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MELANIE KLEIN
DIE PSYCHOANALYSE
DES KINDES
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INTERNATIONAL
PSYCHOANALYTIC
UNIVERSITY
DIE PSYCHOANALYTISCHE HOCHSCHULE IN BERLIN
-Die rsycnoanalyse
des JVinaes
Von
Melanie Kl
Londo
I9O2
Internationaler Psychoanalytiscker Verlag
Wien
Eine englische Ausgabe dieses Buches
erscheint gleichzeitig mit der deutschen
Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung,
der Verfasserin vorbehalten
Copyright 1932 by Melanie Klein, London
Printed in Austria
Drude: Christoph Reisser's Söhne, Wien V
DEM ANDENKEN
K Ä RL AB RA HA MS
IN DANKBARKEIT UND
VEREHRUNG GEWIDMET
„Gelegentlich mag uns ein Zagen ergreifen angesichts der ver-
wirrenden Fülle der Erscheinungen, die uns im weiten Umkreis
des menschlichen Seelenlebens entgegentreten, vom kindlichen Spiel
und den anderen typischen Erzeugnissen der frühen Phantasie-
tätigkeit, von den werdenden Interessen und Begabungen bis zu
den höchstbewerteten Leistungen des gereiften Menschen und den
äußersten Differenzierungen der Einzelwesen. Aber dann erinnern
wir uns desjenigen, der uns das Forschungsinstrument der Psycho-
analyse gegeben hat und uns damit den Zugang eröffnete zur
Sexualität des Kindes, dieser lebendigen Quelle des Lebens."
(Abraham: Psychoanalytische Studien
zur Charakterbildung. S. 51.)
VORWORT
Diesem Buche liegen die Erfahrungen zugrunde, die ich in meiner psycho-
analytischen Arbeit mit Kindern gesammelt habe. Dem ursprünglichen Plane nach
sollte der erste Teil der Darstellung der von mir ausgearbeiteten Technik, der
zweite Teil der Zusammenfassung der theoretischen Ergebnisse gewidmet sein,
die ich nach und nach aus der praktischen Arbeit gewann und die mir geeignet
scheinen, nun als Stütze der von mir angewendeten Technik zu dienen. Während
der Ausarbeitung dieses Buches, die eine Zeitspanne von einigen Jahren umfaßte,
hat dessen zweiter Teil seinen Rahmen gesprengt. Meine Erfahrungen in der
Psychoanalyse Erwachsener, die zu den in der Kinderanalyse gewonnenen hinzu-
traten, haben dazu geführt, daß ich meine Auffassung von den frühesten Ent-
wicklungsstufen auch auf die Erwachsenenpsychologie anwandte. Ich kam dabei
zu Resultaten, die ich nun als Beiträge zur psychoanalytischen Theorie der
frühesten Entwicklungsstufen der Öffentlichkeit vorlege.
Meine Vorschläge zur Theorie bauen sich in allen Stücken auf dem von
Freud übermittelten Wissensschatze auf. Indem ich seine Resultate auf die
Psychoanalyse des Kindes anwandte, fand ich den Zugang zur Psyche des kleinen
Kindes und die Möglichkeit, es zu analysieren und zu heilen. Ich gewann dabei
aber auch die direkten Einblicke in die frühen Entwicklungsvorgänge, die zu
meinen theoretischen Ergebnissen führten. Diese bestätigen vollauf die von
Freud aus den Analysen Erwachsener gewonnenen Erkenntnisse und versuchen
es, sie in einzelnen Punkten weiterzuführen.
Sollte mir dies tatsächlich gelungen und es mir vergönnt gewesen sein, durch
dieses Buch einige Steine zum Ausbau der psychoanalytischen Wissenschaft bei-
zutragen, so hätte ich auch dies in erster Linie Freud zu verdanken, der nicht nur
den ganzen Bau errichtet und auf Fundamente gestellt hat, die eine Erweiterung
ermöglichen, sondern auch immer wieder auf die Punkte hingewiesen hat, von
welchen aus der weitere Ausbau planmäßig erfolgen kann.
Ich habe nun des Anteiles zu gedenken, den meine beiden Lehrer, Dr. Sdndor
F er enc z i und Dr. Karl Abraham, an der Entwicklung meiner psycho-
analytischen Arbeit und an deren Ergebnissen haben.
Ferenczi,der mich in die Psychoanalyse einführte, hat mich auch mit deren
tiefstem Sinn und Wesen vertraut gemacht. Sein starkes und unmittelbares Gefühl
für das Unbewußte und die Symbolik und seine ungewöhnliche Einfühlung in die
Seele des Kindes waren von nachhaltiger Wirkung auf mein Verständnis der
frühkindlichen Psyche. Ferenczi hat mich auf meine Eignung für die Kinder-
analyse aufmerksam gemacht, an deren Entwicklung er größtes Interesse nahm,
und hat mich ermutigt, mich diesem damals noch wenig bebauten Feld der psycho-
analytischen Therapie zu widmen. Er hat mich auch hierin nach Kräften gefördert
und meine ersten Schritte aufs wirksamste unterstützt. Ich verdanke Ferenczi die
Grundlage für meine Entwicklung als Analytikerin.
Ich hatte das große Glück, in Dr. Karl Abraham einen zweiten Lehrer
zu finden, der seine Schüler zur Höchstanspannung ihrer Kräfte im Dienste der
Psychoanalyse begeisterte. Der Fortschritt der Psychoanalyse hing für Abraham
von der Höhe der Leistung und den menschlichen und wissenschaftlichen Quali-
täten jedes einzelnen Mitarbeiters ab. Diese hohe und vorbildliche Auffassung
fühlte ich in mir nachwirken, wenn ich versuchte, in diesem Buche der Psycho-
analyse etwas von dem unendlich Vielen wiederzugeben, das sie mir geschenkt hat.
Abraham hat die großen praktischen und theoretischen Möglichkeiten der Kinder-
analyse voll erfaßt. Bei der ersten Zusammenkunft deutscher Psychoanalytiker in
Würzburg (Oktober 1924) sprach Abraham im Anschluß an ein Referat, das ich
über einen Fall von kindlicher Zwangsneurose hielt, 1 die mir unvergeßlichen
Worte aus: „Die Zukunft der Psychoanalyse liegt bei der Spielanalyse."
Das Studium der frühkindlichen Psyche führte mich zu Einsichten, die zunächst
befremdend schienen. Das Vertrauen, das Abraham meiner Arbeit entgegen-
brachte, ermutigte mich damals, auf dem von mir eingeschlagenen Wege weiter-
zugehen. Meine theoretischen Ergebnisse haben sich organisch aus den Forschungen
Abrahams entwickelt. Ich hoffe, daß das vorliegende Buch dies erweisen wird.
In den letzten Jahren hat meine Arbeit großzügige Förderung durch Dr. Ernest
Jones erfahren. Jones hat zu einer Zeit, da die Kinderanalyse noch in ihren
Anfängen war, die Rolle, die sie in der Zukunft zu spielen bestimmt ist, voraus-
gesehen. Auf seine Aufforderung hin hielt ich im Jahre 1925 als Gast der „British
Psycho- Analytical Society" meinen ersten Vortragskurs in London, dem der erste
Teil dieses Buches seine Entstehung verdankt. Auch dem zweiten Teil liegt ein
Vortragskurs zugrunde, den ich im Jahre 1927 unter dem Titel „Erwachsenen-
psychologie im Lichte der Kinderanalyse" in London hielt. Die tiefe Überzeugung,
1) Dieses Referat liegt dem Kap. III des vorliegenden Buches zugrunde.
_ 8 -
mit der Ernest Jones sich für die Kinderanalyse eingesetzt hat, hat diesem Arbeits-
gebiet in England den Boden bereitet.
Ernest Jones' Forschungsergebnisse berühren sich in wesentlichen Punkten mit
den meinen. Er hat grundlegende Arbeiten geschrieben über frühe Angstsituationen,
über die Bedeutung der Aggression für das Schuldgefühl und über die frühesten
Stadien der weiblichen Sexualentwicklung — Probleme, die in dem vorliegenden
Buche eine zentrale Rolle spielen.
Auch meinen anderen englischen Kollegen danke ich an dieser Stelle für ihr
weitgehendes Verständnis und für ihre warmherzige Unterstützung. Bleibende
Verdienste um die praktische und theoretische Entwicklung der Kinderanalyse und
die Ausbildung von Kinderanalytikern in London hat sich Miss M. Nina S e arl
erworben, mit der mich eine auf gemeinsamer Überzeugung und persönlicher
Freundschaft beruhende Zusammenarbeit verbindet. Die Hilfe von Mrs. Alix
Strachey und Mr. James Strachey war für mich von großer Bedeutung.
Sie haben auch für das vorliegende Buch sehr viel getan, indem sie es nicht nur in
vorbildlicher Weise ins Englische übersetzt, sondern auch auf seine Entstehung
und Ausarbeitung durch wertvolle Anregungen Einfluß genommen haben. Hier
habe ich auch Dr. Edward Gl ov er s zu gedenken, der an meiner Arbeit stets
warmes Interesse nahm und sie durch verständnisvolle Kritik förderte. Besonders
wertvoll war es mir, daß er mich auch wiederholt auf Übereinstimmungen verwies,
die zwischen meinen Auffassungen und den schon vorliegenden psychoanalytischen
Forschungsergebnissen bestehen. Zu tiefem Dank bin ich meiner Freundin Mrs. Joan
Rivier e verpflichtet, die meine Arbeit auf das wirksamste unterstützt hat und
mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand.
Last but not least danke ich meiner Tochter, Dr. Melitta Schmideberg,
herzlich für die aufopfernde und wertvolle Hilfe, die sie mir bei der Fertig-
stellung dieses Buches geleistet hat.
London, Juli 1932.
-/Melanie Klein
EINLEITUNG
Die Anfänge der Kinderanalyse reichen um mehr als zwei Jahrzehnte zurück,
bis zu jener Analyse, die der Schöpfer der Psychoanalyse, Professor Freud,
am „kleinen Hans" durchführte. 1 Die große theoretische Bedeutung dieser ersten
Kinderanalyse lag auf zwei Gebieten. Die Tatsache, daß ein Kind von noch nicht
fünf Jahren mit gutem Erfolg analysiert werden konnte, bewies die praktische
Anwendbarkeit der Psychoanalyse auch auf kleine Kinder. Von vielleicht noch
größerer Bedeutung war aber die Tatsache, daß diese Analyse die viel an-
gezweifelte Existenz der von Freud beim Erwachsenen entdeckten kindlichen
Triebregungen am Kinde selbst einwandfrei nachwies. Darüber hinaus schienen
die Ergebnisse dieser Analyse die Erwartung zu rechtfertigen, daß weitere, an
kleinen Kindern vorgenommene Analysen genauere und tiefere Einblicke in das
kindliche Seelenleben gewähren würden, als es die Analysen Erwachsener er-
möglichen, daß also die Kinderanalyse berufen sei, wichtige und grundlegende
Beiträge zur Theorie zu liefern. Diese Hoffnung hat sich aber lange Zeit nicht
erfüllt. Die Kinderanalyse blieb im Bereich der psychoanalytischen Wissenschaft
und Therapie Jahre hindurch ein verhältnismäßig unerforschtes Gebiet. Obwohl
von verschiedenen Analytikern, vor allem von Dr. H. vonHug-Hellmuth 2
Kinderanalysen unternommen wurden, haben sich keinerlei feste Regeln für die
Anwendbarkeit und Technik der Kinderanalyse herausgebildet. Daraus erklärt
sich wohl, daß sie noch nicht allgemein nach ihren großen praktischen und theoreti-
schen Möglichkeiten eingeschätzt wird und daß grundlegende prinzipielle Gesichts-
punkte, die für die Analyse der Erwachsenen längst anerkannt sind, für die An-
wendung auf die Analyse des Kindes noch geklärt und erwiesen werden müssen.
i) Freud: Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben. Ges. Sehr., Bd. VIII.
2) Dr. H. von Hug-Hellmuth: Zur Technik der Kinderanalyse. Int. Ztschr.
f. PsA., Bd. VII, 1921.
— 10 —
Erst im letzten Jahrzehnt setzte die Arbeit auf dem Gebiete der Kinderanalyse
in größerem Umfange ein. Im wesentlichen haben sich zwei Methoden heraus-
kristallisiert, deren eine durch Anna Freud, deren andere durch mich ver-
treten wird.
Anna Freud, die durch ihre Erkenntnisse über das Ich des Kindes zu
Modifizierungen der klassischen Technik geführt worden ist, hat ihre Methode
zur Analyse von Kindern im Latenzalter unabhängig von meiner Technik aus-
gearbeitet und kam in grundlegenden Punkten zu anderen theoretischen Er-
gebnissen. Anna Freud führt aus, daß das Kind keine Übertragungsneurose bilde, 3
daß also eine grundlegende Voraussetzung der analytischen Behandlung fehle,
daß aber eine der Analyse Erwachsener analoge Methode beim Kinde auch nicht
angewendet werden solle, weil das kindliche Ich-Ideal noch zu schwach sei, 4 —
Ergebnisse, die von den meinen abweichen.
Meine Beobachtungen ergaben, daß sich auch beim Kinde eine Übertragungs-
neurose entwickelt, die der beim Erwachsenen analog ist, sofern nur beim Kinde
eine der Erwachsenenanalyse adäquate Methode (d. h. ohne pädagogische Be-
einflussung und mit voller Analyse der auf den Analytiker gerichteten negativen
Regungen) zur Anwendung kommt. Ich fand, daß Strenge des Über-Ichs beim
Kinde in allen Altersstufen selbst durch tiefgehende Analyse nur sehr schwer ge-
mildert werden kann, und daß die Herabsetzung der Strenge des Über-Ichs
auch ohne erzieherische Beeinflussung seitens des Analytikers zu keiner Schädi-
gung, sondern zur Stärkung des Ichs führt.
Es wäre eine interessante Aufgabe, die zwei Methoden an Hand von Material
im einzelnen miteinander zu vergleichen und sie von theoretischen Gesichtspunkten
aus zu untersuchen. In diesem Buch kann ich jedoch nicht mehr unternehmen,
3) „Das Kind ist nicht wie der Erwachsene bereit, eine Neuauflage seiner Liebes-
beziehungen vorzunehmen, weil — so könnte man sagen — die alte Auflage noch nicht
vergriffen ist. Seine ursprünglichen Objekte, die Eltern, sind noch in "Wirklichkeit, nicht
wie beim erwachsenen Neurotiker in der Phantasie, als Liebesobjekte vorhanden."
Ferner: „Es besteht aber für das Kind keine Nötigung, ihn (d. h. den Analytiker) ohne
weiteres mit den Eltern zu vertauschen, er bietet den ursprünglichen Objekten gegen-
über nicht alle jene Vorteile, die der Erwachsene findet, wenn er seine Phantasieobjekte
gegen einen wirklichen Menschen vertauschen darf." (Anna Freud: Einführung in
die Technik der Kinderanalyse. S. 56 u. $8.)
4) Sie führt als Gründe hiefür an (ebenda, S. 82) „die Schwäche des kindlichen
Ich-Ideals, die Abhängigkeit seiner Forderungen und folglich seiner Neurose von der
Außenwelt, seine Unfähigkeit zur eigenen Beherrschung der befreiten Triebe und die
daraus sich ergebende Notwendigkeit für den Analytiker, das Kind erzieherisch in der
Gewalt zu haben". Femer (ebenda, S. ji): „Bei dem Kinde aber sind uns die auf den
Analytiker gerichteten negativen Regungen — so aufschlußreich sie in mancher Be-
ziehung sein können — vor allem unbequem. Wir werden sie sobald wie möglich
abbauen und abschwächen. Die eigentlich fruchtbringende Arbeit wird immer in der
positiven Bindung vor sich gehen."
als eine Darstellung meiner Technik und der sich darauf aufbauenden theoreti-
schen Resultate zu geben. Es ist auch bisher noch verhältnismäßig so wenig über
die Analyse des Kindes bekannt, daß es im Augenblick die wichtigste Aufgabe zu
sein scheint, die Probleme der Kinderanalyse von verschiedenen Seiten zu be-
leuchten und die bisher gewonnenen Ergebnisse zusammenzutragen.
ERSTER TEIL
DIE TECHNIK
DER KINDERANALYSE
ERSTES KAPITEL
Die psychologischen Grundlagen der Kinderanalyse 1
Die Ergebnisse der Psychoanalyse haben zu einer neuen Psychologie des Kindes
geführt. Sie haben uns gelehrt, daß das Kind schon im frühesten Alter sexuelle
Triebregungen und Angst empfindet und auch durch große Enttäuschungen geht.
Zugleich mit dem Glauben an die Asexualität des Kindes fiel auch der an das
„Paradies der Kindheit". Diese aus den Psychoanalysen Erwachsener und den
direkten Beobachtungen von Kindern gewonnenen Erkenntnisse werden durch
Analysen kleiner Kinder bestätigt und ergänzt.
Ich gehe nun daran, an Hand von Beispielen ein Bild der frühkindlichen
Psyche zu entwerfen, wie ich es in den Analysen kleiner Kinder kennengelernt
habe. Meine zu Beginn der Behandlung zweiunddreiviertel jährige Patientin Rita
bevorzugte bis zum Ende des ersten Lebensjahres die Mutter, dann in auffallender
Weise den Vater, wobei sie deutlich Eifersucht gegen die Mutter erkennen ließ.
So verlangte sie zum Beispiel im Alter von fünfzehn Monaten wiederholt, allein
mit dem Vater im Zimmer zu bleiben und, auf seinem Schöße sitzend, mit ihm
in Büchern zu blättern.
Mit achtzehn Monaten veränderte sich neuerlich die Einstellung des Kindes,
und es zog wieder die Mutter vor; zugleich setzten Pavor nocturnus und Angst
vor Tieren ein. Es kam zu einer überstarken Fixierung an die Mutter und zu
einer ausgesprochenen Ablehnung des Vaters. Mit Beginn des dritten Lebensjahres
wurde die Kleine immer mehr ambivalent und schwieriger, weshalb sie mit zwei-
unddreiviertel Jahren in psychoanalytische Behandlung gegeben wurde. Zu dieser
Zeit bestand eine ausgesprochene Zwangsneurose mit Zwangszeremoniellen,
Schwankungen zwischen „Überbravheit" mit Reue und unbeherrschter „Schlimm-
heit", Verstimmungen, die alle Merkmale der melancholischen Depression auf-
i) Dieses Kapitel ist eine erweiterte Fassung meiner Arbeit: Die psychologischen
Grundlagen der Frühanalyse (Imago, Bd. XII, i$i6).
i5 -
wiesen, starke Angst, eine weitgehende Spielhemmung, vollkommene Unfähigkeit,
Versagungen irgend welcher Art zu ertragen, übermäßige Wehleidigkeit — :
Schwierigkeiten, die das Kind fast unerziehbar machten. 2
Dieser Fall erwies deutlich den im Alter von achtzehn Monaten aufgetretenen
Pavor nocturnus als eine neurotische Verarbeitung des
Ödipuskonfliktes. 3 Die Angst- und 'Wutanfälle Ritas, die sich als Wieder-
holung des Pavor nocturnus erwiesen, sowie ihre sonstigen Schwierigkeiten
standen in innigster Verbindung mit den frühen starken Schuldgefühlen, die dem
Ödipuskonflikt entsprangen.
Auf den Inhalt und die Grundlage dieser frühen Schuldgefühle will ich nun
an Hand eines anderen Beispieles eingehen. Die dreiunddreivierteljährige Trude 4
spielte wiederholt in der Analysenstunde, daß es Nacht sei. Wir sollten beide
schlafen. Sie kam dann aus der anderen, von ihr als ihr Zimmer bezeichneten
Ecke leise auf mich zu und bedrohte mich auf verschiedene Art. Sie wollte mich
in die Kehle stechen, in den Hof werfen, verbrennen, zur Polizei bringen. Sie
versuchte meine Hände und Füße zu fesseln, hob die Decke der Chaiselongue auf
2) Rita hatte bis zum Alter von nicht ganz zwei Jahren das Schlafzimmer der
Eltern geteilt, und die Wirkungen der Urszene wurden in der Analyse deutlich. Als
sie zwei Jahre alt war, wurde ihr Brüderchen geboren. Dieses Ereignis führte den
vollen Ausbruch der Neurose herbei.
Die Analyse umfaßte dreiundachtzig Behandlungsstunden. Sie wurde wegen Über-
siedlung der Eltern ins Ausland nicht beendigt. Sie hat in den wesentlichen Punkten
zu einem günstigen Resultat geführt. Die Angst wurde vermindert, die Zwangs-
zeremonielle behoben, die Depressionserscheinungen und damit auch die Unfähigkeit,
Versagungen zu ertragen, wesentlich herabgesetzt. Mit der durch die Analyse erzielten
Verminderung der Ambivalenz der Mutter gegenüber und einem wesentlich verbesserten
Verhältnis zu Vater und Bruder ergab sich auch zugleich die Herabsetzung der Er-
ziehungsschwierigkeiten auf ein normales Maß. Ich hatte Gelegenheit, mehrere Jahre
nach Abschluß der Analyse mich persönlich von der Haltbarkeit des Resultates zu
überzeugen. Rita hatte den Übergang ins Latenzalter gut vollzogen und sich sowohl
intellektuell wie charakterlich zufriedenstellend entwickelt. Trotzdem gewann ich bei
diesem Wiedersehen den Eindruck, daß ein weiteres Stück Analyse erforderlich gewesen
wäre, da der Anteil der zwangsneurotischen Disposition in Ritas Charakterbildung und
Wesen mir unverkennbar schien. Hiezu ist zu bemerken, daß Ritas Mutter stark
zwangsneurotisch ist und von Anfang an ein überaus ambivalentes Verhältnis zur
Tochter hatte. Das Verhältnis der Mutter zur Tochter hat sich zwar durch die beim
Kinde erzielten günstigen Veränderungen entschieden verbessert, bildet aber noch immer
eine schwere Belastung für die Entwicklung des Kindes. Eine zu Ende geführte Analyse
des Kindes mit noch weiterer Auflösung zwangsneurotischer Züge hätte zweifellos ein
wirksameres Gegengewicht gegen die neurosenbildende Belastung durch das neurotische
Milieu ergeben. Sieben Jahre nach Beendigung der Behandlung erfuhr ich von der Mutter,
daß Rita sich weiter gut entwickelt.
3) Meine Annahme, daß in diesen Regungen sich schon die Frühstadien des Ödipus-
konfliktes äußern, werde ich in Kap. VIII des vorliegenden Buches ausführlicher be-
gründen.
4) Ich gebe in diesem Falle und in allen folgenden Fällen das Alter an, in dem
das Kind stand, als es zur Analyse kam.
- x6 -
und erklärte, sie mache „Po-Kacki-Kucki". Es ergab sich, daß sie im Popo der
Mutter nach den für sie Kinder darstellenden „Kackis" (Stuhl) suchen wollte.
Ein andermal wollte sie mich auf den Bauch schlagen und behauptete, sie nehme
die A-As (Stuhl) heraus und mache mich arm. Sie riß dann die (wiederholt als
Kinder bezeichneten) Kissen herunter und versteckte sich mit diesen in der Sofa-
Nische, wo sie sich unter lebhaften Angstäußerungen zusammenkauerte, zudeckte,
lutschte und näßte. Diese ganze Situation erfolgte immer wieder nach Angriffen
auf mich. Sie war aber in allen Einzelheiten des Verhaltens derjenigen gleich,
die Trude schon im zweiten Lebensjahre im Bette eingenommen hatte, als sehr
starker Pavor nocturnus bei ihr einsetzte. Auch damals lief sie in der Nacht
immer wieder in das Schlafzimmer der Eltern, ohne angeben zu können, was sie
dort wolle. Die Analyse zeigte, daß das Nässen und Schmieren Angriffe auf die
koitierenden Eltern bedeutete und behob dadurch diese Symptome. Trude
hatte der schwangeren Mutter die Kinder rauben, die Mutter töten und ihre
Stelle beim Koitus mit dem Vater einnehmen wollen. Sie war, als die Schwester
geboren wurde, zwei Jahre alt. Diese Haß- und Aggressionstendenzen waren
die Ursache der im zweiten Lebensjahre sich verstärkenden Fixierung an die
Mutter. Sie waren auch die Grundlage der schweren Angst und Schuldgefühle,
die sich unter anderem im Pavor nocturnus äußerten. Die frühen Schuld-
gefühle und die Angst des kleinen Kindes haben demnach ihre Ursache
in den mit dem Ödipuskonflikt einhergehenden aggressiven
Tendenzen. 5
Zur Zeit, als diese Erscheinungen in der Analyse so deutlich hervortraten,
brachte Trude sich fast vor jeder Analysenstunde einen körperlichen Schmerz bei.
j) Die Auffassung, daß die Haß- und Aggressionstendenzen die tiefste Ursache und
Grundlage der mit dem Ödipuskonflikt einhergehenden Schuldgefühle bilden, habe ich
auch schon in der diesem Kapitel zugrunde liegenden gleichnamigen Arbeit (Imago,
Bd. XII, 1926) und seither in mehreren Arbeiten vertreten und belegt. In meinem auf
dem Internationalen Psychoanalytischen Kongreß in Oxford (Juli 1929) gehaltenen
Vortrage: „Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ichentwicklung" kam ich in
diesem Punkte zu einer erweiterten Formulierung. Ich sagte dort: „Die Abwehr gegen
die libidinösen Triebregungen tritt erst in den späteren Stadien des Ödipuskonfliktes
hervor, in den Frühstadien des Ödipuskonfliktes wendet sie sich gegen die mit den
libidinösen Triebregungen legierten destruktiven Triebe." Diese Formulierung stimmt,
meines Erachtens, in einigen Punkten mit Ergebnissen überein, die Freud in seinem
neuesten Buche: Das Unbehagen in der Kultur niedergelegt hat. Er schreibt dort
(S. 124): „Dann aber ist es doch nur die Aggression, die sich in Schuldgefühl um-
wandelt, indem sie unterdrückt und dem Ober-Ich zugeschoben wird. Ich bin überzeugt,
wir werden die Vorgänge einfacher und durchsichtiger darstellen können, wenn wir
den Fund der Psychoanalyse zur Ableitung des Schuldgefühls auf die aggressiven Triebe
einschränken." Ferner (S. 12 5): „Nun liegt es nahe, den Satz zu formulieren: wenn
eine Triebregung der Verdrängung unterliegt, so werden ihre libidinösen Anteile in
Symptome, ihre aggressiven Komponenten in Schuldgefühl umgesetzt."
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
~ 17 ~
Es ergab sich, daß die Gegenstände, an denen sie sich weh tat: Tisch, Schrank,
Ofen usw., der primitiven kindlichen Identifizierung entsprechend, für sie die
Mutter, mitunter auch den Vater bedeuteten, die sie bestrafen. 6
Rita, von deren Fall ich bei meinen Ausführungen ausging, war schon in ihrem
zweiten Lebensjahre der Umgebung durch die Reue nach jedem noch so kleinen
Vergehen und die Überempfindlichkeit gegen Tadel aufgefallen. v So brach das
.Kind zum Beispiel in Tränen aus, als der Vater den Bären im Bilderbuch
scherzhaft bedrohte. Dabei zeigte sich als bestimmend für ihre Identifizierung mit
dem Bären die Angst vor dem Tadel des realen Vaters. Ihre Spielhemmung ging
vom Schuldgefühl aus. Schon mit zweiundeinviertel Jahren erklärte sie wiederholt
beim Puppenspiel — das ihr auch wenig Freude machte — , sie sei nicht die
Mutter des Puppenkindes. Die Analyse erwies, daß sie nicht Mutter spielen
durfte, weil das Puppenkind ihr unter anderem das Brüderchen bedeutete, das
sie der Mutter schon während der Schwangerschaft rauben wollte. Das Verbot
des Kindeswunsches ging aber nicht von der realen Mutter aus,
sondern von einer i n t r o j i z i e r t e n, die strenger und grausamer in ihr wirkte,
als es jemals von Seiten der realen Mutter geschehen war. Ein zwangsneurotisches
Symptom, das Rita auch vom Alter von zwei Jahren an entwickelte, war ein
zeitraubendes Schlafzeremoniell. Sein Kern bestand darin, daß sie sich in die
Bettdecke fest verpacken ließ, sonst würde „eine Maus" oder ein „Butzen", der
durch das Fenster käme, ihren Butzen wegbeißen. 7 Audi die Puppe wurde immer
in gleicher Weise verpackt. Dieses Spiel nahm ebenso wie ihr eigenes sich stetig
ausbauendes Schlafzeremoniell wachsende Zeit in Anspruch und wurde unter allen
Anzeichen des sie beherrschenden Zwanges durchgeführt. Einmal stellte sie in der
Analysenstunde einen Elefanten neben das Puppenbett. Er sollte das Puppenkind
am Aufstehen verhindern, denn sonst würde es leise in das Schlafzimmer der
Eltern gehen und diesen „etwas tun oder wegnehmen". Der Elefant (eine Vater-
Imago) sollte die hindernde Rolle der introjizierten Eltern übernehmen, deren
Einspruch schon aus der Zeit in ihr nachwirkte, da sie im Alter zwischen einund-
einviertel und zwei Jahren die Stelle der Mutter beim Vater einnehmen, der
schwangeren Mutter das Kind rauben, die Eltern verletzen und kastrieren wollte.
Damit klärte sich aber auch der Sinn des Schlaf zeremoniells auf: das
Verpacken in die Bettdecke sollte Rita am Aufstehen und an der Ausführung der
aggressiven, gegen die Eltern gerichteten Tendenzen verhindern.
6) Ich fand, daß die Wehleidigkeit und die Neigung, zu fallen und sich weh zu tun,
die besonders beim kleinen Kinde häufig ist, aus Schuldgefühlen entspringt.
7) Ritas Kastrationskomplex zeigte sich in einer Reihe von neurotischen Symptomen
und in ihrer Charakterentwicklung. Auch ihre Spiele erwiesen deutlich ihre starke
Vateridentifizierung und ihre vom Kastrationskomplex stammende Angst, in der männ-
lichen Rolle zu versagen.
- 18 -
Da sie aber auch als Strafe für diese Regungen analoge Angriffe seitens der Eltern
erwartete, bezweckte das feste Verpacken in die Bettdecke auch einen Schutz gegen
Angriffe. So fürchtete sie zum Beispiel, daß der „Butzen" — der väterliche
Penis — ihren „Butzen" zur Strafe für ihre Kastrationswünsche gegen den Vater
abbeißen und sie am Genitale beschädigen würde.
Die Wut- und Angstreaktionen, die im Verlauf solcher Spiele einer Bestrafung
des Puppenkindes folgten, bewiesen auch, daß Rita innerlich beide Rollen
spielte; die der richtenden Autoritäten und die des bestraften
Kindes. Sie bewiesen ferner, daß diese Angst nicht nur den realen
Eltern, sondern weit mehr den überaus strengen introjizierren Eltern
galt. Was uns da entgegentritt, entspricht dem, was wir beim Erwachsenen das
Über-Ich 8 nennen. Die typischen Erscheinungen, die wir in deutlichster Aus-
bildung feststellen können, wenn der Ödipuskomplex seinen Höhepunkt erreicht
hat und die seinem Abklingen vorangehen, sind der Endabschluß einer Ent-
wicklung, die sich über Jahre erstreckt. Die Frühanalyse zeigt, daß der Ödipus-
konflikt schon in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres einsetzt und daß
zugleich auch schon die Bildung des Über-Ich beginnt.
Wenn aber schon das kleine Kind unter dem Druck des Schuldgefühls steht
— wie es mir meine Erfahrungen beweisen — , so ergibt sich hieraus eine grund-
legende Voraussetzung für die Analyse des kleinen Kindes. Dennoch scheinen
aber beim Kinde eine Reihe von Vorbedingungen für die Analyse zu fehlen. Das
Kind weist nur eine schwache Realitätsbeziehung auf und hat anscheinend auch
kein Motiv, die Schwierigkeiten einer analytischen Behandlung in den Kauf zu
nehmen, da es im allgemeinen kein Krankheitsgefühl hat. Die größte Schwierig-
keit scheint sich aber aus der Tatsache zu ergeben, daß wir Assoziationen
durch die Sprache, wie wir sie beim Erwachsenen als Grundlage der analytischen
Arbeit kennen, beim Kinde nicht oder nur sehr unvollkommen erhalten. Ich will
zunächst auf diese letztgenannte Schwierigkeit eingehen.
Aus den Unterschieden der frühkindlichen Psyche von der reiferen ergab sich
mir der Weg, der Assoziationen des Kindes im vollsten Maße habhaft zu werden
und auch den Zugang zu seinem Unbewußten zu finden. Die von mir aus-
gearbeitete Technik der Spielanalyse baut sich auf den Besonderheiten des kind-
lichen Seelenlebens auf. Das Kind bringt durch das Spiel Phantasien, Wünsche,
Erlebnisse in symbolischer Weise zur Darstellung. Es bedient sich dabei der
gleichen Sprache, der archaischen, phylogenetisch erworbenen Ausdrucksweise, die
wir aus dem Traume kennen. Wir können sie nur verstehen, wenn wir uns ihr
in der Weise nähern, die uns F r e u d für das Erkennen des Traumes gelehrt
8) Meiner Auffassung nach kommt auch schon den frühesten Identifizierungen die
Bezeichnung Ober- Ich zu. Ich begründe diese Auffassung im achten Kapitel.
*9
hat. Die Symbolik ist nur ein Teil davon. Wir müssen, wenn wir das Spiel
im Zusammenhang mit dem ganzen Gehaben des Kindes in der Analysenstunde
richtig erfassen wollen, nicht nur die oft im Spiel so deutlich hervortretende
Symbolik, sondern alle Darstellungsmittel und Mechanismen
der Traumarbeit beachten und der Erforschung der ganzen Zusammen-
hänge eingedenk bleiben. Immer wieder läßt sich in Frühanalysen feststellen,
wie vieldeutig jedes einzelne Spielzeug und jede einzelne Spielhandlung ist, und
daß wir die jeweilige Bedeutung nur aus der Kenntnis der weiteren Zusammen-
hänge und der ganzen analytischen Situation erschließen und deuten
können. Beispielsweise hatte für Rita die Puppe, mit der sie spielte, zeitweise
Penisbedeutung, dann wieder die Bedeutung des der Mutter geraubten Kindes,
oder sie stellte sie selbst dar. Die volle analytische Wirkung wird erzielt, indem
die Zusammenhänge mit dem Schuldgefühl durch die Deutung
der kleinsten Einzelheiten des Spieles klargelegt werden. Was uns das Kind in
einer Analysenstunde zeigt, wobei es vom Spiel mit dem Spielzeug zur Dar-
stellung durch die eigene Person übergeht, dann wieder zum Spiel mit Wasser,
zum Ausschneiden von Papier, zum Zeichnen — w i e es das tut, w a r u m der
Wechsel einsetzt und welche Mittel es zur Darstellung wählt — , dieses
bunte, oft wirr und sinnlos scheinende Durcheinander zeigt sich als wohlgeordnet
und wird sinnvoll, wenn wir es wie den Traum deuten. Sehr häufig stellt übrigens
das Kind im Spiel das gleiche dar wie in einem vorher berichteten Traum und
bringt oft Assoziationen zu einem Traum durch das anschließende Spiel, das ja
seine wichtigste Ausdrucksweise ist. Bei Anwendung dieser Spieltechnik finden wir
bald, daß uns das Kind nicht weniger Assoziationen zu einzelnen Spiel-
stücken bringt als der Erwachsene zu den Traumstücken. Die Einzelheiten
des Spieles zeigen dem aufmerksamen Beobachter den Weg; dazwischen spricht
das Kind auch allerlei, was voll als Assoziationen zu werten ist.
Vielfach überrascht die Leichtigkeit, mit der Deutungen zeitweise aufgenommen
werden. Das Kind zeigt sogar mitunter ausgesprochene Lust dabei. Die Er-
klärung dafür ist wohl die, daß beim Kinde in gewissen Schichten die Kom-
munikation zwischen Bewußtem und Unbewußtem noch eine leichtere, der Rück-
weg daher einfacher herzustellen ist. Die Deutung erzielt häufig sehr schnell
eine Wirkung, auch wenn das Kind sie anscheinend nicht bewußt zur Kenntnis
genommen hat. Dies äußert sich darin, daß das Spiel, das infolge des ein-
getretenen Widerstandes abgebrochen worden war, wieder aufgenommen wird,
sich verändert, sich ausbreitet und tiefere Schichten zur Darstellung bringt. Mit
der Auflösung von Angst und dem Wiedereinsetzen von Spiellust zugleich hat
sich auch der analytische Kontakt wieder befestigt. Indem der zu einer Ver-
drängung nötige Kraftaufwand infolge der Deutung wegfällt, entsteht nach der
Deutung frische Lust zum Spiel. Wir stoßen aber zeitweise auf sehr schwer zu
überwindende Widerstände. Das ist meist dann der Fall, wenn wir auf Angst
in den tieferen Schichten treffen.
Die archaische, symbolische Darstellungsform, deren sich das Kind bedient, ist
mit einem anderen primitiven Mechanismus verbunden. Das Kind setzt nämlich
im Spiel die Handlungen — die ja ursprünglich an Stelle der Gedanken
standen — an Stelle der Worte, d. h. *das Agieren spielt bei ihm eine
überragende Rolle. In der „Geschichte einer infantilen Neurose" sagt Freud:
„Die Analyse, die man am neurotischen Kinde selbst vollzieht, wird von vorn-
herein vertrauenswürdiger erscheinen, aber sie kann nicht sehr inhaltsreich sein;
man muß dem Kinde zu viele Worte und Gedanken leihen und wird vielleicht
doch die tiefsten Schichten undurchdringlich für das Bewußtsein finden." 9
Wenn wir uns dem Kinde mit der Technik der Erwachsenenanalyse nähern,
so können wir sicherlich nicht zu den tiefsten Schichten vordringen. Gerade diese
sind es aber, die — ebenso in der Analyse des Kindes wie in der des Erwachsenen —
für den Wert und für den Erfolg einer Analyse ausschlaggebend sind. Wenn
wir aber auf die psychologischen Unterschiede zwischen dem Kinde und dem
Erwachsenen Bedacht nehmen, auf die Tatsache, daß wir Unbewußtes noch neben
Bewußtem, die primitivsten Strebungen neben kompliziertesten Entwicklungen
wirksam finden, wenn wir also die Ausdrucksweise des Kindes richtig verstehen,
so kommen alle diese Bedenken und Nachteile in Fortfall. Wir finden dann, daß
die Forderungen, die wir an Tiefe und Umfang der Analyse stellen dürfen, nicht
hinter denen der Erwachsenenanalyse zurückstehen. Im Gegenteil, wir können in
der Kinderanalyse bis zu Erlebnissen und Fixierungen zurückgehen, die in der
Erwachsenenanalyse häufig nur rekonstruierbar sind, während sie uns
das Kind unmittelbar darstell t. 10
Ich habe in meinem Kongreßvortrag in Salzburg 11 ausgeführt, daß die jeder
Spieltätigkeit zugrunde liegende, als fortgesetzter Spielantrieb (Wieder-
holungszwang) wirkende Abfuhr der Masturbationsphantasien ein
fundamentaler Mechanismus des Kinderspieles und aller
weiteren Sublimierungen ist und die Spiel- und Lernhemmung
auf der übermäßigen Verdrängung dieser Phantasien (und
damit der Phantasie) beruht. Mit den Masturbationsphantasien
sind die Sexualerlebnisse verknüpft und gelangen mit diesen im Spiel zur
9) Ges. Sehr., Bd. VIII, 440 f.
10) Diese unmittelbare Darstellung, die neben der weitgehenden Abreaktion der
Affekte das vollkommenste Durchleben der ursprünglichen Situation in der Analyse
und damit eine weitgehende Auflösung der Fixierung mit Hilfe der Deutungen ermög-
licht, macht die Frühanalyse zu einem besonders erfolgreichen Zweig der psychoanalyti-
schen Therapie..
11) Int. PsA. Kongreß Ostern 1924. (Dieser Vortrag blieb unveröffentlicht.)
Darstellung und Abreaktion. Unter diesen Erlebnissen spielen die
Darstellungen der Urszene eine überragende Rolle; sie stehen auch regelmäßig
in den Frühanalysen im Vordergrunde. Meistens gelangt man erst nach einem
größeren Stück Analyse, das die Urszene und die genitalen Entwicklungen teil-
weise klargelegt hat, zu den Darstellungen der prägenitalen Erlebnisse und
Phantasien.
Die vierundeinvierteljährige Ruth zum Beispiel, die als Säugling längere Zeit
hungerte, da die Mutter wenig Milch hatte, nennt beim Spiel am Waschbecken
den Wasserhahn einen Milchhahn. Sie erklärt, daß die Milch in die „Münder"
(Abflußlöcher) läuft, daß Milch aber ganz wenig fließt. Dieses ungestillte orale
Verlangen tritt in zahlreichen Spielen und Darstellungen hervor und zeigt sich
in ihrer ganzen Einstellung. (Sie behauptete zum Beispiel, daß sie arm sei, nur
einen Mantel besitze, wenig zu essen bekomme, was der Realität keineswegs
entsprach.)
Die sechsjährige zwangsneurotische Erna, für deren Neurose die Erfahrungen
der Reinlichkeitsgewöhnung von Bedeutung waren, 12 führte mir diese bis in die
kleinsten Einzelheiten vor. Sie setzt zum Beispiel ein Püppchen auf einen Baustein,
läßt es defäzieren und stellt ringsherum Püppchen auf, die es bewundern. Nach
dieser Darstellung bringt Erna wieder das gleiche Material im Rollenspiel. Ich
habe ein sich beschmutzendes "Wickelkind darzustellen, sie ist die Mutter. Das
Wickelkind wird verwöhnt und bewundert. Dann folgt eine Wutreaktion und
Erna spielt plötzlich eine strenge Lehrerin, die daß Kind mißhandelt. Erna hat
mir so vorgespielt, was sie in früher Kindheit fühlte, als Erziehungsmaßregeln
einsetzten und sie die übergroße Liebe, die ihr als Säugling dargebracht wurde,
zu verlieren glaubte.
Die Bedeutung des A g i e r e n s und Phantasierens im Dienste des
Wiederholungszwanges kann in der Kinderanalyse nicht hoch genug
eingeschätzt werden. Das kleine Kind agiert natürlich in weit größerem Maße,
aber auch das ältere greift häufig zu diesem primitiven Mechanismus. Der damit
für das Kind verbundene Lustgewinn, der aber immer nur Mittel zum Zwecke
bleiben darf, ist als ein Motor der Analyse für deren Fortführung unentbehrlich.
Haben wir aber die Analyse in Gang gebracht und durch Auflösung von Angst-
quantitäten ein Gefühl der Erleichterung bei unserem kleinen Patienten erreicht
— was mit Hilfe der Deutungstechnik häufig schon in den ersten Stunden der
Fall ist — , so finden wir in diesem Gefühl der Erleichterung eine Stütze für die
Weiterarbeit. Es vermittelt nämlich auch dem Kinde, das früher gar kein Motiv
für die Analyse hatte, eine Einsicht in den Nutzen und Wert der analytischen
Arbeit, die der Krankheitseinsicht des Erwachsenen als Motor der Analyse ent-
12) Ein ausführlicher Bericht über Ernas Krankengeschichte folgt in Kap. III.
spricht. Die Fähigkeit zu einer solchen Einsicht beweist aber auch ein wesentliches,
beim kleinen Kinde überraschendes Stück Realitätsbeziehung. Ich will nun im
folgenden auf das Verhältnis des Kindes zur Realität näher eingehen.
Im Verlaufe der Analyse können wir feststellen, daß die vorher so schwache
Beziehung des Kindes zur Realität während der analytischen Arbeit sich fort-
während verstärkt. Das Kind beginnt dann zum Beispiel zwischen der
gespielten und der wirklichen Mutter oder dem hölzernen und
dem lebenden Brüderchen zu unterscheiden und beharrt fest darauf, dies
und jenes habe es nur dem hölzernen Brüderchen antun wollen, das
wirkliche habe es doch lieb. Nur nach Überwindung starker Widerstände
nimmt es dann zur Kenntnis, daß seine Aggression den wirklichen
Objekten gilt. Damit ist aber gewöhnlich — auch bei den ganz Kleinen —
eine sehr bedeutender Fortschritt in der Realitätsanpassung erfolgt.
Die dreiundeinvierteljährige T r u d e ging nach einer einzigen Analysenstunde
mit ihrer Mutter auf Reisen. Ein halbes Jahr später wurde die Analyse fort-
gesetzt. Von allem inzwischen Erlebten sprach sie erst nach längerer Zeit einmal
anläßlich eines Traumes, den sie mir berichtete. Sie war mit ihrer Mutter wieder
in Italien in dem ihr bekannten Restaurant. Die Kellnerin gab ihr keinen
Himbeersaft, weil keiner mehr da war. Die Deutung ergab unter anderem" den
nicht verwundenen Schmerz des Kindes um die Entziehung der Mutterbrust und
den Neid auf die kleine Schwester. Während mir Trude sonst allerlei anscheinend
Nebensächliches berichtete, auch wiederholt Einzelheiten der ersten, ein halbes Jahr
zurückliegenden Analysenstunde erwähnte, hatte nur die aus der analytischen
Situation sich ergebende Beziehung zur erlittenen Versagung den Anlaß gegeben,
ihrer Reise zu gedenken, die sonst für sie nicht von Interesse war.
Das neurotische Kind verträgt die Realität darum so schlecht, weil es Ver-
sagungen nicht ertragen kann. Es erwehrt sich der Realität, indem es sie ab-
lehnt. Grundlegend aber und der Prüfstein für alle fernere Anpassungs-
fähigkeit an die Realität ist die größere oder geringere Fähigkeit, die
aus der ödipussituation resultierende Versagung zu ertragen.
Auch beim kleinen Kinde ist deshalb die zu starke Ablehnung der Realität (die
häufig durch eine scheinbare Anpassung und „Folgsamkeit" verdeckt wird) ein
Kennzeichen der Neurose, die sich nur durch ihre Äußerungsformen von der
Realitätsflucht des erwachsenen Neurotikers unterscheidet. Darum muß auch schon
13) Dieser Traum erwies sich als ein Straf träum. Die Analyse deckt auch die ihm
zugrunde liegenden, gegen die Schwester und Mutter (aus der oralen Versagung und
der ödipussituation) gerichteten Todeswünsche und das daraus resultierende Schuld-
gefühl auf. Auch bei allen anderen von mir analysierten Träumen kleiner Kinder konnte
ich — ebenso wie beim Kinderspiel — neben der Wunschtendenz auch die Wir k-
samkeit des Über-Ichs feststellen. Ich fand, daß auch beim einfach gebauten
Wunschtraum des kleinen Kindes das Schuldgefühl latent wirksam ist.
— 2 3 —
in der Frühanalyse eines der Endergebnisse die gelungene Anpas-
sung an die Realität sein. Sie drückt sich beim Kinde unter anderem in der
Verminderung von Er z i eh un g s seh w i er ig k e i t e n aus; es ist eben
fähig geworden, reale Versagungen zu ertragen.
Wir sehen also, der Weg, den wir in der Analyse des Kindes nehmen, geht von
anderen Zugängen aus. Wir wenden uns auf dem kürzesten Weg über das Ich
vor allen Dingen an das Unbewußte des Kindes und erreichen so nach und nach
auch die Beziehung zu seinem Ich. Indem wir durch die Analyse die übermäßige
Wirksamkeit des Über-Ichs, die das schwache Ich des kleinen Kindes weit mehr
bedrängt als das des Erwachsenen, herabsetzen, stärkenwirdaslchund
tragen wesentlich zu dessen Entwicklung bei. 14
Ich habe von der in den Frühanalysen festzustellenden schnellen Wirkung von
Deutungen berichtet und mitgeteilt, daß wir diese Wirkungen an zahlreichen An-
zeichen feststellen können, so an der Entwicklung des Spieles, der Befestigung der
Übertragung, der Verminderung der Angst usw. Trotzdem scheint das Kind
längere Zeit hindurch die Deutungen nicht bewußt zu verarbeiten. Ich konnte
feststellen, daß eine bewußte Verarbeitung später erfolgt. Sie hängt mit der
wachsenden Realitätsanpassung und Ichentwicklung zusammen und hält mit ihr
Schritt. Analog vollzieht sich auch der Vorgang der Aufklärung. Die Analyse
fördert längere Zeit nur Material für Sexualtheorien und Geburtsphantasien
zutage und die Aufklärung erfolgt schrittweise, indem durch die Deutungen die
gegen die Aufklärung wirksamen unbewußten Widerstände behoben werden. Die
volle sexuelle Aufklärung ist somit ebenso wie die Realitäts-
anpassung ein Resultat der beendigten Analyse. Sie gehört zu
den Anforderungen, die wir an eine abgeschlossene Analyse zu stellen haben.
Ebenso wie sich die Ausdrucksmittel des Kindes von denen des Erwachsenen
unterscheiden, trägt auch die a n a I y t i s c h e S i t u a t i o n in der K i n d e r-
a n a 1 y s e ein durchaus abweichendes Gepräge. Sie ist aber doch in beiden Fällen
wesensgleich. Die konsequente Deutung, die schrittweise Auflösung der
Widerstände, das stete Zurückführen der positiven und negativen Übertragung
auf frühere Situationen führt auch beim Kinde zur vollen Herstellung der
richtigen analytischen Situation.
Eine Vorau ssetzung dafür ist, daß sich der Analytiker jeder nicht-
14) Das Kind vermag nicht — wie dies beim Erwachsenen nach Beendigung der
Analyse oft der Fall ist - Veränderungen in seinen Lebensverhältnissen vorzunehmen.
Aber wir haben ihm sehr weitgehend geholfen, wenn wir ihm die Möglichkeit geben,
sich zufolge der Analyse in den bestehenden Verhältnissen wohler zu fühlen und besser
zu entwickeln. Übrigens setzt häufig die Behebung der Neurose des Kindes auch die
Schwierigkeiten des Milieus herab. Ich konnte zum Beispiel feststellen, daß die Mutter
viel weniger neurotisch reagierte, sobald beim Kinde zufolge der Analyse günstige Ver-
änderungen eingetreten waren.
- 24 -
analytischen, also auch pädagogischen Beeinflussung, analog wie
beim Erwachsenen, enthält. Die Übertragung wird demnach durchaus analog
der in Erwachsenenanalysen gehandhabt und wir sehen dann auch beim Kinde
die Symptome und Schwierigkeiten sich um die analytische Situation gruppieren.
Es kommt zur Neuauflage früherer Symptome, beziehungsweise der beim Kinde
diesen entsprechenden früheren Schwierigkeiten oder Unarten. So tritt zum Bei-
spiel Bettnässen wieder auf, oder es kommt wiederholt vor, daß selbst drei- und
vierjährige Kinder in gewissen Situationen, die eine Wiederholung früherer dar-
stellen, auch wieder die Sprache des ein- oder zweijährigen Kindes annehmen.
Entsprechend der zuerst vorwiegend unbewußt vor sich gehenden Verarbeitung
der gewonnenen Einsichten wird das Kind nicht auf einmal vor die Situation
gestellt, Erkenntnisse in bezug auf sein Verhältnis zu den Eltern zu revidieren,
sondern dies geht zuerst gefühlsmäßig vor sich. Ich habe als Wirkung dieser
stufenweise verarbeiteten Erkenntnisse immer nur eine Er-
leichterung für das Kind feststellen können, ein wesentlich günstigeres Verhältnis
zu den Eltern und damit auch eine erhöhte soziale Anpassung und Erziehbarkeit.
Die durch die Analyse gemilderten Forderungen des Über-Ichs können nun von
dem weniger bedrängten und deshalb stärkeren Ich leichter befolgt werden.
Das Kind vermag dann auch sehr wohl zum Teil an Stelle der Verdrängung
die Verurteilung zu setzen. Dies äußert sich auch darin, daß die Kinder in einem
späteren Stadium der Analyse zu ihren sadistischen Begierden, die
in einem früheren Stadium stärker wirksam waren und deren Deutung damals
auf schwerste Widerstände stieß, eine solche Distanz gewonnen haben, daß sie sie
nun gelegentlich mit H u m o r beurteilen. 15 Ich hörte dann auch von ganz kleinen
Kindern einen Scherz darüber, daß sie zum Beispiel früher wirklich die Mutti
ganz fressen oder zerschneiden wollten. Die mit diesen Veränderungen verbundene
Verminderung der Schuldgefühle ermöglicht aber zugleich auch die
Sublimierungder früher ganz verdrängten sadistischen Begierden.
Dies äußert sich praktisch in dem Aufhören der Spielhemmung (oder der Lern-
hemmung) und in dem Einsetzen von zahlreichen Interessen und Betätigungen.
Ich bin in diesem Kapitel von der T e c h n i k der F r ü h a n a 1 y s e als der
für meine Methode grundlegenden ausgegangen. Da die von mir besprochenen
Besonderheiten der frühkindlichen Psyche auch noch beim größeren Kinde oft sehr
stark sind, fand ich die Anwendung dieser Technik auch beim größeren Kinde
unentbehrlich. Da aber andrerseits bei diesem ein schon entwickelteres Ich vor-
15) Die Erfahrung, daß mit der Milderung des Über-Ichs beim Kinde der Humor
sich entwickelt, scheint mir eine volle Bestätigung der Auffassung Freuds vom Wesen
des Humors, den er auf die Wirksamkeit eines freundlichen Über-Ichs zurückführt. Er
schreibt (Der Humor, Ges. Sehr., Bd. XI, S. 408): „... und endlich, wenn das Über-
Ich durch den Humor das Ich zu trösten und vor Leiden zu bewahren strebt, so hat
es damit seiner Abkunft von der Elterninstanz nicht widersprochen."
- 2 5 -
handen ist, ergibt sich die Notwendigkeit zu Modifizierungen der
Technik für das Latenz- und Pubertätsalter, deren Einzel-
heiten ich im Verlaufe meiner Ausführungen besprechen werde. Inwieweit sich
diese modifizierte Technik mehr der Frühanalyse oder mehr der Erwachsenen-
analyse annähert, hängt nicht nur von dem Alter, sondern auch von der speziellen
Struktur des Falles ab.
Folgende prinzipielle Gesichtspunkte liegen meiner Technik für alle kindlichen
Altersstufen zugrunde: die akutere Angst des Kindes und des Jugendlichen
macht es erforderlich, den Zugang zur Angst und zum unbewußten Schuldgefühl
so schnell wie möglich zu eröffnen und die analytische Situation
baldigst herzustellen. Beim kleineren Kinde äußert sich die Angst
leicht in Angstanfällen. Im Latenzalter nimmt sie vorwiegend die
Form mißtrauischer Abweisung an. Im Pubertätsalter mit
seinen starken Affektäußerungen kommt es wieder zu akuten Angstentbindungen,
die aber gemäß dem entwickelteren Ich den Charakter trotziger und heftiger
Widerstände aufweisen und geeignet sind, den Abbruch der Analyse herbei-
zuführen. Die Möglichkeit, schnell Angstquantitäten aufzulösen, ergibt sich in
Analysen aller Altersstufen von vornherein aus der konsequenten Hand-
habung und Auflösung der negativen Übertragung. Wenn wir uns
aber zur Phantasie und zum Unbewußten den Zugang verschaffen wollen, so
weist uns die dem Kinde — und zwar auch dem größeren Kinde — gemäße
indirekte symbolische Darstellung den Weg. Indem durch Auflösung von Angst-
quantitäten die Phantasie freier wird, haben wir nicht nur den Zugang zum
Unbewußten erschlossen, sondern aktivieren mehr und mehr Mittel der Dar-
stellung 16 auch in den Fällen, in denen wir von anscheinend phantasielosen Dar-
stellungen aus den Zugang eröffnen.
Ich fasse meine Ausführungen dahin zusammen: die besonderen primitiven
psychischen Eigentümlichkeiten des kindlichen Seelenlebens machen eine ihnen
angepaßte andersartige Technik nötig. Mittels der Technik der Spielanalyse ver-
mögen wir zu den tiefsten verdrängten Erlebnissen und Fixierungen zu gelangen
und damit die Entwicklung des Kindes von Grund aus zu beeinflussen.
16) Dann aber wird auch die Sprache in dem Umfange, als das Kind sie beherrscht,
zum Mittel der Analyse. Daß wir uns ganze Strecken der Analyse ohne die Sprache
behelfen müssen, ergibt sich nur zum Teil aus der mangelnden Sprachfähigkeit des
kleinen Kindes, zum anderen Teil aus der akuten Angst, die zur indirekteren Dar-
stellung führt. Da die primäre archaische Darstellung am Spielzeug und durch Agieren
ein wesentliches Ausdrucksmittel des Kindes ist, so könnten wir freilich mit der Sprache
! allein nie eine tiefgehende Kinderanalyse durchführen; aber andrerseits scheint es mir
;ein Erfordernis einer zu Ende geführten Analyse des Kindes jeden Alters zu sein,
;daß das Kind auch von der Sprache, die die Brücke zur Realität herstellt, in vollem
Maße in der Analyse Gebrauch mache.
— 36 —
Es handelt sich dabei nur um einen Unterschied der Technik, nicht
des Behandlungsprinzipes. Die Analyse der Übertragungssituation und
des Widerstandes, die Behebung der frühinfantilen Amnesie und der Aus-
wirkungen der Verdrängung, sowie das Aufdecken der Urszene werden mittels
der Spieltechnik durchgeführt. Es gelten also für diese Technik alle Kriterien
des psychoanalytischen Verfahrens. Die Spielanalyse führt zu den
gleichen Wirkungen wie die klassische Technik, nur in
den technischen Maßnahmen paßt sie sich der kindlichen
Seele an.
ZWEITES KAPITEL
JDie leamik der x. rünanalyse
Im ersten Kapitel habe ich klarzulegen versucht, welche besonderen, vom
Erwachsenen abweichenden psychischen Mechanismen und welche Analogien mit
dem Erwachsenen wir beim kleinen Kinde wirksam finden. Auf diesen Unter-
schieden und Ähnlichkeiten, welche eine besondere Technik erforderlich machen,
baut sich die von mir ausgearbeitete Methode der Spielanalyse auf.
Ich habe in meinem Behandlungszimmer auf einem Tischchen einfaches kleines
Spielzeug liegen: kleine hölzerne Männchen, Frauchen, "Wagen, Autos, Züge, Tiere,
Bausteine, Häuser, ferner Papier, Schere, Bleistifte. Auch das sonst spielgehemmte
Kind betrachtet das Spielzeug zumindest, greift danach und gibt mir bald durch
die Art, wie es damit zu spielen beginnt oder das Spielzeug weglegt und sich
sonst dazu verhält, einen Einblick in seine Komplexe. Ich will nun an dem
Auszug aus der Analyse eines kleinen Kindes die Grundzüge der Spieltechnik
klarlegen.
Die Erziehung des dreiunddreivierteljährigen Peter bereitete große Schwierig-
keiten, da er überaus an die Mutter fixiert und sehr ambivalent war. Er ertrug
Versagungen nicht, war vollkommen spielgehemmt und machte einen ungewöhn-
lich ängstlichen, wehleidigen und nicht knabenhaften Eindruck. Zeitweise war
er überaggressiv und höhnisch; er vertrug sich schlecht mit anderen Kindern,
insbesondere mit dem jüngeren Bruder. Die Analyse sollte, da es in der Familie
mehrere Fälle von schweren Neurosen gab, vorwiegend eine prophylaktische sein.
Im Verlauf der Behandlung stellte sich jedoch bei Peter eine so schwere Neurose
und ein solcher Grad von Gehemmtheit heraus, daß er wohl schon den An-
— 27
forderungen der Schule nicht hätte entsprechen können und früher oder später
erkrankt wäre. 1
Peter greift gleich zu Beginn der ersten Analysenstunde nach den Wagen und
Autos und stellt sie hintereinander zu einer langen Reihe auf; dann stellt er die
Wagen nebeneinander auf. Er wiederholt diese zweierlei Arten des Aufsteilens
mehrere Male. Dazwischen hat er zwei mit Pferden bespannte Wägelchen wieder-
holt so gegeneinander geschoben, daß die Füße der Pferde zusammenstoßen. Gleich
darauf sagt er: „Ich habe ein Brüderchen Fritz bekommen." Ich frage ihn, was
denn die Wagen machen? Er erwidert: „Das ist nicht schön", hört auch sofort
damit auf, wiederholt es aber bald wieder. Dann läßt er einige Male zwei
Pferdchen in der gleichen Art gegeneinander stoßen. Da ich nun sage: „Du, das
soll zwei Menschen vorstellen, die so zusammenstoßen", antwortet er zuerst:
„Nein, das ist nicht schön", dann: „Ja, das sind zwei Menschen, die zusammen-
stoßen." Er fügt hinzu: „Die Pferde haben auch gestoßen, jetzt gehen sie schlafen."
Er bedeckt sie dann ganz mit Bausteinen und meint: „Jetzt sollen sie ganz tot
sein, ich habe sie eingegraben." In der zweiten Analysenstunde stellt er gleich
wieder Wagen und Autos auf die zweierlei Arten auf; hintereinander zu einer
langen Reihe und nebeneinander. Dazwischen läßt er wieder zwei Wagen und
dann wieder zwei Lokomotiven — ebenso wie in der ersten Stunde — gegen-
einander stoßen. Dann stellt er zwei kleine Schaukeln nebeneinander, zeigt mir
den inneren, freibeweglichen, länglichen Teil und sagt: „Schau, wie das bammelt
und stößt." Nun deute ich. Indem ich auf die bammelnden Schaukeln, die Loko-
motiven, die Wagen, die Pferde verweise, sage ich: „Die sollen immer zwei
Menschen - den Papa und die Mutti - vorstellen, die ihre Tüpödichen 2 (das
war seine Bezeichnung für das Genitale) gegeneinander stoßen." Da widerspricht
er: „Nein, das ist nicht schön", läßt aber immerfort weiter die Wagen aneinander
i **,?" ?L lle . Erf ° l8 der zweihunde «aditundsiebenzig Stunden umfassenden Behand-
lung (die sich mit Unterbrechungen über einen Zeitraum von zwei Jahren und drei
Monaten erstreckte) zeigte sich in dem Schwinden der hier erwähnten Schwierig-
keiten und in den weitgehenden günstigen Veränderungen im Wesen und Charakter
des Kindes. Peter hat nicht nur die Angst, sondern auch die seinem ganzen Wesen
aufgeprägte Ängstlichkeit verloren. Er ist heiter und vergnügt; die Spielhemmung ist
behoben, das Verhältnis zu anderen Kindern wie auch insbesondere zu seinem jüngeren
Bruder ein sehr gutes. In den Jahren, die seit Beendigung der Behandlung vergangen
sind, hat der Knabe sich vorzüglich entwickelt. Er ist ein sehr guter Schüler, wißbegierig
und lerneifng, auch geschickt in sportlichen Dingen, leicht erziehbar, allen sozialen
Anforderungen vollkommen gewachsen. Hiebei ist hervorzuheben, daß schon während
der Analyse und auch in den der Analyse folgenden Jahren schwere Erschütterungen
des Familienlebens für das Kmd eine ungewöhnliche Belastung mit sich brachten. (Letzte
Nachricht sechs Jahre nach Abschluß der Behandlung.)
2) In den Frühanalysen gehören die individuellen Bezeichnungen für die Genitalien
und die exkrememellen Funktionen zu den Dingen, die ich in den Vorbesprechungen
mit der Mutter ,n Erfahrung bringe. Ich will hier allgemein bemerken, daß ich in
- »8 -
stoßen und sagt dazu: „So haben sie ihre Tüpödichen gegeneinander gestoßen."
Gleich darauf erzählt er wieder von seinem kleinen Brüderchen. Auch in der ersten
Stunde war ja auf das Aufeinanderstoßen der Wagen die Mitteilung gefolgt, er
habe ein Brüderchen bekommen. Ich deute nun wieder: „Du hast dir gedacht,
daß Papa mit Mutti die Tüpödichen zusammenstoßen und daß davon das
Brüderchen Fritz gekommen ist." Nun läßt er auch einen dritten kleinen Wagen
mitstoßen. Ich deute: „Das stellt dein Tüpödichen vor. Du wolltest mit Papas
und Muttis Tüpödichen zusammen auch dein Tüpödichen mitstoßen." Darauf
fügt er einen vierten Wagen hinzu und sagt: „Das ist Fritz", und stellt auf die
zwei Lokomotiven die zwei kleinen Wagen auf. Dann auf einen Pferdewagen
zeigend: „Das ist Papa" — einen anderen daneben stellend — „das ist Mutti".
Nun wieder auf den Papa wagen zeigend: „Das bin ich" — auf den Mutti wagen
zeigend: „das bin auch ich", womit er seine Identifizierung mit beiden koitierenden
Elternteilen zeigt. Peter läßt nun die zwei kleineren Wagen immer wieder gegen-
einander stoßen und erzählt von „zwei Pipihühnern", die er und sein Brüderchen
in das Schlafzimmer ließen, „damit sie sich beruhigen; dort haben sie aber
gestoßen und gespuckt. Er und Fritz sind aber nicht ungezogene Straßenjungen,
sie spucken nicht". Als ich ihm deute, daß die Pipihühner die Tüpödichen von
ihm und Fritz sind, die miteinander stoßen und spucken, also onanieren, stimmt
er nach einigem Widerstand bei.
Ich kann hier nur kurz berichten, wie unter der Wirkung der fortgesetzten
Deutungen die durch das Spiel dargestellten Phantasien immer freier werden,
dementsprechend sich die Spielhemmung verringert, das Spiel sich ausbreitet,
gewisse Einzelheiten so lange wiederkehren, bis sie durch die Deutung klargelegt
werden, um dann wieder anderen Einzelheiten Platz zu machen. Ebenso wie die
Assoziationen zu den Traumstücken zur Aufdeckung des latenten
Trauminhaltes führen, vermitteln die Einzelheiten der Spiel-
handlungen, die den Assoziationen entsprechen, einen Einblick in den
latenten Spielinhalt. Indem ferner in der Spielanalyse nicht weniger
als in der Erwachsenenanalyse immer wieder die gegenwärtige Situation als
Übertragungssituation aufgefaßt, die Beziehung zur ursprünglich
erlebten oder phantasierten Situation hergestellt wird, gibt sie
dem Kinde die Möglichkeit, diese Situation in der Phantasie voll durch-
z u 1 e b e n und durchzuarbeiten. Dadurch aber und indem die Analyse
auch die Infantilerlebnisse und grundlegenden Ursachen der Sexual-
entwicklung aufdeckt, löst sie Fixierungen auf und macht Fehlent-
wicklungen rückgängig.
meiner Bezeichnung der Genitalien, der Exkremente usw. stets die Ausdrücke des Kindes
diesem gegenüber verwende. Der Einfachheit halber führe ich aber in den nun folgenden
Berichten aus anderen Analysen die individuellen Bezeichnungen des Kindes nicht mehr an.
— 29 —
Der jetzt folgende weitere Ausschnitt aus Peters Analyse soll den Nachweis
erbringen, daß die in den ersten Analysenstunden gegebenen Deutungen durch
spätere analytische Ergebnisse bestätigt wurden. Einige Wochen später wird Peter,
als in der Analysenstunde ein Männchen umfällt, wütend. Gleich darauf fragt
er nach der Konstruktion eines Autos und „wieso es stehen kann?" — zeigt mir
dann ein winziges Reh, das umfällt, verlangt zu urinieren 3 und sagt dabei auf
der Toilette: „Ich mache Pisch - ich h a b e ein Tüpödichen." Ein in einem
Häuschen (von ihm die Toilette benannt) sitzendes Männchen, das er als einen
Jungen bezeichnet, stellt er so auf, daß ein Hund, den er daneben stellt, „den
Jungen nicht sehen darf und nicht beißen soll". Dagegen wird eine Frau so
placiert, daß sie den Jungen sieht. Er sagt dazu: „Nur der Papa soll ihn nicht
sehen." Damit ist die Identität des Hundes — es lag auch eine starke Hunde-
phobie bei ihm vor - mit dem Vater und des defäzierenden Jungen mit ihm
selbst deutlich geworden. Er läßt hierauf das früher wegen der Konstruktion
bewunderte Auto immer wieder fahren, fragt plötzlich wütend: „Wann hält
denn das Auto endlich an?", erklärt, daß einige von ihm aufgestellte Männchen
nicht mitfahren dürfen, wirft sie um und stellt sie dann mit dem Rücken zum
3) Wie ich im ersten Kapitel begründete, halte ich es auch in der Kinderanalyse
zur Herstellung und Aufrechterhaltung der analytischen Situation für notwendig, daß
der Analytiker ein rein analytisches Verhältnis zum Kinde einhält. Die Analyse des
Kindes macht aber gewisse Modifizierungen dieses Prinzips erforderlich: zum Beispiel
bin ich kleineren Kindern, die in diesem Punkte auch zu Hause noch besorgt werden,
auf der Toilette behilflich. Ich schränke aber diese Hilfeleistung auf das Unumgäng-
lichste ein nehme ihr dadurch den vom Unbewußten des Kindes gewünschten Charakter
einer Liebesnandlung (oder setze zumindest diesen doch in der Realität wesentlich
herab), dokumentiere also auch hiebei die freundliche Zurückhaltung, die mir zur Her-
stellung und Aufrechterhaltung der analytischen Situation auch in der Kinderanalyse
nötig scheint Ferner ist es erforderlich, daß der Analytiker die durch die Analyse
gewahrte Befriedigung ebenso wie die tieferen Motive, die den Wunsch nach dieser
Befriedigung auslosten, mit in die Analyse einbezieht und den Zusammenhang mit den
vorherigen und nachherigen Einfällen und Spielhandlungen herstellt. Im Falle von
■£Ti. Ft. f °! S J te L der be , im Urinie ™ gemachten Bemerkung: „Ich mache Pisch"
- „ich habe em Tupodichen ' das Spiel mit dem Jungen auf der Toilette. Die Einzel-
heiten des anschließenden Spieles nämlich daß der Vaterersatz (der Hund) den Jungen
SLIa T01 \ me r ^ ^Jien sollte, die Frau aber ihn sehen sollte, gewährten einen
Einblick in die Grunde, die Peters Urindrang und seinen Wunsch, beim Urinieren von
mir gesehen zu werden, kurz vorher ausgelöst hatten. In gleicher Weise analysiere ich
auch die Grunde,, warun .das . Kind mir diese oder jene Rolle im Spiele zuweist, diese
IIJZIa t 1Sm l Vt 0de f Se ff Puppen ° der Tiere von mir wünscht. Wie
", gkn au f ln d <L r An ^ se des kleinen Kindes die analytische Situation her-
stellbar ist, geht zum Beispiel aus der Tatsache hervor, daß in der Analyse wirklich
AI« i! ,0 t 4C ^ 3Udl bd kWn Kbdwn SeW A-nahmefäik
Kinder a „f, '" Zeiten stärkster positiver Übertragung es kaum vorkommt, daß
Kinder auf meinen Schoß klettern oder mich küssen und umarmen, ja, daß sogar
ereilet. ' An ^™ nden *• «■* bei kleinen Kindern 'nicht hlufig
- 3o -
Auto wieder auf, neben dem er noch eine ganze Reihe von Autos und Wagen
(und zwar wieder nebeneinander) anordnet. Er äußert plötzlich Stuhldrang,
begnügt sich aber damit, den defäzierenden Spieljungen zu fragen, wann er fertig
sei, bewundert von neuem das Auto und schwankt nun dauernd zwischen Be-
wunderung und "Wut gegenüber dem immer fahrenden Auto, dem Stuhldrang und
der Anfrage an den Jungen.
Peter hat in dieser Analysenstunde folgendes dargestellt: Das immer wieder
umfallende Männchen, das Reh usw. bedeutete sein im Vergleich zum erigierten
väterlichen Penis minderwertiges Genitale. Das daran anschließende Urinieren
sollte ihm und mir das Gegenteil beweisen. Das bewunderte und beschimpfte
„immer fahrende" Auto war der wiederholt koitierende väterliche Penis respektive
Vater. Nach dieser Bewunderung trat Wut und Stuhldrang auf, der eine Wieder-
holung der Stuhlentleerung darstellte, die das Kind bei der Urszene gehabt hatte.
Diese war durch den Wunsch, die Eltern im Koitus zu stören und durch Phan-
tasien, sie mittels der Exkremente zu beschädigen, determiniert gewesen; auch be-
deutete dem Knaben die Stuhlstange einen Ersatz für seinen minderwertigen Penis.
Ich stelle nun den Zusammenhang mit den besprochenen ersten Analysen-
stunden im groben her. Die gleich in der ersten Analysenstunde hintereinander
zu einer langen Reihe aufgestellten Autos bedeuten das mächtige väterliche
Genitale, die Aufstellung der Vehikel nebeneinander symbolisiert die häufige "
Wiederholung des Koitus, also die Potenz des Vaters, die er später auch durch
das „immer fahrende" Auto ausdrückt. Die Wut, die er als Zuschauer des
elterlichen Koitus empfand, äußerte sich schon in der ersten Analysenstunde darin,
daß er die schlafenden Pferdchen „tot und begraben" wünschte und durch den
diesen Wunsch begleitenden Affekt. Daß aber diese Darstellungen der Urszene,
mit der die Analyse eingesetzt hatte, tatsächlich zu den verdrängten Infantil-
erlebnissen geführt hatten, beweist der in der Vorbesprechung erstattete Bericht
der Eltern: der Knabe hatte nur zu einer Zeit das Schlafzimmer der Eltern geteilt
— im Alter von achtzehn Monaten bei einem Sommeraufenthalt. Er wurde damals
besonders schwierig, schlief sehr unruhig und begann wieder stark zu schmieren
(er war zu dieser Zeit schon seit einigen Monaten fast sauber gewesen). — Das
herabgelassene Gitter des Kinderbettes verhinderte nicht, aber es erschwerte dem
Knaben die Beobachtung des elterlichen Koitus; das hatte er symbolisch durch die
umgefallenen, mit dem Rücken zur Wagenreihe befindlichen Männchen dargestellt;
zugleich drückte das Umfallen aber auch sein Impotenzgefühl aus. Bis dahin hatte
der Knabe auffallend gut gespielt; von dieser Zeit an wußte er mit Spielzeug
nichts anderes anzufangen, als es zu zerstören. Schon in der zweiten Analysen-
stunde hatte Peter den Zusammenhang zwischen den Koitusbeobachtungen und
dem Zerstören des Spielzeuges zur Darstellung gebracht. Nachdem er die neben-
einander aufgestellten — den väterlichen Penis symbolisierenden — Autos in
- 3a -
Bewegung gesetzt hatte, schleuderte er das Spielzeug voller Wut in alle Ecken
und sagte: „Wir machen immer gleich unsere Weihnachtsgeschenke kaputt, wir
wollen keine haben." Die Zerstörung des Spielzeuges galt also im Unbewußten
dem väterlichen Genitale. Diese Zerstörungslust und Spielhemmung brachte Peter
auch in die Analyse mit, in deren Verlauf sie — ebenso wie die anderen Schwierig-
keiten — behoben wurden.
Die detaillierte Aufdeckung der Urszene eröffnete den Zugang zur Analyse
von Peters ausgesprochen passiv-homosexueller Einstellung. Den Darstellungen
des elterlichen Koitus folgten wieder Phantasien des Koitus zu dritt, die starke
Angst auslösten und durch Phantasien des Koitus mit dem Vater abgelöst wurden:
z. B. der Hund, die Lokomotive oder das Auto — den Vater darstellend —
klettern auf einen Wagen oder ein Männchen, das ihn selbst vorstellt. Dabei wird
der Wagen beschädigt oder dem Männchen wird etwas abgebissen. Hierauf setzte
starke Angst und Aggression gegen das den Vater darstellende Spielzeug ein.
An diesem Auszug aus Peters Analyse will ich nun einige der Hauptgesichts-
punkte, die meiner Technik zugrunde liegen, illustrieren. Sowie das Kind, sei es
durch Spiel, durch Zeichnungen, Phantasien oder auch nur durch sein Gehaben,
einen Einblick in seine Komplexe gegeben hat, kann und soll die Deutung ein-
setzen. Dieses Vorgehen widerspricht nicht der erprobten Regel, die Übertragung
zu sichern, bevor man deutet, denn die Übertragung setzt beim Kinde
sofort ein und der Analytiker erhält oft sogleich Anzeichen einer positiven
Übertragung. Zeigt aber das Kind von vornherein Scheu, Angst oder auch
nur mangelndes Zutrauen, so ist dieses Verhalten als Anzeichen negativer
Übertragung zu werten, die das möglichst schleunige Einsetzen des Deutens
unbedingt nötig macht. Die Deutung baut die negative Übertragung ab, indem
sie die negativen Affekte auf die ursprünglichen Situationen und Objekte zurück-
führt. Wenn zum Beispiel die sehr ambivalente Rita 4 in Widerstand geriet,
wollte sie sofort das Zimmer verlassen, und ich sah mich genötigt, sogleich zu
deuten, um diesen Widerstand aufzulösen. Wenn ich ihr dann die Ursache dieses
Widerstandes — immer mit Zurückführung auf das ursprüngliche Objekt und die
ursprüngliche Situation — klar gemacht hatte, war der Widerstand aufgelöst,
Rita wurde wieder zutraulich, das Spiel nahm seinen Fortgang und brachte dann
in Einzelheiten die Bestätigung der Deutung.
Sehr eindrucksvoll zeigte sich mir die Notwendigkeit unmittelbaren Deutens
auch in einem anderen Falle. Es handelt sich um die dreiundeinvierteljährige
T r u d e, 5 die nur eine einzige Analysenstunde bei mir hatte, da die Behandlung
dann infolge äußerer Umstände verschoben wurde. Das stark neurotische, un-
4) Siehe Kap. I.
j) Siehe Kap. I.
- 3a -
gewöhnlich an die Mutter fixierte Kind betrat mit Angst und Unlust mein
Zimmer und ich war genötigt, bei offener Türe leise zu sprechen. Aber bald hatte
mir das Kind einen Einblick in seine Komplexe geboten: Trude sagte, daß die
Blumen aus der Vase entfernt werden sollten; sie warf ein Spielmännchen, das
sie in einen Wagen gelegt hatte, wieder aus dem "Wagen heraus und beschimpfte
es- aus ihrem Bilderbuch (das sie mitgebracht hatte) sollte ein Mann mit einem
hohen Hut entfernt werden; auch meinte sie, die Kissen seien durch einen Hund
in Unordnung gebracht worden. Meine Deutung, daß sie den Penis des Vaters
zu entfernen wünsche, 6 weil er die Mutter (dargestellt durch die Vase, den Wagen,
das Bilderbuch und das Kissen) in Unordnung bringe, verminderte die Angst
sofort und bewirkte, daß die Kleine viel zutraulicher ging als sie gekommen war
und zu Hause den Wunsch äußerte, wieder zu kommen. Als die Analyse ein
halbes Jahr später wieder aufgenommen wurde, ergab sich, daß Trude die Ein-
zelheiten dieser einen Analysenstunde in Erinnerung behalten hatte und daß durch
die Deutungen ein Stück positiver Übertragung — beziehungsweise Verminderung
der negativen — erzielt worden war.
Ein anderes Grundprinzip der Spieltechnik geht dahin, daß die Deutung
der Tiefe nach bis zu der Schicht herab geführt werden muß, die aktiviert
wurde. Peter hatte zum Beispiel in der zweiten Analysenstunde nach dem Fahren-
lassen der Autos ein Männchen auf ein von ihm als Bett bezeichnetes Bänkchen
gelegt, es von dort wieder hinuntergeworfen und erklärt, daß es nun tot und
kaputt sei. Gleich darauf aber wiederholte er diesen Vorgang mit zwei Männchen,
wozu er allerdings auch schon zwei beschädigte Figuren aussuchte. Ich deutete
ihm damals an Fland des Materials, daß das eine Männchen der Vater sei, den
er vom Bett der Mutter hinunterwerfen und töten wolle, das zweite aber er
selbst, dem das gleiche durch den Vater geschehen würde. 7 Im Anschluß an die
spätere, durch die Klarlegung aller Einzelheiten vervollständigte Aufdeckung der
Urszene kehrte nun die Darstellung der zwei kaputten Männchen in verschiedenen
Ausführungen wieder. Nun erwies sie sich aber durch die (zum Teil auch aus. der
Urszene folgende) Angst vor der Mutter als Kastratorin determiniert. Die Mutter,
die in der Phantasie des Kindes den Penis des Vaters in sich aufgenommen, ihn
aber dem Vater nicht wiedergegeben hat, wird für den Knaben zum Angstobjekt,
6) Bei Trude stand der ungewöhnlich starke Kastrationskomplex im Vordergrunde
und beherrschte während eines Teils der Analyse das Bild. Hinter dem Kastrations-
komplex deckte die Analyse (s Kap. I) die Angst, von der Mutter angegriffen, des
Leibesinhaltes und der Kinder beraubt und innerlich schwer beschädigt zu werden, als
die tieferliegende und grundlegende Angst auf.
7) Diese Deutung — wie überhaupt die der Todeswünsche in allen Kinderanalysen —
erregte heftigsten Widerstand. Die Bestätigung aber brachte Peter in der nächsten
Stunde, indem er unvermittelt fragte: „Und wenn ich ein Papa wäre und man mich
hinter das Bett werfen und tot und kaputt machen wollte, was würde ich dazu sagen?"
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 33 — 3
weil sie den furchterregenden väterlichen Penis (beziehungsweise Vater) in sich
trägt. 8 Ein anderes Beispiel aus der gleichen Analyse: In der zweiten Analysen-
stunde hatte ich das von Peter erbrachte Material dahin gedeutet, daß er mit
seinem Bruder mutuelle Onanie betreibe. Sieben Monate später berichtete mir der
damals vier Jahre und vier Monate alte Peter einen langen, reiches Material
zutage fördernden Traum, von dem ich hier nur einen Auszug bringe.
»Zwei Schweine waren in ihrem Stall und in meinem Bett. Im Stall haben sie
miteinander gefressen. Es waren auch in meinem Bett in einem Boot zwei Jungen,
die waren aber schon groß, so wie Onkel G. (erwachsener Bruder der Mutter)
und E." (seine ältere Freundin, die aber nach seiner Meinung fast erwachsen war).
Die Assoziationen zu dem Traume erhielt ich in diesem Falle vorwiegend durch
die Sprache. Sie ergaben, daß die Schweine ihn und den Bruder darstellten; das
Fressen bedeutete die gegenseitige Fellatio. Die Schweine stellten aber auch die
miteinander koitierenden Eltern dar, und es erwies sich, daß die sexuelle Beziehung
zum Bruder sich auf der Identifizierung mit dem Vater und der Mutter aufbaute,
wobei Peter in der Phantasie abwechselnd die Rolle des Vaters und der Mutter
übernahm. Nachdem ich dieses Material gedeutet hatte, begann Peter die nächste
Analysenstunde mit einem Spiel am Waschbecken: er legt zwei Bleistifte auf
einen Schwamm und sagt: „Das ist das Boot, auf dem Fritz (sein kleinerer
Bruder) und ich fahren." Er schreit dann mit tiefer Stimme (die er oft annahm,
wenn sein Über-Ich in Wirksamkeit trat) die zwei Beistifte an: „Ihr sollt nicht
immer so zusammenstecken und Schweinereien machen." Dieser durch sein Über-
Ich ihm selbst und dem Bruder erteilte Tadel galt aber auch den (durch Onkel G.
und die große Freundin E.) dargestellten Eltern 9 und löste wieder die Affekte
aus, die er beim Erleben der Urszene gegen die Eltern empfunden hatte. Diesen
Affekten hatte er auch schon in der zweiten Analysenstunde unter anderem
dadurch Ausdruck gegeben, daß er die zusammenstoßenden Pferdchen tot und
begraben wünschte. Trotzdem aber war noch nach sieben Monaten die Analyse
dieses Materials nicht beendigt. Die Aufklärung der Beziehungen zwischen diesem
Erlebnis und seiner ganzen Sexualentwicklung (insbesondere auch für den Aufbau
der Beziehung zu seinem Bruder) sowie das Durcharbeiten waren also in keiner
Weise durch meine am Anfang der Analyse gegebenen tiefführenden Deutungen
behindert worden. Ich bringe diese Beispiele zur Begründung meiner empirisch
gewonnenen Auffassung, daß der Analytiker auch am Anfange der Analyse vor
8) Siehe Kap. VIII.
9) Peter hatte unter den in verschiedener Größe vorhandenen Bleistiften zwei lange
gewählt; damit brachte er auch zum Ausdruck — was am Vortage die Assoziationen
schon erwiesen hatten — , daß die beiden, verbotene Dinge treibenden Personen (die
Schweine) nicht nur ihn selbst und den Bruder, sondern auch die Eltern darstellten,
ferner, daß er sich und den Bruder in der mutuellen Onanie mit Vater und Mutter
identifizierte.
- 3 4 -
dem tiefgehenden Deuten nicht zurückschrecken soll, da das einer tieferen Schicht
angehörige Material später wiederkehrt und dann durchgearbeitet wird. Die tief-
gehende Deutung eröffnet nur den Weg zum Unbewußten, vermindert die akti-
vierte Angst und leitet damit die analytische Arbeit ein.
Ich habe im Verlaufe meiner Ausführungen wiederholt die spontane
Übertragungsfähigkeit des Kindes hervorgehoben. Sie beruht zum
Teil auf der im Vergleich zum Erwachsenen so viel akuteren Angst
des kleinen Kindes und seiner größeren Angstbereitschaft. Eine der
größten psychischen Leistungen des Kindes — wenn nicht seine größte — , die
einen Hauptteil seiner psychischen Energien in Anspruch nimmt, ist die Bewälti-
gung seiner Angst. Es wertet deshalb unbewußt die Objekte vor allem
danach, ob sie seine Angst beruhigen oder erregen, und wendet ihnen,
je nachdem, seine positive oder negative Übertragung zu. Bei
kleinen Kindern mit starker Angstbereitschaft drückt sich oft die negative Über-
tragung sogleich als ausgesprochene Angst aus. Beim größeren Kinde — und dies
gilt insbesondere vom Kinde im Latenzalter — nimmt die negative Übertragung
im allgemeinen den Charakter der Ablehnung oder der mißtrauischen Zurück-
haltung an. Im Kampfe mit seiner Angst vor den ihm nahestehenden Objekten
ist das Kind geneigt, die Angst an andere, fremde Objekte zu heften (die Ver-
schiebung der Angst ist ja ein "Weg zu ihrer Verarbeitung) und in diesen die
Verkörperung der „bösen Mutter" oder des „bösen Vaters" zu sehen. Das
stark neurotische Kind, bei dem das Gefühl des Bedrohtseins überwiegt,
das also stets die „böse Mutter" oder den „bösen Vater" erwartet, reagiert
aus diesem Grunde auf jeden Fremden mit Angst. Wir müssen der
Angstbereitschaft des Kindes Rechnung tragen (dies gilt auch bis zu einem gewissen
Grade vom größeren Kinde), selbst wenn es sich in der Analyse zunächst
positiv verhält, und darauf vorbereitet sein, sehr bald, sobald nämlich etwas
Komplexbetontes auftaucht, auf die negative Übertragung zu stoßen.
Wir ermöglichen und sichern die analytische Arbeit und stellen die analytische
Situation her, indem wir die negative Übertragung — sobald wir ihre Anzeichen
erkannt haben — auf uns beziehen, zugleich aber mit Hilfe der Deutung auf die
ursprünglichen Objekte und Situationen zurückführen und dadurch Angstquan-
titäten auflösen. Die Deutung hat bei einem dringlichen Punkt des unbewußten
Materials einzusetzen und eröffnet so den Zugang zum Unbewußten. Die Dring-
lichkeit des Materials gibt sich in der Häufung, der wiederholten (oft-
mals auch auf verschiedene Arten ausgedrückten) Darstellung des gleichen Spiel-
gedankens kund (bei Peter in der ersten Analysenstunde: die Aneinanderreihung
der Wagen der Länge und der Breite nach, das wiederholte Gegeneinanderstoßen
der Wagen, Lokomotiven, Pferde), ferner durch die bei diesen Darstellungen zum
Ausdruck kommende Intensität. Diese ist ein Gradmesser für die mit dem
- 35 - 6*
dargestellten Inhalt verbundene Affekt läge. Übersieht man aber die auf
diese Weise veranschaulichte Dringlichkeit des Materials — d. h. wird es nicht
als Material erkannt — , so kommt es in den meisten Fällen zum Abbruch des
Spieles; starker Widerstand oder direkte Angst (oft mit dem Wunsche weg-
zulaufen usw.) treten auf. Wir kupieren oder vielmehr wir dosieren also
mit Hilfe der rechtzeitig (d. i. sobald es das Material ermöglicht) ein-
setzenden Deutung die A n g s t auch in den Fällen, in denen die Analyse im
Zeichen der positiven Übertragung beginnt. Die Unerläßlichkeit des baldmöglich-
sten Deutens, sobald sich Angst oder Widerstand manifestiert, oder in den Fällen,
in denen die Analyse mit der negativen Übertragung beginnt, habe ich früher
ausführlich begründet. Aus dem Gesagten ergibt sich nicht nur die Notwendigkeit
des rechtzeitigen, sondern auch des tieffnhrenden Deutens. Wenn wir
uns von der Dringlichkeit des Materials leiten lassen, so haben wir nicht nur dem
dargestellten Inhalt, sondern auch den mit diesem Inhalt verknüpften Angst-
und Schuldgefühlen bis zu der Schicht zu folgen, die aktiviert wurde.
Nehmen wir na* dem Vorbild der Erwachsenenanalyse den Kontakt mit den
oberen, dem Ich und der Realität näheren Schichten zuerst auf, so werden wir
— davon habe ich mich wiederholt überzeugt — unser Ziel, die Angst zu ver-
mindern und die analytische Situation herzustellen, beim Kinde nicht erreichen.
Das gleiche gilt auch für bloße Symbolübersetzungen, also für Deutungen,
die nur an die symbolische Darstellung anschließen, ohne die Verbindung mit
der Angst und dem Schuldgefühl herzustellen. Eine Deutung, die nicht bis zu der
vom Material und der Angst aktivierten T i e f e führt, die also nicht den Punkt
des stärksten latenten Widerstandes angreift und am Abbau
der vehementesten, im Vordergrunde stehenden Angst arbeitet, bleibt
in der Kinderanalyse wirkungslos oder erregt stärkeren Widerstand, ohne ihn
wieder aufzulösen. Daß diese Deutungen aber keineswegs die Angst der tieferen
Schichten voll aufgelöst haben, versuchte ich vorhin am Beispiel Peters deutlich
zu machen. Auch die analytische Arbeit in den oberen Schichten — die Ich-
Analyse^ und die analytische Durchforschung der Realitätsbeziehung — wird
durch die so bald in die Tiefe führenden Deutungen keineswegs beeinträchtigt.
Die Herstellung der Realitätsbeziehung sowie das stärkere Hervortreten
des Ichs setzen im Zusammenhang mit einem Stück Ichentwicklung in der
Kinderanalyse nur stufenweise ein. Sie sind ein Resultat der Analyse
und nicht ihre Voraussetzung.
In meinen bisherigen Ausführungen habe ich im wesentlichen Beispiele für die
typische Einleitung und den typischen Verlauf einer Frühanalyse mitgeteilt. Ich
will nun auf einige ungewöhnliche Schwierigkeiten, die mich zu besonderen techni-
schen Mitteln nötigten, eingehen. Schon der FallTrudes, 10 die gleich beim
Eintritt in meine Wohnung große Ängstlichkeit gezeigt hatte, hatte mir bewiesen,
daß in solchen Fällen ein schnelles Deuten der einzige Weg zum Abbau der Angst
und zur Einleitung der Analyse ist.
Die vierundeinvierteljährige' Ruth war eines jener Kinder, deren Ambivalenz
sich in der Weise äußert, daß sie an die Mutter und einzelne weibliche Personen
übermäßig fixiert sind, gegen andere aber — insbesondere gegen Fremde —
heftige Abneigung empfinden. Schon von einem sehr frühen Alter an war Ruth
zum Beispiel an ein neues Kindermädchen nicht zu gewöhnen, schloß sich aber
auch an andere Kinder nur sehr schwer an. Neben starker Angst, die häufig zu
Angstausbrüchen führte, und verschiedenen anderen neurotischen Erscheinungen,
lag bei dem Kinde auch eine allgemeine Ängstlichkeit vor. In der ersten Analysen-
stunde weigerte sich Ruth entschieden, mit mir allein im Zimmer zu bleiben;
ich entschloß mich deshalb, die ältere Schwester zur Analyse hinzuzuziehen. 11 Meine
Absicht war, eine positive Übertragung herzustellen, um so die Möglichkeit des
Alleinarbeitens mit dem Kinde zu erreichen; aber alle Versuche, wie z. B. ein-
fach mit ihr zu spielen, auf ihre Gespräche einzugehen u. dgl., scheiterten. Das
Kind spielte zwar mit dem Spielzeug, wendete sich aber dabei nur an die
Schwester — obwohl diese sich ganz passiv verhielt — und ignorierte mich voll-
ständig. Die Schwester sagte mir, daß sie meine Bemühungen für aussichtslos
halte, und daß ich mein Ziel, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen, auch nicht
einmal in einem mehrwöchigen Zusammensein, geschweige denn in stundenweisem
Verkehr erreichen würde. Ich sah mich deshalb zu einem anderen Vorgehen
genötigt und gewann dadurch wieder einen schlagenden Beweis für die Wirk-
samkeit der Deutung als Mittel zum Abbau der Angst und der negativen Über-
tragung. Das Kind hatte sich wiederum die ganze Zeit über mit der Schwester
unterhalten; es zeichnete dann ein Glas, in dieses hinein kleine Kugeln und eine
Art Deckel und erwiderte auf die von mir vergebens gestellte, dann von der
Schwester wiederholte Frage, wozu der Deckel sei, „damit die Kugeln nicht
herauslaufen können". Vorher aber hatte Ruth die Tasche der Schwester durch-
sucht und fest verschlossen, damit nichts von dort herausfalle; dasselbe hatte sie
mit der Börse vorgenommen, in der sie die Geldstücke in ähnlicher Weise gesichert
hatte. Überdies war mir das hier erbrachte Material auch schon in den vorher-
gehenden Stunden ganz deutlich geworden. 12 Ich machte nun einen Versuch und
n) Die etwa zwanzig Jahre ältere Stiefschwester Ruths war ein sehr verständnis-
volles Mädchen, das selbst in Analyse gewesen war. Ich habe auch in einem anderen
Falle mich zur Zuziehung der Begleitperson bereit finden müssen. Diese Maßnahme,
obwohl in beiden Fällen unter ungewöhnlich günstigen Umständen vorgenommen,
empfehle ich aus vielen Gründen nur im alleräußersten Falle, wenn alle anderen Mittel
versagen.
12) Der Wunsch, den Leib der Mutter zu berauben und die daraus resultierenden
Angst- und Schuldgefühle beherrschten in dieser Analyse von Anfang an das Bild. Der
- 3 7 —
erklärte Ruth, daß die Kugeln im Glase wie auch die Geldstücke in der Börse
und der Inhalt der Tasche Kinder in Muttis Bauch vorstellen, die sie darin fest
verschließen wolle, damit sie nicht noch mehr Geschwister bekäme. Die Wirkung
der Deutung war überraschend. Zum ersten Male wandte sich die Kleine mir
voll zu und begann auf eine veränderte, freiere Art zu spielen. 13 Trotzdem war
es nicht möglich, das Kind mit mir allein im Behandlungszimmer zu lassen. Es
reagierte mit Angstanfällen. Da sich infolge der analytischen Arbeit die negative
Übertragung deutlich verminderte (respektive die positive sich befestigte), zog
ich es vor, die Analyse in Gegenwart der Schwester fortzusetzen. Nach drei
Wochen erkrankte die Schwester. Ich sah mich nun vor die Alternative gestellt,
entweder die Analyse abzubrechen oder einen Angstanfall zu riskieren. Ich wählte
im Einvernehmen. mit den Angehörigen den letzteren Weg. Das Kind wurde mir
im Korridor übergeben und die Begleitperson entfernte sich, obwohl das Kind
weinte und schrie. Auch in dieser überaus peinlichen Situation versuchte ich zu-
nächst die Beruhigungsmittel, die man in einem solchen Falle auf eine nicht-
analytische, einfach mütterliche Art einem Kinde gegenüber anwendet. Ich sprach
Ruth zu, tröstete sie, versuchte mit ihr zu spielen, aber alles scheiterte. Das Kind
war mir zwar, als es sich mit mir allein sah, zögernd ins Zimmer gefolgt, schien
aber völlig unzugänglich, schrie, war schneeweiß im Gesicht und zeigte alle An-
zeichen eines schweren Angstanfalles. Ich hatte mich inzwischen zum Spieltischchen
gesetzt und begann nun selbst zu spielen," wobei ich Ruth, die angsterfüllt in
einer Ecke saß, immer berichtete, was ich spiele. Ich hatte, einem Einfalle folgend,
das Material der letzten Stunde zum Gegenstand meines Spieles gemacht. Das
Kind hatte zuletzt, am Waschbecken spielend, den Püppchen Nahrung gegeben, sie
mit großen Gefäßen von Milch versorgt usw. Ich legte nun ebenfalls eines dieser
Püppchen schlafen, erzählte Ruth, daß ich dem Püppchen noch etwas zu essen
geben würde und fragte sie, was das sein solle? Sie unterbrach ihr Schreien, um
zu antworten: „Milch." Dabei bemerkte ich, wie sie plötzlich mit den zwei
Ausbruch der Neurose hatte auch an die Schwangerschaft der Mutter und die Geburt
des Schwesterchens angeschlossen.
13) Wie ich früher hervorhob, ist es eine typische Wirkung der Deutung, daß das
Spiel sich verändert und das Material deutlicher erkennen läßt oder neues Material
ergibt.
14) Ich bringe in besonders schweren Fällen die gleiche technische Maßnahme unter
Umstanden auch zur Einleitung der Analyse in Anwendung. Wenn das Kind sich voll-
standig ablehnend verhält, wobei die latente Angst deutlich erkennbar ist, so finde ich
es vorteilhaft, ihm gewissermaßen ein „Reizwort" zuzuwerfen, indem ich selbst zu
spielen beginne. Ich beschränke mich allerdings bei diesem Mittel auf das geringste Maß.
Ich stelle zum Beispiel aus kleinen Bausteinen mehrere Bänkchen zusammen und stelle
vor diesen einige Figürchen auf. Das eine Kind erklärt es für eine Schule und setzt
dementsprechend das Spiel selbst fort, das andere Kind hält es für ein Theater und
laßt daraufhin einige Figuren agieren usw.
- 38 -
T
Fingern, an denen sie zu Hause vor dem Einschlafen zu lutschen pflegte, eine
Bewegung zum Munde machte, sie aber gleich wieder zurückzog. Ich fragte Ruth,
ob sie lutschen möchte, sie sagte: „Ja, aber richtig." Ich hatte erfaßt, daß sie die
häusliche Situation des Einschlafens hergestellt wünschte, legte sie auf die Chaise-
longue und deckte sie auf ihr Verlangen mit einer Decke zu. Daraufhin begann
sie zu lutschen. Sie lag nun zwar noch immer bleich und mit geschlossenen Augen,
aber doch sichtlich viel ruhiger da und hatte auch aufgehört zu weinen. Inzwischen
setzte ich das begonnene Spiel fort und ließ die Püppchen das Spiel der vorigen
Stunde wiederholen. Als ich, wie Ruth es damals gemacht hatte, einen nassen
Schwamm neben ein Püppchen legte, begann Ruth neuerlich zu schreien und
schluchzte: „Nein, den großen Schwamm soll sie nicht nehmen, der ist nicht
für Kinder, nur für Erwachsene". Zur Erklärung muß ich bemerken, daß diese
letzte Stunde ebenso wie die vorhergehenden sehr viel Material für den Neid auf
die Mutter ergeben hatte. Ich deutete Ruth nun dieses Material im Anschluß an
ihren Protest gegen den großen Schwamm, der den Penis des Vaters darstellte.
Ich wies ihr mit allen Einzelheiten nach, daß sie die Mutter um den im Koitus
einverleibten Penis des Vaters beneide und sie deshalb hasse. Sie habe auch den
väterlichen Penis und die Kinder aus dem Bauche der Mutter rauben und die
Mutter töten wollen. Ich erklärte ihr auch, daß sie deshalb Angst habe und
fürchte, von der Mutter verlassen zu werden, oder sie getötet zu haben. Diese
Deutungen gab ich in vorliegendem Falle auf folgende Weise. Ich bezog immer
wieder vorerst die Dinge auf das Püppchen (indem ich während des Spieles
erklärte, daß es und warum es Angst habe und schreie) und ging dann dazu über,
die Deutung, die ich für das Püppchen gegeben hatte, auch für ihre Person
zu wiederholen und so die volle analytische Situation herzustellen.
Ruth wurde dabei zusehends ruhiger, öffnete die Augen und ließ es bald ge-
schehen, daß ich das Spieltischchen zur Chaiselongue hinschob und dort, nun dicht
neben ihr, das Spiel und zugleich die Deutungsarbeit fortsetzte. Nach und nach
richtete Ruth sich auf, beobachtete mit lebhaftem Interesse den Fortgang des Spiels
und begann sich aktiv daran zu beteiligen. Als Ruth abgeholt wurde, war sie zum
Erstaunen der Begleitperson lustig und munter und verabschiedete sich freundlich,
ja sogar liebevoll von mir. Zu Beginn der nächsten Stunde zeigte sie, als sich die
Begleitperson entfernte, wohl wieder Angst, es kam aber nicht mehr zu einem
ausgesprochenen Angstanfall. Sie weinte auch nicht mehr, flüchtete allerdings gleich
wieder auf die Chaiselongue und nahm von selbst mit geschlossenen Augen und
lutschend die gleiche Stellung wie das letztemal ein. Ich konnte gleich neben der
Chaiselongue sitzend das Spiel der vorigen Stunde wieder beginnen, und der ganze
Vorgang wiederholte sich ähnlich wie beim ersten Mal, aber abgekürzt und ab-
geschwächt. Nach einigen Stunden waren wir so weit, daß wir zu Beginn der
Stunde nur mehr die Andeutung eines Angstanfalles hatten.
- % -
Die Analyse dieser Angstanfälle ergab, daß sie die Wiederholung des Pavor
nocturnus 15 darstellten, der im Alter von zwei Jahren bei Ruth besonders stark
aufgetreten war. Damals war die Mutter schwanger gewesen, und Ruths Wunsch,
das im Leib der Mutter befindliche Kind zu rauben, die Mutter selbst auf viel-
fache Art zu beschädigen und zu töten, hatte infolge der starken, als Reaktion
auf diese Begierden ausgelösten Schuldgefühle die Fixierung an die Mutter über-
mäßig verstärkt. Der Abschied vor dem Einschlafen bedeutete für
Ruth einen Abschied für immer, 16 weil sie infolge der Raub- und Todes-
wünsche gegen die Mutter folgende Befürchtungen hatte: dauernd von der
Mutter verlassen zu werden, oder die Mutter nicht mehr lebend
wiederzusehen, oder anstatt der sich von ihr verabschiedenden, zärtlichen Mutter
die „böse Mutter" zu finden und von dieser in der Nacht angegriffen zu
werden. Diese Befürchtungen waren auch die Ursache, daß Ruth das Allein-
bleiben nicht ertrug. Bei mir gelassen zu werden, bedeutete für sie, von der
„guten" Mutter verlassen zu sein, wobei sie ihre Angst vor der
„b ö s en", strafenden Mutter voll aufmichübertr u g. Die analytische Auf-
deckung dieser Zusammenhänge führte auch, wie gesagt, zur Behebung der Angst-
anfälle und zur Einleitung der normalen analytischen Arbeit. 17
Die Technik, die ich bei der Analyse der Angstanfälle Ruths anwendete, hat
sich auch in einem anderen Falle bewährt. Im Verlauf der Analyse Trudes
erkrankte deren Mutter und wurde ins Krankenhaus gebracht; dies ereignete sich
zu einem Zeitpunkte, als die sadistischen Angriffsphantasien gegen die Mutter das
Bild beherrschten. Ich habe im ersten Kapitel beschrieben, mit welchen Einzelheiten
die dreiunddreivierteljährige Trude mir diese Angriffe vorführte, und wie sie sich
in der nach diesen Angriffen einsetzenden Angst mit den Kissen in der Ecke hinter
15) Siehe Kap. I.
16) Helene Deutsch weist in ihrer Arbeit: Zur Genese der Platzangst (Int.
Ztschr f. PsA., Bd. XIV, 1928) darauf hin, daß die Angst vor dem Tode der Mutter,
die auf feindseligen Tendenzen gegen diese beruht, eine der häufigsten Formen der
infantilen Neurosen ist und mit der Trennungs- bzw. Sehnsuchtsangst verknüpft ist.
. 17) Die Analyse blieb unbeendigt, da die aus dem Auslande stammende Familie wieder
in ihre Heimat zurückkehrte. Die Neurose wurde auch nur teilweise behoben, aber die
einhundertundneunzig Stunden umfassende Behandlung ergab folgende Resultate, die sich
■{die letzte Nachricht über Ruth erhielt ich zwei Jahre nach Abschluß der Behandlung) als
haltbar erwiesen. Die Angst wurde stark vermindert, besonders aber auch die ver-
schiedenen Formen der Ängstlichkeit. Dadurch ergab sich eine größere Freiheit im
Verkehr mit Kindern und Erwachsenen und eine völlige Anpassung an den Rahmen
der behalte und an die Erziehungsanforderungen. Die Fixierung an die Mutter wurde
vermindert, die Einstellung zum Vater günstig verändert; sehr wesentlich waren auch
die Unterschiede ,m Verhältnis zu den Geschwistern. Die Gesamtentwicklung, ins-
besondere in bezug auf Erziehbarkeit, soziale Anpassung und Sublimierungsfähigkeit,
war gunstig. & & >
40 -
_
der Chaiselongue versteckte, wobei es aber nicht zu einem ausgesprochenen Angst-
anfall gekommen war. Als die Analyse nach der durch die Erkrankung der Mutter
verursachten Unterbrechung wieder begann, kam es während einiger Stunden zu
ausgesprochenen Angstanfällen. Im Angstanfall bekam ich nur die Reaktion auf
die aggressiven Tendenzen, nämlich nur die durch diese Regungen ausgelöste
Angst, zu sehen. Auch Trude nahm, ebenso wie Ruth, im Angstanfall eine
bestimmte Stellung ein, und zwar die gleiche, die sie nachts innehatte, wenn Angst
einsetzte. Sie verkroch sich in die Ecke, nahm die (wiederholt von ihr als Kinder
bezeichneten) Kissen dicht an sich, näßte und lutschte. Die Deutung dieser Angst
führte auch hier zur Behebung der Angstanfälle. 18
Meine seitherigen Erfahrungen sowie die von M. N. S e a r 1 und anderen
Kinderanalytikerinnen haben die Wirksamkeit dieser technischen Maßnahmen
auch in anderen Fällen bestätigt. Ich habe ferner in den seit der Analyse von
Ruth und Trude verstrichenen Jahren bei fortschreitender Erfahrung festgestellt,
daß die Sicherheit im Erfassendes Materials die unerläßliche
Voraussetzung für die Technik der Frühanalyse, daß sie aber auch für die tief-
gehende Analyse des größeren Kindes unentbehrlich ist. Die richtige und schnelle
Einschätzung der Bedeutung, die dem jeweiligen Material für die Erkenntnis der
Struktur des Falles wie auch für die gegenwärtige Affektlage zukommt, ins-
besondere aber das schnelle Erfassen des latenten, dem Material inne-
wohnenden Inhaltes an Angst und Schuldgefühlen, sind die Grundlage
für die Möglichkeit, richtig, d. h. rechtzeitig und bis zu der durch die
Angst aktivierten Schicht herabführend zu deuten. Angstanfälle
im Verlaufe der Behandlung lassen sich bei konsequenter Handhabung dieser
Technik auf ein Minimum herabsetzen. Handelt es sich aber um Angst-
anfälle zu Beginn der Behandlung, wie es bei neurotischen, zu Angstausbrüchen
neigenden Kindern vorkommt, so können bei sicherer Handhabung dieser Technik
die Angstanfälle bald so weit abgebaut werden, daß ein normaler Fortgang der
Analyse gewährleistet ist. Die bei der Analyse der Angstanfälle erzielten Er-
18) Trudes Neurose äußerte sich in schwerem Pavor nocturnus und auch in Angst
bei Tag, wenn sie allein gelassen wurde, ferner im Bettnässen, in ihrem ängstlichen
Wesen, überstarker Fixierung an die Mutter und Ablehnung des Vaters, in großer
Eifersucht auf die Schwestern und in verschiedenen Erziehungsschwierigkeiten. Die
Analyse umfaßte zweiundachtzig Behandlungsstunden, die sich über einen Zeit-
raum von sieben Monaten erstreckten. Das Bettnässen wurde behoben, Angst und
Ängstlichkeit in verschiedenen Formen sehr wesentlich vermindert. Auffallend war die
veränderte günstige Einstellung zu den Eltern und den Geschwistern. Es ergab sich
ferner eine wesentliche Herabsetzung der Erkältungskrankheiten, die sich in der Analyse
als weitgehend psychogen bedingt erwiesen hatten. Trotz dieses günstigen Resultates
war die Neurose nicht voll behoben, als die Analyse aus äußeren Gründen zum Ab-
bruch kam.
4i
gebnisse sind meines Erachtens auch ein Beweis für die allgemeine Richtig-
keit einiger der Spieltechnik zugrunde liegender Prinzipien. Ich verweise
darauf, daß ich im Falle Trudes das gleiche Material anfangs analysierte^
ohne daß es zu Angstanfällen gekommen war, obwohl im Zusammenhang mit
diesem Material intensive Angst zutage getreten war. Das lag daran, daß es
vorher durch die fortgesetzten und t i ef f üh r en den Deutungen
gelungen war, die A n g s t stufenweise abzubauen und zu dosieren. Während
einer Analysenpause (Krankheit und Entfernung der Mutter) hatte sich die Angst
dermaßen gesteigert, daß sie zu Angstanfällen führte. Diese blieben nach einigen
Analysenstunden wieder ganz aus und machten neuerdings einem dosierten Auf-
treten der Angst Platz.
Einige Bemerkungen theoretischer Art zu den in diesem Kapitel besprochenen
AngstanfällenRuths und Trudes scheinen mir hier noch angebracht.
Ich habe diese Angstanfälle als die Wiederholung des Pavor noc-
t u r n u s beschrieben und auch auf die während der Angstanfälle (beim Versuch
zur Bewältigung der Angst) eingenommene Haltung und Stellung, die eine
Wiederholung der nächtlichen Angstsituation im Bett war, hingewiesen. Ich habe
aber auch von der spezifischen frühen Angstsituation berichtet, auf die sich der
Pavor nocturnus (und der Angstanfall) gründete. Meine theoretischen Ergebnisse
der letzten Jahre, die sich außer anderen auch auf die besprochenen Mädchen-
analysen (Trude, Ruth, Rita) stützen, haben mich zur Feststellung einer dem
Mädchen spezifischen — der Kastrationsangst des Knaben äqui-
valenten — Angst oder vielmehr Angstsituation geführt, die in der
Zerstörung des Leibes, der Vernichtung des Leibesinn ern,
der Entnahme der Kinder usw. durch die Mutter gipfelt. Ich gehe
im zweiten Teile dieses Buches ausführlich auf diese Frage ein. Hier möchte ich
nur auf eine Übereinstimmung verweisen, die zwischen dem von mir angeführten
Material aus Frühanalysen und einigen („Hemmung, Symptom und Angst")
gemachten Feststellungen Freuds besteht. Freud hat als die der Kastrations-
angst des Knaben analoge Angst des Mädchens die Angst vor dem Liebesverlust
bezeichnet. Die Angst, einsam zu bleiben, von der Mutter verlassen zu werden,
geht aus dem Material der von mir angeführten Mädchenanalysen ganz deutlich
hervor. Diese Angst geht auf tiefere Quellen zurück. Ich fand, daß ihr die aus
den Frühstadien des Ödipuskonfliktes stammenden Todeswünsche, die Raub- und
Angriffstendenzen des Mädchens gegen die Mutter zugrunde
liegen, die sowohl zur Angst, von der Mutter angegriffen als von ihr verlassen
zu werden, und zu der Angst vor dem Tode der Mutter führen.
Ich kehre nun wieder zur Erörterung technischer Probleme zurück.
Wichtig ist auch die Form der Deutung. Wie aus den von mir mitgeteilten
Beispielen hervorgeht, versudie ich den Inhalt der unbewußten Phantasien mög-
~ 4, -
liehst klar und deutlich auszudrücken. 19 Ich lehne mich aber dabei an die g e g e n-
ständliche Art an, in der die Kinder denken und spreche n. 20
Peter hatte mir ja — auf die Schaukel weisend — gesagt: „Schau, wie das
bammelt und stößt." Es leuchtete ihm sofort ein, als ich sagte: „So haben die
Tüpödichen von Papa und Mutti zusammengestoßen." Noch ein Beispiel: Die
zweiunddreivierteljährige Rita berichtete mir, die Puppen hätten sie im Schlaf
gestört; sie hätten immer zu dem „Hans mit der Untergrundbahn" (einer männ-
lichen Puppe auf Rädern) gesagt: „Fahr du nur mit deiner Untergrundbahn ruhig
hin und her." Ein andermal legte sie einen dreieckigen Baustein beiseite und
sagte: „Das ist eine kleine Frau." Dann nahm sie ein Hämmerchen (so nannte
sie einen langen Baustein) und klopfte damit auf die Bausteinschachtel, und zwar
auf eine nur mit Papier beklebte Stelle, so daß sie durch das Klopfen ein Loch
riß. Dazu sagte sie: „Wie das Hämmerchen so stark geklopft hat, da ist die
kleine Frau (der Baustein) so erschrocken." Das Fahren der männlichen Puppe
mit der Untergrundbahn, das Klopfen mit dem Hämmerchen war die Darstellung
des von ihr bis zum Alter von fast zwei Jahren beobachteten Koitus der Eltern.
Meine Deutung: „Der Papa hat mit seinem Hämmerchen so stark in die Mutti
geklopft und dabei bist du so erschrocken" — entsprach ganz ihrer Art, zu denken
und zu sprechen.
Bei Darstellung meiner Methode habe ich wiederholt das kleine Spielzeug
erwähnt, das ich den Kindern zur Verfügung stelle. Ich will nun kurz die Gründe
anführen, die dieses Spielzeug zu einem so wertvollen Behelf der Spieltechnik
machen. Die Kleinheit, die Anzahl und Verschiedenartigkeit der Gegenstände
ermöglicht eine überaus große Reichhaltigkeit der Darstellung, wobei die Ein-
fachheit der Figuren, Wagen usw. die verschiedensten Verwendungsarten zuläßt.
19) Freud hat die Notwendigkeit der nicht umschriebenen Deutung für die Analyse
Erwachsener hervorgehoben. Er schreibt (Bruchstück einer Hysterieanalysej Ges. Sehr.,
Bd. VIII, S. 49): „Man kann mit Frauen und Mädchen von allen sexuellen Dingen
sprechen, ohne ihnen zu schaden und ohne sich in Verdacht zu bringen, wenn man
erstens eine gewisse Art, es zu tun, annimmt, und zweitens, wenn man bei ihnen die
Überzeugung erwecken kann, daß es unvermeidlich ist." Er fährt dann fort: „Die beste
Art, von den Dingen zu reden, ist die trockene und direkte; sie ist gleichzeitig von der
Lüsternheit, mit welcher die nämlichen Themata in der ,Gesellschaft' behandelt
werden, . . . am weitesten entfernt. J'appelle un chat un chat." — Mutatis mutandis
entspricht dieser Auffassung die von mir in der Kinderanalyse angewendete Methode,
sexuelle Dinge in unverblümter, dem kindlichen Denken angepaßter Form auszusprechen.
20) Das Kind steht ja noch vorwiegend unter der Herrsdiaft des Unbewußten,
dessen Sprache (wie es der Traum und das Kinderspiel zeigen) bildhaft und gegen-
ständlich ist. Es läßt sich immer wieder feststellen, daß das Kind eine ganz andere
Einstellung zum Wort hat als der Erwachsene, daß es das Wort vor allem auf seine
Bildhaftigkeit prüft und auf die Phantasien, die es ihm vermittelt. Wenn wir in der
Analyse des Kindes den Zugang zum Unbewußten herstellen wollen, wobei wir selbst-
verständlich den Weg über das Ich und über die Sprache nehmen — , so wird nur der
nicht umschriebene, eindeutige Ausdruck diesen Zweck erfüllen.
- 43 _
Dadurch ist dieses Spielzeug geeignet, Phantasien und Erlebnisse in mannigfaltiger
Weise und in allen Einzelheiten zum Ausdruck zu bringen. Die nebeneinander,
auf einem geringen Raum erfolgende Darstellung der verschiedenen Spielgedanken
und der mit ihnen verknüpften Affekte (die sich teils aus dem Inhalte des Spieles
erraten lassen, teils sich offen äußern) gibt uns auch einen Einblick in die a 1 1-
gemeinen Zusammenhänge und in die Dynamik der uns ver-
anschaulichten Seelenvorgänge und — da das Nebeneinander ja vielfach
einem zeitlichen Nacheinander entspricht — auch in die zeitlichen
Zusammenhänge der Phantasien mit Erlebnissen.
Diese Schilderung könnte nun aber vielleicht den Glauben erwecken, daß wir,
um das Kind zu analysieren, ihm bloß das Spielzeug hinzustellen haben und daß
es dann sogleich frei und ungehemmt damit zu spielen beginne. Das ist keines-
wegs der Fall. Die Spielhemmung ist — wie ich wiederholt hervorhob — ein
überaus häufiges neurotisches Symptom, und wir haben es in sehr vielen Fällen
mit mehr oder weniger spielgehemmten Kindern zu tun. Aber gerade in Fällen
dieser Art, in denen andere Versuche, sich Zugang zu verschaffen, scheitern,
erweist sich dieses Spielzeug als ein wertvolles Mittel, die Analyse einzuleiten.
Es kommt kaum vor, daß auch ein schwer spielgehemmtes Kind nicht doch
wenigstens das Spielzeug betrachtet oder das eine oder andere Stück herausgreift
und damit irgend etwas vornimmt. Auch wenn dann bald — wie im Falle
Trudes — das Spiel wieder abgebrochen wird, so hat uns doch die inzwischen
erfolgte Spielhandlung, der Punkt, an dem der Widerstand einsetzte, und das
daran anschließende Gehaben des Kindes, eine etwaige Bemerkung, einen Ein-
blick in sein Unbewußtes eröffnet, der die Einleitung der Analyse ermöglicht.
Wie es dann mit Hilfe der analytischen Deutungstechnik möglich ist, das Spiel
immer freier, die Darstellungen reichhaltiger und aufschlußreicher zu gestalten
und zugleich damit die Spielhemmung schrittweise zu beheben, habe ich früher
beschrieben.
Die Spielanalyse geht nicht nur an Hand des kleinen Spielzeuges vor sich, sie
umfaßt vielmehr eine Fülle von Requisiten und Darstellungsmitteln. Als eines
der wichtigsten ist das im Zimmer des Kinderanalytikers angebrachte Wasch-
becken mit fließendem Wasser hervorzuheben. Es wird meistens erst in einem
späteren Stadium der Analyse stärker verwendet, spielt aber dann eine sehr
bedeutsame Rolle. Ich habe beim Spiel am Waschbecken (wobei noch einige
kleinere Gefäße, Löffel, ein Glas, ein Schwamm, Papier zur Verfügung stehen)
Teilstrecken von Analysen durchgeführt. Diese Spiele mit Wasser ermöglichen
einen tiefen Einblick in die grundlegenden prägenitalen 21 Triebregungen. Sie
xv,- 2l) , Ich , ve , rweise , zum Be «piel auf die Analyse Ruths, die ihre ungestillten oralen
Wunsche durch Spiele am Waschbecken zum Ausdruck brachte.
dienen zur Darstellung von Sexualtheorien, gewähren einen Einblick in die Beziehung
zwischen sadistischen Phantasien und Reaktionsbildungen 28 und zeigen die direkten
Zusammenhänge zwischen den prägenitalen und den genitalen Triebregungen.
In manchen Analysen spielt das Zeichnen, das Ausschneiden von Papier eine
große Rolle, in anderen — insbesondere Mädchenanalysen — nimmt das An-
fertigen von Gegenständen, die für die Puppe, für Spieltiere oder das Kind selbst
bestimmt sind, das Sichschmücken mit Bändern u. dgl. einen großen Raum ein.
Papier, Buntstifte, Messer, Schere, Nadel, Zwirn, Holz, Bindfaden liegen bereit;
häufig bringen die Kinder auch eigenes Spielzeug mit. Die Fülle der Spielmöglich-
keiten ist aber durch diese Aufzählung bei weitem nicht erschöpft. Jedes einzelne
der erwähnten Materialien oder Spielsachen wird in der verschiedenartigsten
Weise verwendet, wobei auch der Wechsel von einer Spielart zu einer anderen
aufschlußreich ist. Auch alle im Zimmer befindlichen Gegenstände, Möbel,
Kissen usw., geraten mit in das Spiel hinein. Das Zimmer des Kinderanalytikers
bedarf eben einer besonderen Einrichtung. Von großer Bedeutung sind die Phan-
tasien und Phantasiespiele, die sich aus dem Spiel mit Spielzeug entwickeln. Was
das Kind in einem anderen — meist früheren — Stadium der Analyse mit Hilfe
des Spielzeuges darstellt, zeigt es bei den Rollenspielen durch Agieren mit der
eigenen Person. Bei diesen Spielen werden gewöhnlich auch dem Analytiker Rollen
zugeteilt, deren Einzelheiten ich mir soweit als möglich vom Kinde selbst vor-
schreiben lasse.
In manchen Fällen überwiegen die Rollenspiele, in anderen die indirektere Dar-
stellung mittels des Spielzeuges. Einige typische Phantasiespiele sind: Mutter und
Kind, Schule, Bauen, Einrichtung von Wohnungen (mit Hilfe der Stühle, Möbel,
Kissen usw.), Arzt, Reisen, Bahnfahren, Theater, Bureau, Kaufmannsspiele. Der
Wert dieser Spiele für die Analyse liegt in der direkteren Darstellung und der
damit zusammenhängenden größeren Ergiebigkeit der Assoziationen durch die
Sprache. Denn auch schon beim kleinen Kinde ist, wie ich im ersten Kapitel
hervorhob, die volle Einbeziehung der Sprache, soweit das Kind
sie beherrscht, die Voraussetzung einer abgeschlossenen Analyse.
Es scheint mir nicht möglich, durch die Beschreibung ein Bild von der Buntheit,
Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit der Spielanalysenstunden zu geben; ich hoffe
aber, daß es mir gelungen ist, durch meine Ausführungen einen Einblick in die
Präzision und Sicherheit der durch diese Mittel erzielten Ergebnisse
zu vermitteln.
22) Die Spiele mit Wasser finden eine sehr aufschlußreiche Ergänzung durch die
vor dem Kamin vorgenommenen Handlungen, wobei häufig zuerst mit Wasser gespielt
wird und daran anschließend Papier oder Zündhölzchen verbrannt werden oder vice
versa, und der Zusammenhang zwischen Nässen und Brennen (Zündeln) sowie die große
Bedeutung des urethralen Sadismus deutlich hervortritt (siehe Kap. VIII).
- 4 5 -
DRITTES KAPITEL
Die Zwangsneurose eines sechsjährigen jMädchens 1
Nachdem ich im vorigen Kapitel die Grundprinzipien der Technik der Früh-
analyse besprochen habe, will ich nun an einem Falle die Beziehungen zeigen,
die zwischen der Technik der Frühanalyse und der des Latenzalters bestehen.
Diese Krankengeschichte wird mir auch Gelegenheit geben, einige theoretische und
prinzipielle Fragen zu erörtern und außerdem die Technik der Analyse der kind-
lichen Zwangsneurose darzustellen, die ich mir für diesen ungewöhnlich schwierigen
Fall zurechtlegen mußte.
Bei der sechsjährigen Erna lagen zahlreiche schwere Krankheitserscheinungen
vor. Sie litt an Schlaflosigkeit, die durch Angst — insbesondere vor Räubern und
Einbrechern — sowie durch eine Reihe von Zwangshandlungen verursacht war.
Diese Zwangshandlungen bestanden in einem Aufschlagen des Kopfes auf die
Kissen — wobei sie auf dem Bauche lag — , einer schwankenden Bewegung, die
sie sitzend oder auf dem Rücken liegend ausführte, in zwanghaftem Lutschen
und exzessiver Zwangsonanie. Alle diese Zwangshandlungen, die sie nachts vom
Schlafe abhielten, betrieb Erna auch am Tage; sie onanierte in Gegenwart
Fremder, zum Beispiel im Kindergarten fast unausgesetzt. Erna litt an starken
Depressionen, denen sie in folgender Weise Ausdruck gab: „Etwas im Leben
gefällt mir nicht." Das Verhältnis zur Mutter war überzärtlich mit Schwankungen
zur Feindseligkeit. Erna beherrschte die Mutter vollkommen, ließ ihr gar keine
Bewegungsfreiheit und quälte sie in Liebe und Haß ununterbrochen. Die
Mutter beschrieb Ernas Einstellung mit den Worten: „Sie frißt mich auf." Das
Kind war auch sozusagen unerziehbar. Ausgesprochene Grübelsucht und ein
merkwürdig altkluges Wesen traten auch im leidenden Gesichtsausdruck der
Kleinen hervor; außerdem machte sie einen ungewöhnlichen, sexuell frühreifen
Eindruck. Ein Symptom, das erst im Verlaufe der Analyse deutlich wurde, war
Ernas überaus schwere Lernhemmung. Als sie einige Monate nach Beginn der
Analyse zur Schule kam, ergab sich, daß sie ganz unfähig war zu lernen und
sich auch anderen Kindern nicht anzupassen vermochte. Als eine große Hilfe
erwies sich in der Analyse die Krankheitseinsicht des Kindes, das mich gleich in
der ersten Besprechung bat, ihm zu helfen.
Erna beginnt ihr Spiel damit, daß sie einen der kleinen Wagen, die zusammen
mit anderem Spielzeug auf meinem Spieltischchen stehen, gegen mich losfahren
läßt. Sie erklärt, daß sie mich abhole, setzt dann aber statt meiner ein Frauchen
i) Diesem Kapitel liegt ein Vortrag zugrunde, den ich bei der „I. Deutschen Zu-
sammenkunft für PsA." in Würzburg, Oktober 1924, hielt.
- 46 -
den Wagen, zu dem sie ein Männchen tut. Die zwei lieben und küssen sich,
fahren unausgesetzt mit dem Wagen hin und her. Ein Männchen auf einem
anderen Wagen fährt ihnen entgegen, überfährt, tötet, brät und verspeist sie.
Dann geht der Kampf wieder anders aus; das angreifende Männchen wird um-
geworfen, die Frau hilft ihm aber, tröstet ihn, läßt sich von ihrem alten Mann
scheiden und heiratet ihn. Dieser Dritte tritt im Spiel in den verschiedensten
Rollen auf, z. B.: Mann und Frau sind in einem Hause, das sie gegen einen
Einbrecher beschützen, der Dritte schleicht sich als Einbrecher ein, das Haus ver-
brennt, die Menschen platzen, der Dritte bleibt allein zurück. Dann wieder ist
der Dritte der Bruder, der zu Besuch kommt, aber bei der Umarmung der Frau
die Nase abbeißt. Der kleine Mann — der Dritte — stellt sie selbst dar. Hat
sie auf diese Weise den Wunsch, den Vater bei der Mutter zu verdrängen, zur
Darstellung gebracht, so zeigen zahlreiche andere Spiele ihren direkten ödipus-
wunsch, die Mutter zu beseitigen und den Vater zu gewinnen. Sie läßt den
Lehrer die Kinder im Geigenspiel unterrichten, und zwar macht er dies, indem
er mit dem Kopfe gegen die Geige stößt. 2 Auch der Lehrer, der im Buche liest,
stellt sich dabei auf den Kopf, er wirft dann aber das eine Mal das Buch, das
andere Mal die Geige beiseite und tanzt mit der Schülerin. Sie küssen und
umarmen sich, und Erna fragt mich plötzlich, ob ich die Heirat zwischen Lehrer
und Schülerin gestatte. Ein andermal unterrichten Lehrer und Lehrerin — wieder
durch ein Männchen und ein Frauchen dargestellt — die Kinder, bringen ihnen
Verbeugungen bei usw. Die Kinder sind zuerst folgsam und höflich (Erna selbst
war überaus bemüht, ein artiges, höfliches Kind zu sein), überfallen aber plötzlich
Lehrer und Lehrerin, überfahren sie immer wieder, töten und braten sie. Sie sind
dabei Teufel und freuen sich der Qualen ihrer Opfer. Auf einmal aber sind
Lehrer und Lehrerin im Himmel, die früheren Teufel sind nun Engel, wissen aber
nach dem Ausspruch Ernas gar nichts davon, daß sie überhaupt je Teufel
waren — ja, „sie waren es gar nicht". Gottvater, der frühere Mann, küßt und
umarmt die Frau leidenschaftlich, die Engel huldigen ihnen, und alles ist wieder
in schönster Ordnung, doch nur für kurze Zeit, denn das Gleichgewicht wird bald
wieder in der einen oder anderen Weise gestört.
Erna spielte wiederholt, daß sie Mutter sei. Ich stellte das Kind dar, und einer
meiner größten Fehler war das Lutschen. Der erste Gegenstand, den ich in den
Mund stecken sollte, war eine Lokomotive, deren vergoldete Laternen Erna vorher
sehr bewundert hatte, weil sie „so schön rot sind und brennen", wobei sie sie
2) Charakteristisch für die bei Erna wirksame unbewußte Bedeutung des Kopfes
als Penis ist auch folgendes Spiel: Ein Männchen will ins Auto steigen, steckt dann
den Kopf beim Fenster hinein, worauf das Auto zu ihm sagt: „Komm doch lieber ganz
herein." Das Auto stellte die Mutter dar, die den Vater zum Koitus auffordert (vgl.
auch das Zwangssymptom des Aufschiagens des Kopfes auf die Kissen).
- 47 ~
sofort in den Mund gesteckt hatte und daran saugte; sie bedeuteten ihr die Mutter-
brust und den väterlichen Penis.
Spiele dieser Art lösen immer wieder Ausbrüche von Wut und Neid gegen die
Mutter aus, dann setzt wieder Reue und das Bestreben, die Mutter zu versöhnen,
ein. Beim Spiel mit Bausteinen zum Beispiel teilt Erna diese zwischen uns immer
so, daß sie mehr hat, überkompensiert dies aber wieder, indem sie sich weniger
nimmt, richtet es aber schließlich so ein, daß sie doch mehr behält. Sie fordert
mich dann auf zu bauen, nur um mir nachher beweisen zu können, daß ihr
Gebäude schöner ist, oder um mein Haus — angeblich zufällig — umstoßen
zu können. Dabei wird auch einem Spielmännchen die Rolle zuerteilt zu ent-
scheiden, daß ihr Haus schöner ist als meines. Die Einzelheiten des Spieles zeigen,
daß an unseren Häusern die von früh an bestehende Rivalität mit der Mutter
zum Ausdruck kommt, die Erna dann in einem späteren Teil der Analyse direkt
zur Darstellung bringt.
Neben diesen Spielen beginnt Erna auch mit dem Ausschneiden von Papier,
wobei sie Muster entstehen läßt. Sie erzählt dabei, daß sie „Schabefleisch" macht,
daß dabei (aus dem Papier) Blut herauskommt, erschauert und erklärt, daß ihr
plötzlich schlecht wird. Sie spricht dann von „Augensalat" und von „Fransen",
die sie in meine Nase schneidet, wobei sie wieder den schon in der ersten Stunde
geäußerten Wunsch, meine Nase abzubeißen — was sie auch mehrfach ver-
suchte — wiederholt. (Auf diese Weise hatte sie auch gleich ihre Identität mit
dem Dritten, dem Männchen, das einbricht, das Haus anzündet und auch die
Nase abbeißt, erwiesen.) Das Ausschneiden von Papier war bei Erna wie auch
in den Analysen anderer Kinder reich determiniert. Es bringt sadistische und
kannibalistische Tendenzen zum Ausdruck, dient aber auch reaktiven Tendenzen,
denn es bedeutet auch ein Neuschaffen. Die schön ausgeschnittenen Muster (zum
Beispiel eine Decke darstellend) bedeuten auch die wiederhergestellten Genitalien
der Eltern oder den Leib der Mutter usw., die in der Phantasie vorher zerstört
worden waren. Vom Ausschneiden des Papiers ging Erna zu Spielen mit Wasser
über. Ein Stückchen Papier, das im Waschbecken schwimmt, bedeutet einen
Kapitän. Sein Schiff geht unter, aber er rettet sich, denn er hat, wie Erna
behauptet, etwas „Langes, Goldenes", das ihn über Wasser hält. Erna reißt dann
ein Stückchen vom Papier ab und erklärt: „Der Kopf ist weg, nun ist er
ertrunken." Die Spiele mit Wasser führten tief in die Analyse von Ernas oral-
sadistischen, urethralsadistischen und analsadistischen Phantasien. Erna spielt zum
Beispiel, daß sie eine Waschfrau ist; die Stücke Papier bedeuten schmutzige
Kinderwäsche; ich stelle das Kind vor, das diese Wäsche immer wieder beschmutzt.
Daß Erna dabei das Papier (die schmutzige Wäsche) zerkaut, macht ihre kopro-
philen und kannibalistischen Tendenzen deutlich, denn die Wäschestücke bedeuten
auch Exkremente und Kinder. Als Waschfrau hat Erna Gelegenheit, das Kind
- 48 -
-
zu züditigen und zu demütigen; sie stellt dabei die grausame Mutter dar. Indem
sie sich aber auch mit dem mißhandelten Kinde identifiziert, befriedigt sie ihre
masochistischen 'Wünsche. Häufig ist es auch im Spiele der Vater, der — von der
Mutter herbeigerufen — das Kind durch Schläge auf das Gesäß züchtigt. Diese
Züchtigung wird auch von Erna — der „"Waschfrau" — als Mittel empfohlen,
die Schmutzliebe des Kindes zu heilen. Anstatt des bösen Vaters kommt aber ein
Zaubermännchen, klopft das Kind mit seinem Stock auf den Anus, dann auch
auf den Kopf, wobei er aus seinem Zauberstab eine gelbliche Flüssigkeit fließen
läßt. Ein anderes Mal wird dem Kinde ein Pulver eingegeben, das aus „Weißem
und Rotem" gemischt ist. Durch diese Behandlung wird das ganz kleine Kind
sauber, kann plötzlich auch schon sprechen und ist so klug wie die Mutter. 3 Das
Klopfen des Vaters oder des Männchens mit dem Stocke bedeutete den Koitus;
das Männchen stellte auch den Penis dar. Die Flüssigkeit und das Pulver
bedeuteten Stuhl, Urin, Samen und Blut, die sich nach Ernas Phantasien die
Mutter beim Koitus oral, anal und genital einverleibte.
Ein andermal wird Erna aus einer Waschfrau plötzlich eine „Fischfrau", die
ihre Ware anpreist. Sie läßt dabei aus dem Wasserhahn, den sie auch einen
„Schlagsahnehahn" nennt, das Wasser fließen; vorher hatte sie den Hahn mit
Papier umwickelt, das sie, als es durchnäßt in das Waschbecken fällt, zerreißt
und als „Fische" feilbietet. Die zwanghafte Gier, mit der Erna dabei aus dem
Wasserhahn trinkt und die angeblichen Fische zerkaut, zeigt deutlich den oralen
Neid, den sie bei der Urszene und bei den Urphantasien empfunden hat, der
sich in ihrer Charakterbildung grundlegend auswirkte und zugleich einen Kern-
punkt ihrer Neurose bildete. 4 Die Gleichsetzung der Fische mit dem väterlichen
Penis wie auch mit Stuhl und Kindern geht aus den Assoziationen klar hervor.
Erna hat verschiedene Arten von Fischen zu verkaufen, darunter sind auch „Kokel-
fische", die dann auf einmal „Kakelfische" heißen. Als sie diese dann zerschneidet,
beweist ein plötzlicher Stuhldrang die Gleichsetzung der Fische mit Stuhl und
das Zerschneiden der Fische mit der Defäkation. Als Fischfrau betrügt Erna mich
— die Käuferin — auf verschiedene Art. Sie nimmt mir übermäßig viel Geld ab
und gibt mir keine Ware dafür. Ich kann aber nichts gegen sie unternehmen,
denn ihr hilft ein Schutzmann, mit dem sie das mir abgenommene Geld == Fische
durcheinander „wurlt" (was einem Quirlen und Schlagen der Schlagsahne ent-
spricht). Der Schutzmann bedeutet den Vater, der mit ihr koitiert und ihr gegen
die Mutter hilft. Ich erhalte dann im Spiel von ihr den Auftrag zuzusehen,
während sie mit dem Schutzmann die Fische „wurlt", und soll versuchen, mir
_ 3) Auf die Bedeutung des „guten", heilsamen Penis, die in diesen Phantasien hervor-
tritt, gehe ich insbesondere in Kap. XI und XII näher ein.
4) Auf den Zusammenhang zwischen Ernas Beobachtungen des elterlichen Koitus
und ihrer Neurose gehe ich später ein.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
- 49 -
die Fische insgeheim anzueignen. Ich soll also darstellen, was sie selbst in früher
Kindheit der Mutter antun wollte, als sie den Koitus der Eltern beobachtete.
Diese sadistischen Regungen und Phantasien waren die Grundlage ihrer schweren
Angst vor der Mutter. Erna äußerte wiederholt Angst vor einer „Räuberin, die
ihr alles, was in ihr drinnen ist, herausnehmen will".
Auch in Ernas Analyse zeigte sich, daß Theater und Vorstellungen aller Art
den Koitus der Eltern bedeuten. 5 Diese Spiele, in denen Erna der Mutter die
Rolle einer von den Zuschauern bewunderten Schauspielerin oder Tänzerin
zuerteilte, zeigten die große, mit Neid gemischte Bewunderung, die Erna für
die Mutter empfand. Erna stellte auch häufig — in Identifizierung mit der
Mutter — eine Königin vor, der sich alle beugten. In all diesen Darstellungen
spielte das Kind stets die Rolle der Benachteiligten. Alles, was Erna im Spiele
als Mutter tat, die Zärtlichkeiten mit ihrem Manne, ihr Sichschmücken und Sich-
bewundernlassen dienten vor allem dazu, den Neid des Kindes zu erregen und
es zu kränken. "Wenn Erna zum Beispiel als Königin mit dem König Hochzeit
gefeiert hatte, so legte sie sich auf den Divan. Ich sollte dann in der Rolle des
Königs zum Ersatz des Nebenihrliegens (das ich ablehnte) mich auf ein Stühlchen
neben sie setzen. Ich hatte dabei mit der Faust auf den Divan zu klopfen — sie
nannte es „Buttern" — , was den Koitus bedeutete. Gleich darauf berichtete mir
Erna, daß aus ihrem Leib ein Kind krieche. Sie stellte dies auch ganz realistisch
dar, indem sie sich wand und stöhnte. Dieses imaginäre Kind teilte dann den
Schlafraum, mußte den Koitus der Eltern mitansehen, wurde, wenn es störte,
geschlagen und von der Mutter unausgesetzt beim Vater verklagt. Wenn Erna
als Mutter das Kind zu Bett brachte, so geschah es nur, um sich seiner zu ent-
ledigen und sich um so schneller mit dem Vater zu vereinigen. Das Kind wurde
ununterbrochen mißhandelt und gequält; es bekam schlechten, zum Erbrechen
reizenden Grießbrei, während Mutter und Vater eine wundervolle Speise aßen.
Diese wurde manchmal aus Schlagsahne bereitet, manchmal aus einer besonderen,
von einem „Doktor Schanka" oder „Schlanka" (was Schlagen und Einschänken
bedeutete) gelieferten Milch. Diese besondere, von Vater und Mutter stets allein
genossene Speise stellte in einer Fülle von Variationen den Austausch von Stoffen
beim Koitus dar. Die Phantasien, daß die Mutter sich im Koitus den Penis und
Samen des Vaters, der Vater sidi die Milch und die Brust der Mutter einverleibe,
bildeten eine Grundlage für Ernas Haß und Neid gegen beide Eltern.
Bei einer „Vorstellung, die ein Priester gibt", wobei er aus dem "Wasserhahn
Wasser fließen läßt und eine Tänzerin mitwirkt, die vom Hahne trinkt, darf
j) Auf die allgemeine symbolische Bedeutung des Theaters, der Aufführung, der
Vorstellung usw. als Koitus der Eltern ging ich in meiner Arbeit „Zur Frühanalyse"
Jmago, Bd. IX, 1923) näher ein. Ich verweise auch auf Rank: Das Schauspiel im
Hamlet (Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung. Int. PsA. Verl. 1919).
- 5o -
r
das Kind, das Erna „Aschenbrödel" nennt, nur zusehen und muß sich ganz still
verhalten. Eine ungeheure, plötzlich ausbrechende Wut zeigt, welchen Haß Erna
bei diesen Phantasien empfunden hat, und wie schlecht ihr die Verarbeitung dieses
Hasses gelungen ist. Aus diesen Gefühlen heraus ist ihr Verhältnis zur Mutter
ganz verschoben, da sie alle Maßnahmen der Erziehung und Kinderpflege, alle
unvermeidlichen Versagungen als ausschließlich sadistische, der Beschämung und
der Mißhandlung des Kindes geltende Akte seitens der Mutter empfindet. Erna
ist in ihren Mutterspielen mit dem imaginären Kinde nur dann zärtlich, wenn
es sich um einen Säugling handelt. Dann pflegt und reinigt sie das Kind, ist liebe-
voll und verzeiht ihm, daß es sich beschmutzt hat. Ihrem Gefühl nach wurde sie
selbst nämlich nur in ihrer Säuglingszeit liebevoll behandelt. Das ältere Kind
mißhandelt sie aufs grausamste, läßt es durch Teufel den verschiedensten
Martern unterziehen und tötet es häufig zum Schluß. 6 Daß das Kind aber in
dieser Rolle auch die zum Kinde gemachte Mutter ist, zeigt deutlich folgende
Phantasie: Erna spielt das Kind, das sich beschmutzt hat. Ich als Mutter habe sie
zu beschimpfen, wobei sie höhnisch ist und sich aus Trotz immer mehr beschmutzt.
Auch die schlechte, ihr von mir gereichte Nahrung erbricht sie, nur um die Mutter
zu ärgern. Der von der Mutter herbeigerufene Vater aber nimmt für das Kind
Partei. Die Mutter bekommt eine Krankheit, die heißt: „Gott hat zu ihr ge-
sprochen." Dann aber wird das Kind von einer Krankheit befallen, die Erna
„mütterliche Aufregung" nennt. Das Kind stirbt daran, die Mutter wird nun zur
Strafe vom Vater getötet. Das Kind wird wieder lebendig und vom Vater
geheiratet, der es immer wieder auf Kosten der Mutter lobt. Die Mutter wird
dann auch lebendig gemacht, aber nur, um durch den Zauberstab des Vaters in
ein Kind verwandelt zu werden, das nun allen Hohn und alle schlechte Be-
handlung über sich ergehen lassen muß, die das Kind früher selbst erfahren hatte.
In diesen zahlreichen Phantasien über Mutter und Kind wiederholt Erna, was sie
ihrer Empfindung nach selbst erfahren hat, und stellt andrerseits dar, was sie in
Umkehrung des Verhältnisses Kind — Mutter dieser in sadistischer "Weise zu-
fügen will.
Erna war von analsadistischen Phantasien beherrscht. In einem weiteren
6) Bei diesem übermäßigen sadistischen Wüten gegen das Objekt (in diesem Falle
gegen das Kind) wendet sich das Ober-Ich letzten Endes gegen das Es. Dieser unerträg-
lichen Situation entzieht sich das Ich, indem es das Objekt mit Hilfe von Projektion
als Feind darstellt, um das Einverständnis des Über-Ichs zur sadistischen Zerstörung
des Objektes zu erreichen. Gelingt es dem Ich, dieses Bündnis des Über-Ichs mit dem
Es herzustellen, so bewerkstelligt es dadurch, daß der Sadismus des Über-Ichs, soweit
er dem Es gilt, zeitweise auf die Außenwelt gerichtet wird. Auf diese Weise verstärken
sich die dem Objekt geltenden primären sadistischen Regungen durch die dem Es
geltenden Haßquantitäten. (Siehe Kap. VIII d. B. und meine Arbeit: Die Rollenbildung
im Kinderspiel. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XV, 1929).
— 5i — .*
Stadium der Analyse phantasiert Erna, wieder von dem Spielen mit Wasser aus-
gehend, von Stuhl, der an der "Wäsche „angebacken" ist und auch zum Kochen
und Essen verwendet wird. Sie spielt, daß sie auf der Toilette sitzt und das dort
Erzeugte ißt und daß wir es uns im Austausch reichen. Phantasien von unaus-
gesetzter gegenseitiger Beschmutzung durch Urin und Stuhl werden im Laufe der
Analyse immer deutlicher. In einem Spiele weist Erna der Mutter nach, daß
diese sich unausgesetzt beschmutzt hat; alles im Zimmer ist durch die Schuld der
Mutter zu Stuhl geworden. Die Mutter wird daraufhin ins Gefängnis geworfen
und verhungert dort. Erna fällt nun die Aufgabe zu, alles nach der Mutter zu
reinigen, wobei sie sich eine Frau „Dreckparadie" nennt, also mit „Dreck
paradiert". Durch ihre Ordnungsliebe erringt sie die Bewunderung und An-
erkennung des Vaters, der sie weit über die Mutter stellt und heiratet. Sie kocht
für ihn, wobei aber die gegenseitig gereichten Getränke und Speisen auch Stuhl
und Urin — aber von guter, nicht schädlicher Art — sind. Ich führe diese
Phantasie nur als ein Beispiel für die zahlreichen ausschweifend analsadistischen
Phantasien an, die Ernas Seelenleben beherrschten und in der Analyse bewußt
gemacht wurden.
Erna, die ein einziges Kind war, beschäftigte sich in der Phantasie sehr viel
mit kommenden Geschwistern. Ich will auf den Charakter dieser Phantasie-
beziehungen nachher eingehen, da ihnen nach meinen Beobachtungen auch eine
generelle Bedeutung zukommt. Ich stellte bei Erna fest — und fand dies auch bei
anderen Kindern bestätigt — , daß das einzige Kind in stärkerem Ausmaß
Angst vor den in der Phantasie stets erwarteten Geschwistern
und Schuldgefühle wegen seiner unbewußten aggressiven Tendenzen gegen
die im Mutterleib vorausgesetzten Kinder empfindet, weil es nicht Gelegenheit
findet, eine positive Beziehung zu Geschwistern zu entwickeln. Dieses
Moment trägt oft dazu bei, dem einzelnen Kinde die soziale Anpassung zu er-
schweren. Bei Erna traten längere Zeit am Anfang und am Ende der Analysen-
stunde "Wut- und Angstanfälle auf, die zum Teil damit zusammenhingen, daß
sie einen Vorgänger oder Nachfolger bei mir traf, die ihr die stets erwarteten
Geschwister bedeuteten. 7 Andrerseits zeigte Erna, obwohl sie sich mit anderen
Kindern nicht vertrug, doch zeitweise ein dringendes Bedürfnis nach Kinder-
gesellschaft. Für den zeitweiligen Wunsch nach Geschwistern erwiesen sich folgende
Motive als bestimmend: i) Die erwünschten Geschwister bedeuteten ein eigenes
Kind (allerdings wurde dieser Wunsch bald wieder durch schwere Schuldgefühle
gestört, da sie ja dann der Mutter das Kind geraubt hätte). 2) Ihre Existenz sollte
7) Ernas unbewußte Eifersucht und ihre Angst vor (phantasierten) Geschwistern, die
eine bedeutsame Rolle in ihrem Seelenleben spielten, war nie an den realen Objekten
erlebt worden und wurde erst in der Analyse aufgedeckt und durchlebt. Dieses Beispiel
illustriert auch die Bedeutung der Übertragungssituation in der Kinderanalyse.
— 5a -
die Gewißheit erbringen, daß die in der Phantasie verübten Angriffe auf die
im Mutterleib vorausgesetzten Geschwister diese — und also auch die Mutter —
nicht beschädigt hätten, daß also auch ihr eigenes (Ernas) Leibesinnere intakt sei.
3) Sollten sie ihr die sexuelle Befriedigung gewähren, die ihr die Eltern versagt
hatten. 4) Phantasierte Erna von Geschwistern, mit denen sie sich gegen die Eltern
vereinigen könnte, um die Mutter zu töten und dem Vater den Penis zu rauben.
Sie sollten ihre Bundesgenossen 8 im Kampfe gegen die angsterregenden Eltern
sein. Nach solchen Phantasien setzten aber bald Haß gegen die Geschwister (die
doch nur Substitute von Vater und Mutter waren) und schwere Schuldgefühle
wegen der destruktiven Handlungen ein, die in der Phantasie gemeinsam gegen
die Eltern begangen worden waren. Depressionen waren gewöhnlich die Folge.
Diese Phantasien waren mitbestimmend für Ernas Unfähigkeit, zu anderen
Kindern ein gutes Verhältnis zu gewinnen. Sie scheute vor ihnen zurück, weil sie
sie mit Geschwistern identifizierte. Sie bedeuteten ihr einerseits Spießgesellen
bei den Angriffen gegen die Eltern, andrerseits fürchtete sie sie wegen
der gegen die Geschwister gerichteten Aggression als Feinde.
Ich will nun an diesem Falle noch ein anderes Moment beleuchten, das mir
von prinzipieller Bedeutung zu sein scheint. Ich habe im ersten Kapitel auf das
besondere Verhältnis des Kindes zur Realität hingewiesen und ausgeführt, daß
das Mißlingen der Realitätsanpassung sich in der Analyse aus dem Spiel des
kleinen Kindes erkennen läßt und daß es auch in der Analyse des kleinen Kindes
nötig ist, nach und nach die Beziehung zur Realität voll herzustellen. Bei Erna
war es mir nach erheblicher psychoanalytischer Arbeit noch nicht gelungen, ein-
gehendere Mitteilungen über ihr reales Leben von ihr zu erhalten. Während sie
reichliches Material für ihre ausschweifenden sadistischen Phantasien gegen
die Mutter erbrachte, hörte ich niemals auch nur die leiseste Klage oder
Kritik über die reale Mutter und deren Handlungen. Obwohl Erna an-
erkannte, daß ihre Phantasien gegen die reale Mutter gerichtet waren (was sie
in einem früheren Stadium der Analyse noch negiert hatte), und obwohl es immer
deutlicher wurde, daß sie die Mutter in übertriebener und gehässiger Weise
kopierte, war die Verbindung ihrer Phantasien mit der Realität nicht gut her-
zustellen. Alle meine Bestrebungen, die Realität stärker in die Analyse ein-
zubeziehen, blieben so lange erfolglos, als ich nicht die tiefsten Gründe ihrer
Realitätsabsperrung — wenigstens teilweise — analysiert hatte. Es ergab sich nun,
daß Ernas Beziehung zur Realität in einem weitgehenden Grade — sehr
8) Ich habe in meiner Arbeit Frühstadien des Ödipuskonfliktes (Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XIV, 1928) darauf hingewiesen, daß sexuelle Beziehungen zwischen Kindern, ins-
besondere zwischen Geschwistern, mit Phantasien von einer Bundesgenossenschaft gegen
die Eltern verknüpft sind und dadurch in bestimmten Fällen eine Verminderung des
Schuldgefühles und der Angst bewirken.
- 53 -
viel mehr, als man dies nach ihrem Verhalten hätte schließen können — vor-
getäuscht war. Tatsächlich suchte sie mit allen Mitteln ein Traumleben
aufrechtzuerhalten, das sie gegen die "Wirklichkeit verteidigte. 9 Sie phantasierte
zum Beispiel: die kleinen "Wagen mit Kutschern stehen ihr zu Diensten, nähern
sich ihr auf ihren Ruf, bringen ihr alles, was sie wünscht; die kleinen Frauchen
sind ihre Dienerinnen usw. "Wiederholt setzte noch während dieser Phantasien
"Wut und Depression ein. Erna ging dann auf die Toilette, wo sie während des
Defäzierens laut phantasierte, stürzte, als sie von der Toilette kam, auf die
Chaiselongue, begann leidenschaftlich zu lutschen, onanierte und bohrte in der
Nase. Es gelang mir, ihre Phantasien zu diesem Defäzieren, Lutschen, Onanieren
und Nasebohren zu erfahren. Es zeigte sich, daß Erna mit Hilfe dieser Lust-
befriedigungen und der damit verbundenen Phantasien den Traumzustand,
den sie im Spiel aufrechterhalten hatte, auch sonst gewaltsam fort-
zusetzen suchte. Die während des Spieles einsetzende Depression, "Wut und
Angst hingen damit zusammen, daß ihre Phantasien durch die Berührung mit
der Realität gestört wurden. Erna besann sich auch darauf, wie sehr es sie des
Morgens, wenn sie lutschte oder onanierte, störte, wenn jemand an ihr Bett kam;
hierfür war — neben der Angst, ertappt zu werden — ihre Abwehr der Realität
bestimmend. Eine im Verlauf der Analyse aufgetretene Pseudologie, die sich bald
zu abenteuerlichem Umfang entwickelte, diente ebenfalls dazu, die ihr unerträg-
liche "Wirklichkeit ihren "Wünschen entsprechend umzulügen. Als eine Ursache
dieser außerordentlichen, mit Hilfe von Größenphantasien aufrecht
erhaltenen Realitätsabsperrung lernte ich die übermäßige Angst
vor den Eltern, insbesondere vor der Mutter, kennen. Um diese Angst ab-
zuschwächen, mußte sich Erna in ihrer Phantasie als die grausame und machtvolle
Beherrscherin der Mutter aufspielen, ein Moment, das ihren Sadismus wesentlich
verstärkte. Der paranoide Charakter ihrer Phantasien, in denen sie von der
Mutter auf das grausamste verfolgt wurde, trat immer deutlicher hervor. "Wie
ich vorher erwähnte, war in Ernas Phantasie alles, was die Mutter je mit ihr
an Erziehungsmaßnahmen vorgenommen hatte, bis zu jedem Detail der Kleidung,
das sie ihr vorschrieb, zur Verfolgung geworden. Aber auch alles, was die
Mutter sonst unternahm, wie sie sich dem Vater gegenüber verhielt, was sie zu
ihrem eigenen Vergnügen tat, empfand Erna als Verfolgung. Sie fühlte
sich auch stets belauert. Die übermäßige Fixierung an die Mutter hatte auch eine
Ursache in dem Zwange, diese fortwährend zu beobachten. In der Analyse zeigte
sich, daß Erna sich, auf Grund ihrer aggressiven Phantasien, an jeder Erkrankung
der Mutter schuldig fühlte und die entsprechende Strafe erwartete. Das fort-
9) Es gibt viele Kinder, die mit der Unterbrechung des Spieles nur scheinbar
zur Realität zurückkehren, in "Wirklichkeit aber vorwiegend mit ihren Phantasien be-
schäftigt sind.
- 54 -
währende Schwanken zwischen der strengen, strafenden Mutter und dem hassenden
Kinde, das in ihren Spielen und Phantasien so deutlich hervortrat, zeigte in vielen
Einzelheiten die Wirkung eines besonders grausamen Uber-Ichs. Bei Erna waren
diese Phantasien, die den Wahnideen des erwachsenen Paranoikers
entsprechen, erst durch eine sehr tiefgehende Analyse klar geworden. Ich
bin auf Grund von Erfahrungen, die ich in den Jahren nach der Abfassung dieser
Krankengeschichte machte, zu Ergebnissen 10 gelangt, die mir den besonderen
Charakter von Ernas Angst, ihren Phantasien und ihrer Realitätsbeziehung
als typisch für die Fälle erwiesen haben, bei denen paranoide Züge
wirksam sind. 11
In diesem Zusammenhange ist die schon von früher Kindheit an überaus starke
Homosexualität Ernas hervorzuheben. Nach der Analyse großer Quan-
titäten des Hasses, der dem Vater aus der ödipussituation galt, war die Homo-
sexualität wohl verringert worden, aber immer noch überaus stark. Diese Quan-
titäten schienen — zunächst — nicht mehr weiter auflösbar. Nach lange dauernden
Widerständen ergab sich aber erst der volle Charakter von Ernas Verfolgungs-
ideen und deren Zusammenhang mit ihrer Homosexualität. Die analen Liebes-
wünsche traten nun sehr viel deutlicher in der positiven Form hervor und
wechselten mit den Verfolgungsideen ab. Erna spielte nun wieder eine Ver-
käuferin, und die unbewußte Bedeutung der Ware als Fäzes wurde unter anderem
auch durch den gleich zu Beginn des Spieles auftretenden Stuhldrang deutlich. Ich
war eine Käuferin, zog sie jeder anderen Verkäuferin vor und fand ihre Ware
besonders gut. Dann spielte Erna, sie sei die Käuferin, die mich liebt, und stellte
so ein anales Liebesverhältnis zwischen der Mutter und sich dar. Auf diese analen
Phantasien folgten sehr bald Depressionen und Haßausbrüche, die sich vor allem
gegen mich richteten, aber der Mutter galten. In diesem Zusammenhange brachte
Erna auch Phantasien von einem Floh, der aus „Schwarzem und Gelbem" gemischt
war und den sie gleich selbst als ein Stück Stuhl — wie sich erwies, gefährlichen,
vergiftenden Stuhl — erkannte. Dieser Floh kam aus meinem Anus heraus und
drang in den ihren ein und beschädigte sie. 12
10) Ich gehe auf diese Ergebnisse im zweiten Teil dieses Buches ein.
n) Siehe Kap. IX.
12) Van Ophuijsen (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. VI, 1920) und Stärcke (Int.
Ztschr. f. PsA. Bd. V, 1919) entdeckten in ihren Psychoanalysen, daß in der Paranoia
der „Verfolger" sich zurückführen läßt auf die unbewußte Vorstellung von einem
Scybalum im Darm des Kranken, welches von seinem Unbewußten mit dem Penis des
„Verfolgers", d. h. des ursprünglichen geliebten Wesens gleichen Geschlechtes, identi-
fiziert wird. Der Verfolger ist also in der Paranoia repräsentiert durch einen ihm ge-
hörigen Körperteil, den der Verfolgte in sich zu tragen wähnt. Er möchte sich von
dem Fremdkörper befreien, ist aber dazu nicht imstande. (Dieser Auszug ist Abrahams:
Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido [S. 82] entnommen.)
- 55 -
im Falle Ernas hat sich mir die als Ursache des Verfolgungswahnes bekannte
Umwandlung der Liebe in Haß gegen den gleichgeschlechtlichen Elternteil und die '
starke Wirksamkeit der Projektionsmechanismen einwandfrei ergeben. Hinter der
homosexuellen Bindung zeigte sich aber in noch tieferer Schicht ein außerordent-
lich starker, gegen die Mutter aus der frühesten ödipussituation
und dem oralen Sadismus stammender Haß, der eine übermäßige,
f ür die V e r f o 1 g u n g s p h a n t a s i e n und deren Einzelheiten determinierende
A n g s t zur Folge hatte. Nun kamen (und dies war das schwerste Stück der
Analyse, das von übermäßiger Angst begleitet war und an Ernas Arbeitswillig-
keit die größten Anforderungen stellte) neuerlich sadistische Phantasien, die an
Intensität des Sadismus alles übertrafen, was ich bis dahin in Ernas Analyse
kennengelernt hatte. Der o r a 1 e Ne i d auf die beim Ko i t u s der El t er n
vorausgesetzten oralen und genitalen Genüsse erwies sich als die tiefste Grund-
lage ihres Hasses. Immer wieder richtete er sich in zahllosen Phantasien gegen
die beiden im Koitus vereinigten Eltern. In diesen Phantasien griff Erna die
Eltern — insbesondere die Mutter — auch mittels der Exkremente an. Die
Angst vor meinen in sie eindringenden Fäzes (der Floh) erwies sich letzten Endes
durch Phantasien determiniert, in denen sie das Innere des Mutterleibes mittels
ihrer gefährlichen, vergiftenden Fäzes zerstörte. 13
Nach weiterer Analyse dieser einem sehr frühen Entwicklungsstadium ent-
stammenden sadistischen Phantasien und Regungen verminderte sich die homo-
sexuelle Bindung an die Mutter; zugleich verstärkten sich die heterosexuellen
Tendenzen. Bisher hatte in ihren Phantasien, die im wesentlichen durch die Haß-
und Liebesbindung an die Mutter bestimmt waren, der Vater vorwiegend ein
Mittel zum Koitus dargestellt; er schien seine Bedeutung nur aus dem Mutter-
Tochter-Verhältnis zu beziehen. In Ernas Phantasie hatten ja Zärtlichkeiten der
Mutter für den Vater, überhaupt deren ganze Beziehung zu diesem haupt-
sächlich dem Zweck gedient, Erna zu berauben und eifersüchtig zu machen und
den Vater gegen sie einzunehmen. Korrespondierend trat in den Phantasien, in
denen Erna den Vater der Mutter geraubt und geheiratet hatte, nur der Haß
gegen die Mutter, der Wunsch, sie zu kränken, in den Vordergrund. Wenn Erna
bei Darstellungen dieser Art mit ihrem Manne zärtlich war, so zeigte sich bald,
daß sie diese Zärtlichkeit nur vo rtäuschte, um die Rivalin zu kränken und den
„J 5 ! SV.? S t% ^ AnaI 7 S6n fand ' Vemärkt die An S st vor den vergiftenden
und gefährlichen Exkrementen die Fixierung an die prägenitalen Stufen. Sie löst den
Antrieb aus, sich immer wieder davon zu überzeugen, daß die Exkremente - die
Kao ne vnn n\ 1K °! 5J I ekte ~ "J** V&Mih, daß sie „gute" Dinge sind (siehe
,7nT ' A D .? s ^ lh JP* ke . E ™' da « wir einander „gute" anale Geschenke machen
und einander lieben. Daß sie aber zutiefst befürchtete, daß wir (vielmehr sie und die
Mutter) einander verfolgten und vergifteten, ging aus den Depressionen hervor, die
dem im Spiel dargestellten Liebesverhältnis folgten.
- 5G ~
Vater auf ihre Seite zu ziehen. Zugleich mit den anderen eben besprochenen
wichtigen Fortschritten in der Analyse traten auch wirklich positive Gefühle für
den Vater hervor. Die direkte ödipusbeziehung konnte sich nun, da Haß und
Angst nicht mehr so stark das Bild beherrschten, durchsetzen. Zugleich verringerte
sich die Fixierung an die Mutter und verbesserte sich auch das früher so ambi-
valente Verhältnis zu ihr. Dieser Veränderung des Verhältnisses zu beiden Eltern-
teilen lagen auch wesentliche Änderungen in Ernas Phantasie- und Triebleben zu-
grunde. Der Sadismus hatte sich verringert und die Verfolgungsphantasien hatten
der Quantität und Intensität nach stark nachgelassen. Bedeutungsvoll scheint mir
auch die Veränderung der Realitätsbeziehung, die sich unter anderem auch in einer
sehr viel stärkeren Einbeziehung der Realität in das Phantasieleben dokumentierte.
In diesem Analysenabschnitt fragte Erna, nachdem sie ihre Verfolgungsideen im
Spiel zur Darstellung gebracht hatte, häufig ganz erstaunt: „Aber das hatte doch
meine Mutter gar nicht wirklich gemeint? Sie hat mich doch eigentlich
auch sehr 1 i e b." In dem Maße, in dem die Realitätsbeziehung sich günstig
veränderte, trat auch in der Analyse die der realen Mutter geltende Kritik
hervor, und zugleich verbesserte sich Ernas Verhältnis zu ihr. Dies war erst
möglich geworden, als der unbewußte Haß bewußter wurde. Hand in Hand mit
dem besseren Verhältnis zur Mutter traten aber auch bei Erna
wirklich mütterliche und zärtliche Gefühle ihren imaginärenKindern
gegenüber hervor. Sie fragte einmal, als sie im Spiel grausam mit dem imaginären
Kinde umgegangen war, ganz erschüttert: „"Würde ich auch einmal mein Kind wirk-
lich so behandeln?" Die Analyse der Verfolgungsideen und die Herab-
setzung der Angst hatten mit der Befestigung der heterosexuellen
Einstellung auch eine positivere Beziehung zur Mutter und eine größere
Fähigkeit zur Mütterlichkeit bewirkt. Ich möchte bei diesem Anlaß hervor-
heben, daß die Regelung dieser Grundeinstellungen, die für die Liebeswahl und
das Erleben des Erwachsenen bestimmend sind, mit zu den Forderungen gehören,
die meines Erachtens an jede Kinderanalyse zu stellen sind.
Ernas Neurose hatte sich sehr frühzeitig entwickelt. Schon im Alter von nicht
ganz einem Jahre hatten sich bei ihr, zugleich mit einer ungewöhnlichen geistigen
Frühreife, starke Anzeichen von Neurose gezeigt; von da an steigerten sich ihre
Schwierigkeiten immer mehr, so daß bereits im Alter von zwei bis drei Jahren
ihre Erziehung ein unlösbares Problem darstellte. Zu dieser Zeit lag schon eine
ausgesprochene Zwangsneurose und eine abnorme Charakterbildung vor. Aller-
dings wurde erst im Alter von etwa vier Jahren der ungewöhnliche Charakter
ihrer Onanie und ihres Lutschens erkannt. So zeigt die Zwangsneurose, die beim
sechsjährigen Kinde festgestellt wurde, einen chronischen Charakter. Bilder aus
dem Alter von ungefähr drei Jahren weisen schon den gleichen neurotischen,
grüblerischen Gesichtsausdruck auf, den das sechsjährige Kind hatte.
- 5 7 -
Ich will hier ausdrücklich auf die außergewöhnliche Schwere dieses Falles ,
hinweisen. Die Zwangssymptome, die das Kind unter anderem sogar völlig
schlaflos machten, die Depressionen und sonstigen Krankheitserscheinungen und
die abnorme Charakterentwicklung waren doch nur ein schwacher Ausdruck des
gänzlich abnormen, ausschweifenden und ungebändigten Trieblebens, das ihnen
zugrunde lag. Bei einer Zwangsneurose, die wie diese schon jahrelang durchaus
progressiven Charakter hatte, müßten die Zukunftsaussichten recht trübe genannt
werden. Es ist anzunehmen, daß nur eine rechtzeitig durchgeführte Psychoanalyse
hier Hilfe schaffen konnte.
Ich gehe nun ausführlicher auf die Struktur des Falles ein. Die Erziehung
zur Sauberkeit war ohne Schwierigkeiten und ungewöhnlich
schnell vonstatten gegangen. Erna war im Alter von einem Jahr schon sauber.
Es war dazu keine Strenge nötig gewesen, da der Ehrgeiz des frühreifen
Kindes einen starken Motor für die schnelle Anpassung an die Forderungen der
Reinlichkeit bildete." Dem äußeren Gelingen entsprach ein völliges inner-
liches Mißlingen. Die ungeheuren, analsadistischen Phantasien zeigen, in
welchem Ausmaße Erna an diese fixiert blieb und wie sehr Haß und Ambivalenz
von dort ihren Ausgang nahmen. An diesem Mißlingen hat außer der starken
konstitutionellen oral- und analsadistischen Anlage auch das
Vorauseilen der Ichentwicklung vor der Libidoentwicklung, die
Freud als eines der Momente zur Disposition zur Zwangsneurose bezeichnet, 15
einen wesentlichen Anteil. Aber auch ein anderes wichtiges Entwicklungsmoment
war, wie die Analyse ergab, nur äußerlich gelungen: Erna hatte die Ent-
wöhnung von der Mutterbrust nie verschmerzt. Bei ihrer weiteren
Entwicklung trat eine andere Entbehrung an sie heran. Der Mutter war, als das
Kind sechs bis neun Monate alt war, aufgefallen, mit welcher deutlich sexuellen
Lust es auf die Maßnahmen der Kinderpflege, insbesondere auf
die Reinigung der Genitalien und des Afters, reagierte; die Übererregbar -
keit der Genitalzone war unverkennbar. Die Mutter befleißigte sich
deshalb größter Vorsicht, die sie, als das Kind größer und sauberer wurde, auch
leichter durchführen konnte. Diese Zurückhaltung aber wurde vom Kinde als
Versagung, die frühere ausgiebigere Pflege als Verführung empfunden. Das
Gefühl, verführt zu werden (dem der Wunsch danach zugrunde lag),
wiederholte sich immer wieder in Ernas Leben. Beim Kindermädchen und anderen
Erziehungspersonen wie auch in der Analyse suchte Erna die Situation des Ver-
14) Ernas Phantasien, in denen sie die Mutter durch ihre Sauberkeit übertraf und
dafür als Frau „Dreckparadie" vom Vater geheiratet wurde, während die Mutter im
Gefängnis verhungerte, erwiesen, aus welchen Quellen dieser frühe Ehrgeiz mitgespeist
wurde.
ij) Freud, Die Disposition zur Zwangsneurose. Ges. Schriften, Bd. V, S. 286.
- 58 _
führtwerdens wieder herzustellen, abwechselnd mit dem Vorwurf, daß sie ver-
führt worden sei. Aus der Analyse der Ubertragungssituation ließ sich diese
Einstellung auf die früheren Situationen bis auf die früheste — die der Kinder-
pflege — zurückführen.
In diesen angeführten drei Momenten ist der konstitutionelle Anteil von
Ernas Neurose unverkennbar. 16
Ich habe nun noch nachzutragen, in welcher Weise das Erleben der U r s z e n e
zu diesen konstitutionellen Momenten hinzutrat und_so zur vollen Entwicklung
der Zwangsneurose führte. Erna hatte im Alter von zweiundeinhalb Jahren und
dann wieder mit dreiundeinhalb Jahren 17 das Schlafzimmer der Eltern in der
Sommerfrische geteilt und Gelegenheit zu Koitusbeobachtungen gehabt, deren
Wirkungen ich nicht nur aus der Analyse erkannte, sondern die sich mit voller
Sicherheit auch aus den Aussagen der Umgebung feststellen ließen. In dem
Sommer, in den die Koitusbeobachtungen fielen, veränderte sich das Kind in
auffallend ungünstiger Weise. Die Analyse ergab, daß die Koitusbeobachtungen
den vollen Ausbruch der Neurose herbeiführten. Der Anblick der k o i t i e-
r enden Eltern, der die Schärfe der Versagung und den Neid steigerte,
16) Ich kam seither zur Auffassung, die ich im Kap. VIII ausführlicher begründe,
daß ein übermäßiger oraler Sadismus eine Grundlage für eine übermäßig schnelle Ich-
entwicklung ist und auch die Libidoentwicklung beschleunigt. Die drei Momente, die ich
als die konstitutionelle Grundlage von Ernas Neurose anführte — der übermäßige
Sadismus, die überschnelle Ichentwicklung und die vorzeitige starke "Wirksamkeit der
genitalen Regungen — greifen demnach ineinander.
Ein weiteres konstitutionelles Moment für die Neurose sehe ich auch auf Grund
späterer Erfahrungen in der ungenügenden Fähigkeit des Ichs, Angst zu ertragen. In
manchen Fällen, zu denen Erna gehörte, löst der Sadismus schon sehr früh eine über-
mäßige Angst aus, die das Ich nicht entsprechend bewältigen und verarbeiten kann.
Doch ist die Fähigkeit des Ichs, auch weniger große Angstquantitäten zu bewältigen,
variabel und ein Moment, das die Neurose mitdeterminiert.
17) Hier ergibt sich eine interessante Analogie zu dem in: Die Geschichte einer
infantilen Neurose von Freud beschriebenen Falle. Als Erna fünf Jahre alt war,
also einundeinhalb Jahre nach ihren letzten Koitusbeobachtungen, waren die Eltern
mit dem Kinde zu Besuch bei der Großmutter, wobei Eltern und Kind in einem
gemeinsamen Zimmer schliefen. Dieses Mal hatte das Kind keine Gelegenheit zu
Koitusbeobachtungen. Des Morgens überraschte Erna die Großmutter mit folgender
Erzählung: „Vati ist zu Mutti ins Bett gestiegen und hat dort mit ihr Wackel-Wackel
gemacht." Die Behauptung der Kleinen blieb unerklärlich, bis sich aus den Ergebnissen
der Analyse feststellen ließ, daß das Kind mit zweiundeinhalb Jahren die Vorgänge,
deren Zeugin es war, aufgenommen, wieder vergessen, aber aufbewahrt und dann mit
dreiundeinhalb Jahren diese Eindrücke wieder aufgefrischt und wieder vergessen hatte.
Die analoge Situation, das gemeinsame Schlafen mit den Eltern, hatte einundeinhalb
Jahre nachher in ihr die unbewußte Erwartung der gleichen Beobachtung angeregt und
das früher Erlebte aktiviert. Auch in diesem Falle, wie in dem des „Wolfsmannes",
war die Urszene vollständig verdrängt, in späterer Zeit aber aktiviert und vorüber-
gehend dem Bewußtsein zugeführt worden.
— 5 9 —
verstärkte übermäßig die sadistischen, der sexuellen Befriedigung der
Eltern geltenden Phantasien und Regunge n. 18
Ernas Zwangssymptome klärten sich folgendermaßen auf: der zwanghafte
Charakter des Lutschens war durch die Phantasien vom Saugen, Zerbeißen
und Fressen des väterlichen Penis und der Mutterbrust ver-
ursacht worden, wobei der Penis den ganzen Vater und die Brust die Mutter
vertraten. 19 Die Analyse deckte auch die starken melancholischen Züge im Krank-
heitsbilde auf, auf die ich hier nur kurz hinweise. 20 Ich habe für die bei Erna
wirksame unbewußte Bedeutung des Kopfes als Penis mehrere Beispiele angeführt.
Das Aufschlagen des Kopfes sollte die Koitusbewegungen des
Vaters darstellen. Erna berichtete, daß ihre Angst vor dem Räuber oder Ein-
brecher, in der Nacht nur so lange aufhört, als sie mit dem Kopfe „bumst", sie
hat sich also dieser Angst durch Identifizierung mit dem Angst-
objekt entzogen. Ein sehr kompliziertes Gebilde war ihre Zwangsonanie.
Sie unterschied deren mehrere Arten: das Zusammenpressen der Beine, das von
ihr „Rankern" genannt wurde; das „Bildhauern", das mit dem Schaukeln identisch
ist; das „Schrankspielen", wie sie das Ziehen an der Klitoris nannte, wobei „sie
etwas ganz Langes herausziehen möchte". Außerdem übte sie durch den Zipfel
des Lakens, den sie zwischen den Beinen durchzog, einen Druck auf die Vagina
aus. Bei allen diesen verschiedenen Arten der Onanie waren verschiedene Identi-
fizierungen wirksam, und zwar je nachdem, ob Erna die aktive Rolle des Vaters
oder die passive der Mutter oder die Rolle beider in ihren Phantasien darstellte.
Diese Masturbationsphantasien von stark sadistisch-masochistischem Charakter
zeigten deutlichen Zusammenhang mit der Urszene und den Urphantasien. Der
Sadismus richtete sich gegen die koitierenden Eltern; als Reaktion auf ihren
Sadismus traten Phantasien von entsprechendem masochistischem Charakter auf.
In einer Reihe von Analysenstunden onanierte Erna auf diese verschiedenen
18) Wir wissen durch Freud, daß die Angstquantitäten für den Ausbruch der
Neurose entscheidend sind (Hemmung, Symptom und Angst, Ges. Sehr., Bd. XI, S. 96).
Die Angst wird aber meiner Auffassung nach durch die destruktiven Triebregungen
ausgelöst (siehe Kap. VIII und IX); der Ausbruch der Neurose wäre somit die un-
mittelbare Folge einer übermäßigen Steigerung der destruktiven Triebregungen. Im
Falle Ernas erwies sich auch, daß es der zufolge der Urszene gesteigerte Haß war, der
eine übermäßige Angst ausgelöst hatte. Diese führte den Ausbruch der Neurose herbei.
19) Siehe Abraham: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido. S. 78.
20) Im Verlaufe der Analyse klagte Erna wiederholt über ein merkwürdiges Gefühl,
das sie oft habe: Sie wundere sich plötzlich, ob sie ein Tier sei oder nicht. Dieses Gefühl
war durch ihre Schuldgefühle über ihre kannibalistischen Antriebe determiniert. Die De-
pression Ernas, die sie in die Worte gefaßt hatte: „Etwas im Leben gefällt mir nicht",
wurde in der Analyse als direkter Lebensüberdruß deutlich und war mit Selbstmord-
wunschen verbunden. Sie wurzelte in ihren Schuldgefühlen, die auf die oral-sadistischen
Regungen zurückgingen.
- Go -
Arten; zugleich aber gelang es der gut befestigten Übertragung, das Kind
zwischendurch zum Mitteilen der Onaniephantasien zu bewegen. So wurde
mit der Erkenntnis der Ursachen der Zwangsonanie auch deren Behebung
möglich.
Das „Schaukeln", das bei Erna in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres
aufgetreten war, entsprang dem "Wunsch, masturbiert zu werden, und ging auf
die Berührungen der Kinderpflege zurück. Wenn Erna in diesem Analysen-
abschnitt den elterlichen Koitus auf die verschiedensten Arten im Spiel dargestellt
hatte und wenn daran anschließend die ganze Wut anläßlich der Versagung
hervortrat, fehlte niemals die Situation, in der sie halb liegend oder sitzend
schaukelte, dabei exhibierte und schließlich auch die direkte Aufforderung an
mich richtete, sie doch am Genitale zu berühren, manchmal auch die, an ihrem
Genitale zu riechen. Um diese Zeit aber überraschte — nach dem Bade — das
sechsjährige Kind die Mutter durch die Aufforderung, doch eines ihrer Beine
hochzuheben und sie unten zu betupfen oder zu berühren, wobei sie völlig die
— zuletzt vor Jahren eingenommene — Stellung eines kleinen Kindes beim
Pudern des Genitales einnahm. Diese Aufklärung des Schaukeins führte auch
zur völligen Behebung dieses Zwangssymptoms.
Ernas Lernhemmung, die so weit ging, daß sie sich im Laufe zweier Jahre,
trotz aller Mühe, die sie sich gab, kaum die Kenntnisse erworben hatte, die
Kinder sonst normalerweise innerhalb einiger Monate sich aneignen, erwies sich
als eines ihrer resistentesten Symptome. Es wurde erst im letzten Teil der
Analyse stärker beeinflußt und war, als ich die Behandlung abschloß, wohl
gebessert, aber nicht behoben. Ich habe schon eingehend die günstige Veränderung
im Verhältnis zu beiden Elternteilen und damit auch die von Ernas Libidoposition
im allgemeinen besprochen und ferner hervorgehoben, daß durch die Analyse eine
soziale Anpassung überhaupt erst in die Wege geleitet worden ist. Die Zwangs-
symptome (die Zwangsonanie, Lutschen, Schaukeln usw.), die so schwer waren,
daß sie zum Teil die Schlaflosigkeit des Kindes verursachten, wurden behoben.
Damit zugleich und mit der wesentlichen Verminderung der Angst wurde der
Schlaf normal. Auch die Depressionen hörten auf. 21 Dennoch hielt ich, als
die Behandlung nach fünfhundertundfünfundsiebzig Arbeitsstunden, die sich über
einen Zeitraum von zweiundeinviertel Jahren erstreckten, aus äußeren Gründen
zum Abschluß kam, die Analyse keineswegs für beendet. Die außerordentliche
Schwere des Falles, die sich nicht nur in den Krankheitserscheinungen, sondern
auch in einer mißglückten Charakterentwicklung und im völlig abnormen Wesen
des Kindes geäußert hatten, hätte ein großes Stück weiterer Analyse erforderlich
21) Dieses Resultat hat sich — wie ich zuletzt zweiundeinhalb Jahre nach Abschluß
der Analyse erfuhr — als haltbar erwiesen.
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gemacht, um die noch vorhandenen Schwierigkeiten zu beheben. Daß ihre Sta-
bilität nicht genügend befestigt war, ging auch daraus hervor, daß Erna dazu'
neigte, wenn sie in Situationen geriet, die für sie eine Belastung darstellten, in
schon überwundene Schwierigkeiten — wenn auch in schwächerem Ausmaße —
zurückzuverfallen. Unter diesen Umständen aber liegt die Möglichkeit vor, daß
stärkere Belastungen oder auch nur der Übergang ins Pubertätsalter zu neuerlicher
Erkrankung oder zu sonstigen Schwierigkeiten führen können.
Hier erhebt sich eine Frage von prinzipieller Bedeutung, die Frage nämlich,
wann eine Kinderanalyse überhaupt als beendet zu betrachten ist. Ich kann bei
Kindern im Latenzalter selbst sehr günstige Resultate, auch wenn
sie die Umgebung voll befriedigen, nicht als alleinigen Maßstab für eine
beendigte Analyse betrachten. Ich kam nämlich zur Überzeugung, daß
die Tatsache an sich — so bedeutungsvoll sie auch ist -, daß die Analyse eine
günstigere Entwicklung im Latenzalter angebahnt hat, noch keine Gewähr für das
volle Gelingen der weiteren Entwicklung bietet.* 2 Der Übergang in das Pubertäts-
alter und aus diesem in das Erwachsenenalter scheint mir der Prüfstein dafür, ob
eine Kinderanalyse weit genug geführt wurde. Ich gehe auf diese Frage im
sechsten Kapitel ein und will in diesem Zusammenhange nur als eine Erfahrungs-
tatsache berichten, daß die Analyse des Kindes in um so größerem Ausmaße auch
für die zukünftige Stabilität vorsorgt, je mehr sie die Angst der
tiefstenSchichten aufzulösen vermag. Hierin aber und in dem Charakter
(vielmehr den zustandegekommenen Veränderungen) der unbewußten
P h a n t a s i e n sehe ich ein Kriterium, das mitentscheidend ist für die Beurteilung,
ob eine Analyse weit genug geführt wurde. Um auf Ernas Fall zurückzukommen:'
Ich habe an einer früheren Stelle dieses Berichtes erwähnt, daß beim Abschluß
der Analyse die Verfolgungsphantasien quantitativ und der Intensität nach stark
abgenommen hatten. Meiner Auffassung nach aber wäre eine weitere Herab-
setzung des Sadismus und der Angst durchaus erreichbar und auch erfor-
derlich gewesen, um der Möglichkeit einer späteren Erkrankung im Pubertäts-
oder Erwachsenenalter genügend vorzubauen. Da aber aus äußeren Gründen
eine Fortsetzung der Analyse nicht möglich war, so wurde deren Beendigung
für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht genommen.
Ich schließe nun an diese Krankengeschichte die Besprechung einiger prin-
zipieller Fragen, die sich mir zum Teil auch aus dieser Analyse ergeben haben.
Die weitgehende Beschäftigung mit sexuellen Fragen in der Analyse, die Freiheit,
JK ~ ^ A u SZ , Ug £" S dner , Pubertäts analy S e CM, den ich im fünften Kapitel
gebe trete ich auch der Frage näher, welche Faktoren für den gelungenen Übergang in
betend -V" We " eren Fakt ° ren ^ den ° berSang ^ daS Pube «ät S alter
- 6a -
Ü
r
die dem Kinde in Phantasien und Darstellungen gewährt wurde, 23 führten nicht
etwa zur Vermehrung der sexuellen Reize und zur stärkeren Konzentration auf
die Sexualität, sondern zu deren wesentlicher Verminderung. Bei Erna handelte
es sich überdies um ein Kind, dessen ungewöhnliche sexuelle Frühreife allgemein
auffiel. Nicht nur die Art der Phantasien, sondern auch das Benehmen und die
Bewegungen Ernas trugen den Charakter eines stark sinnlichen Mädchens der
Pubertätszeit; dies trat auch besonders in ihrem sehr herausfordernden Verhalten
Knaben und Männern gegenüber hervor. Auch dieses Verhalten hat sich während
der Analyse günstig verändert, und das Kind zeigte dann ein kindlicheres Wesen.
Auch bewirkte die Analyse der Onaniephantasien, daß sie die Zwangsonanie
einstellte. 24
Als eine andere prinzipielle Frage möchte ich hervorheben, daß es mir un-
erläßlich scheint, Zweifel und Kritik, die im Unbewußten des Kindes
hinsichtlich der Eltern, insbesondere deren Sexualität, bestehen, in der
Analyse so weitgehend als möglich bewußt zu machen. Das Verhältnis
zur Umgebung wird dadurch nur verbessert, da die unbewußten Gefühle
von Groll, Verurteilung usw. durch das Bewußtmachen einer Realitätsprüfung
unterzogen und dadurch vermindert werden. Gleichzeitig bessert sich die
Realitätsbeziehung. Andrerseits ist, wie ich im Falle Ernas beschrieb, die
Fähigkeit zur bewußten Kritik der Eltern zum Teil schon das Resultat der durch
die Analyse bewirkten Verbesserung der Realitätsbeziehung. 25
23) Ich habe im vorigen Kapitel darauf hingewiesen, daß auch die Kinderanalyse in
der Abstinenz durchgeführt werden müsse, wobei allerdings die Unterschiede des kind-
lichen Wesens von dem des Erwachsenen einen anderen Maßstab ergeben. Zum Beispiel
gewährt der Analytiker auch durch seinen Anteil an den Spielen und Phantasien des
Kindes diesem eine im Vergleich zur Erwachsenenanalyse viel größere reale Befriedigung,
aber das Maß dieser Befriedigung schränkt sich wieder dadurch ein, daß das Spiel die
dem Kinde gemäße Ausdrucksweise ist, und daß der Anteil des Analytikers am Spiel
deshalb nicht wesensverschieden ist von der Aufmerksamkeit, mit der der Analytiker den
in Worten ausgedrückten Phantasien des Erwachsenen folgt. Auch beim Kinde sind die
in der Analyse erzielten Befriedigungen im wesentlichen Befriedigungen der Phantasie.
Erna, die in den Analysenstunden eine Zeitlang regelmäßig onanierte, war eine Aus-
nahme. Hiebei ist aber in Betracht zu ziehen, daß bei Erna Zwangsonanie in einem
so starken Ausmaße vorlag, daß sie im allgemeinen den größten Teil des Tages onanierte,
u. zw. auch in Gegenwart anderer. Als der Zwang vermindert war, führte auch bei ihr
die analytische Situation zur Einstellung der Masturbation während der Analysen-
stunden und zur bloßen Darstellung der Masturbationsphantasien.
24) Ich verstehe darunter, daß die übermäßige Masturbation und die Masturbation in
Gegenwart anderer, die zwanghafte Ursachen hatten, aufhörten, — nicht aber, daß die
Masturbation an sich völlig eingestellt wurde.
25) Solange die Realitätsabsperrung so stark war, konnte ich nur das Phantasie-
material analysieren. Ich war dabei fortgesetzt bestrebt, die schwachen Fäden, die von
der Phantasie zur Realität führten, aufzufinden. Auf diese Weise und durch die stetige
Herabsetzung der Angst gelang es, schrittweise die Beziehung zur Realität zu stärken. —
Ich gehe im nächsten Kapitel ausführlicher darauf ein, daß im Latenzalter häufig ganze
- 63 -
Ich gehe nun auf ein technisches Problem ein. — Wie ich berichtete, kam es*
häufig zu Wutausbrüchen Ernas in den Analysenstunden. Ihre "Wutanfälle und
ihr Sadismus nahmen mir gegenüber häufig bedrohliche Formen an. Die Analyse
macht bekanntlich beim Zwangsneurotiker starke Affekte frei: beim Kinde
kommen diese aber in viel unmittelbarerer und unbeherrschterer Weise zum
Ausdruck. Ich habe Erna gegenüber von vornherein an der Forderung fest-
gehalten, daß sie sich an meiner Person nicht vergreifen dürfe. Hingegen konnte
sie aber ihre Affekte auf verschiedene andere Arten abreagieren; sie zerbrach,
zerschnitt Spielzeug usw., sie schleuderte die Stühlchen, warf die Kissen, stampfte
mit den Füßen auf der Chaiselongue, goß Wasser aus, beschmierte Papier, Spiel-
zeug, Waschbecken, 26 schimpfte usw., ohne von mir daran gehindert zu werden.
Gleichzeitig aber analysierte ich ihre Wut, die sich dadurch immer wieder herab-
setzen oder auch ganz beheben ließ. Es sind also drei Momente, die technisch bei
den Affektausbrüchen der Kinder zu beachten sind: i) Ein T e i 1 der A f f e k t e
muß beherrscht werden, was aber vom Kinde nur aus real begründeten
Rücksichten gefordert wird, z) wird zugleich dem Kinde die Abreaktion
der Affekte sowohl in Worten wie auch auf die früher beschriebenen Arten
freigegeben, 3) werden durch die fortlaufenden Deutungen und die
Zurückf ührung der gegenwärtigen auf die ursprüngliche
Situation die Affekte selbst vermindert oder aufgelöst. Innerhalb dieser
allgemeinen Regeln sind natürlich die verschiedensten Dosierungen nötig.
Bei Erna zum Beispiel habe ich bald zu dem Mittel greifen müssen, wenn ich
ihr den Schluß der Stunde anzeigte — was eine Zeitlang immer einen Wut-
ausbruch herbeiführte — , zugleich auch beide Türen zu öffnen, da es ihr außer-
ordentlich peinlich gewesen wäre, wenn die Person, die sie abholte, etwas von
ihren Affekten bemerkt hätte. In diesem Zeitabschnitt glich auch mein Zimmer,
wenn Erna es verlassen hatte, einem Schlachtfelde. Zu einem späteren Zeitpunkte
der Analyse begnügte sie sich damit, nur noch schnell die Kissen hinunterzuwerfen;
noch später verließ sie vollständig ruhig mein Zimmer. Ein anderes Beispiel ent-
nehme ich der Analyse des dreiunddreivierteljährigen P e t e r, bei dem es auch zu
starken Wutausbrüchen kam. Zu einem späteren Zeitpunkt seiner Analyse äußerte
er, auf ein Spielzeug weisend, spontan: „Ich kann mir auch ganz gut denken,
daß ich das jetzt kaputt gemacht habe". 27 Es ist aber wesentlich, daß die vom
Strecken hindurch vorwiegend das Phantasiematerial analysiert werden muß, bevor der
Zugang zur Realität des Kindes und zu seinen Ichinteressen hergestellt werden kann.
26) Ich halte es für eine unerläßliche Voraussetzung der Kinderanalyse, daß das Be-
handlungszimmer derart eingerichtet sei, daß das Kind weitgehend abreagieren kann.
Beschädigungen der Möbel, des Fußbodens usw. nehme ich dabei bis zu einem gewissen
Grade in Kauf.
27) Auch ganz kleine Kinder beweisen häufig durch Äußerungen, daß sie die Über-
tragungssituation voll erfaßt und daß sie begriffen haben, daß die Verminderung von
- 64 -
Analytiker erhobenen unerläßlichen Forderungen an teilweise Be-
herrschung der Affekte seitens des Kindes nicht Erziehungs-
maßnahmen bedeuten, sondern rationell begründet sind. Die
rationelle Notwendigkeit zu einer gewissen Beherrschung der Affekte leuchtet
dem Kinde ein — auch wenn es sie durchaus nicht immer durchzuführen vermag.
Analog führe ich auch manchmal im Spiele einen Teil der mir zugemuteten, über-
mäßig beschwerlichen oder unangenehmen Handlungen nicht wirklich durch; aller-
dings komme ich auch hiebei nach Möglichkeit den Einfällen des Kindes
nach. Sehr wichtig ist auch eine weitgehende Affektlosigkeit des Analytikers den
Affektausbrüchen des Kindes gegenüber.
*
Ich ziehe das Material dieses Falles zur Illustration meiner im zweiten Teil
dieses Buches niedergelegten 28 späteren theoretischen Aufstellungen heran. Die
vergoldeten Laternen der Lokomotive, die „so schön rot sind und brennen", und
an denen Erna lutscht, stellen den väterlichen Penis dar (vgl. auch das
„Lange Goldene", das den Kapitän über Wasser hält), und werden von ihr auch
der Mutterbrust gleichgesetzt. Die Tatsache, daß das Lutschen bei Erna
starkes Schuldgefühl hervorruft, geht daraus hervor, daß, solange ich das Kind
darstelle, mein größter Fehler das Lutschen ist. Dieses Schuldgefühl erklärt sich
daraus, daß ihr das Lutschen zugleich ein Abbeißen und Fressen der mütterlichen
Brust und des väterlichen Penis bedeutete. Ich verweise auf meine Aufstellung,
daß es die Entziehung der Mutterbrust ist, die mit dem Wunsche
nach der Introjektion des väterlichen Penis und dem Neid
und Haß gegen die Mutter den Ödipuskonflikt aktiviert. Diesem
Neid liegt die frühe Sexualtheorie zugrunde, daß die Mutter im Koitus mit dem
Vater sich dessen Penis einverleibe und bei sich behalte. 29 Der Neid erwies
sich als der Kernpunkt von Ernas Neurose. Die Angriffe, die Erna zu Beginn
ihrer Analyse als „der Dritte" auf das Haus unternahm, in dem sich der Mann
und die Frau allein aufhalten, erwiesen sich als eine Darstellung ihrer aggres-
siven Regungen gegen das Innere des Mutterleibes und den
Affekten in der Analyse mittels der Deutung der ursprünglichen Situation und der dieser
zugehörigen Affekte bewirkt wird. In solchen Fällen unterschied zum Beispiel Peter oft
zwischen m i r, die ihm „wie die Mutti vorkomm t", und seiner wirklichen
Mutti. Zum Beispiel hat er, als er wieder einmal die Autos in Bewegung setzte (was den
Koitus der Eltern symbolisierte), nach mir gespuckt, mich schlagen wollen und zu mir
„ungezogenes Biest" gesagt. Im Anschluß an meine Deutung wird er nach heftigem
Widerspruch nach und nach friedlich und liebevoll und fragt: „Wollte ich, als Papas
Tüpödichen so in die Mutti fuhr, zu meiner wirklichen Mutter ,Biest' sagen?"
28) Siehe auch meine Arbeit: Frühstadien des Ödipuskonfliktes. Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XIV. (1928).
29) Siehe Kap. VIII.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
- 65 -
dort vorausgesetzten väterlichen Penis. Diese durch den oralen Neid
stimulierten Regungen äußerten sich auch in dem Spiel, in dem sie das Schiff,
die Mutter darstellend, zum Sinken brachte und dem Kapitän (Vater) „das
Lange, Goldene" und den Kopf, der ihn über Wasser hielt, abriß, ihn also
symbolisch (in der Koitussituation mit der Mutter) kastrierte. Zu welcher Steige-
rung der sadistischen Mittel diese Angriffe auf den Mutterleib führen, geht aus
den Einzelheiten der Angriffsphantasien Ernas hervor. Die in explosive, gefähr-
liche Stoffe verwandelten Exkremente werden zum Angriff gegen
das Innere des Mutterleibes verwendet. Dies hat Erna zum Beispiel dar-
gestellt durch das Verbrennen des Hauses, wobei „die Menschen platzen". Das
Ausschneiden von Papier („Schabefleisch", „Augensalat machen") erwies sich als
eine völlige Zerstörung der im Koitus vereinigten Eltern. Daß
das beabsichtigte Abbeißen meiner Nase, „die Fransen", die sie aus ihr schneiden
wollte, zugleich auch einen Angriff auf den — von mireinverleibten —
väterlichen Penis darstellen, hat sich mir aus dem Material erwiesen
und auch in anderen Fällen bestätigt. 30
Daß die in der Phantasie unternommenen Angriffe auf den Leib der Mutter
auch den Raub unddieZerstörungdessonstigenLeibesinhaltes
(des Stuhls und der Kinder) bezwecken, zeigen die verschiedenen Arten
von „Fischen", um die ein mit allen Mitteln geführter Kampf zwischen „Fischfrau"
(Mutter) und mir, die das Kind darstellte, sich entspann. Ferner phantasierte
Erna, daß ich mir um jeden Preis die „Fische" aneignen will, nachdem ich
zuschauen mußte, als „sie und der Schutzmann zusammen" „Geld (oder die
Fische) gewurlt" (gequirlt) hatten. Der Anblick der koitierenden
Eltern stimulierte also die Begierde, den väterlichen Penis und den
sonstigen Inhalt des Mutterleibes zu rauben. Als Reaktion auf
diese phantasierte Beraubung und Zerstörung des mütterlichen Leibes setzte
(nach den Kämpfen mit der Fischfrau) bei Erna die Angst ein vor einer
„R ä u b e r i n", die ihr alles, was in ihr drinnen war, herausnehmen
wollte. Diesen Angstinhalt habe ichalsderfrühestenGefahrsituation
des Mädchens zugehörig beschrieben, die nach meinen Erfahrungen der
Kastrationsangst des Knaben adäquat ist. 81 Ich will hier auf
den Zusammenhang dieser frühen Angstsituation mit Ernas ganz
30) Auch in anderen Analysen waren Angriffe — phantasierte und reale — gegen
meine Füße und meinen Kopf nicht nur gegen diese Körperteile als solche gerichtet,
sondern auch durch die unbewußte Bedeutung meiner Extremitäten als eines mir
aufgesetzten oder einverleibten väterlichen Penis determiniert.
31) Siehe meine Arbeit: Frühstadien des Ödipuskonfliktes, in der ich auch auf den
Zusammenhang zwischen Arbeitshemmungen und der sadistischen Identifizierung mit der
Mutter eingegangen bin.
- 66 -
außerordentlicher Lernhemmung verweisen, einen Zusammenhang, den ich
in der Zwischenzeit auch in anderen Analysen kennenlernte. 32 Ich wies in Ernas
Krankengeschichte darauf hin, daß die Lernhemmung erst durch die Analyse der
tiefsten Schichten des Sadismus und der Frühstadien des Ödipuskonfliktes be-
einflußt wurde. Der außerordentliche Sadismus, der mit Ernas intensivem Wiß-
trieb verlötet war, hatte dazu geführt, daß die Abwehr gegen den Sadismus
zur völligen Hemmung einer Reihe von — auf dem Wißtrieb basierenden —
Aktivitäten führte. Das Rechnen, das Schreiben hatten die Bedeutung
sadistischer, gegen den Mutterleib und den väterlichen Penis
gerichteter Akte. 33 Diese Tätigkeiten wurden unbewußt einem Zerreißen, Zer-
schneiden, Verbrennen des Mutterleibes und der darin enthaltenen Kinder, einem
Kastrieren des väterlichen Penis gleichgesetzt. Auch das Lesen bedeutete zufolge
der symbolischen Gleichsetzung von Buch und Mutterleib eine räuberische,
gewalttätige Entnahme von Stoffen, Kindern usw. aus dem Innern der
Mutter. 34
Ich will an Hand dieses Falles noch auf einen Punkt hinweisen, dem ich auf
Grund weiterer Erfahrungen ebenfalls generelle Bedeutung zuschreibe. Der
Charakter von Ernas Phantasien und von ihrer Realitätsbeziehung hat sich mir
als typisch für die Fälle erwiesen, in denen paranoide Züge stark wirksam sind.
Aber auch die in Ernas Fall aufgefundenen Grundlagen für die Entwicklung ihrer
paranoiden Züge und für ihre mit diesen Zügen verbundene Homosexualität
haben sich mir auch im allgemeinen als grundlegende Faktoren für die Genese
der Paranoia erwiesen. Ich gehe auf diese Frage ausführlicher im zweiten
Teil dieses Buches (Kap. IX) ein. Hier will ich nur kurz darauf hinweisen, daß
ich die starke Wirksamkeit paranoider Züge in einer Reihe von Kinder-
analysen vorfand, und daß ich auf Grund dieser Erfahrungen zu der Über-
zeugung kam, daß die Aufdeckung und Heilung psychotischer
Züge im Kindesalter eine wichtige und aussichtsreiche Aufgabe der
Kinderanalyse darstellt.
32) Siehe auch den Bericht über Ilse in Kap. V.
33) Siehe hiezu auch meine Arbeit: „Die Rolle der Schule in der libidinösen Ent-
wicklung des Kindes." (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. IX, 1923.)
34) James Strachey hat in seiner Arbeit „Some Unconscious Factors in Reading"
(The Int. Journ. of Psycho-Analysis. Vol. XI, 1930) neben anderen Faktoren diese
unbewußte Bedeutung des Lesens hervorgehoben.
- 6 7 - 5*
VIERTES KAPITEL
Die Technik der Analyse im Latenzalter
Die Analyse des Kindes im Latenzalter stellt uns vor Schwierigkeiten beson-
derer Art. Beim kleineren Kinde finden wir infolge der stärkeren Phantasie-
tätigkeit und der akuteren Angst einen leichteren Einblick und Zugang zum
Unbewußten als beim Kinde im Latenzalter, das im Zusammenhang mit den
starken Verdrängungstendenzen, die für diese Stufe charakteristisch sind, eine
viel stärker eingeschränkte Phantasietätigkeit aufweist. Andrer-
seits stehen wir einem, im Vergleich zum Erwachsenen, unentwickelteren Ich
gegenüber und finden nicht die Krankheitseinsicht und den Heilungs-
willen des Erwachsenen als Ausgangspunkt und Stütze für die analytische Arbeit
vor. Zu diesen Schwierigkeiten gesellt sich eine für diese Entwicklungsperiode
charakteristische Verschlossenheit und auch Mißtrauen. Diese Ein-
stellung erklärt sich unter anderem aus der Tatsache, daß das Kind im Latenzalter
intensiv mit dem Kampfe gegen die Masturbation beschäftigt ist und aus diesem
Grunde alles, was an Ausforschen erinnert und an die mühsam niedergehaltene
Sexualität rührt, innerlich stark ablehnt. Diese Besonderheiten wirken sich dahin
aus, daß wir in der Analyse keinen rechten Zugang finden, denn Kinder dieser
Altersstufe assoziieren nicht wie Erwachsene, sie spielen aber auch nicht wie kleine
Kinder. Es erwies sich mir aber, daß die analytische Situation bald herzustellen
ist, wenn man von einem dem "Wesen des größeren Kindes gemäßen Ausgangs-
punkt den Kontakt mit dem Unbewußten herstellt.
Das kleine Kind, das noch unter dem Hochdruck seiner Trieberlebnisse und
Phantasien steht, stellt uns in der Analyse zunächst diese dar. Deshalb ist meiner
Erfahrung nach in den Frühanalysen schon in den ersten Stunden die Deutung
von Koitusdarstellungen und sadistischen Phantasien angebracht. Das Kind im
Latenzalter hat hingegen seine Erlebnisse und Phantasien schon viel stärker de-
sexualisiert und anders verarbeitet.
Die siebenjährige Grete, ein sehr verschlossenes, eingeschränktes Kind mit
stark schizoiden Zügen, zeigt sich nicht zugänglich, zeichnet aber ganz primitive
Darstellungen von Häusern und Bäumen, die sie immer wieder in zwangsneuroti-
scher "Weise miteinander abwechseln läßt. Ich stelle an gewissen immer wieder-
kehrenden Unterschieden in Farbe, Größe und Reihenfolge der Häuser und Bäume
fest, daß die Häuser sie und die Mutter, die Bäume den Vater und den Bruder
und ihr Verhältnis zueinander bedeuten. Hier setzte ich mit der Deutung ein,
indem ich ihr erklärte, daß es der Geschlechtsunterschied zwischen Vater und
Mutter, ihr und dem Bruder und auch der Unterschied zwischen Erwachsenen und
Kindern sei, der sie beschäftige. Sie stimmte mir bei und reagierte sogleich auf die
- 68 -
Deutung durch Veränderung des bis dahin ganz monotonen Zeichnens. (Trotzdem
sing die Analyse noch monatelang vorwiegend an Hand des Zeichnens vor sich.)
Bei der siebenjährigen Inge konnte ich mehrere Stunden hindurch keinen wirk-
lichen Zugang finden. Ich erhielt ziemlich mühsam ein Gespräch über Schule usw.
aufrecht. Das Kind zeigte sich mir gegenüber sehr mißtrauisch und ablehnend.
Inge wurde erst lebhafter, als sie von einem Gedicht erzählte, das sie in der Schule
gelesen hatte. Sie fand daran auffallend, daß lange "Worte mit kurzen ab-
wechselten; kurz vorher hatte sie von Vögeln gesprochen, die sie in einen Garten
hineinfliegen, aber nicht mehr zurückfliegen sah. Die Beobachtungen schlössen an
eine Bemerkung an, daß sie und ihre Freundin bei einem Spiel es ebenso gut
gemacht hätten wie die Jungen. Ich erklärte ihr nun, daß sie wissen möchte,
woher die Kinder (die Vögel) kämen und was der Unterschied zwischen Knaben
und Mädchen (lange und kurze "Worte — die Geschicklichkeit der Knaben und
Mädchen) sei. Auch in diesem Falle ließ sidi als Folge der Deutung die gleiche
Wirkung wie bei Grete feststellen. Der Kontakt war hergestellt, Inge brachte
reicheres Material und die Analyse war eingeleitet.
In diesen und anderen Fällen beherrscht die verdrängte "Wißbegierde
das Bild. Wenn wir in Analysen im Latenzalter bei diesem Punkte mit der
Deutung einsetzen — wobei ich durchaus keine Aufklärung im intellektuellen
Sinne meine, sondern nur eine Deutung des Materials an Zweifeln,
Befürchtungen, unbewußten Kenntnissen, Sexualtheorien 1 usw. — ,
i) Das Sexualinteresse dient auf diese Art in der Analyse als Zugang zum ver-
drängten Material. Inge und Grete zum Beispiel schlössen an meine Deutung keine
weiteren, der Aufklärung geltenden Fragen an, sondern brachten Material, das den
Zugang zur Angst und zum Schuldgefühl eröffnete. Die in diesen Fällen erzielte "Wirkung
beruhte auf der Aufhebung eines Stückes Verdrängung. Bei Inge war das Interesse,
woher die Kinder kommen, wohl teilweise bewußt, nicht aber ihre Grübeleien über den
Geschlechtsunterschied und ihre damit zusammenhängende Angst. Bei Grete war beides
verdrängt. Die Wirkung der Deutung beruhte darauf, daß ich den Kindern ihr Interesse
an Hand des Materials nachwies und so den Zusammenhang zwischen Sexualinteresse,
latenter Angst und Schuldgefühl herstellte.
Bei der bloß intellektuellen Aufklärung werden häufig nicht die im Vordergrund
stehenden Fragen beantwortet, sondern es wird an Verdrängtes gerührt, ohne es auf-
zulösen. Dann verhält sich das Kind gegen die Aufklärung ablehnend. Die Auffassung,
daß das Kind die Aufklärung nur insoweit aufnehmen kann, als es nicht durdh Angst
und Konflikte daran gehindert wird, und die daraus sich ergebende Folgerung, daß der
Widerstand gegen die Aufklärung als symptomatisch zu bewerten sei, habe ich in meiner
Arbeit „Der Widerstand gegen die Aufklärung" (in: Eine Kinderentwicklung. Imago,
Bd. VII [1921]) vertreten. In der Zwischenzeit scheint diese Auffassung sich allgemein
durchgesetzt zu haben. (Siehe: Über sexuelle Aufklärung. Sonderheft der Ztschr. f. psycho-
analyt. Pädag., 1927, und Otto Fenichel: Einige noch nicht beschriebene infantile
Sexualtheorien, Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XIII, 1927.)
In den Fällen, in denen durch eine intellektuelle Aufklärung Erleichterung erzielt
wird, ist es meist geglückt, auch ein Stück Verdrängung in oberen Schichten aufzulösen.
Wenn das Kind Fragen dieser Art spontan stellt, bedeutet die ihm rückhaltlos gewährte
- 6 9 -
so stoßen wir bald auf Schuldgefühl und Angst und haben die
analytische Situation hergestellt. Die Wirkung der Deutung beruht auf Aufhebung
eines Stückes Verdrängung und äußert sich auf mehrfache Art: i) durch
Herstellung der analytischen Situation, 2) durch Lockerung
der Phantasie (die Darstellungsmittel des Kindes ändern sich, werden
ergänzt und erweitert, es fängt an, phantasievoller zu erzählen
und auch mehr zu sprechen), 3) dadurch, daß das Kind ein Gefühl der Er-
leichterung empfindet und zu einem Verständnis für den Zweck der
analytischen Arbeit gelangt, das der Krankheitseinsicht des Er-
wachsenen analog ist. 2
Demnach führen die Deutungen schrittweise zur Überwindung jener Schwierig-
keiten, die sich aus den besonderen Entwicklungsbedingungen des Latenzalters
für die Einleitung und Durchführung der Analyse ergeben und die ich eingangs
dieses Kapitels aufzählte.
Das Spiel des Kindes im L a t e n z a 1 1 e r ist — der stärkeren Phantasie-
verdrängung und dem entwickelteren Ich entsprechend — der Realität mehr
angepaßt und weniger phantastisch als das des kleineren Kindes. Wir finden
auch beim Spiel mit Wasser nicht so unmittelbare Darstellungen der oralen Wünsche,
des Benässens, Beschmutzens, wie beim kleinen Kinde, sondern stärker den reak-
tiven Tendenzen dienende Beschäftigungen in einer rationalisierten Form, wie z. B.
Kochen, Reinigen usw. Ich sehe in dieser so starken Betonung des Rationellen im
Spiele des Kindes dieser Altersstufe nicht nur die Wirkung einer starken Phan-
tasieverdrängung, sondern auch die einer zwanghaften Übertonung der Realität, die
mit den besonderen Entwicklungsbedingungen des Latenzalters zusammenhängt.
Es bestätigt sich immer wieder — ich denke dabei an die typischen Analysen
des Latenzalters — , daß das Ich des größeren Kindes im Latenzalter, das noch
viel schwächer ist als das Ich des Erwachsenen, seine Position zu stärken sucht,
indem es alle seine Kräfte in den Dienst der Verdrängungstendenzen stellt und
an der Realität einen Rückhalt findet. Darin sehe ich auch die Ursache, daß
wir — nach meinen Erfahrungen — zunächst vom Ich keine Hilfe für die
analytische Arbeit, die all diesen Ichtendenzen widerspricht, zu erwarten haben,
sondern uns so schnell wie möglich mit den unbewußten Instanzen ins Einver-
nehmen setzen müssen, um uns auf diese Weise schrittweise auch der Hilfe des
Ichs zu versichern.
Während das kleine Kind sich zunächst mehr an das Spielzeug hält, geht das
Kind im Latenzalter im allgemeinen bald zum R o 1 1 e n s p i e 1 über. Ich habe
Aufklärung ein Zeidien von Vertrauen, wird als Liebesbeweis bewertet und trägt auch
durch die Tatsache, daß sexuelle Fragen zur Erörterung gelangen, zur Beruhigung von
Angst und Schuldgefühl bei.
2) Wie ich im zweiten Kapitel hervorhob, gilt dies auch schon für das ganz kleine Kind.
~ 70 —
r
mir Kindern zwischen fünf und zehn Jahren solche Spiele, die sich von einer
Stunde zur anderen fortsetzen, Wochen- und monatelang gespielt, und das Spiel
machte erst dann einem neuen Platz, wenn die Analyse alle Einzelheiten und
Zusammenhänge aufgeklärt hatte. Das dann einsetzende Spiel bringt häufig die
gleichen komplexbetonten Phantasien in einer anderen Darstellung, aber mit neuen
Einzelheiten, die wieder zu tieferen Zusammenhängen führen. Die siebenjährige
Inge, aus deren Analyse ich nun einen Ausschnitt mitteilen werde, war trotz
ihrer Schwierigkeiten — deren volles Ausmaß erst durch die Analyse aufgeklärt
wurde — ihrem ganzen Wesen und Verhalten nach als normales Kind zu
bezeichnen. 3 Inge spielte längere Zeit hindurch mit mir ein Bureauspiel, in dem
sie einen Bureauchef darstellte, der Aufträge aller Art erteilte, Briefe diktierte
und schrieb. (Im Gegensatz dazu stand die schwere Lern- und Schreibhemmung
des Kindes.) In diesem Spiele erkennen wir Inges Männlichkeitswünsche. Sie gab
eines Tages dieses Spiel auf, um mit mir Schule zu spielen. Hier ist zu bemerken,
daß Inge nicht nur schwer und ungern lernte, sondern auch eine tiefe Abneigung
gegen die Schule als solche hatte. Sie spielte nun längere Zeit mit mir Schule in
der "Weise, daß sie die Lehrerin war und ich die Schülerin darstellte. Die Gründe,
aus denen sie mich versagen ließ, lieferten mir wichtige Anhaltspunkte für die
Gründe ihres eigenen Versagens in der Schule. Inge, die das jüngste Kind war,
hatte allem Anschein entgegen nur sehr schwer die Überlegenheit der älteren
Geschwister ertragen und fand diese Situation für ihr Gefühl wieder, als sie zur
Schule kam. Aus den Einzelheiten des Unterrichts in ihrer Rolle als Lehrerin ging
hervor, daß es letzten Endes die Nichtbefriedigung und Verdrängung eines sehr
frühen Wißtriebes 4 war, die ihr die Überlegenheit der Geschwister so unerträglich
machte und später den Unterricht in der Schule verleidete.
3) Inges Analyse war eine prophylaktische. Die Behandlung umfaßte dreihundert-
fünfundsiebzig Stunden. Die größte Schwierigkeit, die bei ihr vorlag, war eine Schul-
hemmung, die, als Inge mit sieben Jahren die Analyse begann, nicht besonders auffiel,
sich aber in der Analyse als sehr tiefgehend erwies. Inge war lebhaft und aktiv, sozial
gut angepaßt und durchaus als normales Kind zu bezeichnen. Nichtsdestoweniger führte
die Analyse, zu bemerkenswerten Veränderungen. Es ergab sich, daß die Aktivität auf
der dominierenden aktiv homosexuellen Einstellung, ihr vorwiegend gutes Verhältnis zu
Knaben auf einer Identifizierung mit ihnen beruhte. Bei Inge lag eine Neigung zu
Depressionen vor, deren Intensität erst die Analyse aufdeckte. Hinter dem anscheinend
gut entwickelten Selbstbewußtsein bestanden ein tiefes Minderwertigkeitsgefühl und die
Angst, zu versagen, die für Inges Schulschwierigkeiten bestimmend waren. Als Resultat
der Analyse zeigte Inge ein sehr viel freieres, glücklicheres und offeneres Wesen, ein
zärtlicheres und aufrichtigeres Verhältnis zur Mutter und zahlreichere und stabilere
Sublimierungen. Inge hat den Obergang ins Pubertätsalter gut vollzogen und entwickelt
sich befriedigend. Für die 2ukunft scheint bedeutungsvoll die Änderung ihrer sexuellen
Einstellung, die die weibliche Komponente sehr viel stärker hervortreten läßt. In den seit
Beendigung der Behandlung vergangenen sieben Jahren hat Inge sich sehr gut entwickelt
und der Übergang ins Pubertätsalter hat sich günstig vollzogen.
4) Ich gehe im Kap. X näher darauf ein, daß im allgemeinen die ersten grund-
— 71 —
"Wenn Inge also zuerst durch weitgehende Identifizierung mit dem Vater, damiv
im Spiel als Lehrerin durch Umkehrung der Rollen Mutter — Tochter sich mit der
Mutter identifiziert hatte, so zeigte sie in einem daran anschließenden Spiel, in
dem sie eine Spielzeugverkäuferin darstellte (wobei ich für meine Kinder aller-
hand zu kaufen hatte), was die Mutter ihr hätte geben sollen. Die Gegen-
stände, die sie mir verkaufte, waren Penissymbole (Füllfedern, Bleistifte usw.),
und das Kind, dem ich sie mitbringen sollte, wurde durch diesen Besitz klug und
geschickt. Die Wunscherfüllung in diesem Spiele, bei dem zunächst die homo-
sexuelle Einstellung und der Kastrationskomplex wieder hervortraten, ging dahin,
daß die Mutter ihr den väterlichen Penis schenken sollte, mit dessen Hilfe sie
den Vater ersetzen und die Liebe der Mutter gewinnen wollte. Im weiteren
Verlauf des Spieles aber verkaufte sie mir als der Kundin doch lieber Eßwaren
für meine Kinder. Es zeigte sich also, daß der väterliche Penis und die Mutter-
brust ihr die tiefsten oralen "Wunschobjekte bedeuteten und daß die oralen Ver-
sagungen grundlegend für ihre Schwierigkeiten im allgemeinen und insbesondere
für die des Lernens waren. Infolge des mit der oralsadistischen Introjektion der
Mutterbrust verbundenen Schuldgefühls hatte Inge schon sehr früh die orale Ent-
behrung als Versagung und Strafe empfunden. 5
Die aus der ödipussituation stammende Aggression gegen die Mutter, der
Wunsch, ihr die Kinder zu rauben, hatten diese frühen Schuldgefühle verstärkt
und zu einer starken, wenn auch äußerlich nicht erkennbaren Angst vor der
Mutter geführt, die die Ursache dafür war, daß Inge die weibliche Position
nicht zu halten vermochte und sich mit dem Vater zu identifizieren suchte.
Aber auch in der homosexuellen Position versagte sie aus übergroßer Angst
vor dem Vater, dem sie den Penis rauben wollte. Dazu kam das Gefühl des
Nichtkönnens als Folge des Nichtwissens (der Nichtbefriedigung des frühen 'Wiß-
triebes), zu dem ihre Situation als Jüngste beigetragen hatte. Sie versagte also
in der Schule in den Aktivitäten, die der männlichen Komponente entsprechen,
und konnte, da sie die weibliche Position — das Empfangen und Gebären von
Kindern — auch in der Phantasie nicht zu halten vermochte, die dieser Position
entstammenden weiblichen Sublimierungen ebenfalls nicht entwickeln. Aus Angst
legenden Anfänge des Wißtriebes in eine ganz frühe Entwicklungsstufe fallen, in der
das Kind überhaupt noch nicht sprachfähig ist. Diese frühen, allem Anschein nach
ganz oder teilweise unbewußt bleibenden Fragen setzen nach meinen Erfahrungen zu-
gleich iah den frühesten Sexualtheorien und dem Ansteigen des Sadismus etwa gegen
die Mitte des ersten Lebensjahres ein, fallen also in die Entwicklungsperiode, die nach
meiner Auffassung auch den Ödipuskonflikt einleitet.
j) Nach Ernest Jones wird Entbehrung immer als absichtliche Versagung durch die
menschliche Umgebung aufgefaßt: Die erste Entwicklung der weiblichen Sexualität. Int.
Ztschr. f. PsA., Bd. XIV, 1928. Siehe auch Joan R i v i e r e s Beitrag zu dieser Frage
in: Symposium on Child Analysis. Int. Journ. of Psycho-Analysis. Vol. VIII, 1928.
72
r
und Schuldgefühl versagte sie aber auch in der Beziehung des Kindes zur Mutter
(im Verhältnis zur Lehrerin), da sie das Aufnehmen von "Wissen unbewußt mit
der Befriedigung ihrer oralsadistischen Wünsche gleichsetzte, die die Zerstörung
der Mutterbrust und des väterlichen Penis zum Inhalt hatten. Während Inge in
der Realität versagte, spielte sie in der Phantasie alle Rollen. So stellte sie in
den von mir angeführten Spielen als Bureauchef ihre Erfolge in der Rolle des
Vaters dar, hatte als Lehrerin zahlreiche Kinder (wodurch sie auch in Umkehrung
ihrer Rolle als Kleinste sich in die der klügsten Ältesten versetzte) und machte
im Spiel als Spielzeug- und Eßwarenverkäuferin (allerdings in einer doppelten
Verschiebung der Rollen) ihre oralen Versagungen rückgängig.
Ich führe diesen Fall als Illustration dafür an, daß es zur Aufklärung der
tieferen Zusammenhänge nötig ist, nicht nur alle Einzelheiten eines Spieles,
sondern auch die Ursachen des Wechsels zwischen verschie-
denen Spielen zu erforschen. Ich habe wiederholt festgestellt, daß der
Übergang von einem Spiel zu einem anderen uns Einblicke in die Ursachen des
Wechsels zwischen verschiedenen psychischen Positionen, des Schwankens zwischen
diesen und damit in die Dynamik des seelischen Kräftespieles ermöglicht.
Das nun folgende Beispiel wird mir Gelegenheit geben, die Anwendung
einer gemischten Technik darzulegen. Der neunundeinhalbjährige K e n n e t h,
ein für sein Alter sehr infantiles Kind, war ängstlich, scheu, stark gehemmt und
litt an schwerer Angst. Schon von früh an zeigte er ausgesprochene Grübelsucht.
Im Lernen versagte er vollkommen. (Seine Schulkenntnisse entsprachen denen
eines etwa siebenjährigen Kindes.) Zu Hause war er überaggressiv, höhnisch und
schwer erziehbar. Ungewöhnlich war sein anscheinend völlig ungehemmtes,
unsublimiertes Interesse für alles Sexuelle. Er gebrauchte mit Vorliebe obszöne
Worte und exhibierte und onanierte in einer für diese Altersstufe ungewöhnlich
schamlosen Art. 6
Ich gehe nun kurz auf die Vorgeschichte ein. Kenneth war in sehr frühem
Alter von seiner Nurse verführt worden. Die Erinnerung daran war ganz bewußt,
die Tatsache war auch der Mutter nachträglidi bekanntgeworden. Nach Aussage
der Mutter war die Nurse, namens Mary, dem Kinde sehr zugetan gewesen,
hatte es aber mit großer Strenge zur Sauberkeit angehalten. Kenneths Erinne-
rungen an die Verführung reichten bis zum Beginn des fünften Jahres zurück.
Es ist aber sicher, daß die Verführung schon sehr viel früher erfolgte. Kenneth
berichtete anscheinend mit Lust und ohne Hemmung, daß die Nurse ihn zugegen
6) Kenneths Behandlung umfaßte zweihundertundfünfundzwanzig Analysenstunden.
Sie konnte äußerer Umstände halber nicht weitergeführt werden. Die Neurose wurde
nicht behoben, aber wesentlich vermindert. Das erzielte Teilresultat äußerte sich praktisch
in der Herabsetzung einer Reihe von Schwierigkeiten; unter anderem vermochte Kenneth
auch den Forderungen der Schule und der Erziehung besser nachzukommen.
- 7 3 -
sein ließ, wenn sie badete, und ihn aufforderte, sie am Genitale zu reiben. Im -
übrigen wußte er von ihr nur Gutes zu berichten, behauptete, daß sie ihn geliebt
habe, und bestritt lange Zeit, daß sie mit ihm streng gewesen sei. Zu Beginn der
Analyse berichtete er von einem Traum, der seit seinem fünften Lebensjahre
immer wiederkehrte: Er berührt eine unbekannte Frau am Genitale und
masturbiert sie.
Die Angst vor mir hatte in der ersten Analysenstunde eingesetzt. Kurze Zeit
nach Beginn der Analyse hatte er folgenden Angsttraum: Es saß plötzlich an
meiner Stelle auf meinem Fauteuil ein Mann. Dann entkleidete ich mich und
Kenneth sah mit Entsetzen, daß ich ein ungewöhnlich großes männliches Genitale
besaß. Im Anschluß an die Deutung dieses Traumes ergab sich reichliches Material
für seine Sexualtheorie von der „Mutter mit dem Penis". Diese verkörperte sich
ihm, wie die Analyse erwies, auch sehr stark in Mary, vor der er als kleines Kind
offensichtlich Angst empfunden hatte, da er von ihr stark gezüchtigt worden war.
Aber noch immer weigerte sich Kenneth, dies anzuerkennen, und erst ein neuer-
licher Traum brachte darin eine Änderung.
So infantil Kenneth in vieler Beziehung war, hatte er doch sehr bald eine
starke Einsicht in den Zweck und die Notwendigkeit seiner Analyse gewonnen.
Zeitweise assoziierte er auch in der Art älterer Kinder und zog selbst vor, dabei
auf dem Divan zu liegen. In dieser Weise ging auch der größte Teil seiner
Analyse vor sich. Kenneth begann aber bald, das Material, das er in Worten
brachte, auch durch Agieren zu ergänzen. Er griff nach dem Tisch, wo einige
Bleistifte lagen und stellte durch diese Personen dar. Er brachte Klammern mit
und diese waren nun Menschen, die einander bekämpften, sie stellten auch
Geschoße dar, es wurden Gebäude daraus aufgebaut, und zwar dies alles auf
dem Divan, auf dem er lag. Schließlich entdeckte er eine Schachtel mit Bausteinen,
die auf dem Fensterbrett stand, nahm sich das Spieltischchen zum Divan und
begleitete seine Assoziationen durch Darstellungen mit den Bausteinen.
Ich teile nun aus dem zweiten Traum, der uns in der Analyse ein ganzes
Stück vorwärtsbrachte, den hier zur Illustration der Technik notwendigen Teil
mit: Er ist im Badezimmer und uriniert, da kommt ein Mann herein, wirft eine
Kugel gegen sein Ohr, wodurch das Ohr abfällt. Während der Traumerzählung
hatte Kenneth mit den Bausteinen verschiedenes ausgeführt, das er mir folgender-
maßen erklärte: Je ein Baustein ist er, sein Vater, sein Bruder und die Nurse.
Diese Menschen liegen in verschiedenen Zimmern, die ebenfalls durch Bausteine
abgegrenzt sind, und schlafen. Mary erhebt sich, nimmt einen großen Knüppel
— wieder ein Baustein — und kommt auf ihn zu. Sie will ihm etwas tun, weil
er etwas angestellt hat. (Er hat onaniert und sich benäßt.) Während sie ihn nun
mit dem Knüppel schlägt, beginnt er sie zu masturbieren und sie hört sofort
mit dem Schlagen auf. Als sie wieder zu schlagen beginnt, masturbiert er sie
- 74 -
wieder und dieser Vorgang wiederholt sich immer wieder, bis sie ihn schließlich
doch mit dem Knüppel zu erschlagen droht. Da kommt ihm sein Bruder zu Hilfe.
Kenneth war äußerst überrascht, als er aus seinem Spiel und den dazu
geäußerten Einfällen seine Angst vor Mary nun wirklich erkannte. Damit aber
war ihm zugleich auch ein Stück seiner Angst vor beiden Elternteilen bewußt
geworden. Die Assoziationen hatten deutlich erwiesen, daß hinter der Angst
vor Mary die Angst vor der bösen Mutter stand, die mit dem kastrie-
renden Vater im Bunde war. Der Vater wurde im Traum durch den
Mann dargestellt, der Kenneth das Ohr abschießt, und zwar im Badezimmer,
dem Raum, wo Kenneth Mary oft masturbiert hatte.
Die Angst Kenneths vor den beiden gegen ihn vereinigten Eltern (die in den
Phantasien sich stets im Koitus miteinander befanden) erwies sich in seiner Analyse
als überaus bedeutungsvoll. Erst durch spätere gehäufte analoge Beobachtungen
kam ich zur Erkenntnis, die ich in meiner Arbeit „Frühstadien des Ödipus-
konfliktes" beschrieb und ausführlicher im zweiten Teile dieses Buches darlege,
daß der Angst vor der „Frau mit dem Penis" die auf einer sehr frühen Ent-
wicklungsstufe gebildete Sexualtheorie zugrunde liegt, daß die Mutter im
Koitus sich den Penis des Vaters einverleibe, 7 daß also letzten
Endes die Frau mit dem Penis die beiden miteinander vereinigten
Eltern bedeute. Um dies an einem Punkte des hier besprochenen Materials
zu illustrieren: Im Traume war Kenneth zuerst von einem Manne angegriffen
worden, dann aber war es Mary, die ihn angriff. Sie bedeutete, wie die
Assoziationen zum Traum erwiesen, die „Frau mit dem Penis" — die
mit dem Vater vereinigte Mutter. Der Vater, der zuerst als Mann auftrat,
war im späteren Teile des Traumes nur durch seinen Penis, den Knüppel, mit
dem Mary schlug, vertreten.
Ich will nun auf eine Gemeinsamkeit zwischen der Technik der Frühanalyse
und der in gewissen Fällen auch im späteren Alter angewendeten Spieltechnik
hinweisen. Durch das Agieren mit den Bausteinen war Kenneth, mehr noch als
durch "Worte, ein wichtiges Stück seiner Kindheit bewußt geworden. Auch im
weiteren Verlauf der Analyse trat häufig starke Angst auf; dann vermochte
Kenneth seine Assoziationen nur mitzuteilen, wenn er sie durch Darstellungen mit
den Bausteinen ergänzte. Es kam sogar häufig vor, daß ihm bei dieser Angst
die "Worte ganz versagten und er nur spielte. "Wenn dann zufolge der Deutungen
die Angst sich wieder verminderte, vermochte Kenneth wieder freier zu sprechen.
7) Felix B o e h m hat darauf hingewiesen (Homosexualität und Ödipuskomplex, Int.
Ztschr. f. PsA., Bd. XII, 1926, Heft 1), daß die Vorstellung des versteckten weiblichen
Penis ihre pathogene Bedeutung dadurch erhält, daß sie unbewußt in Zusammenhang
gebracht wird mit der Vorstellung vom gefürchteten, in der Mutter verborgenen Penis
des Vaters.
- 7 5 -
Ein weiteres Beispiel für eine Modifizierung der Technik zeigt die beim neun- '
jährigen zwangsneurotischen "Werner angewendete Methode. Der Knabe, der
sich in vieler Beziehung wie ein erwachsener Zwangsneurotiker benahm und bei
dem ausgesprochene Grübelsucht vorlag, litt auch an starker Angst, die sich aber
vorwiegend in großer Reizbarkeit und Wutanfällen ausdrückte. 8 Ein großer
Teil seiner Analyse ging an Hand des Spielzeuges und mit Hilfe des Zeichnens
vor sich. Neben ihm am Spieltische sitzend, mußte ich (in diesem Falle sogar
intensiver als bei den meisten kleinen Kindern) mitspielen. Zeitweise sollte ich
sogar allein, nach seinen Angaben, die Spielhandlungen ausführen, z. B. die Bau-
steine aufstellen, die "Wagen fahren lassen usw., während er mich nur beauf-
sichtigte. Als Begründung, warum ich die Spielhandlungen an seiner Statt aus-
führen sollte, gab er an, daß seine Hände zeitweise stark zitterten und daß er
deshalb die Sachen nicht aufstellen könnte, oder daß er das schon Aufgestellte
umwerfen oder beschädigen würde. Dieses Zittern war schon ein Anzeichen des
einsetzenden Angstanfalles, und ich vermochte diesen in den meisten Fällen zu
kupieren, indem ich nach "Werners Wunsch die Spielhandlungen ausführte, zugleich
aber den Sinn dieser Handlungen im Zusammenhang mit seiner Angst deutete.
Die Angst vor der eigenen Aggression und der Zweifel an seiner Liebesfähigkeit
hatten dazu geführt, daß "Werner die Hoffnung auf "Wiederherstellung der in der
Phantasie angegriffenen Eltern und Geschwister aufgegeben hatte. Dies drückte
sich in der Angst aus, er könnte versehentlich die schon aufgestellten Bau-
steine usw. wieder umwerfen. Der Zweifel an seinen konstruktiven Tendenzen
und an seiner Fähigkeit, wieder gutmachen zu können, waren eine Grundlage von
Werners schwerer Spielhemmung und Lernhemmung.
Nachdem seine Angst erheblich vermindert worden war, begann Werner selb-
ständig zu spielen. Er zeichnete viel und assoziierte dazu. Im letzten Teil der
Analyse erbrachte Werner das Material vorwiegend durch freie Assoziationen.
Auf dem Divan liegend — eine Stellung, die er ebenso wie Kenneth beim
Assoziieren bevorzugte — , berichtete er mir fortsetzungsweise Phantasien über
8) Bei "Werner lagen folgende Symptome vor: Angst und Ängstlichkeit in verschie-
denen Formen, vor allem Schulangst und große wachsende Lernschwierigkeiten, stetig
sich vervollkommnende Zwangszeremonielle, die Stunden in Anspruch nahmen, ein stark
neurotischer Charakter, der die Erziehung sehr erschwerte. Die Psychoanalyse, deren
Dauer zweihundertundzehn Analysenstunden betrug, behob diese Schwierigkeiten in weit-
gehendem Ausmaße. Die Gesamtentwicklung des Knaben (seit Beendigung der Behand-
lung sind mehrere Jahre verstrichen) ist sehr günstig. Die Zwangszeremonielle sind be-
hoben. Werner ist ein guter Schüler, geht auch gerne zur Schule, ist zu Hause und in
der Schule verträglich und sozial gut angepaßt. Er hat gute Beziehungen zu seiner
näheren und weiteren Umgebung. Vor allem aber — was ihm früher ganz abging — hat
er Freudean den verschiedensten Tätigkeiten (Sport usw.) und fühlt sich auch sehr wohl.
In den seit Beendigung der Behandlung vergangenen fünf Jahren hat sich Werner weiter
günstig entwickelt.
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Abenteuer, in denen auch Apparate, technische Konstruktionen usw. eine große
Rolle spielten, wobei das früher in Zeichnungen dargestellte Material nun um
viele Einzelheiten bereichert wiederkehrte.
"Werners sehr starke und akute Angst äußerte sich, wie gesagt, vorwiegend
in Form von "Wutanfällen und Aggression und in einem höhnischen, trotzigen
und nörgelnden Verhalten. Krankheitseinsicht lag nicht vor. Werner behauptete,
keinen Grund für die Analyse zu haben, und verhielt sich lange Zeit, wenn er
im Widerstand war, mir gegenüber höhnisch und wütend. Er war auch zu Hause
ein schwer zu behandelndes Kind, und es wäre den Angehörigen kaum gelungen,
ihn zur Fortsetzung der Analyse zu bewegen, wenn ich nicht sehr bald vermocht
hätte, schrittweise die Angstquantitäten analytisch so weit aufzulösen, daß der "Wider-
stand gegen die Analyse im wesentlichen auf die Analysenstunde beschränkt blieb.
Vor technische Schwierigkeiten ganz besonderer Art stellte mich die Analyse
eines Falles, auf den ich nun näher eingehen werde. Beim neuneinhalbjährigen
Egon lagen keine ausgesprochenen Symptome vor, aber seine ganze Entwicklung
machte einen beunruhigenden Eindruck. Er war völlig verschlossen, auch seiner
nächsten Umgebung gegenüber, sprach nur das Nötigste, hatte fast gar keine
Gemütsbeziehungen, keine Freunde und überhaupt nichts, was ihn interessierte
und ihm Freude machte. Er war allerdings ein guter Schüler, aber — wie
die Analyse erwies — nur aus zwangsneurotischen Gründen. Die stereotype
Antwort auf die Frage, ob er dies oder jenes wolle oder nicht wolle, war immer:
„es ist mir egal". Ein unkindlicher und gespannter Gesichtsausdruck und starre
Bewegungen fielen an ihm auf. Egons Absperrung von der Realität ging so weit,
daß er nicht sah, was um ihn herum vorging, und selbst gute Bekannte, denen
er begegnete, nicht erkannte. Die Analyse ergab, daß starke psychotische Züge
vorlagen, die eine steigende Tendenz zeigten und aller Wahrscheinlichkeit nach
im Pubertätsalter zum Ausbruch einer Schizophrenie geführt hätten.
Ich gehe kurz auf die Vorgeschichte ein: Als der Knabe ungefähr vier Jahre
alt war, hatte der Vater ihn wiederholt wegen der Onanie bedroht und verlangt,
daß er diese wenigstens immer bekennen sollte. Im Zusammenhang mit diesen
Drohungen hatten sich sehr einschneidende Charakterveränderungen bei ihm voll-
zogen. Egon begann zu lügen und bekam häufig "Wutanfälle. Später trat die
Aggression des Knaben in den Hintergrund, dagegen zeigte seine ganze Ein-
stellung immer mehr ein Bild affektlosen Trotzes und wachsender Abgeschlossen-
heit von der Umwelt.
Nachdem ich Egon mehrere "Wochen lang bei der Behandlung auf dem Divan
liegen ließ (was er nicht abgelehnt hatte und anscheinend dem Spielen vorzog)
und auf verschiedene Art versucht hatte, die Behandlung in Gang zu bringen,
"mußte ich erkennen, daß dies aussichtslos sei. Es wurde mir klar, daß bei diesem
Kinde die Schwierigkeit zu sprechen so tief determiniert war, daß ich vor allem
— 77 ~
erst diese analytisch überwinden mußte. Ein Bedürfnis des Knaben, sich durch
Agieren zu helfen, war mir dadurch deutlich geworden, daß ich das spärliche
Material, das er bis dahin gebracht hatte, vorwiegend aus seinem Fingerspiel im
Zusammenhang mit wenigen "Worten (in einer Stunde nur einige Sätze) er-
schließen konnte. Ich fragte also Egon nochmals, ob er sich nicht doch für mein
kleines Spielzeug interessiere, und erhielt zwar darauf die gewohnte Antwort:
„Ja, es ist mir egal", immerhin aber betrachtete er nun die auf dem Spieltischcheri
liegenden Dinge und beschäftigte sich dann, und zwar ausschließlich, mit den
kleinen Wagen. Es entwickelte sich ein monotones Spiel, das wochenlang die
Stunde ausfüllte. Egon ließ diese Wagen den Tisch entlang fahren und schleuderte
sie dann in der Richtung zu mir auf die Erde. Ich hatte durch einen Blick von
ihm verstanden, daß ich sie aufnehmen und ihm wieder zuschieben sollte. Um
von der Rolle des ausforschenden Vaters loszukommen, gegen die ja sein Trotz
gerichtet war, spielte ich wochenlang schweigend mit ihm, deutete auch nichts
und suchte nur durch mein Mitspielen den Rapport mit ihm herzustellen. In dieser
Zeit waren auch die Spieldetails stereotyp die gleichen. Doch gab es in diesem so
monoton scheinenden (für mich auch wirklich überaus ermüdenden) Spiel zahl-
reiche kleine Einzelheiten zu beobachten. Es zeigte sich, daß bei ihm, wie in allen
Knabenanalysen, das Fahrenlassen des Wagens Onanie und Koitus darstellte, das
Zusammenstoßenlassen der Wagen Koitusbedeutung hatte, daß das Vergleichen
des größeren Wagens mit dem kleineren die Rivalität mit dem Vater, beziehungs-
weise dessen Penis, darstellte. Als ich ihm dann nach einigen Wochen dieses
Material im Zusammenhang mit dem vorher Erkannten klarlegte, 9 zeigte sich eine
weitgehende Wirkung nach zwei Richtungen hin. Den Eltern fiel das sehr viel
freiere Verhalten des Kindes auf, und in der Analysenstunde ließ sich die von
mir als typisch beobachtete Reaktion auf die auflösende Wirkung von Deutungen
darin feststellen, daß nun zu dem monotonen Spiel verschiedene neue Einzelheiten
hinzutraten, die zunächst nur bei scharfer Beobachtung erkennbar waren, später
deutlicher wurden und nach und nach zur gänzlichen Änderung seines Spieles
führten. Aus dem Fahrenlassen der Wagen war ein Bauen geworden. Egon
schichtete diese Wagen mit immer größerer Geschicklichkeit bis zu großer Höhe
übereinander und wetteiferte darin mit mir. Jetzt erst griff er auch zu den Bau-
steinen, und es ergab sich bald, daß es immer wieder, wenn auch kunstvoll ver-
9) Die weitere Analyse ergab, daß es völlig nutzlos geVesen war, mit der Deutung
des Materials solange zurückzuhalten. Erst etwa fünfzehn Monate später, kurz vor der
Beendigung der Analyse, war seine Sprechhemmung voll behoben. Ich habe noch in keiner
Analyse einen Vorteil bemerkt, wenn ich mit der Deutung zurückhielt. In den meisten
Fällen, in denen ich es versuchte, mußte ich es sehr bald aufgeben, da akute Angst
einsetzte und der Abbruch der Analyse drohte. Bei Egon, bei dem die Angst so stark
abgesperrt war, ließ sich dieser Versuch länger durchführen.
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r
deckt, Menschen beiderlei Geschlechtes, beziehungsweise deren Genitalien waren,
die er aufstellte. Von dieser Art zu bauen ging er dann zu einem ganz merk-
würdigen Zeichnen über, indem er, ohne auf das Papier zu schauen, den Bleistift
zwischen den Händen hin und her drehte und so Linien entstehen ließ. Aus diesem
Gewirr fand er dann selbst Formen heraus, und zwar waren es immer wieder
Köpfe, unter denen er nun selbst genau männliche und weibliche unterschied. In
den Einzelheiten dieser Köpfe und in deren Anordnung kehrte bald das in den
früheren Spielen dargestellte Material wieder: die Unsicherheit bezüglich des
Geschlechtsunterschiedes, des Koitus der Eltern, die Fragen, die sich für ihn daran
knüpften, die Phantasien, in denen er als Dritter beim Geschlechtsverkehr der
Eltern mitwirkte, usw. Aber auch die Haß- und Zerstörungstendenzen wurden
durch das Zerschneiden und Ausschneiden dieser Köpfe deutlich, die zugleich die
Kinder im Mutterleib sowie die Eltern darstellten. Nun ergab sich, daß das Auf-
schichten der Wagen zu möglichster Höhe eine Darstellung des schwangeren
Leibes der Mutter bedeutete, um den er sie beneidet hatte und dessen Inhalt er
ihr rauben wollte. Es lag eine starke Rivalität mit der Mutter vor, und der
"Wunsch, sie des väterlichen Penis und der Kinder zu berauben, hatte zu schwerer
Angst vor der Mutter geführt. Diese Darstellungen ergänzten sich später durch
Ausschneiden, das sich nach und nach auch zu ziemlicher Kunstfertigkeit ent-
wickelte. Ebenso wie beim Bauen stellten auch diese ausgeschnittenen Formen aus-
schließlich Menschen dar. Die Art, wie diese Formen aufeinander stießen, ihre
verschiedenen Größen, ferner ob sie männliche oder weibliche Gestalten dar-
stellten, ob ihnen Teile fehlten oder zu viele da waren, wann und in welcher
Weise er sie zu zerschneiden begann, alles dies führte uns tief in seinen inver-
tierten wie auch in seinen direkten Ödipuskomplex. Die Rivalität mit der Mutter
zufolge seiner starken passiv-homosexuellen Einstellung, die mit dieser zusammen-
hängende Angst, sowohl vor dem Vater wie vor der Mutter, wurden immer
deutlicher. Der Haß gegen die Geschwister, seine Zerstörungstendenzen gegen
diese, als die Mutter schwanger war, fanden Ausdruck im Zerschneiden von
Formen, die kleine und mangelhafte Menschen bedeuten sollten. Dabei war auch
wieder die Reihenfolge wichtig, in der die verschiedenen Beschäftigungen auf-
einanderfolgten. Auf das Ausschneiden und Zerschneiden folgte das Bauen als
Wiederherstellung; zerschnittene Figuren wurden aus reaktiven Tendenzen über-
mäßig verziert usw. Bei allen diesen Darstellungen aber traten immer wieder die
verdrängten Fragen, die verdrängte frühe intensive Wißbegierde auf, die sich auch
als eine wichtige Grundlage seines Nichtsprechens, seiner Abgeschlossenheit und
seiner mangelnden Interessen erwies. Die Spielhemmung reichte schon auf das
Alter von vier Jahren, zum Teil schon auf eine frühere Zeit zurück. Gebaut hatte
er bis zum Alter von drei Jahren, ausgeschnitten etwas später, aber nur ganz
kurze Zeit. Damals waren es nur Köpfe, die er ausschnitt. Gezeichnet hatte er
— 79 —
1
niemals. Nach dem Alter von vier Jahren hatte er an all diesen Beschäftigungen,
kein Vergnügen mehr. Es sind also tief aus der Verdrängung gehobene Sublimie-
rungen, die wir da teils wieder, teils neu erstehen sehen. Die kindliche, ganz
primitive Art, in der Egon anfangs bei jeder dieser Beschäftigungen vorging,
entsprach der Stufe eines drei- bis vierjährigen Kindes. Zugleich mit diesen Ver-
änderungen hatte sich der Knabe in seinem ganzen "Wesen sehr günstig verändert;
trotzdem war die Sprechhemmung noch lange Zeit hindurch nur zum geringen
Teil behoben. Egon beantwortete zwar nach und nach meine während des Spiels
gestellten Fragen in freierer und ausführlicherer "Weise; dagegen konnte ich freie
Assoziationen in der sonst bei größeren Kindern üblichen Art noch lange Zeit
hindurch nicht erhalten. Erst sehr viel später, und zwar im letzten Teil der vier-
hundertundfünfundzwanzig Analysenstunden umfassenden Behandlung, lernten
wir die der Sprechhemmung zugrunde liegende paranoide
Angst voll kennen. Es kam dann auch zur vollen Auflösung dieser Hemmung. 10
Egon war, als die Angst sich stark verringert hatte, spontan dazu übergegangen,
mir einzelne Assoziationen schriftlich mitzuteilen. Später flüsterte er sie mir zu
und wünschte, daß ich ihm ganz leise antwortete. Es wurde immer deutlicher,
daß seine Angst, gehört zu werden, sich auf jemanden im Zimmer Befindlichen
bezog. Es gab auch einzelne Stellen des Zimmers, die er um jeden Preis vermied.
(Wenn zum Beispiel der Ball unter das Sofa oder unter den Schrank oder in
eine dunkle Ecke rollte, mußte ich ihn von dort zurückholen.) Dabei nahm er,
sobald die Angst sich verstärkte, wieder die steife Haltung und den starren
Gesichtsausdruck an, die zu Beginn der Analyse an ihm so auffallend gewesen
waren. Es erwies sich, daß er in allen Ecken des Zimmers, im Schrank, unter dem
Bett, oben an der Decke usw. Verfolger vermutete, die ihn belauerten, und daß
die Verfolgungsgedanken letzten Endes auf die Angst vor einer Vielzahl von
Penissen im Leib der Mutter und im eigenen Leib zurückgingen. Diese paranoide
Angst vor dem Penis als Verfolger war durch das Verhalten des realen Vaters,
der ihn wegen der Onanie ausforschte und beobachtete, sehr verstärkt worden
und hatte auch zur Abwendung von der Mutter, als einer Verbündeten des Vaters
(Frau mit dem Penis), geführt. In dem Maße, als der Glaube an die „gute" Mutter
sich in der Analyse verstärkte, wurde ich immer mehr zu seiner Verbündeten, die
ihn gegen die ihn von allen Seiten bedrohenden Verfolger beschützte. Erst mit
der Herabsetzung dieser Angst (wobei die Zahl der Verfolger und auch deren
Gefährlichkeit sich nach und nach verringerte) vermochte er freier zu sprechen
und sich freier zu bewegen. 11 Das letzte Stück der Behandlung ging fast aus-
10) Ich gehe auf die Grundlagen und Inhalte dieser Angst ausführlich in Kap. IX ein.
n) Ober einen ähnlichen Fall — den eines Knaben im Alter von 16 Jahren, der in
der Analyse fast gar nichts sprach — berichtet Melitta Schmideberg in ihrer
Arbeit: A Contribution to the Psychology of Persecutory Ideas and Delusions (Int.
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r
schließlich an Hand von freien Assoziationen vor sich. Ich kann nicht bezweifeln,
daß in diesem Falle eine Behandlung und Heilung nur dadurch ermöglicht wurde,
daß ich mir mit Hilfe der beim kleinen Kinde angewendeten Spieltechnik Zugang
zum Unbewußten verschaffen konnte. Ob dies in einem späteren Alter noch
möglich gewesen wäre, erscheint mir zweifelhaft. 13
Wenn wir auch beim Kinde im Latenzalter im allgemeinen von den
Assoziationen durch die Sprache reichlichen Gebrauch machen, so erreichen wir
dies doch in vielen Fällen nur in einer von der Erwachsenenanalyse abweichenden
Form. Bei Kindern, wie zum Beispiel Kenneth, der bald bewußt die ihm durch
die Psychoanalyse gewährte Hilfe anerkannte und deren Notwendigkeit einsah,
oder auch bei der viel kleineren Erna, bei der der Heilungswunsch sehr stark
war, konnte man die Frage: „Sag mir, was du dir nun denkst?" von Anfang an
zeitweise stellen. Bei vielen Kindern unter neun bis zehn Jahren wird aber diese
Fragestellung häufig versagen. Die Art, wie wir das Kind auszufragen haben,
ergibt sich uns im Anschluß an sein Spiel oder an seine Assoziationen.
Wenn man dem Spiel des ganz kleinen Kindes zusieht, merkt man bald, daß
der Baustein, das Stück Papier oder sonstiges Material — man kann sagen, alle
Dinge ringsum — in seiner Phantasie etwas anderes darstellen. Stellt man dem
Kinde, während es sich mit diesen Dingen beschäftigt (freilich ist dazu meist
schon einige analytische Arbeit und die Herstellung der Übertragung Vor-
bedingung), die Frage: „Was ist das?", so kann man daraufhin häufig allerlei
erfahren. Es erzählt uns dann oft zum Beispiel, daß die Steine im Wasser Kinder
sind, die ans Ufer wollen, oder Leute, die miteinander kämpfen. Aus der Frage:
„Was ist das?" ergibt sich dann von selbst die Frage: „Was machen die denn?"
oder: „Wo sind die jetzt?" usw. In ähnlicher, wenn auch modifizierter Weise
müssen wir uns auch beim größeren Kinde die Assoziationen verschaffen. Dies
gelingt allerdings im allgemeinen erst dann, wenn die beim älteren Kinde so viel
stärkere Phantasieverdrängung und sein größeres Mißtrauen durch Einleitung der
Analyse vermindert wurde und die analytische Situation voll hergestellt ist.
Ich greife auf die Analyse der siebenjährigen Inge zurück. Als sie die Rolle
des Bureauchefs spielte, Briefe schrieb, Aufträge erteilte usw., fragte ich sie: „Was
Journ. of Psycho-Analysis. Vol. XII). Auch in diesem Falle war die Sprechhemmung
durch Verfolgungsideen bedingt. Der Patient begann erst dann freier zu assoziieren, als
es in der Analyse gelungen war, seine paranoische Angst zu vermindern.
12) Auch im allgemeinen war das Resultat ein vollkommen befriedigendes. Die Starr-
heit des Gesichtsausdruckes und der Bewegungen war gewichen. Egon fand nun an Sport,
Spiel und den normalen Interessen eines Knaben dieser Altersstufe Freude, hatte gute
Beziehungen zur Familie und zur Umwelt, war wohl und vergnügt. Seine günstige
Entwicklung hat, wie ich zuletzt dreiundeinhalb Jahre nach Beendigung der Analyse
erfuhr, angehalten und ist durch in der Zwischenzeit eingetretene schwere Belastungen
nicht gestört worden.
L
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
- 8l -
steht denn in diesem Brief?" Darauf antwortete sie mir schlagfertig: „Das werden-
Sie schon sehen, wenn Sie ihn bekommen". Als ich aber den Brief bekam, enthielt
er nur Gekritzel. 13 Kurz darauf sagte ich: „Der Herr X" (den sie auch hatte
mitspielen lassen) „läßt fragen, was in dem Briefe steht, denn er muß es wissen,
und er bittet Sie, ihm telefonisch das Ganze vorzulesen." Daraufhin teilte sie
bereitwillig den ganzen phantasierten Inhalt des Briefes und damit eine Reihe
aufschlußreicher Assoziationen mit. — Oder ich sollte Arzt spielen. Als ich sie
dabei fragte, was ihr fehle, antwortete sie mir: „Ach, das ist ja ganz gleich."
Als ich mich dann aber als Arzt mit ihr näher besprach, erklärte ich: „Ja, gnädige
Frau, jetzt müssen Sie mir aber ganz genau sagen, was Ihnen weh tut, ich muß
Bescheid wissen." Daraus entwickelten sich die weiteren Fragen, wodurch sie erkrankt
sei, wann sie die Krankheit bekam usw. Da sie einige Male hintereinander
Patientin spielte, so lieferte sie mir durch die in dieser Form bereitwilligst
beantworteten Fragen ein reiches und tiefgehendes Material. Bei der Umkehrung
der Situation — als sie Arzt und ich Patientin war — gewann ich dann durch
die Ratschläge, die sie mir als Arzt gab, weitere Aufschlüsse.
Ich fasse nun meine Ausführungen zusammen:
Es scheint mir auch beim Kinde im Latenzalter notwendig, vor allem den
Kontakt mit seinen unbewußten Phantasien herzustellen. Dies ge-
schieht durch Deutung des symbolischen Inhaltes des Materials im
Zusammenhang mit Angst und Schuldgefühl. Infolge der in dieser
Entwicklungsperiode so viel stärkeren Phantasieverdrängung muß der Zugang
zum Unbewußten häufig von anscheinend phantasielosen Darstellungen aus
eröffnet werden. Wir müssen auch darauf gefaßt sein, daß wir in der typischen
Analyse des Latenzalters nur schrittweise und mühsam Verdrängungen auflösen.
Es gibt viele Fälle im Latenzalter, bei denen wir wochen- oder auch monatelang
nur Assoziationen erhalten, die gar kein Material zu enthalten scheinen, z. B.
Zeitungsberichte, Inhaltsangaben von Büchern, monotone Schulberichte. Ferner
scheinen Beschäftigungen, wie monotones zwangsneurotisches Zeichnen, Bauen,
Nähen, Herstellen von Gegenständen — insbesondere, wenn wir dazu wenig
Assoziationen erhalten — ;, den Zugang zum Phantasieleben nicht zu ermöglichen.
Beschäftigungen und Berichte dieser völlig phantasielosen Art ermöglichen nach
meiner Erfahrung (s. zum Beispiel Grete und Egon, Kap. IV) den Zugang zum
13) Inge, die — wie ich schon erwähnte — eine starke Schreibhemmung hatte, emp-
fand den brennenden Wunsch, „schnell und schön", wie die Erwachsenen, zu schreiben.
Das Kompromiß zwischen diesem Wunsch und der bestehenden Hemmung war das
Gekritzel, das in ihrer Phantasie ein schönes und gewandtes Schreiben darstellte.
Der Wunsch, die Erwachsenen im Schreiben zu übertreffen, der sehr starke Ehrgeiz und
Wißtrieb, die zugleich mit dem tiefen Gefühl, nichts zu wissen und zu können, bei ihr
vorlagen, hatten einen großen Anteil an ihrem Versagen in der Realität.
- 8a -
Unbewußten, wenn wir sie nicht nur als Äußerungen des Widerstandes, sondern
als Material auffassen. Wenn wir die kleinen Anzeichen genügend beachten
und den Zusammenhang zwischen Symbolik, Schuldgefühl und
Angst bei diesen Darstellungen als Ausgangspunkt für die Deutung
nehmen, ist nach meinen Erfahrungen die Möglichkeit zur Einleitung und Fort-
führung der analytischen Arbeit immer gegeben.
Die Tatsache, daß in der Kinderanalyse der Zugang zum Unbewußten her-
gestellt wird, noch bevor eine ausgiebige Beziehung zum Ich zustande kam,
bedeutet nicht etwa, daß das Ich von der analytischen Arbeit irgendwie aus-
geschaltet wird. Eine solche Ausschaltung wäre ja gar nicht möglich, da das Ich
dem Es und Über-Ich so nahe steht und der Zugang zum Unbewußten nur über
das Ich hergestellt werden kann. Die Analyse wendet sich aber nicht an das Ich
(wie es die Erziehung tun muß), sondern sie sucht zunächst nur den
Zugang zu den unbewußten Instanzen, also denjenigen, die für
die Bildung des Ichs bestimmend sind.
Um dies an einem Beispiel zu illustrieren: Ich berichtete, daß die Analyse
der siebenjährigen Grete längere Zeit hindurch fast ausschließlich an Hand ihres
Zeichnens vor sich ging, und zwar an Hand von Darstellungen von Häusern und
Bäumen in verschiedenen Größen, die Grete in zwangsneurotischer Weise mit-
einander abwechseln ließ. Man hätte nun, von diesem phantasielosen und zwangs-
neurotischen Zeichnen ausgehend, den Versuch machen können, die Phantasie an-
zuregen und den Zusammenhang mit anderen Ichinteressen herzustellen, in der
Art, wie dies etwa ein verständnisvoller Lehrer täte. Man könnte zum Beispiel
ein Interesse für die Ausschmückung oder Einrichtung der Häuser anregen oder
vorschlagen, Häuser und Bäume in eine Stadt mit Straßen zu verlegen und so
eine Verbindung mit etwaigen künstlerischen oder topographischen Interessen des
Kindes herzustellen. Man könnte, vom Baum ausgehend, das Interesse für den
Unterschied zwischen Bäumen und so ein etwaiges Interesse für Naturkunde
anregen usw. Wenn eine dieser Anregungen glückte, ließe sich als Folge ein
stärkeres Hervortreten der Ichinteressen und eine stärkere Beziehung des
Analytikers zum Ich erwarten. Der Versuch, durch Anregung der Phantasie-
tätigkeit eine Lockerung der Verdrängung und so eine Grundlage für die
analytische Arbeit herzustellen, gelingt aber nach meiner Erfahrung in vielen
Fällen nicht. 14 Häufig ist dieser Weg auch aus dem Grunde nicht gangbar, weil
die starke, latente Angst eine schnelle Herstellung der analytischen Situation und
den Beginn der eigentlichen analytischen Arbeit erforderlich macht. Aber auch in
Fällen, in denen der Versuch, sich stärker vom Ich aus den Zugang zum Un-
bewußten zu verschaffen, aussichtsvoller wäre, steht nach meiner Erfahrung der-
Zeitaufwand nicht im Verhältnis zum Resultat. Man gewinnt nämlich auf diesem
Wege nur anscheinend mehr und reicheres Material, in Wirklichkeit aber ist es
das gleiche unbewußte Material, nur in einer mehr in die Augen springenden
Form. Um auf den Fall von Grete zurückzukommen: Man hätte die Möglichkeit
gehabt, ihre Wißbegierde anzuregen und im günstigsten Fall ihr Interesse für die
Ein- und Ausgänge der Häuser, für das Wachstum und die Verschiedenheiten der
Bäume zu erwecken. Damit wäre aber nur in einer weniger verhüllten Form
das gleiche Material erbracht worden, das mir Grete durch ihre monotonen
Zeichnungen gleich zu Beginn der Analyse gab. Die größeren und kleineren
Bäume und Häuser, die sie immer wieder in zwangsneurotischer Weise zeichnete,
stellten Vater und Mutter, sie selbst und den Bruder dar, wie sich mir auf Grund
der Unterschiede in Größe, Farbe und Form und aus der Reihenfolge ergab.
Diesen Darstellungen lag die verdrängte Wißbegierde nach dem Geschlechtsunter-
schied zugrunde und andere damit zusammenhängende Fragen, deren Deutung
den Zugang zu Angst und Schuldgefühl vermittelte und die Analyse einleitete.
Wenn aber den deutlicheren und komplizierteren Darstellungen das gleiche
Material zugrunde liegt wie den spärlicheren, so ist es vom analytischem Stand-
punkt aus irrelevant, welche von beiden man als Ausgangspunkt der Deutung
benutzt. Denn nach meinen Erfahrungen ist es in der K i n d e r a n a 1 y s e erst
die Deutung, die die analytische Arbeit einleitet und sie i n
Gang erhält. Daraus ergibt sich, daß man auch auf Grund von monotonen
und phantasielosen Assoziationen eine gesicherte Deutung vornehmen kann,
vorausgesetzt, daß man das Material genügend erkennt und den Zusammenhang
mit der latenten Angst feststellt. Geht man aber auf diese Weise vor, so zeigt
sich Hand in Hand mit der Auflösung von Angstquantitäten und der Aufhebung
von Verdrängungen ein stärkeres Einsetzen von Ichinteressen und Sublimie-
rungen. So entwickelte sich zum Beispiel bei Ilse — ■ einem Fall, auf den ich im
nächsten Kapitel näher eingehe — aus dem monotonen und zwangsneurotischen
Zeichnen im Verlaufe der Analyse eine kunstgewerbliche Begabung und ein
Geschick im Zeichnen, ohne daß meinerseits irgendeine Anregung oder Förderung
in dieser Richtung erfolgt wäre.
Bevor ich zu den Analysen des Pubertätsalters übergehe, habe ich noch ein
Problem zu besprechen, das eigentlich kern technisches, aber für die Arbeit des
Kinderanalytikers von Bedeutung ist: Ich meine das Verhältnis des Kinder-
analytikers zu den Eltern seiner Patienten.
Die Analyse des Kindes macht ein gewisses Vertrauensverhältnis zu den Eltern
des Kindes zur Arbeitsvoraussetzung. Die Eltern, von denen ja das Kind abhängig
ist, gehören in den Kreis der Analyse; wir analysieren sie aber nicht und können
deshalb nur mit allgemeinen psychologischen Mitteln auf sie einwirken. Das Ver-
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hältnis der Eltern zum Analytiker des eigenen Kindes bringt Schwierigkeiten
besonderer Art mit sich, da es stark an ihre eigenen Komplexe rührt. Die Neurose
des Kindes belastet das Schuldgefühl der Eltern, und die Analyse, von der die
Eltern Hilfe für das Kind erwarten, bedeutet ihnen andrerseits den Nachweis
ihrer Schuld an der Neurose des Kindes. Außerdem ist es ihnen peinlich, daß der
Analytiker Einblick in die Einzelheiten des Familienlebens gewinnt. Dazu kommt
noch — insbesondere bei der Mutter — die Eifersucht auf das Vertrauens-
verhältnis, das sich zwischen dem Kinde und der Analytikerin bildet. Diese
Eifersucht, die auch in der Rivalität zu einer Mutter-Imago wurzelt, 15 macht sich
ebenfalls bei den Erzieherinnen und Kinderfrauen stark geltend, die häufig der
Analyse nichts weniger als freundlich gegenüberstehen. Diese und noch andere
Momente, die vorwiegend unbewußt bleiben, bedingen eine mehr oder weniger
ambivalente Einstellung der Eltern (insbesondere der Mutter) zur Analytikerin,
die durch die bewußte Einsicht, daß die Analyse für das Kind notwendig sei,
nicht aufgehoben wird. Daraus ergibt sich aber, daß auch bei bewußtem gutem
Willen Störungen der Analyse von Seiten der Umgebung zu erwarten sind. Für
den Grad der Schwierigkeiten entscheidet natürlich die Ambivalenz und die
unbewußte Einstellung der Eltern. So erklärt es sich, daß ich bei analytisch
orientierten Eltern nicht weniger Schwierigkeiten fand als bei Eltern, die der
Analyse fernstanden. Auch deshalb halte ich eine weitgehende theoretische Auf-
klärung der Eltern vor Beginn der Analyse nicht nur für überflüssig, sondern
für unangebracht, da sie oft auf ihre Komplexe ungünstig wirkt. Ich begnüge
mich mit einigen allgemeinen Mitteilungen über Sinn und Wirkung der Analyse,
erwähne die Tatsache, daß das Kind im Verlauf derselben sexuell aufgeklärt wird,
und bereite darauf vor, daß zeitweilig während der Analyse andere Schwierig-
keiten auftreten könnten. In jedem Falle lehne ich es von vornherein ab, Einzel-
heiten aus der Analyse den Eltern zu berichten. Das Kind, das mir sein Vertrauen
schenkt, hat nicht weniger Anrecht auf meine Diskretion als der Erwachsene.
Das Ziel, das wir uns bei Herstellung des Verhältnisses zu den Eltern vor
Augen halten sollen, schränkt sich nach meinen Erfahrungen im wesentlichen
darauf ein, daß sie unsere Arbeit unterstützen, indem sie sie äußerlich und
innerlich möglichst wenig stören. Zum ersteren gehört, daß das Kind weder
durch Fragen noch auf andere Art veranlaßt wird, aus der Analyse zu erzählen,
und ferner, daß etwaige Widerstandsäußerungen des Kindes gegen die Analyse
in keiner Weise unterstützt werden. Aktivere Mitarbeit haben wir nötig in den
15) In einigen Fällen, in denen ich zugleich Mutter und Kind analysierte, ergab
es sich, daß im Unbewußten der Mutter die Angst bestand, der Kinder beraubt °zu
werden. Die Analytikerin des Kindes bedeutete ihr eine strenge Mutter, die die ihr
geraubten Kinder nun wieder zurückfordern und zugleich auch die seinerzeit gegen die
Geschwister gerichteten aggressiven Tendenzen aufdecken und bestrafen würde.
L
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Fällen, wo es zeitweise zu akuter Angst und stärkerem Widerstand kommt. In
diesen Fällen — ich verweise hier auf Ruth und Trude 16 — liegt es an der
Umgebung, Mittel und Wege zu finden, um das Kind doch zum Kommen zu
veranlassen. Dies ist nach meinen bisherigen Erfahrungen noch in jedem Falle
möglich gewesen, da ja im allgemeinen auch bei stärkerem Widerstand eine
positive Übertragung zur Analytikerin besteht, also eine ambivalente Ein-
stellung des Kindes zur Analyse vorliegt. Die uns von der Umgebung dabei
geleistete Hilfe darf sich aber niemals zu einem wesentlichen
Rückhalt der analytischen Arbeit entwickeln. Perioden so intensiven
Widerstandes sollten nur selten auftreten und nicht lange anhalten; die analytische
Arbeit hat ihnen vorzubeugen oder, wenn das nicht gelingt, sie bald aufzulösen.
Gelingt es uns, ein besseres Verhältnis zu den Eltern herzustellen und ihrer
unbewußten Mitarbeit sicherer zu sein, so haben wir die Möglichkeit, zeitweise
auch mehr über das Verhalten des Kindes außerhalb der Analysenstunde zu
erfahren. Die Kenntnis der mit der analytischen Arbeit in Zusammenhang
stehenden Veränderungen, zum Beispiel das Auftreten und Schwinden von Sym-
ptomen usw., sind für den Analytiker wissenswert. Sind aber diese Mitteilungen
der Eltern nur unter Schwierigkeiten anderer Art zu haben, so verzichte ich lieber
auf sie, da sie zwar nützlich, aber entbehrlich sind. Ich schärfe den Eltern stets
ein, sich bei Erziehungsmaßnahmen dem Kinde gegenüber nicht auf mich zu
beziehen und Erziehung und Analyse vollkommen auseinanderzuhalten. Dadurch
wird die Analyse — was sie sein soll — eine rein persönliche Angelegenheit
zwischen mir und meinem Patienten.
Nicht weniger als beim Erwachsenen halte ich es auch beim Kinde für un-
erläßlich, daß die Analyse im Hause des Analytikers vorgenommen wird, ebenso
auch, daß bestimmte Stunden eingehalten werden. Als eine andere Maßnahme, um
die Verschiebung der analytischen Situation zu vermeiden, ergab sich mir die
Notwendigkeit, die Begleitperson nicht in meiner Wohnung warten zu lassen.
Sie bringt und holt das Kind zur bestimmten Zeit.
Ich vermeide, wo nicht allzu große Erziehungsfehler vorliegen, in die Er-
ziehungsmaßnahmen der Eltern einzugreifen. Da Erziehungsfehler im allgemeinen
so stark den Komplexen der Eltern entspringen, sind Ratschläge meist nicht nur
wirkungslos, sondern auch geeignet, Angst und Schuldgefühl der Eltern zu steigern.
Daraus ergeben sich wieder vermehrte Schwierigkeiten der Analyse gegenüber
und eine verschlechterte Einstellung zum Kinde".
16) Siehe Kap. II.
17) Ich greife zur Illustration einen Fall heraus: Eine analytisch orientierte Mutter,
die infolge der erfolgreich fortschreitenden Behandlung ihres schwer neurotischen Kindes
großes Vertrauen zur Analyse hatte, ließ sich nichtsdestoweniger nur schwer von mir
davon abhalten, die Schulaufgaben der zehnjährigen Tochter zu überwachen, obzwar es
- 86 -
Diese Situation bessert sich wesentlich nach einer beendeten oder weit vor-
geschrittenen Analyse. Die Behebung oder Verminderung der Neurose des Kindes
wirkt auf die Eltern günstig. Die Verringerung der Schwierigkeiten
im Verkehr mit ihrem Kinde vermindert das Schuldgefühl der
Mutter und verbessert dadurch ihr Verhältnis zum Kinde. Die Mutter ist
dann Ratschlägen des Analytikers in bezug auf Erziehungsmaßnahmen eher
zugänglich und kann ihnen innerlich — und das ist das Wesentliche — eher
nachkommen. Trotzdem setze ich auf Grund meiner Erfahrungen auf die Be-
einflussung der Umgebung nicht allzu große Hoffnungen. Wir tun besser, uns auf
das beim Kinde erzielte Resultat zu verlassen, das ihm eine bessere An-
passung auch an eine schwierige Umgebung ermöglicht und es in die Lage versetzt,
die von der Umgebung ausgehende Belastung besser zu ertragen. Diese Belastungs-
fähigkeit hat natürlich ihre Grenzen. Wir werden es in den Fällen, in denen
das Kind in einem sehr ungünstigen Milieu lebt, oftmals auch nicht zu einem
vollen Erfolg bringen können und müssen mit der Möglichkeit einer nochmaligen
neurotischen Erkrankung des Kindes rechnen. Ich habe aber wiederholt in der-
artigen Fällen festgestellt, daß das erzielte Resultat, auch wenn es keine völlige
Behebung der Neurose bedeutete, für das Kind eine weitgehende Erleichterung
in seiner schwierigen Situation und eine bessere Entwicklung zur Folge hatte.
Ferner scheint die Annahme durchaus begründet, daß eine eventuell sich wieder-
holende Erkrankung nicht mehr so schwer sei, wenn man grundlegende Ver-
änderungen in den tiefsten Schichten erzielt hat.
Hervorhebenswert scheint mir auch, daß in einigen solchen Fällen durch die
Tatsache, daß die Neurose des Kindes vermindert wurde, ein günstiger Einfluß
auch ihr klar geworden war, daß die Lernschwierigkeiten des Kindes dadurch nur
erhöht würden. Als sie dies endlich doch unterließ, erfuhr ich aus der Analyse des
Kindes, daß die Mutter das Kind immer wieder zu Äußerungen über den Fortgang der
Analyse zu veranlassen suchte; sie stellte auch dies auf meine Bitte ein, machte nun
aber dem Kinde Bemerkungen darüber, daß es morgens Ringe unter den Augen habe
(Bemerkungen, die sie in früherer Zeit mit dem Onanieverbot verbunden hatte). Als
nun auch diese die Analyse störenden Bemerkungen eingestellt wurden, wandte die
Mutter der Kleidung des Mädchens und auch der Tatsache, daß dieses sich zu lange auf
der Toilette aufhalte, eine übermäßige und den Trotz des Kindes steigernde Beachtung
zu. Nun gab ich es endlich auf, diesbezüglich einen weiteren Einfluß auf die Mutter
auszuüben und nahm diese Störungen der Analyse mit in Kauf. Nach einiger Zeit,
in der ich keine Vorhaltungen gemacht hatte, verminderten sich die Störungen wieder.
In diesem Falle konnte ich aus der Wirkung auf das Kind feststellen, daß alle diese
verschiedenen Mahnungen, die einander ablösten, für das Kind die gleiche un-
bewußte Bedeutung hatten, nämlich: Ausforschung und Vorwurf wegen
der Onanie. Daß sie auch bei der Mutter einen analogen komplexbetonten Ursprung
hatten, beweist, daß ihr bewußter Wille, die von mir beanstandeten Erziehungsfehler
abzustellen, erfolglos geblieben war, — ja daß allem Anschein nach meine Ratschläge die
Schwierigkeiten der Mutter in ihrer Beziehung zum Kinde vergrößert hatten. Die gleiche
Feststellung machte ich auch in zahlreichen anderen Fällen.
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auf die neurotische Umgebung des Kindes festzustellen war. 18 Mitunter ergibt-
sich auch nach einer erfolgreich durchgeführten Behandlung eine Möglichkeit, das
Kind in ein anderes Milieu, zum Beispiel in eine Schulgemeinde zu versetzen,
was vorher wegen der Neurose und der mangelnden Anpassungsfähigkeit des
Kindes nicht möglich war.
Ob es ratsamer ist, die Eltern öfter zu sehen oder aber Zusammenkünfte mit
ihnen möglichst einzuschränken, ergibt sich im Einzelfalle. In verschiedenen Fällen
habe ich den zweiten Weg als das beste Mittel gefunden, meine Beziehung zur
Mutter möglichst reibungslos zu erhalten.
Aus der Ambivalenz der Eltern zur Analyse des Kindes erklärt sich auch die
für den Anfänger erstaunliche und schmerzliche Tatsache, daß wir selbst bei
unseren besten Erfolgen nicht allzuviel von der Anerkennung der Eltern erwarten
sollen. Obwohl ich wiederholt mit sehr einsichtsvollen Eltern zu tun hatte, habe
ich doch in der Mehrzahl der Fälle festgestellt, daß die Eltern die Krankheits-
erscheinungen, die das Kind zur Analyse führten, leicht vergessen und die
Bedeutung der eingetretenen günstigen Veränderungen übersehen. Dazu kommt,
daß die Eltern einen Teil — und zwar den wichtigsten — unserer Resultate
nicht beurteilen können. Die Analyse des Erwachsenen beweist ihre Bedeutung
durch die Behebung lebensstörender Schwierigkeiten. Daß wir Schwierigkeiten
dieser Art, oder selbst der Psychose, durch die Analyse des Kindes vorgebeugt
haben, wissen wohl wir, aber meist nicht die Eltern. Es besteht aber auch die
Neigung seitens der Eltern, vorhandene schwere Symptome des Kindes wohl als
störend zu empfinden, nicht aber in ihrer Bedeutung zu erkennen, eben weil sie
nicht in das reale Leben so bedeutsam eingreifen wie die Krankheit des
Erwachsenen.
> Ich glaube aber, wir können uns mit der Tatsache, daß wir nicht allzuviel
von der Anerkennung der Eltern erwarten dürfen, gut abfinden, wenn wir uns
vergegenwärtigen, daß unsere Arbeit ja in erster Linie dem Wohle des Kindes
und nicht dem Danke der Eltern gilt.
18) Bei einem vierzehnjährigen Knaben zum Beispiel, der in überaus schwierigen und
belastenden Familienverhältnissen lebte und wegen Charakterschwierigkeiten zu mir in
Analyse kam, stellte die Umgebung fest, daß die günstigen Charakterveränderungen des
Knaben auch einen sehr wohltuenden Einfluß auf den Charakter der um ein Jahr älteren
nicht analysierten Schwester ausübten. In diesem Falle hatte sich auch das Verhältnis
der Mutter zum Sohne verbessert.
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..
FÜNFTES KAPITEL
Die Technik der Analyse im Pubertätsalter
Die typische Analyse im Pubertätsalter unterscheidet sich in wesentlichen
Zügen von den Analysen im Latenzalter. Die Triebregungen sind intensiver,
die Phantasietätigkeit ist stärker und das Ich hat andere Ziele und eine ver-
änderte Beziehung zur Realität. Hingegen finden wir in der Analyse von Jugend-
lichen Analogien mit der des Kleinkindes, die sich daraus ergeben,,
daß wir wieder einer stärkeren Herrschaft der Triebregungen und des Unbewußten
und einer sehr viel reicheren Phantasietätigkeit gegenüberstehen.
Auch zeigen die Angst- und Affektäußerungen im Pubertätsalter in ihrer im
Vergleich zum Latenzalter sehr viel akuteren Form ein Wiederaufleben der
für das kleine Kind charakteristischen Angstentbindung. Das Bestreben,
die Angst abzuwehren und zu verarbeiten, die auch beim kleinen Kinde eine
wesentliche Funktion des Ichs ist, gelingt jedoch dem entwickelteren Ich des
Jugendlichen sehr viel besser. Er hat die Entwicklung seiner Interessen und
Aktivitäten (Sport usw.) sehr stark in den Dienst der Aufgabe gestellt, seine
Angst zu beherrschen, zu überkompensieren und vor sich und anderen zu
maskieren. Der Jugendliche bewältigt diese Aufgabe mit Hilfe des Trotzes und
der Auflehnung, die für die Pubertätszeit charakteristisch sind. Hierin liegt aber
eine große technische Schwierigkeit der Analyse im Pubertätsalter.
Wenn wir nicht bald den Zugang zu den in diesem Alter so akuten Affekten
finden, die sich vorwiegend in trotziger Übertragung äußern, so
kann es leicht zu einem plötzlichen Abbruch der Analyse kommen.
Wiederholt hat sich mir in Knabenanalysen gezeigt, daß die Erwartungs-
vorstellungen in den ersten Stunden schwere körperliche Angriffe von meiner
Seite zum Inhalt hatten. Der vierzehnjährige Ludwig zum Beispiel war am
zweiten Analysentage nicht mehr gekommen und hatte sich am dritten Tag
nur sehr schwer von der Mutter bestimmen lassen, es noch einmal „mit der
Analyse zu versuchen". In dieser dritten Analysenstunde gelang es mir, ihm nach-
zuweisen, daß er mich mit dem Zahnarzt identifizierte. Er behauptete zwar,
vor diesem, an den ich ihn im Aussehen erinnerte, keine Angst zu haben; die
Deutung des vorliegenden Materials aber vermochte ihn vom Gegenteil zu über-
zeugen, denn sie bewies ihm, daß er vom Zahnarzt und von mir nicht nur ein
Zahnziehen, sondern ein Zerschneiden des ganzen Körpers erwartete. Durch die
Verringerung dieser Angst hatte ich die analytische Situation hergestellt. Es kam
zwar im Verlaufe der Analyse noch oft zu starker Angstentbindung, aber der
Widerstand blieb im wesentlichen auf die analytische Situation beschränkt, und
der Fortgang der Analyse war gesichert.
Ähnlich wie bei Ludwig habe ich auch in anderen Fällen, in denen ich ver-
steckte Anzeichen latenter Angst wahrnahm, diese Anzeichen in der ersten
Analysenstunde gedeutet und so gleich mit dem Abbau der negativen Über-
tragung begonnen. Aber auch in den Fällen, in denen die Angst zunächst nicht er-
kennbar ist, kann es zu plötzlichen Angstausbrüchen kommen, wenn nicht die analy-
tische Situation durch die Deutung des unbewußten Materials bald hergestellt wird.
Das Material in den Analysen von Jugendlichen hat große Ähnlichkeit mit
dem des kleinen Kindes. Der Knabe im Vorpubertät s- und Puber-
tätsalter hantiert in der Phantasie mit Personen und
Dingen ähnlich wie das kleine Kind mit dem Spielzeug.
Was der dreiunddreivierteljährige Peter im Spiel mit den kleinen Wagen, Zügen
und Autos zur Darstellung bringt, zeigt mir zum Beispiel der vierzehnjährige
Ludwig in seinen monatelang fortgesetzten Berichten über die Unterschiede der
Konstruktionen verschiedener Autos, Motorräder, Fahrräder usw. Peter läßt die
kleinen Wagen fahren und vergleicht sie miteinander, Ludwig interessiert sich
leidenschaftlich dafür, welcher Wagen und welcher Führer im Rennen siegen wird.
Wenn Peter dem kleinen Männchen für geschicktes Fahren Bewunderung zollt
und ihn die verschiedensten Kunststücke ausführen läßt, so kann Ludwig nicht
genug sportliche Helden bewundern. Die Phantasietätigkeit des Jugendlichen ist
aber der Realität und den stärkeren Ichinteressen besser angepaßt,
und deshalb ist ihr Phantasiegehalt viel weniger deutlich als
beim kleinen Kinde. Beim Jugendlichen ändert sich mit der stärkeren Aktivität
und Realitätsbeziehung auch der Charakter der Phantasien. 1 Der Antrieb, in der
Realität Mut zu beweisen, und das Bedürfnis, mit anderen zu wetteifern, treten
stärker hervor. Dies ist mit ein Grund dafür, weshalb der Sport, in dem sowohl
die Rivalität mit anderen als die Bewunderung für hervorragende Leistungen
anderer befriedigt werden kann, und der überdies so stark der Angstbewältigung
dient, auch im Phantasieleben des Jugendlichen einen so großen Raum einnimmt.
Diese Phantasien, die den Vergleich und den Kampf mit dem Vater um den
Besitz der Mutter und die Potenz ausdrücken, werden auch beim Jugendlichen
von Aggression und Haß in allen Formen begleitet und häufig von Angst und
Schuldgefühl abgelöst. Die dem Pubertätsalter eigenen Mechanismen verhüllen
jedoch diese Zusammenhänge viel besser, als es beim kleinen Kinde der Fall ist.
Der größere Knabe wählt sich als Vorbilder Helden und bedeutende Männer.
Mit diesen Objekten, die ihm ferne stehen, kann er die Identifizierung besser
i) In vielen Knabenanalysen der Vorpubertät, mitunter auch schon des Latenz-
alters füllen Indianer- oder Detektivgeschichten, Phantasien von Reiseabenteuern
und Kämpfen den größten Teil der Stunden aus. Sie werden fortsetzungsweise mit-
geteilt und sind häufig mit Phantasien über technische Konstruktionen, z.B. von
Booten, Maschinen, Autos, Kriegsausrüstungen usw., verbunden.
90 —
aufrechterhalten. Er kann auch die den Vater-Imagines geltenden negativen
Gefühle ihnen gegenüber anhaltender überkompensieren. Seine Aggression richtet
sich bei dieser Spaltung der Vater-Imago gegen andere Objekte. Wenn wir die
großen Quantitäten an Haß und Hohn, die wir im Laufe der analytischen Arbeit
aufdecken und deren Objekte Lehrer, Verwandte usw. sind, mit der über-
kompensierenden Bewunderung für andere Objekte in Zusammenhang bringen, so
finden wir auch beim großen Knaben den Zugang zur vollen Analyse der Affekte
und des Ödipuskomplexes.
In manchen Fällen hat die Verdrängung zu so weitgehender Einschränkung
der Persönlichkeit geführt, daß nur ein ausgesprochenes Interessengebiet vor-
liegt. Dieses einseitige Interesse, zum Beispiel für einen bestimmten
Sport, ist ebenso wie ein ausschließliches Spiel beim Kinde das Residuum
aller verdrängten Phantasien geworden und trägt im allgemeinen
mehr den Charakter eines zwangsneurotischen Symptoms als den einer Sub-
limierung. Monotone Berichte über Fußballspiel, Radfahren od. dgl. bilden in
solchen Fällen monatelang das ausschließliche Material der Analyse. Aus diesen
so wenig ergiebig scheinenden Assoziationen müssen wir den Gehalt an verdrängten
Phantasien zutage fördern. Wenn wir analog der Technik der Traum- und Spiel-
deutung auch hier die Mechanismen der Verschiebung, Verdichtung, symboli-
schen Darstellung usw. berücksichtigen und den Zusammenhang mit den leisen
Anzeichen von Angst und der ganzen Affektlage beachten, gelangen wir nach und
nach (hinter der Fassade dieses monotonen Interesses) 2 zu den tiefsten Komplexen
des Analysanden.
Hier tritt eine Analogie mit einem extremen Typus von Analysen des Latenz-
alters hervor. Ich verweise auf das monotone, phantasielose Zeichnen der sieben-
jährigen Grete, 3 das ich monatelang als fast ausschließliches Mittel der Analyse
erhielt, und auf den noch extremeren Fall von Egon.
Diese Fälle zeigten die im Latenzalter normale Einschränkung der Phantasie-
tätigkeit und der Darstellungsmittel im extremen Grade. Ich fand, daß die Fälle
im Pubertätsalter, bei denen eine so starke Einschränkung der
Interessen und Darstellungsmittel vorliegen, Fälle von protrahierter
Latenz sind. Andrerseits hat sich mir die weitgehende Einschränkung der
Phantasietätigkeit (Spielhemmung) im frühen Kindesalter dahin aufgeklärt, daß
hier ein verfrühter Beginn der Latenzzeit vorliegt. In beiden Fällen, sowohl bei
verfrühter wie bei protrahierter Latenz, zeigt nicht nur die zeitliche Verschiebung,
2) Auch Abraham hat, wie er mir berichtete, die Psychoanalyse eines etwa
zwölfjährigen Knaben vorwiegend in der — wie er es nannte — „Markensprache"
erfolgreich durchgeführt. Einzelheiten, wie z.B. die abgerissene Ecke einer Marke,
vermittelten den Zugang zum Kastrationskomplex.
3) Siehe Kap. IV.
— 91 —
sondern auch das Übermaß der für die normale Latenzzeit charakteristische!*
Erscheinungen eine schwere Entwicklungsstörung an.
.14 will .nun meine Auffassung von der Technik im Pubertätsalter an einige«
Beispielen illustrieren. In der Analyse des fünfzehnjährigen Bill* hatten die fort-
gesetzten Assoziationen über sein Fahrrad und dessen einzelne Teile (zum Bei-
spiel die Angst, es durch zu schnelles Fahren beschädigt zu haben) reichliches
Material für sein Schuldgefühl wegen der Onanie und für seinen Kastrations-
Komplex geliefert. 5
Bill berichtete mir nun einmal über eine gemeinsame Radfahrtour mit seinem
Freund, bei der die Knaben ihre Fahrräder ausgetauscht hatten, wonach Bill
- unbegründeterweise - befürchtet hatte, daß sein Fahrrad beschädigt worden
«l Da ich auch vorher schon ähnliches Material erhalten hatte, deutete ich ihm,
daß diese Angst auf sexuelle Akte zurückzugehen scheine, die in der Kindheit
vorgefallen seien. Darauf erwiderte mir Bill, daß die Tatsache stimme und daß
er sich auch an Einzelheiten einer solchen Beziehung mit einem Knaben erinnere.
Das mit dieser Beziehung verknüpfte Schuldgefühl und die Angst, seinen Penis
und seinen Korper dabei beschädigt zu haben, waren unbewußt
vo? K A r IySe , ^ Vier2ehn i ähri § en Ludwig, von deren Einleitung ich
vorhin berichtete, lernten wir die Gründe des sehr starken Schuldgefühls dem
jüngeren Bruder gegenüber an analogem Material kennen. Wenn zum Beispiel
Ludwig von semer reparaturbedürftigen Dampfmaschine gesprochen hatte, so
folgten darauf Assoziationen über die Dampfmaschine des Bruders, mit der wohl
nichts mehr anzufangen sein werde. Der daran anschließende Widerstand, sein
Junsch, die Stunde möge bald zu Ende sein, erwiesen sich durch die Angst vor
der Mutter begründet, die die frühere sexuelle Beziehung zwischen ihm und dem
jüngeren Bruder - an die eine teilweise bewußte Erinnerung vorlag - hätte
entdecken können Diese Beziehung zum Bruder hatte, da Ludwig dabei als
der Altere und Stärkere den Bruder auch zeitweise genötigt hatte schwere
unbewußte Schuldgefühle hinterlassen. Ludwig fühlte sil JJTte^Z
entwicklung des jüngeren, stark neurotischen Bruders verantwortlich •
6) Ludwigs Analyse war als eine prophylaktische gedacht. Er neigte wohl zu
9a —
Im Anschluß an die Assoziationen über einen gemeinsamen, mit einem Freund
beabsichtigten Schiffsausflug meinte Ludwig, der Dampfer könne untergehen, zog
plötzlich seine Monatskarte der Bahn heraus und fragte mich, ob ich ihm sagen
könne, wann sie erlösche. Er kenne sich nicht aus, welche der Zahlen sich auf
den Monat und welche sich auf den Tag beziehen. Das „Erlöschen" der Monats-
karte stellte für ihn das Datum seines befürchteten Todestages dar. Die ge-
meinsame Reise bedeutete ihm die in früher Kindheit vorgenommene mutuelle
Onanie (Bruder/Freund), die Schuldgefühl und Todesangst verursacht hatte.
Ludwig berichtete weiter, daß er seine elektrischen Batterien entleert habe, um das
Köfferchen, in dem er sie eingepackt hatte, nicht zu beschmutzen. Er erzählt ferner,
daß er mit seinem Bruder — als Ersatz für Fußballbälle — im Zimmer mit
Ping-Pong-Bällen gespielt habe; das sei ungefährlich, dabei könne man sich weder
die Köpfe einschlagen noch die Fensterscheiben zertrümmern. Dabei erinnert er
sich an ein Erlebnis aus früheren Jahren. Er war ohnmächtig geworden, als ihn
ein Fußball empfindlich traf. Eine Verletzung erlitt er nicht, aber es bestand die
Depressionen, die aber keinen abnormen Charakter trugen, war nicht gesellig, ziemlich
passiv und auf sich zurückgezogen und hatte kein gutes Verhältnis zu seinen Ge-
schwistern. Er war aber in normaler Weise sozial angepaßt, ein guter Schüler und in
keiner Beziehung aus dem Rahmen fallend. Bei diesem durchaus als normal zu be-
zeichnenden Knaben ergaben sich durch die Analyse (deren Dauer hundertundneunzig
Analysenstunden betrug) Veränderungen, die auch Fernstehenden, die keine Kenntnis
von seiner Analyse hatten, auffielen. Zum Beispiel ergab sich, daß seine Unlust, ins
Theater oder ins Kino zu gehen, mit einer trotz des befriedigenden Lernens bestehenden
schweren Hemmung des Wißtriebes zusammenhing. Mit der Behebung dieser Hemmung
erweiterte sich sein Gesichtskreis und er wurde viel gescheiter. Die Analyse von
Ludwigs — wie sich ergab — stark passiver Einstellung führte zur Entwicklung zahl-
reicher Aktivitäten. Das Verhältnis zu den Brüdern verbesserte sich, zugleich zeigte
sich eine größere soziale Anpassung. Diese Veränderungen führten zu einem viel freieren,
reiferen und ausgeglicheneren Wesen. Ich möchte hervorheben, daß diesen zwar günstigen,
aber nicht entscheidend scheinenden Resultaten Veränderungen zugrunde lagen, denen
aller Voraussicht nach auch für die Zukunft Bedeutung zukommt. Die Behebung von
Ludwigs Passivität hing mit einer veränderten Entwicklung seiner Sexualität zusammen.
Die heterosexuellen Strebungen hatten sich wesentlich verstärkt, und Schwierigkeiten,
die wir als Grundlage für Potenzstörungen kennen, waren behoben worden. Die Depres-
sionen waren mit Selbstmordgedanken verbunden und gingen tiefer, als es den Anschein
hatte. Der Zurückziehung auf sich selbst, der Unlust zur Geselligkeit lag eine starke
Realitätsflucht zugrunde. Ich greife mit dieser Aufzählung nur einige der Schwierig-
keiten heraus, die sich in der tiefführenden Analyse ergaben, möchte aber bei dieser
Gelegenheit hervorheben — ich verweise auf den analogen Fall von Inge — , wie stark
auch die Schwierigkeiten des Normalen sind. Mit diesen analytischen Feststellungen
stimmt auch die alltägliche Erfahrung überein, daß überraschend häufig bis dahin normal
scheinende Menschen auf geringfügige Anlässe hin neurotisch erkranken oder Selbst-
mord begehen. Aber auch bei denen, die nicht erkranken, läßt sich — wie mir auch
Analysen normaler Erwachsener bestätigten — das Ausmaß der Hemmung in intel-
lektueller und sexueller Beziehung und der Entgang an Lebensfreude nur durch die
Analyse ermessen. (Letzte Nachricht erhielt ich drei Jahre nach Abschluß der Behandlung.)
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Gefahr einer Verletzung der Zähne oder der Nase. Diese Erinnerung erwies sich
als eine Deckerinnerung für die Beziehung zu einem älteren Freund, der ihn
verführt hatte. Die Ping-Pong-Bälle stellten den kleineren und ungefährlicheren
Penis des Bruders, der Fußball den Penis des älteren Knaben dar. Da er sich aber
im Verhältnis zum Bruder mit dem Freund, der ihn verführt hatte, identifizierte,
so ergab sich hieraus ein starkes Schuldgefühl wegen des Schadens, den er dem
Bruder zugefügt hatte. Das Entladen der Batterien, die Angst, das Köfferchen
zu beschmutzen, war determiniert durch die Angst vor der Beschmutzung und
Beschädigung, die er dem Bruder durch die Einführung seines Penis in dessen
Mund zugefügt hatte, indem er ihn zu Fellatio zwang, und die er selbst seit der
mit dem älteren Freund vorgenommenen Fellatio für seinen eigenen Körper
empfand. Die Angst, den Bruder innerlich beschmutzt und beschädigt zu haben,
war durch sadistische Phantasien dem Bruder gegenüber begründet und führte
zu der noch tiefer liegenden Grundlage seiner Angst und Schuldgefühle: den
sadistischen, gegen die Eltern gerichteten Masturbationsphantasien. — So hatten
wir, von dem symbolisch durch die Assoziationen über die reparaturbedürftigen
Dampfmaschinen ausgedrückten Geständnis seiner Beziehungen zum Bruder aus-
gehend, nicht nur den Zugang zu anderen Erlebnissen, sondern auch zu den
tiefsten Schichten der Angst gefunden. Ich weise auch noch auf die überaus reiche
symbolische Darstellung hin, die das Material in dieser als typisch zu be-
zeichnenden Pubertätsanalyse gefunden hat, eine Darstellung, die ebenso wie in
der Frühzeit eine entsprechende Deutung der Symbolik erforderlich macht.
Ich gehe nun auf die Analyse des Mädchens im Pubertätsalter ein.
Das Einsetzen der Menstruation löst starke Angst aus. Sie bedeutet — neben
den übrigen uns bekannten Determinierungen — letzten Endes das äußere An-
zeichen einer völligen Zerstörung des Leibesinnern und der darin enthaltenen
Kinder. Deshalb vollzieht sich beim Mädchen im Pubertätsalter die Entwicklung
zur vollen weiblichen Position langsamer und unter größeren Schwierigkeiten
als die Befestigung der männlichen Position beim Knaben. Diese größere
Schwierigkeit in der Entwicklung des Weibes hat zur Folge, daß sich häufig beim
Mädchen im Pubertätsalter die männliche Komponente verstärkt. In anderen
Fällen setzt nur eine teilweise, vorwiegend intellektuelle Entwicklung im
Pubertätsalter ein. Diese Mädchen verbleiben in Hinsicht auf ihre Sexualität und
ihre Persönlichkeit in einer protrahierten Latenz, die in vielen Fällen auch über
das Pubertätsalter hinaus anhält. In der Analyse des ersten, des aktiven, mit
dem Manne rivalisierenden Typus gehen wir häufig von einem Material aus,
das dem beim Knaben analog ist. Bald treten aber die Unterschiede im Aufbau
des männlichen und des weiblichen Kastrationskomplexes hervor, da wir beim
Vordringen in die tieferen Schichten auf die aus der Aggression gegen die Mutter
stammenden Angst- und Schuldgefühle stoßen, die beim Mädchen zu einer Ab-
- 94 -
r
lehnung der weiblichen Rolle geführt und die Bildung des weiblichen Kastrations-
komplexes beeinflußt haben. Wir finden dann, daß die Angst vor der Zerstörung
des Leibesinnern durch die Mutter zur Ablehnung der weiblichen und mütterlichen
Rolle geführt hat. In diesem Stadium der Behandlung ähnelt das Material dem-
jenigen, das wir beim kleinen Mädchen erhalten. Beim zweiten Typus, dem der
sexuell stark gehemmten Mädchen, beginnt die Analyse im allgemeinen an Hand
von ähnlichem Material wie in Analysen im Latenzalter: Schulberichte, der
Wunsch, die Lehrerin zufriedenzustellen, die Sorge um das Gelingen der Aufgabe,
der Näharbeiten usw., nehmen einen großen Raum in der Analyse ein. In diesen
Fällen muß man sich ähnlich wie im Latenzalter verhalten, indem man durch
Auflösung von Angstquantitäten Schritt für Schritt die verdrängte Phantasie-
tätigkeit freimacht. Wenn uns dies bis zu einem gewissen Grade gelungen ist,
treten die Angstinhalte und Schuldgefühle stärker hervor, die sich der Bei-
behaltung der weiblichen Rolle entgegengestellt und in diesen Fällen zu einer
allgemeinen Hemmung der Sexualität geführt hatten, während sie in den früher
besprochenen Fällen zur Identifizierung mit dem Vater führten. Auch bei den
Mädchen, bei denen die weibliche Position dominiert, ist die Angst im Pubertäts-
alter viel stärker und äußert sich akuter als bei Erwachsenen. Trotzige und
negative Übertragungen sind auch für diese Fälle im Pubertätsalter charakte-
ristisch und machen die baldige Herstellung der analytischen Situation erforderlich.
Häufig ergibt sich in der Analyse, daß die weibliche Position überbetont und zum
Teil vorgeschoben ist, um die aus dem Männlichkeitskomplex stammende Angst
und die noch tiefer liegenden Angstinhalte der frühesten weiblichen Position zu
verdecken und zu maskieren. 7
Ich will nun diese allgemeinen Bemerkungen zur Technik weiblicher Vor-
pubertäts- und Pubertätsanalysen durch den Ausschnitt aus einer Analyse ver-
anschaulichen. Diese ist nicht eine typische Analyse dieser Altersstufe, scheint mir
aber dennoch geeignet, auch die Schwierigkeiten solcher Analysen zu illustrieren.
Die zwölfjährige Ilse zeigte ausgesprochen schizoide Züge. Sie wies eine
ungewöhnliche Einschränkung der Persönlichkeit auf. Sie stand nicht nur intel-
lektuell auf der Stufe eines acht- bis neunjährigen Kindes, sondern sie besaß auch
nicht einmal die Interessen, die normalerweise Kinder dieser Altersstufe haben.
Auffallend war die weitgehende Hemmung jeglicher Phantasietätigkeit. Ilse hatte
auch nie im eigentlichen Sinne gespielt und fand, mit Ausnahme eines zwangs-
mäßigen und völlig phantasielosen Zeichnens (auf dessen Charakter ich später
eingehen werde), an keiner Beschäftigung Freude. So hatte sie zum Beispiel kein
Vergnügen an Gesellschaft, liebte es nicht, auf die Straße zu gehen, Dinge zu be-
sichtigen, und hatte eine Abneigung gegen Theater, Kino und Zerstreuungen aller
7) Siehe Joan Ri viere: Weiblichkeit als Maske. Int. Ztschr. f. PsA.,BdXV (1929).
- 9 5 -
1
Art. Ihr Hauptinteresse galt dem Essen, und Enttäuschungen in dieser Hinsicht
führten immer zu Wutausbrüchen und Depressionen. Sie war auf die Geschwister
sehr eifersüchtig, aber weniger wegen der Liebe der Mutter als wegen vermeint-
licher Bevorzugung beim Essen. Der gehässigen Einstellung zu Eltern und Ge-
schwistern entsprach auch im allgemeinen eine sehr geringe soziale Anpassung.
Ilse hatte keine Freundinnen und schien überhaupt kein Bedürfnis nach Liebe
und Anerkennung zu empfinden. Besonders schlecht war das Verhältnis zur
Mutter. Ilse hatte ihr gegenüber zeitweise sehr starke Wutausbrüche, zugleich war
sie aber übermäßig an sie fixiert.
Eine längere Abwesenheit vom häuslichen Milieu — Ilse hatte zwei Jahre in
einer von ihrem Wohnort entfernten Klosterschule verbracht - führte auch
keine nachhaltige Veränderung herbei.
Als Ilse elfeinhalb Jahre alt war, wurde sie von der Mutter beim Geschlechts-
verkehr mit dem älteren Bruder ertappt. Nun erst kamen der Mutter Erinne-
rungen, die in ihr die Überzeugung erweckten, daß diesem Vorfall schon andere
ähnlicher Art vorausgegangen seien. Die Analyse erwies, daß diese Überzeugung
begründet war; ferner ergab sich, daß auch nach der Entdeckung durch die Mutter
diese Beziehung fortgesetzt wurde.
Ilse kam ausschließlich auf den dringenden Wunsch der Mutter in Analyse,
veranlaßt von einer kritiklosen und weit unter ihrem Alter stehenden Folgsam-
keit, die mit der haßerfüllten Einstellung zugleich die Fixierung an die Mutter
charakterisierte.
Ich schlug Ilse zunächst vor, sich niederzulegen. Die spärlichen Assoziationen
beschäftigten sich vorwiegend mit dem Vergleich der Einrichtungsgegenstände
meines Zimmers mit denen des häuslichen Milieus und insbesondere ihres eigenen
Zimmers. Sie verließ mich mit deutlichem schwerem Widerstand, lehnte es am
nächsten Tage ab, zur Analyse zu kommen, ließ sich aber schließlich von der
Mutter dennoch dazu bewegen. Nach meinen Erfahrungen ist es in einem solchen
Falle nötig, die analytische Situation schnell herzustellen, da die Hilfe der
Umgebung nicht lange als Stütze für die Analyse dienen kann. Mir war schon
in der ersten Stunde das Fingerspiel des Mädchens aufgefallen; immer wieder
strich es die Falten des Rockes glatt und begleitete dieses Fingerspiel mit einigen
Sätzen, in denen es die Einrichtungsgegenstände meines Zimmers mit denen seines
Zimmers verglich. Als Ilse in der zweiten Stunde eine in meinem Zimmer stehende
Teekanne mit einer ähnlichen, aber nicht so schönen, zu Hause verglich, setzte
ich mit der Deutung ein. Ich erklärte ihr, daß die Gegenstände, die sie vergleiche,
Personen bedeuteten. Sie vergleiche mich oder ihre Mutter mit sich selbst und
der Vergleich falle zu ihren Ungunsten aus, weil sie sich wegen der Masturbation
schuldig und körperlich beschädigt fühle. Das immer wiederkehrende Glätten der
Rockfalten drücke zugleich die Masturbation sowie den Versuch aus, das Genitale
- 1
- 9 6 -
wieder herzustellen. 8 Sie widersprach heftig, ich konnte aber die Wirkung der
Deutung an dem reicher einsetzenden Material erkennen. Auch weigerte sich Ilse
a m nächsten Tage nicht mehr, zu mir zu kommen. Dennoch hielt ich es, da Ilse
so infantil war und bei ihrer Schwierigkeit, sich in "Worten auszudrücken, und
bei der allem Anschein nach starken akuten Angst für angebracht, zur Spiel-
analyse überzugehen. In den nächsten Monaten bestanden die Assoziationen Ilses
vorwiegend in Zeichnungen, die sie — anscheinend völlig phantasielos — mit dem
Zirkel und nach genauen Messungen herstellte. Das Messen und Berechnen von
Teilstücken spielte dabei die Hauptrolle und die Zwanghaftigkeit dieser ganzen
Beschäftigung trat immer deutlicher hervor. 9 In langsamer und geduldiger Arbeit
ließ sich ermitteln, daß die verschiedenen Formen und die Farben der Teilstücke
Personen darstellten. Der Zwang zum Messen und Rechnen entstammte dem
zwanghaft gewordenen Antrieb, sich über das Innere des Mutterleibes, die Anzahl
der Kinder, die Geschlechtsunterschiede usw. Gewißheit zu verschaffen. Auch in
diesem Fall ging die Hemmung der Persönlichkeit und der ganzen intellektuellen
Entwicklung von einer sehr frühen Verdrängung des intensiven Wißtriebes aus,
der sich in trotzige Ablehnung gegen alles "Wissen verkehrt hatte. Wir waren
an Hand dieses Materials von Zeichnen, Messen und Rechnen ein ganzes Stüdc
weit vorgedrungen, und die Angst war weniger akut geworden. Ich machte
deshalb — etwa sechs Monate nach Beginn der Behandlung — Ilse den Vor-
schlag, versuchsweise wieder zur Liegeanalyse überzugehen. Die Angst wurde
sogleich akuter, ließ sich aber bald herabsetzen, und die Analyse machte von
diesem Zeitpunkte an schnellere Fortschritte. Infolge des kärglichen Inhaltes und
der Monotonie der Assoziationen entsprach zwar auch dieser Analysenabschnitt noch
keineswegs einer normalen Analyse dieser Altersstufe, führte aber im weiteren
Verlaufe immer mehr dazu. Es trat nun ein starkes Bestreben hervor, die Lehrerin
zufriedenzustellen und gute Zensuren zu bekommen, aber ihre schwere Lern-
hemmung machte Ilse die Erfüllung dieses Wunsches unmöglich. Erst jetzt wurde
ihr auch die Enttäuschung und der Schmerz über ihre Unzulänglichkeit voll-
kommen bewußt. Stundenlanges Weinen ging zu Hause einem Schulaufsatz
voraus, den sie dann auch wirklich nicht fertigbrachte. Ilse war ebenso ver-
zweifelt, wenn ihre Strümpfe, die sie nicht in Ordnung gebracht hatte, vor dem
Gang zur Schule Löcher zeigten. Ihre Assoziationen über Versagen im Lernen
führten immer wieder zu einem Makel der Kleidung oder des Körpers. Die
8) Es handelt sich bei einer derartigen Deutung nicht darum, etwas bewußt Ver-
heimlichtes (Onanie od. dgl.) zu erraten und dadurch Einfluß auf das Kind zu
gewinnen, sondern das mit der Onanie (und anderen verpönten Handlungen) ver-
knüpfte Schuldgefühl zu verringern, indem man es auf die tieferen Quellen zurückführt.
9) Tatsächlich lagen auch bei Ilse keine wirklichen Interessen vor, über die sie hätte
sprechen können. Sie las zwar leidenschaftlich, aber der Inhalt der Lektüre war für sie
unwesentlich. Das Lesen diente hauptsächlich der Flucht aus der Realität.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 97 — 7
Manschetten, Blusen, der Kragen, die Krawatte, jedes einzelne Stück der Kleidung,,
weil zu lang oder zu kurz, schmutzig oder nicht von richtiger Farbe, kehrten
monatelang zugleich mit den Schulberichten in monotoner Weise in jedem ihrer
Einfälle wieder. 10 Zu dieser Zeit schöpfte ich das Material vorwiegend aus den
Einzelheiten der mißglückten Schularbeiten. 11 Auf die immer wiederkehrende
Klage Ilses, sie wisse nichts zu dem ihr aufgegebenen Thema zu schreiben, ver-
anlaßt« ich sie zu Assoziationen über das Thema, und diese forcierten Phantasien 12
erwiesen sich als sehr aufschlußreich. Der Schulaufsatz bedeutete für Ilse ein
Einbekenntnis ihres frühesten „Nichtwissens", nämlich ihrer Unkenntnis der Vor-
gänge beim Geschlechtsverkehr der Eltern, dem Inhalt des Mutterleibes usw.
Deshalb wurden die mit dem Nichtwissen zusammenhängenden Gefühle von
Angst und Trotz bei jeder Schulaufgabe aktiviert. Wie in vielen anderen Fällen,
stellte der Aufsatz bei Ilse unter anderem ein Geständnis dar und rührte in
stärkstem Maße an ihr Schuldgefühl und ihre Angst. Zum Beispiel führte das
Thema „Schilderung des Kurfürstendamms" zu Einfällen über Schaufenster und
zu Gegenständen, die sie gern haben möchte, zum Beispiel einer sehr großen
verzierten Streichholzschachtel, die sie auf einem Spaziergang mit der Mutter in
einem Schaufenster gesehen hatte. Sie gingen in den Laden und die Mutter
zündete versuchsweise eines der großen Streichhölzer an. Ilse hätte gern das
gleiche getan, unterließ es aber aus Angst vor der Mutter und dem Verkäufer,
der eine Vater-Imago darstellte. Die Streichholzschachtel und deren Inhalt
ebenso wie der Inhalt der Schaufenster bedeuteten den Mutterleib, das Anstreichen
des Streichholzes den Koitus der Eltern. Der Neid auf die Mutter, die im Koitus
den Vater besaß, die aggressiven, gegen die Mutter gerichteten Regungen waren
die Ursachen ihrer tiefsten Schuldgefühle. Ein anderes Thema behandelte
„Bernhardiner Hunde". Als Ilse deren Geschicklichkeit, Menschen vom Erfrieren
zu retten, erwähnt hatte, setzte schwerer Widerstand ein. Die weiteren Einfälle
zeigten, daß die im Schnee versunkenen Kinder in ihrer Phantasie verlassene
Kinder waren. Die Schwierigkeiten, die dieses Aufsatzthema bei ihr angerührt
hatten, gingen auf die Todeswünsche gegen ihre jüngeren Schwestern zurück, und
zwar vor und nach der Geburt, ferner auf die Angst, zur Strafe von der Mutter
verlassen zu werden. Aber auch jede sonstige — schriftliche oder mündliche —
Schulaufgabe bedeutete für Ilse ein vielfaches Geständnis. Zu diesen Schwierig-
10) Siehe J. C. Flügel: The Psychology of Clothes (The International Psycho-
Analytical Library 1930).
11) Ella Sharpe hat über den Fall einer erwachsenen psychotischen Patientin
berichtet, in deren Analyse sie längere Zeit hindurch das Material fast ausschließlich aus
dem historischen Interesse der Patientin schöpfte und an Hand dieses Materials bis zu
den tiefsten Seelensdiiditen vordrang (History as Phantasy, Vortrag gehalten vor der
British Psycho-Analytical Society, Frühjahr 1929).
12) Siehe Ferenczi: Forcierte Phantasien. (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. X, 1924.)
- 9 8 -
keiten kamen noch die speziellen, der Mathematik, der Geometrie, Geographie usw.
geltenden Hemmungen. 13
Zugleich mit der fortschreitenden Behebung der Lernschwierigkeiten war eine
überaus günstige Veränderung im gesamten Wesen des Mädchens eingetreten. Ilse
war sozial anpassungsfähig geworden und hatte Freundinnen erworben. Das Ver-
hältnis zu den Geschwistern und Eltern hatte sich wesentlich gebessert. Sie war
nun eigentlich normal zu nennen. Ihre Interessen hatten annähernd eine ihrem
Alter entsprechende Stufe erreicht.
Da sie eine gute Schülerin, bei den Lehrerinnen beliebt und eine sogar über-
mäßig folgsame Tochter geworden war, zeigte sich die Umgebung mit dem Erfolg
der Analyse völlig zufrieden und sah auch keinen Grund, sie fortzusetzen. Ich
teilte diese Meinung nicht. Es war mir klar, daß bei Ilse im Alter von dreizehn
Jahren und schon nach dem Einsetzen der physischen Pubertät psychisch erst ein
wirklich gelungener Übergang in das Latenzalter sich vollzogen hatte. Die Analyse
hatte durch die Auflösung von Angstquantitäten, durch Ver-
minderung des Schuldgefühls die soziale Anpassung und
den psychischen Übergang in das Latenzalter ermöglicht. So er-
freulich diese Veränderung auch war, sah ich mich doch einem noch ganz unselb-
ständigen, übermäßig an die Mutter fixierten Menschen gegenüber. Wenn auch ihr
Interessenkreis sich stark erweitert hatte, so war Ilse doch kaum einer selb-
ständigen Meinung fähig. Ihre Meinungsäußerungen leitete sie meist folgender-
maßen ein: „Meine Mutter meint" usw. Ihr Wunsch, zu gefallen, die große
Sorgfalt, die sie nun auf ihr Äußeres verwendete — auch dies im Gegensatz zu
ihrer früheren völligen Gleichgültigkeit — , ihr Bedürfnis nach Lob und An-
erkennung standen vorwiegend im Dienste des Bestrebens, die Mutter, die
Lehrerin zufriedenzustellen. Dem gleichen Zwecke diente auch ihr Wunsch, die
Kameradinnen zu übertreffen. Die homosexuelle Einstellung dominierte; die
heterosexuellen Regungen traten kaum hervor.
Die Fortsetzung der nun normal verlaufenden Analyse führte zu weitgehenden
Änderungen sowohl in diesem Punkte als auch in der Gesamtentwicklung der
Persönlichkeit. Hiezu trug auch die Analyse der durch die Menstruation aus-
gelösten Angst bei.
Die übermäßige positive Bindung an die Mutter war durch Angst und Schuld-
gefühl verursacht. Ilse hatte auch noch von Zeit zu Zeit — wenn auch viel
seltener — Affektausbrüche gegen die Mutter. Die weitere Analyse führte nun
auch zur vollen Aufdeckung des ursprünglichen Rivalitätsverhältnisses mit dieser,
13) Auf die generelle Bedeutung der einzelnen Lerngebieten geltenden Hemmungen
bin ich in meiner Arbeit: Die Rolle der Schule in der libidinösen Entwicklung des
Kindes, Int. Ztschr. f. PsA., Bd. IX, 1923, eingegangen.
99 —
ihres intensiven Hasses und Neides, die dem Besitz des Vaters beziehungsweise
dessen Penis und dem Gefallen des Vaters galten. Damit hatten sich die hetero-
sexuellen Regungen verstärkt, die homosexuellen wesentlich vermindert. Erst jetzt
setzte die psychische Pubertät ein. Ilse war unfähig gewesen, die Mutter zu
kritisieren und sich eine eigene Meinung zu bilden, weil die Kritik einen schweren
sadistischen Angriff gegen die Mutter bedeutete. Die weitere Analyse des Sadismus
bewirkte, daß bei Ilse sich eine ihrem Alter entsprechende größere Selbständigkeit
entwickelte, die sich sowohl in ihren Handlungen wie auch in ihrer ganzen
Denkungsart äußerte. In diesem Teil der Analyse trat auch die Opposition der
Mutter gegenüber stärker zutage, führte aber nicht zu besonderen Schwierigkeiten,
da die günstigen Veränderungen des Mädchens überwogen. Das Resultat einer
etwas späteren Periode war nach einer Analysendauer von vierhundert und
fünfundzwanzig Stunden ein gut stabilisiertes, herzliches Verhältnis zur Mutter
und die Befestigung der heterosexuellen Position. 14
Dieser Fall bewies, daß die nicht geglückte Verarbeitung
eines überstarken Schuldgefühles den Übergang in die
Latenzzeit und die ganze Entwicklung stören kann. Die
Affekte, die sich in Wutausbrüchen äußerten, waren verschoben, die Verarbeitung
der Angst mißglückt. Ilse, die den Eindruck eines unglücklichen, unzufriedenen
Menschen machte, wußte nicht nur nichts von ihrer Angst, sondern auch nichts
von ihrer Unzufriedenheit mit sich. Es war ein großer Fortschritt in der Analyse,
als es gelungen war, sie mit dem eigenen Unglück bekannt zu machen und ihr die
Überzeugung zu ermöglichen, daß sie sich minderwertig und ungeliebt fühle,
darüber verzweifelt sei und aus Hoffnungslosigkeit keinen Versuch unternehme,
sich Liebe zu verschaffen. An Stelle der angeblichen Gleichgültigkeit gegen Liebe
und Anerkennung trat dann ein übermäßiges Bedürfnis danach hervor, das zu der
großen Folgsamkeit der Mutter gegenüber führte und für die Latenzzeit charakte-
ristisch ist. Der weitere Teil der Analyse, der die tieferen Gründe der schweren
Schuldgefühle und des Versagens aufzudecken hatte, war, da Ilse nun auch volle
Krankheitseinsicht hatte, viel weniger schwierig.
Ich habe am Anfang dieses Berichtes erwähnt, daß es zwischen Ilse und ihrem
einundeinhalb Jahre älteren Bruder zu sexuellen Akten gekommen war. Ich hatte
bald, nachdem ich Ilses Analyse begonnen hatte, auch ihren Bruder in Analyse
genommen. Beide Analysen erwiesen, daß die sexuelle Beziehung zwischen den
Geschwistern auf die frühe Kindheit zurückreichte und auch während der Latenz-
zeit — allerdings in großen Abständen und mit gewissen Abschwächungen —
fortgedauert hatte. Auffallend war nun, daß Ilse keinerlei bewußtes Schuldgefühl
14) Zweiundeinhalb Jahre nach Beendigung der Analyse erfuhr ich, daß Ilse sich trotz
großer äußerer Schwierigkeiten gut entwickelt.
— 100 —
über diese Beziehung empfand, aber den Bruder stark haßte. Die Analyse des
Bruders bewirkte, daß er die sexuelle Beziehung zur Schwester völlig einstellte,
was bei Ilse zunächst verstärkten Haß auslöste. Im Zusammenhang mit den durch
die Analyse bei Ilse angebahnten Veränderungen traten später auch bei ihr starke
Schuldgefühle und Angst 15 wegen dieser Beziehung auf.
Die in diesem Falle beobachtete Verarbeitung der Schuldgefühle,
die sich in Ablehnung jeder eigenen Verantwortung und einer
gehässigen, trotzigen Ablehnung der Umwelt auswirkt, erwies
sich mir als charakteristisch für einen gewissen Typus der Asozialen.
Ich fand zum Beispiel auch bei Kenneth, dem anscheinend die Meinung der
Umwelt so gleichgültig war und der eine so ungewöhnliche Schamlosigkeit zeigte,
analoge Mechanismen am Werke. Diese scheinen mir auch beim normaleren,
bloß „schwierigen" Kinde, wenn auch in schwächerem Ausmaße,
mit wirksam. Es zeigt sich immer wieder in Kinderanalysen aller Alters-
stufen: die Verminderung der latenten Schuldgefühle und
der Angst führt (und zwar um so mehr, je tiefer die Analyse vordringt)
zur besseren sozialen Anpassung und verstärkt das Gefühl
der eigenen Verantwortung.
Dieser Fall ergibt auch einige Anhaltspunkte dafür, welche Entwicklungs-
faktoren beim Mädchen den geglückten Übergang in die Latenzzeit und welche den
noch weiteren in die Pubertätszeit bestimmen. Ich wies früher darauf hin, daß
wir häufig das Mädchen im Pubertätsalter in einer protrahierten Latenz finden.
Die Analyse der aus der Aggression gegen die Mutter stammenden frühen
Angst und Schuldgefühle ermöglicht nicht nur den gelungenen Übergang in die
Pubertät, sondern auch den Übergang aus dieser ins Erwachsenenalter und damit
die Vollentwicklung der weiblichen Sexualität und Persönlichkeit.
Hervorzuheben ist noch die in diesem Falle angewendete Technik. Im ersten
Teile der Analyse kam die Technik der Latenzzeit, im letzten Teil die der
Pubertätszeit zur Anwendung.
Ich habe im Verlaufe meiner Ausführungen wiederholt auf die Brücken hin-
gewiesen, die zwischen der Technik der Analyse in den verschiedenen Altersstufen
bestehen. In der Technik der Frühanalyse sehe ich die Grund-
lage für die in allen kindlichen Entwicklungsstufen er-
forderliche Technik. Ich habe im vorigen Kapitel ausgeführt, daß
meine in den Analysen des Latenzalters angewendete Technik sich auf der in der
Analyse des kleinen Kindes ausgearbeiteten Spieltechnik aufbaut. Wie die in diesem
15) Ich gehe im siebenten Kapitel in einem anderen Zusammenhang auf den
Charakter dieser Beziehung näher ein. Analoge Mechanismen habe ich auch in anderen
Fällen beobachtet.
— 101 —
Kapitel besprochenen Fälle zeigen, fand ich die Technik der Frühanalyse aber auch
als eine Arbeitsvoraussetzung für zahlreiche Fälle des Pubertätsalters, da manche
dieser oft schwierigen Analysen scheitern, wenn dem Bedürfnisse des Jugendlichen
zum Agieren und Phantasieren nicht genügend Rechnung getragen, die Angst-
entbindung nicht dosiert und nicht eine sehr elastische Technik angewendet wird.
Die Analyse der tiefsten Seelenschichten ist an bestimmte Voraussetzungen
gebunden. Die im Vergleich zur modifizierten Angst der höheren Schichten viel
größeren und intensiveren Angstquantitäten der tieferen Schichten machen eine
gewisse Dosierung der Angst erforderlich. Diese erfolgt dadurch, daß die Angst
stetig auf ihre Quellen zurückgeführt und abgebaut wird, sowie durch die kon-
sequente Analyse- der Übertragungssituation.
Ich habe in den ersten Kapiteln dieses Buches beschrieben, wie ich in den Fällen,
in denen das Kind mir zu Beginn der Behandlung ängstlich oder ablehnend
begegnet, gleich mit der Analyse der negativen Übertragung einsetze. Es handelt
sich bei dieser Methode 16 darum, die versteckten Anzeichen latenter Angst recht-
zeitig, d. h. noch bevor sie manifest werden und zu einem Angstanfall 'führen,
zu erkennen und sogleich zu deuten.
Für diese technischen Maßnahmen ist die genaue Kenntnis der Angstreaktionen
auf den frühen Entwicklungsstufen und der vom Ich gegen diese Angst aktivierten
Abwehrmechanismen — also der theoretischen Einsichten in die Struktur der
tiefsten Seelenschichten — eine unerläßliche Voraussetzung. Die Deutung muß an
denjenigen Teil des Materials anschließen, der mit der stärk-
sten latenten Angst verknüpft ist, und die Angstsituationen aufdecken,
die aktiviert wurden. Die Deutung muß zugleich den Zusammenhang
der Angst mit den bestimmten, ihr zugrunde liegenden sadistischen
Phantasien und den A b w e h r m e c h a n i s m e n, die das Ich zur
Bewältigung der Angst einschlug, herstellen, d. h. sie folgt bei
jeder aufzulösenden Angstquantität ein Stück weit den Drohungen des
Uber-Ichs, den Regungen des Es und den Vermittlungs-
versuchen des Ichs. Auf diese "Weise vermag die Deutung schritt-
weise den vollen Inhalt der jeweilig aktivierten Angst-
quantität dem Bewußtsein zuzuführen.
Zur Durchführung dieser Methode ist ferner die Einhaltung einer ausschließlich
analytischen Technik notwendig, da der Analytiker nur dann die tiefsten Schichten
analysieren kann, wenn er sich jeder pädagogischen oder moralischen Beeinflussung
enthält. Wenn in der Analyse bestimmten Triebregungen der Ausdruck verwehrt
wird, so hat dies zur Folge, daß auch andere Regungen des Es sich nicht durch-
setzen können. Es ist dabei zu bedenken, daß es selbst beim kleinen Kinde
16) Siehe Kap. IL
,
mühsamer analytischer Arbeit bedarf, um zu den primitivsten oralsadistisdien
und analsadistischen Phantasien vorzudringen.
Wird diese Dosierung der Angst konsequent durchgeführt, so kommt es nach
„leinen Erfahrungen auch bei einem vorzeitigen Abbruch der Analyse oder in
Analysenpausen nicht zu einer zu großen Stauung von Angst. Ich fand, daß bei
solchen Unterbrechungen der Analyse die Angst wohl vorübergehend akuter
wurde, bald aber wieder — und zwar besser als vor Beginn der Analyse —
gebunden und verarbeitet werden konnte. In anderen Fällen kam es auch nicht
einmal zu dieser vorübergehend akuteren Angstentbindung. 17
Nachdem ich nun wieder die Analogien zwischen Pubertätsalter
un d F r ü h z e i t hervorgehoben habe, will ich noch einmal kurz die U n t e r-
schiede betonen. Mehr als im Latenzalter erfordern im Pubertätsalter die
Entwicklung des Ichs und dessen reifere Interessen eine der Er-
wachsenenanalyse angenäherte Technik. Wenn auch der Analytiker
in einzelnen Fällen oder durch Teilstrecken der Analyse sich mit anderen Dar-
stellungsmitteln behelfen muß, so hat er sich dennoch in den Analysen des
Pubertätsalters im allgemeinen vorwiegend auf die Assoziationen durch die
Sprache zu stützen, die erst die volle Beziehung zur Realität und zum Interessen-
kreis des jungen Menschen vermittelt. Aus diesen Gründen setzen die Analysen
des Pubertätsalters auch die volle Beherrschung der bei den Erwachsenen ange-
wendeten Technik voraus. Ich halte aber die regelrechte Ausbildung in der Analyse
Erwachsener auch für eine Grundlage der Spezialausbildung zum Kinderanalytiker.
Nur wer über hinreichende Erfahrungen und Resultate in der Analyse Er-
wachsener verfügt, sollte an das technisch schwierigere Gebiet der Kinderanalyse
herangehen. Die Beibehaltung der grundlegenden analytischen
Behandlungsprinzipien bei den nötigen, den kindlichen Mecha-
17) In einer Anzahl von Fällen von Kindern zwischen drei und zwölf Jahren, bei
denen ich die Analyse nach drei- bis neunmonatlicher Behandlungsdauer aus äußeren
Gründen abbrechen mußte, war das Bild, das diese Fälle nach dieser Behandlungsdauer
boten, ein wesentlich beruhigerendes geworden. Ich habe die bei Rita, Trude, Kuth
erzielten Teilresultate eingehend besprochen (siehe Kap. II). Bei einem zwölfjährigen
Knaben zum Beispiel, der mit manifesten Vergiftungsideen in Analyse kam und nach
sechsmonatlicher Behandlung abreisen mußte, hatte die Analyse nicht nur diese Angst
selbst wesentlich vermindert, sondern auch sonst günstige Veränderungen im Allgemein-
befinden, die sich unter anderem in einem freieren Auftreten kundgaben, herbeigeruhrt,
wie ich zuletzt zweiundeinhalb Jahre nach Beendigung der Behandlung erfuhr. Auch
war das subjektive Wohlbefinden in all diesen Fällen viel größer als vor Beginn
der Analyse. Wenn auch in diesen Fällen mit kurzer Behandlungsdauer die Neurose
nicht behoben, sondern nur vermindert war, so gewann ich doch die Überzeugung, daß
durch diese Teilanalyse die Gefahr einer späteren Psychose oder schweren Zwangsneurose
wesentlich herabgesetzt worden war. Es wurde mir zur Gewißheit, daß jeder noch so
kleine Schritt in der Auflösung von Angst der tiefsten Schichten sich im Sinne der
Heilung oder Besserung praktisch bedeutungsvoll auswirkt.
— xo3 —
n i s m e n angepaßten Modifikationen in den verschiedenen Altersstufen
bedingt nach meinen Erfahrungen die volle Beherrschung der in der»
Analysen Erwachsener angewendeten Technik sowie auch der Technik
der Frühanalyse.
SECHSTES KAPITEL
Die 2>eurose des Kino
es
Im Verlaufe meiner bisherigen Ausführungen habe ich die Technik beschrieben,
durch die das Kind tiefgehend wie der Erwachsene analysiert werden kann. Im
folgenden will ich auf die Indikationsstellung eingehen. Dabei ergibt sich zunächst
die Frage: Welche Schwierigkeiten sind beim Kinde als normal, welche 'als
neurotisch zu betrachten — welche sind ein Ausdruck von Ungezogenheit,
welche ein Anzeichen der Neurose?
Man rechnet im allgemeinen mit gewissen typischen, in Quantität und Aus-
wirkung sehr verschiedenen Schwierigkeiten beim Kinde. Sie werden, solange
sie nicht über ein gewisses Maß hinausgehen, als zur Entwicklung des Kindes
gehörig betrachtet. Da aber ein gewisses Ausmaß an Schwierigkeiten eine regel-
mäßige Begleiterscheinung der kindlichen Entwicklung ist, wird meines Erachtens
nicht genügend gewürdigt, inwieweit auch diese regelmäßigen Schwierigkeiten als
Grundlage und Anzeichen schwerer Entwicklungsstörungen zu werten sind.
Stärkere Eßstörungen, vor allem aber die Angst, sei es als Pavor
nocturnus, sei es in Form von Phobien, sind deutliche, als neurotisch
bekannte Erscheinungen. Das Studium des kleinen Kindes zeigt aber, daß die
Angst in sehr verschiedenen und maskierten Formen auftritt, und daß wir schon
beim zwei- und dreijährigen Kinde Verarbeitungen der Angst finden, die auf
eine komplizierte Verdrängungsarbeit schließen lassen. Wenn zum Beispiel der
Pavor nocturnus beim Kinde zurücktritt, so können wir die Schlaf-
störungen noch einige Zeit in anderen Formen wiederfinden: das späte Ein-
schlafen, das frühe Erwachen, unruhiger oder leicht gestörter Schlaf, die Unfähig-
keit zum Nachmittagsschlaf fand ich in Analysen als abgeschwächte Formen des
Pavor nocturnus. In dieses Gebiet gehören auch die zahlreichen, oft so störenden
Zeremonien und sonstigen Eigentümlichkeiten der Kinder vor dem Einschlafen.
Aus der krassen Eßstörung wird oft ein langsames Essen, Kaufaulheit, allgemeine
Appetitlosigkeit, sie äußert sich ferner häufig im ungezogenen Gehaben der Kinder
bei Tische.
— 104 —
Daß Angst vor bestimmten Menschen beim Kinde häufig durch eine all-
gemeine Ängstlichkeit abgelöst wird, läßt sich gut beobachten. Diese Ängst-
lichkeit ist später oft nur mehr als Gehemmtheit im Verkehr mit Menschen
oder als Schüchternheit zu erkennen. Alle diese Abstufungen sind Ver-
arbeitungen der ursprünglichen Angst, die zum Beispiel im Falle der Angst vor
Menschen die ganze spätere soziale Einstellung bestimmt. Die ausgesprochene
Tierphobie geht zum Beispiel in Abneigung gegen die betreffenden Tiere oder
aegen Tiere im allgemeinen über. Die Angst vor Gegenständen, die für das kleine
Kind ursprünglich immer belebt sind, drückt sich beim Erwachsenen in der
Hemmung von Funktionen aus, die mit diesen Gegenständen zusammenhängen.
So wurde zum Beispiel aus der Phobie eines Kindes vor dem Telefonapparat
die Abneigung des Erwachsenen gegen das Telefonieren, in anderen Fällen aus
der Angst vor der Lokomotive Reiseunlust beziehungsweise starke Ermüdbarkeit
auf Reisen, aus der Straßenangst Unlust zum Spazierengehen usw. Hieher gehört
auch die in meiner Arbeit „Zur Frühanalyse" 1 ausführlich besprochene Sport-
hemmung und Hemmung bei Bewegungspielen, die sich in allen möglichen
Zwischenstufen (Ablehnen einzelner Sportarten, Unlust, Ermüdbarkeit, Un-
geschicklichkeit usw.) ausdrücken kann. In dieses Gebiet fallen auch die indivi-
duellen Eigenheiten, Gewohnheiten und Hemmungen des
Normalen. Der Erwachsene kann seine - niemals fehlenden - Abneigungen
auf die verschiedenste Art r a t i o n a 1 i s i e r e n (z. B. als „langweilig, geschmack-
los, unhygienisch"). Beim Kinde werden solche Abneigungen und Gewohn-
heiten, die allerdings intensiver und weniger sozial angepaßt sind, als „Un-
arten" bezeichnet. Sie sind immer auch der Ausdruck von Schuldgefühl und
Angst, haben innige Beziehung zu Phobien, meist auch zu Zwangszeremoniellen
und werden in jeder Einzelheit von den Komplexen des Kindes bestimmt.
Deshalb erweisen sie sich häufig so resistent erzieherischen Beeinflussungen gegen-
über, sind aber oft durch die Analyse auflösbar wie ein
neurotisches Symptom. Ich kann hier aus diesem interessanten Gebiete
nur einige Beispiele herausgreifen: Das grimassierende Augenaufreißen eines
Knaben, das Blinzeln eines anderen dienten als Gegenbeweis gegen die gefurchtete
Blendung. Bei einem anderen Knaben klärte sich das Offenhalten des Mundes
als Geständnis der begangenen Fellatio, das daran anschließende Pfeifen als der
Widerruf dieses Geständnisses auf. Ungezogenheiten beim Baden und Kopf-
waschen haben sich mir wiederholt als larvierte Angst vor Kastration oder
Beschädigung des ganzen Körpers erwiesen. Dem Nasenbohren bei Kindern und
bei Erwachsenen lagen unter anderem Phantasien eines analen Angriffes auf den
Leib der Eltern zugrunde. Die Schwierigkeit, Kinder zur Erledigung einfachster
Handreichungen oder Besorgungen zu bewegen, die sich häufig erzieherisch so
unangenehm auswirkt, fand ich immer durch Angst bestimmt. So erklärte sich
zum Beispiel die Abneigung von Kindern, einen Gegenstand aus einem Kasten
zu holen, in mehreren Fällen dadurch, daß dies einen aggressiven Eingriff in
den Leib der Mutter und eine Realisierung dieser verbotenen Phantasien bedeutete.
Es gibt eine gewisse Form der Überlebhaftigkeit beim Kinde, die
man oft mißverständlicherweise — je nach dem Standpunkt — als ein besonderes
Zeichen von Temperament oder als Ungezogenheit auffaßt, und die häufig mit
Trotz und Hohn gepaart ist. Diese Erscheinungen sind ebenfalls Uberkompen-
sierungen der Angst. Dieser Mechanismus der Angstverarbeitung ist auch für die
Charakterbildung und die spätere soziale Einstellung wesentlich. 2 Die „Zapp-
ligkeit", die häufig im Zusammenhang mit dieser Überlebhaftigkeit auftritt,
halte ich für ein bedeutsames Symptom. Die motorischen Entladungen, die beim
kleinen Kinde durch diese allgemeine Unruhe erfolgen, verdichten sich zu Beginn
des Latenzalters häufig zu Bewegungsstereotypien, die im Gesamtbilde
dieser Überbeweglichkeit meist unbeachtet bleiben. Im Pubertätsalter, mitunter
auch schon früher, treten sie wieder auf oder werden deutlicher und bilden die
Grundlage eines T i c. 3
Ich habe wiederholt auf die große Bedeutung der Spielhemmung hinge-
wiesen, die sich in den verschiedensten Formen maskieren kann. Wir können in Ana-
lysen die verschiedensten Grade und Abstufungen der Spielhemmung beobachten.
Greifen wir aus den vielen Formen teilweiser Spielhemmung einige heraus: die
Abneigung gegen bestimmte Spiele, die Unfähigkeit, bei einem Spiele zu verweilen.
Viele Kinder brauchen oft die starke Spielbeteiligung einer anderen Person, über-
lassen dieser die Initiative, holen nicht selbst das Spielzeug herbei usw. Bei
Kindern, die nur Spiele, die sie genau nach Vorlagen ausführen, oder nur eine be-
stimmte Art von Spielen lieben (das dann gewöhnlich mit besonderer Intensität
betrieben wird), liegt eine starke Phantasieverdrängung vor, die gewöhnlich auch
mit zwangsneurotischen Zügen einhergeht. Das Spiel trägt dann weit eher den
Charakter eines zwangsneurotischen Symptoms als den einer Sublimierung.
Zu erwähnen wäre noch eine Art von Spielen, hinter denen sich — ins-
besondere in der Übergangszeit zum Latenzalter — Bewegungsstereotypien oder
Starrheit der Bewegungen verbergen. Zum Beispiel führte ein achtjähriger Knabe
als Verkehrsschutzmann gewisse Bewegungen aus und wiederholte diese oft
stundenlang, wobei er in einzelnen Stellungen lange Zeit starr verharrte. In
(i93°)-
2) Siehe auch Reich: Phobie und Charakterbildung. Int. Ztschr. f. PsA., Bd XVI
>3°)-
3) Ich habe in meiner Arbeit: Zur Genese des Tic (Int. Ztschr. f. PsA. Bd XI
1925) gezeigt, daß der Tic häufig als Anzeichen von tiefliegenden, verdeckten Störungen
aufzufassen sei. "
— 106 —
anderen Fällen ist es eine besondere, dem Tic nahestehende Überbeweglichkeit,
die sich hinter einem bestimmten Spiel verbirgt. Die allgemeine Unlust oder
Ungeschicklichkeit zu Bewegungsspielen liegt der späteren Sporthemmung zugrunde
and ist immer ein bedeutsames Anzeichen von Störungen. In vielen Fällen ist
die Spielhemmung die Grundlage der Ler nhemmu ng. In
mehreren Fällen, in denen spielgehemmte Kinder gute Schüler wurden, zeigte
sich, daß der Antrieb zum Lernen vorwiegend zwangsneurotisch war. In einigen
dieser Fälle kam es auch später — insbesondere im Pubertätsalter — zu schweren
Störungen der Lernfähigkeit. Die Lernhemmung äußert sich auch wiederum in
verschiedenen Formen und Abstufungen, z. B. als Faulheit, als Interesselosigkeit,
als starke Abneigung gegen einzelne Materien, oder in dem eigentümlichen Ver-
halten mancher Kinder, die Aufgaben nur im letzten Augenblick oder nur unter
Druck zu lernen usw. Die Lernhemmung ist häufig die Grundlage der s p ä t e r e n
Berufshemmung, deren früheste Anzeichen sich also schon beim kleinen
Kinde in der Spielhemmung äußern können.
Als ein wesentliches Kennzeichen von Störungen habe ich in meiner Arbeit
„Eine Kinderentwicklung" 4 den Widerstand der Kinder gegen die
sexuelle Aufklärung angeführt. Das Nichtf ragen der Kinder, dem so
häufig ein zwanghaftes Fragen vorausgeht oder mit dem es alterniert, ist als
Symptom zu werten, dem oft schwere Störungen des Wißtriebes
zugrunde liegen. Es ist bekannt, daß die lästigen Fragen des Kindes sich häufig
in der Grübelsucht des Erwachsenen fortsetzen, die immer mit neurotischen
Störungen zusammenhängt.
Das häufige Fallen, Sich-Stoßen, Sich- Verletzen und die Wehleidigkeit
sind als Äußerungen des Schuldgefühles und der Angst verschiedenen Inhaltes
aufzufassen. Ich habe in Kinderanalysen diese kleinen — oder größeren —
wiederholten Unfälle auch als Ersatz für ernstere Selbstbeschädigungen kennen-
gelernt. Sie stellten in diesen Fällen mit untauglichen Mitteln unternommene
Selbstmordversuche dar. Bei vielen Kindern, insbesondere Knaben, wird die
Oberempfindlichkeit gegen Schmerz schon frühzeitig von einer
übertriebenen Gleichgültigkeit abgelöst, die sich aber nur als eine
weitergehende Abwehr und Verarbeitung der Angst erweist.
Sehr charakteristisch ist auch die Einstellung des Kindes zu Ge-
schenken. Manche Kinder sind unersättlich darin, da ihnen kein Geschenk
eine wirkliche Befriedigung, sondern immer wieder nur Enttäuschung bereitet.
Andere Kinder sind übermäßig wunschlos — ihnen ist jedes Geschenk gleichgültig.
Wir können bei Erwachsenen die analoge Einstellung zu vielen Dingen im Leben
beobachten; zum Beispiel bei Frauen, die stets leidenschaftlich neue Kleider
wünschen, die ihnen aber niemals wirkliche Freude bereiten, und die auch an-
geblich niemals „etwas anzuziehen haben". Es sind dies im allgemeinen Frauen,
die rastlos Vergnügungen nachjagen, häufig auch solche, die das Liebesobjekt
leicht wechseln und sexuell nicht befriedigt werden können. Im Gegensatz dazu
stehen die Blasierten, die wenig Wünsche haben.
In den Kinderanalysen zeigt sich, daß das „Geschenk" dem Kinde letzten
Endes alle früher versagten Liebesgaben: Muttermilch, Brust, väterlicher Penis,
Urin, Stuhl, Kind, bedeutet. Das Geschenk beweist ihm aber auch, daß die Dinge,
die es sich auf sadistische Weise aneignen wollte, ihm nun freiwillig gegeben
werden und beruhigt dadurch das Schuldgefühl. Die Versagung von Geschenken
— wie Versagungen im allgemeinen — werden unbewußt als Strafe für die
mit den libidinösen Wünschen verbundene Aggression empfunden. In anderen
Fällen führt ein noch ungünstiger gelagertes übermäßiges Schuldgefühl oder
dessen nicht geglückte Verarbeitung zugleich mit der Angst vor neuen Ent-
täuschungen zur Unterbindung der libidinösen Wünsche überhaupt. Solche Kinder
haben auch an Geschenken keine wirkliche Freude. Die Unfähigkeit, Ver-
sagungen zu ertragen, die dazu führt, daß alle durch die Erziehung
bedingten Versagungen unbewußt als Strafe empfunden werden, führt zur
Unerziehbarkeit und mangelnden Realitätsanpassung. Beim
größeren Kinde — in einzelnen Fällen auch schon beim kleinen Kinde — ist die
Unfähigkeit, Versagungen zu ertragen, häufig durch eine scheinbare Anpassung
verdeckt, die auf das Bedürfnis, die Umgebung zufriedenzustellen, zurückgeht.
Diese scheinbare Anpassung ist besonders im Latenzalter geeignet, tieferliegende
Schwierigkeiten zu verdecken.
Bezeichnend ist auch das Verhalten vieler Kinder zu Festen. Die allgemeinen
Festtage — Weihnachten, Ostern usw. — werden meist mit großer Ungeduld
erwartet, hinterlassen aber oft völlige Unbefriedigung. Sie bedeuten für das Kind
(wie häufig sogar auch nur der Sonntag) mehr oder weniger die Hoffnung auf
Erneuerung, einen „Wiederbeginn", und im Zusammenhang mit den erwarteten
Geschenken eine Wiedergutmachung all dessen, was es in seiner Phantasie an
Bösem begangen und erlitten hat. Familienfeste rühren aufs tiefste an die mit der
Familienkonstellation zusammenhängenden Komplexe des Kindes. Der Geburts-
tag zum Beispiel bedeutet immer auch eine Wiedergeburt. Geburtstagsfeiern
anderer Kinder aktivieren die mit der Geburt vorhandener oder erwarteter
Geschwister verbundenen Konflikte usw. Die Art, wie sich ein Kind zu Festen
verhält, kann deshalb mit als ein Kennzeichen für seine Neurose dienen.
Die ablehnende Einstellung mancher Kinder zu Theater, Kino, Schaustellungen
aller Art steht in enger Beziehung zu den Störungen des Wißtriebes. Als Grund-
lage für diese Störung fand ich das verdrängte Interesse am Koitus und an der
Sexualität der Eltern, aber auch die Abwehr gegen die eigene Sexualität. Die
r
tiefste Ursache dieser Einstellung, die sich in der Hemmung vieler Sublimierungen
auswirkt, ist in der Angst und den Schuldgefühlen einer sehr frühen Entwicklungs-
stufe zu finden, die die Auswirkung der aggressiven, gegen den Koitus der Eltern
gerichteten Phantasien sind.
Hervorhebenswert ist auch der psychogene Anteil an den viel-
fachen körperlichen Erkrankungen des Kindes. Ich habe festgestellt,
daß bei manchen Kindern Angst und Schuldgefühl sich vorwiegend auf dem "Wege
einer körperlichen Erkrankung Ausdruck verschaffen (wobei die Heilung angst-
beruhigend wirkt). Aber auch im allgemeinen fand ich, daß die bei Kindern einer
gewissen Altersstufe so häufigen körperlichen Erkrankungen durch die Neurose des
Kindes mitdeterminiert sind. Der psychogene Anteil der Erkrankung macht sich
sowohl in der leichteren Anfälligkeit wie in der Schwere und der Dauer der Erkran-
kung geltend. 5 Im allgemeinen fand ich, daß sich nach einer abgeschlossenen
Kinderanalyse insbesondere die Erkältungskrankheiten wesentlich vermindern. In
einigen Fällen wurde durch die Analyse die Anfälligkeit fast ganz behoben.
Wir kennen den innigen Zusammenhang zwischen der Neurose und der
Charakterbildung und wissen, daß in manchen Erwachsenenanalysen auch weit-
gehende Charakterveränderungen Zustandekommen. Die Analyse des größeren
Kindes bewirkt fast regelmäßig Charakterveränderungen. In Frühanalysen gelingt
durch die Behebung der Neurose eine weitgehende Behebung der Erziehungs-
schwierigkeiten: Wir sehen uns da vor eine Analogie gestellt: was man
beim größeren Kinde und beim Erwachsenen „Charakter-
schwierigkeiten" nennt, heißt beim Kleinkinde „Er-
zieh u n g s s c h w i e r i g k e i t e n". Auffallend ist bei dieser Analogie, daß
man beim Charakter doch in erster Linie an die Person selbst denkt — auch
wenn sie damit auf ihre Umgebung störend wirkt — , bei Erziehungsschwierig-
keiten aber in erster Linie an die Schwierigkeiten, die der Erzieher hat. Man
übersieht hiebei vielfach, daß diese Schwierigkeiten beim Kinde der Ausdruck
bedeutungsvoller Entwicklungsvorgänge sind, die mit dem Abklingen des Ödipus-
komplexes ihren Abschluß finden. Es sind also die Auswirkungen des werdenden
und schon gewordenen Charakters und die Grundlagen der späteren Neurose
und aller Fehlentwicklungen, die sich unter anderem auch in übermäßigen Er-
ziehungsschwierigkeiten dokumentieren und wohl richtiger Charakterschwierig-
keiten und neurotische Erscheinungen genannt werden sollten.
5) Ich habe zum Beispiel in einigen Fällen von Keuchhusten, bei denen ich die
infolge der Erkrankung unterbrochene Behandlung bald wieder aufnahm, festgestellt,
daß die Hustenanfälle in der ersten Woche sich verstärkten, sich dann bald sehr stark
verminderten und daß die Krankheit einen sehr viel schnelleren Abschluß fand, als es
im allgemeinen der Fall ist. In diesen Fällen löste jeder Hustenanfall infolge der
unbewußten Bedeutung des krankhaften Vorganges schwere Angst aus. Diese Angst
erhöhte aber wieder sehr wesentlich den Hustenreiz.
— 109 —
Die Folgerung, die sich aus meinen bisherigen Ausführungen ziehen läßt, wäre:
Die Schwierigkeiten, die in der Entwicklung keines Kindes fehlen, sind als neurotisch
zu betrachten, es geht also jedes Kind durch eine — nur quantitativ ver-
schiedene - Neurose." Wir haben als das wirksamste Mittel zur Behebung der
Neurose des Erwachsenen die Psychoanalyse kennengelernt. Es erscheint nur folge-
richtig, uns ihrer auch zur Behebung der Neurose des Kindes, und zwar, da jedes
Kind durch eine Neurose geht, auch zur Neurose jedes Kindes zu bedienen.
Zur Zeit wird es infolge äußerer Umstände wohl nur in vereinzelten Fällen
möglich sein, die neurotisdien Schwierigkeiten des normalen Kindes einer psycho-
analytischen Behandlung zu unterziehen. Es erscheint deshalb für die Indikations-
stellung wichtig, klarzustellen, welche Anzeichen für eine schwere Neurose des
Kindes sprechen, eine Neurose also, die jeden Zweifel an größeren Schwierig-
keiten auch für die Zukunft ausschließt.
Ich gehe hier nicht weiter auf die Fälle ein, in denen infolge des Ausmaßes
und des Charakters der Symptome die Schwere der infantilen Neurose unver-
kennbar ist, sondern möchte einige Fälle besprechen, in denen sie leicht unerkannt
bleibt, weil die für die Neurose des Kindes spezifischen Kriterien nicht ent-
sprechend eingeschätzt werden. In der Tatsache, daß die Ä u ß e r u n g s f o r m e n
der kindlichen Neurose sich in vielen Punkten so wesentlich von den
Symptomen des Erwachsenen unterscheiden, sehe ich auch die
Erklärung dafür, daß die Neurose des Kindes so viel weniger Beachtung fand
als die des Erwachsenen. Wir wußten freilich, daß der Neurose des Erwachsenen
immer eine infantile Neurose zugrunde liegt, aber die daraus sich ergebende
praktische Folgerung, daß demzufolge auch beim Kinde zumindest sehr häufig
eine Neurose vorliegen müßte, wurde lange Zeit nicht gezogen, obwohl doch beim
Kinde selbst genug Anhaltspunkte dafür vorlagen. Der Vergleich mit der Neurose
des Erwachsenen kann nicht als Maßstab dienen, denn es ist keineswegs jenes
Kind weniger neurotisch, das dem nichtneurotischen Erwachsenen am meisten
angenähert ist. So wäre zum Beispiel ein Kind in der ersten Kindheitsperiode,
das allen Forderungen der Erziehung nachkommt, sich nicht von einem Phantasie-
und Triebleben beherrschen läßt (sich also anscheinend seiner Realität völlig
anpaßt) und außerdem geringe Angstentbindung aufweist, sicherlich nicht nur ein
altkluges und reizloses, sondern auch ein im vollen Sinne des Wortes nicht-
normales Kind. Wenn dieses Bild noch durch eine weitgehende Phantasiever-
6) Diese von mir seit einer Reihe von Jahren vertretene Auffassung hat in der
Zwischenzeit eine gewichtige Stütze gefunden. In der „Laienanalyse" sagt Freud:
„Seitdem wir scharfer zu sehen verstehen, sind wir versucht zu sagen, die Kinder-
neurose sei nicht die Ausnahme, sondern die Regel, als ob sie sich auf dem Wege von
der infantilen Anlage bis zur gesellschaftlichen Kultur kaum vermeiden ließe.« (Ges.
äcnrirten, Bd. XI, S. 343.)
r
drängung ergänzt wird (die eine Voraussetzung für eine derartige Entwicklung
ist), liegt Anlaß vor, der Zukunft mit Besorgnis entgegenzusehen. Ein Kind, bei
dem eine derartige Entwicklung vorliegt, hat nicht eine quantitativ-
geringere, sondern eine s y m ptomlose Neurose, und wir wissen
aus den Analysen Erwachsener, daß diese im allgemeinen zu den schwereren
Neurosen gehören. "Wir müssen erwarten, von den schweren Kämpfen und Krisen,
durch die das Kind in den ersten Lebensjahren hindurchgeht, auch deutliche An-
zeichen zu sehen. Diese Anzeichen unterscheiden sich aber vielfach von den
Symptomen des neurotischen Erwachsenen. Normalerweise zeigt das Kind — bis
zu einem gewissen Grade — seine Ambivalenz, gibt seinen Affekten Ausdruck,
die Abhängigkeit von seinen Triebregungen und Phantasien wirkt erkennbar,
ebenso auch die Wirksamkeit des Über-Ichs. Es wird auch der Anpassung an die
Realität, also auch der Erziehung Schwierigkeiten bereiten und durchaus nicht
immer ein „bequemes" Kind sein.
Liegen andrerseits bei einem Kinde zu große Schwierigkeiten in der
Anpassung an die Realität vor, zeigt sich die Angst und die Ambivalenz
in zu starkem Grade, kurz, sind die Schwierigkeiten, die das Kind seiner
Umgebung bereitet und unter denen es selbst leidet, zu groß, so ist ein solches
Kind schwer neurotisch. Allerdings wird diese Neurose häufig weniger schwer
sein als die jener Kinder, die schon früh unter dem Druck einer so übermäßigen
Affektverdrängung stehen, daß die Affekte und auch die Angst kaum mehr
hervortreten. "Was aber das weniger neurotische vom sdiwerer neurotischen Kinde
unterscheidet, ist neben dem quantitativen Unterschied vor allem auch die Art
und "Weise, wie es mit seinen Schwierigkeiten fertig wird.
Die früher besprochenen Kriterien haben sich mir als gute Anhaltspunkte
erwiesen, um die häufig undurchsichtigen Wege der Angstverarbeitung und die
grundlegende Einstellung, die das Kind entwickelt hat, zu erkennen. Zum
Beispiel läßt sich annehmen, daß bei einem Kinde, das ungern Schaustellungen
sieht (Theater, Kino u. dgl.), das keine Fragelust zeigt und auch spielgehemmt
ist (oder nur bestimmte phantasielose Spiele spielt), auch wenn es sich sonst
gut anpaßt und keine auffallenden Schwierigkeiten zeigt, doch starke Störungen
des Wißtriebes und eine weitgehende Phantasieverdrängung vorliegen. In diesen
Fällen erfolgt die Befriedigung des "Wißtriebes auch später meist nur mehr auf
ausgesprochen zwangsneurotische Art. Häufig treten dann im Zusammenhang
damit auch andere neurotische Störungen auf.
Bei manchen Kindern wird schon sehr früh ihre ursprüngliche Unfähigkeit,
Versagungen zu ertragen, durch eine weitgehende Anpassung an die Forderung der
Erziehung verdeckt. Sie werden sehr früh „brave, einsichtige" Kinder. Gerade bei
diesen Kindern aber ist häufig die von mir hervorgehobene Gleichgültigkeit Ge-
schenken gegenüber usw. zu beobachten. Liegt dabei noch eine weitgehende Spiel-
hemmung und eine übermäßige Fixierung an die Objekte vor, so besteht eine starke
Anwartschaft auf die spätere Neurose. Diese Kinder haben eine pessimistische Ver-
zichteinstellung entwickelt. Ihr Hauptbestreben geht dahin, sich der Angst und des
Schuldgefühls um jeden Preis — auch um den der Verzichtleistung auf Trieb-
befriedigung und Freude — zu erwehren. Hand in Hand damit geht eine ver-
stärkte Abhängigkeit von den Objekten, da die Beziehung zur Außenwelt Schutz
und Rückhalt gegen Angst und Schuldgefühl bieten soll. 7 Augenfälliger, obwohl
auch nicht nach ihrer vollen Bedeutung eingeschätzt, sind die Schwierigkeiten
jener Kinder, deren Unersättlichkeit nach Geschenken mit der Unfähigkeit, die
von der Erziehung geforderten Versagungen zu ertragen, einhergeht.
Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß in den hier an-
geführten typischen Fällen die Aussicht auf eine wirklich gelungene Stabilität für
die Zukunft ungünstig ist. In diesen Fällen verrät im allgemeinen auch der
Gesamteindruck (Gang, Blick, Bewegungen, Sprache) die nicht geglückte
innere Anpassung. Allerdings läßt sich erst in der Analyse feststellen, wie schwer
die vorhandenen Störungen sind. Ich habe wiederholt hervorgehoben, daß einä
Psychose oder psychotische Züge beim Kinde oft erst nach
einem größeren Teil der Analyse feststellbar sind. Das liegt daran, daß auch
die Psychose im Kindesalter in ihren Äußerungsformen von der des Er-
wachsenen vielfach abweicht, ebenso wie dies bei der infantilen
Neurose im Vergleich zu der des Erwachsenen der Fall ist. In einigen von mir
analysierten Fällen, in denen die Neurose schon im frühen Kindesalter den
gleichen Charakter wie die schwere Zwangsneurose der Erwachsenen aufwies,
ergab die Analyse das Vorhandensein starker paranoider Züge. 8
Ich gehe nun darauf ein, wie sich eine bessere innere Anpassung beim Kinde
äußert. Eine günstige Prognose scheint begründet, wenn ein Kind gern
und mit Phantasieentfaltung spielt und zugleich auch (was sich aus bestimmten
Anzeichen erkennen läßt) eine genügende Anpassung an die Realität und wirklich
gute — nicht überzärtliche — Beziehungen zu den Objekten besitzt. Ein anderes
günstiges Anzeichen ist in Verbindung damit die relativ ungestörte Entwicklung
des Wißtriebes, der sich frei nach vielfachen Richtungen äußert, ohne so zwang-
haft und intensiv aufzutreten, wie es für die Zwangsneurose charakteristisch ist.
Ich halte auch beim kleinen Kinde ein gewisses Hervortreten von Affekten und
Angst für die Voraussetzung einer günstigen Entwicklung. Diese und andere
Anhaltspunkte für eine günstige Prognose besitzen aber nur einen relativen "Wert.
Sie bieten keineswegs eine Gewähr für die Zukunft, da es ja häufig von der
schlechteren oder besseren Realität (also einem Faktor, der sich nicht voraussehen läßt)
abhängt, ob die Neurose des Kindes im Erwachsenenalter wieder auftritt oder nicht.
7) Siehe M.N.Searl: Flucht in die Realität. Int. Ztsdir. f . PsA., Bd. XV (1929).
8) Ich verweise zumBeispiel auf dieAnalysen Ernas (Kap. III) und Egons (Kap. IV).
Ferner scheint es, daß wir über die Struktur der Normalität und über die
unbewußten Schwierigkeiten des normalen Erwachsenen, der bisher so viel weniger
Objekt der analytischen Forschung war als der Neurotiker, nicht viel wissen.
Die Analysen normaler Kinder verschiedener Altersstufen erwiesen
mir, daß auch bei normalen Reaktionen des Ichs große Angstquantitäten, schwere
unbewußte Schuldgefühle, tiefe Depressionen vorliegen, und daß in einzelnen Fällen
nur die aktivere, hoffnungsvollere Verarbeitung der Schwierigkeiten das normale
Rind vom neurotischen unterscheidet. Die in diesen Fällen erzielten Resultate be-
weisen den Nutzen der Psychoanalyse auch für das weniger neurotische Kind. 9
Die Annahme scheint begründet, daß die Verminderung von Angst und Schuld-
gefühlen und grundlegende Veränderungen der Sexualität nicht nur beim neuroti-
schen, sondern auch beim normalen Kinde die Zukunft wesentlich beeinflussen müssen. 10
Es wäre nun noch zu erörtern, wann eine Kinderanalyse als b e-
endet zu betrachten ist. Beim Erwachsenen erkennen wir dies unter anderem
daran, daß der Patient arbeits- und liebesfähig geworden ist, sich in den ge-
gebenen Lebensumständen bewährt und den nötigen Entschließungen gewachsen
ist. Wenn wir uns vergegenwärtigen, wodurch der Erwachsene scheitert, und
die korrespondierenden Erscheinungen beim Kinde genügend einschätzen, so ge-
winnen wir einen verläßlichen Maßstab für die Beendigung der Analyse.
Der Erwachsene scheitert an der Neurose, an Charakterdefekten,
an Störungen der Sublimierungsfähigkeit und der Sexualität.
Die infantile Neurose ist, wie ich nachzuweisen versuchte, an ver-
schiedenen kleinen, aber charakteristischen Anzeichen erkennbar, ihre Heilung ist
die beste Prophylaxe für die Neurose des Erwachsenen.
Den zukünftigen Charakterschwierigkeiten beugen wir durch
die Behebung der kindlichen Charakterschwierigkeiten vor.
Das Spiel, mit dessen Hilfe wir so tief in das Seelenleben des Kindes ein-
dringen, gibt uns auch verläßliche Anhaltspunkte dafür, wann die Analyse des
Kindes im Hinblick auf die zukünftige Sublimierungsfähigkeit als
beendet zu betrachten ist. Die Spielhemmung des kleinen Kindes muß weitgehend
behoben sein, 11 wenn eine Analyse als zu Ende geführt gelten soll. Damit meine
ich, daß die der Altersstufe entsprechenden Spielinteressen sich vertieft und an
Stetigkeit sowie an Ausbreitung nach verschiedenen Richtungen hin gewonnen
9) Ich verweise auf die Fälle von Ludwig (Kap. V) und Inge (Kap. IV).
10) Diese Annahme stützt sich aber auch auf die Tatsache, daß in einer Reihe von
mir behandelter Fälle der Übergang in das nächsthöhere Entwicklungsstadium — in
einigen Fällen auch der so ausschlaggebende Übergang in das Pubertätsalter und aus
diesem in das Erwachsenenalter — sich günstig vollzogen hat.
11) Entsprechend muß beim größeren Kinde die Lernhemmung und die Hemmung
in Bewegungsspielen weitgehend behoben sein.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— n3 -
haben. Wenn wir beim Kinde von einem einzigen zwanghaften Spielinteresse
ausgehen und durch die analytische Arbeit ein immer reicheres Hervortreten von
Spielinteressen erzielen, so entspricht dieser Vorgang der durch die Analyse beim
Erwachsenen angebahnten Interessenerweiterung und größeren Sublimierungs-
fähigkeit. Auf diese "Weise gewinnen wir durch das Verständnis für das Kinder-
spiel einen Maßstab für die Sublimierungsfähigkeit des Erwachsenen und können
auch einschätzen, wann wir der zukünftigen Lern- und Berufshemmung durch die
Analyse des Kindes genügend vorgebaut haben.
Die Entwicklung der Spielinteressen, ihre qualitative und quantitative Ver-
änderung gestattet auch verläßliche Schlüsse auf die zukünftige Sexualität.
Ich möchte dies am Verlauf der Analyse eines Knaben und eines Mädchens
veranschaulichen. Der fünfjährige Kurt beschäftigte sich zu Beginn der Be-
handlung, wie die meisten Knaben, zunächst mit den kleinen Autos und Zügen.
Er griff diese aus den Spielsachen heraus und nahm einige Spielhandlungen mit
ihnen vor. Er verglich sie untereinander auf ihre Größe und Leistungsfähigkeit,
ließ sie nach einem bestimmten Ziele fahren und drückte damit — auf eine nach
meinen Erfahrungen typische Art — symbolisch den Vergleich seines Penis,
seiner Potenz und Persönlichkeit mit denen des Vaters und der Brüder aus.
Diese Darstellungen ließen nun — könnte man annehmen — auf die normale,
aktive, heterosexuelle Einstellung des Knaben schließen. Dem widersprach aber
sein ganzes ausgesprochen ängstliches, nicht knabenhaftes Wesen. 12 Der Fortgang
der Analyse bestätigte die Richtigkeit dieses allgemeinen Eindruckes. Seine Spiel-
handlungen, die die Rivalität mit dem Vater um den Besitz der Mutter dar-
stellten, kamen nämlich sehr bald zum Abbruch, da schwere Angst einsetzte. Es
ergab sich, daß Kurt eine vorwiegend passiv-homosexuelle Einstellung entwickelt
hatte, aber auch diese aus Angst nicht zu halten vermochte, sich deshalb von der
Realität abwendete und in phantastischen Größenphantasien Zuflucht suchte. Auf
dieser realitätsfremden Basis konnte er vor sich selbst und anderen einen Teil der
erhalten gebliebenen Aktivität und Männlichkeit in den Vordergrund schieben
und überbetonen.
Es läßt sich immer wieder beobachten, daß das Kinderspiel ebenso
wie der Traum eine Fassade zeigt, und daß wir den latenten
S p i e 1 i n h a 1 1 analog dem latenten Trauminhalt nur durch eingehende
Analyse erforschen können. Da aber das Kinderspiel infolge seiner (im Ver-
gleich zum Traume) stärkeren Beziehung zur Realität und der überragenden
12) Kurts passive Einstellung war durch folgenden Umstand verstärkt worden:
er war der Jüngste aus einer Reihe viel älterer Brüder. Er war demzufolge in mancher
Beziehung in der Situation eines einzigen Kindes und litt außerdem sehr unter dem
Vergleich mit den aktiven älteren Brüdern. Er empfand deren Oberlegenheit um so
drückender, als sie sie ihm oft stark zu fühlen gaben.
— 114
.
Rolle, die es als vornehmster Ausdruck des kindlichen Seelenlebens spielt, häufig
einer stärkeren sekundären Bearbeitung unterliegt als der Traum, so können wir
die verschiedenen Strömungen des Seelenlebens nur schrittweise durch die Ver-
änderungen des Spiels kennenlernen.
Die Psychoanalyse ergab, daß die aktive, männliche Einstellung, die Kurt
in den ersten Spielhandlungen ausdrückte, zum großen Teil nur vorgeschoben
war und bald durch schwere Angst unterbrochen wurde. Damit war auch schon die
Analyse der passiv-homosexuellen Einstellung eingeleitet, aber erst nach einer
längeren Strecke der (insgesamt etwa vierhundertundfünfzig Behandlungsstunden
umfassenden) Analyse war die Angst, die der passiv-homosexuellen Position ent-
gegenwirkte, teilweise abgebaut. Nun erwiesen sich die Spieltiere, die anfangs
phantastische Helfer im Kampfe gegen den Vater darstellten, als Kinder, und die
passive feminine Einstellung und der Kindeswunsch fanden deutlicheren Aus-
druck. 18 Die übermäßige Angst vor beiden Elternteilen hatte die Beibehaltung
sowohl der weiblichen als auch der heterosexuellen Position behindert".
Die Analyse der Angst vor der „Mutter mit dem Penis" und der übermäßigen
Angst vor dem Vater führten dazu, daß die aktive heterosexuelle Einstellung
stärker hervortrat. Kurt vermochte nun auch die Rivalität mit dem Vater im
Spiele anhaltender zum Ausdruck zu bringen. Die Spielhandlungen, die Kurt zu
Beginn der Analyse vorgenommen hatte, traten nun wieder in den Vordergrund,
wurden aber stetiger und mit voller Phantasieentfaltung durchgeführt. Zum
Beispiel verwendete Kurt große Sorgfalt darauf, die Garage, in der die Wagen
untergebracht waren, auszubauen, und war unermüdlich in der Erfindung immer
neuer Einzelheiten, die zu deren Vervollkommnung dienten, oder er stellte ver-
schiedene Arten von Dörfern oder Städten zusammen, wohin die (die Rivalität
mit dem Vater um die Mutter ausdrückende) Fahrt der verschiedenen Wagen
ging. In dieser Freude und Sorgfalt am Herstellen des Dorfes, der Stadt, der
Garage kam Kurts Wunsch, die in der Phantasie angegriffene Mutter wieder-
herzustellen, zum Ausdruck. Damit aber ging in der Realität ein vollständig ver-
ändertes Verhältnis zur Mutter einher. Nun setzte zugleich mit der Verminderung
der Schuldgefühle und der Angst eine größere Fähigkeit zu reaktiven Tendenzen
und eine veränderte, ausgesprochen zärtli che Beziehung zur Mutter ein.
13) In meiner Arbeit „Frühstadien des Ödipuskonfliktes" (Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XIV, 1928) bin ich auf die frühesten Grundlagen der weiblichen Position des
Knaben eingegangen. Ich habe mich dort bemüht nachzuweisen, daß der "Weiblichkeits-
komplex beim Knaben sehr früh verarbeitet und vom Kastrationskomplex, zu dem
er Zuschüsse liefert, verdeckt wird. Daran liegt es auch, daß der Knabe häufig die
seiner weiblichen Komponente entsprechenden Spiele (z.B. mit Puppen) bald wieder
aufgibt und zu Spielen übergeht, die oft die Männlichkeit überstark betonen.
14) Auch in diesem Falle erwies sich die dem Koitus der Eltern geltende Aggression
als die tiefste Grundlage seiner Angst. Die „Frau mit dem Penis" bedeutete auch bei
Kurt die Mutter, die sich den Penis des Vaters einverleibt hat.
— 116 ■ —
L
1
Das schrittweise Erstarken der heterosexuellen Ten-
denzen zeigte sich in zahlreichen Veränderungen des Spiels.
Zunächst ließ sich aus den Einzelheiten des Spiels erkennen, daß die prägenitalen
Fixierungen auch in der heterosexuellen Beziehung noch vorherrschten oder viel-
mehr immer wieder die genitalen ablösten. Zum Beispiel bedeutete die Ladung,
die der Zug in die Stadt beförderte oder die der Wagen beim Hause ablud,'
häufig die Exkremente. Diese Ladung wurde dann beim rückwärtigen Eingang
des Hauses abgeladen. Die Tatsache, daß diese Spielhandlungen einen gewaltsamen
analen Koitus mit der Mutter darstellten, ging unter anderem auch daraus hervor,
daß wiederholt beim Ausladen der Kohle der Garten oder das Haus beschädigt
wurde, die „Leute im Hause böse" wurden und das Spiel aus Angst bald ab-
gebrochen wurde. Das Befördern von Ladungen verschiedener Art füllte mit
wechselnden Einzelheiten einen Abschnitt von Kurts Analyse aus." Es waren
mitunter Wagen, die vom Markte Ware holten oder sie zuführten, mitunter waren
es Leute, die mit ihren Habseligkeiten auf eine weite Reise gingen, wobei der
weitere Verlauf der Spielassoziationen ergab, daß es sich um eine Flucht handelte,
und daß die Habseligkeiten gestohlen, geraubt (dem Mutterleib entnommen)
waren. Der Wechsel dieser Einzelheiten war sehr aufschlußreich. Die Vorherr-
schaft der analsadistischen Phantasien drückte sich darin aus, daß der Hinter-
eingang zur Zufuhr benutzt wurde. Zu einem etwas späteren Zeitpunkt war die
gleiche Spielhandlung dadurch bestimmt, daß der Vordereingang gemieden werden
sollte. 18 Die mit dem Vorgarten (das weibliche Genitale) verbundenen
Assoziationen zeigten, daß die Fixierung an den Anus durch die Ablehnung
des weiblichen Genitales verstärkt war. Diese Ablehnung beruhte auf der viel-
fach determinierten Angst vor dem weiblichen Genitale. Ein bedeutungsvoller
Faktor für diese Angst waren die Phantasien, beim Koitus mit der Mutter dem
Penis des Vaters zu begegnen.
Diese Angst, die häufig hemmend wirkt, kann aber auch ein Stimulans
für die Entwicklung bestimmter sexueller Phantasien bilden. Das
Streben, die heterosexuellen Antriebe beizubehalten, dem die Angst und Flucht
vor dem väterlichen Penis entgegenwirkt, führt auch zu Besonderheiten
des Sexuallebens beim Erwachsenen. Eine typische Knabenphantasie zum
Beispiel, die auch bei Kurt vorlag, hat zum Inhalt, den Koitus mit der Mutter
gemeinsam oder abwechselnd mit dem Vater auszuführen, wobei genitale und
ij) Dies ist auch im allgemeinen ein typisches Spiel.
16) Ich greife bei dieser Beschreibung nur die eine oder andere Spielphantasie heraus,
um an deren Entwicklung die Entwicklung der Spielphantasien im allgemeinen zu
Illustrieren. In der Analyse war das hier mitgeteilte Material durch eine Fülle von
Darstellungen verschiedener Art gestützt. So zum Beispiel nahmen auch die Wagen, die
in die Stadt Ware beförderten, einen Weg, der die Bedeutung des Anus durch ver-
schiedene Einzelheiten erwies.
- 116 -
prägenitale oder auch nur vorwiegend genitale Phantasien wirksam sind. Zum
Beispiel: zwei Männchen gingen oder zwei Wagen fuhren bei der einen Seite des
Gebäudes oder des Tores ein, das den Mutterleib bedeutete. Ein anderer Eingang
stellte den Anus dar. Die zwei Männchen, die den Vordereingang benutzten,
einigten sich in Kurts Spielen manchmal darauf, gleichzeitig oder abwechselnd
einzutreten, oder sie überwältigten und überlisteten einander. Im Kampfe war es
dann der kleinere (Kurt), der während des Spiels sich in einen Riesen verwandelt
hatte, der den Sieg davontrug und den andern (Vater) beseitigte. Bald nachher
setzte die Angstreaktion auf diese Phantasie ein. Es kam zu einer Flucht auf
verschiedenen Wegen. Das eine Männchen (Kurt) benutzte nun den Hintereingang
und überließ der Vaterfigur den vorderen. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr die
Kastrationsangst die Befestigung der genitalen Stufe erschwert und die Fixierung,
vielmehr Regression an die prägenitalen Stufen verstärkt. Nicht immer kommt
es gleich zur Regression auf die prägenitalen Stufen. Es ergibt sich eben bei
geringerer Angst außer den schon angeführten Phantasien auch noch die Möglich-
keit zu zahlreichen anderen Varianten auf der genitalen Stufe selbst. Was wir
hier als Spielphantasien beim Kinde kennenlernen, tritt uns später als Liebes-
bedingungen beim Manne entgegen. Die Phantasie zum Beispiel, in der zwei
Männchen bei verschiedenen Seiten des Gebäudes eintreten oder den gleichen
Eingang benützen - gleichzeitig oder abwechselnd, durch Kampf oder gütliches
Übereinkommen -, zeigen Möglichkeiten, die wir im „Verhältnis zu dritt*'
verwirklicht finden, wie zum Beispiel in der Situation des „geschädigten Dritten",
oder in der Rolle des „Hausfreundes", der den Gatten überlistet oder
bekämpft u. dgl. Die Angst kann aber auch bewirken, daß die Häufig-
keit dieses den Koitus darstellenden Spielvorganges herabgesetzt wird, was
sich später in der verminderten oder gestörten Potenz des Erwachsenen aus-
drückt. Inwieweit die sexuellen Phantasien des Kindes sich im späteren Er-
leben des Mannes durchsetzen, hängt auch von anderen Entwicklungsmomenten,
insbesondere den Einflüssen der Realität, ab. Die Grundlagen der Liebesbedin-
gungen des Mannes sehen wir aber in allen Stücken in den Spielphantasien des
Knaben vorgezeichnet. Aus der Entwicklung dieser Phantasien zeigt sich, daß in
dem Maße, in dem die Sexualität zur genitalen Stufe fortschreitet, auch die Subli-
mierungsfähigkeit sich entwickelt. Kurt richtet zum Beispiel ein Haus zum Allein-
besitz ein: es bedeutet die Mutter, die er allein besitzen will. Zugleich kann er
sich nicht genug tun darin, das Haus recht schön zu bauen und auszugestalten.
In diesen Spielphantasien zeigt sich auch schon die Vorbereitung für
die s p ä t e r e A b 1 ö s u n g von den L i e b e s o b j e k t e n. Ein anderer kleiner
Patient zum Beispiel stellte den Mutterleib durch angebliche Landkarten dar.
Zuerst wünschte er einen immer größeren Bogen, um die Landkarten möglichst
groß anzufertigen, und ging dann nach einer das Spiel unterbrechenden Angst-
— 117
reaktion zu Darstellungen des Gegenteiles, nämlich ganz kleiner Landkarten, über
Dieser Versuch, durch die Kleinheit des Objektes die Unterscheidung und Ab-
lösung von dem ursprünglichen großen Objekt (der Mutter) darzustellen, mißlang
Die Karten wurden immer größer und erreichten zum Schluß doch wieder die
Größe der ursprünglichen Darstellungen, worauf das Zeichnen - wieder aus
Angst - abgebrochen wurde. Das gleiche brachte dieser Knabe auch an aus
geschnittenen Puppen zum Ausdruck, wobei die kleine Puppe, die er schließlich
dann doch wieder für die große wegwarf, sich als Darstellung seiner kleinen
Freundin erwies, die als Liebesobjekt die Mutter ablösen sollte. Wir sehen also
daß die späteren Ablösungsmöglichkeiten im Pubertätsalter sich in der Frühzeit
vorbereiteten, und können feststellen, daß auch für diese Ablösungsmöglichkeiten
die Analyse des kleines Kindes Wesentliches leistet.
Je weiter die Analyse fortschreitet, um so mehr ist der Knabe imstande, hetero-
sexuelle Phantasien, in denen der Kampf mit dem Vater um die Mutter gewagt
wird, m Spiel und Sublimierungen durchzuführen. Die prägenitalen Fixierungen
treten zurück, der Kampf selbst zeigt einen wesentlich veränderten Charakter
Der Sadismus ist vermindert, wodurch der Kampf erleichtert wird, da er weniger
Angst und Schuldgefühle auslöst.
Die größere Fähigkeit, solche Phantasien im Spiele
ruhig und stetig durchzuführen und auch die Realität
besser in das Spiel ein zu b ez ieh en, bildet somit in der Kinder-
analyse einen Maßstab dafür, daß eine Grundlage für die spätere
Potenz erreicht wurde. Diese Änderungen im Charakter der Phantasien und
des Spieles gehen immer auch mit sonstigen wichtigen Veränderungen im ganzen
Wesen und Verhalten des Kindes einher. Es ist dann auch aktiver und freier
geworden. Dies drückt sich in der Behebung zahlreicher Hemmungen und in der
veränderten Einstellung zur näheren und weiteren Umwelt aus.
Ich will nun die Entwicklung der Spielphantasien im Verlauf der Analyse am
Beispiel eines Mädchens beschreiben.
Die zu Beginn der Analyse zweiunddreivierteljährige R i t a war schwer spiel-
gehemmt. Das einzige Spiel, das sie - wenn auch unlustig und unter deutlichen
Hemmungen - spielte, war die Beschäftigung mit ihrer Puppe und ihren Spiel-
tieren. Dieses Spiel hatte ausgesprochen zwangsneurotischen Charakter. Es bestand
fast ausschließlich im zwangsmäßigen Säubern und immer wieder erneuten Um-
kleiden der Puppe. Sobald irgendwelche Phantasietätigkeit im Zusammenhang mit
diesen Verrichtungen - also ein Spiel im eigentlichen Sinne des Wortes - ein-
setzte, kam es zu heftiger Angstentbindung und zum Abbruch des Spiels." Die
17) Auf die tieferen Gründe von Ritas Phantasieverdrängung und Angst habe ich
•n «nem anderen Zusammenhang hingewiesen (siehe Kap. I und II) g
Analyse ergab, daß die weibliche und mütterliche Einstellung bei Rita sehr
sdiwach entwickelt war, und daß dieses Puppenspiel nur zum geringen Teil ein
mütterliches Spiel war, sondern vorwiegend eine Identifizierung mit der Puppe
ausdrückte. Ihre intensive Angst, schmutzig, innerlich zerstört und schlecht zu sein,
trieb sie dazu, die Puppe, die dabei ihre eigene Person vertrat, immer wieder
umzukleiden und zu säubern. Erst nach einer teilweisen Analyse des Kastrations-
komplexes zeigte sich, daß ihre tiefste Angst (die Angst, durch die Mutter der
Kinder beraubt zu werden) schon zu Beginn der Analyse im zwangsneurotischen
Puppenspiel zum Ausdruck gekommen war. Zur Zeit als der Kastrationskomplex
im Vordergrunde stand, stellte der Spielbär den Penis dar, den Rita dem Vater
geraubt hatte 18 und mit dessen Hilfe sie den Vater zu verdrängen und die Liebe
der Mutter zu erwerben suchte. Die Angst setzte in diesem Analysenabschnitt im
Anschluß an derartige Männlichkeitsphantasien ein. Erst nachdem die tief er-
liegende, mit der weiblichen und mütterlichen Position verbundene Angst der
Analyse unterzogen worden war, zeigte sich eine völlig veränderte — wirklich
mütterliche — Einstellung zum Spielbären und zur Puppe. Indem Rita den Bären
herzte und küßte und mit mütterlichen Liebesworten bedachte, sagte sie: „Ich bin
nun gar nicht mehr traurig," weil ich doch nun ein so liebes Kindchen habe." Die
nun erreichte Vorherrschaft der genitalen Stufe, der heterosexuellen und mütter-
lichen Einstellung äußerte sich auf mannigfaltige Weise und kam auch in einer ver-
änderten Einstellung zu den Objekten zum Ausdruck. Die vorher deutliche Ab-
wendung vom Vater hatte einem zärtlichen Verhältnis zu ihm Platz gemacht. 30
Die Tatsache, daß der Charakter und die Entwicklung der Spiel-
phantasien uns über das zukünftige Sexualleben des Erwachsenen
Aufschluß zu geben vermögen, erklärt sich daraus, daß es die Mastur-
bation sp h a n ta s i en sind, die dem Kinderspiele, die des weiteren
allen Sub 1 i mie r un g en zugrunde liegen. Wenn, wie ich es ver-
treten habe, die Masturbationsphantasien im Kinderspiele zum Ausdruck und zur
Abfuhr gelangen, leuchtet es ein, daß der Charakter der Spielphantasien 21 als
18) Rita spielte zum Beispiel, daß sie den Schaffner aus dem Zug entfernt habe
und nun mit dem Bären zu einer „guten" Frau reise, wo sie bewirtet werden wurde.
Der Schaffner kam aber wieder und bedrohte sie. Hier erwies sich die Angst vor dem
Vater, dessen Penis — den Bären — sie geraubt hatte, als ein Hindernis für die Bei-
behaltung der Identifizierung mit dem Vater. _
19) Rita hatte an ausgesprochenen Depressionen gelitten, bei denen sie einaulSer-
ordentliches Schuldgefühl an den Tag legte; manchmal setzte sie sich allem hin und
weinte. Auf die Frage, warum sie weine, erwiderte sie: „weil ich so traurig bm , aut
die Frage, warum sie traurig sei: „weil ich weine".
20) Siehe Kap. IL
21) Hanns Sachs hat in seinem im Jahre 1923 in Berlin gehaltenen Vortrags-
kurs ,Über die Technik der Psychoanalyse" die Entwicklung der Masturbations-
phantasien von der anal-sadistischen auf die genitale Stufe als emes der Kriterien
— 119 —
Maßstab für die zukünftige Sexualität gelten kann. Daraus ginge aber auch
hervor, daß d.e K , n d e r a n a I y s e nicht nur die Aufgabe zu erfüllen vermas
für die Sublimierungsfähigkeit und Stabilität des Kindes'
sondern auch für die seelische Gesundheit und die Glücksmög'
lichkeiten des Erwachsenen vorzusorgen.
SIEBENTES KAPITEL
Die iSexualtetätigung des Kind
es
Eine der großen Leistungen der Psychoanalyse war die Entdeckung, daß das
Kind eine Sexualität besitzt, die sowohl in direkter Sexualbetätigung wie auch in
sexuellen Phantasien zum Ausdruck kommt.
Wir wissen, daß die Säuglingsmasturbation eine allgemeine Erscheinung ist
daß aber auch die Masturbation bis zur Latenzzeit, wenn auch in verschiedenem
Ausmaß überaus häufig auftritt. Allerdings erwarten wir, ihr auch schon beim
kleinen Kinde nicht offenkundig zu begegnen. In der Vorpubertät, insbesondere
in der Pubertät, ist die Masturbation wieder eine sehr häufige Erscheinung. Die
Entwidlungsperiode, in der die Sexualbetätigung des Kindes am stärksten nach-
laßt ist das Latenzalter. Die Erklärung hiefür sehen wir darin, daß mit dem
Abklingen des Ödipuskomplexes die Triebansprüche geringer werden. Dagegen
ist noch ungeklärt, weshalb wir die Latenzzeit vorwiegend unter dem Drucke
«*« Abgewohnungskampf« gegen die Masturbation finden. Freud schreibt-*
„Wahrend der Latenzzeit scheint die Abwehr der Onanieversuchung als Haupt-
aufgabe behandelt zu werden." Dies spricht dafür, daß das Drängen des Es im
Latenzalter doch nicht in dem Maße nachgelassen hat, als angenommen wird, oder
daß der Druck des Schuldgefühls gegen die Forderungen des Es sich verstärkt hat.
Meiner Auffassung nach gelten die schweren S c h u 1 d g e f ü h 1 e, die mit
Ml , a ; tUr . ° n ei " her § ehen > de « destruktiven, sich in den
Masturbat IO nsphantasien äußernden Triebreg un gen.* Diese Schuldgefühle
sind es die zur vollständigen Einstellung der Masturbation drängen und - wenn
diese Forderung sich voll durchsetzt - häufig zu Berührungsangst führen. Daß
^!^!Lf^!L^f^^ Entwicklung bedeu tet wie die
l) Sie r h e e U Kap H v e nr nS ' Sympt ° m und An 8 st - Ges. Sehr., Bd. XI, S. ,j.
Zwangsonanie, geht deutlich aus Analysen Erwachsener hervor, in denen wir
erfahren, daß die übermäßige Angst vor der Masturbation in der Kmdheit zu
schweren Störungen der Sexualität geführt hat. Diese Störungen sind freilich beim
Kinde nicht zu überprüfen. Sie werden erst beim Erwachsenen als Frigidität oder
Impotenz deutlich. Doch auch beim Kinde sind sie an Schwierigkeiten erkennbar,
die immer mit der Fehlentwicklung der Sexualität einhergehen.
Analysen von B er üh r u n g s a n g s t ergeben, daß der allzu erfolgreiche
Abwehrkampf gegen die Onanie sich nicht nur in Symptomen verschiedener Art
(insbesondere Tic) äußert, 3 sondern auch die kulturell so wichtige Aufgabe des
Latenzalters, die Entwicklung der Sub lim i e r u ng e n, im höchsten
Maße beeinträchtigt,* indem er zur übermäßigen Verdrängung der
Masturbationsphantasien führt. Diese sind nach meinen Erfahrungen
eine Grundlage der Spieltätigkeit und ein Element aller weiteren Sublirmerungen.
Beim kleinen Kinde sehen wir, wie in der Analyse, wenn die verdrängten
Masturbationsphantasien frei werden, die Spieltätigkeit - beim größeren Lern-
tätigkeit, Sublimierungen und Interessen verschiedenster Art einsetzen.
Zugleich wird aber auch in den Fällen, in denen Berührungsangst vorgelegen
hatte, die Masturbation wieder aufgenommen. Eine weitgehend verstärkte
Sublimierungsfähigkeit ergibt sich - neben anderen Veränderungen -
auch in Fällen von Zwangsonanie 5 in dem Maße, als der Zwang zur
Masturbation au f g elö s t wird. In diesen Fällen« blieb aber die Masturbation
in geringerem Ausmaße und ohne Zwanghaftigkeit bestehen. Die Analysen von
Zwangsonanie und Berührungsangst führen demnach in Hinsicht auf Sub-
limierungsfähigkeit und masturbatorische Betätigung zu den gleichen Endresultaten.
Es scheint demnach, daß das Abklingen des Ödipuskonfliktes normalerweise
zwar eine Periode geringerer, aber keineswegs völliger sexueller Bedürfnislosig-
keit einleitet, und eine mäßige - nicht zwanghafte und Befriedigung bietende -
Masturbationin allen kindlichen Altersstufen eine normale Erscheinung ist.
Die Momente, die für die Zwangsonanie bestimmend sind, machen sich auch
3) Siehe Ferenczi: Psychoanalytische Betrachtungen über den Tic. Int. Ztschr. f.
PSA :) ?n' meiner' Arbeit: Zur Genese des Tic (Int. Ztschr. f .PsA Bd. XI ,1923) wies
ich an Hand eines Falles von Tic nach, daß dieser zugleich mit der B^uhrungsang
sich in dem Maße auflösen ließ, als die so lange verpönte Masturbation wieder
einsetzte, zugleich damit auch eine Reihe von Sublimierungen sich entwickelte.
AnalyL von Berührungsangst führen auch fast regelmäßig zu einem vorüber-
gehenden Stadium von Zwangsonanie, Analysen von Znwe oft «*£»*£
gehender Berührungsangst. Bei der Zwangsoname erweist sich audi die Tendenz die
Masturbation der Umgebung vorzuführen, mitbestimmend; sie geht vom Schuldgefuh
aus Dieselben Faktoren sind auch bei dem Verhalten kleiner oder größerer Kinder mit
wirksam, die offenkundig - anscheinend „ungehemmt' - onanieren.
6) Vgl. auch Kap. III.
m einer anderen Form der kindlichen Sexualbetätigung geltend. Ich habe wieder
holt hervorgehoben, daß nach meinen Erfahrungen in der ersten Kindheit
sexuelle Beziehungen von Kindern untereinander die Regel sind
Ich stellte aber auch in einer Reihe von Fällen des Latenz- und Pubertätsalters
fest, daß diese Beziehungen beim Einsetzen des Latenzalters nicht zum Stillstand
gekommen waren oder in anderen Fällen von Zeit zu Zeit plötzlich wieder auf
genommen wurden, und daß in all diesen Fällen im wesentlichen die gleichen
Faktoren wirksam waren. Ich will dies an zwei Beispielen illustrieren, und zwar
an der Beziehung zweier Brüder im Alter von sechs und fünf Jahren und zweier
Geschwister im Alter von vierzehn und zwölf Jahren. Da ich in beiden Fällen
beide Partner in Analyse hatte, war mir ein voller Einblidt in das Ineinander-
wirken aller Faktoren möglich.
Günther und Franz waren in ärmlichen, aber nicht ungünstigen Familien-
verhältnissen aufgewachsen. Die Eltern lebten in gutem Einvernehmen mit-
einander. Obgleich die Mutter die Hausarbeit allein besorgte, befaßte sie sich viel
und in verständnisvoller Weise mit den Kindern. Günther wurde wegen seines
ungewöhnlich gehemmten und ängstlichen Wesens und seiner deutlichen Ab-
sperrung von der Realität in Analyse gegeben. Er war ein verschlossenes, überaus
mißtrauisches Kind, aufrichtiger und wirklicher Liebe anscheinend nicht fähig
Franz war überlebhaft, aggressiv und schwer erziehbar. Die Kinder vertrugen sich
sehr schlecht miteinander, wobei aber Günther der Nachgiebigere zu sein schien.'
Der Beginn der von den Kindern mutuell vorgenommenen sexuellen Akte ließ
sich in den Analysen bis auf das Alter von etwa dreieinhalb beziehungsweise
zwezeinhalb Jahren zurückführen;« ich halte es aber für wahrscheinlich, daß sie
schon vorher eingesetzt hatten. In der Analyse ergab sich, daß beide Kinder
bewußt gar kein Schuldgefühl über diese Akte empfanden (die sie aber dabei
sorgfaltig verheimlichten), während das unbewußte Schuldgefühl überaus schwer
war. - Für den älteren Knaben, der den jüngeren verführt und zeitweise genötigt
hatte, waren die von ihm vorgenommenen Akte (gegenseitige Fellatio, Mastur-
bation und Berührung des Anus mit den Fingern) gleichbedeutend mit Kastration
die Fcllatto vertrat das Abbeißen des Penis) und mit Zerstörung des ganzen
Leibes des Bruders (durch Zerschneiden, Zerreißen, Vergiften, Verbrennen usw.).
Die Analyse der mit diesen Akten verbundenen Phantasien ergab, daß sie nicht
nur der Überwältigung und Zerstörung des Bruders galten, sondern daß dieser
ihm dabei auch die beiden miteinander im Koitus vereinigten Eltern bedeutete. -
Die Akte waren also in gewissem Sinne ein e Realisierung der s a d i s t i-
7) Bei beiden Kindern deckte die Analyse stark psychotische Züge auf. Ich *ehe hier
bJJLZ JttS Ä standen> hatte die Mutter auA ein * e Male
sehen, gegen die Eltern gerichteten Mas tur bat ionsphan tasien
Lemilderter Form.» Indem Günther, und zwar zeitweise in gewaltsamer
Veise, diese Akte am Bruder vornahm, suchte er sich unter anderem den Bewe
zu erbringen, daß er auch im gefährlichen Kampfe mit den Eltern de
Stärkere sein würde. Aus der übermäßigen Angst vor den Eltern entsprang
L verstärkter Antrieb, sie zu beseitigen, wobei die in der Phantasie ^verübten
Angriffe auf die Eltern diese wiederum um so furchterregender machten, Uie
Ansst der Bruder könne ihn verraten, steigerte wieder den Haß
len diesen und bildete einen verstärkten Antrieb, ihn durch diese Akte zu
beseitigen. Bei Günther, bei dem ein ganz abnormer Sadismus vorlag, ent-
hielt die Sexualität fast keinerlei positive Elemente. In sexner Phantasie
bedeuteten die verschiedenen sexuellen Akte eine m raffinierter Weise vor-
genommene Folterung, die zum Tod des Objektes führen sollte.
Günthers Beziehung zu seinem Bruder aktivierte aber auf diese Weise immer
wieder Angst und verstärkte so noch seine Schwierigkeiten, die zu einer völlig
abnormen psycho-sexuellen Entwicklung geführt hatten.
Der jüngeL Knabe, Franz, hatte die unbewußte Bedeutung der vom Bruder
vorgenommenen Akte voll erfaßt, und deshalb war seine Angst, von ihm kastriert
und vernichtet zu werden, übermäßig gesteigert worden. Trotzdem hatte Franz sich
weder beklagt noch auch die Entdeckung dieses Verhältnisses ermöglicht. Von den
Gründen, di § e bei dem jüngeren Knaben eine überaus starke -ochistis^ -
rung an diese für ihn so beängstigenden Akte und (trotzdem er der Verführte
war) ein schweres Schuldgefühl erzeugt hatten, greife ich hier einige heraus:
Franz identifizierte sich in seinen sadistischen Phantasien mit dem ihn
vergewaltigenden Bruder, schöpfte also aus dieser Situation die Befriedi-
gung für seinen Sadismus, die wir als eine der Wurzeln des Masochismus kennen
Die Identifizierung mit dem Angstobjekt sollte aber auch der
Angstbewältigung dienen. In seiner Phantasie wurde Franz auf dese
W ei!e selbst zum überwältiger: Der Feind, gegen den sxch seine Angriffe richteten,
,) Reik hat ausgeführt, daß die Angst den Haß steigert (Der Strecken. Int.
^oTtesrÄantasien entsprachen in vielen Einzelheiten und au* .durch den
völligen Mangel an Reaktionsbildungen ^ § 1^ ^1^
er siA tmer § wieder den Beweis, daß er nicht überwogt wurde.
— ia3 —
war sein Es, 11 sowie der verinnerlidite Penis des Bruders, der den Penis des
Vaters — das gefährliche Über-Ich — vertrat und den er als Verfolger empfand
Dieser sollte durch die auf seinen Körper erfolgenden Angriffe in seinem Leibes-
innern zerstört werden. 12 ' 18
Da aber dieses Bündnis mit einem grausamen äußeren Über-Ich gegen die
verinnerlichten Objekte und das Es nicht aufrechterhalten werden konnte, weil
es das Ich zu sehr bedrohte, wurde der Haß immer wieder auf die Objekte
abgedrängt, die auch für das eigene gehaßte schwache Ich standen, so zum Beispiel
auf jüngere, schwächere Kinder, gegen die Franz mitunter brutal war. Der Haß
den Franz zeitweise gegen mich in der Analysenstunde bekundete, die Wut, mit
der er mich mit einem Holzlöffel bedrohte, den er mir in den Mund stoßen
wollte - wobei er mich als klein, dumm, schwach beschimpfte -, erwiesen sich
durch diese Verschiebung determiniert. Der Holzlöffel stellte symbolisch den Penis
des Bruders dar, der ihm gewaltsam in den Mund gestoßen worden war. Den
Haß gegen den Bruder hatte er in Identifizierung mit diesem gegen sich selbst
gewendet. Er wütete gegen sich wegen seiner Schwäche und Kleinheit und drängte
dann diesen Haß auf andere, schwächere Kinder - in der Übertragungs-
situation auf mich — ab.
Abwechselnd mit diesem Mechanismus kehrte Franz in der Phantasie die
Situation um und empfand die vom Bruder ausgeübten Akte gleichzeitig als von
ihm selbst gegen Günther verübte Angriffe. Da aber für Franz in diesen sadisti-
schen Phantasien - analog wie bei Günther - der Bruder zugleich ein Substitut
für die Eltern darstellte, wurde er selbst in den Phantasieangriffen auf die Eltern
der Spießgeselle des Bruders. Deshalb teilte er auch das Schuldgefühl und die
Angst des anderen vor der Entdeckung durch die Eltern, woraus sich ebenfalls
ein starkes Motiv zur Geheimhaltung der Beziehung ergab.
Ich kam auf Grund einer Reihe von analogen Erfahrungen zur Auffassung,
daß es der übermäßige Druck des Über-Ichs ist, der (ebenso wie
für die vollkommene Unterdrückung) für den z w a n g h a f t en Antrieb zur
Sexualbetätigung bestimmend ist, daß also Schuldgefühl und Angst die
libidinosen Fixierungen verstärken und die libidinösen Triebansprüche erhöhen "
Rd Ä^ T £ine / rb l t: D r ie , RoIlenbildun S ™ Kinderspiel (I„t. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XV, , x 9 2 9 ) in der ich auf diese Mechanismen näher einging.
Mall; g 1 m KaP J tel -J? 3uf dieSen Me *™u S , der mir für den femininen
Masochismus grundlegend scheint, näher ein. ^"umnen
13) Melitta Sch-mideberg weist darauf hin, daß bei den Primitiven durch die
dZTZT'tfAV , Maß " ah ™ n > die *■ Medizinmann vornimmt X A„gsT vo
dem im Kranken befindhchen Dämon (den in ihm vorausgesetzten väterlichen Penis)
ÄÄK Medianisms in CuItüral Development - Int - jLn 3
14) Ich gehe auf diese Aufstellungen in Kap. VIII ausführlicher ein. Hier liegt
124 —
Obermäßiges Schuldgefühl und das Übermaß der Angst Schemen nur bem i m
setzen des Latenzalters die Verminderung der Triebansprüche zu verhind n
S kommt, daß im Latenzalter selbst eine verminderte Se*t«
übermäßige Schuldreaktion hervorruft. Struktur und Ausmaß der N urose
Timmen das Resultat dieses Kampfes im Latenzalter Berührungsang, und
Zwangsonanie stellen die Endpunkte einer Ergänzungsrahe dar, m der wir
verschiedensten Abschattungen vertreten sehen. . „«
Der zwanghafte Antrieb zum Sexualverkehr erwies sich mir in dies » ^
und in anderen Fällen durch einen Faktor bestimmt, dem auch allgemeine
B eutung für den Wiederholungszwang zuzukommen scheint.^ ^.e phantastische
Angst vor einer irrealen, das Leibesinnere betreffenden Gefahr
Lbt dazu, diese Gefahr in eine reale und äußere zu verwandeh, J>
vorliegenden Fall drängte die Angst vor dem verinnerlichten Penis des Brud^
Ils Verfolger und den bösen verinnerlichten Eltern zur Vergewaltigung durch
den Bruder ) Diese äußere Gefahrsituation wird dann zwangsweise herbeigeführt
dTdie An st, die sich aus realen Gefahrsituationen« ergibt immer och
geringer ist als die dem Leibesinnern geltende und auch besser
"'SÄ'ZL den Fortbestand dieser sexuellen Beübung zu ver
u- A wiv. unter den gegebenen Verhältnissen unmöglich gewesen, da
^d-^TdXS,«- eine Trennung der Schlafgelegenheit.
2 nicht hätte durchführen lassen. Eine solche Maßregel wäre aber auch n d>
meinen sonstigen Erfahrungen in einem Falle wie diesem, da er _Zwan ; a
beiden Seiten ein so starker war, wirkungslos geblieben. Es zeigte sich, daß die
Kinder, wenn sie auch nur einige Minuten tagsüber allein blieben, diesen Ze«-
raum zur Ausführung irgendeiner sexuellen Berührung benutzten, die für d
üTewußte die gleiche Bedeutung hatte wie die Ausführung der -dueden^
sadistisch phantasierten Akte. Erst im Verlauf der lange ^«h*
in der ich niemals die Kinder dahin zu beeinflussen suchte, daß sie diese Sexua
betätigung einstellen sollten," sondern r ein analytisch die deter-
minierenden Ursachen dieser Beziehung auf beiden Seiten
eine Übereins—s mit Reik vo, ^^^^^^^Z S
Fällen eine Libidoverstärkung und [Vertiefung ; d« -J"™ e ™f^ men eine Ver-
fca t sa±= S'^fflw^v ffl — (Libido und
b^i'SÜ^^MC^^^ M. K. Searl bi,
gewiesen. Int. Ztschr f. PsA., Bd. XV (1929). fi { k fa diesem Fa ll e> da
x6) Diese von mir ». f^^^jg^^St^L hat mir gerade dieser
Äl^e^-^StSefeut^gogisdien Beeinflussung seitens des
— 120
der Ak \ A • v" SSam Und SdlrittWeiS£ 2Uem 2U einer Veränderung
der Akte und exner Verengerung ihrer Zwanghaftigkeit und schließlich 2U deren
v o 1 1 , g e r E , n s t e 1 1 u n g. Hiebei zeigte sich, daß nun nicht etwa eine GleicT
£uZ2£Ti mutueIlen sexueIlen Akte eingesetzt hatte > sond - ** S
SAuldgefuh als es wenl ger vehement wurde, zur Einstellung der Beziehung
drängte. m hrend also vorher & ^„^ ^ ^ ^ ung
wKklungsstufe entstammende Schuldgefühl den Zwang hervorgerufen, also d e
Rxe^ng verstärkt hatten, so war die sexuelle Beziehung beiderseits aufgegeben
lachte 7 , 1 t fÜH1 Verringm ™ Und SiA auf ***« Art ge ten d
s^xuel e B § t m \ " ? ränderUng UDd SdlHeßHch VÖ1H ^ »i der
quellen Begehung hatte die vorher feindselige und gehässige Einstellung de
Wer zuemander emer normalen und herzlichen Beziehung Platz gemalt
der TatsT ,T t " BCSPreChUng ^ ZWdten FdleS ™ ** Anführung
hl ^ 7 dem j HlnWeise be 8 nü ^ ^ß hier - wenn auch in den Einzel
iEzssr die 8leiAen Faktoren besti ™ d r* - ie * *■ ^
Ge 2 rfkt e m n ^ ^T ' ' ' ° ^ ^ Um 2 ™ ^ *^> ^der
Pausen er " ^"S 2611 2U k0kusähnli ^ Akten, die - oft nach langen
Pausen - ganz plotzkh vorgenommen wurden. Hier lag auf selten des
Kdfe. s gar k em bewußtes Schuldgefühl vor, während der sei viel normalt
JSi:t- r ke sdiuldsefühie hatte - Die Anai ^ d - ^ Kil
u t, ; : m C ; emen Kindheits P-°de entstandene sexuelle Beziehung
zu Begmn des Latenzalters nur zeitweise abgebrochen worden war, weil ein au!
den, übermäßigen Schuldgefühl herrührender zwanghafter Antrie a £ h IZ
Seiten von Zeu zu Zeit die Wiederholung herbeiführte. Die in der frühen E£
hext ausgeführten Akte hatten sich im Latenzalter" nicht nur der Häufigleit nal
vemngert, sondern auch dem Charakter nach eingeschränkt. Fellatio und Cunnt
Bg US waren auf ben WOfden; und e . n . ge 2ek ^ umu
semgem Betasten und Beschauen. In der Vorpubertät setzten aber *£££.
wendige Behebung ÄÄlJS £$* ^ <" "*« «* ~
Latent ÄJÄ^^^Ä1TC' , S ^ Üb£r T de r **" d «
Frühzeit ausgeführten Akte beibehalt« wurde (Lh 1 "™ ^ ^ ^ b der
Cunmüngus aufgegeben) und di Ak a ul sehet r S^ WUld - n ^T "«*
^^ m Bdslil7 a t72einerZ/° rSen T mm ^ Handlun S e » wiederholten. Bei
Mund herun/auf, d r dl Tu^arS Z^ %?**£* *& Ä AuSs4k S um den
früher Kindheit mit diesen Aten ztrie A vor! ™ ^ ^ *" in
wie gesagt, seit früher Khi Ä'^E^ ™' «* * *«*
— ia6
ähnliche Berührungen ein. Diese Akte gingen vom Bruder aus und trugen einen
zwanghaften Charakter. Er folgte dabei einem plötzlichen Impuls; weder vorher
noch nachher beschäftigte er sich mit ihnen in Gedanken. Er „vergaß" das
Geschehnis auch fast völlig von einem Mal zum anderen. Diese partielle Amnesie
lag ebenfalls für eine Reihe anderer mit dem Sexualverkehr assoziativ ver-
bundener Dinge vor und bestand in ungewöhnlichem Maße für die frühe Kindheit.
Die Schwester war in früherer Kindheit häufig der aktive Teil gewesen, spielte
aber später nur mehr eine passive Rolle. In dem Maße, in dem die A n a 1 y s e
bei beiden Kindern die tieferen Ursachen des vorliegenden Zwanges aufklärte,
löste sich dieser auf beiden Seiten auf, und es kam auch zur völligen
Einstellung der sexuellen Beziehung zwischen ihnen. Auch in
diesem Falle v e rb e s s e r t e s i c h das ursprünglich sehr schlechte Ver-
hältnis zwischen den Geschwistern in auffallender Weise.
In diesen und auch in anderen Fällen erfolgte die Auflösung des Zwanges
zugleich mit einer Reihe von einschneidenden, ineinandergreifenden Verände-
rungen. Die in der Analyse schrittweise sich vollziehende Milderung des Schuld-
gefühls ging mit der Herabsetzung des Sadismus und einem stärkeren Hervor-
treten der genitalen Stufe einher. Dies drückte sich in entsprechenden Änderungen
der Masturbationsphantasien - beim kleineren Kinde auch der Spielphan-
tasien — aus.
In Analysen des P u b e r t ä t s a 1 1 e r s läßt sich dann auch noch eine
Veränderung der Masturbationsphantasien feststellen. So
hatte Gert zum Beispiel keine bewußten Masturbationsphantasien; im Verlaufe
der Analyse setzten Masturbationsphantasien ein, die ein Mädchen zum Gegen-
stand hatten, von dem er nur den nackten Körper und nicht den Kopf sah.
Auf einer weiteren Stufe trat der Kopf immer deutlicher hervor und erwies sich
als der seiner Schwester. Zu dieser Zeit war aber der Zwang schon aufgelöst, und
die sexuelle Beziehung zwischen den Geschwistern war ganz eingestellt worden.
Hieraus geht der Zusammenhang hervor, der zwischen der übermäßigen Ver-
drängung der auf die Schwester gerichteten Wünsche und Phantasien und dem
zwanghaften Antrieb zum Sexualverkehr mit ihr bestand.
Noch später veränderten sich die Phantasien dahingehend, daß er nur andere,
fremde Mädchen sah, schließlich war es ein bestimmtes Mädchen — eine Freundin
der Schwester — , von der er phantasierte. In diesen stufenweisen Veränderungen
dokumentierte sich die Ablösung von der Schwester; sie konnte erst
einsetzen, nachdem die aus ü b e r m ä ß i g e m S c h u 1 d g e f ü h 1 resultierende
zwanghafte Fixierung an sie analytisch behoben worden war. 18
18) Gert war wegen nicht sehr großer neurotischer Schwierigkeiten ein Jahr in
Analyse. Drei Jahre später erfuhr ich, daß er sich günstig entwickelt.
— i»7 —
Ich komme, was die sexuellen Beziehungen von Kindern — insbesondere von
Geschwistern - untereinander betrifft, auf Grund meiner bisherigen Erfahrungen
zum Ergebnis, daß solche Beziehungen in der frühen Kindheit allgemein sind
dagegen im Latenzalter und in der ersten Pubertät nur beibehalten werden, wenn
das Schuldgefühl übermäßig und seine Verarbeitung nicht geglückt ist. 19
Allem Anschein nach wirkt sich das Schuldgefühl im Latenzalter dahin aus
daß, wahrend die Masturbation in geringerem Ausmaße bestehen bleibt, sexuelle
Betätigungen von Kindern untereinander - sei es mit Geschwistern oder anderen
Kindern - als eine zu starke Realisierung der inzestuös-sadistischen Wünsche
verworfen werden. Auch noch im Pubertätsalter wirkt die Zielsetzung dieser
Entwicklungsperiode, die die Ablösung von den inzestuösen Objekten beinhaltet
solchen Beziehungen entgegen. Die Aufnahme von sexuellen Beziehungen zu neuen
Objekten aber erfolgt normalerweise in einem späteren Abschnitt des Pubertä's-
alters. Sie basiert auf der sich vollziehenden Ablösung von den alten Objekten
und beruht dann auf anderen, dem Inzest entgegenwirkenden Strebungen.
Nun erhebt sich die Frage, inwieweit es möglich wäre, von vornherein das
Zustandekommen solcher Beziehungen zu verhindern'
Es scheint mir sehr zweifelhaft, ob dies möglich wäre, ohne anderen schweren
Schaden anzurichten (zum Beispiel dadurch, daß die Kinder einer zu weit gehenden
Beaufsichtigung und Freiheitsberaubung unterworfen würden), ja, ob selbst bei
schärfster Beaufsichtigung solche Beziehungen überhaupt verhindert werden
können. Hiezu kommt, daß diese frühen Erlebnisse, die so überaus schädigend
wrrken können, in anderen Fällen die Entwicklung günstig
b e e i n f 1 u s s e n. Die sexuellen Beziehungen von kleinen Kindern untereinander
dienen allem Anschein nach - neben der libidinösen Befriedigung und der
Befriedigung des sexuellen Wißtriebes - der Funktion, das übermäßige Schuld-
gefühl abzuschwächen. Da der Phantasiegehalt dieser Beziehungen auf den sadisti-
schen Masturbationsphantasien beruht, diese aber die Quelle schwerster Schuld-
gefühle sind, führt die Tatsache, daß an diesen verpönten, gegen die Eltern
gerichteten Phantasien ein Partner teilnimmt, ein Gefühl der Bundes-
genossenschaft herbei, das die A n g s t vermindert.*» Hingegen ergeben
sich aus der Beziehung selbst wieder Angst- und Schuldgefühle. Welche
Momente überwiegen und ob diese Beziehung sich als Rückhalt gegen
die Angst auswirkt oder diese noch verstärkt, dafür scheint das Ausmaß des
auAl^-^T u m id, - n f Ch m , dnen Beoba *tungen überzeugt, daß diese Beziehungen
au* in diesen Lebenspenoden sehr viel häufiger sind, als im allgemeinen angenommen
weisd mL£ n Z I l Udl " G /T n f, me T ^ träume " (&*■ Psychoanalytischer Verlag r 924 )
wem Hanns Sachs auf die Verminderung des Schuldgefühles hin, die sich aus der
Gemeinschaft mzestuöser Phantasien (Tagträume) ergibt.
— ia8 —
eigenen Sadismus und insbesondere die Einstellung des Partners entscheidend.
Wo der positive, libidinöse Faktor überwiegt, kann sie — wie ich in einer Reihe
von Fällen feststellte - die Liebesfähigkeit und Objektbeziehung in grund-
legender Weise günstig beeinflussen. 21 In Fällen, in denen die destruktiv en
Triebregungen (ja sogar Zwang seitens des einen Partners) diese Beziehung
beherrschen, kann sie die ganze Entwicklung auf das schwerste schädigen.
Auch in der Frage der Sexualbetätigung des Kindes — wie in einigen
anderen - führen uns die psychoanalytischen Ergebnisse zur Erkenntnis der
vollen Tragweite gewisser Entwicklungsmomente, ohne uns aber zugleich die
Möglichkeit zu bieten, zuverlässige Regeln für die Prophylaxe aufzustellen.
Freud schreibt in den „Vorlesungen": 22 „Diese Verhältnisse haben ein
gewisses Interesse für die Pädagogik, die sich eine Verhütung der Neurosen durch
frühzeitiges Eingreifen in die Sexualentwicklung des Kindes zum Vorsatz nimmt.
Solange man seine Aufmerksamkeit vorwiegend auf die infantilen Sexual-
erlebnisse gerichtet hält, muß man meinen, man habe alles für die Prophylaxe
nervöser Erkrankungen getan, wenn man dafür sorgt, daß diese Entwicklung
verzögert wird und daß dem Kinde derartige Erlebnisse erspart bleiben. Allein
wir wissen schon, daß die Bedingungen der Verursachung für die Neurosen
komplizierter sind und durch die Berücksichtigung eines einzigen Faktors nicht
allgemein beeinflußt werden können. Die strenge Behütung der Kindheit verliert
an Wert, weil sie gegen den konstitutionellen Faktor ohnmächtig ist; sie ist
überdies schwerer durchzuführen als die Erzieher sich vorstellen, und sie bringt
zwei neue Gefahren mit sich, die nicht gering zu schätzen sind, daß sie zu viel
erreicht, nämlich ein für die Folge schädliches Übermaß von Sexualverdrängung
begünstigt, und daß sie das Kind widerstandslos gegen den in der Pubertät zu
erwartenden Ansturm der Sexualforderungen ins Leben schickt. So bleibt es
durchaus zweifelhaft, wie weit die Kinderprophylaxe mit Vorteil gehen kann
und ob nicht eine veränderte Einstellung zur Aktualität einen besseren Angriffs-
punkt zur Verhütung der Neurosen verspricht."
21) Ich gehe auf dieses Moment ausführlich in den Kap. XI und XII ein.
22) F r e u d: Vorlesungen (Ges. Sehr., Bd. VII, S. 379).
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— lag
ZWEITER TEIL
FRÜHE ANGSTSITUATIONEN
UND IHRE AUSWIRKUNG AUF DIE
GESAMTENTWICKLUNG
L
ACHTBS KAPITEL
Frükstadien des Ödipuskonfliktes
und der Uber-Idi -Bildung
In den nun folgenden Kapiteln beabsichtige ich einen Beitrag zur Genese und
zum Aufbau des Über-Ichs zu geben. Die theoretischen Ergebnisse, die uh vor-
lege, sind das Resultat der direkten Einblicke in die frühesten Entwicklungs-
vorgänge, die mir die Analysen kleiner Kinder ermöglichten. Diese Analysen
ergaben, daß beim kleinen Kinde die ödipusstrebungen durch die pra^n Ver-
sagungen ausgelöst werden und daß gleichzeitig auch die Über-Ich-Bildung
beginnt. 1 Die genitalen Triebregungen bleiben zunächst verdeckt, da sie sich
gegen die prägenitalen Triebregungen im allgemeinen erst im dritten Lebens-
jahre voller durchsetzen. Damit beginnt die Entwicklungsperiode, die durch das
deutliche Hervortreten der genitalen Regungen charakterisiert 1S t und die wir als
Frühblüte der Sexualität und Entwicklungsphase des Ödipuskonfliktes kennen.
Ich will in den folgenden Ausführungen auf die dieser Frühblüte voraus-
gehenden Entwicklungsvorgänge in großen Zügen eingehen und den Nach-
weis versuchen, daß die Frühstadien des Ödipuskonfliktes und
der Über- Ich-Bildung in die Entwicklungsperiode fallen, die etwa
zwischen dem ersten halben Lebensjahre und dem dritten
Lebensjahre liegt.
Die Lust am Saugen wird normalerweise durch die Lust am Beißen abgelost.
Ein Mangel an Lustbefriedigung auf der oralsaugenden Stufe führt zu einem
verstärkte n Lustbedürfnis auf der oralbeißenden Stufe.» Die Bedeutung der
7) Siehe M. Klein: Die Frühstadien des Ödipuskonfliktes (Int. Ztschr. f. PsA.,
!""af Abraham weist (Psychoanalytisdie Studien zur Charakterbildung, S. 40) auf
die TatsaAe hin, daß gleichermaßen eine unbefriedigend verlaufene zu lustarme Sauge-
Periode ebenso wie ein! zu lustreiche zu einer besonders starken Fixierung an die Lust
drBeißens führt. Edward Glover betont (Notes on Oral Character Formation,
- *33 -
„Abhängigkeit von den besonderen Verhältnissen der Ernährung", die A b r a h a
als die Ursache für eine zu lustarme Saugeperiode anführt, ist durch die allgemein
analytische Erfahrung einwandfrei bewiesen. Wir kennen sie als einen der grund
legenden Faktoren für Erkrankungen und Fehlentwicklungen. Die ungünstigen
Ernährungsverhältnisse, die man als ä u ß e r e V e r s a g u n g bezeichnen kann
Schemen aber nicht die einzige Ursache für eine lustarme Säuglingszeit zu sein'
Dies geht deuthch daraus hervor, daß manche Kinder saugeunlustig (trinkfaul)
sind, wiewohl sie genügend Nahrung erhalten. Die Unfähigkeit, die Sauge
befnedigung zu genießen, die in solchen Fällen vorliegt, scheint mir die Folge
einer in n e r e n V e r s a g u n g zu sein und geht nach meinen Erfahrungen auf
einen abnorm verstärkten oralen Sadismus zurück.* Allem An-
schein nach äußert sich in diesen frühen Entwicklungsvorgängen schon die
Polarität von Lebenstrieb und Todestrieb. Die starke Fixierung an die oral^
saugende Stufe ist als Ausdruck der Stärke der Libido aufzufassen, das frühe
und starke Auftreten des oralen Sadismus zeigt das Überwiegen der destruktiven
Komponente an.
Wie wir durch Abraham* und van Ophujsen wissen, ist die kon-
stitutionelle Verstärkung der der Beißtätigkeit dienenden Zonen (Kaumuskulatur)
ein grundlegendes Moment für die starke Fixierung an die oralsadistische Stufe.
Die Falle, m denen äußere Versagung - ungünstige Ernährungsbedingungen -
mit einem konstitutionell verstärkten oralen Sadismus, der die Saugelust
beeinträchtigt, zusammentrifft, sind es, die zu den schwersten Fehlentwicklungen
und Erkrankungen führen. Umgekehrt scheint ein nicht zu frühes und nicht zu
vehementes Einsetzen des oralen Sadismus (das einen befriedigenden Verlauf
vlatT'für K - Ana1 ^ Vol. VI 2J) besonders d|e Bed ^
Versagung für die Fixierung, da er für die traumatische Wirkung der zu lustreichen
ist TuA n nf e h a and p e /Ü S ° raIe Fakt ° ren Wirbam findet - Das Entwiilungsergt"
5 itl 7n BeTsn". f^^Jn den beiden Fällen ein wesentlich verschiedenes.
(Kap nn „ 7 P t dleS£I ^ fuhre lA de " ausführlich besprochenen Fall Ernas
der Mutte dun* Ä ^t-^ ™ Beginn der Zahnung wiederholt die Brust
in eSen 3 nl %£ T^ "^ ™f aUch eb trink ^ules Kind gewesen. Auch
LdT Äi • ; l -- d riL ein abnorm vemärkter ° raler Sadisi ™ ™^s,
KAfcÄk ■ ■ . r Stll ! P 7 10de a " ßerIldl Un § estö » und °hne Schwierigkeiten, in Wirk
hchkeit aber völlig unbefriedigend war. Diesen Fällen stehen einige andere gegenüber,
in denen starke äußere Störungen der Saugeperiode nicht zur Entwicklung eine
abnormen oralen Sadismus geführt, sondern eine starke Fixierung an die orallgend
Stufe hinterlassen hatten. Zum Beispiel hatte Ruth (Kap. II), bei der eine starke oral-
S n end Siirhltr^ T^ ^ W* ^"^ da *"£* ^L
J2X a i • ? andefer melner Ana Wnden hatte niemals Brustnahnin»
gehabt, sondern war bei der Flasche aufgezogen worden. Auch bei ihm lag zwar dn
Stufe vor" "^ "£ ""* "J ^ St " ke * { ™™S an die «£*2«2
4) Siehe Abraham: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido, S. 39.
— icLf —
der Saugeperiode zur Voraussetzung hat) eine Vorbedingung für eine normale
Entwicklung zu sein. 5
Damit würde aber auch die Bedeutung des zeitlichen neben der des quan-
titativen Moments in ein schärferes Licht gerückt. Setzt die Steigerung des oralen
Sadismus zu vehement ein, so geraten Objektbeziehung und Charakterbildung
zu stark unter die Herrschaft der Ambivalenz und des Sadismus. 6 Die zu frühe
Verstärkung des oralen Sadismus hat eine zu frühe Ichentwicklung zur Folge.
Wir kennen als einen der Faktoren für die Entstehung der Zwangsneurose das
Voraneilen der Ichentwicklung vor der Libidoentwicklung. 7 Eine grundlegende
Ursache für eine zu schnelle I ch e n t w ick 1 ung sehe ich in dem zu
frühen und zu starken Einsetzen des oralen Sadismus und in dem
Druck, den die Angst auf das unreife Ich ausübt.
Freud hat seine ursprüngliche Auffassung von der Entstehung der Angst
erweitert. Die Annahme, daß die Angst durch direkte Umsetzung aus der
Libido entsteht, behält nur mehr eine sehr eingeschränkte Gültigkeit. Freud
zeigt, daß bei dem hungrigen Säugling die Angst infolge Anwachsens der
Bedürfnisspannung entsteht, daß aber diese Angstsituation des Säuglings schon
ein Vorbild hat, „ . . . die Situation der Unbefriedigung, in der Reizgrößen eine
unlustvolle Höhe erreichen ... muß für den Säugling die Analogie mit dem
Geburtserlebnis, die Wiederholung der Gefahrsituation sein; das beiden Ge-
meinsame ist die ökonomische Störung durch das Anwachsen der Erledigung
heischenden Reizgrößen, dieses Moment also der eigentliche Kern der .Gefahr'.
In beiden Fällen tritt die Angstreaktion auf . . ." 8
Die Tatsache aber „ . . . daß die Angst der Phobien eine Ichangst ist, im Ich
entsteht, nicht aus der Verdrängung hervorgeht, sondern die Verdrängung hervor-
ruft" 9 , scheint Freud ein nicht leicht zu lösender Widerspruch zu der ersten
Erkenntnis zu sein, daß nämlich in gewissen Fällen die Angst aus der Libido-
spannung entsteht. Seine Annahme, 10 „...daß das Ich in der Situation des
gestörten Koitus, der unterbrochenen Erregung, der Abstinenz Gefahren wittert,
auf die es mit Angst reagiert...", scheint Freud keine genügende Lösung des
Widerspruchs. An einer anderen Stelle kommt Freud, von anderen Er-
c) Als einen anderen grundlegenden Entwicklungsfaktor lernte ich die größere oder
geringere Fähigkeit des unentwickelten Ichs, Angst zu ertragen, kennen. Ich gehe aut
dieses Moment etwas später ein. ' ., „ n _ t
6) Siehe Abraham: Psychoanalytische Studien zur Charakterbildung (Int.
Psychoanalytischer Verlag r 9 z,), S. 40. Siehe auch Edward Glov er: The • S^ncance
of the Mouth in Psycho-Analysis (British Journ. of Medical Psycholog? , Vol. IV, 1914).
7 ) Freud: Die Disposition zur Zwangsneurose (Ges. Sehr., Bd. V, a. 2»&J.
8) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S.78).
9) Freud: Ebenda, S. 49.
10) Freud: Ebenda, S. 49.
- i35 -
wägungen ausgehend, auf dieses Problem zurück. Er führt die AngstentwickW
«eh das Ich hilflos gegen den wachsenden Triebanspruch findet, also die erst!
und ursprünglichste der Angstbedingungen"." Ferner definiert F r e u d als Kern
der Ge ahrsituation: „...das Zugeständnis unserer Hilflosigkeit gegen sie Z
materiellen Hilflosigkeit i m Falle der Realgefahr, der psychischen HilfI ^
im Falle der Triebgefahr". 12 al S*eit
in d" fÄ" p"ü ^ UmSet2Ung ^ unbef "«%» Libido in Angst W
Auß d A*! B f dÜrfnisS P a ™S ^lösten Reaktion des Säuglings vor
Außer dem Affekt der Angst ist aber zweifellos auch der der Wut- an die «
Reaktion des Säuglings beteiligt. Es läßt sich schwer entscheiden, wann die V
lotung der destruktiven mit den libidinösen Triebregungen einsetzt. Vieles sprich
da u , daß sie vom Entwicklungsbeginn an besteht und daß die Bedürfnisspannung
nur zur Verstärkung des Sadismus beiträgt. §
Wir wissen aber daß der Destruktionstrieb gegen den Organismus gerichtet ist
Er muß vom Ich als Gefahr empfunden werden. Meiner Auffassung „ach i t «
d ese G e f a h r, die sich als Angst fühlbar mach," Die A n g s t wü de demnach
aus der Aggresston entstehen- Da aber, wie wir wissen, die libidinöse vZ
agung den Sadismus steigert, so löst - wenn auch dieser Auffassung nach auf
^direktem Wege - die unbefriedigte Libido auch Angst aus, beziehungswri
eigen si. Die Annahme F r e u d s, daß das Ich möglicherweise in der Ab tiW
eine Gefahr wittert, wurde demnach doch die Lösung des Problems darstellen.
n) Freud: Ebenda, S. 86.
12) Freud: Ebenda, S. 109.
Bd/xil^/ -Tad'' ? aS . Problem A de f Unlustbejahung (I nt . Ztsdlr . f. p sA .,
ZtidKf. PsA* BdXIIT T o ,VTS Afbeit \ DaS Pr ° blem der Melancholie (Int
reaktion zujeik aufgelöst n AT Vu™ *?&* ™ d " H «U
Auswirkung die^r Wut Z andeTen £l herv °^.hoben, kam aber bezüglich der
führungen. " Fol S erun S en # «* in meinen nun folgenden Aus-
zuLta^sfeinitS feff S? £ «-acht gezogen, daß i„ gewissen Fällen
hinzukommen kann t • S( £e bt Es nl oft Destruktionstrieb ausgelöst würde,
mäßig, lähm nd ausfäHt " Hell f Angstreaktion übermäßig und unzweck-
i'S'ÄSs ÄSSÄ p G s r ?/ xvn XI ' W
trieb entsteht. Sie S Dk Ä2 «^ f ^-/U« MS dem Destruktions-
Wahrnehmung des im Q rJanLufT ; ^ ' T ° desan gst', sondern sie ist die
Masochismus " Orgamsmus fre lg ewordenen Todestriebes oder des primären
- i36 -
Nur scheint es mir, daß die Gefahr (d. h. die „psydiisdie Hilflosigkeit im Falle
der Triebgefahr") von den destruktiven Triebregungen ausgeht.
Freud beschreibt, daß die narzißtische Libido, um die Zerstörung des
Organismus durch den Todestrieb zu verhindern, diesen nach außen gegen die
Objekte abdrängt. Er sieht diesen Prozeß als grundlegend für die sadistische
Beziehung zu den Objekten und den Mechanismus der Projektion an. „Ein anderer
Anteil des Todestriebes macht diese Verlegung nach außen nicht mit - er ver-
bleibt im Organismus und wird dort mit Hilfe der erwähnten sexuellen Mit-
erregung libidinös gebunden; in ihm haben wir den ursprünglichen erogenen
Masöchismus zu erkennen." 16
Es scheint mir nun, daß das Ich noch einen anderen Weg zur Bewältigung
der im Organismus verbleibenden Anteile des Destruktionstriebes einschlägt, daß
es nämlich einen Teil der T r ieb r e gu n gen zur Abwehr gegen den
anderen Teil mobilisiert. Es käme so zu einer Spaltung im Es, die mir
der einleitende Schritt für die Entwicklung der Triebhemmungen und für den
Prozeß der Über-Ich-Bildung zu sein scheint und vielleicht mit der Urverdrängung
zusammenfällt." Man kann annehmen, daß diese Spaltung dadurch ermöglicht
wird, daß gleichzeitig das ein v er 1 e ib t e Ob j ek t (und zwar sobald der
Prozeß der Einverleibung begonnen hat) zum T r ä g er der A b weh r gegen
die destruktiven Triebregungen wird. 18
Die durch die destruktiven Triebregungen ausgelöste Angst macht sich
_ so scheint es mir - im Ich nach zwei Richtungen geltend. Sie
beinhaltet die Vernichtung des eigenen Körpers durch die de-
struktiven Triebregungen, ist also Angst vor einer inneren Trieb-
g e f a h r. 19 Zugleich aber zentriert sie, da ja die sadistischen Triebregungen auf
16) Freud: Das ökonomische Prinzip des Masochismus (Ges. Sehr., Bd. V, S. 379).
i 7 ) Freud schreibt: „Man kann es derzeit nicht beurteilen, ob etwa das Aul-
treten des Über-Ichs die Abgrenzung zwischen Urverdrängung und Nachdrangen
schafft. Die ersten - sehr intensiven - Angstausbrüche erfolgen jedenfalls vor der
Differenzierung des Über-Ichs. Es ist durchaus plausibel daß quantitative Momente
wie die übergroße Stärke der Erregung und der Durchbruch des Reizschutzes die
nächsten Anlässe der Urverdrängungen sind." (Hemmung, Symptom und Angst. Ges.
'^rgflA^gehe auf den Prozeß der Verinnerlichung der Objekte später ein und
schicke hier nur voraus, daß nach meiner Auffassung das einverleibte Objekt auch gle.ch
in die Rolle des Ober-Ichs eintritt. . .
19 ) Von den vielfachen Darstellungen dieser Angst in Fruhanalysen greife ich ein
Beispiel heraus: ein fünfjähriger Knabe verwendete in seinen Phantasien gegen gefähr-
liche Feinde wilde Tiere verschiedener Art (Elefanten, Leoparden, Hyänen, woltej,
denen besondere Rollen zugeteilt waren. Die Elefanten hatten «he Feinde " ""^T*
die Leoparden sie zu zerreißen, die Hyänen und Wölfe sie zu fressen Die Vors« lung
daß die in seinen Diensten stehenden wilden Tiere sich gegen ihn «&""?£"
könnten, löste bei dem Knaben schwerste Angst aus. Es ergab sich daß diese gefahrichen
Tiere ihm unbewußt die verschiedenen Quellen seines Sadismus bedeuteten (der Elefant
- *5 7 -
das Objekt gerichtet sind, auch um das Objekt als Gefahrenquelle
Die mit der Ichentwicklung zugleich einsetzende Realitätsprüfung, die dazu führt
daß das Kind die Mutter als versagendes und gewährendes Objekt kennenlernt'
und die ihm so vermittelte Erkenntnis von der Macht des Objektes über die
Befriedigung seiner Bedürfnisse, scheint die früheste reale Grundlage für die Angst
vor dem Objekt darzustellen. Hiebei wird allem Anschein nach die —un-
erträglichere — Angst vor der inneren Triebgefahr mit voller
Wucht auf das Objekt verschoben und so in eine äußere Gefahr
verwandelt. Der äußeren Gefahr sucht sich das unentwickelte Ich durch
Zerstörung des Objektes zu erwehren.
Ich will nun darauf eingehen, wie die Abdrängung des Todestriebes nach
außen die Beziehung zu den Objekten beeinflußt und zur vollen Entwicklung des
Sadismus führt. Die Steigerung des oralen Sadismus erreicht ihren Höhepunkt
während und nach der Entwöhnung von der Mutterbrust. Sie führt zur vollen
Aktivierung und Höchstentwicklung des Sadismus auf allen Quellgebieten. Oral-
sadistische Phantasien von ganz bestimmtem Charakter, die den Übergang
zwischen der oralsaugenden und oralbeißenden Stufe herzustellen scheinen, 2 »
gehen dahin, sich des inneren Gehaltes der Mutterbrust zu bemächtigen, sie aus-
zusaugen und auszuhöhlen. Das Begehren, auszuhöhlen und auszusaugen, gilt
vorerst der Brust, bald aber auch dem Innern des Mutterleibes. 21
In meiner Arbeit „Frühstadien des Ödipuskonfliktes" 22 habe ich ein frühes
Entwicklungsstadium beschrieben, das von aggr essiven Tendenzen gegen den Leib
den Muskelsadismus, die reißenden Tiere die Nägel und Zähne, die Wölfe die Ex-
kremente usw.). Die Angst, die gefährlichen, von ihm gezähmten Tiere könnten ihn
selbst vernichten, galt der Angst vor dem eigenen Sadismus als gefährlichem innerem
tTl C~ • verweise audl auf de ° volkstümlichen Ausdruck: „Vor Wut platzen."
14 ia.be in Frühanalysen für die Vorstellung, die diesem Ausdruck zugrunde liegt,
wiederholt Darstellungen erhalten.
20) Abraham hebt den vampyrhaften Charakter hervor, der dem Verhalten
gewisser Menschen anhaftet, und erklärt ihn durch eine Regression von der oralsadistischen
zur oralsaugenden Stufe. (Psychoanalytische Studien zur Charakterbildung. Int. Psycho-
analytischer Verlag, 192 j, S. 44.)
21) Edward Glover äußerte gesprächsweise die Auffassung, daß das Gefühl der
Leere im Leibesinnern des kleinen Kindes, das durch mangelnde orale Befriedigung
entsteht eine Grundlage für die Angriffsphantasien auf den Mutterleib bilden könnte.
Es wird zum Ausgangspunkt von Phantasien über den gefüllten Leib der Mutter, der in
der Phantasie des Kindes jede gewünschte Nahrung enthält. Mein Material, das ich
im Smne dieses Vorschlages Glovers überprüfte, bestätigt seine Auffassung vollauf.
Sie schemt mir eine weitere Erklärung des Entwicklungsschrittes, der zwischen dem
Aussaugen und Fressen der Mutterbrust und dem Angriff auf ihr Leibesinneres besteht.
Glover wies in diesem Zusammenhang auch auf Rad 6s Annahme eines „alimentären
Orgasmus (Rad6: Die psychischen Wirkungen der Rauschgifte. Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XII, 1926) hin, auf Grund deren sich die orale Befriedigung auf den Magendarmkanal
tortsetzt.
22) Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XIV, 1928.
- x38 -
der Mutter beherrscht ist. Der leitende Wunsch dieser Phase lautet: den Leib
der Mutter des Inhalts zu berauben und ihn zu zerstören.
Allem Anschein nach ist es der u r e t h r a 1 e S a d i s m u s, der am dichtesten
an den oralen Sadismus anschließt. Es hat sich mir vielfach bestätigt,
daß Phantasien des Üb e r s c h w emm en s und Zerstörens durch ungeheure
Urin mengen (auch im Sinne des Aufweichens, Ertränkens, Verbrennens,
Vergiftens) eine sadistische Reaktion auf die Versagung an
Flüssigkeit seitens der Mutter darstellen und letzten Endes gegen die
Mutterbrust gerichtet sind.
Ich möchte hier auf die große, bisher nicht genügend eingeschätzte Bedeutung
hinweisen, die nach meinen Erfahrungen dem urethralen Sadismus als Ent-
wicklungsfaktor zukommt. 23 Die uns wohlbekannten Phantasien des Über-
schwemmens und Vernichtens mittels großer Urinmengen 2 * sowie auch die bekannte
Beziehung zwischen Zündeln und Nässen 25 sind nur der deutlichere, weniger ver-
drängte Ausdruck der sadistischen Regungen, die sich mit der Urethralfunktion
verknüpfen. Ich lernte in den Analysen von Kindern und Erwachsenen immer
wieder Phantasien kennen, in denen der Urin als eine brennende, zer-
setzende, vergiftende Flüssigkeit, als schleichendes und geheimes Gift
phantasiert wurde. Die urethralsadistischen Phantasien haben einen grundlegenden
Anteil an der unbewußten Bedeutung des Penis als eines Werkzeuges des
Sadismus und auch an den durch diese sadistischen Phantasien bedingten Potenz-
störungen des Mannes. Das Bettnässen fand ich in einer Reihe von Fällen
durch Phantasien dieser Art determiniert. Auch alle anderen Mittel des Sadismus,
der Muskelsadismus und der anale Sadismus, richten sich zuerst gegen die (ver-
sagende) Mutterbrust, bald aber gegen das Innere des Mutterleibes, der auf diese
Weise zum Ziel aller höchstgesteigerten und gleichzeitig wirksamen Mittel des
Sadismus wird. Analsadistische Zerstörungswünsche gegen den Mutterleib werden
in den Frühanalysen von solchen des Fressens und des Nässens abgelöst und
23) A b r a h a m weist in seiner Arbeit: Zur narzißtischen Bewertung der Exkretions-
vorgänge in Traum und Neurose (Klinische Beiträge zur Psychoanalyse. Int. PsA .Verl.
1921 L 99 ) an Hand eines Falles mit sehr stark entwickeltem urethralen Sadismus
darauf hin daß wir bei Neurotikern „. . . . den Funktionen und ( Produkten des Darmes
und der Blase auch als Trägern feindseliger Regungen begegnen
24) Siehe insbesondere Freud: Traumdeutung und Drei Abhandlungen zur Sexual-
theorie- Sadger: Über Urethralerotik (Jahrb. f. psychoanalyt. Forschungen, IL Bd.,
9 To Abraham: über Ejaculatio praecox und Zur narzißtischen Bewertung der
Exkretionsvorgänge in Traum und Neurose. Klinische Beiträge zur Psydioanalyse (Int.
PsA Verl i 9 2i)f Rank: Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforsdiung (Int. PsA.
^S) Siehe Freuds Bemerkungen über den Zusammenhang zwischen Zündeln und
Nässen in: Bruchstück einer Hysterie- Analyse (Ges. Sehr., Bd. VIII, i>. 7h 74)-
— i3o, —
umgekehrt wobei als ursprünglichstes Begehren immer wieder das Fressen und
Zerstören der Mutterbrust deutlich wird. 26
Die E n t w i c k 1 u n g s p h a s e, in der die in der Phantasie unternommenen
sadistischen Angriffe gegen den Mutterleib dominieren, wird
durch die oralsadistische Stufe eingeleitet, findet mit dem Ab
klingen der früheren an . I sa d i s t i s c h en Stufe ihren Abschluß
und umfaßt die Höchstblüte des Sadismus auf allen Qu
gebieten. v *
Die Forschungen Abrahams haben uns darüber aufgeklärt, daß wir es bei
der Lust am Beißen nicht etwa nur mit einer libidinösen Befriedigung de
erogenen Zonen sondern auch mit einer ausgesprochen destruktiven Begierde dl
die Zerstörung des Objektes beinhaltet, zu tun haben. In noch stärkerem Ausmaß
gilt dies von dem Entwicklungsstadium der Höchstblüte des Sadismus. Das Bild
des kleinen, etwa sechs bis neun Monate alten Kindes, das mit allen Mitteln des
Sadismus, mit Zähnen, Nägeln, Exkrementen und seinem ganzen, in der Phan-
tasie zu gefährlichen Waffen verwandelten Körper, die Zerstörung der Mutti
anstrebt, scheint nicht nur abschreckend, sondern auch unglaublich. eL- wie ich
aus Erfahrung weiß - schwer, sich zu der Erkenntnis zu entschließen, daß dieses
a schreckende Bild der Wahrheit entspricht. Die Fülle und reichhaltig; Grausam-
keit der mit diesen Begierden einhergehenden Phantasien, wie wir sie in Früh-
tTlL S T W er K DCUtliChkeit Und Eind ^ lid > k - dargestellt sehen, ist übe,
stfefndet Z" * T^l "^ "* *" " iW ^ im Kannibalismus
Bünden Phantasien des Kindes vertraut gemacht und finden darin eine Er-
leichterung für die weiter führende Erkenntnis, daß zugleich mit der Reich-
haltigkeit der sadistischen Mittel sich auch die Reichhaltig-
keit und In ten si tä t der sadistischen Phantasien steigert
^ll!!!!*^^!^ des ganzen
8.4)^^ die\ a r^rdk„ d pr a l Un ( . Ve ^^ Entwicklungsgeschichte der Libido,
berichtet vo ek 171^^^^^ ^^ d " ^ "*»• Er
durch den primären Haß del £ j Regungen gegen die Mutter aber
liehen Penis geTte gen werden SS ^nU? ** ™™ erleih vorausgesetzten väter-
Auf die Bedeutung dieser VersSma für 1 T i SL,*" 1 $ Mer versch ° b «>-
ieh in Kap. XII ausführlich e ^ SChlebuns fur dle Sexualentwicklung des Mannes gehe
— x^o
Phänomens zu enthalten. Wenn es die libidinöse Versagung ist, die den Sadismus
steigert, so wird es verständlicher, daß die nicht zu befriedigenden destruktiven
Begierden, die mit den libidinösen verlötet sind - zunächst also die oral-
sadistischen -, zur weiteren Steigerung des Sadismus und der Aktivierung aller
seiner Mittel führen.
In Frühanalysen zeigt sich, daß die orale Versagung auch die unbewußte
Kenntnis aktiviert, daß die Eltern miteinander eines (zunächst als oral phan-
tasierten) sexuellen Genusses teilhaftig werden. Diese Phantasie löst in dem unter
dem Druck der oralen Entbehrung stehenden Kinde den Neid aus, der wiederum
den Haß verstärkt. Das Begehren auszuhöhlen, geht nun dahin, aus beiden
Elternteilen (respektive aus deren Organen) alle Flüssigkeit und den sonstigen
Inhalt (auch das, was die Eltern im oralen Koitus voneinander empfingen) aus-
zusaugen und zu fressen. 27
Die Sexualtheorien kennen wir durch Freud als phylogenetisches Erbgut.
Nach meinen Erfahrungen treten diese unbewußten Kenntnisse und Phantasien
vom Sexualverkehr der Eltern schon auf dieser ganz frühen Entwicklungsstufe
hervor. Der orale Neid bildet einen Antrieb für den Wunsch des Kindes (beiderlei
Geschlechts), in den Mutterleib einzudringen, sowie auch für den mit dieser
Tendenz verknüpften Wißtrieb. 28 Die Zerstörungstendenzen sind aber sehr bald
nicht nur gegen die Mutter allein, sondern, da das Kind phantasiert, daß die
Mutter sich im oralen Koitus den Penis des Vaters einverleibe, der Penis in ihrem
Leib verbleibe und der Vater mit einer Vielzahl von Penissen ausgestattet ist,
auch gegen den väterlichen Penis in ihrem Leibe gerichtet. Die in den tiefsten
Schichten so überaus str.rke Angst des Knaben vor der Mutter als Kastratorin
und die mit dieser Angst so eng verknüpfte Vorstellung der „Frau mit
dem Penis" läßt sich nach meinen Erfahrungen auf die Angst vor der
Mutter, deren Leib den Penis des Vaters enthält, reduzieren; sie gilt also letzten
Endes dem väterlichen, der Mutter einverleibten Organ. 29
27) M. N. Searl berichtete (siehe Refer. im Int. Journ. of Psycho-Analysis, Bd. IX,
1928) über Phantasien dieses intensiv oralsadistischen Charakters, die sie bei einem Kinde
fand. Das Begehren, aus dem Vater herauszusaugen, was dieser der Mutterbrust ent-
nommen hätte, stand bei diesem Kind im Zusammenhang mit paranoischen Melanismen
Die starke Wirksamkeit solcher Phantasien, die mit einem intensiven oralen Sadismus
verknüpft sind und dementsprechend auch besonders aggressive Regungen gegen das
Innere des Mutterleibes einleiten, habe ich ^seither charakteristisch für die Psychose
56 "Vsiehe Abraham: Psychoanalytische Studien zur Charakterbildung (Int. PsA.
Y "t) Felix Boehm hebt in seiner Arbeit: Ödipuskomplex und Homosexualität (Int.
7«chr f PsA Bd. XII, 1926) die Bedeutung der bei Männern häufigen Phantasien
hervor, daß in'der Vagina der Mutter der Penis des Vaters den sie vom Koitus zurück-
behalten habe, verborgen sei. Boehm weist ferner darauf hin, daß „die verschiedenen
den >, l™* 1 !^*« GefühIe *■ Haß und Angst vom väterlichen Penis auf
den ihn beherbergenden Leib der Mutter scheint mir bedeutungsvoll für die G ne
psychischer Erkrankungen. Diese Verschiebung, die sich mir auch als ein det T
ruinierender Faktor für Störungen der Sexualentwicklung und für die Wend«"
zur Homosexualität*» erwiesen hat, kommt so Stande, daß die Angst vor dem
der Mutter ^einverleibten väterlichen Penis auf dem für 2
Verarbeitung der Angst wohlbekannten Wege der Verschiebung auf de g
d 8 d C ' M § S £ V ° r ebem mÜ " erlich - ^nis verlegt wird. Die Angst vor
dem der Mutter emverleibten väterlichen Penis ist nämlich aus dem Sund
so überwältigend, weil nach dem auf dieser frühen l**riLZ*^i^
Prinzip der „pars pro toto« der Penis auch den Vater vorstellt Z A
Mutter befindliche väterliche Penis bedeutet dJ^L V^ i " £ ?£
Mut t d Vater in einer Person _ 3i D . ese 2 d Z\Z
KJS? fu t err e§end und bedrohend «» * ^S
is tut w K , T tf SemCm HÖhCPUnkt Um den K ° itus ** Eltern zentriert
m. De wahrend der Urszene oder bei den Urphantasien empfundenen Tod
wünsche gegen die Eltern sind mit sadistischen Phantasien verbunden Dil
Phantasien che von außerordentlicher Reichhaltigkeit sind, beinhaken d
:«1 emÖrUDg ^ Eltem ' ^ ™ >* 3««- e^und beidt
Bedeutungsvoll in ihren Auswirkungen sind auch die Phantasien in
denen „4 die Eltern gegenseitig durch ihre als gefährlich Raffln pnan
werten Gemtalien und durch ihre Exkremente zer törem ItZl Zu"
sammenhang lernte ich eine Fülle von Phantasien kennen, in denen zumTisptel"
der der Mutter einverleibte Penis in ein gefährliches Tier oder in mitlZv
.offen geladene Schußwaffen, die Vagina der Mutter auch in ein eSfr SI
Ma sefaH T " Tr nt tÖdHdler VemidltUng <»» ^ «ne vergi S
Mausefalle) verwandelt wurden. Der Umsfcmd A*a A- t! ■
Phantasien sind (daß also die S ex u a 1 1 h en ^ ^"^
l aieaexu a 1 1 h e o r i e n zu einem wesentlichen Teil
großen, gefurchteren, in der ^1? ^bracht werden mit der Vorstellung "von,
ferner in der psychoanalytisch« L 7teram T" PenlS ^Vaters". Häufig finden sich
Begegnung m/dem Peni fdf ^ auf Phantasien einer intrauterinen
Koitus, einer dabei engten |eS,ä "s* >"««*nner Belauschung des elterlichen
30) Siehe Kap. XII dieses Buches
^^bä^S^äS trpr aI r A ^™* e sesea midi
Analyse dieser Angriffe ercab da« ° J ' T i* ° da mdne Nase ridlt «en. Die
sondern daß KopTSase § Fük aucn P^th "7 ^ K ° r P erteilen * «I*™ galten,
aber nicht ein weiblicher, ondern £ ür " S° g J"?^ We d * 2e * te > ™ «
gegen den sich diese Angriffe rieh "teT ^^^ ° der «*«««««■ väterlicher Penis,
1^2
r
dasResultatdersadistischenWünschedes Kindes sind), hat zur
Folge, daß das Kind sich an den phantasierten gegenseitigen Beschädigungen der
Eltern schuldig fühlt.
Neben der alle Quellgebiete aktivierenden quantitativenSteigerung
erfolgt auch eine weitere Steigerung des Sadismus im Sinne einer Q u a 1 1-
täts Veränderung. Die in der Phantasie mit allen Mitteln des Sadismus
unternommenen gewaltsamen Angriffe auf das Objekt ergänzen sich
in einem späteren Abschnitt dieser Phase durch versteckte, geheime, mit
besonders raffinierten Mitteln (und deshalb also um so gefährlicher für das
Objekt) phantasierte Angriffe. Während in dem Abschnitt, in dem die
gewaltsamen Angriffe vorherrschen, auch die Exkremente als gewaltsame
Angriffswaffen phantasiert werden, nehmen in dem durch die geheimen Angriffe
charakterisierten Stadium die Exkremente die Bedeutung explosiver, ver-
giftender Stoffe an. Aus allen diesen Momenten ergibt sich eine Fülle und
Mannigfaltigkeit der sadistischen Phantasien, die als unerschöpflidi bezeichnet
werden kann.
Der gegen die koitierenden. Eltern gerichtete Sadismus hat
zur Folge, daß auch die Strafe von beiden Eltern gemeinsam erwartet
wird. Die Angst wirkt sich aber auf dieser frühen Stufe in einer Intensivierung
des Sadismus und in dem um so stärkeren Antrieb aus, das gefährliche Objekt
zu zerstören. Gegen die vereinigten Eltern ist demnach ein um so größerer Auf-
wand von sadistischen Zerstörungswünschen am Werke und eine damit korre-
spondierende Angst vor ihnen als einer feindlichen Einheit.
Nach meiner Auffassung ist es der Haß gegen den väterlichen Penis, der
zugleich mit dem Wunsch, sich genital mit der Mutter zu vereinigen und in ihrem
Leibe den dort vorausgesetzten väterlichen Penis zu zerstören, den Ödipuskonflikt
des Knaben einleitet. In diesen frühen genitalen ( Regungen und Phantasien, die
in der vom Sadismus beherrschten Entwicklungsphase einsetzen, sehe ich die Früh-
stadien des Ödipuskonfliktes. Diese Auffassung beruht darauf, daß für diese
Regungen schon die Kriterien gelten, die wir als charakteristisch für die ödipus-
situation kennen. Es dominieren zwar noch die prägenitalen Regungen, das Kind
fühlt aber neben den oralen, urethralen und analen auch schon genitale, auf den
andersgeschlechtlichen Elternteil gerichtete Wünsche und Haß und Eifersucht dem
gleichgeschlechtlichen Elternteil gegenüber. Auch der Konflikt zwischen Haß und
Liebesregungen dem gleichgeschlechtlichen Elternteil gegenüber besteht schon auf
dieser frühen Stufe. Ja, man kann sagen, die ganze Schärfe des Ödipuskonfliktes
schreibt sich gerade aus der frühen Situation des ganz kleinen Kindes her. Das
Mädchen wendet sich in Haß und Enttäuschung von der Mutter ab und dem
Vater mit oralen und genitalen Wünschen zu und ist zugleich durch orale Fixie-
rungen und auch seine allgemeine Hilflosigkeit so stark an die Mutter gebunden.
— 1^3 —
Beim Knaben resultiert auf dieser frühen Stufe der Konflikt aus der oralen
positiven Bindung an den Vater und den aus der frühen ödipussituation resul-
tierenden Haßregungen. Daß der frühe Ödipuskonflikt nicht in dem Maße
erkennbar ist wie in den späteren Entwicklungsstadien, liegt meiner Meinun»
nach, neben anderen Faktoren, an den geringeren Ausdrucksmöglichkeiten des
kleinen Kindes und an der vagen und komplizierten Objektbeziehung, die auf
den frühen Entwicklungsstufen besteht. Ein Teil der Reaktionen des Kindes zum
Objekt spielt sich an den Phantasieobjekten ab. 32 Angst und Haß wenden sich oft
in überwiegendem Maße diesen — insbesondere den verinnerlichten — Objekten
zu, die Beziehung zu den Eltern spiegelt nur einen Teil der im Verhältnis zum
Objekt bestehenden Schwierigkeiten wieder. 33 Diese äußern sich aber auf vielfache
andere Art, zum Beispiel liegt nach meinen Erfahrungen dem Pavor nocturnus
und den Phobien des kleinen Kindes immer auch schon der Ödipuskonflikt
zugrunde.
Es scheint mir nicht begründet, zwischen den Frühstadien und den späteren
Stadien des Ödipuskonfliktes eine scharfe Grenze zu ziehen. 3 * Da die genitalen
Regungen — wie es mir meine Erfahrungen erweisen — schon zugleich mit
den prägenitalen Triebregungen einsetzen und diese beeinflussen und
modifizieren, da andrerseits zufolge dieser frühen Verquickung den genitalen
Regungen auf den späteren Entwicklungsstufen immer auch prägenitale
Anteile anhaften, 34 bedeutet das Erreichen der genitalen Stufe nur eine
Verstärkung der genitalen Regungen. Die frühe und starke Verquickung
genitaler Regungen mit prägenitalen geht auch daraus hervor, daß bekanntlich
die Urszene oder Urphantasien, also genitale Erlebnisse und Phantasien, starke
prägenitale Regungen (Nässen, Defäzieren) auslösen, die von sadistischen Phan-
tasien gegen die koitierenden Eltern begleitet sind.
Die frühen sadistischen, um den Koitus der Eltern zentrierenden
Phantasien bilden nach meinen Erfahrungen den K e r n der M a s t u r b a t i o n s-
phantasien. Ich fand, daß es die destruktiven, mit den libidinösen verlöteten
Triebregungen sind, die die Abwehr des Über-Ichs gegen die Masturbations-
32) Die phantastischen Objekte ziehen nicht nur den Haß und die Angst, sondern
auch positive Gefühle auf sich, die den realen Objekten entzogen werden. Ist die
Beziehung zu den phantastischen Objekten im negativen und positiven Sinne überstark,
so können sich die sadistischen Phantasien und auch die Wiedergutmachungstendenzen
nicht genügend an das reale Objekt heften. Dies führt zu Störungen der Realitäts-
anpassung der Objektbeziehung.
33) Ich gehe hierauf später ein.
34) Ich halte deshalb auch die Unterscheidung, die F e n i c h e 1 zwischen der „prä-
gemtalen Vorgeschichte des Ödipuskomplexes" und dem Ödipuskomplex macht, nicht für
begründet. (Siehe Fenichel: Die prägenitale Vorgeschichte des Ödipuskomplexes. Int.
Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 1930.)
- 144 -
r
Phantasien (und die Masturbation) aktivieren. Die mit der frühen genitalen
Masturbation verbundenen Schuldgefühle sind demnach die Auswirkung der
gegen die Eltern gerichteten sadistischen Phantasien. Nach dieser Auffassung sind
aber, da die Masturbationsphantasien den Kern des Ödipuskonfliktes enthalten
un d 'deshalb wohl als Brennpunkt der gesamten Sexualität aufzufassen sind, die
aus den Hb idin Ösen Triebregungen resultierenden Schuldgefühle die Reak-
tion auf die destruktiven mit den libidinösen verlöteten Triebregungen. 35
Dann wären es aber auch ursprünglich nicht die inzestuösen Triebregungen, die
das Schuldgefühl auslösen, sondern die Inzestscheu schriebe sich letzten
Endes von den destruktiven Triebregungen her, die für immer mit den
ursprünglichen inzestuösen Wünschen verknüpft bleiben.
Wenn es sich als richtig erweisen sollte, daß der Beginn der ödipusstrebungen
b die Phase der Höchstblüte des Sadismus fällt, so hätten wir uns zu der
Erkenntnis zu entschließen, daß es vorwiegend Haßstrebungen sind, die
den Ödipuskonflikt und die Über-Ich-Bildung einleiten und auch in ihren
frühesten und grundlegenden Stadien beherrschen. Diese nach dem bisherigen
Stand unserer Wissenschaft zunächst fremdartig anmutende Erkenntnis stimmt
aber andrerseits mit unserer Kenntnis überein, daß die Libidoentwicklung von
den prägenitalen Stufen zur genitalen fortschreitet. Freud hebt mehrfach die
Tatsache hervor, daß der Haß in der Entwicklung der Liebe vorausgeht. Er
schreibt: 36 „Der Haß ist als Relation zum Objekt älter als die Liebe, er entspringt
der uranfänglichen Ablehnung der reizspendenden Außenwelt von seiten des
narzißtischen Ichs." Ferner: 37 „Das Ich haßt, verabscheut, verfolgt mit Zer-
störungsabsichten alle Objekte, die ihm zur Quelle von Unlustempfindungen
werden, gleichgültig, ob sie ihm eine Versagung sexueller Befriedigung oder der
Befriedigung von Erhaltungsbedürfnissen bedeuten." 38
«) In meinem auf dem Int. Psychoanalytischen Kongreß in Oxford (Juli 1929)
gehaltenen Vortrag „Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ichentwicklung (Int
Ztschr f PsA. Bd. XVI, 1930) kam ich diesbezüglich zu folgender Formulierung: „Die
Abwehr gegen die libidinösen Triebregungen tritt erst in den späteren Stadien des
Ödipuskonfliktes hervor. In den Frühstadien des Ödipuskonfliktes wendet sie sieh gegen
die mit libidinösen Triebregungen legierten destruktiven Triebe". ",,.«.
Auch Ernest Jones betonte in seinem auf dem Oxforder Kongreß gehaltenen
Vortrag: Angst, Schuldgefühl und Haß (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 1930) die Be-
deutung der Aggression für das Schuldgefühl. „, ,, e .\
36) Freud: Triebe und Triebschicksale (Ges. Sehr., Bd. V, b. 464).
17) Freud: Ebenda, S. 463. . . ,
38 In „Das Unbehagen in der Kultur" (S. 84) geht Freud in diesem Punkt noch
weiter. Er schreibt dort: „Sie" (die Aggression) ...bildet den Bodensatz aller zärtlichen
und Liebesbeziehungen unter den Menschen, vielleicht mit f^ AwmJm fc einer
Mutter zu ihrem männlichen Kind." Meine Auffassung daß der Ödipuskonflikt unter
der Vorherrschaft des Sadismus einsetzt, scheint : mir diese Feststellungen Freuds zu
ergänzen. Die Tatsache, daß in der Objektbeziehung der Haß grundlegend ist, findet
Klein, Psychoanalyse des Kindes. 10
— 1^5 —
Nach der bisherigen Auffassung beginnt die Über-Ich-Bildung in der
phallischen Phase. „Die Errichtung des Über-Ichs löst den Ödipuskomplex ab
dieser ,zerschellt', das Über-Ich ist sein Erbe." 39 Freud schreibt ferner: 10 „Die
Angst der Tierphobien ist also eine Affektreaktion des Ichs auf die Gefahr-
die Gefahr, die hier signalisiert wird, ist die der Kastration. Kein anderer
Unterschied von der Realangst, die das Ich normalerweise in Gefahrsituationen
äußert, als daß der Inhalt der Angst unbewußt bleibt und nur in einer Ent-
stellung bewußt wird."
Dann ließe sich aber die Angst, die bis zum Beginn des Latenzalters wirksam
ist, beim Knaben auf Kastrationsangst und beim Mädchen auf Angst vor dem
Liebesverlust reduzieren. Die Über-Ich-Bildung setzt nach dieser Auffassung erst
ein, wenn die prägenitalen Stufen überwunden sind, und erfolgt durch eine
Regression zur oralen Stufe. Freud schreibt: 41 „Uranfänglich in der primitiven
oralen Phase des Individuums sind Objektbesetzungen und Identifizierungen wohl
nicht voneinander zu unterscheiden." Ferner: 42 „Es" — (das Über-Ich) — „ist in
"Wirklichkeit der Niederschlag der ersten Objektbesetzungen des Es, der Erbe des
Ödipuskomplexes nach dessen Auflassung."
Nach meinen Ergebnissen erfolgt der Beginn des Ödipuskonfliktes
und der Über-Ich-Bildung unter der Vorherrschaft der prä-
genitalen Regungen, und der Prozeß der Über-Ich-Bildung
geht auf einem einfacheren und gradlinigeren Weg vor sich. Die in der oral-
sadistischen Phase introjizierten Objekte — die ersten Objekt-
besetzungen und Identifizierungen — bilden demnach schon das beginnende
Über-Ich. 43
Ferner sind es meiner Auffassung nach die destruktiven Triebregungen und
die durch sie ausgelöste Angst, die die Über-Ich-Bildung einleiten und in ihren
frühesten Stadien beherrschen. Die Bedeutung der Objekte für die Über-Ich-
Bildung bleibt auch nach meiner Auffassung vollauf bestehen, sie erscheint aber,
wenn wir die Triebregungen als einen grundlegenden Faktor für die Genese des
Über-Ichs erkennen, in einem anderen Lichte.
eine weitere Erklärung darin, daß eine so grundlegende und für alles "Weitere bestimmende
Objektbeziehung, wie die zu den Eltern, in der Höchstblüte des Sadismus sich entwickelt.
Die der Mutterbrust als erstem Objekt gegenüber empfundene Ambivalenz steigert sich
durch die anwachsende orale Versagung und durch das Einsetzen des Ödipuskonfliktes
zur vollen Entwicklung des Sadismus.
39) Freud: Der Untergang des Ödipuskomplexes (Ges. Sehr., Bd.V, S.427).
40) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 67).
41) Freud: Das Ich und das Es (Ges. Sehr., Bd. VI, S. 373).
42) Freud: Die Frage der Laienanalyse (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 3J2).
43) Susan Isaacs weist in ihrer Arbeit: Entbehrung und Schuldgefühl (Int. Ztschr.
f. PsA, Bd. XV, 1929) darauf hin, daß Freuds „primäre Identifizierung" einen größeren
Anteil an dem Prozeß der Über-Ich-Bildung haben dürfte, als man ursprünglich dachte.
— 146 —
Ich fand, daß die frühesten Identifizierungen das Bild der
)bjekte, das ihnen zugrunde liegt, in einer verzerrten,
irrealen Weise wiedergeben. Wir wissen durch Abraham, 44 daß auf
einer frühen Entwicklungsstufe die realen und die einverleibten Objekte vor-
wiegend durch ihre Organe repräsentiert sind. Es ist bekannt, daß der väterliche
Penis ein Angstobjekt par excellence ist und gefährlichen Waffen verschiedener
Art, auch fressenden, vergiftenden Tieren gleichgesetzt wird, die Vagina un-
bewußt eine gefahrdrohende Öffnung bedeutet. 45 Diese Gleichsetzungen haben
sich mir als ein genereller, für die Über-Ich-Bildung grundlegender Mechanismus
erwiesen. Der Kern des Über-Ichs entsteht nach meinen Erfahrungen durch die
in der kannibalistischen Phase erfolgende Partialeinverleibung. 46 Die frühen
Imagines nehmen die Züge an, die ihnen die prägenitalen Triebregungen auf-
prägen. 47
Daß das Ich das verinnerlichte Objekt als einen so grausamen Feind des Es
empfindet, würde sich folgerichtig daraus erklären, daß der vom Ich nach außen
abgedrängte Destruktionstrieb sich ja gegen das Objekt richtet und daß von
diesem deshalb nur Feindseligkeit gegen das Es erwartet werden kann. Allem
Anschein nach ist aber an der Entstehung der — wie mir meine Erfahrungen
zeigen — sehr frühen und intensiven Angst vor dem verinnerlichten Objekt der
phylogenetische Faktor mitbeteiligt. Der Vater der Urhorde war die äußere
„raft, die Triebhemmungen erzwang. 48 Die im Laufe der Menschheitsgeschichte
erworbene Angst vor ihm würde, wenn die Verinnerlichung der Objekte beginnt,
44) Abraham schreibt: „Bezüglich des introjizierten Teiles erscheint noch eine
Bemerkung notwendig. Sie bezieht sich auf die regelmäßige Gleichsetzung des Penis mit
der weiblichen Brust." (Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido. S. 84.)
4 j) Zum Beispiel die in der psychoanalytischen Literatur häufig berichtete Phantasie
von der Vagina dentata. ... r . , n u
46) Ich gehe im nächsten und insbesondere im elften Kapitel darauf ein, daß neben
der Introjektion phantastisch böser auch die phantastisch guter Imagines vor sich geht,
und daß nach und nach, je weiter Realitätsanpassung und Über-Idi-Bildung fortschreiten,
die Imagines sich immer mehr den realen Objekten annähern. In diesem Kapitel handelte
es sich mir aber darum, ein Bild der Entwicklung des Sadismus und seines Zusammen-
hanges mit der Über-Ich-Bildung und den frühen Angstsituationen zu geben.
47) In meiner Arbeit: Frühstadien des Ödipuskonfliktes (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XIV,
1928) wies ich darauf hin, daß es nicht einleuchtend scheint, „daß ein Kind von zum
Beispiel vier Jahren in sich das irreale, phantastische Bild fressender, schneidender,
kastrierender Eltern aufrichten sollte. Es ist aber einleuchtend, daß das zum Beispiel
einjährige Kind die durch das Einsetzen des Ödipuskonfliktes ausgelöste Angst in Form
von Aufgefressen- und Zerstörtwerden empfindet. Der Wunsch, das Objekt durch Beißen,
Fressen, Schneiden zu zerstören, führt eben, weil dieses Objekt zufolge der mit den
ödipusregungen einsetzenden Introjektion des Objektes zu einem strafenden wird, zur
Angst, die Strafe in adäquater Weise zu erleiden: das Über-Ich wird ein beißendes,
fressendes, schneidendes". „,'.«, c oo\
48) Siehe Freud: Totem und Tabu (Ges. Sehr., Bd.X, S. 188).
— i47 —
zum Teil der Abwehr der Angst dienen, die durch den Destruktionstrieb
entsteht. 49
Wir finden in Freuds Schriften zwei — einander teilweise ergänzende —
Auffassungen über die Über-Ich-Bildung. Die eine Auffassung besagt, daß die
Strenge des Über-Ichs auf die Strenge des realen Vaters zurückgeht, dessen
Verbote und Gebote das Über-Ich wiederholt. 50 Aus einigen Hinweisen geht die
andere Auffassung hervor, daß die Strenge des Über-Ichs eine Auswirkung der
destruktiven Triebregungen sei. 51
49) Das Idi würde gewissermaßen seine beiden Feinde, das Objekt und den De-
struktionstrieb, gegeneinander ausspielen (wobei es allerdings selbst zwischen den beiden
gegensätzlichen Instanzen in schwerste Bedrängnis gerät). Daß hiebei der gefürchtete
Vater teilweise zum Schutze gegen den Destruktionstrieb dienen würde, ließe sich viel-
leicht aus der ebenfalls phylogenetisch erworbenen Bewunderung für die Macht des Vaters
erklären. Für diese Annahme spricht, daß wir schon beim ganz kleinen Kinde beiderlei
Geschlechtes neben der Angst vor dem Vater auch die unbegrenzte Bewunderung für seine
Macht als ein sehr tiefwurzelndes und primäres Gefühl kennenlernen. In dem Maße, als
die Entwicklung fortschreitet, spielt ja auch das Über-Ich die Rolle eines zwar strengen,
aber nicht ungütigen Vaters. Freud schreibt: „Und endlich, wenn das Ober- Ich durch
den Humor das Ich zu trösten und vor Leiden zu bewahren strebt, so hat es damit
seiner Abkunft von der Elterninstanz nicht widersprochen." (Der Humor. Ges. Sehr
Bd. XI, S. 408.)
jo) Freud schreibt, daß das Ich des Kindes sich infolge der Kastrationsdrohung
vom Ödipuskomplex abwendet. Er setzt fort: „Die ins Ich introjizierte Vater- oder
Elternautorität bildet dort den Kern des Über-Ichs, welches vom Vater die Strenge ent-
lehnt, sein Inzestverbot perpetuiert und so das Ich gegen die Wiederkehr der libidinösen
Objektbesetzung versichert." (Der Untergang des Ödipuskomplexes. Ges. Sehr., Bd. V,
S. 427.) Ferner: „Seine" (des Über-Ichs) „Beziehung zum Ich erschöpft sich nicht in der
Mahnung: So (wie der Vater) sollst du sein, sie umfaßt auch das Verbot: So (wie der
Vater) darfst du nicht sein, das heißt nicht alles tun, was er tut; manches bleibt ihm
vorbehalten. Dies Doppelangesicht des Ichideals leitet sich aus der Tatsache ab, daß das
Ichideal zur Verdrängung des Ödipuskomplexes bemüht wurde, ja, diesem Umschwung
erst seine Entstehung dankt. Die Verdrängung des Ödipuskomplexes ist offenbar keine
leichte Aufgabe gewesen. Da die Eltern, besonders der Vater, als das Hindernis gegen
die Verwirklichung der ödipuswünsche erkannt werden, stärkte sich das infantile Ich für
diese Verdrängungsleistung, indem es dies selbe Hindernis an sich aufrichtete. Es lieh
sich gewissermaßen die Kraft dazu vom Vater aus und diese Anleihe ist ein außer-
ordentlich folgenschwerer Akt. Das Über-Ich wird den Charakter des Vaters bewahren,
und je stärker der Ödipuskomplex war, je beschleunigter (unter dem Einfluß von
Autorität, Religionslehre, Unterricht, Lektüre) seine Verdrängung erfolgte, desto strenger
wird später das Über-Ich als Gewissen, vielleicht als unbewußtes Schuldgefühl über das
Ich herrschen. Woher es die Kraft zu dieser Herrschaft bezieht, den zwangsartigen
Charakter, der sich als kategorischer Imperativ äußert, darüber werde ich später eine
Vermutung äußern." (Das Ich und das Es. Ges. Sehr., Bd. VI, S. 378 — 379.)
ji) Freud schreibt: „Jede solche Identifizierung hat den Charakter einer Desexuali-
sierung oder selbst Sublimierung. Es scheint nun, daß bei einer solchen Umsetzung auch
eine Triebentmischung stattfindet. Die erotische Komponente hat nach der Sublimierung
nicht mehr die Kraft, die ganze hinzugesetzte Destruktion zu binden, und diese wird
als Aggressions- und Destruktionsneigung frei. Aus dieser Entmischung würde das Ideal
überhaupt den harten, grausamen Zug des gebieterischen Sollens beziehen." (Das Ich und
das Es. Ges. Sehr., Bd. VI, S. 400 — 401.)
Die Folgerungen aus der zweiten Auffassung -wurden in der Psychoanalyse
nicht gezogen. Die allgemeine Auffassung, die auch zur Basis der Über-Ich-
Forschung wurde, geht — wie die Literatur zeigt — dahin, daß das Über-Ich
aus dem Elterneinfluß entstehe.
Meine Auffassung, die den Einfluß der Tr ieb r e g un g en auf die
Genese des Über-Ichs in den Vordergrund stellte und betonte, daß
das Über-Ich sich nicht mit den realen Objekten decke, 62
ist kürzlich von Freud zum Teil bestätigt worden. 63
Es scheint mir — ebenso wie ich es für die Frühstadien des Ödipuskonfliktes
vorschlug — begründet, die frühen Identifizierungen als Frühstadien der
Über-Ich-Bildung zu bezeichnen. Der Niederschlag dieser Objekt-
besetzungen macht sich schon auf den frühesten Entwicklungsstufen auf eine Art
geltend, die sie als Über-Ich charakterisiert, obwohl sie sich qualitativ und in
ihren Auswirkungen von den Identifizierungen der späteren Stufe unterscheiden.
So grausam auch dieses unter der Vorherrschaft des Sadismus
gebildete Über-Ich ist, wird es doch, indem es die Abwehr des Ichs
gegen den Destruktionstrieb übernimmt, auch schon auf dieser frühen Stufe die
Instanz, von der die Triebhemmungen ausgehen.
F e n i c h e 1 führt einige Kriterien an, 64 die die „Vorstufen des Über-Ichs",
wie er in Anlehnung an einen Vorschlag Reichs 55 die frühen Identifizierungen
nennt, vom eigentlichen Über-Ich unterscheiden. Sie bestehen lose, unabhängig
voneinander. Die Einheitlichkeit, die Strenge, der Gegensatz zum Ich, die Un-
bewußtheit und Machtstärke, die dem Über-Ich als Erben des Ödipuskomplexes
zukommen, fehlen ihnen. Ich finde diese Unterscheidung Fenichels in mehreren
'unkten unzutreffend. Gerade das früheÜber-Ich ist nach meinen Er-
$2) Ich traf mich in dieser Auffassung mit Ernest Jones, Edward G 1 o v er, Joan
Ri viere und M. Nina Searl, die von verschiedenen Gesichtspunkten aus ebenfalls
zum Ergebnis kamen, daß das frühkindliche Phantasieleben und die Libidoentwicklung
einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung des Über-Ichs nehmen (Symposium on
Child Analysis. Int. Journ. of Psycho-Analysis, Vol. VIII, 1927)- I± verweise «idvaui
die Arbeit von Ernest Jones: Ursprung des Über-Ichs (Int. Ztschr. f. PsA., Bd.XU,
1026), in der er darauf hinweist, daß — „wir allen Grund haben anzunehmen, daß die
Vorstellung des Über-Ichs ein Knotenpunkt ist, an dem wir ein Zusammentreffen aller
dunklen Probleme von Ödipuskomplex und Narzißmus einerseits, Haß und Sadismus
andrerseits erwarten dürfen." 1
53 ) In Das Unbehagen in der Kultur (S. 110) schreibt Freud: „Die Erfahrung aber
lehrt, daß die Strenge des Über-Ichs, das ein Kind entwickelt, keineswegs die Str «}S<; der
Behandlung, die es selbst erfahren hat, wiedergibt." Ferner: op. cit. S. 110: „. . .daß die
ursprüngliche Strenge des Über-Ichs nicht — oder nicht so sehr — die ist,_d!e man
von ihm erfahren hat oder die man ihm zumutet, sondern die eigene Aggression gegen
ihn vertritt."
$4) Fenichel: Die Identifizierung (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XII, 1926).
55) Reich: Der triebhafte Charakter (Int. PsA. Verl. 192$).
— 149 —
fahrungen von besonderer Strenge, der Gegensatz zwischen Über-Ich
und Ich ist normalerweise in keiner Lebensperiode so stark wie beim kleinen
Kinde. Dies erklärt auch, warum auf den frühen Entwicklungsstufen die
Spannung zwischen Über-Ich und Ich sich vorwiegend als Angst
fühlbar macht. Ich fand ferner, daß die Gebote und Verbote des Über-Ichs beim
kleinen Kinde nicht weniger unbewußt sind als beim Erwachsenen, und daß sie
sich keineswegs mit den Geboten der realen Objekte decken. Berechtigt scheint
mir die Feststellung Fenichels, daß das Über-Ich beim Kinde noch nicht so
organisiert sei wie beim Erwachsenen. Aber diese Unterscheidung (die überdies
keine allgemein gültige ist, da wir bei vielen kleinen Kindern ein konsolidiertes
Über-Ich, andrerseits bei vielen Erwachsenen ein schwach organisiertes Über-Ich
finden) scheint mir nur die frühkindliche, im Vergleich zum Erwachsenen weniger
organisierte Psyche des kleines Kindes zu charakterisieren. Wir wissen ja auch,
daß das Ich des Kindes im Latenzalter organisierter ist als das des kleineren,
und nehmen dennoch nicht an, daß das Kind in der ersten Kindheitsperiode kein
Ich, sondern Vorstufen des Ichs habe.
Ich habe früher beschrieben, wie in der Phase der Höchstblüte des Sadismus
die Steigerung des Sadismus zu einer Steigerung der Angst führt. Die Drohungen
des frühen Über-Ichs gegen das Es enthalten alle Einzelheiten der sadistischen,
gegen das Objekt gerichteten Phantasien, die auf diese Weise in allen Stücken
gegen das Ich zurückgewendet werden. Der A n gs t dr u ck auf dieser frühen
Stufe entspricht also quantitativ dem Ausmaße des Sadismus, 66
qualitativ der Vielheit und Reichhaltigkeit der sadisti-
schen Phantasien.
Die schrittweise Überwindung des Sadismus und die Bewältigung der Angst 57
geht von der fortschreitenden Libidoentwicklung aus. Aber auch das Übermaß
der Angst^ wirkt als Antrieb zu ihrer Überwindung. Die Angst trägt dazu bei,
daß die einzelnen erogenen Zonen sich nacheinander verstärken und zur Vor-
herrschaft drängen. Die Führung der oral- und urethralsadistischen Triebregungen
wird durch die der analsadistischen abgelöst. Da die der früheren analsadisti-
schen Stufe eigenen Mechanismen (so gewaltsam sie auch sind) schon im Dienste
der Abwehr der auf den früheren Abschnitten dieser Phase ausgelösten Angst
stehen, erweist sich die Angst, die einerseits ein entwicklungs-
hemmender Faktor par excellence ist, zugleich auch als ein die
Sexual- und Ichent wicklung" förderndes Moment von
grundlegender Bedeutung.
nJ% S !t% K »l in L FV ^irr AnSStsku * ti0nen im S P ie S el künstlerischer Darstellungen
(Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVII, 193 1).
$7) Ich gehe hierauf, im nächsten Kapitel ein.
jS) Ich gehe auf die Bedeutung der Angst für die Ichentwicklung im Kap. X ausführ-
11 eher ein.
1 — i5o —
Auf dieser Stufe sind die Wege der Abwehr überaus gewaltsam, da sie zu
dem Übermaß des Angstdruckes im Verhältnis stehen. Wir wissen, daß es das
a ls feindlich empfundene, dem Kot gleichgestellte Objekt ist, das auf der früheren
analsadistischen Stufe ausgestoßen wird. Meiner Auffassung nach ist es aber
schon das in der oralsadistischen Phase introjizierte angsterregende Üb er -Ich,
das auf der früheren analsadistischen Stufe zur Ausstoßung gelangt. Die
Ausstoßung ist somit das Mittel der Abwehr, das das von Angst überwältigte
Ich gegen das Über-Ich anwendet. Es stößt die verinnerlichten Objekte aus und
projiziert sie zugleich in die Außenwelt. Die Mechanismen der Projektion und
Ausstoßung stehen demnach in inniger Verbindung mit dem Prozeß der Über-
ich-Bildung. Ebenso wie das Ich in der Abwehr gegen das Über-Ich eine
gewaltsame vernichtende Ausstoßung anstrebt, sucht es sich auch der destruktiven
Triebregungen durch gewaltsames Hinausdrängen zu entledigen. Freud
hält den Begriff der Abwehr für angebracht als „allgemeine Bezeichnung für
alle die Techniken..., deren sich das Ich in seinen eventuell zur Neurose
führenden Konflikten bedient, während Verdrängung der Name einer bestimmten
solchen Abwehrmethode bleibt, die uns infolge der Richtung unserer Unter-
suchungen zuerst besser bekannt worden ist". Die Möglichkeit, „...daß die
Verdrängung ein Prozeß ist, der eine besondere Beziehung zur Genitalorganisation
der Libido hat, daß das Ich zu anderen Methoden der Abwehr greift, wenn
es sich der Libido auf anderen Stufen der Organisation zu erwehren hat . . .",
hebt Freud ausdrücklich hervor. 60 Meine Auffassung findet ferner eine Stütze
in den Forschungen Abrahams, der darauf hinweist, „daß die letztere"
(der zweiten analen Stufe eigene) „konservative Tendenz, welche dem Objekt
Schonung angedeihen läßt, durch den Prozeß der Verdrängung aus der ur-
sprünglichen destruktiven Triebrichtung entstanden ist..." 61
Abraham schreibt über die Grenzscheide der beiden sadistisch analen
Stufen: 62 „Schätzen wir die Grenzscheide der beiden sadistisch analen Stufen
als so bedeutungsvoll ein, so befinden wir uns im guten Einklang mit der her-
kömmlichen ärztlichen Erfahrung. Denn unsere aus der psychoanalytischen
Empirie gewonnene Scheidung fällt praktisch zusammen mit der Abgrenzung
von Neurosen und Psychosen in der klinischen Medizin. Nur werden wir nicht
versuchen, eine starre Unterscheidung nervöser und geistiger Störungen durch-
zuführen. Vielmehr sind wir gewärtig, daß die Libido eines Menschen in
regressiver Entwicklung die Grenze der beiden sadistisch analen Stuf en über-
schreiten werde, sobald ein entsprechender Kra nkheitsanlaß gegeben sei und
59) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S.106).
60) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 65).
61) Abraham: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido, S. 15.
62) Araham: Ebenda, S. 20.
— i5i —
wenn bestimmte, in der individuellen Entwicklung seiner Libido entstandene
Fixierungspunkte dazu die Möglichkeit bieten." Wir wissen, daß der Normale
sich vom Neurotiker nicht durch strukturelle, sondern nur durch quantitative
Momente unterscheidet. In den eben angeführten Sätzen faßt A b r a h a m den
Unterschied zwischen dem Psychotiker und dem Neurotiker auch nur als einen
gradweisen auf. Meine psychoanalytische Arbeit am Kinde hat mir nicht nur
bestätigt, daß die Fixierungspunkte für die Psychosen in die Entwicklungsstadien
fallen, die der zweiten analen Stufe vorausgehen, sondern auch erwiesen, daß
diese Fixierungspunkte ebenfalls beim Neurotiker und Normalen — wenn auch
in schwächerem Maße — vorliegen.
Wir wissen, daß die Angstquantitäten beim Psychotiker wesentlich größer
sind als beim Neurotiker. Die Entstehung einer so überwältigenden Angst auf
einer so frühen Entwicklungsstufe (in die nach Freuds und Abrahams
Forschungen die Fixierungspunkte für die Psychosen fallen) scheint aber bisher
nicht erklärt. Daß diese ungeheure Angst sich etwa aus der Umsetzung un-
befriedigter Libido herleiten könnte, ist nach den neueren Resultaten Freuds
in „Hemmung, Symptom und Angst" nicht anzunehmen. Die phantastische
Angst, von den Eltern gefressen, zerschnitten, getötet zu werden, kann keine
Realangst sein. Wenn wir aber annehmen, daß diese übermäßige Angst nur eine
Auswirkung intrapsychischer Vorgänge sein kann, so stünde diese Auffassung
meiner Annahme nahe, daß die Angst der frühen Entwicklungsstufen durch die
destruktiven Triebregungen und das frühe Über-Ich verursacht wird.
Der Druck, mit dem das Über-Ich auf einer frühen Entwicklungsstufe die
destruktiven Tendenzen abwehrt und der in Ausmaß und Qualität mit den
sadistischen Phantasien korrespondiert, wirkt sich meiner Auffassung nach in
frühesten Angstsituationen aus. Diese stehen in enger Beziehung zu den ver-
schiedenen Abschnitten der vom Sadismus beherrschten Phase. Sie lösen bestimmte
Abwehrmechanismen im Ich aus und haben meiner Erfahrung nach sowohl für
den Charakter der psychotischen Erkrankung als auch für die Entwicklung im
allgemeinen spezifische Bedeutung.» Bevor ich aber den Versuch unternehme, die
Beziehung zwischen den frühen Angstsituationen und dem spezifischen Charakter
psychotischer Erkrankungen zu untersuchen, muß ich zunächst darauf eingehen,
wie sich Über-Ich-Bildung und Entwicklung der Objektbeziehung zueinander
verhalten.
Die Annahme, daß der Kern des Über-Ichs auf einer so frühen, der Realität
noch so fernen Stufe der Ichentwicklung sich bildet, wirft ein neues Licht auf
die Entwicklung der Objektbeziehung.
63) Freud schreibt: „Möglicherweise bestehen auch engere Beziehungen zwischen
der wirksamen Gefahrsituauon und der Form der auf sie folgenden Neurose." (Hemmung,
Symptom und Angst. Ges. Sehr., Bd. XI, S. 84—85.) S
1^2
Der Umstand, daß das Bild der Objekte von den eigenen sadistischen Trieb-
regungen verzerrt wird, hat auch zur Folge, daß nicht nur der Einfluß der
realen Objekte und der Objektbeziehung auf die Über-Ich-Bildung - im Ver-
gleich zu der bisherigen Annahme - in ein anderes Licht gerückt wird, sondern
daß die Bedeutung der Über-Ich-Bildung für die Objekt-
beziehung wächst.
Wenn die Introjektion der — zunächst allerdings nur in vagen Umrissen
durch die Organe repräsentierten — Objekte begonnen hat, so setzt, wie ich
früher nachzuweisen versuchte, die Angst vor den intro jizierten
Objekten die Mechanismen der Ausstoßung und Projektion in
Gang. Es kommt nun zu einer Wechselwirkung zwischen Projek-
tion und Introjektion, die sowohl für die Über-Ich-Bildung
wie auch für die Entwicklung der O b j ek t b e zieh un g und Realitäts-
anpassung von grundlegender Bedeutung ist. Der fortgesetzte, stetige
Antrieb zur Projektion der angsterregenden Identifizierungen auf das Objekt
wirkt sich allem Anschein nach in dem verstärkten Antrieb zu immer wieder
erneuter Introjektion des Objekts aus und wird so ein bestimmender Faktor
auch für die Entwicklung der Objektbeziehung. 64
Die Wechselwirkung zwischen Objektbeziehung und Über-Ich äußert sich,
wie mir scheint, auch in der Tatsache, daß die Methoden, die das Ich dem Objekt
gegenüber anwendet, auf allen Entwicklungsstufen mit denjenigen korrespon-
dieren, die das Über-Ich dem Ich, das Ich dem Über-Ich und dem Es gegenüber
in Anwendung bringt. Die Abwehr der Angst vor gewalttätigen, introjizierten
und äußeren Objekten führt in der vom Sadismus beherrschten Phase zu ver-
stärkter — in der Phantasie vorgenommener — Zerstörung des Objekts. Die
Beseitigung des Objekts würde demnach teilweise dem Bestreben dienen, die
unerträglichen Drohungen des Über-Ichs zum Schweigen zu bringen Diese
Reaktion setzt die Ingangsetzung des Projektionsmechanismus nach zwei Seiten
voraus. Das Ich setzt das Objekt an Stelle des Über-Ichs, von dem es sich
befreien möchte. Das Objekt vertritt aber auch das Es, dessen sich das Ich eben-
falls zu entledigen strebt. Auf diese Weise vermehren sich die dem Objekt
geltenden primären Haßquantitäten um die dem Es und dem Über-Ich
geltenden. 65 Es scheint, daß bei Individuen, bei denen die frühen Angstsituationen
64) Freud schreibt: „Es" (das Ich) „nimmt die dargebotenen Objekte .insofern sie
Lustquellen sind, in sein Ich auf, introjiziert sich dieselben (nach dem Ausdruck Ferenczis)
und stößt andrerseits von sich aus, was ihm im eigenen Innern Unlustanlaß wird. (Siehe
später den Mechanismus der Projektion.)« (Triebe und Tnebschicksale. Ges. Sehr., Bd. V,
^Hj) Theodor Reik hat in seiner Arbeit (enthalten in: Der Schrecken. Int. PsA.
Verl., 1927) ausgeführt, daß die Angst den Haß steigert.
- i53 -
überstark sind und die die Abwehrmechanismen dieser frühen Stufe beibehalten
haben, die A n g s t vor dem Üb er- Ich (wenn sie aus äußeren oder intra-
psychischen Gründen ein gewisses Maß überschreitet) zur Vernichtung
des Objekts treibt und so die Grundlage für die Entwicklung zum Ver-
brecher bildet. 68 In der überstarken Wirksamkeit dieser frühen Ang 3t -
situationen sehe ich auch einen grundlegenden Faktor für die SchizV
phrenie. Ich kann für diese Auffassung in diesem Rahmen nur einige Hin-
weise geben. Die Projektion des angsterregenden Über-Ichs auf das Objekt
verstärkt, wie ich hervorhob, den Haß gegen das Objekt und somit auch die
Angst vor diesem. Sie verwandelt, wenn Aggression und Angst überstark sind
auch die Außenwelt in eine Stätte des Schreckens und die Objekte in Feinde'
Die Verfolgung droht nun nicht nur von den i n t r o j i z i e r t e n Feinden"
sondern auch von der Außenwelt. Ist die Angst übermäßig, oder ist
das Ich unfähig, sie zu ertragen, so versucht es, sich der Angst vor
den äußeren Feinden durch Einstellung der Projektions-
mechanismen zu entziehen. Damit wird zugleich die weitere Introjektion
der Objekte und die Weiterentwicklung der Realitätsbeziehung gestört. 67 .««
Das Individuum wäre um so stärker der Angst vor dem introjizierten Objekt
ausgeliefert. Diese Angst beinhaltet Angriffe und Beschädigungen verschiedener
Art durch einen unentrinnbaren Feind im Leibesinnern und
ist allem Anschein nach auch eine der tiefsten Quellen der Hypochondrie
Das Übermaß dieser Angst, die nicht der Verarbeitung und Verschiebung zu-
zuführen ist, löst offenbar besonders gewaltsame Abwehrmethoden aus. Die
Störung des Projektionsmechanismus scheint auch mit der Negierung der intra-
psychischen Realität 69 einherzugehen, etwa derart, daß nicht nur die Angst-
tivÄ-Xr • " frUh , eSt , en Stufen der Entwicklung die Angst die destruk-
tiven Triebregungen steigert und dazu treibt, das gefährliche Objekt zu zerstören und
zu beseitigen, so wurden wir die Erforschung des Seelenlebens des Verbrechers und
«SrtenTaben SS£n * ""' ™ ^ A ° alySe dieSer tIefsten Seelenschichten zu
'i^iSl^lw^r** del Symb ° MdUnS fÜf di£ ^«Wicklung (In,
68) Melitta S chmi d e b er g hat darauf hingewiesen, daß in der Schizophrenie die
Absperrung von der Außenwelt mittels der Flucht zum guten inneren Objekt durchgeführt
wird indemdie Projektion aufgegeben und die Liebe zum inneren Objekt naSsch
ztentXTThT^Vp' ^- St T^ bÖS6n W^? «* P- °Sten
of pÄÄ k ° f l^T M t Aanis ™ in Cultural Development. Int. Journ.
an/n ? • ? ' T 930 ' m /A Con r butl0n t0 the Psychologe °f Persecutory Ideas
and Delusions. Int. Journ. of PsA., Vol. XII, 193 1.)
frÄ!X- CZl ^ d " au j- ^S^esen daß die volle Ableugnung der Realität eine ganz
frühe Reaktionsweise der Psyche ist und daß die Fixierungspunkte für die Psychosen in
diesem ganz frühen Entwicklungsstadium liegen dürften. (Entwickluugsstufen dt w" rk "
hchkeitssmnes. Int. Ztschr. f . PsA., Bd. I, 1913.)
— i5j —
-
a u e 1 1 e, sondern aucii der A n g s t a f f e k t n e g i e r t, 7 ° gewissermaßen aus-
geschaltet wird. 71 Eine Reihe von Erscheinungen, die zum Krankheitsbilde der
Schizophrenie gehören, ließen sich aus dem Bestreben des Kranken, den inneren
Fe ind abzuwehren, zu beherrschen, zu bekämpfen usw. erklären. Zum Beispiel
könnte demnach die K a t a t o n i e als Versuch aufgefaßt werden, das int re-
jizierte Objekt zu lähmen, unbeweglich zu erhalten, und so unschädlich
zu machen. 72 . ,
Dem frühesten Abschnitt der vom Sadismus beherrschten Phase entspricht
der gewalttätige Charakter der Angriffe auf das Objekt. In einem späteren
Abschnitt dieser Phase, der mit der früheren analen Stufe zusammenfällt und in
dem die analsadistischen Triebregungen die Führung übernehmen, dominieren
die geheimen, mit vergiftenden, explosiven Waffen unternommenen Angriffe:
die Exkremente stellen nun Gi f t s to f f e dar." Diese Phantasien, in
denen die Fäzes in Verfolger 7 * gegen die Objekte umgeschaffen und
durch eine Art Magie (in der ich die Grundlage der schwarzen Magie sehe)
auf geheime und versteckte Art in den Anus (und in andere Körperöffnungen)
der Objekte hineinbefördert 75 und in deren Leibesinnern belassen werden, losen
70I Nach Melitta Schmideberg dient das Negieren des Angstaffektes zum Teil
dazu ^rejizierte Objekt, dem k Affekte gleichgesetzt werden, - Verden
(A Contribution to the Psychology of Persecutory Ideas and Delusxons. Int. Journ. or
PsyAo-Analysis .VimwT ^ ^ ^^ ZtsAr . , PsA ., B L XII
lozfl hat für diesen Abwehrmechanismus die Bezeichnung Skotomisation vorgeschlagen
und auf die Bedeutung der Skotomisation für die Schizophrenie hingewiesen.
7 ») Nach Melitta Schmideberg wird die Katatonie als Totsein empfand en,
um den verschiedenen gefürchteten Angriffen von innen und außen zu entgehe* Jm4
7 ,1 Siehe Klein: Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ich-Entwicklung
Hnt Ztschr f PsA., Bd. V, 1930), ferner: A Contribution to the Theory of Intel ectua
biHbition (Int. turn, of Psycho- Analysis, Vol. XII, l 9 W ~ Kürzlich hat Fenichel
über "espiratorsche Introjektion. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVII, 1931) über sadistische
Kantaten berichtet in denen „die Exekutive des Tötens den Exkrementen übertragen
SäJ^SÄiU -rgiftender Fäzes und vergiftendem Urin). &£*£%£
hatten die Angst/durch Exkremente vergiftet zu werden zur Folge. Femchels Aus
fXungen scheinen mir eine Bestätigung der Ergebnisse zu sein, zu denen ich m den oben
^.rwlr^n'dur-di van Ophuisen: (Ober die Quelle der Empfindung des Ver-
folgäerlns .T, Ztsch, f . PsA., V VI, ,„.] I und Stärcke: (Die Umkehrung des
Libidovorzeichens beim Verfolgungswahn. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. V, 1919). d f in 1 er
Paratia der .Verfolger sich auf die unbewußte Vorstellung von einem Skybalum im
Darm des Kranken zurückführen läßt, das mit dem Penis des Verfolgers gleidigesetz
wird « Icn fand, daß die Angst vor dem .Stuhlstück als Verfolger' letzten Endes auf de
sadistischen Phantasien, in denen Urin und Fäzes als vergiftende, zerstörende Angnffs-
waffen gegen den Mutterleib verwendet werden, zurückgeht. j >' -•
warten |egen dag ^ ^^ ^^ ^ p dad urch Menschen
krank macht oder tötet, daß er in ihren Körper Exkremente oder deren Ersatz hinan-
zaubert. (Nach dem Tode des Urvaters. Imago, Bd. IX, 1923O
- x55 -
die A n g s t vor den e i g e n e n E x k r e m e n t e n (als für den eigenen Kör Per
gefährlichen und beschädigenden Stoffen) wie auch vor den ein verleib t e
Exkrementen der Objekte aus (da von diesen die gießen geheimen
Angriffe mittels gefährlicher Exkremente erwartet werden). Sie bilden ein
Grundlage für die Angst vor vielen Verfolgern im Leibesinnern sowie auch für
die Vergiftungsangst und hypochondrische Befürchtungen.
Diese Phantasien erhöhen aber auch die angsterregende Wirkung der Gleich
setzung vom introjizierten Objekt mit Kot- Denn das introjizierte Objekt wird
um so gefährlicher, weil es dem vergiftenden, gefährlichen Skybalum gleich
gesetzt wird. Die infolge der urethralsadistischen Triebregungen als gefähr
lieh (brennend, schneidend, vergiftend) phantasierte Beschaffenheit des Urins
bereitet aber auch den Boden vor für die unbewußte Auffassung des Penis
als eines sadistischen O r g a n s und damit auch für die Angst vor dem
gefährlichen vennnerlichten Penis des Vaters (des Verfolgers)." Auf diese Weise
erhöht die sadistische, in der Phantasie erfolgende Umschaffung der Exkremente
in gefahrliche Stoffe die Angst vor dem verinnerlichten Verfolger
In der Phase, in der die Angriffe mittels der vergifteten Exkremente
dominieren, wird entsprechend den reichhaltigeren und raffinierteren Mitteln des
Sadismus auch die Angst vor analogen, von den introjizierten und äußeren
Objekten erwarteten Angriffen vervielfältigt. Sie steigert auch die Wirksamkeit
der Projektionsmechanismen zum Höchstmaße. Die Angst wird aus
gebreitet und in der Außenwelt auf viele Objekte und Gefahrquellen
verteilt. Es werden nun von einer Vielzahl von Verfolgern™ in der
Außenwelt Angriffe befürchtet, und der geheime und listige Charakter der
erwarteten Angriffe führt zu einer verschärften, mißtrauischen Beobachtung der
Außenwelt und so zu einer gesteigerten, wenn auch einseitig verschobenen
Reahtatsbeziehung. Die A n gs t vor dem in t r o j i zier t en Objekt wirkt
als stetiger Antri eb zur Projektion.
rv2 £ ^ a H ^ m *" aus S efü *"> daß das gehaßte Objekt dem Kot gleichgesetzt wird
fVenuA einer Entwicklungsgeschichte der Libido.) Siehe auch R? h T Äa* dem
"ei. ICSKÄffiatS 1 Simmel (D ° kt0rSpH ""■ÄÄW
jfS -iiSSÄ^gr,^ Theory of wiectuai ****• **■
7») Außer dieser analsadistischen Grundlage (die Vielzahl der v^rfnU^A v ^
zur Angst vor vielen Verfolgern bei PemSSCn aus S esta "« lst >
- xS6 -
Ich sehe die Fixierungsstelle für die Paranoia in dem Abschnitt der
Phase der Höchstblüte des Sadismus, in dem die Angriffe auf den
Mutterleib und den dort vorausgesetzten Penis des Vaters mittels
der vergiftenden gefährlichen Exkremente erfolgen. 79 Beziehungs-
und Verfolgungswahn scheinen mir in diesen Angstsituationen ihre Quelle zu
haben. 80 .
Die Angst vor dem introjizierten Objekt wäre meiner Auffassung nach ein
Antrieb zur Projektion dieser Angst in die Außenwelt. 81 Dabei werden Organe,
Objekte, Fäzes und Dinge, ferner das verinnerlichte Objekt dem äußeren
gleichgezetzt und zugleich die Angst vor dem äußeren Objekt durch Gleich-
setzung der äußeren Objekte untereinander auf eine Vielzahl von Objekten
verteilt. 82 » 83
Diese für eine frühe Entwicklungsstufe charakteristische zum Teil auf Angst
beruhende Beziehung zu einer Vielzahl von Objekten scheint mir ein weiterer
Schritt auf dem "Wege zur Objektbeziehung und Realitätsanpassung zu sein,
da ja die ursprüngliche Objektbeziehung nur ein einziges Objekt (die Mutter-
79 ) Vgl. meine Arbeit: Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ichentwicklung.
Diese Auffassung stimmt mit den Ergebnissen Abrahams überein, daß beim Para-
noiker die Libido auf die frühere anale Stufe regrediert, da die von mir angenommene
Phase der Höchstblüte des Sadismus durch die oralsadistischen Triebregungen eingeleitet
wird und mit dem Abklingen der frühen analen Phase abschließt. Der hier beschriebene
Abschnitt dieser Phase, den ich für grundlegend für die Paranoia halte, fällt somit unter
die Vorherrschaft der früheren analen Stufe. Meine Auffassung stellt eine Ergänzung
der Forschungen Abrahams dar, in dem sie für diese Phase das höchstgesteigerte
Zusammenwirken der verschiedenen Mittel des Sadismus, insbesondere auch neben dem
oralsadistischen die grundlegende Bedeutung der urethralsadistischen Regungen hervorhebt
und Einzelheiten über den Aufbau der Phantasien erbringt, in denen die analsadistischen
Triebregungen der früheren Stufe sich auswirken.
80) Seither hat Melitta Schmideberg über zwei Fälle berichtet, in denen die
wahnhaften Verfolgungs- und Beziehungsideen auf diese Angstsituationen zurückgingen.
(A Contribution to the Psychology of Persecutory Ideas and Delusions. Int. Journ. of
Psycho-Analysis, Vol. XII, 1931.)
81) Die Zerstörungswünsche gegen die durch Organe vertretenen Objekte losen Angst
vor den Organen und den Objekten aus. Diese Angst trägt neben dem libidinösen Interesse
zur Gleichsetzung dieser Organe mit anderen Dingen bei und treibt dann von den durch
diese Gleichsetzung zu Angstobjekten verwandelten Dingen weg zu immer neuen und
anderen Gleichsetzungen und damit zur Entwicklung der Symbolik. (Siehe Klein: Die
Bedeutung der Symbolbildung für die Ichentwicklung. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. V, 1930.)
82) "Wie F e r e n c z i gezeigt hat, sucht das kleine Kind mittels der Identifizierung
— der Vorstufe der Symbolik — seine Organe und Tätigkeiten in jedem Ding wieder-
zufinden. (Zur Augensymbolik.)
83) Nach Ernest Jones (Die Theorie der Symbolik. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. V, 191 9)
ermöglicht das Lustprinzip den Vergleich zweier sonst ganz verschiedener Dinge auf
Grund einer interessebetonten Ähnlichkeit. Diese Auffassung betont die Bedeutung des
libidinösen Interesses als eines grundlegenden Faktors für die Identifizierung und die
Symbolik.
- xfy -
brüst == Mutter) beinhaltet. Diese Objekte befinden sich nun aber in der Phan-
tasie des kleinen Kindes an jener Stätte, die der vornehmste Gegenstand der
destruktiven und libidinösen Triebregungen, zugleich aber auch die des ein-
setzenden Wißtriebes ist — nämlich im Innern des Mutterleibes.
Indem der sich steigernde Sadismus sich des Innern des Mutterleibes bemächtigt,"
wird dieser zur Repräsentanz des Objektes, zugleich aber auch der Außenwelt
und Realität. Auch ursprünglich fällt ja das durch die Brust repräsentierte Objekt
mit der Außenwelt zusammen; nun aber stellt der Mutterleib Objekt und Außen-
welt in erweitertem Sinne dar, denn er wird zur Stätte, welche die (auf Grund
der Ausbreitung der Angst) vervielfältigten Objekte enthält. Somit stellen die
auf den Mutterleib gerichteten sadistischen Phantasien eine grund-
legende Beziehung zur Außenwelt und Realität her. Die
Aggression und die aus ihr resultierende Angst sind demnach eine der Grund-
lagen der Objektbeziehung. Zu gleicher Zeit aber ist die Libido am Werke und
beeinflußt die Objektbeziehung. Die libidinösen Beziehungen zu den Objekten
und die Einflüsse der Realität bilden ein Gegengewicht gegen die Angst vor
inneren und äußeren Feinden. Der Glaube an gütige, helfende Gestalten, der
auf der Wirksamkeit der Libido beruht, 8 * läßt die realen Objekte immer stärker
hervortreten und die phantastischen Imagines zurücktreten. Die Wechsel-
wirkung zwischen Üb e r- I ch-B il dun g und Objektbeziehung-,
die auf der Wechselwirkung von P r o j e k t i o n und I n t r o j e k t i o n beruht,'
beeinflußt grundlegend die Entwicklung. Auf den frühesten Stufen bewirkt die
Projektion der angsterregenden Imagines in die Außenwelt, daß diese als eine
Stätte von Gefahren, die Objekte als Feinde empfunden werden. Die gleich-
zeitig erfolgende Introjektion der realen, gütigen Objekte wirkt aber dem Druck
der angsterregenden Imagines entgegen und trägt dazu bei, diesen Druck zu
mildern. In diesem Lichte betrachtet, wäre dieÜber-Ich-Bildung sowohl
wie auch die Objektbeziehung und die Realitätsanpassung das
Resultat der Wechselwirkung zwischen der Projektion der eigenen
sadistischen Antriebe und der Introjektion der Objekte.
84) Siehe Klein: Die Rollenbildung im Kinderspiel (Int. Ztschr. f . PsA. Bd XV
1929).
— i58 —
NEUNTES KAPITEL
Beziehungen zwischen der Zwangsneurose und den
Frühstadien der Uber-Ich-Bildung
In meinen bisherigen Ausführungen habe idi mich mit den Inhalten und Aus-
wirkungen der frühen Angstsituationen befaßt. Im folgenden will ich näher
darauf eingehen, in welcher Weise diese Angstsituationen durch die Einwirkung
der Libido und die Beziehung zu den realen Objekten modifiziert werden.
Die orale Versagung führt zur Suche nach neuen Lustquellen. 1 Das Mädchen
wendet sich von der Mutter ab. Der Penis des Vaters wird nun das zunächst
orale Objekt der Befriedigung, wobei sich aber auch schon genitale Strebungen
geltend machen 2 .
Auch beim Knaben ergibt sich aus der oralsaugenden Position infolge der
Gleichsetzung von Mutterbrust und Penis eine positive Beziehung zum Penis des
Vaters. 3 Die oralsaugende Fixierung an den väterlichen Penis hat sich mir als ein
grundlegender Faktor für die echte Homosexualität erwiesen. 4 Normalerweise
wirken beim Knaben dieser Fixierung an den väterlichen Penis die aus den
beginnenden ödipusstrebungen resultierenden Gefühle von Haß und Angst ent-
gegen. 5 Bei geglückter Entwicklung bildet die positive Beziehung zum Penis des
i) Edward Glover wies darauf hin, daß die Versagung ein die Entwicklung
förderndes Moment ist (Notes on Oral Charakter-Formation. Int. Journ. of Psycho-
Analysis. Vol. VI, 1925)- , . , T «j vtt
2) Siehe Klein: Die psychologischen Grundlagen der Frühanalyse (Imago, üd. XII,
1926) und Frühstadien des Ödipuskonfliktes (Int. Ztschr. f . PsA., Bd. XIV, 1928).
3) R6heim hat in seiner Arbeit: Nach dem Tode des Urvaters (Imago, Bd. IX,
1923) ausgeführt, daß der Urvater für die Söhne — indem sie seine Leiche verzehrten —
die Bedeutung der nährenden Mutter annahm. Sie übertrugen dadurch die Liebe, die sie
bis dahin nur für die Mutter empfunden hatten, auch auf den Vater. Auf diese Weise
wurde in die bis dahin rein negative Beziehung zum Vater ein positives Element eingeführt.
4) Vgl. Freud: Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci (Ges. bchr.,
Bd. IX, S. 398). — Ich gehe auf diese Entwicklungsvorgänge in Kapitel XII (bei Be-
sprechung der Sexualentwicklung des Knaben) ausführlicher ein. _
5) Die Gründe dieses Übergangs von Vorliebe zu Abneigung illustriert folgender
Vorgang, den ich gelegentlich beobachtete. Ein kleiner Knabe zeigte in den der Ent-
wöhnung folgenden Monaten eine Vorliebe für Fischspeisen, zugleich aber auch ein
starkes allgemeines Interesse für Fische. Im Alter von einem Jahr beobachtete er oft mit
gespannter - deutlich lustvoller - Aufmerksamkeit, wie die Mutter in der Küche den
Fisdi tötete und zum Kochen vorbereitete. Bald darauf entwickelte der Knabe eine
lebhafte Abneigung gegen Fischspeisen, die sich auf den Anblick von Fischen ausdehn e
und zu einer Fischphobie steigerte. Auf Grund zahlreicher Darstellungen dieser Art in
Frühanalysen, die Angriffe gegen Fische, Schlangen .Eidechsen usw als Angriffe gegen
den väterlichen Penis erscheinen lassen, glaube ich das Verhalten des Kindes erklaren
zu können. Die Tötung des Fisches seitens der Mutter befriedigte sehr stark die sadisti-
schen, gegen den väterlichen Penis gerichteten Triebregungen und loste demzufolge die
Angst vor dem Vater, respektive dessen Penis aus.
— i5g —
I
Vaters die Grundlage für ein gutes Verhältnis zum eigenen Geschlecht und
ermöglicht zugleich eine volle heterosexuelle Entwicklung. Die oralsaugende
Beziehung zum väterlichen Penis, die beim Knaben unter ge-
wissen Umständen zur Grundlage der Homosexualität wird, leitet
beim Mädchen normalerweise die heterosexuellen Strebungen und den
ö d i p u s k o n f 1 i k t ein. Mit der Zuwendung zum Vater (beziehungsweise beim
Knaben der neuerlichen Zuwendung zur Mutter als genitalem Liebesobjekt) wird
dem libidinösen Begehren ein neues Ziel gesetzt; das Genitale macht sich geltend.
Ich fand, daß alle prägenitalen Positionen und auch die genitale Stufe schnell
nacheinander in jener frühen Entwicklungsphase besetzt werden, die ich als Phase
der Höchstblüte des Sadismus bezeichnete. Was dann erfolgt, ist ein Ringen der
Libido mit den destruktiven Triebregungen, durch das die Libido schrittweise ihre
Positionen befestigt.
Neben der Polarität von Destruktionstrieb und Libido scheint
die Wechselwirkung zwischen den beiden Triebarten ein grundlegender
Faktor für die Dynamik der seelischen Abläufe zu sein. Die unlösliche Ver-
bindung zwischen Destruktionstrieb und Libido stellt diese weitgehend unter die
Herrschaft der destruktiven Triebe. Der vom Todestrieb beherrschte Kreislauf,
der dahin wirkt, daß die Aggression Angst auslöst und die Angst die Aggression
verstärkt, wird durch die Einwirkung der Libido durchbrochen, wenn sie an
Kraft gewinnt. Der Lebenstrieb muß seine Kräfte zum Höchstmaß anspannen,
um sich auf den frühen Entwicklungsstufen gegen den Todestrieb zu behaupten.
Diese Notwendigkeit stimuliert aber die S e x u a 1 e n t w i c k 1 u n g.
Da die genitalen Regungen lange verdeckt bleiben, wird das Fluktuieren und
Ineinandergehen der Entwicklungsphasen, die das Resultat zwischen dem Wider-
streit der destruktiven und libidinösen Regungen sind, undurchsichtig. Das deut-
liche Hervortreten der uns bekannten Organisationsstufen entspräche meiner Auf-
fassung nach den Positionen, die die Libido in ihrem Kampfe gegen den Destruk-
tionstrieb errungen und befestigt hat, zugleich aber - da neben der Polarität
zwischen Libido und Aggressionstrieb auch deren unlösliche Legierung besteht —
auch dem fortschreitenden Ausgleich zwischen beiden Komponenten.
Von dem ausschweifenden Sadismus, den wir in den Analysen der tiefsten
Seelenschichten aufdecken, ist beim kleinen Kinde verhältnismäßig nur wenig zu
beobachten. Meine Auffassung, daß das Kind auf den frühesten Entwicklungs-
stufen durch eine Phase der Höchstblüte des Sadismus auf allen Quellgebieten geht,
ist ja nur eine Weiterführung der bisherigen gesicherten psychoanalytischen Er-
kenntnis, daß einer Stufe des oralen Sadismus (Kannibalismus) eine Stufe des
analen Sadismus folgt. Die kannibalistischen Tendenzen finden aber auch keinen
ihrer psychischen Bedeutung entsprechenden Ausdruck beim kleinen Kinde, denn
normalerweise bekommen wir nur verhältnismäßig schwache Anzeichen der Zer-
— x6o —
Störungstendenzen dem Objekt gegenüber, nur „Abkömmlinge" dieser Phantasien
zu sehen. Die Annahme, daß diese ausschweifenden, auf einer ganz frühen Ent-
wicklungsstufe ausgelösten Phantasien niemals bewußt werden, könnte wohl zur
Erklärung des Phänomens beitragen, daß das Kind den realen Objekten gegenüber
die sadistischen Antriebe nur abgeschwächt zum Ausdruck bringt. Hiezu kommt
noch die frühe Entwicklungsstufe des Ichs, auf der diese Phantasien einsetzen, und
die noch unentwickelte, vorwiegend phantastische Realitätsbeziehung. Ein
weiterer Grund dürfte wohl auch in dem Größen- und Kräfteverhältnis des Kindes
im Vergleich zum Erwachsenen und in seiner biologisch gegebenen Abhängigkeit
von diesem liegen, denn wir sehen ja auch, wieviel stärker leblosen Objekten,
kleinen Tieren usw. gegenüber sich der Zerstörungstrieb des kleinen Kindes
äußert. Daß die genitalen Regungen schon auf den frühesten Entwicklungsstufen
eine, wenn auch verdeckte, den Sadismus mildernde Wirkung ausüben, könnte
zur Abschwächung des Ausdrucks, den der Sadismus den realen Objekten gegen-
über schon frühzeitig findet, beitragen.
Allem Anschein nach besteht beim ganz kleinen Kinde neben der Beziehung
zu den realen Objekten eine Beziehung zu phantastischen, überguten und über-
bösen Imagines — gewissermaßen auf einer anderen Ebene. Normalerweise be-
einflussen sich diese beiden Strömungen der Objektbeziehung und durchdringen
einander immer mehr — ein Prozeß, den ich als Wechselwirkung zwischen
Über-Ich-Bildung und Objektbeziehung beschrieb. In der Psyche des ganz kleinen
Kindes sind die realen Objekte und die phantastischen noch weit voneinander
entfernt, ein Moment, das mit die Tatsache erklären könnte, daß im Verhältnis
zu den Objekten Sadismus und Angst nicht so stark in Erscheinung treten, als
dem Charakter der Phantasien nach zu erwarten wäre.
Objektbeziehung und Charakterbildung werden bekanntlich
in entscheidender Weise dadurch beeinflußt, ob die Fixierung an die oral-
saugende oder die oralsadistische Stufe überwiegt. Dieses Moment,
dem Abraham für die Charakterbildung und Objektbeziehung große Bedeutung
beimißt, ist meiner Meinung nach auch bestimmend für die Über-Ich-
Bildung. Die Introjektion einer gütigen Mutter beeinflußt zufolge der
Gleichsetzung Brust = Penis die Bildung einer gütigeren Vater-Imago. 6 Die
Fixierung an die oralsaugende Stufe wirkt somit im Aufbau des Über-Ichs auch
als Gegengewicht gegen die angsterregenden, unter der Herrschaft der oralsadisti-
schen Triebregungen aufgenommenen Identifizierungen.
6) Abraham schreibt (Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido, S. 84) :
„Bezüglich des introjizierten Objektes erscheint noch eine Bemerkung notwendig. Sie
bezieht sich auf die regelmäßige Gleichsetzung des Penis mit der weiblichen Brust.
Sekundär übernehmen andere Körperteile die Vertretung dieser beiden Organe, so z. B.
Finger, Fuß, Haar, Kot, Gesäß."
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 161 —
, Mit der Verminderung des Sadismus nehmen die Drohungen des
Über-Ichs einen weniger gewaltsamen Charakter an, und auch
die Reaktionen des Ichs verändern sich. Die die früheste Entwicklung beherr-
schende Angst vor dem Über-Ich und den Objekten ruft wegen ihrer Über-
mäßigkeit gewaltsame Reaktionen hervor. Das Ich sucht sich allem Anschein
nach des Über-Ichs erst durch Skotomisation (Laforgue), dann durch
Ausstoßung zu erwehren. In den Versuchen des Ichs, das Über-Ich
zu überlisten und seinem Tadel gegen die Regungen des Es auszu-
weichen, sehe ich eine der frühesten Reaktionen, durch die das Ich die Macht
des Über-Ichs anerkennt. Nach dem Beginn der späteren analen Stufe wird sie
dem Ich immer deutlicher erkennbar und führt zu einem fortschreitenden
Bestreben des Ichs, sich mit dem Über-Ich zu verständigen. Das Ich hat
mit der Feststellung der Macht des Über-Ichs auch die Notwendigkeit er-
kannt, sich dem Willen des Über-Ichs zu fügen. Damit zugleich hat
sich auch ein Schritt zur Anerkennung der intrapsychischen
Realität vollzogen. Diese hängt aber mit der Anerkennung der äußeren
Realität zusammen, beziehungsweise bildet sie die Vorbedingung für diese.*
Das Verhältnis des Ichs zum E s, das auf einer früheren Stufe den
Charakter des Ausstoßens trug, nimmt auf der späteren analen Stufe den
der Unterdrückung der Triebregungen, der Verdrängung im
eigentlichen Sinne, an. 9
Da der dem Über-Ich und dem Es geltende Haß auf das Objekt abgedrängt
worden war, verringern sich die Haßquantitäten nun auch im Verhältnis zum
Objekt. Das Anwachsen der libidinösen Komponente und die damit einher-
gehende Milderung der destruktiven bewirkt auch eine Herabsetzung der primären
gegen das Objekt gerichteten sadistischen Antriebe. Damit zugleich aber scheint
das Ich sich auch der Vergeltungsangst vor dem Objekt bewußter zu werden.
An die Unterwerfung unter das strenge Über-Ich und an die Anerkennung der
vom Über-Ich erhobenen Verbote schließt sich demnach auch die Anerkennung
der Macht des Objektes an. Hiezu trägt bei, daß das Ich eine Gleichsetzung
7) Alexander hat in seinem Buch: Psychoanalyse der Gesamtpersönlichkeit (Int.
PsA.Verl. 1927) darauf hingewiesen, daß das Es das Über-Ich gewissermaßen besticht
und daß dieses „Paktieren mit dem Über-Ich" die Ausführung der verpönten Handlung
ermöglicht.
^ 8) F e r e n c z i hat darauf hingewiesen, daß die Erkenntnis der psychischen Realität
mit der Erkenntnis der äußeren Realität einhergeht. (Das Problem der Unlustbejahung.
Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XII, 1926.)
9) Freud schreibt (Hemmung, Symptom und Angst. Ges. Sehr., Bd. XI, S. 6j):
„Immerhin setzen wir als Stoff für spätere Überlegung die Möglichkeit beiseite, daß die
Verdrängung ein Prozeß ist, der eine besondere Beziehung zur Genitalorganisation der
Libido hat, daß das Ich zu anderen Methoden der Abwehr greift, wenn es sich der
Libido auf anderen Stufen der Organisation zu erwehren hat . . ."
— 163 —
zwischen Über-Ich und Objekt anstrebt. Diese Gleichsetzung ist ein weiterer
mit der Entwicklung der Realitätsbeziehung einhergehender Schritt der Angst-
verarbeitung (unter Zuhilfenahme der Projektions- und Verschiebungsmecha-
nismen). Das Ich sucht nun die Angst auf die "Weise zu bewältigen, daß es die
äußeren und die verinnerlichten Objekte zufriedenzustellen trachtet. Dies führt
dazu, daß das Ich dem Objekt Schonung zuteil werden läßt — eine Reaktion,
die Abraham als der späteren analen Stufe zugehörig beschrieb. Die ver-
änderten Methoden dem Objekt gegenüber stellen sich fol-
gendermaßen dar: entweder kommt es zu einer Abwendung vom Objekt
(die ihre Quelle in der Angst vor diesem als Gefahrenmoment und in dem
Bestreben hat, es vor den eigenen sadistischen Antrieben zu bewahren) oder zu
einer verstärkten Zuwendung zu diesem. Dieser Prozeß der Objektbeziehung
kommt durch eine Spaltung der Mutter-Imago in eine „gute" und
„böse" Mutter zustande. Die Ambivalenz dem Objekt gegenüber, die
ein weiterer Schritt in der Entwicklung der Objektbeziehung ist, dient zugleich
der Bewältigung der Angst vor dem Uber-Ich. Diese Angst wird
an das äußere Objekt und dann durch Verschiebung auf verschiedene Objekte
verteilt. Einzelne Personen nehmen nun die Bedeutung des angegriffenen
und deshalb gefahrdrohenden Objekts, andere — insbesondere die Mutter —
die des gütigen, schützenden Objekts an.
Die Überwindung der Angst gelingt um so besser, je mehr mit fortschreitender
Entwicklung zur genitalen Stufe und der damit einhergehenden Introjektion
gütigerer Imagines die Methoden des Ober-Ichs ihren Charakter verändern.
Wenn sich die früher überwältigenden Drohungen des Ober-Ichs zu Anklagen
und Mahnungen mildern, vermag das Ich an der positiven Objektbeziehung
Rückhalt gegen diese Klagen zu finden. Die Wiedergutmachung am Objekt, die
Reaktionsbildung des Mitleids werden zum Mittel, das Über-Ich zu besänftigen. 10
Die Liebe und Anerkennung der Objekte und der Außenwelt wird zum
Beweis und Gradmesser für die Billigung des Uber-Ich s. Hiebei
erweist sich auch der Mechanismus der Teilung der Imagines als bedeutsam.
Während sich das Ich vom gefahrdrohenden Objekt abwendet,
ist es dem gütigen Objekt gegenüber bestrebt, die in der Phantasie erfolgte
Zerstörung des Objekts gutzumachen. Dann kann der Prozeß der Sublimierung
einsetzen, 11 ' 12 denn die Wiedergutmachungstendenzen dem Objekt gegenüber
10) Jeke'ls hat in seiner Arbeit: Über das Mitleid (Imago, Bd. XVI, 1930) aus-
geführt, daß der Mitleidige das Objekt so behandelt, wie er von seinem Über-Ich be-
handelt werden möchte.
11) Siehe meine Arbeit: Frühe Angstsituationen im Spiegel künstlerischer Dar-
stellungen (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVII, 193 1).
12) Ella Sharpe hat ausgeführt, daß bei der Sublimierung die introjizierten
Elternimagines auf ein äußeres Objekt projiziert werden, an dem die sadistischen
- i63 -
11*
bilden einen grundlegenden Antrieb für die Sublimierungen (und zwar schon für
die frühesten, wie zum Beispiel für die primitiven Äußerungen des Spieltriebes).
Die Voraussetzung für die Entwicklung der Wiedergutmachungstendenzen und
der Sublimierungen ist, daß sich der Druck des Ober-Ichs abschwächt und sich
dem Ich als Schuldgefühl manifestiert. Die mit dem stärkeren Hervor-
treten der genitalen Strebungen und der Objektbeziehung einsetzenden quali-
tativen Veränderungen des Über-Ichs beeinflussen das Verhältnis des Über-Ichs
zum Ich und lösen Schuldgefühl aus. Tritt das Schuldgefühl in zu vehementer
Weise auf, so macht sich seine Wirkung auf das Ich wieder vorwiegend als Angst
geltend. 13 Wenn sich diese Auffassung als richtig erweist, so ergibt sich daraus
die Folgerung, daß nicht der Mangel eines Über-Ichs, sondern nur dessen quali-
tative Verschiedenheit das Fehlen an sozialen Gefühlen (auch beim Verbrecher
und Asozialen) bestimmt. 14
Meiner Auffassung nach fällt in die frühere anale Stufe die Abwehr der
angsterregenden Imagines, die in der oralsadistischen Phase introjiziert wurden.
Die Ausstoßung des Über-Ichs wäre ein Schritt zur Überwindung der Angst.
Ein Schritt, der auf dieser Stufe noch nicht gelingt, da die zu überwindende
Angst noch übermächtig ist und die gewalttätige Ausstoßung immer wieder neue
Angst auslöst. Die durch diese Mechanismen nicht bewältigte Angst wirkt als
entwicklungsförderndes Moment, indem sie einen weiteren Antrieb zur Besetzung
der nächsthöheren Libidostufe — der. späteren analsadistischen Stufe — bildet.
Wir wissen, daß beim Erwachsenen Über-Ich und Objekt sich
keineswegs decken. Wie ich mich nachzuweisen bemühte, ist dies aber
auch auf keiner Stufe der kindlichen Entwicklung der Fall. In dem aus dieser
Inkongruenz resultierenden Bestreben des Ichs, das reale Objekt
und die Imagines der Objekte für einander einzusetzen,
sehe ich einen grundlegenden Entwicklungsfakto r. 15 Je
geringer diese Inkongruenz wird, je mehr sich mit der Vorherrschaft der genitalen
Stufe die Imagines den realen Objekten annähern, je mehr die phantastischen,
angsterregenden, auf den frühesten Stufen der Entwicklung aufgenommenen
Imagines zurücktreten, um so stabiler ist das psychische Gleichgewicht des
Individuums, um so besser ist die Modifizierung der frühen Angstsituationen
gelungen.
und Wiedergutmachungstendenzen befriedigt werden, wodurch ein magisches All-
machtgefühl entsteht. (Sublimierung und Wahnbildung. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVII, 1931.)
13) Siehe auch Ernest Jones: Angst, Schuldgefühl und Haß (Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XVI, 1330).
14) Diese Auffassung vertritt auch Fenichel in seiner Arbeit: Identifizierung
(Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XII, 1926).
ij) Im Kap. X gehe ich auf die Bedeutung dieses Faktors für die Ichentwicklung
und die Realitätsbeziehung ein.
— 164 —
Mit dem schrittweisen Erstarken der genitalen Regungen verliert auch die
Unterdrückung des Es durch das Ich an Gewaltsamkeit, wodurch eine bessere
Verständigung zwischen Ich und Es ermöglicht wird.
Die mit der genitalen Stufe erreichte positivere Objektbeziehung wäre somit
auch als Ausdruck eines befriedigenden Verhältnisses zwischen Über-Ich und Ich,
zwischen Ich und Es zu werten.
Wir wissen, daß die Fixierungsstellen für die Psychosen auf den frühesten
Stufen der Entwicklung zu suchen sind, und daß die Grenze zwischen der
früheren und der späteren analen Stufe zugleich die Grenzscheide zwischen der
Psychose und Neurose darstellt. Meine Auffassung geht über diese Annahmen
insofern hinaus, als ich in diesen Fixierungsstellen die Ausgangspunkte
nicht nur für spätere Erkrankungen, sondern auch für Störungen sehe,
die in den frühesten Phasen der Entwicklung auftreten.
Die in der Phase der Höchstblüte des Sadismus ausgelösten überstarken
Angstsituationen wären, wie ich im vorigen Kapitel nachzuweisen versuchte, 16
ein grundlegender Faktor für die Genese der psychotischen Erkrankungen.
Ich fand aber, daß das Kind auch normalerweise in den frühesten Phasen der
Entwicklung durch Angstsituationen geht, die einen psychotischen Charakter
tragen. "Werden aus äußeren oder inneren Gründen die frühen Angstsituationen
in stärkerem Maße aktiviert, so zeigen sich beim Kinde psychotische Züge.
Wird aber das Kind von den angsterregenden Imagines übermäßig bedrängt,
ohne in helfenden Phantasiegestalten und in den realen Objekten ein Gegen-
gewicht zu finden, so liegt eine psychotische Störung vor, 17 die der Psychose des
Erwachsenen ähnlich ist und sich auch häufig in der Psychose des Erwachsenen
fortsetzt oder die Grundlage für schwere Erkrankungen oder sonstige Fehl-
entwicklungen bildet.
Da diese Angstsituationen aber bei jedem Kinde bis zu einem gewissen
Grade zeitweise wirksam sind, treten bei jedem Kinde zeitweise psychotische
Erscheinungen auf.
Der Wechsel von übermäßiger Lustigkeit und übermäßiger Traurigkeit,
der für die melancholische Störung charakteristisch ist, ist eine beim kleinen
Kinde regelmäßige Erscheinung. Die Tiefe und der Charakter der Traurigkeit
des Kindes wird allerdings eben wegen der Häufigkeit und der Schnelligkeit ihres
Wechsels gewöhnlich nicht ermessen. Ich kann auf Grund meiner Erfahrungen
aussagen, daß der Traurigkeit des Kindes — wenn auch in gemilderter Form —
die gleicher^, Ursachen zugrunde liegen wie der melancholischen Depression des
Erwachsenen, und daß die kindliche Depression auch von Selbstmordgedanken be-
iß) Siehe auch Klein: Die Rollenbildung im Kinderspiel (Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XV, 1929).
17) Ich verweise auf die Fälle von Erna (Kap. III), Egon (Kap. IV), Ilse (Kap. V).
- i65 —
gleitet ist. Kleinere und größere Selbstbeschädigungen und Unfälle von- Kindern
habe ich vielfach als mit noch untauglichen Mitteln unternommene Selbstmord-
versuche kennengelernt. Die Realitätsabsperrung, die ein Kriterium der
Psychose ist, wird beim Kinde weitgehend noch als normale Erscheinung ge-
wertet. Undurchsichtiger sind die beim kleinen Kinde wirksamen paranoiden
Züge, da sie mit der für diese Affektion charakteristischen Neigung zur Geheim-
haltung und Verstellung verbunden sind. Es ist wohlbekannt, daß kleine Kinder
sich von phantastischen Gestalten verfolgt und bedrängt fühlen. Ich fand in
Analysen kleiner Kinder, 18 daß sie sich, wenn sie allein waren — insbesondere
Nachts — , von Verfolgern (Zauberern, Hexen, Teufeln, Phantasiegestalten,
Tieren) umgeben fühlten und daß diese Angst einen paranoiden Charakter hatte.
Die Kinderneurose stellt ein Gemisch der verschiedenen
psychotischen und neurotischen Züge und Mechanismen
dar, die wir beim Erwachsenen einzeln in mehr oder weniger reiner Ausbildung
kennenlernen. Aus diesem vielfältigen Bild sehen wir in dem einen Fall die
Züge der einen Affektion, im anderen Fall die anderer Affektionen stärker
herausragen. In vielen Fällen wird das Bild der Kinderneurose ganz undurch-
sichtig durch den Umstand, daß die verschiedenen Affektionen und die Abwehr
gegen sie noch alle gleichzeitig am Werke sind.
Freud" schreibt: „daß die frühesten Kindheitsphobien . . . sich überhaupt
bis jetzt der Erklärung entzogen haben" — ferner, daß „uns ihre Beziehung
zu den späteren, deutlichen Neurosen der Kindheit keineswegs ersichtlich ist".
Ich habe als den Inhalt dieser frühesten Phobien die in den Frühstadien der
Über-Ich-Bildung entstehende Angst kennengelernt. Die etwa um die Mitte des
ersten Lebensjahres infolge der Steigerung des Sadismus ausgelösten frühesten
Angstsituationen, die die Angst vor gewalttätigen (fressenden, schneidenden,
kastrierenden) äußeren und verinnerlichten Objekten beinhalten, können auf
dieser Stufe noch keiner genügenden Verarbeitung zugeführt werden.
Auch die E ß s c h w i e r i g k e i t e n des kleinen Kindes stehen, wie mir meine
Erfahrungen beweisen, in engem Zusammenhang mit den frühesten Angst-
situationen und haben immer eine paranoide Wurzel. In der kannibalistischen
Phase wird alle Nahrung den (durch Organe vertretenen) Objekten gleichgesetzt.
Die Nahrung nimmt die Bedeutung des väterlichen Penis und der mütterlichen
Brust an und wird geliebt, gehaßt und gefürchtet wie diese. Flüssige Nahrung
wird Milch, Urin, Samen, feste Nahrung auch den Fäzes usw. gleichgesetzt.
Deshalb kann die Nahrung die vielfache Angst vor Vergiftung und innerlichen
Zerstörungen auslöse n, die das Kind, wenn die frühen Angstsituationen stark
. 18) Der Glaube an hilfreiche Phantasiegestalten (Weihnachtsmann, Feen usw.) dient
immer auch der Verdeckung und Bewältigung der Angst vor bösen Imagines.
19) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S.77).
- 166 -
■wirksam sind, vor den verinnerliditen Objekten und den Exkrementen
empfindet.
Eine Äußerung der frühen Angst sind die infantilen Tierphobien.
Ihnen liegt die für die frühere anale Stufe charakteristische Ausstoßung
des angsterregenden Uber-Ichs zugrunde. Die infantilen Tier-
phobien stellen demnach einen aus mehreren Teilen bestehenden Prozeß der
Verarbeitung der Angst vor dem furchterregenden Über-Ich und dem Es dar.
Über-Ich und Es werden ausgestoßen und in die Außenwelt proji-
ziert, wobei das Ober-Ich dem realen Objekt gleichgesetzt wird. Dem
zweiten Teil des Prozesses — der uns wohlbekannten Verschiebung der
A n g f t vom realen Vater auf ein Tier — liegt aber in vielen Fällen auch
schon eine Modifizierung zugrunde. Auf den frühesten Stufen der Ichentwicklung
erfolgt die phantastische Gleichsetzung des Uber-Ichs und des Es mit wilden,
gefährlichen Tieren. An Stelle des wilden Tieres wird dann ein weniger wildes
zum Angstobjekt in der Außenwelt gewählt. Daß das Angsttier nicht nur die
Angst vor dem Vater, sondern auch häufig die Bewunderung für diesen auf sich
zieht, ist schon ein Anzeichen der sich vollziehenden Idealbildung. 20 Die Tier-
phobien stellen bereits eine weitgehende Verarbeitung der Angst vor dem Über-
Ich dar, es besteht demnach eine enge Beziehung zwischen Über-Ich-Bildung,
Objektbeziehung und Tierphobien.
Freud schreibt: 21 „Ich habe früher einmal der Phobie den Charakter einer
Projektion zugeschrieben, indem sie eine innere Triebgefahr durch eine äußere
Wahrnehmungsgefahr ersetzt. Das bringt den Vorteil, daß man sich gegen die
äußere Gefahr durch Flucht und Vermeidung der "Wahrnehmungen schützen kann,
während gegen die Gefahr von innen keine Flucht nützt. Meine Bemerkung ist
nicht unrichtig, aber sie bleibt an der Oberfläche. Der Triebanspruch ist ja nicht
an sich eine Gefahr, sondern nur darum, weil er eine richtige äußere Gefahr,
die der Kastration, mit sich bringt. So ist im Grunde bei der Phobie doch nur
eine äußere Gefahr durch eine andere ersetzt." Nach meiner Auffassung läge
der Phobie aber letzten Endes eine innere Gefahr zugrunde, nämlich die Angst
vor dem eigenen Destruktionstrieb sowie die vor den introjizierten Eltern.
20) Abraham erzählte mir von einem ganz kleinen Kinde, dessen Abneigung
gegen ein Tier auch schon die Angst vor dessen Tadel beinhaltete. Abraham hatte einem
noch nicht ganz einundeinhalbjährigen Knaben ein Bilderbuch geschenkt, ihm die Bilder
gezeigt und den beigefügten Text vorgelesen. Auf einem Blatt war ein Schwein dargestellt,
das ein kleines Kind ermahnte, sauberer zu sein. Dieser Text und dann auch schon das Bild
mißfielen dem Knaben deutlich, er wollte sofort weiterblättern, und als Abraham dann
später darauf zurückkam, wollte das Kind dieses Blatt nicht mehr sehen. Später erfuhr
Abraham, daß der Knabe das Bilderbuch sehr liebe, aber das Blatt mit dem Schweine nicht
leiden möge. Abraham fügte, indem er mir dies erzählte, hinzu: „Sein Über-Ich war
eben damals ein Schwein."
21) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 66 u. 67).
— 167
Freud schreibt über die Vorteile der Ersatzbildung: 22 „Die Angst der Phobie
ist nämlich eine fakultative, sie tritt nur auf, wenn ihr Objekt Gegenstand der
Wahrnehmung wird. Das ist ganz korrekt; nur dann ist nämlich die Gefahr-
situation vorhanden. Von einem abwesenden Vater braucht man auch die Kastra-
tion nicht zu befürchten. Nun kann man den Vater nicht wegschaffen, er zeigt
sich immer, wann er will. Ist er aber durch das Tier ersetzt, so braucht man nur
den Anblick, d. h. die Gegenwart des Tieres zu vermeiden, um frei von Gefahr
und Angst zu sein."
Dieser Vorteil wäre aber noch größer, wenn das Ich durch die Tierphobie
nicht nur eine Verschiebung von einem äußeren Objekt auf ein anderes, sondern
auch noch eine Projektion von einem unentrinnbaren, weil verinnerlichten
gefürchteten Objekt auf ein drittes — und überdies weniger gefürchtetes —
äußeres ermöglicht hätte. In diesem Lichte aber würde es sich nicht nur um eine
Entstellung des Ausdruckes: „Vom Pferde gebissen (vom "Wolf gefressen), anstatt
vom Vater kastriert zu werden", handeln, sondern neben der Kastrationsangst
läge auch die frühere Angst vor einem fressenden Über-Ich der Tierphobie
zugrunde.
Ich ziehe hier die zwei gut bekannten Tierphobien, die des „Kleinen Hans"
und die des „"wolfsmannes", als Beispiele heran. Freud wies darauf hin, 23
daß diese beiden Phobien bei einigen Gemeinsamkeiten voneinander in vielen
Punkten abweichen. Ich gehe zuerst auf die Unterschiede näher ein. Hansens
Phobie sind zahlreiche positive Züge beigemischt. Er hat für sein Angsttier, das
ja auch an sich kein abschreckendes ist, auch positive Gefühle (das der Phobie
vorhergegangene „Pferdespiel" mit dem Vater!). Die ganze Entwicklung des
Knaben, der in der Hauptsache wirklich gute Beziehungen zu beiden Eltern-
teilen und zur Umwelt hat, zeigt, daß er die analsadistische Stufe gut über-
wunden und die genitale Stufe erreicht hat. Seine Tierphobie enthält von der
Angst der frühesten Stufen, die sich in der Gleichsetzung des Über-Ichs mit einem
furchterregenden wilden Tier und der entsprechenden Angst vor dem Objekt
ausdrückt, nur mehr einige Züge. Er scheint sie im großen und ganzen gut
modifiziert und überwunden zu haben. Freud schreibt: „Hans scheint eben ein
normaler Junge mit sogenanntem positivem Ödipuskomplex gewesen zu sein."
Hansens Neurose wäre also als eine milde, eine „normale" Kinderneurose auf-
zufassen. Seine Angst war ja auch unschwer durch eine kurze Analyse aufzulösen.
Ein ganz anderes Bild gewinnen wir von der Neurose des vierjährigen Knaben
im Falle des Wolfsmannes. Die Entwicklung dieses Knaben ist nicht als normal
zu bezeichnen. Freud schreibt darüber: „ . . . seine Beziehung zum weiblichen
22) Freud: Ebenda, S. 66.
23) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S.46).
- 168 -
Objekt ist durch eine frühzeitige Verführung gestört worden, die passive,
feminine Seite ist bei ihm stark ausgebildet, und die Analyse seines Wolfstraumes
enthüllt wenig von beabsichtigter Aggression gegen den Vater, erbringt dafür
die unzweideutigsten Beweise, daß die Verdrängung die passive, zärtliche Ein-
stellung zum Vater betrifft. Auch hier mögen die anderen Faktoren beteiligt
gewesen sein, sie treten aber nicht hervor." 24 Die Analyse des Wolfsmannes hat
ergeben, daß „die Vorstellung, vom Vater gefressen zu werden, der regressiv
erniedrigte Ausdruck für eine passive zärtliche Regung ist, die vom Vater als
Objekt im Sinne der Genitalerotik geliebt zu, werden begehrt." 25
Ich sehe nun, auf meine früheren Ausführungen gestützt, in dieser Vorstellung
nicht nur einen regressiv erniedrigten Ausdruck für eine passive zärtliche
Strebung, sondern — darüber hinaus — ein Überbleibsel aus einer
ganz frühen En t wick lun gs per io de. 29 Fassen wir die Befürchtung,
vom "Wolf gefressen zu werden, nicht nur als Entstellungsersatz für die Angst,
vom Vater kastriert zu werden, sondern — wie ich es vorschlage — als eine
primäre Angst auf, die sich unverändert neben den späteren modifizierten
Inhalten der Angst erhalten hat, so wäre hier eine Angst vor dem Vater am
Werke gewesen, der ein entscheidender Einfluß auf die abnorme Entwicklung
des Kindes zukäme. In der von den oralsadistischen Triebregungen eingeleiteten
Phase der Höchstblüte des Sadismus löst nach meinen Erfahrungen der Wunsch
nach Introjektion des väterlichen Penis, zugleich mit den starken oralsadistischen,
feindlichen Regungen, die Angst vor einem gefährlichen, fressenden Tier aus,
dem der väterliche Penis gleichgesetzt wird. Es hängt zum Teil vom
Ausmaß der destruktiven Regungen ab, inwieweit diese Angst vor dem Vater
überwunden und modifiziert werden kann. Der Wolfsmann hat diese frühe Angst
nicht überwunden. Seine Angst vor dem Wolf, die sich als die Angst vor dem
Vater erwies, zeigt, daß das Bild des Vaters als eines fressenden Wolfes auch
in der weiteren Entwicklung beibehalten wurde. Wir wissen, daß er den Wolf
auch in späteren Vater-Imagines wiedergefunden hat, und daß seine ganze Ent-
wicklung von dieser Angst bestimmt wurde. 27 Ich sehe in dieser überwältigenden
24) Freud: Ebenda.
25) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 44).
26) Es scheint mir aber nicht nur eine theoretische, sondern auch eine vom thera-
peutischen Standpunkt wichtige Frage, ob die Vorstellung des Gefressenwerdens beim
Ausbruch der Neurose nur regressiv besetzt wird, oder ob sie neben den späteren Modifi-
zierungen wirksam bleibt, da es sich ja dabei nicht nur um den Vorstellungsinhalt,
sondern vor allem um die mit diesen Inhalten verbundene Angst handelt:. Der
Charakter dieser Angst — sowohl quantitativ als auch qualitativ — offenbart sich uns
erst vollkommen, wenn wir sie als eine Angst erkennen, die der Neurose zugrunde liegt
und für die Psychose spezifisdi ist. ■ _
27) Siehe Mack Brunswick: Ein Nachtrag zu Freuds Geschichte einer infantilen
Neurose. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XV, 1929.
— 169 —
Angst vor dem Vater einen grundlegenden Faktor für die invertierte Ödip us _
entwicklung des Knaben. Ich weiß aus mehreren Analysen vier- bis fünfjähriger
stark neurotischer Knaben mit paranoiden Zügen, 28 bei denen der' invertierte
Ödipuskomplex überwog, daß diese Entwicklung durch die in den tiefsten
Schichten bestehende, übermäßige Angst vor dem Vater entscheidend beeinflußt
war. Diese Angst war die Auswirkung primärer, überaus starker aggressiver
Triebregungen gegen den Vater.
Der aus der direkten ödipussituation sich ergebende Kampf konnte mit einem
so gefährlichen (fressenden) Vater in der Phantasie nicht unternommen werden,
weshalb die heterosexuelle Position aufgegeben werden mußte. Es scheint mir,'
daß diese Angstsituationen auch beim Wolfsmann grundlegend für seine passive
Einstellung 2um Vater wurden, und daß die Verführung durch die Schwester die
passive, aus Angst vor dem Vater eingeschlagene Richtung nur noch verstärkt
und befestigt hatte. Wir wissen aus der Krankengeschichte des Wolfsmannes,
daß er „...sich von dem entscheidenden Traum an .schlimm*, quälerisch,'
sadistisch . . ." benimmt und bald darauf eine richtige Zwangsneurose entwickelt.
Seine Zwangsneurose hat sich in der Analyse als eine sehr schwere erwiesen.
Diese Tatsachen scheinen meine Annahme zu begünstigen, daß schon bei der
Wolfsphobie die Abwehr der aggressiven Triebregungen eine entscheidende Rolle
spielte. 29 Der Umstand, daß in Hansens Phobie die Abwehr der aggressiven
Triebregungen deutlich hervortrat, in der Phobie des Wolfsmannes aber so stark
verdeckt war, erklärt sich mir eben aus der viel abnormeren Verarbeitung der
Angst beziehungsweise des so viel größeren primären Sadismus im
zweiten Falle. Die Tatsache, daß in Hansens Neurose die zwangsneurotischen
Züge nicht hervortraten, im zweiten Falle aber sich bald eine richtige Zwangs-
neurose entwickelte, steht auch in Übereinstimmung mit meiner Auffassung, daß
ein zu starkes und frühes Hervortreten der zwangsneurotischen Züge im Gefüge
der Kinderneurose ein Anzeichen sehr schwerer Störungen ist. 30
In den Knabenanalysen, die meinen Folgerungen zugrunde liegen, war die
abnorme Entwicklung auf den überstarken Sadismus (respektive dessen nicht
geglückte Verarbeitung) zurückzuführen, der auf einer sehr frühen Entwicklungs-
stufe zu übermäßiger Angst geführt hatte. Als Folge war es zu einer weit-
gehenden Absperrung von der Realität gekommen, und es hatten sich starke
zwangsneurotische und paranoide Züge entwickelt. Die Verstärkung der
hbidinösen Regung en und der homosexuellen Komponente diente in diesen
28) Diese Ergebnisse haben sich mir auch in den Analysen Erwachsener bestätigt.
1«* «ff 1 letzt J en y , Satz l de '" früher zitierten Bemerkung scheint Freud die Möglich-
keit offenzulassen, daß auch die Abwehr der sadistischen Antriebe - wiewohl diese
nicht hervortraten - an der Struktur des Falles mitbeteiligt sein könnte.
30) Siehe Kapitel VI.
— 170 —
:
r .
Fällen der Abwehr und Verarbeitung der auf den frühesten Stufen der Ent-
wicklung ausgelösten Angst vor dem Vater. Ich sehe in diesem Prozeß der
Angstverarbeitung einen grundlegenden Faktor für die Genese der Homo-
sexualität der Paranoiker. 31 ' S2 Diese Annahme wird auch durch die Tatsache
gestützt, daß beim "Wolfsmann in späterer Zeit eine Paranoia zum Aus-
bruch kam. 33
In „Ich und Es" 31 kommt Freud zu einer Auffassung hinsichtlich der
Liebesbeziehung des Paranoikers, die mir eine Stütze für meine Behauptungen
zu sein scheint. Er schreibt: „Die analytische Untersuchung des Vorganges bei
der paranoischen Umwandlung macht uns aber mit der Möglichkeit eines anderen
Mechanismus vertraut. Es ist von Anfang an eine ambivalente Einstellung vor-
handen, und die Verwandlung geschieht durch eine reaktive Besetzungsver-
schiebung, indem der erotischen Regung Energie entzogen und der feindseligen
Energie zugeführt wird."
In der Phobie des "Wolfsmannes tritt die meiner Auffassung nach unmodi-
fizierte Angst der frühesten Schichten deutlich hervor. Seine Objektbeziehung ist
auch sehr viel weniger geglückt als die von Hans, und die nicht genügend
befestigte genitale Stufe, die überstarke Wirksamkeit der analsadistischen Trieb-
regungen, gibt sich in der schon so bald einsetzenden starken Zwangsneurose
kund. Dem kleinen Hans ist meiner Auffassung nach die Modifizierung von
einem bedrohlichen, gefährlichen Über-Ich zu einer weniger gefährlichen Imago,
und die Überwindung des Sadismus und der Angst besser gelungen. Dieses
bessere Gelingen gibt sich in einer positiven Objektbeziehung 2u beiden Eltern-
teilen sowie in der Tatsache kund, daß bei Hans die aktive und heterosexuelle
Einstellung überwiegt und daß er die genitale Stufe gut erreicht hat.
Ich fasse nun meine Ergebnisse hinsichtlich der Entwicklung der Phobien
zusammen. Die Angst der frühesten Angstsituationen findet
in den Phobien des Säuglings ihren Ausdruck. Die auf
der früheren analen Stufe einsetzenden infantilen Tier-
phobien haben noch überaus an gs t er r egen de Objekte
zum Inhalt. Auf der späteren analen und noch mehr auf
31) In Kap. III, in dem ich über einen Fall mit paranoiden Zügen berichtete, habe
ich die analogen Aufstellungen für die Genese der weiblichen Homosexualität nachzu-
weisen versucht. Ich verweise auch auf meine Ergebnisse aus Egons Analyse in Kap. IV
und meine Ausführungen in Kap. XII.
32) Zu dem gleichen Ergebnis kam R 6 h e i m an ethnologischem Material in seiner
Arbeit „Das Völkerpsychologische in Freuds Massenpsychologie und Ichanalyse (Int.
Ztschr. f. PsA., Bd. VIII, 1922).
33) Siehe Ruth Mack Brunswick: Ein Nachtrag zu Freuds: Geschichte einer
infantilen Neurose (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XV, 1929).
34) Freud: Ges. Sehr., Bd. VI, S.388.
171
der genitalen Stufe haben wir' es mit stark modifizierten
Angstobjekten zu tun.
Die Modifizierung der Phobie scheint mir mit den auf der späteren analen
Stufe einsetzenden, der Zwangsneurose zugrunde liegenden Mechanismen zu-
sammenzuhängen. Ich kam zum Ergebnis, daß die Zwangsneurose den
Versuch darstellt, die psychotische Angst der frühesten
Schichten zu überwinden, 35 und daß schon in der Kinderneurose die
zwangsneurotischen Mechanismen zugleich mit denen der früher durchlaufenen
Stufen wirksam sind.
• Wenn ich die Auffassung, daß Anteile der Zwangsneurose schon im Bilde der
Kinderneurose eine wichtige Rolle spielen, an den Feststellungen F r e u d s über
die Ausgangssituation der Zwangsneurose überprüfe, so scheint meine Auffassung
der von Freud zunächst zu widersprechen. Ich meine aber diesen Gegensatz
in einem grundlegenden Punkte aufklären zu können. Die Ausgangssituation der
Zwangsneurose fällt nach meinen Ergebnissen in die Periode der
frühen Kindheit, die Synthese der beim kleinen Kinde wirksamen
zwangsneurotischen Züge zu einem organisierten Ganzen, als das wir
die Zwangsneurose kennen, in die zweite Kindheitsperiode, in den Beginn
der Latenzzeit. Nach der bisherigen Auffassung machen sich die Fixierungen an
die analsadistische Stufe für die Erkrankung erst später auf Grund der Re-
gression geltend. Im Sinne meiner Auffassung fällt die Ausgangssituation der
Zwangsneurose - die Entwicklung zwangsneurotischer Züge und Mechanismen -
in die Phase, die unter der Vorherrschaft der späteren analen Stufe steht. Die
Tatsache, daß diese frühe zwangsneurotische Erkrankung ein von dem Bild der
späteren eigentlichen Zwangsneurose abweichendes Gepräge zeigt, erklärt sich .
aus dem Umstand, daß erst später - im Latenzalter - das entwickeltere Ich
mit seiner veränderten Realitätsbeziehung den Ausbau und die Zusammen-
fassung der schon im frühen Kindesalter wirksamen zwangsneurotischen Züge
vornimmt. 38 Die zwangsneurotischen Züge sind beim kleinen Kinde auch
deshalb nicht so durchsichtig, weil neben ihnen die noch nicht überwundenen
früheren Affektionen und die verschiedenen Abwehrmechanismen am Werke sind.
Wie ich im sechsten Kapitel ausführte, zeigen auch kleine Kinder häufig Züge
von deutlich zwangsneurotischem Charakter, und es gibt auch Kinderneurosen,
■ 3 j 5) j Z y a ng™<=urose ist nur einer der Heilungsversudie, die das Ich zur Über-
windung der fruhmfantilen psychotischen Angst unternimmt. Auf eine andere Methode
der Verarbeitung der frühinfantilen Angstsituationen gehe ich in Kap. XII ein.
36) Ich gehe auf diese Veränderungen in Kap. X ein. Ich führe dort aus, daß die
Zwangsneurose im Latenzalter geeignet ist, die Ansprüche des Ichs, des Über-Ichs und der
Objekte zu befriedigen. Das noch unentwickelte Ich des kleinen Kindes vermag die Angst
aur diese Art noch nicht zu bewältigen.
172 —
n denen die eigentliche Zwangsneurose schon dominiert. 87 Dies ist nach meiner
Erfahrung dann der Fall, wenn die frühen Angstsituationen überstark wirksam
sind, ihre Modifizierung ungenügend gelungen und demzufolge die Zwangs-
neurose eine sehr schwere ist.
Durch die Unterscheidung zwischen der Ausgangssituation zwangsneurotischer
Züge und der eigentlichen späteren Zwangsneurose habe ich, scheint es mir, mit
meinen Vorschlägen zur Genese der Zwangsneurose wieder den Anschluß an die
bisherigen Ergebnisse der Theorie gefunden. In „Hemmung, Symptom und
Angst" schreibt Freud (S. 47), daß „die Ausgangssituation der Zwangsneurose
die notwendige Abwehr der libidinösen Ansprüche des Ödipuskomplexes sei."
Ferner (S. 47): „Die genitale Organisation der Libido erweist sich als schwächlich
und zu wenig resistent. Wenn das Ich sein Abwehrstreben beginnt, so erzielt es
als ersten Erfolg, daß die Genitalorganisation (der phallischen Phase) ganz oder
teilweise auf die frühere sadistisch-anale Stufe zurückgeworfen wird. Diese Tat-
sache der Regression bleibt für alles Folgende bestimmend." "Wenn wir das
Fluktuieren zwischen den verschiedenen Positionen, das meiner Auffassung nach
die frühen Entwicklungsvorgänge charakterisiert (wobei die schon besetzte
genitale Position bis zu ihrer stärkeren und stabileren Befestigung vorüber-
gehend immer wieder aufgegeben wird), als Regression auffassen und der von
mir behauptete frühe Beginn des Ödipuskonfliktes sich als richtig erweist — so
stünden meine Annahmen über die Ausgangssituation der Zwangsneurose nicht
in Widerspruch zu den eben zitierten Sätzen Freuds. Meine Auffassung
würde aber für eine weitere Annahme Freuds, die er allerdings nur als eine
Möglichkeit in Betracht zieht, sprechen. Er schreibt: „Vielleicht ist die Re-
gression nicht die Folge eines konstitutionellen, sondern eines zeitlichen Faktors.
Sie wird nicht darum ermöglicht werden, weil die Genitalorganisation der
Libido zu schwächlich geraten, sondern weil das Sträuben des Ichs zu frühzeitig,
noch während der Blüte der sadistischen Phase eingesetzt hat." Freud führt
gegen diese Annahme an: „Einer sicheren Entscheidung getraue ich mich auch in
diesem Punkte nicht, aber die analytische Beobachtung begünstigt diese Annahme
nicht. Sie zeigt eher, daß bei der Wendung zur Zwangsneurose die phallische
37) So zum Beispiel lagen bei der zu Beginn der Behandlung zweiunddreiviertd-
jährigen Rita (Kap. III) eine Reihe von ausgesprochenen Zwangssymptomen vor, die ich
hier kurz anführe: ein kompliziertes Bettzeremoniell, eine übertriebene Ordnungsliebe und
Reinlichkeit, die ihren zwangsneurotischen, schon die ganze Persönlichkeit beherrschenden
Charakter an zahlreichen Verrichtungen erkennen ließ. Diese Züge reichten aber schon
einige Zeit zurück. Das Zeremoniell hatte sich zum Beispiel etwa vom zweiten Jahre an
stetig entwickelt. Bei Erna (Kap. III), die im Alter von sechs Jahren zu mir in Analyse
kam, reichten einzelne zwangsneurotische Züge auch schon bis ins Ende des zweiten Lebens-
jahres zurück. Auch in diesem — überaus ernsten — Falle zeigte die Neurose schon ganz
früh einen der Zwangsneurose Erwachsener vielfach ähnlichen Charakter.
- 17 3 ~
Stufe bereits erreicht ist. Auch ist das Lebensalter für den Ausbruch dieser
Neurose ein späteres als das der Hysterie (die zweite Kindheitsperiode, nach
dem Termin der Latenzzeit) . . ," 88 Diese Bedenken fallen fort, wenn, wie ich
behaupte, die Ausgangssituation der Zwangsneurose in die erste Kindheits-
periode, der Ausbruch der eigentlichen Zwangsneurose in den Beginn der Latenz-
zeit fällt.
Die Annahme, daß schon im frühen Kindesalter — im zweiten Lebensjahr —
zwangsneurotische Mechanismen in Wirksamkeit treten, hängt mit der von mir
vertretenen Auffassung zusammen, daß sich das Über-Ich auf den frühesten
Stufen der Entwicklung bildet und daß es sich dem Ich gegenüber zunächst als
Angst, aber mit dem Abklingen der früheren analsadistischen Stufe auch als Schuld-
gefühl fühlbar macht. Diese von der bisherigen Theorie ebenfalls abweichende
Auffassung, deren empirische Unterlagen ich im ersten Teil dieses Buches mit-
geteilt habe, versuche ich im folgenden noch durch eine theoretische Begründung
zu stützen. Freud schreibt: 39 „Der Motor aller späteren Symptombildung ist
hier" (in der Zwangsneurose) „offenbar die Angst des Ichs vor seinem Über-Ich."
Meine Auffassung, daß durch die Zwangsneurose die frühen Angstsituationen
verarbeitet werden, daß also das strenge Über-Ich in der Zwangsneurose das
nicht modifizierte angsterregende Über-Ich der Frühstadien der Entwicklung ist,
scheint mir aber das Problem, weshalb sich bei der Zwangsneurose ein so strenges
Über-Ich bildet, der Lösung näher zu bringen.
Die in der Phase der Höchstblüte des Sadismus unternommenen Angriffe auf
den Mutterleib haben sich mir als die Grundlage der mit den urethral- und
analsadistischen Triebregungen verbundenen Schuldgefühle erwiesen. 40 Wir lernen
in den Frühanalysen die Angst vor einer bösen Mutter kennen, die Stuhl und
Kinder, die ihr geraubt wurden, vom Kinde zurückfordert. So wird die die
Reinlichkeitsforderungen vertretende Mutter oder Kinderfrau zu einem furcht-
baren Angstobjekt. Sie fordert nicht nur die Abgabe der Exkremente, sondern
will sie — der Angst des Kindes gemäß — durch gewaltsame Angriffe seinem
Körper entreißen. Eine andere, noch überwältigendere Quelle der Angst
38) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. j 3 ).
39) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 69).
40) Die allgemeine Auffassung, daß die auf der genitalen Stufe erworbenen Schuld-
gefühle regressiv mit der Reinlichkeitsgewöhnung verknüpft werden, wird der Schwere
dieser Schuldgefühle und ihrer innigen Verlötung mit den prägenitalen Triebregungen
nicht gerecht. Die auch in der Analyse Erwachsener immer wieder feststellbare, nach-
haltige, die ganze Entwicklung beeinflussende Bedeutung der frühen Reinlichkeits-
IÜTJj U r ng L , 6me urs P rün S liche >- e > enge Verbindung zwischen dieser und den schweren
bchuldgetuhlen erkennen. Ferenczi nimmt eine direktere Verknüpfung, eine Art
physiologischer Vorstufe des Über-Ichs, die „Sphinktermoral", an. (Zur Psychoanalyse
von Sexualgewohnheiten. Int. Ztschr. f . PsA., Bd. XI, 1925.)
— 174 —
•■*
entspringt der Introjektion von Imagines, von denen auf Grund der destruktiven,
auf die Objekte gerichteten Phantasien analoge Angriffe im Innern des Körpers
befürchtet werden.
Die in dieser Phase phantasierte Gleichsetzung der Exkremente mit gefähr-
lichen, vergiftenden, verbrennenden Stoffen, mit Angriffswaffen aller Art ver-
ursacht die Angst vor den eigenen (den eigenen Körper vernichtenden) Ex-
krementen. Die sadistische Gleichsetzung der Exkremente mit vernichtenden
Stoffen und die in der Phantasie mit diesen unternommenen Angriffe führen
zur Angst vor analogen Angriffen der äußeren sowie der verinnerlichten Objekte,
zur Xngst vor den Exkrementen und vor Schmutz im allgemeinen. In diesen
— um so überwältigenderen, weil vielfachen — Quellen der Angst liegt meiner
Erfahrung nach die tiefste Ursache der mit der Reinlichkeitsgewöhnung ver-
bundenen Angst und Schuldgefühle.
Die Reaktionsbildungen des Ekels, der Ordnung und
Reinlichkeit würden demnach von der aus verschiedenen Quellen ge-
speisten Angst der frühesten Gefahrsituationen ihren Aus-
gang nehmen. "Wenn mit dem Einsetzen der späteren analen Stufe die
Beziehung zum Objekt sich entwickelt, tritt bekanntlich die Reaktions-
bildung des Mitleids stärker hervor. Die Zufriedenheit des Objektes wird
— wie ich früher hervorhob — aber auch zum Beweismittel für die eigene
Sicherheit, zum Schutz gegen innere und äußere Zerstörung, d i e
"Wiederherstellung des Objektes wird zur Voraussetzung für die
Unversehrtheit des eigenen Körper s. 41
Die Angst der frühen Gefahrsituationen steht meiner Auffassung nach in
enger Beziehung zur Entstehung des Zwanges und des Zwangssymptoms. Sie
beinhaltet vielfache Zerstörungen im Innern des Körpers, und die Wiedergut-
machung spielt sich deshalb auf dem gleichen Felde ab. Über das Innere des
Körpers (sowohl der Objekte wie auch des eigenen Körpers) gibt es aber keine
Sicherheit: es ist nicht möglich, zu ermitteln, inwieweit die Angst vor
inneren Zerstörungen und Angriffen begründet, noch auch, inwieweit durch die
Zwangshandlungen eine Wiedergutmachung tatsächlich erfolgt ist. Die hieraus
resultierende Unsicherheit, die sich mit der intensiven Angst verbindet
und diese steigert, und die Unmöglichkeit, sichere Kenntnis von den phantasierten
41) Meine Annahme, daß Reaktionsbildungen und Schuldgefühle auf einer sehr
frühen Stufe der Ichentwicklung — schon im zweiten Lebensjahre — auftreten, wird
durch einige Feststellungen Abrahams gestützt. Er schreibt: „Im Stadium des
Narzißmus mit kannibalischem Sexualziel tritt als erste nachweisbare Triebhemmung
die Angst auf. Die Überwindung des Kannibalismus ist eng verknüpft mit der Ent-
wicklung von Schuldgefühlen, sie treten als typische Hemmungserscheinungen auf der
dritten Stufe hervor." (Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido, S. 91.)
— ip?5 —
\
Zerstörungen zu erhalten, setzt sich in zwanghaften Wißtrieb um
Der phantastische, eine Überprüfung nicht ermöglichende Charakter der
Angst soll durch Überbetonung der Realität, durch Genauig-
keit usw. überwunden werden. Der aus dieser Unsicherheit resultierende Zweifel
wäre demnach nicht nur ein auslösendes Moment für den Zwangscharakter an
sich, sondern auch für den Antrieb zur Genauigkeit, Ordnung, zur bestimmten
Einhaltung der Regeln und Rituale usw. Einen weiteren, für den Charakter des
Zwanges bedeutungsvollen Faktor sehe ich in der Intensität und Viel-
fältigkeit der (verschiedenen Quellen entstammenden) Angst der
frühesten Gefahrsituationen. Die Intensität und Vielfältigkeit der Angst wirkt
sich als ebenso intensiver Antrieb zur Ingangsetzung der Abwehr-
mechanismen aus. Sie führt zum zwanghaften Säubern, zum Zusammen-
fügen (wo vorher beschmutzt, zerstört, zerrissen, zerschnitten wurde usw.), zur
zwanghaften Verschönerung und Wiederherstellung auf mannigfaltige (den Ein-
zelheiten und der Vielzahl der sadistischen Phantasien entsprechende) Weise.
Der Zwang, den der Zwangsneurotiker vielfach auch auf andere ausübt,
resultiert meines Erachtens aus mehrfachen Projektionen, i) Der Zwangs-
neurotiker sucht sich der Unerträglichkeit des Zwanges, unter dem er steht,
zu erwehren, indem er sich gegen das Objekt benimmt, als ob es das Es oder
Über-Ich wäre, und indem er den Zwang nach außen abdrängt. Hiebei wird
auch der primäre Sadismus durch Quälen und Bemeisterung des Objekts be-
friedigt. 2) Die Angst vor den seitens der verinnerlichten Objekte erwarteten
Zerstörungen und Angriffen, die den Zwang, die Imagines zu bemeistern und
zu beherrschen, auslöst (ein Zwang, der im eigentlichen Sinne nie befriedigt
werden kann), wendet sich gegen ä u ß er e Ob j ek t e.
Die I n t e n s i t ä t und die Quantität der Zwangshandlungen
— mithin die Schwere der Neurose — stünde meiner Auffassung nach im Ver-
hältnis zur Quantität und Qualität der durch die frühesten Gefahr-
situationen ausgelösten Angst. Diese Auffassung liefert auch einen Beitrag
zur Aufklärung der nahen Beziehung, die bekanntlich zwischen der Paranoia
und den schweren Formen der Zwangsneurose besteht. Nach Abraham
regrediert in der Paranoia die Libido zur früheren der beiden analsadistischen
Stufen. Nach meinen Feststellungen wäre diese Annahme dahin zu ergänzen,
daß bei starker Wirksamkeit der frühen Angstsituationen auf der früheren
analsadistischen Stufe paranoide Zustände in nuce durchlaufen werden, deren
Ql 42) n/, e ,m o m: Bemerkun S en «ber einen Fall von Zwangsneurose (Ges.
5cnr. Bd.VIII, S. 347): Der Zwang aber ist ein Versuch zur Kompensation des
Zweite s und zur Korrektur der unerträglichen Hemmungszustände, von denen der
Zweifel Zeugnis ablegt."
— 176 —
Überwindung in der ihr zunächst folgenden Phase, auf der späteren anal-
sadistischen Stufe, erfolgt. Je schwerer die in der Entwicklung voraus-
gehende paranoide Störung war, desto schwerer wird die
zwangsneurotische Erkrankung sein. Reichen die zu ihrer Über-
windung entwickelten zwangsneurotischen Mechanismen nicht aus, dann treten
hätffig die der Zwangsneurose zugrunde liegenden paranoiden Züge deutlich
hervor oder eine Paranoia bricht aus.
Wir wissen, daß die Unterdrückung der Zwangshandlungen Angst auslöst,
daß die Zwangshandlungen also der Angstbewältigung dienen. Wenn aber die
auf diese Weise bewältigte Angst die der frühesten Angstsituationen wäre, die
in der Angst vor vielfachen Zerstörungen des eigenen Körpers sowie der Objekte
gipfelt, so würde — scheint es mir — auch der tiefere Sinn vieler Zwangs-
handlungen deutlicher werden. Das zwanghafte Anhäufen sowohl wie das
zwanghafte Hergeben wird zum Beispiel verständlicher, wenn wir die für den
analen Austausch grundlegenden Ängste und Schuldgefühle besser kennenlernen.
Der Zwang, zu nehmen und zurückzugeben, findet in den Spiel-
analysen vielfachen Ausdruck. Er tritt zugleich mit Angst und Schuldgefühl
als Reaktion auf vorher dargestellte Raub- und Zerstörungs-
tendenzen auf. Der Inhalt einer Schachtel zum Beispiel geht teilweise oder
ganz in eine andere Schachtel über, wo er sorgsam geordnet (beim größeren
Kinde oft gezählt) und unter allen Zeichen der Angst verwahrt wird. Der
Inhalt ist verschieden: abgebrannte Streichhölzer, bei denen die Asche oft noch
verrieben wird, Papierausschnitte, Bleistifte, Bausteine, ein Stück Bindfaden usw.
Diese Dinge stellen den dem Mutterleib entnommenen Inhalt: Penis des Vaters,
Kinder, Stuhlstücke, Urin, Milch usw. dar. Das gleiche wird mit Notizblöcken
dargestellt, denen Seiten entnommen werden, um an einer anderen Stelle ver-
wahrt zu werden.
Wir sehen dann oft, daß infolge der einsetzenden Angst nicht nur das früher
(symbolisch dem Mutterleib) Entnommene wiedererstattet wird, sondern daß
der Zwang, zu geben, vielmehr zurückzugeben, damit nicht befriedigt ist. Immer
wieder und auf mannigfaltige Art wird das Zurückerstattete zwanghaft ergänzt,
wobei hinter den reaktiven Tendenzen immer wieder die primären sadistischen
durchbrechen.
Der fünfjährige stark neurotische John entwickelte in diesem Stadium der
Analyse einen Zählzwang, der allerdings als eine in diesem Alter überaus
häufige Erscheinung der Umgebung nicht weiter auffiel. Er bezeichnete auf
einem Blatt Papier die Lage der Männchen und anderer Gegenstände, die er
auf dieses Blatt gestellt hatte, um sie dann auf ein anderes Blatt zu stellen.
Er wollte aber nicht nur genau wissen, wo die Sachen gestanden hatten,
um sie nachher genau an die gleiche Stelle wieder zurück-
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 177 — I2
I
geben zu können, sondern durch immer wiederkehrendes Zählen suchte er
auch die Anzahl der von ihm (der Mutter) entnommenen und ihr
wieder zurückzuerstattenden Dinge (Stuhlstücke, Penis des Vaters
und Kinder) festzustellen. Dabei nannte er mich, dumm und schlecht
und fügte hinzu: „Man kann von zehn nicht dreizehn wegnehmen und von
zwei nicht sieben." Die Angst, mehr zurückgeben zu müssen
als man besitzt, ist beim Kinde typisch und erklärt sich unter anderem
aus dem Größenunterschied des Kindes im Vergleich zum Erwachsenen und dem
Ausmaße des Schuldgefühles. Das Kind hat das Gefühl, das dem — im Ver-
hältnis zu dem eigenen Körper riesigen — Leib der Mutter Entnommene aus
seinem kleinen Körper nicht mehr zurückgeben zu können. Der Druck des
Schuldgefühls, das ihm eine endlose, immer wiederholte Beraubung und Zer-
störung der Mutter beziehungsweise der Eltern vorwirft, verstärkt das Gefühl,
nie genug zurückgeben zu können. Das frühe Gefühl des „Nichtwissens"
trägt wesentlich zur Verstärkung der Angst bei. Ich komme hierauf
später zurück. Sehr häufig werden die Darstellungen des Zurückgebens dadurch
unterbrochen, daß das Kind auf die Toilette muß, um zu defäzieren. Ein anderer
meiner Patienten, auch ein fünfjähriger Knabe, mußte in diesem Stadium der
Analyse zeitweise vier- bis fünfmal während der Stunde auf die Toilette. Wenn
er zurückkam, zählte er zwanghaft und erbrachte sich durch hohe Zahlen den
Beweis, daß er genügend besitze, um das Geraubte zurückzuerstatten. Von
diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, fällt auf das analsadistische Anhäufen
von Besitztümern, das nur der Freude des Anhäufens zu entstammen scheint,
ein neues Licht. Ich habe auch in Analysen von Erwachsenen festgestellt, daß
der Wunsch, ein Kapital für alle Fälle bereit zu haben, sich als der Wunsch
nach der Sicherheit erwies, einem Angriff der beraubten — in einigen dieser
Fälle längst gestorbenen — Mutter gegenüber gerüstet und imstande zu sein,
ihr das Geraubte zurückgeben zu können. Andrerseits führt die Angst, des
eigenen Körperinhaltes beraubt zu werden, zu dem Zwange, sich immer mehr
zu verschaffen, sich „Reserven" anzulegen. Als ich zusammen mit John fest-
gestellt hatte, daß seine Angst, der Mutter den geraubten Stuhl und die Kinder
nicht mehr zurückgeben zu können, ihn zu immer neuem Zerschneiden und
Berauben nötigte, gab er mir noch weitere Gründe an, weshalb er nicht alles
zurückgeben könne: Der Stuhl sei nämlich inzwischen geschmolzen, er sei doch
in einemfort abgegangen, und auch wenn er immer wieder frischen mache,
könne er nun nicht mehr so viel herstellen; auch wisse er nicht, ob sein
Stuhl dann gut genug sein würde ... „Gut genug" bedeutete zunächst dem
der Mutter entnommenen Leibesinhalte gleichwertig (daher die Sorgfalt in
der Wahl der Farben und Formen in den der Wiedergutmachung dienenden Dar-
stellungen); im tiefsten Sinne aber bedeutete „gut genug" nicht-beschädi-
— 178 —
gend, giftfrei. 43 Andrerseits lag den häufigen Konstipationen Johns das
Bedürfnis zugrunde, den Stuhl in sich zu verwahren, ihn zu behalten, um nicht
selbst leer zu bleiben. Diese zahlreichen, einander widersprechenden Tendenzen
— von denen ich hier nur einige herausgreife — lösten schwere Angst aus.
Wenn die Angst, nicht das Richtige oder nicht genug hergeben, das Beschädigte
nicnt gutmachen zu können, sich verstärkte, setzten die primären, destruktiven
Tendenzen wieder mit voller Wucht ein. John zerriß, zerschnitt, verbrannte
dann die Gegenstände, die er aus reaktiven Tendenzen heraus angefertigt hatte,
die Schachtel, die er zusammengeklebt und gefüllt hatte, und die die wieder-
hergestellte Mutter bedeutete, oder das Papier, auf dem er gezeichnet hatte
(zum Beispiel einen Stadtplan), und konnte sich dann an Zerstören nicht genug
tun. Dabei offenbarte sich der ursprüngliche sadistische Sinn des Urinierens und
Defäzierens mit voller Deutlichkeit. Das Zerreißen, Zerschneiden, Verbrennen
von Papier wechselte mit Benässen durch Wasser und Beschmieren durch Asche,
Bleistifte usw. ab; all diese Handlungen dienten den gleichen destruktiven
Zwecken. Benässen und Beschmieren erwiesen sich als ein Aufweichen, Ertränken,
Vergiften; nasse, zusammengeballte Papierkugeln zum Beispiel stellten infolge
der Mischung von Urin und Stuhl besonders vergiftende Geschosse dar. Hiebei
trat deutlich hervor, daß der sadistische Sinn des Urinierens und Defäzierens die
tiefste Ursache des Schuldgefühls war und daß aus diesem die Antriebe zur
Wiedergutmachung resultierten, die in den zwangsneurotischen Mechanismen
einen Ausdruck fanden.
In der Tatsache, daß die Verstärkung der Angst zur Regression
auf die Abwehrmechanismen der früheren Stufen führt,
zeigt sich die verhängnisvolle Wirkung des den frühesten Stufen der Entwicklung
entstammenden überwältigenden Uber-Ichs. Der Druck dieses Über-Ichs erhöht
die sadistischen Fixierungen, er bringt die zwanghafte stetige Wiederholung der
ursprünglichen destruktiven Akte zustande. Die Angst, nicht gutmachen zu
können, löst wieder die tiefere Angst vor der Rache der in der Phantasie
getöteten und wiederkehrenden Objekte aus und setzt die Abwehrmechanismen
der früheren Stufen in Gang, denn das Objekt, das nicht besänftigt
und befriedigt werden kann, muß beseitigt werden. Mit diesem sinnlos
drohenden Uber-Ich kann das schwache Ich des Kindes zu keinem Ausgleich
gelangen; erst auf einer etwas vorgeschritteneren Stufe wirkt sich diese Angst
auch in Schuldgefühl aus und setzt die zwangsneurotischen Mechanismen in Gang.
Man stellt in diesem Stadium der Analyse mit Überraschung fest, daß das Kind
seinen sadistischen Phantasien nicht nur unter schwerstem Angstdruck folgt,
43) Ernest Jones weist in seiner Arbeit: Angst, Schuldgefühl und Haß (Int.Ztschr.
f. PsA., Bd. XVI, 1930) darauf hin, daß das Wort „innocent" von „nidit-beschädigend"
stamme, unschuldig, also das sei, das keinen Schaden anrichte.
l 79 ~
1
sondern auch daß die Angstbewältigung zur höchsten Lust geworden ist. Den
Wunsch nach Besitz überwiegt, sobald sich die Angst verstärkt hat, derjenige,
genug zu haben, um den Drohungen des Über-Ichs und der Objekte zu begegnen*.
Er wird zum "Wunsch, zurückgeben zu können. Dies erweist sich aber, wenn
Angst und Konflikte zu stark sind, als unerfüllbar, und wir sehen das schwer
neurotische Kind unter dem steten Zwang, zu nehmen, um zurück-
geben zu können. Alle Störungen der analen Funktionen und viele
körperliche Erkrankungen werden durch diesen Faktor psychisch mitdeterminiert.
In dem Maße, in dem die vehemente Angst sich vermindert, verlieren die
reaktiven Tendenzen an Vehemenz und Zwanghaftigkeit und gewinnen an
Stetigkeit. Wir können dann feststellen, daß die reaktiven Tendenzen leichter
und anhaltender zum Ausdruck kommen und seltener von den destruktiven
Tendenzen durchbrochen werden. Die Wiedergutmachung an den Objekten als
Bedingung der eigenen Wiederherstellung tritt dann immer stärker hervor. Die
destruktiven Tendenzen haben zwar nicht ihre Wirksamkeit eingestellt, haben
aber an Vehemenz verloren und sind dem Über-Ich gegenüber anpassungs-
fähiger geworden. Auch der zweite Teil der zweizeitigen Handlung in der
Zwangsneurose — die Reaktionsbildung — enthält Anteile der destruktiven
Triebregungen. Diese werden nun aber mehr vom Über-Ich und Ich gelenkt und
für Ziele freigegeben, die von diesen gebilligt werden.
Es besteht, wie wir wissen, ein enger Zusammenhang zwischen den Zwangs-
handlungen und der „Allmacht der Gedanken". Freud hebt hervor, 44 daß
die primären Zwangshandlungen der Wilden durchaus magischer Natur sind.
„Sie sind, wenn nicht Zauber, so doch Gegenzauber, zur Abwehr der Unheils-
erwartungen bestimmt, mit denen die Neurose zu beginnen pflegt." Ferner: 45
„Auch die Schutzformeln der Zwangsneurose finden ihr Gegenstück in den Zauber-
formeln der Magie. Die Entwicklungsgeschichte der Zwangshandlungen kann man
aber beschreiben, indem man hervorhebt, wie sie vom Sexuellen möglichst weit
entfernt, als Zauber gegen böse Wünsche beginnen, um als Ersatz für ver-
botenes sexuelles Tun, das sie möglichst getreu nachahmen, zu enden."
Aus diesen Ausführungen Freuds geht deutlich hervor, daß die Zwangs-
handlungen Gegenzauber sind, böse Wünsche (d. h. Todes-
wünsche), 46 und daß sie zugleich sexuelle Handlungen abwehren.
Diese drei Momente, die sich zur Abwehr vereinigen, müssen auch bei den
Handlungen und Phantasien wirksam gewesen sein, die das Schuldgefühl und
44) Freud: Totem und Tabu (Ges. Sehr., Bd. X, S. 108).
45) Freud: Totem und Tabu (Ges. Sehr., Bd. X, S. 108).
46) Freud schreibt (ebenda, S. 107) vom Zwangsneurotiker: „Doch ist sein Schuld-
gefühl begründet; es fußt auf den intensiven und häufigen Todeswünschen, die sich in
ihm unbewußt gegen seine Mitmenschen regen."
— 180 —
damit die Abwehrhandlungen auslösten. Ich sehe diese Vereinigung von Zauber,
bösen Wünschen und sexuellem Tun in einer Situation gegeben, die ich im
vorigen Kapitel ausführlich beschrieb: in der Masturbation des ganz kleinen
Kindes.
Ich wies darauf hin, daß die mit dem Beginn des Ödipuskonfliktes einher-
geljenden Masturbationsphantasien ebenso wie der Ödipuskonflikt
selbst unter der vollen Herrschaft der sadistischen Triebregungen stehen,
um den Koitus der Eltern zentrieren, sadistische Angriffe
gegen diese beinhalten und so zu einer der tiefsten Quellen des Schuldgefühls
werden. Ich kam zum Ergebnis, daß es die aus den destruktiven Regungen gegen
die Eltern resultierenden Schuldgefühle sind, die die Masturbation und die
Sexualität im allgemeinen zu bösem und verbotenem Tun stempeln, die Schuld-
gefühle also nicht den libidinösen und inzestuösen, sondern den destruktiven
Triebregungen gelten. 47 Das Entwicklungsstadium, in das meiner Auffassung nach
der Beginn des Ödipuskonfliktes und die mit diesem einhergehenden sadisti-
schen Masturbationsphantasien fallen, ist das Stadium des Narzißmus, mit dem
wir nach F reu d: 48 die „ Hochschätzung der psychischen Aktionen — die wir
von unserem Standpunkt aus eine Überschätzung heißen ..." — in Verbindung
bringen können. Aus der Allmacht der Blasen- und Darmfunktion und der an
diese anschließenden Allmacht der Gedanken, 49 die für dieses Entwicklungs-
stadium charakteristisch ist, folgt, daß das Kind sich an den vielfältigen, in der
Phantasie gegen die Eltern ausgeführten Angriffen schuldig fühlt. In dem Über-
maß der auf diese Weise aus der exkrementeilen Allmacht und der Allmacht der
Gedanken resultierenden Schuldgefühle sehe ich aber eine Ursache zur Bei-
behaltung der ursprünglichen Allmachtsgefühle (beziehungsweise Regression auf
diese), die wir beim Neurotiker und beim Primitiven antreffen. Wenn das
Schuldgefühl die Abwehr in Form von Zwangshandlungen auslöst, wird das
Allmachtsgefühl in den Dienst der Wiedergutmachung gestellt. Es muß nun aber
47) In Kap. I wies ich auf die Obereinstimmung hin, die zwischen dieser Auffassung
und einigen von Freud in „Das Unbehagen in der Kultur" niedergelegten Ergebnissen
besteht. Er schreibt dort: „Dann aber ist es doch nur die Aggression, die sich in Schuld-
gefühl umwandelt, indem sie unterdrückt und dem Über- Ich zugeschoben wird. Ich bin
überzeugt, wir werden die Vorgänge einfacher und durchsichtiger darstellen können, wenn
wir den Fund der Psychoanalyse zur Ableitung des Schuldgefühls auf die aggressiven
Triebe einschränken." Ferner:... „Nun liegt es nahe, den Satz zu formulieren: Wenn
eine Triebregung der Verdrängung unterliegt, so werden ihre libidinösen Anteile in
Symptome, ihre aggressiven Komponenten in Schuldgefühl umgesetzt."
48) Freud: Totem und Tabu (Ges. Sehr., Bd. X, S. 106).
49) Siehe Freud: Totem und Tabu (Ges. Sehr., Bd. X, S. 106). F e r e n c z i wies auf
den Zusammenhang zwischen den analen Funktionen und der Allmacht der Worte und
Gebärden hin (Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. I, 1913).
Siehe auch Abraham: Zur narzißtischen Bewertung der Exkretions Vorgänge in Traum
und Neurose (Klinische Beiträge zur Psychoanalyse. Int. PsA. Verl. 1921).
— 181 —
in zwanghafter und übermäßiger Weise aufrechterhalten werden, da auch die
Wiedergutmachung ebenso wie ursprünglich die Zerstörung auf der „Allmacht"
beruht.
Freud schreibt: 50 „Ob diese ersten Zwangs- oder Schutzhandlungen dem
Prinzip der Ähnlichkeit respektive des Kontrastes folgen, ist schwer zu beurteilen,
denn sie werden unter den Bedingungen der Neurose gewöhnlich durch die Ver-
schiebung auf irgendein Kleinstes, eine an sich höchst geringfügige Aktion ent-
stellt." — Die Frühanalyse erbringt unzweideutige Beweise dafür, daß die Mecha-
nismen der Wiedergutmachung in Quantität, Qualität und in allen Einzelheiten
letzten Endes vollkommen auf dem Prinzip der Ähnlichkeit beziehungsweise des
Kontrastes beruhten. Ein sehr starkes primäres, mit den sadistischen Phantasien
verknüpftes Allmachtsgefühl, das bestehen bliebe, würde demzufolge auch einen
sehr starken Glauben an eine konstruktive Allmacht erforderlich machen, die im
Dienste der Wiedergutmachung stünde.
In den Analysen von Kindern und Erwachsenen läßt sich feststellen, wie
wesentlich dieses Moment an der Entwicklung und Hemmung konstruktiver und
reaktiver Handlungen beteiligt ist. Das Gefühl der Allmacht in Hinsicht auf die
Wiedergutmachung ist nämlich keineswegs dem mit der Zerstörung verknüpften
Allmachtsgefühl adäquat. Die Reaktionsbildungen setzen ja auf einer Stufe der
Ichentwicklung und Objektbeziehung ein, die eine sehr viel weiter vorgeschrittene
Realitätsbeziehung voraussetzt. Demzufolge wird in den Fällen, in denen ein
überstarkes Gefühl der Allmacht zur Voraussetzung der Wiedergutmachung wird,
der Glaube an die Möglichkeit der Wiedergutmachung von vornherein behindert
sein. 61
In einigen Analysen fand ich, daß die hemmende Wirkung, die sich aus der
Inkongruenz zwischen den mit der Zerstörung und den mit der Wiedergutmachung
verknüpften Allmachtsgefühlen ergab, sich noch durch ein spezielles Moment ver-
stärkt hatte. Bei einem sehr starken primären Sadismus und Allmachtsgefühl lagen
auch ungewöhnlich starke reaktive Tendenzen vor. Die Wiedergutmachungs-
tendenzen basierten auf ungewöhnlich starken Größenphantasien. Die Zerstörung
war in der Phantasie des Kindes eine ungeheuerliche, einzigartige gewesen — auch
die Wiedergutmachung mußte deshalb aus ganz außerordentlichen, aus weltbewe-
genden Leistungen bestehen. War schon diese Voraussetzung (obwohl bei zweien
dieser Fälle tatsächlich ungewöhnliche künstlerisch-produktive Begabungen vor-
50) Freud: Totem und Tabu. Ebenda, S. 108.
51) M. N. Searl wies in einer Diskussionsbemerkung (in einer Sitzung der British
Psycho-Analytical Society) darauf hin, daß die Wiedergutmachungstendenzen des Kindes
auch dadurch behindert werden, daß es schon sehr früh reale Beweise dafür erhält, daß es
zwar leicht Dinge zerstören, aber sehr schwer sie wiederherstellen kann. Es scheint mir,
daß reale Beweise dieser Art die Zweifel des Kindes hinsichtlich seiner konstruktiven
Allmacht verstärken müssen.
_
lagen) ein starkes Hemmnis für die Ausführung der konstruktiven Tendenzen,
so ergab sich noch eine sehr wesentliche Verstärkung der Hemmung aus folgendem
Moment: neben den Größenphantasien bestanden überaus starke Zweifel hin-
sichtlich der für die Wiedergutmachung erforderlichen Allmacht. Daraus ging das
Bestreben hervor, auch die bei der Zerstörung betätigte Allmacht zu negieren.
Jedes Anzeichen der im positiven Sinne geübten Allmacht wäre aber auch ein
Beweis für die negativ betätigte Allmacht gewesen und mußte deshalb so lange
vermieden werden, als sich nicht der volle Beweis für eine der destruk-
tiven Allmacht völlig adäquate konstruktive Allmacht er-
bringen ließ. Die aus diesen einander widersprechenden Tendenzen sich ergebende
Forderung des „Alles oder Nichts" führte bei den beiden erwähnten erwachsenen
Patienten zu schweren Arbeitshemmungen, während sie in einigen Kinderfällen
mitdeterminierend für die starke Hemmung von Sublimierungen war.
Der hier beschriebene Mechanismus scheint indessen kein Charakteristikum
der Zwangsneurose zu sein. Das Krankheitsbild der Patienten, bei denen ich ihn
beobachtet habe, entsprach keiner Zwangsneurose, sondern Mischformen.
Der in der Zwangsneurose so stark wirksame Mechanismus der „Verschiebung
auf ein Kleinstes" ermöglicht es dem Zwangsneurotiker, in geringfügigen Hand-
lungen den Beweis für seine konstruktive Allmacht und Fähigkeit zur völligen
Wiederherstellung zu suchen. Es zeigt sich also, daß der Zweifel an der
eigenen konstruktiven Allmacht 52 ein wesentlicher Antrieb
für die zwanghafte Wiederholung der Handlungen ist.
Die enge Verbindung zwischen Wißtrieb und Sadismus ist wohl bekannt.
Freud schreibt: 53 „Besonders vom Wißtrieb gewinnt man häufig den Eindruck,
als ob er im Mechanismus der Zwangsneurose den Sadismus geradezu ersetzen
könnte." Die Verbindung von Wißtrieb und Sadismus erfolgt nach meinen Er-
fahrungen auf einer ganz frühen Stufe der Ichentwicklung, sie fällt in die Phase
der Höchstblüte des Sadismus. Der Wißtrieb wird durch den einsetzenden Ödipus-
konflikt aktiviert und stellt sich zuerst in den Dienst der oralsadistischen Trieb-
regungen. 54 Mein Material hat mir gezeigt, daß das erste Objekt des
Wißtriebes der Mutterleib ist, der zuerst als Objekt der oralen
Befriedigung und bald auch als Schauplatz des elterlichen Koitus empfunden wird
und in der Phantasie die Kinder und den väterlichen Penis enthält. Zugleich
mit dem Antrieb, in den Leib der Mutter einzudringen, um sich dessen Inhalt
52) Freud schreibt über den Zweifel: „Er ist eigentlich ein Zweifel an der Liebe . . ."
und „Wer an seiner Liebe zweifelt, darf, muß doch auch an allem andern, Geringeren
zweifeln?" (Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose. Ges. Sehr., Bd. VIII,
S. 345.)
73) Freud: Die Disposition zur Zwangsneurose (Ges. Sehr., Bd. V).
54) Siehe Abraham: Psychoanalytische Studien zur Charakterbildung (S. 49).
- i83 -
anzueignen (zu zerstören), entsteht der Wunsch, zu wissen, was dort vorgeht und
wie es dort aussieht. Hiebei wird das Bedürfnis, zu wissen, was sich im Mutterleib
befindet, dem Wunsche, auf zerstörende Art dort einzudringen, vielfach gleich-
gesetzt, wobei die eine Begierde die andere verstärkt oder auch ersetzt. Auf diese
Weise geht der Wißtrieb an seiner Quelle eine Verbindung mit dem in
seiner Höchstblüte stehenden Sadismus ein, der die Innigkeit dieser Ver-
bindung und auch die durch den Wißt rieb ausgelösten Schuldgefühle
verständlicher erscheinen läßt.
Wir sehen das kleine, intellektuell noch völlig ungerüstete Kind einem über-
wältigenden Ansturm von Fragen und Problemen ausgesetzt. Ein typischer, ins-
besondere der Mutter geltender Vorwurf ist der, daß sie diese Fragen nicht
beantwortet, die Wißbegierde ebenso wie die orale Begierde nicht befriedigt hat.
Dieser Vorwurf spielt eine bedeutsame Rolle für die Entwicklung des Charakters
wie auch für die des Wißtriebes. Wie weit diese Anklage zeitlich zurückreicht, geht
daraus hervor, daß wir sie regelmäßig auch mit einem anderen Vorwurf ver-
bunden finden, dem nämlich, daß das Kind die Worte, die Sprache der Er-
wachsenen nicht verstand. Diese Anklage reicht also hinter die Grenze
der Sprachfähigkeit zurück. Außerordentliche Affekte hängen an diesen
beiden, einzeln oder miteinander verbunden auftretenden Vorwürfen. In solchen
Stadien pflegen die Kinder — und zwar tat dies auch schon meine zweiunddrei-
vierteljährige Patientin Rita 55 — in unverständlicher Weise zu sprechen (wobei sie
Wutreaktionen produzieren). Das Kind vermag diese Fragen ja nicht in Worte
zu fassen und könnte ihre Beantwortung durch Worte auch nicht verstehen. Sie
scheinen aber auch zum Teil überhaupt niemals bewußt gewesen zu sein. Ich
sehe in diesen, auf den frühesten Stufen der Ichentwicklung einsetzenden,
zur Unbefriedigung verurteilten Regungen des Wißtriebes die
tiefste Quelle von schweren Störungen des Wi ß t r ieb es. 56
Sind es demnach die sadistischen, gegen den Mutterleib gerichteten
Triebregungen, die den Wißtrieb aktivieren, so ergibt sich durch die
sehr bald als Reaktion auf diese Triebregungen ausgelöste Angst ein weiterer
und sehr bedeutungsvoller Anstoß zur Intensivierung und Steigerung
des Wiß trieb es. Der Drang, zu erfahren, was im Innern des mütterlichen
und des eigenen Körpers vorgeht, verstärkt sich infolge der Angst vor den im
Mutterleib phantasierten Gefahren und der Angst vor den introjizierten gefähr-
lichen Objekten und Vorgängen im eigenen Körper. Das Wissen steht nun
im Dienste der Angstbewältigung. Hieraus ergibt sich ein An-
$$) Siehe Kap. II.
56) Auch der Haß gegen Anderssprachige, die Schwierigkeit des Erlernens fremder
Sprachen usw. scheint mir auf diese frühesten Kränkungen des Wißtriebes zurückzugehen.
— 184 —
trieb, sich Kenntnisse zu erwerben, der sowohl für die Entwicklung wie auch für
die Hemmung des Wißtriebes bedeutungsvoll ist. Denn ebenso wie für die Ent-
wicklung der Libido wirkt sich auch für die Entwicklung des Wißtriebes die
Angst als ein entwicklungsförderndes und hemmendes Moment aus. Ich habe in
diesem Buche an Hand von Material einige Fälle von schweren Störungen
de^s Wißtriebes besprochen. 57 In diesen Fällen war die Angst, die als
ungeheuerlich phantasierte Zerstörung des Mutterleibes und die sich
aus dieser ergebenden Gegenangriffe, Gefahren usw. zur Kenntnis zu
nehmen, so übermäßig, daß sie die Grundlage für schwere allgemeine
Störungen des Wißtriebes wurde. Der ursprünglich überaus intensive und unbe-
friedigt gebliebene Antrieb, sich Wissen über die Anzahl, Beschaffenheit, Größe
der von der Mutter einverleibten väterlichen Penisse, der Exkremente, Kinder
usw. zu verschaffen, hatte sich in den Zwang, zu messen, zu rechnen, zu zählen
usw., umgesetzt.
In dem Maße, in dem die libidinösen Regungen sich immer
stärker durchsetzen, die destruktiven sich abschwächen, gehen fort-
gesetzt qualitative Veränderungen des Über-Ichs vor sich —
seine Wirksamkeit macht sich dem Ich nun vorwiegend in Form von Mahnungen
fühlbar. Wenn sich die Angst vermindert, verlieren die Mechanismen, die der
Wiedergutmachung dienen, an Zwanghaftigkeit und können erfolgreicher, stetiger
und befriedigender arbeiten. Dann treten auch die der genitalen Stufe ent-
sprechenden Reaktionen stärker hervor.
Die genitale Stufe wäre demnach dadurch charakterisiert, daß in der
Wechselwirkung von Projektion und Introjektion, von
Über-Ich-Bildung und Objektbeziehung, von der die gesamte
frühe Entwicklung beherrscht wird, das positive Element zur Vor-
herrschaft gelangt ist.
ZEHNTES KAPITEL
Die Bedeutung früner Angstsituationen
für die Ichentwicklung
Die Angst und ihre Verarbeitung stellen ein zentrales Problem der Psycho-
analyse dar. Die verschiedenen psychoneurotischen Erkrankungen können als mehr
oder minder mißglückte Versuche der Angstbewältigung aufgefaßt werden. Neben
diesen als pathologisch zu bezeichnenden Verarbeitungen besteht eine Reihe von
normalen Verarbeitungen der Angst, denen eine überragende Bedeutung für die
Ichentwicklung zukommt. Auf einige normale Wege der Angst-
bewältigung will ich in diesem Kapitel eingehen.
In den Anfängen seiner Entwicklung gerät das Ich unter den Druck der
frühen A n g s t s i t u a t i o n en. Das schwache Ich, zwischen die Ansprüche
eines so heftig drängenden Es und die Drohungen eines grausamen Ober-Ich
gestellt, muß seine Kräfte zum Höchstmaße anspannen, um
beiden gerecht zu werden. Wenn Freud das Ich als „armes Ding" bezeichnet,
„. .., welches unter dreierlei Dienstbarkeiten steht und demzufolge unter den
Drohungen von dreierlei Gefahren leidet", 1 so gilt das besonders für das
schwache, unentwickelte Ich des ganz kleinen Kindes. Die Bewältigung des Angst-
druckes wird zum vornehmsten Ziel des Ichs. 2
Schon das ganz kleine Kind trachtet unlustvolle Erlebnisse durch das Kinder-
spiel zu bewältigen, wie uns Freud am Spiel eines anderthalbjährigen Knaben
gezeigt hat. 3 Indem das Kind immer wieder eine an einen Faden befestigte Spule
wegwarf — sie verschwinden machte — und sie wieder erscheinen ließ, ver-
suchte es ein unlustvolles Erlebnis (die zeitweilige Abwesenheit der Mutter)
psychisch zu bewältigen. Freud erkannte hierin eine generelle Funktion des
Kinderspiels. Durch das Spiel werden Erlebnisse, die passiv erlebt wurden, in
aktive Erlebnisse verwandelt, ferner wird Unlust dadurch in Lust umgesetzt, daß
das ursprünglich unlustvolle Erlebnis zu einem guten Ende gebracht wird.
Die Frühanalyse zeigt, daß die durch das Kinderspiel bewirkte B e-
wältigung der unlustvollen Realität zugleich auch der Bewälti-
gung von Triebangst und von inneren Gefahren dient, die in
die Außenwelt projiziert werden. 4
Das Bestreben des Ichs, intrapsychische Prozesse in die Außenwelt zu ver-
legen und dort zum Ablauf zu bringen, sc heint auch mit einer anderen Funktion
i) Freud: Das Ich und das Es (Ges. Sehr., Bd. VI, S. 402).
2) In besonderen Fällen kann die Vehemenz dieses Druckes die Ichentwicklung ganz
zum Stillstand bringen. Aber auch in weniger abnormen Fällen erweist sich dieser Angst-
druck nicht nur als ein die Idientwickhmg förderndes, sondern auch als ein sie hem-
mendes Moment. Hiebei entscheidet - wie bei allen Entwicklungsvorgängen - ein
gewisses Optimum der zusammenwirkenden Faktoren. (Vgl. meine Arbeit: Die Be-
deutung der Symbolbildung für die Ichentwicklung. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 19,0)
3) Freud: Jenseits des Lustprinzips (Ges. Sehr., Bd. VI, S 200)
4) über die Herkunft der Projektion schreibt F r e u d als über „. . . eine Richtung des
Verhaltens gegen solche innere Erregungen, welche allzu große Unlustvermehrung herbei-
führen. Es wird sich die Neigung ergeben, sie so zu behandeln, als ob sie nicht von innen,
sondern von außen her einwirkten, um die Abwehrmittel des Reizschutzes gegen sie
in Anwendung bringen zu können Dies ist die Herkunft der Projektion, der eine so große
Kolle bei der Verursachung pathologischer Prozesse vorbehalten ist." (Jenseits des Lust-
pnnzips. Ges. Sehr., Bd. VI, S. 217.)
- 186 -
1
des seelischen Apparates zusammenzuhängen, die Freud in den Träumen von
Unfallsneurotikern aufgedeckt hat. 5
Die Verlegung von Triebgefahren und inneren Gefahren in die Außenwelt
ermöglicht nicht nur eine bessere Bewältigung der Angst, sondern auch eine vollere
Bereitschaft auf diese. 6 Die im Kinderspiel immer wieder versuchte Bewältigung
von Angstsituationen scheint mir auch „die Reizbewältigung unter Angstentwick-
lung" einzuschließen. 7 Die Verlegung von Angst, die aus intrapsychischen Ursachen
entstanden ist, in die Außenwelt (diese Verlegung geht mit der Abdrängung des
Destruktionstriebes nach außen einher) erhöht auch die Bedeutung des Objektes,
denn am Objekt (respektive an dessen Ersatz) werden die destruktiven
Triebregungen, zugleich aber auch die positiven und reaktivenTendenzen
betätigt. Das Objekt wird so zur Gefahrenquelle, aber insoweit es sich als
gütig erweist, wird es auch zum Rückhalt gegen die Angst.
Freud deutete das Wegwerfen der Spule auch als einen Ausdruck der
sadistischen und Racheimpulse des Kindes gegen die Mutter, die es verlassen
hatte. 8 Das Wiedererscheinenlassen der Spule, das die Wiederkehr der Mutter
ausdrückte, scheint mir aber auch die magische Wiederherstellung 8 der
im ersten Teil des Spieles zerstörten (weggeworfenen = .getöteten) Mutter
einzuschließen.
Außer der Erleichterung, die die Projektion dadurch gewährt, daß sie es
ermöglicht, innere Triebreize wie äußere zu behandeln, bietet die Verlegung von
Angst vor inneren Gefahren in die Außenwelt auch andere Vorteile. Der Wiß-
trieb, der zugleich mit dem Sadismus sich auf das Innere des Mutterleibes richtet,
wird durch die Angst vor den im Mutterleib und im eigenen Leib vor sich
gehenden unkontrollierbaren Zerstörungen und Gefahren gesteigert. Reale Ge-
fahren können auch aus dem Grunde besser bewältigt werden, weil man ihr Wesen
deutlicher erkennen und den Erfolg der gegen sie angewendeten Maßnahmen
überprüfen kann. Aus diesem Bedürfnis nach Realitätsprüfungen ergeben sich
5) Freud schreibt: „Diese Träume suchen die Reizbewältigung unter Angstentwick-
lung nachzuholen, deren Unterlassung die Ursache der traumatischen Neurose geworden
ist. Sie geben uns so einen Ausblick auf eine Funktion des seelischen Apparats, welche,
ohne dem Lustprinzip zu widersprechen, doch unabhängig von ihm ist und ursprünglicher
scheint als die Absicht des Lustgewinns und der Unlustvermeidung." (Jenseits des Lust-
prinzips. Ges. Sehr., Bd. VI, S. 220.)
6) Ich habe in den vorhergehenden zwei Kapiteln darauf hingewiesen, daß das Ich
auf den frühesten Stufen der Entwicklung die Triebangst und Angst vor verinnerlichten
Objekten nicht genügend ertragen kann und sich ihrer zum Teil durch Skotomisation
und Negierung der psychischen Realität erwehrt.
7) Über die nahe Beziehung zwischen Traum und Kinderspiel siehe Kap. I und meine
Arbeit: Die Rollenbildung im Kinderspiel (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XV, 1929).
8) Freud: Jenseits des Lustprinzips (Ges. Sehr., Bd. VI, S. 200 — 202).
9) Ich habe in Kap. IX darauf hingewiesen, daß das Schuldgefühl schon einen An-
trieb für die frühesten Aktivitäten und Sublimierungen bildet.
— 187 —
1
starke Antriebe für die Entwicklung des Wißtriebes und aller Aktivitäten. D i e
Aktivitäten, die der Abwehr von Gefahren, dem' Beweis
gegen Angstinhalte, der Wiedergutmachung am Objekt
dienen, stehen ebenso wie die frühen Äußerungen des
Spieltriebs im Dienste der Aufgabe, mit der Realangn
zugleich auch die Angst vor inneren Gefahren zu be-
wältigen.
Infolge der Wechselwirkung von Projektion und Introjektion, die der Wechsel-
wirkung von Über-Ich-Bildung und Objektbeziehung entspricht, 10 erbringt sich
das Kind in der Realität Beweise gegen die Angstinhalte,
mildert aber auch zugleich die Angst durch die Introjektion der realen guten
Objekte. Da die Liebe und Anwesenheit des realen Objektes auch dem Zwecke
dient, die Angst vor den introjizierten Objekten und das Schuldgefühl zu ver-
mindern, so ergibt sich aus der Angst vor inneren Gefahren ein Moment, das
die Fixierung des kleinen Kindes an die Mutter verstärkt und seine Liebes- und
Hilfsbedürftigkeit wesentlich steigert. Freud führt aus, daß die uns verständ-
lichen Fälle der kindlichen Angstäußerungen sich auf eine einzige Bedingung
reduzieren lassen: „Das Vermissen der geliebten (ersehnten) Person." 11 Er führt
diese Angst auf das Stadium zurück, in dem das noch unentwickelte Wesen in
so hohem Maße der Mutter bedurfte. Das Vermissen der geliebten (ersehnten)
Person, den L i e b es v er lu s t, den Ob j ek t v e r 1 u s t als Gefahr, auch
die Angst, im Dunkeln allein oder mit einer fremden Person zu bleiben, lernte
ich als modifizierte Auswirkungen der frühesten Angst-
situationen, nämlich der Angst vor gefährlichen verinner-
lichten und äußeren Objekten kennen. Zu dieser frühesten Angst
tritt auf einer etwas späteren Entwicklungsstufe auch die Sorge um das
Objekt selbst. Das Kind empfindet nun Angst vor dem Tod der Mutter
infolge der in der Phantasie auf sie verübten Angriffe und fürchtet außerdem,
in seiner Hilflosigkeit sich selbst überlassen zu bleiben. Freud schreibt: 12
„Er" (der Säugling) „kann das zeitweilige Vermissen und den dauernden Verlust
noch nicht unterscheiden; wenn er die Mutter das eine Mal nicht zu Gesicht
bekommen hat, benimmt er sich so, als ob er sie nicht wiedersehen sollte, und es
bedarf wiederholter tröstlicher Erfahrungen, bis er gelernt hat, daß auf ein
solches Verschwinden der Mutter ihr Wiedererscheinen zu folgen pflegt." 13
10) Siehe Kap. IX.
n) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S 77)
12) Freud: Ebenda, S. 113.
,. l p.J m di A esen Erfahrungen läßt sich aber das Kind nur dann überzeugen, wenn
die frühesten Angwsituattonen nicht dominieren und die Beziehung zum realen Objekt
bei der Uber-Ich-Bildung sich genügend durchsetzt. Das kleine Kind empfindet unter
- 188 -
Nach meinen Erfahrungen soll die Mutter immer wieder durch ihre Anwesen-
heit beweisen, daß sie nicht die „böse", angreifende Mutter ist. Das reale
Objekt soll die Angst vor den introjizierten, furchterregenden Objekten,
vor dem Ober-Ich entkräften. Außerdem soll die Anwesenheit der Mutter
auch dem Beweis dienen, daß sie nicht tot ist.
<In dem Maße, in dem die Realitätsbeziehung fortschreitet, wird die Beziehung
zu den Objekten, werden Aktivitäten und Sublimierungen immer mehr zum
Rückhalt gegen die Angst vor dem Ober-Ich und den destruktiven Triebregungen.
Ich ging davon aus, daß die Angst die Ichentwicklung stimuliert. Das Ich
trachtet die Angst mit Hilfe der Beziehung zu den
Objekten und zur Realität zu bewältigen, und dieses Be-
streben wird grundlegend für die I c h e n t w i c k 1 u n g und die Realitäts-
anpassung.
Das Über-Ich und das Objekt sind nicht identisch. Das kleine Kind bemüht
sich aber immer wieder, sie für einander einzusetzen. Es tut dies, teils um seine
Angst vor dem Über-Ich zu vermindern, teils um den Anforderungen der realen
Objekte, die sich nicht mit den phantastischen Geboten der introjizierten Objekte
decken, besser entsprechen zu können. Das Ich des kleinen Kindes wird also
sowohl durch den Konflikt zwischen Über-Ich und Es belastet als auch durch die
Gegensätzlichkeit der verschiedenen Forderungen des Über-Ichs (das sich aus ver-
schiedenartigen, im Laufe der Entwicklung gebildeten Imagines zusammensetzt)
sowie durch die Differenz zwischen den Forderungen des Über-Ichs und denen
der realen Objekte. Dies führt dazu, daß das frühkindliche Ich zwischen den
introjizierten und realen Objekten, zwischen Phantasiewelt und Realität hin
und her pendelt.
Der angestrebte Ausgleich zwischen Über-Ich und Es gelingt in der frühen
Kindheit noch nicht, weil das Drängen des Es und die korrespondierende Strenge
dem Druck der frühen Angstsituationen die zeitweilige Abwesenheit der Mutter als
eine dauernde. Wiederholt konnte ich aber auch in Analysen von größeren Kindern fest-
stellen, daß jede Abwesenheit der Mutter die frühesten Angstsituationen aktivierte.
Ich habe in meiner Arbeit: Die Rollenbildung im Kinderspiel (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XV,
1929) von einem sechsjährigen Knaben berichtet, der mir die Rolle einer „Feenmutter"
zuschob, die ihn gegen die „bösen" vereinigten Eltern schützen und diese töten sollte.
Er ließ mich wiederholt den unmittelbaren Wechsel zwischen der „Feenmutter" und der
„bösen Mutter" darstellen. Als Feenmutter hatte ich die durch ein großes wildes Tier
(die vereinigten bösen Eltern) ihm beigebrachten tödlichen Wunden zu heilen. Im
nächsten Augenblick aber sollte ich mich entfernen, als „böse" Mutter wieder kommen
und ihn angreifen. Er sagte dabei: „man weiß nie, wenn die Feenmutter aus dem Zimmer
geht, ob sie nicht gleich als böse Mutter wiederkommt." Dieser Knabe, bei dem von
frühauf eine ungewöhnliche Fixierung an die Mutter bestanden hatte, meinte auch
dauernd, daß den Eltern und Geschwistern etwas zugestoßen sei. Es ergab sich, daß,
selbst wenn er die Mutter eben noch gesehen hatte, dies keine Gewähr dafür bot, daß
sie nicht inzwischen gestorben sei.
— 189 —
des Über-Ichs alle Kräfte des Ichs in Anspruch nehmen. Wenn mit dem Einsetze
des Latenzalters Libidoentwicklung und Über-Ich-Bildung ihren Abschluß
finden, erstarkt das Ich und kann die Herstellung eines Ausgleichs zwischen den
verschiedenen Faktoren auf einer breiteren Basis in Angriff nehmen Das
erstarkte Ich einigt sich mit dem Über-Ich auf eine gemeinsame
Zielsetzung, die vor allem die Unterwerfung und Anpassung des
Es an die Forderungen der Objekte und an die Realität
beinhaltet. Das Ichideal des Kindes in dieser Entwicklungsperiode ist das brave
Kind, das Eltern und Lehrer zufriedenstellt.
Diese Stabilisierung wird in der Vorpubertät, besonders aber in der
i übertat erschüttert. Der einsetzende Libidoschub führt zu verstärkten
Forderungen des Es. Zugleich erhöht sich der Druck des Über-Ichs. Das Ich
gerat wieder in schwerste Bedrängnis und sieht sich vor die Notwendigkeit
gestellt, einen neuen Ausgleich herbeizuführen. Der alte hat versagt, die
Triebkräfte können nicht mehr in der gleichen Weise niedergehalten und ein-
geschränkt werden. Die Angst verstärkt sich dadurch, daß ein Triebdurchbruch
nun auch real leichter möglich und folgenschwerer ist als im frühen Kindesalter
Es kommt im Einverständnis mit dem Über-Ich zu einer neuen Zielsetzung des
Ichs. Die Ablösung von den alten Liebesobjekten wird nötig.
Wir sehen den Jugendlichen vielfach im Gegensatz zu seiner Umgebung und auf
der Suche nach neuen Objekten. Diese Forderung steht nun auch wieder in einem
gewissen Einklang mit der Realität, die in diesem Alter erhöhte und veränderte
Aufgaben stellt. Die Flucht vor den alten Objekten führt im weiteren Verlauf
der Entwicklung auch zu einer teilweisen Ablösung von persönlichen
Objekten überhaupt und setzt Prinzipien und Ideale an deren
Stelle.
Die endgültige Stabilisierung erfolgt erst nach dem Abschluß
der Pubertät, wenn Ich und Über-Ich sich auf die Zielsetzungen des
Erwachsenen einigen können. An Stelle der Abhängigkeit von der Um-
gebung tritt die Anpassung an eine erweiterte Umwelt. Die An-
forderungen der neuen Realität werden zwar anerkannt, aber als eigene, innere
Forderungen aufgestellt. Mit der gelungenen Ablösung von den ursprünglichen
Objekten geht auch die größere Unabhängigkeit von den Objekten im allge-
meinen einher. Dieser Ausgleich basiert auf der Anerkennung einer neuen Realität
und kommt mit Hilfe eines erstarkten Ichs zustande. Andrerseits trägt - analog
der ersten Blütezeit der Sexualität - der von der gefahrdrohenden Situation
zwischen den übermäßigen Forderungen des Es und des Über-Ichs ausgehende
Druck wieder wesentlich zur Erstarkung des Ichs bei.
Den hemmenden Einfluß dieses Druckes erkennen wir in der mit dem Abschluß
der Pubertät einsetzenden, neuerlichen und in den meisten Fällen endgültigen
— 190 —
Einschränkung der Persönlichkeit. Der Phantasieaufschwung, der — wenn auch
meist schwächer als in der ersten Kindheitsperiode — in dieser zweiten Blüte
der Sexualität wieder einsetzt, ist nach ihrem Abschluß in der überwiegenden
ZahJ der Fälle wieder stark eingeschränkt. "Wir haben den „normalen" Er-
wachsenen vor uns.
Greifen wir aus dieser Zusammenfassung einen wesentlichen Punkt heraus.
Wir sehen, daß Über-Ich und Es sich im frühen Kindesalter noch nicht zu
einigen vermögen. Im Latenzalter kommt es zu einer Stabilisierung, wenn Ich
und Über-Ich sich auf ein gemeinsames Ziel einigen. Die Pubertätszeit bringt
eine der Frühzeit analoge Situation, die wiederum mit einer Stabilisierung
abschließt. Ich habe die Unterschiede zwischen den beiden Stabilisierungen
besprochen und hebe nun als ein Gemeinsames hervor, daß in beiden Fällen der
Ausgleich dadurch erfolgt, daß Ich und Über-Ich sich auf eine
gemeinsame Zielsetzung einigen und ein den Anforderungen der
Realität rechnungtragendes Ichideal aufstellen. 14
Ich habe mich bemüht, in den früheren Kapiteln nachzuweisen, daß die Ent-
wicklung des Über-Ichs zusammen mit der der Libido beim Einsetzen des Latenz-
alters ihren Abschluß findet. Als einen Punkt von zentraler Bedeutung hebe ich
nun hervor, daß wir es in den verschiedenen Entwicklungs-
stadien, die dem Abklingen des Ödipuskonfliktes folgen, nicht mit Ver-
änderungen des Über-Ichs, sondern mit der Entwicklung des
Ichs zu tun haben, die eine Konsolidierung des Über-Ichs
einschließt. Aus der Tatsache, daß es im Latenzalter das gemeinsame Ziel
des Ichs und des Über-Ichs ist, sich der Umgebung anzupassen und deren Ich-
ideale zu den eigenen zu machen, und nicht aus Veränderungen des Über-Ichs
selbst erklärt sich mir, daß die allgemeine Stabilisierung in dieser Entwicklungs-
periode erfolgt.
Im Anschluß an meine Darstellung der Ichentwicklung will ich nun unter-
suchen, wie diese sich zur Bewältigung der Angstsituationen verhält, die ich
als einen so wesentlichen Entwicklungsfaktor beschrieb. Ich hob hervor, daß das
Spiel des kleinen Kindes, das die Brücke zwischen Phantasie
14) „Das Ich beherrscht den Zugang zum Bewußtsein wie den Übergang zur
Handlung gegen die Außenwelt; in der Verdrängung betätigt es seine Macht nach beiden
Richtungen." Andrerseits: — „Wir haben dort die Abhängigkeit des Ichs vom Es wie
vom Über-Ich geschildert, seine Ohnmacht und Angstbereitschaft gegen beide, seine
mühsam aufrecht erhaltene Überheblichkeit entlarvt." (Freud: Hemmung, Symptom
und Angst. Ges. Sehr., Bd. XI, S. 32.) Meine Auffassung der Ichentwicklung ist in
Übereinstimmung mit diesen Sätzen Freuds, denn sie zeigt, wie die Macht des Über-Ichs
einerseits und die Macht des Ichs andrerseits aufeinander einwirken und so gemeinsam
den Verlauf der Entwicklung bestimmen.
— 191 —
1
und Realität herstellt, dem Bestreben dient, Angst vor äußeren und
inneren Gefahren zu bewältigen.
Nehmen wir als Beispiel die typischen Mutterspiele kleiner
Mädchen. Die Analyse normaler Kinder zeigt, daß bei diesen Spielen
(neben den wunscherfüllenden Tendenzen) auch noch die tiefste Angst der frühen
Angstsituationen wirksam ist. Dem immer wieder erneuten "Wunsch nach Puppen-
kindern liegt auch das Bedürfnis nach Trost und Beruhigung zugrunde.
Die Puppenkinder sollen dem Mädchen den Beweis erbringen, daß sein Körper
nicht zerstört ist, daß die Mutter es nicht der Kinder beraubt hat, oder daß es
Kinder bekommen kann. Ferner erbringt sich das Mädchen durch das sorgfältige
Pflegen und Schmücken der Puppenkinder in Identifizierung mit diesen den Beweis
für den Besitz einer liebenden Mutter und vermindert dadurch seine Angst,
verlassen, ohne Heim, der Mutter beraubt zu sein. Diesem Zweck dienen bei
Knaben und Mädchen auch andere Spiele, wie z. B. das Einrichten von
Wohnungen, das Reisen nach anderen Orten, die dem Wunsch entspringen, ein
neues Heim — letzten Endes neuerlich die Mutter — zu finden.
Ich führe nun ein typisches K n a b e n s p i e 1 an, das die männliche
Komponente deutlich zum Ausdruck bringt. Das Spiel mit Wagen, Pferden,
Zügen stellt symbolisch das Eindringen in den Mutterleib dar. Der Kampf mit
dem Vater im Leib der Mutter und der Koitus mit der Mutter wird immer
wieder mit den verschiedensten Abänderungen dargestellt. Durch die Tapferkeit,
Geschicklichkeit, Schlauheit, mit denen der Knabe sich im Spiel der Feinde
erwehrt, beweist er sich, daß er erfolgreich gegen den kastrierenden Vater
kämpfen kann und setzt so seine Angst vor diesem herab. Dadurch und mittels
der verschiedenartigen Darstellungen des Koitus mit der Mutter und der dabei
bewiesenen Geschicklichkeit sucht der Knabe sich auch den Besitz des Penis und
seine Potenz zu beweisen, deren Verlust er aus den tiefsten Angstsituationen
heraus befürchtet. Er beweist sich auch zugleich, da neben den aggressiven auch
die Wiederherstellungstendenzen der Mutter gegenüber in diesen Spielen zum
Ausdruck kommen, daß sein Penis nicht destruktiv ist, und beruhigt auf diese
Weise sein Schuldgefühl. 15
Die intensive Lust, die nicht-spielgehemmte Kinder aus dem Spiele
schöpfen, entspringt neben der Befriedigung wunscherfüllender Ten-
denzen auch aus der A n g s t b e w ä 1 1 i g u n g, die durch das Spiel erfolgt.
Es handelt sich aber dabei nicht einfach um ein bloßes Nebeneinander, sondern
das Ich bedient sich — wie mir scheint — zum Zwecke der Angstbewältigung auch
weitgehend aller wunscherfüllenden Mechanismen. Im Kinderspiele würde also
durch einen komplizierten Prozeß, der alle Ichkräfte mobilisiert, eine Um-
setzung von Angst in Lust erfolgen. Ich werde später darauf zurück-
kommen, wie dieser grundlegende Prozeß sich auch in der Ökonomie des Seelen-
lebens und in der Ichentwicklung des Erwachsenen auswirkt.
Die Bewältigung der Angst vor inneren Gefahren kann aber durch das Spiel
niemals vollständig gelingen. Es bleibt Angst latent wirksam, die sich
als steter Spielantrieb äußert. Wird sie manifest, so führt sie
zur Unterbrechung des Spiels.
Das Spiel des kleinen Kindes läßt also erkennen, daß das frühkindliche Ich
das Ziel der Angstbewältigung nur unvollkommen zu erreichen vermag. Mit dem
Einsetzen des Latenz alters gelingt die Angstbewältigung besser, zugleich
zeigt sich auch eine größere Fähigkeit, den Forderungen der Realität
zu entsprechen. Das Spiel verliert an Phantasiegehalt und tritt all-
mählich gegen die Schulaufgabe zurück. Die zunächst spielerische Beschäftigung
mit Buchstaben, Zahlen, Zeichnungen löst vielfach die Rolle des Spielzeugs ab.
Die Art, wie die Buchstaben aneinandergefügt werden, der Eifer, der auf die
Form, Gleichmäßigkeit und Reihenfolge verwendet wird, die Freude am Gelingen
aller dieser Einzelheiten beruht auf den gleichen inneren Voraussetzungen wie
das Hausbau- und Puppenspiel. Das schöne, ordentliche Schulheft besitzt
für das Mädchen die gleiche symbolische Bedeutung wie das Haus und die
Wohnung, nämlich die des heilen, makellosen Körpers. Buchstaben und
Zahlen stellen die Eltern, Geschwister, Kinder, Genitalien und Exkremente dar.
Dabei kommen die ursprünglichen aggressiven Tendenzen ebenso zum Ausdruck
wie die reaktiven. Die Beweise, die die Angstinhalte widerlegen sollen, werden
nun durch die gelungene Schulaufgabe geliefert, die an Stelle des Spiels mit
Puppen und Hauseinrichtungen tritt. Analysen des Latenzalters zeigten
mir, daß nicht nur jede Einzelheit der Schulaufgabe, sondern auch der
verschiedenartigen Handarbeiten, Zeichnungen u. dgl. in der Phan-
tasie der Wiederherstellung des eigenen Genitales und Körpers sowie des mütter-
lichen Körpers und seines Inhaltes, des väterlichen Penis, der einzelnen Ge-
schwister usw. dient. Einzelheiten der Puppenbekleidung sowie der eigenen
Bekleidung (z. B. Kragen, Manschetten, Schal, Kappe, Gürtel, Strümpfe, Schuhe)
haben dabei symbolische Bedeutung. 16 Dem normalen Entwicklungsgang entspricht,
daß die Sorgfalt, die das kleinere Kind auf das „Malen" der Buchstaben und
Zahlen verwendet, beim größeren Kinde auch auf das in t ellektuelle
Gelingen der Leistungen übergeht. Die Befriedigung über die
„Leistung" ist aber in dieser Entwicklungsperiode von der Anerkennung der
Umgebung abhängig. Die Leistung ist das Mittel, die Zufriedenheit der
16) Vgl. J.C.Flügel: The Psydiology of Clothes (Hogarth Press, 1930).
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 193 — '3
Autoritäten zu erwerben. Der Gegenbeweis gegen die Gefahr-
situationen wird also im Latenzalter w'eitgehend 'durch
die Liebe und Zufriedenheit der realen Objekte erbracht.
Das Verhältnis zu den Objekten und zur Realität ist ein
überbetontes.
Beim Knaben wird das Schreiben zum Ausdruck der männlichen Komponente. 17
Das Gelingen des Buchstabens, der Schwung, mit dem er gemalt wurde, stellt die
aktive Ausführung des Koitus und damit zugleich den Beweis für den Besitz
des Penis und der Potenz dar. Buch und Heft bedeuten dann das Genitale oder
den Leib der Mutter oder der Schwester. 18 Bei einem sechsjährigen Knaben
zum Beispiel bedeutete das „L" einen Reiter (den Penis und ihn selbst), der durch
einen Torbogen (das mütterliche Genitale) reitet, das „i" den Penis und ihn
selbst, das „e" die Mutter und ihr Genitale und das „ie" die Vereinigung beider
im Koitus. Große und kleine Buchstaben bedeuteten im allgemeinen Eltern und
Kinder usw. 19 Die aktiven Koitusphantasien des Knaben finden auch in B e-
wegungsspielen und im Sport ihren Ausdruck, wobei wir in den
Einzelheiten dieser Spiele die gleichen Phantasien wie in den Schul-
aufgaben wiederfinden. Der Wunsch, den Rivalen zu übertreffen und sich
dadurch den Gegenbeweis gegen die Gefahr der Kastration durch den Vater zu
erbringen, der der männlichen Verarbeitung der Angstsituation entspricht und
später im Pubertätsalter so bedeutungsvoll wird, zeigt sich auch schon beim
Knaben im Latenzalter. Im allgemeinen ist der Knabe auch schon im Latenzalter
weniger von der Sanktion der Umgebung abhängig als das Mädchen. Die Leistung
an sich spielt auch schon in dieser Entwicklungsperiode beim Knaben eine größere
Rolle als beim Mädchen.
Ich habe als die Grundlage der Stabilisierung im Latenzalter
die vom Ich in Übereinstimmung mit dem Uber-Ich aufgestellte Anpassung an
die Realität beschrieben. Diese Zielsetzung beruht auf der durch alle Faktoren
gemeinsam durchgeführten Niederhaltung und Einschränkung
der Triebe. Damit hängt auch der Abgewöhnungskampf gegen die Onanie
zusammen, der im Latenzalter „. . . einen Großteil der Energien in Anspruch
nimmt ..." (Freu d). Der Abgewöhnungskampf trifft auch mit voller "Wucht
die Masturbationsphantasien, die — wie ich wiederholt begründete — ein Element
17) Audi beim Mädchen sind Schreiben und andere Aktivitäten vorwiegend der Aus-
druck seiner männlichen Komponente.
18) Beim Knaben hat — und zwar aus seiner femininen Position heraus — das
Heft und die Aufgabe auch die Bedeutung des eigenen Körpers, den er wiederherzustellen
strebt.
*9) Vgl. meine Arbeit: Die Bedeutung der Schule für die libidinöse Entwicklung des
Kindes. Int. Ztschr. f . PsA., Bd. IX, 1923.
— 194 —
des Kinderspiels wie auch der Lerntätigkeiten und des weiteren aller Sublimie-
rungen sind. 20
Im Latenzalter bedarf das Kind in so hohem Maße der Billigung der Objekte,
um den Einspruch des Über-Ichs (das sich auf dieser Stufe den Objekten anpassen
will) gegen die desexualisierten Masturbationsphantasien herabzusetzen. So ergibt
sich einerseits im Latenzalter die Forderung, die Onanie zu ver-
meiden, die Masturbationsphantasien zu verdrängen, andrerseits die Gegen-
forderung, die desexualisierten Masturbationsphantasien
(in ihrer Umsetzung in Leistungen) erfolgreich und zur Zufrieden-
heit der Autoritäten durchzuführen. Denn nur mit Hilfe erfolg-
reicher Sublimierungen kann der umfangreiche Gegenbeweis gegen die Angst-
situationen, dessen das Ich bedarf, erbracht werden. Die Stabilisierung im Latenz-
alter hängt davon ab, wie dieser Durchgang zwischen Scylla und Charybdis
gelingt. Die Sanktion der Autoritäten, die eine Bedingung der Angstbewältigung
im Latenzalter ist, ist andrerseits für diesen Prozeß eine Voraussetzung.
Diese kursorische Zusammenfassung so reich gegliederter und komplizierter
Entwicklungsvorgänge muß notgedrungen eine schematische sein. Die Abgrenzung
zwischen dem normalen und dem neurotischen Kinde ist insbesondere im
Latenzalter in Wirklichkeit weniger scharf. Das neurotische Kind
kann auch ein erfolgreicher Schüler sein. Das normale Kind ist nicht
immer lerneifrig. Es erbringt sich häufig den Gegenbeweis gegen die Angst-
situationen auf andere Arten, zum Beispiel durch körperliche Geschicklichkeit.
Das normale Mädchen im Latenzalter zeigt vielfach vorwiegend die männliche
aktive Art der Angstbewältigung, und der Knabe im Latenzalter ist oft noch als
normal zu bezeichnen, auch wenn er seine Angst mehr auf die passive weibliche
Art verarbeitet.
Freud weist auf die in dieser Altersstufe einsetzenden typischen Zeremoniell-
20) In meiner Arbeit: Die Bedeutung der Schule für die libidinöse Entwicklung des
Kindes (Int. Ztsdir. f. PsA., Bd. IX, 1923) ging ich auf die unbewußte Bedeutung der
einzelnen Schulgegenstände ein und besprach die tieferen Ursachen von Lern- und Schul-
hemmungen. Die Hemmung der Phantasie infolge überstarker Verdrängung der Mastur-
bationsphantasien äußert sich in der Spielhemmung und auch in der Lernhemmung. Die
Hemmung der Phantasietätigkeit im Latenzalter tritt im ganzen Wesen des Kindes sehr
deutlich hervor. Freud schreibt in: Die Frage der Laienanalyse (Ges. Sehr., Bd. XI,
S. 342); „Ich habe den Eindruck, daß sie" (die Kinder) „mit dem Eintritt in die Latenz-
zeit auch geistig gehemmt, dümmer, werden. Viele Kinder verlieren auch von da an ihren
körperlichen Reiz."
Das Ich erkauft eben die Aufrechterhaltung seiner Position dem Es gegenüber durch
zahlreiche Einschränkungen. In den Entwicklungsperioden, in denen die Niederhaltung
des Es dem Ich nicht so weitgehend gelingt (in der ersten und zweiten Blütezeit der
Sexualität), ist die Phantasietätigkeit eine viel reichere, was sich in einer geringeren
Stabilität und in einem größeren Reichtum der Persönlichkeit ausdrückt.
— 195 — '3*
bildungen hin, die durch den Kampf gegen die Onanie erzeugt werden. 21 Die
Latenzzeit ist ferner „durch die Aufrichtung der ethischen und ästhetischen
Schranken im Ich" 22 gekennzeichnet. Da die Reaktionsbildungen der Zwangs-
neurotiker nur „Übertreibungen der normalen Charakterbildung" 22 sind, ist —
abgesehen von krassen Fällen — die Grenze zwischen zwangsneurotischen Reak-
tionen und der normalen, von der Erziehung geförderten Charakterentwicklung
bei Kindern im Latenzalter oft nur schwer feststellbar.
Ich vertrat die Auffassung, daß die Ausgangssituation der Zwangsneurose in
die frühe Kindheit fällt, daß aber in dieser Entwicklungsperiode im allgemeinen
sich nur einzelne zwangsneurotische Züge entwickeln, die im
Latenzalter zu einem organisierten Ganzen, zur Zwangs-
neurose, zusammengefaßt werden. Dieser Prozeß geht mit
der Konsolidierung des Ober- I chs 23 un d der Stärkung des
Ichs einher und kommt dadurch zustande, daß das Über-Ich und das Ich 24
sich auf eine gemeinsame Zielsetzung einigen; sie ist die Voraussetzung für die
Machtstellung des Ichs und des Über-Ichs über das Es. Die von den Objekten
geforderte Triebunterdrückung wird mit Hilfe der zwangsneurotischen Mecha-
nismen durchgeführt. Die Niederhaltung der Triebregungen setzt aber das Zu-
sammenwirken aller beteiligten Faktoren gegen das Es voraus. In dieser um-
fassenden Organisierung dokumentiert sich „die Neigung des Ichs zur Synthese". 25
Im Latenzalter ist die Zwangsneurose geeignet, die Ansprüche des Ichs, des
Über-Ichs und der Objekte zu befriedigen. Die im allgemeinen starke Abwehr
der Erwachsenen gegen die Affekte des Kindes ist häufig aus dem Grunde so
erfolgreich, weil sie den inneren Forderungen des Kindes entgegenkommt. 26
21) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 55).
22) Freud: Ebenda, S. 54.
23) Diese beruht auf einer besseren Synthese der verschiedenartigen Identifizierungen
und der damit einhergehenden Vereinheitlichung der Forderungen des Ober-Ichs. Es
kommt nun auch eine bessere Angleichung der verinnerlichten Objekte an die äußeren
zustande.
Siehe auch meine Arbeit: Die Rollenbildung im Kinderspiel (Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XV, 1929).
24) Freud schreibt in Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. $2):
„ . . . daß Ich und Über-Ich hier" (in der Zwangsneurose) „einen besonders großen
Anteil an der Symptombildung nehmen."
25) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 52).
26) Der Einfluß der Umgebung kann auch Veränderungen der Neurose bewirken.
So fand ich zum Beispiel in einigen Analysen, daß die günstige Wirkung einer Milieu-
veränderung darauf zurückzuführen war, daß Symptome, die der Umgebung lästig
waren, für andere, weniger beachtete, aber für den Aufbau der Neurose nicht weniger
bedeutungsvolle, eingetauscht wurden. Auch die Verstärkung der Angst vor den Ob-
jekten vermag mitunter zu einem Zurücktreten von Symptomen zu führen. Als Beispiel
verweise ich auf einen Fall, den ich in meiner Arbeit: Zur Genese des Tic (Int. Ztschr. f.
PsA., Bd. IX, 1923) besprach. Der Knabe war, als er zur Schule kam, ein guter Schüler,
— 196 —
Man erfährt oft in Analysen, daß das Kind darunter leidet und in Konflikt
gerät, wenn die Erziehungspersonen sich zu stark mit den Unarten und aggressiven
Tendenzen des Kindes identifizieren. Das Ich des Kindes fühlt sich seiner Auf-
gabe, das Es niederzuhalten und die verpönten Triebregungen zu bekämpfen,
eben nur mit Hilfe der erziehenden Personen gewachsen. Es bedarf der äußeren
Verbote, weil diese, wie wir wissen, eine Stütze für die inneren Verbote sind.
Es bedarf der Repräsentanten des Über-Ichs in der Außenwelt. Die Abhängigkeit
von den Objekten als Bedingung der Angstbewältigung ist im Latenzalter sehr
viel stärker als in den anderen Entwicklungsphasen. Es scheint mir geradezu die
Voraussetzung eines gelungenen Überganges in das Latenzalter zu sein, daß die
Objektbeziehung und Realitätsanpassung zur Grundlage der Angstbewältigung
werden. Es ist aber für die spätere Stabilität erforderlich, daß dieser Mecha-
nismus der Angstbewältigung nicht übermäßig vorherrscht.
Stehen Interessen, Leistungen und sonstige Befriedigungen übermäßig im
Dienste des Bestrebens, die Liebe, Anerkennung und Billigung der Objekte zu
erreichen, überwiegt also die Bedeutung der Objektbeziehung für die Angst-
bewältigung und die Beruhigung des Schuldgefühls, so scheint die psychische
Gesundheit für die Zukunft nicht gut fundiert. Liegt eine geringere Abhängigkeit
von den Objekten vor, und ist es die Freude an der Leistung an sich, die Be-
friedigung von Interessen, die zur Angstbewältigung und zur Verminderung der
Schuldgefühle beitragen, so wird die Angst einer besseren Verarbeitung und einer
umfassenderen Verteilung — gewissermaßen einer Verflachung — unterzogen.
Ist aber die Angst geringer, so wächst zugleich die Fähigkeit zur libidinösen
Befriedigung: eine Voraussetzung für den erfolgreichen Verlauf der Angst-
bewältigung. Die Angstbewältigung gelingt nur dann, wenn ein befriedigender
Ausgleich zwischen Über-Ich und Es vorliegt und eine genügende Stärke des Ichs
erreicht wurde. 27
aber in Bewegungsspielen und sportlichen Dingen sehr gehemmt gewesen. Der Zwang,
den der Vater, der nach längerer Abwesenheit heimkehrte, in dieser Beziehung auf ihn
ausübte, bewirkte, daß er aus Angst vor dem Vater die Sporthemmung zum Teil über-
wand. Dafür setzte zugleich eine schwere Lernhemmung ein, die noch bestand, als ich
den Knaben im Alter von vierzehn Jahren in Analyse nahm.
27) In der ersten Kindheitsperiode sind — wenn man den Kriterien genügende
Bedeutung beimißt, — die Grundlagen späterer Erkrankungen und Fehlentwicklungen
weit deutlicher erkennbar als im Latenzalter. Es läßt sich vielfach feststellen, daß Indi-
viduen, die im Pubertätsalter oder später erkranken, in der frühen Kindheit große
Schwierigkeiten hatten, aber in der Latenzzeit gut angepaßt waren, den von der Er-
ziehung gestellten Forderungen — oft mehr als genügend — nachkamen und keine
auffallenden Schwierigkeiten zeigten.
In Fällen, in denen die Angst der frühesten Stufen zu intensiv ist oder ihre Modifi-
zierung nicht gelingt, kommt die auf den zwangsneurotischen Mechanismen beruhende
Stabilisierung auch schon im Latenzalter nicht zustande.
— 197
Da die Objektbeziehung in dieser Entwicklungsperiode auch normalerweise
dem Kinde einen so starken psychischen Rückhalt bietet, so ist die übermäßige
Bedeutung, die diesem Moment in vielen Fällen zukommt, weniger augenfällig.
Sie zeigt sich aber deutlich im Pubertätsalter, da die Abhängigkeit von den
Objekten — wenn sie das dominierende Mittel der Angstbewältigung ist — nun
nicht mehr ausreicht, um die Angst zu binden. Dies scheint mir einer der Gründe
zu sein, daß psychotische Erkrankungen im allgemeinen erst während oder nach
der Pubertät ausbrechen. Wenn wir die Stärke des Ichs, die auf Herabsetzung
der Strenge des Über-Ichs beruht und auch ein größeres Ausmaß an Triebfreiheit
einschließt, neben einer Anpassung an die Zielsetzung dieser Entwicklungsperiode
zum Maßstab nehmen, werden wir nicht in Gefahr geraten, die Anpassung an die
Forderungen der Erziehung und an die Realität im Latenzalter als Kriterium für
die geglückte Entwicklung und Gesundheit zu überschätzen. 28
Freud schreibt, daß „die Pubertät in der Entwicklung der Zwangs-
neurose einen entscheidenden Abschnitt macht". Ferner — „es werden also einer-
seits die aggressiven Regungen der Frühzeit wieder erwachen, andrerseits muß
ein mehr oder minder großer Anteil der neuen libidinösen Regungen — in bösen
Fällen deren Ganzes — die durch die Regression vorgezeichneten Bahnen ein-
schlagen und als aggressive und destruktive Absichten auftreten. Infolge dieser
Verkleidung der erotischen Strebungen und der starken Reaktionsbildungen im
Ich wird nun der Kampf gegen die Sexualität unter ethischer Flagge weiter-
geführt." 39
Die Aufstellung neuer Prinzipien und idealisierter Vater-Imagines sowie die
erhöhten Forderungen an sich selbst dienen der Entfernung von den
ursprünglichen Objekten. Dadurch kann die ursprüngliche positive
1
28) Gelingt die Forderung des Latenzalters, sich der Umgebung anzupassen, zu gut,
so ergibt sich daraus die weitgehende Abhängigkeit des Ichideals und des Charakters
auch für das Erwachsenenalter. Ein zu schwaches Ich (als das Resultat eines nicht genügend
geglückten Ausgleichs zwischen Über-Ich und Es) wird aber Gefahr laufen, im Pubertäts-
alter die Ablösung von den Objekten und die damit verbundene Fähigkeit der Auf-
stellung unabhängiger innerer Forderungen nicht durchführen zu können und charakter-
lich zu versagen.
Eine geringere Abhängigkeit von den Objekten vereinigt sich sehr wohl mit den An-
sprüchen der Erziehung. Eine Ablösung von den Objekten in dem Sinne, wie es das
Pubertätsalter mit sich bringt, habe ich in Analysen des Latenzalters niemals eintreten
sehen, sondern nur eine Verminderung übermäßiger und ambivalenter Fixierungen. Die
größere Unabhängigkeit äußert sich in dieser Entwicklungsperiode in einer besseren Möglich-
keit, auch andere Objekte zu finden; sie bereitet der späteren vorgezeichneten Ablösung
im Pubertätsalter den Boden vor. Die Schwierigkeiten in der Anpassung an die Um-
gebung werden durch die Analyse nur vermindert und nicht erhöht. Je freier das Kind
innerlich ist, desto besser kann es sich der Umgebung anpassen und sich mit dieser
verständigen.
29) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. j6).
— 198 —
Bindung an den Vater herangezogen und verstärkt und die Gefahr des Zusammen-
stoßes mit diesem vermindert werden. Dieser Vorgang entspricht einer Spal-
tung derVater-Imago. Der erhöhte und bewunderte Vater kann nun
geliebt und verehrt werden, während der „böse** Vater, der sehr häufig der
reale Vater oder ein Vertreter (Lehrer) ist, die in dieser Entwicklungsperiode
überaus starken Haßregungen auf sich zieht. In der aggressiven Beziehung zum
gehaßten Vater beweist sich der Knabe auch, daß er ihm gewachsen ist und
vom Vater nicht kastriert werden wird. In der Beziehung zur bewunderten
Vater-Imago beweist sich der Knabe, daß er einen mächtigen und hilfreichen
Vater besitzt. Mit diesem kann er sich auch identifizieren und er bezieht hieraus
einen stärkeren Glauben an die eigenen konstruktiven Fähigkeiten und die
eigene Potenz. Nun gewinnt die Leistung an Bedeutung. Durch die Leistung
(sowohl die sportliche als auch die intellektuelle), die an den Mut, an die Kraft,
an die Unternehmungslust auch in einem übertragenen Sinn appelliert, beweist
sich der Knabe unter anderem, daß die befürchtete Kastration nicht eingetreten
und er nicht impotent ist. Die Leistung befriedigt auch die reaktiven Tendenzen
und beruhigt das Schuldgefühl. Sie beweist, daß die konstruktiven Fähigkeiten
die destruktiven Tendenzen überwiegen und stellt auch eine Wiedergutmachung
an den Objekten dar. Diese Beweise tragen wesentlich zur Befriedigung über die
Leistung bei. 80
Die Beruhigung der Angst und des Schuldgefühls, die das Kind im Latenz-
alter in der gelungenen Ausführung von Aktivitäten empfindet, d i e
durch die Zufriedenheit der Umgebung ichgerecht werden,
muß in der Pubertät in verstärktem Maße durch die „Leistung" und
die Arbeit selbst erfolgen.
Ich gehe nun noch kurz auf die Verarbeitung der Angstsituation in der
weiblichen Pubertät ein. Das normale Mädchen dieses Alters behält
länger die Zielsetzung der Latenzzeit und die dieser Entwicklungsstufe gemäßen
Methoden der Angstbewältigung bei. In vielen Fällen dominiert im Pubertäts-
alter beim Mädchen die männliche Art der Angstbewältigung. Die Befestigung
der weiblichen Position setzt sich aus Gründen, auf die ich im nächsten Kapitel
näher eingehen werde, beim jungen Mädchen schwerer durch als die korrespon-
dierende Einstellung beim Knaben. Das junge Mädchen stellt auch erhöhte Forde-
rungen an sich und andere. Sie nehmen bei ihm aber weniger die Form abstrakter
Prinzipien an, sondern stehen mehr in Beziehung zu verehrten Personen. Der
30) Bei zahlreichen Sublimierungen, insbesondere bei intellektuellen und künstlerischen
Leistungen oder Zielen, spielt beim Knaben vielfach die weibliche Art der Angst-
bewältigung eine bedeutende Rolle. Buch, Werk, in ihrer Bedeutung als Körper,
Fruchtbarkeit, Kind usw., dienen auch als Gegenbeweis gegen die aus der femininen
Position des Mannes befürchtete Zerstörung des Körpers durch die Mutter als Rivalin.
— 199 —
Wunsch, zu gefallen, erstreckt sich auch auf die geistigen Leistungen und hat selbst
dort noch einen Anteil, wo es zu Höchstleistungen kommt. Das Verhältnis zur
Arbeit ist in den Fällen, in denen nicht die männliche Komponente in der Leistung
überwiegt, beim Mädchen analog dem zum eigenen Körper. Die Beschäftigung mit
beiden dient in weitgehendem Maße der Verarbeitung der Angstsituation. Der
schöne Körper, die vollkommene Leistung erbringen auch der
heranwachsenden Frau den gleichen Gegenbeweis, den das Kind benötigt, nämlich:
daß der Körper nicht innerlich zerstört wurde, daß die Kinder ihm nicht geraubt
wurden. Bei der erwachsenen Frau tritt das Verhältnis zum
eigenen Kinde, das so häufig die Beziehung zur Arbeit ablöst, auch
stark in den Dienst der Angstverarbeitung. Der erwachsenen Frau gibt der Besitz
des Kindes, seine Pflege, die Sicherheit seines Gedeihens, ähnlich wie das
Puppenspiel dem kleinen Mädchen, immer wieder den erneuten
Beweis dafür, daß sie im Besitz des Kindes nicht bedroht ist, und beruhigt auch
ihre Schuldgefühle. 31 Die kleinen und größeren Gefahrsituationen, die sich bei
der Erziehung von Kindern ergeben, sind bei glücklichem Ausgang geeignet, immer
wieder Beweise gegen die frühesten Angstinhalte zu erbringen. Das Verhältnis
der Frau zum eigenen Heim hat ebenfalls eine besondere Bedeutung für die
weibliche Art der Angstbewältigung. Das Heim wird dem eigenen Körper gleich-
gesetzt, hat aber auch eine direktere Beziehung zur frühen Angstsituation. Das
Rivalitätsverhältnis zur Mutter drückt sich — wie ich schon besprach — beim
kleinen Mädchen auch in den Phantasien aus, die Mutter zu vertreiben und ihre
Stelle als Herrin des Hauses einzunehmen. Ein wesentliches Stück der Angst-
situation beinhaltet (bei beiden Geschlechtern, insbesondere aber beim weiblichen
Kinde) die Phantasie, aus dem Heim vertrieben, obdachlos zu werden. 32 Der
Befriedigung über das eigene Heim liegt stets auch der Gegenbeweis gegen dieses
Stück der Angstsituation zugrunde. Die normale Stabilisierung der
Frau beruht darauf, daß ihr Kind, ihre Arbeit, ihre Tätig-
keit, die Pflege, das Schmücken des eigenen Körpers und
des Heims ihr den Gegenbeweis gegen die Gefahrsitua-
tionen voll erbringt. 33 Die Beziehung zum Manne ist weit-
gehend von dem Bedürfnis der Frau bestimmt, sich durch sein Gefallen den
Beweis für ihre körperliche Unversehrtheit zu erbringen. Der Narzißmus
31) Ich gehe auf die tieferen Grundlagen der Beziehung zum Kinde im nächsten
Kapitel ein.
32) Die Angst, ein Bettlerkind, eine verlassene Waise zu werden, ist in jeder Kinder-
analyse aufzudecken. Sie hat einen wesentlichen Anteil an der Fixierung an die Mutter
und ist ein Spezialfall der Angst vor dem Liebesverlust.
33) Ich stellte zum Beispiel in einigen Fällen fest, daß nach vorangegangener De-
pression durch die Morgentoilette sich ein Gefühl der Frische und Tatkraft einstellte,
das in vielfachem Sinne eine Wiederherstellung bedeutete.
— aoo —
der Frau steht also stark im Dienste der Angstbewältigung. An
der weiblichen Art der Angstbewältigung liegt es, daß die Frau von der Liebe
des Mannes (von den Objekten im allgemeinen) so viel abhängiger ist als der
Mann in seiner Beziehung zur Frau. Aber auch der Mann bezieht aus dem Liebesgenuß
eine Beruhigung von Angst, die einen wesentlichen Anteil an der Sexualbefriedi-
gung hat.
Die normale Angstbewältigung scheint an eine Reihe von Vor-
aussetzungen gebunden. Hiebei wirken quantitative Momente,
wie das Ausmaß des Sadismus, die Angstquantitäten und die Fähigkeit des Ichs,
Angst zu ertragen, mit den spezifischen Methoden der Angst-
bewältigung zusammen. Bei einem Optimum der ineinandergreifenden
Momente können allem Anschein nach auch sehr große Angstquantitäten gut
verarbeitet werden, und es kann dabei eine befriedigende (oder sogar hervor-
ragende) Ichentwicklung und psychische Gesundheit erreicht werden. Die Be-
dingungen der Angstbewältigung sind nicht weniger spezifisch als die Liebes-
bedingungen und stehen allem Anschein nach in innigem Zusammenhang mit
diesen. 34
In bestimmten Fällen ist der Mechanismus der Angstbewältigung durch Über-
windung der Gefahrsituation an besonders schwere Bedingungen, an Situationen,
die starke Angst auslösen, gebunden. (Dieser Mechanismus tritt besonders stark
im Pubertätsalter hervor.) In anderen Fällen ist die möglichste, in extremen
Fällen phobische Vermeidung von Angstsituationen die Bedingung der Angst-
bewältigung. Zwischen diesen Extremen liegt der als normal zu bezeichnende
Antrieb, Lust aus der Überwindung von Angstsituationen zu gewinnen, die mit
nicht zu großer (wohl auch nicht zu direkter, also auch besser dosierter) Angst
verbunden sind.
Ich habe in diesem Kapitel nachzuweisen versucht, daß alle Aktivitäten und
Sublimierungen auch der Angstbewältigung und der Beruhigung der Schuldgefühle
dienen. Neben der Befriedigung aggressiver Regungen ist die Wiedergutmachung
am Objekt und die "Wiederherstellung des eigenen Körpers und Genitales eine
Wurzel aller Aktivitäten und Interessen.
Ich habe darauf hingewiesen, 35 daß auf einer ganz frühen Entwicklungsstufe
das Allmachtsgefühl in den Dienst der destruktiven Triebregungen gestellt wird.
Das Gefühl negativer, destruktiver Allmacht macht, wenn die Reaktionsbildungen
einsetzen, einen Glauben an eine positive Allmacht erforderlich. Je stärker das
sadistische Allmachtsgefühl war, ein um so stärkeres Gefühl positiver Allmacht
ist notwendig, um den Forderungen des Über-Ichs nach Wiedergutmachung nach-
kommen zu können.
34) Siehe Kap. XL
3$) Siehe Kap. IX.
Wenn die Wiedergutmachung einen sehr starken Allmachtsglauben voraussetzt
{z. B. die volle Wiedergutmachung an beiden Elternteilen, den Geschwistern usw.
und in Verschiebung auf andere Objekte — unter Umständen auf die ganze
Welt — ), so wird es von der Stärke der Ichentwicklung und der die phantasti-
schen Forderungen regulierenden Realitätsanpassung abhängen, ob es zu Höchst-
leistungen und zum Gelingen 36 der Ichentwicklung und der Sexualentwicklung
oder zu schweren Hemmungen kommt.
Ich fasse nun meine Ausführungen zusammen. Ich habe mich bemüht, einen
Einblick in den komplizierten, alle Energien mobilisierenden Prozeß zu geben,
durch den das Ich die Bewältigung der infantilen Angstsituationen durchführt.
Das Gelingen dieses Prozesses ist ein grundlegender Faktor für die Ichentwicklung,
zugleich aber auch entscheidend für die psychische Gesundheit. Denn die vielfache,
stetige, aus mannigfachen Quellen fließende Beruhigung der Angst
und des Schuldgefühls, die der normale Erwachsene aus
seinen Tätigkeiten, Interessen, sozialen Beziehungen und aus seiner Liebes-
befriedigung schöpft, gibt ihm die Möglichkeit, sich von den ur-
sprünglichen Angstsituationen weitgehend zu entfernen und
ihren Druck zu verteilen und abzuschwächen. Durch den generellen Anteil dieses
Mechanismus auch bei unbedeutenden Verrichtungen ergibt sich aus der Über-
windung alltäglicher Schwierigkeiten ein ökonomisch wichtiger Weg zur Angst-
bewältigung für den Normalen. 37
Ich habe nun zu überprüfen, wie meine Annahme von der normalen Ver-
arbeitung der Angstsituationen sich zur Auffassung Freuds verhält. Freud
schreibt: 38 „Es müssen also im Verlaufe der Reifung Angstbedingungen auf-
gegeben worden sein und Gefahrsituationen ihre Bedeutung verloren haben."
Dieser Satz schränkt sich aber durch nachfolgende Betrachtungen Freuds wieder
ein. Er schreibt anschließend: „Dazu kommt, daß einige dieser Gefahrsituationen
sich dadurch in späte Zeiten hinüber retten, daß sie ihre Angstbedingungen zeit-
gemäß modifizieren."
Meine Auffassung von der Verarbeitung der Angstsituationen scheint mir ein
Beitrag zum Problem zu sein, in welcher Weise sich der Normale von den
Gefahrsituationen entfernt und die Angstbedingungen modifiziert. Daß auch beim
Normalen die weitgehende Entfernung von den Angst-
36) Das Übermaß der Forderungen und die Inkongruenz zwischen destruktiver und
konstruktiver Allmacht kann zur Hemmung von Sublimierungen, zur Störung der
Produktivität und der Sexualentwicklung führen. Ich gehe auf einen Fall dieser Art im
Kap. XII ein.
37) Wenn aber auch die alltäglichen Verrichtungen so stark mit Angst verknüpft sind,
so wäre dies für den Neurotiker ein Grund mehr, sie als belastend zu empfinden und
in ihrer Ausübung zu versagen.
38) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XI, S. 89).
1
Situationen sich nicht mit einem Aufgeben der Angst-
situationen deckt, muß ich nach meinen Erfahrungen vertreten. Praktisch
sind ja bei normaler Entwicklung die direkten Auswirkungen der Angstsituationen
nicht vorhanden; sie treten aber unter gewissen Verhältnissen wieder auf. Bei
stärkeren Belastungen, wenn der Gesunde erkrankt oder sonst versagt,
können wir die tiefsten Angstsituationen auch bei ihm in voller
und direkter Wirksamkeit erkennen. Da aber die Möglichkeit der neuroti-
schen Erkrankung bei jedem Gesunden vorliegt, würde sich auch daraus die
Folgerung ergeben, daß die Angstsituationen nie ganz aufgegeben werden.
Diese Feststellung steht mit folgenden Sätzen Freuds 39 im Einklang: „Der
Neurotiker unterscheidet sich dann von dem Normalen dadurch, daß er die Reak-
tionen auf diese Gefahren übermäßig erhöht. Gegen die Wiederkehr der ursprüng-
lichen traumatischen Angstsituationen bietet endlich auch das Erwachsensein keinen
zureichenden Schutz; es dürfte für jedermann eine Grenze geben, über die hinaus
sein seelischer Apparat in der Bewältigung der Erledigung heischenden Erregungs-
mengen versagt."
ELFTES KAPITEL
Die Auswirkungen lrüher Angstsituationen
aul die weibliche Oexualentw^icklung
Die Psychologie der Frau ist durch die Forschungen der Psychoanalyse nicht im
gleichen Maße aufgeklärt worden wie die des Mannes. Da zuerst der Motor der
Neurosenbildung beim Manne — die Kastrationsangst — erkannt wurde, studierte
man auch bei der Frau zunächst die Erscheinungen, die den neurosebildenden
Faktoren beim Manne entsprechen. Diese Erkenntnisse wurden aber vorwiegend
den Analogien zwischen Mann und Frau und weniger den psychischen Differenzen
gerecht. — Den Kernpunkt des Problems faßt F r e u d 1 in den folgenden Worten
zusammen: „ . . . und weiters: steht es fest, daß die Kastrationsangst der einzige
Motor der Verdrängung (oder Abwehr) ist? Wenn man an die Neurose der
Frauen denkt, muß man das bezweifeln, denn so sicher sich der Kastrations-
komplex bei ihnen konstatieren läßt, von einer Kastrationsangst im richtigen
Sinne kann man bei bereits vollzogener Kastration doch nicht sprechen."
39) Freud: Ebenda, S. 90.
1) Freud: Hemmung, Symptom und Angst (Ges. Sehr., Bd. XL, S. 63).
Wenn wir uns vergegenwärtigen, von wie großer Bedeutung jeder Fortschritt
im Verständnis der Kastrationsangst sowohl für die Therapie der männlichen
Neurosen wie für die Psychologie des Mannes war, so ergibt sich, daß die
Kenntnis jener Angst, die beim weiblichen Kinde der Kastra-
tionsangst des Knaben äquivalent sein muß, die Therapie der
weiblichen Neurosen vervollkommnen und dazu beitragen wird, den genaueren
Verlauf der weiblichen Sexualentwicklung aufzuklären.
Angstsituation des Mädchens. Ich habe einen Beitrag zu dieser
offenen Frage in meiner Arbeit „Frühstadien des Ödipuskonfliktes" 2 geliefert.
Ich vertrat dort die Auffassung, daß die tiefste Angst des Mädchens die vor der
Beraubung und Zerstörung seines Leibesinneren ist. Die orale Versagung durch
die Mutter führt zur Abwendung von ihr und zur Zuwendung zum väterlichen
Penis als Objekt der Befriedigung. Dieses Begehren drängt zu weiteren Ent-
wicklungsschritten. Den Kern der frühkindlichen Sexualtheorien bilden Phantasien
(die Mutter verleibt sich den Penis des Vaters ein und gibt dem Vater die Brust),
die Neid und Haß wegen der von beiden Elternteilen ausgeübten Versagung
auslösen. In diesem Entwicklungsstadium ist es bei beiden Geschlechtern die
nahrungspendende Mutter, deren Leib alles Begehrenswerte — auch den Penis des
Vaters — enthält. Diese Sexualtheorie steigert den Haß des Mädchens gegen die
Mutter wegen der Versagung und trägt zu den sadistischen Phan-
tasien bei, in denen das Mädchen das Leibesinnere der Mutter
angreift, beraubt und zerstört. Infolge der daraus resultierenden
Vergeltungsangst bilden diese Phantasien die Basis für die tiefste
Angstsituation des Mädchens.
Ernest Jones sieht in der „Aphanisis", der Angst vor der völligen und
dauernden Vernichtung der sexuellen Genußfähigkeit, die frühe dominierende
Angstsituation des Kindes beiderlei Geschlechtes. 3 Diese Annahme berührt sich
eng mit meiner Auffassung. Die Zerstörung der Genußfähigkeit scheint mir
auch eine Vernichtung der der libidinösen Befriedigung dienenden Organe ein-
zuschließen, die das weibliche Kind zugleich mit den Angriffen auf seinen Leib
und sein Leibesinneres — insbesondere durch die Mutter — erwartet. Die Angst
für das Genitale ist besonders intensiv, zum Teil, weil die gegen die Mutter
gerichteten sadistisdien Regungen sich sehr stark gegen ihr Genitale und ihren
Liebesgenuß richten, zum Teil aber, weil die Angst vor der Unfähigkeit zur
libidinösen Befriedigung die Angst vor Beschädigung des Genitales steigert.
Frühstadien des Ödipuskonfliktes. Nach meinen Erfahrungen
ist es das orale, auch schon mit genitalen Regungen einhergehende B e-
2) Int. Ztsdir. f. PsA., Bd. XIV, 1928.
3) Ernest Jones: Die erste Entwicklung der weiblichen Sexualität. (Int. Ztsdir f
PsA., Bd. XIV, 1928.)
g eh r en na ch dem Penis des Va t e r s, das die ödi pusstrebungen
einleitet. Ich fand, daß der Wunsch, den väterlichen Penis der Mutter zu
rauben und sich selbst einzuverleiben, ein grundlegender Faktor der
weiblichen Sexualentwicklung ist. Der Groll des Mädchens dar-
über, daß die Mutter ihm die spendende Brust entzogen hat, verstärkt
sich nun durch die weitere Anklage, daß sie ihm den Penis des Vaters
als Objekt der Befriedigung vorenthält, und bildet die tiefste Quelle des
aus den Ödipusregungen resultierenden Hasses des weiblichen Kindes gegen die
Mutter.
Diese Annahmen weichen in einigen Punkten von der bisherigen psychoanalyti-
schen Theorie ab, da Freud zum Ergebnis kam, 4 daß beim Mädchen der Kastrations-
komplex den Ödipuskomplex einleitet, und der Groll gegen die Mutter, die dem
Mädchen den Penis versagte, den Anstoß zur Abwendung von ihr gibt. Der
Unterschied zwischen meiner Auffassung und der von Freud vermindert sich
aber wesentlich durch die Überlegung, daß beide Auffassungen in zwei Punkten
übereinstimmen, i) das Mädchen wünscht den Besitz des Penis, 2) es haßt die
Mutter wegen der Versagung des Penis. Nach meiner Annahme ist es aber nicht
ein eigener Penis als männliches Attribut, den das weibliche Kind zuerst fordert,
sondern der väterliche Penis, den es sich als Objekt oraler Befriedigung einver-
leiben will. Ferner ist, meiner Meinung nach, die Forderung nach dem Penis nicht
eine Äußerung des Kastrationskomplexes, sondern eine — und zwar die grund-
legende — Äußerung der ödipusstrebungen. Demnach würde das weibliche Kind
nicht auf dem Umweg über Männlichkeitstendenzen und Penisneid, sondern aus
der dominierenden weiblichen Komponente heraus unter die Herrschaft der
ödipusstrebungen geraten. 5
"Wenn das Mädchen sich dem Penis des Vaters als Objekt der Befriedigung
zuwendet, sind mehrere Momente für die Intensität bestimmend, mit der diese
Forderung erhoben wird. Aus dem Drängen der oralsaugenden Regungen heraus,
begünstigt durch die an der Mutterbrust erlittene Versagung, die das neue
Begehren steigert, erwächst ein Phantasiebild vom väterlichen Penis als einem
Organ, das zum Unterschied von der Mutterbrust eine niemals endende und
grandiose orale Befriedigung spenden kann. 6 Die urethralsadistischen Trieb-
4) Freud: Einige Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschiedes. (Ges. Sehr., Bd. XI.)
$) Karen Homey hat in ihrer Arbeit „Zur Genese des weiblichen Kastrations-
komplexes" (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. IX, 1923) die Auffassung vertreten, daß es die in
der ödipussituation erlittene Versagung ist, die den Kastrationskomplex des Mädchens
auslöst, und daß der Wunsch nach dem Penisbesitz zunächst aus den ödipuswünschen
und nicht aus den Männlichkeitswünschen entspringt. Der begehrte Penis wird als
Bestandteil und Ersatz des Vaters betrachtet.
6) Helene Deutsch hat in ihrem Buche „Psychoanalyse der weiblichen Sexual-
funktionen" (Int. PsA. Verl. 1925) darauf hingewiesen, daß schon in der frühesten Ent-
— ao5 —
regungen tragen zur Entwicklung dieser Phantasie bei. Das Kind beiderlei
Geschlechts mißt dem Penis (bei dem sie ja auch deutlicher zutage treten) sehr
viel stärkere urethrale Fähigkeiten zu als dem weiblichen Harnapparat. Da in
der Phantasie des kleinen Kindes alle Körperstoffe einander gleichgesetzt werden,
verknüpfen sich die Vorstellungen von der urethralen Macht des Penis mit den
oralen Phantasien. Dem kleinen Mädchen erscheint der Penis als Objekt, das
magische Fähigkeiten zur oralen Befriedigung besitzt. Da die an der Mutterbrust
erlittene orale Versagung aber auch zugleich alle anderen erogenen Zonen stimu-
liert und die genitalen Strebungen und Begierden in Beziehung zum väter-
lichen Penis auslöst, wird dieser das Objekt oraler, urethraler,
analer und genitaler Triebregungen. Ein weiteres Moment, das zur
Intensivierung dieser Wünsche beiträgt, sehe ich in der unbewußten Sexualtheorie,
daß die Mutter sich den Penis des Vaters einverleibt habe, und dem aus diesen
Phantasien resultierenden Neid. An dem Zusammenwirken aller dieser Momente
scheint es mir zu liegen, daß in der Phantasie des kleinen Mädchens der Penis
des Vaters mit ungeheurer Machtfülle ausgestattet und zum Gegen-
stand höchster Bewunderung 7 und intensivsten Verlangens wird. Dieses Verhältnis
zum väterlichen Penis wirkt sich, wenn die weibliche Einstellung dominierend
bleibt, in vielen Fällen als Demut und Unterwerfung dem Manne gegenüber aus.
Andrerseits bildet es aber auch die Grundlage für die Intensität
des Hasses, den die Versagung des so leidenschaftlich be-
gehrten und bewunderten Objekts auslösen kann, sowie für die
wicklungsphase „die zärtliche Liebe, die dem Vater, dem nächsten neben der Mutter
bestehenden Objekt, zugetragen wird, als Zuschuß auch einen großen Teil der voll-
sexuellen Libido erhält, die von der Mundzone her die mütterliche Brust besetzt hat",
— „da für das Ubw in einer Entwicklungsphase der väterliche Penis als Saugorgan
mit der mütterlichen Brust gleichgesetzt wurde." Auch in einem anderen Punkte stimmen
meine Ergebnisse mit denen von Helene Deutsch überein, nämlich darin, daß die Vagina
„in der Verlegung von oben nach unten die passive Rolle des saugenden Mundes in
der Gleichsetzung Penis = Mamma übernimmt. Diese orale, saugende Tätigkeit der Vagina
ist im ganzen anatomischen Bau vorgezeichnet" (1. c. S. 54). — Während aber nach
Helene Deutsch diese Phantasien erst nach der Geschlechtsreife und durch den
Geschlechtsakt ihre Wirksamkeit entfalten, sehe ich in der frühen Gleichsetzung des
Penis mit der Mamma ein Moment, das von der Versagung durch die Mutterbrust ein-
geleitet wird und auch alsbald starke, für die ganze Entwicklung bedeutsame Wirkungen
ausübt. Die Gleichsetzung Penis = Mamma ist meiner Auffassung nach auch schon von
der Verlegung „von oben nach unten" begleitet und aktiviert auch schon die oralen
aufnehmenden Qualitäten des weiblichen Genitales. Diese Gleichsetzung ermöglicht eine
Bereitschaft der Vagina für die Aufnahme des Penis, leitet so die ödipusstrebungen ein
(die allerdings erst viel später sich voll durchsetzen) und bildet die Grundlage der
weiblichen Sexualentwicklung.
7) Ein Teil dieser Bewunderung strahlt auch noch auf die Mutter aus, die in gewissen
Fällen seitens der Tochter nur als Besitzerin des väterlichen Penis geschätzt und an-
erkannt wird.
— 206 —
Erscheinungen, die sich bei der männlich eingestellten Frau als Penisneid
geltend machen.
Die aus den oral-, urethral- und analsadistischen Triebregungen entspringenden
Phantasien des kleinen Mädchens von der ungeheuren Machtfülle sowie auch der
physischen Größe und Stärke des väterlichen Penis bewirken aber auch, daß
diesem überaus gefährliche und bedrohliche Eigenschaften zugeschrieben werden.
Auf dieser Basis entwickelt sich die Angst vor dem „bösen" Penis.
Sie setzt als Reaktion auf die destruktiven Triebregungen ein, die (zugleich mit
den libidinösen) sich gegen den Penis richten. In Fällen, in denen der orale
Sadismus dominiert, bedeutet der in der Mutter — als deren Besitz — voraus-
gesetzte väterliche Penis vorwiegend ein Objekt des Hasses, Neides und der
Zerstörung. 8 An der Intensität der Haßphantasien, die dann insbesondere um den
die Mutter befriedigenden väterlichen Penis zentrieren, liegt es, daß in gewissen
Fällen die tiefste und leitende Angst des Mädchens — die Angst vor der
Mutter — auf den Penis des Vaters als auf ein gehaßtes und
gefürchtetes Anhängsel der Mutter verschoben wird. Bei diesen Frauen
kommt es dann zu schweren Fehlentwicklungen und auch zu einem verschobenen
Verhältnis zum Manne. Solche Fälle scheinen auch mit mehr oder weniger
mangelhafter Objektbeziehung einherzugehen. Das Stadium der
Partialliebe 9 ist dann nicht oder nur unvollkommen überwunden worden. 10
Das orale Begehren nach dem Penis des Vaters löst in-
folge der Allmacht der Gedanken das Gefühl der voll-
zogenen Einverleibung aus. Deshalb erstreckt sich die ambivalente
Gefühlseinstellung dem väterlichen Penis gegenüber alsbald auch auf den ver-
8) Das gleiche gilt für die im Mutterleib befindlichen Kinder. Ich komme später
darauf zurück, wie die Feindseligkeit den im Mutterleib befindlichen Kindern gegen-
über sich im Verhältnis zu den Geschwistern und zu dem eigenen imaginären (und später
auch zu dem realen) Kinde auswirkt.
9) Abraham: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido.
10) Ein typisches Beispiel dieser Art war meine Patientin Erna, deren Kranken-
geschichte ich in Kap. III wiedergab. Der Vater bedeutete ihr vorwiegend den Träger
des Penis, der die Mutter befriedigte, sie selbst aber unbefriedigt ließ. Die überaus
starken Kastrationswünsche und der Penisneid erwiesen sich durch die auf der oralen
Position erlittene Versagung des Penis determiniert. Die Konzentration des Hasses auf
den väterlichen Penis und der Umstand, daß es die Mutter war, die in ihrer Phantasie
den Penis des Vaters besaß, hatten zur Folge, daß zur Mutter ein zwar haßerfülltes, aber
persönlicheres Verhältnis vorlag als zum Vater. Allerdings wendete sich Erna auch vom
Vater ab, um ihn vor ihrem Sadismus zu bewahren. Die Konzentration des Hasses auf
den Penis diente auch der Schonung des Objektes (Abraham). Die Analyse bewirkte
unter anderm auch die Entwicklung eines guten menschlichen Verhältnisses zum Vater,
ein Schritt, der mit günstigen Veränderungen der Objektbeziehung im allgemeinen und
mit einer Verbesserung des Verhältnisses zur Mutter einherging. — Ich verweise auf die
Analogie, die in wesentlichen Punkten zwischen meiner Patientin und den zwei Fällen
besteht, über die Abraham (1. c, S. 76 — 78) berichtete.
207 —
innerlichten Penis. Wir wissen, daß im Stadium der partiellen Einverleibung das
Objekt durch einen Körperteil, der Vater durch den Penis vertreten ist. Daraus
erklärt sich mir, daß die frühesten Vater-Imagines, der Kern des väter-
lichenÜber-Ichs, durch den Penis des Vaters repräsentiert werden.
Ich habe mich bemüht, bei beiden Geschlechtern den Ursprung eines angst-
erregenden und grausamen Ober-Ichs aus dem Umstand zu erklären, daß die
Introjektion der Objekte in einer Entwicklungsperiode beginnt, in der der
Sadismus auf seinem Höhepunkt ist. So kommt es, daß die frühesten Imagines
den phantastischen Charakter annehmen, den die vorherrschenden prägenitalen
Triebregungen ihnen aufdrücken. 11 Der Antrieb zur Introjektion des väterlichen
Penis und damit des ödipusobjektes ist aber beim Mädchen viel intensiver, das
Begehren, den väterlichen Penis bei sich zu behalten, viel stärker als beim Knaben,
da dieses orale Begehren mit den gleichzeitig aktivierten genitalen Strebungen
zusammenfällt und da das weibliche Genitale einen rezeptiven Charakter hat.
Die ödipusregungen des Mädchens stehen deshalb viel stärker
unter der Herrschaft der oralen Triebregungen, als dies beim Knaben
normalerweise der Fall ist.
Es ist ein für die Uber-Ich-Bildung und Sexualentwicklung entscheidendes
Moment, ob die Phantasien vom „guten" oder vom „bösen" Penis überwiegen.
In beiden Fällen aber fühlt sich das weibliche Kind dem introjizierten Vater
mehr unterworfen, seiner guten oder bösen Macht mehr ausgeliefert, als es
normalerweise das männliche Kind seinem Über-Ich gegenüber empfindet. 12
Angst und Schuldgefühle der Mutter gegenüber komplizieren die an sich
zwiespältige Beziehung zum Penis des Vaters. Um die Darstellung dieser Ver-
hältnisse übersichtlicher zu gestalten, will ich nun versuchen, zuerst der Beziehung
des Mädchens zum Penis des Vaters nachzugehen und dann nachzutragen, inwie-
fern die Beziehung zur Mutter die Entwicklung des Verhältnisses zum Vater
beeinflußt.
Im günstigen Falle besteht neben dem Glauben an einen verinner-
lichten, gefährlichen Penis auch der an einen bewunderten
und hilfreichen. Die aus dieser ambivalenten Einstellung entspringende
Angst bildet auch einen starken Antrieb zu Sexualerlebnissen in
früher Kindheit sowie auch für die Sexualbetätigung im Erwachsenenalter. Dieser
Antrieb, der zu dem libidinösen Begehren nach dem Penis hinzutritt und es
verstärkt, kommt auf folgende Art zustande: die Angst vor dem introjizierten
n) Siehe Kap. VIII dieses Buches und meine Arbeit „Frühstadien des Ödipus-
konfliktes". (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XIV, 1928.)
12) Daraus ginge hervor, daß die Wirksamkeit des Über-Ichs beim Mädchen stärker
ist als beim Knaben. Ich gehe später darauf ein, wie dieses Moment sich für die weib-
lichen Ichentwicklung und Objektbeziehung geltend macht.
— so8 —
bösen Penis treibt zur fortgesetzten Introjektion eines guten Penis durch den
Koitus. 13 Zugleich dient der Sexualakt (sei es durch Fellatio, Koitus per anum
oder Koitus) der Überprüfung, ob die mit dem Koitus verknüpften grundlegenden
und beherrschenden Angstinhalte begründet seien oder nicht. Infolge der sadisti-
schen Wunschphantasien, die den Koitus der Eltern in eine Gefahrsituation für
diese umschufen, wird in der Phantasie des Kindes beiderlei Geschlechtes der
Koitus zu einer bedrohlichen Gefahrsituation. 14 Ich bin an früheren Stellen aus-
führlicher auf den Charakter dieser sadistischen Masturbationsphantasien ein-
gegangen und habe zwei Kategorien von Phantasien, die ineinander greifen,
unterschieden: i) Die Phantasien, die — mit den verschiedenen Mitteln des
Sadismus unternommene — direkte Angriffe des Kindes gegen
beide im Koitus vereinigten Elternteile oder jeden einzeln dar-
stellen; 2) Phantasien, die einem etwas späteren Abschnitt der Höchstblüte des
Sadismus entstammen, in denen sich der Glaube an eine sadistische Allmacht über
die Eltern auf indirektem Wege auswirkt. Die E 1 1 e r n werden in der
Phantasie mit Werkzeugen gegenseitiger Vernichtung ausgestattet. Ihre Zähne,
Nägel, Genitalien, Exkremente usw. werden in der Phantasie zu gefährlichen
Waffen, Tieren usw. umgeschaffen, mit denen sie sich im Sexualakt — dem
Wunsche des Kindes entsprechend — gegenseitig quälen und zerstören. Diese
sadistischen Phantasien lösen Angst aus, die aus mehreren Quellen entspringt.
Aus der ersten Kategorie von Phantasien resultiert die Angst vor analogen
Angriffen beider Elternteile oder jedes einzelnen, insbesondere aber der Mutter,
als des Elternteiles, gegen den sich — beim Mädchen — der größere Haß richtet.
Hiebei werden sowohl von außen wie auch von innen Angriffe erwartet, da
zugleich mit den Angriffen gegen die Objekte auch deren Introjektion erfolgt.
Diese Angstinhalte haben eine besonders nahe Beziehung zum Sexualakt, 15 da
ja auch die primären sadistischen Akte in sehr starkem Ausmaße den im Sexual-
verkehr befindlichen (phantasierten) Eltern galten. Insbesondere aber hat die
13) Daß die Angst vor dem „bösen" Körperinhalt (verinnerlichten bösen Objekten,
gefährlichen Exkrementen und Körperstoffen) normalerweise die Introjektion auf allen
Wegen und auch die Ausstoßung befördert und so zu einem grundlegenden Entwicklungs-
faktor wird, habe ich an früheren Stellen dieses Buches beschrieben.
14) Der Umstand, daß das Kind einen sadistischen Koitus der Eltern wünscht, ist
nach meinen Erfahrungen ein wesentlicher Faktor sowohl für die Bildung der Sexual-
theorien wie auch für die Tendenz, an den Sexualtheorien festzuhalten. Die Sexual-
theorien verdanken demnach ihren Charakter nicht nur dem Einfluß, den die prä-
genitalen Triebregungen auf die Phantasiebildung nehmen, sondern sie sind auch das
Resultat der destruktiven Wünsche des Kindes gegen die koalie-
renden Eltern. Es hat sich mir als therapeutisch wichtig erwiesen, bei der Analyse
der Sexualtheorien darauf Bedacht zu nehmen, daß sie von den sadistischen Wünschen
des Kindes ausgehen und deshalb ein starkes Schuldgefühl verursachen.
15) Aus diesen Phantasien ergeben sich auch Gefahrsituationen, die nicht an die
Bedingung des Sexualaktes gebunden sind.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
209 —
14
zweite Kategorie von Phantasien zur Folge, daß der Sexualakt, der sich nach
den sadistischen "Wünschen des Mädchens für die Mutter so vernichtend gestalten
sollte, nun zu einer schweren Gefahr für das Kind selbst wird.
Der Koitus, der infolge der sadistischen Phantasien und Wünsche des
Kindes sich in eine so bedrohliche Gefahrsituation verwandelte, wird
gerade deshalb auch zu einem eminenten Mittel der Angstbewälti-
gung, und zwar dies um so mehr, als die mit dem Sexualakt verbundene
libidinöse Befriedigung — die höchste dem Individuum erreichbare
Lust — die Angst um so stärker herabsetzt.
Diese Auffassung wirft ein neues Licht auf die Faktoren, die als Antrieb zum
Sexualakt wirksam sind, wie auch auf die psychischen Quellen, aus denen die
durch den Sexualakt ausgelöste libidinöse Befriedigung Zuschüsse erhält. Die
libidinöse Befriedigung aller erogenen Zonen ist, wie wir wissen, infolge der
Verlötung der libidinösen mit den destruktiven Triebregungen auf den vom
Sadismus beherrschten Entwicklungsstufen zugleich eine Befriedigung der de-
struktiven Komponente. Meiner Auffassung nach lösen die destruktiven
Triebregungen schon in den ersten Lebensmonaten Angst aus. Die sadisti-
schen Phantasien verlöten sich dadurch mit der Angst, und diese Verlötung führt
zu spezifischen Angstsituationen. Da die genitalen Triebregungen — wie mir
meine Erfahrungen beweisen — schon in der Höchstblüte des Sadismus einsetzen,
und der Koitus in den sadistischen Phantasien des kleinen Kindes ein Mittel
der Zerstörung der Eltern bedeutet, so verknüpfen sich
die auf den Frühstadien der Entwicklung ausgelösten
Angstsituationen auch mit der genitalen Betätigung. Diese
Verknüpfung wirkt sich dahin aus, daß die Angst die libidinöse
Bedürftigkeit steigert, und daß andrerseits die libidinöse
Befriedigung aller erogenen Zonen auch in den Dienst der Angst-
bewältigung gestellt wird. Die libidinöse Befriedigung vermindert die
Aggression und damit auch die Angst. Hiezu kommt, daß allem Anschein nach
das Lustgefühl als solches die Angst vor Zerstörung durch die destruktiven Trieb-
regungen und die Objekte beruhigt und auch der Aphanisis (Jone s), der Angst
vor der Zerstörung der Liebesfähigkeit, entgegenwirkt. Die libidinöse
Befriedigung, die Äußerung des Eros, verstärkt den Glauben
an helfende Imagines und setzt die Gefahren herab, die
vom Todestrieb und vom Über-Ich drohen.
Je größer die Angstquantitäten sind, je neurotischer das
Individuum ist, um so stärker werden alle Energien des Ichs und die
Triebkräfte durch die Angstbewältigung absorbiert. Dann
dient auch die libidinöse Befriedigung vornehmlich der Angstbewältigung. Beim
normalen Individuum, das sich weiter von den frühen Angstsituationen entfernt
und sie besser verarbeitet hat, ist der Einfluß der Angstsituationen auf die
Sexualbetätigung wohl geringer, aber nach meinen Erfahrungen niemals auf-
gehoben. 16 Auch beim Normalen verstärkt der Antrieb, die
spezifischen A n g s t s i t u a t i o n e n in der Beziehung zum
Liebespartner zu überprüfen, die libidinösen Fixierungen
und beeinflußt deren Charakter. Der Sexualakt dient auch beim
Normalen immer zum Teil der Angstbewältigung. Die Angstquantitäten
und die Vorherrschaft bestimmter A n g s t s i t u a t i o n en sind
ein spezifisches Element der Liebesbedingungen bei jedem
Individuum.
Wird die durch den Sexualakt erfolgende Überprüfung der Angstsituationen,
die einer Realitätsprüfung entspricht, stärker von hoffnungsvollen
Strömungen getragen, so entsteht der Antrieb, ein Objekt zu wählen,
das als Repräsentant des „guten" Penis empfunden wird. Die Beruhigung
der Angst, die in diesem Falle durch den Sexualakt erzielt wird, macht sich als
starkes Lustgefühl geltend, das die rein libidinöse Befriedigung wesentlich
erhöht und über den Sexualakt hinaus die Grundlage für dauernde und
befriedigende Liebesbedingungen bildet.
Im ungünstigen Falle, wenn die Angst vor dem introjizierten bösen
Penis überwiegt, wird es zur L i e b e s b e d i n g u n g, daß die Überprüfung
durch den Sexualakt mit einem „bösen" Penis, d. h. mit einem sadisti-
schen Liebespartner erfolgt. Die Überprüfung geht dann dahin, fest-
zustellen, einen wie gearteten Schaden dieser anrichten wird, wobei selbst die
durch den Sexualakt erwartete Beschädigung noch die Angst beruhigt und von
Bedeutung für die Ökonomie des Seelenhaushaltes ist. 17
Der Antrieb, sich durch Beweise in der Außenwelt eine Beruhigung der Angst
vor inneren und äußeren Gefahren zu verschaffen, scheint mir ein wesentlicher
Faktor für den Wiederholungszwang. 18 Diese Beweisführung steht um so mehr im
Zeichen des Straf bedürfnisses, je neurotischer das Individuum ist. Je
stärker die Angst der frühesten Gefahrsituationen und je geringer die hoffnungs-
volle Strömung ist, an um so ungünstigere Bedingungen ist dieser
Gegenbeweis gebunden. In solchen Fällen vermögen nur harte Strafen,
vielmehr unglückliche Erlebnisse (die als Strafe empfunden werden) an Stelle der
befürchteten phantastischen Strafen zu treten.
Der "Wahl eines sadistischen Partners liegt aber auch der Antrieb zugrunde,
16) Siehe Kap. X.
i7)_Dies liegt daran, daß kein reales, von außen zugefügtes Leiden heranreicht an
das Leiden, das infolge der Spannung steter und überwältigender Angst vor phantasti-
schen inneren Beschädigungen und Gefahren besteht.
iS) Siehe Kap. VII.
durch die neuerliche Einverleibung eines sadistischen „bösen" Penis (als die der
Sexualakt in diesem Falle empfunden wird) die verinnerlichten gefährlichen
Objekte zu zerstören. Demnach wäre die tiefste Quelle des femininen Maso-
chismus die Angst vor den gefährlichen verinnerlichten Objekten — der
feminine Masochismus wäre der gegen die verinnerlichten
Objekte gerichtete Sadismus. 19
Freud führt aus, 20 daß der Sadismus der durch die narzißtische Libido
vom Ich abgedrängte, ursprünglich gegen den Organismus (Ursadismus) ge-
richtete Destruktionstrieb ist, der zuerst am Objekt zum Vorschein kommt.
Der erogene Masochismus ist der Anteil des Destruktionstriebs, dessen Verlegung
nach außen nicht gelungen ist, der im Organismus verbleibt und dort libidinös
gebunden wird. Indem der nach außen gewendete Destruktionstrieb wieder nach
innen gewendet und von den Objekten abgezogen wird, entsteht der sekundäre,
der feminine Masochismus.
Nach meiner Auffassung verbleibt bei dieser Rückwendung der Destruk-
tionstrieb auch bei den Objekten, aber es sind nun die verinner-
lichten Objekte, gegen die er sich wendet; indem er aber zugleich das
die Objekte beherbergende Ich zu zerstören droht und so den erogenen Maso-
chismus verstärkt, ist im femininen Masochismus auch die Rückwendung gegen
den Organismus zustande gekommen. Freud stellt fest: 21 „Im manifesten
Inhalt der masochistischen Phantasien kommt auch ein Schuldgefühl zum Aus-
druck, indem angenommen wird, daß die betreffende Person etwas verbrochen
habe (was unbestimmt gelassen wird), was durch alle die schmerzhaften und
quälerischen Prozeduren gesühnt werden soll." Es scheint mir eine gewisse
Beziehung vorzuliegen zwischen den selbstquälerischen Prozeduren des Maso-
chisten und den Selbstanklagen des Melancholikers, die, wie wir wissen, gegen
das introjizierte Objekt gerichtet sind. Der feminine Masochismus
wäre demnach sowohl gegen das Ich als gegen das (v er-
innerlichte) Objekt gerichtet. Die Zerstörung des verinnerlichten
Objekts wird nun ein im Dienste der Selbsterhaltung stehendes Ziel. In
extremen Fällen von Masochismus vermag das Ich die Abdrängung des Todes-
triebes nach außen nicht mehr zu ermöglichen, weil Lebenstrieb und Todes-
trieb sich in einem gemeinsamen Ziele begegnen, und weil der Lebenstrieb
19) Helene Deutsch, die in ihrer Arbeit „Der feminine Masochismus und seine
Beziehung zur Frigidität" (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 1930) hinsichtlich der Genese
des Masochismus zu wesentlich anderen Ergebnissen kommt als ich, legt ihrer Auffassung
auch die von der meinen abweichende Annahme zugrunde, daß der Kastrationskomplex
und der Kastrationswunsch den Ödipuskomplex des Mädchens einleitet.
20) Freud: Jenseits des Lustprinzips (Ges. Sehr., Bd. VI) und Das ökonomische
Prinzip des Masochismus. (Ges. Sehr., Bd. V.)
21) Freud: Das ökonomische Prinzip des Masochismus. (Ges. Sehr., Bd. V, S. 378.)
•
dadurch seiner eigentlichen Aufgabe — dem Schutze des Ichs — entzogen
wurde.
Ich führe nun noch kurz einige andere typische Resultate der weiblichen
Sexualentwicklung 22 an, die durch die vorherrschende Angst vor dem intro-
jizierten Penis bedingt sind. Frauen, bei denen neben einem starken Maso-
chismus auch hoffnungsvollere Strömungen bestehen, haben häufig die Tendenz,
sich einem sadistischen Liebespartner hinzugeben, wobei sie aber versuchen, ihn
durch Bemühungen verschiedenster Art, die oft alle Energien des Ichs bean-
spruchen, in ein „gutes" Objekt zu verwandeln. In Fällen dieser Art, bei denen
die Angst vor dem „bösen" Penis und der Glaube an den „guten" einander
die Waage halten, besteht häufig auch ein Schwanken zwischen dem „guten" und
dem „bösen" realen Objekt. In manchen Fällen treibt die Angst vor dem
verinnerlichten Penis zu immer wieder erneuter Überprüfung der
Angstsituation, wodurch die zwanghafte Sexualbetätigung mit einem Objekt
oder auch — eine andere Ausgangsform — der zwanghafte Wechsel der
Liebesobjekte bedingt ist.
In anders gelagerten Fällen führt die gleiche Angst zum entgegengesetzten
Resultat, nämlich zur F r i g i d i t ä t. 23 Aus Haß gegen die Mutter war der Penis
des Vaters aus einem begehrten und spendenden Objekt in ein gefährliches und
böses verwandelt worden. Andrerseits hatte das Kind in der Phantasie die
Vagina in ein Mordinstrument, die ganze Mutter in eine Gefahrenquelle für den
mit ihr im Koitus befindlichen Vater umgeschaffen. Die Angst des Mädchens vor
dem Sexualakt gilt nun einerseits den Beschädigungen, die der Penis ihr zufügen,
andrerseits denen, die sie selbst dem Partner zufügen würde. Ihre Angst, den
Liebespartner zu kastrieren, geht zum Teil auf die Identifizierung mit der
sadistischen Mutter zurück, zum Teil ist sie ein Resultat ihrer eigenen sadistischen
Regungen.
Ich wies früher darauf hin, daß bei der Wendung zum Masochismus der
Sadismus gegen die ver innerlichten Objekte gerichtet ist. Zu einem entgegen-
22) Diese verschiedenen Entwicklungsresultate greifen natürlich auch ineinander. In
der Darstellung so komplizierter und vielfältiger Erscheinungen muß ich mich aber mit
der — notgedrungen schematischen — Darstellung einiger Typen und dem Hinweis
begnügen, daß es mir hier im wesentlichen darauf ankommt, einige Auswirkungen dieser
tiefsten Angst zu beschreiben.
23) Hiefür scheint auch bestimmend, inwieweit das Ich Angst überwinden kann. Ich
wies im vorigen Kapitel darauf hin, daß in manchen Fällen eine Voraussetzung der
Angstbewältigung (vielmehr der Umsetzung der Angst in Lust) darin besteht, daß es
besonders schwierige oder gefährliche reale Situationen sein müssen, die überwunden
werden sollen. Der gleiche Mechanismus beeinflußt in gewissen Fällen die Liebesbedin-
gungen, die Gefahrsituation ist dann der Koitus. Demnach läge der Frigidität unter
anderem auch die phobische Vermeidung der Angstsituation zugrunde. Allem Anschein
nach besteht ein enger Zusammenhang zwischen den spezifischen Bedingungen der Angst-
bewältigung und der Sexualbefriedigung.
— ai3 —
gesetzten Resultat kommt es in den Fällen, in denen die Angst vor dem
verinnerlichten Penis dazu führt, sich des inneren Bedrohers durch
Projektion zu erwehren. Der Sadismus wird dann gegen das äußere
Objekt, gegen den im Koitus neu introjizierten Penis betätigt, also gegen
den Sexualpartner gerichtet.
In diesen Fällen wäre es dem Ich gelungen, den Destruktionstrieb neuerlich
von sich — und nun auch von den verinnerlichten Objekten — abzudrängen
und wieder auf das (äußere) Objekt abzuleiten. Dominiert der Sadismus, so
wird demnach ebenfalls der Sexualakt als Realitätsprüfung für die Angst ge-
wertet, die Beweisführung wird aber im umgekehrten Sinne geführt. Die Phan-
tasien, daß die Vagina und der ganze Körper vernichtend für den Sexualpartner
seien, die Fellatio ein Abbeißen und eine Zerstückelung des Penis bedeute, werden
in diesen Fällen ein Mittel, die Angst vor dem schon einverleibten Penis wie
auch vor dem realen Objekt zu überwinden. Indem der Sadismus am äußeren
Objekt betätigt wird, findet aber auch in der Phantasie ein Vernichtungskampf
gegen die verinnerlichten Objekte statt.
Ich habe hier ein Moment in den Zusammenhang einzufügen, dem eine
wesentliche Bedeutung für die Entwicklung des Mädchens zukommt.
Die Allmacht der Exkremente. In den sadistischen Phantasien
spielen bei beiden Geschlechtern die Exkremente eine große Rolle. Die Allmacht
der Blasen- und Darmfunktion 24 steht in enger Beziehung zu den paranoischen
Mechanismen. 26 Diese Mechanismen sind in vollster Wirksamkeit in der Phase,
in der das Kind in seinen sadistischen Masturbationsphantasien die im Koitus
befindlichen oder phantasierten Eltern auf geheime "Weise mittels des Urins, der
Fäzes und des Flatus zerstört. 26 Diese primären Angriffsmittel und -wege werden
aus Angst vor Gegenangriffen sekundär verstärkt und in den Dienst der Ver-
teidigung 27 gestellt.
24) Siehe Freud: Totem und Tabu. (Ges. Sehr., Bd. X., S. 106.) — Ferenczi:
Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes. (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. I, 191 3.) —
Abraham: Zur narzißtischen Bewertung der Exkretionsvorgänge in Traum und
Neurose. (Klinische Beiträge zur Psychoanalyse. Int. PsA. Verl. 192 1.)
2j) Zur Beziehung zwischen Paranoia und analen Funktionen. Siehe Freud,
Ferenczi, van Ophujsen, Stärcke u. a.
26) Siehe Kap. IX.
27) Die sadistische Allmacht, die primär die Zerstörung der Eltern oder eines
Elternteiles mittels der Exkremente beinhaltet, modifiziert sich im Verlaufe der Ent-
wicklung häufig zu moralischem Quälen, zu der sadistischen Beherrschung und Bemeiste-
rung der Objekte mittels des Intellekts. Zufolge dieser Modifizierung und dem Umstand,
daß diese Angriffe auf geheime und raffinierte Weise erfolgen und daß die Angst vor
Gegenangriffen eine entsprechende "Wachsamkeit, Beobachtungsgabe und intellektuelle
Fähigkeiten entwickelt, wird sie, so scheint es mir, von grundlegender Bedeutung für die
Ichentwicklung bei beiden Geschlechtern. Abraham (1. c.) meinte, die Allmacht der
Blasen- und Darmfunktion sei die Vorstufe für die Allmacht der Gedanken. Nach
— 214 —
IEs scheint mir, daß die Allmacht der Blasen- und Darmfunktion die weibliche
Sexualentwicklung und Ichentwicklung stärker und nachhaltiger beeinflußt als
die des Mannes. Die mittels der Exkremente unternommenen Angriffe gelten der
Mutter, und zwar zuerst ihrer Brust und daran anschließend dem Innern ihres
Leibes. Da nun aber beim Mädchen der Mutterleib stärker und
anhaltender das Objekt der destruktiven Triebregungen ist,
entwickeln sich beim weiblichen Kinde (in enger Beziehung zur verborgenen
geheimnisvollen Innenwelt des mütterlichen und des eigenen Körpers) die
geheimnisvollen, listigen Angriffsmethoden stärker, die auf der Magie der
Exkremente und der anderen Körperausscheidungen 28 und auf der A 1 1-
macht der Gedanken beruhen. Beim Knaben dagegen konzentriert sich
der Haß auf den im Mutterleib vorausgesetzten väterlichen Penis und auf den
des realen Vaters (und damit mehr auf die Außenwelt, das Sichtbare). Der
Knabe bedient sich auch stärker anderer Mittel — nämlich der sadistischen All-
macht seines Penis. Im Zusammenhang damit entwickeln sich beim Knaben auch
andere Wege der Angstbewältigung. 29 Für die Angstbewältigung der
Frau bleibt aber die Beziehung zur Innenwelt, zum V e r-
Iborgenen und damit auch zum Unbewußten 30 dominierend.
Ich wies früher darauf hin, daß auf dem Höhepunkt des Sadismus der Sexual-
akt ein Mittel zur Vernichtung des Objektes darstellt, daß aber zugleich auch
ein Vernichtungskampf gegen die verinnerlichten Objekte erfolgt. Mittels der
Allmacht der Exkremente und Gedanken trachtet das Kind die angsterregenden
Objekte im eigenen Leibesinnern (sowie ursprünglich in dem der Mutter) zu
überwältigen.
Jones (Die Empfängnis Maria durch das Ohr) werden die Gedanken dem Flatus
gleichgesetzt. In den von mir angenommenen geheimen Angriffen auf den Mutterleib
(siehe Kap. VIII) werden die auf magische Weise in den Körper der Objekte beförderten
Fäzes, insbesondere aber der unsichtbare Flatus, anderem unsichtbarem und geheimem
Körperinhalt — den Gedanken — gleichgesetzt.
28) Der Umstand, daß beim Manne der Allmachtsglauben stärker um sein Genitale
zentriert, bei der Frau aber mehr mit den verschiedenen Körperfunktionen, Aus-
scheidungsprozessen usw. verknüpft und deshalb auch stärker auf den ganzen Körper
verteilt ist, dürfte wohl (neben den dem Leibesinnern geltenden Angstinhalten) auch
einen Anteil am Narzißmus der Frau haben, der dem ganzen Körper gilt. Ihr Körper
ist es ja auch letzten Endes, mit dem sie in magischer Weise die realen Objekte erobert
und beherrscht.
29) Ich gehe im Verlaufe dieses und des nächsten Kapitels darauf ein, in welcher
Weise der anatomische Geschleditsunterschied zu einer bei beiden Geschlechtern ver-
schiedenen Entwicklung des Allmachtsglaubens beiträgt. Dies führt auch zu verschiedenen
Wegen der Angstbewältigung.
30) In meiner Arbeit „A Contribution to the Theory of Intellectual Inhibition"
(Int. Journ. of PsA., Vol XII, 193 1) führte ich aus, daß in der Phantasie der Penis
zum Repräsentanten des Ichs und des Bewußten wird. Das Körperinnere — das Un-
sichtbare — wird zur Repräsentanz des Unbewußten und des Ober-Ichs.
— ai5 —
Ist der Glaube an den verinnerlichten „guten" väterlichen
Penis stark genug, so wird dieser zum Träger der Allmacht. 31 Bleibt
die Magie der Exkremente und Gedanken stärker wirksam, so werden in der
Phantasie die verinnerlichten sowie die realen Objekte mittels dieser Magie
gelenkt und beherrscht. Die verschiedenen Arten der Magie greifen aber nicht
nur ineinander und verstärken einander, sie werden vom Ich im Dienste der
Angstbewältigung auch gegeneinander ausgespielt.
Die frühe Beziehung zur Mutter. Das Verhältnis zum introji-
zierten Penis wird von dem zur Mutterbrust stark beeinflußt. Ich fasse diese
primären Momente kurz zusammen. Die „gute" und die „böse" Mutter 32 (reprä-
sentiert durch die Brust) ist das primäre introjizierte Objekt. Die Begierde, den
Penis zu saugen (zu fressen), schließt direkt an die gleichen, der Mutterbrust
geltenden Begierden an. Die an der Mutterbrust erlittene Versagung bereitet des-
halb die Gefühle vor, die später durch die neuerliche Versagung seitens des Penis
ausgelöst wird. Neid und Haß der Mutter gegenüber beeinflussen
und verschärfen die sadistischen, gegen den Penis gerich-
tetenPhantasien. Aber auch auf anderen Wegen beeinflußt das Verhältnis
zur Mutterbrust die Beziehung zum Manne. Sobald die Angst vor dem bösen
introjizierten Penis eingesetzt hat, beginnt sofort auch eine Flucht zur Mutter
zurück, die sowohl als reales Objekt als auch in ihrer introjizierten Gestalt Hilfe
bkten soll. Ist das primäre Verhältnis zur Mutter von der oral-
saugenden Position beherrscht gewesen und enthält es demzufolge starke
positive und hoffnungsvolle Elemente, so vermag die „gute" Mutter-
Imago gegen die „böse" Mutter-Imago und gegen den „bösen"
Penis einen teilweisen Rückhalt zu bieten. Im umgekehrten Fall verstärkt
die Angst vor der introjizierten Mutter auch die vor dem verinnerlichten Penis
und vor den angsterregenden vereinigten Eltern.
Die Bedeutung der Mutter-Imago als „helfende" Gestalt und die Bindung an
die Mutter sind um so größer, als sie in der Phantasie des kleinen Mädchens
über die nahrungspendende Brust, den väterlichen Penis und über die Kinder,
demnach über die Macht verfügt, alle Bedürfnisse zu befriedigen. Denn das
Nahrungsbedürfnis — auch im übertragenen Sinne — wird, wenn die
31) Melitta Schmideberg zeigte in ihrer Arbeit: The R61e of Psychotic
Mechanisms in Cultural Development (Int. Journ. of Psychoanalysis, Vol. XI, 1930,
Part IV), daß die Introjektion des väterlichen Penis (Vaters) das Allmachtsgefühl und
den Narzißmus wesentlich verstärkt.
32) Ich habe in Kap. VIII begründet, daß die „gute" Mutterbrust infolge der in
der Phantasie gegen sie verübten Angriffe (der Sadismus mit allen seinen Mitteln richtet
sich ja zuerst gegen die nicht genügende Befriedigung gewährende Brust) in eine „böse"
Brust verwandelt wird, es erfolgt also die grundlegende Introjektion einer „guten" und
einer „bösen" Mutter-Imago, noch bevor es zur Entwicklung anderer Imagines kommt.
frühen Angstsituationen eingesetzt haben, vom Ich auch in den Dienst
.der Angstbewältigung gestellt. Die „gute Milch", der „gute Penis"
und die Kinder, 33 über die die Mutter in der Phantasie des Kindes in un-
begrenztem Maße verfügt, werden um so leidenschaftlicher begehrt, je stärker die
Angst ist, ein vergiftetes Leibesinnere zu besitzen, das von Angreifern bedroht
wird. Die „guten" Dinge dienen zum Schutze gegen die „bösen", dienen zur
Herstellung eines gewissen Gleichgewichtszustandes im Leibesinnern. Der Leib
der Mutter ist demnach in der Phantasie des Kindes das Reservoir, aus dem alle
Wünsche befriedigt und die Angst gestillt werden können. Diese Phantasien, die
auf die erste und auch in ihren Auswirkungen bedeutungsvollste Befriedigungs-
quelle — die Brust — zurückgehen, sind bestimmend für die überaus starke
Bindung des Mädchens an die Mutter. Die Versagung seitens der Mutter
wird unter dem Drucke der Angst zur Basis neuer Anklagen und
verstärkter sadistischer Angriffe auf den Leib der Mutter.
Auf einer etwas vorgeschritteneren Entwicklungsstufe, auf der die Schuld-
gefühle nach allen Seiten hervortreten, 34 löst aber gerade das Bestreben, den
Mutterleib des guten Inhaltes zu berauben (beziehungsweise das Gefühl, ihn
beraubt zu haben) und sie dadurch gewissermaßen dem bösen Teil des Leibes-
inhalts zu überliefern, schwerste Schuldgefühle und Angst aus. Die gänzliche
Zerstörung des Kindes fällt in der Phantasie des Kindes mit der Vernichtung
des Reservoirs zusammen, aus dem es die Befriedigung aller leiblichen und
psychischen Bedürfnisse erwartet. Diese für das Seelenleben des kleinen Mädchens
überaus bedeutungsvolle Angst trägt sehr stark zur Bindung an die Mutter bei.
Der aus diesen Angstquellen resultierende Antrieb, gut-
zumachen, der Mutter alles wiederzugeben, was ihr entnommen
wurde (ein Antrieb, der in zahlreichen spezifisch weiblichen Sublimierungen Aus-
druck findet), steht aber in Gegensatz zu dem durch die Angst
verstärkten Antrieb, ihr alles Vorhandene zur Rettung des eigenen
Körpers zu entnehmen. In diesem Entwicklungsstadium finden wir das
Kind beherrscht vom Zwang, zu nehmen und zurückzugeben,
den ich an einer früheren Stelle als wesentlich für die Genese der Zwangs-
neurose beschrieben habe. 35 Ganz kleine Mädchen zeichnen zum Beispiel
Sternchen oder Kreuzchen (Stuhl und Kinder darstellend), größere Mädchen
33) Auf die tiefere Bedeutung des Kindesbesitzes gehe ich später ausführlich ein.
Hier will ich nur allgemein bemerken, daß das imaginäre Kind ein gutes hilfreiches
Objekt im Leibesinnern bedeutet.
34) Zugleich mit den Angriffen auf die Eltern werden in der Phantasie auch die
im Mutterleib befindlichen Geschwister beschädigt oder zerstört. Die aus dieser Quelle
stammende Vergeltungsangst verursacht Störungen des Verhältnisses zu den Geschwistern
und damit der sozialen Anpassung im allgemeinen.
35) Siehe Kap. IX.
— 217 —
Buchstaben, Zahlen auf ein Blatt, das den Leib der Mutter oder den eigenen
bedeutet, und achten sorgfältig, daß keine Stelle leer bleibt. Oder es werden auch
nur Papierstückchen gleichmäßig in eine Schachtel getan und diese angefüllt.
Häufig zeichnen die Kinder ein Haus (die Mutter), einen Baum davor (den
Penis des Vaters), einige Blumen (die Kinder bedeutend) daneben. Größere
Mädchen verfertigen Gegenstände verschiedener Art (Zeichnungen, Handarbeiten,
Puppen, Puppenbekleidung, Bücher u. dgl.), die den wiederhergestellten Leib der
Mutter (oftmals jeden beschädigten Körperteil einzeln), die Kinder und den
väterlichen Penis im Mutterleib oder den Vater und die Geschwister selbst dar-
stellen. Häufig setzen während oder nach Beendigung dieser Beschäftigungen
Enttäuschung, "Wut oder Depression ein, oder es kommt zu Reaktionen destruk-
tiver Art, die durch die Angst, nicht gutmachen zu können, deter-
miniert sind. Diese Angst, die ein grundlegendes Hindernis aller konstruktiven
Tendenzen ist, 36 entspringt verschiedenen Quellen. Das Kind hat sich in der
Phantasie einen väterlichen Penis, Stuhl und Kinder angeeignet, an deren guter
Beschaffenheit es zufolge der mit den sadistischen Phantasien einsetzenden Angst
vor Penis, Kindern und Exkrementen zweifelt. Die Fragen lauten nun: Kann
es der Mutter auch die richtigen „guten" Dinge wiedererstatten, und zwar richtig
nach Qualität, Quantität, ja sogar nach richtiger "Wiederanordnung im mütter-
lichen Leibe (die auch mit eine Voraussetzung der Wiederherstellung ist)? Meint
aber das Kind, der Mutter den guten Leibesinhalt zurückgegeben zu haben,
so setzt die Angst ein, sich selbst dadurch gefährdet zu haben.
Aus diesen Angstquellen resultiert aber auch ein besonderes Miß-
trauen der Tochter der Mutter gegenüber. Zeitweise bekundet das
Kind, das eine Zeichnung, Papierschnitzel oder andere den Penis oder die
Kinder symbolisierende Dinge in ein Päckchen verpackt, verschnürt und sorg-
fältig in der Spielzeugschublade verwahrt, mir gegenüber tiefes Mißtrauen. Ich
darf dann dem Päckchen und der Schublade nicht nahe kommen, soll während
der Verpackung beiseite stehen, oft sogar wegsehen. Manche Kinder mustern,
wenn sie mein Zimmer betreten, mißtrauisch den Vorrat an Papier, die Blei-
stifte (z. B. ob es die ihrigen sind, ob sie nicht kürzer, nicht weniger an Zahl
sind als am Tag vorher), wollen feststellen, ob der Inhalt der Schublade nicht
durcheinandergeschüttelt wurde, ob alles in der richtigen Ordnung liegt, nichts
fehlt oder nichts vertauscht wurde." Die Analyse erweist dann, daß der Schub-
36) Ist die Angst so stark, daß sie durch die zwangsneurotischen Mechanismen
nicht _ gebunden werden kann, so setzen die gewaltsamen Mechanismen der früheren
Entwicklungsstufen und die primitiveren Abwehrmechanismen durch das Ich ein.
_ 37) Spielzeug, Papier, Bleistifte u. dgl., die ich zu Beginn der Analyse für jedes
Kind bereit halte (und von Zeit zu Zeit erneuere), werden zusammen mit Dingen, die
das Kind selbst von zu Hause mitbringt, in einem Schubkasten verwahrt; jedes Kind ver-
fügt in meinem Zimmer über einen eigenen Schubkasten.
3l8
kästen (ebenso wie das verschaürte Päckchen) die Bedeutung des eigenen Körpers
hat, und daß die Angst des Kindes dahin geht, von der Mutter nicht nur an-
gegriffen und beraubt zu werden, sondern auch von ihr „böse" Dinge anstatt
des eigenen „guten" Leibesinhaltes zurückzubekommen.
Zu diesen mannigfaltigen Angstquellen tritt als ein weiteres Moment, das die
weibliche Position und die Beziehung zur Mutter erschwert, die anatomische
Beschaffenheit des weiblichen Körpers. Im Vergleich mit dem Knaben, der die
Stütze der männlichen Position und die Möglichkeit einer Realitätsprüfung im
Besitze seines Penis findet, vermag das kleine weibliche Kind aus der weiblichen
Position selbst keinen Rückhalt gegen die Angst zu beziehen. 38 Der Kindesbesitz,
der eine volle Bestätigung und Erfüllung der weiblichen Position wäre, ist ja
nur eine Zukunftshoffnung. 39 Die Unmöglichkeit, sich über das Innere
des Leibes Gewißheit zu verschaffen, verschärft die (meiner
Meinung nach tiefste) Angst des Mädchens, ein beschädigtes oder zer-
störtes Leibesinnere 40 und keine oder beschädigte Kinder zu besitzen.
Die Rolle der Vagina für die frühinfantile Sexualent-
wicklung. Die Angst des Mädchens für sein Leibesinnere hat meiner Meinung
nach auch einen starken Anteil daran, daß die Rolle der Vagina für die früh-
infantile Sexualorganisation hinter der der Klitoris verdeckt bleibt. Schon in den
frühesten Masturbationsphantasien des kleinen Mädchens, in denen die Vagina
der Mutter in ein Werkzeug der Zerstörung umgeschaffen wird, dokumentiert
sich die unbewußte Kenntnis der Vagina. Die Vagina wird zwar unter dem
Einfluß der vorherrschenden oralen und analen Strebungen dem Munde und dem
Anus gleichgesetzt, ist aber, wie viele Einzelheiten der Phantasien deutlich er-
weisen, dem kleinen Mädchen unbewußt als eine Höhlung im Genitale, die der
Aufnahme des väterlichen Penis dient, bekannt.
Über die allgemeine unbewußte Kenntnis der Vagina hinaus
liegt aber in vielen Fällen auch eine ganz bewußte Kenntnis der Vagina vor.
Außer den besonderen Fällen, auf die Helene Deutsch 41 hinweist, in denen
Vergewaltigung und Defloration diese Kenntnis und anschließende vaginale
Masturbation herbeiführen, fand ich in einer Reihe von Analysen kleiner Mädchen,
38) Siehe meine Arbeit: Frühstadien des Ödipuskonfliktes. (Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XIV, 1928.)
39) Auch Helene Deutsch weist in ihrer Arbeit: Der feminine Masochismus und
seine Beziehung zur Frigidität (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 1930) auf diesen Umstand
als erschwerend für die Beibehaltung der weiblichen Position hin.
40) Mit an diesen Angstinhalten liegt es, daß der weibliche Narzißmus dem
ganzen Körper gilt. Analog zentriert der Narzißmus des Knaben, dessen leitende Angst
die Kastrationsangst ist, um den Penis.
41) Helene Deutsch: Der feminine Masochismus und seine Beziehung zur
Frigidität. (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 1930.)
— 319 —
daß sie bewußte Kenntnis vom Vorhandensein einer Öffnung i m
Genitale besaßen. In einigen Fällen war diese Kenntnis bei sexuellen Spielereien
mit anderen Kindern (Knaben oder Mädchen) durch gegenseitige Erforschung
des Genitales erworben worden, in anderen Fällen hatte das Kind die Vagina
selbst entdeckt. Allerdings scheint eine besondere Neigung zur Ver 1 eugn u n e
und Verdrängung dieser Kenntnis vorzuliegen, eine Neigung, die
einer an die Va g ina und das Leib esi nn er e geknüpften Angst entspringt
Der Umstand, daß die Vagina ein Teil des mit tiefer Angst
besetzten Leibesinnern, und zwar das Organ ist, das in den
sadistischen Phantasien über den Sexualakt der Eltern
als besonders gefährlich und gefährdet empfunden wird,
hat sich mir auch in Frauenanalysen als ein grundlegender Faktor für Frigi-
dität und sexuelle Störungen, insbesondere aber für Hemmungen
der vaginalen Erregbarkeit erwiesen.
Vieles spricht dafür, daß die Vagina ihre volle Funktion überhaupt erst nach
der Kohabitation aufnimmt.« Bekanntlich verändert sich in vielen Fällen die Ein-
stellung des Weibes zum Sexualakt vollständig, wenn Kohabitation stattgefunden
hat. Die in der Mehrzahl der Fälle vorher bestehende - als normal zu be-
trachtende - Hemmung dem Sexualakt gegenüber fällt fort und wird in vielen
Fällen durch einen intensiven Wunsch nach dem Sexualakt abgelöst. Diese Tat-
sache läßt darauf schließen, daß die dem Koitus vorhergehende
Hemmung auch auf Angst zurückgeht, die durch den Akt
selbst behoben wird.« Diese Angstberuhigung geht meiner Meinung nach
darauf zurück, daß die beim Sexualakt empfundene libidinöse Befriedigung auch
als Bestätigung dafür gewertet wird, daß der im Koitus einverleibte Penis ein
„gutes" Objekt und die Vagina kein Werkzeug der Zerstörung für den Penis
ist. Das reale Objekt entkräftet die (vorher unkontrollier-
bare und durch diesen Umstand intensivierte) Angst vor dem
äußeren und verinnerlichten Penis.
Die das Leibesinnere betreffenden Angstinhalte tragen meiner Auffassung nach
neben den biologischen Faktoren dazu bei, das Zustandekommen einer deutlich
hervortretenden vaginalen Phase in früher Kindheit zu verhindern. Die psy-
chische Repräsentanz der Vagina hat aber, wie ich in einer Reihe
von Analysen kleiner Mädchen fand, ebenso wie die der anderen libidinösen
Phasen, ihren vollen Anteil an der f r ü h i n f a n t i 1 e n Genital-
organisation.
42) Eine Auffassung die auch Helene Deutsch in ihrem Buch „Psychoanalyse
der weiblichen Sexualfunktionen" vertritt. (Int. PsA. Verl. 1925 ) X^naiyse
43) Auf die Struktur der Fälle, in denen der Sexualakt die Angst nicht herab-
setzt, sondern sie verstärkt, ging ich früher ein.
Die gleichen Ursachen, die dazu beitragen, die psychische Funktion der Vagina
zu verdecken, erhöhen die Fixierung an die Klitoris als an ein
äußeres Organ, das einer Realitätsprüfung unterzogen werden kann. Ich
fand, daß die Klitorismasturbation mit Phantasien verschiedenen Inhaltes ver-
bunden ist. Die Inhalte dieser Phantasien wechseln überaus schnell, entsprechend
dem starken Fluktuieren der Positionen auf den frühen Entwicklungsstufen. Die
Masturbationsphantasien sind zunächst vorwiegend prägenitalen
Inhalts. Sie nehmen aber, sobald der Wunsch nach der oralen
und genitalen Einverleibung des väterlichen Penis sich
verstärkt, auch genitalen und vaginalen Charakter an
(wobei allem Anschein nach häufig auch schon vaginale Sensationen auftreten), 44
sind also zuerst weiblich gerichtet.
Da sich der Identifizierung mit der Mutter sehr bald die mit dem Vater
anschließt, nimmt in den Masturbationsphantasien des kleinen Mädchens die
Klitoris auch bald Penisbedeutung an. Alle Masturbationsphantasien dieser frühen
Entwicklungsstufe, die sich an der Klitoris abspielen, sind vom Sadismus
beherrscht. Dieses Moment aber scheint mir entscheidend dafür, daß die Klitoris-
onanie und die Masturbation im allgemeinen mit Abschluß der phallischen Phase
— also in einer Entwicklungsperiode, in der die Schuldgefühle stärker hervor-
treten — aufgegeben oder eingeschränkt wird. Die Anerkennung der Tatsache,
daß die Klitoris kein Ersatz für den gewünschten Penis ist, sehe ich nur als den
letzten Akt eines Dramas an, das ein Schicksal — in vielen Fällen das dauernder
Frigidität — besiegelt.
Kastrationskomplex. Die Identifizierung mit dem Vater,
die mit allen Erscheinungen des Kastrationskomplexes 45 und Penisneides beim
Mädchen in der phallischen Phase deutlich hervortritt, scheint mir das Resultat
eines Prozesses zu sein, der in Schüben vor sich geht. 46 Ich greife in der nun
44) Hanns Sachs zieht in seiner Arbeit: Ober einen Antrieb bei der Bildung
des weiblichen Über-Ichs (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XIV, 1928) als eine Möglichkeit in
Betracht — „daß dunkle Sensationen in der Vagina, da eine vaginale Phase sich nicht
durchsetzen kann, auf den Mund verschoben werden."
45) Siehe Abraham: Äußerungsformen des weiblichen Kastrationskomplexes.
(Int. Ztschr. f. PsA., Bd. VII, 1921.)
46) Karen Horney hat in ihrer Arbeit: Zur Genese des weiblichen Kastrations-
komplexes (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. IX, 1923) als erste den Kastrationskomplex der
Frau im Zusammenhang mit der frühen weiblichen Position des kleinen Mädchens be-
trachtet. Sie führt als Momente, die einen auf prägenitalen Besetzungen beruhenden
Penisneid des kleinen Mädchens begünstigen, an: die Befriedigung des aktiven und
passiven Schautriebes, die der Knabe beim Urinieren hat, und die stärkere Befriedigung
der Harnerotik, die sich in der Phantasie des Mädchens mit dem Penisbesitz verbindet.
Die Schwierigkeiten der weiblichen Position (unter anderem der Neid auf den Kindes-
besitz der Mutter) verstärken den Penisneid und tragen zur Identifizierung mit dem
1
folgenden Darstellung einige wichtige Etappen dieses Prozesses heraus, um
zu untersuchen, wie die Identifizierung mit dem Vater von der Angst, die aus
der weiblichen Position entspringt, beeinflußt wird, und wie ferner die in den
verschiedenen Phasen eingenommenen männlichen Positionen sich aufeinander
aufbauen.
Das Mädchen identifiziert sich, wenn es die Mutterbrust aufgibt und sich dem
Penis des Vaters als Objekt der Befriedigung zuwendet, mit der Mutter.
Die in dieser Position erlittene Versagung drängt sehr bald zu einer Identi-
fizierung mit dem Vater, der in der Phantasie des Kindes sich an der Brust
und dem Leib der Mutter, also an der primären Quelle befriedigt, die das Kind
eben und unter schwerstem Leiden aufzugeben genötigt war. Neben dem
libidinösen Begehren nach der Mutter treiben Neid und
Haß gegen sie zur frühesten Identifizierung mit dem
sadistischen Vater. In dieser Identifizierung spielt das Nässen eine
wichtige Rolle.
Der Urin wird bei beiden Geschlechtern in seiner positiven Bedeutung (auf
Grund der unbewußten Gleichsetzung aller Körperstoffe) der Muttermilch
gleichgesetzt. Das Nässen ist nach meinen Beobachtungen bei beiden Ge-
schlechtern in seiner frühesten Bedeutung der Ausdruck der
weiblichen Position* 7 (im positiven spendenden Sinne sowie in der
sadistischen Verkehrung). Der Haß gegen die versagende Mutterbrust aktiviert
— allem Anschein nach zugleich mit den kannibalistischen Triebregungen oder
dicht an diese anschließend — Phantasien von Beschädigung und Zerstörung
der Brust mittels des Urins.* 8
Vater bei. Karen H o r n e y findet, daß die gleichen Momente, die zur Homosexualität
führen, ^ in abgeschwächtem Maße an der Entwicklung des Kastrationskomplexes be-
teiligt sind.
47) Nach Helene Deutsch (Psychoanalyse der Neurosen, Int. PsA. Verl. 1930)
ist das Nässen beim Knaben der Ausdruck der weiblichen, beim Mädchen der männlichen
Position.
48) Hiebet entwickelt sich folgender Mechanismus, der mir im allgemeinen für den
Aufbau sadistischer Phantasien bedeutungsvoll erscheint: die Befriedigung, die das Objekt
genießt, wird durch Zusatz destruktiver Elemente ins Gegenteil verkehrt. Aus Rache
gegen die zu geringe Menge an Milch wird ein Übermaß an Urin (Zerstörung durch
Aufweichen, Oberschwemmen usw.) in der Phantasie erzeugt. Ebenso soll zur Vergeltung
für die Versagung der „guten Milch" die Brust und die Milch der Mutter durch eine
verbrennende, vergiftende Flüssigkeit zerstört werden. Dieser Mechanismus wirkt sich
auch in Phantasien des Inhaltes aus, die Objekte durch ein Obermaß an guter Nahrung
zu quälen oder zu zerstören. Die Vergeltungsangst kann dann — wie ich in einigen
Fällen feststellte — dazu führen, daß sich Erstickungsangst, Angst zu voll zu sein u. dgl.
mit der Nahrungsaufnahme verbindet. Einer meiner Patienten geriet in nur mühsam
beherrschte "Wut, wenn ihm, sei es auch in freundlichster Absicht, Speisen, Getränke oder
Zigaretten ein zweites Mal angeboten wurden. Er fühlte sich sogleich „vollgepfropft" und
verlor jede Eßlust oder Lust zum Rauchen. Die Analyse erwies als tiefste Wurzel dieses
9
"Wie ich früher ausführte, bleibt beim Mädchen in der sadistischen Phase die
Magie der Exkremente dominierend, während beim Knaben der Penis zum
hauptsächlichen Exekutivorgan des Sadismus wird. Aber auch beim Mädchen
führt — wenn auch in geringerem Maße — der Glaube an die Allmacht der
Blasenfunktion zur Identifizierung mit dem sadistischen Vater, dem infolge des
Penisbesitzes besonders urethral-sadistische Macht zugeschrieben wird. 40 Das
Nässen wird sehr bald bei beiden Geschlechtern zum Ausdruck der männ-
lichen Position und in der frühesten Identifizierung des Mädchens
mit dem sadistischen Vater ein Mittel zur Zerstörung
der Mutter. Zugleich eignet sich das Mädchen in der Phantasie den Penis
des Vaters an, indem es ihn kastriert.
Die Identifizierung mit dem Vater auf Grund des intro-
ji zierten Penis 50 schließt nach meinen Erfahrungen dicht an die mittels
des Nässens hergestellte primäre sadistische Identifizierung an. In den frühesten
Masturbationsphantasien identifiziert das Kind sich abwechselnd mit den beiden
Elternteilen. Die in der femininen Position erfolgte Verinnerlichung des väter-
lichen Penis löst die Angst vor dem verinnerlichten „bösen" Penis
aus. Diese Angst führt aber wieder zu einer Verstärkung der Identi-
fizierung mit dem Vater, denn sie aktiviert als Abwehrmechanismus
gegen die Angst die Identifizierung mit dem Angstobjek t. 51
Der Besitz des introjizierten, dem Vater geraubten Penis wird zur Basis für
das Allmachtsgefühl, das den Glauben an die destruktive Magie mittels der
Verhaltens ganz frühe, gegen die Objekte gerichtete Phantasien des eben geschilderten
sadistischen Charakters.
49) Karen H o r n e y führt in ihrer Arbeit: Zur Genese des weiblichen Kastrations-
komplexes (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. IX, 1923) unter den Momenten, die aus den
urethral-erotischen Triebregungen primär zum Penisneid drängen, auch den Umstand an,
daß sadistische Allmachtsphantasien, die sich mit der Blasenfunktion verbinden, sich
besonders an den männlichen Urinstrahl knüpfen.
50) Ernest Jones (Die erste Entwicklung der weiblichen Sexualität, Int. Ztschr.
f. PsA., Bd. XIV, 1928) kam hinsichtlich der Genese der weiblichen Homosexualität zu
grundlegenden Ergebnissen, die ich durch mein Material voll bestätigt fand, und die ich
hier kurz zusammenfasse. Jones vertritt die Auffassung, daß sehr starke Fellatio-
phantasien im Zusammenhang mit einem starken oralen Sadismus die Grundlage für
den Glauben bilden, gewaltsam vom Penis des Vaters Besitz ergriffen und damit eine
bestimmte Art der Vateridentifizierung vollzogen zu haben. Die Homosexualität, die
auf dieser Basis zustande kommt, charakterisiert sich nach Jones durch geringeres
Interesse an Frauen und starkes Interesse am Manne. Das Streben dieser Homosexuellen
geht dahin, Anerkennung und Beachtung vom Manne zu erzielen, und ist mit starken
Rivalitätsgefühlen, Haß und Groll gegen den Mann verbunden. Die Charakterent-
wicklung zeigt dann auch im allgemeinen starke oralsadistische Züge, die Vateridentifizie-
rung dient in diesen Fällen weitgehend den Kastrationswünschen dem Manne gegen-
über.
51) Siehe Kap. VII.
— aa3 —
Exkremente verstärkt. In dieser Position verstärkt das weibliche Kind den
Sadismus gegen die Mutter, die es mit Hilfe des väterlichen Penis zerstört. Es
befriedigt zugleich seine Rache gegen den versagenden Vater und findet im
Allmachtsgefühl und in der Macht über beide Eltern eine Abwehr gegen die
Angst. Diese Position fand ich besonders stark in einigen Fällen entwickelt,
in denen paranoide Züge vorherrschten. 52 Sie scheint mir auch bei den Frauen
stark wirksam zu sein, bei denen die Homosexualität den Charakter einer
gehässigen Rivalität mit dem Manne trägt, also auch bei den Homosexuellen, die
Ernest Jones beschreibt und auf die ich früher einging.
Das Mädchen will sich nun unter anderem durch den Besitz eines äußeren Penis
folgendes beweisen: I) daß es die sadistische Macht über beide
E 1 1 e r n t e i 1 e, die eine Bedingung der Angstbewältigung ist, real
besitz t; 53 II) beweist der Penis als Mittel der sadistischen Macht über die
Objekte, daß der verinnerlichte gefährliche Penis und die
introjizierten Objekte überwältigt werden können. Hier
dient der Penisbesitz letzten Endes dem Schutze des eigenen Körpers.
Bildet demnach die durch Angst verstärkte sadistische Position
eine Grundlage fü-r den Männlichkeitskomplex, so ergibt sich
andrerseits ein starkes Begehren nach dem Penisbesitz aus dem Schuld-
gefühl. Der reale Penis wird nun zum Zwecke der Wiedergutmachung an
der Mutter angestrebt.
Joan R i v i e r e hat darauf hingewiesen, 54 daß der Antrieb, die Mutter für
den ihr in der Phantasie geraubten Penis des Vaters zu entschädigen, wichtige
Zuschüsse zum Kastrationskomplex und Penisneid des Mädchens liefert. Wenn
das Mädchen durch die Angst vor der Mutter dazu gedrängt wird, die Rivalität
mit ihr aufzugeben, so führt der Wunsch, die Mutter zu besänftigen und an
ihr gutzumachen, zu einem intensiven Begehren des Mädchens nach dem Penis-
besitz, denn der Penis wird zum Mittel der Wiedergutmachung. Den Grad des
Sadismus und die Fähigkeit, Angst zu ertragen, hält Joan Ri viere für
Faktoren, die über den Ausgang in Heterosexualität oder Homosexualität mit
entscheiden.
jz) Ich verweise auf die Krankheitsgeschichte von Erna (Kap. III) und greife hier
nur ein charakteristisches Detail heraus. Die sechsjährige Erna, die an schwerer Schlaf-
losigkeit litt, konnte der Angst vor dem Einbrecher und Räuber nur Herr werden, indem
sie, auf dem Bauche liegend, mit dem Kopf auf die Kissen „bumste". Dies bedeutete den
sadistischen Koitus mit der Mutter, wobei sie die Rolle des (sadistischen) Vaters spielte.
53) Joan Ri viere hat in ihrer Arbeit: Weiblichkeit als Maske (Int. Ztschr. f.
PsA., Bd. XV, 1929) darauf hingewiesen, daß das Mädchen aus Wut und Haß über die
einander sexuell befriedigenden Eltern in der Phantasie den Vater kastriert und sich
seinen Penis aneignet. In der Phantasie gewinnt es dadurch Macht über beide Eltern
und vernichtet sie.
54) „Weiblichkeit als Maske." (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XV, 1929.)
mm
Ich will nun näher darauf eingehen, warum in gewissen Fällen die männliche
Position und der P e n i s b e s i t z für das Mädchen zur ausschließlichen
Voraussetzung der Wiedergutmachung an der Mutter
wird.
Die Frühanalyse läßt als ein Grundgesetz des Unbewußten, das die reaktiven
Tendenzen regelt und den Sublimierungsprozeß beherrscht, die im Seelenleben
wirksame Forderung erkennen, daß die Wiedergutmachung in allen
den Einzelheiten den phantasierten Zerstörungen folgen
muß: Schritt für Schritt wird rückgängig gemacht, wieder hergestellt, zurück-
erstattet, was in der Phantasie an Bösem zugefügt wurde. Dieses Gesetz wirkt
sich aber auch dahin aus, daß die sadistischen Mittel, die zur Beschädi-
gung und Zerstörung dienten (Penis, Exkremente usw.), wieder in „gute"
Dinge verwandelt und dann als Mittel der Heilung angewendet werden.
Der „böse" Penis, der „böse" Urin hat beschädigt, der „gute" Penis, 55 der „gute"
Urin soll heilen.
Nehmen wir nun zum Beispiel den Fall des weiblichen Kindes, bei dem die
sadistischen Phantasien mehr um die — indirektere — Ver-
nichtung der Mutter durch den gefährlichen väterlichen Penis zen-
trieren, und das sich auch sehr stark mit dem sadistischen Vater identifiziert hat.
Die reaktiven Tendenzen drängen dann, wenn der Antrieb zur Wiedergut-
machung sich verstärkt, zur Wiederherstellung der Mutter mittels eines
heilsamen Penis, und verstärken so die Antriebe zur Homosexualität.
Eine wichtige Rolle spielt dabei, inwieweit das Gefühl, daß der Vater zur
Wiedergutmachung unfähig ist (weil das Kind ihn kastriert, beseitigt oder seinen
Penis zu stark in einen „bösen" Penis verwandelt zu haben meint), vorherrscht,
und deshalb die Hoffnung, ihn wiederherstellen zu können, aufgegeben wurde. 56
In solchen Fällen muß das Mädchen selbst die Rolle des Vaters übernehmen, ein
Moment, das die Wendung zur Homosexualität mitbestimmt.
$j) Melitta Schmideberg geht in ihrer Arbeit: Psychotic Mechanisms in Cul-
tural Development (Int. Journ. of Psycho- Analysis, Vol. XI, 1930, Part IV) auf den
Anteil ein, den der Glaube an die magischen Qualitäten des „guten" Penis (Arznei) und
des „bösen" Penis (Krankheitsdämons) an der Entwicklung der Medizin hat. Sie führt
die psychische Wirkung von Heilmitteln unter anderem auf folgende Momente zurück:
Die ursprüngliche Aggression gegenüber dem Penis des Vaters, die ihn in ein so gefähr-
liches Objekt verwandelt hat, wird durch Gehorsam und Unterwerfung dem Vater
gegenüber abgelöst, und die in diesem Geiste eingenommene Medizin — die den „guten"
Penis symbolisiert — wirkt dann auch als Heilmittel gegen die „bösen" verinnerlichten
Objekte.
$6) Tritt die Homosexualität nur in sublimierter Form hervor, so zeigt sie sich
in diesen Fällen zum Beispiel in der Sorgfalt für andere Frauen (die Mutter), die
beschützt, versorgt, bei denen Gattenstelle vertreten wird usw. Bei diesen Frauen liegt
nur wenig Interesse am Manne vor. Ernest Jones hat gezeigt, daß diese Einstellung
bei jenen Homosexuellen wirksam ist, bei denen die oralsaugende Fixierung sehr stark ist.
Klein, Psychoanalyse des Kindes. lg
— aa5 —
Die aus der Erkenntnis des Penismangels sich ergebenden Gefühle von Zweifel,
Enttäuschung und Minderwertigkeit, ferner die aus der männlichen Position
resultierenden Angstquellen und Schuldgefühle (dem Vater gegenüber, der hie-
durch des Penis und des Besitzes der Mutter beraubt wird — der Mutter gegen-
über, die des Vaters beraubt wird) erschüttern neuerlich die männliche Position.
Auch führt der Groll, der in der primären Position der Mutter gilt, weil sie die
Brust und den objektlibidinös begehrten Penis des Vaters verweigerte, und der
sich nun durch die Anklage ergänzt hat, daß sie der Tochter das Attribut der
Männlichkeit, den eigenen Penis versagte, zur Abwendung von ihr als einem
genitalen Liebesobjekt. Andrerseits wirken Penisneid und Haß, die aus der männ-
lichen Position gegen den Vater empfunden werden, der Wiederaufnahme der
weiblichen Rolle entgegen. Meiner Erfahrung nach schließt sich beim Mädchen
an die phallische Phase noch eine „n a c h p h a 1 1 i s c h e Phase" an, in der
es sich entscheidet, ob das Mädchen die weibliche Position beibehält oder ver-
wirft. Die weibliche passive 57 genitale und mütterliche
Position, die auch die Funktion der Vagina, beziehungsweise deren psychische
Repräsentanz einschließt, ist meinen Erfahrungen nach in allen Grund-
zügen errichtet, wenn das Latenzalter einsetzt. Dies geht
auch daraus hervor, daß die wirklich weibliche und mütterliche Position, die
bei vielen kleinen Mädchen ganz ausgesprochen hervortritt, nicht denkbar ist
ohne die Funktion des weiblichen Genitales als eines rezeptiven Organs. I n
der Funktion der Vagina ergeben sich, wie ich früher hervorhob,
durch die biologischen Veränderungen im Pubertätsalter 58 und dann wieder durch
die Wirkungen des Sexualaktes wichtige Veränderungen, die den endgültigen
psychischen Abschluß der weiblichen Sexualentwicklung, die Weiblichkeit im
vollen Sinne des Wortes, herbeiführen.
Meine Auffassung stimmt in mehreren Punkten überein mit Feststellungen,
zu denen Karen H o r n e y in ihrer Arbeit „Flucht aus der Weiblichkeit" 59 kam.
Sie vertritt dort die Auffassung, daß die Vagina neben der Klitoris eine Rolle
in der frühinfantilen weiblichen Gesamtorganisation spielt. Man könnte sogar
aus den späteren Erscheinungen der Frigidität schließen, daß die Vaginalzone
eher stärker mit Angst- und Abwehraffekten besetzt ist als die Klitoris, und zwar
darum, weil die „inzestuösen Wünsche mit der vollen Treffsicherheit des Un-
57) Helene Deutsch spricht (Psychoanalyse der weiblichen Sexualfunktionen,
Int. Ztsdir. f. PsA., Bd. XII, 1926) auch die Auffassung aus, daß „die wirklich passive
feminine Einstellung der Vagina in ihrer oralen, saugenden Tätigkeit liegt".
$8) Auch beim kleinen Knaben ist die psychische Repräsentanz aus den Funktionen
des Penis, die erst in der Fortpflanzungsperiode einsetzen, die Voraussetzung der männ-
lichen Position.
59) Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XII, i ? z6.
16 -
bewußten auf sie bezogen werden". Im Sinne dieser Betrachtung müßte man
die Frigidität als einen Ausdruck der Abwehr jener für das Ich so bedrohlichen
Phantasien auffassen. In dem Umstand, daß das Mädchen sich über die Vagina
keinerlei Sicherheit verschaffen und nicht wie der Knabe (der sein Genitale
betrachten kann) eine Realitätsprüfung vorzunehmen vermag, ob die gefürchteten
Folgen der Onanie eingetreten sind, sieht auch Karen H o r n e y einen Faktor,
der sowohl die Genitalangst verstärkt als auch die Zuwendung zur männlichen
Position begünstigt. In dieser Arbeit vertritt Karen Horney die Auffassung,
daß der „sekundäre" Penisneid des Mädchens, der in der phallischen Phase
hervortritt, vom „primären" Penisneid, der auf prägenitalen Besetzungen (wie
Schautrieb, Harnerotik) beruht, zu unterscheiden sei. Der sekundäre Penisneid
steht ihrer Auffassung nach im Dienste der Verdrängung weiblicher Wünsche.
Beim Ausgang des Ödipuskomplexes wird regelmäßig - wenn auch in Ausmaß
und Abstufungen verschieden — nicht nur der Vater als Sexualobjekt aufgegeben,
sondern es kommt gleichzeitig zu einem Zurückweichen vor der weiblichen Rolle
und so zu einer Regression auf den primären Penisneid.
In meiner Auffassung vom Abschluß der ersten Genitalorganisation des
Mädchens, die ich in meiner Arbeit „Frühstadien des Ödipuskonfliktes" 60 vertrat,
begegnete ich mich in wesentlichen Punkten mit Ergebnissen, zu denen Ernest
Jones gleichzeitig in seiner Arbeit „Die erste Entwicklung der weiblichen
Sexualität" 61 kam. Jones spricht in dieser Arbeit die Vermutung aus, daß die
Funktion der Vagina, die sich in einem — noch unklaren — Prozeß vom Anus
(mit dem sie ursprünglich identifiziert wird) differenziert, in einem früheren
Entwicklungsstadium einsetzt, als allgemein angenommen wird. Jones nimmt
eine Mund-Anus-Stufe an, die die heterosexuelle Einstellung auf Grund der
Identifizierung mit der Mutter begründet. Die phallische Phase ist seiner An-
nahme nach beim normalen Mädchen nur eine abgeschwächte Form der Vater-
Penis-Identifizierung bei weiblichen Homosexuellen und gleich dieser — wie
J o n e s im Verlaufe seiner Arbeit vertritt — vornehmlich sekundär und defensiv.
Zu einem abweichenden Ergebnis kommt Helene Deutsch. 62 Sie nimmt
zwar auch eine nachphallische Phase an, in der sich die endgültigen Schicksale
der späteren Genitalorganisation vorbereiten, meint aber, daß das völlige Aus-
bleiben einer vaginalen Phase (sie hält auch die Kenntnis der Vagina und
Sensationen in der Vagina für Ausnahmeerscheinungen) zur Folge hat, daß die
genitale weibliche Einstellung beim Abschluß der infantilen Sexualentwicklung
60) Int. Ztsdir. f. PsA., Bd. XIV, 1928
61) Ebenda, Bd. XIV, 1928.
62) In ihrer Arbeit „Der feminine Masochismus und seine Beziehung zur Frigidität"
(Int. Ztsdir. f. PsA., Bd. XVI, 1930.)
227 —
71
nicht aufgenommen werden kann. In der hiedurch erzwungenen Rückwendung
der Libido, auch insoweit die weibliche Einstellung beibehalten wird, auf die
früheren Positionen des Kastrationskomplexes — der nach Auffassung von
Helene Deutsch dem Ödipuskomplex des Mädchens vorausgeht — sieht sie
ein grundlegendes Moment für den femininen Masochismus.
Wiedergutmachungstendenzen und Sexualität. Ich habe
den Anteil hervorgehoben, der den Wiedergutmachungstendenzen an der Befesti-
gung der homosexuellen Position des Mädchens zukommt. Aber auch die Befesti-
gung der heterosexuellen Position hängt davon ab, daß sie in Einklang mit den
Forderungen des Über-Ichs steht.
An einer früheren Stelle dieses Kapitels habe ich den Nachweis zu führen
versucht, daß der Sexualakt auch beim Normalen zum Teil im Dienste
der Angstbewältigung steht, und will diese Ausführungen nun dahin
ergänzen, daß ein weiteres Moment, das generell neben dem libidinösen
Begehren als Antrieb zur genitalen Betätigung wirkt, die Tendenzen sind,
mittels des Koitus die in den sadistischen Phantasien an-
gerichteten Zerstörungen wieder gutzumache n. 63
Wenn mit dem stärkeren Hervortreten der genitalen Regungen das Über-Ich
sich weniger als Angst und stärker als Schuldgefühl dem Ich fühlbar macht,
wird der Sexualakt infolge seiner Verknüpfung mit den
frühen sadistischen Phantasien zu einem eminenten Mittel
der Wiedergutmachung am Objekt.
Die Quantität und die Einzelheiten der den phantastischen Zerstörungen
adäquaten Wiedergutmachungsphantasien werden bei beiden Ge-
schlechtern ein bedeutungsvoller Faktor, nicht nur für die Entwicklung
von Sublimierungen und Aktivitäten, sondern auch für den Verlauf
der Sexualentwicklung und für deren Endresultat. 64 Der Aufbau und
Inhalt der sadistischen Phantasien, die Quantität der reaktiven Tendenzen, die
Stärke und Struktur des Ichs beeinflussen die libidinösen Fixierungen und sind
mitbestimmend dafür, ob beim Mädchen die Wiedergutmachung auf
63) Auf die Bedeutung der Wiederherstellungstendenzen als Antrieb für die hetero-
und homosexuelle Sexualbetätigung hat auch M. Schmideberg in ihrer Arbeit:
Einige unbewußte Medianismen im pathologischen Sexualleben und ihre Beziehung zur
normalen Sexualbetätigung (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVIII, 1932) — von einer anderen
Seite kommend — hingewiesen. Auf Einzelheiten dieser Arbeit gehe ich hier nicht weiter
ein, sondern verweise auf die Arbeit selbst.
64) Sind die Schuldgefühle übermäßige, so kann die Verlötung von Sexualbetäti-
gung und Wiedergutmachungstendenzen zur Grundlage schwerer Störungen der Sexualität
werden. — Ich gehe im nächsten Kapitel darauf ein, in welcher Weise der Antrieb zur
Wiedergutmachung sich in der Sexualentwicklung des Mannes auswirkt und seine Potenz
günstig oder ungünstig beeinflußt.
— 338 —
der weiblichen oder der männlichen Linie oder in einer
Mischung von beiden erfolgen wird. 65
Von Bedeutung für den Ausgang scheint mir ferner, ob die auf bestimmten
sadistischen Inhalten sich aufbauenden Wiedergutmachungsphan-
t a s i e n sich sowohl in der Ichentwicklung wie in der Sexual-
entwicklung durchsetzen können. Normalerweise greifen sie in-
einander und führen dann zur Befestigung einer bestimmten Libidoposition und
einer mit dieser korrespondierenden Ichentwicklung.
Wenn zum Beispiel der Sadismus des kleinen Mädchens stark um Phantasien
zentrierte, in denen es den Körper der Mutter beschädigte, ihr die Kinder und
den väterlichen Penis raubte, so kann es, wenn die reaktiven Tendenzen voll
einsetzen, die weibliche Position unter gewissen Bedingungen halten. In Sub-
limierungen setzt sich der "Wunsch durch, die Mutter wieder herzustellen, ihr
die Kinder und den Vater wiederzugeben. (In Berufen wie Kinderpflegerin,
Krankenschwester, Masseuse oder auch auf intellektuellen Gebieten). 66 Liegt
zugleich auch ein genügender Glaube an die Wiederherstellung des eigenen Leibes
durch den Besitz von Kindern und durch den Koitus mit einem „heilsamen"
Penis vor, so wird die heterosexuelle Position zu einer Stütze der Angst-
bewältigung. Die heterosexuelle Libidoposition verstärkt aber auch die Sub-
limierungen, die auf die Wiederherstellung der Mutter zielen, denn sie beweist,
daß auch der Koitus der Eltern die Mutter nicht zerstört hat, oder daß deren
Wiederherstellung möglich ist — ein Glaube, der wiederum die heterosexuelle
Libidoposition befestigt.
Bestimmend für den Entwicklungsausgang ist auch — gleiche Grundbedin-
gungen angenommen — , ob bei starken reaktiven Tendenzen auch ein genügender
Glaube an die eigene konstruktive Allmacht vorliegt. Dann
kann sich das Ich ein weiteres Ziel für die Wiedergutmachungstendenzen setzen,
nämlich das der Wiederherstellung und friedlichen Wiedervereinigung beider
65) Audi wenn der Sadismus vorherrschend bleibt, beeinflussen die Mittel der
Angstbewältigung die Sexualentwicklung. Sie führen dann in gewissen Fällen zu einer
auf sadistischer Basis festgehaltenen Homosexualität, in anderen Fällen zu einer auf
sadistischer Basis beruhenden HeteroSexualität.
66) In meiner Arbeit: Frühe Angstsituationen im Spiegel künstlerischer Darstel-
lungen (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVII, 193 1) habe ich den von Karin Michaelis be-
schriebenen künstlerischen Entwicklungsgang einer jungen Frau analysiert und den Nach-
weis zu führen versucht, daß die den tiefsten Gefahrsituationen des Mädchens ent-
stammende Angst der Antrieb für das in diesem Falle plötzliche Einsetzen künstlerischer
Aktivität war. Das Malen von Frauenbildnissen, das die junge Frau eines Tages mit großer
Begabung begann (ohne je vorher Malen gelernt oder versucht zu haben), stellte meiner
Auffassung nach die sublimierte Wiederherstellung des in der Phantasie angegriffenen
Leibes der Mutter sowie des eigenen (dessen Zerstörung sie aus Vergeltungsangst er-
wartete) dar und beruhigte deshalb die aus den frühesten Quellen fließende Angst.
— 329 —
Elternteile. Es ist dann der Vater, der mittels eines heilsamen Penis die Wieder-
gutmachung an der Mutter vornehmen und diese befriedigen soll, während der
ursprünglich als gefährlich phantasierten Vagina der Mutter nun in den Wieder-
gutmachungsphantasien die Rolle zuerteilt wird, den von ihr beschädigten väter-
lichen Penis wieder herzustellen und zu heilen. Die mit diesen Phantasien ver-
bundene Bedeutung der mütterlichen Vagina als eines heilsamen, freudespendenden
Organs läßt aber in der Phantasie des Kindes nicht nur die ursprüngliche
Bedeutung der „guten" stillenden Mutter wieder hervortreten, sondern ermöglicht
der Tochter, auch sich selbst in Identifizierung mit der Mutter als spendend und
heilsam und den Penis des Liebespartners als „guten" Penis zu empfinden. Diese
Einstellung bildet die Grundlage für das Gelingen der Sexualentwicklung und
für eine zärtliche und sexuelle Bindung an das Sexualobjekt.
Der Ausgang der infantilen Sexualentwicklung ist, wie ich
durch meine bisherigen Ausführungen nachzuweisen versuchte, das Resultat
langwierigen Fluktuierens zwischen verschiedenen Positionen. Er baut sich auf
einer Vielzahl von ineinandergreifenden Kompromissen
zwischen Ich und Über-Ich, Ich und Es auf, die auch ein Er-
gebnis der Angstbewältigung (also sehr weitgehend eine Leistung des
Ichs) sind.
Solche Kompromisse, die der Beibehaltung der weiblichen Rolle zugrunde
liegen und sich in typischer Weise im späteren Sexualleben und sonstigem Ver-
halten äußern, sind zum Beispiel: der Penis des Vaters soll abwechselnd die
Mutter und die Tochter befriedigen; 67 ein Teil der Kinder — eine bestimmte
Anzahl — werden der Mutter, eine ebenso große oder auch nur geringere Anzahl
der Tochter selbst zugebilligt. Der väterliche Penis wird zeitweise von der
Tochter inkorporiert, dagegen werden alle Kinder der Mutter zugesprochen u. dgl.
Auch die männliche Komponente wird in diese Kompromisse voll einbezogen.
Das kleine Mädchen eignet sich zum Beispiel zeitweise den väterlichen Penis an,
um damit die männliche Rolle der Mutter gegenüber durchführen zu können, gibt
ihn dann aber wieder dem Vater zurück usw.
Im Verlaufe der Analyse läßt sich erkennen, daß jede günstige Änderung,
die sich in der Libidoposition ergibt, aus der Verminderung von Angst und
Schuldgefühlen resultiert und sich sofort in der Bildung neuer Kompromisse
auswirkt. Je mehr sich die Angst und das Schuldgefühl vermindern, je mehr
6j) Phantasien dieses Inhalts (sei es, daß es sich bei vorherrschend sadistischer Ein-
stellung um eine gemeinsame Vernichtung des väterlichen Penis oder bei vorwiegend
positiver Einstellung um eine gemeinsame libidinöse Befriedigung durch den väterlichen
Penis handelt) spielen für die weibliche Homosexualität eine analoge Rolle wie für die
Homosexualität des Mannes die Phantasien, dem väterlichen Penis als Objekt der Be-
friedigung oder des Hasses im Mutterleib zu begegnen.
23o —
auch die genitale Stufe hervortritt^ um so mehr wird das Mädchen fähig, der
Mutter die weibliche und mütterliche Rolle zuzubilligen (vielmehr sie ihr wieder-
zugeben). Zugleich vermag sie selbst die weibliche und mütterliche Rolle zu über-
nehmen und die männliche Komponente zu sublimieren.
ÄußereFaktoren. Wir wissen, daß das frühe Triebleben und die Ein-
drücke der Realität ineinandergreifen, und daß ihr Zusammenwirken das Ent-
wicklungsresultat bestimmt. Die realen Objekte und die Realität beein-
flussen meiner Meinung nach von den frühesten Stufen an die Angs t-
situationen (und damit auch die Trieb en twi ckl ung) in der Weise,
daß sie als positive oder negative Beweise für die in die
Außenwelt verlegten Angstsituationen gewertet werden.
Das Verhalten der Objekte und Erlebnisse trägt auf diese Weise zur Verstärkung
und Verminderung der beherrschenden Angstsituationen bei. Indem der äußere
Faktor mittels der Wechselwirkung von Projektion und Introjektion den Verlauf
der Ober-Ich-Bildung, die Entwicklung der Objektbeziehung und der Trieb-
entwicklung beeinflußt, wird er auch mitentscheidend für den Ausgang der
Sexualentwicklung.
Wenn zum Beispiel das kleine Mädchen nicht in der Güte und Liebe
des Vaters eine Bestätigung des Glaubens an den ver-
innerlichten „guten" Penis und ein Gegengewicht gegen den Glauben
an den „bösen" Penis findet, so führt dies oft zur Verstärkung der maso-
chistischen Einstellung und kann den Ausschlag dafür geben, daß
der sadistische Vater zur Liebesbedingung erhoben wird. In anderen Fällen ver-
stärken sich durch das Verhalten des Vaters die Regungen von Haß und Angst
dem Penis gegenüber, und dies wirkt sich dahin aus, daß die weibliche
Rolle aufgegeben wird oder daß es zum Ausgang in Frigidität kommt.
Jedoch wirken in der Realität viele Momente zusammen, um den günstigeren
oder ungünstigeren Ausgang zu unterstützen.
Nicht nur die Beziehung des Vaters dem kleinen Mädchen gegenüber (zum
Beispiel übermäßige Zurücksetzung hinter der Mutter oder den Schwestern oder
zu große Bevorzugung), sondern auch das Verhältnis des Vaters zur Mutter und
zu den Geschwistern beeinflußt die Bildung des Liebestypus. Inwieweit das
Mädchen die feminine Position festhalten und innerhalb dieser den Wunsch nach
einer gütigen Vater-Imago ausbilden kann, hängt wesentlich von den Schuld-
gefühlen der Mutter gegenüber und deshalb auch vom Verhältnis der Eltern
untereinander ab. 68 Auch bestimmte Erlebnisse, z. B. die Erkrankung oder
68) Da die Einflüsse der Realität vom Kinde schon in einer bestimmten Weise
aufgenommen werden, die von den frühesten Angstsituationen abhängt, wirken sich
gleiche Einflüsse bei verschiedenen Kindern verschiedenartig aus. Ein glückliches und
harmonisches 2usammenleben der Eltern untereinander und mit den Kindern ist aber
— a3x —
der Tod eines Elternteils oder eines der Geschwister, können, je nachdem, wie
sie sich auf das Schuldgefühl auswirken, zur Verstärkung der
einen oder der andern sexuellen Position beitragen.
Von großer Bedeutung für die Gesamtentwicklung ist es, wenn in früher
Kindheit neben den Eltern ein als „helfende Gestalt" empfundenes
Objekt realen Rückhalt gegen die phantastischen Angst-
inhalte bietet. Bei der Teilung in eine „gute" und „böse" Mutter, in
einen „guten" und „bösen" Vater betätigt sich der dem Objekt geltende (letzten
Endes gegen das Es und Über-Ich gerichtete) Haß am „bösen" Objekt oder führt
zur Abwendung vom „bösen" Objekt, während die „gute Mutter", der „gute
Vater" zum Objekt der Wiederherstellungstendenzen werden und an ihnen in
der Phantasie die "Wiedergutmachung dessen erfolgt, was in sadistischen Phan-
tasien an den Eltern-Imagines verübt wurde. 69 — Wo aber die ödipusobjekte
wegen zu großer Angst des Kindes oder aus realen Gründen nicht zu „guten"
Imagines werden, vermögen noch in gewissen Fällen andere Objekte (z. B. eine
gute Kinderfrau, Geschwister, Großmutter, Tante, Onkel usw.) die Rolle der
„guten" Mutter, des „guten" Vaters zu übernehmen. 70 Dadurch können die
positiven Regungen, die infolge der übermäßigen Angst vor den ödipusobjekten
in der Entwicklung gehemmt waren, stärker hervortreten und sich an ein Liebes-
objekt heften.
Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, daß sexuelle Beziehungen zwischen
Kindern, insbesondere Geschwistern im frühen Kindesalter, eine generelle Er-
scheinung sind. Die durch die ödipusversagungen gesteigerte libidinöse Be-
dürftigkeit und die aus den tiefsten Gefahrsituationen stammende Angst drängen
das Kind dazu, sich in der Sexualbetätigung mit einem anderen Kinde die
libidinöse Befriedigung und die vielfachen Bestätigungen und Gegenbeweise
gegen die Angstinhalte zu verschaffen, die, wie ich insbesondere in diesem Kapitel
nachzuweisen versuchte, an den Sexualakt geknüpft sind.
"Wird dieses infantile Sexualobjekt zugleich zu einer hilf-
reichen Gestalt, so beeinflußt die frühkindliche sexuelle Beziehung, wie
ich in einer Reihe von Frauen- und Mädchenanalysen feststellte, die Objekt-
beziehung und die weitere Sexualentwicklung in günstiger
sicherlich von grundlegender Bedeutung für das Gelingen der Sexualentwicklung und der
psychischen Gesundheit. Allerdings hat ein harmonisches Familienleben im allgemeinen
zur Voraussetzung, daß die Eltern nicht neurotisch sind. Das konstitutionelle Moment
dürfte also auch hiebei wesentlich sein.
69) Siehe Kap. IX.
70) Auch Haustiere nehmen in vielen Fällen für das kleine Kind die Rolle des
„hilfreichen" Objektes an und tragen dann zur Verminderung der Angst bei. Die gleiche
Bedeutung haben für das Kind seine Puppen, Spieltiere (Bär, Elefant usw.), denen häufig
die Rolle zugewiesen wird, es im Schlaf vor den feindlichen Objekten zu beschützen.
— 23a —
Weis e." In diesen Fällen hatten die übermäßige Angst vor beiden Elternteilen
und äußere Faktoren eine ödipussituation entwickelt, die die Basis einer nicht
geglückten Einstellung dem Manne gegenüber bildete und die Beibehaltung der
weiblichen Position und die Liebesfähigkeit stark behinderte. Die sexuelle
Beziehung zu einem Bruder oder Brudersubstitut, die in die frühe Kindheit fiel,
bildete, da der Bruder zugleich mit der sexuellen Befriedigung auch Zärtlichkeit
bewies und die Schwester beschützte, eine Grundlage für die Liebesfähig-
keit und die heterosexuelle Position. In einigen der Fälle, die ich
hier im Auge habe, bestanden zwei Liebestypen nebeneinander, 72 die den
Imagines des strengen Vaters und des freundlichen Bruders entsprachen. In
anderen Fällen entwickelte sich eine Imago, die eine Mischung aus dem Vater-
und Brudertypus darstellte; die Bruderbeziehung hatte auch auf diese Weise
zur Verminderung des Masochismus geführt. Indem die Beziehung zum Bruder
sich als ein Realitätsbeweis für den guten Penis auswirkte,
verstärkte sie den Glauben an den in troji zierten „guten"
Penis und milderte die Angst vor den in troji zierten bösen
Objekten. Sie wurde aber auch zu einem Mittel der Bewältigung der Angst
vor diesen, indem durch den sexuellen Akt zwischen Kindern ein Gefühl der
Bundesgenossenschaft gegen die Eltern hergestellt wurde. Der
sexuelle Akt machte sie zu Mitschuldigen, da in ihrer Beziehung zueinander die
ursprünglich gegen die Eltern gerichteten sadistischen Masturbationsphantasien
erneuert und nunmehr gemeinsam in der Phantasie durchlebt wurden. Die
Gemeinsamkeit dieser tiefsten Schuld schwächte einerseits das Schuldgefühl ab.
Andrerseits wurde die Angst durch das Gefühl, nunmehr einen Bundesgenossen
gegen die gefürchteten Objekte zu besitzen, gemildert. Diese Bundesgenossen-
Schaft, die eine wesentliche Rolle in jeder Liebesbeziehung auch
zwischen Erwachsenen spielt, erwies sich mir von besonderer Bedeutung
für sexuelle Bindungen in Fällen von paranoidem Typus. 73
Die sexuelle Bindung an ein anderes, das „gute" Objekt bedeutende, Kind
wird aber auch als ein Realitätsbeweis gegen die Angst vor
der als destruktiv empfundenen Sexualität (und zwar sowohl
der eigenen wie auch der des Objektes) gewertet, kann also späterer Frigidität
71) Siehe Kap. VII.
72) In diesen Fällen waren beide Liebestypen in verschiedenen Lebensperioden für
das Liebesleben bedeutungsvoll geworden. Die Analyse ergab, daß Steigerungen der
Angstquantitäten und äußere Faktoren zur Wahl des sadistischen Typus gedrängt hatten,
oder auch nur die Unfähigkeit herbeigeführt hatten, sich der Werbung des sadistischen
Partners zu entziehen. Als die Ablösung vom sadistischen Objekt gelungen war, machte
sich der Brudertypus geltend; der Masochismus trat zurück, und es kam zu einer befriedi-
genden Objektwahl.
73) Ich gehe auf dieses Moment ausführlicher im nächsten Kapitel ein.
- 2 33 -
und sonstigen Störungen der Sexualität, die sich aus den früher besprochenen
Angstquellen ergeben, entgegenwirken.
Nehmen demnach Erlebnisse dieser Art in gewissen Fällen einen
günstigen Einfluß auf die Sexualentwicklung und Objektbeziehung, so können sie
in anderen Fällen zu schweren Schädigungen führen. 74 Wird die
sexuelle Beziehung zu einem anderen Kinde zur Bestätigung der tiefsten
Angstinhalte (sei es, daß der Partner zu sadistisch ist, oder auch, weil
infolge des eigenen übermäßigen Sadismus der sexuelle Akt noch schwerere Angst
und Schuldgefühle auslöst), so verstärkt sich der Glaube an die
Gefährlichkeit der in t r o j izier t en Objekte und des Es
führt zur vermehrten Strenge des Ober-Ichs und damit zu'
einer Verschlimmerung der Neurose und aller Fehlentwick-
lungen des Charakters und der Sexualität. 75
Pubertätsentwicklung. Die psychischen Erschütterungen im Puber-'
tätsalter sind, wie wir wissen, weitgehend eine Folge der mit den somatischen Ent-
wicklungsvorgängen einhergehenden Verstärkung der Triebregungen. Beim Mäd-
chen kommt hiezu das Einsetzen der Menstruation, die die Angst verstärkt.
Auf die psychische Bedeutung, die dem Einsetzen der Menstruation zukommt,
und auf die Belastungsprobe, die dieser Vorgang für das Mädchen bedeutet,
ist Helene D e u t s c h in ihrem Buch „Psychoanalyse der weiblichen Sexual-
funktionen"«» näher eingegangen. Sie kommt zum Ergebnis, daß das erste Auf-
treten der Blutung im Unbewußten als eine reale Kastration gewertet wird und
zugleich auch die Versagung eines Kindes, also eine doppelte schwere Enttäuschung
bedeutet. Helene Deutsch hebt auch hervor, daß die Menstruation - in
einer Determinante - als eine Bestrafung für die Klitorisonanie empfunden
wird und außerdem wieder regressiv die infantile Koitusauffassung belebt, die
in der Phantasie des Kindes beinahe regelmäßig einen sadistischen Charakter hat
und etwas grausam Blutiges 77 darstellt.
Die Wirksamkeit der von Helene Deutsch hervorgehobenen narzißtischen
Krankungen und Enttäuschungen fand ich durch mein Material voll bestätigt
sehe aber ihre pathogene Bedeutung in dem Umstand, daß sie alte Angst-
inhalte aktivieren. Meiner Auffassung nach sind aber diese Momente auch
nur einige Gheder einer ganzen K e 1 1 e von Angstsituationen, die durch die
Menstruation wieder belebt werden.
74) Ober zwei Fälle dieser Art berichtete ich in Kap. VII.
75) Dies gilt in noch stärkerem Ausmaße von Vergewaltigung*- und Verführungs-
gungen führen können.
76) Int. PsA. Verl. 192*
77) 1. c, S. 36.
i34 —
Ich bin auf diese Angstinhalte in einem früheren Abschnitt dieses Kapitels
eingegangen und fasse sie in Beziehung zur Menstruationsblutung kurz zusammen:
i) Das Menstruationsblut wird auf Grund der unbewußten Gleichsetzung aller
Körperstorfe mit den als gefährlich phantasierten Exkrementen identifiziert. 78
Der Umstand, daß Blut von früh an mit Verwundung assoziiert wird, scheint
die Angst, daß die gefährlichen Exkremente den eigenen
Körper beschädigen könnten, real zu bestätigen.
2) Bestärkt die Menstruationsblutung die Angst vor Angriffen auf
den Körper. Hier liegen mehrere Angstinhalte vor:
a) Angst vor der Mutter, die den Körper angreift und zerstört, zum Teil
aus Rache, zum Teil, um die Kinder und den väterlichen Penis (die
das Kind der Mutter in der Phantasie raubte und nun besitzt) zurückzunehmen.
b) Angst vor dem Vater, von dem zerstörerische Angriffe befürchtet werden,
sei es durch einen sadistischen Koitu s, TB (auf Grund der sadistischen,
gegen die Mutter gerichteten Masturbationsphantasien), sei es, um den ihm ge-
raubten Penis zurückzunehmen. In der Phantasie, daß diese gewaltsame
Zurücknahme des väterlichen Penis das Genitale beschädigt, sehe ich eine
Quelle für die spätere Vorstellung, daß die Klitoris eine Wunde oder
Narbe des kastrierten Penis sei.
c) Angst vor Angriffen und Zerstörungen durch die introjizierten
Objekte im Leibesinnern. Diese sind direkt gegen das Leibesinnere gerichtet,
oder werden auf indirektem Wege herbeigeführt durch den Kampf der Objekte
gegeneinander. Hiebei ist insbesondere die Phantasie, die gewalttätigen, im
sadistischen Koitus befindlichen Eltern v er inn er 1 ich t
zu haben, die nun durch die gegenseitige Zerstörung auch das eigene
Leibesinnere gefährden, eine Quelle intensiver Angstinhalte.
Die körperlichen Sensationen, die der Menstruationsvorgang häufig auslöst (und
die durch Angst gesteigert werden), werden als reale Bestätigung der befürchteten
Zerstörungen und aller Ängste hypochondrischen Charakters gewertet.
3) Das Strömen von Blut aus dem Körperinnern wird als Beweis für die
Beschädigung und Vernichtung der Kinder im Leibes-
78) Siehe auch Lewin: Kotschmieren, Menses und weibliches Ober-Ich. Int. Ztschr.
f. PsA., Bd. XVI, 1930.
79) Melitta Schmideberg weist in ihrer Arbeit „Psychoanalytisches zur Men-
struation" (Ztschr. f. psychoanalyt. Pädag., V. Jahrg., 193 1, Heft 5/6) darauf hin, daß
das Mädchen die Menstruation unter anderem als Folge eines sadistischen Geschlechts-
verkehrs mit dem Vater auffaßt. Der sadistische Koitus wird hiebei als Vergeltung der
Aggression gegen beide Eltern empfunden. — Der Vater führt hiebei, ebenso wie
er in den sadistischen Phantasien des Kindes die Exekutive der aggressiven 'Wünsche der
Mutter gegenüber übernahm, nun auch die Bestrafung von Seiten der Mutter dem
Kinde gegenüber aus. Andrerseits stellt der sadistische Koitus die Strafe für die mit
dem Koitus verknüpften Kastrationswünsche dem Manne gegenüber dar.
- a 35 -
innern empfunden. In einigen Frauenanalysen fand ich, daß erst die Geburt
des Kindes die seit dem Beginn der Menstruation verstärkte Angst vor Kinder-
losigkeit — beziehungsweise vor der eingetretenen Vernichtung der Kinder im
Leibesinnern — widerlegt hatte. In vielen Fällen wirkt sich aber die durch
die Menstruation gesteigerte Angst vor beschädigten, abnormen Kindern dahin
aus, daß die Frau die Empfängnis - bewußt oder unbewußt - dauernd
ablehnt.
4) Bestätigt die Menstruation die Erkenntnis der P e n i s 1 o s i g k e i t, der
Klitoris als einer (Wunde) Narbe des kastrierten Penis 80 und erschwert
dadurch die Beibehaltung der männlichen Rolle.
5) Aktiviert die Menstruation als das Zeichen der Geschlechts-
reife alle Angstquellen, die im Zusammenhange mit der als sadi-
stisch empfundenen Sexualbetätigung stehen, und auf die ich an
früheren Stellen dieses Kapitels hingewiesen habe.
Analysen des Pubertätsalters zeigen, daß das Mädchen aus diesen Gründen
sowohl die weibliche wie auch die männliche Position erschüttert fühlt. Die
Menstruation aktiviert beim Mädchen die Angstquellen und Konflikte viel stärker,
als es die entsprechenden Entwicklungsvorgänge beim Knaben bewirken. Daraus
erklärt sich unter anderem die stärkere sexuelle Gehemmtheit des Mädchens im
Pubertätsalter. Mit an den psychischen Auswirkungen der Menstruation liegt
es, daß sich bei Mädchen dieser Altersstufe die neurotischen Schwierigkeiten
häufig sehr vermehren. Auch beim normalen Mädchen aktiviert die Menstruation
die alten Angstsituationen, aber die Angst kann, wenn das Ich und die Methoden
der Angstbewältigung genügend entwidielt sind, besser verarbeitet werden als
in früher Kindheit. Normalerweise bezieht das Mädchen aus dem Einsetzen der
Menstruation auch starke Befriedigungen. Wenn die feminine Position in der ersten
Entwicklung der Sexualität befestigt wurde, so bedeutet die Menstruation, als
das Zeichen der Geschlechtsreife, eine Bestätigung des Weibseins und eine ver-
stärkte Hoffnung auf sexuelle Befriedigung und den Kindesbesitz. Die Men-
struation wird dann auch als positiver Beweis gegen verschiedene Angstinhalte
empfunden.
DieBeziehung zum Kinde. Ich bin, als ich die Sexualentwicklung
des kleinen Mädchens beschrieb, auf den Wunsch nach dem Kindesbesitz nicht
näher eingegangen, da ich das Verhältnis des kleinen Mädchens zu seinem
imaginären Kind im Zusammenhang mit der Beziehung der schwangeren Frau
zum Kind in ihrem Leibesinnern behandeln wollte.
So) Die unter 2) hervorgehobene primäre Phantasie, am Genitale (Klitoris) durch
gewaltsame Entnahme des introjizierten Penis beschädigt worden zu sein (oder die Angst
es zu werden), bildet meiner Auffassung nach eine Grundlage für die Phantasie, ein
durch Kastration beschädigtes Genitale zu besitzen.
- a36 -
Freud stellt fest, daß der Peniswunsch vom Kindeswunsch abgelöst wird. 81
Nach meinen Erfahrungen ist es aber der — aus der oralen Position stammende —
objektlibidinöse Wunsch nach dem väterlichen Penis, dem sich der Kindeswunsch
anschließt. In einzelnen Fällen scheint die Gleichsetzung Stuhlstange =
Kind, in anderen die Gleichsetzung Penis = Kind stärker vorzu-
herrschen. Im ersten Falle scheint das Verhältnis zum Kinde sich
unabhängiger von dem zum Manne, stärker in Beziehung zum eigenen Körper
und zur Allmacht der Exkremente (mehr narzißtisch) zu entwickeln.
Im zweiten Falle baut sich das Verhältnis zum Kinde stärker auf
der Beziehung zum Vater beziehungsweise dessen Penis auf. Es ist
eine allen Kindern eigene Theorie, daß die Mutter sich immer wieder einen neuen
Penis im Koitus einverleibe, und daß diese Penisse oder ein Teil derselben zu
Kindern würden. Infolge dieser Sexualtheorie beeinflußt die Beziehung des weib-
lichen Kindes zum väterlichen Penis auch seine Beziehung zum phantasierten
Kinde und später auch zum realen.
Helene Deutsch bespricht in ihrem Buch „Psychoanalyse der weiblichen
Sexualfunktionen" 82 die Beziehung der schwangeren Mutter zum Kinde in ihrem
Leibesinnern. Das Kind stellt für die Mutter gleichzeitig einen Bestandteil
des Ichs, wie auch ein außerhalb des Ichs gelegenes Objekt dar, an dem „sämtliche
Objektrelationen der Mutter in ihren positiven und negativen Gefühlseinstel-
lungen wiederholt werden." Im Koitus, der „letzten Endes für das Unbewußte
der Frau die orale Einverleibung des Vaters darstellt", war der Vater zum Kinde
gemacht worden „und behält diese Rolle in der real eintretenden oder phan-
tasierten Schwangerschaft bei". Nach der Introjektion des Kindes wird es für sie
(durch die Introjektion des Vaters) zur „Inkarnation des bereits früher ent-
wickelten Ichideals" und stellt auch „weiterhin die Verkörperung eigener nicht
erreichbarer Ideale" dar. In dem Umstand, daß das Kind für die Mutter die
Bedeutung des Über-Ichs annimmt — das auch in starkem Gegensatz zum Ich
stehen kann — , und daß die ambivalenten, aus der ödipuskonstellation stam-
menden Gefühle dem Vater gegenüber am Kinde neu belebt werden, sieht Helene
Deutsch eine Grundlage für die Ambivalenz dem Kinde gegenüber. Eine
weitere Quelle der Ambivalenz ergibt sich nach Helene Deutsch aus der
regressiven Besetzung früherer Libidopositionen. Die Identifizierung Kind = Kot,
auf Grund der narzißtischen Bewertung des Stuhls, wird zur Voraussetzung der
narzißtischen Bewertung des Kindes. Aus den Reaktionsbildungen gegen die ur-
sprüngliche Überschätzung der Exkremente ergeben sich Ekel- und Ausstoßungs-
tendenzen dem Kinde gegenüber.
81) Freud: Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschiedes.
(Ges. Sehr., Bd. XL)
82) Int. PsA. Verl. 1926.
— z3y
Meine Auffassung geht über die von Helene Deutsch in folgenden Punkten
hinaus. Die auf den Frühstufen der Entwicklung erfolgende Gleichsetzung väter-
licher Penis = Kind wird (da der verinnerlichte Penis des Vaters
den Kern des väterlichen Über-Ichs bildet) die Grundlage dafür, daß
das Kind im Leibesinnern die Bedeutung des väterlichen Über-Ichs annimmt
Aus dieser frühen Gleichsetzung bezieht das Verhältnis zum imaginären Kind
und spater das der Mutter zum realen Kind nicht nur die Ambivalenz, sondern
auch die Angstquantitäten, die die Beziehung zum Kinde ent-
scheidend beeinflussen. Auch die Gleichung Stuhl = Kind beeinflußt nach
meinen Erfahrungen schon beim kleinen Kinde das Verhältnis zum imaginären
Kinde. Die Angst, die sich aus den Phantasien von den vergiftenden
verbrennenden Exkrementen ergibt, ein Moment, das meiner Auf-
fassung nach im allgemeinen die Ausstoßungstendenzen der früheren analen Stufe
verstärkt, bildet eine Grundlage für Haß und Angst im Verhältnis der Mutter
zum Kinde in ihrem Leibesinnern.
Ich wies früher darauf hin, daß die Angst vor dem introjizierten „bösen"
Penis zur verstärkten Introjektion des „guten" Penis drängt, da dieser Schutz
und Hilfe gegen den „bösen" Penis im Leibesinnern, die bösen Imagines, die als
gefährlich empfundenen Exkremente, bieten soll. Dieser freundliche „gute" Penis
- häufig auch als kleiner Penis aufgefaßt - ist es aber, der Kindesbedeutung
annimmt. Das imaginäre Kind bietet dem Kinde Schutz und Hilfe, es stellt
im Unbewußten primär den „guten" Leibesinhalt dar. Dieser Rückhalt gegen die
Angst ist freilich ganz phantastisch, aber auch die Angstobjekte weisen einen
irrealen Charakter auf. In dieser Entwicklungsphase ist vorwiegend die psychi-
sche Realität entscheidend. 83
In der Bedeutung, die dem Kindesbesitz als Mittel der Angstbewältigung und
der Beruhigung von Schuldgefühlen zukommt, sehe ich die tiefsten Gründe dafür,
daß das kleine Mädchen normalerweise ein so intensives, alle anderen Wünsche
übersteigendes Bedürfnis nach Kindern empfindet. Häufig ist ja auch bei der
erwachsenen Frau der Wunsch nach dem Kinde stärker als das Begehren nach
dem Manne.
Die Beziehung des kleinen Mädchens zum imaginären Kinde hat auch eine
große Bedeutung für die Entwicklung von Sublimierungen. Die phantasierten
Angriffe gegen den Leib der Mutter mittels vergiftender und zerstörender Ex-
kremente zeitigen die Sorge um den Inhalt des eigenen Körpers. Infolge der
Gleichsetzung von Stuhl mit Kindern führen d ie Phantasien vom „bösen" Stuhl-
wid£,L D i? A " er ^ nnun S der Psychischen Realität bildet aber die Basis für die Ent-
- Sd rr SSU "f' deM i" VerhäItnis ZU den Fantastischen Objekt
™i At ■ ;• St " fe T r Plastische Imagines der realen Objekte sind - wird
grundlegend für d le Beziehung zu den realen Objekten (siehe Kap. VIII).
- 3 38 -
stüds im Leibesinnern auch zu denen vom „bösen" Kind, 84 das für das kleine
Mädchen gleichbedeutend mit einem „häßlichen", abnormen Kinde ist. Ich sehe in
den Reaktions bil düngen auf die sadistischen Phantasien
vom gefährlichen Stuhlstück eine Quelle spezifisch weiblicher
Sublimierungen. In Analysen kleiner Mädchen läßt sich deutlich erkennen,
daß die Sehnsucht nach dem Besitz von „schönen" (guten, gesunden)
Kindern, und die unermüdlichen Bestrebungen, das Baby und den eigenen
Körper zu verschönern, auf das innigste zusammenhängen mit der Angst,
böse und häßliche Kinder (die den vergiftenden Exkrementen gleich-
gesetzt sind) im eigenen Körper produziert und in den Körper der Mutter
befördert zu haben.
F e r e n c z i hat die Umwandlungen beschrieben, 85 die das Interesse für Fäzes
in den verschiedenen Entwicklungsstufen erfährt, und kam zum Ergebnis, daß
die Koprophilie schon auf einer frühen Entwicklungsstufe teilweise zur Freude
an glänzenden Dingen sublimiert wird. Ein Element dieses Sublimierungsprozesses
sehe ich in der Angst vor dem „böse a"; gefährlichen Stuhlstück,
von dem eine direkte Sublimierungslinie zur „Schönheit"
führt. 86 Dem intensiven Bedürfnis der Frau nach einem schönen Körper, des
weiteren nach einem schönen Heim und nach Schönheit im allgemeinen liegt der
Wunsch zugrunde, ein schönes Körperinneres mit guten, schönen Ob-
jekten und ungefährlichen Exkrementen zu besitzen.
Eine andere Sublimierungslinie führt von den „gefährlichen" Ex-
krementen zu „guten" = heilsamen Produkten (wobei allerdings
„schön" und „gut" beim kleinen Kinde oft gleichgesetzt werden) und dient so
zur Verstärkung der der weiblichen Position entstammenden, ursprünglichen
mütterlichen und spendenden Gefühle.
Wenn beim kleinen Mädchen die hoffnungsvolle Strömung überwiegt, so
besteht zugleich mit dem Glauben an den „guten" Penis auch der an Kinder im
Leibesinnern als hilfreiche Gestalten. Herrscht aber die Angst vor dem bösen
verinnerlichten Penis und den gefährlichen Exkrementen vor, so steht später auch
die Beziehung zum Kinde häufig im Zeichen der Angst. Den-
noch entwickelt sich in vielen Fällen, in denen die Beziehung zum Sexualpartner
unbefriedigend bleibt, eine Beziehung zum Kinde, die der Mutter Befriedigung
und psychischen Rückhalt gewährt. In diesen Fällen, in denen der Sexual-
84) Die Gleichsetzungen „böser" Penis = Kind und böses Stuhlstück = Kind be-
stehen nebeneinander und verstärken einander.
85) Ferenczi: Zur Ontogenese des Geldinteresses in: Bausteine zur Psychoanalyse.
(Int. PsA. Verl. 1927.)
86) Wohl mit aus dem Grunde, weil es auch bestimmt war, die Mutter zu entstellen,
sie häßlich zu machen.
— a3o, —
a k t übermäßig die Bedeutung der Angstsituation angenommen hat
und das Sexualobjekt zum Angstobjekt wird, hat vorwiegend das Kind die
Qualität des guten, hilfreichen P e n i s auf sieh gezogen. In anderen Fällen
in denen die Angst gerade durch die Sexualbetätigung überwunden wird, kann
bei einem leidlich guten Verhältnis zum Manne eine schlechte Beziehung zum
Kinde vorliegen. Die Angst vor dem Feind im Leibesinnern ist dann vorwiegend
auf das Kind verschoben. Diese Angstinhalte fand ich unter anderem
der Angst vor der Schwangerschaft und vor dem Gebär-
akt zugrunde liegend. Sie tragen auch zur Verstärkung der psychischen
Beschwerden während der Schwangerschaft bei und können
zur vollen psychischen Unfähigkeit, Kinder zu empfangen
| führen.
Ich habe früher beschrieben, in welcher Weise bei der Frau die Angst vor
dem „bösen" Penis den Sadismus verstärken kann. Frauen, die ein stark
sadistisches Verhältnis zum Manne haben, sehen im allgemeinen auch im Kinde
den Feind. Ebenso wie ihnen der Sexualakt in der Phantasie zur Vernichtung
des Objektes dient, bejahen sie oft auch den Kindeswunsch, vorwiegend, um sich
des Kindes als eines Feindes zu bemächtigen. Der Haß, der dem verinnerlichten,
gefurchteten Feinde gilt, wird dann am äußeren Objekt (Mann und Kind)
betätigt. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen ein sadistisches Verhältnis zum
Manne mit einem relativ positiven zum Kinde einhergeht und umgekehrt. I n
allen Fällen bestimmt der Charakter der Beziehung zu
den introjizierten Objekten, insbesondere zum väter-
lichen Penis, die Beziehung der Frau zum Manne und
zum Kinde.
Das Verhältnis der Mutter zu ihrem Kinde beruht, wie wir wissen, auf den
frühen Beziehungen zu den Objekten. Je nach dem Geschlecht
des Kindes setzen sich die Gefühlsbeziehungen, die in früher Kindheit zu
Mutter, Tanten, Schwestern, beziehungsweise zu Vater, Onkel, Brüdern bestanden,
im Verhältnis der Mutter zum Kinde mehr oder weniger durch. In den Fällen
aber, in denen die Gleichsetzung Kind = „guter" Penis vorherrscht,^ werden
vorwiegend die positiven Elemente der alten Beziehungen
auf das Kind übertragen. Es findet dann eine Verdichtung ver-
schiedener gütiger Imagines statt, deren Repräsentant das Kind
hrh^v " % W "c • S f?* 1 ? 3 " Kind ™ Unbewußten mit dem kleinen ungefähr-
en Penis dentifiz.ert. Mit daran liegt es, daß die Beziehung zum Bruder oder zu
ZTu M"^ de Z T B f tätigUnS d£S Gkubens an de ° "8 uten P-" werden kana
mZLI : f e \? as dem p Penis , des ß vat f s ein ungeheures Maß - sadi — ^
S, weJ g n e fg e ^lä™ *"* ^ ^ ™ ™^ bewundernswert, ab«
2^0 —
wird. 88 Dieses stellt als „unschuldiger" Säugling auch ein Wunschbild des eigenen,
in die Kindheit zurückverlegten Ichs dar. Die Hoffnung auf die befriedigende
Entwicklung des Kindes in der Zukunft dient so letzten Endes immer auch der
Umschaffung der nichtbefriedigenden eigenen Vergangenheit.
Eine Summe von Momenten scheint mir zur Verstärkung der Gefühls-
bindung der Mutter an ihr Kind beizutragen. Indem die Frau dem
Kinde das Leben gibt, hat sie in der Realität den stärksten Gegenbeweis
gegen alle aus den sadistischen Phantasien resultierenden Angst-
inhalte erbracht. Die Geburt des Kindes bedeutet im Unbewußten
nicht nur, daß der eigene Leib und die eigenen Kinder unver-
sehrt oder wiederhergestellt sind, sondern widerlegt auch alle anderen mit
dem Begriff „Kind" assoziierten Angstinhalte; denn sie beweist auch, daß die
Kinder im Mutterleib (die Geschwister), daß der väterliche
Penis (der Vater), die im Mutterleib in der Phantasie angegriffen wurden,
daß ferner auch die Mu 1 1 e r u n v e r s e h r t oder wiederhergestellt ist. Das
Gebären des Kindes kann so die Wiederherstellung einer Anzahl von Objekten
— es kann in gewissen Fällen die Neuerschaffung einer Welt bedeuten. Hiezu
kommt die überaus große Bedeutung des S t ill en s, das ein Band besonderer
Art zwischen Mutter und Kind knüpft. Indem die Mutter dem Kinde ein Produkt
ihres Körpers gibt, das für die Ernährung und für das Gedeihen des Kindes
wichtig ist, schließt sie beweiskräftig in positiver Weise den Kreislauf ab, der
mit den gegen die Mutterbrust - als dem frühesten Objekt der destruktiven
Triebregungen — gerichteten Angriffen begonnen hat. Diese vom Säugling gegen
die Mutterbrust gerichteten Phantasien beinhalten die Zerstörung der Mutterbrust
durch Zerbeißen, durch Besudelung, Vergiften, Verbrennen mittels der Exkremente.
Die Frau wertet unbewußt die Tatsache, daß sie ihrem eigenen Kinde
nährende und heilsame Milch spendet, als Beweis dafür, daß ihre
frühen sadistischen Phantasien sich nicht erfüllt haben und daß die
Wiederherstellun g gelungen ist. 89
88) Freud schreibt in „Das Unbehagen in der Kultur" (S. 84): „Sie..." (die
Aggression) „bildet den Bodensatz aller zärtlichen und Liebesbeziehungen unter den
Menschen, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der einer Mutter zu ihrem männlichen
Kinde. -Das männliche Kind scheint in den Fällen, in denen bei der Frau die Gleich-
setzung Kind = guter Penis vorwiegt, besonders geeignet, alle positiven Gefühls-
elemente aur sich zu vereinigen.
rr . 8 9) D ;es wird auch als Realitätsbeweis dafür, daß der mit der Milch gleichgesetzte
Urin nicht beschädigend ist, empfunden (umgekehrt wie häufig das Menstruatfonsblut
als Realitatsbeweis für die Gefährlichkeit des Urins und der Körperausscheidungen
gewertet wird). Die Tatsache, daß die Milchquelle nicht versagt, widerlegt nicht nur die
aus den sadistischen Phantasien resultierende Angst, daß die Mutterbrust zerstört sei
sondern beweist auch die Ungefährlichkeit der eigenen Exkremente für den eigenen
Körper, da diese in der Phantasie die Angriffsmittel gegen die Mutterbrust darstellten
und sich nun als unschädlich erweisen.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 241 —
16
Ich habe früher darauf hingewiesen, daß das „gute" Objekt infolge der
Verminderung von Angst und der Befriedigung, die es dadurch bietet, daß es
zum Ziel und Objekt der Wiedergutmachungstendenzen wird, um so mehr geliebt
wird. Kein anderes Objekt besitzt aber diese Qualität in solchem Ausmaße wie
das hilflose Kind. Indem die Mutter in Identifizierung mit ihrem Kinde
die mütterliche Liebe und Pflege, die sie ihm zuteil werden läßt, mitgenießt,
fühlt sie ihre eigenen frühesten Wünsche wieder erfüllt. Sie vermag in dieser
Umkehrung des Mutter — Kind- Verhältnisses als in einer geglückten Neuauflage
ihrer eigenen frühesten Beziehung zur Mutter aber auch die
ursprünglichen Haßregungen dieser gegenüber zurück- und die positiven Ge-
fühle hervortreten zu lassen. Alle diese Momente tragen dazu bei, daß das Kind
eine so überragende Bedeutung für das Gefühlsleben der Frau gewinnt.
Aus dem Gesagten geht hervor, weshalb das schlechte Gedeihen des Kindes,
weshalb insbesondere das abnorme Kind das seelische Gleichgewicht der Mutter
so stark erschüttert. Ebenso wie das gut geratene Kind sich als der
Gegenbeweis gegen eine Summe von Angstinhalten auswirkt, wird
das abnorme, kranke, oder auch nur das weniger gelungene Kind zur
Bestätigung aller dieser Angstinhalte. Es kann dann als Feind und
Verfolger empfunden werden.
Ichentwicklung. Ich will nun noch kurz auf die Beziehung zwischen der
Uber-Ich-Bildung des Mädchens und seiner Ichentwicklung eingehen. Freud
hat darauf hingewiesen, daß einige Unterschiede zwischen der männlichen und
der weiblichen Über-Ich-Bildung mit dem anatomischen Geschlechtsunterschied
zusammenhängen. 90 Dieser Unterschied macht sich meiner Auffassung nach für
die Über-Ich-Bildung und die Ichentwicklung auf mehrfache Art geltend. Infolge
der anatomischen Beschaffenheit des weiblichen Genitales, das den vorgezeichneten
Charakter des Aufnehmens trägt, stehen die ödipusstrebungen des Mädchens
stärker unter der Herrschaft der oralen Triebregungen, und die Introjektion
des Über-Ichs ist weitergehend als beim Knaben. Hiezu kommt
das Fehlen des Penis als eines aktiven Organs. Die aus den stärkeren Intro-
jektionstendenzen resultierende größere Abhängigkeit des Mädchens vom Über-
Ich verstärkt sich durch den Umstand, daß das Mädchen keinen Penis besitzt.
Ich habe an früheren Stellen dieses Buches die Auffassung vertreten, daß
beim Knaben das primäre Gefühl der Allmacht sich mit
seinem Penis verbindet, der ja auch im Unbewußten der Repräsentant
der von der männlichen Komponente ausgehenden Aktivitäten und Sub-
limierungen wird. Beim Mädchen sind, da es keinen eigenen Penis besitzt,
90) Freud: Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschiedes.
(Ges. Sehr., Bd. XI, S. 18.)
3/J2 —
die mit der Introjektion des väterlichen Penis verknüpften All-
machtsgefühle grundlegendere usad weitergehende als beim Knaben.
Hiezu kommt, daß das Bild, das das weibliche Kind vom väterlichen Penis in sich
aufgenommen hat (und das bestimmend wird für die inneren Forderungen, vor die
sich die Frau gestellt sieht), auf Grund extremerer Phantasien entwickelt wurde,
also sowohl im guten wie bösen Sinne noch phantastischer ist, als das des Knaben.
Der Auffassung, daß das Über-Ich bei der Frau stärker wirksam ist als beim
Manne, scheint die Beobachtung zu widersprechen, daß die Frau häufig genug
abhängiger von den Objekten, beeinflußbarer durch die Außenwelt, wandelbarer
in ihren ethischen Forderungen, also anscheinend in geringerem Ausmaße den
Forderungen des Über-Ichs unterworfen ist als der Mann. Die stärkere "Wirk-
samkeit des Über-Ichs und die Abhängigkeit von den Objekten (und damit in
Zusammenhang die größere Bedeutung des Liebesverluste s) 91 stehen aber,
so scheint es mir, in engem Zusammenhang miteinander. Sie haben eine gemein-
same "Wurzel in den primären stärkeren Introjektionstendenzen der Frau, die
zu einer intensiveren Aufnahme der Objekte (und so auch zu einer stärkeren
Über-Ich-Bildung) führen. Sie erfahren gerade infolge der größeren Ab-
hängigkeit vom Über-Ich und der Angst vor ihm eine Verstärkung.
Die tiefste Angst des Mädchens vor den unkontrollierbaren Beschädi-
gungen durch die Objekte im Leibesinnern ergibt — wie ich früher
begründete — einen starken Antrieb zu einer immer wieder erneuten Über-
prüf u n g der Angstinhalte durch die B e z i e h u n g zu den realen Objekten,
also zu einer sekundären Verstärkung der Introjektionstendenzen. Andrerseits sind
die mit der stärkeren Allmacht der Exkremente und Gedanken einhergehenden,
91) Hanns Sachs weist in seiner Arbeit „Ein Antrieb zur Bildung des weib-
lichen Über-Ichs" (Int.Ztschr. f. PsA., Bd. XIV, 1928) auf das Problem hin, daß für die
im allgemeinen narzißtischere Frau der Liebesverlust dennoch eine größere Rolle spielt als
für den Mann. Sachs erklärt diesen scheinbaren Widerspruch folgendermaßen: Das
Mädchen versucht, wenn der Ödipuskonflikt zum Abschluß kommt, am Vater, sei es
durch den Kindeswunsch oder durch orale Regression, festzuhalten. Ich sehe eine Über-
einstimmung zwischen der von Sachs vertretenen Auffassung und meiner Meinung
in einem Punkte, nämlich in der Bedeutung der oralen Bindung an den Vater für die
Über-Ich-Bildung. Nach Sachs kommt aber diese Bindung auf regressivem Wege
zustande, wenn beim Mädchen die Enttäuschung über den mangelnden Penis und die
nicht erfolgte genitale Befriedigung seitens des Vaters eingesetzt hat, während nach
meiner Auffassung die orale Bindung an den Vater — genauer gesagt, das Begehren nach
Einverleibung seines Penis — Ausgangspunkt und Grundlage für die weibliche Sexual-
entwicklung und Über-Ich-Bildung bildet. — Ernest Jones leitet (Die erste Entwicklung
der weiblichen Sexualität, Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XIV, 1928) die Abhängigkeit der
Frau vom Objektverlust von der Angst ab, daß ihr der Vater die sexuelle Befriedigung
versagen würde. Die Versagung der sexuellen Befriedigung — bei der ja die Frau vom
Partner abhängiger ist als der Mann von der Frau — ist aber nach Jones für die Frau
aus dem Grunde so unerträglich, weil sie die tiefste Angst vor der Aphanisis, vor der
völligen Vernichtung der sexuellen Genußfähigkeit aktiviert.
— 245 —
16*
allem Anschein nach bei der Frau stärkeren Projektionsmecha-
nismen ein weiteres Moment, das zur intensiveren Beziehung mit der Außenwelt
und den realen Objekten (auch zum Zwecke deren magischer Beherrschung) drängt.
Die stärkere "Wirksamkeit der Introjektions- und Projektionsmechanismen, die
den Charakter der weiblichen Objektbeziehung beeinflussen, scheint mir auch von
Bedeutung für die weibliche Ichentwicklung. Das bei der Frau vorherrschende
tiefe Bedürfnis, sich dem „guten" verinnerlichten Penis gläubig
zu unterwerfen, bildet eine Grundlage für den rezeptiven Cha-
rakter ihrer Sublimierungen und Interessen; zugleich aber fördert der
ebenfalls der weiblichen Position entstammende starke Antrieb zur geheimen
Beherrschung der verinnerlichten Objekte mittels der All-
macht der Exkremente und Gedanken, ihre Entwicklung zu Schlauheit,
List, Beobachtungsgabe, psychologischen Fähigkeiten, ihre Anlage zu Ver-
stellung und Intrige.
Diese Richtung der weiblichen Ichentwicklung entsteht insbesondere in Be-
ziehung zum mütterlichen Über-Ich, beeinflußt aber auch stark das
Verhältnis zu der väterlichen Imago.
In „Das Ich und das Es" 92 schreibt Freud: „Nehmen diese" (die Objekt-
identifizierungen des Ichs) „überhand, werden allzu zahlreich und überstark und
miteinander unverträglich, so liegt ein pathologisches Ergebnis nahe. Es kann zu
einer Aufsplitterung des Ichs kommen, indem sich die einzelnen Identifizierungen
durch Widerstände gegeneinander abschließen, und vielleicht ist es das Geheimnis
der Fälle von sogenannter multipler Persönlichkeit, daß die ein-
zelnen Identifizierungen alternierend des Bewußtsein an sich reißen. Auch wenn
es nicht so weit kommt, ergibt sich das Thema der Konflikte zwischen den ver-
schiedenen Identifizierungen, in die das Ich auseinanderfährt, Konflikte, die
endlich nicht durchwegs als pathologische bezeichnet werden können."
Das Studium der Frühstadien der Über-Ich-Bildung und deren Zusammenhang
mit der Ichentwicklung bestätigt vollauf den im letzten der hier zitierten Sätze
Freuds enthaltenen Hinweis. Zur weiteren Erforschung nicht nur der a b-
normen, sondern auch der normalen Persönlichkeit wird allem Anschein
nach dieser von Freud bezeichnete Weg weiter zu verfolgen sein. Es scheint,
daß wir um so mehr über das Ich wissen werden, je mehr wir über die ver-
schiedenen Identifizierungen des Ichs und die Verhaltungs-
weisen des Ichs ihnen gegenüber in Erfahrung bringen können. Nur
so werden wir Aufschluß über die Art und Weise erhalten, wie das Ich das
Verhältnis der Identifizierungen untereinander reguliert
(die ja nach den Entwicklungsphasen, in denen sie aufgenommen wurden, und
92) Ges. Sehr., Bd. VI, S. 374.
- 344 -
je nachdem, ob sie mütterliche oder väterliche Identifizierungen oder eine Ver-
einigung beider bedeuten, verschieden sind).
Die mütterliche Über-Ich-Bildung beim Mädchen wird dadurch erschwert, daß
die Möglichkeit zur Identifizierung mit der Mutter auf Grund der
anatomischen Gleichartigkeit (im Vergleich zur analogen Situation des Knaben
dem Vater gegenüber) durch den Umstand behindert ist, daß die den weib-
lichen Sexualfunktionen dienenden inneren Organe — die der Mutter
sowohl wie die eigenen — und der Kindesbesitz der Erforschung und Über-
prüfung nicht zugänglich sind. Diese Schwierigkeit, auf deren
Bedeutung für die weibliche Sexualentwicklung ich früher einging, erhöht die
"Wirksamkeit der angsterregenden Mutter-Imago, die das Innere des Leibes
bedroht und Rechenschaft für geraubte Kinder, Stuhl und den väterlichen Penis
fordert. Eine Imagö, die auf Grund der sadistischen Angriffe gegen die Mutter
entwickelt wurde. Die auf der Allmacht der Exkremente und Gedanken
basierenden, gegen die Mutter angewendeten Methoden, die allem Anschein nach
die weibliche Ichentwicklung direkt beeinflussen, machen sich auch auf indirektem
Wege für die Ichentwicklung geltend.
Die Reaktionsbildungen gegen die sadistische Allmacht und deren Umsetzung in
konstruktive Allmacht, sind auch geeignet, beim Mädchen Sublimierungen und
Eigenschaften zu entwickeln, die im vollen Gegensatz zu den früher beschriebenen,
mit der primären Allmacht der Exkremente zusammenhängenden Erscheinungen
stehen. Wir finden Offenheit und Gläubigkeit, Aufopferungsfähigkeit, Hingebung
an eine gestellte Aufgabe, die Fähigkeit, um einer solchen Aufgabe oder anderer
Menschen willen schwere Entbehrungen zu ertragen, bei vielen Frauen stark
entwickelt. Diese Reaktionsbildungen und Sublimierungen tragen aber wieder
dazu bei, das Allmachtsgefühl, das auf der Verinnerlichung der guten Objekte
beruht, und die Unterwerfung unter die Führerschaft des väterlichen Uber-Ichs
zur dominierenden weiblichen Einstellung zu machen. 93
Auch der Wunsch, mittels „guten Urins", „guten Stuhls" die Wirkungen der
„bösen" beschädigenden Exkremente zu heilen, gute und schöne Dinge zu spenden,
ein Antrieb, der für den Gebärakt und Stillakt der Frau (das „schöne" Kind
und die „gute" Milch bilden einen Gegenbeweis gegen die Angstinhalte vom
beschädigenden Stuhl und gefährlichen Urin) so bedeutungsvoll ist, spielt eine
wesentliche Rolle für die Ichentwicklung der Frau. Er bildet ein produktives
93) Ich wies früher darauf hin, daß die verschiedenen Arten der Magie ineinander-
greifen, einander ablösen, aber auch vom Ich gegeneinander ausgespielt werden. Die als
Folge der Magie der Exkremente einsetzende Angst des Mädchens, „böse" (dem Stuhl
gleichgesetzte) Kinder im Leibesinnern zu beherbergen, wirkt sich auch als ein Antrieb
zur Überbetonung des Glaubens an den „guten" Penis aus. Die Gleichsetzung „guter"
Penis = Kind ermöglicht dem Mädchen die Hoffnung, daß es sich „gute" Kinder (als
Gegengewicht gegen die dem „bösen" Stuhl gleichgesetzten) einverleibt habe.
— 245 —
und schöpferisches Element für Sublimierungen, die sich aus der psychischen
Repräsentanz des Gebäraktes und des Stillaktes entwickeln.
Der Prozeß der weiblichen Ichentwicklung ließe sich dahin
charakterisieren, daß das Uber-Ich besonders erhöht und das Ich dem ver-
größerten, bewunderten Uber-Ich unterworfen wird. Infolge des
Bestrebens aber, das bewunderte Über-Ich zufriedenzustellen, ergeben sich A n-
triebe für das Ich, seine Kräfte anzuspannen, die sich in einer
Bereicherung des Ichs auswirken. "Während demnach das Ich (und
damit die Realitätsbeziehung) beim Manne stärker die Führung hat, er objektiver
und nüchterner ist, ist die Frau stärker dem Unbewußten unterworfen. Die
Qualität weiblicher Leistungen hängt demnach nicht weniger als die
männlicher von den Qualitäten des Ichs ab, erhält aber den intuitiven, sub-
jektiveren Charakter, der weiblichen Leistungen spezifisch ist, von der Unter-
werfung des Ichs unter einen geliebten, inneren Geist. Sie bedeutet das Gebären
eines geistigen, mit dem Vater erzeugten Kindes, wobei die geistige
Zeugung dem Über-Ich zugeschoben wird. Auch die aus-
gesprochen weibliche Entwicklung weist zahlreiche Züge auf, die auf der männ-
lichen Komponente beruhen, aber es scheint der dominierende Glaube an die
Allmacht des einverleibten väterlichen Penis und des in ihr wachsenden Kindes
zu sein, der die Frau zu spezifisch weiblichen Leistungen befähigt.
Hier drängt sich ein Vergleich zwischen der psychischen Situation der Frau
und der des Kindes auf, das, wie ich vertrete, so viel mehr unter der Herrschaft
des Über-Ichs steht und dabei der Objekte so viel mehr bedürftig ist als der
Erwachsene. Die Frau steht ja auch bekanntlich dem Kinde sehr viel näher als
der Mann. Andrerseits aber ist sie in vielen Punkten ihrer Ichentwicklung vom
Kinde nicht weniger verschieden als der Mann. Die Erklärung für diesen Gegen-
satz sehe ich darin, daß — als Folge der stärkeren Introjektion der ödipus-^
objekte — in der Entwicklung des Weibes zwar dem Unbewußten ein größerer
Raum verbleibt (wodurch eine gewisse Analogie mit der Situation des Kindes
entsteht), zugleich aber in Anlehnung an das aufgenommene mächtige Uber-Ich
(zum Teil auch im Drange, es zu beherrschen oder es zu übertreffen) eine vollere
Ichentwicklung erfolgt.
Der Verlauf der weiblichen Ichentwicklung ist ein wesentlich anderer, wenn
das Mädchen vorwiegend am fiktiven Besitz des Penis als einem
männlichen Attribut festhält. Ich bin früher in Hinsicht auf die Sexualentwick-
lung den verschiedenen Gründen nachgegangen, die das weibliche Kind in die
männliche Position drängen. In allen diesen Fällen steht die Entwicklung
von Aktivitäten und Sublimierungen, die im Unbewußten als realer
Beweis für den Besitz eines Penis gewertet werden oder diesen
in der Phantasie ersetzen, nicht nur im Dienste der Konkurrenz mit
— 246 —
dem väterlichen Penis, sondern immer auch sekundär im Dienste der
Abwehr und der Abschwächung des Uber-Ichs. Dann übernimmt aber auch
das Ich stärker die Führung, und die Leistung wird vorwiegend zum Ausdruck
der männlichen Potenz.
Ich habe die Bedeutung der „guten" Mutter für die Bildung der „guten"
Vater-Imago in Hinsicht auf die Sexualentwicklung hervorgehoben. In den
Fällen, in denen das Mädchen imstande ist, sich der inneren Führerschaft eines
bewunderten, väterlichen Über-Ichs zu überlassen, liegen immer auch „gute"
Mutter-Imagines vor. Nur ein genügender Glaube an eine gute verinner-
lichte Mutter ermöglicht die volle Hingabe an das väterliche
Über-Ich. Diese Hingabe beruht aber auch auf dem genügenden Glauben
an den eigenen „guten" Leibesinhalt — an den Besitz freundlicher verinnerlichter
Objekte. Nur wenn das vom Vater in der Phantasie gezeugte oder erwartete
Kind ein „gutes" und „schönes" Kind bedeutet, wenn also das Körperinnere der
Frau in ihrer Phantasie eine Stätte vorstellt, in der Harmonie und Schönheit
herrscht (eine Phantasie, die übrigens auch mit der des Mannes korrespondiert),
nur dann kann sie sich dem väterlichen Über-Ich und dessen Repräsentanten in
der Außenwelt sexuell und psychisch voll und ganz hingeben.
Diese Harmonie beruht auf dem guten Verhältnis des
Ichs zu seinen Identifizierungen und auf dem Einklang
der Identifizierungen untereinander, insbesondere auf
der friedlichen Vereinigung der beiden Elternteile.
Die Phantasien, in denen aus Eifersucht und Haß die gegenseitige Zerstörung
der Eltern angestrebt wurde, bilden die Quelle tiefster Schuldgefühle, zugleich
aber auch die Grundlage der überwältigendsten Gefahrsituationen. Sie lösen die
Angst aus, miteinander im Kampf (im zerstörerischen tödlichen Koitus) befindliche
oder in Feindseligkeit gegen das Ich vereinigte Objekte (feindlich, da sie die Schuld
des Kindes entdeckt haben) im Leibesinnern zu beherbergen. Die tiefe Befriedi-
gung, die das Kind aus einem glücklichen Zusammenleben der Eltern schöpft,
schreibt sich zu einem wesentlichen Teil aus der Beruhigung her, die diese für
das aus den sadistischen Phantasien resultierende Schuldgefühl bedeutet. Das
harmonische Zusammenleben der Eltern wird im Unbewußten auch als Realitäts-
beweis für die Möglichkeit der Wiedergutmachung auf allen Linien gewertet. Ist
dieser Mechanismus der Wiedergutmachung gelungen, so ist das Individuum nicht
nur in Einklang mit der äußeren "Welt, sondern — was mir als eine
Voraussetzung für diesen Einklang und für das Gelingen der Objektbeziehung
und Sexualentwicklung erscheint — in Frieden mit seiner inneren
Welt und mit sich selbst. Wenn die drohenden Imagines stärker zurücktreten,
wenn das friedliche Zusammenwirken der verinnerlichten gütigen Mutter- und
Vater-Imagines eine Gewähr für die Sicherheit und Harmonie im eigenen Körper-
— 247 —
innern bietet, dann kann das Mädchen seine weibliche und männliche Kom-
ponente im Sinn und Geist beider introjizierten Elternteile entwickeln. Dann ist
auch die Grundlage für die Vollentwicklung einer harmonischen Persönlichkeit
bei der Frau gegeben.
PS achtrag
"Während der Drucklegung des vorliegenden Buches erschien eine Arbeit von
Freud (Über die weibliche Sexualität. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVII, Heft 3),
in der er sich insbesondere mit der langen Mutterbindung des Mädchens befaßt.
Freud versucht die Bindung an die Mutter von den Auswirkungen des Ober-
Ichs und des Schuldgefühls zu isolieren. Dies ist meiner Meinung nach aber nicht
möglich, da Angst und Schuldgefühl (die durch die aggressiven Regungen aus-
gelöst werden) schon sehr früh die primäre libidinöse Bindung an die Mutter
verstärken. Die mannigfaltige Angst vor phantastischen Imagines (dem Über-Ich)
und vor der „bösen" realen Mutter drängt das kleine Mädchen dazu, bei der
„guten" realen Mutter Schutz zu suchen; dazu muß sie aber ihre primäre Aggres-
sion überkompensieren.
Freud hebt auch hervor, daß das Mädchen gegen die Mutter auch Feind-
seligkeit empfindet und Angst hat, „von der Mutter umgebracht (aufgefressen?)
zu werden . . ." Ich fand in Analysen (von Kindern und Erwachsenen), daß die
Angst des Mädchens, von der Mutter aufgefressen, zerschnitten, zerstört zu
werden, aus der Projektion der analogen sadistischen Regungen gegen die Mutter
entsteht und daß diese Angstinhalte den frühesten Angstsituationen des Mäd-
chens zugrunde liegen. Freud berichtet auch, daß insbesondere weibliche Per-
sonen mit starker Mutterbindung auf Klystiere und Darmeingießungen, die die
Mutter bei ihnen vornahm, mit Angst und Wut zu reagieren pflegten. Solche
Affektäußerungen sind nach meinen Beobachtungen durch die Angst vor analen
Angriffen, die die Projektion der analsadistischen phantasierten Angriffe des
Mädchens gegen die Mutter darstellen, verursacht. Ich stimme mit Freud darin
überein, daß die Projektion der feindseligen Regungen des kleinen Mädchens
gegen die Mutter den Keim der Paranoia des Weibes bildet. 94 Nach meinen Beob-
achtungen sind es aber insbesondere die phantasierten Angriffe gegen den Mutter-
leib mittels zerstörerischer (vergiftender, verbrennender, explosiver) Exkremente,
die infolge Projektion die Angst vor dem Stuhlstück als Verfolger und vor der
Mutter als einer angsterregenden Gestalt auslösen.
Freud hält die lange Mutterbindung des Mädchens für ausschließlich und
94) Siehe Klein: Frühstadien des Ödipuskonfliktes. Int. Ztschr. f. PsA. 1928; Die
Bedeutung der Symbolbildung für die Ichentwicklung. Int. Ztschr. f. PsA. 1030 und
Kap. III dieses Buches.
— 248 —
präödipal. Die Analysen kleiner Mädchen lassen erkennen, daß die lange und
; starke Bindung an die Mutter niemals eine ausschließliche ist, sondern mit
ödipusregungen verknüpft ist. Angst und Schuldgefühle im Verhältnis zur
Mutter beeinflussen auch das Schicksal der ödipusregungen, da die Abwehr gegen
die "Weiblichkeit — nach meinen Beobachtungen — weniger aus dem Männlich-
keitsstreben als aus Angst vor der Mutter erfolgt. Ist die Angst des kleinen
Mädchens vor der Mutter übermäßig, so kann sich die Bindung an den Vater
nicht genügend durchsetzen, der Ödipuskomplex wird nicht deutlich. In Fällen
aber, in denen eine starke Vaterbindung erst in der nachphallischen Phase zu-
stande kam, fand ich, daß auch schon in einem frühen Alter (wenn auch oft nicht
deutlich hervortretend) positive ödipusregungen bestanden hatten. Diese Früh-
stadien des Ödipuskonfliktes tragen zunächst teilweise nodi einen phantastischen
Charakter, da sie dem Penis des Vaters gelten. Zum Teil gelten sie aber auch
schon dem realen Vater. Den Groll gegen die Mutter wegen der oralen Ver-
sagung, — ein Moment, das auch Freud in seiner neuesten Arbeit anführt, —
ferner den Neid auf die gegenseitige orale Befriedigung der Eltern im Koitus,
die das Kind auf Grund der frühesten Sexualtheorien annimmt, habe ich in
einigen Arbeiten als die frühesten Momente angeführt, die die Abwendung von
der Mutter herbeiführen. Diese Momente bewirken meiner Auffassung nach aber
auch in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres — auf Grund der Gleich-
setzung von Mutterbrust und Penis — die Zuwendung zum Penis des Vaters und
sind eine Ursache dafür, daß die Vaterbindung grundlegend von der Mutter-
bindung beeinflußt wird. Auch Freud weist in seiner Arbeit darauf hin, daß
die Vaterbindung sich auf der Mutterbeziehung aufbaut, und daß viele Frauen
in ihrem Verhältnis zum Manne das Verhältnis zur Mutter wiederholen.
ZWÖLFTES KAPITEL
JDie Auswirkungen lrüner Angstsituationen
aul die männliche oexualentwicklung
In den frühesten Entwicklungsphasen verläuft — wie die Frühanalysen er-
kennen lassen — die Sexualität des Knaben auf der gleichen Linie wie die des
Mädchens. 1 Auch beim Knaben steigert die orale Versagung die gegen die Mutter-
i) Insoweit dies der Fall ist, werde ich im Folgenden diese Entwicklungsschritte nur
aufzählen und verweise auf meine Ausführungen im vorigen Kapitel sowie auch auf
Kap. VIII und IX.
— 349 —
brüst gerichteten destruktiven Triebregungen. Ebenso wie beim weiblichen Kinde
setzt mit der Abwendung von der Mutterbrust, eingeleitet von den oral-sadisti-
schen Triebregungen, die Phase der Höchstblüte des Sadismus ein, deren Ziel die
Angriffe auf das Leibesinnere der Mutter sind.
Weiblichkeitsphase. In diese Phase fällt auch beim Knaben die
oralsaugende Fixierung an den Penis des Vaters, die ich für die Grundlage der
echten Homosexualität halte. Diese Auffassung stimmt mit Freuds Untere
suchung in: Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci 2 überein, in der
er zum Ergebnis kam, daß der Homosexualität Leonardos die überstarke Bindung
an die Mutter, letzten Endes an die Mutterbrust zugrunde lag, die auf den Penis
als Objekt der Befriedigung verschoben war. Nach meinen Beobachtungen folgt
bei jedem Knaben auf die oralsaugende Fixierung an die Mutterbrust diejenige
an den väterlichen Penis und bildet die Grundlage der Homo-
sexualität.
Auch in der Phantasie des Knaben verleibt sich die Mutter den väterlichen
Penis (vielmehr eine Vielzahl von Penissen) ein. Neben der Beziehung zum
realen Vater beziehungsweise dessen Penis entwickelt der Knabe eine phan-
tastische Beziehung zum väterlichen Penis im Leibesinnern der
Mutter. Da das orale Begehren nach dem Penis des Vaters einen Anteil an
den Angriffen auf das Innere des Mutterleibes hat (auch der Knabe wünscht sich
des in der Mutter vorausgesetzten väterlichen Penis in gewaltsamer, die Mutter
zerstörender Weise zu bemächtigen), so stellen die Angriffe auf den Mutterleib
zum Teil auch die früheste Rivalitätssituation des Knaben mit der Mutter dar.
Sie bilden meiner Auffassung nach die Grundlage für den Weiblichkeitskomplex
des Mannes. 3 Die gewaltsame Entnahme des väterlichen Penis, der Exkremente
und Kinder aus dem Leibe der Mutter löst schwere Vergeltungsangst aus. Außer
der Beraubung bildet aber auch die Zerstörung des Mutterleibes eine Quelle
tiefster Angst vor ihr. Je sadistischer die Zerstörung des Mutterleibes war, um so
größer ist auch die Angst vor der Mutter als Rivalin.
Frühstadien des Ödipuskonfliktes. Zugleich bewirken die
genitalen Regungen (die zunächst von den prägenitalen verdeckt und in
deren Dienst gezwungen werden, aber dennoch den Verlauf der sadistischen
Phase wesentlich beeinflussen), daß der Leib und das Genitale der Mutter zum
Sexualobjekt werden. Das Begehren des Knaben geht nun dahin, die Mutter auf
2) Freud, Ges. Sehr., Bd. IX.
3) Die mit der Weiblichkeitsphase des Mannes zusammenhängenden Erscheinungen
nüv^r m memer „ Arbeit: Frühstadien des Ödipuskonfliktes (Int. Ztschr. f. PsA
w -M-w wt 8) a " sf " hr1 ^ beschrieben. Siehe auch Karen Horney: Flucht aus der
WeibhAkeit (Int .Ztschr. f. PsA., Bd. XII, 1926) und Felix Boehm: Über den Weib-
hchkeitskomplex des Mannes. (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 1930.)
— a5o —
oralem, analem und genitalem Wege allein zu besitzen. Er greift deshalb den
im Mutterleib befindlichen väterlichen Penis mit allen Mitteln des Sadismus an.
Auch aus der oralen Position ergeben sich (infolge der Versagung seitens des
Vaters) große Quantitäten an Haß gegen den väterlichen Penis. Die destruktiven
Regungen gegen den Penis des Vaters sind normalerweise beim Knaben sehr viel
stärker als beim Mädchen, da das Begehren nach der Mutter als Sexualobjekt
den Haß stärker auf den väterlichen Penis konzentriert. Hiezu kommt, daß der
Penis des Vaters schon auf den frühesten Entwicklungsstufen zum Angstobjekt
par excellence für den Knaben wird, denn die Aggression gegen ihn löst
adäquate Angst aus. Diese Angst verstärkt den Haß und die Zerstörungswünsche
des Knaben gegen den Penis des Vaters.
"Wie ich im vorigen Kapitel ausführte, bleibt beim weiblichen Kinde der
Mutterleib an sich viel länger und stärker das Objekt der destruktiven Trieb-
regungen. Auch die positiven Regungen dem Penis des Vaters (sowohl dem phan-
tastischen im Mutterleib wie dem realen) gegenüber sind normalerweise viel
stärker und anhaltender als die des Knaben.
Beim Knaben hingegen ist nur in einem Teilabschnitt des frühen Entwicklungs-
stadiums, in dem die Angriffe auf den Mutterleib das Bild beherrschen, die
Mutter selbst das Objekt der Zerstörung. Es ist bald der im Mutterleib voraus-
gesetzte Penis des Vaters, der in wachsendem Maße die gegen die Mutter
gerichtete Aggression auf sich zieht.
Frühe Angstsituationen. Außer den Angstinhalten, die sich aus der
Rivalität mit der Mutter ergeben, wirkt auch die Angst vor dem gefährlichen
verinnerlichten Penis des Vaters der Beibehaltung der femininen Position ent-
gegen. Sowohl diese Angst wie auch insbesondere die sich verstärkenden genitalen
Regungen führen dazu, daß der Knabe die Identifizierung mit der Mutter aufgibt,
und daß sich die heterosexuelle Position befestigt. Ist aber die Angst vor der
Mutter als Rivalin und die Angst vor dem väterlichen Penis übermäßig, und
wird demzufolge die Weiblichkeitsphase nicht gut überwunden, so bildet dies ein
entscheidendes Hindernis für die Befestigung der heterosexuellen Position.
Es ist ferner von großer Bedeutung für den Entwicklungsausgang, ob die
Angst vor den beiden im Koitus vereinigten Eltern, die
eine untrennbare, dem Kinde feindliche Einheit bilden, das frühe Seelenleben
beherrscht. 4 Diese Angst erschwert die Beibehaltung jeder Position. Sie führt zu
Gefahrsituationen, die ich zu den tiefsten Quellen der Impotenz rechne. Diese
spezifischen Gefahrsituationen ergeben sich aus der Angst, durch den väterlichen
Penis im Mutterleib, also von den vereinigten „bösen" Eltern kastriert zu werden,
4) Auf die Bedeutung dieser Angstinhalte für die Genese der Psychose habe ich in
Kap. VIII und IX hingewiesen.
— a5i —
wobei in manchen Fällen die Angst, daß der Penis am Rückweg verhindert, im
Mutterleib eingeschlossen gehalten werde, sehr stark hervortritt. 5
Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, daß die sadistischen Angriffe auf
den Mutterleib bei beiden Geschlechtern zur Grundlage für zwei hauptsächliche
Kategonen von Angstsituationen werden: i) Der Mu 1 1 er 1 ei b wird in eine
S t a 1 1 e v o n G e f a h r e n verwandelt, aus denen sich eine Summe von Angst-
inhalten ergeben. *) Die Introjektion der gefährlichen Objekte, insbesondere der
im Koxtus befindlichen Eltern, verwandelt das Innere des eigenen Leibes in eine
dem Mutterleib gleichartige Stätte und löst die Angst vor den Gefahren
und Bedrohungen im eigenen Leibesinnern aus. Diese beiden Kate-
gorien von Angstsituationen, die einander beeinflussen, bestehen bei beiden Ge-
schlechtern.
Auf die beiden Geschlechtern gemeinsamen Wege der Angstbewältigung bin
ich an früheren Stellen dieses Buches ausführlich eingegangen. Ich fasse kurz
zusammen: Die ver i nn er 1 i ch t en „bösen" Objekte werden
mittels der Allmacht der Exkremente bekämpft. Außerdem
bieten in der Phantasie die „guten" Objekte Schutz gegen die
„bösen". Zugleich wird mit Hilfe der Projektion die Angst vor
inneren Gefahren in die Außenwelt verlegt, und Beweise in
der Realität dienen der Entkräftung dieser Angstinhalte. Neben diesen Gemein-
samkeiten bestehen beim Knaben und beim Mädchen sehr wesentliche Unter-
schede in den Methoden der Angstbewältigung. Beim Knaben ist die AllmaAt
der Exkremente weniger stark entwickelt, sie wird bei ihm zum Teil von der
Allmacht des Penis abgelöst. Im Zusammenhang damit wirkt sich auch die
Projektion der Angst vor inneren Gefahren beim Knaben und beim Mädchen
verschiedenartig aus.
Die Funktion des Penis als eines aktiven Organs, das der Bemächtigung des
Objektes dient, der Umstand ferner, daß der Penis einer Realitätsprüfung unter-
zogen werden kann, bestimmen den spezifischen Mechanismus, durch den der
Mann (zugleich mit der Sexualbefriedigung) die Angst vor verinnerlichten und
äußeren Gefahren bewältigt. Der Knabe erobert den Mu tt er 1 ei b
mittels seines Penis und beweist sich dadurch nicht nur seine Über-
legenheit über die gefährlichen realen, sondern auch über die ver-
innerlichten Objekte.
Sadistische Allmacht des Penis. Die Allmacht der Exkremente
und Gedanken wird beim Knaben zum Teil in der Allmacht seines Penis zu-
«jiS*™ A T tin ^ k s * eint . mir in Beziehung zu verschiedenen Formen der Klau-
trophobie zu stehen, die nach meinen Erfahrungen auf die Angst, im gefährlichen Mutter-
SÄSZt ZU fr 2UfÜd ?" <*« Angst, den Penis nicht melr aus dm
Mutterleib befreien zu können, wäre die Angst auf den Penis beschränkt.
— z5z —
sammengefaßt, zum Teil löst die Allmacht des Penis die der Exkremente ab.
Der Knabe stattet in der Phantasie den eigenen Penis mit destruktiven Fähig-
keiten aus und setzt ihn fressenden, mörderischen Tieren, Schußwaffen usw.
gleich. Die als gefährlich phantasierte Qualität des Urins, ferner die Gleichsetzung
des vergiftenden und explosiven Stuhlstückes mit dem Penis tragen dazu bei,
daß dieser zum Exekutionsorgan des Sadismus wird. Hiezu kommt, daß der
Knabe durch physiologische Vorgänge Beweise dafür erhält, daß der Penis sich
tatsächlich verändern kann, und diese Veränderungen als Bestätigungen der All-
macht des Penis deutet. Auf diese Weise entsteht eine Verknüpfung zwischen
Penis und Allmachtsgefühl, die für die Aktivität und Angstbewältigung des
Mannes von grundlegender Bedeutung ist. Der Vorstellung des Penis als „Zauber-
stab", der Masturbation als Magie, begegnet man in Kinderanalysen allgemein,
wobei die Erektion und Ejakulation 6 als besondere Steigerungen der sadistischen
Fähigkeiten des Penis gewertet werden. 7
Da das Innere des Mutterleibes, das als Objekt die Brust ablöst, bald die
Bedeutung der Stätte annimmt, die andere, zahlreiche Objekte (zunächst durch
Penis und Exkremente repräsentiert) beherbergt, bildet die in der Phantasie
erfolgende Bemächtigung des Mutterleibes mittels des
Koitus die Grundlage für die Eroberung der Außenwelt
und für den männlichen Weg der Angstbewältigung.
Dieser geht sowohl im Sexualakt als auch in Sublimie-
rungen dahin, Gefahrsituationen in die Außenwelt zu
verlegen und dort mittels der Allmacht des eigenen
Penis zu überwinden.
Beim Mädchen verstärken der Glaube an den „guten" väterlichen Penis
sowie die Angst vor dem „bösen" die Introjektionstendenzen. Die Realitäts-
prüfung gegen die „bösen" Objekte ist also bei der Frau letzten Endes doch
wieder nach innen verlegt. Beim Knaben unterstützt der Glaube an die ver-
innerlichte „gute" Mutter wie auch die Angst vor „bösen" Objekten die Ver-
legung der Realitätsprüfung nach außen, nämlich in den Mutterleib. Die ver-
innerlichte „gute" Mutter erhöht die libidinöse Anziehung seitens der realen
6) Siehe Abraham: Ober Ejaculatio praecox in Klinische Beiträge zur Psycho-
analyse. (Int. PsA. Verl. 1921.)
7) Paul Federn ging in seiner Arbeit: Beiträge zur Analyse des Sadismus und
Masochismus (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. I, 19 13) darauf ein, „wie beim Manne die Er-
scheinungsformen des aktiven Sadismus zustande kommen". Er kommt zum Ergebnis,
„. . . daß die erwachende aktive männliche Organkomponente durch unbewußte Mecha-
nismen, zum großen Teil durch symbolische Darstellung, in den Sadismus respektive daß
die von ihr ausgehenden Strebungen in die sadistischen Betätigungswünsche verwandelt
werden. Dabei werden alle schon früher im Kinde entwickelten aktiven Strebungen
und Triebe reaktiviert."
- a53 —
Mutter und steigert den Wunsch und die Hoffnung des Knaben, den verinner-
lichten Penis in ihrem Leibe mittels des eigenen Penis zu bekämpfen und zu
besiegen. Dieser Sieg soll zugleich als Beweis dafür dienen, daß auch die ver-
innerlichten Angreifer im eigenen Leibesinnern überwunden werden können. 8
Die Zentralisierung der sadistischen Allmacht in der Repräsentanz des Penis
ist für die männliche Position des Knaben grundlegend. Ein starker primärer
Glaube an die Allmacht des eigenen Organs ermöglicht dem Knaben, diese gegen
die Allmacht des väterlichen Penis einzusetzen und den Kampf gegen den
gefürchteten und bewunderten Penis des Vaters aufzunehmen. Für das Gelingen
dieser Zentralisierung scheint erforderlich, daß der Penis eine starke Besetzung mit
dem Sadismus in seinen verschiedenen Formen erfährt. 9 Die Fähigkeit des Ichs,
Angst zu ertragen, und die Stärke der genitalen 10 Triebregungen (letzten Endes
der libidinösen Triebregungen) scheinen für das Gelingen dieses Prozesses mit-
entscheidend zu sein. Setzt aber, wenn die genitalen Regungen stärker hervor-
treten, eine zu intensive und plötzliche Abwehr des Ichs gegen die destruktiven
Triebregungen ein, 11 so wird die Zentralisierung des Sadismus in der Reprä-
sentanz des Penis behindert.
Antriebe für die Sexualbetätigung. Der Haß gegen den väter-
lichen Penis und die Angst aus den früher angeführten Quellen wirken sich als
ein Antrieb zur genitalen Bemächtigung der Mutter aus — ein Antrieb, der das
libidinöse Begehren nach dem Koitus mit ihr vermehrt. 12
In dem Maße, als die Überwindung des Sadismus im Verhältnis zur Mutter
fortschreitet, wird der väterliche Penis in der Mutter als Ge-
fahrenquelle nicht nur für den eigenen Penis, sondern
8) Ich habe in einigen Fällen festgestellt, daß auch der eigene Penis in der Phantasie
als Waffe gegen den verinnerlichten väterlichen Penis verwendet, nach innen gewendet
wurde, indem der Urinstrom dem Penis gleichgesetzt und als eine Stange, Peitsche, Waffe
den väterlichen Penis im Leibesinnern überwältigte. Eine andere Phantasie, die ich wieder-
holt in Analysen fand, nämlich die, den eigenen Penis so lang auszuziehen, daß er in
den Mund genommen werden könnte — in einem Falle auch in den Anus — erwies sich
ebenfalls durch den Wunsch determiniert, den eigenen Penis in direktem Kampf gegen
das Über-Ich zu verwenden.
9) Nach F e r e n c z i (Versuch einer Genitaltheorie) werden im Vorgange der
Amphimixis auf die genitale Betätigung auch prägenitale Erotismen verlegt.
_ 10) Wilhelm Reich hat die Bedeutung des konstitutionellen Faktors für die Geni-
talität hervorgehoben. (Die Funktion des Orgasmus. Int. PsA. Verl. 1927.)
n) Setzen die genitalen Regungen zu früh ein und führen sie zu einer zu frühen
und starken Abwehr des Ichs gegen die destruktiven Triebregungen, so kann dies zu
schweren Entwicklungshemmungen beitragen. Siehe meine Arbeit: Die Bedeutung der
Symbolbildung für die Ichentwicklung. (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 1930.)
12) Können sich die positiven Regungen der Mutter gegenüber nicht genügend durch-
setzen, so bleibt auch der Mutterleib, infolge der Aggression gegen den in ihm voraus-
gesetzten väterlichen Penis, ein Objekt des Hasses und es kommt zur Abwendung
von der Mutter.
— z54 —
auch für den Leib der Mutter empfunden und muß des-
halb — in ihr — zerstört werden. Ein weiteres Moment, das den
Antrieb zum Koitus erhöht (und auch beim Mädchen die homo-
sexuelle Position verstärkt), ist die zufolge der Angst intensivierte Wiß-
begier d e. 13 Die zugleich mit den destruktiven Triebregungen auftretende
Wißbegierde wird sehr bald in den Dienst der Angstbewältigung
gestellt. Der Wunsch geht dahin, mittels des eindringenden Penis, der einem
Organ, das der Aufnahme von Kenntnissen dient, und zwar dem Auge, 14 dem
Ohr und einer Mischung von beiden gleichgesetzt wird, festzustellen, welcher
Art die in der Mutter (seitens des eigenen Penis, der eigenen Exkremente
sowie auch seitens des väterlichen Penis und der väterlichen Exkremente) an-
gerichteten Zerstörungen und welcher Art die dort dem eigenen Penis drohenden
Gefahren sind.
Demnach wirkt sich noch während der Vorherrschaft des Sadismus — und
wiewohl noch ganz durch destruktive Mittel bestritten — der Antrieb zur Angst-
bewältigung auch schon als ein Stimulans zur genitalen Befriedigung, also als ein
entwicklungsfördernder Faktor aus. Auch werden schon während dieser Phase
die destruktiven Mittel zum Teil in den Dienst der Wiedergutmachungstendenzen
gestellt, insofern nämlich, als die Mutter von dem einverleibten bösen väter-
lichen Penis, wenn auch auf gewaltsame und sie beschädigende Weise, befreit
werden soll.
„Frau mit dem Penis." Die Phantasie des Kindes, daß der Mutterleib
auch den Penis des Vaters enthält, führt, wie ich an früheren Stellen dieses
Buches nachzuweisen versuchte, zur Vorstellung der „Frau mit dem Penis".
Die Sexualtheorie von einem weiblichen, der Mutter zugehörigen Penis scheint
mir eine durch Verschiebung entstandene Modifizierung der tiefer liegenden
Angstinhalte zu sein, die sich auf den mit gefährlichen Penissen gefüllten Leib
der Mutter sowie auf die einen gefährlichen Koitus ausübenden Eltern beziehen.
„Die Frau mit dem Penis" bedeutet meiner Erfahrung nach immer die Frau
mit dem Penis des Vater s. 15
13) Siehe Kap. VIII.
14) Siehe Mary Chadwick: Die Wurzel der Wißbegierde. (Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XI, i 9 2j.)
15) Felix Boehm ist (1. c.) zur Feststellung gekommen, daß Phantasien von
Männern, dahingehend, daß in der Vagina der Frau ein großer „gefährlicher", beweg-
licher — ein weiblicher Penis — versteckt sei, dadurch ihre pathogene Wirkung erhalten,
daß sie unbewußt in Zusammenhang gebracht werden mit der Vorstellung vom großen,
gefürchteten, in der Vagina der Mutter verborgenen Penis des Vaters. Die Tendenzen,
den Penis des Vaters in der Scheide der Mutter anzugreifen, und die Verdrängung dieser
Aggressionsneigung betrachtet Boehm als ein bedeutungsvolles Moment für die Wendung
zur Homosexualität.
- a 55 -
Die Herabsetzung der Angst vor den im Mutterleib enthaltenen väterlichen
Penissen erfolgt normalerweise mit der fortschreitenden Objektbeziehung und
der Überwindung des Sadismus. Da die Angst vor dem „bösen" Penis zu einem
sehr wesentlichen Teil durch die destruktiven Regungen gegen den Penis des
Vaters bedingt ist, und da der Charakter der Imagines weitgehend von der
Quantität und Qualität des eigenen Sadismus bestimmt wird, so vermindert die
Herabsetzung des Sadismus und der Angst auch die Strenge des Ober-Ichs und
verbessert sowohl das Verhältnis des Ichs zu den verinnerlichten phantastischen
als zu den realen Objekten.
Spätere Stadien des Ödipuskonfliktes. Wenn neben der
Imago der vereinigten Eltern auch die Einzel-Imagines der Eltern, insbesondere
der „guten" Mutter (Brust), in genügendem Maße wirksam sind, bringt es die
fortschreitende Objektbeziehung und Realitätsanpassung mit sich, daß die Phan-
tasien vom väterlichen Penis im Mutterleib an Wirksamkeit einbüßen und daß
der — allerdings schon verminderte — Haß sich stärker gegen das reale Objekt
wendet. Damit hat sich aber auch die bessere Trennung der vereinigten Eltern-
Imago vollzogen. Die Mutter wird dann hauptsächlich das Objekt der libidinösen
Regungen, Haß und Angst richten sich vorwiegend gegen den realen Vater und
dessen Penis oder — infolge Verschiebung — auf ein anderes Objekt (Tier-
phobien). Mit der Trennung der vereinigten Eltern-Imago treten die einzelnen
Imagines der Eltern und die Bedeutung der realen Objekte stärker hervor. Es
setzt die Phase ein, in der die ödipusstrebungen und die Kastrationsangst vor
dem realen Vater mit aller Deutlichkeit offenbar werden. 16
Bis zu einem gewissen, individuell verschiedenen Grade bleiben nach meinen
Erfahrungen trotz aller im Laufe der Entwicklung erfolgenden Modifi-
zierungen die frühesten Angstsituationen latent wirksam 17 (ebenso auch alle aus
diesen Angstsituationen resultierenden Abwehrmechanismen neben denen der
höheren Entwicklungsstufen). In den tiefsten Schichten ist es demnach immer
der „böse" väterliche Penis in der Mutter, von dem der Knabe die Kastration
erwartet. Herrschen aber die frühen Angstsituationen nicht überstark vor und
ist vor allem die Mutter in genügendem Maße die „gute" Mutter, so bedeutet
der Mutterleib eine Stätte der Anziehung, die aber nur unter Gefahren (je nach
den Angstquantitäten unter mehr oder weniger schweren Gefahren) erobert
werden kann. Aus diesem Element von Gefahr und Angst, das sich
auch beim normalen Manne mit dem Koitus verbindet, ergibt
sich ein Antrieb für die Sexualbetätigung, der die libidinöse
16) Diese Erscheinungen zeigen auch an, daß die Trennung der Eltern-Imago gelungen
ist und die Modifizierung der frühinfantilen psychotischen Angst weitgehend erfolgt ist.
(Siehe Kap. IX.)
17) Siehe Kap. IX und X.
- 2 56 -
Befriedigung beim Koitus erhöht, sie aber stört (oder vollends unterbindet),
wenn die Angst übermäßig ist. Der Koitus schließt in den tiefsten unbewußten
Phantasien des Mannes die Überwältigung oder Beseitigung des im Leibesinnern
der Frau vorausgesetzten väterlichen Penis ein. An diesen Kampf gegen den
Vater in der Mutter knüpfen sich — so scheint es mir — die sadistischen
Regungen, die auch normalerweise mit der genitalen Bemächtigung des Objektes
einhergehen. Hat somit der Umstand, daß in der Phantasie der väterliche Penis
ursprünglich in den Leib der Mutter verlegt wurde, zur Folge, daß diese — wenn
auch in sehr verschiedenem Maße — immer ein Angstobjekt bleibt, so verstärkt
andrerseits dieses Moment gerade durch den Antrieb, die Angst zu bewältigen,
sehr wesentlich die von der Frau ausgehende sexuelle Anziehung auf den Mann.
Normalerweise wirkt sich die Verstärkung der genitalen Triebregungen und
die damit einhergehende Überwindung des Sadismus dahin aus, daß die Wieder-
gutmachungsphantasien auf allen Linien einsetzen. "Wie ich früher ausgeführt
habe, machen sich noch unter Vorherrschaft des Sadismus die Wiedergutmachungs-
tendenzen der Mutter gegenüber in der "Weise geltend, daß der „böse" väterliche
Penis in ihr zerstört werden soll. Das erste und hauptsächliche
Objekt der Wiedergutmachungstendenzen ist die Mutter.
Diese heften sich um so stärker an ihre Imago, je mehr die Mutter für den
Knaben das „gute" Objekt bedeutet. 18 In den Spielanalysen zeigt sich dies mit
großer Deutlichkeit. "Wenn die reaktiven Tendenzen sich verstärken, setzen kon-
struktive Spiele ein. Das Bauen von Häusern, das Zusammenstellen von Dörfern
zum Beispiel stellt symbolisch die Wiederherstellung des Mutterleibes sowie auch
des eigenen Leibes dar. 19 Die Einzelheiten der Wiederherstellung entsprechen
den in einem früheren Stadium der Analyse (oder auch alternierend mit den
konstruktiven Spielen) phantasierten Zerstörungen. Der Knabe stellt dann zum
Beispiel auf die verschiedensten Arten eine Stadt aus kleinen Häusern zusammen.
Ein kleines Spielmännchen als Verkehrspolizist — ihn selber darstellend —
regelt den Verkehr, untersucht immer wieder, ob keine Zusammenstöße der
Wagen erfolgen, keine Häuser beschädigt, keine Menschen umgerannt werden
können. In früheren Spielen wurde aber die Stadt häufig durch die zusammen-
stoßenden Wagen beschädigt, wurden die Menschlein überfahren. In einer noch
früheren Periode dokumentierte sich der Sadismus in direkter Weise durch
Benässen, Verbrennen, Zerschneiden von Dingen, die symbolisch den Mutterleib
18) Daß die Wiedergutmachung am „guten" Objekt sich vollzieht, das „böse" Objekt
der Gegenstand der destruktiven Triebregungen verbleibt, habe ich in anderen Zusammen-
hängen ausgeführt.
19) Da die den Mutterleib betreffenden Angstsituationen und die Angst vor der
Gefährdung des eigenen Leibesinnern ineinandergreifen und einander bedingen, bedeuten
alle Einzelheiten der "Wiederherstellung der Mutter auch die des eigenen Leibes. Ich gehe
auf diesen Inhalt der "Wiederherstellungsphantasien später ein.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— i5 7 — v
und dessen Inhalt (väterlichen Penis und Kinder) bedeuteten. Zugleich aber
stellten diese destruktiven Akte die seitens des väterlichen Penis im Mutterleib
angerichtete (und vom Kinde gewünschte) Zerstörung der Mutter dar. Als
Reaktion auf diese sadistischen Phantasien, in denen die
Mutter mittels des gewalttätigen Penis, sowohl des eigenen wie auch des Vaters
(dargestellt durch die fahrenden Autos), zerstört, die Kinder (die Spielfigürchen)
kastriert und beschädigt wurden, setzen die Phantasien ein, in denen die
Mutter (durch die Stadt dargestellt) in allen diesen Punkten
wiederhergestellt wird.
Wiedergutmachungstendenzen und Sexualbetätigung.
Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, daß bei beiden Geschlechtern der
Sexualakt ein eminentes Mittel der Angstbewältigung ist. Auf den frühen Ent-
wicklungsstufen dient der Sexualakt neben der libidinösen Befriedigung der Ver-
nichtung oder Beschädigung des Objektes (wobei auch schon positive — wiewohl
verdeckte — Strebungen sich geltend machen). Auf den späteren Entwicklungs-
stufen dient der Sexualakt neben der libidinösen Befriedigung der Wieder-
herstellung des beschädigten Leibes der Mutter und auf diese Weise der Bewälti-
gung von Angst und Schuldgefühl.
Als ich die tieferen Quellen der homosexuellen Einstellung des Mädchens
beschrieb, wies ich auf die Bedeutung des „heilsamen" Penis und die kon-
struktive Allmacht im Sexualakt hin; diese Ausführungen gelten ebenfalls für die
heterosexuelle Position des Mannes. Bei Vorherrschaft der genitalen Stufe wird
in der Phantasie dem Penis im Sexualakt die Aufgabe zuteil, nicht nur der
Frau Freude zu spenden, sondern sie auch von allen durch den eigenen sowie den
väterlichen Penis ihr zugefügten Beschädigungen zu heilen. In Knaben-
analysen läßt sich feststellen, daß der Penis in der Phantasie alle möglichen
heilsamen und reinigenden Funktionen erfüllt. Hat der Penis im Stadium der
sadistischen Allmacht sadistische Funktionen erfüllt — mittels des Urins über-
schwemmt, vergiftet, verbrannt — , so lernen wir im Stadium der vorherrschenden
Wiedergutmachung den Penis als „Feuer-Löschapparat", als reinigende Bürste,
als ein Behältnis für heilsame Medizin usw. kennen. Der Glaube an den eigenen
„guten" Penis schließt auch den an den „guten" Penis des Vaters ein, ebenso
wie der Glaube an die sadistischen Qualitäten des eigenen Penis den an die
sadistischen des väterlichen Penis bedingt. War es ein Ziel der sadistischen Phan-
tasien, den väterlichen Penis in ein Instrument der Zerstörung für die Mutter
umzuschaffen, so wird es nun das Ziel der Wiedergutmachungs-
tendenzen, den väterlichen Penis in einen heilsamen „gute n"
Penis zu verwandel n, 20 womit zugleich die Angst vor dem väterlichen
20) Das Schuldgefühl der Mutter gegenüber, die Angst, daß ihr etwas durch den
„bösen" väterlichen Penis widerfahren könnte, haben einen wesentlichen Anteil an dem
- a 58 -
„bösen" Über-Ich herabgesetzt wird. Dann vermindert sich im Verhältnis zu
den realen Objekten die Identifizierung mit dem „bösen" "Vater (die zum Teil
auf der Identifizierung mit dem Angstobjekt beruht), und die stärkere Identi-
fizierung mit dem guten Vater wird möglich. Vermag das Ich ein
gewisses Ausmaß an destruktiven Tr i eb r egu ng en gegen
den Vater zu tolerieren und zu verarbeiten und ist zu-
gleich ein genügender Glaube an den „guten" väterlichen
Penis vorhanden, so kann sowohl die Rivalität mit dem
Vater (die eine Voraussetzung der heterosexuellen Posi-
tion ist) als auch die Identifizierung mit ihm aufrecht-
erhalten werden. Der Glaube an den „guten" väterlichen Penis erhöht
auch die sexuelle Anziehung seitens der Frau, die nun in der Phantasie weniger
gefährliche Objekte und — aus der homosexuellen Position heraus, da der „gute"
Penis ein Liebesobjekt ist — als anziehend empfundene Objekte in ihrem Leibes-
innern beherbergt. 21 Die destruktiven Triebregungen behalten dann als Objekt
den rivalisierenden (als das „böse" Objekt empfundenen) väterlichen Penis, die
Mutter wird dann vorwiegend das Objekt der positiven Regungen.
Bedeutung der "Weiblichkeitsphase für die Hetero-
sexualität. Dieses Entwicklungsresultat hängt sehr wesentlich von dem
günstigen Verlauf der frühen "Weiblichkeitsphase des Knaben ab. Wie ich früher
hervorhob, ist die gelungene Überwindung dieser Phase eine Vorbedingung der
gut befestigten heterosexuellen Position.
In einer früheren Arbeit 22 habe ich darauf hingewiesen, daß der Knabe
häufig die aus der "Weiblichkeitsphase stammenden Gefühle von Haß, Angst,
Neid und Minderwertigkeit durch Verstärkung des Penisstolzes überkompensiert
und diesen Stolz auf das intellektuelle Gebiet 23 verschiebt. Diese Verschiebung
Bestreben des Knaben, auch den Penis des Vaters wiederherzustellen, ihn der Mutter
zurückzuerstatten und die Eltern friedlich zu vereinigen. In gewissen Fällen kann sich
dieses Bestreben so stark in den Vordergrund drängen, daß der Knabe die Mutter in der
Phantasie als Liebesobjekt aufgibt und sie ganz dem Vater überläßt, ein Moment, das
die "Wendung zur Homosexualität begünstigt. Diese steht dann im Dienste der Wieder-
gutmachung am väterlichen Penis, dem die Aufgabe zuerteilt wird, die Mutter wieder-
herzustellen und zu befriedigen.
21) Wird aus Angst vor dem „bösen" Penis (und häufig aus der Unfähigkeit, den
eigenen Sadismus zu ertragen) der Glaube an den „guten" Penis übermäßig verstärkt,
und zwar sowohl in Beziehung zum Über-Ich wie auch zu dem in der Mutter voraus-
gesetzten väterlichen Penis, so kann sich hieraus eine ganz verschobene Position zur Frau
ergeben. Der heterosexuelle Akt dient dann vorwiegend der Befriedigung des homo-
sexuellen Begehrens; der Mutterleib wird zum Behältnis für den „guten" Penis.
22) Siehe M. Klein: Frühstadien des Ödipuskonfliktes. (Int. Ztschr. f. PsA.,
Bd. XIV, 1928.)
23) Mary Chadwick führt in ihrer Arbeit: Die Wurzel der Wißbegierde (Int.
Ztschr. f. PsA., Bd. XI, 192 j) aus, „daß der Knabe den Verzicht auf das Kind in der
— a5o, — V*
bildet die Grundlage einer gehässigen Rivalitätseinstellung der Frau gegenüber,
die sich in der Charakterbildung des Mannes auf analoge Art geltend macht
wie der Penisneid bei der Frau. Das Übermaß der aus den sadistischen Angriffen
auf den Mutterleib resultierenden Angst wird zur Quelle schwerster Störungen im
Verhältnis zum andern Geschlecht. Mildern sich aber Angst und Schuldgefühle,
so werden gerade diese zur Grundlage für die Einzelheiten der phantasierten
Wiedergutmachung, die sich als Einfühlung in die weibliche Psyche äußern.
Die frühe Weiblichkeitsphase des Knaben beeinflußt das spätere Verhältnis
zur Frau noch auf einem andern Wege in positiver Weise. Die Differenz zwischen
den sexuellen Strebungen des Mannes und der Frau führt, wie wir wissen, zu
verschiedenen psychischen Bedingungen der Befriedigung, führt dazu, daß Mann
und Frau an die gegenseitige Beziehung verschiedene — an sich unvereinbare —
Forderungen stellen. Normalerweise wünscht die Frau das Liebesobjekt immer -
bei sich — letzten Endes in sich — zu behalten; hingegen begünstigen die nach
außen drängenden psychosexuellen Strebungen des Mannes und seine Art der
Angstbewältigung den häufigen Wechsel des Liebesobjektes. (Dieser Tendenz
wirkt allerdings der Wunsch entgegen, das Liebesobjekt, wenn es die „gute"
Mutter bedeutet, zu behalten.) Kommt trotz aller dieser Schwierigkeiten eine
gute Einfühlung des Mannes in die andersartigen Bedürfnisse der weiblichen
Psyche zustande, so hat die früheste Identifizierung mit der Mutter einen starken
Anteil daran. In dieser Phase introjiziert sich der Knabe den väterlichen Penis
als Liebesobjekt und bezieht, wenn sich das Verhältnis zur Mutter positiv
gestaltet, aus diesen Wünschen und Phantasien das Verständnis für die Intro-
jektions- und Bewahrungstendenzen der Frau hinsichtlich des Penis. 24 Auch
befähigt der dieser Phase entstammende Wunsch des Knaben, vom Vater Kinder
zu empfangen, den Mann dazu, in der Frau das Kind zu sehen. Er übernimmt
der Frau gegenüber auch die Rolle der spendenden Mutter. 25 Dadurch befriedigt
Befriedigung seiner Wißbegierde findet". Produkte seines Forschungseifers, intellektuelle
Leistungen und wissenschaftliche Entdeckungen nehmen bei ihm die Stelle von Kindern
ein. Aus der Verschiebung des Kindesneides auf das Intellektuelle ergibt sich, wie Mary
Chadwick ausführt, eine Quelle der Rivalitätseinstellung des Mannes der Frau gegen-
über auf geistigem Gebiet.
24) Edoardo "Weiß führt aus, „daß die heterosexuelle Objektwahl des reifen
Mannes durch Projektion seiner eigenen Weiblichkeit zustande kommt". Er sieht in
diesem Projektionsvorgang die Erklärung, warum „auch der reife Mann seinem geliebten
Weib gegenüber ein Stück mütterlicher Einstellung beibehält". (Eine Phase der Entwick-
lung zur heterosexuellen Liebe. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XI, 1925.) Weiß hebt hervor,
daß analoge Verhältnisse für die Endgestaltung der heterosexuellen Liebe auch beim
Weibe vorliegen. Sie verzichtet auf ihre Männlichkeit und sieht diese im geliebten Manne
verkörpert.
25) Reich weist darauf hin, daß bei manchen Patienten der Penis die Rolle der
Mutterbrust, der Samen die der Milch spielt. (Die Funktion des Orgasmus. Int. PsA.
Verl. 1927.)
— 360 —
er auch die Liebes-wünsche der Frau, die sich aus ihrer starken Mutterbindung
ergeben. Nur wenn die der Weiblichkeitsphase entstammenden Gefühle von Neid,
Haß und Angst der Mutter gegenüber genügend überwunden werden 26 und wenn
die weibliche Komponente des Mannes gut sublimiert werden kann, vermag der
Knabe bei Vorherrschaft der genitalen Stufe die heterosexuelle Position genügend
zu befestigen.
Ich habe früher ausgeführt, weshalb bei voller Erreichung der genitalen
Stufe der Glaube an den eigenen „guten" Penis (und damit an
die Fähigkeit, mittels des Sexualaktes wiedergutzumachen) eine Bedingung der
Potenz ist. 27 Dieser Glaube ist letzten Endes an eine (vom Standpunkt der
psychischen Realität betrachtet) konkrete Bedingung gebunden, und zwar an den
Glauben an den guten Zustand des eigenen Leibesinner n.
Die Angstsituationen, die aus den bedrohlichen Vorgängen, den Angriffen und
Kämpfen im eigenen Leibesinnern resultieren und die ineinandergreifen mit den
Angstsituationen, die sich aus den phantasierten Zerstörungen und Gefahren im
Mutterleib ergeben, sind bei beiden Geschlechtern die tiefsten Gefahrsituationen.
Die Kastrationsangst ist nur ein wenn auch dominierender Teilinhalt der
Angst für den ganzen Körper. Sie wird aber beim Knaben zur leitenden
Angst und verdeckt alle anderen Angstinhalte mehr oder weniger weitgehend.
Dies erhellt auch daraus, daß die Angst um das eigene Leibesinnere sich als
eine der tiefsten Wurzeln der Potenzstörungen beim Manne erweist. Das Haus,
die Stadt, die der Knabe so eifrig wiederherzustellen bemüht ist, bedeutet nicht
nur die erneute, intakte Mutter, 28 sondern immer auch das Innere des eigenen
Körpers.
Sekundäre Verstärkung des Penisstolzes. In dieser Be-
schreibung der männlichen Entwicklung habe ich einige Momente hervorgehoben,
die nach meiner Meinung die zentrale Bedeutung des Penis für den Knaben
wesentlich erhöhen. Ich fasse kurz zusammen: i) Die Angst der frühesten
Gefahrsituationen (Angriffe im Leibesinnern und auf den ganzen Körper), die
auch alle aus der weiblichen Position entspringenden Angstquellen einschließt,
16) Analog ist beim Mädchen die gelungene Oberwindung des Penisneides und die
Sublimierung der männlichen Komponente die Voraussetzung einer gut befestigten hetero-
sexuellen Position.
27) Dieser Glaube verstärkt sich Schritt für Schritt im Verlaufe der Analyse in dem
Maße, als die Strenge des Über-Ichs, die Angst und der Sadismus herabgesetzt werden,
die genitale Stufe stärker hervortritt und damit zugleich die Beziehung zum Objekt
und das Verhältnis zwischen Über-Ich, Ich und Es sich verbessert.
28) Die „reine" unberührte Frau wäre demnach letzten Endes die Frau, die nicht
durch den väterlichen Penis und gefährliche Exkremente beschmutzt (zerstört) ist, die
deshalb aus ihrem intakten Leibsinneren gute, heilende — reine — Stoffe dem Manne
zu geben vermag.
— 261 —
•wird auf den Penis als ein äußeres Organ verschoben und so besser bewältigt.
Die Verstärkung des Penisstolzes mit allen ihren Auswirkungen 29 dient eben-
falls der Bewältigung der aus der weiblichen Position resultierenden Angstinhalte
und Enttäuschungen. 2) Da der Penis der Träger zuerst der sadistischen und dann
der konstruktiven Allmacht wird, verstärkt sich hiedurch seine Bedeutung als
Vehikel der Angstbewältigung. Indem er aber alle diese Funktionen erfüllt
(also den Allmachtsglauben, die Realitätsprüfung, die Objektbeziehung fördert
und mittels all dieser Funktionen der dominierenden Funktion der Angstbewälti-
gung dient), gerät er, vielmehr seine psychische Repräsentanz, in innige Beziehung
zum Ich und wird zum Repräsentanten des Ichs und des Bewußten. 30 Das
Innere des Leibes, die Imagines und Fäzes — also das Unsichtbare und Un-
bekannte — werden dem Unbewußten gleichgesetzt. In Analysen von Knaben
und Männern fand ich auch, daß in dem Maße, in dem die Angst vor den das
Leibesinnere beherrschenden bösen Imagines und Fäzes (also vor dem Un-
bewußten) herabgesetzt wurde, der Glaube an die eigene Potenz wuchs.
Zugleich setzte ein Stück Ichentwicklung ein. 31 Hiezu kommt, daß die Ver-
ringerung der Angst vor dem bösen Über-Ich und dem bösen Leibesinhalt
dem Knaben stärker die Möglichkeit gibt, sich mit den introjizierten guten
Objekten zu identifizieren, wodurch ebenfalls eine Bereicherung des Ichs erzielt
wird. "Wenn das Vertrauen zur konstruktiven Allmacht des eigenen Penis
genügend befestigt ist, wird der Glaube an die Macht des verinnerlichten „guten"
väterlichen Penis zur Grundlage für einen sekundären Allmachtsglauben, der
beim Knaben die durch den eigenen Penis gegebene Entwicklungslinie verstärkt.
"Wie ich früher ausführte, bringt es die wachsende Objektbeziehung mit sich,
daß die phantastischen Imagines zurücktreten, dagegen Haß und Kastrations-
angst in Beziehung zum realen Vater deutlicher hervortreten. Zugleich machen sich
auch die "Wiedergutmachungstendenzen den realen Objekten gegenüber sowie die
realitätsgemäßeren Wege der Angstbewältigung stärker geltend. Alle diese Ent-
wicklungsschritte gehen mit der fortschreitenden Herrschaft der genitalen Stufe
einher und kennzeichnen die späteren Stadien des Ödipuskonfliktes.
Störungen der Sexualentwicklung. Als eine Quelle intensiver
Angst habe ich die Phantasie hervorgehoben, daß die Eltern stets im Koitus
miteinander vereinigt seien. Der Mutterleib stellt, wenn diese Phantasien
29) Siehe Klein: Frühstadien des Ödipuskonfliktes. (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XIV,
1928.)
30) Für diese Auffassung spricht die vielfach bestätigte analytische Erfahrung, daß
der Penis (und die männliche Potenz) die Repräsentanz der männlichen Aktivität
bildet.
31) Siehe Klein: A Contribution to the Theory of Intellectual Inhibition. (Int.
Journal of Psycho-Analysis, Vol. XII.)
— 2 62 —
dominieren, für das Kind vorwiegend eine gegen das Kind gerichtete, überaus
bedrohliche Vereinigung von Vater und Mutter dar.
"Wenn die Trennung der vereinigten Eltern-Imago im Verlauf der Ent-
wicklung nicht genügend erfolgt, so kommt es zu schweren Störungen sowohl der
Objektbeziehung als auch der Sexualentwicklung.
Die Vorherrschaft der vereinigten Eltern-Imago geht nach meinen Er-
fahrungen letzten Endes auf Störungen in der frühesten Beziehung zur Mutter
(Brust) zurück. 32 Dieses bei beiden Geschlechtern grundlegende Moment wirkt
sich bei Knaben und Mädchen schon auf den frühesten Entwicklungsstufen
verschieden aus. Ich will nun kurz darauf eingehen, wie die Vorherrschaft dieser
angsterregenden Phantasien beim Knaben zustande kommt 33 und wie sie seine
Sexualentwicklung beeinflußt.
Ich fand in Analysen von Knaben und Männern, daß das Zusammenwirken
starker oralsaugender und oralsadistischer Triebregungen sehr früh zu einer
haßerfüllten Abwendung von der Mutterbrust 34 geführt hatte. Die frühe und
intensive Zerstörung der Mutterbrust führte vorwiegend zur Introjektion der
„bösen" Mutter. Zugleich kam es mit der jähen Abwendung von der Mutter
zu einer überaus intensiven Introjektion des väterlichen Penis. Die Weiblichkeits-
phase war von Haß und Neid der Mutter gegenüber beherrscht gewesen.
Zugleich hatte sich infolge der starken oralsadistischen Regungen ein intensiver
Haß 33 und entsprechende Angst dem verinnerlichten väterlichen Penis gegenüber
entwickelt. Die intensiven oralsaugenden Regungen drängten zu Phantasien von
unausgesetzter, endloser Nahrungsaufnahme, zugleich aber bewirkten die sadisti-
schen Regungen, daß sich für die Mutter die Nahrungsaufnahme und sexuelle
Befriedigung (beides durch den väterlichen Penis im Koitus) in Qual und Zer-
störung verwandelten. Dies führte zur Annahme, daß das Innere des Mutter-
leibes bis zum Bersten überfüllt sei mit ungeheuren bösartigen Penissen des
Vaters, die sie auf mannigfache "Weise zerstörten. Die Mutter wird in solchen
Fällen in der Phantasie des Knaben nicht nur zur „Frau mit dem Penis",
sondern gewissermaßen zu einem Behälter für die Penisse des Vaters und für
32) Siehe Kap. VIII.
33) Die analogen Entwicklungsvorgänge beim Mädchen habe ich im vorigen Kapitel
beschrieben.
34) In einigen dieser Fälle war die Stillperiode kurz und unbefriedigend verlaufen,
in anderen war das Kind nur mit der Flasche auferzogen worden. Ich fand aber, daß
es auch bei einer äußerlich befriedigend verlaufenen Saugeperiode ebenfalls zu einer
frühen und haßerfüllten Abwendung von der Mutterbrust und einer sehr starken Intro-
jektion des väterlichen Penis kommen kann. In diesen Fällen ist es der konstitutionelle
Faktor, der entscheidet. (Siehe Kap. VIII.)
3$) Der übermäßige Haß gegen den väterlichen Penis basiert auf überaus starken
destruktiven Phantasien gegen die Brust und den Mutterleib. Das frühe Verhältnis
zur Mutter beeinflußt also auch beim Knaben das Verhältnis zum Vater.
- 2 63
seine gefährlichen, dem Penis gleichgesetzten Exkremente. 36 Dadurch werden
aber große Haß- und Angstquantitäten, die dem väterlichen Penis und dem
Vater gelten, auf die Mutter verschoben. 37
Während also einerseits ein starker und früh einsetzender oraler Sadismus
die Angriffe auf die im Koitus vereinigten Eltern und die Angst vor dieser Imago
fördert, behindert er die Bildung der „guten" Mutter-Imago, die einen Rückhalt
gegen alle frühen Angstsituationen, die Grundlage für das „gute" Über-Ich
(helfende Gestalten) 38 und auch die Basis für die heterosexuelle Position bildet.
Hiezu kommen die Folgewirkungen der in solchen Fällen übermäßig vom
Sadismus beherrschten "Weiblichkeitsphase. Die überstarke Introjektion eines
ungeheuren bösen väterlichen Penis führt dazu, daß auch das eigene Leibes-
innere in der Phantasie des Kindes den Gefahren ausgesetzt ist, die das Innere
des Mutterleibes bedrohen. Im gleichen Sinne wirken die Introjektion der ver-
einigten feindlichen Eltern-Imago und die nur in geringem Maße erfolgte Intro-
jektion der „guten" Mutter-Imago. Die übermäßige, aus diesen Introjektions-
vorgängen resultierende Angst für das eigene Leibesinnere bildet aber nicht nur
die Grundlage für schwere Störungen der Gesundheit, sondern auch der Sexual-
entwicklung. Ich habe in diesem Kapitel an früherer Stelle ausgeführt, daß der
„gute" Leibesinhalt und damit in Zusammenhang der „gute" Penis (bei Vorherr-
schaft der genitalen Stufe) eine Voraussetzung der Potenz sind. Der „gute" Penis
als Mittel zur Wiederherstellung ist um so nötiger, je intensiver die Angriffe auf
die Brust und den Leib der Mutter waren und je mehr die Mutter in der Phan-
tasie des Kindes durch den väterlichen und den eigenen Penis zerstört worden
ist. Es wäre also ein besonders starker Glaube an die eigene Potenz erforderlich,
um die Angstinhalte eines gefährlichen und gefährdeten, mit väterlichen Penissen
erfüllten Mutterleibes entkräften zu können. Gerade diese Angst (um die Mutter
und für den eigenen Leibesinhalt) behindern aber wiederum den Glauben an den
36) Die Imagines, die sich auf Grund dieser Phantasien entwickelten, standen in den
meisten Fällen in Gegensatz zum Bilde der realen Mutter. Die Realität vermochte sich
aber gegen diese phantastischen Imagines nicht durchzusetzen. Hiebei griffen Ursache
und Wirkung ineinander. Die übermäßige Wirksamkeit der frühesten Angstsituationen
hatte die Herstellung der Objektbeziehung und Realitätsanpassung unterbunden. Dies
wirkte sich aber weiterhin dahin aus, daß die Objekte und die Realität die Angst der
frühen Gefahrsituationen nicht genügend abschwächen konnten und daß diese dominierend
blieben. Die Realitätsbeziehung blieb in diesen Fällen dauernd gestört und die Realität
wurde demzufolge auch späterhin vorwiegend im Sinne der phantastischen Angst-
situationen aufgenommen und gewertet.
37) Idi habe im vorigen Kapitel eine analoge Verschiebung beim Mädchen hervor-
gehoben. In Fällen, in denen Haß und Neid insbesondere um den von der Mutter ein-
verleibten Penis des Vaters zentriert, zieht dieser die Gefühle von Haß und Angst auf
sich, die ursprünglich vorwiegend der Mutter gelten. Diese Verschiebung bewirkt, daß
das Verhältnis zum Manne schweren Störungen unterworfen ist.
38) Siehe Klein: Die Rollenbildung im Kinderspiel. (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XV, 1929)
— 264 —
r
„guten" Penis und die eigene Potenz. Das Zusammenwirken dieser Angstinhalte
bereitet die Abwendung von der Frau als Liebesobjekt vor. Es führt, je nach-
dem, wie die frühen Erlebnisse es begünstigen, zur Homosexualität oder zu
Potenzstörungen in der heterosexuellen Position. 39
Kasuistisches. In der Analyse eines f ünf unddreißigjährigen homo-
sexuellen Patienten (Mr. A.), bei dem eine schwere Zwangsneurose mit paranoiden
und hypochondrischen Zügen und eine starke Potenzstörung vorlag, ergab sich,
daß die Gefühle von Mißtrauen und Abneigung, die sein Verhältnis zur Frau
im allgemeinen beherrschten, letzten Endes zurückgingen auf die Phantasien,
daß die Mutter sich stets, wenn er sie nicht sah, im Koitus mit dem Vater sich
befinde. Er nahm an, daß ihr Leibesinneres mit gefährlichen väterlichen Penissen
überfüllt sei. 40 In der Übertragungssituation zeigte sich, daß Haß und Angst
im Verhältnis zur Mutter, die vielfach auch das Schuldgefühl ihr gegenüber
verdeckten, 41 immer in engster Verbindung mit der Koitussituation der Eltern
standen. Ein flüchtiger Blick auf meine Kleidung und mein Aussehen, der, wenn
die Angst gesteigert war, Mr. A. immer bewies, daß ich schlecht aussehe oder
ungepflegt und nicht in Ordnung (eigentlich aber, daß ich innerlich vergiftet
und zerstört) sei, ging auf die prüfenden und angsterfüllten Blicke zurück, mit
denen er als kleines Kind des Morgens die Mutter gemustert hatte, um fest-
zustellen, ob sie durch den Koitus mit dem Vater vergiftet und zerstört sei. 42
Er hatte jeden Morgen erwartet, die Mutter tot wiederzufinden. In dieser
Gemütsverfassung wurde natürlich jede noch so unbedeutende Einzelheit im
Befinden und Benehmen der Mutter, jeder Meinungsunterschied zwischen den
39) In extremen Fällen dieser Art kommt es dazu, daß keine Libidoposition gehalten
werden kann.
40) Die Mutter hatte infolge dieser Verschiebung so stark die Qualitäten des väter-
lichen Penis angenommen, so wenig von ihrer eigenen Persönlichkeit behalten, daß Mr. A.
sie im Unbewußten schlechtweg mit dem väterlichen Penis (bewußt mit einem Knaben)
identifizierte. Eine Auswirkung dieser vielfachen Verschiebungen war, daß der Patient
auch bewußt immer große Schwierigkeiten hatte, die Geschlechter voneinander zu
unterscheiden.
41) Auf diesen Mechanismus hat Ernest Jones in seiner Arbeit: Angst, Schuld-
gefühl und Haß (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVI, 1930) hingewiesen.
42) War die Angst besonders stark, so erschienen Mr. A. auch die Straße und das
Haus, in denen ich wohne (wie sich ergab, auch die ganze Welt) wie in Schmutz getaucht.
Dann identifizierte Mr. A. mich auch häufig mit der ihm überaus widerlichen Reine-
machefrau, die das Reinigen des Treppenflurs und des Stiegenhauses besorgte; diese Frau
war ihm aber auch deshalb so unangenehm, weil sie sein Schuldgefühl und seine Angst
erregte. Sie bedeutete ihm die durch seine Schuld herabgewürdigte und verarmte Mutter,
die versuchte, ihr beschmutztes und vergiftetes Leibesinnere — das Haus — zu reinigen,
aber hiebei eine seinem Gefühl nach fruchtlose und vergebliche Arbeit leistete. Infolge
der Phantasien, in denen Mr. A. mittels vergifteter Exkremente die im Koitus befind-
lichen Eltern und das Leibesinnere der Mutter angegriffen hatte, fühlte er sich für ihren
Zustand verantwortlich.
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Eltern, jede noch so kleine Änderung im Verhalten der Mutter ihm gegenüber,
kurz alles, was um ihn herum vorging, zum Beweis, daß die von ihm stets
erwartete Katastrophe eingetreten sei. Seine Masturbationsphantasien (Wunsch-
phantasien), in denen sich die Eltern im Koitus auf vielfache Art zerstörten,
wurden zur Quelle ebenso vielfacher Sorge, 43 Angst und Schuldgefühle. Diese
Angst führte zu unausgesetzter Beobachtung der Umgebung und zu einem
zwanghaft gesteigerten Wißtrieb. Sein steter, alle Ichenergien aufsaugender
Wunsch, die Eltern beim Koitus zu beobachten und ihre sexuellen Geheimnisse
ausfindig zu machen, wurde gleichzeitig durch das Bestreben aktiviert, die Mutter
am Koitus zu verhindern und sie vor dem Schaden zu bewahren, den der
gefährliche väterliche Penis ihr zufügen würde."
In der Übertragungssituation äußerten sich diese dem Koitus der Eltern
geltenden Regungen unter anderem in dem großen Interesse, das Mr. A. an
meinem Zigarettenrauchen nahm. Merkte er zum Beispiel, daß sich von der
vorhergehenden Analysenstunde noch ein Zigarettenstummel in der Aschenschale
befand, oder meinte er, daß Rauchgeruch im Zimmer sei, so knüpften sich
daran die Assoziationen, ob ich wohl viel rauche, ob ich vor dem Frühstück
rauche, ob ich eine gute Sorte rauche usw. Diese Fragen und die damit ver-
bundenen Affekte hingen mit der Angst um die Mutter zusammen. Sie erwiesen
sich determiniert durch den Wunsch, zu erfahren, wie oft und in welcher Weise
die Eltern in der Nacht koitiert hätten und welche Wirkung dies auf die Mutter
ausgeübt hätte. Die primären, mit der Urszene verknüpften Gefühle von Ver-
sagung, Eifersucht und Haß fanden auch Ausdruck in den Affekten, mit denen
Mr. A. zeitweise darauf reagierte, wenn ich zum Beispiel eine Zigarette in einem
ihm ungeeignet scheinenden Augenblick anzündete. Er wurde wütend und warf
mir mangelndes Interesse für ihn vor: das Rauchen bedeute mir alles, die
Störung, die ich ihm bereite, nichts, usw. Dann wieder legte er mir nahe, das
Rauchen ganz aufzugeben. Zuzeiten wartete er ungeduldig darauf, daß ich eine
Zigarette anzünden solle, bat mich förmlich darum, konnte das Geräusch des
Zündholzanstreichens nicht länger erwarten, legte vor allem Wert darauf, daß
ich es nicht plötzlich und für ih n unvorbereitet tun solle. Es wurde deutlich, daß
c .- L 43 IP? , 6S • Skh mir nUr darum handelt > an d i e sem Fall zu illustrieren, daß bestimmte
frühe Gefahrsituationen die Wurzel schwerer Störungen der Sexualität bilden können,
greife idy aus der Fülle der frühen Eindrücke und Einflüsse, die zu dem Entwicklungs-
ausgang beitrugen, nur zwei Momente heraus: Die Mutter war kränklich und der Vater
war ein harter, tyrannischer Mann, vor dem die ganze Familie Angst empfand.
44) Die primäre Eifersucht des kleinen Kindes, die dazu führt, daß das Kind die
sexuelk Befriedigung der Eltern und ihre Intimitäten zu stören sucht, erhält auch im
allgemeinen eine sekundäre und sehr wesentliche Verstärkung durch die Angst. Das Kind
befürchtet, daß die Eltern einander (in Erfüllung der sadistischen Phantasien des Kindes)
im Koitus verletzen oder töten würden, und diese Angst treibt das Kind dazu, die Eltern
zu beobachten und zu stören.
- 2 66 -
dieser Zustand von Spannung die Situation wiederholte, in der er nachts als
kleines Kind auf die Geräusche lauschte, die vom Bett der Eltern drangen. Er
konnte kaum erwarten, die ersten Anzeichen des Koitus (das Anstreichen des
Zündholzes!) schon endlich zu hören, um den ganzen Vorgang bald beendet zu
wissen. Es bestand aber mitunter auch ein wirklicher "Wunsch, daß ich rauchen
möge. Dieser ging darauf zurück, daß er als kleines Kind in seiner Angst, daß
die Eltern tot seien, die Geräusche, die ihm den Koitus der Eltern anzeigten, als
ein Lebenszeichen herbeiwünschte. In einem späteren Stadium der Analyse, in
dem die Angst vor den Folgen des Koitus herabgesetzt war, zeigte sich der
"Wunsch, daß ich rauchen möge, auch folgendermaßen determiniert: Aus den Ten-
denzen einer späteren Entwicklungsstufe heraus wünschte er den Koitus der
Eltern herbei, weil er einer Versöhnung zwischen ihnen, einem beide befriedi-
genden und heilenden Akt gleichkäme. Er wollte auch von der Schuld, die Eltern
zur Entbehrung verurteilt zu haben, befreit sein.
Mit dem Rauchen hielt es Mr. A. so, daß er es zeitweise ganz aufgab und
sich davon eine Behebung seiner hypochondrischen Beschwerden versprach. Er
führte aber diesen Vorsatz nie lange durch, und zwar auch deshalb nicht, weil
das Rauchen ihm unbewußt zugleich eine Abhilfe gegen seine hypochondrischen
Beschwerden bedeutete. Es sollte nämlich — insofern die Zigarette den „bösen"
väterlichen Penis bedeutete — die verinnerlichten bösen Objekte in seinem
Leibesinnern vernichten. 45 Insofern die Zigarette den „guten" väterlichen Penis
darstellte, sollte sie zur "Wiederherstellung seines Leibesinnern und der ver-
innerlichten Objekte dienen.
Mr. A.s Zwangssymptome standen in enger Beziehung zu diesen vielfachen
Angstinhalten. Auf dem bekannten "Wege der Verschiebung waren sie „als Zauber
und Gegenzauber" 46 entstanden; sie dienten der Bestätigung oder Entkräftung
der Fragen, ob die Eltern sich zur Zeit im Koitus befänden, ob bestimmte im
Zusammenhang mit deren Koitus erwartete bedrohliche Dinge eingetreten seien,
ob diese Schäden wieder aufgehoben werden könnten usw. Die Zwangsneurose
baute sich demnach in allen Stücken auf der destruktiven und konstruktiven
Allmacht auf, die im Verhältnis zu den im Koitus vereinigten Eltern entstanden
und in Beziehung zur weiteren Umwelt fortgesetzt und ausgebaut worden war.
45) Es scheint mir, daß dieses Moment auch einen Antrieb für den Alkoholismus
bilden dürfte. Der Alkohol — den bösen Penis resjp. den bösen Urin darstellend — dient
dann der Zerstörung der bösen verinnerlichten Objekte. Melitta Schmideberg führt
in ihrer Arbeit: The Role of Psychotic Mechanisms in Cultural Development (Journal
for Psycho-Analysis, Vol. X, 1930) aus, daß das Suchtmittel den „guten" Penis darstellt,
der gegen die bösen introjizierten Objekte einen Schutz bietet. Der Umstand, daß zufolge
der Ambivalenz das einverleibte Suchtmittel bald die Bedeutung des „bösen" Penis an-
nimmt, bildet einen weiteren Antrieb zur Sucht.
46) Freud: Totem und Tabu. (Ges. Sehr., Bd. X.)
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Den gleichen Beweisen und Gegenbeweisen diente auch die Sexualbetätigung
von Mr.A., die einen durchaus zwanghaften Charakter trug und schweren
Störungen unterworfen war. Die übergroße Angst vor dem Penis des Vaters
hatte nicht nur die Beibehaltung der heterosexuellen Position, sondern auch die
Befestigung der homosexuellen Position gestört.
Infolge der sehr starken Identifizierung mit der Mutter und der beherr-
schenden Phantasie, die im Koitus befindlichen Eltern einverleibt zu haben,
bezog Mr. A. auch alle Gefahren, die der Mutter durch die Einverleibung des
Penis drohten, auf sein eigenes Leibesinneres. In der Übertragungssituation
steigerten sich häufig, zugleich mit der negativen Übertragung, auch die hypo-
chondrischen Beschwerden Mr.A.s.« Verstärkten sich nämlich — aus äußeren
oder inneren Gründen — die Phantasien, daß die Mutter sich im gefährlichen
Koitus mit dem Vater befinde oder als Folgewirkung des Koitus den gefährlichen
väterlichen Penis in sich beherberge, so wuchs Mr. A.s Haß gegen mich und
zugleich die Angst für sein Leibesinneres. Alles, was auf die in der Mutter vor
sich gehende Katastrophe schließen ließ, bedeutete auf Grund der Identifizierung
mit ihr auch ein Anzeichen der sich in seinem eigenen Leibesinnern vollziehenden
Zerstörung. Er haßte aber die mit dem Vater koitierende Mutter darum so sehr,
weil sie nicht nur sich selbst, sondern — da in seiner Phantasie dann auch die
verinnerlichten Eltern in seinem Leibesinnern koitierten — auch indirekt ihn
gefährdete.
Außerdem bedeutete ihm die mit dem Vater vereinigte Mutter stets eine
Feindin. Zum Beispiel ging die Abneigung gegen meine Stimme und "Worte,
die zeitweise sehr stark war, nicht nur auf die Gleichsetzung meiner Worte mit
den gefährlichen und vergiftenden Exkrementen, sondern auch auf die Phantasie
zurück, daß es der Vater (vielmehr sein Penis) in mir sei, der durch mich spräche.
Dieser beeinflusse meine Worte und Handlungen gegen ihn in feindlicher Weise,
(so wie der Vater in ihm ihn zu bösen Handlungen gegen die Mutter dränge).
Er befürchtete ferner, daß der väterliche Penis, wenn ich sprach, aus meinem
Munde gegen ihn losgehen könnte; meine Worte und Stimme waren also auch
dem väterlichen Penis in mir gleichgesetzt.
War die Mutter zerstört, so gab es auch keine „gute" hilfreiche Mutter mehr.
Die Phantasien, in denen die Brust der Mutter zerbissen und zerrissen, mittels des
Urins und der Fäzes vergiftet und z erstört wurde, führten sehr früh zur Intro-
r 4 P P fe , Einzelheiten der hypochondrischen Beschwerden erweisen sich im allgemeinen
als durch den Aufbau und die Einzelheiten der sadistischen Phantasien determiniert.
Zum Beispiel fand ich wiederholt, daß Sensationen des Brennens mit Phantasien urethral-
sadistischen Charakters zusammenhängen. Da der Urin bestimmt war, die Objekte zu
verbrennen, verbrannte er auch das eigene Leibesinnere. Ferner wurde in diesen Fällen
dem verinnerlichten Penis des Vaters und dessen Urin die Fähigkeit zugeschrieben, gleich-
falls brennend, vergiftend und zersetzend zu wirken.
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jektion einer vergiftenden und gefährlichen Mutter-Imago, die die Entwicklung
der „guten" Mutter-Imago behinderte. Dieses Moment hatte auch die Entwicklung
der paranoiden Züge, insbesondere der Vergiftungs- und Verfolgungsideen,
begünstigt. Sowohl in der Außenwelt (ursprünglich im Mutterleib) wie auch
im eigenen Leibe vermochte der Patient nicht genügend Rückhalt gegen den
väterlichen Penis und die Stuhlstücke als Verfolger zu finden. Hiedurch erhöhte
sich aber nicht nur die Angst vor der Mutter und die Kastrationsangst,
sondern es wurde auch der Glaube an den eigenen „guten" Leibesinhalt und
den eigenen „guten" Penis unterbunden. Dies trug wesentlich zu der schweren
Störung der Sexualentwicklung bei. Die Angst, die Frau mittels des „bösen"
Penis zu beschädigen, vielmehr sie durch den Koitus nicht wiederherstellen zu
können, war neben der Angst vor dem gefährlichen Mutterleib zur Grundlage
für die bei Mr. A. bestehende Potenzstörung geworden.
Der nicht genügend befestigte Glaube an die „gute" Mutter machte sich auch
in bedeutungsvoller "Weise beim Krankheitsausbruch geltend. Mr. A., der im
Kriege längere Zeit hindurch in den vordersten Linien gekämpft hatte, hatte die
Gefahren und Beschwerden des Krieges relativ gut ertragen. Der schwere
Zusammenbruch erfolgte einige Zeit später auf einer Reise. Mein Patient er-
krankte in einem kleinen, entlegenen Ort an Ruhr. Die Analyse erwies, daß die
Symptome dieser Krankheit die alten, der hypochondrischen Angst zugrunde
liegenden Gefahrsituationen: die Angst vor dem „bösen" verinnerlichten Penis,
vergiftenden Exkrementen usw. aktiviert hatten. Den Ausschlag gab aber das
Verhalten der Wirtin, deren Pflege mein Patient einige Zeit überlassen war. Die
Frau pflegte ihn schlecht, ging lieblos mit ihm um und gab ihm sogar nicht ge-
nügend Milch und Nahrungsmittel. Dieses Erlebnis reaktivierte das Entwöhnungs-
trauma mit allen damit verknüpften Affekten von Haß und Angst. Darüber
hinaus wurde jedoch das Verhalten der "Wirtin im Unbewußten von Mr. A. als
volle Bestätigung der Angst gewertet, daß es keine „gute" Mutter mehr gäbe, und
daß er rettungslos der inneren Zerstörung und den äußeren Feinden überliefert sei.
Der Glaube an die „gute" Mutter, der in Mr. A. nie genügend befestigt gewesen
war, konnte sich gegen die gleichzeitige und übermäßige Aktivierung aller Angst-
situationen nicht durchsetzen. Dieser Mangel an einer helfenden, der Angst ent-
gegenwirkenden guten Mutter-Imago war das letzte, entscheidende Moment für
den Zusammenbruch.
Die Verschiebung des Hasses und der Angst vom väterlichen Penis auf die
Mutter hat, wie ich am Beispiel von Mr. A. zu zeigen versuchte, zur Folge, daß
die mit dem weiblichen Körper verknüpften Angstinhalte eine übermäßige Steige-
rung, die Quellen der heterosexuellen Anziehung eine übermäßige Verringerung
erfahren. Mit der Verschiebung alles Angsterregenden und Unheimlichen auf das
unsichtbare Leibesinnere der Frau geht häufig auch ein anderer Prozeß vor sich,
— 269 —
der eine Voraussetzung für die volle Befestigung der homosexuellen Position zu
sein scheint.
"Wendung zur Homosexualität. Die normale Einstellung des
Knaben, durch die der eigene Penis zum Repräsentanten des Ichs und des
Bewußten wird (im Gegensatz zum Über-Ich und dem Leibesinhalt, die dem
Unbewußten gleichgesetzt werden), erstreckt sich in der Homosexualität mittels
der narzißtischen Objektwahl auch auf den Penis eines anderen Mannes. Dieser
wird zum Gegenbeweis gegen alle dem verinnerlichten Penis und dem Leibes-
innern geltenden Angstinhalte gemacht. Die Homosexualität dient somit der
Angstbewältigung auch auf die Weise, daß das Ich mittels der Überbetonung der
Realität und der Außenwelt (des Greifbaren, Sichtbaren und Bewußten) das
Unbewußte zu verleugnen, zu beherrschen oder zu überwinden trachtet. In
solchen Fällen fand ich, daß eine homosexuelle Beziehung in früher Kindheit
die Möglichkeit geboten hatte, die Gefühle von Haß und Angst, die dem Penis
des Vaters galten, zu mildern und den Glauben an den guten Penis zu verstärken.
Auf diesem Verhältnis bauten sich die späteren homosexuellen Beziehungen auf.
Diese sollten immer wieder eine Fülle von Beweisen erbringen, von denen ich
einige, die ich allgemein wirksam fand, herausgreife: i) Daß der vermnerlichte
und der reale väterliche Penis keinen gefährlichen Verfolger darstelle, a) für den
Betreffenden selbst, b) für die Mutter; 2) daß auch der eigene Penis nicht
destruktiv ist; 3) sollte die Angst des kleinen Knaben, daß seine sexuelle
Beziehung zum Bruder (oder Brudersubstitut) entdeckt werden könnte und daß
er aus dem Hause gejagt, kastriert oder getötet werden würde, 48 auch noch im
Mannesalter durch den Umstand entkräftet werden, daß sich keinerlei böse
Folgen aus den homosexuellen Akten ergaben; 4) befriedigte die homosexuelle
Beziehung das Bedürfnis nach geheimen Verbündeten und Komplizen. Der
sexuelle Akt mit dem Bruder oder Brudersubstitut bedeutete dem Patienten in
der Kindheit eine gemeinsame Vernichtung der im Koitus befindlichen Eltern
wie auch jeden Elternteiles einzeln. Hiebei spielte in der Phantasie der Liebes-
partner zeitweise die Rolle des Vaters, mit dem — während und mittels des
Aktes — geheime Angriffe gegen die Mutter unternommen wurden (wobei ein
Elternteil gegen den anderen ausgespielt werden sollte), zeitweise die Rolle des
Bruders, der mit ihm gemeinsam den väterlichen Penis in der Mutter und in
seinem eigenen Leibesinnern angreifen und vernichten sollte.
Das Gefühl, durch den Sexualakt (auf Grund der gemeinsamen sadistischen
Masturbationsphantasien) eine Bundesgenossenschaft gegen die Eltern herzustellen,
das mir von genereller Bedeutung für die sexuellen Beziehungen kleiner Kinder
48) Hinter dieser Angst liegt die vor der Mutter als Rivalin, die den Sohn des
Raubes und der Kastration des väterlichen Penis überführt.
270 —
zu sein scheint, 49 ist ein Moment, das enge Beziehung zu den paranoischen
Mechanismen aufweist. In Fällen, in denen diese Mechanismen stark wirksam
sind, werden Libidoposition und Objektbeziehung entscheidend von dem Antrieb
nach geheimen Bundesgenossenschaften und Komplizen beeinflußt. Die Möglich-
keit, in der Phantasie die Mutter als Verbündete gegen den Vater zu gewinnen
(letzten Endes im Sexualakt mit ihr den in ihr befindlichen väterlichen Penis
zu zerstören), kann dann zu einer Bedingung der heterosexuellen Position werden.
Unter diesen Voraussetzungen kann die heterosexuelle Position auch bei starken
paranoiden Zügen beibehalten werden. Hingegen trägt in den Fällen, in denen
die Angst vor dem gefährlichen Mutterleib zu groß ist und die „gute" Mutter -
Imago sich nicht entwickeln konnte, die Phantasie, sich mit dem Vater gegen
die Mutter oder mit dem Bruder gegen die Eltern zu verbinden, zur Befestigung
der homosexuellen Position bei.
Der Antrieb, die Objekte auf geheime Art gegeneinander auszuspielen, sich
durch geheime Bundesgenossen Macht über die Objekte zu verschaffen, geht nach
meinen Erfahrungen auf die Allmachtsphantasien zurück, in denen mittels der
Magie der Exkremente und Gedanken vergiftende Fäzes und Flatus in den
Körper der Objekte befördert werden, um sie zu beherrschen und zu ver-
nichten. Das Stuhlstück steht hiebei gewissermaßen im Dienste des Individuums,
es führt seine geheimen Angriffe im Leibesinnern der Objekte aus und wird in
diesen Phantasien gefährlichen (aber für das Ich hilfreichen) Objekten oder Tieren
gleichgesetzt. Diese Allmacht- und Größenphantasien haben allem Anschein nach
einen wesentlichen Anteil am Vergiftungs-, Verfolgungs- und Beziehungswahn.
Sie lösen die Angst vor analogen geheimen Angriffen seitens der Objekte als
Verfolger aus. 50 Hiezu kommt, wie ich in einigen Fällen fand, die Angst vor
den eigenen Exkrementen, die sich verräterisch und feindlich gegen das Ich
wenden könnten. Ich habe in Analysen von Erwachsenen und Kindern zum
Beispiel auch die Angst kennengelernt, daß die Fäzes sich gewissermaßen selb-
ständig gemacht hätten, nicht mehr beherrscht werden könnten und nun gegen
den "Willen des Ichs in der Außenwelt und im Innern der Objekte Unheil und
Zerstörung anrichteten. In diesen Fällen waren die Fäzes kleinen Tieren, Fliegen,
Ungeziefer, vielfach auch Ratten und Mäusen gleichgesetzt. 61
49 ) Siehe Kap. VII.
50) Siehe Kap. VIII.
51) Zum Beispiel hatte einer meiner Analysanden — der fünfjährige Franz — , bei
dem die Analyse starke psychotische Züge aufdeckte, im Dunkeln Angst vor Scharen
von Ratten und Mäusen, die aus dem Nebenzimmer in sein Zimmer kommen und ihn
im Bett angreifen würden. Er stellte sich vor, daß ein Teil der Tiere ihn von oben,
der andere Teil ihn von unten überfallen würden. Die Ratten stellten die Fäzes dar,
die, von den Eltern entsendet, in seinen Anus und seine übrigen Körperöffnungen ein-
dringen würden. Dieser Angstinhalt war die Folgewirkung der analogen sadistischen
Phantasien gegen die Eltern.
— 371 —
In den Fällen, in denen die paranoide Angst vor dem Stuhlstück und dem
Penis als Verfolger dominiert, stellt das homosexuelle Liebesobjekt vorwiegend
einen Bundesgenossen gegen die Verfolger dar. Das libidinöse Begehren nach dem
guten Penis ist dann stark überkompensiert und dient dazu, die Gefühle von
Haß und Angst dem „bösen" Penis gegenüber zu verdecken.
Versagt die Überkompensierung, so setzen sich Haß und Angst in der
Beziehung zum Liebesobjekt durch und bewirken die paranoische Umwandlung
des Liebesobjektes in den Verfolger. 52
Diese Mechanismen, die in Fällen von paranoidem Charakter dominieren,
sind in geringerem Maße bei jeder homosexuellen Betätigung wirksam. Der
Sexualakt mit anderen Männern dient in der Phantasie immer zum Teil auch
der Befriedigung der sadistischen Regungen und den Beweisen im Sinne des
destruktiven Allmachtglaubens. Die positive libidinöse Beziehung zum „guten"
Penis als Liebesobjekt in der Außenwelt verdeckt — je nach den Haßquantitäten
in verschiedenem Grade — nicht nur den Haß gegen den väterlichen Penis,
sondern auch die destruktiven Regungen gegen den Liebespartner und die aus
diesen Regungen resultierende Angst vor diesem.
Felix B o e h m beschäftigt sich in seiner Arbeit: „Homosexualität und Ödipus-
komplex" ausführlich mit der „Rolle der Seite der ödipussituation, welche aus
Haß gegen den Vater, aus Todes- und aktiven Kastrationswünschen besteht". 53
Er zeigt unter anderem, daß der homosexuelle Akt in vielen Fällen dem
Bestreben dient: i) den Partner für den heterosexuellen Akt impotent zu machen,
2) ihn zu kastrieren. Im ersteren Falle handle es sich vorwiegend darum, den
Partner von Frauen fernzuhalten, im zweiten Falle außerdem auch darum,
den Penis des Partners sich anzueignen, um die eigene Potenz im Verkehr mit
Frauen zu erhöhen.
Nach meinen Erfahrungen tritt zu der primären Eifersucht auf den Vater,
aus der der Wunsch entspringt, andere Männer von der Frau (Mutter, Schwester)
fernzuhalten, die Angst vor den Gefahren, die der Mutter aus dem Koitus mit
dem Vater erwachsen könnten. Da aber diese Gefahr nicht nur vom Penis des
Vaters, sondern auch vom eigenen als sadistisch empfundenen Penis erwartet
wird, so ergibt sich hieraus ein sehr wesentlicher Antrieb für die Wendung zur
Homosexualität. 54 Diese bedeutet, wie ich in Analysen von Knaben und Männern
J2) Siehe Kap. IX.
53) Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XII, 1926.
54) Freud hat darauf hingewiesen, daß in manchen Fällen die überwundene
Rivalität und die verdrängte Aggressionsneigung zur homosexuellen Objektwahl bei-
tragen. (Über einige neurotische Mechanismen bei Eifersucht, Paranoia und Homosexualität.
Ges. Sehr., Bd. V.) Die Rolle der Rivalität mit dem Vater sowie der aktiven Kastrations-
wunsche gegen ihn für die Entstehung der Homosexualität hat S ad g er hervorgehoben.
(Ein Fall von multipler Perversion mit hysterischen Absenzen. Jahrb. f. PsA., Bd. II,
— 37a —
fand, immer auch eine unbewußte Einigung mit Vater und Brüdern, dahingehend,
daß alle gemeinsam auf den Sexualverkehr mit der Mutter oder Schwester ver-
zichten, um die Mutter zu schonen, und sich dafür miteinander schadlos halten.
Die Tendenz, die Boehm im zweiten Fall, den ich hier aus seinen Ausführungen
herausgriff, wirksam fand, nämlich sich durch die Kastration des Vaters zu
bereichern und mittels des väterlichen Penis im Sexualverkehr mit der Mutter
potent zu sein, halte ich nach meinen Erfahrungen ebenfalls für ein Moment,
das die Wendung zur Homosexualität begünstigt. In einigen Fällen fand ich,
daß es sich dabei nicht nur um die Aneignung eines besonders potenten Penis,
sondern auch darum handelte, die ungeheuren Mengen an Samen aufzuspeichern,
die auf Grund der Phantasien des kleinen Kindes erforderlich wären, um die
Mutter befriedigen zu können. 55 Hiezu kommt der Wunsch, gute Penisse, guten
Samen zur Heilung des eigenen Leibesinnern in sich aufzunehmen. Zu diesem
Wunsch trägt (wenn die genitale Stufe vorherrscht) bei, daß ein intaktes Leibes-
inneres auch die Möglichkeit gäbe, der Mutter „guten" Samen und Kinder im
Koitus zu spenden, wodurch wiederum die Potenz in der heterosexuellen Position
erhöht würde. Dominiert hingegen der Sadismus, so dient das Bestreben, sich
im homosexuellen Akt den väterlichen Penis und seinen Samen anzueignen, auch
zum Teil einem heterosexuellen Ziel. Es soll dann die Möglichkeit bieten, in
Identifizierung mit einem sadistischen Vater die Mutter im Koitus zu zerstören.
Als einen generellen Antrieb für den Sexualakt habe ich an früheren Stellen
dieses Buches die Wißbegierde hervorgehoben. Die bei der homosexuellen Betäti-
gung erfolgende Befriedigung der Wißbegierde dient aber zum Teil auch dem
Bestreben, in der heterosexuellen Position leistungsfähiger zu werden. Der homo-
sexuelle Akt soll die in früher Kindheit herbeigewünschte Möglichheit bieten, zu
sehen, was den väterlichen Penis vom eigenen unterscheide, und zu wissen, wie
der väterliche Penis im Koitus mit der Mutter funktioniere; er dient also dem
Wunsch, im Verkehr mit der Mutter geschickter und potenter zu werden. 56
Ich will nun an dem Auszug aus einer Krankengeschichte die Bedeutung
1910.) Ferenczi weist darauf hin, daß bei Homosexuellen neben sexuell-grausamen
Angriffsphantasien gegen die Mutter grausame Todeswünsche gegen den Vater vorliegen.
(Zur Nosologie der männlichen Homosexualität. Int. Ztschr. f. PsA., Bd. II, 1914.) Ernest
Jones hat gezeigt, daß der orale Sadismus ein grundlegender Faktor für die Homo-
sexualität der Frau ist. (Die erste Entwicklung der weiblichen Sexualität. Int. Ztschr. f.
PsA., Bd. XIV, 1928.)
5j) Das Mißverhältnis zwischen diesen Phantasien über einen ungeheuren väterlichen
Penis und riesige Mengen an Samen, die zur Befriedigung der Mutter dienen, und dem
Gefühl, selbst einen ganz kleinen Penis zu besitzen, trägt zur Entwicklung der
Impotenz bei.
56) Felix Boehm berichtet (1. c.) auch von einem Patienten, der bei seinen homo-
sexuellen Beziehungen unter anderem bezweckte, von anderen Männern deren „Technik
des Verkehrs mit Frauen" zu erlernen.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 873 — 18
einiger der hier angeführten Momente für die Wendung zur Homosexualität
illustrieren.
Bruchstücke aus einer Krankengeschichte. Mr. B., ein
Mann Mitte der Dreißig, suchte die analytische Behandlung wegen einer schweren
Arbeitshemmung und starken Depression auf. Die Arbeitshemmung, die schon
längere Zeit bestand, hatte sich im Zusammenhang mit einem Erlebnis, auf
das ich später eingehen werde, dermaßen gesteigert, daß Mr. B. sich genötigt
sah, seine wissenschaftliche Forschungstätigkeit aufzugeben und sein Lehramt
niederzulegen. Es zeigte sich, daß bei einem vollen Gelingen der Charakter-
entwicklung, bei einer sehr günstigen Ichentwicklung und ungewöhnlichen intel-
lektuellen Begabung schwere Störungen der psychischen Gesundheit vorlagen.
Von früher Kindheit an bestand eine Neigung zu Depressionen. Diese hatten
sich in den letzten Jahren so sehr gesteigert, daß sie zu einer allgemeinen, stark
depressiven Einstellung und zu weitgehender Abschließung von anderen Menschen
geführt hatten. Mr. B.s (rationell durchaus unbegründete) Angst, durch seine
äußere Erscheinung abschreckend zu wirken, trug wesentlich dazu bei, ihm den
Umgang mit anderen Menschen immer mehr zu verleiden. Es lag auch eine
schwere Zweifelsucht vor, die sich in wachsendem Maße auf alle intellektuellen
Interessen erstreckte und für den Patienten besonders qualvoll war. Hinter diesen
deutlicher hervortretenden Krankheitserscheinungen deckte die Analyse eine
schwere Hypochondrie, 57 ferner starke Verfolgungs- und Beziehungsideen auf,
die zeitweise einen wahnhaften Charakter trugen, zu denen sich aber Mr. B.
merkwürdig gleichgültig verhielt. Er gewann zum Beispiel auf einer Reise bei
längerem Aufenthalt in einer Pension den Eindruck, daß eine Frau, die zu den
Pensionsgästen gehörte, ihm sexuell nachstelle und ihm audi nach dem Leben
trachte. Ein harmloses Unwohlsein führte er darauf zurück, daß ein Laib Brot,
den ihm diese Frau besorgt hatte, vergiftet gewesen sei. Mr. B. verließ unter
diesem Eindruck die Pension sogleich, kehrte jedoch im darauffolgenden Jahre
wieder dahin zurück. Er tat dies, wiewohl es ihm klar war, daß er dieser
Frau, die ein Stammgast der Pension war, wieder begegnen würde. Dies war
auch der Fall, und es kam nun zu einem regeren gesellschaftlichen Verkehr mit
ihr, der zu einem freundschaftlichen Verhältnis zwischen ihnen führte. Dabei
hatte aber Mr. B. den Verdacht, daß es sich im Vorjahre um einen Vergiftungs-
versuch seitens der Frau gehandelt habe, keineswegs aufgegeben. Er meinte aber,
daß sie nun, da sie so gut miteinander stünden, diesen Versuch nicht mehr
wiederholen würde. Das Auffallende war, daß er der Frau diesen vermeint-
lichen Mordversuch nicht übelgenommen hatte. Dies lag zum Teil an der bei ihm
57) Mr. B.'s Sorge um seine äußere Erscheinung (mit der er stets in Gedanken be-
schäftigt war) erwies sich als eine Verschiebung der Sorge um sein Leibesinneres und im
Zusammenhang damit seiner hypochondrischen Angst auf sein Äußeres.
— 274 —
bestehenden weitgehenden Affektverschiebung, zum Teil an seiner nachsichtigen
Einfühlung in das Seelenleben anderer Menschen. Neben diesen Momenten trug
auch die außerordentliche Fähigkeit zur Dissimulation, die Mr. B. bekundete,
dazu bei, daß seine Verfolgungs- und Beziehungsideen, seine hypochondrische
Angst, ja bis zu einem gewissen Grade sogar seine starken zwangsneurotischen
Symptome selbst seiner nächsten Umgebung nicht offenkundig wurden. Diese
Fähigkeit zur Dissimulation hing mit der starken Wirksamkeit paranoider Züge
zusammen. Mr. B., der sich von anderen beobachtet und belauert fühlte und
sehr mißtrauisch war, wußte infolge seines großen psychologischen Verständnisses
genau, in welcher Weise er seine Gedanken und Gefühle erfolgreich zu ver-
bergen habe. Neben dieser Fähigkeit zur Berechnung und Dissimulation lag aber
auch eine große Spontaneität vor. Sie ging auf die positive Objektbeziehung
und — letzten Endes — auf die starke hoffnungsvolle Strömung zurück, die
ursprünglich im Seelenleben von Mr. B. bestand und ermöglicht hatte, das Krank-
heitsbild zu verdecken. In den letzten Jahren hatte sie sich allerdings kaum mehr
durchsetzen können.
Mr.B. war ein echter Homosexueller. Während er menschlich zu Frauen
— ebenso wie zu Männern — gute Beziehungen unterhielt, 68 lehnte er die Frau
als Sexualobjekt so völlig ab, daß es ihm unbegreiflich erschien, wieso sie über-
haupt ein Gegenstand der Anziehung sein konnte. 59 Die Frau erschien ihm
physisch als ein ganz fremdartiges, unheimliches und unerforschliches Wesen.
Er fand den weiblichen Körperbau abstoßend, ja sogar unbegreiflich, wobei seine
Abneigung insbesondere den Brüsten, dem weiblichen Gesäß und dem Mangel
eines Penis galt. 60 Die Abneigung gegen die Brüste und das Gesäß ging auf
intensive sadistische Antriebe zurück. Phantasien, diese „vorstehenden Körper-
teile" so lange zu schlagen, bis sie gewissermaßen „hineingeschlagen" und auf
diese Weise „vermindert" wären — dann könnte er die Frau vielleicht lieben — ,
erwiesen sich durch die unbewußte Vorstellung determiniert, daß die Frau voll
von Penissen des Vaters und gefährlichen, dem Penis gleichgesetzten Exkrementen
sei. Diese hätten ihren Körper überfüllt und gesprengt und stünden nun aus
58) Diese gute Objektbeziehung zu Männern und Frauen war aber zeitweise schweren
Störungen unterworfen. Dann zog Mr. B. sich vom Verkehr mit anderen Menschen soweit
als möglich zurück.
59) Es war zwar einige Male in seinem Leben zu einem Geschlechtsverkehr mit
Frauen gekommen, der ihn aber nie wirklich befriedigt hatte. Die Neugierde, ferner der
Wunsch, es anderen — heterosexuellen — Männern gleichzutun, insbesondere aber das
Bestreben, die Frauen, die in diesen Fällen Entgegenkommen gezeigt hatten, nicht zu
verletzen, waren die hauptsächlichen Motive für die flüchtigen heterosexuellen Erlebnisse
gewesen.
60) Ich gehe später darauf ein, weshalb Mr. B. den Penismangel der Frau so anest-
erregend empfand.
— 275 — J8*
ihrem Innern vor. Der Haß gegen die Vorsprünge am weiblichen Körper galt
den verinnerlichten und wieder hervorgetretenen Penissen des Vaters. 61 Das
Leibesinnere der Frau war in Mr. B.s Phantasie ein Raum von unendlicher und
unerforschlicher "Weite, eine Stätte von Gefahren und Tod. Die Frau, die in
ihrem Innern diese schreckenerregenden Penisse und gefährlichen Exkremente
barg, bedeutete ihm nur eine Hülle für diese. Die zarte Gesichtshaut der Frau
und andere Einzelheiten der weiblichen Erscheinung hielt er für eine ganz ober-
flächliche Verhüllung der in ihrem Innern sich vollziehenden Zerstörung. Er
empfand deshalb diese Einzelheiten, die ihm an sich gefielen, als beängstigend,
weil sie ihm eigentlich eine Verstellung seitens der Frau bedeuteten.
Die Verschiebung vom angsterregenden Penis des Vaters auf den Mutterleib
erstreckte sich (infolge der Gleichsetzung Stuhlstück = Penis) auch auf die als
vergiftend und gefährlich empfundenen Exkremente. Auf diese "Weise wurde
alles Gehaßte und Angsterregende im Mutterleib gewissermaßen verdeckt und
aufgehoben. Das Mißlingen dieser so weitgehenden Verschiebung dokumentierte
sich auch darin, daß — wie Mr. B. es empfand — diese versteckten Angstobjekte
am Körper der Mutter in Form der Brüste und des Gesäßes wieder sichtbar
wurden. Sie bedeuteten ihm Verfolger, die aus dem Körper der Frau heraus-
lugten und ihn belauerten. Der Patient fügte mit deutlichem "Widerwillen und
mit Angst hinzu, er würde sich nicht einmal trauen, sie zu schlagen oder an-
zugreifen, weil er zu große Angst hätte, sie zu berühren. Zugleich mit dieser
Verschiebung alles Angsterregenden auf den Mutterleib, eine Verschiebung, die
diesen in einen Gegenstand der Abneigung verwandelte, war eine weitgehende
Idealisierung des Penis und des Mannes vor sich gegangen. Der Mann, bei dem
alles klar und deutlich zu erkennen ist, der keine Geheimnisse in seinem Innern
birgt, bedeutete dem Patienten das natürliche und schöne "Wesen. 62
Der Verschiebung alles Angsterregenden vom Körper des Vaters auf das
Innere des Mutterleibes entsprach am eigenen Leib eine sehr starke Verdrängung
alles dessen, was das Innere betraf, und eine erhöhte Konzentration auf alles
Sichtbare, insbesondere auf den Penis. "Wie stark aber auch in dieser Hinsicht
seine Zweifel waren, geht daraus hervor, daß Mr. B., als er etwa fünf Jahre alt
61) Audi bei Mr. A. erwiesen sich sadistische Regungen gegen das weibliche Gesäß
durch die gleiche Phantasie determiniert. Es zeigte sich mir ferner, wie ich im ersten
Teil dieses Buches (Kap. IV) erwähnte, daß der Kopf, die Arme, Hände, Füße der Frau
in vielen Fällen neben ihrer realen Bedeutung auch die unbewußte Bedeutung des intro-
jizierten und wieder hervortretenden väterlichen Penis annehmen. Die Gliedmaßen (so
zum Beispiel die beiden Beine, Füße, Arme, oder auch die einzelnen Finger) haben auch
vielfach die Bedeutung beider verinnerlichten Elternteile.
62) Da der Penisbesitz so stark der Angstbewältigung diente, verstärkten sich bei
Mr. B. alle dem Inneren des Mutterleibes geltenden Angstinhalte durch die Tatsache,
daß die Frau keinen Penis besitzt.
— 276 —
war, an die Nurse die Frage richtete, was sie für „schlimmer halte, hinten oder
vorne" (gemeint war Anus oder Genitale). Der Knabe war sehr betroffen, als
die Nurse erwiderte „vorne sei schlimmer", Mr. B. hatte auch folgendes Bild
in Erinnerung behalten: er stand als etwa achtjähriger Knabe auf dem Treppen-
flur, schaute in das Treppenhaus hinunter 63 und haßte sich selbst und die
schwarzen Strümpfe, die er anhatte.
Das Innere des Elternhauses war dem kleinen Knaben immer als besonders
düster — wie sich erwies als tot — erschienen. Die Assoziationen zu dieser Er-
innerung ergaben, daß er sich für die Düsterkeit des Hauses — vielmehr für die
Zerstörung im Mutterleibe und im eigenen Leibe, die durch das düstere Haus
symbolisiert waren — wegen seiner gefährlichen, die Mutter und ihn selbst
beschädigenden Exkremente (die schwarzen Strümpfe) verantwortlich fühlte.
Infolge der so weitgehenden Verdrängung des „Innern" und der Verschiebung
vom Innern auf das „Äußere" wurde das Äußere zum Gegenstand von Haß
und Angst, und zwar nicht nur sein eigenes Äußere, das ihn stets beschäftigte
und ihm Sorge bereitete, sondern auch sonstige Dinge. Zum Beispiel haßte er
ebenso intensiv wie die schwarzen Strümpfe auch andere Bekleidungsgegenstände,
insbesondere seine Unterwäsche, und zwar in einer Art, als ob diese Dinge seine
Feinde wären. Er fühlte sich von diesen Gegenständen, die dicht seinen Körper
umschlossen, bedrängt, 64 und fand, daß sie auf ihm lasteten. Sie stellten die ver-
innerlichten, ihn von innen verfolgenden Imagines und Exkremente dar. Infolge
der Verschiebung der Angst vor inneren Gefahren nach außen waren die inneren
Feinde zu äußeren Angreifern geworden.
Ich gehe nun näher auf die Struktur des Falles ein. Der Patient war mit der
Flasche auferzogen worden. Der Umstand, daß die libidinöse Komponente von
der Mutter nicht befriedigt worden war, hatte die oralsaugende Fixierung an
die Mutterbrust verhindert. Es ergab sich aus Phantasien des Patienten, daß
er die weiblichen Brüste Harpyien gleichsetzte. Die infolge der libidinösen Ver-
sagung gesteigerten destruktiven Regungen gegen die Mutterbrust hatten diese
in gefährliche Tiere verwandelt. Hiedurch war aber die Gleichsetzung der Brust
mit dem gefährlichen (in den Mutterleib verlegten und wieder hervorgetretenen)
63) Das Hinunterschauen bedeutete ein „Nach-innen-Schauen". Ich habe auch in
anderen Fällen festgestellt, daß zum Beispiel ein In-die-Ferne-Starren für Introspektion
steht. Es scheint, daß für das Unbewußte nichts weiter entfernt und nichts unergründlicher
ist als das Innere des Mutterleibes, insbesondere aber das des eigenen Leibes.
64) Ich fand auch in anderen Analysen (von Kindern und Erwachsenen), daß den
Körper von außen anschließende Dinge häufig für den Körperinhalt stehen. Zum Beispiel
verfertigte einer meiner Patienten, der sechsjährige Günther, immer wieder Papier-
schlangen, die er um seinen Hals wand und dann zerriß. Auf diese Weise bewältigte er
seine Angst nicht nur vor dem väterlichen Penis, der ihn von außen würgte, sondern
auch vor dem verinnerlichten, ihn erstickenden und zerstörenden väterlichen Penis.
— 277 —
väterlichen Penis begünstigt worden. Hingegen wurde der Lutscher und das
Mundstück der Flasche sehr bald dem „guten" Penis gleichgesetzt, dem sich
— infolge der Versagung der Mutterbrust — der Patient mit besonderer Inten-
sität als Objekt der oralsaugenden Befriedigung zuwandte. Die Wendung zur
Homosexualität wurde stark dadurch begünstigt, daß mein Patient von seinem
um zwei Jahre älteren Bruder Leslie sehr früh — etwa im zweiten Lebens-
jahre — verführt worden war. Da die Fellatio ihm die Befriedigung des vorher
nicht genügend befriedigten oralsaugenden Begehrens bot, trug dieses Erlebnis zu
einer überstarken Fixierung an den Penis bei. Hiezu kam, daß der Vater, ein
wortkarger und in seinen Gefühlsäußerungen sehr zurückhaltender Mann, unter
dem Einfluß seines jüngsten Sohnes zärtlicher und zugänglicher wurde. Der Kleine
hatte sich zum Ziel gesetzt, den Vater zu erobern, und es gelang ihm auch. In
der Analyse ergab sich, daß dieser Sieg von ihm als Beweis dafür gewertet
wurde, daß sich der „böse" väterliche Penis in einen „guten" verwandeln läßt.
Das Bestreben, eine solche Umwandlung zu bewerkstelligen (und dadurch zahl-
reiche Angstinhalte zu entkräften), bildete später auch einen Antrieb für die
homosexuellen Beziehungen von Mr. B.
Mr. B. hatte zwei Brüder. Für den um zwei Jahre älteren Leslie empfand er
schon als kleiner Knabe große Verehrung und Liebe. Leslie wurde für ihn (wohl
auch zum Teil infolge der sehr frühen Befriedigung des oralen Begehrens, die
er ihm durch den Sexualakt geboten hatte) zum Vertreter des „guten" Penis.
Es war sein größter Ehrgeiz, diesem Bruder intellektuell nachzueifern und seiner
Freundschaft würdig zu werden. Er wählte auch den gleichen Beruf, wie ihn
Leslie hatte. Ganz anderer Art war das Verhältnis zum zweiten Bruder, dem
um vier Jahre älteren David. Dieser stammte aus der ersten Ehe des Vaters,
und Mr. B. hatte — wohl mit Grund — den Eindruck, daß die Mutter die
eigenen Söhne bevorzuge. Mr. B. liebte diesen Bruder nicht und hatte es trotz
des Altersunterschiedes schon als kleiner Knabe verstanden, ihn zu beherrschen.
Dies lag zum Teil an der mäsochistischen Einstellung des Bruders, zum Teil
aber auch daran, daß Mr. B. ihm geistig weit überlegen war. An David, mit
dem ebenfalls schon im frühen Kindesalter eine sexuelle Beziehung bestanden
hatte, 65 betätigte Mr. B. seine sadistischen Impulse gegen den „bösen" Penis.
Zugleich bedeutete David für ihn die gefährliche (die Penisse des Vaters ent-
haltende) Mutter. Die Brüder stellten für Mr. B. nämlich auch Substitute für
65) Die sexuelle Beziehung zu beiden Brüdern wurde nicht über die erste Kindheits-
periode hinaus fortgesetzt. Es lag auch keine bewußte Erinnerung an die mit den
Brüdern ausgeführten sexuellen Akte vor. Dagegen erinnerte sich Mr. B. ganz deutlich
und mit Einzelheiten daran, daß er den Bruder D. sehr gequält habe. Diese Quälereien
standen aber, wie die Analyse ergab, in engster Verbindung mit der in Vergessenheit
geratenen sexuellen Beziehung.
— 278 —
beide Elternteile dar, allerdings für die phantastischen Elternimagines. Während
in der Realität Mr. B. seiner Mutter zärtlich zugetan war und sie viel mehr
liebte als den Vater, bestanden im Gegensatz dazu — wie ich früher aus-
führte — die phantastischen Imagines von dem magischen „guten" Penis (Vater)
und der schreckenerregenden Mutter. Die Beziehung zu diesen Imagines betätigte
Mr. B. im Verhältnis zu den Brüdern. Er liebte David auch später nicht, wie
die Analyse erwies, zum Teil deshalb, weil er sich ihm gegenüber so sehr
schuldig fühlte.
Während also eine Anzahl von Momenten die Wendung zur Homosexualität
begünstigten, wirkten andrerseits schon sehr früh äußere Einflüsse der Befestigung
der heterosexuellen Position entgegen. Die Mutter war wohl liebevoll mit dem
Knaben, aber er gewann sehr bald Beweise dafür, daß sie den Vater nicht
eigentlich liebe und auch eine Aversion gegen das männliche Genitale im all-
gemeinen habe. Er hatte — allem Anschein nach begründeterweise — den Ein-
druck, daß die Mutter frigide sei und auch seine eigenen sexuellen Wünsche
mißbillige und ablehne. Ihre sehr ausgesprochene Ordnungs- und Reinlichkeits-
liebe wirkte im gleichen Sinne. Hiezu kam, daß die Nurses, die das Kind in
früher Kindheit hatte, die gleiche ablehnende Haltung gegen alles Sexuelle und
Triebhafte einnahmen. (Dies geht auch aus der Antwort hervor, die die Nurse
dem Kinde auf die Frage gab, „was ärger sei, vorne oder hinten".) Ein weiteres
Moment, das der Befestigung der heterosexuellen Position entgegenwirkte, war
das Fehlen eines weiblichen Spielkameraden. Ohne Zweifel hätte sich die Angst
vor dem geheimnisvollen Leibesinnern der Frau wesentlich vermindert, wäre
der Knabe mit einer Schwester zusammen aufgewachsen. Dann hätte er auch
wohl viel früher seine sexuelle Neugierde hinsichtlich des weiblichen Genitales
befriedigt. (Er war etwa zwanzig Jahre alt, als er beim Anblick des Bildes
einer nackten Frau zuerst bewußt feststellte, worin sich der Körperbau der Frau
von dem des Mannes unterscheide.) Es ergab sich in der Analyse, daß die weiten,
bauschigen Röcke der Frauen in der Phantasie des Knaben die geheimnisvolle
und gefährliche Weite des weiblichen Leibesinnern ins Unendliche vergrößert
hatten. Das „Nichtwissen" um diese Dinge, das aus Angst entsprang, aber durch
die eben beschriebenen äußeren Momente begünstigt wurde, hatte die Ablehnung
der Frau als Sexualobjekt verstärkt.
In meiner Darstellung der männlichen Entwicklung habe ich gezeigt, daß die
Zentralisierung der sadistischen Allmacht in der Repräsentanz des Penis ein
Moment ist, das für die Befestigung der heterosexuellen Position wesentlich ist.
Eben dort habe ich darauf hingewiesen, daß diese Zentralisierung mit der
genügend entwickelten Fähigkeit des Ichs zusammenhängt, auf den frühen Stufen
den Sadismus zu tolerieren und Angst zu ertragen. Diese Fähigkeit war bei
Mr. B. gering. Die Allmacht der Exkremente war bei ihm stärker entwickelt, als
— a 79 —
es normalerweise beim Knaben der Fall ist. 66 Hiezu kommt, daß die genitalen
Regungen und die Schuldgefühle sich sehr früh stark durchgesetzt hatten, und
daß auch bald eine gute Objektbeziehung und Realitätsanpassung zustande kam.
Dies befähigte das früh erstarkte Ich, eine vehemente Verdrängung der sadisti-
schen Regungen — insbesondere der auf die Mutter gerichteten — vorzunehmen.
Die sadistischen Regungen konnten sich deshalb auch nicht genügend mit den
realen Objekten verknüpfen, sondern blieben vorwiegend an die phantastischen
Imagines geheftet. Dies galt insbesondere von der Mutter. So kam es, daß neben
der guten Beziehung zu den Objekten beiderlei Geschlechtes die tiefe und
dominierende Angst vor den bösen phantastischen Imagines der Objekte bestehen
blieb, 67 ohne daß es zu einer genügenden gegenseitigen Durchdringung der neben-
einanderlaufenden Strömungen der Objektbeziehung gekommen wäre.
Die Funktion des Penis als eines Exekutivorgans des Sadismus, des weiteren
aber die Tendenzen, die Mutter im Sexualakt mittels eines guten Penis wieder-
herzustellen, wurden auch aus diesen Gründen unterbunden. 68 Der Sadismus dem
väterlichen Penis gegenüber wurde weit weniger stark verdrängt. Dennoch
vermochten sich die direkten ödipusregungen bei Mr. B. nicht genügend durch-
zusetzen, da die früher angeführten Momente zu stark der heterosexuellen
Position entgegenwirkten. Der Haß gegen den Penis des Vaters konnte deshalb
nicht die normale Verarbeitung finden. Er wurde zum Teil durch den Glauben
an den „guten" Penis überkompensiert, der die Basis für die homosexuelle
Position bildete.
Auf der Flucht vor allem Analen und dem Körperinnern, begünstigt durch
die sehr starke oralsaugende Fixierung an den Penis und die übrigen, früher
aufgezählten Entwicklungsmomente, hatte sich in diesem Falle schon sehr früh
eine große Bewunderung für den Penis anderer Knaben entwickelt, die sich in
einzelnen Fällen bis zu einer Anbetung des Penis steigerte. Die Analyse erwies
aber, daß andrerseits der Penis als Folge der so weitgehenden Verdrängung des
Analen starke anale Qualitäten angenommen hatte. Seinen eigenen Penis hielt
Mr. B. für minderwertig und häßlich (wie sich ergab, für durch und durch
schmutzig = anal). Aber auch die Bewunderung für den Penis anderer Knaben
66) Damit hing aber auch zusammen, daß die femininen Züge stärker hervortraten
und auch die Sublimierungen einen vorwiegend weiblichen Einschlag aufwiesen. Ich gehe
hierauf später ein.
67) Das Mißlingen der Über-Ich-Bildung (d. h. die überstarke Wirksamkeit der
frühesten Angstsituationen) hatte bei Mr. B. nicht nur zu schweren Störungen der psychi-
schen Gesundheit, zum Mißlingen der Sexualentwicklung und zur Hemmung der Arbeits-
fähigkeit geführt, sondern war auch die Ursache dafür, daß die an sich gute Objekt-
beziehung zeitweise schweren Störungen unterworfen war.
68) Ich habe in meiner Darstellung der weiblichen Sexualentwicklung auf einige
Faktoren hingewiesen, die bei beiden Geschlechtern eine Wiederherstellung des Objektes
durch den Sexualakt ermöglichen.
und Männer war an bestimmte Bedingungen gebunden. Der diesen Bedingungen
nicht entsprechende Penis wurde als abstoßend empfunden, d. h. er hatte alle
Qualitäten des gefährlichen väterlichen Penis und des bösen Stuhlstückes an-
genommen. Trotz dieser Einschränkungen war eine ziemlich gut befestigte homo-
sexuelle Position zustande gekommen. Auch bestand kein bewußtes Schuld- oder
Minderwertigkeitsgefühl wegen der homosexuellen Betätigungen. Dies lag daran,
daß die "Wiedergutmachungstendenzen, cjie sich in der heterosexuellen Position
nicht hatten durchsetzen können, sich stark in der homosexuellen Betätigung
von Mr. B. geltend machten.
Zwei Typen herrschten in Mr. B.s Liebesleben vor. Der eine Typus, dem er
sich seit seiner Schulzeit immer wieder zuwendete, waren Knaben (später
Männer), die nicht anziehend waren und sich auch mit gutem Grund zurück-
gesetzt fühlten. Dieser Typus entsprach seinem Bruder D. Die sexuelle Beziehung
bereitete Mr. B. in diesen Fällen keine Befriedigung, weil die sadistischen
Impulse sich zu stark durchsetzten. Es war Mr. B. auch bewußt, daß er in
diesen Fällen den Partner seine Überlegenheit fühlen ließ und ihn auf ver-
schiedene Art quälen wollte. Zugleich nahm er sich aber dieser Liebesobjekte in
jeder Weise an, beeinflußte sie psychisch günstig, half ihnen usw. Der andere
Typus entsprach dem Bruder Leslie. In diesen Beziehungen kam es zu einer
starken Liebesbindung und zu einer ausgesprochenen Anbetung des Penis. 69
In beiderlei Beziehungen befriedigte Mr. B. seine "Wiedergutmachungstendenzen
und beruhigte seine Angst. Im ersteren Falle stellte der sexuelle Akt für ihn die
"Wiederherstellung des Penis des Bruders David (und des Vaters) dar, den er
infolge der starken sadistischen Regungen gegen diese als zerstört empfand.
Zugleich identifizierte er sich selbst mit diesem minderwertigen und kastrierten
Objekt. Der Haß, den er diesem gegenüber empfand, galt auch ihm selbst; die
"Wiederherstellung des Penis bedeutete auch die seines eigenen Genitales. Die
"Wiedergutmachungsbestrebungen dem Penis gegenüber dienten aber letzten Endes
der "Wiederherstellung der Mutter. Es zeigte sich nämlich, daß Mr. B. sich für die
Kastration des "Vaters und des Bruders, die auch zugleich einen
Angriff auf die im Mutterleib befindlichen Kinder bedeutete,
der Mutter gegenüber schwer schuldig fühlte. Indem er den
Penis des Vaters und des Bruders wiederherstellte, wollte er der Mutter einen
heilen Vater, heile Kinder und ein intaktes Leibesinnere wiedergehen. Die
"Wiederherstellung des Penis bedeutete aber für ihn darüber hinaus, daß er selbst
nun den guten Penis besitze und die Mutter sexuell befriedigen könne.
69) Einmal kam es auch zu einer Beziehung mit einem Liebesobjekt, das einem
dritten Typus, und zwar dem Vatertypus entsprach. In diesem Falle kam die Beziehung
eigentlich gegen den "Willen meines Patienten zustande. Er vermochte sich ihr nicht
zu entziehen und sie löste starke Angst in ihm aus.
In der Beziehung zum Typus Leslie traten die Wiederherstellungstendenzen
weniger stark hervor, denn es handelte sich in diesem Falle um den „voll-
kommenen" Penis. Dieser bewunderte Penis bedeutete für ihn eine Fülle von
magischen Beweisen gegen alle Angstinhalte. Da er sich mit seinem Liebesobjekt
auch in diesem Falle identifizierte, wurde der „vollkommene" Penis für ihn zum
Beweis, daß auch sein Penis vollkommen sei; er bewies ferner, daß der väterliche
Penis und der Penis des Bruders intakt seien, bestärkte im allgemeinen den
Glauben an den „guten" Penis und an den unversehrten Leib der Mutter. Auch
in der Beziehung zum bewunderten Penis setzten sich unbewußt sadistische
Regungen durch. Die homosexuelle Betätigung bedeutete auch in diesem Falle
zugleich eine Kastration des Liebesobjektes, und zwar zum Teil aus Eifersucht,
zum Teil, weil er sich dessen „guten" Penis aneignen wollte, um den Vater bei
der Mutter voll ersetzen zu können.
Wiewohl die Homosexualität sich bei Mr. B. so früh und stark befestigt hatte
und wiewohl er die Heterosexualität bewußt ablehnte, blieb dennoch im Un-
bewußten die Heterosexualität das Ziel, auf das schon der kleine Knabe in der
Phantasie mit aller Kraft hingestrebt und das auch der Mann niemals auf-
gegeben hatte. Die Homosexualität stellte im Unbewußten auf vielfache Art
einen Umweg zu diesem erstrebten Ziele dar.
Die Forderungen, die in diesem Fall das Uber-Ich auch in Hinsicht auf die
Sexualbetätigung erhob, waren sehr hohe. Der Sexualakt sollte der Wiedergut-
machung jeder einzelnen phantasierten Zerstörung im Mutterleib dienen. Die
Wiederherstellung mittels des Sexualaktes begann aus Gründen, auf die ich früher
einging, mit der Wiederherstellung des Penis. Sie kam aber über diesen ersten
Schritt nie hinaus. Es war, wie wenn jemand ein besonders schönes Gebäude
errichten wollte, aber von Zweifeln erfüllt sei, ob er die Fundamente richtig
gelegt habe. Er trachtet dann, sie immer wieder zu befestigen, und kommt auf
diese Weise von der Arbeit an den Fundamenten niemals los.
Der Glaube an seine Fähigkeit, den Penis wiederherstellen zu können, bildete
auch das Fundament der psychischen Stabilität von Mr. B. Die starke Erschütte-
rung dieses Glaubens wurde denn auch zur Ursache für den Zusammenbruch.
Vor einer Reihe von Jahren war der geliebte Bruder Leslie auf einer
Forschungsreise verunglückt. Trotzdem Mr. B. der Tod des Bruders sehr nahe
ging, hatte er nicht zum Krankheitsausbruch geführt. Er vermochte diesen
Unglücksfall zu ertragen, weil er sein Schuldgefühl und den Glauben an seine
konstruktive Allmacht nicht übermäßig angriff. Leslie war ja für ihn der Besitzer
des magischen „guten" Penis gewesen, und diesen Glauben und seine Liebe ver-
mochte er auf jemand anderen zu übertragen, der für ihn zum Bruderersatz wurde.
Einige Jahre später erkrankte der Bruder David. Mr. B. widmete sich ihm
während der Krankheit nach Möglichkeit und hoffte, ihm durch seinen starken
und günstigen Einfluß zur Genesung verhelfen zu können. Diese Hoffnung erwies
sich als irrig. David starb, und nun setzte bei Mr. B. die schwere Erschütterung
ein, die den Zusammenbruch herbeiführte.
Die Analyse erwies, daß dieser Unglücksfall ihn viel härter betroffen hatte
als der erste, weil er sich dem Bruder David gegenüber stark schuldig fühlte.
Vor allem war sein Glaube, daß er den beschädigten Penis wieder herstellen
könne, ins Wanken geraten. Dies bedeutete aber zugleich, daß er auch die
Wiederherstellung alles dessen, was er im Unbewußten sonst noch angestrebt
hatte, also letzten Endes die Wiederherstellung der Mutter und seines eigenen
Leibes, aufgeben mußte. Daraus ergab sich auch die schwere Störung seiner
Arbeitsfähigkeit.
Ich habe die Gründe hervorgehoben, weshalb die Mutter nicht zum Objekt
der Wiederherstellungstendenzen durch den Sexualakt und demzufolge auch nicht
zum Sexualobjekt werden konnte. Sie wurde nur der Gegenstand zärtlicher
Strebungen. Aber auch auf dieser Basis war wegen des Übermaßes an Angst und
Schuldgefühlen nicht nur die Objektbeziehung schweren Erschütterungen aus-
gesetzt, sondern auch die Betätigung der Sublimierungstendenzen behindert. Es
zeigte sich, daß Mr. B., der auch bewußt sich stark um die Mutter sorgte (wie-
wohl diese nicht krank, aber, wie er meinte, von zarter Konstitution war), von
dieser Sorge unbewußt geradezu beherrscht wurde. In der Ubertragungssituation
äußerte sich dies darin, daß Mr. B. vor Analysenferien — wie sich später ergab,
aber auch vor jedem Wochenende und von einem Tage zum andern — in der
Angst lebte, mich nicht wiederzusehen, da ich inzwischen tödlich verunglücken
könnte. Diese immer wiederkehrende Phantasie zeigte bei wechselnden Einzel-
heiten den gleichen Kern: Ich würde auf einer stark befahrenen Straße von
einem Auto niedergestoßen und überfahren werden. Die Straße, auf die der
Unglücksfall verlegt wurde, befand sich in Wirklichkeit in der Heimatstadt des
Patienten, die in Amerika lag. Dieselbe Straße, die in den Kindheitserinnerungen
des Patienten eine große Rolle spielte, hatte er mit der Nurse überschritten, wenn
er als kleines Kind ausging, wie die Analyse erwies, in der steten Angst, die
Mutter nie mehr wiederzusehen. In Zuständen tiefer Depression äußerte der
Patient in der Analysenstunde: nur wenn er gewisse Dinge, die in der Welt
seit seiner frühen Kindheit vor sich gegangen seien, ungeschehen machen könnte
— so zum Beispiel alle Fahrten aller Autos, die je über diese Straße statt-
gefunden hatten — , nur dann könnte „alles wieder gut" und er selbst wieder
arbeitsfähig werden. Auch für diesen Patienten bedeutete, wie ich es früher aus"
Kinderanalysen berichtete, das Fahren der Autos den Koitus der Eltern, den er
in den frühen Masturbationsphantasien in einen für beide Eltern tödlichen Akt
umgeschaffen hatte, worauf sich die ihn beherrschende Angst entwickelt hatte,
die Mutter (und infolge der Verinnerlichung des „bösen" Penis auch er selbst)
- 3 83 -
könnte jederzeit durch den ihr einverleibten gefährlichen Penis des Vaters
zugrunde gehen (durch ein Auto überfahren werden). Im Gegensatz zu seiner
Heimatstadt, die er trotz, oder wie sich erwies, wegen des dort herrschenden
großen Verkehrs (des phantasierten fortwährenden Koitus der Eltern) als
dunkel, leblos, zerstört empfand, besaß er ein Phantasiebild von einer Stadt,
die voll Leben, Licht und Schönheit war, und die er zeitweise — immer
aber nur vorübergehend — in Städten ferner Länder realisiert fand. 70 Diese
ferne Phantasiestadt vertrat für ihn die zu neuem Leben erwachte, wieder her-
gestellte Mutter und seinen eigenen wiederhergestellten Körper. Das Übermaß
der Angst ließ aber diese Wiederherstellung als undurchführbar erscheinen. Der
gleichen Quelle entsprang auch seine schwere Arbeitshemmung.
Als Mr. B. noch arbeitsfähig war, schrieb er an einem Buche, in dem er seine
wissenschaftlichen Ergebnisse niederlegte. Er mußte auch diese Arbeit aufgeben,
als seine Arbeitshemmung zunahm. Dieses Buch hatte für ihn die gleiche Be-
deutung wie die schöne Stadt. Die einzelnen wissenschaftlichen Ergebnisse, jeder
einzelne Satz bedeutete den wiederhergestellten väterlichen Penis und heile
Kinder, das ganze Buch stellte im Unbewußten die verinnerlichte heile Mutter
und den eigenen wiederhergestellten Körper dar. Es ergab sich, daß die Angst
vor seinem „bösen" Leibesinhalt sich als das größte Hindernis seiner Schaffens-
fähigkeit auswirkte. Eine seiner hypochondrischen Beschwerden war das Gefühl
großer innerer Leere. Dem entsprach auf intellektuellem Gebiete die Klage, daß
Dinge, die ihm wert seien, die er schön und interessant finde, ihren Wert ver-
lören, sich verbrauchten, ihm irgendwie weggenommen würden. Als die tiefste
Wurzel dieser Klage erwies sich die Angst, zugleich mit der Ausstoßung der
bösen Imagines und der gefährlichen Exkremente auch des „guten" und „schönen"
Leibesinhaltes verlustig zu gehen.
Der dominierende Antrieb zum Schaffen stammte bei Mr. B. aus seiner weib-
lichen Position. Die Bedingung im Unbewußten lautete: nur wenn sein Leib mit
guten Objekten — eigentlich mit schönen Kindern 71 — gefüllt wäre, könnte er
schaffen, d. h. Kinder gebären. Um aber sein Leibesinnere so zu gestalten, wäre
es nötig gewesen, die „bösen" Objekte entweder zu beseitigen — dann setzte
70) Audi in diesem Falle stellten die Einzelheiten der schönen Phantasiestadt in allen
Stucken die Wiederherstellung (und überdies auch noch die Verschönerung und Ver-
vollkommnung) des ursprünglich in Phantasien beschädigten und zerstörten Mutterleibes
und des eigenen Leibes dar.
71) Ich wies im vorigen Kapitel darauf hin, daß die Allmacht der Exkremente beim
Madchen stärker entwickelt ist und daß dieses Moment den spezifischen Charakter der
weiblichen Sublimierungen beeinflußt. Ich verwies auf die Sublimierungslinie, die vom
„bösen" = häßlichen Stuhlstück zum „schönen Kinde" führt. Bei Mr. B., bei dem die
Allmacht des Penis als Exekutionsorgan des Sadismus sich nicht genügend hatte durch-
setzen können, und die Allmacht der Exkremente verhältnismäßig stärker entwickelt war,
trugen auch die Sublimierungen einen ausgesprochen femininen Charakter.
das Gefühl der Leere ein — oder sie in „gute" zu verwandeln (in der Art, wie
er den Penis des Vaters und des Bruders in gute Penisse verwandeln wollte).
Wäre ihm diese Aufgabe gelungen, so hätte er damit die Sicherheit gewonnen,
daß auch der Leib der Mutter, ihre Kinder und der väterliche Penis wieder-
hergestellt seien. Dann hätten die Eltern in Frieden miteinander leben und
einander auch sexuell voll befriedigen können. Er selbst hätte dann aber auch,
in Identifizierung mit dem „guten" Vater, mit der Mutter Kinder zeugen und
seine heterosexuelle Position befestigen können.
Als Mr. B. nach einer Analysendauer von vierzehn Monaten die Arbeit an
seinem Buch wieder aufnahm, trat in der Analyse die Identifizierung mit der
Mutter deutlich hervor. In der Übertragungssituation dokumentierte sich dies
durch Phantasien, in denen Mr. B. die Stelle einer Tochter bei mir einnahm.
Er erinnerte sich, daß er als kleiner Knabe sehnsüchtig gewünscht hatte, ein
Mädchen zu sein, bewußt, weil er wußte, daß die Mutter eine Tochter bevorzugt
hätte, unbewußt aber, weil er sie dann auch sexuell hätte lieben können; er
hätte nämlich nicht fürchten müssen, daß er die Mutter mit dem ihr verhaßten
und ihm selbst gefährlich scheinenden Penis verletzen würde. 72 Bei einer sehr
starken Identifizierung mit der Mutter und ausgesprochenen femininen Zügen, die
deutlich auch in seiner Arbeit zum Ausdruck kamen, hatte Mr. B. jedoch die
weibliche Position nicht zu halten vermocht. Hieraus ergab sich ein grundlegendes
Hindernis für seine Schaffensfähigkeit, die immer teilweise gehemmt gewesen war.
Als in der Analyse die Identifizierung mit der Mutter und der "Wunsch, eine
Frau zu sein, stärker hervortraten, verminderte sich schrittweise die Arbeits-
hemmung. Der Wunsch, Kinder zu besitzen (und zugleich seine Schaffensfähig-
keit) war vornehmlich durch die Angst vor den verinnerlichten Objekten
behindert worden. -Denn die Angst vor der Mutter als Rivalin galt vor allem
der verinnerlichten „bösen" und mit dem Vater vereinigten Mutter. Diese ver-
innerlichten Objekte waren es auch, auf die sich bei Mr. B. die so starke Angst
bezog, belauert und beobachtet zu werden. Vor ihnen hatte er gewissermaßen
jeden Gedanken, der ja ein Stück guten Leibesinhaltes — ein Kind — bedeutete,
zu bewahren. 73 Er brachte auch deshalb seine Gedanken so schnell als möglich
zu Papier, um sie vor den bösen Objekten, die ihn beim Schreiben hindern
würden, zu schützen. In seinem Leibesinnern vollzog sich die Auslese zwischen
72) Mr. B. erinnerte sich auch daran, daß er als kleiner Knabe immer wieder versucht
hatte, den Penis zwischen die Beine zu drücken, gewissermaßen ihn verschwinden zu lassen.
73) Die Angst vor den bösen Imagines, die dazu geführt hatte, daß Mr. B. in be-
sonderem Maße das Unbewußte abzuleugnen und zu beherrschen suchte, trug wesentlich
zur Hemmung seiner produktiven Fähigkeiten bei. Er durfte sich niemals seinem Un-
bewußten rückhaltlos überlassen; dadurch wurde einer wesentlichen Quelle der Schaffens-
fähigkeit der Weg verlegt.
- a85 -
den guten und bösen Objekten. Außerdem mußte er versuchen, die bösen Objekte
in gute zu verwandeln. Die Arbeit an seinem Buche, der ganze Prozeß des
Schaffens waren im Unbewußten gleichgesetzt der Wiederherstellung des Leibes-
innern und der Erzeugung von Kindern. Die Kinder sollten der Mutter gehören.
Er stellte die „gute" Mutter in seinem Innern wieder her, indem er ihren Leib
mit schönen (wiederhergestellten) Kindern füllte und diese wiederhergestellten
Objekte sorgsam vor den verinnerlichten „bösen" Objekten (den im Koitus ver-
einigten Eltern und dem bösen väterlichen Penis) zu bewahren suchte. Auf diese
Weise heilte und verschönerte er aber auch sein eigenes Leibesinnere, denn die
„gute" (heile, schöne) Mutter würde ja wiederum ihn vor den verinnerlichten
„bösen" Objekten beschützen. Mit dieser guten (wiederhergestellten) Mutter ver-
mochte Mr. B. sich aber auch zu identifizieren. Die schönen Kinder (Gedanken,
Erkenntnisse), mit denen er in der Phantasie sein Leibesinnere bevölkerte, waren
auch die Kinder, die er selbst in Identifizierung mit der Mutter empfing. Es
waren aber auch Kinder, die er mit der „guten" Mutter (die ihm auch heilsame
Milch spendete und ihm so zu einem heilsamen, potenten Penis verhälfe) zeugen
würde. Erst als Mr. B. fähig wurde, die weibliche Position aufzunehmen und zu
sublimieren, konnte sich auch seine männliche Komponente stärker durchsetzen
und für seine Arbeit fruchtbar werden.
In dem Maße, in dem der Glaube an die „gute" Mutter wuchs und infolge-
dessen die paranoide und hypochondrische Angst herabgesetzt wurden (zugleich
verminderten sich auch die Depressionen), wurde Mr. B. schrittweise mehr und
mehr fähig, seine Arbeit durchzuführen, zuerst mit allen Zeichen der Angst und
des Zwanges, später in größerer Ruhe. Dem entsprach auf sexuellem Gebiete
eine stetige Herabsetzung der homosexuellen Regungen. Die Anbetung des Penis
nahm ab. Die Angst vor dem bösen Penis, die durch die Bewunderung für den
guten (= schönen) Penis verdeckt worden war, trat deutlich hervor. Wir lernten
in dieser Phase einen speziellen Angstinhalt 74 kennen. Der verinnerlichte böse
Penis des Vaters hatte von Mr. B.s Penis in der Weise Besitz ergriffen, daß
er in diesen eingedrungen war und ihn bemeisterte. Mr. B. fühlte sich dadurch
74) Ich habe diese spezielle Gefahrsituation in einigen Analysen von Knaben und
Mannern kennengelernt. Sie besteht darin, daß der böse väterliche Penis vom eigenen
Penis vollkommen Besitz ergriffen habe, indem er diesen von innen ausfüllt. Zum Beispiel
steckte ein kleiner Knabe in der Analysenstunde eine Bleistifthülse in das Feuer. Er
wollte etwas Böses (das er als stark und hart schilderte) und das in dieser Hülse ent-
halten war, aus dieser herausbrennen. Die Hülse stellte seinen Penis, das Böse, das heraus-
gebrannt werden sollte, den väterlichen Penis dar. Ein anderes Mal verbrannte er ein
Stuck Holz wobei er zugleich seinen Bleistift spitzte, und zwar wie er mir erklärte, damit
das böse Holz besser verbrenne. Es ergab sich, daß das Holz und der Bleistift zueinander
gehörten, ineinander steckten und miteinander kämpften. Die analytische Aufdeckung
dieser Gefahrsituation löst besonders intensive Angstquantitäten aus; sie scheint ein
schweres Hindernis der Potenz zu sein.
- 3 86 -
der Verfügung über seinen eigenen Penis beraubt, vielmehr er konnte ihn nicht
auf „gute" produktive Weise gebrauchen. Im Pubertätsalter hatte sich dieser
Angstinhalt stark geltend gemacht. Der Knabe versuchte mit allen Kräften,
sich der Masturbation zu enthalten, und hatte dabei nächtliche Pollutionen.
Dies löste die Angst in ihm aus, daß er seinen Penis nicht beherrschen könne
und daß dieser vom Teufel besessen sei. Im gleichen Sinne deutete Mr. B. auch
die Tatsache, daß der Penis größer und kleiner werden könne, ferner alle mit den
Entwicklungsvörgängen einhergehenden Veränderungen des Genitales.
Diese Angst hatte zu Mr. B.s Abneigung gegen seinen eigenen Penis, zum
Gefühl, daß dieser minderwertig (anal), böse und destruktiv sei, wesentlich bei-
getragen. Hieraus ergab sich aber auch ein wesentliches Hindernis für die hetero-
sexuelle Position. Da Mr. B. stets befürchten mußte, beim Koitus mit der Mutter
vom Penis des Vaters belauert und zu bösen Handlungen gedrängt zu werden,
mußte er sich von der Frau fernhalten. Es zeigte sich nun, daß die überbetonte
Bedeutung des eigenen Penis als des Repräsentanten des Bewußten und Sicht-
baren und die damit zusammenhängende vielfache Verdrängung und Verleug-
nung des Leibesinneren auch in diesem Punkte mißlungen war.
Mit der Analyse dieser Angstinhalte vergrößerte sich wiederum die Arbeits-
fähigkeit Mr. B.s. Zugleich verstärkte sich die heterosexuelle Position.
Die Analyse war bis zu diesem Punkte gediehen, als sie aus äußeren Gründen
für einige Zeit unterbrochen werden mußte. 75 Die bis dahin erzielten Resultate,
die zur fast völligen Behebung der schweren Depressionen und der Arbeits-
hemmung sowie zur Verminderung der Zwangssymptome, der paranoiden und
hypochondrischen Angst geführt hatten, lassen die Annahme begründet erscheinen,
daß die heterosexuelle Position bei weiterer Analyse voll befestigt werden wird.
Hiezu wäre, wie der bisherige Verlauf der Analyse erkennen läßt, erforder-
lich, daß die Angst vor der phantastischen Mutter-Imago noch weiter herab-
gesetzt würde. Dadurch würde ermöglicht werden, daß die realen und phantasti-
schen Objekte, die in der Psyche von Mr. B. so stark voneinander geschieden
waren, einander noch näher kämen. Dann könnte der stärkere Glaube an die
„gute" wiederhergestellte Mutter und an den Besitz des „guten" Penis (der
sich bis dahin vorwiegend in Hinsicht auf die verinnerlichte Mutter ausgewirkt
und zur Behebung der Arbeitshemmung geführt hatte) sich auch in der Beziehung
zur Frau als Sexualobjekt voll durchsetzen. Ferner müßte sich die Angst vor dem
„bösen" väterlichen Penis weiter vermindern, die Identifizierung mit dem „guten"
Vater sich noch verstärken.
75) Mr. B. sah sich genötigt, zur Ordnung seiner Angelegenheiten in seine Heimat
zurückzukehren. Er beabsichtigt aber, in einiger Zeit die Analyse wieder fortzusetzen.
Die Behandlung, die sich über einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckte, umfaßte
dreihundertundachtzig Stunden.
— 287 —
Die Momente, von deren stärkerer Wirksamkeit im vorliegenden Falle die
volle Wendung von der Homosexualität zur Heterosexualität abhängt, sind die
gleichen, die ich im ersten Teil dieses Kapitels als die Voraussetzung einer gut
befestigten heterosexuellen Position aufzeigte. Ich hob dort in meiner Darstellung
der normalen männlichen Entwicklung hervor, daß die Vorherrschaft der „guten"
Mutter-Imago, die die Überwindung des Sadismus begünstigt und allen Angst-
inhalten entgegenwirkt, die Grundlage für das Gelingen der männlichen Sexual-
entwicklung bildet.
Ebenso wie die den Mutterleib und das eigene Leibesinnere betreffenden Angst-
inhalte greifen auch die Wünsche zur Wiederherstellung des mütterlichen und
des eigenen Körpers als Bedingungen der Wiederherstellung ineinander. Sie bilden
bei Vorherrschaft der genitalen Stufe die Voraussetzung der Potenz. Ein
genügender Glaube an den „guten" Leibesinhalt, der die „bösen" Objekte und
Exkremente im eigenen Leibesinnern neutralisiert, beziehungsweise bekämpft,
scheint erforderlich, damit der Penis als der Repräsentant des ganzen Körpers
„guten" heilsamen Samen produziere. Dieser Glaube, der sich mit dem an die
eigene Liebesfähigkeit deckt, ist bedingt von einem genügenden
Glauben an gute Imagines, insbesondere an die „gute" Mutter und
an deren intakten und heilsamen Leib.
Bei voller Erreichung der genitalen Stufe kehrt der Mann im Koitus zur
ursprünglichen Befriedigungsquelle, der nun auch genitale Genüsse spendenden
Mutter zurück und gibt ihr teils als Gegengabe, teils zur Wiedergutmachung aller
von der Beschädigung der Mutterbrust ausgehenden Angriffe den heilsamen
Samen, der ihr Kinder schenken, ihren Leib wiederherstellen und sie auch oral
befriedigen soll. Angst und Schuldgefühl steigern, formen und vertiefen die
primären libidinösen Regungen des Säuglings. Sie verleihen der Beziehung zum
Objekt die Fülle der Gefühlsqualitäten, die der Begriff des „Liebens" umfaßt.
A N HA N G
Grenzen und M:öglickLeiten der Kinderanalyse
Die Aufgabe der Psychoanalyse beim Erwachsenen ist klar umrissen. Da sie
den nicht gelungenen Entwicklungsablauf zu korrigieren hat, muß es ihr Ziel
sein, das Drängen des Es und die Forderungen des Ober-Ichs miteinander in Ein-
klang zu bringen. Der so erzielte Ausgleich setzt das erstarkte Ich in die Lage,
auch den Forderungen der Realität zu genügen.
Wie wirkt sich die Analyse des Kindes auf die im Flusse befindliche Ent-
wicklung aus? Die Auflösung von sadistischen Fixierungen verringert die Strenge
des Über-Idis, damit Hand in Hand vermindert sich die Angst und das Drängen
der Triebregungen. In dem Maße, als Sexualität und Über-Ich auf eine höhere
Entwicklungsstufe gehoben werden, gewinnt das Ich an Raum und vermag
nun auch die Forderungen des Über-Ichs mit denen der Realität in Einklang zu
bringen. Sublimierungen setzen auf stabilerer Basis ein, schon vorhandene verlieren
an Zwanghaftigkeit und Sprunghaftigkeit.
Die Ablösung im Pubertätsalter, die mit der Erhöhung der inneren For-
derungen einhergeht, gelingt nur, wenn Angst und Schuldgefühl ein gewisses
Maß nicht überschreiten. Sonst kommt es zu übertriebenen, als Flucht und nicht
als Ablösung zu bezeichnenden Erscheinungen, oder die Ablösung mißlingt völlig
und der Jugendliche bleibt an die urspünglichen Objekte fixiert.
Die Voraussetzung eines gelungenen Ablaufs der Entwicklungsvorgänge ist die
Milderung der Strenge des Über-Ichs. Die Zielsetzungen in allen Entwicklungs-
perioden, so verschieden sie auch sein mögen, sind an die gleiche Bedingung ge-
knüpft: der Ausgleich zwischen Über-Ich und Es und damit eine genügende Stärke
des Ichs muß erreicht sein. Die Analyse führt diesen Ausgleich herbei, sie folgt
dabei in allen Entwicklungsstadien dem Ablauf der Entwicklungsvorgänge und
unterstützt ihn. Zugleich regelt die Analyse des Kindes auch seine Sexual-
betätigung. Indem sie Angst und Schuldgefühl vermindert, setzt sie die Sexual-
betätigung herab in den Fällen, in denen sie zwanghaft war, ermöglicht sie aber
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 289 — 19
in den Fällen, in denen Berührungsangst vorlag. Die Analyse bewirkt dies, indem
sie die der Fehlentwicklung zugrunde liegenden Faktoren beeinflußt; sie legt
dadurch aber auch den Grund für die unverkümmerte Entwicklung der zu-
künftigen Sexualität und Persönlichkeit.
Die Beobachtungen der Kinderanalyse ergeben, daß der Druck des Über-
Ichs um so mehr herabgesetzt wird, in je tiefere Seelenschichten die Analyse vor-
dringt. Besteht nun die Möglichkeit, daß durch eine zu weit gehende Analyse die
Funktion des Ober-Ichs übermäßig herabgesetzt, ja sogar völlig aufgehoben wird?
Die Entwicklung von Libido, Objektbeziehung und Über-Ich-Bildung erfolgt
meiner Auffassung nach in Wechselwirkung. Ich beschrieb den Kreislauf, der
neben ihrer Legierung zwischen den destruktiven und den libidinösen Trieb-
regungen besteht, und wies darauf hin, daß infolge der durch den Sadismus
ausgelösten Angst die Ansprüche der libidinösen und destruktiven Triebregungen
gesteigert werden. 1 Auf diese Weise gewinnt die aus den frühesten Gefahr-
situationen stammende Angst nicht nur einen wesentlichen Einfluß auf die
libidinösen Fixierungsstellen und die Sexualerlebnisse, sondern sie ist auch mit
ihnen verlötet, sie ist zu einem Element der libidinösen Fixierungen geworden.
Die Erfahrungen der Psychoanalyse haben erwiesen, daß auch nach weit-
gehender Analyse die Wirksamkeit der prägenitalen Fixierungsstellen und des
Sadismus nur vermindert, niemals aber behoben werden kann. Nur ein Teil der
prägenitalen Libido kann in genitale Libido umgesetzt werden. Diese uns ge-
läufige Erkenntnis gilt nach meinen Erfahrungen auch für die Uber-Ich-Bildung.
Die Angst, die durch die destruktiven Triebregungen ausgelöst wird und die in
Qualität und Quantität mit den sadistischen Phantasien korrespondiert, fällt mit
der Angst vor den gefährlichen verinnerlichten Objekten zusammen 2 und führt
zu bestimmten Angstsituationen. Diese Angstsituationen, die mit den prägenitalen
Triebregungen verknüpft sind, lassen sich, wie ich mich nachzuweisen bemühte,
niemals ganz rückgängig machen. Die Analyse kann ihre Wirkungen nur ab-
schwächen, in dem Maße, als sie die Angst und den Sadismus herabsetzt. Daraus
folgt aber auch, daß das Über-Ich der frühen Stufen seine Funktion niemals ganz
aufgibt.
Die Analyse vermag demnach nur zu erzielen, daß mit der Lockerung von
prägenitalen Fixierungen und der Herabsetzung von Angst auch die Uber-Ich-
Bildung von der prägenitalen Stufe zur genitalen fortschreitet. Jeder Fortschritt
in der Herabsetzung der Strenge des Über-Ichs ist ein weiterer Sieg der
libidinösen über die destruktiven Triebregungen und bedeutet zugleich, daß die
Libido die genitale Stufe besser erreicht hat.
i) Ein gewisses Ausmaß an Angst steigert die Liebesbedürftigkeit und formt die
Liebesfähigkeit des Kindes — ein Übermaß an Angst unterbindet sie.
2) Siehe Kap. VIII.
— »90 —
Die Auffassung, daß die frühen Angstsituationen ihre
Wirksamkeit niemals völlig einstellen, kennzeichnet
auch die Grenzen der Analyse. Denn es folgt hieraus, daß es eine
absolute Heilung nicht gibt, und daß keine Psychoanalyse — sei es beim Kinde
oder beim Erwachsenen — mit absoluter Sicherheit eine zukünftige Erkrankung
ausschließen kann.
In diesem Zusammenhang wäre auch noch die Frage zu erörtern, welche
Faktoren die p sy ch o n e ur o t i sc h e Erkrankung auslösen.
Ich will mich dabei nicht mit den sehr zahlreichen Fällen befassen, in denen die
Erkrankung in die frühe Kindheit zurückgeht (wobei in manchen Fällen die
Erscheinungsform der Erkrankung wechselte, während sie in anderen den ur-
sprünglichen Charakter beibehielt), sondern mit den Fällen, in denen der Aus-
bruch der Erkrankung sich scheinbar auf einen bestimmten Zeitpunkt zurück-
führen läßt. Auch in diesen Fällen weist die Analyse nach, daß die Erkrankung
schon vorher latent bestand, aber infolge gewisser Ereignisse in ein akutes
Stadium trat, ein Moment, das sich praktisch mit Erkrankung deckt. Dieser
Vorgang kommt so zustande, daß die äußeren Ereignisse die dominierenden
frühen Angstsituationen in einem solchen Ausmaße bestätigen, daß sie zu einer
für das Ich unerträglichen Steigerung der Angstquantitäten führen, die sich als
Erkrankung geltend macht.
Ein anderes Moment, aus dem äußere Belastungen ihre krankheitsauslösende
Wirkung beziehen, ist die Störung im Prozeß der Angstbewältigung, die durch
sie herbeigeführt wird und die zur Folge hat, daß das Ich wehrlos dem über-
mäßigen Angstdruck ausgeliefert bleibt. Deshalb kann auch eine an sich nicht
bedeutsame Enttäuschung, wenn sie den Glauben an helfende Imagines und an
die eigenen konstruktiven Fähigkeiten zu stark erschüttert 3 und dadurch die
Wege der Angstbewältigung stört, ebenso krankheitsauslösend wirken wie ein
Erlebnis, das die frühen Angstinhalte real bestätigt und dadurch die Angst-
quantitäten steigert. Diese zwei Momente greifen bis zu einem gewissen Grade
ineinander. Ein Erlebnis wird um so eher geeignet sein, eine Erkrankung aus-
zulösen, wenn es sich auf beide Arten geltend macht. 4
3) Ich habe im vorigen Kapitel auf einen Fall hingewiesen, in dem die auslösende
Ursache das lieblose Verhalten der Wirtin war, die den Patienten während einer Krank-
heit pflegte. In diesem Falle waren durch die Ruhrerkrankung alle dominierenden Angst-
situationen aktiviert worden. Das Verhalten der Wirtin wurde außerdem dem Patienten
zur Bestätigung, daß es keine „gute" Mutter gäbe und daß auch seine Wiederherstellungs-
tendenzen fruchtlos seien.
4) Einen Erkrankungsanlaß, der auf anderen Mechanismen beruht, beschreibt Ernest
Jones in seiner Arbeit: The Problem of Paul Morphy (Int. Journ. of PsA., XII, 1).
Jones führt aus, daß folgende Momente den Ausbruch der Psychose beim genialen
Schachspieler Morphy herbeiführten: Sein Gleichgewicht beruhte darauf, daß er im
391 —
19«
Hieraus folgt, daß die frühen Angstsituationen die Basis aller psychoneuroti-
schen Erkrankungen darstellen. Da die Analyse die Angstsituationen aber nie ganz
außer "Wirksamkeit zu setzen vermag, so kann sie auch Erkrankungen für die
Zukunft nie mit Sicherheit ausschließen. Sie kann aber — und dies ist-
praktisch von der größten Bedeutung — durch die beim Kinde erzielte relative
Heilung bis zu einem weitgehenden Grade zukünftigen Erkrankungen vorbeugen.
Sie wird auch um so mehr der Prophylaxe dienen, je mehr sie die Wirksamkeit
der frühen Angstsituationen herabzusetzen und das Ich und seine Methoden der
Angstbewältigung zu stärken vermag.
Die Grenzen der Psychoanalyse sehe ich ferner in dem Umstände, daß die
Analyse — und zwar auch beim kleinen Kinde — in verschieden gelagerten
Fällen auch verschieden gute Resultate erzielt.
Inwieweit die Psychoanalyse Angst aufzulösen vermag, hängt sehr wesentlich
von den Angstquantitäten, von den dominierenden Angstsituationen sowie auch
davon ab, welche Abwehrmechanismen das Ich auf den frühen Stufen als die
vorherrschenden entwickelt hat, Momente, die mit der Struktur der seelischen
Störung gleichbedeutend sind. 5 Ich habe in schwereren Fällen lange Zeiträume —
nach meinen bisherigen Erfahrungen bei Kindern zwischen fünf und dreizehn
Jahren achtzehn bis sechsunddreißig Arbeitsmonate, in einem Falle fünfundvierzig
Arbeitsmonate (bei Erwachsenen in einigen Fällen noch länger) — für notwendig
gefunden, um die Angst quantitativ und qualitativ so weit zu beeinflussen, daß
mir die Beendigung der Analyse voll gerechtfertigt erschien.
Dieser Nachteil scheint mir aber durchaus aufgewogen durch die weiter-
gehenden und haltbareren Resultate, die durch die tiefführende Analyse erzielt
werden. In vielen Fällen genügen auch weit kürzere Zeiträume (8 bis 10 Monate),
um befriedigende Resultate zu erzielen. 6
In diesem Buche habe ich wiederholt auf die großen Möglichkeiten der Kinder-
analyse hingewiesen. Die Analyse des normalen und neurotischen Kindes vermag
für das Kind das zu leisten, was die Psychoanalyse für den Erwachsenen tut,
und sie vermag noch viel mehr. Sie bewahrt das Kind vor all dem Leiden und
mancherlei schwerem Erleben, durch das der Erwachsene hindurchgeht, bevor er
zur Psychoanalyse findet. Die therapeutischen Möglichkeiten der Kinderanalyse
Schachspiel seine — Vater- Imagines geltende — Aggression in ichgerechter Form äußern
konnte. Der Umstand, daß der Mann, den er sich am meisten als Gegner wünschte, dem
Kampfe auswich und durch sein ganzes Verhalten Morphys Schuldgefühl weckte, erwies
sich als auslösender Faktor für den Zusammenbruch.
5) Hier ist hervorzuheben, daß Fälle mit starker akuter Angst und schweren Sym-
ptomen in der Analyse häufig eine günstigere Struktur zeigen als symptomlose
Störungen.
6) Ich bin in Kap. V darauf eingegangen, daß in einer Reihe von Fällen, in denen
die Analyse abgebrochen wurde, in Zeiträumen von einigen Monaten wesentliche Teil-
resultate durch die Verminderung von Angst der tiefsten Schichten erzielt worden waren.
„ — a 9 3 —
reichen weit über die der Erwachsenenanalyse hinaus. Die Erfahrungen der
letzten Jahre — und zwar sowohl meine wie auch die einiger Kolleginnen —
berechtigen zur Annahme, daß Psychosen und psychotische Züge, Charakter-
verbildungen und asoziales Verhalten, 7 schwere Zwangsneurosen und Ent-
wicklungshemmungen im Kindesalter noch heilbar sind. Wir wissen aber, daß
Fälle dieser Art im Erwachsenenalter sich der psychoanalytischen Behandlung
nicht oder nur teilweise zugänglich erweisen. Der Verlauf einer Erkrankung läßt
sich freilich im Kindesalter oft nicht voraussagen: man weiß nicht mit Sicherheit,
ob sie ihren Ausgang in Psychose, Kriminalität, Charakterverbildung oder
schwerer Hemmung finden wird; aber eine erfolgreiche Analyse des abnormen
Kindes vermag allen diesen Möglichkeiten vorzubeugen. Würde jedes Kind, das
ernstere Störungen zeigt, rechtzeitig der Analyse unterzogen, dann könnte wohl
ein großer Teil jener Menschen, die andernfalls in Gefängnissen und Irren-
häusern landen oder sonst völlig scheitern, vor diesem Schicksal bewahrt bleiben
und sich zu normalen Menschen entwickeln. Wenn aber die Kinderanalyse
eine solche Aufgabe erfüllen kann — und vieles spricht dafür, daß sie es
kann — , dann wäre es ihr in der Zukunft vorbehalten, über den großen Nutzen
hinaus, den sie einzelnen Individuen bringt, der menschlichen Gesellschaft
unschätzbare Dienste zu leisten.
7) Ich verweise auf die Arbeit von Melitta S c h m i d e b e r g: Zur Psychoanalyse
asozialer Kinder und Jugendlicher. (Int. Ztschr. f. PsA., Bd. XVIII, 1932.)
— 393 —
LITERATURVERZEICHNIS
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Die prägenitale Vorgeschichte des Ödipuskomplexes. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. XVI, 1930.)
Über respiratorische Introjektion. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. XVII, 1931.)
Ferenczi, S.:
Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. I, 191 3.)
Zur Nosologie der männlichen Homosexualität. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. II, 1914.)
Zur Ontogenese des Geldinteresses. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. II, 1914.)
Psychoanalytische Betrachtungen über den Tic. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. VII, 1921.)
Forcierte Phantasien. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. X, 1924.)
— 394 —
Ferenczi, S.:
Zur Psychoanalyse von Sexualgewohnheiten. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. XI, 1925.)
Diese Arbeiten sind auch enthalten in: Bausteine zur Psychoanalyse. (Int. PsA. Verl.
J9270
Versuch einer Genitaltheorie. (Int. PsA. Verl. 192J.)
Das Problem der Unlustbejahung. (Int. Ztschr. f. PsA. Bd. XII, 1926 )
Flügel, C. J. :
The Psychology of Clothes. (Int. Psycho-Analytical Library, 1930.)
Freud, Anna:
Einführung in die Technik der Kinderanalyse. (Int. PsA. Verl. 1927.)
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Die Traumdeutung. (Ges. Sehr. Bd. II.)
Die Disposition zur Zwangsneurose. (Ges. Sehr. Bd. V.)
Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. (Ges. Sehr. Bd. V.)
Das ökonomische, Problem des Masochismus. (Ges. Sehr. Bd. V.)
Triebe und Triebschicksale. (Ges. Sehr. Bd. V.)
Der Untergang des Ödipuskomplexes. (Ges. Sehr. Bd. V.)
Über einige neurotische Mechanismen bei Eifersucht, Paranoia und Homosexualität.
(Ges. Sehr. Bd. V.)
Das Ich und das Es. (Ges. Sehr. Bd. VI.)
Jenseits des Lustprinzips. (Ges. Sehr. Bd. VI.)
Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. (Ges. Sehr. Bd. VII.)
Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben. (Ges. Sehr. Bd. VIII.)
Geschichte einer infantilen Neurose. (Ges. Sehr. Bd. VIII.)
Bruchstücke einer Hysterieanalyse. (Ges. Sehr. Bd. VIII.)
Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose. (Ges. Sehr. Bd. VIII.)
Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci. (Ges. Sehr. Bd. IX.)
Totem und Tabu. (Ges. Sehr. Bd. X.)
Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschiedes. (Ges. Sehr. Bd. XI.)
Der Humor. (Ges. Sehr. Bd. XI.)
Hemmung, Symptom und Angst. (Ges. Sehr. Bd. XL)
Die Frage der Laienanalyse. (Ges. Sehr. Bd. XL)
Das Unbehagen in der Kultur. (Int. PsA. Verl. 1930.)
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Die Empfängnis der Madonna durch das Ohr. Enthalten in: Zur Psychoanalyse der
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^Die Rolle der Schule für die libidinöse Entwicklung des Kindes. (Int. Ztschr. f. PsA.
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Einige unbewußte Mechanismen im pathologischen Sexualleben und ihre Beziehung
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i 97
AUTO RENREGISTER
Zusammengestellt von Melitta SJimidelerg
Abraham, Karl
(Vorwort) 8; (Partialliebe) 60; (Analyse in „Markensprache") 91; (Orale Fixierung)
133; (Oralsadismus) 134, 135, 138; (Urethraler und analer Sadismus) 139; (Manie)
140; (Oraler Sadismus und Wißtrieb) 141,183; (Analsadistische Stufe) 151; (Fixierungs-
punkte der Psychosen) 152; (Gehaßtes Objekt und Kot) ij6; (Paranoia) ij 7 ; (Gleich-
setzung von Penis und Brust) 147, 161; (Über- Ich beim einundhalbjährigen Kind) 167;
(Triebhemmungen) 17 j; (Allmachtsgefühl) 181; (Partialliebe) 207; (Allmacht der
Exkretionsvorgänge) 214; (Weiblicher Kastrationskomplex) 221; (Ejakulation) 2J3;
(Literaturverzeichnis) 294.
Alexander, Franz
(Paktieren mit dem Ober- Ich) 162; (Literaturverzeichnis) 294.
Eenedek, Therese
(Todestrieb und Angst) 136; (Literaturverzeichnis) 294.
Boehm, Felix
(Versteckter weiblicher Penis) 75, 141; (Weiblichkeitskomplex des Mannes) zjo;
(Penis des Vaters in der Vagina der Mutter) 255; (Homosexualität) 273; (Literatur-
verzeichnis) 294.
Chadwick, Mary
(Wißbegierde) 255; (Kindesneid des Knaben) 259, 260; (Literaturverzeichnis) 294.
Deutsch, Helene
(Angst vor dem Tode der Mutter) 40; (Aufnehmende Funktion der Vagina) 205/6;
(Femininer Masochismus) 212; (Kenntnis der Vagina) 219; (Funktion der Vagina)
220; (Nässen) 222; (Saugende Tätigkeit der Vagina) 226; (Nachphallische Phase) 227;
(Menstruation) 234; (Schwangerschaft) 237; (Literaturverzeichnis) 294.
Fenichel, Otto
(Sexualtheorien) 69; (Prägenitale Vorgeschichte des Ödipuskomplexes) 144; („Vor-
stufen des Über-Ichs") 149/jo; (Vergiftende Fäzes) 155; (Ober-Ich) 164; (Literatur-
verzeichnis) 294.
Federn, Paul
(Sadismus) 253; (Literaturverzeichnis) 294.
— 298 —
Ferenczi, S.
(Vorwort) 8; (Forcierte Phantasien) 98; (Tic) 121; (Ableugnung der Realität) 154;
(Identifizierung und Symbolik) 1J7; (Erkenntnis der psychischen Realität) 162;
(Sphinktermoral) 174; (Allmacht der Worte) 181; (Paranoia) 214; (Koprophilie) 239;
(Amphimixis) 254; (Homosexualität) 273; (Literaturverzeichnis) 294, 295.
Flügel, J. C.
(Unbewußte Bedeutung der Kleidung) 98, 193; (Literaturverzeichnis) 295.
Freud, Anna
(Technik der Kinderanalyse) 11; (Literaturverzeichnis) 295.
Freud, Sigmund
(Vorwort) 7; („Kleiner Hans") 10; (Aggression und Schuldgefühl) 17; (Analyse des
Kindes) 21; (Humor) 25; (Angst vor Liebesverlust) 42; (Form der Deutung) 43;
(Disposition zur Zwangsneurose) j8; (Koitusbeobachtungen) 59; (Ausbruch der
Neurose) 60; (Kinderneurose) 109, 110; (Onanieabwehr) 120; (Neurosenprophylaxe)
129; (Entstehung der Zwangsneurose) 135; (Entstehung der Angst) 135; (Angst und
Aggression) 13$; (Abdrängung des Todestriebes) 137; (Urverdrängung) 137;
(Urethraler Sadismus) 139; (Sexualtheorien) 141; (Aggression und Schuldgefühl) 145;
(Über-Ich-Bildung) 146—149; (Abwehr) iji; (Psychose) 152; (Introjektion und
Projektion) 153; (Homosexualität) 1J9; (Verdrängung) 162; (Phobien) 167 — 170;
(Paranoia) 171; (Zwangsneurose) 172 — 174; (Zwang) 176; (Zwangshandlung)' 180;
(Schuldgefühl und Aggression) 181; (Allmachtsgefühl) 181; (Zwangshandlung) 182;
(Zweifel) 183; (Wißtrieb) 183; (Abhängigkeiten des Ichs) 186; (Kinderspiel) 186, 187;
(Träume von Unfallsneurotikern) 187; (Angst vor Liebesverlust) 188; (Ich) 191; (Onanie-
abwehrkampf) 194; (Latenzzeit) 195, 196; (Pubertät) 198; (Gefahrsituationen) 202;
(Normale und Neurotiker) 203; (Angst der Frau) 203; (Weiblicher Kastrations-
komplex) 20J; (Masochismus) 212; (Allmachtsgefühl) 214; (Paranoia) 214; (Kindes-
(wunsch) 237; (Aggression) 241; (Weibliche Über-Ich-Bildung) 243; (Identifizierungen)
244; (Weibliche Sexualität) 248, 249; (Homosexualität) 250; (Gegenzauber) 267;
(Homosexualität) 272; (Literaturverzeichnis) 29 j.
Glover, Edward
(Vorwort) 9; (Orale Versagung) 133, 134; (Oralsadismus) 135; (Hungergefühl und
Angriffe auf Mutterleib) 138; (Über-Ich-Bildung) 149; (Versagung, entwicklungs-
förderndes Moment) 159; (Literaturverzeichnis) 295.
Horney, Karen
(Weiblicher Kastrationskomplex) 20 j, 221 — 223; (Urethraler Sadismus und Penis-
neid) 223; (Vagina) 226; (Sekundärer Penisneid) 227; (Weiblichkeitskomplex des
Mannes) 250; (Literaturverzeichnis) 29$.
Hug-Hellmuth, H. v.
(Technik der Kinderanalyse) 10; (Literaturverzeichnis) 295.
Isaacs, Susan
(Über-Ich-Bildung) 146; (Literaturverzeichnis) 295.
Jekels, Ludwig
(Mitleid) 163; (Literaturverzeichnis) 295.
Jones, Ernest
(Vorwort) 8, 9; (Entbehrung als Versagung) 72; (Aggression und Schuldgefühl) 14 5;
(Über-Ich) 149; (Symbolik) 157; (Schuldgefühl und Angst) 164; („Innocent" = Nidit-
beschädigend) 179; (Aphanisis) 204, 210, 243; (Flatus und Gedanken) 215; (Weibliche
— 399 —
Homosexualität) 223-225; (Vagina) 227; (Angst vor Liebesverlust) 243; (Schuldgefühl)
26j; (Oralsadismus und Homosexualität) 273; (Erkrankungsanlaß) 291, 292;
(Literaturverzeichnis) 295, 296.
Klein, Melanie
(Frühanalyse) ij; (Aggression und Schuldgefühl) 17; (Abfuhr der Onaniephantasien
im Spiel) 21; (Zwangsneurose) 46; (Theater) 50; (Sadismus des Über-Ichs verstärkt
Sadismus des Es) 51; (Sexuelle Beziehungen zwischen Kindern) J3 ; (Frühstadien des
Ödipuskonfliktes) 65; (Gefahrsituation des Mädchens) 66; (Widerstand gegen Auf-
klärung) 69, 107; (Symbolik des Balles) 92; (Lernhemmung) 6 7 , 99 ; (Sporthemmung)
ioj; (Weiblichkeitskomplex des Knaben) iij; (Tic) 106, 121; (Haß gegen Es wird
auf Objekte projiziert) 124; (Über-Ich-Bildung) 133; (Angriffe gegen Mutterleib) 138-
(Aggression und Schuldgefühl) 145; (Über-Ich-Bildung) 147, 149; (Sadismus und
Angst) ijo; (Hemmung der Projektion) 154; (Exkremente als Giftstoffe) 155, i 5 6-
(Angst und Symbolbildung) 157; („Helfende Gestalten") 158; (Zuwendung zum
Vater) 159; (Sublimierung) 163, 229; (Psychotische Erkrankungen) 165; („Feenmutter«)
189; (Symbolische Bedeutung der Buchstaben) 194; (Lernhemmung) 195— 197; (Angst
.des Mädchens) 204; (Über-Ich-Bildung) 208; (Weibliche Entwicklung) 227; (Paranoia)
248; (Entwicklungshemmung) 2J4; (Weiblichkeitsphase des Mannes) 2jo, 259, 262;
(Penis = Repräsentant des Ichs) 215,262; („Helfende Gestalten") 264; (Literaturver-
zeichnis) 296.
Laforgue, Rene
(Skotomisierung) 155, 162; (Literaturverzeichnis) 296.
Lewin, A.
(Menstruation) 235; (Literaturverzeichnis) 296.
Mack Brunswick, Ruth
(„Wolfsmann") 169, 171; (Literaturverzeichnis) 296.
Michaelis, Karen
(Entwicklung einer Malerin) 229.
Ophuijsen, J. H. W. van
(Paranoia) 55 ; (Oralsadismus) 134; (Paranoia) ijj, 214; (Literaturverzeichnis) 296.
Rado, S.
(Hungerreaktion des Säuglings) 136; (Alimentärer Orgasmus) 138; (Literaturver-
zeichnis) 296.
Rank, Otto
(Theater) jo; (Flutsagen) 139; (Literaturverzeichnis) 296.
Reich, Wilhelm
(Phobie und Charakterbildung) 106; („Vorstufen des Über-Ichs") 149; (Genitalität) 2 54 ;
(Penis und Mutterbrust) 260; (Literaturverzeichnis) 296.
Reik, Theodor
(Angst steigert Haß) I23 ; (Schuldgefühl steigert Libido) 125; (Literaturverzeichnis) 296.
Riviere, Joan
(Vorwort) 9; (Versagung als Entbehrung) 72; („Weiblichkeit als Maske") 95; (Über-
leb) 149; (Kastrationskomplex und Wiedergutmachungstendenzen) 224; (Literatur-
verzeichnis) 297.
Röheim, G.
(Exkremente und Zauberei) i J5 ; (Gehaßtes Objekt und Exkremente) 156; (Urvater)
159; (Paranoia) 171; (Literaturverzeichnis) 297.
— 3oo —
Sachs, Hanns
(Onaniephantasien) 119; (Tagträume) 128; (Vaginale Phase) 221; (Angst vor Liebes-
verlust) 243; (Literaturverzeichnis) 297.
Sadger, I.
(Urethralsadismus) 139; (Homosexualität) 272; (Literaturverzeichnis) 297,
Schmideberg, Melitta
(Vorwort) 9; (Sprechhemmung und Paranoia) 80, 81; (Exorzistische Maßnahmen bei
Primitiven) 124; (Schizophrenie) 154; (Negierung der Angst) 1J5; (Katatonie) 155;
(Vielzahl der Verfolger) ijö; (Verfolgungsideen) 157; (Introjektion steigert All-
machtsgefühl) 216; (Entwicklung der Medizin) 22$; (Sexualbetätigung und Wieder-
gutmachungstendenzen) 228; (Menstruation) 235; (Sucht) 267; (Asoziale) 293;
(Literaturverzeichnis) 297.
Searl, M. N.
(Vorwort) 9; (Technik der Kinderanalyse) 41; („Flucht in die Realität") 112, 125;
(Oralsadismus und Paranoia) 141; (Über- Ich) 149; (Wiedergutmachungstendenzen)
182; (Literaturverzeichnis) 297.
Sharpe, Ella
(„History as Phantasy") 98; (Sublimierung) 163, 164; (Literaturverzeichnis) 297.
Simmel, Ernst
(Exkremente und gehaßtes Objekt) 156; (Literaturverzeichnis) 297.
Stäreke, August
(Paranoia) 55, 155, 214; (Literaturverzeichnis) 297.
Strachey, Alix
(Vorwort) 9.
Strachey, James
(Vorwort) 9; (Lesen) 67; (Literaturverzeichnis) 297.
Weiss, Edoardo
(Projektion der eigenen Weiblichkeit) 260; (Literaturverzeichnis) 297.
— 3oi —
SACHREGISTER
Zusammengestellt von Melitta SchmiJeherg
i) Bezeichnungen, die im Text häufig vorkommen, werden nur in einigen Zusammenhängen
angeführt.
2) Es wurden auch Seiten in das Register aufgenommen, auf denen die betreffenden Bezeich-
nungen nicht ausdrücklich erwähnt sind.
Mr. A. s. Patienten: Mr. A.
Abdrängen d. Todestriebes (Destruk-
tionstr.): 137, 138, 187, 212; s. a.
Projektion; — d. d. Es geltenden
Hasses auf Objekte: 51, 124, 1J3, 162,
212; s. a. Über-Ich u. Objektbezie-
hung.
Abenieuerpbantasien: y6, 90.
Abhängigkeit v. Objekt im Latenzalter:
99—101, 194, 195, 197; s. a. Angst
v. Liebesverlust; Fixierung, überm.;
Latenzalter, Angstbewältigung im L.;
Ich des Kindes im L.
Ablehnung als Zeichen negativer Über-
tragung: 26, 32, 102; (Grete) 68;
(Inge) 69; (Ruth) 37.
Ablösung v. Liebesobjekten: 117, 118;
— — im Latenzalter: 198; — — in
Pubertät: 190, 198, 289; (Gert) 127.
Abreagieren i. d. Analyse: 22, 64.
Abwehr, introjiz. Objekt Träger d. A.: 137;
s. a. Ober-Ich; — mechanismen: 151,
i$2, 154, 162—164, 167, 176, 179,
186.
Abwendung v. Objekt: 163, 207.
Affektambrüdie i. d. Analyse: 64 — 65;
—loser Trotz: (Egon) yy; — losigkeit
d. Analytikers: 63; — Verdrängung:
in; (Egon) 77; s. a. Latenzalter:
Angstbewältigung; Phantasieverdrän-
gung.
Agieren i. d. Analyse: 22, 101; (Kenneth)
74, 7$; s. a. Affektausbrüche; Finger-
spiel; Spiel.
Aggression u. Angst: s. Angst; — leitet
Ödipuskonflikt ein: 17, 145; s. a.
Ödipuskonflikt, Frühstadien d.; — u.
Schuldgefühl: s. Schuldgefühl; — , über-
mäßige (Symptom): (Franz) 122;
(Kenneth) 73; (Peter) 27, 32; (Wer-
ner) 77.
Aggression, s. Abdrängen d. Todestriebes;
Allmacht, destruktive; Angriffe; Sadis-
mus; Wechselwirkung zw. Destruk-
tionstrieb u. Libido.
Akte, sex.: s. Sexuelle Akte.
Aktivitäten u. Angstbewältigung: 188, 201;
s. a. Angstbewältigung, normale; —
u. Wiedergutmachung: 188, 201; s. a.
Allmacht, konstruktive; Sublimierung.
Alimentärer Orgasmus: 138.
Alkoholismus: z6y.
Alleinbleiben, unfähig; s. Angst vor Ver-
lassenwerden.
Allmacht der Blasenfunktion (sadist.): 181,
201, 214, 223, 245, 254, 279; — ,
destruktive (sadist.): 258, 267, 279;
s. a. Analsad., Oralsad., Penis =
Werkzeug d. Sadism.; Urethralsad.;
— der Exkremente: 181, 214, 21$,
223, 224, 243—245, 252—253, 257,
271, 279, 280; — der Gedanken: 180,
181, 214, 215, 243—245; — , kon-
— 3oa —
struktive: 182, 183, 201, 229, 245, 258,
262, 267; s. a. Liebesfähigkeit; Penis,
guter; Penis, bösen, in guten ver-
wandeln; Wiedergutmachungstenden-
zen.
Allmacht des Penis: 206 — 208, 252 — 254,
262, 279; s. a. Penis = Werkzeug d.
Sadismus; — d. introjizierten Penis:
207, 208, 214 — 216, 223, 224, 243.
262.
Allmachtsgefühl, verstärkt durch Introjek-
tion: 216, 223; s. a. Allmacht d. intro-
jizierten Penis.
Allmachtsglaube u. Ichentwicklung: 201,
202, 229, 230, 245, 262; s. a. Allmacht,
konstruktive; Sublimierung.
Ambivalenz: s. Spaltung d. Mutter-Imago;
Übertragung, negative.
Ambivalenz, überm. (Symptom): 113;
(Erna) 46; (Franz) 122; (Rita) 16, 32;
(Peter) 27; s. a.
Amnesie, frühinfantile: 27; — , partielle:
127.
Amphimixis: 254.
Anal{e) Fixierung s. Fixier, prägen.; —
Funktion, Störungen d. 178; (Konsti-
pation, John) 179; (Incontinentia, Pe-
ter) 31; (Trude) 17, 41; — s. a. De-
fäzieren, Exkremente, Reinlichkeits-
gewöhnung.
Analerotik (Erna) 56; (John) 178 — 179;
s. Exkremente, gute; Allmacht d. Ex-
kremente; analsadistische Phantasien;
Defäzieren.
Analsadistische Phantasien: 175 — 180; (Mr.
A.) 268, 269; (Mr. B.) 275—277; (Erna)
48 — 56, 66; (Franz) 271; (Günther)
122; (John) 177 — 179; (Kurt) 116;
(Peter) 31; (Trude) 17; s. a. Defä-
zieren; Exkremente; Flatus; — Phase:
66, 139, 140, 143, 151, 155—157. *7J
bis 180, 214 — 217, 239, 244; s. a.
Allmacht d. Exkremente; Exkremente,
Mutterleib, Angr. a.; Ödipuskonflikt,
Frühstad. d.; Sadismus, Höchstblüte
d.; Weiblichkeitsph. d. Kn.: 271.
Analyse, Abbruch d.: 89, 103; — , Agieren
i. d.; — s. Agieren; — in Anwesenheit
d. Begleitperson: 37; — , beendigte,
Maßstab f.: 24, 26, 45, 62, 113 — 120,
289 — 291. Beginn d. [Frühanalyse] :
27, 38, 68; (Kurt) 114; (Peter) 27 bis
31; (Ruth) 37—39; (Trude) 32, 33;
[Latenz] 68, 82, 83; (Egon) 77;
(Erna) 46; (Grete) 68; (Inge) 6$; — ,
Beginn d.: [Pubertät] 89, 94 — 95;
(Ilse) <)6\ (Ludwig) 89. — , Dauer d.:
103, 292; — , Erfolg d.: 103; (Mr. B.)
287; (Bill) 92; (Egon) 81; (Erna) 61;
(Franz) 126; (Gert) 127; (Günther)
126; (Ilse) 100, 127; (Inge) 71; (Ken-
neth) 73; (Kurt) 115; (Ludwig) 93;
(Trude) 41; (Werner) 76; — , Grenzen
d.: 291, 292.
Analyse: asozialer Kinder s. Asozial; —
normaler Kinder s. Normale; — psy-
chotischer Kinder s. Psychot.
Analyse, Technik d.: s. Affektausbr. i.
Anal.; Behandlungszimmer, Einrich-
tung d.; Deutung; Frühanalyse; La-
tenz, Analyse in; Pubertät, Anal, in
Analytiker, Affektlosigkeit d.: 65; — ,
Ausbildung d.: 9, 103; — , erzieheri-
sche Beeinflussung seitens d.: 11, 25,
65, 86, 102, 125.
Analytische Situation b. Kinde: 11, 20, 24,
30; s. a. Obertragungssituation; — ,
Herstellung d.: 26, 35, 41, 68; s. a.
Analyse, Beginn d.
Anfertigung v. Gegenständen s. Hand-
arbeiten.
Angriffe, geheime: 143, 155, 270; s. a. All-
macht d. Exkr.; Analsad.;Exkrem., gef.;
Paranoia; — , phantas. gegen koitier. El-
tern: 17, 18, 28, 29, 31, 47, 50, 53,
56, 60, 65, 66, 98, 122, 124, 142 — 144,
181, 265, 270; s. a. Onaniephantasien;
Urszene, Reaktion auf; — , phantas.,
gegen Mutterleib s. Mutterleib; —
gegen Schwächere: (Franz) 124; An-
griffe s. a. Analsadismus; Allmacht,
destrukt.; Sadismus (Partialtrieb);
Muskelsad.; Oralsad.; Urethralsad.
Angst, als Anzeichen negativer Übertra-
gung: 32, 35; — , Dosieren d., i. Ana-
lyse: 26, 32, 33, 35, 41, 42, 102; — ,
Fähigkeit — z. ertragen s. Konstitutio-
neller Faktor; — , Umsetzung v., in
Lust: 192, 193, 21J.
Angst (als dynamischer Faktor): — , Ag-
gression, gesteigert durch: 123, 143,
154, 178, 179, 214, 217, 224; — , Aus-
breitung d.: 156, 163.
Angstbewältigung (mit Hilfe realer Ob-
jekte): 35, 40, 163, 164, 189, 197, 211,
217, 231—233, 248, 252—254; s. a.
- 3o3 -
Realität, Flucht in; (durch Introjekt.
guter Objekte) 158; (im Latenzalter)
193 — 197; (männliche) 192 — 194, 199,
253; (männliche Art b. Mädchen) 199;
(normale) 186 — 203, 291; (im Puber-
tätsalter) 90, 198 — 201; — u. Sexual-
betätigung s. Sexualbetätigung; — im
Spiel: 186, 187, 192, 193; — , weib-
liche: 192, 193, 199 — 20i, 208 — 213,
238 — 248; — , weibliche Art b.
Knaben: 199.
Angst, Entwicklungsf orderndes Moment:
116, 150, 1J7, 188—202; — steigert
Introjektion: 153, 208, 209, 242, 253;
— steigert Libido: 116, 12$, 160, 208
bis 211, 253, 290; s. a. Fixierung; Lie-
besbedingungen; Sexualbetätigung und
Angstbewältigung; Sexualentwicklung;
— steigert Projektion: 151, 1J3, 156,
157, 167, 209, 238, 252; s. a. Angst v.
introj. Objekten; — u. Reaktionsbil-
dungen 175, 238, 239; — u. Realitäts-
beziehung: IJ7 — 158, 189, 194; —
steigert Wißtrieb ij8, 176, 187, 255;
. (Mr. A.) 266; s. a. Wißtrieb.
Angst, Entwicklungshemmendes Moment:
150, 186; s. a. Wißtrieb, Störung, d.;
— führt zur Hemmung d. Projekt. 154.
Angst, Entstehung d.: 17, 135 — 138;
aus Aggression: 17, 60, 136, 146, ijo,
210; aus unbefried. Libido: 136.
Angst, (Formen d.) — anfalle: 26, 40 bis
42, 102; (Rita) 16; (Ruth) 37 — 39;
(Trude) 17, 41; u. Pavor noc-
turnus: 40 — 42; Vorbeugung d. :
41, 42.
Angst (Formen d.) v. Einbrechern: (Erna)
46, 60, 224; — v. Fremden: 37, 104;
— v. Gegenständen 109; — , hypo-
chondrische s. Hypochondrie; — , par-
anoide s. Paranoia; — v. phantast.
Gestalten: 166; — , verraten zu wer-
den: 123; s. a. Paranoia; Straßen — :
ioj; — v. Telephon: 105; Ängstlich-
keit: 104; (Günther) 122; (Kenneth)
73; (Kurt) 114; (Peter) 28; (Ruth)
37; A. s. a. Pavor nocturnus; Tier-
phobie; Phobie; Paranoia.
Angst, latente (Auswirkung lat. A.);
u. Defäzieren: 178; — — u. körper-
liche Erkrankung: 109, 180; u.
Unarten: 105; u. Urinieren: 30;
u. Zwang: 17$ — 177; (Erna) 60;
u. Zweifel: 175; s. a. Angst als
dynamischer Faktor; Einzelne neuroti-
sche Symptome.
Angstsituation{en), frühe: 42, 66, 136 — 158,
161 — 179, 188, 202, 204, '209, 210,
216 — 219, 223, 243, 248, 249, 251 bis
256, 260 — 26J, 271, 291 — 292; Auf-
geben v. — : 203, 291; Einfluß d. Re-
alität auf — : 231 — 232, 291; s. a. Re-
alität, Flucht in d. — ; Angstbewälti-
gung; Modifizierung d. : 40, 188,
202; Verschiebung d. : 216, 261;
spätere Wirksamkeit d. — — : 202,
256, 291, 292; u. Psychose: 152,
154 — 157, 165, 176, 251; s. a. Par-
anoia; Psychose; Vergiftungsangst.
Angstsituation.
Angst v. Angriffen. — v. analen Angrif-
fen: 248; — v. Angriffen d. Mutter:
33. 4°. 42. 66, 94, 95, 204, 219, 235,
269; (Mr. A.) 269; (Egon) 79; (Erna)
5°» J4. 56» 66; (Kenneth) 74, 7$;
(Kurt) 115; (Ludwig) 89; (Peter) 33;
(Rita) 18, 40, 119; (Ruth) 39; (Trude)
41; s. a. — d. Mädchens; Weiblich-
keitsphase d. Knaben; Frau m. Penis;
— v. Gefressenwerden: 169, 248; —
v. Kastration s. Frau m. Penis; Ka-
strationskomplex; — d. Leibesinhaltes
beraubt zu werden s. — v. Angr.
d. Mutter; — d. Mädchens; —
v. Vater s. Kastrationskomplex; —
v. vereinigten Eltern: 142, 209, 216,
251, 256, 261 — 263; (Mr. A.) 276;
(Mr. B.) 286; (Kenneth) 75; (Kurt)
115; — v. Verfolgung s. Paranoia,
Angst v. Aphanisis: 210, 215, 243; — .be-
obachtet zu werden (belauert zu wer-
den) s. Paranoide Angst; — v. eigener
Aggression: 137, 138, 167, 259; (Mr.
B.) 287; (Werner) 76; s. a. Konstitu-
tioneller Faktor: Fähigkeit, Sadismus
z. ertragen; — v. Exkrementen s. Ex-
kremente; — v. eigenen Exkrementen:
156, 175, 271; (Mr. A.) 269; (Mr. B.)
277; — v. inneren Triebgefahren:
137, 138.
Angst v. introjizierten Objekten: 124,
IJ4, i$6, IJ7, 208, 223, 237, 238, 263;
(Mr. A.) 267—269; (Mr. B.) 283—287;
(Egon) 80; (Franz) 124; (Rita) 18 bis
19; s. a. Exkremente, gef.; Leibes-
inhalt, böser; Über-Ich; Urin, gefähr-
— 504 —
lidier; — v. d väterl. Penis im eigenen
Penis: 286, 287.
Angst v. Liebesverlust: 40, 42, 188, 243;
— , ohne Heim zu bleiben: 192, 200;
— v. Tadel: 167; (Rita) 18; — v.
Verlassenwerden: 40, 42, 188; (Ilse)
98; (Ruth) 39—40; s. a. Abhängigkeit
v. Objekten; Fixierung, überm.
Angstsit. d. Mädchens: 40—42, 66, 95,
203, 204, 210, 218, 219, 235, 236, 248;
(Erna) 50, 66; (Rita) 42, 119; (Ruth)
40, 42; (Trude): 17, 33, 41; s . a.
Mutterleib, Angriffe auf; Angstbewäl-
tigung; Ödipuskonflikt.
Angst v. d. Penis s. Kastrationskomplex;
Penis, böser; — v. d. Tode d. Eltern:
267; — v. d. Tode d. Mutter: 40, 42,
188; (Mr. A.) 265; (Mr. B.) 283;
(Ruth) 40; Todesangst: (Ludwig) 93;
— v. d. Über-Ich s. Angst v. d.
introjizierten Objekt; — v. d. Un-
bewußten: 262, 285; — v. Urin s.
Urin, gefährlicher.
Angstobjekt: Angsttier, Bewunderung f.:
l6 7! — ) Identifizierung m.: 223, 259;
(Erna) 60, 224; (Franz) 124.
Anhäufen, zwanghaftes: 177—178, 218.
Anklagen gegen d. Mutter s. Mutter.
Apbanisis: 204, 210, 243.
Arbeitshemmung: 107, 183; (Mr. B.) 274,
286, 287; s. a. Sublimierungen, Hem-
mung v.; Wißtrieb, Störungen d.
Arztspiel s. Spiel.
Asoziale: 101, 293; s. a. Charakterbild,
abn.; Charakterschwierigkeiten; Ilse;
Kenneth; Sadismus; Verbrecher; Aso-
ziale; Über-Ich-Bildung d. — : 164.
Assoziation d. Sprache in d. K. Anal.:
19—20, 26, 4j, 81, 103; (Bill) 92;
(Egon) 80—81; (Erna) 46—63, 81;
(Ilse) 97; (Inge) 69, 82; (Kenneth) 74,
81; (Ludwig) 89, 92—94; (Peter) 34,
6$; (Werner) 7 6; — z. Spielstücken:
s. Spiel.
Aufgabe s. Schulaufgabe.
Aufklärung, sexuelle = Resultat, Analyse:
24, 6% Erleichterung d. — — : 69;
Widerstand gegen -.6% 107.
Aufopferungsfähigkeit: 245.
Aufsatz s. Schulaufsatz.
Auge(n), Gleichsetzung Penis m. — : 255;
s. a. Blendung, Blinzeln; —aufreißen
(Unart): 105; „Augensalat": (Erna) 48.
Ausgleich zw. Über-Ich u. Es: 230, 289;
Ich s. Zielsetzung;
u. Objekt: 163, 164, 189; s. a. Über-
Ich.
Aussaugen (vampyrhaft. Charakter): 138.
Ausschlag: (Ilse) 126.
Ausschneiden, Papier: 20, 45; (Egon) 79;
(Erna) 48, 66.
Außenwelt u. Mutterleib: 158, 253; s. a.
Realität.
Ausstoßung d. Über-Ich s. Über-Ich.
Auto, Symbol. Bedeutung d.; s. Symbol.
Bedeutung.
B
Mr. B. s. Patienten: Mr. B.
Ball, symbol. Bedeutung s. Symbol. Be-
deutung.
Bauen (Spiel): 45, 257; (Egon) 79 ; (Erna)
48; (Werner) 76; Bausteine, unbewußte
Bedeutung d.: 43, 75, 81, I77 .
Behandlungszimmer, Einrichtung d.: 27, 45,
64, 218.
Beißen s. Oralsadismus.
Bekleidungsstücke s. Kleidung.
Berührungsangst: 120, 121, 125, 289; s. a.
Onanieabgewöhnungskampf; Sexual-
betät., Angst v.
Berichte, phantasielose: 82, 91; (Ilse) 97,
98; (Inge) 69; (Ludwig) 92.
Berufshemmung s. Arbeitshemmung.
Bettnässen s. Enuresis.
Bewegungsspiele s. Sport.
Beziehungsideen: 157, 271; (Mr. B.) 274;
s. a. Paranoia.
Bill s. Patienten: Bill.
Blendung, Angst v.: 105.
Blinzeln (Unart): ioj.
Böse Exkremente s. Exkremente; — Mutter
s. Spaltung d. Mutter-Imago; — Penis
s. Penis; — Urin s. Urin.
Bravheit, überm.: 110, 190; (Rita) ij.
Brennen u. Nässen s. Nässen.
Brust s. Mutterbrust.
Buch, ubw. Bedeutung d.; s. Symb. Bed.
Buchstabe, ubw. Bedeutung d.: 194; s. a.
Lesen, Schreiben.
Bundesgenossenschafl d. sex. Beziehungen:
124, 128, 233, 270; (Franz) 124; (Gün-
ther) 124; s. a. Paranoia; Bundesg.
gegen Eltern: (Erna) 53.
Bündnis von Über-Ich u. Es s. Paktieren
mit d. Über-Ich.
Bureauspiel s. Spiel.
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
- 3o5 —
Charakterbildung: 161, 260; — , abnorme:
293; (Erna) 57, 58; (Günther) 122 bis
126; (Ilse) 96 — 100; (Kenneth) 73 — 75;
s. a. Asozial.
Charakterschwierigkeiten: 109, 113; s. a.
Aggression, überm.; Ambivalenz, über-
mäßige; Asoziale; Erziehungsschwie-
rigkeiten; Hohn; Mißtrauen; Trotz;
Einzelne Kinderpatienten.
Clitoris s. Klitoris.
Cunnilingus, ausgeübter: 126.
D
Darstellung d. elterl. Koitus s. Koitus; —
d. ödipuswünsche s. Ödipuskonflikt;
— smittel erweitern sich durch Deutung:
44, 70, 78; — , symbolische: 19, 26, 91;
s. a. Geständnis, symb.; Spielanalyse;
Symbol. Bedeutung; — , unmittelbare:
21, 22; s. a. Agieren.
Defäzieren s. a. Anale Funktion; Exkre-
mente; — u. Angst: 178; (John) 179;
— u. Sadismus: 144, 179; (Erna) 49,
54; (Peter) 31; (Trude) 17, 41.
Defloration: 219; s. a. Kohabitation, erste.
Denkhemmung s. Lernhemmung; Wiß-
trieb, Störung d.
Depression (Melancholie): 113, 165, 212,
218; (Mr. B.) 274, 283, 287; (Erna) 46,
54, $6, $8, 60, 61; (Ilse) 96; (Ludwig)
93; (Rita) 15, 119.
Destruktionstrieb s. Abdrängen d. Todes-
triebes; Aggression; Allmacht, de-
struktive; Sadismus; Wechselwirkung
zwischen Destruktionstrieb u. Libido.
Deutung(en), Aufnehmen d.: 20, 21, 24,
33; — , bewußte Verarbeitung d.: 23,
24; (Erna) 53, 57; (Peter) 33, 6y, — ,
Form d.: 39, 42, 43; — , rechtzeitige:
32, 36, 41, 68, 102; (Ilse) 96; (Ludwig)
89; (Trude) 32, 33; — , symbolische:
20, 26, 36, 91; — , tiefführende: 33, 36,
41, 68; — , Vorbedingung d. richtigen:
20, 82, 83, 102; — , Wirkung d.: 20,
24, 32. 33» 35. 37» 38. 84; (Egon) 78;
(Grete) 69; (Ilse) 96, 97; (Inge) 69;
(Ludwig) 89; (Peter) 29 — 31, 6j;
(Rita) 32; (Ruth) 38; — , Zusammen-
hang mit analyt. Situation: 20, 39;
— — — Angst u. Schuldgefühl: 20,
41, 82, 83, 102; s. a. Infantile Erleb-
nisse, Aufdecken v.
Diskretion d. Kinde gegenüber: 85.
Dissimulation: (Mr. B.) 275.
Dringlichkeit d. analyt. Materials: 3$, 36,
41, 102.
Dritt(er) in Ernas Phantasie: 47; — , ge-
schädigter: (Kurt) 117; — , Koitus,
phantasierter, zu: (Peter) 29, 32; — ,
Verhältnis zu: 117.
Durcharbeiten in Analyse: 34, 35.
E
Egon s. Patienten: Egon.
Eigentümlichkeiten d. Erwachsenen: 10$;
— d. Kindes: 104; s. a. Unarten.
Eifersucht auf Eltern s. Ödipuskonflikt;
— — Geschwister s. Geschwister; — ,
gesteigert d. Angst: 266, 272; — , ver-
ringert d. Anal. s. Geschwister, Ver-
hältnis zu, gebessert d. Analyse.
Einbrecher, Angst v.: (Erna) 46, 60, 224;
— i. Spiel: 47.
Einfühlung, psychol.: 260.
Eintönige Berichte s. Berichte.
Einverleibung s. Introjektion.
Ejakulation: 2J3; s. a. Pollution.
Ekel (Reaktionsbildung): 175.
Eltern s. Mutter; Vater; Ödipuskonflikt; Um-
gebung; Ambivalenz d. — z. Analyse
d. Kindes: 85 — 88; Mitarbeit d. — : 8$,
86; (Ruth) 37, 38; Verhältnis d. —
zum Kind s. Kind, Verhältnis z.; Ver-
hältnis d. — z. Kinderanalytiker:
84 — 89; Verhältnis z. — , gebessert d.
Analyse: 25; (Erna) 57, 63; (Ilse) 100;
(Inge) 71; (Kurt) 115; (Rita) 16;
(Ruth) 40; (Trude) 41; (Werner) 76;
s. a. Soziale Anpassung.
Empfindlichkeit, überm., g. Schmerz s.
Wehleidigkeit; — , überm., g. Tadel s.
Tadel.
Entbehrung als Strafe: 72.
Entwicklungshemmung: 254, 293.
Entwöhnung (orale Versagung), Reaktion
auf: 138 — 141, 159, 160, 249; (Mr. A.)
269; (Erna) 58, 65; (Inge) 72, 73;
(Ruth) 22, 138; s. a. Oralsadismus,
Wirkungen d.: 134, 135, 159, 160,
204 — 206, 216 — 217, 222; s. a. Sauge-
periode, Verlauf d.
Enuresis s. Nässen.
Erektion: 253.
Erkältungskrankheiten: 41, 109.
— 3o6 -
Erkrankung, körperliche, s. Körperliche
— d. Mutter, Trudes Reaktion auf:
4°, 41; Erkrankungsanlaß: 60, 196 bis
198, 269, 2 g 3) 291; (Mr. A.) 269;
(Mr. B.) 283; (Erna) 60; (Rita) 16;
(Ruth) 38.
Erna s. Patienten: Erna.
Erreichen d. Heterosexualität s. Hetero-
sexualität.
Erstickungsangst: 222, 277.
Erwachsene^), Eigentümlichkeiten d.: 105;
— , Stabilisierung d.: 190, 191; Unter-
schied zw. d. Neurose d. Kindes u. d.
— : 110, 112.
Erwachsenenalter, Übergang in: 62, 101,
103, 190, 191; (Bill) 92.
Erziehung s. a. Pädagogik; Eingriff in d.
— smaßnahmen d. Eltern s. d. Ana-
lytikers: 86; —smaßnahmen als Miß-
handlung aufgefaßt: (Erna) 51, 54; —
als Verführung aufgefaßt: (Erna) 58,
59; — sschwierigkeiten (Symptom): 109;
s. a. Asoziale; Einzelne Kinderpatien-
ten; Charakterschwierigkeiten; Kind,
schwieriges; Hohn; Mißtrauen; Trotz;
— , vermindert d. Analyse: 24, 105;
(Erna) 64; (Ilse) ^, 100; (Kenneth)
73; (Peter) 28; (Rita) 16; (Ruth) 40;
(Trude) 41; (Werner) 76.
Erzieherische Beeinflussung s. d. Analyti-
kers: n, 25, 65, 102, 125.
Es und Über-Ich-Bildung s. Über-Ich-Bil-
dung; Sadismus d. Es s. Sad.; Spaltung
im — : i 37 .
Essen s. Nahrungsaufnahme.
Eßschwierigkeiten: 104, 166; (Trinkfaul-
heit: 134.)
Eßwaren s. Symbol. Bed.
Exhibieren, schamloses: 73; — in Analyse:
30.
Exkremente, Allmacht d., s. Allmacht.
Exkremente, Angst v. eigenen: 156, 175,
271; (Mr. A.) 269; (Mr. B.) 277.
Exkremente, gefährliche, u. Abneigung ge-
gen Frau: (Mr. B.) 275; Angriffe
durch: 143, 155—157, i 7J , 1/9> 2I ^
239, 268, 271; (Mr. A.) 265; (Erna)
$6, 66; s. a. Analsadismus; Defä-
zieren; — — u. Kind im Leibes-
innern: 238; u. Menstruation:
235, 241; u. Penis: 253;
u. Sublimierung (Reaktionsbild.): 175,
2 39> 245, 246; u. Ungeziefer:
271; (Erna) 56; als Verfolger:
S$> 56, 155—157, 269, 271; — _
u. Worte: (Mr. A.) 269; (Mr. B.) 276;
s. a. Paranoia u. Analsadismus.
Exkremente, Gleichsetzung m. Kind: 236
bis 239; — , Gleichs. m. Penis: 31, 49,
S5> iJS. 161» 236—239, 253, 264, 276.
Fäces s. Exkremente.
Fähigkeit, Angst zu ertragen s. Konstitu-
tioneller Faktor.
Fellatio, ausgeführte: 209; (Mr. B.) 278;
(Franz) 122; (Günther) 122; (Ilse) 126;
(Peter) 34; — , Geständnis d.: roy;
ubw Bedeutung d. — : 214; — , Phan-
tasien, s. Orale Phantasien.
Fest{en), Verhalten zu: 108.
Finger spiel, Deutung d.: (Egon) 78; (Ilse)
9 6.
Fisch, ubw. Bedeutung: 49, 50, 66; Fisch-
phobie: 159.
Fixierungen), inzest. Objekt, verstärkt d.
Schuldgefühl: 127; — , libidinöse, verst.
d. Angst: 125; s. a. Angst, steig.
Libido; Wechselwirkung zw. Libido
u. Destr.; — , Auflösung v.: 29, 289,
290; — an Mutter, übm.: 40, 189; s.
a. Angst v. Verlassenwerden; präödi-
pale Mutterbindung; (Erna) 46, 56;
(Ilse) 99 ; (Peter) 27; (Rita) 15; (Ruth)
37, 40; (Trude) 17, 41; — , prägeni-
tale, verst. d. Angst: 179; (Erna) 56;
(Kurt) 116; — , sadist. d. Über- Ich
verstärkt: 179.
Fixierungsstelle d. Psychosen: 154, 165,
176; s. a. Paranoia; Schizophrenie.
Flatus als Angriffsmittel: 214 — 215, 271;
— und Gedanken: 215.
Flucht zum guten inneren Objekt: 154; —
in d. Realität s. Realität.
Fluktuieren d. Entwicklungsphasen: 160,
173-
Fragestellung, Art d., in Analyse: 81.
Franz s. Patienten: Franz.
Frau mit Penis (Sexualtheorie): 141— 142,
255, 256, 263; (Egon) 80; (Kenneth)
74— 75; (Kurt) 115; (Peter) 33—34;
— , Vergl. m. Kind: 246; s. a. Ich-
entw. weibl.
Fremden, Angst v.: 104; (Ruth) 37.
Frigidität: 121, 213, 227, 229, 231, 233;
s. a. Sexualentw., Stör. d.
— 3oy —
20*
Frühanalyse, Technik d.: 15 — 45; d.
Anwendung auf d. größere Kind: 25,
77 — 8t, 101 — 103; s. a. Deutung.
Frühe Angstsituationen s. Angstsituationen;
— — u. Über- Ich s. Ober- Ich.
Frühstadien, Ödipuskonflikt s. Ödipuskon-
flikt; — — d. Über-Ich-Bildung s.
Über- Ich-Bildung.
Fußballspiel: 91, 94.
Gebärakt: 240, 24$; — , Darstellung d. G.
in d. Analyse: 50.
Gedanke: 215, 28$; Allmacht d. — s. All-
macht.
Gefahrsituation s. Angstsituation.
Gegenstände, belebt: 104, ioy; — , Personen
darstellend: 108; Bausteine: 43, 74, 7$;
Bleistifte: 34, 74; Kissen: 17, 41;
Klammern: 74; s. a. Symbolische Be-
deutung verschiedener Gegenstände.
Gehemmtheit (Symptom): (Günther) 122;
(Kurt) 114; (Peter) 27.
Genese d. Zwanges s. Zwang.
Genitale Regungen mildern Sadismus: 161,
288; s. a. Ödipuskonflikt, spätere
Stadien.
Genitale Stufe, Erreichen d.: s. Hetero-
sexualität, Erreichen d.; Onaniephan-
tasien, Änderung d.; Spielphantasien,
Änderung d.
Genitalien, kindl. Bezeichnungen f.: 28;
— als Waffen, Tiere aufgefaßt s. Pe-
nis, böser; Tiere; Sexualtheorien: sa-
distischer Koitus; Vagina, gefährliche;
Waffen.
Gert s. Patienten: Gert.
Geschädigter Dritte, Situation d.: 117.
Geschenk, ubw. Bedeutung d.: 107, 108;
(Inge) 72.
Geschlechtsunterschied, Grübeleien über: 68,
6g, 84; Schwierigkeit, — zu erkennen:
265.
Geschwister(n), Angst vor kommenden:
(Erna) 52; (Ruth) 37 — 40; s. a. Schwan-
gerschaft, Reaktion auf; — , Verhältnis
zu: 108, 207, 217; (Mr. B.) 278, 279,
281 — 283; (Erna) 52, 53; (Franz) 122
bis 126; (Gert) 126, 127; (Günther) 122
bis 126; (Ilse) 98, 100, 126, 127; (Inge)
71—73; (Kurt) 114; (Ludwig) 92, 94;
(Peter) 28, 29, 34; (Rita) 16; (Ruth)
37, 38, 40; (Trude) 23, 41; s. a. Sex.
Beziehungen zw. — ; Verhältnis zu — :
bessert sich durch Analyse: (Franz)
126; (Gert) 127; (Günther) 126; (Ilse)
127; (Ludwig) 93; (Peter) 28; (Rita)
16; (Ruth) 40; (Trude) 41; s. 'a. So-
ziale Anpassung; Wunsch nach — :
(Erna) 52, $3.
Geschwisterreihe, Stellung in s. Kind, ein-
ziges, jüngstes, mittleres.
Geständnis, symbolisches, sexueller Hand-
lungen: 105; (Ilse) 96; (Ludwig) 94;
s. a. Onanie, Darstellung d.
Gift u. Exkremente s. Exkremente, ver-
gift.; — u. Urin s. Urin, vergift.
Gleichgültigkeit gegen Geschenke: 107; —
gegen Liebe: 100; — gegen Schmerz:
107.
Gleichsetzung v. eigenem Leib und Mutter-
leib: 241, 2J4, 2J7, 261; (Mr. A.)
268; (Mr. B.) 283; (Egon) 80; — v.
Ober-Ich u. Objekt s. Über-Ich-Bildung
u. Objektbeziehung.
Grete s. Patienten: Grete.
Größenphantasien: 182, 271; (Erna) 54;
(Kurt) 114; s. a. Allmacht; Magie.
Grübelsucht: (Mr. B.) 276; (Erna) 46, 67;
(Werner) 76; s. a. Geschlechtsunter-
schied, Grübeleien über; Zwangsneurose.
Günther s. Patienten: Günther.
H
Handarbeiten, ubw. Bedeutung: 45, 95,
193, 218.
„Hans, Kleiner" (Freuds Patient): 10,
168— 171.
Harn s. Urin.
Harpyen: 277.
Haß s. Aggression; Analsadism.; Angriffe;
Destruktionstrieb; Sadismus; Oraler
Sadismus; Urethral. Sadismus.
Haus s. Symbol. Bed.; —freund: 117;
— tiere: 232; s. a. Symbol. Bedeutung;
Tiere.
Heilung s. Analyse, Erfolg d.; Absolute
— : 29 1 ; — swunsch s. Krankheitseinsicht.
Helfende Gestalten: 158, 189, 216, 232,
240, 264, 291; s. a. Leibesinhalt, guter;
Spaltung d. Eltern-Imago; Penis, guter.
Hemmung, Arbeits— s. Arbeitshemmung;
Entwicklungs— s. Entwicklungshem-
mung; — , intellektuelle s. Wißtrieb(es),
Störungen d.; — , Sport — s. Sporthem-
mung; — v. Sublimierung.
- 3o8 -
Hergeben, Zwanghaftes: 177, 178.
Heterosexualität, (—eile Einstell.) Errei-
chen d.: 231, 233, 287, 288; (Erna) 57;
(Ilse) 99, 100; (Inge) 71; (Kurt) 115,
117; (Ludwig) 93; (Rita) 119; (Ruth)
40; s. a. Onaniephantasien, Änderung
d.; Spielphantasien, Änderung d.
Heterosexualität u. oralsaugende Fixie-
rung: 256, 264, 288; s. a. Ödipuskon-
flikt; — u. Sadismus s. Penis = Werk-
zeug d. Sad.; Sexualbetät. u. Sad;
Sexual theorie: sad. Koitus.
Hohn: 91, 106; (Peter) 29; (Werner) 76;
s. a. Aggression; Trotz.
Homosexualität (homosexuelle Einstellung),
männliche: 142, 159, 160, 170, 250,
259, 270—274; (Mr. A.) 265; (Mr. B.)
27$, 278; (Egon) 279; (Franz) 122 bis
126; (Günther) 122—126; (Kurt) 114
bis 115; (Peter) 32.
Homosexualität u. oralsaugende Fixie-
rung: 1J9, 160, 225, 250; (Mr. B.) 278,
280; — u. Paranoia: 170, 171, 270,
272; (Mr. A.) 265; (Mr. B.) 274, 275;
(Erna) 55, 56; — u. Sadismus: 170,
171, 223, 230, 272, 273; (Erna) 55,
56; (Franz) 122—126; (Günther) 122
bis 126.
Homosexualität (homos. Einst.), weib-
liche 223, 225, 229, 230, 258; (Erna)
55— 56; (Ilse) ^% (Inge) 72; s. a. Prä-
ödipale Mutterbindung; Fixierung,
überm., an Mutter.
Homosexuelle Betätigung: 270, 271; (Mr.
A.); (Mr. B.); (Bill); (Franz); (Gün-
ther); (Ludwig); (Peter); s. a. Sexuelle
Akte, gemeinsame.
Humor: 25, 148.
Hunde, Angst vor; s. Tierphobie.
Hypochondrie: 154; (Mr. A.) 265, 267, 269;
(Mr. B.) 274, 286, 287; — u. negative
Übertragung: 268; — u. Sadismus:
268.
Hysterie, Angst — s. Angst; Pavor nocturnus;
Phobie; Konversions — s. Anale Funk-
tion, Störungen d.; Körperliche Er-
krankungen; Nässen.
Ich d. Kindes im Latenzalter: 11, 70, 193
bis 197.
Ich, Penis = Repräsentant d. — s. Penis;
Rolle d. — i. d. Analyse: 11, 70, 83; s.
a. Deutung, bewußte Verarbeitung d.
— ; Krankheitseinsicht; Stärkung d.
— , bewirkt durch Analyse: 11, 24, 25,
84, 101, 289; s. a. Analyse, Erfolg d.;
Realitätsanpassung, bewirkt durch
Analyse; Soziale Anpassung, bewirkt
durch Analyse; Sublimierungsfähigkeit,
gefördert durch Analyse; Über-Ich,
Herabsetzung d. Strenge durch Ana-
lyse.
Ichentwicklung u. Allmachtsglaube: 202,
229, 230, 245, 262; s. a. Allmacht,
konstruktive; — u. Angst: 150, 188
bis 202; s. a. Angst als entwicklungs-
förderndes Moment; Vorauseilen d. —
s. Konstitutioneller Faktor; — , weib-
liche: 199 — 202, 242 — 248; — u.
Wiedergutmachungstendenzen: 188,
201, 229; s. a. Sublimierung.
Idealisierung d. Penis: (Mr. B.) 276, 282,
286; s. a. Penis = Repräsentant d.
Ich; Penisstolz, Verstärkung d.; —
d. Vater-Imago: 91, 198, 199.
Identifizierung s. Symbol. Bedeutung; — ,
Einklang d., untereinander: 244, 245,
247, 248; s. a. Konsolidierung d. Über-
ich; — m. Angstobjekt: 223, 259;
(Erna) 60, 224; (Franz) 124; — , pri-
märe: 146.
Ilse s. Patienten: Ilse.
Imaginäres Kind s. Kind.
Impotenz s. Potenzstörungen.
Infantile Erlebnisse, Aufdecken v.: 27; (Mr.
B.) 278; (Bill) 92; (Gert) 126; (Ilse)
126; (Ludwig) 92 — 94; (Peter) 28, 29;
(Trude) 17; s. a. Entwöhnung, Wir-
kung d.; Reinlichkeitsgewöhnung; Ur-
szene, Reaktion auf.
Inge s. Patienten: Inge.
Inkongruenz zw. Über-Ich u. Objekt: 147,
149, 161, 164, 189, 264; (Rita) 18; s.
a. Über-Ich-Bildung; Spaltung d. El-
tern- Imago.
Intellektuelle Hemmung s. Wißtrieb, Stö-
rungen d.
Intrapsychische Realität, Anerkennung d.:
162, 238, 239; — , Negierung d.: 155,
187; s. a. Skotomisation.
Introjektion s. a. Fellatio; Ödipuskonflikt;
Oralsadismus; — , gesteigert d. Angst
s. Angst (als dynamischer Faktor); —
u. Projektion, Wechselwirkung zw. s.
Wechselwirkung; — u. Sexualerleb-
— 3oq
nisse: 208, 209; — steigert Allmachtsg.
s. Allmachtsg.; Narzißmus: 216.
Introjektionsmechanismen b. Mädchen: 207,
208, 242, 243, 253.
Introjizierte Objekte; Angriffe gegen :
iji» 153» I5J; Aggression gegen
u. Masochismus: 124, 161, 212; Angst
v. s. Angst; Liebe zu : 154,
238, 246, 247; s. a. Exkremente, gute;
Gestalten, helfende; Leibesinhalt, gu-
ter; Penis, guter; Urin, guter; — —
als Träger d. Abwehr g. Destruktions-
trieb: 137; — Penis u. Über-Ich: 137,
147, 208, 238, 242, 243; s. a. Ober-
Ich-Bildung.
Introspektion: 277.
Inzestscheu u. Destruktionstrieb: 14 j; s. a.
Ödipuskonflikt.
Inzestuöse Fixierung: (Gert) 127; s. a. Fi-
xierung, übermäßige; Ödipuskonflikt;
Sexualbetätigung zw. Geschwistern.
J
John s. Patienten: John.
Jugendliche s. Pubertät.
K
Kampf m. Eltern s. Koitier. Eltern, An-
griffe g.; Sadismus; Urszene-Reaktion.
Kasten: 106, 218, 219.
Kastrationskomplex, männlicher: 94, 115,
194, 256, 261, 262, 272; s. a. Angst
v. Angr. d. Mutter; Blendung; Frau
m. Penis; Ödipuskonflikt; Onanie-
angst; Sadismus; (Mr. A.) 26$ — 270;
(Mr. B.) 274—287; (Bill) 92; (Egon)
77 — 80; (Franz) 122 — 126; (Günther)
122— 126; (Kenneth) 74, jy, (Kurt)
114 — 117; (Ludwig) 92 — 94; (Peter)
3° — 335 (Werner) 76.
Kastrationskomplex, weiblicher: 94, 95.
205 — 207, 221 — 228; s. a. Geschlechts-
unterschied, Grübeleien; (Erna) 47, 48,
207; (Inge) 71—73; (Rita) 18, 19, n 9 ;
(Trude) 33; — — u. Wiedergut-
machungstendenzen: 224 — 225; s. a.
Penisneid; Phallische Phase.
Katatonie: ijy.
Kaufmannspiel s. Spiel.
Kenneth s. Patienten: Kenneth.
Keuchhusten; 109.
Kind, Angst v.: 238 — 240; — , Einziges:
(Erna) 52; — , Gleichsetz. m. Ex-
krement: 236 — 239; — , Gleichsetz. m.
Penis: 237 — 240, 245; — , Jüngstes;
(Inge) 71; (Kurt) 114; — , Schwieriges:
101, 242; s. a. Erziehungssehwierig-
keiten; Neurose; — , Verhältnis zu:
16, 86, 88, 200, 236 — 243; — ', Ver-
hältnis zu imaginärem: 192, 200, 238
bis 240; (Erna) 49, ji, 57; (Rita) 119;
s. a. Puppenspiel.
Kinderanalytiker s. Analytiker.
Kinderneurose: 166, 172; s. a. Neurose;
Phobie; Zwangsneurose: (Franz) 122
bis 126; (John) 177—179; (Kurt) 114
bis 117; (Peter) 28 — 34; (Ruth) 37 bis
40; (Trude) 17, 41.
Kinderpflege als Mißhandlung aufgefaßt:
(Erna) 51, $4; — a. Verführung auf-
gefaßt: (Erna) j8, 61.
Kindertraum s. Traum.
Kindeswunsch d. Knaben: iij, 250, 2 $9;
s. a. Mutterleib, Angriffe auf; Weib-
lichkeitsphase d. Knaben.
Kino s. Theater.
Kissen, Kinder darstellend: 17, 41.
Klaustrophobie: 252.
Kleidung: 97, 98, 107, 193, 216, 277; s. a.
Umkleiden.
Klitoris: 221, 226 — 227, 234, 236; (Erna) 60.
Kly stiere: 248.
Knabenspiel, typisches, s. Spiel.
Koitus s. Sexualbetätigung; Begegnung m.
Penis d. Vaters im — s. Sexualtheorie;
Beobachtung d. — s. Urszene; — dar-
stellungen: 22, 68; (Mr. A.) 26 j bis
267; (Mr. B.) 283, 284; (Egon) 78—79;
(Erna) 47 — 50, $6, 60; (Ilse) 98; (Kurt)
114— 117; (Peter) 28—32, 34, 6$;
(Rita) 43; s. a. Urszene, Reaktion a.;
— , oraler, s. Sexualtheorie; — , phan-
tasierter zu Dritt: (Peter) 29, 32; — ,
sadistischer, s. Sexualtheorie.
Koitierende Eltern, Angriffe auf: 17, 18,
28, 29, 31, 47, 50, J3, $6, 60, 6$, 68,
98, 122, 124, 142 — 144, 181, 209, 214,
265, 270; s. a. Urszene, Reaktion auf;
Onaniephant., sad.
Kohabitation, erste: 220.
König{in): jo.
Konstipation: (John) 179.
Konstitutioneller Faktor: 232, 263; Anal-
sad. Anlage: 58; Fähigkeit, Angst zu
ertragen: 59, 13$, 224, 254, 279;
Fähigkeit, Sadismus z. ertragen: 2 $4,
279; Stärke d. genital. Regungen: 59,
— 3io —
2$4> überm. Sadismus: 59, 134; Ver-
stärkung d. oralsadistischen Zone: 58,
134; Vorauseilen d. Ichentwicklung:
*8> 59, 134; Vorzeitige Wirkung ge-
nital. Regungen: 59, 254.
Konzeption, Unfähigkeit zu: 240.
Kopf s. Symbol. Bedeut.
Körper, Angst v. Beschädigung d., s. Angst.
Körperliche Erkrankungen: 108, 109, 180;
(Ilse) 126; (Trude) 41.
Körperteile, ubw. Bedeut. d.; s. Symbol.
Bedeut.
Krankheitsausbruch s. Erkrankungsanlaß;
— dämon: 124, 22 j; — einsieht: 19, 22,
68; (Erna) 46, 81; (Ilse) roo; (Ken-
neth) 74, 81; (Werner) 77.
Kriminelle s. Verbrecher.
Kurt s. Patienten: Kurt.
Landkarte (Stadtplan), ubw. Bedeut. d.:
117, 179-
Latenzalter, Abhängigkeit v. Objekt.: 99
bis ioi, 194, 197; — , Ablösung v.
Objekt.: 117, 118, 198; Angstbewälti-
gung im — : 192 — 197; Früh. Kindes-
alter, Vergl. m. — : 2$, 68, 189, 193;
Ich im — : 11, 70, 193 — 197; Phan-
tasietätigkeit im — : 68, 70, 82, 91,
94, 193; Protrahiertes — : 91, 94, 101;
Pubertätsalter, Vergl. m. — : 62, 89,
91, 99, 100, 197 — 199; s. a. Pubertät,
Übergang in; Sexualbetätigung im — :
120, 121, 125, 128, 194, 195; s. a.
Erna; Franz; Günther; Kenneth; Spiel
im Latenzalter: 70, 71, 193; Technik
d. Analyse im — : 11, 26, 46 — 65, 68
bis 84, 95, 101; Obergang i. d. —
(Einsetzen d. — ): 99 — 101, 226;
(Peter) 28; (Rita) 16; (Ruth) 40; — ,
verfrühtes: 92; — , Zielsetzung d.:
190, 194—195, 197, 198; — , Zwangs-
neurose im: 172, 196.
Lebhaftigkeit, überm.: ioj, 106.
Leere, Angst v.: 179; — , Gefühl d.: (Mr.
B.) 284, 285.
Lehrer{in), Haß gegen: 91; — spiel: (Erna)
22, 47; (Inge) 71—73.
Leibesinhalt, böser: 209, 217 — 219, 238,
262, 264, 268, 269, 284; — , guter:
217 — 219J 238 — 239, 288; — s. a. Ex-
kremente; Introjizierte Objekte; Urin;
— , Gleichsetz. m. Unbewußtem s. Un-
bewußte; — ', Gleichsetzung m. Mutter-
leib s. Gleichsetzung.
„Leistung" (Pubertät): 199; — , ubw. Be-
deut. d.: 193; — s. a. Schaffen.
Lernen: 193 — 195; s. a. Schule, Wißtrieb;
— , Lesen: 67; (Erna) 67; (Ilse) 97;
s. a. Symbol. Bed.: Buch; — , Rechnen
(Zählen, Messen): 67, 177, 178, 185;
(Erna) 67; (Ilse) 97; (John) 177—178;
— ', Schreiben: 67, 194; (Erna) 67;
(Inge) 71, 82; s. a. Symbol. Bed.: Blei-
stift, Feder; — , Zeichnen: 45, 193,
218; (Egon) 82; (Grete) 6&, 84; (Ilse)
97; (Werner) 76; s. a. Malen; — ,
Schwierigkeiten ( — Hemmung): 21,
67, 87, 99, 106, 107, 195, 197; (Erna)
46, 61, 67; (Ilse) 97—99; (Inge)
71 — 73, 82; (Kenneth) 73; (Werner)
76; Behebung d. — — : (Ilse) 99;
(Inge) 71; (Werner) 76.
Libidinöse Fixierung, verstärkt d. Angst
s. Angst.
Libido, verst. d. Schuldgefühl: 125; s. a.
Fixierung; Wechselwirkung v. — u.
Destruktionstrieb: 160, 290.
Liebesbedingungen, spezifische: 117 — 118,
201, 211 — 213, 228 — 231, 233.
Liebesfähigkeit: 288; s. a. Eltern, besseres
Verhältn. z.; Geschwist., Verhältn. z.;
Heterosexualität; — , Zweifel an, s.
Zweifel.
Liebesverlust, Angst v., s. Angst.
Ludwig s. Patienten: Ludwig.
Lügen: 54, 77.
Lust, Spiel — s. Spiel; — gewinn d. Agieren:
22.
Lutschen: (Erna) 47, $7, 60, 65; (Ruth)
39, 41; Trude 17, 41; s. a. Oral-
saugend.
Lutscher: (Mr. B.) 278.
M
Männlichkeitswünsche s. Kastrationskom-
plex, weibl.; Penisneid.
Magie, böse: 155, 223, 224; s. a. Allmacht,
destr.; Allmacht d. Exkremente; — ,
gute; s. Allmacht, konstr.; Penis,
bösen, i. guten verwandeln; Wieder-
gutmachungstendenzen; — d. Exkre-
mente s. Allmacht d. Exkremente; —
u. Onanie: 180, 181, 2J3; s. a. Onanie-
phantasien.
Malen: 229; s. a. Zeichnen.
- 3n -
Masochismus, erogener: 137; — .femininer:
124, 212, 213, 228, 231, 233; — , pri-
märer: 136; Masochistische Fixierung:
123, 231, 233; — , Phantasien: 49, 60.
Masturbation s. Onanie.
Material, analyt. Dringlichkeit d.: 3$, 36,
41, 102; s. a. Deutung, rechtzeitige;
— , Sicherheit im Erfassen d.: 41; s. a.
Deutung, Vorbeding, d. richtigen.
Medizin, Entwicklung d.: 124, 225.
Melancholie s. Depression.
Menstruation: 94, 234 — 236, 241.
Messen (Zählen, Rechnen): 67, 97, 177,
178, i8j.
Milch und Urin: 222, 241; — u. Samen:
260; s. a. Oral; Stillen.
Milderung d. Sadismus s. Genitale Regun-
gen; — d. Strenge d. Über-Ich d. Ana-
lyse s. Über-Ich; s. a. Stärkung d. Ich
d. Analyse.
Milieu s. Umgebung; — änderung, Mög-
lichkeit d.: 88; —änderung, Wirkung
d.: 196.
Mißtrauen gegen Mutter: 218 — 219; s. a.
Mutter, Anklagen g.; Ödipuskonflikt;
Paranoia; — im Latenzalter: 68; — ,
Zeichen negativer Übertragung: 26, 35.
Mitarbeit d. Eltern: 85, 86; (Ruth) 38, 39.
Mitleid (Reaktionsbildung): 163, 175.
Monotone Berichte s. Berichte.
Mund(erotik) s. Oral; Offenhalten d. —
(Unart): 105.
Muskelsadismus: 137, 139.
Mutter, Anklagen g.: 184, 205, 217, 226,
249; s. a. Neid; Ödipuskonflikt; Ent-
wöhnung; Wirkung d. — ; Besserung
d. Beziehung z. — d. Analyse: (Erna)
57» 63» (Use) 99, 100; (Inge) 71;
(Kurt) 115; (Rita) 16; (Ruth) 40;
(Trude) 41; — , Herabwürdigung d.:
(Mr. A.) 26j; — = Kastratorin s.
Angst v. Angr. d. M.; Frau m. Penis;
Kastrationskomplex; — , Mißtrauen
gegen: 218, 219; s. a. Ödipuskon-
flikt; Paranoia; — = Rivalin (Mäd-
chen): s. Ödipuskonflikt; (Knabe):
Weiblichkeitsphase d. Knaben; überm.
Fixierung an — s. Fixierung; — ver-
leibt sich väterl. Penis ein s. Sexual-
theorien.
Mutterbindung, präödipale: 248.
Mutterbrust, Abneigung g.: (Mr. B.) 27 j,
277; — , Abwendung v. d.: 263; s. a.
Entwöhnung, Wirkung d.; — , Angriffe
g.: 138—140, 217, 241, 263; (Mr. Ä.)
268; s. a. Oralsadismus; Entwöhnung,
Wirkung d.; — , Gleichsetz. Penis: 6j,
J 47» IJ9» l6l > 206, 248, 2jo, 2'6o, 265,
277, 278; (Inge) 72; s. a. Entwöhnung,
Wirkung d.; oralsad. Phantasien.
Mutter-lmago, Spaltung d.; s. Spaltung.
Mutterleib, phantasierte Angriffe a. d.: 42,
6j— 67, 138— 141, 177—179, 204, 215
bis 217, 235, 236, 241, 248, 250, 252,
253, 258, 263—265; (Mr. A.) 265;
(Mr. B.) 281; (Egon) 79 ; (Erna) 47,
6j, 67; (Ilse) 98; (Kurt) 116; (Rita)
18; (Ruth) 37, 39, 40; (Trude) 17;
s. a. Angstsituation d. Mädchens; Ödi-
puskonflikt, Frühstadien d.; Schwan-
gerschaft, Reaktion auf; Weiblichkeits-
phase d. Kn.; Phantas. Angriffe auf
— u. Oralsadismus: 65 — 66, 138, 141,
204, 217, 250; Phantas. Angriffe auf
— u. Wißtrieb: 67, 141, 158, 183, 187.
„Mutterspiel" s. Spiel.
Mütterliche Einstellung: 192, 200, 236 bis
242; (Erna) 57; (Rita) 119; s. a. Kind,
Verhältnis z.; Mutterspiele.
N
Nachphallische Phase: 226, 227, 249.
„Nacht" -Spielen: 16, 17.
Nägel (Fingernägel) als Waffen: 140, 209,
210.
Nähen s. Handarbeiten.
Nahrungsaufnahme u. Angstbewältigung:
216, 217; s. a. Eßschwierigkeiten;
Symbol. Bed. d. Nahrungsmittel.
Narzißmus u. Angstbewältigung: 200, 201,
21$; — , gesteigert d. Introjektion:
216; — , männlicher: 219; s. a. All-
macht d. Penis; Penisstolz; — , weib-
licher: 200, 215, 219.
Narzißtische Neurosen s. Paranoia; Psy-
chosen; Schizophrenie, Schizoid.
Nase: 47, 48; — nbohren: $4, 105.
Nässen: 139, 144, 222, 257, 2j8; (Kenneth)
74; (Trude) 17, 41; — i. Analyse-
stunde: 30; — u. Brennen: 44, 45, 139,
268; s. a. Urethralsadismus.
Negative Übertragung s. Übertragung.
Negieren d. Angstaffektes: 155; — d.
intrapsychischen Realität s. Intraps.
Real.
— 3l3 —
Nehmen, zwanghaftes: 177, 180, 217 bis
218; s. a. Mutterleib, Angriffe auf;
Sadismus.
Neid s. a. Entwöhnung, Reaktion auf; Ödi-
puskonflikt; Oralsadismus; — u. früher
Ödipuskonflikt: 6$, 66, 141, 204, 206,
216, 222, 249; (Erna) 49, 50, 56, 65, 66;
(Ruth) 39; — auf Geschwister: (Ilse)
9$; (Trude) 23; s. a. Geschwister; —
auf Penisbesitz s. Penisneid.
Neurose s. Bill, Gert; s. a. Kinderneurose;
Zwangsneurose; Einfluß d. — d. Kin-
des auf Umgebung: 24, 87, 88, 242;
(Rita) 16; Einfluß d. Umgebung auf
— d. K.: 87, 196, 197; — , Häufigkeit
d.: 104 — 113, 16$, 166; — u. Psychose
(Abgrenzung): 112, i$i — ij2, 166 bis
172; s. a. Paranoia u. Zwangsneurose;
— , symptomlose: 110.
Neurosenprophylaxe: 128, 291 — 293; s. a.
Normales Kind, Analyse d.
Neurotische{s) Erkrankung, Möglichkeit d.
Wiederauftretens d.: 87, 291; (Erna)
6t.
Nichtwissens): Wirkung d.: 178, 219; (Ilse)
98; (Inge) 71, 72; (Mr. B.) 279; s. a.
Wißtrieb.
Normales Kind, Analyse d.: 112, 113;
(Inge) 71; (Ludwig) 93; — u. neuroti-
sches K. (Abgrenzung): 104 — 113, 195;
Schwierigkeiten d. : 71, 93, ioj,
113.
O
Objekt(e), Abhängigkeit v.; s. Latenzalter;
Ablösung v. — s. Ablösung; Gutes
— schützt g. böses — s. Angstberuhi-
gung-
Objektbeziehung, bessere, erzielt d. Ana-
lyse s. Eltern, Verhältnis z.; Ge-
schwister, Verhältnis z.; Heterosexua-
lität, Erreichen d.; soziale Anpassung;
■ — , gute: 112; s. a. Liebesfähigkeit;
— mildert frühe Angstsituationen s.
Angstbewältigung; — verst. d. Angst
s. Angst steigert Libido; Fixierung,
übermäßige; Libido, verstärkt d.
Schuldgefühl; Wechselwirkung zw. Li-
bido u. Destruktionstrieb; — u. Uber-
Ich-Bildung s. Über-Ich-Bildung.
Obszöne Worte: (Kenneth) 73.
Onanie s. a. Sexuelle Betätigung; — abge-
wöhnungskampf: 68, 120, 121, 125, '194
bis 196; (Mr. B.) 287; — i. Analysen-
stunde: (Erna) 60, 63; Angst (Schuld-
gefühl) wegen — : 120, 227, 234; (Ilse)
$6; (Kenneth) 74; s. a. Onanieabge-
wöhnungskampf; Onaniephantasien;
Sexuelle Betätigung, Angst w. — ; Aus-
forschung wegen — seitens d. Eltern:
77, 87; Darstellung d. — : (Bill) 92;
(Egon) 78; (Ilse) 96; (Kenneth) 74;
(Ludwig) 91, 94; (Peter) 29, 34; Deu-
tung d. — : 97; Drohung w. — : (Egon)
yy; (Kenneth) 94; gemeinsame — s.
Sexuelle Akte; Klitoris — : 221, 234;
(Erna) 60, 61; — u. Magie: 181, 253;
— = normale Erscheinung: 121; — d.
Säuglings: 120; ungehemmte — : 121;
vaginale — : 219; (Erna) 60; s. a.
Vagina; zwanghafte — s. Zwangs-
ohanie.
Onaniephantasien, Abfuhr d., im Spiel:
21, 116 — 119, 194, 195; Änderung d.
— durch Analyse: 119, 127; (Gert)
127; Bedeutung d. — f. Sublimierung:
21, 119, 195; — d. Mädchens: 209,
210, 219, 221, 223; sadistische — :
120, 144, 181, 209, 210, 214, 219, 221;
(Mr. A.) 266; (Mr. B.) 270, 283;
(Erna) 60; (Franz) 124; (Günther)
123; (Ludwig) 94; Verdrängung, über-
mäßige, d. — : 21, 121, 195.
Oraler Koitus s. Sexualtheorie; — Neid s.
Neid.
Orale Stufe: 133 — 13$, 138, 143, 159 — 161,
204, 216, 248 — 249; s. a. Angst v. d.
Gefressenwerden; Entwöhnung, Wir-
kung d.; Ödipuskonflikt, Frühstadien
d. — ; Saugeperiode, Verlauf d.; Psy-
chose, Fixierungspunkte d.
Orale Phantasien: 206, 216; (Mr. A.) 268,
269; (Mr. B.) 277, 278; (Erna) 48 bis
66; (Günther) 122; (Inge) 71 — 73; s. a.
Fellatio; Sexualtheorien.
Oralsadismus u. Angriffe a. Mutterleib:
65, 66, 138, 141, 204, 217, 2jo; —
u. Heterosexualität s. Heteros.; — u.
Homosexualität s. Homos.; — u. Ich-
entwicklung: 135; (Erna) 59; überm.
— s. Konstitutioneller Faktor; — u.
Wißtrieb: 67, 141, 183; (Erna) 67;
(Inge) 71, 72; Oralsadismus s. a.
Entwöhnung, Reaktion auf; Ödipus-
konflikt, Frühstadien d.; Sadismus,
Höchstblüte d.
- 3i3 -
Oralsaugend u. oralsadist. (Abgrenzung):
133—135. 13?.
Oralsaugende Fixierung, Bedeutung f. He-
terosexualität: 2$6, 264, 288; — —
Bedeut. f. Homosexualität: 159, 160,
225, 250; (Mr. B.) 278, 280; Be-
deut. f. Über-Ich-Bildung: 161, 208,
216.
Oral u. urethral: 139, 205 — 207, 222; s. a.
Milch u. Urin; — u. vaginal s. Vagina.
Organisch s. Körperlich.
Orgasmus, alimentärer: 138; Fehlen d. —
s. Frigidität; Potenzstörung; Sexual-
entwicklung, Störung d. — .
Ödipuskomplex, prägenitale Vorgeschichte
d.: 144; — , Untergang d.: 146, 148.
Ödipuskonflikt s. a. Eltern, Verhältnis z.;
Geschwister, Verhältnis z.; Inzest;
Spaltung der Eltern-Imago; (Mr. A.)
265—269, 276; (Mr. B.) 274 — 284;
(Egon) 78—80; (Erna) 46—67; (Franz)
122 — 126; (Günther) 122 — 126; (Ilse)
97—100; (Inge) 71—73; (John) 174 bis
179; (Kenneth) 73 — 75; (Kurt) 114 bis
117; (Peter) 28 — 29, 30 — 34; (Rita) 15
bis 16, 119; (Ruth) 27—39; (Trude)
16 — 17, 23, 40 — 41; Abklingen d. — :
120; s. a. Untergang d. Ödipuskom-
plexes; Aggression leitet — ein: 17,
14$; Frühstadien d. — : 16 — 19, 65 bis
67, 133—146, 159—175, 204—209,
216, 248 — 251; Orale Versagung leit.
— ein: 65, 66, 133— 135, 138—145,
ij9 — 161, 204 — 208, 216, 218, 248 bis
251; Präödipale Phase: 248 — 249; Spä-
tere Stadien d. — : 144, 231 — 234, 256
bis 258.
Pädagogik: 129; s. a. Erziehungsmaß-
nahmen; Pädagogisch s. Erzieherisch.
Paktieren m. d. Uber-Ich: 124, iji, 162.
Papier, Ausschneiden v.; s. Ausschneiden;
ubw. Bedeut. v. — s. Symbol; Ver-
brennen v. — : 4j, 179.
Paranoia (paranoid) s. a. Beziehungsideen;
Verfolger; Psychose; Vergiftungsideen;
Vielzahl d. Penis; — u. Analsadismus
(Urethralsadismus) : 55, 56, 155 — 157,
176, 177, 214, 248, 269, 271; (Mr. B.)
276; s. a. Exkremente, gefährliche; —
u. Angriffe gegen d. Mutterleib: $6,
156, IJ7, 248, 269; Fixierungspunkte
d " — : I5 fT IJ7 ' I7<5 ' r77: ~ u " *? e "
terosexualität : 224, 233, 271; — u.
Homosexualität: 55, 56, 170, 171,
270, 272; (Mr. A.) 265; (Mr. B.)
274, 27$; (Erna) 55, 56; — u.~ Oral-
sadismus: 56, 141, 169, 170, 268;
— u. Phobie: 166, 169, 171; — u.
Sprechhemmung: 80, 81; — u. Zwangs-
neurose: ii2, 170 — 171, 176, 177;
(Mr. A.) 26$ — 269; (Erna) 46 — 67.
Paranoide Angst (Mechanismen, Züge) s. a.
Beziehungsideen; Psychose; Vergif-
tungsideen; 112, 166, 170, 233, 271;
(Mr. A.) 265, 268; (Mr. B.) 274, 286,
287; (Egon) 80, 81; (Erna) 53, 54, 56,
62, 67.
Partialeinverleibung: 147; s. a. Intro-
jektion; Introj. Objekte; Über-Ich-
Bildung, Frühstadien d.; — liebe: 60,
207; s. a. Frühstadien d. ödipus-
konfl.; Mutterbrust, Gleichsetzung
Penis.
Passiv{e), Einstellung d. Mädchens (Unter-
werfung Vater g.): 206, 208, 221, 226,
244, 246, 247; — homosexuelle Ein-
stellung s. Homosexuelle Einstellung.
Patienten :
Mr. A., 3j J. (Homosexualität, schwere
Zwangsneurose, paranoide und hypo-
chondrische Züge, Potenzstörung): 265
bis 269, 276.
Mr. B., Mitte 30 (Homosexualität,
schwere Arbeitshemmung, Depression,
Zweifelsucht, paranoide und hypo-
chondrische Ideen): 274 — 287.
Bill, 15 J. (Neurotische Schwierigkeiten):
92-
Egon, 9 J. (Beginnende Schizophrenie):
77—81, 83, 91, 112, 165, 171.
Erna, 6 J. (Zwangsneurose, stark para-
noide Züge): 8, 22, 46 — 67, 81, u2,
134, 165, 171, 173, 185, 207.
Franz, 5 J. (Schwere Kinderneurose,
deutlich psychotische Züge): 122 bis
126, 271.
Gert, 14 J. (Neurotische Schwierigkeiten):
126, 127.
Grete, 7 J. (Schizoid): 68, 83, 84, 91.
Günther, 6 J. (Abnorme Charakterent-
wicklung, psychotische Züge): 122 bis
126, 277.
Ilse, 12 J. (Schizoid): 62, 95 — 101, 126,
127, 16$, i8j.
— 3x4 —
Inge, 7 J. (Normal): (,% 71, 81, 82, 83, 113.
John, $ J. (Schwere Kinderneurose):
176—178.
Kenneth, 9 J. (Abnorme Charakterent-
wicklung, schwere Hemmung u. Angst) :
73— 7h 81, 101, 185.
Kurt, 5 J. (Kinderneurose, deutlich psy-
chotische Züge): 114 — 117.
Ludwig, 14 J. (Normal): 89, 93, 94, 113.
Peter, 3% J. (Schwere Kinderneurose):
*7~ 33. 35> 65.
Rita, 2*/4 J. (Zwangsneurose): 15, 16, 18,
32, 42, 43, 103, 118, 119, 184.
Ruth, 4V4 J. (Schwere Kinderneurose):
22, 37—40, 42, 86, 103, 134.
Trude, 3 3 /4 J. (Kinderneurose, Schmieren,
Nässen): 16 — 18, 32, 33, 40 — 42, 86, 103.
Werner, 9 J. (Zwangsneurose, Charakter-
schwierigkeiten) : 76 — 77.
Pavor nocturnus u. Angstanfall: 40, 42;
(Erna) 46, 60; (Rita) 1$; (Ruth) 40;
(Trude) 17, 41; — u. Ödipuskonflikt:
16, 17, 144; — u. Schlafstörung: 104.
Penis, Allmacht d.; s. Allmacht; — , An-
betung (Idealisierung) d.: (Mr. B.)
276, 282, 286; — , bösen in guten ver-
wandeln: 22j, 2j8; (Mr. B.) 278, 282,
283; — , böser u. guter; Bedeutung f.
Über-Ich-Bildung u.Sexualentwicklung :
207 — 209, 2ii, 213, 217, 223 — 226,
23O, 231, 238—241, 247, 2J2— 254,
258, 259, 261, 264, 268 — 271, 276,
280, 288; — , Gleichsetzung m. Auge:
25 j; — — m. Exkrement s. Exkre-
ment; m. Kind: 237 — 240, 245;
— — m. Ohr: 255; m. Mutter-
brust s. Mutterbrust; Haß g. — s.
Kastrationskomplex; Intrauterine Be-
gegnung m. d. — d. Vaters s. Sexual-
theorie; Introjizierter — s. Introji-
zierte Objekte; — s Repräsentant d.
Ich: 215, 262, 270; — d. Vaters im
eig. Leib s. Introjizierte Objekte; —
d. Vaters i. d. Mutter s. Sexualtheo-
rien: Frau m. d. Penis; — als Ver-
folger s. Verfolger; — , Vielzahl d.;
s. Sexualtheorien; — = Werkzeug d.
Sadismus: 139, i$6, 253, 2J4, 280.
Penismangel, Angst d. Mannes w. — d.
Frau: 275; — neid: 221, 227; s. a. Ka-
strationskomplex; — , sekundärer: 227;
— stolz, Sekundäre Verstärkung d.:
259, 261, 262.
Personifizierungen) s. Symbol. Bedeut.;
Gegenstände, Personen darstellend; —
d. Sadismus: 137, 138.
Peter s. Patienten: Peter.
Pfeifen (Unart): 10 j.
Phalliscbe Phase b. Knaben s. Ödipuskon-
flikt, spätere Stadien; Heterosexual.;
— — b. Mädchen: 226 — 228; s. a.
Kastrationskomplex; Nachphallische
Phase: 226, 227, 249.
Phallische Symbole s. Symbol. Bedeutung.
Phantasien, Abenteuer — : 76, 90; — b. De-
fäzieren: (Erna) 54; s. a. Defäzieren;
— , Größen- s. Größenphantasien; —
b. Lutschen: 54; (Erna) 54; s. a. Lut-
schen; — , Nasenbohren; (Erna) J4; s.
a. Nasenbohren; — , Onanie- s. Onanie-
phantasien; — , Spiel- s. Spielphanta-
sien; Veränderung d. ubw. — d. Ana-
lyse: 62, 116 — 120, 127.
Phantasie-tätigkeit, Anregen d.: 83, 84,
im Latenzalter: 68, 70, 82, 91, 94,
193; i. d. Pubertät: 89 — 91, 94,
195; — verdrängung(hemmung): 21,
91, in, 191, 19$; s. a. Berichte, mono-
tone; (Egon) 77 — 81; (Grete) 68, 83,
84; (Ilse) 9J — 101.
Phantastische Imagines s. Spaltung d. Eltern-
Imago; Angst v. — — s. Angst; —
Objekt, Schutz g., s. Realität, Flucht in.
Phobie{n): 104, 171; Einbrecher — : (Erna)
46, 60, 224; Fisch — : 159; Hunde — :
(Peter) 3o;Klaustro — : 252; Maus (Angst
v.): 18,271; Pferde— („Kleiner Hans"):
i68;Ratten (Angst v.): 271; — d. Säug-
lings: 171; Telephon — : 10 j; Tier — :
105,167 — 171; Wolfs — („Wolfsmann"):
168, 170; s. a. Angst; Formen.
Phylogenetischer Faktor bei Bildung d.
Über-Ich: 147, 148; s. a. Konstitutio-
neller Faktor.
Ping-Pong-Spiel : 93, 94.
Pollutionen, nächtliche: 287.
Positive Übertragung s. Übertragung.
Potenz, Grundlage f. spätere: 118; — =
Repräsentanz d. Aktivität: 262; — ,
Störungen d.: 113, 117, 121, 139, 2ji,
261, 265, 286; (Mr. A.) 265; — , Vor-
aussetzungen d.: 288.
Prognose: 62, 112 — 118, 197, 198, 291, 292;
s. a. Analyse, beendigte, Maßstab f.
Projektion s. a. Abdrängen d. Todestriebes;
Über-Ich, Ausstoßung d. — ; Paranoia;
3i5 -
— , Antriebe f.: 151, 153, 156, 157,
167, 186, 187, 209, 238, 239, 252; s. a.
Angst v. introjiziertem Objekt; Flucht
i. d. Realität; — , Hemmung d.: 154;
— b. d. Frau: 244; — , Mechanismus
d.: 151, 153, 155—157, 186, 187; — ,
Wechselwirkung zw. Introjektion u.
— : 153, 158.
Prophylaxe s. Neurosenprophylaxe.
Pseudologie: 54.
Psychoanalyse s. Analyse i. Latenzalter;
A. i. d. Pubertät; Frühanalyse.
Psychoanalytiker s. Analytiker.
Psychologische Begabung d. Frau: 244; —
Einfühlung s. d. Mannes: 260.
Psychische Realität s. Intraps. Realität.
Psychose s. a. Beziehungsideen; Depression;
Größenideen; Paranoia; Schizophrenie;
— , Ausbruch d.: 198; — u. frühe
Angstsituationen: 152, 154 — 157, 165,
176, 251; — u. Neurose (Abgrenzung):
112, 151, 152, 166 — 172; s. a. Par-
anoia u. Zwangsneurose.
P sychotischeiri) Kinder, Analyse v.: 67,
293; — Züge: 67, 112, 165, 166, 172,
293; s. a. (Egon); (Erna); (Franz);
(Günther); (Ilse); (Kurt).
Pubertät, Ablösung i. d.: 190, 198, 289;
(Gert) 127; — , männliche: 89 — 94,
190, 198, 199; Frühzeit, Vergleich m.:
90, 102, 103, 195; Latenzzeit, Ver-
gleich m.: 62, 89 — 91, <)<), ioo, 197 bis
199; Phantasietätigkeit i. d. — : 89 bis
91, 94, 195; Psychotische Erkrankun-
gen i. d. — : 198; Spaltung d. Vater-
Imago i. d. — : 91, 199; Technik
d. Analyse i. d. — : 89 — 103; Über-
gang in — : 62, 101, 113; (Egon) 81;
(Ilse) 100, 101; (Inge) 71; (Werner)
76; weibl. — : 94 — 101, 199, 234 — 236;
Zielsetzung i. d. — : 190, 198, 199,
289; Zwangsneurose i. — : 198.
Puppe, ubw. Bedeutung d.; s. Symb. Be-
deutung; — nspiel s. Spiel.
R
Radfahren: 90 — 92.
Rauchen: 223, 266, 267.
Reaktionsbildungen: 175, 196, 239, 245;
u. Angst: 175; — , Fehlen von: 123;
s. a. Asoziale.
Realität, Bedeutung realer Erlebnisse: 231
bis 234, 256; s. a. Entwöhnung, Wir-
kung d.; Kind, einziges, jüngstes;
Onanie, Bedrohung wegen; Reinlich-
keitsgewöhnung; Saugeperiode, Ver-
lauf d.; Schwangerschaft, Reaktion auf;
Sexualbeziehungen, Wirkungen" d.; Ur-
szene, Reaktion auf; Verführung, Wir-
kung d.; Vergewaltigung, Wirkung d.;
Einbeziehung der — i. Analyse: 53;
i. Spiel: 70, 118; i. Phan-
tasie: 57; Flucht in d. — : 112, 125,
188, 220, 221; — , intrapsychische s.
Intrapsych. — ; Überbetonung d; — :
70, 176, 194, 270; s. a. Realitäts-
anpassung, überm.
Realitätsabsperrung (Ablehnung) s. a. Psy-
chose; Realitätsanpassung, Störungen
d.; Wißtrieb, Störung, d.: 23, 154, 155,
166; (Egon) 77; (Erna) 53, 54; (Gün-
ther) 122; (Kurt) 114.
Realitätsanpassung, bewirkt d. Analyse:
24, 63; s. a. Soziale Anpassung; Er-
ziehungschwierig., Verminderung d.;
— , gelungene: 23, 24, 63, 112; — ,
scheinbare: 23, 54, 108; — sstörungen:
108, 11 1; — , übermäßige: 70, 110,
111; s. a. Realität, Überbetonung d.
Realitätsbeziehung, Entw. d.: 24, 157, 158,
189; — im Latenzalter: 70, 193, 194,
197, 198.
Realitätsprüfung s. Realität, Flucht in d.
Rechnen (Messen, Zählen): 67, 177, 178, 185;
(Erna) 67; (Ilse) 97; (John) 177, 178.
Regression s. a. Fixierung, prägenitale;
Fluktuieren d. Entwicklungsphasen; —
bei d. Phobie: 169; — b. Über-Ich-Bil-
dung: 146; — b. d. Zwangsneurose:
173-
„Reine Frau": 261.
Reinlichkeitsgewöhnung, Wirkung d.: 174,
175; (Erna) 22, 49, 58; (Kenneth) 73.
Reise: 45, 93, 119, 192.
Riese: 117.
Rita s. Patienten: Rita.
Rollenspiel: 45, 71.
Ruth s. Patienten: Ruth.
Sadismus (Partialtrieb): 212, 214; (Erna)
51; (Günther) 122 — 126; s. a. Aggres-
sion, überm.; Angriffe gegen Schwä-
chere; Analsadismus; Entwöhnung,
Reaktion auf; Muskelsadismus; Oral-
sadismus; Urethralsadismus; Urszene,
- 3i6 -
Reaktion auf; Angst vor eigenem — :
137, 138, 167, 259; (Mr. B.) 287;
(Werner) 76; s. a. Konstitutioneller
Faktor: Unfähigkeit, Sadismus zu er-
tragen; — u. früher Ödipuskonflikt:
17, 6j— 67, 133—135, 138—146, 204
bis 210, 2jo — 254; s. a. Aggression
leitet Ödipuskonflikt ein; — u. Früh-
stadien d. Über-Ich-Bildung: 17, 145
bis ij8, 161, 162; gemild. d. gen. Reg.
s. Genit. R.; — , Höchstblüte d.: 140,
141, 143, 144, IJ7. 2IJ. 2J°> Mi; s- a.
Allmacht, sadistische; Ödipuskonflikt,
Frühstadien d.; — , Qualitätsänderun-
gen d.: 143; Penis = Werkzeug d. — ;
s. Penis und Schuldgefühl s. Schuld-
gefühl; — , Sublimierung d.: 25; — ,
verstärkt durch Angst, s. Angst.
Sadistische Angriffe gegen koitierende El-
tern s. Koitierende Eltern; — — auf
Mutterbrust s. Mutterbrust; auf
Mutterleib s. Mutterleib; — Onanie-
phantasien s. Onaniephantasien; —
Phantasien (bestimmte), niemals be-
wußt gewesen: 161; — Sexualpartner:
123, 129, 2ii, 212, 234; Fixierung an
— — s. Masochismus.
Saugeperiode, Verlauf d.: 134, 263; (Mr.
B.) 277, 278; (Erna) $8, 65, 134;
(Ruth) 22, 38, 39, 134; s. a. Ent-
wöhnung.
Säugling, Phobien d.: 171; — , „Unschul-
diger": 241; (Erna) 22, 51; — onanie:
120.
Schizophrenie s. Schizophrenie.
Selbstbeschädigung: 18, 107, 166.
Selbstmordgedanken (Absichten): 107, 165,
166; (Erna) 60; (Ludwig) 93.
Sexualbetätigung, Angst v.: 210, 211, 213,
220, 231, 240, 2j6, 257; s. a. Berüh-
rungsangst; Frigidität; Potenzstörung;
— u. Angstbewältigung: 122 — 129,
200, 210, 211, 223, 228, 229, 256 bis
2 $8, 270, 290; Antriebe zu — : 120 bis
129, 208 — 212, 228, 229, 253 — 257,
272, 290; Einfluß d. Analyse auf — :
121, 126, 127, 289, 290; s. a. Hetero-
sexualität, Erreichen d.; Onaniephan-
tasien, Änderung d.; — im Latenz -
alter: 120, 121, 125, 128, 194, 195;
— , Schuldgef. w. s. Schuldg.; — u. Sa-
dismus: 120, 128, 129, 210 — 212, 214,
228, 234, 240, 252 — 25J, 257, 270 bis
273; (Mr. B.) 278, 279, 281; (Franz)
122 — 124; (Günther): 122 — 124; (Lud-
wig): 92, 94; s. a. Onaniephant. sad.;
— u. Wiedergutmachungstendenzen:
228, 258, 259, 288; (Mr. B.) 281, 282;
— , Wiß trieb, Antrieb z.: 25$, 273;
— , zwanghafte: 120, 121, 124, 127,
213, 268, 289; s. a. Zwangsonanie.
Sexualbeziehungen zw. Geschwistern: (Mr.
B.) 278 — 279; (Franz) 122 — 126;
(Gert) 126 — 127; (Günther) 122 — 126;
(Ilse) 96, 100, 126 — 127; (Ludwig) 92
bis 94; (Peter) 29, 34; — zw. Kindern:
53, 128, 220, 232, 270; (Bill) 92; — ,
Bundesgenossenschaft d. — : 53, 124,
128, 233, 270; (Franz) 124; (Günther)
124; — , Realisierung sadist. Onanie-
phantasien: 123, 128, 270; — , Vor-
beugung — — : 128; — , Wirkung
: 128, 129, 232 — 234, 270.
Sexualentwicklung, männliche: 115 — 118,
249 — 288; s. a. Ödipuskonflikt, Se-
xualbetätigung; — — weibliche: 118
bis 119, 203 — 248; s. a. Liebesbedin-
gungen, spez.; Ödipuskonflikt; — — ,
Störungen d.: 113, 117, 121 — 127, 142,
211 — 214, 240, 262 — 265; (Mr. A.)
265 — 269; (Mr. B.) 275 — 287; (Erna)
46 — 67; (Franz) 122 — 126; (Gert) 126,
127; (Günther) 122 — 126; (Ilse) 126,
127; (Kenneth) 73 — 75; s. a. Berüh-
rungsangst; Frigidität; Homosexuali-
tät; Potenzstörung; Sexuelle Frühreife;
Sexuelle Hemmungslosigkeit; Zwangs-
onanie.
Sexualtheorien, Eltern stets im Koitus: 251;
(Mr. A.) 265, 268; s. a. Angst v. ver-
einigten Eltern.
Exkremente als Waffen s. Anal-sadist.
Phantasien; Exkremente, gefährliche.
Frau m. d. Penis: 141, 142, 255, 256,
263; (Kenneth) 74, 75; (Kurt) 115;
(Peter) 33, 34; — voll Penissen: 255,
263, 275; (Mr. A.) 276; (Mr. B.) 275
bis 276; (Egon) 80.
Intrauterine Begegnung m. väterlichem
Penis: 142.
Mutter verleibt sich väterlichen Penis ein:
65, 141, 142, 204, 206, 237, 250; (Mr.
A.) 268; (Erna) 65; (Kenneth) 75;
(Peter) 33.
Oraler Koitus: 141, 204, 237, 249; s. a.
Mutter verleibt s. vät. P.
- 3x 7 -
Penis im Mutterleib: 39, 65, 66, 141,
204, 217, 218, 241, 250, 251, 253—255,
257—259; (Mr. A.) 268, 271; — , ge-
fährlicher, s. Penis; — in Vagina der
Frau: 75, 141, 255; — verwandelt sich
in Kind: 237.
Sadistischer Koitus: 142, 209, 210, 214,
234. 235, 255; (Mr. A.) 265—268;
(Mr. B.) 283; s. a. Onaniephantasien,
sad.; Penis, böser; Vagina, gefährliche.
Vagina, gefährliche, s. Vagina.
Vielzahl von Penissen: 141, 156, 250;
(Egon) 80.
Sexualtheorien: 24, 45, 69, 72, 141 — 143,
209; — u. Sadismus: 141 — 143, 209;
— u. Schuldgefühl: 142, 143, 209.
Sexuelle Aufklärung s. Aufklärung; —
Fragen, Wirkung d. Beschäftigung m.
— n Fragen in d. Analyse: 62, 63; —
Frühreife: (Erna) 46—63; — Hem-
mungslosigkeit: (Ilse) 96, 126; (Ken-
neth) 73; s. a. Sexualbetätigung,
zwanghafte; Sex. Beziehungen zw. Kin-
dern; — Interesse: 69; s. a. Wider-
stand g. Aufklärung; Wißtrieb.
Skotomisation: 155, 162, 187.
Skybalon s. Exkremente.
Soziale Anpassung bewirkt (geförd.) d.
Analyse: 25, 101; (Erna) 61; (Ilse)
99; (Kenneth) 73; (Ludwig) 92; (Ruth)
40; (Werner) 76; s. a. Eltern, Verhält-
nis z. E., gebessert d. Analyse; Ge-
schwister, Verh. z. G., gebessert d. A.;
, Störungen d.: 217; (Erna) 61;
(Ilse) 96; (Kenneth) 73; s. a. Asozial;
Erziehungsschwierigkeiten.
Spaltung d. Eltern- Imago: 35, 144, 232,
264; (Mr. B.) 279, 287; — d. Mutter-
Imago: 40, 163, 189, 216, 217, 232,
233. 245, 248; (Mr. A.) 264; (Ruth)
37; — d. Vater-Imago: 91, 199.
Sphinktermoral: 174.
Spiel, ausschließliches: 91, 118, 119; — ,
stereotypes: (Egon) 77, 78; — .zwangs-
neurotisches: 106, 118, 119; — , Brücke
zwischen Phantasie u. Realität: 191;
— im Latenzalter: 70, 193; — , Typi-
sche Spiele: 45, 70, 78, 116, 192;
, [Arztspiel: 45, 82; , Auto —
(Wagen—): 28—31,33,46,76—78, 90,
114 — 116, 257, 258; , Büro — : 45,
71, 81, 82; — — , Verkauf—: 49,
55, 71, 72; — — , Knaben — : 192;
, Lehrer(in)— : 22, 47, 71—73;
, Mutter—: 45, 192; s. a. Kind,
Verhältnis z.; „Nacht"— i 16, 17;
, Puppen—: 18—20, 118, 192,
200; — — , Reise — : 45, 119, 192;
— — , Rollen—: 45, 71; — — ,
Wasser — e: 20, 22, 34, 44, 45, 48, 50,
52, 81]; Spiel u. Angstbewältigung: 186
bis 188, 193; — u. Onaniephantasien:
21, 116 — 119, 194, 195; — u. reaktive
Tendenzen: 70, 118, 187; — u. Traum:
19, 20, 29, 114, 187; — , Umwandlung
v. Angst in Lust im Spiel: 192—193;
— , Wechsel d.: 20, 45, 73, 116.
Spielanalyse: 15 — 83, 114 — 120.
Spieldeutung: 20, 29, 91, 114.
Spielhandlung, Vieldeutigkeit d.: 20.
Spielhemmung: 21, 44, 106, in, 113;
(Egon) 79; (Peter) 28, 32; (Rita) 16,
118; (Werner) 76; — u. Phantasiever-
drängung: 21.
Spielinhalt, latenter: 29, 114.
Spielphantasien, Änderung d.: 116— 118,
127.
Spielstücke, Assoziationen zu: 20, 29.
Spieltiere: 18, 45, 115, 119, 232.
Spielzeug, Behelf des Kinderanalytikers:
27, 43; Zerstören v. — s. Aggression,
überm.
Sport: 89 — 94; — hemmung: 105, 113, 197.
Sprache, Assoziation d. d. — i. Kind. Anal.:
19, 20, 26, 45, 81, 103; (Bill) 92;
(Egon) 80 — 81; (Erna) 46 — 63, 81;
(Ilse) 97; (Inge) 69, 82; (Kenneth)
74, 81; (Ludwig) 89, 92—94; (Peter)
34, 65; (Werner) 76; — d. kleinen
Kindes: 25; Haß gegen Andersspra-
chige: 184.
Sprechen, wenn Angst vermindert: 26;
(Egon) 80; (Kenneth) 75; Sprachfähig-
keit, Kind im Alter vor: 72, 184;
Sprechhemmung: 78, 80, 81.
Stabilisierung d. Erwachsenen: 190, 191.
Stadt, ubw. Bedeutung d., s. Symb. Be-
deutung.
Stereotype(s) Bewegung: 106; — Spiel s.
Spiel.
Stillen: 241, 245.
Stimme: 268.
Störungen d. Potenz s. Potenzstörungen.
Straftraum: (Trude) 23.
Straße(n), ubw. Bedeutung d., s. Symb. Be-
deutung; — angst: 105.
— 3*8
Stuhldrang s. Defäzieren.
Sublimierung u. Angstbewältigung: 188 bis
201, 229, 239, 253, 285; — , männ-
liche: 192, 194, 199, 253; — , Prozeß
d.: 163; — , sadist. Regungen: 25;
— , weibliche: 200, 217, 229, 238, 239,
244 — 247; — , weibl., b. Mann: 280;
— u. Wiedergutmachungstendenzen :
117, 163, 164, 188, 192— 19$, 217, 229,
257, 284, 285.
Sublimierungsfähigkeit, gefördert d. Ana-
lyse: 84, 93, 113, 114, 117, 121, 289;
s. a. Lernschwierigkeiten, Behebung d.:
Störungen d. — : 113; s. a. Arbeits-
hemmung; Entwicklungshemmung;
Lernhemmung; Spielhemmung.
Sucht: 267.
Symbole s. Symbolische Bedeutung.
Symbolik im Spiel: 20; s. a. Spielanalyse.
Symbolische Bedeutung (Identifizierung,
Personifizierung): 157; Aufgabe: 193,
194; Ball: 80; Fußball: 91—94; Baum:
68, 84, 218; Bausteine: 43, 75, 81, 177;
Bekleidungsstücke s. Kleidung; Blei-
stift: 34, 72, 74, j 77j 286; s. a. Lernen:
Schreiben; Bleihülse: 286; Blumen: 33,
218; Börse: 37—38; Briefmarke: 91;
Buch: 33, 67, 218, 284; s. a. Lernen:
Lesen; Buchstabe (Zahlen): 193, 194,
218; Dampfmaschine: 92; Dorf: 115,
257; Einrichtungsgegenstände: <)(,; Eß-
waren s. Nahrungsmittel; Fahrzeuge:
[Auto: 33, 90, 114, 258, 283—284;
Fahrrad: 90 — 92; Lokomotive: 33, 47
bis 48; Untergrundbahn: 43; Wagen:
28—31, 46, 76—78, 90, 114, 115, 116,
2J7; Zug: 90, 114, 116;] Feder: 72;
Garage: iij; Garten: 116; Gedanken:
2ij, 285; Geige: 47; Geld: 49, 239;
Geschenk: 107, 108; Glas: 37, 38;
Handarbeit: 193, 218; Haus: 47, 48,
65, 68, 84, 193, 218, 261, 2J7, 261,
265, 277; Haustor: 117; Heft: 193;
Hintereingang: 117; Kasten: 106, 218,
219; Kissen: 17, 33, 41; Kleidung: 97
bis 98, 107—108, 118, 193, 277; [Hut:
33; Rockfalten: 96; Strümpfe: 277];
Kohle: 116; Körperteile: [Arme: 276;
Augen: 2J5; s. a. Augenauf reißen;
Blendung; Blinzeln; Finger: 161, 276;
Füße: 66, 117, 142, 161, 276; Gesäß:
161; Hände: 276; Kopf: 47—48, 60,
66, 142, 276, 279; Mund: ioj, Nase:
47, 48; s. a. Nasenbohren; Ohr: 255;
Zähne: 94;] Kugeln: 37—38; Land-
karte (Stadtplan): 117, 179; „Langes
Goldenes": 48, 6$; Laterne: 47, 48, 65;
Löffel: 124; Markt: 116; Nahrungs-
mittel: 72, 166; [Himbeersaft: 22;
Schlagsahne: 50, 57;] Papierschlange:
277; Papierschnitzel, -stücke: 48, 49,
81, 177, 218; s. a. Ausschneiden; Pul-
ver: 49; Puppe: 18—20, 118, 192, 193,
200, 218; Rauchen: 267; Schachtel: 43,
J 77> 179. 218; Schmutzige Wäsche: 48;
Schrank: 80; Schwamm: 39; Spieltiere:
18, 45, iij, 119, 232; Spielzeug: 32,
72 — 73; Spule: 186, 187; Stadt: 11$,
2ji, 257, 261, 283, 284; — Rom: 140;
Steine: 81; Straße: 265, 283 — 284;
Streichholz: 177; Anzünden d. — : 267;
Streichholzschachtel: 98; Theater: $0;
Tiere: 168 — 170; s. a. Spieltiere; [Tiere,
gefährliche: 137, 138, 147, 148,
169, 170, 189, 253, 277; Haustiere:
232; Fische: 49, 50, 66, 159; Hund:
30, 32; Mäuse: 18, 271; Pferd: 28, 31,
168; Ratten: 271; Reh: 31; Schwein:
167; Ungeziefer: jj, 271; Vögel: 6^;]
Wagenladung: 116; Wasserhahn: 22;
Wohnung: 192, 193, 239; Worte: 6%
268; s. a. Sprechen; Zauberstab: 49,
253; Zimmerecke: 80.
Symbol. Darstellung s. Darstellung; —
Deutung: 20, 26, 36, 91.
Symptome, Neuauflage früherer: 25; — ,
neurotische: 104 — 114, 196, 197; s. a.
Neurose.
Synthese zwangsneurotischer Züge: 172,
196.
Seh
Schachspiel: 292.
Schaffen: 199, 246, 285 — 286; s. a. Lei-
stung; Sublimierung.
Schamlosigkeit, sexuelle: 73, 101; s. a. Se-
xuelle Betätigung.
Scheu, Anzeichen negativer Übertragung:
32.
Schizoid: (Ilse) 95; (Grete) 69.
Schizophrenie: 154, 155; (Egon) 77.
Schlaf (en), Abschied v. d.: (Ruth) 41;
— losigkeit: (Erna) 46, 58, 61; —
Störung: 104; —zeremoniell: (Rita)
18, 173.
Schlauheit: 214, 244.
— 3lQ —
Schlimmheit: (Rita) 15; s. a. Aggression,
überm.; Ambivalenz, überm.; Erzie-
hungsschwierigkeit; Lebhaftigkeit, über-
mäßige.
Schmerz, Gleichgültigkeit gegen: 107; — ,
Überempfindlichkeit g., s. Wehleidig-
keit.
Schmieren s. Anale Funktion, Störungen d.
Schmücken, sich: 200; s. a. Kleidung; Nar-
zißmus.
Schneidern s. Handarbeiten.
Schonung d. Objektes: 163, 207.
Schreiben s. Lernen.
Schul(e), Abneigung g. (Inge) 71; s. a.
Lehrer, Haß g.; Lernschwierigkeiten;
— aufgaben: 95, 193, 194; — aufsatz:
(Ilse) 97, 98; — berichte: 9j; (Inge) 69;
— heft, ubw. Bedeutung: 193; — spiel
s. Spiel.
Schuldgefühl u. Aggression: 17, 14J, 174,
180, 181, 248; — u. Angst (Abgren-
zung): 164; — , bewußtes, Fehlen d.:
101, 122, 126, 164; — (Angst) w. se-
xueller Handlungen: 120, 121, 128,
233, 234, 270; (Mr. B.) 281, 282; (Bill)
92; (Franz) 126; (Gert) 126; (Günther)
126; (Ilse) 96, 101, 126; (Ludwig) 92,
94; (Peter) 29, 34; — u. Wiedergut-
machungstendenzen: 164; — u. Wiß-
trieb: 184.
Schüchternheit: 109.
Schwangerschaft: 237 — 240; — , Angst v.:
240; Reaktion auf — d. Mutter: (Rita)
18; (Ruth) 38; (Trade) 17; s. a. Ge-
schwistern, Angst vor kommenden;
Mutterleib, Angriffe auf.
Tadel, Überempfindlichkeit: 167; (Rita) 18;
s. a. Angst vor Liebes Verlust; Latenz-
zeit, Abhängigkeit v. Objekten.
Technik d. Frühanalyse s. Frühanalyse;
— d. Analyse im Latenzalter s. Latenz-
alter; — d. Pubertät s. Pubertät; s. a.
Deutung; Infantile Erlebnisse, Auf-
decken v.; Material, analyt.
Telephon, Phobie v.: 10 j.
Theater: (Kino, Schaustellung) 45, 50; — ,
Abneigung gegen: 111; (Ilse) 95; (Lud-
wig) 93» — > Einstellung zu: 108.
Tic: 106, 121.
Tierphobien: 105, 167 — 171, 265; Fisch — :
153; Hunde — : 30; Angst v. Mäusen:
18, 271; Pferde—: 168; Angst v.
Ratten: 271; Wolfs — : 168 — 170; s. a.
Symb. Bedeut.: Tiere.
Todestrieb s. Aggression; Destruktionstrieb;
— , Abdrängen d.: 137, 138, 187, 212;
s. a. Projektion.
Todeswünsche ubw. g. Eltern s. Ödipuskon-
flikt; — — g. Geschwister s. Ge-
schwister, Verhältnis z., s. a. Sadismus.
Toilette, Morgen-, als Wiederherstellung:
200; s. a. Kleidung; Narzißmus.
Traum: (Kenneth) 74; (Peter) 34; (Trade)
23; — u. Spiel: 19, 20, 29, 114, 187;
— zustand: (Erna) 54.
Tagtraum s. Phantasie.
Trennung, übm., d. realen u. phantastischen
Objekte: 287; s. a. Spaltung d. Eltern-
Imago.
Triebabwehr s. Abwehr.
Triebregungen, Einfluß d. — auf Über-Ich-
Bildung s. Über-Ich-Bildung.
Trinkfaulheit b. Säuglingen: 134.
Trotz: 106; (Ilse) 98, 101; (Werner) 77;
— , affektloser: (Egon) 77; — iger
Widerstand: 26, 89.
Trude s. Patienten: Trude.
U
Umgebung: 231, 232; s. a. Eltern; Milieu-
veränderung; Objekte; Realität; — ,
Neurose d.; (Wirkung d. N. d. U.
auf d. Kind): 86—88; (Rita) 16; Wir-
kung d. Neurose d. Kindes a. — : 16,
24, 87, 88, 242; — , Verhalten z. Ana-
lyse d. Kindes: 84—88; — , Wirkung
d. Kinderanalyse auf: 16, 24, 87, 88.
Umkleiden, zwanghaftes: (Rita) 118.
Umsetzung v. Angst i. Lust beim Spiel:
192, 193.
Unarten: 25, 104, 105; s. a. Erziehungs-
schwierigkeiten.
Unbefriedigte Libido u. Angst: 136.
Unbewußte Bedeutung s. Symbol. Bedeut.
Unbewußte(n), Angst v.: 262, 28$; Kom-
munikation zw. Bewußtem u. Unbe-
wußtem: 20; — , d. Leibesinhalt gleich-
gesetzt: 215, 262, 270.
Unersättlichkeit: 107, 112.
Unerziehbarkeit: 108; s. a. Charakterbil-
dung, abnorme; Asoziale; Erziehungs-
schwierigkeiten.
Urethral und oral s. Oral.
Urethralerotik: 221, 223, 227.
— 3ao —
Urethralsadismus: 4$, 48, 49, 139, 144, 155,
X J7> *79> 205—207, 214, 21J, 222,
223, 257, 258, 268; s. a. Allmacht d.
Blasenfunktion; Nässen u. Brennen;
Überschwemmen.
Urin, gefährlicher (verbrennender, vergif-
tender): 139, ijy, 156, 179, 214, 222,
22J, 246, 2J3, 258, 268; — u. Milch:
222, 241; — ström als "Waffe: 254; s.
a. Überschwemmen.
Ur Sadismus: 212.
Ur szene s. Aufdecken d. — : 22, 68; (Peter)
28, 29, 32, 34; — , Reaktion auf: 59,
60, 141 — 144; (Mr. A.) 266, 267;
(Erna) 49, jo, 59; (Peter) 31, 34— 6y,
(Rita) 16, 43; s. a. Angriffe a. koitier.
Eltern; Koitusdarstellungen; Ödipus-
konflikt; Onaniephantasien; Sexual-
theorien.
U tv er drängung: 137.
Ü
Über-Icb d. Asozialen: 100, 101, 164; — ,
Ausstoßung d.: iji, 162, 164, 167; s.
a. Projektion; — , Auswirkungen d.
(Unterschied zw. Angst u. Schuldgef.):
164.
Über-Ich u. frühe Angstsituationen: ijo
bis 172, 204—209, 243, 244; — , Kon-
solidierung d.: 150, 191—196, 247;
Herabsetzung d. Strenge d. — d. Ana-
lyse: n, 25, 99, 101, 124, 126, 261,
289, 290; s. a. Ich, Stärkung d. Analyse.
Über-Ich, Paktieren m. d. 124, 151, 162;
— = Väterlicher Penis: 137, 147, 208,
238, 242 — 243; — verstärkt Sadismus
d. Es: ji, 153, 162, 179, 212; (Erna)
$1; (Franz) 124; s. a. Angst, Aggres-
sion gest. d. A.;— , „Vorstufen" d.: 149.
Über-Ich, "Wirksamkeit d. — im Traum:
23-
Uber-Ich-Bildung, Bedeutung d. oralsau-
genden Fixierung f.: 161, 208, 216; — ,
Beginn d.: 19, 133^ 146 — 154, 161 bis
164; — , Einfluß d. Triebregungen auf:
148, 149, 161, 163, 208, 290; — u.
Objektbeziehung: 146 — 149, 153, 158,
161—164, 167, 174, 189—197, 231,
242 — 247; — , weibl.: 242 — 247; s. a.
Penis, böser und guter, Bedeutung f. — .
Übermäßige Aggression s. Aggression; —
Ambivalenz s. Ambivalenz; — Leb-
haftigkeit s. Lebhaftigkeit.
Überschwemmen, urethr.-sadist.: 139, 222,
258; s. a. Nässen; Urethralsadismus;
Urinstrom.
Übertragung, negative, Auflösung d.: 26,
32, 35» 36. 68, 89; (Ilse) 9 6, 97;
(Inge) 6 9 ; (Ludwig) 89; (Rita) 32;
(Ruth) 37—40; (Trude) 33; s. a.
"Widerstand; — — u. Hypochondrie:
268.
Übertragung, Herstellung d. positiven: 3$,
37; s. a. Übertragung, Auflösung d.
negativen.
Übertragungsfähigkeit u. Angstbereitschaft:
35-
Übertragungssituation s. a. Analytische Si-
tuation: 11, 20, 25, 29, 64, 6j; (Mr.
A.) 26J— 267; (Mr. B.) 283—285;
(Erna) 52, 59; (Franz) 124; (Ilse) 96;
(Kenneth) 74; (Ludwig) 89; (Peter)
3°» 31. 65; (Ruth) 37—40; (Trude)
17, 41.
V
Vagina u. Anus: 219; — , gefährl.: 116,
142, 147, 213, 214, 219, 220, 230; s. a.
Sexualtheorie: Sad. Koitus; — u.
Mund: 206, 219, 221, 226; — , Kennt-
nis d.: 219, 220, 227; — , Penis d.
Vaters in d., s. Sexualtheorien; — ,
Psychische Repräsentanz d.: 220; — ,
Wirksamkeit d.: 206; — le Onanie:
219; (Erna) 60.
Vater s. Eltern; Ödipuskonflikt; Umge-
bung; — d. Urhorde: 147, 159.
Vater-Imago, gütige: 161; — , Idealisierung
d.: 91, 198, 199; — , Spaltung d. V. in
d. Pubertät s. Pubertät.
Verantwortungsgefühl, eigenes: 101.
Verbrecher: 123, 154, 164; s. a. Asoziale;
Sadismus (Partialtrieb).
Verbrennen u. Nässen s. Nässen; — von
Papier: 45, 179.
Verdrängung, Mechanismus d.: iji, 162.
Vereinigte Eltern, Angst v., s. Angst.
Verfolger, Exkrem. als; s. a. Exkremente,
böse; Paranoia u. Analsadismus: 55,
5 6 > IJ5— 157. * 6 9> 2 7i; (Mr. B.) 276;
(Erna) jj.
Verfolger, Penis d. Vaters als: 55, 80, i$6,
269; s. a. Penis, böser.
Verfolgungsideen s. Paranoia.
Verführung, Wirkung d., s. ä. Sexuell.
Beziehung., "Wirkungen d.; (Mr. B.)
278; (Kenneth) 73; (Ludwig) 92, 94;
Klein, Psychoanalyse des Kindes.
— 3a 1 —
(Wolfsmann) 169, 170; — , Wunsch
nach: (Erna) $8, 61.
Vergewaltigung: 129, 219; (Franz) 123;
(Ludwig) 92 — 94; s. a. Sadistischer
Partner.
Vergiftende Exkremente s. Exkremente;
— Urin s. Urin.
Vergiftungsangst (-ideen, -wahn): 103, 166;
(Mr. A.) 269; Mr. B.) 274; s. a.
Paranoia.
Vergleich m. Vater: (Egon) 78; (Kurt)
114; (Peter) 28, 31; s. a. Kastrationsk.;
Ödipuskonflikt.
Vergleichen v. Gegenständen: (Ilse) 96.
Verhältnis zu d. Eltern s. Eltern; Ödipus-
konflikt; d. Geschwistern s. Ge-
schwister; Kind s. Kind;
Realität s. Realitätsbeziehung.
V erinnerlichte Objekte s. Introj. Objekte.
Versagung zu ertragen, unfähig: 23, 108,
111; (Peter) 27; (Rita) 16.
Versagung =s Entbehrung: 72; — s=
Strafe: 72, 108.
Verschiebung aufs Kleinste (Zwangsneurose) :
183; — v. Mutter auf Penis d. Vaters:
207, 264; — von Penis d. Vaters auf
Mutterleib: 142, 264; (Mr. A.) 268,
269; (Mr. B.) 276, 277.
Verschlossenheit im Latenzalter: 68.
Verurteilung an Stelle von Verdrängung:
25; s. a. Ichentwicklung, geförd. d.
Analyse.
Vielzahl von Penissen s. Sexualtheorien;
— v. Verfolgern: 156 — 157; (Mr. B.)
276; (Egon) 80; s. a. Angst v. ver-
einigten Eltern; Exkremente, gefährl.;
Paranoia; Sexualtheorien: Vielzahl
von Penissen.
Vollkommener Penis s. Idealisierung d.
Penis.
W
Waffen, Genitalien als, aufgefaßt: 142,
147; — , als Schieß—: 2J3; s. a. Penis,
böser; Sexualtheorien, sad. Koitus;
Vagina, gef.
Wagen s. Symbol. Bedeutung.
Wasserspiele: 20, 44, 45, 81; (Erna) 48,
jo, 52; (Peter) 34; (Ruth) 22.
Wechsel d. Liebesobjektes: 213, 260; s. a.
Liebesbedingungen, spez.; — d. Spieles
s. Spiel.
Wechselwirkung zw. Destruktionstrieb u.
Libido: 160, 290; — — Introjektion
u. Projektion: 153, iy8; -"■* *— Ob-
jektbeziehung u. Über-Ich-Bildung s.
Über- Ich-Bildung.
Wehleidigkeit, überm.: 18, 107; (Peter) 27;
(Rita) 16.
Weibliche Ichentwicklung s. Ichentwicklung;
— Pubertät s. Pubertät; — Sublimie-
rung s. Sublimierung.
Weiblichkeitsphase d. Mannes: 115, 250,
259 — 264; s. a. Homosexualität.
Werk, ubw. Bedeutung d. 199; s. a. Lei-
stung; Schaffen.
Werner s. Patienten: Werner.
Widerstand gegen Aufklärung: 69, 107;
— g. Deutung: 21, 33; s. a. Über-
tragung, negative.
Wiedergeburt, phantasierte: 108.
Wiedergutmachen, Angst nicht wiedergutm.
zu können: 178, 179, 182, 183, 218,
219, 291.
Wiedergutmachungstendenzen, Mechanismus
d.: 163, 164, 182, 175, 225, 229, 257.
Wiedergutmachung, Mutter, Objekt d. — :
115, 257; — u. Sexualbetätigung: 228,
2j8, 2J9, 281, 282; — , Weibl. Art d.:
228, 229, 239, 245.
Wiedergutmachung u. Sublimierung: 117,
163, 164, 187, 188, 192—195,229,257,
284, 285; — u. Zwangshandlung: 181
bis 183.
Wiederherstellung d. eigenen Körpers: 200,
2j7, 261; s. a. Angstbewältigung.
Wiederholungszwang: 21, 22, 125, 183,211.
Wißbegierde, Antrieb z. Sexualbetätigung:
255. V3-
Wißtrieb u. Angstberuhigung: 158, 175,
176, 187, 255; (Mr. A.) 266; — , An-
regen d.: 83, 84; — , Entwicklung d.:
67, 71, 72, 141, 158, 183—185, 188,
2 J5> 2 59> 2 ^o; — > Objekt d., =
Mutterleib: 67, 158, 183, 187; — u.
Sadismus: 67, 141, 158, 183, 187;
(Erna) 66; (Inge) 73; — u. Schuld-
gefühl: 184; — , Störungen d.: 107,
108, in, 184, 185; (Egon) 78—79;
(Erna) 66, 67; (Grete) 68, 83, 84;
(Ilse) 97; (Inge) 71—73; (Kenneth)
73; (Werner) 76; — , zwanghafter:
in, 112, 176; (Mr. A.) 266; (John)
177; s. a. Nichtwissen; Zweifel.
Wohnung (Heim): 192 — 193, 239.
„Wolfsmann" (Freud's Patient): 59, 168
bis 171.
• — 32 3 ' —
Wort, ubw. Bedeut. d.: 6% 268; s. a.
Sprechen, Allmacht d.: 181.
Wutanfälle: 64; (Erna) 52, 64; (Ilse) 96;
(Rita) 16; (Werner) 7 6.
Zahnarzt: 89.
Zählen (Messen, Rechnen): 67, 97, 177, 178,
185. '
Zähne: 94; — als Angriffswaffen s. Oral-
sadismus.
„Zappligkeit": 106.
Zeichnen: 45, 193, 218; (Egon) 82; (Grete)
68, 84; (Ilse) 97; (Werner) 76; s. a.
Malen.
Zeremoniellbildung: 196; s. a. Zwangs-
neurose.
Zerstörungslust s. Aggression, überm.
Zielsetzung einer Entwicklungsperiode: 190,
191, 289.
Zittern: (Werner) 76.
Zugang z. Unbewußten s. Analyse, Be-
ginn d.
Zuwendung z. Mutter, Vater s. Homo-
sexualität; Ödipuskonflikt; Verstärkte
— z. Objekt: 163; s. a. Fixierung,
übm.
Zwanghafter{s) Wechsel d. Liebesobjektes:
213; — Wißtrieb s. Wißtrieb; —
Zählen s. Zählen; — Zeichnen: (Grete)
69, 84; (Ilse) 97.
Zwangsneurose (Handlung, Zeremoniell) s.
a. Kinderneurose; Zweifelsucht; 112,
135, 172— 185, 196, 217, 267; (Mr. A.)
26J, 267; (Mr. B.) 287; (Erna) 46—67,
173; (Rita) ij, 18, 173; (Werner) 76, 77;
— , Ausgangssituation d.: 172 — 174,
196; — i. d. Latenzzeit: 172, 196;
— u. Paranoia: 112, 170 — 171, 176 bis
177; — i- Pubertät: 198; — , Voraus-
eilen d. Ichentwicklung b. — : s. Kon-
stitution. Faktor.
Zwangsneurotisches Spiel: 78, 106, 118,
119; s. a. Spiel, ausschließliches.
Zwangsonanie: 121, 12$, 289; (Erna) 46,
57, 60, 6i, 63.
Zweifel (Unsicherheit, Mißtrauen): 17J bis
183, 218, 219; — an konstruktiven
Fähigkeiten (Wiedergutmachungsf .) :
178, 182, 183, 218, 291; (Mr. B.) 283;
(Werner) 76; — u. Wißtrieb: 176,
219; s. a. Nichtwissen; Wißtrieb,
zwanghafter; — sucht: (Mr. B.) 274,
287; s. a. Grübelsucht; Zwangsneurose.
- 3a3 -
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Vorwort 7
Einleitung 10
I. Teil
Die Technik der Kinderanalyse
I) Die psychologischen Grundlagen der Kinderanalyse 15
Et) Die Technik der Frühanalyse 27
III) Die Zwangsneurose eines sechsjährigen Mädchens 46
IV) Die Technik der Analyse im Latenzalter . . 68
V) Die Technik der Analyse im Pubertätsalter 89
VI) Die Neurose des Kindes 104
VH) Die Sexualbetätigung des Kindes 120
II. Teil
Frühe Angstsituationen und ihre Auswirkung auf die
Gesamtentwicklung
VIII) Frühstadien des Ödipuskonfliktes und der Ober-Ich-Bildung 133
LX) Beziehungen zwischen der Zwangsneurose und den Früh-
stadien der Über-Ich-Bildung 159
X) Die Bedeutung früher Angstsituationen für die Ich-
entwicklung 185
XI) Die Auswirkungen früher Angstsituationen auf die weibliche
Sexualentwicklung 203
Xn) Die Auswirkungen früher Angstsituationen auf die männliche
Sexualentwicklung 249
Ank
ang
Grenzen und Möglichkeiten der Kinderanalyse 289
Literaturverzeichnis 294
Autorenregister 298
Sachregister 302
I:
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