das zu 10 pCt. als Saponin in der 
Rinde enthaltende Glykosid ist, so lag der Gedanke nabe, ein¬ 
heimische glykosidhaltige Pflanzenauszüge zur Extraktion des 
Steinkohlenteeres zu verwenden. Wir haben ^folgende Pflanzen¬ 
auszüge als Lösungsmittel desj Steiokohlenteeres versucht, bei 
denen meist auch die Wirkung Pflanzengerbsäure in Betracht 

kommt. Tiotura Hippocastani 

„ Asperulae 
„ Cbamomillae 
„ Verbasoi 
„ Urticae. 

Die gewonnenen Extrakte gleichen fast völlig dem Liquor 
carbonis detergens Wright. Die beiden ersten sind heller als 
das englische Mittel, das dritte und vierte hat die gleiche Farbe, 
das fünfte ist etwas dunkler. Der Teetgernch ist bei den drei 
ersten noch geringer als der an sich schon recht schwache Geruch 
des Quillajaextraktes. Dazu kommt bei Asperula- und Cbamo- 
milla-Extrakt das angenehme Aroma der getrockneten Droge. 
Das Verbascum- und Urtica-Extrakt gleicht in seinem Geruch 
dem Liquor crbonis detergens germanicus. Sämtliche Teere 
haben die gleiche Konsistenz wie der Qaillajaextrakt, sie sind 
also dünnflüssig; man sieht nach der Einpinselung sehr wenig 
von ihnen auf der Haut, ein Umstand, der ihre Anwendung an 
den unbedeckten Hautstellen, Gesiebt und Händen, besonders be¬ 
günstigt. Sie trocknen sehr schnell und beschmutzen nicht die 
Wäsche. 

Geprüft wurden die Präparate an dem Material der Privat¬ 
praxis, der Klinik und der Poliklinik bei Ekzemen verschiedener 
Stadien und Lokalisation, beim seborrhoischen Ekzem, bei der 
Pityriasis capitis, bei pruriginösen und bei parasitären Haut¬ 
krankheiten, namentlich auch bei Neurodermitis chronica. 

Bei der Ekzembehandlung wurde natürlich die allgemeine 
Teerindikation nicht ausser acht gelassen und frische akute Ek¬ 
zeme von der Anwendung des Mittels ausgeschlossen. Dagegen 
war die Wirkung auf subakute und chronische Ekzeme gut. Wir 
konnten, wie auch früher schon bei einem Vergleich des Kar- 
boneols mit dem Liquor carbonis detergens feststellen, dass die. 
neuen Teere nicht so frühzeitig rein angewendet werden* dürfen 
wie das Karboneol, das sogar in einzelnen Fällen bei akuten 
Ekzemen vertragen wurde. Dagegen waren die neuen Extrakte, 
zu 1—lOpCt. der Pasta zinci zugesetzt, auch für frischere Fälle 
sehr geeignet. Nässende Ekzeme trocknen rasch ab, die normale 
Verhornung wird angeregt, der Juckreiz, der oft bei reiner Pasten- 
anwendung nicht weichen will, schwindet. Im weiteren Verlauf 
der Behandlung geht man dann zum reinen Teer über, der bei 
älteren Fällen gleich von vornherein benutzt werden kann. Die 
Ekzeme, besonders die Kinderekzeme, sind ein guter Gradmesser 
für eventuelle reizende Eigenschaften des verwendeten Medikamentes. 
Es zeigte sich nun, dass die Mittel auch bei den Kinderekzemen 
gut vertragen wurden und Reizungen ebenso selten waren wie bei 
dem englischen Präparat. Zuweilen, besonders bei empfindlicher 
Haut, empfiehlt es sich, vor der Anwendung des reinen Teeres 
5 —10 proz. Lösungen in Spiritus zu pinseln. Die Teere mischen 
sich leicht und in jedem Verhältnis mit Alkohol. 

Die antip uriginöse Wirkung der Teere kommt besonders gut 
zur Entfaltung bei dem stark juckenden Ekzema ani- und bei 
den postskabiösen Ekzemen. Bei ersteren ist die beste An¬ 
wendungsweise entweder die Pinselung des unverdünnten Prä¬ 
parates oder bei frischeren Fällen sowie bei empfindlicher Haut 
eine 6—10 proz. Teer?inkpaste. Für die Behandlung der Neuro¬ 
dermitis chronica ani eignet sich neb*n dem unverdünnten Prä¬ 
parat besonders gut ein 10 proz. Teerglyzerolat. 


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Liquor carbonis detergens 

s. B. o. Tinct. verbasoi parat.- 10,0 


Traganth 

8,0 

Spiritus 

80.0 

Glyzerin 

45 0 

Aqu. dest. 

12,0 


Bei den postskabiösen Ekzemen, bei denen nach der Krätze¬ 
kur noch ein starker Juckreiz anhält, erzielt man mit Trocken¬ 
pinselungen, denen 1—lOpCt. unserer Teerextrakte zugesetzt 
wird, fast stets sehr schnell den.Erfolg, dass das Jucken nach¬ 
lässt oder aufhört und das Ekzem abheilt. 

Die Gleichwertigkeit der neuen Teere mit dem alten Liquor 
carbonis detergens ergab sich auch bei der Behandlung der sebor¬ 
rhoischen Ekzeme, die sich überhaupt für die Teerbehandlung 
ganz besonders gut eignen. Sowohl unverdünnt als auch in Bei¬ 
mengungen zum Zinkliniment und zur Zinkpaste bringt der Liquor 
carbonis detergens die seborrhoischen Plaques zum Verschwinden, 
und da die physikalischen Eigenschaften der Teere, der geringe 
Geruch, die Dünnflüssigkeit, das schnelle Trocknen einer Fort¬ 
setzung der Behandlung auch nach klinischer Heilung des sebor¬ 
rhoischen Ekzems förderlich ist, so ist es möglich, auch bei ihnen 
recht erfreuliche Dauerresultate zu erzielen. Was das bedeutet, 
braucht bei der bekannten Neigung der seborrhoischen Ekzeme 
zum Rezidivieren nicht besonders betont zu werden. Selbst die 
empfindlichste Gesicbtshaut verträgt die Teere ausgezeichnet. 

Eine besondere Indikation für den Liquor carbonis detergens 
ist die Pityriasis capitis. Wie wir bereits früher betonten, 
handelt es sich bei der Pityriasis capitis um eine entzünd¬ 
liche Dermatose, bei der man mikroskopisch perivaskuläre 
und freie Infiltrate im Korium besonders häufig um die Haar¬ 
bälge und Talgdrüsen sowie um die Schweissdrüsen angeordnet 
findet. Daneben besteht eine die Schuppung beherrschende Para- 
keratose. Hiergegen dnrften wir in der reduzierenden Eigen¬ 
schaft der Teere ein geeignetes Heilmittel erwarten. Wir haben 
deshalb von dieser häufigen, der Therapie den hartnäckigsten 
Widerstand entgegensetzenden Krankheit gegen 400 Fälle mit den 
neuen Pflanzenauszügen behandelt. Die Teere wurden dabei in 
10 proz. alkoholischer Lösung verwandt. Die Applikation geschah 
täglich mittels Borstenpinsels auf die durch Scheiteln der Haare 
freigelegte Kopfhaut. Während wir bei der fettigen Form der 
Pityriasis capitis auf einen Fettzusatz zum Teerspiritus ver¬ 
zichten können, ist es zweckmässig, bei der trockenen Form 
1—2 pCt. Oleum Ricini zuzusetzen. Der Kopf wird aller Wochen 
mit einer milden Seife und lauwarmem Wasser gewaschen. Da¬ 
bei soll eine ausgiebige Massage der Kopfhaut stattfinden. Bürsten 
und Kämme müssen regelmässig gereinigt und mit Metakresnl- 
lösung desinfiziert werden. Diese Maasenahme halten wir für 
ausserordentlich wichtig, da wir trotz des fehlenden Nachweises 
des Infektionserregers — denn die bis jetzt beschriebenen Mikro¬ 
organismen können einer Kritik nicht standhalten — die Pityriasis 
capitis für infektiöser Natur halten. 

Unter dieser Behandlung bessern sich besonders frischere 
Fälle, bei denen die Schuppenbildung vorherrscht und es noch 
nicht zu erheblichem Haarausfall gekommen ist, verhältnismässig 
rasch. Zunächst verschwindet der störende Juckreiz, der bei 
manchen Patienten recht quälend sein kann; und innerhalb 3 bis 
4 Wochen die Schuppenbildung. Bei frischeren Fällen pflegt 
damit auch schon dem beginnenden Haarausfall Einhalt gesetzt 
zu werden. Bei älteren Fällen mit bereits stärkerem Haarausfall 
lässt dieser Erfolg natürlich länger auf sich warten. Immerhin 
sind Besserungen auch bei diesen Pntienten häufig schon in der 
angegebenen Zeit festzustellen. Zur Erzielung von dauerhaften 
Resultaten muss.die Behandlung monatelang fortgesetzt werden. 
Man kann, wenn die Schuppenbildung verschwunden ist und der 
krankhafte Haarausfall nachgelassen hat, von der täglichen An¬ 
wendung des Teerspiritus absehen und zunächst alle zwei Tage, 
dann in der Woche zweimal die Kopfhaut einpinseln lassen. 
Reizungen haben wir nur in einem Falle beobachtet; der be¬ 
treffende Patient vertrug aber auch keinen Schwefel. Bei ein¬ 
getretener Atrophie der Kopfhaut kann natürlich von einem Erfolg 
keine Rede sein. 

Die gute Wirkung der Teere bei der Pityriasis capitis legte 
uns den Gedanken nahe, ihre antiparasitären Eigenschaften auch 
bei Pilzerkrankungen der Haut zu erproben. Die Versuche wurden 
bei oberflächlichen Trichophytien angestellt. Die Erfolge waren 
nicht besonders befriedigend, höchstens kommt die Anwendung 
der Teere für solche Fälle von Ekzema marginatum in Frage, 
bei denen zur Pilzerkrankung eine erheblichere Ekzematisation 

8 * 

Original fro-m 

UNIVERSITY OF IOWA 




1164 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


hinzugetreten ist. Hierbei gelingt es, die Ekzematisation erfolg¬ 
reich zu bekämpfen, ohne gleichzeitig zu irritieren, wobei ausser¬ 
dem der parasitäre Prozess günstig beeinflusst wiid, bis die An¬ 
wendung stärker reizender antiparasitärer Medikamente möglich 
wird. 

Einen erheblichen Unterschied in der Wirkungsart der mit 
den fünf verschiedenen Pflanzenauszügen bereiteten Teere haben 
wir nicht feststellen können. Immerhin hatten wir den Eindruck 
einer gewissen Ueberlegenheit der mit Tinctura Urticae und 
Tinctura Verbasci hergestellten. Liquores carbonis detergent. 


Aus deir» chemischen Laboratorium der Landesheil¬ 
anstalt Uchtspringe (Altmark) (Direktor: Prof. Dr. Alt). 

Ueber Dijodyl und Jodausscheidung. 

Von 

Dr. J. Hoppe und Dr. K. Seegers. 

Die gebräuchlichsten Jodpräparate, die Jodalkalien, haben, abgesehen 
von dem widerlich-salzig bitteren Geschmack, der empfindlichen Personen 
den Genuss der Nahrung sehr schmälert, noch besonders den Nachteil, 
dkss Kranke, deren Magendarm empfindlich ist, auch hier starke Sohmerzen 
bekommen. Dieser Umstand führte zur Herstellung einer Anzahl anderer 
Jödverbindungen, denen diese Nachteile weniger anbaften; am be¬ 
kanntesten sind davon wohl Sajodin und Jodival geworden, jenes eine 
Pettseifen verbin düng mit Ca, dieses eine Verkettung von Jod an die 
Valeriansäure. .Bei beiden sind die erwähnten Nachteile der Jodalkalien, 
also der andauernd üble Geschmack, sowie die Reizerscbeinungen von 
seiteo des Magendarms weseotlioh gemildert, anoh die Gefahr einer Jod¬ 
intoxikation soll erheblich geringer sein. Aebnliche Zwecke verfolgt das 
neue von J. D. Riedel in Berlin - Britz hergestellte Dijodyl (Rizin- 
stearoleäurodijodid), eine jodierte Fettsäure, die einen Jodgehalt von 
etwa 46—48 pCt. hat. Es gelangt in Tabletten in den Handel, die 
O.S g Dijodyl enthalten. Die Tabletten sind anscheinend unbegrenzt 
haltbar, ohne sioh zu zersetzen, und auch beim Zerkauen völlig ge¬ 
schmacklos — ein grosser Vorzug gegenüber den Jodalkalien. Es 
brodelte siefc zunächst darnm. Aufnahme und Ausscheidung des Jods 
auch bei länger dauernder Verabfolgung festustellen. 

Es enthielten L. und G. täglich 0 9 (8 mal 0,8 Dijodyl), also etwa 
0,4 g Jod. Die Ausscheidung des Jods im Urin gestaltete sich folgender- 
maassen: 



L. 

G. 

1. Tag 

— 0,0724 g Jod 

0 0818 g 

Jod 

2. 


-0.1524 „ » 

0,1422 » 


3. 


— 0 1397 » » 

0,1429 » 


4. 


-0,1892 » » 

01600 » 


5. 


— 0 1562» » 

0.1207 » 


6. 


-0.1067 » » 

0 1209 » 


7. 


— 0 1872 » » 

0.0197 » 


8. 


-0.10H>» » 

0.0527 » 

„r 

9. 


— 0.1206 » „ 

01372 » 


10. 


— 0 0584 » » 

0,0686 , 


11. 


-0.1397 » » 

0,1219 » 

fi 

12 


-0 1295 » » 

0.1372 » 


13. 

n 

— 0 1383 » » 

0,1448 „ 

» 

14. 

r> 

-0,1911» » 

Jod wird abgesetzt 

0,1297 » 

21 

15. 

r> 

— 0,0800 g Jod 

0,6040 » 

9 

16. 

» 

— deutiche Spuren 

deutliche Spuren 

17. 

7» 

— Spuren 

Spuren 


18. 

V 

» 

9 


19. 

„ 

— frei von Jod 

| frei von Jod 


Sämtliches Jod im Urin wurde als Jodmetall ausgesohieden. Auf¬ 
fallend ist sofort der Unterschied in der Ausscheidung im Vergleich zu 
den Jodalkalieu. Während von diesen durchschnittlich gegen 85 bis 
90 pCt. täglich durch den Urin abgegeben werden, beträgt bei Dijodyl 
die Ausscheidung duroh den Urin im Durohsohnitt etwa nur ein Drittel 
des eingenommenen Jods! Dies kann zwei Ursachen haben; es kann 
durch den Darm viel weniger Jod aufgenommen werden; dann aber be¬ 
steht auch noch die Möglichkeit, dass das Jod des Dijodyls in ganz 
anderer Weise als das der Jodalkalien im Körper zurüokgehalten wird. 
Lenrreioh ist in dieser Beziehung ein Vergleich mit dem Ausscheiden 
des Sajodins. Während beim Dijodyl sich die Aussoheidung doch ziem¬ 
lich regelmässig und gleichmässig vollzieht, beide Versuchspersonen 
regelmässig im Durchschnitt etwa, ein Drittel des eingenommenen 
Jods durch Urin abgeben, gestaltet sich die Ausscheidung des Sajodins 
oft sehr unregelmässig. Abgesehen davon, dass im Kot sich oft sehr 
wechselnde Mengen vorfinden, ist auch die Aussoheidang daroh den Urin 
eine sehr wechselnde; mitunter auffallend mehr als der durchschnittlich 


ausgeschiedenen Menge entspricht, mitunter aber wieder aaffallend 
weniger, trotzdem in dieser Zeit nicht auffallend grosse Jodmengen im 
Kot auftraten. Stellt man nun körperliche Wägungen an und vergleicht 
Aussoheidung und Gewiobtskurve, so stellt sioh heraus, dass oft geringe 
Aussoheidung des Jods mit Zunahme des Körpergewichts Hand in Hand 
geht. 

Es entspricht dies auoh der Tatsache, auf die vor Jahren schon 
Prof. Ellinger hinwies, und die wir auch bei gelegentlichen Sektionen 
bestätigt fanden, dass das Jod des Sajodin im Baachfett abgelagert wird 
und dort also pharmakodynamisoh gar nicht zur Wirksamkeit kommt. 
Hieraus ergibt sich aber auoh die Möglichkeit, dass Jod im Falle plötz¬ 
licher Abmagerung monatelang nach Aufhören der Verordnung im Urin 
erscheinen kann, ebenso können sich also Jodwirkungen oft erst lange 
nach der Verordnung einstellen oder sich häufen. Sajodin (ebenso wie 
Sabromin) sind also reoht unsicher in ihren Wirkungen. 

Die Ausscheidung des Jods im Kot gestaltete sioh nun während der 
Dijodylzeit folgender maassen: Während der Einnahme von 0,9 g Dijodyl 
schied G. täglich etwa 0,04 g Jod, also etwa 10 pCt. des eingenommenen, 
L. dagegen 0,159 b Jod, also mehr als ein Drittel des eingenommenen 
Jods aus 1 ). Da der Unterschied zu gross erschien, wurde noch der Kot 
eines dritten Kranken (A.) untersucht, dieser hatte durchschnittlich 
0,0409 b Jod im Kot, also fast genau so viel wie G. Will man aus 
diesen Untersuchungen einen Schluss sieben, so könnte man sagen, dass 
im Rot von der eingenommenen Menge etwa 10—85 pCt wiederersoheint. 
Da der grösste Teil des Jods sich im Aetherextrakt fand, handelt es 
sich um nicht resorbiertes Jod. Von der eingegebenen Arznei gehen 
also 10—85 pCt. unbenutzt wieder ab, während von den Jodalkalien Dur 
Spuren im Kot wiedererscheinen, ln bezug auf die Ausnutzbarkeit steht 
also Dijodyl den Jodsalzen erheblich nach. Dasselbe ist der Fall bei 
Sajodin. Bei der oft gerühmten Giftlosigkeit und Unschädlichkeit so 
mancher neuer Präparate wird man sioh daher immer fragen müssen, 
wieviel davon dem Umstande beizumessen ist, dass sie gar nicht ausge- 
nutzt werden, wieviel auch — besonders bei Fettsäureverbin düngen — 
dem Aufspeichern im Bauchfett, wie z. B. bei Sabromin und Sajodin 2 ). 
Zählt man die Ausscheidung des Jods im Kot und Urin zusammen, so 
ergibt sich, dass bei dauernder, mehrwöchiger Dijodylverordnung etwa 
ein Drittel des eingegebenen Jods im Körper zurückbleibt, sich also an¬ 
häuft und man schliesslich auch bei diesem Präparat mit den Gefahren 
einer chronischen JordVergiftung rechnen muss. Ueber den Ort, iq dem 
sich das Jod ablagert, können höchstens nur Vermutungen geäossert- 
werden. Der Wunsch, dass es sich dort verankert, wohin man es steuern 
möchte, z. B. bei Leber- und Hirnlues in den erkrankten Organen, wird 
wohl nur teilweise erfüllt. 

Eine Sektion eines mit Dijodyl behandelten Patienten ist noch nicht 
gemacht, und wird man sich hüten müssen, aus vorliegenden Unter¬ 
suchungen bei Tierleioben Schlüsse auf den Menschen zu ziehen. Die 
drei Versuchspersonen, bei denen die Untersuchungen angestellt waren, 
nahmen an Gewicht nicht zu; man wird deshalb nicht ohne weiteres 
annehmen können, dass sich das Jod des Dijodyls in einer Fettsäure¬ 
verbindung im Körperfett abgelagert hat. 

Da es im Urin nur als Salz wiedererscheint, muss es im Kreislauf 
des Körpers irgendwo abgespalten sein, hat also Gelegenheit gehabt, 
gewisser maassen in statu nasoendi zu wirken, ein Umstand, der gewiss 
den Jodsalzen gegenüber einen Vorteil bedeuten würde, da man es in 
wesentlich kleinerer Menge zu verabfolgen branobte. 

Bei einem jungen Mädchen, das an Epilepsie litt, dabei leioht 
basedowartige Anzeichen hatte (etwas hervorspringende Augen, leioht 
schweissige Hände) trat nach 6 tägiger Verabfolgung von 0,9 g Dijodyl 
eine repbt deutliche VergrÖ9seruug der Schilddrüse, Jodausschlag im Ge- 
sioht, starke unregelmässige Herztätigkeit, Sobweissausbrüohe, leichte Er¬ 
regungszustände und Unruhe ein. Hier hatte sich Jod offenbar am 
meisten in der Schilddrüse abgelagert und eine jedintolerante Person 
vorgefunden. Die Ersoheinungen gingen unter Ureabromindarreiohung 
sofort zurück. Das Befinden wurde sogar wesentlioh besser als vor der 
Jodverabfolgung und die Anfälle blieben wenigstens vorläufig ganz weg. 
Bei sämtliohen anderen Kranken sind auoh bei monatelanger Darreichung 
nicht die geringsten Spuren von Vergiftungserscheinungen wahrgenommen. 
Magen und Darm blieben ohne alle Beschwerden; das Präparat wurde, 
da es völlig geschmacklos ist, anstandslos auch von Kindern genommen. 

Ueber eine sichere klinische Wirkung lässt sich vorläufig noch nichts 
Bestimmtes sagen, da es hauptsächlich bei chronisch Nervenkranken ge¬ 
geben wurde, deren Leiden mit angeborener oder erworbener Lues in 
Zusammenhang zu stehen schien und die Wirkung 9 bei diesen Kranken 
naturgemäss eine langsame ist. 


1) Da die Ausnutzung des Jod aus den Tabletten hier ausser¬ 
ordentlich gering war, werden gegenwärtig Versuche mit Dijodyl in 
Pulverform angestellt. 

2) Vgl. auch Ellinger und Kotake, »Die Verteilung des Broms 
im Organismus“, Arch. f. experim. Path. u. Pharm., Bd. 65, und Hoppe, 
Zsohr. f. Psych., Bd. 71. 


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Original frorn 

UMIVERSITY OF IOWA 




8. Dezember 1919_ BERLIN ER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1165 


BQcherbesprechungen. 

Leier: WiederberstellugscMrnrgie. 1919. Verlag von Johann Am¬ 
brosius Barth. 

Mit besonderer Freude ist es zu begrüssen, dass gerade Lexer, 
der sohon in der Friedenszeit der plastischen Chirurgie im allgemeinen 
und der freien Gewebsverpflanzung im besonderen neue Bahnen gewiesen 
hat, sich dazu entschloss, im vorliegenden Buoh seine grossen Erfahrungen 
zusammen zu fassen. Die „Wiederherstellungschirurgie“ ist gewiss eines 
der interessantesten und lohnendsten Kapitel für die Tätigkeit der Heimat¬ 
chirurgen; will man aber auf diesem schwierigen Gebiete Erfolge erzielen, 
so bedarf es grosser praktischer Erfahrung und Sorgfalt. 

In dem ersten jetzt vorliegenden Abschnitt seines Werkes be¬ 
schäftigt sich Lexer mit der Beseitigung von Gewebsdefekten; den 
grössten Teil nimmt naturgemäss die Beseitigung der Knochendefekte 
ein, die für alle Gliedmaassen ausführlich und gesondert besprochen 
werden. Was in den Händen eines erfahrenen und vorzüglichen Chirurgen 
geleistet werden kann, fasst Lexer in dem Satz zusammen: „Jeder 
noch so grosse traumatische Knoohendefekt lässt sioh heute operativ er¬ 
setzen, freilioh nur bei richtig gestellter Indikation und Technik.“ Für 
die Verletzten, die ohne verbessernde Operationen mehr oder weniger un¬ 
brauchbare Glieder behalten oder mit lästigen Apparaten gequält werden, 
muss dieser Satz ein Trost sein. Auf die interessanten Einzelheiten der 
Lexer’schen Technik kann hier nicht eingegangen werden; man muss sie 
im Original nachlesen, wo sie durch zahlreiche Krankengeschichten er¬ 
läutert und duroh vorzügliche Bilder illustriert wird. Nur im all¬ 
gemeinen sei erwähnt, dass Lexer wegen der gefährlichen Infektion das 
zweizeitige Verfahren bevorzugt, dass er die Verbindung des Knochen- 
transplantates mit den Frakturenden durch möglichst einfache Methoden 
herbeizuführen sucht, und dass er die Bedeutung der freien Knochen- 
transplantation besonders hervorbebt. 

Dem Abschnitt über die Beseitigung von Defekten an den Knochen 
der Extremitäten folgt' ein zweiter über die Deckung von Schädel- 
defekten. Auch hier bevorzugt Lexer die freie Knoohentransplantation, 
die sich auch dfm Referenten in zahlreichen Fällen fast ausnahmslos 
ausgezeichnet bewährt bat. Ausführlich werden dann in Wort und Bild 
die Beseitigung der Knochendefekte an den Kiefern und der operative 
Kinnaufbau beschrieben. 

Die zahnärztliche Behandlung der Kiefersobussverletzungen ist duroh 
Sanitätsrat Limpert bearbeitet. Die letzten Kapitel behandeln die Be¬ 
seitigung von Gelenkdefekten, die Beseitigung der Sehnen-, Nerven- und 
der Gefässdefekte. Jeder einzelne Abschnitt zeugt von der ausser¬ 
ordentlichen Kunst und der Erfahrung des Verfassers. Es ist ein Werk, 
das kein Chirurg wird entbehren können, und es wäre nur zu wünschen, 
dass der zweite Teil des Buches bald erscheinen würde. 

M. Borohardt - Berlin. 


Kurt Boas: Die Tabes dorsalis der Kriegsteilnehmer und ihre militär- 
ärztliche Begatachtnng. Stuttgart 1919, Verlag von F. Enke. 

Die Abhandlung verfolgt im wesentlichen praktische Zwecke, sie 
will vor allem dem Arzt die Gutachtertätigkeit in den einschlägigen 
Fragen erleichtern. Sie geht zunäohst von einer allgemeinen Betrachtung 
der Pathogenese der metasyphilitischen Erkrankungen des Zentralnerven¬ 
systems aus, entwirft dann ausführlich das klinische Bild der Kriegs¬ 
tabes (wobei nicht erst gesagt zu werden braucht, dass ihr eine klinische 
Sonderstellung nicht zuerkannt wird) und geht schliesslich zu dem 
wichtigsten Teil, dem gutachtlichen, über, wo besonders — unter ein¬ 
gehender Heranziehung der bisher erlassenen Verfügungen — die Kriegs¬ 
dienstbeschädigungsfrage erörtert wird. In diesem Zusammenhang werden 
auch allgemein klinisch wichtige Fragen wie die nach der traumatischen 
Tabes berührt. Der Wert der Arbeit liegt in der fleissigen Heranziehung 
der gesamten in Betracht kommenden Literatur und in ihrer kritischen 
Verarbeitung. Besonders diejenigen, die die Kriegsliteratur auf diesem 
* Gebiete nicht zu verfolgen vermochten, werden sich gern diesem zuver¬ 
lässigen Führer anvertrauen. K. Birnbaum. 


J. Wilhelm!: Die angewandte 'Zoologie. Berlin 1919. Verlag von 
Springer. 

Der Verfasser maobt mit Recht darauf aufmerksam, dass die prak¬ 
tische Zoologie, „ein Stiefkind der theoretischen Zoologie“, in ihren 
Fortschritten und Leistungen nicht genügend gewürdigt werde, und be¬ 
müht sich in sehr dankenswerter Weise, Ziele und Wege dieses recht 
umfangreichen und vielseitigen Wissenszweiges nicht nur dem Berufs- 
zoologen, Mediziner, Tierarzt und Naturwissenschaftler, sondern allen 
interessierten Kreisen und vornehmlich auch den Studierenden vorzu¬ 
führen. Er bespricht zuerst die beiden von ihm unterschiedenen Gebiete 
der wirtschaftlichen Zoologie, die wasser- und landwirtschaftliche Tier¬ 
kunde, dann die medizinische und hygienische und in einem dritten Ab¬ 
schnitte die kulturelle Zoologie. In diesen drei Kapiteln und den 
Schlussbetrachtungen sind wertvolle Anregungen und fruchtbare Ge¬ 
danken genug enthalten, um den Leser, der sich über Umfang und Be¬ 
deutung des behandelten Gebietes, seinen weiteren Ausbau und seine 
mannigfachen Beziehungen zu anderen Fächern unterrichten will, nicht 
zu enttäuschen. Deegener. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

A. Bickel, A. Loewy nnd J. Wohlgemuth: Ueber die Bllt- 
zusammensetzong im Wüstenklima. (M.m.W.. 1919, Nr. 46Ü Bemer¬ 
kungen zu der Arbeit von Grober in Nr. 37 der M.m.W. Ver¬ 
mehrung der roten Blutkörperchen und des Hämoglobins im Wüsten¬ 
klima ist bereits von diesen Autoren früher festgestellt worden. Die 
Folgerung Grober’s aus dem Blutbefunde, dass es „unter keinen Um¬ 
ständen zu einer Abgabe von harnfähigen Substanzen aus -dem Blut, 
etwa auf dem Wege über die Schweissdrüsen komme“, wird als unbe¬ 
gründet erklärt, da zu dieser Feststellung Stoffwechseluntersuohungen 
erforderlich seien. 14. Neumann. 

M. Jaooby-Berlin: Die Bedeutung der Qualität der Ernährung. 
(Ther. d. Gegenw., Nov. 1919.) Für die Ernährung von grösster Wichtig¬ 
keit ist es, dass die Nahrung keine schädlichen Fremdstoffe enthält, wie 
dieses beim Kriegsbrot der Fall war. Die Nährstoffe müssen in leicht 
verdaulicher und resorbierbarer Form in den Magendarmkanal gelangen. 
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind die psychisohen Momente. 
Die Nahrung muss genügende Mengen Eiweiss enthalten, welches naoh 
den Untersuchungen Emil Fischer’« aus etwa 18 Aminosäuren besteht. 
Die gewöhnliche Eiweissnahrung:.. Fleisch, Eier, Milch, Hülsenfrüohte 
scbliesst alle Aminosäuren in genügender Menge in sich. Bei der Er¬ 
nährung ist die Qualität der Bausteine von grösster Wichtigkeit. Der 
Reis z. B. enthält eine sehr wichtige Aminosäure nicht, das Tryptophan. 
Durch Experimente an Tieren, die nur mit Reis gefüttert wurden, konnte 
festgestellt werden, dAss schwere Krankheitserscheinungen auftraten, 
wenn man nicht der Nahrung das fehlende Tryptophan beilegte. In 
ähnlicher Weise entsteht die bekannte Nervenkrankheit Beri-Beri rach 
Genuss von poliertem Reis. Durch Zulage von Reiskleie konnte das Auf¬ 
treten der Krankheit verhindert werden. Die Ernährungsstörungen sind 
nicht die Folge einer einseitigen, sondern einer unzureichenden Kost. 
Unbedingt notwendig sind die Ergänzungsstoffe, die Vitamine. 

R. Fabian. 

P. Grab 1 ey-Woltersdorfer Schleuse: Die Demineralisation der 
Nahrung als Ursache zurzeit endemisch auftretender Wachstunis¬ 
stärungen nnd Stoffwechselkrankheiten. (D.m.W., 1919, Nr. 45.) G. 
sieht das Wesen der jetzt vielfach beobachteten Wachsturasstörungen 
und Stoffwechselkrankheiten in • der Demineralisation des Bodens und 
unserer Nährstoffe, die eine ordentliche Ausnutzung der Nahrungsmittel 
bedingt. Die vorhandenen Nahrungsmittel waren also nicht durch Zu¬ 
sätze oft zum Schaden der Qualität zu strecken, um eine grössere 
Quantität zu erzielen, die Qualität wäre vielmehr durch Minalstoffzufuhr 
zu bessern und dadurch die Ausnutzung der verfütterten Masse zu er¬ 
höhen. 

M. Hindhede-Kopenhagen: Einfluss der dänischen Ernährungs- 
rationiernng anf den flcsnndheitsznstand. (D.m.W., 1919, Nr. 45.) 
M. Rubnner-Beriin: Bemerkungen zum vorstehenden Aufsatz Hind- 
bede’s. D.m.W., 1919, Nr. 45. H. tritt, wie schon öfter, dafür ein, 
dass der Mensch von laktovegetabilischer Kost allein gut leben kann. 
In Dänemark wird ein lOOproz.’ Roggenbrot mit Weizenkleie gebacken. 
Die beigefügten Tabellen sollen den günsigen Einfluss dieses Brotes auf 
den Gesundheitszustand der Bevölkerung zeigen. Deutschland soll die 
Folgerungen ziehen und keine schnelle Wiederherstellung des ^Vieh¬ 
bestandes betreiben. Rubner erkennt die von Hin dhede angeführten 
Faktoren nicht an. Wenn Dänemarks Statistik bei der sogenannten 
Kriegsernährüng nach Hindhede günstig ist, so beweist das nur, dass 
die Bevölkerung nicht gedarbt bat. Dünner. 


Therapie. 

R. Offenbarer: Zer Technik der intravenösen Injektion. (Ther. 
d. Gegenw., Nov. 1919.) Verf. benutzt hei intravenösen Injektionen 
neben der H. Strauss’sohen Kanüle eine Spritze von H. Loeb, bei der 
die Öffnung nicht wie sonst üblich, in der Mitte, sondern möglichst 
nahe am Rande des Vorderendes des SpritzenZylinders sich findet. 

S. Ostrowski: Ueber Tiefenantisepsis mit Chinaalkaloiden, mit 
besonderer Berücksichtigung der Vnzinbehandlnng. II. (Ther. d. Gegenw., 
Nov. 1919.) Günstige Erfahrungen mit der Vnzinbehandlung in der 
späten Stumpfohirurgie, bei Erysipel und Furunkulose. 

M. Al brecht-Berlin: Zur Behandlung der Diphtherie mit an¬ 
spezifischem 8ernm. (Ther. d. Gegenw., Nov. 1919.) Aus den Unter¬ 
suchungen der Verf. geht hervor, dass die leichteren Fälle unter der 
Behandlung mit gewöhnlichem Pferdeserum (G.P.) nicht anders ver¬ 
laufen als unfer der Heilserumbehandlung (A.S.), nur dass der Lokal¬ 
prozess durch G.P. langsamer beeinflusst wird wie duroh A.S. Bei der 

G. -P.-Behandluug traten die Beläge von Rachen und Nase auf den Kehl¬ 
kopf über, was bei der A.-S.-Behandlung, wenigstens bei den leichteren 
Fällen, niemals der Fall war. Die Mortalität betrug bei der GP. 
= 9,8 pCt., bei der A S. = 5 pCt. Verf. empfiehlt, bei der Diphtherie 
möglichst sofort die antitoxische HeilserumbehandluDg' eiüzuleiten. 

R. Fabian. 

P. Denel: Klinische Studien und Erfahrungen mit dem Friedmann- 
gehen Mittel bei Lnngentnberknloge.' (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 180, 

H. 1 u. 2.) Behandelt wurden 57 Fälle des ersten Stadiums, und 40 
schwere Fälle. Die Friedmann’sohe ImpfuDg ist nach D. der der Natur 
adäquate Weg der Tuberkuloseheilung; sie ist von allen aktiven Immuni- 


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UNIVERSITY OF IOWA 



1166 


Nr. 49. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


sierungsmetboden der Taberkulose die dauerhafteste, wirksamste, durch 
eine Injektion zum Ziele führende Methode; sie bringt frisohe Fälle und 
frische Exazerbationen von Lungentuberkulose regelmässig zur Heilung 
und beeinflusst schwere Fälle auffallend günstig; sie stellt eine Therapia 
immunisane.magna dar. Zinn. 

0. Roepke-Melsungen: Das Friedmann’gehe Tnberkulosemlttel in 
der Behandlung der Lungentuberkulose. (D.m W„ 1919, Nr. 45.) Die 
Arbeit ist ein Protest gegen da9 Friedmann’sche Mittel. Die Schild¬ 
krötentuberkelbazillen haben pathogene und toxische Wirkung auf alle 
gesunden Versuchstiere. Es besteht keine kurative oder immunisierende 
Wirkung gegenüber der humanen oder bovinen Tuberkuloseinfektion der 
Versuchstiere. Fried mann hat die Indikation für die Anwendung seines 
Mittels früher wesentlich weiter gezogen als beute. Dementsprechend 
haben die Heilstättenärzte das Mittel nicht nur bei initialen, sondern 
auch fortgeschritteneren Tuberkulopen angewandt. Die Resultate, die R. 
selbst erzielt hat, sind alles eher al9 gut. 

F. Barohach zi-Prag Teplitz-Sobönau: Zur Behandlung des Rot¬ 
laufs. (D.m.W., 1919, Nr. 45 ) Weder die Behandlung mit Silber¬ 
präparaten, noch die Rotlichtbehandlung beeinflusst den Verlauf des 
Rotlaufs günstig. Wir besitzen keine spezifisch wirksame Behandlung. 

Dünner. 

Hanptmann-Freiburg: Erfahrungen aus der Behavdlung der 
Epilepsie mit Luminal. (M m W., 1919, Nr. 46.) Luminal hat sich in 
der Epilepsiebebandlung gut bewährt und ist neben Brom das einzig 
sicher wirkende Medikament. Seine Wirkung ist aber nur narkotischer 
Art und erschöpft sioh mit der Herabsetzung der Erregbarkeit der Hirn¬ 
rinde, eine Einwirkung auf den epileptischen Krankheitsprozess selbst 
besteht nicht. Man beginnt mit kleinen Mengen und steigt maximal bis 
auf 0,3 pro die, auf mehrere Dosen am Tag verteilt. Kleine Dosen, 
0.1—0,2 pro die kann man ohne Schaden längere Zeit geben. Bei 
schwerem Status epileptious ist man auch einmal gezwungen, die 
Maximaldosis von 0,3 zu überschreiten. Hierbei hat sioh auoh ein 
Natriumsalz des Luminals, 2—3mal 0.5 in 18 Stunden subkutan oder 
intramuskulär gut bewährt. Bei Petit-mal-Zuständen genügen schon 
0,05-0,1 zweimal täglich für längere Zeit gegeben. Auch die Kombi¬ 
nation mit Brom, zusammen oder abwechselnd mit Luminal, ist mitunter 
sehr zu empfehlen. Man mu c s aber dann grosse Bromdosen, 6 g pro die. 
geben. 

E. Stettner-Erlangen: Anregung rückständigen Wachstums durch 
Rüntgenstrahlen. (M.mW., 1919, Nr. 46.) In 2 Fällen von Wachs¬ 
turasverzögerung bei einem 9- und 10jährigen Knaben, das eine Mal be¬ 
dingt durch Krankheit (chronische Parotitis), das zweite Mal infolge 
Status lymphaticus konnte durch Röntgenbestrahlung des Kopfes, wo¬ 
durch wahrscheinlich die Hypophyse betroffen wurde, eine Anregung des 
Längenwachstums erzielt werden. In beiden Fällen wurde die Längen¬ 
wuchstendenz leicht gesteigert, besonders aber ein mächtiger Anreiz zum 
Auftreten von Knocbenkernen ausgeübt, so dass innerhalb relativ kurzer 
Zeit der Rückstand von mehreren Jahren naohgebolt wurde. 

G. Widmer-Zofingen-Schweiz: Zur lokalen Behandlung mit kon¬ 

zentrierter Höhensonne. (M.m.W., 1919, Nr. 46 ) Der in Nr. 39 der 
M.m.W., 1919 beschriebene Reflexionssonnentricbter ist das beste In¬ 
strument zur lokalen Behandlung mit konzentrierter Höhensonne. Er 
verlegt den Konzentrationskegel des Sonnenlichtes umgekehrt wie die 
Linse ins Gewebe und verhindert so jede kaustische Schädigung, er lässt 
vor allem das ganze Spektrum zusammen. Der Trichter eignet sich be¬ 
sonders zur Behandlung aller Fisteln, für Epithelialisierung grosser De¬ 
fekte und für Beseitigung kosmetischer Schäden. Die HoohgebirgB- 
besonnung wird dadnrch aber nicht ersetzt. R. Neu mann. 

Harris: Röntgenbehandlnng der Uternsflbrome. (Brit. med. journ., 
Nr. 3064.) Am besten sprechen auf Röntgenbehandlung diejenigen 
Fibrome bzw. Fibromyome an, die unter der Gebärmutterschleimbaut 
liegen und zu Blutungen neigen, weniger gut und schnell die intra¬ 
muralen Geschwülste. Subperitonpal gelegene Geschwülste wurden über¬ 
haupt nicht beeinflusst. Je näher die Kranken den Wechseljahren 
standen, desto weniger Bestrahlungen waren erforderlich. Bei Jugend¬ 
lichen (bis zu 30 und 85 Jahren) ist die Operation angezeigt. 

Sohreiber. 

Esser-Eggenstein: Erfahrungen mit Tampospnman bei genitalen 
Blutungen. (Ther. d. Gegenw., Nov. 1919.) Verf. rühmt besonders die 
günstige Wirkung der Tampospumantherapie bei der profusen Men¬ 
struation ohne objektiven Genitalbefnnd. Verf. empfiehlt am 2. Tage 
eioe S •heidenspülung abeods. darauf 2 Tampospumantabletten möglichst 
hoch in die Scheide einzufübreu, eventuell Wiederholung am 3. und 
4. Tage. R. Fabian. 

Williams: SelenbehandlaDg inoperabler Karzinome. (Brit. med. 
j »um., Nr. 3067 ) 24 Fälle von inoperablen Krebsen, die mit intravenösen 
Einspritzungen von kolloidalen Selen ( l J 2 —5 mg täglich) behandelt 
worden. Gesamte ab** bis zu 0,1 des Metalls. Die am meisten in die 
Augen springende Wirkung dieser Behandlung war die regelmässige 
Linderung der bestehenden Schmerzen, mitunter auch völliges Ver¬ 
schwinden dieser, ferner Besserung der Blutarmut und der Kachexie. 
Besonders gut schienen Krebsgeschwülste der Verdauungsorgane auf 
Selenbebandlung anzusprechen. . Sohreiber. 

G. Klemperer und L. Dünner: Behandlung der Verdauungs- 
krankheitrn. II. Darmkraskheiten. (Ther. d. Gegenw., Nov. 1919.) Repe¬ 
titorium der Therapie. R. Fabian. 

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Russ-London: Vermeidung von RÜekftlleB bei Tripper. (Brit. 
med. journ., Nr. 3061 ) Verf. empfiehlt an Stelle der allgemein üblichen 
wochenlang fortgesetzten Ausspülungen, die stets eine Schwächung und 
Ueberreizung der zarten Harnröhrenschleimhaut zur Folge haben, die 
Anwendung der Elektrolyse mittelst eines durcblochten Katheters. Die 
Zahl der Eiterzellen und Gonokokken, die der Anode zustreben und beim 
Herausziehen des Katheters mit entfernt werden, ist erstaunlich hoch; 
noch mehr an Eiter und Keimen wird durch die nachfolgende Harnent¬ 
leerung herausgespült. Durch Anwendung der Elektrolyse wird der Ver¬ 
lauf des Trippers bedeutend abgekürzt, werden Rückfälle* und vor allem 
Gelenkerkraankurgen vermieden. Allerdings stellt das Verfahren an den 
behandelnden Arzt weit höhere Ansprüche an Mühe und Zeit als die 
bisher üblichen Spülungen. Schreiber.^ 

Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

Ren nie und Latham: Mnltiple Sklerose nid Heterotopie des 
Rückenmarks. (Brit. med. journ., Nr. 3065.) Bei einem Fall von 
„multipler Sklerose vom Rüokenmarkstyp“ fanden sioh bei der Sektion 
ausserdem verschiedene Entwicklungshemmungen am Rückenmark, die 
zu Lebzeiten keinerlei Erscheinungen gemacht batten. So fand sich im 
Bereich des unteren Halsmarkes eine schon mit blossem Auge wahr 
nehmbare Einschnürung mit ganz undeutlicher Querschnittszeicbnucg 
sowie am unteren Brustmark eine erhebliche Strangverlagerung in der 
Nachbarschaft des einen Hinterhorns. Auch das andere Hinterhorn und 
beide Vorderhörner waren von der Missbildung mitbetroffen. 

_ Sohreiber. 

Innere Medizin. 

A. Eckstein: Zur Lehre von den atriventrikulären KoordiaatioM- 
8 1 bringen. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 180, H. 1 u. 2.) Für die Fort¬ 
leitung der Erregungsvorgänge im Herzen kommt es nicht auf die Breite 
der Leitungsbafm an; namentlich ist auch deren Einengung an sich 
ohne Bedeutung. Der maassgebende Punkt ist vielmehr die Höchst- 
frequenz der einzelnen Teile. Allorhythmien komraen^adurch zustande, 
dass Teile mit verschiedener Höehstfrfquenz aneinanderstossen, und dass 
dem einen Erregungsanstösse in. einer Häufigkeit zugehen, die seine 
Höchstfrequenz übersteigt. Aenderuügen, die mit einer Herabsetzung 
der Höohstfrequenz einhergehen, können nicht allein durch anatomisch 
wahrnehmbare Beschädigungen, sondern in grossem Umfange auch in 
rein funktioneller Weise hervorgerufen werden. Endlich können Sprünge 
der Tätigkeitsfrequen* Dicht nur zwischen den verschiedenen Herzteilen, 
sondern auch in der Kontinuität der einzelnen eintreten. 

H. Straub: Vorhofpnls «ad Venenpnls beim Menschen. (D. Arch. 
f. klin. M., 1919, Bd. 180, H- 1 u. 2) Studien der direkten Pulsation 
des rechten Vorbofs bei einem Patienten, dem nach Schussverletsung 
mehrere Rippenstücke der rechten Brustseite reseziert worden waren. 
Nach der a-Welle des Venenpulses folgt vor Beginn der Anspannungs- 
seit ein Sinken des Phlebogramms infolge der einsetzenden Vorhof- 
diastole. Die kammersystolische Welle lasst sich trennen in einen 
während der Anspannungszeit auftretenden, mit dem Klappenschlnss 
und den Schwingungen des ersten Tones zusammenhängenden und einen 
mit Beginn der Austreibuogszeit einsetzenden, dem Karotiaanstieg syn¬ 
chronen und von diesem verursachten Anteil. Die dritte Welle v muss 
im wesentlichen durch Anstauung des Blutes vor den geschlossenen 
Klappen erklärt werden. Zinn. 

Alexander: Cholesterin im Herzbentelergnss. (Brit. med. Journ , 
Nr. 8067.) Ein Fall von schwerer, seit 5 Jahren bestehender Herzbeutel¬ 
entzündung mit Erguss. Operative Entleerung von über l 1 /* Hitern einer 
undurchsichtigen, braunen, funkelnden Flüssigkeit, in der sich grosse 
Mengen von Chnjesterinkristallen fanden. 

Sharpe: Cholesterin im Pleuraerguss. (Brit.med. Journ , Nr.8067.) 
Tn zwei Fällen von Pleuraerguss konnten mikroskopisch Cholesterin- 
kristalle nachgewiesen werden. Die Ergüsse batten strohgelbe Farbe 
und ein funkelndes Aussehen. In dem einen Falle lag Lungentuber¬ 
kulose vor, im zweiten war solche nicht auszuschliessen. 

Schreiber. 

W. Amelung-Frankfurt a. M.: Grippe nnd Tnberknlose. (M.m.W., 
1919, Nr. 46.) 1. Die Grippemorbidität der Lungentuberkulosen ist 

gering. Die Grippe verläuft, besonders bei leicht Lungenkranken, 
leichter als bei Nichttuberkulösen. 2. Im Anschluss an Grippe kann 
bei früher LungeDgesunden Lungentuberkulose auftreten; in diesem 
Falle bietet das Zusammentreffen der beiden Infektionskrankheiten eioe 
verhältnismässig ungünstige Prognose. R. Neumann. 

Weber: Trommelschlägelfinger hei Gesinden. (Brit. med. Journ., 
Nr. 3064.) Trommelschlägelfinger können eine Familieneigentümlichkeit 
darstellen! Verf. berichtet über zwei derartige Vorkommen. Da« eine Mal 
handelte es sich um drei Brüder mit Kolbenfingera, das andere Mal utn 
einen Mann mit Kolbenfingern und -zehen, dessen Vater, Schwester und 
drei Brüder Kolbenfioger hatten, ln beiden Fällen waren sämtliche 
Betroffenen völlig gesund, insbesondere frei von Lungenleiden. Au* 
solchem familiären Vorkommen erklären sich nach des Verfassers Meinung 
isolierte Fälle von Trommelschlagelfingern bei Gesunden. 

Sohreiber. 

F. Böen heim: Bemerkungen zur Frage, ob die Bestimmung der 
Werte für Salzsänre und für Pepsin im exprimierten Mageninhalt sofort 

Original frn-m 

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8. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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vorgenommen werden muss. (Arch. f. Verdauungskrankh., 1918, Bd. 24, 
H. 3.; Für praktische Untersuchungen ist es innerhalb eines Tages 
ganz gleich, wann die Untersuchung eines ausgeheberten Mageninhalts 
geschieht. Die Unterschiede bewegen sich fast immer im Rahmen der 
Fehlerquellen. Bei eiuer Verschiebung der Gesamtazidität, die immer 
nur wenige Prozente der ursprünglich festgestellten Werte betrug, 
handelte es sich mitunter um eine Zu-, mitunter um eine Abnahme. 
Die wichtigste Komponente, die freie Salzsäure, beteiligte sich nicht an 
einer Verschiebung. Emmo Schlesinger. 

F. Sehuman-Leclercq: DuodenalsaftnitersachuDg bei Typhns- 
rekoBYaleszeBten und Dauerausscheidern. (W.kl.W., 1919, Nr. 44.) 
Bei Bestimmung der lntektionsrreiheit nach Typhus ist ausser dem 
Stuhl und Urin, auch der Duodenalsaft bakteriologisch zu untersuchen. 

R. Pfeiffer: Typische Halbseitenlähmuug im Verlauf eines Typbus 
exauthematicus. (W.kl.W., 1919, Nr. 44.) Am 2. fieberfreien Tage 
traten bet einer Kranken Kopfschmerzen und Erbrechen auf, am nächsten 
Tage Besehtänkung der rechteseitigen Armbewegungen, Andeutung von 
rechter Fazialisparese, Lebhafterwerden der Sehnenreflexe rechts. Drei 
Tage danach völlige rechtsseitige Hemiplegie. Der Zustand besserte 
sicn allmählich. Als anatomische Grundlage muss ein grösserer embo 
lischer oder thrombot scher Herd im Bereich der linken Arteria cerebri 
media angenommen werden; weniger wahrscheinlich ist das Vorhanden¬ 
sein von vielen kleinsten Fleckfieberknötchen. Glaserfeld. 

Heineke: Tneoretisches und Klinisches zur extrarenalen Aus¬ 
scheidung kardialer Oedeme. (D. Aroh. f. klin. M., 1919, Bd. 130, H. 1 u. 2.) 
Beim Gesunden und bei mauchen Krankheitszuständen, z. B. beim Fieber, 
steht die Urinsekretion in eitlem allbekannten quantitativen Gegensatz 
zur Transpiration und Perspiration. Ein Parallelismus renaler und extra- 
renaler Wasserabgabe ist unter normalen Verhältnissen nur in der Weise 
geläufig, dass kochsalzarme Kost, z. B. Milchdiät, neben reichlicher Urin¬ 
sekretion auch Transpiration und Perspiration steigert. Diesem Paralle- 
lismus kommt dagegen eine bedeutsame Rolle bei vielen Nieren¬ 
erkrankungen zu. . Dadurch, dass er nach beiden Richtungen geht, ist 
er als Zeichen schwerer Schädigung des Wasserhaushaltes, andererseits 
als Symptom günstigen Verlaufes und erfolgreicher Behandlung für 
Pathologie und Therapie in gleicher Weise von grösster praktischer Be¬ 
deutung. Verf. widmet dem Verlauf der extrarenalen Wasserabgabe ein¬ 
gehende Beobachtungen. Bei Herz- und Nierenkranken gibt es Fälle, 
bei denen die Entwässerung zum grössten Teil auf dem extrarenalen 
Wege erfolgt. Hier gibt die möglichst tägliche Feststellung des Körper¬ 
gewichts (stetiges Sinken) im Vergleich mit der (gering bleibenden) Diurese 
die sicherse Auskunft über den Weg, auf dem die Oedeme verschwinden. 
Gleichzeitige Beobachtung des Schwitzens und des Durstes ist notwendig. 

R. Klinger: Zur Eutstehung der hämorrhagischen Diathesen. 
(D. Aroh. f. klm. M., 1919, Bd. 130, H. 1 u. 2.) Es stehen sich die mecha¬ 
nische und chemische Hypothese gegenüber. Die chemische Auffassung 
der Purpurazustände ist nach Verl, folgende Die Blutaustritte sind durch 
ein zu starkes Duroblässigwerden der Zwischenfellspalten bedingt, die 
ihrerseits auf eine chemisctie (meist wohl hydrolytische) Schädigung (Auf¬ 
spaltung) der an diese Spalten angrenzenden Zellteile (Eiweiss der Lipoid¬ 
membranen) zurüokgehen dürften. 

E. Ken per: Ueber die Diagnose der aleukämischen Myelose. (D.Arcb. 
f. klin. M., 1919, Bd. 130, H. 1 u. 2.) Mitteilung von 3 Fällen. Die 
Difierentialdiagnose zwischen akuter aleukämischer Myelose und Sepsis 
ist nicht immer mit Sicherheit möglich. Im allgemeinen vermag jedoch 
eine richtige Bewertung des Blutbildes, eventuell unter Anwendung einer 
Milz- oder Knoohenmarkspunktion, sowie der Untersuchung einer exstir- 
pierten Lymphdrüse die Diagnose zu sichern. 

V. Schilling: Morphologische Blntentersnchnngen in der Dia¬ 
gnostik der Malaria tertiana. (D. Aroh. f. klin. M., 1919, Bd. 130, 
H. 1 u. 2.) Die basophile Punktierung ist anzusehen als ein Zeichen 
bestimmter toxischer Anämien, zu denen die Malaria gehört. Die baso¬ 
phile Punktierung und Schüffner-Tüpfelung sind wesensverschiedene 
ßrytbrozytenstrukiuren, erstere unspezifisoh, reinblau, letztere spezifisch, 
purpurrötlich. Die sehr häufige und diagnostisch wichtige Gross-Mono¬ 
nukleose ist verursacht durch die Gross-Mononukleären und Uebergangs- 
formen der hamatologisohen Lehrmeinung. Die Arbeit richtet sich gegen 
Klieneberger. Zinn. 

P. Habetin: Studien über Nukleitwirkung. (W.kl.W., 1919, 
Nr. 44.) Bei wiederholter Iojektion ein nnd derselben Dosis von Natrium 
nncle’inioum herrscht bei demselben Individuum annähernde Ueberein- 
stimmung in bezug auf die erreichte Höchsttemperatur sowie hinsicht¬ 
lich des Fieberverlaufs. Die Höhe der Reaktion ist von der Höhe der 
einverleibten Dose und von einem individuellen Faktor abhängig. 

Glaserfeld. 

Mitchell und Webster: Ein Fall von Hydrochinon-VergiftBBg. 
(Brit. Med. Journ., Nr. 3067.) Plötzliche Erkrankung mit Bewusstlosigkeit, 
schnellem und schwachem Puls, flacher Atmung, Harnverhaltung, schwerer 
Albuminurie, wiederholten Krampfanfällen von epileptischer Form, fehlende 
Kniereflexe. Keine Magen-Darmersoheinungen. Im Mageninhalt konnte 
ohemisch Hydrochinon naebgewiesen werden. Ursache unbekannt. Aus¬ 
gang in Heilung. Sohrei her. 

B. Zondek-Berlin: Tiefenthermometrie. 1. Mitteilung. (M.m.W., 
1919, Nr. 46.) Zur Bestimmung der in der Körpertiefe in den Geweben 
herrschenden Wärmeverhältnisse wurde ein Tiefenthermometer, das bei 
der Firma Riohter n. Wiese, Berlin N., Chausseestr., hergestellt wird, 


konstruiert. Genaue Beschreibung der Konstruktion und Gebrauchs¬ 
anweisung dieses Thermometers. Dieses besteht im wesentlichen aus 
einem feinen Metalltroikar von 1,85 mm Durchmesser und 10 cm Länge. 
Dieser Troikar wird in das Gewebe eingestochen und nach Entfernung 
des Stilets ein entsprechend konstruiertes Queckt.il bertheimometer in 
die Hülse eingelührt, das die Wärme in der zu messenden Ebene an¬ 
gibt. Bei den zahlreichen Tiefenmessungen ergab sich unter anderem 
folgendes: Das Maximum der Köipertemperatur wird im Rektum ge¬ 
funden. In der Tiefe der Muskulatur bleibt dagegen die Temperatur 
bis zu 1° zurück. In den Extremitäten findet von innen nach aussen 
eine allmähliche Abkühlung statt. Bei akut entzündlichen Prozessen 
besteht eine lokale Temperaturerhöhung; so wurde auch in einem 
grossen Uterusmyom mit zentral jauchigem Zerfall eine höhere Tempe¬ 
ratur als selbst im Rektum gefunden. R. Neumann. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

C. v. Economo-Wien: Ein Fall vou chronischer schabweise Yer- 

lanfender Encephalitis letbargica. (M.m.W., 1919, Nr.46.) Beschreibung 
eines Falles von Encephalitis lethargioa, an deren akutes Stadium sich 
die Erscheinungen einer Pseudobulbärparalyse und Athetose anschlossen, 
und die mit vorübergehenden Remissionen im Verlaut von 2 Jahren zum 
Tode führte. Mikroskopisch fanden sich im Gehirn die für Encephalitis 
lethargioa typischen Zeichen einer Polioenzephalitis, also einer parenohy- 
matösen Entzündung des Nierengewebes, und zwar sowohl Herde eines 
abgelaufenen als auch frischen Stadiums. Die Encephalitis lethargioa 
ist eine Krankheit sui generis, sie ist von der Grippe, auch von der mit 
Hirnsymptomen durchaus zu trennen. Nur insoweit könnte ein Zu¬ 
sammenhang zwischen Encephalitis lethargioa und Grippe vielleicht be¬ 
stehen, als die E. lethargioa meist als e.n Vorbote der Grippe voraus¬ 
geht, und dass es sieh deshalb eventuell um eiue Misch- oder Pfropf¬ 
infektion oder sogar um einen Generationswechsel desselben Virus handeln 
könnte, das zuerst die fi. lethargioa und in einer spätem Entwickluogs- 
form die Grippe hervorruft. R. Neu mann. 

D. Kuh lenkampf -Zwickau: Zur Diagnose der Meningitis auf 

pathologisch physiologischer Grundlage. (D.m.W., 1919, Nr. 45.) Das 
Bestreben der Diagnostik muss dahin gehen, alle Symptome aus der 
pathologisch-physiologischen Betrachtung der Krankheit logisch abzuteilen. 
So kann man z. B. bei der Meningitis sioh sagen, dass die Nerven .an 
ihren Austrittsstellen und dass ferner das Rückenmark dort, wo es er¬ 
reichbar ist, druckschmerzhaft ist. Man findet so tatsächlich das sog. 
Ischiassymptom (Kernig) und eine Zugempfindliohkeit des Plexns brachi- 
alis und ferner eine Schmerzempfindlichkeit der Meningen bei Druck auf 
die Membrana atlanto-occipitalis. Dieses letzte Symptom findet sich 
häufig früher als die Nackensteifigkeit. Dünner. 

Haig: Zwei Meningitisfälle tob bakteriologischem Interesse. 
(Brit. med. Journ., Nr. 3066.) In dem einen Fall wurden aus einer ge¬ 
schwollenen Nackendrüse und aus der Rückenmarksflüssigkeit Keime ge¬ 
züchtet, die täuschende Aehnlichkeit mit dem Pestbazillus zeigten. Ver¬ 
suchstiere, die mit dem Drüseninhalt oder mit Eiter von der Gehirnbasis 
geimpft wurden, starben. Ausstriche aus ihren Organen und Drüsen 
förderten dieselben Bakterien zutage. Die Zuckerreaktionen dieses 
Keimes entsprachen sämtlich durchaus denen des Bac. pneumoniae, so 
dass dieser als Erreger angenommen werden musste, um so mehr als 
letzterer je nach dem Medium, auf dem er wächst, geringe Schwankungen 
in seinen kulturellen und morphologischen Eigenschaften zu zeigen pflegt. 
In dem zweiten Falle war der Erreger ebenfalls der Bao. pneumoniae, 
obwohl der Fall klinisch epidemische Genickstarre vortäuschte. 

~ Sohreiber. 


Kinderheilkunde. 

M. E. Kays er-Magdeburg: S&mmelsteJle für Ffaieamilfh. (M.m.W., 
1919, Nr. 46.) Auf Anregung der Verfasserin wurden in Magdeburg 
Sammelstellen von überflüssiger Frauenmilch, die dann nach Prüfung auf 
Reinheit und in abgekochtem Zustande an bedürftige Säuglinge und an 
ein Säuglingsheim abgegeben wurde, eingerichtet. Als Anreiz zur Ab¬ 
lieferung diente Bezahlung und die Ausgabe von besonderen Lebens¬ 
mittelzusatzkarten. Die Einrichtung bewährte sich schon sehr gut und 
wird allgemein empfohlen. R. Neumann. 

Chirurgie. 

Grün wald-München: Die BeaBsprachnng der langenRährenknoohea 
des Menschen. (Zschr. f. orthop. Ghir., Bd. 39, H. 3.) Die Beanspruchung 
der langen Röhrenknochen kommt in deren Form zum Ausdruck. Alle 
langen Röhrenknochen werden anf Knickung beansprucht. Hand in Hand 
mit der Knickungsbeanspruohuog gebt eine Beanspruchung auf Biegung, 
welche durch die Kraft- und Richtungsunterschiede in den gegenwirkenden 
Muskeln erzeugt wird. 

Schepel mann-Hamborn: Zwei Geschwister mit schwerer kei- 
geiitaler Klumpfnssbildung. (Zschr. f. orthop. Ghir., Bd. 39, H. 3.) In 
beiden Fällen wurde durch Keilresektion mit nachfolgendem Redressement 
ein gutes kosmetisches und funktionelles Resultat erzielt. Hervorhebung 
der Gefahren des unblutigen Redressements beim kongenitalen Klump- 
fuss der Erwachsenen. 

Soheuermann-Kopenhagen: Autopsie des Hüftgelenks s / 4 Jahre 
Back unblutiger Repositioa bei Luxatio coxae congenita. (Zschr. f. 


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Nr. 49. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


orthop. Chir., Bd. 89, H. 3.) Das gewonnene Präparat zeigt, dass das 
Labrum gtenoidale sieh nach der Reposition völlig normal entwickeln 
und die früher vorhandene Kapseltasche gänzlich verschwinden kann. 

Löffler Halle: Ueber Kxarticnlatio interileo-abdominalis. (Zschr. 
f. orthop. Chir., Bd. 39, H. 3.) Die Operation, welche mit der Unterextre¬ 
mität zugleioh einen mehr oder weniger grossen Teil der Beckenhälfte 
entfernte, ist bisher 25 mal veröffentlicht worden. Nur 6 dieser so 
Operierten kamen mit dem Leben davon. L. lührte den Eingriff bei 
einem 11jährigen Jungen wegen Osteosarkom des Beckens aus. Der 
Erfolg war günstig. Der Knabe ist nach 15 monatiger Beobachtung völlig 
rezidivfrei, trägt eine Prothese und ist erwerbstahig. Wichtig ist vor 
der Operation eine genaue Indikationsstellung, vor allem müssen die 
Lungen nach Metastasen abgesuoht werden. 

Bonnioh-Wien: Zur Pathogenese und Mechanik der Kaiedeformi- 
tätei. (Zschr. f. orth. Chir., Bd. 39, H. 3.) Bei der Entstehung von 
Kniedeformitäten spielt nicht nur die statiscne, sondern auoh die musku¬ 
läre Beanspruchung eine Rolle. Das Genu varum entsteht schon vor der 
Belastung durch das Körpergewicht, das Genu valgum nie ohne diese. 
Beim Genu valgum trifft die Deformität die örtlich schwächste Stelle, 
die Epiphysengegend, beim Genu varum stets die Diaphyseu. Die Beine 
werden nicht nur, wie beim Stehen, statisch beansprucht, sondern beim 
Laufen auch dynamisch. Das Genu varum stellt eine Anpassung an die 
Funktion des Laufens, das Genu valgum eine solche an die Funktion 
des Stehens dar. 

Sil fverskiö Id-Dresden: Zur Behandlung des angeborenen Knie- 
scheibennangeis. (Zschr. f. orthop. Chir., Bd. 39, fl. 3.; Der angeborene 
Kniescheibenmangel hat keine praktische Bedeutung, solern nur die 
Streoktähigkeit des Knies vorhanden ist. Diese ist nicht an das Bestehen 
einer Patella gebunden. Die Therapie hat auoh nur die Wiederherstellung 
der aktiven Kniestreckung ins Auge zu fassen. Im vorliegenden Fall, 
bei einem 19 jährigen Mädchen, wurde durch Osteotomie und Quadrizeps- 
plastik dieses Ziel völlig erreicht. 

Mommsen - Berlin: Ueber die Versorgung Doppeltoberschenkel- 
amputiertef. (Zschr. f. orthop. Chir., Bd. 39, Ü. 3.) Die Konstruktion 
der Prothesen für Doppeltoberschenkelamputierte erfordert ganz andere 
Gesichtspunkte als die Versorgung sonstiger Beinamputierter. 

Künne. 

H. von Salis-Basel: Der Cnneiforme-Schmers. Ein Beitrag zur 
Symptomatologie der Senkfüsse. (D.m.W., 1919, Nr. 45.) S. schlägt 
selbst vor, das Symptom den Salis’schen Punkt zu nennen. Der Schmerz 
findet sich frühzeitig bei Senktuss auf der flöhe des Cuneiforme 1 oder 
dicht daneben am Zusammentritt zwischen Cuneiforme I, II und Meta- 
tarsale 11. Er beruht auf Zerrung der Ligamenta navicuiare ouneitorme 
dorsalis oder der Ligamenta tarso-metatarBalia 1 und II. Dünner. 

Collins: Rasch tödlich verlaufende Wirbel Maries. (Brit. med. 
journ., Nr. 3061.; Verf. weist au der flaud dreier Fälle naoh, daas Wirljnl- 
tuberkuiose lange Zeit ganz unbemerkt verlaufen und dann plötzlich 
ohne jede äussere Veranlassung unter schwersten Lähmungsersoheinungen 
zum Tude führen kann. Die Fälle betrafen durchweg Männer in jugend¬ 
lichem Alter, von bester Körperbesohaffenheit und blühendem Aussehen. 
Dauer der eigentlichen Krankheit 6—15 Tage. Die Zerstörungen an den 
Wirbeln waren sehr erheblich. Die Lungen waren stets erkrankt (zwei¬ 
mal miliare Form, einmal mit HöhlenbilduDg). — Lehrreich sind solche 
Fälle besonders für die Unfallpraxis, indem sie beweisen, dass keine 
äussere Gewalteinwirkung zum plötzlichen Ausbruch und rasch tödlichen 
Verlauf der Wirbelkaries nötig ist. Schreiber. 

Kirchmayr: Drei seltene Gefässverletciutgen. (W.kl.W., 1919, 
Nr. 44.) 1. Gefäs8stecksohuBB durch Granatsplitter an der Arteria sub¬ 

clavia, nicht ganz fingerbreit vom Abgang der Karotis entfernt. Glatte 
Heilung nach zentraler und peripherer Gelässunterbindung. Der Blut¬ 
kreislauf im Arm blieb duren Kollateralbildung ungestört. 2. Quere 
Durcbreissung der Arteria cubitalis nach Pf erde biss. Zirkulare Ge- 
fässnaht führt zur völligen Heilung. 3. Aneurysma spurium der Arteria 
braohialis mit Druck auf den Nervus medianus durch Handgranaten Ver¬ 
letzung. Resektion des durchschossenen Arterienteiles- und zirkuläre 
Gefässnaht, Nahtsicherung durch Einbettung des Gefässes in einen dem 
Oberarm entnommenen Faszienstreifen. Heilung. Glaserfeld. 

Sarge nt und Greenfield: Nervennaht und Nahtstoffe. (Brit. med. 
journ., Nr. 3065.) Planmässige Tierversuche mit verschiedenartigen Naht¬ 
stoffen zur Neivennaht ergaben, dass einfache Leinen- und Seidenfäden 
verhältnismässig Beblecht aufgesaugt wurden, im Gegensatz zu einfach 
sterilisiertem Katgut, das rasch aulgesaugt wird, aber keine Zugfestigkeit 
besitzt. Nahtstoffe, die mit chemischen Antiseptika zubereitet waren, 
hoben die Resorbierbarkeit fast ganz auf uud hatten eine starke ent¬ 
zündliche Reaktion des Nervengewebes zur Folge, siud also zur Naht 
nicht brauchbar. Am besten bewährte sich japanischer Silkwormdarm. 

Schreiber. 

R. Eden-Jena: Ueber die freie Nerventransplantation zum Ersatz 
von Nerven defekten. (D.m.W., 1919, Nr 45.) Mitteilung eines inter¬ 
essanten Falles von Transplantation eines Peroneus, der bei einer Ampu¬ 
tation gewonnen wurde, in einen Radialisdefekt, ohne dass ein Ertolg 
erzielt wurde. Das transplantierte Stück wurde nach neun Monaten 
entfernt und mikroskopiert. Es war der Nekrose anheimgefallen, ver¬ 
hielt sich nicht wie ein abgetrennter peripherischer Nervenabsobnitt. 
Trotzdem muss man aus Gründen, die E. näher ausführt, die Nerven- 
transplantation versuchen. Dünner. 


Andrew Glasgow: GrosserZwerchfelUrnch nach Schissverletiug. 

(Brit. med. journ., Nr. 3065.) Der Bruch enthielt % des Magens und das 
grosse Netz. Die obere Magengrenze beiand sich in der flöhe der dritten 
Rippe. Bei der Operation machte das Netz, das besonders mit der Lunge 
fest verwachsen war, grosse Schwierigkeiten, so dass ein Teil von ihm 
in der Brusthöhle zurückgelassen werden musste. Entdeckt wurde der 
Bruoh zwei Jahre nach erfolgter Schussverletzung bei einer Röntgendurch¬ 
leuchtung. Ausgang in Heilung. Schreiber. 

M. Graefe-Halle a. S.: Ueber einen Fall von chronischer Appei- 
ilizitis (hervorgeruten durch 12 Schrotköraer) und rechtsseitige Adnex¬ 
erkrankung. (M.m.W., 1919, No. 46.) Kasuistischer Beitrag. 

. R. Neumann. 


Röntgenologie. 

K. v. Teubern - Bonn*. Erfahrungen mit dem Paeimoperitoncui 
in der amhulanten Praxis. (D.m.W., 1919, Nr. 45.) (Nach einem bei 
Begründung der Bonner Röutgenologen-Vereinigung am 25. Juli 1919 
gehaltenen Vortrag.) Leber, Milz, Nieren und vielleicht das Netz sind 
lu der Hauptsache dankbare Objekte für die pneumoperitoneale Unter¬ 
suchung, dahmgegen nicht Magen und Darm. Dünner. 

K. 8 taunig - Innsbruck: Beiträge zur Klinik und röntgenologischen 
Lokalisation der Duodeaalfremdfcörper. (W.kl.W., 1919, Nr. 44.) Im 
ersten Fall hatte ein Dienstmädchen zwei Nähnadeln verschluckt, im 
zweiten handelte es siqh um eine verschluckte Zahnprothese. Beide 
Fremdkörper hatten sich im Duodenum verfangen und konnten operativ 
entfernt werden, ohne dass die Patientinnen Beschwerden zurück- 
behielten. Der Verf. unterzieht die anatomische und geometrische Lo¬ 
kalisation der Duodenalfremdkörper einer eingehenden Besprechung. 

Glaserfeld. 


Geburtshilfe und Gynäkologie» 

F. Ludwig-Bern: Die PJateata als wehen förderndes Organ. 

(Msobr. f. Geburtsb., Nov. 1919.) Piazentarpresssait hat eine stark 
kontraktionserregende Wirkung auf den überlebenden Kaninchendarm 
und Uterus, ebenso auf den lebenden Kaninoheuuterus in situ. Diese 
Stoffe sind nur in der reifen Plazenta enthalten. Es gelang, den wehen- 
erregenden Stoff aus der Plazenta zu isolieren; er erwies sich im Tier- 
expenment als ungiftig und wurde daher auoh klinisch angewandt. 
Intramuskulär eingespritzt, wirkte er intra partum ausgesprochen wehen¬ 
verstärkend, ohne irgendwelche unangenehmen Nebenwirkungen zu ver¬ 
ursachen. Vergleichende Untersuchungen ergaben, dass das Serum von 
Sohwangeren keine kontraktionserregende Wirkupg auf die glatte Musku¬ 
latur entfaltet, dass im Serum von Kreissenden wehen erregen de Sub¬ 
stanzen vorhanden sind, die wohl zum grössten Teil von der Plazenta 
herrühren dürften. 

J. Schi fl mann-Wien: Ueber die Wirkungsweise von Mamma- 
eitrakten. (Arcb. f. Gynäk., Bd. 111, fl. 2.) Die Exstirpation der 
Mamma hat keinen Einfluss aut Trächtigkeitsdauer und Wurf, auf die 
Beschaffenheit der Jungen und aut das neuerliche Aufnahmevermögen. 
Mammaextrakte vermögen beim sohwangeren Tier den Abortus herbei- 
zuiühren; diese Wirkungsweise ist insofern niobt spezifisch., als sie nach 
Anwendung anderer Substanzen, wie Leberextrakt, gleichfalls erhalten 
wird. Bei jugendlichen Tieren wirken Mammaextrakte in toxisohen 
Dosen hemmend auf die Entwicklung des Ovariums und des Uterus; 
aber auch mit nicht toxischen Dosen, welche die Gewichtszunahme 
wenig oder gar nicht beeinflussten, Nekrosen und NebennierenänderungeD 
vermissen liessen, konnte ein ähnlicher, wenn auch schwächerer Effekt 
erzielt werden. Diese Ergebnisse stimmen überein mit dem fuuktionellen 
Antagonismus zwischen Hamma einerseits, Ovarium und Uterus anderer¬ 
seits (Laktationsamenorrhoe, Laktationsatrophie). 

E.Stiefel-Zürich: Ueber das angeborene Haemangioma Simplex. 
(Arch. f. Gynäk., Bd. 111, fl. 2.) Der kindskoptgrosse, an der linken 
flalsseite sitzende Tumor verzögerte den Austritt des Kopfes. Das 
Kind starb nach einigen Stunden. Die mikroskopische Untersuchung 
ergab ein Haemangioma simples, das ein infiltratives Wachstum in die 
Muskulatur zeigte. 

J. Walk er-Zürich: Ein Fall von primärer Abdominalsckwanger- 
sebaft. (Arch. f. Gynäk., Bd. 111,' fl. 2.) Die Pat. kam unter den 
Erscheinungen der geplatzten Tubargravidität zur Operation, bei der 
eine blutende Steile am Peritoneum zwischen Ovarium und Douglasfalte 
und ein intaktes Ei mit 3 mm langem Fötus in einem Blutkoagulum 
gefunden wurde. Da die Pat. am Tage nach der Operation an der be¬ 
stehenden Anämie starb, konnte eine genaue mikroskopische Unter¬ 
suchung des Uterus und der Adnexe vorgenommen und festgestelit 
werden, dass kein Zusammenhang mit einem Adnex bestand. Das Ei 
war lebend und befand sich in lebender Verbindung mit seiner Unter¬ 
lage, dem Peritoneum. Damit sind die Forderungen, die Veit für die 
Anerkennung der primären Abdominalsobwangersobaft beim Menschen 
aufgestellt hatte, erfüllt, und ihr Vorkommen kann nicht mehr be¬ 
zweifelt werden. 

H. Thal er-Wien: Familiäres Scheins wittertim und Vererbungs- 
fragen (Soheinzwittertum bei zwei, verschiedenen Familien angebörigen 
Gesohwisterpaaren). (Mschr. f. Geburtsb., Nov. 1919.) Bisher sind erst 
22 Fälle von Soheinzwittertum bei Geschwistern bekannt. In den beiden 
beschriebenen Fällen war, wie in allen früheren, besonders auffallend, 


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8. Dezember 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1169 


dass die Entwicklung der primären Geschlechtsmerkmale bei den Ge¬ 
schwistern eine völlig gleichartige war. Das sprioht gegen die Theorie, 
dass auch die primären Geschlechtscharaktere, wieBiedl annimmt, von 
der innersekretorischen Funktion der Keimdrüsen abhängig seien, viel 
mehr für die Annahme, dass Anlage und Entwicklung der Sexual- 
oharaktere und ebenso auoh die Differenzierung des Geschlechts auf eine 
Ursache zu beziehen sind, die schon endogen in der Erbmasse vorhanden 
und der Geschlechtsdrüse und den Sexualcharakteren übergeordnet ist. 

J. Brook-St. Petersburg: Eine menschliche Missbildnng (Dipygns 
par&siticn). (Aroh. f. Gynäk., Bd. 111, H. 2.) Kasuistische, duroh 
Abbildungen erläuterte Mitteilung. 

E. Engel hör n-Jena: Zur Biologie der Vagina. (Mschr. f. Geburtsh., 
Nov. 1919.) Der Säuretiter des SoheidenBekrets schwangerer Frauen ist 
gegenüber dem nicht schwangerer erhöht. Diese Erhöhung wird duroh 
die in der Schwangerschaft auftretenden histologisohen Veränderungen 
der Schleimhaut (Durohtränkung, Oedem, Gefässerweiterung, Hyper¬ 
trophie der Papillen) erklärt. Ebenso können wir uns die Herabsetzung 
des Säuretiters in der Menopause durch die Altersveränderungen der 
Vaginalsohleimhaut erklären. Die von Kuhn empfohlene biologische 
Behandlung der Vagina mit Zucker kommt in der Praxis selten in Be¬ 
tracht, da die Reaktion des Soheidensekrets meist sauer ist; reagiert es 
alkalisoh, so gelingt es duroh Einbringen von Zucker, einen raschen 
Umschlag der Reaktion zu erzielen. Die Jauchung bei Karzinomen wird 
duroh Empudern mit Zucker günstig beeinflusst. Zur Behandlung des 
Fluors wird der vom Verf. angegebeue Bestrahlungsapparat empfohlen. 

A. Martin': Zu den Prolapsfragen. (Mschr. f. Geburtsh., Nov 
1919.) Kritische Besprechung neuer Operationsverfahren. Ueber die 
Ventrifixura vaginae liegen erst wenig Erfahrungen vor; sie kommt vor 
allem in Betracht bei Rückfällen mit Soheidenprolaps und Enterozele 
nach Uterusexstirpation. Die. freie Faszientransplantation unter Be¬ 
nutzung eines Faszienstreifens aus dem Oberschenkel bat Schubert in 
12 Fällen mit gutem primären Erfolg angewandt; für ein Endurteil 
müssen erst weitere Erfahrungen abgewartet werden. Wertheim’s 
Buch über seine Prolapsoperation gibt eine ausführliche Schilderung 
des Entwicklungsganges seiner Methode bjs zu ihrer letzten, technisch 
sehr schwierigen, aber auch sioheren Erfolg versprechenden Gestalt. 

0. Küstner: Zur Therapie der Retroversio-flexio (Differential- 
indikatorisohe Gesichtspunkte). (Msobr. f. Geburtsh., Nov. 1919.) Muss 
man bei Virgines, die Lage des Uterus, durch rektale Untersuchung fest- 
steilen, so ist eine Verwechslung zwisohen Zervix und Korpus und da¬ 
mit eine Fehldiagnose in bezug auf eine etwa vorhandene Retroflexio 
leicht möglich; nur die Beachtung des Abgangs der Douglas’schen 
Falten schützt vor diesem Irrtum. Die Retroflexio bei Virgines ist fast 
ausnahmslos nicht fixiert, daher die Alexander-Adams’sche Operation in¬ 
diziert. Erlauben die anatomischen Verhältnisse das Einlegen eines 
Pessars, so gibt der Erfolg dieser Therapie einen wichtigen Fingerzeig 
dafür, dass die gleiche Operation Erfolg verspricht. Führte Pessar¬ 
behandlung nicht zum Ziel, so ist Eröffnung des Leibes indiziert, da 
dann stets Adhäsionen vorhanden sind. Die Bandverkürzung soll stets 
auf beiden Seiten vorgenommen werden; die einseitige Operation kann 
zu störenden Folgezuständen führen. 

L. Proohowniok-Hamburg: Gonorrhoische Latenz und latente 
Gonorrhoe. (Mschr. f. Geburtsh., Nov. 1919.) Systematische Unter¬ 
suchungen eines grossen Patientenmaterials ergaben, dass nicht ganz 
selten gonorrhoische Infektionen völlig symptomlos verlauten können, 
dass man also infektionstüchtige Gonokokken gänzlich unerwartet auf 
der Schleimhaut der Zervix und Urethra findet, wobei der infektiöse 
\Koitus 8—6 Woohen zurückliegt. Die weitere Beobachtung dieser Fälle 
ergab, dass die Infektion ohne jede Behandlung ausheilen kann, dass 
sie aber auch, ohne je akute Erscheinungen gemacht zu haben, zu den 
inneren Genitalien aufsteigen kann. Dort führt sie nie zu schweren 
akuten Entzündungen, sondern zu schleichenden chronischen Prozessen, 
zur latenten Gonorrhoe. Eine solch» kann also auch vorhanden sein, 

- wenn weder die Anamnese noch die genaueste Untersuchung Anhalts¬ 
punkte für eine überstandene Gonorrhoe ergibt; die gonorrhoische 
Latenz ist direkt in eine latente Gonorrhoe übergegangen. 

Fr. De as au er-Frankfurt a. M.: Grundlagen und Messmethoden 
der Tiefeatherapie mit Röatgenstrahlea. (Aroh. f. Gynäk, Bd. 111, 
H. 2.) Die umfängliche Arbeit gibt eine solche Fülle you Einzelheiten, 
dass ein kurzes Referat unmöglich ist. Interessenten müssen die 
Originalarbeit studieren. _ L. Zuntz. 

Augenheilkunde. 

Fehr-Berlin: Ueber Sehprttfaag und BrilleBverordnung. Schluss. 
(Tber. d. Gegenw., Nov, 1919.) R. Fabian. 

Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

E. Hoffmann - Bonn: Ueber eine naeh iaaen gerichtete Schatz- 
fnaktion der Ha«t (Esophylaxie) nebst Bemerkungen über die Ent¬ 
stehung der Paralyse. (D.m.W., 1919, Nr. 45.) (Vorgetragen in der 
medizinischen Abteilung der Niederrhein. Gesellschaft für Natur und 
Heilkunde am 20. Okt. 1919.) Die Haut besitzt eine biologische Schutz- 
funktion, die nicht nur die Haut selbst, sondern auoh die inneren Organe 
vor Krankheitskeimen und deren Giften zu bewahren vermag, so dass 
sie nioht nur als Wäohter nach aussen eine exophylaktische, sondern 


auch als Wächter nach innen eine esopbylaktiscbe Schutzwirkung aus¬ 
üben kann. Durch die besondere Intensität, mit der sich bestimmte 
Prozesse an der Haut abspielen, werden auch besonders viele esophy- 
laktiache Schutsstoffe produziert, so dass die inneren Organe von der 
betreffenden Krankheit mehr oder weniger verschont bleiben. In diesem 
Sinne sind vielleicht die Exantheme bei akuten Infektionskrankheiten 
aifzufassen. Auch würde die indirekte Einwirkung der Lichtstrahlen 
auf die Tuberkulose innerer Organe auf diese Weise verständlich. Für 
die Annahme einer nach innen gerichteten Schutzfunktion ist wichtig, 
dass bei ausgedehnter Erkrankung der Haut an tertiärer Syphilis und 
Lupus die inneren Organe oft frei bleiben. H. führt noch eine Reibe 
anderer Momente für die Richtigkeit seiner Anschauung an. 

Dünner. 


Hygiene^und Sanitätswesen. 

Ulbrich - Magdeburg: Zur Reform der Anormaleaffirsorge. (Zsobr. 
f. Krüppelfürsorge, Bd. 9, H. 9.) Die Anormalen umfassen etwa 250000 
Krüppel, 63000 Schwachsinnige, €0000 Epileptiker, die^’Blinden und 
Ertaubten sowie 15000 Lupöse. Die Anormalenfürsorge gehört in die 
Hand des Staates, der hier eine straffe pfiichtmässige Organisation an¬ 
stelle der freiwilligen Fürsorge zu setzen hat. Die Anormalenfürsorge 
ist nicht nur ein Opfer, sondern sie schafft volkswirtschaftliche Werte, 
.indem die den Anormalen verbliebenen Arbeitswerte zum Besten der 
Allgemeinheit ausgenützt werden. Von den Krüppeln werden ein Drittel 
entkrüppelt, ein weiteres Drittel wird erwerbsfähig. Schwachsinnige sind 
unter geeigneter Fürsorge einer gewissen sozialen Entwicklung fähig, 
und auch Epileptiker werden im Anstaltsbetrieb oft erheblich gebessert. 
Am besten sind die Blinden und Ertaubten versorgt. Die Lupuskranken 
sind' der Behandlung zuzuführen und, wenn unheilbar, zu internieren, 
um die Allgemeinheit vor Ansteckung zu bewahren. Zu fordern ist 
auch der Schutz dzr anormalen Kinder gegen gewissenlose und un¬ 
fähige Eltern — und Wohltäter, möchte Ref. hiozufügen. 

Rossow - Berlin: Volkstümliche Turnübungen and Sport im 
Dienste der Kriegsversehrten. (Zsohr. f. Krüppelfürsorge, Bd. 12, H. 9.) 
Aus der Krüppelfürsorgp zu Friedeoszeiten ist es jedem Oithopäden be¬ 
kannt, dass die turnerische und sportliche Betätigung eine zweckmässige 
Ergänzung der üblichen Heilbehandlung darstellt. Sie verleiht dem 
Verstümmelten nicht nur seine körperliche Gewandtheit wieder, sondern 
ist von einer sehr vorteilhaften Rückwirkung"auf Selbstvertrauen und 
Unternehmungssinn. In Wort, Bild und umfangreichen Tabellen werden 
hier die erfreulichen Leiatangen körperlich* Schwerbeschädigter ver¬ 
anschaulicht. — So sehr die Sporttherapie als Ergänzung, gewisser- 
maasen als letzter Schliff orthopädischer .‘Bewegungsbehandlung an¬ 
zuerkennen ist, so falsch ist es, wie das während des Krieges von mili¬ 
tärischer Seite geschehen ist, den Sport einfach anstelle alter klinisch 
bewährter Methoden setzen zu wollen. 

H. Würtz: Krüppeiseelenkandliche Erziehung. (Zschr. f. Krüppel¬ 
fürsorge, Bd. 12, H. 8—10.) Der körperlichen Verkrüppelung ent¬ 
sprechen auf seelischem Gebiete fast immer ' mehr oder mioderjaus- 
geprägte Beeinträoht'gungsgefühle. Dieses Niederstrebende in der 
Krüppelseele mit dem bekämpfen, was noch gesund und stark in ihr ist, 
das Selbstvertrauen durch Lob, Anerkennung und Aohtuogsbeweise 
heben, das ist die Grundlage und Vorbedingung für eine erfolgVer- 
heissende Krüppelpädagogik, Künne. 


- Gerichtliche Medizin. 

A. Mayrhofer und K. Meixner: Ein Fall von Vergiftung durch 
kohlensaures Baryam. (W.kl.W., 1919, Nr. 44.) Ein Mann nahm 
baryumhaltiges Rattengift als Radikalmittel' gegen*; seinen*'Tripper; 
16 V* Stunden nach der Einnahme trat der Tod ein. Die wichtigten 
Ergebnisse der Sektion waren: Blutüberfüllung des Gehirns; die Lungen 
waren gedunsen; epikardiale Blutaustritte; das Blut war nirgends ge¬ 
ronnen ; . der Magen enthielt einen halben Liter Flüssigkeit, auf seiner 
Schleimhaut und der des Duodenums fand sich ein Belag aus gelblich- 
weissen, feiopulverigen, mörtelähnlichen Massen; das Bauchfell des 
Magens war ausserordentlich klebrig, eine Veränderung, welche an dem 
der ganzen Länge nach sohnurartig 'zusammengezogenen, vollständig 
leeren Darme fehlte. Der Magen enthielt 9,8 g Baryumkarbonat. 

Glaserfeld. 

G. W. Gruber- Mainz: Zum Kapitel des plötzlich eia getretenen 
Todes ohne direkt ersichtlichen Grand. (Aerztl. Saohverst.Ztg., 1919, 
Nr. 20.) Alle Fälle entstammten dem Soldatenstand im Beimatver- 
bältnis. Die Frage der Dienstbeschädigung wird besonders berücksichtigt. 
Die häufigsten Todesursachen waren in dem Material des Verf. spät¬ 
luetische Erkrankungen der Aorten und der Koron arge lasse. 

Scbmalfuss- Hamburg; Ueber Persistenz der Spermatozoen nach ' 
Kastration (beobachtet an einem Fall von Pseudo-Hermaphroditismus 
masculinus.) (Aerztl. Saohverst.-Ztg., 1919, Nr. 21.) Bei einem Pseudo¬ 
hermaphroditen, dem gelegentlich einer Bruchoperation beide Hoden 
entferut wozden waren, fand Verf. bei der Obduktion nach 6 Vs Monaten 
(Tod infolge Kolisepsis) noch gut färbbare Spermatozoen in den Samen¬ 
blasen. Auf Grund dieses und ähnlicher Fälle der Literatur wird man 
die Möglichkeit einer Befruchtung nach Kastration nicht für unmöglich 
erklären können, wenn zwischen Kastration und in Betracht kommendem 
Beischlaf keine oder fast keine Ejakulation stattgefunden bat. 

H. Hirschfeld. 


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UMIVERSITY OF IOWA 










1170 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 12. November 1919. 

Vorsitzender: Herr Landau. 

Schriftführer: Herr Virchow. 

Vorsitzender: loh wollte zunächst mitteilen, dass aus unserer 
Gesellschaft durch den Tod geschieden sind Herr Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. Moeli, Mitglied seit 1880, Herr San.-Rat Dr. Radzieje wski, Mitglied 
seit 1889, Herr San.-Rat Dr. Schwab, Mitglied seit 1899. Ich bitte, sich 
zum Andenken der Verstorbenen von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) 

Durch Verzug nach ausserhalb ist aus der Gesellschaft geschieden 
Herr Dr. M. Wassermann, Mitglied seit 1912. 

Es liegt eine Einladung vom Berliner Aerzte-Orchasterverein vor, 
der am 22. November ein Wohltätigkeitskonzert zum Besten der Witwen 
und Waisen der im Kriege gebliebenen Aerzte Gross Berlins veranstaltet. 
Er hofft auf zahlreiche Teilnahme, und ich möchte wünschen, dass er 
sich in dieser Erwartung nicht täuscht. 

Dann habe ich noch aus der Vorstandssitzung mitzuteilen, dass ein 
_ Antrag von Herrn Kollegen Hans Hirschberg und Grossen vorlag, 
die Besuchsstunden der Bibliothek, wie es in der früheren Zeit üblich 
war und wie es in normalen Zeiten geschehen soll, bis um 9 Uhr zu 
verlängern.' Keiner von uns hat verkannt, dass das ausserordentlich 
wünschenswert ist, aber auch nicht einer hat sioh dem versohlieäsen 
können, dass es im jetzigen Winter unter der gegenwärtigen Kohlennot 
absolut unmöglich ist, diesen Wunsch zu erfüllen, so dass wir zu unserem 
Bedauern diesem Anträge zurzeit nicht Folge geben können. Sobald es 
möglich sein wird, wird der Vorstand aus eigenem Antrieb dem Wunsohe 
nachkommen. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Gurt Kayser: Kasuistik des Rückfallfiebers (mit Krankenvorst.). 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochensohrift.) 

Aussprache. * 

Hr. Ziem ann: Der Herr Vortragende hat ganz recht, wenn er be¬ 
hauptet, dass der Fall atypisch ist. Aber solche atypisohen Fälle konnte 
man auch während des Krieges in der Türkei mehrfach beobachten. leb 
selber erinnere mich ganz genau dreier solcher Fälle, wo ein ganz ähn¬ 
licher atypischer Verlauf war, wo auch der Spirochätenbefund ein ausser¬ 
ordentlich geringer war und auch die klinischen Erscheinungen wenig 
hochgradig waren, auch die Milzschwellung fehlte. 

Im übrigen hat er ganz recht, wenn er mahnt, bei Leuten, die aus 
der Türkei oder aus Russland zurückkehren, auoh nach exotischen Krank¬ 
heiten zu fahnden und solche Fälle genau zu untersuchen. Ich habe 
z. B. kürzlich feinen Fall von sehr atypisch und nur noch leicht verlau¬ 
fendem Wolhynischen Fieber beobachtet. 

Was den Weiss-Felix anlangt, so hat der Mann vielleicht in Russ¬ 
land früher Fleokfieber gehabt. Es gibt ja ganz leichte Fälle von Fleck¬ 
fieber — leider ist das immer noch zu wenig bekannt, auoh bekannte 
Epidemiologen haben leider nichtfgenügend auf diesen Punkt Wert gelegt, 

Tagesordnung. 

Fortsetzung der Besprechung des Vortrages des'Herrn G. Zuelser: 
Zur Seharl&chfrage. 

Hr, Fritz Meyer: Ich bin leider nicht in der Lage, mich den theore¬ 
tischen Ausführungenndes Herrn Kollegen Zuelzer vollinhaltlich anzu- 
schliessen. Vor allen Dingen sträubt man sich, beim Fleokfieber eine 
chronische lofektion anzunebmen, und ebenso ist es Ihnen wohl allen ein 
etwas ungewohnter Gedanke, von einer chronischen Scharlachinfektion 
zu spreoheo. ‘Die Tuberkulose und die Verschlimmerung der Tuber¬ 
kulose, deren Gründe wir in der Kriegsernährung zur Genüge kennen, 
auf einen chronischen Scharlachinfekt zurüokzuführen, geht wohl kaum an. 

Dagegen kann ich den therapeutischen Ausführungen des Herrn 
Zuelzer, die die Ghininbehandlung des Schariacbfiebers anlangen, bei- 
pfiiehten. Auf Grund von eigenen Erfahrungen kann ich sic befürworten. 
Ich muss nur eine kleine Einschränkung machen. Ich glaube nicht, dass 
die Chinintherapie, wenn sie beim Scharlach erfolgrnch ist, sich gegen 
den eigentlichen Soharlaoherreger richtet. Wir kennen ihn nicht, und 
der Nachweis, dass damit der eigentliche Scharlacherreger getroffen wird, 
wird ausserordentlich schwer zu prüfen sein. Wir wissen aber, dass das 
Schicksal des Soharlachkranken hauptsächlich durch die Anwesenheit der 
Streptokokken und duroh die Virulenz der anwesenden Streptokokken 
bestimmt wird. Auf Grund meiner Arbeiten glaube ich sagen zu können, 
dass die Chininderivate (Eukupin, Vuzin), wie sie jetzt durch^Morgen- 
’roth eingeführt worden sind, einen ganz wesentlichen Einfluss auf die 
Streptokokkeninfektion des Menschen haben. 

Folgende Gründe haben mich dahin geführt: Ich habe z. B. im Felde 
eine Reihe von septischen Kranken gesehen, welche ein einziges pleuri- 
tisches Exsudat mit Streptokokken hatten. Ich konnte mich durch häufige 
Punktionen überzeugen, dass es gelang, die vorhandenen.Streptokokken, 
ebeoso wie das Exsudat, durch die innerliche Anwendung des Eukupins 
in grossen Dosen (bis zu 5 g am Tage) zum Verschwinden zu bringen. 
Die Kranken waren zu elend,'j'um die Operation zuzulassen. Sie sind 
ohne Operation zur Heilung geführt worden. 

Ich bin weiter auf Grund dieser Erfahrungen, die ungefähr 10 Fälle 
betrafen, dazu übergegangen, die schweren Mischinfektionen der epide¬ 


mischen Grippe, zunächst im Felde und später in Berlin, mit Euknpin 
zu bekämpfen. Inzwischen bat eine grosse Reihe von Arbeiten (Böhme, 
Leschke, Rosenfeld, v. d. Velden, Alvens) diese von mir gefun¬ 
denen Resultate bestätigt. Ich kann heute auf Grund weiterer Erfah¬ 
rungen sageD, dass es gelingt, die beginnende Streptokokkeninfektion der 
Grippe nicht nur prophylaktisch, sondern auoh therapeutisch zu beein¬ 
flussen, wenn man Eukupin, sei es allein, sei es in Verbindung mit dem 
spezifischen Streptokokkenserum, anwendet. — 

Der letzte Schritt war die Behandlung der septischen Scbarlach- 
infektion (Angina). Hier hat sich genau dasselbe gezeigt, wie bei der 
epidemischen Grippe. 

Ich würde diese Erfolge nur für Zufallsergebnisse halten, wenn mir 
nicht das Experiment zu Hilfe gekommen wäre: Sie wissen alle, dass die 
Streptokokken in ihrer Virulenz ausserordentlich labil sind, und dasB es 
bis vor kurzem nicht gelungen ist, den Streptokokkus dauernd virulent 
zu erhalten, wenn man ihn nioht io bestimmter Weise durch Tierpaseagen 
lebend erhielt. Ich habe vor 44 Jahren gemeinsam mit Ruppel ein 
Verfahren ausgearbeitet, Streptokokken auf Blut zu züchten und sie 
ohne Tierpassagen virulent zu erhalten. So habe ich einen Stamm, 
der niemals, 14 Jahre lang, ohne ein Tier zu passieren, berabgegangen 
ist. Nun stellt sich das Merkwürdige heraus: Wenn man Strepto¬ 
kokken nicht auf normalem, sondern auf Blut von Patienten züchtet, 
denen grössere Mengen Eukupin gegeben wurden, oder auf Eukupin- 
gesättigtem Blut züchtet, so wachsen sie, falls sie nioht ‘abgetötet 
sind, in abgeschwäcbter Virulenz. Hier ist nach meiner Meinung der 
Fingerzeig, dass es. gelingt, durch die rationelle Eukupintberapie die 
Streptokokken im Organismus in ihrer Virulenz so za schädigen, dass 
sie den natürlichen Sohutzkräften des Organismus oder den künstlich 
hineingeführten Immunkörpern des Immunserums zugänglich werden. 
Auf diese Weise kann man der Streptokokkeninfektionen Herr werden. 

So lässt sich die Therapie mit Chininderivaten für die schweren 
Scharlachfälle, sei es prophylaktisch oder therapeutisch, empfehlen. 

Die von Herrn Lentz gemachte Bemerkung über die Paratyphus¬ 
milz kann ich nicht bestätigen. Ich habe grosse Typhusepidemien (A 
und B) im Felde gesehen. Kann man die Milz palpieren, so stellt man 
stets fest, dass die Milzschwellung sohnell erscheint und auch nach ab¬ 
klingendem Paratyphus noch lange naobgewiesen werden kann. 

Hr. Jürgens: Es ist ja zweifellos richtig, dass wir dem Scharlach 
zur Zeit noch ziemlich machtlos gegenüberstehen, nnd jeder Angriffs¬ 
punkt, den wir für die Behandlung oder Abwehr des Scharlachs erhalten 
können, wäre dankbar zu begrüssen. Ich glaube aber, das, was Herr 
Zuelzer hier vorgetragen hat, ist nicht gerade sehr geeignet, die Scharlaoh- 
frage zu fördern. Herr Zuelzer will den Schwerpunkt der Behandlung 
und der Abwehr des Scharlachs in die Inkubationszeit verlegen. Aber 
es liegt im Wesen der Infektionskrankheiten und auch des Scharlaobs, 
dass in der Inkubationszeit überhaupt keine Störungen hervortreten, und 
ich glaube auoh gar nicht, dass Herr Zuelzer die Inkubationszeit gemeint 
bat, denn das, was er uns an Fieberkurven z. B. gezeigt bat, deutet 
auf Erscheinungen hin, die sohon jenseits der Inkubationszeit liegen. 
Fieber, MilzschwelluDg und die Störungen der Haut, die zur Haut¬ 
schuppung führen, sind doch bereits nachweisbare Krankheitserschein ungen, 
und wenn diese Fälle, die Herr Zuelzer meint, wirklich Scharlach¬ 
erkrankungen sind, so sind es keine latenten, sondern es sind allenfalls 
unausgebildete Scharlacherkranklingen, atypische Erkrankungen. Diesen 
atypischen Scharlach kennen wir Aerzte aber doch sehr genan, wir haben 
ja dauernd damit zu tun, und dieser atypische Scharlach sieht nicht 
immer so aus, wie Herr Zuelzer ihn hier geschildert bat; vor allem hat 
der unausgebildete Scharlach nicht diese hohe Fiebertemperatur und 
vor allen Dingen nicht im Beginn diese Milzschwellung, die Herr Zuelzer 
hervorgehoben bat. 

Nun hat Herr Lentz empfohlen, die Aerzte möchten in Zukunft in 
der Inkubationszeit oder im Beginn des Scharlachs mehr auf diese Milz¬ 
schwellung achten. Ja, meine Herren, ist das wirklich nötig? Wir 
haben doch dauernd auf diese Dinge geachtet, und auch frühere Aerzte- 
generationen haben dauernd auf solche Erscheinungen ihr Augenmerk 
gerichtet, und mit Sicherheit lässt sich sagen, dass aus einer beginnenden 
Milzschwellung der Scharlach nicht zu diagnostizieren ist. Ich fürchte, 
manches von dem, was Herr Zuelzer als Scharlach angesproobon bat, 
ist gar kein Scharlach. Jedenfalls möohte ich darum bitten, dass uns 
dafür ein Beweis erbracht'wird, dass es wirklich ein Scharlach ist. Aueh 
für die allerleichtesten Scharlacherkrankungen gibt es hier ein sehr 
feines Reagens: das ist die Uebertragbarkeit soloher Erkrankungen auf 
andere Kinder, und wenn der Zuelzerische Scharlaoh wirklich ein Schar¬ 
lach ist, also ein symptomloser Scharlaoh, so würden sioh daraus dooh 
wieder die bekannten Bilder entwickeln, die wir alle kennen, und dann 
müsste die Welt voller Gefahr sein, an Scharlach zu erkranken. 

Das ist aber durchaus nicht der Fall. Im Gegenteil, wir wissen* 
dass die allermeisten Fälle von Scharlach, die wir in Behandlung nehmen» 
auf andere Fälle zurückgeführt werden können, die klinisch ganz deut~ 
lieh hervortreten, und wenn einmal ein Scharlach der ärztliohen Beob~ 
achtuug entgeht, so entwickelt sich aus einem solchen atypischen Schar¬ 
lach dech immer wieder die typische Erkrankung. Es gibt selbstverständ¬ 
lich sehr viele unausgebildete Erkrankungen, aber es liegt in ihrem 
Wesen, dass sie immer von klinisch erkennbaren Erkrankungen stammen, 
und dass sich aus den atypischen immer wieder typische Erkrankungen 
entwickeln. Und auch darüber sollte kein Zweifel sein, dass für die 
Volksgesundheit derartige latente Erkrankungen hauptsächlich deswegen 


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UMIVERSITY OF IOWA 





Ö. Dexember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1171 


Bedeutung haben, weil sich aus diesen Erkrankungen immer wieder der 
typische Scharlach entwickelt mit all den Gefahren für Gesundheit und 
Leben, die wir ja alle kennen. Gerade diese gefährlichen Scharlach- 
erkrankungen erfordern aber eine Behandlung und eine Abwehr und 
eine Seuchenbekämpfung. 

Allerdings ist es mit der Seuchenbekämpfung beim Scharlaoh noch 
schlecht bestellt. Die Bekämpfung des Scharlachs ist eine sehr schwierige 
Aufgabe, und Herr Lentz hat bedauert, dass wir kein Mittel haben, 
dem Scharlach schon in der Inkubationszeit zu Leibe zu geben. Ich 
kann Herrn Lentz darin nicht folgen. loh bedauere vielmehr, dass 
Herr Lentz überhaupt derartigen Gedanken nachgeht, die uns doch 
nicht vorwärts bringen, und dass die Medizinalverwaltung immer noch 
keine Neigung hat, die Hilfe dort anzunehmen, wo sie sich aufdrängt, 
nämlioh die Hilfe der praktischen Aerzte. Es mag ja sein, dass einmal 
ein Wundermittel gefunden wird, den Scharlach mit einem Male aus* 
zurotten, aber vorläufig ist das nicht der Fall, und die Seuchenbekämpfung 
muss mit der Gegenwart rechnen. So, wie wir den Scharlach heute 
kennen, müssen wir gegen ihn Vorgehen, und so müssen wir ihn be¬ 
kämpfen. Und das können wir auch zweifellos besser, als es bisher ge¬ 
schehen ist. 

Ein kleineB Beispiel: es kommt ein Kind aus der Schule, bringt 
Scharlach mit und steckt zu Hause eines seiner kleinen Geschwister an, 
und nachträglich erzählt das Kind: Ja, vor einigen Tagen ist ein anderes 
Kind meiner Klasse auch an Scharlach erkrankt. Meis© Herren, dieses 
kleine Ereigniss sollte eigentlich in einem Staate, der die Bekämpfung 
des Scharlachs ernstlich betreiben will, gar nicht Vorkommen. Gewiss, 
bekämpft wird der Scharlach überall. Der Schularzt bekämpft, der Kreis¬ 
arzt bekämpft, aber das Wichtigste wird vergessen: Niemand denkt daran, 
in solchen Fällen den Eltern oder den Schulkindern und durch diese 
den Eltern mitzuteilen, in der Klasse ist heute ein Scharlachfall vor¬ 
gekommen. Würde dies geschehen, so könnte hier mit Hilfe der Oeffent- 
liohkeit und mit Hilfe der praktischen Aerzte praktische Seuchen¬ 
bekämpfung getrieben werden, so könnte wenigstens manche Erkrankung 
verhütet werden. Kann man zwar die Kinder nicht mehr schützen, die 
sich schon in der Sobule angesteckt haben, man kann aber verhindern, 
dass die Infektion aus der Schule in die Familien hineingetragen wird, 
und dass die kleinen Kinder erkranken; denn darüber wollen wir uns 
keinem Zweifel bingeben: der Scharlaoh ist für uns eine ganz ungefähr¬ 
liche Krankheit, wir sind alle immun, auch die älteren Kinder sind 
grösstenteils immun, aber gefährlich ist der Scharlach für die Kinder 
im Alter von 1 bis 5 Jahren, und wir kämen einen sehr grossen Schritt 
vorwärts in der Scharlachbekämpfung, wenn wir die Infektion von diesen 
kleinen Kindern fernhalten können. Und das ist möglich, allerdings 
nicht auf die Weise, wie heute die Scharlaohbekämpfung betrieben wird, 
mit Meldungen an die Schulärzte und Kreisärzte, sondern unter wirk¬ 
samer Mitarbeit der praktischen Aerzte muss die Bekämpfung betrieben 
werden. Jeder einzelne Scharlachfall muss mitgeteilt werden, die Oeffent- 
liohkeit und die praktischen Aerzte müssen das erfahren, und von der 
Schule muss den Kindern gesagt werden, sie sollen ihren Eltern das 
mitteilen. Dann kann der Versuch gemacht werden, die Kinder vor 
Scharlach zu behüten, und dann werden wir zweifellos zu einer prak¬ 
tischen Seuchenbekämpfung kommen. 

Hr. Ritter: Wenn keine von den Schlussfolgerungen des Herrn 
Kollegen Zuelzer vor der Nachprüfung bestehen sollte, bo dürfte doch 
ein Verdienst seiner Untersuchungen davon unberührt bleiben: das ist 
der Naohweis einer gewissen pathognomonischen Bedeutung der initialen 
Leber- und Milzschwellung bei der Skarlatina. Nachdem diese Fest¬ 
stellung zu meiner Kenntnis gekommen war, habe ich bereits in etwa 
30 Scharlachfällen, die durch keinerlei septikämische Prozesse kompli¬ 
ziert waren, die Milzschwellungen ganz in dem angegebenen Verlaufe 
beobachten können. 

Aber nun möchte ich den Herrn Vortragenden fragen, wie er sioh 
die Ausnützung dieser Feststellung für das angegebene Behandlungs¬ 
verfahren in der allgemeinen Praxis vorstellt, wenn seiner Erfahrung 
nach die Beeinflussung der Erkrankung nur im Prodromalstadium 
möglich' ist. Denn die von ihm selbst zugestandene häufige Blitz¬ 
artigkeit des Scharlachausbruohes verhindert das Bemerkbarwerden eines 
Vorstadiums. Und in den langsam einsetzenden Fällen kann man doch 
wohl nicht nur auf diese Organsohwellungen, die man schliesslich, wenn 
auch nicht in der angegebenen prägnanten Form, bei anderen Infektions¬ 
krankheiten gleichfalls auftreten sieht, auf Anhieb die Diagnose Schar¬ 
lach zu stellen. Das charakteristischste Soharlachsymptom, die Himbeer¬ 
zunge, stellt sioh erst nach dem Ausbruch des Exanthems ein, indem 
von der Spitze beginnend die Zunge sich von dem dicken Belag langsam 
reinigt. Und die Angina im Vorstadium, ob roter Rachen- oder Mandel¬ 
entzündung, halte ioh lür einen unzuverlässlichen pathognomonischen Weg¬ 
weiser. Gerade die augenblicklichen epidemischen Verhältnisse beweisen 
dies wieder recht deutlich. Es gibt, wie wohl bekannt sein dürfte, jetzt 
viel Scharlach und viel Grippe mit Mandelentzündung unter den Kindern, 
und ich glaube nicht, dass sioh jemand sofort, wenn er eine solche 
Angina sieht, differentialdjagnostisch festlegen möchte. 

Die Schwierigkeit, selbst in einem bestimmten Kreise, der von einer 
Scharlachinvasion bedroht ist, die Sohariachkandidaten herauszufinden, 
haben wir einmal kennen gelernt, als mehrere hundert Flüchtlinge, fast 
alles Frauen und Kinder ans dem damals bedrohten Ostpreussen, in 
einer hiesigen Vorortgemeinde untergebraoht wurden und wir, meine 
Mitarbeiter und ich, beauftragt waren, die Kinder, unter denen eine 


Reihe von Scharlachfällen vorgekommen war, anf eine eventuelle Be¬ 
teiligung an der Epidemie zu untersuchen. Es ist uns eigentlich nur 
bei den Kindern gelungen, die im Ausbruch oder ganz dicht vor dem 
Ausbruch des Exanthems standen, die Beteiligung an der Eikrankung 
nachzuweisen. 

Ganz- besonders schwer ist eine frühzeitige Feststellung bei Säug¬ 
lingen, bei denen Inkubationszeiten und Prodrome überhaupt un¬ 
begrenzte Möglichkeiten bieten. Ich möchte im Gegensatz zu Herrn 
Jürgens naoh meinen Erfahrungen die Säuglinge im grossen und 
ganzen für recht refraktär gegen die Soharlacbinfektion erklären. Zwei¬ 
mal sind im Säugliogskrankenhause bei älteren Säuglingen, die eine 
entsprechende Quarantänelrist du rohgemacht hatten und ganz unver¬ 
dächtig längere Zeit auf den Abteilungen lagen, Soharlacheruptionen 
erfolgt. Da die pflegenden Schwestern auf verschiedenen Abteilungen 
beschäftigt waren, und auch gerade ein Sohwesternaustausoh auf den 
Stationen stattgefunden hatte, mussten wir die ganze Anstalt als even¬ 
tuell verseucht ansehen. Wir haben auch mehrere kleine Anstalts- 
insassen, die infolge von Temperatursteigerungen und Pharyngitiden 
verdächtig erschienen, in Schutzhaft genommen; aber der einzige kleine 
Patient, der sich nachher in der Tat als angesteokt erwiesen hat, war 
trotz aller Sorgfalt der Durchmusterung bis zum Ausbruch des Exan¬ 
thems nicht beargwöhnt worden. Dieses ablehnende Verhalten der 
Säuglinge, die Ansteckungsverbältnisse sowie «die wechselnde Immunität 
bei älteren Kindern und bei Erwachsenen, die es möglich machen, dass 
z. B. eine Assistentin fast 2 Jahre auf der Scharlachabteilung tätig sein 
kann und dann ganz unerwartet an Scharlach erkrankt, und ähnliche 
Feststellungen haben hervorragende pädiatrische Beobachter zu der 
Auffassung von der anaphylaktischen Natur des Scharlachs geführt, 
während das von Herrn Zuelzer aufgestellte Krankheitsbild des chro¬ 
nischen Scharlachs allerdings im Gegensatz zu der allgemeinen kinder¬ 
ärztlichen Anschauung steht. Jedenfalls wird es sieh für die Beur¬ 
teilung des Behandlungsverfahrens bei der grossen Schwierigkeit der 
frühzeitigen Bestimmung einer eingetretenen Ansteckung um die wenigen 
vorzeitig und sicher erkannten Scharlachfälle handeln. Ein hier fest¬ 
gestellter Erfolg würde allerdings die Ghininbehandlung des Scharlachs 
neben die Serumbehandlung der Diphtherie stellen, der bisher einzigen 
Infektionskrankheit des kindlichen Lebensalters,, die einer sicheren spe¬ 
zifischen Behandlung zugänglich ist. 

Hr. Paul Jungmann: Ich muss auoh einem grossen Teile der Aus¬ 
führungen des Herrn Zuelzer eine gewisse Skepsis entgegenbringen. 
Herr Zuelzer hat sich bei seinen Vorstellungen, die er über den Schar¬ 
lach geäussert hat, im wesentlichen auf Befunde gestützt, die er beim 
Fleckfieber erhoben hat. Er hat hervorgehoben, dass Milz- und Leber¬ 
schwellung bei beiden Krankheiten im Anfänge vorhanden sind und 
dann sehr bald verschwinden. Dass beim Fleckfieber dieses Verhalten 
zutrifft, kann ioh insofern bestätigen, als Milz- und Leberschwellung im 
Beginn des- Fleckfiebers vorhanden sind. Ich habe mich aber in sehr 
zahlreichen Fällen nicht davon überzeugen können, dass schon in der 
Inkubationszeit des Fleckfiebers eine Milzsohwellung vorhanden ist. Ich 
konnte in einzelnen Fällen, die ich gemeinsam mit Herrn Zuelzer in 
Polen seinerzeit gesehen habe, daher seine Frühdiagnose nicht be¬ 
stätigen, und ich glaube, dass in diesen Fällen der weitere Verlauf mir 
damals recht gegeben hat. Deshalb glaube ich auch den Ausführungen 
des Herrn Zuelzer, was die Inkubationsdiagnose des Scharlachs be¬ 
trifft, skeptisch gegenüberstehen zu müssen. Noch ein anderer Grund 
spricht dafür, dass man nicht das Verhalten der Milz nnd der Leber 
beim Scharlach mit dem beim Fleckfieber in Zusammenhang bringen 
kann. Die Fieberdauer der Fieckfiebererkrankungen beträgt, wenn sie 
normal verlaufen, etwa 14 Tage; das Fieberstadium des reinen, unkompli¬ 
zierten Scharlachs dauert aber nur 4 bis 6 Tage. Während dieser Zeit 
ist allerdings — das kann ich bestätigen — beim Scharlach die Milz 
und die Leber geschwollen; aber wenn das Fieber vorüber ist, geht 
auch die Milz- und die Leberschwellung zurück, wie bei andern Infektions¬ 
krankheiten auch. Diese Befunde lassen sich also bei der ganz ver¬ 
schiedenen Dauer der Erkrankungen gar nicht miteinander vergleichen, 
und ich glaube nicht, dass man "weitere Schlüsse bezüglich der Aetio- 
logie und Pathogenese des Scharlachs aus diesem Verhalten der Mils und 
der Leber ableiten kann. 

Nun noch ein Wort zur Therapie. Auch bei der Therapie sind ja 
die Zuelzer’scben Beobachtungen von den Erfahrungen ausgegangen, die 
er bei der Therapie des Fleckfiebers gemacht hat. Ich konnte mich in 
vielen Fällen nicht davon überzeugen — auch im Gegensatz zu Herrn 
Fritz Meyer muss ioh das erwähnen —, dass das Chinin einen heilenden 
Einfluss auf das Fleckfieber ausgeübt hat, wenn man in einer gewissen 
erzwungenen Temperatursenkung eine Heilwirkung sehen will. 

Aber Herr Zuelzer ist noch weiter gegangen und hat auch beim 
Fleckfieber eine Chininprophylaxe versucht. Ich habe schon darauf hin- 
gewiesen, wie unsicher die Diagnose des lnkubationsstadiums des Fleck- 
fiebers ist, und ebenso unsicher muss die Beurteilung des Effektes der 
ChiniDprophylaxe sein. Wenn wirklioh die Chininpropbylaxe Erfolg 
hätte, so müssten wir ja dort, wo aus anderen» Gründen Chininprophy¬ 
laxe getrieben wird, also in Malariagegenden, Fleokfieber äusserst selten 
antreffen. Wir wissen aber aus der Türkei und aus Mazedonien, dass 
gerade das Gegenteil der Fall ist. 

Nun wird Herr Zuelzer sagen: Die geringe Dosis des Chinins ist 
schuld daran. Aber auch diesen Einwand kann ioh entkräften auf Grund 
einiger zufälliger Beobachtungen: bei einigen Malariakranken trat, während 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


sie eine Chininkur mit grossen Dosen Chinin durchmachteD, infolge einer 
Hausinfektion Fleokfieber auf. Man kann also in diesen Fällen wohl 
annebmen, dass, wenn die Zuelzer’sobe Chininprophylaxe Erfolg hätte, 
hier das Fleokfieber hätte unterdrückt werden müssen. Das war aber 
nicht der Fall. Das Fleokfieber nahm einen ganz normalen Verlauf; 
man siebt also hier mit der Sicherheit eines Experiments, -dass die 
Chininpropbylaxe nicht imstande ist, das Fleokfieber zu unterdrücken. 
Aus diesem Grunde möchte ioh auch den Beobachtungen, die die Chinin¬ 
prophylaxe des Scharlachs betreffen, sehr skeptisch gegenüber&tehen. 
Auch möchte ich mich dagegen ausspreohen, so rigoros grosse Dosen von 
Chinin zu geben, wie es Herr Zuelzer getan hat. Wenn ich mich 
recht erinnere, hat Herr Zuelzer vorgeschlagen, bei Rindern 1,5 und 
bei Erwachsenen 8 g Chinin zu injizieren. Ich habe gerade in der letzten 
Zeit unter sehr viel geringerer Chinindosierung bei drei Fällen Neben¬ 
erscheinungen gesehen. Es handelte sich um mehr oder weniger schweren 
Ikterus; bei einem von diesen Fällen, einem Gelenkrheumatismus nach 
Eukupinbehandlung, sogar eine Hämoglobinurie. Es ist gewiss möglich, 
dass hier eine besondere Disposition zu diesen Komplikationen vorlag. 
Aber immerhin glaube ich, man muss doch auch bei diesen Medika¬ 
tionen eine gewisse Vorsicht walten lassen, um nicht einmal Zwischen¬ 
fälle zu erleben. 

Wenn ioh zusammenfasse, kann ich sagen, dass ich nicht den Ein¬ 
druck habe, dass die Zuelzer'soben Ausführungen über den Scharlach 
uns in Bezug auf seine Aetiologie, Pathogenese oder Therapie wesentlich 
gefördert haben. 

Hr. Mosse: Herr Zuelzer knüpft mit Beinen Untersuchungen in 
gewissem Sinne an klassische Arbeiten der Deutschen Klinik an. 
Friedrich hat nachgewiesen, dass bereits im Iokubationsstadium des 
Typhus Milztumoren von erheblichem Umfange vorhanden sein können. 
Was nun den Scharlach anlangt, so sohreibt Friedrich, dass er 
„einige Male“ Milztumoren schon während des Prodromalstadiums 
mit aller Bestimmtheit konstatieren konnte, jedenfalls in der Mehrzahl 
der Fälle nach stattgehabter Eruption. Demnach ist nach Friedrich 
Milzschwellung beim Scharlaoh jedenfalls nicht konstant nachweisbar. 

Was nun im besonderen den Befund von Milztumoren bei Scharlach-' 
kranken Kindern anbetrifft, so dürfte wohl bekannt sein, dass an sich 
schon Milztumoren im Kindesalter recht häufig Vorkommen. Bei Rachitis 
mit und ohne Anämie werden Milzschweilungen beobachtet, ebenso bei 
der grossen Gruppe der Anämien des frühen Kindesalters. Stark gibt 
eine statistische Zusammenstellung aus Sektionsprotokollen: bei 148 Kin¬ 
dern bis zum dritten Lebensjahre wurden in 50pCt. aller Fälle Milz- 
tumoren feslgestellt unter Ausschluss von akuten Infektionskrankheiten, 
Tuberkulose und Syphilis und nach Abzug von 93 rachitischen Fällen 
mit 53 Milztumoren. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhänge 
nioht uninteressant, dass nach einer Zusammenstellung von Johanessen 
in Kristiania gerade das zweite und dritte Lebensjahr eine grosse Mor¬ 
talität an Scharlach aufweisen, nämlich 430 pM. der Gesamtzahl von 
1040 Todesfällen. 

In bezug auf die Ergebnisse der Leberuntersuchungen des Herrn 
Zuelzer ist daran zu erinnern, dass wir in der Urobilmurie ein sehr 
feines Reagens für jede Leberschädigung haben. Das Vorkommen der 
Urobilinurie beim Scharlach ist schon vor längerer Veit beschrieben; 
aber in Untersuchungen von Rach und Reuss aus der Escherich- 
schen Klinik, die 58 Fälle von Scharlach betrafen, konnte die .Uro¬ 
bilinurie niemals vor dem dritten Krankheitstage nachgewiesen werden. 
Nun ist doch auffallend, dass Herr Zuelzer bereits im Inkubations- 
Stadium des Scharlachs eine Lebersohäligung nachweist, während, wie 
gesagt, das Urobilin erst nach zwei Krankheitstagen gefunden werden 
>jcann. 

Um dann zur Therapie des Scharlachs überzugehen, so mochte ioh 
zunächst in gewisser Weise Herrn Zuelzer gegen Herrn Fritz Meyer 
in Schutz nehmen. Herr Zuelzer hat ja gar nicht von der Chinin¬ 
therapie des Scharlachs im allgemeinen gesprochen,. Chinin wird beim 
Scharlach seit Jahrzehnten angewandt, so von Liebermeister, von ' 
Thomas, von Henoch usw. Es ist weiterhin bekannt, dass die sub¬ 
kutane Chiointherapie seit langer Zeit empfohlen ist ausser bei Malaria 
bei intermittierendem und remittierendem Fieber ohne Malaria, bei 
akutem Gelenkrheumatismus, bei Pneumonie, beim Typhus usw. Das 
Neue in den therapeutischen Bestrebungen des Herrn Zuelzer besteht 
darih, dass er im Inkubationsstadium des Scharlachs eine subkutane 
Chinintherapie angewandt hat. Aber man muss nun, glaube ich, bei 
der Bewertung therapeutischer Maassnahmen gerade beim Scharlach 6ehr 
vorsichtig sein. Es ist an die Basler Statistik von Paul Wolfer aus 
dem Jahre 1913 zu erinnern, der bei 694 Fällen überhaupt nur eine 
Letalität von 1,58 pCt. feststellen konnte bei einer rein symptomatischen 
Therapie. Aus der Arbeit geht hervor, dass die Erfolge in Basel nicht 
geringer waren als andernorts bei der Behandlung mit Serum oder mit 
Salvarsan. Pospischill und Weiss berichten in ihrer bekannten 
Arbeit über 3600 Scharlachbeobachtungen. Sie sagen, dass die Therapie 
leider ein fast ausschliesslich negatives Kapitel sei. Sie sprechen von 
„Fiasko“ und von einem» „Katzenjammer“ in bezug auf die Erfolge der 
Serumtherapie auf Grund der Beobachtung von rund 200 schweren 
Soharlachfällen. Gottstein macht für die Letalität in kleinen Beob¬ 
achtungsgruppen nur die Unterschiede in der Widerstandskraft der Be¬ 
fallenen verantwortlich. Ich meine also, wir müssen wirklich grosse 
Zahlen haben, um entscheidend naohweisen zu können, dass tatsächlich 
irgend ein Mittel beim Scharlaoh einen besonderen Erfolg hat. Hoffen 


wir nur, dass die chemotherapeutischen Versuohe von Morgenroth er¬ 
folgreicher sein werden als die bisherigen. 

Wenn ich mein Urteil über die Ausführungen des Herrn Zuelzer 
zusammen fasse, b<t möchte ioh sagen: 1. Die Ergebnisse der Leber- und 
Milzuntersuohungen des Herrn Zuelzer erscheinen nioht eindeutig genug, 
um aus ihnen weitgehende Schlüsse zu ziehen. 2. Es dürfte der Nach¬ 
weis dafür nioht erbracht sein, dass es sich in allen von Herrn Zuelzer 
erfolgreich behandelten Fällen wirklich um Soharlach gehandelt hat. 
3. Bei der Beurteilung und Bewertung therapeutischer Maassnahmen 
beim Scharlach dürfen nur grosse Zahlen entscheiden. 

Hr. Morgenroth: Aus einer Wirkung des Chinins bei Scharlach, 
wie sie Zuelzer vertritt, kann natürlich keinerlei Schluss auf die Natur 
des Erregers gezogen werden. Wissen wir doch, dass dem Chinin nicht 
allzu fernstehende Derivate eine ganz ausgesprochene Wirkung auf 
sicher bakterielle Infektionen! nicht nur beim Menschen, sondern auch 
im Tierversuch ausüben. 

Nun noch ein Wort zu der Frage der Eukupinbehandlung. Es 
ist nicht richtig, wenn man mit Herrn Jungmann von Chinin und 
seinen Modifikationen spricht. Das verwirrt die Sachlage. Den ver¬ 
schiedenen von mir untersuchten Verbindungen kommt eine spezifische 
Bedeutung zu, und sie sind weder im chemischen noch im pharma¬ 
kologischen, weder im chemotherapeutischen noch im klinischen Sinne 
irgendwie als Modifikationen des Chinins zu bezeichnen. 

Was nun die interessanten Beobachtungen von Herrn Fritz Meyer 
betrifft, so schliessen sie sich in ausgezeichneter Weise an eine Beob¬ 
achtung an, die ioh schon in meiner ersten Arbeit mit Tugendreich 
über die desinfizierende Wirkung bei Streptokokken berichtet habe. 
Wir haben damals mit Hilfe des Tierversuchs eine Virulenzminderung 
eines Streptokokkenstammes durch Eukupin beobachten .können. Die 
Versuche stossen auf erhebliohe experimentelle Schwierigkeiten, und es 
ist deshalb eine besondere Erleichterung der Beobachtungen, wenn man 
schon durch ein äusseres Merkmal, nämlich durch den Verlust der 
Hämolyse in der Blufplatte, wie es Herr Fritz Meyer studiert hat, 
den Virulenzverlust angezeigt finden kann. Ich kann nun auf Grund 
zahlreicher Beobachtungen die Beobachtung des Herrn Fritz Meyer 
vollauf bestätigen. Es ist ein immer wiederkehrendes überraschendes 
Resultat, dass man in Reihenversuchen, die man mit Eukupin an 
Streptokokken anstellt, drei Phasen beobachten kann, eine Pnase, in 
der die Konzentration ausreicht, um die Streptokokken abzutöteo, eine 
zweite Phase, in der eine Abtötung der Streptokokken nicht erfolgt, 
bei der aber die hämolytische Fähigkeit vollständig in Verlust gegangen 
ist — sie stellt sich bei Fortzüchtung auf Blutplatten nachher wieder 
ein —, und eine dritte Phase, in der weder eine Keimverminderung 
noch eine'Beeinträchtigung der Hämolyse stattfindet. Ich bin um so 
mehr geneigt, der Anschauung des Herrn Fritz Meyer über die 
Möglichkeit, die Virulenz nach dem Ausfall der Hämolyse zu beurteilen, 
zu folgen, als neuere Beobachtungen, die ich im Laboratorium angestellt 
habe, in eklatanter Weise zeigen, dass der Virulenzverlust der chronischen 
Streptokokkenstämme, wie er im Tierversuch statlfindet, offenbar Schritt 
für Schritt am Verlust der hämolytischen Höhe der Kulturen verfolgt 
werden kann. 

Diese Beobachtungen und die von Fritz Meyer eingeführte 
Eukupinbehandlung der Streptokokkenpneumonie bei Grippe, die von 
Lesohke, v. d. Velden, Böhme, Rosenfeld mit gleich gutem Er¬ 
folg geübt wurde, geben meiner Ansicht nach auch das Recht, auch 
die Streptokokkenkomplikation des Scharlachs mit Eukupin 
zu behandeln. Es ist mir allerdings sobwer verständlich, warum man 
nicht jetzt an Stelle des Eukupins Versuche mit dem erheblich wirk¬ 
sameren Vuzin macht. Das hängt wohl damit zusammen, dass das 
Vuzin während des Krieges für die Wundbehandlung im Heere reserviert 
war und die Wünsche der Aerzte, die es innerlich an wenden wollten, 
nicht erfüllt werden konnten. Jetzt würde es sieh doch eigentlich 
empfehlen, vielleicht zu diesem wirksame^ Präparat überzugehen. Wer 
wie ich 13 Jahre lang vom Leiohentiseh aus die Todesursachen des 
Scharlachs beobachtet hat, kommt eben auch zu der Ueberzeugung, 
dass, wenn man von den ganz foudroyanten Fällen absieht, die ohne 
Streptokokkenbefund verlaufen, den Streptokokken eine ganz unheimliche 
Wirkung zukommt, und man muss sich auch die Frage vorlegen — 
wenn ich auch Herrn Mosse ganz recht geben will, dass es sehr schwer 
sein und grosser Beobaohtungsreihen bedürfen wird, bis man zu gewissen 
statistischen Schlüssen kommen wird —, dass man eine Prophylaxe 
der Streptokokkeninfektion des Scharlachs mit Hilfe von 
Eukupin oder Vuzin immerhin ins Auge fassen sollte. 

Hr. Zuelzer (Schlusswort): Ich bedaure ausserordentlich, dass die 
knappe Vortragszeit Missverständnisse möglich machte, dass z. B. Herr 
Ziemann annehmen konnte, ioh hätte aus der günstigen Chininfrüh* 
behandlung beim Scharlach auf die Protozoennatur der Erreger ge¬ 
schlossen. Ganz im Gegenteil, ich bin davon ausgegangen, dass die 
Analogie in dem klinischen Verhalten bei Malaria und beim Scharlach, 
die daria besteht, dass im Inknbationsstadium bei beiden Erkrankungen 
Leber und Milz gross sind und mit Ausbruch des Fieberanfalls von Tag 
zu Tag kleiner werden, ich sage, dass diese eigenartige, in der ganzen 
Pathologie sonst nicht vorkommende Veränderung den Schluss zulässt, 
dass die gleiche Erregerart Ursache der gleichen Veränderungen ist. 
Diesen Analogieschluss habe ich auf Grund von Tausenden von Einzel¬ 
untersuchungen gemacht und habe dann weiter geschlossen, dass, wenn 
die Malariaprotosoen durch Chinin in spezifischer Weise beeinflusst 


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8. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1178 


werden, so muss das gleiohe auoh für die Scharlaoh- und Fleokfieber- 
eirreger zutreffen. 

loh habe dann weiterhin ausgeführt, dass Binz bereits lange vor 
der Entdeckung der Malariaerreger ihre Frotozoennatur angenommen hat 
auf Grund der Beobachtung, dass freilebende Protozoen von Chinin 
abgetötet werden, und auf Grund der empirisch feststehenden spezifischen 
Chininwirkung bei Malaria. Herr Ziemann hat im Gegensatz zu seinen 
Ausführungen in seinem klassischen Malariawerke diese Ansicht hier als 
veraltet angesproohen. Dort schreibt er, dass die Frage noch offen ist, ob 
die Chinin Wirkung bei Malariakranken, also in vivo, die gleiohe direkte 
ist, wie sie in vitro für bestimmte Protozoenarten festgestellt ist, oder 
ob es sioh nicht vielmehr in vivo um eine indirekte Wirkung bandelt. 
Ich möchte dazu bemerken, dass ich zwar bei ganz frischen Fällen, wo 
eine intensive Chininkur auch zur Heilung führt, eine direkte Wirkung 
annehme; bei den chronischen Malariafällen jedoob, die oft duroh Chinin 
geradezu malträtiert worden waren, habe ich zum Teil Veränderungen ge¬ 
funden, die es wahrscheinlich machten, dass, wenn hier überhaupt noch 
Chinin wirkte, es nur auf indirektem Wege geschehen konnte. Ich fand 
nämlich in einer Reihe vpn Fällen bei Kranken, die 100—150 g Chinin im 
Jahre gebraucht hatten, Veränderungen myxödematöser Natur, Atrophie 
der Thyreoidea usw. In 10 derartigen Fällen konnte ich duroh Verab¬ 
reichung von Thyreoidin unter völligem Ausschluss von Chinin woohen- 
lange Anfallsfreiheit erzielen. 

Weiterhin scheint mir aber die Entscheidungsmöglichkeit, ob Chinin 
in vivo direkt oder indirekt auf die Malariaerreger wirkt, erst dann ge¬ 
geben, wenn eine Lücke der Malariaforschung, die bisher merkwürdiger¬ 
weise in allen Büchern stillschweigend übergangen wurde, geschlossen 
ist. Wir kennen den Kreislauf des Malariaerregers in der Mücke und 
auch scheinbar den im menschlichen Organismus, wir wissen aber nioht, 
was aus dem Sporozoiten wird, .nachdem er in den menschlichen Orga¬ 
nismus eingedrungen und vom roten Blutkörperchen aufgenommen ist. 
Naeh 2—S Wochen treten dann mit dem ersten Anfall die Plasmodien 
im Blute auf, aber über die Entwicklung des Erregers in der Zwischen¬ 
zeit, die sich gerade in 4 Analogie zum Scharlach und Fleckfieber in Leber 
und Milz abspielen muss, wie die Vergrösserung dieser Organe beweist, 
ist nichts Näheres beschrieben worden. 

Weiterhin ist die Leber- und Milzvergrösserung bzw. die Möglichkeit 
ihres Nachweises beim soharlach in Zweifel gezogen worden. Trotzdem 
diese Erkrankung von Tausenden von Aerzten 4 Jahre lang beobaohtet 
worden ist, ist auf die diagnostisch wichtige Vergrösserung der Leber 
vor dem Anfall ausser von mir nur noch von Seyfarth 1918 hinge¬ 
wiesen worden, und doch ist dieses Symptom viel charakteristischer und 
sicherer als der Naohweis der Plasmodien, der.in 50 pCt. der Fälle ver¬ 
sagt. Es ist eben die Aufmerksamkeit der Aerzte auf die Vergrösserung 
dieses Organs nicht hingelenkt worden, da sie in der Regel bei Malaria 
und beim Scharlach wohl kaum je zu Funktionsstörungen führt. Ausser¬ 
dem sind die Aerzte seit Jahrzehnten gewohnt, die Leber und Milz zu 
palpieren, während, worauf ich in meinem Vortrage hingewiesen habe, 
nur die Schwellenwertsperkussion die Vergrösserung richtig beurteilen 
lässt, da hier keine byperplastisoh entzündlichen, also palpable Ver¬ 
änderungen vorliegen. leb weise nochmals darauf hin, dass bezüglich der. 
Milz ihre anfängliche Vergrößerung und allmähliche Verkleinerung 
während des Fleckfieberverlaufs, die ich ebenfalls duroh die Seh wellen- 
wertsperkussion gefunden habe, von der entscheidenden pathologisch- 
anatomischen Instanz bestätigt worden ist. Ich bin nur einen Schritt 
weiter gegangen und habe in diesem Verhalten ein biologisches Gesetz 
erblickt und daraus die weiteren Schlussfolgerungen gezogen. 

Bezüglich der Do hl ersehen Körperchen verweise ich auf die Aus¬ 
führungen des Vortrages. Wenn Herr Bernhard bezüglich der Leber 
angeführt hat, dass sie sich während des akuten Scharlachs vergrössere, 
so habe ich ja gerade das Gegenteil behauptet. Er kann nur die 
foudroyanten Fälle im Auge haben, die mit schwerem Blutzerfall einher¬ 
gehen. In gleicher Weise betreffen die Fälle von Schuppung, die er 
anführt, wenn er sie als entzündlichen Vorgang auffasst, ganz andere 
Fälle, als die von mir geschilderten; er hat doch höchstwahrscheinlich 
nur bei akuter Skarlatina mit Exanthem die betreffenden Hautstüoke 
untersucht, also in Fällen, in denen es zu einer Entzündung der Haut 
gekommen war, während ich umgekehrt die Hautentzündung (das Ex- 
aqthem) durch die Frühohininbehandlung vermeide und daher berechtigt 
bin, die Schuppung alslrein trophisohe Störung zu betraohten. Wir 
kennen doch alle Fälle schwerer Allgemeinerkrankung, die an Ent¬ 
kräftung zugrunde gehen, und bei denen sich allmählich eine starke 
Schuppung entwickelt hat. Hier zweifelt wohl niemand daran, dass es 
sieh um einen atrophischen Vorgang handelt. 

Des weiteren wurde bezweifelt, dass wir in der Lage sein könnten, 
sporadische Fälle von Scharlach in der von mir angegebenen Weise zu 
erkennen. Meine Erfahrungen sprechen dagegen. Der Verdacht, dass 
es Biob um beginnenden Scharlach handelt, wenn HalB-, Kopfschmerzen 
usw. die Krankheit einleiten, ist nioht sehr fernliegend. Die Untersuchung 
von Leber und[}Milz sichert dann die Diagnose. Ich muss nochmals' be- 
sonderstdarauf" hin weisen, dass die leiseste oder Schwellenwertsperkussion 
allein die* Vergrösserung erkennen lässt, weil beide Organe von Darm 
überlagert sein können. Bezüglich der Leber erscheint es zweckmässig, 
dieJPerkussion'unter der von mir angegebenen Modifikation vorzunehmen, 
indem man die Kranken auffordert, tief einzuatmen und dann den Leib 
aufzublasen. Auf diese Weise wird die festweiohe Leber an die Wand 
gepresst, vollständig wandständig und so der einheitlichen leisesten Per¬ 
kussion zugänglich. 


^ Herr Jürgens hat mich wohl ganz missverstanden, wenn er den 
Scharlach im Inkubationsstadium als atypischen Scharlach bezeichnet 
und das Inkubationsstadium als willkürlich gewählt ansieht, ln meinem 
Vortrage habe ich die Ausdehnung der Inkubationszeit bis zur Grenze 
der Ghininwirkung begründet. Wenn weiter erwähnt wurde, dass das 
Chinin schon oft und ohne jeden Erfolg angewandt worden ist, so ist 
darauf hinzuweisen, dass es* sicher niemals systematisch im Inkubations¬ 
stadium angewandt wurde und wenn je, so waren die Dosen sicher zu 
klein. Zur Kopierung des Scharlachs muss, um eine mittlere Zahl zu 
nennen, ein lOjähriges Kind am Tage lVz—2 g intramuskulär erhalten. 

Ich möchte zum Schluss auf das prinzipiell Neue eingehen, das in 
dem Vorschläge der Behandlung der akuten Infektionskrankheiten im 
Inkubationsstadium liegt. Die Syphilidologen sind uns darin bereits 
voraogegangen. Ihnen gilt es wohl schon heute als Kunstfehler, die Lues 
nioht im frühesten Stadium, also vor Ausbruch des Exanthems, zu be¬ 
handeln. Das gleiohe fordere ich für den akuten Scharlach, und bei 
den schweren Gefahren, die der Scharlach birgt, hat wohl Herr Geheim¬ 
rat Lentz durchaus recht, wenn er trotz des Widerstandes, den ich 
bisher gefunden, für die weiteren Versuche in dieser Richtung einge¬ 
treten ist. Die Temperaturkurven, die ich Ihnen hier vorgeführt habe, 
und die bis auf eine den Buerer Krankenhäusern entstammen, beweisen, 
dass selbst bei einer so schweren Epidemie, wie sie dort herrschte, die 
Therapia magna sterilisans durch Chinin möglich ist. Für jeden, der 
epidemiologisch zu denken gewohnt ist, ist ein Zweifel, dass es sioh in 
diesen Scharlachfrühfällen aus der Umgebung der Sobarlachkranken 
wirklioh um Scharlach gehandelt hat, nicht möglich. 


Berliner Gesellschaft für Psychiatrie and Nervenkrankheiten. 

(Offizielles Protokoll.) 

„ Sitzung vom 16. Juni 1919. 

Vorsitzender: Herr Liepmann. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

- 1. Hr. Liepmann: Gedenkwort für H. Oppenheim im Namen der 
Gesellschaft. 

2. Hr. Cassirer: Gedächtnisrede anf B. Oppenheim. 

S. Hr. Henneberg: Rückenmarksbefnnde bei Spina bifida. 

Das Verhalten des Rückenmarkes bei Spina bifida ist nicht genügend 
erforscht. Vortr. demonstriert die Präparate von 3 Fällen. 1. 1V 2 Monate 
altes Mädchen, leichter Hydrozephalus, Parese der Beine, Klumpfuss 
links, kein zystischer Tumor, Spalt vom 10. Dorsalwirbel bis' zum Steiss- 
bein reichend, dattelgrosse Area medullo vasculosa. Diese verkleinert 
sioh während der Behandlung. Befund: Rachisohisis partialis. 2. S 1 /} Monate 
alter Knabe, 2 Geschwister gingen an Spina bifida zugrunde, 9 cm 
langer zystischer Tumor am 10. Dorsalwirbel beginnend, Haut über 
demselben völlig intakt, Parese der Beine, links Spitzfuss, rechts Klump¬ 
fuss. Befund: Myelomeningooele subcutanea (Neumann), Kleinhirnhypo¬ 
plasie, Arnold’sche Missbildung. 3. 2 1 j 2 Monate alter Knabe, Hydro¬ 
zephalus, schlaffe Lähmung der Beine, Spalt am 1. Lumbalwirbel be¬ 
ginnend, zystischer Tumor, 8*cm lang, 4 cm breit. Befund: Myelo- 
meningozele, epidermisiert, Vereiterung der Hohlräume. 

Vortr. unterscheidet Spina bifida cystica und simplex (Rachischisis), 
ferner offene, subkutane und vernarbte Myelomeningozele. * Die Area 
medullo-vasculosa liegt bei offener Myelozele nicht frei zutage, auf ihrer 
Oberfläche bildet sich eine Schicht von kernreiohem Granulationsgewebe, 
auf dieses kann von der Zona epithelio-serosa die Epidermis hinüber- 
waohsen. Nach der Vernarbung zeigt die Haut keine Schweissdrüsen 
und Haare. Kommt die Ueberbäutung noch frühzeitig intrauterin zu¬ 
stande, so zeigt die Haut mehr oder weniger normale Beschaffenheit. 
Kommt die Einrolluog der Platte ganz oder teilweise noch verspätet 
zustande, so entstehen Uebergangsformen zur Myelozystozele. Starke 
Zerklüftung der Platte durch Bindegewebssepten kommt vor. In allen 
3 Fällen fand sich Diastematomyelie, und zwar an der Uebergangsstelle 
vom geschlossenen Rückenmark zur Area medullo-vasculosa, auch unter¬ 
halb der Area findet sich mehr oder weniger deutliche Diastematomyelie. 
Die Entwicklung der medialen Verbände kann allerdings eine sehr 
schlechte sein. Auoh in der Area können die beiden nioht geschlossenen 
Hemistelen (Halbsäulen, analog: Hemisphären) auseinanderrüoken und 
durch ein Septum getrennt sein. Myelitische und leptomeningitische 
Veränderungen in der Area bzw. in den weichen Häuten sind häufig. 
In den geschlossenen Rückenmarksteilen findet sich Hydroiayelie und 
Spaltbildungen, die denen bei Syringomyelie völlig gleichen. Es kommt 
zu Nekrosen und Spalten |in t der grauen Substanz, Begrenzung des 
Spaltes durch Bindegewebe, Stehenbleiben von Gewebsbalken in den 
Spalten. Der Prozess ist ein langsam progressiver. Manche^Fälle von 
Syringomyelie und Hydromyelie können als rudimentäre Spina bifida 
aufgefasst werden. Sie sind die Folge eines verzögerten bzw. gestörten 
Zusammenschlusses in der hinteren Schliessungslinie. Der Goll’ache 
Strang zeigt im oberen Dorsal- und im Zervikalmark ausgesprochene 
Hypoplasie, das gleiohe gilt von der Kleinhirnseitenstrangbahn. Schädi¬ 
gung bzw. Aplasie der in die Area eintretenden Lumbosakralwurzelfasern 
bzw. Hypoplasie bzw. Aplasie der Clarke’schen Säulen erklären den 
Befund. (Eigenbericht.) 

Ausspraohe. 

Hr. Sohuster demonstriert eine Reihe von Photogrammen aus der 
Klinik der Rachischise: Röntgenaufnahmen, welche Lücken in den Wirbel- 


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1174 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


bögen und abnorme Durchlässigkeit der ganzen Wirbel zeigen, ferner 
Missbildungen des Fussea (Hoblfuss), abnorme Behaarungen und trichter¬ 
förmige Einziehungen der Haut der Kreuzbeingegend u. ä. Er erwähnt 
ferner das Vorkommen epileptischer Zustände bei Patienten mit Rachi- 
schise, weist auf die gelegentlich vorhandene Druckempfindlichkeit der 
eingezogenen kleinen Hautstellen in der Kreuzbeingegend hin (beim 
Drück entsteht ein anscheinend durch Kompression des Liquor erzeugtes 
„Schaudergefühl“ im ganzen Körper), und er weist auf die häufig in der 
Aszendenz vorhandenen schweren Erscheinungen, Diabetes, Lues usw., hin. 

(Eigenbericht.) 

Hr. L. Jacobsohn fragt, ob vordere und hintere Wurzeln bei den 
Doppelbildungen nur in je ein Vorder- und Hinterhorn treten oder auf 
beiden Seiten. Die Entscheidung darüber würde zur Auffassung der 
Bedeutung der beiden Rüekenmarkskoraplexe viel beitragen können. 

Hr. Henneberg (Schlusswort): Bei weitgehender Differenzierung 
der sogenannten medialen Verbände sieht man bei Diastematomyelie 
vordere und hintere Wurzelfasern in den überzähligen grauen Massen, 
auch Vorderhornzellen, so in dem Falle von Henneberg und Westen¬ 
hofer 1 ). In den demonstrierten Fällen sind die medialen Verbände 
vielfach nur aDgedeutet und schattenhaft infolge mangelhafter Mark- 
scheidenentwicklung. (Eigenbericht.) 


Aerztlicher Verein zu München. 

Sitzung vom 21. Mai 1919. 

1. Hr. Haymaim: Ueber die Prinzipien der chirurgischen Be¬ 
handlung von Ohrschüssen. Bei Ohrsteckschüssen ist im allgemeinen 
die operative Entfernung angezeigt. Verlaufen rie ganz reaktionslos, so 
sind gewöhnlich die mittleren Partien nicht mitbeteiligt. Geschosse, 
die oberflächlich liegen, sollen unter allen Umständen entfernt werden, 
$uoh wenn sie keine Beschwerden machen. Die Durchschüsse stellen 
Rinnen-, Segmental- und Tangentialschüsse dar. Freilegung des Schuss¬ 
kanals ist immer angezeigt, wenn gleichzeitig Hirnläsion besteht, wenn 
entzündliche Prozesse vorliegen oder wenn die Zerstörungen im Ohr¬ 
gebiet dergestalt sind, dass eine günstige Spontanheilnng nicht zu -er¬ 
warten ist. Wenn eine gleichzeitige Läsion des Gehirns auszuschliessen 
ist und keine Verletzung der Mittelobrräume vorliegt, kann man konser¬ 
vativ behandeln. Dasselbe gilt auch dann, wenn die Grösse des Ein¬ 
griffs in keinem Verhältnis zum Erfolg steht. Bei Prell- und Streif¬ 
schüssen ist Fissur- und Splitterbildung sowie grössere Läsion (Trommel¬ 
fell) für die Therapie maassgebend. Wenn keine Infektionsgefahr vor¬ 
liegt, kann man konservativ behandeln. Schädigungen der äusseren 
Weichteile werden operative Maassnahmen erfordern, wenn beispielsweise 
ein Verschluss des äusseren Gehörgangs entstanden ist oder aus kos¬ 
metischen Gründen. Der Zeitpunkt der Operation wird durch die Mög¬ 
lichkeit sacbgemässer spezialistiscber Behandlung sowie durch die vitale 
Indikation bestimmt. Besonders bei drohender Infektionsgefahr darf 
man nicht zuwarten. Um noch auf Einzelheiten eiozugehen, ist die Er¬ 
haltung und Wiederherstellung des Gehörgangs sehr wichtig, was sich 
manchmal schon konservativ durch Tamponade des Gehörgangs erreichen 
lässt. Bei Verletzung der knöchernen Gehörgangs wand muss man fast 
immer operativ eingreifen. Verletzungen der Mittelohrräume bedingen 
fast immer Operation, besonders wenn entzündliche Prozesse vorhanden 
sind. Es ist nämlich sehr schwer, ihre Ausdehnung zu erkennen, die 
Möglichkeit von Gehirnscbädigung ist sehr gross, und eine spontaüe 
Heilung ist nur selten zu erwarten. Indirekte Mittelohrschädigungen 
durch Detonatiouen und durch Fortleitung bei Kopfschüssen verlangen 
konservative Methode und prophylaktischen Versuch, das Auftreten einer 
Infektion zu verhüten. Also nicht spülen, sondern tamponieren! Operative 
Indikation bei Labyrinthschüssen: Grössere Verletzungen, Infektions¬ 
gefahr, gleichzeitige Hirnläsion. 

2. Hr. Dfirk: Die Veränderung des Zentralnervensystems bei 
komatöser Malaria tropica und die nosologiscbe Stellung der Malaria. 

(Mit Demonstrationen.) Die Malaria hat im Weltkriege eine kolossale 
Bedeutung gewonnen, und besonders die Malaria tropica hat zeitenweise 
am Balkan die militärischen Operationen bei Freund und Feind ganz 
zum Stehen gebracht. In den Sturzbächen Mazedoniens finden nach 
Do fl ein die Anopheliden sehr günstige Lebensbedinguogen. Die Fälle 
Dürk’s stammen besonders aus dem Wardathal und aus der Gegend 
von Thrazien aus den Jahren 1916 und 1917. Die tropische Malaria 
nahm im August ihren Anfang, erreichte im September den Höhepunkt 
und flaute gegen den Oktober zu ab. In Xanthi lagen allein über 1800 
Malariakranke. Manche deutschen Verbände waren bis auf den letzten 
Mann von der Malaria ergriffen. Sehr interessant ist bei der thrazischen 
und mazedonischen Malaria das Auftreten zentraler Störungen in einem 
Grade, wie es selbst bei der Malaria tropica nicht der Fall ist. Seifert 
berichtet, dass viele Leute mit der Diagnose Hirnblutung und komatös 
eingeliefert wurden. Auoh bei den von D. sezierten Fällen war das 
Koma ganz plötzlich, ohne besondere Vorboten aufgetreten. Manche 
Leute wurden tot aufgefunden, und die Sektion ergab erst Aufklärung. 
Italienische und amerikanische Autoren haben schon früher auf die Be¬ 
ziehungen von multipler Sklerose und Malaria hingewiesen. Vortr. hat 
bei 30 Fällen das Gehirn genau untersucht. Der Befund ist sehr ein¬ 
deutig. Weiche Hirnhäute durchsichtig, mässig blutreich und manchmal 


1) Henneberg und Westenhöfer, Mschr. f. Psych. u. Neurol., 
Bd. 33. 


schon makroskopisch Entzündungsherde nachweisbar. Es handelt eich 
um begrenzte Meningitiden. Das • Gehirn ist gross und schwer, die 
Windungen sind stark abgeplattet. Auf dem Durchschnitt durch das 
Gehirn ist die Rinde schiefergrau und setzt sich scharf vom übrigen 
Gehirn ab. Ebenso verhält sich das Zentralgrau. Doch kommen Fälle 
von schwerer Malaria vor, bei denen jede makroskopische Veränderong 
fehlt. Ferner sieht man manchmal bogig begrenzte Flecken im Grau. 
Die auffallendste Erscheinung, die aber nicht immer vorliegt, ist das 
Auftreten der punktförmigen Blutaustritte besonders in den subkorti¬ 
kalen Randpartien, im Balken und im Nacleus dentatus des Kleinhirns 
(Purpura haeraorrhagica des Gehirns). Ferner finden s'ch kleinere oder 
gröbsere Erweichungsherde. Zahlreicher und charakteristischer sind die 
nrkroskopischen Veränderungen: 1. solche, die im wesentlichen aus 
einer mechanischen Wirkung sich erklären (Gefässverlegung: Blutungs¬ 
und Erweichungsherde), 2. entzündliche Veränderungen, die sich durch 
die Gefässwand hindurch auf das Gehirn äussern. Regressive und ent¬ 
zündliche Prozesse greifen innig ineinander hinein. Ein grosser Teil ist 
nicht für Malaria charakteristisch anzuspreohen. Wir finden sie bei 
chronisch pathologischen Prozessen im Gehirn sowie bei Infektions¬ 
krankheiten. Die Infiltrate an den Gehirnhäuten sind umgrenzte akute 
Meningitiden. Was die Gehirngefässe betrifft, so ist das hervorstechendste 
Merkmal die Füllung mit Plasmodien. Am besten nachweisbar sind die 
Parasiten in den Stadien, in denen sie schon Pigment gebildet haben. 
Besonders die kleinen Tropikaringe kann man bei nicht spezieller 
Färbung leicht übersehen. Die Parasiten finden sich gewöhnlich in den 
Venen und zwar liegen die parasitenhaltigen reten Blutkörperchen am 
Rand der Gelasse, während die freien Blutkörperchen im axialen Strom 
schwimmen. In den späteren Stadien verschwinden die Plasmodien und 
es finden sich Merozoiten. Die Eodothelien geraten in eine sehr starke 
Wucherung. Da die Arterien nur wenig mitbefallen sind, finden Bich 
nur wenig Infarkte. Eine eigentümliche Erkrankung des Gefässapparates 
ist eine Verkalkung der Gefässwand bei chronisch verlaufenden Malaria¬ 
fällen. Es ist dies besonders eine Mediaverkalkung. Nur in einem Fall 
sah D. ganze Gefässbüodelwuc.herungen. Im ektodermalen Anteil des 
Zentralnervensystems sind die Veränderungen spezifisch. Die perivasku¬ 
lären Gliazellwucherungen sind sehr zahlreich. Man kann daraus 
schliessen, dass ein grosser Teil der Gitterfasern im Zentralnerven¬ 
system gliöser Abkunft ist. Eine andere Erscheinung ist die Trabant- 
zellenwucberung der Ganglienzellen mit Neuropbagie. Vortr. hat dies 
auoh an den Pinrkinje’sohen Zellen gesehen. Eine besondere Form von 
Gliawucherung in der Kleinhirnrinde zwischen Glia und Purkinje’scher 
Schicht sind weitverzweigte Gliazellanbäufungen. Dabei tritt eine 
kolossale Bildung von mitotischen Figuren an den Gli&zellen auf, wie 
sie auch bei Fleck- und Abdominaltyphus beschrieben sind. Am meisten 
charakteristisch ist die Bildung von ganz umschriebenen Zellknötchen 
in der ganzen Ausdehnung des Zentralnervensystems. Am meisten 
ausgesprochen sind sie bei gleichzeitigem Vorhandensein von Hämorrbagien 
(Flohstichenzephalitis). Vortr. hat die Knötchen in allen 30 Fällen 
naobgewiesen. An den Knötchen kann man verschiedene Stadien ver¬ 
folgen. Zuerst ungeordnete Gliazellen um ein Gefass herum, das mit 
Plasmodien oder deren Resten besetzt ist. Im zweiten Stadium nehmen 
die Gliazellen Rosetten form zueinander an. Im dritten Stadium ist 
diese Stellung nooh viel deutlicher, 69 ist eine ausgesprochene Gänse- 
blümchenfigur. Eine Beteiligung von mesodermalen und hämathogenen 
.Zellen ist nicht zu erweisen. Die Beziehung dieser Knötobenzellen zur 
Hirnsubstanz selbst zeigt sich darin, dass intakte Achsenzylinder darch 
die Knötchen hindurchziehen. Wo die Herde auf das Ependym treffen, 
lösen sie starke Entzündungen aus . in Form von granulosenähnlichen 
Bildungen. Wir haben es hier mit bleibenden Veränderungen zu tun. 
Daraus erklärt sich vielleicht auch die Beziehung der Malaria zur mul¬ 
tiplen Sklerose. Die Malaria ist also keine relativ harmlose Erkrankung. 
Sie führt nicht nnr im akuten Stadium zum Tod, sondern binterlässt 
dauernde Erkrankungen des Zentralnervensystems. Nobiling. 


Zur Frage des Friedmann'schen Heilmittels 
gegen Tuberkulose. 

Von geschätzter Seite geht uns folgendes Schreiben zu: 

„Die neulichen Verhandlungen in der Preussischen Landesversamm¬ 
lung haben gezeigt, dass die Aussprache über den Weit des Fried - 
mann’sehen Heilmittels gegen die Tuberkulöse noch immer niaht 
losgelöst wird von den zahlreichen, ungewöhnlichen Begleiterscheinungen, 
die mit dessen Einführung verknüpft waren. 

Die Wichtigkeit der eigentlichen Frage, ob die Einverleibung 
lebender Sohildkrötenbazillen in den menschlichen Körper imstande ist, 
die fürchterliche Volksseuche, welche drohender als je ihre Verheerungen 
anrichtet, wirksamer, schneller und zuverlässiger zu bekämpfen als adle 
bisher gebrauchten Maassnahmen, kommt bei diesen Auseinandersetzungen 
zu kurz — sie wird fast zur Nebensache, während sie die Hauptsache 
sein sollte. Handelt es sich doch um die so überaus wichtigen, tat¬ 
sächlichen Feststellungen, welche die fundamentale Bedeutung einer die 
gesamte Menschheit berührenden Angelegenheit klären sollen. 

Bisher steht u. E. weder unzweifelhaft fest, dass Fr.’s 
Mittel die von seinem Erfinder ihm zugesproohenen Eigen¬ 
schaften wirklich besitzt, noch ist es möglich, behaupten 
zu wellen, dass sie deren ermangelt. 


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8. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1175 


Die io den Verhandlungen ^wissenschaftlicher Vereine erörterten und 
die in der Fachpresse niedergelegten Erfahrungen derer, die Gelegenheit 
hatten, das neue Verfahren anzuwenden, sind nicht frei von subjektiven 
Eindrücken und Erwägungen — und dieser Nachteil trifft sowohl für in 
günstigem als auch für in ungünstigem Sinne sich aussprechende Mit¬ 
teilungen zu. 

Es fehlt bis heute an Erhebungen, welche darohaus zuverlässig ge¬ 
nannt werden können, und denen uneingeschränkte Beweiskraft zu¬ 
erkannt werden darf. 

Diese im Interesse der Sache sehr zu bedauernde Tatsaohe ist zum 
grossen Teil darin begründet, dass der wechselvolle Verlauf der Krank¬ 
heit gerade in den von Fr. mit Recht für die Anwendung seiner Methode 
bevorzugten Anfangsfällen die objektive Beurteilung sehr erschwert. 
Allerlei Aenderungen rein äusserlicher Verhältnisse, die mit dem be¬ 
nutzten Heilmittel, welcher Art es auch sei, gar nichts za tun haben, 
aber dennoch in Kraft treten, sobald überhaupt ärztliche Tätigkeit be¬ 
ginnt, beeinflussen die klinischen Bilder. 

Es kann nun sicherlich nicht geleugnet werden, dass es ein un¬ 
schätzbarer Gewinn wäre, wenn die günstigen Berichte bei einer sorg¬ 
fältigen, einwandsfreien Prüfung sich bestätigen würden. Keine 
Mühe kann zu gross sein, kein Opfer zu schwer genannt werden, um in 
einer dem Ernst der Dinge gerecht werdenden Form die Wahrheit zu 
ergründen. 

Das dürfte aber leicht ermöglicht werden können. 

Vorbedingung wäre, dass die zuständigen Behörden die Saohe in 
die Hand nehmen, eine amtliche, für gänzliche Sachlichkeit Gewähr 
leistende Untersuchung angestellt wird, dass alle Beweggründe zu 
Streitigkeiten ausgeschlossen, keinerlei alte Zwistigkeiten berührt werden. 

Deswegen wäre es sehr wünschenswert, dass nur Personen mit den 
Erhebungen sich befassen, welche bisher keinerlei öffentliche Stellung in 
dem „Kampf der Meinungen“ genommen haben. Ferner sind als maass¬ 
gebende Beobachter nur Leiter grosser Krankenanstalten anzuerkennen, 
die über das gesamte Rüstzeug wissenschaftlicher Forschung verfügen, 
und deren Sachkenntnis unbestritten ist. 

Diese Herren müssten es übernehmen, Herrn Fr. selbst aus ihrem 
Krankenbestand alle Fälle bestimmen zu lassen, die nach seinen Grund¬ 
sätzen seiner Methode zugängig sind, während ihm das Recht zugebilligt 
wird, die anderen abzulehnen. 

Von den dergestalt Ausgewählten wird die Hälfte — die etwa mit 
dem Los bezeichnet werden könnte — mit seinem Mittel unter pein¬ 
lichster, gewissenhaftester Befolgung seiner Vorschriften 
behandelt, dip andere Hälfte nach freiem Ermessen wie früher versorgt. 

Die übrigbleibenden Kranken — also diejenigen, für welche nach 
dem persönlichen Urteil Fr.’s von seinem Mittel kein Vorteil erwartet 
werden kann — werden gleichzeitig und unter möglichst gleichartigen 
äasseren Verhältnissen in beliebiger anderer Weise kuriert, mit der Maass¬ 
gabe, dass die mit sehr vorgeschrittener Tuberkulose Behafteten nicht 
zu den Feststellungen herangezogen werden. 

Selbstverständlich ist, dass während der Beobachtungszeit über alle 
Vorkommnisse des Krankheitsverlaufs ein Protokoll geführt wird, das 
besonders sich auf die Dinge bezieht, welche nach Fr. die Wirkungen 
seiner Injektionen stören. 

Nach gemessener, vorher von Herrn Fr. anzugebender Zeit muss 
der Vergleich zeigen, welche Art der Heilkunst grösseren Nutzen all¬ 
gemeiner und örtlicher Natur gehabt hat. 

Gegen diesen Weg, die Erkenntnis zu suchen, wird von vielen ein¬ 
gewendet werden, dass er von den bislang üblichen Gepflogenheiten der 
Kliaiken ab weicht und dass er sich nicht mit dem Verantwortliohkeits- 
gefühl der Krankenhausdirektoren verträgt. Nur letzteres Bedenken ver¬ 
dient Berücksichtigung und verlangt für den Leiter der Versuchsreihe 
die Berechtigung, im Verlaufe der Versuche die ihm erforderlich er¬ 
scheinenden Aenderungen der Frischen Anordnungen eintreten zu lassen, 
eventuell nach Beratung mit Fr. Aber der Weg ist einfach, wird allen 
Bedingungen, die Fr. an die Abgabe seines Mittels knüpft, gerecht, 
sichert die Objektivität der Beurteilung, und verhindert, dass Ein¬ 
wendungen gegen die Richtigkeit des Ergebnisses gemacht werden können. 

Die Schwierigkeiten, welche sich den dergestalt an¬ 
zustellenden Erhebungen bieten, sind gering, den guten 
Willen Aller vorausgesetzt, welche mit der bedeutungsvollen 
Arbeit betraut werden. Viele von ihnen werden nur ungern sich einer 
gewissen Bevormundung fügen, die den bewährten Gebräuchen in der 
Medizin fremd ist. Aber das Bewusstsein, eine Ehrenpflicht gegen die 
Allgemeinheit zu erfüllen, möge sie dieses Opfer ertragen lassen. Grosses 
steht auf dem Spiel und es wäre sehr traurig, weon es nicht gelingen 
sollte, entweder einer segenbringenden Bereicherung unseres Heilsohatzes 
den ihr gebührenden Platz zu verschaffen oder einen, vielleicht sehr 
folgenschweren Irrtum zu beseitigen. 

Die Art der vorgeschlagenen Enquete, welche übrigens mit Leichtig¬ 
keit auch auf die Präventivimpfung von Säuglingen übertragen werden 
konnte, ist allerdings in bezug auf ihre wissenschaftliche Bedeutsamkeit 
den von anderer Seite (z. B. His) verlangten Kontrollen unterlegen, sie 
genügt aber den praktischen Bedürfnissen und bewegt sich durchaus in 
dem Gedankengang des Erfinders der neuen Heilmethode. 

Und noch Eines! Man will ein Institut begründen, in welchem 
Aerzte für die Ausübung des Fr.’sohen Verfahrens ausgebildet werden 
sollen. Mit Durchführung des hier gemachten Vorschlages ist das ge¬ 
wünschte Institut vorhanden. Alle Assistenten der Krankenhäuser, 
alle in deren Nachbarschaft wohnenden Aerzte finden bequeme und 


billige Gelegenheit zu erlernen, was man sie lehren will, und zwar in 
bester Form; — denn sie erhalten zugleioh die Befähigung der richtigen 
Kritik.“ — 

Wir unterb/eiten diesen, wie uns scheint, sehr beachtenswerten Vor¬ 
schlag der Oeffentlichkeit, nioht ohne uns die praktischen Schwierigkeiten 
zu verhehlen, die mit seiner Ausführung verknüpft wären. Er entfernt sioh 
im übrigen nicht allzuweit von dem Plane des Herrn His, eine gemischte, 
sachverständige Kommission zur Prüfuog des Friedmann’schen Mittels 
einzasetzen, da ja auch von ihm die tätige Mitwirkung des Erfinders selbst 
in Aussicht genommen ist. Unsere Ansicht von der Sache ist den Lesern 
unserer Wochenschrift bekannt: wir wünschen nichts dringlicher als die 
vollste, von allen persönlichen Fragen losgelöste Ermittelung der Wahrheit. 
Es ist dies auch der Standpunkt, den in der Sitzung der Landesversammlung 
der Vertreter des preussischen Medizinal wesens, Herr Ministerialdirektor 
Gottstein eingenommen hat; wenn er seine ganze Autorität für An¬ 
stellung einer objektiven Prüfung, in welcher Art sie auch vorgenommen 
werden möge, einsetzt, so muss ein gangbarer Weg sich finden lassen 
und Herr Friedmann selbst wird sicherlich jede Gelegenheit ergreifen, 
hierzu beizutragen. P. 


Informatorische Einstellung von Aerzten bei 
Stadtgemeinden. 


Unter Förderung der Abteilung für Volksgesundheit des 
Preussischen Ministeriums hat das Seminar für soziale Medizin 
des Gaues Gross-Berlin des Verbandes der Aerzte Deutschlands die Aus- 
und Fortbildung von Aerzten im kommunalärztlichen Dienst in 
der Weise organisiert, dass beginnend vom 15. Januar 1920 in einer An¬ 
zahl deutscher Städte Aerzte zur unentgeltlichen informatorischen Be¬ 
schäftigung auf je 6 Monate eingestellt werden. 

Zum ersten Einstellungstermin können eintreten: 


in Berlin 
in Charlottenburg 
in Schöneberg 
in Neukölln . . 


i Aerzte 


in Weissensee 
in Spandau . 
in Stettin . . 
in Halle a. S. 


1 Arzt 

2 Aerzte 


Nächster Einstellungstermin ist der 1. März 1920, für welchen die 
Möglichkeit des Eintritts einer grösseren Anzahl von Aerzten in Nord- 
West- und Süddeutsohland in Aussicht steht. 

Die Tätigkeit ist beiderseits eine unbezahlte. 

Ueber die.Teilnahme wird am Schluss auf Wunsch eine Bescheinigung 
erteilt. — Die eingestellten Herren haben an das Seminar für soziale 
Medizin bei Empfang ihrer EinweisuDgskarte eine Einschreibegebühr von 
5 M. zu entrichten, die durch Nachnahme erhoben wird. 

Meldungen sind zu richten an das Seminar für soziale Medizin z. H. 
des Herrn San.-Rat Dr. A. Peyser, Charlottenburg 2, Grolmanstr. 42/43. 

Für die in Berlin und Umgebung tätigen Aerzte wird ausserdem 
Februar 1920 durch einen gleichfalls vom Seminar für soziale Me¬ 
dizin veranstalteten kurzfristigen 3 wöchigen Zyklus XVI „Der Arzt 
im Dienste der Stadtgemeinde“ weitere Fortbildungsmögliohkeit 
durch Vorträge, seminaristische und praktische Uebungen und Besichti¬ 
gungen geschaffen. Ueber diesen Zyklus wird Ende Dezember 1919 ein 
besonderes Programm veröffentlicht. 

Die Leitug des Semiaars für soxiale Medizin. 


S.-R. Dr.*A. Peyser. Prof. Dr. R. Lennhoff. S.-R. Dr. J. A Iexander 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft 
vom 3. Dezember 1919. Tagesordnung: 1. Aussprache zu dem von Herrn 
Werner Schultz gehaltenen Vortrag: Auslöschpbänomen bei Scharlach 
(Herren Franz Rosenthal, Wolff-Eisner, Glaser) und zu desselben 
Vortrag über Typhustherapie (Herr Fritz Meyer). 2. Herr Jacob 
(Kudowa): Pharmakologische, interne und lokale Behandlung der In¬ 
fektionskrankheiten, wie Gelenkrheüma, Scarlatina und Typhus an der 
Eingangspforte. 

— In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für patho¬ 
logische Anatomie und vergleichende Pathologie vom 16. No¬ 
vember (Vorsitzender Herr Geh. Rat Lubarsch) sprach Herr Eberlein 
unter Vorführung zahlreicher instruktiver Präparate und Photographien 
über Ursache und pathologische Eigenart der wichtigsten Zahnkrank¬ 
heiten der Haustiere. Die Karies ist eine nach Erweichung der Schutz¬ 
schichten unaufhaltsam fortschreitende bakterielle Infektion; 26 ver¬ 
schiedene Mikroorganismen sind bisher gezüchtet worden. Der eigen¬ 
artige Bau der Zähne der. Pferde und Hunde vereitelt alle Versnche, 
die Krankheit durch Ausbohrung des Kranken und Plombierung der 
Höhle zu bekämpfen. Sehr bemerkenswert waren die Mitteilungen Eber- 
lein’s über die Mechanik der Zahnpathologie. Herr Dieck zeigte eine 
Fülle interessanter Beobachtungen zur vergleichenden Pathologie der Zähne 
in Präparaten und Bildern: Zahnverlagerungen, Zahnzysten bei Gorilla und 
Mensch, verändertes Zahnwachstum duroh Fehlen des Gegenbisses bei 
Affen, Hunden und Menschen, geradezu phantastische Zahnstein- 
bi 1 düngen bei Earopäern, Melanesiern einerseits und bei Tieren (Hunden, 


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1176 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


Ziegen, Antilopen) andererseits. Bemerkenswert waren goldig glänzende 
Zahnsteinablagerungen bei asiatischen Ziegen. Vortreffliche Mikrophoto* 
graphien erläuterten das Wesen der Karies bei Mensoh und Tier. Inter¬ 
essant waren die Ausführungen über das Verhalten der Zähne bei 
Hyper- und Hypotrichosis der Menschen und Tiere . r Herr Ganzer 
zeigte seltene Gebissanomalien von freilebenden und in zoologischen 
Gärten gehaltenen Tieren (Affen); er erörterte an lehrreichen Bildern 
und Schliffen die anatomischen Verhältnisse der Elephantenzähne, die 
infolge der frei endigenden, sehr grossen Pulpa die Heilung selbst schwerer 
Verletzungen ermöglichen. Die Aussprache wurde vertagt. 

— Zum Vorsitzenden Sekretär in der physikalisch-mathejnatisohen 
Klasse der Berliner Akademie der Wissenschaften ist an Stelle des Ge¬ 
heimrats von Waldeyer-Hartz der Geh. Med.-Rat Prof. Max Rubner, 
Direktor des physiologischen Instituts der Universität Berlin und des 
Instituts für Arbeitsphysiologie der Kaiser Wilhelms-Gesellschaft gewählt 
worden. Rubner wird im Wechsel mit Di eis, Planck und Roethe 
die leitenden Geschäfte der Akademie führen. 

— Herr Dr. Richard Seyderhelm, ehemals Privatdozent für 
innere Medizin an der Universität Strassburg i. Eis., ist als Oberarzt an 
die Medizinische Klinik zu Göttingen übergesiedelt und hat sich als 
Privatdozent für innere Medizin habilitiert. 

— Regierungsrat Prof. Küster ist aus dem Reichsgesundheitsamt 
ausgeschieden. 

— Am SO. v. M. ist Prof. Dr. Benno Baginsky, 72 Jahre alt, 
nach längerem Leiden verstorben. Hervorragende Leistangen auf dem 
Gebiete der Ohrenheilkunde hatten seinen Namen weithin bekannt ge¬ 
macht. Ein grosser Freundeskreis betrauert sein Hinscheiden; auch wir 
werden ihm ein treues Andenken bewahren. 

— Die Einführung des achtstündigen Arbeitstages bedroht 
die Privatkliniken mit schweren, ideellen und materiellen Schädi¬ 
gungen, die unmöglich in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben 
können; sie müsste geradezu zum Ruin aller derjenigen Anstalten führen, 
die nicht den ausgesprochenen Charakter der Wohltätigkeitseinrichtungen 
oder religiösen Stiftungen tragen. Es ist zunächst klar, dass der häufige 
Schichtwechsel des Personals von den Patienten aufs unangenehmste 
empfunden werden würde — die Pflege eines Sohwerkranken kann nicht 
dreimal innerhalb 24 Stunden von einer Hand in die andere übergehen, 
ohne dass der Patient darunter leidet. Die unvermeidliche Vermehrung 
des Personals würde gewaltige Kosten verursachen, die wiederum den 
Aufenthalt in. der Klinik bis zur Unerschwinglichkeit verteuern müssten 
— und da die geistlichen Anstalten ausgenommen sind, wäre eine Ab¬ 
wanderung in diese, somit eine Beeinträchtigung der an ^rivatkliniken 
tätigen Aerzte die unausbleibliche Folge. Diese Uebelstände — sie sind 
hiermit nur angedeutet, nioht erschöpft — sind sowohl in einer jüngst 
abgehaltenen Sitzung des Verbandes der Privatkliniken von Gross-Berlin 
im Anschluss an ein Referat von Herrn Dr. Arthur Mayer (vgl. Berl. 
Aerzte-Korr., Nr. 48) erörtert, als auch in einer Schrift des Herrn Dr. 
Schorlemmer-Godesberg (Rhenania-Verlag, Bonn) ausführlich begründet 
worden; auch ein „Reichsverband gemeinnütziger Kranken- und Pflege¬ 
anstalten Deutschlands 0 hat sich aus gleichem Anlass konstituiert. Es 
ist dringend zu wünschen, dass die gesetzlichen Bestimmungen daraufhin 
revidiert werden. Die Privatkliniken bilden, wie die genannten Herren 
unwiderleglich dargetan haben, einen bedeutungsvollen Faktor in der 
öffentlichen Gesundheitspflege — ihre Schädigung oder gar Vernichtung 
durch mechanische Anwendung einer sozialen Maassnahme, die an sioh 
vielleicht berechtigt, aber für ganz andersartige Betriebe gedacht ist, muss 
unter allen Umständen verhütet werden! P. 

— Auf Veranlassung des Ministeriums für Volkswohlfahrt wird uns 
seitens des Polizeipräsidiums geschrieben: Die grosse Schar der nunmehr 
zurückkehrenden Kriegsgefangenen wie auch der insbesondere aus dem 
Osten noch zu erwartenden Rückwanderer lässt erneut in erhöhtem 
Maasse mit der Gefahr der Einschleppung von Seuchen in das Reichs¬ 
gebiet rechnen. Wenn auch alle heimkehrenden Militär- und Zivil¬ 
personen nach dem^Grenzübertritt einer ärztlichen Untersuchung, Sa¬ 
nierung und einige Zeit dauernden Beobachtung unterzogen werden, so 
ist dennoch als Ergänzung hierzu eine anschliessende gesundheitliche 
Ueberwachung der Kriegsgefangenen und Rückwanderer am Bestimmungs¬ 
ort wegen der Gefahr der Einschleppung von Fleckfieber, Cholera, 
Pocken, Typhus, Ruhr, Malaria und Geschlechtskrankheiten erforderlich. 
Hierbei ist die Mithilfe der Aerzteschaft unentbehrlich, da zur erfolg¬ 
reichen Bekämpfung namentlich die möglichst frühzeitige Feststellung 
der ersten Fälle der genannten Krankheiten äusserst wichtig ist. Die 
Herren Aerzte werden deshalb gebeten, auf die ersten Anzeiehen der 
vorerwähnten Krankheiten bei heimgekehrten Kriegsgefangenen und 
Rückwanderern ihre ganz besondere Aufmerksamkeit zu richten, damit 
gegebenenfalls die erforderlichen Maassnahmen der Seuchenbekämpfung 
schnellstens in die Wege geleitet werden können. 

— In Wien besteht die Absioht, nach Art der früher in Berlin ins 
Leben gerufenen freien Vereinigung der Chirurgen eine Chirurgen¬ 
geselisohaft zu gründen. 

— Der Zentralärzterat für Wien hat für die praktischen Aerzte 
folgende Honorare festgesetzt: für eine einfache Ordination während 
der Sprechstunde 15 Kronen, für eine einfache Visite bei Tage 25 Kronen, 
für eine einfache Visite bei Nacht 50 Kronen. 


— Wir bitten unsere Herrn Mitarbeiter, die Literatur nur als Fuss- 
noten zu bringen. Die Zusammenfassung der „Literatur" am Ende ist 
für den Leser der Arbeit störend. Auch ist es bei allen nicht eine 
Uebersioht über den Stand einer Frage gebenden Arbeiten überflüssig, mehr 
Autoren anzuführen, als in der Arbeit zitiert sind. Manchmal steckt in 
dieser Aeusserung von Gelehrsamkeit auch ein Stück Unaufrichtigkeit, 
nämlich dann, wenn Autoren zitert werden, die der Verfasser für seine 
Arbeit gar nicht eigens nachgelesen hat. H. K. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reioh (9. bis 
15. XI.) 48, (16.—22. XI.) 2 und nachträglich (2.—9. XI.) 14. Fleok- 
fieber: Deutsches Reioh (9.—15. XI.) 7, (16.—22. XL) 0. Deutsch- 
Oesterreich (26. X. bis 1. XI ) 2 und (2.—8. XI.) 2. Ungarn (22. bis 
28. IX. 4 und (29. IX. bis 5. X.) 1. Genickstarre: Preussen (2. bis 
8. XL) 6 u. 2 f und nachträglich (26. X. bis 1. XI.) 1. Schweiz (26. X. 
bis 1. XI.)i 1. Spinale Kinderlähmung: Preussen (2.—8. XI.) 2. 
Schweiz (26. X. bis 1. XL) 1. Ruhr: Preussen (2.—8. XL) 147 u. 
21 f und (9.—15. XI.) 186 u. 82 f. Mehr als ein Zehntel aller Gestor¬ 
benen starb an Scharlach in Buer, Coblenz und Cottbus, an Diphtherie 
und Krupp in Berlin-Lichterfelde u. Potsdam, an Keuchhusten in Bottrop. 

(Veröff. d. Reichs-Ges, Amts.) 

Hochschulnachrichten. 

Bonn: Prof. Salge aus Strassbarg wurde auf den Lehrstuhl für 
Kinderheilkunde berujen. — Erlangen: Dr. Molitoris aus Innsbruck 
hat den Lehrauftrag für gerichtliche Medizin angenommen. — Giessen: 
Privatdozent Otto Huntemüller wurde zum ao. Professor für Hygiene 
ernannt. — Göttingen: Die ao. Professoren Friedrich Göppert, 
Direktor der Kinderklinik und Poliklinik, und Wilhelm Lange, Direktor 
der Poliklinik für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, wurden zu ordent- 
iohen Professoren ernannt. — Strassburg: Prof. Hermann Matthes 
erhielt einen Ruf auf den Lehrstuhl für pharmazeutische Chemie nach 
Königsberg als Nachfolger von Prof. E. Rapp. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: Kreisass.-A. Dr. V. Saalmann in Cosel x. Kreisarzt 
in Cosel. 

Versetzungen: Kreisarzt Dr. Schopohl von Malmedy in d. Kreisarzt¬ 
stelle d. Kreise Fulda u. Gersfeld m. d. Amtssitz in Fulda. 

Niederlassungen: Dr. H. Langenmayer in Linderode (Kr. Sorau), 
W. Krisch in Greifswald, Dr. F. Capeller in Lengenfeld (Kr. Heiligen¬ 
stadt), Dr. H. Schweiokhardt in Blankenberg (Kr. Ziegenrück), Dr. 
B. Wessling in Hildesheim, Dr. Heinr. Voss in Harburg, Dr. Josef 
Sohulte in Rheine* Dr. F. Hopmann und Dr. H. Huchzermeyer 
in Bad Oeynhausen, Dr. Jul. Haas in Steinau (Kr. Sohlüchtern), 
Karl Ad. Hempel in Hess. Licjitenau (Kr. Witzenhausen), Dr. Fritz 
Salomon in Witzenhausen, Dr. A. Homburg, Dr. B. Pfaeltzer u. 
Dr. Friedr. Maier in Hanau, Dr. G. Wurm in Montabaur, Dr. Ludw 
Brehm in Mudersbach (Kr. Altenkirchen), Dr. K. Huenges, Dr. L. 
Spickernagel u. A. Josten io Crefeld, Dr. F. Tophoven in Straelen 
(Kr. Geldern), E. Schümer in Velbert (Kr. Mettmann), Dr. J. Fuhl¬ 
rott, Dr. H. Matzerath u. Dr. Herrn. Schaefer in Bonn, Dr. Hans 
Goebel in Godesberg, Dr. J. Altdorf in Wahn (Kr. Mülheim a. Rh.), 
Dr. Heinr. Finger in Wallerfangen (Kr. Saarlouis), Dr. Leo Breuer 
in Herbesthal. 

Verzogen: Dr. Anna Herde von Castrop, Dr. H. Beumer von 
Halle a. S., Dr. R. Lenneberg von Breslau u. Dr. E. Boden von 
Kiel nach Düsseldorf, Dr. W. Reichert u. Dr. K. Schöning von 
Düsseldorf, Dr. 0. Schulze-Frohnhausen von Hagen, sowie Dr. 

F. Wenkkoff von Würzburg nach Essen (Ruhr), Dr. F. Büsch er u. 
Dr.H. Gl oger von Breslau nach Mülheim (Ruhr), San.-Rat Dr. F. Marbus 
von Bochum nach Greifswald, Dr. F. Harries von Bin.-Liebtenberg nach 
Hildesheim, Dr.F. Dietz von Stadtlengsfeld i.Thür. naoh Dahlenburg (Kr. 
Bleckede), Frau Dr. B. Weiland von Kiel nach äarburg, Dr. Paul Ger- 
lach u. Frau Anna Gerlaoh geb. Mohr von Bremen nach Achim, Dr.S. 
P n i o w e r von Berge nach Leipzig, Dr.E.Hölscher von Dorsten i. W. nach 
Lengerich (Kr. Liegen), San.-Rat Dr. F. Kok von Osnabrück u. Dr. 

G. Hottes von Berlin nach Borkum, Dr. G. Klockenbrink von 
Bramsche naoh Rheine, Dr. H. Sohweigmann von Metz naoh Minden, 
Dr. J. Saleoker von Swinemünde nach Herford, P. Strasser von 
Gadderbaum nach Bielefeld, Dr. Maria Koerfer von Bremen naoh 
Rinteln, Dr. Rr. Laaser von Eilenburg naoh Wiesbaden, Dr. H. Bon- 
gartz von Roth i. Bayern naoh Vallendar, Dr. R. Brühl von Bonn nach 
Bertrich (Kr. Cochem), Dr. H. Magnus von Koblenz nach Castellaon 
(Kr. Simmern), Gen.Ob.-A. Dr. G. Bück er von Koblenz nach Güls 
(Ldkr. Koblenz), Dr. F. Haver von Schwerte nach Mülheim-Broich. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr! 0. Homutb, 
Dr. Ernst Wieohmann, A, Jost u. Dr. Fritz Kaufmann von 
Halle a. S., P. Rütters von Düsseldorf. 

Gestorben: Dr. K. Gloy in Löblau-Kalbude (Kr. Danziger Höhe), Dr. 
R. B er eck in Custrin, San.-Rat Dr. Alfred Seidel in Langen bielan 
(Kr. Reichenbach i. Schl.), Geh. San.-Rat Dr. R. Strube in Hötens- 
l eben (Kr. Neuhaldensleben). _ 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreuth er Srr. 49- 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Schumaoher in Berlin N. 4. 


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Plo berliner Klinische Wochenschrift erselieint jeden 
Mouton < u Nummern von etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljUhrtieb 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buehbandlungen and Postonstalten an. 


BERLINER 


Alle ftneendangen für die Redaktion nnd Expedition 
wolle man portofrei an die. Verlagsbuchhandlung 
August Hiraehwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 


KLINISCHE WXJHENSCHEIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung *der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geb. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posier uod Prof Dr. Hans Koba August flirscbwald, Verlagsbuchhandlung in Udrik 

Montag, den 15. Dezember 1919. JK50. Sechsundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


OHgiialiei: Brugsch and Blamenfeldt: Die Leistungszeit des Herzens. 
(Aus der II. medizinischen Klinik der Charit 6 [Direktor: Geheim¬ 
rat Prof. Dr. Kraus].) (Iilustr.) S. 1177. 

Dubois: Ueber das Vorkommen lymphatischer Herde in der Sohild- 
drüse bei Morbus Addisonii. (Aus dem pathologischen Institut der 
Universität Bern [Direktor: Prof. Dr. C. Wegelin].) (Iilustr.) S. 1178. 

Roh de: Knoohensysten. (Aus der chirurgischen Abteilung des 
Diakoniesenhauses Henriettenstift in Hannover [Chefarzt: Prof. Dr. 
J. Oehler].) (Iilustr.) S. 1184. 

Oelze: Ueber die Spirochätenbefunde von Karl Spengler und S. Fuohs- 
v. Wolfring, nebst Bemerkungen über die Methodik der Spiroohäten- 
untersuohungen. (Aus der dermatologischen Klinik der Universität 
Leipzig [Direktor: Obermedizinalrat Prof. Dr. Rille].) S. 1186. 

Gramme: Versuch einer Erklärung des Weges der Jod Wirkung bei 
Dysmenorrhoe. S. 1188. 

Hirsohfeld: Enguform, ein neues Desodorans. (Ans dem Univer¬ 
sitäts-Institut für Krebsforschung an der Cbarit4.) S. 1189. 


Bftcherbespreehiiigei : Stümpke: Prognose und Therapie der Geschlechts¬ 
krankheiten im Kindesalter. S. 1189. Kleinschmidt: Therapeuti¬ 
sches Vademekum für die Kinderpraxis. S. 1189. Tugendreich: 
Die Kleinkinderfürsorge. S. 1189. Stüokgold: Ueber den Einfluss 
von ioterkürrenten fieberhaften Krankheiten und von Fieberzuständen 
usw. (Ret. Weigert.) S. 1189. — Beo hold: Die Kolloide in Biologie 
und Medizin. S. 1190. Ostwald: Die Welt der vernachlässigten 
Dimensionen. (Ref. Neuberg.) S. 1190. 

Literatur-Aisiftge: Physiologie. S. 1190. — Pharmakologie. S. 1191. — 
Therapie. S. 1191. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie. S. 1191. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1192. — Innere 
Medizin. S. 1192. — Psychiatrie nnd Nervenkrankheiten. S. 1193. 
— Kinderheilkunde. S. 1194. — Chirurgie, S. 1194. — Unfallheil¬ 
kunde and Versicherungswesen. S. 1195. 

Verhaidlugei ärztlicher Gesellschaft*! : Berliner medizinisohe 
Gesell so haft. S. 1195. — Med. Sektion der schlesischen Ge¬ 
sellschaft für vaterländische Cultur zn Breslau. S. 1196. 

Tagesgesohiohtl. Notizen. S. 1199.— Amtl. Mitteilungen. S. 1200. 


Aus der II. medizinischen Klinik der Charite (Direktor: 
Geheimrat Prof. Dr. Kraus). 

Die Leistungszeit des Herzens. 

II. Mitteilung. 

Die Zeitunterschiede zwischen Kammerelektro- 
gramm und Kammerphonogramm. 

Von 

Prof. Dr. Theodor Brugoeh nnd Dr. med. Erust Bluneufeldt, 

klinischen Assistenten. 

In unserer ersten Mitteilung 1 2 ) haben wir gezeigt, dass die 
Leistungszeit des Herzens, berechnet nach dem Kardiogramm und 
proportioneil auf die ganze Herzrevolution bezogen, unter nor¬ 
malen Verhältnissen und in bestimmten Aitern einen bestimmten 
Wert hat, der sich unter den Bedingungen der Arbeit und unter 
pathologischen Verhältnissen verändert, woraus sich funktionell- 
diagnostische Gesichtspunkte ergeben. 

Wir haben in dieser ersten Mitteilung auch schon erwähnt, 
■dass wir neben dem Kardiophonogramm, d. h. also neben der 
Registrierung der Herztöne, auch gleichzeitig das Elektrokardio¬ 
gramm mittelst des Einthove’schen Saitengalvananometers registriert 
haben, und dass es ans auf diese Weise möglich gewesen ist, 
die Leistungszeit des Herzens, gemessen nach dem Kardiophono¬ 
gramm (als Distanz vom Beginn des 1. Tones bis zum Beginn 
des 2. Tones und proportioneil auf die ganze Herzrevolution be¬ 
zogen) mit dem Elektrokardiogramm zu vergleichen. Wir nahmen 
vorweg, dass praktisch zwischen dem Kammerelektrogramm 
and der Hürthle’schen Systole eine Uebereinstimmnng der Dauer 
besteht, verwiesen indessen schon auf Differenzen, deren Aus¬ 
einandersetzung Zweck der vorliegenden Mitteilung ist. 

Wir sind nicht die ersten, die vergleichende Messungen 
zwischen Kammerelektrogramm und Kammerphonogramm an¬ 
gestellt haben. 1910 haben Weiss und Joachim 8 ) gefunden, 
dass der 1. Ton am Ende der R Zacke beginnt, bis etwa zum 


1) of. B.kLW., 1919, Nr. 40. 

2) D.m.W., 1910, Nr. 47. 


Anfänge der T-Zacke dauert, und dass der 2. Ton der letzteren 
nachfolgt. Nach diesen Autoren beginnt der 1. Ton 0,05 bis 
0,07 Sekunden nach dem Beginn der R Zacke, der 2. Ton etwa 
0,02 Sekunden nach dem Ende der T-Zacke. 

Nach Gerhartz 1 ), der ebenfalls das Ekg. mit den Herz¬ 
tönen schrieb, fängt der 1. Herzton 0,061 Sekunden nach dem 
Beginn der R-Zacke an; der 2. Ton liegt 0,048 Sekunden später. 

Bull 8 ) findet, dass der 1. Herzton 0,04 Sekunden nach dem 
Kammer-Eg. beginnt und der 2. Ton um denselben Wert nach¬ 
folgt. 

Bei A. Hoffmann 8 ) setzt der 1. Herzton 0,08 Sekunden 
nach Beginn des Kammer-Eg. ein (zugleich mit dem Spitzen- 
sfoss), der 2. Ton beginnt aber vor dem Ende derselben. (Es 
handelte sich um einen pathologischen Fall.) 

Kahu*) registriert die Herztöne unmittelbar in das Eg. 
and findet das Einsetzen des 1. Tones kurze Zeit nach dem Ab¬ 
stieg der R-Zacke, den 2. Ton einige Zeit nach dem Ende der 
Nacbschwankung. 

Vernachlässigen wir die Zeit der Verspätung des 1. Tones 
gegenüber dem -Einsetzen des Kammer-Eg. (der Zacke R) und 
berücksichtigen wir nur die Dauer des Kammer-Eg. im Vergleiche 
mit der Dauer der Hürthle’schen Systole (Distanz des 1. .Tones 
vom 2. Ton = Kammer-Phg.), so ergibt sich aus den eben¬ 
genannten Versuchen bei Bull eine zeitliche Uebereinstimmung 
der Dauer beider. Aus den Versuchen von Weiss und Joachim 
ergibt sich eine längere Hauer des Kammer-Eg. gegenüber 
Kammer-Pbg. um etwa 0,08 Sekunden (und mehr), aus den Ver¬ 
suchen von Gerhartz um 0,018 Sekunden und nach der Kurve 
von A. Hoffmann (ein pathologischer Fall!) ist die Dauer des 
Kammer-Phg. noch wesentlich kürzer (mehr als 0,08 Sekunden). 
Schliesslich erwähnen wir die Versuche von Fahr 5 ), der unter 
Einthoven*8 Leitung Herztöne nnd Ekg. registrierte und zu 


1) Pflüg. Arch., 1910, Bd. 131, S. 509. Die Registrierung des Herz- 
sohalles. Berlin 1911. 

2) Quaterly, Journ. of experim. Physiology, 1911, Bd. 4, S. 289. 

3) Pflüg. Arob., 1912, Bd. 146, S. 295, 

4) Das Elektrokardiogramm. Ergehn, d. Phys., 14. Jahrg., 1914, S. 87. 

5) George Fahr, On simultaneous records of the heart sounds and 
the eleotrooardiogramm. Heart, 1912, Bd. 4. 


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.Original frem 

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1178 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 50. 


dem Resultat kam, dass während des Auftretens der R-Zacke im 
Eg. ein Vorton zu registrieren ist, der 0,02—0,04 Sekunden 
dauert; ihm folgt unmittelbar der Hauptton 0,02—0,03 Sekunden 
nach dem Anfang des Kammer-Eg., während der 2. Herzton 
0,01 — 0,02 Sekunden nach dem Ende der T-Zacke beginnt. Nach 
diesen Untersuchungen ist die Dauer des Kammer-Eg. als etwas 
länger anzusehen als die Dauer des Kammer-Phg. 

Man könnte geneigt sein, die zeitlichen Differenzen in der 
Dauer vom Kammer-Eg. und Kammer-Phg. etwa auf die Mit¬ 
registrierung eines Vortones im einen oder anderen Falle zurück¬ 
zuführen, indessen werden unsere Untersuchungen zeigen, dass 
wohl kaum ein solches Moment anzuschuldigen ist, dass vielmehr 
in der Tat Unterschiede, bestehen, die aber einer Gesetzmässigkeit 
keineswegs entbehren. Wir selbst haben den auf die Phase der 
Vorhofstätigkeit fallenden Vorton bzw. die Vortöne, die in den 
Kurven leicht vom 1. Ton zu trennen sind, bei der Ausmessung 
des Kammer-Phg. als nicht zur Hürtble’scben Systole gehörig 
berücksichtigt und fügen hier eine Kurve bei, die erkennen 
lässt, dass die Trennung des Vortones vom 1. Ton durchaus 
leicht ist (siehe Kurve). 



Oben: Elektrokardiogramm (Ableitung I). — In der Mitte: Phono- 
kardiogramm. — Unten: Zeitschreibung: Sekundenpendel und 
Stimmgabel (V25 Sekunde). 


Wir geben nun eine Anzahl von Beobachtungen wieder, die 
an gesunden Individuen gewonnen sind. Es wurde bei diesen 
Feststellungen die (zur gesamten Herzrevolution) proportionelle 
Dauer des Kammer-Eg. aus einer Reihe von Herzschlägen 
(mindestens 10) und die proportioneile Dauer des Kammer-Phg. 
aus denselben Herzschlägen ermittelt. 


I. Fälle', in denen das Kammer-Eg. grösser ist als das 
Kammer-Phg. 

Beobachtung 62. 6 jährig, männl., Pulsfrequenz 125. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 59,0 pCt. 

„ w * Kammer- Ph g. = 48,0 „ 

Differenz = 11,0 pCt. 


Beobachtung 94. 
frequenz 125. 

Proportionelle 


12 jährig, männl. (thyreotoxisches Herz?). 

Dauer des Kammer-Eg. = 56,0 pCt. 

„ „ Kammer-Ph g. = 49.0 „ 

Differenz = 7,0 pCt. 


Puls- 


Beobachtung 90. 5 jährig, weibl., Pulsfrequenz 105. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 50,7 pCt. 
• „ „ „ Kammer-Ph g. = 44,8 „ 

Differenz = 5,9 pCt. 


Beobachtung 87. 7jährig, männl., Pulsfrequenz 98. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 50,2 pCt. 
„ „ „ Kammer-Ph g. = 46.6 „ 

Differenz = 3,6 pCt. 


II. Fälle, in denen das Kammer-Eg. gleich dem Kammer- 
Phg. ist. 

Beobachtung 46. 23jährig, männl., Pulsfrequenz 77. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 37,0 pCt. 

* „ * Kammer-Ph g. = 37 0 „ 

Differenz = 0,0 pCt. 


Beobachtung 89. 27jährig, männl., Pulsfrequenz 76. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 37,9 pCt. 
„ „ „ Kammer-Ph g. = 37.9 „ 

Differenz = 0,0 pCt. 


Beobachtung 42. 35jährig, männl., Pulsfrequenz 66. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 34,0 pCt. 

„ „ * Kammer-Phg. = 34,0 „ 

Differenz = 0,0 pCt. 

Beobachtung 97. 48 jährig, männl., Pulsfrequenz 55. 
Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 32,0 pCt. 

„ » » Kammer-Ph g. = 32,0 » 

Differenz = 0,0 pCt. 

III. Fälle, in denen das Kammer-Eg. kleiner als das 
# Kammer-Phg. ist. 

Beobachtung 82. 50jährig, weibl., Pulsfrequenz 56. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 32,0 pCt. 

» „ * Kammer-Ph g. = 36,1 w 

Differenz = 4,1 pCt. 

Beobachtung 72. 72jährig, männl., Pulsfrequenz 90. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 30,8 pCt. 

* y, „ Kammer-Ph g. = 36,7 „ 

Differenz = 5,9 pCt. 

Beobachtung 83. 73 jährig, männl., Pulsfrequenz 80. 

Proportionelle Dauer des Kammer-Eg. = 35,7 pCt. 

„ y, „ Kammer-Pbg. = 43,2 * 

Differenz = 7,5 pCt. 

Es ist nun naheliegend zu fragen, ob hier eine Gesetzmässig¬ 
keit vorliegt, die sich als Funktion der Pulsfrequenz ergibt. Zur 
Beantwortung ist es nur notwendig, eine grössere Anzahl von 
Beobachtungen nach der Pulsfrequenz zu ordnen: 


Nr. der 
Beobacht. 

Puls¬ 

frequenz 

Kammer- 
Ed. (pCt.) 

Kammer- 
Phg. (pCt.) 

Differenz 

Alter 

97 

55 

320 

32,0 

0 

48 

82 

56 

32,0 

36,1 

— 4,1 

50 

42 

66 

340 

34,0 

0 

35 

96 

66 

36,7 

35,0 

+ u 

25 

43 

72 

37,5 

37,5 

0 

30 

95 

76 

40,0 

38,0 

+ 2,0 

14 

89 

76 

37,9 

•7,9 

0 

27 

46 

77 

37,0 

37,0 

0 

23 

83 

80 

35,7 

43,2 

— 7,5 

73 

76 

^ 90 

30,8 

36,7 

— 5,9 

72 

87 

98 

50,2 

46,6 

+ 3,6 

7 

90 

105 

50,7 

44,8 

+ 5,9 

5 

93 

110 

49,2 

47,7 

+ 1,5 

3 

62 

125 

59,0 

48,0 

+ 11,0 

6 


Ein Blick auf die Tabelle genügt, um hier eine solche Gesetz¬ 
mässigkeit abzulehnen, wenn auch ein gewisser Einfluss der 
Frequenz nicht abgeleugnet werden soll. Ordnet man jedoch 
die Fälle nach dem Alter, so ist zweifellos eine Gesetzmässig¬ 
keit anzuerkennen: Man hat nur nötig, unsere erste Zusammen¬ 
stellung der mit positiver, Null- und negativer Differenz auf das 
Alter hin zu betrachten. 

Das längere Kammerelektrogramm ist im jugend¬ 
lichen Alter zu finden, das kürzere Kammerelektrogramm 
im höheren Alter, während zwischen 20 bis 50 Jahren 
die Fälle liegen, wo das Kammerelektrogramm gleich 
dem Kammerphonogramm ist. Pathologische Herzver¬ 
hältnisse ändern die Regel; darauf werden wir später 
eingehen. Unsere nächste Aufgabe (3. Mitteilung) wird es sein, 
den Einfluss der Herznerven (Vagus und Akzelerans) auf die 
Leistungszeit des Herzens unter Berücksichtigung der zeitlichen 
Unterschiede zwischen Kammerelektrogramm und Kammerphono¬ 
gramm zu zeigen. 


Aus dem pathologischen Institut der Universität Bern 
(Direktor: Prof. Dr. C. Wegelin). 

Ueber das Vorkommen lymphatischer Herde 
in der Schilddrüse bei Morbus Addisonii. 

Von 

Dr. M. Dubois, 1 . Assistent am Institut. 

Ueber das Vorkommen lymphatischer Herde in Strumen und 
Schilddrüsen ist man seit längerer Zeit orientiert, vor allem nach¬ 
dem eine ganze Reihe von Autoren Lymphozytenherde beim Morbus 
Basedowii beschrieben hatten. 


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15. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1179 


Erwähnt seien,hier Ask an azy 1 ), Erich 2 ), Farner 8 ),MacCailum 4 ), 
Anschutz 5 ), Sudeck 8 , v. Werdt 6 ), Käppis 7 ), Pettavei 8 ) und be¬ 
sonders A. Kocher 6 ) und Simmonds 8 ), weloh letztere eine grosse Zahl 
Ton positiven Befunden erhoben. Zu betonen ist aber, dass die genannten 
Autoren dem Vorkommen von Lymphozytenherden keine pathognomonisohe 
Bedeutung beimessen, da sie ihr Vorkommen auoh bei anderen Zuständen 
nicht ignorierten. Langhans 10 ), Züllig 11 ), Hedinger 12 ) fanden sie 
in Papillomen der Schilddrüse, sowie in Endotheliomen, Ruppaner 18 ) er¬ 
wähnt sie bei der Tuberkulose des Organs, v. Werdt 6 ) beschreibt sie 
in einer grossen Zahl gewöhnlicher Strumen, wobei er ihr Auftreten 
einerseits, gemäss der Ansicht Hedingers, mit der Jodmedikation in 
Zusammenhang bringt, andererseits mechanische Reize annimmt. End¬ 
lich hat Simmonds 14 ) in einer grossen Reihe von sonst normalen Schild¬ 
drüsen , herdförmige Wucherungen von lymphatischem Gewebe gesehen 
und zwar unter sehr verschiedenartigen Bedingungen, deren ätiologischer 
Zusammenhang mit dem Auftreten des lymphatischen Gewebes noch 
sehr unklar ist. Häufiger werden sie mit steigendem Alter, häufiger 
sind sie beim weiblichen Geschlecht, häufig bei Anämie und Fettsucht. 
Doch ist bei all diesen Fällen die Zahl der negativen Befunde eine so 
grosse, dass eine befriedigende Antwort auf die Frage nach der Ent¬ 
stehung lymphatischer Bildungen in der Schilddrüse nicht gegeben werden 
kann und somit die Aetiologie der Erscheinung weiterhin in Dunkel 
gehüllt bleibt. -Interessant erscheint immerhin der zahlenmä 9 sige Aus¬ 
druck der positiven Befunde. In meist nodösen Strumen findet v. Werdt 
Lymphozytenherde im Verhältnis von 444:71 (16 pCfc.), in Sohildirüsen 
Simmönds 1000:50 (5pCt), in Basedowstrumen Kocher 165:137 
(82pCt.). Die Durchsicht des Berner Materials von operierten Strumen 
mit Ausschluss der Basedowfälle ergibt ein Vorkommen von meist kleinen 
und spärlichen Lymphozytenhaufen in 15pCt. der Fälle, meist in nodösen 
Strumen, ein Befund, der sich mit den v. Werdtschen Angaben decken 
würde, falls die Herde nicht so klein und spärlich und meist ohne Keim¬ 
zentren gefunden worden wären. 

Zum Schlüsse sei noch MacCallum 18 ) erwähnt, der Herde nach 
partieller Exzision der Schilddrüse bei jungen Tieren und bei Sohwanger- 
schaftshyperplasie gesehen hat. 

Die vorliegende Mitteilung erhebt nicht Anspruch darauf, viel mehr 
Lioht in das Problem hineinzutragen, immerhin erscheinen die erhobenen 
Befunde auffällig genug, um ihre Veröffentlichung zu rechtfertigen. Es 
handelt sich um das Vorkommen lymphatischer Bildungen in der Schild¬ 
drüse beim Morbus Addisonii. Das Krankheitsbild als solches und die 
pathologische Anatomie des Addison bedürfen wohl kaum einer ein¬ 
gehenden Umschreibung. Von den pathologisch anatomischen Befunden 
möchte ich nur das gesetZmässige Zusammentreffen mit Status lympha- 
tious [Hedinger 18 ), Wiesel 17 ), Bartel 18 ), v. Werdt 18 )] hervorheben. 
Von Iateresse ist noch in diesem Zusammenhang, dass das Blutbild 
des M. Addisonii nach Engelsmann 18 ) eine relative und absolute 
Lymphozytose zeigt, und dass dieser Autor dieselbe auf den in charakte¬ 
ristischer Weise vorkommenden Status lymphaticus bei Erkrankungen 
der Drüsen mit innerer Sekretion zurückführt, gemäss der Ansicht von 
Borohardt 20 ). 

Von Veränderungen der Schilddrüse bei Ausfall der Nebennieren’ 
funktion weiss die Literatur nur sehr wenig zu berichten. Cr owe und 
Wislocki 21 ) erwähnen eine Hyperplasie des lymphatischen Apparates 
naoh Epinephrektomie. Die Schilddrüse finden Bie dabei normal. Brown- 
Söquard und Boinet 22 ) geben an, dass die Schilddrüse nach Entfernung 
der Nebennieren kompensatorisch hypertrcphiere, Valenzi erwähnt 
vorübergehenden Kolloidschwund und Epithelde&quamation. In Noth¬ 
nagels Handbuch wird von Neusser und Wiesel 28 ) eine auffallende 
Kleinheit und Blutleere der Schilddrüse angegeben. 


1) Askanazy, D. Äroh. f. klin. Med., 1898, Bd. 65. 

2) Erich, Beitr. z. klin. Chir., 1900, Bd. 28, H. 1. 

3) Farner, Virch. Arcb., 1896, Bd, 143. 

4) Mac Call um, John Hopkiüs Ho9p. Bull., 1905, Bd. 16, Nr. 173. 

5) Alb. Kocher, Virch. Arob., 1912, Bd. 208 

6) v. Werdt, Frankf. Zscbr., 1911, Bd. 8, H. 3. 

7) Käppis, Mitt. Grenzgeb., 1910, Bd. 21. 

8) Pettavei, D. Zsohr. f. Chir., 1912, Bd. 116. — Mitt. Grenzgeb., 
1914, Bd. 27. 

9) Simmonds, D.m.W., 1911, Nr. 27. — D.m.W., 1911, Nr. 47. 

10) Ltfflgbans, Virch. Arch., 1907, Bd. 189. 

11) Züllig, Virch. Aroh.. 1910, Bd. 202. 

12) Hedinger, Frankf. Zschr., 1901, Bd. 3. 

13) Ruppaner, Frankf. Zsohr., 1908, Bd. 2. 

14) Simmonds, Virch. Arch., 1913, Bd. 211. 

15) Mac Callum, Journ. of americ. med. assoo., 5. Okt. 1907. 

16) Hedinger, Frankf. Zschr., 1907, Bl. 1, H. 3 u. 4. 

17) Wiesel, Zschr. f. Heilk., 1903, Bd. 24. — Virch. Arch., 1904, 
Bd. 176. 

18) v. Werdt, B.kl.W., 1910, Nr. 52. 

19) Engelsmann, Fol. Haemat., 1915, Bd. 19. 

20) Borchardt, Arch. f. klin. Med., Bd. 106. 

21) Crowe u. Wislocki, Bull, of the John Hopkins Hosp., Bd. 25, 
Nr. 284. 

22) Brown - Sequard, Boinet, zit. nach Bie dl, Innere Sekretion. 
1918. 

23) Neusser u. Wiesel, Morbus Addisonii in Nothnagel’s Handbuoh. 


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Nach Abschluss meiner Untersuchungen finde ich in der Literatur 
einen hierher gehörenden Fall von Sternberg 1 ), wo bei Addison hoch¬ 
gradige) Atrophie der Schilddrüse mit Bildung grosser lymphatischer 
Herde beobachtet wurde. 

Am Berner Institut ist in der letzten Zeit der Schilddrüse bei 
Addison’scher Krankheit besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden, 
und da sich untereinander auffallend ähnliche Befunde ergaben, die mehr 
als ein bloss zufälliges Zusammentreffen von Veränderungen darzustellen 
scheinen, soll hier kurz darüber berichtet werden. 

Der Morbus Addisonii ist eine seltene Erkrankung. Ich verfüge 
daher nur über vier genauer untersuchte Fälle aus den letzten Jahren. 
Mit einer Ausnahme fehlen in früheren Protokollen Angaben über histo¬ 
logische Befunde der Schilddrüse. Eine Nachprüfung der Resultate er¬ 
scheint deshalb angezeigt und wünschenswert. 

Es folgen zunächst die Befunde: 

Fall 1. S. 66/1919. Gl., Berta, 40 Jahre alt. 

Anamnese: Seit einem Jahre braune Pigmentierung der Haut und 
später der Mundschleimhaut. Zunehmende Müdigkeit und Adynamie. 
Amenorrhoe. Relative Lymphozytose von 45 pCt. Exitus nach zunehmender 
Ablagerung und Schwäche. 

Anatomische Diagnose: Morbus Addisonii. Status thymieo-lym- 
phatious totalis. Käsige Tuberkulose beider Nebennieren und der Adnexe. 
Tuberkulose der Lungen, des Epikards und der bronchialen Lymphdrüsen. 
Obliteration der Pleurahöhlen. Peritonitische Adhäsionen. Braune Herz¬ 
atrophie. Klappensklerose. Blutungen im Epikard und Nierenbecken. 
Cystitis purulenta. Myomata uteri. Thrombose der linken Meningea 
media. Stauung in Nieren, Leber, Milz. Trübe Schwellung der Leber. 
Cholelithiasis. Struma diffusa geringen Grades. 

Lokalbefunde: Gesicht, Handrücken, Innenseite der Oberschenkel, 
Bauohhaut, weniger die Rüokenhaut, intensiv und diffus braun pigmentiert. 
Schilddrüse: Beide Lappen etwas yergrössert, auf der Schnittfläche etwas 
vergrösserte, graurote,'massig transparente Läppchen. Im Bereich beider 
Nebennieren ist makroskopisch kein deutliches Parenchym mehr zu unter¬ 
scheiden. An seiner Stelle rundliche Käseherde von 0,5—1,5 om Durch¬ 
messer, daneben derbes Narbengewebe: Hyperplasie der Tonsillen und 
Zungenbalgdrüsen. Vermehrung und Vergrösserung der Milzfollikel. Ver- 
mehrung und Vergrösserung der Solitärfollikel von Dünn- und Dickdarm. 
Vergrösserung der Peyer’sphen Plaques. Appendix 10,5 cm lang, mit 
zahlreichen dicht aneinander liegenden Follikeln. Thymus vergrössert, 
12 g schwer. 

Mikroskopischer Befund; Der Thymus besteht> aus kleinen 
Läppchen, die durch Fettgewebe voneinander getrennt werden. Stellen¬ 
weise ist Einwuoherung von Fettgewebe in die Rindenpartien zu beob¬ 
achten. Rinde und Mark sind meist nur sehr undeutlich voneinander 
getrennt. Hie und da sind allerdings doch Markstränge zu sehen. 
HassaPsche Körperchen nur spärlich, ohne Verkalkung. Keine Keim¬ 
zentren. 

Nebennieren^ Beiderseits mehrere grosse zentral verkäste Herde, 
die z. T. verkalkt sind. Mehr peripher Granulationsgewebe mit 'vielen 
Lymphozyten, Fibroblasten oder epitbeloiden Zellen und Langhans’schen 
Riesenzellen. Daneben auch mehrere kleine typische Epitheloidzellen- 
tuberkel ohne Verkäsung. Nur ganz vereinzelt sind Inseln von Neben- 
nierenrindenparenobym mit grossen hellen Zellen der Zona fasoiculata 
oder mit dunklern Nestern der Zona glomerulosa vorhanden. Zum Teil 
sind die Zellen verfettet. Stellenweise Aussparungen von Cholesterin¬ 
ablagerungen. Im umgebenden Bindegewebe hyaline Umwandlung. Das 
benachbarte Fettgewebe ist z. T.- nekrotisch und durch Lymphozyten 
infiltriert. Von Markbestandteilen, speziell von chromaffinen Zellen, ist 
nichts nachweisbar. 

Schilddrüse: Sie setzt sich zusammen aus Läppchen bis zu 2 mm 
Durchmesser, welohe durch schmale bis mäs9ig breite bindegewebige 
Septen voneinander getrennt werden. Schon Lupenvergrö9serung zeigt 
den Bau der Läppchen aus kleinen, z. T. kolloidhaltigen, seltener leeren 
Bläschen. Das Kolloid erscheint bei Hämalaun-Eosinfärbung blassrot. 
In den Läppchen sowohl, als auch im interlobulären Gewebe vielfach 
dunklere Herde, welche hie und da ein helleres Zentrum aufweisen. 

Bei stärkerer Vergrösserung betrachtet sieht man Bläschen mit einem 
Durchmesser bis zu 350 p y welche fast konstant blassrötliches, glänzendes 
Kolloid, meist ohne Retraktionsfiguren enthalten. Nur in ganz verein¬ 
zelten Bläschen hat sich das Kolloid von der Wand zurückgezogen, weist 
Randvakuolen auf, sowie zentrale, rscbwaoh basophil gefärbte Schollen. 
Das Bläschenepithel ist in den kolloiderfüllten Bläschen kubisch oder 
häufiger noch etwas abgeplattet. Die Kerne liegen nicht sehr nahe 
aneinander, sind rundlich oder oval mit einem Durchmesser von 4—6 
massig chromatinreich. Das eher spärliche Protoplasma erscheint homogen, 
hellrot. Im allgemeinen ist Epitheldesquamation oder Papillenbildung 
nicht zu beobachten. In den spärlichen kolloidleeren Bläschen erscheint 
das Epithel etwas höher, die Kerne stehen dichter aneinander und 
scheinen sich zu berühren. Hie und da ist hier Epitheldesquamation zu 
beobachten. 

Dieses eben beschriebene regelmässige Bild wird'sehr häufig ver¬ 
ändert durch’das Hinzutreten von lymphatischem Gewebe, sowohl inter- 
als intralobulär. Dieses Gewebe besteht aus Lymphozytenansammlungen, 
die zum Teil, ziemlich scharf begrenzt mit dichtem dunklen Saum un- 


1) Sternberg, Verh. d. deutsch, patb. Ges., 1914, Bd. 17. Disk, 
z. Vortr. Rössle. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 60. 


regelmässig, oft sternförmig ins intralobuläre Geirebe vorgewuohert sind, 
Schilddrüsenparenohym komprimierend, abscbnürend und soblieBsliob er¬ 
setzend. Der dunkle Saum ist dadurch bedingt, dass die Lymphozyten 
am Rande dichter stehen als in der Mitte. Das Zentrum erinnert ganz 
an ein Keimzentrum, nur dass dieses nicht immer scbön rundlich er¬ 
scheint, sondern vielfach sich der gesamten unregelmässigen Form des 
Haufens afigepasst bat. Sehr oft sieht man die Herde von den Knoten¬ 
punkten der intralobulären Septen ausstrahlen. 

Bei starker Vergrösserung zeigt sioh, dass in diesen hellen Zentren 
lymphoblastenähnliche grosse helle, verschieden geformte Zellen liegen, 
welche einen deutlicheren Protoplasmaleib besitzen als die Lymphozyten 
und die, ganz vereinzelt allerdings, Mitosen aufweisen. Die Zellen 
unterscheiden sich von den vielfach in den Lymphozytenansammlungen 
vorkommenden abgeschnürten Epithelien durch den Mangel irgend eines 
innigeren Verbandes, sowie durch die etwas grössere Mannigfaltigkeit in 
der Form der Kerne. Letztere besitzen auch häufig ein deutliches 
oxyphiles Kernkörperchen. Die Lymphozytenherde sind sehr verschieden 
gross. Während s e an einzelnen Stellen ganze Sohilddrüsenläppohen 
einnehmen oder auch interlobulär zu grösseren Gebilden bis zu 2 mm 
Durchmesser entwickelt sind, finden sich auch ganz kleine Ansamm¬ 
lungen von der Grösse eines mittleren Sohilddrüsenbläschens. Stellen¬ 
weise erscheinen die Lymphozyten auch etwas mehr diffus im intra¬ 
lobulären oder interlobulären Gewebe verstreut, wobei aber die Ver¬ 
teilung niemals ganz gleiohmässig ist. Die Lymphozyten besitzen durch¬ 
schnittlich einen Durchmesser von 3 /*, sind also kleiner als die Epithel¬ 
kerne, unterscheiden sich im weiteren von diesen durch ihren grösseren 
Chromatinreichtum. Meist sind sie rundlich, häufig auch etwas ein¬ 
gekerbt, mit kaum oder gar nicht sichtbarem Protoplasmaleib. Häufig 
werden die Lympbollikel begleitet von zahlreichen mit Blut gefüllten 
Kapillaren, im interlobulären Gewebe sind sie gelegentlich deutlich peri¬ 
vaskulär anzutreffen. An anderen Stellen wiederum sind sie ohne Ge- 
fässe zu sehen, und umgekehrt fehlen sie häufig um Gefässe herum. 
Stellenweise sind den Lymphozyten Plasmazellen beigemengt, freilich 
erst bei Färbung nach Unna-Pappen heim schärfer vortretend. 

Um die Lymphfollikel herum ist das Kolloid in den Bläsohen ge¬ 
schwunden. Diese erscheinen komprimiert mit etwas höherem und dich¬ 
terem Epithel. 

Inmitten der Lymphozytenhaufen fehlen elastische Fasern. Abgesehen 
von den Gefässwänden sind sind sie an der'Peripherie der Lymphfollikel 
zu sehen, wo sie teils vom inter- teils vom intralobulären Gewebe aus¬ 
gehen und wo auch Reste von Parenohym vorhanden sind. 

Im Innern der Haufen finden sioh nur wenig kollagene Fasern. Das 
interlobuläre Gewebe ist stellenweise ziemlich stark verdickt. Gerade 
hier fehlen aber die Lymphozyten. 

In dieser Schilddrüse ist sozusagen kein Läppchen frei von Lympho¬ 
zytenhaufen. 

Fall 2. S. 75/1915. H. 0., 48jäbriger Mann. Gest 12. HI. 1915. 

Anamnese: Seit 2 Jahren Schwäche und Müdigkeit. Abmagerung 
seit 6 Monaten, zugleich Pigmentierung des Gesichts und allmählich 
auch des übrigen Körpers. Status am 8. III. 1915: Kopf, Hand¬ 
rücken, Beine sepiabraun gefärbt. Diffuse Struma geringen Grades. 
Nierengegend beiderseits druckempfindlich. Blutdruck 90 mm Hg. Puls 
sehr klein. 

Sektionsbefund: Morbus Addisonii. Braune Pigmentierung des 
Gesichts, des Halses und der Beine. Bräunliche Flecken in der Lippen¬ 
schleimhaut. An Stelle der linken Nebenniere ein mit dem Pankreas- 
schwanze verwachsener, derber Tumor von 6:8:4 cm, bestehend aus 
zahlreichen käsigen, bis 1,5 cip grossen Knoten, die zum Teil breiig er¬ 
weicht sind und in einem grauen oder weissliohen Bindegewebe liegen. 
Rechte Nebenniere stark verdickt, auf der Schnittfläche nur an einzelnen 
Stellen Rinde erkennbar, im übrigen graues derbes Gewebe mit zahl¬ 
reichen käsigen Knoten. Käsige Tuberkulose der rechten Niere. Ver¬ 
schluss des rechten Ureters und Nierenbeckens. Hypertrophie der linken 
Niere. Struma diffusa geringen Grades. Chronische Tuberkulose der 
Thyreoidea. Im Mediastinum anticum etwas Fettgewebe und geringe 
Thymu8reste. Status lymphatious. Vergrösserung der Zungenbalgdrüsen 
und der Tonsillen. Milzfollikel gross und zahlreich. Peyer’sohe Plaques 
ziemlich gross. Solitärfollikel im Darm reiohlioh vorhanden. 

Abgeheilte Tuberkulose beider Lungenspitzen. Chronisohe Tuber¬ 
kulose der bronchialen und unteren trachealen Lymphdrüsen, chronisohe 
Tuberkulose des linken Nebenhodens. Blutungen in Endokard, Epikard, 
Nierenbecken, Pleura und Magenschleimhaut. Status nach früherer Ex¬ 
stirpation des rechten Hodens und Nebenhodens. Hydrocephalus internus. 
Hirnödem. Tuberkel in der Milz. Leichte Lipomatosis cordis. Glottis¬ 
ödem. Lungenödem und -emphysem. Lobuläre Pneumonie. Milztumor. 
Traktionsdivertikel des Oesophagus. 

Mikroskopischer Befund: Die Schilddrüse besteht neben 
kleinen Parenchym- oder Kolloidknoten zur Hauptsache aus Läppchen 
vjn 0,5—2 mm Durchmesser, welche durch schmale, vielfach auch durch 
deutlich verbreiterte bindegewebige Septen voneinander getrennt werden. 
Schon Lupenvergrösserung zeigt den Bau der Läppchen aus sehr kleinen, 
oft leeren, sowie auch grösseren mit eosinrptem Kolloid erfüllten 
Bläsohen. Im Kolloid sind basophile Sohollen häufig. Im inter lobulären 
Gewebe, wie auch intralobulär, finden sich sehr häufig ganz unregel¬ 
mässige dunkle Herde, welche hier und da ein helleres Zentrum auf¬ 
weisen. Die verschieden grossen Herde, welche gelegentlich die Grösse 
eines Läppchens erreioben, sind zum Teil scharf begrenzt, mit dunklem 


Saum, sternförmig, pseudopodienartig, in anderen Fällen durchsetzen 
sie das Sohilddrüsengewebe mehr diffus, ihre Begrenzung ist hie 
unscharf. 

Bei stärkerer Vergrösserung sieht man die Läppchen zusammen¬ 
gesetzt aus Bläschen bis zu 500 p Durchmesser. Vielfach enthalten sie, 
wie gesagt, mit Eosin blassrot färbbares Kolloid, mit zentralen baso¬ 
philen Schollen. In anderen Fällen sind bloss vom Rande retrahierte 
Schollen von basophilem Kolloid sichtbar. Randvakuolen sind häufig, 
ln den kolloiderfüllten Bläsohen ist das Epithel kubisch oder etwas ab¬ 
geplattet. Die Kerne liegen weit auseinander, Bind rundlich oder oval 
und besitzen einen Durchmesser von 3—7 p. Hie und da ist Epithel¬ 
desquamation zu beobachten. Das Epithelpratoplasma ist hellrot, homogen. 
Papillenbildung ist nicht zu sehen. In den kolloidleeren Bläschen zeigt 
das Epithel ganz ähnlichen Bau. —^ 

Das eben beschriebene Bild gilt in reiner Form nur für die 
wenigsten Läppchen der vorliegenden Schilddrüse. Vor allem ist sehr 
häufig das intralobuläre Gewebe verbreitert und enthält diffus zerstreut 
Lymphozyten, Die Bläsohen sind hier meist kolloidleer, werden duroh 
Bindegewebswuoherung komprimiert und bilden daduroh Verzweigungen, 
Das Epithel ist da höher, die Kerne liegen nabe beieinander und 
scheinen sioh zu berühren. 

Neben diesen sklerotisch*atrophischen Veränderungen sind Lympbo- 
zytenherde sehr verschiedener Grösse zu sehen, die zum Teil scharf 
begrenzt inter- oder intralobulär liegen, zum Teil auch mehr diffus vor- 
gewuebert sind, jedoch immer zu deutlichen Gruppen vereinigt. In den 
Lymphfollikeln ist sehr häufig eine zentrale Kapillare zu sehen, oder es 
liegen die Lymphozytenansammlungen um grössere Gefässe herum, 
jedooh ist dieser Befund keineswegs konstant. Durch die Herde ist 
häufig Sohilddrüsengewebe komprimiert, das Kolloid darin geschwunden. 
Die Epithelien liegen oft aus ihrem normalen Verbände gelöst. An 
einigen Stellen sind ganze Bläsohen oder Bläsohen gruppen duroh die 
vorgewucherten Lymphozyten abgetrennt und sind unter diesen als 
Parenohyminseln erkennbar. Einige Lympbozytenbaufen besitzen ein 
rundliches, deutlich helleres Zentrum, nicht nur, weil an der Peripherie 
die Lymphozyten dichter stehen, sondern weil hier Zellen mit hellem 
Kern und deutlicherem Protoplasmaleib von der Art der Lympheblasten 
sich vorfinden. Mitosen sind keine zu sehen, dagegen grosse ohromatin- 
arme Kerne, die Retikulumzellen angeboren. Den Lymphozyten sind 
gelegentlich Plasmazellen beigemengt. Wie gesagt sind die Lympho¬ 
zyten nioht immer deutlioh zu Haufen zusammen gedrängt, sondern 
gerade in dieser Schilddrüse durchsetzen sie vielfach mehr diffus das 
intralobuläre Bindegewebe, das selber häufig verbreitert ist. Gans 
gleiohmässig ist allerdings die Verteilung der Lymphozyten nirgends. 
Auch das interlobuläre Gewebe ist zum Teil verdiekt, und auch hier 
finden sioh meist perivaskulär angeordnet Lymphozytenansammlungen, 
gelegentlich mit Plasmazellen. 

In den Lymphfollikeln fehlen elastische Fasern. Vom inter- wie vom 
intralobulären Gewebe abstammend, sind sie in den peripheren Partien 
der Lymphozytenherde anzutreffen, wo auoh noch Reste von Schilddrüsen- 
parencbym vorhanden sind. 

Neben diesem Befnnd weist die vorliegende Schilddrüse einige 
typische Tuberkel mit epitheloiden Zellen und Langhans’schen Riesen¬ 
zellen auf, ohne Verkäsung. Neben den Tuberkeln ist auoh nioht weiter 
differenziertes gefässarmes Granulationsgewebe zu sehen, so dass an 
einigen Stellen die Struktur der Läppchen beinahme unkenntlich ist 
Dieses Granulationsgewebe besteht hauptsächlich aus gewuchertem Binde¬ 
gewebe, mit eingestreuten Lymphozyten, vereinzelten Leukozyten sowie 
Plasmazellen. Es geht hie und da unmerklioh in die oben beschriebenen 
diffusen Lymphozyteninfiltrate über. In dem Granulationsgewebe ein- 
geschlossen, sind oft noch atrophische Drüsenbläschen zu sehen, deren 
Kerne manchmal pyknotiscb, andererseits auch sehr gross und geschwollen 
sind. Ferner finden sich in ihm zahlreiche Sohollen von meist baso¬ 
philem Kolloid, das stark glänzt, und welches sehr oft von epithelialen 
Fremdkörperriesenzellen umgeben wird. Letztere sind nioht selten in 
Form einer schmalen Siohel der Kolloidscholle angepasst und können an 
manchen Stellen zu mehreren nebeneinander liegen. Im Gegensatz za 
den Lymphfollikeln sind in dem Granulationsgewebe elastisdte Fasern 
erhalten. 

Die Untersuchung der kleinen Knoten der vorliegenden Schilddrüse 
ergibt ein Vorkommen von Lymphozytenhaufen in der Kapsel, am Rande 
oder im Innern von komprimierten Schilddrüsenläppchen. *Jm Knoten- 
innern finden sich Lymphozyten mehr diffus verteilt, Bildung von eigent¬ 
lichen Follikeln ist da nicht zu sehen. 

Fall 3. S. 217/1918. Sohn. Rosa, 22 Jahre alt. 

Anamnese: Seit Herbst 1917 Pigmentierung der Haut, besonders 
der Stirne, Müdigkeit und Sohwäche, Abmagerung, Appetitlosigkeit, Er¬ 
brechen. Kräfteverfall. Schmerzen in der Lendengegend, beiderseits 
neben der Wirbelsäule. Status: Haut des Gesichts, speziell der Stirne, 
des Halses, Thorax und Abdomens stark braun pigmentiert. Puls äusserst 
klein, kaum fühlbar. Blutdruck 85 mm Hg. Thyreoidea nicht vergrössert 
Weisse Blutkörperchen 6500. Neutrophile 50pCt. Lymphozyten 41,5pCt. 
Grosse Einkernige und Uebergangsformen 6,5 pCt. Eosinophile SpCt. 
Mastzellen 0. In der Mundschleimhaut Pigmentfieoken von rauohschwarzer 
Farbe. Der Blutdruck sinkt allmählich bis auf 60 mm Hg. Exitus 
am 2. VII. 

Aus dem Sektionsprotokoll: Morbus Addisonii. Haut diffus pig¬ 
mentiert, besonders Hals und Gesicht. Pigmentierung der Mandsohleim- 


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15. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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haut. Linke Nebenniere in derbes fibröses Gewebe eingebettet, das sich In einer retroperitonealen Lymphdrüse zahlreiche Epitheloidzellen- ^ 

nach vorn vor die Wirbelsäule erstreckt. Grösse 4,5 : 2 T 5 : 2 cm. Auf tuberkel mit Langhans’schen Riesenzellen. Daneben noch gut erhaltenes 

der Schnittfläche ist normales Nebennierengewebe nicht mehr erkennbar. lymphadenoides Gewebe mit deutlichen Follikeln. Im Gewebe zerstreut 

An einer Stelle findet sich in graurötliohes transparentes Gewebe ein- zahlreiche eosinophile Leukozyten. 

gebettet ein grosser landkartenartig verzweigter Käseherd vou derber Die Schilddrüse setzt sich aus Läppchen bis zu 2,5 mm Durch- 

Konsistenz. Rechte Nebenniere mit der Unterfläche der Leber fest ver- messer zusammen, welche durch schmale bindegewebige Septen vonein- 

wachsen. Grösse: 4 : 2 : I cm. Die Schnittfläche bietet dasselbe Bild ander getrennt werden. Die Läppchen bestehen aus kleinen, zum grossen 

wie links, an einer Stelle quillt dicker grünlicher E'ter aus einer kleinen Teil kolloidhaltigen, seltener leeren Bläschen. Daneben vielfach dunklere 

Erweichungshöhle hervor. üerde, sowohl im interlobulären Bindegewebe als auch intralobulär. 

Leicht lösbare Pleuraadhäsionen. Kalkherde in der linken Lunge. Sehr deutlich ist in diesen Herden häufig ein meist rundliches helleres 
Bronchialdeüsen vergrössert, anthrakotisch, mit zahlreichen grauen Flecken. Zentrum. 

Status thymico-lymphaticus: Thymus 12 g, 11:3,5:0,7 cm. Tonsillen Bei starker Vergrösserung sieht man Bläsohen von 60—350/iDurch- 

und Balgdrüsen deutlich vergrössert. Mesenterialdrüsen mässig gross. messer, welche sehr häufig glänzendes, eosinophiles Kolloid enthalten, 

Retroperitoneal- und Periportaldrüsen deutlich vergrössert. Appendix das meist Retraktionsfiguren, Randvakuolen, hie und da auch im Innern 

8 cm lang. Milzfollikel grau, gross. Herz klein 120 g. Rechter Vorhof Vakuolen darbietet. Durch Konfluenz sind gelegentlich die Bläschen 

und Ventrikel etwas erweitert. Durchschnittliche Breite der Aorta tbo- nicht mehr rundlich, sondern ausgebuchtet, und hie uud da siebt man 

raoica 32—33 mm. Atheromatöse Placques der Aorta. Leber gestaut. Reste von Septen. Das regelmässige einschichtige Bläschenepithel ist 

Thyreoidea klein, makroskopisch o. B. kubisch,- mit rundlichen deutlich auseinande»liegenden Kernen. Letztere 

Mikroskopischer Befund: Der Thymus zeigt gut ausgebildete haben einen Durchmesser von 5—6/x und sind ziemlich chromatinreich. Das 

ziemlich grosse Tbymusläppchen, mit deutlicher, reichlich vorhandener Epithel bildet keine Papillen. Epitheldesquamation ist in geringem 

Rindensubstanz. Im Mirk zahlreiche Hassal’sche Körperchen. Ein Er- Grade vorhanden, ln den selteneren kolloidleeren Bläschen ist das 

satz des Thymusgewebes durch Fett ist kaum angedeutet. Nebennieren: Epithel gleich gebaut, die Kerne stehen etwas dichter beieinander. Hier 

An Stelle des Nebennierengewebes finden sich grosse völlig strukturlose ist die Epitheldesquamation etwas ausgesprochener. 

Käseherde mit einzelnen Kalkablagerungeu. Zwischen den Käseherdeu D as beschriebene regelmässige Bild wird in der vorliegenden Schild¬ 
breite Septen aus derbfaserigem, oft hyalin degeneriertem Bindegewebe drüse sehr häufig verändert durch das Hinzutreten von lymphatischem 

mit zahlreichen typischen Epitheloidzellentuberkeln mit Langhans’schen Gewebe, sowohl inter- als besonders intralobulär. Dieses besteht aus 

Riesenzellen. Ausserdem zahlreiche Lymphozytenhaufen. Hie und da Lymphozytenansammlungen, die meist ziemlich scharf begrenzt, seltener 

finden sich noch kleine Herde meist völlig nekrotischer epithelialer Zellen mehr diffus verstreut sind. Die Lymphozyten besitzen einen chromatin- 

in deutlichen Zügen und Haufen geordnet, mit feinen kapillären Spalten reichen, rundlichen oder leicht eingebuchteten Kern, ohne deutlichen 

dazwischen, deren Endothelkerne noch erhalten sind. Protoplasmaleib. Durchmesser 3—4 jx . Häufig weisen die Lymphozyten¬ 

haufen ein ziemlich scharf begrenztes rundliches, helleres Zentrum auf, 
Abbildung 1. das sich bei stärkerer Vergrösserung als Keimzentrum mit grossen, 

helleu, verschieden geformten Lymphoblasten entpuppt, in deren Kernen 
häufig ein oxyphiles Kernkörperohen zu sehen ist. Die Kerne Mnd hell, 
bläschenförmig, rundlich, gelappt oder oval. Sie bieten ein ganz deut¬ 
liches Chromatingerüst dar. Ihr Protoplasraaleib ist spärlich, sehr hell 
und nur undeutlich abgrenzbar. Zwischen den Lymphoblasten sind hier 
und da grösserere Zellen, offenbar Retikulumzellen, sichtbar, deren 
Kerne sioh durch ihre Grösse und ihren geringen Chromatingehalt aus- 
zeichnen. 

Wie gesagt, ist der Uebergang dieser Keimzentren in den dunkleren 
Lymphozytensaum ein ziemlich scharfer. Die grössten, scharf begrenzten 
Follikel erreichen eine Grösse von 0,75 mm. 

Die Lymphozytenhaufen besitzen eine unregelmässige Form, viel¬ 
fach scheinen sie sternförmig intralobulär vorzuwuchern, indem sie dabei 
Schilddrüsenparencbym komprimieren, abschnüren und ersetzen, ähnlich 
wie in Fall 1. 

Während die Lymphozytenhaufen an einzelnen Stellen, namentlich 
unter der Schilddrüsenkapsel, direkt an der Oberfläche, ganze Schild¬ 
drüsenläppchen einnehmen oder auch intralobulär ziemlich stark ent¬ 
wickelt sind, finden sioh auch ganz kleine Ansammlungen. 

An der Peripherie der Haufen findet man leere, komprimierte 
Bläschen oder auch dichtgedrängte Ansammlungen von Pareiicbymzellen, 
zwischen welchen die Lymphozyten vorwuchern. Das Drüsengewebe 
Fall 3. Mikrophotogramm. Vergrösserung 4 fach. wird gleichsam durch Lymphozyten ersetzt. Je mehr man von den An- 

Uebersichtsbild: Schilddrüse mit zahlreichen inter- und intralobulären Sammlungen abrückt, um so mehr bekommt man das oben;beschriebene 

Lymphfollikeln, z. T. mit Keimzentren. Das Schilddrüsengewebe ist ßüd der Schilddrüse wieder. 

vielfach durch die lymphadenoiden Wucherungen ersetzt. Ein einigermaassen konstanter Zusammenhang zwischen Lympho¬ 

zytenhaufen und Blutgefässen lässt sich in dieser Schilddrüse nicht 
Abbildung 2. feststellen, immerhin sind im lymphatischen Gewebe feine Kapillaren in 

ziemlich grosser Zahl sichtbar. Auffallend ist die starke Füllung der 
Lymphgefässe mit Lymphozyten in den interlobulären Septen. Die ein¬ 
zelnen Läppchen werden durch schmale oder auch etwas verbreiterte 
Züge vom Bindegewebe voneinander getrennt, welche keinerlei entzünd¬ 
liche Infiltration aufweisen, mit Ausnahme der beschriebenen Lympho¬ 
zytenhaufen. Plasmazellen sind keine zu sehen. 

Fall 4. J.-Nr. 150/1915. 50jährige Frau. Tc am 21. II. 1915 
im Bezirksspital Biel. Herzschwäche, vorher starke Hinfälligkeit, Ady- 
namie, Dyspnoe, Verdauungsstörungen. Sepiabraune Pigmentierung der 
Haut^ 

Diagnose: Morbus Addisonii. 

Die Organe wurden dem Institut mit folgenden Angaben zu- 
geschiokt: Atrophie der Leber und des Herzens. Tuberkulose der Neben¬ 
nieren. 

Die Nebennieren sind stark verdickt, derb. Auf der Schnittfläche 
weder Rinde noch Mark erkennbar, diffus graue Farbe, zahlreiche käsige 
Herde. 

Mikroskopischer Befund: An Stelle der Nebennieren kern¬ 
arme, hyaline Massen, meist bandartig geformt. Zahlreiche cekrotisohe 
Partien. In ihrer Nähe grosse Lymphozytenherde und einzelne spär¬ 
liche Tuberkel mit epitheioiden Zellen und sehr wenigen Riesenzellen. 
Grosse Lymphozytenhaufen finden sich auch mitten in den fibrösen 
Fall 3. Mikrophotogramm. Vergrösserung 60 fach. Partien. 

Intralobulärer grosser Lymphozytenherd mit hellerem Keimzentrum. An Die Schilddrüse zeigt bei Lupenvergrösserung einen mlich 

der Peripherie atrophische, leere, komprimierte Schilddrüsenbläschen. gleichmässigen Bau. Sie setzt sich zusammen au9 Läppchen von 0,7 bis 

In den oberen und unteren Partien des Gesichtsfeldes mehr diffuse, 1,5 mm Durchmesser, welche durch schmale, häufig auih durch ziemlich- 

doch deutlich gruppierte Lymphozytenwucherungen. breite bindegewebige Septen getrennt werden, ln den Läppchen sind 




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1182 


BERLINER KLINISCHE WOCHEN! 


[RIFT. 


Hr. 60. 


nur selten mit blassrotem Kolloid gefüllte Bläsoben erkennbar, vielfach 
sieht man kleine, leehre Bläschen» Inter- vie intralobulär häufig dunklere 
Herde, oft zu mehreren in einem Läppchen. Eine konstante Lokalisation 
der Herde ist nioht zu beobachten. Häufig gehen sie von den Knoten* 
punkten der interlobulären Septen aus. Gewöhnlich nehmen sie nur 
einen kleinen Teil der »Läppchen ein, in einzelnen Fällen erfüllen sie 
sie fast ganz. Sehr häufig ist ein heileres Zentrum zu sehen. 

Bei stärkerer Vergrösserung stellt sioh heraus, dass die Läppchen 
aus kleinen, meist leeren, hier und da von blassrotem Kolloid erfüllten 
Bläschen bestehen, ^nit kubisohem, ziemlich regelmässigem Epithel, das 
einen mässig ohromatinreichen Kern von 4—11,5/t Durchmesser besitzt. 
Die Kerne sind also sehr verschieden gross, es kommen Riesenkerne mit 
fast dreifachem Durchmesser der gewöhnlichen Kerne vor. Die Zell* 
grenzen sind meist undeutlich, das Protoplasma mässig reichlich,*homogen, 
hellrot. Das Kolloid füllt die Bläschen fast ganz aus. Hier und da 
sind stark glänzende, dunkle basophile Schollen, manchmal umgeben 
von blassrotem dünnen Kolloid zu sehen. Gelegentlich in den Follikel¬ 
lumina geringgradige Epitheldesquamation. Papillenbildungen fehlen. 
Dieses Bild wird in den meisten Läppohen durch das Vorhandensein von 
lymphatischen Elementen kompliziert. Diese sind sowohl inter- als 
intralobulär zu beobachten und bestehen zur Hauptsaohe aus Lympho¬ 
zytenansammlungen, die zum Teil ziemlich scharf begrenzt, rundlich, 
oval oder unregelmässig aussehen und vielfach ein helles Zentrum und 
einen dichten dunklen Saum besitzen. Die Lymphozytenhaufen finden 
sich besonders zahlreich an der Peripherie, unmittelbar unter der 
Schilddrüsenkapsel. Intralobulär vorgewuchert, haben sie das Schild¬ 
drüsenparenchym komprimiert, abgeschnürt und schliesslioh ersetzt. Es 
finden sich auch Parenohyminseln, ganz von Lymphozyten eingeschlossen. 
Viele Haufen weisen ein helleres Zentrum auf, ein Keimzentrum, das 
zum Teil rundlich aussieht, zum* Teil sich auch in seiner Form dem 
Aussehen des ganzen Haufens angepasst bat. In diesen Zentren finden 
sioh lymphoblastenäbnliche grosse, helle Zellen verschiedener Form. 
Diese besitzen im Gegensatz zu den Lymphozyten einen deutlichen 
Protoplasmaleib, mitotische Kernjieilungsfiguren sind nicht zu beobachten. 
Daneben sieht man sehr schöne Retikulumzellen, so dass das ganze Bild 
an die Lymphfollikel der Tonsillen erinnert. 

Nicht immer sind die Lymphozyten zu didbten Haufen vereinigt, 
sondern hier und da auch etwas mehr diffus zerstreut. Auch in diesen 
Fällen ist aber die Verteilung nie eine ganz gleichmässige. 

Hier und da, jedoch in der Minderzahl der Fälle, werden die 
Lymphfollikel von Kapillaren begleitet, im allgemeinen lässt sich aber 
in dieser Schilddrüse ein konstanter Zusammenhang zwischen Blut¬ 
gefässen und der Lokalisation der Lymphozytenhaufen nicht feststellen. 
Ganz vereinzelt sind einige Plasmazellen den Lymphozyten beigemengt, 
die aber erst bei Färbung naoh Unna-Pappenheim deutlicher vor¬ 
treten. 

Um die Lymphfollikel herum findet sich Kolloid in den Bläschen 
noch spärlicher als im übrigen Schilddrüsengewebe. Elastische Fasern 
fehlen in den Haufen. Solche sind an der Peripherie zu sehen, wo sie 
vom inter- und vom intralobulären Gewebe ausgehen. Hier sind auch 
noeh Reste von Schilddrüsenparenchym vorhanden. 

Eine Färbung nach van Gieson ergibt im Innern der Haufen eine 
sehr geringe Zahl roter Fasern. 

An einzelnen Stellen ist diese Schilddrüse deutlich etwas skieroti¬ 
siert, indem sowohl inter- als intralobulär das Bindegewebe etwas zu¬ 
genommen hat und die Bläschen einen geringen Grad von Atrophie 
zeigen. _Das Bild ist so wechselnd, dass ein Zusammenhang zwischen 
Bindegewebe und lymphatischem Gewebe nioht konstruiert werden kann. 

Fall 5. S. 187/1912. R., Gottfr., 50 Jahre alt. Material nicht 
mehr vorhanden, der Fall wird nur nach dem SektionBprotokoll ange¬ 
führt. Morbus Addisonii mit dunkelbrauner Pigmentierung der Haut. 
Käsige Tuberkulose der Nebennieren, der Milz, Leber, Retroperitoneal-, 
Periportal- und Inguinaldrüsen, tuberkulöse Peribronohitis. Lobu¬ 
läre Pneumonie, Lungenödem. Pleuritis adhaesiva. Tuberkulöse Darm¬ 
ulzera. Status lymphatious (Zungenbalgdrüsen, Dickdarmfollikel, Mesen¬ 
terial-, Periportal- und Mediastinaldrüsen). Braune Herzatropbie, Myo¬ 
kardschwielen. Struma nodosa oaloarea. Thyreoidea beiderseits stark 
vergrös8ert mit Knoten ^von transparentem dunkelbraunen Kolloid. Der 
Mittel lappen wird duroh einen grossen Knoten eingenommen, der stark 
verkalkt ist. 

Mikroskopisoh: Normales Nebennierengewebe ist nicht mehr 
nachweisbar. Meist findet man Granulationsgewebe, das zum Teil hyalin 
entartet ist. Zahlreiche Epitheloidzellentuberkel mit LanghanB’schen 
Riesenzellen. Mehrere verkäste Herde. 

Schilddrüse: Läppchenbildung ausserhalb der Knoten erhalten, 
lnterlobuläre Septen etwas verdickt. Bläschen mittelgross bis gross, 
enthalten meist eosinophiles Kolloid mit sehr häufig dunkleren, baso¬ 
philen zentralen Schollen. Epithel regelmässig, kubisch bis platt. 

Ueber ein Vorhandensein von Lymphozytenhaufen ist nichts ver¬ 
merkt. Ein so auffallender Befund wie in den ersten 4 Fällen wäre 
wohl kaum übersehen worden. 

Fall 6. S. 803/1914. P., Georgette, 17 Jahre alt. Plötzlicher 
Exitus nach vorausgegangenem heftigen und häufigen Erbrechen. 

Sektionsbefund: Morbus Addisonii. Braune Verfärbung der Haut. 
An Stelle der Nebennieren länglich-ovale Körper, auf der Schnittfläche 
völlig verkäst, ohne erkennbares normales Gewebe. Kalkherde in den 
Lungen und in der rechten Tube. Status tbymo-lymphatious: Thymus, 


Balgdrüsen, Tonsillen, Raohenfollikel, Periportal- und Retroperitoneal- 
drüsen. Solitärfollikel des lleums, Peyer’sohe Plaques. 

Blutungen im Epikard, Pleura, Lungen. Verfettung von Myokard, 
Leber, Nieren. 

Schilddrüse: Normal gross, Sohnittfiäcbe blassroC etwas trüb, 
ohne Knoten. Mikroskopisch: In den Läppchen kleine und mittel- 
grosse Bläschen von ungleicher Form, zum Teil unregelmässig ausge- 
buohtet, leer oder mit blassrot färbbarem Kolloid gefüllt, das häufig 
vakuolisiert ist. Die Wand der Bläschen bildet gelegentlich kleine 
papilienartige Vorsprünge ins Lumen hinein, das Epithel ist zum Teil 
bocbzyiindrisch mit sehr dioht aneinanderliegenden Kernen, zum Teil 
auch mehr kubisch. Vielfach Desquamation, oft in ganzen Bändern, 
wohl zur Hauptsache postmortal. Keine Lymphozyteninfiltrate, keine 
Lymphfollikel. (Von dieser Sohilddrüse waren nur 2 Sohnitte vorhanden, 
das Material nicht mehr erhalten.) 

Ueberblickt man das eben beschriebene Material, so ergibt 
sich für alle vier genauer untersuchten Fälle ein konstantes Vor¬ 
kommen grosser Lymphozytenbaufen in der Schilddrüse bei Morbus 
Addisonii, und zwar sind die Befunde überall sehr ausgesprochen, 
haben wir doch gesehen, dass kanm ein Läppchen von den 
lymphatischen Wucherungen verschont bleibt, und dass diese 
Wucherungen selber sehr gross sein können. 

Unter diesen Umständen scheint Fall 6, von welchem ich die 
Schilddrüse allerdings nicht selber untersuchen konnte, im nega¬ 
tiven Sinne beurteilt werden zu müssen, da ein so auffallender 
Befund, wie er in den ersten vier Fällen beobachtet werden 
konnte, kaum übersehen worden wäre Den gleichen negativen 
Befund bietet Fall 6 dar. Damit steht aber auch fest, dass 
Lymphozytenansammlungen in der Schilddrüse beim Addison kein 
konstantes, sondern bloss ein häufiges Voikommnis darstellen. 

Fall 2 verdient besonders hervorgehoben za werden. Hier 
sind deutlich zwei koordinierte Veränderungen anzutieffen, einer¬ 
seits eine Tuberkulose mit spezifischen histologischen Verände¬ 
rungen neben nicht weiter differenziertem Granulätionsgewebe, 
andererseits, daneben einhergehend und gleich wie in den übrigen 
drei Fällen, Lymphozyten mit Keimzentren. 

Unsere Befunde lassen sich ohne Zweifel als Wucherungen 
lymphadenoiden Gewebes auffassen. In allen Fällen wurden 
typische Keimzentren mit Lymphoblasten und deutlichen Reti- 
kulumzellen beobachtet. t)er Uebergang dieser Zentren in den 
dunkleren Lymphozytensaum ist ein ziemlich scharfer. Die Auf¬ 
fassung der Herde als echtes lymphatisches Gewebe wird unter¬ 
stützt durch das Vorhandensein von Mitosen in Fall 1, und wenn 
solche in den drei übrigen Fällen nicht nacbgewiesen werden 
konnten, so ist das bei der Untersuchung von Leichenmaterial 
nicht verwunderlich. Fall 8, wo einzelne Lympbgefässe mit 
Lymphozyten vollgestopft vorgefunden wurden, beweist auch 
einen vermehrten* Uebertritt von Lymphozyten in die Lymph- 
bahnen. 

Wir haben gesehen, dass die lymphatischen Herde keines¬ 
wegs immer mit deutlichen Keimzentren und scharf abgegrenzt 
Vorkommen, sondern dass stellenweise die Lymphozyten etfeas 
mehr diffus und mehr im Sinne einer kleinzelligen Infiltration 
anzutreffen sind. Ueberall fällt aber anf, dass die Wucherungen 
keineswegs gleichmäßig sind, sondern immer gruppiert erscheinen. 
Auch bestehen von diesen meist kleinen Herden alle Uebergänge 
zu den als lymphadenoide Wucherungen leicht erkennbaren grossen 
Haufen. 

Woher stammen nun aber diese lymphatischen Herde? Unsere 
Befunde sprechen sehr gegen die von v. Werdt vertretene An¬ 
sicht einer epithelialen Natur der Lymphoblasten. Wenngleich 
es im einzelnen Falle schwer ist, Lymphoblasten von Epithelien 
zu unterscheiden, so Hessen Kerngrösse und Protoplasmaleib in 
unseren Fällen schon eine Differenzierung zu, abgesehen von dem 
Vorhandensein typischer Keimzentren mit Retikulumzellen wie in 
den Follikeln der Lymphdrüsen, bei denen doch ein genetischer 
Zusammenhang zwischen Epithelzellen und Lymphoblasten nicht 
in Betracht kommt. Die Retikulamzellen sind nach Kern and 
Protoplasma durchaus verschieden von den Schilddrüsenepithelien. 
Zudem finden sich in den Haufen keine elastischen Fasern, was 
gegen einfache Umwandlung von epithelialem Gewebe in lympha¬ 
tisches spricht. Gerade das Verhalten der elastisch ön Fasern an 
der Peripherie der Lymphfollikel lässt die Annahme einer Ver¬ 
drängung des Parenchyms durch neugebildetes lymphatisches 
Gewebe sicher erscheinen. 

Es handelt sich alsa um heterotope Neubildungen, sei es, 
dass die lymphatischen Elemente ursprünglich aus dem Blute 
stammen, oder dass sie nach Ribbert 1 ) durch Vermehrung der 

1) Bibbert, Lebrb. d. allg. Path. u. patb. Anat., 1919, 6. AufL 


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15. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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in kleinen Mengen in jedem Bindegewebe vorkommenden kleinen, 
perivaskulär angeordneten lymphatischen Bezirken entstehen. 
Dass ans Ansiedelungen _ von Lymphozyten typische Reimzentren 
auch ohne Anwesenheit epithelialer Elemente sich entwickeln 
können, geht daraus hervor, dass z. B. den Lymphdrüsen der 
Neugeborenen die Keimzentren noch vollständig fehlen und erst 
einige Zeit nach der Geburt zur Ausbildung gelangen [Schirmer *)]. 

Wenn wir nun nach den Ursachen des Auftretens lympha¬ 
tischer Herde suchen, so können Organe, denen normalerweise 
lymphatisches Gewebe fehlt, solches im Verlaufe chronischer 
Entzündungen erhalten. So sind auch bei Thyreoiditis chronica, 
wie Reist 3 ) in einer Arbeit aus dem hiesigen Institut gezeigt bat, 
grosse Lymphozytenansamralungen mit typischen Keimzentren an¬ 
zutreffen. In unseren Fällen hätten wir also in erster Linie die 
Möglichkeit einer primären chronischen Entzündung der Schild¬ 
drüse zu diskutieren. Wir haben gesehen, da<s die Herde nicht 
regelmässig perivaskulär liegen. Für sie bestehen weiter keine 
Prädilektionsstellen, als dass sie die Neigung zeigen, auf das Gewebe 
der Drüsenläppchen überzugreifen und hauptsächlich von den 
Knotenpunkten der interlobulären Septen ansgehen. Die Lympho¬ 
zyten sind -nicht in die Bläschen eingewuchert wie bei chronischer 
'fbyreoiditis, und wenn auch in allen unsern Fällen das Binde¬ 
gewebe interlobulär stellenweise etwas zugenommen hat, so fehlen 
ja gerade hier die Lymphozyten oder finden sich wenigstens nicht 
ausgesprochen an derartigen Stellen. Leukozyten wurden nicht 
beobachtet. Plasmazellen kamen in grösseren Mengen nicht vor 
und Riesenzellen, wie sie von de Quervain 8 ) und Sarbach 4 ) für 
die chronische Thyreoiditis postuliert werden, wurden keine ge¬ 
sehen, mit Ausnahme von Fall 2, wo sie dem Granulationsgewebe 
neben dem typisch spezifischen Prozesse angehören und als Fremd-- 
körperriesenzellen an Kolloidschollen angelagert sind, hingegen 
in den Lympbfoilikeln fehlen. 

Nach Simmonds dürfen weder Vorhandensein von Plasma¬ 
zellen, noch gelegentliche perivaskuläre Anordnung auf entzünd¬ 
liche Vorgänge zurückgeführt werden, da solche Befunde auch 
ohne Strumitis oder Thyreoiditis erhoben werden. Wohl sprechen 
die Plasmazellen für einen reaktiven Zustand, aber ihr Auftreten 
scheint nicht auf einer primären Entzündung der Schilddrüse zu 
beruhen. In allen unsern Fällen, mit Ausnahme von Fall 2, ist 
eben die Zahl und Grösse der Lymphfollikel so-auffallend gegen¬ 
über der übrigen Infiltration, dass ihr Auftreten kaum durch eine 
chronische Thyreoiditis erst ausgelöst werden konnte. Auch der 
Vergleich mit den von Reist untersuchten Fällen, welche fast 
durchwegs eine diffuse Infiltration der Schilddrüsenläppchen auf 
weisen, bestärkt mich in dieser Ansicht. 

Poncet und Le riebe 8 ) haben behauptet, dass die Tuberkulose 
in allen Organen in Form einer einfachen Entzündung auftreten 
kann und speziell in der Schilddrüse cirrhotisch-hypertrophische 
Prozesse, ja sogar echten Basedow mit all seinen histologischen 
Charakteristika hervorrufen kann. Da in unsern Fällen von 
Morbus Addisonii die Nebenniere stets tuberkulös erkrankt war, 
wird man sich die Frage vorlegen müssen, ob die Veränderungen 
der Schilddrüse nicht auch tuberkulöser Natur sein könnten, und 
zwar um so . mehr, als in Fall 2 ja eine Schilddrüsentuberkijjose 
unzweifelhaft vorhanden war. Eine histologisch typische Tuber 
kulose kann nun freilich in den übrigen Fällen mit Sicherheit 
ausgeschlossen werden, und Färbungen auf Tuberkelbazillen fielen, 
wie zu erwarten war, völlig negativ aus. Immerhin könnte man 
nach den obengenannten französischen Autoren an die Möglichkeit 
eines histologisch nicht spezifischen tuberkulösen Prozesses denken 
analog auch gewissen Formen von Schrumpfnieren und Leber¬ 
zirrhosen [Schönberg 6 )]. Demgegenüber hat aber Kirch 7 ) betont, 
dass in dem Granulationsgewebe tuberkulöser Schrumpfnieren, 
Leberzirrhosen und Speicheldrüsenzirrhosen doch histologisch der 
spezifische Charakter an einzelnen Stellen hervortritt und zum 
mindesten sich in dem Auftreten einzelner Langhans'scher Riesen¬ 
zellen äussert. 

Können wir also die Annahme einer primären chronischen 
Thyreoiditis für unsere Fälle, höchstens Fall 2 ausgenommen, 
ablehnen, so müssen wir uns nach einer andern Erklärung für 


1) Schirmer, Ziegler’s Beitr., 1918, Bd. 65. 

2) Reist, erscheint wabrsch. i. d. Frankf. Zschr. 

_ 3) de Quervain, Mitt. Grensgeb., 1904, 2. Sappl.-Bd. 

4) Sarbach, Mitt. Grenzgeb., 1914, Bd. 27. 

5) Poncet u. Leriohe, Acadömie de mödeoine, Söance du 28 däo. 
1909. 

6) Sohönberg, Schweiz. Korr. Bl., 1917, Nr. 50. 

7) Kirch, Virch. Arob., 1918, Bd. 225, H. 2. 


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das Auftreten lymphatischen Gewebes in der Schilddrüse umseben, 
woraus sich dann ohne weiteres in gewissem Sinne eine Parallele 
mit dem Morbns Basedowii ergibt. Brünger 1 ), der neben vielen 
andern an Basedowstrumen Untersuchungen angestellt hat, nimmt 
für das Auftreten lymphatischen Gewebes einen Reizzustand an, 
durch die veränderten innersekretorischen Verhältnisse bei dieser 
Krankheit. Auch beim Morbus Adisonii sind die innersekre¬ 
torischen Verhältnisse sehr stark geändert. Nach den bekannten 
Untersuchungen von Eppinger, Falta und Rudinger 3 ) über 
Wechselbeziehungen zwischen Drüsen mit innerer Sekretion, wäre 
zwischen Thyreoidea und Adrenalinsystem gegenseitige Förderung 
anzunehmen, so dass bei Hyperthyreoidismus eine gesteigerte 
Adrenalinwirkung erwartet werden kann. Dementsprechend wissen 
wir auch durch Asher 8 ) und Elger 4 ), dass das Thyreoideasekret 
die Erregbarkeit der sympathischen Apparate für den Reiz des 
Adrenalins erhöht. 

4 Wie steht es nun bei Wegfall der Nebennierensekretion? 
Nach theoretischen Üeberlegungen gemäss der Wiener Schule 
sollte die Zerstörung der Nebennieren mit dem Wegfall des 
fördernden Einflusses eigentlich eine verminderte Sekretion der 
Schilddrüse zur Folge haben. Doch ergibt sieb sofort auch die 
Möglichkeit, dass die Schilddrüse, namentlich bei langsamem Fort¬ 
schreiten des Prozesses in den Nebennieren, vielleicht durch Ver¬ 
mittelung des Nervensystems, gewissermaassen kompensatorisch 
zu einer vermehrten Sekretion übergeht. Dabei könnte es mög¬ 
licherweise sogar zu einer Ueberkompeusation mit Auftreten von 
Basedowsymptomen kommen und in diesem Sinne liesse sieb viel¬ 
leicht ein Fall von Rössle 5 ) deuten, welcher Addison und Basedow 
in Kombination aufwies. Es fragt sich nun, ob die von i^ns unter¬ 
suchten Schilddrüsen irgendwelche Zeichen von vermehrter Sekre¬ 
tion darbieten. Wir wollen dabei den Fall von Sternberg 6 ) nicht 
vergessen, wo bei Addison eine Atrophie der Schilddrüse mit 
Vermehrung des Bindegewebs vorhanden war. 

Die untersuchten Schilddrüsen waren, soweit dies aus den 
Sektionsprotokollen hervorgeht, nur wenig vergrössert. Atrophie 
war makroskopisch nicht festzustellen, allerdings ist zu berück¬ 
sichtigen, dass in Bern die meisten Leichen Kröpfe aufweisen. 

Die Schilddrüsen zeigen Neigung zu Kolloidschwund. Die 
schlechte Färbbarkeit des Kolloids, das Auftreten von Rand¬ 
vakuolen sprechen auch in diesem Sinne. In den Lymphspalten 
konnte Kolloid nirgends naebgewiesen werden. Qm die Lymph¬ 
follikel herum sind die Schilddrüsenbläschen leer, was allerdings 
auch rein mechanisch' durch den Druck des gewucherten lymph- 
adenoiden Gewebes erklärt werden kann. 

Aus diesen Veränderungen dürfen wir wohl dei\ Schluss ziehen, dass 
wenigstens eine vermehrte Resorption von Kolloid stattgefunden hat. Ob 
hingegen auch eine vermehrte Sekretion vorausgegangen ist, .lässt sich 
daraus . nicht entscheiden, denn nach A. Kocher und de Quervain 
stellt das Vorhandensein oder das Pehlen von Kolloid kein Kriterium 
dar für die Intensität der Funktion. Immerhin ist beim Basedow, bei 
dem wir mit guten Gründen eine Vermehrte Funktion annehmen, Kolloid¬ 
schwund häufig, ebenso bei akuten Infektionskrankheiten, bei denen noch 
starke Epitbeldepquaraation hinzutritt. Roger und Garnier 7 ), sowie 
Kashiwamura 8 ) nehmen bei Epitbeldesquamation eine gesteigerte Tätig¬ 
keit an. In unseren 4 ersten Fällen wäre dies in geringem Grade vor¬ 
handen, besonders in der Umgebung der Lymphozytenberde. Auch 
erinnert das histologische Bild von Fall 6, bei dem allerdings die 
Lymphozytenberde fehlten, durch den Kolloidscbwnnd, die Form der 
Bläschen, Papillenbildung und hochzylindrisches Epithel an gewisse 
Basedowstrumen. Das Fehlen der Lymphozytenberde ist hier vielleicht 
auf den sehr raschen Verlauf der Krankheit zurüokzuführen. 

Die Herde sind in den Schilddrüsen ziemlich gleiobmässig verteilt, 
höchstens dass sie in den peripheren Partien; direkt unter der Kapsel 
besonders gross und zahlreich sind. Es kann ebensogut ein primäres 
Vorwachsen von lymphatischem Gewebe angenommen werden, wie eine 
primäre Atrophie von Schilddrüsenparencbym. Ist es nun möglich, das 
Auftreten der Lymphfollikel mit der veränderten Funktion der Schild¬ 
drüse in Zusammenhang zu bringen? 

Bei Basedow hat A. Kocher Lymphozytenhaufen vorwiegend in 
Strumen mit starker Epitheldesquamation gefunden, besonders in ge¬ 
heilten Fällen. Er nimmt deshalb eine Substitution von verbrauchtem 
Schilddrüsengewebe durch lymphadenoides Gewebe an. Ferner glaubt 

1) Brünger, Mitt. Grenzgeb., 1915, Bd. 28, H. 2. 

2) Eppinger, Falta, Rudinger, nach Biedl, 1918. 

3) A 8h er, Zschr. f. Biol., Bd. 55. 

4) Eiger, Zschr. f. Biol, Bd. 67. 

5) Rössle, Verh. d. deutsch, path. Ges., 1914, Bd. 17. 

6) Sternberg, Verb. d. deutsch, path. Ges., 1914, Bd. 17. Disk; 
z. Vortr. Rössle. 

7) Roger u. Garnier, Presse m6dicale* 1899. 

8) .Kashiwamura,^Viroh. Ar oh., Bd. 166. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. BO. 


er an einen Zusammenhang mit dem auch bei Basedow häufigen States 
lymphatious. Hedinger, Züllig und v. Werdt beschreiben die Lymph¬ 
knötchen vorwiegend an Stellen, an welchen Schilddrusengewebe zu¬ 
grunde geht. Wir würden uns damit der von Käppis 1 ) ausgesprochenen 
Ansicht nähern, wonach das Auftreten von Lymphozytenherden in Fällen, 
in denen erhöhte Anforderungen an die Schilddrüse gestellt werden, 
beobachtet wird. Man könnte vielleicht beifügen: und wo sie diesen An¬ 
forderungen nicht ganz zu genügen imstande ist, so dass ein Teil des 
Parenchyms rasch verbraucht wird. So würden wir auch verstehen, wie- 
bo in Schilddrüsen von Kretinen nach de Coulon 2 * ) und Getzowa 8 ) 
Lymphozyten stets fehlen, denn hier ist die Atrophie eine primäre. 

Dass die Schilddrüse bei Addison schliesslich den an sie gestellten 
Anforderungen nicht genügt, könnte auf den Wegfall des vom Adrenalin- 
System ausgedehnten Tonus zurüokgeführt werden. Nach dieser Ansicht 
würden wir einerseits den Ross loschen Fall von Kombination mit 
Basedow, andererseits auch den Fall von Sternberg verstehen, wo 
Addison eine konsekutive Atrophie der Schilddrüse mit Lymphfollikel- 
bildung zur Folge batte. 

Sehen wir uns überhaupt die positiven Befunde über Lymphfollikel- 
bildungeu der Schilddrüse in der Literatur unter diesem Gesichtswinkel 
noch einmal an. Die Erhebungen MacCallum’s bei partieller Exzision 
und Gravidität, die Befunde von Hedinger und v. Werdt bei Jodbe¬ 
handlung, die vielen Befunde bei Basedow, dann bei malignen Tumoren 
und Tuberkulose, Hessen sioh damit in Einklang bringen. Selbst die 
Angaben Simm ende* für normale Schilddrüsen, wo die Häufigkeit der 
Lymphozytenherde mit steigendem Alter zunimmt, wo sie grösser ist bei 
Frauen (Gravidität), wo sie auffallend ist bei Anämie, indem zwisohen 
Blutb * ing und Schilddrüse Beziehungen bestehen und endlich auch bei 
Fettsu , -, wo die Schilddrüse ebenfalls eine Rolle spielt, Hessen in 
diesem Mine eine Erklärung zu. 

Für den Addison käme man so, von morphologischen Gesichtspunkten 
ausgehend, zu Postulaten, wie sie schon duroh die klinisohe Beobachtung 
nabe gelegt werden, dass bei der Adynamie die Schilddrüse ebenfalls 
beteiligt sein kann, und dass sioh somit in therapeutischem Sinne die 
Kombination von Schilddrüsenpräparaten mit der Darreichung von Adre¬ 
nalin empfehlen würde. 

Morphologisch werden sich allerdings ausser der Atrophie und Des¬ 
quamation Zeiohen von Drüsen auf brauoh schwer nachweisen lassen. Wenn 
aber v. Werdt einen Zusammenhang zwisohen Drüsenatrophie und Herd¬ 
bildung annimmt und dies von Simmonds aus mechanisch-topischen 
Erwägungen bekämpft wird, so kommt man unter Berücksichtigung 
der funktionellen Verhältnisse doch zum gleichen Sohlusse wie v. Werdt. 

Bei den Versuchen zur Erklärung der lymphatisohen Herde verdient 
zum Sohlusse Mich noch der Status lymphatious berücksichtigt zu 
werden. 

Wiesel und Hedinger betonen, dass Status lymphatious und Hypo¬ 
plasie des Nebennierepmarkes kombiniert angetroffen werden und auf 
das konstante Vorkommen des Status lymphatious beim Morbus Addi- 
sonii wurde schon oben hingewiesen. Disponiert nun Status lympbaticua 
mit Hypoplasie der Nebennieren zu Addison, d. h. speziell zu Tuber¬ 
kulose der Nebennieren oder entwickelt sich der Status erst auf Grund 
der Krankheit? Krankheiten chronischer Natur rufen im allgemeinen 
eine Reduktion des lymphatischen Apparates hervor. Bei der aus¬ 
gesprochen chronischen Natur des Morbus Addisonii und der hochgradigen 
Kachexie im Verlaufe der Krankheit wäre nach dieser Anschauung eine 
starke Reduktion des lymphatischen Apparates zu erwarten, während tat¬ 
sächlich gerade bei der Addison’schen Krankheit der Status lymphatious in 
deutlichster Form ausgeprägt ist und sich sehr oft auch mit Thymushyper¬ 
plasie kombiniert. Aebnliehe Verhältnisse besteben übrigens auch bei vielen 
Fällen von Basedowscher Krankheit. Dies spricht mit aller Deutlichkeit 
dafür, dass der Status lymphatious beim Addison sich sekundär ent¬ 
wickelt und eine fast regelmässige Folgeerscheinung des Ausfalles der 
Nebennieren darstellt. Damit stimmen übrigens auch die experimentellen 
Befunde von Crowe undWislooki überein. 

Ueber das Wesen des Status lympbaticus bestehen überhaupt 
zwei divergente Ansichten, wonach er nach den einen eine pri¬ 
märe Konstitutionsanomalie, nach den anderen hingegen sekundär 
a]s erworbene Affektion im Verlaufe von chronisch-infektiösen 
Schädlichkeiten auftritt. Daneben sind manche Autoren der An¬ 
sicht, dass der Status lympbaticus, der so- oft bei plötzlichen 
Todesfällen gefunden wird, eine normale Erscheinung bedeute 
und dass das gewöhnlich als normal angenommene Bild des lympha¬ 
tischen Apparates durch Reduktion desselben infolge von Krankheit 
entsteht. Erst neuerdings hat Groll 4 ) bei zahlreichen Sektionen 
von u Kriegsteilnehmern, bei plötzlich verstorbenen, sonst gesunden 
Leuten, einen scheinbar byperplastischen lymphatischen Apparat 
gefunden und ist deshalb der Meinung, dass das Bild des Status 
lympbaticus gewissermaassen als normal zu betrachten ist. Auch 
diese Erfahrungen sprechen dafür, dass der Status lympbaticus 
beim Addison^ sekundärer Natur ist. Auf jeden Fall ist er 

1) Käppis, Mitt. Grenzgeb., 1910, Bd. 21. 

2) de Coulon, Virch. Arch., 1897, Bd. 147. 

8) Getzowa, Viroh. Arch., 1905, Bd. 180. 

4) Groll, M.m.W., 1919, Nr. 80. 


so wohl bei Addison als bei Basedow kaum als selbständige 
Anomalie aufzufassen, sondern als Teilerscbeinung der ganzen 
Krankheit. 

Mit dem Vorhandensein des Status lymphatious steht wohl 
auch die Lymphozytose in Verbindung, die im Blute der Addison¬ 
kranken sehr ausgesprochen ist und auch in den daraufhin unter¬ 
suchten Fällen unseres Materials vorhanden war. 

Nach Simmonds und v. Werdt, sowie auch nach Unter¬ 
suchungen am hiesigen 'Institut, fehlen bei einfachem Status 
lympbaticus lymphatische Herde in der Schilddrüse, und es geht 
auch nicht an, für das Auftreten der Lymphozytenhaufen die 
Lymphozytose verantwortlich zu machen, da nach Untersuchungen 
von Vogel und v. Salis 1 ) zwischen Blutlymphozytose und lympha¬ 
tischen Herden in der Schilddrüse keine Parallele besteht. 
Immerhin kann man sich vorstellen, dass bei einer so lebhaften 
Nenbildung von lymphatischem Gewebe, wie sie beim Morbus 
Addisonii ohne Zweifel stattfindet, auch heterotropes lymphatisches 
Gewebe auftreten kann, besonders wenn vorher durch Funktions- 
änderungen der Schilddrüse mit Aufbraucb von Parenchym 
günstige Verhältnisse für die Ansiedelung von Lymphozyten ge¬ 
schaffen worden sind, denn die Neubildung von Lymphfollikeln 
mit grossen Keimzentren erreicht doch gerade bei unseren Fällen 
einen Grad, wie er selbst bei Basedowstrumen nur selten au- 
getroffen wird. 

Kurz zuRammengefasst lassen sich die Ergebnisse der 
vorliegenden Arbeit im Folgenden formulieren: 

Bei Morbus Addisonii kommen in der Schilddrüse häufig 
ausgedehnte Wucherungen echten lymphatischen Gewebes mit 
typischen Keimzentren vor, die als heterotope Neubildungen auf¬ 
gefasst werden müssen, und die das Parenchym verdrängen. Diese 
Wucherungen sind nicht entzündlicher Natur, sondern werden als 
Folge eines Reizes aufgefasst, bedingt durch den Ausfall des 
Nebennierensysttms und infolgedessen einer abnormen Bean¬ 
spruchung der Schilddrüse. Möglicherweise steht die Ausbildung 
sehr grosser Follikel mit Keimzentren auch mit dem bei Addison 
konstant vorhandenen Status lympbaticus im Zusammenhang. 

Aus der chirurgischen Abteilung des Diakonissenhauses 
Henriettenstiftin Hannover (Chefarzt: Prof. Dr. J.Oehler). 

Knochenzysten. 

Ein Beitrag zu ihrer Pathogenese. 

Von 

Dr. Karl Rohde, Volontärarzt. 

Eine nicht ganz seltene, aber hinsichtlich ihrer mannigfal¬ 
tigen Aetiologie noch nicht völlig aufgeklärte Erkrankung des 
Skelettsystems ist die zystische Erweichung der Knochen. 

Sie gelangt zur klinischen Behandlung — falls sie nicht als 
zufälliger Nebenbefund bei anderen Erkrankungen festgestellt wird — 
meist erst in einem bereits fortgeschrittenen Stadium, so dass sich über 
ihreu^Beginn und Verlauf, vielfach nur auf Grund der ungenauen anam¬ 
nestischen Angaben der Patienten, oft wenig Zuverlässiges erfahren lässt 
Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass der praktische Arzt auf dem 
Lande oder in kleinen Städten, dem das Hilfsmittel der Röntgendia¬ 
gnostik nicht zur Verfügung steht, manche y Fälle von zystischen Knochen- 
erkrankungen nicht erkennen wird, und diese Fälle daher auch für eine 
Aufklärung des Krankheitsbildes und Verlaufes derselben nicht in Be¬ 
tracht kommen. Aus der verhältnismässig geringen Anzahl jener Fälle, 
die mit allen Hilfsmitteln der modernen Klinik beobachtet werden 
konnten, liess sioh bislang noch kein ganz fest umschriebenes Krank¬ 
heitsbild, so weit es die Aetiologie und den Verlauf anlangt, gewinnen. 
Aus diesem Grunde haben kasuistische Beiträge Anspruch au! weiteres 
Interesse. 

Pathologisch-Anatomisches. 

1. Zu den Knochenzysten im weiteren Sinne müssen wir auch jene 
Veränderungen am Knochen rechnen, die auf dem Boden von akuten 
Entzündungen 2 ), z. B. bei Sepsis 8 ) oder akuten Vergiftungen duroh Pbos- 

1) v. Salis u. Vogel, Mitt. Grenzgeb., 1905, Bd. 15. 

2) Jordan, Beitrag zur kl. Chir, 1898, Bd. 10, u. 1896, Bd. 15. — 
Trendel, ebendort, 1904, Bd. 41. — FoA, Beiträge zur path. Anat 
und allg. Path., 1899, Bd. 25. 

8) Klemm, Gelenkosteomyelitis, Acch. s. kl. Gbir., 1912, Bd. 97. 
— Vollert, Sammlung kl. Vorträge, 1890, S. 852. — J. Bolognesi, 
Pathogenese der sogenannten Knocbenzysten, Deutsche Zeit sehr. f. Obir„ 
Bd. 181, H. 8 und 4. — Burokhardt, Frankfurter Zeitsohr. z. Path., 
1911, Bd. 8. 


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15. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


phor 1 ), Blei usw., chronischen Entzündungen 2 ; bei Lues und Tuber¬ 
kulose 3 ; entstehen. Wir finden in derartigen Fällen übereinstimmend 
ein anatomisch ähnliches Bild, nur mit einer gewissen Lageprädisposition 
für die verschiedenen Krankheitsursachen. In allen Fällen ist der Knochen 
äusserlich verdickt, infolge der lebhaft auf den krankhaften Reiz hin 
einsetzenden Periostwuoherungen. Analog hiermit geht im Inneren des 
Knochens von der Markhöhle aus, oder auch, unabhängig von dieser, in 
der Kompakta eine Einsohmelzung des Knochengewebes, eine Knochen¬ 
nekrose, vor sich. Ist der nekrotisierende Prozess weiter fortgeschritten, 
so kommt es in der Umgebung der so entstandenen Zysten häufig zum 
völligen Absterben einzelner Knochenpartien oder auch sogar ganzer 
Knoohen, die sich alsdann als Sequester abstossen. Wir erleben häufig 
ansgedehnte Wachstums- und Ernährungsstörungen, die oft die Existenz 
des ganzen Gliedes gefährden können. 

In dieser Tatsache nun, der teilweisen oder vollständigen Seque¬ 
strierung eines Knochens liegt der prinzipielle Unterschied der Knochen¬ 
zystenbildung auf Grund der obengenannten Schädigungen und der 
weiter unten zu besprechenden andersartigen Ursachen. Im ersten Fall 
handelt es sich mehr oder weniger um Zysten in totem Knochengewebe, 
bei 2 und 8 dagegen im lebenden Knochengewebe. 

2. Eine hervorragende Rolle spielt bei der zweiten Kategorie die 
sogenannte Ostitis deformans oder Ostitis fibrosa, die Reck- 
linghausen’sche Krankheit 4 5 ). Ihre anatomische Grundlage ist ein 
Umbau des Skeletts, nämlich ausgedehnte Resorption und übermässige 
Neubildung einer kalklosen Knochensubstanz, die, über grössere Knochen¬ 
partien ausgedehnt, sogar als „lokale Osteomalazie“ beschrieben ist. Wir 
finden auoh hier die Bildung grosser Knochenzysten. Die Ostitis defor¬ 
mans tritt in jedem Lebensalter auf, doch scheint das höhere Alter von 
50 Jahren und darüber bevorzugt zu sein. 

3. Schliesslich sehen wir Zysten am Skelett auf der Grundlage von 
Neubildungen am Knochen entstehen. Sitzen diese als Enchondrome 6 ; 
in der knorpeligen Region am Knochen, so können sie zwar, bei zysti¬ 
scher Erweichung, grosse Dimensionen annehmen und dadurch für den 
Patienten hinderlich werden, aber sie sind im allgemeinen harmloser 
Natur und bilden nur äusserst selten Metastasen in anderen Knochen. 
Mehrfach sind Sarkome als Ausgangspunkt für die Entstehung von 
Knochenzysten beobachtet worden. Und zwar nicht nur die reinen Sar¬ 
kome 6 ), sondern auch ihre Mischformen, die Osteoidsarkome, Chondro¬ 
sarkome und Hyxocbondrosarkome; am häutigsten jedoch das sogenannte 
Myeloidsarkom, das verhältnismässig selten Metastasen bildet und des¬ 
halb als ungefährlich bezeichnet werden muss. 

Die übrigen sonst noch am Knochen beobachteten Geschwülste, 
Myelome, Chlorome, Endotheliome und Karzinome kommen für die Aetio- 
logie der Knochenzysten nicht in Betracht. 

Klinisches. 

Die Diagnose der Knochenzysten ist, wie bereits oben er¬ 
wähnt wurde, ohne die Hilfe der Röntgenstrahlen nicht leicht zu 
stellen 7 ). 

In den unter 1. aufgeführten Fällen, die auf Osteomyelitis, Intoxi¬ 
kationen, Lues und Tuberkulose zurückzuführen sind, ist es praktisch 
von untergeordneter Bedeutung, ob es wirklich zur Ausbildung [von 
Knochenzysten gekommen ist, weil die Therapie hierdurch nicht beein¬ 
flusst wird. Anders liegen hingegen die Verhältnisse bei den Fällen, 
wo der Bildung der Knochenzysten eine Ostitis deformans zugrunde lag. 
lofolge dieser Zystenbildung beobachtet man ziemlioh häufig Spontan¬ 
frakturen 8 ), die, ohne dass irgend ein Trauma vorangegangen ist, aus 


1) Riedel, Phosphornekrose, Arob. z. kl. Chir. 1896, Bd. 53. 

2) Wegner, Kongenitale Syphilis, Virchow’s Arcb. f. path. Anat. u. 
Physiol., 1870, Bd. 50. — M. B. Schmidt, dasselbe. Verh. d. deutschen 
path. Gesellsch., 1905, Bd. 9. — E. Fraenkel, dasselbe. Fortschr. auf 
dem Gebiet d Röntgenstrahlen, 1911, Ergänz.-Bd. 26, und 1913, Bd. 19. 

3) Heile, Orth-Festschrift, 1905. 

4) Recklinghausen, Osteomalao. deform , Ostitis, Karzinose. Fest¬ 
schrift d. Assist, f. Virchow, 1891. — Derselbe, Rachitis und Osteoma¬ 
lazie, 1910. 

5) Milner, Deutsche Zeitsohr. f. Chir., 1908, Bd. 98. — Schwein¬ 
burg, Wiener kl. Woohenschr., 1907. — Franke, Rostocker Aerzte- 
verein, 12 V., 1910. — Deutschländer, Solitäre Knochenzysten in der 
oberen Epiphyse des Radius. Aerztl. Verein in Hamburg, 22. IV., 1913. 

6) Bisohof, Seltenere Art von Knochenzysten. Deutsche Militär¬ 
arzt! . Zeitschr., Nr. 24. — v. Haberer, Arch. f. kl. Chir., 1910, Bd. 93. 

— Lexer, ebenda, 1906, Bd. 81. 

7) A. Burckhardt, Diagnose der chondromatosen, fibrösen und 
zystischen Degeneration der Knochen. Fortschr. der Röntgenstrahlen, 
Bd. 19, H. 2. 

8) A. Vaccari, Contriouto allo dell’ eziologia celtica delle fratture 
spontaneo. Annali di Medioina Saoale 1. 6. Nov. Die. 1900. — 
H. Schering er, Die Erkrankung der Knochen und Gelenke bei Syringo¬ 
myelie, Zentralbl. f. d. Grenzg. d. Med. u. Chir., 1901, Bd 4, 17. — 
Kaposi, Knochenzysten. Deutsche med. Wochenscbr., 1909, S. 907. 

— Lett, Cysts of the bones. Lancet, 22. X., 1910. — Kohts, Knochen¬ 
zysten. Deutsche med. Woohenschr., 1911, S. 666. — v. Khautz, 
Wiener med. Gesellsch., April 1918. — Paus, Knoohenzysten. Norsk. 
Mag. f. Laegivid., 1918, Nr. 5. 


1185 


irgend einem kaum ersiohtlichen Grunde, einer brüsken Bewegung, einem 
leichten Stoss oder ähnlichem mehr entstehen können. Der Therapie 
sind diese Fälle sehr leicht zugänglich. Sie heilen wie gewöhnliche 
Knochenbrüche und heben durch die Kalluswucherungen die Zyste als 
Locus minoris resistentiae auf, so dass eine zweite Fraktur in der Zysten¬ 
gegend nur sehr selten vorkommt. 

Auszug aus dem Krankenblatt. 

Die Patientin Th., 37 Jahre alt, gibt an, bis zur Geburt des dritten 
Kindes stets gesund gewesen zu sein. Kurz vor der dritten Geburt 
stürzte sie auf einer Steintreppe und verspürte seitdem starke Schmerzen 
im rechten Schienbein, die schliesslich so stark wurden, dass die Pat. 
nicht mehr gehen konnte. Sie wurde bald nach der Geburt des Kindes 
ins Krankenhaus aufgenommen, wo eine Röntgenaufnahme ausgedehnte 
Zystenbildung der rechten Tibia ergab. Es wurde eine Osteotomie vor- 
genomraen, die zystisch erweichten Knoohenherde entfernt, und nach 
einigen Wochen konnte die Pat. geheilt entlassen werden. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung ergab, dass es sich um ein Myeloidsarkom des 
Knochens handelte. Es fanden sich auoh Annäherungen an das Bild der 
Ostitis deformans, so dass die Diagnose nicht ganz klar gestellt werden 
konnte. Naoh 1 */ t Jahren erkrankte die Pat. mit ähnlichen Be¬ 
schwerden, diesmal aber im linken Unterschenkel, angeblich nach einem 
Stoss an einer Türkante. 

Befund: Schmächtige Frau in schlechtem Ernährungszustand. 
Innere Organe o. B. Nervensystem desgleichen. Nirgends nachweisbare 
Drüsenschwellungen. Urin frei von Eiweiss und Zucker. Kein Fieber. 
Wassermann’sche Reaktion negativ. Auf der Vorderseite des reohten 
Schienbeins etwa 15 cm lange derbe Narbe. Keine Druckempfindlichkeit. 
Die Haut über dem linken Schienbein ist prall, blank, leicht ödematös. 
Schon geringer Druck ruft Schmerzen hervor. Röntgenbefund (siehe 
Abbildung 1 u. 2). Es finden sich in der Tibia wie Fibula weit aus¬ 
gedehnte Aufhellungen zystischen Charakters. An diesen Stellen finden 
sich starke Wucherungen des Periostes wie bei chronischer Periostitis. 


Abbildung 1. 



Verlauf: Aufmeisselung der Tibia. Entfernung und Auskratzung 
der zystischen Herde. Das Knochenmark sieht dunkelrot aus, die 
Knoohensubstanz ist zum Teil zerfallen. Das Periost wird nach Möglich¬ 
keit genäht, Hautnaht. Schienenverband. Naoh acht Tagen wird der 
Pat. ein Gipsverband angelegt und, da sie keine Sohmerzen mehr hat, 
wird sie nach Hause entlassen. 

Die mikroskopische Untersuchung des exzidierten Tumors wurde von 
Herrn Professor Ströbe-Hannover ausgeführt. Es fanden sich, neben 
Uebergängen zur Ostitis deformans, Partien, die das ausgesprochene Bild 
eines polymorph- oder spindelzelligen Sarkoms mit zahl¬ 
reichen Riesenzellen boten. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 60 


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Die Diagnose dieser Fälle 1 ) ist erst mit Sicherheit nach der Operation 
durch die mikroskopische Untersuchung zu stellen. Je nachdem diese 
ausfällt, ist alsdann auch die'^Prognose des Falles. 

Verhältnismässig günstige Aussichten bieten die Riesenzellensarkome 2 3 ). 
Hier genügt im allgemeinen eine radikale Entfernung der Tumormassen 
bis ins Gesunde, und — da Metastasen sehr selten sind — ist die Pro¬ 
gnose günstig. 

Ernster sind die Fälle, wo es sich um Misobformen 8 ) des Sarkoms 
handelt. Nur selten wird man von einem lokalen Eingriff dauernde 
Heilqng des Patienten erwarten können. Meistens wird man bei dem 
bösartigen Charakter der Geschwulst zur Resektion grösserer. Partien 
oder auch zur Absetzung ganzer Gliedmaassen schreiten müssen 4 * * ). 


Abbildung 2. 



Der in unserer Krankenabteilung beobachtete Fall gehörte 
zu den relativ gutartigen, da es sich um ein zentrales Riesen¬ 
zellensarkom handelte. Er verdient aber besondere Beachtung, 
weil im Laufe von IV 2 Jahren dieselbe Erkrankung an beiden 
Schienbeinen auftrat. Wenn auch Frau Th. nach der ersteu 
Operation im Herbst 1917 keine Beschwerden mehr hatte, wenn 
auch der Allgemeinzustand sich wesentlich besserte und sich 
nirgends metastatische Veränderungen, die auf den radikal ent¬ 
fernten Tumor zurückzuführen gewesen wären, zeigten, musste 
doch bei der zweiten Erkrankung im Mai 1919 an eine ähnliche 
Ursache wie bei der des rechten Beines, eine gleiche Neubildung, 
gedacht werden. Der Gedanke dass ein ursächlicher Zusammen¬ 
hang zwischen beiden Erkrankungen bestehen könnte, lag nahe, 
zumal, da sich auch die zweite Erkrankung uncharakteristisch 
entwickelte, als Folge eines unbedeutenden Unfalls, wie wir den¬ 


1) Fujü, Pathogenese der solitären Knochenzyste. D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 113, H. 1 u. 2. 

2) A. Studeny, Knochenzysten. Arch. f. klin. Chir., Bd. 92, H. 4. 
R. Lawford Knaggs and 0. C. Grüner, A case of rare disease of 
the lODg bones, terminating in sarooma of the femur. The Lancet, 
31.X. 1908. — Engelmann, Knochenzyste des Femur. Wiener med. 
Gesellschaft, Mai 1913. 

3) Ch. Phelps, The histories of three morbid specimens. New York 
medic. journ., Bd. 50, H. 18, Joly. 

4) H. A. Lediard: A case of benign oyst of the tibia. The Lancet, 

18. VII. 1911. — Coley, Sarcoras of the long bones. Journ. of amerio. 

assoo., 29.1. 1919. 


selben häufig als auslösendes Moment bei Knochentuberkulose 
und Osteomyelitiden finden. 

Wenn auch der Annahme, dass es sich hier um einen Er¬ 
krankungsprozess handelt, der als ein metastatiscber angesprochen 
werden muss, mannigfache Bedenken entgegenstehen, wie die all¬ 
gemeine klinische und pathologische Erfahrung, dass Myeloid¬ 
sarkoms im allgemeinen keine Metastasen bilden, und die Wahr¬ 
scheinlichkeit, dass ein Tumor auf absteigend hämatogenem Wege 
in der entgegengesetzten Extremität Metastasen bildet, und dass 
im Zeitpunkt der Metastasenbildung der primäre Tumor scheinbar 
selbst verschwunden ist, so müssen wir uns hier wohl doch zu 
der Annahme des seltenen Falles, der Bildung von Metastasen 
bei einem Riesenzellensarkom an einer einzigen eng umschrie¬ 
benen Stelle bekennen, so lange wenigstens, bis die weitere 
genaue Beobachtung der Patientin zeigt, dass auch an anderen 
Körperstellen der Tumor zum Vorschein gekommen ist. 


Aus der dermatologischen Klinik der Universität Leipzig 
(Direktor: Obermedizinalrat Prof. Dr. Rille). 

Ueber die Spirochätenbefunde von Karl Spengler 
und S. Fuchs-v. Wolfring, nebst Bemerkungen 
über die Methodik der Spirochäten¬ 
untersuchungen. 

Von 

Dr. med. et phil. F. W. Oelze, Assistenten der Klinik. 

Die Darlegungen von S. Fuchs - v. Wolfring beruhen auf den 
Arbeiten von Karl Spengler in Davos. Sie würden, wenn sie 
der Nachprüfung standhielten, unsere Anschauung über den 
Syphiliserreger von Grund aus umgestalten. 

Soeben erschien als zweites Heft des ersten Bandes der Mitteilungen 
aus'dem Institut Dr. Karl Spengler in Davos eine Zusammenstellung 
unter dem Titel: „Zur Geschichte der Spirochätenforschung und syphilis¬ 
diagnostische Blutuntersuchungen nach Karl Spengler“. Verlag von 
Ernst Bircher Bern. 

I. 

Im ersten Abschnitt der „Morphologie der Syphilisspirochäte“ gibt 
Fuchs - v. Wolfring eine Zusammenstellung zahlreicher Arbeiten, die 
sich mit der Morphologie der Spirochaeta pallida aus dem Gewebe und 
aus der Kultur beschäftigen. Insbesondere werden auch die Arbeiten 
von Shmamine zitiert, unter den Schlussfolgerungen als Punkt 9: „die 
Spirochaete refringens stellt höchstwahrscheinlich nur eine Entwicklungs¬ 
form von Spirochaete pallida dar“. 

Der Abschnitt schliesst mit den Worten: „In unserem Artikel ist 
aus dem reichen Literaturmaterial nur das Wichtigste hervorgehoben, 
um zu beweisen, dass sich alle selbständigen Spirochätenforscher bereits 
darüber geeinigt haben, dass es keine sicheren, morphologischen Kenn¬ 
zeichen für die Artdiagnose der Spirochaete pallida gibt. Denn diese 
zeigt die mannigfachsten Formen und Uebergänge; von korkzieherartigen, 
feinen, steilen Windungen angefangen, bis zum mehr oder weniger dicken, 
gestreckten Faden. Diese Feststellung bedeutet einen wissenschaftlichen 
Fortschritt, weil sie nicht nur das eingangs erwähnte Hindernis der 
Stabilität der Form auf dem Wege zur Erforschung der Syphilisätiologie 
beseitigt, sondern in Verbindung mit anderen, wertvollen Beobachtungen 
der Autoren, auf die wir an anderer Stelle zu sprechen kommen werden, 
geeignet erscheint, neue, fruchtbare Wege auf diesem Gebiet zu eröffnen.“ 

II. Züchtung der Sypbilisspirochäten. 

In diesem Abschnitt werden die bis jetzt bekannt gewordenen Zücb- 
tungsmethoden der Pallida besprochen, insbesondere wird darauf hinge¬ 
wiesen, dass Reinkulturen äusserst selten* sind und die Spirochäten in 
diesen lange nicht so üppig wachsen wie in „Mischkulturen“ oder Kul¬ 
turen mit „Verunreinigungen“. Insbesondere wird der forderliche Ein¬ 
fluss der Gegenwart sauerstoffbedürftiger Bakterien (Mühlens, Zusatz Ul) 
erwähnt. Auch die Methode von Karl Spengler wird geschildert. „Die 
Ansicht Karl Spengler’s ist folgende: Der Syphiliserreger ist ein form¬ 
variables Stäbchen, das je nach Beschaffenheit des Nährbodens und 
Sauerstoffabwesenheit bzw. -Anwesenheit in mehr oder weniger reich¬ 
lichem Maasse als Schlusswuchsform auf der aeroben Seite die Ovoid- 
spore, auf der mehr anaeroben Seite die Pallida hat. Zwischen den 
beiden Extremen liegen die Syphilisgranula und die Scheinfäden, die 
sogen. Refringensformen, d. b. die Pallida mit Hülle. Die Pallida ist 
der von der Hülle entkleidete Zentralfaden des sogen. Refringenstypus, 
wie sich im Dunkelfeld mit stärksten Vergrösserungen feststellen lässt.“ 
— „Die Involutionsform par excellence aber, die die Situation so lange 
ungerechtfertigterweise beherrschte, diagnostisch allerdings wichtig genug 
ist, aber die Wissenschaft im Fortschritt um ein Jahrzehnt gehemmt hat, 
ist die tierpathogene Spirochaete pallida-Wuchsform.“ 


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15. Dezember 191t). 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Sypbilisdiagnostisohe Blotuntersuohungen naoh 
Earl Spengler von S. Fuchs - t. Wolfring. 

„Bei guter, unter massiger Kompression enieler Stauung wird durch 
Vertikalpunktion 1,0 com Blut aus der V. mediana steril entnommen 
und auf ein schräg erstarrtes Blutserum* oder T. B.-Longns-Agar Röhrchen 
ausgespritzt und der Koagulation und Anreicherung im Brutschrank über¬ 
lassen. Die Koagulation kann eventuell auch einfach in sterilem Glas- 
röhrohen vor sich gehen. Das.Blutkoagulum und das blutige Serum sind 
oft sehr gute Nährsubstrate für die Spirochäten. Letztere reiohern sich 
in kurzer Zeit um so lebhafter an, je widerstandsloser das Blut und der 
Körper gegen die Syphilis ist, oder anders ausgedrückt, je aktiver die 
vorhandene luetische Infektion erscheint oder werden will. Das ange¬ 
reicherte Blut wird an einem der folgenden Tage im Dunkelfeld unter¬ 
sucht. Man beobachtet manchmal schon naoh 24 Stunden, jedenfalls 
nach wenigen Tagen, eine lebhafte Anreicherung von Spirochäten und 
anderen Wuchsformen im syphilitischen Blut.“ 

„An Stelle der Venenpunktion kann man auch Blut aus dem Ringer 
des Patienten in ein Wright’sohes Röhrohen entnehmen und das Koagulum 
entweder sofort oder nach Anreicherung im Dunkelfeld untersuchen.“ 

„Ein etwa atecknadelkopfgrosses Partikelchen eines Blutkoa- 
gulums von durch Venenpunktion oder in Wright’sohes Röhrchen ent¬ 
nommenem Blut wird zwischen zwei Objektträgern kräftig verrieben, bis 
die Präparate ein gleichmässiges Aussehen zeigen. Hierauf werden die 
Ausstriche, bevor Bie ganz lufttrocken sind, mit Methylalkohol eine halbe 
bis eine Minute oder über 1 proz. Osmiumsäure 80 Sekunden fixiert und 
heisse, eine Spur alkalisierte Giemsalösung daraufgegossen. Die Spiro¬ 
chäten färben sich meist naoh 80—40 Minuten, wir empfehlen jedoch, 
um sicher zu gehen, den Farbstoff 6—24 Stunden ein wirken zu lassen, 
da es häufig vorkommt, dass gerade die klassischen Formen nur bei 
läogerer Färbung zur Darstellung kommen. Um die Austrocknung der 
Präparate zu verhüten, stellen wir dieselben unter eine Glasglocke. Naoh 
beendeter Färbung werden die Präparate unter einem kräftigen Wasser¬ 
strahl gespült, getrocknet und untersucht.“ 

„Die grosse diagnostische Bedeutung solcher Koagulumfärbungen er¬ 
hellt jedoch am besten aus dem Vergleich unserer Untersuchungen mit 
den Ergebnissen einer gleichzeitig ausgeführten W. R. Wir haben aift 
Londoner internationalen medizinischen Kongress 1913 (Section IV, Bac- 
teriology and Immunity) über 164 solcher Paralleluntersucbungen be¬ 
richtet. die wir bei Prof. Letulle in Paris im Laboratoire Central des 
Hop. Bonoicant ausgeführt haben. Die W. B. war immer vom gleichen 
Untersucher, dem Chef de Laboratoire Dr. Bergezon, gemacht worden, 
der sich seit vielen Jahren damit befasst. 

Als positiv im Sinne einer vorhandenen Syphilisinfektion bezeichnen 
wir nur solche Giemsapräparate, in denen die wichtigsten Formen des 
Syphilisvirus gleichzeitig vorhanden waren, also mehr oder weniger zahl¬ 
reiche Spirochäten, wobei die klassische Pallida niemals fehlte, Granula 
und Ovoidea. 

Die Resultate waren folgende: 

1. Alle florid Syphilitischen waren Spengler-positiv, sie entwickelten 
enorme Mengen von Spirochäten und anderen Wuchsformen im Blut. 

2. 40 Blutsorten mit positiver W. R. waren auoh alle Spengler-positiv, 
und zwar, enthielten 30 davon massenhaft Syphilisvirus, ' 10 weniger 
zahlreich. 

8. Von 13 Blutsorten mit positiver Syphilisanamnese und negativer 
W. R. waren alle Spengler-positiv (9 stark, 4 weniger). 

4. Von 41 Blutsorten verschiedener sypbilissuspekter Patienten mit 
negativer W. R. waren 28 Spengler-positiv (16 stark, 12 weniger stark). 

5. ln 44 Fällen von Lungentuberkulose, wovon nur 6 positive W. R. 
zeigten, waren 33, also 75 pCt., Spengler-positiv (davon 15 stark, 
18 weniger stark).“ 

„Die yorstehenden Ausführungen sprechen eine so beredte Sprache, 
dass es uns überflüssig soheint, nach weiteren Argumenten zu suchen, um 
die Wichtigkeit der Karl Spengler’sohen blutdiagnostisohen Methoden 
darzutun. Die nichterkannten Syphilisfälle mit negativer W. R. bilden 
immer noch die Crux der praktischen Aerste, z. B. der Ophthalmologen. 

Durch die Beseitigung des Dogmas von der Formstabilität der 
Spirochaete pallida, durch die Erkenntnis von der Infektiosität des 
syphilitischen Blutes (auch Uhlenhuth und Mulzer) trotz des bisher 
scheinbaren Fehlens der Spirochäten im Blute, durch die zahlreichen 
Beweise von der Existenz der Syphilis Granula, Stäbchen und Fäden, 
wird in die „chinesische Mauer 1 )» welche die Syphilisforsohung seit 
der Schaudinn’schen Entdeckung umgeben hat, allmählich eine Bresche 
geschlagen, durch die sich unseren Blicken weite, aussichtsreiche Per¬ 
spektiven enthüllen.“ 

Fuchs- v. Wolfring schreibt als 2. Satz: „denn heute noch 
kann niemand behaupten, dass die Spirochaeta pallida dem 
Kriterium eines spezifischen Krankheitserregers in der Weise ent¬ 
spricht, wie dies z. B. beim Tuberkelbazillus der Fall ist“. Man 
muss sich wundern, dass Fuchs- v. Wolfring bei seinem Be¬ 
streben der extremen Revision der Spirochaeta pallida nicht die 
gegen die heutige Wertung des Koch’schen Tuberkelbazillus ge¬ 
richteten Arbeiten von fifuch, Marcmann, auch Spengler be¬ 
rücksichtigt. 


1) Von mir gesperrt. 


Die von E. Hoff mann gegebene morphologische Charakte¬ 
ristik der Spirochaeta pallida behandelt Fuchs-v. Wolfring Als 
eine heutzutage längst überholte historische Reminiszenz, sie 
lautet: „die grosse Länge des spittauslaufenden Fadens im Ver¬ 
gleich zu seiner äusserst geringen Dicke, die Tiefe, Steilheit und 
Regelmässigkeit der korkzieherförmigen Windungen, die geringe 
Variabilität der Form, die verhältnismässig grosse Elastizität der 
schwer deformierbaren Spirale, das s'ch wache Lichtbrechungs- 
Vermögen und die Art der Bewegung im frischen und endlich der 
rote Farbenton im nach Giemsa gefärbten Präparat sind für die 
Artdiagnose der Spirochäte roaassgebend. 

•\ Wohl sehr viele Syphilidologen stimmen mit dieser Definition 
auch heute noch überein. Nur ein Punkt bedarf der Berichtigung. 
Die Windungen der Pallida sind nicht regelmässig, sondern aus¬ 
gesprochen unregelmässig, das kann man bei guten gefärbten wie 
Dunkel fei d präparaten auch bei den üblichen optischen Hilfs¬ 
mitteln erkennen. Nur dadurch, dass eine Spirochaete refringens 
bei gleicher Länge viel weniger Windungen besitzt als die Pallida, 
erscheinen die Windungen der Pallida unter einem kleineren Ge¬ 
sichtswinkel, wodurch die Unregelmässigkeit vergleichsweise 
zurücktritt. Bei verbesserten optischen Untersuchungsmethoden 
mit gesteigerter Auflösungsfähigkeit stellen sich die Windungen 
der Pallida als ausserordentlich unregelmässig dar. 

Für den Kliniker ist es unbedingt erforderlich, dass er sich 
an diese Hoffmann’sche Definition hält und zudem noch die 
„Hoffmann’sche Regel 4 berücksichtigt, wonach die Diagnose 
Pallida nur zu stellen ist, wenn diese sich im Präparat aus¬ 
schliesslich vorfindet, was durch eine geeignete Art der Material- 
entnabme unschwer zu erreichen ist. 

Die Sachlage ist doch wohl so, dass in einer Periode, wo 
die W.R. noch negativ ist, die Diagnose Syphilis durch den 
Nachweis der Spirochaete pallida im Sinne von Schaudinn und 
Hoffmann verifiziert wird. Viele Forscher, darunter auch ich, 
behaupten, die Entscheidung, ob in dem Serum aus einem Ulktfs 
am Penis, z. B. Pallida, Pallida und Refringens oder Refringens 
allein vorhanden ist, mit völliger Bicherbeit stellen zu können. 
Auf den ersten Blick erkennt der Geübte die Art der jeweils 
vorhandenen Form. Wir halten es für einen grossen Fortschritt, 
dass die Vertrautheit mit den .einschlägigen Untersuchungs- 
metboden jetzt auch dem praktischen Arzte durch Kurse usw. 
vermittelt wird. Ganz abgesehen vom theoretischen Wert oder 
Unwert der Arbeiten von Spengler bzw. Fuchs-v. Wolfring 
halte ich dieselben in praktisch-klinischer Beziehung nicht für 
einen Fortschritt wie ihre Autoren, sondern für einen verhängnis¬ 
vollen Rückschritt. Wenn wir uns ihre Auffassung der Pallida, 
„die sich in den mannigfachsten Formen und Uebergängen von 
korkzieherartigen, feinen steilen Windungen angefangen bis zum 
mehr oder weniger gestreckten dicken Faden zeigt 4 , zu eigen 
machen, dann kann von einer kritischen Syphilisdiagnose mit 
Hilfe d$8 Mikroskops keine Rede mehr sein. Dann brauchen wir 
überhaupt kein Mikroskop mehr, denn derartige Gebilde wie 
auch die beschriebenen Ovoid-Stäbchen bzw. von ihnen nicht 
unterscheidbare Gebilde, sind sowieso in jedem Präparat eines 
beliebigen Ulkus enthalten. Jeder, der sich praktisch mit der 
mikroskopischen Syphilisdiagnose beschäftigt, wird also meines 
Erachtens N den Standpunkt von Fuchs - v. Wolfring ablehnen 
müssen. 

Ganz etwas anderes ist es mit der Wertung dieser Arbeiten 
zur theoretischen Spirochätenforschnng. Ohne Frage haben die 
grossen Werke von Spengler und MacDonagh nieht die Be¬ 
achtung gefunden, die nötig gewesen wäre. Es lässt sich auch 
nicht bestreiten, dass viele Autoren der letzten Jahre in theo¬ 
retischer Beziehung auf einem ganz anderen Standpunkte als dem 
Schaudinn - Hoff man naschen stehen, bzw. haben sie sich dem 
zuerst vertretenen Standpunkt Schaudinn’s, dass die Pallida 
nur ein Teil aus dem Entwicklungszyklus eines Organismus sei, 
wieder genähert. ' 

Es haben u. a. über Spirochäten-, Bakterien- und Spirillen¬ 
fragen Meirowsky, über Fragen des Lepra- und Tuberkel¬ 
bazillus Reenstierna in einer so ausserordentlich sorgfältigen 
Weise gearbeitet, dass die ungewohnten Ansichten dieser Autoren 
nicht durch einfache Ablehnung zu erledigen sind, sondern 
ernstester Nachprüfung bedürfen. Entweder sind ihre An¬ 
schauungen zu widerlegen oder aber sie halten unserer experi¬ 
mentellen Kritik stand, dann müssen sie anerkannt und natür¬ 
licherweise unsere theoretischen Anschauungen den neuen Tat¬ 
sachen entsprechend umgeformt werden. Aber auch in diesem 
Falle wird meines Erachtens für die praktisch mikroskopische 

8 * • 


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. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Syphilisdiagnose eine wesentliche Aenderung nicht erfolgen 
kennen, vielmehr muss weiter mit allem Nachdruck darauf ge¬ 
halten werden, dass die mikroskopische Untersuchung sich an die 
"Hoffmann'sehe Definition zu halten hat und nicht etwa wegen 
der Polymorphie der Pallida die Diagnose leichter gestellt wird. 

Für diese Nachprüfung, wie auch für die Art der Forschung 
scheint mir die Darlegung folgender Verhältnisse von Wert zu 
sein. Das wichtigste Hilfsmittel für die Untersuchung ist das 
Dunkelfeldmikroskop. Es muss festgestellt werden, dass es die¬ 
jenige Form des Mikronkops ist, welche am allerleichtesten nicht 
objektiväbnliche Bilder liefert. Das Phänomen, dass „die Pallida 
sich in eine Reihe von Punkten auflöst“, kann man jederzeit 
durch Verschieben des riebtigstehenden Mikroskopspiegels in eine 
falsche Lage hervorrufen. Man kann dadurch, dass man die 
Achse des beleuchtenden Strahlenbiindels einen wechselnden 
Winkel zur Achse des Mikroskops bilden lässt, fünf gänzlich 
verschiedene Bilder der Spirochaete pallida hervorrufen. Während 
für Zwecke der praktischen Diagnose die üblichen Dunkelfeld¬ 
kondensoren ausreichen, sollte für theoretische Forschung nur 
ein vollkommeneres Insrument, der Zeiss-Kardioid-Kondensor mit 
Quarzkammer Spezial-Glyzerin-Immersion und Bogenlichtbeleuch¬ 
tung angewandt werden. 

Unbedingt nötig ist es auch, dass genaue Angaben über die 
Art der verwendeten Apparatur gemacht werden, damit die Nach¬ 
prüfung erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht wird. Es 
muss also beispielsweise angegeben werden ausser Objektiv und 
Okular die Art des Kondensors, ob ein einfacher, auf der Ober¬ 
fläche versilberter Mikroskopspiegel oder ein Prisma zur Um 
leitung des Strahlenganges benutzt wurde. Die Auflösungsfähig 
keit des Dunkelfeldmikroskops ist auch wesentlich abhängig von 
der spezifischen Flächenhelligkeit der benutzten Lichtquelle; auch 
hier sind also genaue Angaben nötig, besonders bei Bogenlampe 
Angabe der Volt und Amperezahl, etwaiger Kondensoren, Kollek¬ 
toren und ähnlichem. 

Ferner wird im besonderen die Anwendung der Mikroskope 
mit gesteigerter Auflösungsfähigkeit, z. B. der U. V.-Einrichtung 
von Zeiss, trotz ihrer schwierigen Handhabung nicht umgangen 
werden können. 

Jeder, der einmal versucht hat, mit einem guten Dunkelfeld¬ 
mikroskop ein Präparat mit nur reinem, d. h. optisch leerem 
Wasser zu erhalten, weise, dass dies zu den schwierigsten Auf¬ 
gaben gehört. Kleine, sich lebhaft bewegende Körperchen finden 
sich fast in jedem Dunkelfeldpräparat; aus diesem Grunde ist 
z. B. die Untersuchung von Ovoidkörnchen, Spirochätenknospen, 
Chlamydozoen u. dgl. im Dunkelfeld allein keine wissenschaft¬ 
liche Methode. Es kommt hinzu, dass wir über die Art dieser 
Körnchen optisch überhaupt nichts weiter aussagen können, als 
dass sie jedenfalls nicht objektähnlich abgebildet werden. Eine 
genaue Kenntnis der optischea.Gesetze der mikroskopischen Ab¬ 
bildung, wie sie beispielsweise von Abbö im ersten Band seiner 
gesammelten Abhandlungen klar und einfach dargestellt' wurde, 
ist nnabweisliche Vorbedingung. Leider fehlt hier viel; man 
kann tatsächlich öfters beobachten, dass bei theoretischen Unter¬ 
suchungen unter Benutzung von Immersionsobjektiven, Objekt¬ 
träger und Kondensor nicht durch Zedernöl verbunden werden, 
womit dann freilich die mühsame Arbeit der optischen Werk¬ 
stätten, die numerische Apertur auf 1,4 zu bringen, umsonst 
getan ist. 

Ferner vermisst man leider in vielen Arbeiten, abgesehen 
vielleicht von denen von Noguchi, die Anwendung der mikro¬ 
skopischen Messkunst und der Statistik. Die Spirochäten, die 
in ihrer Ausdehnung in zwei Richtungen auf oder unter der 
Grenze des Auflösungsvermögens für objektähnliche Abbildung 
stehen, in der dritten dieselbe weit überschreiten, bieten sehr 
geeignete Objekte, unsere Erkenntnis durch diese Methode zu 
fördern. Es liegt auch auf der Hand, dass der Streit um die 
Morphologie der Spirochäte schliesslich nur auf dem Wege der 
statistischen Erfassung sehr zahlreicher Messungsreihen sowohl 
der Spirochäte als ganzer wie auch des Verhältnisses der Höhe 
und Weite der einzelnen Windungen zueinander wie auch zu dem 
einer anderen Art entschieden werden kann. 

Diese Messungen werden im wesentlichen auf der Ausmessung 
von Mikrophotographien mit den in den letzten Jahren bedeutend 
▼ervollkommneteren Hilfsmitteln beruhen müssen. Man muss 
Bich darüber klar sein, dass auch eine gute und klare Mikro¬ 
photographie von der Spirochäte, zum mindesten ihrer Dicke, 
keine objektftbnliche Abbildung zu sein braucht. Man kann 
beispielsweise mit demselben Mikroskop, das zur Aufnahme der 


Spirochäte gedient hat, die Struktur einer Diatomee als 
Kreisen, Sechsecken, Vierecken der verschiedensten GrÖBse 
Richtung zueinander darstellen. Trotzdem bleibt natürlich 
Wert der Spirocbäten-Mikropbotographie für Messzwecke bestfhj^^f 
denn wenn nur die gleichen Bedingungen streng eingebalt^B| 
werden, ist der Fehler bei verschiedenen Aufnahmen der gleicflB 
und kann deshalb illiminiert werden. ^ 

Fuchs-v. Wolfring zitiert die Worte Siegelt als treffend: 
„Wir finden in der der Pallida vindizierten Protozoeneigenschaft ' 
geradezu eine suggestive Potenz, die auf die Masse der Mediziner 
von ganz aussergewöhnlicher und in späterer Zeit wohl kaum 
verständ'icher Wirkung sich äusserte M Das mag vielleicht teil¬ 
weise richtig sein, andererseits bat Verfasser selbst erfahren, 
dass eine rein zoologische Ausbildung für die Beschäftigung mit 
Fragen der theoretischen Spirochätenforscbung von grossem Vor¬ 
teil ist, insbesondere bedeutet das Studium der grossen und 
kleinen Spirocbätenformen der niederen Tiere die mannigfachste 
Anregung. Gleich vorteilhaft ist natürlich auch eine gründliche 
rein botanische Vorbildung. 

In dem Teil der Arbeit, welche sich mit der Kultur der 
Arbeit befasst, schildert Fuchs-v. Wolf ring zunächst die be¬ 
kannten Arbeiten and bespricht dann das Verfahren von Karl 
Spengler, auf dem besonders auch der letzte Teil der Arbeit 
über syphilisdiagno^tische Blutuntersuchungen beruht. Ein dtfini- 
tives Urteil über das Verfahren kann erst nach nochmaliger 
genauer Nachprüfung abgegeben werden. Frühwald prüfte die 
Spirocbätenversuche bereits 1912 nach, das Resultat war negativ. 
Unwillkürlich denkt man bei der Lektüre des Spengler’schen 
Verfahrens, das so enorm hohe positive Resultate liefert, bei 
Lungentuberkulösen 75 pCt., an den Nachweis der Tuberkel¬ 
bazillen mit dem Antiforminverfabreo. Es zeigte sich da näm¬ 
lich, dass schliesslich alle Unlersucbungen au blutbaltigen Organen 
positiv aosfielen, was aber nach Kahn auf den-isolierten Stromata 
der roten Blutkörperchen beruht, welche Tuberkelbasillen Vor¬ 
täuschen. 

Zusammeofassend kann man sagen,, dass die mit so vielen 
Arbeiten in so krassem Gegensatz stehenden Arbeiten von Spengler 
und Fuchs-v. Wolf ring, auch wenn sie der kritischen Nach¬ 
prüfung standhalten, für unser praktisch-klinisches Handeln in 
bezug auf die mikroskopische Diagnosestellung keine Wandlung 
hervorrufen werden. Diese Nachprüfung muss mit aller Sorgfalt 
geschehen unter Berücksichtigung der oben angegebenen Kautelen. 

Nachtrag. Unsere Klinik gelangt soeben in den Besitz 
eines Buches: „L. C. Quöry, La syphilis. Microbiologie, Söro- 
thörapie, Observations medicales, Paris 1919, das eine Zusammen¬ 
stellung der Arbeiten des Autors enthält. Der Sypbiliserreger 
soll ein gramnegatives Stäbchen sein, das auf einfachem Kultur¬ 
boden leicht in Reinkultur zu zöchten ist und sich durch extreme 
Polymorphie auszeichnet. Es bildet leicht Fäden, die Sporen in 
sich tragen, die Fäden werden wellig, bilden trypanosomenähnliche 
Gebilde, schliesslich „Spirochäten“. Autor schliesst daraus, dass 
die Stäbchen bei seiner negativen Färbung mit Nigrosin von einem 
weissen Hof amgeben sind, dass eine ondulierende Membran vor¬ 
handen sei!! Durch Einspritzung von Affen mit den Toxinen 
seiner Kulturen gewinnt Verf. ein Serum, das ein ausgezeichnetes 
Therapeutikum darstellen soll. Trotz einiger offensichtlich falscher 
Schlüsse, ist das Buch teilweise so überzeugend geschrieben und 
illustriert, dass eine Nachprüfung nötig ist. 


Versuch einer Erklärung des Weges der Jod¬ 
wirkung bei Dysmenorrhoe. 

Von 

Stabsarzt a. D. Dr. Granue-Fohrde. 

Ueber den Weg der Heilwirkung des Jod beim Asthma 
bronchiale (Schilddrüse, Nebenniere, Adrenalin, Sympathieus, 
Vagus, Bronchioli) stellte ich bereits früher eine Theorie auf and 
begründete diese in Nr. 7 der Deutschen medizinischen Wochen¬ 
schrift 1919. Ich sprach die Vermutung aus, dass auch bei 
anderen Krankheiten therapeutische Erfolge durch Chemikalien 
dadurch zu erklären sind, dass die Sekretion innerer Drüsen be¬ 
einflusst, sei es angeregt oder gehemmt wird. __ 

Beim Asthmatiker, den ich in Uebereiostimmung mit anderen Autoren 
als Vagotoniker auffssse, und dessen Anfälle danach duroh akute Steigerung 
des chronischen Adrenalinmangels ausgelöst werden, mindert und be- 


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iß. Dezember 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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seitigt chronische Joddarreiohung den chronischen Adrenalinmangel, in¬ 
dem die daroh Jod erreichte Erhöhung der Tätigkeit der Schilddrüse 
die Nebenniere aktiviert. Schilddrüse und Nebennieren sind ja Syner- 
geten. Ein gelegentlich erhöhter Adrenalin verbrauch hat nach Be¬ 
seitigung des relativen Adrenalinmangels nicht mehr ein absolutes 
Adrenalindefizit zur Folge. Anfälle bleiben somit aus. 

Nun steht die Schilddrüse ausser zu den Nebennieren auch zu 
anderen innersekretorischen Organen in Beziehung, so zu den Ovarien. 
Man darf annehmen, dass durch Jod auch die Ovarien auf dem Wege 
über die Schilddrüse zu beeinflussen sind. Mir scheint, dass die von 
L6vy-Dupan l ) und ebenso von Trebing 2 ) beobachtete günstige Be¬ 
einflussung vieler Fälle von Dysmenorrhoe duich Jod auf eine primäre 
Einwirkung auf die Schilddrüse, von der aus sich die Wirkung auf die 
, Qvarien überträgt, zu erklären ist. Die beiden Autoren teilen mit, dass 
sie bei der sog. essentiellen Dysmenorrhoe, der eine Erkrankung des 
Uterus nicht zu Grunde liegt, unter Jodtropondarreicbung die monat¬ 
lichen Beschwerden zurückgehen und selbst schwinden sahen. 

Das Wesen der essentiellen Dysmenorrhoe ist bisher nicht recht 
sicher gestellt. Höchstwahrscheinlich aber liegt eine Störung der Ovarial- 
tätigkeit, und zwar wohl auf nervöser Basis vor. 

Ein innersekretorischer Zusammenhang zwischen Sohilddrüse und 
Genitalien, insonderheit Ovarien, darf als sicher vorhanden betrachtet 
werden. Bei Myxödem und Kretinismus besteht Atrophie der Genitalien, 
einschliesslich der Ovarien, welch letztere sich in Amenorrhoe kund gibt. 
Ebenso entsteht bei üaohexia strumipriva Amenorrhoe. Kastration regt 
die Schilddrüse zu vermehrter Tätigkeit an. Bei vielen Frauen kann 
während der Menstruation ein Ansohwellen der Schilddrüse beobachtet 
werden (Freund, Heidenreich, Weidenmann). Regelmässig tritt 
bei Dysmenorrhoikern die Anschwellung der Sohilddrüse während der 
Menses ein (Fischer, Weiden mann). Menstruationsstörungen ohne 
nachweisbares gynäkologisches Leiden sind bereits, oft mit Erfolg, einer 
SohilddrüsenbehandiuDg unterzogen worden. Steinberger beobachtete, 
dass ein beim Ausbleiben der Menses entstandener Kropf durch fünfwöchigen 
Jodgebrauch sich zurüokbildete, worauf die Menstruation wieder ein- 
setzte. Röntgenbestrahlung der Schilddrüse schwächt die Menses ab und 
bringt sie auch zu völligem SistieEen. In der Jugend tbyreoidektomierte 
Ziegen büssen die Fortpflanzungsfähigkeit ein. Derart lässt sioh noch 
manohes aus der Literatur beibringen. Die gegenseitige Abhängigkeit 
von Sohilddrüse und Ovarien kann nicht dem geringsten Zweifel mehr 
unterliegen. 

loh halte mich für berechtigt, die von Lövy-Dupan und Trebing 
mitgeteilte Besserung und Beseitigung dysmenorrhoischer Beschwerden 
durch Jodtropon darauf zurückzuführen, dass die Sekretion der Sohild¬ 
drüse angeregt wird und nun ihrerseits, entweder direkt auf dem Blut¬ 
wege oder auch unter Mitwirkung sympathischer Nervenbahnen (Plexus 
spermatious), die Ovarialtätigkeit reguliert. Dieser — m. E. plausible — 
Erklärungsversuch bestätigt gleichzeitig die Richtigkeit der klinischen 
Beobachtung der beiden genannten Autoren. In ursächlich unklaren 
Fällen von Dysmenorrhoe ist somit der Versuch einer Jodbehandlung 
zu empfehlen. 

Ob es sich bei der essentiellen Dysmenorrhoe um eine Hypo-, Hyper¬ 
oder Dyssekretion der Ovarien handeln kann, darüber möchte ich mich 
vorläufig noch eines Urteils enthalten. 


Aus dem Universitäts-Institut für Krebsforschung 
an der Charite. 

Euguform, ein neues Desodorans, 

VOQ 

Privatdozent Dr. Hais Hirschfeld. 

Der überaus widerliohe und penetrante Geruch, der von Krebs- 
gesohwüren ausgeht, ist sehr schwer zu beseitigen. Er ist gleich un¬ 
angenehm für die Umgebung des Kranken wie für den Arzt und kann 
bisweilen die Luft einer ganzen Wohnung verpesten. Besonders in 
Kliniken und Instituten, wo eine grössere Zahl von Krebskranken zu¬ 
sammenliegen, macht sich diese üble Begleiterscheinung der schon an 
sich so fürchterlichen Erkrankung in oft unerträglicher Weise bemerkbar 
und ist Ursache vieler Missstände. Die Beseitigung dieses Fötors wäre 
eine Wohltat für die bedauernswerten Kranken' und ihre Umgebung, ln 
unserem Institut sind wir seit Jahren bemüht, gegen den furchtbaren 
Geruoh der ulzerierten Krebsgeschwülste energisch vorzugehen. Aber 
die bekannten Mittel, wie Kalium hypermanganiouin und Wasserstoff¬ 
superoxyd, mit denen die Wunden gespült werden, versagen oft, auch 
bei tägliohem Verbandwechsel. Ein ausgezeichnetes Mittel dagegen 
lernten wir in dem Morgenroth’schen Eukupin kennen, das in Form 
einer 2 proz. Salbe seit längerer Zeit bei uns mit gutem Erfolg an¬ 
gewendet wird. Aber es gibt leider immer noch Fälle, die sich auch 
gegen dieses Mittel refraktär verhalten. Wir stellten deshalb neuerdings 
mit einem uns von der chemischen Fabrik Güstrow überlassenen Wund- 
streupulver, dem Euguform, Versuche an einer grossen Zahl von 
Kranken an, die Träger besonders übelriechender Krebsgesohwüre waren. 

1) Korr. Bl. f. Schweizer Aerzte, 1914, Nr. 49. 

. 2) Mschr. i Geburtsh., Bd. 49, H. 6. 


Das Enguform ist ein teilweise azetyliertes Köndensationsprodukt 
aus Guajakol und Formaldebyd und entspricht in seiner Zusammen¬ 
setzung der chemischen Formel 

' 0H<-)CH,< -y OCOOHa 

* OCHg OCHg. 

Seine ganz besonders stark desodorierenden Eigenschaften beruhen auf 
seiner duroh die Körpersäfte erfolgenden Zerlegung in seine Komponenten. 

Es ist ein graubraunes, geruchloses Pulver, das wir in allen unseren 
Fällen unverdünnt täglich einmal auf alle übelriechenden Krebsgeschwüre 
aufstreuten; darüber wurde dann ein Verband mit steriler Gaze gemacht. 
Wir haben in unseren Fällen niemals schädliche Nebenwirkungen ge¬ 
sehen; weder reizt das Euguform die Wunden, nooh macht es Schmerzen 
und bat auch keine allgemeinen Nebenwirkungen. Dagegen hat es sioh 
uns als desodorierendes Mittel, das von keiner anderen für solche 
Zwecke empfohlenen Substanz übertroffen wird, ganz ausserordentlich 
gut bewährt, und wir haben bei einer etwa 1V 2 Jahre fortgesetzten 
Anwendung in zahlreichen Fällen so gut wie gar keine Versager gehabt. 
Es empfiehlt sioh daher seine Einführung als lokales Desodorans für 
ulzerierende, übelriechende Krebsgesohwüre in hohem Maasse. 


BOcherbesprechungen. 

6. Stümpke-Hannover: Prognose and Therapie der Besehleehtskraik- 
heitea im Kiadesalter. Berlin 1919. Verlag von Herrmann Meusser. 
Die Bedeutung der Geschlechtskrankheiten für die Pathologie des 
Kindesalters ist während des Krieges noch gewachsen. Die Kunst, die 
Geschlechtskrankheiten zu erkennen, und die Erkenntnis der Notwendig¬ 
keit, sie intensiv zu behandeln, ist durohaus noch nicht so Allgemeingut 
der Aerzte, wie das bezüglich der Gesoblechtskrankheiten der Erwachsenen 
der Fall ist. Das auf Grund eigener reicher Erfahrungen unter kritisoher 
Berücksichtigung der vorliegenden Literatur entstandene vorliegende 
Buch trägt daher einem wichtigen Bedürfnis der Praxis Rechnung. 


Bans Kleiasekmidt- Berlin: Therapeutisches Vademekam für die 
Kinderpraxis. Berlin 1919. Verlag von S. Karger. Preis 7,40 M. 

Das Buch ist nach den Ausführungen des Verf. im Vorwort, dazu 
bestimmt, Aerzten und Studierenden, die an der Berliner Universitäts- 
Kinderklinik in die Pädiatrie eingeführt werden und dort doch nur mit 
den Grundprinzipien der Therapie bekanntgemacht werden können, 
Einzelheiten .und Variationen der an der Klinik geübten Therapie zu 
übermitteln und später die Rückerinnerung zu ermöglichen. Es ist zu 
erwarten, dass das ausserordentlich klar und übersichtlich angelegte 
Buch weit über diesen Kreis hinaus unter den Aerzten Anhänger finden 
wird. Diätetik, Hydrotherapie und pharmakologischer Anteil der Therapie 
sind in gleicher Weise liebevoll bearbeitet; trotzdem hat das Buoh nur 
den Umfang eines Taschenbuches. Auch diese Aeusserlichkeit macht es 
zum Gebrauch für den Praktiker als Naohschlagebuoh besonders geeignet. 


tiastav Tagendreich-Berlin: Die Kleinkinderfiirsorge. Mit Beiträgen 
von Hans Guradze-Berlin, Johanna Mecke-Cassel und Liz. Sell- 
mann-Hagen. Stuttgart 1919, Verlag von Ferd. Enke. Preis 16 M. 

Der Krieg bat der Kleinkinderfürsorge einen neuen Anstoss gegeben. 
Vielfach haben es die mit dem Kriege verbundenen Umstände mit sioh 
gebracht, da98 die getroffenen Maassnahmen an allerlei Mängeln kranken, 
die den in Fürsorge genommenen Kleinkindern nicht gerade zum Vor¬ 
teil gereichen: ungünstige Unterkunftsräume, Fehlen ärztlicher Beauf¬ 
sichtigung, ungeschultes Pflegepersonal usw. Es ist daher mit Freude 
zu begrüssen, dass T. im vorliegenden Buche alles zusammenfasst, was 
für die in der Kleinkinderfürsorge tätigen Personen zu wissen nötig ist: 
Geschichte der Kleinkinderfürsorge, Statistik, körperliche „ Entwicklung 
und Pflege, Seelenleben der Kleinkinder; offene Fürsorge, Kindergärten, 
ärztliche Anforderungen an Einriohtnng und Betrieb der Anstalten für 
Kleinkinderfürsorge; Fürsorge der unehelichen Kleinkinder; Zentralisation. 


Erwin Stüekgold- Berlin: Uebcr den Einfluss von interknrrenten fieber¬ 
haften Krankheiten nnd von Fieberznständen, die dnreh intra- 
glot&ale Milchinjektionen hervorgernfen sind, anf den Verlauf den 
Syphilis, mit besonderer Berücksichtigung der -kongenitalen. 

Berlin 1919, Verlag von R. Trenkel. 

Zu dem obengenannten interessanten Problem liefert Verf. wichtige 
klinische und experimentelle Beiträge. Die klinischen Beobachtungen 
besagen, dass interkurrente Erkrankungen den Verlauf und die Symptome 
der hereditären Lues nicht nur nicht, wie vielfach angenommen wird, 
ungünstig beeinflussen, sondern im Gegenteil zeitweilig recht günstig 
gestalten können; ferner wurde beim Auftreten akuter Infektionskrank¬ 
heiten in 4 Fällen eine stark positive Was9ermann’scbe Reaktion negativ. 
Die Infektionskrankheiten können möglicherweise duroh ihren Erreger, 
der das Sypbilisvirus sobädigt, möglicherweise aber auch durch das mit 
ihnen verbundene Fieber auf die Lues einwirken. Daher wurden *bei 
hereditär-luetischen Kindern Milohinjektionen zum Zwecke der Fieber¬ 
erzeugung angewendet, wie das schon von anderer Seite bei erworbener 


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UMIVERSITY OF IOWA 




1190 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 60. 


Syphilis versnobt worden war. Die Experimente ergaben, dass selbst 
bei geringer au ti luetischer Therapie die Milobinjektiouen imstande waren, 
eine negative Wassermann’scbe Reaktion auszulösen, die allerdings nach 
einiger Zeit wieder positiv wurde. Es wurden also Remissionen der Er¬ 
krankung b er vorgerufen, die der Fiebereinwirkung suzusohreiben sind. 

_ R. Weigert-Breslau. 


H. Becheld: Die Kolloide in Biologie lad Medici». 2. Anfl. Dresden 
und Leipzig 1919, Verlag von Theodor Steinkopf. 527 S. Preis 
brosob. 27 M., geb. 81 M. 

Der Umstand, dass die 1. Auflage des vorliegenden Werkes sobon 
ein Jahr naoh ihrem Erscheinen vergriffen war, ist der beste Beweis für 
die Vorzüglichkeit des Buobes. Der auf dem Gebiete der Kolloidforsohung 
selbst mit so grossem Erfolg tätige Verfasser bat es verstanden, diesen 
wichtigen, in seiner Bedeutung noch lange nicht erschöpften Wissenszweig 
in einer Weise darzustellen, die nicht nur dem physikalischen Chemiker 
vom Fach, sondern dem Arzt und Biologen verständlich ist. Mit 
Ges 088 wird jeder die Ausführungen des Verf. über Wesen und Eigen¬ 
schaften der Kolloide lesen. Für den Mediziner sind besonders wichtig 
die Abschnitte über die Rolle der Biokolloide bei der Ernährung, bei 
den enzymatischen Vorgängen und Immunitätsreaktionen sowie das 
grosse Kapitel über den Organismus als kolloides System, in welchem 
der Autor die Beteiligung der Kolloide an Stoffwechsel und Stoffverteilung, 
an Formbildung und Formveränderung, ihre Rolle für die Bewegung 
der Organismen, für Atmung und Kreislauf, für die Bildung der Se- und 
Exkrete sowie für die Vorgänge in den Nerven ausein an dersetzt. Ihnen 
an sohliesst sich die Würdigung des Problems in der Pharmakologie 
und Toxikologie sowie in der mikroskopischen Technik, deren Ergebnisse 
zum grossen Teil erst auf Grund kolloid-chemischer Betrachtungen ver¬ 
ständlich wird. Eine Fülle ausgezeichneter Abbildungen erhöbt den 
Wert des Werkes, das pietätvoll dem Andenken an Paul Ehrlich und 
Theodor Neubürger gewidmet ist und nur einen Fehler hat: den 
hohen Preis. 


Wolfgaag Ostwald: Die Welt der vernaehlhssigten Dimeasioae». Eine 
Einführung in die moderne Kolloidcbemie, mit besonderer Berück¬ 
sichtigung ihrer Anwendungen. 3. Aufl. Dresden und Leipzig 1919, 
Verlag von Theodor Steinkopf. Preis geb. 9 M. 

Beachtet das voraufgehend besprochene Werk von Bechold, wie 
der Titel desselben bereits andeutet, hauptsächlich die biologisch be¬ 
deutsamen Fragen der Kolloidchemie, so behandelt Ostwald zwar auch 
diese Gebiete, aber vorwiegend die allgemeinen Grundlagen und Er¬ 
gebnisse der Kolloidforschung. Das erste Hauptkapitel erklärt die wesent¬ 
lichen Erscheinungen des kolloiden Zustandes und die Systematik kolloider 
Verbindungen. Im zweiten Hauptteil wird vornehmlich die Abhängigkeit 
der pbysikalisch-ohemisohen Eigenschaften vom Dispersitätsgrade aus- 
einandergesetzt. Dann folgen in Kapitel 3 die Ausführungen über 
Zustandsänderungen der Kolloide, in Absohnitt 4 die wissenschaftliche 
Auswertung der Ergebnisse, während die technischen und praktischen 
Anwendungen der Kolloidcbemie (Kapitel 5) den Sohluss bilden. Die 
fesselnde Darstellung des auf so vielen Gebieten bewanderten Verfassers, 
der seine Ausführungen dureh Verweisung auf zahlreiche Wissenszweige 
zu würzen und durch instruktive Abbildungen zu erläutern versteht, ist 
überaus lesenswert. 0. Neub erg-Berlin-Dahlem. 


Literatur-AuszQge. 

' Physiologie. 

. G. Locke mann - Berlin: Ein Messhahntriehtor für die S&ire- 
gemisehveraschang »ach Nenmann. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 107, 
H. 4 u. 5) Apparatverbesserung für die von Neumann angegebene 
GeräteanordnuDg. 

R. Frits oh - Zürich: Versuche zur Darstelliag TO» Phosphatiden 
aas gefärbte» Pflaazeaorgaaea. (Zsohr. f. physiol. Obern., Bd. 107, 

* H. 4 u. 5.) Die untersuchten Chlorophyll- und farbstoffhaltigen Pflanzen¬ 
organe enthalten nur kleine Mengen von Phosphatiden, nur ein ganz 
geringer Teil des Gesamtphosphors entfällt auf Phosphatide, bei jungen- 
Ahornblättern 4,78 pCt., bei jungen Escbenblättern 8,46 pCt. Die Dar¬ 
stellung von Phosphatiden mit einem der Theorie entsprechenden 
Pbospborgehalt ist äusserst mühsam, und es gelingt nur bei Anwendung 
grosser Mengen von Ausgangsmaterial, um solche Präparate herzustellen, 
die aber stets Zersetzungsprodukte der Farbstoffe enthielten. Aus grünen 
assimilierenden Organen konnte kein jnositphospborsaures Kalzium isoliert 
werden. 

S. J. Thannhauser - München: Experimentelle Studien über den 
Nakleinstoffwechsel. 7. Mitteilung. Isolierung der kristallisierten 

• Adenosiaphosphorsänre. (Zsohr. f. physiol. Cbem., Bd. 107, H. 2 u. 8) 
Durch Zerlegung des Bruzinsalzes der Triphospbonukleinsäure S.P. 205 
mit konzentriertem Ammoniak und weitere Verarbeitung der Ammon- 
salsgemische der in der Triphosphonukleinsäure (Guanosin-Adenosin- 
Zytidinphnsphorsäure) vorgebildeten Nukleinsäuren über die Bleisalze, 
gelingt es, einen kristallisierenden Körper darzustelleu, der sich bei 
208° zertetzt. Dieser Körper zerfällt bei weiterer ammoniakalischer 
Hydrolyse unter Druck in Adenosin und Phosphorsäure und ist somit 
als Purinnukleotid aufzufassen. 


E. Fischer - Einfluss der Struktur der fi Glnktoide auf dis Wirkung 
des Emalsins. (Zschr. f. physiol. Cbem., Bd. 107, H. 4 u. 5.) Die hydro¬ 
lytische Wirkung der Glukosidasen ist in hohem Grade abhängig von 
der Zusammensetzung und der Konfiguration des Zuckerrestes. In der 
vorliegenden Arbeit wird bei einer gröeseren Anzahl von d-Glukosido- 
säuren, in denen der mit dem Zuokerrest verbundene Bestandteil er¬ 
hebliche Strukturunterschiede zeigt, die Frage geprüft, welches Einfluss 
diese zweite Glukosidkomponente auf die Wirkung des Emulsins aus¬ 
übt. Zur Untersuchung gelangten die Derivate der Glykolsäore, 
a-Oxyisobuttersäure und Mandelsäure, ferner die Emygdalinsäure und 
Zellosidoglykolsäure. Bei eioer WasserstoffionenkoDzentration von 10—* 
wurden die meisten Derivate der genannten Glykosidosäuren von Emulsion 
hydrolysiert; die freien Säuren werden von kleinen Mengen Emulsion 
nioht angegriffen, da die Konzentration der Wasserstoffionen zu gross ist 
Bei den Salzen zeigen sich kleine unregelmässige quantitative Unter¬ 
schiede. Die Amide, Ester und Nitrile werden am leichtesten hydro¬ 
lysiert. Die Derivate der Glukosido-Ozyisobuttersäure sind auffallend 
resistent, eine Erscheinung, die auf die Bindung des Zuckerrestes and 
das tertiäre Kohlenstoffatom surüokzufübren ist. Bei der Glukosido- 
mandeisäure werden die Salze und das Amid der d-Mandelsäure nioht 
angegriffen. Das d-Nitril wird hydrolysiert, doob ist einerseits mit dem 
Auftreten tautomerer Formen, andererseits mit der Möglichkeit der Auf¬ 
hebung der Asymetrie daroh Blansäureabspaltung zu rechnen. Für den 
d-Metbylester, der ebenfalls gespalten wird, kommt das vorübergehende 
Auftreten tautomerer Formen nioht in Betracht, und verdient daher 
dieser Fall bei allgemeinen stereochemischen Betrachtungen über Enzym- 
wirkung und Konfiguration eine besondere Berücksichtigung. Kompli¬ 
zierter liegen die Verhältnisse bei der Amygdalinsäure und Zellosido- 
glykolsäure, da sie sich von einem Disaccharid ableiten, das selbst yon 
Emulsin angegriffen und in Traubenzucker verwandelt wird. Das nega¬ 
tive Verhalten des 6-Brombydrins des /J-Metbylglukosids gibt einen 
neuen Beweis für die ausserordentlich feine Spezifität des Enzyms. Im 
allgemeinen werden bei ähnlicher Struktur die Glukoside der Phenole 
und Phenolkarbonsäuren leichter gespalten als die Derivate der ali¬ 
phatischen Alkohole und Alkohol säuren. Die Darstellung der unter¬ 
suchten Körper, soweit sie noch nicht bekannt sind, wird am Sohluss 
der Abhandlung ausführlich beschrieben. 

C. Tb. Mörner: Welchen Anteil haben Tyroeia »ad Tryptophan 
an de« Farheaeffeht hei den beiden Phasen der Xaathoproteiasiare- 
reahtion? (Zschr. f. physiol. Cbem., Bd. 105, H. 4 u. 5) Die Rolle, die 
dem Tyrosin und dem Tryptophan bei den beiden Phasen der Xantho- 
proteinsäurereaktion (Phase a = saure Phase mit sohwaoher reingelber 
Farbe; Phase b = alkalische Phase mit mehr ins Orange gebender Farbe) 
zukommt, ist im hohen Grade verschiedenartig: In Phase a wirkt 
Tryptophan Smal so kräftig als Tyrosin, in Phase b dagegen hat 
Tyrosin eine 5 mal so kräftige Wirkung als Tryptophan. Tryptophan 
wirkt in Phase b nur 3mal so kräftig als in Phase a, während Tyr 08 * 0 
in Phase b eine 45 mal so kräftige Wirkung als in Phase a ausübt. 

P. Waentig und W. Gierisoh - Dresden: Ueber Zellalosever- 
dauaag in vitro io« Zwecke der Feststellung der Verdaalichkelt 
seilalosebaltiger Futtermittel. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 107, 
H. 4 u. 5.) Die Verf. selbst sprechen der von ihnen vorgeschlagenen 
Methode der Prüfung der Verdaulichkeit zöllulosehaltiger Futtermittel 
durch Einwirkung von Fäkal- und Kolonfiüssigkeit in vitro nur orien¬ 
tierenden Wert zn. 

P. Waentig - Dresden: Noohmals die tierische Rohfaserverdaaaag. 
(Zsohr. f. physiol. Cbem., Bd. 107, H. 4 u. 5.) 1. Bei der Beurteilung der 
Ausnützung zellulosebaltiger Futtermittel ist die Berüoksiohtigüng der 
Art der Aufpohliessung untrlässlich. Die Zellulose geeigneter Pfianzen- 
materialien ist bei genügender Aufschliessung sowohl für den Wieder¬ 
käuer wie für das Pferd und das Schwein in beträchtlichem Maats« 
verdaulich. 2. Versuche über die Verdaulichkeit der Rohfaser in auf¬ 
geschlossenem Stroh beim Hund führten zu einem praktisch negativen 
Resultat. 

W. Stepp - Giessen: 'Ueber das Vorkommen von Glakoroaaiaren 
i« menschlichen Blate. (Zsohr. f. physiol. Chem., Bd. 107, H. 4 u. 5.) 
Sämtliche bisher untersuchten Blutproben von einigen Gesunden, Diabe¬ 
tikern und Nephritikern zeigten eine deutlich positive Naphtoresorzin- 
probe. Der stärkste Ausfall der Reaktion wurde bei Nephritikern im 
Stadium der Azotämie, deutlioher Ausfall auch bei Normalen, wechseln¬ 
der dagegen beim Diabetes beobaohtet. Die Orzinreaktion nach Bial 
und die Phlorugluzinprobe zeigten ebenfalls stark positiven Ausfall. 
Den schwachen Ausfall der Naphtoresorsinreaktion im Blute einiger 
Diabetiker bringt der Verf. in Zusammenhang mit der relativen Ver¬ 
minderung der „Reatkohlenstoffzahlen“ im Vergleich zum erhöhten Blut- 
zuoker der Diabetiker. 

M. Schenk-Marburg: Zur Kenntnis der Galieasiare». (Zschr. f. 
physiol. Chem., Bd. 107, H. 2 u. 3.) Es gelingt ein ReaktionBprodokt 
der Ziliansäure mit Hydroxylamin zu isolieren. Von den beiden ver¬ 
muteten CO-Gruppen der Ziliansäure, die der Verf. als eine Diketotetra- 
karbonsäure auffasst, tritt jedoch nur eine mit Hydroxylamin in Reaktion. 

E. Eckstein und E. Grafe - Heidelberg: Weitere Beobachtungen 
über Lnxvskonsimptiea and ihre Entstehung. (Zsohr. f. physiol. Chem., 
Bd. 107, H. 2 u. 3.) Drei in ausführlichen Tabellen wiedergegebene 
Versuchsreihen zeigen, dass eine überreichliche Ernährung mit relativ 
geringem Eiweissgehalt mit zunehmender Dauer eine zunehmend stärkere 
Steigerung des Stoffwechsels hervorruft ^Der Organismus arbeitet also 


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15. Desember 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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mit zunehmender Länge der Ueberernährung immer uoökonomisoher, er 
treibt „Luxuskonsumption“. Diese ist als eine Anpassungsersoheinang 
abzüsprechen, insofern als sieh der Organismus vor der Anlagerung au 
grosser Mengen von Reservestoffen sohütit. An Hunden, denen die 
Ovarien bzw. die Sohilddröse exstirpiert wurden, konnte der Einfluss 
dieser Drüsen auf das Zustandekommen der Luxuskonsumption studiert 
werden. Es wurde festgestellt, dass der Fortfall der Keimdrüsenfunktion 
das Zustandekommen der Luxuskonsumption nicht verhindert, diese 
fällt höchstens etwas geringer aus. Daneben wurde eine deutliche Ge* 
wiohtesunahme ersielt Nach Exstirpation der Schilddrüse konnte der 
Nüohtern-Stoffweohsel durch lieberem ährung nicht mehr beeinflusst 
werden. Die Werte nach Nahrungsiufuhr nahmen im Gegensatz tum 
Verbalten beim normalen Tier mit der Dauer der UeberernähruDg nicht 
tu, sondern ab. Gleichzeitig stieg das Körpergewicht an. Die Verf. 
nehmen an, dass die wirksame Substanz der Schilddrüse beim Zustande¬ 
kommen der starken Steigerung des Stoffwechsels durch starke Ueber- 
ernährung eine wiohtige Rolle spielt. Hirsch. 

W. Meyejr - Heidelberg: Experimentelle Untersuchungen über die 
Sensibilität voa Magen und Darm. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 151, 
H. 8 u. 4.) Ueber die Frage, ob' Magen- und Darmwand mit Einschluss 
ihres peritonealen Ueberzuges schmersempfindlieh ist oder nicht, herrscht 
bisher nooh keine Einigkeit. Die Versuche -wurden an Katzen durch 
Betupfen des Darmes mit Chlorbariumlosung ausgeführt. Es zeigte 
sieb, dass die Spannung des Mesenteriums bzw. des Mesenterialansatzes 
dazu nötig ist, um Schmerzen zu erzeugen. Praktisch genommen ist 
also Magen- und Darm wand einschliesslich der sie bedeokenden Serosa 
auf adäquate und nioht adäquate Reize sohmerzunempflndlicb. 

B. Valentin. 

■ ' *’ A. Joel * Hamburg: Ueber den Einfluss der Temperatur auf dm 
8aaerstoffrerbraaeh weehselwarmer Tiere. (Zschr. f. physiol. Chem., 
B& 107, H. 4 u. 5.) 1. An Dytiscus marginalis, Aeschnalarven, Lumbrio. 
terr. Limnaeus stagnalis, Serranus cabrilla, Rana fusca, Pelobates fuscus 
und Larven von R fusca ist nachgewiesen, dass der Sauerstoffverbrauch 
bis zu einem bestimmten Punkte mit der Temperatur ungefähr ent- 
entsprechend der RGT-Regel ansteigt. 2. Oberhalb dieses Punktes 
sinkt der Verbrauch wieder, ausser bei Lumbrio., so dass die 0* Kurve 
und die GOj-Kurve divergieren. Die betreffende Temperatur wurde 
ausser von Serranus gut ertragen und lag bei Aesohna und Pelobates 
nähe den für diese Tiere physiologischen Temperaturen. 3. Durch Ver¬ 
suche an Froschlarven und Zwergfrösohen wird wahrscheinlich gemacht, 
da s» das Sinken der 0*-Kurve mit der Lokalisierung des Atemprozesses, 
einem Zeichen der allgemeinen organologisohen Differenzierung des 
Tierkörpers, im Zusammenhang steht. Hirsoh. 


Pharmakologie. 

Fr. Ublmann-Basel: Beiträge zum OpiaaprobleM. 3. Mitteilung. 
Ueber den Eisflass des Morphingebaltes voa Opiinpr&paratea auf ihre 
stopfende Wirkung. (Schweiz. Rorr.-Bl., 1919, Nr, 42.) R. Fabian. 


Therapie. 

J. Bau mm-Königsberg i. Pr.: Unsere Erfahrungen mit Nirvaaol 
(Heyden). (Ther. Mb., 33. Jg, Okt. 1919.) 0,3 Nirvauol bewirkte bei 
Schlaflosigkeit infolge von Aufregungen und Sorgen bei Neurasthenikern 
und Organneurosen prompt ruhigen, traumlosen Schlaf ohne unangenehme 
Naohwirkung, auch bei längerem Gebrauch und in Fällen, wo andere 
Mittel infolge von Gewöhnung versagten. Nach 0,5 Nirvanol klagte 
^ohon ein Teil der .Patienten über so unangenehmen „Nirvanolkater“, 
dass sie weitere Schlaflosigkeit vorzogen. Fieber, Exanthem usw. würden 
nicht beobaohtet. Naoh Gaben von 1,0 Nirvanol bei erregten Urämikern 
und Psychopathen usw. trat tiefer, langdauernder Schlaf mit folgender 
starker Somnolenz ein ohne sonstige üble Nebenwirkung. Bertkau. 

A. Sluozewski-Berlin: Thorium X-Dosen and -Behandlang bei 
Dematosea. (Denn. Zsohr., Okt. 1919.) Empfehlung der Thorium X- 
Dosen und -Präparate, welche von der Auer-Gesellschaft bergesteilt 
werden, an Stelle der Bestrahlung mit Röntgen- oder Quarzlampen. 

Immerwahr. 

F. Rohr und A. Reisach-Halle a. S.: Tebeiei bei gOBOrrheisehei 
Infektionen. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) Eine Einwirkung des Tebelons 
auf gonorrhoische Erkrankungen liess sich nicht nachweisen. 

C. Stuhl-Giessen: Angina Plantii r mit Taberkalin Rosenbach 
behandelt. (M.mW., 1919, Nr. 47.) In einem Falle von Plaut’soher 
Angina, der sehr hartnäckig verlief, trat nach Injektion von Tuberkulin 
Rosenbaoh schnelle Heilung ein. Die injizierten Dosen waren 0,1, 0,32 
und 0,85 in Abständen von 2 Tagen. R. Neu mann. 

H. Walt har d-Bern: Ueber den diagnostischen und therapeutischen 
Wert der Partialaatigene nach Dcyeke-Maeh. (Schweiz. Korr.-Bl., 1919, 
Nr. 43) Ein definitives Urteil über den therapeutischen Wert der 
Partialantigene kann Verf. bei dem kleinen eigenen Material noch nicht 
abgeben, ln einzelnen Fällen scheinen sie die Heilung günstig zu be¬ 
einflussen. Auffallende Besserungen wurden nioht erzielt. Bei der zeit¬ 
raubenden und komplizierten Teohnik können die Partialantigene dem 
oraktisobeu Arzte noch nicht zur Anwendung empfohlen werden. 

" R. Fabian. 


R. Lange-Lübeck: Kurze Mitteilung über die Blbkltaie An¬ 
wendung von Chisii im Kindesalter. (Ther. Mh., 38. Jg., Okt. 1919.) 
In 6 unter 10 Fällen, die unter genauer Befolgung der Vorschrift Auf* 
reoht’s, weloher diese Therapie empfiehlt, wegen Pneumonie mit sub¬ 
kutanen Chinininjektionen behandelt wurden, traten anfangs sehr 
schmerzhafte, lange Zeit zur Heilung bedürfende Hautnekrosen an der 
Injektionsstelle ein. Auffallenderwdlee bandelte es sich stets um gut 
genährte Kinder mit ziemlich fetten Bauohdecken, während die 4 von 
Nekrosen versobont gebliebenen Kinder sehr mager waren. 

Bertkau. 

H. Koller: Ule Behandlung der Zystitis mit kolloidalem Silber. 
(Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 40.) Entleerung der Blase spontan oder 
mit dem Katheter, darauf Injektion von 1—2 oem 1 proz. Argent. oolloid. 
sol. mit einem Guyon’sohen Katheter. Die Injektion wird täglich ein¬ 
mal vorgenommen. Günstige Erfahrungen. Die Behandlung versagt, 
wenn eine Pyelitis oder eine Tuberkulose vorhanden ist. 

R. Fabian. 

G. B. Schmidt-Heidelberg: Ueber die Goderschiöldmassage des 
rhythmisohen Druckes und die Mannigfaltigkeit ihrer Anwendungsiorm. 
(M.m.W., 1919, Nr. 47.) Das von dem Stockholmer Professor Cedera 
sohiöld angegebene Massageverfahren ist die schonendste und wirkungs? 
vollste manuelle Massageart. Das Prinzip derselben beruht darauf, dass 
mau mit der Hand die geschädigte Stelle umspannt und nun den Druck 
der Hand bis zur festen Umklammerung langsam an- und dann wieder 
abschwellen lässt. Dadurch übt man eine Pump- und Saugwirkung aus, 
die die Stauung in den Lymph- und Blutbahnen beseitigt und die Re-. 
Sorption von Extravasaten befördert. Die Anwendungsmöglicbkeit dieser 
schonenden Massage ist eine überaus mannigfache. So bewährt sie sich 
u. a. bei der Narbenbehandlung der Extremitäten, bei allgemeinen 
Sobwächezuständen, bei Beschwerden infolge Koprostase und Coeoum 
mobile, zur Beseitigung und Vermeidung von Adhäsionen naoh Gallen¬ 
blasen- oder Blinddarmoperationen, bei Adnexerkrankungen, bei den 
zahlreichen Beschwerden, die auf eine Reizung des Beckenoervengefieohts 
zurück au führen sind. 

H. Quinoke-Frankfurt a. M.: Bewegangsttbangen bei Nachbehand¬ 
lung innerer Krankheiten. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) Verf. betont die 
Nachbehandlung von Gelenk- und Muskelerkrankungen von Pleuritis 
und Enleroptoso durch vom Arzt zu beaufsichtigende Freiübungen und 
Uebungen an einfachen medikomeohanischen Apparaten. Neben diesen 
individuellen Uebungen bei besonderen inneren Erkrankungen sind aber 
nach Ansicht des Verf. Allgemeine Bewegungsübungen für die Mehrzahl 
der sonstigen Rekonvaleszenten einer inneren Krankenhausabteilung an¬ 
gezeigt. Dafür werden am besten gemeinsame Turnstunden für je 20 
bis SO Teilnehmer unter Leitung eines besonderen Lehrers eingerichtet. 

R. Neumann. 

P. Lauen er-Bern: Beitrag zur Warmbehandlung der Kinder. 
(Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 41.) Naoh den Erfahrungen des Verf. ist 
das Chenosan, eine Kombination vod Oleum Chenopodii mit Santonin, 
allen bisherigen Wurmmitteln überlegen. Das Chenosan 1 besteht aus 
Oleum Chenopodii 0,2, Santonin 0,02 für Kinder von 5—10 Jahren, 
Chenosan II aus Oleum Chenopodii 0,25, Santonin 0,03 für Kinder von 
10—16 Jahren und Erwachsene. Das Präparat kommt in Kapseln in 
den Handel. R. Fabian. 

A. Sippe 1-Frankfurt a. M.: Die Uifraehtbarkeit der Frau und 
die Möglichkeit ihrer therapeutischen Beeinflussung. (Ther. Mh., 33. Jg., 
Ökt. 1919.) Besprechung der mannigfachen Ursachen von weiblioher 
Unfruchtbarkeit und ihrer Behandlungsmethoden. In vielen Fällen ge¬ 
lingt es, die Sterilität zu beseitigen, jedoch ist es niemals möglich, 
diesen Erfolg im voraus als sicher zu versprechen. 

B. Paetsch-Stettin: Beitrag zur therapeutischen Verwertung der 

Hirnpnnktion. (Ther. Mb., 33. Jg., Okt. 1919.) Empfehlung des tech¬ 
nisch leiohten und ungefährlichen Eingriffs auf Grund von 4 durch 
mehrfache Punktion aus Lebensgefahr geretteten und geheilten Fällen 
von traumatischer Hirnblutung, sowie eines Falles von Kleinhirnzyste, 
in dem wiederholte Punktion den Patienten bis zu aohtjähriger Dauer 
immer wieder befreite. Bertkau. 

Moore: Gleiehgewiehtscnstand zwischen Kolloiden and Salm 
im Blut bei verschiedenen Krankheitainständen. (Brit. med. journ., 
Nr. 3068.) Ein anaphylaktischer Schock kann verhütet werden durch 
Hinzufügung von Kochsalz zum Serum oder durch Hypertouisieren des 
Blutes mittelst Salzlösung vor der Serumeinspritzung. Ferner: Ader¬ 
einspritzungen von hypertonischen Salzlösungen haben bei Cholera 
günstige Wirkung, versagen aber bei ohirurgisohem Schook und ähn¬ 
lichen Zuständen gänzlich. Adereinspritzungen von kolloidalen Lösungen, 
wie Gelatine oder Gummi arab., bewähren sich bei chirurgischem Schook 
u. dgl. vorzüglich, versagen aber bei Cholera völlig bzw. sind bei dieser 
Krankheit sogar schädlioh. Diese Tatsachen, die erst in jüngster Zeit 
von französischen und englischen Forschern festgestellt wurden, erklärt 
Verf. als eine Störung des Gleichgewichts zwisohen den Kolloiden des 
Blutes (Proteine und Lipoide) und seinen Kristalloiden (Koohsalz). 

Sohreiber. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

H. Ribbert-Bonn: Die Herkunft der Geschwülste. (D.m.W., 1919, 
Nr. 46.) Die Geschwülste im allgemeinen und die Karzinome im be¬ 
sonderen entstehen auf Grund von Keimanomalien, die der Mensohheit 
als solcher von Hanse aus anhafteo und sich, wie alle Keimeigensohaften, 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


erblich übertragen. Die Gesohwülste bilden sich im allgemeinen spontan, 
d. h. nur auf Grund von Keimanomalien und der aus ihnen sioh er¬ 
gebenden Entwichlangsstbrungen. Wo, wie bei einseinen E&rsinomen, 
Reise eine Rolle spielen, tun sie es nur dadurch, dass sie das Wachs¬ 
tum der Tumoranlage auslösen. Man kann daher die Geschwülste nicht 
auf experimentellem Wege erzeugen. #s sei denn, dass man mit den 
ohemisoben oder sonstigen Einwirkungen gerade eine Stelle träfe, an der 
sioh eine Anlage befindet. 

E. Fraenkel - Hamburg: Ueber Traama aad Arteriosklerose. 

(D.m.W., 1919, Nr. 46.) Bei einem Soldaten mit sohlaffer Lähmung der 
Beine, Blasen- und Mastdarmlähmung fand sich bei der Sektion eine 
traumatische Erweiohung des unteren Dorsalmarks und ausserdem im 
unteren Abschnitt der Bauohaorta (aber nur hier) eine eohte Arterio¬ 
sklerose. F. nimmt in diesem Falle einen Zusammenhang zwischen 
der* lokalisierten Arteriosklerose und Trauma an. Im übrigen lehnt er 
einen Zusammenhang einer allgemeinen Arteriosklerose mit einem voran- 
gegaogenen Trauma ab. Dünner. 

Onari Kimuri: Ueber die Degeneration- ud Regeneration- 
▼erginge bei der sogenannten „Reis-Neuritis“ der VtigeL (D. Zschr. 
f. Nervhlk., Bd. 64, H. 3 u. 4.) Bei der einseitigen Fütterung mit poliertem 
Reis traten bei Hühnern und Tauben verschiedene klinische und patho¬ 
logisch-anatomische Veränderungen auf, unter denen die Degeneration 
des peripheren Nervensystems im Vordergründe steht. Falls die Tiere 
nicht zwangsweise regelmässig gefüttert werden, gesellen sich nicht 
selten Verhungerungssymptome zu den eigentlichen Symptomen der Reis¬ 
fütterung. Die Nervenveränderang zeigt einen ausgesprochen degenera- 
tiven Charakter. Die Regenerationsvorgänge finden bereits während der 
Akme der Degeneration statt. Die neuen Achsenzylinder gestalten sich 
stets einfaoh und ähneln dadurch mehr den fertigen ausgewachsenen. 
Der definitiv neue Achsenzylinder wächst in einer protoplasmatisohen 
Bahn aus, indem eine Verlängerung des noch mit dem Zentrum zu¬ 
sammenhängenden alten Zylinderstumpfes den Ausgang der Regeneration 
bildet. _ E. Tobias. 

Parasltenkunde und Serologie« 

W. Pfeiler und F. Engelhardt: Zeigt der Ferkeltypkisbaiiliis 
(Baz. Voldagsen, Darmmann und Stedefeder) ein labiles biochemisches 
aid aggiatiiatorisehes Verhalten? (Zschr. f. Immun.-Forsch., 1919, 
Bd. 28, Nr. 6.) Der Bazillus Voldagsen ist ein biochemisch und agglu- 
tinatorisoh genau gekennzeichnetes Bakterium, das keine besondere 
Labilität seiner Eigenschaften aufweist und von den Paratyphus B- 
Stämmen wie von den Suipestifer-Kulturen sicher zu differenzieren ist. 

L. Dien es: Beobachtungen über das serologische Verhalten der 
gif tarnen Dyseateriestitame. (Zschr. f. Immun. Forsoh., 1919, Bd. 28, 
Nr. 6.) Heranziehung des Castellani’schen Absättigungsversuches zur 
Klassifizierung der giftarmen Ruhrbazillen. Seligmann. 

F. K lopstook-Berlin: Die Kaltbltitertuberkalese. (D.m.W., 1919, 

Nr. 46.) Die Zahl der bekannten Fälle von spontaner Kaltblütertuberkulose 
ist gering. Fast in allen Fällen, in denen es gelang, den Erreger in Rein¬ 
kultur zu züchten, stimmt das kulturelle Verfahren überein. K. hält die 
Umwandlung des Warmblütertuberkelbazillus in den Typus der Kaltblüter¬ 
tuberkulose für möglich; er sieht die Brücke zwischen dem bei 87° 
trocken und langsam wachsenden Warmblütertuberkeilbazi 11 us und dem 
bei etwa 35° rasoh und feucht wachsenden, warmblüteravirulenten Fisch-, 
Frosch-, Blindschleicbentuberkelbazillus in dem Schildkrötentuberkel 
bazillus Friedmann’s. Dünner. 

E. Selig m ann und F. Klopstook: Ueber den Meehaaismas der 
Taberkiliareaktioa. (Zsohr. f. Immun.-Forsch., 1919, Bd. 28, Nr. 6.) 
Versuche zur Prüfung der Hypothese, dass der Tuberkulintod des Meer¬ 
schweinchens bedingt sei durch das Kreisen von Giftstoffen, die aus dem 
Tuberkulin oder unter seinem Einfluss gebildet werden. Die mannigfach 
variierten Versuche gaben keine Stütze für diese Anschauung. 

A. Marxer: Weitere experimentelle Untersuchungen über aktive 
Inmuisicrug gegea Malleas. (Zschr. f. Immun.-Forsch., 1919, Bd. 28, 
Nr. 6.) Mit duroh Hitze oder Desinfizientien abgetöteten Rotzbazillen 
kann man nicht immunisieren, wohl aber mit duroh Harnstoff oder 
neuerdings mit Glyzerin abgetöteten Bazillen. Nach Iojektion eines 
solchen Impfstoffes am Pferde treten die serologisohen Reaktionen indi¬ 
viduell verschieden schnell auf und bleiben verschieden lange Zeit be¬ 
stehen. Die Ophthalmoreaktion bleibt stets negativ. Ihr positiver Aus¬ 
fall zeigt an, dass das betreffende Tier mit lebenden Rotzbazillen in 
Berührung war. Die verschieden Reaktionsformen auf Infektion mit 
lebenden virulenten Bazillen treten ebenfalls individuell verschieden auf. 
Zur Diagnose der Rotzkrankheit verwendet man* deshalb am besten 
mehrere Methoden (Augenprobe und Komplementbindung). Vzsoooo Oese 
Rotzbazillen lötet bei subkutaner Anwendung mit Sicherheit ein Pferd. 
Wahrscheinlich liegt die Dosis letalis minima noch niedriger. 

W. Pfeiler: Durch Aeaderiag der Technik der Konpleneat- 
ableikugsreahtioi bedingte abweichende Ergebnisse bei der Fest¬ 
stellung der Rotzkraakheit, nebst einleitenden Bemerkungen über die 
Technik der Komplementablenkung überhaupt. (Zschr. f. Immun.-Forsch«, 
1919, Bd. 28, Nr. 6.) Auch bei der Serodiagnostik des Rotzes, die mit 
Hilfe der Komplementablenkung vorgenommen wird, ergaben sioh ge¬ 
legentlich verschiedenartige Resultate in verschiedenen Untersuchungs- 
Stellen. Als eiue der wesentlichsten Quellen dieser Unstimmigkeiten 
weist Verf. die Benutzung des Wasserbades an Stelle des Brutschranks 


nach. Die Wasserbadmethode gibt im grossen und ganzen zuverl 
Resultate. Seligm 

K. Mer z weil er- Freiburg i.B.: Kann die 8aehfl-Georgi-ud Mei 
Reaktioa die Wasserstau-Reaktion in jedes Fall ersoffen? (D. 

1919, Nr. 46.) Die Meinicke Reaktion kann die Wa. R. nicht er: 
weil die Zahl der nicht ausflookbaren Seren, die nicht verwertbar 
grösser ist als die durch Eigenhemmung für die Wa. R. nicht br 
baren. Die Sachs-Georgi-Reaktion ist an sich als Ersatz der 
durohaus geeignet. Nur die ^Tatsache, dass die Seren ihr Verh 
gegen zwei Extrakte nach fünftägiger Aufbewahrung im Eisschrank 
zwar in verschiedener Weise geändert haben, lässt die Brauohb 
der S.-G -Reaktion in kleineren Laboratorien, die nur einmal woche 
untersuchen, als schon fraglich erscheinen, weil sowohl die zu qBt- 
suchenden wie die Kontrollseren öfter «das zulässig® Alter überschi^&i 
haben werden. Dünnfl? 

E. Friedberger: Nachtrag zu meinem Aufsatz: „Zur Fag^-Jfer 
Typhai- nad Cholerasfhntzinpfnng“ in Heft 3—5 dieses Bandes. (Tfakr. 
f. Immun.-Forsch., 1919, Bd. 28, Nr. 6.) Seligman&i 

Felke und C. Wetze 11 -Rostock: Erfahrungen mit der Rea£$tin 
nach Sachs Georgi. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) In 1000 gleichzeitig jjlpifth 
Wassermann und Sachs-Georgi untersuchten Fällen hat sich die 
Reaktion so zuverlässig erwiesen, dass sie jetzt immer neben der 
ausgeführt wird. Zusatz von Natriumglykooholat zum Rinderherxexftijikt 
hat sich bewährt. Die Eigenflockung in Sachs Georgi geht parallel flfitfet 
mit der Eigenhemmung in der Wa. R. Prognostisch scheint die m 6.- 
Reaktion die Wa. R. insofern zu ergänzen, als die S.-G.-Reaktion bf&r 
misslungenen Abortivkur früher eintritt als die Wa. R ** 

R Neumann. 

M. Stern und H. Danziger: Zur Technik der Kanp’oehea Me¬ 
thodik der Wassernau’sehea Reaktioa. (Zschr. f. Immun.-Forsch., 
1919, Bd. 28, Nr. 6) Sehr günstiges Urteil über die Kaup’scbe Me¬ 
thode, die allen theoretischen Anforderungen gerecht wird und praktisch 
gute Resultate liefert. Sie ist der Originalmethode (nach Wassermann) 
an Schärfe und Spezifität überlegen und der in Breslau geübten, modi¬ 
fizierten Methode gleichwertig. Spezifische Extrakte, die nach Kaup 
allein möglich sind, lassen sich gleichwertig duroh unspezifisohe (ans 
Menschen herzen) ersetzen. Mit einem Extrakt sich zu begnügen, wie 
Kaup will, halten die Verfasserinnen noch nicht für erlaubt. 

E. Jerlov: Ueber Khmplementbiadiing bei Helnriathiasia. (Zschr. 
f. Immun.-Forsch., 1919, Bd. 28, Nr. 6.; Bothriozephalusträger geben 
sehr oft positive Reaktion mit Wurmantigen, doch kommt auch negative 
Reaktion vor. Taeniaträger geben oft negative Reaktion. Die Wasser- 
mann’sohe Reaktion fällt negativ aus. Bei Personen mit positivem 
Wassermann fällt auohdie Komplementbindung mit Wurmantigen positiv 
aus. Ein positives Resultat ist also nur dann zu erwarten, wenn es 
starke Hemmung ergibt, gleichzeitig aber die W&ssermann’sche Reaktion 
negativ bleibt. Negative Reaktionen mit Wurmantigen sind nicht zu 
verwerten. 

L. Dien es: Abaorne Seramreaktioiea ud die Weil-Felix’sefce 
Reaktion. (Zschr. f. Immun.-Forsch., 1919, Bd. 28, Nr. 6.) Mit einem 
nicht näher identifizierten, ans Urin gezüchteten Bakterium wurden 
Serumagglutinationsreaktionen bei Fleckfieberkranken uod anderen 
Kranken erzielt. Obwohl die Zahl dieser Reaktionen keine sehr grosse 
war, benutzte Verf. fiie als Unterlage zu einer Erklärung der Weil-Felii- 
soben Reaktion, die er als Produkt der Einwirkung von im Organismus 
vorkommenden Saprophyten anspricht. 

K. Soheer und Obe: Zur Frage der Wirksamkeit des Raknohltf- 
impfstoffes „DynhakIn* (Boehnoke). (Zsohr. f. Immun.-Forsch., 1919, 
Bd. 28, Nr. 6.) 10000 Mann der Garnison Strasburgs wurden geimpft. 

Serumuntersuohungen ergaben, dass Agglutinine gegen Shiga-Krose 
Bazillen auftraten, die nach etwa 2 Stunden wieder verschwanden waren. 
Langsamer bilden sioh die Flexner-Agglutinine und diejenigen gegen 
Y Ruhr. Die letzteren bleiben längere Zeit erhalten. Ob der Nachweis 
von Agglntininen ein Maassstab der erreichten Immunität ist, erscheint 
sehr zweifelhaft. Tatsächlich wurde ein wesentlicher Schutz in beoug 
auf Ansteckung und Verlauf der Krankheit durch die Impfung nieht 
erreicht. 

G. Blumenthal: Ueber den Einflug der Karbols&ire aaf Ile 
Durchlässigkeit der Mageawaadug fir Eiweissateffe. (Zsohr. f. Im- 
muo.-Forsch., 1919, Bd. 28, Nr. 6.) Aeltere Versuche Otto’s batten auf 
die Möglichkeit hingewiesen, dass Phenolznsatz die Durchgängigkeit von 
Eiweissstoffen durch die Magenwand erhöht. Versuche an jungen Lämm¬ 
chen, die Diphtherieantitoxin -mit dem Futter erhielten, lehrten: auch 
phenolfreies Antitoxin wird vom Magen resorbiert und ist schon nach 
20 Stunden im Blut nachweisbar (Bömer’s Intrakutanmethode). Phenol- 
xusatz begünstigt die Resorption, das Antitoxin bleibt erheblich länger 
im Blute naohweisbar. Aeltere und erwachsene Tiere lassen Diphtherie¬ 
antitoxin ohne Phenolznsatz nioht durch die Magenwand dorobtrete. 
wohl aber, wenn Phenol beigegeben wird. Seligmann. 


Innere Medizin. 

S c h 1 e e - Braunsohweig: Rachitis tarda ud Schlatter’sch« Kraak- 
heit. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) Bei einer grösseren Anzahl von FIDea, 
die klinisch als R&ohitis tarda verliefen, fanden sioh röntgenologisch m 
der Tuberositas tibiae Veränderungen, die dem typischen RSntgeabfld 


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15. Deiembftr 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1193 


der Sohlatter’schen Krankheit ganz ähnlich waren. Danach liegt es nahe, 
dass es sich bei der jetzt so gehäuft auftretenden Spätrachitis und der 
Sohlatter’schen Krankheit um dasselbe Leiden handeln dürfte. 

R. Neumann. 

P. Ryhiner: Periteidiiitis der Achillessehne als Metastase voi 

Aagiaa. (Schweis. Korr. Bl., 1919, Nr. 40.) 17 Fälle von Peritendinitis 

bei Soldaten, die vorher wegen Angina in Behandlung waren. Therapie: 
Darreichung von Salicylpräparaten, Ruhelagerung event. Fixierung auf 
einerQQohiene. R. Fabian. 

A. Schwenkenbecher * Frankfurt a. M : Aasgedehates Halt¬ 
ern pkysom bei Grippe. (Mm.W., 1919, Nr. 47.) Io 8 Fällen wurde 
als Komplikation der Grippe ausgedehntes Hautempbysem beobachtet, 

9 davon kamen ad exitum. Als Drsaohe ist der Einriss eines feinen 
Bronchus oder die Berstung von Alveolen im Bereioh der erkrankten 
Lunge ansunehmen. R. Neu mann. 

J. Budisavljevio: Ueber einen Fall von Mageatetaaie. (W.m.W., 
1919, Nr. 88 u. 89.) Die Magentetanie entwickelt sich nach verschieden¬ 
artigen chronischen Magendarmerkrankungen, hauptsächlich nach Stenosen 
an der Pars pylorioa des Magens mit konsekutiver Erweiterung. Be¬ 
schreibung eines Falles. Die Krankheit Ist selten: 59 Jahre alter Mann • 
mit Pylorusstenose und starker Magendilatation infolge eines Ulkus am 
Pylorus. Neben starker Abmagerung traten Erscheinungen von Tetanie 
hinzu. Nach der Gastroenterostomie gingen alle Symptome der Tetanie 
in kürzester Zeit zurück und traten nicht mehr auf. Ueber die Ent¬ 
stehung der Tetanie bestehen 8 Theorien: 1. die Bluteindickungstheorie, 
9. die reflektorische Entstehung, 8. Autointoxikation. Die Prognose ist 
ohne Operation ernst, mit Operation gut. G. Eisner. 

H. Bruns - Gelsenkirchen: Aakylostoiiiasis bei mehreren aus Frank¬ 
reich zuröckgekehrten Kriegsgefangene«. (M m W., 1919, Nr. 47 ) Von 
76 Kriegsgefangenen, die während ihrer Gefangenschaft in französischen 
Bergwerken beschäftigt waren, waren 5 mit Ankylostomum behaftet, 
einer davon ausserdem nooh mit Anguillula intestinalis. Diese Infek¬ 
tionen gewähren einen Einblick in die französischen GesundheitsVerhält¬ 
nisse unter Tage. . 

W. Sohmid - Klagenfurk: Ueber Kiitaktinfektioiei liit Para- 
typhis B. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) Beobachtungen einer 10 Kalle be¬ 
treffenden Hausepidemie von Paratyphus B Erkrankungen in der Landes¬ 
irrenanstalt. Die primäre Infektionsquelle war eine wahrscheinlich durch 
Nahrungsmittel infizierte Bazillenausscheiderin. Die anderen Erkrankungen 
erfolgten durch Kontaktinfektionen von Mensch zu Mensch. 

R. Neumann. 

A. Heffter-Berlin: Vergiftlage! darck Skopoliawariel (Toll¬ 
rübe) in LitMfll. (Ther. Mh., Okt. 1919 ) 4 Frauen erkrankten schwer 
naoh Genuss von 1—4*/ 2 Tassen einer Tollrübenabkochung io Kaffee; 
sie genasen naoh mehrtägigem Krankenlager ohne Dauerscbädigung. 
Eine andere Frau starb, nachdem sie zu Abtreibungszwecken die Ab¬ 
kochung eines fingerlangen und -dicken Wurzelstückes getrunken hatte. 
Das Mittel wird auoh als Heilmittel gegen Rheumatismus, Fieber und 
Fluss, sowie, in kleiner Menge zerrieben in den hohlen Zahn gebracht, 
gegen Zahnschmerzen angewendet. Bertkau. 

M. Kahane: Ueber Galvanopalpation. (W.m.W.,* 1919, Nr. 88-40.) 
Die Galvanopalpation ist eine Methode zur Bestimmung der galvanischen 
Empfindlichkeit. Die punktförmig zogespitzte Elektrode wird mehrmals 
rasoh hintereinander auf die zu untersuchende Stelle gesetzt. Die 
diagnostische Verwertbarkeit beruht auf der Hervorrufung einer sekun¬ 
dären Lokalreaktion der Haut, welche ein subjektives und objektives 
Element enthält. Das objektive Element ist die sioh als Hautrötung 
kundgebende Reaktion der vasomotorischen Nerven. Beim streng regio¬ 
nären Charakter der Reaktion ist das erste Ergebnis die topische Ver¬ 
wertbarkeit, d. h. aus der positiven Reaktion lässt sich ein Rückschluss 
auf das regionär entsprechende Organ ziehen. G. Eisner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Armstrong-Jones: Behaidlang begiueader Geisteskrankheit, 
(ßrit. med. journ., Nr. 3068.) Auf Grund der guten Erfahrungen, die 
mit der Lazarettbebandlung beginnender Geisteskrankheiten bei Soldaten 
gemacht wurden, befürwortet Verf. ganz allgemein die erstmalige Unter¬ 
bringung Geisteskranker in Krankenhäusern oder Privatanstalten. 

Schreiber. 

Galant: Sexualleben in SÜtglings- ui Kindesalter. (Neurol. 
Zbl., 1919, Nr. 90.) Die Wonne des Lutsohens in der Kindheit ist ganz 
genau dieselbe, wie die sexuelle Wonne des Erwachsenen. Das Kind 
betätigt sich sexuell und diese Betätigung ist eine normale physiologische 
Erscheinung. 

A. Pick: Kleine Beiträge zu den Lehren von den Hallniinationen. 
(Neurol. Zbl., 1919, Nr. 90.) Die Ausführungen gelten zum Teil dem 
Verständnis der partiellen Halluzinationen, zum anderen Teil der Lehre 
von den sogenannten elementaren Halluzinationen. 

Heinicke: Selbstverstümmelung eines traumatischen Hysterikers 
ud Rentenansprnck. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 91.) Kasuistischer Beitrag 
zur Frage der Selbstverstümmelung, der hysterischen Entartung und des 
Reotenanspruchs. 

E. Goldberg: Die ambulante Behandlung der Kriegsnenrotiker 
in Ambulanteostationen für Nervenkranke. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 64. 
H. 8 u. 4.) Verf. zieht aus der Beobachtung von 259 ambulant be¬ 


handelten Kriegsneurosen den Schluss, dass die ambulante Behandlung 
der Kriegsneurosen in geeigneten Fällen der stationären vorzuziehen ist. 
Sie ist billiger, erzeugt kein intensives Krankheitsbewusstsein und lässt 
sich ohne Berufsstörung durchführen. Besonders geeignet sind Blasen¬ 
störungen, Sprachstörungen und schlaffe Paresen, während Fälle von 
schwerem Tremor,' insbesondere solche mit epileptiformen Anfällen im 
allgemeinen besser und schneller io stat'ooärer Behandlung heilbar sind. 
Die Behandlung in Ambulantenstationen soll eine planmässige Schnell¬ 
behandlung, sein. Sie wird erreicht durch Anwendung eines suggestiven 
Heilverfahrens nach Schaffung einer Genesungsbereitschaft auf psycho¬ 
therapeutischem Wege. Geliogt es nicht in den ersten Sitzungen einen 
wesentlichen Erfolg zu erringen, so ist es besser, den Kranken in statio¬ 
näre Behandlung überzuführen. Die Prognose des ambulanten Schnell¬ 
verfahrens ist günstig. Als bisher wenig bekanntes, jedbch sehr schonen¬ 
des und wirksames Heilverfahren ist der Leduo’sche Strom in einer 
Stärke bis zu 5 M.- Ampere anzusehen. 

A. Strümpell: Ueber das Zeitbewisstseia und über eine eigen¬ 
tümliche WahnhildiDg des ZeitbewasstseiBS bei schwerei Typhas- 
kraakea. (Neurol. Zbl, 1919, Nr. 20.) Die Entstehung aller zeitlichen 
Bewusstseinsformen ist stets an die Verschmelzung gegenwärtiger Be- 
wusbtseiDsvorgänge mit den Erinnerungsbildern früherer Bewusstseins- 
erlebnisse gebunden. Innerhalb enger und beschränkter Zeitabschnitte 
ist die Beurteilung der zeitlichen Verhältnisse eine sehr genaue, obgleioh 
es sioh auoh hierbei um vergleichende relative Zeiturteile handelt. Verf. 
hat viermal eine eigentümliche Wahnbildung des Zeitbewusstseins beob¬ 
achtet. Von der allgemeinen zeitlichen Desorientierung unterscheidet 
sich eine fixierte Wahnbildung des Zeitbewusstseins. Die merkwürdigen 
Wahnideen wurden bei schwerem Typhus gesehen, die Patientinnen geben 
an, 67 Wochen krank zu sein u. dgl. Es bandelt sioh zweifellos um 
keine Empfioduogs- bzw. Vorstellungstäuschuog. sondern um eine Urteils- 
täuschung — eine exzessive Ueberschätzung des Zeitabschnitts Es kommt 
dabei vor allem die durch die schwere typhöse Intoxikation bedingte 
allgemeine Abschwächung der Urteilsfähigkeit des Kranken in Betraoht. 

H. Oppenheim: Fortlaufende Beiträge zur Lehre von den Hira- 
gesehwülstei. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 64, H. 3 u. 4.) Die Aus¬ 
einandersetzungen O.’s betreffen die Diagnose mehrfacher Geschwulst¬ 
herde im Gehirn. Im ersten Falle gelang es ihm, zwei getrennte Ge- 
snhwulstherde (Solitärtuberkel) im Gehirn zu diagnostizieren und ihren 
Sitz zu bestimmen, indem sich au9 dem Gesamtbilde zwei Erscheinungs¬ 
reihen herausbebeu Hessen, die auf die Erkrankung verschiedener, weit 
auseinanderliegender Hirngebiete hinwiesen. Im zweiten Falle war eine 
Geschwulst in beiden Parazentral lappen ansunehmen; aber es konnte 
vermutet werden, dass nur ein einheitlicher Gesohwulstherd vorlag. Die 
Operation bestätigte die Diagnose. Es folgt dann nooh eine dritte 
Beobachtung. 

Brnuwer: Beitrag zur Kenntnis der chronische! diffusa Klell- 
hirierkrMkaigea. (Neurol. Zbl., 1919, Nr. 21.) Zwei Fälle chronischer 
diffuser Erkrankungen der Kleinhirnrinde mit toxischer Aetiologie im 
fortgeschrittenen Lebensalter. Der erste Fall wurde auch histologisoh 
kontrolliert und beweist erstens, dass der Ausfall der Purkinje’sohen 
Zellen denselben Symptomenkomplex hervorrufen kann wie die Atrophie 
der drei Schichten, und zweitens, dass reine Fälle von zentrifugalem 
Degenerationstypus im Sinne Bielschowsky’s tatsächlich Vorkommen. 
Der zweite nur klinisch beobachtete Fall war mit einer linksseitigen 
kongenitalen Abduzensparalyse kombiniert. 

R. A. Pfeifer: Die Störungen des optischen 8Bcheaktes hei Hin¬ 
verletzten. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 64, H. 3 u. 4.) Verf. berichtet im 
Anschluss an die Untersuchungen vonr Poppelreuter über eigene Ver¬ 
suche an Hirn verletzten, deren Ergebnisse er graphisch darstellt. 

J. Schürer: Ueber bnlbire Sprachstlnoge« beim Paratyphns. 
(D. Zschr. f, Nervhlk., Bd. 64, H. 8 u. 4 ) In zwei Fällen trat nach Ab¬ 
lauf des fieberhaften Stadiums eines Paratyphus eine Sprachstornng auf, 
die bei beiden Patienten mit einer erheblichen Parese des unteren Teils 
des Fazialis verbunden war, bei dem einen ausserdem mit einer geripgen 
Innervationsschwäobe des Gaumensegels und Sohluckbeschwerden, bei 
dem andern Kranken mit einer leichten Parese der Zungenmuskulatur. 
Die Sprache klang bei beiden ziemlich verwaschen, bulbär. Am stärksten 
war die Bildung der Lippenlaute beeinträchtigt. Verf. glaubt, dass die 
Sprachstörung in beiden Fällen durch organische Veränderungen der 
motorisohen Kerne im Hirnstamm bedingt war. In dem ersten Falle 
waren gleichzeitig roeniDgeale Symptome aufgetreten, wahrscheinlich 
handelt es sieh um eine Meningitis serosa. 

Schott: Aszendiereade Myelitis oder Hysterie? (D. Zschr. f. 
Nervhlk., Bd. 64, H. 3 u. 4) Vert. schildert einen{ Neuropathen, der 
unter der Einwirkung starker körperlicher Anstrengung, erhöhter Aussen- 
temperatur und seelischer Erregung zusammengebrochen ist. Die 
Diagnose lautete »Hitzschlag* (?). Es bestanden Lähmungen der Ex¬ 
tremitäten „infolge von Myelomeningitis", die in einer medizinischen 
Klinik angenommen .wurde. Alle Mittel versagten. Der Verlauf des 
Falles stellte den psychogenen Aufbau klar. Die Psychotherapie er¬ 
möglichte die Beseitigung der Lähmungserscheinungen und die Wieder¬ 
aufnahme des bürgerlichen Berufs. 

S. Wassermann: Die Scheakelaervoeiritis und ihre Kombination 
mit Ischias. Zugleich ein Beitrag zur Symptomatologie, Diagnose und 
Aetiologie der Beinsohmerzen bei Kriegern. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 64, 
Q. 8 u. 4.) Die Neuritis nervi cruralis ist eine im Kriege häufig beob- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Kr. 60 


achtete Erkrankung, wenn sie auoh keine Kriegskrankbeit sui generis 
ist. Bei Schmerzen in den Beinen soll immer an da9 Vorhandensein 
der Sohenkelnervneuritis gedacht werden. Sie tritt sehr oft in Vergesell¬ 
schaftung mit der wesensähnlichen Ischias auf. 

G. Grund: üeber myokymische Kontraktur. (D. Zsohr. f. Nervhlk., 
Bd. 64, H. 8 u. 4.) G. beweist an einem mitgeteilten Fall, dass auch 
schwere, duroh Renate fast unverändert bestehende Kontrakturen aus 
den mit Myokymie verbundenen Muskelkrämpfen bervorgehen können. 
Die traumatische Aetiologie der Erkrankung ist einwandfrei festgestellt. 
Von Interesse war das Ergebnis der* Lumbalanästhesie (EinspritziAag 
von 0,075 g Tropakokain in den Duralsack): Der Dauerkrampf ver¬ 
schwand auf ihrem Höhepunkt Dafür trat aber die Myokymie in einer 
Weise mächtig hervor, wie kaum sonst je, die Kontraktionen ergriffen 
oft grosse Teile der Muskulatur gleichzeitig und dann so kräftig, dass 
ausgedehnte Bewegungen zustande kamen. Der Gedanke an Hysterie 
fiel daduroh sofort völlig fort. 

P. Erlaoher-Graf: Eine neue Methode zur direkten und unmittel¬ 
baren Prifang der faradischen Erregbarkeit gelähmter Muskel*. 
(M.m.W-, 1919, H. 47.) Die Methode besteht darin, dass man 2 feine 
Nähnadeln — natürlich nach Desinfektion — 8—15 mm tief in die Längs¬ 
richtung des zu prüfenden Muskels, 2 cm voneinander entfernt, einsticht 
und die Nadeln dann in den faradischen Stromkreis einschaltet. Die 
Empfindlichkeit des so direkt gereizten Muskels ist eine viel höhere als 
bei perkutaner Beizung, und es gelingt damit, selbst solche Muskeln 
noch als faradisch erregbar naohzuweisen, und zwar mit relativ schwachen 
Strömen, die nach den bisherigen Untersuchungsmethoden als faradisch 
unerregbar angesehen werden mussten. E. Tobias. 


Kinderheilkunde, 

H. Lubinski-Breslau: Ueber Körperbau von Stadt- nnd Land- 
kinderi. (Msobr. f. Kindhlk., 1919, Orig., Bd. 15, H. 5 u. 6.) Durch 
Messungen von 700 Knaben im Alter von 7—18 Jahren konnte fest¬ 
gestellt werden, dass die Kinder aus den wohlhabenden Schichten der 
Bevölkerung (Gymnasiasten) ihre Altersgenossen in den städtischen 
Volkschulen und in den Landschulen an Körperlänge und -gewicht er¬ 
heblich übertreffen. Dabei übertreffen ^lie grossstädtischen Volkssohüler 
die Landkinder zwar an Länge, stehen ihnen aber aD Gewicht nach. 
8 _ 

Im Index ponderalis aber (100 V Gewich t) ? der <ji e au f dj e LäDgen- 
Länge 

einheit entfallende Gewichtseinheit angibt, schneiden die Gymnasiasten 
am schlechtesten, die Landkinder am besten ab. Im langsameren Ver¬ 
laufe des Wachstums ist die normale Entwicklung zu erblicken. Als 
wichtigstes Moment, das geeignet ist, ein überstürztes Wachstum zu 
verhindern, ist eine dauernde intensive Muskelarbeit anzusehen, die den 
Gymnasiasten fehlt, aber von den Landkindern geübt wird. 

J. K. Friedjung-Wien: Die relative Masernimmnnität der Sing- 
liflge an der Briet. (Msohr. f. Kindhlk., 1919, Orig., Bd. 15, H. 5 u. 6.) 
Bericht über 5 Familien, in denen die Säuglinge an der' Brust von 
Masern frei blieben, während die älteren Geschwister masernkrank waren. 

R. Weigert. 

H. Müller jun.-Zürinh: Ueber den diagnostischen Wert des Rumpel- 
Leede’seken Sebarlaehph&nontens. (D.m.W-, 1919, Nr. 46.) Das schnelle 
und starke Erscheinen des Phänomens kommt fast ausschliesslich bei 
deutlichem und intensiv rotem Scharlachexanthera vor. Dementsprechend 
finden wir es auoh viel häufiger bei hoher Temperatur und in den 
ersten 5 Krankheitstagen als bei niederer Temperatur und in der Re¬ 
konvaleszenz. Das langsame und schwache Auftreten treffen wir bei 
blassrotem und sohon verschwundenem Exanthem. Das Phänomen er 
weist sich so nicht als ein wertvolles Hilfsmittel bei der Scharlach¬ 
diagnose, sondern bloss als eine Funktion der Exanthemstärke. 

Dünner. 

JS. Schiff-Budapest: Ueber das Verhalten der Erytkrozytenknrve 
bei sernmbebandelten Kindern. (Mschr. f. Kindhlk., Orig., 1919, Bd. 15, 
H. 5 u. 6.) Nach Injektion von 20—80 ccm Diphtherieheilserum, das 
zu prophylaktischen oder therapeutischen Zwecken subkutan appliziert 
wurde, beobachtete Verf. in */s von 30 untersuchten Fällen nach einer 
Latenzzeit von 4—12 Tagen ein vorübergehendes Absinken der Erythro- 
sytenzabl, ein Vorgang, den er auf die Wirkung eines Abbauproduktes 
der Serumeiweisskörper bezieht. 

E. Schiff und E. Mätyäs-Budapest: Systematische Untersuchungen 
über das Verhalten der Blntplkttchenzalil und der Blntgerinnnng bei 
der Sernmkrankheit. (Msohr. f. Kindhlk , 1919, Orig., Bd. 15. H. 5 u. 6) 
Die Untersuchungen ergaben, dass es infolge der Serumeinspritzung in 
den meisten Fällen zur charakteristischen Zeit der Serurakrankheit — 
und gegebenenfalls gleichzeitig mit dem Auftreten klinischer Mani¬ 
festationen derselben — zu einer Vermehrung der Blotplättohenzahl kommt. 
Die Blutungszeit war zumeist verkürzt, die Retraktilität des Gerinnsels 
stets normal. 

E. Schiff und E. Mäty&s-Budäpest: Systematische Untersuchungen 
über das Verhalten der Blntplftttchenzahl und der Blntgerinnnng bei 
den Maser*. (Mschr. f. Kindhlk., 1919, Orig., Bd. 15, H. 5 u. 6.) ln 
der Mehrzahl der untersuchten Fälle wurde — unabhängig von der 
Schwere der Erkrankung — zur Zeit des Erscheinens des Exanthems 
bzw. der Koplik'sohen Flecken die Zahl der Blutplättchen vermindert 


gefunden. Ihre Zunahme beginnt wieder mit dem Abblassen des Aus¬ 
schlags. Die Blutungszeit war zumeist verkürzt, die Retraktilität des 
Gerinnsels stets normal. Das Auftreten von Komplikationen batte auf 
diese Verhältnisse keinen Einfluss. 

E. Schiff und E. Mä yäs-Budapest: Systematische Untersuchungen 
über das Verhalten der Blntplättcbenzahl und der Blntgerinnnng bei« 
8eharl§eh. (Mschr. f. Kindhlk., 1919, Orig., Bd. 15, H. 5 u. 6.) Die 
Blutplättnhenzahl verhielt sich im Beginn* des Scharlachs meist normal, 
sie nahm erst nach dem Verschwinden des Exanthems bedeutend zu. 
Sowohl Blutungs- als Gerinnungszeit waren meist verkürzt, die Retrak¬ 
tilität des Gerinnsels war stets normal. 

Lade-Düsseldorf: Paehymeningitis haemorrhagiea literaa (Hy- 
groma durae matris) kompliziert mit diffuser Sklerose. (Msohr. f. Kindhlk., 
1919, Orig., Bd. 15, H. 5 u. 6.) Die Diagnose war in vivo auf Solitär¬ 
tuberkel im Kleinhirn und Hydrocephalus internus gestellt worden, weil 
die charakteristischen Zeichen der Krankheit (Hydrocephalus internus, 
blutig tingiertes Lumbalpunktat und Blutungen in den Medien des Auges) 
fehlten. 

J. Harke-Göttingen: Ueber Meningitis serosa im Kindesalter. 

• (Msohr. f. Kindhlk., 1919, Bd. 15, Orig., H. 5 u. 6 ) Interessante Kasuistik 
zur Frage der Meningitis serosa: Fälle, bei denen ein primäres ätiö- 
logisches Moment nicht eruierbar war, Fälle bei Pneumonie und Keuch¬ 
husten, Typhus, Diphtherie, Spasmophilie und solohe, bei denen nach 
Abklingen der Erkrankung vorübergehende oder dauernde Schädigungen 
Zurückbleiben. 

J. Vas-Budapest: Ueber eine vorwiegend im Kindesalter beob¬ 
achtete epidemische Verbreitung des Kropfes in der Hauptstadt Buda¬ 
pest bzw. in deren Umgebung. (Jb. f. Kindhlk., 1919, Bd. 90, H. 4.) 
Bericht über die Ausbreitung des Kropfes in Budapest, die während des 
Krieges nach Art einer Infektionskrankheit epidemisch um sich griff 
und vorzugsweise Mädchen in der Pubertät befiel. 

W. Saucke-Göttingen: Ein Beitrag zur Kenntnis der Hirfehsprug- 
8cbe* Krankheit. (Jahrb. f. Kindhlk., 1919, Bd. 90; H. 5 u. 6.) Zwei 
Fälle. Besprechung der verschiedenen Formen der Erkrankung (Sit* 
der Abknickung 1. an der Uebergangsstelle *Von der Flexur zum Rektum, 
2. an der Uebergangsstelle vom Colon descendens in die Flexur, 8. im 
Verlauf der geschlängelten. Flexur) und ihre Behandlung. 

E. Janzen-Giessen: Zur Frage der Still’sehen Krankheit. (Jb. f. 
Kindhlk., 1919, Bd. 90. H. 4.) Kasuistik. Die bakteriologische Unter¬ 
suchung des Falles förderte kein Resultat. Auch alle therapeutischen 
Versuche wirkten nur symptomatisch. Salvarsan blieb erfolglos. Da¬ 
gegen schienen SerumeinspritzuDgen, die gelegentlich einer Diphtherie¬ 
erkrankung des Kindes verabfolgt wurden, von günstigem Effekt zu sein. 

E. Slawik Prag: Fraoenmilchinjektionen bei Säuglingen als Pro¬ 
teinkörpertherapie. (Jb. f. Kindhlk , Bd. 90, H. 4.) Die artgleicbe Milch 
stellt Dach den Untersuchungen des Verf. „ein Proteingemisch dar. dessen 
parenterale Einverleibung eine Protcplasmaaktivierung im Sinne Weicb- 
hardtV zur Folge hat. Die durch die Artgleichheit bedingten naben 
biologischen Beziehungen derselben zum Blutserum lassen einen Gehalt 
von zumindest geringen anaphylaktogenwirkenden Substanzen in der¬ 
selben vermuten. Ammen und atrophisohe Säuglinge, die gestillt 
werden, zeigen ein refraktäres pyrogenetisches Verhalten*. 

H. Mautner-Wien: Die Wirkung der 8ehoekgifte in ihrer Be¬ 
ziehung zur Klinik. (Mschr. f. Kindhlk., 1919, Orig., Bd 15, EL 5 u. 6.) 
Nach Analogie von Beobachtungen an Tieren nach Einspritzung von 
Pepton nimmt Verf. an. das9 die im Verlaufe von Ernährungsstörungen 
des Säuglings (alimentäre Intoxikation) eintretende Ueberscbwemmung 
des Organismus mit Eiweissabbauprodukten zu einer Kontraktion der 
Gefässe im Stromgebiete der Leber, zur BlutstauuDg in Leber und 
Darm, geringen Blutungen im grossen Kreisläufe und daher zum kleinen 
Herzen führen könne, andererseits zu einer Stauung im Lungenkreislauf. 

H. Eliasberg-Berlin: Beitrag zur Klinik der Erythrodermia des- 
qiamativa (Leiner). (Mschr. f. Kindhlk., 1919, Orig., Bd. 15, H. 5 u. 6.) 
Bei 25 Säuglingen mit Erytbrodermie beobachtete Verf. hochgradige An¬ 
ämien und Hydropsien, Komplikationen, die niemals bei anderen Haut- 
affektionen junger Säuglinge gesehen werden. Daher nimmt Verf. an, 
dass die Dermatose wie die Anämie und die Wassersucht der Ausdruck 
koordinierter, aber zusammengehöriger Symptome einer angeborenen 
konstitutionellen Minderwertigkeit seien. R* Weigert. 


Chirurgie. 

A. W. Meyer und Struokmann - Heidelberg: Die Bantextenslon 
(WeichteilVerschiebung) mittels Doppelname! bei KIbb- nnd Lippen- 
plastik. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 151, H. 3 u. 4.) Beschreibung eines be¬ 
sonderen Verfahrens zur Kiefer- und Lippenplastik. 

R. Klapp - Berlin: Die dorso-pla*tare Anfklappnng c*r Ankylo- 
siernng zahlreicher Gelenke des Fasses. (D. Zsohr. f. Chir., Bd. 151, 
H. 3 u. 4.) Bereits früher batte Kirsohner das gleiche Verfahren zur 
übersichtlichen Freilegung der Gebilde der Fusswurzel angegeben: 
Klapp benutzt es zur Arthrodese der Gelenke des Vorderfusses nnd 
beschreibt einen nach dieser Methode operierten Fall. Infolge Ver¬ 
schiebung des ausgesägten Lappens werden die Gelenkspalten niobt 
wieder aufeinander gebracht, sondern regellos werden aufgesägte Gelenke 
mit frischen KnocheDsägefläohen überbrüokt. Das sieht K. als Ursache 
der starken Ankylose der Gelenke an. B. Valentin. 


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16. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1195 


M. Sohülein - Frankfurt a. M.: Subkutane Rnptnr des Bieeps 
braekü durch direkte Gewalt. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) Beschreibung 
eines Falles von subkutaner, isolierter Ruptur des rechten Bieeps brachii 
innerhalb seines muskulären Teiles, hervorgerufen durch den Anprall 
einer schweren Last. R. Neumann. 

Fitzwilliams: Subkutane Zerreissung der Subklavia. (Brit. 
med. journ., Nr. 3068.) Infolge Stosses durch Bootshaken Bruch der 
1. und 2. Rippe und Abtrennung beider Rippen vom Brustbein mit 
Zerreissung der Sahliisselbeinader. Schwere Blutung in die Brusthöhle. 
Trotz sofortiger Naht Tod am 9. Tage nach der Verletzung. 

Schreiber. 

E. Paul - Innsbrriok: Eine vierfizgerige Hand mit Verbildung der 
Handwurzel. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 151, ü. 3 u. 4.) Genaue Beschrei¬ 
bung (mit Röntgenbildern) eines Falles von Spalthand bei einem Infan¬ 
teristen; es handelte sioh um eine Entwicklungshemmung im radialen 
Strahle, Braobydaktylie, Syndaktylie zwischen Metakarpus und Finger 4 
und 5 sowie Synostose zwischen Multangulum minus und capitatum, 
wie Lunatum mit Triquetrum. Zusammenstellung der Literatur. 

B. Valentin. 

B. Bienenfeld: Ein Sakraltumor beim Neigeborenen. (M.m.W., 
1919, Nr. 39.) Ein doppeltkindskopfgrosser Tumor am Steiss eines 
Neugeborenen, zwischen Analöffnung und KreuZTfein. 20 Stunden nach 
der Geburt operative Entfernung mit gutem Erfolg. Gewioht des Tumor 
1300 g. Es war eine einkammerige Zyste. G. Eisner. 

W. Peters-Bonn: Ein rezidivierendes, bösartiges Chordom der 
sakrokokkygealen Gegend mit Metastasen. (D. Z*chr. f. Chfr,, Bd. 151, 
H. 3 u. 4.) Es handelte sich im vorliegenden Fall um ein rezidivierendes 
Chordasarkom der sakrokokkygealen Gegend, wie sie in der Literatur 
nur seiten zu finden sind. Nie beschrieben sind bis jetzt Metastasen 
dieses' malignen Tumors, insofern ist also der vorliegende Fall ein 
Novum. 

K. W. Eunicke - Elberfeld: Zur Entstehung des traumatischen 
Sarkoms. (D. Z ehr. f. C-hir., Bd. 151, H. 3 u. 4.) Beschreibung von 
6 Fällen aus den Akten der Berufsgenossenschaiten, bei denen ein Zu¬ 
sammenhang zwischen Unfall und SarkomentstehuDg unbedingt an- 
zunehmen ist. 

E. Geymüller - Basel: Ueber Aktiiojnykose des Zentralnerven¬ 
systems. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 151, H. 3 u. 4.) Sehr ausführliche und 
gründliche Beschreibung eines Falles von Aktinomykose des Gehirns 
mit Autopsie, Berücksichtigung der Literatur. 

P. Deus - Erfurt: Beitrag zur Kasuistik seltener Hernien. (D. Zschr. 
f. Chir., Bd. 151, H. 3 u. 4.) Es handelte sich um eine 33jährige Frau 
mit eioer Einklemmung einer Dünndarmsohlinge in eine Lücke im vor¬ 
deren Blatt des Mesenteriums, wodurch die beiden Blätter auseiuander- 
gedrängt wurden und so den Bruobsack bildeten. Die Diagnose wurde 
erst bei der Operation gestellt. Der Eingriff wurde gut überstanden 
(Resektion des veränderten Darmabschnittes), 3 Wochen nach der Ent 
lassung war eine nochmalige Laparotomie wegen Ileus nötig. 

B. Valentin. 

Unfallheilkunde und Versicherungswesen* 

Köbke: Ein eklatanter Fall von Simulation. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 
1919, Nr. 21.) B. Hirsohfeld. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 26. November 1919. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Schriftführer: Herr F. Krause. 

Vorsitzender: Wir haben wiederum zwei Mitglieder durch den' 
Tod verloren: Herrn Sanitätsrat Lewinski, Mitglied seit 1905, und 
Herrn Sanitätsrat Dr. Mankiewioz, Mitglied seit 1890. loh bitte Sie, 
sioh zu Ehren dqr Verstorbenen von ihren Plätzen zu erheben. (Ge¬ 
schieht.) 

Ausgesohieden aas der Gesellschaft ist wegen Verzugs nach ausser¬ 
halb Herr Dr. Goldmann. 

Vor der Tagesordnung. 

1. Hr. Kaasch: Vorstellung einer von snbaknter Leberatrophie 
geheilten Patientin. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Aussprache. 

Hr. Huber (erscheint gemeinsam mit Artikel des Herrn Kausch). 

Hr. Orth: In bezug auf die Farbe der Leber möchte ich mir er¬ 
lauben, daranf hiniuweisen, dass die gelbe Farbe nur im Anfangsstadium 
vorhanden ist. Je weiter der anatomische Prozess in der Leber fort- 
sohreitet, um so mehr sohwiudet die gelbe Farbe. Dre Farbe wird rof 
bzw. rotbraun. Also es ist das eine schon von Zenker angegebene Er¬ 
scheinung, dass die Farbe im späten Stadium nicht gelb ist, sondern 
nur im ersten. 


Hr. Ben da: Ohne dem mir sehr kompetenten Urteil des Herrn 
1 Kollegen Hart entgegentreten zu wollen, möchte ioh darauf hinweisen, 
dass die in den Mikroskopen ausgestellten Stellen nicht so beweisend 
sind. Es sind da gerade Stellen eingestellt, in denen nooh ziemlich in¬ 
taktes Lebergewebe vorhanden ist. Dann fallen mir die bei Leber¬ 
atrophie ungewöhnlichen Befunde von Gallenthromben, der kleinen Gallen- 
gäoge, auf. Es ist ja gerade meist das Charakteristische bei der akuten 
gelben Leberatrophie, dass eine Gallenretention im Körper besteht, ohne 
dass Gallenstauung vorhanden ist. loh erinnere mioh allerdings, manch¬ 
mal Fälle gesehen zu habeD, aber als charakteristisch ist der Befund 
nicht zu. bezeichnen. Ich bitte, andere Stellen der Präparate mit 
schwacher Vergrösserung mustern zu dürfen. 

t Hr. Umber: Das klinische Bild des von Herrn Kausch und 
Huber demonstrierten Falles entspricht nicht recht demjenigen der 
subakuten Leberatrophie. loh übersehe jetzt II genau durohgearbeitete 
klinische Fälle von akuter bzw. subakuter Leberatrophie, bei denen ich 
indessen niemals Aszites beobachtet habe. Aszites kommt bei unkom¬ 
plizierten Fällen von akuter Leberatrophie nicht vor. In dem demon¬ 
strierten Falle bestand zweifellos eine Pfortaderthrombose, die auoh nicht 
zum Bilde der akuten Leberatrophie zu gehören pflegt. Von weiteren 
wichtigen Argumenten für die klinische Diagnose sind nicht erwähnt 
worden das nachweisliche Kleinerwerden der Leber, ferner die zerebrale 
Benommenheit. 

Die Konsistenz der akut atrophischen Leber pflegt nach meinen 
Beobachtungen im Leben bzw. unmittelbar nach dem Tode nicht weich 
zu sein,, wie in den Lehrbüchern steht, sondern fest. So auch in dem 
von mir zu Beginn des Jahres besprochenen geheilten Fall, der bis 
jetzt übrigeD» völlig gesund geblieben ist. Die Erweichung ist eine 
postmortale Erscheinung der Leber infolge Fortdauer der gesteigerten 
Autolyse nach dem Tode. 

In denjenigen Fällen meiner Beobachtung, in denen auf Gallen¬ 
thromben untersucht wurde, sind sie nicht vermisst worden, auch nicht 
in dem ezzidierten Leberstückchen meines erwähnten geheilten Falles. 

Hr. R. Ehr mann: Ich habe vor einiger Zeit einen Fall beobachtet, 
der dem eben vorgestellten ganz ausserordentlich gleicht Es handelt 
sich um einen Patienten in den zwanziger Jahren, der somnolent mit 
starkem Ikterus und vollkommenem Galleabschluss vom Darm ins 
Krankenhaus kam. Es bildete sich ein hochgradiger Aszites ans sowie 
später starke Schwellung beider Beine. Da Lues in der Anamnese war, 
wurde trotz negativer Wassermann’scher Reaktion Jodkali in grossen 
Dosen verabreicht und mehrfach punktiert. Im Verlaufe von 8 Wochen 
waren alle Symptome zurückgebildet, und der Patient kann jetzt als 
geheilt angesehen werden. 

Wir dachten seinerzeit an ein Gummp an der Porta hepatis, jetzt 
aber möchte ioh doch annehmen, dass es sioh, auch io Anbetracht der 
Somnolenz, doch wohl um eine subakute gelbe Leberatrophie gehandelt 
haben mag, weon auoh allerdings kein pathologisch-anatomischer Beweis 
vorliegt. 

Bei zwei später beobachteten und durob die Autopsie auch sicher» 
gestellten Fällen von akuter gelber Leberatrophie haben wir dann nooh 
3 Symptome wahrgenommen, die für die Diagnose dieser Erkrankung 
vielleicht charakteristisch sind. 

Erstens konnten wir, auoh wenn der Ikterus, wie in einem dieser 
Fälle, nicht sehr hochgradig war, die gelbe Farbe von der Haut ab¬ 
wischen, worauf mioh zuerst der Assistenzarzt Herr Dr. Neu mann auf¬ 
merksam machte. Auch die Bettwäsohe wird duroh den Sohweiss hoch¬ 
gradig gelb gefärbt. 

Zweitens hat das aus der Armvene gelassene Blnt eine eigentümlich 
kirfphrote Farbe, und das nach Absetzen sich bildende Sei um ist von 
einer soloh intensiven bierbraunen Farbe, wie wir es bei anderen Formen 
von Ikterus nicht sahen. 

Drittens weist das Blut einen eigentümlichen Geruch auf, der leioht 
au den Geruch von Schweinekot erinnert. 

Alle diese Symptome weisen darauf hin, dass bei der akuten gelben 
Leberatrophie Gallenfarbstoff und Gallensäuren in soloh ungeuren Mengen 
aus der Leber ins Blut übertreten, wie wohl bei keiner anderen Form 
von Ikterns. Auoh dann, wenn die Haut nicht einmal besonders stark 
ikterisch ist. 

Es sei nooh bemerkt, dass in dem zuerst geschilderten, geheilten 
Falle, bei dem' eine sichere Diagnose nicht zu stellen war, die ersten 
wieder gallehaltigen Stuhlabgänge intensiv grün waren, einen oben ge¬ 
schilderten ähnlichen Geruch des Blutes bei akuter gelber Leberatrophie 
aufwiesen und mit der Sublimatprobe einen starken schwarzen Nieder- 
sohlag statt der Granfärbung ergaben, was man wohl alles auf den ab¬ 
norm reichen Gehalt von sohwefelhaltiner Taurooholsäure oder anderen 
schwefelhaltigen Produkten zarüokführen kann./ 

Die beiden sezierten Fälle von akuter gelber Atrophie hatten 
übrigens ziemlich starken Aszites. 

Hr. Ben da: lob habe jetzt die Präparate bei schwacher Ver¬ 
grösserung gesehen. Es ist danach in der Tat unzweifelhaft, dass ein 
Fall von Leberatrophie vor liegt. Es war nur an den eingestellten Stellen 
nicht zu sehen. 

Hr. Kausoh (Schlusswort): Diese Bemerkung erspart mir die eine ~ 
Erwiderung, die ioh machen wollte. Herrn Umber wollte ioh erwidern: 
Herr Zeller hat damals bei der Demonstration seines Falles einen von 
ihm operierten Fall angeführt, bei dem starker Aszites bestand. Der 
Fall ist gestorben, Autopsie ist von Herrn Ben da gemacht worden. Ioh 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1106 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 50. 


habe nooh heute den Diskussionsbericht eingesehen. Also es gibt un¬ 
zweifelhaft akute gelbe Leberatropbie mit Aszites. 

Was dann die Konsistenz der Leber anbetrifft, so möchte ich be¬ 
merken*. sie schien mir von normaler Konsistenz, es waren auch keine 
härtere Knollen da, die Leber war ganz gleichmässig tangiert. 

Ein geheilter Fall kann niemals mit Sicherheit als akute gelbe 
Leberatrophie angesprochen werden, wenn keine Probeexzision existiert. 
Die gibt es nur in dem Falle von Omber und in meinem. 

2. Br. C. Lewin: Kranken Vorstellung zur Immnnotherapie des 
Krebses. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Aussprache. 

Hr. L. Landau: loh wollte mir gestatten, an den Herrn Vortragenden 
die Frage zu richten, ob die Tumorknoten mikroskopisch untersucht und 
als Metastasen eines Karzinoms objektiv festge&tellt worden bind. 

Hr. Lewin: loh werde mich darum kümmern und einmal hören« 
ob das geschehen ist. loh habe natürlich in der Krankengeschichte, da 
sie sich über mehrere Jahre erstreckt, nicht in bezug auf diese Einzel¬ 
heiten nach geforscht, die ich für selbstverständlich hielt. Die Operation 
ist zweimal im Krankenhause Lichterfelde gemacht worden. Ich nehme 
an, dass dort die mikroskopische Untersuchung gemacht worden ist. 

Hr. Landauer: Es wäre aber doch für die Beurteilung des Wertes 
der Behandlung wichtig festzusteilen, ob diese Metastasen bösartig 
waren oder nicht. Da gibt es m. E. als objektives sicheres Kriterium 
nur ein einziges, das ist die mikroskopische Untersuchung. 

8.* Hr. Plebs: Demonstration lebender Mikrofilarien. 

Die Würmohed, welche Sie teils lebend in lebhafter Bewegung, 
teils nach Giemsa gefärbt unter den Mikroskopen sehen, sind Embryonen 
von Filaria loa aus Kamerun. Das Muttertier ist ein fadenförmiger 
Wurm, das Weibchen bis zu 70 mm lang und V 2 mm dick, das Männchen 
bis 85 cm lang und etwas dünner. Die Muttertiere leben im Binde¬ 
gewebe bzw. in den Gewebslücken des Bindegewebes, und machen bei 
ihren Wanderungen oft lebhafte Beschwerden durch brennende, zwickende, 
bohrende Schmerzen. Einer ihrej bevorzugten Aufenthaltsorte ist das 
Auge, wo bie sich zwischen Sklera und Konjunktiva deutlich sichtbar 
umherbewegen und auoh von einem Auge zum andern, sei es über den 
Nasenrückn, sei es in der Optikusscheide über das Chiasma, herüber¬ 
wandern. im Auge machen sie oft die Beschwerden lebhafter Kon¬ 
junktivitis, und ich habe auch grössere, fleckförmige Blutungen als Folge 
ihrer lebhaften Bewegungen gesehen. Aber auch unter der Körperbaut 
treten sie häufig deutlich hervor. Sie galten wohl mit Recht als (ine 
der Ursachen der sogenannten Kamerun - oder Galabarschwellungen. 
Tm Küstengebiet des tropischen Westafrika sind sie bei Europäern und 
Eingeborenen sehr verbreitet. Gefährlich ist das Leiden nicht. Unter 
Umständen werden auoh alle Beschwerden vermisst. 

Der Träger der MikrofilarieD, welchen ich Ihnen hier zeige, leidet 
namentlich nachts unter heftigen brennenden, bohrenden und stechenden 
Schmerzen im rechten Handrücken. Manchmal ist eine leichte Schwellung 
desselben erkennbar; zurzeit nicht, sonst hätte ich Ihnen den Herrn 
vorgestellt. Seine Frau bat ein Filariamuttertier im Auge. Ein Kollege 
von ihm, der mich vör ein paar Wochen aufsuchte, hatte niemals 
irgendwelche Beschwerden von seinen Filarien gehabt, bemerkte aber 
zufällig einmal ein Muttertier unter der Haut des Penis und konnte es 
selbst mit dem Rasiermesser zugänglich maoben und entfernen. Gewöhn¬ 
lich gelingt das nicht so leicht. Die Würmer ziehen sich erstaunlich 
schnell von der Obeifläohe zurück, an der sie oft nur für Minuten er¬ 
scheinen. Ich habe es am praktischsten gefunden, sie mit krummer 
Nadel und starkem Faden möglichst in der Mitte rasch zu umstechen 
und zugleioh mit dem mitgetassten Gewebe fest einzuschnüren. Man 
muss aber auoh danach mit der Iozision recht schnell sein, sonst zieht 
der Wurm sich doch nooh aus der Sohlinge. Hat man ihn irgendwo 
freigelegt, bo fasst man ihn am besten mit einer'Arterienklemme und 
hat ihn dann sicher. 

Die Embryonen entwickeln sich zunächst wahrscheinlich auch im 
Bindegewebe, vielleicht auch in den Körperhöhlen, und treten zuweilen 
erst Jahre, nachdem das Muttertier schon festgestellt ist, im Blute auf. 
Gewöhnlich erzeugen sie starke Eosinophilie. 

Die Uebertragung der Mikrofilarien erfolgt durch Fliegen, Chri- 
sops, vielleicht such Tabanusarten, in deren Speicheldrüsen sie sich 
entwickeln sollen. Die Miorcfilaria loa entspricht nämlich dem früher 
als Filaria diurna bezeiohneten Wurm, welcher am Tage im peripheren 
Blut aultritt* während die Mikrofilaiia nooturna oder Bankrott!, die 
morphologisch von der Diurna kaum zu unterscheiden ist, nachts an die 
Peripherie kommt und von Mücken übertragen wird. Uebrigens halten 
beide Arten ihren TurnuB keineswegt immer streng ein. 

Ich glaubte Ihnen nochmal ein paar lebende Exemplare zeigen zu 
sollen, weil für die nächsten Zeiten in Deutschland wohl wenig Ge¬ 
legenheit mehr zu solchen Demonstrationen geboten sein dürfte. 

Tagesordnung. 

Hr. Werner Schnitz: a) Demonstration des Aaslöschphänomens bei 
8ehariach. 

loh demonstriere die Moulage der Bauchgegend eines 11jährigen 
Jungen, bei welchem am zweiten Tage der Scharlaoherkrankuug durch 
eine intrakutane Seruminjektion (1 ccm) der Ausschlag in etwa Va hand- 
tollergroBser Ausdehnung ausgelösght ist. Als ich seinerzeit die erste 


Mitteilung über meine gemeinsam mit Herrn Dr. Gbarlton weiter ver¬ 
folgte Beobachtung machte, konnten wir über die Resultate etwa folgen¬ 
des aussagen: Alle menschlichen Sera, gleichgültig ob es sich um gesunde, 
früher nicht scharlachkranke Spender oder um Scharlachrekonvaleszenten 
handelt, können bei der genannten Applikation das Phänomen hervor- 
rufer, lediglich sind ausgenommen die Sera frisch Scharlacbkranker. 
Also weder das Eigenberum des Kranken noch das Serum anderer frisch 
Scharlachkranker loscht das Scharlaobexanthem aus. Erst im Laufe der 
dritten Woche gewinnt das Serum des Scharlachkranken die Fähigkeit 
zurüok, zu reagieren. Wir konnten weiter austühren, dass einige unter¬ 
suchte Tiersera, speziell Pterdeserum, diese Eigentümlichkeit nicht be¬ 
sitzen. Wir mussten unsere Ergebnisse insofern einschränken, als nicht 
alle einwandfreien Scharlachiälle siob als auslöschfähig erwiesen. Masern* 
ex?ntbem wird nicht auBgelösoht. Diese Angaben sind inzwischen von 
PAaschen naebgeprüft, der unser Phänomen für absolut spezifisch und 
differentialdiagbostisch sehr wichtig hält. Auch er hat es zur Differential- 
diagnose gegenüber Serum« xantbem, toxischem und Arzneiex&ntbem er¬ 
folgreich angewandt. Ich erlaube mir, die Aufmerksamkeit erneut auf 
dieses Phänomen zu richten, weil sich in einer der letzten Arbeiten der 
Berliner klinischen Wochenschrift das Bestreben geltend macht, die sero- 
therapeutiseben Ergebnisse bei Scharlach mit Humanserum ohne weiteres 
unter das Kapitel der^ Heteroproteinotberapie zu subsummieren. Ich 
würde das für einen Fehler halten, denn die Humanserumtherapie des 
Scharlachs ist etwas besonderes, und das Auslöschpbänomen liefert 
m. E. ein wichtiges Beweisstück hierzu. Eine einwandfreie Erklärung 
des Phänomens ist uns bisher nicht gelangen. Da Adrenalin äbnlioh 
wirkt, haben wir uns die Frage vorgelegt, ob dieses normale physio¬ 
logische Sekret beim Sebarlachblut fehlt. Das hat sich aber bisher noch 
nicht genügend erhärten lassen, und ebensowenig liess es sich erweisen, 
dass O’Connors adrenalinähnliche Substanzen die Ursache des Aus- 
löschphäeomens sind. Es bleibt also die Möglichkeit, dass das Serum 
irgendwie hemmend in die Pathogenese der Ausschlagbildung eingreift, 
entweder durch Einwirkung auf den Rezeptorenapparat der Zelle oder 
direkt auf das Virus. Die vielen ungelösten Fragen, welche noch vor¬ 
liegen, kann ein Institut allein unmöglich bewältigen. Es ist daher er¬ 
wünscht, dass sich möglichst viele an ihrer Lösung beteiligen, 
hl Znr Typhastherapie. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift) 

(Die Aussprache wird vertagt) 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft flhr vater¬ 
ländische Cnltnr zu Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Nachtrag zur Sitzung vom 27. Juni 1919. 

Hr. Stolte: Die Ausführungen des Herrn Vortragenden erscheinen 
deswegen so besonders bedeutungsvoll, weil sie an einem vrohlcharakteri- 
sierten Körper aus der Gruppe der Lipoide dartnn, wie notwendig gerade 
diese Stoffe für den menschlieben Haushalt sind. Mau hat dies ja schon 
längst vermutet; aber bis in die neueste Zeit sind immer wieder gegen¬ 
teilige Meinungen aufgetauoht, die da glauben, dass das Fett ohne 
weiteres durch Kohlehydrate ersetzt werden könne. Dass dies unmög¬ 
lich ist, konnte schon aus der Wachstumshemmung des Gehirns bei fett¬ 
freier Kost erschlossen Irerden. Wenn der Mangel an Gholestearin so¬ 
gar am Barte nach längerer fettarmer Ernährung nachweisbar wird, so 
ist das eine neue Stütze für die von vielen Pädiatern wiederholt er¬ 
hobene Forderung, die Nahrung des jungen Menschen um so mehr 
mit „Fett“ anzureichern, in je lebhafterem Wachstum er sich befindet 


Klinischer Abend vom 18. Juli 1919 in der psychiatrischen Nerven-Klinik. 

Vorsitzender: Herr Bumke. 

Hr. Bnoike stellt vor: 1. einen Fall von gekeilter Eacephalitil 
lelhargica, der mit hohem Fieber, Kopfschmerzen, Schwindel und Schlaf¬ 
sucht b«gönnen hat und dann vornehmlich unter dem Bilde eines 
katatonischen Stupors mit Katalepsie verlaofen war. An Augensym¬ 
ptomen war nur eine geringe Ptosis links und eine vorübergehende Ein¬ 
schränkung der Bliokbewegung nach links festzustelleh gewesen. Von 
vornherein waren Pyramidensymptome vorhanden, die in Form von 
Spannungen in beiden Beinen und beiderseitigem Babinski auoh heute 
noch bestehen. Weiter ist jetzt noch eine gewisse steife Haltung, nament¬ 
lich im Nacken, und eine Pupillendifiereuz naohzuweisen. Im Liqaor 
fanden sich auf der Höhe der Erkrankung 7 Teilstriche Eiweiss, dagegen 
keine Lymphozytose. Therapeutisch wurde Neosalvarsan verabreicht 

2. Mehrere Fälle von Utra- and extraaedaiiärei Rtekenmarks- 
tumoren und bespricht die Lokaldiagnose. Einer der Falle ist von 
Hrn. Foerster operiert worden und befindet sich auf dem Wege zur 
Heilung. 

Qr. Kehrer stellt vor: 1. ein 16jähriges Mädchen, das im Oktober 
1918 eine schwere luflsenza durohgemaoht hat und zu Beginn dieses 
Jahres an* einer zunetimenden Schwäche, dann Lähmung des rechten 
Beines erkrankte. Sie bietet heute eine typische Peroneuslähmung mit 
Aufhebung der elektrischen Erregbarkeit in den Peronii, ttäger Zockong 
in den Extensoren, normaler Reaktion des Tibialis aotious, daneben Auf¬ 
hebung beider Aohillesreflexe und des rechten Patellamflexes ohne Jed« 


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UNIVERSITY OF IOWA 










16. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1197 


motorisohen Ausfälle io den entsprechenden Muskelgebieten dar. Irgend¬ 
welche sensible Storungen sind weder subjektiv noch objektiv jemals beob¬ 
achtet jrorden,auch keine Ataxie oder dergl. Hinzu kommt nun ganzkonstant 
ein sehr merkwürdiges, soviel es scheint bisher noch nicht beobachtetes 
Verhalten der Bauch deckenreflexea Steigerung des linken unteren BR, 
derart, dass sogar bei Bestreichen der Innenfläche des Oberschenkels 
eine Kontraktion oberhalb und unterhalb des Leistenbandes eintritt — 
letzteres also im Sinne eines „weiblichen Kremasterreflexes" — und Auf¬ 
hebung des linken oberen BR. Das umgekehrte Verhalten zeigt sioh 
auf der reohten, also der Seite der Peroneuslähmung: hier Fehlen des 
unteren, normales Verhalten des oberen Bauchdeckenreflexes. (Dabei 
motorisch und elektrisch normales Verhalten der Bauchwandmuskeln.) 
Nach den Angaben der Literatur läge es ja am nächsten, die Störungen 
am rechten Bein auf eine Influenzaneuritis zurüokzuführen. Ungewöhn¬ 
lich wäre dann nur das vollkommene Ausbleiben jeder Anzeichen für 
eine Beteiligung der sensiblen Anteile des peripheren Nerven; vollends 
unvereinbar mit dieser Annahme erscheint dem Vortr. aber das Verhalten der 
Bauchreflexe und schliesslich eine konstante Differenz der Radiusperiost¬ 
reflexe im Singe einer Steigerung auf der linken Seite, die das einzige 
krankhafte Syntptom im Bereiche der oberen Körperhälfte bildete. Redner 
erwägt die Möglichkeit, dass sich auf dem Boden der Grippe multiple 
Entzündungsherde im Rüokenmark in den grauen Vorderbörnern ent¬ 
wickeln, die dann verwaschene Bilder einer subkutanen Poliomyelitis 
anterior hervorrufen. Zu erwägen wäre differentialdiagnostisch noch das 
zufällige Zusammentreffen einer freilich dann recht ungewöhnlichen Form 
von multipler Sklerose mit Grippe, eine Differentialdiagnose, die auch 
duroh den (hier in jeder Beziehung negativen) Lumbalbefund nicht ent¬ 
schieden werden kann. 

2. Ein 11 jähriges Mädohen mit einer sehr ungewöbnlohen familiären 
(tffenbar hereditären) Miskelatrophie. Das Leiden trat andeutungs¬ 
weise in der Periode des Gehenlernens in Erscheinung und verschlimmerte 
sich im Laufe der Jahre ganz allmählich bis zur heutigen Stärke. Am 
auffälligsten zeigen sich die Bewegungsstörungen beim Gange, der etwas 
watschelnd ist, daneben aber besonders duroh die Neigung zum Adduk¬ 
tionsspasmus der Oberschenkel, X-Beinstellung der Unterschenkel und 
Adduktion mit leichter Supination des Vorderfusses (nur) rechts charak¬ 
terisiert ist. Was die einzelnen Muskeln der Unterextremität betrifft, 
so findet sich Pseudobypertrophie der Glutäen und des Quadrizeps 
beiderseits (letzteres rechts stärker als links), echte Hypertrophie der 
Waden gleichmässig rechts wie links, atrophische Lähmung des Tibialis 
anticus und leichte Schwäche der Extensoren des Fusses rechts. Elek¬ 
trisch erweist sioh der Tibialis anticus reohts auch mit stärksten Strömen 
unerregbar, alle übrigen Muskeln zeigen eine mehr oder minder erheb¬ 
liche quantitative Herabsetzung bei normaler Formel, am stärksten des 
Quadrizeps, was aber zum grösseren Teile auf eine myxodematös-speckige 
Veränderung insbesondere Verdickung der Haut des Oberschenkels zu¬ 
rüokzuführen ist. Diese findet sich ausserdem über dem Gesäss und an 
der Bauchwand. Duroh die Steigerung des Leitungswiderstandes ist es 
offenbar zu erklären, dass die Glutäen auch auf allerstärkste Ströme 
nicht ansprechen. Andeutungsweise zeigt sich diese Hautveränderung 
am Unterschenkel, nicht dagegen an den Füssen und an der oberen 
Körperhälfte. Von Reflexanomalien finden sich an den Beinen nur Auf¬ 
hebung der Patellarreflexe. Ausserdem besteht eine dauernde Abduktions¬ 
stellung aller Zehen (reohts stärker als links), die aber nicht auf Aus¬ 
fall der Interossei, sondern auf eine abnorme Stellung in den Grund¬ 
gelenken zurückzuführen ist. Die bestehende, ziemlich hochgradige.Lordose 
ist auf eine Pseudohypertrophie der Bauchwandmuskeln zu beziehen. 
Am Sohultergürtel finden sich reine Atrophien ohne nennenswerte Be¬ 
schränkungen der Exkursionen in jenen Muskeln, die regelmässig bei der 
Dystrophie befallen sind. Intakt sind die Oberarmmuskeln und die 
radialen Muskeln der Unterarme. Eine ganz geringe Atrophie mit ent¬ 
sprechender quantitativer Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit 
zeigen die ulnaren Unterarmmuskeln und ganz deutlich ferner die ver¬ 
schiedenen Handmuskeln. Die Finger sind dabei in den Grundgelenken 
bis fast zum rechten Winkel überstreckbar. Trotz Andeutung von 
„Facies myopathioa“ sind die Gesichtsmuskeln willkürlich und elektrisch 
sehr prompt erregbar. Auch sonst ist der neurologische Befund, ins¬ 
besondere Sensibilität, Lumbalbefund usw. normal. — Was die Deutung 
des Befundes anlangt, so liegt es natürlich am nächsten, an eine Kombi¬ 
nation der Dystrophia musoulorum progressiva mit der sogen, 
neurotischen Mnskelatrophie zu denken, die sioh in frühester Kind¬ 
heit einstellen, aber'beide, wenigstens bisher, nach lOjäbrigem Bestände 
des Leidens, nicht zur vollen Entwicklung gekommen sind. Ungewöhn¬ 
lich ist aber auch von dieser Auffassung aus betrachtet der Zustand der 
Haut an den angegebenen Stellen der unteren Körperhälfte, der auf eine 
lokale trophische Störung besonderer Art schliessen bezw. sehr an eine 
pluriglandulär begründete Konstitutionsanomalie denken lässt, zumal 
der psyohische Habitus der Patientin in gleicher Richtung weist. — Der 
von 4 Geschwistern allein noch überlebende 6jährige Bruder der vor¬ 
gestellten Patientin bietet das Bild einer ganz enormen Atrophie sämt¬ 
licher Muskeln des Körpers, von denen sogar einzelne wie Serratüs, 
Pektoralis u. a. überhaupt nicht erkennbar sind. Am besten erhalten 
sind wie bei der Schwester die Wadenmuskeln und die langen Rücken- 
muskeln. Pseudohypertrophien fehlen bei ihm ebenso wie die Haut¬ 
veränderungen jener. Dafür findet sich die Atönie der Finger noch viel 
ausgesprochener als bei der Schwester und ausserdem am ganzen Körper 
eine durch den Muskelschwund allein nicht erkennbare Atonie, die ganz 
an die Bilder erinnert, die man bei Myatonia congenita findet. Auch 


hier handelt es sioh um ein angeborenes mit hochgradiger geistiger 
Schwäche und Rachitisresten verbundenes Leiden. Die beiden Fälle 
zeigen wieder einmal die Unmöglichkeit einer scharfen Abgrenzung der 
einzelnen Formen der hereditären Myopathien von einander, als auch dieser 
selbst von Konstitutionsanomalien im Kindesalter im weiteren Sinne. 

Hr. Krieger demonstriert 1. das Gehirn eines Falles von Cystieereis 
raeemosis. Dasselbe zeigt 'sehr starke meningitische Schwarten an der 
Basis, besonders in der Gegend der Sehnerven und des Chiasmas. Ferner 
fanden sich zusammenhängende Blasen beiderseits in den Brückenarmen, 
eine grössere Blase wölbte sioh nach der Basis zu vor. Klinisch hatte 
die Erkrankung mit Sehstörung und Kopfschmerz begonnen, später waren 
epileptische Krampfanfälle hinzugetreten. Als Befund konnte neben 
Stauungspapille und assoziierter Blicksohwäche nach links nur ein Ge- 
siohtsfelddefekt naebgewiesen werden, insofern auf dem rechten Auge nur 
im oberen nasalen Quadranten ein Gesiohtsfeldrest übrig geblieben war. 
Die Lumbalpunktion batte sehr starke Druckerhöhung und erhebliobe 
Pleozytose und Eiweis9vermebrung ergeben. 

2. Einen 36jähr. Mann, der bis auf Lues 1909 gesund war, damals 
mit drei Sohmierkuren behandelt wurde. Seit Januar 1916 entwickelte 
sioh allmählich eine spastische Parese zuerst im reohten Bein, später 
auch im rechten Arm, Ende 1917 griff die Erkrankung auf das linke 
Bein über; seit März 1919 ist auch der linke Arm befallen. Seit längerer 
Zeit bemerkt Patient Abmagerung beider Hände. Schmerzen, Gefühls¬ 
oder Blasenstörung hat er nie beobachtet. Antisyphilitisohe Behandlung 
hatte keinen Erfolg. Der Kranke bietet das Bild einer spastischen Tetra¬ 
plegie mit Refiexsteigerung, Klonus und Babinski, daneben Paresen an 
beiden Händen mit Atrophien der kleinen Handmuskeln und partieller 
Entartuogsreaktion. Die Lumbalpunktion ergab völlig negatives Resultat. 
Die Gehirnnerven sind völlig intakt, ebenso die Sensibilität. Die Diagnose 
wird auf amyotrophisohe Lateralsklerose gestellt, deren Sitz und frag¬ 
liche Beziehung zur Syphilis kurz besprochen. 

3. Zwei Fälle von spastischer Hemiplegie mit athetotischen Bewe¬ 
gungen.’ Im ersten bandelt es sioh um eine zerebrale Kinderlähmung; 
neben der Parese bestand Imbezillität und Epilepsie. Im zweiten Falle 
waren die athetotischen Bewegungen in der Hand erheblich schneller 
und erinnerten an das Zittern der Paralysis agitans, während die Athp- 
tose des Beins vor allem auch in den Obersohenkelmuskeln vorhanden 
war und dort einen mehr choreiformen Charakter zeigte. In diesem Falle 
musste eine Enzephalitis naoh Grippe angenommen werden. Vorftagender 
erörtert kurz unsere Kenntnisse von der Lokalisation derartiger Störungen 
in der Bindearmbahn. 

Hr. Häfner demonstriert einen Kranken, der bei der Aufnahme im 
Mai d. J. ein Bild mit verworrenen paranoiden Vorstellungen bot, bei 
dem aber die artikulatorisohe Sprachstörung, fast liebtstarre Pupillen, 
fehlende Sehnenreflexe und der Befund des Liquors und Blutes einwand¬ 
frei einen paralytischen Prozess sicherstellten. Im weiteren Verlaufe 
traten katatone Züge (Mutazismus, Negativismus) absolut in den Vorder¬ 
grund. Die objektive Anamnese lässt bei dem Fall darauf schliessen, 
dass ein schizophrener Prozess bereits seit 12—15 Jahren besteht, zu 
dem die Paralyse erst vor etwa 4—5 Jahren hinzutrat. Zum Vergleich 
erwähnt Redner einen früher beobachteten Fall, der durch Monate ebenfalls 
das Bild eines katatonen Stupors bot, bei dem aber für eine gleichzeitig 
vorhandene Schizophrenie keine Anhaltspunkte vorhanden waren, so dass 
das katatone Zustandsbild lediglich auf dem Boden der Paralyse ent¬ 
standen sein muss. 

Frl. Bry demonstriert eine 49jähr. Frau aus nerven gesunder Familie, 
die früher völlig gesund war und nach einem schweren Trauma im 
Jahre 1911 (Scbädelbrucb, Bruch des rechten Unterarms und Verstauchung 
der rechten Hüfte) mit mehrstündiger Bewusstlosigkeit nicht mehr arbeits¬ 
fähig wurde wegen Kopfschmerzen und Sohwäche des rechten Armes und 
rechten Beines. Seit etwa l f 2 Jahre sind Sohwindelanfälle und Muskel - 
zuokungen in zunehmendem Grade bei ihr aufgetreten. Sie zeigt jetzt 
choreatische Zuokungen der Gesichts-, Zungen-, Hals- und aller Extre¬ 
mitätenmuskeln mit vorwiegender Beteiligung der linken Gesichtshälfte, 
die sich fast beständig in einem Krampfzustand befindet. Bei willkür¬ 
lichen Bewegungen nehmen die Zuokungen ab, ebenso bei ganz ruhigem 
Verhalten, im Sohlaf hören sie auf; beim Gehen und bei Aufregungen 
nehmen sie zu. Die Spraohe ist den Muskelzuokungen entsprechend 
gestört. Ausserdem findet sioh Pupillendifferenz, Liohtstarre der Pupillen 
bei geringer Konvergenzreaktion, Ataxie beider Beine und Herabsetzung 
des Lagegefühls an allen Extremitäten. Reflexe und Muskeltonus ohne 
Störungen. 

Psychisch: Herabsetzung der Merkfähigkeit, erschwerte Auffassung, 
Urteilssohwäche. 

Differentialdiagnose: Symptomatische Chorea duroh multiple Blu¬ 
tungen ins Mittelhirn durch das Trauma, oder Huntington’sche Chorea, 
wobei das Trauma als auslösendes Moment bei vorhandener Prädisposition 
gewirkt oder direkt auf dem Boden von Blutungen zu diffaser Gliose ge¬ 
führt haben könnte. 

/ Frl. Mammereteia stellt 1. ein 5 1 /*jähriges Kind vor, das aus ge¬ 
sunder Familie stammt. Im Sept. 1918 Fall auf dem Flur, konnte da¬ 
nach aber wieder gehen. Am nächsten Morgen spastische Tetraplegie. 
Lähmung der Arme ging zurück. Fieber nicht beobachtet. Allmähliches 
Ausbilden einer starken Lendenlordose. Seit der Erkrankung Blasen- 
und Mastdarmlähmung und Dekubitus. 


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1198 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 60. 


Befund: Imbezillität, links abgelaufene mptastatische Ophthalmie. 
Spasmus im linken Arm. Hypotonie beider Hände. Maximale, nicht aus¬ 
gleichbare Lordose der Lendenwirbelsäule. Atonie der Bauohmuskeln. 
Am ganzen Körper keine Atrophien. Kontrakturen der Haft-, Knie- und 
Fussgelenke. Reflexe lebhaft. Beiderseits Babinski -f-. Sensibilität am 
ganzen Körper herabgesetzt. Trophisohe Störungen. Insuffizienz von 
Blase und Mastdarm. Lumbalpunktat ergab negatives Resultat. Pfingsten 
schmerzlose Spontanfraktur des linken Oberschenkels. Die Lendenwirbel¬ 
säule zeigt röntgenologisch eine Spina bifida occulta. 

Bestimmter Schluss auf den Initialprozess ist nicht zu stellen. Un¬ 
sicher, eb dem Trauma ätiologisch eine' Bedeutung zukommt (Häraato- 
myelie, Hämorrhagie, Krampfanfall). Das akute Einsetzen spricht für 
einen infektiösen Prozess (Meningoenzephalitis). Die bilaterale spastische 
Lähmung der Beine und des Armes ist Resultat ausgiebiger doppel¬ 
seitiger Schädigung des Zerebrums oder der zerebrofugalen Bahnen. 
Dafür spricht auch Fehlen jeder Atrophie, der Schwachsinn, die Oph¬ 
thalmie. Die sensiblen und trophiBohen Störungen sind durch einen 
anderen Herd zu erklären; z. T. gibt die Spina bifida Aufschluss. Der 
Fall beibt Problem, eine Diagnose ist mit Sicherheit nicht zu stellen. 

2. Ein 17jähriges Mädchen, das Anfang April mit anhaltendem Er¬ 
brechen und Kopfschmerzen erkrankte. Nach 14 Tagen verloren sich 
die Symptome, Pat. schielte jetzt beiderseits. 

Befund: Sublingualdrüsen beiderseits. Ausgesprochene Abduzens- 
parese und Stauungspapille beiderseits. Kornealreflexe beiderseits fast 
negativ. Links Mundfazialis < rechts. Links Lagophthalmus. Lumbal¬ 
punktion: stark gesteigerter Druck, 50 Lymphozyten. Sonst alles negativ, 
Behandlung mit Hg Sohmierkur, häufigen Lumbalpunktionen, Röntgen¬ 
bestrahlungen der Hirnbasis. Jetzt völlig symptomlos, Stauungspapille 
ganz zurückgegangen. Kein neurologischer Befund. Im Liquor nur noch 
9 Lymphozyten. 

Natur des krankhaften Prozesses nicht sicher zu entscheiden. Eine 
tuberkulöse Meningitis heilt kaum so restlos aus. Eher ein isolierter 
Tuberkel, der durch Druck auf Gefässe einen konsekutiven Hydrozephalus 
verursachte. Am wahrscheinlichsten eine Meningitis serosa circumscripta 
oder ein Pseudotumor. Vielleicht auch Lues oerebri. Lokalisation des Pro¬ 
zesses an der Basis am Austritt des Nervus abduoens und facialis links. 


Sitzung vom 26. September 1919. 

• Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 

Der Vorsitzende begrüsst die Versammlung zum Beginn der 
Sitzungsperiode. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Willy Bender: Ueber die V&riol&behandlnvg mit Kalium¬ 
permanganat (mit Demonstrationen). 

(Erschien in Nr. 49 unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

. Aussprache. 

Hr. Rosenfeld: Gerade dem letzten Urteil über die Rotlioht- 
behandlung kann ich mich ganz anschliessen. Freilich nicht auf Grund 
von Erfahrungen über Pocken, sondern von Erfahrungen über Rotlicht¬ 
zimmer. Ich hatte ein solches in meinem Lazarett eingerichtet, aber es 
war fast unmöglich, jemanden am hellen Tage hineinzaverlegen, so peinigend 
wirkte das rote Licht. Verlegungen mussten abends vor sich gehen. 
Eine grosse Pein war die abendliohe Dunkelheit für Nephritiker «sw., 
die wir dorthin verlegten — denn rote Lampen leuohten eben sehr 
dürftig. — Ein 2. Punkt, der zur RotlichtbehandluDg anzuführen wäre, 
sind unsere Erfahrungen am Erysipel. Wir haben das Erysipel mit Jod¬ 
tinktur behandelt, was man ja auch eine Rotliohttherapie nennen könnte, 
und mit gutem Erfolge, bis auf den Umstand, dass die abgestossenen Haut- 
fetzen von den Kranken immer heruntergerissen wurden und zu Rück¬ 
fällen Veranlassung gaben. Sie heilten zwar auch gut, bewogen mich 
aber doch zur Behandlung mit blauem Pyoktanin, das in 1 proz. Lösung 
aufgepinselt wurde, überzugehen. Die Resultate waren sehr gute. Das 
Aussehen der Kranken war allerdings recht auffallend. Aber für die 
Frage des Farbeneinflusses ist die Erfolggleichheit bei Braun- und Blau¬ 
färbung der Haut nicht ohne Interesse. 

2. Hr. Witte-Kudowa: Aerztliehe Gesichtspunkte zur Bevölkernngs- 
politik. 

Aussprache: HHr. Tietze und Goebel. 


Klinischer Abend vom 10. Oktober 1919 im Allerheiligenhospital. 

Vorsitzender: Herr Robert Asch. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Asch: Der durch abdominale Radikaloperation gewonnene 

Uterus hier verdient nach mehreren Richtungen besonderes Interesse; 
das ganz junge Karzinom hat sich auf dem Grunde eines älteren tief¬ 
gehenden Zervixrisses entwickelt; ich habe vor einigen Jahren auf diese 
zu mutmaassende Gefahr solcher Risse hingewiesen 1 ); kleiner Knoten 
in der vorderen Lippe links; die übrige Portio völlig frei; links im Ge¬ 
wölbe grösserer Knoten, beide noch mit glattem Ueberzug; zwischen 
beiden schmale, senkrecht gestellte sichelförmige Ulzeration, von der aus 

1) Die Trachelorrhaphie als Prophylaxe des Zervixkrebses. Zsohr. 
f. Gyn., 1913, Nr. 33. 


sich bei der Vorbereitung zur Operation nur geringe Massen ablöffeln 
lassen. Es lässt also auch dieser Fall das überaus schnelle Vordringen 
der Neubildung ins parametrane Gewebe bei diesem Ausgang^ort er¬ 
kennen, eioe besonders üble Eigenschaft, auf die ich damals hinwies. 
Trotzdem schien er noch mit Erfolg und Aussicht auf radikale Ent¬ 
fernung aogehbar. Aber auch den dritten von mir erwähnten Punkt 
sah ioh hier bestätigt: die Schwierigkeiten, die sich der Operation ent¬ 
gegenstellen. Es war bei dem Sitz des Tumors vorauszusehen, dass der 
linke Ureter umwachsen sei. loh musste weit seitwärts vom Ureter den 
Knoten umgehen und konnte dann erst den Harnleiter von unten her 
auslösen. Die “Entfernung gelang trotzdem, wie Sie am Präparat sehen, 
vollkommen im Gesunden. 

Tagesordnung. 

1. Hr. 8ehiller: a) Epipkrenales Oesephagnsdivertlkel. '48jährige 
Frau; seit 13 Jahren Schlingbeschwerden. Tauben eigrosses, dicht ober¬ 
halb des Zwerchfells an der linken Seitenwand des Oesophagus sitzendes 
Pulsionsdivertikel. 

b) Rechtsseitige kongenitale Zwerchfellhernie. ö’Ljäbriger Mann; 
seif frühester Kindheit Magenbesch werden. Luftaufstosnn, Völlegeiühl 
nach dem Essen, Reisbeschwerden bei vollem Magen. Zwerch fei thernie 
mit Volvulus des Magens um 180° und teilweiser Verlagerung des Magens 
in die rechte Brusthöhle. Besprechung der Difierentialdiagnose gegen¬ 
über Eventratio. 

o) Situs viscernm »vergas total». 

2. Hr. Rotber: Ueber tnkerknlöse Darmstriktaren. 

An der Hand der von Prof. Tietze operierten Fälle (12 Präparate) 
und eines eigenen Falles Entwicklung der Genese, des anatomischen und 
mikroskopischen Bildes der primären und sekundären Darmtuberkulosc, 
insbesondere der Ileozökaltuberkulose. 

Aus den Präparaten heben sich besonders drei hervor: eines einer 
isolierten Tuberkulose der Valv. Bauhini, wodurch eine beginnende Iovagi- 
nation des Ilenms ins Zökum bedingt wird, ein zweites (Fall Dr. Rotber), 
wo neben polypöser Entartung der Schleimhaut durch fibröse Umwand¬ 
lung der Darmwandung eine diaphragmatische Verengerung des Colon 
ascendens hervorgerufen wird, und ein drittes, das, 1,5 m Dünndarm 
umfassend, an sich alle Formen der Tuberkulose, die narbige, die fibröse 
und die hypertrophische, demonstrieren lässt. 

3. Hr. Goerke: a) Sarkom der Dnra. 

Demonstration eines 50jährigen Mannes, bei dem ein von der Dura 
ausgehender Tumor (histologisch kleinzelliges Sarkom) in die Stirnhöhle 
eingebrochen war, hier zu einer völligen Usur der knöchernen Hinter¬ 
wand, des Septum interfrontale sowie des gesamten Orbitaldaches geführt 
und schliesslich durch Verlegung des Ductus naso-frontalis zur Entstehung 
einer Mukozele Veranlassung gegeben batte. Heilung durch Operation, 
b) Labyrinthitis ind Meningitis. 

Vorstellung zweier Fälle von geheilter otogener eitriger Meningitis, 
ln dem einen Falle war die Infektion duroh das Labyrinth gegangen; 
Heilung nach Ausräumung des Labyrinths. In dem zweiten Falle er¬ 
folgte die Heilung nach einer fast dreimonatigen Dauer der Meningitis 
durch oftmals wiederholte Lumbalpunktionen. 

4. Hr. Kleemann: a) Ein Fall von Uternsperforation bei Abort- 
versuch. 

Die enorme, von jedem von uns beobachtete Steigerung der Aborte 
— ich. stehe nicht an, die Zahl der kriminellen Aborte auf über 90 pCt. 
zu schätzen — bringt natürlich auch einen enormen Anstieg der sep¬ 
tischen Infektionen mit sich. Wir haben im letzten Halbjahr fast 
100 Aborte in stationäre Behandlung aufgenommen, während wir im 
ganzen Jahre 1917 nur 103 Aborte zu verzeichnen hatten. Heute kann 
ich Ihnen das Präparat einer Frau zeigen, die in dem Glauben, gravid 
zu sein, mittelst eines Irrigators Abtreibungsversucbe gemacht bat. 
Patientin benutzte dazu den Irrigator einer Hausnaebbarin, die ihr als 
Spülrohr das sonst als Klystieransatzrobr benutzte Rohr borgte. Mit 
diesem machte Patientin täglich Seifenspülungen in den Uterus hinein. 
Sie erzählte, dass sie mit dem Rohr sehr gut in die Gebärmutter hinein- 
gekommen wäre, da die Gebärmutteröffnung sehr weit vorne lag. Es 
handelt sich um eine 36jährige Witwe, die 5 Kinder geboren batte. Die 
letzte Periode war vom 12—18. August. Im Ansohlass an diese hatte 
sie Verkehr und um die Empfängnis zu verhüten, begann sie sofort mit 
Spülungen. Seit 14 Tagen klagt sie über Schmerzen in beiden Unter¬ 
bauchgegenden und Ausfluss. Oefters wär^ Erbrechen eingetreten, vor 
8 Tagen zum ersten Mal Schüttelfrost. Seit einigen Tagen könne sie 
keine Winde lassen, und Schüttelfröste setzten täglich ein. Sie habe 
jetzt gelbliobsohwarzblutigen Ausfluss, und es gingen Stücke ab. Seit 
2 Tagen wäre Durchfall eingetreten. Bei der Aufnahme war eine sehr 
starke Bauohdeckenspannung vorhanden, der Uterus schien anteflektiert 
und etwas vergrössert zu sein, die Adnexe waren nicht deutlich zu 
tasten, im Douglas eine deutliche Vorwölbung von Faustgrösse, die sehr 
schmerzhaft ist, zu fühlen. Am-Muttermund, der für die Fingerkuppe 
eingängig, ist, sieht man an der hinteren Muttermundslippe eine mit 
Schorf bedeckte, halbpfennigstüokgrosse ulzerierte Stelle. Da sich in 
der Nacht der Zustand verschlimmert hatte und die Temperatur wie bei 
der Aufnahme 39,4° betrug, der Puls auf 130 gestiegen war, wurde 
Laparotomie gemacht. Da eine diffuse Peritonitis bestand, der Uterus 
ganz tief im Beoken eingekeilt war, wurde nach Drainage von weitereo 
Operationsversuchen Abstand genommen. Nach einigen Stunden erfolgte 
der Tod. Bei der Sektion sah man in der Bauchhöhle die Darmsohlmgeo 


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15. Dezember 1919. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT._1199 


stark gebläht, mit schmutziggrüner Sehmiere belegt, untereinander und 
mit dem gleichfalls schmutziggrün belegten Bauchfell fest verklebt, die 
Milz stark vergrössert, leicht zerfliesslich auf dem Durchschnitt. Am 
Uterus befindet sich äusserlich an der linken Tubeneoke eine etwa 1 cm 
grosse zerklüftete Oefifnung, durch die man mit der Sonde bis nach der 
Portio fahren kann. Neben der Portio an der hinteren Muttermunds¬ 
lippe findet sioh eine kleine, oberflächliche, etwas belegte Erosion. Ei¬ 
leiter und Ovarien sind frei. Im Blute waren Streptokokken in Rein¬ 
kultur gefunden worden. Der Abstrich aus dem Uterusschleim ergab 
Kolibazillen, Streptokokken, die abradierte Schleimhaut wies keinerlei 
Zeichen einer voraogegangenen Gravidität auf. Es handelte sich somit 
um eine selbst zugefügte Perforation des Uterus bei einem Abtreibungs¬ 
versuche, obgleich eine Schwangerschaft gar nicht bestand. Der Ab- 
treibungsversuch hatte zu einer diffusen Peritonitis und Sepsis geführt, 
an der die Frau zugrunde ging. 

Ausspraohe. 

Hr. Asch: Der Fall von Uterusperforation mit tödlioher Peritonitis 
ist eine traurige Illustration zu der täglioh von uns gemachten Beob¬ 
achtung von der Zunahme krimineller Aborte, die nicht mehr, wie vordem, 
der Tätigkeit einzelner Abtreiberinnen zuzusohreiben, sondern den Ge¬ 
schwängerten selbst zur Last zu legen sind. In leichtsinnigster, brutalster 
Weise suchen sich unzählige Schwangere von ihren Früchten zu befreien, 
ja die blosse Besorgnis, schwanger zu sein, treibt die Frauen zu solchen, 
fast selbstmörderischen Handlungen. Mit einer Roheit und Gewalt, wie 
sie es sich nie von anderer Seite gefallen lassen würde, führte die Frau 
ein noch am Tage vorher von ihrer Schwester zu sachgemässer Verrich¬ 
tung gebrauchtes Klystierrohr in den ihr zugänglichen Muttermund ein 
und stiess es sioh bis durch den Fundus uteri. Eine Koliinfektion war 
die unausbleibliche Folge. Zur Einspritzung hatte sie Seifenwasser ge¬ 
nommen. Wir stehen der zunehmenden Dummheit und Demoralisation 
auch in dieser Hinsicht machtlos gegenüber. 

Hr. Kleenanii: Eia Fall von stielgedrehter Hydrosalplsi. 

Vor einigen Wochen erschien im Zentralblatt iür Gynäkologie von 
Dr. Peine aus der Bremer Frauenklinik eine Mitteilung über 2 Fälle 
von Stioltorsion entzündeter Eileiter, ein an sich sehr seltenes Ereignis, 
während die Stieltorsion der Ovarialtumoren sehr häufig beobachtet wird. 
Vor 10 Tagen batte ich Gelegenheit, das junge Mädchen, das ioh Ihnen 
hiermit vorstelle, zu operieren. Es handelt sich um eine 15jährige 
Näherin, die seit einem Jahre menstruiert, vor 7 Jahren hat Patientin 
wegen Vulgo vaginitis gonorrhoica auf Station gelegen und wurde nach 
20 negativen Präparaten als geheilt entlassen. Vor 5 und 2 Jahren 
hatte Patientin Blinddarmentzündungen. Am 14. IX. traten bei ihr 
Schmerzen in der rechten Unterbauohgegend ein, die mit Erbrechen 
einhergiDgen. Der hinzugezogene Arzt stellte eine Blinddarmentzündung 
fest und behandelte sie konservativ. Nach kurzen Tagen besserte sich 
das Bild, es ging ihr besser, bis am 27. IX. plötzlich Schmerzen in der 
rechten Unterbauchgegend auftraten, weshalb nunmehr von dem behan¬ 
delnden Kollegen die Einweisung ins Krankenhaus erfolgte. Der Befund 
war folgender: Temperatur 38, Puls 160, mittelkräftig, Zunge stark 
belegt, sehr starke Bauchdeckenspannung, in der rechten Unterbauch¬ 
gegend; MaoBurney’scber Punkt, stark druckempfindlich; rektal fühlt 
man nach rechts zu hinter, dem kleinen Uterus eine undeutliche Re¬ 
sistenz von über Apfelgrösse. Links sind die Adnexe vollkommen frei. 
Da ioh nach diesem Befunde an eine Appendizitis dachte, machte ich 
einen Pararektalschnitt. Es gelang leicht, den Appendix zu luxieren, 
der in ganz frische Adhäsion eingebettet war. Abbrennen der Adhäsion 
mit dem Pacquelin, Versorgung des Stumpfes durch Tabaksbeutel- und 
seroseröse Naht. Da Patientin vor 7 Jahren eine Gonorrhoe duroh- 
gemacht hatte und das geringe Exsudat, das ausgetupft wurde, mir den 
Rektalbefund nicht genügend erklärte, tastete ich nach dem Uterus und 
den Adnexen und fand die rechten Adnexe vollkommen frei, während 
hinter dem Uterus ein wurstförmiger kleinfaustgrosser Tumor sioh zeigte, 
der auf den ersten Augenblick durch die stark blutige Durchtränkung 
wie eine Extrauteringravidität imponierte. Bei näherer Betrachtung 
stellte er sich als eine um 180 Grad nach rechts stielgedrehte links¬ 
seitige Tube dar. Nach Lösung der Stieldrehung, Abbinden des Tuben¬ 
stiels, Peritonealisierung. Das Ovarium ist nicht in die Stieldrehung 
miteinbezogen. Bauchnaht. Es handelt sich in diesem Falle nach 
meiner Ansicht um eine duroh die frühere Gonorrhoe hervorgerufene 
entzündliche Hydrosalpinx, zu der sekundär die Stieldrehung hinzukam. 
Die Stieldrehung veranlasste die blutige Verfärbung des Tubeninhaltes, 
der übrigens Diplokokken aufwies, jedooh keine Gonokokken. Auch 
jetzt sind im Urethral- und Zervixsekret keine Gonokokken nachweisbar. 
5. Hr. Friedlftader: Ueber seltene Diabetesformen. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Aussprache: N 

Hr. Minkowski weist darauf hin, dass es bei unvollständiger Aus¬ 
schaltung der Pankreasfunktion nicht auf die absolute Grösse des 
zurückbleibenden Drüsenanteils ankommt, sondern auf die Funktions¬ 
fähigkeit des Drüsenrestes. Bei Zysten, die duroh Sekretstauung ent¬ 
stehen, ist es denkbar, dass nur die nach aussen sezernierenden Elemente 
in Mitleidenschaft gezogen werden, dass aber noch in den Wandungen 
der Zysten mehr oder weniger funktionsfähige Langerhans’sche Inseln 
erhalten »ein könnten. , 

Hr. Lange hatte Gelegenheit, den zuletzterwähnten Kranken 
4 Tage vor seiner Einweisung ins Krankenhaus zu sehen. Im Vorder¬ 


grund stand durchaus dies absolute Fehlen jeder Speichelabsonderung. 
Die Mundschleimhaut war pergamentartig glänzend, trocken, hochrot; 
die Zunge sah aus wie rohes Fleisch, schmerzte erheblioh. Pilokarpin 
(0,01 in Lösung innerlich) rief vorübergehend Speichelsekretion hervor 
und brachte Erleichterung. Temp. 38,2. Neurologisch absolut nichts. 
Diese sogenannte Xerostomie, in der englischen Literatur unter dem 
Namen „Drymouth“ als Krankheit sui generis bei alten Frauen be¬ 
schrieben, kann auoh reflektorisch, vom Munde aus, bedingt sein (Fehlen 
des ganzen Gebisses, gewaltsames Anpassen von Prothesen; sie ist ferner 
bei der Hysterie (H. Cur sch mann), bei Raynaud’scher Krankheit 
(Cassierer und von mir selbst in zwei Fällep von schwerer Zystitis 
mit Prostatabeteiligung), verhältnismässig am häufigsten aber bei Affek¬ 
tionen des Gehirnstammes bzw. der Oblongata beobachtet worden. 
Auoh im vorliegenden Falle lässt die Gruppierung der Symptome und 
der rapide Verlauf an eine Enzephalitis denken, weshalb bei der mikro¬ 
skopischen Untersuchung des Gehirns der Gegend des Nuoleus sali- 
vatorius (Kohnstamm) die grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden wäre a 

6. Hr. Lange zeigt einen Fall von Polynenritis nach Salvarsan 
mit ungewöhnlich schneller Restitution: 26jäbr. Offizier, ohne neuro¬ 
logische Vorgeschichte, der wegen Verdachtes auf Lues (Wa.R. im Blut 
immer negativ) von anderer Seite mit Salvarsan behandelt werden war. 
Die ersten zwei Kuren, mit mehrmonatigem Abstand, ohne Beschwerden, 
nach halbjähriger Pause im April—Mai d. J. dritte Kur, wobei von 8 
zu 8 Tagen je 0,3 bzw. 0,45 Neosalvarsan, im ganzen 2,1 g intravenös 
verabreicht wurden. Zwischen der vorletzten und letzten Spritze trat 
Kribbeln in den Fingerspitzen auf. Keine Schmerzen, aber allmählich 
zunehmende Müdigkeit und Unsicherheit beim Geben. 5 Wochen nach 
der letzten Injektion kam Patient auf der Höhe der Erscheinungen zur 
Aufnahme. Hochgradige, distalwärts zunehmende Tetraparese mit ausser¬ 
ordentlich starker Ataxie, Atonie aller Muskeln; deutliche Atrophie der 
kleinen Handmuskeln; fehlende Sehnenreflexe (bei guten Hauteffekten). 
Freies-Gehen und Stehen ganz unmöglich. Blut und Liquor — letzterer 
auch chemisch-mikroskopisch — negativ. Faradische und galvanische 
Erregbarkeit bis auf minimale Zuckungen in der Wade und den Hand- 
beugern sowie in der Rumpfmuakulatur erloschen. Am Tage- nach der 
mit sehr kräftigen Stiömen auBgeführten Untersuchung konnte bereits 
in fast allen Muskeln sohwache faradische Erregbarkeit festgestellt 
werden, die innerhalb weniger Tage sich zunehmend besserte. Bei täg¬ 
licher elektrischer Behandlung überraschendes Zurückgehen der Paresen 
und der Ataxie, nach 8 Tagen konnte Patient frei durchs Zimmer gehen. 
Nach 4 Wochen nur noch Spuren von Ataxie in den Händen und Fehlen 
der Sehnenreflexe, sonst völlig o. B. Io der 9. Woche der Behandlung 
mühelose Gebirgswanderung (Schneekoppe). Nach 3 Monaten auch völlig 
normale Sehnenreflexe. Ungewöhnlich war die rapide Besserung im An¬ 
fang der Behandlung und das spurlose Zurückgehen aller Symptome in 
wenigen Wochen, ferner das Fehlen von Schmerzen. Gut entsprach 
-sonstiger -Erfahrung bei Arsenneuritis das stärkere Befallensein der 
distalen Muskelgruppen (kleinen Handmuskeln, peronei) und das Ueber- 
wiegen der Ataxie über die eigentlichen Lähmungserscbeinungen im 
Gesamtbild. 

7. Hr. Fomhbaeh: Ueber {Snpyembehandliug. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift!) 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In der Sitzung der Berliner medizinischen Gesell¬ 
schaft vom 10. Dezember 1919 stellte vorder Tagesordnung Herr Kausch 
ein Rezidiv einer diffusen Myxomatose des ganzen Vorderarmes vor. 
Hierauf hielten die angekündigten Vorträge 1. Herr v. Soös-Budapest 
(a. G.): Eine Herstellung farbiger Mikrophotogramme (mit Lichtbildern) 
(Aussprache: Herr C. Ben da), 2. Herr William Held (a. G.): Ueber 
eine neue Serumbehandlung der Epilepsie und 3. Herr Fritz Lesser: 
Moderne ärztliche Ueberwaohung der Prostitution (ein neues System der 
Sittenkontrolle). Die Aussprache wurde vertagt. 

— Am 18.d.M.,abends 7y 2 Uhr, eröffnet die Berliner Hufelandische 
Gesellschaft unter dem Vorsitze des Herrn v. Hansemann ihre 
Demonstrationsabende, an denen Themata aus allen Gebieten der 
praktischen Medizin behandelt werden, in dem Hause des Vereins 
Berliner Künstlerinnen, Sohöneberger Ufer 38, nahe der Potsdamer Brücke. 

— Der Vorstand und Ausschuss des Deutschen Kongresses für 
Innere Medizin hat beschlossen, dass der 32. Deutsohe Kongress für 
Innere Medizin im Frühjahr J920 abgehalten werden soll. Ueber 
den Ort der Tagung schweben noch Verhandlungen. Als Hauptverhand¬ 
lungsgegenstand ist „der gegenwärtige Stand der Immuno- und 
Chemotherapie der Infektionskrankheiten“ in Aussicht ge¬ 
nommen. Den einleitenden Vortrag hat Schittenhelm-Kiel über¬ 
nommen. Zur Aussprache sind Fr. Kraus-Berlin, R. Pfeiffer-Breslau, 
Rud. Schmidt-Prag, Morgenroth-Berlin u. a. bereits vorgemerkt. 
Anmeldungen von Vorträgen und Vorführungen werden jetzt sohon vom 
Vorsitzenden, Herrn Geb. Med.-Rat Prof. Dr. Minkowski-Breslau, Birken- 
wäldohen 3, und dem Schriftführer, Herrn Prof. Dr. Weintraud-Wies¬ 
baden, entgegengenommen. 

— In diesen Tagen fand in Breslau der 47. Sohlesisohe Bäder¬ 
tag statt, zu welohem sich die Vertreter fast sämtlicher Kurorte und 
Heilanstalten Schlesiens eingefunden batten. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ar. 60. 


— Am 12. d. M. feierte Geb. Rat Prof. Dr. Franz Pensoldt, der 
Erlanger Kliniker, seinen 70. Geburtstag. Zahlreiche, bedeutende 
Arbeiten auf dem Gebiet der inneren Medizin und der Pharmakologie 
haben seinem Namen ein besonderes Ansehen verliehen; namentlich 
hat ihm die Tuberkuloseforschung sowie die Lehre von den Magen- und 
Darmkrankheiten reiche Förderung zu danken. Sem mit Stintzing zu¬ 
sammen herausgegebenes Handbuch der Therapie innerer Krankheiten 
ist noch heute mustergiltig und sein Lehrbuch der klinischen Arznei¬ 
behandlung erfreut sich grosser Beliebtheit. Eine von seinen Freunden 
und Arbeitsgenossen veranstaltete Festnummer der M.m.W. ehrt seiue 
Verdienste und bringt ihm deren Glückwünsche, denen auch wir uns 
herzliohst ansohliessen! 

' — Der Berliner Urologe, San.-Rat Dr. J. Cohn, hat den Titel als 
Professor erhalten. 

— Die medizinische Fakultät der Universität Halle hat dem Ge¬ 
heimen Med.-Rat Prof. Dr. Körner in Rostock in Anerkennung seiner 
Verdienste um die Erforschung der Pathologie und Therapie der otogenen 
Gehirnkomplikationen die Schwartze - Medaille verliehen. 

— Anlässlich des 500jährigen Jubiläums der Universität Rostock 
wurden der ehemalige Strassburger Chirurg Madelung und der ehe¬ 
malige Leipziger Chirurg Trendelenburg zu Ehrenmitgliedern ernannt. 
Zu Ehrenmitgliedern der Medizinischen Fakultät wurden ernannt die 
bekannten Berliner Physiker Einstein und Planck (der jetzt den 
Nobelpreis erhielt), Sven Hedin, der Forschungsreisende Herzog Alfred 
Friedrichs von Mecklenburg, der Botaniker Correns und der Rostocker 
Geologe Geinitz. 

— In Budapest verstarb am 18. November der bekannte Rhino- 
Laryngologe Prof. Dr. Adolf Onodi, 63 Jahre alt. 

— Der Ausschuss der Deutschen Kongresses für Innere 
Medizin hat beschlossen, die Herausgabe des „Kongresszentral¬ 
blattes* wieder herbeizuiühren. Die Herausgabe wird vom Jahre 1920 
ab in zusammengedrängter Form und unter Beiseite lassen der .„klein* 
sprachigen* Literatur erfolgen; auch sollen die einfachen Titelzusammen¬ 
stellungen von nicht referierten Arbeiten und Dissertationen künftig 
wegfallen. Eine „Jahresbibliographie* wird diese alljährlich nachtragen. 

— Die Erörterung medizinischer Fragen in der Tagespresse ist in 
gewissem Ausmaasse, das dem Takt ihrer ärztlichen Mitarbeiter über¬ 
lassen bleiben muss, heutzutage nicht mehr zu umgehen. Dringend zu 
fordern ist nur hierbei, dass solche Erörterungen nur dem Bedürfnis der 
Oeffentlichkeit nach Aufklärung, nicht aber der Reklame dienen, ln 
manchen Fällen mag die Grenze schwierig zu ziehen sein, keinem Zweifel 
aber kann die Beurteilung unterliegen, wenn, wie es in diesen Tagen 
vorkam, ein Hautarzt an die Tageszeitungen schreibt, dass er in den 
Räumen seiner Klinik einen Vortrag über Strahlenbehandlung halten 
werde und dass er die Redaktionen bitte, hierzu einen Berichterstatter 
zu entsenden. Die Kollegen, die seine Vorlesung zu besuchen die Ab¬ 
sicht hatten, täten gut daran, ihn mit den Berichterstattern der-Tages¬ 
blätter allein zu lassen. H. K. 

— Der Ausschuss für Bevölkerungspolitik der preussischen Landes¬ 
versammlung hat bekanntlich die Errichtung einer ordentlichen Pro¬ 
fessur für biologische Heil weise beschlossen. Fachleute werden 
sioh unter dieser Bezeichnung kaum etwas denken können, denn es ist 
ja gerade das Bestreben der wissenschaftlichen Medizin, seit sie vor bald 
100 Jahren die Fesseln naturphilosophisoher Voreingenommenheit abge- 
sohüttelt hat, ihre Therapie über den Boden der Empirie hinauszuheben 
und auf eine biologische Grundlage zu stellen. Manches, was sie auf 
diesem langwierigen Gang zum Lichte über Bord geworfen oder nach 
kurzer Prüfung abgelehnt hatte (z. B. die Spekulationen eines Hahne- 
mann) und manches, was sie seit zwei Jahrtausenden zwar anwandte, 
aber nicht für das Allheilmittel hielt, wie die Hydrotherapie oder später 
die Elektrizität, wurde in den Händen einseitiger, aber auf die Unwissen¬ 
heit des Publikums um so fester bauender Aerzte und Niohtärzte zum 
zugkräftigen Agitationsmittel. Dabei soll nicht verkannt werden, dass 
von dieser Seite auch manchmal gute Anregungen ausgegangen waren, 
da das Fehlen wissenschaftlicher Kritik diese „Naturheilärzte* nicht 
hemmte und sie rascher zu neuen Methoden greifen liess. Aber die 
wissenschaftliche Medizin hat nicht gezögert, sobald sich eine Brauch¬ 
barkeit dieser Methoden ergab, sie in ihren Heilsohatz einzuverleiben und 
die neuen Meihoden gründlich zu erforschen und auszubauen, wie es bei 
der Strahlentherapie in so hervorragendem Maasse der Fall gewesen. 
Nicht die Naturheilärzte, sondern die Vertreter der „offiziellen* Wissen¬ 
schaft haben erst aus ihr das vortreffliche Instrument gemacht, das wir 
jetzt sohon in ihr besitzen und in immer grösserem Maasse jn ihr noch 
zu besitzen hoffen dürfen. 

So liegt für den mit der Geschichte unseres Fachs und dem Wesen 
der wissenschaftlichen Medizin Vertrauten ganz gewiss kein Anlass vor 
zur Errichtung eines Lehrstuhls für biologische Heilweisen. Aber Sach¬ 
kenntnis ist heutzutage nicht entscheidend, und so muss mit der Er¬ 
richtung dieses Lehrstuhls als einer feststehenden Tatsache gerechnet 
werden. Was jetzt nooh möglich ist, ist einzig und allein dahin zu 
wirken, dass auf diesen Lehrstuhl ein Mann kommt, der sich zwar mit 
den physikalischen Heilmethoden im Hauptfache beschäftigt, aber mit 
dem ganzen grossartigen Bau der wissenschaftlichen Medizin so weit ver¬ 
traut ist, wie man es von einem akademischen Lehrer unbedingt ver¬ 
langen muss. H. K. 


— Volkskrankheiten. Pooken: Deutsches Reioh (25. bis 
29. XL) 9. Deutsch-Oesterreich (9.—15. XL) 1. Fleokfieber: 
Deutsches Reich (23.—29. XL) 1. Deutsch-Oesterreioh 9. bis 
15. XL) 2. Ungarn (6.—12 X.) 5, (13.—20. X.) 1. Geniokstarre: 
Preussen (16.—22. XI.) 8 u. 4 f. Schweiz (9.—15. XL) 1. Spinale 
Kinderlähmung: Preussen (16.—22. XI.) 3. Ruhr: Preussen 
(16.—22. Xi.) 67 u. 25 f. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb 
an Scharlach io Tilsit; Diphtherie und Krupp in Flensburg, Lübeck. 

(Veröff. d. Reichs-Ges.-Amte.) 

Hochs ch ul naeh richten. 

Frankfurt a. M.: Habilitiert DDr. Goetze für Chirurgie (bisher 
in Halle), Schürer für innere Medizin. — Giessen*. Priv.-Doz. Dr. 
Huntemüller wurde zum a.o. Professor für Hygiene ernannt. — 
Göttingen: Habilitiert Dr. R. Seyderhelm für innere Medizin (bisher 
in Strassburg). — Halle a. S.: Habilitiert Dr. A. Weil für Physiologie, 
Dr. Fodor für physiologische Chemie. — Rostock: Habilitiert Dr. 
v. Brunn für Geschiohte der Medizin. — Tübingen: Generaloberarzt 
Dr. Krämer erhielt einen Lehrauftrag für Völkerkunde. — Graz: Prof. 
Reuter in Wien wurde als Ordinarius für gerichtliche Medizin ernannt, 
a. o. Professor der Kinderheilkunde Hamburger erhielt Titel und Rang 
eines ordentlichen Professors. — Prag: Dr. M. Marx habilitierte sich 
für gerichtliche Medizin. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Ernennungen: ao. Prof, in d. mediz. Fakult. d. Universit in Göttingen 
Dr. Lange z. ordentl. Professor in derselben Fakult.; Priv.-Doz. in 
d. med. Fakult. d. Universit. in Königsberg Prof. Dr. Berg z. Abteil- 
Vorsteher am anatomisch. Instit. ders. Universit.; Arzt Dr. P. Jürgens 
in Berlin z. Kreisass.-Arzt in Koblenz unt. Ueberweisung an d. dortig. 
Regierungspräsidenten. 

Ausgesohieden aus d. Staatsdienste: Kreisarzt Dr. Jankowski in 
Königsberg i. Pr. 

Niederlassungen: Dr. G. Lackner u. Dr. K. Schemel in Königs¬ 
berg i. Pr., San.-Rat Dr. Rud. Körner in Creuzburg L Ostpr. (Kr. 
Pr. Eylau), Dr. Wilh. Thiede in Goldap, Frieda Peterhanwahr 
in BerL-Steglitz, Dr. Th. Kaphahn in Berl.-Liohterfelde, Dr. 
E. Lattermann in Berl.-Friedenau, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. J. Mor- 
genroth in Berl.-Dahlem, Dr. W. Gude in Cöpenick, Elisabeth 
Helbig in Spandau, Gen.-Ob.-A. Dr. Emil Wagner und Ob.-Sl-A. 
Dr. P. Derlin in Brandenburg a. H., G. Wust in Müllrose, H. Loerke 
in Letschin (Kr. Lebus), Dr. Wilh. Heuser in Brieslow (Kr. Lebus), 
Dr. Fritz Schäfer in Cüstrin, Dr. J. Seul in Dühringshof (Ldkr. 
Landsberg a. W.), Ob.-A. Dr. H. Denoker in Frankfurt a. 0., Dr. 
Wilh. Brandt in Zanow (Kr. Schlawe), Dr. W. Schümann in Stral¬ 
sund, Walter Seiffert in Greifswald, P. Szczesny, Dr. Mehner, 
Dr. R. Gralka, St.-A. a. D. F. Wehn, Dr. Ludw. Böhm, Paul 
Walter u. Heinr. Drescher in Breslau, Dr. W. Havre in Praus- 
nitz (Kr. Militsoh), Dr. G. Haeller in Beuthen a. 0. (Kr. Freystadt 
i. Schl), Dr. L. Pietzner u. Dr. Ilse Knauer in Liegnits, Dr. 
B. Mühlichen in Arnsdorf (Kr. Liegnits), Dr. Marie Haohfeld in 
Görlitz, Dr. E. Janus u. Dr. F. Borrmann in Bunzlau, Dr. H. 
Liepelt in Gross-Hartmannsdorf (Kr. Bunzlau), Dr. W. Rohrbach 
in Sprottau, E. Lassmann in Lauban, Dr. K. Graewe in Schönau 
a. Katzb., Dr. A. Sohrewentigges in Paderborn, Dr. K. Füngling 
in R)th-Heumar (Kr. Mülheim a. Rh.) San.-Rat Dr. Joh. Kreuz in 
Gillenfeld (Kr. Daun). 

Verzogen: Dr. M. Klütsch von Cöln, Dr. W. May von Fulda u. Dr. A. 
Wickensaok von Dortmund nach Oberhausen, J. Heilmann von 
Braunschweig nach Barmon, Dr« M. H. Kleinertz von Crefeld nach 
Düsseldorf, Dr. Paul Jacobi von Sayn nach Bonn, Ob.-St.-A. a. D. Dr. 
Kurt Ehrlich von Ohligs nach Cöln, Dr. J. Wald von Bonn nach 
Mahlern (Ltfkr. Bonn), Dr. W. Zu mp ft von Saarlouis nach Grumbaoh 
(Kr. St. Wedel), Dr. P. Eichfeld von Buss nach Sonnenberg b. Saar¬ 
brücken, Dr. R. Sohmidt-Schwarzenberg von Potsdam naoh Boss 
(Kr. Saarlouis), Dr. A. M ei lohen von Bitburg naoh Kaiserslautern, 
Dr. J. Schlaaff von Neunkirohen nach Daun, Dr. W. Ewald von 
Bremerhaven u. Dr. G. Michel von Hermeskeil naoh Trier, Dr. J. 
Fieger von Düren naoh Sohaffhausen (Kr. Saarlouis), Wilh. Fischer 
u. Dr. Ella Fischer von Osterfeld sowie Dr. H. Dünnebier von 
Haardt b. Neustadt a. H. naoh Saarbrücken, Dr. L. Ziemann von 
Strassburg nach Bildstook (Ldkr. Saarbrücken), Dr. A. Dieokert von 
Königsberg nach Memel, Dr. H. Katsch von Darkehmen nach Szillen 
(Kr. Ragnit), Dr. R. Mantel von Conrädstein naoh Sobbowitz (Kr. 
Dirsohau), San.-Rat E. Haack von Marienburg nach Danzig. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. K. Weigandt 
von Deutsch Krawarn (Ldkr. Ratibor). 

Gestorben: San. Rat Dr. M. Zehender in Gröbers (Saalkreia), San.-Rat 
Dr. J. Harcken in Dorum (Kr. Lehe), San.-Rat Dr. A. Pieper in 
Lüdinghausen, San.-Rat Dr. Rieh. Wagner in Hanau, Dr. Josef Levi 
in Elberfeld, San.-Rat Dr. H. Kerris in Godesberg. 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hane Kohn, Berlin W., Bayreather 8tr.iS. 


Verlag und Eigentum von August .Hirschwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF IOW? 


Dte Berliner IHluisehe Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nummern von etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen and Postanstalten an. 


BERLINER 


iBe Einsendungen für die Redaktion und Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirsohwald, Berlin NW. f Unter den Linden 68, 
adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posier tiod Prot Dr. Hass Koho August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 

Montag, den 22. Dezember 1919. .M5I. Sechsuüdfunfeigster Jahrgang. 


I N H 

Origiialiea: Melohior: Klinisohe Betrachtungen über den Banchdrock. 
(Aus der Breslauer chirurgischen Klinik [Direktor: Geheimrat 
Küttner].) S. 1201. 

Munk: Die Hypertonie als Krankheitsbegriff („genuine Hypertonie 8 ). 
(Aus der II. medizinischen Klinik' der Charitö, Berlin.) (Illustr.) 
S. 1205. 

Biese: Zur Pathologie des Sympathikus bei Grippe. S. 1208. 

Ridder: Beitrag zur Kenntnis der Dermatomyositis acuta (Pseudo- 
trichinosis). (Aus der inneren -Abteilung des Paul Gerhardt-Stiftes 
zu Berlin.) S. 1211. 

Joaohimoglu: Die pharmakologische Auswertung der Digitalis¬ 
blatter. (Aus dem *pharmakologisohen Institut der Universität 
Berlin.) S. 1212. 

Strub e: Schwerer Kollaps bei einem jugendlichen Patienten nach 
subkutaner Injektion von Asthmolysin. S. 1218. 
Bieherbtapreehiiiiffen : Igersheimer: Syphilis*und Auge. (Bef. See¬ 
felder.) S. 1218. — Liebe: Die Lichtbehandlung (Heliotherapie) in 
den deutschen Lungenheilanstalten. S. 1218. Köhler: Die militär- 


Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor: 
Geheimrat Küttner). ; 

Klinische Betrachtungen über den Bauchdruckj 1 ). 

Von 

Privatdozent Dr. Eduard Melchior. 

Die Frage des Bauchdruckes bildet ein vieldiskutiertes Pro¬ 
blem, bei dem die gegensätzlichen Ansichten oft scharf aufeinander 
geprallt sind. Selbst das Phänomen als solches ist gelegentlich 
bestritten worden (vgl. Chirurgenkongress 1909). Das ist natür¬ 
lich physikalisch ein Unding, denn der Begriff des Druckes ist 
mit jedem von Materie erfüllten Raume ebenso untrennbar vtr- 
bundeu, wie etwa das spezifische Gewicht oder die elektrische 
Leitfähigkeit. Man bat indessen mit jener Negation wohl auch 
nur zum Ausdruck bringen wollen, dass ein zeitlich wie örtlich 
konstanter, positiver Baucbdruck nicht existiert. Diese Fest¬ 
stellung selbst trifft zu. Sie hätte aber gar nicht erst zu jener 
Ablehnung führen dürfen, denn wir sprechen ja auch vom „Blut- 
druck“, obwohl für diesen die gleichen Einschränkungen gelten. — 

Es liegt mir nun fern, im folgenden eine eingehende physi¬ 
kalische Analyse des Baucbdruckes zu entwickeln, eine Aufgabe, 
die auch meine Kompetenz wesentlich überschreiten würde. Ich 
möchte mich vielmehr darauf beschränken, die wichtigsten fest¬ 
stehenden Tatsachen hier kurz zusammenzustellen und im An¬ 
schluss daran zu versuchen, einen Ausblick über die praktische 
Bedeutung dieser Verhältnisse für die Klinik zu geben. 

1. Zur Theorie des Bauchdruckes 2 ). 

Alle Betrachtungen über den normalen Bauchdruck haben 
auszugehen von der anatomischen Konfiguration der Bauch¬ 
höhle. In schematisierter Form dürfen wir uns diese vorstellen 
als eine Kapsel, deren Wandungen teils als starr gelten können 
— Wirbelsäule, untere Thoraxapertur, knöchernes Becken —, zum 
Teil jedoch elastische bzw. kontraktile Membranen dar- 
stellen: vordere Bauch wand, Zwerchfell, muskulöser Beckeuboden. 

1) Vortrag, gehalten in der Sohlesisohen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultur. ' 

2) Literatur bei Hörmann, Aroh. f. Gyn., 1905, Bd. 75. 


ALT. 

ärztliche Beurteilung und Behandlung LuDgentuberkulöser. S. 1218. 
Hirsch: Wohoungselend und Tuberkulose. (Bef. Baomeister.) S. 1218. 
Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1213. — Pharmakologie. S. 1213. — 
Therapie. S. 1214. — Allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie. S. 1214. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1214. — Innere 
Medizin. S. 1214. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1215. 
— Kinderheilkunde. S. 1215. — Chirurgie. S. 1216. — Röntgen¬ 
ologie. S. 1217. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1217. — 
Augenheilkunde. S. 1218. — Hygiene und Sanitätswesen. S. 1218. 
— Gerichtliche Medizin. S. 1219. — Schiffs- und Tropenkrankheiten. 
S. 1219. 

Verhuudiuugen ärztlicher Gesellschaften: Gesellschaft für Ge¬ 
burtshilfe und Gynäkologie zu Berlin. S. 1219. — Medi¬ 
zinisch-Naturwissenschaftliche Gesellschaft zu Jena. 
S. 1220. — Naturhistorisoh-medizinischer Verein zu Heidel¬ 
berg. S. 1220. — Verein deutscher Aerzte zu Prag. S. 1221. 
Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 1223. 

AmtliohevMitteilungen. S. 1224. 


Unter den nachgiebigen Wandungen der Bauchhöhle nimmt 
das Zwerchfell eine Sonderstellung dadurch ein, dass auf seiner 
thorakalen Fläche nicht der gesamte Atmosphärendruck lastet, 
sondern in Ruhelage ein relativer Unterdrück von etwa ü cm 
Wasser. In respiratorischer Ruhelage bei entspannten Bauch¬ 
decken werden also die Baucheingeweide mit entsprechender 
Kraft in den Thoraxranm eingesaugt bzw. — umgekehrt ausge¬ 
drückt — vermittels des auf der Bauchwand lastenden atmosphä¬ 
rischen Ueberdruckes in die untere Brustapertur eingepresst. 
Schon hierdurch allein sind für die Kuppel der Bauchhöhle 
die Bedingungen zur Entstehung eines negativen Druckes 1 ) 
gegeben; beim stehenden Menschen kommt hierzu noch der Ein¬ 
fluss der weiter unten zu besprechenden hydrostatischen Verhält¬ 
nisse der Bauchhöhle. 

Besonders anschaulich lässt sich jene thorakale Ansau¬ 
gung der Bauchorgane mittels des Müller’schen Versuches — 
kräftige Inspiration bei geschlossener Glottis — demonstrieren. 
Das Duodenum kann hierbei bis zu 7 cm höher treten. Moritz 
fand unter diesen Verhältnissen eine intrastomachale Druckernie¬ 
drigung bis zu - 6 cm Wasser. 

Auch bei dem Zustandekommen der Bauch presse ist die 
Rolle des Zwerchfells eine mehr passive. Das Prinzip dieses 
Vorganges besteht darin, dass durch Kontraktion der vorderen 
Bauchwand eine Verkleinerung der Bauchhöhle angestrebt wird, 
die zur entsprechenden Steigerung des Innendruckes führt. Dies 
ist aber nur dann möglich, wenn gleichzeitig das Zwerchfell 
fixiert ist. Es geschieht dies durch eine vorausgeschickte tiefe 
Inspiration. Mit dem Einsetzen des Pressaktes wird nunmehr 
die Glottis geschlossen; die thorakalen Exspirationsmuskeln geben 
auf diese Weise durch Steigerung des Brustinuendruckes dem 
Zwerchfell einen festen Widerhalt, der es verhindert, vor dem 
zunehmenden Bauchdruck nach oben hin auszuweicben. Praktisch 
funktioniert die Bauchpresse nicht nur für die Defäkation, den 
Geburtsakt, bei kräftigen Hustenstössen, sondern auch bei jeder 
plötzlich gesteigerten körperlichen Kraftleistung, beim Heben 
schwerer Gegenstände setzt dieser Mechanismus ein. Vom tech- 


1) Die Bezeichnung „negativer Druck* wird hier dem medizinisohen 
Sprachgebrauch folgend im Sinne von „Unterdrück* angewendet. 


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Original frnm 

UMIVERSITY OF IOWA 






1202 ___ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,_ _ Nr. 61. 


nischen Standpunkte wird man im letzteren Falle die Bedeutung 
der Bauchpresse darin erblicken müssen, dass durch 
„Prallwerden“ des Bauches der Rumpf die füt die 
Kraftleistung notwendigen Druck- und-Biegungsbean¬ 
spruchungen aufnehmen kann, ähnlich etwa wie ein gefüllter 
Parsevalballon- 1 ). Die hierbei eintretende abdominelle Druck- 
erhöbung kann bis zu 2 und 3 m Wasser betragen. Es entspricht 
dem der forcierte Exspirationsdruck, der nach Rollet 2 ) bis zu 
200 mm Hg ansteigt. Die hierbei'eintretende erhebliche Ver¬ 
kleinerung der Bauchhöhle beruht weniger darauf, dass Blut und 
Lymphe nach der Peripherie verdrängt wird, als auf der Kom¬ 
pressibilität der gashaltigen Hohlorgane. 

ln gewöhnlicher passiver Ruhelage und bei gleichmässiger 
ungezwungener Atmung üben dagegen die muskulären Bauch¬ 
wandungen keinen nennenswerten Druck auf den Abdominalinhalt 
aus, wie schon der unter diesen Umständen zu erhebende Pal¬ 
pationsbefund vermuten lässt. Die jeweilige Füllung der 
Bauchhöhle spielt hierbei innerhalb weiter Grenzen nur 
eine untergeordnete Rolle. Denn die Muskulatur verhält 
sich nicht wie elastische Membranen, sondern ihr Tonus folgt 
eigenen physiologischen Gesetzen, auf Grund deren sie sich weit¬ 
gehenden Aenderungen der eingeschlossenen Inbaltsmasse bei 
gleichbleibender Spannung anzupassen vermögen. 

Experimentelle Untersuchungen von Helling, Braune, Weisker 
haben dieses Verhalten klargestellt. Im Einklang hiermit stebt die 
klinische Erfahrung, dass selbst bei vorgeschrittener Gravidität nichts 
auf eine permanente Erhöhung des intraabdomineilen Druckes hindeutet. 
Moritz hat dies durch intrastomachale Druckmessungen bei Schwangeren 
bestätigt. Das gleiche gilt tür allmählich wachsende Tumoren, Er¬ 
güsse u. dgl.; erst bei grösseren Exsudaten, die auch klinisch unter 
den Zeichen der pathologischen Druckerböhung verlaufen, fanden Leyden 
und Quincke eine wesentliche Steigerung des manometrisch feststell¬ 
baren Druckes. 

Eine gewisse rhythmische abdominelle Druckschwankung hängt 
mit der Respiration zusammen, doch sind die Ausschläge bei 
ruhiger Atmung, wie bereits erwähnt, nur geringfügig. Im allge¬ 
meinen geht die Exspiration mit einer durch das Höhertreten des 
Zwerchfelles bedingten absinkenden Druckschwankung -einher, wie 
auch Goetze 3 ) bei Gelegenheit der Insufflation der Bauchhöhle 
zu Röntgenzwecken feststellte, die Inspiration mit einer positiven. 
Es kann jedoch im Beginn der Inspiration der Effekt der Zwerch¬ 
fellsenkung durch kräftige Hebung des Brustkorbes überkompensiert 
werden, so dass der epigastrische Baucbdruck zunächst sinkt. 
Wahrscheinlich kann innerhalb der expiratorischen Phase ein 
entsprechend umgekehrter Vorgang sich geltend machen. Bei 
erschwerter Exspiration wirkt natürlich die forcierte Anspannung 
der vorderen Bauchwand druckerhöhend, während umgekehrt jede 
mechanische Erschwerung der Inspiration eine Saugwirkung im sub¬ 
diaphragmatischen Raume im Gefolge hat, wie z. B. das Phänomen 
der epigastrischen „Einziehungen“ bei Trachealstenosen lehrt. 

Von fundamentaler Bedeutung für die Theorie des Bauch- 
druckes ist weiterhin die Erfahrung, dass die Spannung an 
den einzelnen Punkten der Bauchhöhle keineswegs iden¬ 
tisch ist, wie sich aus den Experimenten von Braune, Weisker, 
Moritz, Helling ergeben bat. Zur Messung des Bauchdruckes 
bestimmen diese Autoren die Spannung innerhalb einzelner, von 
aussen leicht zugänglicher Hohlorgane, also des Mastdarms, der 
Harnblase und des Magens. Natürlich sind die hierbei erhaltenen 
Werte nicht ohne weiteres mit dem Bauchdruck selbst zu identi¬ 
fizieren, da diese Organe schon — infolge ihrer muskulären Wandungen 
— einen beträchtlichen Eigendruck aufbringen können. Wenn man 
jedoch bei diesen Messungen jede stärkere Füllung und die hier¬ 
durch bewirkte passive Spannung vermeidet und überdies jegliche 
zur aktiven Kontraktion führende Reize möglichst fernhält, so 
lassen sich wenigstens einigermaassen vergleichbare Werte ge¬ 
winnen, die auf das Verhalten des Bauchdruckes selbst wesent¬ 
liche Rückschlüsse zulassen. Aus den übereinstimmenden Resul¬ 
taten derartiger Messungen hat sich nun ergeben, dass der intra- 
abdominelle Druck den hydrostatischen Gesetzen weit¬ 
gehend unterworfen ist. Der Bauchinhalt in seiner Gesamtheit 
verhält sich also annähernd so, als wenn er aus Wasser bestände. 
Tatsächlich entspricht dem auch das durchschnittliche spezi¬ 
fische Gewicht der gesamten Bauchorgane in natürlicher Füllung 
(Ludwig). Der Druck in der Bauchhöhle ist also dem- 

1) Mein Bruder, Dipl.-Ing. P. Melohior, Berlin-Charlottenburg, 
machte mich hierauf aufmerksam. 

S) Aroh. f. klin. M., 1877, Bd. 19. 

8) M.m.W., 1918, Nr. 46. 


entsprechend jeweils am tiefsten Punkte am grössten 
und verhält sich — bei entspannten Bauchdecken — 
proportional der Höhe der darauf lastenden Eingeweide¬ 
säule. * 

Hierbei ist jedoch der Nullpunkt — beim stehenden 
Menschen ! — nicht in der obersten Zwerchfellkuppel zu suchen, 
sondern etwas unterhalb, so dass weiter oben ein negativer 
Druck herrscht. Wolkow und Delitzin wiesen dement¬ 
sprechend nach, dass bei vertikal gestellter Leiche Luft in die 
Bauchhöhle eingesaugt wird, wenn man eine Inzision unter dem 
Schwertfortsatz anlegt. Das Gleiche gilt für die Beclcen- 
höhle bei Kopfstellung. Hörmann und schon andere vor 
ihm haben dies auch durch manometrische Feststellungen an 
Mensch und Tier exakt nach weisen können. 

Führt man z. B. in steiler Beckenhochlagerung einen starren 
Katheter in die Blase ein, so kann dabei Luft ausgesaugt werden, 
wie wir noch vor kurzem bei der Operation einer Harnröhren¬ 
ruptur beobachteten. Als nachher zwecks Anlegung einer tem¬ 
porären suprapubischen Fistel der Patient in flache Rückenlage 
zurückgebracht wurde, fand sich die freigelegte Blase ausgiebig 
mit Luft gefüllt. Die unter diesen Umständen eintretende Er¬ 
weiterung der jeweilig tiefsten BaucbhÖhrenabschnitte kommt für 
die Drucksenkungen in den oberen Partien bestimmend in Betracht. 
In besonders ausgesprochener Weise tritt dies beim „Hänge¬ 
bauch“ in die Erscheinung. Die äussere Kontur eines solchen 
Bauches stellt ja geradzu einen mathematischen Ausdruck für 
die zunehmende Drucksteigerung in den unteren Partien dar 
(P. Melchior). Aber auch schon durch die gewöhnliche Pal¬ 
pation kann man sich, wie Helling betonte, leicht davon über¬ 
zeugen, dass in den jeweils abhängigen Teilen die Druckspannung 
progressiv zunimmt. 

Im anatomischen Aufbau de^ Bauchwand entspricht 
diesen Druck Verhältnissen die Textur der Linea alba, die in 
ihren oberen Abschnitten einen breiten dünnen sehnigen Streifen 
darstellt, der vom Nabel abwärts unter zunehmender Quer¬ 
schnittsvermehrung immer schmäler wird. Auch die Mm. 
recti scheinen, soweit sich dies auf Grund operativer Erfahrungen 
beurteilen lässt, in den unteren Bauchabschnitten eine grösser^ 
Mächtigkeit der Schicht aufzuweisen als in den oberen Partien. 

2. Physiologische Bedeutung des Abdom'inaldruckes. 

Angesichts der harmonischen Abstimmung und Korrelation, 
die zwischen den einzelnen Teilen des Organismus im Aufbau 
und Verrichtung zur Geltung kommt, darf angenommen werden, 
dass auch die abdominalen Druckverhältnisse für die Funktion 
der von ihnen betroffenen Systeme nicht ohne Einfluss sind. 
Praktisch ist allerdings die Erforschung der damit zusammen¬ 
hängenden Fragen noch in den ersten Anfängen begriffen, so dass 
wir uns hier zum Teil auf Andeutungen beschränken müssen. 

Wichtige Folgerungen ergeben sich zunächst aus dem Ver¬ 
halten des Bauchdruckes. für die Lehre von der Fixation der 
Eingeweide. Die Gültigkeit der hydrostatischen Gesetze zeigt 
hier an, dass die ursprüngliche Auffassung, wonach die Bauch¬ 
organe an ihren Mesenterien und Aufhängebändern frei 
suspendiert schweben, durchaus falsch ist. Die Eingeweide ruhen 
vielmehr ihrer Unterlage auf, schwimmen also gleichsam, wobei 
der in aufrechter Körperhaltung auf die vordere Bauchwand ein¬ 
wirkende „Seitendruck“ stets dem jeweiligen „Bodendruck“ ent¬ 
spricht. Es zeigt auch der anatomische Aufbau jener Bänder 
durch ihren Mangel an sehnigen Elementen an, dass sie nor¬ 
malerweise nicht auf Zug beansprucht werden [Wied¬ 
hopf 1 )]. Weiterhin ist aus den Untersuchungen über die Sensi¬ 
bilität der Bauchhöhle bekannt, dass ein solcher Zug zu leb¬ 
haftesten Schmerzen führen würde. Erst unter pathologischen 
Verhältnissen, d. h. bei hochgradiger Ptose, bedingt durch 
Erschlaffung des muskulösen Beckenbodens und der vorderen 
Bauchwand, kann eine regelwidrige nennenswerte Belastung jener 
Bänder und Mesenterien erfolgen — daher die schmerzhaften 
Sensationen, welche bei stärkerer Eingeweidesenkung so regel¬ 
mässig auftreten. Für die Therapie ergibt sich aus dieser Er¬ 
kenntnis, dass alle Methoden, welche die Reposition der gesun¬ 
kenen Organe durch Raffung ihres Bandapparates bezw. durch 
sonstige künstliche Suspension anstreben, als unphysiologisch 
gelten müssen, weil sie das Leiden nicht an seiner Ursache an¬ 
greifen. Die rationelle Therapie kann vielmehr nur in einer 
plastischen Rekonstruktion der vorderen Bauch wand bzw. des 


1) D. Zsohr. f. Ohir., 1914, Bd. 198. 


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Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 






BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1208 


22. Dezember 1919. 


Beckenbodens bestehen; speviell für die Behandlung des Mast¬ 
darmvorfalles wird dieses Verfahren schon seit langem mit Er¬ 
folg geübt. Auch Baaer’s Prinzip, durch Rücklagerung des 
Steissbeins dem Beckenboden eine feste Strebe zu verleihen, 
verdient in diesem Zusammenhang genannt zu werden. In Fällen, 
in denen derartige plastische Korrekturen nicht möglich sind, 
bleibt der Bandagenbehandlung ein weites nnd dankbares Feld 
gewahrt. 

Auch für den Ablauf der normalen Blutströmung 
machen sich die Spannungsverhältnisse der Bauchhöhle geltend. 
Denn der im Stehen kranialwärts abnehmende Druck muss 
zweifellos den Rückfluss des Venenblutes begünstigen. Als weitere 
Impulse kommen die rhythmischen Druckschwankungen bei der 
Atmung in Betracht, wie sie aber auch durch die intermittierende 
synergetische Anspannung der Bauchmuskeln bei jeglicher körper¬ 
licher Arbeitsleistung auftreten. Ihre Wirkung muss sich auf 
die abdominelle Blutzirkulation in gleicher Weise geltend machen, 
wie die Strömung in den tieferen Arm und Beinvenen durch die 
Tätigkeit der Extremitätenmuskulatur begünstigt wird. 

Ferner bedeutet für die motorische Leistung des Darmes 
jede rhythmisch erfolgende Spannungsänderung der Bauchmuskeln 
entschieden eine Art von Massage, wie sie erfahrungsgemäss 
einen förderlichen Einfluss auf die Peristaltik ausübt. Daher die 
günstige Einwirkung körperlicher Tätigkeit auf die Darmfunktion. 
Ihr Fortfall stellt andererseits eine der Ursachen der habituellen 
Stuhlträgbeit dar, daher ihr häufiges Vorkommen bei Menschen 
mit sitzender Lebensweise und bei geschädigten Baucbdecken. 
Hierzu kommt freilich noch im Sinne eines Circulus vitiosus, 
dass durch Schwäche der Bauchmuskulatur auch die Defäkation 
selbst beeinträchtigt wird und hierdurch ein neues Moment zur 
Begünstigung der habituellen Obstipation binzutritt. 

Auch bei der bekannten Erscheinung, dass bei bett¬ 
lägerigen, in horizontaler Rückenlage befindlichen 
Patienten die Absetzung der Exkremente und die Miktion 
erschwert zu sein pflegt, ja geradezu unmöglich sein kann, 
spielen die Baachdruckverhältnisse eine entscheidende Rolle. 
Gelangt doch der im Sitzen oder Stehen auf Blase und Mastdarm 
lastende hydrostatische Bauchdruck, der einen wesentlichen Teil 
der für ihre normale Entleerung wirksamen Kräfte darstellt, bei 
horizontaler Körperhaltung in Wegfall. 

__ 8. Herniologisches. 

In bestimmter Weise machen sich ferner die Gesetze des 
Bauchdruckes für die Pathologie der Brüche geltend. Je tiefer 
— beim stehenden Menschen gerechnet — eine schwache Stelle 
oder Lücke in der Bauchwand sich befindet, desto stärker 
ist der hierauf lastende Druck und desto grösser daher die 
Neigung zur Entstehung eines Bruches. Demgemäss verhält sich 
auch bei bereits aasgebildeten Hernien die Neigung zur Ver- 
grösserang und zur Inkarzeration etwa umgekehrt proportional 
zu ihrer Höhenlage. Hieraus erklärt es sich, dass die meisten 
epigastrischen Brüche zeitlebens klein bleiben und nur ganz aus¬ 
nahmsweise sich einklemmen, während die sich selbst über¬ 
lassenen Leistenhernien der Erwachsenen meist unaufhaltsam znr 
Bventration führen. Unter einer grösseren Zahl von Brüchen der 
seitlichen Bauchwand wiesen die oberhalb des Nabels gelegenen 
eine Inkarzerationsfrequenz von 80 pCt. auf, die unterhalb be¬ 
findlichen dagegen von 78,6pCt. 1 ). Besonders sinnfällig machen 
sieb diese Verhältnisse auch für das Schicksal .der Bauch narben 
geltend. Während so z. B. die Inzisionen zur Freilegung der 
Gallenblase — fast ohne Rücksicht auf die Art der Schnitt¬ 
führung — zumeist ganz ausgezeichnete Resultate ergeben, und 
grobe Dehiszenzen der Linea alba oberhalb des Nabels durchaus 
nicht immer eine Hernienbildung im Gefolge zu haben brauchen, 
spielt diese Komplikation im Bereiche der Unterbauchgegend eine 
sehr viel grössere Rolle. 

Recht anschaulich ist in dieser Beziehung das Verhalten der 
supraumbilikalen Rektusdiastase bei Frauen mit schlaffen 
Baucbdecken. Lässt man eine solche Patientin sich ohne Unter¬ 
stützung der Hände frei aus der Rückenlage aufrichten, so 
kommt es mit der Anspannung der Bauchdecken sofort zu einer 
kielförmigen Vorwölbung zwischen den klaffenden Muskelplatten, 
während im Stehen dieses Phänomen auch bei heftigen Husten- 
stössen auszubleiben pflegt. Ich habe diesen Vorgang so häufig 
und regelmässig beobachtet, dass er geradezu als gesetzmässig 
gelten kann. 

1) Zugrunde gelegt ist dieser Bereohnung das von Stühmer 
(Bruns 1 Beitr., 1910, Bd. 66)^susammengestellk Material. 


Freilich schützt der in der Zwerchfellkuppel normalerweise 
herrschende verminderte Druck nicht davor, dass es bei Konti- 
nuität8trennungen des Diaphragma zu einem Oebertritt von 
Baucheingeweiden in die Brusthöhle kommt. Auf Grund der 
gegenseitigen Druckverhältnisse wird dies ohne weiteres verständ¬ 
lich. Namentlich bei tiefer Inspiration muss ja gegenüber dem 
ansteigenden Abdominaldruck die sinkende Spannung in der 
Pleurahöhle eine mächtige Ansaugung auf die der Zwerchfell¬ 
lücke anliegenden Organe ausüben. 

4. Arterio-mesenterialer Duodenal Vorschluss. 

In engster Beziehung zu den bisher besprochenen physi¬ 
kalischen Fragen steht die Lehre vom arterio-mesenterialen Duo¬ 
denalverschluss. Man versteht hierunter einen echten mechani¬ 
schen Ileus, der dadurch zustande kommen soll, dass das Dünn¬ 
darmkonvolut in das kleine Becken herabsinkt, die Mesenterial¬ 
wurzel sich strafft und auf diese Weise das von ihr überkreuzte 
Endstück des Duodenums verlegt. Gegen diese Formulierung 
habe ich in einer theoretisch-experimentellen Studie vor mehreren 
Jahren Stellung genommen 1 ). Der Einspruch gründete sich, ab¬ 
gesehen davon, dass das klinische Verhalten zu diesem Mechanis¬ 
mus nicht recht zu passen schien, vornehmlich darauf, dass auf 
Grund der besprochenen Statik der Bauchorgane der Dünndarm 
keine nennenswerten Zagkräfte auf das Mesenterium ausüben 
kann, vor allem nicht in horizontaler Rückenlage, in der sich 
diese Komplikation am häufigsten einstellt. 

Seit meiner damaligen Mitteilung sind indessen neuere Beob¬ 
achtungen bekannt geworden — v. Haberer 2 ), Bollag, Frank, 
Wagner 8 ) u. a. —, die auch bei grösster Skepsis keinen Zweifel 
daran lassen, dass tatsächlich ein echter mechanischer Heus, 
bei dem das Hindernis der Mesenterialüberkreuzung entspricht, 
vorkommt. Allerdings ist dieser Vorgang alles andere wie häufig, 
und auch v. Haberer selbst betont, dass diese Krankheit viel 
seltener vorkommt, als sie beschrieben wurde. Eine völlige 
Klarstellung des zum Darmverschlass führenden Mecha¬ 
nismus fehlt indessen nach wie vor, und v. Haberer selbst 
gibt zu, „dass gewiss nicht der Zug am Mesenterium dazu aus¬ 
reicht, um eine Duodenalverlegung herbeizuführen 4 . 4 . Hiermit 
stimmt überein, dass die klassische Behandlung dieser Darm- 
okklusion, d. b. die von Schnitzler inaugurierte Anwendung 
der Bauch- bzw. Knie-Ellenbogenlage, die theoretisch 
als einzig rationelle und unbedingt wirksame Therapie 
gelten müsste, auch bei einwandfreien Fällen dieser 
Art völlig versagen kann — Bollag, Theuerkauf 4 ), 
Ranzel 5 ) —, während sie bei zweifelloser Atonie — 
z. B. Linke’s 8 ) Falls — gelegentlich einen prompten Er¬ 
folg herbei führte. Weiterhin wird die Beurteilung noch da¬ 
durch besonders erschwert, dass ein in jeder Hinsicht ent¬ 
sprechendes Krankheitsbild auch durch einen Knick Verschluss 
des Zwölffingerdarms zustande kommen kann, wie sich aus 
Beobachtungen von Wagner 7 ), Linke, Mayerhofer ergibt; 
aueh Simmonds 8 ) hat auf diese Möglichkeit hingewiesen. 

Schliesslich sind aber auch Fälle bekannt ge* 
worden, in denen zwar die Blähung bis zum kritischen 
Punkte reichte, ohne dass jedoch ein mechanisches 
Hindernis bestand. 

So teilte Matth es 0 ) neuerdings eine Beobachtung mit von 
akuter Dilatation des Magens, die auch das gesamte Duo¬ 
denum beteiligte „bis zum Durchtritt desselben unter der Radix 
mesenterii. Ein mechanischer Verschluss war aber dort 
nicht vorhanden 4410 ). 

1) B.kl.W., 1914, Nr. 88/39. v. Haberer scheint es mir als Vor¬ 
wurf anzurechnen, dass ich nicht aus eigener Anschauung zu dieser 
Krankheit Steilung nehmen konnte. Mir ist dies nicht ganz verstand- ‘ 
lieb, denn wenn ich selbst einen solchen Fall beobachtet hätte, würde 
ich ja schwerlich die Existenz dieses Ileus bestritten haben. Um so 
vertrauter war mir jedoch aus eigener Anschauung die ^lamit häufig 
verwechselte gastrische bzw. gastro-duodenale Atonie. 

2) Langenb. Arch , 1917, Bd. 108. 

3) D. Zschr. f. Chir., 1918, Bd. 147. 

4) M.m.W., 1918, S. 889. 

5) D. Zschr. f. Chir., 1919, Bd. 150. 

6) Bruns 1 Beitr., 1914, Bd. 98. 

7) D. Zschr. f. Chir., 1918, Bd. 146. 

8) M.m.W., 1909, S. 680. 

9) Lehrbuch der Differentialdiagnose innerer Krankheiten. S. 16. 
Berlin 1919. 

10) Im Original nioht gesperrt. 


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1204 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 61. 


Fälle dieser Art sind, es, die offenbar unter den 
Begriff der reinen gastro-duodenalen Atonie fallen. 

Hierzu kommen nun noch mancherlei Widerspruche, die sich 
aus dem klinischen Verhaltendes arterio mesenterialen Duodenal* 
Verschlusses gegenüber der theoretischen Vorstellung ergeben, 
doch muss ich es mir versagen, mich an -dieser Stelle in Einzel¬ 
heiten zu verlieren. Nur im Zusammenhänge mit dem uns hier 
beschäftigenden Grundproblem des intraabdominellen Druckes 
konnte diese interessante lleusform hier berücksichtigt werden. 

5. Bauchdruck und Peritonitis. 

Eine wesentliche Rolle spielen die abdominellen Druck- 
Verhältnisse im Rahmen der akuten Peritonitis. Dass im initialen 
Stadium der diffusen Bauchfellentzündung infolge der 
allgemeinen, auch das Zwerchfell beteiligenden Muskelspannung 
der Bauchdruck als erhöht zu betrachten ist, ergibt sich ohne 
weiteres. Welche Folgen dieser Zustand für die Ausbreitung der 
Infektion und die Resorption des toxischen Materials besitzt, ist 
nicht ganz einfach zu beurteilen. Sicher ist aber wohl, dass 
infolge der erhöhten intraabdominellen Tension eine 
Blutüberfüllung des Splanchnikussystems zunächst ver¬ 
hindert wird. Für die Aufrechterhaltung der peripheren Zirku¬ 
lation ist dieses Moment von wesentlicher Bedeutung. 

Nach manchen Autoren soll eine derartige allgemeine Erhöhung des 
Bauchdruckes die Durchblutung dsr Nieren und damit ihre Funktion 
herabsetzen (Wendt); Leyden 1 ) hatte sogar die „SohwangerschaftB- 
niere a auf eine derartig bedingte Anämie ursächlich zurückführen wollen. 
Wie weit jedoch hierdurch die bei der Peritonitis meist bestehende 
Oligurie tatsächlich zu erklären ist, bleibt recht fraglich; es konkurrieren 
hier mindestens auch noch andere Faktoren, wie Herabsetzung der in¬ 
testinalen Resorption, toxische Parencbymsobädigungen, Fieber, peri¬ 
toneale Exsudation u. dgl. 

Wesentlich ändert sich die Beeinflussung der allgemeinen 
Blutzirkulation mit dem Augenblicke, wo bei fortschreitender 
Peritonitis die ursprüngliche aktive Baucbdeckenspannung — offen¬ 
bar unter *iera Einfluss der Toxikämie — einer paralytischen Er¬ 
schlaffung Platz macht. Die hierdurch herbeigeführte Druck¬ 
senkung hat eine Blutüberfüllung des Splanehnikus- 
systems zur Folge, und jeder Chirurg kennt das charakteristische 
Bild der zyanotisch gestauten Därme, wie man es in diesem 
Stadium bei der Laparotomie antrifft. Sekundär bedingt 
diese Plethora abdominalis eine erhebliche Reduktion 
der peripher zirkulierenden Blutmenge und stellt damit 
eine der Ursachen der allgemeinen Blutdrucksenkung 
dar, wie sie das Spätstadium der allgemeinen Peritonitis 
in so fataler Weiss charakterisiert. 

Der Darmkanal selbst reagiert auf die infolge der Erschlaffung 
der Bauchwandmuskulatur eintretende Herabsetzung des auf ihm 
lastenden Druckes mit zunehmendem Meteorismus. Wenn 
dieser unter dem Einflüsse- der intestinalen Gärung sich weiter 
steigert, so kann die Darmblähung sekundär wieder durch Vermitt¬ 
lung einer passiven Bauchdeckenspannung zum Wiederanstieg des 
intraabdominellen Druckes führen. Dass jedoch erfahrungsgemäss 
eine Verbesserung der Zirkulation hierdurch nicht mehr erfolgt, liegt 
— von allen anderen Momenten abgesehen — in erster Linie daran, 
dass infolge des meteoristischen Zwerchfellhochstandes die Atmung 
und damit einer der wichtigen Hilfsfaktoren des Venenkreislaufes 
auf das schwerste beeinträchtigt wird. Die gelegentlich ge¬ 
brauchte Bezeichnung des „blauen Stadiums“ der Peritonitis 
charakterisiert dieses Bild nur allzu gut. — Einen anschaulichen 
Begriff von der enormen Drucksteigerung, die in einem solchen 
„Trommelbauche“ gelegentlich herrschen kann, gibt die Beob¬ 
achtung, dass die ad maximum gedehnten, bei der Laparotomie 
vorquellenden Darmschlingen intra Operationen! leicht Serosa- 
risse erleiden, ja selbst bersten können. Popping 2 ) vergleicht 
'dieses Phänomen nicht unzutreffend mit dem Platzen der Tief¬ 
seefische, die an die Meeresoberfläche gebracht werden. Die 
intakten Bauchdecken wirken unter diesen Umständen offenbar 
wie das Schfftznetz über einem dünnen Gummiballon; wird dieser 
ad maximum gebläht und gibt das Netz an eioer Stelle nach, so 
zerreisst unweigerlich die des äusseren Gegendruckes beraubte 
elastische Membran. — Natürlich ist dabei auch zu berücksichtigen, 
dass die Darmwand selbst bei diesen Zuständen oft schwer ge¬ 
schädigt ist. 

Auf die Ausbreitung entzündlicher Prozesse, d. h. der 
Exsudate oder der aus Perforationsöffnungen austretenden Flüssig¬ 

1) D.m.W., 1886, S. 186. 

2) Cbirurgenkongress 1910. 


keiten dürfte der Bauchdruck insoweit eine Bedeutung haben, als 
die in der Zwerchfellkuppel herrschende Zone ver¬ 
minderten Druckes das Einströmen in diesen Bereich 
d urch Aspiration begünstigt. Dadurch erklärt sich die offen¬ 
bar bestehende Neigung zur Infektion des subphrenischen Raumes 
auch gegen das Gesetz der Schwere. 

Ebenso muss aber auch das Druckminimum der Ober¬ 
bauchgegend die Perforation bestehender Magen- resp. 
Duodenalgeschwüre begünstigen, da der auf der Geschwürs¬ 
fläche lastende Eigeninnendruck dieser Organe hierdurch in ver¬ 
hängnisvoller Weise gesteigert werden kann. — 

Die Frage der künstlichen Wiederherstellung des 
normalen intraabdominellen Druckes hat für die chirur¬ 
gische Behandlung Tier diffusen Peritonitis eine aktuelle 
Bedeutung erlangt. Es ist das Verdienst von Rehn und 
seiner Schule, hier mit der alten Methode, die den Bauch weit 
offen liess und breit tamponierte, grundsätzlich gebrochen zu 
haben zugunsten der Wiederherstellung der vorderen Bauchwand, 
die bis auf ein in den Douglas’schen Raum geführtes Stgigerohr 
primär geschlossen wird. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass in 
halbsitzender Körperhaltung die sich in der Beckenhöhle an¬ 
sammelnde Flüssigkeit schon durch den hydrostatischen Druck 
der Eingeweide, entsprechend dem Prinzip der kommunizieren¬ 
den Röhren (Propping), zum Abfluss nach aussen gebracht 
werden muss. Rotters Ansicht, dass auch bei offener Bauch¬ 
höhle dies möglich sei, wird zunächst schon dadurch hinfällig, 
dass hierbei ein Aufrichten des Patenten zweifellos zum Prolaps 
der Baucbeingeweide führen würde. Dass aber bei Rückenlage 
eine wirksame Drainage nach vorn nicht möglich ist, sondern 
vielmehr die freiliegenden Därme auf der stagnierenden Flüssig¬ 
keit schwimmen, hat die klinische Erfahrung hinreichend ergeben. 
Nur eine nach hinten oder unten gerichtete, d. h. lumbale 
resp. rektale (vaginale) Drainage könnte als wirksamer 
Ersatz in Frage kommen. Praktisch werden allerdings alle 
diese Möglichkeiten dadurch wesentlich eingeschränkt, dass die 
bald eintretenden Verklebungen der Darmschlingen miteinander 
das einheitliche Flüssigkeitssystem unterbrechen und damit der 
wirksamen Drainage die theoretisch notwendigen Vorbedingungen 
entziehen. Doch bietet auch unter diesen Umständen die von 
mancher Seite so sehr bekämpfte oder missachtete Forderung der 
„Wiederherstellung des abdominellen Druckes“ den Vorteil, dass 
die für die Zirkulation uuii Peristaltik erforderlichen Aussen- 
bedingungen wenigstens zum Teil wieder der Norm angenähert 
werden. Die übrigen Fragen der primären Bauchnaht, die sich 
vornehmlich auf die Infektion und postoperative Hernienbildung 
beziehen, können hier ausser acht gelassen werden. - 

6. Die Operationen in Beckenhochlagerung. 

Eine weitere piaktische Nutzanwendung, die sich aus der 
Erkenntnis des Bauchdruckes ergibt, bildet die Becken hoch lage- 
rung, die nicht nur in der operativen Gynäkologie, sondern auch 
in der Chirurgie eine wichtige Rolle spielt. Der in dieser Lage 
herrschende negative Beckendruck lässt im Momente der Eröffnung 
des Peritoneums die atmosphärische Luft frei einströmen: der 
Darm sinkt infolgedessen weit in die Zwerchfellkuppel hinab, 
ein übersichtliches Operieren an den Beckenorganen wird auf 
diese Weise ermöglicht. 

Auch auf das Scheidengewölbe macht sich naturgemäss 
bei steiler Beckenhochlagerung diese Entlastung geltend, doch 
pflegt unter normalen Verhältnissen die Luftdicht einzutreten, 
weil durch den äusseren Ueberdruck die Scheidenwände auf¬ 
einander gepresst werden und daher als Ventil wirken. Es genügt 
aber, ein Spekulum oder -dergl. einzuführen, damit die Luft frei 
nachströmt und die Scheide weit zum Klaffen bringt, eine viel 
verwendete Methode, die auf Sims zurückgeht. Auch für das 
Rektum gelten entsprechende Verhältnisse. — 

Nur in Bezug auf einige wenige Fragen habe ich versucht, 
die Bedeutung, die sich aus der Erkenntnis der abdominellen 
Druck Verhältnisse für die Klinik ergibt, knrz darzulegen. Es ist 
aber nicht daran zu zweifeln, da.'s dieses Problem noch weitaus 
vielseitiger ist, und bei exakter Beobachtung wird es sicher ge¬ 
lingen, noch manche andere Vorgänge, die bisher der Erklärung 
harren, auf diese physikalische Basis znrückzuführeu und prak¬ 
tisch wichtige Ergebnisse daraus za gewinnen. 


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22. December 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1205 


Aus der II. medizinischen Klinik der Charit^, Berlin. 

. Die Hypertonie als Krankheitsbegriff 
[„genuine Hypertonie“] 1 ). 

Von 

Fritz Mink. 

Seit wir den arteriellen Blutdruck mit den verschiedenen 
Arten der Sphygmomanometer sahlengemäss feststellen, ist uns 
der Begriff der arteriellen Hypertension ein geläufiges Krankbeits- 
symptorö geworden. Namentlich gilt dies von dem Befände einer 
dauernden Blutdrucksteigerung über das normale 
Höchstmaass, welches wir beim Hanne etwa von 110—130mm Hg, 
bei der Fran auf 100—120 mm Hg (nach RivaRocci) be 
messen, wobei bemerkt sei, dass wir in der gegenwärtigen Zeit 
einer herabgesetzten und namentlich fleischarmen Ernährung all¬ 
gemein niedrigere Zahlen als in der Vorkriegszeit antreffen. 

Die Erhöhung des arteriellen Blutdrucks hat ohne Zweifel 
ihre Ursache in einem erhöhten Widerstand, in einem verstärkten 
Gefässtonus im arteriellen System bzw. in einer Behinderung des 
Blatabflusses aus dem arteriellen in das venöse System. Als Sitz 
dieser Behinderung wurden bisher vorzugsweise die Nierengefässe 
angeschuldigt. Das Symptom einer permanenten Hyper¬ 
tension wird darum heute unter dem Einflüsse bestimmter 
Theorien über sein Zustandekommen in den weitesten Kreisen 
der Aerzte schlechthin als eine Folge einer Nierenerkrankung 
aafgefasst. Wenn ich zunächst die Abwege dieses diagaostiscben 
Gedankengangs beleuchten möchte, so ist es mir nicht möglich, 
im einzelnen auf die Widersprüche aller dieses Theorien mit den 
kasuistischen Tatsachen eintugehen 2 ). Ich kann aber dabin 
resümieren, dass auch nicht eine einzige Theorie unter aus¬ 
schliesslicher Berücksichtigung der Nierengefässe eine befriedigende 
Erklärung der permanenten Hypertonie, selbst nicht einmal 
für die Fälle der akuten und chronischen Glomerulo¬ 
nephritis zu geben vermag. Dagegen sprechen andererseits eine 
Reihe von Tatsachen dafür, dass auch die Glomerulonephritis 
eine allgemeine Gefässerkrankung ist, bei der vielleicht die 
Glomeruli ganz vorwiegend, aber auch alle anderen Kapillaren, 
namentlich die der Haut und des Unterhautgewebes, mehr oder 
weniger beteiligt sind. Ich möchte mich dabei vorläufig noch 
nicht auf die Befunde der direkten Kapillarbeschauung von Ott- 
fried Müller und Weiss berufen, obgleich sie meine Ansicht 
bestätigen. Wohl aber darf ich auf die Veränderungen am Augen¬ 
hintergrund und das oft zu Beginn der Glomerulonephritis in 
grösster Stärke einsetzende Oedem hin weisen, welches wir nicht 
anders erklären können als durch eine allgemeine Schädigung 
der Gefässe infolge einer allgemeinen Intoxikation. Diese Auf¬ 
fassung steht auch im Einklang mit der Tatsache, dass der im 
ersten Beginn der Krankheit sehr stark erhöhte Blutdruck nach 
Ablauf der akuten Allgemeinsymptome zunächst wieder be¬ 
trächtlich sinkt, um dann bei der chronisch verlaufenden und 
allmählich zur Schrumpfniere führenden Nephritis oft erst nach 
Jahren wieder anzusteigen. Dabei finden wir die stärkste Hyper¬ 
tonie bei der subakuten Form der Glomerulonephritis, bei der 
•s im allgemeinen gar nicht zu einer Sohfumpfung kommt. 
Besonders in solchen rasch verlaufenden Fällen finden sich ferner 
schon in sehr frühem Alter, häufig schon im Kindesalter nach 
relativ kurzer Krankheitsdauer, Veränderungen an den Gefässen, 
die sonst späterem Alter angehören. Diese Veränderungen können 
kaum etwa als eine unmittelbare Folge einer „nephrogenen“ Blut¬ 
drucksteigerung angesehen werden, denn selbst bei älteren Per¬ 
sonen kann, wie wir wissen, lange Zeit Hypertonie bestehen ohne 
derartige iotensive Gefässveränderungen. Vielmehr deutet auch 
dieser Befund auf eine primäre Gefässschädigung in extrarenalen 
Gebieten hin. Man darf sich daher selbst bei einer Erklärung 
der Hypertonie bei der akuten und chronischen Glomerulonephritis 
nicht auf eine Berücksichtigung der Nierengefässe allein be¬ 
schränken und wird in Zukunft mehr wie bisher dabei auch auf 
die}Beschaffenheit der Gefässe anderer Organe bzw. des ganzen 
Organismus zu achten haben. 

Die diagnostische Bewertung sowie auch die Erforschung der per¬ 
manenten Hypertonie hatte sich in den Theorien über den kausalen 


1) Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 
82. Oktober 1919. 

2) Siehe meine Ausführungen in meiner Monographie: Pathologie 
und Klinik der Nephrosen, Nephritiden und Sohrumpfnieren. Berlin- 
Wien 1918, Urban & Schwarzenberg. 


Zusammenhang mit Nierenerkrankungen in den letzten Jahrzehnten 
geradezu festgeläufen, obgleioh bereits Frerichs und später Senator 
den Standpunkt vertreten hatten, dass der grösste Teil der Herz¬ 
hypertrophien, namentlich bei der genuinen Scbrumpfniere 
der Entwicklung der Nierenveränderuugen vorausgehe und 
eine extrarenale Ursache habe. Erat neuerdings kommen die mit 
dieser Auffassung übereinstimmenden Befunde am Obduktionstisch und 
klinischen Beobachtungen wieder zur Geltung. Von den pathologischen 
Anatomen vertritt namentlich Jore9 die Ansicht, dass in der Schädigung, 
welche die als rote GranularnieTe bezeiohnete Art der Scbrumpfniere 
hervorruft, eine blutdruoksteigernde Wirkung von vornherein gegeben ist. 
Ebenso ausdrücklich betont Löh lein das Vorkommen von Herzhyper¬ 
trophie ohne entsprechende Nieren Veränderungen. Von klinischer Seite 
wurde insbesondere von Basch, Krebl, Pal, E. Frank, Münzer, 
R.Schmidt u. a. auf das Auftreten sehr hoher Blutdruokwerte 
hingewiesen in Fällen, in denen sich keinerlei Erscheinungen 
seitens der Nieren feststellen Hessen. 

loh selbst konnte durch systematische Untersuchungen im patho¬ 
logischen Institut der Charite unter Berücksichtigung der Beschaffenheit 
des Herzens, der Nieren und der Gefässe in anderen Organen in einer 
grossen Zahl von Fällen eine auffallende Inkongruenz zwischen Herz- 
Hypertrophie und Nieren Veränderungen feststellen. Das Ergebnis dieser 
Untersuchungen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann 1 ), noch 
mehr aber die klinische Beobachtung einer Reihe von Fällen mit Hyper¬ 
tonie und Herzbypertrophie, bei denen die Obduktion eine anatomisehe 
Kontrolle ermöglichte, erbrachten mir die Erkenntnis, dass dem Krank- 
heitsbild der Hypertonie in diesen Fällen eine weit über 
den Rahmen einer Nierenkrankheit hinausgehende Bedeutung 
zukommt. 

Schon Anfang der siebziger Jahre wurde von Gull und Sutton, 
welche als Ursache der Hypertonie eine Veränderung der feinen arte¬ 
riellen Gefässe, die von ihnen sogenannten „arteriokapilläre Fibrosis“, 
ansahen, betont, dass hierbei nicht allein die Gefässe der Niere, 
sondern ebenso auch die anderer Organe bzw. des ganzen 
Organismus in Betracht kommen. Gegenüber der Auffassung dieser 
Autoren über den konsekutiven Zusammenhang zwischen Herzhyper¬ 
trophie und Gefässveränderungen wendet schon Senator ein, dass die 
Arterienerkrankungen zwar häufig sind, aber oft in gar keinem Ver¬ 
hältnis zur Herzhypertrophie stehen, was ich nach dem Er¬ 
gebnis meiner eigenen Untersuchungen auch in bezug auf die arterielle 
Hypertonie durchaus bestätigen kann. Die kasuistischen Beob¬ 
achtungen sprechen demnach dafür, dass in dem Komplex der Er¬ 
scheinungen die Hypertonie das primäre Moment der Krankheit darstellt, 
wahrend die Herzhypertrophie und die Gefässveränderungen als ihre 
Folgen angesehen werden müssen. Von diesem pathogenetischen 
Standpunkte aus wird man darum den Krankheitskomplex der ar¬ 
teriellen Hypertonie und Herzhypertrophie, solange andere lokale 
oder funktionelle Krankheitsersoheinungen und bestimmte 
ätiologische Momente fehlen, in historischer Anlehnung an die „genuine 
Schrurapfniere“ zweckmässig als „genuine Hypertonie“ oder nach E. Frank 
als „essentielle Hypertonie“ bezeichnen. 

Mit dieser Definition scheidet die arterielle Hypertonie als Symptom 
bestimmter Erkrankungen, etwa einer chronischen Nepritis oder der 
Arteriosklerose oder anderer krankhafter Zustände naturgemäss aus 
unserer weiteren Betrachtung aus. Eine Blutdruokerhöhung dieser Art 
ist auch anders zu beurteilen als das im Rahmen des Krankheitsbildes 
der „genuinen Hypertonie“ quasi führende Symptom der Erhöhung des 
arteriellen Blutdrucks. 

Angesichts der Tatsache, dass sich als Folge der „genuinen“ 
Hypertonie wohl in den meisten Fällen Gefässveränderungen der ge¬ 
schilderten Art einstellen und man diagnostisch nicht entscheiden kann, 
ob und wann solche bereits eingetreten sind oder nicht, kann man auch 
dem Vorschlag F. Müller's zustimmen und die Bezeiohnung*„Arterio- 
sklerose“ gelten lassen. Jedenfalls aber ist man nicht berechtigt, 
von einer „NierenSklerose“ zu spreohen, wie dies üblioh ist, da 
man einesteils keinen Beweis für tatsächlich vorhandene sklerotisoh ver¬ 
änderte Nierengefässe hat und anderenteils die Veränderungen der Ge- 
fasse in anderen Organen viel beträchtlicher sein; können, so dass man 
mit dem gleichen Rechte z. B. von einer „Hirnsklerose“ sprechen 
könnte. 

Stets muss man bei der Auffassung der genuinen 
Hypertonie die Vorstellung einer Systemerkranknng 
haben, bei deren Feststellung sich noch nicht über¬ 
sehen lässt, welchen Verlauf die Krankheit nehmen 
wird und in welchem Organ der Locus minoris resi- 
stentiae hervortreten wird. 

Ueberblickt man zunächst vom klinischen Standpunkte aus 
die Möglichkeiten des Verlaufs, so sind an erster Stelle diejenigen 
leichteren Fälle zu erwähnen, bei denen sich die Folgen der 
Hypertonie in allgemeinen nervösen Erscheinungen, etwa unter 
dem Bilde einer „Neurasthenie“, als Kopfdruck, Kopf¬ 
schmerzen, Reizbarkeit, leichte Ermüdbarkeit, Schlaflosigkeit usw., 
bemerkbar machen. In diesen Fällen kann die Blutdrucksteige- 


1) Siehe die gen. Monographie und Med. Klinik, 1916, Nr. 89—41. 

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1206 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 61. 


rang nur geringe Grade aufweisen oder sich ein nur zeitweises 
und vorübergehendes Ansteigen bis sa höheren Graden — die 
sogenannten „depressorischen Gefässkrisen w (Pal) — be¬ 
merkbar machen. Als einer der allerersten hat der Wiener Arzt 
Federn die Bedeutung des Blutdrucks in diesem Zusammenhänge 
erkannt und studiert. Es liegt hier noch ein grosses „Grenz¬ 
gebiet“ zwischen der Neurologie und der inneren Medizin vor 
uns, und nur eine wechselseitige Vertiefung in das Wesen und 
die Ursache der hier zutage tretenden Krankbeitserscheinungen 
vermag eine Aufklärung zahlreicher Krankheitsfälle zu erbringen. 

In anderen schwereren Fällen ist die Hypertonie mit Er¬ 
scheinungen seitens des Zentralnervensystems verbunden, die in 
ihrer Art und nach den Erfahrungen am Operationstische eine 
Lokalisation der bereits eingetretenen Kapillarsklerose 
namentlich an den Hirngefässen annehmen lassen. Zu den 
bereits geschilderten Symptomen treten in diesen Fällen Schwindel¬ 
und Ohnmachtsanfälle, Gedächtnisschwäche, Sehstörungen, Augen- 
hintergruhdsveränderungen bis zu schweren organischen Funktions¬ 
ausfällen im Sinne der sogenannten Pseudourämie, die unter 
diesen Umständen mit einer Harnvergiftung an sich nichts zu tun 
hat. (Man würde daher bei diesen Erscheinungen besser die Be¬ 
zeichnung „Urämie“ überhaupt vermeiden und etwa von „hyper¬ 
tonischer Hirnsklerose“ sprechen.) Eine ganz erhebliche An¬ 
zahl der Patienten mit genuiner Hypertonie endet schliesslich 
an einer Apoplexie. Dieser Ausgang kann häufig schon er¬ 
folgen zu einer Zeit, in der sonstige Funktionsstörungen irgend¬ 
welcher Art fehlen. 

In einer weiteren sehr beträchtlichen Zahl der Fälle stehen 
Erscheinungen seitens des Herzens im Vordergründe des 
Kr&nkheitsbildes: Herzklopfen, Schmerzen in der Herzgegend und 
im Nacken, Beklemmungen, Kurzatmigkeit, Extrasystolen uftw. 
sind die Beschwerden der Kranken, und nicht selten sehen wir, 
dass das Herz gewissermaassen gleich dem ersten Ansturm der 
Krankheit unterliegt und im unmittelbaren Anschluss an einen 
gewissen Grad von Hypertonie die Erscheinungen der Herz¬ 
insuffizienz ein treten. Es ist mir nicht möglich, an dieser Stelle 
eine ausführliche Schilderung aller subjektiven und objektiven 
Symptome zu geben, sondern ich muss mich lediglich mit deren 
Klassifikation begnügen. 

In nicht allzu häufigen Fällen macht sich ferner die Krank¬ 
heit durch einen Diabetes geltend, den wir — worauf Fr.v. Müller 
binweist — als eine Folge von Gefässprozessen im Pankreas 
aufsufassen haben. 

Wenn ich endlich die Fälle mit Erscheinungen seitens 
der Nieren an letzter Stelle aufzäblo, so soll damit nicht ge¬ 
sagt sein, dass diese Lokalisation der Krankheit nicht eine sehr 
häufige ist. Freilich werden die konsekutiven Funktions¬ 
störungen im Sinne der Urämie lange nicht so häufig 
zur Todesursache bei dieser Krankheit als etwa die 
Apoplexie oder die Herzinsuffienz. Von einer „genuinen 
Schrumpfniere* im klinischen Sinne sprechen wir erst dann, 
wenn im Rahmen der geschilderten Erscheinungen der genuinen 
Hypertonie konsekutive anatomische Prozesse in der 
Niere, sei es durch Funktionsstörungen oder sei es 
durch den Urinbefund, festzustellen sind. Die „Nierensklerose“ 
oder, da diese nicht zu diagnostizieren ist, besser die „genuine 
Scbrumpfniere“ gilt uns demnach nur als eine Teil¬ 
erscheinung der „genuinen Hypertonie*. 

Naturgemäss sind die Erscheinungen und die Verlaufsarten 
der Krankheit meist nicht so scharf getrennt. Kombinationen 
der verschiedensten Art kommen vor. 

Als ein Beispiel dieser Art möchte ioh den Fall einer kürzlloh 
beobachteten 56 jährigen. Frau anführen, die wegen Diabetes bei uns 
aufgenommen wurde. Sie hatte einen Blutdruck von 160 mm Hg. ein 
bypertrophiertes und bereits dilatiertes Hers, massig starkes Knöobel- 
ödem als Ausdruck der beginnenden Dekompensation und eine massige, 
nur wenig beeinflussbare Glybosurie. Ausser über typische Herz¬ 
beschwerden klagte Pat. ausdrücklich darüber, dass sie in letzter Zeit 
sehr stark vergesslich geworden sei und häufig Schwindelanfälle habe. 
In ihrem Urin fanden sich 2—3 pM. Eiweiss. ganz vereinzelte Zylinder, 
relativ reichliche, nicht doppeltbreohende Fettelemente. Die Funktions¬ 
prüfungen (Verdünnungs- und Konzentrationsversuch) ergab eine ver¬ 
zögerte WasseTausscheiduDg, jedoch gute Variabilität und ein Kon¬ 
zentrationsvermögen bis zu einem spezifischen Gewicht von 1027 des 
von Zucker und Eiweiss befreiten Harns. Der Fettgehalt des Urins liess 
auf das Vorhandensein einer verfetteten Diabetesniere sohliessen, und 
das Eiweiss dürfte teils auf eine StauuDg, teils ebenfalls auf diese Ver¬ 
änderungen zurückzuführen sein. Der Reststiokstoff betrug 44 mg pCt. 
Am AugenhintergTund fanden sioh Veränderungen, die von dem Ophthalmo¬ 
logen als „Retinitis diabetica* bezeichnet wurden. Es handelt sioh also 


in diesem Falle um ein bypertrophiertes, bereits dilatiertes und dekom- 
pensiertes Hers, um eine Kapillarsklerose im Gehirn, im Pankreas und 
in geringerem Grade in den Nieren als Folge einer primixen 
Hypertonie. 

So ist das Krankbeitsbild der genuinen Hypertonie 
in seinem Wesen zwar ein durchaus einheitliches, in 
seinen klinischen Erscheinungen aber von grösster 
Mannigfaltigkeit. 

Entsprechend den geschilderten Arten des Verlaufs ist oe # 
unsere Aufgabe, in jedem Falle, in dem wir eine Hypertonie 
festgestellt haben, durch weitere Untersuchungen Auf¬ 
schlüsse über den Grad und den Umfang sowie über eine 
etwaige Lokalisation zu erhalten. Zunächst muss die zahlen- 
gemässe Feststellung der Blutdrucksteigerung in häufiger Wieder¬ 
holung und unter verschiedenen Bedingungen vorgenommen werden, 
denn wie Pal zuerst beobachtete, geben der permanenten Hyper¬ 
tonie häufig vorübergebende Zustände von Blutdrucksteigemog, 
eben die bereits erwähnten Gefässkrisen voraus. Von diagnosti¬ 
scher Bedeutung kann auch die Feststellung einer bestehenden 
sogenannten „Vagotonie“ oder „Sympatbikotonie“ ' mittelst der 
entsprechenden Untersnchungsmethoden sein, denn die Menschen 
mit dem unter dieser Bezeichnung verstandenen Symptomen komplex 
stellen ein grosses Kontingent der Hypertoniker. Die grösseren 
Gefässe sind zwar gespannt, doch nicht rigide wie bei der ge¬ 
wöhnlichen Arteriosklerose, was sich beim Betasten der RadiaJi* 
meist ohne weiteres erkennen lässt. 

Ausser der Untersuchung des Herzens.mit den gewöhnlichen 
klinischen Methoden erbringt uns die Röntgenuntersuchung 
des Herzens und das Elektrokardiogramm eine wesentliche 
Aufklärung über den Zustand des Kreislaufs (Demonstration). 


Abbildung 1. 



Frühes Stadium. Spätes Stadium. 

„Konzentrische* Hypertrophie. „Exzentrische* Hypertrophie *= 

Hypertrophie + Dilatation. 


Die zwei Röntgensohattenskizzen stellen zwei Typen der bei 
der essentiellen Hypertonie in Erscheinung tretenden Veränderungen am 
Herzen und der Aorta dar. Das erste Bild entspricht dem Anfangs¬ 
stadium. Wir sehen hier in der Hauptsache eine Veränderung des 
muskulären Teils des Herzens. Es findet sich eine Verbreiterung des 
Herzscbatten8 nach links, und die Schattenlinie des linken Ventrikel« 
zeigt eine elliptische Verlaufslinie, entsprechend der Hypertrophie des 
linken VeotrikelB. Das Herz ist auf der linken Seite etwas vom Zweroh- 
fell abgehoben und bat eine kugelige Gestalt, welche die sogenannte 
konzentrische Hypertrophie besonders schön zum Ausdruck bringt 
Der Aorten schatten ist kaum verändert. Das zweite Bild zeigt in 
typischer Weise den Befund im SpätBtadium. Hier zeigt sich eine 
noch stärkere Verbreiterung nach links, und das Hers hat eine ei¬ 
förmige Gestalt, zu der Hypertrophie des Muskels ist bereits eine 
Dilatation der Herzhöhle hinzugekommen, es besteht die sogenannte 
exzentrische Hypertrophie. Die Aorta asoendens überragt im 
rechten oberen Bogen die Vena oava superior, sie ist randstandig ge¬ 
worden, und auf dem Schirm ist ihre Pulsation deutlich wahrnehmbar. 
Der Schatten des Aortenbogens ragt links stark hervor und höher 
hinauf, bis über das Sternoklavikulargelenk. Infolge des Ueberdruoks 
ist eine Verlängerung der Aorta eingetreten! 

An den Kurven der Elektrokardiogramme, wie sie bei den ver¬ 
schiedenen Stadien der Hypertonie gewonnen wurden, zeigt besonders 
der systolische Teil eine Abweichung von den normalen Verhältnissen, 
die ungefähr iu der ersten Kurve zum Ausdruck * kommen. Zuerst be¬ 
merkt man lediglich eine Erhöhung der Initialschwankung (I-Zacke), 
während die Finalsohwankung (F Zacke) nicht mehr die normale Höhe 
aufweist und mit der Dauer der Krankheit sogar einen negativen Ver¬ 
lauf zeigt. Io den späteren Stadien, wenn sich bereits Insuffizienz- 
ersebeinungen bemerkbar machen, tritt die Differenzierung der systo¬ 
lischen Schwankungen der Kurve immer mehr zurück, die J Zaoke wird 
niedriger und zeigt eine breitere Basis. Die F-Zaoke ist kaum mehr sa 


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,'22. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1207 


Abbildung 2. 



1 Kurve = normales Elektrokardiogramm, aut der 4. Kurve Extrasystole. 
Die letzten beiden Kurven vom dekompensierten Herzen im Endstadium 

autgenommen. (Die J-Zacke ist bei dieser Reproduktion auf den meisten 
Kurven leider nioht zu erkennen.) 

erkennen. Sehr häufig besteht Arrhythmie, in den früheren Stadien 
Extrasystolen (siehe Kurve), später Arrbythmia perpetua. 

Es braucht nicht der Erwähnung', dass in diesem Stadium auch der 
Blutdruok selbst wieder niedrigere Zahlenwerte aufweist als zu 
einer früheren Zeit der Krankheit, entsprechend der abgeschwächten 
Herzkraft. 

Eine zytologische Untersuchung des Blutes ergibt häufig 
schon sehr früh bei noch geringen Graden der Blutdrucksteigerung 
eine Polyglobulie, die vielleicht in dem Wesen der Krankheit 
bedingt ist. Ferner findet sich nicht selten eine Monozytose, 
was in manchen Fällen mit einem Hyperthyreodismus im Zu¬ 
sammenhang stehen dürfte. 


Augenhintergrundsveränderungen sind im Anfangs- 
Stadium nicht häufig, geben aber, wenn sie vorhanden sind, eine 
wichtige diagnostische Aufklärung. 

Ueber die Beschaffenheit der Niere erfahren wir, ab¬ 
gesehen vom Urinbefund, der nicht immer einen eindeutigen 
Aufschluss über die vorhandene Nierenschädigung gibt, nähere 
Anhaltspunkte durch die Funktionsprüfungen. Als solche 
kommen der Verdünnungs- und Konzentrations versuch 
und die Reststickstoffbestimmung in Betracht, die meist 
ein ausreichendes Ergebnis in dieser Frage erbringen (Demon¬ 
stration). 


Verdünnungs- und Konzentrationsprobe. 



a) bei Hypertonie ohn» 

b) bei Hypertonie und 


Nierenfuuktionsstörung 

„Schrumpfniere“. 


Blutdruok = 

Blutdruck = 


185 mm Hg. 

205 mm Hg. 


Reststickstoff = 

Reststickstoff .= 


32 mg pCt.! 

223 mg pCt.! 


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24 ständige Menge . . 

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Die beiden Tabellen bedürfen keiner weiteren Erklärung. Es siud 
mit Absicht zwei extreme Fälle ausgewählt, um das diagnostische Er¬ 
gebnis der Funktionsprüfung zu illustrieren. Bei dem zweiten Falle ist 
die Niereninsuffizienz auf eine chronische Glomerulonephritis zurück¬ 
zuführen. Zwischen diesen Fällen können naturgemäss alle Uebergäoge 
beobachtet werden. Für die starke Reaktion auf Wasserzufuhr, wie sie 
der erste Fall mit seiner Hypertonie in einer beschleunigten, „über¬ 
schüssigen“ Wasserzufuhr aufweist, liegt es näher, extrarenale als renale 
Ursachen („Ueberempfindlichkeit der Nieren“ usw.) verantwortlich zu 
machen. Man muss dabei berücksichtigen, dass für den Blutdruok eines¬ 
teils der Gefässtonus und andemteils der „Innendruck“ duroh die^ 
Flüssigkeit in den Arterien maassgebend sind. So ist es begreiflich, 
dass der Organismus das Bestreben hat, bei einer bestehenden Hyper¬ 
tonie jede Erhöhung der Blutflüssigkeit möglichst rasch zu beseitigen. 
Bei der Verdünnungsprobe spielen überhaupt sehr häufig extrarenale 
Faktoren eine Rolle, Momente, die noch eines weiteren Studiums be¬ 
dürfen. 

Endlich kommt noch die Untersuchung des Blutes bzw. eine 
Zuckerbelastungsprobe zur Feststellung einer etwaigen Hyper¬ 
glykämie in Frage. 

Ueber den Charakter der Krankheit, der ebenso wie 
durch die Krankheitserscheinuugen selbst durch die Heftigkeit 
ihres Auftretens und das Tempo des Verlaufs bestimmt wird, 
kann naturgemäss nur eine längere Beobachtung Aufschluss geben. 

Eine Unterscheidung der genuinen Hypertonie von der 
chronischen Nephritis (der sekundären Schrumpfniere) ist mit¬ 
unter nicht leicht zu treffen. Doch geben die Anamnese und 
der Urinbefund meist ausreichende Anhaltspunkte. Schwieriger 
ist die Unterscheidung von der gewöhnlichen Arteriosklerose, bei 
der ja oft auch sehr hohe Blutdruckwerte angetroffen werden, 
die aber meist ohne erhebliche Beschwerden ertragen werden. 
Darin liegt gerade der Wesensunterschied der beiden Erkrankungen, 
die sich natürlich in manchen Fällen auch kombinieren können. 

Die hier begründete Auffassung der permanenten Hyper¬ 
tonie als Ausdruck einer Systemerkrankung ist natürlich 
sowohl für die Prognose als auch für unser therapeutisches 
Handeln von grösster Bedeutung. Es ergibt sich von selbst, dass 
man von einer benignen oder einer malignen Form der Krank¬ 
heit nur unter Berücksichtigung aller Erscheinungen und nicht 
ausschliesslich der Nierenfunktionsstörungen sprechen kann. 
Ebensowenig darf man seine therapeutischen Maassnahmen ledig¬ 
lich nach der Beurteilung der Nierenerscheinungen einrichten. 

S* 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 





































1208 _B ERLI NER KLINISCHE WOCTlENSCbRtFT. _ Br. 51. 


Für die einzige rationelle Therapie, die Herabsetzung des Blut¬ 
drucks, fehlen uns leider noch wirksame Mittel, doch möchte ich 
nicht unterlassen, an dieser Stelle wenigstens auf die günstige 
Wirkung eines von Zeit zu Zeit wiederholten Aderlasses hinzu¬ 
weisen. Im übrigen wird es, abgesehen von der symptomatischen 
Behandlung bereits eingetretenden Folgezuständen der Hypertonie 
an den verschiedenen Organen, namentlich am Herzen, unsere 
hauptsächlichste Aufgabe sein, die überaus häufige Krank- 
heit schon in ihrem Anfangsstadium zu erkennen und 
durch die angegebenen Untersuchungen, sowie aber ganz be¬ 
sonders durch ein sorgfältiges individuelles Studium jedes ein¬ 
zelnen Falles in Hinsicht auf die Anamnese und Lebensweise der 
Kranken die möglichen Ursachen der Krankheit auszu¬ 
schalten und dadurch ihrem Fortschreiten vorzubeugen. 

Diese Aufgabe macht es erforderlich, nicht allein aus wissen¬ 
schaftlichen, sondern ganz besonders aus praktischen Gründen, 
hier noch etwas ausführlicher auf das einzugehen, was wir über 
das Wesen, über die Aetiologie und Pathogenese der 
Hypertonie wissen. Es ist anzunehmen, dass unsere Kenntnisse 
in dieser Hinsicht nicht so gering wären wie sie in der Tat sind, 
wenn die vermeintliche und durch die genannten Theorien scheinbar 
begründete Erklärung der Blutdrucksteigerung als Folgeerschei¬ 
nung einer Nierenerkrankung dieser Erforschung nicht den Weg 
verlegt hätte. 

Die Hypertonie bzw. die durch sie bedingte Kapillarsklerose 
ist von der gewöhnlichen „Arteriosklerose“ durchaus verschieden, 
nicht nur klinisch, wie aus meinen bisherigen Ausführungen 
hervorgeht, sondern auch anatomisch, indem sich bei der letzteren 
die sklerotischen Veränderungen vorwiegend an den Arterien 
grösseren Kalibers finden. Die physiologische Ursache der ge 
wönlichen Arteriosklerose, das „Altern“, spielt bei der Hypertonie 
keine maassgebende Rolle. Allerdings scheint eine „Abnützung“ 
durch gesteigerte Ansprüche an den Organismus das 
Zustandekommen der genuinen Hypertonie ebenfalls zu ver¬ 
ursachen oder jedenfalls zu begünstigen, denn wir begegnen ihr 
am häufigsten bei Menschen, die grosse Leistungen von 
ihrem Geist und Körper zu verlangen pflegen. Namentlich 
sind es Männer, die durch Berufs- und Gesellschaftsleben in 
-dauernder geistiger Spannung gehalten werden, zumal wenn 
diese gleichzeitig eine üppige Lebensweise führen. Mitunter sind 
auch ganz bestimmte Affektwirkungen (Prozesse, unglückliche 
Ehe- oder Familienverbältnisse, finanzielle Verluste und der¬ 
gleichen Sorgen) als Ursache nachweisbar. Das Stadium der 
Hypertonie setzt darum in den meisten Fällen in einem frühen 
Lebensabschnitt, häufig schon inr vierten Dezennium, ein, solange 
das geistige und Affektleben auf seiner Höhe ist, doch ist die 
Aetiologie und Pathogenesis keineswegs einheitlich. Von chemi¬ 
schen Giften wissen wir nur vom Blei eine kausale Beziehung. 
Als toxisches Moment kommt namentlich der Tabak in Be¬ 
tracht. Weniger eindeutig ist die Wirkung des Alkohols, Kaflfee- 
und Teegenusses. Hierbei spielt die individuelle Toleranz eine 
grosse Rolle, doch begünstigen diese Genussmittel ohne Frage 
das Auftreten einer permanenten Hypertonie. Konstitutionelle Be¬ 
ziehungen bestehen weiter zur Gicht. Dieser Zusammenhang 
lässt den Gedanke zu, dass sich bei der Hypertonie bestimmte 
konstitutiorelle Störungen in der Biutbeachafienheit finden, zu 
deren Nachweis die rein qualitativen chemischen Untersuchungen 
unzureichend sind, und die durch pathologische kolloidale Span¬ 
nungen innerhalb der Säfte und Gewebe den regelmässigen Aus¬ 
tausch und Abbau der Stoffwechselprodukte verhindern und die 
Hypertonie bewirken. Untersuchungen in dieser Richtung sind 
von Hans Rosenberg an unseren Fällen begonnen und weiter 
im Gange. Die Syphilis kommt in der Aetiologie der Hyper¬ 
tonie nicht in Betracht, sowohl ihre konstitutionellen Verände¬ 
rungen im Aufbau der .Kolloide des Organismus als die Art der 
ihr eigentümlichen GefässVeränderungen geht in einer anderen 
Richtung. 

Für das Zustandekommen der permanenten Hypertonie wird 
man mit Recht eine dauernde Verengerung der Gefässe voraus¬ 
setzen. Eine solche kann jedoch nur bestehen, wenn die Gefäss- 
wand starr geworden ist oder wenn ein dauernder kontraktiver 
Reiz vorhanden wäre. Von Neusser und Wiesel wurde daher 
der Gedanke ausgesprochen. da«s eine Hy peradrenal inämie 
bei der Pathogenesis der Hypertonie eine Rolle spiele. Eine 
solche konnte bisher allerdings nicht regelmässig nacbgewiesen 
werden. Auch die Erforschungen des Zusammenhangs zwischen 
anatomischen Nebennierenveränderungen und Hypertonie 
hatten bisher kein eindeutiges Ergebnis. 


Wohl aber wissen wir, dass in Fällen von Nebennieren- 
tumoren oder von Hypertrophie der Nebenniere das Krankheits¬ 
bild der Hypertonie mit allen seinen klinischen Folgezuständen 
entstehen kann. Die Untersuchung, die ich in einer Anzahl von 
Hypertoniefällen mit der Nilblanfärbung an Nebennieren anstellte, 
ergab, dass offenbar auch die Rindensubstanz an dem veränderten 
funktionellen Chemismus beteiligt ist, denn es fand sich in 
diesen Fällen eine Vermehrung der Rindensubstanz, namentlich 
aber der Neutralfettzone, während die doppeltbrechenden Sub¬ 
stanzen an Menge deutlich reduziert waren. 

Ausser der Nebenniere wurden auch andere epikrine 
Drüsen als Ausgangspunkt der Hypertonie in Betracht gezogen 
und dabei von Gluzinski namentlich auf die Geschlecbts- 
funktion hingewiesen. Die klinischen Erfahrungen kommen 
diesem Gedanken sehr entgegen, denn namentlich bei Frauen, 
bei denen die bereits geschilderten Momente der beruflichen 
geistigen U&beranspannungeu als Ursache der Hypertonie nicht so 
in Frage kommen, findet man dafür, wie wir neuerdings fest- 
steilen konnten, sehr häufig ausgesprochene Abweichungen von 
der Norm der Geschleebtsfunktion, dabei allerdings ebensowohl 
Sterilität und Frigidität als auch ungewöhnlich' hohe Geburten¬ 
zahlen. Wir haben von dieser Beobachtung ausgehend in solchen 
Fällen neuerdings mit versprechendem Erfolg eine Beeinflussung 
der Symptome durch Ovoglandol versucht. Auch von den 
männlichen Patienten mit Blutdrucksteigerung kann man häufig 
hören, dass sie das Geschlechtsleben zugunsten ihrer Berufsarbeit 
vernachlässigt oder selbst über Impotenz zu klagen habe$- 

In manchen Fällen spielen ferner Störungen der Funktion 
der Schilddrüse eine nachweisbare Rolle. So wurden mir gerade 
in der letzten Zeit eine ganze Reihe von Frauen zugewiesen, bei 
denen sich stärke Hypertonie und Herzhypertrophie in Verbindung 
mit grossen meist im Klimakterium entstandenen Kröpfen vorfand. 
Immerhin sind hisher noch keine greifbaren Anhaltspunkte für 
die Beziehungen der Hypertonie zu bestimmten Korrelations- 
Störungen gewonnen worden. 

Wie Sie sehen, steht die Erforschung der Aetiologie and 
Pathogenesis bzw. der konstitutionellen Ursache der genuinen 
Hypertonie noch in ihren allerersten Anfängen. Anatomische und 
experimentelle Studien vermochten bisher auch keine befriedigen¬ 
den Ergebnisse zur Aufklärung hervorzubringen. Vielleicht kann 
uns aber die klinische Kasuistik diesem Ziele näher bringen. 
Die Erforschung der Hypertonie bildet daher eine Aufgabe der 
Zukunft, zu deren Erfüllung jeder Arzt durch aufmerksame Unter¬ 
suchung und Beobachtung seiner Patienten beitragen kann. 


Zur Pathologie des Sympathikus bei Grippe. 

Von 

E. Riese-Karlsruhe. 

Trotz der überreichlichen Literatur über die Grippe ist eine 
Symptomengrnppe wenig beachtet worden, die mir für diese 
Krankheit von besonderer Bedeutung zu sein scheint. Wohl wird 
gelegentlich anf einzelne dieser. Erscheinungen hingewiesen, doch 
sind sie, soweit ich sehen kann, nirgends im Zusammenhang be¬ 
handelt, noch ihre Wichtigkeit für die Pathogenese der Krankheit 
gebührend gewürdigt worden. 

Leichtenstern sagt: „die Influenzatoxine sind schwere 
Nervengifte“ 1 ), und es scheint, dass sie in der letzten Epidemie 
geradezu eine spezifische Virulenz für den Sympathikus angenommen 
hätten. Dieser besitzt ja eine ausgesprochene Eigenart der Reiz¬ 
empfindlichkeit und reagiert gegen bestimmte Stoffe ~(z. B. gegen 
Narkotika oder* gegen Nebennieren* und Hypophysenextrakt) ganz 
anders, als das animale Nervensystem; es wäre also nicht auf¬ 
fallend, wenn er auch für die Neurotoxine einer bestimmten Krank¬ 
heit eine spezifische Affinität besässe. 

Der Nachweis hierfür wird erschwert durch eine gewisse Nebelhaftig¬ 
keit der Symptome, und weil so vieles auf dem Gebiet der Sympathikus- 
forsohung noch problematisch ist. Aber auoh wenn man einzelnen Zügen 
nur den Wert von Wahrscheinlichkeitsargumenteu beimessen sollte, so 
weist das Symptomenbild in seiner Gesamtheit doch deutlich auf eine 
schwere Sympatbikusaffektion hin, sei es, dass sich diese in Reiz- oder 
in Lähmungsersoheinungen äussert. Dafür sprechen manche Beob¬ 
achtungen sowohl der Krankheit selbst, als auoh der Folgezustande, 


1) Leichtenstern in Nothnagel’s Spez. Patfa. u. Therap., 1896, 
Bd. 4, S. 114. 


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Üriginahfrcm 

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22. Dezember 1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1200 


daroh die ioh besonders za dieser Auffassung gedrängt vorden bin. Viel- 
• leicht auch die Eigenart gewisser Todesfälle. 

Allseitig hervorgehoben wird die Neigung zu Sohweisaen, die der 
Grippe in einem Masse,' wie wohl kaum einer anderen Krankheit, eigen 
ist, und die sioh von ihrem Höhepunkt im akuten Studium meist weit in 
die Rekonvaleszenz hinein weitererstreckt. 

Ein ferneres, bei schweren Fällen fast konstantes Symptom ist die 
oft so ominöse Zyanose. Sie ist meist offenbar nicht kardialen Ursprungs, 
da das Herz dabei häufig klinisch intakt gefunden wurde, wie mannig¬ 
fache Sektionen bestätigten, und da andere Stauungsersoheinungen fehlten. 
Auch erklären verschiedene Beobachter ausdrücklich, dass hier vaso¬ 
motorische Ursachen zu gründe liegen müssten, nur suchen sie diese, 
soweit sie sioh darüber aussprechen, meist in einem vagotonisohen 
Zustande. 

Auf einen solchen führt Grassmann auch den niedrigen Blutdruck 
bei Grippe zurück, auf den er neuerdings 1 ) aufmerksam macht, und den 
euch andere 2 ) konstatiert haben. Ich habe bei meinen Grippekranken 
keine Blutdruckmessungen angestellt, erinnere mich aber des Eindrucks, 
dass der Puls bei sonst im allgemeinen günstiger Beschaffenheit häufig 
auffallend langsam, von geringer Spannung und leicht zusammendrück- 
bar war. Auf die absolute oder relative Bradykardie wird von ver-* 
schiedenen Seiten hiogewiesen. 

Wenn dieselben Symptome, wie z. B. diese Bradykardie, in gleicher 
Weise durch Ueberfunktion des Vagus, wie durch Erschöpfung seines 
Antagonisten erklärt werden können, so erscheint bei einer, das Nerven¬ 
system so offensichtlich in hohem Grade schwächenden Erkrankung die 
letzte Erklärung a priori gewiss wahrscheinlicher. Apriorismen sind 
freilich wertlos, wenn nicht positive Gründe für sie gefunden werden 
können, doch sprechen gerade solche für eine Schädigung des Sympathikus. 

Dass der hämorrhagische Charakter des Krankbeitsbildes, der sich 
in mannigfachen klinischen Symptomen ausprägt, nicht nur durch die 
hämolytische Eigenschaft der wirksamen Toxine bedingt ist, sondern zu¬ 
gleich durch eine krankhaft gesteigerte Diapedese, dafür sprechen die 
von pathologischen Anatomen vielfach geschilderten Gefässschädigungen*), 
und es liegt nahe, für diese eine Störung der trophiBchen Funktionen 
des Sympathikus anzunehmen. Auch die häufig geschilderten patholo¬ 
gischen Befände an den Nebennieren sprechen vielleicht in diesem Sinne 4 ). 
Freilich ist der Kausalnexus hier zweifelhaft, und es fragt sich, was hier 
das Primäre sei; aber wenn man die Abhängigkeit der endokrinen Drüsen 
vom sympathischen Nervensystem in Betracht zieht, liegt wohl der Ge¬ 
danken nahe, in einer Schädigung des letzteren das ätiologische Moment 
der häufigen Nebennierenerkrankungen zu suchen. 

Vielleicht spielt auch bei der mehrfach konstatierten eigentüm¬ 
lichen waohsartigen Muskeldegeneration*) die gestörte trophische Funk¬ 
tion des erkrankten Sympathikus eine Rolle, wie man annebmen möchte, 
wenn mau an die Ergebnisse neuerer Forschungen denkt, wonach jede 
einzelne quergestreifte Muskelfibrille von einer sympathischen Faser ver¬ 
sorgt wird. 

Bekannt ist die Bedeutung des Sympathikus für den Haarwuchs, 
und der nach der letzten Grippeepidemie so häufig beobachtete Haar¬ 
ausfall spricht wohl für eine bis zur zeitweiligen partiellen Funktions¬ 
einstellung führenden Erschöpfung desselben. 

Damit betreten wir den Boden der Rekonvaleszenz, und die Beob¬ 
achtung ihres Symptomenkomplexes scheint mir für die hier dargelegte 
Auffassung von wesentlicher Bedeutung. Erwähnt ist die häufig lange 
in die Genesungszeit hinein andauernde Neigung zu Schweissen. Da¬ 
bei wird“ ganz gewöhnlich über dauernde Kälte der Extremitäten, be- 
. sonders der Füsse, geklagt, die man auch objektiv feststellen kann. Bei 
Frauen treten nicht selten Störungen der früher regelmässigen Men¬ 
struation ein, und diese setzt oft monatelang aus. Dabei wird häufig 
angegeben, dass „Wallungen“ lästig empfunden werden, auch von solchen 
Frauen, die diese Erscheinung früher nicht kannten. Sie erinnert au 
das Verhalten im Klimakterium, wo auch die Kraft des Sympathikus ab¬ 
nimmt und er einen Teil seiner Funktionen einstellt. 

Der Puls bleibt lange sehr labil, und schon geringe Anstrengungen 
erzeugen lästiges Herzklopfen, ähnlich wie bei anderen bekannten Zu¬ 
ständen reizbarer Sympathikusschwäche 6 ). 

Dabei ist das Allgemeinbefinden auffallend lange schwer beein¬ 
trächtigt. Das ausgeprägte allgemeine Schwächegefühl, das der Folgezeit 
der Influenza anderen, selbst schweren Krankheiten gegenüber wohl be¬ 
sonders charakteristisch ist und auffallend lange andauert, scheint auf 
eine schwere Schädigung desjenigen Nerven zu deuten, der für das 
normale somatische Wohlbefinden wohl in erster Linie von Wichtigkeit 
ist, indem er die dazu erforderlichen Lebensreize vermittelt. Wesentlich 


. 1) M.m W., 1919, Nr. 20. 

2) Z. B. Koepohen, D.m.W., 1918, Nr. 84. 

8) Z. B. sagt Oberndorfer (M.m.W., 1918, Nr. SOJ: Der anatomische 
Befund „deutet auf eine Läsion des Gefässsystems der Kapillaren, d. h. 
auf ihre erhöhte Durchlässigkeit hin“, Fischer (M.m.W., 1918, S. 1808): 
„Die prallgefüllten Gefässe deuten auf Wandsohädigung direkt oder durch 
Vasomotoreneinflüsse.“ 

4) Siehe z. B. bei Dietrich (M.m.W., 1918, Nr. 84), der hervorhebt, 
dass diese degenerativen Veränderungen sehr frühzeitig auftreten. 

5) Vergl. z. B. Obern dorfer u. Gruber (M.m.W., Nr. 30 u. 88). 

6) Z. B. bei Basedowoid oder Nikotinvergiftung; auch die Muskel- 
schwäohe bei dieser erinnert an den Zustand naoh Grippe. 


ist gewiss die Rolle, die er bei allen Heilungsvorgängen spielt 1 ); es ist 
daher erklärlich, dass nach einer Krankheit, bei der er selbst stark 
affiziert find somit insaffizient ist, die Wiederherstellung gestört ist, und 
das wohlige Genesungsgefühl, das die Rekonvaleszenzzeit der meisten 
anderen Krankheiten so angenehm macht, völlig fehlt. Die Arbeitslust 
will sioh auch bei früher arbeitsfreudigen Menschen nicht einstellen, das 
Aussehen bleibt lange elend, die Haut blass und ohne Turgor, das Haar 
trocken und struppig. Dermographie findet sioh häufig. 

Da mir die angeführten Symptome auf eine Störung der 
vielseitigen Funktionen des Sympathikus; hinzudeuten schienen, 
wandte ich in einigen Fällen Hypophysenextrakt (in der Form 
subkutaner Einspritzungen) an, dessen sympathikotonische Eigen¬ 
schaft ja bekannt ist, und, wenn ein Schluss ex juvantibus er¬ 
laubt ist, fand ich meine Vermutung bestätigt, denn da dieses 
Extrakt nach Biedl elektiv auf den Sympathikus, und zwar nur 
dann wirkt, wenn dieser seinen Tonus verloren hat 3 *), kann man 
aus seiner Wirksamkeit hier einen Schluss auf einen atonischen 
Zustand jenes Nerven ziehen. 

Ich möchte das Beispiel einer Frau an führen, die nach nicht einmal 
schwerer Erkrankung*) das Bild gestörter Gripperekonvaleszenz darbot: 
hochgradige Prostration, so dass die Patientin das Bett, das sie im 
akuten Stadium jedenfalls zu früh verlassen hatte, nun tagelang hüten 
musste, einfach, weil sie zu kraftlos war, es zu verlassen; Extremitäten 
und Nasenspitze waren kalt bei dauerndem Frostgefühl; es trateu leicht 
Kongestionen ein, so dass bei jeder Aufregung, die bei der gesteigerten 
Erregbarkeit aus geringfügigsten Ursachen erfolgte, das sonst sehr blasse 
Gesicht sich hochrot färbte, während der jugendlichen Frau (sie war 
29 Jahre) früher solche „Wallungen“ unbekannt waren; die sonst stets 
regelmässige Periode fehlte in letzter Zeit, und es bestand physische 
Depression 4 ), die noch durch zwei besondere Kümmernisse vermehrt 
wurde, die der Patientin ihres Gewerbes wegen nahe lagen: Die Frau 
war Haarkünstlerin, früher sfehr tätig und arbeitsfroh, und sie machte 
sich Sorge, wegen des starken Zitterns ihrer Hände nie wieder frisieren 
zu können, während es ihr zugleich Trauer bereitete, dass ihr früher 
üppiges und stattliches Haar trocken und unansehnlich geworden war 
und stark ausging. 

Ich machte ihr eine subkutane Pituglandoleinspritzung und war er¬ 
staunt, sie am näohsten Tage in meinem Sprechzimmer zu finden. Sie 
_*_ 

1) Dies zu beweisen ist hier nicht der Ort, da es vom Thema ab- 
führen würde. Man denke nur an die Wärmeregulierung durch den 
Sympathikus und die therapeutische Bedeutung deB Fiebers, ferner an 
die Erzeugung der Schutzstoffe und die ständig, je nach dem wirksamen 
Infekt wechselnde Einstellung des Blutbildes, die man sich doch unmög¬ 
lich rein mechanisch als das Wirken einer blinden Chemotaxis vorstellen 
kann, während sie durch die sympathische Beherrschung der endokrinen 
Drüsen verständlich wird. Auch an den heilenden Einfluss des Schlafes 
in Krankheiten wäre hier zu erinnern, in dem das animale Nerven¬ 
system ausgeschaltet ist, während das vegetative um so intensiver seine 
Reparationsarbeiten verrichtet. In der Tat erscheint das in jedem Organis¬ 
mus wirksame Ptinzip der Selbsterhaltung, das alle diese unendlich 
feinen und mannigfachen Abwehr- und Heilprozesse beherrscht, die man 
deszendenztheoretisch (durch Selektion angezüchtet) schlechterdings nicht 
erklären kann, durch Differenzierung im Sympathikus gleichsam ver¬ 
körpert, dem man somit nicht wohl umhin kann eine in diesem Sinne 
geradezu teleologische Bedeutung zuzuerkennen. 

2) Ein Beweis ist die eklatante Wirkung des Mittels bei Wehen- 
sohwäche, im Gegensatz zu seiner völligen Unwirksamkeit bei normalem 
Uterustonus, denn es beschleunigt bei diesem weder die Geburt, noch 
ist damit Abort zu erzielen. 

3) Das Missverhältniss zwischen Schwere des Folgezustandes und 
der Erkrankung selbst, ist ja bei Influenza auffallend, da schwere Folge¬ 
zustände bei Patienten Vorkommen, die kaum das Bett gehütet haben. 
Vielleicht ist dies eine Bestätigung der Vermutung, die ich mir bei der 
grossen Epidemie von 1889/90 gebildet hatte, dass die schädliche Noxd 
bei Influenza durch die Schweisse ausgeschieden wird, und dass deshalb die 
durch ungenügende Bettbehandlung gestörte Diaphorese üble Folgen 
naoh sich ziehe. Jedenfalls halte ich die Influenza für eine absolute 
Bettkrankheit und glaube, es ist für den guten Verlauf der Rekonvales¬ 
zenz wichtig, die Aufsteherlaubnis nicht vor Aufhören des Sohwitzens 
zu erteilen. Die Empfehlung des Frühaufstehens gerade bei dieser Krank¬ 
heit (siehe Zadek, B.k.W., 1919, Nr. 12) ist mir unverständlich. 

4) Die Depression, die gerade pathologische Prozesse, an denen der 
Sympathikus beteiligt ist, auslöien — man denke an das Vernichtungs¬ 
gefühl, z. B. bei Viszeraln&uralgien, an die Verstimmung bei Thyreotoxi- 
kose, an die Erschütterung des Selbstgefühls bei sexueller Dysfunktion, an 
das krasse Missverhältnis zwischen Schwere des subjektiven Krankheits¬ 
gefühls und der Harmlosigkeit des objektiven Befundes bei Seekrankheit, 
worauf die eigentümliche Komik dieser Erkrankung beruht, die, wie hier 
nicht näher begründet werden kann, ebenfalls durch eine Störung sym¬ 
pathischer (auf die Raumansohauung bezüglicher) Funktionen bedingt 
ist usw. — ist verständlich, wenn man sioh seine vitale Bedeutung 
vergegenwärtigt. Auch scho nt eine besonders enge Beziehung zwischen 
ihm und der Persönlichkeit, dem loh, zu bestehen. Vielleicht steht 
damit die Häufigkeit der Seelenstörungen bei Grippe — sowohl in der 
Akme, wie als Nachkrankheit — io Zusammenhang. 

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1210 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


war — allerdings wankenden Ganges und ganz gegen meine Intention — 
gekommen, um eine nochmalige Einspritzung zu erbitten, da sie naoh der 
ersten^sieh neu belebt gefühlt habe; auch das Frostgefühl w&e ver¬ 
schwunden. Hysterie war im gegenwärtigen Falle auszuschliessen, und 
auch Suggestion kann nicht allein wirksam gewesen sein, da nach einigen 
weiteren Einspritzungen auch die objektiven Symptome gebessert und die 
Genesung sichtlich gefördert wurde. 

Interessant war mir, dass auch das Haar bald wieder seinen früheren 
Glanz erhielt und angeblich weniger ausfiel. Auf diese Angaben wird 
man angesichts der an sich günstigen Prognose des Effluvium capillitii 
nach Grippe keinen Wert legen, immerhin ist sie mir auch in einigen 
ähnlichen Fällen bestätigt worden. 

Wenn man nach alledem auf eine schwere Vergiftung des 
Sympathikus durch das Grippevirus schliessen muss, so taucht 
die Vermutung auf, ob nicht dieser neurotoxische Effekt unter 
Umständen anssich tödlich wirken könne. Ein erlebter Todesfall 
legte mir diesen Gedanken nahe, und ich erfuhr in der Folgezeit, 
dass auch andere Kollegen durch plötzliche und unerwartete 
Todesfälle überrascht worden sind. Auch die pathologischen 
Anatomen waren bei der Urteilsabgabe über die unmittelbare 
Todesursache bisweilen io Verlegenheit, und eine solche erscheint 
auch aus den Berichten objektiv manchmal nicht recht plausibel, 
auch wenn „Erstickung“ oder „Herztod 11 angegeben ist. 

Ich hatte in dem mir unterstellten Lazarett einen Grippekranken 
soeben untersuoht: die Respiration war beschleunigt, aber nicht besorgnis¬ 
erregend, der Puls regelmässig und relativ gut, es bestand leichte 
Zyanose und eine ominöse Euphorie, aber ohne Benommenheit; Patient 
beantwortete meine Fragen ruhig und sachlich, offenbar ohne jedes 
Angstgefühl, ich hatte die Prognose ungünstig gestellt, dachte aber 
niobt an die Möglichkeit eines unmittelbaren Todes. 

Kurz nachdem ich mich zum nächsten Kranken gewandt hatte, 
wurde ich, als ich eben mit dessen Untersuchung beschäftigt war, durch 
einen Angstruf der Sohwester * veranlasst, mich zum ersten Patienten 
umzudrehen, und einen Augenblick darauf starb dieser unter meinen 
Händen ohne jeden Todeskampf, speziell ohne jedwedes Anzeichen von 
Erstickung, mit regelmässigem Pulsschlage bis zum letzten Augenblick. 
Auch die Sektion ergab keinen Anhaltspunkt weder für Erstickung, da 
die Lunge, wenn auch schwer erkrankt, doch genügend respirationsfähiges 
Gewebe besass, noch auch für einen eigentlichen Herztod. % 

Ich habe nooh nie einen Mensohen in dieser Weise, ohne alle Vor¬ 
boten, ganz plötzlich und ohne jeglichen Todeskampf sterben sehen; es 
war, als wenn das Leben von selbst erlosch, ohne dass die feindliche 
Macht des Todes auch nur fühlbar wurde. Da mir die direkte Todes¬ 
ursache zunäohst rätselhaft erschien, kam mir der Gedanke an die Mög¬ 
lichkeit, ob hier ein primärer Sympathikustod vorliegen könne. Mir kam 
eine Aeusserung Asch off’s in seiner geistreichen Parallele zwischen 
Krankheit und Krieg io den Sinn, wo er sagt 1 ): »Gelingt es dem Feind, 
in diesem Falle den Krankheitserregern, im Stillen und unvermerkt seine 
verderbliche Tätigkeit zu entfalten und etwa durch Vergiftung der Blut¬ 
flüsse des Körpers den Organismus bis ins Zentrum hinein zu lähmen, 
ehe eine genügende Mobilmachung eingesetzt hat und Sohutzkörper 
bereitgestellt sind, ... so geht der Organismus fast kampflos zugrunde.“ 

Ich stellte mir die Möglichkeit vor, dass im vorliegenden 
Falle das Zentrum des Sympathikus im 3. Ventrikel der Gift¬ 
wirkung plötzlich erlegen sei und somit die kaudaleren Nerven- 
zentren im 4. Ventrikel und in der Medulla gleichzeitig . auto 
malisch ausgeschaltet worden wären, ohne dass es auch nur zu 
Reizerscheinungen dieser hätte kommen können, wie sie sonst 
vor der Lähmung speziell der Respirations- und Zirkulations¬ 
zentren regelmässig beobachtet werden. Aehnliche Gedanken¬ 
gänge mögen auch anderen angesichts mancher plötzlichen und 
rätselhaften Todesfälle aufgetaucht sein, über die so viefach, be¬ 
sonders in den allerersten Krankheitstagen, berichtet wird; 
wenigstens finde ich bei einer nachträglichen ^Durchsicht der 
Literatur von einzelnen Seiten geradezu den Gedanken an einen 
„Vasomotorentod“ 2 * ) ausgesprochen. 

Ich glaube, man braucht nicht nur die vasomotorischen 
Funktionen ins Auge zu fassen, sondern wenn man die Gesamt¬ 
bedeutung des Sympathikus für den Organismus würdigt, erscheint 
es selbstverständlich, dass bei seinem Ausfall sofort alles Leben 
erlöschen muss. Ich erinnere nur an die Zentren der Wärme 
regulation in und nahe dem 3. Ventrikel. «Krehl sagt bei Be¬ 

1) Aschoff, Rektoratsrede 1915, »Krankheit u. Krieg“. S. 20. 

2) Die bei Grippe vielfach beobachteten vasomotorischen Störungen 
werden verschiedentlich als vagotonische bezeichnet. Mir scheint, dass, 
wo in der modernen Literatur von Vagotonie die Rede ist, oft im Gegen¬ 
teil Sympathikusatonie vorliegt, so in manohen der pathologischen Zu¬ 

stände, die Dziembrowski unter jener Bezeichnung zusammenfasst 

(B.kl.W., 1917, Nr. 1), z. B. beim Bronchialasthma, das dieser Autor 

durob eine Hypertonie des Vagus zu erklären sucht, während ioh mich 
bemüht habe zu beweisen, dass es durch eine Sympathikuslähmung be¬ 

dingt sei (B.kl.W., 1915, Nr. 29). 


Nr. 51> 


sprechung des Fiebers und der mit diesem verbundenen Stoff- 
wecbselprozesse, die er bedeutungsvollerweise „im Rahmen der 
Abwehr Vorgänge des Organismus“ behandelt^): „Eine ordnende 
Tätigkeit des Nervensystems ist auch hier Führer zum Ziel“, 
und nach Krehl’s eigenen und anderer 2 ) Untersuchungen ist es 
doch äusserst wahrscheinlich, dass diese Rolle dem Sympathikus 
zufällt, der auch so viele andere lebenswichtige und lebens¬ 
bedingende Wirkungen ansübt — man denke nur an seine 
trophischen Funktionen im grossen wie im kleinen (die Be¬ 
herrschung der Verdauung, wie die Ernährung der Gewebe) —, 
dass man ihn den eigentlichen Lebenserbalter nennen kann, 
dessen Schädigung die schwersten Folgen, dessen Vergiftung so¬ 
fortigen Tod verursachen muss 2 ). 

Ob das bei der Grippe unter Umständen vorkommt, ist nicht 
bewiesen, doch sind Kernlähmungen, z. B. doppelseitige Troch- 
learis- und andere Augenmuskellähmungen nacn Influenza beob¬ 
achtet worden 4 * ), so dass mir die Frage nach dem Mitgeteilten 
weiterer Beachtung und Prüfung wert zu sein scheint, besonders 
da auch praktische Erfolge bei einer möglichen Wiederkehr der 
bösartigen Krankheit daraus entspringen könnten. Vom Adrenalin, 
das gelegentlich angewendet wurde, wird zum Teil Günstiges be¬ 
richtet 6 ), doch scheint es infolge seiner schnellen Oxydation, falls 
überhaupt, nur vorübergehende Erfolge zu zeitigen. 

Ich wurde Hypophysenextrakt beim ersten Anzeichen von 
Zyanose oder bei sinkendem Blutdruck versuchen, denn auf den 
normalen Sympathikus wirkt es ja nicht, sondern nur auf den 
pathologisch geschwächten. Man müsste also den richtigen Zeit¬ 
punkt abwarten und das Mittel nur auf strikte Indikation an¬ 
wenden 4 ). Es wäre theoretisch gewiss möglich, dass das Hypo¬ 
physen- — eventuell in Verbindung mit Nebennierenextrakt — 
die Vasoparaiyse oder -parese mit ihren schlimmen Folgen hintan¬ 
halten und so die Prognose verbessern könnte. Darüber könnten 
natürlich nur praktische Erfahrungen entscheiden 4 ). 

Ebenso über eventuelle pathologisch anatomische Verände¬ 
rungen. Interessant ist, dass solche gelegentlich im Thalamus 
gefunden wurden 1 ), ich weiss nicht, ob bei Annahme einer 
Kern Vergiftung nachweisbare anatomische Befunde überhaupt zu 
erwarten sind, und ob bei Todesfällen, wie dem geschilderten, 
eine pathologisch anatomische Durchforschung des Höhlengrau 
des 3. Ventrikels selbst und der entsprechenden Stellen der Regio 
subthalamica einen Beweis für die Vermutung einer Kernlähmung 
zu erbringen imstande wäre. Nur in einzelnen Fällen wird es 
zu einer Neuronukleitis oder gar zu einer Degeneration des Sym- 
pathikuszentrums kommen, während meist nur eine mehr oder 
weniger schwere Affektion dieses Nerven selbst im Krankheits¬ 
bilde der Grippe hervortritt/ ^ 

*1) Krehl, Path. Physiol., 1918, S. 119. 

2) Vgl. z. ß. Isensohmid, Med. Klinik, 1914, Nr. 7. 

3) Dass er auch dauernd den lebensnotwendigen Glottistonus unter¬ 
hält, habe ioh mioh zu beweisen bemüht (s. Zsehr. f. Ohrhlk. u. f. d. 
Krankh. d. Luftwege, Äug. 1918). 

4) Vgl. z. B. Pflüger, B.kl.W., 1890, Nr. 28. 

5) Siehe z. B. Woltf-Eisner, B.kl.W., 1918, S. 1280, oder Plesch, 
Zsohr. f. ärztl. Fortb., 1919, Nr. 1. 

6) Vielleicht beruht auf Nichtbeachtung dieser Bedingung der nega¬ 
tive Erfolg von Arno 1 di (B.kl.W., 1919, Nr. 18), übrigens die einzige 
Mitteilung von Hypophysenextraktanwendung bei Grippe, die ich bei 
allerdings nicht vollständiger Literaturdurchsicht fand. 

7) Im übrigen würde ioh meine in der B.kl.W., 1918, Nr. 44 emp¬ 
fohlene Behandlung mit Antistreptokokkenserum fortsetzen, von der ich 
auch weiterhin günstige Erfolge sah, die ja mittlerweile auch von anderen 
Praktikern bestätigt wurden. Wenn einzelne Beobachter keine Erfolge 
erzielten, so liegt das vielleicht an zu später Anwendung des Mittels 
oder zu geringer Dosierung. Die Notwendigkeit grosser Dosen muss an¬ 
gesichts der enormen Ausbreitung, die der septische Prozess in vielen 
Fällen nimmt, betont werden. Die Vermutung, dass es sich vielleicht 
nicht, wie ioh annehme, um eine spezifische, sondern um eine allgemeine 
Serumwirkung handeln könne, wäre nur durch weitere Untersuchungen zu 
entsoheiden. Als ich jene Methode vorschlug, schien sie mir so naheliegend, 
dass ich annahm, sie wäre vielleicht schon erprobt worden. Der Er¬ 
finder des Serums, Herr Prof.Dr. Meyer, hatte die Güte, mir am 23.Xl.1918 
brieflich mitzuteiletf, dass ich der erste sei, der es bei Grippe konse¬ 
quent angewandt habe. Uebrigens konnte der in jener vorläufigen Mit¬ 
teilung während meiner Selbsterkrankung in Aussicht genommene aus¬ 
führlichere Bericht nicht erfolgen, da nach meiner Genesung die 
Krankengeschichten weitergereioht waren, und das Lazarett bald auf¬ 
gelöst wurde. 

8) Leiohtenstern (1. o. S. 119) sagt von der von ihm besprochenen 
„akuten hämorrbagisotfen Enzephalitis“, dass sie „besonders gern im 
Thalamus ihren Sitz“ habe (allerdings bezieht sich diese Angabe anf 
die alte Influenza). 


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22. DeiemberlölO. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1211 


Dabei muss ich freilich betonen, dass sich dieses Urteil 
lediglich auf die letzte Epidemie bezieht. Ob es auch für die 
alte Influenza gilt, muss ich dahingestellt sein lassen, da ich da¬ 
mals nicht auf Sympathikussymptome geachtet habe. Es ist 
gewiss denkbar, dass das Krankheitsgift erst durch seine 
Potenzierung mit einem anderen (vermutlich dem der Sepsis) eine 
spezifische Virulenz ffir das vegetative Nervensystem erlangt habe 1 ). 
Jedenfalls waren der Influenza von 1889/90 und der folgenden 
Jahre vasomotorische Störungen mit Zyanose und Todesarten, wie 
der geschilderte, nicht charakteristisch. (Auch Haarausfall z. B. 
wurde damals wohl kaum beobachtet.) Das sind doch wesent 
liehe Differenzen, und zu ihnen kommen viele andere, sowohl 
hinsichtlich der sonstigen Symptome und des Verlaufs, als auch 
in bezag auf Epidemiologie, Disposition, Prognose und Folge- 
zustände der beiden Epidemien. 

Wer die alte Pandemie in lebendiger Erinnerung und die 
neue in ihrer schweren Form miterlebt bat — es scheinen bei 
dieser allerdings wesentliche zeitliche und örtliche Verschieden¬ 
heiten bestanden zu bähen —, dem wird die letztere klinisch zu¬ 
nächst als ein völliges Novum erschienen sein, und er wird da¬ 
gegen protestieren, dass beide, wie das häufig geschieht, aus¬ 
drücklich oder stillschweigend gleichgestellt werden. 

Jedenfalls ist die Identitätsfrage, soviel auch darüber ge 
schrieben ist, und obgleich sowohl pro als contra viele, zum Teil 
recht apodiktische Urteile maassgebender Kliniker vorliegen, noch 
nicht endgültig entschieden.. Deshalb ist die gemeinsame Be¬ 
zeichnung sowohl in klinischen Beschreibungen als in historischen 
Uebersichten irreführend, da man nie weise, von welcher Krank¬ 
heitsform die Rede ist, und ich habe das Wort „Grippe“ in vor¬ 
stehender Arbeit rur als Verlegenheitsausdruck und mit Vor¬ 
behalt gebraucht, ohne durch dies Synonymum von Influenza eine 
Gleicbsetzung ansdrücken zu wollen. Schon die Ueberschrift 
dieser Arbeit ist dadurch ungenau. Es fehlt eben bisher ein 
adäquater Ausdruck für die besondere Krankheitsform, denn der 
Zufallsname „Spanische Krankheit“ ist doch etwas naiv und 
kaum angemessen, jedenfalls ohne internationale Geltung. Ich 
habe in meinen Krankengeschichten die Bezeichnung Influenza 
maligna als Notbehelf genommen, doch ist sie unbefriedigend, 
da sie ebenfalls die Frage präjudiziert, und doch auch nicht alle 
Fälle bösartig verlaufen. Wenn es sicher wäre, dass die in Rede 
stehende Krankheit tatsächlich nur eine durch Sepsis komplizierte 
Influenza ist, und dass ihr eigentümlicher Charakter durch eine 
„komplexe Virusform“ im Sinne H. Sahli’s 2 ) erzeugt ist, so 
könnte man sie als Influenza sepiica der Influenza vulgaris gegen- 
überstellen. Aber so wahrscheinlich diese Auffassung auch ist, 
so steht doch ein strikter Beweis noch ans. 

Doch es liegt mir fern. Namen vorschlagen zu wollen, was 
dem berufenen Kliniker überlassen bleibe. Ich wollte nur darauf 
hinweisen, dass hier eine Patenpflicht noch unerfüllt, und dass 
in diesem Falle Name nicht „Schall und Rauch“, sondern ein 
dringendes praktisches Bedürfnis ist. ^ , . 

Aus der inneren Abteilung des Paul Gerhardt-Stiftes 
zu Berlin. 

Beitrag zur Kenntnis der Dermatomyositis acuta 
(Pseudotrichinosis). 

* Von 

Oberstabsarzt Dr. Ridder. 

Am 9. August 1919 wurde die aus Westpreussen 'stammende 
81jährige Laodwirtsfrau A. der Abteilung mit folgenden Angaben über¬ 
wiesen : 

Ende Mai ,1919 erkrankte Pat. akut, indem sich an der 
rechten Stirnseite nahe der Haargrenze kleine juokende, rote 
Flecken bildeten, die sieh nach einigen Tagen über das ganze Ge¬ 


1) Damit soll selbstverständlich nicht behauptet werden, dass eine 
Sympatbikusaffektion lediglich bei der „spanischen Grippe“ vorliege^ 
vielmehr ist anzunehmen, dass derjenige Nerv, der bei den Krankheits¬ 
vorgängen einen so wesentlichen aktiven Anteil hat, auch passiv bei 
den meisten affiliert sei, nur tritt dies bei einigen Krankheiten mehr 
(s. B. wohl auch beim Typhus), bei anderen weniger in die Erscheinung, 
besonders deutlich aber bei der in Frage stehenden. Gewiss verdient 
dieses Verhalten, wie überhaupt der Sympathikus, dies Stiefkind medi¬ 
zinischer Forschung, von seiten des praktischen Arztes mehr Beachtung, 
als ihm bisher meist zuteil wurde. 

2) B.kl.W., 1919, S. 398. 


sicht ausbreiteteD und weiterhin auch auf dem Handrücken zum Vor¬ 
schein kamen, wo sie besonders unangenehm juckten. Fieber, Ver¬ 
dauungsstörungen, Kopfschmerzen oder sonstige schwere Allgemein¬ 
beschwerden sollen nicht bestanden haben. 

Der Zustand blieb länger« Zeit stationär, bis sich Mitte Juli eine 
teigige, dann pralle Schwellung des Gesichts und in geringem 
Maasse der Hände, Unterarme und beider Beine hinzugesellte. 
Jetzt machten sich auch zuerst Schwächegefühl in Beinen und 
Armen und heftige spontane Bewegungs- und Druckschmerzeu 
in der Arm- und Oberschenkelmuskulatur bemerkbar. 

Auffallend war während der ganzen Dauer der Erkrankung starke 
Schweissabsonderung, besonders am Tage. Menses seit Beginn 
der Erkrankung unregelmässig. 

Irgend ein Zusammenhang mit Infekten (Angina, Gelenkrheumatismus, 
Grippe) war nicht nachweisbar; für Tuberkulose, Lues, Gonorrhoe kein 
Anhaltspunkt (Wassermann negativ). Auch für eine Intoxikation 
exogener oder endogener Natur nichts za ermitteln: insbesondere fehlten 
Störungen von seiten des Magendarmkanals gänzlich. Erkältungsursaohen 
nicht vorhanden. Klagen: Muskelschmerzen in Armen und Beinen, 
Muskelsteifigkeit, hochgradige muskuläre Schwäche, Haut- 
juoken, besonders an den Handrücken. 

Befund: Sehr gut genährte, mittelgrosse, kräftige Frau (72 kg), die 
sich mühsam fortbewegt und sich mit sichtbarer Anstrengung und 
Schwerfälligkeit entkleidet. Höobst auffallend die Rötung und Schwel¬ 
lung des Gesichts, die besonders stark die Augenlider befallen 
hat, so dass die Augen nur noch als schmaler Spalt sichtbar sind. Aber 
auch so bemerkt der Beschauer die starke Injektion der Kon¬ 
junktiven, die die Bindehäute wie dunkelroten Samt erscheinen lassen. 
An der Stirn undeutliche makulo papulöse kleine bräunlich-rote Fleoken. 
Arme und Beine sind ebenfalls, wenn auch viel weniger stark, ge¬ 
schwollen, aber mit Ausnahme der Handrücken, die kleine mehr 
quaddelartige rote Stellen zeigen, nicht gerötet. Die Rumpfhaut ist 
völlig frei von Exanthemen und Schwellungen. 

Die Extremitätenmuskulatur fühlt sich verdiokt, derb- 
ödematös au und ist auf Druck und Bewegungen sehr schmerz¬ 
haft, die Rumpfmuskulatur ist frei. 

Gehen, Treppen- und Stufensteigen, Heben und Bewegen der Arme 
sehr erschwert und wegen der Schmerzen ängstlich gemieden. Auch in 
der Ruhe starke Sohweissabsonderung der Haut. Mundhöhle: 
Auf dem weichen Gaumenr einige liosengrosse hoobrote Fleoken. 
Schlucken und* Kauen ohne Besonderheiten. Zunge: Leichter Tremor, 
Bewegungen frei, Aussehen gewöhnlich. Mandeln: Rechte Gaumenmandel 
vergrössert, stark zerklüftet, linke o. B. 

Schilddrüse tastbar, weder vergrössert noch besonders klein. 
Innere Organe: Lungen ohne nachweisbare Veränderungen, untere 
Grenzen gut verschieblich, kein Husten und Auswerf. 

Herz in gewöhnlichen Grenzen, Töne rein, Puls 90, regelmässig, 
kräftig. Blutdruck: 110 mm R'va-Rooci. Leber, Milz nicht vergrössert, 
am Magen und Darm keine erkennbaren Veränderungen. Appetit gering, 
Stuhl träge, aber sonst von gewöhnlicher Beschaffenheit. Untersuchung 
auf Blut nach drei fleischfreien Tagen negativ. 

Nieren: Urin etwa 700 ccm, klar, sauer, 1025 spez. Gewicht. 
Alb, Sach., Diazo, Bilirubio, Urobilin, Urobilinogen negativ. Im 
Sediment spärliche Leukozyten und Pflasterepithelien. Nervensystem: 
Sensorium frei. Hartnäckige Schlaflosigkeit. Pupillen gleich, 
reagieren prompt auf Licht und Akkommodation. Augenbewegungen frei. 
Hautreflexe o. B. Patellar eflexe beiderseits sehr schwach, 
Achillesreflexe desgl., Trizepsreflex bes. -f-, Kernig beider¬ 
seits 4"- Babinski —, Sensibilität für alle Qualitäten intakt. Nerven- 
stämme nicht drnckempfindlich. Grobe Kraft stark herab¬ 
gesetzt. 

Temperatur: Bei der Aufnahme 87°, später unregelmässige Fieber¬ 
zacken bis 88,5°. 

Diagnose: Das eigentümliche Gesichts- und Lidödcm, die Muskel- 
lähmigkeit und die Muskelsohm erzen erweckten, nachdem eine Herz¬ 
oder Nierenerkrankung ausgeschlossen werden konnte, den Verdacht auf 
Tri oh i nose. Es fiel aber auf, dass sonst niemand in der Umgebung 
unter ähnlichen Symptomen erkrankt war, auch leugnete sowohl die 
Kranke wie der Ehemann den Genuss nicht untersuchten oder frischen 
Schweinefleisches. Immerhin gab Pat. die Möglichkeit zu, dass sie bei 
Nachbarn Schweinefleisch gegessen haben könne. 

Die Diagnose Trichinose verlor aber sehr an Wahrscheinlichkeit, als 
wiederholte Blutuntersucbungen weder eine Hyperleukozytose 
(6750—8000) noch Eosinophilie (1—sSpCt.) ergaben und die Diazo- 
reaktion des Urins stets negativ war. Bevor ioh zur Entscheidung der 
Diagnose an die Exzision eines Muskelstückchfeos schritt, stellte ich die 
Kranke Herrn Professor Arndt, Direktor der Universitätsklinik für 
Kautkrankbeiten vor, um zu erfahren, ob vielleicht eine mir unbekannte 
Hautmuskelerkranknng voriiegen könne. Herr Professor Arndt maohte 
mich nun aufmerksam auf das Bild der Dermatomyositis acuta, die 
ausser Trichinose in Frage kommen könne. Klärung konnte nur durch 
Untersuchung eines Muskelstückcbens . getroffen werden, da Stublunter- 
suebungen auf Trichinelien an sich wenig aussiobtsvoll sind, aber im 
vorliegenden Falle wegen der Dauer der Erkrankung von vornherein 
nutzlos «ein mussten. Ebenso konnte man sioh mit Rücksicht, auf die 
seit dem Beginn der Krankheit verflossene Zeit nichts mehr von einer 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 51. 


Untersuchung des Blutes auf TrichiDellen, wie sie Stäabli 1 ) empfiehlt, 
versprechen. Herr Professor Rumpel, dirigierender Arzt der chirurgischen 
Abteilung des Paul Gerhardtstifts, exzidierte nun in Lokalanästhesie aus 
dem Bizeps ein Muskelstück, von dem Teile sofort in lOproz. Formalin, 
sterile physiologische Kochsalzlösung und in Bouillon gebracht wurden. 

Die bakteriologische Untersuchung dieses Materials (Oberstabsarzt 
Prof. Boehnke, bakteriologische Abteilung der Kaiser Wilhelms-Akademie) 
verlief negativ. Im frischen Zupfpräparat waren Trichinelien Dicht zu 
finden. Die anatomische Untersuchung (Stabsarzt Koob, pathologisch¬ 
anatomische Sammlung der Kaiser Wilhelms-Akademie) ergab aus¬ 
gesprochen perivaskulär angeordnete, fast rein lymphozytäre Herd¬ 
bildungen um erweiterte kleine Muskelgefässe herum, mit kleinen 
Blutungen in der Nachbarschaft. Leukozyten fehlen dabei fast ganz. 
In einem vereinzelten Präparat fanden sich eigenartige Chromatinbröckel 
in einem membranähnliehen Gebilde, welche an eine Trichinelle mit 
Larve erinnerten. Bei weiterer Durchs’cht wurde jedoch nichts wieder 
gefunden, was für Trichinose hätte sprechen können; welche Bewandtnis 
es mit diesen Chromatinbröckeln bat, steht dahin. Die Untersuchung 
auf Erreger verlief, auch in versilberten Schnitten, ergebnislos. Die 
anatomische Diagnose lautete daher auf subchronische Myositis 
unklarer Aetiologie. 

Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass es sich 
um einen Pall der seltenen, zuerst von Wagner*), Hepp») und 
vor allem Unverricht 4 ) beschriebenen und studierten Dermato¬ 
myositis acuta handelt, die wegen ihrer ansserordentlichen 
Aehnlicbkeit mit* der Trichinose auch als Pseudotrichinose 
bezeichnet wird. 

Ich beschränke mich auf diese kurze Mitteilung, da alle 
Einzelheiten, insbesondere auch die genauere Beschreibung des 
anatomischen Befundes, der Ausgang der Erkrankung in einer 
demnächst erscheinenden Dissertation des Assistenten am Paul 
Gerhardt-Stift Herrn Behrendts ausführlich behandelt werden 
sollen, and mache nnr noch einmal anf die praktische Wichtig¬ 
keit der wiederholten Blutnntersncbung, die das Pehlen einer 
Eosinophilie einwandfrei ergab und zuerst Zweifel an der Dia¬ 
gnose Trichinose erweckte, aufmerksam. 

Die Behandlung bestand nach Feststellung der Diagnose 
in konsequenter Anwendung ausgiebiger Diaphorese durch Licht¬ 
bäder und Heissluftkasten; symptomatisch in Einreibungen der 
Hant mit Cbloroformöl, in Verabfolgung von Stomachizis and 
von Schlafmitteln sowie Chinin in kleinen Dosen. 

Die Prognose ist in jedem Palle zweifelhaft wegen der 
Möglichkeit des Ergriffen Werdens der Atem- und Schlingmuskn- 
latur nnd der dadurch bedingten Gefahr der Asphyxie und 
Schlnckpnenmonie. 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität 
Berlin. 

Die pharmakologische Auswertung der 
Digitalisblätter. 

(Bemerkungen zur Arbeit A. Sluyters in dieser Wochensohrift 1919, 
Nr. 84.) 

Von 

6. Josehimogl«. 

Sluyters hat gefunden, dass zwar nach Versuohen an Frösohen 
bei der Alkobolextraktion im Soxbletapparat mit absolutem Alkohol 5 ) 
nach Heffter 6 ) mehr Digitalisstoffe extrahiert werden als mit der 
fraktionierten Extraktion mit kaltem Wasser und 50pCt. Alkohol nach 
Straub, dass aber nach Auswertung dieser Extrakte an Katzen, die 
mit dem Soxhletapparat gewonnenen weniger wirksam sind, als die mit 
der fraktionierten Extraktion erhaltenen. Daraus wird der Schluss ge¬ 
zogen, dass man Dach dem Verfahren von Heffter mehr Stoffe aus den 
Digitalisblättern extrahieren kann, welche eine tödliche Wirkung am 
Frosch haben al9 mit der Methode von Straub. Da aber nach den 
Versuohen an Katzen, die mit der fraktionierten Extraktion gewonnenen 
Extrakte schwächer wirken als die durch Soxhletextraktion erhaltenen, 
nimmt Sluyters an, dass bei Soxhletextraktion ausser den spezifischen 


1) Trichinosis. Wiesbaden 1909, J. F. Bergmann. 

2) Arcb. f. klm. M., 1887, Bd. 40. 

8) B.kl.W., 1887, Nr. 17 u. 18. 

4) Zscbr. f. klin. M., Bd. 12. 

5) An vier Stellen der genannten Arbeit wird darauf hingewiesen, 
dass die Extraktion im Soxhletapparat mit 96 proz. Alkohol vor- 
genommen wurde. Es sei darauf hingewiesen, dass die Extraktion bei 
uns immer mit absolutem Alkohol (mindestens 99,5pCt.) geschieht. Eine 
Extraktion mit wasserhaltigem Alkohol im Soxhlet stösst auf nicht geringe 
experimentelle Schwierigkeiten. 

6) Diese Wochenschrift 1917, Nr. 28. 


Digitaliskörpern noch ändere Bestandteile extrahiert werden, die 
am Frosch wirksam sind. Es wird also angenommen, dass die Digitaiis- 
blätter ausser den Glykosiden mit Digitaliswirkung noch andere pharmako¬ 
logisch wirksame Bestandteile enthalten. Es erscheint mir gewagt, 
lediglich aus der verschiedenen Wirkung der Digitalisextrakte an ver¬ 
schiedenen Tieren bei ganz verschiedener VersucbsanordnuDg auf neue, 
in den Digitalisblättern enthaltene Gifte zu schliessen. Dieser Irrtum 
ist von vielen Immunitätsforschern begangen worden, die lediglich ans 
dej Verschiedenheit der Wirkung auf verschiedene Gifte geschlossen 
haben. Die Folgerung Sluyters wäre nur dann einigermaassen verständ¬ 
lich, wenn alle anderen ErkläruDgsmöglichkeiten erschöpft wären. Wir 
wollen untersuchen, ob derartige Möglichkeiten nicht vorliegen. Die 
Auswertung der Extrakte an Katzen wurde von Sluyters nach der 
Methode von Hatcher und Brody 1 ) vorgenommen, und zwar ist hier 
nioht das Originalverfahren dieser Autoren zur Anwendung gekommen. 
Während diese die minimal tödliche Dosis für Ratzen bei Injektion des 
Digitaliskörpers in die Vena femoralis bestimmten und diejenige Menge 
als eine Katzeneinheit (oat unit) bezeichnen, die innerhalb 90 Minuten 
den Tod der Tiere berbeiführt, hat Sluyters bestimmt, welche Dosis 
bei Iojektion in die Vena femoralis Ventrikelstillstand hervorrnft. 
Es ist zunächst darauf binzuweisen, dass bei dieser Methode, die von 
allen bisher angewandten die kürzeste Beobaohtungszeit bietet, die 
verschiedene Resorbierbarkeit der Digitalisglykoside, die zuerst experi¬ 
mentell festzustellen W. Straub 2 * ) versucht hat, nicht berücksichtigt 
wird. Auch wenn die Digitaliskörper direkt in die Vene injiziert werden, 
so werden wahrscheinlich, wie in den Versuchen Straubs, die in Wasser 
löslichen am schnellsten in den Herzmuskel eindringen und ihre Wirkung 
entfalten. Straub fand, dass die Resorbierbarkeit der Digitalisglyko¬ 
side in der Reihenfolge Gitalin, Oleandrin, Digitoxin, k-Stropbantin ab¬ 
nimmt. Diese Verhältnisse werden natürlich hier nicht berücksichtigt. 
Weiter ist hervorzuheben, dass die Katzen keineswegs eine gleiche 
Empfindlichkeit zeigen, so haben z. B. in dem ersten von Sluyters 
mitgeteilten Versuch bei der Katze a 16,67 ccm pro kg Katze genügt, 
um Ventrikelstillstand hervorzurufen, während bei der Katze y 17.89 ccm 
gebraucht wurden. Solche individuelle Verschiedenheiten in der Empfind¬ 
lichkeit der Tiere gegen Digitaliskörper haben wir selbstverständlich 
auch bei Fröschen. Wir können sie aber hier einigermaassen aussebälten, 
indem wir möglichst viele Frösche zur Auswertung benutzen. So werden 
z. B. bei uns mit der gleichen Dosis immer 6 Frösche injiziert, und die¬ 
jenige Dosis wird als Grenzdosis betrachtet, die von 6 Fröschen bei 
mindestens 5 den Tod hervorruft. Das bat n&türlloh einen ausserordent¬ 
lich starken Verbrauch an Fröschen zur Folge. Aber da diese Tiere 
leicht zu beschaffen sind, so spielt das keine Rolle. Es kommt z. B. vor, 
dass für die Auswertung eines Digitalispulvers oder einer Tinktur 80 
bis 40 Frösche verbraucht werden. 18 Frösche sind das Minimum, das 
für eine einwandfreie Auswertung benötigt wird. Bei Versnchen an 
Katzen ist an einen derartigen Verbrauch von Versuchstieren nicht zu 
denken. Auf die verschiedene Empfindlichkeit der Katzen haben Hatoher 
nnd Brody ausdrücklich hingewiesen. Sie schreiben in einer Fussnote: 
„Sinee writing the-preceding Statement, which was based on a very large 
number of experiments covering a period of several years, we bave fonnd 
a number of oala whiob tolerated doses up to nearly fifty per oent more 
than stated. We are unable as yet to explain this*> a . 

An die Möglichkeit, dass bei der Soxhletextraktion mehr Digitoxin 
aus den Blättern extrahiert wird als bei der fraktionierten Extraktion 
mit kaltem Wasser und 50proz. Alkohol, bat Sluyters gedacht, worauf 
in einer Fussnote hingewiesen wird, lehnt aber diese Möglichkeit ab, 
weil Straub 4 ) gefunden hat, dass nach Extraktion der Blätter mit Wasser 
and 50 pCt. Alkohol mit 96proz. Alkohol keine Stoffe mit Digitalis- 
wirkuDg mehr zu extrahieren sind. Auf die Verluste, die bei jeder 
fraktionierten Extraktion auoh bei sebonendster Behandlung der Blätter 
eintreten, hat Heffter schon hingewiesen, loh werde in einer dem¬ 
nächst erscheinenden Arbeit darauf noch zurüokkommen. Die Digitalis- 
blätter sind offenbar so labil, dass sie bei jeder Art der Extraktion zum 
Teil zerstört werden. Es ist wohl möglich, dass das Soxhlet- 
extrakt mehr Digitoxin enthält als die mit kaltem Wasser 
und 50proz. Alkohol erhaltenen Extrakte. 

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Sluyters die Verschieden¬ 
heit der Digitalisglykoside in Bezug auf ihre schnellere oder Jangsamere 
Wirkung auf das Herz, d. h. ihre Reaktionsgeschwindigkeit, bei seiner 
Methode nicht berücksichtigt hat. Die verschiedene Empfänglichkeit 
der Katzen, worauf sohon Hateber und Brody hingewiesen haben 
kann bei geringer Anzahl von Versuchen Fehler bedingen. Bei der 
fraktionierten Extraktion der Digitalisblätter haben wir immer Verluste, die 
wir ans vorläufig nicht erklären können, die aber jedenfalls als Ausdruck 
der Labilität dieser Körper anzusehen sind. An diese Möglichkeiten 
hätte Sluyters denken müssen, bevor ei in den Digitalisblättern nene, 
bis dahin unbekannte, andere als Digitaliswirkung hervorrufende Gifte 
annahm. 


1) H. R. A. Hatober und J. G. Brody, The Biologioal Standar¬ 
dization of Drugs, American Journ. of Pbarm., 1910, Bd. 82, S. 860. 

2) Arob. f. exper. Path. u. Pbarm., 1917, Bd. 80, S. 78. 

8) Im Original nioht gesperrt. 

4) Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1917, Bd. 80, S. 54. 


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UMIVERSITY OF IOWA 






aa.Dwembar 1919._BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. . 1218 


Schwerer Kollaps bei einem jugendlichen 
Patienten nach subkutaner Injektion von 
Asthmolysin. 

Von 

Dr. H. Strabe-Berlin-Mo&bit. 

Zar Kapierung eines schweren Anfalls von Bronchialasthma bei 
einem 28jährigen Kranken wurde erstmalig 1 ccm Asthmolysin sub- 
kutan einverleibt. Wenige Minuten nach der Injektion verfiel der Patient 
in einen tiefen Kollaps, der sich äusserte in Erbrechen, flatterndem, 
kaum su fühlendem Puls, starkem Schweissäusbruch und Bewusstlosigkeit. 

Nach etwa 5 Minuten besserte sich das Allgemeinbefinden, die Haut 
rötete sich, Hersaktion und Atemtätigkeit wurden normal, nach etwa 
10 Minuten war der Kollaps überwunden. 

Asthmolysin enthält in 1 ccm 0,0008 Nebennierenextrakt und 0,04 
Hypophysenextrakt. Die auslösende Ursache des Kollapses ist wohl im 
Nebennierenextrakt su suchen. 

Bekanntlich ereignen sich solche Kollapszustände häufig naoh allsu 
rasoher intravenöser Einverleibung von Nebennierenextrakt, bei sub¬ 
kutaner Injektion sind sie selten. 

Wenn auch der Kollaps restlos überwunden wurde, so sollte man 
doch vorsichtig sein in der Einverleibung des Asthmolysins, und die 
Vorschrift, die für die intravenöse Injektion von Nebennierenextrakt 
besteht, nämlich recht langsam, über eine Minute Dauer, das Medikament 
su injizieren, auch bei der subkutanen Einspritzung des Asthmolysins 
nicht ausser acht lassen. Keinesfalls darf, wie die der Asthmolysin- 
Ampullenpackung beiliegende Gebrauchsanweisung es will, dem Laien 
das Mittel zur Einspritzung überlassen werden, zumal wenn es sich um 
ältere Leute mit schon geschädigtem Gefässsystera handelt. Im vor¬ 
liegenden Falle war es ein jugendlicher Patient mit intaktem Gefäss¬ 
system, der so sohwer kollabierte. Absente medico könnte ein solcher 
Kollaps doch einmal recht üble Folgen haben. 


BQcherbesprechungen. 

I. Igenbeiver; Syphilis ui Alge. 8°. XVI und 625 S. Berlin 1918, 
Verlag von J. Springer. Preis 67,10 M. 

Wenn man den Umfang der ersten für ihre Zeit und noch lange 
naohher ausgezeichneten Monographie über „Syphilis und Auge“ von' 
Alexander (1889) mit dem jetzt erschienenen gleichnamigen Buche 
von Igersheimer vergleicht, so kann man sich dadurch allein einen 
Begriff davon verschaffen, welch regen Anteil die Augenheilkunde an 
den gewaltigen Fortschritten der Syphilisforsohung der letzten 8 Jahr¬ 
zehnte genommen hat. Die Errungenschaften dieser Forschungen in 
einer monographischen Bearbeitung zusammengefasst zu besitzen, war 
seit langem ein Bedürfnis, und so schulden in erster Linie wir Augen¬ 
ärzte dem Autor Dank dafür, dass er sich dieser Aufgabe, noch dazu 
unter den jetzigen so erschwerten Bedingungen, unterzogen bat. Aller¬ 
dings war er auch wie kaum ein anderer Vertreter unseres Faches dazu 
berufen, da er sich durch jahrelange klinische und experimentelle 
Forschungen auf allen Zweigen dieses Sondergebietes mit dem gewaltigen 
Stoffe in der denkbar vollkommensten Weise vertraut gemacht hat. So 
begegnen wir denn auf Schritt und Tritt den Forschungsergebnissen des 
Autors, die — ich greife hier nur das Kapitel „Experimentelle 
Untersuchungen zur Syphilis des Auges* heraus — in zeit¬ 
raubender und mühevoller Arbeit gewonnen, nunmehr zusammengefasst, 
kritisch verwertet und in den Rahmen einer allseitig abgerundeten 
Darstellung eingefügt worden. Besonders dankbar zu begrüssen sind 
von uds Augenärzten die Ausführungen des „Allgemeinen Teils*, 
in denen uns der derzeitige Stand des ganzen Syphilisproblems und 
Tor allem auch die Therapie der Syphilis in klarer und übersicht¬ 
licher Welse übermittelt wird. Nicht minder wertvoll ist natürlich 
auoh die im „Speziellen Teil* gebotene erschöpfende Darstellung 
der syphilitischen Erscheinungen des Auges und ihrer Therapie ein- 
sohliesslich der Lider, Augennerven und Augenhöhle. Dieser Abschnitt 
wird namentlich auch dem Niohtapezialistcn eine rasche Orien¬ 
tierung über diesen wichtigen Teil der Syphiliskunde gestatten. Der 
Sozialhygieniker sei auf den Abschnitt „Prophylaxe und sozial- 
bygienisohe Betrachtungen* besonders aufmerksam gemacht. Die 
Fülle des Stoffes verbietet es leider, an dieser Stelle auf Einzelheiten 
einzugehen, doch möohte ich nicht unterlassen, auch noch auf die 
interessante Darstellung» des Abschnittes „Keratitis interstitialis* 
hiozuweiben, wenn dabei auoh die subjektive Auffassung des Autors be¬ 
sonders stark hervortritt, da er sioh auf einem noch sehr umstrittenen 
und von ihm selbst eifrig bearbeiteten Forschungsgebiete bewegt. An- 
gesiobts der nur kurz gestreiften Vorzüge dieses Buches ist ihm eine 
weite Verbreitung auch über den Kreis der Facbgenossen hinaus Dur 
su wüosohen, ein Wunsch, zu dessen Erfüllung neben der Vortrefflich 
keit des Inhalts die in Anbetracht der jetzigen Zeitverbältnisse recht 
gute Ausstattung durch den bekannten rührigen Springer’sohen Verlag 
nieht wenig beitragen wird. R. Seefel der-Innsbruck. 


Liehe: Die Lichtbehandlung (Heliotherapie) in den deutschen Lingen- 
h eil an stallen. 8. Supplementbaod der Beiträge zur Klinik der Tuber¬ 
kulose. 1919. Verlag von Kabitzscb. 

Die vom Verf. mit Geschick und Sorgfalt bearbeitete Denkschrift, 
zu der die Vereinigung der Lungenheilanstalt&ärzte das Material geliefert, 
bat, legt Zeugnis davon ab, wie in den deutschen Lungenheilanstalten 
nicht nur die modernen physikalischen Heilmethoden angewandt werden, 
sondern dass hier auch in dieser Richtung führend gearbeitet wird. Die 
Denkschrift gibt gleichzeitig ein Bild von dem derzeitigen Stande der 
Licht , Luft-, Sonnen- und Röntgentherapie, das auch weit über den 
engeren Fachkreis der Tuberkuloseärzte Beachtung verdient. 

Köhler-Oöln: Die militärärstliche Beurteilung und Behandlung Lnngen- 
toberkuiSser. Würzburger Abhandlungen, 1919, Bd. 18, H. 5—7. 
Verlag von Kabitzsch. 

Der Verf. behandelt in der vorliegenden Broschüre die Gesichts¬ 
punkte, nach denen tuberkulöse Lungenkranke und Tuberkulosegefäbrdete 
für den Militärdienst eingeschätzt werden und bei behandlungsbedürftiger 
Lungentuberkulose von militärischer Seite aus versorgt werden sollen. 
L*ute, deren Heilstättenkur, also deren manifeste Erkrankung kürzer als 
8 Jahre zurückliegt, sollen nicht als felddienstfähig erachtet werden, 
sind für den Garnisondienst aber mit gewissen Vorbehalten brauchbar. 
Tuberkulosegefäbrdete dürfen nach Erfahrungen des Verf. niemals länger 
als 6 Monate im Felde gelassen werden. Die Behandlung erkrankter 
Heeresangehöriger folgt den geltenden Regeln der Heilstättenbehandlung, 
ist aber stets auf militärische Verhältnisse zugeschnitten. 


C. Hirseh-Göttingen: Wohaaagoelead und Tuberkulose. Tübingen 1919. 

Verlag von Laupp. 

Der frühere Göttinger, jetzt Bonner Kliniker weist in der kleinen Schrift 
auf den Zusammenhang des Wohnungselends und der Ausbreitung der 
Tuberkulose biD. Nicht in uferlosem Rrankenbausbsu, sondern im Bau 
von Häusern für Gesunde liegt die Hoffnung der Zukunft. Vernünftige 
Bodenreform, gesetzliche Festlegung des Begriffes einer menschenwürdigen 
WohnuDg, Ueberwaohung der Wohnung9verhältnisse durch die Fürsorge¬ 
stationen, Anzeigepflicht, Forderung einer eigenen Lagerstätte für jeden 
Menschen usw. sind die wichtigsten Aufgaben, die wir im Kampfe gegen 
die Tuberkulose durchzusetzen haben. Die kleine populär geschriebene 
Schrift sollte in mögliobst weiten Kreisen Verbreitung finden. 

Baomeister-St. Blasien. 


LIter&tur-Auszfige. 

Physiologie. 

H. H. Es eher-Zürich: Grundlagen einer exakten Htatochoaüo der 
Fettstoffe. (Schweis. Korr.-Bt., 1919, Nr. 43) Uebersicbt über einige 
bistochemische Reaktionen von Fett- und Terpenstoffen. R. Fabian. 

R. Draohter-München: Intrathorakiseher Drick nnd Meckanismns 
der Atanvg, an einem einfachen Modell d&rgesfeitt. (M.m.W., 1919, 
Nr. 48.) Das Modell besteht aus einer Glasspritze mit eiogeschlifienem 
Stempel, deren unteres Ende durch Abnahme des Spitzen an satzes weit 
offen ist. Der Stempel und dessen Stiel ist zentral durchbohrt, die da¬ 
durch entstehende Röhre hat einen seitlichen, durch einen Hahn ver- 
sobliessbaren Ansatz. Ueber das offene untere Spitzenende wird ein 
Gummikondom oder Gummisauger gezogen. Mittelst dieses Modells 
lassen sich die intratborakisoben Druckverbaltnisse unter physiologischen 
und pathologischen Umständen veranschaulichen. R. Neumann. 


Pharmakologie. 

Weinberg: Ueber die Wirkung der Sipoaiao ud Sapogeaiao 
auf das isolierte Kaltblüterherz. (Zschr, f. exper. Path. u Tber., 1919, 
Bd. 20, H. .2.) Es wird nachgewiesen, dass in der Tat den Saponinen 
eine Wirkung auf das isolierte Kaltblüterherz zukommt, wie es schon 
von Robert und seinen Schülern gezeigt worden ist.* Die Wirkung ist 
bei fast allen Präparaten eine ziemlich gleichsinnige, jedoch bestehen 
in bezug auf die Konzentration ganz erbebliche Unterschiede. Auoh 
den Sapogeninen kommt eine, wenn auch meist viel geringere Wirkung 
als der Muttersubstaoz zu. 

Boruttau: Versuche über die pharmakologischen Eigenschaften 
der BronzkatoehinBoaoazetoäiiro. (I. Mitteilung.) (Zschr. f exper. 
Path. u. Tber., 1919,3d. 20, H. 2.) Sie steht als Antipyretikuib dem 
Antipyrin näher als der Salizylsäure. 

Cahn-Bronner: Unterschiede im Verhalten des Ckiiino bei oraler 
ud sabkatanor lliverleibing ia doa aieasobliehoa Körper. (Zschr. 
f. exper. Patb, u. Tber., 19^9, Bd. 20, H. 2.) 1. Aus dem Sobwellongs- 

wert der Kaliumquecksilberjodidreaktion (d. h. der geringsten Chinin- 
konzentration, die zum positiven Ausfall der Reaktion notwendig ist) 
kann man bei quantitativen Arbeitsmethoden kleinste, nicht mehr wäg¬ 
bare Chininmengen zuverlässig ihrer Grössenordnung nach absobätzen. 
2. Bei subkutaner Chinininjektion wird ein Chinindepot unter der Haut 
errichtet. 8. Bei Resorption aus diesem Depot wird eine viel höhere 


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UNIVERSUM OF IOWA 









1214 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr.ßl 


Ghininkonzentration im Blut erreicht und für mehrere Stunden auf einer 
Röhe gehalten, als sie bei Resorption aus dem Darm zu erzielen ist. 
Nach mehrfachen Ii jektionen tritt eine Kumulation im Blute ein. 4. Das 
Chinin reichert sich in den Organen an und ist in einigen noch zu einer 
Zeit zu finden, wo es im Blute längst nicht mehr nachweisbar und seine 
Ausscheidung dmrch die Nieren, praktisch gesprochen, berechtigt ist. 
Die pneumonisch infiltrierte Lunge enthält nooh nach 4 Tagen das Chinin 
in einer Konzentration, welche die höchste im Blute überhaupt beob¬ 
achtete noch übertrifft. 5. Der Pneumoniker scheidet mit seinem Aus¬ 
wurf noch lange Zeit nach der Injektion ChininmeDgen aus. 6. Die 
Ausscheidung durch die Nieren ist nach subkutaner Injektion nur ver- 
grössert, nioht verringert. Es tritt also keine vermehrte Zerstörung 
des Chinins im Körper ein. Bei späterem Beginn und geringerem An¬ 
fangswert zieht sich die Ausscheidung über eine längere Zeit hin. Bei 
verzögerter Lösung des Lungeninfiltrates können ausserordentlioh lange 
geringste Chininspuren ausgeschieden werden. 7. Zwischen Chinin und 
den Leukozyten müssen besondere Beziehungen bestehen. 

M. Goldstein. 


Therapie. 

H. Ko 11 er-Winterthur: Zur Behandlung der Grippe mit Elektrargol. 
(Schweiz. Korr.-Bl., 1919, Nr. 48.) Nach den ■ Erfahrungen des Verf. 
stellt das Elektrargol kein spezifisches Grippeheilmittel dar; in der Be¬ 
handlung der Pneumonie wurden die Krankheitserscheinungen günstig 
beeinflusst. R. Fabian. 

G. Gaertner: Ein Vorschlag zur Therapie des Keuchhustens. 
(W.m.W., 1919, Nr. 42.) Die Sonne wird mittelst Reflektors auf die 
Schleimhaut der hinteren Rachenwand, Tonsillen und Gaumenbögen ge¬ 
worfen. Bestrablungsdauer 10—20 Sekunden, 10—20mal. Täglich 
1—2 Bestrahlungsperioden. Verf. beobachtete in 4 Fällen sehr milden 
Verlauf des Keuchhustens und regt die Nachprüfung an einem grösseren 
Krankenmaterial an, eventuell auch Benutzung künstlicher Sonne. Viel¬ 
leicht werden auch Anginen upd Diphtherie günstig durch Sonne be¬ 
einflusst. G. Ei8ner. 

J. Hoppe-Uohtspringe (Altmark): Ueber Silbersalvarsainatrinin. 
(M.m.W., 1919, Nr. 48.) Das Ag-Srivarsan wurde bei Paralytikern, bei 
Hirnluetikern, bei kongenital luetischen Idioten und Epileptikern mit 
Lues angewandt. Teilweise Besserungen waren zu verzeichnen, doch ist 
die Beobachtungszeit für ein abschliessendes Urteil noch zu kurz. Die 
Anwendung erfolgte zunächst intravenös, in 10—20 ccm Aq. steril, dest. 
gelöst; bei Erwachsenen 0,2—0,25. bei Jugendlichen 0,1. Später wurde 
es auch intramuskulär — 0,1 in jeden Glutäus — gegeben, ohne dass 
stärkere Sohmerzen entstanden. Nebenerscheinungen wurden nicht beob¬ 
achtet. Untersuchungen über die Ausscheidungsverbältnisse des Silber- 
salvarsans ergaben, dass ungefähr die Hälfte des Silbers im Körper 
zurüokgehalten wird. ' R. Neumann. 

B. GUserfeld-Berlin Schöneberg: Rückfallfleber und Salvarsan. 
(D.m.W., 1919, Nr. 47.) Im ersten Anfall oder in der ersten Hälfte des 
zweiten Anfalls führt 0,6 Neosalvarsan zur Abkürzung des Anfalls und 
Kupiörung der Krankheit. Im Intervall kürzt 0.6 den nächsten Anfall" 
wesentlich ab, ohne ihn ganz zu verhindern. Vom 3. Tage des zweiten 
Anfalls erzielt man mit 0,3 Neosalvarsan dieselben guten Resultate wie 
mit0,6. Kontraindikationen: a) dekorapensierte Herzaffektionen; b) Nieren¬ 
krankheiten mit ausgeprägten Funktionsstörungen; c) schwerste Krank 
heitserscheinungen, insbesondere Ikterus, bei sebr heruntergekommenen 
Individuen. Dün ner. 

E. Prado-Tagle: Beitrag zum Studium der Behandlung des Fleck- 
flebers Mit intravenösen Peptoniojektionen (nach Noll)- (Rerista 
m6d. de Chile, 1919, Nr. 8.) Nach eingehenden Versuchen über die 
Wifrkung intravenöser Injektionen von Pepton in verschiedener Lösung 
(saurer und alkalischer) bei Kaninohen, besonders hinsichtlich des Ver¬ 
haltens des Blutdrucks, benutzte P. zu Einspritzungen beim fleckfieber¬ 
kranken Menschen eine sohwach-alkalische Lösung. Vor der Injektion 
wird der Patient 12 Stunden auf eine flüssige, eiweissfreie Kost gesetzt. 
Unter genauer Kontrolle des Pulses werden 6—S ccm beim Erwachsenen, 
bei Kindern von 12—15 Jahren 4-5 ccm so eingeführt, dass pro Minute 
1 oem in die. Vene eingelassen wird. Nach. der Injektion 'tritt Schüttel¬ 
frost, Herzklopfen, Hasten und Pulsbeschleunigung auf, gegen die mit 
warmen Getränken und Injektionen von Kampferöl vorgegangen wird. 
Die genannten Reaktionen dauern nur kurze Zeit. Der Kranke beginnt 
bald zu schwitzen, und die Krise ist vorbei. Scbook, wie Nolf ihn be¬ 
schreibt, hat er nie beobachtet, nur einmal kurzdauernde Zyanose, er¬ 
hebliche Pulsbeschleunigung und Dyspnoe. Jeder Kranke bekommt 
naöh der Injektion sechsstündig subkutane Injektionen von Kampferöl, 
je nach Bedarf, dazu V« ccm einer 1 prom. Adrenalinlösung in derselben 
Spritze. Bei Schlaflosigkeit, Jaktationen, Delirien werden Bromsalze, 
Chloralbydrat oder Injektionen von Opiumextrakt verabfolgt. Für 
absolute Rübe des Kranken ist unbedingt zu sorgen. Keine Bäder, 
keine Antipyretika. Mit dieser Methode sind 59 Kranke behandelt 
worden, von denen 2 starben. Es ergabt sieb: 1. Die intravenösen 
Peptoninjektionen (nach Nolf mit der Pr ad o -sehen Modifikation) sind 
gefahrlos und können in jedem Stadium der Krankheit und in jedem 
Lebensalter der Kranken angewandt werden. 2. Sie bessern den All¬ 
gemein zustand, beeinflussen die Temperatur in günstigem Sinne, ver¬ 
kürzen die Dauer der Krankheit und führen rasolr zur Genesung. 8. Je 
früher mit der Behandlung begonnen wird, um so besseres Resultat. 


4. Die Mortalität (im Krankenhaus) betrug 5 pCt. Ein Vergleich der 
Prado*t»ebeD Kurve, mit denen bei Behandlung mit Nukleobexyl oder 
Pferdeserum und Peptonlösungen, wie sie z. B. Munk in seiner auf 
Veranlassung des Kriegsministeriums vorgenommenen Veröffentlichung 
gibt (M.m.W., 1916, Nr. 84), zeigt grosse Uebereinstimmung, doch ist 
bei den Prado’sohen Fällen der Krankheitsverlauf im allgemeines 
etwas mehr abgekürzt. Die Rekonvaleszenz tritt inj Durchschnitt bereits 
zwischen dem 7. und 12. Krankheitstage auf. Westenhöfer. 

R. Tb. v. Jaschke-Giessen: Die Behandlung akut bedrohlicher 
Verletzungen der weiblichen Genitalien. (D.m.W., 1919, Nr. 47.) 
Der Artikel behandelt: Deflorationsverletzung, Koitusverletiungeo, Fremd¬ 
körper, perforierende Verletzung des Uterus, PfäbluDgen, Stich-, Hieb-, 
Schnitt- und Schussverletzungen des Genitales, Verletzungen bei dar 
Geburt, bei Einleitung oder Durchführung des Abortes und Verletzung 
der Tube bei Tubarscbwangerschaft. Dünner. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

H. W. Siemens-München: Ueber den Erbliekkeitobfgriff, insonder¬ 
heit über die Frage, ob Krankheiten vererbt werden können. (D.m.W., 
1919, Nr. 47.) S. baut auf der Theorie von E. Baur auf, nach der 
nicht bestimmte Eigenschaften, sondern nur die Reaktionsfähigkeiten 
und die Reaktionsmöglichkeiten der Rasse vererbt werden. Es wird 
eigentlich nur die erbliche Anlage zur Krankheitsdisposition, nicht diese 
selbst, vererbt. Man unterscheidet idiotypische Merkmale und para- 
typische, d. b. andere, die Ausbildung des betreffenden Merkmals be¬ 
einflussende Erbanlagen. Idiovariation und Paravariation sind nur 
relative Begriffe. Es ist im allgemeinen berechtigt, von idiotypiseben 
und paratypiseben Eigenschaften, Merkmalen, Krankheiten, Dispositionen 
zu sprechen. Dünner. 

Becher: Ueber Rest-N-Aabänfaagen in der Maskalatar hei 
Dephrektomierten Händen und über gesteigerten Ei weisszerfall hei 
völliger Annrie. (Zsehr. f. exper. Path. u. Ther.« 1919, Bd. 20, H. 2.) 
Verf. hat nachgewiesen, dass in der Muskulatur sich normalerweise viel 
mehr nicht koaguabler Stickstoff befindet als im Blut. Nach der 
Nephrektomie steigt der Rest-N im Blut etwas stärker an als in der 
Muskulatur. Das gesamte Muskelgewebe des ganzen Körpers speichert 
dabei aber erheblich mehr Rest-N auf als die gesamte Blutmenge. Die 
im Blut und in den Muskeln bei völliger Anürie sich ansammelndes 
Mengen von nioht koaguablem Stickstoff sind ebenso gross und meistens 
sogar grösser als die in derselben Zeit vom nicht nepbrektomierten Tier 
im Hungerzustand ausgeschiedenen. Das deutet nach Ansicht des Verf. 
auf einen nach der Nephrektomie stattfiodenden vermehrten Eiweiss¬ 
zerfall hin. M. Goldstein. 


Parasitenkunde und Serologie. 

L. Bitter-Kiel: Botilismas. (D.m.W., 1919, Nr. 47.) Der Bazillus 
kann sich in sauren Näbrsubstraten sehr gut entwickeln und stark wirkende 
Gifte produzieren. B. sab, dass bei einem Essigsäuregehalt von 2 pCt. 
und darüber Marinaden usw. ein sicheres Hemmnis für diese Entwick¬ 
lung und Giftbildung sind. Dünner. 

E. Epstein: Ueber den Spengler’scken PeJstäbcheibefaid hei 
Grippe. (W.m.W., 1919, Nr. 41.) Spengler-Davos hatte im Sputum, 
Harn und Blut Grippekranker ein bipolar gefärbtes Stäbchen gefunden, 
das dem Pestbazillus sebr ähnlich war. Er identifizierte es aber keines¬ 
wegs mit ihm, reihte es mit ihm gemeinsam in die Gruppe der Bazillen 
der hämorrhagischen Septikämie ein. Verf. hat eingehende Unter¬ 
suchungen über dieses Stäbchen angestellt und beschreibt seine Eigen¬ 
schaften. Ob es sich um den Erreger der Grippe handelt, erscheint 
aber nooh zweifelhaft. G. Eisner. 

E. Friedberger-Greifswald: Eine neue Methode (Kapiliarstoig- 
methode) zur Treaaaag von Typhns und Koli nebst allgemeinen Unter¬ 
suchungen über das kapillare Steigvermögen der Bakterien im Filtrier¬ 
papier. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) Taucht man 1 cm breite und 10cm 
lange Filtrierpapierstreifen für 20 Sekunden in ein Gemisch von Typbus- 
und Kolibakterien im physiologische NaCl-Lösung und wartet dann, bis 
die Flüssigkeit kapillar aufgestiegen ist, drückt diese Streifen dann 
nebeneinander auf Endoplatten und entfernt sie sofort wieder, so sieht 
man nach Bebrütung, dass die Typbusbakterien höher gestiegen sind, 
dass ferner in den unteren Teilen -des Filtrierpapierdochtes fast nur Koli 
wächst, während in den oberen Teilen die Typhuskolonien überwiegen. 
Diese Methode kann eventuell auch praktisch für Anreicherung von 
Typhusbazillen aus Stuhl, Urin verwandt werden. Es liess sich ferner 
zeigen, dass jede Baktorienart unter sonst gleiohen Bedingungen eine 
besimmte Steighöhe hat, die für die einzelnefi Arten fast konstant, für 
verschiedene Arten aber sehr different ist. Am geringsten ist das Steig¬ 
vermögen bei Sarcine lutea, am höchsten bei Typbus, Pyooyaneus und 
Fluorescens. Gramnegative Bakterien steigen bedeutend höher als gram- 
positive. Wahrscheinlich bandelt es sich um Unterschiede in der mecha¬ 
nischen Adsorption. R. Neumann. 

Innere Medizin. 

N. Jagic: Ueber Nenrosen der Respiratioas- nid Verdaaiagt- 
orgaae. (W.m.W., 1919, Nr. 40 u. 41.) Eiue Reflexoeurose ist das 
Asthma bronchiale nervosum! 'Atropin und Adrenalin lösen den Broc- 


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22. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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chialkrampf aaf dem Wege des Vagus bzv. Sympathikus. Auch bei 
ohronischen diffusen Bronchitiden mit heitiger Dyspnoe, langem Ex- 
spirium und verminderter Exkursionsfäbigkeit des Zwerchfells wirkte 
Adrenalin oft günstig, so dass man eine Löaung spastischer Zustände der 
Bronchialmuskulatur annehmen muss. Ferner gibt es bronchospastisohe 
Zustände im jugendlichen Alter, die den Eindruck von Herzneurosen 
maohen. Nach Lösung des Spasmus durch Adrenalin und die damit 
verbundene Verbesserung der Zwerchfelltätigkeit wird auch die Zirku¬ 
lation günstig beeinflusst. Alle diese Zustände von erhöhtem Bronchial¬ 
muskeltonus wie auch die spastische Bronchitis beruhen auf konstitutio¬ 
nellen Veränderungen. Aeflnlich sind die Neurosen des Verdauungs- 
traktus aufzufassen, z. B. der Oesophagospasmus. sowie die Magen¬ 
neurose. Störungen der Darmfunktion aut rein nervöser Basis betreffen 
sowohl die Motilität wie die Sekretion. Auch die spastische Obstipation 
gehört hierher, sowie die Colica mucosa. Die Wirkung von Atropin, 
Adrenalin und Papaverin auf das Nervensystem und auf die glatte 
Muskulatur ist bei allen spastischen und hypersekretorischen Zuständen 
der Bronchien, des Hägens und des Darms ganz analog. G. Eisner. 

A. Rodella-Basel: Einige Bemerkungen über den Nachweis von 
Milehsänre in Magen und dessen Bedeutung. (Schweiz. Korr.-Bl., 1919, 
Nr. 43.) 4. Mitteilung: Das Probefrübstück mit gekochtem Eiereiweiss. 
Naoh Ansicht des V^rf. bestehen die theoretischen Grundlagen des Eier- 
eiweisses: 1. in der Keimfreiheit des Probeliübstücks; 2. in der An¬ 
wendung einer Gärsubstanz, an die s diö Magenflora angepasst ist; 3. in 
der Möglichkeit der Beurteilung der Bakterien Wirkung je nach dem Ein¬ 
dringen derselben in die Ei weissstücke. R. Fabian. 

Mayer: Ueber fankfioneile Insuffizienz der Bauchspeicheldrüse. 
(Zscbr. f. exper. Path. u. Ther., 1919, Bd. 20, H. 2.) Die Unter¬ 
suchungen des Verf. zeigen, dass die Bedeutung der funktionellen 
Sekretionsstörung in der wichtigen Tatsache beruht, dass bei gewissen 
Dispositionen, in erster Reihe bei Anazidität des Magenßaites, dann bei 
Thyreoidismus und allgemeiner nervöser Reizbarkeit das Pankreas funk¬ 
tionell versagt. Das Bindeglied zwischen dieser gastrogeneu, neurogenen 
und thyreogenen Disposition und der Pankreasstörung scheint die be¬ 
sondere Art der Ernährung zu sein. So richtig es ist, dass in sehr 
vielen Fällen von Anazidität des Magens die Pankreasfunktion uogestört 
st, so wahrscheinlich ist es dooh auf der anderen Seite, dass dieses 
Gieiohgewioht durch Ernährungsschäden gestört werden kann, ln manchen 
dieser Fälle mag es zu gastrogenen Diarrhoen kommen, in anderen zu 
weniger groben, aber immerhin ausreichenden Funktionsstörungen des 
Darmes. Und diese Darmerkrankungen sind eben das, was die funktio¬ 
nelle Pankreasstörung bei gleichzeitiger Achyiia gastrica auslöst und 
unterhält. Da das Pankreas, das funktionell geschädigt ist, häufiger 
als sonst durch aszendierende und metastatische Infektionen erkrankt, 
dürften funktionelle Störungen der Speicheldrüse auch in der Klinik der 
Kriegskrankheiten eine grössere Beachtung beanspruchen, als ihnen bis¬ 
her entgegengebracht worden ist.. 

Mayer: Experimentelle und klinische Untersuchungen über die 
aszendierende and metastatisehe Infektion der Bauchspeicheldrüse. 
(Zsohr. f. exper. Path. u. Ther., 1919, Bd. 20, H. 2.) Verf. hält es für 
wahrscheinlich, dass die Bauchspeicheldrüse während des Krieges zu 
einem Locus minoris resistentiae geworden und damit ihre Empfänglich¬ 
keit für Infektionen aller Art gesteigert ist und zweitens der ganze Ver- 
dauungstraktns in sehr viel erhöhtem Maasse Infekten aller Art ausge¬ 
setzt ist. Bei der Entstehung der akuten Pankreatitis spielen Allge¬ 
meininfektionen eine grosse Rolle. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die 
erhöhte Anfälligkeit des Pankreas ihre Ursache nicht nur in der lokal 
herabgesetzten Resistenz des Organs, sondern auch in der verminderten 
Widerstandsfähigkeit des gesamten Organismus hat. M. Goldstein. 

A. Hahn und R. Offenbacher-Berlin: Ueber die diagnostische 
Verwertung der glykämisehen Reaktion, (D.m.W, 1919, Nr. 47.) Ver- 
suchsanordnung: Bestimmung der Blutzucker Nüchtern weite; dann Trinken 
von 50 g Traubenzuoker in 800 g Tee. Es wird stündlich Harn- und 
Blutzuokerwert festgestellt. Die Werte werden in ein Koordinatensystem 
eingetragen. Es ergaben sich eine Reibe bemerkenswerter Kurven. Die 
auf diese Weise festgestellte glykämisohe Reaktion vermag einerseits bei 
Aglykosurischen Störungen des Kohlehydratstoffwechsels aufzudecken 
(wie sie v echten Diabetikern eigentümlich sind), andererseits bei harm¬ 
losen Glykosurien die Abwesenheit einer tiefgreifenden Kohlenhydrat- 
Btoffweohseistörung darzutun. 

0. Römer-Hamburg: Popillenverändernng bei Veronalvergiftnng. 
(D.m.W., 1919, Nr. 47.) R. sah vielfach bei Veronalvergiftung rhyth¬ 
mische Erweiterung und Verengerung der Pupille, die kurz vor dem 
Tode verschwanden. Dünner. 

Br. Zondek-Berlin: Tiefenthermometrie. (2. Mitteilung.) (M.m.W. 
1919, Nr. 48.) Aus den Ergebnissen über die Wärmeverteilung im 
Körper sei hervorgeboben: Die Temperatur in der Muskulatur der Bauch- 
deoken und der Extremitäten bleibt hinter der des Rektums zurück; 
diese Differenz wird in der Höhe grosser Gefässe geringer. Vom Inneren 
naoh der Oberfläche zu kühlt sich das Gqwebe um durchschnittlich 
0,25° pro Zentimeter ab. Fettarme Haut zeigt unter der Epidermis 
niedrigere Temperaturen als fettreiche Haut. Die im Subkutangewebe 
herrschende Temperatur ist abhängig von der Art des darunterliegenden 
Gewebes. Ueber dem Knochen ist sie am niedrigsten. Organmessungen 
bei Operationen ergaben, dass Leber, Niere und Uterus Werte zeigten, 
die zwischen den vor und naoh der Operation festgestellten Rektal¬ 
temperataren lagen. In der Lange wird die Rektaltemperatur fast er¬ 


reicht. In einem Falle von fraglicher Sepsis wurde in der Milz die 
gleiche Temperatur wie im Rektum erhalten. Io einem zerfallenen 
Uterusmyom überstieg die Temperatur die des Rektum, ln einer Hydro- 
zele war die Temperatur auffallend gering. R. Neumann. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten* 

K. Hitz enberger-Wien: Psychosen nach Grippe. (Mschr. f. Psyob., 
Bd. 46, H. 5 ) Unter 5ü Psyohoseiällen, die mit Grippe in Zusammen¬ 
hang standen, waren 15 Fälle vou Fieberdelirien mit Verkennung der 
Umgebung, Unruhe und Angst, Verfolgungsvorsteilungen und anderen 
Halluzinationen. Es waren 11 Männer und 4 Frauen. 12 Kranke von 
diese« starben. 30 Fälle waren posttebrile Psychosen, Amentiaformen 
(im Sinne Kräpelin’s asthenische oder Rekonvaleszenzdelirien). Diese 
bieten eine gute Prognose. Verf. fasst diese Fälle als Erschöpfung bei 
Prädisponierten (neben der toxisohen Wirkung der Infektionskrankheit) 
auf. Ferner sah er 3 Fälle von Delirium tremens, das unter Begünstigung 
durch die Grippe aultrat, einige Melancholien und wenige Fälle anderer 
Psychosen, bei deuen die Grippe als auslösendes Moment auftrat. 
Einen Einfluss auf katatone Zustände sab er in einem Fall, wo Patient 
(Hebephrene) entlassungsfähig wurde. Es handelt sich wohl um eine 
Remission. 

M. Rhode - Erfurt: Beitrag zur Frage der laotischen Meningitis. 
(Mahr. f. Psych., Bd. 46, H. 5.) Ausführliohe Beschreibung eines Falles 
von Meningitis luetica der hinteren Sohädelgrube und besonders der 
Basis der rechten Kleiuhirnhemispbäre. Die Erscheinungen waren ihrer 
Flüchtigkeit halber verschiedentlich übersehen worden, wodurch Patient 
in mehreren Lazaretten als Hysteriker galt. E. Loewy. 

G. L. Dreyfus - Frankfurt a. M.: Spirillotoxische und arsene- 
toxische zerebrale Reaktionen nach Saivarsan. (M.m.W., 1919, Nr. 45,) 
Die Herxheimer’sche Reaktion des Zentralnervensystems ist spirillo- 
toxischer Natur. Das heisst, die Vergiftung wird bewirkt durch die 
massenhaft freiwerdtnden Endotoxine der allzu brüsk abgetöteten reich¬ 
lichen Spirochäten. Sie ’äussert sioh in Kopfschmerzen oder in lokalen 
Herdtrscheinungen (Hemiplegie, Hirnnervenstörungen) oder in menin- 
gitischen Symptomen, endlich in Delirien oder oft letal endendem Koma. 
Dabei hohes Fieber. Sie tritt regelmässig sehr bald, längstens einige 
Stunden nach der Salvarsaninjektion auf. Meist handelt es sioh um die 
erste Injektion eines Bebandluugsturnus. Streng zu unterscheiden sind 
von dieser Herxheimirisoben Reaktion die klinisch zwar gleiohartigen, 
ätiologisch aber andersartigen Reaktionen im Früh- und Spätstadium 
der Lues. Diese treten erst nach ein bis mehreren Tagen, häufig naoh 
der zweiten Injektion auf. Diese Reaktionen sind als sekundär arseno- 
toxische aufzufasseo, hervorgerufen durch verschiedene Ursachen wie 
Fehler der Technik, der Dosierung, der Indikation usw. Hier muss das 
Saivarsan ausgesetzt werden, was bei der alten Herxfceimerisohen Re¬ 
aktion nicht notwendig ist. 

E. Rominger - Freiburg i. B.: Zur Diagnose der tnberkultisen 
Meningitis in Ktideialter. (M.m.W., 1919, Nr. 48) Die Paudy’sohe 
Reaktion bat sich zur Diagnose der tuberkulösen Meningitis im Kindes- 
atter als sehr wertvoll erwiesen. In 15 Fällen war die Reaktion stets 
positiv und zwar schon in einer so frühen Zeit, in der die übrigen 
sicheren Zeichen wie Tuberkelbazillenbefund im Liquor und die Röntgen¬ 
platte der Lunge noch fehlen. Der negative Ausfall der Reaktion 
schliesst dagegen das Vorhandensein einer tuberkulösen Meningitis aus. 
Demgegenüber ist die Ross-Jones’sche Ringprobe für die Diagnose 
der tuberkulösen Meningitis unzuverlässig, da sie wiederholt auch ohne 
Vorliegen einer tuberkulösen Meningitis positiv war. Zu beachten ist 
aber, dass die Paudy’sche Reaktion'nicht spezifisch für Tbc.-Meningitis 
ist, sondern dass sie bei allen Gehirn- und Hirnhauterkraukungen mit 
erhöhtem Eiweissgehalt des Liquors vorhanden ist. Bei Trübung des 
Lumbalpunktats sind diese aber leicht von der tuberkulösen Meningitis 
zu trennen. Ausführung der Pandy’schen Reaktion: Zu 1 emm konzen¬ 
trierter Karbolsäure (1 Teil Acid oarbol. cryst. plus 15 Teile destillierten 
Wassers) wird ein Tropfen Zerebrospinalflüssigkeit gegeben. Bei posi¬ 
tivem Ausfall bilden sioh an der Berübrungsstelle der 2 Flüssigkeiten 
rauchwolkenähnliohe, bläulich-weisse Trübungen. R. Neumann. 

F. Kramer Berlin: 8ehu8§verletzingen der peripheren Nerven. 
IV. Mitteil.: Nervus medianns. (Mschr. f. Psych., Bd. 46, H. 5.) Verf. 
berichtet über 2l9 Fälle von Medianus-Schussverletzung. Die Funktiona- 
auställe sind auoh bei kompletter Aussohaltung des Nerven meist auf¬ 
fallend gering. Sehr häufig waren aber andere Nerven mitbetroffen. 

_ E. Loewy. 


Kinderheilkunde* 

, G. Singer - Berlin-Rummelsburg: Bericht über einen Inetisehen 
und einen nicht luetischen Zwilling. (Arob. f. Kindhlk., 1919, Bd. 67, 
H. 5 u. 6.) Von den beiden Zwillingen hatte das Mädchen eine klinisch 
sichere Lues und mehrfach positive Wa.R., die erst naoh mehreren 
energisoben Kuren negativ wurde. Der Knabe jedooh batte klinisch 
keine Lues, auch war die 11 mal angestellte Wa.R. stets negativ. Der 
Fall würde am einfachsten zu erklären sein durch Annahme einer pa- 
terneo Uebertragung. 

H. Eckhardt-Dresden: Knochen defekt in rechten Os parietale 
bei einem Kinde. (Aroh. f. Kindhlk., 1919, Bd. ä7, H. 5 u. 6.) Der Defekt 
bei dem 4jährigen Knaben war gross, 12,7 X 4,5 om. Seine Entstehung 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 51. 


war nioht klarzustelleu. Ein Schädel träum a mit starker Schwellung war 
zwar vorhanden gewesen, doch spricht die Grösse des Defektes und das 
Vorhandensein anderer kongenitaler Defektbildungen (Fehlen der linken 
Ohrmusohel und des linken äusseren Gebörganges) datur, dass er an¬ 
geboren ist. Die Intelligenz des Kindes war gut. 

J. Adler - Mönchen: Untersuchungen zum Eiweisszährsebaden des 
Sälgliagg. (Arch. f. Kindblk , 1919, Bd. 67, H. 5 u. 6) Verf. sucht die 
Frage zu beantworten, was mit dem Stickstoff wird, den kranke Säug¬ 
linge auf Erhöhung der N-Zufuhr hin im Körper — oft ohne ent¬ 
sprechende Gewichtszunahme — zuröckbehalten, während das doch beim 
gesunden Säugling uicbt oder nur in geringem Maas^e geschieht. Da die 
Möglichkeit besteht, dass ein Teil dieses Stickstoffs nicht als Eiweiss, 
sondern in Form harniähiger Stickstoffsubstauz zurückbefealteu wird,* so 
wurde 6 Säuglingen in 5—13 tägigen Stoffwechselversuchen an einem 
Tage 2,33 bis 6,99 N in Harnstoff gegeben. Die Ausscheidung geschah 
seitlich prompt nach den von v. Monakow lür den niereugesunden Er¬ 
wachsenen angegebenen Normen. Dagegen wurde quantitativ bei der 
Mehrzahl der Säuglinge nicht aller N ausgeschiedeu. Einen sicheren 
Schluss auf die Form der Retention kann man nicht aus den Versuchen 
ziehen. Am wahrscheinlichsten scheint noch, dass der zuiüikbebaltene 
Stickstoff als harnfähige N Substanz in den Geweben retiniert wurde. 

E. Klose - Hirschberg i. Schl.: Gibt es eine nitere Altersgrenze 
für die manifesten Ei sch ein un gen der Spasmopkilie? (Arch. f. Kindblk., 
1919, Bd. 67, H. 5 u. 6) Verf. tritt den Ausführungen von B. Wolf! 
(Arch. f. Kindhlk., Bd. 66, H. 5 u. 6) entgegen, die behauptet hatte, dass 
das Alter unter 8—4 Monaten kein irgend zuverlässiger Ausschluss¬ 
grund für Spasmophilie sei. Verf. sagt dagegen, dass noch keine kli¬ 
nischen Beobachtungen vorliegen, die uns zwingen, die untere Alters¬ 
grenze der manifesten Tetanie, die am Ende des zweiten Lebensmonates 
liegt, aufzugeben. 

H. Brandt - Berlin Rummelsburg: Blitnatersnehnag«» bei Barlew¬ 
scher Krankheit. (Arch. f. Kindhlk., 1919, Bd. 67, H. 5 u. 6) Bei 6 
von den 7 untersuchten Kindern wurden die Beobachtungen wochen- 
und monatelang fortgesetzt. Normal war der Hämoglobingehalt des 
Blutes, der Ver'auf des Retraktionsprozesses des Blutkuchen», das pro- 
zentuale Verhältnis zwischen Lymphozyten und Polynukleären und die 
Zahl der Leukozyten, die nur bei 2 Kindern etwas vermehrt waren. 
Dagegen wurden durchschnittlich 6—7 Millionen Erythrozyten gefunden 
und eine erhöhte Zahl von Blutplättchen, die bei einem Kinde auf 
800000, bei einem anderen auf eine Million stiegen. Die Gerinnungs¬ 
zeit war verlängert, die Resistenz der Erythrozyten verstärkt. Be¬ 
merkenswert ist, dass diese abnormen Befunde — wie schon Wasser¬ 
mann festgestellt hatte — mehrere Monate bestehen blieben. 

H. Dibbelt - Düsseldorf: Klinischer Beitrag zur infantilen Psendo- 
bnlblrparalyse. (Arob. f. Kindhlk., 1919, Bd. 57, H. 5 u. 6) Zwei 
Kinder von 6 und 8 Jahren, bei denen neben dem Krankheitsbilde der 
spastischen Gliederstarre bulbäre Symptome (Störungen der Scbluüd , 
Zungen- und Sprecbmuskulatur) besonders hervortraten. Das eine Kind 
war asphyktisch geboren und mit Schulze’schen Schwingungen behandelt 
worden. Die Intelligenz der Kinder war ziemlich gut. 

H. Schulz - Rummelsburg: Zur PieberbehaBdiang der bildlichen 
Vnlfifaginilis gonorrhoiea. (Arch. f. Kindhlk;, 1919, Bd. 67, H. 5 u. 6) 
Auf Grund ihrer Erfahrungen bei 20 Kindern warnt Verf. vor der An¬ 
wendung der Behandlung mit heissen Bädern, da in keinem Falle eine 
Heilung eintrat, dagegen oft unangenehme Nebenerscheinungen sich 
zeigten. 

j. Duken-Münohen: Beitrag zur Kentnis der eitrige! Erkrankiagei 
der Hanwege in Kiidesalter — ein Bakteriam der Iottaenzagrappe 
als Erreger der Pyelozystitis. (Arch. f. Kindhlk, 1919, Bl. 67, 
H. 5 u. 6.) lVajähriges Kind mit heftigen Blasensohmerzen, Urindrang, 
unregelmässigem Fieber. Urin stark eitrig, alkalisch, enthält massenhaft 
sehr kleine Bakterien, die kulturell als zur lofiuenzagruppe gehörig be¬ 
stimmt werden. Behandlung mit Urotropin, Borsäure- und Protargol- 
spülungen 6 Weichen lang erfolglos. Dagegen sofort Umschwung und 
Besserung, als Kollargolspülungen der Blase und ausserdem Kollargol- 
klysmen gemacht wurden, 0,5 g auf 30,0 Wasser. 

A. Sokolow-St. Petersburg: Ein Phantom Ein Uaterriebt in der 
IltlbatiOl. (Arcb. f. Kindhlk., 1919, Bd. 67, H. 5 u. 6.) Verf. tritt 
dafür ein, dass die Intubation nicht nur in Kliniken, sondern auch in 
der Praxis gemacht wird, und dass sie alle Aerzte erlernen. Er hat den 
Studentinnen der späteren Semester am medizinischen Institut für Frauen 
mit diesem Phantom schon jahrelang Korse gegeben und sie auoh eine 
Prüfung ablegen lassen. 

W. Kartenmeyer - Düsseldorf: über den Einflags normalen, anti¬ 
toxinfreien Pferdesernms anf die experimentell ersengte Diphtherie¬ 
infektion nnd -Intoxikation des Meerschweinchens. (Arch. f. Kindhlk., 
1919, Bd. 67, H. 5 u. 6 ) Verschiedene Seren der Tiere wurden mit 
filtrierter oder unfiltrierter Diphtheriebazillenbouillon oder Diphtherie¬ 
giftlösung injiziert und gleichzeitig mit normalem Pferdeserum oder 
Diphtherieheilserum behandelt. Die Versuchsergebnisse lassen nach 
Verf. keinen bindenden Schluss zu. Bemerkenswert ist aber, dass fünf 
Tiere, die mit vielfach tödlicher Dosis behandelt waren, nach der In¬ 
jektion von normalem Pferdeserum am Leben blieben, und dass dieses 
auoh die lebende Diphtheriebazillenkultur unschädlich machte. Und 
zwar hatte diese Sohutzwirkung nioht nur ein als antitoxinfrei geliefertes, 
aber doob schwach antitoxinhaltiges Serum, sondern auch ein absolut 


antitoxinfreies. Die Blutuntersuchungen der Tiere ergaben ein Reizung 
des Knochenmarkes durch das artfremde Serum. 

H. Brüning - Rostock: Die neue (provisorische) Universitäts-Kinder¬ 
klinik in Rostock. (Arch. f. Kindhlk., 1919, Bd. 67, H. 5 u 6.) Zwei 
Bäuser wurden lür die Klinik gekauft und unter den erschwerenden 
Umständen der Kriegsseit eingerichtet. So hat die Klinik viele Mängel, 
z. B. fehlen ganz die so notwendigen Veranden. Verf. betont deshalb, 
dass die Klinik nur ein Provisorium sein dürfte. Herbst. 


Chirurgie. 

Keil-Marburg? Zur Frage der Wnnddipktherie. (M.m.W., 1919, 
Nr. 48.) Bei Verdacht auf Wunddiphtherie genügt zur Stellung dieser 
Diagnose Dicht das Vorhandensein polgefurchter Stäbchen. Beweisend 
dafür ist vielmehr nur der Tierversuch mit dem Nachweis der spezifischen 
Toxinwirkuog der Diphiheriebazillen; die der Pseudodiphtherieb&zillen 
fehlt. Bei diesem Vorgehen fanden sich in Marburg unter 60 ver¬ 
dächtigen Wundbelägen niemals echte Diphtheriebazillen. 

R. Neomann. 

E. Paul: Ein Fall von doppelseitiger, knhitneller Kniescheiben- 
lixation nach Trauma. (W.m.W., 1919, Nr. 40 ) Früher angeblich voll¬ 
kommen normal funktionierende Kniegelenke werden von einem Trauma 
— Gesohleiftwerdeo auf harter Strasse — getroffen und zeigen nach 
drei Jahren bei jeder Beugung vollkommenes Abrutschen der Patellen 
auf die Aussenfläcbe des lateralen Kondyles und Rückverlagerung bei 
der Streckung. 

G. Economo und A. Fuchs: Nachbehandlung der Kopfverwnn- 
deten. (W m.W , 1919, Nr. 39—4L) Die Hällte der Ucborlebenden 
zeigen Scheitelbeinsohüsse. Meist handelt es sich um Geaohossver- 
letzuDgeD, seltener um Steinsplitter oder Sähe (Verwundungen oder 
stumpte Gewalt. Die Hirnverletzung entspricht nicht immer der Grösse 
der Schäleiverletzung. Die neurologische Untersuchung gibt über die 
Hirnverletzung Aufschluss. Möglichst frühzeitige Operation ist von 
grosser Bedeutung. Reme Wundverbältnisse verhüten Absiesse und 
Meningitis. Sofort nach der Verwundung tritt meist Bewusstlosigkeit ein. 
Retrograde Amnesie fehlt aber. Häufig tritt-Stauungspapille aut. Wo 
das Projektil unter der Oberfläche liegt, soll es entiernt werden, da es 
auch noch später Abszessbildung veranlassen kann. Wenn es tief liegt, 
soll man abwarten. Bieigeschosse können auch toxisoh wirken. Es worden 
eingehend die Folgezustäude beschrieben: 1 die Allgemeinsymptome, 
2. die Nacbkrankheiten, 3. die psychischen Störungen. Im Anschluss 
daran wird die Therapie der Störungen genau angegeben. Die Einzel¬ 
heiten siod nicht für ein kurzes Referat geeignet. G. Eien er. 

Gaugele Zwickau: Zur Perthea’schen SehnenYerpflanziag bei 
der RadialUl&haang. (Dm.W., 1919, Nr. 47.) (Vortrag, gehalten in 
der medizinischen üesellschatt in Zwiokau am 1. VII. 1919.) Auf die 
von Perthes angegebene Tenodese bei Radialislahmung kann in vielen' 
Fällen verzichtet werden. Die Abtrennung der gelähmten Muskeln von 
den Sehnen ist abzulehnen, da eine Wiederbelebung dieser Muskeln in 
vielen Fällen möglich sein wird. An die Stelle der Perthes’scben Ver¬ 
einigung von Kraftnehmern und Kralfcpendern tritt die Knopflochmethode 
von Vulpius. Die Verteilung der Kraitspender erfolgte am zweok- 
mässigsten in der Verlaufsrichtung der Kraftnehmer, d. h. der Fitxor 
oarpi ulnaris auf Extensor communis und Exteusor polliois longus, der 
Fitxor carpi radialis auf die übrigen Daumemnuskeln. Extensor oarpi 
ulnaris und Extensor carpi radialis longus können ausserdem an die 
Kraitspender augeknüpft werden. Dünner. 

0. Orth - Forbach: Ein Fall von traiBatisrhen Anearysma der 
Arteria reaalis aiaiatra und einer traaautischen raptarierten fttyert- 
nephrose. (D. Zsohr. f. Chir., Bd. 151, H 8 u. 4.) Im ersten Fall han¬ 
delte es sich um ein Aneurysma der Arteria renalis sin., entstanden 
durch eine Stichverletzung, die die Arterie der Länge nach getroffen 
batte. Es bildete sich ein Aneurysma aus, das nach stärkeren An¬ 
strengungen stets zu vorübergehenden Blutungen führte; eine solohe 
löste schliesslich eine so starke Blutung aus, dass ohne operative Hilfe 
der Patient derselben erhgen wäre. Der zweite Fall war eine Hydro- 
nephrose, die zum zweitenmal rupturiert war. Nach der Exstirpation 
der Zyste Heilung. 

F. Bode - Humburg: Die Wechselbeziehungen der Kolltia nnd 

Appendizitis in ihren ätiologischen Zusammenhängen. (D. Zscbr. f. Chir., 
Bd. 151, H. 8 u. 4.) Bei allen auf den Iteozökalteil des Dickdarms be¬ 
schränkten Kolitiden sollte man daran denken, dass als Ursache unter 
Umständen ein chronisch oder latent appendizitischer Wurmfortsatz in 
Frage kommen kann, der von Natur oder durch bereits voraufgegangene 
Entzündungen bedingt, mit dem Zökum ein gemeinsames Peritoneum 
aufweist, und es käme nach Erschöpfung aller übrigen Behandlungs¬ 
methoden event. die Entfernung des Appendix in Frage mit breiter Er- 
öffaung und Drainage des zugehörigen Peritonealüberxuges, um durch 
die Ableitung der in den einzelnen Gewebeschichten des Darmes befind¬ 
lichen Entzündungsprodukte eine Ausheilung der Kolitis anzubahnen. 
Leider ist es bisher nicht möglioh, die eigentliche Lage des Appendix 
zum Zökum im voraus festzustellen, die Röntgenuntersuchung versagt 
in dieser Beziehung vollständig, und auch die Palpation lässt uns ganz 
im Stiob. B. Valentin. 

G. Schmidt - Berlin: Entfernung des entzündeten Warmfortsatne« 

mit dem Leistenbraehe und Leistenbruch-Radikaloperation bei Säugling. 
(D.m.W., 1919, Nr. 47.) Dünner. 


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22. Dezembtt 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1217 


Rost-Heidelberg: Ueber Askariden Ileus. Klinischer und experi¬ 
menteller Beitrag. (D. Zsobr. f. Cbir., Bd. 151, H. 3 u. 4.) Durch 
Tierversuche am überlebenden Katzendarm konnte naobgewiesen werden, 
dass im Körper der Spulwürmer Stoffe vorhanden sind, die stark tonus¬ 
steigernd auf den Darm des Warmblüters einwirken. Die Untersuchung 
der einseinen Organe des Spulwurms ' in ihrer Einwirkung auf den 
Katsendarm ergab nun, dass neben dieser tonussteigernden Substanz 
auch ausgesprochen tonusherabsetsende Stoffe im Spulwurmkörper vor¬ 
handen sind. Flüssigkeit, in der Spulwürmer längere Zeit am Leben er¬ 
halten worden sind, wirkt stark tonusherabsetiend. An der Hand von 
drei eigenen Fällen wird nun der Nachweis geführt, dass auch beim 
Menschen solohe funktionellen Störungen der Darmbewegung bei 
Askaridiasis Vorkommen. Besonders eindeutig ist der spastische Heus, 
der an einzelnen Darmschlingen isoliert und universell über den ganzen 
Dünndarm hin auftreten kann. B. Valentin. 


Röntgenoloige. 

Bahn- Kiel: Eine Entwicklnnjpsehaakel. (Fortsohr. d. Röntgenstr., 
1919, Bd. 26, H. 6.) Die Weiser’schen Wackeltische verursachen zu 
starkes Geräusch. Um dies zu verhüten, sah Yerf. von einer Tisoh- 
konstruktion ab und verwendet eine Schaukel, die an der Decke an 
Ketten bängt und an den beiden Enden der Wandseite Rollen trägt, 
um seitliche Bewegungen zu verhindern. Die Schaukel hat den Nach¬ 
teil, dass man mehr Glyzerinlösung gebraucht. 

P. Matzdorff-Lübeck: Eine einfache Kontrolle der Kieabffek- 
streifenentwieklaag. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1919, Bd. 26, H. 6.) 
Man entwickelt gleichseitig mit dem Streifen einer Entwicklungsserie 
einen Radiumkontrollstreifen. Die Kienböckstreifen geben in der grossen 
Mehrzahl der Fälle normale, d. h. übereinstimmende Resultate. Wenn 
man nun die Radiumdosis gefunden hat, welche immer wieder an ver¬ 
schiedenen Tagen mit jedesmal neuem Entwickler die Sohwärzung von 
10 x auf den Kienböokstreifen erzeugt, dann bat man die geeignete 
Dosis für den Radiumkontrollstreifen. Erläuterungen. 

B. Ulrichs-Finsterwalde: Bewährtes Verfahren zur Röatgenstereo- 
skople Fremdkörperlokalisatioa and Tiefesbestiamnng. (Fortschr. 
d. Röntgenstr., 1919, Bd. 26, H. 6.) Verf. schillert seine Erfahrungen 
mit einem besonders einfachen und billigen Hilfsgerät, das ihm während 
des verflossenen Krieges durchweg die besten Dienste geleistet hat. 
Seine weiteren Ausführungen bilden einen Beitrag zur Veranschaulichung 
des Wertes der Röntgenstereoskopie für die Kriegsohirurgie. Er benutzte 
das Grisson-Stereoskop. 

Zebbe-Kattowitz O.S.: Beiträge zur Röntgenuntersuchung des 
Herieas. (Fortsohr. d. Röntgenstr., 1919, Bd. 26, H. 6.) Vor dem Kriege 
wichen die Beobachtungen der Forscher bezüglich der Methoden der 
Herzröntgenuntersuchung in manchen Punkten auseinander, weil sie das 
am Lebenden gewonnene Röntgenbild nicht anatomisch nacbkontrollieren 
konnten. Im Kriege gelang es oft, die Resultate der Röntgenuntersuchung 
gesunder oder auch frisch erkrankter Herzen von Verwundeten nach ein¬ 
getretenem Tode rasch naohsukontrollieren. Verf. schildert die Ergeb¬ 
nisse solcher jahrelang fortgesetzter Untersuchungen. Sie decken sich 
in vielen Punkten mit den in der Literatur herrschenden Anschauungen, 
in anderen weichen sie ab. Er bespricht die Herzformen und ihre Ver¬ 
änderungen, ferner die Lage, Aktion, den Mu&keltonus und die Grösse 
des Herzens. Am Schlüsse erörtert er die Grössenbestimmung des Herzens 

J. Schütze-Berlin: lafaateriegesehoss im Herten (Fortschr. d. 
Röntgenstr., 1919, Bd. 26. H. 6) Schilderung eines Falles von Herz- 
stecksohuss, io dem die Diagnose Lungensteckschuss gestellt war. Mit¬ 
teilungen über die Untersuchungsresultate bei der Durchleuchtung. Epi¬ 
krise. Abbildungen. 

Grün bäum-Heidelberg: Zur Diagoose der exsndativen taber- 
kallaea Plearitla durch die Röntgenstrablen. (Fortschr. d. Röntgenstr., 
1919, Bd. 26, H. 6 ) Das einfachste und sicherste diagnostische Hilfs¬ 
mittel zur Erkennung der tuberkulösen Natur einer pleuritischen Er¬ 
krankung ist in einer grossen Zahl von Fällen zweifelsohne das Röntgen- 
verfahren. Verf. führt Krankengeschichten an, um zu beweisen wie in 
einer grossen Anzahl von vorher unklaren Fällen man erst duroh Röntgen¬ 
aufnahmen zu eindeutigen Resultaten kam und verlangt deshalb plan- 
massige Einführung dei Röntgen Verfahrens in die Diagnostik der Pleuri¬ 
tiden. 

E. Mühlmann-Stettin: Ulens eallesnai eatriculi and Sandnhr- 
magen. Röntgenologische Beobachtungen in den Kriegsjahren. (Fortschr. 
d. Röntgenstr., 1919, Bd. 26, H. 6.) Die Nische oder die pilzförmige 
Verwölbung vor allem in Verbindung mit Gasblase, Stagnation des 
Kontrastbreies und palpatorisober Unverschieblichkeit kann als Ausdruck 
des kallösen bzw. penetrierenden Ulcus ventriculi eindeutig genannt 
werden, da ihr röntgenologischer Nachweis uns auch ohne Klinik über 
die primäre Ulcusnatur der Veräoderuog aufklärt. Ferner sind als 
weitere röutgeoologische Symptome Gastrospasmu9 und beningner orga¬ 
nischer Sandubrmagen aufzufassen; letzterer, durch Narbenschrumpfung 
entstanden, ist Dicht sicher vom spastisoben Sanduhrmageo zu unter¬ 
scheiden. Bericht über eine Reihe von Fällen aus der Kiiegszeit, aus 
denen hervorgeht, dass im Anschluss an die empfindliche Störung unserer 
Kriegsernährung die Zahl der Ulcera oallosa zunahm, die der Saoduhr- 
magen sank bzw. versobwand, dass der Einfluss der groben Kost die 
Heilungstendens wesentlich störte und die kallöse Umwandlung und die 
Penetration begünstigte. 


E. Rautenberg-Berlin-Liehterfelde: Fortschritte der paeamaperi- 
tonealea Rfntgendiagaostik. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1919, Bd. 26, 
H. 6.) Verf. schildert den Gang seiner Untersuchungen über pneumo- 
peritoneale Röntgendiagnostik und stellt die Fortschritteiwährend der 
fünfjährigen Untersuchungszeit dar. Am Krankenbett versuchte er immer 
mit gehöriger Kritik vorzugehen, d. h. Ueberflüssiges zu vermeiden und 
nur das diagnostisch brauchbare bervorzuheben und auszunutzen. Nun¬ 
mehr kann die Untersuobungsmethode, nachdem die Technik so ver¬ 
einfacht ist, weitere Verbreitung finden und weitere Fortschritte machen. 
Abbildungen erläutern und vereinfachen das Verständnis. 

Schnütgen. 

A. Sohönfeld: Pseado-Uretersteine. (W.ra.W., 1919, H. 42). Es 
gibt eine stattliche Reihe von Schatten, die einen Stein vortäusohen 
können: 1. Karzinomknoten im Pankreaskopf, 2. verkalkte Blutgerinnsel 
in karsinomatÖ86r Niere, B. verkalkte, tuberkulöse Nierenherde, 4. chro¬ 
nische Induration oder Narbe der Niere, 5. Gallensteine, 6. geballter 
Griess oder geballter Kot, 7. Wismut oder 8. Salol, 9. Darmbein - 
exostosen, 10. verkalkter Appendix epiploioa, 11. Enterolithen im Proc. 
vermiform., 12. Sesambeine im Muscul. obturat., 18. Verkalkung der 
Teilungsstelle der Aorta, 14. verkalkte Mesenterialdrüsen. Beschreibung 
von 8 Fällen mit röntgenologischen Schattenflächen im Ureter, die nicht 
von Steinen berrührten. Fall 1: verkalkter Meseoterialdrüsenschatten. 
Fall 2: Kalkinkrustation auf einem tuberkulösen Geschwür im Ureter. 
Im dritten Fall gehörte der Schatten nicht dem Ureter an, sondern lag 
ausserhalb. - G. Bisner. 

T. Sjögren-Stockholm: Beitrag zur Technik bei der Rtintgenbehand- 
Inag von Prnritaa ani. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1919, Bd. 26, H. 6.) 
Um eine günstige Bestrahlung zu erreichen, benutzt Verf. einen 1 Meter 
hohen, mit Rücklebne und einigen Stufen absät zen zum bequemen Be¬ 
steigen versehenen Stuhl mit einem passenden Ausschnitt im Sitz für 
die Bestrahlung der Analgegend. Bleischutz ist genügend angebracht. 
Die Röntgenröhre befindet sioh unter dem Stuhlsitz. Schnütgen. 


Haut* und Geschlechtskrankheiten. 

A. Nordmann-Basel: Syphilis par cenception oder Syphilis 
d’euhlde. Ein Beitrag zur Kasuistik der Syphilibübertragung und zur 
zivilrechtlichen Beurteilung der Geschlechtskrankheiten. (Schweiz. Korr.- 
Bl. t 1919, Nr. 48.) Die Frau eines 2 V 2 Jahre nach stattgefundener 
luetischer Infektion verheirateten Mannes, der vor der Verheiratung mit 
offensichtlichem Erfolge behandelt Worten ist, bringt ein gesundes Kind 
zur Welt. Die Frau selbst bleibt 4 Jahre nach der Heirat gesund, um 
dann zu Beginn de9 5. Jahres obi e nachweisbar vorausgegangenem 
Primäraffekt an sekundärer Lues zu erkranken. R. Fabian. 

G. Stern-Düsseldorf: Die Technik der SilbersalvarsaniBjektion. 
(M.m.W., 1919, Nr. 48.) Bei folgendem VorgeheD ergaben sich nie 
Schwierigkeiten bei der SilbersalvarsaLinjektion: In einer 10 com Rekord¬ 
spritze werden 8 com auf 86° erwärmten abgekochten Leitungswassers 
gegeben, dessen Herauslaufen durch Verschluss der Spritze am Kanülen- 
ansats duroh den linken Zeigefinger verhindert wird. Nun wird langsam 
der Inhalt einer Ampulle Silbersalvarsan darin gelöst. Nach Luftleer- 
maohen der Spritze wird mit einer etwas dickeren KaDÜle, als zur 
Morphiuminjektion gebräuchlich, die Vene angestochen und soviel Blut 
angesaugt, dass die Spritze voll wird. Diese Blutoilbersalvarsanlösung 
wird sofort wieder injiziert ohne Lageveränderung der Spritze. 

R. Neumann. 

M. Winkler - Luzern: Ueber die Mikresporie-EpideBie in Lasern. 
(Schweiz. Korr. Bl., 1919, Nr. 40.) Vortrag, gehalten in der Schweiz, 
dermatolog. Ges. in Lausanne am 16. u. 17. Juli 1919. Jeder Fall von 
Mikrosporie musste gemeldet werden. Ausschliessung der befallenen 
Kinder und deren Geschwister vom Schulunterricht während der Dauer 
der Behandlung bzw. Unterricht in einer Spezialklasse. Die Haare 
wurden kurz geschnitten und mit einem Kopfverband versehen. Die 
Behandlung bestand in Röntgenbestrahlung der befallenen Stellen. 
Täglich Waschung des Kopfes mit Schmierseife und heissem Wasser, 
Einfettung mit 10 proz. Pyrogallusvasolin, Pinselung der kranken Stellen 
zweimal die Woche mit 5 pCt. Jodtinktur. R. Fabian. 

Musohter-Hamburg: Ein Beitrag zu dem Krankheitsbild des 
Lapis penio. (Den* Zschr., Okt. 1919.) Typisoher Lupus pernio bei 
einem tuberkuloseverdäebtigen Herrn, der aber auf Tuberkuliniojektionen 
nicht reagierte. Zysteoartige Aufhellung der Endpbalangen der Finger 
im Röntgenbilde. Heilung duroh Sonnenbäder in Arosa. 

H. Helle - Frankfurt a. M.: Ueber einen Fall von primärer 8arco- 
Batosis catis Blltiplex. (Derm. Zsobr., Okt. 1919.) Kasuistische Mit¬ 
teilung. 

H. Hecht-Prag: Ein Beitrag zur* Reinfectie syphilitica. (Derm. 
Zschr., Okt. 1919.) Die Forderung R. Müller’s, dass eine zweite 
Sklerose nicht! im Lympbbereich der ersten liegen dürfe, kann Verf. 
nicht annebmen. Vielmehr bedingt der anatomische Bau der Vasa 
lymphatica superfaoiales penis, dass die zweite Sklerose in der Nähe 
der ersten sitzen muss. Ausserdem bat er in 6 Fällen von exzidierten 
Sklerosennarben keine Spirochäten mehr gefunden. 

G. Stümpke-Hannover-Lind^n: Ueber LaBbalpnaktiensergebaisse 
bei Syphilitikern. (Derm. Wschr., 1919, Bd. 69, Nr. 45.) Die Liquor¬ 
untersuchungen ergaben pathologische Resultate bei frischer infektiöser 
Syphilis in 25,6 pCt. der Fälle bei Frauen, in 27,7 pCt. bei Männern. 


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1218 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. BL 


Die Befunde der späteren Jahre (Lues seropositiva) stimmen beim weib¬ 
lichen Geschlecht annähernd mit diesen Ergebnissen überein (27 pCt.) 
Und schliesslioh gewann Verf. den Eindruck, dass der Liquor der Fälle 
von Lues seropositiva wesentlich schlechter durch die Therapie zu ver¬ 
ändern ist als bei den Fällen des ersten Jahres. 1mm er wahr. 

J. Ratzenstein: Lei tengs wasser zw intravenöse« Neosslvarsaa- 
einspritzaag. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) Bei Benutzung des ungekochten 
Münohner Leitungswassers für Neosalvarsanauflösung hat Verf. nie un¬ 
angenehme Erfahrungen gemacht. R. Neumann. 

D. Fuchs -Breslau: Fixe Salvarsanexanthene. (D.m.W., 1919. 
Nr. 46.) Ebenso wie gegen das Antipyrin gibt es auch gegen Salvarsau 
eine auf einzelne sonst nicht nachweisbar abnorme Hautstellen bzw. die 
Konjunktivs eines Auges beschränkte Idiosynkrasie, die sich in ent¬ 
zündlichen Erscheinungen und einzelne Male in auffallend schnell auf¬ 
tretender Pigmentierung äuBsert. Einmal gelang es, durch vorherige 
Adrenalininjektion die idiosynkratische Reizung zu verhindern bzw. zu 
vermindern. Dünner. 

H. Boas- Kopenhagen: Ein Fall von goiorrhoiseher Phlebitis. 
(Derm. Wsohr., 1919, Bd. 69, Nr. 44.) Die Phlebitis entwickelte sich 
bei eihem Patienten mit einer in verschiedener Weise kompilierten 
Gonorrhoe. Immer wahr. 


Augenheilkunde. 

A. Vogt-Basel: Die Spaltlanpenmikreskopie des lebenden Auges. 
(M.m.W., 1919, Nr. 48.) Beschreibung des Prinzips der von A. Gull¬ 
strand konstruierten Spaltlampe. Bei dieser wird mittelst eines 
optischen Systems das Bild eines Nernstfadens auf das zu untersuchende 
Auge konzentriert. Es wird so ein Liohtbüschel von rechteckigem Quer¬ 
schnitt durch das dunkle Auge geworfen, und es treten dabei alle 
Teilchen der Augenmedien mit gesondertem Breohungsindex sehr deut¬ 
lich hervor; diese können makroskopisch oder mit dem binokularen 
Zeiss’schen Mikroskop betrachtet werden. Hornhaut, Vorderkammer, 
Linse und das vordere Drittel, des Glaskörpers können so beobachtet 
werden. Mittelst dieser Lampe kann man jetzt eine grosse Anzahl von 
physiologischen und pathologischen Phänomenen, die bisher nur ana¬ 
tomisch feststellbar waren, erkennen. So unter anderem die Mouches 
volantes, mannigfaltige Formen der Glaskörper- und Linsenerkrankungen, 
der Keratitis parenchymatosa, der Uveitis usw. R. Neu mann. 

Zaniboui: Ein Fall von Tiatenstiftverletzung. (W.m.W., 1919, 
Nr. 42.) Beschreibung eines Falles, in dem beim Fallen die Spitze 
eines Tintenstiftes durch das Oberlid zwischen Auge und Orbitalrand 
eingedrungen war und sioh dort eingekapseit hatte. Das durch Gewebs¬ 
flüssigkeit aufgelöste Material entleerte sioh duroh einen Fistelgang 
nach aussen und verfärbte den Verband tiefviolett. Dadurch blieb das 
darunter liegende Auge vor sohwerem Schaden bewahrt. G. Eisner. 

R. W iss man n - Bonn: Ueber Sp&tinfektion bei Blliol’seher Tre¬ 
panation und über ihre Verhütung. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 41,* H. 6.) 
Bei sämtlichen Fällen von Spätinfektion handelt es sioh um ältere In¬ 
dividuen. Verf. schlägt auf Grund seiner Erfahrungen folgendes vor: 
ln gewissen Zeitintervallen, etwa alle 6—8 Wochen, bei trepanierten 
Augen eine Desinfektion des Bindehautsackes vorzunehmen, und zwar 
in der Weise, dass täglich zweimal Einträufelungen mit einer 1 proz. 
Optoohinlösung vorgenommen werden; eine Behandlung von 8tägiger 
Dauer dürfte vollauf genügen. Verstärkt kann die Wirkung des 
Optochins noch werden, wenn man abends statt Tropfen eine Iproz. 
Optoohin-Vaaeline zur Verwendung bringt. Die Verabreichung der 
Tropfen muss am besten im Liegen unter längerem Offenheiten der 
Lider ausgeführt werden, damit die Flüssigkeit sich im ganzen Binde- 
hautsäok gut verteilen kann. Ferner müssen trepanierte Patienten bei 
der geringsten Rötung des Augenlids sofort selbständig Optoobin ein¬ 
träufeln. F. Mendel. 

J. Strebei - Luzern: Zur Frage der Heilbarkeit bei Verstopfung 
der Arterie centralis retinae durch Embolie. (Schweiz. Korr. Bl., 1919, 
Nr. 40.) Die Embolie war die Folge eines Herzfehlers. 48jährige Patientin. 
Therapie: kräftige und ausgiebige Massage des Auges. Digalen und 
Valeriana-Dialys. Inhalation von Amylnitrit. Punktion der vorderen 
Augenkammer. Druokverband. Heilung. R. Fabian. 

Junius-Bonn: Zur Frage der ätiologisoh unklaren Fälle von Seh- 
nervenseiwiiBd, insbesondere bei Kriegsteilnehmern. (Zschr. f. Aughlk., 
Bd. 41, H. 6.) Unter den Erkrankungen überwiegen unzweifelhaft die 
nach Art der N. retrobulb. vis. aouta verlaufenden Fälle mit plötz- 
lioher SehVerschlechterung. Die SehverBchleobterung bildete sich meist 
im Verlauf von einigen Wochen oder Monaten heraus, seltener in 
wenigen Tagen, also gewöhnlich nioht ganz so sohnell, wie oft bei 
N. retrobulbaris aouta. Die Erkrankungen waren in den meisten Fällen 
doppelseitig; die Augen pflegten gleichzeitig oder bald nacheinander zu 
erkranken. Häufig war neben zentralem Skotom auch das seitliche Ge¬ 
sichtsfeld nioht unversehrt. Oft erfolgte fast völlige Erblindung. • Alles 
deutet darauf hin, dass Kriegsein flösse direkt, d. h. duroh körperliche 
Anstrengung, Zugwirkung, Durohnässung auch bei gesunden Organismen 
auf den Sehnerv zu wirken vermögen. Unter der Wirkung der die 
Widerstandsfähigkeit des Körpers herabsetzenden Momente erhalten im 
Blute kreisende Bakterien oder Bakteriengifte die Möglichkeit, an dem 
zarten Gebilde des Sehnerven schädigend einzugreifen. Das empfindliche 
papillo-makuläre Sehnervenbündel leidet in erster Linie, zuweilen das 
ganze Organ. 


Pichler - Klagenfurt: Seltenere Formen der Angenmigrfine. fZsohr. 
f. Aughlk., Bd. 41, H. 6,) Die betreffenden franken warm sämtlich Re¬ 
servisten in Offiziers- oder ähnlichen Stellungen, welche im vordersten 
Etappengebiete, aber nicht oder nur vorübergebend im Kampfbereiobe 
Dienst taten. Zweifellos haben der Krieg und die Eigenart des Dienstes, 
Aufregung, Aerger, zeitweilige ‘Ueberanstrengung bei der Entstehung der 
Anfälle mitgewirkt. Fall 1 zeichnet sich durch die ganz ausserordentlich 
lange Dauer des Gesichtsfeldausfalles aus. Im Anschluss und als Ueber- 
bleibsel eines ungewöhnlich schweren Flimmerskotomanfalles trat ein 
vollständiger Ausfall Jür Farben im linken oberen Viertel des Gesichts¬ 
feldes beider Augen auf, während für Weiss nur eine leichte län- 
schränkung bemerkbar war. Dieser Ausfall wurde 2 Jahre später noch 
naohgewiesen. Der Kranke konnte bei massiger Schonung seinen dienst¬ 
lichen Verpflichtungen naohkommen. Fall 2: Die Anfälle bestehen in 
einem rechtsseitigen vollständigen Ausfall des Gesichtsfeldes auf beiden 
Augen als auffallendster Störung von ziemlich langer Dauer, nämlich 
über eine Viertelstunde. Befindet sich der Kranke gerade auf der 
Strasse, so verläuft ihm dieselbe im Zickzack. Verf. führt dies auf 
Doppeltsehen zurück, also auf eine gleichzeitig mit dem Gesichtsfeld¬ 
ausfall einsetzende Muskelstörung. Fall 8. Selbstbeobachtung. Bei 
Gelegenheiten, denen sonst erfahrungsgemäss gern ein Flimmer&nfall zu 
folgen pflegte, trat ein starkes Schwindelgefühl auf, das mit der Emp¬ 
findung krampfartiger Zusammenziebung an der Nasenseite des einen 
Auges einherging. Verf. stellte übereinanderstehende Doppelbilder von 
geringem Abstand fest. Fall 4. Gans plötzlioh früh beim Aufwachen 
am linken Auge Einschränkung des Gesichtsfeldes von unten her, die 
ihm beim Automobil fahren hinderlich war. Io der Jugend Migräne, 
dann im Laufe der Jahre drei Anfälle mit Lähmungserscheinungen. 

F. Mendel. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

A. Blumenfeid-Berlin: Die Organisation von Pflegeäptern Ib 
Gressstädten. (Derm. Wscbr., 1919, Bd. 69, H. 44.) Unter die Für¬ 
sorge des Pflegeamtes fallen alle Frauen, die ihm von anderen Stellen 
als sittlich gefährdet gemeldet werden oder von selbst seine Hilfe in 
Anspruch nehmen wollen; alle weiblichen Personen, welche bei der 
Sittenpolizei eines unsittlichen Lebenswandels wegen angezeigt worden 
sind; alle Frauen, die von der Polizei aufgegriffen werden; alle Frauen, 
die unter Kontrolle gestellt werden wollen, stehen oder gestanden babcB. 
Träger des Pfiegeamtes Ist die Kommune. Es folgt die Zusammen¬ 
stellung der Aufgaben des Pflegeamtes. Immer wahr. 

F. Lenz-München: Die Bedeutung der statistisch ermittelten Be¬ 
lastung mit Blutsverwandtschaft der Eltern. (M.m.W., 1919, Nr. 47.) 
Berechnungen auf Grund grösserer statistischer Reiben haben ergeben, 
dass der Prozentsatz der Verwandteneben, welcher sieb bei den Eltern 
der Träger gewisser Leiden findet, abhängig ist von der allgemeinen 
«Häufigkeit, mit der die erblichen Anlagen zu den betreffenden Leiden 
in der Bevölkerung verbreitet sind. Diese Beziehung ist zahlenmässig 
fassbar. Ein Vergleich mit den tatsächlichen Zahlen bei Idiotie, Taub¬ 
stummheit, Pigmentatropbie der Retina und Dementia praecox zeigt, 
dass wenigstens der Grössenklasse nach eine Uebereinstimmung besteht. 

R. Neu mann. 

H. v. Hayek • Innsbruck: Gesetzmässigkeiten im Verlanf der 
Tuberkulose. (M.m.W., 1919, Nr. 46 u. 47.) Statistische Erhebungen 
an einem grösseren Tuberkulosematerial einer militärischen Tuberkulose¬ 
anstalt, wobei alle Stadien vertreten waren und die Kranken unter 
möglichst einheitlichen Bedingungen standen, batten ein überraschendes 
Ergebnis: Es stellte sich nämlioh heraus, dass diejenigen, die vor der 
Kriegsdienstleistung praktisch als tuberkulosefrei zu bezeichnen waren, 
am häufigsten an den schweren Formen der Tuberkulose erkranken und 
hinsterben. Dass die angeblich zur Tuberkulose Disponierten gegen 
diese schweren Formen besser geschützt sind, und dass endlioh die seit 
langer Zeit chronisch Tuberkulösen den resistentesten Typ der Tuber¬ 
kulösen bilden. Immnnbiologisch lässt sich diese auffallende Tatsache 
leicht erklären duroh den den spät^ Erkrankten fehlenden ImmunitätB- 
schutz, den die ohropisch Tuberkulösen sohon bei ihrer Infektion in der 
Kindheit erworben haben. Als praktische Folgerung muss aus diesen 
Ergebnissen gezogen werden, einmal schwere Phthisiker zur Vermeidung 
der Infektionsverbreitung mögliohst zu isolieren, dann die Tuberkulösen 
möglichst frühzeitig zu erkenneo und dann dauernd in ärztlicher Beob¬ 
achtung und Behandlung zu halten. Dies Hesse sich am besten durch 
den Ausbau des Fürsorgewesens erzielen. R Neumann. 

W. Wedemann: Versuche mit dem Lobeck’sehen Biorisator. 
(Arbeiten aus d. Reicbsgesundheitsamte, 1919, Bd. 51, H. 8.) Besprechung 
des Prinzips des Apparates, eines Milchentkeimers (12 1 Stundenleistung). 
Beschreibung des Apparates. Ausführung der Biorisation. Methoden 
zur Prüfung der biorisierten Milch auf ihren Keimgebalt und ihre bio¬ 
logisch-chemische Beschaffenheit. Besprechung der einschlägigen Literatur. 
Eigene Versuche. Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse: D*'e 
biorisierte Milch erfährt in ihrem Rohcbaräkter eine geringe Veränderung 
die Haltbarkeit und somit die Genussfähigkeit ist etwa um die doppelt« 
Zeitdauer erhöht, die Keimzahl der natürlich in der Milch vorhandenen 
Keime ist bedeutend vermindert. Anhang: Versuch an einem grossen 
Biorisator. 

Spjtta und Foerster: Die hygienischen Eigenschaften einiger 
neuerer Erzeugnisse ans Ersatzfaserstoffen. (Arbeiten aus d. Beicht* 
gesundheitsamte, 1919, Bd. 51, H. 8.) Untersucht wurden reine Papier- 


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22. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1219 


Stoffe and Mischgewebe aas Papier und Wolle oder Kunstwolle. Erstere 
nehmen hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften eine Stellung 
zwischen den glattgewebten Baumwoll- und Leinenstoffen einerseits und 
den trikotartig gewebten Baumwollstoffen andererseits eiD, stehen aber 
im allgemeinen den ersteren bedeutend näher. Letztere nähern sich in 
ihren Eigenschaften den dünnen Kammgarnstoffen für die Oberkleiduog, 
stehen diesen aber im Wärmehaltungsvermögen nach. 

A. Weitsei: Beiträge zur Bestimmung Zink in organischen 
Stoffen —.Harn, Kot. Lebensmitteln usw. — nebst Bemerkungen über 
den Zihkgehalt von Eeagentien und Analysengefässen. (Arbeiten aus 
d. Reichsgesundheitsamte, 1919, Bd. 51, H. 8.) Nach einer Einleitung 
betr. Mitteilung über zwei Bestimmungsverf&hren von Zink folgt Be- 
Schreibung dieser beiden Verfahren. Ueber den Zinkgehalt von 
Reagentien und Analyseogefässen. Ueber die Angreifbarkeit des Zinks 
in zinkhaltigem Jenaer usw. Glas durch Lauge und andere Reagentien, 
wie Phosphorsäure und Fluoride. Zusammenfassend wird gesagt, dass 
naoh den geschilderten Verfahren Zink, selbst in sehr kleinen Mengen 
im Harn, Kot, tierischen Geweben und Organen und in Lebensmitteln 
a(9 Zinkoxyd genau und einwandfrei bestimmt werden kann. Bei den 
Arbeitsweisen und Verwendung als zinkfrei erwiesener Reagentien tritt 
Z*nk höchstens in so geringen Mengen in das Untersuchungsmaterial 
über, dass sie selbst bei der genauesten Analyse nicht berücksichtigt 
zu worden brauchen. Wenn in Gefässen aus zinkhaltigem Glas Laugen 
oder Pbosphorsäure gekooht oder Fluoride mit Mineralsäuren erhitzt 
werden, wird Zink aus dem Glas herausgelöst und geht in das Analysen- 
material über; hierfür würden Gefässe aus zinkfreiem Glas zu ver¬ 
wenden sein. 

E. Rost und A. Weitzel: Zur Kenntnis des Vorkommens von 
Zink (und Kupfer) in den Ausscheidungen and Organen des Menschen 
und in unseren Lebensmitteln. (Arbeiten aus d. Reiobsgesundheitsamte, 
1919, Bd. 51, H. 8) Unter den Nahrungsmitteln sind zahlreiche und 
gerade die wichtigsten, die bestimmbare Mengen Zink enthalten, ohne 
dass dasselbe durch Aufbewahrung und Herrichtung in zinkabgebenden 
Gefässen in die Speisen und Getränke hineingelangt ist. Es enthalten 
auch menschliche Leichen nicht unbeträchtliche Mengen Zink. Dieses 
ist ein regelmässig vorkommender normaler Bestandteil des Menschen, 
der hygienisch unbedenklich ist. Im Kot, Harn und in den Milchdrüsen 
befindet sich Zink. Der Zinkgebalt war bei Personen, die zuckerhaltige 
Leber assen, im Kot nicht, im Harn etwas vermehrt. Wenn man 
aus dem Zinkgehalt in Kot und Harn die Ursache des Giessfiebers und 
des Zinkhüttensiecbtums ableiten will, muss man berücksichtigen, dass 
regelmässig Zink in Kot und Harn sich befindet. In der Regel befinden 
sieh neben Zink geringere, aber bestimmbare Mengen Kupfer in den 
Lebensmitteln wie in den Geweben, Organen und im Kot des Menschen. 

E. Hailer: Uhber K regele «ld Ersatzmittel für Kresolseife. I. Teil. 
Die Kresolalkaliltisnngen und ihre Desinfektionswirkung. (Arbeiten 
aus d. Reiobsgesundheitsamte, 1919, Bd. 51, H. 8.) Die Desinfektions¬ 
wirkung des Kresols ist in alkalisohen Lösungen st^k herabgesetzt, um 
so stärker, je mehr Kresol an Alkali gebunden ist. Anwendung daher, 
nioht zweokmässig bei Staphylokokken, eher bei Typhus- und auch bei 
Kolibazillen. Praktische Anwendung nur zur Desinfektion von Darm- 
ausscheidüngen und anderen infektiösen Abfällen und Abgängen in 
Krankenhäusern und Seuohengehöften. Sohnütgen. 


Gerichtliche Medizin. 

A. Piloz: Beiträge zur forensische! Psychiatrie während des 
Krieges. (W.m.W., 1919, Nr. 41.) Uebersicht über die gerichtlioh- 
psycbiatflsche Begutachtung von 1088 Fällen. G. Eisner. 

A. fr. Hübner-Bonn: Ueber Dinitrobeazolvergiftingen. (D.m.W., 
1919, Nr. 46.) (Vortrag, gehalten in der Juli-Sitzung der Niederrhein. 
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn.) Gröbere psychische 
Störungen chronischer Art sind selten. Häufiger kommen akute Er¬ 
regungszustände, zum Teil deliriösen Charakters, vor, daneben vorüber¬ 
gehende, sich schnell bessernde Benommenheits- oder Verwirrtheits¬ 
zustände, die der Umgebung der Kranken nioht entgehen. H. schildert 
einen interessanten Gerichtsfall, in dem ein Aufseher eine strafbare 
Handlung als Folge einer Dinitrobenzolvergiftung hingestellt haben 
wollte, was H. ablehnt. 

E. Raute nJ) erg - Berlin- Liebte neide: Ein bemerkenswerter Fall von 
8cheintod. (D.m.W., 1919, Nr. 46) R. berichtet über eine 28jährige 
Frau, die sich mit Morphinin und Veronal vergiften wollte, im Freien 
gefunden und für tot erklärt wurde. Nach 14 Stunden stellen sioh Lebens¬ 
zeichen ein. Völlige Genesung. Keine Komplikation duroh Pneumonie. 

Dünner. 


Schiffs- und Tropenkrankheiten. 

F. Gofferjö: Die Volksgesundheit ia dea deutschen 8iedelnngen 
von Santa Cathariaa. (Aroh. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 23, 
H. 20 u. 21.) Die im Beginn der Besiedelung schlechten Gesund¬ 
heitsverhältnisse haben sich seitdem dauernd gebessert und sind jetzt 
durchweg günstiger als die der Eingeborenen. Abbruch tut ihnen 
vor allem noch die auf dem Lande stark verbreitete Wurmkrankheit, 
deren durchaus möglicher Ausrottung Sorglosigkeit und mangelndes Ver¬ 
ständnis entgegenstehen. Syphilis und Alkoholismus spielen keine Rolle. 


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Die Geburtenhäufigkeit ist günstig, die Säuglingssterblichkeit sehr gering. 
Die wesentlicnen Krankheiten bei den deutschen Kolonisten und bei den 
Eingeborenen sowie die Lebensbeding'ungen und die Verhältnisse des 
Landes werden anschaulich geschildert. 

M. v. Kühle wein: „Zur Frage der ältesten Kunde von Moskito- 
netzen“. (Aroh. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg,, 1919, Bd. 23, H. 20 u. 21.) 
Anführung einer Stelle aus Herodot, aus der sioh ergibt, dass bereits 
1700 Jahre vor Marco Polo (vgl. Bd. 23, H. 20 u. 21 des Archivs) bei 
den alten Aegyptern Netze als Mückenschutz allgemein in Gebrauch 
waren. 

V. Sohilln Ueber die schwere kilikische Malaria. (Aroh. f. 
Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 28, H. 20 u. 21.) Verf. beobachtete 
im Sommer 1916 im kilikisohen Taurus und Amanus eine auffallend 
schwere endemisohe Malaria mit hoher Sterblichkeit und einer verhältnis¬ 
mässig starken Widerstandsfähigkeit der Parasiten gegen ChiniD. Dieser 
ungewöhnlich schweren Malaria entstammen zum Teil die jetzt in Deutsch¬ 
land zur Behandlung kommenden hartnäckigen Rückfallerkrankungen. 
Aus diesen Beobachtuugen auf Unrichtigkeiten in den bisherigen An¬ 
schauungen bezüglich der Malaria zu sohliessen, wie es seitens unge¬ 
nügend Erfahrener geschehen ist, wäre jedoch verfehlt. Es handelt sich 
vielmehr um eine Ausnahme, bei der die Kriegsverhältnisse mit ihren 
mannigfaltigen Folgen die Entwicklung der widerstandsfähigen Malaria- 
rassen begünstigt haben und die deshalb einen allzuweitgehenden 
Pessimismus hinsiohtlioh der Chininbehandlung und -Vorbeugung nicht 
rechtfertigt. Eine absolute therapeutische Resistenz war übrigens in 
wenigen der kilikischen Fälle festzustellen, auch hatte die Chininprophy¬ 
laxe naoh Abzug aller Fehlerquellen doch einen gewissen Erfolg zu ver¬ 
zeichnen. 

M. Taute: Aerztliches aus dem Kriege in Ostafrika 1914—1918. 
(Aroh. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1919, Bd. 28, H. 22.) Darstellung der 
hygienischen und sanitären Bedingungen, unter denen unsere ostafrika¬ 
nische Truppe die heldenhafte Verteidigung der Kolonie dnrehgeführt 
hat. Mit dankbarem Stolze entnehmen wir ihr, wie auch auf diesem 
Gebiete Mut, Tatkraft und Erfindungskunst unserer Deutscbafrikaner fast 
unüberwindlich erscheinender Schwierigkeiten Herr geworden sind. Aus 
der Besprechung der einzelnen bedeutsamen Krankbeitsformen sei er¬ 
wähnt, dass 64,2 pCt. der Todesfälle bei Europäern (ausgenommen töd¬ 
liche Veiwundungen) duroh Schwarzwasserfieber verursacht wurden, 
dass Beteiligung vor kurzem erst erfolgreich Geimpfter an einer beim 
Uebertritt auf portugiesisches Gebiet auftretenden Pockenepidemie der 
Gedaoke an eine Abart der Pooken (ähnlich der aus anderen Teilen 
Afrikas, aus Amerika und Samoa beschriebenen).nahelegte, und dass 
endlich seuchenhaftes Auftreten schwerer kruppöser Lungen¬ 
entzündungen beobachtet wurde. Weber. 

Christopherson: Zur Aatimonbehandlnng der Bilharziakraik* 
heit. (Brit. med. joura., Nr. 3068.) Antimon ist nioht nur ein Spezi¬ 
fikum bei der Behandlung der Bilharziakrankheit, sondern hat auoh un¬ 
zweifelhaft eine grosse Bedeutung für die Verhütung dieser Seuche, denn 
es besitzt die Fähigkeit, die Eischalen von Bilbarzia haematobia und 
Bilharzia mansoni zu durchdringen und die Embryonen zu toten. Es 
besteht somit die begründete Aussicht, durch planmässige Behandlung 
aller Bilbarziaträger die Krankheit da, wo sie endemisch auftritt (Aegypten, 
Sudan usw.), auszurotten. Schreiber. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie au Berlin. 

Sitzung vom 24. Oktober 1919. 

Hr. Robert Meyer:. Entstehung des Leistenbaudes der Uraiere. 

An Hand seiner mikroskopischen Bilder zaigt Vortr., dass das 
Leistenband nicht, wie früher von anderen Autoren angenommen wurde, 
durch Annäherung und Verwachsung eines seitlichen und zentralen 
Vorsprunges des Gewebes, sondern aus einer schon von Anfang an be¬ 
stehenden, ausserhalb der Bauohhöhle gelegenen Anlage sich bildet. 

Hr. P. Strassmann: Zar Verhütung voi Störunge! der Wund- 
beilaag, insbesondere über Beschaffenheit aad Zubereitung des 
Wassers. 

Im Spätsommer hat Vortr. eine Reibe von Störungen der Wund¬ 
heilung beobachtet. Naoh anfänglich glatter Heilung! trat nachträglich 
Abszessbildung in den Baucbdecken auf. Die Zahl der Abszesse wurde 
eine auffallend grosse und verlängerte die Rekonvaleszenz nm 2 bis 8 
Wochen. Auch bei vaginalen Operationen traten öfters leichte Infek¬ 
tionen auf, selbst auch bei vorher nicht ein einziges Mal untersuchten 
Wöchnerinnen. Die bakteriologische Untersuchung ergab stets An¬ 
wesenheit des Stapbylococous albus und aureus. Die antiseptischen 
Maassregeln worden verstärkt, das Nahtmaterial genau untersucht, wobei 
sioh alle Arten Nahtmaterial tadellos bewährten, aber^alles war um¬ 
sonst. Man schritt auoh zur Drainage (primären), aber das half ebenso¬ 
wenig. Uebertragung von Lazaretten kam nicht in Betracht, und eine 
Umfrage erwies, dass man in anderen Kliniken dieselben Erfahrnogen 
gemaobt hatte, auch in der Provinz. Der Operationssaal wurde möglichst 
sterilisiert. So blieb schliesslich nur noch übrig, an das Wasser als 
Ursache zu denken. Die Leitungen waren intakt, aber eine Aussaat 
zeigte, dass massenhaft Bakterien, namentlich Staphylokokken aufgingen. 


Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 






1220 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Hr. 61. 


Von da ab wurde nur nooh abgekochtes Wasser verwendet, und von 
Stund an heilten alle Wunden per primam. Nur das Badewasser wurde 
nicht abgekocht. Eine genauere Untersuchung des Wassers durch die 
Medizinalbehörde ergab zwar, dass das Wasser den durchschnittlichen 
Anforderungen genügte, jedoch wurden immerhin Staphylokokken ge¬ 
tänden. Die Reservoirs und Röhren wurden ebenfalls untersucht, zum 
Desinfizieren mit Sohwefelsäure, wie geraten wurde, konnte sich Vortr. 
aus Rücksicht auf das Material aber nicht entschlossen, sondern wandte 
kochende” Sodalösung an. Diese Sterilisierung hielt aber nicht lange vor. 
Vortr. verbreitet sich über die sonst übliche Sterilisierung des Wassers: 
Sublimat tötet die Bakterien erst nach 10 Minuten in lproz. Lösung, 
was aber die Hände nicht vertragen, Alkohol erst in 10 Minuten und 
in 50proz. Lösung, Formalin ist sohon in 1:5000 hemmend, aber nioht 
tötend. Am besten bewährte sich noch der Seifenspiritus. Das Auf¬ 
treten der Bakterien im Wasser führt Vortr. auf die Influenzaepidemie 
zurück/ aber auch ohnedies bleiben immerhin die fiebermachenden 
giftigen Substanzen auch nach Tötung der Bakterien bestehen. Es be¬ 
darf der Destillation und des Abkochens des Wassers. Zu diesem Zweck 
sind r schon, wie Vortr. erst nachträglich erfuhr, Apparate konstruiert, 
von denen er Abbildungen zeigt. Solche fehlen bei uns zu Lande sonst 
überall, während sie in einigen anderen Ländern schon ganz allgemein 
in Gebrauch sind. Vortr. ist der Ansioht, dass diese Untersuchungen 
nooh fortgesetzt werden müssten, und gibt dafür leitende Gesichts¬ 
punkte "an.' 

Die Aussprache wird vertagt. Siefart. 


Medlcinlsch-iifttiirwisBenscbaftliche Gesellschaft zu Jena. 

Sitzung vom 7. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Leier. 

Schriftführer: Herr Berger. 

1. Hr. Ibrahim: Ueber Sänglingstaberknlose. 

Unter Bezugnahme auf die Beobachtungen von Kuss, H. Albreqht, 
Zar fl u. a. wird ein kurzer Ueberblick über die heutige Auffassung 
von der Säuglingstuberkulose gegeben. Dann Vorführung bemerkens¬ 
werter Einzeltälle. Die Erfahrungen der Jenaer Kinderklnik beweisen 
wiederum, dass die Prognose der Säuglingstuberkulose auch bei Infektion 
im 1. Lebensjahr günstiger zu stellen ist, als man früher annahm. Die 
Röntgenbeobachtung erlaubt gelegentlich, den primären Lungenherd auf¬ 
zufinden und seine Rückbildung zu verfolgen. 

. In der Aussprache fragt Hr. Leier nach dem Häufigkeitsverhältnis 
der Knochen- und Gelenktuberkulose bei derartigen Lun gen befunden im 
Säuglingsalter. Eine entsprechende Anfrage des Hm. Stinzing beant¬ 
wortet Hr. Rössle: Bis etwa zum 4. Lebensjahre findet man auf dem 
Sektionstisch wohl selten geheilte oder abgelaufene Tuberkulose. Ge¬ 
naueste DorchforsohÜDg der Lungen ergebe wohl das Vorkommen von 
Heilungen in diesem Alter, jedoch scheine ihm speziell die Tuberkulose 
des Säuglings meist eine sohwere Tuberkuloseerkrankung zu sein. Man 
bekomme selten gutartige Fälle zu sehen. 

2. Hr. Ibrahim: Ueber Baaehmiskellähmaas hei spinaler Kindef- 
lihmang. 

Berichte über diese Erkrankung sind in der Literatur sehr ver¬ 
einzelt. Klinisoh kann es sich um Lähmung der einzelnen Muskeln oder 
bloss um Lähmung einzelner Abschnitte, z. B. der Rekti, handeln. Anf 
Grund seiner Beobachtungen gibt Vortr. ein Urteil über die Innervation 
der Bauchmuskeln ab. Die von ihm gefundene segmentäre Versorgung 
ist von anatomischer Seite bestätigt worden (Saleoker, Schwarz, 
Söderbergh n. a). Zwei eigene Beobachtungen aus der jüngsten Zeit 
werden mitgeteilt. Hinweis auf die inspiratorisohe Einziehung bzw. 
Furohenbildung im Bereich der unteren Thoraiapertur; sie ist eine Folge 
des Ausfalls der Bauohpresse. 

Aussprache. 

Hr. Stintzing berichtet über eine kürzlich bei einem älteren Mann 
beobaohtete doppelseitige isolierte Lähniung der Rekti. 

Hr. Leier weist darauf hin, dass solche kindliche Bauohmuskel- 
lähmungen bei grossem poliklinischen Material nioht selten beobaohtet 
werden. Er hat mit gutem Erfolg Raffung der Muskulatur vorgenommen, 
findet aber die Verstärkung der Bauchdecken mit einem freien Faszien¬ 
oder subkutanen Bindegewebslappen ausreichend. 

3. Hr. Dukes: Zar Röntgenologie des Emphysems. 

Demonstration von Röntgenaufnahmen, die die verschiedenen Arten 

der Emphyseme, der Pneumatozelen und der Luft- bzw. Gasansamm¬ 
lungen im menschlichen Körper darstellen. Hinweis auf technische 
Möglichkeiten. Besondere Erwähnung der vom Vortr. zuerst beschriebenen 
intrakraniellen und intrazerebralen Pneumatozele nach Trauma und eines 
Falles von Mediastinalemphysem. 

4. Krankenvorstellnag. Hr. Ibrahim: a) multiple kartilagiaftre 
Exostosen ((Lteodysplasia eiostotioa) in Verbindung mit Idiotie, Epi¬ 
lepsie und fortschreitender Erblindung (Sehnervenatrophie) bei einem 
3 8 /<jährigen Knaben. 

b) Epilepsie, kombiniert mit endogener (hypophysärer?) Fettsucht, 
l^jähriges Mädchen. 


Sitzung vom 28. Mai 1919. 

Vorsitzender: Herr Leier. 

Schriftführer: Herr Berger. 

1. Hr. Eigelhon: Naehrif für Exxelleis 8ehultie. 

(Erscheint in der M.m.W.) 

2. Hr. Abel: Die Eralhruagsverhlltuisse in Den tseb lind vor, ia 
und Bach dem Kriege. 

Vortr. bezeichnet die Ernährungsverhältnisse vor dem Kriege im 
allgemeinen als recht befriedigend. Von einer Unterernährung breiterer 
Volksschichten konnte nicht die Rede sein. Dank seiner intensiven und 
ergiebigen Bodenkultur und Viehzucht, in deren Erträgen es alle anderen 
Völker übertraf, war Deutschland in der Lage, seine stark wachsende 
Bevölkerung ausreichend zu ernähren. Daneben war die Einfuhr von 
Nahrungs- und Futtermitteln sehr bedeutend. Vorratswirtschaft wurde 
nicht getrieben. 

Sohon bald nach Kriegsbeginu wurde von Sachverständigen darauf 
hingewiesen, dass bei längerer Kriegsdauer es nicht möglich sein würde, 
neben der Bevölkerung auch noch den ganzen Viehbestand, darunter 
26 Millionen Schweine, mit der eigenen Ernte durohzubringen. Diese 
Warnungsrufe verhallten ungehört. Die Folge waren Februar 1915 Be¬ 
wirtschaftung des Getreides und das grosse Schweinescfalachten im Früh¬ 
jahr 1915. 

Die Unfähigkeit seiner Leiter zur Beurteilung und Erfüllung ihrer 
Aufgaben machten die Errichtung des Kriegsernährungsamtes im Mai 1916 
zu einem völligen Fehlschlag. Vortr. ist bereits im Herbst 1916 aus 
dem Kriegsernährungsamt ausgeschieden und hat diesem den Bankerott 
seiner Ernährungswirtschaft vorausgesagt. Vortr. geht dann näher auf 
die betreffenden Missgriffe und verfehlten diesbezüglichen Maassnahmen 
ein. Bei richtigem Zufassen hätten die verfügbaren Nahrungsmittel 
zweifellos zur ausreichenden, wenn auch knappen Ernährung des ganzen 
Volkes hingereicht. Dann bespricht er den Kohlrübenwinter 1916/17 
mit seinen Oedemkrankbeiten und die vermehrte Sterblichkeit infolge 
der Unterernährung. Besonders weist er auf die Tuberkulosestatistik hin. 

Zum Schlüsse werden Maassnahmen zur Wiederauffütterung des 
Volkes besprochen. Speer-Jena. 

Naturhistorisch-mediclnlscher Verein an Heidelberg. 

(Medizinische Sektion.) 

Sitzung vom 17. Juni 1919. 

1. Hr. Gbbs demonstriert: Pempkigns Yalgaris Bad Mykesis fam- 
goides. Beide Kranke befinden sich in gutem Alfgemeinzustand, obgleich 
das Leiden schon mehr als 10 Jahre besteht. ' 

2. Hr. Rost: Experimentelles and Klinisches über Askarideaiieaa. 

Vortragender konnte in letzter Zeit gehäuft Fälle von spastischem 

Askaridenileus beobachten und wurde dadurch angeregt, die Frage zu 
untersuchen, ob vi^leiobt ein chemischer Reiz von den Askariden 
auf die Darmwand ausgeht. Die Untersuchungen wurden am über¬ 
lebenden Katzendarm aogestellt und ergaben, dass frischer Eitrakt ans 
Darm und Genitale der Askariden den Tonus der Darmwand steigerte, 
während Leibeshöhlenflüssigkeit und Stoffwechselprodukte keinen Einfluss, 
und der Eitrakt des Hautschlaucbes sogar tonusber absetzen de Wirkung 
batten. Diese verschieden artigen Wirkungen auf den Tonus des Darmes 
erklärten die Tatsache, dass ein spastischer Askaridenileus im Vergleich 
zu dem häufigen Vorkommen der Askariden im Darm doch verhältniss- 
mässig selten ist. — Mit Rücksicht darauf, dass man niemals mit ab¬ 
soluter Sicherheit die Diagnose Ileus, bedingt durch Askariden, stellen 
kann, und da Anthelmintica meist im Stich lassen, verlangt K. die 
Operation, wenn wirklich Ilenserscheinnngen bestehen. Die Laparotomie 
klärt die Diagnose und von einer Enterotomie ans kann man leicht die 
Askariden entfernen. 

Aussprache: Hr. Lust verlangt zunäohst den Versuch mit interner 
Therapie, die allerdings nicht immer erfolgreich ist. 

3. Hr. Mayer-Gross: Neaere Aasiektea zir Frage „Hysterie oder 
Siaialatioa“. 

Die starke Vermehrung der hysterischen Erkrankungen während des 
Krieges wurde zum Ausgangspunkt genommen, um das Vorhandensein 
des Krankheitswansohes als kennzeichnend für die hysterische Reak¬ 
tion unter Heranziehung der bekannten andern Beweisgründe hervor¬ 
zuheben. Damit ist gleichzeitig der Grund der innern Verwandtschaft 
zwischen Hysterie und Simulation gegeben. Die in der Literatur der 
letzten Jahre darüber niedergelegten Ansichten wurden im einzeln ent¬ 
wickelt, insbesondere wurde auf die wichtigen Arbeiten Kretsohmers 
über die Frage eingegangen. ln dem zweiten kritischen Teil wurde ver¬ 
sucht im einzeln za entwickeln wie stark die Beurteilung der Hysterie 
mit Wertungen durchsetzt ist, die teils aus den allgemeinen Zeit- 
an9ohaunngen entnommen sind, teils der persönlichen Weltanschauung 
des Arztes entstammen (Begriff der Krankheit, Willensfreiheit nsw.). 
Dadurch wird die Entscheidung, ob Hysterie oder Simulation vorliegt, 
leicht nach der einen oder andern Richtung verschoben. Die zahlreichen 
Uebergangsfälle leisten einer solchen zwiespältigen Beurteilung Vor¬ 
schub. Nur auf Grund einer genauen Analyse der Persönlichkeit and 
bei einer sorgfältigen Berücksichtigung der Kennzeichen des hysterischen 
Charakters ist eine Entscheidung von Fall zu Fall möglich. 

Ans den Kriegserfahrungen ergeben sioh für die Beurteilung and 
Behandlung der Unfa,llnearosen des Friedens folgende Leitsätze: 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 







22. Dezember 1019 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1221 


a) Die Erfahrungen mit den seelisch bedingten Erkrankungen im 
Krieg haben gezeigt, dass Dauerstörungen als Folge von Schreck und 
andern 1 plötzlichen Gemütsbewegungen in weitaus den meisten Fällen 
nur dann eintreten, wenn aus irgend welchen Motiven Rentensuobt, 
Arbeitsunlust» allgemeine Lebensuntüchtigkeit usw. — der Wunsoh 
als krank zu gelten, mehr oder weniger bewusst das Seelenleben des 
Erkrankten beherrscht. 

b) Trotzdem ist es nicht berechtigt und vor allem nicht zweck¬ 
mässig, diese Kranken — und dazu gehören vor allem die Unfallneuro¬ 
tiker — als Simulanten zu behandeln. Die reinen zielbewussten Simu¬ 
lanten aus der grossen Menge der in hysterische Tendenzen und 
Mechanismen verstrickten heraus zu finden, ist die Aufgabe einer 
sorgfältigen psychiatrischen Beobachtung und Untersuchung des 
Einzelfalles. 

c) Auch die chronischen Krankheitserscheinungen hysterischer Art 
haben sich fast ausnahmslos als heilbar erwiesen, wenn eine'tat¬ 
kräftige ärztliohe Persönlichkeit mit dem gesamten Rüstzeug der Psycho¬ 
therapie gegen sie Vorgehen konnte. Die Härten, welohe diesen Be¬ 
handlungsmethoden im Kriege anhafteten, sind mit dem Eintreten ruhiger 
Lebensverhältnisse nicht mehr erforderliob; wenn dinKranken nur früh 
genug von fachkundiger Hand behandelt werden. 

| | d) Es liegt im Interesse der Kranken wie der Versicherungsgesell¬ 
schaften, Berufsgenossenschaften usw., die Einrichtung von Nerven- 
behandlungsabteilungen in die Wege zu leiten, in welchen auch 
die Möglichkeit einer Gewöhnung an die Arbeit unter ärztlicher 
Aufsicht gegeben sein müsste. In ihnen könnte auch die Nach¬ 
behandlung der Kriegshysteriker, so weit sie notwendig wird, vorgenommen 
werden. 

e) Durch eine systematische Aufklärung könnte erreicht werden, 
dass auch in Laienkreisen die Anschauung sich verbreitet, das diese 
Nervenkrankheiten harmlos und fast ausnahmslos heilbar 
sind. Dann dürften die nervösen Erkrankungen wohl auch ihren Reiz 
als Unterschlupf für Schwache und Begehrliche verlieren. 

Aussprache: Hr. Willmanns, Kümmel, Homburger, Mayer- 
Gross. _ 

Sitzung vom 1. Juli 1919. 

1. Hr. Hellpaeh: Elemente der Geotheraple. Vom Standpunkt des 
behandelnden Arztes bespricht Vortragender die Heilfaktoren des Orts¬ 
wechsels (Klima, Landschaft) und die Richtlinien für ihre Anwendung 
unter genauer Berücksichtigung der Persönlichkeit des einzelnen Patienten 
(Reaktionstempo und -stufen). Ein Vortrag in sohöner Sprache mit vielen 
psychologischen Feinheiten und praktischen Winken. 

2. Hr. Wetzel: Ueber Massenmörder. 

a Das instinktive Verlangen der Volksmeinung naoh Bejahung der Zu¬ 
rechnungsfähigkeit des Täters, bei Begehung exzeptioneller Verbrechen, 
auf der andern Seite der intuitive Verdacht auf Geistesstörung, der dem 
Psychiater den Verübern solcher ganz ungewöhnlicher Delikte gegenüber 
aufzusteigen pflegt, erweckt das Bedürfnis zu wissen, was eine syste¬ 
matische Untersuchung von Massen solcher besonderer Delikte über die 
seelische Beschaffenheit der Täter besagt. Die Gewinnung solcher Massen 
von Massenmördern kann nur durch die Heranziehung der wissenschaft¬ 
liehen kriminologischen Literatur aus mehr als einem Jahrhundert folgen, 
wobei man natürlich beträchtliche Naohteile gegenüber einem einheitlich 
vorbearbeiteten Material in Kauf nehmen muss. 

Bei der Auswahl wurde der Massenmord begreiflich als Mord (oier 
Totschlag) mit mehr als einem Opfer umschrieben. Bei der Verarbeitung 
schied man aus: die Massenmörder aus Zufall, die Raubmörder, die 
politischen Mörder und die professionellen Giftmischer und Giftmisohe- 
rionen (diesbn Gruppen gegenüber ist eine besondere Bearbeitung unter 
dem Gesichtspunkt des Motivs, nioht der Opferzahl am Platze). Es 
bleiben 153 Fälle. Bei 88 war keine Entscheidung über die seelische 
Beschaffenheit der Täter möglich. Bei den 120 übrigen Fällen waren 
fast 70 pCt. der Täter geisteskrank. Bei den geistesgesunden Tätern 
(einschliesslich der Psychopathen) waren die Taten zumeist Familienmord, 
fast immer im Sinne des erweiterten Selbstmords, oder des Familien¬ 
mordes mit Doppelselbstmord. Die Analyse der Delikte mit männlichen 
und weiblichen Tätern liess in vieler Hinsicht Unterschiede erkennen, 
die letzten Endes in den Unterschieden der männlichen und weiblichen 
Persönlichkeitsstruktur wurzelten. Bei den Geisteskranken findet man 
alle möglichen Psychosen formen. Besonders interessant ist neben der 
Epilepsie die Gruppe der Dementia praeoox-Fälle, weil hier gerade der 
besondere Charakter des Verbrechens als Massendelikt in ganz ver¬ 
schiedenartigen Auswirkungen der Psychose wurzeln kann. Selbstverständ¬ 
lich ist aus einer Reibe von methodologiBohen Gründen äusserste Vor¬ 
sicht bei einem Schluss aus diesen aus der Literatur zusammengesuohten 
Massen auf die Gesamtheit der Massenmörder der gleichen Kategorie 
am Platze. 

Der Vortrag wird in wesentlich erweiterter Form an anderer Stelle 
veröffentlicht werden. 

Sitzung vom 22. Juli 1919. 

1. Hr. Moro demonstriert ein 4jähriges Mädchen, das an Myositis 
•Mifieaas progressiva leidet. Vor 2 Jahren bestand nur eine Infiltration 
eines Kopfnickermuskels, jetzt sind an Kopf, Hals und Rumpf ausgedehnte 
Veränderungen in allen 8 Stadien. 


2. Hr. EIeo: Ueber die doppelte Iniervatioa der qaergestreiftea 
Moskilatar. 

Vort. referiert die wesentlichen Untersuchungsergebnisse und sucht 
die Funktion der doppelten Innervation zu erklären. Nach seiner Hypo¬ 
these empfängt der quergestreifte Muskel auf diesen Wegen antagonistische 
Impulse, und zwar durch die roarkhaltigen zerebrospinalen Fasern 
fördernde, welche die Kontraktion des Muskels bewirken, durch die mark¬ 
lose akzessorische Faser dagegen hemmende Impulse zu 'seiner Er¬ 
schlaffung. Nach seiner Ansicht dient die marklose Faser nioht der 
Regulation des Muskeltonus. 

Aussprache (Zur Frage des Muskeltonus): v. Weizsäcker, Beok, 
Grafe, Freund, Elze. 

8. Hr. Orakle: Ueber die aeaere Entwieklnag der Fread’eekea 
Lekre. (Uebersichtsreferat.) V. Hoffman n-Heidelberg. 

Verein deatscker Aente zu Prag. 

Sitzung vom 16. Mai 1919. 

Hr. 0. A. Wagaer: Bekaadlaag des paralytisekea Ileas. 

Bei der Lumbalanästhesie werden mit den Wurzeln sensibler und 
motorisohpr Nerven auch die Rami communicantes gelähmt. Diese Lähmung 
erstreckt sich entsprechend der Ausbreitung des Mittels bis zu den 
thorakalen Wurzeln, so dass die Rami communicantes nicht nur für die 
sympathischen Beckennerven, sondern auch die für die Splanohnioi mit¬ 
gelähmt werden. Diese Lähmung der präganglionären Fasern der die 
Peristaltik hemmenden Nerven führt zu einer vermehrten Peristaltik, die 
man bei Laparotomien fast immer beobachten kann, und die bei den in 
Lumbalanästhesie ausgefübrten Operationen mit der LähmuDg der Sphink- 
teren zu Stuhlabgang führt, wenn man nicht vorher die Reflexerregbarkeit 
des Auerbacbplexus mit Opium oder dergl. Mitteln herabgesetzt bat. 

Der Vortr. bat nun versucht, diese Vermehrung der Peristaltik in 
Fällen von paralytischem Ileus therapeutisch zu verwerten. Bisher bat er 8 
solche Fälle bei diffuser eitriger Peritonitis so behandelt, in denen ein 
operativer Eingriff indiziert war. Der Effekt war — ohne dass ein Opiat 
vorher verabreicht wurde — ein phänomenaler. Wenige Minuten nach 
der Injektion (Tropakokain 0,1 bis 0,15 in 8 bis 10 ccm. Liquor gelöst) 
erfolgten wiederholt Entleerungen von dünnflüssigem Stuhl mit mächtigem 
Abgänge von Gasen, so dass in allen Fällen noch vor dem Hautsc.hnitte 
der maximal geblähte Darm ganz zusammenfie), was den operativen Ein¬ 
griff wesentlich erleichterte. Diese Entleerungen wiederholten sich mehr¬ 
mals hintereinander, sie sind also nioht nur auf fiie Lähmimg der 
Spbinkteren zurüokzuführen und auf die Spannung duroh Ueberdehnung 
der Darmwände, sondern auch auf eine sofort einsetzende lebhafte 
Peristaltik. 

Da bei der Lumbalanästhesie eine andere Wirkung als wie die 
Lähmung der aus dem Rüokgratskanal austretenden Wurzln nicht an¬ 
genommen werden kann, so muss die beschriebene Wirkung in der 
Lähmung der vorher gereiften, die Peristaltik hemmenden, Nerven ge- 
suoht werden. Dies würde der Annahme Notnagels über die Ent¬ 
stehung des Ileus zum Teile entsprechen; nur verlegt Notnagel den 
Angriffspunkt der Giftstoffe bei Peritonitis in die Ganglien der mesen¬ 
terialen Wurzeln. Nach den Beobachtungen des Vortr. muss, da ja nur 
die präganglionäre Wurzel gelähmt wird, der Angriffspunkt der Gifte im 
Zentralnervensystem gesuoht werden. Zugleich spricht die nach Lähmung 
der HemmungBnerven sofort einsetzende lebhafte Peristaltik gegen die 
bisher allgemein gültige Auffassung, dass es sich beim Ileus paralyticus 
der Peritonitis vorwiegend um eine Lähmung des A uerbach’schen 
Plexus handle. Auf Grund dieser Beobachtungen erscheint also eine 
Revision unserer bisherigen Anschauungen vom Ileus paralyticus not¬ 
wendig. Besonders wirksam müsste das Verfahren der Lumbalanästhesie 
sein bei Fällen von reflektorischer Darmlähmung bei Gallensteinen, 
Nierensteinen und Netzeinklemmungen, da es sieb in diesen Fällen nach 
Ansicht der meisten Autoren um eine Reizung der Hemmungsnerven 
handelt. Die Lumbalanästhesie wäre auch ohne nachfolgende Operation 
als ein sicheres Mittel gegen die Darmlähmung anzuwenden. 

Hr. Marx: Geburt ia. unverletzten Eihäuten und mit Glückshaube. 

Er bespricht die verschiedenen Ursachen, die den Tod eines Kindes 
Infolge Unterlassung des nötigen Beistandes bei der Geburt ver¬ 
ursachen können, und erwähnt vor allem die Verblutung aus der nicht 
genügend unterbundenen Nabelschnur, Verhungern oder Erfrieren, ' 
ferner Erstickung infolge Niohtbeseitiguog von Respirationsbindernissen. 
Zu den letzteren Fällen gehören auch jene, in denen das Kind in un¬ 
verletzten oder nur wenig verletzten Eihäuten geboren wird. Er zitiert 
einen Fall von Gassengeburt, bei dem die Frucht vollständig in die 
Eihäute eingehüllt war, die nur eine kleine Oeffnung Patten, aus der 
sieh das Fruchtwasser bis auf einen kleinen Rest entleert hatte. Die 
Eibäute lagen dem Körper als runzelige Haut gaoz dicht auf. In einem 
dritten Falle lagen die Eihäute dem Gesichte und dem Munde dicht 
auf, bedeckten auch noch die Brust und die oberen Extremitäten. Dieses 
Kind hatte, wie die Darmprobe ergab, nach der Geburt noch gelebt. 
Herr M^rx verweist auf die Seltenheit der Geburt eines reifen Kifcdes 
in intakten oder nur wenig lädierten Eihäuten. Da diese Tatsache in 
Laienkreisen wenig bekannt ist, wird man in einem kriminellen Falle 
die Möglichkeit zugeben müssen, dass der'Kindesmutter die Gefahr des 
Kindes nioht bekannt war, um so mehr als in der Literatur Fälle bekannt 
sind, dass auch Hebammen bei einem solchen Falle völlig ratlos waren. 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 







1222_ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT._Mr. 61. 


Herr M. betont die Schwierigkeit, in einem bestimmten Falle aus den 
Obduktionsbefunden allein zu entscheiden, ob eine böse Absicht oder 
faktische Unkenntnis der Mutter vorliegt, und erinnert an den Fall 
Dittriohs, in dem aus der allerdings lockeren Unterbindung der Nabel¬ 
schnur geschlossen werden konnte, dass die Absicht bestand, dem Kinde 
die nötige Hilfe angedeihen zu lassen, wenn auch das Kind an Verblutung 
zugrunde ging. 

Hr. Marz; Konzfptionsverhütnng durch Sublimat Infolge Ein¬ 
führung einer Sublimatpastille in die Vagina sollte Konzeption verhütet 
werden bei einer 36jähr. Frau. Es traten schwere Vergiftungserschei¬ 
nungen ein, die den Tod zur Folge hatten. Er verweist auf die Selten¬ 
heit der Anwendung von Sublimatpastillen zu diesem Zwecke und be¬ 
spricht nooh einen Fall von Einnahme von Sublimat per os, bei dem es 
analog za den Geschwüren im Darme auch zu Gesohwürsbildung in der 
Vaginalschleimhaut kam. 


Sitzung vom 28. Mai 1919. 

Hr. 0. A. Wagner: Impetigo herpetiformis Hebra, komplixiert 
mit schwerer Tetaaia gravidarum. 

Es bandelte sioh um eine zum 13. Male geschwängerte Frau, bei 
der 14 Tage nach Beginn der tetanischen Krämpfe das Exanthem io der 
charakteristischen Weise auftrat. Da beide Erkrankungen durch die 
Schwangerschaft bedingt erschienen, wurde die bei leichteren Schwanger- 
sohaftsdermatosen bewährte Serumtherapie versucht. Vorerst war wegen 
dor bedrohlichen Symptome der Tetanie Calcium lacticum zuerst intra¬ 
venös, dann per os gegeben worden. Es folgte nunmehr eine intra¬ 
muskuläre Injektion von 10 com Schwangerenserum; von da ab keine 
frische Pustel mehr und rasches Abtrookneu der vorhandenen. Auch 
die Tetanie zeigte nach der Injektion eine auffallende Besserung, nur 
blieben Chwostek und Trousseau einige Zeit positiv, bis auch diese in 
weiterer Behandlung mit Calcium lacticum vollständig verschwanden. 
Die Frau ist gesund, die Schwangerschaft geht ungestört weiter. 

Hr. 6 . A. Wagner: Neabildnng der Urethra mit Bildung eines 
Sphinkter ans den medialen Anteilen der Levatoren. 

17jähriges Mädchen mit Aplasie der Vagina. Von einem Arzte war 
wegen Hämatometra nach brüsker Erweiterung der anscheinend hypo- 
spadisohen Urethra von der Blase aus die Punktion der Hämatometra 
gemacht worden, wobei der Spbincter vesicae vollständig durchtrennt 
wurde. Vollkommene Inkontinenz. Man findet nunmehr eine schmale 
Halbrinne als Reste der .Urethra und gelangt fast 2 Finger weit in die 
Harnblase. Es handelte sioh zunächst um die Beseitigung der Inkon¬ 
tinenz ohne Rüoksicht auf das Vorhandensein eines Uterus ohne Aus-' 
führungsgaug. Bildung einer etwa 8 cm langen Urethra aus den Resten 
der Urethra, die vollständig aus ihrer Umgebung losgelöst wurde, und 
aus der Vestibularschleimhaut. Durch Mitnahme entsprechend genügen¬ 
den Gewebes ist dieses Rohr dickwandig und wird durch Einstülpungs- 
nahte teils verengt, teils versteift. Es werden nun beide Levatoren, die 
gut entwickelt sind, im medialen Anteile freigelegt, etwa 2 cm vom 
freien Rande entfernt in der Mitte zwischen Symphyse und Anus ein 
Knopfloch gemacht und die so in der Mitte freigelegte mediale Partie 
des rechten Levators nach links, die linken nach rechts über die Mittel¬ 
linie herübergezogen, die neugebildete Urethra durch die beiden Knopf¬ 
löcher durchgezogen, so dass sie von einer Muskelzwinge umgeben ist, 
deren linker Bügel aus dem rechten, deren rechter Bügel aus dem linken 
Levator gebildet ist, Verschluss der Vestibulär wunde mit Herausnähen 
der Urethra, deren Mündung von der Symphyse weiter entfernt ist, da 
die dem Anus näher liegenden Anteile des Levator zur Sphinkterbildung 
herangezogen werden mussten, weil weiter oben die Levatorränder zu 
weit auseinander liegen. Pat. 4 Wochen nach der Operation auch im 
Schlaf kontinent, kann Harn entleeren und die Entleerung vollkommen 
unterbrechen. Durch Bestrahlung der Ovarien des bypoplastischen In¬ 
dividuums, das zahlreiche Degenerationszeichen darbietet, soll das Wieder- 
aoftreten einer Hämatometra verhindert werden. Bei Vorhandensein 
einer Vagina wäre die hier mit Erfolg ausgeführte Bildung eines Sphinkter 
nicht in der gleichen Weise zu machen, dä sie einen Verschluss des 
Levatorspaltes mit sioh briogt. Es würde aber vielleicht genügen, die 
zunächst vollständig isolierte Urethra durch einen Schlitz nur des einen 
Levator durchzuziehen. 

Hr. Herrnhei8er: Polyeythaemia rnbra vera. 

Demonstration. Erythrozyten Vermehrung bis 7 800 000 im Kapillar¬ 
blute und 7 600 000 im gestauten Venenblute. Bestätigung des von 
Jaksch gefundenen N-Gebaites der Erythrozyten. 

Frau Sehönhof: Demonstrationen: 1. Stielgedrehte Zyste. Operation 
wegen Peritonitis aus unbekannter Ursache. Schlaffe, infarzierte Zyste 
mit Lücke, aus der sioh Pseudomuzinmassen in das Abdomen entleerten. 
Exstirpation. Heilung. 2. Multilokuläres Pseudomuzinkystom, operiert 
unter der Annahme der Malignität. 3. Ga. des 0vaiiums, ebenfalls mit 
Lücken im Zystenraum. 

Sitzung vom 30. Mai 1919. 

Hr. Oerstl: Erythrodermia desqnamativa Leidner. Demonstration 
eines Falles. Differentialdia^postisch kommen in Betracht: Dermatitis 
exfoliativa (Ritter), allgemeines seborrhoisches Ekzem. Einschränkung 
der Milchernährnng, Verabreiehang von Larosanabkoohungen, lokales 
Einfetten der Haut mit einwandfreiem Fett braohte^Heilung. 


Hr. Vogel: Oesichtsmissbildnng. Unvollkommene quere Wangen- 
spalte, welche offenbar durch einen später einsetzenden Heilunga- bsw. 
Nachbildungsprozess nicht zur vollen Entwicklung gekommen ist. 

Hr. Sehloffer: Riedel’sche Stnmitis. Ganz unter dem Bilde einer 
malignen Struma entstanden, dooh liess sioh die Vergrösserang durch 
die gleichmässige Härte, die gleichmässige kleinböckerige Oberfläche, 
durch die grosse Ausbreitung der flächenhaften Infiltration bei nicht ver¬ 
größerten Lymphdrüsen mit Wahrscheinlichkeit als sogenannte eisen¬ 
harte Strumitis deuten. Probeinzision bestätigte die Diagnose. 

Hr. Ascher: Durchgreifende Horuhantpfropfnngen. 8 Falle, in 
denen El sehnig vor 47a Jahren, bzw. 4 und 3 Wochen naeh der 
Hippel’schen bzw. Löwenstein’soben Methode die Operation vorgenommen 
hat. Die beiden Hippel’sohen Plastiken haben fast völlig klare Lappen 
und Visus 6 /u durch den Lappen. (Vor der Operation Fingerzählen auf 
2 bzw. 1 Meter.) 

Hr. Altsehil: Isolierte radlnlogisehe Darstellung des Kiefer¬ 
gelenkes. Der Zentralstrahl wird auf die Basis des Processus ooro- 
noideus der abliegenden Seite gerichtet, während der Kopf in roiuer 
Seiten läge ruht. Der Schatten des abliegenden Unterkiefers ist dann 
überhaupt nicht zu seheD, wenn man eine kurze Blende nimmt und 
möglichst nahe an den Unterkiefer herangeht. 

Hr. Altschiil: Demonstration: Ileosökale Invagination, festgestellt 
durch das Röntgenbild. 

Sitzung vom 6. Juni 1919. 

Hr. Münzer: Chronische Pikrinsänrevergiftnng. Der Kranke nahm 

zwecks Erzeugung eines Ikterus beim Militär durch längere Zeit Pikrin¬ 
säure ein. Gelbe Verfärbung der Haut sowie Braunrotfärbung des Urins 
ohne Gallenfarbstoff oder Urobilin im Harn. 

Hr. Kaznelson berichtet über einen Fall von Ckloromyelose, bei dem 
sich in 5 pCt. der Leukozyten die Auer’schen azurophilen Stäbchen vor¬ 
fanden, die auch in den Knoohenmarkschnitten nachweisbar waren. 
Ausserdem fanden sich nooh andere Einschlüsse in den Leukozyten, 
vielleicht im Blute phagozytierte Erythrozytentrümmer. 


Sitzung vom 13. Juni 1919. 

Hr. Löwenstein: Das Virus des fieberhaften Herpes. 

Es ist dem Vortr. gelungen, mit dem Inhalt von menschlichen 
Herpesblasen von der Lippe, Kinn, Stirn und Ohr beim Kaninchen in 
14 Fällen einen Impfherpes zu erzielen, der, nach 48 Stunden beginnend, 
sich über die Hornhaut ausbreitet, vielfach den tri tische Substanzverluste 
zeigt und zu einem oberflächlich ulzerierten parenchymatösen Infiltrat 
führt. Er heilt mit Hinterlassung einer dichten Narbe ab. Alle 44 An¬ 
gestellten direkten Uebertraguogsversucbe waren positiv. Desgleichen 
7 Fälle, in denen eine Uebertragnng von einer Kaninohenkornea aal 
eine andere versucht wurde, die weitere dritte Ueberimpfung war drei¬ 
mal positiv, die vierte einmal. Auoh in einer Verdünnung der Auf¬ 
schwemmung auf dfes »wanzigfacbe Volumen physiologischer Kochsalz¬ 
lösung gelang die Impfung. Es liegt demnach ein Virus vor, welches 
auf die Hornhaut des Kaninohenauges pathogen wirkt, dort eine Er¬ 
krankung hervorruft, welche der Keratitis herpetica des Mensohen sehr 
nahe steht. Sie ist von Hornhaut zu Hornhaut übertragbar und verliert 
ihre Wirksamkeit auch nioht bei stärkerer Verdünnung. Das Virus ist 
ausserordentlich hinfällig, hält sich im Brutschränke etwa 6 Stunden, 
ist nach 24 Stunden nicht mehr wirksam, auch nicht, wenn es im 
Meuschenserum gehalten wird. Im Aufstrich sind Doppelkörnchen nach¬ 
weisbar, welche an die bei Molluscum contagiosum gefundenen erinnern. 
Sie sind giemsafärbbar, ihre Grösse an Grenze des mikroskopisch sicht¬ 
baren. Vorläufig spricht nichts für ihre Erregernatur. Alle Kultur¬ 
versuche, inklusive der mit Spezialnährböden (Hornhautagar) ausgeführteo, 
blieben negativ. Alles Mitgeteilte spricht für ein flltrierbare9 Virus, 
doch gelang es nicht, mit Berkefeldflltrat den Impfherpes zu erzeugen. 
Im Blute von Herpeskranken ist das Virus nioht nachweisbar. Naeh 
Abheilen eines Impfherdes bleiben Narben zurück. Hornhäute, die einen 
Impfherpes durebgemaebt haben, können mit dem Virus neuerlich nioht 
mehr infiziert werden. Das Virus des fieberhaften Herpes besitzt nach 
dem Mitgeteilten eine grosse Aehnliobkeit mit der- Vakzine (Blasen¬ 
bildung, Sitz in der Epidermis, Haftung an der Kaninchenhornhaut, 
giemsafärbbare Doppelkörnchen). 

Hr. Jakseh -Wartenhorst; Miknliezer Symptomenkomplex (De¬ 
monstration): Der Fall wird mit Rücksicht auf Blutbefund als lympha¬ 
tische Leukämie mit schwerer Anämie gedeutet. 

Hr. Jakseb-Wartenhorst: Diabetes inslpidns (Demonstration) mit 
dem nachweisbaren Kardinalsymptom der funktionellen Konzentrations¬ 
schwäche der Nieren (Hoyer). 


Sitzung vom 20. Juni 1919. 

Hr. Rndolf Fischl: Pflege und Ernährung Frühgeborener. 

Vortr. macht auf die ausserordentlichen Schwierigkeiten aufmerksam, 
welche die Ernährung Frühgeborener mitunter darbietet und welche 
wohl zum Teil in einer Rückständigkeit der Resorptiens- und Assi- 
milatiouswege bedingt sind. So berichtet er über ein Kind, das gegen- 


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22. Deiember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1228 


iartig 7 Monate alt ist", mit 1700 g zur Aufnahme gelangte und jetzt 
nicht ganz 2 1 /* kg wiegt. Weder Vitamin zufuhr in Form von Karotten 
und Zitronensaft, nooh die Darreiohung von Eiweissmilcb, noch Kefir in 
alkalisiertem Zustande, Buttermehloahrung und andere Gemische, die 
neben der Brust und abgezogener Frauenmilch in niedriger und höherer 
kaloriaoher Bewertung zur Anwendung kamen, vermochten den toten 
Punkt zu überwinden. Dabei wurde die Beobachtung gemacht, dass 
jeder Nahrungswechsel, am intensivsten war dies beim Kefir der Fall, 
von einem mehrtätigen Anstieg der Gewichtskurve gefolgt war, die je- 
dobh bald wieder umbog, so dass teils deswegen, teils wegen sich ein¬ 
steilender Darmreizsymptome zu einer Aenderung des Regimes ge¬ 
schritten werden musste. Gegenwärtig ist das Kind bei einem Kakao¬ 
gemisch, welches sohon durch mehrere Tage gut vertragen wird, und bei 
dem das Gewioht langsam in die Höhe geht, während der Darm bisher' 
gut funktioniert. 

Gewisse, sonst als den Frühgeborenen eigentümlich bezeicbnete Er¬ 
scheinungen siebt man mitunter auch bei ausgetragenen und sowohl in 
ihrer Körperlänge als auch in ihrem Gewicht als reif zu bezeichnenden 
Säuglingen. So. berichtet F. über einen Fall, der ein zwei Tage altes 
Kind betraf, dessen Mutter am Tage post partum einer Grippepueumonie 
erlag, und welches mit starken Untertemperaturen, hochgradiger Som 
nolenz und ausgebreitetem, besonders im Gewicht lokalisiertem Skierödem 
zur Aufnahme gelangte und die gleiche Sorgfalt in der Wärmezufuhr und 
Ernährung beanspruchte wie ein Debiler. Es mag wohl der Effekt des 
Grippetoxins gewesen sein, der sich an dem Kinde in dieser Weise 
manifestierte. Auch jetzt noch, im Alter von 3 Monaten, zeigt das sonst 
gut entwickelte und gedeihende Kind eine ausserordentlich starke La- 
nugobeharrung, wie man sie sonst in diesem Alter nicht beobachtet, und 
intensive Milienbildung im Gesichte, also eine ausgesprochene Retardation 
der normalen Rüokbildungsprozesse der *aus dem Intrauterinleben 
stammenden Residuen. Ein anderes Kind von starker körperlicher Ent¬ 
wicklung, fast 3 V 2 kg schwer und 50 cm lang, bot am 11. Tage eine 
Temperatur von 34,5 und deutliches Skierödem dar, welche Erscheinungen 
sich unter Wärmeflasche und analeptisoher Therapie rasch verloren und 
für die weder im Harnbefund, nooh im Stande der Digestion eine Ur¬ 
sache eruierbar war. 

Derartige Beobachtungen zeigen, dass die letzten Ursachen dieser 
Erscheinungen noch nicht geklärt sind, und will Vortr. den Stoffwechsel 
solcher Pseudofrühgeburten untersuchen, um festzustellen, ob auoh dieser 
den Gesetzen der Debilität unterworfen ist. 

Hr. Sehloffer demonstriert einen Kranken, bei dem naoh einer 
Nasenplastik ein in den Stirnlappen eingezogener Anteil des Muse, 
frontalis an dem neuen Standorte seine Kontraktionsfähigkeit wieder¬ 
gewonnen hat, und bespricht die sich aus dieser Beobachtung ergebenden 
Schlussfolgerungen in bezug auf die Möglichkeit der Transplantation von 
Muskelsubstanz an entfernte Hörperteile. 

Popper: SehnerxgefühlsstöruBgeii bei Idiotie. 

Vortr. bespricht die bei Oligophrenen ott zu beobachtenden weit¬ 
gehenden oder völligen Analgesien, die nicht immer nur bei den 
schwersten Sohwachsinnsformen, wohl aber bei den torpiden Formen 
Vorkommen. Bei der Erklärung dieser Erscheinung denkt der Vortr. an 
eine zentrale Bedingtheit der Schmerzgefühlsstörung im Sinne einer 
Apperzeptionssohwäche infolge der „Gefühlsdummheit“ (Herfort). Es 
trägt sieh doch, ob nicht die Aufnahme der Aussenreize in den peri- 
phereren Apparaten als Ausdruck einer allgemeinen Entwicklungshemmung 
ungenügend sei, so dass sioh zu dem Reizverwertungsdefekt eine Reiz- 
aufnahmeschwäohe hinzugesellt. Entsprechend der bei Neugeborenen 
oft bestehenden allgemeinen Empfindungslosigkeit könnte es sich in 
diesen Fällen um die Persistenz eines frühinfantilen Zustandes handeln. 
Oft kann man bei Idioten eine, „oligophrene Pseudokatatonie“ finden, 
schliesslich macht P. auf die Bedeutung der Beachtung der Sensibilitäts¬ 
storungen bei Prüfung gewisser Reflexe aufmerksam. 

Hr. SUwik: Venendystrophie (Demonstration). 

Hr. Popper: Kortikale Sensibilität. 

Demonstration eines Falles von sensiblem Jakson, dessen Reizstörung 
in einem durch die Fingerkuppen der 4 ulnaren Finger gegebenen, be¬ 
grenzten Gebiete an der durch einen Schlaganfall gelähmten Extremität 
beginnt, diskutiert im Anschlüsse daran das Bestehen einer besonderen 
Rindenlokalisation für dieses Fingerkuppengebiet, lässt aber die Möglich¬ 
keit offen, nicht an ein regionär abgegrenztes Areal zu denken, sondern 
an einen gewissen „Funktionsmeohanismus“. Er weist darauf hin, dass 
es sich eigentlich um die „Lokalisation“ einer Funktion handelt, indem 
die 4 Fingerkappen keiner anatomischen, keiner nervösen, sondern einer 
funktionellen Einheit angehören. Er zieht aus diesem Umstande, in 
Anbetracht der^auch sonst z. B. in der motorischen ZentralwinduDg oder 
Spraohregion vorkommenden Läsionen, die Ausfälle oder Reizzustände 
bedeuten, welche gewissen funktionellen Gesichtspunkten entsprechen, 
allgemeine Schlüsse. Er deutet auf die Aehnlichkeit dieser Ausfalls¬ 
erscheinungen mit sonst etwa bei Hysterie gefundenen Symptomen bin 
und macht schliesslioh auf die Besonderheit aufmerksam, dass auoh 
psychologisch die Fingerkuppen einer Einheit entsprechen, so dass auoh 
für einen bestimmten Vorstellungsmechanismus hier ein organisches 
Sabztrat angenommen werden kann. 


Sitzung vom 31. Oktober 1919. 

Hr. Wodak: Veränderungen des Larynx an der Trackea bei gat¬ 
artiger Struma. 

Der Vortr. teilt diese Veränderungen ein: 1. Verlagerung, 2. Kom¬ 
pression, 3. Aohsendrebung, 4. katarrhalische Veränderungen und 5. Re¬ 
kurrenslähmungen. Es wird von ihm auf die fast gar nicht beschriebene 
Achsendrehungen des Kehlkopfes sowohl um die vertikale, als auoh um 
die horizontale (dorso ventrale) Achse hingewiesen, bei denen es in 
extremen Fällen zu Unsichtbarkeit und Unbeweglichkeit der einen Seite 
aus mechanischen Gründen kommen kann, welche Erscheinungen naoh 
der Operation völlig verschwinden. Diese Achsendrehungen haben naoh 
W. auch eine praktische Bedeutung, da sie unter Umständen die Ursaohe 
der Atemnot der Strumösen sind, worüber in der Literatur keine An¬ 
gaben sich finden. W. fand die Trachea nur in 27 pCt. der Fälle normal. 
Der Vortr. ist der Ansicht, dass man mit dem Kehlkopfspiegel in den 
allermeisten Fällen ein ausreichendes Bild von der Trachea bekommt. 
Er empfiehlt diese UntersuchuDgsmethode um so mehr, als die direkte 
Laryogoskopie für den Patienten ziemlich eingreifend ist. Diese soll nur 
für Ausnahmefälle im Sinne Eicken’s reserviert werden. 

Hr. Ascher (Deutsche Augenklinik): BlepharechalMis mit 8tmma 
Md Schleimhantdoplikatur der Oberlippe. 

Diese Trias von Symptomen ist bisher nioht beobaohtet worden. 
Die bei Morbus Basedowii beschriebenen Vorwölbungen des Oberlides 
(Sänger’sche Kissen) sind nioht identisch mit Blepharochalasis, eher 
kämen die von Stefenson erwähnten rezidivierenden Oedeme als Vor¬ 
stufen einer späteren Blepharochalasis in Betracht. Das Zusammentreffen 
mit Struma und Doppellippe hält Vortr. für keinen Zufall. Es ist wahr¬ 
scheinlich, dass Sekretionsstörungen der Schilddrüse ätiologisch in Be¬ 
tracht kommen, aber vorläufig nicht erwiesen. Vortr. hat diese Trias 
bereits in mehreren Fällen beobachtet. 

Hr. Slawik demonstriert bei einem 10 Monate alten Säugling eine 
eigentümliche Kältewirknng auf die Haut, indem das glatte Niveau an 
den Streckseiten der unteren Extremitäten und über dem Kreuzbein un¬ 
eben, kleinhöckrig wird uad wie gefeldert aussieht. Manchmal tritt 
diese Felderung auch an den Wangen und den Streokseiten der oberen 
Extremitäten auf. Im ganzen wurde diese Erscheinung bei 10 Kindern 
im Alter von Va bis 4 Monaten beobaohtet. 0. Wiener.** 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In der Sitzung der Berliner medizinischen Gesell¬ 
schaft vom 17. Dezember 1919 sprach vor der Tagesordnung Herr 
B. 0. Przibram über Hypophyse und Raynaud’sbhe Krankheit (Aus¬ 
sprache: die Herren Henius und Kraus) und Herr E. Lesohke zur 
Chemotherapie septischer Infektionen (Aussprache: die Herren Carl 
Lewin, Fleischmann und Friedemann). Hierauf hielt Herr Max 
Cohn den angeküudigten Vortrag: „Halbzeit“ eine technische Verbesserung 
der Röntgenphotographie. Dann wurde die Aussprache über den Vor¬ 
trag des Herrn Lenser-, Moderne ärztliche Ueberwaohung der Prostitution 
fortgesetzt. Es beteiligten sich daran die Herren B lasch ko, Stabei, 
Landau, Heller, Schlusswort Herr Lesser. 

— Tn der Sitzung der Berliner Urologisohen Gesellschaft 
vom 2. Dezember 1919 demonstrierte Herr Bätzner Pyelogramme von 
Pyonephrosen eitriger und tuberkulöser Natur, ferner von Zystennieren, 
sowie Pyelogramme von aufsteigender Ureterenatonie. (Aussprache: 
Casper, Freuden borg, Rosenstein, W. Israel, Rumpel, Zondek.) 
Herr P. Rosenstein demonstrierte Tumoren der Niere, ein Hyper- 
nepbrom bei einem 19jährigen' Mädchen, sowie ein Adenosarkom der 
Niere bei einem zweijährigen Kinde. Beide Tumoren erfolgreich entfernt. 
Ferner einen Pankreasstein, sowie eine Dermoid-Ovarialzyste, in der 
sich ein Zahn befand. Der Pankreasstein und der Zahn hatten Ureter¬ 
steine yorgetäuscht. (Aussprache: Zondek.) Herr Rumpel demon¬ 
strierte ein erfolgreich entferntes Adenofibrom der Niere mit zystischer 
Entartung. In den Zysten fanden sioh Kalkablagerungen, die bei der 
Röntgenaufnahme Steine vortäuschten, ferner eine entfernte tuberkulöse 
Niere, bei der der Verdacht auf Bilharziaerkrankung bestand. Herr 
E. Wossidio demonstrierte eine Reihe von doppelten Nierenbecken, 
sowie Ureterdivertikel, und ein invaginiertes Blasendivertikel. (Aussprache: 
Rumpel.) Herr M. Jacoby demonstrierte Zystinsteine in beiden Nieren, 
die operativ entfernt wurden. (Aussprache: Rosenstein.) 

— Dem Direktor der Frauenklinik in Dresden, Prof. Dr, 
Kehrer, ist anlässlich der Jahrhundertfeier der Klinik der Titel Ge¬ 
heimer Medizinalrat verliehen worden. 

— Die preussische Landesversammlung hat, dem Ausschuss- 
antrage gemäss, sich dafür ausgesprochen, dass zur Prüfung des Fried« 
mann’sehen Mittels ein Sachverständigenausschuss unter Zuziehung des 
Erfinders eingesetzt werde. 

— Der Frauenabteilung des Karolakrankenhauses in Dresden ist 
eine Säuglings- undEntbindungsabteilung angegliedert worden. 

— Am 26. Oktober wurde in Leipzig unter dem Vorsitz von Privat¬ 
dozent Dr. Sonntag von der Leipziger Assistenzarztvereinigung ein 
„Bund deutscher Assistenzärzte“ gegründet mit Anschluss an den 
„Leipziger Verband“. Vertreten waren etwa 30 Assistenzarztvereinigungen 
aus ganz Deutschland mit einer Mitgliederzahl von über 2800. Eine Reihe 
weiterer Vereinigungen, welche aus äusseren Gründen (Zwisohensemester, 
Reiseerschwerung usw.) nicht hatte vertreten sein können, erklärten ihre 
1 Zustimmung schriftlich. Der „Deutsohe akademische Assistenten-Verband" 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1224 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 51. 


nahm mit drei Vertretern an der GriindungstaguDg teil, desgleichen als 
Vertreter des L. V. Herr Generalsekretär Kuhns. Es werden alle 
Assisteuzarstyereinigungen um Beitrittserklärung gebeten. 

— Aus dem Keiohsministerium des Innern wird uns mitgeteilt: 
Wie bekannt geworden ist, sind infolge der jüogst stattgebabten Ver¬ 
kehrssperre sowie infolge sonstiger durch die Zeitumstände bedingter 
Schwierigkeiten leider eine Anzahl von Aerzten verspätet in den Besitz 
der ZähLbogen für die Reicbsstatistik der Geschlechtskranken, welche 
planmässig vom 15. November bis 14. Dezember 1919 durchgefübrt 
werden sollte, gelangt, ln diesen Fällen werden die betreffenden 
Herren Aerzte gebeten, statt an dem für den Anfang der Erhebungen 
bestimmten 15. November erst an demjenigen Tage, an dem sie durch 
den Empfang der Zählbogen dazu instand gesetzt worden sind, mit den 
Eintragungen zu beginnen und sie dementsprechend von da ab über 
den 14. Dezember hinaus auf im ganzen 30 Tage auszudehnen. Dem¬ 
gemäss gilt auch die Frist für die Einsendung der ausgefüllten ZähL¬ 
bogen an das Reichsgesundheitsamt über den 31. Dezember hinaus 
stillschweigend als verlängert. 

— Auf Wunsch der deutschen und schweizerischen Hilfsstellen zur 
Unterbringung erholungsbedürftiger deutscher Kinder in der 
Schweiz und der Fürsorgestelle der. deutschen Gesandtschaft in Bern- 
Gümligen und in Uebereinstimmung mit den zuständigen deutschen 
Behörden (Auswärtiges Amt und Reicbsamt des Innern) und der Leitung 
des Vereins Landaufenthalt für Stadtkinder in Berlin hat Prof. Abder¬ 
halden in Halle für Deutschland die Zentralstelle für die Unter¬ 
bringung deutscher Kinder in der Schweiz übernommen. Von 
jetzt ab sollen alle Angebote von Freistellen einzig und 
allein duroh die Zentralstelle in Halle erfolgen. Diese 
empfängt alle Mitteilungen über die von den einzelnen Hilfsstellen in 
der Schweiz gesammelten Freiplätze durch die Fürsorgestelle in 
Bern - Gümlingen. Keine andere deutsche Stelle soll von jetzt ab 
direkt mit schweizerischen Hilfsstellen zum Zwecke der Erlangung von 
Freiplätzen verhandeln. Die Zentralstelle in Halte besorgt in ZuKunft 
die Visierung der Kinderlisten und der Pässe der Begleitpersonen. Sie 
vermittelt auch die Einreiseerlaubnis. Die Zentralstelle arbeitet in enger 
Fühlungnahme mit der Reichsstelle zur Unterbringung von erholungs- 
bedürftigen Kindern in Berlin und mit der Fürsorgesteile in Bern-Güm- 
ligen. Nur dann, wenn alle einzelnen Stellen sich in die ganze Or- 
ganisation restlos einiügen, wird es möglich sein, eine grosse Anzahl 
von Freistellen in der Schweiz zu sammeln und bestehende Miss¬ 
stimmungen in der Schweiz und in Deutschland zu überwinden. Die 
vielen Sonderbestrebungen und die vielfach nicht organisierte Auswahl 
der Kinder haben dazu geführt, dass weite Kreise in der Schweiz ver¬ 
stimmt sind. In Deutschland herrscht in vielen Gegenden deshalb 
Missstimmung, weil manche Städte durch persönliche Bestrebungen über 
Gebühr berücksichtigt worden sind. Bedauerlich ist vor allem, dass 
ein hoher Prozentsatz der nach der Schweiz übergeführten Kinder nicht 
so erholungsbedürftig War, wie der Zustand deutscher Kinder es er¬ 
fordert hätte. Zu grossen Klagen hat mehrfach das Verhalten der Be¬ 
gleitpersonen Anlass gegeben. Da fast ein Dutzend Sonderorganisationen 
Kinder nach der Schweiz entsandten, war eine einheitliche Regelung 
der Art des Begleitpersonals nicht möglich. Es kann selbstverständlich 
keine Stelle für die vorgekommenen Fehler allein verantwortlich gemacht 
werden. Für die Zukunft ist eine besondere Organisation geplant, über 
die alles Nähe aus einem Heftchen zu entnehmen ist, das von Herrn Prof. 
Abderhalden als Drucksache zu beziehen ist. 

— In diesen Spalten ist schon einigemale auf die blöden Schimpfe¬ 
reien der Presse Möiioale, insbesondere ihres Redakteurs Helme, hin¬ 
gewiesen worden. Dass auch wirklichen Vertretern der Wissenschaft 
die Rachsucht den Sinn umnebelt, auch dafür wurden Beispiele an¬ 
geführt. Wie weit ihr Blick selbst für rein wissenschaftliche 
Fragen getrübt ist, zeigt' die in genanntem Blatte veröffentlichte 
Antrittsvorlesung des Pariser Gynäkologen Faure. Nichts, auch rein 
gar nichts haben die Deutschen zur Entwicklung der Chirurgie im all¬ 
gemeinen, der Gynäkologie im besonderen beigetragen. Die Grundlage, 
auf der sich die moderne Chirurgie erhebt, die Asepsis, ist eine Schöpfung 
der „Alliierten*, eines Pasteur und Lister, und dass es einen Rob. 
Koch gegeben, brauchen die Pariser Studenten nicht zu wissen. Dass 
Billroth nur ein Nachbeter Pöan’a in der Resektion des Pylorus ge¬ 
wesen, Czerny mit der Exstirpation der Scheide nur Saut er und 
Rloamier nachahmte, Freund mit der abdominalen Totalexstirpation 
des Uterus bei Karzinom zwar eine lobenswerte Kühnheit zeigte, aber 
keine Spur von Originalität, ebenso wie Werth ei m mit der für F. un¬ 
begreiflicherweise nach ihm benannten Operation nur mit Fleiss und 
Ausdauer die Methode des Amerikaner Ries — der Name hätte seines 
deutschen Klanges wegen M. Faure verdächtig sein sollen — und 
Clark ausgefübrt hat, dies alles wild den französischen Studenten vor¬ 
erzählt. Und so geht es weiter. Eine einzige Leistung hat die deutsohe 
Chirurgie aufzuweisen — das wolle er, weil der Sieger sich solche 
Gerechtigkeit leisten könne, doch anerkennen —, eine einzige in einer 
Sekunde der Inspiration von einem „schlichten, bescheidenen* deutschen 
Chirurgen gemachte Erfindung, die Tausenden und Abertausenden von 
Frauen das Leben rettete und nooh retten wird, das ist die Becken- 
hoohlagerung von Trendelenburg. Aber während dieses Verfahren 
in Frankreich bald Allgemeingut der Gynäkologen geworden, sah F. 


noch 25 Jahre nach seiner Erfindung in Deutschland die ersten Gynäko¬ 
logen abdominale Hysterektomien in Horizontal läge ausführen. Ja, „die 
dumme Teuf’*, die „plumpe Deutsch*! Doch was ist Riccaut de la 
Marliniöre mit seinem corriger la fortune für ein Stümper gegen Herrn 
Faure mit seiner Korrektur der Geschichte unseres Fachs! H. K. 

— Volkskrankheiten. Pocken: Deutsches Reich (30. XI. 
bis 6. XII.) 14. Fleckfieber: Deutsches Reich (80. XL bis 6. XII) 1. 
Deutsch Oesterreich 16.—22. XI) 3. Genickstarre: Preussen 
(28.—29. XI) 3 u. 2 +. Spinale Kinderlähmung: Sohweiz (16. 
bis 22. XI.) 2. Ruhr: Preussen (23.—29. XI.) 52 u. 12 f. Mehr 
als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Krupp in 
Berlin-Reinickendorf, Wilhelmshaven; Typhus in Pforzheim. 

(Veröff. d. Reiche-Ges.-Amts.) 

Hoohschulnaohriohten. 

Berlin: Zum Nachfolger von Geheimrat Zuntz wurde als Ordi¬ 
narius für physiologische Chemie an der Landwirtschaftlichen Hochschule 
der ausserordentliche Professor an der tierärztlichen Hochschule in 
Dresden Dr. Scheunert ernannt. Der Gymnasialoberlehrer a. D. Prof. 
M. Wellmann in Potsdam ist zum ordentlichen Honorarprofessor mit 
dem Lehrauftrag für Geschichte der antiken Medizin und Naturwissen¬ 
schaften ernannt. — Breslau: Der Oberarzt an der dermatologischen Uni¬ 
versitätsklinik Dr. Karl Lennhoff ist zum Oberarzt der. neu zu er¬ 
richtenden dermatologischen Abteilung am Krankenhaus in Magdeburg 
ernannt. — Leipzig: Prof. Heller, Oberarzt an der chirurgischen 
Klinik, wurde als Naohfolger von Prof. Läwen zum leitenden Arxt des 
Krankenhauses St. Georg ernannt. — Bern: Habilitiert: Dr. R. lsen- 
schmid (früher^Frankfurt a. M.) für innere Medizin. 

Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Ernennungen: ao. Prof, in d. mediz. Fakult. d. Universit. in Göttingen 
Dr. Göppert z. ordentl. Professor in derselben Fakult.; Ob.-St-A. 
a. D. Dr. Fritz Scholz in Landsberg a. W. z. Kreisarzt in Lands¬ 
berg a. W.; Arzt Dr. E. Jeske in Seegefeld b. Spandau zum Kreis¬ 
assistenzarzt in Kattowitz, unter Ueberweis. an d. Kreisarzt d. Stadt- 
•ü. Landkr. Kattowitz. 

Niederlassungen: Dr. S. Silbermann in Lauknen (Kr. Labiau), Dr. 
K. Struwe in Kruglanken (Kr. Angerburg), Dr. W. Piokenbach in 
Treptow a. R., Hans Hartwig in Pyritz, Arthur Steinbeck in 
Stargard i. Pomm., A. Pincsohn in Breslau, Dr. E. Schober in 
Kittlitztraben (Kr. Buüzlau), Dr. Karl Lehmann in Liebau (Kr. Landes¬ 
hut i. Sohl.), G. Faltin in Gleiwitz, Ob.-St.-A. a.D. Dr. E. Tschötscbel 
in Neisse, Dr. H. Kutscha in Ticbau (Kr. Pless), Dr. W. Oelze in 
Eilsleben (Kr. Neuhaldensleben), Dr. Friedr. Neumann und Dr. 
Hans Bergmann in Erfurt. Dr. E. Kleinschmidt in Mühlhausen 
i. Thür., Dr. Arthur Sommer in AltODa, Dr. Fri-tz Held in Schön- 
kircben i. Holst., Dr. K. Schlosshauer, St-A. Dr. F. Munter und 
Dr. Wolfg. Schultz in Hannover, P. Bracker und Dr. Ernst May 
in Hameln, Dr. A. Reese in Bodenwerder (Kr. Hameln), Dr. A. 
Heinecke, Ob.-St.-A. Dr. E. Eisenhuth, Dr. Irmgard zur Nedden 
und Dr. F. Spangenthal in Göttingen, Dr. Adolf Bergmann in 
Hittfeld (Ldkr. Harburg), Dr. B. Iber in Legden (Kr. Abaas), Dr. 
Th. Busen in Abaus, Dr. E. Althen und Dr. P. Hochbuth in 
Wiesbaden, St.-A. a. D. Ludw. Clemm in .Oeatrich (Rheiogaukr.), 
Dr. Otto Hagen, Dr. E. Hugenbruch, Dr. L. Sonnenschein und 
Dr. Anton Josef Müller in Cöin, Dr. B. Tripke in Bergneustadt 
(Kr. Gummersbach), Dr. M. Bassfreund in Trier, Dr. K. Hävers 
in Aachen. 

Verzogen: Dr. C. Kasten von Marienburg u. Dr. J. Kerb von Bln.-Frie- 
denau nach Hamburg, Dr. Eugen Schulze u. Rudolf Bredow von 
Bln.-Wilmersdorf nach Marienburg, Med.-Rat Dr. EL Waldow von Flens¬ 
burg nach BlD.-Grunewald, San.-Rat Dr. K. Gallus von Potsdam, Dr. 
Gotthard Giese von Schneidemühl, Dr. Ernst Müller von Schmal¬ 
kalden u. Dr. Friedr. Kaatz von Berlin nach Treuenbrietzen (als 
Aerzte an der dortig. Prov.-Heil- n. Pflegeanstalt), E. Pienske von 
Emden u. Louis Sachs von Hamburg nach Berl.-Weissensee, Dr. 
0. Sohwöers von Berlin nach Berl.-Pankow, St.-A. a. D. Dr. 0. Sicb- 
ting von Striegäu nach Havelberg, St.-A. Dr. Frans Klose vod 
Berl.-Friedenau nach Wittenberge, Heinr. Klaus von Putlits nach 
Berl.-Lankwitz, St.-A. Dr. H. Sack von Osterode i. Ostpr. naeh Straus¬ 
berg (Kr. Oberbarnim), Dr. Günther Sobwarz von Greifswald, Prof. 
Dr. K. von Vagedes von Danzig (als Stadtarzt) und Max Lorenz 
von Karlsruhe (als Stadtassistenzarzt) nach Spandau, Dr. Harry 
Albreoht von Berlin nach Pouch (Kr. Bitterfeld).. 

Druckfehlerberichtigung. 

ln dem Referat über die Arbeit von Per atz (Nachweis gefälschter 
Salvarsanpräparate) (W.kl.W., 1919, Nr. 41) ist der letzte Satz folgender 
maassen zu ändern: Endlich sei daran erinnert, dass ein dunkler alz 
zitronengelb gefärbtes Präparat entweder eine Fälschung oder ein hoch- 
toxisches Salvarsanoxydationsprodukt ist usw. 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hane Hohn, Berlin W., Bmyrenther8tt.il 


Verlag nnd Eigentum von August Hirsohwald in Berlin NW. 7. — Druck von L. Sobumaoher in Berlin N. 4. 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 




Die Berliner KlinischeWochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nummern von etwa 3—6 Bogen gr. 4. — 
Preis viertelj&hrlich 10 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die Redaktion nnd EzpedfUoa 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
Angust Hiraohwald, Berlin NW., Unter den Linden 68, 
adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: • 

Geh. Hei-Rat Prot Dr. G. Posper und Prot l)r. Hass Md. August Hirschw ald, Terlagsboehhandlaag iu Berlin. 

Montag, den 29. Dezember 1919. JI252. Sechsund fünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Originalton: Goldsoheider und Brüokner: Zur Physiologie des 
Schmerzes. Die Sensibilität der Hornhaut des Auges. S. 1225. 
Schultz, Gharlton und Hatziwassiliu: Zur Typbustherapie. 
(Aus der II. Inneren Abteilung des Krankenhauses Charlottenburg- 
Weste nd [Oberarzt Dr. med. Werner Schultz] und dem Charlotten¬ 
burger städtischen Untersuchungsamt [stellvertretender Leiter: 
Dr. med. G. Hatziwassiliu]) (Illustr.) S. 1226. 

Pawel: Die Trambahnfraktur des Oberarms. (Aus der chirurgischen 
Abteilung des städtischen Krankenhauses Allerheiligen in Breslau 
[Primärarzt Prof. Tietze].) (Illustr.) S. 1231. 

Lewin: Zur Immunotherapie des Krebses. (Aus dem Universitäts- 
Institut für Krebsforschung der Charit6.) S. 1233. 

Jarisoh: Ueber Diuresehemmung durch Digitalis. (Illustr.) S. 1235. 
Bfteherbesprechangen : Klinische Beiträge zur Ohrenheilkunde. (Ref. 
Sturmann.) S. 1238. — Ergebnisse der Hygiene, Bakteriologie, 
Immunitätsforschung und experimentellen Therapie. (Ref. Morgen- 


Zur Physiologie des Schmerzes. 

Die Sensibillt&t der Hornhaut des Auges. 

Von 

Prof. Dr. Goldseheider und Prof. Dr. Brückner. 

v. Frey 1 ) findet die Kornea in Selbstversucben beim Ab¬ 
tasten mittels feiner Reizhaare ausschliesslich schmerzempfindlich. 
Bei hinreichender Abstufung des Reizes sind empfindungslose 
Punkte auffindbar. Ebenso an der Konjunktiva, wo die empfin¬ 
dungslosen Felder eine grössere Ausdehnung als an der Kornea 
besitzen. Auch hier sind die an den reizbaren Punkten auslös¬ 
baren Empfindungen ausschliesslich schmerzhafte. Druckpunkte 
fehlen an beiden Gebilden 2 ). 

Diese Feststellung wird von v. Frey als eine der -Stützen 
seiner Lehre von der Existenz eines spezifischen Sinnesapparates 
für Schmerzempfindungen ansgewertet. 

Wir werden im folgenden zeigen, dass wir die v. Frey "sehe 
Beobachtung nicht bestätigen können. (Jusere Versuche wurden 
an zwei Patienten, vorwiegend aber gegenseitig an uns selbst 
aoge8tellt. Wir benutzten zur Reizauslösung zu einer feinen Spitze 
aasgezogene Wattebäascbchen, Metallsonden, feine Reizhaare. Es 
wurde die Empfindlichkeit der Kornea im natürlichen und im 
kokainisierten Zustande geprüft. 

Die beiden augengesunden Patienten gaben übereinstimmend 
die Berührung der Kornea mit der Wattespitze als schmerzhaft 
stechend an. Nach Kokainisiernng der Hornhaut wnrde die feine 
Wattespitze meist nicht mehr empfanden, während eine gröbere 
Wattespitze als druckartig, nicht mehr schmerzhaft angegeben 
wurde, ebenso die Sondenberührnng. 

Bei den an uns selbst ausgefübrten Reizungen wurde sofort 
ein bemerkenswerter Befund insofern erhoben, als die Berührung 
der unbeeinflussten Hornhaut nicht als rein schmerzhaft, sondern 
als Schmerz mit einer Berührungsempfindung gemischt angegeben 


*1) Beiträge zur Physiologie des Sohmerzsinnes. Sitzungsber. d. 
m&th.-phys. Klasse d. Kgl. Sächs. Gesellaoh. d. Wiss. zu Leipzig vom 
2. Juli 1894. 

2) Ebendort, 3. Mitteil., S. 174. ' 


roth.) S. 1238.- — Pordes: Radi ©graphische Darstellung der ein¬ 
zelnen Zähne und der Kiefer. (Ref. Ganzer.) S. 1239. 

Literatnr- Anssfige: Physiologie. S. 1239. — Pharmakologie. S. 1239. — 
Therapie. S. 1289. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1240. — Innere 
Medizin. S. 1241. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1243. 
— Kinderheilkunde. S. 1244. — Chirurgie. S. 1244 — Röntgen¬ 
ologie. S. 1244. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1244. — 
Geburtshilfe und Gynäkologie S. 1244. — Augenheilkunde. S. 1244. 
— Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 1245. — Hygiene and 
Sanitätswesen. S. 1245. 

Verhandlnngen ärztlicher Gesellschaften : Berliner Gesellschaft 
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1245. — Verein, 
für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin. S.1246. 
— Naturhistorisoh-medizinischer Verein zu Heidelberg. 
S. 1247. — Medizinische Gesellschaft zu Göttfngen. S. 1247. 
Tagesgesohiohtl.Notizen. S.1248.— Amtl.Mitteilungen. S.1248. 


wurde. Bei der Anwendung der feinen Wattespitze wurde von 
Brückner wie von Goldscheider neben dem Schmerz eine 
meist breitere Druckempfindung beobachtet, zuweilen so, dass der 
Schmerz später als diese eintrat. Das drnckartige Moment trat 
bald mehr bald weniger hervor. 

Es erscheint nns von Interesse za sein, dass anch v. Frey 
ähnliches angibt. Er sagt in der zitierten 3. Mitteilung (S. 173): 
„Es ist mir allerdings aus einer Anzahl von Beobachtern, welche 
sich freundlichst dem Versuch unterzogen, von einigen die An¬ 
gabe gemacht worden, sie fühlten die Berührung. Damit ist 
natürlich über den Charakter der Empfindung nichts präjadiziert, 
denn es ist in jedermanns Belieben gestellt, was er nnter einer 
Berührnngsempfindung verstehen will. Ich habe in meinen beiden 
früheren Mitteilungen die Worte Druck- und Berührungsempfin- 
dung als sich deckende Begriffe gebraucht, bestreite aber nicht 
die Berechtigung, dem letzteren Begriffe eine weitere Bestimmung 
unterzulegen. Ich behaupte nur, dass die auf Kornea und Kon¬ 
junktiva mechanisch erregbaren Sinnespunkte die Bedeutung von 
Schmerzpunkten und nicht von Druckpunkten haben . u Hiermit 
ist nnn die Frage merklich verschoben. Es bandelt sich zunächst 
gar nicht darum, ob Druckpunkte vorhanden sind, sondern ob 
die mechanisch ausgelösten Empfindungen schmerzhaft oder nicht 
schmerzhaft sind. Es kommt auch nicht darauf an, was irgend 
jemand unter einer Berührungsempfindnng versteht, sondern 
darauf, dass eben eine nicht schmerzhafte Empfindung angegeben 
wird. Ob diese von der Erregung eines Druckpunktes abzuleiten 
ist oder nicht, ist eine weitere Frage, welche das Problem streift, 
ob die Empfindung der Berührung lediglich von den Druck¬ 
punkten oder auch von einem anderweitigen Nervenapparat her- 
stammt. Für v. Frey freilich ist es eine ausgemachte Sache, 
dass ein solcher Nervenapparat nicht existiert; daher die scharfe 
Gegenüberstellung von Schmerzpunkten und Druckpunkten. 

An der kokainisierten Hornhaut trat das druckartige Moment 
im Verhältnis zum Schmerz in der Empfindung noch mehr hervor. 
Die Wattespitze wurde zum Teil gar nicht, znm Teil als minimale 
Berührung empfanden. Die Sondenberührnng erzeugte gleichfalls 
zum Teil keine, zum Teil eine sehr leicht drückende, auch eine 
stärkere, ruckartige Drnckempfindnng. Selbst dann, wenn der 
Druck eine deutlich sichtbare Delle erzeugte, konnte eine schmerz- 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1^6 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 62. 


lose Dmckeropfindung, in anderen Fällen eine mit leichtem 
Schmers verbundene Druckempfindang beobachtet werden. Auch 
unlustbetonte, unangenehme Berührungs- bzw. Druckempfindungen 
wurden wahrgenommen, welche aber der eigentlichen Schmerz- 
qualität entbehrten. 

Diese Empfindungen müssen auf die Erregung sensibler Horn- 
hautnerven bezogen werden. Die Annahme einer Fortleitung der 
Reizung auf die Konjunktiva würde die Bedeutung des Ergeb¬ 
nisses für die vorliegende Frage nicht abschwächen, zumal 
v. Frey auch der Konjunktiva Druckempfindungen und Druck¬ 
punkte abspricht, fis ist auch nicht anzunehmen, dass die Iris 
solche besitzt. 

Die bei Anwendung der feinen Wattespitze an der nicht 
kokainisierten Hornhaut wahrgenommenen Empfindungen waren 
in* folgender Weise abgestuft: Keine Empfindung. Berührungs¬ 
empfindung mit nachfolgendem stechendem Schmerz. Berührungs- 
empfinduog voo unangenehmem Charakter mit zwingendem Lid- 
schlussrefiex, aber ohne Schmerz. Berührungsempfindung mit^ 
schmerzlicher Färbung. Schmerz ohne deutliche Berührungs- 
empfindung. 

Die angewendeten Reizhaare waren nicht geaicht. Die 
feineren entsprachen für die Fingerkuppe dem taktilen Schwellen- 
wertsreiz; an der Gesicbtshaut lüsten sie eine leichte kitzelnde 
Berührungsempfindung aus; die etwas gröberen waren über 
schwellig. Sie erzeugten an der Kornea in ausgesprochenerem 
Maasse als die Wattespitze und die Sonde Schmerzempfindungen, 
welche das taktile Element mehr überlagerten. Immerhin trat 
letzteres mit hinreichender Deutlichkeit hervor. Wir verzichten 
darauf, Versucbsprotokolle im einzelnen wiederzugeben, sondern 
führen die Ergebnisse in gedrängter Form auf. 

Brückner. Ohne Kokainisierung. 

Kategorien der ausgelösten Empfindungen: 

1. Gemischte taktil-schmerzhafte Empfindung. Die taktile Emp¬ 
findung ist meist breit, diffus, der Schmerz mehr umschrieben. 
Zuweilen kommt der Schmerz nach der Berührungsempfindung 
zum .Bewusstsein. 

2. Taktile Empfindung, welche an Schmerz angrenzt. Auch so, 
dass die Entscheidung über Schmerz unsicher ist. 

3. Reiner Schmerz ohne taktiles Element (selten). 

4. Reine Berührungs- bzw. Druckempfindung, meist aber nicht 
immer mit Unlustbetonung. 

Goldscheider. Ohne Kokainisierung. 

Kategorien der ausgelösten Empfindungen: 

Aehnlioh wie Brückner. Scharfe Drookempfindung von un¬ 
angenehmem Charakter, teils ohne, teils mit Schmers. Ver¬ 
einzelt keine Empfindung. 

Brückner. Nach Kokainisierung. 

Kategorien der ausgelöstcn Empfindungen: 

1. Keine oder unsichere Empfindung. 

2 . Reine Berührungsempfindung. 

3. Berührungsempfindung mit unangenehmem Gefühlston. 

4. Berührungsempfindung mit zweifelhafter Sohmerzempfindung. 

5. Berührungsempfindung mit Andeutung von Schmerz. 

6. Berührungsempfindung mit nachfolgendem Schmerz. 

7. Schmerz mit diffuser Berührungsempfindung. 

8. Reine SchmerzempfinduDg (selten). 

Goldsoheider. Naeh Kokainisierung. 

Kategorien der ausgelösten Empfindungen: 

1. Keine Empfindung. 

2. Reine Berührungsempfindung. 

3. Berührungsempfindung mit unangenehmem Gefühlston. 

4. Berührungsempfiodupg mit Andeutung von Schmerz. 

5. Berührungsempfindung mit nachfolgendem Schmerz. 

Einer Hervorhebung bedarf noch die Beobachtung, dass die 
Nachempfindung schmerzhaft, aber in anderen Fällen auch bei 
schmerzhafter Reizung unterschmerzlich sein kann, nämlich in 
einer drückenden, ziehenden, spannenden Empfindung besteht. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Hornhaut des 
Auges nicht allein schmerzempfiodliche Nerven enthält, sondern 
auch solche, welche eine unterschmerzliche Berührungs- und 
Druckempfiodung vermitteln. Freilich unterscheidet sich letztere 
in ihrem Charakter von der entsprechenden kutanen Empfindung; 
sie ist undeutlich lokalisiert, diffus irradiierend und mutet fremd¬ 
artig an; auch ist sie leicht von einem Unlustgefühlston begleitet. 
Aber das Wesentliche für das Schmerzproblem bleibt, dass sie 
eben unterscbmerzlich ist. Diese taktile Empfindung wird durch 
die schmerzhafte verdeckt und überlagert und tritt deutlicher 
hervor, sobald durch Kokainisierung die Empfindlichkeit herab¬ 
gesetzt wird. Ob die Kornea spezifische Scbmerznerven und 


nebenher Nerven für die Berührungsempfindung besitzt, oder ob 
beide Empfindungen durch denselben Nervenapparat vermittelt 
werden, lässt sich durch unsere Beobachtungen zwar nicht ent¬ 
scheiden, aber sie beweisen, dass eine ausschliessliche Versorgung 
mit Schmerznerven, wie v. Frey behauptet, nicht statthat. Da¬ 
mit entfällt ein wichtiger Beweispunkt für die v. Frey’acbe 
Lehre von den spezifischen Schmerznerven. 

Im übrigen machen es unsere Ergebnisse zum mindesten sehr 
wahrscheinlich, dass der Nervenapparat ein einheitlicher ist. 
Wir hätten im gegenteiligen Falle viel häufiger Punkte mit reiner 
Scbmerzempfindung und solche mit rein taktiler Empfindung 
finden müssen. Man kann nun freilich im v. Frey'sehen Sinne 
den Einwand machen, dass man mit einem genau auf den 
Schwellenwert geaichten Reishaar häufiger reine Schmerspunkte 
finden würde; allein wie ist es dann zu- verstehen, dass v. Frey 
nicht auch Pankte mit reiner Berührungsempfindung gefunden 
bat? Dies wäre doch unbedingt zu fordern, wenn taktile und 
Schmerzpunkte diskontinuierlich nebeneinander gelagert wären. 


Aus der II. Inneren Abteilung des Krankenhauses 
Charlottenburg-Westend (Oberarzt Dr. med. Werner 
Schultz) und dem Charlottenburger städtischen Unter¬ 
suchungsamt (stellvertretender Leiter: Dr. med. 

G. Hatziwassiliu). 

Zur Typhustherapie 1 ). 

Von 

Werner Schnitz, W. Chariten und G. HatsiwamUi«. 

Den Gegenstand meiner heutigen Mitteilang bilden die Behand¬ 
lung des Typhus mit Antigen, speziell mit bakteriellem Antigen, 
und verwandte Fragen. Man könnte vielleicht Anstoss daran 
nehmen, dass der Weg der Therapie, welchen wir bearbeitet 
haben, vielleicht nicht in der gleichen Form ohne weiteres von 
der allgemeinen Praxis übernommen werden kann. Ich glaube 
aber doch berechtigt zu sein, ihn zum Gegenstände einer Dis¬ 
kussion zu machen, denn es gibt wohl kaum eine Krankheit, dLie 
gerade bezüglich der Antigentherapie günstigere Voraussetzungen 
für therapeutische Betrachtungen liefert und wohl kaum auch 
eine Krankheit, bei der bereits soviel Befunde erhoben sind. 
Jedenfalls hat die Antigentherapie des Typhus in’ die Kriegs¬ 
spitalpraxis weitgehendsten Eingang gefunden. 

Die Behandlung des Typhus abdominalis mit abgetöteten Kulturen 
von Typhusbazillen haben in Deutschland Beumer und Peiper*) zuerst 
inauguriert. Nachdem im Jahre 1887 beide Autoren als die ersten den 
experimentellen Beweis erbracht hatten, dass sich Versuchstiere, mit 
kleinen Mengen abgetöteter Typhusbazillenkulturen in aufsteigeoder 
Dosis behandelt, gegen die tödliche Dosis festigen Hessen, studierten sie 
1891 die Reaktion auf die Einverleibung^bgetötetef Typhus¬ 
kulturen beim Menschen und behandelten auch Typhuskranke und 
zwar subkutan. Sie beobachteten eiDe Kürzung des Fieberverlaufs 
und Besserung des Allgemeinbefindens. Peiper hat vor einiger Zeit 
betont, dass sich seine Beobachtungen mit denen neuerdings von 
Berliner Autoren, Goldsoheider und Aust, gemachten decken. 

Zu ähnlichen Resultaten kam im Jahre 1893 E. Frankel. Noch 
im gleichen Jahre veröffentlichte Rumpf eine Arbeit, in der naeh- 
gewiesen wurde, dass sich mit abgetöteten Pyozeaneuskulturen ähnliche 
Ergebnisse erzielen Hessen. In gleicher Richtung bewegen sich in den 
folgenden Jahren gewonnene Ergebnisse von Petruschky, Pescarolo 
und Quadrone,Ardin - Del teil 8 ) gemeinsam mit Nögre und Raynaud, 
welch letztere teils mit polyvalentem karbolisierteu, teils mit lebendem 
sensibilisierten Vakzin Besredka’s arbeiteten. 

Es soll nicht meine Aufgabe sein, nun die historische Entwicklung 
im einzelnen zu verfolgen. En eingehender Literaturberioht hier: 
über findet sich in P. Kazneison’s Sammelbericht über Vakztne- 
bebandlung, Heterovakzine und Proteinkörpertherapie in der B kLW n 
1917, Nr. 17 4 ). Aufs neue in Fluss gebracht ist die Frage in Deutsch¬ 
land zweifellos durch die Publikation von Ichikawa, welcher Typhus¬ 
kranke intravenös mit Typbusvakzin behandelte, welches mit Typhus¬ 
rekonvaleszentenserum sensibilisiert war. Die damals in gleicher Riohtung 
laufenden Arbeiten argentinischer Aerste kamen hinzu. Die Erfolge 


1) Vortrag, gehalten von W. Schultz in der Berliner mediainischen 
Gesellschaft am 26. November 1919. 

2) Zsohr. f. Hyg, 1887, Bd. 2. 

8) La Bemaine möd., 1912, Jahrg. 32, S. 523. 

4) Die nioht besonders aufgeführten Literaturangeben sind hier xu 
finden. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



29. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1227 



sind wesentlich handgreiflichere als die früheren. Es tritt eine 
unmittelbare Einwirkung auf die Teraperaturkurva zutage: Anstieg der 
Temperaturkurve unter Schüttelfrost und folgende Absenkung oit bis 
zur Norm, vielfach unter Erzielung einer definitiven Entfieberung. Auch 
auf die Mortalität will Ichikawa im günstigen Sinne durch diese 
Therapie eingewirkt haben, derart, dass ein Rückgang derselben von 
etwa SOpCt. auf 11 pCt. festgestellt wurde. Dass diese Art der Therapie 
Nebenerscheinungen verursacht, ist dem Autor nicht entgangen: 
Der Puls kann hochfrequent werden-, Atemnot, Durst und Brechneigung 
sind von ihm notiert. Gemeinsam mit Herrn F. Ditthorn konnte ich 
diese Erfahrungen bestätigen und erweitern. Wir arbeiteten damals zu¬ 
erst in Deutschland mit einem nach den Vorschriften von Altmann 
und J. H. Schultz*) in Antiformin gelösten Typbusantigen. 

Von den verschiedenen Vakzinen, die weiterhin verwandt sind, nenne 
ich das eben erwähnte Besrodka’sche Präparat, welches in einer Typhus- 
bazillen&ufsohwemmung besteht, die mit Pferdeimmunserum senibitisiert 
wurde, ferner die Vakzine Vincent’s, welche aus Bakterien lei bern be¬ 
steht, die durch Aether abgetötet sind. Das Typhin v. Gröer’s ist 
ein Typhusbazillennukleoproteid. Wie ich einer Arbeit von Csernei 
und Marton entnehme, benutzten Claisse Typhusbazillen, die mit 
ultravioletten Strahlen abgetötet waren, Saquepee und Chevrel 
solche, bei denen dasselbe durch Erhitzen auf 56° C erreicht war. 
Allenbach verwandte ebenfalls nach Angabe der erwähnten Autoren 
Peptonkulturen, welche durch Dialyse von Eiwei '99 befreit waren. Nach 
Mazza wird das Vakzin von Dessy aus mit Alkali behandelten Bazillen 
hergestellt. 

Soweit ich die Literatur übersehe, sind keine qualita¬ 
tiven, sondern im wesentlichen nur quantitative Diffe- 
renzen in der Wirkung der verschiedenen Typhnsvakzin- 
arten zu konstatieren. 

Alle Autoren sind sich darüber einig, dass die subkutane An¬ 
wendung ungefährlicher ist, aber wesentlich schwächere und oft wenig 
sichere Resultate zeitigt, während die intravenöse Injektion über¬ 
zeugendere, handgreiflichere und, wie gesagt, häufig direkt zur Ent¬ 
fieberung führende Resultate ergibt, gelegentlich aber auch die Situation 
verschlimmert, ja den letalen Ausgang herbeiführt. Die Untersuchungen 
einer Anzahl von Autoren, ich nenne insbesondere R. Kraus, haben 
nun gezeigt, dass die Vorgänge, die man beobachtet, nicht spezifisch 
sind. Es ergab sich aus den Untersuchungen, die Penna auf Anregung 
von R. Kraus unternahm, dass mit abgetöteten Kolikulturen ganz 
gleiche Erfolge zu erzielen waren beim Typbus wie mit Typhusbazillen¬ 
antigen. Von weiteren Autoren sind mit Mäusetyphusbazillen, Dys- 
enteriebazillen ganz gleiche Reaktionen beim Typhus hervorgerufen. 
Bereits in ihrer ersten Mitteilung hatten Kraus und Mazza den Ge¬ 
danken ausgesprochen, dass ähnlich so wie der Typhuskranke nach intra¬ 
venöser Injektion von Bacterium coli reagiert, auch andere Infektioos 
krankbeiten, z. B. Septikämien, Pest, Scharlach usw. sich verhalten 
können. Dieser Gedanke hat sieb, wie zahlreiche Beobachtungen er¬ 
wiesen haben, als richtig bestätigt, und über den Rahmen der Hetero- 
bakteriotherapie hinaus hat sich gezeigt, dass auch mit anderen Eiweiss 
körpern Aehnliohes zu erreichen ist. Ich erwähne besonders die Unter¬ 
suchungen von Lüdke, welcher 2 — 4 proz. Lösungen von Deutero- 
albumose Merck in der Menge von 1 ccm intravenös bei Typhuskranken 
injizierte In der Regel trat auch hier */*—I Stuude nach der Ein¬ 
spritzung ein mehr oder minder heftiger Schüttelfrost auf, der im 
Durchschnitt V 2 —■*/« Stunden andauerte; ihm folgte ein schneller Tempe- • 
raturanstieg von 1—1,5°, an den sich im Laufe der nächsten Stunden 
das Absinken der Temperatur • an schloss. Nolf beobachtete, wie ich 
der Angabe von R. Kraus entnehme, mit Peptonlösungen (0,01—0,08 g 
pro 1 kg) nach intravenöser Injektion sowohl bei Typhus als auch bei 
Septikämien Reaktionen. Schliesslioh gehören auch die therapeutischen 
Versuche mit Milohinjektionen in dasselbe Gebiet. 

Kraus, Penna und Guenoa beschäftigten sich des näheren mit 
der interessanten Tatsache, dass auoh der Niehl fiebernde sohockartig 
reagieren kann. Nichtflebernde Fälle von Lepra wurden mit denselben 
Mengen Koliextrakt, welche bei Typhösen Schüttelfrost, Anstieg der 
Temperatur bis 41° und Abfall bis 35° ausgelöst hatten, intravenös 
injiziert. Auch in diesen Fällen erfolgt V2*“ 8 /« Stunden naoh der In¬ 
jektion gewöhnlioh ein Schüttelfrost mit Anstieg der Temperatur von 
37—40° und Abfall derselben auf 36° oder 37°. Es handelt sich also 
nicht um eine Reaktion, die der Infektionskrankheit eigen 
ist, sondern um eine Reaktion des Organismus auf bestimmte- 
Körper eiweissartiger Natur überhaupt. Die Autoren ermittelten auoh 
eine der Antianaphylaxie analoge Erscheinung, auf die schon von 
v. Gröer aufmerksam gemacht .wurde, folgender Natur: Sie injizierten 
bei Leprakranken 1 com Koliextrakt intramuskulär, ohne dass diese In¬ 
jektion irgendwelche Erscheinungen auslöste. 24 Stunden später 
wendeten sie dieselbe Menge intravenös an und konstatierten, dass an¬ 
statt eines hohen nur ein ganz geringer Temperaturanstieg auftrat. 
Allerdings wurde Schüttelfrost durch die vorhergehende Iojektion nicht 
verhindert. Die Autoren glauben, dass man die vorherige intramuskuläre 
oder subkutane Injektionsmethode anwenden kann, um eine zu starke 
Reaktion nach intravenöser Injektion zu verhüten. Immerhin ist zu be¬ 
merken, dass man sioh nicht bedingungslos auf den Schutz der voran- 

1) Zsohr. f. Immun.-Forsch., 1909 Bd. 8, H. 1, 8. 98. 


gehenden Injektion verlassen kann. Holler sah letalen Ausgang nach 
intravenöser Iojektion von frisch bereitetem Vincent’scben Vakzin (ent¬ 
sprechend 100 Millionen Bazillen), naobdem am Tage vorher 250 000 000 
Besredkavakzin gespritzt waren. 

, Wenn ich nun auf die Theorie der Vakzine- und Hetero¬ 
proteinotherapie eingehe, so muss ich vorausschicken, dass 
es heute noch nicht gelingt, alle Erscheinungen von einem Ge¬ 
sichtspunkt aus za erklären, wenn auch nach meiner An¬ 
sicht vieles dafür spricht, dass eine auf verschiedenem Wege 
zustande kommende Einwirkung auf den Rezeptoren¬ 
apparat der Körperselle im Brennpunkt der Erklärungsver¬ 
suche steht. 

Eine Erschwerung der Behandlung der Frage liegt darin, dass die 
gebrauchten Vehikel, physiologische Kochsalzlösung und Eigen¬ 
serum, von dem die Rede sein wird, beide nicht ganz indifferent sind, 
vielmehr beide, intravenös angewandt, gelegentlich Fieber, ■ Schüttel¬ 
frost, Temperaturabfall und unter Umständen Heilungsbeschleunigung 
herbeiführen können. Für die Kochsalzlösung — es bandelt sich hier 
allerdings um die grösseren Dosen —, die für die bakterielle Antigen- 
therapie nicht in Frage kemmt, zitiere ich Ergebnisse von Engländer 
und Galambos bei Typhus, die einzelne Erfolge gesehen haben wollen. 
Starkenstein 1 ) konnte ferner naohweisen, dass sowohl die Senföl¬ 
chemosis des Kaoinchenauges wie der Durchtritt von Fluoreszin-Natrium 
durch die Zilia'gefässe durch Applikation von physiologischer Kochsalz¬ 
lösung gehemmt werden kann. Was das körpereigene Serum be¬ 
trifft, so werden nach Spiethoff, der seine Beobachtungen an Haut¬ 
kranken machte, an Nebenerscheinungen gelegentlihh Fie heran stiege, 
Reaktionen an bestehenden Hautberden oder Reizausbrüche des Aus¬ 
schlages beobachtet, nie aber wirkliche Ueberemptiudlichkeitserschei- 
nungen wie bei artfremdem und gelegentlich auch arteigenem Serum. 

Dabei wurden Heilerfolge erzielt. Echte Erscheinungen des 
anaphylaktischen Schocks nach Eigenserum habeo aberWidai, 
Abrami und Brissaud 2 ) beschrieben. Mit besonderer Häufigkeit traten 
die Zeichen ein, wenn das Blut, aus dem Serum gewonnen wird, einer 
Temperatur von 37° und darüber au9gesetzt war. 

Wir selbst sahen io einer kleinen Versuchsreihe in einem 
der Typhusfälle nach Eigenserum allein eine einzelne Senkung 
der Temperatur nach unten. Für die übrigen Fälle kommt eine 
Nebenwirkung des Eigenserums wegen der Kleinheit der au¬ 
gewandten Dosis nicht ernstlich in Frage. Der Vorgang der 
Blutgerinnung scheint aus dem indifferenten Plasma ein für den 
Rezeptorenapparat der Zelle differentes Medium geschaffen zu 
haben. Eine nähere Erklärung steht aber noch offen. 

Die Mehrzahl der Autoren ist überzeugt, dass die Antigen¬ 
therapie mit unserer Auffassung über Heilung durch Anti¬ 
körper nicht io Einklang gebracht werden kann. Eine merk¬ 
würdige Stellung nimmt hier Rohonyi (1916) ein. 

Er findet in einer sorgfältig dnrchgefübrten Sfudie, dass im Serum 
von Typhuskranken, die nach einer intravenösen Impfung mit Typhus¬ 
vakzine fieberfrei geworden sind, keine Vermehrung der Agglutioine, 
Bakteriolysine und Opsonine zustande kommt. In einigen solchen Fällen 
konnten aus dem Blote am zweiten fieberfreien Tage noch Typhus- 
bazillen gezüchtet werden. Trotzdem nimmt ei an, dass die thera¬ 
peutische Wirkung des Typhusvakzins dadurch zustaodekommt, dass 
der Organismus zu einer schnellen Produktion von Antitoxinen, natürlich 
Typhusantitoxinen angeregt wird, durch welche die toxischen Symptome 
beseitigt werden. 

Ich meine, Öiese Annahme widerspricht geradezu dem Er¬ 
gebnis der Arbeit, die schon in ihrer Einleitung die Unspezifität 
des Vorgangs betont. Die Wirkung des Typhustoxins soll sich 
vornehmlich in Fiebererzengung, Leukopenie und Störung des 
Allgemeinbefindens dokumentieren. Für alle diese Erscheinungen 
werden aber, wie später gezeigt werden soll, andere Erklärungs- 
möglichkeiten geboten. 

Paltauf hat daran gedacht, dass gewisse pyrogene Stoffe der 
Vakzine die Erregbarkeit des Wärmeregulationszentrums zu¬ 
nächst steigern und dann herabsetzen, wodurch Temperaturabfälle Zu¬ 
standekommen sollen, eine Vorstellung, die jedooh nur die unmittelbare 
Reaktion naoh Impfung erklären könnte, während die dauernde Ent¬ 
fieberung weiterhin rätselhaft bliebe. Es handelt sich überdies nicht 
um das Temperaturverhalten allein. Nach einer Bemerkung von 
v. Wiesner sind bei der Sektion, einige Tage naoh der Vakzination an 
interkurrenten Krankheiten verstorbener Kranker, ausgeheilte Darm¬ 
geschwüre gefunden. 

Bessau hat an die Beobaohtungen von R. Pfeiffer*) und 
Isaeff 8 ) über Resistenzsteigerang erinnert: Durch alle möglichen 
Eingriffe kann eine sofort auftretende und unspesifisoh geartete Resistenz¬ 
erhöhung eines Makroorganismus gegenüber Mikroorganismen erzeugt 

1 ) M.m.W., 1919, Nr. 8. 

2) Zit naoh Spiethoff. 

3) Zsohr. f. Hyg., Bd. 16. 

1 * 


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1228 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 62. 


werden, eine Erscheinung, die in den Anfängen'der Immunitätsforschung 
gelegentlich mit der spezifischen Immunität verwechselt wurde, sich 
aber von ihr unterscheidet. Dosen von Bakterienarten, die bei un¬ 
behandelten Tieren den Tod herbeifuhren, werden dann vertragen, wenn 
eine Injektion von physiologischer Kochsalzlösung, Bouillon, Ham, Blut¬ 
serum, NukleinlösuDg oder Tuberkulin vorausgeht. Mit drr Resistenz* 
Steigerung, sagt Bes sau, sind Leukozytose, Erhöhung des Komplement¬ 
gehaltes der Säfte und beschleunigte Komplementregeneration verbunden, 
Vorgänge, die wir wohl schon ohne weiteres als Schutzmaassregeln an- 
spreoben dürfen. Bessau setzt die Bakteriotherapie hiermit in Analogie. 
Für diese Auffassung spricht nicht gerade die Tatsache, dass die in den 
meisten Fällen erhebliche Zunahme der weissen Blutsellen nicht nur 
in den günstigen, sondern auch bei erfolglosen Vakzinationen beobachtet 
wird (Rohonyi). Eb nsowenig ist bewiesen, dass der Komplementgehalt 
des Blutes bei der Vakzinetherapie des Typhus eine Rolle spielt. 

Bei Weiohardt’u „Protoplasmaaktivierung* handelt es sich 
um Steigerung der Leistungsfähigkeit z. B. von Drüsen- nach Injektion 
kleiner Mengen von Eiweisspaltprodukten. Ihre Heranziehung zur Er¬ 
klärung der vorliegenden Phänomene halte ich für ungeeignet, da hier 
im Falle der Bakteriotherapie höchst toxische Dosen die beste 
Wirkung erzeugen. 

v. Gröer.hat bei der Antigentherapie den Eindruck, als ob wir es 
hifer mit einer nach kurzem Kampf einsetzenden plötzlichen Hemmung 
der Reaktionsvorgänge zu tun hätten. Er nennt die Therapie „ergo* 
trop“ im Gegensatz zu parasitotrop. Er umschreibt mit diesem 
Ausdruck die Tatsache, dass durch Anwendung eines entsprechenden 
Mittels z. B. ein Typhu*kranker trotz der in seinem Organismus noch 
vorhandenen Krankheitserreger und ohne nachweisbares Auftreten be¬ 
sonders wirkungsvoller Anlikörper mit einem Sohlage aufhört, auf die 
Erreger mit Krank hei tserscheinuDgen zu reagieren, was zweifellos akzep¬ 
tabel ist. 

Flechseder glaubt, dass es die nicht näher zu fassende Wirkung 
des Kollapses ist, die zur Heilung fühlt. 

Ein besonderes Kapitel ist die Frage, inwieweit eine oft be¬ 
rührte Analogie mit Anaphylaxie und Antianapbylaxie frachtbar ist. 

Ich will nun die Pathogenese der Typhuserkrankung 
und den Verlauf ihrer Fieberkurve vom Gesichtspunkte der 
Friedberger’schen 1 ) Lehre aus entwickeln. 

Schon vor Friedberger haben Rosenau und Andersen 1 ) u. a. auf 
mögliohe Beziehungen zwischen Anaphylaxie und Infektionskrankheiten 
aufmerksam gemacht. Friedberger gebührt aber das Verdienst einer 
ganz besonderen Förderung der Frage. Friedberger bat den Satz 
aufgestellt, dass die Anaphylaxie nur als eine extreme und akute Form 
der lafektion, die Infektion als eine milde und protrahierte Form der 
Anaphylaxie zu betrachten sei. .Die Verschiedenheiten der Krankheits¬ 
bilder finden naoh dem genannten Autor völlig genügende und befrie¬ 
digende Erklärung mit einem Anaphylatoxin, das sioh aus den ver¬ 
schiedensten Bakterien abspalten lässt. Er lässt es dahingestellt, ob 
daneben besondere spezifische Gifte für die einzelnen Infektionskrank¬ 
heiten bestehen, bewiesen sei das nicht und ihre Annahme nicht nötig. 
Friedberger meint, dass ebenso wie die von ihm künstlich erzeugten 
„Eiweisskrankheiten*, die einzelnen Infektionen zum Teil nur dadurch 
in ihrem Verlaufe differieren, dass das parenterale Mikroorganismen- 
eiweiss verschieden lokalisiert ist, eioe verschiedene Vermehruogsinten- 
sität besitzt, Antikörperbildung in quantitativ verschiedenem Grade 
veranlasst und sich dem Abbau (der Anaphylatoxinbildung) gegenüber 
verschieden resistent verhält. In dem aufgestellten Parallelismus ent¬ 
spricht das Inkubationsstadium einer Infektion dem präanapbylaktiseben 
Stadium der PräparieruDg, das sensibilisierende und zugleich den 
anaphylaktischen Reaktionszustand auslösende Antigen ist das Bakterien- 
eiweiss. Schwierig ist nur die Frage, wie kommt es denn, wenn es 
naoh Friedberger nur ein Gift, ein Anapbylatoxin gibt, überhaupt zu 
verschiedenen Infektionskrankheiten? Herr F. Kraus hat seinerzeit 
gefragt, ob nicht vielleicht doch statt eines einzigen Giftes ein Gift- 
t^ektrum in Betracht kommt: hochmolekularer und weniger hochmole¬ 
kularer Eiweissabbaustoffe. Die symptomatisch so verschiedenen Typen 
der Anaphylaxie wären dem Kliniker dadurch vielleicht verständlicher. 

Man kann z. B. die Frage aufwerfen, weshalb nicht Oholerabazillen 
und Typha9bazillec, wenn es sioh nur um ein Gift handelt, das gleiche 
Kränkheitsbild machen» Demgegenüber weist Friedberger darauf hin, 
dass der Cbolerabazillus sich direkt im Darme ansiedelt und sich zu¬ 
nächst hier, soweit man unterrichtet ist, ausschliesslich im Epithel ver¬ 
mehrt. Der Typhusbazillus dringt dagegen zunächst ins Blut ein und 
von da aus erst wahrscheinlich retrograd in den Darm. Derartige 
Differenzen, meint Friedberger, im biologischen Verhalten verschie¬ 
dener Bakterie»arten können schon hinlänglich die Verschiedenheiten 
im Krankheitsbild auch bei soheinbar gleicher Lokalisation erklären. 

Gerade die Typhuserkrankung ist speziell in diesem Hause in ihrer 
Beziehung zur Aoaphylaxielehre Friedberger’s Gegenstand der Dis¬ 
kussion gewesen, und F. K lern per er hat gemeint, dass die Theorie in 
WiderBpruoh mit klinisohen Tatsachen steht. Er führt aus: Beim 
Typhus ist das charakteristische Bild der Vergiftung, das schwer ohne 


1 ) Kraus und Brugsoh, Spes. Pathol. u. Ther. inn. Erankh., 1917, 
Bd. 2, l. Hälfte, S. 859-1014. 


ein besonderes spezifisches Gift zu verstehen ist, schon in den aller¬ 
ersten Tagen ein reoht ausgesprochenes, wenn die in der Widal’schen 
Reaktion wirksamen Antikörper noch fehlen oder erst in sehr geringer 
Menge vorhanden sind, wenn vermutlich also auch alle anderen, und 
darunter die anaphylaktischen Antikörper noch keine wesentliche Höbe 
erreicht haben. Auch die häufige Inkongruenz zwisohen Häufigkeit der 
Bakterien und Schwere der Erkrankung fällt hier wieder ins Auge. 
Friedberger weist demgegenüber darauf hin, dass wir bei dem langen 
InkubatiooBstadium des Typhus, in diesem doch'schon eine recht be¬ 
trächtliche, permanente Bakterienvermehrung annehmen dürfen, und dass 
daher eine genügende Dosis vorhanden ist, um grössere Mengen von 
Anaphylaxiegift freizumachen. Ebenso wie bezüglich des Antigens ver¬ 
hält es sich auch bezüglich des Antikörpers. 

Diese Ausführungen geben den Standpunkt wieder, zu dem man 
auf Grund der Diskussion im Verein für innere Medizin and Kinderheil¬ 
kunde im Januar 1911 kam. Noch im gleichen Jahre veröffentlichten 
Friedberger und Mita 1 ) eine interessante Arbeit, in der im einzelnen 
naohgewiesen wurde, wiö sioh durch protrahierte Zufuhr kleiner Eiweiss¬ 
dosen Fieberkurven erzielen lassen, die denen bei Infektionskrankheiten 
entsprechen. 

Nun ist folgendes bemerkenswert: Werden auf der I^öhe 
eines durch kleine Dosen künstlich erzeugten Fiebers 
grosse Dosen Eiweiss injiziert, so tritt ein kritischer 
Temperatursturz ein und damit die bekannte Antianaphy¬ 
laxie, die durch eine verminderte Reaktionsfähigkeit gegenüber 
neuer Eiweisszufuhr bedingt ist. Iofolge der zugefübrten grossen 
Antigenmenge ist der Antikörper, das Sensibilisin, so weit ver¬ 
braucht, dass eine Nachspritztmg mit dem gleichen Eiweiss keine 
Reaktion mehr auslösen kann. Selbst ein Mehrfaches der für 
die Nachinjektion tödlichen Dosis findet nicht mehr genügend 
Antikörper vor, um eine tödliche Giftdosis za bilden. Dehnt man 
nun die bisher gesogene Parallele auf die neueren Ergebnisse der 
Typhusantigentherapie beim Typhus aus, so ist zunächst nicht zu 
leugnen, dass sieb der Parallelismus fortsetzt. Wird Typhus- 
antigen, gleichgültig in welcher Form, intravenös injiziert, so 
stellt sich in den typischen Fällen ein kritischer Temperatursturz 
ein, dem beim Menschen unter Schüttelfrost ein kurzer Temperatur¬ 
anstieg voranzugehen pflegt. Es sind genügend Fälle beobachtet, 
in denen dieser kritische Temperatursturz die definitive oder fast 
völlige Entfieberung bedeutete. 4 

Zur weiteren Klärung der Frage will ich mich jetzt mit dem 
Entstehungsmodus des bei der Anaphylaxie wirksamem 
Giftes nach der Anschauung Friedbergers zuwenden. Ich 
gehe dabei von dem Grandsatz ans, dass die Anaphylatoxin- 
bildung eine Fähigkeit ist, die bei geeigneten Mengenverhält¬ 
nissen jedem EiweiBskörper znkommt, auch Bakterieneiweiss. Die 
Giftbildnng erfolgt der Theorie nach aus dem Antigen durch die 
Einwirkung von Ambozeptor und Komplement. Auf die hier 
seitens der Kritik nahe gelegte Korrektor will ich an dieser 
Stelle nicht eingeheu. Bakteriolyse ist für die Bildung des Ana- 
phylatoxios nicht erforderlich. Es ist nicht erwiesen, dass der 
bakteriolytische mit dem anaphylaktischen Antikörper identisch 
ist. Das im Reagenzglas nach Friedbergers Darstellung aus 
Antigen durch Einwirkung von Ambozeptor und Komplement 
darstellbare Anapbylatoxin ist nach diesem Autor identisch mit 
jenem Gift welches bei der aktiven and passiven Anaphylaxie 
entsteht. Es gelang nun die Abspaltung des Giftes aus 
Bakterien nicht nur dann, wenn sie mit ImmnnBerum verankert 
waren, sondern auch bei Verwendung von Normalserum. Es 
liess sich auf diese Weise aus Typhus-, Tuberkel-, Prodigiosus- 
baiillen sowie Vibrio Metscbnikoff das Auaphylatoxin darstellen. 

Was nun speziell den Typhusbazfllus betrifft, so gelingt es so 
gut wie regelmässig, aus geeigneten Mengen ambozeptorbeladenen 
oder nioht beladenen Typhusbakterien, die an sioh nicht tödlich wirken, 
durch normales Meerschweinchenserum eine akut tödliche Dosis 
von Anaphylatoxin absuspalten. Die Abspaltung gelingt nicht 
mit inaktivem Meerschweinchenserum. Bei einer allzureicblichen Be¬ 
ladung von Bakterien mit Antikörper ist im Komplementabguss keine 
tödliche Dosis von Anapbylatoxin mehr nachweisbar. Immunserummengeo, 
die bei einer bestimmten Antfgenmenge für die Erzielung einer akut 
tödlichen Giftdosis zu gross sind, werden sofort wieder wirksam, wenn 
die Antigenmenge vermehrt wird. Bezüglich der Intensität der Ana* 
pbylatoxinbildung unter Variierung der Dosen von Komplement und 
Antigen stellten Friedberger und Szymanowski*) folgende Tat- 1 
Sachen fest: 

Bei einer konstanten MeDge von Komplement (= 8,0 com in den 
von ihnen gewählten Bedingungen) genügt eine Menge von 2—8 Oesen 
(Oese ä etwa 2 mg Substanz) feuchter Schrägagarkultur von Typhus¬ 
basillen zur Bildung einer tödlichen Giftdosis. Bei konstant bleibender 


1) Zschr. f. Immun.-Forseh., 1911, Bd. 10, S. 216. ~ 

2) Zschr. f. Immnn.-Forsoh., 1911, Bd. 9, S. 418. 


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20. Dezember 1910. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Antigenmenge — 4 Oesen Typbusbazillen — sind geringere Mengen als 
1,0 oom Komplement nicht ausreiohend, um Anaphylatoxin abzuspalten. 
Bei Verwendung grosser Mengen von Antigen wird kein genügendes Ana¬ 
phylatoxin gebildet. Die Verhältnisse gestalten sich jedooh viel kompli¬ 
zierter, wenn man sowohl die Menge des Antigens wie die des Komple¬ 
ments innerhalb einer und derselben Versuchsreihe variiert. Geht man 
mit der Antigenmenge herunter, so sieht man, dass aooh minimale 
Komplementmengen wirksam sind. 

Die eben angeführten Versuche haben den unzweifelhaften 
Beweis gebracht, dass es mit Typhusbazillenei weise gelingt, 
im Reagenzglas Anaphylatoxin herzustellen, und man 
hat sich nun die Frage vorzulegen, ob der pathogenetische 
Weg bei der Typhuserkrankung des Menschen der gleiche 
ist. Es handelt sich in erster Linie um folgende Frage: Ist 
innerhalb des Organismus der Vorgang ebenfalls ein humoraler 
oder spielt sieb die Giftwirkung an den Zellen ab, an den hypo¬ 
thetischen „sessilen Rezeptoren“, aus Spiel und Widerspiel des 
Bakterieneiweiss und der Zelle? Die Frage der seasilen Rezep¬ 
toren ist viel hin- und hergeworfen worden. 

Weyl 1 ) hat die Friedberger’sche ursprüngliche Theorie der sessilen 
Rezeptoren wieder aufgegriffen und sieht im Inkubationsstadium bei der 
passiven Präparierung des Meerschweinchens ein wesentliches Moment 
für die Existenz sessiler Rezeptoren, indem er sich vorstellt, dass der 
Antikörper erst von den Zellen des Tieres verankert werden muss. 
Vereinbar mit der Theorie der sessilen Rezeptoren sind Versuohe von 
Cooa 2 ), sowie von Fenivessey und Freund 3 ). Die Autoren entzogen 
aktiv und passiv präparierten Meerschweinchen auf der Höhe der Prä¬ 
parierung ihr Blut fast vollständig und ersetzten es durch normales 
und fanden gleichwohl, dass die Tiere noch überempfindlich waren. 
Gleichwohl glaubt Friedberger nach se ner zusammenfassenden Arbeit 
aus dem Jahre 1917 experimentelle Beweise zu haben, dass die An¬ 
nahme von sessilen Rezeptoren für das Zustandekommen der Auapbylaxie 
zum mindesten überflüssig ist. Nach meinen Beobachtungen am Menschen 
ist ihre Anwesenheit erforderlich. 

Unsere eigenen neueren Ergebnisse mit der Typhus¬ 
antigentherapie sind aus bestimmten Erwägungen gewonnen 
mit dem Eigenserum der zu behandelnden Patienten, 
welches dem Kontakt mit einer Suspension vom ab¬ 
getüteten Typhusbazillen bei Brutschranktemperatur aus- 
gesetzt war. Es war damit scheinbar die Voraussetzung für 
die Entstehung des Fried berger’schen Anaphylatoxins im 
Reagenzglas gegeben. Bildete sich das ausschlaggebende 
Gift im Reagenzglas humoral, so konnte erwartet 
werden, dass die Reaktion anders verlief als bei un- 
präpariertem Antigen. Das war nicht der Fall. Irgend¬ 
welche Unterschiede zwischen den Kurven, die wir bei so be 
handelten Kranken gewonnen haben, gegenüber denjenigen mit 
andersartig vorbereitetem Antigen, sind nicht zu ermitteln. 

Dass nun hierbei Anaphylatoxin nicht oder nur in ganz 
geringem Grade in Frage kommen konnte, hatten uns experi¬ 
mentelle Untersuchungen gezeigt, welche von den Herren Charl- 
ton und Hatziwassiliu angestellt waren. Es war von vorn¬ 
herein klar, dass im Meerschweinchen versuch die primäre 
Toxizität des menschlichen Blutserums von wesentlicher Bedeutung 
war. Ueber diesen Punkt liegen Versuche von Syrenskij 4 ) bereits 
vor. Hiernach ist Blutserum normaler, völlig gesunder Menschen 
in hohem Grade toxisch für Meerschweinchen. Seine tödliche 
Dosis liegt bei einmaliger intravenöser Einführung zwischen 0,5 
und 0,6 pro Kilo Körpergewicht. Diese Toxizität erfährt im 
Verlaufe einer Reihe von Infektionskrankheiten eine deutliche 
Steigerung. 

Nach Syrenskij erweist sich beim Abdomioaltyphus in der Mehr¬ 
zahl der Beobachtungen- die Dosis von 0,8 pro Kilo Körpergewicht als 
letal. Gharlton und Hatzi wassiliu fanden, dass 2 ccm Serum von 
Typhuskranken im aktiven Zustande bei Meerschweinchen im Gewichte 
von 248 resp. 270 g den Tod des Tieres in 8 Minuten unter starkem 
Leukozytenabfall und Temperatursturz herbeiführten. Bei Verwendung 
von Serum eines gesunden Mensohen trat der Tod des Tieres ebenfalls 
unter Temperatursturz und Leukozytenabfall erst naoh 1 J/a Stunden ein. 

Waren nun mit aktivem Menschenserum von Typhuskranken 
im Reagenzglas mit abgetöten Typhusbazillen die Bedingungen 
des Fried berger’schen Anaphylatoxinversuches hergestellt, wo¬ 
bei die auf 2 ccm Serum fallende Bakterienmenge von 8—20 Oesen 
variiert wurde, so stellte sich die merkwürdige Tatsache einer 
scheinbaren Entgiftung des Serums heraus. Während das 
unbehandelte, primär toxische Serum der Typhuskranken aus¬ 
gesprochene anaphylaxieäbnliche Erscheinungen hervorbrachte und 


1), 2), 8) zit. naoh Friedberger, 1. o. 

4) Zsohr. f. Immun.-Forsch., 1914, Bd. 20. 


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den raschen Tod des Meerschweinchens herbeiführte, zeigten die 
mit abgetöteten Typhusbazillen vorbehandelten Serumabgüsse nur 
leichte oder ganz geringe Unruhe der Versuchstiere. 

Die Vorschrift für die Herstellung des Anaphylatoxins für Meer¬ 
schweinchen mit Typhusserum ist folgende: Von einer 48ständigen 
Agarkultur von Baoterium typhi (Stamm Alexander) werden Auf¬ 
schwemmungen in 1 com physiologischer NaCI-Lösung bergestellt, ent¬ 
haltend eine bestimmte Menge von Oesen. Dieselben werden 2 Stunden 
lang auf 60° erhitzt, darauf wird eine bestimmte Menge von aktivem 
Meersohweinohenserum hiozugefügt und nach einer Stunde Aofenthalt 
im Brutschrank bei 87° und weiteren 18 Standen bei Zimmertemperatur 
werden die scharf abzentrifugierten Abgüsse intravenös injiziert. 

Keines der Tiere ging im Anschluss an den Versuch direkt 
ein. Entweder kam es zu vollständiger Erholung oder Tod am 
nächsten Tage. Auch hierbei wurden regelmässiger Leukozyten- 
abfall und Temperatursturz beobachtet. Etwa vorhandene Ana- 
phylatoxinwirkung verschwindet also beim Meerschweinchen unter 
der abgeschwächten primärtoxischen Serumwirknng. Dass nicht 
nennenswertes Anaphylatoxin enthalten sein kann, ist im übrigen 
ausserdem aus dem verhältnismässig geringen Komplementgehalt 
des Menscheoserums zu schliessen. 

Das von uns bei Typhuskranken angewandte Präparat 
wurde folgend er maassen hergestellt: 

Den Kranken wurde mittelst Venenpunktion Blut entnommen, das¬ 
selbe sofort nach der Gerinnung scharf zentrifugiert und daa Serum in 
frischem Zustande weiterverarbeitet. Vorher wurden in 1 ccm steriler 
physiologischer Kochsalzlösung 4 mg (=* 2 Oesen) 48stündiger Typhus¬ 
bazillenkultur verrieben und die Bazillen 2 Stunden lang bei 60° abge¬ 
tötet. Prüfnng der Sterilität! (Bouillon, Agar, Endo.) Hierzu wurden 
5 oom frisches Mensohenserum hinzogefügt und das Gemenge noch eine 
Stunde im Brutschrank bei 37° und dann weitere 18 Stunden bei 
Zimmertemperatur belassen. Dann wurde zweimal mindestens je 
Vz Stunde lang sobarf zentrifugiert und der klare Abguss abpipettiert 
und intravenös angewandt. 

Der Abguss enthielt, wie anzunebmen ist, mehr oder weniger 
abgebaute oder einfach ausgelaugte Leibessnbstanzen der Typhus¬ 
bazillen, eventuell noch einzelne uoauszentrifugierte Bazillen, 
wenn auch im mikroskopischen Präparat ihte Anwesenheit nicht 
festgestellt werden konnte. 

Ich bemerke, dass die 5 so behandelten Typhuskranken zur 
Genesung gekommen sind. Wie bereits erwähnt, bat es sich nun 
herausgestellt, dass das nach den angeführten Vorschriften berge- 
stellte Antigen in seiner Wirkung nicht prinzipiell von den 
früheren ab weicht. 

Im ersten Falle, einer 46jährigen Typhuspatientin, wurde am 
28. Krankheitstagü 0,1 cofh unseres Antigens injiziert. Naoh etwa einer 
halben Stande trat ein massiger Schüttelfrost auf, die Temperatur stieg 
auf 39,8° an und sank bis zum nächsten Tage etwas ab. Jetzt wurde 
eine grosse Dose Injektion von 5 com Impfstoff nachinjiziert. Naoh 
25 Minuten begann ein heftiger, über 1 Stunde währender Schüttelfrost, 
während dessen die Temperatur auf 40,2° in die Höhe ging unter be¬ 
trächtlichen Nebenerscheinungen bis zum 80. früh. Dann ging die Tem¬ 
peratur unter die Norm herunter. Vom 81. Krankheitstag ab lag die 
Temperaturkurve vollkommen normal. Die vor der Injektion 4000 be¬ 
tragende Leukozytensahi sank während des Schüttelfrostes auf 1500 
herab und ging später auf 6700—9000 in die Höhe. Die Plättohenzahl 
war vor der Injektion 110000, während des Schüttelfrostes 80 000. 
(Siehe Kurve 1.) 

Im zweiten Falle, eines 41 jährigen Mannes, wurde am 18. Krank¬ 
heitstag 0,1 Impfstoff injiziert, mit dem Ergebnis, dass die vorher ziem¬ 
lich kontinuierliche Kurve mässig remittierend wurde. Am 16. Krank¬ 
heitstag wurden 0,2 Impfstoff injiziert; von jetzt ab wurde die Kurve 
stark remittierend bis zur Entfieberung in der Mitte der 4. Woche, der 
nooh ein kurzes Rezidiv folgte. Naoh beiden Injektionen waren Schüttel¬ 
fröste aufgetreten. Vor der ersten Injektion betrug die Leukozytensahi 
2900 und sank am Ende des Schüttelfrostes auf 2500, vor der zweiten 
Iujektion betrug die Leukozytenzahl 9200, sank während des Schüttel¬ 
frostes auf 4000 und betrug 4 Tage später wieder 9000. Bei der ersten 
Injektion sank die ursprüngliche Plättohenzahl von 810 000 am Ende 
des Schüttelfrostes auf 250 000, während sie bei der zweiten intravenösen 
Injektion von 250 000 vor der lojektion auf 280 000 nach derselben Btieg. 
(Siehe Kurve 2.) 

Der dritte Fall betrifft ein 19jähriges Mädehen. Am 18. Krankheits¬ 
tag wurden 0,1 oom Impfstoff injiziert. Beginn des Schüttelfrostes naoh 
einer Stunde, die Temperatur stieg gegen 1 Uhr auf 42° und sank dann 
allmählich ab. Bis zum nächsten Tage batte sioh die kontinuierliche 
Temperaturkurve wieder bergestellt, die erst langsam nach einigen 
Tagen remittierend wurde. In diesem Fall betrugen die Leukozyten 
vor der Injektion 2000, während des Schüttelfrostes 1800, am nächsten 
Tage 3800. Die Plättohenzahl war auffallend niedrig: vor der lojektion 
10600, während des Schüttelfrostes 11960, am folgenden Tage 10 900. 
(Siehe Kurve 8.) 

2 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nt. 63. 


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Kurve 2. 



Kurve 3. 


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Im vierten Fall eines 19jährigen Mädchens wurde der Typhus bak¬ 
teriell nicht naobgewiesen, jedoch sprachen die Anamnese (voran¬ 
gehende Typhuspflege) und der Verlauf für die Diagnose. Es wurden 
0,25 ccm Impfstoff intravenös injiziert am 15. Krankheitstage. Unter 
massig starkem Schüttelfrost ging die Temperatur bis auf 41° in die 
Höbe und sank dann zur definitiven Norm herunter bis am 17. Krank- 
heitstage. In diesem Falle Banken die Leukozyten von 10 000 auf 
6000 während des Schüttelfrostes; die Plättchen blieben fast konstant, 
die Zahlen waren 70 000 und 66 000. (Siehe Kurve 4.) 

Im fünften Fall eines 20jährigen jungen Mädchen« wurde am 
7. Krankheitstag 0,1 com Impfstoff intravenös injiziert. Die Temperatur 


stieg bis 40,7° und sank bis zum Abend des 

__|____ 8. Krankheitstages zur definitiven Norm herab. 

i J 7 * _£:Z_ * n diesem Falle betrug die Leukosytensahl 

_vor der Iojektion 8200, sank während des 

zz zzzzz zzzzzzzz Schüttelfrostes auf 1900, während die Plätt- 

zinz: :zz zzzjzz chenzahlen 250000 und 180000 waren. (Siebe 

zz—zz zz^ z_ zz zz Kurve 5.) 

zz zz zz jz z -^zz Das Ergebnis der Iojektioneo 

~ ~ — ~- ist aus den Kurven ersichtlich. Gans 

-f-- 1 zz zz oder fast kritisch wird die Entfieberung 

— — — zzzzzz zz in den Fällen 1 , 4 und 6 herbeigeführt. 

-j- - Ina Fall 3 kommt es lediglich zu einer 

kurzen Unterbrechung der Kontinua. 

— Nach einigen Tagen senkt «ich die Kurve 

^ zz z^z zzzjzz: zu ~ spontan. In Fall 2 wird die ziemlich 

kontinuierliche Kurve nach 0,1 Impfstoff 

-zzrzz ~~~~ leicht, nach 0,2 stark remittierend. Die 

zz—z: _ {z_ zz zz Allgemeinreaktio^ war nach 0,1 bis 

zz zz :z zz zz zz 0 25 ccm erträglich, von heftigerem 

zzzzzzzzzzzz:zz Charakter nach der sehr grossen Dosis 
I . ... ! —L . I ZJ von 5,0! Der weitere Heil verlauf war 
in allen Fällen gut. Ebenso wie äusser- 
lieh eine vollkommene Uebereinstimmung 
mit den bei reiner Antigenwirkung be¬ 
stehenden Kurven zu konstatieren ist, 
verhält es sich mit Einzelheiten, wie 
z. B. dem Zeitpunkt des Auftretens des 
Schüttelfrostes, der in unseren Fällen 
nicht früher liegt als in jenen. 

Bei der klinischen Verfolgung der Fälle 
sind noch einige interessante Beobachtun¬ 
gen gemacht, die sich auf die Leukozyten 
und Plättohen beziehen. Die eigenartige 
Leukosytenbewegung bei den mit Antigen be¬ 
handelten Typhuskranken besteht, wie schon 
bekannt, darin, dass während des Schüttel¬ 
frostes eine kräftige Senkung der Leuko¬ 
zytenzahl eintritt, an welche sich sekundär 
eine Erhöhung anschliesst. Diese Kurve lässt 
sioh mit tierexperimentellen Tatsachen in 
Parallele setzen. Aber anders liegen die 
Verhältnisse mit den Plättchen. Die so über¬ 
aus labilen Plättchen zeigen während des 
Schüttelfrostes keine regelmässige Be¬ 
wegung naoh oben oder unten; die Wörte 
liegen zwar auseinander, aber es erklärt sich 
das meines Erachtens fast vollständig aus 
den starken Fehlerquellen, welche für diese 
Feststellung Berücksichtigung finden müssen. 
Bekanntlich verschwinden im anapbylaktisohen 
Schock die Blutplättchen aus dem Kreislauf. 

— -r——i——I— Nach einer Arbeit aus dem Jahre 1914 nahm 

'? m /'f. Behring 1 ) an, dass beim Zustandekommen 

= ~1~1— des anaphylalaktisohen Vergiftungsprozesses, 

zz zz — z . . insbesondere beim Schooktod, eine Aggluti- 

z - - Zj- - nation der Plättohen von hervorragender Be- 

- - -r- 1 deutung ist, die besonders im Gehirn zu 

—f~— 1 —~ kapillären Embolien und Thrombosen führt. 

TZ zzz _ z r y > ~ Zz Nun fällt es schon beider sicher anaphylak- 

zzzrtz :\^|zzz^-z toiden Serumkrankheit auf, dass die Plätt- 

ZZ — [tz A l — zz zz: chenzahl die Schwankungen der Leukozyten- 

zz zt zz zz zz zz ZZ kurve nicht mitmaoht. Es ist sehr bemerkens- 

ZZ zz zz zz ZZ ZZ ZZ wert, dass auch bei Typhusantigentherapie die 

z_ zzzzzz zzzzzz Plättobenkurve siemlich resistent bleibt. 

— - — — z zz ZZ G#8 ist. nun noch meine Aufgabe, su 

zzzzz: zzzzz unseren eigenen klinischen Ergebnissen 

zzzzzz : ~zzzzzz Stellung zu nehmen, 

zzzzzzzzzzzzzz Ich glaube aus dem vorhin Demon- 

zz zzzzzz zzz strierten den Schluss liehen xu_ können, 

zz — z zz zzzzzz dass die anaphylaktoide Wirkung 

- i ---zzpz des Typhusantigens, wenn man sie 

als solche auffasst, beim Menschen 
bexüglich ihres Entstehungsmodus nicht identisch ist 
mit derjenigen des Reagensglasanaphylatoxins Fried- 
berger’s. 

Es ergibt sich nun die weitere Frage: Ist die gante 
Theorie Friedberger’s in ihrer Anwendung auf den 
Typhns angesichts der Unspesifität der geschilderten 
klinischen Eingriffe und Erfolge überhaupt haltbar? 
Meiner Ansicht ist das bis iu einem gewissen Grade möglich. 

1) D.m.W., 1914, Nr. 42. 




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UNiVERSUY OF IOWA 





































29. Desember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1281 


Man kann sehr wohl annehmen, 
dass bei den Infektionskrankheiten 
zahlreiche Vorgänge als anaphylak¬ 
toide bzw. antianaphy ktoide zu deuten 
sind, muss aber dann voraussetzen, 
dass der Rezeptorenapparat beim 
Menschen etwas anderen Gesetzen 
folgt als beim Versuchstier und in 
gewisser Richtung weniger spezifisch arbeitet. 

Hierfür lassen sich weitere klinische Ana¬ 
logien heranziehen. Es ist uns bekannt, 
dass nach einigen Infektionskrankheiten 
neben der spezifischen Immunität auf un¬ 
spezifischem Wege die Disposition für andere 
Infektionskrankheiten teils erhöht, teils her¬ 
abgesetzt wird. Ich erinnere ferner daran, 
dass nach Auffassung der Kinderkliniker 
vorausgehende Diphtheriepferdeserumin- 
jektion nachfolgende Scharlachkrankheit 
abschwächt. Nach Joch mann 1 ) zeigen 
Masern-, Scharlach- und Typhuskranke .auf 
der Höhe der Krankheit eine auffällige 
Unempfindlichkeit gegenüber dem Pocken¬ 
virus u. a. m. 

Die Antianaphylaxie ist auch beim Ver¬ 
suchstier nur innerhalb quantitativer Grenzen 
spezifisch und lässt sich bis zu einem ge¬ 
wissen Grade durch Peptonschock und Ver¬ 
giftung mit sonstigen Eiweissabbauprodukten 
erzeugen. 

Als Beleg für die Unspezifität der anti¬ 
anaphylaktoiden Beziehungen beim Menschen 
führe ich folgendes eigene Erlebnis an: 

Im Falle einer diphtherieverdächtigen 
Angina bei einer vor Jahren mit Serum 
vorbebandelten Person spritzte ich abends 
Diphtherieserum mit dem Erfolg, dass sich 
nach einigen Stunden schwere Anaphylaxie 
entwickelte. Am nächsten Morgen waren 
nicht nur Fieber und Allgemeinerscheinung, 
sondern auch der lokale Prozess fast be¬ 
seitigt. Der Fall demonstrierte den mächtigen 
unspezifischen Einfluss eines sicher anaphy¬ 
laktoiden Zustandes auf eine Infektions¬ 
krankheit. 

Die weitere Konsequenz dieser An¬ 
schauung würde schliesslich sein, dass auch 
der prophylaktische unmittelbare Erfolg 
einer Krankheitsminderung nach Schutzimpfung, wenn man eine 
schockartige Wirkung erzielt hat, cum grano salis unspezifisoh ist. 

Nun zur praktischen Seite der Frage! Ich kann bei der 
kleinen Anzahl der beobachteten Fälle noch nicht sagen, ob das 
in den geschilderten Fällen zur Anwendung gelangte „individuelle** 
Antigen bessere Wirkungen als die sonst aus der Literatur be¬ 
kannten aufweist. Aber die Ergebnisse beweisen aufs neue, dass 
die immense therapeutische Beeinflussbarkeit des Typhus auf 
diesem Wege keinem Zweifel unterliegt. Es' ist sicher, dass die 
Uebertragbarkeit der intravenösen Vakzinbehandlung auf die 
weitere Krankenhaus- und die allgemeine Praxis gewisse Schwierig¬ 
keiten bietet. Die oft starke Reaktion nach der Injektion kann 
Bedenken einflössen. Sie muss .durch geeignete Technik und ge¬ 
eignete Auswahl der Fälle und des Zeitpunktes der* Applikation 
gedämpft werden. Man kann in gleicher Weise wie bei serum¬ 
anaphylaktisch gefährdeten Menschen durch kleine vorangehende 
Probeinjektionen das Terrain sondieren. Auf diesem Wege 
werden wohl Misserfolge verbötet werden. In dem Auftreten des 
Schüttelfrostes und sonstiger Aligemeinerscheinungen sehe ich 
kein Unglück. Es hat lange gedauert, bis die Appendizitis¬ 
therapie mit Hilfe eines blutigen Eingriffs Unter Anwendung der 
Cbloroformnarkose in der ganzen Welt eingeführt wurde, und es 
ist zu hoffen, dass in derselben Weise wie die gegen die Methoden 
der Chirurgie vorgebrachten Bedenken widerlegt sind, so auch 
diejenigen Bedenken schwinden, die einem etwas herzhafteren 
Eingriffe bei einer inneren Krankheit entgegenstehen. 

1) Lehrbuch d, Infektionskrankh., 1914, S. 809. 


Kurve 4. 



Kurve 5. 



Aus der chirurgischen Abteilung des städtischen 
Krankenhauses Allerheiligen in Breslau (Primararzt 
Prof. Tietze). 

Die Trambahnfraktur des Oberarms 1 ). 

Voo 

Dr. Pawel-Herrnprotsoh. 

Aus der vielgestaltigen Schar der Verletzungen, die durch 
Sturz beim Abspringen von der Strassenbabn zustande kommen, 
bebt sich eine kleine Groppe heraus, die typisch eine eigen¬ 
artige Luxationsfraktur des Oberarmkopfes aufweist. Es handelt 
sich ausnahmslos um Männer des rüstigen Alters, die nach 
ihrer Angabe von jeher gewohnt waren, bei voller Fahrt 
abzuspringen, ohne Schaden zu nehmen, und die als Ursache 
ihres Unfalles Übereinstimmeud angeben, der Erdboden sei an 
dem betreffenden Tage durch Regen bezw. durch Glatteis sehr 
schlüpfrig gewesen, und sie hätten infolgedessen aus Furcht, aus¬ 
zugleiten, instinktiv eine Sekunde zu lange gezögert, den Griff 
des Strassenbabnwagens loszulassens. Sie seien dann nach aussen 
und vorn auf die Schulter gefallen — in der Regel war es die 
rechte — und seien auf dem glatten Boden noch ein Stück nach 
vorwärts geschoben worden. # 

Bei der Untersuchung fand sich eine Verkürzung des betroffenen 
Armes, der zugleioh abdusiert und mit dem Ellenbogen etwas nach vorn 
gerichtet war. Das Akromion sprang vor, während unter ihm sich eine 
Vertiefung zeigte, in welcher die leere Gelenkfläohe des Schulterblattes 

1) Vorfrag, gehalten in der Sitzung der Sohlesisohen Gesellsohaft 
für vaterländische Kultur zu Breslau am 17.10. 1919. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 



























































I 


1232 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 62. 


zu fühlen war; kurz, alles Erscheinnngen einer Luxation im Schulter¬ 
gelenk. Es fehlte aber die dabei vorhandene federnde Fixation des Ober¬ 
arms, ferner war der Kopf an den typischen Verlagerungsstellen nicht 
zu fühlen, und gelegentlich wies auch Krepitation Doch deutlicher auf 
eine gleichzeitig bestehende Fraktur hin. 

Die sofort angefertigten Röntgenbilder bestätigen das Vorhandensein 
der Luxationsfraktur, zeigten nun aber ausserdem konstant eine eigen¬ 
artige Stellung der Fragmente. Der Kopf war im anatomischen Hals 


Abbildung 1. 



Abbildung 2. 



oder im Bereioh der Tuberkula abgesprengt und lag, fast um 180° gedreht, 
vorn und ausserhalb vom Oberarmschatt, mit seiner Bruchfläche diesem 
zugekehrt, mit seiner Knorpelfläche lateralwärts gerichtet. Aussen und oben 
von ihm lag das gleichfalls abgebrochene Tuberculum majus (Abb.l u.2.) 

Die Luxationsfraktur des Humeruskopfes ist an und für sich keine 
so seltene Verletzung; immerhin waren bis 1912 nur 64 Fälle aus der 
Literatur zusammengestellt, und Luxembourg sah auf einer so grossen 


Abteilung wie der Bardenheuer’schen in Köln Dur 4 Fälle innerhalb 
von 8 Jahren. In mehreren Fällen war neben der Verlagerung des ab¬ 
gebrochenen Kopfes vor oder hinter, oberhalb oder unterhalb dor Gelenk¬ 
pfanne auch eine Drehung der Bauchpfläche vorhanden, ähnlich wie hier, 
stets aber wurde der Kopf medialwärts von der Humerusdiaphyse ge¬ 
funden, wie das seiner anatomischen Lage entspricht, während für unsere 
Fälle gerade die Einschiebung des Kopffragmentes lateralwärts vom 
Schaft, zwischen diesen und das Tub. majus, charakteristisch ist. 

Die Konstanz dieses immerhin nicht alltäglichen Befundes 
im Verein mit den vorgetragenen anamnestischen Angaben der 
Verletzten haben uns nun die Ueberzeugung aufgenötigt, dass für 
die typische Form und Stellung der Fragmente auch konstante 
mechanische Faktoren bestimmend gewesen sind. Während nach 
den Angaben des Fahrpersonals der Strassenbahn das Haupt¬ 
kontingent der Unfälle beim Abspringen von Frauen und Kindern 
gestellt wird, weil sie einerseits durch ihre Kleidung in wechseln¬ 
der Weise behindert werden, andererseits aber auch in den ver¬ 
schiedensten und unberechenbaren Stellungen und Situationen fehler¬ 
haft abspringen sollen, wodurch denn die Buntheit der resultierenden 
Verletzungen leicht erklärbar wird, hat in unseren Fällen, wenn 
man die Angaben unserer mit dem richtigen Abspringen sicher 
wohlvertrauten verletzten Männer berücksichtigt, lediglich der 
Umstand den Sturz herbeigeführt, dass die Fahrgeschwindigkeit 
der Bahn infolge des allzulangen Kontaktes der linken Hand am 
Wagengriff und der Glätte des Bodens dem Körper einen zu starken 
Schwung nach vorwärts erteilt hat. 

Das Abspringen von der Strassenbahn geht in der Regel so 
vor sich, dass das rechte Bein zuerst den Erdboden betritt und 
der Schwerpunkt des Körpers demgemäss für einen kurzen Moment 
nach rechts verlegt wird. Bei korrektem Abspringen und lang¬ 
sam fahrender Bahn, wobei dem Körper kaum ein Impuls in der 
Fahrtrichtung erteilt wird, hätte ein Straucheln des Standbeines 
also im wesentlichen ein Fallen nach rechts, voraussichtlich auf 
die rechte Schulter oder den rechten Elfenbogen zur Folge. Bei 
schnellerer Fahrt kommt nün aber eine neue Komponente hinzu, 
der Schwung nach vorn, den die fahrende Bahn dem Körper des 
Abspringenden überträgt, und den man in der Regel durch ein 
Zurückwerfen des Rumpfes nach hinten oder durch ein paar Lauf¬ 
schritte ausgleicht, die den Stützpunkt der vorwärts schwingenden 
Körperlast entsprechend nach vorn verlegen. Misslingt das, dann 
fällt der Körper nicht allein nach rechts, sondern zugleich nach 
vorn und schiebt, wie das Fahrpersonal bestätigt, bei glattem 
Boden sogar noch einige Schritte in der Fahrtrichtung nach vorwärts. 

Weun wir uns danach über die Mechanik der Verletzung 
eine Erklärung zu bilden haben, so wäre näch der landläufigen 
Vorstellung die Luxation das Primäre und die Fraktur durch 
weiteres Einwirken der luxrerenden Gewalt hervorgerufen. Nach 
der Lage des Kopfes käme hierbei nur eine primäre Luxation nach 
vorn in Frage mit sekundärer Absprengung und Lateralwärts- 
drehung des Kopfes sowie Abreissen des Tub. majus durch die 
Auswärtsroller. Da eine solche Luxation meist durch indirekte 
Gewalt, also z. B. durch Stoss gegen den Ellenbogen, übermässige 
Abduktion u. a. m. bewirkt wird, so stellen sich dieser Annahme 
doch erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Einmal geben die 
Verletzten bestimmt an, nicht zuerst auf den Ellenbogen, sondern 
auf die Schulter gefallen zu sein, zweitens würde man bei dem 
Fall auf den Ellenbogen eher auf einen Bruch des Humerus- 
schaftes oder des chirurgischen Halses zu rechnen haben, als auf 
die Abtrennung des Kopfes im anatomischen Halse, und schliess¬ 
lich bliebe die Auswärtsdrehung des normalerweise medial an¬ 
setzenden Kopffragmentes immer noch unerklärt. Auch die An¬ 
nahme einer Luxation durch direkte Gewalt, also allein durch 
seitlichen Stoss gegen die Schulter, führt uns nicht weiter. Es 
bleibt daher nur die Annahme, dass zuerst die Fraktur, danach 
sekundär die Luxation zustande kommt; danach erscheint die 
folgende Erklärung als die wahrscheinlichste: der Fall auf die 
Schulter fuhrt zunächst durch seitlichen Stoss von aussen gegfcn 
den Oberarmkopf zu einer kombinierten Fraktur desselben im Be¬ 
reiche der anatomisch vorgebildeten Furchen, des Collum anatomi- 
cum und des Sulcus intertubercularis (vgl. Abbildung 3.), woraus 
die Formgestaltung der drei Fragmente resultiert, sowie zu einer 
Zerreissung der Gelenkkapsel. Das Kopffragment, das sich 
normalerweise mit einer schräg von aussen oben nach innen 
unten verlaufenden Linie am Schaft ansetzt, wird dabei von 
dem durch den seitlichen Stoss nach innen getriebenen oberen 
Schaftende in eine wagrechte Stellung verlagert (Phase I), der¬ 
art, dass dieses Schaftende nun nur noch mit dem medialen 
Winkel des Kopffragmentes korrespondiert (vgl. Abbildung 4). 
Während die Schulter bereits in Berührung mit dem Erd- 




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UNIVERSUM OF IOWA 











29. Detember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1238 



boden liegt, treibt die oben eingehend besprochene Schwung¬ 
kraft des fallenden Körpers in der Fahrtrichtung die Körperlast 
nach vorwärts, also gleichsam in die durch den Reibungswider- 
stand relativ fixierte Schulter hinein. Es kommt dadurch zu 
einem Stoss des Oberarmschaftes von unten her gegen den medialen 
Winkel der nach unten gerichteten Bruchfläcbe des Kopffragmentes, 
einem Stoss, der die Knorpelfläche des Kopffragmentes an der 
kugeligeu Hohlfläche der Pfanne entlang nach oben hebelt und 
schliesslich nach aussen umlegt, eben in die Lage, die die Röntgen¬ 
bilder der Verletzten zeigen (II. Phase) (vgl. Abbildung 5). Eine 


Abbildung 5. 



Stütze findet diese Annahme auch durch die bekannten experi¬ 
mentellen Versuche von Kocher, der eine kombinierte Fraktur, 
ähnlich der bei unsern Verletzten, durch Druck von aussen und 
von unten berbeizuführen vermochte. 

Mag man nun die eine oder die andere Erklärung akzeptieren, 
in jedem Falle sind es offenbar allein eben die mechanischen 
Vorgänge beim Abspringen ohne Hinzutreten zufälliger Momente, 
die für das Zustandekommen des geschilderten eigenartigen Fraktur¬ 
bildes von Bedeutung sind. Wir haben deshalb för dieses den 
Namen der „Strassenbabnfraktur“ vorgeschlagen, wenn es auch 
von vornherein wahrscheinlich ist, dass auch andere Traumen 
mit ähnlichen mechanischen Einwirkungen, etwa Absturz von 
einer Treppe u. a. m., geeignet erscheinen, gelegentlich die gleiche 
Lnxationsfraktur herbeizuföhren. 

Herrn Prof. Tietze spreche ich auch an dieser Stelle für 
die Ueberla8sung des Materials und die gewährte Förderung 
meinen ergebensten Dank aus. 

Aus dem Univ.-Institut für Krebsforschung der Charite. 

Zur Immunotherapie des Krebses 1 ). 

Von 

Prof. Dr. Carl Lewii. 

M. H. Die Frau, welche ich Ihnen heute vorstelle, ist 44 Jahre 
alt, mit folgender Krankengeschichte: 

Sie hat mit 16 Jahren zum ersten Male menstruiert, ist verheiratet, 
hat 2 lebende Kinder zur Welt gebracht und war bis zum Auftreten 

1 ) Nach einer Demonstration in der Berliner medizinischen Gesell¬ 
schaft am 26. November 1919. 


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Original fro-m 

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1 234 B ERLINER KLATSCHE WOCBENSCHRl FT. Nr. 52 


der Erkrankung, wegen der sie bei uns behandelt wurde, vollkommen 
gesund. 

Im Winter 1915/16 bemerkte sie eine Anschwellung in der rechten 
Achselhöhle, bald darauf einen Knoten in der reohten Mamma. Im 
April 1916 wurde daher die Amputation der reohten Mamma und 
die Ausräumung der Achselböhle im Kreiskrankenhaus Liehtarfelde 
durch Herrn Dr. Palmedo vorgenommen. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung des Tumors ergab die Diagnose: Caroinoma simplez. Im 
Dezember 1916 stellten sich Kopfschmerzen ein. Sie bemerkte eine 
Verschlechterung der Sehkraft des rechten Auges, ausserdem traten 
Doppelbilder auf. Im Laufe des Jahres 1917 bildeten sich neue Knoten 
in der Umgebung der alten Operationsnarbe auf der Brust. Es wurde 
daher eine zweite Operation durch denselben Kollegen vorgenommen. 
Danach wurde sie mit Röntgenstrahlen behandelt. Sie erhielt, wie sie 
angibt, 8 Bestrahlungen aut die Brust, 8mal wurde das rechte Auge 
bestrahlt Am 17.1V. 1918 suchte sie die Poliklinik unseres In¬ 
stitutes auf, wobin sie von der Augenklinik der Charite gewiesen 
war. Sie sah fast gar nichts mehr auf dem reohten Auge; als Ursache 
dieser Sehschwache wurden Kreb^metastasen in der rechten Orbita an¬ 
genommen. In unserer Poliklinik wurde folgender Befund erhoben: 
Anstelle der reohten Brust sieht man eine zum Teil mit Borken be¬ 
deckte Plastiknatbe, etwas oberhalb dieser Narbe eine kurze schräge 
Narbe.. Unterhalb und seitlich der Narbe bis zum Büoken mehrere, 
unter der Haut gelegene kirsch- bis erbsengrosse, mit der Unterlage 
verschiebliche, harte Knötchen, ln der rechten Achselhöhle einige 
bohnengrosse, harte verschiebliche Drüsen. Der rechte Augapfel war 
vorgetrieben, stark gerötet, die Popille war verengt. 

Sie wurde nunmehr auf der Röntgenabteilung des Institutes, die 
damals Dr. J. Tugendreich leitete, m der Zeit vom 8. V. bis 15. V. 
1918 einer intensiven Bestrahlung unterzogen. Die Erscheinungen am 
rechten Auge gingen alsbald zurück, die Sehschärfe besserte sieb, auch 
einzelne Knötchen an der Brust verschwanden. Die Bestrahlung des 
Auges vom 20. VI. bis 22. VI. 1918 wiederholt. Am 26. XI. 1918 suchte 
sie erneut die Poliklinik auf. Die Narbenfläche an der Brust hatte sich 
inzwischen gereinigt, die Anzahl der Knötchen seitlich der Narbe auf 
der Brust und aut dem Kücken war wieder dieselbe wie früher. Dazu 
hatte sich eine Auftreibung des Abdomens durch Aszitesbildung 
eipgestellt. Der Befund am Auge war nicht wesentlich verändert. 

Wegen aller dieser Erscheinungen wurde sie vom 9. XII. bis 20, XII. 

1918 wieder wie früher bestrahlt, musste sich jedoch, weil der Aszites 
unbeeinflusst blieb — das Abdomen wurde nicht bestrahlt —, am 
10. 1. 1919 auf die klinische Abteilung des Institutes aufnehmen lassen, 
wo am 11.1. 1919 3 Liter klare seröse Flüssigkeit aus der Bauchhöhle 
abgelassen wurde. Dann wurde sie entlassen. 

Am 24. II. 1919 sah ich die Patientin zum ersten Male wieder in 
der Poliklinik. loh fand den Leib massig gespannt und aufgetrieben, 
freie Flüssigkeit war, wenn auch in geringem Umfange, nachzuweisen, 
der linke Leberlappen deutlich vergiöisert. Die Knötchenaussaat um 
die Narbe herum war ausgebreiteter geworden, eine grosse Zahl bohnen- 
bis kirsebgrosser Tumoren war feHtzustellen. Die Bestrahlung wurde 
vom 24.11. bis 28.11. nur am rechten Auge wiederholt, die Bestrahlung 
der anderen Teile unterblieb, wohl als aussichtslos. Im April 1919 
wurde der gleiche Befund erhoben, der Aszites war nicht wesentlich 
verändert. 

. Ich begann nunmehr im Mai 1919, da der Aszites allmählich zu¬ 
nahm, eine Behandlung der Kranken mit der bereits früher in einem 
Falte mit ausserordentlich gutem Erfolge angewandten Autosero- 
therapie, d. h. ich punktierte mit der Spritze 10—20 ccm Flüssigkeit 
aus der Bauchhöhle, die ich der Kranken, ohne die Kanüle herauszu¬ 
ziehen, subkutan unter die Bauchhaut injizierte. Die Behandlung 
konnte bei dem schlechten Befladen des Kranken ambulatorisch, wie ja 
erklärlich, nur unvollkommen und unregelmässig vorgenommen werden. 
Der Aszites wuchs dabei langsam weiter, so dass sich die Frau am 
23. VI. 1919 wieder auf die klinische Abteilung aufnehmen liess. Die 
Knötchenaussaat an Brust und Rücken hatte sich nooh vermehrt. 

Die schon erwähnte Therapie mit den Einspritzungen des Aszites 
wurde nunmehr energisch durebgeführt. Es wurde 2—3 mal wöchentlich 
je 15—20 ccm injiziert, dabei gleichzeitig eine Strahlenbehandlung der 
Knötohenaussaat auf der Röntgenabteilung durch den Kollegen L. Halber¬ 
städter vorgenommen. Die Knötohenaussaat zeigte alsbald, im Gegen¬ 
satz zu dem Verhalten bei den beiden letzten Bestrahlungen, eine deut¬ 
liche Tendenz zur Rückbildung. Der Aszites bestand in nooh erheb¬ 
licher Stärke, bo dass ich mich am 15. VII. 1919 entsohloss, die Flüssig¬ 
keit durch Punktion zu entfernen. 3V» Liter Flüssigkeit liess ich 
ab, einen Teil liess ich in der Bauchhöhle, um die Therapie weiter 
durchführen zu können. Nach der Punktion liessen sich mehrere bis 
faustgrosse Tumoren in der Bauchhöhle feststellen. Die in¬ 
zwischen von der Statiou entlassene Frau kam dann wöchentlich zweimal 
zur weiteren lnjektionsbebandlung zu mir. Die Knötchen verschwanden 
im Laufe der Beobachtung allmählich immer mehr, der Aszites zeigte 
keine Neiguog zur Neubildung. Anfang August bis Anfang September 

1919 wurde die Behandlung unterbrochen, dann von mir wieder auf¬ 
genommen. Vom 22. IX. bis 27. IX. 1919 wurde sie wieder bestrahlt, 
dä sich inzwischen einige neue Knötchen an der Brust gebildet hatten. 
Die Behandlung des Aszites in der geschilderten Weise wurde fort¬ 
gesetzt. Allmählich verschwanden alle krankhaften Erscheinungen. Die 
Knoten auf Brust und Rücken haben sich jetzt ganz zurüok- 
gebildet. Man sieht nur n'ooh die pigmentierten Stellen der 


Knötohenaussaat. Der Aszites ist seitAnfang Oktober voll¬ 
kommen verschwunden, die Tumoren in der Bauohhohle 
haben sieb ebenfalls vollständig zurüokgebildet. Das rechte 
Auge ist noch etwas vorgetrieben, seine Sehkraft ist natürlich voll¬ 
ständig erloschen. Io diesem Zustande sehen Sie die Kranke heute. 

Sie werden sich davon überzeuget, dass heute klinisch 
keine Spur einer karzinomatösen Erkrankung nachzu- 
weisen ist, die Autoserotherapie kann, weil kein Aszites mehr 
vorhanden ist, schon seit Wochen nicht mehr fortgesetzt werden. 
Die Frau fühlt sich vollkommen wohl, Appetit und Allgemein¬ 
befinden sind gut im Gegensatz zu früher, wo sie sich auch sub¬ 
jektiv elend und krank fühlte. 

Was diese Therapie {anbetrifft, so möchte ich heute nur 
einige Bemerkungen darüber machen. Ich habe die gleiche Be¬ 
handlung einmal bei einer Frau mit sekundärer Bauchfeil¬ 
karzinose nach Mammakrebs mit so ausgezeichnetem Erfolge 
angewendet, dass der Aszitefe der im elendesten Zustande be¬ 
findlichen Frau, den^ich wochenlang alle 8—10 Tage punktieren 
musste, vollkommen verschwand und die Kranke, die dauernd 
bettlägerig war, schliesslich die Krankenabteilung verliess, weil 
sie sich vollkommen gesund fühlte. Dabei waren auch nach dem 
Verschwinden des Aszites grosse Tumoren im Abdomen nachzu¬ 
weisen, die indessen keine Neigung zum Wachstum mehr zeigten 
und in ihrer Entwicklung stationär blieben. So habe ich die 
Frau über 2*/ t Jahre noch beobachtet. Später sah ich sie 
nicht mehr, und ich zweifle nicht, dass der Ausgang dann doch ein 
ungÜD8tiger war. Immerhin war der temporäre Erfolg so gut, dass 
ich im gleichen Falle dieselbe Therapie anzuwenden wohl berechtigt 
war. Angeregt wurde ich damals zu dieser Autoserotberapie, 
die auch Hodenpyl mit gutem{Erfolge angewendet hat, durch 
die günstigen Erfolge Senator’s bei der tuberkulösen Pleuritis, 
über die er, zusammen mit Schnütgen, auch in Welff-Bisner’s 
Handbuch der Serumtherapie berichtet bat. 
x Doch ist seine Behandlungsweise eine ganz andere gewesen 
als die von mir durchgeführte. Ihre Anwendung bei den bös¬ 
artigen Geschwülsten ist inzwischen anf eine gesicherte experi¬ 
mentelle Grundlage gestellt worden. 

Del bet und Rovsing hatten wie schon früher Coea und 
Gillmann den bei der Operation exstirpierten Tumor zer¬ 
kleinert und sich daraus einen Extrakt hergestellt, der dem 
Operierten znr Verhütung des Rezidivs injiziert werden sollte. 
Rovsing hat den Eindruck, dass er bei Sarkomkranken, weniger 
beim Karzinom, damit gute Erfolge erzielt bat. Die Technik 
habe ich mehrfach beschrieben, zuletzt in einer Zusammen¬ 
stellung in den Jahreskursen für ärztliche Fortbildung im Ok¬ 
tober 1918. Um aber die Gefahr einer Neuerkrankung durch 
ImpfuDg intakter Tumorzellen zu verhüten, schlug F. Blumen - 
thal auf Grund von Tierversuchen vor, den exstirpierten Tumor 
vorher der Autolyse im Brutschrank auszusetzen, um jede künst¬ 
liche Tumorimpfung unmöglich zu machen. Er betrachtet das 
als eine Methode der aktiven Immunisierung.- Zu gleichen Vor¬ 
schlägen gelangte auch Fichera, der die Autolysatbdhandlung 
von Tumoren, von anderen theoretischen Grundsätzen ausgehend, 
empfohlen hat. Ich habe dann in ausgedehnten Tierversuchen 
gefunden, dass diese Autolysatbehandlung die .besten Resultate 
zeitigt, wenn man dazu den eigenen Tumorstamm verwendet, 
d. h. bei Ratten, die mit einem bestimmten Tumor geimpft waren, 
erzielte ich die besten Heilresultate, wenn ich zur Behandlung 
diesen selben Tumor verwendete, nicht aber den Tumor eines 
andereh Stammes. Wir haben daher, F. Blumenthal und ich, 
empfohlen, auch beim Menschen den eigenen Tumor dort, wo es 
möglich ist, zur Behandlung zu verwenden, weil wir glauben, 
dass die Gesetze der Panimmunität, die Ehrlich zuerst im 
Tierversuch festgestellt batte, für die Verhältnisse beim Menschen 
nicht in gleichem Maasse zutreffen* Während sich im Tier¬ 
versuch durch vorherige erfolglose Impfung von Tumoren ver¬ 
schiedener Art und Herkunft Immunitätserscbeinungen hervor- 
rufen lassen, glauben wir, dass zu Heilversuchen am Menschen 
am besten der eigene Tumor verwendet werden soll, sei es zur 
Verhütung des Rezidivs, der vom Chirurgen exstirpierte und dann 
entsprechend verarbeitete primäre Tumor, sei es bei ausgebreiteter 
multipler Geschwulstentwicklung einer der operativ entfernten 
metastatiseben Tumorknoten, der in entsprechender Weise ver¬ 
arbeitet werden muss. Wenn die auf Grund unserer Tierversuche 
beim Menschen bereits mit ermutigenden Ergebnissen (von 
Lunckenbein, Keysser u. a. beschrieben) begonnene Auto¬ 
lysattherapie bzw. Autovakzinationstherapie der bös¬ 
artigen Geschwülste bisher, nicht zu den erhofften Erfolgen 


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29. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1235 


geführt hat, so glauben wir, dass daran die Nichtbeachtung der 
von uns bei Tiertumoren gefundenen Tatsachen in erster Linie 
die Schuld trägt. Auch Orth hat ja wiederholt „darauf hin¬ 
gewiesen, dass die verschiedenen Geschwülste biologisch nicht 
gleich zu werten sind. Es kann daher auch nicht überraschen, 
wenn die wahllose Verwendung von Autolysaten und Tumor- 
extrakten zu therapeutischen Injektionen bei allen möglichen 
anders gearteten Geschwülsten keine ausreichende Wirkung zeigt. 

In der karzinomatösen Aszites- oder Pleuritisflüssigkeit, die 
ich in meinen Fällen mit so gutem Erfolge verwendet habe, be¬ 
sitzen wir ein ausgezeichnetes Material für die Durchführung der 
Therapie mit den Immunstoffen bzw. Fermenten des eigenen 
Tumors. Es bleibt ja freilich hier immer das Bedenken, dass 
durch Injektion von intakten Tumorzellen in der injizierten 
Flüssigkeit an der Stelle der Einspritzung künstlich neue Tumoren 
geimpft werden können. Ich will diese Bedenken gern in Rechnung 
stellen, wenn ich auch glaube, dass ein lokal etwa neuentstehender 
Tumor durch geeignete Maassnahmen wieder zu beseitigen ist, 
falls wirklich ein Verschwinden aller anderen Geschwulstknoten 
durch die Therapie erreicht worden ist. Im anderen Falle wird 
dem Kranken schwerlich dadurch noch geschadet. Freilich habe 
ich bisher eine solche unerwünschte Nebenwirkung bei den zahl¬ 
reichen Injektionen, die ich vorgenommen habe, zum Glück nie¬ 
mals beobachtet. Ich habe daher mich auch bisher nicht ent¬ 
schlossen können, zellfrei gemachte Infiltrate der Punktions¬ 
flüssigkeit zu injizieren, weil ich glaube, dass gerade in den 
zerfallenden, im Körper autolysierten Zellen der wesentliche 
Heilfaktor dieser Therapie enthalten ist. Und ich schreibe gerade 
dieser wohlüberlegten Technik meines Vorgehens den ausgezeich¬ 
neten Erfolg in dem vorliegenden Falle zu, wobei ich gern an¬ 
erkenne, dass die lokale Röntgenbestrahlung dabei wesentlich, 
soweit das Verschwinden der Geschwulstknoten in Frage kommt, 
mitgewirkt hat. Dagegen ist das Verschwinden des Aszites nnd 
der bis zu faustgrossen abdominalen Tumoren ohne Zweifel aus 
schliesslich meiner Autoserotherapie (Autovakzination) zu¬ 
zuschreiben. Ich halte mich zu dieser Anschauung um so mehr 
für berechtigt, als ich in einem früheren Falle, wie schon oben 
erwähnt, ein ähnlich günstiges Ergebnis lediglich mit der Auto¬ 
serotherapie allein erzielen konnte und auch neuerdings in einem 
anderen Falle von karzinomatöser Pleuritis, nach Mammakarzinom 
entstanden, ermutigende Ergebnisse beobachtet habe, wenn sie 
auch an den Erfolg des hier vorgestellten Falles nicht heran¬ 
reichen. Jedenfalls veranlasst mich das in diesem Falle erzielte 
Ergebnis meines Heilverfahrens zur weiteren Fortführung dieser 
therapeutischen Versuche. Denn ich glaube nicht, dass jemals 
in einem Falle mit Krankheitserscheinungen von der Art und 
Ausbreitung des hier beschriebenen Zustandes ein auch nur an¬ 
nähernd gleicher Erfolg erzielt worden ist. Mit der weiteren 
Fortführung und Ausgestaltung des von mir geschilderten Heil¬ 
verfahrens sind wir dauernd beschäftigt. 


Ueber Diuresehemmung durch Digitalis. 

Von 

Dr. Adolf Jarisch, 

Assistent am Pharmakuiogisrhen Institut dor Universität Graz.. 

Es kommt vor, dass bei Anwendung der Digitalis die Diurese 
nicht recht zunimmt oder, einmal in Gang gebracht, wieder zu 
stocken beginnt, ohne dass Kreislaufschwäche dafür verantwortlich 
gemacht werden kann; es muss also die Ursache der Erschei¬ 
nung in der Niere liegen. Das Versagen der diuretischen Wir¬ 
kung der Digitalis wurde denn auch bei Herzkranken mit gleich¬ 
zeitigem Nierenleiden beobachtet. Pässler 1 ) sah es bei der 
Herzschwäche Schrumpfnierenkranker, Schrenk 2 ) bei Nephritis 
mit Arteriosklerose und A. W. Meyer 8 ) bei Arteriosklerose, was 
bei deren naher Beziehung zur Schrumpfniere nicht auffällig ist. 

Am eingehendsten bat sich A. W. Meyer mit der Erscheinung 
beschäftigt und zur Erklärung eine gesteigerte Erregbarkeit des 
gefässverengenden Apparates in der Niere angenommen, die be¬ 
wirke, dass sonst noch erweiternd wirkende Digitalisdosen zu 
Gefässverengerung führen — sich also verhielten wie sonst grosse 
Dosen. Auch Romberg 4 ) hält nach manchen Beobachtungen 

1) Pässler, Volkmann’s klin. Vortr., 1906, Nr. 408. 

2) Sohrenk, M.m.W., 1912, Nr. 53. 

3) A. W. Meyer, Die Digitalistherapie. Jena 1912. 

4) Romberg, M.m.W., 1913, Nr. 1. 


Gefässverengerung als Ursache der verminderten Harnabsonderung 
für möglich. 

Meyer stützt sich bei seiner Annahme einer Geberempfind¬ 
lichkeit der Nierengefässe auf den Nachweis von Hedinger 1 ), 
dass zu Beginn einer Chrom- oder Urannephritis solche Digitalis¬ 
dosen stark gefässerweiternd und diuretisch wirken, die viel 
niedriger als jene Dosen sind, die Jonescu und Loewi 2 ) be¬ 
nötigten, um bei gesunden Tieren den gleichen Erfolg zu erzielen. 
Auch Pässler ist der Meinung, dass die verengernde Wirkung 
der Digitalis Folge erhöhter Erregbarkeit der Gefässe und Ursache 
der Abnahme der Diurese sei. 

Die in der Literatur vorhandenen Berichte über solche Fälle 
sind nur allgemeiner Natur, nnd es fehlen, wie Edens 3 ) betont, 
genauere Angaben 4 ). Bei der Wichtigkeit besserer Kenntnisse der 
Bedingungen, unter denen Digitalis diuresehemmend wirkt, soll 
ein Fall mitgeteilt werden, den Verfasser während seiner mili¬ 
tärischen Dienstleistung auf der Herzstation des Grazer Garni&on- 
spitales zu behandeln Gelegenheit hatte. 

J. G., 45 Jahre alt, Sohuster, vor 24 Jahren harter Schanker, Raucher 
und Schnapstrinker. Sonst nie krank. Seit 3 Jahren Schmerzen in den 
Beinen, seit einem Jahre Atembeschwerden und seit zwei Monaten die 
Füsse geschwollen. In den letzten Tagen verstärkte Atemnot bringt 
ihn ins Krankenhaus. 

Bei der Aufnahme am 4. X. beständen Dyspnoe und starke Oedeme 
der Beine und des Genitales, geringeres Oedem am Stamm. Gesichts¬ 
farbe grau, Pupillen mittelweit, verzogen, starr. Lebhafte Pulsation an 
allen Arterien; die A. brachialis ist stark geschlängelt und weit, die 
Wand erscheint verdickt und die Füllung gering. Puls 105, celer; beim 
Husten Gruppen von Extrasystolen. 

Herzdämpfung: rechter Sternalrand — unterer Rand der 3. Rippe. 
Spitzenstoss verbreitert im 6. Interkostalraum ausserhalb der M.-Linie. 
Lautes systolisch diastolisches Sausen über dem ganzen Herzen. 

Röntgen: ML. = 9 cm, MR. = 7 cm, L. = 14 cm Der Herzschatten 
zeigt ausgesprochene Dreiecksform. Die Aorta ist bei dorsoventraler 
Durchleuchtung 6,5 cm breit und verdunkelt im ersten schrägen Durch¬ 
messer das Mittelfeld fast völlig. 

Mässige Bronchitis; geringer Aszites. Leber 2 Querfinger unter dem 
Rippenbogen, derb, nicht druckschraerzhaft. 

Harn: in 24 Stunden 300 ccm, dunkel, trüff, spez. Gew. 1024, Ei- 
weiss: 0; im Sediment vereinzelte Zylinder. 

W. R. positiv. Am Augenhintergrnnd lebhaftes Pulsieren der Ge¬ 
fässe, Papille blass. 

Diagnose: Syphilis der Aorta mit Insuffizienz der Semilunarklappen 
im Stadium der Dekompensation. 


Kurve 1. 



Gleich nach der Aufnahme erhielt der Kranke 1 ccm Digipurat intra¬ 
venös und salzarme Trockendiät. Ferner wurde von einem Digitalisinfus 
1 : 150 durch 7 Tage bis zu einem Verbrauch von 8,5 g gegeben. Das 

1) Hedinger, D. Arch. f. klin. M., 1910, Bd. 100. 

2) Jonescu und Loewi, Arch. f. exp. Pharm., 1908, Bd. 59. 

3) Edens, Die Digitalisbehandlung. Berlin 1916. 

4) Anmerkung bei der Korrektur: In einer jüngst erschienenen 
Arbeit bespricht Heinecke (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 130) aus¬ 
führlich die Frage toxischer Niereogefässverengerung bei therapeutischen 
Digitalisgaben; er glaubt im allgemeinen nicht an ihr Vorkommen und 
gelangt gleich Edens zu dem Schlüsse, dass Mangels genauer mitge¬ 
teilter Beobachtungen eine Entscheidung noch nicht getroffen werden 
könne. Hein ecke macht auf einige Bedingungen aufmerksam, die un¬ 
abhängig von einer Nierengefässverengerung ein Versagen der Diurese 
bewirken können; es ist hier vorauszuschicken, dass in unserem Falle 
keine dieser Bedingungen vorliegt, und dass die beobachtete Diurese¬ 
hemmung nur als Folge toxischer Gefässverengerung im Sinne von 
A. W. Meyer aufgefasst werden kann. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 62 


Befinden besserte sich rasoh: die Dyspnoe verschwand, der Pals wurde 
langsamer und regelmässig, Appetit and Sohlaf stellten sich ein. Da¬ 
gegen blieb die Diurese, wie die Kurve 1 zeigt, ungenügend, das Oedem 
der säulenförmig an geschwollenen Beine war unverändert und auch duroh 
Hochlagerung nicht zu beeinflussen. Eine intravenöse Injektion von j 
0,001 Strophantin besserte die Diurese vorübergehend. 

Nachdem sich dieser Zustand bis zum 21. X. nioht wesentlich ge¬ 
ändert hatte, wurde eine stärkere Dosis von Digitalis, 0,75 g pro die, 
als Infus Versucht. Es trat keine Spur von Verlangsamung des Pulses 
und keine Aenderung des Blutdruckes 1 ) ein. Trotzdem sank die Diurese 
sofort von 1500 auf 500, unter gleichzeitigem Anstieg des Körpergewichtes. 
Wegen dieser Diuresehemmung wurde die Digitalis nach 4 Tagen aus¬ 
gesetzt, also nach Gebrauch von 3 g» und weiterhin täglich 2 mal 0,05 
Pulv. fol. digit. gegeben. Nun setzte, wiederum ohne Aenderung von 
Blutdruck und Pulsfrequenz, eine ausgiebige Diurese ein und die seit 
Monaten bestehenden Oedeme schwanden in kurzer Zeit. Während der 
Entwässerung trat Inkontinenz der Blase ein und nach Ablauf der Oedeme 
wurde Hypotonie der Muskulatur und Fehlen des Kniesehnenreflezes 
nachweisbar; es lag also auch Tabes vor. 

Die Pulsfrequenz hielt sich während der Beobachtung zwischen 70 
und 90; der Blutdruck schwankte zwischen 105 und I30mm Hg., 

Im Harn war nie Eiweiss aufgetreten, und das Sediment hatte nichts 
besonderes geboten. Dagegen war das spezifische Gewicht relativ niedrig, 
es betrug z. B. am 23. IX. bei einer Tagesmenge von 600 com nur 1016. 

Am Morgen des 12. XI. wurde der Mann tot im Bette gefunden. 
Andere Kranken berichteten, dass er sioh in den letzten Tagen hinter 
dem Rücken der Schwestern Weih zu verschaffen gewusst hatte. Da¬ 
durch wurde der letzte Teil der Kurve verständlich. Am 7. und 8 . XI. 
steigt die Diurese, ohne dass das Körpergewicht abnimmt, nach dem 
8 . XI sinkt die Diurese, und da 9 Gewicht steigt um 4 kg. Das Herz 
hatte offenbar anfangs die vermehrte Flüssigkeitszufuhr bewältigt und 
war erst später schwach geworden.. 

Bei der Autopsie wurden folgende Befunde erhoben: 

Die weichen Hirnhäute sind über der Konvexität getrübt und ver¬ 
dickt. Die Gefässe der Basis sind durchwegs zart und nur die A. basi- 
laris zeigt einen kleinen gelblichen Fleok. Massiger Aszites und geringer 
Hydrothorax. 

Das Herz wiegt 660 g und ist in allen Abschnitten, besonders aber 
links hypertrophisch und erweitert. Die Muskulatur ist fest, rotbraun, 
links 18, rechts 7 mm breit. Die Klappen des rechten Herzens sind 
intakt, die Pulmonalis misst am Klappenring 7,5 cm. Die Mitralklappe 
ist am freien Rande enras verdickt; die Semilunarklappen sind verkürzt 
und haben wulstige Ränder. Die Aorta ist stark erweitert und misst 
an der Basis 8,5 cm, 2 cm höher oben II cm. Ihre Innenfläche zeigt 
zahlreiche Buckeln und Wülste mit atheromatösen Geschwüren und 
soharfrandigen Kalkplatten. Die Veränderung beginnt an der Brustaorta 
mit scharfem Rande, ist im aufsteigenden Teil am stärksten und betrifft 
auch die Spatia intervalvularia. Die Mündung der Koronarien ist von 
innen gar nicht zu finden, sondern erst durch Präparation von aussen 
darzustellen; sie ist stark verengt und durchsetzt, in schräger Riohtung 
die hier verkalkte .Aorta. Im weiteren Verlaufe zeigen die Koronar- 
gefässe, selbst bis in die feinen Verzweigungen, eine glatte Intima. 

Die Veränderungen der Aortenintima sind gegen die übrigen Ge¬ 
fässe soharf abgegrenzt. A. anonyma, Karotis, Subklavia und auch die 
A. braobialis, die doch im Leben so stark geschlängelt war, hatten eine 
unveränderte Intima. 

Die Lungen waren überall lufthaltig und zeigten keine Hypostase. 
Die Bronchien waren leer und ihre Schleimhaut blass. Im linken Ober¬ 
und rechten Unterlappen fand sich ein haselnussgrosser verkalkter Herd. 

Milz: 11 : 8 : 3 om, o. B. 

Die linke Niere misst 10V 2 : 6 : 3 cm, die rechte 10 : 6 : 8 V 2 om; sie 
sind blaurot und etwas derb. Ihre Zeichnung ist erhalten, die Pyramiden 
scharf abgegrenzt und geflammt. Kapsel leicht abziehbar. Die A. renaÜB 
bildet ein klaffendes, starrwandiges Rohr von 6 mm Dicke. 

Die Leber misst 26 : 13:9 cm, hat eine leicht höckerige Oberfläche 
und knirscht etwas beim Schneiden. Keine Stauung. Magen und 
Darm 0 . B. 

Pathol. anatomische Diagnose: Aortitis syphilitica mit Insuffizienz 
der Aortenklappen und hochgradiger Mundungsstenose der Kranzarterien, 
Hypertrophie und Dilatation des Herzens, chronische Leptomeningitis. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab in der Aorta das Bild 
der Mesaortitis productiva; in den Koronargefässen fanden sich dagegen 
nur geringfügige Veränderungen. In derem Anfangsteile ist die Intima 
massig verdickt und die Elastika stellenweise in 2—3 Lamellen gespalten. 
Die Media ist 0,12—0,15 mm breit. In der linken A. cor. überwiegt die 
Verdickung der Intima (bis 0,12 mm), in der rechten die elastische 
Hyperplasie. Ia den absteigenden Aesten findet man nur stellenweise 
Degeneration der Elastika mit geringer Bindegewebsbildung in der Intima. 

Sehr geringfügig sind ferner die Veränderungen des Herzmuskels. 
In den Papillarmuskeln und dem trabekulären Abschnitt ist stellen¬ 
weise das Bindegewebe vermehrt, jedoch ohne nennenswerte Schwielen 
zu bilden. Die Muskelfasern enthalten Pigment und sind hypertrophisch; 
desgleichen die Kerne, deren Leistenbildung so stark ist, dass am Quer¬ 
schnitt geweihartige Figuren entstehen. In den Papillarmuskeln und 

1 ) Die Messung erfolgte mit Manschette nach v. Recklinghausen 
und Hg-Manometer; der Apparat gestattete nur die systolischen Werte 
zu bestimmen. 


im Septum finden sich zahlreiche Kontraktionslinien sowie Fragmentation. 
Perivaskuläre Zellansammlung und Verfettung fehlt dagegen fast völlig. 
Der Sinusknoten und das Reizleitungssystem sind unverändert. Die 
Sinusknotenarterie hat eine einfache Elastica interna. 

Von den peripheren Gefässen bietet die Karotis nichts Auffälliges. 
An der Aorta abdominalis finden sich dichte Infiltrate um die Vasa 
v'asorum der Adventitia. Die Intima misst 0,25, die Media 0,54 mm; 
eine Neubildung von Bindegewebe oder von elastischen Fasern hat nicht 
stattgefunden. Die Arteria mesent. sup. bat eine einfaobe, gleiohmässig 
geschlängelte Elastika und eine kräftige Muskularis. Die Gefässe der 
Milz zeigen nur an den Teilungsstellen der kleinsten Arterien geringe 
elastisch-muskuläre Hyperplasie. Die kleinen Arterien der Nebennieren¬ 
kapsel sowie der quergestreiften Muskulatur des Pharynx sind un¬ 
verändert. 

Dagegen zeigt die Arteria renalis bedeutende Abweichungen: sie 
bat kurz vor ihrer Teilung einen Umfang von 15 mm, und der Durch¬ 
messer ihrer Schichten beträgt: Intima 0,015, Media 0,5, Adventitia 
0.38 mm. Der Vergleich mit den von Schiele- Wiegandt 1 ) für Männer 
von 45—50 Jahren berechneten Durchschnittszahlen (Umfang 11 , 1 , In¬ 
tima 0,02, Media 0,38, Adventitia 0,35) ergibt eine Zunahme des Um¬ 
fanges um fast die Hälfte und zeigt, dass die schon makroskopisch deut¬ 
liche Verdickung der Wand duroh Hypertrophie der Media bedingt sei. 
Die Elastika ist einfach, zeigt aber Zeichen von Degeneration in Form 
von Körnung ihrer inneren Fläche; stellenweise ist sie mit aufgefaserten, 
schlecht färbbaren Enden abgerissen. Mit Sudan färbt sie sioh auf 
Strecken rot. Die Media enthält viel zartes Bindegewebe zwischen den 
Muskelfasern. 

Die Arteriae interlobulares der Nieren sind ähnlich beschaffen; an 
den Teilungsstellen ist jedoch ihre Elastica interna vielfach gespalten. 
Das adventitielle Bindegewebe ist breiter wie gewöhnlich. 

Während die Veränderungen der grösseren Nierengefässe im all¬ 
gemeinen leichterer Natur sind, sind die kleinen und kleinsten Gefässe 
vielfach schwerer erkrankt. Ihre Intima ist duroh Einlagerung hyaliner 
Schollen und Bänder verdickt. Die Elastica interna ist gespalten und 
zeigt bis zu 8 Lamellen, zwisohen denen stellenweise Fasern kernarmen 
Bindegewebes zu finden sind. Es sind aber durchaus nioht alle Gefässe 
in gleichem Grade betroffen, sondern es finden sioh höhere Grade nur 
vereinzelt vor. Die Vasa afferentia sind vielfach unverändert, vielfach 
ist ihr Lumen erweitert und ihre Wand eigentümlich starr. Einzelne 
zeigen im Sudanpräparat rötliche Streifen, ohne dass aber die typischen 
roten Ringe aufgetreten wären. 

Im Parenchym der Niere finden sich in verschiedenen Stücken in 
wechselnder Zahl verödete Nierenkörner in Form kleiner, hyaliner 
Kugeln, die deutlioh einen inneren, dem geschrumpften Glomerulus ent¬ 
sprechenden Teil und eine äussere, kernarme, aus der kollabierten 
Kapsel hervorgegangene Hülle erkennen lassen. Ausserdem finden sioh 
ganz vereinzelte Glomeruli mit erhaltenen, aber völlig blutleeren 
Sohlingen. Die erhaltenen Nierenkörner haben blutgefüllte Söhlingen 
und ein geronnenes Kapselexsudat von wechselnder Grosse, das auf 
Stauung hinweist. 

Die zu den verödeten Nierenkörnern gehörigen Harnkanälchen sind 
atrophisch; sie haben ein niedriges Epithel mit stark färbbaren Kernen 
und enthalten einen glasigen, stark lichtbreobenden Zylinder. Die 
übrigen Harnkanälchen sind völlig unverändert. 

Um die atrophischen Kanälchen herum ist das Bindegewebe ver¬ 
mehrt, und es finden sich die bekannten keilförmigen Bindegewebsherde, 
wo Gruppen von Nierenkörnern zugrunde gegangen sind. Sonst ist das 
Interstitium in Rinde und Mark bis auf kleinste Rundzellansammlungen 
in den äusseren Schichten unverändert. 

In der Leber fanden sioh weder Stauung nooh Verfettung, dagegen 
Anhäufungen von Rundzellen mit Langhans’schen Riesenzellen, die als 
miliare Gummen aufzufassen sind. 

Die wichtigsten Ergebnisse der histologisohen Untersuchung sind 
kurz folgende: 

Die makroskopisch als normal oder höchstens leicht ge¬ 
staut erscheinende Niere ist eine beginnende Sohrumpfniere. 
Rote Granularniere (Jorps), Nephrosolerosis arteriolosclerotioa(Asohoff), 
Nepbrooirrhosis arteriolosclerotica incipiens (Löh lein), gutartige Nieren- 
Sklerose (Volhard). 

Der Herzmuskel ist nur wenig verändert, und in den peripheren 
Gefässen ist so gut wie keine Arteriosklerose nacbzuweisen. 

Es fehlen die Zeichen syphilitischer Endarteriitis. 

Es ist nnn zn untersuchen, ob sich ans den mitgeteilten 
Beobachtungen erklären lässt, warum in unserem Falle die Digi¬ 
talis bei Anwendung einer gebräuchlichen Dose (0,5 pro die) 
erst eine ungenügende und später sogar eine hemmende Wirkung 
auf die Diurese entfalten konnte, und warum erst bei Anwendung 
kleinster Dosen (2 X 0,05 pro die) bzw. während des Abklingens 
der grossen Dose die Entwässerung zustande kam. Wir haben 
dabei festzustellen, ob die Ursache des abnormen pharmakö 
logischen Verhaltens in Besonderheiten des Kreislaufs oder etwa 
in örtlichen Zuständen in der Niere zu suchen sei und wenden 
uns zunächst der Besprechung des Kreislaufs zu. 


1 ) Schiele-Wiegandt, Vjrch. Aroh., 1880, B<L 82. 


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1287 


29. Deiember 19^9. 


Das Herz zeigte vor dem Röntgenschirm aasgesprochene 
Dreiecksform, die anf einer schwere Erkrankung des Herzmuskels 
hinzuweisen schien. Demgegenüber musste der negative anatomische 
Befund überraschen; die wenigen und geringfügigen Veränderungen 
reichen nach den von Aschoff und Tawara 1 ) für die Beurteilung 
des anatomischen Bildes der Herzmuskelscbwäche aufgestellten 
Grundsätzen bei weitem nicht aus, die Herzschwäche zu erklären, 
und wir müssen deshalb annehmen, dass das Herz aus funktio¬ 
nellen Gründen insuffizient geworden war. Möglicherweise hat 
die hochgradige Mündungsstenose der Kranzarterien durch Be¬ 
einträchtigung der Blutversorgung schädigend auf die Punktion 
des Herzmuskels eingewirkt; wahrscheinlicher ist aber, dass das 
Herz infolge des schweren Ventilfeblers — der arterielle Klappen¬ 
ring war 8,5 cm breit! — aus mechanischen Gründen den An¬ 
forderungen nicht mehr nachkommen konnte (essentielle In¬ 
suffizienz nach Sahli). 

Was nun den Blutdruck anbetrifft, so ist dessen relativ .ge 
ringe Höhe auffallend. Systolische Werte von 105—180 mm Hg 
sind für eine syphilitische Aorteninsuffienz an und für sich 
niedrig, erscheinen aber in Anbetracht der Nierensklerose erst 
recht niedrig. Jores 2 3 ) hat den Nachweis erbracht^ dass bei 
Arteriosklerose der kleinsten Nierengefässe das Herz stets hyper¬ 
trophisch gefunden wird, und * jüngst hat Harpuder 8 9 ) gezeigt, 
dass Arteriosklerose der Nieren fast ausnahmslos mit hohem Blut¬ 
druck einhergeht. Es kann deshalb nicht zweifelhaft sein, dass 
in unserem Palle die niedrigen Werte unter dem Einfluss der 
Herzschwäche aus sinkendem hohen Blutdrucke hervorgegangen 
wareo, 

Es stimmt mit dem Wesen der Aorteninsuffizienz überein, das 
dass die Zeichen höhergradiger Stauung fehlten. Im Leben fehlte 
eine stärkere Dyspnoe, Appetit wie Schlaf waren gut; an der 
Leiche fehlten StauuDg in Bronchien, Trachea, Oesophagus und 
Leber, ja sogar Hypostase der Lungen. Es geht daraus hervor, 
dass eine wesentliche Störung des Blutumlaufes mit Ueberfüllung 
der venösen Kreislanfhälfte bei unserem Kranken nicht vor¬ 
handen war. 

Wenn wir nun bei diesem Kreisläufe beobachten, dass nach 
Verabreichung von Digitalis die Diurese sinkt oder steigt, ohne 
dass sich an Puls und Blutdruck etwas ändert, so kann es sich 
dabei nur um die Polge einer örtlichen Wirkung der Digitalis 
auf die Niere handeln. In Besonderheiten der Niere müssen wir 
deshalb: in diesem Falle die Ursache für die Besonderheit der 
Digitaliswirknng suchen. In der Tat wurde bei der anatomischen 
Untersuchung der Niere eine Erkrankung aufgedeckt, die aller¬ 
dings klinisch keine Erscheinungen gemacht hatte. 

Die Eigentümlichkeit der Diurese in unserem Palle, bei 
grösseren Digitalisgaben abzunehmen, bei kleinen aber anzmteigen, 
stimmt grundsätzlich mit den' Erfahrungen der experimentellen 
Pharmakologie über die Wirkung der Digitalis auf die Niere 
überein. Lauder Brunton und Power 4 ), Pfaff 5 ), Mar¬ 
shall 6 ) sahen bei gesunden Tieren nach Verabreichung grosser 
Gaben von Digitalissubstanzen die Diurese sinken; Phillips und 
Bradford 7 ), Magnus und Gottlieb 8 ), Kasztan 6 ), Fahre-n- 
kamp 10 ), Joseph 11 ) haben in zahlreichen Versuchen als Ursache 
dieser Erscheinung festgestellt, dass Digitaliskörper in hoher Kon¬ 
zentration die Nierengefässe verengen. Ebenso sicher wie die 
gefässverengernde Wirkung grösser wurde die gefässerweiterndfi 
und damit diuretische Wirkung kleiner Digitalisdosen von Jonescu 
und Loewi, Kasztan, Joseph beobachtet. Das in unserer 
Beobachtung von den Ergebnissen der experimentellen Forschung 
Abweichende liegt nun darin, dass die Diuresehemmung bzw. die 
ihr zugrunde liegende Gefässverengerung schon bei einer mittel¬ 
grossen Dosis auftrat, also eine therapeutische Gabe sich wie 
eine toxische verhielt. 

Da es sich bei dieser antagonistischen Wirkung grosser und 
kleiner Digitalisgaben offenbar um eine jeweilige Erregung des 


1) Asohoff und Tawara, Die heutige Lehre von den pathologisch- 
anatomisohen Grundlagen der Herzschwäche. Jena 1906. 

2) Jores, D. Arch. f. klin. M. 1908, Bd. 94. 

3) Harpuder, D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 129. 

4) Lauder Brunton and Power, Zbl. f. med. Wiss., 1874, Bd. 12. 

5) Pfaff, Arch. f. exp. Pharm., 1893, Bd. 32. 

6) Marshall, Journ. of. physiol., 1897/98, Bd. 22. 

7) Phillips and Bradford, Journ. of physiol., 1887, Bd. 8.’ 

8) Gottlieb und Magnus, Arch. f. exp. Pharm., 1902, Bd. 47. 

9) Kasztan, Arch. f. exp. Pharm., 1910, Bd. 63. 

10) Fahrenkamp, Arch. f. exp. Pharm., 1911, Bd. 65. 

11) Joseph, Aroh< f. exp. Pharm., 1913, Bd. 73. 


verengernden oder erweiternden Apparates in der Gefässwand 
handelt, kann nur eine Steigerung der Erregbarkeit dieser 
Apparate vorliegen, wenn, wie in unserem Falle, kleinere Dosen 
wirksam sind. Hedinger hat in der Tat eine stärker erweiternde 
Wirkung kleiner Dosen im Anfangsstadium der Chrom- und Uran : 
nephritis nachgewiesen, und es ist kaum zweifelhaft, dass unter 
diesen Bedingungen schon Verengerung bei sonst noch nicht ver¬ 
engernden Dosen der Digitalis eintritt. Für die gefässverengernde 
Wirkung des Adrenalins und sensibler Reize wurde bei den ge¬ 
nannten Vergiftungen der Nachweis stärkerer Wirksamkeit bereits 
erbracht. [Schlayer und Hedinger] 1 ). 

Es liegt auf der Hand, wie wichtig es für die Therapie wäre 
zu wissen, bei welchen Zuständen die Erregbarkeitssteigerang, 
die bewirkt, dass gebräuchliche, nicht toxische Digitalisgaben die 
Nierengefässe schon verengern, vorkommt, weil dann eine auf 
individuelle Unterschiede Rücksicht nehmende Dosierung möglich 
wäre. Loewi 2 ) hat von derartigen Ueberlegungen ausgehend 
empfohlen, bei Misserfolgen mit Digitalis mit der Dosis herab- 
zugeben, statt, wie üblich, zu steigen. 

In unserem Fundbericbt findet sieb nun ein in dieser Hin¬ 
sicht wertvoller Hinweis, nämlich die Prä- und Arteriosklerose 
der kleinsten Nierengefässe, d. i. eine beginnende Schrumpfniere. 

Ed i$t eine Tatsache, dass arteriosklerotische Gelasse unter anderen 
die Neigung haben sich zusammenzuzieben. Wagenmann*) konnte mit 
dem Augenspiegel Krämpfe sklerotischer Retinal gef ässe unmittelbar beob¬ 
achten, und Erb sab beim intermittierenden Hinken nach Beginn des 
Gehens Spasmen der kranken Beinarterien ein9etzen und erblickt darin 
die Ursache des Symptomenkomplexes. Auch die bei Arteriosklerose 
der Darmarterien von Hasenfeld 4 ), Schnitzler 5 ) und Ortner 8 ) beob¬ 
achteten Koliken, die regelmässig nach dem Essen aufträten, sind nur 
durch Krämpfe der arteriosklerotischen Mesenterialarterien zu erklären. 
Das Gemeinsame der letztgenannten Zustände ist. dass die Anfälle nur 
dann eintreten, wenn die Anforderung an das von der betreffenden 
Arterie versorgte Organ steigt (Muskelarbeit, Verdauungsbyperämie), 
wobei in der Norm die Arterien sich erweitern. Die paradoxe Reaktion 
arteriosklerotischer Arterien dürfte nicht anders zu erklären sein als 
durch eine Erregbarkeitssteigerang des verengernden Apparates. 

Demnach würde sich die paradoxe Wirkung der Digitalis auf 
sklerotische Nieren durch da9 eigentümliche funktionelle Ver¬ 
halten sklerotischer Arterien erklären. 

Welcher Zusammenhang bösteht nun zwischen der Prä- bzw. Arterio¬ 
sklerose und der Erregbarkeitssteigerung? 

Drei Möglichkeiten sind von vornherein denkbar: 1. die Erregbarkeits- 
ateigeruDg ist Folge der anatomischen Gefässerkranknng, 2. die ana¬ 
tomische Erkrankung ist Folge der Erregbarkeitsstörnng, 3. beide Er¬ 
scheinungen sind voneinander unabhängig. 

Die erstgenannte Möglichkeit wurde vielfach zur Erklärung der 
Krampfneiguüg arteriosklerotischer Gefässe herangezogen. Io unserem 
Falle ergeben sich für diese Annahme Schwierigkeiten dadurch, das9 die 
WandveränderuDgen der Arterien nur geringfügig waren; der Prozess 
war eben erst im Beginne. Manche Gefässe waren überhaupt unverändert, 
die meisten befanden sich im Zustande der Präsklerose und nur wenige 
zeigten arteriosklerotische Degeneration. Es ist schwer, sich vorzustellen, 
wenn auch nicht völlig auszusohliessen, dass diese auf die Iotima be¬ 
schränkten hyperplastisch-degenerativen Veränderungen auf die in den 
äusseren Wandschichten gelegenen Nerven eine Reizwirkuog hätten ent¬ 
falten können etwa wie chronische Entzündung, und dass diese dann 
auf reflektorischem Wege eine Kontraktion der übrigen und zwar auch 
der gesunden Gefässe veranlasst hätten. 

Dagegen entspricht die zweite mögliche Annahme, die Arterioskle¬ 
rose sei Folge der Erregbarkeitssteigerung, weit mehr unseren An¬ 
schauungen von ihrem Wesen und ihrer Entwickelung. Seit Jores 7 ) 
betrachtet man die Präsklerose als eine funktionelle Anpassung der Ge- 
fasswand an vermehrte Inanspruchnahme, aus der sich durch Hinzutreten 
von Degeneration die Arteriosklerose entwickelt Da die gesteigerte Er¬ 
regbarkeit der Muskularis zn häufigem Weobsel im Spannungszustand 
der Gefässwand und damit zu vermehrter Inanspruchnahme ihrer elasti¬ 
schen Bestandteile führen muss, könnte demnach die Gefässerkranknng 
als Folge der gesteigerten Erregbarkeit betrachtet werden. 

Beweisend für ein solches Vorkommnis scheint das Auftreten von 
Arteriosklerose bei der Migräne und der Trigeminusneuralgie in den 
Gefässen der befallenen Kopfseite [Giovanni 8 ;, Thoma®) mehrere 


1 ) Schlayer und Hedinger, D. Arch. f, klin. M., 1907, Bd. 90. 

2) Lewi, W.kl.W., 1910, Nr. 10. 

3) Wagenmann, Arch. f. Ophthalm., 1897, Bt). 44. 

4) Hasenfeld, D. Arch. f. klin. M., 1897, Bd. 59. 

5) Schnitzler, W.kl.W., 1901, Nr. 11 u. 12. 

6 ) Ortner, Volkmann’s klin. Vortrag, 1903, Nr. 347. 

7) Jores, Wesen und Entwicklung der Arteriosklerose. Wies¬ 
baden 1903. 

8 ) Giovanni, zit. nach Thoma. 

9) Thoma, D. Arch. f. klin. M., 1898, Bd. 43. 


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U IVERSITY OF IOWA 






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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 62. 


amerikanische Autoren nach Bernhardt 1 )] zu sein, da die genannten 
Zustande stets von heftigen vasomotorischen Erscheinungen begleitet 
sind; dass sie nioht Folgen der anatomischen Gefässerkrankung sein 
können, geht daraus hervor, dass sie am häufigsten im jugendlichen 
Alter Vorkommen und ganz anderer Art als die Kopfschmerzen der 
Arteriosklerotischen sind. 

Aber noch ein anderes Moment scheint für die ursächliche Bedeu¬ 
tung der ErregbarkeitssteigeruDg bei der Entstehung der Arteriosklerose 
zu sprechen: wir sahen, dass die Erregbarkeitssteigtrung für Digitalis 
besteht. Die Digitalis aber bat ihren Angriffspunkt direkt in der glatten 
Muskulatur, also in einem Bestandteile der Gefässwand, der bei der 
Arteriosklerose, wenn überhaupt, dann erst spät in Mitleidenschaft ge¬ 
zogen wird. Eine beginnende Arteriosklerose, wie in unserem Fall, 
kann aus diesem Grunde nioht Ursache einer Erregbarkeitasteigerung 
sein. Durcji diese Ueberlegung scheint uns eine eindeutige Entscheidung 
zu gunsten unserer bisher nur mittelbar gestützten Annahme, die Arterio¬ 
sklerose der Nierengefässe sei Folge eines funktionellen Zustandes, ge¬ 
geben zu sein. 

Bei dem offenbaren Zusammenhänge von funktionellem Verhalten 
(Erregbarkeitssteigerung) und Arteriosklerose entfällt die dritte von vorne- 
herein denkbare Möglichkeit, dass beide Erscheinungen überhaupt nichts 
miteinander zu tun haben. 

Unter Zugrundelegung der Untersuchungen von Jores kommen 
wir nach dem Mitgeteilten dazu, in der Prä- bzw. Arteriosklerose 
der Nierengefässe unseres Falles ein histologisches Sympton ge¬ 
steigerter Inanspruchnahme zu sehen und finden, da wir diese 
gesteigerte Inanspruchnahme und die paradoxe Digitalisreaktion 
als Folge einer erhöhten Erregbarkeit der Nierengefässe ansehen 
müssen, eine befriedigende Uebereinstimmung von anatomischem 
Befunde und abnormem pharmakologischen Verhalten 2 ). 

Zusammenfassung. 

Es wurde beobachtet, dass in einem besonderen Falle die 
Diurese durch therapeutische Digitalisgaben gehemmt, durch 
kleinste aber gefördert wurde. In Bestätigung der von A.W. Meyer 
ausgesprochenen Ansicht sehen wir die Ursache hierfür darin, 
dass infolge gesteigerter Erregbarkeit der Gefässe der 
Niere der Sch wellenwert sowohl für die verengernde als 
auch für die erweiternde Gefässwirkung der Digitalis 
herabgesetzt gewesen sei. Da die Erregbarkeitssteigerung die 
Gefässe einer beginnenden Schrnmpfniere betraf, so ergibt sich 
aus der Beobachtung der Nachweis einer gesteigerten Er¬ 
regbarkeit der Nierengefässe im Anfangsstadium der 
Schrumpfniere. 

Für die Anwendung der Digitalis am Krankenbette ergibt 
sich daraus die Forderung, bei Schrumpfnieren mit der 
Dosierung vorsichtig zu sein und, wie dies Romberg 
schon immer verlangt hatte, kleinen Dosen den Vorzug 
zu geben. Bei Herzkranken wird man in gleicher Weise ver 
fahren, wenn niedriges spezifisches Gewicht des Harnes auf eine 
Nierensklerose hinweist. 

Nachtrag. 

Nach Abschluss der vorhergehenden Mitteilung wurde es mir 
durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. H. Ninaus*, Chefarztes 
der internen Abteilung des Grazer Garnisonspitales möglich, eine 
zweite einschlägige Beobachtung zu machen. 

Bei einem 50jährigen Herz- und Schrumpfnierenkranken mit Oedemen» 
grossen Harnmengen und gespanntem Puls, der sich schon längere Zeit 
in Behandlung befunden hatte, wurde, nachdem mehrere Tage mit jeder 
Medikation ausgesetzt worden war, 3stündlich 1 Esslöffel Inf. fol. digit. 
1 : 150, d. i. 0,1 pro dosi gegeben. Die Wirkung auf die Diurese .zeigt 
die Kurve 2. 

Es trat in augenfälliger Weise nach Verabreichung von Digitalis in 
der wohl am häufigsten verschriebenen Form und Menge eine Diurese- 
versohlechterung ein, derart, dass es zu einer Ueberlastung des Herzens 
kam, von der es sich nicht mehr erholen konnte. 

Anatomisch fand sich: Syphilis der Aorta mit Insuffizienz der Semi¬ 
lunarklappen, starke Hypertrophie und Erweiterung des ganzen Herzens. 


1) Bernhardt, Die Erkrankungen der peripherischen Nerven. Noth- 
nagel’s Handb., 1897, Bd. 11, H. 2. 

2) Die Hypertrophie und Erweiterung der Aiteria renalis und ihrer 
grösseren Aeste, die bei der anatomischen Untersuchung zunächst so 
sehr auffielen, darf weder zur Digitaliswirkung, noch im Sinne von Ewald 
(Virch. Arch , 1877, Bd. 71), Friedemann (Virch. Arch , 1900, Bd. 159, 
u. 1905, Bd. 180) u. a. zur Schrumpfniere in unmittelbare Beziehung ge¬ 
bracht werden, da eine Aorteninsuffizienz Vorgelegen hatte. Bei der 
Aorteninsuffizienz haben v. Leube (M.m.W., 1903, Nr. 30), Marchand 
(Verhandl. d. XXI. Kongr. f. inn. M , 1904), Jores (Virch. Arch., 1905, 
Bd. 178), Fahr (Frankf. Zschr. f. Patb., 1912, Bd. 9), v. Schrötter 
(Erkrankungen der Gefässe, Nothnagel’s Handb., 1901, Bd. 15, H. 2) Er¬ 
weiterung des Lumens und Verdickung der Muskularis beobachtet und 
als funktionelle Anpassung an die vergrösserte Pulsamplitude erklärt. 


Kurve 2. 



Entartung des Herzmuskels. Hochgradige Stauung in Leber, Lunge, 
Trachea und Darmtrakt. 

Die Nieren waren nicht verkleinert, von graubrauner Farbe, die 
Grenzen von Rinde und Mark verwaschen. Mikroskopisch fand sich 
ziemlich weit vorgeschrittene Arteriosklerose, kompliziert durch entzünd¬ 
liche Veränderungen an den Glomerulis, ferner gleichmässige, aber nicht 
sehr hochgradige Verschmälerung des Epithels der Hauptstücke und 
Verbreiterung des Interstitiums in Rinde und Mark. 

Dieser Fall bietet weitgehende Aehnlichkeiten mit dem im 
Vorhergehenden ausführlich geschilderten, unterscheidet sich aber 
von ihm im klinischen Bilde durch das Hervortreten der Nieren* 
Symptome, im anatomischen Bilde durch die komplizierte und 
vorgeschrittenere Erkrankung der Niere, sowie das Hervortreten 
der Stauungserscheinungen und der myomalazischen Veränderungen 
des Herzens. 


BQcherbesprechungen. 

Klinische Beiträge znr Ohrenheilkunde. Festschrift für Hofrat Prof. 
Dr. Viktor* Urbantschitsch von seinen Kollegen, Schülern und 
Freunden. Mit 11 Doppeltafeln und 86 teils farbigen Figuren. Berlin 
und Wien 1919. Verlag von Urban & Schwarzenberg. 760 S. Preis 
M. 40 u. 20 pCt. 

Der stattliche Band enthält 85 zum Teil recht wertvolle Arbeiten, 
deren mannigfaltige Themata einen vortrefflichen Ueberbliok über den 
derzeitigen Stand der Otologie liefern. Die normale Anatomie wird ver¬ 
treten durch eine Studie überden Ductus reuniens Hensenii von Sieben- 
mann und Ono-Basel und vergleichend-anatomische Untersuchungen 
der unteren Olive bei den Säugetieren von Hans Brunner. Physio¬ 
logische Arbeiten liegen vor von Barany über die Funktion der Bogen¬ 
gänge und speziell des Flokkulus, von Gatsoher und von Leidler 
über die Beziehungen des Kleinhirns zum Nystagmus, von E. Urb an - 
tsohitsoh über die Lokalisation von Geräuschen im Wasser. Patho¬ 
logisch-histologische Befunde gibtBrühl von Stapesankylose, Alexander 
von indirekter LabyrinthverletzuDg durch Schädelschuss, derselbe sowie 
Habermann und 0. Mayer von kretinischen Felsenbeinen, M. Rauch 
von Labyrinthatrophie. Besonders wertvoll sind die originellen experi¬ 
mentellen Studien von Wittmaack über die Beziehungen der Liquor¬ 
sekretion und der Liquorzusammensetzung zu einigen Erkrankungen des 
inneren Ohres. Klinische Beiträge liefern neben den Wienern Alt, 
Bing, Bondy undNeumann, Rauch, Stein und Cemach Gerber- 
Königsberg, Ho 1 mgren-StookhoIm,Kretschmann Magdeburg,Mygind- 
Kopenhagen u. a. Von den Themen erwähnen wir Sinusphlebitis, Hirn¬ 
abszess, Meningitis, Syndroma Barany, KopfknoohenleituDg bei Lues, 
Mittelohreiterung und Gravidität, Milchinjektionen bei akuter Mittelohr¬ 
eiterung. Ueber Kriegsverletzungen berichten Fremel, Hofer und 
Lawner. Frey behandelt die Frage der Pyramidenresektion, Ruttin 
schildert sein Verfahren zur Beseitigung der Gehörgangsatresie. Mit 
Sprachstörungen beschäftigen sich die Aufsätze von Fröschels und 
seinen Mitarbeitern Rothe und Stöhr, ferner von Mauthner und 
L. Stein. Diese kurze Inhaltsangabe dürfte einen Begriff von der Fülle 
der Arbeit geben, die trotz aller Kriegsbedrängnis geleistet wurde. Das 
Werk stellt eine würdige Ehrung des verdienten Altmeisters der Oto¬ 
logie dar. _ Sturmann. 


Ergebnisse der Hygiene, Bakteriologie, Immnnitätsforschniig and ex¬ 
perimentellen Therapie. Unter Mitwirkung hervorragender Fachleute 
herausgegeben von Prof. Dr. Wolfg. Weichardt. 3. Bd. Berlin 1919. 
Verlag von Jul. Springer. 418 S. Preis 42 M. 

Wir können, was die allgemeinen Gesichtspunkte betrifft, auf die 
ausführliche empfehlende Besprechung des 2. Bandes dieser Ergebnisse 
verweisen (diese Wochenschrift, 1917, Nr. 42, S. 1016). Es ist keine 
leichte Aufgabe für den Herausgeber gewesen, unter den besonders 
schwierigen Verhältnissen des letzten Kriegsjahres einen neuen Band 
der Ergebnisse abzuschliessen, der berechtigten Anforderungen entspricht 
und eino weitere günstige Entwicklung des wertvollen Werkes erwarten 
lässt. Bezüglich einer einheitlichen Gestaltung der Bibliographie möchten 
wir unseren schon geäusserten Wunsoh wiederholen. Geiger bringt 
eine zusammenfassende Uebersicht über die systematische Typhus¬ 
bekämpfung im Südwesten Deutschlands, an die sich ein Bericht über 
neuere epidemiologische Erfahrungen auf dem Gebiete der Typhus- 


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UNIVERSUM OF IOWA 






29. Deiember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


and Diphtherie Verbreitung von Sehwader ansohliesst. Ueber die 
praktische Bedeutung der Immunität für die Prognose und Behandlung 
der Tuberkulose schreibt v. Hayek; auf diesem Gebiet scheint nun 
einmal starke Subjektivität zu Hause zu sein. Der rationellen Massen¬ 
ernährung widmet Gigon eine Besprechung. Solbrig gibt eine 
Uebersioht über den Stand der Sohulgesundheitspflege, Pfeiler 
über die durch Bakterien der Paratyphusgruppe bedingten Tier¬ 
krankheiten. Frei und Ackeret besprechen (mit zu weiter Fassung 
des Begriffs) die Ergebnisse der Chemotherapie in der Veterinär¬ 
medizin. Werner berlohtet über die Erforschung der Quintana. Für 
den nächsten Band stellt der Herausgeber besondere Berücksichtigung 
der Grippe und anderer aktueller Forschungsgebiete in Aussicht; es ist 
zu erwarten, dass es seiner bewährten Umsicht gelingen wird, die Er¬ 
gebnisse immer mehr su einem unentbehrlichen Hilfsmittel für die 
weiten Kreise aussugestalten, die auf dem fast unübersehbaren Gebiet 
kritischer literarischer Sammelarbeit bedürfen. Morgenroth. 


Pordes: Radiographische Darstellug der einzelaen Zähle and der 
.Kiefer. Berlin 1919. Verlag von Urban & Schwarzenberg. 86 S. 
Preis 6 M. 

Die Arbeit behandelt die röntgenologische Untersuchung der ein¬ 
zelnen Zähne im Ober- und Unterkiefer mittels intraoraler Film- und 
extraoraler Plattenaufnahmen, sowie die Aufnahme des ganzen Ober¬ 
und Unterkiefers, Kiefergelenks usw. Die Röntgentechnik, das Lesen der 
Zahnröntgenbilder und die Röntgenpathologie der Zähne behält Verf. 
sich für spätere Arbeiten vor. Als kurze 'übersichtliche Darstellung 
wird , die mit 51 Abbildungen versehene Arbeit als Bereicherung der 
Literatur willkommen sein. Ganzer. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

F. Grumme-Fohrde*. Zur Frage der syithetische» Fähigkeit der 
measehlichei and tierische» Zeile. (Th. Mh., Jabrg. 33., Nov. 1919.) 
Tier und Mensch können aus anorganisohem Material organisches Gewebe 
nioht aufbauen. Anorganisches Eisen, anorganischer Kalfc werden im 
Körper nioht assimiliert, desgleichen die organischen, nicht an Eiweiss 
gebundenen Mineralsalze, wie Ferrum citrioum, Calcium lactioum. Nur 
die in Bindung an Eiweiss aufgenommenen Mineralien werden assimiliert 
und können daher volle physiologische Wirkung entfalten. Die tatsächlich 
vorhandene Wirksamkeit anorganischen Kalkes und Eisens bei Rachitis 
und Chlorose geschieht nur indirekt auf dem Umwege der Reizwirkung: 
der anorganische Kalk bessert die Assimilationslähigkeit des Körpers für 
organischen Kalk, das anorganische Eisen beschleunigt den Reifungs- 
Prozess der im Knochenmark präformierten Erythrozyten und befördert 
die Assimilation des organischen Eisens. Diese Grundsätze sind in der 
Therapie zu berücksichtigen: anorganisches Eisen ist bei sekundärer 
Anämie wirkungslos, anorganischer Kalk kann nioht kalkarme Nahrung 
ersetzen. Bertkau. 

W. H. Jansen-München, unter Mitwirkung von W. Biehler und 
P. Legen©: Zur Frage der Abhängigkeit des Ei weisssto ff Wechsels vom 
8äire»-Base»gehaIt der Nahrasg. (Zsohr. f. Min. M., Bd. 88, H. 3 u. 4.) 
In dieser aus der Friedrich Müller'sehen Klinik stammenden Arbeit 
erörtern die Verff. nach einer Einleitung den N-Stofiwechsel und die 
Harnreaktion, die StickBtoffverteiluog im Harn und die Frage des Stick¬ 
stoffminimums. Die Zusammenfassung der Ergebnisse lautet: Es gelingt 
nach einer absichtlich länger ausgedehnten Einstellungsdauer von etwa 
6 Wochen und auoh schon nach 5 Tagen mit einer Kartoffelmischkost 
den minimalen Stickstoffgleichgewichtszustand mit 4,86 g Stickstoff bsw. 
30,0 g Eiweiss in der Nahrung bei Individuen von 60 kg zu erreichen. 
Eine Zulage anorganisoher Säuren bis zur Ueberneutralisation der alka¬ 
lischen Reaktion der Standardnahrung übt keinen Bteigenden Einfluss 
auf die Harnstiokstoffausscheidung aus, dagegen bewirkt sie eine Ver¬ 
mehrung des Kotstickstoffs infolge der Säurereizwirkung auf die Darm¬ 
sekretion. - Daraus resultiert ein höherer Stiokstoffumsatz des Körpers in 
sehr massigen Grenzen. Weiteres siehe Original. 

R. Berg - Weisser Hirsch bei Dresden: Untersuchungen über den 
Mineralstoffwech8el. VII. Mitt. I. Untersuchungen bei Fastenkire». 
(Zscbr. f. klin. M., Bd. 88, H. 3 u. 4.) Der Patient hungerte eine Woche 
und nahm nur etwas Flüssigkeit zu sioh. Es werden zunächst etwa im 
Organismus vorhandene Säuresohlaoken ausgeführt. Solange der Orga¬ 
nismus dann nooh Reserveenergiestoffe zur Verfügung hat, sinkt die Aus¬ 
fuhr der Mineralstoffe rasch ab. Bei dem einsetzenden Gewebezerfall 
steigt die Ausfuhr wieder stark an. Dabei werden beim Ei weisszerfall 
nur wenig anorganische'Basen, aber sehr viel anorganische Säuren frei, 
und gleichzeitig infolge des Basenmangels und der dadurch bewirkten 
mangelhaften Oxydation der organischen Zerfallprodukte grosse Mengen 
organischer Stoffe saurer Natur gebildet. Die sauren Substanzen werden 
dann noch solange wieder in verstärktem Maasse ausgeführt, als noch 
Basen vorhanden sind. Mit sinkendem Basenbestand im Organismus 
sinkt wieder die Ausfuhr der anorganischen Salze, bis sich im Organismus 
so viel saure Stoffe angesammelt haben, dass sie unter allen Umständen 
aasgeführt werden müssen. Die Untersuchungen werden fortgeführt. 

H. Hirsohfeld. 


1289 


Pharmakologie. 

Matko-Wien: Das Chinin and die Lenkoiyten. (Zsohr. f. klin. M.» 
Bd. 88, H. 3 u. 4.) Die Untersuchungen wurden ah 30 Individuen ange- 
stellt, die nüohtern 1 g Ghin. bisulf. in 5 ccm 10 proz. NaCl-Lösung intra¬ 
venös injiziert bekamen. Bei 21 Fällen trat danach deutliche Leukopenie 
ein, bei manchen sank die Leukozytenzahl bis auf die Hälfte des ur¬ 
sprünglichen Wertes. Das Sinken begann schon 5 Minuten nach der Ia- 
jektioo, erreichte seinen Höhepunkt naoh 15 Minuten bis 1 Stunde. Die 
Herabsetzung währte meist 1—3 Stunden und dauerte einmal 12 Stunden. 
Die Variationen der Leukozytenformel waren sehr verschieden. In 9 Fällen 
trat dagegen eine Leukozytose auf mit Reizungszellen (bis 16 pCt.), z. T. 
mit Mitosen, vereinzelt auch mit Myelozyten, Myeloblasten, Lymphoid- 
zellen, Riesenzellen. Bei Hunden fanden sie naoh intravenösen Chinin¬ 
injektionen in der Milzvene eine stark vermehrte Leukozytenansohwem- 
mung, von denen die meisten Neutrophile waren, aber nur bei kleinen 
Cbiningaben. In einem Fall von perniziöser Anämie erzielten sie mit 
intravenösen Injektionen von Chin. bisulf. 0,3—0,5 g jeden zweiten Tag 
einen glänzenden Erfolg. _. H. Hirsohfeld. 


Therapie. 

0. de la Camp-Freiburg i. Br.: Röntgentherapie nnd Langen* 
phthise. (M.m.W., 1919, Nr. 48.) Nur die nicht zum Zerfall neigenden 
chronischen Phthisen produktiven Charakters dürfen therapeutisch be¬ 
strahlt werden, hier kann die Vernarbung stark beschleunigt werden. 
Bei der exsudativen Form ist die Bestrahlung wegen der drohenden 
EinschmelzuDg kontraindiziert. Voraussetzung für die Bestrahlung ist 
eine vorsichtige, genaue Dosierung der Strahlen. Als exaktes Mess¬ 
instrument ist nur das Jontoquantimeter anzusehen, als Maasseinheit 
die Friedrioh'sohe elektrostatische Einheit e. Praktisch stellt man 
demnach Felder von 10:10 in einem Abstand von 25 cm jeweils mit 
14,5 e dar, was bei der Veränderung von Lilienfeld'schen Elektronröhren 
und Filtern im konstanten Betrieb in 15 Minuten erreicht ist. 

Heubaoh-Graudenz: Behandlung chirurgischer Tiberkalese mit 
der Tnberknlin-lnnnktionskur nach Petrnachky. (M.m.W., 1919, Nr. 49.) 
Beobachtungen an einer grossen Anzahl nach Petruschky behandelter 
chirurgischer Tuberkulosen hinterlieäsen den Eindruck, dass daduroh der 
Heilungsverlauf äusserst günstig beeinflusst wurde. Diese Behandlungs¬ 
art wird deshalb dringend zur Nachprüfung empfohlen. Die von 
Petruschky angegebenen Richtlinien zur lnunktionsbehandlung sind 
jedem Fläschchen beigefügt. R. Neu mann. 

C. Stuhl-Giessen: Tnberknlinbekandlnng der tnberknlösen Ple»- 
ritis exsudativa. (D.m.W., 1919, Nr. 49.) Tuberkulöse Exsudate der 
grossen serösen Körperhöhlen scheinen, selbst bei Fieber, in gleichem 
Maasse günstig auf Tuberkulin mit vermehrter Diurese zu reagieren. 
Die üblichen schwächsten Dosen von Tuberkulin Denys und Rosenbaoh 
haben sich bei tuberkulöser Pleuritia exsudativa als hinreichend wirksam 
gezeigt. Verf. warnt vor Verwendung der gebräuchlichen, weit stärkeren 
diagnostischen Alttuberkulingaben. Dünner. 

Grunow-Wildbad: Indikationen und Kontraindikationen bei der 
Anwendung indifferenter Thermalbäder gegenüber organischen und 
funktionellen Störungen des kardiovaskulären Systems. (Ther. Mh., 
1919, Jahrg. 33, Nov. 1919.) Günstig beeinflusst werden Arteriosklerose 
und Gefässlues, vaskuläre Sobrumpfniere in früheren Stadien, Blutdruok- 
steigerungen bei Gichtikern, die den Verdacht der Nierensklerose oder. 
Nierepgicht erwecken. Die besten Kurerfolge erzielen die indifferenten 
Thermen bei Kombination von Gicht und Fettsucht. Auoh Herzstörungen 
nach infektiösen Erkrankungen und ^rheumatischer Tachykardiq* werden 
günstig beeinflusst, desgleichen Herz- und Gefässneurosen. Nicht ge¬ 
eignet sind dekompensierte Klappenfehler und Sobwächezustände des 
Herzens sowie Rekonvaleszenten von akuter Endokarditis, die nioht 
mindestens 6 Wocheu entfiebert sind. Besonderer Vorsicht bedürfen 
die konstitutionellen Sohwächezustände der Kreislauforgane, das Tropfen¬ 
herz, die Aorta angusta sowie mit Dilatation verbundene Fälle von 
anämischer und lymphatischer Konstitution. Nioht vertragen werden 
zuweilen die Bäder bei schwereren Störungen des vegetativen Nerven¬ 
systems, ungünstig reagieren auoh die Fälle von traumatischer Hers¬ 
und vasomotorischer Neurose. Bei Bronchialasthma mit katarrhalischen 
Erscheinungen ist die Badekur zu verbieten, ohne Katarrh nur mit Vor¬ 
sicht zu gebrauchen. Bertkau. 

M. Heni ub-B erlin.- Die Behandln* schmerzhafter Mastdarm- 
erkränkingen mit Eukapia. (D.m.W., 1919, Nr. 49.) H. empfiehlt 
zur Schmerzlinderuog bei verschiedenen Mastdarmaffektionen (neuralgische 
Leiden, Analfissuren, Hämorrhoiden, Folgeerscheinungen der Ruhr) Zäpf- 
ohen mit 2 pCt. Gehalt an Eukupin (Vereinigte Chininwerke Zimmer 
& Cie., Frankfurt a. M.). 

Fabry-Dortmund: Ueber Behandlung der Syphilis mit 8ilber- 
salvarsa». (D.m.W., 1919, Nr. 49.) Silbersalvarsan beseitigt die syphi¬ 
litischen Erscheinungen und tötet die Spirochäten schneller ab als 
andere Präparate. Dabei sind die Dosen wesentlich kleiner als bei 
anderen SilvarsanVerbindungen. Da die Injektion ziemlich schwierig ist, 
sollte man Silbersalvarsan für die klinische Behandlung reservieren. 
Die ambulante Nachbehandlung erfolgt mit Neosalvarsan oder Sulfoxylat- 
salvarsan. Mit 2—4 Silbersalvarsaniqjektionen kann man sekundär 
syphilitische Erscheinungen beseitigen. Dünner. 

0. Fried-Bamberg: Zwei Anmerkangen zur Behandlung von Halt¬ 
flechte». (M.m.W., 1919, Nr. 49.) Zur Behandlung der Pityriasis rose« 


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UNiVERSIT F IOWA 




1240 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 62. 


warde Abreiben mit 1 pro*, Sublimatspiritus, zur Behandlung der Bart¬ 
flechte (Herpes .tonsurans) graiie Quecksilbersalbe mit glänzendem Er¬ 
folg verwandt. ■ R. Neumann. 

G. Holzknecht: Hyperplastische und hypersekretorische Zu¬ 
stände der Bant. Röntgenbehandlung. (W.kl.W., 1919, Nr. 48.) Die 
Röntgenbehandlung der Hypertrichoais mit Tiefenstrahlen ist sehr zu 
empfehlen. Verf. gibt genau die Anwendung an und macht auf ver¬ 
schiedene Schwierigkeiten und Vermeidung von Fehlern aufmerksam. 

F. Deutsch: Die intravenöse Urotropinbehandlang des akuten 

Gelenkrheumatismus. (W.kl.W., 1919, Nr. 45.) Günstige Erfahrungen 
bei 61 Fällen. Der Kranze erhält täglich .20 ccm einer 30proz. Uro- 
tropinlösiflug intravenös bis zum Abklmgen der objektiven Symptome. 
Dazu sind 6—15, durchschnittlich 7 Injektionen notwendig. Eingehende 
theoretische und bakteriologische Untersuchungen mit epikritischer Be¬ 
sprechung. Glas er leid. 

A. Reinhart - Kiel: Die Behandlung der chronischen Gelenk- 
erkrauknngen mit Sanarthrit Heilner. (D.m.W., 1919, Nr. 49) Das 
S&n&rthrit Heilner verursacht bei einem Teil der Fälle chronischer 
Gelenkerkrankungen nach den ersten Injektionen eine frappante Besserung, 
die jedoch meist vorübergehend ist und nur Stunden oder Tage vorhält. 
In einzelnen Fällen ist ein dauernder Erfolg zu erzielen. Das Präparat 
hat zuweilen unangenehme Nebenerscheinungen. Dünner. 

P. Krause, E. Bumke, v. Teubern-Bonn: Beiträge zur Patho¬ 
logie und Therapie der Typhus- nnd Paratyphasbazillen träger. IV. Mit¬ 
teilung über Heilversuche bei Typhus- und Paratyphubbazillenträgern. 
(Beitr. z. Klio. d. Infekt-Krkh., 1919, Bd. 8, H. 1 u. 2 ) Zur Behand¬ 
lung der Urinausscheider ist das erfolgreichste Mittel das Urotropin. 
Bei StuhlauBscheidern wird Formol-Gällensäure 3,0—6,0 g täglich und 
Thymoform dreimal 2,0 täglich empfohlen. Ein Dauerheiierfolg in 
77 Versuchen wurde in 12 pCt. angenommen. 

P. Krause und'E. Bnmke-Bonn: Beiträge zur Pathologie und 
Therapie der Typhus- nnd Paratypbusbaxilleaträger. 1. Heil versuche 
an Bazillenträgern mit „starken“ Kolistämmen nach Nissle. (Beitr. 
z. Klin. d. Infekt. Krkh., 1919, Bd. 8, H. 1 u. 2.) Die Behandlung von 
11 Typhus-, Paratyphus A- und B-Bazillenträgern mit „starken“ Koli¬ 
stämmen nach Nissle erwies sich als erfolglos. F. Glaser. 

J. L. Peyre: Intravenöse Anwendung von Natr. käkodyl. hei Febris 
recurrens. (La Presse mäd., Okt. 1919, Nr. 61.) Mit Neosatvarsan in 
grossen Dosen (0,9) kann man den Typhus recurrens durch eine einzige 
Einspritzung völlig heilen. Als in Rumänien Neosalvarsan nicht zu be¬ 
schaffen war, griff P. zum Natr. kakodyl., das noch mehr organisch ge¬ 
bundenes As (48pCt.) enthält. Er verwendete eine 6,4proz. Lösung, 
yon der er 4 com intravenös gab. Die Wirkung war nicht so günstig 
wie bei dem augenblicklich wirkenden Salvarsan, jedoch sank die Tempe¬ 
ratur in den nächsten 24 Stunden, die folgenden Anfälle wurden, wenn 
nicht unterdrückt, so doch gemildert. Eine einzige Injektion genügt. 
Trotz der ausserordentlichen Dosen keine Nebenerscheinungen. Be¬ 
handelt wurden 42 Fälle. Krakauer. 

P. Kauf mann-Lugano: Ueber die Wirkung von Methylenblau hei 
Malaria. (D.m.W., 1919, Nr. 49.) K. bestätigt in gewisser Beziehung 
die Wirksamkeit des Methylenblaus bei Malaria, auf die Mayer in 
D.m.W., 1919, Nr. 38, .hingewiesen hatte, soweit es sich um ganz leichte 
Fälle handelt. Dünner. 

A. Schitten^helm-Kiel: Zur Proteiakörpertherapie. (M.m.W., 
1919, Nr. 49.) Auf Injektion von verschiedenen Eiweisskörpern und 
ihren Abkömmlingen reagiert der Organismus zwar sehr verschieden, 
doch lassen si<jh neben diesen differenten Wirkungen auch Gruppen- 
reaktionen erkennen, die allen Eiweisskörpern gemeinsam sind. Die 
Vielseitigkeit der Wirkung bezüglich -der Beeinflussung der Temperatur, 
des Herzens und Kreislaufs, der Atmung, Drüsentätigkeit, Blut Zusammen¬ 
setzung, Stoffwechsels usw. zeigt an, dass der ganze Organismus beein¬ 
flusst wird, höchstwahrscheinlich in dem Weichardt’schen Sinne der 
Leistungssteigerung auf Grund der Protoplasmaaktivieruog. 

R. Neumann. 

G. Neu mann: Der gegenwärtige Stand der iitralambalen Therapie 
mit Ausschluss der berumtherapie. (Ther. Mb., Jahrg. 33, Okt. u. 
Nov. 1919.) Kombination von Auswaschung des Lumbalsackes mittelst 
physiologischer Kochsalz- oder Ringerlösung mit intralumbaler Serum- 
bebandlung scheint nach den bisherigen Erfolgen in der Behandlung der 
Meningokokken meningitis zweckmässig und aussichtsvoll. Aus den 
Arbeiten über iotralumbale Optocbintherapie geht hervor, dass sie Zell¬ 
gehalt und Keimzahl des Liquor herabsetzt, dass die Prozentzahl der 
Heilungen picht unbeträchtlich ist, dass von stärkeren Nebenwirkungen 
nur vorübergehende Blasenlähmnngen beobachtet wurden, die sich viel¬ 
leicht durob bessere Aufbewahrung des Optochins in Zukunft vermeiden 
lassen. Das mit Silberpräparaten (Protargol, Dispargen, Elektrargol) 
behandelte Material von Meqingitiställen ist zu klein, um sichere Schlüsse 
über deren Wirksamkeit zu ziehen. Bacigalupo’s gute Erfolge der 
Behandlung zweier Fälle von tuberkulöser Meningitis mit intralumbalen 
Alttuberkulininjektioneo bedürfen der Nachprüfung; Verf. erzielte mit 
dieser Behandlung in 8 Fällen nur vorübergehende Besserung der Be¬ 
nommenheit. Durch iotralumbale Injektionen mit Magnesiumsulfat 
Wurden von verschiedenen Autoren (Kocher, Eunike, Spanuth, 
Hi gier) znm Teil gute Erfolge in der Tetanusbehandlung erzielt. Die 
Methode sohliesst aber grosse Gefahren in sich und ist durch andere 
ersetzbar; Intralumbale Salvarsanbehanfllung erzielte sichere Erfolge 


bei Lues cerebrospinalis; aber auch in vielen anderen Fällen sehr un¬ 
angenehme Nebenwirkungen bzw. keinen Erfolg, Die Möglichkeit, Tabes 
.und Paralyse durch lumbale Therapie zum Stillstand zu bringen, ist 
nicht bewiesen. Die Gefahren der intralumbalen Behandlung -stehen in 
keinem Verhältnis zu ihrem Nutzen. 

C. v. Noorden - Frankfurt a. M.: Ueber Diälhylbarbitursäirc 
komposiiionen. (Ther.Mh., Jahrg. 33, Nov. 1919.) Die vom Verf. 1911 
angegebene Veronal-Phenazetin-Kodeinmischung (als Somnazetintabletten 
im Handel erschienen) bat sich späteren Versuchen, noch zweckmässigere 
Kombinationen zu finden, gegenüber als die beste Zusammenstellung 
erwiesen. Der Auwendungskreis des Mittels hat.sich im Laufe der Zeit 
et weitern lassen. Dasselbe bewährte sich besonders als Schlafmittel für 
Gesunde bei nächtlichen Eisenbahnfähren, da es ohne üble Nach¬ 
wirkungen die Leistungsfähigkeit am nächsten Tage fördert. Es erwies 
sich als wirksames Prophylaktikum gegen Seekrankheit, ferner zur 
schnellen Herabsetzung des Morphiums bei Morphiumentziehungskures 
sehr geeignet, sowie in refracta dosi (etwa viermal am Tage 1 Tablette) 
bei allgemeinen nervösen Erregungszuständen, namentlich bei Basedow- 
kranken und bei Schilddrüsenkqren gegen thyreogene Fettsucht, Auf- 
reguDgszuständen der Diabetiker an Hungertagen, nervösen Durchfällen 
und bei Schlaflosigkeit der Arteriosklerotiker, die reines Veronal schlecht 
vertragen. Zur Feststellung, ob das neu hergestellte „Somnaeetin. 
solubile*, in dem das Phenazetin durch Antipyrin ersetzt ist, ln Fora 
von subkutanen Injektionen und Suppositorien dieselbe gute Wirkung 
wie das alte Somnazetin erzielt, bedarf es noch weiterer Erfahrungen. 

Bertkau. 

H. Koniger-Erlangen: Ueber intermittierende Therapie. (NLm.W., 
1919, Nr. 49.) Dieser 1. Teil behandelt die methodische Verwertung 
der Pausen in der Therapie. Ebenso wie Art nnd Dosis des Heilmittels 
bilden die Pausen einen wesentlichen Bestandteil sowohl der chemischen 
als physikalischen Behandlung- Je nach der Grösse der Pausen wird 
die Wirkung nachfolgender Verordnungen verschieden beeinflusst, und 
man kann folgendes Grundgesetz aufstellen: Während der Reaktion auf 
eine therapeutische Einwirkung ist die 'Empfindlichkeit des Organismus 
gegenüber neuen therapeutischen Einwirkungen gewöhnlich erheblich 
verändert, uud zwar ist im Beginn nnd auf der Höho der Reaktion 
meistens eine refraktäre Phase mit Abschwäohung der Wirkung vor¬ 
handen. Um den Einfluss der Pausengrösse zu untersuchen, wird die 
„intermittierende Therapie* empfohlen, d. h. eine Therapie mit so 
grossen Pausen zwischen den einzelnen Arzneig&ben oder Arzneitagen, 
dass die therapeutischen Einwirkungen innerhalb der Pausen sich voll 
entfalten und abkliDgen können und durch behandlungsfreie Intervalle 
unterbrochen werden. R. Neumann. 

R. Grünbaum: Ueber Diathermie. (W.m.W., 1919, Nr. 42.J Be¬ 
sonders gut ist die WirküDg bei gonorrhoischen Gelenken, ebenso bei 
gichtischen Erkrankungen sowie bei Muskelrheumatismus und Myalgien. 
Sehr, gut wirkt die Diathermie bei Infiltraten und Verwachsungen des 
Para- und Perimetrimus, bei Salpingitis und Oophoritis, ferner bei piea- 
ritisohen Schwärten. Beim Asthma bronch. erreicht man Vetfiüssigucg 
der Sekrete und Erleichterung der Expektorationen. G. Eisoer. 


Parasitenkunde und Serologie, 

G. Hauser-Erlangen: Experimenteller Beitrag ztfr VirmleiZ- 
schwankung des Tuberkelbazillus. (M.m.W., 1919, Nr. 49.) Der Typbai 
humanus des Tuberkelbazillus zeigt weitgehende Virulenzachwankungen 
in den einzelnen Tuberkulosefällen des Meeschen. So trat nach Impfung 
eines Kaninchens in die vordeie Augenkammer die Iristuberkulose ein¬ 
mal erst nach 47 Tagen, ein anderes Mal schon nach 14 Tagen aüL 
Im ersteren Falle stammte der abgeimpfte Tuberkel von einer akuten 
Miliartuberkulose, im letzteren von einer käsigon Pneumonie. Danach 
scheint die Viiulenz der Tuberkelbazillen bei akuter Miliartuberkulose 
eine ungewöhnlich niedrige za sein. Impft man nun die Tuberkel- 
knötchen aus der Iris eines so infizierten Kaninchens wieder weiter auf 
andere Kaninchen, so wird schon nach kurzer Passage der Durch schnitts- 
grad der Virulenz der Tuberkelbazillen für die vordere Augenkammer 
der Kaninchen wieder erreicht. R. Neumann. 

L. Rabinowitsch-Berlin: Das Friedmann’sehe Taberkulosemittel 

in der Behandlung der Lungentuberkulose. (D.m.W., 1919, Nr. 49.) 
Bemerkungen zu dem Artikel vom Röpke-Melsungen in D.m.W., 1919, 
Nr. 45. Dünner. 

M. v. Eisler und F. Silberstein-Wien? Ein Beitrag zur Bew illig 
von Tetanusserum. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89, H. 1.) Mitteilungen von 
Beobachtungen, die zur Erklärung der verschiedenen Antitoxinproduktion 
der verschiedenen Pferde dienen können. 

G. Felsenreich: Ueber ein Verfahren der kulturellen El ekÜ Ol 
von Paratyphus-P-Bazillen auf stark alkalischen Nährböden. (Zschr. 
f. Hyg., Bd. 89, H. 1.) Verf. gibt einen Nährboden, an, auf dem es darob 
starke Alkalisierung gelingen soll die Begleitbakterien des Stuhles voll¬ 
kommen zurückzudräDgen und nnr den Paratyphus-B-Bazillus wachsen 
zu lassen. 

P. Hirsch-Dahlem: Verauohe über Entgiftnng von Rakr-(Skiga) 
Bazillen zwecks lmpfstoffgewinaung. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89, H.L) 
Mit Jodtrichlorid gelang eine Entgiftung, die anscheinend die Antigeo- 
natur nicht veränderte. Anwendung beim Menschen steht noch aus. 

L. Schwarz-Hamburg: Erfahrungen aus der Praxis der fyplu- 
and Cholerabekämpfung mit epidemieeigenen Impfstoffen. (Zschr. f. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



20. Dexember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1241 


Hyg., Bd. 89, H. 2.) Die Verwendung epidemieeigenen Impfstoffes 
scheint wirksamer zu sein als der fabrikmässig hergestellte. 

H. Dold und Chen Yü Hsi an g-Schanghai: Ueber das Verhältnis 
der tatsächlichen zur theoretisch möglichen Gefahr der KciBÜber- 
tragmgen durch Fingerberühnngen (illustiiert am Tbyphusbazillus). 
(Zsohr. f. Hyg., Bd. 89, H. 2.) Die tatsächliche Gefahr der Keimver- 
schleppung duroh die Finger bleibt weit hinter der theoretischen zurück. 

Schmitz. 

L. Heim-Erlangen: Paratyphiskolonien. (M.m.W., 1919, Nr. 49.) 
P&ratyphus-B Kolonien zeigen auf Gelatineplatten ein charakteristisches 
Wachstum. Im Gegensatz zu der sogenamten Weinblattform der Typhus¬ 
kolonien haben die Kolonien schon makroskopisch ein kuppenförmiges 
Aussehen. Jede Ansiedlong wird 1—8 mm gross, mikroskopisch ist sie 
heller oder dunkler braun gefärbt. Besonders bezeichnend ist die 
strahlige Zeichnung, die bis zum Rande verläuft. Diese fehlt den sonst 
ähnlich aussehenden Paratyphus-A-Kolonien. Als Nährboden eignet 
sich am besten dafür Pferdefleischwasserpeptongelatine. 

R. Neumann. 

R. Adel heim-Riga: Ueber Tätigkeit der Watschntxabteiluog am 
II. städtischen Krankenhaus zu Riga in den Jahren 1914—1917. (Zschr. 
f. Hyg., Bd. 89, H. 1.) Genauer statischer Nachweis der gesamten Tätig¬ 
keit des Instituts während des Krieges. 

M. van Riemsdyk-Amsterdam: Der Mierocoecns tetrageuis albus 
als Erreger einer Meningitis cerebrospinalis. (Zsohr. f. Hyg., Bd. 89, 
H. 1.) Beschreibung des Falls und der Eigenschaften des Kokkus. 

W. Baoh mann-Leipzig: Das Aeronom, ein neuer Apparat zur Be¬ 
stimmung des Kohlensäuregehaltes der Luft. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89 
H. 2.) Beschreibung des Apparates und seiner Arbeitsweise. Die 
Methode ist besser als die bestehende. 

R. Doerr und R. Pick: Das Verhalten des Fleckflebervirns im 
Organismus des Kaninchens. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89, H. 2.) Intra' 
zerebral mit Fleckfiebervirus infizierte Kaninchen behielten dieses meist, 
ohne selbst merkbar zu erkranken. Es sind auoh Passagen möglich. 

J. Hammers oh mi dt-Wien: Ueber die Herkunft der OnarnierPsehen 
Körperchen. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89, H. 1.) Verf. leitet die Guarnie- 
rischen Körperchen von der Kernsubstanz her und ist der Ansicht, dass 
sie eine Immunttätsfunktion zu erfüllen haben. 

Ikert-Stettin: Ueber die Identität des Vakzine- nnd Variola¬ 
erregers. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89, H. 2.) Aus den verschiedenen Beob¬ 
achtungen von Anders bei einem Fall von Vaooina generalisata schliesst 
Verf. auf die Gleichheit des Variola- und Vakzineerregers. 

H. A. Ginz-Berlin: Bemerkungen zu der Arbeit von Anders: 
Ueber einen Fall von allgemeinen Knhpocken mit tödlichem Ansgang. 
(Zsohr. f. Hyg., Bd. 89, H. 2.) Verf. fasst den Fall A. als einen Todes¬ 
fall an Sepsis, nicht an Vacc. gen. auf. 

H. A. Ginz-Berlin: Ueber Beziehungen zwischen Tier- nnd Menschen- 
poeken. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89, H. 2.) Mittels mehrerer Passagen über 
die Kaninohenhaut ist die Umwandlung von echten Menschen-, Schweine-, 
Ziegen- und Sobafpocken in Kuhpooken einwandfrei gelungen. 

Schmitz. 

Semerau und Noaok - Strassburg i. E.: Beiträge zur Frage des 
Botnlismns. (Zsohr. f. klin. M., Be. 88, H. 3 u. 4.) An der Hand von 
4 Fällen berichten die Autoren über das Ergebnis ihrer Untersuchungen. 
Das pathologisch anatomische Korrelat für den klinischen Symptomen- 
komplex des Botulismus besteht in weitgehenden Veränderungen im Hirn 
und Rückenmark. Diese betreffen sowohl die motorischen Ganglienzellen, 
wie auch die motorischen Faserstränge, speziell innerhalb der Medulla 
oblongata und des Halsmarks. Die an verschiedenen anderen Organen 
gefundenen Alterationen sind unspezifisch und grösstenteils Folge¬ 
erscheinungen der rasch fortschreitenden Atemlähmung. Die gefundenen 
Veränderungen am Zentralnervensystem decken sich vollkommen mit 
den Erfahrungen des Tierexperiments beim Botulismus. Der aus Rauch¬ 
fleisch gezüchtete Bazillus Botulinus erwies sich als ein Stamm mit 
hoher Toxizität, der morphologisch und biologisch mit dem von van Er¬ 
men gen zuerst beschriebenen Stamm übereinstimmt. Das Botulinus 
toxin war regelmässig im Blut des Patienten nachweisbar, so dass duroh 
Tierversuohe mit Patientenblut die klinische Diagnose sichergestellt 
werden konnte. Der Arbeit sind Abbildungen von Ganglienzellen aus 
einem Vorderhorn des Rückenmarkes und dem Nucleus ambiguus der 
rechten Seite beigegeben. 

H. Bö in g-Lichterfelde: Ueber Immmität. (Zschr. f. kl. M., Bd. 88, 
H. 3 u. 4.) Verf. empfiehlt, von Immunität nur dann zu sprechen, wenn 
sich ein Organismus dauernd seuchenfest verhält, dagegen von Resistenz, 
wenn nur ein abgesohwäohter Grad von Immunität besteht. Es gibt 
nicht nur eine künstliche, sondern auch eine natürliche Resistenz, z. B. 
gegen Pocken, die aber auch gelegentlich einer Empfänglichkeit für diese 
Krankheit Platz machen kann. Man weiss von früheren Epidemien, 
dass manchmal etwa die Hälfte aller ungeimpften Pookenfähigen er¬ 
krankten. Die Uebertragung der Pocken kann nach Ansicht des Verf. 
auoh auf miasmatischem Wege erfolgen. Die Resistenz der Säuglinge 
erklärt sich dadurch, dass sie duroh die Muttermilch Antikörper auf¬ 
nehmen; sie wird übrigens von Immermann und Jochmann bestritten. 
Am Schluss seines Aufsatzes erörtert der Verf. den Mechanismus der 
künstlich erzeugten Resistenz, besonders am Beispiel der Pooken. 

H. Hirschfeld. 


Fr. Graetz-Hamburg: Ueber den Einfluss der Temperatur auf das 
Komplementbindungsvermögen bei der Wassermaun’scheii Reaktion und 
seine Bedeutung für die Serodiagnostik der Syphilis. (Zsohr. f. Hyg., 
Bd. 89, H. 2.) Im Original einzusehen. Schmitz. 

L. Nauck-Erlangen: Die Beieutung der 8achs-6eorgi’8chen Aus- 
fiockungsmethode für die Serodiagnose der Syphilis. (M.m.W., 1919, 
Nr. 49.) Die S.-G.-Reaktion ist eine für Lues charakteristische Reaktion. 
Da es aber noch eine grosse Zahl unspezi fisch er Resultate dabei gibt, 
so kann sie vorläufig noch nicht die Wa.- Reaktion ersetzen, die sie wert¬ 
voll ergänzt. Bei latenter Syphilis und bei behandelten Fällen von 
Lues ist sie der Wa.-Reaktion überlegen und kann deshalb für die 
Therapie sehr wertvoll sein. Ein Hauptvorzug der Reaktion ist die 
leichte Ausführbarkeit. R. Neumann. 

P. Neukirch und A. Kocus oh er-Konstantinopel: Beiträge zur 
Deutung der Weil-Felix’schen Reaktion. (Beitr. z. Klin. d. Infekt. 
Krkh., 1919, Bd. 8, H. 1 u. 2.) Ein aus Stuhl eines Fleck fi ober kranken 
gezüchteter Pyozeaneusstamm wurde durch Fleckfieberblut ähnlich wie 
Proteus Xi» agglutiniert. Die Rezeptoren des X ]9 und des gezüchteten 
Pyozeaneus haben sich wahrscheinlich im Körper des Kranken angepasst 
an einen aktiv auf sie ein wirkenden Körper, etwa den Pleckfieber-Immun- 
korper. F. Glaser. 

E. Toeniessen-Erlangen: Ueber die ohemisohe Beschaffenheit der 
Bakterieihüllen und über die Gewinnung der Eiweisssubstanzen aus 
dem Innern der Bakterienxelle. (M.m.W., 1919, Nr. 49.) Angabe ver¬ 
schiedener chemischer Methoden zur getrennten Gewinnung der Bakterien¬ 
hülle und des Bakterieneiweisses. Die Bakterienhülle, die im Wasser 
stark quellbar ist und deshalb als Gallerthülle bezeichnet wird, besteht 
aus einem höheren Kohlehydrat und keinem Eiweisskörper. Die Eiweiss- 
substanz aus dem Innern der Bakterienzelle ist zum grössten Teile ein 
Nukleoproteid. ' R. Neumann. 

E. Freund und G. Kamin er ^ Ueber karzinoly tische organische 
Säarea. (W.kl.W., 1919, Nr. 46.) Normales Serum und normales Ge¬ 
webe besitzen eine organische Fettsäureverbindung, die Karzinomzellen 
zu zerstören vermag (Normalsäure), während Karzinomserum Und -gewebe 
eine ungesättigte Fettsäureverbindung, die die Karzinomzellen schützt, 
enthalten (Karziuomsäure). Die Normalsäure muss zu den gesättigten 
Dikarbonsäuren der aliphatischen Substanzen gezählt werden, ihre genaue 
chemische Zusammensetzung konnte bisher technischer Schwierigkeiten 
wegen nicht festgestellt werden. Unter den Körpern der Dikarbonsäure- 
reihe finden sich sowohl Repräsentanten von karzinomzellenzerstörender 
wie -zellnichtzerstörender Wirkung: wirksam zeigten sich Bernsteinsäure, 
Korksäure und Dekametbylendikarbonsäure. Die karzinolytisohe Wirkung 
dieser Säuren beruht auf dem Vorhandensein der CgH^Gruppe, und zwar 
enthalten alle drei Körper diese chemische Gruppe in unpaarer Anzahl. 
Da sich bei allen Prüfungen deutlich eine vier- bis fünffache Steigerung 
des Zerstörungsvermögens von Bernsteinsäure zu Korksäure und von 
dieser zu Dekamethylendikarbonsäure ergibt, kann von einem Parallelis¬ 
mus der Wirkungssunahme und der Zahl der unpaaren 0»H 4 -Gruppen 
gesprochen werden. Glaserfeld. 

W. Misch-Berlin: Untersuchungen über den Abbau von Bakterie! 
dirch Abwehrfermente. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89, H. 2.) . Ea liess sich 
^.bbau von Bakterien feststellen, jedoch sind die Ergebnisse des Dialy- 
sierverfahrens wesentlich geringer und weniger einheitlich als bei den 
üblichen Immunitätsreaktionen. 

K. Kisskalt-Kiel: Die Sterblichkeit in Königsberg i. Pr., ins¬ 
besondere an Ruhr und pandemischer Influenza in den Jahren 1781 bis 
1783. (Zschr. f. Hyg., Bd. 89, H. 1.) Mitteilung der uns genau über¬ 
lieferten Statistiken aus den angegebenen Jahren sowie der allgemeinen 
Begleitumstände zur selben Zeit. Sohmitz. 


Innere Medizin. 

Kiewitz: Der Mechanismus der Herzaktion in Schlafe. (Nach 
elektrokardiographischen Untersuchungen.) (D. Arch. f. klin. M., 1919, 
Bd. 130, H. 8 u. 4.) Die Formveränderungen des Elektrokardiogramms 
während des Schlafes sind oft erheblioh. Ob die Veränderungen ledig¬ 
lich duroh den Schlaf an sich bedingt sind, ist fraglioh. 

Boden: Ueber den Einfluss der langen Hersnerven auf die Form 
des Elektrokardiogramms in einem Falle von paroxysmaler Tachy¬ 
kardie. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 130, H. 3 u. 4.) Bei einem 17jähr. 
jungen Manne wird während häufig Auftretender Anfälle von Herzjagen 
eine auffallende Reliefveränderung des Ekgs. unter Beibehaltung der 
typischen Form beobachtet. Die negativen Phasen treten gegenüber den 
positiven stark hervor. Duroh Atropin wie durch Adrenalin entstehen 
Taobykardien, die sich im Ekg. unterscheiden. Als auslösende Ursache 
der Anfälle wird der Fortfall der normalen negativen ohronotropen Vagus- 
Wirkung erkannt. Die Atropintachykardie entspricht in Beschwerden und 
Folgen dem Spontananfall. Zinn. 

*0. Stoerk und E. Epstein: Ueber GefässverKnderungen bei 
Grippe. (W.kl.W., 1919, Nr. 45.) Bei Grippe finden sich sohwere Schä¬ 
digungen der peripheren Arterien des grossen Kreislaufs im Sinne degene- 
rativ nekrotisierender Veränderungen, insbesondere der kontraktilen und 
elastischen Elemente. Die Veränderungen betreffen vorwiegend die Media 
und ELastika, reichen aber in den subendothelialen Bereich der Intima 
hinauf. Diese anatomischen Befunde sind’für die Erklärung der Kreis¬ 
laufstörungen bei der Grippe bis zu einem gewissen Grade verwertbar: 


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1842 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 62. 


in solchem Sinne ist auf die Nichtbeeinflussuug des Herzens duroh Kar- 
diaka hinzuweisen; die Grippenoxe schädigt vorwiegend die peripheren 
Gefässe und nicht das Myokard, so dass die Aussicht für kardiotonische 
therapeutische Maassnahmen .von vornherein höchst ungünstige sind. 

Glaserfeld. 

M. Kleemann: Der Vagusdruckversueh und seine Bedeutung für 
die Hersfnnhtioi. (D. Aroh. f. klin. M., 1919, Bd ISO, H. 8 u. 4.) Die 
auffallend starken Wirkungen des Vagusdruekes in chronotroper, dromo- 
troper und in heterotopiefördernder Hinsicht kamen fast nur bei kranken 
Herzen vor. Nicht alle kranken Herzen sind aber für die Vagusreizung 
so überempfindlich. Die Art und Stärke der Vagusdruckwirkung sind 
ferner kein Maassstab für die Hocbgradigkeit der bestehenden Insuffizienz. 
Man kann dem Vagusdruck wohl auoh keine weitgehende prognostische 
Bedeutung zusprechen. Zinn. 

G. Schröder -Schöneberg: Ueber Lnngeisyphilis (M.m.W., 1919, 
Nr. 49.) Pathologisch-anatomisch unterscheidet man beim Erwachsenen 
eine gummöse Form der Lungensyphilis, eine chronische interstitielle 
syphilitische Pneumonie und die desquamative Bronchopneumonie, sogen, 
gelatinöse Pneumonie. Diagnostisch bestehen vor allem Schwierigkeiten 
gegenüber der Tuberkulose. Für Lungenlues charakteristisch ist besonders 
die Lokalisation der Erkrankung im rechten Mittellappen unter Frei¬ 
lassung der Spitze, die sich röntgenologisch als dichter, dreieckiger, breit 
dem Hilus aufsitzender Schatten dokumentiert. Weitere Stützen der 
Diagnose sind: positive Luesanamnese; luetische Veränderungen besonders 
in den oberen Luftwegen, Fehlen von Tuberkelbazillen im Sputum, pro- 
trabierterer Verlauf als bei Tuberkulose. 

E. Zeltner-Nürnberg: Thoraxstad ien. ,(M.m.W., 1919, Nr. 49.) 
Messungen an 11280 Personen verschiedenen Alters ergaben u. a. fol¬ 
gendes: In der späteren Kindheit erleidet das Wachstum des Thorax 
einen Stillstand, in der Pubertät setzt dann ein gewaltiger Wachstums¬ 
antrieb wieder ein. Vom 19. Jahre ab nimmt das Breitenwachstum des 
unteren Brustumfanges stark zu, vom 80. Jahre ab gewinnt der sagittale 
Durchmesser gegenüber dem frontalen an Ausdehnung. In Verbindung 
mit der Messung des Brustumfanges und der Atemgrösse lehrt das Thorax¬ 
bild, dass mit der Zunahme des Umfanges eine fortschreitende Elasti- 
zitätsabnabme der atmenden Teile einhergeht, nur in den Entwicklungs¬ 
jahren wächst trotz beträchtlicher Volumzunahme die Atmubgsgrösse 
progressiv und erreicht ihren Höhepunkt im 18. Lebensjahr. Erst mit 
50JJahren erreicht das Thoraxwachstum seinen Abschluss. 

R. Neumann. 

Ploo8 und Amstel: Die Prognose und Therapie des Ulcas ditdeii- 
(Arch. f. Verdauungs-Krkh., Bd. 24, H. 6.) Die gefährlichsten Fälle vom 
Ulous duoleni sind die Bymptomlos verlaufenden. Keine Therapie kann 
in diesem Falle eingeleitet werden, ehe eine gefährliche Komplikation 
die Anwesenheit eines Ulkus verrät Die Prognose des unkomplizierten 
Ulous duodeni ist günstig, seine Behandlung soll stets eine interne sein 
und hauptsächlich in der Anwendung von Atropin, Ulkusdiät und^Ruhe 
bestehen. Zur Erreichung eines guten Erfolges ist Gründlichkeit des 
Vorgehens wichtiger als Schnelligkeit. Die ohirurgische Behandlung soll 
niemals als Probelaparotomie zur Anwendung kommen. 

E. Schlesinger. 

0. Haus-Ionsbruck: Regionäres Oedem der Haut bei Abdominal- 
erkrankmgen. (W.kl.W., 1919, Nr. 46.) Bei Erkrankungen viszeraler 
Hohlorgane, welche mit Spasmen einhergehen, kommt es häufig zur Aus¬ 
bildung eines Oedems der Haut, welches einen mehr minder breiten 
Streifen des Abdomens und der angrenzenden Thoraxpartien bedeckt 
und sioh mit entschiedener Grenze von der vollkommen ödemfreien 
übrigen Leibesdecke absetzt. Das Oedem ist meist 2 mm dick, kann 
binnen wenigen Stunden auftreten und wieder verschwinden; es wächst 
an Stärke und Ausdehnung mit der Dauer und Stärke der zugrunde 
liegenden Spasmen. Glaserfeld. 

Weigeldt: Zur Technik der akiten gelbes Leberatrophie (Blut¬ 
bild und eigenartige Leukozyteneinschlüsse). (D. Arch. f. klin. M., 1919, 
Bd. 180, H. 5 u. 6.) Die Erythrozyten und Hämoglobinwerte sind er¬ 
höht. Leukozytose mittleren Grades (10000 —30 000), besonders der 
neutrophilen Leukozyten. Etwa die Hälfte aller neutrophilen Leukozyten 
zeigt in einem Falle vakuoläre Einschlüsse im Protoplasma. Dem Blut¬ 
befund bei akuter gelber Leberatrophie kommt keine differential- 
diagnostische Bedeutuog zu, insbesondere nicht gegenüber Phosphor¬ 
vergiftung, Morbus Weil und anderen Ikterusformen. Zinn. 

Reismann-Haspe i. Westf.: Ein difierentialdiagnostisch interessanter 
Fall von Leberechinokokkas mit Durchbrach !■ die Plearahtihle. 
(M.m.W., 1919, Nr. 49.) Mitteilung eines Falles von Leberechinokokkus, 
der zunäobst mit Gal lenstein leiden verwechselt wurde und später nach 
erfolgtem Durchbruch des Echinokokkus in den Pleuraraum das Vor¬ 
handensein eines pleuritischen Empyems vortäuschte. R. Neumann. 

K. Beckmann: Ueber atypische Fälle von hämolytisehen Ikterus. 
(D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 130, H. 5 u. 6.) Zwei Fälle von hämo¬ 
lytischem Ikterus atypischer Form mit Fehlen der Resistenzverminderung 
der Erythrozyten. Bei ihnen gelang es, durch Provokation ähnlicher 
Art, wie bei der Malaria, Höhensonnenbestrablung, Milzduschen, Milz¬ 
massage, Röntgenbestrahlung der Milz, die Resistenzverminderung der 
Erythrozyten hervorzurufen. Ein Fall von hämolytischem Ikterus zeigte 
nach j_Milzexstirpation noch geringfügige Anisozytose und Resistenz- 
Verminderung, sonst völlig normale Verhältnisse. HämolytiBohe Sub¬ 
stanzen Hessen sich nicht nach weisen. Zinn. 


R. Beusande und L. Rivet: Syphilis des Magems. (La Presse 
m61., 1919, Nr. 62.) Die Magenlues ist verhältnismässig häufig; sie ge¬ 
hört zur Lues III und tritt aut als gummöse Ulzerat'on, Infiltration und 
Narbe; Fournier fügt nooh eine hyperplastische Infiltration hinzu. Das 
Ulous syphilit. unterscheidet sich im Symptomenbilde — abgesehen von 
den Allgemeinzeichen der Lues — nicht von dem Ulcus peptic. Die 
spezifische Behandlung wirkt vorzüglich. Dies gilt auch für den syphi¬ 
litischen Tumor, dessen lokale Symptomatolsgie dem des Karzinoms 
gleicht. Die hypoplastische spezifische Infiltration verläuft unter cha¬ 
rakteristischer Schrumpfung und Stenosenbildung, die radioskopisch gut 
sichtbar gemacht werden kann. Auch hier bewährte sich in'einem Fall 
mit schweren Erscheinungen die spezifische Therapie sehr gut. 

Krakauer. 

S. Bon di-Wien: Die Lipase im meiscklichea Daodeaalinhalte. 

(Arch. f. Verdauungskrkh., Bd. 24, H. 6.) Der D. S. muss ganz frisch 
sein, da er beim Autbewahren seine Aktivität verliert Die Intensität 
der Fettspaltung ist so stark, dass nötigenfalls auoh Beobachtung bei 
Zimmertemperatur genügt. Aus gleichem Grunde findet während der 
ersten Stunde bereits eine so beträchtliche Fettspaltung statt, dass bei 
eiligen Arbeiten hier die Untersuchung abbrechen kann. Die Ansicht, 
dass die Lipase durch die Leichtigkeit und Sicherheit ihrer Ausführbar¬ 
keit vor den anderen Fermenten den Vorrang verdienen, wird durch die 
Versuche noch mehr gestützt. E. Sohlesinger. 

D. Gerhardt-Würzburg: Ueber die diagnostische Bedeutung der 
Saniie im Mageninhalt. (M.m.W., 1919, Nr. 49.) Anwesenheit von 
Sarzine im Mageninhalt beweist eine Stauung im Magen. Meist handelt 
es sioh - um eine organische Pylorusstenose. Doch wurde sie auch bei 
vorübergehenden Stauungen infolge leichter organischer Störungen mit 
reflektorischem, spastischem Pylorusscbluss oder infolge motorischer In¬ 
suffizienz bei akuter Gastritis gefunden. Im Gegensatz zu der bisherigen 
Annahme kann Sarzine auch ohne freie Salzsäure Vorkommen. 

R. Naumann. 

R. Mandelbaum: Beitrag zur Lehre vom Zustandekommen der 
Albnmlnnrie. (D. Arch. f. klin. M , 1919, Bd. 130, H. 5 u. 6) Die 
Anschauung, dass bei entzündlichen Erkrankungen der Nieren die Nieren- 
epithelien für das Serumeiweiss abnorm durchlässig werden, ist nicht 
haltbar. Das Auftreten von Eiweiss im Urin, die Albuminurie, ist ver 
mutlich in einer Aenderong der aktiven vitalen Zellfunktion der Nieren- 
epithelien zu suchen. Zinn. 

J. Schütz: Ueber funktionelle Störnigen der Haraatmcheidng. 
(W.m.W., 1919, Nr. 44.) Es gibt scheinbar „geheilte“ Nierenkranke, 
die nach Schwinden aller anderen Symptome, bei normalem Blutdruck 
nooh Funktionsstörungen (überschiessender Wasserversuch und ver¬ 
minderte Konzentrationsfähigkeit) aufweisen. Verf. bespricht dann als 
Störung die Harnausscheidung, den Diabetes insipidus und die Polla¬ 
kisurie und Polyurie. Die Störungen können ihre Ursache zum grossen 
Teil auch ausserhalb der Niere haben. G. Eisner. 

J. Weioksel: Pigmeatzellea ia der Niere aad im Uria. (D. Arch. 
f. klin. M., 1919, Bd. 130, H. 3 u. 4.) In dreissig untersuchten Nieren 
von Herzfehlern fand sich Pigment in Gestalt von kleinen Körnchen oder 
kleinen Schollen von goldgelber bis bräunlicher Farbe im Zellprotoplasma 
dicht am Kern der dünnen Henle’sohen Schleifenschenkel (Abnutzungs¬ 
pigment). Im Urin wurden dieselben Pigmentzellen nur in hochgradigen 
Stauungsurinen nach Herzfehlern, bei schweren chronischen Nierenentzün¬ 
dungen und in einem Fall von Leberzirrhose gefunden. Für die Praxis 
haben die Pigmentzellen des Urins verhältnismässig wenig Interesse, da 
ihr Vorhandensein im Urin nicht ausschliesslich für Stauung spricht. 

Zinn. 

F. Jamin-Erlangen: Ueber Zwerekfellneuroseu. (M.m.W., 1919, 
Nr. 49.) Das Zwerchfell ist öfters der Sitz psychogener Empfindungs¬ 
und Bewegungsstörungen, woran sich Brust- und Bauchmuskeln beteiligen 
können. Diese Zwerchfellneurosen können leioht Erkrankungen der 
Brust- und Bauchorgane Vortäuschen. Sie müssen deshalb frühzeitig er¬ 
kannt und psychotherapeutisch behandelt werden. Zur Vorbeugung der 
Zwerchfellneurosen dienen methodische atemgymnastische Uebungen im 
jugendlichen Alter. f R. Neu mann. 

Reichmann: Ueber ein ungewöhnliches Krankheitsbild bei Hypo¬ 
physenadenom. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 130, H. S u. 4.) Zwei 
Fälle mit folgenden Erscheinungen: rotes, gedunsenes Gesicht, das 
bestes Wohlbefinden vortäuscht. Protusio bulbi bei Fehlen aller 
sonstigen Basedowschen Symptome, Bradykardie, Asthenie bei allge¬ 
meiner hochgradiger Abmagerung, Oedeme der Beine, geringe Glykosurie, 
vorzeitige Arteriosklerose, hoher Blutdruok ohne Sohrumpfniere, Osteo¬ 
porose der Wirbelsäule mit stabförmiger Krümmung. Im ersten Falle 
wurde eosinophiles Adenom der Hypophyse gefunden, im zweiten Fall 
deutet die Röntgenaufnahme auf eine Erkrankung dieses Organs hin. 
Als Ursache dieser eigenartigen Krankheit wird eine Funktionsstörung 
mehrerer Drüsen mit innerer Sekretion vermutet und dabei entsprechend 
den Symptomen an die Hypophyse und die Nebenniere im Sinne einer 
Super-, an die Schilddrüse im Sinne einer Subfunktion gedaoht. 

Zinn. 

R. Löwy: Ueber atypische Fleekfiebtrerkrankungen. (W.m.W., 
1919, Nr. 44.) Beschreibung von 4 Fällen mit kurzdauernder Fieber¬ 
periode und relativem Wohlbefinden. Fast kein objektiver somatischer 
Befund und kein Exanthem. Der epidemiologische Zusammenhang und 
die hohe Weil Felix'sohe Reaktion Hessen die Diagnose Fleokfieber sicher 
erscheinen. G. Eisner. 


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29. Dezember 1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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R. »eitler: Wechselnde Parasitenhcfnnde bei Malaria. (W.kl.W., 
1919, Nr. 46.) Besprechung des Dualismus-Unitatsproblems an der Hand 
von 71 reinen Tertiana-, §0 reinen Tropikafällen und 120 gemischten 
Fällen. Glaserfeld. 

G. Waltersdörfer-Berlin: Das Malariarezidiv bei Kriegsteil¬ 
nehmern, epidemiologische und klinische Beobachtungen. (Beitr. z. Klio, 
d. Infekt.-Krkh., 1919, Bd. 8, H. 1 u. 2.)_ Auf der Malariastation des 
Nürnberger Reservelazaretts verhielten sich besonders die in Mazedonien 
erworbenen Infektionen gegen Chinin refraktär.. Die Mortalität der 
1700 beobachteten Fälle betrug 0,58 pCt. Die Gaupttodesursaohen waren 
Dysenterie und Enzephalitis. 

F. A. Harzer-Leipzig: Zur Epidemiologie der Weil’scben Krank¬ 
heit. (Beitr. z. Klin. d. Infekt.-Krkh., 1919, Bd. 8, H. 1 u. 2.) Das Auf¬ 
treten der Krankheit ist abhängig von der Gegenwart weilkranker Ratten, 
die im Krankheitsstadium der Blutinfektion den primären Infektionsherd 
darstellen, und von dem Wirtsweohsel des Rattenflohs, der als Zwischen¬ 
träger in Betraoht kommt. Vermutlich häuften sich im Felde mensch¬ 
liche Weilerkrankungen dort, wo vor allem die Lagerstellen Ratten und 
Flöhen zugänglich waren. F. Glaser. 

Bierich: Heber Skorbut. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 130, 
H. 3 u. 4.) 1343 Fälle von Skorbut liegen der Arbeit zugrunde, beob¬ 
achtet in einer grossen russischen Skorbutstation 1916 und 1917. Beim 
Skorbut handelt es sich um die Reaktion des Organismus auf eine Reihe 
endogener und exogener Schädigungen. Von endogenen kommen schein¬ 
bar in erster Linie Rasse und psychisch-depressive Faktoren in Betraoht, 
während als exogener Faktor eine denaturierte, dadurch qualitativ nioht 
ausreichende Nahrung den ganzen Symptomenkomplex auslöst. Die 
Schädigung trifft scheinbar primär die Kapillaren (Eqdothelien), deren 
normale Struktur duroh das Fehlen eines für ihre spezifische Zellfunktion 
notwendigen N-baltigen Bausteins reversibel geschädigt wird. Die In¬ 
suffizienz der blutbereitenden Organe muss als sekundäre Schädigung 
aufgefasst werden. 

J. L. Noest*. Die Diphtheriefälle der medizinischen Klinik in Bonn 
in den Jahren 1896—1917. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 180, H. 3 u. 4) 
Bericht über 744 Fälle, Gesamtmortalität 4,7 pCt. -Die niedrige Ziffer 
erklärt sich aus dem Fehlen der Fälle mit Kehlkopfstenose, die in der 
chirurgischen -Klinik behandelt wurden. Seit Einführung der Serum 
behandlung hat die Sterblichkeit an Diphtherie wesentlich nachgelassen 
(10,7 pCt. : 4,7 pCt.) 

V. Ho ff mann: Ein Beitrag zur Kenntnis der Osteonrtkropatkio 
hypertrophiante pnenmiqne (P. Marie). (D. Arch. f. klin. M., 1919, 
Bd. 180, H. 6 u. 4.) Als ätiologische Grundursache der osteoartbro- 
patbischen Veränderungen werden hauptsächlich zwei Faktoren diskutiert, 
die Stauung und eine toxische Gewebsalteration. Die Grundkrankheit 
braucht nur sehr wenig in die Erscheinung zu treten. Die sekundäre 
toxigene Osteoarthropathie (bei Bronchiektasen, Empyem,Tuberkulose usw.) 
stellt einen markanten Symptomenkomplex dar. Bei der primären Osteo¬ 
arthropathie handelt es Biob wohl um verschiedenartige Krankheits¬ 
prozesse, die heute noch unter einer Gruppe rubrifiziert werden. 

, Zinn. 

K. Paschkis: Ein Fall von Osteoarthropathie hypertrophiante 

mit maltiplen Tendovaginitiden and akromegalen Symptomen. (Wm.W., 
1919, Nr. 43 u. 44.) Beschreibung und* epi kritische Betrachtungen des 
Falles. Eisner. 

F. Herzog: Schwere chronische Anämie mit atypischem Blut¬ 
befund und ihre Beziehungen zur Biermer’sehen Anämie. (D. Arch. f. 
klin. M., 1919, Bd. ISO, H. 5 u. 6.) Beschreibung zweier Fälle, die 
sich nicht in die gewöhnlichen Gruppen der Anämien einordnen lassen. 

Herrnheiser: Polycythaemia rnbra ?era.^(D. Arch. f. klin. M., 
1919, Bd. ISO, H. 6 u. 6.) Im Gegensatz zu den Polyglobulien liegt 
bei der Polycythaemia rubra vera eine primäre Stöiung jener Apparate 
vor, welche die Erhaltung der normalen Erythrozytenzahl regulieren. 
Die noch nioht bekannte Noxe kann an verschiedenen Stellen dieses 
Apparats angreifen. In den Fällen von H. spricht die Minderwertigkeit 
der Erythrozyten für eine Hemmung der Erythrolyse. 

J. Bauer^und B. Asohner: Studien über die Rosistenzhreite der 
Erythrozyten. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 180, >H. 3 u. 4.) Es 
wird eine einfache Methode zur quantitativen Bestimmung des Hämo- 
lysegrades in der Zone der Resistenzbreite der Erythrozyten angegeben, 
dnroh die eine kurvenmässige Darstellung des Hämolyseabbaues bei den 
verschiedenen Konzentrationen des hämolysierenden Agens ermöglicht 
wird. Zinn. 

Seyderhelra. und Kratzeisen - Strassburg i. E.: Vergleichende 
Untersuchungen über Beeiiflnssing des Blutbildes bei myeloider 
Leukämie durch galvanischen Schwachstrom and Rtintgenstrahlen. 
(Zsohr. f. klin. Med., Bd, 88, H. 3 u. 4.) Vor 5 Jahren hatten Vera- 
guth und Seyderbelm naohgewieseo, dass unter der Einwirkung des 
elektrischen Schwachstroms die myeloiden Leukämien Verminderungen 
der Leukozyten zahl bis 61000 pro Kubikmillimeter erfahren. Die Ver¬ 
fasser haben jetzt an zwei weiteren Fällen von myeloischer Leukämie 
diese eigenartige Wirkung des galvanischen Stromes naehgeprüft und 
in andern Bestrahluogsserien mit der Wirkung der Röntgenstrahlen 
verglichen. Es wurde ein galvanischer Strom von 50—150 M.-A. vom 
Abdomen zum Rücken etwa l f 4 —V* Stunde lang geleitet Es ergaben 
sich unter dieser Einwirkung wie früher erhebliche Herabsetzungen der 
Leukozytenzahl. Doch ist die Wirkung der Röntgenstrahlen von nach¬ 


haltigerer Dauer, obwohl auoh bei der Anwendung des galvanisohen 
Stroms eine Verkleinerung der Milz sich naohweisen liess. 

H. Hirschfeld. 

E. F. Müller-Hamburg: Die myeloische Wirkueg der Milchinjek- 
tion. (Beitr. z. Klin. d. Infekt-Krkh., 1919, Bd. 8, H. 1 u. 2.) Die Leuko¬ 
zytose, wie sie als myeloische Reaktion aktiv vom Knochenmark auf den 
Reiz der Milchinjektion in die Blutbahn geworfen wird, kann als Haupt¬ 
faktor eines immunisierenden Vorganges willkürlich und mit genauer 
Indikationsstellung therapeutisch nutzbar gemacht werden. F. Glaser. 

P. Habetin: Studien über Nuklein wirkueg. II. Nukleininjektionen 
bei Malaria. (W.kl.W., 1919, Nr. 45.) Subkutane Injektionen* von Natr. 
nüoleinicum sind ein zur Aktivierung latenter Malariafälle geeignetes, für 
den Organismus unschädliches Mittel. Aus dem negativen Ausfall des 
Versuches, d. b. aus dem Nichtauftreten einer Fieberreaktion, lässt sich 
aber kein sicherer Schluss auf das Erlosohensein der Infektion bei dem 
Kranken ziehen. Glaserfeld. 

Brösamlen und Sterkel: Der Einfluss von Muskelarbeit auf den 
Blutzuckergehalt. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 130, H. 5 u. 6.) 
Die widersprechenden Angaben über den Einfluss ermüdender Muskel¬ 
arbeit auf den Blutzuokergehalt erklären sioh aus dem verschieden ge¬ 
wählten Zeitpunkt der Blutzuckerbestimmungen. Riesenuntersuohungen 
sind für die Beurteilung unerlässlich. Die Bang’sohe Mikromethode (mit 
100—120 mg Blut) hat sich gut bewährt. Ermüdende Muskelarbeit 
drüokt beim Gesunden den Blutzuckerspiegel herab, beim Diabetiker ist 
Steigerung vorhanden (pathologisch gesteigerte Erregbarkeit der Glyko- 
genolyse). Leichte und schwere Diabetesformen verhalten sioh gleich. 
Diätetische Behandlung hat keinen Einfluss auf die Arbeitet) lutzuoker- 
kurve. Zinn. 

0. Rüdel: Ein sicheres Vorzeichen des Todes. (M.m.W., 1919, 
Nr. 49.) Als sicheres Symptom des innerhalb der näohsten 48 Stunden 
bevorstehenden Todes wird der Leiohengeruch der Ausatmungsluft be¬ 
zeichnet. Fehlt das Zeichen, so soll eine direkte Lebensgefahr für die 
nächsten 6—10 Stunden ausgeschlossen sein. R. Neumann. 

W. Hilde brau dt Freiburg i. B.: Eine Verbosseriuig meines Modells 
zur Erzengnng künstlicher Rasselgeräusche für Lehrzweoke. (D.m.W., 
1919, Nr. 49.) _ Dünner. 

Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Niessf v. Mayendorf - Leipzig: Heber den Urspring nnd Verlauf 
der basnlen Züge des nnteren Längsbündels. (Arob. f. Psyoh., Bd. 61, 
H. 2.) Durch eine Reihe von Durchschnitten, welche in schräg sagittaler 
Richtung so ausgefübrt wurden, dass man vom äusseren vorderen 
Sohläfenlappen zum hinteren inneren Okzipitallappen gelangte, konnte 
Verf. den Ursprung der basalen Züge des unteren Längsbündels in dem 
Spornteil des äusseren Kniehöckers naohweisen^ ihr Verlauf wurde bis 
in die Rinde der Unterlippe der Fissura calcarina verfolgt. 

0. Re hm - Bremen-Ellen: Ueber Körpergewicht nnd Menstruation 
bei nknten and chronischen Psychosen. (Arch. f. Psych., Bd. 61, H. 2.) 
Die Krampfaufälle bei Epilepsie verursachen in der Regel eine Gewichts¬ 
abnahme. Auffallendes Ansteigen des Körpergewichts mit Fettsucht 
wird bei Epilepsie und Dementia praecox beobachtet. Akute Geistes¬ 
störungen zeigen ausgeprägte Wellenbewegung des Körpergewichts, die 
Schwankungen des Körpergewichts beim manisch depressiven Irresein 
gehen parallel mit dem psychomotorischen, nioht dem affektiven Ver¬ 
halten. Die grosse Unabhängigkeit der Körpergewichtsschwankungeu 
vom kiinisohen Verhalten weist auf verhältnismässig selbständig ver¬ 
laufende Störungen (des Stoffwechsels oder der inneren Sekretion) hin. 
Häufig Hoden sioh bei Psychosen Störungen der Menstruation. Bei 
Paralyse fehlt sie in fast der Hälfte der Fälle. Auch bei Dementia 
praecox und beim manisch-depressiven Irresein bleibt sie oft für kürzere 
oder längere Zeit aus. Die Menstruationsstörungen werden mit einer 
Beeinträchtigung der inneren Sekretion in Zusammenhang gebracht. 

A. Münzer. 

G. Speoht - Erlangen: Einige historische und ästhetische Neben¬ 
gedanken über die Erfahrungen mit den psychogenen Krlegsstörnngen. 
(M.m.W., 1919, Nr. 49.) Hinweis auf die AebDliobkeit der falsohen 
sogenannten psychogenen Therapie der Kriegsneurosen mit der Therapie 
vor 100 Jahren. Es folgen Bemerkungen über Psychiatrie und Dicht¬ 
kunst. Die echten, eigentlichen Geisteskrankheiten sind in dichterischer 
Behandlung unmöglich, nur psychogene, emotive Entstehung einer 
Seelenstörong und psychogene Leiden selbst eignen sich für die dich¬ 
terische Darstellung. R. Neumann. 

E. Stern: Pathepsychograpische Untersuchungen. I. Mitteilung. 
Ueber die Notwendigkeit, den Wert und die Methode psychographischer 
Untersuchungen in der Psychopathologie. Psychographisohes Schema. 
(Arch. f. Psyoh., Bd. 61, H. 2.) Um das Wesen des krankhaften 
seelisohen Geschehens riobtig zu erfassen, muss der Untersucher djfc 
kranke Persönlichkeit zergliedern und prüfen, wie sioh die einzelnen 
Anlagen entwickelt haben, wie sie sich in-, an- und übereinander 
ordnen. Dies gesohah bisher von seiten der einzelnen Autoren mit einer 
grossen Willkür. Eine Methode, welche eilen hier zu stellenden An¬ 
forderungen genügt, ist die psychograpbische; ihre Anwendung auf eine 
bestimmte Persönlichkeit wird Psychographie genannt. Hierunter ist zu 
verstehen „die Anwendung derjenigen Methode der Individualitats- 
forsohnng, die von der Mannigfaltigkeit der individuellen Merkmale 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. 52. 


ansgeht, und die von hier aus zur Erkenntnis der Persönlichkeit Vor¬ 
dringen will. Die Untersuchung wird nach einem bestimmten Sohema 
vergenommen, das als Psychogramm bezeichnet wird; ausführliche 
Wiedergabe eines solchen. A. Münzer. 

M. Levy-Suhl - Berlin-Wilmersdorf: Vom Wesen der Hypnose. 
(D.m.W., 1919, Nr. 49.) Verf. zeigt, dass bei Hypnose keine geheim¬ 
nisvollen, übernatürlichen Vorgänge sich abspielen, dass sie vielmehr 
durch uns bekannte seelische Vorgänge und pbychophysische Gesetz¬ 
mässigkeiten verständlich gemacht werden kann. Sie ist eine tief¬ 
greifende psychotherapeutische Methode, die jeder Arzt, der dazu im¬ 
stande, an wenden darf. Dünner. 

S. Galant - Bern-Belp: Algolsgnisehe Triime. (Arch. f. Psych., 
Bd. 61, H. 2.) Die Träume vom Tod geliebter Personen, naher Ver¬ 
wandter, Geschwister oder Eltern sind nach des Verf. Meinung durch 
sexuelle Wünsche bedingt, und zwar sind diese letzteren algolagniscben 
Charakters. Erörterung einzelner Beispiele. A. Münzer. 


Kinderheilkunde. 

L. F. Meyer und A. Japha - Berlin: Ueber den Eiaflnss der Er* 
nähriBg Alf das Blot bei Kindern. (D.m.W., 1919, Nr. 49.) (Referat, 
erstattet im Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin 
am 27. Okt. 1919.) Siehe Gesellschaftsbericht der B.kl.W., 1919, Nr. 48. 

Dünner. 

E. Weill: Behandlung der Intolerans des Säugling« gegen Milch 
direh sabkitane Milehinjektion. (La Presse möd., 1919, Nr. 60.) 
Die Verdauungsstörungen des Säuglings, die weder auf einer Läsion, 
noch auf einer Infektion, nooh auf einer alimentären Intoxikation be¬ 
ruhen, können als Anaphylaxieerscheinung betrachtet werden. Dieser 
kann man duroh eine Art Vakzination, bestehend io subkutaner In¬ 
jektion einer kleinen Menge (5—10 com) der nicht veitragenen Milch 
Vorbeugen. Diese Vakzination ist spezifisch, so dass bei Milohgemischen 
beide Milobsorten eingespritzt werden müssen. Die Wirkung ist dauernd, 
kann aber duroh interkurrente Erkrankung von Säugling und Säugender 
aufgehoben werden. _ Krakauer. 


Chirurgie. 

E. Pflaumer - Erlangen: Prophylaktische Vasektemie bei Geiital- 
taberknlose. (M.m.W., 1919, Nr. 49) Es wird vorgesohlagen, bei Neben¬ 
hodentuberkulose möglichst frühzeitig einen möglichen Ausbreitungsweg, 
den kanalikulären, duroh Resektion des .Samenleiters der erkrankten 
und vielleicht auoh der gesunden Seite auszuscbalten. 

R. Neumann. 

L. Schönbauer: Ueber grosse Herniei, die lange Zeit irrepoaibel 
waren. (W.kl.W., 1919, Nr. 45.) Unter dem Hernien material der 
Eiselsberg’sohen Klinik kamen in den letzten zwei Jahren 14 über¬ 
grosse Hernien zur Operation. Zwei davon kamen ad exitum. Die Todes¬ 
ursache im ersten Fall war beginnende Peritonitis und Zwerohfellhoch- 
stand, der zu einer Kompressionsatelektase der Unterlappen beider 
Lungen geführt hatte; im zweiten Fall führte lediglich der Zwerchfell- 
hoohstand zum Tode. 'Glaserfeld. 

F. Doeder lein - Stuttgart: Beitrag zur Chirurgie des chronischen 
Magen* nnd ZwdlffingerdanngeschwKrs. (M.m.W., 1919, Nr. 49.) Die 
meisten Magengeschwüre erfordern kein chirurgisches Eingreifen, be¬ 
sonders die frisohen Ulzera. Wo die innere Behandlung bezgl. Schmerz- 
und Blutstillung usw. versagt, bringt die Operation meist Heilung oder 
wesentliche Besserung, besonders auoh bei den tief penetrierenden Ul¬ 
zera. Die besten Operationserfolge werden durch die Resektion erzielt; 
die Gastroenterostomie sollte möglichst zugunsten der Resektion ein¬ 
geschränkt werden. 

Hagen - Augsburg: Zur Behandlung der akatca Appendizitis. 
(M.m.W., 1919, Nr. 49.) Es werden folgende Leitsätze, besonders für 
die weniger Geübten, aufgestellt: Möglichst weite Ausdehnung der 
operativen Indikationsstellung in den beiden ersten Tagen. Bei freier 
Peritonitis möglichst baldige und schonende Operation mit oder ohne 
Appendixentfernung, je nach Lage des Falles, und ausgiebiger Drainage 
mit Dreesmannröbren. Bei umschriebenem Abriss stets Eröffnung des¬ 
selben, wenn nicht rasohe Rückbildung in wenigen Tagen erfolgt Dabei 
ist die Wurmentfernung in der Regel zu unterlassen. R. Neu mann. 

H. Wen drin er-Berlin: Ueber Dermoide im Jngalim. (D.m.W., 
1919, Nr. 49.) Bericht über 8 Fälle, die vor der Operation als mediane 
isolierte Kropfknoten angesproohen waren. Dünner. 

H. Deutsch: Ueber Wandbehandlnug. (W.kl.W., 1919, Nr. 48.) 
Verf. tritt, ermutigt durch viele eigene Erfahrungen, für die Bier’sche 
Wundbehandlung mit undurchlässigem Stoff warm ein. Glaserfeld. 

H. Walther - Jena: Die sekindäre Wasddeekusg im Dienste der 
Wiederherstellungschirurgie. (D.m.W., 1919, Nr. 49.) Da in den Narben 
naoh grossen Defekten wieder- neue Wunden auftreten können, empfiehlt 
W. die sekundäre Wunddeckung und weist besonders auf die guten 
Leistungen der Bleiplattennabt hin. Wo zwischen Knochen und Haut 
keine dioken Weiohteilsohiohten sind, muss man zur Deckung durch 
Hautlappen greifen. Günstig für das Anwachsen des Lappens auf der 
Wunde ist die Erzeugung einer Entzündung im Lappen vor der Ueber- 
pflanzung durch Unterschieben von sterilem Mull unter den gelösten 
Lappen und Vernähung des Randes auf 8 Tage. Dünner. 


H. Salzer: Zur Behandlung der HeleaksekKsse. (W.kl.W., 1919, 
Nr. 48.) Bei Schussverletzungen mit verklebtem Ein- und Ausschuss 
Gelenkpunktion und Injektion von 4 ccm Jodtinktur; bei schmierigen 
Schusswunden gründliche Wundexzision, Gelenkeaus&pülung mit Koch¬ 
salzlösung, vollständige Vernähung und Jodtinkturinjektion. Schwerere 
Knochenverletzungen erfordern natürlich zunächst die Entfernung der 
Knochensplitter. Von 40 Gelenks verwundeten wurden 8 primär am¬ 
putiert, die übrigen 37 nach dem angegebenen Verfahren behandelt; 
7 mussten sekundär amputiert werden, und SO konnten mit geheiltem, 
mehr oder minder beweglichem Gelenk entlassen werden. 

Glaserfeld. 


Röntgenologie. 

M. Hirsch-WieiT: Ueber Fremdktfrperartkritis. (W.kLW, 1919, 
Nr. 48.) Bei einer über 20 Jahre an einem kranken Knie leidenden 
Frau wird endlich durch Röntgenuntersuchung ein Nadelfragment im 
Gelenk festgestellt. Trotz der langen Dauer der Krankheit gelingt es, 
in 4 Monaten naoh operativer (relenkseröffnung mit Fremdkörperent- 
fernung das Kniegelenk zur Norm zu bringen. Glaser feld. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

H. Grossfeld: Ueber Oayekodystrophie sack Fleckfieber. (W.kLW., 
1919, Nr. 46.) Im 2. Rekonvaleszentenmonat bemerkt man in der 
Gegend der Lunula einen weisslich gefärbten Querstreifen, dessen proxi¬ 
maler Rand zunächst vom NagelwaU bedeckt ist. Der Streifen ist an 
den einzelnen Kiogern und bei den verschiedenen Kranken verschieden. 
Die halbmondförmige Gestalt der Lunula ist geschwunden. Mit dem 
Wachsen des Nagels rückt der Streifen immer weiter distalwärts. Diese 
Dystrophie beruht auf einer WachBtumsstörung derjenigen N&gelstüekB, 
das während des Fleckfiebers gebildet wird, also zu einer Zeit, wo die 
Blutversorgung der Nagelmatrix infolge der Entzündung der präkapillareo 
Gefasse erheblich stockt. _ Glaserfeld. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

H. Rüge-Berlin: Bedrohliche Eier8tockerkraakBng.be! Parotitis 
epidemica. (M.m.W., 1919, Nr. 49.) Mitteilung eines Falles, wobei es 
im Anschluss an eine Parotitis epidemioa zu einer akuten Erkrankung 
des Eierstocks kam. Diese ging einher mit den Symptomen einer inneren 
Blutung, war also als ein Haematoma ovarii aufsufassen. 

R. Neumann. 


Augenheilkunde. 

Kirsch-Berlin: Ein typischer Fall von ßindekABtsehirie (Bpitarsas). 
(Zschr. f. Aughlk., Bd. 42, H. 1 u. 2.) Wie fast alle bisherigen Patienten 
stammt auch der beschriebene Fall (48 jährige jüdische Handelsfrau) aus 
Osteuropa. Der Fall zeigte weder ao dem reohten noch auch an dem 
mit der Bindebautschürze behafteten linken Auge ausser dieser irgend¬ 
welche noch so geringen Abweichungen von der Norm. Auch für die 
Folgen einer akuten Entzündung, etwa einer Blenorrhoe, ist kein An¬ 
haltspunkt zu finden. Es besteht also kaum ein Grund, an der Natur 
der Bindehautsohürze. als einer angeborenen Missbildung zu zweifeln. 

Lindner: Ueber die Topographie der Bindehantkeime. (Zschr. f. 
Aughlk., Bd. 42, H. 1 u. 2.) Veif. gibt einen Ueberblick über die 
Topographie der Bindehautkeime. Zuerst bespricht er die Konjunktivith- 
erreger, dann die gewöhnlichen Bindehautsaprophyten hinsichtlich ihrer 
Lokalisation. Verf. glaubt, dass mit diesen Studien in gewisser Hinsicht 
eine neue Grundlage für die Bakteiiologie der Bindehaut gewonnen ist 

Bergmeister-Wien: Ueber AugeamBskellähmMigeB iu der früheren 
Sekundärperiode der Syphilis. (Zschr. f. Aaghlk., Bd. 42, H. 1 u. 2.) 
83jähriger Feldwebel im Mai 1918 Lues akquiriert, 5 Wochen im 
Lazarett behandelt. Mitte Juli heftige Kopfschmerzen, Anfang Augurt 
Schielen des linken Auges uud Doppeltsehen. * Mitte September totale 
Abduzenslähmung mit gleichnamigen Doppelbildern, die paoh links stark 
auseinandergehen. Spiegeibefund: Beiderseits Neuritis ofrtioa, links be¬ 
ginnende temporale Abblassung. 

Junius-Bonn: Doppelseitige ErbliadBBg nach Besiehtsertaypsl 
mit seltenem Befund an der Netzhaut. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 42, 
H. 1 u. 2) Es handelt sioh bei einem 30 jährigen Manne um Erblindung 
des linken Auges durch Glaskörperabszess, ferner um Erblindung des 
rechten Auges durch Sehnervensohwund. Ausserdem waren starke Ver¬ 
änderungen der Netzhautmitte naobzuweisen. Schliesslich bestand» 
Reste von Lähmungen des rechten Armes und Beines. Der Zusammen¬ 
hang aller Krankheitsersoheinungen mit dem Gesiohtserisypel ist ein¬ 
wandfrei anzunehmen. Die Erisypelerreger müssen vom Gesicht' in die 
Hirnhaut und beide Augenhöhlen gelangt sein. Was die gutachtliche 
Seite des Falles betrifft, so kann bei der kurzen Inkubationszeit m 
Erisypel eine im Januar 1919 aufgetretene Erkrankung dieser Art nicht 
mehr direkt auf den Kriegsdienst zurüokgeführt werden, der im No¬ 
vember 1918 schloss. 

Tertsoh-Wien: Die Abrosio eonjaBetivae als Heilmittel 4ss 
Trachoms. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 42, H. 1 u. 2.) Die vom Verf. in 
mehr als 2000 Fällen angewandte Behandlungsmethode des Trachoms 
besteht in folgendem: Nach ausgiebigster Anästhesierung wird von der 
traohomatös verdiokten Bindehaut, welohe durch die doppelte Ufa- 


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stülpung mittelst des Demarre dem Operateur zum grössten Teil zugäng¬ 
lich gemacht wurde, alles papilläre oder sulzig verdickte Gevebe in 
sohneidender oder schabender Weise entfernt. Die vorhandenen Körner 
werden womöglich mitentfernt oder, wenn dies nicht möglich ist, werden 
dieselben mittelst .der Expressionsmethode nach Kuhnt oder mittelst 
eines Glasstabes oder auch mittelst des blossen Fingernagels ausgedrückt. 
Die Operationsmethode erzielt eine möglichst vollständige Entfernung 
alles erkrankten Gewebes der Bindehaut, um dadurch meist eine Glättung 
der Konjunktive und dann glatte Verheilung derselben zu erreichen. 

Nasr. Farid Bey: Beitrag zum Verhalten des Visus bei Astigna-' 
tiSMUS. (Zschr. f. Aughlk., Bd. 42, H. 1 u. 2.) Der praktischen Ver¬ 
ordnung von Zylindergläsern ist insofern eine Grenze gezogen, als sich 
Patienten jenseits des 25. Lebensjahres oft nur schwer an die Korrektion 
mit diesen kombinierten Gläsern' gewöhnen, und dass jenseitB des 
40. Lebensjahres eine Anpassung überhaupt oft nicht mehr möglich ist. 
Aus den aufgestellten Tabellen geht hervor, dass sich die myopische 
Komponente in bezug auf die Progression des Leidens wie die einfaohe 
oder Schulmyopie verhält: dass nämlich durch das Tragen der Voll¬ 
korrektionsgläser das Leiden zwar oft nicht aufgebalten, wohl aber der 
Grad der Progression vermindert wird. 

Fuchs-Wien: Ueber die Eotstehung einer reflektorischen Papillen¬ 
starre durch Methylalkoholvergiftang. (Zschr. f ; Aughlk., Bd. 42, 
H. 1 u. 2.) Der 60 jährige Patient zeigt nach überstandener Methyl¬ 
alkoholvergiftung neben einer Optikusatrophie beider Augen eine echte, 
doppelseitige reflektorische Pupillenstarre und Miose, ausserdem eine 
hypästhetisohe Zone in der Mammillargegend, herabgesetzte Sehnen¬ 
reflexe und Druckschmerzhaftigkeit der Muskeln und Nervenstämme. 
Verf. sohliesst sich der Meinung Nonne’s an, dass schwerer chronischer 
Alkoholismus reflektorische Pupillenstarre verursachen kann und glaubt, 
dass im beschriebenen Falle die Methylalkoholvergiftung, die einen 
alten, wenn auch nicht schweren Alkoholiker betraf, die Ursache der 
Miose, reflektorischen Papillenstarre und der Polyneuritis war. 

P. Simon: Refraktion und Kriegsbraachbarkeit. (Zschr. f. Aughlk., 
Bd. 42, H. 1 u. 2.) Nach den Nachfragen und Beobachtungen kommt 
Verf. von dem Standpunkt aus, dass er nur eine Minimalgrenze fest¬ 
legen will, zu folgendem Resultat: ln vorderster Linie können unter 
gewissen Einschränkungen und guten Willen vorausgesetzt, Leute, die 
nicht weniger als ein Drittel Sehschärfe auf dem rechten und ein Viertel 
Sehschärfe auf dem linken Auge haben, Verwendung finden. Leute, die 
weniger Sehschärfe haben, sind nicht mehr in vorderster Linie zu ge¬ 
brauchen, können aber unmittelbar hinter der Front zu Schanzarbeiten 
usw., selbst bei sehr geringer Sehschärfe, mit gutem Erfolge heran- 
gesogen werden. Als Mindestmaass wird ein Sechstel auf beiden Augen 
für Armierungssoldaten festgesetzt. F. Mendel. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

0. Beck: Mehrfache Zerreissang de« Sinns sigmeideas dirch 
8plitterbrieh des Warzenfortsatzeg. (W.kl.W., 1919, Nr. 48.) Inter¬ 
essanter Fall. Zwei Operationen. Heilung. Glaserfeld. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

E. Meder: Ueber einige Fälle von Uebertragnng echter Kakpocken 
aif Meisehea, zugleich ein Beitrag zu den Bindehauterkrankungen dureh 
Kuhpockenstoff. (Veröff. a. d. Geb. d. Med.-Verw., Bd. 9, H. 7 [der ganzen 
Sammlung 99. Heft]) Naoh Angabe einer Reihe von Fällen Mitteilungen 
über drei selbst beobachtete Fälle. Verf. sagt dann, dass die Frage der 
Kubpocken ao Kühen und Menschen und ihrer WeiterzüchtuDg immerhin, 
wie die Literatur zeige, einer exakten Nachprüfung auf breiter Basis 
unter Zusammenarbeit von Menschen- und Tierarzt, Facharzt für Haut¬ 
krankheiten, Bakteriologen und ImpfanstaltsVorsteher and unter aus¬ 
giebiger Verwendung des Kornealversuches beim Kaninohen bedürfe. 
Dabei müssten auch stets genaue Erhebungen, eventl. mit Hülfe der 
Medizinalbeamten, angestellt werden, ob es sich nicht etwa um gelegent¬ 
liche Uebertragung von geimpften Menschen auf das Kuheuter und von 
da aus wieder rückwärts auf die Hände der Melker handele. Erwünscht 
wäre auoh, festzustellen, ob* tatsächlich die Kuhpocken bei den Kühen 
nur kurzzeitige Immunität hervorrufen, die schon naoh Vz—1 Jahr ein 
"Wiedererkranken ermöglicht. Schnütgen. 

A. Pfeiffer-Breslau: Erfahrungen bei der Fleekfieherbekämpfnng. 
(Beitr. z. Klin. d. Infekt.-Krkh., 1919, Bd. 8, H. 1 u. 2.) Gute Beschrei¬ 
bung des Betriebes eines Flecktyphuslazarettes, der Wohnungsdesinfek¬ 
tionen, der Reinigung der Erkrankten und Ansteeküngsverdäcbtigen mit 
besonderer Hervorhebung der mitigierten Formen, die als Virusträger — 
ohne selbst erhebliche Krankheitserscheinungen zu bieten — die Seuohe 
verbreiten können. F. Glaser. 

Jabreiss-Augsburg: Die Kriegskinder 1918 and 1919. (M.m.W., 
1919, Nr. 49.) Entgegen der Veröffentlichung aus der Döderlein’schen 
Klinik, wonach das Gewicht und der Kopfumfang der Neugeboren vom 
•Jahre 1917 gegenüber denen aus den ersten Kriegsjahren nm 8 Prozent 
znrüokgegangen sei, fand der Verf. bei 405 Geburten des Jahres 1919 
vollständig normale Zahlen bezüglich Gewicht, Länge und Kopfumfang 
der Neugeborenen. Vergleiohende Untersuchungen über die Stillfähigkeit 
der Frauen und die Erreichung des Anfangsgewichtes des Neugeborenen 
aus -den Jahren 1918 und 1919. gegenüber 1918 ergaben, dass der 


Prozentsatz der stillenden Mütter 1918 den von 1918 übertraf, während 
er 1919 geringer war. Das gleiche war für den Zeitpunkt der Erreichung 
des Anfangsgewichtes zu konstatieren. R. Neumann. 

A. Mallwitz-Berlin: Jugendpflege dnreh Leibesübungen (Turnen, 
Sport und Wandern) vom faohärztliohen Standpunkte. (Veröff. a. d. Geb. 
d. Med.-Verw., Bd. 9, H. 8 [der ganzen Sammlung 100. Heft].) Das vor¬ 
liegende Buch ist geschrieben zur Förderung aller auf eine erhöhte Pflege 
der Körperkultur, namentlich der heranwaohsenden Jugend, gerichteten 
Bestrebungen. Es bildet einen Beitrag zum Betreiben der Jugendkultur 
unter Ausnutzung früherer Erfahrungen und unter Aufstellung einer 
echten Konstitutionslehre. Hauptforderung ist Jugendpflege durch Leibes¬ 
übungen — für Knaben und Mädchen. Gediegene Körperkultur muss 
zur Lebensgewohnheit werden. Es ist namentlich hinsiohtlfob der Er¬ 
gebnisse des Wehrturnens einer neuzeitlichen Denkungsweise biologischer 
Art Raum und RiohtuDg gegeben. Die Arbeit stellt nach Verf.’s Angabe 
erst den Anfang zu einer logischen Folge anderer Arbeiten dar. Be¬ 
sprochen werden: Schule und Jugend (die Schulzeit, „zwischen 14 u. 18*, 
die höhere Schule, Universität und Hochschule, die verschiedenen Rich¬ 
tungen der Jugendpflege durch Körperübungen), ferner Heer und Jugend 
(Gesundheitsstatistik, Heeresersatz und Wehrfähigkeit, faobärztliohe 
Stellungnahme zu den Ergebnissen der Eckardt’schen Umfrage über 
die militärische Vorbereitung der Jugend, Wehrturnen und Reiohsjugend- 
gesetz, die Ergebnisse der Wettkämpfe im Wehrturnen 1917), endlich 
Jugendämter (Wohlfahrt, Fürsorge, Jugendpflege, Aufgaben und Arbeits¬ 
ziele, städtische Jugendämter, Kreisjugendämter, bundesstaatliche Landea- 
ämter, Reicbsjugendamt, der Arbeitsgeist im Jugendamt). In einem 
Anhang folgen sporthygienische Lebensregeln, 'sportärztlicher Fragebogen 
und Angaben über eine Zählkarte. Schnütgen. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 18. Oktober 1919. 

Vorsitzender: Herr Liepmann. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

1. Hr. Förster: Zar Frage der sogenannten Affektrerbltidnng. 

Vortr. stellt eine Pat. vor, bei der infolge einer langsam sich ent¬ 
wickelnden Hebephrenie eine ausgesprochene Affektverblödung vorliegt. 
Die gebildete Dame, deren Ehe getrennt werden soll wegen Geistes¬ 
krankheit, und die sagt, sie liebe ihre Kinder, zeigt keinerlei Affekt, 
wenn besprochen wird, dass ihr die Kinder genommen werden sollen. 
Vortr. glaubt an diesem Fall zeigen zu können, dass sich die kompli¬ 
zierten Affekte aus Vorstellungen zusammensetzen. Weil die Pat. mit 
ihren Kindern keine Vorstellungsreihen verknüpfen kann, wie das die 
normale Mutter tun würde, fehlt der normale Affekt. Sie weiss zwar, 
dass sie ihre Kinder lieb haben muss, und sagt es also. Aber das 
wirkliche Liebhaben setzt sich zusammen aus einer ausserordentlich 
grossen Reihe von Erinnerungen an persönliche Erfahrungen und Erleb¬ 
nisse. Die normale Mutter hat an jeder Bewegung, an jedem KleidangB- 
stück, an jedem Wort ihrer Kinder usw. eine Erinnerung an persönliche 
Erlebnisse mit den Kindern, die alle geweckt werden, und die sie nicht 
alle in Worte fassen kann — diese bedingen die normale Liebe der 
Mutter. So setzen sich auch die anderen Affekte, wie Heimatliebe, Liebe 
zur Kunst, zur Wissenschaft, aus sehr vielen Vorstellungen, die alle ans 
persöoliehen Erlebnissen und Erfahrungen gewonnen sind, zusammen. 
Deshalb sind die Affekte auoh echt, sie spiegeln die Persönlichkeit 
wieder, da sie alle Erlebnisse der „Antopsyche* sind. Sie sind aber 
nicht prinzipiell zu trennen von den andern Vorstellungen. Wenn 
Bleuler sagt, Misstrauen sei kein eigentlicher Affekt, denn, nehme man 
den intellektuellen Vorgang weg, so bleibe kein einheitlicher Affekt, den 
man als Misstrauen bezeichnen könne, so gilt das gleiche für alle 
Affekte. Als eioziges, was überbleibe, wenn man alle „intellektuellen* 
Vorstellungen wegnimmt, bleibt die Sobmerxempfindung oder die Erinne¬ 
rung an Schmerzempfindurg. Dies ist beim Misstrauen .sehr deutlich, 
es bleibt die Angst, die Furcht vor persönlicher Gefahr, die Furcht vor, 
die Erinnerung an Schmerz. Auf diese Erinnerung lassen Bich alle 
Affekte zurüokführen. Die grossen Affekte setzen sich aus sehr viel Vor¬ 
stellungen zusammen — aus grossen Assoziationskomplexen. Natürlich 
kann man diese tiefen grossen Affekte nioht ohne weiteres vergleichen 
mit den einfachen Gefühlen, den Triebaffekten, diese sind viel einfacher.— 
Ein zweijähriges Kind, ein Epileptiker im Dämmerzustände kann das Bild 
des heftigsten Affektes zeigen. In einem solchen Falle haben wir keinen 
Grund, grosse VoistelluDgskompIexe anzunehmen: es bandelt sich dann 
auch nur um die einfachsten, der Schmerzempfindung naheliegenden Er¬ 
innerungsbilder: Vorstellungen von Hungern, von Verbranntwerden, von 
Gepeinigtwerden nsw. Ist die Sohmerzvorstellung sehr lebhaft, sind 
hemmende Vorstellungen nicht vorhanden, so entladen siob diese Gefühle 
sehr heftig. Es ist dies dann aber etwas anderes als die tiefen grossen 
Affekte — obwohl auch hier nur die Erinnerungsbilder an den Schmerz- 
sino, nur auf viel komplizierterem Wege, den Aflekt bedingen —. 
Bleuler hat demnach Unrecht, wenn er die Affektspannuug als etwas 
prinzipiell anderes von seiner „Schaltspannung* abtrennt. Die A-.-t- 
verblöduog bei der Hebephrenie ist die Folge des Ausfalles tv_ , 


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Stellungen. Infolge der guten Herkfähigkeit wissen die Pat. noch sehr 
viel Angelerntes, da aber eigene persönliche Beobachtungen und Er¬ 
innerungen fehlen, ist das Wiseen ohne die kompilierten Affekte, und 
es scheinen deshalb die höheren Affekte (als etwas eigenes) zu fehlen, 
obwohl das Fehlen der Affekte nur den Mangel an eigenem Vor¬ 
stellungsinhalt demonstriert. (Eigenbericht.) 

Aussprache. 

Hr. Paul Bernhardt hält den vorgestellten Fall und die anderen 
von Herrn Förster beigebrachten Beispiele nicht für geeignet, eine 
Gefühlstheorie zu begründen, die auf den Rationalismus des 18. Jahr¬ 
hunderts hinauskomme und gleichermaassen den klinischen Erfahrungen 
wie der philosophischen und biologischen Weltanschauung der Gegen¬ 
wart widerspreche. Man ist durch die überwältigende Fülle der Tat¬ 
sache gezwungen, den Primat des Gefühls anzuerkennen. Alles drängt 
zur Abkehr von den vertretenen assoziationspsyohologischen Anschau¬ 
ungen und zur Anerkennung des apperzeptioniatischen oder volunta- 
ristischen Prinzips. Selbst Wundt’s Nachweis der 3 polaren Q lalitäts- 
paare in jedem Gefühl geht auf eine verstandesroässige Einteilung und 
wird den letzten, nicht weiter auflösbaren -Qualitäten der Gefühle nicht 
gerecht. Im einzelnen wird eingewandt: Die Gefühlsverödung in dem 
vorgestellten Falle von Dementia praecox hätte mindestens verlangt, 
dass Herr Förster sich mit der Frage der Sperrungen auseinandersetzte 
und dem zu anderen Zeiten erfolgten Durchbruch der angeblich fehlen¬ 
den Assoziationen. Misstrauen ist kein Affekt, sondern ein Komplex von 
Vorstellungen mit einem primären Affekt, nämlich dem der Angst. In 
der Heimatliebe steckt allerorten ein Suffizienzgefübl. Selbstmord 
kann das Ergebnis eines Rechenexempels sein, wie es — vergröbert 
von mir ausgedrückt — der Herr Vortr. darstellte, öfter ist er das nur 
scheinbar, und in Wirklichkeit unbewusstes Gefühl der Insuffizienz gleich 
letzte Negierung des inneren Lebenswillens (Selbstmörderfamilien usw.), 
die beiden Kunstkenner oder Philologen, von denen Herr F. sprach, ver¬ 
ständigen sich nicht so schnell durch ihr Wissen, sondern durch die 
Einfühlung; hier gerade liegen Unterschiede zwischen Schulfüchsen und 
feinsinnigen Liebhabern. (Eigenbericht). 

Hr. Liepmann: Die grosse Uebereinstimmung, mit der die meisten 
Psychologen und Psychiater Gefühle von Empfindungen und Vorstellungen 
grundsätzlich unterscheiden, muss ihre Wurzel in einem tatsächlich 
differentiellen Erleben haben. Die vorgestellte Kranke beweist nur, dass 
neben grosser Gefühlsarmut eine grosse Dürftigkeit der assoziativen 
Bewegung bestehen kann, nicht dass letztere erstere restlos verursacht. 
Die Möglichkeit, dass umgekehrt die Affektlosigkeit den Assoziations¬ 
mangel ganz oder teilweise verursacht, hat F. gar nicht in Erwägung ge¬ 
zogen, obgleich doch Mangel an Interesse die assoziativen Vorgänge her- 
absetzt. Dass an dem Entstehen und Ablauf der Affekte Vorstellungen 
wesentlich beteiligt sind, dass Vorstellungen in das Kompositum Affekt 
eingehen, wird kaum von einer Seite bestritten, wohl aber, dass der 
Affekt sich restlos in Vorstellungen auflÖsen lässt. Der Zustand des 
Melancholischen lässt sich durch irgendwelche Vorstellungen allein nicht 
kennzeichnen. Das Gefühl des tiefen Grames oder ähnliches ist das 
Wesentliche. F. wendet bei seiner Zergliederung der Seelenzustände 
ein Sieb an, durch die Gefühlselemente durcbfallen; er fängt nur die 
Vorstellungselemente auf. Indem er andererseits bei seiner Patientin 
von „Interesse" von „gern haben" spricht, führt er selbst implizite ein 
nicht reduzierbares Gefühlsmoment ein. Mag man F.’s Annahme, alle 
Unlust sei Erregung von Schmerznerven oder Erinnerung an Sohmerz- 
•mpfindung einmal hinnebmen. Die Auffassung aller Lust als blosses 
Schwinden von Sohme^z oder Erinnerung daran, ist unannehmbar, ob¬ 
gleich ein so tiefer Denker wie Schopenhauer dieselbe Lehre auf¬ 
gestellt bat. (Eigenbericht). 

Hr. Förster (Schlusswort) betont, dass er ja gerade beweisen 
wollte, dass Vorstellungen und Affekte innig Hand in Hand gehen. Er 
hält an seiner Auffassung fest, für deren Richtigkeit auch spräche, dass 
sie im Gegensatz zu den alten Anschauungen, die Vorgänge wesentlich 
einfacher gestaltet. Was ihm entgegen gehalten sei, sei ja auch kein 
Beweis, sondern nur die Behauptung der Richtigkeit der alten An¬ 
schauungen. 

2. Hr. I. Lewin: Nene Wege «nd Ziele der Psychopathologie 
mit besonderer Beriieksichtigaag der Hysterie aad Dementia praeeox. 

(Der Vortrag musste nach der ersten Hälfte abgebrochen werden, 
Bericht erfolgt zusammen mit der zweiten Hälfte des Vortrages in der 
nächsten Sitzung.) 


Verein für innere Hedisin and Kinderheilkunde an Berlin. 

Sitzung vom 8. November 1919. 

1 . Aussprache über den Vortrag des Herrn Magnus Lery: Der 
Diabetes im Kriege. 

Hr. M. Hirschberg berichtet über statistische Feststellungen be¬ 
züglich des Diabetes im Kriege, die in der Zentrale für Krankenernäbrung 
auf Grund der Lebensmittelatteste gemacht werden konnten. Von ur¬ 
sprünglich 3251 Diabetikern sind schliesslich nur noch 1400 in den 
Listen der Krankenernährung geblieben. Die Erkrankungen an Tuber¬ 
kulose und Verdauungsstörungen haben im Laufe des Krieges stark zu¬ 
genommen. 

Hr. F. Hirschfeld führt die Abnahme des Diabetes auf die ganze 
Unterernährung zurüok, nicht auf das Fehlen einer besonderen Nahrungs¬ 
art allein. Dafür spreohen Beobachtungen an gallenstein- und krebs¬ 


kranken Diabetikern, bei denen sich mit der Zunahme der Kachexie die 
Symptome der Zuckerkrankheit besserten. Ausser dem Koma ist auch 
der Star seltener geworden. 

Hr. Umber sieht auoh in der niedrigen Kalorienzufuhr die Ursache 
für die Besserung des Diabetes im Kriege. Das Koma ist nioht seltener 
geworden. Bemerkenswert ist, dass selbst schwerste Kriegstraumeo 
keinen Diabetes aufgelöst haben. 

Hr. P. F. Richter macht darauf aufmerksam, dass das statistisch 
nachgewiesene Zurückgeben des Diabetes im Kriege zum TeH auoh auf 
das Fernbleiben der russisch poluisch-galizischen Patienten surück- 
zuführen ist. Trotz Besseruog der Kohlebydrattoleranz ist die Hyper¬ 
glykämie nicht zurückgegangen. 

Hr. Plehn hält den Unterschied im Diabetes des Erwachsenen und 
dem des Jugendlichen nur für einen quantitativen. Die Unterernährung 
muss also in beiden Fällen zweckmässig sein. 

Hr. His glaubt, dass die Erfahrungen des Krieges gelehrt haben, 
dass es keinen traumatischen Diabetes gibt. Aehnlich steht es mit der 
Phthisis traumatica trotz der vielen Brustsohüsse, und dem Karzinom 
trotz der vielen stumpfen Gewalteinwirkungen. 

Hr. Umber bestätigt das Bestebenbleiben der Hyperglykämie trotz 
erhöhter Toleranz. Der traumatische Diabetes, besonders nach Pankreas- 
verletzungen, lässt sich nicht ableugnen. 

Hr. Kraus betont, dass in der Unfallheilkunde das Trauma nur 
als das auslösende Moment des Diabetes bei vorhandener Disposition 
anzusehen ist Zerebrale Traumen können Glykosurie erzeugen. 

Hr. His bestreitet nur eine traumatische Entstehung des Diabetes, 
gibt aber zu, dass Traumen Verschlimmerung hervorrafen können. 

Hr. BoDgert verweist auf den zerebralen Diabetes bei Akromegalie. 

Hr. F. Hirschfeld möchte den traumatischen Diabetes bei Pankreas¬ 
verletzungen anerkennen. 

Hr. Magnus-Levy: Schlusswort. — 

2. HHr. A. Wolff- Eigner und L. Zahler: Beitrag inr traiMstiaekea 
Tnberkiloee. 

Vortr. verweist auf die Bedeutung nicht Teohtsanhängiger Fälle von 
traumatischer Tuberkulose, um eine Klärung vieler noch ungelöster 
Fragen herbeizuführen. Das Material stammt aus der Prinzregent Luit¬ 
pold-Heilstätte im Allgäu. W. benutzt die Gelegenheit, anf diese bau¬ 
lich und. klimatisch bocbbedeutsame Anstalt die Aufmerksamkeit zu 
lenken. 

Zum eigentlichen Thema übergehend, betont er, dass bei der Be¬ 
gutachtung traumatischer Tuberkulosefälle bis jetzt üblicherweise die 
verschiedensten Gründe gegen den Zusammenhang einer tuberkulöseo 
Erkrankung mit einem Trauma angeführt werden. Das Trauma wird 
teils als zu leioht, trotz Thiem’s entgegenstebender Stellungnahme, die 
Zeit zwischen Trauma und Tuberkuloseausbruoh, teils als zu lang, teils 
als zu kurz begutachtet und vor allem geleugnet, dass durch ein nicht 
penetrierendes Trauma Tuberkelbazillen an die Stelle der tuberkulösen 
Infektion gebracht sein können. Vortr. führen eine Reibe von Fällen 
an, die ihnen beweisen, dass eine Fussverstauohung direkt in Sehnen- 
soheidentuberkulose übergehen kann, dass sie sich in alten Fraktur- 
stellen nach erneutem Trauma lokalisieren kann, und dass besonders 
Hodentuberkulose bei klinisch vollkommen Gesunden Dach Trauma aof- 
treten kann und dass dabei die Gonorrhoe als Schrittmacher zu funktio¬ 
nieren scheint, was besonders die Gynäkologen beim Zustandekommen 
der weiblichen Genitaltubeikulose beachten sollten. In den vorgetragenen 
Fällen war der Beginn der Tuberkulose ein bo akuter, dass Fehldiagnosen 
im Anfang um so leichter zustande kommen, als die Infektion von Gono¬ 
kokkenvakzine (Arthigen) häufig positive Reaktionen ergibt. In Analogie 
zu dieser Schwierigkeit der Abgrenzung der gonorrhoischen Epididymitis 
von der tuberkulösen Hodenerkrankung steht die Schwierigkeit der Ab 
grenzung der chronischen Osteomyelitis, die in angeführten Fällen trotz 
mehrjähriger Beobachtung Autoritäten, wie z. B. Kollier, nioht mit 
absoluter Sicherheit gelungen ist. 


Sitzung vom 17. November 1919. 

Tagesordnung. 

1. Aissprache za dem Vertrage der Herren A. Welf-Einer ud 
L. Zakaer: Eia Beitrag znr traamatischea Taberkaiese. 

Hr. A. Mayer: Der Zusammenhang zwischen dem Trauma und der 
Tuberkulose wird auch hier nicht geklärt. Die bisher angestellten 
Versuche haben in dieser Beziehung versagt, und man wird zur Er¬ 
klärung auf die Immunitätsverbältnisse Rücksicht nehmen müssen, ln 
seinen Versuchen war die Tuberkulingiftempfindlichkeit nicht verändert, 
aber er glaubt feststellen zu können, dass Traumen den Effekt einer 
Verimpfung mit Kaltblütertuberkelbasillen aufhebeD, soweit sonst durch 
die Vorbehandlung eine Abweichung im Verlauf der Tuberkulose. be¬ 
dingt wird. 

Hr. Fürbringer bespricht die Richtlinien für die Begutachtung 
der traumatischen Hodentuberkulose (Ansiedelung der Bazillen am Ort 
der Quetschung, Aktivierung latenter Herde) und verweist bezüglich der 
schwierigen Beurteilung „ der Beziehungen der Unfalltuberkulose des 
Hodens zu den gleichartigen Erkrankungen anderer Organe auf ein voaf 
ihm im ReiohsversicheruDgsamt erstattetes, in der Festschrift Orth aus¬ 
führlich behandeltes Obergutaohten J ). Schon vor der Kastration hatte 
der Harn zeitweise Blot enthalten und Gesundheit der Lungen fest- 

1) Siehe die Besprechung von Posaer, B.H.W., 1918, 8. 882. 


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20. Desember 1919. 


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gestellt werden können. Eine Erkrankung des surüokgebliebenen Hodens 
war nicht offenkundig. Alles sprach für die so häufige und oft genug 
längere Frist syraptomenlos verlaufende primäre (nicht sekundär urogene) 
Nierentuberkulose. Die „Möglichkeit“ eines Transports der Tuberkel- 
bazillen aus den Hoden durch die Lymphgefässe muss zugegeben werden; 
aber die Unfallgesetzgebung verlangt zur Anerkennung der Entschädigungs- 
pfiioht die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs. 

Hr. Wolff-Eisner:.Schlusswort. 

2. Hr. Rafttonberg: Neues über Leberphotographie. (Mit Demon¬ 
strationen.) 

Der Vortr. hat Seine Methode» Luft 'in den Peritonealraum ein- 
suführen (das sogenannte Pneumoperitoneum), weiter angewendet und 
ausgebildet. Die Lufteinführung geschieht mit abgestumpfter Nadel. Das 
Verfahren ist natürlich nur mit strenger Indikationsstellung anzuwenden. 
Die Möglichkeiten der Diagnostik der Leberkrankheiten werden dadurch 
ausserordentlich erweitert. Vortr. demonstriert dies an einer grossen 
Reihe von Röntgenogrammen, welche Echinokokken der Leber, örtliche 
Verdichtungen, - strichförmige Defektzeichnungen der Leber (Schnür- 
furchen), Adhäsionen am Zwerchfell, Leberlues mit narbigen Verände¬ 
rungen und die schwierige Diagnose einer mit Karzinom komplizierten 
Leberzirrhose zum Gegenstand haben. 

Aussprache. 

Hr. Levy-Dorn hat die Methode beim Vortragenden sich demon¬ 
strieren lassen und dann angewendet. Er betont, dass Schädigungen 
oder Belästigungen nicht aufgetreten sind, rät jedoch von ambulanter 
Vornahme ab. 

Hr. Schütze betont, dass durch das Pneumoperitoneum die Gallen¬ 
steindiagnose nicht verbessert wird und demonstriert Aufnahmen von 
Gallensteinen. 

Hr. Rautenberg (Schlusswort): Die subjektiven Beschwerden naoh 
dem Pneumoperitoneum sind sehr verschiedene. Unter Umständen kann 
man durch geschickte Lagerung mit sehr geringen Luftmengen aus- 
kommen; sfehr häufig führt er die Röntgenuntersuchung erst einige Tage 
naoh der Lufteinführung aus. H. Hirsohfeld. 


Naturhistorisch-medizinischer Verein zu Heidelberg. 

Sitzung vom 14. Oktober 1919. 

1 . Hr. Willmaiifts: Nachrnf aaf Franz Nissl. 

2. Hr. Norro: Ueber den Frühlingsgipfel der Tetanie. 

Es besteht eine auffallende Abhängigkeit in dem Auftreten mani¬ 
fester Tetanie von der Jahreszeit: Freibleiben des Sommers, sanfter An¬ 
stieg im Herbst, steiler Höhepunkt im März (Frühlingsgipfel). DtefJchä- 
digungen winterlicher Eingeschlossenbeit und die fieberhaften Erkrankungen 
allein können vor allem den eruptiven Charakter der Frühlingskurve 
nicht erklären. Innerhalb der kritischen Jahreszeit sind es scharf be¬ 
grenzte Perioden von kurzer Dauer, die in der Ambulanz . wie in der 
Anstalt gehäuftes Auftreten der manifesten Tetanie zeigen, und zwar 
sind es die sonnenreiohen Tage des Vorfrühlings und die ersten warmen 
Frühlingstage. Meteorologische Beobachtungen der Universitätssternwarte 
zeigten, dass gerade in den „Tetanie wochen“ ein Gipfel der Sonnen¬ 
scheinzeit und der Temperatur festzustellen war. Die „klimatische 
Kurve“ kann als Parallele zu der „Tetaniekurve“ angesehen werden. 
Mit Rücksicht auf die heutige Auffassung von dem Wesen der Tetanie 
liegt es nahe, anzunehmen, dass die innersekretorischen Vorgänge 
im Körper überhaupt wesentlich durch das Klima beeinflusst 
werden. „Der Frühling ist die Zeit der inneren Sekretion.“ Gründ¬ 
liche Studien und Untersuchungen auf diesem noch unersohlossenen Ge¬ 
biet sind dringend nötig. 

3. Hr. Willmaans: Ueber den Frtthlingsgipfel der geistigen Er¬ 
krankungen. 

An Hand zahlreicher Kurven zeigt der Vortr., dass die ehelichen 
und aussereheliohen Schwängerungen, ebenso wie die Affektvergehen in 
den Frühlings- und Sommermonaten eine Zunahme aufweisen, und er 
führt diese Tatsache auf eine gesteigerte (geschlechtliche wie allgemeine) 
Erregbarkeit der Menschen in dieser Jahreszeit zurück. Statistische 
Untersuchungen an hiesiger psychiatrischer Klinik zeigen in den Monaten 
Mai—Juli eine Häufung der~Aufnahmen in die Irrenanstalt, die auBser 
auf anderen sozialen Gründen auf einem gesteigerten Ausbruch der Psy¬ 
chosen beruht. Da diese Steigerung besonders durch Jugendliche (15 bis 
30 Jahre) bedingt ist, dürfte es sich hauptsächlich um den gesteigerten 
Ausbruch des manisch-depressiven Irreseins und der Dementia praeooz 
in diesen Monaten handeln. Angenommen, dass diese Krankheiten auf 
Störung der „inneren Sekretion“ beruhen, so liegt in der Steigerung der 
„inneren Sekretion“ im Frühjahr der Grund des gesteigerten Ausbruches 
dieser Psychosen. Vortr. sieht in der erhöhten Erregbarkeit der Menschen 
die Folgen einer latenten Brunstzeit. Klimatische Einflüsse wirken 
nur indirekt, indem sie die Brunst bestimhien. 

Aussprache. 

Hr. Wenz weist auf eine vermehrte kosmische elektrische Zu- 
Strahlung im Frühjahr hin. 

Hr. Bettmann: Unter den Hautkrankheiten gibt es zahlreiche 
„Dermatosen ä type saisonniers“, darunter auch solche, die auf Störung 
der „inneren Sekretion“ beruhen. Auch Zunahme des Haar- und Nagel- 
waobstuma im Frühling. 


Hr. Freund: Auch experimentelle Untersuchungen (z. B. über das 
Fieber usw.) maohen wahrscheinlich, dass die periodischen Schwankungen 
der nervösen Erregbarkeit ihre Ursache in einer solchen der „inneren 
Sekretion“ haben; auoh Steigerung im Frühling. 

Hr. Freuden borg: Im März fiodet eine Beschleunigung des 
Wachstums statt; dieser Wachstumsreiz trifft auf die im Winter vorbe¬ 
reitete „rachitische“ Stoff weohselstörung und führt zum Manifest werden 
der Tetanie, wohl infolge Abwanderung von Kalzium aus dem Gehirn 
nach dem wachsenden Skelett. Klimatische Momente wirken auf das 
Wachstum und dadurch indirekt auf die Tetanie. 

Hr. Hellpach: Untersuchungen über die Jahresschwankungen der 
geistigen und körperlichen Leistungen der Sohulkinder lassen eine Stei¬ 
gerung des Triebhaften und eine Hemmung der höheren Psyohe im Früh¬ 
ling erkennen. V. Hoffmann-Heidelberg. 


Medizinische Gesellschaft zu Güttingen. 

Sitzung vom 19. Juni 1919. 

1 . Hr. Fischer berichtet in seinem Vortrag „Medizinisches i» China“ 
über seine während 6 Jahren angestellten Erfahrungen über die Er¬ 
krankungen im Osten. Im Vordergrund stehen die verschiedensten 
Darmkrankbeiten, am häufigsten die Amöbenruhr, die besonders duroh 
Sekundärinfektion mit Tuberkulose, Typhus und Pyoceaneus gefährlich 
ist. Ferner die „Spone“, durch Hefepilze hervorgerufen, klinisch mit 
Anämie und Atrophien, pathologisch-anatomisch mit Entzündungen im 
Pankreas einhergehend. Sehr häufig sind die parasitären Erkrankungen, 
darunter die Clonorohis sinensis, durch den Genuss von rohem Fisoh 
hervorgerufen, mit Leberzirrhose, ferner auoh die Kala Azar. Sehr ver¬ 
breitet sind groteske Tumoren, in erster Linie Misohgeschwülste der 
Parotis, die eine ungeheure Grösse erreichen können, aber nicht als 
Schönheitsfehler betrachtet und nicht operiert werden und daher nioht 
zur Sektion kommen. Von Tiererkrankungen erwähnt Vortr. die Babesiose, 
den Hundeikterus mit Anämien unter dem Blutbild der Leukämie. 

2 . Hr. Henbfter: Experimentelles und Theoretisches zur In- 
hftlation8thertpie. 

Durch eingehende Versuche mit Milch, Farbstoffkörnchen usw. ist 
festgestellt worden, dass die Resorptionsfähigkeit der Bronchlalsohieim- 
haut eine sehr grosse und schnelle ist. Die Substanz dringt bis tief in 
den Alveolarbaum, lagert sioh in den Septen und Lymphspalten 
ab und erzeugt dort eine hohe Konzentration der Mittel, die abhängig 
ist von der Art der Zerstäubung. 

Bei der Dosierung ist Wert za legen auf eine hohe Konzentration, 
Kalk wird z. B. in 40—50proz. Lösung empfohlen. Für die Dosierung 
wichtig ist ferner die Tatsache, dass der Niederschlag nioht abhängig 
ist von der Krümmung der Wege, wohl aber von der Verengerung. Da 
die Mundschleimhaut nur geringe Resorptionskraft hat, passiert 90 pCt. 
der Substanz die Glottis, und der Verlust ist nur auf Vi bis */b ver- 
anschlagen. 

Zur praktischen Verwendung empfiehlt Vortr. die Inhalations- 
tberapie besonders bei Stenosen und beim Asthma. 


Sitzung vom 10. Juli 1919. 

Demonstrationen. 

Hr. Lehmann: Patienten mit Faszienplastiken bei Schädeldefekten 
und Bauchnarben. Bei Akzessoriusiähmung konnten durch Fixation des 
Schulterblattes an die Wirbelsäule mit Hilfe von Faszienstreifen gute 
Erfolge erzielt werden, bei. habitueller Schulterluxation durch Raffung 
der Kapsel mit Verstärkung durch Faszienstreifen. Sohliesslich wurden 
Faszien streifen provisorisch zur Nervennaht benutzt zur Ueberbrückung 
grösserer Defekte mit nachfolgender Nervendehnung, bis. eine direkte 
Nervennaht ermöglicht war. 

Hr. Fraas: Eine Elongatio ntori von 22 cm nach Ventriflxür und 
Adenombildung in der Bauchnarbe. 

.Hr. Schmidt: Einen Epileptiker mit Adenoma sebaeeam, wahr¬ 
scheinlich ins Gebiet der tuberösen Sklerose gehörig. 

Hr. Wiftdaas: Dass Cholesterin and Chols&nre, die im tierischen 
Organismus die Vertreter einer sehr eigenartigen Stoffklasse darstellen, 
nahe chemisohe und paretische Beziehungen zueinander besitzen, ist 
schon seit langer Zeit vermutet worden. Nunmehr ist auoh der Beweis 
für die enge Verwandtschaft geglückt, da beide in ein und dasselbe 
Abbauprodukt übergeführt worden sind. Aus dem Cholesterin und dem 
Koprosterin kann man einen gesättigten Kohlenwasserstoff, das Pseudo- 
cholestan, C 27 H 48 bereiten, der bei der Oxydation in Azeton und eine 
Monokarbonsäure C24H4o0 2 zerfällt: C^B« -f- 40 = (CHa)* CO + C 2 4 H w O a 
-f H 2 0. Diese Monokarbonsäure erhält man auch, wenn man die 
3 Hydroxylgruppen der Cholsäure C 24 H 40 OB durch Wasserstoff ersetzt. 
Die hierbei entstehende, von Wieland und Weil bereitete und Cholan- 
karbonsäure genannte Säure ist vollkommen identisch mit dem Produkt 
aus Cholesterin. (Autoreferat.) 

Hr. Brnns berichtet mit Demonstrationen von Kurven über seine 
an Tieren und Menschen angestellten Versuche über die Entfaltnig der 
Magenwäftde bei der Füllung des Magens. Diese beruht nicht auf 
mechanischer Verschiebung der Muskelfasern, sondern auf nervösen Ein¬ 
flüssen duroh den Auerbach’schen Plexus. Manometrische Messungen 
ergaben während der Füllung des Magens eine bestimmte Druck 


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1248 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hr. 62. 


erhöhnag, die bei einer bestimmten Grenze trotz Weiterfüllang Halt 
macht infolge des Entfaltnngsmeohanismns der Magenwand, dann ein 
Absinken des Druckes, aber nicht völlig bis zur Norm wegen der 
herrschenden Peristole, d. h. des kontinuierlichen, zentral bedingten 
Magentonus. Die Höhe des Druckanstieges ist abhängig 1. von der 
Dauer des Einlaufens, 2. von dem Tonus der Muskulatur, der individuell 
und auch beim einzelnen Mensohen wechselnd ist, 3. von der Spannung 
der Bauohdeoken. Vortr. bringt das Hungergefühl mit diesen peristal¬ 
tischen Wellen in Verbindung, da Anstieg des Druckes und subjektiv 
empfundenes Kollern zeitlich zusammenfallen. Magenuntersuchungen 
von Hypertonikern und nach Physostigmingaben bewirken einen starken 
Druckanstieg mit grosser Peristole, diejenigen von Atonikern eine sehr 
niedrige. Boeder. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Mit dem kommenden Wintersemester, welohes im Januar 
nächsten Jahres seinen Anfang nimmt, tritt eine für die Neuordnung des 
medizinischen Studiums in Berlin bedeutungsvolle Einrichtung ins Leben: 
am städtischen Krankenhaus Moabit wird eine vierte medi¬ 
zinische und eine dritte chirurgische Universitätsklinik er¬ 
öffnet, für welche die ao. Professoren Georg Klemperer und Moritz 
Borohardt Lehraufträge erhalten haben. Damit wird zunächst den* 
Bestreben Rechnung getragen, welohes in der Bewegung zur Reform des 
Hoohsohulunterriohts immer erneut zum Ausdruck gekommen ist, dass 
erfahrenen Lehrkräften, auch wenn sie nicht zum engeren Kreise der 
Fakultät gehören, ein reicheres Feld der Betätigung eingeräumt werde; 
wir dürfen unsere Freude darüber aussprechen, dass in diesem Falle 
zwei wissenschaftlich und praktisch besonders bewährte Kollegen mit 
der Leitung der neuen Kliniken betraut worden sind. Diese Kliniken 
werden sioh naturgemäss von den bisher bestehenden in einigen Punkten 
unterscheiden — vor allem darin, dass nur eine beschränkte Zahl 
Studierender (50 bzw. 30) zugelassen wird und dass der Lehrbetrieb 
sich dadurch, namentlich durch erhöhte Tätigkeit des einzelnen am 
Krankenbett, individueller und intensiver, gestalten kann. 

Weiter aber ist zu beachten, dass jetzt zum ersten Mal in Berlin 
eine städtische Krankenanstalt für Universitätszweoke zur Ver¬ 
fügung gestellt ist, was bekanntlich Ministerialdirektor Altheff stets 
anstrebte. Dies bedeutet einen grossen Fortschritt gegenüber der früheren 
Auffassung der Stadtverwaltung, welche eine derartige Verbindung für 
unzulässig hielt; es ist, ifie wir hören, besonders dem Eintreten des Stadt¬ 
verordnetenvorstehers, Kollegen Weyl, zu danken, dass man sich jetzt 
hierzu entschlossen hat. Ob sieh hieran noch weitere Maassnahmen ähn¬ 
licher Art anreihen werden, ist noch nioht vorauszusagen. Zunächst ist 
bestimmt, dass die neuen Kliniken nioht ohne weiteres als dauernde Be¬ 
standteile des Krankenhauses Moabit zu gelten haben, d. h. unabhängig 
von der Person der jeweiligen leitenden Aerzte sind, sondern dass die 
Fakultät bzw. das Ministerium die Bestimmung über die Lehraufträge 
behält — die beiden hier in Betracht kommenden Herren gehören dem 
Lehrkörper als Extraordinarien an. Wir nehmen aber an, dass die neue 
Einrichtung noch weiter ausgebaut wird — pathologisches Institut und 
Spezialabteilungen werden sioh gleichsam automatisch an diesen Anfang 
angliedern. Aber auch von weitergehenden Plänen ist die Rede; es 
wird erwogen, ob man nioht manchen andern grossen Krankenhäusern 
den Charakter von Akademien für praktische Medizin (wie in Düssel¬ 
dorf) beilegen sollte und ob diese Akademien nioht blo*s für Aerzte, 
sondern auch für Studierende geöffnet sein könnten, die dann das Recht 
hätten, dort ihre klinischen Semester zu absolvieren. Letzteres ist vor¬ 
läufig wenig wahrscheinlich, da eben die Fakultäten dann das Mit- 
bestimmungsrecht über die Besetzung der leitenden Stellen beanspruchen 
müssten. Inzwischen begrüssen wir jedenfalls diesen ersten Schritt auf der 
Bahn einer freien Bewegung als ein Zeichen, dass man an den maass¬ 
gebenden Stellen gewillt ist, bei aller Anerkennung des Ueberkommenen und 
Bewährten, die Neuerungen einzuführen, die uns nottun, um der kommenden 
Aerztegeneration Gelegenheit zu tüchtiger Durchbildung zu verschaffen, P. 

— Gedenkfeier für die im Kriege gefallenen Aerzte. Am 
14. Dezember fand in der Hochschule für Musik eine Gedenkfeier zu 
Ehren der im Kriege gefallenen und gestorbenen Aerzte statt. Aerzte- 
ohor und Aerzteorchester trugen zwei Sätze des Brahm’sohen Requiem 
und den Trauermarsch aus der Götterdämmerung vor unter der Leitung 
des Herrn Kollegen Singer und des Herrn Zimmer. Ein gedanken¬ 
reicher Prolog, verfasst vom Kollegen Alfred Peyser, wurde von Frau 
Licht enstein schwungvoll wiedergegeben. Kollege Lennhoff sprach 
für den Gross-Berliner Aerztebund, Generalstabsarzt Dr. Schultzen 
für den Sanitätsdienst und Kollege Stoter für die Berlin-Branden- 
burgische Aerztekammer. 

— Die Aerztliohe Gesellschaft für Meohanotherapie wird 
am 10. und 11. Januar 1920 im Schloss Charlottenburg, Orangeriegebäude 
(orthopädisches Lazarett), ihre zweite Jahresversammlung unter dem 
Vorsitz von Geheimrat Professor Dr. G. Sohütz abhalten. Zu der 
wissenschaftlichen Sitzung, in welcher die Nachbehandlung Kriegsver¬ 
letzter und andere wichtige theoretische und praktische Fragen der 
physikalischen Heilmethoden erörtert werden, sind auoh Niobtmitglieder 


der Gesellschaft eingeladen. Auskunft erteilt der Schriftführer Dr. Hirsch, 
Charlottenburg, Fraunhoferstrasse 16. 

— Geheimrat C. Abderhalden hat sein Mandat in der preussischen 
Landesversammlung niedergelegt. An seiner Stelle ist Dr. Struve- 
Kiel zum Vorsitzenden des Ausschusses für Bevölkerungspolitik gewählt 
worden. 

— Geheimrat Röntgen in München legt sein Amt als Ordinarius 
für Physik mit Ende des Wintersemesters nieder. 

— In Wien starb der Primärarzt Dr. Richard Sohmuoker, 
Direktor des Kronprinz Rudelf- Kinderspitals. 

— Die Kaiser Wilhelms-Akademie (bisher „für das militärärzt- 
liohe Bildungswesen“, künftig „für ärztlioh-soziales Versorgungs¬ 
wesen“, Berlin NW. 40, Scharnhorststr. 35) teilt uns mit, dass die reich¬ 
haltige, etwa 78000 Bände umfassende Büchersammlung dieser Akademie, 
zum bei weitem grössten Teil aus medizinischen und naturwissenschaft¬ 
lichen Werken bestehend, vom 1. Januar ab von allen deutschen Aerzten, 
Zahnärzten, Tierärzten sowie Apothekenbesitzern und -Verwaltern ohne 
weiteres benutzt werden kann. Es wird nur ein genügender Ausweis 
und Anerkennung der neuen, gegen die frühere wesentlich veränderten 
Benutzungsordnung verlangt Diese ist in der Büoherausgabe käuflich 
zu haben und wird auf Wunsch auch mit der Post zugesandt. (Preis 

— ausser dem etwaigen Postgelde — 50 Pf.). 

— Der preussische Minister für Volkswohlfahrt hat verfügt, dass 
bei der Zwangseinquartierung auf die besonderen Bedürfnisse der 
Aerzteberufe im allgemeinen Rücksioht zu nehmen ist. 

— Nach einem Erlass des Ministers für Volkswohlfahrt werden die 
bakteriologisohen Untersuchungsstellen angewiesen, bei Syphilis 
neben der Wassermann'sohen Reaktion auoh noch die Untersuchung auf 
Spirochäten und bei Gonorrhoe die auf Gonokokken vorzunehmen. Die 
Gebühren betragen, soweit sie nicht unter das von den Kreisen gezahlte 
Pauschale fallen, 6 M. sowohl für die Spirochäten- als Gonokokkennnter- 
suohung. Die Versandgefässe für das Untersuohungsmaterial stehen in 
jeder Apotheke zur Verfügung. 

Hoohschulnach richten. 

Breslau: Prof. Ottfried Foerster hat einen Ruf nach Heidel¬ 
berg als Nvch/olger von Prof. J. Hoffmann erhalten. — Halle a. S.: 
Prof. Do Id, früher in Strassburg, wurde als Abteilungsvorsteher am 
hygienischen Institut berufen. Er war seit 1914 Leiter des Instituts für 
Hygiene und Bakteriologie an der Deutschen Medizin- und Ingenieur¬ 
schule in Schanghai. — Basel: Der frühere Hygieniker Prof. Burk- 
hardt wurde von der philosopischen Fakultät zum Ehrendoktor ernannt 

- Habilitiert: Dr. Marx für gerichtliche Medizin. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien, 

Verzogen: F. Zenker von Schkeuditz nach Salzdahlum (Braunschweig), 
Dr. H. Hausleiter von Halle a. S. naoh Plaue i. Thür., Dr. W. 
Badtke von Berlin nach Müllrose, Dr. Franz Hofmann von 
Sollstedt nach Woldenberg (Kr. Friedeberg, N.-M.), Dr. K. Berent 
von Berlin nach Guben, Dr. K. Zimdars von Landsberg a. W. 
und G. Eppert von Halle a. S. nach Lübben, Dr. H. Mussarus 
von Schneidemühl nach Güstrin, Dr. Erich Kluge von Halle a. S., 
Dr. A. Haering sowie Dr. Herrn. Marcus von Berlin und M. 
Schrauer von Charlottenburg nach Frankfurt a. 0., Dr. A. 
Querfeld von Lübben nach Davos, Kreisarzt a. D. Geb. Med.-Rat 
Dr. Otto Voigt von Cammin nach Weimar, Ob.-St.-A. a. D. Dr. A. 
Boldt von Potsdam naoh Gross Rambin (Kr. Belgard), Dr. W. Pfuhl 
von Berlin nach Greifswald, Dr. Amalie v. Randenborgh von Jena, 
Dora Fuchs von Koblenz, Dr. K. Burohardi von Rostock, A. Beutler 
von Reichenbach, Dr. Walter Fuchs von Liegnitz und W. Jan- 
kofsky von St. Blasien naoh Breslau, Dr. W. Hammer von Zaatrov 
nach Freystadt i. Sohl., Dr. E. Kobligk von Berlin nach Görlitz, 
Dr. E. Geier von Berlin nach Krummhübel, Dr. W. Jelig von Lipine 
und Dr. J. Gloger von Breslau nach Schreiberhau, Dr. Karl Schwabe 
von Liegnitz nach Greiffenberg (Kr. Löwenberg i. Schl.), Dr. G. Gl eine 
von Braunsohweig nach Hirschberg i. Schl., Dr. E. Jürgens von 
Hindenburg nach Mitau, B. Neuber von Oliva nach Ruda, Dr. H. 
Morgenstern von Bayreuth naoh Rosdzin (Ldkr. Kattowitz), Dr. 
A. Flatzek von Breslau naoh Rydultau (Kr. Rybnik), Friedrich 
Koch von Magdeburg nach Unseburg (Kr. Wanzleben), Dr. Karl 
Schröter von Altscherbitz naoh Jerichow (Kr. Jeriohow II), A. Gatere- 
leben von Ochtrup und Dr. K. Romeick von Leipzig nach Magdeburg. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Ernst Hacke von 
Danstedt (Kr. Halberstadt). 

Gestorben: Kreisass.-Arzt Dr. Erich Stephan in Prechlau (Kr. 
Schlochau), San.-Rat Dr. J, Legiehn in Uderwangen (Er. Pr. Eylan) 
San.-Rat Dr. Adolf Dressier in Cüstrin. 


Inhalt nnd Register dieses Jahrgangs werden im Beginn des 
nächsten Jahres nachgeliefert. 


Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Hohn, Berlin W., Bajrreuther 8tr.48. 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin <NW. 7. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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Namen- und Sach-Register. 


1. Namen-Register. 


Die fettgedruckten Zahlen bedeuten Originalartikel. 

/ 


A. 


Amann, A. (München) 68, I 
429. | 


Abadie, J. 473. 
Abderhalden, E. (Halle) 114. 
448, 756, 854, 901, 926, 

973, 1003, 1094, 1095, 
1142. 

Abel (Jena) 188, 350, 789, 
839, 1220. 

Abelin J. (ßeru) 448, 687. 
Abelsdorff 307, 401. 
Abraham (Berlin) 402. 

Adam (Berlin) 437, 452, 454. 
Adam, Fr. 1118. 

Adelheim, R. (Riga) 545, 
1241. 

Adelraann, E. 663. 

Adler, A. 1051. 

Adler, A. (Frankfurt a. M ) 
783, 807, 830, 958, 1078. 
Adler, A. (Zürich) 1096. 
Adler, J. (München) 1216. 
Aimes, A. 831. 

Akerlund, A. (Stockholm) 
231, 1072. 

Albanus (Hamburg) 666. 
Albers-Schönberg (Hamburg) 
18. 

Albert, B. (Mannheim) 426. 
522, 614. 

Aibrecht, H. (Müncheu) 757. 
Al brecht, M. (Berlin) 1165. 
Aibrecht, Th. (Halle a. S.) 
932. 

Alder, A. (Zürich) 1*60, 807, 

974. 

Alewowski, K. (Prag) 810. 
Alexander 856, 1166. 
Alexander, A. (Berlin) 256, 
472, 497, 1027. 
Alexander, G. 428. 
Alexander, J. (Berlin) 1175. 
Alexander, W. (Berlin) 246, 
1052, 1075. 

Alker, A. (Breslau) 923. 
Allard (Hamburg) 239, 790. 
Allen (London) 975. 
Allinger, M. (Stein-München) 


Amberger (Frankfurt a. M.) 

1121. 

Amolung, W. (Frankfurt a.M.) 

U66. 

Ammann, E. (Winterthur) 
1028. 

Amreich, J. 283. 

Amsler, C. (Wien) 183, 830. j 
Amstel 1241. | 

van Andel, M.A. (Gorinchem) i 
183. 

Anders 595. 

Anders (Rostock) 711, 975. 
Andrew j (Glasgow) 1168. 
v. Angerer 42. 

Anschütz, W. (Kiel) 69, 234, j 
618, 691. I 

Anton, G. 181. ! 

Antoni (Hamburg) 757. | 

Apitzsch, H. 423, 595. 

Appel (Hamburg) 404. 
Arensmeier, F. (Hoym) 376. 
Arkwright 15. 

Armbrecht, W. ( Wien) 1069. 
Armstrong-Jones 1193. j 

Arndt (Landeshut i. Schl.) 
809. 

Arneth (Münster i. W.) 232, 
350, 1116. 

Arning (Hamburg) 647. 
Arnold, V. (Lemberg) 975. 
Arnoldi, W. (Berlin) 65, 223, 
417, 832. 

Arnsperger (Dresden) 237, 
548. • 

Aron, H. (Breslau) 451, 494, 
742, 814, 1005, 1075. 
v. Artwinski, E. 903. 

Arzt, L. (Wien) 137, 495, 
662. 

Asam (Murnau) 1145. 
van Asam, J. 500. 

Asch (Breslau) 477, 813, 
1198. 

Aschenheim, K. (Düsseldorf) 
737. 


660. 

Almkvist, J. (Stockholm) 209. 
Alons, C. L. (Groningen) 830. 
Alpers, E. 13. 

ALtmann, K. (Frankfurt a. M.) 
1162. 

Altschul, W. (Prag) 503, 
833, 976, 1222. 

AltBtaedt, E. (Lübeck) 370, 
832. 

Alwens (Frankfurt a. M.) 
735, 862, 1004. 


| Ascher (Prag) 214, 863, 
i 1222, 1223. 

1 Ascher K. W. 931. 

Ascher, L. (Bern) 613. 

! Aschner 592. 

' Aschner, B. 1243. 

! Aschoff (Berlin) 884. 

I Aschoff (Freiburg) 1054. 
Ashby (Manchester) 569. 
Askanazy,M-(Genf) 397,546. 
Assraann, H.(Leipzig) 19,231, 
! 728, 1072. 


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Auer, A. (Strassburg) 613. 
Auerbach, P. (Burckhardts- 
walde) 1070. 

Auerbach, S. (Frankfurt a. M.) 
1098. 

Aufrecht 426. 

Augstein, C. (Bromberg) 1028. 
Autenrieth,W. (Frciburgi. B.) 
883. 

Axenfeld 285. 

Axhausen, G. (Berlin) 165, 
265, 285, 309, 450, 785. 


B: 

Bab, H. (München) 659, 815. 
Bab, W. (Berlin) 995. 

Bach, F. W. (Bonn) 132. 
Bach, fl. 301. 

Bachem, C. 828, 1094. 
Bachmann, W. (Leipzig) 1241. 
Backhaus, E. (Steinbach) 
1049. 

Bacmeister, A. (St. Blasien) 
1096. 

Bacot 15. 

Bade (Hannover) 356. 

Bader, A. (Würzburg) 45. 
Bader, E. 807. 

Bähr, F. (Hannover) 306, 
619, 1071, 1074. 

Baetzner (Berlin) 569, 646, 
691, 907.. 

Bäumler, Ch. (Freiburg) 782. 
v. Baeyer (Würzburg) 18. 
Bahrdt, R. (Leipzig) 832. 
Bail, 0. (Prag) 855. 

Baisch (Heidelberg) 668,833, 
1026, 1142. 

v. Balogh, E. (Lemberg) 659. 
Bamberg, K. (Charlotten¬ 
burg) 1144. 

Banoth, B. (Berlin) 441. 
Bang, l. (Lund) 112, 422, 
494, 522, 1051. 

Bangert, K. 351. 

Bärany, R. (Upsala) 900. 
Barchachzi, F. (Prag) 1166. 
v. Bardeleben, H. (Berlin) 
834. 

Barrie (Glasgow) 211. 
Bartel, E. (Königsberg i. Pr.-) 
975. 

Bartel, J. (Wien) 325. 
Bartels 401. 

Bartels, M. (Strassburg) 905. 
Barth (Berlin) 909. 

Barth, A. (Danzig) 1033, 
1098. 


Barth, A. (Leipzig) 735, 806. 
Baruch 662, 1077. 

Basch, A. (Berlin) 884, 1099. 
Bashford 757. 

Basler, A. (Tübingen) 301, 
448, 469. 

Basset, A. 688. 

Bauch, B. (Cöln) 806. 
Baudisch, 0. (Hamburg) 113, 
231 494. 

Bauer,’ J. (Wien) 116, 326, 
641, 643, 1120, 1243. 
Baum, F. (Berlin) 1143. 
Baum, F. (Königsberg) 687. 
Baum, H. 63. 

Baumann, B. (Offenbach a. M.) 
713. 

Baumeister (Cöln) 19. 
Baumeister, L. 235. 

Baumm, J. (Königsberg i. Pr.) 

1191. 

Baur, E. 709. 

Bayer 498. 

Bayer (Innsbruck) 448. 
Bayer (Prag) 214. 

Becher 641, 1214. 

Becher, E. (Giessen) 137, 
139, 325, 351. 
v. Becher, Fr. 256. 

Bechold, H. (Frankfurt a. M.) 

882, 1190. 

Beck 615. 

Beck, 0. (Frankfurt a. M.) 

662, 954, 1245. 

Becker 20, 117, 307. 

Becker (Hamburg) 404. 
Becker, E. Giessen) 44, 232, 
425. 

Becker, J. 45. 

Becker, W. (Bremen) 757. 
Becker, W. H. (Herborn) 975. 
Beckers, H. (München) 179, 
420. 

Beckcrt 759. 

Beckey, K. 1070. 

Beckmann (Berlin) 378. 
Beckmann, K. 1241. 
v. Beeren, H. 60. 

Begun (Prag) 186. 

Behla, R. (Berlin) 753. 

Behn (Kiel) 1217. 

Behr 663. 

Bohrend 66. 
v. Behring, E. 281. 

Beintker (Draraburg) 398. 
Bel4k,A.(Budapest) 113,471. 
Bellmann, W. (Dresden) 548, 
692. 

Bemelmans, E. (s’Graven- 
hage) 544. 


Benda (Berlin) 285, 1122, 
1148, 1195. 

Bender, W. (Breslau) 1160, 
1198. 

Benedek, L. (Koloszvar) 257, 
474. 

Beninde (Berlin) 7. 

Benthin (Königsberg i. Pr.) 
69, 403, 570. 

Bentmann 760. 

Berblinger (Kiel) 68, 69. 

Bcrczeller, L. (Budapest)397, 
422, 423, 687. 

Berendsen,!. (Dortmund)618. 

Berg, F. 498. 

Berg, M. (Berlin) 162, 521. 

Berg, R. (Weisser Hirsch b. 
Dresden) 249, 348, 349, 
470, 1239. 

Bergei, S. (Berlin) 16, 859, 
860, 879, 915, 1074. 

Bergeil, P. (Berlin) 493. 

Berger (Jena) 839. 

Bergi (Prag) 258. 

Bergmann, E. (Charlotten¬ 
burg) 1145. 

v. Bergmann, G. (Marburg) 
735. 

Bergmann, H. 326, 422. 

Bergmann, H. (Elberfeld) 
186, 353. 

Bergmann, H. (Jena) 163. 

Bergmann, H. (Stettin) 951. 

Bergmeister, R. (Wien) 858, 
1244. 

Bergter 161. 

Berkeley 425. 

Berliner, M. (Berlin) 303,689. 

Berneaud (Kiel) 887. 

Bernhard,0. (St. Moritz) 1095. 

Bernhardt (Berlin) 1149. 

Bernhardt, P. (Berlin) 1246. 

Bessau, G. (Breslau) 289, 
477, 496, 547, 836. 

Best, F. (Dresden) 237, 903, 
1028. 

Bötaures, L. M. 786. 

Bothke, A. (Frankfurt a. M.) 
325, 428, 911. 

Bettinger, II. 302. 

Bettmann (Heidelberg) 21, 
209, 668, 1247. 

Beul, H. (Bad Elster) 659. 

Bousande, R. 1242. 

Beyer (Berlin) 787, 909, 
1054. 

Biberfeld, J. (Breslau) 423, 
495 

Bickel, A. (Berlin) 1165. 

Biedermann, W. 522. 

1 


Original from 


UNIVERSUM OF IOWA 





12oO 


Biegel, K. (Königsberg) 448. 
Bieling, R. 615. 

Bien, Z. 303. 

Bienenfcld, B. 1195. 

Bier, A. (Berlin) 137, 302, 
717,7S1,1069,1074,1097. 
Bierich, R. (Kiel);448, 1243. 
Biesalski (Berlin) 356, 645, 
695, 1120, 1126, 1127. 
Binder 137. 

Bing, F. (München) 209. 
Bingcl, A. (Braunschweig) 
421, 807. 

Binnendyk, W. (Naarden) 

209. 

Binswanger, 0. 902. 

Binz, A. (Frankfurt a. M.) 
882. 

Birch-Hirscbfeld (Königsberg 
i. P. 213, 307, 403. 
Bircher, E. (Aarau) 18, 662. 
Birk 421, 1118. 

Birkhäuser 760. 

Birnbaum (Prag) 71. 
Birnbaum, G. (Würzburg) 
973. 

Birnbaum, K. 1052. 

Bischoff, H. 183. 

Bischoff,M. (Magdeburg) 880. 
Bitter, L. (Kiel) 834, 1214. 
Bittorf, A. (Breslau)il7, 334, 
398, 652, 776, 837, 884, 
957. 

Blaschko, A. (Berlin) 188. 
Blackstein, S. (Halle a. S.) 

210 . 

v. Blaskovics 45, 354. 

Blatt 186, 377. 

Blau, A. (Bonn) 188. 

Blauel 644. 

Bleisch (Breslau) 117. 
Blencke, A. (Magdeburg) 
929, 1098. 

Bleuler, E. 181. 

Bley, K. (Bremen) 19, 451. 
Blix, R. (Stockholm) 708. 
Bloch, C. E. (Kopenhagen) 
738. 

Bloch, W. (Cöln) 943. 
Blohmke (Königsberg i. P.) 
623. 

Bios, E. (Karlsruhe) 1084. 
Blühdorn, K. (Göttingen) 
169, 462, 668. 

Blum, E. (Zürich) 639. 
Blum, V. (Wien) 284, 828. 
Blumberg (Berlin) 575. 
Blumenfeld 186. 

Blumenfeld, A. (Berlin) 1218. 
Blumenfeldt, E. (Berlin) 937, 
1177. 

Blumenthal (Berlin) 286, 
523, 694, 695, 786, 909, 
1120, 1127. 

Blumenthal, A. (Berlin) 811. 
Blumenthal, F. (Berlin) 688. 
Blumenthal, G. 1192. 
Blumenthal, M. (Berlin) 605, 
1064. 

Bluraenthal, W. (Coblenz) 
1050. 

Boas, Fr. 113. 

Boas, H. (Kopenhagen) 1218. 
Boas, I. (Berlin) 495, 939, 
1069. 

Boas, K. 1165. 

Boas, N. (Kopenhagen) 67, 
662. 

Bochalli 425. 

Bock, V. (Berlin) 880. 
Bockenheimer (Berlin) 907. 
Bode, F. (Homburg v. d. H.) 

691, 930, 1098, 1216. 
Boden 1241. 

Bodmer, H. (Montana) 424. 
Boecker, K. (Berlin) 756. 
Böhler 66, 352. 

Böhm 138, 401. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Böhm, M. (Berlin) 645, 694, 
1110, 1126, 1127. 

Böhm (Schleswig) 44, 834. 

Böhme 256. 

Böhme (Bochum) 1070. 

Böhme, N. (Dresden) 1063. 

Böing, H.( Lichterfelde) 1241. 

Böller, L. (Bozen) 1098. 

Boenheim, F. (Rostock) 351, 
396, 830, 1166. 

Bönniger, M. (Berlin) 186, 
502, 620, 727, 781. 

de Boer, S. (Amsterdam) 182. 

I de Boer, S. (Wien) 183. 

! Börner 353. 

I Boersch, E. (München) 927. 

Böttcher, W. (Leipzig) 1084. 

Boettiger (Hamburg) 404. 

Böttner, A. (Königsberg) 17, 
43, 139, 428. 

Bohland, K. (Bonn) 831. 

du Bois-Reyraond, R. (Berlin) 
929. 

v. Bokay, J. (Budapest) 234, 
738, 1096. 

Bokorny, Th. 114, 708. 

Boks 568. 

Bolten, G. C. (Haag) 474, 
496, 617. 

Bolten, H. (’s Gravenhage)65. 

Bondi, K. (Wien) 305, 643, 
660, 1242. 

Bonhoff, F. (Hamburg) 184. 

Bonhoefier, K. (Berlin) 91, 
95, 402, 617, 661, 739, 
1051. 

Bonne 806. 

Bonney 425. 

Bonnich (Wien) 1168. 

Bons, F. (Weihenstephan) 
493. 

Borchardt, L. (Königsberg) 
304, 811, 883. 

Borchardt, M. (Berlin) 89,95. 

Borchers 352. 

Borchgrevink, 0. C. (Kristia¬ 
nia) 833. 

Boreil, H. (Freiburg i. Br.). 
710. 

Bormann, H. (Berlin) 835. 

Bornhaupt 644. 

* Bornstein (Hamburg) 305, 
404, 521. 

Bornstein, K. (Berlin) 452, 
761, 763, 831, 884, 968. 

Borst, M. 42. 

Boruttau, H. (Berlin) 46,182, 
183, 829, 1213. 

Bornes, G. V. Th. (Kopen¬ 
hagen) 932. 

v. Bosanyi, A. (Budapest) 
928. 

Bossert, 0. (Breslau) 43, 283, 
496, 547. 

Bostroem (Hamburg) 666. 

Bouma, A. (Hoorn) 522. 

Bovermann (Somborn) 1049. 

Bowman 397. 

Boyksen 207, 258. 

Brac, G. 497. 

Bracht, E. (Berlin) 20. 

Bradt (Berlin) 974. 

Brahm, C. 712, 832. 

Brahme, L. 232. 

Brandenstein (Berlin-Schöne- 
berg) 347. 

Brandes, M. 450, 1120. 

Brandt, H. (Berlin) 1216. 

Brandt, R. 831, 1144. 

Branson 547. 

Brasher 856. 

Bratke, H. (Berlin) 497. 

Brauer, L. -63. 

Braun, II. 15. 

Braun, H. (Frankfurt a. M.) 
15, 409, 689. 

Braun, J. 712. 

Braun, L. 807. 


Braun, o. 474. 

Bregman, L E. 232. j 

Bremmc, H. (Rostock; 399. 
Bronner (Kiel) 660. j 

Brenning (Berlin) 709. 
Breslauer, F. (Berl in)809,928. 
Bresler, J. (Lüben) 255. 
Brieger, W. 640. • 

Briggs (Liverpool) 451. 
Brinkmann, li. (Groningen) 

830, 1069. 

Brock, J. (St. Petersburg) 
1169. 

Brocq, A. J. L. 809. 
Brodtmann (Zittau i. S.) 719. 
Broecker, F. 35t. 

Brösamlen (Tübingen) 162, 
807, 1243. 

Broughton (Alcock) 783. 
Brouwer 1193. 

Brown (London) 856. 
Brownlic 46. 

Bruck (Altona) 662, 758. 
Bruck, A. (Berlin) 909, 977. j 
Bruck, F. (Berlin)'307. j 
Brückner (Berlin) 95, 186, I 
491,759,811, 1073 v 1146. 
* 1226 . ! 
Brückner (Dresden) 237. 
Brüggemann (Giessen) 689. 
Brünecke (St. Andreasberg) 

831, 1119, 1144. 

Brüning, F. (Berlin) 44, 66, 

807, 953, 1099. 

Brüning, H. (Rostock) 1216. 
Brütt, H. (Hamburg) 570, 
883, 857. 

Brugsch, Th. (Berlin) 601, 
638, 761, 832, 854, 883, 
937, 952, 1150, 1179. 
Bruhns, C. (Charlottenburg) 
913 948 ' 

Brun, G. (Stockholm) 105, I 
548. | 

Bruno 473. * j 

Brunn 644. j 

v. Brunn, W. (Rostock) 450, 1 
691. ! 

Brunner, C. 283; 

Brunner, K. (Miinsterlingen) i 
498. | 

Brunnschweiler, A. (Basel) j 
282, | 
Bruns, H. (Gelsenkirchcn) j 
615, 1193. I 

Bruns, 0. (Göttingen) 350, j 
667, 711, 1247. 

Brunzcl, H. F. (Braunschweig) 
164, 474, 713, 856, 930. ! 
Brutzer, (Breslau) 718. | 

Bry (Breslau) 719, 1197. i 
Bubanovic, F. 423, 493, 494. I 
Bucky (Berlin) 357, 620. 
Bucura 569, 662. 

Buday, K. (Budapest) 234. 
Budde, M. (Cöln) 1071. 
v. Buddenbrook, W. (Heide!- . 
berg) 756. 

Budisavljevic, J. 1193. i 
Büchert, K. 232. 

Büdingen,Th. (Konstanz) 186, j 
305. 

Bürger (Berlin) 1074. ; 

Bürger, M. (Kiel) 231, 405, ' 
471. 

Bürgers, Th. J. 595. j 

Bürgi, E. (Bern) 161. , 

Bürker, K. (Giessen) 521. 1 

Bujerid, 0. 16. i 

Bumke (Breslau) 718, 1196. | 
-Bumke, K. (Bonn) 1240. j 
Bund, R. 710. ; 

Bundschuh (Freiburg) 1054. : 
Bungart, ,1. (Cöln) 904. ; 

Bunge, R. 451. j 

Burehard, A. (Rostock) 758. ] 
Burckhardt, II. (Berlin) 761, 
859, 904. 


Burckhardt, II. (Frankfurt 
a. M.) 691. 

Burckhardt. ..). L. (Basel) 
736, 1050. 

Burgdörfer, F. 619. 

Burgl (Regensburg) 686. 

Burk 547. 

Burrow 208. 

Busch (Bochum) 46, 760, 
761. 

Buschke, A. (Berlin) 19, 206. 

Busse, 0. (Zürich) 302, 902. j 

ßuttenwieser, G. (Frankfurt 
a. M.) 1004. 

Buwort (Berlin) 1126. 

Bydowski, Z. (Warschau) 232, 
496, 908. 


C. 

Caesar, E. 160. 

Cafasso, K. 807. | 

Cahen-Brach(Frankfurta.M.) j 

862. I 

Cahn-Bronner (Strassburg J 
i. E.) 688, 1213. ! 

Caldwell 856. ; 

Callomon,F. (Bromberg) 66.2. I 
Calvary (Hamburg) 1005. ; 

Camek, J. (Prag) 545. j 
de ia Camp, 0. (Freiburg j 
i. Br.) 1239. 

Campbell 737. 

del Campo (Sevilla) 115, 160. 

Canon 302. 

Capelle (Bonn) 400, 904. j 
Carl (Königsberg i. P.) 623. | 
Carlowitz, H. (Frei berg i. Sa.) i 
499. i 

Carsten, P. (Berlin) 905. 
Carter (Leeds) 208, 424. 
Caspor, L. (Berlin) 553, 907. 
Cassel (Berlin) 208, 884, 
1070. 

Cassirer (Berlin) 669, 740, 
1173. 

Castellani 449. j 

Ceelen (Berlin) 356, 454, ' 
509, 550. 

Cermak, P. 18. | 

Cbarlcmont(Grics-Bozcn) 14. : 
Charlton, W. (Charlotten- | 
bürg) 1226. 

Chavul, H. 18. ! 

Chen Pan Nicn (Shanghai) | 

891. | 

Chen Yil Hsiang (Shanghai) j 
1241. 

Chevallier, P. 1004. 

Chiari, R. 617. 

Christeller (Königsberg i. P.) 

736, 765, 837. 

Christen, Th. 18, 60, 161, 
975, 1121. 

Christiansen, C. (Kopen¬ 
hagen) 1142. 

Christiansen, J.(Kopenhagen) 
1142. 

Christophcrson (Khartum) 
396, 639, 1219. 

Cimbal, W. 492. 

Citron (Berlin) 37G, 454, 
643, 1075. 

Clairmont 208. 

Clairraont, P. (Zürich) 713. 
Clarke 18. 

Classen, K. (Grube) 619. 
Claus (Berlin) 379, 909. 
Cleland 737. 

Clemm, W.N. 231, 257, 42G. 
Clodius, A. (Kiel) 233. 
Cloetta, M. 423, 1049. 

Cobet, R. (Greifswald) 1098. 
Coenen (Breslau) 332, 766. 
Cohn, Julie (Breslau) 929, 
1005. 1 


Colin, M. (Berlin) MM», 357, 
694, (il)5, 1070. 

Cohn, Th. 623. 

Cohn, W. (Wi mar) 1052. 
Co!den, C. (Breslau) 865, 
477, 478. 

Coley 546. 

Collier, A. 6Hi. 

Collins 1168. 

Colyer 43. 

Connor 397. 

Coombe 856. 

Corben 901. 

Cori 137. 

Corinth, M. (Danzig) 831. 
Corner 785. 

Coronini, C. 1050. 
de Corral, Jose M. 182. 
Gramer 210. 

Gramer, E. (Cottbus) 858. 
v. Gramm, E. (Tübingen) 658. 
Creischer, L. (Rosbach) 375. 
Creracr (Berlin) 167. 

Crockei 831. 

Cronquist, C. (Malmö) 6IS. 
Curschmann, H. (Rostock) 
116, 233, 282, 641, 928. 
Cyriax (Northwood) 186. 
Czernv, A. (Berlin) 4, 233. 

305, 310, 766. 

Czyhlarz, E. 711. 


D. 

v. Dalmady 640. 
van Dam, W. (Hoorn) 522. 
lc Damany, P. 618. 
Damianos, N. 856. 

Dann, W. (Rastatt) 833. 
Danoff, N. (Bern) 613. 
Danziger 450. 

Danziger, H. 1192. 

David, 0. 354. 

Davids, H. (Münster) 1027. 
Davidsohn, H. (Berlin) 231. 
Debrö, R. 1143. 

Debrunner, H. (Berlin) 352, 
1126. 

Deetz (Arolsen) 683. 

Dege, A. (Frankfurt a. 0.) 
257. 

Dehelly 475. 

Delbanco 256. 
v. Delbrück, F. (Jena) 14. 
Delkeskamp 450. 

Delorme (Halle a. S.) 283. 
Dcmmer, Fr. 117, 164. 
Dcmoll, R. (München) 973. 
Donck, P. (Erlangen) 375. 
Denecke, G. (Greifswald). 
1119. 

Denel, G. 1165. 

Denk, W., 208, 428, 475, 
1146. 

Denker, A. (Halle) 499. 
Densow, F. (Jena) 839, 859. 
Depenthal 475. 

Deroide, J. 209. 

Desaux, A. 184. 

Dessauer, Fr. (Frankfurt 
a. M.) 1169. 

Deszimirovics, K. 305. 
Determann 640. 

Determann (Freiburg) 1054. 
Determann, H. (St. Blasien; 
783. 

Detre, E. (Pozsonv) 375. 
Deus, P. (Erfurt) 1195. 
Deus,,-P. (Innsbruck) 306. 
662: 

Deussing (Hamburg Barm 
beck) 43, 473, 547, 689 
Deutsch, F. 737, 1144, 1240 
Deutsch, G. (Rostock) 649. 
663. 

Deutsch, 11. 1244. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Dibbelt, H. (Düsseldorf) 1216. 
Diederichs (Lübeck) 809. 
Diemel, J. (Hamburg)-953. 
Dieses, L. 137, 1192. 
Diesing (Hamburg) 688. 
Dietl, K. 1003. 

Dietlen, H. (Strassburg i. E.) 
231. 

Dietrich 185. 

Dietrich (Güttingen) 810. 
Dietrich, A. 185. 

Dietrich, A. (Cöln) 901. 
Dietrich, E. (Berlin) 76. 
Dietrich, H. (Berlin) 758. 
DiDges, J. E. (Amsterdam) 
1027, 1028. 

Dippe 407. 

Ditthorn, Pr. (Berlin) 545. 
Dittler, R. (Leipzig) 115. 
Dittrich (Breslau) 1078. 
Doederlein, P. (Stuttgart) 

1244. 

Döllkon (Leipzig) 226, 712. 
Döllner (Duisburg) 500. 
Dörbeck, P. 782. 

Doerr, K. 1241. 

Dörr, R. (Wien) 427, 660/951. 
Dösscker, W. (Bern) 618. 
Doflein (Breslau) 477. 

Dold, H. (Halle) 68, 954, 
1147. 

Dold, H. (Schanghai) 1241. 
Dollinger (Budapest) 1120. 
v. Domarus, A. (Berlin- 
Weissensee) 928, 1141. 
Donath, J. (Budapest) 690. 
Dönges (Rostock) 644. 

Dorff, H. (Rastatt) 906. 
Dorfmüller, G. (München) 
447. 

Dorn 691, 1127. 

Dorn, J. 450. 

Dorn, K. (Lüßbck) 988. 
Dorno, C. (Davos) 1095. 
Drachter, R. (München) 421, 
474, 642, 930, 1213. 
Dra^oewa, Newena (Berlin) 

Dresel, E. G., 521, 

Dresel, K. (Berlin) 951,1120. 
Dreyer (Breslau) 331, 477, 
837, 910, 1076. 

Dreyfus, G. L. ^Frankfurt 
a. M.) S63, 880, 1079. 
Dreyfus, 0. L. (Frankfurt 
a. M.) 1215. 

v. Drigalski, W. (Halle a. S.) 
714. 

Drucker, A. (Dortmund) 783. 
Drügg, W. (Cöln a. Rh.) 428. 
Drüner (Quierscheid) 44,808. 1 
904. 

Drüner, L. (Fischbachtal) i 
1099, 

Dsiao Hsiang Tsung 1147. 
Dubois, M. (Bern) 1178. 
Dubs, J. (Winterthur) 66, 
306, 353, 400, 450,' 475, 
568,{808, 834, 855, 1071. 
v. Dühring (Frankfurt a. M.J 
958. 

Dübrssen, A. (Berlin) 125, 
302, 854, 1050. 

Dünner, L. (Berlin) 36, 56, 
281, 32C, 396, 470, 640, 
709, 831, 951, 974, 1143, 

1166. 

Dürck (München) 212, 619. I 

Dürig (Berlin) 1118. . . 

Dürck (München) 1174. ’ i 

Duken (Jena) 1220. 

Duken, J. (München) 1216. i 
Duncan 15. • 

Duncker, Fr. 953. 

Dünger, R. (Dresden) 692. 
Duschak, E. 640. 

Duth weiter, E. 1071. i 

Dykgraaf 474. 


E. 

j Ebbecke (Göttingen) 1103. 

I Ebbinghaus, II. 781. 

| Eberstadt,F.(Frankfurta.M.) 
1 44, 928. 

j Ebstein, E. (Leipzig) 376, 
I 902. 

j Eckelt, K. (Frankfurt a. M.) 
j 570. 

| Eckert (Berlin) 620. 
Eckhardt, H. (Dresden) 1215. 
Eckl, K. 471. 

I Eckstein, A. 1166. 

| Eckstein, E. (Heidelberg) 
1190. 

| v. Economo, C. (Wien) 64, 

1 473, 1167, 1216. 

| Edel, A. (Wilmersdorf) 689. 
j Edelmann, A. 305. 

Edelstein. F. (Charlotten- 
! bürg) i‘144. 
j Eden, R. (Jona) 45, 786, 

1 1098, 1168. 

! Edlbacher, S. (Heidelberg) 

829, 1142. 

Edzard, D. L. 473. 

[ Effler, E. (Danzig) 257. 
Eggers, H. 400. 

Egyedi, H. 186, 545. 

Ehrlich 568. . 

Ehrmann, R. (Berlin) 1195. 
Ehrmann,S.( Wien) 905,1027. 
Eichhorst, H. (Zürich) 426. 
Eichler 17. 

Eichwald, E. 1141. 

Eicke, H. (Berlin) 809, 952. 
v. Eicken 662. 

Eicken, Th. (Kopenhagen) 
881. 

Einthoven, W. (Leiden) 546. 
Eisei, G. (Rostock) 880. 
Eiseisborg, A. (Wien) 283, 
1099. 

Eisenberg, Ph. 15, 303, 545. 
Eisenberg, S. N. 544. 

Eisler, F. (Wien) 692, 975. 
v. Eisler, M. (Wien) 807, 
1240. 

Eisner, GT (Berlin) 394. 
Eitner, E. 451. 

Elfeldt (Rostock) 644. 

Elias, H. 137, 161, 256, 375, 
396, 643. 

Eliasberg, E. (Berlin) 496. 
Eliasberg, H. (Berlin) 1194. 
Ellermann, V. (Kopenhagen) 
950. 

Ellinger, A. (Frankfurt a. M.) 

830. 

Elmiger 594. 

Elschnig (Prag) 71,214, 359, 
401, 1027. 

Eisner, J. (Dresden) 785. 
Elze (Heidelberg) 213, 1221. 
Embden (Frankfurta M.)911. 
Embden (Hamburg) 404. 
Emberg 447. 

Emmerich (Kiel) 68. 
Emmerich, E. 355. 

Enderlen 1145. 
Engel“(Berlin)J'357,'40I. 
Engelen (Düsseldorf) 645, 
692. 

Engelhardt, F. 1192. 
Engelhorn, E. (Jena) 1169, 
1220 . 

Engelkens, .1. II. (Amster¬ 
dam) 65. 

Engelmann, Fr. (Dortmund) 
1073. 

Engclmann, G. (Wien) S33. 
Engelmeier, K. (Göttingen) 

1014 

Engelsmann, R. 15. 

Engwer 396. 

Eppenstein 498. 

Epstein. E, 1214, 1241. 


Erben, S. 712. 

Erdheim 137. 

Erkes, F. (Berlin) 164, 644, 
808. 

Erlacher (Graz) 1098. 
Erlacher- Graf, P. 1194. 
Ernst (Königsberg i. Pr.) 641^ 
Ernst, Z. (Budapest) 536. 
Esch, P. (Marburg) 570. 
Escher, H. H. (Zürich) 1213. 
Eskuchen, K. (München) 17, 
232, 307, 375. • 

Essen-Möller, E. (Lund) 858. 
Esser (Eggenstein) 1166. 

| Esser, J. F. S. (Berlin) 22, 

1 164, 306, 352, 355, 401, 

| 428, 930, 1070. 

j Eugling 162. 

, Euler (Erlangen)*495. 
v. Euler, H. (Stockholm) 447, 
708, 828, 926. 

; Eunicke, K.W. (Elborfeld) 44, 
618, 640, 833, 834, 1195. 

I Ewald, A. (Heidelberg) 709. 

I Ewald, G. 376. 

! Ewald, P. '499. 

■ Exalto 208. 

i Eycr, A. (Giessen) 1027. 


j Fabian, E. 450. 

; Fabry (Dortmund) 1239. 

' Fahr, Th. (Hamburg) 46,185, 
649, 666, 789, 815, 902. 
Fahraeus, B. 113. 

Falk, E. (Berlin) 446, 659. 
Falkenberg (Berlin) 933,934. 
Falkenheim (Königsberg 
i. Pr.) 838. 

Falta, W. (Wien) 305, 469, 
471. 

Fantl, G. (Prag) 503, 569. 
Faschingbauer, H. 883. 
Faulhaber, M. 543. 

Faust (Dresden) 237. 
Federmann (Berlin) 356,907. 
Feer, E. (Zürich) 161. 470, 
690. 

Fehling, H. 163. 

Fehr (Berlin) 976, 1169. 
Fejes, L. (Budapest) 736. 
Fcigl, J. (Hamburg) 116, 
398, 422, 470 v , 495, 523, 
613,708,1006, 1048,1049. 
Fcilchenfeld,L.(Bcrlin) 1051. 
Feilchenfeld, W. (Charlotten¬ 
burg) 184. 

Fein, J. 307. 

Feinhardt, F. 927. 

Felix 137. 

Felke (Rostock) 1192. 

Feiler, S. (Wien) 19. 
Fellner, B. 1003. 
Felsenreich, G. 185, 1240. 
Fenwlk 208. 

Fcmau, A. (Wien) 206, 522. 
Fessler (München) 257. 
Fetter, K. (Koblenz) 376. 
Feulgon, R. (Berlin) 422, 
614, 926. 

Fick, R. (Berlin) 361. 
Fiessler, A. 783. 

Finckc. II. 13. 

Finder, G. (Berlin) 214, 378, 
380, 524, 764, 977, 978. 
Finkelnburg (Bonn) 401. 
Finkeinstein, H. (Berlin) 85, 
310, 737, 884, 903. 
Fischei 285. 

Fischer 236.] 

Fischer (Frankfurta. M.) 862, 
901, 958, 1078. 

Fischer (Göttingen) 1247. 
Fischer (Heidelberg) 376. 
Fischer, A (Karlsruhe) 595. 


Fischer, A. W. 17. 

Fischer, B. (Frankfurt a. M.) 

185, 207, 805, 1153. 
Fischer, H. (Breslau) 781. 
Fischer, J. (Berlin) 1137. 
Fischer, W. f8, 68, 1147, 
1148. 

Fischer, W. (Berlin) 376, 
996, 1122. 

Fischer, W. (Shanghai) 891, 
974. 

FischI, F. (Wien) 1003,1027. 
Fisch 1, R. (Prag) 479, 592, 
1222. 

Fischler, F. (München) 237. 
Fisher 691. 

Fitzwilliams 1195. 

Flade (Newcastle) 644. 
Flatau, G. 159. 

Flater, E. 13. 

Flatzek, A. 15. 

Flebbc, H. 256, 1051. 
Flechtenmachor, C. (Inns¬ 
bruck) 548. 

Fleiner, W. (Heidelberg) 358, 
668, 736, 1050. 

Fleisch, A. (Zürich) 448. 
Fleischer, Fr. (Berlin) 740. 
Fleischmann (Heidelberg) 
1030. 

Fleischmann, 0. (Frankfurt 
a. M.) 188. 

Flesch (Frankfurt a.M.) 1078. 
Flesch, J. (Wien) 617. 
Fliess, W. (Berlin) 593. 
Flörcken, H. (Paderborn) 928. 
Florschütz (Gotha) 927. 
Flury (Berlin) 906. 

J’ocke (Düsseldorf) 303. 
Fodor, A. 1141. 

Foerster 1218. 

Förster, A. (Würzburg) 644. 
Förster, E. (Bonn) 928. 
Förster, 0. (Breslau) 741. 
Förster, W. (Suhl) 689. 
‘Fogarty 424. 

Foges, A. 902. 

Folman, M. (Berlin) 211. 
Foni-Langau, A. (Bern) 809. 
Forel, A. 781. 

Forschbach (Breslau) 65,368, 
478, 910, 1034, 1199. 
Förster (Berlin) 1245, 1246. 
Förster, E. (Berlin) 712, 784, 
1051. 

Foth, K. (Berlin) 808. 
Fournier, L. 1146. 

Fraas (Göttingen) 1247. 
Fraenkel, E. (Hamburg) 184, 
207, 239, 375, 404, 1031, 
1192. 

Fraenkel, L. (Breslau) 886. 
Frankel, E. (Heidelberg) 42, 
358, 951. 

Frankel, K. (Frankfurt a.M.) 
692. 

Frankel (Berlin) 1127. 
Frankel, M. (Berlin) 18, 544. 
Frankel, S. 63, 926. 

Franck 351. 

Frank, E. (Breslau) 140, 886, 
910, 911, 957, 974, 1057, 
1090. 

Frank, G. V. (Cöln) 570. 
Frank, H. (Berlin) 164. 
Frank, L. (Zürich) 661. 
Frank, P. (Berlin) 500. 
Franke 117, 325. 

Franke, F. 642. 

Franke, M. (Lemberg) 281. 
Frankenthal, K. 640. 

FranklJfO. (Wien) 1100. 
Franz 66, 234. 

Franz (Berlin) 577. 

Franz, R. 354, 498. 

Franz, Th. (Wien) 377. 
Freischmidt, W. (Berlin) 
1027. 


1251 

Freudenberg (Heidelberg) 
1247. 

Freudenberg, A. (Berlin) 357, 
907, 967. 

Freund (Heidelberg) 21, 668, 
1247. 

J Freund, C. S. (Breslau) 884. 
Freund, E. 1241. 

Freund, J. (Budapest) 1048. 
Freund, L. (Wien) 17, 784. 
Freund, W. (Breslau) 333. 
Frey, E. 256. 

Frey, W. (Göttingen) 1099. 
Frey, W. (Kiel) 147, 298, 
1004. 

I v. Frey (Würzburg) 182. 

1 Frey-Bolly, E. (Aarau) 425, 

f 014 . 

Frcyer 855. 

| Frieboes, W. (Bonn) 662. 

| Fried, 0. (Bamberg) 1239. 
Friedberger, E. (Greifswald) 
16, 151, 188, 615, 616, 
1004, 1118, 1192, 1214. 
Friedemann, U. (Berlin) 23. 
Friedenthal, H. 711. 
Friedjung, J. K. (Wien) 
1194. 

Friedländer (Breslau) 1199. 
Friedländer, A. A. (Freiburg) 
1097. 

Friedländer, E. (Lemgo) 544, 
902. 

Friedländer, F. (Wien) 929. 
Friedlaender, R. (Wiesbaden) 
470, 709. 

Friedmann, F. F. (Berlin) 
1050. 

Friedmann, Ida (Wien) 849. 
Fribdmann, M. 209. 
Friedrich, W. (Freiburg) 381, 
521, 930, 1054. 
v. Friedrich, W. (Budapost) 
42. 

v. Frisch 25ö. 
v. Frisch, K. (Wien) 207. 
v. Frisch, 0. (Wien) 207. 
Fritsch, R. (Zürich) 422, 
1190. 

Fritzsche, R. (Basel) 747. 
Froböse, C. 185. 

Froböse-Thiele (Berlin) 282. 
Fröhlich, A. (Wien) 183. 
Frösch, E. 474, 756. 
Fröschels, E. 307, 427. 
Frohmann (Königsberg i. Pr.) 
70. 

Fromme (Düsseldorf) 42. 
Fromme, A. (Göttingen) 326, 
450, 451, 642, 667, 785, 
979, 1099, 1103. 

Fronius, L. 930. 

Frülfwald, R. (Leipzig) 67, 
879, 1099 , 

Fuchs 663, 760. 

Fuchs, A. 900, 1216. 

Fuchs, D. (Breslau) 1218. 
Fuchs, E. 211. 

Fuchs, P. (Wien) 810, 1028, 

1245. 

Fuchs, H. (Danzig) 588. 
Fuchs, J. (Ettlingen) 1026. 
Fiihner, H. (Königsberg) 231, 
523, 687, 879. 

Fülleborn 1147. 

Fürbringer (Berlin) 1150, 

1246. 

Fürst, C. 661. 

Fürstenau 187. 
v. Fürth,- 0. 423, 493. 

Fuhge, G. (Berlin) 690. 

Fuld, E. (Berlin) 60, 256, 
308, 762. 

Füller ton 428. 

Funk, S. (München) 757. 
v. Funke (Prag) 71. 


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Gck igle 


Original fro-m 

UNiVERSUY OF IOWA 




1252 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


6 * 

Gaarder, T. 159. 

Gabbe, E. (St. Blasien) 161, 
303. 

Gaehtgens, W. (Hamburg) 
42,* 882. 

Gänssle 498. 

Gaertner, G. 1214. 

Gärtner, W. 185, 1122. 
Galambos, A. (Budapest) 
425, 1069. 

Galant, S. (Bern-Belp) 116, 
376, 973, 975, 1051, 1193, 
1244. 

Galewsky 497. 

Gail, P. (Triest) 663, 809. 
Galli-Valerio. B. (Lausanne) 
660. 

Gallus, E. (Bonn) 810,1049. 
Gammeltoft, S. A. (Kopen¬ 
hagen) 857. 

Gans, 0. (Heidelberg) 905, 

1220 . 

Ganter (Tübingen) 808. 
Gardlund 306. 

Gardusio, R. 283. 

Garten, S. (Leipzig) 115. 
Gassul, R. (Berlin) 375, 522, 
737. 

Gatseber, S. (Wien) 641, 692, 
713. 

Gattner, J. (Berlin) 706. 
Gaugele (Zwickau) 614,1216. 
van Gaugelen, G. (s’Graven- 
hage) 18. 

Gauäs (Freiburg) 1054. 
Gautcr, G. (Greifswald) 711. 
v. Gaza, W. 548, 690. 

Gebb 351. 

Gebhardt, R. 1071. 

Gehreis, E. (Leipzig) 1051. 
Geigel, G. 643, 711. 

Geiger, H. (Charlottenburg) 
1099. 

Geiger, J. (Erlangen) 18. 
Geissböck, F. 351. 

Geisse, A. (Freiburg i. Br.) 
396. 

Gellhorn 931. 

Genck, M. (Greifswald) 1072. 
Genewein, Fr. (München) 856. 
Gennerich (Kiel) 772, 803. 
Georgi, W. (Frankfurt a. M.) 

16, 545, 615, 882. 
Geppert, J. (Giessen) 68. 
Gerber (Königsberg i. Fr.) 

69, 213, 660, 835. 

Gerber, 0. P. (Wien) 709. 
Gerhardt, D. (Würzburg) 16, 
350, 1242. 

Gerich, 0. (Riga) 570. 
Gerson (Breslau) 140, 1118. 
Gerson, A. 473. 

Gerson, M. (Bielefeld) 274. 
Gerstl (Prag) 863, 1222. 
Gerstmann, J. (Innsbruck) 
65, 712, 855. 

Gerwiner, H. F. (Holster¬ 
hausen) 616. 

Geymüller, E. (Basel) 833, 
1050, 1195. 

Ghon (Prag) 71, 616, 642. 
Gibson 397, 975. 

Gierasa (Hamburg) 184. 
Gierisch, W. (Dresden) 114, 
233, 1190. 

Giese 498. 

Gilbert (München) 905. 
Gildemeister, M. (Berlin) 900. 
Gillert, E. (Berlin) 1098. 
Ginz, H. A. (Berlin) 1241. 
Ginzburg 211. 

Gioseffi, M. 162, 1119. 
Girgensohn, R. (Riga) 474. 
Glaessner, K. 304, 351. 
Glaessner, P. 499. 

Glas, E. 594, 1121, 1147. 


Glaserfeld, B. (Berlin) 1214. 
Glass, E. (Hamburg) 809. 
Glauning 307. 

Glaus, A. (Basel) 538. 
Glejzor, J. (Prag) 496. 
Glitscher, K. ('Erlangen) 522. 
Glockcr, R. (Stuttgan) 1072, 
1099. 

Glover 212. 

Gocht (Berlin) 356, 695, 956, 
1097, 1126. 

Goebel (Breslau) 1077. 
Goebel, 0. (Hirschborg i.Schl.) 
188. 

Goebel, W. (Giessen) 976. 
Goedecke (Dresden) 406. 
v. Goeldcl, W. 736. 
Göppert(Göttingen)668,979, 

1103. 

Goergens, II. 758. 

Goeritz (Berlin) 758. 

Goerke (Breslau) 1198,1199. 
Görner (Dresden) 237. 

Göttel, L. (Greifswald) 927. 
Goetze (Halle) 45, 569. 
Goetze, E. 1048. 

Gofferje, F. 1219. 

Goldammer, F. (Berlin) 428, 
475, 500, 620. 

Goldberg, E. (Breslau) 609, 1 
H93. | 

Goldenberg, Th. (Nürnberg) ; 

S34. i 

Goldmann 138. I 

Goldscheider (Berlin) 116, 
1225. j 

Goldschmidt, W. (Wien) 546. 1 
Goldstein (Frankfurt a. M.) 

958, 1025, 1078. J 

Goldwasser, J. (Kortsch) 210. j 
Goldzieher, M. (Budapest) I 
184, 545. 

Golliner (Burgdorfj 186. 
Gommermann, M. «.Rostock) 
830. ; 

v. Gonzen hach 283. , 

Gorbakowskv, D. (Sirass- ! 

bürg i. K.) 210. I 

Götony, L. 545. 

Gotschlii-h, E. (Giessen; 711. ■ 
Gottesmann, A. (Budapest) j 
281. 

Gottstein, A. 158, 374, 1147. I 
Grabisch, A. 397. 

Grabley, P. (Woltersdorfer 
Schleuse) 1165. 

Graebke (Jena) 570. 

Graefe, M. (Halle a. S.) 
1168. 

Gräper (Breslau) 788, 1005. 
Graetz (Hamburg) 46, 927. 
Graetz, Fr. (Hamburg) 1241. 
Grafe, E. (Heidelberg) 1030, 
1190. 

Graff 234. 

Grashey, R. 231, 657. 

Grau, H. (Honnef) 303, 882. 
Grauhan (Kiel) 400. 

Graupner (Berlin) 909. 

Gra\-es 543. 

Grawitz, P. (Greifswald) 784. 
Greenfield 1168. 

Gregor, A. (Dösen) 619. 
Greinert, E. (Ratibor) 302. 
Grove, Chr. (München) 643. 
Griebel, C. 13. 

Griesbach, W. (Hamburg) 
231, 1049. 

Griessmann, B. (Nürnberg) 
1073. 

Grimm, G. (Budapest) 712, 
738. 

Grimme, A. (Hamburg) 973. 
Grober (Dorpat) 689. 

Grober (Jona) 788, 832, 879, 
951. 

Groedel (Frankfurt a. M.) 52, 
426, 1078. 


v. Gröer, Fr. (Wien) 185, 
207, 423, 615. 

Groenouw 498. 

Groll, H. (München) 832. 
Gross 67. 

Gross, F. (Wien) 319. 
4lross, K. (Wien) 282. 

Gross, 0. (Greifswald) 427, 
546, 831, 880. 

Gross, W. (Dorpat) 6S9. 
Gross, W. (Heidelberg) 881. 
Grosser 235. 

Grosser(Frankfurta.M.) 1078. 
Grosser (Prag) 359. 
Grossfeld, H. 1244. 
Grossmann (Berlin) 908. 
Grosz, C. 496. 

Grosz, K. 473. 

Grote 65. 

Grotö, L. R. (Halle a. S.) 42. 
Grotjahn, A. 374. 

Groyer 161. 

Gruber, G. B. (Mainz) 902, 
906, 927, 975, 1050, 1098, 
1143, 1147. 

Gruber, G. W. (Mainz) 1169. 
Grünbaum (Heidelberg) 1217. 
Grünbaum (Wien) 161, 1120. 
Grünbaum, R. 1240. 
Grünewald (Dortmund) 1073. 
Griinthal, M. (Berlin) 1096. 
Gruetz, 0. 927. 

Gruhle (Heidelberg) 1221. 
Grumme (Fohrdfe) 38, 281, 
495, IJ 88, 1239. 

Grund, G. (Hallo) 305, 737, 
1194. 

Grunewald, J. (München) 784, 
833. 

Grunow (Wiidbad) .1239. 
Grunwald (München) 1167. 
(iiickel (Nürnberg) 929. 
Guenot, L. 1146. 

Günther, H. (Leipzig) 569. 
Güttich (Berlin) 786, 910, 
" 1053. 

Guggenhcimcr, II. (Berlin) 
64, 286, 304, 350, 616. 
Guggisberg. H. (Bern) 954. 
Guist, G. (Wien) 905. 
Gumprich, G. (Strassburg 
i E.) 210. 

Gundermann, W. (Giessen) 
757. 

Gustafsson, L. (Erlangen) 
236, 306. 

Guszman, J. (Budapest) 67. 
v. Gutfeld, Fr. (Berlin) 807, 

964. 

Guth, E. 304. 

Gutmann, A. (Berlin) 1073. 
Gutmann, S. 115. 

Gutstein, M. (Berlin) 630. 
Guttfeld (Hamburg) 43. 
Guttmann, C. (Wiesbaden) 
1027. 

Guttmann, E. (Neukölln) 20. 
Gutzmann (Berlin) 378, o79, 
380, 381, 523, 977. 


H. 

Haab, 0. (Zürich) 187. 

Haas 66. 
de Haas 594. 

v. Haberer (Innsbruck) 66, 
209, 451, 475, 548, 642, 
1069. 

Haberland, H. F. 0. (Breslau) 
544, 813, 865. 

Haberlandt (Innsbruck) 182, 
447. 

Habermann, R. (Bonn) 692. 
Habetin, P. 1167, 1243. 
Hackenbruch 1047. 
v. Hacker 283, 352. 
v. Hacker, V. (Gera) 784. 


Häcker, V. (Halle) 20. 
Haedicke, J. 344. 

Hafner (Breslau) 1197. 
Händel 616. 

Haenel,H. (Dresden)237,643. j 
Haenisch (Hamburg) 974. j 
Härtl, J. (Berlin) 784. | 

Hagen (Augsburg) 1244. j 

Hagen (Cuxhaven) 952. 

Hahn (Bremen) 42. 

Hahn (Breslau) 1077. 

Hahn, A. (Berlin) $28, 1215. 
Hahn, G. 326. 

Hahn, J. (Wien) 807. 

Hahn, K. (Frankfurt a. M.) 
255. 

Hahn, L. (Danzig) 757. 

Hahn, 0. 257. 

Haig 1167. 

Haike (Berlin) 735. 

Ilailer 615. 

Haller, E. 1219. 

Haim, E. 712. 

Hainiss, E. 304. j 

Halberkann, J. (Hamburg)' 1 
1069. 

Hall 43, 39S. 

Halle (Charlottenburg) 380, , 
525, 526, 764, 978, 1053. 
Hallenberger, 0. (Kiel) 282, j 
355. 

Hamburger 65, 138, 616. 
Hamburger (Berlin) 452. ' 

Hamburger, E. 477. 
Hamburger, F. (Graz) 281, 
303, 618, 643, 660. i 
Hamburger, H. J. (Groningen) ! 
494, 830. 

Hamei (Berlin) 4, 82. 
Hammer (Breslau) 1077. 
Hammer, F. (Stuttgart) 161, 
498. 

Hammer, G. 19. 
Hammerschlag (Berlin) 343, 
715. 

Hammerschmidt, J. (Wien) 
881, 906, 1241. 

Hampeln, P. (Riga) 186. 
Hanauer (Frankfurt a. M.) 

593. 958. 

Hanke, V. 187. 

Hanken, W. 1121. 

Ilannema, L. S. (Rotterdam) 

66 . 

Hannemann, E. (Greifswald) 
233, 30-V 901, 902. 
Hannes, W. (Breslau) 1073. 
v. Hansemann (B rlin) 502. 
Hansen (Harburg a. E.) 1150. 
nansen, A. (Giessen) 1067. 
Hanser (Breslau) 332, 334, 
355, 365, 478. 

Hanser, A. (Mannheim) 257. 
Harf, A. (Berlin) 904. 

Hari, P. (Budapest) 112,159, 
973. 

Harke, J. (Göttingen) 1194. j 
Harlose, B. (München) 1072. 
Harms, C. Mannheim) 498, 
835. 

Harmsen (Bremen) 304. 
Ilarpudcr 641. I 

Harris 1166. 1 

Hart, C. 326, 1096. t 

Hartmann,K.(Hannover) 235. j 
Harttung, H. 163, 164. ! 

Hart wich, A. 474: j 

Harzer, F. A. (Leipzig) 1243. 
Hase, A. (Jena) «545. 
Hasebroek, K. (Hamburg) 645, 
678. 

Hass, J. 807. 

Haticgan, J. 883, 1119. 
Hatziwassiliu, G. P. (Char¬ 
lottenburg) 689. 1226. 
Hauck, G. 184. 

Hauke, H. (Breslau) 584, 812. 
Ilaultain 688. 


Haupt, F. W. (Buch-Berlin) 
161. 

Hauptmann, A. (Freiburg) 
233, 382, 399, 1166. 
Haus, 0. (Innsbruck) 1241. 
Hauser, G. (Eflangen) 1240. 
Hauser, K. 63. 

Hausmann, W. (Wien) 522. 
Haustein, H. (Berlin) 954. 
Havlioek, H. (Prag) 202,352. 
v. Hayek, H. (Innsbruck) 
303, 616, 883, 1218. 
Haymann, L. (München) 976, 
1174. 

Hayward, E. (Berlin) 713, 
1119. 

Hecht, A. F. 206. 

Hecht, H. (Prag) 376, 660 
1217. 

Heddaeus 1026. 

Hediger (Zürich) 974. 

Hedin, S. G. 423. 

Heermann 284. 

Heffter, A. (Berlin) 1193. 
Hegar, A. (Wiosloch) 236. 
Hegener (Hamburg) 790. 
llegler (Hamburg) 647. 
Hegner, C. A. 1028. 

Heiberg, K. A. 880. 
Heidenhain, L. (Wonns) 18. 
Heiderich (Bonn) 352. 
Heidler, H. H. 257, 283, 856. 
Heil (Darmstadt) 206. 

Heilig, E. 162. 

Heim, L. (Erlangen) 13, 1241. 
lleimann (Breslau) 886,1005. 
Heine (Kiel) 45, 887. 

Heine, B. (München) 1147. 
Heineke 1167. 

Heineke, A.(Heidelberg) 783. 
Heinemann (Hamburg) 1005. 
Keinemann, C. (Berlin) 1145. 
Heinemann, E. F. C. (Smyrna) 
929. 

Heinemann, H. 663. 
neinieke (Waldheim) 975, 
1193. 

Heinrich, R. (München) 17. 
Heising, J. (Lippspringe) 138. 
Helbing (Berlin) 356. 

Helle, H. (Frankfurt a. M.) 
1217. * 

Heller, J. (Berlin-Charlotten¬ 
burg) 20§, 542, 766, 1027. 
Heller, L. 397. 

Heller, Th. (W en-Grinzing) 
163. 

Hellmann, J. 691. 

Hellpach (Heidelberg) 1221, 
1247. 

Hellström, N. (Lund) 857. 
Helm (Berlin) 524. 

Hemmeon 760. 

Henius, K. (Berlin) 138, 186, 
.979, 1075, 1119. 

Henius, M. (Berlin) 1239. 
Henke (Breslau) 118, 451, 
91i: 

Henkel, M. (Jena) 759. 
Henneberg (Berlin) 95, 387, 
402, 664, 665, 693, 740, 
873, 933, 1051,1173,1174. 
Henning, H. (Frankfurt) 1049. 
Hennis, II. (Essen) 188.' 
Hennis, II. (Gelsenkirchen: 
954. 

Henrichsen (Schwanheini a. 

Main) 852. 

Henry 856. 

Henschen (St. Gallen) 1071. 
Hensehen, E. S. (Stockholm) 
399, 932. 

Hense (Berlin) 714. 

Hcnsen, H. (Hamburg) 1028. 
Henszelmann, A. (Budapest) 
354, 478, 7S3, 1052. 
Herbst, 0. (Berlin-Rummels¬ 
burg) 903. 


Digitized b) 


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Original frorri 

UNiVERSITY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1253 


Herhold 474, 006, 976. 
Hering (Breslau) 1078. 
Hering, H.E. (Cöln) 639,806. 
Hermel (Hamburg) 815. 
v. Herrenschwand 498. 
Herrmanns, L. 351. 
Herrnheiser, 1222, 1243. 
Hertel, E. (Strassburg i. E.) 
810. 

Herten stein 161. 

Hertz 499. 

Herxheimer 137. 

Herxheimer, G. (Wiesbaden) 

688 . 

Herxheimer, K. (Frankfurt 
a. M.) 1162. 

Herz 65. 

Herzfeld (Berlin) 787, 1053. 
Herzfeld, E. (Leipzig) 901. 
Herzfeld, E. (Zürich)302,708. 
Herzig, E. (Wien) 346 . 
Herzog, F. 1243. 

Herzog, G. 354. 

Herzog, H. (Innsbruck) 645, 
710. 

Hess 117. 

Hess, C. 1049. 
v. Hess, C. (München) 115, 
522. 

Hess, R. (Strassburg) 163. 
Hess, W. R. (Zürich) 302. 
Hessberg 397. 

v. Hessbrüggo (Bochum) 307, 
619. 

Hesse, E. (Berlin) 1035. 
Hesse, E. (Zeithain) 398. 
v. Hesse 595. 

Hesse, M. (Graz) 569. 

Hesse, W. .(Halle a. S.) 639, 
. 882. 

Hess-Theyssen, Th. (Kopen¬ 
hagen) 1004. 

Hettersdorf (München) 663. 
Heubach (Graudenz) 1239. 
Heubner, W. (Berlin) 428, 
687. 

Heubner, W. (Göttingen) 358, 
667, 709, 979, 1247. 
Heusen 401. 

Le^Heux, I. N. (Utrecht) 182, 
449, 493. 

Hey der 307. 

Heyman 498. 

Heymann (Berlin) 378, 379, 
977. 

Hey mann, B." (Berlin) 1073. 
Heymann, E. (Berlin) 327. 
Heymann, P. (Berlin) 492, 
763, 811, 812. 

Heymann, P. (Leipzig) 234. 
Heyner, 0. A. (Bern) 1073. 
Hijmans van den Bergh, A A. 

(Groningen) 567. 

Hilbert (Königsberg i. P.) 70. 
Hildebrand 475. 

Hildebrand, 0. (Berlin) 25. 
Hildebrandt (Freiburg i. B.) 
1243. 

Hillenberg 615. 

Hils, K. 13. 

Hilse, A. (Dorpat) 953. 
Hindhede, M. (Kopenhagen) 
1165. : 

Hinterstoisser, H. A., 306, 
810. 

Hintzelmann, U. (Rostock) 
614. 

Hinz (Burg i. D.) 500, 
v. Hippel (Göttingen) 667, 
979. 

Hirsch, A. (Heidelberg) 233. 
Hirsch, A. (Stuttgart) 1051. 
Hirsch, C. (Göttingen) 499, 
1213. 

Hirsch, C. (Stuttgart) 188. 
Hirsch, E. (Berlin) 974. 
Hirsch, M. 546. 

Hirsch, M. (Berlin) 593. 


Hirsch, M. (Wien) 1244. 
Hirsch, P. (Berlin) 189, 310. 
Hirsch, P. (Dahlem) 1240. 
Hirsch, P. (Jena) 567. 
Hirsch, R. 709. 

Hirschberg, E. (Rostock) 658. 
Hirschberg, Fr. (Dillingen) 
684. 

Hirschberg, J. (Berlin) 46, 
596, 610, 635. 

Hirschberg, M. (Berlin) 198, 
1246. 

Hirschberg, 0. (Frankfurt 
a. M.) 450, 929. 
Hirschbruch 15. 

Hirschfeld, F. (Berlin) 884, 
1246. 

Hirschfeld, Ü. (Berlin) 193, 
230, 711, 878, 1189. 

. Hirschlaff, L. (Berlin) 806. 
Hirschmann 548. 
Hirschmann, C. (Berlin) 166, 
308, 310, 953, 1145. 
Hirschsohn, J. (Alland) 1004. 
His (Berlin) 1150, 1246. 
Hisgen, H. (Trier) 1146. 
Hitzenberger, K. (Wien) 1215. 
v. Hochenegg, J. 658. 
Hochhammer 164. 
Hochstetter (Tübingen) 855«. 
Hock, J. (Würzburg) 689. 
Hodel, H. (Interlaken) 424. 
Hodiesne (Leipzig) 645. 
Höber, R. (Kiel) 449. 
Höflmayer (München) 861. 
IIölzl (Polzin) 14. 

Hönck 474. 

Ilöpfner, H. (Göttingen) 944. 
Hoorschelmann, E.(Riga) 283. 
v. Hösslin (Berlin) 549. 
Hössly 66, 474.. 
v. d. Hoeve, J. (Leiden) 187, 
498, 906. 

Höyrup, M. 41, 255. 
Hofbauer, J. (Dresden) 210. 
Ilofbauer, L. (Wien) 303. 
Hofer 235. 475, 835. 

Hoffa, A. 657. 

Hoffmann (Heidelberg) 213, 
357, 806, 1072. 

Hoffmann, A. (Düsseldorf) 186. 
Hoffmann, A. (6uben) 400. 
Hoffmann, C.A. (Berlin) 209, 
449. 

Hoffmann, E. (Bonn) 376, 
662, 905, 953, 954, 1142, 

1169. 

v. Hoffmann, G. (Budapest) 
619. 

Hoffmann, M. 349. 

Hoffmann, P.(Würzburg) 830. 
Hoffmann, Y. 1243. 
Hoffmann, W. (St.Gallon) 738. 
Hofinann 117, 236. 

Hofmann, E. (Bonn) 497. 
v. Hofmann, E. R. 1142. 
Hofmann, K. 1051. 

Hofraann, W. (Frankfurt a.M.) 

704, 714, 1078. 

Hofmeier (Würzburg) 858. 
Hofstätter, R. (Wien) 258, 
809 929. 

Hohenbichler, A. (Wien) 302. 
Hohlweg, A. (Duisberg) 14, 
15. 

Hohmann 431, 450, 643. 
Hohmann, G. (München) 18. 
Hoko, E. (Komotau i. B.) 138, 
855, 901. 

Holland, M. (Tübingen) 282, 
1070. 

Holländer, E. (Berlin) 355, 
1129, 1148. 

Holländer, L. (Budapest) 536. 
Hollborn (Leipzig) 1119. • 
Holmdahl, D. Edv. 233. 
Holst, P. M. (Kristiania) 545. 
Holste, A. (Jena) 115. 


Holthusen, H. (Heidelberg) 
758. 

Holtz (Senftenberg) 784. 
Holzapfel,K.(Charlottenburg) 
806, 975. 

Holzknecht, G. (Wien) 231, 
306, 354, 1240. 

Homver, M. 1028. 
Honigmann(Breslau)231,837. 
van Hoogenhuijze, C. (Am¬ 
sterdam) 15. 

Hoppe,J.(Uechtspringe)! 164, 
1214. 

Hoppe-Seyler, G. (Kiel) 22, 
186. 

Horgan (Cork) 401. 
Horlacher 187. 

Horn, P. (Bonn) 232, S79. 
Horneffer 42. 

Horwitz 474. 

Hosenberg, H. (Aidenbach) 

220 . 

Hotzen, A. (Magdeburg) 497. 
Ilryntschak, T. 1026. 

Huber, F. 836. 

Huber, H. (Winterthur) 782. 
Hubert, G. 426, 473. 
Ilübener, E. 349. 

Hueber, E. (Salzburg) 1004. 
Hübner, A.H. (Bonn) 68, 207, 
661, 1219. 

Hübottcr (Berlin) 55. 
Hübschraann, P. 17. 

Hülse (Breslau) 787. 
Hündgen, P. (Mainz) 954. 
Hueppe, F. (Dresden) 62. 
Hürthle, K. (Breslau) 181, 
1075. 

Hugenholtz, F. W. U. (Leiden) 
546. 

Huguenin (Zürich) 645. 
Hueter, C. 710. 
Huldschinsky,K. (Berlin) 757. 
Hundeshagen, K. (Strassburg) 
855, 927. 

Huntemüller (Giessen) 954. 
Huntley 833. 

Hunziker, H. (Basel) 690. 
Huppenbauer, K. 188. 
Hurst-Newton (Abbot) 399. 
van Husen, J. (Bonn) 809,904. 
Hymans, II. M. (s’Gravenhage) 
183. 


1. 

Ibrahim (Jena) 789, 840, 
1220. 

Ickert (Stettin) 976, 1241. 

Igersheimer (Göttingen) 187,* 
067,810, 931, 1100,1213. 

Ihle, J. E. W. (Utrecht) 15. 

Ilberg, G. 1068. 

Ilberg, J. 934. 

Imhofer, R. (Prag) 231, 281, 
503, 594, 835, 858. 

Immelmann (Berlin) 190, 
1146. 

Impens, E. (Elberfeld) 901. 

Isaac, S. (Frankfurt a. M.) 424, 
940, 1078. 

Iselin, H. (Basel) 15, 400. 

Isenberg, E. (Halberstadt) 
901. 

Israel (Berlin) 190. 

Israel, A. (Berlin) 617. 

Israel, J. (Berlin) 327. 

Israeli (Berlin) 310. 


J. 

Jacob (Berlin) 476, 1125. 
Jacob (Breslau) 477. 
Jacob, J. (Zwickau) 186. 
Jacobsohn (Berlin) 94, 95, 


Jacobsobn, L. (Berlin) 666, 
1174. 

Jacobsohn, M: (Berlin) 257. 
Jacobsohn, P. (Berlin) 500. 
Jacobsthal (Hamburg) 815. 
Jacoby, M. (Berlin) 115,494, 
1069, 1165. 

Jadassohn (Breslau) 139. 
Jaeger, II. 710. 

Jaenisch 616. 

Jaffe, R. H. (Wien) 184, 185, 
881. 

v. Jagic 138, 707, 807. 
Jagic, N. 1214. 

Jahnel, F. (Frankfurt a. M.) 
232, 545. 

Jahreiss (Augsburg) 1245. 
Jakob, A. (Hamburg) 666, 
1031, 1119. 

Jaksch - Wartenhorst (Prag) 

1222. 

Jamin, F. (Erlangen) 1242. 
Jamison 18. 

Jandas, K. 616*. 

Jansen, A. 159, 1122. 
Jansen, K. (Bonn) 1121. 
Jansen, W r . H. (München) 835, 
1239. 

Jänssen, P. 900. 

Janus, F. (München) 353. 
Janzen, E. (Giessen) L194. 
Japha, A. (Berlin) 921, 1150, 
1244. 

Jarisch, A. (Graz) 854, 1235. 
Jaroschy (Prag) 407, 431. 
v. Jaschke, R. Th. (Giessen) 
206, 236, 974, 1049,1122, 
1214. 

Jastrowitz, H. (Halle a. S.) 
1049. 

Jeanschul, E, 976. 

Jegge, E. (Basel) 857. 

Jehn (München) 164, 758. 
Jenkel (Altona) 18. 
Jennicke, E. (Eisenach) 641, 
689. 

Jensen, P. 62. 

Jentsch, E. (Obernigk) 496. 
Jerlov, E. 1192. 

Jess 663. 

Jex-Blake 15. 

Jickeli 285. 

Jizuka, S. (Osaka) 236. 
Joachimoglu, G. (Berlin) 424, 
830, 1212. 

Joannovics, G. 302. 

Joel, A. (Hamburg) 1191. 
Joerdens, G. 951. 

Jörger, J. (Chur) 805. 
Jötten, K. W. (Berlin) 270, 
615. 

Johnsen 66, 450. 

Johnsen, C. 1070. 

Jollinger (Aarau) 500. 

Jolly, Ph. (Nürnberg) 975. 
Jonas, A. (Magdeburg) 834. 
Jonas, S. (Wien) 350. 
Joseph 65. 

Joseph, E. (Berlin) 357, 779, 
1148. 

Joseph, H. (Köln) 757. 
Joseph, J. (Berlin) 44, 166, 
381, 908, 953. 

; Joseph, M. (Berlin) 64, 67. 

Joseph, M. (Köln) 785. 

I Josephsohn'396. 
de Jossclin de Jong, R. 
(Rotterdam) 595. 

, Jost (Berlin) 766. 

: Jost, W. (Barmelweill) 641. 
Jottkowitz (Berlin) 955. - 

Jud 831. 

j Jüngling, 0. (Tübingen) 735, 
904. 

Jürgens (Berlin) 43, 304, 
532, 550, 595, 621, 975, 

1170. 

i Julien, J. (Tholozan) 474. 


Junghanns, 0. (Dresden) 19. 
Jungmann, P. (Berlin) 15, 

1171. 

Junius (Bonn) 1073, 1218, 
1244. 


K. 

Kach, F. (Hamburg-Barm- 
beck) 782, 931. 

Kache, W. (Breslau) 831. 
Käding, K. 809. 

Kämpf, F. (Hamburg) 1072. 
Kaem pfer, E. (Frankfurt) 469, 
1095. 

Kaestle (München) 353. 
Kafka, V. (Hamburg) 22, 
808. 

Kahane, M. 903, 1193. 
Kahle, H. (Jona) 902. 

Kahn, E. (München) 928, 
Kaiser, Fr. (Halle) 712. 
Kaiserling (Königsberg i. Pr.) 
69. 

Kaiser-Petersen (Frankfurt 
a. M.) 711. 

Kalberlah (Frankfurt a. M.) 
911. 

Kaldeck, R. 1144. 

Kaliwoda 451. 

Kall 424. 

Kallmann, S. (Rechtsanwalt, 
Berlin) 334. 

Kaminer, G. 1241. 
Kanngiesser, F. 376. 
Kapelusch, A. 375, 1145. 
Kaplan, L. 613. 

Käppis (Kiel) 66, 69, 449, 
451, 644. . 

v. Karajan 163. 

Karczag, L. (Budapest) 642. 
Karewski, F. (Berlin) 1004. 
Karger, P. (Berlin) 688. 
Karo, W. (Berlin) 302, 561, 
758. 

Karplus, J. P. 427, 663. 
Kartenmeyer, W. (Düssel¬ 
dorf) 1216. 

Kassel 451. 

Kassowitz, K. 615. 

Kastan, M. (Königsbergi. Pr.) 

403, 661, 837. 

Katsch, G. (Marburg) 14,43. 
Katz, G. (Kiel) 396. 
Katzenstein, J. 1218. 
Katzenstein, M. 256, 644, 
1125. 

Kauert, F. (Barmbeck) 951. 
Kaufmann, H. P. (Jena) 204. 
Kaufmann, P. (Lugano) 1240. 
Kaufmann, R.(Frankfurta.M.) 
426, 905. 

I Kaufmann-Wolf, M. (Berlin) 

! 67. 

I Kaumheimer, L. (München) 

! 786. 

! Kausch (Berlin) 66,117, 269, 
327, 784, 1195. 

Kautsky, K. 760. 

| Kayser 210. 

! Kayser, C. (Berlin) 1170. 

J Kayser, C. (Berlin-Wilmers¬ 
dorf) 733. 

Kayser, H. 137. 

Kayser, M. E. (Magdeburg) 
1167. 

Kayser, R. 707. 
Kayser-Petersen (Frankfurt 
a. M.) 894, 1119. 
Kaznelson (Prag) 258, 304, 
974 1222. 

Kehl (Marburg) 1097. 

Kehrer *835. 

Kehrer (Breslau) 718, 1196. 
Kehrer (Dresden) 238, 406. 

| Keil (Marburg) 12f6. 

! Kelemen, G. 114. 


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Gck igle 


Original from 

UNIVFR5ETY QF IOWA 





1254 

Keller 421. 

Keller, C. 707. 

Keller, K. 1052. 

Kelling, G. (Dresden) 44, 
117, 208, 352, 660, 1004. -j 
Kempner, A. 473. 

Kemsies, F. 63. 

Keppler, W. (Berlin) 808. 
Kerb, E. (Berlin) 470. 

Kerl, W. 543. 

v. Kern, B. (Berlin) 889, 
972, 1002. 

Kertess, E. (Heidelberg) 926. 
Kestenbaum (Wien) 905. 
Kestner, 0. (Hamburg) 350, 
376, 405, 660, 663, 790, 
•973, 1031, 1048. j 

Keuper, E. (Düsseldorf) 186, i 
1167. 

Keysser,*Fr. (Jena> 953. 
Kickhefel, 0. (Berlin) 967, 
977. 

Kielleuthner, L. (München) ! 

1146. ! 

Kienböck, R. (Wien) 353. 
Kiepler, H. (Greifswald) 902. 
Killian (Berlin) 307, 350, 
379, 380, 381, 523, 524, 
525, 977. 

King-Turner 14. j 

Kionka (Jona) 840. j 

Kinscherf, J.(Kaiserslautern) ! 
306. 

Kirch, A. (Wien) 1051. 
Kirchberg(Delmenhorst)424. j 
Kirchenberger; A. 450. 
Kircher, C. (Würzburg) 931. 
Kirchmayr 67, 1168. 
Kirchner, C. (Würzburg) 206. j, 
Kirchner, M. (Berlin) 74, ! 
212, 375, 433, 625, 696, 1 
761, 832 1050. 1 

Kirsch (Berlin) 1244. 

Kirsch, A. (Kocms) 616. 
Kirschbaum 17. 

Kirschner (Königsberg i Pr.) 

403, 644, 928. 

Kirstein 236. 

Kirstein (Marburg) 640. 
Kirstein (Stettin) 14. 

Kirstein, F. (Berlin) 1050. 
Kisch, B. (Prag) 182, 257. 
Kisch, E. (Berlin) 1143. 
Kisskalt, K. (Kiel) 68, 234, 1 
690, 1241. 

Kissling (Heidelberg) 213. 
KjöllerfeldJt, M. (Helsingfors) ! 
113, 160. 

Klapp, R. (Berlin) 781, 1126, 
1127, 1194. 

Klare 493. 

Klarfeld (Breslau) 1005. 
Klaus, 0. 1144. 

Klee, Ph. 425, 806. 

Kleeblatt,F. (Frankfurt a. M.) 
1099, 1146. 

Kleemann (Breslau) 1198, j 
1199, 1242. 

Kleemann, A. 426. 
lvlcemann,M. (München) 782. 
Klehmet,W. (Hannover) 1122. 
Klein,G. (München) 19,1073. 
Klein, M. 714, 834, 953. 
Kleine, F. K. (Berlin) 836. 
Kleinschraidt, II. (Berlin) 673. 
1189. 

Kleinschmidt, K. (Linz) 353. 
Kleist, K. 232. , 

Klemm, P. (Riga) 283. j 
Klemperer, F. (Berlin) 350, ! 

396, 1075. j 

Klemperer, G. (Berlin) 231, ! 
'326, 396, 470, 640, 709, , 
831,951, 974, 1143, 1166. | 
Klessencr, J. J. H. M. 65. 
Klestadt (Breslau) 618,813, ; 
884. 

Klewitz 1241. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRtKT. 


Klewitz, F. 138, 660. 
de Kleyn, A. (Utrecht) 760. 
Klien,H. (Leipzig) 233,1117. 
Klieneberger, C. (Zittau i. S.) 
47, 239, 405, 406, 659, 
719, 838, 1029. 

Klinger, li. 1167. 

Klinger, R. (Zürich) 16,302, 
522, 639, 708. 

Klinkert, D. (Rotterdam) 745. 
Kloiber, H. (Frankfurt a. M.) 

495, 976, 1078,1099,1121. 
Klopstock, F. (Berlin) 726, 
1192. 

Klopstock, M. 896. 

Klose (Berlin) 207. 

Klose, E. (Hirschberg i. Schl.) 
903, 1216. 

Klose, F. (Berlin) 292, 517, 
927. 

Kloso, II. (Frankfurt a. M.) 

863, 985, 1121. 

Klotz, M. (Lübeck) 415, 987. ! 
Kluraker, Chr. J. (Frank- ! 

furt a. M.) 499. 

Knabe, F. (Berlin) 932. 
Knack, A.V. (Hamburg) 284. 
Knapp, A. (Düsseldorf) 643, 
784. 

Knauer, A. (Würzburg) 688. j 
Knepper (Düsseldorf) 402. j 
Knöpfelmacher, W. (Wien) j 
163, 1097. 

Knoll (Arosa) 66. 

Knopf, W. (Bonn) 640. 

Knorr, M. 15, 397, 927. 
Kobert, R. (Rostock) 14. 686. 
Koblanck (Berlin) 1100. 
Kobrak, F. 159. 

Koch, A. (Göttingen) 493,829. 
Koch, F. (Hamburg) 616. 
Koch, G. 355. 

Koch, M. (Berlin) 549. 

Koch, R. (Frankfurt a. M.) 

855, 1004. . I 

Koch, W. (Berlin) 495, 501. 1 
Kochgürtel, M. 1073. 1 

Köbke 1195. ! 

Kögel, P. R. 113. 

Köhler 258, 470. • 

Köhler (Cöln) 1213. 

Köhler (Hamburg) 1031. 
Köhler, A. (Berlin) 785. 
Koohler, A. (Halle) 973. 
Köhler, F. (Cöln) 302. 
Koehler, 0. 308. 

Köhler, P. 1099. 

Köhler, R. (Wien) 692. 
Koellner, H. (Würzburg) 976. j 
König 256, 451, 615. ! 

König (Bonn) 149, 320. j 
König (Harburg) 1150. 

König, B. (Freiburgi. Br.) 521. * 
König, F. (Würzburg) 1121.. 
König, J. (Münster i.W.) 293. 
Königcr, H. (Erlangen) 709, 
710, 1240. 

Königstein 164. 

Koennecke 691. 

Koepchen (Bonn) 42. 

Koeppe 211, 2o7, 931. 
Koeppc, L. (Halle a S.) 45, 
593, 811. 

Koerber (Hamburg) 808. 
Körkl, K. (Wien) 808. 
Koerner, H. 881. 

Körner, 0. 374. 

Körte, W. (Berlin) 526,1Q98. 
Körting, G. (Berlin) 27. 

Kötz, A. (Kiel) 1145. 
Kocuschcr, A. (Konstantino- 
pel) 1241. 

Kofler, K. 594. 

Kofmann 644. 

Köhler (Berlin) 711, 975. 
Köhler (Jena) 789. 

Köhler, R. 783. 

Kohlhaas 116. 


Kohn, A. (Prag) 70. 

Kohn, Hans (Berlin) 73, 173, 

190, 192, 216, 287, 311, 

329, 336, 384, 407, 432, 

456, 504, 804, 864, 888. 

Kohn, K. (Wien) 305. 

Kolin 18. 

Kolischer 281. 

Kolle, W. (Frankfurt a. M.) 

67, 231, 545, 736. 

Koller, H. (Winterthur) 1191, 
1214. . 

Kollert, V. (Wien) 304. 
Konhcim, W. (Berlin) 64. 
Konjctzny, E. 350, 757. 
Kontcschwellcr, T.901,1143. 
Kopp, J. W. (Rotterdam) 568. 
Koppe 211. 

Koppe, L. (Halle) 810. 
Kopscli 1025. 

Kopsch, Fr. 1003. 

Korach, S. (Hamburg) 218, 
404, 412. 

Korb, P. (Liegnitz) 640. 
Korbsch, K. 42, 282. 
Korff-Petersen (Berlin) 714. 
Koritschoner, R. tWien) 687. 
Korn (Königsberg i. Pr.) 70. 
ten Korn 644. 

Kornfeld, S. (Wien) 43. 
Kornitzer, E. (Wien) 1039. 
Kositschona, R., 1099. 
Kuslowsky (Berlin-Lichtcn- 
berg) 377, 806, 1120. 
Kosminski, E. (Berlin) 831. ! 
Kossol (Heidelbcig)668,1142. 
Koster* S. (Zutphen) 16. 
Kottmann, Iv. (Bern) 545. 
Kotzenberg, W. (Hamburg- j 
Eppendorf) 28. 
Kowarschick, F. (Wien) 42. j 
Kowarsky, A. (Berlin) 282, l 
396. 

Krähenbühl, C'. (Basel) 1071. j 

Kraemer 306. i 

Kraemer, G. 17. | 

Kraepolin, E. (München) 658, 
781. ' 

v. Krafft-Ebing, R., 806. I 

Krakowska, L. 15. 

Krall 44. ; 

Kramer (Berlin) 94, 932. i 

Kramer, F. (Berlin) 1215. 
Krapp, A. 376. 

Krassing, M. (Wien) 929. 
Kratzeisen (Strassburg i. E.) 
1243. 

Kraus, A. (Prag) 184, 479. 
Kraus, E. I. (Prag) 15, 407, 
479, 881. 

Kraus, F. (Berlin) 3, 115, 
356, 357, 476, 529, 550, 
595, 638, 883, 884, 1075, 
1125, 1150. 

Krause, P. (Bonn) 1240. 
Krebs (Breslau) 813. 

Krebs, W. 115, 349. 

Krecke, A. (München) 1071. 
Kreglinger (Hannover) 306, 
470, 713. 

Krehl, L. (Heidelberg) 205, 
375, 426. 

v. Krempelhubcr, M. (Würz¬ 
burg) 1051. 

Kren, 0. (Wien) 474, 618, 
736, 905. 

Kretschmer (Berlin) 825. 
Kretschmer, E. (Tübingen) 
856. 

Kreutzer, H. (Belzig) 880. 
Kreuzfuchs, S. 350, 757. 
v. Kries, J. (Freiburg i. B.) 
1095. 

Krische, F. 428. 

Kritzler 306. 

Kroh 351, 449. 

Kroiss 809. 

Krok, G. (Lund) 470. 


Krokiewicz, A. (Krakau) 661. 
Krompecher, E. (Budapest) 
662, 688. 

Kronberger, II. (Davos) 736. 
Kroncr, K. 796. 

Kronfeld (Herzbeige) 739. 
Kronfeld, R. 428. 

Kronthal, P. 643. 

Kropeit (Hamburg) 666. 
Krucger (Breslau) 1197. 
Krüger, H. 116. 
Krüger-Kroneck*’’ (Kiol) 832. 
Krummacher 424. 
Krummacher (Münster) 182. 
Kruse, W. 1048. 

Kuczynski (Cöln) 185, 8S1. 
Kühl, P. (Giessen) 1094. 
v. Küblewcin, M. 1219. 

Kühn G43. 

Kühn, A. (Rostock) 396, 735. 
Kühne (Cottbus) 619, 645. 
Kühne, A. 950. 

Külbs, F. 493. 

Külz, L. (Altona) 18S, 500, 
1096. 

Kümmel (Heidelberg) 213. 
Kümmel, R. (Erlangen) 45. 
Kümmell (Hamburg) 47,217, 
404, 789, 790, 808, 1031. 
Kümmell, H.(Freiburg) 1121. 
Kuencn, W. A. (Amsterdam) 
65. 

Küpferle, L. 18, 568. 

Kiissy, P. (Basel) 1073. 
Küster, E. (Cöln) 123, 231. 

. Küstncr (Breslau) 332, 744. 
Küstner, 0. 1169, 
Küttner.XBrcslau) 352, 477, 
568, 741, 785, 836, 956, 
957, 1026, 1076. 

Kugler 687. 

Kuhlenkampf, D. (Zwickau) 
1167. 

Kuhn (Strassburg) 1054. 
Kuhnt, H. (Bonn) 905. . 
ter Kuile, Th. Em. (Einthoven) 
448. , 

Kummer, E. (Genf) 662. 
Kurpjuweit 620. 

Kurtzahn 449. 

Kuszynski 425. 

Kuttner (Berlin) 454, 524, 
525. 

Kuttner, A. (Berlin) 377. 
Kuttner, L. (Berlin) 6. 
Kutzinski, A. (Berlin) 65. 
Kuznitzky, E. (Breslau) 692, 
1121. 

Kylin, E. 139. 

Kyrie, J. (Wien) 595, 618, 
904. 



L. 

Labhardt, A. 954. 

Labor, M. (Lemberg) 659. 

Labouglc 471. 

Lacapere 834. 

Lade (Düsseldorf) 751, 757, 
1194. 

Ladeck 138. 

Läwen,A. (Leipzig) 208, 785, 
903. 

Lagerberg, I. 616. 

Lahm (Dresden) 406. 

Lamöris 67, 209. 

Landau, H. 953. 

Landau, L. (Berlin) 328, 575, 
1196. 

Landauer, F. (Berlin) 834, 
1196. 

Landö, L. (Charlottcnburg) 
1145. 

Landgraf 449. 

Landgraf, H. (Bayreuth) 904. 

Landois, F. (Breslau) 904, 
1076. 


Landsteiner, K. 

: Läng, A. (Budajj 
Lange (Breslau) l 
Lange (Göttingen) 

: de Lange, C. (Ams 
j 139, 207, 234, 547. 
Lange, C. (Berlin) 1069. 
Lange, R. (Frankfurt a. M.) 
1097. 

| Lange, 11 (Lübeck) 1191. 

I Langemak (Erfurt) 806. 
de Langen, C. D. (Batavia; 
546. 

Langer 712. 

Langer, Fr. 424. 

Langer, H. (Berlin) 952. 
Langhaus, W. (Jena) 205. 
Langrock, C. (Leipzig) 1027. 
Langstein, L. (Cbarlotten- 
burg) 468, 547, 595, 697, 
1118. 1144. 

Lanz, H. F. (Mainz) 975. 
Laquer, A. (Wiesbaden) 310. 
Laquer, F. (Frankfurt a. M.) 
1048. 

Laqueur, E. (Gent) 1095. 

De Lareinty (Tholozan) 474. 
Laroche, G. 473. 

Lassar-Gohn 1068. 

Lasson, A. 136. 

Last, E. (Bern) 614. 

Latham 1166. 

Lauener, P. (Bern) 1191. 
Laurin, I. (Stockholm) 92*0 
Lautenschläger (Berlin) 46, 
523, 525, 594, 764, 765, 
812 831 

Lawatschek (Prag) 503. 
Laws (Newcastle) 644. 
Lazarevie 258. 

Lazenby 15. 

Leberle, II. (Weihenstepban) 
113, 493. 

Ledderhose (München) 353, 
450, 1074. 

Lederer, R. (Teplitz) 503, 
1027. 

Ledermann, R. (Berlin) 758, 
10 27. 

Lehmann, G. ("Berlin) 773. 
Lehmann, 11. 595. 

Lehmann, R. (Düsseldorf) 619. 
Lehmann, W. (Göttingen) 
400, 450, 667, 66S, 758, 
1051, 1247. 

Lehmann (Hannover) 594. 
Lehndorf, A. (Prag) 232. 
Lehndorff, A. 161. 

Lehr (Berlin) 1054. 

I Leichten tritt, B. (Hamburg) 

1 42, 141, 283, 495, 830. 

! Leichtweis, F. (Davos) 855. 

| Leidner, J. (Bad Elster) 449. 
Leisohner 209. 

Leitner 138. 

Lekisch, E. 880, 1118. 
Lengnick 208. 

Lenk, E. 973. 

Lenk, R. 164, 662, 1072. 
Lenne (Neuenahr) 783. 
Lennhoff, R. (Berlin) 1175. 
Lentz, W. 15, 615, 1149. 
Lenz. F. (München) 354,618, 
902, 1139, 1218. 

Lenz, 0. 14. 
j Lenz, W. 619. 

Lenzmann, R. (Duisburg)396. 
Leonard, Fr. (Kammergc- 
richtsrat-Berlin) 440, 452. 
453. 

Leopold, A. (Klagenfurt) 544. 
Lepebne, G. (Königsberg) 
642, 736, 881. 

Leppmann, A. (Berlin) 665, 
932, 933. 

Leppmann, Fr. (Berlin) 94, 
212, 633, 738. 

Lescheziner (Berlin) 282. 


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Original fro-m 

-LMVERSITY OF IOWA 








* 

BERLIN KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1255 


Lcsohke, E. (Berlin) 11. 181). 
737. 

Lesser, Fr. (Berljn) 224, *285, 
330, 331, 870. 

Letulle, M. 231. 

Letulle R. 1143. 

Leupold, E., 710, 881. 

Leven (Elberfeld) 905. 

Levick 490. 

Levin, E. (Berlin) 11*22. 

Levinsohn, Fr. G. (Berlin) 
905. 

Levinstein 451. 

LeviDstein (Berlin) 933, 934. 

Levy, F. 640. 

Levy, M. (Berlin) 112*2. 

Levy, R. (Breslau) 885, 886, 
910. 

Levy, W. (Berlin) 690. 

Le vy-Dorn (Berlin) 189,1247. 

Levy-Suhl, M. (Berlin) 95, 
233, 257, 1244. 

Lewandowsky, M. (Berlin) 
181, 805. 

Lewin, C. (Berlin) 1196, 

1233. 


Loekcmann, G. (Berlin') 641, 
1190. 

Locb, H. (Mannheim) 759. 

Loebner, Ck. 162. 

Loeffler 188. 

Löffler, Fr. (Halle) 1145, 
1168. 

Löffler, W. (Basel) 161, 593, 
737, 782, 806. 

| Löhlein (Dorpat) 713. 
i Löhner, L. (Graz) 52*2. 

Löns, M. (Dortmund) 689. 

Löser 236. 

Loescr, A. (Rostock) 163, 
207, 835. 

Loetsch, B. (München) 399. 

Löw, J. 807. 

Löw, 0. (München) 835. 

Löwe 164. 

Loewe. S. (Göttingen) 358, 
927, 1143. 

Löwenberg, P. (Charlotten¬ 
burg) 705, 913, 948. 

Löwenfeld 137. 

Löwenfeld, W. 640, 1029, 
1122. 


; M. 

Macho! (Erfurt) 400. 
van der Made, M. (Utrecht) 
523. 

Maendl, II. (Alland) 1004. 
Magnus, G. (Marburg) 9*27, 
1143. 

Magnus, H. (Berlin) 829. 
Magnus, R. (Utrecht) 448, 
640, 973. 

Magnus-Alsleben, E. 426. 
Magnus-Lcvy (Berlin; 454, 
884, 975, 1150, 1246. 
Magnus^ v. Merkatz, A. 707. 
Mahlo (Hamburg) 16, 239. 
Mahnert, A. (Graz) 570. 
Maier, M. (Stuttgart) 973. 
Majerus, I(. (Hamburg) 470, 
495. 

Maillard, G. 473. 

! Makai 618. 

Maliva, E. (Innsbruck) 495. 
Mallwitz, A. (Berlin) 1245. 
Malowan, S. ,L. 1119. 
Mamlock (Berlin) 906. 


Mayer, Fr. 139. 

Mayer, K. 284, 499. 

Mayer, K. (Basel) 808. 

Mayer, K. (Konstantinopel) ! 

642. ! 

Mayer, M. 836. { 

Mayer, M. (Hamburg) 186, I 
926, 973. 

Mayer, 0. 397. 

Mayer, 0. (München) 614. 
Mayer, 0. (Wien) 355. 

Mayer, W. (Brünn) 303. 
Mayer-Gross (Heidelberg) 
1220 . 

Mayerhofer 162. 

Mayrhofer, A. 931, 1169. 
McCallum 546. 

McCarrison (Indien) 425. 
Mcllroy (Glasgow) 523. 
McKee 45. 

McNeil, H. L. (Galveston) 19. 
Meder, E. 1245. 

Mees, R. A. (Castricum) 547. 
Meier, F. (Kiel) 713. 

Meier, K. 114, 423, 641. 
Meighan 546. | 


Lewin, J. (Berlin)-690, 1246. | 
Lewite, A. (Berlin) 493. • 
Lewy, E. (Rostock) 927. ! 
Lewy, F. H. (Berlin) 1059. | 
Lexer 663. 

Lexer (Jena) 1165, 1220. 
Lichtenstein, A. (Stockholm) 
712. 

Lichtwitz, L. (Altona) 47, 
254, 1031, 1083. 

Lieb, H. (Graz) 182. 

Liebe 1213. 

Lieben, S. (Radom) 282. 
v. Liebermann, L. (Budapest) 
210, 425. 

Liebmann, E. (Zürich) 161, 
1119. 

Liebmann, F. (Zürich) 692. 
Liek, E. (Danzig) 547, 1071. 
Liepmann (Berlin) 94, 300, 
740, 1173, 1246. 

Liers, W. (Frankfurt) 689. 
Liesegang, R. E. (Frankfurt 
a. M.) 659. 

Lifschüta, I. (Hamburg) 926. 
Lilienfeld, E. 568. 

Lilienfeld, J. F. (Leipzig) 
1099. 

Lilienfeld, L. (Wien) 691. 
Lilienfeld, L. G. 18 
Liljestrand, G. (Stockholm) 
640. 

Liljestrand, G. (Utrecht) 756, 
973. 

Link (Königsberg) 1071. 
Lindberg, G. (Stockholm) 712. 
Lindemann, G. 451, 1050. 
v. Linden, Gräfin (Bonn) 
615, 659. 

Lindig, P. (Freiburg i. B.) j 
382, 593, 880. ! 

Lindner 1244. 

Lindstcdt, F. (Stockholm) 
472. 

Liniger (Frankfurt a. M.) 
500, 619. 

Lion (Bristol) 425. ! 

Lipiner, J. 139, 807. 

Lipp, H. (Ulm) 1050. 
Lippmann, A. (Hamburg) 
305, 595, 647, 951. 
Lippmann, H. 43. 
v. Lippmann, R. 355, i 
Lipps (GöttiDgen) 358. 
Lipschitz, W. (Frankfurt a.M.) 
305, 901. 

Lipschütz, B. (Wien) 618, 
901. 

Littauer, A. (Leipzig) 165. 1 
Ljubitsch, D. (Grodno) 209. 
Livingstone (Aldershot) 523. 
Lobmayer 65. I 


Loewenstein 211. 
Loewenstein, A. (Prag) 479, 
810, 858, 863, 903, 905, 
1222. 

Löwenstein-Brill, W. 138. 
Löwenthal (Prag) 479. 
Loewenthal, S. (Braun¬ 
schweig) 417. 

Löwi, J. (Wien) 544. i 

Loewi, 0. (Graz) 182. 

Löwy (Berlin) 665. j 

Loewy, A. 422, 639. 712. : 

Löwy, A. (Berlin) 346, 471, j 
1165. 

Loewy, E. (Berlin-Steglitz) | 
728, 753. | 

Löwy, J. (Prag) 258, 341, 
406, 827, 855. 

Löwy, O. (Wien) 616. j 
Löwy, R. 1*242. _ ! 

van Loghem, J. 545. 

Lommel (Jena) 840. 

Loose, G. (Bremen) 758. 
Lorenz ;Breslau) 910. 

Lorenz, A. 1145. 

Lorenz, H. (Hamburg) 641, 
836, 1006. 

Lorey (Hamburg) 404, 666, 
789, 815, 1072. 

Lossen (Darnist ad t) 500, 
619, 1074. 

Lotheissen 353. 

Loucka 137. 

Low (Ediuburg) 398. 

Low (London) 640, 811. 
Lowinsky, J. (Berlin) 759. 
Lubarsch, 0. (Berlin) 137, 
961, 998, 1022, 1044, 
1050. 

Lubinski, H. (Breslau) 1194. 
Lubinus (Kiel) 68. 

Lubor, M. (Triest) 232. 
Ludloff 474. 

Ludwig, E. 184. 

Ludwig, F. (Bern) 1168. 
Lückerath, F. (Cöln) 618. 1 

Lüdin, M. (Basel) 1071. I 
Liidke, H. (Würzburg) 43. ( 

Liissi, U. (Basel) 1028. | 

Luithlen Fr. (Wien) 161, i 
543, 614, 709. 

Lurg, R. 906. 

Lust, F. (Heidelberg) 163, 
357, 468. | 

Lustig, E. (Pressburg) 1120. 
Lutz, K. (Berlin) 1071. 

Lutz, W. (Basel) 662, 1122. 
Lux, F. (Mannheim) 659. 
Luxembourg, H. (Aachen) 44. 
Lyon, E. 232. 


Mammerstein (Breslau) 1197. 
Manasse, P. (Berlin) 717,718, 
875, 897. 

Manchot (Hamburg) 404. 
Mandel bäum, R. 1242. 
Mangold, E. ^Freiburg i. B.) 
756. 

Mann, L. 332, 473. 
Manninger 65. 

Marburg, 0. 305, 475, 547. 
Märchand, F. (Leipzig) 302, 
954. 

Marcus 20. 

Mareuse, II. (Herzberge) 376. 
Marcuse, M. 64. 

Margulies, M. (Dalldorf) 176. 
Marloff, R. (Giessen) 756. 
Mars, E. 544. 

Martin, A. 1169. 

Martin, B. (Berlin) 355, 713, 

781, 1026. 

Martin, Ed. (Elberfeld) 1073. 
Martin, P. (Berlin) 500. 
Martineck, 0. (Berlin) 377. 
Martink, E. 102, 188, 645, 
763. 

Marwedel, G. (Aachen) 66, 
351. 

Marx, A. M. (Prag) 863, 906, 
1921 1999 

Marx, H. (Beriin) 279, 1079. 
Marxer, A. 1192. 

Maschke, K. (Breslau) 181. 
Mason, R. 619. 

Massini, R. (Basel) 206. 
Materna 137. 

Math es 474. 

Mathes, P. (Innsbruck) 1100. 
Mathias (Breslau) 767, 788. 
Matko, J. (Wien) 161, 256, 
282, 1*239. 

Matsunaga, T. 16, 184. 
Matthes (Königsberg i. P.) 

69, 70, 471. 

Matthes, 0. (Berlin; 13. 
Matti, H. 67, 755. 

M’atyäs, E. (Budapest) 233, 
256, 1194. 

MatzdorfT, P. (Lübeck) 1217. 
Matzenauer, R. (Graz) 901. 
Mauelshagen, F. (Bonn) 692. 
Maurer (Jena) 839. 

Mauss, Th. 116. 

Mautner, H. (Wien) 1194. 
May, R. E. (Hamburg) 398. 
Mayer 451, 1215. 

Mayer, A. (Berlin) 503, 598, 

782, 884, 974, 1125, 1150, 
1246. 

Mayer, A. (Tübingen) 236. 
Mayer, A.E. (Davos-Dorf) 42. 
Mayer, 0. (Innsbruck) *255. 


Meinicke, E. (Hagen i. W.) 

I 16, 281, 616, 736, 831, 
882. 

! Meirowsky, E. (Cöln) 026. 
i Meisenheimer, J. (Berlin) 613. 
Meisner, E. 46. 

Meissner, R. (Breslau) 183, ' 
687, 1143. 

! Möixner, K. 302, 1147, 1169. 

I Melchior, Ed. (Breslau) 450, 
458, 833, 837, 1077,1291. 
Meller, J. 355, 543. 

Mende 930. 

Mende, P. (Riga) 305. 
Mendel, K. 232, 1052. 

Mendes da Costa. S. (Amster¬ 
dam) 662. 

Menes (Tübingen) 245. 
Mengert, W. 544. i 

Menkens 644. 

Menne, Ed. 44. 

' Menzer, A, (Bochum) 544. 
Merian, L. (Zürich) 400. 
Mortz, A. (Freiburg) 185, 
495 

Merz, H. (Basel) 424. 
Merzweiler, K. (Freiburg i. B.) 
1192. 

Messerschmidt, Th. (Strass¬ 
burg) 927. ! 

Meye (Kiel) 951. 

Meyen 620. 

Meyer 138, 256. 

Meyer (Köppern) 958. 

; Meyer (Wirz) 236. 

! Meyer, A. W. (Heidelberg) 

I 784. 

| Meyer, C. (Berlin) 1099. 

; Meyer, C. (Kiel) 1120. 

[ Meyer, E. (Berlin) 525. 

( Meyer, E. (Königsberg) 69, 
661, 817, 902. 

Meyer, F. (Berlin) 256, 1170. 
Meyer, F. B. (Berlin) 880. 
Meyer, Tr. M. (Berlin) 544, 
j 1020. 

i Meyer, G. (Berlin) 346. 

Meyer, II. (Göttingen) 3.99, 
j 667. 

I Meyer, K. (Berlin) 331. 
i Meyer, L. F. (Berlin) 884, 
903', 1150, 1244. 

Meyer, L. (Tübingen) 1070. 
j Meyer, 0. (Stettin) 425. 

! Meyer, 0. B. 423. 

Meyer, R. (Berlin) 17, 1219. 
i Meyer, S. (Danzig) 136. 
Meyer, S. (Düsseldorf) 138, 
234, 882. ' 

| Meyer, W. (Heidelberg) 1191, 

! 1194. 

Mever-Biseh (Berlin) 186. 


Meyer-Esturf, II (CharlotIni- 
burg) 1111). 

Meyerhof, 0. (Kiel) 639. 
Meyer-Rüegg (Zürich) 235, 
857. 

v. Mezö, B. (Budapest)'284. 
Michael(Frankfurta.M.)1078. 
Michael, M. (Berlin) 546. 
Michael, M. (Frankfurt a. M.) 
1143. 

Michaelis 351. 

Michaelis, P.(Bitterfeld) 879. 
Michaelis, L. (Berlin) 285, 
829, 10I>2. 

Michalik, R. (München) 905. 
Michalke (Eberswalde) 424. 
Micbalitschke, G. 546. 

Mink 451. 

Minkowski (Breslau) 119,140, 
787, 788, 910, 956, 957. 
1005, 1199.. 

Miloslavich 644. 

Misch, W. (Berlin) 1241. 
Mitchell 1167. 

Mittenzwey, W. (Ober- 
schlema) 640. 
Mitzenmacher 137. 

Mock (Kiel) 165. 

Moeli, C. (Berlin) 95, 388. 

402, 403, 664. 

Möller (Hamburg) 1031. 
Möller, W. 663. 

Möllers, B. (Berlin) 397,595, 
1081. 

Mönch, G. 424. 

Mönkemöller (Langenhagen) 
661. 

Mörner, C. Th. 41, 1190. 
Molineus (Düsseldorf) 761. 
Molitor, H. 736. 

Moll. L. (Wien) 283. 
Mollenhauer (Berlin) 1126. 
Momm 306. 

Mommse» (Berlin) 14, 357, 
1127, 1168. 
v. Monakow', P. 139. 

Moog, 0. (Frankfurt a. M.) 

174, 495. 

Moore 1191. 

deMooy, C. (s’Gravenhage)G5. 
Morawitz, P. 138, 427. 
Morgenroth, J. (Berlin) 639, 
715, 1172. 

Morgenstern, K. (Strassburg) 
163, 399. 

Morgenstern, 0. (Wien) 687. 
Morgenthaler, W. 851. 

Moro, E. (Heidelberg) 17, 
1070, 1145, 1221. 
Mosbacher, E. 305. 
Mosonthal (Berlin) 1126. 
Moses (Zittau i.Sa.) 47,239. 

405, 406, 719, 721, 1029. 
Moses, H. (Berlin) 930. 
Mosler, E. 116, 1124 
Mosse (Berlin) 860, 1172. 
Moszokowicz, L. 18. 

Mott 647. 

Mouton, Chr. 690. 

Mras, F. 831, 1144. 

Much, H. (Hamburg) 757. 
Mucha, V. (Lemberg) 284. 
Mühlens,P. (Hamburg) 1049. 
Miihlmann, E. (Stettin) 18, 
19, 1217. 

Mühsam, H. (Berlin) 550. . 
Mühsam, R. (Berlin) 594. 
644, 1119. 

Müllegger,R. (Graz) 138, 281. 
Müller 547. 

Müller (Tübingen) 186. 
Müller, A. (München) 857. 
Müller, Cb. (München) 930. 
Müller, E. (Berlin-Ruramels- 
burg) 690. 

Müller, Er. (Berlin) 254, 676, 
766. 

Müller, E. (Erlangen) 736. 


□ igitized by Gougle 


Original frorn 

UNIVERSUM OF IOWA 









BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Müller, E. (Ettlingen) 785. 

Müller, E. (Heidelberg) 1122. 

Müller, E. Fr. (Hamburg) 67, 
326, 375, 801, 1005, 1243. 

Müller, F. (München) 835. j 

Müller, Fr. (Berlin) 253, 454, j 
676, 766. 

Müller, G. (Berlin) 695. 

Müller, H. 784. 

Müller, H. (Mainz) 42. j 

Müller jun., H. (Zürich) 832, I 
882, 1194. 

Müller, J. (Düsseldorf) 613. ! 

Müller, J. (Schmargendorf) j 
688 . 

Müller, L. (Wien) 759. 

Müller,L.R. (Würzburg) 305, I 
642. 

Müller, M. (Frankfurt a. M.) 
1027. 

Müller, 0. (Bad Kosen) 904. 

Müller, 0. (Göttingen) 1072. 

Müller, 0. (Recklinghausen) 
161. 

Müller, P. 1026. 

Müller,, P. (Ulm) 833. 

Müller, R. 160, 854. 

Müller, R. (Wien) 319. I 

Müller, W. (Sternberg) 615, 
782. 

Müller, W. B. 758. 

Müller, W. (Rostock) 1099. 

Müller-Freienfels, R. (Kon¬ 
stanz) 20. 

Müller-Hess (Königsberg i.P.) 
838. 

Münchmeyer 307. 

Münster, M. 641. 

Münzer, A. (Charlottenburg) 
982. 

Münzer (Prag) 186, 359,407, 

1222. 

Münzer, Fr. Th. (Grind¬ 
schädel) 616. » 

Mulley, K. (Graz) 1026. 

Munk (Berlin) 454. 

Munk, F. (Berlin) 832, 902, 
952,972,1100,1126, 1205. i 

Munk, J. (Berlin) 1100. 

Murschhauser, H. (Düssel¬ 
dorf) 613. 

Muschter (Hamburg) 1217. 

Musehold (Berlin) 523. 

Muskat (Berlin) 695, 1098. 


Naef, E. (München) 928. 
Naegeli, Th. 164, 306, 450, 
690, 758. 

Nägelsbach 471. 

Nagel, W. (Berlin) 49. 
Nagel, W. (Frankfurt a. M.) 
711. 

Nagy, A. 713. 

Nagy, E. 159. 

Najer (Zürich) 107 V» 

Nakata, T. 397. 

Nasr Farid Bey 1245. 
Nassauer, M. (München) 20, 
1069. 

Nassy, J. G. 307. 

Nast, 0. (Hamburg) 231, 
614, 1003, 

Nast - Kolb, A. (Stuttgart) 
929. 

Nathan, E. (Frankfurt a. M.) 
43, 184, 659. 

Nauck, L. (Erlangen) 1241. 
Nebel, E. 546. 

ZurNedden (Düsseldorf) 761. 
Neidler, R. (Wien) 691. 
Neisscr, E. (Breslau) 332. 
Meisser, M. 544. 
Nelson-Gerhardt, M. (Heidel¬ 
berg) 829. 

Nemec, A. (Prag) 423, 614. 


v. Nestlingor, (Budapest) 1 
545. 

Nctolitzky, K. (Uzcrnowilz) i 
687. 

Neuber, G. (Kiel) 1097. 
Neubner, H. (Cöln) 906. 
Neuberg, C. (Berlin) 113, 
421, 470, 493. 

Neuda, P. 443. 

Neuer, B. (Nürnberg) 1121. j 
Neufeld, F. (Berlin) 9, 572, j 
621, 879. I 

Neufeld, W. (Posen) 1159. | 
Neugarten,T.(Frankfurta.M.) j 
639. 

Neugebauer, G. (Striegau) 
450, 568, 692. 

Neukirch, P.(Konstantinopel) 
1241. 

Neumann 1021. 

Ncumann (Glasgow) 402. 
Neuraann, A. Edlach) 856. 
Noumann, F. 595. 

Neumann, F. 0. H. (Berlin) 

1122. 

Neumann, G. 1240. 

Neumann, J. (Hamburg) 790, 
883, 952. 

Neumann, R. (Berlin) 823, 
832. 

Neumann, W. 806. 
Neuihann,W. (Baden-Baden) 
471, 616. 

Neumayer,J.(Kaisersiautern) 

735 

Neumayer, V. L. (Kljnc) 713. 
Neurath, R. (Wien) 952. 
Neuschloss, S. (Budapest) 

1095. 

Neustadtl 711. 

Neustätter, 0. 932. 

Nicol, K. 688. 

Nieden, H. (Jena) 1099. 
Niemann (Berlin) 623, 777, 
808, 1096. " 

Niemeyer, M. (Hilversum) 64. 
Niessl v. Mayendorf, E. 
(Leipzig) 232, 784, 1051, 
1243. 

Nigst, P.F. (Bern) 473, 1096. 
Nippe 307. 

Nisch, R. 15. 

Nissle (Freiburg i. Br.) 736. 
Nitsch, J. (Berlin) 932. 
Nitzesen, J. J. (Bukarest) 
114. 

Noack (Strassburgi.E.) 1241. 
Nobel, F, (Wien) 305, 399, 
903. 

Nobi, G. (Wien) 19, 41, 645, 
857. 

Nocht, B. (Hamburg) 239, 
926. 

Noeggerath (Freiburg) 1054. 
Noest, J. L. 1243. 

Noetzel, W. (Saarbrücken) 
G5, 209, 930, 1121. 
Nogier, Th. 497. 

Nolen, W. (Leiden) 16. 
Nolten (Düsseldorf) 954. 
Nonne (Hamburg) 233, 404, 
1031. 

Nonnenbruch, W. (Würzburg) 
326, 783, 1069. 
v. Noorden (Frankfurt a. M.) 
911, 1240. 

Nordentoft, S. (Dänemark) 

1096. 

Nordinann, A. (Basel) 1217. 
Nordmann,0. (Berlin-Schöne¬ 
berg) 351. 

Norlin, L. 833. 

Norro (Heidelberg) 1247. 
Noste (Halle) 376. 
Nothnagel, H. (Wien) 689. 
Notkin-Monthey, S. 232. 
Nottbohm, F. E. (Hamburg) 
1069. 


v. Notthaft, II. (München) 
396, 709, 861. 

Nournay (Mettmann) 759. 
Novak, J. 282. 

Nowak 258. 

Nürnberger 451. 

Nussbaum 450. 

Nussmann, A. (Bonn) 975. 
Nvström, G. (Upsala) 67, 
' 283, 834, 857. 


Obe 1192. 

Oberndorfer (München) 1(>4, 
928. 

Ochsenius, K. (Chemnitz) 163, 
470, 929. 

Odelga 234. 

Ochlecker (Hamburg) 22,352, 
666, 790, 880. 

Oehler, J. (Hannover) 352, 
661, 691. 

Oehme (Göttingen) 667. 

Oehnell, H. (Stockholm) 642. 

Öelier, II. (Leipzig) 17, 162. 

Oelsner, A. (Göttingen) 493, 
829. 

Oelze. F. W. (Leipzig) 976, 
1122, 1186. 

Oestcrlin, E. 595. 

Offenbacher, R. (Berlin) 1165, 
1215. 

Ogata, M. (Osaka) 236. 

Ohlborn (Hamburg) 642. 

Ohlmann, J. (Berlin) 953. 

Ohlsen (Hamburg) 239. 

Ohm, J. (Bottrop) 43. 

Ohm, R. (Berlin) 186, 187, 
398, 663, 974. 

Olbrich (Breslau) 1078. 

Oldevig, J. 928. 

Olivecrona, H. (Dortmund) 
902. 

Oloff, H. (Kiel) 45, 814. 

Olsen, 0‘. 397. 

Onari Kimuri 1192. 

Opitz, K. (Peine) 188. 

Oppenheim, F. (Münster) 15, 
990. 

Oppenheim, H. 162, 212, 
1139, 1193. 

Oppenheim, M. 880. 

Oppenheimer, C. 828. 

Oppikofer, E. (Basel) 398. 

Orbaan, C. jr. (Hardewijk) 64. 

Orth, J. (Berlin) 1, 21,241, 
308, 352, 571 1195. 

Orth, 0. (Forbach) 208, 475, 
690, 1216. 

‘Ortloff (Elberfeld) 931. 

Ortner, M. 879. 

v. Ortner, R. 138. 

Orzechowski, K. (Lemberg) 
284 

Osler, P. (Oxford) 401. 

Osterwald, H. (Halle a. S.) 
760. 

Ostrowski, S. (Berlin) 779, 
1143, 1165. 

Ostwald, W. 1190. 

Otto 184. 

Otto, R. 185, 831. 

Ottow, B. (Dorpat) 284. 


Pachner, E. 326. 

Paetsch, B. (Stettin) 449, 
1120, 1191. 

Pagnier 614. 

Pal, J. 183, 426. 

Paldrock, A. (Dorpat) 185. 
Palm 498. 

Pampcrl, R. (Prag) 283, 352. 


Pantl, <i (Prag) 497. 
Papamarku, P.(Berlin)9,185. j 
Pappenheim, M. 473, 496, 
737. 

Partsch, F. (Dresden) 1051. 
Pascheff 211, 212. 

Paschen, E. (Hamburg) 404, 
759 .' 

Paschkis, K. 1*243. 

Passini, F. (Wien) 736, 903. 
Passow (Berlin) 787, 1053. 
1054. 

Pasteur 614. 

Patoschnig, G. (Prag) 881. 
Patrick 42. 

Patrzck, F. (Breslau) 793. 
Patzscbke, W\ 616. 

Patzke (Breslau) 1005. 

Paul, E. 1195, 1216. 

Paul, Th. (München) 708. 
Pauli, W.E. (Jena) 879, 930. 
Paulicek, E. 1119. 

Paulsen. J. (Kiel) 619. 
Paulus, R. 400. 

Pauli, E. (Giessen) 283. 
Pawel (Herrnprotsch) 1231. 
Payennevillc, M. 354. 

Payne (Blackburn) 397. 

Payr, E. 658. 

Pearson (Dublin) 856. 

Peiser 164. 

Peiler, S. 19, 354, 857. 
Peltesohn (Berlin) 489, 694, 
842, 955, 956, 1126. 
Pcncckc, R. (Troppau) 137, 
1143. 

Pennel 785. 

Perez 187. 

Peritz, G. 116. 

Perrin, L. 497. j 

Perrin, M. 1143. 

Perthes, G. (Tübingen) 66, 
117, 758, 785, 928, 1096. 
Perutz, A. 113, 4£9, 1122, 
1142 v 

Peter, K. (Greifswald) 41. 
Peters 808, 952. 

Peters, J. Tb. (s’G raven hage) 
545. 

Peters, W. (Bonn) 1120,1121, 
1195. 

Petersen (Heidelberg) 668. 
Peukcrt, M. (Magdeburg) 210, 
305. 

Pewny 161. 

Peyre, J. L. 1*240. 

Peyser, A. (Berlin) 977, 979, 
1175. 

Pfabel, F. (Königsberg i. P.) 
661. 

Pfalz, W. (Düsseldorf) 1119. 
Pfaundler, M. (München) 906, 
953. 

Pfeifer, R. A. 1193. 

Pfeiffer 302, 427. 

Pfeiffer, Ä. (Breslau) 1245» 
Pfeiffer, R. (Breslau) 118, 
1118, 1167. 

Pfeiffer, R. (Wieden) 495. 
Pfeiffer, R. A. (Leipzig) 399. 
Pfeiffer, W. F. (Kapelle-Bie- 
zelinge) 209. 

Pfeiler, W. (Bromberg) 16, 
280, 807, 1192. 

Pfister 307, 1063. 

Pflaumer, E. (Erlangen) 758, 
1244. 

v. Pllugk 187. 

Philipowicz, J. (Wien) 283, 
568, 929. 

Philippi, E. (Wien) 469. 
Philipsborn, A. (Nowawes) 
608. 

Philippsthal 188. 

Pichler, K. (Klagenfurt) 17, 
68, 116, 187, 210, 401, 
473, 475, 883, 1218. 

Pick 45. 


Pick (Charloltenburgi -Ä 
690. 

Pick, A. 1193. 

Pick, E. P. (Wien) 183, 830. 
Pick, Fr. (Prag) 43, 71, 214. 
Pick, L.(Berlin) 454, 765,930. 
Pick, R. 1241. 

Pick, W. 761. 

Pietrkowski, G. (Frei bürg 
i. Br.) 114. 

Piffi (Prag) 863. 

Pilcz, A. 449, 1052, 1219. 
Pinard, M. 692. ^ 

Pincus 211. 

Pinczower (Breslau) 812. 
Pinkus, F. (Berlin) 1027. 
Piorkowski (Berlin) 14, 330. 
Pirilä, P. (Kopenhagen) 235. 
v. Pirquet, C. 421, 4*27. 
Plagemann, H. (Stettin) £33. 
Plaut, A. (Hamburg-Eppen¬ 
dorf) 1004. 

Plaut, C. (Hamburg) 19. 
Plehn (Berlin) 1196. 

Plelin, A. (Berlin) 307, 351, 
476, 546, 1147. 

Plessner, -W. (Berlin) 65. 
Plocher 285. 

Ploos 1241. 

Pnotseher, A. (W r ien) 858. 
Pocbhammor, C. (Potsdam) 
208. 

Pöhlmann, 0. (St Biasieo) 
375. 

Poch, R. (W r ien) 471. 
Pollitzer, H. (Wien) 1004. 
Pöppelmann (Coesfeld) 425. 
Pötzl, '0. (Wien) 1052. 
PoEl, J. (Breslau) 448, 457, 
478, 812, 813. 

Pok, J. 593. 

Poll (Berlin) 932. 

Pollak, F. (Triest)*375. 
Polland, R. (Graz) 569, 905, 
1027. 

Polyäk 354. 

Pometta, D. (Luzern) 811. 
Pommer, G. (Innsbruck) 807. 
Poniemunski, A. (Lübeck) 
1051. 

Pongs, A. (Marburg) 701. 
Popper, E. (Prag) 259,479, 
784. 799, 903, 1223. 
Popielski, L. (Lemberg) 448. 
Pordes 1239. 

Porges, M. 974. 

Porges, 0. (Wien) 47.1. 
Port, Fr. 139. 
von der Porten, P. (Ham¬ 
burg) 19. 

Porzelt 451. 

Posner, C. (Berlin) 23, 93, 
167, 192, *263, 335, 359, 
383, 455, 624, 648, 791, 
907, 1031, 1148, 1175, 
1248. 

Posner, H. 712. 

Possek, R. (Graz) 854. 
Pototsehnig, G. (Prag) 185, 
616, 64*2. 

Poynton (London) 496. 
Pozenel, H. (Laibach) 758, 
1146. 

Prado-Tagle, E. 1214. 
Prätorius, G. (Hannover: 
283, 569. 

Prahl (Lübeck) 428. 
Pranter, V. 1146. 

Prausnitz, P G. 302, 797. 
Preisz, H. 185. 

Prell,H. (Stuttgart) 137.185. 
927. 

Prescher, J. 1025. 

Preusse (Breslau) 1077. 
Pribram 161, 258. 

, Pribram (Prag) 137. 

Pribram, B. 0. (Berlin) 376, 

I 1050. 


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UMIVERSITY OF IOWA 







BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1257 


Pribram, E. E. (Leipzig) 809. 

Priesel, A. 1050. 

Pringshcim, E. 16. 

Pringsheim, H. (Berlin) 707, 
829. 

Prochownick, L. (Hamburg) 
1169. 

Profanter 711. 

Propping, K. (Frankfurt a. M.) 
306, 785, 1098. 

Prüsmann (Dresden) 406. 

Prym, P. (Bonn) 500, 881, 
974, 1050. 

Ptitz, D. (Prag) 396. 

Pürckhauer (Dresden) 184. 

Pütter (Berlin) 524. 

Pütter, A. (Bonn) 115, 756, 
901. 

Pulay, E. (Wien) 137, 162, 
473, 640, 974. 

Pulvermacher, L. (Berlin) 
235, 569. 

Pupko, Sophio (Berlin) 56. 

Pupovac, D. (Wien) 661. 

Puppe (Königsberg i. Pr.) 692, 
838. 

Purckhauer,* R. (München) 
1143. 

Putzig, H. (Cbarlottonburg) 
697, 1097, 1144. 

Pybus (Newcastle) 644. 


Q. 

Querner (Hamburg) 974. 
de Quervain, F. (Beim) 690, 
756. 

Quincke, H. (Frankfurt a. M.) 
1191. 


R. 

Raabe, Anna (Berlin) 1012. 
Rabe, F. (Hamburg) 1051. 
Rabe, F. (Rostock) 830. 
Rabinowitsch, L. (Berlin) 
1240. 

Rabnow (Berlin-Schöneberg) 

Rabs, V. 1025. 

Rach, E. (Wien) 1070. 
Rachma, W. 113. 

Radike (Berlin) 645. 

Rados 810. 

Radwanskjf (Neu-Ulm) 183. 
Raebiger, H. (Halles. S.) 893. 
Raecke, J. (Frankfurt a. M.) 
376, 661. 

Raeschke (Göttingen) 1071. 
Raffelt, F. (Aussig) 304. 
Rahm, H. (Breslau) 833. 
Ranft 164. 

Ranke 807. 

Rankin 399. 

Ranzel, F. (Dzicditz) 904, 
930. , 

Ranzi 234, 475, 547, 662. 
Rastenberg (Königsberg i. P.) 
647. 

Räuber 1025. 

Rauch, R. 759. 
Rauehenbichler 234. 
Rauduitz (Prag) 214, 431, 
479. N 

Raueiser, A. (Freiburg i. B.) 
1029. 

Rautenberg, E. (Berlin) 1217, 
1219, 1247. 

Rautenberg,E. (Lichterfelde) 
189, 190, 201, 283, 561, 
835. 

Ravant, P. 1144. 

Rawicz, M. (Breslau) 448. 
Reacb, F. 139, 355. 

Reckzeh 20. 

Reder, J. 686. 


Redlich, E. 427, 496. 
Redonnet, T. (Madrid) 423. 
v. Redwitz (Heidelberg) 208, 
952. 

Reese, H. (Hamburg) 757. 
Regenbogen (Berlin) 766. 
Rehfisch (Berlin) 502,1124. 
Iiehm, 0. (Bremen-Ellen) 
1243. 

Rehn 617, 835. 

Iiehn, E. (Jena) 1098. 

Rehso, A. 16. 

Reich 281, 352, 450. 
Reichardt,M. (Würzburg)689. 
Reichau, Ed. (Königsberg i.P.) 
376. 

Reiche (Hamburg) 404, 647, 
666 . 

Reichenbach, II. (Göttingen) 
595. 

Reichert, A. (Pistyan) 903. 
Reichmann 1242. 

Rcichmann, F. 376. 

Reim an n 643. 

Reinecke, II. (Frankfurta.M.) 
184, 659. 

Reinfurth, E. (Berlin) 113,493. 
Reinhard, W. (Hamburg) 
548, 617. 

Reinhardt, Ad. (Leipzig) 903. 
Reinhart 231, 471, 643, 808. 
Roinhart, A. (Kiel) 1240. 
van der Reis, V. (Greifs¬ 
wald) 974, 1004, 1048. 
Iteisacb, A. (Hallea.S.) 1191. 
Reisinger, L. 854. 

Reismann (Haspe i. W.) 1241. 
Reiss, E. (Frankfur. a. M.) 
659, 862. 

Reiter, H. (Rostock) 1119. 

I Reitler, R. 281, 495, 1003, 

1 1243. 

Remmets 44, 164, 306, 351, 
399, 450. 

Renisch (Göttingen) 400. 
Rennen, C. 660. 

Renner 705. 

Rennie 1166. 

Reschke, K. (Berlin) 692, 
713, 785. 

Rethi, L. 428, 451, 594, 760. 
Retzlaff, 0. 953. 

Reusch, H. (Wiirzburg) 1072. 
Revez, V. (Budapest) 19. 
Reye (Hamburg) 790, 974. 
v. Reyher, W. 568, 929. 
Rhamberg 451. 

Rhode, M. (Erfurt) 1215. 
v. Rhorer, L. (Budapest) 42. 
Ribbert,H. (Bonn) 184, 1191. 
Richter (Bad Tölz) 791. 
Richter, E. (Hamburg) 404, 
783. 

Richter, P. F. (Berlin) 1246. 
Richter-Quittner, M. (Wien) 
469, 687. 

Ricker, G. (Magdeburg) 902. 
Rickmann (St. Blasien) 138. 
Ridder (Berlin) 54, 176, 
1211. 

Riebold, G. (Dresden) 162, 
546. 

Riecke (Göttingen) 358,376, 

614, 667, 931, 979. 

Riedel, A. H. (Giessen) 114. 
Riedel, 0. 233. 1 

Riehl (Wien) 834. ' 

van Riemsdyk, M. (Amster¬ 
dam) 1241. 

Rieping, A. 352. 

Ries, J. (Bern) 615. 
Ries-Imchanitzky, M. (Bern) I 

615. 

Riese, E. (Karlsruhe) 1208. I 

! Riese, H. 713. I 

I Riese, W. (Frankfurt) 65, ' 

[ 376. 

j Riess, L. (Berlin) 543. , 


Rietschel (Wiirzburg) 832. 
Rille, J. H. (Leipzig) 1099. 
Ringel (Hamburg) 904. 
Ringer, E. 421. 

Ringer, M. (Berlin-Dahlem) 
421. 

Ringleb, 0. (Berlin) 907, 
1070, 

Ritschl 117. 

Ritter 283. 

Ritter(Berlin)597,977,1171. 
Ritter, A. 710. 

Ritter, A. (Zürich) 163. 
Ritter, C. (Düsseldorf) 841. 
Ritter, C. (Posen) 44. 

Ritz. H. (B’rankfurt a. M.) 

545, 736, 882. 

Rivct, L. 1242. 

Robert, H. (Kiel) 164. 
Rocha-Lima (Hamburg) 162, 
170, 807. 

Rodella, A. (Basel) 1215. 
Roedelius.E. (Hamburg) 603, 
790, 820. 

Roeder 255. 

Röder, E. (Dülken) 544. 
Röhmann, F. (Breslau) 708, 
812, 814. 

Roelofs, C. 0. (Amsterdam) 
594, 811. 

Römer (Hamburg) 404. 
Römer, C. (Hamburg) 1215. 
Rönne 307. 

Rönne,H. (Kopenhagen) 1027. 
Röper, E. 903. 

Rocpke,0. (Melsungen) 1166. 
Rose, K. II. 255. 

Röseler, V. (Berlin) 757. 


Rosenthal, F. (Breslau) 689, 
I 793, 814, 956, 1005. 

Rosenthal, 0. 1049. 

I Rosenthal, Th. (Charlotten¬ 
burg) 951. 

1 Rosenthal, W. 42. 

! Rosin (Berlin) 1123. 

1 Rosin, A. (Freibürg) 882. 

1 Rossbach (München) 429. 

! Rossow (Berlin) 1169. 

! Rost (Freiburg) 382. 

I Rost (Heidelberg) 163, 1217, 
1219, 1220. 

! Rostoski (Dresden) 238. 

! Rothacker, A. (Jena) 184, 
883, 1051. 

Rothberger, C. J. 206, 426. 
Rothe, F. 783. 

Rothe, J. C. (Leipzig) 595. 
Rother (Breslau) 1198. 
Rothholz 212. 

Rothlin, E. (Zürich) 1051. 
Rothschild (Berlin) 357. 
Rothschild, D. (Frankfurt 
a. M.) 17, 257. 

Rott (Berlin) 20, 468, 595, 
1108. 

Rozsa, J. 427. 

Rüben, M. 473. 

Rubinstein 831. 

Rubner, M. (Berlin), 2, 294, 
499. 

Rubritius (Prag) 359. 
Rudolph (Zittau i. Sa.) 405. 
Rübsamen (Dresden) 238, 
239, 406. 

Riidel, 0. 1243. 

I Rüedi (Davos) 858. 


Iioessingh, M. J. (Groningen) j Rühl, K. (Turin) 1122. 

546. 1 Ruete, L. J. (Marburg) 377, 

Rüssle (Jena) 839, 840. I 880. 

| Rütimeyer, L. 806. 

; Rüge, H. (Berlin) 1244. 

; Rüge, P. (Berlin) 1073. 

! Ruhemann, K. (Berlin) 906. I 
Rohdc, C. (Frankfurt a. M.) ! Rumbaur,W. (Breslau) 1029. 

833, 881, 1099. j Rumpel (Berlin) 907. j 

Rohde, K. (Hannover) 1026, Rumpel (Hamburg) 22, 790. 
1184. 1 Rumpf 644. ■ 


Rogers 42, 424. 

Roges, II. 974. 
Rohardt, N. 232, 547. 
Rohde 839. 


Rohleder, H. 301. 

v. Rohr 187. 

Rohr, F. (Halle) 709, 1146. 
L191. 

Rohrbach, R. (Bremen) 880. 

Roland, J. 62. 

Roll, H. F. 1003. 

Rolleston 737. 

Romeis, B. (München) 302. 

Rominger, E. (Freiburg i. B.) 
617, 1215. 

Romme, A. 471. 

Rompe (Göttingen) 234. 

Rona, P. 428, 687, 829. 

Rondoni (Florenz) 710. 

Roscher 137. 

Rosemannn, M. 113, 469. 

Rosenbaum (Berlin) 859. 

Rosenberg, H. (Berlin) 1102. 

Rosenberg, M. (Berlin) 1004, 
1102. 

Rosenberg, S. (Berlin) 449, 
952. 

Rosenberg, M. (Frankfurt 
a. M.) 783. 

Rosenberger (München) 430, 
548. 

Rosenblath 116. 

Rosenfeld (Breslau) 141,471, 
477. 787, 812, 910, 957, j 
1005, 1075, 1198. I 

UosonfeId,F. (Stuttgart) 880. ! 

Rosenow, G. (Königsberg) i 
952. | 

Rosenstein, 11. 1069. | 

Rosenstein, P. (Berlin) 620, 
654, 688, 714, 717, 895. i 

Rosenthal, E. (Budapest) j 
1113. 


Rumpf, F. (Basel) 16. 

Runge (Kiel) 814. 

Ruppe 1, F. 350. 

Russ (London) 1166. ■ 

Rusznyäk, St. 1003. 

Ruttin (Wien) 905. I 

Ryhiner, P. (Zürich) 470, I 
1049, 1193. 1 


s. 

Saaler (Berlin) 739, 1124. 
Saalfeld (Berlin) 331. 
v. Saar 208. 

Sabat 138. 

Sachs (Berlin) 955. 

Sachs, E. 568. 

Sachs, F. (Leipzig) 953. 
Sachs, H. (Frankfurt a. M.) 
882. 

Sachs, 0. (Wien) 735. 

Sack, A. (Heidelberg) 668, 
1030. 

v. Sacken, W. (Wien) 257, 
713. 

Sadelkow, P. 474. 

Saehrendt 615. 

Saonger 22, 240, 473, 592, 
789. i 

Sahatschief, A. 353. 

Sahli, H. (Bern) 397, 398. ! 
Salge, B. (Strassburg) 163. 
v. Salis, II. (Basel) 450, 1168. ! 
Salkowski, E. (Berlin) 113, I 
469, 493, 829, 830. 
Salkowski, H. (Münster i. W.) i 
829. 

Salomon, A.(Berlin)29,1070. I 


Digitized b 1 


< Google 


, Salomon, C. 113. 

Salomon, E. (Hannover) 496. 
Salomon, H. (Koblenz) 875. 
Salomon, H. (Wien) 642, 
643, 952. * 

Salomon, R. (Frankfurt a.M.) 
15, 640. 

Salon, J. (Prag) 737. 

Salus 187. 

Salus, H. (Prag) 503. 

Salus, R. (Prag) 1027. 

Salzer, H. 1244. 

Salzmann, M. 15, 257, 498. 
Samosch (Breslau) 743. 
Samson, G. (Hamburg) 951, 
1049. 

Samson, J. W. (Berlin) 761, 

1018, 1065. 

Sand, Kn. (Kopenhagen) ! 82. 
Sargent 1168. 

Sasse, A. (Cottbus) 212. 
Sassen, P. 906. 

Sassower, J. 1145. 

Saucke, W.(Göttingen) 1194. 
Sauer, H. (Hamburg) 789, 
1071. 

Sauerbruch (München) 861. 
Saul, E. 16. 

Savery 15. 

Saxl (Frankstadt a. R.) 1119, 

1120. 

Schacht, F. (Heidelberg) 593. • 
Schade, H. (Kiel) 544, 887, 
952 

Schädel (Hamburg) 239, 474. 
Schäder, R. E. (Freiburg i. Sa.) 
659. 

Schäfer 237. 

Schäfer (Dortmund) 757. 
Schäfer, A. 13. 

Schaefer, F. (Bresjau) 140, 
709, 886. 

Schäfer, H. (Hamburg) 1095. 
Schäfer, R. (Mainz) 833. • 
Schaffer (Breslau) 957. 
Schaffer, A. (Rathenow) 808. 
Schaeffcr, H. (Frankfurt a. M.) 

110, 409. 

Schaffer, J. 879. 

Schall, H. (Königsfeld) 282, 
832, 855. 

Schanz (Dresden) 208, 692, 
1095, 1097, 1098. 
Scbauraann, H. (Halle) 114. 
Schede, Fr. (München) 66, 
929 1120. 

Scheele, K. (Halle a. S.) 856. 
Scheer, K. (Frankfurt a. M.) - 

207, 882, 927, 1192. 
van der Scheer 498. 

Schelenz, H. (Cassel) 259, 

382. 

van Schelven, Th. 233. 
Schemensky, W\ (Frank¬ 
furt a. M!) 17, 557. 
Schemmel 117. 

Schenck, M. (Marburg) 614. 
Schenk (Breslau) 957. 

Schenk (Charlottenburg) 856. 
Schenk, D. 13. 

Schenk, M. (Marburg) 1190. 
Schcnk-Popp, H. (Freiburg) 
643. 

Schepelmann, E. (Hamborn) 

208, 833, 1167. 

Scherber, G.(Wien) 375, 618. 
Schereschewsky (Berlin) 752, 

759 

Scheu (Mainz) 619. 
Scheuermann (Kopenhagen) 
1167. 

Seheurer, P. (Biel) 165. 

Schick, B. 1027. 

Schicck, F. (Halle a. S.) 811. 
Schiefferdccker, P. (Bonn) 
302. 

Schiemann, 0. (Berlin) 185, 
595, 879. 

2 


Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 





1258 


Schievelbein 807. 

Schiff, A. 472. 

Schiff, E. (Budapest) 233, 
234, 256, 712, 1143, 1194. 
Schiff, F. (Berlin) 326, 1059. 
Schiffmann, J. (Wien) 1168. : 
Schilder, P. J62, 427, 643, 1 
855. 1 

Schiller (Breslau) 1198. j 
Schilling 643. j 

Schilling (Berlin) 1074. j 
Schilling, A. (Berlin) 756. | 

Schilling, CI. (Berlin) 476, 

1147. ! 

Schilling, F. (Leipzig), 617, ! 
640, 1070. 

Schilling, V. (Berlin) 13, 16, 
496, 1167, 1219. ; 

Schillingen L. 397. ; 

Schimunek (Prag) 359. 
Schindler, E. (München) 952. I 
Schinz, II. R. (Zürich) 17, 692. 
Schiötz 498. ! 

Schippers, J. C. (Amsterdam) . 

139, 207, 234. | 

Schirmer, A. (Bern) 882. i 
Schittcnhelm, A. (Kiel) 43, 
405, 692, 854, S87, 1240. i 
Schlüpfer, K. (Leipzig) 163. ' 
Schlüpfer, K. (Wien) 930. ' 

Schlagen häufe r, F. (Wien) 
184, 660. i 

Schlagintweit, E. (München) j 
1048. 

Schlagintweit, F. (München) ! 
1146. 

Schlecht, A. 43. 

Schlecht, H. (Kiel) 116, 405. j 
Schlee (Braunscbweig) 1192. 
Schleier, J. (Breslau) 181. J 
Schlemmer 835. ! 

Schlesinger (Berlin) 213. 
Schlesinger, E. (Berlin) 706. 1 
Schlesinger, E. (Frankfurt 
a. M.) 690. | 

Schlesinger, Fr. (Berlin) 570. : 
Schlesinger, F. (Stettin) 206. ; 
Schlesinger, H. 427, 661, ! 
784. 

Schlesinger, 0. 236. j 

Schlesinger. R. (Breslau) 911. 
Schliess, L. (Baden-Baden) 
1143. 

Schüttler (Basel) 760. 
Schloffer (Prag) 407, 863, 
1145, 1222, 1223. 

Schlomer (Berlin) 933. 
Schloessmann (Tübingen) 66, 
117. 

Schlossberger, H. (Frankfurt 
a. M.) 882. 

Schmalfuss (Hamburg) 789, 
1169. 

Schmalz, W. (Charlottenburg) 
377. 

Schmeil (Breslau) 1078. 
Schmerz, H. 687. 

Schmey (Berlin) 765. 

Schmid, E. F. (Stuttgart) 44. 
Schmid,W.(Klagenfurt) 1193. 
Schmidt 450. 

Schmidt (Göttingen) 325,399, 
667, 1103, 1247. 

Schmidt (Hachenberg) 787. 
Schmidt (Kolbcrg) 470. 
Schmidt (Prag) 71. 

Schmidt, A. (Bonn) 43, 112, 
283. 

Schmidt, E. (Tübingen) 210. 
Schmidt, K. 0. (Hamburg- 
Barmbeck) 867. 

Schmidt, G. (Berlin) 1216. 
Schmidt, G. B. (Heidelberg) 
1191. 

Schmidt, II. 927, 930. 
Schmidt, II. E. (Berlin) 59. 
Schmidt, H. (Nauheim) 709. 
Schmidt, M. B. 881. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Schmidt, P. (Halle a.S.) 188, 
595. 

Schmidt, W. J.( Bonn) 663. 
Schmidt-Rund,Charlotte 959. j 
Schmidtmann, M. (Kiel) 184, ; 

902, 903. j 

Schmieden (Halle) 352. 
Schmiünsky (Hamburg) 404. j 
Schmincke, A. (München) 
657, 952. | 

Schmitz, E. 1070. ! 

Schmitz, K. E. F. 545, 807. i 
Schmor], G. (Dresden) 63, 
237, 407. 

Schmücking (Peine) 854. 
Schnabel, A. (Wien) 660, 951. 
Schneider, E. (Frankfurt a.M.) 
232. 

Schneider, K. (Cöln) 1052. 
Schneider, P. (Heidelberg) 
668 . 

Schnell, W. 15. 

Schnitter (Offenbach) 782. i 
Schnitzer 835. 

Schnyder, K. (Basel) 398. 
Schön, W. «Berlin) 709. 
Schönbauer, L. 1244. 
Schönfeld, A. 1217. 
Schönfeld, W. (Wiirzburg) 
615, 618, 662, 880, 973. 
Schönhof (Prag) 1222. 
Schönke (Frankfurt a. 0.)659. 
Schöppler, II.(München) 545. 
Scholtz, H. (Königsberg i.P.) 
69. 

Scholz, H. (Königsberg) 186, 
207. 

Schorn, H. (Berlin) 831. 
Schott 1193. 

Schott (Nauheim) 426. 

Schott (Stetten i. R.| 975, 
1097. 

Schott, Tb. (Mannheim) 831. 
Schotte, H. (Berlin) 493. ; 

Schottenheim 211. 
Schottmüller(IIamburg) 239, | 
759, 831. 

Schoute 211. 

Schreber, B. 374. 879. 
Schreiber, A. 116. 

Schröder 236. 

Schröder, G. (Schöneberg) 
1050, 1242. 

Schröder, R. (Rostock) 570, 
954. 

Schrötter, H. 855. 

Schroth, A. (Tübingen) 138. 
Schriinder 211. 

Schrumpf,P. (Berlin) 64,662. ! 
Schubert, A. (Frankfurt a.M.) ' 
1097. 

v. Schubert (Marburg) 809. j 
Schubert, E. (Wien) 396. ; 

Schucany, T. (Winterthur) I 
234. 

Schülein, M. (Frankfurt a. M.) 

856, 1195. | 

Schüler, A. 449. ! 

Schüller, A. 374, 691, 712. I 
Schürer, J. (Frankfurt a. M.) j 
3B7, 495, 545, 601, 107S, I 
1193. j 

Schüssler(Zwickau) 660,691. 1 
Schütz, E. 904. j 

v. Schütz, E. (Berlin) 396. 
Schütz, J. 495, 711, 1094, 1 
1242. 

Schütz, W. (Berlin) 330. 1 

Schütze (Berlin) 191, 1247. ; 
Schütze, J. (Berlin) 285,1217. 
Schulte, J. E. (Dortrecht) 1 
547. 

v. Schulthess-Rechberg, P. 
544. 

Schultz (Jena) 839. 

Schultz, W. (Bcrlin)574,860. 
Schultz, W. (Charlottenburg) , 
1196, 1226. 


Schultze (Köppern) 958. 
Schultze, E. 46, 1127. 
Schultze, E. (Berlin) 809. 
Schultze, E. (Göttingen) 97, 
661, 1103, 1105. 

Schultze, F. 473. 

Schultze, F. (Duisburg) 785. 
Schultze, R. 349. 

Schulz, E. (Niedorschrciber- 
hau) 375. 

Schulz, F.C.R. (Goldap) 689. 
Schulz, II. 828. 

Schulz, H. (Berlin) I2HJ. 
Schulze, F. (Bonn) 880. 
Schum, H. (Berlin) 929. 
Schumacher 499. 
Schuman-Leclercq, F. 1167. 
Schumann, H.(Marburg) 593. j 
Schümm, O. (Hamburg) 708. 
Schuster (Berlin) 666, 1173. j 
Schuster, P. (Berlin) 473, 
740, 718, 934, 954. 
Schwab, H. (Strassburg) 282. j 
Schwaer (Zittau i. S.) 719. 
Schwalbach 662. 

Schwalbe (Berlin) 453, 454, 
476. 

Schwarz 568. 

Schwarz (Wien) 569. , 

Schwarz, A. 112. 

Schwarz, L. (Hamburg) 1240. 
Schweich, L. (Trier) 1027. j 
Schweisheinier, W. (München) 
906. ' 

Schweizer, R. (Zürich) 496. 
Schwenke, C. (Neuenahr) 
1119. 

Schwenkenbecher, A. (Frank- i 
furt a. M.) 1193. 

Schweriner 660. 

Schweriner, F. 714. i 

Seebaum 136. I 

Seefelder, R. (Leipzig) 1073. ! 
Secgers, K. (Uechtspringe) ■ 
1164. 

Seel, E. 13. 

Seclert, H. (Berlin) 784. | 

Sceliger, W. (München) 398. ; 
Seemann (Berlin 377, 835, 
856. i 

Scgall, A. 63, 521. 
v. Seht. L. (München) 953. 
Seidel, E. (Heidelberg) 1028, 
1030. I 

Seidel, O. (Jena) 931. j 
Seifert. E. (Würzburg) 164,1 
950. 

Seifert, O. (Würzburg) 44. 
Seiffert (Berlin) 299, 764. 
Seiffert, G. (München) 858. 
Sejournet, J. 757. 

Seitz 644. 

Seitz, A. (Giessen) 857. . 

Seitz, E. (Frankfurt a. M.) 

1097. , 

Seitz, H. (Helmstedt) 687. ! 

Seitz, L. (Erlangen) 235,857, I 
1050. ! 

Selberg, F. 548, 660, 1052. I 
Selig, R. (Stettin) 904. j 
Seligmann, E. (Berlin) 295, I 
687, 964. 1192. I 

Seligmann, F. (Berlin) 545. j 
Seilei, J. (Budapest) 569. I 
Selter, H. (Königsberg) 69, ! 

145, 214, 713, 906, 1073. i 
Selz, E. (München) 1073. 1 

Semerau (Strassburg i. E.) , 
1241. 

Scmpell 832 i 

Semper 65, 67. 

Senft, E. 1118. 

Sergcr, II. 13. 

Serko, A. (Laibach) 690. 
Settcrson,A. (Stockholm) 545. 
Seufferheld, N. 256. 

Sevenig, M. (Frankfurt, a.M.) 
19. 


Seyderhelm (Strassburg i. E.) 
1243. 

Seyfarth, C. (Leipzig) 545. 

Sgalitzer, M. 475, 644, 1072. 

Sharpe 1166. 

Shefford (Leeds) 424. 

Shen Chen Yii 68 1147. 

Short (Bristol) 901. 

Sick, L. K. 17. 

Sidler (Ziiiich) 645. 

Siebc.ck (Heidelberg) 213,472. 

Siebenmann, Fr. 187. 

Sichert, H. (Liebau) 376, 
1052. 

Siechen, H. (Bürstadt) 1070. 

Siegel, P. W. (Giessen) 234, 
593. 

Siegfried ' Potsdam) 256,929, 
1070. 

Siegrist, II. (Aarau) 283, 400. 

Siemens, H. 64. 

Siemens, H. W. (München) 
313, 397, 1214. 

Sicmerling, E. (Kiel) 505, 
661. 

Sievers, R. (Leipzig) 65, 208, 
450, 474, 547, 881. 

Sikora, H. 307, 595. 

Silberschmidt, W. (Zürich) 
349, 642. 

Silberstein, F. (Wien) 1240. 

Sil berstein, L.( Berlin-Schöne¬ 
berg) 706. 

Silbiger, S. 1004. 

Silfverskiüld (Dresden) 1168. 

Simmonds (Hamburg) 239, 
544, 710, 790, 902. 

Simmonds,0.(Frankfurta.M.) 

856. 

Simon, G. 57. 

Simon, P. 1245. 

Simon, W. V. (Frankfurt a. M.) 
17, 855. 

Simons (Berlin) 934. 

Simons,H. (Düsseldorf) 1009. 
1041. 

Singer 161. 

Singer, G. (Berlin) 1215. 

Singer, G. (Berlin-Rummels¬ 
burg) 690. 

Singer. G. (Wien) 1051. 

Singer, K. (Berlin) 447, 643, 
645, 738. 

Singer, R. 256, 643. 

Sinn, 0. (Bonn) 640, 1099. 

Sioli, A. (Bonn) 661. 

Sippel, A. (Frankfurt a. M.) 
1078, 1191. 

Sittig, 0. (Berlin) 1052. 

Sjögren,T. (Stockholm) 1217. 

Skutezkv, K. (Innsbruck) 
306. ' 

Slawik, E. (Prag) 257, 480, 
1096, 1194, 1223. 

Sluczewski, A. (Berlin) 1191. 

Sluyters, A. (Utrecht) 802. 

Smidt, H. (Naumburg) 495. 

Snell, M. (Göttingen) 233. 

Sobornheim, G. (Bern) 1050. 

Söderbergh, G. 351, 547, 
903. 

Sürcnsen, S. P. L. (Kopen¬ 
hagen) 41, 112, 255, 854. 

Sokolow, D. A. (St. Peters¬ 
burg) 162, 1216. 

So Ihrig 619. 

Soldin, M. (Berlin) 952. 

Solms, E. (Charlottenburg) 

210 . 

Sommer, A. (Altona) 19, 659. 

Sommer, R. (Giessen) 162. 

Sondermann, 210, 307. 

Sonntag, E. 691, S34. 

Soucek, A. (Wien) 256. 

Sowden 207. 

Sparmann, S. 283. 

Spatz, II. 1007. 

Specht, G. (Erlangen) 1243. 


i Speer, E. (Jena) 1097. 

1 Speidel, 0. (Stuttgart) 927. 
: Spiegel 641. 

Spiegel, E. (Wien) 660. 

I Spiegel, R. (Berlin) 953. 

; Spiegeler 164. 

Spiclmayer, W. (München) 
736. 

, Spioss, G. 353, 1096. 
Spinner, H. (Halle a. S.) 
926, 1142. 

! Spiro,K. (Strassburgi. E.) 708. 
| Spitta 1218. 

I Spitzy (Wien) 1120. 

| Sprecher, E. 375. 

' Spriggs 18. 

I Sprinz (Berlin) 710. 

: Spurgin 757. 

! Sruka, Job. (Wien) 185. 

| Stadel mann (Berlin) 327. 
j Stälielin, F. (Basel) 562. 

I Stähle 233. 

i Stähli, J. (Zürich) 401, 759. 
I 905. 

| Stäubli, C. 423. 

| Stahnke 163. 

. Stapfer (Nürnberg) 1074. 
j Stargardt, K. (Bonn) 355, 
| 401, 905. 

| Starker, L./Wien) 712, 713. 
i 1070. 

Starkenstein (Prag) 256, 326. 
| van der Starp, J. (Groningen) 
i 186. 

Staunig,K.(Innsbruck) 1168. 
Staunig, K. (Wien) 692, 834. 
Steiger, A. (Zürich) 419. 

, Steiger, M. (Berlin) 753. 

Steiger (Essen) 831, 1099. 

: Stein, B. (Zagreb) 951. 

, Stein, C. 594. 

j Stein, L. 642. 

i Steiner (Dresden) 238. 
Steiner (Duisberg) 659. 
Steiner (Königsberg i. Pr.) 70. 
i Steiner, W. 1050. 

Steinert, E. (Prag) 480, 92S. 
Stejskal, M. (Prag) 1122. 

1 Stelzner,Helenefriderilse 933. 

1025. 

Stemmler, W. (Jena) 399, 
834. 

, Stenger (Königsberg i. Pr.) 

212, 213, 1074. 

I Stenvers, H. W. (Utrecht) 
188, 760. 

Stephan, J. (Offetfbach a. JU.) 
1049. 

: Stepp, W\ (Giessen) 18,139, 
i 687, 708, 855, 1142, 1190. 
j Sterkel 1243. 

Stern, A. (Charlottenburg) 
162. 

Stern, C. (Düsseldorf) 209, 
1072, 1217. 
i Stern, E. 619, 1243. 

! Stern, E. (Hamburg) 609, 

1 1096. 

Stern, E. (Strassburg i. E.) 

I 303, 427. 

1 Stern, F. (Kiel) 814. 

Stern, H. (Thun) 906. 

Stern, M. 1192. 

Sternberg (Berlin) 43. 
Sternberg, C. (Brünn) 1003. 

, Sternberg, II. 1143. 
Sternberg, II. (Freiburgi. Br. 
210 . 

1 Sternberg, H. (Wien) I7S. 

| Sterling, W. 162, 1052. 
Sterling-Okuniewski, St. 545. 
546. 

Stertz, G. (Breslau) 331, 465, 

, 586, 719. 

Stettncr. E. (Erlangen) 1166. 
Steudel (Berlin) 476/500. 

■ Steuernagel, W. (Würzburg) 

[ 1072. “ 


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Gck igle 


Original frorri 

UNIVERSUM OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 



Slourer, CK (Tübingen) 700. , 
Stich, C. 828. 

Stich, R. (Göttingen) 808, ! 
979. 

Stickler, F. (München) 163. 
Stiefel, E. (Zürich) 1168. 
Stiefler, G. (Innsbruck) 232. 
Stier (Berlin) 95, 447, 738, 
740, 741. 

Stiglbauer, R. 618. ! 

Stintzing (Jena) 789, 1220. 
Stirnimann, F. (Luzern) 1050. 
Stock (Jena) 789. 

Stockmeier 614. 

Stoeckel, W. (Kiel) 954. 1 

Stöcker (Breslau) 719. ! 

Stöhr, Ph. 63. I 

Stöltzner, W. (Halle) 660, 
688, 692, 709, 1070. 
Stoerk, 0. 1241. 

Stoffel, A. (Mannheim) 548. 
Stoklasa, J. (Prag) 494. 

Stoll 255. 

Stolte (Breslau) 142, 496, 
712, 743, 788, 1196. 
Stopford-Taylor (Liverpool) 
42. 

Sloppel (Kiel) 692. 

Storni van Leeuwen, W. j 
(Utrecht) 183, 449, 523, [ 
Stoss, M. (Nürnberg) 1135. i 
Stracker, 0. (Wien) 1071, ; 

1098, 1145. 

Stradner 616. 

Stransky, H. 206. 
Strassmann, G. (Berlin) 641, 
701, 881, 906, 994. 
Strassmann, P. (Berlin) 1219. 
Straub, H. (München) 114, 
423, 641, 782, 1166. 
Straub, W. (Freiburg) 183, 
375. 

Strauss 232. 

Strauss, E. (Frankfurt a. M.) 
448. 

Strauss, H. (Berlin) 14. 281, 
391, 471, 544, 593, 646, 
883, 1068, 1101. 

Strauss, 0. (Berlin) 184, 758. 
Strebei, J. (Luzern) 858, 
1218. 

Streiff 663. 

Streit, H. 932. 

Stricker, F. (Berlin) 1097. 
Stromeyer, K. (Jena) 839, 
903, 930. 

Strube; H. (Berlin) 1213. 
Struckmann (Heidelberg) 
1194. 

Strübel, A. (Dresden) 973. 
Strümpell, A. (Leipzig) 686, 
1193. 

Strunk, H. (Berlin) 13. 
v. Stubenrauch 568. 
Stückgold, E. (Berlin) 1189. 
Stübmer 235. 

Stühmer, A. (Breslau) 618. 
Stühmer, A. (Freiburg i. B.) 
1095. 

Stümpke, G. (Hannover) 905, 
1189, 1217. 

Stuhl, C. (Giessen) 1191, 
1239. 

Sturmann (Berlin) 816,908, 
977. 

Stulzin (Berlin) 67, 284,494, 
617, 907, 930. 

Suchanek 234. 

Sudeck, P. (Hamburg) 690, 
785, 1005, 1026. 

Sunier, J. (Waalwijk) 210. 
Susewind 117. 

Sussmann, M. (Berlin) 14* 
Suto, K. 616. 

Sutter, E. (Basel) 282. 
Sutton 44. 

Svanberg, O. (Stockholm) 
828, 926. 


Szalla, ,1. 349. 

Szcnes, A. (Wien) 785, 809, 
929, 1071. 
v. Szezepanski 138. 
v. Szily, A. (Kreilmrg i. B.) 
281. 

v. Szilly, P. 206. 
v. Szontagh, E. (Budapest) 
853. 

Szanojevits, L. 116. 
Szubinski 450. 

Szymanski, J. S. (Wien) 115. 
182, 307. 

Szymanowsky, K. (Breslau) 
811. 


T. 

Tachau 64. 

Tacge, K. (Freiburg i. Br.) 

834, 857, 951, 973. 

Tänzer, E. (Halle a. S.) 760. 
Tancre, E. (Königsberg i. P.) 
163, 623. 

Tangl, F. (Budapest) 114, 
523. 

v. Tappeiner (Greifswald) 164. 
Taube 760. 

Taute, M. 836, 1219. 

Taylor 449. 

Teichmann, E. (Frankfurt a. 
M.) 711. 

Teleky, L. (Wien) 499. 
Telemann (Königsberg i. P.) 
647. 

Tertsch (Wien) 1244. 
Tcsdorpf, P. (München) 806 
Teske 644. 

v. Teubern, K. (Bonn) 1168, 
1240. 

Teuscher (Münster i. W.) 
396. 

Teutschländer, (Heidelberg) 
1030. 

Thaler, U. (Wien) 1168. 
Thannhauser, S.J.(München) 
447, 1190. 

Thedering (Oldenburg) 206. j 
Thcile (Basel) 856. 
Theilhaber, A.(München)854, ! 
1119. 

Thellung (Winterthur) 548. j 
Thibiergc, G. 303. 

Thiem, H. 15. 

Thiemann (Jena) 789, 
Tbierfelder, H. (Tübingen) 
658. 

Thierry, II. (München) 930. 
Thierry, W. (Konstantinopel) > 
904. 

Thöle 1070. 

Thoenes, C. (Speyer) 31. 
Thoraa 46. 

Thomalla, C. 321, 477. 
Thomas (Berlin) 428, 493. 
Thomas (Bristol) 497. • 
Thomsen 450. 

Thomson, H. 474. 

Thomsen, 01. (Koppenhagen) 
545 

Thomson 397, 398. 
Thormählen, P. 19, 887. 
Thost (Hamburg) 404. 

! Tiefenthal, G. (Köln) 451. 

! Tielemann, E. Th. 355. 
Tietzo (Breslau) 741, 766, 
1077. 

Tietzen (Hamburg) 1006. 
Tiling 231. 

Tillraanns (Leipzig) 121. 
Tilmant, M. 617. 

Timraer,H. (Amsterdam) 207. 
Tirnpo, D. (Dresden) 709. 
Tintemann 20. 

! Tittel (Berlin) 308. 

! Tobias,G. (Lichtenberg) 1029. 
i Többen 255. 


Toenicsscn, E. (Erlangen) 
808, 1241. 

de Toit, P. J. 663, 1147. 

Toman, F. 282. 

Tormann (Bromberg) 545. 

Tornai, J. (Budapest) 393. 

Tramer, M. (Zürich) 427. 

Traube (München) 815. 

Traube, J. (Berlin) 806, 901, 
1069. 

Trawinski 137. 

Trcbing (Berlin) 810. 

Trendelenburg, P. (Freiburg) 
709. 

Trendelenburg, W. 568. 

Triebenstein, 0. (Rostock) 
663, 1028. 

Trier, G. 613. 

Troel, 0. 688. 

Troll, A. (Stockholm) 548, 
713, 785, 808. 

Trömner (Hamburg) 404, 
666, 815. 

v. Tschermak, A. (Prag) 448, 
756. 

Türk, M. (Dortmund) 640. 

Türk, M. (Frankfurt a. M.) 
233. 

Tugendreich, G. (Berlin) 87, • 
158, 1189. 

Tuszewski, K. (Berlin-Rei¬ 
nickendorf) 1026. 


u. 

Udvarhelyi 232. 

Uffenorde, W.(Göttingen)594. 

Uhlenhuth 326. 

Uhlmann, Fr. (Basel) 1191. 

Uhlmann, Fr. (Bern) 160, 
182. 

Uhthoff, W. (Breslau) 117, 
307, 741. 767, 887, 910, 
956, 1027. 

Ujiie, M. 137. 

Ulbrich (Magdeburg) 1169. 

Ulrich (Freiburg) 1054. 

Ulrich, B. (Finsterwälde)495, 
951 1217. 

Ulrich’, K. ^Basel) 188. 

Umber (Berlin) 1195, 1246. 

Umber, F. (Berlin) 454, 470, 
642. 

Ungar (Bonn) 43. j 

Unger, E. (Berlin) 351, 645. | 

Unger, R. 160, 

Ungermann, E. (Berlin) 616. 
736. 

Unna, P. G. (Hamburg) 184, 
231, 355. 1122. . I 

Unverricht, W. (Berlin) 42, I 
516. ; 

Urbach 161. 1 

Urban (Breslau) 363, 478. j 


v. Vagedes 42. 

| Vahlen, E. 926. 

I Valentin (Frankfurt a. M.) 
j 1078. 

j Valentin, F. (Wien) 659. j 
i Vallacott (Plymouth) 930. 
Vallery-Radol 614. 

Vas, J. (Budapest) 1194. 

! Veale 19. 

! Veil, W. H. (Frankfurt a. M.) 

472, 883, 1069. 

! Veilchenblau, L. (Buch) 709. 

I von den Velden, R. (Berlin) 

’ 161, 424, 481, 495. 

j Velbagen, C. (Chemnitz) 689, 

| 810. 

! Versmann (Hamburg) 790. 
zur Verth, M. 785, 815. 


Vorzär, F. (Budapest) 115. 
423, 523. 

Viamay, Ch. 475. 

Virchow, H. (Berlin) 167. 

Vischer, A. L. (Basel) 425, 

1120 . 

Vögeli, 0. (Basel) 951. 

Voelckel, E. (Arlon) 905. 

Völtz, W. (Berlin) 613, 693. 

Vogel 66, 618. 

Vogel (Breslau) 417, 478. 

Vogel (Prag) 503, 1222. 

Vogel, K. (Dortmund) 42. 

Vogel, R. 713. 

Vogelbach, R. (Strassburg) 
544. 

Vogeler, K.(Knicrschicd) 449, 
1026, 1121. 

Vogt 211, 354, 759, 811, 
931, 1146. 

Vogt, A. 1100. 

Vogt, A. (Basel) 212, 810, 
905, 1028, 1218. 

Vogt, E. 703, 880, 929. 

Vogt, II. (Magdeburg) 712. 

Voigt 231. 

Voigt, J. (Göttingen) 115, 
667, 831. 

Voigt, L. (Hamburg) 163. 

Volk, G. 305. 

Volk mann 65. 

Volkmann, J. (Braunschweig) 

951. 

Vollbrandt, A.(Freiburgi.Br.) 

688 . 

Voltz, F. (Erlangen) 1121. 

Voltz, F. (Nürnberg) 18. 

V ol tolini (Naumburg a.Bober) 
643. 

Vonderweidt, P. (Saar¬ 
brücken) 954. 

Vorkastner, W. (Greifswald) 
399. 

Vorpahl 832. 

Vorster,J.C. P.J.( Apeldoorn) 
64. 

Voss 212. 

Voss, G. 547. 

Vulpius, 0. (Heidelberg) 44, 
283, 450, 568. 


w. 

Wächter, Fr. (Frankfurta. M.) 
546. 

Wachtel, C. (Breslau) 639. 
Wachtel, H. (Wien) 353. 
Wacker, L. (München) 522, 
090. 

Waeber (Libau) 858. 
Waentig, P. (Dresden) 114, 
1190. 

Waetzold, G. A. (Berlin) 17, 
138, 187, 640. 

Wagner, C. A. (Prag) 71. 
Wagner, G. (Kiel) 68, 815, 

952. 

Wagner, G. A. (Prag) 1221, 

1222. 

Wagner, R. (Wien) 471. 
Wahle 760. 

Waldschmidt,J.(Berlin) 499. 
Waldstein, E. 1071. 

Walker (Birmingham) 974. . 
Walker, J. (Zürich) 1168. j 
van Walsem, G. (Santpoort, 
Holland) 284. ! 

Walter, B. (Hamburg) 353. ! 
Walter, L. (Strassburg i. E.) j 
235. 

Walter, M. (Kiel) 523. 
Walterhöfer (Berlin) 221. 
Waltersdörfer, G. (Berlin) 
1243. 

Walthard (Frankfurt a. M.) 
835. 

Walthard, H. (Bern) 1191. 


Walther (Giessen) 206. 
Walthor, Fr. (Cüln) 209. 
Walthor, H. (Jena) 544, 975, 
1072, 1244. 

Walther, K. 163. 

Walz, K. 641. 

Walzberg 644. 
v. Walzel 257, 353. 

Wandel (Leipzig) 1119. 
Wang 831. 

Wanner (München) 862. 
Warburg, F. (Cöln) 31. 
Warnekros, K. (Berlin) 570, 
835, 880. 

Wasicky, R. (Wien) 255. 
Wassenaar, Tb.(Amsterdam) 
594. 

v. Wassermann, A. (Berlin) 
80, 286, 569. 

Wassermann, S. (Wien) 232, 
496, 834, 1193. 
Wassermeyer, M. 712. 
Wasscrtrudinger, 0. (Char¬ 
lottenburg) 1119. 

Wastl, II. (Innsbruck) 830. 
Watson 546, 687. 

Waugh 832. 

Weber 398, 1166. 

Webor (Chemnitz) 115. 
Weber (Wion) 1120. 

Weber, A. 500, 832. 

Weber, A. (Berlin) 6. 
Weber, E. 546. 

Weber, G. 543. 

Weber, H. (Zürich) 1048: 
Weber, M. (Weingarten) 449. 
Webster 1167. 

Wechselmann (Berlin) 569. 
Wedd 19. 

W r edemann, W. 1218. 
Wederhake 44. 

Wegelin, C. 184. 

Wehmer, C. (Hannover) 522. 
Weichardt, W. (Erlangen) 
423, 595, 1238. 
Weichbrodt, R. (Frankfurt 
a. M.) 43, 351, 397, 545, 
975. 

Weickselbaumer, F. (Linz) 

953. 

Weicksei, J. 1242. 

Weigeldt 1241. 

Weihe, F. (Duisburg) 1096. 
Weil 67, 137. 

Weil (Breslau) 857, 951, 
1076. 

Weil, E. (Prag) 882. 

Weil, P. (Berlin) 1037. 
Weil, S. 691. 

Weiland (Harburg) 1150. 
Weiland, W. (Kiel) 783, 887, 
1097. 

Weiler (Berlin) 665. 

Weiler, K. 546. 

Weil], E. (Strassburg i. E.) 
880, 1244. 

Weil!, P. (Beelitz) 375, 689. 
Wein, E. 325. 

Weinberg 1213. 

Weinberg (Dortmund) 165, 
235. 

Weingärtner (Berlin) 380, 
381, 451, 976, 977. 
Weinhagen, A. ß. (Zürich) 
41, 421, 829. 

Weinland 159. 

Weis (Hamburg) 1005. 
Weiser (Prag) 735, 863. 
Weiss 161. 

Weiss, A. (Szeged) 901. 
Weiss, M. (Wien) 1003. 
Weisz, A. (Budapest) 19. 
Wcitz 832. 

Weitz, H. 712. 

Weitz, W. 138. 

Weitzel, A. 1219. 
v. Weizsäcker, V. 546. 
Welcher, A. (Amsterdam) 67. 
2 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Weloker, A. 46. 

Weleminsky (Prag) 479. 
Weltmann* 0. 256, 736. 
Welwart, N. (Wien) 952. 
Wendriner, H. (Berlin) 1244. 
Wengraf, F. 1145. 
Wenkebach, K. F. 642, 855. 
Wenz (Heidelberg) 1247. 
Werdisheim, L. 449. 

Werner 235, 306. 

Werner, B. (Mainz) 1098. 
Werner, II. 545. j 

Werner, H. (Aalen) 903. j 
Werner, P. (Wien) 210. | 

Wernstedt, W. (Malmö) 163. | 
Werthauer (Rechtsanwalt- 
Berlin) 664. 

Wertheim-Salomonson (Am¬ 
sterdam) 114. 

Westberg, Fr. (Hamburg) 
209. 

Westenhöfer (Berlin) 454, 
766. 

Westerbcek van Eerten, B. J. 

(Hümmels) 64. 

Westermark (Stockholm) 570. 
Westphal, A. 661. 

Weiterer (Mannheim) 659. 
Wettstein (St. (lallen) 548. 
Wetzel (Heidelberg) 1221. 
Wetzell, C. (Rostock) 1192. 
Weve, II. (Rotterdam) 1028. 
Weygandt (Hamburg) 22, 
239, 647. 

Wichmann (Hamburg) 815. 
Wichraann, R. 1052. 

Wichura (Blankenburg) 688. 
Wichura (Breslau) 183. ^ 

Widmer, C. (Zolingen, 
Schweiz) 1166. 

Wiedemann, G. 832. 

Wideröe, S. (Christiania) 855. 
Widmann, E. (Stuttgart) 283. 
Widowitz (Wien) 1097. 
Wiechmann, E. 206. 
Wiedemann 470. 


Wieland, H. (München) 927. 
Wiemcr (Herne) 904. 

Wiener, E. (Budapest) 469. 
Wiose, 0. (Landshut) 6S9, 
1004. 

Wiesner 137. 

Wiesner (Breslau) 1078. 
Wieting 376, 856, 1097. 
Wilbrand 592. 

Wildbolz, H. (Bern) 782. 
Wilhelmi, J. 14, 1165. 
Wilisch (Zittau i. Sa.) 406, , 
1029. ! 

Willer, A. (Berlin) 302. i 
Williams 1166. 

Williamson 17. 

Williamson (Manchester) 784. I 
Willmanns(Heidclberg) 1247. | 
Willrich, A. (Weimar) 521. j 
Wilmanns, K. (Heidelberg) : 

181. i 

Wilms (Heidelberg) 68. 
Wilson 15. i 

Wiraberger, R. (Wien) 692. ! 
Winckel, Ch. F. W. 307. * 

Wtnckel,M.(München-Berlin) j 
254. 

Windaus (Göttingen) 1247. 
v. Winiwarter, J. (Trient) j 
400, 834. 

Winkler, A. 1119. 

Winkler, C. (Utrecht) 1094. 
Winkler, M. (Döbeln) 858. 
Winkler, M. (Luzern) 1217. 
Winter, F. 326. 

Winter, G. (Königsberg) 69, 
75Q QR! 

Winterberg,’ H. 161, 711. 
Winterstein, E. (Zürich) 421, 
422, 614. 658, 659, 829. j 
Winterstein, H. (Rostock) 41, i 
658, 1094. 

Winterthur, G. 1072. ' 

Wintz, H. (Erlangen) 101, ' 
235, 644, 1050. 

Wirths 211. 


I Wirz, B. (München) 952. 
Wischo, F. 687. 

Wise, Fred (New York) 67. 
I Wissing, N. (Kopenhagen) 67. 
: Wissmann, R. (Bonn) 45, 
906, 1218. 

v. Wistinghausen, R. 930. 

! Witte (Kudowa) 1198. 
Wittek (Graz) 66, 1120. 
Wittig (Kiel) 887. 
Wittmaack, K. (Jena) 212, 
.470. 

Witzei (Düsseldorf) 117, 352. 
Wodak, E. (Prag) 214, 355, 
760, 1223. 

Wölfllein, E. 1029. 

Wölffiin 760. 

Wöhlisch, E. 15. 

Wörnor, II. (Frankfurt a. M.) 

282, 339, 9*7. 
Wohlgemuth, J. (Berlin) 830, 
1165. 

Wohlwill, F. (Hamburg) 22, 
67, 116. 

Wokcr, G. (Bern) 901. 

Wolf 547, 615. 

Wolf, Ella (Stettin) 129. 
Wolf, II. (Wien) 975. 

WolfT 355. 

Wolff, B. (Rostock) 881. 
WolfT, E. (Marburg) 354. 
Wolff, G. 545, 595. 

Wolff, G. (Berlin) 397, 483. 
Wblff, H. (Göln) 123. 

Wolff, K. (Berlin) 1096. 
Wolff, N. (Lichtenborg) 42. 
Wolff, P. 284. 

Wolff, W. (Hamburg) 18, 
164, 1031, 1049. 
Wolff-Eisner, A. (Berlin) 206, 
574, 859, 860, 1246. 
Wolffenstein, N. (Charlotten¬ 
burg) 1110. 

Wolffenstein, R. 522. 
Wollenberg, G. A. (Berlin) 
385, 645, 695, 955. 


: Woodcock 401. 

Wrede (Jona) 839. ! 

, Wright, A. E. 1143. ! 

Wiilker, G. 1147. j 

I Wünsche, F. 423. ! 

, Würtz, H. 1169. 
j Wundt, W. 17. 

Wurm (Staatssekretär, Ber- 
! lin) 8. 

i Wuth, 0. (Berlin - Dahlem) 

| 7H. 

! Y. 

Yamada, M. 159. 

Ylppö, A. (Charlottenburg) 
163, 617, 1144. 

Yorke 46. 

Z. ' 

Zade 211, 358, 1028. ! 

Zadek (Berlin) 277, 846. 
Zadek, J. (Neukölln) 599, 
1049, 1074. 

Zahner, L. 1246. 

Zalevsky, E. (Hamburg) 32G. j 
Zander (Steglitz) 1119. 

Zange (.Jena) 840. j 

Zaniboui 1218. 

Zaugger, Th. (Zürich) 207. 
Zebbe(KattowitzO.-S.) 1217. 
Zeeman, W. P. C. (Amster¬ 
dam) 594, 811, 1118. 

Zeiss, H. 1147. 
v. Zeissl, M. (Wien) 150. 
Zeissler, J. (Altona a. E.) 
107, 207, 404, 488, 647, 
689. 

Zeller (Berlin) 454, 1126, 
1127. 

Zellncr, J. 422. 

Zeltner, E. (Nürnberg) 1242. 
Zemker, P. (Cannstadt) 1073. 
Ziegler, II. (Winterthur) 619. 
Ziegner, H. (Iüistrin) 658. 


Zieler, K. (Würzburg) 346, 
498, 569. 

Zicmann (Berlin? 13. 476, 
1148, 1170. 

v. Ziemssen 926. 

Zimmcrli (Sairaden) 782. 

Zimmermann, H. (Frankfurt 
a. M.) 973. .. 

Zimmermann, L 640. 

Zimmermann, W. (Breslau) 
541, 1029. 

Zimmern, F. (Wilhelmshaven) 
497, 1003. 

Zindel, L. (Strassburg) 306. 

Zinn, W. (Berlin) 398,1075. 

Zirn, C. 470. 

Zitterbart, R. 256. 

Zlocisti, Th. (Berlin) 256, 
1157. 

Zöllner (Duisburg) 761. 

Zoeliner, K. (Berlin) 1099. 

Zondek (Berlin) 258, 357. 

Zondek, B. (Berlin) 1167, 
1215. 

Zondek, H. (Berlin) 16, 711, 
782, 783, 1143. 

Zondek, M. (Berlin) 355, 684, 
846, 907, 929, 975, 1060, 
1148. 

Zondek, S.G.(Berlin)485,945. 

Zuelzer (Berlin) 162, 616, 
736, 1102,1131,1148,1172 

Zuelzer, R. (Potsdam) 919, 
955. 

Zumbroich (Frankfurt a. M.) 
234. 

v. Zumbusch (München) 430, 
816, 858. 

Zuntz, H. (Hamburg) 639. 

Zuntz, L. (Berlin) 236. 

Zuntz, N. (Berlin) 167, 422. 

Zurhelle, E. (Bonn) 185,644, 
758, 1119. 

Zwaardcmaker, H. (Utrecht) 
182, 523, 931. 

Zweifel 236. 



A. 

Abderhalden’sehes Dialysierverfahren, Serodiagno¬ 
stik des Karzinoms mittels A. D. 210. 

— — bei Lungentuberkulose 641. 

— — Untersuchungen über fermentative Vor¬ 
gänge bei endogenen Verblödungsprozessen 
vermittelst des A. D. 376. 

Abduzenslähmung bei Nephritis 689. 

— Falle von akuter, rasch heilender, beider¬ 
seitiger A., wahrscheinlich durch Grippe be¬ 
dingt 401. 

Abort, fieberhafter 209. 

— Kampf gegen den indikationslosen A. 857. 

— zur Kenntnis dess. 19. 

— künstlicher 759. 

— Der moderne Kindesmord 20. 

— Strafloser A. im Kanton Basel-Stadt? 954. 

— Die A. in den Jahren 1912 — 1917 19. 

— Offizielle A.-Statistik und klinische Kontroll- 
ergebnisse 354. 

— Technik der A.-Behandlung 644. 

— Krimineller A. mittels Oleum Sabinae mit 
tödlichem Ausgang 46. 

— Uterus-Darmverletzung bei A.-Ausräumung 69. 

Absaugverfahren, Das Loch’sche A. bei Diphtherie 

751, 816. 

Abschnürvorrichtung nach Dr. Fiessler, ein Er¬ 
satz der elastischen Binde 783. 

Abstammungslehre, Zum heutigen StandederA.471. 


2. Sach-Register. 

Die fettgedruckten Zahlen bedeuten Originalartikel. 

Absturz, Das Erlebnis des A. 237. 

Abszess, Röntgendiagnose paravertebraler A.- 
Bildung 1072. 

— Aetiologie der subphrenischen A. 692. 
Achillessehne, Peritendinitis der A. als Metastase 

von Angina 1193. 

Adamantinom des Oberkiefers 953. 

Addison’sche Krankheit, traumatisch entstanden 
619. 

— — Grippe als Auslösungsfaktor von akuter 
A. Kr. 1144. 

— — Das Vorkommen lymphatischer Herde in | 

der Schilddrüse bei A. Kr. 1178. j 

Adenosinphosphorsäure, Isolierung der kristalli¬ 
sierten A. 1190. 

Adenoma sebaceum 1247. 

Aderhaut, Embolie der A.-Gefässe 1073. 

Aderlass, ein Teil der Kolloidtherapie 709. 
Aderpressen, Erfahrungen mit A. 163. 

Adrenalin, Behandlung schwerer Lungenerkran¬ 
kungen bei Säuglingen mit A. 503. 

— Behandlung der Grippe mit A.-Inhalationen 
206. 

— Die Blutdruckwirkung ders. 1120. 

j — Die Dynamik der A.-Wirkung auf die Gefässe 
I des überlebenden Kaninchenohres 115. 

1 — Die leistungssteignende Wirkung des A. und 
I Hypophysins 883. 

| — Einfluss subkutaner A.-Injektionen auf das 
Blutbild gesunder und-kranker Kinder 738. j 


Adsorption, Ueber A. und A.-Vcrbindungen 687. 

— Gegenwärtiger Stand der Lehre von der A. 
1052. 

— negative 423. 

Aeronom, ein neuer Apparat zur Bestimmung 
der Kohlensäure der Luft 1241. 

Aerzte, Der Staat, die Ae. und das Volk 73. 

— Können die Erfahrungen der praktischen Ae. 
der medizinischen Wissenschaft nützen? 689. 

— Die hohe Schule für Ae. und Kranke 1069. 

— Umgestaltung des Ae.-Standes, des Kranken¬ 
hauswesens und der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege 595. 

— Informatorische Einstellung von Ae. bei Stadt¬ 
gemeinden 1175. 

Aerztliche Gedanken zur Revolution 279. 

— Vorbildung, Reform ders. in bezug auf die 
Begutachtungstätigkeit 1074. 

— Unterricht und Prüfungswesen, Neuordnung 
ders. 961, 998, 1022, 1044, 1153. 

Aerztestreik, Ist ein Ae. dankbar? 263, 334. 

— Nochmals zur Frage des Ae. 383. 

Aerztetag, Vom 41. Ordentlichen Deutschen Ae. 

in Eisenach am 27. u. 28. Sept. 1919 979. 

Aeskulapjünger, Zur KcyinZeichnung der Ae. 382. 

Acther, Quantitative Bestimmung des Ae. ira 
Blute 493. 

Aethylmerkaptan, Vergiftung durch Einatmen 
von Ae. 68. 

Affektstörungen bei Kindern 661. 


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Original frorn 

UNIVERSITY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Affektvcrblödimg, Zur .sogenannten A. 1245. j 
Agave amcricana L., Chemische Zusammensetzung I 
ders. 422. 

Agglutination, Säure-Ä. von Bakterien und über 
chemische A. im allgemeinen 303. 

Aggravation und Simulation geistiger Störungen 
661. 

Agnosie, reine taktile 65. . 

Agrammatismus und Mangel an Antrieb nach 
Stirnhirnverletzung 784. j 

Airol, Behandlung der gonorrhoischen Augen- ! 

eiterung der Neugeborenen mit A. 1049. 
Akardius ainorphus 593. 

Akinesia amnestica 667. | 

Akkommodation, tonische 285. 

Akne neerotica, Bas Wesen ders. 235. I 

Akridinfarbstoff, Chemotherapeutische Versuche; 

mit A. 879. ; 

Akriflavin bei Gonorrhoe 687. 

Akrodermatitis continua suppurativa, Histologie ! 

ders. 235. i 

Akromegalie, Familiäre A.-ähnliche Erkrankung, | 
bes. des Skeletts 282. 

— Streiflicht auf die A. 902. 

Aktinomykose, Röntgenbehandlung der A. der j 

Kopf- und Halsgegcnd 735. * I 

— des Zentralnervensystems 1195. i 

Albuminurie, Zustandekommen ders. 1242. 

— nichtnephritische (Marsch-, Scliwimm-A.) 305. 

— orthotische 495, 660. 

— Vorkommen der orthotisehen A. bei Haut- 

und Geschlechtskranken, bes. Syphilitikern 
376. ! 

Albumino-Zylindrurie nachNierenoperationen 451. j 
Alkaloide, Chemische Konstitution und physio- i 
logische Wirkung 522. 

Alkaptonurikerfamilie 43. 

Alkohol und Syphilis 834. 

Alkoholismus, Abnahme des A. in der Psychia¬ 
trischen Klinik in Königsberg 661. 

— Chemie des Blutes bei akuter Alkoholintoxi- ; 
kation und bei chronischem A. 523. 

— Grundlagen des Anti-A. 613. 

— Praktische Bekämpfung des A. 906. 
Allorhythmie, Entstehungsweise extrasvstolischer 

iL 426. 

Alopezie nach Kieferverletzung 209. j 

— universalis trophoneurotica nach Granatshock 

164. ; 

s. a. Haarausfall. I 

Altertum, Vom A. zur Gegenwart 925. 
Aluminium, Neue therapeutisch wertvolle A.- 
Verbindung 204. 

Aluminiuroion, Einfluss des A. auf die Keimung 
des Samens 494. 

Alveolarpyorrhoe, Salvarsan bei A. 495. 

Araalah, ein neues Exspektorans 492. 
Ameisensäure, Entstehung der A. im Organismus 
493. ! 

Amenorrhoe, Abhängigkeit der Röntgen-A, vom | 
Menstrationszykius 644. i 

— Kriegs-A. 377, 1031. j 

— Blutdruck, Blutzucker und Hämoglobingehalt 
bei Kriegs-A. 236. 

— Physiologische Untersuchungen bei Kriegs-A. 
213. 

Araidomethylschweflige Säure, Biochemisches Vcr- I 
halten ders. 113. ! 

Amine, Physiologische Wirkung der proteinogen A. ! 
687. 

Ammoniak, Worauf beruht die scheinbare Un¬ 
durchlässigkeit der Lunge für A.? 302. 
Amniotische Abschnürung, hochgradige 475. 
Amöbendysenterie, Blutbild bei A. 974. 
Amöbenerkrankungen 836. 

Amöbenkolitis, Pathogenese 906. i 

Amöbenruhr, Uebertragung ders. 401. 1 

Amöboide Belegung 447. 

Amputation naök Chopart 1126. 

— Die Mikuliez-Wladimiroffsche A. 1127. 

— Technik der Resektion und A. 1097. 

— raetatarsea 450. 

— Kunstarm für Oberarmamputierte 919. 

— und künstliche Glieder vom Standpunkt des 
Versicherungsarztes 619. 

— am Bein und Ersatzglieder 68. 

— Vermeidung der Re-A. und ihr Ersatz durch 
die Steigbügelmethode 208. 


Amputatiönsneumln am Unterkiefer 66. 

— mit heftigster Neuralgie 719. 

Amputationsstümpfe, Nerven in A. 785. 

— und Prothesen 208. 

— Krukenbcrg's A.-Plastik 785. 

— Latente Tiefeninfekti.on reamputationsbedürf- 
tiger A. 904. 

— Neues Hilfsmittel zur Behandlung von A. 28. 

— osteoplastische 1097. 

— Plastische Deckung mit Brückenlappen 929. 

— Verbesserungen ders. 1098. 

— Verbesserung durch Muskelschnürung 1098. 

— Tragfähigkeit von A. 1097, 1098. 

— Wertigkeit ders. 1097. 

— Umbildung an A. I. Osteoplastische Ampu¬ 
tation am Oberschenkel. 11. Die Vcrände- 
an den Muskeln der Stümpfe 929. 

— nach Sauerbruch’scher Methode 618. 

— Bildung des Kraftkanals beim Sauoz'bruch- 
Arm 904. 

— Tragfähiger A. bei hoher Oberschenkelampu¬ 
tation 450. 

— Deckuug von A. des Oberschenkels "aus dem 
Arm bei beiderseitig Amputierten durch „Ein- 
nähung“ 352. 

— Schreibstifthalter für den Unterarmstumpf 904. 

— Direkte A.-Belastung und Kallusbildung 258 

Amputierte, Tragbare Uebungsapparate für A. 

mit Muskelkanälen nach Sauerbruch 1064. 

Amusie, motorische 232. 

Amynin, Antifermentbehandlung des runden 
Magengeschwürs mittels A. 256. 

Anämie "des Kindesalters 233. 

— Behandlung sekundärer A. 375. 

— Akute und chronische hämolytische A. mit 
Ikterus 65. 

— Alimentäre A. im Säuglings- und frühen 
Kindesalter 169. 

— Alimentäre A. im Säuglingsalter 69. 

— Therapie der A., besonders mit Chlorosan 
Bürgi 161. 

— Chronische A. durch Trichocephalus dispar 186. 

— Verlauf akuter experimenteller Blutgift-A. im 
Höhenklima 1048. 

— Die schweren A. der Schwangerschaft und des 
Wochenbettes 401. 

— Schwere chronische A. mit atypischem Blut¬ 
befund und ihre Beziehungen zur Biermer- 
schen A. 1243. 

— perniziöse, Bluttransfusion bei ders. 928. 

— — Bluttransfusion von Vene zu Vene bei 
p. A. 666, 790, 880. 

— — Polyzythämie mit Ausgang in p. A. 21. 

— — und Aphthae tropicae 16. 

— — Rolle der Milz bei ders. 711. 

— — Milzexstirpation bei ders. 234, 957. 

— — Pylorushpertrophie bei ders. 426. 

-Behandlung der kryptogenetischen p. A. 

1049. 

Anaerobier, Differenzierung pathogener A. 207. 

— Technik der A.-Kultur 544. 

Anästhesie, Einfluss ders. auf den Verlauf von 
Entzündungen 690. 

— Ein Phänomen bei Untersuchung hysterischer 
A. 116. 

— lokale, bei Operationen im Bereiche der oberen 
Luft- und Speisewege 835. 

— Lumbal-, Häufung übler Zufälle bei ders. 644. 

— Modifikation der Plexus-A. behufs Vermeidung 
einer Pleuraverletzung 1026. 

— Splanchnikus-A. 451, 1146. 

Anamnese, Die A. im ärztlichen Gutachten 20. 

Anaphylatoxin, Einwirkung auf den isolierten 
Darm 616. 

Anatomie, Lehrbuch 1025. 

Aneurysma, Entstehung des Gefässgcräusches im 
arteriovenösen A. 617. 

— Plötzliche Entstehung eines A. dissecans 974. 

— Möglichkeit der klinischen Diagnose intra¬ 
kardialer A. 529. 

— Verhalten des llerzgefässsystems bei der Kom¬ 
pression arteriovenöser A. 1004. 

— Operation ders. 234. 

— per arrosionem 184. 

— Naht dess. 856. 

— der Aorta abdominalis 428. 

— spurium der Aorta abdominalis nach Schuss 
184. 


Aneurysma, Fall von beginnendem A. artcrio- 
venosum zwischen Bifurkation der Arteria 
carotis dextra und Vena facialis communis 202. 

— der Art. und Vena axillaris 308. 

| — Arterio-venöses Kriegs-A. am Oberarm 47. 

| — Operation der Glutäal-A. 428. 

| — der Art. glutaea superior infolge Schussver- 
1 ietzungen nach Erfahrungen des Weltkrieges 
441. 

j — Operiertes arterio-venöses Kriegs-A. der liiaca 
externa 47. 

— Traumatisches A. der Art. renalis sinistra und 
. traumatische rupturierte Hydronephrose 1216. 

— der Arteria vertebralis suboccipitalis 117, 
662. 

Anfälle, Gehäufte kleine A. bei Kindern 1052. 
Angina und Folgezustände 307. 

— akute im Kindesalter 592. ‘ 

— Konstitutionell beeinflusste A. 43. 

— Oertliche Behandlung infektiöser, besonders 
auch ulzerierender A. mit Salizylsäure 735. 

— Peritendinitis der Achillessehne als Metastase 
! von A. 1193. 

— Behandlung der A. neerotica, A. lacunaris 
mit Urotropin intravenös 735. 

— Plaut-Vincenti 405. 

-mit Tuberkulin Rosenbach behandelt 1191. 

— Lokale Behandlung der A.undGingivitisPlaut- 
Vinccnti mit Salvarsan 396. 

— ulcerosa, Behandlung mit Neosalvarsan 1118. 

— Lähmung des Vagus, Akzessorius und Ifals- 
sympathikus bei A. 547. 

Angiolipom, malignes 902. 

Angioma artcriale racemosum capitis 930. 

— Tiefsitzendes kavernöses A. am Halse 1071. 

— Pulsierende A. der Augenhöhle 45. 
Ankylostoma Ceylonicum Looss, Geographische 

Verbreitung 15. 

! Ankylostomiasis bei aus Frankreich zurückge- 
| kehrten Kriegsgefangenen 1193. 

Anodonta cygnea L., Gaswechsel ders. 159. 
Anopheles, Vorkommen und Verbreitung der A. 

und ihr Einfluss auf die Malaria 477. 

! Anormalenfürsorge, Reform ders. 1169. 

Anosmie, hereditäre 451. 

— Traumatische A. zerebralen Ursprungs 1052. 
Antialkoholismus, Grundlagen des A. 613. 
Antigene, Das Verhalten gleichzeitig anwesender 

A. und Antikörper 256. 

— Heterogenetische A. und Antikörper 616. 
Antikörper, Verhalten der A. beim Verdünnen 

und Mischen verschiedener Immunsera S07. 
Antisepsis, Erfahrungen mit Tiefen-A. nach Klapp 
. 257. 

— chemotherapeutische 639. 

, — Erdinfektion und A. 283. 

— Chemische A. und Desinfektion boi Behand¬ 
lung infizierter W T unden und eitriger Prozesse 
usw. 953. 

Antisykon gegen Bartflechte 709. 

Antitoxin, Ausscheidung artfremden A. 660. 
Anus praeternaturalis, Technik des Verschlusses 
67, 450. 

— sacralis, Verschluss dess. nach Rektumresek¬ 
tionen 67. 

Aolan, Behandlung der Hautpilzerkrankungcn mit 
A. 757. 

— Behandlung des weichen Schankers und Bu¬ 
bonen mit A. 757. 

Aorta, Angeborene Atresie des Isthmus aortac, 
kombiniert mit Mitralstenose 163. 

— Bcstenstielkompression der Bauch-A. 163. 

— Gibt es eine Spontanruptur der gesunden 
A.? 15. 

: — Frübsymptom bei A.-Erkrankungen 213. 

— Fermente in der Wand der A. 832. 

— Hämatom der A. abdominalis nach Schus>- 
verletzung 184. 

— Durchbruch der A. in die Arteria pulmoualis 
1143. 

— Erkrankungen der A. und dos Herzens 660. 

— Ueber paravertebrale Dämpfungen. Ein Bei¬ 
trag zur Diagnose der A.-Erweiterungon 375. 

— Aneurysma der A. abdominalis 428. 
Aortensklcrose, Kleine Herzen bei A. 375. 
Aortenstenosc, jugendliche, isolierte 139. 

Aortitis, syphilitische 426, 662. 

, Aphasie, Uebungsbehandlung der A. 376. 


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1202 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Aphasie, Restitution der nach einem Schädel - 
schuss vcrlorengegangencn Sprachen bei einem 
Polyglotten 496. 

— bei den otitischen Temporalabszcsscn ^932. 

Aphthae tropicae und Anaemia perniciosa 16. 

Apoplexie, Traumatische Spät-A. 859. 

— Operative Heilung der frischen A. 713. 

— cerebri, Die traumatische A. c. vor Gericht 
781. 

Appetit, Die quantitative Steigerung des A. 43. 

Arachnodaktylie 357. 

Arbeit, Wärme und Arbeit im tierischen Körper 

1137. - .| 

Arbeiterversicherung, Die gestaltende Kraft des | 
sozialen Gedankens in der deutschen A. 82. | 

Arbeitsbeschäftigung in Heilstätten 1004. 

Argochrom als Antigonorrhoikum beim Weibe 
659, 831. 

Arhythmien bei Basedow’schcr Krankheit 782. 

— perpetua, Der Venenpuls bei ders. 832. 

Armersatz, Kunstarm für Oberarmamputierte 919. 

Armfrakturen, Operative Behandlung frischer 

Vorder-A. 929. 

Armprothese, willkürlich bewegliche 325. 

Armverlust, Das Wertverhältnis der A. zu den 
Beinverlusten 1074. 

Arsen, Nebenwirkung von A.- und Salizylpräpa- 
raten auf den gesunden Magen 495. 

Arsenikvergiftung, Erkrankungen der Netzhaut 
und des Sehnerven durch A. 594. 

— Schwere A. bei Psoriasisbehandlung 1070. 

Arscnrnelanose und Hyperkeratose nach Neo- 

salvarsaneinspritzungen 346, 542. 

Arsenobenzole, Chemotherapie einiger A., insbes. 
der Arsalyte 184. 

Arsen Wasserstoff, Pharmakologie dess. 830. 

Arterien, Freilegung der grossen A.-Stämme am 
Aortenbogen 1026. 

— Die relative Ueberlegenheit der rhythmischen 
Durchströmung bei überlebenden Organen als 
Zeichen aktiver Fördertätigkeit der A. 44 S. 

— Die Querschnittsbeziehungen zwischen Stamm 
und Aesten des A.-Systems 639. 

— Traumatischer A.-Stupor 475. 

— Ligatur grosser A. 450. 

— brachialis, Sichtbare Pulsation^ders. bei atro¬ 
phischen Säuglingen 712. 

— carotis, Primärer Abriss der A. c. interna mit 
sekundärer Aneurysmabildung 234. 

— — Unterbindung ders. und ihrer Folgen aufs 
Gehirn 1098. 

-Hirnstörungen nach Verletzung ders. 547. I 

-Spontane, aneurysmaartige Veränderung j 

der A. c. 306. J 

-interna, Zerebrale Störungen bei Ver¬ 
schluss ders. 427. 

-Freilegung an der Schädelbasis 713. 

— — — Freilegung ders. im oberen Halsteil 617. 

— glutaea, Kriegsverletzungen ders. 1098. 

— — superior, Bekämpfung von Blutungen aus 
ders. durch Unterbindung der A. hypo- ; 
gastrica 164. 

— — — Das Aneurysma ders. infolge Schusß- 
verletzungen nach den Erfahrungen des Welt¬ 
krieges 441. 

— hyaloidea, Der physiologische Rest ders. an 
der Linsenhinterkapsel 1146. 

— iliaca externa, Operiertes arterio-venöses Kriegs¬ 
aneurysma ders. 47. 

— centralis retinae, Die sogenannte Embolie 
ders. 45. 

— pulmonalis, Sklerose ders. 641. 

— renalis, Traumatisches Aneurysma ders. und 
traumatische rupturierte Hydroncphrose 1216. 

— subclavia, Subkutane Zerreissung ders. 1195. 

— — dextra, Anomalien ders. 690. 

— temporalis, Die Schlängelung ders. 881. 

— vertebralis, Behandlung derVorletzungen ders. 
117. 

— — Unterbindung ders. 785. 

-Aneurysma und Ligatur ders. 785. 

Arterielle Hypertonie und Herzhypertrophie als 
Krankheitsbegriff 1122. 

Arteriosklerose 239. 

— Behandlung in Bad Tölz 790. 

— Pathogenese der A. 207. 

— Schrumpfniere und Blutdruck 641. 

— nach Unfällen 401, 1192. 


Arthigon, Bedeutung des A. für die Diagnose 
und Therapie des Trippers 377. 

— Durch intravenöse A.-Injektion fasch geheilte 
Conjunctivitis gonorrhoica 659. 

Arthritis, Zur nichtchirurgischen Behandlung der ■ 
chronischen A. 115. 

— Fremdkörper-A. 1244. 

— deformans des Akromioklavikulargolenkes 881. 

Aryknorpel, Automatische Kippbewegungen der A. 

835. 

Arzneiexantheme, Durch Muttermilch übertrag- | 
bare A. 953. 

— und Anaphylaxie 232. 

Arzneimittel, neuere 115, 828. 

— Dosierung von A. im Kindesalter 163. 

— Synthese der A. auf Grundlage der Be¬ 
ziehungen zwischen chemischem Aufbau und 
Wirkung 926. 

— Synergismus der A. Morphin-Urethan, Tinctura 
Opii-Urethan, Aether-Magnesiumsulfat usw. 
449. 

Arzneipflanzen, Wirkung und Anwendung der 
deutschen A. 8*28. 

Arzneitherapie des praktischen Arztes 1094. 

Arzneiverordnungslehre, Repetitorium der A. 112. 

Askariden, Erkrankung der Gallenwege durch A. 
809. 

Askaridenileus 738, 1217. 

Asphyxia pallida, Intrakardiale Injektion zur Be¬ 
kämpfung der A. p. der Neugeborenen 8S0. 

Assimilationsproblem 901. 

Asthma, Selten schwerer Fall mit Exitus im An¬ 
fall 855. 

— Endobronchiale Behandlung 979. 

— bronchiale, Heilwirkung des Jods bei dems. 
281. 

Asthmatec, Vergiftungserscheinungen nach Genuss 
von A. 831, 1049. 

Asthmolysin, Schwerer Kollaps bei einem jugend¬ 
lichen Patienten nach subkutaner Injektion 
von A. 1213. 

Astigmatismus, Bestimmung dess. bei hohen 
Ametropien 1027. 

— Verhalten des Visus bei A. 1245. 

Aszites, Ständige Ableitung dess. 930, 1145. 

— Neue Operation bei A. (Aszitesdrainage) 208. i 

Ataxie, Formen und Aetiologie ders. 213. 

— Familiale A. mit fortschreitendem Schwach¬ 
sinn 473. 

Atemgymnastik, Neue Methode 855. 

Atemzentrum, Einfluss von Sauerstoff auf die 
Erregbarkeit des A. 159. 

Athetose, Doppelseitig? A. und verwandte Zu¬ 
stände 661. 

Atlas, Schrapnellkugelsteckschuss im A. 283. 

— Plötzlicher Tod infolge Kompression des 
obersten Halsmarkes durch ein Chondro- j 
sarkom des A. 233. 

— Luxation des A. nach vom mit Fraktur des ' 
Zahnfortsatzes des Epistropheus 306. 

Atmung, Der Frequenzausschlag bei Tiefatmungs¬ 
prüfung 701. 

— Einige Grundfragen der künstlichen A. 344, 
346. 

— Hilfsapparate für die Prüfung der A. der 
Tiere 901. 

— Intrathorazischer Druck und Mechanismus 
der A. 1213. 

Atmungsorgane, Behandlung der Katarrhe der A. 

— mit Nebennierenextrakt 688. 

Behandlung der Erkrankungen der A. 470. 

Atophan bei Hautkrankheiten 879. 

— Wirkung des A. auf den Purinstoffwechsel 1 
1049. 

Atrophie, Zwei Fälle besonderer Art 1103. 

Atropin, Einfluss von A. auf den respiratorischen I 
Gaswcchsel und die Blutgase 114. 

— Therapeutische Verwendung dess. 223. 

— Vergiftung nach Genuss eines mit? A. ver¬ 
gifteten Kaninchens 667. 

— Wirkung von A. und 1-Hyoszyamin auf den 
isolierten Säugetierdünndarm 756. 

Auge, Galen und seine zweite Anatomie des A. 
610, 635. 

— Einfluss der Kopfhaltung auf das A. und die 
Myopiegenese 1028. 

— Eine normalerweise den Hyaloidearest der ] 
Hinterkapsel umziehende Bogenlinie 1100. 


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Auge, Bencdikt’scher Symptomen komplex 975. 

- Ueber kortikale Augenabweichungen und 
Nystagmus für die Augen- und Halswendc 
905. 

— Stereomikroskopie des lebenden Kammer¬ 
winkels mit der Nernstspaltlampc 811. 

— Spaltlampenmikroskopie des lebenden A. 1218. 

— Das biophysikalisch-histologische Verhalten 
des lebenden A.-Gewebes im polarisierten 
Licht 211. 

— Die Akkommodation des Alziopidcn-A. 115, 
973. 

— Die photoelektrischc Reaktion des Hummer-A 
114. 

— Reilexlinien durch Faltung spiegelnder Grenz¬ 
flächen im Bereiche der Kornea, Linsenkapsel 
und Netzhaut 931. 

— Der feinere histologische Bau der lebenden 
normalen Iris 931. 

— Vorbeugung von Glaskörpervorfall 906. 

— Physiologische und pathologische A.-Ab¬ 
lenkung 617.. 

— Zytologische Studien am menschlichen A. 1146. 

— Refraktion und Kriegsbrauchbarkeit 1245. 

— Ueber Ophthalmomyiasis 1147. 

— Syphilis und A. 1213. 

Augenarzt, Kriegserfahrungen eines A. 45. 

Augenärztliche Eingriffe 543. 

Augenbindehaut, Topographie der A.-Keime 1244. 

— Typischer Fall von Bindehautschürze (Epi¬ 
tarsus) 1244. 

— Tuberkulose ders. 863. 

Augenblennorrhoe, Behandlung der A. bei Neu¬ 
geborenen mit Airol 1049. 

— Abortive Chemotherapie akuter A. 206, 614, 
951. 

— Behandlung der A. mit parenteralen Milch¬ 
injektionen 285. 

Augenbraue, Syphilitischer Primäraffekt ders. 
1027. 

Augendruck, SklerokornealeDiffcreotialtonometrie 
45. 

Augenerkrankungon, Blutbild und A. 498. 

— endonasale 213. 

— nach Methylalkoholvergiftung 995. 

— Besserung des Augenbefundes infolge von Un¬ 
fällen 761. 

— Juvenile Glaskörperblutung 887. 

— Demonstration verschiedener A. 887. 

— Milchinjektionen bei A. 887. 

— Ortsbestimmung von Blasenwürmern im Augen¬ 
inneren 858. 

— Spätgasprkrankungen ders. 45, 1073. 

— A.-Symptomc bei Kampfgaserkrankung und 
'Pneumonie 498. 

— Spontane Skleralverdiinnung mit Nekrose und 
^Staphylombildung beider A. 905. 

— Direkter oder indirekter Skleralriss? 1028. 

— Modifizierte Exenteration und Enukleation des 
Augapfels 307. 

— Evulsion des Augapfels und Sehnerven mit 
Chiasmatrennung 210. 

— Seltenere A.-Komplikationen bei Grippe 1029. 

— Spontane vordere Synechien 1073. 

— Beziehungen zwischen dem Ekzem des A. 
und der Tuberkulinempfindlichkeit der Haut 
976. 

— Thrombose einer Vena verticosa 1028. 

— Geschwülste der Adergeflechte 881. 

— Wesen und Benennung der Gliome des A. 185. 

Augengonorrhoe, Mangankolloid bei A. 523. 

Augenheilkunde, Atlas der Kriegs-A. 281. 

— Fortschritte in der A. 187. 

— Der griechische Kanon der A. 46. 

— Vererbung in der A. 212. 

Augenhintergrund, Die Mikroskopie des lebenden 

A. im fokalen Lichte der Nernstspaltlampe 
45, 593. x 

— Veränderungen des A. bei Optochinvorgiftung 
8S7. 

Augenhöhle, Metastatischer A.- Abszess nach 
Furunkulose im Nacken 906. 

— Melanosarkom der A. mit Spätmetastase 454. 

— Pulsierendes Angiom der A. 45. 

— Kommunizierende extra- und infraorbitale 
Dermoide der A. 1029. 

— Veränderungen in der A. und an den retro¬ 
bulbären Teilen des Auges bei Kopfschüssen 307. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


>203 


Augenhöhle, Weitgehende Obliteration der A. durch 
Granatsplitter und Wiederherstellung der Kon- 
junktivalhohle durch Thiersch’sche Transplan¬ 
tation 767. 

— Tintenstiftverletzung ders. 906. 

— Technik der Röntgenologie von A. und Felsen¬ 
bein 188. 

— Klinik und Therapie orbitaler Entzündungen 
45. 

— Phlegmone ders. 623. 

Augenlid, Ersatz eines Unterliddefektes 810. 

— Totalplastik des unteren A. 3o4. 

— Herstellung von behaarten A.-ttändern 401. 

— Ersatz der Unterlidbildung durch Hebung 
und Verlagerung des Augenhöhleninhaltes 
nach vorn 210. 

Augen massage 1073. 

Augenraigräne, Seltenere Formen 1218. 

Augenmuskeln, Beziehungen der A. zu den Am¬ 
pullen der Bogengänge 663. 

— Lähmungen der A. in der früheren Sekundär¬ 
periode der Syphilis 1244. 

Augenschielen, Extrem hochgradiges paralytisches 
Einwärtsschielen beider Augen 911, 1027. 

— Leiden schielende Kinder unter Doppelbildern? 
1027. 

Augenstörungen, Seltene nervöse A. nach Kopf- 
- kriegsverletzungen 21-2. 

Äugensyphilis, Behandlung ders. mit unspezifi¬ 
schen Heilmethoden 854. 

— Salvarsanwirkung bei A. 1028. 

Augentuberkulose, Krysolgan bei A. 397. 

— Universalbestrahlungsapparat für A. 810. 

Augenverletzungen, Technik der magnetischen 

Splitterausziehung 187. 

— Intraokulare Fremdkörper im Kriege 1029. 

— durch Bleispritzer 858. 

— Infektionen nach Verletzungen im Kriege 187. 

— durch Explosionen von Sprengkapseln 541, 
767. . 

— bei der Geburt, bes. bei Zangenoperation und 
ihre gerichtsärztliche Bedeutung 210. 

Augenwimpern, Ersatz durch freie Transplantation 
behaarter Haut 663. * 

Augenzittern, Zur Lehre vom A. 43, 187. 

Aushungerung Deutschlands 1—9. 

Ausnutzungsversuche, Beitrag zu den sog. A. 448. 

Autotransfusion, Vorschlag zur A. 449. 

Azetol, Neue Reaktion auf A. 113. 

Azeton, Bestimmung von A. und Azetessigsäure 
mit dem Autenrieth’sehen Kolorin\eter 855, 
973. 

— Ermittelung des A. im Harn 614. 

— 'Mikroraethode der A.-Bestimmung 687. 

Azetonkörper, Entstehungsort und Entstehungs¬ 
art ders. 926. 

Azetonometer 783. 

Azidose, bei Scharlach 497. 

— Quantitative Bestimmung der A. 282. 

Azoproteine, Bedeutung der Proteinkomponente 

bei den Präzipitinreaktionen der A. 613. 

Azotämie, Auftreten eines Chromogens der Uro- 
roseinfarbstoffgruppe im Blute von schwer 
azotämischen Nierenkranken 1004. 


B. 

Baden, Hygiene des B. 349’. 

ßadewesen, Das deutsche B. der Gegenwart 349. 

Bakterien, Ein bewegliches, dem Streptococcus 
acidi lactici nahestehendes Bakterium 15. 

— Beziehungen zwischen Resistenz der B. gegen¬ 
über Desinfektionsmitteln und der Therapie 736. 

— Verhalten grampositiver und -negativer B. zu 
oligodynamischen Wirkungen 855. 

— Keimung von B.-Sporen 185. 

— Niypaubildung bei anophilen Sporenbildnern 
und denitrifizierenden B. 15. 

— Gewinnung von Dauerkulturen empfindlicher 
B.-Arten 616. 

— Widerstandsfähigkeit der Sporen und vegeta¬ 
tiven Formen einiger B. gegenüber ultra¬ 
violettem Lichte 616. 

— an Geschossen im Körper 644. 

— Variabilität des Schleimbildungsvcrmögens und 
der Gramfestigkeit 544. 


Bakterien, Säureagglutination von B. 545. 

— Abbau von B. durch Abwehrfermente 1241. 

— Die chemische Besehaffenheit der B.-Hiillen 
und die Gewinnung der Eiweissubstanzen aus 
dem Inneren der B.-Zelle 1241. 

— cholerae pestiforme, Ein neuer Erreger aus 

der Gruppe der Bakterien der Septicaemia 
haemorrhagica 545. 

— coli commune, Zusammenhang verschiedener 
Stoffwechselprodukte bei dems. 423. 

Bakterienkatalase 115, 494, 1069. 

Bakteriologie, Lehrbuch 13. 

— und Sterilisation im Apothekenbetriebe 828. 

Bakteriologisch-chemisches Praktikum 1025. 

Balantidienenteritis und ihre Behandlung 660. 

Balantidienkolitis 881. 

Balloelektrizität amphoterer Stoffe 1142. 

Bandwürmer, Verbreitung und Artbestimmung S83. 

— Sehnervenatrophie durch ß.-Toxine 401. 

Bariumsalze, Die wehenerregende Wirkung der 

B. und Kaliumsalze 377. 

Barlow’sche Krankheit 863. 

— — Blutuntersuchungen bei ders. 766, 1216. 

Bartflechte, Antisykon gegen B. 709. 

— Behandlung ders. 1143. 

— Neuere Behandlungsmethoden der B. 59. 

— Abkürzung der Behandlungszeit durch interne 
Therapie 209. 

— Behandlung mit perkutanen Vuzininjektioncn 
449. 

— Die Desinfektionsmethoden zur Bekämpfung 
der B. in Rasierstuben 1029. 

Baryum, Vergiftung durch kohlensaures B. 1169. 

Basalzellenepitheliom in der Jochbeingegend 140. 

Basalzellengeschwülste der Zylinderepithelschlei m - 
hä^te 688. 

Basedowdiathese, Vererbung und Erblichkeit bei 
B. 618. 

Basedow’sche Krankheit 475. 

— — Arrhythmie bei ders. 782. 

— — Beziehungen zwischen derselben und 
ovarieller Insuffizienz 617. 

-Operative Behandlung ders. 450. 

— — Thymuschirurgie ders. 1077. 

Basel, Erweiterung der otolaryugologischen Uni¬ 
versitätsklinik in B. 187. 

Bassia longifolia L., Ein Bestandteil des Fettes 
von B. 659. 

Bauch, Zirkumskripte Vorwölbung der rechten 
Oberbauchgegend infolge Muskelparese nach 
Brustdurchschuss 47. 

Bauchdeckenschnitt, bogenförmiger 1121. 

— Physiologischer B. für die Operationen an der 
Gallenblase und den Gallenwegen 164. 

Bauchdruck, Klinische Betrachtungen über dens. 

1201 . 

Bauchfell, Wundbehandlung im B. 834. 

— Entzündliche drüsenartige Neubildungen dess. 
710. 

Bauchfellabszess, Behandlung des B. ohne In¬ 
zision 46. 

Bauchfellentzündung, Behandlung der allgemeinen 
eitrigen Wochenbetts-B. 1100. 

—-Zur Frage der galligen B. bei scheinbarer 
Unversehrtheit des Gallensystems 256. 

— Seltene B.-Form 834. 

— Pneumokokken-B. 691. 

— Fortgeleitete diffuse B. als Komplikation einer 
solitären Narbenstriktur des Jejunums 258. 

— Drainage und Spülbehandlung ders. 617, 

— syphilitische 231. 

— tuberkulöse, Drei Fälle geheilt durch Fried- 
mann’s Heilmittel 943. 

— tuberkulöse exsudative, Stickstoffbehandlung 
ders. 206. 

— kombinierte interne Behandlung der tuber¬ 
kulösen B. 42. 

Bauchhöhle, Drainage der B. bei Laparotomie 49. 

— Fötale Inklusion ders. 834. 

— als Lymphraum und die Bedeutung des 
Netzes 1073. 

— Resorption von Bakterien aus der B. 1099. 

— Röntgendiagnostik bei gasgefüllter B. 45, 
957, 1006. 

— Sensibilität und lokale Anästhesie der B., bcs. 
Splanchnikus-Anästhesie 451. 

— Anaesthesieiung ders. durch Infiltration der 
N. splanchnici nach Käppis 856. 


Bauchmuskellähmung bei spinaler Kinderlähmung 
1220. 

Bauchorgane, Neues Verfahren zur Röntgenunter¬ 
suchung der B. 283. 

Bauchpseudotumoren 834, 953. 

Bauchschüsse, Behandlung derB. auf dem Haupt¬ 
verbandplatz 953. 

Bauchschwangerschaft, primäre 1168. 

Bayern, Gesundheitswesen B. im Frieden und 
Krieg 858. 

Bazillen, Vermeidung von Täuschungen durch 
das Auftreten von sporenbildenden B., welche 
färberisch sich wie Diphtheriebazillen ver¬ 
halten 185. 

— aertrycke, Infektion mit dems. 15. 

— faecalis alealigenes 1006. 

— fusiformis, Primäraffekt und fusospirillärc 
Symbiose 354. 

— pyocyaneus, Sepsis und Darrainfektion durch 
B. p. in Schanghai 68. 

-P.-Enteritis 1147. 

— Schmitz, Veränderungen in Kulturen dess. 807 

— teres, aus Erde und aus Punktionsflüssigkeit 
bei Hämatopneumothorax isolierter Anae¬ 
robier 15. 

— Weil-Felix, Agglutinabilität dess. 326, 974. 

-s. a. Fleckfieber. 

Bazillenruhr, Untersuchungen 689. 

Bazillenträger, Vorschlag, die Bezeichnung B. und 
Dauerausscheider durch „Kontaktträger“ und 
„Rekonvaleszenzträger“ zu ersetzen 954. 

Becken, Ueber Assimilations-B. 474. 

— Sterilisation bei engem B. 954. 

— Isolierte Luxation einer B.-Hälfte und Technik 
der Reposition 929. 

— Die Stereoröntgenographie u. Stereogrammetrie 
des B. 1099. 

Beokenendlagen, Fruchthaltung und Fruchtwirbel¬ 
säulendruck bei B. 570. 

Begutachtung, Die Prüfung der körperlichen und 
psychischen Leistungsfähigkeit als Grundlage 
der B. 1078. 

Behandlung, intermittierende 1240. 

Bein, Das Kunst-B. als Stützorgan 1120. 

— Künstliches B. mit aktiver Streckung des 
Kniegelenks 106. 

— Frakturen, Behandlung derB. alter Leute 1145. 

— Lähmung des rechten Beines nach Grippe 1196. 

— Verkrümmung, KorrekturrhachitischerB. 1098. 

— Verkürzung und Skoliose 1120. 

Belastungsdeformitäten, Zur Frage dess. 474. 

Beleuchtung, Beziehungen zwischen B.-Stärke, 

Sehstärke und Lesegeschwindigkeit 714. 

Benzidin, Einfluss der Essigsäure auf die B.- 
Reaktion 706. 

— Zur Kenntnis des B. als Chromogen bei den 
biologischen Oxydationsreaktionen 160. 

Berlin, Max Lenz’sche Geschichte der Universität 
B. 455. 

— Tabellen über die Bevölkerungsvorgänge B. 
im Jahre 1914 14. 

Berliner medizinische Gesellschaft, Geschäftsbe¬ 
richt 327. 

Bernstein. Julius, Nachruf. Zur Geschichte der 
neueren Biophysik 448. 

Bernstein säure, Ucberführung von Aldehydopro- 
pionsäure in B. mittelst Hefe 421. 

Beruf, B.-Wahk und B.-Beratung 950. 

Berufspsychologie, Bedeutung der B. für das 
ärztliche Handeln 427. 

Bettwanze, Das Leben ders. 545. 

Bevölkerung, Zum Wiederaufbau ders. 1147. 

Bevölkerungspolitik 68, 810. 

— Aerztliche Gedanken zur B. 1198. 

Bewegungsübungen bei Nachbehandlung innerer 

Krankheiten 1191. 

Bilharziakrankheit, Antimonbchandlung der B. 
und Tachykardie 639, 1219. 

— Schwarze Punktein der Harnblase bei B. 907. 

— südafrikanische 691. 

Bilirubin im Blute und seine pharmakologische 
Beeihflussbarkeit 641. 

Binde, Brauchbarkeit der Henlo-B. 351. 

Biochemische Arbeitsmethoden, Handbuch 1003. 

Biologie, Die physikalisch-chemischen Grundlagen 
ders. 1141. 

Biorisator, Versuche mit dem Lobeck’schen B. 
1218. 


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1264 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Bittermandelöl, Vergiftung mit falschem B. 1026. 

Bläser, Lunge und Atmung bei Bl.; Beitrag zur 
Emphysementwicklung 807. 

Blausäure, Wirkung ders. auf Pflanzen 522. 

— Entgiftung eingeatmeter Bl. durch Natrium¬ 
thiosulfat 711. 

Blausäurevergiftung und ihre Behandlung 823,879. 

Bleivergiftung, Frühzeitige Erkennung der gewerb¬ 
lichen Bl. mit Hilfe der Blutuntersuchung 
782, 952. 

ßlepharochalasis mit Struma und Schloimhaut- 
duplikatur der Oberlippo 1223. 

Blitzschlag, Haarausfall nach Bl. 569. 

Blockade, Von der Bl. und Aelmlichern 499. 

Blut, Cholesterinverarmung des Bl. unter dem 
Einfluss der Kriegsernährung 793. 

— Bilirubin im Bl. 641. , 

— Fette und Lipoide im menschlichen Bl. bei 
toxämischen Zuständen 708. 

—■ Fettgehalt dos Bl. bei der Narkose 422. 

— Verdauunglipämic und Fettgehalt Bl. beim 
Säugling 929. 

— Einfluss der ErnähiHing auf das Bl. bei Kinder 
1150, 1244. 

— Peroxydase des BL 113. 

— Titersteigerung durch Bl.-Entziehungen 16. 

— Qualitativer und quantitativer Nachweis von 
Säuren in kleinen Blutmengen durch Be¬ 
stimmung von Vertcilungsgleichgewichten 114. 

— Wirkung der Chlorate auf das Bl. des 
Menschen und einiger Tierarten 160. 

— Zusammensetzung des BI. bei jahrelanger Ent¬ 
ziehung des Sonnenlichtes 832. 

— Der Rostkohlenstoff des Bl. bei Gesunden und 
Kranken 855. 

— Chemisch-physikalische Bl. - Untersuchungen 
186. 

— Beziehungen von Milz und Leber bei ge¬ 
steigertem Bl. 881. 

— Die Regulation der Bl.-Zusammensetzung 193. 

— Chemie des Bl. bei akuter Alkoholintoxikation 
und bei chronischem. Alkoholismus 523. 

— Quantitative Bestimmung des Aethers im Bl. 
493. 

— Sauerstoffverbrauch und Kohlensäurcverbrauch 
des Hunde-Bl. 423. 

— Zusammensetzung des Bl. im Wüstenklima 
951, 1165. 

— Viskosimetrische Befunde bei Muskelarbeit 
im Hochgebirge 1048. 

— Einwirkung der Muskelarbeit und des 
Schwitzens auf BL und Gefässe 1048. 

— Giftwirkungen des defibrinierten Bl. 668. 

— Das Blut dor Haustiere mit neuen Methoden 
untersucht 1094. 

— Verhalten der Blutplättchen und der Blut¬ 
gerinnung bei der Serumkrankheit, bei Masern 
und Scharlach 1194. 

— Gleichgewichtszustand zwischen Kolloiden und 
Salzen ira Bl. bei verschiedenen Krankheits¬ 
zuständen 1191. 

Blutbahn, Energieverbrauch in ders. 181. 

Blutbewegung in den Kapillaren 448. 

— Das Problem der selbständigen extrakardialen 
BL 678. 

Blutbild und Augenerkrankungen 498. 

— Einfluss der Menstruation auf das Bl. bei ge¬ 
sunden Individuen 210. 

— unter Radium- und Röntgenstrahlen 835. 

— Das weisse Bl. bei chronischer Malaria, bes. 
die Monozyten betreffend 1135. 

Blutdruck, Der Durchschnittswert des Bl. beim 
gesunden Menschen 52. 

— und Puls beim Feldsoldaten 138. 

— Sind an den Atemschwankungen des arte¬ 
riellen Bl. Touusschwankungen der Gefässe 
beteiligt? 181. 

- bei Lungentuberkulose 186. 

— in den kleinsten Gefässen der menschlichen 
Haut 301. 

— Die Bl.-Veränderung nach Adrcnalininjektionen 
als Gradmesser für den Tonus im autonomen 
und sympathischen Nervensystem 951. 

— Kurve der Kriegsnephritis 495. 

— Herzarbeit und Herz kraft 546. 

Blutdrüsen, Die Bl.-Erkrankungen des Weibes 

und ihre Beziehungen zur Gynäkologie und 
Geburtshilfe 592. 


{ Blutfarbstoff, Wirkung der aromatischen Nitro- 
; Verbindungen auf don Bl. 830. 

Blutgasanalysen 114, 186, 641. 

1 — Hämoglobin als Indikator 423. 
j Blutgefässe, Verletzungen ders. im Kriege 1121. 
!— Drei seltene Bl.-Verletzungen 1168. 

! Blutgefässchirurgie, Freilegung der grossen Ar¬ 
terienstämme am Aortenbogen 1026. 
Blutgerinnung, Neue Methodo zur Bl.-Zeit 471. 

— Wertbestimmungen der Bl.-befördernden Kraft 
von Injektionsmitteln 687. 

Blutimpfstoffe, Keimfreie Aufbewahrung von Bl. 
397. 

Blutkalk, Bedeutung dess. 1069. 

— Gehalt bei kalkbehandelten Katzen 428. 
Blutkapillaren, Strömungsgeschwindigkeit in den 

Bl. der Haut 469. 

Blutkrankheiten, Lehrbuch 230. 

— Behandlung von Bl. und Infektionskrankheiten 
• mit Proteinkörpern 226. 

Blutkreislauf, Energie ders. 643. 

Blutkörperchen, Die Agglutination roter Bl. und 
die Hofmeister’schen Reihen 113. 

— Auffällig langes Erhaltenbleiben roter Bl. 
nach dem Tode 994. 

t%^yCholcstcrinverarrnung der roten Bl. und des 
Serums bei Kriegsernährung 689, 1005. 

— Einfluss der Narkotika auf die Durchlässig¬ 
keit von Bl. für Traubenzucker und Harn¬ 
stoff 396. 

— Hämolytische Wirkung der Kohlensäure und 
ihrer Salze auf BL, die mit Seife und gallen¬ 
sauren Salzen präpariert sind 616. 

— Ursachen der veränderten Suspensionsstabi¬ 
lität der Bl. während der Schwangerschaft 113. 

— Viskosimetrische Bl.-Volumbestimmung 160. 

— Klinische Methode der Bl.-Vulumbestimmung 
781, 807, 974. 

Blutkonzentration, Abhängigkeit der Bl. vom 
Blutdruck 159. 

Blutleere, Abschnürvorrichtung nach Dr. Fiessler, 
ein Ersatz der elastischen Binde 783. 
Blutlipasen, Bedeutung der Bl. für den Fett¬ 
stoffwechsel der Zellen 448. 

Blutnachweis, Die Gregersen’sche ' Modifikation 
der Benzidinmethode für den okkulten Bl. 
939. 

Blutplättchen, Zur Bl.-Frage 16. 

Blutplasma, Vorkommen von gebundenem Chlor 
im Bl. 469. 

Blutserum, Proteolytische Verhältnisse im Bl. 
von Pferd und Rind 423. 

— Vorkommen von Phosphaten im menschlichen 
Bl. 470, 1048, 1049. 

Blutserumeiweisskörper, Wirkung von Säuren auf 
BL 113. 

Blutstickstoff, Grosse Harnstoffgaben und Rest¬ 
stickstoffgehalt des Blutes 709. 

— Der Nichtproteinstickstoff des menschlichen 
Blutes 708. 

Blutstillung, Capselia Bursa pastoris als Bl.-Mittel 
973. 

— Die Wirkung des Bergel’sohen Fibrins 704. 
Blutstrom, Anwendbarkeit des Poiseuille’schen 

Gesetzes auf den Bl. 181. 
i — Antrieb des Bl. durch aktive Gefässpulsationen 
302. 

Blutsverwandtschaft, Bedeutung der statistisch 
I ermittelten Belastung mit BL der Eltern 
! 1218. 

! Bluttransfusion 950. 

I — im Kriege 474. 
j — Das Endergebnis ders. 832. 

— Transfusion entgifteten Eigenblutes 449, 951. 

— von Vene zu Vene mit Messung der übertra- 

, genen Blutmenge 352. 

j — Direkte Bl. von Vene zu Vene bei perniziöser 
, Anämie 666, 790, 880, 928. 

I — in der Geburtshilfe und Gynäkologie 451. 

I — Eigßn-Bl. bei geplatzter Tubarschwangcrschaft 

* Bluttropfen, Anleitung zur Diagnose im dicken 
| Bl. 14. 

I Blutungen, Behandlung hätnophiler Bl. 544. 

1 — Ueber BL, besonders Mundschleimhaut - Bl. 
i bei hämorrhagischer Diatheso 451. 

j — aus dem Ohr und den oberen Luftwegen in- 
•! folge vasomotorischer Störungen 760. 


! Blutungen, Ueber Nach-Bl. 953- 

— Tödliche ßl. bei Probepunktionen der Lungen 

| 562, 727. 

i — Tampospuman bei genitalen Bl. 1166. 

j Blutungsübel, Systematik der Bl. im Kindesalter953. 

Blutuntersuchung, Bedeutung ders. in der chir¬ 
urgischen Diagnose 1121. 

Blutzöllen, Seltene Zollformen des strömonden 
Blutes 304. 

Blutzucker, Zur Kenntnis dess. 470. 

— Bl.-Regelung, respiratorischer Gaswechsel und 
Körpertemperatur 305. 

— Verhalten des Bl. bei chirurgischen Erkran¬ 
kungen 1097. 

— beim Diabetes 708. 

— Die kolorimetrische Bestimmung des BL durch 
Reduktion der Pikrinsäure 113. 

— Mikrobestimmung dess. 282. 

— Einfluss der Muskelarbeit auf den Bl.-Gebalt 
1243. 

Bolus, Skeptisches zur B.-Therapie 256. 

Bordet-Wassermann’sche Reaktion nach der Me¬ 
thode von Calmette und Massol 471. 

Botulismus, Beiträge 1214, 1241. 

— nach Genuss von Pferdewurst 957. 

i Bradykardie mit Hypotonie 840- 

Bradyteicokinese, Das neue Kleinhirnsymptom 
Schilder’s 903. 

Brandpulver, Erfahrungen damit 659. 

Brechreiz, Rauchen als Mittel gegen Br. bei Sal- 
varsaninjektionen 709. 

Brenzkatechinmonoazetsäurc, Die pharmakologi¬ 
schen Eigenschaften ders. 1213. 

Brille, Entwicklung der Kenntnis der Br. 187. 

— Ergebnisse der Br.-Verpassung 211. 

— Eine Spiegel-Br. für kopfschussverletzte Hemi- 
anoptiker 931. 

— Schprüfung und Br.-Verordnung 1169. 

Brom, Methode zur Bestimmung dess. 423. 

Bromatik, Wesen und Bedeutung ders. 708. 

Bronchialfremdkörper im linken Unterlappcn- 

bronchus 451. 

Broncbialschleimhaut, Basalzollenwucherungen der 
Br. 184. 

Bronchiektasien im Röntgenbilde 1072. 

— Behandlung ders. mit Pneumothorax 516. 

Bronchiektatische Kavernen 867. 

Bronchitis fibrinosa beim Kinde mit Röntgen¬ 
befund 480. 

Brot, Bakteriologie des fadenziehenden Br. 545. 

— Unser,täglich Br. in Krieg und Frieden 62. 

— Zur Lösung der Br.-Frage 835. 

— Ueber Lupinen-Br. 457. 

Brustdrüse, Hypertrophie ders. 692. 

— Verwendung der Br. bei Handplastik 352. 

— Wirkungsweise von Br.-Extrakten 1168. 

— Die polyzystische Br.-Degeneration und die 
Entstehung der Karzinome 1050. 

— DoppelseitigesBr.-Karzinom(Röntgenkarzinom) 
475. 

Brustfellentzündung, Diagnoso der exsudativen 
tuberkulösen Br. durch Röntgenstrahlen 1217. 

— Tuberkulinbehandlung der tuberkulösen ex¬ 
sudativen Br. 1239. 

Brustfellerguss, Cholesterin im Br. 1166. 

Brustfellerkrankungen, Behandlung ders. 831. 

Brustfellgeschwülste, Leirayom der linken, Endo- 
theliom der rechten Pleura 1039. 

Brusthöhle, Lagebestimmung innerhalb der Br. 647. 

— Schussverletzungen der Br. ohne Lungenver- 
letzung 66. 

Brustkorb siehe Thorax. 

Brustkrebs, Sieg der Röntgcnstrahlcn über den 
Br. 758. 

j.Brust-Lungenschüsso, Beobachtungen an 100 
frischen Br. 350. 

Brustverletzungen 376. 

Brustwandabszesse und -Fisteln, tuberkulöse 400. 

Brustwandödom als Symptom schwerer Lungen¬ 
entzündung 953. 

Brutschrank, Behelfs-Br. 186. 

Bubo, Behandlung des venerischen B. mit Milch¬ 
injektion 854. 

| Bulbopontine Herdläsion 232. 

Bulgarien, Die deutsche Sanitätsmission für B. 

1 500, 620. 

Buttermohlnahrung, Verwendung der B. nach 
Czerny-K leinschmidt 163, 496, 640, 673, 929. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1266 


c. 

Capselia Bursa pastoris als Uämostatikum 973. 

Cerumenpfropf, Haarausfall und C. 209. 

Cesol-Merck zur Bekämpfung quälender Durst¬ 
zustände 470. 

Chemie, Einführung in die Ch. in Icichtfasslicher 
Form 1068. 

— Grundriss der organischen Ch. 828. 

— klinische 254. 

— Lehrbuch der physiologischen Ch. 112. 

— Praktikum der medizinischen Ch. 68. 

Chcnopodiumölvergiftung 398, 470. 

China, Medizinisches aus Ch. 1247. 

Chinaalkaloide, Speicherung von Ch. in Blut¬ 
zellen 756. 

Chinidin, Ausscheidung des Ch. im Harn 206. 

— bei Herzkrankheiten 735. 

Chinin, Wirkung des Ch. bei Herzflimmern 206. 

— Das Ch. und die Leukozyten 1239. 

— Subkutane Anwendung von Ch. im Kindes¬ 
alter 1191. 

— Unterschiede im Verhalten des Ch. bei oraler 
und subkutaner Einverleibung in den mensch¬ 
lichen Körper 1213. 

— Wirkung des Ch. bei Malaria tertiana 161. 

- Untersuchungen über die Ch.-Ausscheidung 
und Wirkung 123, 307. 

— DasWesen der Ch.-Festigkeit bei Protozoen 1095. 

— und Hydrochinin im menschlichen Organismus 
1069. 

— Postoperative Ch.-Therapie 691. 

Chininprophylaxe 663. 

Chinin-Syphilispropbylaxe in der Armee 752. 

Chirurgie, Die Kriegs-Ch. im Weltkrieg 577. 

— Ueber die deutsche Kriegs-Ch. 526. 

— Lehrbuch der speziellen Ch. 658. 

— Primitive chirurgische Behandlung in Palästina 
647. 

— Reform Vorschläge zur wissenschaftlichen Ch. 
784. 

— Vademekum der speziellen Ch. und Ortho¬ 
pädie 658. 

— Spezielle Diagnostik für Studierende und 
Aerzte 756. 

— Wiederherstellungs-Ch. 1165. 

Chirurgische Demonstrationen 861. 

— Krankheiten, Röntgenbestrahlung ders. 789. 

Chitose 1069. 

Chlor, Vorkommen von gebundenem Chi. im 
Blutplasma 469. 

Chlorate, Wirkung der Chi. auf das Blut -des 
Menschen und einiger Tierarten 160. 

Chloräthylnarkose, Erfahrungen über Chi. 18, 809. 

Chlorkalzium zur Verhütung der gefahrdrohenden 
Blutungen bei der suprapubischeu Prostatek¬ 
tomie 967. 

Chloroformvergiftung, Stoffwechselstörung au den 
Organen an eine Chi. erinnernd 789. 

Chloromyelose 1222. 

Chlorophyll und Chlorosan Bürgi 161. 

Chlorosan, Der Chloropbyllgehalt des Chi. 806. 

Chlorstoffwechsel, Bedeutung intermediärer Ver¬ 
änderungen im Chi. beim Normalen und 
Nierenkranken 472. 

Cholangitis, akute und chronische 17. 

Choledochusverschluss, Verhalten der Gallenblase 
bei Ch. 691. 

Choledochuszyste, Operativ entfernte Ch. im 
Ligamentum hepatoduodenale 548. 

Choleravibrionen, Lebensdauer 545. 

Cholelithiasis im Kindesalter 43. 

Cholesteatom der Ilarnwege 1026. 

Cholesterin, Der Ch.-Gehalt des Blutes und der 
Galle bei lipoidfrei ernährten Tieren 687. 
Gehalt des Blutes an Ch. bei Brightscher 
Krankheit 139. 

— und Cholsäure 1247. 

— im Herzbeutelerguss 1166. 

— im Pleuraerguss 1166. 

Cholesterinämie 139, 422. 

Cholin als Hormon der Darmbewegungen 182. 

— Experimentelle Kastration uach Ch. 235. 

Chopart’scher Stumpf, Plattenephitelkarzinom auf 

deras. 1078. 

Chordom,, Malignes Ch. mit Metastasen 881. 

— Rezidivierendes bösartiges Ch. der sakrokokzy- 
gealen Gegend mit Metastasen 1195. 


Chorea, Bindearm-Ch. 399. 

Chorioidea, Solitärtuberkel ders. 211. 

Chorionepitheliom während der Gravidität ent¬ 
standen 306. 

- Ektopisches Ch. der Vagina mit multiplen 
Luteinzyten beider Ovarien 236. 

Chroinatophorom 184. 

Chromatvergiftungen 47S. 

— Hautveränderungen 363. 

— Augenbefunde 365. 

— Pathologisch-anatomische Befunde 365. 

— Klinik ders. 368. 

Chromoradiomoter, Bordier's Chr. und die Röntgen¬ 
strahlenmessung 497. 

Cbromreaktion des chromaffinen Gewebes als 
Adrenalinreaktion 660. 

Chyluszysten 1072. 

Clauden, Chirurgische Erfahrungen 396, 901. 

Culchicin, Pharmakologisches zur C.-Therapie bei 
Gicht 358. 

Corpus luteum, Beziehungen dess. zur Menstration 
235. 

— — Bildung dess. und der Follikelatresie bei 
Tieren mit Hilfe der vitalen Färbung 710. 

— — Pathologie dess. 235. 

Coxa valga luxans 1127. 

— - vara, Pathogenese 474, 756. 

— — Keilosteotomie des Schenkelhalses nach 
Kraske bei C. v. 1054. 

Cunciforme, Der C.-Schmerz 1168. 


D. 

Dämmersetilaf, Anwendung de9s. unter der Ge¬ 
teilt 1073. 

Dämnqerzustände, hysterische 376. 

— Einwirkung äusserer Ereignisse auf psycho¬ 
gene I). 661. 

Dämpfungen, Paravertebrale D. Diagnose der 
Aortenerweiterungen 375. ^ 

Dakin’sche Lösung, Wie wirkt die D. L. auf das 
Wundgewebe? 163. 

— — Kalziumhypochlorit als Ersatz der D. 
Natriumhypochloritlösung 351. 

— — Untersuchungen über die D. L. und das 
Präparat Meajodina bei infizierten Wunden 
und als lländedesinfektionsmittel 953. 

Dammriss, 138 Fälle von komplettem D. 498. 

Darm, Einwirkung des Anaphylatoxins auf den 
isolierten D. 616. 

— Bedeutung der endogenen Infektion des 
Diinn-D. für die Dyspepsie 1070. 

— Pyozyancusenteritis 1147. 

— Fremdkörper jahrelang im D. verweilend 689. 

— Subkutaner Totalabriss des D. an der Flexura 
duodeno-jejunalis 164. 

— s. a. Dünndarm, Dickdarm, Mastdarm. 

Darmausschaltungen 208. 

Darmbakterien, Biologische Bekämpfung patho¬ 
gener D. durch apathogene 907. 

— Differentialdiagnose der infektiösen D. mittels 
des polytropen Nährbodens „P. N.“ 375. 

Darrnbeinsarkom, rezidivfrei 5 Jahre nach’ Ope¬ 
ration # 839. 

Darminfektion, latente 927. 

Darmkrankheiten, Behandlung ders. 1143, 1166. 

— Phlebectomia cruralis bei infektiösem Dick- 
dannkatarrh 895. 

— Röntgendiagnostik ders. 543. 

Darmlipome 8ö4. 

Darmnaht, aseptische 164. 

— am vorgelagerten Darm 164. 

— Technik der mehrreihigen D. 1121. 

Darmphlegmone, primäre 857. 

Darmresektion, Ausgedehnte D. bei artericlt- 

embolischem Darminfarkt 930. 

Darmstenose, Dünn-D. nach Brucheinklemmung 
930. 

Darmstrikturen, tuberkulöse 1198. 

Darmvereinigung durch Invagination 353. 

Darmverschluss, Symptom des freien Flüssigkeits¬ 
ergusses ira Abdomen als Zeichen eines D. 
der Ueozükalgegend 1069. 

Darmwanderkrankungen, Umschriebene akut ent¬ 
zündliche 1099. 

Daumenplastik 400. 

— Das spätere Schicksal einer D. 833. 


Daumenplastik, Bildung der Daunionspitzc aus 
einem Mittelfingerstumpf 450. 

— Fall von D. und Fingorauswechselung 717. 
Daumq&gti^gker, Traumatische Ruptur der Sehne 

j des langen D. 661. 

! Debile, Assoziationsversuche bei D. 975. 
j Deformitäten, Die Verkennung der Psychogenie 
von D. 842, 955. 

I Degeneratio genito-selerodermica als besondere 
Abart der pluri-glandulären Insuffizienz 162. 
I Dekauülement, Ursache und.Behandlung des er- 
I schwerton D. 547, 1071. 

| Dekubitus und Gesässmuskel 901. 

! Dementia praecox, Blutgerinnungszeit bei ders. 
232. 

■ Denkvermögen, Prüfung des D. an Bildern 609. 

; Depeschenstil, Lokalisation des D. 496. 
i Dermatologie, Ueber Kriegs-D. 358. 
i Dermatomykosen 1027. 

| Dermatomyositis acuta (Pscudotrichinosis), Zur 
| Kenntnis ders. 1211. 

I — tuberculosa 284. 

; Dermatosis dysmenorrhoica, Herpes neuroticus 
j und Selbstbeschädigung 1027. 

i Dermoid im Jugulum 1244. 
j Dermoidkystom, Vorzeitige Geburt bei D. 405. 

| Desinfektion und Desinfektionsmittel 642. 

| — der Hände nach Goekt 929. 

— D.-Kraft von Elementen und chemischen Ver- 

I bindungen 711. 

1 — Wert der Schluss-D. 906. 
j Deutschland, Aushungerung D. 1—9. 

Diabetes innocens 952. 


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! — insipidus 1222. 

I — — Intermediäre Vorgänge bei deras. 472. 

! — mellitus, Wesen und Behandlung dess. 052. 
i — — Seltene D.-Formen 1199. 

I-Gaswechsel beim D. m. nach Zufuhr von 

reinen Ei weisskörpern und reinen Kohle- 
hydrateh 782. 

' — — Fette und Lipoide im Blutplasma des 
i Menschen bei D. m. 398. 

!-Ueber Habitus im allgemeinen und den 

Habitus des D. m. im besonderen 660. 

-Kriegskost und D. ra. 161, 256, 643. 

-im Krieg 1150, 1246. 

— — Kriegslehren zur Behandlung dess. 471, 
787. 

— — und komplizierende chirurgische Erkran¬ 
kungen 783, 887. 

— — Therapeutischer Versuchserfolg beim ex¬ 
perimentellen D. 544. 

Diätetik, Kriegserfahrungen für die praktische D. 
471. 

Diäthylbarbitursäure, Kompositionen ders. 1240. 

Diamine, Physiologische Versuche mit aromati¬ 
schen 1). 687. 

Diastase, Neue Theorie der D.-Bildung und 
D.-Wirkung 830. 

Diathermie 1240. 

— Neue Fortschritte der D. 161. 

— Intensiv-D. durch den Pulsator und Alter- 
nator 620. 

— Einfluss ders. auf das Karzinomgewebe 1119. 

— Elektroden 60. 

Diathese, Beobachtungen an den Hautkapillaren 
bei Kindern mit exsudativer D. 1070. 

— hämorrhagische 304, 1167. 

Dichtung, Psychopathologie in der D. 982. 

Dickdarm, Entzündung eines D.-Divertikels 930. 

— Perforation des Colon transversum in die 
rechte Tube 1077. 

— Ulcus simplex des D. 44, 930. 

Digitalis, Anwendungsweise der D.-Präparate 
1049. 

— Hohe D.-Gaben bei Fieberkrankheiten, be¬ 
sonders bei Lungenentzündung 303. 

— D.-Gebrauch und Wasserwechsel 426. 

— Pharmakologie der D.-artigen Verbindungen 
523. 

— Indikation bei akuter Glomerulonephritis 304. 

— Ueber Diuresehemmung durch D. 1285. 

Digitalisblätter, Die pharmakologische Auswertung 

ders. 1212. 

Dijodyl, Ueber D. und Jodausscheidung 1164. 

Dilatatio ventriculi Morgagni symptomatica 381. 

Dinitrobenzolvergiftung 68, 1219. 

Dipeptide, Methylierung ders. 1142. 

3 

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120(1 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Diphtherie, Epidemiologische Studien 545. 

— Die .peripheren Gefässe bei D., plethysmo-. 
graphische Untersuchungen 36. 

— Die D.-Fälle der medizinischen Klipüt ktBonn 

1243. ^ 

— Behandlung nach Bingel 237. 

— Behandlung der D. nach Behring oder Bingel? 
987. 

— Behandlung mit normalem Pferdeserum 302, 
421, 470, 807, 901, 988, 1127. 

— Behandlung mit unspezifischem Serum 1165. 

— Epidemiolpgie und Bekämpfung der D. 281, 
954. 

— Mischinfektion ders. 689. 

— Vorzüge der kombinierten Serumbehandlung 
bei D. 14. 

— Das Loch’sche Absaugverfahren bei D. 751, 
816. • 

— Schwierigkeiten einer durchgreifenden Pro¬ 
phylaxe gegen D.-Infektion 406. 

— Bedeutung aspezifischer ergotroper Wirkungen 
des Serums bei der Heilserumtherapie der D. 
207. 

— Einfluss normalen, antitoxinfreien Pferdeserums 
auf die experimentell erzeugte D.-Infektion 
des Meerschweinchens 1216. 


Dunkelfeldbeleuchtung, einfache Methode 736. 
Duodenaldivortikel, Kasuistik 400. 

Duodenalfleck, Ucber Kaskadenmagon und per¬ 
sistierenden D. auf Grund von Röntgenbildern 
190. 

Duodenalfremdkörper, Klinik und röntgenologische 
Lokalisation der D. 1168. 

Duodenalgeschwür, Entstehung des peptischen 
Magen- und D. 326. 

— Erhebungen und Betrachtungen 326. 

— Klinisch-anatomische Streitfrage zum D. 458. 

— Prognose und Therapie 1242. 

— Spastische Phänomene und eine typische 
Bulbusdeformität bei D. 231. 

— Ausgedehnte Magenresektion bei D. 66. 
Duodenalstenosc, Spastische D. durch Choledochus¬ 
stein, röntgenologisch nachgewiesen 19. 

Duodenalverschluss, arterioraesenterialer 930. 
Duodenum, Mobilisierung des D. von links her 
208. 

— Die Lipase im menschlichen D.-lnhalt 1242. 
Dura, Endotheliom der D. über einer Exostose 

des Schädeldaches 178, 374. 

— Sarkom ders. 1198. 

Durst, Bekämpfung quälender D.-Zustände durch 
Cesol-Merck 470. 


— Nasen-D. und Grippeepidemie 397. 

— Grippe und D. 415. 

— Chronische D. der Haut und Schleimhaut 618. 

— Nabel-D. des Neugeborenen 797. 

— Wund-D. 69, 234, 689, 1216. 

— Endemische Wund-D. 903. 

— Schwere Lähmungen nach Wund-D. 903. 

— Das Verhalten der Erythrozytenkurve bei 
serumbehandelten Kindern 1194. 

Diphtheriebazillen, Befund von D. in Wunden 644. 

— Hat das normale Pferdeserum einen Einfluss 
auf die experimentelle Infektion des Meer¬ 
schweinchens mit D. ? 151, 882. 

— Die Schnelldiagnose des D. bei Anginen und 

Bazillenträgern 1143. ' 

Diphtheriebazillenträger und systematische Di¬ 
phtheriebekämpfung 714. 

— Lähmungen bei D. 274. 

Diphtherieimmunität, normale des Menschen 615. 

Diphtherietoxin, Plazentabouillon als Nährmedium 

für Gewinnung von D. 185. 

— Ultrafiltrationsstudie mit D. und D.-Toxon S82. 

Diplobazillus Mirax-Axenfeld, Kapselbildung dess. 

545. 

Diplokokkus, Ein pathogener D. der Harnorgane 
und seine Autovakzinebehandlung 1063. 

Dipygus parasiticus 1169. 

Disodo-Luargol bei Syphilis 1122. 

Disposition, erbliche und nichterbliche 313. 

— Ueber die Begriffe Konstitution und D. 397, 
853. 

Distomen in Hühnereiern 1148. 

Diurese, Die Hemmung der D. durch Digitalis 
1235. 

Divertikel, Einklemmung eines Meekel'schen D. 
in einer Schenkelhernie 904. 

— Das Ulcus pepticum des Meekel’schen D. 833. 

Dopa, Versuche mit Bloch’s D. an Amphibien¬ 
haut 663. 

Drucksonde, Anwendung der federnden Dr. bei 
Ohrkrankheiten 760. 

Drüsen, Polare Wirkung des konstanten elektri¬ 
schen Stromes auf Dr. 830. 

Drüsenpunktion, Bedeutung der Holfmann’schen 
Dr. für die Frühdiagnose der S. 692. 

Dünger, Virulenz pathogener Keime im D. 545. 

Dünndarm, Röntgenologische Untersuchungen über 
Form und Verhalten des D. bei direkter 
Füllung mit Kontrastmitteln 354. ' 

Dünndarmgeschwüre als Erscheinungsform der 
Spasmophilie 233. 

Diinndarminvagination, Wiederholte D. bei gastro- j 
enterostoraierter Frau 713. 

Dünndarmresektion, ausgedehnte 450. 

Dünndarratuberkulose, Akuter Ileus als erstes ] 
Symptom bei D. 1099. 

Dünndarmverschluss, Hoher D. bei tiefer Kolon¬ 
stenose 44. 

Diinndarmvolvulus, Gallertzyste oder Kolloid¬ 
karzinom als Ursache eines D. 1071. 

Dunkeladaptation, Verhalten der D. bei Er¬ 
krankungen der optischen Leitungsbahn 187. 


Dymal zur Behandlung von Ulcus cruris 1122.! 
| Dysagglutination und ihre Bedeutung 546. 
j Dysarthrie und Dysbasie 331. 
j Dysbakta, Erfahrungen mit dem Boehncke’schen 
Ruhrimpfstoff D. 449, 1192. 

Dysenterie, Behandlung mit Formalinoinläufen 
1143. 

— Serologische und klinische Beiträge zur D. 
der Säuglinge 480, 545, 1096. 

Dysenteriebazillus Shiga-Kruse, Züchtungsbe¬ 
dingungen 545. 

— Das serologische Verhalten der giftarmen 
Dysenteriestämme 1192. 

Dysmenorrhoe, Weg der Jodwirkung bei D. 1188. 

— Yohimbin bei f), 302. 

Dystokie durch deü Bandl’schen Ring 857. 

Dystrophie und Xerophthalmie bei jungen Kindern 
738. 

— adiposo-genitalis 17. 

-beim Manne nach Schädeltrauma 957. 

— musculorum progressiva, Seltene Formen 351. 

— myotonica 233, 837. # 


E. 

Echinokokkus der Lendenwirbelsäule mit Läsion 
der Cauda equina 162. 

— Die Kutikulabefünde eines Grosshirn-E. 807. 

Eckain, Pharmakologische Eigenschaften des E. 

und einiger Homotropine 183. 

Egestogen gegen Flatulenz und andere Darm- 
gärungen 640. 

Ei, Extramembranöse Entwicklung des Eis 210. 

Eieralbumin, Der osmotische Druck der E.- 
Lösungen 854. 

Eierstock, Beziehungen des Corpus luteum zur 
Menstruation 235. 

— Pathologie des Corpus luteum 235. 

— Verhalten der E.-Funktion nach der*Röntgen- 
tiefentherapie 235. 

j — Akzessorisches E.-Fibrom 236. 

— Ovariotomie wegen karzinomatöser E.-Ge¬ 
schwulst und Entfernung der Gebärmutter 
durch die Scheide wegen Korpuskarzinoms 
1072. 

— Die sogen. Krukenberg’schen E.-Geschwiilste 

( 954. 

Eileiter, Ovulation und Implantation und die 
Funktion des E. beim Menschen 235. 

—- Stielgedrehte Hydrosalpinx 1199. 

Eileiterschwangerschaft, Hämatinämie lind Häma- 
tinikterus bei unterbrochener E. 19. 

Einnähung, Plastische Deckung von Defekten 
durch sogenannte E. 428. 

Eisensalze, komplexe 494. 

Eiterungen, Behandlung schwerer E. mit Strepto¬ 
kokkenserum 1026. 

Eiweiss, Biologische E.-Differenzierung 307. 

— Verdauung und Resorption des E. 687. 

— Bedeutung des Säuregehalts der Nahrung auf 
den E.-Bedarf 253, 348,-1239. 


Eiweiss, Das E.-Minimum der Ernährung 832, 883, 
884. 

t- Einfluss des E.-Hungers auf den Gaswcchsel 
1051. 

— Das E.-Problera im Säuglingsalter 1144. 

— E.-Nährschaden des Säuglings 1216. 

— Zustandekommen der Albuminurie 1242. 
Eiweisskörper, die freien Amidogruppen der E. 

1142. 

— Anteil der Benzolderivate am Eiwcissmolekiil 
829. 

— Eine Farbreaktion ders. 829. 

— Einwirkungen von Mikroorganismen auf die E. 
567. 

— Einfluss alkalischer und saurer Hydrolyse auf 
Resorption und Verwertung von E. 613. 

— Spezifität der E. und Morphologie 359. 
Eiweissquotient, Methodik der E.-Bestimmung im 

Harn und Blutserum 426. 

Eiwcissstoffwechsel, Einfluss des Mineralstoff- 
w’echsels auf den E. 249. 

— Bedeutung des E. für die Genese innerer 
Krankheiten 137. 

Eklampsie, Actiologie und Behandlung 570. 
Ekzem, Behandlung mit Kochsalzeinläufen 757. 
Elektrargol bei Behandlung der Grippe 1214. 
Elektrizität, Wirkung von Stromstössen auf reiz¬ 
bare Gebilde, besonders den motorischen 
Nerven 1095. 

— Unfälle durch Starkstrorawirkung 619. 
Elektrokardiographie, klinische 660. 
Elektrokardiogramm beim Ausbleiben jeder sicht¬ 
baren Zusammenziebung des Herzens 546. 

Elektrolyte, Adsorption von E. durch K. 829. 

— Diffusion von E. in Gallerten 423. 
Elektrophysiologie, Die Hauptprobleme der E. seit 

E. du Bois-Iteymond 167. 

Elephantiasis der Klitoris 355. 

— einer unteren Extremität mit Chylusabfluss 
aus der Harnröhre bei lOjähr. Knaben 140. 

EllenbogCngelenk, Resektion bei schwer infizierter 
Schussverletzung 856. 

— Uebersichtliche Einstellung des schwerver¬ 
letzten E.- und Fussgelenks 449. 

— Mobilisierung dess.. 859. 

Ellenbogenscheibe und ihre Entstehung 283. 
Embolie der Mesenterialarterien 164. 

— Behandlung ders. im Wochenbett 1049. 

— Gas-(Sauerstoff-) E. nach irrtümlicher sub¬ 
kutaner Injektion von Wasserstoffsuperoxyd 307. 

— Thrombose und E. nach Kriegsverletzungen 
und Operationen 163. 

Empfindungslähmungen, peripher bedingte, dis¬ 
soziierte 737. 

Emphysem, Lunge und Atmung bei Bläsern, ein 
Beitrag zur E.-Entwicklung 807. 

— Röntgenologie dess. 1220. 

Empyem, Ausblasebehandlung der tuberkulösen 
E. 214. 

— Das doppelseitige metapneumonische E.. 833. 

— Behandlung dess. 1199. 

— Behandlung der E.-II^hlen der Pleura 66. 

— Parapneumonische und bronchopneumoniscbe 
16. 

Endocarditis ulcerosa maligna mit im Venenpuls 
erkennbarer Stauung der rechten Kammer 974. 
Endokrine Insuffizienz, Seltene Formen der pleuri- 
glandulären e. I. (mit Xantbosis, familiärem 
Ikterus) 282. 

Endometritis, Pathogenese und Therapie der die 
chronische E. charakterisierenden Symptome: 
Blutungen, Fluor, Schmerzen 954. 

Entladung, körperliche 473. 

Entomologie, Hygienische Bedeutung der ange¬ 
wandten E. 19. 

Entzündung, Die akute E. als Heilmittel 854. 

— — Bildung von Zellen^aus dem fibroclasti- 
schen Gewebe bei E. 901. 

Enuresis nocturna, Behandlung ders. 207. 

-- Röntgenbefund bei ders. 1072. 

Enzephalitis, Verhütung und Behandlung der E. 
117. 

— endemische 928. 

— epidemisch auftretend in Kiel und Schleswig- 
Holstein 814. 

— Epidemie 505. 

— im Kindesalter 1097. 

— lothargica 64, 643, 856, 928, 1103. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1207 


Enzephalitis lethargica, Geheilter Fall 1196. 

-Grippe-E. und E. leth. 47B, 1031. 

-chronische, schubweise verlaufende 1167. 

— subcortiealis chronica progressiva 839. 

Enzephalocele occipitalis mit postoperativem 

Hydrozephalus 306. 

Enzephalomyelitis, akute 737. 

Eosin-Methylenblau, Lösung und Verwendung 
dess. 1119. 

Eosinophilie des Blutes bei Muskelrheumatismus 
398. 

Epidemiologie, Allgemeine E. und Immunität 349. 

Epidermolysis bullosa congenita 618. 

Epididymitis, nichtspezifische primäre 644. 

— gonorrhoica, Intraskrotale Kochsalzinjektionen 
zur Behandlung ders. 880. 

Epiglottis, Mischform von Lupus und Lues an 
der E. 378. 

Epilepsie und andere Anfallserkrankungen 496. 

— und Dementia praecox 399. 

— Epileptiker-Fürsorge 305. 

— Grippe und E. 473. 

— und Heeresdienst 784. 

— Sprachstörungen bei E. 376. 

— Statistik der traumatischen E. im Kriege 903. 

— Untersuchungen über E. 427. 

— kombiniert mit endogener Fettsucht 1220. 

— und Tetanie 116. 

— Eigentümlichkeiten einer Myoklonus-E. 116. 

— Auslösung von epileptischen Anfällen mit 
Nebennierenextrakt 257. 

— spastische 784. 

— Behandlung mit Lurainal 688. 

— Behandlung mit Kollosol-Palladium 14. 

— Konservative Behandlung ders. 640. 

— Fetttransplantation bei traumatischer E. 1026. 

— Strahlenbehandlung bei E. 184. 

Epiphysen, Eigenartige Knochenherde in den E. 

789. 

Epithelmetaplasie 1030. 

Erblichkeit, Ueber den E.-Begriff, besonders über 
die Frage, ob Krankheiten vererbt werden 
können 1214. 

Erblindung, Dauernde zerebrale E. nach Hintcr- 
hauptsvertetzung 473. 

— nach Schädeltrauma durch stumpfe Gewalt 
906. 

— Doppelseitige E. nach Gesichtserysipel 1244. 

Erbrechen, Fall von anhaltendem E. und Kopf¬ 
schmerzen nach 14 Tagen bis auf Schielen 
geheilt 1198. 

Erdinfektion und Antiseptik 283. 

Erfrierungen, Thrombose und Spätgangrän nach 
E. 471. * 

Ergotismus und Tetanie 546. 

— nach Genuss von sekalehaltigern Mehl 351. 

Erhängung, Krampfhafte Drehbewegungen, Muskel¬ 
rigor und Koordinationsstörungen nach Wieder¬ 
belebung bei E. 855. 

— Fragliches E. bei Lago der Schlinge über dem 
Kinn 1147. 

Erkältung, Zur E.-Frage 544, 887, 952. 

Erkrankungen, Künstlich erzeugte E. während 
des Krieges 305. 

Ernährung, lieber E.-Fragen 1031. 

— Das Eiweissminimum ders. 883, 884. 

— Physiologische Anleitung zu einer zweck¬ 
mässigen E. 62. 

— System der E. 421. 

— Art und Wirkung der Kriegs-E. 712. 


! 


— Bedeutung der Kriegs-E. für Stoffwechsel und 880. 


Ernährung, Die Bedeutung der Qualität der E. 
1165. , ' 

— Einfluss der dänischen E.-Rationierung auf 
den Gesundheitszustand 1165. 

— Qualitativ unzureichende E. 613. 

— Grundlagen unserer E. und unseres Stoff¬ 
wechsels 1094. 

— frühgeborener Kinder 283. 

— Stickstoffausscheidung bei chronischer Unter- 
E. 305. 

— Statistische Erhebungen über die Kriegs-E. 
im dritten Jahre 639. 

— Der gegenwärtige Stand der Kranken-E. in 

! Berlin 198. , 

, — Versorgung der Hamburger Kranken mit Kost 

I im Kriege 790. 

j — E.-Zustand der Wiener Kinder 427. 

| — Abwehr einer bedrohlichen weiteren Ver¬ 
schlechterung unserer E.-Verhältnisse 20. 

— Einfluss der E. des Muttertieres auf die Frucht 
236. 

Erodium cicutarium (Reiherschnabel), Zur Kenntnis 
dess. 255. 

I Erosio interdigitalis blastomycetica 618. 

j Ersatzfaserstoffe, Die hygienischen Eigenschaften 
einiger neuerer Erzeugnisse aus E. 1218. 

Ersatzglieder, Erfahrungen und kritische Bemer¬ 
kungen 27. 

— und Arbeitshilfen für Kriegsbeschädigte und 
Unfallverletzte 734. 

— s. a. Kunstarm, Kunstbein, Prothesen. 

Ersatzpräparate, dermatotherapeutisebe 1027. 

Erschöpfung, Wie äussert sich die körperliche 

E. am peripheren Gefässsystem? 69. 

— Ueber E.-Zustände und ihre Behandlung 213. 

— Verhalten der Kreislauforgane im Zustande 
körperlicher E. 350. 

Erysipel, Doppelseitige, Erblindung . nach Gc- 
sichts-E. 1244. 

— Behandlung 326, 1166. 

— Künstliche Höhensonne bei E. im Säuglings¬ 
alter 643. 

— Behandlung mit Luminal 1166. 

— Subkutane Einspritzung ' von polyvalentem 
Serum bei E. 688. 

— Unspezifische Behandlung der E. 709. 

j •— E.-Behandlung und Gefahr der Serumtherapie 
470. 

Erythema, exsudativum bullosum 310. 

— —*multiforme unter dem Bilde einer heftigen 
Stomatitis 719. 

— induratum 647, 812. 

— — Beziehungen zwischen dems. und den 
tuberkulösen entzündlichenFettgewebstumorcn 

497. 

— infectiosum 1078, 

— nodosum. Atypische Fälle 1119. 

Erythrodermia desquamativa Leidner 1194, 1222. 

Erythrozyten, Die früheren Zählungen der E. im 

I Blute verschiedener Tiefe 756. 

! — Verhalten der E.-Kurve bei diphtherieserum¬ 
behandelten Kindern 1194. 

! — Resistenzbreite ders. 1243. 

i Erythrozythämie, Radiotherapie ders. 1034. 

! Euguform, ein neues Desodorans 1189. 

Eukalyptusöl, Vergiftung mit E. 1070. 

Eukodal, Klinische Erfahrungen 615, 659, 687. 

Eukodalismus 320, 446. 

Eukupin bei Grippebehandlung 256. 

bei Grippe und akutem Gelenkrheumatismus 


F. 


Gesundheit 640. 

— Kriegslehren für die Kriedens-E. 761. 968. 

— Kriegs-E. und ihre Folgen. Pathologisch- 
anatomischer Teil 815. 

— im Kriege 132. 

— Kriegserfahrungen für die Physiologie der E. 
für die Diätetik 471. 

— Verarmung des Blutes an Cholesterin unter 
dem Einfluss der Kriegs-E. 793. 

— Kriegswirkung auf E., Morbidität und Morta¬ 
lität 79. 

— in Deutschland vor, in und nach dem Kriege 

1220. 

— Unsere E.-Lage und ihre Einwirkung auf die 
Volksgesundheit 237. 

— Beobachtungen über Luxuskonsumption und 
ihre Entstehung 1190. 


— Behandlung der Ozaena mit E. 375. 

— E - und Terpontininjektionen bei urologischcn 
Krankheiten 302. 

Eventratio diaphragmatica, Hernia diaphragma- 
tica und E. d. 19. 

Exarticulatio interileo-abdominalis 1168. 
Exophthalmus mit geringen Sehstörungen 359.- 

— bei Nebenhöhlenerkrankungen 211. 

| Exostosen, Heredität der multiplen E. 975. 

— multiple kartilaginäre 710, 1220. 


Fachausdrücke und Sachverständigen tätigk eit 906. 

Familiengeschichten, psychiatrische 805. 

Fanatiker, verschrobene 586, 719. 

Faradisation, Physikalische Bemerkungen zur 
Frage der gewöhnlichen F. 351. 

Faszienplastik bei Ischiadikuslähmung 547. 

— bei Schädeldefekten und Bauchnarben 1247. 

Faszienregeneration 713. 

Favus der Lerche und der Nachtigall 766. 

Fazialislähmung, Gehäufte Fälle in einer Familie 
856. 

— Periphere F. durch Rotlauf 210. 

— Pathologisch- anatomische Befunde sog. rheu¬ 
matischer F. 357. 

— Veränderungen der Gesichts- und Schädel- 
knochen nach alten F. 473. 

Fazialisphänomen, Zur Lehre von F. 431, 496. 

Feldarzt, Taschenbuch des F. 231. 

Felsenbein, Bedeutung der Radiographie des F. 
für die otologische Diagnostik 760. 

Ferkeltyphusbazillus, Vorkommen dess. 545. 

Fermente, Die Abderhalden’sehcn proteolytischen 
F. im Blutserum 425. 

— Ueber F.-Anregung 423. 

Fernrohrbrillen, Mannschaftsuntersuchungen mit 

Rohr’schen F. 355. 

Fersenbein, Exostosen nach Gonorrhoe 975. 

— Brüche durch Explosionsstoss von unten 785, 
1076. 

— Rissbrüche des Tuber calcanei 815. 

Fett, Pflanzliche und tierische F. und Wachs¬ 
arten 41. 

— Exakte Histöchemie der F.-Stoffe 1213. 

— Umsatz von F.-Substanzen in den nervösen 
Zentralorganen 658. 

— und Lipoide im menschlichen Blutplasma bei 
Ikterus und Cholämie 116. 

I — Beziehungen des intraabdominalen F.-Schwun- 
des zur Bildung von Hernien und inneren 
Darmverschlüssen 930. 

Fettembolie 809. 

— der Lungen und Verletzungen 44. 

Fettinjektionen, Behandlung der Blasenmuskel¬ 
insuffizienz mit F. Dach A. Mayer 210. 

Fettsäuren, /I-Oxydation von F. im Tierkörper 
429. 

Fettsucht, Endogene F. im späteren Kindesaltcr 
234. 

Feuerunken, Eigentümlicher Reflex der F. 522. 

Fibrin, Die blutstillende Wirkung des Bergel- 
schen F. 704. 

Fibrinogen, Quantitative Bestimmung des F. im 
Blute 113. 

Fieber, Behandlung durch F. 709, 710, 901, 
1143. 

— Ueber Rückfall-F. 341, 406. 

— Rückfall-F. in unseren Heimatlazaretten 398. 

— Natr. kakodyl.intravenös bei Rückfall-F. 1240. 

— bei Neugeborenen im Lichte der serologischen 
Forschung 3S2. 

— F.-Epidemie durch Micrococcus eatarrhalis 
verursacht 782. 

— wolhynisches 162, 232, 545. 

— — Vorkommen von Typhus- und Paratyphus¬ 
bazillen im Blute von F.-Kränken 398. 

Finger, Eigenartige Sperrvorrichtung an den F. 
736* 837. 

— Schnellender F. infolge Keloid des tiefen 
lloblbandbandapparates 833. 

— Neuer- F.-Streck-, Beuge- und Pendelapparat 
450. 

— Behandlung komplizierter F.- und Uandver- 
letzungen im Streckverband 975. 

— F.-Eiteruogen und ihi*e Behandlung 757. 

— Konservative Behandlung der F.-Verletzungon 
784. 

Fingerdaumenreflex, Erfahrungen mit dems. 496. 

Fingerkontraktur, Myotomie am Vorderarm bei 
F. 29. 


Exotische Krankheiten, Notwendigkeit fachärzt- j Fingerstrecklähmupg in den Interphalangcal- 
licher Behandlung ders. und deren Möglich- I gelenken und Apparat zur Korrektur 737; 
keit in Deutschland 1096. Fische, Ueber Gesichtsfeld, Silberglanz und Seh- 

Exsudate, Mineralstoffgehält einiger E. und Trans- i qualitäten der F. 1049. 

sudate 975. j Fischer, Emil +. Nachruf 958. 

fixtensionsklammer, Modifikation der E. nach ' Fisteln, Behandlung der F. nach Schusswunden 
Schmerz 975. j 351, 

3* 


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1268 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Fisteln, Scbuss-F. 
knecht 4.50. 


i 


und ihre Füllung nach IIoJz- j Fleisch, Praktische Untersuchungen mit der i 
j Bindungsreaktion von Sachs und Georgi zum 
Nachweis gekochten Fl 964. 

Flieger, Praktische Physiologie des Fl. 855. 

— Gesichtsfeldstörungen bei Fl. 358. 
Fliegerverletzungen 975. 

Follikelsaft, Blutstillende Wirkung dess. 451. 
Foramina parietalia magna 352. 
Forensisch-psychiatrische Erfahrungen im Kriege 
325, 399. 

Formaldehyd, Bindung dess. durch Enzyme 708. 


— Operative Behandlung der Vesiko-vaginal-F. 
nach Füth 406. 

Flasche, Neue Fl. zur sterilen Aufbewahrung 
von Medikamenten und direkten Entnahme 
mit der Itekordspritze 500. 

Flatulenz, Egestogen gegen ,F1. 640. 

Flavin, Wert des Fl. vom Standpunkt des Klini¬ 
kers 15. 

Flechten, Kohlehydratgehalt der Fl. und der 

Einfluss der Chloride auf die Alkoholgärung ; Formalinvergiftung, akute 863. 

469. Fortpflanzung, Wandlungen des F.-Gedankens 

Fleckfieber, Aetiologie dess. 15. und -Willens 64. 

—' Demonstration 887. I Frau, Nährwertbedärf dor stillenden Fr. 1027. 

— Besonderes Verhalten der Haut bei Fl. 1004. ! — Die Fr. und die Kunst 20. 

— nach Beobachtungen in der Epidemie des ! — im Beruf, Beruf und Schwangerschaft, Beruf 

Flüchtlingslagers Gmünd 686. und Frauenkrankheiten 707. 

— Beobachtungen bei in Deutschland aufge- — Fr.-Erwerbsarbeit, Frauenhygienc und Krieg 

tretenem Fl. 615. ! 593. 

— Das von Osten drohende Fl. 188. j Frauenlazarett, Ein deutsches Fr. im französischen 

— Epidemien in Pommern 188. ; Kriegsgebiet 1054. 

— Einschleppung über östliche Grenzbahnhöfe ! Fremdkörper, Lage- und Tiefenbestimmung ders. 

. 645. , 450. 

— Bekämpfung in Rumänien 836. ! Fremdkörperentfernung mittels röntgenologischer 

— Atypische Fl.-Erkrankungen 1242. Bestimmung nach Moritz 19. 

— Syraptomlos verlaufende Fl.-Fälle 952. I Freud’sche Lehre, Neuere Entwicklung ders. 1221. 

— Verhalten des Fl.-Virus im Organismus des ; Frosch, Die Vasomotoren der hinteren Extremi- 


Kaninehens 1241. 

— Gefahron der Verbreitung 404. 

— Bakteriologische Befunde bei Fl. 289, 477. 

— Histologio exzidierter Fl.-Roseolen 404. 

— Klinik des Fl.-Exanthems 618. 

— Pathologisch-anatomische Studien 688. 

— Serologische und bakteriologische Befunde an 
Fl. 1003. 

— Histologisch-bakteriologische Befunde beim Fl. 
185. 


täten des Fr. und deren Erregbarkeitsverhält¬ 
nisse 160. 

Froschmagen, Die. sekretorische Tätigkeit des Fr. 
396. 

i Frostbeulen, Behandlung mit Ichthyol 424. 

1 Frühgeborene, Pathologisch-anatomische Studien 
i bei Fr. 1144. 

| — Pflege und Ernährung Fr. 1222. 

! Frühlingsgipfel der Tetanie und der geistigen 
Erkrankungen 1247. 


— Epidemiologische, klinische und serologische ! Fürsorge, 'soziale 521. 

Beobachtungen bei Fl. 615. j— für die chirurgisch Schwerstverletzten während 

— Experimentelles und Klinisches 397, 616, 617,! des Krieges 89. 

882. | — für Hirnverletzte und Kriegsneurotiker 91. 


— Experimentelle Fl.-Infektion des Meerschwein 
chens 185. 

— Blut- und Liquorbefunde beim Fl. 162, 1051. 

— Serologie ders. 308. 

— Biologie der Fl.-Proteusbazillen 409. 

— Bedeutung der Proteusbazillen beim Fl. 545. 

— Die Proteus-X-Bazillen und die Weil-Felix- 
sche Reaktion beim Fl. 15, 831, 927. 

— Vorkommen des Weil-Felixschen Bakteriums 
137. 

— Zusammenwirken von Blutbild und Weil- 

i Felixscher Reaktion bei der Laboratoriums¬ 
diagnose des Fl. 643. 

— Erhöhung der Empfindlichkeit der Weil-Felix¬ 
schen Reaktion durch Züchtung des X 10 auf 
Traubenzuckeragar 256. 

— Das kulturelle und serologische Verhalten 
gewöhnlicher und Fleckfieber-X-Proteusstämme 

270. 

— Künstlich erzeugte Agglutinabilität gewöhn¬ 
licher Proteusstärarae gegenüber Fl.Seren 927. 

— Komplementbindung von Fl.-Sera mit Ex¬ 
trakten von Proteus X 19 1050. 

— Alkohol-Fl.-DiagDOstikum mit Bac. typhi ex- 
antbematiei Weil-Felix 303. 

— Infektion und Immunität bei Fl. Experimen¬ 
telles 660, 951. 

— Bedeutung der Rikettsia Prowazeki für die 
Entstehung der Gefässknötchen 881. 

— Uebertragung des Rückfallfiebers und Fl. 807. 

— Bekämpfung dess. 43, 256, 1245. 

— Behandlung mit intravenösen PeptoniDjek- 
tionen 1214. 

— Pyramidon bei Fl. 326. 

— Schutzimpfung gegen Fl. 162, 184, 595. 

— Schutzimpfung mit defibriniertem Blut 1147. 

— Impfung gegen Fl. mit sensibilisiertem Impf¬ 
stoff nach da Rocha-Lima 736. 

— Besondere Form der Atemstörung bei Fl. 
711. 

— Gangrän an ungewöhnlicher Stolle 162. 

— Erkrankungen des Gehörorgans bei Fl. 594. 

— Typische Hemiplegie bei Fl. 1167. 

— Neuritis optica als Spätsymptöm des Fl. 975. 

— Polyncuritis nach Fl. 43. 

— s. a. Proteusbazillen. 


Fürsorgeschwestern, Tätigkeit der F. des Medi¬ 
zinalamtes der Stadt Berlin im Jahre 1918 295. 
Fulmargin, Behandlung mit F. 64. 
a-Furo-i-diazol, Die photolytischen und photo- 
dynamischen Wirkungen dess. 113. 

Furunkel, Tod durch F. oder Betriebsunfall? 307. 

— Behandlung grosser F. oder Karbunkel mit 
Hautlappensclmitt 449. 

Furunkulose, Behandlung mit Opsonogen 951. 
Fuss, Gangrän dess. 1076. 

— Schwerer Spitzhohl-F. 1126. 

— Röntgenbild eines F. mit akzessorischem Os 
tibiale und Os peroneum 668. 

— Erkrankung des Os naviculare pedis; Röntgen¬ 
bilder 789. 

Fussgelenk, Plastik dess. 450. 

— Varietäten der Handwurzel und des F. 18. 
Fussskelett, Chronisch progredienter Knochen- 

Schwund des F. 474. 


6 - 

Gärung, Abweichender Verlauf der Alkohol-G. in 
' alkalischen Medien. 493. 

I — Die Festlegung der Aldebydstufe bei der al¬ 
koholischen G. 113. 

j — Glyzerinbildung bei der alkoholischen G. 493. 
j Galen und seine zweite Anatomie des Auges 
I 610, 635. 

; Galle, Gehalt der Blascn-G. an Reststickstoff und 
Harnstoff bei nephrektomierten Hunden 137. 

Galleanreicherung bei Typhus und Paratyphus 
137. 

Gallenblase, Infektion der G. bei Typhus und 
Paratyphus, ihr Nachweis durch Duodenal¬ 
sondierung 807. 

— Bacterium enteritidis Gaertner bei G.-Ent¬ 
zündung 834. 

— Paratyphus B und G. Entzündung 952. 

— Physiologischer Bauchdeckenschnitt für die 
Operationen an der G. und den Gallenwcgcn 
164. 

— Hydrops ders. 1121. 

— Primäres Sarkom ders. 185. 


Gallenfarbstoff, Ausscheidung von G. bei ex¬ 
perimenteller Nephritis 1069. 

— ira Blute 567. 

Gallensäuren, Zur Kenntnis der G. 614, 1190. 

— Die Reduktion der Dehydrocholsäure und 
Dchydroderoxylsäure 927. 

Gallensteine, Diagnoss der G., Respirationsorgane 
und Cholezystitis 832. 

— Ursprung ders. 426. 

— Neue Anschauungen über G.-Krankheiten 863. 

— Lässt sich die G.-Bildung verhüten? 783. 

— Einfluss der fettarmen Ernährung auf die G.- 
Krankheiten 426, 928. 

Gallensteinchirurgie 209. 

Gallenwege, Chirurgische Erkrankungen der G. 
und das Courvoisierisohe Gesetz 1071. 

— Erkrankung ders. durch Askariden 809. 

— Schnittführung bei G.-Operationen 451. 

Gallerte, Diffusionsvorgänge in G. 493. 

Galvanisation, anatomische 161. 

Galvauopalpation 1193. 

Ganglienzellen, Eigenartige Einschlüsse in den G. 
bei Myoklonusepilepsie 661. 

Ganglion Gasseri, Operation dess. 662. 

Ganglioneurome und ihre Beziehungen zur Reck¬ 
linghausen'sehen Krankheit 833. 

Gangrän von Pcriis und Skrotum nach Erysipel 
856. 

— Akute infektiöse Skrotal-G. 283. 

— Symmetrische G. nach Grippe 256. 

— Unfall oder Diabetes als Ursache einer G. 307. 

— eines Beines nach Trauma vor 20 Jahren 355. 

— Ncuritische G. des Fusses 1076. 

Gartenstadt Staaken, Hygienische Untersuchungen 

932. 

Gas, Verminderung der G.-Not in Laboratorien 
und Krankenhäusern 1119. 

— Röntgenologischer G.-Nachweis in Weichteilen 
662. 

— Behandlung der G.-Vergiftung 15. 

— Psychische Störungen nach G.-Vergiftung 65. 

— Experimentelle Pathologie der Reiz-G.-Ver¬ 
giftung 358. 

— Eindringen von Kampf-G. durch die Tube bei 
Trommel feil Perforationen 787. 

— G.-Wechsel von Anodonta cygnea L. 159. 

Gasbrand, Zur Frage des G. 449. 

— Differentialdiagnose 399. 

— Histologische Untersuchungen bei klinischem 
G. 334. 

— Bedeutung der Gewebsquetschung für die 
Pathologie und Therapie des G. 951. 

— Zum G. der Gasphlegmone 1026. 

— Entstehung nach Koffeininjektionen 779. 

— Gefässbefund bei G. 544. 

— Die Hämatoxine der G.-Bakterien 882. 

— Pathogenese 856. 

— Wirkung chemischer Mitte! auf G.-Bakterien 
in vitro und in vivo 882. 

— Blutsehädigende Wirkung des FränkeTsehen 
G.-Bazillus 375. 

— Foudroyanter G. nach Grippe 473. 

— Metastasen dess. 376. , 

Gasembolie durch irrtümliche subkutane Injektion 
von Wasserstoffsuperoxyd 307. 

Gasinfektion und ihre Prophylaxe 399. 

Gasödem, Behandlung mit Vuzin 927. 

— Beziehungen in der Aetiologie des mensch¬ 
lichen G. und des tierischen Rauachbrandes 207. 

— Differenzierung der auaeroben G.-Bakterien 
689. 

— Säureagglutination bei G.-Bakterien 882. 

— Therapie des G. und der Sepsis 1121. 

— Röntgenologischer Nachweis der durch dio 
beim G. gefundenen Anaerobier hervorgerufenen 
Muskel Veränderungen 758. 

Gasödeinserum,Herstellung und Prüfung dess. 517. 

Gasödemtoxin.Ficker’sches G. und sein spezifisches 
Antitoxin 831. 

Gasphlegmonc, Foudroyante G. nach subkutanen 
Koffeiniujektionen 883. 

— Spätes Auftreten der G. ohne äussere Er¬ 
scheinungen 163. 

Gaslroduodenalverscbluss, akuter spontaner 161. 

Gastroenterostomie, Cireulus’uaeli hinterer (i. 450. 

— Innere Darmcinklcmmungen zwischen Jejunum 
und Magen nach G. 1121. 

— Verdauungsstörungen nach G. 642. 


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Original frorri 

UNiVERSUY OF IOWA 




1269 


Gastrojejunostomie 66. 

Gastropexie, Technik der G. und Hcpatopexie 67. 

Gaumen, Angeborene submuköse Spaltung des 
harten G, 377. 

— Lähmung des weichen G. nach Grippe 967, 977. 

— Plastischer Verschluss des harten G. 764. 

— Verschluss von G.-Defekten mittels gestielter 
Halshautlappen 930. 

— Plastische Deekung grosser Defekte im harten 
G. 526. 

Gaumenmandeln, Handliches Besteck zur konser¬ 
vativen Behandlung der G. des lymphatischen 
Rachenringes 760. 

Gebärmutter, Soll die ventrale Antefixation sym¬ 
metrisch ausgeführt werden? 210. 

— Elongation von 22 cm nach Ventrifixur 1247. 

— Zur Frage des Tsthmus uteri 210. 

— Seltenere Erkrankungen der Portio vaginalis 
858. 

— Zur Therapie der Retroversio-flexio 1169. 

— Die Retroversioflexio und der Prolaps als Un¬ 
fallfolgen 761. 

— Behandlung der akuten puerperalen G.-In¬ 
version 1122. 

— Kongenitale Exzessbildung .der G. und der 
Scheide 185. 

— Gallcrtkarzinom des Collum uteri mit gleich¬ 
zeitigem Adenokarzinom dor Korpusmukosa236. 

— Die ausschliessliche Röntgenbehandlung des 
G.-Krebses, der Röntgen-Wertheim 1050. 

— Tuberkelknötchen in einem Portiokarzinom 
210. 

— Bemerkenswerter G.-Krebs 1198. 

— Ueber Blasengangrän nach Wertheim’scher 
Karzinomoperation 1146. 

— Operative Heilung ein^r Schussverletzung der 
schwangeren G. 238. 

— 250 Fälle von G.-Fixation mittels subfaszialer 
Eröffnung des Leistenkanals 165. 

— Die plastische Verwertung der G.-Bänder 210. 

— Perforation ders. 759, 1198. 

— Kopfgrosses versteinertes G.-Myom 407. 

— Röntgenbehandlung der G.-Fibrome 1166. 

— Vortäuschung von G.-Myomen durch abnornio 
Kontraktionszustände 236. 

— Operation des totalen G.-Prolapses 22. 

— Der Rupturmechanismus bei Schulterlagen 236. 

— Traumatische G.-Ruptur während der Schwan¬ 
gerschaft 810. 

— Tamponade bei atonischen Nacbgeburtsblu- 
tungen 570. 

— Organtherapie der G.-Blutungen 1073. 

Gebärstreik, Die kommunistische Propaganda für 

den G. 619. 

Gebiss, Abgang eines verschluckten G. auf natür¬ 
lichem Wege 692. 

Geburt-bei hohem Gradstand 238. 

— Mechanismus der Kopf-G. 857. 

— Partus praomaturus und serotinus, Frequenz 
und Ursache 209. 

— Störung des G.-Verlaufes durch, Nabelbruch 
der Frucht 209. 

— Spontan-G. eines reifen Kindes in Stirnlage 
mit Stirn nach hinten 498. 

— in unverletzten Eihäuten und mit Glückshaube 
1221. 

— Zusammenhang zwischen Krieg und G. 209. 

Geburtenrückgang als Folge der Kriegsernährung 

857. 

Geburtshilfe, Leitfaden der geburtshilflichen und 
gynäkologischen Untersuchung 1142. 

— Viel-Operieren, künstlicher Abortus und Ge¬ 
burtenrückgang 19. 

Vademekum 854. 

Geburtshilfliche Ambulatorien, nebst Anhang: 
Die gegenwärtige Stellung des vaginalen Kaiser¬ 
schnittes und des Metrouryntcrscbnittes 126. 

Geburtshilfliche Untersuchung, Risiko der inneren 
g. U. und ihr Ersatz durch äussere Verfahren 
857. 

Geburtstag, Zum 70. G. Oskar Hertwig's 361. 

— 70. G. Paul Heymann’s 215. 

— Zum 80. G. Ernst Kiister’s 1033. 

Gofässchirurgie im Kriege 234, 690. 

Gefässrauffe zur Vereinigung von Blutgefässen, 

Harnleitern usw. 352. 

Gefässschädigungen bei intravenösen Injektionen 
663. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Gefässsystem, Kriegsverletzungen des G. 257. 

Gefässunterbindung, Katgut bei grossen Gelassen 
65. 

Gefässverengernde Mittel, Biologische Wert¬ 
bemessung ders. 423. 

Gehirn s. a. Kleinhirn. 

— Akute fieberhafte Erkrankung im Bereich des 
Hirnstamms 10Q5_ 

— Ursprung und Verlauf der . basalen Züge des 
unteren Längsbündels 1243. 

—. Anatomisch-chirurgische Orientierung für die 
G.-Oberfiäche und die G. Kammern 352. 

— Fall von bulbo-positiver Herdläsion 232. 

— Fremdkörper im-G. 691. 

— Klinische Pathologie des Zwischenhirns 737. 

— Lokalisation der Harnblasenfunktion in der 
G.-Rinde 1051. 

— Störungen der optischen Lokalisation bei Ver¬ 
letzungen und Herderkrankungen der Hinter¬ 
hauptlappen 903. 

— Ursächlicher Zusammenhang der nach Schädcl- 
vcrletzungen auftretenden Zeigedifferenzen und 
der tonushemmenden Wirkung der Grosshirn- 
rinde 232. 

Gehirnabszess, Drei Fälle von metastatischem G. 
nach Empyem- bzw. Thoraxfisteln 450. 

— Geheilter Streptothrixabszcss 1077. 

— Lumbalpunktat bei Gehirn- und Subdural- 
. abszessen 932. 

— Ungewöhnlicher Fall von multiplem G. 387. 

Gehirnarterien, Pathologische Anatomie 902. 

Gehirnblutung, Entstehung der G. beim Schlag¬ 
anfall 116. 

Gehirnentzündung s. Enzephalitis. 

Gehirnerschütterung 928. 

— Eigenartige vasoneurotische Störungen nach G. 
712. 

— Entstehung der pathologisch-anatomischen Be¬ 
funde nach G. in Abhängigkeit vom Gefäss- 
nervensystem des Hirns 902. 

Gehirnfunktion, Periodisches Schwanken ders. 465. 

Gehirngeschwülste, Zur Lehre ders. 1193. 

— Plötzlicher Tpd durch eine unerkannt ge¬ 
bliebene G. 906. 

— Cysticercus racemosus im Gehirn 1197. 

— Ganglioneurome 902. 

— am Septum pellucidum 69. 

—- Periodische Schlafzustände bei einem Patienten 
mit G. 282. 

— und Pseudotumor 65. 

— Röntgenbehandlung ders. 1096. 

Gehirnhautblutungen, Ktinik ders. 1070. 

Gehirnhautentzündung, Ueber akute infektiöse G. 

mit besonderer Würdigung der diHerential- 
diagnostisehen Untersuchungsmethodcn 221. 

— Diagnose der G. auf pathologisch-physio¬ 
logischer Grundlage 1167. 

— Zwei Fälle von bakteriologischem Interesse 
1167. 

— Eigenartige Epidemie 1120. 

— Rezidive der epidemischen zerebrospinalen G. 
1120. 

— Meningomyelitis unter dem Bilde eines 
Rückenmarktumors 1052. 

— Unerwartete Heilung einer epidemischen G. 
1052. 

— karzinomatöse 718. 

— epidemische 43. , 

— Spätmeningitis nach Trauma 500. 

— Liquordiagnostik der infektiösen niehtlueti- 
schen G. 17, 808. 

—- der Micococcus tetragenus albus als Erreger 
einer zerebrospinalen G. 1241. 

— Meningitis purulenta, verursacht dur h Micro- 
eoccus catarrhalis 162. 

— Meningitis pyocyapjca und ihre intralumbale 
Behandlung mit Autosorum 473. 

— Meningitis streptococcica nach Schädclbasis- 
fraktur 500. 

— Meningitis tuherculosa? 737. 

— Tuberkulöse G. mit Wassermann’scher Re¬ 
aktion im Liquor 1103. 

— Seröse G. im Kindesalter 1194. 

— Diagnose der tuberkulösen G. im Kindcsalter 
1215. 

— luetische 1215. 

— syphilitische der Konvexität 618. 

— Labyrinthitis und G. 1198. 


Gehirnluftzystc, Traumatische G. nach Schuss¬ 
verletzungen 475. 

Gehirnödem nach Salvarsan 235. 

Gehirnpathologie, Was hat uns die G. für die 
Gehirnphysiologie gelehrt? 427. 

j Gehirnpunktion, Die Böriel’sche G. 351. 

; — Therapeutische Verwertung ders. 1191. 

| Gehirnschussverletzung, Behandlung des Nah¬ 
abszesses nach G. 117. 

— Primäre Exzision und Naht bei frischen G. 283. 

— Spätabszess bei G. 117. 

Gehirnstörungen nach Parotisverletzung 547. 

— nach schwerem Trauma 1197. 

Gehirnverletzte, Behandlung, Fürsorge und Begut¬ 
achtung der G. 1025. 

— Fürsorge für G. und Kriegsneurotiker 91. 

— Die psychischen Störungen ders. 1051. 

Gehirnverletzungen, Störungen des optischen 

Sucheaktes bei G. 1193. 

— Chirurgische Behandlung der G. und Rücken¬ 
marksverletzungen im Hinterlandspital 547. 

— Tampon und Lumbalpunktion bei der Primär¬ 
versorgung von G. 164. 

Gehirnvorfall, Behandlung des G. 66, 69. 

Gehörgang, Entfernung einer Schrapnellfüllkugel 
aus dem inneren G. 452. 

Gehörorgan, Erkrankungen de9 G. bei Typhus 
oxanthematicus 594. 

- Das metastatische Karzinom desG. und dessen 
Beziehungen zur Meningitis carcinomatosa 760. 

— s. a. Ohr. 

Geisteskranke, Kritische Selbstbeobachtung G.975. 

— Neologismen der G. 975. 

— Die Rechtslage hei Einweisung in eine An¬ 
stalt für G. in Preussen 3$8. 

— Wirkung des Krieges auf unsere G. 975. 

Geisteskrankheiten 1068. 

— Behandlung beginnender G. 1193. 

— Behandlung syphilidogener G. mit Silber- 
salvarsan 544. 

Geistesstörungen, absichtlich hervorgerufene 449. 

— Begutachtung von G. bei Ohrenleiden 503. 

— nach zweimaligem Schädeltrauma 20. 

Gelenk, Steckschüsse in oder in der Nähe von G. 

234. 

— Perimetrie und Perigraphie der G. 833. 

— Die dorso-plantare Aufklappung zur Ankylo- 
sierung zahlreicher Gelenke des Fusses 1194. 

Gelenkbindung, insbesondere die Arthrodese in 
der Kriegschirurgie 400. 

Gclenkchirurgio an der Westfront 164. 

Gelenkeitcrung, Behandlung von G. nach Ritter 
mittels geschlossenen Gipsverbandes 1150. 

Gelenkentzündung, Gonorrhoische G.; Typen, 
Vorlauf und chirurgische Behandlung 985. 

— Fremdkörper-G. 1244. 

Gelenkerkrankungen, Behandlung der chroni¬ 
schen G. mit Sanarthrit Heilner 1240. 

Gelenkkörper, Entstehung ders. bei Arthritis 757. 

! — Entstehung dgr freien G., besonders der 
arthritischen 1098. 

Gelenkreflexe der oberen Gliedmaassen 255. 

Gelenkresektion, Ausgedehnte G. und Diaphysen- 
resektionen nach Schussverletzung 713. 

— Verbandstechnik nach G. 1070. 

— Wahrnehmung von Bewegungen nach G. 182. 

Gelenkrheumatismus, Behandlung des akuten G. 

854. 

— Entstehung des akuten G. 496. 

— Die intravenöse Urotropinbehandlung dos 
akuten G. 1240. 

Gelenkschüsse, Kriegschirurgie 856, 1244. 

— Primäre operative Versorgung von G. 44. 

— Steckschüsse in oder in der Nähe von Ge¬ 
lenken 234. 

; Gelenk Versteifung 2Ö7. 

Gemüse, Ueber Trocken-G. 254. 

Genickstarre (s. a. Meningitis) 737. 

— Praktische Seuchenbekämpfung bei übertrag¬ 
barer G. 954. 

— Vorbeugungsmaassnahmen gegen G.-Epidemien 
212. 

j Genitalapparat, Behandlung akut bedrohlicher 

! Eiterungen des weiblichen G. 974. 

! Genitalien, Behandlung akut bedrohlicher Vor- 

; letzungen der weiblichen G. 1214. 

| Genitalkarzinom, Dosimetrie in der Radium- 

1 behandlung ders. 835, 858. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1270 


BERLIN KR KLINISCHE WOCHEN SCH Kl ET. 


Genital tuberkulöse, Vasektomie bei G. 1*244. 

Genu recurvatum, Behandlung dess. 66. 

— varum, hochgradiges doppelseitiges 837. 

Geotherapie, Elemente ders. 1221. 

Gerichtliche Medizin, Lehrbuch 1142. 

Gerichtsärztliche Fehlurteile 1074. 

Gerinnung, Theorie ders. 469. 

Geruch, lieber G.- und Geschmackszentren 399. 

— Störung des G. und Geschmacks nach Kopf¬ 
verletzung 619. 

— Versuche am Hund 1049. 

Geschichte, Max Lenz’sche Geschichte der Uni¬ 
versität Berlin 455. 

Geschlechtsdrüsen, Nebennierentumor und G.- j 
Ausfall beim Manne 776. j 

Geschlechtskrankheiten, Anschauungstafeln zur 
Bekämpfung der G. 136. j 

— Antrag betr. G. und Tanzverbot 430. 

— Begutachtung der Nichtinfektiosität eines j 

Patienten 1027. j 

— Beratungsstellen für G. 430. 

— Einschleppung von G. und Malaria durch j 

unsere von Russland heimkehrenden Ge-1 

fangenen 377. | 

— Iramunitätsbehandlung ders. 759. 

— Neuer Weg zur Bekämpfung der G. 188. 

— Verbreitung durch den Krieg 662. 

— Prognose und Therapie der G. im Kindes- j 

alter 1189. 1 

— 17. Jahresversammlung der Deutschen Gesell¬ 
schaft zur Bekämpfung der G. 1151. 

Geschlechtsorgane, Kriegsverletzungen der un¬ 
teren Harnwege und der G. 568. 

Geschlechtsproblem und die; Lösung des G. 354. 

Geschlechtsreife wnd Körperwachstum 952. 

Geschlechtsvorhersage, Problem dor G. 165. 

Geschosse, Bakterien an G. im Körper 644. 

Geschwülste, Aetiologie und Biologie ders. 16. 

— Herkunft ders. 1191. 

— Biochemische Ursachen bösartiger G. (Preis¬ 
ausschreiben) 431. 

— Kombinierte Chemo- und Strahientherapie 
bösartiger G. 1096. 

— Metastatische multiple G. des Scheitel- und 
Stirnbeins 359. 

— multiple, am ganzen Körper 140. 

— — und ihre Bedeutung 839. 

— — im Gesicht und am Skrotum 140. ! 

— — der Subkutis (Sarkomatose) durch Rüntgen- 
strahlen geheilt 667. 

— Trauma und bösartige G. 619. 

Geschwüre, Behandlung torpider G. 1118. 

— Behandlung mit Gonokokkenvakzine 543. 

— Gangränöse G. 905. 

Gesetzgebung, Abgrenzung der Zuständigkeit 
zwischen dem Reich und Bundesstaaten betr. 
G. und Verwaltung des Gesundheitswesens 
440. 

Gesichtsfeld, Bedeutung des G. für den Verlauf 
und die Endigung der Sehnervenfasern in der 
Netzhaut 498. 

— Störungen bei Fliegern 358. 

Gesichtshypertrophie, Heraibypertrophia facioi bei 

Syringomyelie 233. 

Gesichtsmissbildung 1222. 

Gesichtsnarben, Ionisierung zur Behandlung von 
G. 424. 

Gesichtsplastik mit besonderer Berücksichtigung 
der Nasenplastik 166, 953. 

— an Kriegsverletzten 451. 

Gesichtsschädel, Behandlung der Verletzungen ! 

dess. 904. j 

— Prothese bei schweren Läsionen des G. 213. 

Gesichtsspalte, Aetiologie 930. I 

Gesichtswarzen, multiple 831. j 

Gcsundhoitsministeriura im Staat und Reich 437,' 

452. 

Gesundheitspflege, Ziele und Leistungen der 
öffentlichen G. und der Medizinalverwaltung74. 

Gesundheitsratgeber für heisse Zonen 13. 

Gesundheitswesen, Abgrenzung der Zuständigkeit 
zwischen dem Reich und Bundesstaaten betr. 
Gesetzgebung und Verwaltung des G. 440. 

— Dringende Aufgaben des öffentlichen G. nach 

Friedensschluss 212. • ' 

Gewehrnahschüsse mit Wirkung am Geschoss 66. j 

Gewerbehygienc, Studien 595. l 

Gewerbesteuerpflicht der Privatirrenanstalten 661. 


Gewöhnung^ Zur Kenntnis der G. Experimen¬ 
telle G. an Schlafmittel 495. 

Gewohnheiten, Entstehung neuer G. bei den 
Tieren 182. 

Gibbus, Bildung von G. nach T. 44, 856. 

Gicht, Pathogenese und pathologische Anatomie 
der G. 952. 

— Pharmakologisches zur Colchicinthcrapie bei 
G. 358. 

Gifte, tierische 906. 

Gips, Das Hartwerden des G. 207. 

Gipsmieder, Abnehmbares Blaubinden-G. 692. ! 

Glaskörper, Pathologische Anatomie der Gl.-Blu- | 
tungen 810. * [ 

— Die fettähnlichen Substanzen im Gl. des Pferde- ; 

auges 658. I 

Glaukom, DerzeitigerStand der Gl.-Forschung 211. ! 

— Trepanation nach Elliot 759, 1028, 1073. 

— Infantiles Gl. und exsudative Diathese 1146. 

GUichgewichtsapparat, Studien über dens. 162. 

Gliome, Wiesen und Benennung der Gl. deä Auges 

185. 

— Bestrahlungstherapie bei doppelseitigem Netz¬ 
haut-Gl. 307. 

Glomerulonephritis, Die quantitativen Zellverhält¬ 
nisse der Glomeruli bei Gl. 185. 

Glossitis,- Die chronisch superfizielle Gl. — eine 
Reflexneurose 643. 

Glottisödem, “Plötzlicher Tod durch Gl. 701. 

/I-Glukoside, Einfluss der Struktur ders. auf die 
Wirkung des Emulsins 1190. 

Glukuronsäuren, Vorkommen von Gl. im mensch¬ 
liche Blute 1190. 

Glutäalaneurysmen, Operation ders. 428. 

Glutaminsäure, Neue Verbindungen ders. 493. 

Glykämische Reaktion, Diagnostische Verwertung 
ders. 1215. 

Glykosurie, Einfluss der Ernährung auf die 
Suprarenin-Gl. 423. 

— Sind dio nach Unfällen auftretenden Gl. diabe¬ 
tisch? 660. 

Glyzerin, Natürliche und erzwungene Gl.-Bildung 
bei der alkoholischen Gärung 493. 

Glyzerophospbatase, Verbreitung der Gl. in den 
Samenorganismen 614. 

Goethe’s Krankheit 259, 1067. 

Goldammer, Nachruf auf Franz G. 310. 

Goldküste, Chirurgische und ophthalmologischc 
Erfahrungen von der G. 188. 

Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis 209, 
952, 1144. 

Gonokokken, Erfahrungen mit G. 185. 

— Spezifische G.-Färbung 905. 

— Wiederhol terG.-Nachweis bei Frau ohneKränk- 
heitserscheinungen 569. 

— Züchtung in verdünnter Luft 641. 

Gonokokkönvakzine zur Geschwürsbildung 543. 

Gonorrhoe, Gonorrhoische Latenz und latente G. 

1169. 

— Diagnose der chronischen G. des W r cibes 382. 

— des Mannes 858. 

— Gonorrhoische Phlebitis 1218. 

— Vermeidung von Rückfällen bei G. 1166. 

— Kalkaneusexostose nach G. 975. 

— Abortivbehandlung ders. 759. 

— Akriflavin bei G. 687. 

— Allgemeininfektion 282. 

— Argochrom gegen G. des Weibes 659, 831. j 

— Die Bedeutung des Arthigons für die Diagnose 

und die Therapie der G. 377. ( 

— Durch intravenöse Arthigoninjektfion rasch ge¬ 
heilte Conjunctivitis gonorrhoica 659. 

— Behandlung der akuten G. 424. i 

— Behandlung der weiblichen G. 757. 

— Behandlung der weiblichen Urethral-G. 165. 

— Heizsondenbehandlung^der weiblichen G. 20. i 

— Zervikalgonorrhoe mit typischen Gonokokken I 

im Ausstrich 406. : 

— Behandlung der weiblichen G. mitintramusku- j 

lären Injektionen von Kochsalzcblorkalzium- 
lösung 880. I 

— Fiebertherapie bei G. 614. 

— Terpentineinspwtzungen nach Klingmüller bei j 

G. 184. r ! 

— Die gonorrhoische'Gelenkentzündung; Typen, j 
Verlauf und chirurgische Behandlung 985. 

— Behandlung mit Sanabokatheter 659. 

— Behandlung mit Kollargol 449, <*59. 


Gonorrhoe, Intravenöse kolloidale Silbertherapie 
bei G. 231. 

— Kriegserfahrungen 1027. 

— Behandlung der Harnröhren-G. mit Suspension 
von Tierkohle in Protargollösungen 880. 

— Tebelon bei G. 1191. 

Gram’scbe Färbung 692. 

-Die Much’sche Modifikation ders. 807. 

Granatsplitter, Schwierige Gr.-Entfernung unter 
der Schädelbasis 306. 

Granatverletzungen, Chirurgische Versorgung 
frischer Gr. 712. 

Granugenol in der Nachbehandlung von W 7 arzen- 
fortsatzaufmeisselungen 188. 

Greifhandbildung, operative 357. 

Grippe (s. a. Influenza), Aetiologie ders. 11, 397, 
425, 736, 831. ^ 

— Behandlung ders. 173, 186, 206, 220, 417, 
424, 544, 735. 

— Behandlung der Gr. und ihrer Komplikationen 
147. 

— Behandlung der schweren Gr.-Fälle 393. 

— Behandlung, Nil nocere! 277. 

— Behandlung mit AdreDalininhalationen 206. 

— Antipneumokokkenserum bei Gr. 425. 

— Behandlung ders. mit Elektrargol 1214. 

— Behandlung des Gr.-Empyemsjnit Bülauscher 
Heberdrainage 951. 

— Behandlung mit Diphtherieserum 302. 

— Eukupip bei Gr. 256. 

— Therapie ders. insbesondere mit Fulmargin 42. 

— Behandlung mit heissen Vollbädern 302. 

— Malafebrin gegen Gr. 640. 

— Milchinjektionen bei Gr. 396. 

— Behandlung mit Rekonvaleszentenserum 14, 
161, 302. 

— Subliraattherapie bei spanischer Gr. 64. 

— Prophylaktisches, Allgemeines, Gr.-Schutz- 
masken 398. 

— Aussprache 141, 239, 332, 404. 

— Auffällige Beobachtung bei der Gr.-Epidernic“ 

149. 

— Die herrschende Gr.-Epidemie 138, 186. 

— Aetiologie und Epidemiologie ders. 9,256, 711. 

— Epidemie des Jahres 1918 782. 

— Was hat uns die letzte Gr.-Epidemien gelehrt? 
1081. 

— Die Gr.-Epidemie, klinische Beobachtungen 
und therapeutische Erfahrungen 557. 

— Epidemie bei Kindern 163. 

— epidemische im Säuglingsalter 808. 

— Kritik und Therapie der Gr. 359. 

— Ist (Pseudo-) Grippe Typhus? 643. 

— Pirquet-Reaktion bei Gr. 882. 

— Serodiagnostik ders. 207. 

— Schutzkörpermangel bei Gr. 642. 

— Hämatologie ders. 256. 

— Beobachtungen bei 1300 Fällen epidemischer 
Gr. 304. 

— Fieberkurve und Leukozytenbild bei Gr. 138. 

— Pathogenese der bedrohlichen Erscheinungen 
‘ ders. 303. 

— Experimentelle W r iedererzeugung von Gr. 757. 

— Warum sterben an der Gr.-Infektion gerade 
die kräftigsten Individuen? 17, 397. 

— Seltene Folgen der Gr. 711. 

— und Epilepsie 473, 

— und Diphtherie 415. 

— Bakteriologie ders. 42, 397. 

— Bakteriologisch-ätiologische Studien bei der 
Epidemie 1918 927. 

— Epidemiologie und Bakteriologie ders. 68. 

— Pathologie der Gr. 1918/19 im Vergleich mit 
der Epidemie 1889/90 218. 

— Pathologisch - anatomische Befunde bei der 
diesjährigen Gr. 42, 68, 188, 137, 302, 1050. 

— Pathologisch-anatomischeBeteiligung derNierc 
bei schwerer Gr. 425. 

— Klinik des Gr. 69, 119. 

— Haarausfall nach Gr. 497, 644, 662, 66S, 758. 

— Haar- und Nägelveränderungen nach Gr. 400. 

— Chirurgische Erscheinungsformen 352, 808. 

— Symmetrische Gangrän nach Gr. 256. 

— Filtrierbarer Erreger* der Gr. 42. 

— Der Spengler’sche Polstäbchenbefund bei Gr. 
1214. 

— in der Frauenklinik 45L 

— und Gravidität 65, 692, 1050. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





(nippe, von 1918 in der Geburtshilfe und Gynäko¬ 
logie 835. 

— Einfluss ders. auf die weiblichen Geschlechts¬ 
organe 498. 

— Lähmung des weichen Gaumens nach Gr. 
967, 977. 

— Gefässveränderungen bei Gr. 1241. 

— und Herzerkrankung 426. 

— Kehlkopferkrankungen bei Gr. 594. 

— und Keuchhusten 623, 777. I 

— Erkrankungen der oberen Luftwege bei Gr. 
und Influenza 546, 760. 

— Stenosierende pseudomembranöse Entzündung 
der Luftwege bei epidemischer Gr. 138. 

— bei Malariakranken 256. 

— Doppelseitige Mastitis bei Gr. 689. 

— Spanische Gr. und Morbus maculosus 64. 

— Myelitis nach Gr. 660. 

— Nasendiphtherie und Gr.-Epidemie 397. 

— Erkrankungen der Nasennebenhöhlen und des 
Mittelohrs bei Gr. 184, 881. . 

— Gr.-Erscheinungen im Gebiete des Ohrs und 
der oberen Luftwege 188. 

— Ohr-, Nasen-und Halserkrankungen bei Gr. 645. 

— und Nephritis 138. 

— Nierenveräüderungen bei Gr. 649. 

— Lungenkranke und spanische Gr. 138. 

— Chronische Lungenerkrankungen bei Kindern 
infolge von Gr. 283. 

— und Tuberkulose 303, 375, 546, 642, 855, 
1119,1166. 

— Osteoperiostitis des Stirnbeins nach Gr. 281. 

— Pupillenstörung nach Gr. 642. 

— Psychische und nervöse Störungen bei Gr. 
115, 232, 1215.' 

— Nervenschädigung durch Gr. und Liquor¬ 
befund 473. 

— Die Pathologie des Sympathikus bei Gr. 1208. 

— Gr.-Eneephalitis und Encephalitis lethargica 
473, 927. 

— Organische Erkrankungen des Nervensystems 
nach Gr. 719. 

— Lähmung des rechten Beines nach Gr. .1196. 

— Scharlachartige Exantheme bei spanischer Gr. 
138, 304. 

— Streptococcus pleomorphus und die sog. spa¬ 
nische Gr. 137. 

— Thrombose und variolaähnliches Exanthem 
bei Gr. 186. 

— Ausgedehntes Haütemphysem bei Gr. 1193. 

— mit doppelseitiger Unterlappenverdichtung 
und doppelseitigem Erguss 406. 

— Tuberkulose-Immunitätsreaktion bei Gr. 303. 

— Die Todesursache beidenGr.-Erkrähkungen 237. 

— Behandlung des Gr.-Ernpyems 112J. 

— Pleuritis adhaesiva obliterans und Gr. 641. 

— und Gravidität 391. 

— .Ursachen der Zirkulationsschwäche bei rein 
pneumonischen Formen von Gr. 298. 

— Reütgenbild ders. 692. 

— Behandlung ders. 71, 256, 862. 

— Aderlass bei ders. 304. ' 

— Eigenserumbehandlung der Gr. 161. 

— Grosse Kampferdosen, bes. bei Gr. 161. 

— Intravenöse Kollargoleinspritzungen bei Gr. 
183. % 

Behandlung der Gr. mit Kolloidmetallen und 
Fixationsabszess 424. 

Grippejüneumonie, Sehr langdauornde phthise¬ 
ähnliche Gr. der Spitzen 258. 

Guanylsäure, ihre Darstellung und Fällbarkeit 926. 

Guarnieri’sche Körperchen, Färbung ders. 1035. 

— — Herkunft ders. 1241. 

Gymnasium, Zu den Kämpfen um das huma¬ 
nistische G. 889. 

Gynäkologische Erkrankungen, Erfolge der Rönt- 
gentiefenbestrahhmg bei gutartigen g. E. 
(Myome, Metropathien, Tuberkulosen) 588. 


H. 

Haar, Abnorme Behaarung bei weiblichen Geistes¬ 
kranken 236. 

— Entwicklung und Wechsel der H. beim Meer¬ 
schweinchen 521. 

— Veränderungen der H. und Nägel nach Grippe 
400. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Haarausfall nach Blitzschlag 569. 

— und Cerumenpfropf 209. 

— nach Grippe 497, 644, 662, 668, 758. 

— Die Pohl-Pincus’sche Marke an den Haaren 
beim akuten H. nach Grippe 1027. 

— nach Kieferverletzung 209. 

— nach Kopfschussverletzung 661. 

Habitus, Der H. im allgemeinen und der H. des 
Diabetikers im besonderen 660. 

Haeckel, Ernst f» Nachruf 790. 

Hämagglutinätion und Hämolyse, Zur Lehre 
ders. 16. 

Hämangiom, multiples 688. 

— simplex, angeborenes 1168. 

Hämarsin 709. 

! Hämatin, Vorkommen von II. im menschlichen 
Blutserum 613. 

Hämatologie, Taschenbuch der klinischen H. 1141. 

Hämatomyelie, Spät-H. 718. 

Hämatopoetisehes System, Verhalten dess. unter 
dem Einfluss von Strahlen 1099. 

Haematoporphyrinuria congenita 708. 

Hämaturie als Komplikation der Appendizitis 691. 
i — Seltenere oder schwerer diagnostizierbarc 
Formen von H. 1051. j 

Hämoglobinometer, Eichungsfrage dess. 692. - 

Hämoglobinurie, Marsch-H. 644. 

— Paroxysmale II. und Syphilis 1122. 

Hämolyse, Strahlen-H. 522. 

Hämophilie, Eigentümlicher Fall weiblicher H. 
952. 

— Studien über H. 974. 

Hämoptoe, Ungewöhnliche Ursache einer H. 184. 

Hämorrhagische Diathese, Entstehung dors. 1167. 

— — Behandlung ders mit hypertonischen 

Kochsalz ösungen 928. j 

Hämorrhoiden. Operation ders. 691, 1146. j 

— Radikale Heilung auf unblutigem Wege 1069. 

Hämozyanine 469. 

Hallux valgus, Operation dess. 474, 1127. 

Halluzinationen, Zur Lehre von den H. 1193. 

Hals, Schussverletzungen der Luft- und Speise¬ 
wege am H. 164. 

Halsabszess, Frühzeichen des tiefen H. 929. 

Halsentzündung, Schwerste H. mit tödlichem 
Ausgang 303. — 

Halsmark, Plötzlicher Tod fnfolge Kompression 
des obersten II. durch ein Chondrosarkom des 
Atlas 233. 

Halssteckschüsse, Kasuistik 499. 

Halssympathikus, Pathologie dess. 663. 

— Reizung dess. 1029. 

Halswirbel, Verletzungen im Bereich der obersten 
H. und die Formen der Kopfverrenkung 353 

— Die sagittal-flexorischc Bewegung der mensch¬ 
lichen IL-Säule 167. 

Halteren, Vermutliche Lösung der H.-Frage 756. 

Hammerzehe 163. 

Hand, Schussverletzungen der H. und Erhaltung 
von Fingern 117. 

— Eine vierfingerige II. mit Verbildung der II.- 
[ Wurzel 1195. 

Handdesinfektion und Händereinigung 595. 

— nach Gocht 929. 

— Schnelle 65. ! 

Handplastik und Fingerplastik 1120. , 

— Verwendung der Mamma zur H. 352. | 

Handvibrationsmassageapparat 500. I 

Handwurzel, Varietäten der II. und des Fuss- 

gelenks 18. 

Harn, Ein hämolytisches Phänomen des II. bei 
chronischer Nephritis 1159. 

— Ameisensäuregehalt dess. 883. 

— Erythrozyten bofunde im II. bei Minimal¬ 
läsionen der Nieren 281. 

— Vorkommen von schwer reduzierenden Kohle¬ 
hydraten im if. 470. 

, — Leuzin im II. 975. 

— Anwendung der Tusche in der H.-Mikroskopie 
375. 

— Alkalisierende Wirkung einiger Mineralwässer 
^ auf die Reaktion des H. bei Säuglingen 617. 

— Schleimgärung der H. bei Pyelitis 545. 

— Einfluss der Erschwerung des H.-Abflusses 
auf die Nierenfunktion 139. 

Harnanalyse, Lehrbuch der H. 112. 

Harnausscheidung, Funktionelle Störungen der H. 
1242. 


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127J 


Harnblase, Innervation ders. 305. 

— Lokalisation der 11.-Funktion in der Hirn¬ 
rinde 1051. 

— Physiologie und Pathologie der H.-Funktion 
568. 

— Die physiologische Tätigkeit der H. und ihre 
Beeinflussung durch Produkte der inneren 
Sekretion 448. 

— Schrapnellkugelstein durch Sectio alta ent¬ 
fernt 1077. 

— Schussverletzungen der H. und inneren Harn¬ 
organe 808. f 

— lnkrustriertes Infanteriegeschoss in der H.47. 

— Behandlung der H. und Harhträufelns mit 
Hexal 424. 

— Zahlreiche nichttuberkulöse Knötchen über 
die ganze Schleimhaut 907. 

— Schwarze Punkte in der H. bei Bilharzia 907. 

— Anlegung einer Vontilfistel als Blasendauer¬ 
fistel 67. 

— Behandlung der Insuffizienz der H.-Musku- 
latur mit Fettinjektionen nach A. Mayer 210. 

— Ersatz des H.-Schliessmuskels 20. 

Harnblasendivertikel 359. 

— Chirurgische Pathologie und Therapie ders. 

— Operative Behandlung der H. 284. 

— und Prostatahypertroph io einzeitig operiert 
1026. “ * 

Harnblasenektopie, Operation nach Makkas- 
Langemann 407, 451, 568. 

Harnblasenentzündung,* Behandlung ders. mit 
kolloidalem Silber 1191. 

— Pathogenese der KoK-Pyelozystitis des Säug¬ 
lingsalters 234. 

— Postoperative Zystitis 570. 

Harnblasenfisteln 1062. 

Harnblasengangrän nach Wertheimscher Karzi¬ 
nomoperation 1146. 

Harnblasenpapillom, Behandlung ders. 736. 

Harnblasen-Scheidenfisteln, Operative Behandlung 
ders. 239. 

Harnblasenstein, Querschnitte von persischen H. 
907. 

Harnfisteln 1060. 

Harninkontinenz, Operative Behandlung der H. 
„beim Weibe 354. 

Harnleiter, Verhalten der H. bei Rückenmarks¬ 
verletzten 428. 

— Chirurgie der Empyeme des H.-Stumpfes 857. 

—Ersatz der unteren Hälfte des H. durch Blasen¬ 
mobilisation und Blasenplastik 284. 

Harnleiterfisteln 1062. 

Harnleiterstein, Ungewöhnliche Operation bei H. 
809. 

— Pseudohamleitersteine 1217. 

Harnorgane, Kriegsverletzungen ders. 569, 593, 

646. 

— Tuberkulose ders. 758. 

— Ein pathogener Diplokokkus der H. und seine 
Autovakzinebehandlung 1063. 

Harnreaktion, Abhängigkeit der H. von der Magen¬ 
saftreaktion 807. 

Harnröhre, Technik der Janet’sclien Spülungen 
der H. 1146. 

— Fisteln ders. 1060. 

— Operative Heilung einer perinealen H.-Fisicl 
907. 

— Rekto-Urethralfistel 907. 

— Heilung eines 10 cm langen H.-Defektes 1099. 

— Nicht gonorrhoische II.-Entzündung mit sep¬ 
tischer Allgemeinwirbung 19. 

— Urethritis non gonorrhoica mit septischer 
Allgeraeinerkrankung 19. 

— Steine ders. 306. 

— Entfernung von Steinen in der männlichen II. 
713. 

— Neubildung der H. mit Bildung eines Sphinkter 
aus den medialen Anteilen der Levatoren 12 2. 

Harnsäure, Ausfallsbedingungen der freien H in 
tierischen Flüssigkeiten 733. 

— Einfluss adsorbierbarer Stoffe auf den Ausfall 
der H. aus übersättigter Lösung 975. 

Harnsäurekonkremente im Nierenbecken bei ali¬ 
mentärer Intoxikation 399. 

Harnsediment in> plastischen Bilde 186. 

Harnstoff, Bestimmung im Blut und Harn 614, 
643, 832. 

— Die Ambard’schc H.-Konstante 614, 1049. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Harnstoff, Ueber H. und andere N-Quellen der 1 
grünen Pflanzen 114. 

- Quantitative Bestimmung ties II. im Harn 
mittels Urease 928. 

llarnwege, Cholesteatom ders. 1026. 

— Kriegsverletzungen der unteren H. und der ; 
Geschlechtsorgane 568. 

— Eitrige Erkrankungen der IL im Kindesalterl 

— ein Bakterium der Influenzagruppc als Er¬ 
reger der Pyelozystitis 1216. j 

Hasenscharten, Operation bei einseitigen und 
doppelseitigen 930. , 

Haut, Reizempfindlichkeit ders. 801. ' 

— Eine nach innen gerichtete Schutzfunktion | 

(Esophylaxie) der H. 1169. 

— Elektrischer Widerstand, Kapazität und Pola¬ 
risation der H. 900. 

— H-Zustände endokriner Voraussetzung und 
ihre organotherapeutische Beeinflussung 645. 

— Veränderungen der H. bei Nephritis usw. 137. 

— Hyperplastische und hypersekretorisehe Zu-1 
stände der H. 1240. 

Hautdefekte, Behandlung mittels feuchter Kammer 
659. 

Hauteffloreszenzen, Die Leukozytenformel ver¬ 
schiedener H. 376, 905. 

Hautemphysem bei intubierten Kruppfällen 738. 

— Ausgedehntes H. bei Grippe 1193. 

Hautflechten, Behandlung ders. 1239. 

IJautgeschwüre,. Behandlung schlecht heilender | 

H. auf narbiger Grundlage 644. 

Hautkrankheiten endokriner Voraussetzung 857. 


Icrnien, Chirurgische Behandlung ders. 758. 

— Seltene Komplikation einer II. 355. 

Kasuistik seltener H. 1195. 

— Grosse II , die lango Zeit irreponihel waren 
1244. 

— Klinik und Pathologie der H.-Einklemmung 
306. 

— Eingeklemmte Hernia pectinea- 758. 

— Hormonal bei eingeklemmter H. 15. 

— Kriegs-H. und deren Operationscrfolge 721. 

— traumatische 811. 

— diaphragmatica 19, 710. 

— inguinalis, Aeussere 353. 

— — Radikaloperation ders. beim Säugling 1216. 

— — mit eingeklemmter Nebentube 210. 

— - Operation ders. 67, 353, 808. 

— --- Verschluss grosser Leistenbruchpforlen 568. 

— — Rezidive nach Operation ders. 164. 

— des Foramen Winslovii 404. 

— der Bursa omentalis cum prolapsu 1099. 

— Inkarzerierte Treitz’sche H. 642. 

— Technik der Operation grosser Nabcl-H. 406. 

— Traumatische Entstehung von Unterleibs-H. 
G19. 

Herniotomie, retrograde 306. 

Herpes, fieberhafter 858. 

— Das Virus des fieberhaften H. 1222. 

— corneae, traumatisclier 645. 

— zoster mit Lähmungen im Gesicht 859. 

— — und Windpocken 398. 

Hertwig, Oskar, Zum 70. Geburtstage dess. 361. 
Herz, Von II. und Kreislauf 405. 


llerzblock, totaler 957. 

Herzerweiterung 782. 

— Behandlung derH. bei SchiJddrüseninsuffizjenz 
1143. 

, Herzflimmern, Chininwirkung bei H. 206. 
Herzgeräusche, Akzidentelle II. und Ausdauer 
' der körperlichen Anstrengungen 139. 
j Herzgeschwulst, primäre 927. 

Herzgrösse, Aehnliche Herzgrössen 115. 

I — Praktische H.-Bestimmung 832. 

J — Röntgenologische Bestimmung 19. 

I — Die H. im Säuglingsalter 1144. 

! Herzhypertrophie 546. 

— Die arterielle Hypertonie und die II. 1100, 

1122 . 

Herzinjektionen, Wiederbelebung durch dies. 424, 
j 639, 951. 

Herzinnervation 719. 

Herzinsuffizienz, Die Kreislaufgeschwindigkeit bei 
U. 832. 

! Herzkrankheiten, Behandlung ders. 231. 

: — Behandlung organischer H. 406. 
j — Kasuistik 807. 

— Sphygmovolumetrische Untersuchungen bei H. 

j 808. 

— Die atrioventrikulären Koordinationsstörungen 

. 1166. 

j — Das Verhältnis von Turnübungen und Turn¬ 

spielen zu der Herzfeblerdiagnose 1029. 

I — und Schwangerschaft 403, 570. 
i — Histopathologie der Endokarditis 902. 

I — Chinidin bei H. 735. 


— lineäre 905. 


— Elektrographische Untersuchung des Erregungs- j — Ernährung bei ders. 709. 


— Krankendemonstrationen 21. ! Verlaufes im Vogel-il. 756. 

— Behandlung einiger der häufigsten II. SSO. i — Klinische Elektrokardiographie 660. 


— "Wirkung von Kohlensäurebädern und Hoch¬ 
frequenzströmen bei H. 54C. 


— Behandlung der H. und Goschlechtskrank- i 

heiten 879, 1142. j 

— Milchtherapie bei H. 184. I 

Hautmissbildungen, Entstehung der sogen, kon- j 

genitalen 1026. I 

Hautpilzerkrankungen, Aolanbehandlungders.757. 

— Immunität bei H. 67. 

— Latenzstadien bei einer chronischen II. 67. 

Hautsarkom, Sehr seltene Form der primären ; 

multiplen H. 833. j 

Hautspanner, Schaffung von Hautoberflächenzu¬ 
wachs durch den H. 1097. 

Hebammenlehrbuch 111. 

Hebammenwesen, Neugestaltung dess. 1073. 

Heberden’sche Knoten an den Fingern der linken 
Hand 454. 

Hefen, Empfindlichkeit lebender H. gegen H'- und 
OH # -Konzentrationen 447. 

— Säurebildung in Pilzen und H. 113, 493. 

— Die stickstoffhaltigen Bestandteile der H. 613. 

—. Verwertbarkeit der H. im tierischen Orga¬ 
nismus 613. 

— Verstärkung der Katalasewirkung in H.-Zcllen 
708, 926. 

— Saccharingehalt und Saccharosebildung in der 
H. 926. 

— Ueber Metabolin und Antibolin aus H. 926. 

— Einwirkung eines die alkoholische Gärung be¬ 
schleunigenden, in Alkohol löslichen Pro¬ 
duktes aus H. auf niedere Organismen 973. 

Heilquellen, Grundzüge der H.-Lebre und ihre 
Anwendung in der ärztlichen Praxis 1094. 

Heiserkeit, Vorübergehende H. nach Röntgen¬ 
bestrahlung von tuberkulösen Halsdrüsen 1077. 

Heissluft im Dienste der Chirurgie 15. 

Helminthen, Seltenere Befunde im Kriege 815, 
952. 

Helminthiasis, Bemerkungen über H. 65. 

— Komplementbildung bei H. 1192. 

Hemeralopie nach Gaserkrankung 663. 

Hemianopsie, Brille für II. 810. 

— Therapie durch Spiegelbrillen 667. 

— Theorie der H. und der höheren Sehzentren 
1028. 

— Gesiehtsfeldverbesserung bei H. 1100. 

Hemiplegie und ihre'Behandlung 470, 709. 

— Herdgleichseitige Lähmung nach Schädel¬ 
verletzung 815. 

— spastische 1197. 

— Typische H. im Verlaufe eines Typhus exan- 
thcmaticus 1167. 

Hepatopexie, Technik der Gastropexie und H. 67. 

ILcrmaphroditismus, experimenteller 192, 901. 


— Die Leistungszeit des H. Die Zeitunterschiede 
zwischen Kammerelektrograram und Kammer- ■ 
phonogramm 1177. 

— Einfluss der langen H.-Nerven auf die Form 
des Elektrokardiogramms bei paroxysmaler 
Tachykardie 1241. 

— Das Vorliofelektrogramm 808. 

— Polygraphische Studien 64. 

— Wirkung der Papillarmuskeln 711. 

— Befunde am IL bei Leuchtgasvergifteten 782. 

— Ferntöne air-H. und Gefässen 186. 

— Das Kammerflimniern des überlebenden Warm¬ 
blüte r-H. 183. 

— Lungenspitzenfurche und Tropfen-H. 495. 

— Röntgenuntersuchung dess. 1217. 

— Schlaffe 11. im Röntgenbild 19. 

— Röntgenuntersuchungen bei abnorm beweg¬ 
lichem H. (Wanderherz) 644. 

— Spontan er hol ung des Frosch-H. bei un¬ 
zureichender Kationenspeisung 182. 

— Die elektrischen Erscheinungen während der 
Kontraktur des Frosch-H. 183. 

— Unwirksamkeit der Stannius-Ligatur an 
Frosch-H. unter dem Einfluss parasym¬ 
pathischer Gifte 183. 

— Einwirkung der Erhöhung des Intrakardial¬ 
druckes auf das Kaltblüter-H. 469. 

— Leitfähigkeitsmessungen an überlebenden H. 
114. • 

— Vorhofs- und Venenpuls beim Menschen 1166. 

— Mechanismus der H.-Aktion im Schlafe 1241. 

— Die Latenzzeit des H. und ihre klinisch¬ 
diagnostische Bedeutung 937. 

— Atrioventrikuläre Automatic und experimen¬ 
telle Erzeugung derselben beim Menschen 
durch subkutane Atropininjektionen 471. 

— Neue Methode der intrakardialen Druck- 
erhöhung beim Kaltblüter 1095. 

I — Der Vagusdruckversuch und seine Bedeutung 
für die H.-Funktion 1242. 

— Kleine H. bei Aortenskleroso 375. _ 

— Zur Frage des kleinen H. 231. 

— Das Myxödem-H.'711. 

— thyrqptoxiscbes 398. j 

— Vollkommene Transposition der arteriellen I 
Ausflussbahnen des H. 1050. 

Herzarhythmie, Der Venenpuls bei Arhythmia 
perpetua 832. 

Herzbeutel, Cholesterin im H.-Erguss 1166. 

Herzbeutclvcrwachsung, Irrtümer in der Dia¬ 
gnose der IL 782. 

— im Kindesalter 712. 

Herzblock, partieller 357. i 


— Strophanthin bei H. 735. 

— Behandlung mitTraubenzuckerinfusionen 1119. 

Herzmassage bei längerdauerndem Herzstillstand 

712. 

Herzmuskel, Ernährungsstörungen des H. und 
ihre Behandlung mit Traubenzuckerinfusionen 
186. 

— Karnosingehalt des normalen und pathologi¬ 
schen menschlichen H.-Muskels 494. 

Herzmuskeldegeneration, Postdiphtherische Poly¬ 
neuritis und II. 851. 

— und Betriebsunfall 906. 

Herzmuskelentzündung nach Leuchtgasvergiftung 

1119. 

— trichinöse 902. 

Herzmuskelnekrose, Ichämische H. bei Epileptikern 
nach Jod im Anfall 975. 

Herzmuskoltuberkujose 782. 

Herzneurosen,'Behandlung ders. 642, 831. 

Herzpulsation, Klinisch-radiologische Erfahrungen 
über H. 138. 

Herzreizleitungssystem 356, 476, 501, 509, 549. 

— Störungen in der Rcizübertragung des mensch¬ 
lichen H. 711. 

— Einfluss der Temperatur auf die Reizbildungs¬ 
stätten und die Reizleitung im Froscli-H. 183. 

— Die GiftfestigkeR des Reizleitungssystems und 
der Kammerautomatie 183. 

— Einfluss der Geschwindigkeit der Reizleitung 
auf die Form dos Kammerelektrogramms 182. 

Herzrhythmus, Der Spechtschlagrhythmus bei 
schweren Grippekranken 832. . 

Herzrevolulion, Dauer der einzelnen Phasen der 
H. 138. 

Herzruptur, Sprengungsruptur des rechten Ven¬ 
trikels durch Pufferverletzung 691. 

HerzschaU, Fortleitung dess. 689. 

Herzschuss, Penetrierender H. ohne Penetration 
des Herzbeutels 595. 

— Schwere Schussverletzung dess. 881. 

ilerzsteckschuss durch Infanteriegeschoss 285, 

1217. 

— mit Polyzythämie 43. 

— in der Wand des linken Ventrikels 662. 

— Operative Behandlung von H. und herznahen 
Steckschüssen 403. 

— zweimalige Operation, Heilung 18. 

Herzsymptom, Das Schtitz’sche H. 974. 

Herztöne, Ferntöne an Herz und Gefässen 186. 

— Das Saitengalvanomotcrsignal und die Re¬ 
gistrierung der H. 114. 

Heterochromie, Zum H.-Problem und Sympathikus¬ 
glaukom 663. 


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UMIVERSITY OF IOWA 






BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Heterosexualismus 351. 

Heufieber 760. 

— Aktive Immunisierung gegen II. 307, 375. 

— Ist die aktive Immunisierung gegen H. un¬ 
gefährlich? 836. 

— Behandlung mit Optocliin 735. 

Heymann, Paul, 70. Geburtstag 215. 

Hexal Riedel bei Blasenschwäche und Harn träufeln 
424. 


Hüfte, schnappende 306, 856. 

— Trendoleuburg’sches H.-Symptom 023. 
Hüftgelenk, Osteoarthritis deformans ders. 010. 

— Autopsie des H. V* Jahro hach unblutiger 
Reposition bei kongenitaler Luxation 1167. 

Hüftgelenksankylose, Die intratrochantere Keil- 
osteotomie bei H. 25. 

Hüftgelenksoperationen, Schnittführung bei H. 
695. 


Hexamethylentetramin, Therapie mit H. 709. 

Himraelstrahlung, Physik der Sonnen- und II. 
1095. 

Hippokrates 407. 

Hirn s. Gehirn. 

Hirschsprung’sche Krankheit, Pathogenese und 
Therapie 691, 1194. 

— — Kmdskopfgrosser Kotstein bei ders. 1076. 

-bei 18 jährigem Patienten 1076. 

-unter dem Bilde des Ileus 347. 

Histologie, Lehrbuch 63. 

Höhenklima und Blutneubildung 1048. 

— Sauerstoffversorgung im H. 1048. 

— Milchsäuregehalt des Blutes im H. 1048. 

— Viskosimetrische Befunde bei Muskelarbeit im 
H. 1048. 

— Verlauf akuter experimenteller Blutgiftanämien 
im H. 1048. 

Höhensonne, Heilung der Rachitis mit künstlicher 
H. 757. 

— Die künstliche H. im Dienste der Renten¬ 
empfänger 973. 

— Die Folgen einer Bestrahlung mit künstlicher 
H. 757. 

— Künstliche, Wirkung auf die Haut und ihre 
Funktionen 659. 

— Lokale Behandlung mit konzentrierter H. 1166. 

— Bestrahlung mit der künstlichen H., Anleitung j 
und Indikationen 301. 

— Einwirkung der künstlichen. H. beim Keuch-1 
husten 544. 

— Biologische Wirkung der künstlichen H. auf 
die inneren Organe 522. 

Höherwertigkeit, Gibt es-eine psychopathische H.? 
351. 

Hörapparate 931. 

Hörnerv, Hühnereigrosse Geschwulst dess. 840. 

— Erkrankungen des H. im Frühstadium der 
Lues 1027. 

— Gibt es eine Salvarsanschädigung des Hör- I 
und Sehnerven? 150. 

Hörstörungen, seelische 718. ; 

Homatropin, Allgemeinintoxikationen nach H.-Ein- 
träufelung 1073. : 

Homogentisinsäure als Chromogen 14. j 

Hongkongfuss, Die Ursache des sogenannten H. | 

1147. ; 

Homosexualität und Transvestitismus im Kriege 
232. 

Hormonal bei eingeklemmtem Bruch 15. 

Hornhaut, Einfluss des Auges auf die Entwicklung 
und Erhaltung der H. 285. 

— Zur Physiologie des Schmerzes. Die Sensi¬ 
bilität der H. des Auges 1225. 

— Angeborene H.-Veränderungen 211. 

— Blutfärbung ders. 1027. 

— Die Tiefe der Korneoskleralrinne und die 
Emmetropisation 1027. 

— Gürtelförmige H.-Trübung 211. 

— Knötchenförmige H.-Trübung 211. 

— Spindel figuren in kranker H. 401. 

— Megalokornea 905. 

— Der Keratokonus vom Standpunkt der Varia¬ 
bilitätslehre 905. 

— Zur Keratoplastik frage 214, 931. 

— Erfolgreiche H.-Plastik bei adbärentem H.- 
Leukom .759. 

— Plastik bei umfangreichen H.- und Lederhaut¬ 
defekten 905. 

— Durchgreifende H.-Pfropfungen 1222. 

— Keratitis rodens nach Gesichtserysipel 1027. 

— Klinische Untersuchungen an Mikrokoynea- 
Augen 759. 

—- Eine Einschlusserkrankung des H.-Epithels 905. 

— Traumatischer Herpes der H. 645. 

— Operation partieller Staphylome der H. 479, 
810. 

Hornhautentzündung, traumatische, Entstehung 
der bänder- und netzförmigen H. 211. 


Hüftgelenkspfanne, isolierte Fraktur ders. 306. 

Hüftgelenksverrenkung 407. 

— Technik der Einrenkung der angeborenen H. 
356, 833. 

— Einrenkung der angeborenen H. nach Bade, 
Biesalski und Lange 1076. 

— Operative Behandlung von nicht reponierbaren 
H. 18. 

— Behandlung der irrepouiblen angeborenen H. 
und der Schenkelhalspseudarthrosen mittels 
Gabelung 1145. 

— Therapie der Luxatio coxae centralis 117. 

— Blutige Reposition der Luxatio obturatoria 
1071. 

Hühnerleukose, übertragbare 950. 

Ilühnerspirillose in Serbien 15. 

Hühnertyphus 15. 

Hufeisenniere, Das Tasten der H. 17. 

— Diagnostik und Operation einer pyonephro- 
tischen II. 845. 

— bei kalkulöser Pyonephrose und Pyelonephritis 
an einem Schenkel 355. 

Hufschlagverletzungen 929. 

Humanol, W'ert des H. für die Chirurgie 1145. 

Hund, Anatomie der Veränderungen am Skelett, 
besonders am Schädel seniler H. 765. 

— Das Lymphgefässsystem des H. 63. 

— Ostitis deformans des H. 765. 

Hundekot, Ist die Verunreinigung der Strassen 
Berlins durch H. in sanitärer Beziehung ein 
erheblicher Missstand? 766. 

Hungerblockade und Volksgesundheit 714. 

Hungererkrankungen des Skelettes 855. 

Hungerosteomalazie, Klinik der H. und ihre Be¬ 
ziehungen zur Tetanie 427. 

Hungerosteopathien des Skelettsystems 471, 975, 
1004. 

Hydrochinon, Vergiftung mit H. 1167. 

Hydroperikard, Zur Lehre vom H. 43. 

Hydropsien, Diätetische und medikamentöse Be¬ 
handlung kardialer H. 375. 

— Kartoffelkuren bei kardialen H. 139. 

Ilydrosalpinx, stielgedrehte 1199. 

Hydrotherapie, Geschichte der H. von Hahn bis 

Pricssnitz 1048. 

Hydrozele, Behandlung ders. 451. 

— quadrilocularis intraabdominalis 55. 

Hydrozephalus, traumatischer 43. 

Hygiene, Aufgaben der Zukunft 595. 

— Ergebnisse der H., Bakteriologie, Immunitäts¬ 
forschung und experimentellen Therapie 1238. 

— und Sozialhygieno 1073. 

— Entwicklung der Medizinalverwaltung und der 
sozialen H. bis zur Novemberumwälzung 74. 

— der keramischen Industrie. H. der Glas¬ 
arbeiter, der Phosphor- und Znndwaren- 
arbeiter 879. 

— Soziale H., Geburtenrückgang und das Problem 
der körperlichen Entartung 374. 

— Die Abfuhrsysteme und Verwertung der La¬ 
trine in .nicht kanalisierten Städten 349. 

Hyothyreotomie 525. 

Hyperglykämie und Glykosurie 494. 

Hyperhidrosis, Therapie ders. 255. 

— Zuckerinjektionen gegen H. der Phthisiker 709. 

Hyperkeratose, Therapie der H. unserer Röntgen- 

bände 354. 

Hypertonie, Die arterielle H. und die Herzhyper- 
trophie als Krankheitsbegriff 1100, 1122. 

— Pathogenese der sogen, primären H. 745. 

— als Krankheitsbegriff (genuine Hypertonie) 
1205. 

Hypnologischos und Hypnotherapeutischos 496. 

Hypnonarkose 1097. 

Hypnose, Wesen ders. 1244. 

Hypnotismus, Animismus und Psychoanalyse 613. 

— oder die Suggestion und die Psychotherapie 

usw. Lehrbuch 781, 806. * 

— Kursus der Psychotherapie und des H. 159. 


l27a 


Hypnotismus, seine soziale und sanitätspolizei¬ 
liche Bedeutung 46. 

— Das Verbot hypnotischer Schaustellungen 1105, 
1127. 

Hypochlorit in der Behandlung der Haut- und 
Geschlechtskrankheiten 879. 

Hypopharyngoskopie, Anwendung ders. 307. 

Hypophyse, Befunde bei byperhypophysierten 
Tieren 809. 

— Tuberkulöse Erkrankung der H. 185, 902. 

Hypophysenadenom, Ungewöhnliches Krankheits¬ 
bild bei H. 1242. 

Hypophysisgeschwülste, Operation 863. 

— auf endonasalem Wege entfernt 789. 

— Die paranasalo Operation der H. 1071. 

— Optikusatrophie bei H. 1005. 

— Röntgenbehandlung der H. der Akromegalie 
mit temporaler Hemianopsie 886. 

Hypotonie, apoplektiforme allgemeine H. 643. 

Hysterie, Wesen der H. 449. 

— Neuere Ansichten zur Frage „Hysterie oder 
Simulation“ 1220. 

— Dämmerzustände 376. 

— kindliche 1144. 

— als Komplikation der Epilepsie im Kindes- 
alter 643. 

— Ueber die dreifache psychische Wurzel der 
hysterischen Erkrankungen 257. 

— Pupillenstörungen im hysterischen Anfall 473. 

— Behandlung hysterischer Anfälle 643. 

— Kontrakturen nach Schussverletzung 232. - 

— und operativer Eingriff 546. 

— Aszendierende 'Myelitis oder H.? 1193. 


I. 

Idiotie, Schmerzgefühlsstörungen bei I. 1223. 
Ikterus, Actiologie und Klinik des epidemischen 
1. 1119. 

— Entstehung einiger I-Formen 736. 

— catarrhalis und dessen Inkubationszeit 472. 

— Fleischkost bei I. 1004. 

— gutartiger epidemischer 601, 1078. 

— Atypische Fälle von hämolytischem I. 1242. 
—- Hämolytischer I. durch Splenektomie geheilt 

1076. 

— Konstitutioneller hämolytischer I. 956. 

— Familiärer hämolytischer I. ohne typische 
Veränderung des Blutes 282. 

— Pseudo-1. nach Mohrrübengenuss 642. 

— Entstehung des Kern-I. der Neugeborenen 
498. 

— bei Syphilitikern während und nach der Neo- 
salvarsanbehandlung 209. 

— Spät-I. nach Salvarsan 497, 569. 

— infectiosus s. Weil’sche Krankheit 326. 
lleozökalklappe, Beobachtung ders. am Lebenden 

901. 

Ileozökaltuberkulose, Positives und negatives 
Stierlin-Symptom bei 1. 19. 

Ileum, 22 cm langes Eisenstück aus dem I. ent¬ 
fernt 548. 

Ileus, Akuter I. als erstes Symptom be*i Dünn¬ 
darmtuberkulose 1099. 

— mechanischer 930. 

— Paralytischer I. infolge von Darmgärung 1072. 

— Behandlung des paralytischen I. 1221. 

— Spastischer I. bei schwer nervöser Patientin 
713. 

— Röntgendiagnose des I. ohne Kontrastmittel 
1078, 1099. 

I — Tiefsitzonder verminöser I. 1078. 

1 — durch Askariden 738, 1217. 

— durch Schollackstein im Dünndarm 548. 

—- durch Murphyknopf 548. 

— Fälle von I. in den Kriegqahren in der Klinik 
zu Würzburg 1072.. 

— durch Dünndarmstenose nach Brucheinklem¬ 
mung 834. 

— Ueber Pseudo-I. 834. 

— Hirschsprung'sche Krankheit unter dem Bilde 
des I. 347. 

Immunität, Ueber I. 1241. 

— Allgemeine Epidemiologie und I. 349. 
Immunitätsreaktion, neue 831. 

Immunotherapie, Die Lehren des Krieges und 

neue Ausblicke auf dem Gebiete der I. 1143. 

4 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1274 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Immunsera, Entstehung und Spezifität bakterio- 
lytischer I. 814. 

Impetigo herpetiformis 569, 1222. 

— varioliformis 668. 

Impfgegner und kein Ende 760. 

Impfung, Ueberimpfungsversuche mit Pirquet¬ 
sehen Papelsubstanzen am Menschen 1003. 

Impotenz, Kombinierte Physiko-organotherapie 
der sexuellen I. 544. 

Indikan, Retention ders. in den Geweben 641. 

Indolreaktion, Verkürzung und Verschärfung 

ders. 16. 

Infektion, latente 163. 

— Latenter Mikrobismus, schlummernde I., 

ruhende I. 865. 

— Bakteriologisch-serologische Bemerkungen zur 
Lehre von der latenten 1. 207. 

— Haus-I. im Allgemeinen Krankenhaus 595. 

— Individuelle Isolierung im Kampfe gegen I. 
innerhalb der Heilanstalten 162. 

— Behandlung chirurgischer I. mit autogener 
Vakzine 302. 

Infektionshaus der Zürcher Kinderklinik 690. 

Infektionskrankheiten, Klinik ders. 282. 

— Werden und Vergehen ders. 711. 

— Das Leukozytenblutbild bei I. 707. 

— Die der Heimat durch die Demobilisierung 
drohenden I. unter besonderer Berücksichti¬ 
gung ihrer Diagnose 23. 

— Erkennung der bakteriellen I. mittels der 
Präzipitationsmethode 280. 

— Behandlung von Blutkrankheiten und I. mit 
Proteinkörpern 226. 

— Pyramidonwirkung bei fieberhaften 1. (nach 
Beobachtungen beim Fleckfieber) 337. 

— Ueber kombiniertes Auftreten von I. 1. Typhus 
und Ruhr. 2. Fleckfieber und Rückfalifieber 
945. 

Influenza, Ueber I. 22, 42, 46. 

— Aetiologie ders. 118, 137. 

— Blutbild bei I. 42. 

— Epidemiologie 68. 

— Klinik ders. 47. 

— Kritische Studien zum I.-Problem 17. 

— Derzeitige I. und ihre Komplikation 17. 

— Epidemie in Prag 71. 

— Serumbehandlung bei bösartiger I. 42. 

— Solarsoninfektionen in der Rekonvaleszenz 
nach 1. 14. 

— I.-artige Stäbchen als Eitererreger 1050. 

— s. a. Grippe. 

Infusionen, Unzweckmässigkeit von I. und In¬ 
jektionen im Thoraxgebiet und an den Beuge¬ 
seiten der Extremitäten 806. 

Inhalation, Experimentelles und Theoretisches 
zur I.-Therapie 1247. 

Injektion, Technik der intravenösen I. 831, 1165. 

— intrakardiale 424. 

Innere Krankheiten, Strahlenbehandlung ders. 
544. 

Innersekretorische Organe, Experimentelles über 
die Wirkung ders. 302. 

— — Grundumsatz bei Störungen ders. 737. 

Intelligenz, .Begriff und Untersuchung der natür¬ 
lichen I. 1096. 

— Neue Methode der I.-Prüfung 958. 

Intubation, Ein Phantom zum Unterricht in der 

I. 1216. 

Invaginatio ilocoecalis im Röntgenbilde 976. 

-beim Säugling und Erwachsenen 209. 

Invalidenprüfung, Eindrücke beim’" L-Goschäft 
innerlich Kranker 783. 

Involutionsparaphenie 690. 

Iridektomie bei Glaukom mit Trepanation der 
inneren Skleralschichten 858. 

Iridochorioiditis, Anatomische Veränderungen bei 
endogener I. 211. 

Iris, Angeborene Lochbildung in der I. 905. 

— Farbe der I. des Säuglings 952. 

— Unterstützung und Faltung der I. nach Ver¬ 
letzung 498. 

Iritis rheumatiea, Aetiologie der sog. 1. rh. 211. 

— serosa 811. 

— septica 905. 

Iriszysten, Spontane I. und traumatische Skleral- 
zysten 810. 

Irrenanstalten, Beantragung eines I.-Aufnahme- 
gesetzes 932. 


■ Irrenanstalten, Trinkerheilanstalten und Nerven- 
‘ heilstätten 902. 

.Irrenarzt, Verantwortlichkeit dess. 661. 

| Irrengesetzgebung 402, 664, 1051. 

} Ischiadikuslähmung, FaszicnplastilHbci I. 547. 

! Ischias, Doppelseitige idiopathischo I. 233. 

| — Halbseitige Sensibilitätsstörungen bei 1. 903. 
j — Konservative 1.-Behandlung 757. 

— Varizen in der Aetiologie der I. 246. 

— Elektrotherapie ders. 42. 

— W r ärmeschiene zur I.-Behandlung 212. 
Isochinolinalkaloide, Wirkung der 1. des Opium 

und der Ipekakuanhawurzel 183. 
Isoelektrischer Punkt, Erweiterung der Theorie 
dess. 829. 

Istizin, Erfahrungen mit I. 231. 


J. 

Jarisch-IIerxheimer’sche Reaktion 569. 

Jejunostomie zur Magenausschaltung 1099. 

Jejunum, Resektion eines 65 cm langen Stückes 
1029. 

— Auslösende Ursachen des postoporativen pep¬ 
tischen J.-Geschwürs 548. 

Jod, Mikrokristallographischer Nachweis von J. 
im Blute 614. 

— Vorkommen von J. in Pflanzen 422. 

— Ueber Dijodyl und J.-Ausscheidung 1164. 

— Heilwirkung des J. beim Asthma bronchiale2Sl. 

— Weg der J.-Wirkung bei Dysmennorrhoe 1188. 

— Neues zur J.- und Bromtherapie 831. 

— Anwendung jn der G\näkologie 810. 

Jodabwaschmittel, neues 65. 

Jodoformplombe zur Heilung von Pseudarthrosen 

208. 

Jodsilber, Desinfektionswirkung des kolloiden J. 
und seine Eignung zur Typhusbehandlung 231. 

— Intravenöse Iojektionen von kolloidalem J. bei 
Strumen, Gelenkrheumatismus, Arthritis de- 
formans 667. 

— Verteilung des kolloiden J. im Säugetier¬ 
körper nach intravenöser Injektion 115. 

Jod-Stärkereaktion und ihre Verwendung für 
eine kolorimetrische Eiweissbestimmung bei 
Immunitätsprozessen 1069. 

Jodtinktur, Phlegmonebehandlung mit J.-Tam¬ 
pon ade 184. 

Jugendfürsorgegesetz und Krüppelfürsorge 499. 

Jugendliche, Gibt es eine brauchbare Methode, 
um Aufschluss über das sittliche Fühlen J. 
zu bekommen? 94. 

Jugendpflege durch Leibesübungen 1245. 

Jus vitae et necis des Laien und des Arztes 46. 


K. 

Kachexie, hypophysäre 790. 

Käse, Bestandteile des Emmenthaler K. 659. 

Kaiserschnitt, Zwei seltene Indikationen 954. 

— wegen Blutung aus Varizen der Vagina 498. 

— Die gegenwärtige Stellung des vaginalen K. 
und des Metreurynterschnittes 126. 

— Extraperitoneale Verlagerung der Uteruswände 
beim transperitonealen K. 809. 

— Beckenerweiternde Operationen oder trans- 
peritonealer K.? 809. 

— Entbehrlichkeit des abdominalen extraperi¬ 
tonealen K. bei engem Becken 835. 

Kala-azar, Behandlung ders. mit Antimonium 
tartratum 811. 

Kalium, Bedeutung des K. im Organismus 182. 

— aeeticum, Die diuretische Wirkung dess. bei 
Nephropathien 4 95. 

Kaliumpermanganat, Pockenbehandlung mit K. 
1198. 

Kalk, Ablagerung von K. unter die Haut im 
Unterhautzellgewebe 305, 783. 

— K.-Mangel bei Jugendlichen 903. 

— Gehalt einiger Katzenorgane an K. 687. 

— Gehalt des Blutes an K. bei kalkbehandelten 
Katzen 687. 

— K.-StoffWechsel bei Schwangerschaft 835. 

— bei» Erregungszuständen 543. 

— Bemerkungen zur K.-Therapie 979. 


Kalk, Verstärkung der therapeutischen K.-Wirkung 
durch Magnesia 640. 

— Kalziumhypochlorit als Ersatz der Dahin":sehen 
Natriumhypochloritlösung 351. 

Kalkstickstoffdünger, Hautentzündung nach K. 
809, 905. 

Kallus, Periostabriss als Ursache parostaler 
Bildung von K. luxurians 785. 

Kampfer, Anwendung grosser K.-Dosen, ins¬ 
besondere bei Grippepneumonie 161. 

Kankroid, Ein Spindolzellenepitheliom an der 
Schläfe 140. 

Kant, Immanuel, Pathographie dess. 376. 

Kapillarpuls, Der tastbare K. 689. 

— bei Infektionskrankheiten, besonders bei der 
Grippe 1083. 

Karbunkel, Kauterisation der K., insbesondere 
der Milzbrand-K. 951. 

Kardia, Zwischenschaltung einer Dünndarm¬ 
schlinge bei Resektionen der K. 808. 

Kardiospasmus mit hochgradiger Erweiterung 
der Speiseröhre 815. 

— Operative Behandlung 352. 

Karotis s. Arteria carotis. 

Kartoffel, Erkrankungen nach Genuss von solanin- 
haltigen K. 595. 

Kartoffelkuren bei kardialen Hydropsien 139. 

Karzinom (s. a. Krebs), Biochemische Reaktionen 
bei K. 207. 

— Serodiagnostik des K. mittels des Abderhaldcn- 
seben Dialysierverfahrens 210. 

— Untersuchungen über das Blutserum bei K. 
162. 

— Trauma und K. 44. 

— und Tuberkulose 806. 

— Ueber karzinolytische organische Säuren 1241. 

— Paraflin-K. 568. 

— Granulierte Leukozyten ira K.-Gewebe 880. 

— K.-Bildung in Schussverletzungen 953. 

— Immunotherapie des K. 1196. 

— Einfluss der Diathermie auf K.-Gewebe 1119. 

— Dosimetrie in der Radiumbehandlung des 
Genital-K. 858. 

—- Statistik der K.-Heilung mit Radium 237. 

— Behandlung mit höchstgespannten Strahlen 
880. 

— Selenbehandlung inoperabler K. 1166. 

Karzinose, Miliare akute K. infolge Magenkrebs 661. 

Kasein als Heilmittel 880. 

I Kaskadenmagen, Ueber K. und persistierenden 
Duodenalfleck auf Grund von Röntgenbildern 
190. 

Kastration, Experimentelle K. nach Cholin 235. 

— Persistenz der Spermatozoon nach K. 1169. 

Katarakt s. Star. 

Katatonie 1197. 

Katgut, Spuren von K. 65. 

— Unterbindung grosser Gefässe mit K. 65. 

Katgutkapsel, Ein neuer Apparat zur Katgut- 

ersparung 449. 

Katheter, Befestigen des Verweil-K. 67. 

— Anatomische Grundlagen der Verwendung 
. des Verweil-K. 284. 

Kathodenstrahlung, Biologische Wirkung 879. 

Kaumuskeln, Untersuchung von K. des Menschen 
und einiger Säugetiere 302. 

Kautschukfreie Pflaster, Toxidermie durch dies. 
659. 

Kavernen, bronchiektatische 867. 

Kehlkopf, Klammer zur Auseinanderhaltung der 
Knorpelwände 524. 

— Echte Laryngozele 381. 

Ilchlkopfdefekte, Ersatzplastiken anK.-Luftröhren¬ 
defekten 400. 

Kehlkopfentzündung, Phlegmonös-skleröse im An¬ 
schluss an Grippe 1096. 

— Perichondritis des K. nach Grippe 689. 

— Streptokokkenlaryngitis 760. 

Kehlkopfknorpel, Behandlung der eitrigen Peri- 

chondritis der K. 355. 

Kchlkopfkrankheiten, Anleitung zur Diagnose und 
Therapie der K., Nasen- und Ohrenkrank- 
heiten 707. 

— Auskultatorisches Phänomen bei K.-Diphtherie 
882. • 

— bei Grippe 594. 

Kehlkopflähmung, Beiderseitige Postikuslähmung 
976. 


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Original fro-m 

UMIVERSITY OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1275 


Kehlkopflähmung, Linksseitige Rekurrenslähmung 
976. 

Kehlkopfschüsse 379. 

Keblkopfstenose, Behandlung der Stenosen mit 
Thost’schem Bolzen 813. 

— Behandlung von K.-Luftröhrenverengerung 
mit erschwertem Dekanulement 594. 

— Vollkommener K.-Verschluss pach Intubation 
und Sekundärtracheotomie 1145. 

Kehlkopftuberkulose, Die Versorgung ders. 377, 
524, 764, 1018. 

— Durchschneidung des N. laryngeus superior 
bei K. 1073. 

— Operative Behandlung 858. 

— Sonnenlichtbehandlung 326. 

.— Verbesserte Methode der Sorgo’schen Behand¬ 
lung der K. mit Sonnenlicht oder künstlichem 
Licht 375. 

Kehlkopfverletzungen durch Schuss und Messer 
381. 

— und Luftröhrenverletzungen im Kriege und 
Renfenansprüche 499. 

Keimdrüsen, Bauplan ders. 70. 

Keimübertragung durch Fingerberührungen 1241. 

Keloid, Genese und Therapie ders. 784. 

— multiple 761. 

Kerion Celsi, Kind mit K. C. und Lichen tricho- 
phyticus 139. 

Keton, Hydrierung eines K. durch Hefe 493. 

Keuchhusten, Zum K.-Problem 1096. 

— Behandlung dess. 1214. 

— Beeinflussbarkeit dess. 1145. 

— und Grippe 623, 777. 

— Künstliche Höhensonne beim K. 544. 

Kiefergelenk, Geheilte isolierte Tuberkulose dess. 

1078. 

— Isolierte radiologische Darstellung des K. 1222. 

Kieferhöhle, Fremdkörper in ders. 931. 

Kieferhöhleneiterungen und Erkrankungen benach¬ 
barter Organe 46. 

Kieferplastik, Unter-K. aus der Brusthaut 908. 

Kieferzysten, Operation grosser K. 931. 

Kieselsäure, Quantitative Ausscheidung der K. 
durch den menschlichen Harn 830. 

— und Tuberkulose 686, 735. 

Kind, Ernährung und Fürsorge des Klein-K. 469, 
1145. 

— Therapeutisches Vademekum für die K.-Praxis 
1189. 

— Entwicklung und Schicksal der ira Kaiserin 
Augustc-Viktoria-Haus geborenen K. 1145. 

— Beeinflussung der Brust-K. durch die Kriegs¬ 
ernährung der Mütter 1145. 

— Die Kriegskinder 1818 und 1819 1245. 

— Körpergewicht und Resistenz von K. gegen 
Infekte 163. 

— Körperbau und Wachstum von Stadt- und 
Land-K. 742, 1194. 

— Wachstum und Gewicht der K. während des 
Krieges 690. 

— Ernährung und Pflege des Alteren K. 1118. 

— Staats-Kinder 593. 

— Die Freude am zu erwartenden K. 593. 

— Wärmestauung in der Pathologie der K. 233. 

— Neue Bezeichnungen bei der Entwicklung der 
bewussten Tätigkeiten beim-K. 479. 

— Klinische und bakteriologische Beobachtungen 
im Kindesalter 497. 

— Beurteilung unbeabsichtigter tödlicher Ver- 
' letzung bei Kindern 906. 

Kinderfürsorge, Die Klein-K. 1189. 

Kinderklinik, Die Universitäts-K. in Rostock 1216. 

Kinderlähmung, Bauchmuskellähmung bei spinaler 
K. 1220. 

Kindermord, Der K. und seine Bekämpfung durch 
Findelhäuser 20. 

Kinderpflege-Lehrbuch 421. 

Kindersterblichkeit im 1. und 2. Lebensjahre 690, 
832. 

Kinematographie, wissenschaftliche 321, 477, 735. 

Kinnplastik und Lippenplastik, Die Hautextension 
mittels Doppelnagel bei ders. 1194. 

Kleinhirn, Funktionen des Kl. und dessen 
Nachbarorgane 1051. 

—'Die chronischen diffusen Kl. - Erkrankungen 
1193. 

— Missbildungen des Kl. bei einem Feldsoldaten 

116. 


Kleinhirn, Veränderung des Kl. beim Typhus 
736. 

— Krämpfe des Gaumensegels und der Rachen¬ 
wand bei Schüssverletzung des Kl. 399. 

— Neues Symptom 427. 

— Schilder’s neues Kl.-Symptom ^„Bradyteloo- 
kinese“ 903. 

— Die kontinuierlichen rhythmischen Krämpfe 
nach Ilerderkrankungen dos Kl. 233. 

Kleinhirnteratom, Mannsfaustgrosses, plötzlich 
zum Tode führend 116. 

Klima, Krankheit und KL, Beobachtungen aus 
Bulgarien 894. 

— Das photochemische KL, bes. des Hochgebirges, 
in seinen Beziehungen zur Heliotherapie 1095. 

Klimakterium des Mannes 399. 

— und Myxödem 663. 

Klitoris, Elephantiasis ders. 355. 

Klumpfuss, Heilung des angeborenen KJ. 2S3, 785. 

— Zwei Geschwister mit schwerer kongenitaler 
Kl.-Bildung 1167. 

Klumphand, Operative Behandlung der Kl. und 
des Knickfusses 785. 

Knickfuss, Operation der Klumphand und Kn. 785. 

Knie, schnellendes 1127. 

Kniegelenk, Die umschriebenen Knorpel-Knochen¬ 
läsionen des Kn. 265. 

— Therapie der infizierten Kn.- und Hüftgelenks¬ 
verletzungen 258. 

— Isolierte Verletzung des hinteren Kn.-Kreuz¬ 
bandes 1071. 

— Unblutige Luxation mit Zerreissung der Arterie, 
nachfolgende Gasgangrän ohne äussere Wunde 
929. 

— Traumatische Fettgewebswucherung im Kn. 
(Hoffa’scho "Krankheit) 475 

— Eröffnung bzw. Drainage der hintoren Kn.- 
Kapseltasehen vom inneren und äusseren 
Seitenschnitt aus 351. 

— Die umschriebenen Knorpelläsionen des Kn. 
(Aussprache) 285. 

— Resektion der hinteren Femurkondylen bei 
schweren Kn.-Eiterungen 785. 

— Hochgradiges doppelseitiges Genu varum 837. 

— Behandlung des Genu recurvatura 66. 

— Palhogenese .und Mechanik der Kn.-Deformi¬ 
täten 1168. 

Kniegelenkkäpsel, Die Mobilisierung der Kn.- 
Taschen als Kapselplastik bei grösseren Kapsel- 
defekten 449. 

Kniegelenkskontrakturen, Behandlung sehr hoch¬ 
gradiger Kn. 955. 

Kniegelenkschüsse, Behandlung ders. 258, 785. 

— Behandlung mit Vuzin 736. 

— in den späteren Stadien 618. 

Kniegelenkversteifung, seltene 477. 

Kniescheibe, Habituelle Luxation ders. 618. 

— Doppelseitige, habituelle Kn.-Luxation nach 
Trauma 1216. 

— Behandlungdes angeborenen Kn.-Mangels 1168. 

Knochen, Die Beanspruchung der langen Röhren- 

Kn. des Menschen 784, 833, 1167. 

— Herkunft der Kn.-Fibrillen 668. 

— .Usur des Kn. durch hämophiles subperiostales 
Hämatom 1070. 

Knochenatrophie, Beziehung zwischen Kn. und 
Knochenregeneration auf dem Wege der Kalk¬ 
wanderung 1070. 

— Akute Kn. bei Knochenbrüehen 1072. 

— und Kalkmetastase beim Säugetier 765. 

Knochenerkr&nkungon durch Unterernährung 855, 

979, 1004, 1070. 

Knochenentzündung der Muschelarbeiter 1099. 

Knocheirfisteln, Rasche Ausheilung 856. 

KnochcDfrakturcn und ihre Behandlung 44, 755. 

— Spezialisierung der Fr.-Behandlung für die 
Kriegszeit 66. 

— Operative Behandlung der Fr. und ihrer 
Folgezustände 257. 

— Knochenheilung bei karzinomatösor Spontan¬ 
fraktur 713. * 

— 1 Die Röntgendiagnose der Konsolidation von 
Kn. 164. 

— Regelung der Fragmente bei Kn. und Osteo¬ 
tomien 785. 

— Behandlung mit Distraktionsklammern 1047. 

— Häufung von Spontan-Kn. durch endemische 
Spätrachitis 785. 


Knochenfrakturen, Eigenartige Spontanfrakturen 
bei Adoleszenten 807. 

Knochenklaramern, Neue Art 306. 

Knochenmalazie,. „Rriegsraalazie“ und Fraktur¬ 
heilung 1077. 

Knochensystem, Eine endemisch auftretende Er¬ 
krankung dess. 642. 

Knochensyphilis, Röntgendiagnose der angeborenen 
Kn. 454, 930. 

Knochentransplantation nach partieller Epi¬ 
physenvereiterung 474. 

— Periosteinschnitte bei der freien Rn. 450. 

— Freie Kn. bei Pseudarthrosen und Knochen¬ 
defekten 953. 

— Späteres Schicksal autoplastisch transplan¬ 
tierten Knoehengewebes beim Menschen 713. 

Knochentuberkulose, Behandlung der Kn.- und 
Gelenktuberkulose 1145. 

Knochenzysten, Pathogenese ders. 1184. 

Knopf loch luxation der Streckaponeurose eines 
Fingerstreckers 283. 

Knorpeltransplantation, Histologische Unter¬ 
suchungen an frei transplantiertem mensch¬ 
lichen Epiphysen- und Gelenkknorpcl 785. 

Knoten, Wesen und Diagnostik der Heberden- 
schen Kn. 832. 

— Modifikation des chirurgischen Kn. 547. 

Kochsalzlösung, isovisköse physiologische K. 975. 

— Die durch intravenöse Injektion bypertoxi- 
seber K. verursachte histogene Gefässfüllung 
495. 

Königsberg i. Pr., Die Sterblichkeit in K. in den 
Jahren 1781 — 1783 1241. 

Körperstellung, Problem der K. Stellreflexe bei 
Kaninchen nach einseitiger Labyrinthexstir- 
pation 448. 

Koffein, Foudroyante Gasphlegmonen nach K.- 
Injektionen 883. 

— Entstehung von Gasbrand nach K.-Injektionen 

779. . * 

Kohlehydratstoffwechsel, Rolle der Säure im K. 
396. 

Kohlenoxydvergiftung, Eine ungewöhnliche ge- 
" werbliche K. 97. 

— Die psychische Erkrankung nach K. 784. 

— oder Paralyse? 718. 

Kohlensäure, Haldane-Henderson’sches Verfahren 
der Bestimmung der aveolären C0 2 *-Spannung 
und der Einfluss von Sauerstoff auf die Er¬ 
regbarkeit des Atemzentrums 159. 

Kohlensäure, Das Aeronom, ein neuer Apparat 
zur Bestimmung der K. der Luft 1241. 

Kohlensäurebäder, Wirkung natürlicher und künst¬ 
licher K. bei Herzkranken 546. 

Kolisepsis, puerperale 593. 

Kolitis, Behandlung der K. ulcerosa sive suppu¬ 
rativa und verwandter Zustände 396. 

— Wechselbeziehungen der K. und Appendizitis 
1216. 

Kolitisbazillen, Ein Beitrag zur Bakteriologie der 
Pseudodysenteriebazillen 689. 

Kollagen, Zur Kenntnis dess. 709. 

Kollargol bei Behandlung der Grippe 183. 

— in der Augenheilkunde 831. 

Kolloide in Biologie und Medizin 1190. 

Kolloidchlmie, Die Welt der vernachlässigten 

Dimensionen 1190. 

Kolloidmembranen als Dialysatoren 423. 

Kolloidreaktion, Neue mit Liquor cerebrospinalis 
anzustellende K. 815. 

Kolon, Invagination des K. transversum bei Er¬ 
wachsenen 283. 

Kolondivertikulitis und ihre Diagnose durch das 
Röntgenbild 354/ 

Kolonialä^ztliche Kulturarbeit 500. 

Kolonstenose, Hoher Dünndarmverschluss bei 
tiefer K. 44. 

Kolpitis, Klinische Bewertung der Trichomonas- 
K. 857. 

Kondylome, Behandlung der spitzen K. mit Rönt¬ 
genstrahlen 326. 

Konjunktivitis bei Erythema multiforme 858. 

— Die Koch-Weeks'sche K. ira Kriege und der 
Diplobazillenkatarrh 401. 

— Parinaud’sche 498. 

Konstitution, Aufgaben und Methoden der K.- 
Forscbung 326. 

— und Disposition 397. 

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Original frorn 

UNIVERSUM OF IOWA 



1276 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Kontraktur, Fall von neurogener, nicht neuro¬ 
tischer K. des linken Beins nach Gelenk¬ 
rheumatismus 94. 

— K.-Formen nach Nervenschüssen 400. 

— Operative Behandlung dermatogenei Beuge¬ 
kontrakturen an Hand und Fingern 718. 

Konus, nasaler 760. 

Konzeption, Verhütung der K. durch Sublimat 
1222. 

Kopfgeburt, Mechanismus-ders. 857. 

Kopflage, Schwerkraft und K. 835. 

Kopfschmerz, Die Typen des nasalen K. 642. 
Kopfscbussverletzungen, Die heilpädagogische Be¬ 
handlung der Kopfverletzten 900. 
Kopfverletzung, Ein dem Wilson’schen verwandter 
Symptomenkomplex nach K. 212. 

— Behandlung mit Röntgenstrahlen 417. 

— Nachbehandlung ders. 1216. 

Krämpfe des Säuglings- und Kindesalters 462. 

— Die respiratorischen Affekt-Kr. des frübkind- 
iichen Alters 447. 

— des Gaumensegels und der Rachenwand bei 
Schussverletzung des Kleinhirns 399. 

Krätze, Erkennung der Kr.-Milben durch das 
Hautmikroskop 1072. 

— Behandlung mit Petroleum 640. 

Krampfadern, Behandlung mit Sublimatinjek¬ 
tionen 470. 

Krankenbeschäftigung 162. 

Krankenernährung, Der gegenwärtige Stand der 
Kr. in Berlin 198. 

Krankenhausbau, Der allgemeine Kr. der Neuzeit, 
350. j 

Krankenpflege, Lehrbuch der chirurgischen Kr.! 
900. 

— Allgemeine Grundlagen der Kr. 5JJ1. j 

Krankheiten, Entstehung von Kr: infolge von ; 

Entziehung von Nahrungsstoffen 425. 

— und Klima, Beobachtungen aus Bulgarien 894. 
Krankheitseinsicht 376. 

Krankheitsursache, Der Begriff der Kr. 901. 
Kraurosis vulvae, Aetiologie und Therapie 306 j 
Krebs (s. a. Karzinom), Die Kr.-Krankheit und 1 

ihre Bekämpfung 41. j 

— Frühzeitige Erkennung der Kr.-Krankheit 41. 

— Seltene Kr.-Formen 902. j 

— Strahlentherapie und Kr.-Heilungsproblem 758. j 

— Immunotheräpie dess. 1233. 

Krebse, Der Lichtsinn der Kr. 522. % 

Kresol, Ueber Kr. und Ersatzmittel für Krcsol-! 
seife 1219. 

Kresolisomeren, Desinfektionswert des Meta-, 
Ortho- und Parakresol 545. 
Kresolseifenlösung, Neuere Ersatzpräparate ders. 
545. 

Krieg, Wirkung des Kr. auf ErnährungsVerhält¬ 
nisse, Morbidität und Mortalität 1006. 
Kriegsbeschädigte, Arbeitsfähigkeit intern Kr. 495. 

— Rentenversorgung ders. 906. 

— Schule für Kr. vor 100 Jahren 932. 

— Die Schwerbeschädigten und ihr Beruf nach 
der Entlassung 499. 

— Volkstümliche Turnübungen und Sport im 
Dienste der Kr. 1169. 

— Aussichten für Schwerbeschädigte in der Auto- 

genschweisserei 499. • 

— Fürsorge 796. 

Rentenfeststellung ders. 976. 

Kriegschirurgie im Weltkriege 577. 

— Ueber die deutsche Kr. 526. 
Kriegsentschädigungsverfahren, Organisation dess. 

72$. 

Kriegsernährung s. Ernährung. 

Kriegsschäden, ErblicheUebertragungkörperlicher 
Kr. 20. 

Kropf, Prophylaxe der endemischen Kr. 639. 

— intrathorazischer 808. 

— Struma apoplectica 1078. 

— Bericht über 1000 Kr.-Kranke 450. 

— Operationen bei eingeführtem Tracheoskop 662. 

— Klinische Erfahrungen bei 300 Kr.-Oporationen 
475. 

— Veränderungen desKehlkopfes und derTrachea 
bei gutartigem Kr. 1223. 

— Epidemische Ausbreitung des Kr., besonders 
der Kinder, in Budapest und Umgebung 1194. 

Krüppel, Handwerksmässige Ausbildung jugend¬ 
licher Kr. 932. 


Krüppel, Krüppelseelenkundliche Erziehung 1169. 
Krupp, Hautemphysera bei intubierten Kr.-Fälien 
738. 

Kryptorchismus, Operative Behandlung 758. 
Kryptorchus, Befunde bei Operationen von Kryp- 
torchen 214. 

Krysolgan bei tuberkulösen Augenerkrankungen 
397. 

— Behandlung der Tuberkulose mit. Kr. 640. 

— bei Behandlung der Tuberkulose der oberen 
Luftwege 951. 

Küster, Ernst, Zum 80. Geburtstage dess. 1033.' 
Kuhmilchmolke, Krampf erregen de Wirkung der j 
K. auf spasmophiie Kinder 163. 

Kuliziden, Beobachtung über K. 660. 

Kunstbein als Stützorgan 1120. 

— Zur Orientierung des K. für Oberschenkel- j 

amputierte 833. J 

Kunstglieder, willkürlich bewegliche 667. 

— Kraftquellen für selbsttätige K.. 1120. 
Kupfertherapie, Die Aussichten ders. 659. 

Kurare, Wirkung auf den Gaswechsel 523. 
Kurische Nehrung, Gesundheitsverhältnisse der 

Bevölkerung auf ders. 619. 

Kuj pfuscherei, Gegen die K. und Verwandtes 1021. 

— Bekämpfung der K. 407. 

Kutanreaktion, Ueberlegenheit der Stichreaktion 

über die K. 303. 

Kyphoskoliose nach Tetanus 44. 


L. 

Labyrinth, Herkunft des L.-W r assers 188. 

— Abweichungen vom normalen Verhalten bei 
Prüfungen des statischen Apparates bes. bei 
Beurteilung von Flugzeugführern 932. 

— Begutachtung traumatischer L.-Schädigungen 
858. 

— Abtragung des L. bei Mcniere’schem Schwin¬ 
del 46. 

Labyrinthitis, Operative Behandlung ders. 884. 

— und Meningitis 1198. 

Lähmung, Unterscheidung von funktioneller und i 
organischer L. 17. I 

— Spastische Tetraplegie 1197. * 

Läuse, Zur Kopflaus- und Kleiderlausfrage 595. 

— Lebensfähigkeit der Kleider-L. 545. 

— Schweflige Säure zur Tötung von L. und 
Flöhen 185. 

Läusebekämpfung in Berlin-Schöneberg 467. 

Lageempfindung, Einfluss der Kopfhaltung bei 
einem besonderen Fall der L. 1049. 

Landesversicherungsanstalten, Die sozialhygio- 
nische Betätigung der L. 954. 

Landgerichtsarzt, Hilfsbuch für den bayerischen 
L. 686. 

Lanugohaare am ganzen Körper nach Verletzungen 
. peripherer Nerven 140. 

Laparotomie, Drainage der Bauchhöhle bei L. 49. 

— Diagnostische Untersuchungen des Antitryp¬ 
singehaltes und der Leukozytose bei L. 210. 

Laryngologische Gesellschaft, Zur Geschichte der 
Berliner L. G. 763. 

Larynx s. Kehlkopf. 

Lebensmittel, Unsere L , ihr Wesen, ihre Ver¬ 
änderungen und Konservierung 62. 

Leber, Funktionsprüfung ders. 282. 

— Anaphytaktische Reaktion der L. 16. 

— Die Stoffwechselpathologie der L. 940, 

— Mikroskopische Veränderungen an der L. nach 
Röntgenbestrahlung eines mesenterialen Lym¬ 
phosarkoms 666. 

Leberabszess, Bemerkungen über L. 975. 

— nach Typhus 545. 

Leberärterienancurysraa, traumatisches 809. 

Leberatrophio, Klinik der akuten gelben L. 454, 
1242. 

— Klinik der akuten bzw. subakuten L.- 642. 

— Sübakute L. geheilt 1195. 

Leberechinokokkus mit Durchbruch in die Pleura¬ 
höhle 1242. 

Leberkavernom, Pathogenese und systematische 
Stellung der L. 184. 

Leberkrankheiten, Röntgendiagnostik ders. 834. 

Lebermiliartuberkulose, Isolierte L. bei Tuber¬ 
kulose des Pankreas und der Vena lienalis 
538. 


Leberphotographie, Neues über L. 1247. 

Lebersarkom, Hämanglosarkom in der zirrhofci- 
schen Leber 902. 

Leberruptur, Laparotomie, Netztamponade, Hei¬ 
lung 548. 

Leberzirrhose, Meteorismus als Frühsymptom der 
L. 17. 

— in China 1147. 

— Talma-Operation bei L. 930. 

Leibesübungen 1074. 

Leichenwachsbildung bei einer exhumierten Leiche 
1054. 

Leim, Biologische Wertigkeit der Stickstoffsub¬ 
stanzen des L. und einiger Knochenpräparate 
und Extrakte 829. 

Leishmaniosis, Antimonbehandlung der amerika-, 
nischen Haut-L. 640. 

Leistenhernie, äussere 353. 

— mit eingeklemmter Nebentube 210. 

— Radikaloperation 353, 808. 

— Radikalopcration beim Säugling 1216. 

— Rezidive nach L.-Operation 164. 

— Der suprasymphysäre wagerechte Hautschnitt 
bei der Operation der doppelten L. i099. 

— Verschluss grosser Bruchpforten 568. 

Lepra, Klinik ders. 789. 

— Eingeborenen-L. 497. 

— mixtä, 358. 

Leuchtgasvergiftung, Herzbefunde bei L. 782, 
1119. 

— Das CO-Häraoglobinopektrum nach L. 1029. 

Leukämie, Akute lymphatische L. im Säuglings¬ 
alter 163. 

— Myeloide Zellherde im Nierenhilusbindegewebc 
bei L. 184. 

— Beeinflussung dos Blutbildes bei myeloider 
L. durch galvanischen Schwachstrom und 
Röntgenstrahlen 1243. 

— Tumorbildungen bei leukämischen Erkran¬ 
kungen, bes. im Skelettsystem 974. 

— Behandlung mit Tiefenbestrahlung 1113. 

— Kombinierte Behandlung der L. mit Röntgen¬ 
bestrahlung und Benzol 15. 

Leukose, Uebertragbare Hühner-L. 950. 

Leukozyten, Vitalfärbung an Froseh-L. 447. 

— Klinische Bedeutung der eosinophilen L. bei 
Vakzinebehandlung 186. 

— Kulturversuche an Frosch-L. 182. 

— Blutbild der L. bei Chinesen 1147. 

Leukozytose nach Muskelanstrengungen 325. 

— in ihrer Beziehung zur Klinik des Fleck¬ 
fiebers usw. 65. 

— Verdauungs-L. 883. 

Leuzin, Vorkommen des L. im Harn 975. 

Lezithinämie, physiologische 422. 

Lichen chronicus simplex als Vorläufer neuroti¬ 
scher Alopezie 19. 

— planus der Schleimhäute nach Leukoplakie 

809. 

Licht und Lichtbehandlung 1095. 

— Absorption des sichtbaren Liohtes in der 
Haut 522. 

Lichtbehandlung in den deutschen Lungenheil¬ 
anstalten 1213. 

Lichtüberompfindlichkeit, Die klinischen Symptome 
ders. 569. 

Lidplastik, Totalplastik des unteren Lides 354. 

Lidschlagreflex, Ein unbekannter L. und 
Tränenreflex 182. 

Lignin, Azetylgehalt des L. 829. 

Linitis plastica des Magens 350. 

Linse, Der vordere axiale Embryonalkatarakt der 
menschlichen Linse 905. 

— Der physiologische Rest der A. hyaloidea der 
L.-Hinterkapsel 1146. 

— Das Farbenschillern des hinteren’L.-Bildes 

810. 

— Schattenbildung- in der normalen L. 355. 

— Relief der menschlichen Linsenkernoberflache 
1028. 

— Der hintere L.-Chagrin bei Verwendung der 
Gullstrand’schen Nernstspaltlampe 759. 

— Die optische Heterogenität der L. 187. 

— Verhalten der menschlichen 1.. in bezug auf 
die Form von Alterstrübungen 187. 

Linsenkernsymptom bei einem Linkshänder 232. 

Linsentrübung bei Anwesenheit von Kupfer im 
Aügeninnerii 211. |. 


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Gck igle 


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UNIVERSITY OF IOWA 









BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 



Linsentrübung bei Kupfer- und Messingsplittern 
Lm Auge 663. 

— Genese der Vossius’schen Ringtrübung 354, 
1028. 

— Senile Makuladegeneration und senile L. 187. 

Lipämie 422, 494. 

Lipase, Vereinfachung der L.-Bestimmung im 
Duodenalinhalt 305. 

Lippe, Wiederherstellung der verstümmelten. 
Ober-L. 1121. 

— Arteria angularis-Lappen für Oberlippenbau 
und deren Defekte 1070. 

— Die Hautextension mittels Doppelnagel bei 
Kinn- und L.-Plastik 1194. 

Lipoid, L.-freie Ernährung bei Ratten und Hunden 
687, 

— L.-Bindungsreaktion 616. 

— Titrimetrisehe Mikrobestimmung der L 422. 

— Vorkommen morphologisch darstellbarer L. in 
den Geschlechtsorganen des Weibes 809. 

Lipoidämie, diabetische 1051. 

Lipom, intramuskuläres 691. 

Liquor carbonis detergens 1162. 

Livedo racemosä 1027. 

Lochiometra durch Stenose des äusseren Mutter¬ 
mundes 570. 

Locus minoris resistentiae 67. 

Luftwege, Schussverletzungen der L. und S^eise- 
wege am Hals 164. 

Lumbalanästhesie, Häufung übler Zufälle bei L. 
644. 

Lumbaldruck, Abhängigkeit des L. von der Kopf¬ 
haltung 232. 

— Der L. nichtschwangerer, schwangerer und 
eklamp tisch er Frauen 236. 

Lumbale Therapie, Intralurobale Th. mit Aus 
Schluss der Serumtherapie 1240. 

Lumbalpunktion, Bedeutung der L. für die Be¬ 
urteilung von Schädel- und Hirnverletzungen 
904. 

— Diagnostische und therapeutische Bedeutung 
ders. 737, 

— Einwirkung ders. auf das weibliche Genitale 
928. 

— Ergebnisse ders. bei Syphilitikern 1217. 

Luminal bei zerebralem Singultus 614. 

Luminalvergiftung mit tödlichem Ausgange 1004. 

Lungen, Permeabilität des L.-Epithels für Am-' 

raoniak 901. 

— Fehlen einer L. bei einem Frontsoldaten 854. 

— Ueber Volumen pulmonis diminutum 1004; 

— Knochenbildung in den L. 184. 

— — in der Wolfs-L. 765. 

— Tödliche Blutungen bei Probepunktion der L. 

727. 

— Fettembolie der L und Verletzungen 44. 

Lungenabszess, Pneumothoraxbehandlung der L. 
807, 951. 


Lungenödem, Ueber künstlich erzeugtes L. und 
Resorption in der Lunge 1095. 

Lungenprobepunktionen, Tödliche Blutungen bei 
dens. 562. 

Lungensaft, Die Steighöhe dess. 46. 

Lungenschüsso 974. 

— Chirurgische Behandlung der L.-Steckschüsse j 
und ihrer Folgezustände 757. 

Lungenspirochätose 398. 

Lungenspitzen, Disposition der L. zur tuber- j 
kulösen Phthise 616. 

— Respirationskurve kindlicher und jugendlicher 
•L. 1050. 

— Röntgenuntersuchung der L. in antero- 
posteriorer Lage 353. * 

— Verdeutlichung leichter L.-Dämpfungen 42. 

Lungenspitzenfurche und Tropfenherz 495. i 

Lungensyphilis 1242. | 

— der Erwachsenen 733. 

Kardiale Stauung oder L. ? 426. 

Lungentuberkulose (s. a. Tuberkulose), Blutdruck j 
bei L. 186. 

— geschlossene und offene 954. 

— Leukozyten und L. 186. 375, 689. 

— Primäraffekt, sekundäre und tertiäre Stadien 
der L. 807. 

— Prognösenstellung der L. aus refraktoinetri- 

schen und viskosimetrischen Serumunter¬ 
suchungen 1096. | 

— Zerstreutherdige L. 303. ! 

— Abderhalden’sches Dialysierverfahrcn bei L. ; 
641. 

— Die neueren Einteilungen der L. in Stadien 
und ihre klinische Bewertung 1014. 

— im Kriege 1074. 

— Wert der Milzbestrahlung bei der Bekämpfung 
der L. mittels Röntgenstrahlen 544. 

— Röntgentherapie und L. 1239. 

— Strahlentherapie bei der menschlichen L. 1096. 

— Die kindliche L. im Röntgenbilde 493. 

— Unterschied im pathologisch-anatomischen 
Bilde primärer L. und primärer Darm tuber¬ 
kulöse bei Kindern 616. 

— Der primäre tuberkulöse Lungenherd beim 
Erwachsenen nach initialer Kindheitsinfektion 
und nach initialer Spätinfektion 642. 

— Vererbung eines Locus minoris resistentiae 
bei L. 42. 

— Menstruationsstörungen bei L. 303. 

— und Grippe 642, 855, 1004. 

— Behandlung 709. 

— Die Petruschky’sche Inunktion bei L. 470. 

— Günstige Einwirkung von Pleuraexsudaten auf 
die L., speziell bei künstlichem Pneumothorax 
616. 

— Entstehung und Beurteilung der Pleuraexsu¬ 
date bei der Pneumothoraxbehandlung der L. 
350. 


— Verschluss oinerL.-Höhlo und dreier Bronchial- ' 
fisteln mit Fett 930. 

Lungenadenom, angeborenes 406. 

Lungenatmung, Physiologischer Antagonismus der ! 
Atmung der Spitzen und der basalen Anteile 1 
der Lungen 757. I 

Lungenentzündung, Ausgedehnte Endemie von L. [ 
durch Infektion mit Friedländer’schen Pneumo- j 
bazillen 1119. 

— Verhalten des Pektoralfremitus bei der krup- i 

pösen L. 846, 1116. j 

— Spontanpneumothorax bei L. 974. j 

— Pneumokokkenserum und Pneumokokken- j 

Pneumonie 659. j 

— Behandlung mit subkutanen Chinininjektionen 
688 . 

— Vakzinebchandlung ders. .688. 

— s. a. Grippepneumonie. 

Lungengangrän, Behandlung mit Arsen 1143. 

— Behandlung mit Salvarsan 880. 

— Menthol-Eukalyptolinjektionen bei L. und 
chronisch-pneumonischen Prozessen 14. 

Lungenkrankheiten, Behandlung mit künstlichem 
Pneumothorax 1119. 

— Adrenalin behandluDg schwerer L. bei Säug-! 

lingen 503. | 

— Fürsorgestellen 835. [ 

— Spezifische Ausscheidung gewisser Arznei- j 

mittel durch die Luftwege als Grundlage zur j 

^ ^Behandlung von L. 615. 


— Die Pneumothoraxtherapie der kindlichen L. 
493. 

— Die X-Strahlen im Kampfe gegon die L. 18. 

— Behandlung mit Saccharose 424, 544, 1119. 

— Medikamentöse Therapie des Fiobers bei L. 
375. 

— Behandlung der L. mit Tuberkulomuzin W T ele- 
minsky 849. 

— Solarson im Frühstadium der L. 183. 

— Deycke-Much’sche Partialantigene bei L. 161. 

— Thorakoplastik bei chronischer L. 66. 

— Behandlung der L. mit dem Friedmann'sehen 
Mittel 14, 1165, 1166. 

— Die militärärztliche Beurteilung und Behand¬ 
lung ders. 1213. 

Lungenzirkulation,Experimentelle Pathologie ders. 
423. 

Lupine als menschliches Nahrungsmittel 457, 
812, 923. 

— Veränderung der Stickstoffformen in keimender 
L. 687. 

Lupus, Ausgedehnter L. des Rachens und Kehl¬ 
kopfes 811. 

— des Gaumens, Kehlkopfes usw., erfolgreich 
behandelt mit dem Friedmann’schen Mittel 
812, 977. 

— Lichtbehandlung dess., besonders nach Bcs- 
sunger 1118. 

— follicularis acutus unter dem Bilde eines Ery¬ 
thema nodosum 569. 


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Göugle 


1277 


Lupuskarzinom auf einem seit 15 Jahren be¬ 
stehenden Lupus 140. 

Lupus pernio, Krahkheitsbild dess. 1217. 

%— vulgaris exfoliativus am Hinterhaupt 979. 

Luxuskonsumption, Beobachtungen über L. und 
ihre Entstehung 1190. . 

Lymphadenitis acuta, Behandlung ders. im Kindes¬ 
alter 470. 

— colli tüberculosa 815. 

Lymphadenose, akute aleukämische 642. 

Lymphangitis, Behandlung der L. und Lymph- 

• adenitis mit septischer Allgemeininfektion 257. 

Lymphatischer Apparat, Die Hyperplasie dess. 
bei Kriegsteilnehmern 832. 

Lymphdrüsenverkalkung, hochgradige, durch Para¬ 
typhus B 568. 

Lymphgefässgeschwulst, entzündliche, am Ober¬ 
schenkel 905. 

Lymphgefässsystem des Hundes 63. 

Lymphogranulom, Tumorförmiges L. des Media¬ 
stinum und der Trachea 499. 

Lymphogranulomatose 184, 479, 905. 

— der Haut 618. 

— und Ikterus 546. 

Lymphosarkomatosc und ihre Beziehung zur 
Leukämie und Pseudoleukämie 398. 

Lymphozyten, Biologie ders. 859, 915, 1074. 

— Morphologie ders. 1117. 

Lymphozytenlipase S79. 

Lyssa, atypische 258. 

— Klinik der L. und Impflyssa 65. 

— Konservierung von Virus fixe 307. 


M. 

Magen, Bakteriologie des M. und Duodenums 496, 
547. 

— Die Rolle der sekretorischen Tätigkeit des 
Frosch-M. 396. 

— Nebenwirkung von Arsen- und Salizylpräpa- 
raten auf den gesuoden M. 495. 

— Linitis plastica des M. 350. 

— Das Elektrogastrogramm bei Spontanrhythmik 
des isolierten Frosch-M. 756. 

— Verhalten des M. gegen Ende der Schwanger¬ 
schaft und nach der Geburt 809. 

— Pathologie dess. 43, 358, 736, 1050. 

— Bestimmung der Salzsäure und des Pepsins 
im exprimierten M.-Inhalt 1166. 

— Einfluss der Karbolsäure auf die Durch¬ 
lässigkeit der M.-Wandung für Eiweissstoffo 
1192. 

— Entfaltung der M.-Wände bei der Füllung 
des M. 1247. 

— Experimen tolle Untersuchungen über die 
Sensibilität von M. und Darm 1191. 

— Ulcus callosum und Sanduhr-M. 1217. 

Magenanastomosen, Hilfsklemme bei M. und 

Darmanastomosen 358. 

Magenausschaltung durch die Jejunostomie 1099. 

Magenbewegung, Röntgenphysiologie ders. 353. 

Magenblutungen, tödliche primäre parenchymatöse 
747. 

Magenchirurgie 691. 

Magendarmblutung, hypertonische 1051. 

Magen darmerkrankungen, postdysenterische 472. 

Magendarmkanal, Verschlussnähte dess. 450. 

Magendivertikel, Simulierende Duodenaldivertikel 
an der Flexura duodeno-jejunalis 1072. 

Magenentleerung, Zu schnelle M. 783, 1054. ' 

Magengeschwülste mit expansivem Wachstum 1076. 

— multipe 208. 

Magengeschwür und Duodenalgeschwür 617, 1150. 

— Ulcus callosum und Sanduhrmagen 1217. 

— Entstehung des peptischen M. und Duodenal¬ 
geschwürs 326, 902. 

j — und Duodenalgeschwür im Kindesalter 856. 

j — und Duodenalgeschwür und vegetatives Nerven¬ 
system 772. 

; — Ulkusträger und Ulkuskranke 1004. 1143. 

1 — Ueber Druckpunkte des M. und Duodenal¬ 
geschwürs 350, 833. 

— Pathogenese dess. 1051. 

— Pathogenese des M. vom tropischen Stand- 

l punkt aus betrachtet 546. 

1 — Die Subazidität beim M. 1004. 


Original frorri 

UMIVERSITY OF IOWA 




1278 

Magengeschwür, Neue Untersuchungsmethode des 
M. und Darmgeschwürs 17. 

— Obstipation bei M. 952. 

— Antifermentbehandlung des runden M. mittels 
Amynin 256. 

— Operative Behandlung des*M. und Duodenal¬ 
geschwürs 208, 428, 548, 662, 883, 1099,1244. 

— Faltungstamponade nach Roth beim Ulkus 
der kleinen Kurvatur 809. 

— Querresektion bei kallösem penetrierendem M. 
1121. 

— Resektion oder Gastroenterostomie 904. 

— Therapie akuter Perforation des Magens und 
Duodenums in die freie Bauchhöhle* 548. 

— perforierte 833. 

Mageninhalt, Oberflächenspannung des M. 830. 

Mageninnervation, Physiologie ders. 425. 

Magenkarzinom, Haben die M. irn Kriege zu¬ 
genommen? 495. 

— auf Ulkusbasis und die Verwechslungsmöglich¬ 
keit von Ulkus und Karzinom 1069. 

— Bedeutung der okkulten Blutungen für die I 

Diagnose des M. 1071. | 

— Neues Symptom 712. ! 

— Behandlung inoperabler M. im Serafimer 

Lazarett 808. j 

Magenkolonfistei 956. j 

Magenkrankheiten, Behandlung ders. 974. 

— durch Kriegseinwirkung 1068. 

Magensalzsäure, Bedeutung ders. 806. 

Magenschmerzen und deren Zustandekommen 642. 

Magensekretion, Der Ablauf der M. 60. 

Magenspasmus, Regionärer M. bei Cholezystitis: 

1071. | 

Magensyphilis 1242. j 

Magentetanio, Fall von M. 1193. 

Magnesiumsulfat, Auftreten von Serumkrankheit ! 
nach M.-lnjektionen 827. 

Magnet, Leistungen des M. und Versuche sic .zu j 
steigern 810. ' j 

Mais, Nährwert des neuen und alten M. 114. 

Makula lutea, Tumorähnliche Neubildung in ders. 1 
214, 401. ■; 

-Senile M.-Degeneration und senile Linsen- j 

trübung 187. 

— — Die obere zeitliche Sichtbarkeitsgrenze der | 

M.-Reflexe 401. ; 

Malafebrin gegen Grippe 640. 

Malaria 855, 926. j 

— Bekämpfung ders. 427, 709, 1003. j 

— Bekämpfung im Felde und in der Heimat j 

1049. 

— Klinik und Therapie 469. 

— M.-Mischinfektionen 355, 536. 

— Die Veränderung des Zentralnervensystems 
bei komatöser M. tropica und die noso¬ 
logische Stellung der M. 1174. 

— Komplikationen der M. von. seiten des Gefäss- 
apparates 546. 

— Besonderer Verlauf und Komplikationen bei 

M. 339. 

— Beobachtungen in einem Feldlazarett 232. 

— Unerkannte M. als Komplikation bei anderen 
fieberhaften Erkrankungen 642. 

— Komplementablenkung bei M. 397. 

— Parasitologie, Klinik und Therapie 351. 

— Wechselnde Parasitenbefunde bei M. 1243. 

— Epidemiologie ders. 17, 1147. 

— Untersuchungen des Magensaftes bei M.- 
Kranken 282. 

— Dualismus oder Unität in der M.-Aetiologie 
282. 

— Erfahrungen über M. und kritische Studien 
über den Unitarismus 1009, 1041. 

— Zur Erklärung der Tertianaanfälle nach 
Tropikainfektion. Gegen die Annahme der 
Einheitlichkeit der M.-Parasiten 394. 

— Das weisse Blutbild bei chronischer M. mit 
besonderer Berücksichtigung der Monozyten 
1135. 

— Morphologische Blutuntersuchungen in der 
Diagnostik der M.. tertiana 1167. 

— M^-Forschung im Kriege 186. 

— Das Rezidiv bei Kriegsteilnehmern 1243. 

— Grippe bei M.-Kranken 256. 

— als Wundkomplikation 1097. , 

— und seine Bedeutung in der Sozial- und 
Privatversicherung 500. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Malaria im Taurus 256, 760, 1051. 

— Ueber die schwere Kilikische M. 1219. 

— Ist mit .einer weiteren Verbreilung der M. in 
Deutschland zu rechnen? 760. 

— Beeinflussbarkeit des Blutbildes bei M. durch 
Adrenalin und Physostigmin 162. 

— Zum Aufflackern der M. 162. 

— Erklärungsversuch des periodischen Auftretens 
der M.-Rückfälle 162. 

— Antihämolvtische Wirkung von Sera M.-Kranker 
161. 

— Ausbruch bisher latenter M. nach Entfernung 
eines Steckgeschosses 256. 

— Entstehung und Vorhiitung der Rückfälle bei 
M. tertiana 304. 

— Mobilisation der inaktiven M. 7S3. 

— Das Zustandsbild der multiplen Sklerose bei 
M. tropica 232. 

— Durch M. bedingte Metritis und Perimetritis? 
663. 

— Heilung und soziale Fürsorgeaktion für dio 
malariakranken Kriegsteilnehmer 282. 

— Erfahrungen in einem M.-Ambulatorium in 
Durazzo 595. 

— Mazedonische M. und ihre Behandlung 495, 
667, 711. 

— Provokationsmethodik, Behandlung 43, 495, 
906. 

— Anwendung des Adrerialins bei M. 350. 

— Erfahrungen überM. bei Chininprophvlaktikern 
485. 

— Die sogen. Chiningewöhnung und die Chinin¬ 
ausscheidung im Urin bei der M. 783. 

— Relativ chiuinresistente M. im Kilikischen 
Taurus und Amaraus 496. ' 

— Chininwirkung bei M. tertiana 161. 

— Heilung der M. ohne Chinin 477. 

— Muskeleinspritzungen löslieher Cinchoninsalze 
bei schwerer M. 42. 

— Nukleininjektionen bei M. 1243. 

— Wirkung von Methylenblau bei M. 1240. 

— Behandlung der M. mit Darmkomplikationen 
927. 

— Hydrotherapie der M. 207. 

— Mechanischer Schutz 595. 

— Methylenblau bei M. quartana 973. 

— Behandlung der chronischen M. mit Röntgen¬ 
strahlen 1096. 

— Sajvarsanbehandlung ders. 806. 

Malariaparasiten, Chininfestigkeit ders. 162. 

— Umwandlung der M. oder Mischinfektionen? 
545. 

— Schnellfär^ung 186. 

Mallebrein 14. 

Malleolus externus, Plastischer Ersatz dess. 662. 

Malleus acutus, Neuer Fall von M. 354. 

Mammaextrakte, Wirkungsweise von M. fl68. 

Mangankolloid bei Augentripper 523. ’ 

Manie, Reaktive M. und Angst-M. 1052. I 

Manisch-depressive Anlage 661. 

— Körperliche Missempfindungen bei M. 258. 1 

Marine, Gesundheitszustand unserer M. im Kriege i 

500, 664. 

Masern, Verlauf der M. im Freien 399. j 

— Zahl der roten Blutkörperchen und der Hämo- j 

globingehalt des Blutes bei M. 233. ■ 

— Verhalten.der Blutplättchenzahl und der Blut- j 

gerinnung bei den M. 1194. j 

— Die relative M.-Immunität der Säuglinge an' 
der Brust 1194. 

Massage, Verfahren nach Cederschiöld 1191. 

Massenmörder 1221. 

Massenseele 429. 

Mastdarm, Behandlung schmerzhafter M.-Erkran- 
kungen mit Eukupin 1239. 

Mastdarmfistel, Heilung einer langdauernden M. 
durch Saugbehaodlung 521. 

— Operation ders. 834. 

— Operative Behandlung von M., die oberhalb 
des Sphinkter in den Darm münden 841. 

Mastdarmgoriorrhoe 1072. 

Mastdarmkrebs, Exstirpation hoehsitzender M. 790. 

— Riesiger M. 404. 

Mastdarmvorfall, hochgradiger 808. 

— 26 schwere M. 929. 

— Operation schwerer M. 789. 

— Behandlung des M. durch perianale Einlage¬ 
rung eines Gumniischlauehringes 67. 


j Mastdarm Vorfall, Radikaloperation dess. 758. 

Mastitis, Behandlung mit Eukupin und Vuzin 620, 
654, 714. 

— Doppelseitige M. bei*Grippe 689. 

Mastoidwunden, Therapie schlecht heilender M. 

768. 

Maximaldosen, Zur Frage der M. 424. 

Mechanotherapeutischer Universalapparat 376. 

Mediastinalgeschwülstc, Die in den hinteren Me- 
diastinalraum hineinragenden Geschwülste 18. 

Mediumistische Psychosen 873. 

i Medizin, gerichtliche, Lehrbuch 1142. 

| — der Griechen 934. • 

! Medizinische Forschung und Volk 80. 

; Medizinisches Studium, Zur Neuordnung des n>. 

| St und Priifungswesens 805. 

! Medizinalministerien 93. 

I Medizinal Verwaltung, Ziele und Leistungen der 
öffentlichen Gesundheitspflege und der M. 74. 

— Die Entwicklung der M. und der sozialen 
Hygiene bis zur Novemberumwälzung 74. 

Melanodermie, Eigenartige Form der M. 376. 

Melanosarkom der Orbita mit Spätmetastase 454. 

Melanose, Kriegs-M. 140. 

Melanurie,. Ueber M. und die Beeinflussung des 
Melanosarkoms durch R öntg enstrahlen 17. 

Melasseschlempe, Betainspaltung durch die Bak¬ 
terien des M.-Düngers Guanol S29. 

Meniere’scher Schwindel, Labyrinth ab tragung bei 
dems. 46. 

— — Diagnostisches und Therapeutisches 233. 

Meningitis Gehirnhautentzündung. 

Meningokokken, Züchtung und Biologie der M. 185. 

Menorrhagie, Pathogenese der M. und besonders 

der Metrorrhagien 570. 

Menschheit, Die Zukunft der M. 136. 

Menstruation, Beziehungen des Corpus luteum 
zur M. 235. 

— Einfluss der M. auf das Blutbild bei gesunden 
Individuen 210. 

-— Störungen ders. bei Lungentuberkulose 303. 

— Vorgänge in der Uterusschleimhaut während 
der M. 235. 

Menthol-Eukalyptol, Injektionen vonM. bei Lungen¬ 
gangrän 14. 

Mesenterialarterienembolie, Symptomatologie ders. 
164. 

Mesenterialdrüsen tuberkulöse 1051. 

Mesenterium, Isolierte perforierende Mesenterial¬ 
ruptur nach direkter stumpfer Gewalteinwir¬ 
kung 1072. 

Mesothor, Physik und Chemie des Radiums und 
M. für Mediziner 206. 

Messhahntrichter für die Säuregemischveraschung 
nach Neumann 1190. 

Metalle, Bakterizide Wirkung der M. in vivo 16. 

Meteorismus, Behandlung des M. und spastischer 
Zustände mit Kampfer 901. 

Methylalkoholvergiftung, Augenstörungen nach 
M. 995. 

— Reflektorische Pupillenstarre bei M. 1245. 

Methylenblau bei Eiterungen aus der Augenhöhle 

523. 

Methylgruppen, Die sterische Hinderung durch 
Kern-M. 709. 

rl-Methylornithin und ^-Methylarginin 429. 

Metreurynterschnitt, Die gegenwärtige Stellung 
des vaginalen Kaiserschnittes und des M. 126. 

Metritis, Ehe-M. 503. 

Metrorrhagien, Pathogenese der Meno- und M. 570. 

Migräne, Vorbeugungsbehandlung 614. 

— Seltenere Formen von Augen-M. 1218. - . 

Mikrobiologie, Lehrbuch 1118. 

Mikrobismus, LatenterM.,schlummernde Infektion, 
ruhende Infektion 865. 

Mikrofilarien, Demonstration lebender M. 1196. 

Mikrognathic, Kombination von M. und Trichter¬ 
brust beim Säugling 786. 

Mikrokokkus, catarrhalis, Fieberepidcmie durch 
dens. 782. 

— tetragenus albus als Erreger einer Meningitis 
cerebrospinalis 1241. 

Mikrophotographie dermatologischer Objekte 1122 

Mikrosporie, Epidemie mit eigenartigem Verhalten 

1122. 

— Das Auftreten der M. in Berlin und ihr Er¬ 
reger, eine neue Varietät des humanen Typus 


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UNiVERSITY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1270 


Mikrosporie, Epidemie in Luzern 1217. 

Miktionsanomalien bei Kriegsteilnehmern 834. 

Mikulicz'scho Krankheit 666, 1222. 

— — mit Erythema exsudativum multiforme und 
Eosinophilie 351.- 

Milben in don Fäzes des Menschen 974. 

Milch, Biologie der Kuh-M. 687. 

— Wirkungen von Frauen- und Kuh-M. auf glatte 
Muskulatur 423. 

— Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglings¬ 
nahrung geeignet? 1069. 

— Sanamelstelle für Frauen-M. 1167. - 

— Ernährungsstörungen bei fettreicher Frauen- 
M. 257. 

— Frauenmilehernährung aus der Brust und aus 
der Flasche 163. 

— Einfluss des Säuregrades der M. auf die Ge¬ 
schwindigkeit der Abtötung der Peroxydase 
durch Erhitzen 522. 

— Frauen-M. bei Säuglingen als Proteinkürper¬ 
therapie 1104. 

— Verwertung der sauren M. bei der Säuglings¬ 
ernährung 643. 

— Mutter-M. zur Kriegszeit 306. 

— Die M. als Vergleichseinhcit für die Nähr¬ 
wertkonzentration der Nahrungsmittel 1070. 

Milchinjektionen, Behandlung mit M. 1049. 

— Die myeloische Wirkung ders. 1&43. 

— Bedeutung des Kaseins in der Milchtherapie 
1095. 

— bei Augenleiden 887. 

— Behandlung der Ophthalmoblennorrhoe mit 
parenteralen M. 285. 

— bei Grippe 396. 

— bei Hautkrankheiten, bes. parasitären 184. 

— bei weichem Schanker 67. 

Milchkühe, Protest gegen die Ablieferung der 
150 000 M. an den Feind 1054. 

Milchsäure, Nachweis von M. im Magen 1215. 

Milchviehablieferung, Die Bedeutung der von der 
Entente geforderten M. für die Frisehmilch- 
versorgung der Bevölkerung, insbesondere der 
Säuglinge und Kinder 1108. 

Milchzucker, Bildung in der Milchdrüse 708. 

Miliarlipoid, Böckh’sches 662, 904. 

Miliartuberkulose, Isolierte M. der Leber bei 
Tuberkulose des Pankreas und der Vena 
lienalis 538. 

Militärsanitätswesen, Veröffentlichung auf dem 
Gebiete des M., Arbeiten aus den hygienisch¬ 
chemischen Untersuchungsstellen 13. 

Militärtauglichkeit, Beziehungen der M. zum Beruf 
188. 

Militärversorgung, Aenderung des Verfahrens in 
M.-Sachen 377. 

Milz,- Einfluss der M. auf den respiratorischen 
. Stoffwechsel 613. 

— Stieltorsion ders. 568. 

— Praxis der M.-Perkussion 305. 

Milzbestrahlung bei der Bekämpfung der Lungen¬ 
tuberkulose mittelst Röntgenstrahlen 544. 

Milzbrand, Feststellung des M. mittelst der Prä¬ 
zipitationsmethode 16. 

Milzbrandsepsis, Beziehungen der M. zur Laktation 
703. 

Milzdurchschuss, Autotransfusion nach M. 164. 

Milzexstirpation bei perniziöser Anämie 234, 957. 

— Indikation zur M. bei den Splenomegalien 1146. 

'Milzruptur bei Typhus abdominalis 1031. 

— Zwei Fälle von M. 18. 

— Traumatische M. bef Milztuberkulose. Pan¬ 
kreasruptur 930. 

— subkutane traumatische 809. 

Milzvergrösserung, Klinik und Pathologie 1099. 

Mineralstoffwechsel, Einfluss des M. auf den Ei- 

weissstoffwechsel 249. 

— Untersuchungen über den M. bei Fastenkuren 
1239. 

Mineralwässer, Die alkalisierende Wirkung einiger 
M. bzw. Salze auf die Reaktion des Harns 
bei Säuglingen 163. 

Missbildung, Eine menschliche M. (Dipygus para- 
siticus) 1169. 

Mitralinsuffizienz mit guter Funktion der rechten 
Kämmet 398. 

Mittelohr, Totalaufmeisselung vom Gehörgange 
aus 499. 

— Lues dess. 1054. 


Mittelohrentzündung nach Grippe 790. 

Modenol 1118. 

Möller-Barlow'sche Krankheit 479. 

Mörder, Ueber Massen-M. 1221. 

Mohn, Schwere, tödliche Blinddarmerkrankung 
durch Genuss von M. 305. 

Mohrrüben, Hautverfärbung nach M.-Genuss 660. 

Molken, M.-Austauschversuchg 712. 

! Mongolen fleck 1147. 

; Moorbäder, Einwirkung der M. von Bad Elster 
auf das Elektrokardiogramm 449. 

Moos als Verbandstoff 163. 

Moral insanity, Psychologie ders. 43. 

Moskitonetz, Zur Frage der ältesten Kunde vom 
M. 1219. 

Müll, Beseitigung dess. 349. 

Mumps, Polyneuritis und Meningitis nach M. 234. 

Multanin (Aluminium subtannicum) 640. 

Mundamöben und Zahnbeiag 68. 

Mundkrankheiten, Röntgenbehandlung beiMoeller- 
scher Glossitis und chronischer Gingivitis 880. 

Mundschleimblutungen bei hämorrhagischer Dia- 
these 451. 

Murphy knöpf, Ileus durch M. 548. 

— 15 l /2 Jahre im salzsäurehaltigen Mageninhalt 
gelegen 352. 

Muschelarbeiter, Die Knochenentzündung ders. 
1099. 

| Muskarin, Zur M.-Frage 829. 

! Muskel, Beziehungen des autonomen Nerven- 
! Systems zur quergestreiften Muskulatur 1057, 
1090. 

I — Chemischer Kreisprozess im arbeitenden M. 

und seine Beziehungen zur Gewebsatmung 522. 

I — Verbrennung dor Milchsäure in der Erholungs- 
I periode des M. 639. 

— Doppelte Innervation der quergestreiften M. 
1221. 

! — Einfluss der H-lonenkonzentration und der 
I Phosphorhäure auf Erregbarkeit und Leistungs- 
| fähigkeit der M. 639. 

: — Dauer der postmortalen M.-Erregbarkeit 302. 

! — Neue Methode zur Prüfung der faradischen 
Erregbarkeit gelähmter M. 1194. 

— Bedeutung der Phosphorsäure für die M.- 
Tätigkeit 911. 

: — Die Atmung der Ffosch-M. 639. 

; — Das elektrische Verhalten von M. nach Durch¬ 
trennung der dazugehörigen Nerven 928. 

— Thermodynamik des M. 521. 

— Die Kriegserkrankungen der quergestreifte^ 
M. 657. 

I — Röntgenologischer Nachweis von M.-Verände- 
! rungen, die durch Gasödembazillen hervor¬ 
gerufen sind 75S. 

— biceps brach», Ersatz des gelähmten M. durch 
den Pectoralis rnajor 18. 

— — — Subkutane Ruptur dess. 1195. 

. — iliopsoas, Lähmung dess. 928. 

! Muskelatrophie, Zur Lehre der.M. 882. 
i endogene 399. 

[ — Ungewöhnliche familiäre M. 1197. 

— Kombinierte Erkrankung von M. 667. 

— neurale progressive 1120. 

Muskeldystrophie, inyotone 233. 

Muskelentzündung,'progressive ossifizierende 1221. 

Muskelkontraktion 708. 

Muskelkontrakturen, ischämische 1098. 

— myokymisehe 1194. 

— Tonische M. bei Schussverlctzungen peripherer 
Nerven 233. 

Muskelmotor, Theorie dess. 709. 

Muskelreflox, Pathologischer M. (Proximatorreflex) 
473. 

Muskelregeneration, quergestreifte Muskeln be¬ 
treffend 781. 

■ Muskelrheumatismus, Problem dess. 711. 

— Eosinophilie des Blutes bei M. 398. 

— auf Grund eigener Beobachtungen und Unter¬ 
suchungen dargestellt 112. 

Muskelrigor als postmortale Erscheinung bei Epi¬ 
lepsie 855. 

Muskelrisse, Subkutane M. und Sehnenrisse und 
ihre Beurteilung 500, 619. 

Muskelstarre und Muskelspannung 115, 903. 

— Wirkung des Novokains auf den normalen 
und tetanusstarren Skelettmuskel und über die 
Entstehung der lokalen M. beim'Tetanus 973. 


! Muskeltonus und Muskelkontraktur beim Menschen 
- 521. 

Muskeltransplantation 786, 1145. 

Muskelturnen und Messungen'1120. 

• Muskelzuckung, Anpassung der M. an den Nerven¬ 
reiz 496. 

Mutaflor, Behandlung infektiöser Darmerkran¬ 
kungen mit M. 396, 736. 

Mutterschutz und Schwangerenfürsorge 87, 1100. 
Myasthenia gravis mit Autopsie 473. 

— — pseudoparalytica in Kombination mit er¬ 
heblichen Stoffwechselstörungen endokriner 
Genese 282. 

Mycosis fungoides mit Tumorbildung innerer Or¬ 
gane 758. 

Myelitis, Aszendierende M. oder Hysterie? 1193. 

— nach Grfppe 660. 

Myelose, Diagnose der aleukämischen M. 1167. 

| Myoklonusepilepsie, Eigentümlichkeiten einer M. 
116. 

Myokymisehe Kontraktur 1194. 

Myom, Konservative Operationen 858. 

— Bestrahlung der M. und Metropathien in der 
Marburger Frauenklinik 544. 

, Myopie, Ursache der M. 179, 419, 420. 

; — Anatomischer Befund bei angeborener M. 810. 

— M.-Augen mit dicker Sklera 663. 

I — Künstlich erzeugte M. bei Affen 905. 

— Dehiszenz der Sklera bei hoher M. 285. * 

— und Glaukom 663. 

— bei Affen 663. 

Myositis ossificans progressiva 1221. 

Myotomie am Vorderarm bei Fingerkontraktur 29. 
Myotonia atrophica 358, 405. 

-mit auffälliger Gibbusbildung 473. 

Myxödem 231. 

— forme fruste 479. 

— Das M.-IIerz 16, 711. 
s — Klimax und M. 663. 

Myxofibrom des Samenstrangs 284. 


N. 

Nabeldiphtherie des Neugeborenen 233, 797. 

Nabelhernien, Technik der Operation grosser N. 
238, 406. 

— Störung des Geburtsverlaufes durch N. der 
Frucht 209. 

Nabelschmerz, Der periodische N. (Colica appen- 
dicularis) der Kinder 283. 

Naheischnurbruch, Vereinfachte Operation bei N. 
der Säuglinge 808. 

Nachgeburtsblutungen, 'Uterustamponade nach 
atonischen N. 570. 

Nachruf auf Emil Fischer 958. 

— auf Franz Goldammer 310. 

— auf Ernst Haeckel 790. 

— auf Franz Nissl 1006. 

— auf Hermann Oppenheim 669. 

— auf Franz Roehinann 956. 

— auf Theodor ToeplRz 956. 

Nährboden, Verwendbarkeit des Gaunerischen 
Dreifarbennährbodens bei der bakteriologi¬ 
schen Typhus- und Ruhrdiagndse 1143. 

—. Ein Differential-N. für Typhus-, Coli- wie 
auch für die Dysenteriebazillengruppe 397. 

Nährwert 830. 

Naevus der Mund- und Rachenschleimhaut 3-0 

— Beziehungen zwischen Haut-N. und Nerven¬ 
leiden 473. x 

Nagel, Angeborene N.-Anomalien 376, 710. 

— Kasuistik seltener N.Erkrankungen 209. 

— Schonende Methode der Entfernung S06. 

Nagelextension, direkte 547. 

— Erweiterung der Indikation der N. 66. 

Nagelimitation bei der Daumen- und Fingcr- 

plastik 352. 

Nahrung, Bedeutung des Säuregehaltes der N. 
auf den Eiweissbedarf 253. 

— Einfluss der Art der N. auf das Wohlbefinden, 
Lebensdauer, Fortpflauzungsfähigkeit 756. 

— Reaktion des Organismus auf Veränderungen 
der N.-Zufuhr 1030. 

— Die Demineralisation der N. als Ursache zur¬ 
zeit endemisch auftretender Waehstums- 
störungen und Stoffwechselkrankheiten 1165. 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 



1280 __ 

Nahrungsmittel, Deutschlands Einfuhrbcdarf an 
N. 398. 

- Taschenbuch für praktische Untersuchungen 
der wichtigsten N. und Genussmittcl 1118. 

— Verdaulichkeit uoserer N. 293. 

Nahrungsstoffe, Organische N. mit spezifischer 

Wirkung 114. 

Naht, apodaktyle 65. 

— Frühzeitige Sekundär-N. nach Schussver¬ 
letzungen und Gasphlegmonen 164. 

— Plastische N. kreuzförmiger Wunden 117. 

Nanosomia vera 547, 881. 

Narbenepitheliom an Stirn, geheilt durch Meso¬ 
thorium 140. 

Narbengeschwüre, Behandlung schlecht heilender 
N. 1143. 

Narbenkeloid, Zur Genese des N. mit neuen An¬ 
schauungen 245. 

Narkophin, Laudanon, Mannit-Skopolamin und 
Pantopon-Ätropinschwcfclsäure 236. 

Narkose, Theorie der N. 423, 448, 449,- 647, 901. 

— Theorie der N.; Einfluss der Temperatur auf 
die N. von Muskeln und Nerven 449. 

— lieber verschiedene N.-Verfahren 644. 

— Monographien aus dem Gosara tgebiet der 
Physiologie der Pflanzen und der Tiere 1094. 

— Fettgehalt des Blutes bei der N. 422. 

— Allgemein-N. und Lokalanästhesie in gcrichts- 
• ärztlicher Beziehung 692, 838. 

— Ueber Chloräthyl-N. 18. 

— Die Suggestiv-N. 929, 1097. 

Narkosedämpfe, Beseitigung der N. aus dem Ope¬ 
rationssaal 117. 

Narkotika, Einfluss der Temperatur auf Wir¬ 
kungsstärke und Oberflächenaktivität der N. 
1.60. 

— Einfluss der Temperatur auf die Adsorbierbar¬ 
keit, das Kolloidfällungsverraögen und die 
Wirkungsstärke einiger N. 448. 

Nasendiphtherie und Grippeepidemie 397. 

Nasenhöhle, Prognose der Karzinome der N. 235. 

Nasennebenhöhlen, Schussverletzungen der N. 
188. 

Nasenplastik 381, 953, 1223. 

— und Augenplastik 381, 953, 1070. 

— Gesichtsplastik mit bes. Berücksichtigung der 
N. 166. 

Nasenspitze, Ersatz der N. mit ungestieltem 
Hautlappen 784. 

Nasensteckschüsse und Nebenhöhlensteckschüsse 
451. 

Natrium-Morrhuat bei Tuberkulose 424. 

Nebenhöhlen, Chronisch entzündliche Vorgänge 
in den N. 812. 

Nebenniero, Chemische 1 Biologie der N., Hypo¬ 
physe und Thyreoidea 783. 

— Die N. bei Wundinfektionskrankheiten 185. 

— Ganglioneurom ders. 881. 

Nebennierengeschwulst und Geschlechtsdrüsen¬ 
ausfall beim Manne 776. 

Nebennierenpräparate, Wirksamkeitsunterschied 
zwischen N. verschiedener Herkunft 523. 

Nekrose, Die Verschüttungs-N. ganzer Extremi¬ 
täten und andere Formen der chirurgischen 
N. und Gangrän 836. 

Neoicbthargan 184. 

Neologismen bei Geisteskranken 975. 

Neosalvarsan s. Salvarsan. 

Neotannyl (Aluminium acetico-tannicum) 204. 

Nephrektomie, Mortalität und Resultate der N. 
548. 

— Erfolgreiche rechtsseitige N. bei insuffizienter 
linker Niere 217. 

— und Behandlung der erkrankten anderen Niere 
258. 

— Eiweisszerfall beim nephrektomierten Hunde 
425. 

Nephropathien, Chronische N. vom prophylakti¬ 
schen Standpunkt 449. 

Nephrose, Zur Frage der N. 185. 

— Pathologie und Klinik der N., Nephritiden 
und Schrumpfnieren 972. 

— Ueber N., besonders die Schwangerschafts-N. 
1100. 

Nernstspaltlampe, Klinische Beobachtungen mit 
der N. und dem Hornhautmikroskop 593. 

Nerven, Elektrische Reizungen an freigelegten 
menschlichen N. 351, 645, 928. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

| Nerven, Die elektrische N.-Erregbarkeit im Kindes¬ 
alter 163, 

-«# Das elektrische Verhalten motorischer N. 
während der Regeneration 928. 

— Säure als Ursache der N.-Uebererregbarkeit, 
ein Beitrag zur Lehre von der Azidose 137. 

— Fettschwund der N. 932. 

— Operation der peripheren N. 1071. 

— Kriegsverletzungen der peripheren N. 718, 
1098. 

— Tonische Kontrakturen bei Schussverletzungen 
der peripheren N., speziell des Ulnaris und 
Medianus 233. 

— Frühoperation der N.-Durchtrennung 953. 

— Grobanatomische Befunde bei N.-Operationen 
385, 645. 

— Leistungsfähigkeit der N. und Sehnenüber¬ 
pflanzungen nach Kriegsverletzungen 548. 

— 1000 Fälle von Verletzungen peripherer N. 
208. 

— cochlearis, Vorübergehende N. c.-Ausschaltung 
durch Hirntumor 786. 

— cruralis, Neuritis dess. und ihre Kombination 
mit Ischias 1193. 

— — Ein neues Schenkelnervsymptom, nebst 
Bemerkungen zurDiagnostik der Schenkelnerv- 
erkrankungen 232. 

— facialis s. Fazialislähmung. 

— hypoglossus, Isolierte Verletzung dess. durch 
Schuss 378. 

— median us, Schussverletzungen dess. 1215. 

— — Lähmung dess. nach paravenüser Neo- 
' salvarsaninjektion 609. 

— oculomotorius, Periodisch exazerbierende Läh¬ 
mung 427. 

■*— opticus, Tumor dess. 95. 

— phrenicus, Linksseitige Lähmung dess. 379. 

-Phrenikotomie bei Hämoptoe und ein¬ 
seitiger Lungentuberkulose 161. 

— radialis, Lähmung 878, 1005. 

— — Neuritische Lähmung nach extravenöser 
Neosalvarsaninjektion 737. 

— — Traumatische Lähmung des Radialis pro- 
fundus mit psychogener Sensibilitätsstörung 
1052. 

— — Die Sehnentransplantation bei der Lähmung 
dess. 450, 785, 833, 1026. 

-Zur Perthes’schen Sehnenverpflanzung bei 

der Lähmung des N. r. 1216. 

— recurrens, Phonetische Behandlung bei ein¬ 
seitiger Lähmung 835. 

--Linksseitige Lähmung 976. 

— — Lähmung durch oberflächlichen Schuss 
' 378. 

— spinalis, Symptomatologie der 7. und 8. mo¬ 
torischen Dorsalwurzel 351. 

— splanchnicus, Anästhesierung dess. 66. 

— sympathicus, Ueber Schädigung dess. bei 
Hals- und Brustschüssen 54. 

— — Die Pathologie dess. bei Grippe 1208. 

— trigeminus, Behandlung mitTrichloräthylen65. 

— — Exstirpation des Ganglion Gasseri bei 
schwerer Neuralgie 1076. 

— — Operative Behandlung einer schweren 
Neuralgie nach intrakranieller Schussver¬ 
letzung des Trigeminus 66. 

— vagus, Der Vagusdruckversuch und seine Be¬ 
deutung für die Herzfunktion 1242. 

Nervenausschaitung, Langdauernde N. für chir¬ 
urgische Zwecke 568. 

Nervenkrankheiten, Organische N. nach Grippe 
719. 

— Die zukünftige Begutachtung traumatischer N. 
645. 

— Organische, nichttraumatische N. 427. 

Nervenlähmungen, Wirkung von Ilcterovakzine 

auf N. 712. 

Nervennaht, Heilerfolge ders. 395. 

— und Nahtstoffe 1168. 

— Haltbarkeit von N. und -Narben 428. 

— Bedeutung von Nervenverlagerung und Gelenk¬ 
stellung für die primäre N. 1120. 

Nervenpfropfung bei Poliomyelitis 741. 

Nervensekussverietzungen, Chirurgische Behand¬ 
lung 875, 897. 

— Spontanheilung 1096. 

— Kontrakturformen nach N. 400. 

Nervenstümpfe, Funktionsprüfung der N. 18. 


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Nervensystem, Kriegsschäden dess. und ihre 
Folgeerscheinungen 805. 

— Beziehungen des autonomen N. zur «juer 
gestreiften Muskulatur 1057, 1090. 

— Beziehungen des vegetativen N. «ur inneren 
Medizin 832. 

Ncrventransplantation, Die freie Transplantation 
der peripheren N. bei Nervendefekten 691, 
1098, 1168. 

Nervenumscheidung mit frei transplantierten Haut- 
zylindern 164, 352, 450. 

Nervenverletzung, Die Pathogenese dertrophischen 
Gewebsschäden nach der N. 809. 

— Taschenbuch zur Untersuchung vonN., Nerven- 
und Geisteskrankheiten 492. 

Nervenzelle, Biologie und Leistung der N. 643. 
Nervöse Erkrankungen nach Eisenbahnunfällen 
879. 

— und psychische Störungen im Kindesalter 449. 

— Zentralorgane, Stoffwechsel ders. 41. 

-Umsatz .von Fettsubstanzen in dens. 658. 

— Zustände, Objektivierung ders. 692. 

Netz, Hernia bursae omentaiis cum prolapsu 1099. 

— Resektion des grossen N. 208. 

Netzhaut, Hat das lebende N.-Zentrum eine gelbe 
Farbe? 45. 

l — Lochbildung im gelben Fleck der N. als 
Kriegsverletzung 498. 

— Histologische Untersuchung der Sternfigur der 
Makula bei Stauungspapille anGefrierschnitbcn 
499. 

— Der Wettstreit der Konturen 594. 

— Ablösung ders. 213, 307, 1073. 

— Ablösung in der. Schwangerschaft 498. 

— Die Unfallfrage bei der N.-Ablösung 1028. 

— Der blinde Fleck 594. 

— Degeneration der Makula 887. 

— Makulablutungen der Mutter während und 
! unmittelbar nach der Geburt 858. 

— Vierjähriges reaktionsloses Verweilen eines 
j Niekel-Kupfersplitters in der N. 1029. 

I — Bestrahlungstherapie bei doppelseitigem Gliom 
j der N. 307. 

i — Einseitige Papilloretinitis mit grosser Stern 
| figur und Ringskotom bei Sklerose 102S. 

! — Periphere Rtogskotome 1028. 

— Erkrankungen der N. und des Schneryen 
j durch Arsenikvergiftung 594. 

! — Beziehungen der Retinitis punctata albescens 
zur sog. tröpfchenförmigen Aderhautentzün- 
| düng 760. 

! — Retinitis exsudativa, Pathologische Anatomie 
ders. 498. 

— Pseudonephritische Neuroretinitis 906. 
Netzhautarterie, Arteriosklerotische Veränderung 

der beiderseitigen Zentralarterien und ihrer 
retinalen Aeste 307. 

j — Embolie der Art. centralis retinae, opbthalmo- 
l skopisches Bild im rotfreien Licht 760. 

! — Heilbarkeit der Verstopfung der Art. centr. 

retinae durch Embolie 1218. 

Neugeborene, Künstliche Ernährung ders. 737. 

— Einfluss der Kriegskost auf die Geburtsmaasse 
der N. 236. 

— Das Gewicht des N. und die Ernährung der 
Mutter 643. 

— Die biologische Einstellung des N. auf die 
Eiweisskörper des Brustdrüsensekrets 593. 

— Initialer Wärraeverlust bei N. 690. 

— Temperatursteigerungen bei N. im Lichte der 
serologischen Forschung 382, 593. 

— Physiologische Gewichtsabnahme und transi¬ 
torisches Fieber beLN. 1005. 

Neuralgien, Heilwirkung des galvanischen Stromes 
bei N. 903. 

— Quincke’sche Theorie der N. 1052, 1075. 
Neurasthenie, Otologischer Beitrag zur objektiven 

Begründung neurasthenischer und verwandter 
Zustände 932. 

Neuritis, Behandlung der Sohuss-N. durch lang- 
.j dauernde Nervenausschaitung mittels Durch- 
frierung des Nerven 117. 

— Die Degenerations- und Regenerationsvorgänge 
| bei der sog. Reis-Neuritis der Vögel 1192. 

j — Brachial-N. 784. 

; — nervi cruralis und ihre Kombination mit 
| Ischias 1193. 

I— retrobulbaris bei Kriegsteilnehmern 811. 


Original frorri 

UNIVERSUM OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Neuritis retrobularis und Erkrankungen der Nasen¬ 
nebenhöhlen 212. 

Neurologie, Handbuch der N. 1094. 

— Monographien aus dem Gesaratgebiet der N. 
und Psychiatrie 181. 

— Mitteilungen 474, 547. 

Neurorezidive nach reiner Salvarsan- und Silber- 
salvarsanbehandlung 1099. 

Neurosen, Prinzipieller Versuch zur N.-Lehre 643. 

— Die Schreck-N. des Kindesalters 447. 

— der Respirations- und Verdauungsorgane 1214. 

— vasomotorisch-trophische 784. 

— Thyreoidismus und Morbus Basedowii als eine 
Form der traumatischen N. 974. N 

— Fall von traumatischer.N. vor 100 Jahren 753. 

— Abfindung von Unfalls-N. 232. 

— Rentenkampf-N. 255. 

— Kriegs-N. und Psychogenie 496. 

— Behandlung der Kriegs-N. 546, 617, 712. 

— Die ambulante Behandlung der Kriegsneuro¬ 
tiker in Ambulantenstationen für Nerven¬ 
kranke 1193. 

— Epikritisches zur Einteilung und Beurteilung 
der Kriegs-N. 958. 

— Klinisches und Theoretisches zur sog. Kriegs- 
N. 65. 

— Elektropsychische Behandlung der Kriegs-N. 
1052. 

— Enheitlicher Begutachtungsplan für Kriegs¬ 
und Unfall-N. 856. 

— Das Kriegsende und die N.-Frage 643, 738. 

— Fürsorge für Hirnverletzte und Kriegs-N. 91. 

Niere, Die arteriellen Zuflüsse der Kapillaren in 

der N.-Rinde des Menschen 213. 

— Die sogenannte Reservekraft der N. 569. 

— Wasserausscheidung durch die N. und der 
Wasserhaushalt des Körpers 213. 

— Pigraentzellen in der N. und im Urin 1242. 

— Das Retentionsvermögen der N. für Glukose 
830. 

— Röntgenuntersuchung ders. 189. 

— Pneumoperitoneale Röntgendiagnostik der N. 

201 . 

— N.-Schädigungen ohne Eiweiss 498. 

— Veränderungen bei Grippe 649. 

— Veränderungen der N. bei Ruhr 129. 

— Die Stadien der Subliraat-N. beim Menschen 
397. 

— Pathogenese der neprotischenSchrumpf-N. 902. 

— Das Tasten der Hufeisen-N. 17. 

—r Diagnostik und Operation einer pyonephroti- 
schen Hufeisen-N. 845. 

— Die Wander-N. und ihre Behandlung mit 
Heilgymnastik 928. 

Nierenadynamie, Akute funktionelle N. — akute 
albuminurische Nierenentzündung? 281. 

Nierenblutungen im anphylaktischen Shock nach 
Tetanusserumeinspritzungen 400. 

Nierenchirurgie 209. 

Nierenechinokokken 45. 

Nierenentzündung, akute eiweissfreic 231. 

— Ambard’s Gesetz zur Diagnose der Bright- 
schen Krankheit 808. 

— Frische Glomerulonephritis 881. 

—- Diagnostik der N. ira Kindesalter 139, 207. 

— - Pathologie der akuten N. 426. 

— Digitalisindikation bei akuter Gloraerulo- 
Nephritis 304. 

— Ein hämolytisches Phänomen des Harns bei 
chronischer N. 1159. 

— Pathologie und Klinik der Nephrosen, Ne¬ 
phritiden und Schrumpfnieren 972. 

— Sogenannte postoperative N. 451. 

— Nephritis colica? 684. 

— Ueber geheilte N., zugleich Beitrag zur ortho- 
tischen Albuminurie 495. 

— Selbstheilung einer in der Gravidität ent¬ 
standenen N. durch Entstehung einer Aorten¬ 
insuffizienz 883. 

— Behandlung der Bright’schen N. im akuten 
Stadium 880. 

— Operative Behandlung der akuten N. 884, 

1010 . 

— Chirurgie ders. in Krieg und Frieden 1121. 

— Ausgangs weisen der Kri§gs-N. 350. 

— Ueber die Feld-N. 808. 

— Behandlung der Kriegs-N. 116. 

— Blutdruckkurve der Kriegs-N. 495. 


Nierenentzündung im Feldlazarett 304. 

— Influenza-N. und Kriegs-N. 56. 

— Hautveränderungen bei N. 137. 

— Verhalten von Herz- und Gefässsystein bei 
der akuten diffusen Glomerulo-N. der Kriegs¬ 
teilnehmer 64. 

Nierenfisteln 1063. 

Nierenfunktionsprüfung bei diabetischen und post¬ 
diabetischen Nierenerkrankungen 1037. 

— Die spezifische Diurese Pollitzer’s als Methode 
zur N. im Kindesalter 234. 

Nierengeschwülsto, Maligne Geschwulst der Niere 
mit Papillom- und Zottenkrebsbildung des 
uropoetischen Apparates 881. 

— N. und Nebennierengeschwulst mit Aenderung 
der Geschlechtscharaktere 884. 

Nierenhemmungsbildungen, Klinische Chirurgie 
ders. 623. 

Nierenkranke, Einfluss der Diät auf Blutdruck 
und Eiweissausscheidung von N. 711. 

— Gehalt des Blutserums und der Zerebrospinal¬ 
flüssigkeit an ReststickstofF bei N. 105. 

— Einige Fehlerquellen bei Untersuchungen von 
N.- und Stoffwechselkranken 305. 

— Soldaten, Aerztliche Versorgung auf der 
Nierenstation eines Reservelazaretts 376. 

Nierenkrankheiten, Behandlung ders. 326, 396. 

— und ihre Benennung 1029. 

— Einteilung der kindlichen N. nach dem System 
yon Volhardt-Fahr 497. 

— und die Pathogenese ihrer Symptome 186. 

— Nephrosklerose 902. 

— Beurteilung der Simulation organischer N. 284. 

Nierenoperation, Der lumbo-abdominale Schräg¬ 
schnitt bei N. 907. 

Nierenschädigungen, Ueber Erythrozytenbefunde 
im Harn bei Minimalläsionen der Nieren 281. 

Nierenstein, Diagnostik der N. und Uretersteine 
975. 

— Die Ursachen der Steinbildung in den Nieren 
nach Wirbelsäulenverletzung 1129, 1148. 

— Neues zur Röntgendiagnose der N. 357. 

— Röntgendiagnose eines grossen N. von ab¬ 
normer Lage und Form 1072. 

Nierentuberkuloso, Diagnose und Operation 691. 

— Operative Heilung der rechten tuberkulösen 
Niere bei Nephritis der linken 404, 666. 

— Fall von N. und Blasentuberkulose durch 
Friedmann’s Heilmittel geheilt 608. 

— Entfernung grosser tuberkulöser N.-Geschwülste 
6i8. 

Nierenverletzungen, Demonstration von Bildern 
907. 

Nierenzyste, solitäre 691. 

— Blutzysten der Niere 857. 

Nikotin, Quantitative Bestimmung des N. auf bio¬ 
logischem Wege 523. 

— Ueber N.-Gehalt im Rauche schwerer, leichter 
und nikotinfreier Zigarren 183. 

— Vergiftung 305. 

Nikotinsäurederivate, Guvacin und Isoguvacin 421. 

Ninhydrinreaktion, Fehlerquellen der N. 687. 

Nirvanol, Erfahrungen über N. 186, 231, 424, 
470, 495, 1191. 

Nissl, Franz, Nachruf auf 1006. 

Nitrobenzol Vergiftung im Felde 1119. 

Novokain, Intoxikationserscheinungen nach N.- 
Lokalanästhesie 784. 

Nuklein, Injektionen von N. bei Malaria 1243. 

— Studien über N.-Wirkung 1167. 

Nukleinsäure, Ein. optisch inaktives Natriumsalz 

der N. 614. 

— Pyrrolreaktion der echten N. 422. 

Nukleinstoffwechsel, Experimentelles über N. 447. 

Nystagmus, latenter 906. 

— Positiver Aspirations-N. bei intaktem Trommel¬ 
fell 1053. 

— Einfluss der Vestibularisreaktion auf einen 
nicht labyrinthogonen Spontan-N. 713. 


o. 

Obdachlosenasyle, Herbergen, Ledigenheime,Volks¬ 
küchen und Wärmehallen 374. 

Oberarm, Streokverband für den 0. 352. 

— Röntgenphotographie eines Processus supra- 
condyloideus bzw. endepicoudyloideus 1077. 


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Gck igle 


1281 


Oberarm, Die Trambahnfraktur dos 0. 1231. 

| — Kunstarm für 0. 919. 

I Oberkiefer, Adamantinom dess. 953. 

J Oberkieferhöhle, Radikaloperation 978. 

| Oberiippendefekte, Plastischer Ersatz grosser und 
besAders totaler 0. 44. ■ 
j Oberschenkelfrakturen, Behandlung ders. 399. 

' — Nachbehandlung ders. 306. 

I — Schiene zur Behandlung 352, 975. 

— doppelseitige 929. 

— spontane bei Jugendlichen 1144. 

— Entstehung unerwünschter Innenrotation des 
Fusses bei 0. 44. 

— Nekrose der Zehen, ischämische Muskelkon¬ 
traktur und bleibende Lähmung aller Unter¬ 
schenkelnerven bei zu festem Verband bei 0. 
1076. 

Oberschenkelamputation, Versorgung Doppelt-O. 
357, 1168. 

— Zur Orientierung des Kunstbeins für 0. 833. 

— Der Sitzstock bei doppelseitiger 0. 1026. 

— Ueber das Reiten der O.-Amputierten 929. 
Oberschenkelprothesen, Neue Konstruktiönsprin- 

zipien 1120. 

— willkürlich bewegliche 0. 357. 
Oberschenkelschussfrakturen, Behandlung ders. 

356. 

— Die Exspektativoxtension der 0. mit der 
Klammer 257. 

— Behandlung difforra geheilter 0. 207. 

— Schienen 258. 

Oberschenkel stumpf, Muskelphysiologie des 0. und 
ihre Beziehung zum Prothesenbau 14. 
Obstipation bei Ulcus ventriculi 952. 

— Klinik und Röntgenologie bei chronischer 
habitueller 0. 1004. 

Ochronose 427. 

Oedem, angioneurotisches 496. 

— Regionäres Oe. der Haut bei Abdominalerkran- 
kungen 1242. 

— Extrarenale Ausscheidung kardialer Oe. 1167. 

— Familiäres angioneurotisches Oe. kompliziert 
mit Tetanie 474. 

— Brustwand-Oe. als Symptom schwerer Lungen¬ 
entzündung 953. 

— Biologische Kenntnis des Oe.-Giftes 711. 

— Ursachen des Quincke’schen Oe. 1070. 

— Merkwürdiger Fall von Quinoke’schejn Oe. 16. 

— Kriegs-Oe. und Ruhr 660. 

>— Kriögs-Oe. und.endokrine Hodenfunktion 139. 

— Pathologie der Oe.-Erkrankungen 767, 787. 

— Symptomatologie der Oe.-Krankheit 883. 

— Die Oe.-Krankheit in den Gefangenenlagern 
927. 

Oesophagokardiographie 832. 

Oesophagoplastik, totale 165, 166, 450, 644, 660, 
662. 

— Anatomisches Präparat einer totalen Oe. 660. 

— Antethorakale Oe. mittels Haut-Darmschlauch- 
bildung 308, 352, 548, 644. 

Oesophagus, Antethorakaler Ersatz bei den im¬ 
permeablen Strikturen 1145. 

— Uebersehen von Röntgenbefunden des Oe. und 
seine Vermeidung 306. 

— Fall von Oe.-Dilatation 189. 

— Diffuse Speiseröhrenerweiterung durch chro¬ 
nischen Kardiospasmus 1051. 

— SondenbehandlungbeifrischenOe.-Verätzungcn 
184. 

— Fremdkörper dess. 764, 976, 977, 1076. 

— Fremdkörpereinkeilung 306. 

— Oesophagotomie oder Extraktion mittels des 
Oesophagoskops bei eingekeilten Fremdkörpern 
in dem Oe. 44. 

— Einkeilung und unlösbare Verankerung eines 
künstlichen Gebisses in der Speiseröhre mit 

. letalem Ausgang 931. 

| — Entfernung von Fremdkörpern des Oe. vom 
j eröffneten Magen aus 283. 

— Zwei Fremdkörper des Oe. mit spontaner Per- 
'■ foration der Trachea und Aorta 299. 

— Epiphrenalcs Oe.-Divertikel 1198. 

— Peptischcs Oe.-Geschwür 691. 

— Klinisch geheilter Fall von Oe.-Karzinom 470. 
Ohr, Funktionelle Prüfung des 0. für den prak- 

i tischen Arzt 862. 

! — Blutungen aus dem 0. und den oberen Luft- 
I wegen infolge vasomotorischer Störungen 760. 


Original fmm 

UMIVERSITY OF IOWA 



1282 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


<dir, Apoplektiform auftretende Ertaubung bei 
11 jährigem Knaben 010. 

— Defekt in der Promontorialgegend 909. 

— Gonokokkonotilis bei Säuglingen 1097. 

— Entfernung einer Schrapnellfüllkugel aus dem 

inneren Gehörgang 452. * 

— Chirurgische Behandlung der O.-Schüsse 976, 
1174. 

— Umfangreicher Krebs am linken 0., Operation 
1053. 

— Selbstbesehädigungen am Gehörorgan 954. 

— Otogene Pyämie und Sepsis 1147. 
Ohrenärztliche Untersuchung, Wort ders. fiir die 

Zwecke der Unfallversicherung 761.* 
Ohrenheilkunde, Klinische Beiträge 1238. 

— Praktische 0. für Aerzte 159. 

— Lehrbuch der 0., Nasen- und Kehlkopfkrank¬ 
heiten 374. 

Ohrmassagoapparat 786. 

Ohr-Lidschlagreflex in ohrpathologischen Fällen 
760, 973. 

Okulomotoriuslähmung, periodisch exazerbierende 
427. 

Oligodynamisch wirkende Substanzen, Fernwir¬ 
kung ders. 1119. 

Operation unter peripherem Ueberdruck 784. 
Ophthalmie, sympathische 212, 355, 401. 
Ophthalmoblennorrhoe, Abortive Chemotherapie 
akuter 0. 206, 614. 

— Behandlung der 0. mit parenteralen Milch¬ 
injektionen 285. 

Ophthalmoskopie in weissem und farbigem Lichte 
45. 

— Technik der 0. im rotfreiem Licht 811. 
Ophthalmornyiasis 1147. 

Ophthalmus pulsans 863. 

Opium, Pantopon, Laudanon, Narkophin, Kriti¬ 
sches Referat 231. 

— Einfluss des Morphingehaltes von O.-Präpa- 
raten auf ihre stopfende Wirkung 1191. 

Oppenheim, Hermann, Nachruf auf 669. 
Optochin, Sehstörungen nach 0. 307. 

— Augenhintergrund bei 0.-Vergiftung 887. 

— Pathologische Anatomie der O.-Amaurose 137. 
Organsubstanzen mit spezifischer Wirkung 1095. 
Orthodiagraphie, Wert der Zahlen in der 0. 782. 
Orthoform, Verwendung dess. in der Psychiatrie 

1084. 


Osteomyelitis, Zwei geheilte Fälle von 0. der 
platten Schädelknoehen 379. 

Stirn- und Kieferhöhlonoiterung mit 0. 381. 

— Pyämische 0. der Beckenschaufel nach Kana¬ 
ri ti um 47. 

— acuta purulenta des 4. Halswirbels 208. 
Osteopathien infolge Kriegsnährschäden 496. 
Osteoperiostitis des Stirnbeins nach Grippe 281. 
Osteopsathyrosis, Ernährungstherapie bei 0. 305, 

310. 

— infantilis, Pathogenese ders. 474. 

— mit Spontanfrakturen der Mittelhandkrmchen 
712. 

Ostitis fibrosa, generalisierte 355. 

— deformans des Hundes 765. 

— — beim Pferd 766. 

Otalgan 806. 

Otitis, Grippe-O. in der Epidemie 1918 594. 
Otologische Fehldiagnose, seltene 188. 
Otosklerose, Symptomatologie und Aetiologie 307. 
Ovaradentriferrin 806. 

Ovulation und Implantation und die Funktion 
der Tube beim Menschen 235. 

Oxycholesterin, Zur Kenntnis dess. 926. 
Oxydation, Biochemie ders. 708. 

/LOxydation, Neue Beispiele von ß 0. im Tier¬ 
körper 493. 

Oxyuriasis 640. 

Ozaena 523, 594, 764. 

— in den Basier Volksschulen 594/ 

— Histologisches 835. 

— und Parozaena 187. 

— Therapie der genuinen 0. 307. 

— Behandlung mit Eukupin 375. 

— Drei operierte Fälle 812. 

— Neue biologische Behandlungsmethode der 0. 

212. i 

— Operatives Verfahren bei vorgeschrittener 0.46. i 

— Operative Behandlung nach Wittmaack 931. , 


P. 

Pachymeningitis, Atypische Fälle von P. externa 
594. 

— haemorrhagica interna bei Lues congenita 
952. 


Orthopädie, Vademekum der speziellen Chirurgie 
und 0. 658. 

Orthopädie-Mechaniker, Lohnfrage im O.-Gewerbe 
645. 

Orthopädische Versorgung der Deformitäten nach 
Schussfrakturen der unteren Extremität 474. 

Os cuneiforme, Der Cuneiformeschrnerz 1168. 

— naviculare pedis, Erkrankung dess. Röntgen¬ 
bilder 789. 

— parietale, Knochendefekt im rechten 0. p. bei 
einem Kinde 1215. 

Ostafrika, Aerztlichos aus dem Kriege in 0. 
1914-1918 1219. 

Osteoarthropathie hypertrophiante pneumonique 
1243. 

Osteochondritis dissecans, besonders das Ludloff- 
sche Krankheitsbild 1096. 

Osteogenesis imperfecta und ihre Beziehungen zur 
genuinen Osteomalazie 881. 

Osteom des Schädeldaches 44. 

— des linken Stirnbeins 69. 

Osteomalazie 1005. 

— Röntgenbefunde 692. 

— Schlagartige Schmerzen und Muskclzuckungen 
bei 0. 1004. 

— O.-ähnliche Erkrankungen, endemisch auf¬ 
tretend 667. 

— Gehäuftes Auftreten 305, 1051. 

— Gehäufte O.-ähnliche Zustände in Wien 661. 

— Objektives Frühsymptom der Hunger-0. 807. 

— Klinik der Hunger-0. und ihre Beziehungen 
zur Tetanie 427. 

— Der mono- und pluriglanduläre Symptomcn- 
koraplex der nichtpuerperalen 0. 641. 

— der Haustiere 854. 

Osteomyelitis, Seltene Formen 1120. 

— syphilitische 909. 

— Metastatische 0. des Schulterblattes nach 
metapneurnonischem Abszess 17. 

-- des Schädels 908. 


-kompliziert mit diffuser Sklerose 1194. 

Panaritium, Primäre Exstirpation der Nekrose 
bei der Behandlung subkutaner P. 784. 

Pankreas, P.-E^rkrankung als Ursache für Nicht¬ 
gedeihen von Kindern 903. 

— Funktionelle Insuffizienz dess. 1215- ! 

— Die Wasserstoffionen und die sekretorische ! 
Tätigkeit des P. 448. 

— Abhängigkeit der inneren Sekretion des P. ; 
vom Nervensystem 182. 

— Aszendierende und metastatische Infektion 

des P. 1215. - ; 

— Sekundäre P.-Nekrose mit grossem Bluterguss j 

in die Bauchhöhle 1026. I 

Pantoponisraus und sonstiger Arzneimittelmiss- \ 
brauch 817. 

Papatazilieber 663. 

Papilla Vateri, Resektion ders 548. 

Paraffin, Abszesse nach intramuskulären Injek¬ 
tionen von Hydr. salic. mit verunreinigtem 
P. 19. - 

— Gefahren kosmetischer P.-Injektionen 931, 

— Schweres Krankheitsbild nach lnjoktioncn mit 
unreinem P. H>1. 

Paraffinkarzinom 568. 

Parakinesie, hysterische 643. 

Paralyse, progressive, Wesen ders. 1119. 

— —- juvenile 838, 1030. 

— — RückenmarksYeränderungen eines Para¬ 
lytikers 376. 

— — Untersuchung initial-paralytischer Kranker 
903. 

-Ursächliche Beziehungen zwischen P. und 

Unfällen 619, 645. 

— — Zwei Fälle als Unfallfolge anerkannt 402. 

— — Herdartige Spirochätenvcrteilung in der 
Hirnrinde bei P. 399. 

— — Akute und mit miliaren Gummen kompli¬ 
zierte P. 666. 

— — Spiroehaetc pallida bei P. 661. 


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Paralyse, progressive, Vorkommen von Spirochäten 
in den perivaskulären Räumen der weissen Sub¬ 
stanz bei P. 232. 

— Therapie ders. 397, 975. 

— _— Behandlung.mit Salvarsaninjektionen in die 

Karotiden 688. 

Paraphenylendiamin 183. 

Paraphlcbitis ossificans 902. 

Paratyphus, Kolonien dess. 1241. 

— Bulbäre Sprachstörungen beim P. 1193. 

— Eine dritte Form des P. (Paratyphus ß Weil, 
P. Ersindjan Ncukirch) 1059. 

Paratyphus A, Epidemiologie dess. in Wolhynien 
. 1004. 

— — ähnliches Bakterium 42. 

Paratyphus B bei dreijährigem Kind 1103. 

— — Agglutination von P. bei Bazillenruhr 57. 

— — Kontaktinfektionen mit dems. 1193. 

-Kulturelle Elektion von B.-Bazillen auf 

stark alkalischen Nährböden 1240. 

— — Klinische Differentialdiagnose bei dems. 
161. 

Paropsie, Störungen des Raumsinns der Netzhaut 
473. 

Parotis, Kasuistik der Fremdkörper der P. bzw. 

des Ductus Stenonianus 176. 

Parotisfistel, Behandlung ders. 269, 712. 

— Heilung durch die Kadenmethode 327. 
Parotitis epidemica, BedrohlicheEierstocksblutung 

bei ders. 1244. 

— — Leukozytenbefunde bei ders. 782. 
Partialantigene nach Deycke-Much, Diagnostischer 

und therapeutischer Wert ders. 1191. 

Partus praematurus und serotinus, Frequenz und 
Ursache 209. 

Patella siehe Kniescheibe. 

Pathographie Immanuel Kant’s 376. 

Pathologie, Lehrbuch der speziellen P. und The¬ 
rapie der inneren Krankheiten 686. 

— Ludwig Traube und die Geschichte der ex¬ 
perimentellen P. in Deutschland 182. 

PathologiscR-anatomische Erfahrungen aus dem 
Felde 302. 

— — Befunde, seltene 689. 

Pathologisch - histologische Untersuchungsme¬ 
thoden 63. 

Pathopsychographische Untersuchungen 1243. 
Pech, Wundbehandlung mR flüssigem P. 18. 
Pcktoralfremitus, Verhalten des P. bei der krup¬ 
pösen Pneumonie 1116. 

Pellagra, Entstehung der P. und verwandter 
Krankheiten 710. 

Pemphigus, Chronischer und akuter Schleimhaut- 
P. 404. 

— vulgaris und Mycosis fungoides 1220. 

Penis, Vergleichend Anatomisches über die Genese 

und Struktur des P. und des Os priapi 1030. 

— Gangrän dess. 1076. 

— Totalgangrän der P.-Haut und des Skrotums 
904. 

— Gangrän von P. und Skrotum nach Erysipel 
856. 

— Röntgenbehandlung der Induratio plastica 880. 

— Diagnose und Prognose der Eichelepitheliome 
786. 

Pepsinpräparate, Wert käuflicher E. 831. 

Pepton, Behandlung des Fleckfiebers mit intra¬ 
venösen P.-Injektionen 1214. 

Perichondritis, Behandlung der eitrigen P~ der 
Kehlkopfknörpel 355. 

Perikarditis, Operative Fensterbildung zwischen 
Perikard- und Pleurahöhle bei Herzdruek 
durch perikarditische Ergüsse 208. 
Perinephritis, Akute P. — eine häufige Quelle 
diagnostischer Irrtümer 1004. 

Periodizität im Lebendigen 593. 
Peripachymcningitis, akute eitrige 42". 
Peritoneum siehe Bauchfell. 

Peritonitis siehe Bauchfellentzündung. 

Perkussion, Wert der Schwel len wert-P. bei der 
kindlichen Bronchialdrüsen tuberkulöse 1096. 
—“P.-Symptom zur Differenzierung des einfachen 
und dos mit Pneumothorax kombinierten 
intratborakalen Flüssigkeitsergusses 425. 
Person, Allgemeino und spezielle Pathologie der 
P. Klinische Syzygiologie 638. 

Pferd, Ostitis deformans beim Pf. 766. 
Pfcrdopiroplasmose in Südostalbanien 137. 


Original frorri 

UNIVERSUM OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Pflanzen, Der Harnstoff und andere N-Quellen Pleuritis 


der grünen Pfl. 114. 

— Organische Ernährung der grünen Pfl. 708. 
Pflanzensamen, Wirkung von oberflächlichen ak¬ 
tiven Stoffen auf Pfl. 1069. 


pneumonie 641. 

— interlobäre 713. 

Plexus chorioideus, Entfernung eines Tumors 
dess. aus dem Seiten Ventrikel 758. 


Pflaster, Toxidermie durch einige kautschukfroie Plexuslähmung, Ungewöhnlicher Fall von PI. 1144. 

Pfl. 659. Pneumonie s. Lungenentzündung. 

Pflegeämter, Organisation ders. in Gressstädten Pneumonomycosis aspergillina leporis cuniculi L. 


1218. 545. 

Phenolphthalein, Der Unfug mit Ph. 1143. Pneumoperitoneale Röntgendiagnostik 561, 569, 
Phimose, Operation 856. 647, 692, 1168. 

Phlebectomia cruralis bei infektiösem Dickdarin- Pneumothorax, Blutgehalt der P.-Lunge 1098. 
katarrh 895. — beiderseitiger 546. 


katarrh 895. — beiderseitiger 546. 

Phlebitis und Septikämie 475. [ — Resorption von Stickstoff und Luft beirr 

Phlegmone, künstlich erzeugte 1071. ! künstlichen P. 138. 

— Die tiefo subpektorale Ph. 603. ; — Gasanalytische Untersuchungen bei künst- 

— chemische, nach Benzineinspritzung 784. | Hohem P. 64. 

— Behandlung mit Jodtinkturtamponade 184. I — Spontan-P. bei Pneumonie 398, 974. 

Phosphate, Vorkommen von Ph. im mcnsch- i — Doppelseitiger mantelförmiger Spontan-P. bei 

liehen Blut 470. | bullösem Lungenemphysem 883. 

Phosphatide, Darstellung von Ph. aus gefärbten — Einfluss des künstlichen P. auf das Iferz 138, 


Prostata, Erkrankung der Pr. mit rechtsseitiger 
Hüftgelenksentzündung, Unfallfolge? 619. 
Prostatahypertrophie 644, 710. 

— bei kleiner Prostata 44. 

— Chirurgie ders. 568. 

— Entfernung der vergrösserton Pr. von der 
Harnröhre aus 1070. 

— ihre Pathologie und Therapie, mit besonderer 
Berücksichtigung der suprapubischen Methode 

564. 

Prostatakarzinom, Exstirpation mit gutem Dauer¬ 
erfolg 1031. 

Prostatasarkom und Unfall 402. 


— Resorption von Stickstoff und Luft beim Prostatektomie, Anwendung von Chlorkalzium zur 

künstlichen P. 138. Verhütung von gefahrdrohenden Blutungen 

— Gasanalytische Untersuchungen bei künst- bei suprapubischer Pr. 967. 

Hohem P. 64. — Mittel und Wege, die Pr. möglichst ungefähr- 

— Spontan-P. bei Pneumonie 398, 974. lieh zu gestalten 553, 907. 

— Doppelseitiger mantelförmiger Spontan-P. bei — Die perineale Pr. mit lateraler Inzision 68. 

bullösem Lungenemphysem 883. Prostitution, Lösung des Pr.-Problenis 761. 

— Einfluss des künstlichen P. auf das Herz 138. Proteinkörper, Parenterale Pr.-Thcrapic48l, 1240. 

— Kohlensäureeinblasung beim künstlichen P. — Pr.-Therapie und EntzünduDgshemmung 3*26. 

470. — Pr.-Therapie bei Adnexerkrankungen 951. 

— Behandlung mit P. 546. — Behandlung von Blutkrankheiten und Infek- 

— Behandlung der Lungenabszesse mit P. 951. tionskrankheiten mit Pr. 226. 

— Künstlicher P. bei Lungeneiterungen 326. — Aus Pr. bei tiefgreifender Spaltung mit Sal- 

— Behandlung der Lungenkrankheit mit dem petersäure erhaltene Verbindungen 41. 

künstlichen P. 1075, 1119. Proteinstudien 41, 112, 255. 

— Neue Methodik beim Anlegen des künst- — Der osmotische Druck derEieralbuminlüsungcn 

liehen P. 186. 854. 

— Seltene Komplikation bei der P.-Bchandlung Proteus anindologenes bei Säuglingen 545. 

616. Proteusbazillen, Biologie der Fleckfieber-Pr. 409. 

— P.-Therapie der klindliehen Lungentuber- — Bedeutung ders. beim Fleekfieber 545. 

kulose 493. - — Die thermostabilen Rezeptoren der X-Stämme 

— Entstehung und Beurteilung der Pleura- 882. 

exsudate bei der P.-Behandlung der Lungen- — Verbreitung agglutinabler Protousstämmo dos 
tuberkulöse 350. I Typus Xj 9 (Weil-Felix) 483. 

Pocken, Bakteriologische Diagnose 668. j — Das kulturelle und serologische Verhalten ge- 


Pflanzenorganen 1190. 

Phosphor, Der organisch gebundene Ph. im j 
menschlichen Harn 116. 

Phosphorgeschosse, Verletzung durch Ph. 66. 
Phosphorsäure, Bedeutung für die Muskeltätigkoit! 

911. . I 

Phrenikotomie bei Hämoptoe und einseitiger | 
Lungentuberkulose 161. *; 

Phrenikuslähmung, linksseitige 379. 

Phtbirius inguinalis, Isoliertes Vorkommen in j 
den Zilien 1027. j 

Physiologie, pathologische 205, 806. 
f — und Pathologie, Chemische Studien zur Ph. 
Biochemie der* Oxydationen. Die Muskel¬ 
kontraktion 708. 

Physostigmin, Toxikologischer Nachweis dess. 523. 
Phytochemische Reduktionen 421, 470, 493. 
Piavenen, Tödlich verlaufene P.-Verletzung bei 


Kohlensäureeinblasung beim künstlichen P. 
470. 

Behandlung mit P. 546. 

Behandlung der Lungenabszesse mit P. 951. 
Künstlicher P. bei Lungeneiterungen 326. 
Behandlung der Lungenkrankheit mit dem 
künstlichen P. 1075, 1119. 

Neue Methodik beim Anlegen des künst¬ 
lichen P. 186. 


Experimentelle P.-Diagnose 736. 


des Sinus longitudinalis nach i — Diagnostischer Wert des Blutbildes bei P. 282.1 


Tob ler 234. j 

Pigmentzellen in der Niere und im Urin 124^. 
Pikrinsäure, Chronische P.-Vergiftung 1222. 
Pilokarpin, Wirkung des P. auf den respiratori¬ 
schen Gaswechsel und den Gasgehalt des 
Blutes 114. 


— Beziehungen zwischen Tier- und Menschen-P. | 

1241. j 

— Uebertragung echter Kuh-P. auf Menschen | 

1245. j 

— Behandlung mit Kaliumpermanganat 1160, 

1198. | 


Pilze, Zur Kenntnis der Gift- und Nutz-P. 893, — Fall von allgemeinen Kuh-P. mit tödlichem 


— Säurebildung bei P. und Hefen 113, 493. 

— Pathologisch-anatomische Beiträge zur P.-Ver¬ 
giftung 710. 


Ausgange 595, 1241. 

Pockenlymphe, Keimfreimachung der Schutz-P. 


wohnlicher und Fleckfieber-X-Protcusstämmo 
270. 

Serumreaktionen bei Fall von X J0 -Infcktion 
in ihrer Beziehung zur Weil-Felix’schen Re¬ 
aktion 736. 

Ein Hilfsmittel zur bakteriologischen Unter¬ 
suchung proteushaltigon Materials (Leichen- 
Qrgane, Eiter, Stuhl) 110. 

Die Proteus-X-Bazillen und dieWeil-Felix’sehc 
Reaktion bei Fleckfieber 831. 
s. a. Fleckfieber. 


mittels Morgenroth’scher Chinaalkaloide 1050. Prothese bei Gesichtsdefekten 213. 


Poikiloderma atrophicans vascularis 758. 


Piroplasmose, Experimentelles über Pferde-P. ] Poiseuille’sches Gesetz, Anwendbarkeit dess. auf 


663, 1147. 


den Blutstrom 181. 


Pirquet’sche Kutanprobe, Herdreaktion bei ders. Poliomyelitis im Heere 162. 

660. Polykorie 858. 

Pityriasis lichenoides chronica 67. Polymyositis acuta und Trichinose 316. 

Plantarpunkt, Diagnostische Verwendbarkeit dess. Polyneuritis, Beiträge zur P. 162. 

783. — arsenicosa, Ein Symptom bei P. 547. 

PJasmazellenlymphozyten 547. — PostdiphtherischeP. und Myodegeneratio cordis 

Plastik, Krankendemonstration 22. 351. 

— Deckung von Defekten durch sogenannte — nach (diphtherischer?) Wundinfektion 633. 


Einnähung 428. ’ | — nach Fleekf 

Plazenta, Vorkommen von Muskelfasern in dor j — posttyphöse 
menschlichen PI. 236. ! — nach Salvan 

— Die Milchprobe an der PL 640. 1199. 

— Turgeszierung der PL 614. Polypeptide, gl 

— Fall von Abnabelung und Expression dor PI. — Physiologisc 

17 Stunden nach der Geburt 706. ; Polyzythämie m 

— Normale Lösung ders. 1100. . — Erhöhter Ze 

— Klinik der manuellen PI.-Lösung 343. — Herzsteekscl 

— Indikationsstellung für die manuelle PL- , — Strahlenbch. 

-Lösung bei PI. adhaesiva 300. , — Therapie de 

— Die PI. als wehenförderndes Organ 1168. j — rubra vera 

— praevia, Behandlung ders. 236, 451. j Porenzephalie 1 

— — totalis, Spontangeburt mit lebendem Kind Poriomanie 839 


I — nach Fleekfieber 43. 
j — posttyphöse 503. 

— nach Salvarsan mit sehr schneller Restitution 

H99. 

Polypeptide, glutaminhaltige 658. 

— Physiologische P.-Synthese 926. 

i Polyzythämie mit Ausgang in perniziöse Anämie 21. 

■ — Erhöhter Zerebrospinaldruck bei P. 43. 

— Herzsteckschuss mit P. 43. 

, — Strahlenbehandlung bei P. 424. 
i — Therapie ders. 910. 
j — rubra vera 1222, 1243. 

Porenzephalie 1076. 

n_:_■ ooa 


bei PI. 359. v Porokeratosis 569. 

Plazentabouillon als Nährmedium für Gewinnung Porphyrinurie 901. 

von Diphtherietoxin 185. Privatirrenanstalten 

Plethysmographische Untersuchungen 281. 661. 


Privatirrenanstalten, Gewerbesteuerpllicht ders. 
661. 


-Die peripheren Gefässe bei Diphtherie 36. Proflavin-Oleat boi offpnen Wunden 425. 

Pleuraempyem, Manifestes und latentes chro- Progenie, Doppelte Unterkieferresektion bei hoch-. 


nisches PL 496. 


gradiger Pr. 475. 


— Verbesserte Pr. bei Pirogoff-Stunipf 474. 

— Ueber Stümpfe und Pr. 208*. 

— neue 210. 

— Pr.-Arbeiten im Reservelazarett Singen 450. 

— Ausnutzung selbsttätiger Kraftquellen 1120. 

— Unblutiger Anschluss von Stumpfmuskeln an 
Pr.-Teile 1120. 

— s. a. Kunstarm, Kunstbein, Amputations¬ 
stümpfe usw. 

Protozoen, Ueber parasitische Pr. Mazedoniens 1147. 
Protozoonpyelitis 281. 

Prurigo, Konstitutionelle Einflüsse bei Pr. 1122. 
Pruritus ani, Technik der Röntgenbehandlung 
dess. 1217. 

Pseudarthrose, rezidivierende 500. 

— und durch Knochendefekte bedingte Schlotter¬ 
gelenke 431, 643. 

— Behandlungserfolge 904. 

— Operative Behandlung 690. 

— Die Lane’sche Methode bei Behandlung der 
Kriegs-Ps. 258. 

— Jodoformplombe zur Heilung von Ps. 208. 

— Behandlung der Ps. mit Jodtinkturinjektion 
und Stauungsgips 713. 

Pseudobulbärparalyse, infantile 1216. 
Pseudohermaphroditismus, männlicher 789. 
Pseudoskieroso der Muskeln 661. 

— Das Krankheitsbild der Ps. 403. 

Psoriasis, Ringkreise bei Ps. 662. 

— traumatische, Kasuistik 500. 

— vulgaris, Ultramikroskopischo Befunde bei 
ders. 19. 


Behandlung akuter PL mit Chininderivaten 688. Prognostik, Allgemeine Pr. oder die Lohre Yon j Psychasthenische Anfälle 163. 


— Saugspülbehandlung akuter PL 
resektion 568. 

Pleuraexsudate, Röntgcnbildor 66G. 


ihnc Rippen¬ 


der ärztlichen Beurteilung des gesunden und j Psychiatrie, Hundert Jahre Ps. 658. 


kranken Menschen 638. 
Prolaps, Zu den Pr.-Fragen 1169. 


Seroalbuminöse Expektoration bei Punktion : Propädeutik, Leitfaden der medizinisch-klinischen 
ders. 412. Pr. 493. 


— Lehrbuch 181. 

— Forensische Ps. während des Krieges 1219. 

— Ziele und Wege der psychiatrischen Forschung 
781. 


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UNIVERSUM OF IOWA 







1284 


^BERLINER K LINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Psychiatrische Begutachtungen heim Kriegsgericht 
255. 

— Konstatierungsprobleme 259. 

— Krankenbewegung während des Krieges 402, 
661. 

Psychisch vermittelte Einwirkungen als Ursachen 
psychischer Krankheiten 689. • 

— Erkrankungen, Schlussurteile bei 750 be¬ 
handelten psychischen und nervösen Erkran¬ 
kungen 255. 

— Infektion, Suggestion und ps. I. 376. 

— Trauma, Primäre und sekundäre Wirkung 
dess. 712. 

— und Psychotherapie bei organischen Erkran¬ 
kungen 231. 

Psychogene Kriegsstörungen, Erfahrungen mit 
dens. 1243. 

Psychologie, Abriss der Ps. 781. 

— energetische 376. 

Psychologische Leistungsmessungen an nervösen 
Kriegsteilnehmern 839. 

Psychopathien 690. 

— und Revolution 928. 

— sexualis, mit besonderer Berücksichtigung dor 
konträren Sexualempfindung 806. 

Psychopathologie in der Dichtung 982. 

— Neue Wege und Ziele der Ps., mit besonderer 
Berücksichtigung der Hysterie und Dementia 
praecox 1246. 

Psychosen, Medikamentöse Therapie bei Ps. 255. 

— nach Grippe 1215. 

— nach Verbrennung 479. 

— Verbreitung von endogenen und exogenen 
Faktoren bei Ps. 784. 

— mediumistische 873. 

— Die Schreok-Ps. 1051. 

— Körpergewicht und Menstruation bei akuten 
und chronischen Ps. 1243. 

Psychotherapie, Kursus der Ps. und des Hypno¬ 
tismus 159. 

Pulraonalsklerose 641. 

Puls, Erklärung der P.-Senkung unter die Norm 
beim Neurotiker 495. 

— Mikrokapillarbeobachtungen und der P. der 
kleinsten Gefässe 304. 

— Unterschiede des P. an beiden Speichen¬ 
arterien bei verschiedenen operativen Eingriffen 
474. 

— Vorhofs- und Venen-P. beim Menschen 1166. 

Pulskurven, Die Atmungsschwankungen derP. 645. 

Punktbewegungen, Stereokinomatoskopie dicho- 

pisch gesehener harmonischer P. 448. 

Pupille, Physiologie des Lichtreflexes der P. 1028. 

— Reaktion der normalen und kranken P. auf 
den faradischen Strom 905. 

— Myotonische P.-Bewegung 928. 

— Ungleichheit der P. 211. 

— Wurmförmige Kontraktion des Sphincter p. 
863, 905. 

— P.-Störung nach Grippe 642. 

Pupillenstarre, Reflektorische P. durch Methyl¬ 
alkoholvergiftung 1245. 

— Isolierte reflektorische P. bei gesundem Er¬ 
wachsenen als Ausdruck einer Lues congenita 
233. 

— traumatische 863, 903. 

— Reflektorische P. und Westphal’sches Zeichen 
als Anlageanomalie 839, 903. 

Purpura, Fall von P. mit besonderem Blutbefund 
623. 

— variolosa, Blutpräparate 911. 

— Vakuolenbildung in den Leukozyten bei sym¬ 
ptomatischer P. 1119. 

— thrombolytisehe 304, 974. 

Pyämie, Otogene P. und Sepsis 1147. 

Pyelitis, Aetiologie der Säuglings-P. 952. 

— Ueber Protozoen-P. 281. 

— Bakteriologie der P. und Beziehung zur diffusen 
Glomerulonephritis 139. 

— Behandlung, der akuten P. mit Neosalvarsan- 
injektionen 659. 

Pyelographie mit kolloidalem Jodsilber 569. 

Pyelozystitis, Ein Bakterium der Influenzagruppe 
als Erreger der P. 1216. 

— Koli-P. und Koli-Pyelonephritis des Säuglings¬ 
alters 234. 

Pylorospasmus 884. 

— bei_Säuglingen 903. 


Pylorushypertrophie bei perniziöser Anämie 426. 

Pylorusstenosen, Tetanie bei P. 634. 

— Behandlung der hypertrophischen P. der Säug¬ 
linge durch Myotomie des Pylorus 474. 

Pylorusverschluss, Zur Mechanik und chirurgischen 
Behandlung des akuten P. 258. 

Pyodermia vegetans 310. 

Pyodermatosen, Pathologie der P. im Kriege 834. 

Pyopneumothorax interlobaris im Röntgenbild 353. 

Pyozyaneussepsis und Pyozyaneusdarminfektionen 
in Schanghai 68. 

Pyramidon bei Fleckfieber 326. * 

— bei fieberhaften Infektionskrankheiten (nach 
Beobachtungen beim Fleckfieber) 337. 

Pyrrolidonylchlorid,Einwirkung von P. auf Leuzin- 
äthylester 1142. 


Q. 

Quarzlampe s. Höhensonne, künstlicho. 
Quecksilber, Nachweis dess. im Harn 115. 

— Eine Nebenwirkung bei Q.-Behandlung 831. 

— Tödliche Q.-Vergittung nach antivariköser 
Sublimatinjektion 161. 


R. 

Rachen, Ausgedehnter Lupus des R. und Kehl¬ 
kopfes 811. 

— Fremdkörper im R. 977. 

— Tumor dess. 523. 

Rachitis, Verbreitung und Ursachen der R. 145, 
214. 

— Endemisches Auftreten von Spät-R. 652. 

— Stoffwechseluntersuchungen mit Rücksicht auf 
die Aetiologie der R. und Osteomalazie 236. 

— Gehäuftes Auftreten der Spät-R. 837, 855. 

— Häufung von Spontanfrakturen durch ende- 1 

mische Spät-R. 785. I 

— Krieg und R. 921. 

— Heilung durch künstliche Höhensonne 757. 

— Korrektur rachitischer Beinverkrümraung 
1098. 

— tarda und Schlatter’schc Krankheit 1192. 

Radialislähmung 878, 1005. 

— Die Sehnentransplantation bei der R. 450, 
785, 833, 1026. 

— Nouritische R. nach extravenöser Neosalvarsan- 
injoktion 737. 

— Traumatische Lähmung des Radialis pro- 
fundus mit psychogener Sensibilitätsstörung 
1052. 

Radialisschienen 18, 357. 

Radiobiologie 523. 

Radioskop 18. 

Radium, Absorption der ß- und ^-Strahlung des 
R. in der Haut 522. 

— Die Dosimetrie der inkorporalen R.-Behand- 
lung 1055. 

— Die Dosimetrie in der R.-Behandlung der 
Genitalkarzinome 835. 

— Physik und Chemie des R. und Mesothor für 
Mediziner 206. 

— Karzinomheilung mit R.; Statistik 237. 

Radiumbad Oberschlema im Erzgebirge 640. 

Radiumleuchtfarbe für Adaptometer 355. 

Radiumpräparate, Die Gefahr ihrer Beschädigung 

und deren Verhütung 1099. 

Radiusfraktur, Behandlung ders. 1098, 1145. 

Rash bei Varizellen 1097. 

Rassebegriff 593. 

Rasselgeräusche, Modell zur Erzeugung künst¬ 
licher R. 1243. 

Rassenhygiene, Die biologischen Grundlagen der 
R. und Bevölkerungspolitik 64. 

— und Jugendfürsorge 619. 

— in Ungarn 619. 

Rausch, Die psychiatrisch^ Stellung der patho- 

. logischen R.-Zustände 1052. 

Rauschbrand 647. 

— Beziehungen zwischen menschlichem Gasödem 
und tierischem R. 207. 

— und verwandte Erkrankungen der Tiere 107, 
292, 488. 

Reaktion, R.-Zeit bei plötzlicher Körperncigung 
1049. 


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Rechnen, Pathopsycbologie des R. 116. 

Reflex, ein neuer Bedrohungs-R. 728. 

— Eigenartiges R.-Pbänoraen 799. 

— Diagnostische Verwertbarkeit eines patho¬ 
logischen Muskel-R. (Proximatorreflex) 473. 

— auro-palpebrale 214, 355. 

— Stell-R. bei Kaninchen nach einseitiger Laby¬ 
rinthexstirpation 448. 

—- Zeitwerte einiger R. bei Vögeln 115. 

Regeneration, Beobachtungen über R. 302. 

— beim Menschen 137, 781, 1069. 

— quergestreifter Muskeln 781. 

Regio pubica. Axiale Röntgenaufnahme ders. 691. 

Reichsversicherungsamt, Entscheidungen und Mit¬ 
teilungen dess. 1074. 

Reinigungsmittel, Wirkung unserer R. 68. 

Reiz, Theorie der R.-Vorgänge 756, 901. 

— Ueber den Reiz-, Entzündungs- und Krank¬ 
heitsbegriff 688. 

Rekurrenslähmung durch oberflächlichen Schuss 
378. 

— Phonetische Behandlung bei einseitiger R. 835. 

Religion, Die R. in ihrem Werden und Wesen 972. 

Rentenfeststellung, Notwendigkeit einwandfreier 

Begutachtungen im R.-Verfahren bei den Be¬ 
rufsgenossenschaften 619. 

Rentenkampfneurosen 255. 

Resektionen, Technik der R. und Amputationen 
1097. 

Retina siehe Netzhaut. 

Retrobulbärneuritis, Atypische Fälle 307. 

Rettungswesen in Oesterreich 620. 

Revolution, Aerztliche Gedanken zur R, 279,1079. 

— Psychopathie und R. 928, 933. 

Rezepttaschenbuch für Klinik und Praxis 926. 

Rhabditis pellio, Entstehung von Granulations¬ 
geschwülsten und Adenomen, Karzinom und 
Sarkom durch die Larve der Nematode Rh. p. 

j 1003. 

Rhabdomyoma sarcomatodes der Lendenmuskeln 
mit Lungenmetastasen 710. 

Rheumatismus nodosus 902. 

— Behandlung von Rh. und Gicht mit subkutanen 
Einspritzungen von Salzsäure 757. 

Rhinosklerom 978. 

Riesenwuchs, Erworbener R. der linken unteren 
Extremität und angeborener Nävus 1051. 

— Partieller R. mit Dolichozephalie 806. 

Rikettsien, Zur Kenntnis ders. 307. 

— Ueber Schaflaus-R. 15. 

— R.-Körperchen in Läusen an Kranken mit 
Schützengrabenfieber 15. 

Ring, Entfernung eines eingewachsenen Mayer- 
schen R. 401. 

Röntgenamenorrhoe, Abhängigkeit der R. vom 
Menstruationszyklus 644. 

Röntgenaufnahmen, Die beugungsähnlichen Licht¬ 
streifen an den Schattenrändern einfacher R. 
353. 

— Raumbezeichnung von R. 353. 

— des Magen-Darmkanals mittels der Zitobarium- 
kontrastmahlzeit 1146. 

Röntgenbefund, Vordrucke zum Einträgen von R. 
353. 

Röntgenbetrieb, Bedeutung der Netzspannungs¬ 
schwankungen für den R.. 1072. 

Röntgenbilder, Demonstration von R. 884. 

— Ueber das. Lesen der R. 1078. 

— Direkte Herstellung von positiven R. 1099. 

Röntgendiagnostik, pneurnoperitoneale 283, 405, 

561, 569, 647, 692, 957, 1217. 

— Pneurnoperitoneale R. der Nieren 201. 

— Verbesserte R. des Magendarmtraktus mit 
Zitobaryum als Kontrastmittel.953. 

— von Fremdkörpern, Lage- und Tiefenbostim- 
mung 450. 

Röntgenhände, Therapie der Hyperkeratosen 
unserer R. 354. 

Röntgenkastration, Schwangerschaft nach R. mit 
normal entwickeltem Kind 593. 

Röntgenlokalisation von Fremdkörpern 758, 1031. 

— innerhalb der Brusthöhle 647. 

— Fremdkörperentfernung mittels der orthodia- 
graphischen Tiefen- und Lagebestimmung nach 
Moritz 19. 

— und Operation von Steckgeschossen 758. 

Röntgenologie, Eine Revision ihrer technischen 

Einrichtungen und praktischen Methoden 230. 


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UNIVERSITV OF fOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Röntgenologie, Einfache Kontrolle der Kion- 
böckstreifenentwicklung 1217. 

— Eine Entwicklungsschalkei 1217. 

— Technik der R. von Augenhöhle und Felsen¬ 
bein 188. 

Röntgenplatten, Neues Entwicklungsverfahren für 
halbe und viertel Exposition von R. 358. 

Röntgenröhre, Zur Frage ders. 1072. 

— Gashaltige R. in der Tiefentherapie 758. 

— Leistungen und Rentabilität gasfreier R. 18. 

— Eine Kathodenröhre mit auswechselbarem 
Aluminiumfenster 930. 

Röntgenschädigungen 18. 

Röntgenstereoskopie, Bewährtes Verfahren zur R, 
Fremdkörperlokalisation und Tiefenbestim¬ 
mung 1217. 

Röntgenstiahlen, Charakterisierung von R.-Ge- 
mischen 18. 

— Die bewusste Erzeugung und Verwertung der 
Sekundärstrahlen bei der Röntgentherapie 18. 

— Fülllung der Bronchien mit Bariumsulfat¬ 
suppe durch Aspiration 19. 

— Positives und negatives Stierlin-Symptom bei 
Ileozökaltuberkülose 19. 

— Sensibilisierung gegen R. 42. 

— Neue Eigenschaften der R. 1099. 

— Der relative Wertigkeitsquotient der R. 904. 

— Bestimmung der Wellenlänge homogener R. 
auf elementarem Wege 975, 1121. 

— Der Begriff der Erythemdosis bei harten R. 

1020 . 

— Die Messung der Gewebsdurchlässigkeit 
mittels R. 1072. 

— Anregung rückständigen Wachstums durch R. 
1166. 

Röntgenstrahlendosierung, Biologische R. in der 
Frauenklinik in Erlangen 235. 

— Zur praktischen Dosimetrie der R. 18, 568, 

1121. 

— Einführung eines praktischen Maasses für die 
Durchdringungsfähigkeit von Strahlen hohen 
Härtegrades 18. 

Röntgenstrahlcnmessung 9S0, 1072. 

— Bordier’s Chromoradiometer und die R. 497. 

— auf luftelektrischem Wege 758. 

— Neue Messmethode zur Untersuchung der Zu¬ 
sammensetzungen der Röntgenstrahlungen 
1099. 

Röntgentiefentherapie, Bewertung der R. 640. 

— Grundlagen und Messmethoden 1169. 

— in der Frauenklinik Erlangen, besonders beim 
Karzinom 101. 

— Erfolge der R. bei gutartigen gynäkologischen 
Erkrankungen (Myome, Metropathien, Tuber¬ 
kulosen) 588. 

Röteln, R.-ähnlicheexanthematische Erkrankungen 
und ihr Blutbild 473. , 

Rohfaserverdauung, tierische 1190. 

Rohrzucker, Einfache Darstellung von R. aus 
pflanzlichen Objekten 614. 

— Resorptionsverhältnisse intramuskulärer R.-In- 
jektionen und die Saccharosebehandlung der 
Lungentuberkulose 424. 

Rotlauf, Periphere Fazialislähmung nach R. 210. 

Rotlichttherapie 206. 

Rotz, Aktive Immunisierung gegen R. 1192. 

—Die Koraplementablenkungsreaktion bei der 
Diagnose des R. 1192. 

Rotzkrankheit 807. 

Rückenmark, Ein besonderes R.-Syndrom nach 
Schussverletzung 1052. 

— Blutiger R.-Erguss 547. 

— Veränderungen im R. eines Paralytikers 376. 

— Transversale R.-Läsion 233. 

— Einfluss der R.-Durchschneidung auf den •Gas¬ 
wechsel 159. 

— Multiple Sklerose und Heterotopie des R. 1166. 

— Intralumbale Therapie mit Ausschluss der 
Serumtherapie 1240. 

Rückenmarksanästhesie, Ausführung ders. 164. 

Rückenmarksblutung, Röhrenförmige R. auf der 
Basis einer intramedullaren Karzinommeta¬ 
stase 474. 

Rückenmarkserschütterung, Mikrophotogramm von 
R. 1031. 

Rückenmarksgeschwülste 741. 

— Intra- und extramedulläre 1196. 

— Meningomyelitis unter dem Bilde einer R. 1052. 


Rückenmarksgeschwülste, Gleichzeitiges Vorkom¬ 
men von harter und weicher Gliombildung 
im R. mit Syringomyelie 233. 

Rückenmarkskompression^ Druckverhältnisse des 
Liquor cerebrospinalis bei R. 784. 

Rückenmarksschüsse, Wert der Röntgenunter¬ 
suchung bei R. 644. 

Rückenverkrümraungen bei Soldaten 399. 

Rückenmarksverletzungen 839. 

— im Kriege und ihre operative Behandlung 475. 

— Verhalten der Harnleiter bei R. 428. 

Rückfallfieber 406. 

— Kasuistik dess. 1170. 

— Uebertragung des R. und Fleckfiebers 807. 

— in unseren Heimatlazaretten 398. 

— Bakteriologie der R.-Spirochäte 545. 

— Entwicklungsgang der R.-Spirochäte im Körper 
der Laus 790. 

— und Salvarsan 1214. 

— Intravenöse Anwendung des Natr. kakodyl. 
bei R. 1240. 

Ruhe und Aktivität bei Säuglingen 115. 

-bei einigen Tierarten 115. 

Ruhr, ihr Wesen und ihre Behandlung 68. 

— Wirkung des R.-Giftes auf den Kreislauf 830. 

— Untersuchungen über R. 65. 

— Brauchbarkeit der Agglutininprüfung für die 
Diagnose der R. 807. 

— Agglutination von Paratyphus B bei Bazillcn- 
R. 57. 

— Agglutininbildung mit R.-Bazillen vorbehan¬ 
delter Kaninchen 615. 

— R.-Bazillen vom Typus Schmitz 15. 

— R.-artige Darmerkrankungen ohne R.-Bazillen 
974. 

— im Säuglingsalter 712. 

— Toxische R. im Kindesalter 953. 

— Klinik der Bazillen-R. 232. 

— Nachfieber bei Bazillen-R. 232. 

— Leichte R.-Epidemien 783. 

— Bazillen-R. im Ruhrkohlengebiet 1917 188. 

— Epidemie von explosivem Charakter 188. 

— im Felde 595. 

— Kriegsödeme und R. 660. 

— Ein einheitlicher Symptomenkomplex unter 
den Nachkrankheiten der R. 17. 

— Nierenveränderungen bei R. 129. 

— Komplikationen derR. und ihre Behandlung 17. 

— Therapie der Bazillen-R. 237. 

— Erfahrungen mit dem R.-Schutzimpfstoff Dys- 
bakta bei der R.-Bekämpfung 183, 449, 

— Operative Behandlung der R. mit Appendiko- 
storaie bzw. Zökostomie 400, 644. 

Ruhrbazillen, Entgiftung von R. zwecks Impfstoff¬ 
gewinnung 1240. 

Rumänien, Kriegsärztliche Beobachtungen-aus R., 
insbesondere über Pellagra 188. 


s - j 

Saccharosurie, Erkennung der S., Inositurie und 
Laktosurie auf bakteriologischem Wege 449. 
Sättigungswert der Nahrung 376. 

Säugling, Eigentümliche Kältewirkung auf die 
Haut von S. 1223. 

— Das erste Trimenon 17. 

— Atlas der Hygiene des S. und Kleinkindes 
für Unterrichts- und Belehrungszwecke 468. 

—- Ruhe und Aktivität bei S. 115. 

— Die relative Masernimmunität der S. an der 
Brust 1194. - 

— Eiweissnährschaden dess. 1216. 

— Das Eiweissproblem im S.-Alter 1144. 

— Klinik der S.-Syphilis 1097. 

— Ernährung mit Buttermehlschmelze 640. 
Säuglingsdysenterie 480. 

Säuglingsfürsorge 85. 

— Die Auslesebedeutung der S. 1139. 

— Künftige Gestaltung 595. 

— besonders in Ostpreussen 838. 
Säuglingsfürsorgestellen, Einrichtung und Betrieb 

20 . 

Säuglingskrankheiten, Leitfaden 1118. 
Säuglingssterblichkeit, Ursachen 713. 

— Auslese und Konstitution in ihrer Bedeutung 
für die Bekämpfung der S. 697. 


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Gck igk 


1285 


Säuren, Karzinolytische organische 1241. 
Saitengalvanometer, Das S,-Signal und die Regi¬ 
strierung von Herztönen 114. 
Sakralgeschwulst beim Neugeborenen 1195. 
Salizylsäure, Vergiftung nach äusserer Anwendung 
im Kindesalter 234. 

Salmin, Untersuchungen über S. 829. 

Salze, Wirkung ders. 708. 

Salvarsan s. a. Syphilis. 

— Zur S.-Frage 302, 375, 589. 

— Dosierung dess. 569. 

— Prophylaxe 834, 931. 

— Technik der S.-lnjektionen 497. 

— Versuche, S.- und Neo-S.-Lösungen haltbarer 
zu machen 905. 

— Entstehung und Verhütung von S.-Schädigung 
1072, 1122. 

— Experimentelle Studien über Ehrlich’s S.- 
Therapie der Spirochätenkrankheiten und über 
neue S.-Präparate 231. 

— Gibt es S.-Schädigung des Hör- und Seh¬ 
nerven oder nicht? 150. 

— Fixe S.-Exantheme 1218. 

— Spirillotoxische und arsenotoxische zerebrale 
Reaktionen nach S. 1215. 

— Experimentelles zu Ehrlich’s S.-Therapie der 
Spirochätenkrankheiten und über neue S.- 
PräpaVate 67. 

— Neurorezidive nach reiner S.- und Silbcr-S.- 
Behandlung 1099. 

— Hirnschwellung nach S. 235. 

— Späfikterus nach S. 497, 569. 

— Polyneuritis nach S. mit schneller Restitution 
1199. 

— Vorübergehende Dilatationsthrombosen nach 
S.-Infusionen 209. 

— Arsenspeicherung und -Ausscheidung nach 
Einverleibung von S.-Serumlösungen 422. 

— Ueber Sulfoxylat-S. 184. 

— Nachweis gefälschter S.-Präparate 1142. 

— bei Alveolarpyorrhoe 495. 

— Lokale Behandlung der Angina und Gingivitis 
Plaut-Vincenti mit S. 396. 

— bei nichtsyphilitischen Erkrankungen 42. 
Salvarsan, Neo-, Leitungswasser zur intravenösen 

Neosalvarsaninjektion 1218. 

— — Arsenmelanose und Hyperkeratosc nach 
N.-Einspritzungen 346, 542, 

— — Medianuslähmung nach paravenöser N.- 
Injektion 609. 

-Gelbsucht bei Syphilitikern während und 

naeh der N.-Behandlung 209. 

— — Nebenwirkungen dess. 235. 

-Die spirillizide Wirkung von N. bei 

Sklerosen 319. 

— Silber-S. 42, 396, 548, 640, 882, 954, 1214. 

— — Technik der Behandlung 165, 1217. 

-Ueber S.-S.-Natrium und die Dosierung 

des S.,' nebst Mitteilung eines Falles von 
Encephalitis haemorrhagica nach Neo-S. 913, 
948. 

— — und das Verhalten der Wasserraann’schen 
Reaktion 973. 

— — bei luetischen Erkrankungen dos Nerven¬ 
systems 1079. 

— — Behandlung syphilidogener Geisteskrank¬ 
heiten mit dems. 544. 

Salvarsantodesfälle 19, 306, 497, 857. 

Samen, Einfluss des Aluminiumions auf die 
Keimung des S. 494. 

— Verbreitung der Glyzerophosphatase in den 
S.-Organismen 614. 

Samenstrang, Myxofibrom des S. 284. 

Sanabo, Gonorrhoebehandlung mit S. 659. 

— Uebertreibungen mit S. 284. 
Sanitätskommission, Deutsche S. fürBulgarien620. 
Santa Catharina, Die Volksgesundheit in den 

deutschen Siedelungen von S. C. 1219. 
Saponin, Wirkung der S. und Sapogenine auf 
das isolierte Kaltblüterherz 1213. 

Sarkom und Betriebsunfall 1074. 

— Entstehung des traumatischen S. 283, 1195. 

— Rundzellen-S. unter der Gesässmuskulatur406. 
Sarkomatosis cutis multiplex, primäre 1217. 
Sarzine, Diagnostische Bedeutung der S. im 

Mageninhalt 1242. 

Saturnismus, Chronischer S., Ulcus ventriculi und 
vegetatives Nervensystem 472. 


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UNIVERSUM OF IOWA 







1286 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Sauerbruch’sche Amputation, Tragbare Uebungs- 
apparate für Amputierte mit Muskelkanälen 
nach Sauerbruch 1064. 

— — Uebungsapparate 1127. 

-Behandlung der Kanälo nach ders. 474. 

-Bildung des Kraftkanals 904. 

Sauerstoff, Einfluss der Temperatur auf den 
S.-Verbrauch wechselwarmer Tiere 1191. 

— Gefahren bei der gebräuchlichen ärztlichen 
S.-Anwendung 1049. 

Schädel, Osteomyelitis des Sch. 908. 

— Geheilte Fälle von Osteomyelitis der platten 
Sch.-Knochen 879. 

Schädelbasis, Kriegsverletzungen an der Sch. 1071. 

— Merkwürdige Schussverletzung 785. 

Schädeldach, Osteome dess. 44. 

Schädeldefekte, Idioplastik oder Alloplastik ? 66. 

— Plombierung ders. 450. 

Schade'perkussion bei Kindern und ihre dia¬ 
gnostische Verwertung 257. 

Schädelplastik nach Kopfschüssen 773, 1071. 

Schädelschüsse 234. 

— Primäre Naht bei frischen Sch. 283. 

— Veränderungen in der Augenhöhle und an 
retrobulbären Teilen des Auges bei Sch. 307. 

Schädeltrauma, Geistesstörung nach zweimaligem 
Sch. 20. • 

Schädeltuberkulose, perforierende 974. 

Schädel Verletzungen, Objektives Symptom nach 
Sch. 257. 

— Behandlung der Sch. mit Verweiltampon und 
primärer Hautnaht .904. 

— Todesursache bei Sch. durch stumpfe Gewalt 
619. • 

Schaf, Magen- und Darmflora beim Haus Sch. 693. 

Schafblattern, Identität der Aetiologie der Sch. 
und einzelner Fälle von Herpes zoster 738. 

Schambein, Tuberkulose dess. beim Weibe 662. 

Schanker, weicher 19. 

-Darstellung des Streptobazillus dess. 1122. 

— — und Primäraffekt .806. 

-Aölanbehandlung dess. und der Bubonen 

757. 

-Milchinjektionen bei dems. 67. 

Scharlach, Zur Frage dess. 1131, 1148, 1170. 

— Das Auslöschphänomen bei Sch. 1196. 

— Azidose bei Sch. 497. 

— Verhalten der BlutplättchcDzahl und der 
Blutgerinnung beim Sch. 1194. 

— Verhalten der weissen Blutkörperchen bei 
Sch. im Kleinkindesalter 233. 

— Diagnose dess. 759. 

— Diagnostischer Wert des Rumpel-Leede’schen 
Sch.-Phänomens 1194. 

— Empfänglichkeit 617. 

— Epidemiologie und Klinik 163. 

— Serumtherapie dess. 231, 659. 

Scheide, Biologie der Sch. 1169. 

— Entzündung durch Trichomonaden 236. 

— Die Sch. als Harnblase 164. 

— Operative Herstellung einer künstlichen Sch. 
954. 

— Selbstabreissung der Sch. bei Schräglage 306. 

— Zu den Prolapsfragen 1169. 

Scheintod, Bemerkenswerter Fall von Sch. 1219. 

Schellackstein im Magen 17. 

Schenkelhalsfraktur, juvenile 431. 

Schere, Eine Schlüsselbein- und Rippen-Sch. 1097. 

Schiedara, Die deutsche Sanitätsanstalt und 
orthopädischen Werkstätten in Sch. (Holland) 
500. 

Schielen, simuliertes 210. 

Schienen, Zusammenlegbare Lagerungs-Sch. für 
Bein und Arm 450. 

Schilddrüse, Physiologie der Sch. 973. 

— Anreicherung ders. an Jod 448. 

— Antagonismus von Soh. und Milz 522. 

— und Wärmeregulation 958, 1078. 

— Hemiaplasie ders. 66. 

— Sch.-Ersatz bei Hypothyreosen 1121. 

— Primäres Sarkom mit seltenen Metastasen 713. 

— Sch.-Therapie 495. 

Schizophrenio im Kindesalter 1096. 

Schläfenbein, Neue röntgenologische Darstellung 

dess. 692. 

Schlafkrankheit, Ergebnisse der deutschen Sclil.- 
Forschuug 836. 

- Hoilungsversuche mit Salvarsan 906. 


Schlaflosigkeit, Der Schlaf und die Behandlung 
der nervösen Schl. 17. 

Schlafmittel, Nebenwirkungen einiger neuerer 
Schl. 1143. 

— Experimentelle Gewöhnung an Schl. 495. 

Schlafzustände, Poriodischc Schl, bei einem Ge¬ 
hirntumorkranken 282. 

Schlagvolumen, Bestimmung dess. bei intaktem 
Kreislauf 138. 

Schlangenbiss, Vergiftung durch Schl. 1051. 

Schlatter’sche Krankheit, Aetiologie ders. 833. 

-und Rachitis tarda 1192. 

Schlottergelenk, Orthopädische Versorgung ders. 
694. 

— Orthopädische Versorgung der Schl, nach aus- 

i gedehnter Resektion 489. 

I — Pseudarthrosen und durch Knochendefekte 
bedingte Schl. 431, 643. 

1 Schlüsselbein, Behandlung der Frakturen dess. 

i 644. 

- — Extensionstriangel bei Frakturen 18. 

j — Totale Luxation dess. 713. 

Schmerz, Zur Physiologie des Sch. Die Sensibilität 
der Hornhaut des Auges 1225. 

— Psychogene Schm, nach Nervenverletzung 784. 

Schmierseifenverätzungen, Kleine Endemie ab¬ 
sichtlich erzeugter Sch. 417. 

Schnürfurche am Unterschenkel durch Druck von 
Amnionsträngen 404. 

Schock, Bedeutung des Komplements für den 
anaphylaktischen Sch. 545. 

Schockgifte, Wirkung der Sch. in ihrer Beziehung 
zur Klinik 1194. 

Schreiben mit der linken Hand, Anleitung für 
Kriegsverletzte 44. 

Schreibstifthalter für den Unterarmstumpf 904. 

Schularzt als Laryngo-Rhinologe 428. 

— als Ohrenarzt 428. 

— als Zahnarzt 428. 

Schulkinder, Körpermaasse von Münchener Sch. 
906. 

Schulter, Röntgentechnik der axialen Sch.-Auf¬ 
nahme 976. 

— schnappende 449. 

Schulterblatt, Vorkommen und Bedeutung der 
Scapula scaphoidea 31. 

Schulterblattkrachen 1076. 

Schultergelenk, Gelenkschnitte am Sch. 44. 

— Behandlung der habituellen Luxation und der 
Schlottergelenke dess. 1126. 

— Die operative Fesselung des Oberarmkopfes 
zur Verhütung der habituellen Luxation 779. 

— Mobilisation der Versteifung und Nachbehand¬ 
lung mit Schalengipsverband in hoher Ab¬ 
duktion 785. 

Schulterhochstand, angeborener 18. 

Scbussfisteln und Holzknecht’sche Fistelfüllung 
450. 

Schussfrakturen, Behandlung der frischen Sch. 
im Felde 474. 

Schussverletzungen, Bericht über die Sch. des 
12. Februar in Breslau 741. 

Schusswunden, Anaerobe Infektion ders. 929. 

— Infektion ders. 66. 

Schutzimpfung, Unabgestimmte Sch. 757. 

Schutzpockenimpfung, Bericht über die im Jahre 

1917/18 erschienenen Schriften über Sch. 163. 

Schwachsinn, Ursachen des Schw. im jugendlichen 
Alter 975. 

Schwangerschaft, Kalkstoffwechsel bei Sch. 835. 

— Herzkrankheiten und Sch. 403, 570. 

— Das spätere Schicksal herz-, lungen- und 
nierenkranker Sch. 1073. 

— Dysfunktion einiger endokriner Drüsen in der 
Schw. 570. 

— Grippepneumonie und Sch. 391. 

— Primäre Abdorainal-Schw. 1168. 

— Entstehung extrauteriner Schw. 881. 

— extrauterine, Eigenbluttransfusion bei ders. 
820. 

— Abdominale Schw.-Unterbrechung und Steri¬ 
lisation 663. 

Schwangerenfürsorge, Mutterschutz und Schw. 
1100. 

Schwangerschaftsreaktion, Kottmamrsche 425. 

Schwangerschaftsserum 545. 

Schwarzwasserfieber, Theorie dess. 1157. I 

— Therapie dess. 42, 951, 1003. I 


Schweinerotlauf beim Menschen 833. 
Schweissdrüsen, Geschwülste und Hypertrophien 
ders. 662. 0 

— Naevi ders. 662. 

Schwerkraft und Kopflage 835. 

Seborrhoea capillitii, Behandlung ders. 424. 
Sedimente, Aufhebung von Zentrifugaten und 

Färbung von S. 284. 

Seele, Die Massen-S. 429. 

Seelenkunde, Aus der ärztlichen S. 181. 
Sehbahn, Schussvcrletzungon des Tractus opticus 
: 187. 

I — Die Verletzungen der S. des Gehirns, bes. 

| bei Kriegsverletzungen 592. 
j Sehnen. Verhütung der S.-Verwachsung nach Naht 

j 208. 

I — Durchschneidung der S. oder Nervenoperation 
| bei Spasmen an der unteren Extremität 904. 

j Sehnennaht, neue 547. 

Sehnenreflexe, Relative Unermtidbarkeit der S. 

j 880. 

j Sehnenscheidcnpblogmone, Verlauf der S. bei 
I Syringomyelie 163. 

Sehnenscheidenplastik, Erfolgreiche S.und Bänder¬ 
plastik 741. 

Sehnentransplantationen, Leistungsfähigkeit der 
Nierenoperationen und S. 548. 

Sehnerv, Die Lage der Versorgungsgebiete der 
Nervenfasern des S.-Stammes in der Netzhaut 
1028. 

— Ausbreitung der S.-Fasern in der Netzhaut 
* 1030. 

— Heterotopie des S. und der Fovea centralis 663. 

— Gesonderte Pupillarfasern im S. 401. 

— Aetiologisch unklare Fälle von S.-Schwund, 
besonders bei Kriegsteilnehmern 12.18. 

— Gibt es- eine Salvarsanschädigung des Hör¬ 
nerven? 150. 

— Atrophie dess. durch Bandwurmtoxine 401. 

— Atrophie dess. durch Hypophysentumor 1005. 

— Degenerationserscheinungen'am S. nach’ intra¬ 
okularen Entzündungen 931. ' 

— Entzündung dess. als Spätsymptom bei Fleck¬ 
fieber 975. 

— Geschwulstbildung an der Hirnbasis mit Ein¬ 
wucherung in den S. 811. 

— Tuberkulose dess. 814. 

Sehproben-Tafeln 1002. 

Sehprüfung und Brillenverordnung 976, 1169. 
Sehschärfe im Halbdunkel 811. 

Sehsphäre, Die Organisation der S. im Gehirn 237. 
Sehstörungen nach Blutverlust 211. 

Seife, Kleine Endemie absichtlich erzeugter 
Schmierseifenverätzungen 417. 

Sekale, Neue Ergebnisse der S.-Forschung 954. 
Selbstmörder, Bemerkenswerter Befund bei einem 
§. Erkrankung der Nieren, Harnleiter, Blase 
und Nebenhoden 641. 

Selbstverstümmelung eines traumatischen Hyste¬ 
rikers und Rentenanspruch 1193. 
Selektionshypothese, Versuch einer einheitlichen 
Erklärung der Immunität, Gewebsimmunitat 
und Immunitätserscheinungen 425. 

Selen, Behandlung inoperabler Karzinome mitS. 
1166. 

— Findet sich. S. im pflanzlichen und tierischen 
Organismus? 422. 

Senföl in Bolus alba statt Senfwickel und 
Schmierseifeneinreibungen 495. 

Sensibilität, kortikale 1223. 

— Kortikale S.-Störung der Unterextremitäteo 
nach Scliädelschuss 690. 

Sepsis, Behandlung der S. mit Silberpräparaten 
256. 

— lenta 282. 

Sequestrotomie, Beiträge 1071. 

Serumkrankheit, Auftreten von S. nach Magnesium¬ 
sulfatinjektionen 827. 

Verhalten der Blutplättchenzabl und der Blut¬ 
gerinnung bei der S. 1194. 

Serumreaktion 14. 

— nach Sachs-Georgi 1050. 
von Sachs und Georgi zum Nachweis ge¬ 
kochten Fleisches 964. 

— Parallelversuche mit Serum und Liquor nach 
Wassermann und Sachs-Georgi 1012, 

Seuchenbekämpfung, Ausbau der S. besonders 
der Tuberkulose 433. 


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UNiVERSUY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHEN SCHRIFT. __ _ 1287 


Seuchenbekämpfung, Die S. und ihre technischen 
Hilfsmittel 14. 

—* Einige Worte zur 8. 683. 

— Organisatorische Maassnahmen zur S.-Be¬ 
kämpfung 188. 

— Neue Wege der S 532,550, 570, 595, 620, 625. 
Sexualleben im Säuglings- und Kindesalter 1193«. 
Silberpräparate, Behandlung der Sepsis mit S. 256. 
Silbersalvarsan s. Salvarsan. 

Simulation, Zur S.-Frage 207. 

— Eklatanter Fall 1195. 

— Kasuistik ders. 761. 

— psychischer Krankheitszustände 661. 
Singultus, Luminal bei zerebralem S. 614. 

Sinus sigmoideus, Mehrfache Zerreissung dess. 

durch Splitterbruch des Warzenfortsatzes 1245. 
Situs viscerum inversus totalis 1198. 

Sitzstock bei doppelseitiger Oberschenkelampu¬ 
tation 1026. 

Skapula scaphoidea, Vorkommen und Bedeutung 
ders. 31. 

Skelett, Röntgenbefunde bei alimentärer Sk.- 
Schädigung 834. 

— Hungererkrankungen dess. 975. 

— Erkrankungen dess. im Kriege 496. 

Sklera, Dehiszenz der Ski. bei hoher Myopie 285. 
SkldHtis, Pathologie ders. 307. 

Sklerodermie in zirkumskripten Herden 139. 

— beim Säugling 479, 884, 903. 

Sklerokorneale Differentialtonometrio 45. 

Sklerom, Schicksal der ostpreussischen Ski.-Pa¬ 
tienten nebst einem Sektionsbefund 835. 

Sklerose, multiple, Formenreichtum ders. 116. 

— — bei Geschwistern 473. 

— — und Heterotopie des Rückenmarks 1166. 

— — Spirochäten als Erreger ders. 382, 1054. 
-Das Zustandekommen ders. bei Malaria 

tropica 232. 

Skoliose, Postpleuritische Sk. und deren Ver¬ 
hütung 614. 

Skopoliawurzel als Gift und Heilmittel 687. 

— Vergiftungen durch Sk. in Litauen 1193. 
Skorbut 282, 1243. 

— Chirurgische Folgezustände nach Sk. 904. 
Skrofuloderma im Gesicht und Armen 647. 
Skrofulotuberkulose, Behandlung der kindlichen 

Sk. mit Tebelon 688. 

Skrotum, Akute infektiöse Gangrän des Skr. 283. 

— Totalgangrän des Skr. und der Pepishaut 904. 
Sohlenstreckverband bei Frakturen der unteren 

Extremität 351. 

Solarson im Frühstadium der Lungentuberkulose 
183. 

Sonnenbehandlung chirurgischer Tuberkulose bei 
Kindern 1096. 

— Bestrahlung mit Tiefland-S. und Quarzlampe 
640. 

— Technik ders. 831. 

— s. a. Hönnensonne, Lichtbehandlung. 
-Sonnenstrahlung, Physik der S. und Himmel* 

Strahlung 1095. 

Sozialärztliches Praktikum, Leitfaden für Ver- 
walfcungsmediziner, Kreiskoramunalärzte usw. 
158. 

Spasmalgin 806. 

Spasraophilie, Gibt es eine untere Altersgrenze 
für die manifesten Erscheinungen derSp.? 1216. 

— Dünndarmgeschwüre als Erscheinungsform der 
Sp. 233. 

Spasmus bei Magenverletzung 450. 

Speichel, Das Ablaufen des Sp. durch die Nase 
594. 

Speicheldrüsen, Verdickung ders. bei Kriegsteil¬ 
nehmern 1050. 

Speichelfisteln in der Kieferhöhle 765. 
Speichelfluss, Pathogenese des merkuriollcn Sp. 

und Durchfalles 209. 

Speiseröhre s. Oesophagus. 

Speisung, Volks-,Schulkinder-, Notstands-, Masscn- 
Sp. 374. 

Spermatozoon, Persistenz der Sp. nach Kastration 
1169. s 

Spermatozystitis, tuberkulös bazilläre 185. 
Sphinkterplastik 644. 

— Alloplastischer Ph.-Ersatz durch Einpflanzung 
von Gummischlauchringen 67. 

Sphinkter pupillae, Wurmförmige Kontraktion 863. 
Sphygmovolumetrie bei Herzkranken 808. 


Spina bifida, Rückenmarksbefundc bei ders. 1173. 

Spirochäten, Praxis der Sp.-Untersuchung 976. 

— Züchtung dor WeiTschen Sp., der Rekurrens- 
und Hühncr-Sp. 616. 

— Die Sp.-Befunde von Karl Spengler und 
S. Fuchs- Wolffring, nebst Bemerkungen über 
die Methodik der Sp.-Untersuchungen 1186. 

— Herdartige Sp.-Verteilung in der Hirnrinde 
bei Paralyse 399. 

— bei multipler Sklerose 382. 

— pallida, Primäraffekt und fusospirilläre Sym¬ 
biose 354. 

— — Wert der Versandmethoden spirochäten¬ 
haltigen Materials für die Frühdiagnose der 
Syphilis 953. 

— s. a. Syphilis. 

Spitzhohlfuss, Schwere Fälle 1126. 

Splenektomie, Auftreten milzähnlicher Tumoren 
in der Bauchhöhle nach Spl. 568. 

Splenomegalie, Klinik 'und Pathologie ders. 1099. 

Spondylitis, Behandlung ders. durch Tibiaspan¬ 
implantation 474. 

— tuberculosa, Albeo’sche Operation bei ders. 
1103. 

Spondylosyndromie (Wirbclverklammerung), ein 
von der Spondylitis deformans abzugrenzendes 
Krankheitsbild 350. 

Sprache, Der sensomotorisohe .Assoziationsbogen 
im zentralen Mechanismus der Spr. 1051. 

Sprachvermögen, Prüfung dess. 1051. 

Sprengkapselexplosion, Schwere Augen Verletzun¬ 
gen durch Spr. 767. 

Sprengstoff (Cheddit), Vergiftung* mit dems. 355. 

Sprue, Aetiologie ders. 1147. 

Spulwürmer, Wärmeentwicklung ders. 182. 

Spuman,. Das Sp.-Verfahren in der gynäkologi¬ 
schen Praxis 1139. 

Sputum, Färbung tuberkuloseverdächtiger Sp. 544. 

Staat, Der St., die Aerzte und das Volk 73. 

Staatskinder 593. 

Standespflichten, Neue ärztliche St. 212. 

Staphar (Mast-Staphylokokken-Einheitsvakkzine) 
973. 

Star, Der Alters-St. 187, 211. 

— Diagnose der Cataracta complicata mit der 
Gullstrand’schen Spaltlampe 810. 

— Gibt es einen diabetischen St. 810. 

— Pigment-Nachstar 759. 

— Scheinkatarakt bei Anwesenheit eines Fremd¬ 
körpers im Augeninnern 117. 

— Linsen-St. bei mongoloider Idiotie 498. 

— Bekämpfung des einfachen Nach-St. 858. 

Status thymieo-lymphatdcus 425. 

-bei Neugeborenen 882. 

— — Plötzlicher Tod während der Geburt bei 
St. 451. 

-Beziehung dess. zu intrakraniellen Pro¬ 
zessen 641. 

— — Beziehungen dess. zum Selbstmord von 
Soldaten 376. 

Staubinde, Hyperämie und Oedera bei Hemmung 
des Rückflusses des venösen Blutes durch die 
St. 930. 

Stauung, Behelfsmittel für die rhythmische St. 
nach Thies 351. 

Stauungsblutungen nach Rumpfkorapression 710. 

Steckschüsse 450, 930. 

— Erfahrungen an 500 St.-Operationen 234. 

— Lagebestimmung und Operation’von St. ver¬ 
mittels verbesserter Durchleuchtungsverfahren 
758. 

— in oder in der Nähe von Gelenken 234. 

Steinkohlenbergbau, Die Arbeitszeit in dems. 

1073. ' 

Steinkrankheit, Pathologie und Chirurgie der St. 
und der entzündlichen Prozesse der Gallen¬ 
wege 1099. 

Sterblichkeit in Königsberg i. Pr. in den Jahren 
1781-1783 1241. 

— Kriegs*St. in der Provinzialirrenanstalt N. im 

Jahre 1917 713. . 

Sterilisation bei engem Becken 954. 

— Bakteriologie und St. im Apothekenbetriebe 
828. 

Stickstoff, Rest-St.-Bestimmung im Blute 522. 

— Systematik des Rest-St. 495. 

— Gehalt des Blutserums und der Zerebrospinal¬ 
flüssigkeit an Rest-St. bei Nierenkranken 105. 


Stickstoff, lieber Rcst-St.-Auhäufungon in der 
Muskulatur boi ncphroklomierten Hunden und 
über gesteigerten Ei weisszerfall bei völliger 
Anurie 1214. 

— Folgen der Retention von abiuretischem St. 
für den Organismus 351. 

— Verhältnis des Rost-N zum Gesamt-N im Blut¬ 
serum und in den Geweben 641. 

Still’scbe Krankheit, Zur Frage ders. 1194. 

Stimmbänder, Abszess des St. unter dem Bilde 
eines Polypen 835. 

— Membranbildung zwischen den St. 378. 

— Wechselnde St.-Lähmung, linksseitige 214. 

Stimmlähmung, Geheilte habituelle St. 380. 

Stimmregister, Experimentelle Untersuchungen 

über St. 451. 

Stirnbein, Osteomyelitis dess. 381. 

Stirndefekt und Stirnplastik 766. 

Stirnbirnverletzung, Agrammatismus und Mangel 
an Antrieb nach St. 784. 

Stirnhöhle, Verletzung durch Granatsplitter 1054. 

— Vermeidung der Gefahren .der Sondierung und 
Ausspülung 1073. 

— Schuss an der rechten St. 380. 

— Osteoplastische Methode zur Eröffnung ders. 

Stoffwechsel, Untersuchungen dess. 405. 

— Einfluss der Kriegskost auf dens. 422. 

— Zusammenhänge des organischen und anorga¬ 
nischen St. 38. 

— Einfluss des Sauerstoffdruckes auf den St. 
nach Versuchen an Mehlwurmpuppen und an 
Karpfen 159. 

— Der Kraft- und Mineral-St. an der Nordsee 
676, 766. 

Stoffwechselkranke, Einige Fehlerquellen bei Unter¬ 
suchungen von Nieren- und St. 305. 

Strahlen, Biologische Str.- Wirkung 692, 1121. 

— Einfluss ultravioletter Str. auf die inneren 

Organe der Maus 1122. # 

Strahlenhämolyse 522. 

StrahlenraessuDg, Einfluss des Dosiraeterverfahrens 
auf die Beantwortung biologischer Fragen der 
Str. 381. 

Strahlentherapie, Physikalische und biologische 
Grundlagen 521. 

Strassenhygiene 349. 

Streckverband für den Oberarm 352. 

Streptococcus pleomorpbus und die sog. spanische 
Grippe 137. 

Streptokokken, Morphologie ders. 15. 

— Behandlung schwerer Eiterungen mit - Str.- 
Serum 1026. 

Stridor vestibularis congenitus 479. 

Strophanthin bei Herzstörungen 735. 

— Resistenz der Ratten gegen K-Str. 183. 

Struma, Kolloid-Str. 405. 

— Multiple Str.-Metastasen 450. 

— Rezidivierte intralaryngeale Str. 450. 

Strumektomie, Leitungsanästhesie bei ders. 18. 

— Pneumokokken- und Koli-Str. 855. 

— Riedel’sche 1222. 

Stütz- und Behandlungsapparate 44, 832. 

Stuhluntersuchung, Ist die Grünplatte zur St. im 
Feldmassenbetriebe nötig? 544. 

Stumpf s. Amputationsstumpf. 

Styptysat, Behandlungen der profusen Menses 
mit St. 424. 

Sublimat, Konzeptionsverhinderung durch S. 1222. 

Sublimatniere, Die Stadien der S. beim Menschen 
397. 

Subokzipitalstich wegen Gehirngeschwulst 405. 

— bei Hirntumoren, Hydrozephalie, Meningitis 
serosa traumatica und Meningitis purulenta 45. 

Subpektorale Phlegmone, tiefe 603. 

Suggestion, Behandlung 856. 

— und psychische Infektion 376. 

Sugillationen der Fusssohlo als Symptom der 

Kalkaneusfraktur 661. 

Sulfoxylatsalvarsan 184. 

Surinamin, Konstitution dess. 658. 

Symphyseotomie, subkutane, bei Erstgebärenden 
570. 

Symphysenexostosen und deren Abraeisselung 
beim Kaiserschnitt 857. 

Symptomatologie, Klinische S. innerer Krank¬ 
heiten 879. 

Syndaktylie des Mittel- und Ringfingers 47. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1288 


Synovia, Zytologiscbc und serologische Unter- i 
suchungon der S. 651). 

Syphilid, varioliformes 668. 

Syphilis, Bedeutung der Konstitution für den 
Verlauf der S. 164. 

— Alkohol und S. 884. 

— kongenitale 479. 

-in der Aussenpflege 928. 

-Isolierte reflektorische Pupillenstarre bei 

gesundem Erwachsenen als Ausdruck einer S. 
congenita 238. 

— — latente, im späteren Kindesalter 952. 

— — Röntgendiagnose der kongenitalen Knochen- 
S. 454, 930. 

— latente und okkulte 473, 

— Infektiosität der latenten S. 1122. t 

— Ueber Veränderungen der klinischen Formen 
der S. 1122. 

— Aussergeschlechtliehe syphilitische Ansteckun¬ 
gen bei Heeresangehörigen 569. 

— Zur Lehre von S. mit Reizung 1027. 

— Französische S.-Forschung 976. 

— Verhalten des Blutes bei S. im Sekundär¬ 
stadium 891. 

— Zum Silbersalvarsan und zur Biologie der 
Menschen- und Kaninchen-S. 256. 

— Infektiosität der S. latens und ihre Bedeutung 
für die Irrenpflege 902. 

— Pathologisch-anatomische Befunde am Zentral¬ 
nervensystem bei akquirierter und kongeni¬ 
taler S. 22, 67. 

— Spontan Übertragung der Kaninchen-S. 736. 

— Klinik der Säuglings-S. 1097. 

— Einfluss hoher Körpertemperaturen auf die 
Spirochäten und Krankheitserscheinungen der 
S. im 'tierkörper 545. 

— •und Auge 1213. 

— Primäraffekt der Augenbraue 1027. 

— Augen^iuskellähmungen- in der frühen Sekun¬ 
därperiode der S. 1244. 

— Sekundäre S. mit Rupia syphilitica an Ge¬ 
sicht, Ohr, Handtellern 667. 

— und paroxysmale Hämoglobinurie 1122. 

— Lungen-S. der Erwachsenen 783. 

— der Lungen 1242. 

— des Magens 1242. 

— Osteomyelitis syphilitica 9Ö9. 

— Vitiligo und S. 354. 

— Woran sterben die Syphilitiker unserer Tage? 
1122. 

— Reinfectio syphilitica 1217. 

— par conception oder S. d’emblöe 1217. 

— Bericht über einen syphilitischen und einen 
nicht syphilitischen Zwilling 1215. 

— Liquorveränderungen bei Alopecia syphilitica 
und Leukoderma syphiliticum 67. 

— Zusammenhang zwischen Haut- und Liquor¬ 
veränderungen bei S. 662. 

— Zwei syphilidologische Gerichtsgutachten 
595. 

— Wann soll man den Liquor cerebrospinalis 
eines Syphilitikers untersuchen? 1144. 

— Wert der Sublimatreaktion für die Liquor¬ 
diagnostik 17. 

— Diagnose der Gelenk-S. 692. 

— Spirillotoxische und arsenotoxische zerebrale 
Reaktionen nach Salvarsan 1215. 

— Frühdiagnose der S. 709, 834, 954. 

— Hoffmann’sche Drüsenpunktion bei Früh¬ 
diagnose der S. 692. 

— Konservierung und Versendung von spiro¬ 
chätenhaltigem Reizserum in Kapillarröhrchen 
zwecks Frühdiagnose der S. 705. 

— Goldsolreaktion im Liquor bei Früh-S. 209. 

— Serodiagnostik der S. 281, 285, 330, 545, 
831, 1122. 

— Bedeutung der Extraktbeschaffenheit für die 
Ausflockung des syphilitischen Blutserums 16. 

— Sero- und Liquordiagnostik syphilitischer 
Zerebrospinalerkrankung mit Ausflockung 43. 

— Ausflockung des Liquor cerebrospinalis durch 
cholesterinierte Extrakte 882. 

— Die serologische Sonderstellung des Liquor 
cerebrospinalis und Kammerwassers bei S. 
1122. 

— Serumreaktion nach Meinicke 42, 736, 882. 

— Serodiagnostik der S. (Meinicke’s und Sachs- 
Georgi’s Ausflockungsreaktionen) 22, 224. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

r — 

I Syphilis, Erfahrungen mit der Reaktion nacbSaehs- 
Georgi 358, 615, 641, 882, 1003, 1110, 1119,: 
1192, 1241. ! 

— Kann die Sachs-Georgi- und Meinicke-Reaktion 
die Wassermann-Reaktion in jedem Fall er¬ 
setzen? 1192. 

— Die Bruck’sche und Wasserraann’sche Reaktion 
in den einzelnen Stadien der S. 185. 

— Technik der Kaup’schen Methodik der Wasser- 
raann’schen Reaktion 1192. 

— Wassermann- und Luetinreaktion 19. 

— Lumbalpunktionsergebnisse bei S. 1217. 

— Spirochäten und Antiluetika 1122. 

— Einfluss von fieberhaften Krankheiten und 
von Fieberzuständen, die durch intraglutäale 
Milchinjektionen hervorgerufen sind, auf den 
Verlauf der S., besonders der kongenitalen 
1189. 

— Frühbehandlung 692, 905. 

— Behandlung mit Salvarsan 206. 

— Abortivkur mit Salvarsan in der Inkubations¬ 
zeit 1146. 

— Abortivheilung der S. durch 2—3 Neosalvar- 
. saninjektionen 870. 

Endolumbale Salvarsanbehandlung 901. 

— Wirkung des Silbers (besonders des Silber- 
salvarsans) auf die Kaninchen-S. '545. 

— Kolloides Silber als Heilmittel der S. 42, 709, 
861, 1099, 1239. 

— Silbersalvarsan bei S. des Nervensystems 880, 
1079. 

— Kriegserfahrungen in der S.-Behandlung, be¬ 
sonders mit Silbersalvarsan 769, 803. 

— Behandlung der Aorten-S. 426. 

— Behandlung der Spät-S., besonders der Aor¬ 
titis syphilitica 759. 

— Ueber Disodo-Luargol bei S. 1122. 

— Behandlung mit Novasurol 375. 

— Schicksal ausgiebig behandelter S.-Kindcr 690. 

— Prophylaxe mit Salvarsan 973. 

— Die Chinin-S.-Prophylaxe in der Armee 752. 

— Intensivierung der S.-Prophylaxe 759. 

— s. a. Salvarsan,Wassermann’scho Reaktion 256. 

Syphilisepilepsie 473. 

Syringomyelie 881. 

— bzw. Syringobulbie mit Nystagmus 233. 

— Hemihypertrophia faciei bei S. 233. 

— Gleichzeitiges Vorkommen von harter und 
weicher Gliombildung im Rückenmark mit S. 
233. 

— Verlauf der Sehnenscheidenphlegmonen bei S. 
163. 

Syzygiologie, klinische. Allgemeine und spezielle 
Pathologie der Person 638. 


T. 

Tabes dorsalis der Kriegsteilnehmer und ihre 
militärärztliche Begutachtung 1165. 

— — Beziehungen des Traumas zur Aetiologie 
und zum Verlaufe der T. d. 212. 

— — Viszerale Analgesie bei T. 257. 

-Wirbelsäulenbruch und T. d. 212. 

-Spezifische Behandlung 688. 

— — und Trauma 645. 

Taenia nana, Masseninfektion mit T. als Sektions¬ 
befund 15. 

Tätowierung, Demonstrationen 237. 

Talus, Riesenzellensarkom dess. 1078. 

Tampospuman bei genitalen Blutungen 1166. 

Tanyraastix lacunae (Guerin) aus dem Eichener 
See (Schwarzwald) 160. 

Tarsalia, Die sogenannten T. und diö Bedeutung 
für die Fussverletzungen 1026. 

Tarsometatarsalgelenk, Luxation im ersten T. 474. 

Tarsoplastik nach v. Blaskovics 210. 

— durch Umwendung des verkrümmten Teiles 
des Lidknorpels 45. 

Taubheit, Apoplektiform auftretende T. bei 
11 jährigem Knaben 910. 

— Heilung von psychogener T. und Taubstumm¬ 
heit 162. 

Taubstummheit, Hysterische T. und Stummheit 
903. 

Taucher, Selbstversuche, welche ein bei T. durch 
zu schnellen Aufstieg auftretendes Krank¬ 
heitsbild betreffen 404. 


i Tebelon bei Staphylokokken- und Streptokokken 
infektionen 709. 

— Behandlung der kindlichen Skrofulotuber 
kulose mit T. 688. 

— bei gonorrhoischen Infektionen 1191. 

Teleangiektasie am Unterschenkel und Fuss 862. 

Temperatur, Physiologische Erhöhung der Körper- 
T. 1150. 

Tenosin in der Geburtshilfe und Gynäkologe 
302, 831. i 

Tenotomie, Keine quere T. mehr 568. 

Tentoriumrisse der Neugeborenen 425. 

Terpene, Heilwirkung des T. in der Chirurgie 44. 

Terpentin, Behandlung mit T. .880. 

— Eukupin-T-lnjektionen bei urologischenKrank¬ 
heiten 302. 

— Einspritzungen von T. bei Gonorrhoe 184. 

Terpentinphlegmone, absichtlich erzeugt 705. 

Tetanie, Der Frühlingsgipfel der T. 1145, 1247. 

— und Epilepsie 116. 

— postoperative 618. 

— sensible und sensorische 928. 

— bei Pylorusstenosen, Kasuistik 634. 

— Beteiligung des vegetativen Nervensystems 
und trophische Störungen bei infantiler T. 
737. 

— Dauerheilung einer lebenbedrohenden ^ost- 
operativen T. durch homoioplastische Epithel¬ 
körpertransplantation 352. 

Tetanus, Aussergewöhnliches Auftreten 713. 

— Kriegserfahrungen 1020. 

— Erfahrungen während des V^eltkrieges 1097. 

— Kriegs- und Friedens-T. 257. 

— Zwei geheilte Fälle 689. 

— Gibbusbildung nach T. 44, 856. 

— Kyphoskoliose nach T. 44. 

— Rezidiv durch Narbenexzision geheilt 953. 

— und seine Behandlung 623. 

— Serumwirkung bei T. 257. 

— Behandlung durch Antitoxineinspritzung in 
den Ventrikel 42: 

— Kombinierte* subdurale und intraspinale 
Serumeinspritzung beim T. 495. 

— Warum wird die lokale Muskel starre beim T. 
durch Novokain aufgehoben? 640. 

— Nierenblutungen im anaphylaktischen Shock 
nach T.-Serum Einspritzungen 400. 

— trotz prophylaktischer Serumeinspritzung 257 

Tetanusserum, Zur Gewinnung von T. 1240. 

Tetrahydronaphthalin, Schicksal des T. im Tier¬ 
körper 448. 

Tetraplegie, spastische 1197. 

Therapie, intermittierende 1240. 

— sterilisans. localis percapillaris 67, 474. 

Thermalbäder, Anwendung indifferenter Th. gegen¬ 
über organischen und funktionellen Störungen 
des kardiovaskulären Systems 1239. 

Thermodynamik, Die Allgültigkeit des zweiten 
Hauptsatzes der Th. 639. 

Thermometer, Tiefen-Th. 1167. 

Thiazinrot 231. 

Thorakoplastik bei chronischer Lungentuber 
kulose 66. , 

Thorax, Studien 1242. 

— Intrathorazischer Druck und Mechanismus der 
Atmung 1213. 

— Bedeutung der Interkostalatrophie bei Raum 
ausgleiehung im Th. und der Begriff der 
Lungenstützfunktion 642. 

— Respirationstraktus und j Wirbelsäule 421. 

— Wachsabdruck einer rechten Th.-Hälfte mit 
Geschwür der Mamma 714. 

— Erblichkeit von Th.-Anomalien bes. bei Tuber¬ 
kulose 619. 

— Missbildungen dess.« als Konstitutionsano- 
malien und ihre Therapie 471. 

— Schussverletzungen des Th. und deren Folgen 
1098. 

— Verletzungen dess. im Kriege 758. 

Thorium X, Die bakterizide Wirkung der Strahlen 

1121. 

— Biologische Wirkung dess. 1049. 

— Th.-Dosierung und Behandlung bei Derma¬ 
tosen 1191. 

Thrombose und Embolie nach Kriegsverletzungen 
und Operationen 163. 

— Vorübergehende Dilatations-Thr. nach Sa: 
varsaninfusionen 209. 


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Original from 

UNIVERSITY OF IOWA 





Thymus, Lymphfollikel mit Keimzentren im Th.- 
Mark 184. 

Thyreoiditis acuta suppurativa 944. 

Tibia, Spontanfraktur bei Adoleszenten 855. 
Tiefaimung, Der Frequcnzausschlag bei T.-Prü¬ 
fung 701. 

Tiefenthermometrie 1215. 

Tierseuchen, Schutzimpfungen mit abgetöteten 
Bakterien bei T. 16. 

Tintenstift, Verletzung durch T. 1218. 

— Verletzung der Orbita 906. 

Tod, Bemerkenswerter Fall von Schein-T. 1219. 

— Ein sicheres Vorzeichen des T. 1243. 

— Zum Kapitel des plötzlich eingetretenen T. 
ohne direkt ersichtlichen Grund 1169. 

Todesursachenstatistik, Reform der T. in Preussen 
753. 

Tölzer Badekur, Beiträge. Arteriosklerose 790. 
Tollwut, Spätfall 855. 

Tonometer, Korrektur am Recklinghausen’schen T. 
974. 

Tonsille als Eingangspforte von Infektionen 1075. ! 

— und ihre Beziehungen zu Allgemeinerkran- j 

kungen 546. 1 

— Ulcus tuberculosum ders. 909. 

Tonsillektomie, Blutungen nach T. 760, 1147. 

— Vorteile der Wundtamponade nach T. 594. 

— Hineinwachsen adenoiden Gewebes in die 
Gaumenmandelnischen nach T. 618. 

Tonsillitis, Therapie der lakunären T. 350. 
Tortic«41is spastica, Operative Behandlung 352. 
Totenstarre, Das Ausbleiben der postmortalen 
Säurebildung im Muskel als Ursache der 
verschiedenen Intensität der T. menschlicher 
Leichen 990. 

Toxikomanie 617. 

Trachea, Fibrom ders. 401. 

— Röntgenographische Darstellung der T., be- ! 
sonders bei Kropfkranken 475. 

Tracheobronchialbaum, Physiologische und topo¬ 
graphische Studien an dems. 451. 
Tracheomalazie und Struma 475. 

Tracheopathia osteoplastica 835. 

Trachom, Derzeitiger Stand der Aetiologie 479. 

— Schutzfenster bei Massenbehandlung von Tr. 
377. 

— Provokationsmethode bei Tr.^-Verdacht der 
entzündlichen Bindehauterkrankungen 186. 

— Abrasio conjuuMjtivae als Heilmittel des Tr. 
1244. 

Traetus opticus, Schussverletzungen dess. 187. 
Tränendrüsen, Hereditäre Ptosis der orbitalen Tr. 
713. 

Tränenkanälchen, Röntgenuntersuchung ders. 18. 

— Naht des durchrissenen unteren Tr. 401. 
Tränensackeiterung, Behandlung der Tr. bei 

Kieferverletzten mit der West’schen Operation 
284. 

Tränensacktuberkulose, Heilung auf intranasalem 
Wege 354. 

Tränenwege, Beurteilung der Tr.-Erkrankungen 
nach photographischen Aufnahmen 759. 
Träume, algolagnisehe 1244. 

Transplantation, Regeneration und ortseinsetzende 
funktionelle Metaplasio 1098. 

— Vorbereitung des Empfangsbodens bei freier 
Tr. 352, 618. 

Traube, Ludwig, und die Geschichte der experi¬ 
mentellen Pathologie in Deutschland 182. 
Traubenzucker, Mikrobestimmung dess. 522. 
Trepanation, Spätinfektion beiElliot’schcrTr. 1218. 
Trichinose 398, 1150. 

— Polymyositis acuta und Tr. 316. 
Trichomonadenkolpitis 236, 857. 

Trichophytie, Behandlung ders. 67, 209, 424, 

688, 736, 1003, 1078. 

— Statistische Beiträge zur Tr.-Epidemie 376. 

— spezifische und unspezifische 640. 

— Klinik und Pathogenese ders. 235. 
Trichophytonpilze, Lebensdauer ders. 546. 
Trichozephaliasis und okkultes Blut 116. 
Trichozephalus dispar bei Kriegsteilnehmern 174. 

-- Chronische Anämie durch dens. 186. 

Trigeminusneuralgie, Behandlung mit Trichlor- 

äthylen 65. 

— Operative Behandlung einer schweren Tr. 

nach intrakranieller Schussvcrletzung des i 
Trigeminus 66. 1 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1289 


I Trigeminusneuralgie, Exstirpation des Ganglion 
Gasseri bei schwerster Tr. 1076. 

: Trimenon, Das erste Tr. 17. 

! Trochanter minor, Isolierte Abrissfraktur 856. 
j Trockengemüse 254, 349. j 

! Trommelfellperforation, Eindringen von Kampf- | 

! gasen durch die Tube bei Tr. 787. \ : 

! Trommelfellruptur, Therapie der traumatischen ' 

! Tr. 231. 

! Trommelschlegelfinger bei Gesunden 1166. 
Tropenärzte, Bedeutung, der deutschen Tr. für ; 
die Eingeborenen und die Wissenschaft 476, 
500. ; 

TrugwabrnehmuDgen, Projektion eigener Körper- ' 
defekte in Tr. 643. 

i Trypaflavin, Einwirkung dess. auf augenpathogene . 

! Keime 187. 

!— bei Infektionskrankheiten 831. 

: — vom Standpunkt des praktischen Arztes 852. 

! Trypanosoma des Schafes 663. 

I — Unterscheidung des Tr. rhodesiense vom 
! Tr. brucei 836. 

| — gambiense, Chemie dess. 355. 

— Adrenalininjektion zur Provokation bei Tr.- 
• Infektionen 1147. 

| Trypanosomiasis, Sind Tr. und Syphilis ver¬ 
wandte Krankheiten? 355. 
Tubenschwangerschaft, IlamatinämicundHämatin- 
ikterus bei unterbrochener T. 19. 

Tuberkel, Initiale T.-Formen 880. 
Tuberkelbazillen, Biologie ders. 641. 

— Virulenzschwankung ders. 1240. 

— Die wasserlöslichen Bestandteile der T. 782. 

— Mikroskopischer Nachweis 1119. 

— Nachforschung von T. 1003. 

— Färberischer Nachweis ders. 42. 

— Färbung mit Karbolfuchsin-Chromsäurc 495. 

— Antiforminverfahren und einige neuere An- 
reicherungsverfahren zum Nachweis von T. 
im Sputum 544. 

— Vorkommen virulenter T. in der Blutbahn 
bei Hauttuberkulosen nach diagnostischer 
Tuberkulinanwendung 615. 

— Nachweis in Lurabalpunktaten 15. 

— Nachweis im Harn 376. 

Tuberkulid, Gruppierte papulöse 618. 

Tuberkulin, T.-Diagnostik 186. 

— Verhalten der kutanen T.-Reaktion während 
der Grippe 234. 

— Mechanismus der T.-Reaktion 1192. 

— Erfahrungen mit T.-Behandlung 375. 

— Geteilte T.-Injektionen 138. 

— Bewegungshyperthermie und T.-HyperUicrmie 
138. 

— Wertbestimmüng des T. durch Kutanimpfung 
138. 

— Intrakutane T.-Reaktion 7£6. 

— Verwendbarkeit der diagnostischen T.-Injek¬ 
tion in der chirurgischen Tuberkulose des 
Kindesalters 1071. 

— Praktische Bedeutung der negativen T.-Re¬ 
aktion 303. 

— Die therapeutische Hautimpfung mit Alt-T. - 
855. 

— Verbesserung der perkutanen T.-Reaktion 616. - 
Tuberkuloide Gewebsstrukturcn der Haut 904. 
Tuberkulose, T.-Fragen 479. 

— Einige Streitpunkte in T.-Fragen 257. 

— Epidemiologie 499. 

— Gesetzmässigkeiten im Verlaufe der T. 1218. - 

— Klinik ders. 616. 


Tuberkulose, Abhängigkeit des T.-Verlaufs beim 
Kinde von den Infektionsbedingungen der 
hereditären Belastung und der Lokalisation 
der T. 496. * 

— Säuglings-T. 1220. 

— Die Kaltbliiter-T. 1192. 

— Beurteilung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit 
T. 257. 

— Nahrungsmittelzuweisungen an T.-Kranke 398. 

— Unterernährung und chirurgische T. 428. 

— und Grippe 1119, 1166. 

— und Karzinom 806. 

— Vorkommen Wassermann’scher Reaktion bei 
Haut-T. und Tuberkuliden 618. 

— Künstliche Beeinflussung der Allergie bei T. 
642. 

— Spezifität der Intrakutanreaktion beiT. mittels 
Partialantigenen 616. 

— Bedeutung der Partialantigene nach Deyckc- 
Much für diu spezifische T.-Forschung 883. 

— Herdreaktion bei der Pirquct'schen Kutan¬ 
probe 660. 

— Bedeutung der Partialantigenforschung bei 
chirurgischer T. 44, 833. 

— Dosierungsfragen in der Partigentherapie der 
T. 370. 

— chirurgische, Behandlung ders. mittels Tubcr- 
kulin-lnunktionskur nach Petruschky 1239. 

— Biologischer Nachweis aktiver T.-Herde durch 
die intrakutane EigenharnVeaktion 782. 

— Diagnose mittels Komplementablenkung 831. 

— Feststellung und Behandlung der tuberku¬ 
lösen Infektion mittels antitoxischer Heilkörper 
325. 

— Bekämpfung: Vermeidung der Erstinfektion 
618. 

— Maassnahmen zur Bekämpfung ders. 630. 

— Bekämpfung der Seuchen, besonders der T. 
433. 

- Wohnungselend und T. 1213. 

- Spezifische T.-Therapie 396. 

- Tuberkulinbehandlung der tuberkulösen exsu¬ 
dativen Pleuritis 1239. 

- Wesen und biologische Behandlung des Fiebers 
bei T. 616. 

- chirurgische, Heliotherapie bei Kindern 1095. 

- Vorsehläge zur Bekämpfung der T. nach dem 
Kriege in Frankreich 1064. 

- Versorgung von Kehlkopf- und Lungenheil¬ 
stätten 524. 

- Behandlung der T. mit lebenden avirulenten 
Kaltblütertuberkulosebazillen 1143. 

- Chemotherapie der T. der oberen Luftwege 
mit Kryalgan 640, 951. 

- Behandlung der äusseren T. 1143. 

- Natrium-Morrhuat bei T. 424. 

- Kieselsäure und T. 735. 

- Chemotherapie der T. mit Kupfer- und Me¬ 
thylenblausalzen 615. 

- Neue strahlenbiologische Untersuchungen über 
T. 615. 

- Strahlentherapie ders. 544. 

- Strahlenbehandlung dei T. bei der östlichen 
Bevölkerung 544. 

- Impf-T. am Zeigefinger 406. 

- der Hilusdriisen bei sechsmonatigem Kinde 
(Röntgenbild) 480. 

- cutis ulcerosa serpiginosa universalis 19. 

- Vasektomie bei Genital-T. 1244. 

- Isolierte Miliar-T. der Leber bei T. des Pan¬ 
kreas und der Vena lienalis 538. 


— Ueber T.-Infektion 2Ö1. Tuberkulosefilm für die reifere Jugend 63. 

— Pathogenese der T. 325. Tuberkulosehcilmittel Friedmann’s, Die Art der 

— Grundlagen der T.-Pathologie 1003. Abgabe dess. 880. • 

— Pathologisch-anatomische Beobachtungen wäh- — — Erfolge dess. 31, 121. 

rend des Krieges 1096. — — Zur Abwehr in Sachen dess. S32. 

— Mortalität während des Krieges 1147. — — Prophylaktische Injektionen mit demselben 

— Sekundärerscheinungen ders. 882. 1119. 

— Berufspsychologie und T.-Forschung 303.-Erfahrungen mit dems. bcs. bei Wirbcl- 

— Irrungen und Wirrungen im Kampfe gegen tuberkulöse 605. 

die T. 616. -Ein Fall von Nieren- und Blascntuber- 

— Statistik der chirurgischen T. in Basel für kulose damit geheilt 608. 

1913 690. — — Die Tragweite der Entdeckung der Tuber- 

— Erblichkeit der Thoraxanomalien besonders kulose-Organismen therapie durch Friedmann 

bei T. 619. 1084. 

— traumatische 1246. -bei Lungentuberkulose 1165, 1166, 1175, 

— Dürfen T. der Pockenschutzimpfung unter- 1240. 

zogen werden? 689. , -Der Streit um dass. 42, 1050. 


6 


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Ürigiralfrcm 

UNIVERSUM OF IOWA 




1290 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Tuberkuloseheilmittel Friedmann’s, Nachunter¬ 
suchung nach dem Friedmannsehen Ver¬ 
fahren im Jahre 1913 behandelter T. 115. 

Turraschädel, Pathogenese dess. 352. 

Tusche, Anwendung ders. in der Harnmikroskopie 
375. 

Typhus, Untersuchungen über T.-und Paratyphus¬ 
immunität 15. 

— Therapie dess. 1196, 1226. 

— Bekämpfung des T. in Malariagegenden 1119. 

— Bekämpfung des T. und der Cholera mit 
epidemieeigenen Impfstoffen 124Ö. 

— im Regierungsbezirk Königsberg 1912—1916 
619. 

— Das Lippenphänomen beim T. 1119. 

— Erkrankungen an Unterlcibs-T. in Stettin von 
1907—1917 in ihrer Beziehung zum rohen 
und filtrierten Oderwasser 14. 

— Galleanreicherungsverfahron bei T. und Para¬ 
typhus 137. 

— Die Doppelnatur der Rezeptoren in der T.- 
Paratyphusgruppe 137. 

— Mitagglutination im Dienste der T.-Diagnose 
757. 

— Veränderung des Kleinhirns beim T. 736. 

— Darm-T. mit Typhusbazillen und atypischen 


Unterkiefer, Chirurgische Behandlung der Schuss- | 
Verletzungen des U. 757. 

— Einseitige temporäre U.-Luxation zur Frei- 1 

legung der Regio infratemporalis und retro- . 
mandibularis 690. i 

— Doppelte U.-Resektion bei hochgradiger Pro¬ 
genie 475. | 

Unterschenkelamputation nach Fall bei der Ar- ; 
beit — kein Unfall, sondern Folge eines Sar- | 
koms 500. 

Unterschenkelfrakturen 785. I 

Unterschenkelgcschwür, Behandlung mit Dymal 
1122 . 

Unterschenkelstiimpfe, Die einzeitig abgesetzten 
kurzen U. und ihre chirurgische Versorgung 
785. 

Untersuchungsmethoden, Lehrbuch klinischer U. 
854. 

— Praktikum der klinischen, chemischen, mikro¬ 
skopischen und bakteriologischen U. 396. 

Unwahrhaftigkeit, Zur Wertung der Aussage vor 
Gericht 595. 

Urämie, Das Begriffsproblera der U. 1069. 

Uranoplastik, Tracheotomie vor der U. 547. 

Urate, Äusfallsbedingungen der U. in tierischen 
Flüssigkeiten 711. 


Paratyphus B-Bazillen im Brunnenwasser 545. i Urease in don Getreidesamen 423. 

T.flKimiKo'ioODa nonk T HA H I I Trftfnr o 


— Leberabszesse nach T. 545 

— Vakzinebehandlung des Bauch-T. 951. 

— Ueber Hühner-T. 15. 

Typhusbazillen im Sputum 137. 

— Abtötung der T. im Organismus des Kanin¬ 
chens 615. 

— Nachweis durch Petrolätherverfahren und die 
Bolusmethode nach Kühn 615. 

— Neue Methode (Kapillarsteigmethode) zur 
Trennung von T. und Kolibazillen 1214. 

— Duodenalsaftuntersuchung bei T.-Rekonvales¬ 
zenten und Dauerausscheidern 1167. 

— Nachweis mittels Adsorbentien 807. 

— Zeigt der Ferkel-T. ein labiles biochemisches 
und agglutinatorisches Verhalten? 1192, 


Ureter s. Harnleiter. 

Urlaubskinder, Siegel’s U. und die Lösung des 
Geschlechtsprobloms 354. 

Urniere, Entstehung des Leistenbandes der U. 
1 2 1 9 . 

Urobilinogen, Die differcntialdiagnostischc Be¬ 
deutung des U. für Magenkrebs und Anämien 
1S6. 

Urobilinogenurie, Lordotische U. im Rahmen der 
Funktionspriifung der Leber 883. 

Urobilinurie bei Nervenerkrankungen 1051. 
Urogenitalsystem, Klinik dess. 930. 

Urologie des praktischen Arztes 1146. 

— Die deutsche U. im Weltkriege 284. 

Ursache, Frage des U.-Begriffes 437, 1050. 

und 


Typhusbazillenausscheider, Dauerausscheider und — Bedeutung der Begriffe U., Bedingung 
ihre bisherige Behandlung 231. . Funktion für den Mediziner 639. 

Typhusbazillenträger, Chirurgische Behandlung Urtikaria als Symptom der Hypothyrcoidie und 
ders, 283, 353. j Sympathikushypotonie 65. 

— Behandlung mit Cystinal 640. ! Uterus s. Gebärmutter. 

— Pathologie und Therapie der T. und Para-! Uvachroraie, ein neues Verfahren der indirekten 


typhusbazillen träger 1240. 

Typhusschutzimpfung, Die Gruber - WidaPschc 
Reaktion bei gesunden und kranken T.-Ge- 
impften 807. 

— und Choleraschutzimpfung 615, 1192. 

— Die nervös-psychischen Störungen nach T. 
und Choleraschutzimpfung 1052. 

Typhus-Koligruppe, Verwandlungsfähigkeit, Par- 
agglutination usw. ders. 545. 

Tyrosinase, Ausscheidung im menschlichen Harn 
546. 


u. 

Ueberdruck, Operation unter peripherem Ue. 784. 
Ueberempfindlichkeit, Krankhafte Ue. und ihre 
Behandlung 116. 

Ulcus simplex des Dickdarms 44. 

Ulna, Isolierte Fraktur des Kronenfortsatzes der 
U. 1071. 

Ulnarisklauenhand, Operation ders. 66, 1120. 

UInarisschiene 929. 

Unfall, Ursächliche Begutachtung von U.-Folgen 

241 . 

Unfallärzte, Jahresversammlung der Schweizer U. 
in Alten 692. 

Unfallfolgen, Gewöhnung an U. 761. 
Unfallheilkunde, Begutachtung von Unfallfolgen 
20 . 

Unfallversicherungsgesetz, Neues schweizerisches 
500. 

Unfruchtbarkeit der Frau und ihre therapeutische 
Beeinflussung 1078, 1191. 

Universität Berlin, Max Lenz’sche Geschichte der 
U. B. 455. 

Unterernährung und chirurgische Tuberkulose 428. 

— Psychische Wirkung der Kriegs-U. 617. 

— unsoror Grossstadtbevölkerung 350. 

— Stickstoffausscheidung bei chronischer U. 305. 


Farbenphotographie 815. 

Die Bedeutung ders. für die Medizin 815, 816. 


v. 

Vagotonic und Sympathikotonie 719. 

Vagus - Akzossorius - Hypoglossuslähmung durch 

Granatsplitter 140. 

Vakzine, Behandlung chirurgischer Infektionen 
mit autogener V. 302. 

— Klinische Bedeutung der eosinophilen Leuko¬ 
zyten bei der V.-Behandlung 186. 

Vakzineerreger, Die Identität des V. und Vari-ola- 
erregers 1241. 

Vakzineurin bei Neuralgien und Neuritiden 14. 

Variköser Symptomenkomplex (Phlebektasie, 
Stauungsdermatose, Ulcus cruris), seineGrund- 
lagon und Behandlung 41. 

Varizen, Rindfleisch’sche V.-Operation 1098. 

— in der Aetiologie der Ischias 246. 

Varizellen, Behandlung 901. 

— Histologische Befunde 881. 

— Rash bei V. 1097. 

— Die zunehmende Schwere der V. 1070. 

— Schutzimpfungen gegen V. 234. 

Vasektomie bei Genitaltuberkulose 1244. 

Vegetabilische Extraktstoffe und ihre therapeu¬ 
tische Verwertbarkeit 1075. 

Vena femoralis, Unterbindung ders. bei infizierten 
Kniegelenksverletzungen 400. 

Venen, Dystrophie ders. 1223. 

— Isolierte Schussverletzungen der V. und ihre 
Bedeutung für die pyogene Allgemeininfektion 
400. 

Venenentzündung, gonorrhoische 1218. 

— und Septikämie 475. 

Veneninjektion, Besteck zur intravenösen In¬ 
jektion undurchsichtiger Lösungen 1095. 


Veneninjektion, Technik der intravenösen Injek¬ 
tion 1165. 

Venenpuls, Funktionelle V.-Diagnostik 186. 

Ventilation, Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die 
V. 595. 

Ventriculus Morgagni, Dilatalio ventriculi sym- 
ptomica 381. 

Verband, feuchter 65. 

— Unverschiebbarer Schnell-V. 65. 

Verbandlehre 657. 

Verbandplatz, Die Grenzen der chirurgischen 
Tätigkeit auf dem Haupt-V. im Stellungs¬ 
kriege 400. 

Verblödung, Zur sogenannten Afifekt-V. 1245. 

Verbrennung, Pathologie ders. 1070. 

— Psychose nach V. 479. 

^Verdauung, Vergleichende Physiologie 522. 

Verdauungsapparat, Krankheiten dess. 951. 

Vererbung in der Augenheilkunde 212. 

— von Krankheiten und Krankheitsanlagen 619. 

Vererbungsstatistik und Familienstatistik 619. 

Vergiftung durch kohlensaures Baryum 1169. 

Verletzte, Die Fürsorge für die chirurgisch 

Schwerstverletztcn während des Krieges 89. 

Verletzungen, Beurteilung unbeabsichtigter töd¬ 
licher V. bei Kindern 906. 

Verodij/cn (Oitalin) 375. 

Veronal, Pupillenveränderung bei V.-Vergiftung 
i215. 

Verrenkung im ersten Tarsometatarsalgelenk 474. 

Verweilkatheter, Anatomische Grundlagen der 
Verwendung des V. 284. 

— Befestigen dess. 67. 

Vestibularis, Ausschaltung dess. ohne Kochlcaris- 
sehädigung nach Typhus 786. 

Vestibularapparat, Täuschungen in der Raum¬ 
wahrnehmung bei Erkrankung des V. 546. 

Vibroinhalation bei Erkrankungen der Atmungs- 
organe 161. 

Vicin S29. 

Vierhügel, Solitärtuberkcl des rechten vorderen 
V. 666. 

Vitamine, Pharmakologie der V. 160, 182. 

Vitiligo und Syphilis 354. 

Vögel, Nahrungsaufnahme junger V. 830. 

Vogelpocke, Einfluss von Desinfektionsmitteln auf 
das Virus der V. 16. 

Volk, Medizinische Forschung und V. 80. 

— Der Staat, die Aerzte unt^das V. 73. 

Volkshygieno, Wege zur V. 9/6. 

Volumbolometrie, Methode ders. 974. 

Vorstellungsabläufe, abartige 1052. 

Vulvitis und Vaginitis gangraenosa mercuriaiis 
498. 

Vulvovaginitis gonorrhoica, Intravenöse Kollargol- 
behandlung ders. 688. 

— — der Kinder mit heissen Bädern 737. 

— — Fiebcrbehandlung der kindlichen V. 1216. 

Vuzin, Wundbehandlung mit V. nach Klapp 257, 

584, 812, 1119, 1143, 1165. 

— Wirkung des V. auf den Kreislauf bei intra¬ 
venöser Einspritzung 117. 

— in der Friedenschirurgie 712. 

— Intraabdominale Anwendung bei Bauch¬ 
schüssen 428. 

— Behandlung von Knicgelenkschtissen mit V. 
736. 


w. 

Wachstum, Anregung rückständigen W. durch 
Röntgenstrahlen 1166. 

Wachstumsgesetz, Gültigkeit des Rubner'sehen W. 

in verschiedenen Tierklassen 114. 

Wade, Behandlung grossor W.-Verletzungen und 
Peroneuslähmungen 352. 

Wärme und Arbeit im tierischen Körper 1137 . 

— Physiologische Erhöhung der Körper-W. 1150. 
Wärmemessuug, Tiefenthermometrie 1215. 
Wärmeregulation neugeboren^ Säugetiere und 

Vögel 830. 

— Schilddrüse und W. 958, 1078, 

Wärmestauung in der Pathologie des Körpers 233. 
Wanderniere, Hochgradige W. operativ geheilt 

406. 

Wangenfett, Einseitiger Schwund des W.-Pfropfes 
116. 


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Original fro-m 

UMIVERSITY OF IOWA 



Warzen, Multiple Gesichts-W. 831. 

V 7 arzen*fortsatzentzündung, Entwicklung der 
akuten W. 594. 

Wasser, Hygienische Untersuchung und Be¬ 
urteilung des Tiink-W. 1048. 

— Beurteilung des W. auf Grund der Keim¬ 
zählung 595, 954. 

— W.-Ausseheidung durch die Nieren und 
W.-Haushalt dos Organismus 213, 472. 

— W.-Versorgung 1048. 

Wasserhaushalt des kindlichen Organismus 305, 
903. 

Wasserraann’sche Reaktion 689. 

— — Chemie ders. 397. 

— — Methodik ders. 660. 

— — Praxis und Theorie ders. 16. 

— — Fehler ders. 303. 

— — Einfluss der Temperatur auf das Kom- 
pleraentbindungsvermögen bei ders. 1241. 

— — Paraljelversuche mit Serum und Liquor 
nach Wassermann und Sachs-Georgi 1012. 

— — Vorkommen positiver W. R. bei Ilaut- 
tuberkulosen und Tuberkuliden 618. 

— — mit Hilfe eines auf Mensehenblut ein¬ 
gestellten hämolytischen Ambozeptors 471. 

— — Verfeinerung ders. nach M. Mandelbaum 
855. 

— — Zeit des Eintritts ders. beim Primär¬ 
affekt 809. 

— — Die Bruck’sehe und die W. R. in den 
einzelnen Stadien der Syphilis 185. 

— — Kritische Studien über W. R. und Luetin- 
reaktion 19. 

— — Ueber positive W. R. im Liquor bei nicht 
luetischer Meningitis 17. 

— — Kritik der Mandelbaum’schen Veränderung 
der W. R. 16. 

— — Technik der Kaup’schcn Methodik der 
^ W. R. 1192. 

Watte, Nicht entfettete W. als Tamponaden¬ 
material 56S. 

Wechselstrom, Die Maximaldosis des W. in der 
Therapie und seine Messung 46. 

Wehen, Die wehenerregende Wirkung der Barium- 
und Kaliumsalze 377. 

Weil’sche Krankheit, Epidemiologie ders. 1243. 

— — Infektionsmodus, Epidemiologie und Serum¬ 
behandlung 326. 

— — Zerfall der roten Blutkörperchen bei ders. 
881. 

W 7 eil-Felix’schesBakterium, Vorkommen dess. 137. 

— — Morphologie und Entwicklung dess. 616. 

’■-Agglutinabilität dess. 326, 974. 

— Reaktion, Abnorme Serumreaktionen und die 
W.-F. R. 1192. 

-Zur Deutung ders. 1241. 

— — und Paragglutination 185. 

— — Spezifität ders. 711. 

W 7 eiss’sche Kapillarbeobachtungsmethode, Unter¬ 
suchung des Exanthems bei latentem Fleck- 
fieber und bei Malaria nach der W. K. 162. 

Weltgeschichte (Weber’s) in zwei Bänden 543. 

Wiederkäuer, Ersatz des Nahrungseiweisses durch 
Harnstoff beim wachsenden W. 693 

Wilhelm II., Die Krankheit dess. 806. 

W 7 ilson’sche Krankheit 331, 547. 

Wirbelkaries, Rasch tödlich verlaufende W. 1168. 

Wirbelsäule, Die Kompressionsfrakturen derBrust- 
und Lendenwirbelkörper 1120. 

— Spätfolgen der W.-Traumen 692. 

— Bruch der W. und Tabes 212. 

— Die Ursachen der Steinbildung in den Nieren 
nach W.-Verletzung 1129, 1148. 

— Albee’sche Operation bei tuberkulöser W. 1103. 

Wirbelsäulen tuberkulöse, Friedraann’s Heilmittel, 

besonders bei W. 605. 

— Demonstration von Präparaten nach Albee- 
• scher Operation 356. 

— Röntgendiagnostik ders. 1072. 

Wirbelsäuleverletzunrfen, Pflege der W T irbelsäulc- 

verletzten und Gelähmten 376. 

W T ochenbett, Fortschritte und Wandlungen in 
der Physiologie, Diätetik und Pathologie 
des W. von 19Q6—1915 206. 

— Puerperale Kolisepsis 593. 

W T öchnerin, Leitfaden zur Pflege der W r . und 
Neugeborenen zum Gebrauch für Wochen¬ 
pflege und Hebammen 206. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


j Wohlfahrtsamt 499. 

| Wolhynien, Erkrankungon und Todesfälle unter 

I der Bevölkerung in W. und Polen 620. 

Wortassoziationen, Sinnlose W. eines Geisles- 
gesunden 176. 

Worttaubheit, Klinik und Anatomie der reinen W. 
1052. 

Würmer, Beitrag zur Warmbehandlung der 
Kinder 1191. ; 

Wustenklima, Zusammensetzung des Blutes im W. ■ 
1165. 

Wulst, Pathologische Anatomie des Gerber¬ 
sehen W 7 . und Operation grosser Kiefer¬ 
zysten 931. 

W r un*den, Spontane Charakterveränderung von W. 
474. 

Wundbehandlung 1244. 

— Wandrungen ders. 1097. 

— offene 65, 1070. 

— Primäre Versorgung der Kriegswunden 644. i 

— im Peritoneum 834. 

— Sekundäre Wunddeckung im Dienste der 
Wiederherstellungschirurgie 1244. 

— Primäre Exzision und primäre Naht akziden¬ 
teller Wunden 900. 

— Behandlung kallöser W. mit Skarifikation 831. 

— Behandlung infizierter Flächenwunden durch 
unspezifische Immunisierung 326. 

— Behandlung der Kriegs-W 7 . mit Autovakzine 
474. 

— Pharmakologie ders. 927, 1143. 

— mit Isoktylhydroküprein nach Klapp 812. 

— Behandlung schlecht granulierender torpider 
Kriegswunden mit Jodtinktur und Wasser¬ 
stoffsuperoxyd 331. 

— mit flüssigem Pech 18. 

— mit Proflavin-Oleat 425. 

— mit Vuzin nach Klapp 584. 

Wunddiphtherie 69, 234, 689, 903, 1216.. 

Wundgeschwüre, Neue Behandlung von hart¬ 
näckigen W. verschiedenen Ursprungs 161. 

Wundhaken, verbesserter selbsttätiger 65, 474. 

Wundheilmittel, Wirkung ders. 690. 

Wundheilung, Verhütung von Störungen der W 7 ., 
insbesondere über Beschaffenheit und Zube¬ 
reitung des Wassers 1219. 

Wundinfektion, Anaerobe Infektion der Schuss¬ 
wunden 929. 

— im Kriege 929. 

Wundinfektionskrankheiten, Die Nebennieren bei 
W r . 185. 

Wundnaht, Die Friihnaht bei ausgeschnittenen 
Schusswunden 903. 

— Plastische Naht kreuzförmiger Wunden 117. 

Whmdspreizung, Einfacher Drahtring zur W. 712. 

Wundstreptodermien, Schnellbehandlung der W. 

184. 

Wundverschluss, nahtloser 351. 

Wurmfortsatz, Funktion des menschlichen W. 41. 

— Röntgenbiider dess. 354. 

— Operative Behandlung der Ruhr mit A. bzw. 
Zökostomie 400. 

Wurrnfortsatzentzündung, akute im vorgeschrit¬ 
tenen Alter 400, 834. 

— Der hintere Lendenschmerzpunkt bei akuten 
W.-Anfällen 548. 

— chronische katarrhalische in ihren Beziehungen 
zur Perimetritis 570. 

— Pseudo-W 7 . nach infektiösen Darmerkrankungen 

548. • 

— Hämaturie als Komplikation der W 7 . 691. 

— vorgetäuscht durch Erkrankung der rechts¬ 
seitigen Beckenlymphdrüsen 930. 
Untersuchungen über die syphilitische Aetio- 
logie der A. 67. 

— Vergleichende Rassenpathologie der W T . und 
Tuberkulose nach Erfahrungen in Chile 766. 

— Beteiligung der Geschlechter an der Morbi¬ 
dität und Mortalität der W 7 . 834. 

— 'Wechselbeziehungen zwischen Kolitis und W 7 . j 

1216. I 

— Entwicklung der W 7 .-Chirurgie in Schweden ! 

857. ' " ! 

— und Unfall 44. ! 

— Chronische W. (durch 12 Schrotkörner) und ! 

rechtsseitige Adnexerkrankung 1168. I 

— Sektionsbefund Lorenz Heistör’s über eine | 
akute brandige W. aus dem Jahre 1911 902. i 


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1201 


Whmnfortsatzentzündung, Behandlung der akuten 
W. 1244. 

— Behandlung der akuten W 7 ., bcs. bei der 
umschriebenen Abszessbildung 1071. 
Wutschutzimpfung, Tätigkeit der W 7 .-Abteilung 
am II. Städtischen Krankenhaus zu Riga 1241. 


X. 

Xanthelasma der Haut nach Chininexanthem 688. 
Xanthom, Zur X.-Frage 662. 

— generalisatum moliniforme 503. 
Xanthoproteinsäurereaktion, Welchen Anteil haben 

Tyrosin und Tryptophan an dem Farbeneffekt 
bei den beiden Phasen der X. 1190. 
Xanthosis diabetica 231, 405, 471. 

— der Haut und über Xanthämie 643. 
Xeroderma pigmentosum und Augenorkrankungen 

1027. 

Xerophthalmic und Dystrophie bei jungen Kindern 
738. 


Y. 

Yohimbin für Behandlung der Dysmenorrhoe 
302. 


z. 

Zahn, Verlagerung eines Z. in den Oberkiefer 
452. 

— Radiographische Darstellung der einzelnen Z. 
und der Kiefer 1239. 

Zahnfleischentzündung, akute gcschwürige 43. 

Zahnung und Grippe 547. 

Zehen, Missbildung der Z. an beiden Füssen 692. 

— Isolierte träge Plantarflexion der grossen Z. 
bei Pyramidenläsion 94. 

Zehenphänomen, Künstliche Umschaltung des 
Babinski’schen Z. 232. 

Zeitbewusstsein, Ueber das Z. und über eine 
eigentümliche Wahnbildung des Z. bei 
schweren Typhuskranken 1193. 

Zelle, Die synthetische Fähigkeit der mensch¬ 
lichen und tierischen Z. 1239. 

Zollinhaltskörper, Makrochemische Untersuchung 
der Z. 687. 

Zellulose, Fermentvorsuche an Z.-Abbauprodukten 
707. 

— Verdaulichkeit ders. 428. 

— Ueber Z.-Verdauung in vitro zur Feststellung 
der Verdaulichkeit zellulosehaltiger Futter¬ 
mittel 1190. 

— Bestimmung der Verdaulichkeit des Z.-Anteiles 
der Pflanzenfaser 114. 

Zentralnervensystem, Aktinoraykose dess. 1195. 

Zentrifugate, Aufhebung von Z. und Färbung von 
Sedimenten 284. 

Zerebrospinalflüssigkeit, Kolloidreaktion ders. 232, 
815. 

— Experimentelle Untersuchungen ders. auf der 
Basig der Vitalfärbung 1003. 

Zeugung, Künstliche Z. und Anthropogenic 
301. 

— Normale, pathologische und künstliche Z. beim 
‘ Menschen 301. 

Zilialkörper, Gliomähnliche Geschwulst dess. 810. 

Zilienplastik 306. 

Ziük, Bestimmung von Z. in organischen Stoffen 
1219. 

Zökum, Fisteln dess. 209. 

— Plikation des Z. als Behandlung der Obsti¬ 
pation 644. 

Zoologie, Die angewandte Z. 1165. 

— in Fragen, Antworten und Merkversen 63. 

Zucker, Enzymatische Studien über Z.-Spaltungen 

828. 

— Traubenzuckerinfusionen bei gesunden und 
kranken Menschen 305. 

— Quantitative Bestimmung von geringen Z.- 
Mengen bei Gegenwart von höheren und 
niederen Eiweissabbauprodukten 614. 

Zufall, Ueber den Z , philosophische Vorträge der 
Kant-Gesellschaft 136. 

6 * 


Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 







1292 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Zunge, Tertiäre, sklerösc Glossitiden, ihre Be¬ 
ziehungen zum Karzinom und pcrioralcn Ek¬ 
zemen 905. 

Zungenbein, Ueber Hyo-Thyreotomie 525. 

Zwerchfell, Eventratio diaphragmatica 952, 1119. 

— Z.-Schiisse und Z.-Hernien 164. 

— Schussverletzungen des Z. mit Votfall von 
Baucheingeweiden in die Brusthöhle 164. 

Zwerchfellhernie, Grosse Zw. nach Schussver¬ 
letzung 1168. 

— Eingeklemmte Zw. nach alter Schussver¬ 
letzung 164. 

— rechtsseitige, kongenitale 1198. 


Zwerchfellhernie, Wahre parösophageale Zw. mit 
| Volvulus und Ruptur des Magens 1071. 

1 — Traumatische Zw. und ihre Inkarzeration 400. 
— Die chronische Zw. als typischo Kriegsvcr- 
letzungsfolgc 66. 

Zwerchfelllähmung, funktionelle 546. 
Zwerchfellncurosen 1242. 

Zwerg, Sektionsergebnis eines erwachsenen echten 
Zw. 790. 

Zwergwuchs bei Atrophie des Hypophysonvorder- 
lappens 544. 

Zwilling, Bericht über einen luetischen und einen 
1 nicht luetischen Zw. 1215. 


Zwischenhirn, Klinische Pathologie dess. 787. 
Zwitter, Familiäres Scheinzwittertum und Ver¬ 
erbungsfragen 1168. 

Zyste, retroperitoneale 808. 

Zystin im Harn und Harnsteinen 448. 
Zystizerkus des Auges 71. 

— des Gehirns 71, 1197. 

— beim Hunde 71. 

— piriformis leporis cuniculi L. 545. 

Zystoskopie am Hunde 758. 

Zytozym, Einfluss der Temperatur auf Z.-Lösungen 
1048. 


Verlag und Expedition in Berlin NW. 7, Unter den Linden 68. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4, Chausseestr. 42. 


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Original frorri 

UNIVERSUM OF IOWA 



1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 




Glänzend begutachtetes, bewahrtes Hilfsmittel def modernen Frauen¬ 
hygiene. Irrigal besitzt die Vorzüge des Holzessig», aber nicht dessen 
Nachteile, wie üblen, penetranten Geruch, ätzende Säurewirkung, flüssige Form. 

Irrigal zeichnet sich durch seine mild adstringierende, antibakterielle 
Wirkung, durch seinen angenehmen Geruch, seine Unschädlichkeit sowie seine 
leicht handliche Tablettenform aus. Ärztlich empfohlen bei allen Erkrankungen 1 
des weiblichen Genitalapparates, welche mit katarrhalischen Erscheinungen 
verbunden sind, daher von günstiger Wirkung bei Fluor albus, Vulvitis, 
Erosionen, Ulcerationen, Kolpitis chronica catarrhalis, chronischem 
Cervicolkatarrh mit und ohne Erosionen und besonders auch bei Pruritus 
vulvae et vaginae zur Zeit des Klimakteriums und bei älteren Frauen. 

Wegen ihrer Reizlosigkeit und Unschädlichkeit können sie den Frauen 

zu regelmäßigen Spülungen und Waschungen überlassen werden. 

Dosierung I-2 Tabletten In 1 Liter Wasser. 

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vereinigt die spezifischen Wirkungen des Arsen und des 
Calcium und ist daher besonders indiziert bei: 

Anaemien infolge hämorrhagischer Dialhese, Haemophilie, 

Tuberkulose, Hautkrankheiten mit starker Exsudation, bei 
Tic convulsif der Neurastheniker, bei Malaria mit Blutungen. 

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Original frorn 

UNIVERSIIY OF IOWA 



























1019. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


51) Prof. Borutt&u: Klinisch-chemische Untersuchnngsmethoden. Di., i 
Fr. 10—12 im patholog. Inst, des stadt Krhs. Friedrichshain. 70 M. 
Min. 3, Max. 5. 

52) Prof. Dr. Gudzent: Prakt. Korsos der wichtigsten chemischen and 
physikalisch-chemischen Stoffwechselmethoden. Mo. bis Fr. 12—1 
(oder nach Verabr.) in der I. med. Klinik, Charite. 100 M. Min. 3. , 

53) Priv.-Doz. Dy. Hans Hirschfeld: a) Prakt Korsos der klinischen | 
Blotuntersuchungsmethoden. Wöchentl. 2 Doppelstunden nach ! 
Verabr. Laborat. der II. med. Klinik. 60 M. b) Kursus der klini¬ 
schen Mikroskopie und der wichtigsten serologischen und bakterio¬ 
logischen Untersuchungsmethoden. Zeit, Ort und Preis wie a). 1 
Bespr. a) und b): 1. Okt., 12 U. 

54) Prof. Dr. Plehn: Klinische Pathologie des Blutes. Mit prakt. ( 
Uebungen und Demonstrationen am Krankenbett and im Laborat 
Mo., Mi., Fr. 12V*—2 im Urban-Krhs. 50 M. Min. 5. 

55) Dr. med. et phil. Pincussohn: a) Chemischer Blutkurs (Mikro¬ 

methoden usw). Mi., Sbd. 10—12 im Laborat. der II. med. Klinik i 
(Charite), Zimmer 70. b) Kursus der Fermentmethoden (Ferment- ! 
nachweis in Sekreten und Exkreten, Abderhaldensche Reaktion). , 
Di, Fr. 10—12, ebenda. Je 60 M. Min. 4. * 1 

56) Dr. Retzlaff, Assistent an der H. med. Klinik: Kursus der klinischen, j 
chemischen, bakteriologischen und mikroskopischen üntersuchungs- 
methoden. Mo., Di., Do., Fr. 8—9 oder 9—10 vorm, oder nach Ver¬ 
einbarung, Laborat. der II. med. Klinik, Zimmer 70. 50 M. Min. 4. 

57) Oberarzt Dr. Werner Schultz: Prakt. Kursus der Hämatologie. 

2 mal wöchentl. 2 Std. nach Verabr. Bespr. 6 . Okt. 12 U. Krhs. 
Westend. II. Innere Abt. 50 M. Min. 4. 

58) Geh. San.-Rat Prof. Dr. Strauss, gemeinsam mit seinen Assistenten: 

Prakt. Kursus der chemischen Untersuchungsmethoden bei Nieren- und 
Stoffwechselkrankheiten. 3 mal wöchentl. 1—2 oder nach Verabr. im i 
Jüdischen Krhs., N., Ecke Exerzier- und Schulstr. L: 28, 29, 32. i 
50 M. Min. 6 . ' 

59) Priv.-Doz. Dr. Walterhöfer: Blutantersuchungen siehe IV. A.a. j 

60) Prof. Dr. Ziemann, Das Blut, seine Krankheiten und Technik der 
Untersuchung. 4mal wöchentl. oder in Doppelstunden nach Verabr. 
40 M. Min. 4. Patholog. Museum der Charite. 

V. Neurologie und Psychiatrie (eiuschl. Elektrotherapie). 

a) Psychiatrische und neurologische Diagnostik und Therapie. 

1) San.-Rat Dr. Bratz: Behandlung der Geisteskranken, Krampfleidenden 
und Alkoholisten durch den prakt. Arzt. 1 mal wöchentl. 2 Std. 
nach Verabr. Bespr. 6 . Okt., 6 1 /* U., im Kaiserin Friedrich-Haus. 
Vorherige schriftl. Wünsche erbeten. 30 M. 

2) Prof. Dr. R. Cassirer: Demonstrativer Kursus der Nervenkrank¬ 
heiten mit Einschluss der Elektrodiagnostik und Elektrotherapie. 
Mo. bis Fr. 11—12 in der Poliklinik, Luisenstr. 14. 50 M. Min. 6 . 

3) Prof. Dr. Förster und Prof. Dr. Kramer: Prakt. Kursus 
der Neurologie (einschliesslich Elektrodiagnostik und Elektro¬ 
therapie) und der Psychiatrie mit bes. Berücksichtigung der psycho¬ 
pathischen Grenzzustände. 6 mal wöchentl., 6 —7 nachm, im Hör¬ 
saal der psych. u. Nervenklinik der Charite. 100 M. Min. 4. 

4) Prof. Dr. Förster: Gerichtliche Psychiatrie, systematische Demon¬ 
strationen mit Uebungen im Diagnostizieren und Abfassen von 
Attesten (für Kreisarztkandidaten). Di., Sbd. 11—12 1 / 2 im Hör¬ 
saal der Nervenklinik der Charite. 50 M. 

5) Leit. Arzt Geh. Med.-Rat Dr. L epp mann: Klinische Psyohiatrie, 
systematische Demonstrationen mit Uebungen im Diagnostizieren und 
Abfassen von Attesten, unter Berücksichtigung der gerichtlichen 
Sachverständigentätigkeit. Di., Mi., Sbd. 11—12 1 /* in der Beobachtungs¬ 
anstalt für geisteskranke Gefangene Invalidenstr. 54 a (in der Nähe 
der Charite). 60 M. Min. 10. 

6 ) Prof. Dr. Schuster: Kursus der neurologischen Diagnostik. Mo., 
Mi., Do., Sbd. 12—1. Poliklinik Luisenstr, 18. 50 M. Min. 6 . 

b) Anatomische und physiologische Laboratoriumskurse. 

7) Prof. Dr. L. Jacobsohn; a) Die feinere Anatomie und die Physio¬ 
logie des Zentralnervensystems. Zeit nach Verabr. 100 M. Min. 3. 
b) Pathologische Histologie des Nervensystems. Zeit nach Verabr. 
50 M. Min. 4. Anatomie, Luisenstr. 64. 

(Siehe auch: XIV. Gerichtliche Medizin.) 

YL Kinderheilkunde. 

1) Geh. San.-Rat Prof. Dr. Bend ix: Kursus der Säuglingskrankheiten 
mit bes. Berücksichtigung der Ernährung und Ernährungsstörungen. 
Charlottenburger Säuglingsklinik, Christstr. 9. Di., Sbd. 1—2. 50 M. 
Min. 5. 

2) Geh. San.-Rat Prof. Dr. Cassel: Kinderkrankheiten, Krankenvorstei- 
lung nebst Besprechungen in seiner Poliklinik, Elsässer Str. 27, 
gegenüber Artilleriestr. Di., Do., Fr., Sbd. ll 1 /*—12 1 /* 50 M.Min. 5. 

3) Priv.-Doz. Dr. Eckert: Pathologie und Therapie der Kinderkrank¬ 
heiten. Mo., Di., Do., Fr. 5—6. Kinderklinik der Charite. 75 M. 

4) Geh. San.-Rat Prof. Dr. Finkeistein: Klinischer Kursus der Kinder¬ 
krankheiten. Mo., Mi., Fr. 1—2 oder nach Verabr. 50 M. Min. 5. 
Kinderkrhs. Reinickendorfer Str. 61. 

5) Prof. Dr. Kleinschmidt: a) Ernährung des gesunden und kranken 
Kindes. Mo., Mi., Do., Sbd. 8—9 in der Kinderklinik der Charitä. 

75 M. Min. 6 . b) Grundlagen für die Betätigung in der Säuglings- 


Umschlag S. 8 . 

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fürsorge. Di., Fr. 12—1V 2 imGemeindesäuglingskrhs.Berlin-Weissensee 
(vom Alexanderpl. mit L: 59 oder 62 bis Falkenberger Str. oder mit 
L: 1, 4, 2, Q bis Königstor, dann mit 59 oder 62 weiter) 50 M. Min. 6 . 

6 ) Prof. Dr. Langstein: a) Kinderärztliche Sprechstunden-Fragen mit 
Kranken vorsteil ungen. Do. 6—8 abds. im Kaiserin Auguste Victoria- 
Haus. 30 M. Min. 10 . b) Säuglingsernährung, Säuglingskrankheiten, 
Säuglingsfürsorge. Prakt Kurs gemeinsam mit den Oberärzten und 
Assistenten, bestehend aus Vorlesungen, prakt. Uebungen und Be¬ 
sichtigungen. Vorlesung tgl. 9—1, anschliesseud prakt. Arbeit und 
Besichtigung. Auf Wunsch ausführliches Programm. Auguste 
Viotoria-Haus, Charl., Frankstr. 300 M. Min. 6 , Max. 15. Anmel¬ 
dung bis 4. Okt. 

7) Priv.-Doz. Dr. Ludwig F. Meyer: Säuglingskrankbeiten mit bes. 
Berücksichtigung der Ernährungsstörungen. Mo., Mi., Fr. 1—2 oder 
nach Verabr. imstädt. Waisenhaus Alte Jakobstr. 33/35. 50 M. Min. 5. 

8 ) Prof. Dr. Erich Müller: Klinischer Demonstrationskurs der 
Kinder- (auch Säuglings-) Krankheiten mit bes. Berücksichtigung der 
chronischen. Prakt. Betätigung am Krankenbett und Untersuchungen 
im Laboratorium. Di., Do.. Sbd. bzw. Mo., Mi., Fr. 10 1 /*— 1 . 100 M. 
Max. 3. Waisenkinderkrankenhaus der Stadt Berlin in Rummelsburg. 

9) Priv.-Doz. Dr. Niemann: Krankheiten und Ernährung des Säuglings 
und Kleinkindes mit klin. Demonstrationen. Mo., Di., Do., Fr. 11 —12 
im Säuglingsheim Halensee, Schweidnitzer Str. 5. 60 M. Min. 4. 

10) Prof. Dr. Reyher: a) Diagnostisch - therapeutischer Kursus der 
Kinderkrankheiten, einschl. Ernährung und Ernährungsstörungen des 
Säuglings. Mo., Mi., Do,, Sbd. 5— 6 . Kinderklinik der Charite. 
75 M. b) Röntgendiagnostik bei Erkrankungen des Kindesalters in 
Verbindung mit Priv.-Doz. Dr. Munk (II. med. Klinik). Mo., D 0 . 8 —9*/x 
vorm., siehe IVad. 

(Siehe auch : IX Augenheilkunde.) 


VII. Chirurgie. 

a) Diagnostische nnd therapeutische Praktika an Kranken. 

1) Prof. Dr. Axhausen: Chirurgische Diagnostik und Therapie mit 
prakt. Uebungen. Mo., Di., Do., Fr. 12 1 /*—2 in der Chirurg. Univ.- 
Poliklinik, Luisenstr. 11. 150 M. Min. 6 . 

2) Prof. Dr. Baetzner: a) Lokalanästhesie mit prakt. Uebungen. Di., 
Do., Fr. 12 — l 1 /*- 60 M. Min. 8 . b) Chirurgisch diagnostisoh- 
therapeutisohe Besprechungen am Krankenbett. Di., Do. 4—5 l /*. 
25 M. Min. 6 . a) u. b) chir. Univ.-Klinik, Ziege!str. 5/9. 

3) Priv.-Doz. Dr. Breslauer: a) Diagnostisch - therapeutische Be¬ 
sprechungen am Krankenbett mit Stationsvisite. Chirurg. Univ.-Klinik 
der Charitä. Mo., Do. 4—5. 80 M. Min. 4. b) Die Chirurgie.des 
prakt. Arztes (mit Krankenvorstellung und prakt. Uebungen), ebenda. 
Di., Fr. 5—6. 80 M. Min. 4. 

4) Prof. Dr. M. Katzenstein: Technik des prakt. Arztes (kleine 
Chirurgie) mit Operationsübungen am Tier. Di. 12—1. Poli¬ 
klinik, Rosenthaler Str. 61. 50 M. Min. 4. 

5) Prof. Dr. Klapp: Chirurgische Diagnostik und Therapie mit prakt. 
Uebungen. Mo., Mi., Fr., Sbd. 4—5V*. Chir. Univ.-Klinik, Ziegel¬ 
strasse 5/9. 150 M. Min. 10. * 

6 ) Prof. Dr. Fr. Lots oh: a) Chirurgische Diagnostik und Therapie 
mit Kranken Vorstellungen, prakt. Uebungen und Operationen. Zwölf 
ständiger Halbmonatskurs vom 6 .—18. Okt. tgl. 8—9 vorm. 100 M. 
Min. 6 . Charite, Chirurg. Nebenabtlg. b) Die Technik der Lokal¬ 
anästhesie. Eifstündiger Halbmonatskurs vom 20.—31. Okt. tgl. 8 —9 
vorm. 100 M. Min. 6 , ebenda, c) Leitung selbständiger chirurg.- 
histolog. Arbeiten im Laborat. der chir. Nebenabtlg. der Charite, 
tgl. 9—1 vom 6.—31. Okt. 75 M. Max. 3. 

7) Prof. Dr. R. Mühsam: Klinische Chirurgie. Mo., Mi., Fr. 12— 1 . 
Rud. Virchow-Krhs. II. chirg. Abtlg. 50 M. Min. 5. 

8 ) Prof. Dr. AntonSticker: Radium und Mesothorium in der Chirurgie 
(Bestrahlungstherapie). Di., Do., Sbd. 9—10 in der Hallauersehen 
Klinik, Schiffbauerdamm 31. 75 M. Min. 3. 

9) Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Wolff: Pneumothoraxoperationen am 
Menschen. Sbd. 11—1. 80 M. Wartburgsanat. Martin Lutherstr. 28. 

10) Dr. Wolff-Eisner: Indikationen und Technik der Pneumothorax¬ 
operation. Zeit nach Verabr. Bespr.: 6 . Okt, 4—5, Martin Luther¬ 
strasse 96. 80 M. Min. 3. 

b) Operationskurse an der Leiche usw. 

11) Prof. Dr. Axhausen: Chirurgischer Operationskurs mit bes. Be¬ 
rücksichtigung der Chirurgie der inneren Organe. Tgl. 5—7 nachm, 
im patholog. Inst. resp. in der Chirurg. Poliklinik der Gharitl. 300 M. 
Min. 6 . 

12) Prof. Dr. M. Katzenstein: Die Technik der Appendicitis- und 
Hemienoperation in Uebungen an der Leiche und am Tier. Di., Do. 
2—3 1 /*. Exp.-biolog. Abtlg., patholog. Inst., Charitä. 200 Mk. Min. 6 . 

c) Orthopädische Chirurgie. 

13) Prof. Dr. J. Frankel: Kursus der Orthopädie mit prakt. Uebungen. 
Di.,Do.,Sbd. 1—2V*. Chirurg. Univ.-Klinik, Ziegelstr.5/9. 60M. Min. 6 . 

14) Dr. Paul Glaessner: Prakt. Kursus der orthopädischen Chirurgie. 
Tgl. ausser Sbd. 1 Std. nach Verabr. 100 M. Min. 5. Chir. Univ.- 
Poliklinik der Charite, Luisenstr. 11. 

(Siehe auch unter XV. Physikalische Therapie .) 

Original fro-m 

UNIVERSSTY OF IOWA 



1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 3ü. 


Yiil. Gynäkologie und Geburtshilfe, 

a) Gynäkologische Diagnostik und Therapie. 

1) Prof. Dr. ▼.Bardeleben: a) Prakt. Kursus der gynäkologischen 
Diagnostik und Therapie, einschliesslich Cystoskopie, Rektoskopie, 
Röntgen-, Radium-, Höhensonne-, Diathermie- und Hochfrequenzstrom- 
Behandlung. Mo., Di., Mi., Do., Fr. 10—12. Poliklinik, Karlstr. 38. Teil¬ 
nahme an den Operationen in der Klinik um 8 U. 200 M. Max. 2. 

b) Im Verein mit seinem Assistenten: Strahlenbehandlung in der 
Gynäkologie. Mi. u. Sbd. 10—12. 50 M. 

2) Prof. Dr. Freund oder Priv.-Doz. Dr. Bracht: Kurs der prakt. 
Gynäkologie. 3 mal wöchentl. nachm, nach Verabr. 120 M. Min. 4. 
Bespr. 6. Okt. 3 0. im Hörsal der Charite-Frauenklinik (Stat. 32). 

3) Prof Dr. Liepmann: Die modernen Behandlungsmethoden in der 
Gynäkologie. Kolloquium. Di., Do. 9—10. Beginn u. Bespr.: 7. Okt. 

9 U. Poliklinik, Karlstr. 22. 40 M. Min. 6. 

4) Prof. Dr. W. Nagel: Gynäkologische Diagnostik und Therapie mit 
Teilnahme an den klinischen Operationen, 2 Gruppen, jede an 3 Wochen¬ 
tagen, 11—1, in seiner Poliklinik, Luisenstr. 14. 75 M. Min. 2. 

5) Prof. Dr. Stickel: Kursus der praktischen Gynäkologie (Diagnostik 
und Therapie) mit Benutzung des Materials der gynäkologischen Univ.- 
Poliklinik der Charitö. Tgl. 11—12 in der gynäkolog. Poliklinik der 
Charitö. 80 M. Min. 4. 

6) Geh. San.-Rat Prof. Dr. P. Strassmann (gemeinsam mit seinen , 
Assistenten): Prakt. Gynäkologie, Diagnostik und Therapie einschl. 
Strahlentherapie (Röntgen, Mesothorium) u. Proktoskopie. Tgl. 11—1, 
bei grösserer Beteiligung in 2 Gruppen je 3 mal wöchentl. Frauenklinik, 
Sohumannstr. 18. Mit klinischen Demonstrationen, Teilnahme an 
Operationen und Assistenz, 8 U. vorm. 100 M. Min. 3. 

b) Gynäkologische Operationskurse. 

7) Priv.-Doz. Dr. Bracht: Gynäkologischer Operationskurs an der 
Leiche. 3mal wöchentl. 3—5 oder nach Vereinbar. Bespr.: 6. Okt. 

8 U. im Hörsaal der Charitö-Frauenklinik. 200 M. Min. 4. — Siehe 
auch Prof. Freund und Prof. Stickel. 

8) Prof. Dr. W. Nagel (mit seinen Assistenten): Gynäkologische Opera- 
. tionsübungen am Schul tze-Winkelsohen Phantom bzw. an der Leiche. 
Tgl. 7—8 nachm, in seiner Poliklinik, Luisenstr. 14. 100 M. Min. 2. 

9) Prof. Dr. Stickel oder Priv.-Doz. Dr. Bracht: Gynäkologischer , 
Operationskurs an der Leiche. Mo. bis Fr. 2—4 nachm. Beginn und 
Bespr.: Mo., 6. Okt., im patholog. Institut (Charitö). 120 M. Min. 4. , 

10) Geh. San.-Rat Prof. Dr. P. Strassmann: Gynäkologische Operationen 
am Phantom (bzw. an der Leiche) (gemeinsam mit seinen Assistenten). | 
Di., Do. (bzw. auch Fr.), 87*—5. Mit klinischen Demonstrationen 
und Teilnahme an den Operationen, 8 U. vorm. Frauenklinik, Schu- 
mannstr. 18. 100 M. Min. 2. ! 


c) Geburtshilfe. 

11) Prof. Dr. von Bardeleben: Kursus der prakt. Geburtshilfe mit 
Uebungen am Phantom, 3 mal wöchentl. in zu verabr. Stunden. 
Poliklinik, Karlstr. 38. 50 M. Min. 6. 

12) Prof. Dr. Freund: Geburtshilflicher Operationskursus am Phantom 
und geburtshilfliches Kolloquium. Mo. 3—5 im grossen Hörsaal der 
Charite-Frauenklinik. Bespr.: Mo., 6. Okt., 3 U. 80 M. Min. 6. 

13) Prof. Dr. W. Liepmann: Geburtshilfliches Seminar mit prakt. 
Uebungen am Phantom einschliesslich der Dilatationsmethoden. Sbd. 
8—10 früh. Poliklinik, Karlstr. 22. Bespr. und Beginn: 11. Okt. 8 U. 
40 M. Min. 12. 

14) Prof. Dr. W. Nagel: Kursus der prakt. Geburtshilfe mit Operations¬ 
übungen am Phantom. 3 mal wöchentl. 1—2 in seiner Poliklinik, 
Luisenstr. 14. 50 M. Min. 4. 

15) Geh. San.-Rat Prof. Dr. P. Strassmann gemeinsam mit seinen Assi¬ 
stenten: Prakt. Geburtshilfe in der Klinik (mit Benutzung des Phantoms). 
Di. u. Do. 7—8 abends, Referierstunde Sbd. 1—2. Wohnung in der 
Nähe der Klinik und Telephon erforderlich. Mit Schwangeren Unter¬ 
suchungen (1—2 mal wöchentl. nachm. 4—5), klinischen Demon¬ 
strationen und Teilnahme an den Operationen. Frauenklinik, Schu- 
mannstr. 18. 100 M. Min. 2, Max. 6. 


I 

i 


d) Anatomische und histologische Praktika. 

16) Prof. Dr. Robert Meyer: Kursus der mikroskopischen Diagnostik 
der Erkrankungen der weiblichen Genitalien. Nachm. 3—5, 3 mal 
wöchentl. an zu verabr. Tagen. Univ.-Frauenklinik, Artilleriestr. 18. 
75 M. Min. 4. 

17) Prof. Dr. L. Pick, Prosektor des städt. Krhs. Friedrichshain: Kursus 
der mikroskopischen Diagnostik der Erkrankungen der weiblichen 
Genitalien mit Demonstrationen makroskopischer Präparate. Mo., 
Mi., Sbd. 8—V 2 I 9 im Laborat. der Geheimrat Landauschen Frauen¬ 
klinik, Philippstr. 21. 75 M. Min. 3. 

18) Geh.San.-Rat Prof. Dr.P.Strassmann gemeinsam mit dem Assistenten 
des Laborat.: Gynäkologisch-mikroskopisches Prakt. mit bes. Berück¬ 
sichtigung der Technik (Ausschabung, Probestücke, Hautabgänge usw.). 
Demonstration frischer Präparate. Mo., Mi., Sbd. 3—5. Laborat. der 
Frauenklinik, Schumannstr. 18. 100 M. Min. 2. 

(Siehe auch unter: XIII, Krankheiten der Ham- und 
Geschlechtsorgane.) 

Umschlag j t j zs a Gck igle 


IX. Augenheilkunde, 

1) Prof. Dr. G. Abelsdorff: Prakt. Kursus der Augenkrankheiten des 
Kindesalters. Blumenstr. 97. Kinderhaus (Stat. Jannowitzbrücke). 
Di., Do., Sbd. 7,1—»/**■ 40 M. 

2) Prof. Dr. C. Adam: a) Repetitorium der Augenheilkunde (syste¬ 
matische Anleitung zur Diagnose der Augenerkrankungen, Therapie; 
Ophthalmoskopie, Brillenverordnungslehre usw.) mit prakt. Uebungen. 
2mal wöchentl. 2 Std. nach Verabr. Bespr.: 6. Okt. 2 U. im Kaiserin 
Friedrich Haus, Luisenplatz 2—4. 50 Mk. Min. 5. b) Kursus der 
Untersuchungsmethoden des Auges (Augenspiegeln, Brillenbestim¬ 
mung usw.). 2 mal wöchentl. je 2 Std. nach Verabr. Bespr. wie 
oben. 50 M. Min. 5. 

8) Prof. Dr. Brückner, Oberarzt der Univ.-Augenklinik: a) Motilitäts¬ 
störungen des Auges mit Krankenvorstellungen und prakt. Uebungen. 
Mo., Do. 2 1 /*—4. 40 M. Min. 5. b) Augenhintergrund und Allgemein¬ 
erkrankungen (diagnostischer Augenspiegelkurs). Di. u. Fr. 27 * —4. 
35 M. Min. 4. 

4) Prof. Dr. Fehr, dirig. Arzt der Abtlg. für Augenkrankheiten am 
Virchow-Krhs.: Prakt. Kursus der Diagnostik und Therapie der Augen¬ 
krankheiten. Di., Do., Fr. 12—1. 40 Mk. Min. 8. 

5) Prof. Dr. Adolf Gutmann: a) Klinik und Poliklinik der Augen¬ 
krankheiten. Demonstrativer Kurs (Diagnose, Therapie, Augenspiegeln, 
Brillenverordnen). Di. u. Fr. 1 1 / 2 —'27*. 80 M. b) Prakt. Kurs 
der Augenleiden in Beziehung zu Nasen-, Ohren- und Zahnleiden 
(mit den einschlägigen Untersuchungsmethoden). Do. 1—2. 30 M. 
Ambulat. Landsberger Str. 66/67, Eing. Kurzestr. 1 (Alexanderplatz). 

6) Prof. Dr. Helbron: Repetitorium der Augenheilkunde einschliessl. 
Ophthalmoskopie, mit Krankenvorstellung. 3 mal wöchentl. Di., Mi., 
Fr. 8—9 in der Poliklinik, Luisenstr. 18. 40 Mk. Min. 5. 

7) Prof. Dr. Meisner: a) Untersuchungsmethoden des Auges (Augen¬ 

spiegeln, Brillenlehre, Farben- und Lichtsinnprüfung). Mo., Do. 
27*-—4. 40 M. Min. 5. b) Diagnostik und Therapie der äusseren 
Augenerkrankungen. Mo., Di., Do., Fr. 12—1. 40 M. Min. 5. 

Univ.-Augenklinik, Ziegelstr. 5/9. 

8) Prof. Dr. Silex: Demonstration äusserer Augenerkrankungen, Augen¬ 
spiegel-Kursus und Brillenbestimmungen. Mo., Mi., Do., Sbd. 17* 
bis 2 1 /*. 60 M. Min. 4. Karlstr. 18. 

X: Ohrenheilkunde« 

1) Prof. Dr. Beyer: a) Prakt. Kurs der Krankheiten des Ohres, der 
Nase und des Nasenrachenraumes. Mo., Di., Do., Fr* 127*— IV 2 in 
der Univ.-Ohren- und Nasenklinik, Luisenstr. 12. 75 M. Min. 6. 

b) Kursus der Obren- und Nasenoperationen am Präparat mit Be¬ 
teiligung an den Operationen in der Klinik in zu verabredenden 
Stunden. 100 M. Min. 3. 

2) Prof. Dr. G. Brühl: a) Diagnostischer Kursus der Ohrenkrankheiten 
mit klinischen und anatomischen Demonstrationen, Mo., Di., Fr., Sbd. 

10— 11. 100 M. b) Funktionsprüfungen, Mi., Do. 10—11. 50 M. 

c) In Verbindung mit seinen Assistenten: Normale und pathologische 
Anatomie des Ohres in Projektionsvorträgen, lmal wöchentl., 67* 
bis l 1 j 2 abds. 50 M. d) Ohr- und Nasennebenhöhlen-Operationskurs 
mit anatomischen Demonstrationen. 3mal wöchentl., 67*—8 abds. 
100 M. Min. 3. e) Normale und pathologische Histologie des Ohres, 
lmal wöchentl. 2 Std. nach Verabr. 100 M. Bespr. der Kurse: 
St. Maria-Victoria-Krankenhaus, Karlstr. 29, Zimmer 83, 12 U. oder 
Alexanderufer 1—4, 4—6 U. 

8) Prof. Dr. Gl aus: Prakt. Kursus der Hals-, Nasen und Ohrenkrankheiten. 
Di., Fr. 10—11 oder 11—12 in der Hals-, Nasen- und Ohrenabteilung 
des Rudolf Virchow-Krhs. 75 M. 

4) Prof. Dr. Theodor S. Fla tau: Stimm- und Sprachbehandlung, insbes. 
Absehübungen bei Ertaubten und hochgradig Schwerhörigen, 
mit prakt. Uebungen in der Handhabung, Verordnung und Prüfung 
der gehörverbessemden Apparate. Di., Do. 12—1 im Phonet. 
Ambulatorium der Univ.-Ohren- u. Nasenklinik an der Charitö, 
Luisenstr. 12. 50 M. 

5) Dr. F. Grossmann: a) Prakt. Kursus der Erkrankungen des Ohres, 
der Nase (inkl. Nebenhöhlen) und des Nasenrachenraumes. Werk¬ 
täglich 10—117*- 120 M. Max. 2. b) Kursus der Ohrenoperationen 
am Präparat, 4 mal wöchentlich, 87*—37* in seiner Poliklinik, 
Karlstr. 18 a. 100 M. Max. 4. 

6) Priv.-Doz. Dr. Güttich: Untersuchungsmethoden des Ohrlabyrinths. 
In zu verabredenden Stunden in der Ohren- und Nasenklinik der 
Charitö, Luisenstr. 11. Bespr. 10—11. 75 M. Min. 4. 

7) Prof. Dr. Haike: Prakt. Kursus der Erkrankungen des Ohres, der 
Nase und ihrer Nebenhöhlen. 4 mal wöchentl. an zu verabredenden 
Tagen. 117*—1. 75 M. Min. 3. Poliklinik Hedemannstr. 13/14. 

8) Prof. Dr. J. Katzenstein: Oto-Rhino-Laryngologie und Phonetik. 
Mo., Do. 12—1. 50 M. Min. 4. Phonetisches Institut der Ohren- 
und Nasenklinik der Universität, Luisenstr. 12. 

(Siehe auch: XI. Kehlkopf- und Nasenkrankheiten.) 

XI. Kehlkopf« und Nasenkrankheiten, einschl. Sprach¬ 
störungen« 

1) Prof. Dr. Arthur Alexander: Prakt. Kursus der Nasen-, Hals-, 
Kehlkopf- und Ohrenkrankheiten (mit operativen Uebungen). Tägl. 

11— 1. Poliklinik Luisenstr. 64. 100 M. 

Original fro-m 

UNiVERSITY OF IOWA 







1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


2) Prof. Dr. Theodor S. Fla tau: Pathologie und Therapie der Stimme. 
Mit graphischen, klinischen and therapeutischen Uebungen. 8 mal in 
zu vereinbarenden Stunden. Potsdamer Str. 113, Villa 3. Nur 1 Teiln. 

3) a) Prof.Dr.Gutzmann und Stabsarzt a.D. Dr.Zumsteeg: Kursus der 
Pathologie und Therapie der Stimm- und Sprachstörungen. Mo., Di.', 
Do., Fr. 1—2. 50 M. b) Stabsarzt a. D. Dr. Zumsteeg: Prakt. The¬ 
rapie der Stimmstörungen (für Laryngologen). Mo. u. Do. 12—1. 30 M. 

4) Geh. San.-Rat Prof. Dr. P. Hey mann: Kursus der Laryngoskopie 
und Rhinoskopie mit prakt. Uebungen und klinischen Demonstra¬ 
tionen. Mo., ML, Fr. 11—12. Luisenstr. 17. 75 M. Min. 5. 

5) Prof. Dr. Edm. Meyer: Kursus der prakt. Rhino-Laryngologie mit 
prakt. Uebungen für Fortgeschrittene (einschl. direkte Untersuchungs¬ 
methoden). Wochentags 12—2. Chausseestr. 1. 100 M. Min. 3. 

6) Stabsarzt a. D. Dr. Zumsteeg und Prof. Dr. Gutzmann: s. Nr. 3. 

(Siehe auch: X . Ohrenkrankheiten.) 


XII. Hautkrankheiten und Syphilis. 

1) Prof. Dr. Heller: Kursus der Haut- und Geschlechtskrankheiten. 
(Nähere Angaben werden später in der Geschäftsstelle gemacht.) 

2) Prof. Dr. Löhe, Oberarzt der Univ.-Poliklinik f. Haut- u. Geschlechts¬ 
krankheiten: Kursus der Haut- und Geschlechtskrankheiten. Tgl. 
12—1 im Hörsaal der Hautklinik, Charitö. 100 M. Min. 6. 

3) Prof. Dr. Felix Pinkus, leit. Arzt der Krankenstation im städt. 
Obdach, Fröbelstr. 15, mit seinem Assistenten: Geschlechtskrank¬ 
heiten. Di., Fr. 12—l 1 /*- 60 M. Min. 4. 

4) Geh. San.-Rat Prof. Dr. Weohselmann: Kursus der Haut- und Ge¬ 
schlechtskrankheiten mit bes. Berücksichtigung der Salvarsanbehand- 
lung. Mo., Mi., Fr. 12—1. Rudolf Virchow-Krhs. 75 M. 

(Siehe auch : III • Serod/iagnostik und XV, Königen- 
verfahren usw.) 


XIH. Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane. 

1) Prof. Dr. Casper gemeinsam mit seinem Assistenten: Urologische 
Klinik und Poliklinik mit anschliessenden Operationen, Cystoskopie, 
Ureterenkatheterismus, funktionelle Nierendiagnostik, intravesikale 
Operationen. Mo., Di., Mi., Do., Fr. 1—2. Karlstr. 22. 100 M. Min. 8. 

2) Prof. Dr. Joseph: Urologisches Praktikum: a) Uebungen in der Cysto¬ 

skopie, funktionellen Nierendiagnostik, Thermokoagulation, Pyelo¬ 
graphie usw. Mo., Mi., Fr. 11 Va—1* Urologische Abtlg. der chir. 
Klinik, Ziegelstr. 5/9. 100 M. b) Urolog. Demonstrationen. Di. 

11-12. 60 M. Min. 8. 

3) Prof. Dr. Nagel (mit seinen Assistenten): Cystoskopie und Ureteren¬ 
katheterismus beim Weibe. Prakt Uebungen. 3 mal wöchentl. 1—2. 
Poliklinik, Luisenstr. 14. 100 M. Min. 2. 

4) Prof. Dr. L. Pick, Prosektor des städt. Krbs. am Friedrichshain: 
Prakt. Kursus der pathologischen Histologie des männlichen Uro¬ 
genitalsystems. Mo., Mi., Sbd. 8—V»10 im Laborat. der Geheimrat 
Landauschen Klinik, Philippstr. 21. 75 M. Min. 3. 

5) Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner: a) Diagnostik und Therapie der 
Urogenital-Krankheiten mit prakt. Uebungen im Katheterisieren, in 
der Urethro- und Cystoskopie. Mo., Mi., Fr. 12—1. Poliklinik, 
Friedrichstr. 19. 100 M. Min. 3. b) Mikroskopie des Harns und 
der Genitalsekrete nach neueren Untersuchungsmethoden (Dunkel¬ 
feld, Polarisation, Färbungen). Di., Fr. 5—6. 60 M. Max. 4. 

6) Prof. Dr. 0. Ringleb gemeinsam mit Dr. H. Wendriner: Kursus 
der Cystoskopie und des Ureterenkatheterismus usw. Mo., Mi., Sbd. 

1—2 in der chir. Univ.-Poliklinik der Charitö, Luisenstr. 11. 100 M. 

7) Prof. Dr. Stickel: Kursus der Cystoskopie, Urethroskopie und des 
Ureterenkatheterismus. 8 mal wöchentl. von 12—1 in der gynäkolog. 
Poliklinik der Charite. Festsetzung der Stunden am 6. Okt. in der 
gynäkolog. Poliklinik der Charitd. 100 M. Min. 2. 

8) Geh. San.-Rat Prof. Dr. P. Strassmann: Cystoskopie, Urethroskopie 
und Ureterenkatheterismus (gemeinsam mit seinen Assistenten). Di., 
Do., Fr. 10—11 pünktlich. Mit klin. Demonstrationen und Teil¬ 
nahme an Operationen. Frauenklinik, Schumannstr. 18. 100 M. 
Min. 2. 

9) Dr. H. Wendriner, Assistent an der chir.Klinik der Charitö: a) Kursus 
der Cystoskopie, gemeinsam mit Prof. Dr. Ring leb. b) Kursus der 
Operationen an den Harnorganen an der Leiche und am Hunde. 
Mo., Do. 4—6 im patholog. Institut oder in der chir. Klinik der 
Charitd. 80 M. 

(Siehe auch: XIL Hautkrankheiten und Syphilis.) j 


UV. Gerichtlich« Medizin, Hygiene und Unfallheilkunde. 

1) Priv.-Doz. Dr. L. Bürger: a) Prakt. der gerichtlichen Medizin für 
Kandidaten der Kreisarztprüfung gemeinsam mit Prof. P. Fraenckel 
(vergl. 2b). b) allein: Versicherungsrechtliche Medizin: Gesetses- 
kunde, Reichsversicherungsordnung für Angestellte usw., nebst prakt 
Kurs der ärztlichen Sachverständigentätigkeit, Attestübungen unter 
Berücksichtigung der ministeriellen Verfügungen und der Gesetze 
(Unfall, Invalidität Militärrenten). Di., Do., Fr. 6 1 /, — 8 abd., 
(ev. Verlegung auf Vor- oder Nachmittag). Hannoversche Str. 6. 50 M. 

2) Prof. Dr. P. Fraenckel, I. Assistent an der Unterrichtsanstalt für 
Staatsarzneikunde: a) Repetitorium der gerichtlichen Medizin für 
Kandidaten der Kreisarztprüfung. Mo., Fr. 2—4. 80 M. Min. 5. 
b) mit Priv.-Doz. Dr. Bürger: Prakt. der gerichtlichen Medizin für 
Kandidaten der Kreisarztprüfung (patholog.-anatom. Diagnostik und 
Histologie an frischen Leichenteilen und gefärbten Präparaten, foren¬ 
sische Mikroskopie und Blutnachweis, einfache Giftuntersuchungen, 
Sektionskurs mit Protokollierübungen). Di., Do., Sbd. 2—4. Han¬ 
noversche Str. 6. 150 M. Min. 5. 

3) Prof. Dr. B. Heymann und Prof. Dr. v.Korff-Petersen, Abteilungs¬ 
vorsteher am Hygien. Inst.: Hygienisch - bakteriol. Repetitorium mit 
Demonstrationen und Kolloquium für Kreisarztkandidaten. Mo. bis 
Fr. 1—2. Dorotheenstr. 28. Hygien. Inst. 90 M. Min. 5. 

4) Leit. Arzt, Geh. Med.-Rat Dr. Leppmann: Die Sachverstandigen- 
tätigkeit des prakt. Arztes, Gesetzeskunde, Anleitung zu Gutachten, 
sowie prakt. Attestübungen mit Berücksichtigung sämtlicher Einzel¬ 
fragen (Gerichtliches, Invalidität, Unfall usw.), 8mal wöchentl. Di., Do., 
Fr. von 7Va—9 abends. (Verlegung einzelner Stunden nach Verabr.). 
Kronprinzen-Ufer 22 (in der Nähe der Charite). 75 M. Min. 5. 

5) Gerichtsarzt Dr. Marx: Die Dienstanweisung für die Kreisärzte mit 
prakt Uebungen. Mo., Do. 6 1 /*—8 abds. 50 M. Min. 5. Alt 
Moabit 12 a. 

6) Prof. Dr. Oestreich: a) Repetitorium der pathologischen Anatomie an 
frischen Leichenteilen für Kreizarztkandidaten (Sezieren, Protokollier- 
Übungen, pathologische Histologie u. forensische Mikroskopie, patholog.- 
anatom. Diagnostik usw.). Täglich 9—11 im patholog. Inst des 
Augusta-Hospitals, Schamhorststr. 3. 100 M. b) Repetitorium der 
Bakteriologie für Kreisarztkandidaten im Kaiserin Friedrich-Hause, 
Luisenplatz 2. Mo., Mi., Fr. 8—9 vorm. 50 M. 

7) Prof. Dr. Schuster: Prakt Kursus in der Untersuchung Unfall- 
Nervenkranker mit Anleitung zur Erstattung von Gutachten und 
bes. Berücksichtigung der gerichtlichen Sachverständigentätigkeit 
Tgl. 8—9, Kurfürstendamm 214. 100 M. 

8) Prof. Dr. Ziem an n : Grundzüge der Hygiene der wärmeren Länder, 
mit Lichtbildern u. Demonstr. 2 mal wöchentl. oder in Doppelstunden 
nach Verabr. 25 M. Min. 4. Patholog. Museum d. Charitö. 

(Siehe auch I, Normale und patholog, Anatomie usw • 
II, Toxikologie usw, III. Bakteriologie usw, 
V, Neurologie und Psychiatrie,) 

XV. Röntgenverfahren, sowie Strahlenkunde, physikalische 
Therapie und wissenschaftliehe Photographie (bezfigl. Elektro¬ 
therapie siehe V. Neurologie und Psychiatrie). 

1) Dr. Franz Blumenthal, Oberarzt der Abteilung für Radiotherapie 
an der Universitäts-Poliklinik für Hautkrankheiten: Kursus der 
Röntgen- und Lichttherapie der Hautkrankheiten mit prakt. Uebungen. 
Di., Fr. 12—2 im Lichtinstitut, Luisenstr. 2. 100 M. Min. 6. 

2) Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Brieger: a) Prakt. Kursus der Hydrotherapie 
und Balneotherapie. Di., Do., Sbd. 10—11 oder nach Verabr. Hydro- 
therap. Anstalt der Univ., Ziegelstr. 18/19, PortV. b) Prakt. Kursus 
der Massage (in Verbindung mit seinem Assistenten). 8mal wöchentl. 
nach Verabr. a) u. b) je 41 M. Min, je 3. 

3) Dr. Gehroke: Kursus der Massage und Heilgymnastik mit hydro¬ 
therapeutischen Uebungen. Nach Vereinbarung. Bespr. tgl. von 
10—11. 100 M. Medizinische Polikliniken der Charitö, Luisenstr. 18a. 

4) Dr. Paul Glaessner: Kursus der Massage und Heilgymnastik. 
Tgl. 1 Std. nach Verabr. 100 M. Min. 5. Chir. Univ.-Poliklinik 
der Charitö, Luisenstr. 11. 

5) Dr. A. Laqueur: Prakt. Kursus der Hydrotherapie und sonstiger 
physikalischer Heilmethoden (Balneotherapie, Hochfrequenzströme, 
Diathermie etc.). Di., Do., Fr. 9—10 oder nach Verabr. in der 
hydrotherap. Anstalt des Virchow-Krhs. 50 M. Min. 3. 

6 ) Prof. Dr. Anton Sticker: Die radioaktiven Stoffe in der Heil¬ 
kunde mit prakt. Uebungen. Mo., Mi., Fr. 9—10 in der Hallauersehen 
Klinik, Schiffbauerdamm 31. 50 M. Min 3. 

Bezügl Möntgenverfahren siehe auch: IV, Innere 
Medisin und VI, Kinderheilkunde, 


Dozenten-Vereinigung für ärztliche Ferien-Kurse zu Berlin. 

Geschäftsstelle: Kaiserin Friedrich-Haus, NW 6, Luisenplatz 2/4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


Verband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen. 


Zar Beuktug: Meist sind sieht die gutes Orte, sondern nur einzelne Steiles darin gesperrt. Niheres siehe »grosse* CareteUfel in »Aeretl. Mite* oder »Aeratl. YsreinsbL* 


Fernsprecher 1870 n. 19798. 

lstedt, S. W. I Elstorf. 


Allstedt, S. W. 

Brezel. 

Bremerhaven. 


Esekede, Hannover. 

Freiwaldai, Sohles. 
Freudenberg/Sieg. 


Cavete, collega! 

Halle a. S. Lengflirt am Main. 

Haiaa San.-V. 

Herbrechtingen. Mariahttte. 

Holzappel i. T. u. Omg. Mehnigez, Bes. 


Drnhtadreeee: Aeratererhaad Lelpxlg. 

I Vilbel, 0.-Hessen. 


Rendsburg. Vilbel, 0.-Hessen. 

Rieoa a. Klbe-Gröba. 

F *" ereleb - WaUtorf, Hessen. 
fiUU, Thur. Wsr>br»V.-Her>.4.rf, 

Sehmalkaldea WriSSRh. a 

8ek.rail.r(, Wttbg. Weisseue« b. Berlin. 
SSSSSäft ET* Witk.w., Poe. (968 


Cerhetkn. Neust.«, W.-N. «jak** W =fö .8. 

Cwst», Sachsen, 8eUeUireke*,ur.A«i,™ K.mfatimiuke Kr.-K. Sekreikerkäu, w!!j|E^p« B ® ri,,, ' I1 ,, 

OiessMuusderf, Sohles. «r Rheinl. «. Westf. 0,trKl ' S *- Sehweidniti i. Schl. Wltk * W *' Poa - 1368 

ni M . j Gröba-Riefa. Kirchzell, Ufr. Prenaa-Hallaad Rm Bahnarztstellen. 

Diel n.Ii. Srldits b. Bisse. Kill Bh. mi*. u.uud, Bei. gt|k| Bv#rn< leite (Pror. Sn.). 

Grossrudestedt, S.-W. Kranpioekken. O. Pr. Qaiat b. Trier. Strausberg, Mark. Zillertal-Krdniainidorf 

Blbiug. Giben. Kreuznaeh, Bad. i. Riesengeb. 

Elltngen, M.-F. Gixhagen, Bes. Oasael. Krossen, Oder. Reiekenbaeh, Sohles. Trebnitz, Schles. lobten a. B., Sohl. 

Ueber vorstehende Orte und alle Verbandsangelegenheiten erteilt jederzeit Auskunft das Generalsekretariat, Leipzig, Dmfoiretnese 18 n 
Sprechzeit naohm. 8—5 (ausser Sonntags). Kostenloser Nachweis von Praxi*-, Aislanda-, Sekifsarst- und Aiaistentensteuen sowie Vertretnagen. 


Bekweidnits i. Sohl. 

Bahnantsteilen. 
Selk, Bayern. 
Strausberg, Mark. 

Trebnitz, Schles. 


Zeitz (Prov. Sa.). 
Zillertal-Krdmainiderf 
i. Riesengeb. 

Zobten a. B., Sohl. 


Die neuartige Bromtherapie 

mit Sedobrol eignet sich für den praktischen Arzt wie für den Spezialisten. — „Cewega“ Grenzach (Baden), 


[40 


Euphyllin „Byk** 

(Theophyllin-A ethylendlamin) 

Einziges rectal anwendbares, wirkungsvolles Diuretikum auch zur intravenösen oder intramuskulären Injektion. 

In Originalpackung von 

Suppositorien mit je 0,36 gr Euphyllin Ampullen ä 6 Stück ä 2 ccm mit je 0,48 gr Euphyllin Tabletten ä 20 Stück mit je 0,1 gr Euphyllin 

Literatur und Proben durch 

Byk-Guldenwerke, Chemische Fabrik, A.-G., P.-Abt 

_ BERLIN NW 7. _ [i6< 

Nr Jtdaktioi zir Besprectaam itigfsnitt Ucker. 

(Besprechung Vorbehalten. Rücksendung erfolgt in keinem Palle.) 

Pathologie und Klinik der Nephrosen, Nephritiden und Schrumpfnieren. 
Von F. Munk. Einführung in die moderne klinische Nierenpathologe. 
Mit 27 Fig. u. 4 färb. Taf. Wien, Verlag von Urban 4 Schwarzenberg. 
Mk. 18.—. 

Die Knochenbrüche und ihre Behandlung. Von H. Matti. Bd. I: All¬ 
gemeine Lehre von den Knochenbrüchen und ihre Behandlung. Berlin, 
Verlag von Springer. Mk. 25.—. 

Der moderne Kindermord und seine Bekämpfung durch Findelhäuser. 
Von M. Nassauer. (Erweiterter Sonderabdruck aus Archiv für Frauen¬ 
kunde. Bd. S und 4). Würzburg, Verlag von Kabitzsoh. Mk. 8.—. 

Beiträge zur Lungentuberkulose im Kindesalter. Die kindliche Lungen¬ 
tuberkulose im Röntgenbilde von Klare. — Pneumothoraxtherapie der 
kindl. Lungentuberkulose von Harms. Hohenlychen, Buchdruckerei 
des Volksheilstätten-Vereins. 

Augenärztliche Eingriffe. Von J. Meller. Kurzes Handbuch für an¬ 
gehende Augenärzte. Mit 201 Abbild. Wien, Verlag von Safär. Mk.24.—. 

Spielraum für Grossstadtkinder. Von C. Hamburger. Vorschläge zur 
besseren Ausnutzung der grossstädtischen Freiflächen, erläutert an dem 
Beispiel Grossberlins. Leipzig, Verlag von Teubner. Mk. 1.50. 

Taschenbuch der klinischen Hämatologie. Von v. Domarus. Mit einem 
Beitrag: Röntgenbehandlung bei Erkrankungen des Blutes und der 
blutbereitenden Organe von H. Rieder. 2. verbess. Aufl. Mit 1 Doppel¬ 
tafel und 8 Abbild. Leipzig, Verlag von Thieme. Geb. Mk. 5.80. 

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UNiVERSITY OF IOWA 


THEODIGITAL 

(Name ges. geschätzt. — Bnth.: Theobr. natr. sal. 0, 5 », Pnlr. fol. riigit. tit. 0,1) 

Indikation: 

Bei Herzkrankheiten 
u. Nierenkrankheiten 

Oeneral-Depot: Hohenzollem-Apotheke, Berlin W10 

Königin-Augusta-Strasse 50 — Lützow 133. [98 


Verlag von August Hirschwald in Berlin. 
(Durch alle Buchhandlungen zu beziehen.) 

Soeben erschien: 

Die Religion 

In ihrem Werden und Wesen. 

Von Bertheld v. Kern. 

1919. gr. 8 Preis 24 Mk. 


Umschlag S. 11. 

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1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


Electrocollargol 

Durch elektrische Zerstäubung hergestellte haltbare 
sterile kolloidale Silberlösung mit kleinsten Kolloid* 
teilchen und grösster katalytischer Kraft für intramuskuläre 
und intravenöse Einspritzungen bei 

Allgemeininfektionen, 

sowie zu Einspritzungen in entzündetes Gewebe(Epididymitis). 
Die gewöhnliche Marke enthält nur etwa 0,06 % Silber, das neue 

konzentrierte Electrocollargol 

enthält 0,6% Silber, ist also zehnmal so stark und ent¬ 
spricht im Silbergehalt nahezu einer l%igen Collargol- 
Lösung, übertrifft diese aber durch stärkere Wirkung 
infolge der feineren Verteilung des Silbers. 

Electrocollargol (0,06% Ag) und 
Electrocollargol konzentriert (10 fach stark; 0,6% Ag) 

in Schachteln mit je 6 Ampullen zu 5 ccm. 


Nirvanol 

(Phenyläthylhydantoin) 

Ungefährliches und zuverlässig wirksames 

Hypnotikum und Sedativum 

ohne Einfluss auf Kreislauf, Atmung und Verdauung. 
Nirvanol ist geruchlos und vollkommen geschmackfrei, 
kann daher unbemerkt gegeben werden und wirkt in Dosen 
von 0,3—0,5(—1,0) g in allen Fällen von Schlaflosigkeit, 
auch bei derdurch heftige körperliche Schmerzen verursachten. 
Besonders ausgezeichnetes Mittel bei mit Schlaflosigkeit 
verbundenen nervösen Erregungszuständen. 
Beeinflusst günstig nächtliche Pollakisurie und nervöse 
Ischurie. 

Wirkt in kleineren Dosen (am Tage 0,15 oder 0,1g) auch als 
gutes Anaphrodisiakum. 

In möglichst heisser Flüssigkeit zu nehmen. 

Schachteln zu 10, 25, 50, 100 g, 

Schachteln mit 10 Tabletten zu 0,5 g, 

Schachteln mit 15 Tabletten zu 0,3 g. 

Nirvanol-Lösung zur intramuskulären Injektion: 
Schachteln mit 10 Ampullen zu 4 ccm. 
Klinikpackungen vorhayiden. 


Proben und Literatur kostenfrei. 


[41 


Chemische Fabrik von Heyden A.-G., Radebeul-Dresden. 


HQLOPON ■Tabl.»„Byk“ 

handliches Opiumpräparat mit den Gesamtalkaloiden der Droge 

(Packungen ä 25 Tabletten) 1 Tablette = 10 Tropfen Tinct. Opii Simplex 

Antidiarrhoicum •• Sedativum 

Ferner: Holopon liq. — Ampullen. — Suppositorien. — do. c. Extr. Beilad. 

- Für Kliniken vorteilhafte Spitalpackungen. - 

[i 

Proben und Literatur durch: Byk-Guldenwerke, Chem. Fabrik, A.-G., Berlin NW 7, P.-Abt. 



Anzeigen 4gesp.Petitzeile Raum 40 Pf. — Expodition in Berlin NW.7, Unter den Linden 68. 


Co« 'gle 


Druck von L. Schumacher in Berlin N.4, Chausseestr. 42 . 

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UNIVERSITY OF IOWA 



1919 

den 29. Dezember 


BERLINER 


M 52 

56. Jahrgang. 


KLINISCHE WOCHENSCHKIPT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Als Herztonikum 


Bei den Berliner Kassen 
und anderen zugelassen. 


von guter Verträglichkeit, unerreichter Voll¬ 
wertigkeit (2 Tablette oder 1 ccm [= 8Frosch- 
einheiten] entsvricht 0,1 g starkwirkender 
Folia digital.) und zuverlässiger Wirkung 

Digipuratum 

Tabletten. Lösung zum Einnehmen. Ampullen 


KNOLL & Co., Ludwigshafen a. Rh. 


[31 


PARTIGENE 

| nach Deycke-Much 

Vi 


Zur Diagnostik und Therapie 
der Tuberkulose 

Ausführliche Literatur durch: 

Originalflaschen zu 5 und 50ccm Kalle & Co. Aktiengesellschaft, Biebrich a. Rh. 

Bei Bezugsschwierigkeiten im unbesetzten Gebiete bitten- wir, sich an unsere Niederlage Petri & Stark ft.nt.h.ü., Ottenbach a.M. zu wenden. 




Kalzium-Compretten 

Bequeme, auch von empfindlichen Personen gern ge¬ 
nommene und sehr gut vertragene Anwendungsform bei 

haemorrhagischer Diathese, Urtikaria, Serumexanthem, Asthma, 
nervösem Schnupfen, Zahnkaries, Rachitis, Skrofulöse, Tuber¬ 
kulose, Erfrierungen, Heuschnupfen, Nachtschweiss der Phthisiker 

Compretten ✓ Compretten 

(’alclum chloratum o,l Calcium lacticum 0,5 

Glas *u 50 £tiick.M. 3.20 Schachtel zu 50 Stück .M. 3,35 

LITERATUR: 

Seifert (M.M.W. 1915, Nr.27 — Derm.Wschr. 1915, Nr.42); Peperhowe (M.M.W.1916, Nr.8); Klare (D. M.W. 1916, Nr. 21); Wessely (Arch. f. Augenhoilk., Bel. 82). 


[34 


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UNIVERSITY OF IOWA 









































1919. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 52. 


OTALGAN 

v serfreie Losung von je 5% Extr.Opii und Pyraiolonphenyldimethylic. in Glycerin. 

OTALGAN eignet sich in hervorragender W eise zur konservativen Behandlung der akuten MittfelolftrontZ&lldflAg 
und aller OhfOnSChmOfSOn (Entzündungen am Tromme heil und in der Paukenhöhle» Folgen von Schnupfen, 

Grippe und anderen Infektionskrankheiten). 

OTALGAN ersetzt in wirksamer Weise andere Behandlungsmethoden, macht insbesondere auch die üblichen 
heißen Umschläge entbehrlich, die zwar an sich schmerzlindernd, wirken, aber die Neigung zum Durchbruch des 
Trommelfells und zur Miterkrankung des Knochens steigern. 

OTALGAN ist ein sehr zuverlässiges Mittel und hat sich in langen Jahren tadellos bewährt. Seine Heil¬ 
wirkung beruht auf OSÜIOSO« Schon nach wenigen Minuten läßt oft der Schmerz nach. Nach 1—2 Tagen 
ist otoskopisch Rückgang aller Erscheinungen festzustellen. In der Kinderpraxis unentbehrlich. ^ * 

OTALGAN ist das souveräne Mittel in der konservativen Behandlung aller Ohrenschmerxea. 

Anwendung: Einträufelung olrne Erwärmung laut Gebrauckeanweifiui^ 

. . . Ä' 

Literatur. Prospekt, Gebrauchsanweisung frei. 

Sächsisches Serumwerk, Dresden,, 


Das Strophanthus-Präparat mit stets gleicher 

Herzwirkang und mit voller Ausnutzung bei innerer Darreichung 

PUROSTROPHAN 

Kristallisiertes Gratus Strophanthin 

Spezielle Indikationen: Akut bedrohliche Schwächezostände des Herzens*, im Verlaufe von Infektionskrankheiten» 
nach grossen Blutverlusten, in der Narkose. Kompensations-Störungen des Herzens im Gefolge von Klappen¬ 
fehlern oder Herzmuskelerkrankungen, Myocarditis, Myodegeneratio. 

Chemisch dosierbar und daher unabhängig von der Gefahr falscher physiologischer Einstellung. 

Vollkommen widerstandsfähig gegen Magen- u. Darmsaft, daher intern fast ebenso wirksam wie bei intravenöser Applikation. 
Keine Verengerung der Kranzarterien, keine erhebliche Steigerung des Blutdrucks. 

Stets gleiohbleibende Herzwirkung mit starker diuretischer Nebenwirkung. 

Auch in Lösung grösste Haltbarkeit im Gegensatz zu anderen Strophanthin-Präparaten. 

Tabletten ä V 2 und i mg. Ampullen ä V 2 und Ve mg* 

- Literatur und Aerztemuster kostenfrei . -- 

Chemische Fabrik Güstrow (Meckibg.) 


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