Vegetationsbilder. Dritte Reihe, Heft 1.
Blumengärten der Ameisen
am Amazonenstrome.
Von
E. Ule.
Die Pflanzen züchtenden Ameisen.
Tafel I und 2.
Tafel I. Erste Anlage eines Blumengartens von Camponotus femoratus bei
Manäos.
Tafel 2. Verschiedene Bntwickelungsstadien der Blumengärten von Azteca Traili
(unten mit schon entwickelten Ficus myrmecophila und Philodendron
myrmecophilum), Pongo de Cainarachi (Peru).
(Nach photographischen Aufnahmen von E. Ule, 1901 und 1902.)
Ueppigkeit und Mannigfaltigkeit in der Vegetation, die ein immerwährender
Sommer hervorbringt, herrscht in den Wäldern des Amazonenstromes. Zwischen dieser
Pflanzenwelt regt und bewegt sich auch ein reiches Tierleben, das uns bald durch
lärmende und schrillende Laute, bald durch seine Farbenpracht auffällt. Diese Tierwelt
hängt nun innig mit dem Pflanzenleben zusammen und übt auf Gedeihen, Wachstum
und Verbreitung der Gewächse einen großen Einfluß aus. Gewiß ist der Schaden, den
viele Tiere durch das Verzehren von Laub und anderen Pflanzenteilen anrichten, ein
recht großer, aber andere, wie Affen, Vögel und selbst Fische, verbreiten die Samen, und
Kolibris und Insekten sind den Pflanzen nützlich durch die Vermittelung der Bestäubung.
Unter all diesen Tieren spielen wohl die Ameisen, die in solcher Mannigfaltigkeit
und Menge kaum anderswo vorkommen, die größte Rolle. Im dichten Pflanzengewirr
stößt man hier überall auf Ameisen, die oft Blatt- oder Schildläusen nachgehen oder
von extranuptialen Nektarien angelockt werden. Ein großer Teil von Pflanzen bietet
auch den Ameisen in Hohlräumen der Achsengebilde oder in blasenförmigen An-
schwellungen von Blattstiel und Blättern Wohnräume. Oft gibt es ganze Bestände dieser
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel i u. 2
sogenannten Ameisenpflanzen, wie die Cecropienwälder, die auf neu angeschwemmtem
Lande entstehen.
Die Schleppameisen, Atta\ zerschneiden die Blätter vieler Bäume und Sträucher
und schleppen die Stückchen auf ihren Zügen in die oft gewaltigen Baue, die entweder,
wie meist am Amazonenstrom, über der Erde als Hügel sichtbar sind oder unter
Stämmen und Baumwurzeln verborgen bleiben. Ausnahmsweise kommen sie auch auf
Bäumen vor. Die in Hohlräumen angehäuften Blattstücke oder andere Pflanzenteile
dienen nun teils als Umhüllung der Nester, teils werden sie weiter zu formlosen
Klümpchen verarbeitet und zum Aufbau des von A. Möller so genannten Pilzgartens
verwertet. Ein dichtes Geflecht von Pilzfäden durchzieht diesen Pilzgarten, der an
verschiedenen Stellen weiße, aus angeschwollenen Hyphenenden bestehende Körperchen,
die von A. Möller Kohlrabihäufchen genannt werden, entwickelt. Diese Kohlrabi-
häufchen, die Eiweißstoffe enthalten, stellen die wichtigste Nahrung der Atta-Ameisen
dar und werden dazu von den Ameisen gezüchtet. Nur zuweilen gelangt der Pilz,
Rozites gongylofihora Moll., zu seiner vollen Entwickelung, indem er seine hutförmigen
Fruchtkörper entfaltet. Auch bei den Haarameisen „Apierostigjna" und Höckerameisen
„Cypho7nyr?nex" hat Möller Pilzkulturen beobachtet.
Handelte es sich hier um die Pflege und Zucht von niederen Gewächsen, ins-
besondere von Pilzen, so wenden wir uns nunmehr einer solchen von Blütenpflanzen zu.
In Heft I, Serie II, befand sich schon am Schlüsse eine kurze Schilderung der Ameisen-
epiphyten mit Tafel 6, über deren Eigentümlichkeiten hier Ausführlicheres folgen soll.
Auf Bäumen und Sträuchern im Amazonasgebiete fallen oft eigentümliche Ameisen-
nester auf, die von Pflanzen durchwachsen oder auch überwuchert werden. Es sind
besonders Bromeliaceen, Gesneriaceen, Araceen, Solanaceen und einzelne Vertreter anderer
Familien, die hier auftreten und oft riesige Vegetationsknäuel bilden. Man glaubt,
Blumenariipeln oder schwebende Gärten vor sich zu haben. Den Einwohnern sind diese
Ameisennester unter dem Namen „Tracua" bekannt; sie sind gewiß von Reisenden
schon beobachtet worden, ohne daß sie einer von ihnen näher untersucht hat. Unter
den sie besuchenden Ameisen kommen eine größere, Camponotus femoratus (Fab.), und
kleinere Azteca-hxX&a, besonders Azteca Traili Emery, in Betracht^).
Die Gattung Camponotus ist in Südamerika sehr verbreitet und enthält Arten,
die kunstvolle Nester auf Bäumen bauen. Unsere Art, nämlich Camponotus femoratus
(Fab.), ist eine mittelgroße Ameise von ca. 7,5 mm Länge (d. s. die Arbeiter), plumpem
i) Alfred Möller, Die Pilzgärten einiger südbrasilianischen Ameisen. Schimper, Botan. Mitteil,
aus den Tropen, Heft 6.
2) Herr Prof. A. Forel war so freundlich, diese Ameisen zu bestimmen, welche er dann in
folgender Arbeit eingehender beschrieben hat : „In und mit Pflanzen lebende Ameisen aus dem Amazonas-
Gebiet und aus Peru." Zoolog. Jahrbücher, Bd. XX, Heft 6, 1904, S. 677 — 707, Verlag von G. Fischer
in Jena.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel i u. 2
Körperbaue, schwarzbrauner Farbe und starken Beißzangen. Ihr Biß ist recht unan-
genehm, doch im Verhältnis zu ihrer Größe weniger schmerzhaft, als man erwarten
sollte. Die Nester dieser Ameise sind oft hoch oben auf den Bäumen angelegt, finden
sich jedoch auch ebenso häufig auf Strauchwerk mehr oder weniger nahe dem Boden.
Die ersten Anlagen dieser Nester bilden formlose Anhäufungen von Erde, welche mit
ziemlich einfacher, erdiger Kartonhülle umgeben werden und die oft sehr klein sind,
seltener fast Kopfgröße erreichen. Innen sind sie mit zahlreichen Kammern durchsetzt
und von kunstloserem Gefüge. Bald sprossen aus dem Neste überall Keimpflanzen
hervor (Tafel i), deren Samen vorher von den Ameisen hineingeschleppt waren, und
einige davon entwickeln sich oft zu stattlichen Pflanzen. Immer mehr Erde wird nun
von den Ameisen hinzugetragen, so daß es den Pflanzen darin nicht an Nährstoff fehlt,
und sie zu gewaltigen Knäueln auswachsen können. Da auf diese Weise die Ameisen
Blütenpflanzen kultivieren, so sollen ihre Nester in Analogie mit den MöLLERSchen
Pilzgärten „Blumengärten der Ameisen" genannt werden'). Die von Ameisen gezüchteten
Pflanzen aber sind, weil sie dank der Pflege der Ameisen wie Epiphyten im luftigen
Element auf anderen Pflanzen leben, von mir Am eisen epiphyten genannt worden.
In etwas verschiedener Weise legen Azteca Traili Emery und andere Arten ihre
Nester an, welche sich an mehr schattigen Stellen und nie sehr hoch über dem Boden
befinden. Während die Nester von Campoiiotus femoratus Fab. auf Bäumen in Höhen
von 20 — 30 m vorkommen, erinnere ich mich, die von- Azteca kaum höher als .5 m
über dem Boden gesehen zu haben. Die Nester von Azteca sind oft kugelrund, von
Faust- bis fast Kopfgröße, aus einer erdigen Kartonmasse, außen porös und fester
und kunstvoller als die von Camponotus femoratus (Tafel 2). Man sieht hier in dem
oberen Nest verschiedene Keimpflanzen, die besonders nach einem Regen zahlreich
hervorbrechen. Im unteren Neste haben sich schon Ficus myrmecophila Warb. n. sp.
und Philodendron myrniecophiluni Engl. n. sp. zu jungen Pflanzen entwickelt. Die Azteca-
Arten sind bedeutend kleiner als Caniponottts femoratus (Fab.), nur 2,5 — 4,5 mm lang,
von hellerer, braunroter Farbe, und ihr Biß wird nur dann recht unangenehm, wenn man
von vielen überfallen wird. Es ist dies dieselbe Gattung, welche als Bewohner der
hohlen Internodien der Cecropia bekannt ist, und von der auch viele Arten in anderen
Ameisenpflanzen vorkommen.
Während Cavtponotus femoratus (Fab.) auf allen möglichen Sträuchern und Bäumen,
selbst Cecropia^) und Palmen ihre Nester anlegt, so scheinen die Azteca-Arten eine
Auswahl unter ihnen für ihre Wohnpflanzen zu treffen. Sehr häufig sieht man die
Gärten von Azteca auf Sträuchern, die an sich schon Ameisenpflanzen sind, wie Cordia
nodosa Lam. und Tococa-^x\&r\.. Cordia nodosa Lam. bildet große, blasenförmige An-
i) Auf der Naturforscherversammlung zu Breslau 1904 wurde diese Bezeichnung vorgeschlagen.
2) Die Ameisen (Azteca) auf den Cecropien verdrängen durchaus nicht alle anderen Ameisenarten.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel i u. 2
Schwellungen an der Basis der letzten Zweigteilungen, und Tococa besitzt sackförmige
Erweiterungen am Grunde der Blattspreite.
Die nestbauenden Azteca-Kr\.tw. stimmen nun mit den die Hohlräume bewohnenden
teils überein, teils gehören sie zu verwandten Arten. Die Ameisen, welche die Hohl-
räume von Cordia nodosa Lam. bewohnen, sind von A. Forel als Azteca Ulei n. sp. var.
Cordiae und A. Ulei nigricornis n. subsp. beschrieben worden. Außerdem wurde die
typische Form von Azteca Ulei Forel n. sp. auch von mir in Blumengärten gefunden.
Am häufigsten beobachtete ich Azteca Traili Emery in Blumengärten, doch ist diese Art
auch in den Blattschläuchen von Tococa bullifera Marx.' et Schr, und guianensis Aubl.
(letztere Art gilt nach Forel als Varietät Tococae) von mir gesammelt worden. Wie es
scheint, bewohnt also Azteca Ulei vorzugsweise Cordia nodosa Lam., und Azteca Traili steht
mehr im Zusammenhang mit Tococa-KrXsxv. Genaueres kann hier erst festgestellt werden
nach weiteren, umfassenderen Beobachtungen. Wahrscheinlich wurden den die Ameisen-
pflanzen bewohnenden Azteca-Kxtoxi ihre Wohnräume zu klein, so daß sie sich zu nester-
bauenden ausbildeten. Gewiß werden bei den nestbauenden Ameisen die Hohlräume der
Ameisenpflanzen mitbenutzt. Auch andere Sträucher, besonders solche mit kandelaber-
artigem Wüchse, wie z. B. Guatteria, werden von Azteca-Axien zur Anlage von Blumen-
gärten ausgewählt. Als dritte Art von Azteca, welche Gärten anlegt, ist noch A. olitrix
Forel n. sp. zu nennen, welche ich nur einmal gesammelt habe. •
In ihrer Lebensweise sind diese Ameisen nicht an die Blumengärten gebunden,
sondern besuchen beständig den Erdboden, wo sie vielleicht auch Nahrung finden, und
nur bei Ueberschwemmungen sind sie gezwungen, sich auf den Bäumen zu ernähren.
Vegetationsbilderj 'S. Reihe Heft 1. E. Ule: Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrom.
Tafel I.
Erste Anlage eines Blumengartens \'on Camponotiis temoralus, bei Manaos.
Nach phoiopr. Aufnnlinip von K. l'Ie lyUl
Vnrlag von Gustav Fischer in Jena.
I.iclitdrack von J. U~ übernelter, Müncben,
Ve»;etation.sbllder, 3. Reihe Heft I. E. Ule: Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrom.
Tafel 2.
Verschiedene Entwicklungsstadien der Blumengärten von Azteca traili;
unten mit schon entwickelten Ficus myrmecophila und Philodendron myrmecophilum ;
auf Tococa guianensis, Pongo de Cainarachi, Peru.
Niioh phoioxr. Audmlimo von E. Ule 11)08.
Verlag von Gustav Fiaclier in Jena.
Mchtilruck vom J. H. Oliernetier, München.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 3 u. 4
Die von Ameisen kultivierten Pflanzen.
Tafel 3 und 4.
Tafel 3. Entwickelter Blumengarten mit Aechmea spicata, Codonanthe Uleana
und Anthurium scolopendrinum bei Manäos.
Tafel 4. Marckea formicarum von Azteca gezüchtet und mit erdiger Karton-
masse umgeben bei Säo Joaquim am Rio Negro.
(Nach photographischen Aufnahmen von E. Ule, 1902.)
Scheiden wir von den Ameisenepiphyten diejenigen aus, bei denen es nicht
sicher erwiesen ist, daß sie wirklich nur von Ameisen gezüchtet werden und daß sie
vielleicht zufällig einmal mit Blumengärten in Berührung kamen, so bleiben an
14 Pflanzenarten, welche 7 Familien angehören, übrig. Um sich zunächst eine Vor-
stellung von diesen Pflanzen machen zu können, soll hier eine Aufzählung mit An-
führung der Eigentümlichkeiten derselben folgen. -^
Araceen.
i) Anthurium scolopendrinum Kunth var. Poiteatianum Engl. ^), Tafel 3. Es ist
dies eine kleinere Art, mit fast lederartigen, ei-lanzettförmigen Blättern von ca. 20 — 30 cm
Länge. Die Aehren sind kürzer, gestielt und mit einem schmalen Deckblatt gestützt.
Diese Aracee findet sich häufig in den Ameisengärten von Camponotus femoratus (Fab.)
zwischen änderen Ameisenepiphyten.
2) Philodendron myrmecophilum Engl. n. sp., Tafel 2. Eine größere Pflanze
mit ungeteilten, herz-pfeilförmigen Blättern und in Büscheln stehenden Aehren. Sie
kommt mehr an etwas schattigen Stellen vor und bildet riesige Nester, an denen die
bis armdicken Rhizome, die sich oft eigentümlich nach der Form der Nester krümmen,
unten sichtbar sind. Wie viele baumbewohnende Philodendron treibt auch diese Art
bindfadendicke Nährwurzeln nach dem Boden.
Bromeliaceen.
3) Nidularium myrmecophilum Ule n. sp. Dies ist eine kleinere Art mit meist
schmaleren, etwas fleischigen Blättern. Die in der Rosette befindliche verkürzte Rispe
hat weiße Blüten mit völlig freien, schüppchenlosen Blumenblättern.
Dieses Nidularium entwickelt reichlich Ausläufer und findet sich besonders in
den Ueberschwemmungswäldern.
i) Vegetationsbilder, 2. Reihe, Heft i, Tafel 6.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 3 u. 4
4) Streptocalyx angustifolnts Mez'), Tafel 6. Als eine der Charakterpflanzen der
Blumengärten von Camponotus femoratus (Fab.) bildet sie einen dichten Büschel schmaler,
fleischiger und bedornter Blätter, die oft über 3 m lang werden. Die sehr verkürzte,
eingesenkte Blütenrispe besitzt weiße Blüten.
Diese Bromeliacee ist einer der verbreitetsten und typischsten Ameisenepiphyten,
der auch die mächtigsten Blumengärten darstellt.
5) Aechmea spicata Mart., Tafel 3. Ist ebenso verbreitet, aber nicht so auf-
fällig in den Ameisengärten wie die vorhergehende Art. Die breiten, stark bedornten
Blätter bilden eine wenigblätterige Rosette, aus der die Rispe mit schön roten Deck-
blättern und gelben Blüten hervorragt.
Piperaceen.
6) Peperomia nematostachya Link. Diese Art stimmt mit dem allgemeinen
Habitus der Gattung überein und besitzt meist herabhängende Stengel. Sie wächst
selten allein, sondern nimmt vielmehr den unteren Teil der Blumengärten, besonders in
denen mit Streptocalyx angustifoluis Mez und Codonantke Uleana Frixsch n. sp., ein.
Moraceen.
7) Ficus myrmecophila Warb. n. sp., Tafel 2. Verlängert, keilförmig, verkehrt
eiförmige Blätter mit langer Spitze und fast sitzende, kurz geschnäbelte, kugelförmige
Früchte zeichnen diese Art aus.
Nach Art der epiphytischen Ficus sendet diese, nachdem sie sich in den Ameisen-
nestern hinlänglich entwickelt hat, Nährwurzeln nach dem Boden. Außerdem treibt
Ficus myrmecophila Warb, auch Aeste, die den Stützbaum umklammern und über-
wuchern, so daß sie der eigentliche Träger der neu angelegten Blumengärten mit ver-
schiedenen anderen Pflanzen wird. Eigentümlich sind dann gewisse Wurzelwucherungen
an dem Zweigwerk des strauchartigen Ameisenepiphyten, die gewissermaßen, indem sie
von den Ameisen benutzt werden, Nester darstellen, die aus der Pflanze selbst entstanden
sind. Wie es scheint, üben hier die Ameisen einen Einfluß aus, indem sie Erdteile
herbeischaffen und die Wurzeln veranlassen, daß sie sich in Ballen entwickeln, ähnlich
den Wurzelballen von Topfpflanzen, die für ihr Wurzelsystem auf zu engen Raum
beschränkt waren.
Cactaceen.
8) Phyllocactus phyllanthus Lk. Es bedarf noch eingehender Untersuchung, um
festzustellen, ob diese Pflanze nicht eine besondere Varietät von der sonst weit ver-
breiteten Cactacee vorstellt. Sie kommt am Amazonenstrome wohl nur in den Gärten
der Ameisen vor, und einzelne Exemplare, die außer diesen gesehen wurden, gehörten
i) Vegetationsbilder, 2. Reihe, Heft i, Tafel 6.
Yegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 3 u. 4
höchst wahrscheinlich zu Wiüia amazonica K. Sch., einer neuen Gattung, welche bei
•dieser Gelegenheit entdeckt wurde.
Phyllocadus phyllanihus Lk. wird strauchartig mit breiten, blattartigen, gekerbten
Gliedern, aus denen sich langröhrige Blüten mit kurzem Kronensaum entwickeln.
Solanaceen.
9) Marckea formicarum Damm. n. sp., Tafel 4. Es ist dies einer der merk-
würdigsten Ameisenepiphyten, der strauchartig wird und an den Wurzeln Knollen trägt,
die als Wasserspeicher zum Schutze gegen Austrocknung dienen. Die großen, ca. 10
bis 16 cm langen, verkehrt eiförmigen, lang zugespitzten Blätter sind hautartig und
am Rande lang gewimpert. Die großen, glockenförmigen Blüten von gelblicher, innen
violett gezeichneter Farbe erscheinen einzeln am Ende der Zweige. In den Ameisen-
nestern liegen die haselnußgroßen, aber länglichen Knollen von Marckea formicarum
Damm, oft frei zu Tage, während die zarten Wurzeln von den Ameisen mit Erde umhüllt
sind. Diese Solanacee findet sich weit verbreitet und immer von Azteca gezüchtet.
10) Ectozoma Ulei'^) Damm. n. sp. Eine nicht minder eigentümliche Pflanze
der Blumengärten von Azteca. Sie wird wie die vorige strauchartig und entwickelt
.auch ihre etwas dickeren Blätter in meist 3 -blätterigen Quirlen. Auf dem ca. i cm
messenden Blattstiel sitzt eine bald verkehrt eiförmige, bald breiter ovale Spreite, die
an beiden Enden verschmälert ist und in einer Spitze endigt. Die Blüten entstehen in
reichblütigen, cymösen Trauben mit kleiner, glockenförmiger Blumenkrone von grünlich-
gelber Farbe. Die schlanken, beblätterten Stengel treiben Wurzeln, die Veranlassung
zu einem neuen Ameisenneste bieten, oder es entwickeln sich auch, an das Substrat
angeheftet, lange, fadenförmige Stränge, die wohl in Abständen öfter Blütentrauben,
aber keine Blätter tragen. Zuweilen schreitet auch diese Art zur Knollenbildung.
Gesneriaceen 2).
u) Codonanthe Uleana Fritsch n. sp.^'*), Tafel 3, 5, 6. Einer der häufigsten
Ameisenepiphyten, der gern mit Streptocalyx angtisiifolms Mez, Aechmea spicata Mez
i) Diese und die vorhergehende Pflanze gehören zu der kleinen Gruppe der Cestrinae.
2) Herrn Prof. R. Fritsch, der die Güte hatte, die Bestimmung der Gesneriaceen zu über-
nehmen, ist es gelungen, die zwei verbreitetsten Arten festzustellen. Zwei weitere Arten konnten jedoch
wegen Mangelhaftigkeit des Materials nicht näher bestimmt werden. Letztere gehören auch zu einem
Typus mit schraubiger Blattstellung, der bisher in Brasilien noch unbekannt ist, wohl aber in dem sich
■daran anschließenden nördlichen Gebiet bis Columbien vorkommt.
3) Vegetationsbilder, 2. Reihe, Heft i, Tafel 6.
4) Bei einer verwandten Art, Codonanthe graciUs Marx., im südlicheren Brasilien ist schon ein
.Zusammenleben mit Ameisen, beobachtet worden; wenigstens deutet eine Bemerkung in der Flora
brasiliensis „Habitat ad arbores, in formicarum aggeribus" darauf hin. In neuerer Zeit gibt auch Wettstein
-derartige Notizen an.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 3 u. 4
und anderen Pflanzen zusammenwächst und in sonnigen Lagen unterhalb oder auch
ganz eine purpurne Färbung annimmt. Die lanzettlichen oder ovalen, fleischigen Blätter
sind an der Spitze immer deutlich gekerbt, und die Blüten sind weiß mit Violett und
Gelb. Die Pflanze treibt Ausläufer und bietet so an passenden Stellen Gelegenheit zu
neuer Anlage von Ameisennestern.
12) Codonanthe formicarum Fritsch n. sp. Unterscheidet sich von der vorigen
Art besonders durch kaum gekerbte Blätter, fast rein weiße Blüten und durch ihr
Gedeihen in mehr schattiger Lage.
13) Gesneriacee I gb mit auf rechtem Wuchs. Diese Art mit aufrechtem
Wuchs, ohne Ausläufer, mit längeren Blättern und weißen Blüten tritt im allgemeinen
spärlicher auf, so daß sie leicht übersehen werden kann.
14) Gesneriacee 20b mit fleischigen Blättern. Verhältnismäßig große,
dicke und fleischige Blätter zeichnen diese Art aus, welche kleinere Blüten von weiß-
licher Farbe mit purpurn-gelblicher Zeichnung besitzt. Sie findet sich auch seltener
und in mehr schattiger Lage.
Diese 14 hier aufgeführten Pflanzen wachsen seltener allein, sondern sind meist
zu mehreren in den Blumengärten der Ameisen vergesellschaftet. Häufig findet man die
Bromeliaceen Streptocalyx angustifolius Mez und Aechmea spicata Mart. mit Codonanthe
Uleana Fritsch n. sp. *) (Tafel 3 und 6) zusammen, dazu gesellt, sich zuweilen noch
Anthttrium scolopendrinum Kunth var. Poiteauanum Engl, und Peperoinia nematostachya
Link. Auch mit Phüodendron myrrnecophilum Engl. n. sp. vereint sich öfter Codonanthe
Uleana Fritsch oder andere Ameisenepiphyten. Ebenso findet bei den mehr schatten-
liebenden Blumengärten ein solches Zusammenleben statt. So sieht man die Solanaceen
und Ficus häufig mit Gesneriaceen vereint.
Ist nun das gesellige Wachsen unter sich den Ameisenepiphyten eigentümlich,
so beobachtet man sie jedoch nur ausnahmsweise mit anderen Epiphyten zusammen.
Hin und wieder kommt es wohl vor, daß ein Blumengarten zwischen echten Epiphyten
angelegt wird, oder daß da zufällig ein fremder Same hineinfliegt und eine Pflanze
sich dort entwickelt, aber diese Erscheinung ist doch nur selten.
i) Vegetationsbilder, 2. Reihe, Heft i, Tafel 6.
Vegetalionsbilder, 3. Reihe HeU I. E. Ule: Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrom.
Tafel 3.
Entwickelter Blumengarten mit Aechmea spicata, Codonanthe Uleana und Anthurium scolopendrium ;
Auf V'ismia sp., Manäos.
Nncta pholojir. Aufiinlinii« von K l'le i:h)2
VprlaL' Von (iuslav Fischer in Jena.
l.lchlctrucl£ von J. U. OberueUer, München.
Vegetationsbilder, 3. Reihe Heft 1. E. Ule: Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrom.
Tafel 4.
Marckea formicarum, von Azteca gezüchtet und mit erdiger Cartonmasse umgeben ; bei Säo Joaquim am Rio Negro.
Verlag von fiusilav Fischer in Jena.
N'ach pboiner Anrnalime von F.. V\e I9IIS.
Uchldniek von 1. B. Obemetler, UQncheii.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ui,e, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 5
Pflege und Bigenttimlichkeiten der Blumengärten.
Tafel 5.
Vochysia mit Pflanzungen von Camponotus femoratus bei Manäos.
(Nach photographischer Aufnahme von E. Ule, 1903.)
Alle Ameisenepiphyten tragen Beeren, deren Samen von den Ameisen entweder
direkt in die Nester geschleppt werden oder an geeignete Stellen, wo sie dann mit
Erde umgeben werden. Daß es wirklich die Ameisen sind, welche die Samen dort
hinschaffen, ist teils durch das Experiment bewiesen, indem Beeren von Ameisen-
epiphyten an den von- den Ameisen besuchten Stellen ausgequetscht wurden, worauf diese
Tierchen dann bald hinzukamen und die Samen forttrugen ; teils ist es unmöglich, daß
diese Samen in den Ameisennestern in solchen Mengen durch Vögel oder in anderer
Weise hineingelangen konnten. Es wurden auch Fälle beobachtet, wo die Samen der
Ameisenepiphyten direkt aus Höhlungen hervorkeimten, z. B. aus der blasenförmigen
Anschwellung trockener Zweige von Cordia nodosa Lam.
Ist auf einem Baume oder Strauch einmal ein Blumengarten angelegt, so
schreiten die Ameisen oft zur Anlage weiterer Kolonien, wie man auf Tafel 5 ersehen
kann. Die auf einer Vochysia befindlichen zahlreichen größeren und kleineren Gärten
sind bepflanzt mit Streptocalyx angusti/olius Mez, Anthurium scolopendrinum Kunth
var. Poiteauanum Engl., Codonanthe Uleana Fritsch etc. Auch die kletternden und
Ausläufer treibenden Ameisenepiphyten geben vielfach zur Vermehrung der Ameisen-
gärten Veranlassung, indem an verschiedenen Stellen, besonders Zweiggabelungen,
Nester mit Erdanhäufungen gebildet und noch mit anderen Pflanzen besiedelt werden.
Stimmen nun auch die Blumengärten von Camponotus femoratus (Fab.) und Azteca-
Arten in den Hauptzügen der Anlage überein, so weichen sie jedoch in vielen Einzel-
heiten und in ihren Kulturpflanzen voneinander ab.
Camponotus femoratus (Fab.) baut seine wenig kunstvollen Ameisengärten in mehr
dem Licht und der Hitze ausgesetzten Lagen, zuweilen in beträchtlichen Höhen bis über
30 m über dem Boden. Sie sind bewachsen mit: Anthurium scolopendrinum Kunth
var. Poiteauanum Engl., Streptocalyx angustifolius Mez, Aechmea spicata Marx., Pepe-
romia nematostachya Link., Phyllocactus phyllanthus Lk., Codonanthe Uleana Fritsch n. sp.
und zuweilen mit Philodendron myrmecophilum Engl. n. sp.
Diese Blumengärten nehmen oft riesige Dimensionen an, indem sie mit den
3 m langen Blättern von Streptocalyx angustifolius Mez oft einen Durchmesser von
mehreren Metern haben und gewiß einige Zentner wiegen.
Vegetationsbilder, 3. Reilie, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 5
Azteca Traili Emery, A. U/ei Forel und A. olitrix Forel wählen für ihre
Nester mehr etwas schattige und feuchte Orte, die meist weit kunstreicher, doch nie
in beträchtlicher Höhe angelegt werden.
Die von ihnen kultivierten Pflanzen sind folgende: Nidularittm myrmecophilum
Ule n. sp., Ficus myrmecophila Warb. n. sp., Marckea forinicarum Damm. n. sp., Edo-
zoma Ulei Damm. n. sp., Codonanthe formicarum Fritsch n. sp., Gesneriacee mit auf-
rechtem Wuchs, Gesneriacee mit fleischigen Blättern und Phüodendron myrmecophilum
Engl. n. sp. Letztere Pflanze trifft man sowohl in den Blumengärten von Camponotus
femoratus (Fab.) als auch von Azteca-hxt&n an. Es ist möglich, daß noch eine oder die
andere Pflanze gemeinsam in den Nestern der verschiedenen Ameisengattungen vor-
kommt, aber die meisten sind ihnen doch eigentümlich. Ob sich auch die verschiedenen
Azteca-Kx\e,n in ihren Kulturen unterscheiden, muß vorläufig noch dahingestellt bleiben.
Die von Camponotus femoratus (Fab.) kultivierten Pflanzen stehen verschiedenen
echten Epiphyten sehr nahe oder sind nur Varietäten oder Formen derselben, dagegen
stellen alle von den Azteca-Kxl&n. gezüchteten besondere Species dar, die zum Teil in
der Hylaea keine näheren Verwandten haben. So sind die merkwürdigen Solanaceen-
gattungen Marckea und Ectozoma^) nur an den Grenzen der Hylaea in Peru und
Guiana und in ganz anderen Arten bisher gefunden worden.
Da die Ameisengattungen Camponotus und Azteca zu verschiedenen Unter-
familien gehören, so erklärt sich auch leicht der Unterschied in den Nestern der
betreffenden Arten und dem Ursprünge derselben. Camponotus femoratus (Fab.) fand
vielleicht bei Anlage seiner Nester Schutz zwischen Epiphyten, die er dann züchtete;
und den Azteca wurde der Raum in den Höhlungen von Ameisenpflanzen zu eng, bis sie
geeignete Erweiterungen zum Wohnen zwischen Epiphyten fanden und bei zunehmendem
Bedürfnisse auch diese zu kultivieren anfingen. Beiden Gattungen bieten in der Tat
die Ameisengärten durch das üppige Blattwerk und das dichte Wurzelgeflecht der
Pflanzen einen festeren Halt ihres Nestes, der namentlich bei den am Amazonenstrome
herrschenden, heftigen Regenfällen wohl von Nutzen ist. Ameisennester von reiner
Kartonmasse oder anderen Stoffen, die es auch im Amazonasgebiete, oft in riesiger Form,
gibt, erfordern eine sorgfältige Auswahl der Anlagestelle, eine große Arbeitskraft und
sehr vielen Speichel als Baukitt. Bei den Blumengärten erweitern sich die Nester durch
das Anwachsen und Vergrößern der Pflanzen von selbst und es ist nur nötig, daß die
Ameisen mehr Erde hinzutragen, zu der sie bei der rohen Anlage und dem festen
Wurzelgeflechte nur wenig Kitt gebrauchen.
Berücksichtigen wir, daß die Ameisenepiphyten alle Beeren tragen, so drängt
sich uns wohl die Frage auf: warum trafen die Ameisen nur eine bestimmte Auswahl
i) Diese beiden Gattungen sind somit neu für die Flora Brasiliens.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen, am Amazonenstrome Tafel 5
ihrer Kulturpflanzen, da es doch unter den verwandten, eigentlichen Epiphyten viel
mehr Arten mit Beerenfrüchten gibt? Hier ist aber zu bedenken, daß sich viele dieser
Epiphyten nicht eignen, weil durch die rein epiphytische Lebensweise ihre Wurzeln zu
sehr reduziert oder verändert sind, als daß sie zur Bildung eines dichten Wurzelgeflechtes,
auf das es ja den Ameisen besonders ankommen muß, noch zu veranlassen waren.
Bei vielen Epiphyten, wie bei Bromeliaceen, haben die Wurzeln ihre eigentliche Funktion
verloren; bei anderen sind sie so gebaut, daß sie sich an Stamm und Aesten in einer
Fläche platt ausbreiten, um dann die kärglichen Nährstoffe mit dem herablaufenden
Wasser aufzusaugen, oder andere bilden eigene Sammelapparate.
Die Ameisenepiphyten wurden nun aus Pflanzen gewählt, die entweder auf einer
noch niederen Stufe epiphytischer Lebensweise standen oder gar keine eigentlichen
Epiphyten waren. Diese Pflanzen konnten auch in den Ameisennestern gut gedeihen,
weil sie von den Ameisen reichlich mit Erde und durch die Exkremente und Chitin-
hüllen auch mit stickstoffhaltigen Nährstoffen versehen wurden; dazu begünstigte der
poröse Bau der Nester das Ansammeln von Regenwasser und das Festhalten von
Feuchtigkeit
Während nun Camponotus echte Xerophyten in den Nestern pflegte, waren für
die Azteca-Kr\sx\ mehr Hygrophyten die geeigneten Kulturpflanzen. Die Ameisenepiphyten
in den Nestern von Camponotus kommen am Amazonenstrome nur in. ihren Ameisen-
nestern vor, doch scheinen Phyllocadus phyllanthus Lk. und Anthurlum scolopendrinum
KuNTH var. Poiteauanum Engl, nur Varietäten oder Formen von Arten zu sein, die in
anderen Gebieten auch epiphytisch ohne die Ameisen wachsen. Alle anderen Arten
und besonders die von Azteca kultivierten sind für die Ameisengärten eigentümlich,
und einige besitzen unter den sonstigen Pflanzen keine nahen Verwandten.
Die Ameisenepiphyten, die also abhängig von den Ameisen sind, zeigen in
der Tat eine Reihe von Sonderheiten, welche sie von den echten Epiphyten unter-
scheiden. Zunächst ist das Wurzelsystem, besonders der Faserwurzeln, weit üppiger
entwickelt, dann ist wohl die Verzweigung und Belaubung eine reichere. Die Blätter
der Bromeliaceen^), z. B. bei Nidularium myrmecophilum Ule und besonders Strepto-
calyx angustifolius Mez, sind fleischiger als bei anderen epiph3^ischen Arten. Strepto-
calyx angustifolius Mez, eine sehr typische Ameisenpflanze, steht in ihrem Blattbaue
nahe gewissen erdbewohnenden Xerophyten der Familie, als Bromelia, Ananas, Dyckia
i) Während bei Streptocalyx angustifolius Mez entschieden keine Wasseraufnahme durch die
Blätter stattfindet, sie auch bei Nidularium myrmecophilum Ule weniger wahrscheinlich ist, so könnte
sie bei Aechmea spicata Marx., die überhaupt den. Bau der echten Epiphyten am meisten erhalten
hat, noch vorkommen. Die Hauptsache bleibt immer, daß die Pflanzen durch ihren Bau dem Neste
einen festen Halt bieten, und die Aufnahme von Wasser durch die Blätter wäre dem Zwecke nicht
hinderlich.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 5
und Fernseea und übertrifft diese noch durch die Fülle der entfalteten Blätter. Ueber-
haupt fehlt hier die sonst bei Epiphyten oft bis ins Einzelne gehende Sparsamkeit mit
dem Baumaterial des pflanzlichen Organismus.
Die mehr hygrophilen Ameisenepiphyten besitzen oft besondere Wasserspeicher
als Schutzmittel gegen Austrocknung. So ^sit^^iokAX. Marckea formicaruinT>KyiM. immer
an den Wurzeln eine Anzahl Knollen, um die großen, hautartigen Blätter bei plötzlichen
Trockenperioden mit Wasser zu versorgen. Aehnliche Knollen entwickelt zuweilen auch
Codonanthe formicarum Fritsch mit ganzrandigen Blättern und Edozoma Ulei
Damm. Bei der Gesneriacee, mit fleischigen Blättern, stellen die großen fleischigen
Blätter die Wasserreservoire der Pflanze dar.
Was nun die Blüten anbetrifft, so zeichnen sich diese bei den Ameisenepiphyten
nicht durch lebhaftere Färbung aus, indem die meisten weiße, gelbliche oder grünliche
Farben entwickeln. Nur Aechmea spicata Marx., die sich auch am meisten dem Typus
der echten Epiphyten nähert, besitzt schön rot gefärbte Deckblätter und gelbe Blüten. Ob
die Ameisen bei der Befruchtung eine Rolle spielen, ist noch ungewiß. Jedenfalls steht
der Befruchtung durch Kolibris und Bienen nichts im Wege, da die Blüten sich nach
außen entfalten, wo die Ameisen sich nicht aufhalten, und wohl kaum die Besucher be-
lästigen. Auch über das Sammeln der Samen, ob an der Pflanze selbst oder nach dem
Abfallen der Früchte vom Boden aus, ist noch nichts beobachtet. • Häufig findet man
reife Beeren an den verschiedenen Ameisenepiphyten, und die roten Aehren von An-
thurium scolopendrinum Kunth var. Poiteanamim Engl, leuchten oft aus den Blumen-
gärten hervor.
Vegetationsbüder, 3. Reihe Heft I. E. Ule: Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrom.
Tafel 5.
V'ocliysia -Bäume mit Blumcn_L,''ärten von Cami)onotiis temoratus bei Manaos.
Nach plimour. AiitiiHlunf von K. l'le l'.iM.
ViTlas; viin (iiislav Kiacher in Jena.
Llchtdrack toii J. R Obernclter. .MQnohen.
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 6
Verbreitung und Bedeutung der Ameisenepiphyten.
Tafel 6.
Ausgewachsener Blumengarten mit Streptocalyx angustifolius und
Codonanthe Uleana bei Manäos.
(Nach photographischer Aufnahme von E. Ule, 1902.)
Die Blumengärten scheinen im ganzen Amazonasgebiete verbreitet zu sein; ja
sich bis über Guiana und Trinidad auszudehnen, bis wohin Aechmea spicata Marx, und
Anthurium scolopendrinum Kunth var. Poiteauanum Engl, noch vorkommen sollen.
Beide Formen von Gärten, die von Camponotus und die von Azteca, beobachtet man
sowohl im Ueberschwemmungsgebiet (vargem) als auch auf dem überschwemmungsfreien
Lande (terra firme). Selbst im Gebirge, in Höhen von 1000 m, sind sie da, wo auch
eine Hevea-hxt vorkommt, noch gefunden worden.
Am unteren Juruä traf ich in den feucht-schattigen Ueberschwemmungswäldern
sehr häufig die Blumengärten von Azteca an, während ich sie anl Oberlaufe des
Flusses vorzugsweise an mehr sumpfigen Stellen des überschwemmungsfreien Waldes
wahrnahm. Bei Manäos am Rio Negro ist das Ufergebiet meist etwas höher gelegen
und frei von Ueberschwemmungen. Dort waren nun die Gärten von Camponotus sehr
verbreitet und oft auch in Menge auf Strauchwerk angelegt. In ihrer größten Fülle
und Ueppigkeit habe ich aber diese Blumengärten der Ameisen in den Wäldern des
Ueberschwemmungsgebietes gesehen. Auch in Peru im Uebergangsgebiete zu den
Anden werden noch Blumengärten gefunden, doch scheinen hier einzelne Pflanzenarten,
wie besonders Codonanthe Uleana Fritsgh, zu fehlen. Mit den Ueberschwemmungen
haben die Blumengärten also nichts zu tun. Sie haben auch nicht von ihnen zu leiden,
außer daß unter Umständen die Ameisen auf Wochen oder Monate gehindert sind, sie
mit Erde zu versorgen.
In ihrer Herkunft deuten die Ameisenepiphyten auf das subandine Gebiet hin
und scheinen auch an den aus Zentralbrasilien kommenden Flüssen seltener zu sein;
wenigstens fand ich am Madeira nur- wenige Spuren derselben.
Die Blumengärten der Ameisen sind eigentümlich der Hylaea und sie gehören
mit zu dem Charakter der Wälder des Amazonenstromes.
Wenn bei Flußfahrten der Dampfer dicht am Ufer den Fluß dahinfuhr, dann
betrachtete ich immer wieder mit Interesse die Landschaftsbilder mit mannigfaltigen
Palmen und riesigen Bäumen in üppigem Laubwerke. Zuweilen waren dann überall die
Vegetationsbilder, 3. Reihe, Heft i E. Ule, Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrome Tafel 6
Bäume beladen von den gewaltigen Bauen der Blumengärten und prägten mir in ihrem
leuchtenden, oft rötlichen Grün inmitten einer so großartigen Natur einen unvergeßlichen
Eindruck ein. Staunend muß man allerdings diese gewaltigen Baue, die in solchen
schwindelnden Höhen von so kleinen Tieren angelegt werden, ansehen. Außer der
Bedeutung der Blumengärten für die Physiognomie der Landschaft (Tafel 6), welche
für die von Cmnponotus wenigstens nicht zu unterschätzen ist, besitzen sie eine noch
größere für die Biologie der Pflanzen- und Tierwelt.
Bekannt ist, wie die Ameisen alle möglichen Hohlräume von Pflanzen mit oft
kompliziertem Baue sich zu nutze machen und dort ihre ständigen Wohnungen einrichten.
In ihrer Intelligenz gehen sie aber bei ihren Blumengärten einen Schritt weiter, indem
sie Gewächse zum festen Gefüge ihrer Nester pflanzen und pflegen. Selbst die Anlage
der Pilzgärten wird hier noch übertroffen, weil es sich nicht um die Kultur einer
Entwickelungsform einer einzelnen Pilzspecies, sondern um die einer Anzahl höherer
Gewächse handelt. Die Ameisen, die ein geordnetes Staatsleben haben, die kunstvolle
Baue anlegen und Tiere sowie Pflanzen züchten und pflegen, müssen als auf einer der
höchsten Stufen unter der kleinen Tierwelt stehend angesehen werden.
Vegetationsbilder, 3. Reihe Heft 1. E. Ule: Blumengärten der Ameisen am Amazonenstrom.
Tatel 6.
Ausgewachsener Bhimenyarten mit Streptocalyx angiistifolius und Codonanthe Uleana, bei Manäos.
Nnch photDKr Aufnahme von E l'le lilOä.
Vertag von Gustav Fischer in Jena.
I.IchulrocJi von J. B Oberneuer. Uüncben.