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ANNALEN DES VEREINS
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NA8SAU1SCHE ALTERTUMSKUNDE
UND
GESCHICHTSFORSCHUNG.
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ANNALEN DES VEREINS
PUR
NASSAUISCHE ALTERTUMSKUNDE
UND
GESCHICHTSFORSCHUNG.
ZWANZIGSTER BAND.
18 8 8.
WIESBADEN.
JULIUS NIEDNER, VERLAG8BU0HHANDLUNG.
1888.
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JNur wenige Monatc, uaclidcin Kaiser Wilhelm dcr Glorreiehe dnhiu-
gescbieden, hat ein unerbittlicbes Sebicksal uns audi Seinen Nachfolger, Kaiser
Fricdrich III., entrissen. Sein furchtbares Leiden und Sein allzu fruher Tod
babeu die tiefste Trauer errcgt; noeh nie ist ein Fttrst, dem nur so kurz zu
regieren besehieden war, vou Scinein Volke in it gleicher Iuuigkeit geliebt, mit
gleicher Aufricbtigkeit beweint worden.
Aui" Ibn liattc das deutsdie Yolk die gross ten Iloftnungen gesetzt. Hatte
Kr doeb schon langc, bevor Er den Tliron bestieg, Bewcise genug Seiner
gliinzenden Geistesgabeu und hohen Herrscbertugenden geliefert.
Seine Thaten auf dem Kriegsscbauplatze baben zu dem rubinvollen Ausgang
der Kriege, die Bcutseblands Einigung und den Wicdcraufbau des Reiches ber-
beifahrten, in hervorragender Weisc beigetragen.
Ini Frieden bat Er Seine staatsmannisdic Betabigung schon als Kronprinz
wiederbolt bewiesen. Daber durftc das deutscbe Yolk der zuversichtlieben Hoff-
nung leben, dass Er, desscn sebliebtcs, volkstumliebcs Wesen A Her Ilerzen
gewonneu hatte, dereinst das Scepter mit Wttrde und Weisbeit fubren und des
deutschen Keiehes Woblfabrt und Kuhin erbalten und lordern werde.
Bieser Furst, den solebe Tugenden zierten, war audi ein ciirigcr Freund
und Forderer von Kunst und Wissensebatt. Wer mocbte die grossen Yerdienste,
die Er Sicb um diese erwarb, alle aufzahlenV
Aueb der Nassauisehe Altertumsvcrein ist stolz darauf, dass er Ibn zu
scincn Ehrenmitgliedern ziiblen durfte, und bleibt Ibm audi fur die wcrtvollen
Gescbenkc, die cr durcb Seine Gtite erbielt, zu tiefem Bauke vcrpiiiebtet.
-*C»eKz^E£>©*
MG47970
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Inhalts -Verzeichnis
des ersten Heftes.
Selte
I. Der cymbelnschlagende Satyr. Yon Konservator Oberst z. D. vonCohausen
(mit Abbildung) 1
IL Die Hftnerburg. Yon demselben (mit Abbildung) 6
III. Ausgrabungen und Arbeiten auf der Saalburg. Yon demselben 8
IV. Alte Willie und Graben. Yon demselben (mit Abbildung) 9
V. Die Burgen in Rfldeshelin. Yon demselben (mit Abbildungen) 11
VI. Zur Topographie des alten Wiesbaden. Von demselben 29
VII. Die kleine Steinkaninier bei Erdbach. Von demselben 30
VIII. Die Elnhorn-Legende in ihrem Ursprnng und ihrer Ausgestaltung. Yon
Dompr&bendant Dr. Friedrich Schneider (mit Abbildung) 31
IX. Znr Schbnauer Reimsage. Yon Archivrat Dr. Sauer 37
X. Die Ostgrenze des Schlossborner Pfarrsprengels. Von Pfarrer J. Bonn . . 38
XI. Bemerkungen zn dem Anfsatze: Die Ostgrenze des Schlossborner Pfarr-
sprengels. Von Archivrat Dr. Sauer 45
XII. Die Rnders-Kapelle im Cronberger Wald. Von Konservator Oberst z. D.
von Cohausen 51
XIII. Archivalische Mitteiinngen. Von Archivrat Dr. Sauer 52
1. Rechnung des Zollschreibers Paul von Geisenheim zu Lahnstein 1344—45 52
2. Zinsregister des Klosters Clusen 1394 54
3. Weistum der Vogtei Weidenhan 1476 56
4. Seelbuch des Geschlechts von Langenau 57
5. Regesten zur Geschichte des Geschlechts Hilchen von Lorch vom Jahre 1 400 ah 64
6. Zur Geschichte des Klosters Bleidenstatt, insbesondere Zusiitze zu der
Beschreibung desselben bei Lotz BaudenkmSler 83
7. Ordnung des Pfalzgrafen Ruprecht des alteren far Caub 1394 .... 85
XIV. Ro'mlsche Mainbrficken. Von Konservator Oberst z. D. von Cohausen . . 87
XV. Zur Geschichte Johanns des llteren yon Nassau-Dillenburg. Von Direktor
Prof. Spiess 88
XVI. Beitr&ge zur Geschichte des Kreises Htfchst. Von Dr. W. Ko belt . . . 97
1. Schwanheim im XVII. Jahrhundert 97
2. Nied im dreissigj&hrigen Krieg 107
XVII. Graf Wallrad yon Nassau-Usingen bei den oberrheinischen Kreistruppen im
Tttrkenkriege 1604. Von Dr. Hermann Forst 112
XVIII. Nekrolog des am 10. November 1880 yerstorbenen HerrnMax Heckmann.
Von Konservator Oberst z. D. von Cohausen 139
Vereinsnachrichten.
I. Bericht des Konservators pro 1886 141
II. Bericht des Sekretars vom Januar 1886 bis Marz 1887 145
Bemerkung zu: Die Ruders-Kapelle im Cronberger Wald 150
Nachtrag zu dem Jahresbericht des Konservators (Romischer Inschriftatein) 150
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Inhalts -Verzeichnis
des z w e i t e n Heftes.
Selte
Nachruf fttr Kaiser Friedricli.
FQhrer dnrch das Altertums-Museuni. Von Konservator Obcrst z. D. y on Cohausen
(mit Tafel I— X) 153
RSmische Sonnenuhren in Wiesbaden uiid Cannstadt. Yon Major a. D. Schlieben
(mit Tafel XI, XII u. XIII) 31 G
Die Hufeisenfrage. (Eino archSologischc Mustcrung.) Von demselben (rait Taf. XIV u. XV) 334
Zusfttze und Berichtiguugcn zu den areliivalischen Mitteilungen XX 57 IF; No. 4
(Seelbncb des Geschlechts von Langenan mid Xbte von Arnstein) und No. tt
(zur Gesehichte des Stiftes Bleidenstatt). Von Archivrat Dr. W. Sauer . . 363
Hohleu. Von Konservator Oberst z. I), von Co ban sen und Gob. Hat Prof. Dr. Scbaaff-
hausen (mit Tafel XVI u. XVII) 369
Die H5hle bei Schupbacb 369
Die Steetener HOhlen 369
Der Hasenbackofen 371
Httgelgraber in der Halbehl bei Fiscbbach. Von Konservator Oberst z. D. vonCohausen 374
Grabhilgel bei Rodheiin a. d. Bieber. Von demselben (mit Tafel XVIII) 375
Denkmal des Grafen Wilhelin zu Lippe-Schanmburg. Von Konservator Oberst z. D.
von Cohausen und Major Freiherr von Wangenheim (mit Tafel XIX) . . . 377
Zur Topographic des alten Wiesbadens. Von Konservator Oberst z. D. von Cohausen 380
Xekrolog des Herrn Berthold Reinhard Vogel 381
Vereinsnachrichten.
I. Aus dem Bericht des Sekretiirs Dr. Schmitt 383
x II. Bericht des Konservators Oberst z. D. von Cohausen ilber die Er-
werbungen des Altertums-Museums in Wiesbadon w&hrend des Jahres 1887 385
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I.
4
Der cymbelnschlagende Satyr.
(Mit einer Tafol.)
Von
A. v. Cohausen.
Durch den Altertiimer-Handel kam das Museum zu Wiesbaden in den
Besitz des genannten Bronzestandbildes. Uber seinen Pundort glauben wir nur
so viel sagen zu konnen, dass er am Mittelrhein und zwar auf dera linken Ufer
zu suchen ist; wollte man aus der kalkhaltigen, rauhen, graugriinen Patina, die
es bedeckt, weiter schliessen, so miisste das Kunstwerk in einem kalkhaltigen
Boden oder in Bauschutt, nicht Brandschutt gelegen haben; dennder Kalk hat
es nicht nur mit seiner rauhen Kruste iiberzogen, sondern auch durch die Auf-
nahme von Kohlensaure so gut erhalten, dass sich unter ihr die braunliche, fast
metallblanke Oberflache zeigt.
Die Gestalt steht auf einem runden, unten offenen Standboden von 9 cm
Durchmesser und l 1 ^ cm Hohe und ist mittelst zweier Nagel und Holzpflocken
in den Fussen auf ihm befestigt; Rostflecken lassen vermuten, dass dies auch
urspriinglich ungefahr so war.
Ohne den Sockel ist das Standbild 29 cm hoch und misst in seiner grossten
Breiteausdehnung 18 cm.
Es ist eine antike Nachbildung der beriihmten, unter dem Namen des
tanzenden Fauns in der Tribune der Uffizien zu Florenz stehenden Marmorstatue.
Dies dera Praxiteles zugeschriebene Kunstwerk unterscheidet sich wesentlich nur
durch seine Grosse, 1,40 cm, und sein Material, wegen dessen grosserer Gebrech-
lichkeit der Gestalt zur Anlehnung ein Baumstamm beigegeben ist, welcher der
unsrigen fehlt, von dieser.
Mit dem linken Bein und etwas einwarts gekehrtem Fuss steht der Satyr
fest; mit dem rechten tritt er, indera sich auch der Oberkorper etwas nach dieser
Seite neigt, auf ejnen eigentiimlichen Schemel, an dessen Oberteil der Fuss
mittelst dreier Riemen — zwei von den Seiten, einer zwischen den Zehen —
befestigt ist. — Diese Befestigung schliesst den Gedanken an ein Tanzen aus, so
sehr die Bewegung der Gestalt auch die Lust dazu ausspricht.
Aunaleu d. Ver. f. Nass. Altertamsk. u. Geschichtsf. XX. Bd. 1
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Das rechte Knie ist durch die erhohte Stellung gebogen, der Oberkorper
und noch mehr der Kopf sind wie zum Aufsprung vorgeneigt, der rechte Arm
zuckt zusammen, urn im nachsten Augenblick mit der Cymbel, die seine Hand
halt, gegen die andere zu schlagen, welche die Linke in gleicher Spannung noch
in der halben Schenkelhohe fasst.
Dementsprechend sind auch die trefHich und ohne t)bertreibung modellierten
Muskein von Bauch und Brust, sowie die des.Biickens schlagbereit gespannt.
Dem Riicken fehlt nicht, ehe er aufhort, das Schwanzlein, sowie dem
krausgelockten Kopf die spitzen Ohren und das etwas glattnasige frohliche Gesicht.
An dem ganzen Bildwerk scheinen nur die Augen — ohne Silbereinlage —
und ein Riemen iiber der Linken etwas ziseliert zu sein.
Von den Cymbeln, welche die gewohnliche Form eines Napfes mit breitem
Rande haben, wird nur die in der Linken durch einen Riemen, die an der
Rechten durch einen Ring auf dem Zeigefinger gehalten.
Der Schemel, auf den der rechte Fuss tritt, gleicht einer handhohen Holz-
sandale, welche, durch einen keilformigen Ausschnitt in zwei Teile gespalten,
einera dazwischen geklemmten, wie ein Blasbalg faltigen Gegenstand Raum giebt.
Es ist das bei Bildwerken und bei den alten Schriftstellern vorkommende Musik-
instrument, das Scabellum oder Krupezion 1 ), welches dazu diente, im Theater den
Anfang und Schluss eines Aktes oder den Flotenspielern den Takt anzugeben.
Es bedurfte dazu eines kurzen, harten Tones 2 ), wie etwa der des verzweifelten
Cri-Cri, welches vor einigen Jahren. von Paris den Modeflug um die Welt
gemacht hat. Der Flotenton des Kuckucks, mit dem unsere Kinder spielen, war
dazu zu matt.
Da unser Standbild ganz erhalten, von dem beruhmten Florentiner aber
bekannt ist, dass Michel Angelo nicht nur den abgeschlagenen Kopf wieder
aufgepasst, sondern auch die beiden Arme restauriert habe, so kann das unsrige
(es lautet fast wie Uberhebung) zur Kontrolle dienen, ob der grosse Meister es
der ursprunglichen entprechend aufgefasst, das Richtige getroffen habe.
Das restaurierte Standbild in Florenz hebt den rechten Arm hoher als den
Kopf, wahrend das unsrige ihn nur bis zur Schulterhohe hebt. Sein Kopf
wendet sich mehr nach links, sein linker Arm biegt sich im Ellenbogen mehr,
und die Hand halt die Cymbel mehr wagrecht.
Beiden Bildwerken ist aber gemein, dass der Gymbelriemen an der Rechten
fehlt oder vielleicht wie ein Ring iiber den Zeigefinger geht und an der Linken
vorhanden ist 3 ). — Es scheint uns das der Yermutung Raum zu lassen, dass
l ) Koounfoov ist der Holzschuh, den die Bflotier, den feinen Athenern ein Ausbund von
Rohheit, trugen. Auch einigen Dorfern des Hunsrflckens und der Eifel sagte man eine solche
musikalische Fussbekleidung nach. Bei den Kirmessen bedurfte es nur eines Geigers fur
mehrere Tanzplatze, der, nachdem er die Melodie intoniert, ihre Fortsetzung dem 1 firm end en
Tanztritt uberliess, nur von Zeit zu Zeit die Runde machte und mit wenigen Geigenstrichen die
Melodie wieder einrenkte, welche das musikalische Taktgefuhl der Bauern dann weiterftthrte.
Leider haben sie keinen Praxiteles, sondern nur in den Raerener Krugen und Spriichen ihre
Verherrlichung gefunden. — 2 ) A. Rich, illustr. Worterb. der rom, Altert. zitiert hier Pollux VII, 87 ;
Lucian. Salt. 83; Cic. Cael. 27 und Pollux X, 153. — a ) Wir folgen hier Clarac, Musee de Sculpture.
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Michel Angelo nicht nur den Kopf besessen, sondern auch die beiden Hande
gehabt oder doch gesehen, wenn auch nicht verwendet habe.
Unser Standbild ist, wenn man von der Oxydationskruste absieht, ganz so
auf una gekommen, wie es im Altertum bestanden hat. Damit soil jedoch nicht
gesagt sein, dass der Guss ein untadelhafter sei. Denn ausser einem alten drei-
eckigen Loch im Scheitel, das durch den Ausbruch des Gusszapfens entstanden sein
kann, sind auch auf der Riickseite beider Sohenkel, auf der Aussen- und Innenseite
des rechten Kniees und an noch einigen Stellen mehr oder weniger drusenartige
oder ausgefressene Gruben vorhanden, , welche mit der inneren HShlung zusammen-
hangen. Siet waren ohne Zweifel im Altertum in irgend einer Weise geschlossen
und unsichtbar gemacht, wahrend sie jetzt gestatten ins Innere zu sehen, zu son-
dieren und zu erkennen, dass die ganze Gestalt bis in die Hande und Fusse hohl ist.
Das Bildwerk wiegt 2250 g. Ins Wasser gelegt, nahm es davon 250 g auf,
was einem Rauminhalt von ebenso vielen Kubikcentimetern entspricht. Dasselbe
wtirde, statt mit Wasser mit Bronze voll gegossen, bei deren spezifischem Gewicht
von 8,5, um 250 X 8,5 = 2125 g an Gewicht zunehmen, d. h. der Hohlraum ist
fast eben so gross, als die vom Metall gebildete Haut.
Fur die Erkenntnis der alten Gusstechnik ware es allerdings von grossem
Interesse, die Form der inneren Hohlung, des Ausgusses, zu kennen, doch wird
man deshalb das Kunstwerk nicht aufs&gen wollen.
Dieser Technik mochte aber doch noch auf anderem Wege naher zu kommen
sein. Wir bemerken namlich in der graugrunen Patina mehrere Eisenrostflecken,
welche wir zuerst als durch zufallig in den Guss gefallene Eisenfeilspane entstanden
ansahen, dann aber ziemlich syrametrisch iiber die ganze Gestalt verteilt fanden,
namlich an der Vorderseite: mitten auf dera Kopf, am oberen und unteren Anfang
des Brustkorbe8, mitten auf den beiden Schenkeln; in den Seitenansichten : im
linken und rechten Ohre, auf der linken und, durch Locher vertreten, auch auf der
rechten Schulter, sowie an den beiden Unterarmen, zu beiden Seiten der Kniee und
auch des unteren Wadenbeines oder des Fusses; endlich in der Ruckenansicht:
inmitten des rechten und linken Schenkels und beider Waden. Fast immer findet
sich der 3 — 4 mm grosse Rostflecken oder das stellvertretende Loch auf dem
erhabensten Punkt des betreffenden Korperteiles.
j Als Kern dieses Rostfleckens oder in dem entsprechenden Lochelchen ist es
leicht, mit der Feile den Querschnitt eines 1 mm starken Eisenstiftes bloss zu legen
und zu erkennen. Ja, durch die im linken Schenkel vorhandene Offnung kann
man den von Wand zu Wand gehenden Eisenstift noch an seiner Stelle stecken sehen.
Es ist kein Zweifel, dass wir dadurch das Mittel kennen lernen, mit dem
der alte Giesser den Kern befestigte, an dessen Stelle der Hohlraum treten sollte.
Jene 25 oder mehr Eisenstiften hatten den Kern schwebend in der Form zu halten,
so dass der Raum zwischen beiden sich mit Metall fiillte. — Die Stifte blieben in
der Gusshaut eingegossen, wurden dann mit der Zange abgekniffen und irgendwie
versteckt, bis sie jetzt durch die Rostflecken verraten wurden. In den Fuss-
sohlen aber mogen kraftigere, jetzt verschwundene und ersetzte Stifte eingegossen
gewesen sein, welche das Standbild auf dem Sockel fest hielten.
1*
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Es ist bekannt, wie erstaunlich diinn die Alten ihre Bildwerke zu giessen
verstanden, dass z, B. der 1,35 m grosse Adorant im Museum zu Berlin ganz
bequem von einem Manne getragen werden kann. Das Museum in Wiesbaden
besitzt das Bruchstiick einer lebensgrossen Knabenstahie (6783), dessen Wandstarke
1 — 2 mm, ja an Stellen nur Papierdicke betragt.
Das Verfahren beim Formen und danach beim Giessen wird sich hiernach
etwa so gestaltet haben 1 ):
Die Form wird in Stucken und ebenso, wie sie fur Gipsabgiisse iib.er das
Original gemacht wird, jedoch mit einer dem gliihenden Metall widerstehenden
Masse, Ziegelmehlgips oder Formsand, angefertigt. Die Stticke werden mit der
Matrize nach oben hingelegt und in den tiefen, also sp&ter erhabenen Stellen mit
Stiften (aus schwerflussigem Metall bei uns) aus Eisen, 1 mm stark, etwa 3 cm
oder mehr lang, besteckt (eingebohrt, eingeschlagen), so dass sie etwa 2 oder
mehr Centimeter vorstehen. Zwischen diesen, so dass sie wohl als Massstab fiif
die Dicke dienen konnen, wird die Matrize mit einer z. B. 2 mm dicken Haut von
"Wachs oder von Wachs und Talg iiberzogen, was sehr wohl mit einem Pinsel
geschehen sein kann. Darauf wird aus einer plastischen Masse (Sandthon, Ziegel-
mehlgips) zwischen den vorstehenden Stiften die Form der Hohlung eingeknetet
und deren Rander so zugeschnitten, dass sie sich an die ebenso behandelten
Nachbarformen gut anlegen, wenn dieselben aneinander geruckt und aufeinander
gesetzt werden. Versuche konnten selbst dahin fuhren, sich dem Verfahren der
Alten noch mehr zu nahern, indem man den Kern nicht aus plastischer Masse
formte, sondern aus einem fliissigen Brei (wenig schwindendem Thon oder durch
Ziegelmehl faul gemachtem Gips) durch Pinselauftrag oder Einguss bildete. Das
Ganze kann dann mit Schnuren umbunden oder durch eine Gipsschale fest zusammen-
gehalten und dann mit Weglassung der Fussplatte getrocknet und erwarmt werden,
damit das Wachs unten auslauft. Durch den dadurch frei gewordenen Baum zieht
die Warme bis zum Gussloch hinaus und trocknet die Form und den Kern noch
besser aus. Der Kern aber schwebt dann, durch die zahlreichen Stiften an seiner
rechten Stelle festgehalten, im Hohlraum der Form.
Dann kann der Guss vorgenommen und, wenn erkaltet, die Gipsschale und
die Formstucke abgenommen werden. Das Standbild wird mit Stiften bespickt
dastehen, so dass diese nur mehr abzukneifen und auszugleichen sind.
Die Stiickformen aber bleiben zu neuem Gebrauch bereit, und wenn die
Stifte Spuren in ihnen hinterlassen haben, so sind sie bei der Wiederbesteckung
leicht auszugleichen. Der Kern kann entweder ohne Schaden in dem Standbild
bleiben oder er kann mit Hilfe von Wasser oder durch Anklopfen zerbrockelt
und durch die Fusslocher entfernt werden.
Das hier beschriebene Verfahren bedarf nur einer Kiinstler-Arbeit: des
Originals. Alles iibrige ist handwerkliche Geschicklichkeit; es erklart die
Thatsache der Stifte und der Unverriickbarkeit des Kerns, sowie der Auftrag des
*) Vgl. dagegen Alwin Schultz, Kunst und Kunetgeschichte im Wissen der Gegenwart I,
pag. 264 und H. Bliimner, Gewerbe und Kflnst© der Griechen und Romer IV, pag. 286 u. 325,
wo auch die betreffenden Zitate zu finden sind.
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Wachses mit dem Pinsel die ungemeine Diinne der Gusswande ermoglicht. Wir
wissen nicht, ob jene Thatsachen anderwarts ebenso leicht zur Beobachtung
gelaDgt sind, glauben aber, dass das daraus entwickelte Verfahren von dem von
den Alten angewandten nicht allzufern sein wird.
In der That ist das heutigen Tages fur den Guss von kleinen Standbildern
gebrauchliche Verfahren dem hier beschriebenen sehr ahnlich. Uber das Original
wird eine Gipsform gemacht, genau so wie sie der Gipsfigurenfabrikant macht.
In dieselbe wird statt des Gipses Wachs eingegossen, umgeschwenkt und der
nicht an der Form erkaltete Teil wieder ausgegossen. Es entsteht also eine
hohle Wachsfigur, von welcher die Form weggenommen und zu etwaigem
spaterem Gebrauche aufbewahrt wird. Die Wachsfigur wird uberarbeitet, so dass
kleine Verschiebungen und die Nahte verschwinden. Sie wird an den passenden
Stellen mit Drahtstiften bespickt, welche vor der Aussen- und vor der Innenflache
vorstehen. Dann wird die Figur mit einem Brei von Gips- und Ziegelmehl
(deren Proportion und noch ein Zusatz als Fabrikgeheimnis betrachtet wird)
beschlickert, durch Begiessen und mit dem Pinsel tiberzogen, wobei Blaschen zu
vermeiden und fur einen gleichmassigen dichten Auftrag der durch den Gips
allmahlich fest werdenden Schlickermasse zu sorgen ist Eine ahnliche Masse
wird auch in den Hohlraum der Figur gegossen. Wir iibergehen die Rohren
zur Zuleitung des Metalls und zur Ableitung der Luft, welche wie die Figur aus
Wachs gebildet werden, indem erstere sich in dem Einlauf leichter vereinigen,
letztere neben ihm endigen.
Ist die Form trocken, so wird sie in einem Ofen auf einem Rost, unter
dem das Feuer brennt, gebrannt, wodurch das Wachs ausfliesst, Form und Kern
aber weder harter werden noch schwinden, wie eine Thonform thun wiirde,
sondern nur griindlich trocknen, alles Wachs verlieren und so viele Festigkeit
behalten, als zu einem einmaligen Guss ausreicht.
Ehe dieser vorgenommen wird, wird die Schlickerform mit einem Gips-
mantel umgossen, der sie gegen den Druck des fltissigen Metalls zusammenhalt.
Nach v dem Guss wird, wie wir dies auch oben gesagt, die Figur mit Eisen-
8tiften bespickt vor uns stehen. Diese werden nicht nur abgeknifFen, sondern
bis zu 1 bis 2 mm Tiefe mit dem Meissel ausgestemmt Es entsteht dadurch
eine viereckige, etwas unterschnittene Grube, in welche ein genau passendes,
etwas zu dickes Stiick desselben Metalls eingepasst und durch Hammern
eingenietet wird, so dass man, wenn die Stelle verputzt und uberarbeitet ist,
nichts mehr davon sieht. Die innere Schlickermasse wird durch Stochern mit
einem Eisen und durch Klopfen von aussen zertnimmert und beseitigt.
Fur Figuren, die haufig gemacht werden, bedient man sich zerschnittener
Modelle imd des Sandgusses und giesst Arme und Beine auch wohl massiv, kurz
man befolgt ein Verfahren, dessen Beschreibung uns von unserem Ziele abfiihrte.
Unsere Absicht war nur zu versuchen, aus den an unserem kleinen Standbilde
beobachteten Thatsachen das Verfahren der Alten zu entwickeln und das heute
Gebrauchliche zur Vergleichung daneben zu stellen.
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II.
Die H xl n e r b u.r g.
(Mit einer Abbildung.)
Von
A. v. Cohan s en.
Die Hiinerburg, auch Huhnerberg oder der Hiinerkopf genannt *), liegt 2 km
nordlich vom Bahnhof Cronberg, indem sich hier ein Auslaufer des Altkonigs,
nachdem er sich schon zu einer sanften Ebene gesenkt hat, plotzlich wieder zu
einer fast ringsum felsigen Hochflache erhebt. Dieselbe streckt sich, dem
Streichen des Quarzitgesteins entsprechend, von West nach Ost, 450 Schritt lang
und 200 Schritt breit, indem sie dann wieder siidwarts sanft nach Schonberg
abfallt. Durch diese Fels- und Bodengestaltung entsteht ein von der Nord-,
West- und Sudseite durch 100 Fuss hohe Felsabstiirze unergteiglicher Riicken,
der nur an der Siidost- und Ostseite leicht zu ersteigen, ja von letztgenannter
Seite durch einen alten Weg zu befahren ist. Dieser kommt aus einem schonen
weiten Wiesengelande, den Hiinerburgswiesen, welche, durch den nach Ober-
hochstadt fliessenden Bach bewassert, thalwarts eine Art Abschiuss erhalten durch
den malerischen Hauburgstein, eine letzte Erhebung der Hiinerburgfelsen. Diese,
obschon durchschnittlich unersteiglich, tragen doch im Umkreis ihres oberen Ranges
die Rest$ einer 1 m starken Trockenmauer. Sie ist an manchen Stellen zwar
verschwunden, an anderen aber noch deutlich, an einigen durch eine Felswand
ersetzt und da, wo die Felsen fehlen, auf der Ost- und Sudostseite, fortgesetzt
durch einen Wall und Graben. Der Wall, in der Anlage 3 — 6 m breit und 1 — 2 m
hoch, ist siidwarts, wo das Gelande vor ihm etwas steil abfallt, aus einem inneren
Graben aufgeworfen, wahrend er auf der Ostseite eine Berme oder einen Zwinger
von 8 m Breite und vor diesem einen Graben von 5 — 6 m Breite und hochstens
1 m Tiefe vor sich hat. Der Wall birgt als Kern eine allerdings sehr zerrilttete
Trockenmauer, die wir an einer Stelle noch 2,50 m stark, sonst meist schwacher
fanden. Da aber, wo der Weg von den Hiinerburgswiesen hereinfuhrt, erkennt
man im Zwinger eine zweite Mauer, und zwar eine mit Kalkmortel erbaute. Sie
deutet hier an der gefahrdetsten Stelle auf eine Verstarkung, welche man bei
ihrer langen Erstreckung von 80 Schritt nicht fur einen Thorbau, sondern etwa
fur einen Thorzwinger zwischen zwei Thoren ansprechen kann. Die Zerstorung
ist jedoch so gross, dass die Mauer nur durch den Schutt angezeigt ist. In
demselben finden sich kleine Ziegelbrocken und Stiicke von schlechtgebranntem
! ) An unseren Untereuchungen inmitten dieser reizenden Jjandschaft, wie an den abend-
lichen Besprechungen im Schatzenhof zu Cronberg nahmen am 12. bis 15. August 1886
Herr Sanitatsrat Dr. Florschfitz und Herr Artillerie-Hauptmann Botticher wirksamsten Anteil.
Wir haben des Httnerberges bereits in den Annalen XV, No. 13, pag. 363 flflchtig gedaoht.
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Ceritienkalk des Mainzer Beckens. Audi in den Erdwallen lasst sich ein Mauer-
kern erkennen, und wir fanden in demselben zerstreut verschlackte, mit Schmelz
uberzogene und selbst mit Glastropfen versehene Grauwacken und Quarzite; doch
lagen dieselben nicht in Gruppen zusammen, so dass der Brand, der sie
umgewandelt hatte, nicht ebenda, wo sie lagen, sondern auch wohl andcrwarts
auf sie gewirkt haben mochte und wir daher nicht notwendig auf Holzeinlagen
beim Aufbau der Mauer schliessen miissen, welche beim Angriff oder bei der
Zerstorung in Brand geraten wiiren, sondern dass wir im Hinblick auf die Kalk-
Alib. 1.
mortelmauer auch der Vermutung Platz geben konnen, der Kalk hierfur sei in
der Nahe gebrannt und die verschlackten Steine des Kalkofens seien zerstreut
worden und so auch in den Wall geraten.
Wir wisBen, dass erst mit den Romern der Kalkmortelbau nach Deutschland
(und auch nach Gallien) kam und bekannt wurde, dass also die aufgefundene
Kalkmortelmauer an der Einfahrt und wohl auch die Schlacken in den Wallen
nicht iiber die Romer hinauf datiert werden konnen, dass aber einige kleine
Ziegelreste auf ihre Zeit hinweisen, weil nach dem Niedergang ihrer Herrschaft,
abgesehen von zur Karolinger Zeit ganz sporadisch und sogleich wieder ver-
schwundenen Ziegelbauten, die Ziegel nicht vor dem XIV. Jahrhundert wieder
in Anwendung bei uns kamen.
Einem romischen zumal auf Viehzucht begrundeten Landgut aber entspricht
die ganze Lage: die Hiinerburgswiesen, mit dem sie durchfliessenden Bach als
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Tage8weide, der Hunerkopf mit seiner Umschliessung als Nachtpferge; das
Gehofte selbst, die Villa des Besitzers, ist noch nicht in der Nahe aufzufinden gelungen.
Die Lage und der Namen der Hiinerburg wiirde sich allerdings auch fur
einen vor- und nach-romischen Zufluchtsort fiir eines der umliegenden Dorfer,
zumal Oberhochstadt, eignen, allein wir sind gewohnt die Walle derartiger Asyle
grossartiger, mogen sie, wie auf dem Altkonig, aus zusammengelesenen Steinen
oder, wie die Walle und Graben der Goldgrube, aus Erde bestehen, und in
bedeutenderen Abmessungen zu linden; daher erblicken wir aueh in der Hiinerburg
nur eine gegen reissende Tiere, gegen Diebe und gegen das Verlaufen der
eigenen Viehherden sichere Umhegung. — Auch diese scheint uns zum
geschichtlichen Bilde und hier zu einem friedlichen Bilde unseres Landes
kennenswert, so wie der Platz der Aufmerksamkeit wiirdig, um in Funden und
Bauresten unsere Annahme zu unterstiitzen oder zu bestreiten.
in.
Ausgrabungen und Arbeiten auf der Saalburg.
Von '
A. v. Cohansen.
Die Saalburg, iiber welche wir in den Annalen XIX, pag. 163 berichtet
haben, war auch 1886 der Gegenstand weiterer Erhaltungs- und Untersuchungs-
Arbeiten: Der tiefe Felsbrunnen in der Praetentura wurde in seinem oberen
Eranz hergestellt und gesichert, die Umfassungsmauer und Hypokausten des
Militarbades daselbst in Stand gesetzt und mit Schindeldacbern yersehen, und die
Ausgrabung und Wiedereinfullung von drei ausserhalb des Kastells gelegenen
Brunnen (N. 22, 25 und 28) ausgefiihrt. Davon hatte der N. 22 in Gegenwart
IhrerKaiserlichen Hoheiten derKronprinzlichen Herrschaften stattgefunden und wenn
auch wenige, so doch bedeutende Stiicke zu Tag gebracht. Im ganzen beschrankten
sich die Funde auch bei der Durchrodung in der westlichen Halfte des Kastell-
Innern auf einige Bronze- und Thonbruchstiicke, auf einen Pferdeschuh, zwei
Pferdeskelette und fiinf Hufeisen zweifelhaften Alters, sowie einige Ledersandalen
und Schuhe, die sich im Schlamm der Brunnen, so gut oder zerrissen sie waren,
erhalten batten. Das Mauerwerk wird immer in der lang bewahrten "Weise
(Centralblatt der Bau-Verw., Aug. 1884) abgedeckt.
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IV.
Alte Walle und Grraben.
(Mit eiuer Abbildung.)
Von
A. v. Cohausen.
Wir besitzen in Nassau noch eine grosse Anzahl alter Walle und Graben,
und haben in den Annal. XV u. XVII uber hundert verz&chnet und nach Lage
und Massen kurz beschrieben. Wir werden immer noch einige Nachtrage zu
geben haben.
Nur die wenigsten sind durch die Geschichte belebt, von den wenigsten wissen
wir urkundlich, weshalb und wie sie entstanden sind und was sie erlebt haben.
Schon dies weist sie zu den vorgeschichtlichen Denkmalern. Allein auch diese
sind nicht ganz stumm; ihre Lage, Linienfuhrung, Profile und Funde geben uns
mancherlei Aufschluss. 1st es doch bei der grossartigsten Walllinie, die unser
Land durchzieht, dem Pfahlgraben, von dem die romischen Schriftsteller so wenig,
die neueren desto mehr sprechen, durch seine Lage im Gelande und seine Profile
klargestellt, dass er kaura irgend eine militarische Bedeutung hatte, dass er nicht
eine Verteidigung bezweckte, sondern eine Rechts- und Zollgrenze bezeichnen sollte
und seine Linienfuhrung an vielen Stellen altere Grenzen respektvoll einhielt.
Auch aus dem Mittelalter besitzen wir solche Wallgraben, die nichts weiter sollen,
al8 ein Recht vor Augen stellen, welches man nicht an Ort und Stelle mit
gewaffneter Hand, sondern vor Gericht zu verteidigen vorhatte; so zieht der
Grenzgraben No. 62 unseres Verzeichnisses durch den Rudolfswald, der trierische
Graben No. 66 zwischen den kurtrierischen und wiedischen Landen durch. Alle
diese sind Landcs- oder Gemeindegrenzen und als solche wertvolle urkundliche
Belege.
Andere aber sind und waren nie solche Grenzen, sondern sie lagen da, wo
nach militarischen Erwagungen ein dahinter liegendes Gebiet am wahrscheinlichsten
angegriffen wurde und am leichtesten zu verteidigen war. Sie weisen uns daher
auf Epochen der Landesgeschichte hin, wo solche Anlagen notwendig waren, sie
weisen uns aus Feld und Wald an die Geschichte, an die Archive.
Eine solche Schanzlinie ist:
Der Abschnittswall nordlich der Hof heimer Kapelle. (Abb. 2.)
Der Bergriicken zwischen dem Lorsbacher und dem Fischbach-Liederbach-
Thal wird durch die Thalschlucht, die sich zwischen Eppstein und Fischbach offnet,
vom Hauptgebirgsstock vollstandig getrennt. Er beginnt mit dem Staufen und
endigt mit der Hof heimer Kapelle, welche beide durch den Rennweg, der auf der
Wasserscheide hinzieht, verbunden werden.
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Allein 1700 Schritt nordlich der Kapelle stossen rechts und links Wall und
Graben an den Weg und durchschnitten ihn auch einst; sie setzen sich auf der
Westseite 780 Schritt bis zu einer zur Hammenmihle hinabfuhrenden Schlucht
fort, erreichen auf der Qstseite mit 320 Sohritt einen alten iiberwachsenen, von
Munster herauf fiihrenden "Weg, dessen hohe Boschung 190 Schritt und weiter als
ihre Fortsetzung anzusehen ist. Ihr Profil ist westlich des Rennwegs, wo es am
starksten ist, das Abb. 2 gegebene, ein von der Wallkrone bis zum Aussenrand
22 m breiter und von letzterem 1,38 m tiefer Graben, uber dessen Sohle der Wall
4,05 m steil aufragt. Auch hinter dem Wall ist noch Boden zu seiner 'Erhohung
entnommen worden. Allmahlich veriindert und vefschwacht sich das Profil nach
beiden Seiten.
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Die Schanzlinie bildet weder eine ehemalige Landesgrenze zwischen dem
siidlichen Kur-Mainz und Hessen oder. Eppstein, noch eine Banngrenze zwischen
den Dorfern Hofheim, Lorsbach oder Munster, denn der Hofheimer Wald reicht
noch 2 km weiter nordlich, sondern die Lage der Schanzlinie an einer schmalen
Stelle des Riickens und ihr kraftiges Profil mit . dem Graben auf der Nordseite
zeigen die Absicht der Verteidigung gegen einen von Norden erwarteten Angreifer.
Wer und wann dies war? sei als Frage zur Landesgeschichte hiermit auf
den gninen Tisch gelegt.
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V.
Die Burgen in Rudesheim.
(Mit 15 Abbildangon.)
Von
A. v. Cohanson.
(Abdruck aus dem Centralblatt der Bauverwaltung 1886.)
Es ist wohl keine Burg von aussen so bekannt, als die Niederburg von
Rudesheim; jeder Tourist, der den Niederwald und das National-Denkmal besucht,
ja jeder voriibereilende Eisenbahnreisende sieht den sonderbaren Mauerklotz mit
seinen Fensterlochern, in denen moderne Vorhange das behagliche Innere ver-
muten lassen, und auf dessen Plattform reichliche Straucher und Blumen den
Gegensatz verscharfen. Das Innere ist fur Zwecke eingehenden Studiums, wie
es der Architekt wunschen muss, ziemlich unzuganglich, doch ward dem Verfasser
durch Familienbeziehungen von der Inhaberin, Grafin Bella Ingelheim, die Gunst,
in alien Raumen messend und zeichnend sich zu bewegen und nach gethaner
Arbeit sich der gastlichen Labung zu erfreuen; er bewahrt der Geberin wie der
Gabe seine dankbare Erinnerung. Seine Erinnerungen gehen freilich noch weiter
zuruck und geben ihm ein gewisses Altersrecht auf den zu beschreibenden Bau,
den er im Jahre 1818 als sechsjahriger Knabe, als die Kirschen reiften und
Spireen und Pfingstnelken da oben bluhten, durchkletterte.
Wir kdnnen diese Burg riicht beschreiben und ihre Baugeschichte nicht
begrunden, ohne die Geschichte der Inhaber, soweit notig, und die Beschreibung
der anderen Burgen von Rudesheim gleichfalls vorzutragen.
Bodmann sagt in seinen Rheingauer Altertumern : Die Lage von Rudesheim
oberhalb des Binger Loches schuf dem Orte dieselbe Wichtigkeit, welche Lorch
unterhalb jenes Hindernisses fur die Schiffahrt hatte. Grossere Schiffe konnten
die enge Stromschnelle nicht durchfahren, sondern mussten je nach dem "Wasser-
stand, je nachdem sie zu Thai oder zu Berg kamen, in Rudesheim oder Lorch
ihre Waren ausladen, damit dieselben auf der Kaufmannsstrasse iiber den Kammer-
forst von dem einen zum anderen Orte gebracht und hier aufs neue in Schiffe ver-
laden werden konnten. Wie die zahlreichen Grabhugel langs der Strasse und
deren Inhalt zeigen 1 ), bestand dieselbe schon vor der Zeit der Romer, umsomehr
miissen auch ihre beiden Endpunkte Rudesheim und Lorch damals schon nicht
unbedeutende Wohn- und Stapelplatze gewesen sein. Wenn auch die nie rastende,
l ) Annalen des Vereins f. Nassauische Altertumek. u. Geachichtsf. XII, pag. 241.
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fort und fort schaffende % und zerstorende Zeit die augenscheinlichen Uberreste
hiervon verwischt hat, so besitzen wir doch von der Anwesenheit der Romer
sowohl in Lorch 1 ) als auch in Rudesheim 2 ) Beweise in Grabern, Ziegeln und
Topfergeschirren. Obgleich diese Wohnplatze gegen die Einfalle der barbarischen
Germanen nicht so gesichert wie die Stadte des linken Rheinufers, so war ihnen
doch durch den Pfahlgraben, welcher zwei Meilen nordostlich uber das Hochland
lief, so lang die romische Herrschaft noch machtig war, ein Schutz gewahrt,
der einer wohlhabenden Bevolkerung das fruchtbare Acker- und Rebgelande
zu bebauen und zu geniessen erlaubte.
Dies ging auf andere Herren uber, als im IV. Jahrhundert die Alemannen
und dann die Franken sich des Landes bemachtigten. — Auch von ihrer
Anwesenheit zeugen die Graber, welche man nordlich der Nieder- und Oberburg
in den Hinterhauser Weinbergen gefunden hat. Ihr Inhalt an WafFen und an
eisernen, mit Silber kunstreich tauschierten Schmuckstiicken weisen auf wehrhafte,
wohlhabige Besitzer, ihre feinen, fur Blume und Nagelprobe sinnreich geformten
Glaser auf Weinbauer hin.
Die frankischen Konige, zu deren Sondergau auch der Rheingau gehorte,
hatten in demselben drei Oberhofe, Rudesheim, Lorch und Eltville, welche an
das Palatium regium in Ingelheim als ihren Fiskaloberhof ihr Gefalle ablieferten,
wie an sie die koniglichen Villen ihre Erzeugnisse steuerten. Und zwar war,
wie Bodmann sagt, nach allem, was uns Urkunden und der Zusammenhang der
Geschichte bewahren, die Niederburg selbst der Oberhof, welchem Rudesheim
seine Aufnahme und sein Ansehen, seine Entwickelung unfehlbar zu verdanken
hat. Namentlich war der dortige Weinbau sicherlich sehr alt und noch in die
Romerzeit hinaufreichend, wenngleich erst urn 864 durch die Schenkung eines
"Weinbergs zu Rudesheim an das Kloster Bleidenstadt die erste Erwahnung des
"Weinbaues geschieht.
Urns Jahr 961 brachte es der Erzbischof Wilhelm von Mainz, ein Nebensohn
des Kaisers Otto L, dahin, dass dessen rechter Sohn Otto, spater als Otto II.
regierend, einstimmig zum Thronfolger gewahlt wurde, und es scheint, dass er
als Belohnung hierfur von seinem kaiserlichen Vater mit dem Rheingau beschenkt
worden ist. So sehen wir diesen herrlichen Landstrich, der schon im IX. Jahr-
hundert eine Parochie der Mainzer Kirche war, mit Beibehaltung seiner Frei-
heiten als Tafelgut des mainzischen Stuhles. Dadurch traten die drei Oberhofe
wie fruher mit dem koniglichen Ingelheim nun mit der erzbischoflichen Kammer
in Bingen in untergeordnete Beziehung, und die alten koniglichen Gaugrafen,
hier Rheingrafcn genannt, welche seit Griindung der merowingischen Gauverfassung
dem Gau vorgestanden hatten, traten an Macht und Ansehen allmahlich zuruck.
Die Erzbischofe hatten in Rudesheim eine Residenz; wir besitzen eine von
Erzbischof Albert I. in Rudenesheim IIII. Non. Novembr. 1124 ausgestellte
Urkunde.
Nachdem die Erzbischofe die Burg etwa 300 Jahre vom Anfang des X. bis
*) Mitteilung 1867, 1, 2, pag. 16. — a ) Annalen IV, 1, pag. 175.
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zu Anfang des XIII. Jahrhunderts besessen hatten, erbauten sie zwiscben 1208
und 1220 die Burg Ehrenfels und den Mauseturm *), welche offenbar geeigneter
zur Erhebung der Wasserzolle und gegen feindliche Angriffe gesicherter waren,
als die tief gelegene Niederburg. Diese war somit entbehrlich, und wir sehen sie
um diese Zeit als freies Allod in den Handen des ansehnlichen Geschlechts derer
von Rudesheim, welche wahrscheinlich schon lange vorher als Obermeyer dort
gesessen hatten. Sie waren allem Anschein nach eines Geschlechts mit den
alten Rheingrafen, da der Hauptstamm, die Fiichse von Rudesheim, dasselbe
"Wappenzeichen, einen Flugel, im Schilde fiihrte. -Diesen Stamm finden wir
im Jahre 1276 im Besitz einer anderen Burg, der Oberburg (heute Boosenburg,
auch Mittelburg genannt), und im ganerbschaftlichen Mitbesitz der Niederburg, in
welcher eine jungere Linie sass, die sich kurzweg von Rudesheim nannte und
sechs weisse Lilien im schwarzen Felde fiihrte. Es liegt daher die Vermutung
nahe, dass die von Riidesheimschen, ehe sie die bischofliche Burg gewannen, eine
Burg — fo Oberburg — besassen, welche dem altesten Stamm verblieb, wahrend
jene, in Wn gemeinschaftlichen Besitz iibergehend, von einem jungeren Aste
bewohnt wurde. Wir werden bei der Baubeschreibung hierauf zuriickzukommen
haben. Uber die Oberburg aber, scheint es, konnten die Fuchse frei bestimmen;
denn sie trugen dieselbe — unbekannt in welchem Jahre — dem alten Grafen von
Zweibriicken zu Lehn auf. Mit dem Erloschen der Fuchse im Jahre 1474 empfing
sie Johann Bois von Waldeck vom Grafen Simon Wecker von Zweibriicken als
Lehn, und erst im Jahre 1830 verkaufte sein Nachkomme, der Graf Boos von
Waldeck zu Sayn, sie an den Grafen von Schonborn-Wiesenhaid. Nachdem
dieser sich mit grossartigen Planen zu ihrem Ausbau getragen, verkaufte er sie
1868 an Herrn Joh. Bapt. Sturm.
Wir kehren zur Niederburg zuriick, von der wir gesagt haben, dass sie
— oder das, was etwa an ihrer Stelle stand — vom X. bis zu Anfang des
XIII. Jahrhunderts im Besitz des erzbischoflichen Stuhles, dann an das Geschlecht
derer von Rudesheim gekommen sei, dessen Glanz jedoch im letzten Viertel des
XHL Jahrhunderts mehr erlosch. Manches, was sich vor und nach mit der Burg
zutrug, kopnen wir daraus vermuten, dass sie in Mitleidenschaft gezogen wurde
mit allem dem, was dem Rheingau und insbesondere was Rudesheim widerfuhr.
— In dieser Beziehung wird zu erwahnen sein, dass, als um 1211 der Erzbischof
Sigfried IL von Mainz den gegen Otto IV. ausgesprochenen Bann verkundete,
dessen Freunde Heinrich von der Pfalz und Heinrich von Brabant mit ihren
Leuten in den Rheingau einfielen und zumal die Brabanter aufs grausamste in
Rudesheim, Winkel, Ostrich und Lorch wiiteten. — Kaum 30 Jahre spiiter
kamen die Burger von Worms, die auf Seiten Konig Konrads IV. gegen Erz-
bischof Sigfried HI. standen, 200 Mann stark auf Schiflfen, die sie mit Kriegs-
wehren (propugnaculis bellicis) versehen hatten, in den Rheingau herab und ziindeten
im Verein mit dem Konige fast alle Ortschaften an. Und im Jahre 1243 wider-
*) Der arme Mfiuseturm, den man ohno RGcksicht auf seine frflhere und seine jetzige
Verwendung zur Theaterdekoration restauriert hat! '
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holten sie diesen Zug auf ihren mit 100 Pfeilschiitzen ausgerusteten Kriegsschiffen,
die sie vor Rudesheim anlegten. Sie ziindeten diesen Flecken, "Winkel und Ostrich
an und schleppten viel Vieh und anderen Raub mit sich fort. Dass zu solchen
Zeiten eine feste Burg fur den Besitzer wie fur alle, die darin em Asyl fanden,
eine Rettung war, erkennt sich leicht.
Im Besitz dieser festen Burgen benahmen sich die von Rudesheim gegen
den Erzbischof nicht als treue Lehnsleute, sondern neckten ihn und seine armen
Leute, wie Bodmann sagt, ttfeben Strassenraub und fuhrten Ereignisse herbei,
welche fur das ganze Geschlecht nicht erspriesslich und iiberdies gar weit aus-
sehend wurden. Der Handel brach endlich bei der Sponheim'schen Fehde 1279
los. Die Riidesheimer Bruder traten als Heifer des Grafen Johann von Sponheim,
ebenso wie die Rheingrafen und die Rheinberger gegen den Erzbischof Wernher
auf, pliinderten und verheerten den Rheingau und andere erzstiftliche Lender.
Nicht nur die Kaufleute und die Reisenden, sondern auch die Rheingauer selbst,
ihre Frauen und Tochter, denen gar unkanonisch mitgespielt ward, samt ihrem
Vieh und ihren Weinbergen kamen dabei furchterlich ins Gedrange, das Kloster
Johannisberg ward geplundert, Eberbach ranzionierte sich, und bei allem dem
bedienten sie sich ihrer Burg als sichern Zufluchtsorts und Hinterhalts, als
wahren Raubnestes, in dessen Gewolben sie ihre Beute bargen und die ungluck-
lichen Gefangenen bis zu ihrer Auslosung schmachten liessen.
Am ganzen Rheinstrom entstand daruber graulicher Larm. Kaiser Rudolf
schlug sich mit Abmahnungsschreiben, wiewohl fruchtlos, ins Mittel; der Erzbischof
zog endlich seine Lehnsleute und die an sich gezogene Verstarkung zusammen
und lieferte im genannten Jahre (1279) dem Grafen von Sponheim und seinen
Helfern bei Sprendlingen (1 Meile ostlich von Kreuznach) ein blutiges TrefFen,
worin diese ganzlich aufs Haupt geschlagen wurden, eine ungeheure Anzahl
Gefangener verloren und unter anderm auch die von Rudesheim in die unbedingte
Gewalt ihres hochst aufgebrachten Lehnsherrn gerieten.
Sie kamen nun gar libel aus dem Handel ; der geschlossene Friede hatte sie
zwar in allgemeinen Ausdriicken ebenfalls einbegriffen, jedoch dem groblich
beleidigten Lehnsherrn nicht die Hande gebunden, mit ihnen noch ganz besonders
fertig zu werden. Dies geschah im Jahre 1282. Sie mussten die Burg Rudesheim,
die Niederburg, dem Erzstift zu Lehn auftragen, von ihrer Burghut in anderen
erzstiftlichen Schlossern zuriicktreten und als Gnade hierfiir als Burgmannen ihre
eigene Burg zu Lehn verdienen, auch Suhnung geben, die koniglichen Strassen
mit Raub und Totschlag nicht mehr zu schanden, eigens sollten sie in der Burg
nur freien Ein- und Austritt haben, iibrigens befugtv bleiben wegen der
Allodialzubehorde derselben, ihre an das Erzstift zu erhebenden Anspriiche im
"Wege Rechtens gebiihrend auszutragen. Was billig war, da auch Anverwandte
mannlicherseits vorhanden sein konnten, welche sich an den Raubereien und
Fehden gegen den Erzbischof nicht beteiligt hatten. Die Erstattung des ungeheuren
Schadens und der Kosten brachten das bis dahin so ansehnliche und reiche
Geschlecht in tiefen Verfall, woraus es sich niemals mehr ganzlich zu erholen ver-
mochte, auch mag es dieser Unfall gewesen sein, der es nach dem Muster so mancher
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andercn Geschlechter am Rheinstrom bestimmtc, von der Stufe der Landcsherren
(Dynasten) herabzusteigen und sich mit jener des minderen Adels ferner zu begniigen.
Es hatte sich dies Haus aber bereits vorher in mehrere Haupt- und Neben-
aste abgeteilt, das Stammhaus selbst, die Niederburg aber, wie es scheint, der
damaligen allgemeinen Adelssitte gemass in Gemeinschaft behalten.
Als am 25. November 1668 der letzte Bromser von Rudesheim starb und
das Lehn dadurch an Mainz heimfiel, belehnte Kurfiirst Karl Heinrich von
Metternich ex nova gratia den Freiherrn Emmerich von Metternich mit der
alten Burg samt den darumliegenden Garten. Es scheint, dass sie schon damals
nicht mehr bewohnt, dass nur die zugehorigen Garten (sie selbst aber als
Hundestall) benutzt wurden. 1811 hiess sie der Bromser Hundestall und fiel, da
Metternich in Gant kam, an den Rechtsnachfolger von Mainz, an Nassau zuruck.
Dies belehnte mit ihr den Grafen von Ingelheim, welcher sie durch Ablosung zu
seinem freien Eigen machte. Seine Gemahlin stellte sie im Innern zum Teil
wieder her und legte auf dem obersten Gewolbe, das, mit Rasen bewachsen, lange
Jahre als Bleichplatz gedient hatte, einen kleinen englischen Garten an. Goethe,
der Rudesheim am St. Rochusfest, 16. August 1814, besuchte, sagt von der Burg,
die er ein altes romisches Kastell nennt: „Man tritt in einen brunnenartigen Hof,
der Raum ist eng, hohe schwarze Mauern steigen wohlgefugt in die Hohc, rauh
anzusehen, denn die Steine sind ausserlich unbehauen, eine kunstlose Rustica.
Die steilen Wande sind durch neuangelegte Treppen ersteiglich, in dem Gebaude
selbst findet man einen eigenen Kontrast, wohleingerichtete Zimmer und grosse
wuste, von Wachtfeuer und Rauch geschwarzte Gewolbe. Man wjndet sich
stufenweise durch finstere Mauerspalten hindurch und findet zuletzt auf turmartigen
Zinnen die herrlichste Aussicht. Nun wandeln wir in der Luft hin und wieder,
indessen wir Gartenanlagen, in dem alten Schutt gepflanzt, neben uns bewundern.
Durch Briicken sind Tiirme, Mauerhohen und Flachen zusammengehangt, heitere
Gruppen von Blumen und Strauchwerk dazwischen; eie waren diesmal regen-
bediirftig, wie die ganze Gegend."
Die Meinung des Altmeisters, hier vor einem romischen Kastell zu stehen,
ist nicht erst von ihm bei fliichtigem Besuch erdacht, sondern bestand schon vor
ihm und spukt noch fort, indem man das Interesse fur die Burg zu steigern
glaubt, wenn man in ihr eins der bekannten 50 Drusus-Kastelle oder gar einen
romischen Briickenkopf sieht.
Dahl in seinem historisch-stafcistischen Panorama des Rheinstroms, Heidel-
berg 1^20, bringt noch zum weiteren Beweis dieses „romischen Briickenkopfs"
vor, dass man in einem alten Gewolbe romische Aschenkruge, Thranengl&ser,
Asche und Knochen gefunden, welche noch gegenwartig in der Burg aufgestellt
seien. Aufgestellt sind dieselben in der That noch heute in der oberen Kammer
des nordwestlichen Eckturmes, aber es sind Steinkriige, und zwar recht krumm-
gebrannte des XV. Jahrhunderts. Sie sind in einem Heft von Lithographieen
dargestellt, welche die Grafin Therese von Ingelheim, spatere vermahlte Grafin
Oberndorf, im Jahre 1820 zum Besten der Armen gezeichnet und herausgegeben
hat, und welche auf 18 Folioblattern den damaligen Stand der Restauration zeigen,
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18
^ Wahrend die Niederburg im Besitz derer von Riidesheim mit dem Lilien-
schilde war, erhielten sich die Fiichse von Riidesheim die Oberburg. Ihrem
Stamme angehorig besassen die „auf dem Markt a oder „de foro a eine Burg, die
Vorderburg, mitten im Stadtchen; sie kam spater an die Bromser von Riidesheim
(Lilienstamm), welche 1668 ausstarben. Zur Zeit, als Bodmann seine rheingau-
ischen Altertiimer schrieb — 1819 — , gehorte ihr Uberrest einem Herrn Jett
aus Mainz, der damals ein grosses Haus daneben erbaut hat, und jetzt sind beido
Eigentum des Herrn Schon. Voii der Vorderburg selbst besteht nichts mehr als
ein 9,40 m im Quadrat messender, jetzt noch 1 9 m hoher Turm. Er ist mit drei
9
10
20
Jf m
Abb. 1. Grundriss.
Die Oberburg bei Riidesheim.
Gewolben in vier Stockwerke geteilt, in deren zweitem der Eingang sich befindet.
Sein Mauerwerk ist aus grossen Blocken in wagerechter Schichtung mit lotrechten
Stossfugen, wie sie das XII. Jahrhundert aufzufuhren pflegte, erbaut. Ein kurzes
Stiick Mauer mit dem auf Bogen ruhenden Wehrgang lasst erkennen, dass der
Turm, wenigstens auf der Siidseite, mauerumzogen war, so wie die ihn im Kreis
umziehende Grabengasse uns den ausseren Bering der Mauer vergegenwartigt.
Die Bromser von Riidesheim waren, wie es scheint, in der Mitte des
XIV. Jahrhunderts von Presberg, das ihnen den Namen gab, nach Riidesheim
iibergesiedelt. Ein Friedrich von Bromser war um 1494 Vizedom des Rheingaues.
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1?
Ste erbauten damals den Bromserhof, auch Neue oder Bromser-Burg genannt, ein
massives Hans am Markt, welches mit seinen Hintergebauden an jenen Turra
anstosst und selbst mit zwei Erkertiirmchen und einem Mbttergottesbild dazwischeii
geziert ist. Mit dem Erloschen des Namens 1668 kam es an die von Bettendorf,
1770 an die von Erthal und von Frankenstein, dann an die Grafin von Couden-
hofen, geborene Grafin Hatzfeld, und ist jetzt im Besitz von Herrn Jung, dem
das Landesmuseum schone, dem Bau gleichzeitliche Ofenkacheln dankt.
o
i.i. i i i
Abb. 2. Durchschuitt A—B.
Der Vollstandigkeit wegen sind hier noch die riidesheimbchen Aste, die
Kinde, die Winter und die vom Hause (de domo) anzufuhren, ohne dass angegeben
werden kann, wo sie sassen 1 }.
Die den Fuchsen gehorige Oberburg (Abb. 1 u. 2) bildet ein Viereck von
30 auf 33 m, welches mit einem durchschnittlich 9 m breiten Graben umzogen
war. In Mitte des Vierecks erhebt sich der annahernd quadratische Bergfried,
*) Der am oberen Ende von Rttdesheim gelegene Adlerturm ist im Jahrgang 1886 der
Zeitschrift far Bauwesen, Heft 1—3, pag. 25 (Blatt 9 im AtlaB) verdffentlicht.
Annalen d. Ver. f. Nasa. Altertumsk. u. Geschichisf. XX. Bd. 2
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welcher unten 11, 10, 10, 9,90 m Seitenlange und 3,50 m dicke Mauern hat; er
erhebt sich in drei Absatzen, jetzt 38 m hoch; doch wird er in friihererZeit nach
alteren Zeichnungen schwerlich hoher als 28 m gewesen sein.
Kennzeichnend sind die ausseren Absatze, mittelst welcher die Mauern nach
Abb. 3. Grnndrisg vom Keller and L Gaden.
Abb. 4. Grundriss vom II. Gaden.
oben an Starke abnehmen ; diese Art, auf der Aussenseite die Mauern abzusetzen
und nicht, wie es mindestens schon seit dem XHL Jahrhundert in kirchlichen und
Profanbauten ganz allgemein geschieht, nach innen, giebt dem Turm eine in
das XII., vielleicht XL Jahrhundert hinaufreichende Bauzeit. Sie ist z. B. dem
nordwestlichen Portalturm des Domes von Wetzlar, dem Kirchturme von Neuenahr
(Beul 990), dem Bergfried der Sirsburg an der Saar und anderen eigen.
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id
■
Der Bergfried war auf drei Sciten umgeben von schinalen Raumen, welche
sich, in drei Stockwerken gewolbt, an ihn anlehnten. Sie trugen bei der Niilie
des ansteigenden Berges, anf dem # mit Leichtigkeit die Wurfgeschiitze des
Belagerers aufgestellt werden konnten, sehr wesentlich zur Festigkeit und Feuer-
Abb. 5. Grandriss vom III. G;
Abb. 6. GrundriBB i
achbodens.
sicherheit der Burg bei. Von dem Dachraum gelangt man, in 14 m Hohe iiber
der Hofsohle, zum Eingang des Bergfrieds, elner engen, mit nicht profilierten
Hausteinen bekleideten, romanischen Pforte, deren Halbkreisbogen mit konzen-
tri8chem Extrados nur durch zwei Steine gebildet wird. Durch wenige Mauer-
spalten sparlich beleuchtete Treppen fuliren in der Mauerdicke aufwarts, wahrend
abwarts das Verliess nur durch einen Seilhaspel erreichbar ist Zwischen dem
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Turm und der TJmfassungsmauer lagen die gewohnlichen Wohn- und Wirtschafts-
raume, die jedoch vielleicht auch erst von den Boosischen Bauten am Ende
des XVI. Jahrhundents herruhrten.
Eine Briicke fiihrte auf der Ostseite nach dem Stadtchen hin. In einem
Strebepfeiler in der Mitte der Siidseite fiihrte ein verstecktes enges Treppchen
in den Graben, der jetzt iiberwolbt einen ebenso prachtvollen als inhaltreichen
Weinkeller bildet.
Kaum 70 Schritt sudlich der Oberburg liegt dem Rhein zu die Nie der burg,
auf drei Seiten mit tiefliegenden Garten umgeben. In diese Garten tritt das
Hochwasser des Rheines ; fruher, als dieselben noch tiefer lagen, muss es so haufig
geschehen sein, dass die Niederburg als von Wassergraben umgeben bezeichnet
wird. Auf der Westseite zieht ein offentlicher Weg dicht an ihr voriiber, so dass
ihr Eingang von ihm aus unmittelbar betreten wird. Die Burg bildete urspriinglich
einen viereckigen Hof mit zwei Ecktiirmen auf der Diagonale. Die Spuren der
gezinnten Hofmauer sind auf der West- und einem Teil der Siidseite abc (vgl.
Abb. 3 und Abb. 9 bei ft), auch da, wo jene nicht mehr vorhanden, erkennbar.
Man sieht hier namlich, dass ihr Wehrgang auf Bogen geruht hat, deren Pfeiler,
zur Halfte zerstort, die Natur des inneren Mauerwerks blosslegen, ein Fiillwerk
von wagrechten und schraggestellten Steinen in grobkiesigem Mortel, welches den
Namen eines opus spicatum, da es sich nicht in der Bekleidung zeigt, nicht verdient 1 ).
Auf und hinter diesem, teils abgefallenen, teils wieder unterfahrenen und
uberkleideten Mauerwerk sieht man fast der ganzen Westseite entlang in der
Hohe des Bodens des zweiten Stocks einen Mauerbalken sich hinziehen, welcher
nichts anderes ist als der Abdruck, die Ausfiillung des ehemaligen Wehrganges
mit dem Mauerwerk des Hauptbaues, welcher, ohne dass die Hofmauer abgebrochen
worden ware, hinter und auf dieselbe aufgesetzt wurde; auf der Siidwestecke
kann man selbst die alte Mauerzinne noch erkennen.
Das Mauerwerk des Hauptbaues besteht aus Grauwacke und Quarzitgestein,
welches in 50 zu 30 cm grossen, kaum mit dem Hammer bearbeiteten Blocken,
welche, nur seiten Strecker, meist nur ihre quadratischen Kopfe zeigen und
mittelst plattenformiger Steine von Schicht zu Schicht wagrecht ausgeglichen sind,
mit jetzt ausgewitterten Fugen in kiesreichen Mortel gelegt ist Die sparlichen
Offnungen sind aus demselben Gestein iiberwolbt. Die massiven Hausteine bestehen
aus dem Ceritienkalk des Mainzer Beckens, die gegliederten aus graugelblichem
Plonheimer Sandstein und die Bogenfiillungen, wo sie vorhanden, aus dem leichten
Trassgestein der Umgebutfg des Laacher Sees. Von den auf der Diagonale
stehenden viereckigen Tiirmen ist der auf der Nordwestecke stehende A 6 m im
Quadrat gross und etwas von der Mauer zuriickgeruckt, so dass der Wehrgang
mit den Zinnen auf der Umfassungsmauer um seine beiden Aussenseiten herum-
laufen konnte. Der andere B auf der Siidostseite, ein Rechteck von 7,80 zu
l ) Weder das opus spicatum noch Bossenquader finden sich an kirchliohen Bauten, sie
mussen wohl als unwfirdig fur dieselben angesehen worden sein. Da an der Niederburg
gleichfalls kein opus spicatum zu finden, so kann man schliessen, sie sei von Handwerkern
aufgefuhrt worden, welche nur fur kirchliche Bauten eingesohult und nicht anders verwendet zu
werden gewohnt waren. Im XIII. Jahrhundert verschwindet das opus spicatum (iberhaupt.
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11m, ist nicht mehr vorhanden, doch 1st sein Mass durch die Liickc gegeben,
an welche die Siid- und die Ostfront der Burg stumpf anstossen. Dass er wie
der Turm der Oberburg auch mit ausseren Absatzen erbaut war, erkennt man an
dem Uberstand des dritten Stockwerks vor dem zweiten und der Plattform vor
dem dritten Stock am ostlichen Ende der Siidfront (o und p Fig. 9). Auf einer
im Staedel'schen Museum in Frankfurt a. M. befindlichen Handzeichnung von
Kraus (1803) tritt auf jener Siidostecke noch ein Mauerrest mit einem Thorweg
vor die Siidfront vor, so dass es den Anschein hat, der Turm sei nicht nur 7,80
zu 11m, sondern vielleicht selbst 11 zu 11m gross gewesen. Wann dieser Turm
abgebrochen wurde und die Lucke hinterlassen hat, wissen wir nicht Im
Jahre 1640 standen die Franzosen unter dem Herzoge von Longueville in Lorch,
12 km abwarts am Rhein, und zwangen die Lorcher, die Burgen von Rudesheim
zu zerstoren. Wahrscheinlich war es damals, dass der siidostliche Eckturm B
der Niederburg gesprengt und so die Burg offengelegt worden ist. Allerdings
scheint auf dem Merian'schen Prospekt von Rudesheim, herausgegeben 1645, der
Turm noch zu bestehen; allein die Aufnahme nach der Natur kann bereits vor 1640
gemacht worden sein und bewiese dann nur, dass der Turm bis um jene Zeit
noch bestanden hat. Die Zerstorung durch die franzosischen Mordbrenner ist um
so wahrscheinlicher, als man auch in einem dritten Turme der Burg, im Verliess
von C, die muhsamen Arbeiten einer Minenkammer, um den Turm in die Luft
zu sprengen, erkennt (Fig. 3), was jedoch nicht zur Ausfuhrung gekommen ist.
Die beiden Turme A und B und die viereckige Mauerumfassung glauben wir
dem XI., vielleicht selbst dem X. Jahrhundert zuschreiben zu diirfen, deshalb
weil der sogleich zu schildernde An- und Hauptbau dem Ende des XI. oder dem
Anfange des XII. Jahrhunderts angehort.
Um diese Zeit war die Burg noch im Besitz der Erzbischofe, welche sie erst
in der ersten Halfte des XIII. Jahrhunderts an die von Rudesheim abgaben. Sie
wurde mit reichlichen Mitteln, aber mit der bescheidenen Kunst ausgefuhrt, welche
man damals im Vergleich mit kirchlichen Gebauden auf Privathauser und Burgen
zu verwenden pflegte. Das ursprungliche Mauerviereck wurde namlich mit sehr
massiven, in drei Stockwerken gewolbten Wohn- und Wirtschaftsraumen — bis auf
einen engen Hof — ausgefullt, und selbst in diesen trat noch in dem Nordostwinkel
ein machtiger Bergfried C ein. Derselbe bildet ein Viereck von 10,50 m Seitenlange
und mit Mauerstarken, welche im Verliessgaden 4 bis 4,50 m, weiter oben 3,50 bis
3,75 m betragen. Er hat jetzt noch eine Hohe von 19 m, welche um ein Stockwerk
iiber die Plattform aufragt, urspriinglich aber etwa 25 m betragen haben mag.
Die Gebaude, die im unmittelbaren Anschluss an diesen Turm den Hof
umgeben, haben 7,50 m Tiefe. Nur die zunachst der kiihleren Norclostecke sind
mit Weinkellern zur Halfte unterkellert, alle haben ein mit dem Hof gleiches
Erdgeschoss, welches 2,25 bis 3 m iiber dem Graben- oder dem Gartengelande,
das die Burg umgiebt, liegt.
Das Erdgeschoss und das zweite Stockwerk- sind mit Tonnengewolben, das
dritte mit Kreuzgewolben iiberdeckt, auf jenem letzteren ist der friihere Dach-
boden in Gartenanlagen verwandelt. Auf jeder der vier Seiten, wenn wir die
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Siidostecke wieder erganzt denken, steigt eine vom Hof beginnende enge Treppe
zum zwfeiten Stockwerk (Gaden) auf, ist hier durch ein kleines, rundbogiges
Fenster von aussen beleuchtet und durch je zwei Pforten gegen die rechts und
links anschliessenden Raume absperrbar. Die Pforten hatten holzerne aus der
Mauer vorzuschiebende Balkenriegel. Unten ira Hof hatten die Treppen keinerlei
Ver8chlu88. Ahnliche Treppen fiihren in der Mauerdicke vom zweiten zuni dritten
Gaden; zum Dachraum aber, der einstigen Wehrplatte, fuhrte nur eine Treppe
und zwar aus den besten, nach dem Rhein schauenden Wohnraumen hinauf.
Nur auf diesem Weg konnte man, dem Wehrgang folgcnd, iiber einen Steg, der
Abb. 7. Durchschaitt von Oaten nach Westeu. Ansicht gegen Suden.
in 16 m Hohe den schmalen Teil des Hofes iiberbruckte, zu dem Eingange des
Bergfried C gelangen. Hier in einer 2,75 m breiten und langen Kammer angelangt,
blickt man durch ein vergittertes Loch im Boden 21m tief auf den Grund des
Verliesses hinab, zwischen dem und unserem Standpunkt kein Zwischenstockwerk
vorhanden war. Jedoch konnte man durch eine Wendeltreppe in der Mauerstarke
einerseits nach dem jetzt zerstorten hoheren Stockwerke des Turmes £, andererseits
8V« m tiefer hinabsteigen und durch eine Pforte n (Abb. 5 u. 7) gleichfalls in
den schlotartigen einzigen Raum, in das Turmverliess hinabschauen und die
Gefangenen oder die Lebensmittel fur dieselben hinablassen. Weiter abwarts
oder zu einem anderen Raum ftihrte die Treppe nicht; doch ist jetzt durch die
Mauerdicke eine Treppe bis zum dritten Gaden der Ostseite gebrochen, und auch
aus dem Keller derselben Seite ist ein> Schlupfloch zu dem Grund des Verliesses
gebrochen, neben dem die unvollendete Minenarbeit zu sehen ist. Durch den
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Dachraum der vier Gebaudefliigel gelangt man auch an den Turni A auf dor
Nordwestecke. Er 'hat eine solche Stellung, dass man nur auf dem Wehrgang
aussen urn ihn herumgehen konnte. Jetzt ist seine Siidostecke bei g (vgl. Abb. 6)
ausgebrochen und so, da der Wehrgang nicht mehr zuganglich, hier ein schmaler
Weg geschaffen. Der Turm (A) hat 8 m im Quadrat und umschliesst eine einst
vom Wehrgange aus zugangfiche Kammer (Wachstube) von 1,80 m lichter Weite,
mit zwei Eaminen versehen, die sowohl zur Erwarmung des Turmwachters als
auch zum Sieden von 01 und Pech zur Verteidigung dienen konnten. Sein
i o
•jo-
Abb. 8. Durchachnitt von SUden nach Norden. Ansicht gegen Westen.
oberster Stock, jetzt nur mehr eine offene Plattform, hatte zur Zeit voiji Meriau
noch einen Zinnenkranz. Er ist durch ein Steintreppchen von der Nordseite
zuganglich. Der Turm ist von unten her durch die die ganze Burg umschliessende
Mauer, welche hier 1,20 — 1,80 m dick ist, eingehullt. Bei dieser Dicke gewahrte
sie genugenden Platz, um die Zinnen und den Wehrgang um den Turm herum-
zufuhren. Nach der Merian'schen Ansicht trat auf der Nordwestecke vor dem
Turme ein Wichhauschen vor, und es lief rings um den ganzen Burgbau ein auf
Tragsteinen und Priesbogen stehender Zinnenkranz herum. Auf einer Zeichnung
von Lindenschmit von 1812 sieht man noch einzelne Friesbogen, jetzt nur mehr
einzelne quadratische Tragsteine, welche 25 cm vorstehen und einen Abstand von
einander haben, welchen halbkreisformige Friesbogen von 70 cm erheischen.
Die Frage, ob das Gebaude ein Dach hatte, wird durch Merian, zu dessen
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Zeit es keins hatte, nicht entschieden; dennoch ist sie zu bejahen, weil iiberhaupt
allfe Burgen in Deutschland und anderwarts ebenfalls — ja, wo thunlich, selbst die
unbewohnten Stadtmauern mit Dachern Yersehen waren. Unsere dachlosen Burg-
restaurationen sind missgliickte Erinnerungen an italienische Villen und haben
sich aus der Zeit, wo das Ideal jedes Architekten noch der griechische Tempel
war, ziemlich gedankenlos bis in die jungsten Tage* fortgeerbt.
Die Zinnen aber bestanden in jener Zeit aus ziemlich niederen, etwa 90 cm
breiten und hohen Wimbergen und ebenao breiten Fenstern. Ein boser
Anachronismus ist es jedenfalls, den man bei neueren Restaurationen und Entwurfen
Abb. 9. Ansicht ton der SUdseite (Rheinseite).
fur unsere Dekorationsburgen so haufig sieht, die Zinnenfenster so schmat wie
Gewehrscharten, dass man sich nicht aus ihnen vorlehnen kann, zu machen,
Der Gang unserer Beschreibung hat uns zum Dachboden gefuhrt; wir
tniissen zum Eingang der Burg zuriickkehren. Derselbe liegt auf der dem
Stadtchen abgekehrten Westseite an der Burggasse, in welche eine Abzweigung
der Kaufmannsstrasse durch die Weinberge, ohne Riidesheim zu beriihren, an
den Rhein fuhrt und die Burg unabhangig von dem Stadtchen stellt. Die Gasse
liegt 2,20 m tiefer als der Burghof, so dass man mehrere Stufen hinaufsteigen
muss, ehe man die Pforte selbst erreicht. Welche Gestalt das aussere Thor,
innerhalb dessen die Stufen und ein kleiner Vorplatz liegen, hatte, ist bei den
vielen Einsturzen und rohen Herstellungen nicht mehr zu erkennen. Vielleicht
war es nur ein schlichter Mauerbogen, hinter dem ein Fallgatter sich auf die
Treppe niederliess, vielleicht fehlte auch selbst dieses. Die Ersturmung einer
ansteigenden Treppe ist immer weit gefahrlicher, als die auf ebenem Wege. Wir
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sehen daher die Treppeneingange ihl gegen den Hof ohne Spending, bei
normannischen Schlossern des XL und XII. Jahrhunderts in England und Frankreich
den Burgeingang hoch gelegen und nur mittelst einer geraden und steil ansteigenden
Treppe zu erreichen. So ist der Eingang beschaffen von Conisborough, Hedingham,
Provins, Chateau Gaillard und ganz in der Nahe der des Pallas von Guttenfels,
alle ungefahr um 1100 erbaut. War der Angreifer bis an die Hofpforte gekommen,
so war er in diesem beschrankten Raum D (vgl. Abb. 3, 6 u. 7), iiber welchem
sich keine Zwischenboden befanden und in welchen man von dem Turme A und
dem Wehrgange hinabschauen konnte, den Geschossen, dem brennenden Pech und
siedenden .01 uberantwortet. In Abb. 7 ist iiber D das Profil der westlichen Viereck-
seite dargestellt, statt nur die glatte Mauer, welche auf alien vier Seiten des
Durchgangs D bis zum Wehrgang aufsteigt, wiederzugeben. Die ohne Zweifel
zweiteiligen Fliigel der Pforte waren, wie sich erkennen lasst, von aussen
angeschlagen und durch einen Drehriegel von innen geschlossen, sie war daher
gegen den Andrang und Stoss desto fester. Die Pforte (Abb. 10), 1,64 m weit,
2,75 m hoch, im Halbkreis mit konzentrischem Extrados iiberwolbt, gleicht, nur
ist sie schlichter, der Pforte am Saal zu Niederingelheim von 1154 und der
am Pallas von Guttenfels, ebenfalls aus dem XH. Jahrhundert. Bei ihren
geringen Abmessungen rausste der Reiter absitzen und das Pferd nachfuhren.
Yon ihr bis zu der Treppenpforte I (Abb. 3) war langs der nordlichen Hofseite
der Weg iiberdacht, wie man aus vorspringenden Steinplatten langs der nordlichen
Seite des Hofes erkennt. Im Hof befindet sich ein Ziehbrunnen von geringer,
80 cm, Weite. Zu den Raumen des Erdgeschosses, welche jetzt und wohl aucji
fruher als Kiiche, Gesindestuben und Stallungen benutzt werden und wurden,
sowie zu den Treppen nach den oberen Gaden fuhren mannigfaltig umge-
wandelte Eingange, deren halbkreisformige Uberwolbung jedoch iiberall noch zu
erkennen ist.
Durch die gut gemeinten Bestaurationen in den zwanziger Jahren ist manches
zerstort worden, doch hat sich auch vieles so erhalten, dass aus demselben das
Fehlende sich im Geiste wieder herstellen lasst. Es eind namentlich an charak-
teristischen Details die einfachen und gekuppelten rundbogigen Fenster und ihre
Stellung in den Mauerflachen, welche wir auf der Rheinseite (Abb. 9) in den Hof-
fronten (Abb. 7 u. 8) und auf der Nord- und Ostseite noch erhalten finden,
sowie drei mehr oder minder vollst&ndige Kaminbekleidungen, die gleichzeitig
mit dem ganzen Bau mit ausgefuhrt worden sind.
Ein Kamin im zweiten Gaden der Ostseite (Abb. 1 1) ist wohl erhalten, aber
nicht mehr an seiner urspriinglichen Stelle, ein anderer, der ostlichste auf der
Nordseite, ist ziemlich erhalten und an der Stelle, fur die er ursprunglich bestimmt
war, geblieben. Ein dritter auf dieser Seite ist sehr schlecht erhalten, aber man
kann seine Stellung und seine urspriingliche Verbindung miPdem Gesamtmauer-
werk leicht erkennen. Sie alle haben zweit romanische Saulen mit attischen '
Basen und Eckblattern und ein kelchformiges Kapital mit romanischen Blattern
und Voluten. Sie haben einen romanisch profilierten Sturz, iiber welchen der
Schlot trichterformig in den inneren Hofmauern aufsteigt. — Sie tragen somit
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die Kennzeichen dee Endes des XI. und des Anfangs des XII. Jahrhunderts.
Demselben entspricht auch an den einfachen Fenstern (Abb. 12) die mit einem
zuruckgekriimmten Blatt endigende Abfasung der Bekleidung, sowie an den
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SL
Abb. 10. AnaiclU der Hofpforte.
Abb. 11. Kamin im II. Gaden dor Ostseite.
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Abb. 12. Einfacbes Fenstor.
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Abb. 13. Gokuppeltee Fenster.
gekuppelten Fenstern (Abb. 13) iJie einem Wurfelkapital nachgeahrate Base des
Rundstabs, mit welchem die Bekleidung gegliedert ist.
Wir haben bereits gesagt, dass die Gewolbe des unteren und zweiten Gadens
Tonnen-, die des dritten aber Kreuzgewolbe sind. Offenbar mit guter statischer
Erkenntnis, dass die Widerlager der beiden unteren Gewolben durch ihre starkere
Belastung nicht zu weichen drohen, dass aber die des oberen Stockes, wo die
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Abb. 14. Quorecbnitt Abb. 16. L&ugensohnitt
durch den Raum H in Abb. 4.
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Belastung nicht mehr in dem Masse vorhanden ist, nicht durch Seitenschub in
Anspruch genommen werden durfen. Alle Gewolbe zeigen Halbkreise; sogar
sind, worauf schon v. Lassaulx aufmerksam gemacht *), die Diagonalgurten der
Kreuzgewolbe Halbkreise, so dass diese nach der Mitte stark ansteigen. Wenn
dies nun bei Messungen nicht mit vollstandiger Genauigkeit hervortritt, so erkennt
man doch die Absicht, indem die Uberhohung 0,63 bis 1,18m betragt. Auf
dem mir vorliegenden Plan von Lassaulx, dessen Einsicht ich der Giite des
Koniglichen Kultusministeriums verdanke, und welcher offenbar vor der Ingelheim-
8chen Restauration aufgenommen ist, zeigt sich noch eine Eigentiimlichkeit, welche
jetzt verschwunden und auch nicht wohl dem ursprunglichen Bau angehort hat.
Es war namlich das Gewolbe iiber dem zweiten Stock des Raumes, welcher an
dem fehlenden sudostlichen Eckturm von Westen anstosst (R in Abb. 4), fast in
seiner ganzen Lange und in 6 Fuss
Breite durchbrochen und dariiber eine
ebenso breite, an beiden Enden offene
neue Uberwolbung gesetzt, welche nun
den urn 1 m hoheren Fussboden des
entsprechenden Raumes im dritten
Stock trug (vgl. Abb. 14 u. 15).
Welchen Zweck diese Durchbrechung
und tiberwolbung, welche in dieses
Stockwerk mundete, hatte, ist nicht wohl zu sagen. Vielleicht dass unten
Feuer unterhalten und oben Fleisch |um Rauchern aufgehangen war. Diese
Anordnung blieb noch nach der ersten Restauration bestehen und ist noch in den
Lithographieen der Grafin Therese, Blatt 6 und 12, ersichtlich. Die Raume der
Nord- und Ostseite sind und waren weder verputzt, noch waren sie durch
Zwischenwande, ausser da, wo es die Treppen notig machten, geschieden; sie
sind mit gemauerten Sitzbanken langs der Wande versehen, als sollten sie eine
grosse Anzahl von Leuten aufnehmen. Ebenso gut haben die R&ume sich jedoch
auch fur Getreidevorrate geeignet. Man hat sich iiber die Wasserdichtigkeit
der Gewolbe unter der Gartenanlage, welche die Plattform einnimmt, gewundert;
wenn sie nun schon auf der Ostseite keine ganz unbedingte und ihr auch auf
der Siidseite hier und da etwas mit Asphalt nachgeholfen worden ist, so ist sie
doch im allgemeinen vorhanden und in Bezug auf die vielen missgliickten Vcr-
suche bei den Festungs-Kassematten einigermassen beschiimend. Allein wenn
man auf die Sache naher eingeht, ist der Grund der Wasserdichtigkeit kein
anderer, als der fur die Festigkeit des alten Mauerwerks iiberhaupt. Das Regen-
wasser dringt in das dachlose Gemauer ein, lost, nachdem es aus dem verwesten
Moos und Gras Kohlensaure aufgenommen, den Mortel der oberen Mauerschichten
auf, sickert allmahlich durch die untere und setzt den Kalk hier wieder tropf-
steinartig ab; cs lasst sich mit dei^ Lupe erkennen, wie alle kleinen Hohlraume
im Mortel mit einer tropfsteinartigen Kalkschichte umkleidet sind. Dass dadurch
! ) Kleins Rheinreise, Koblenz bei Baedecker (1828).
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die unteren Schichten eine sehr grosso Festigkeit und Dichtigkeit erhalten, liegt
auf der Iland, und dass wir irren, diese ih besonderen Kiinsten der Mortel-
bereitung zu suchen, wo sie nur in der Schutzlosigkeit gegert das Eindringen der
atmospharischen Niederschlage und in der allmahlichen Auflosung der oberen
Mauerschichten beruht, ist ebenso einleuchtend.
Weshalb die Oberburg sowohl als die Niederburg ganz eingewolbt waren,
wahrend dies bei den meisten rheinischen Burgen nicht der Fall war (Reichenberg,
Burgschwalbach, Eunkel gehoren zu den wenigen Ausnahmen), lasst sich sowohl
durch die Nahe der iiberhohenden Berge, als auch in der zeitweisen Feindseligkeit
der beiden, kaum 80 Schritt von einander entfernten Burgen erklaren. Man verstand
im XL Jahrhundert sehr wohl, Geschosse von 1 V* Centner auf 300 Schritt zu
werfen, welche Dacher und Stockwerksgebalk durchschlugen und, wenn statt
Steinen Feuerpfeile und -Topfe angewandt wurden, die Gebaude in Brand setzten.
Die Einwolbung twar daher, wo die Mittel es erlaubten, eine gebotene Massregel.
Zu denselben gehort aber auch die, es moglich zu machen, Brandkorper, welche
auf die Dacher geworfen und liegen blieben, mit Leichtigkeit wegschaffen zu
konnen, ehe sie Schaden thaten. Ehe man in dem XIV. Jahrhundert dem Dach
eine grossere Steilheit gab, liess man dasselbe nicht iiber die Zinnen hinaus-
reichen, sondern fiihrte es nur so weit, dass seine Traufe auf den Wehrgang fiel.
Von diesem aus war es dann leicht, das Dach zu iiberschauen und zu besteigen.
Fur den Bau selbst hatte diese Einrichtimg allerdings den Nachteil, dass das
Wasser in das Mauerwerk eindrang, wenngleich man es durch Rinnen und
Wasserspeier abzuleiten suchte. — Wir haben auch an der Sudseite der Niederburg
drei Wasserspeier zwischen den Friesbogen aufgefunden, von denen wir allerdings
nicht mit Sicherheit sagen konnen, ob sie dem urspriinglichen Bau angehoren.
Davon abhangig wurde die Entscheidung sein, ob das Dach auch den Wehrgang
iiberdeckt habe oder nicht.
Wir erinnern nun daran, dass der erzbischofliche Stuhl vom IX. bis zu
Anfang des XIII. Jahrhunderts die Burg besass, und glauben beh|iupten zu diirfen,
dass trotz der bescheidenen Anwendung von Ornamenten im Gegensatz zu dem
bei Kirchenbauten beliebten Reichtum nicht nur der Stil auf das XII. Jahrhundert
deutet, sondern dass auch die einheitliche Fassung des Baues wie seine schlichte
Grossartigkeit auf die nicht geldverlegene, durchgreifende Hand des ersten und
machtigsten Kirchenfiirsten Deutschlands hinweisen, welcher in das schon vorher
zwischen den beiden Ecktiirmen und der Zinnenmauer bestandene Viereck die
beschriebenen Wohn- und Wirtschaftsgebaude und den in den Hof vortretenden
Bergfried um 1100 erbaut haben muss.
In einem nachsten Annalenband denken wir die Beschreibung des Adler-
turmes, der Burg Ehrenfels und des Mauseturmes zu geben.
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VI.
Zur Topographic des alten Wiesbaden.
Von
A. v. Cohausen.
Zur Topographie des alten Wiesbaden sind wahrend des Jahres 1886
nur wenige Funde zu verzeichnen.
In der Webergasse kam man beim Umbau der Hauser No. 23 und 25,
nachdem man den schwarzen dampfenden Boden durchgraben hatte, in einer Tiefe
von 1,60 m unter dem Strassenpflaster auf festen Kies, auf welchem, ziemlich
parallel mit der jetzigen. Strasse, eine Anzahl von Ziegelpfeiler noch aufrecht
standen. Sie bestanden aus hochstens fiinf Schichten 4 cm dicker Ziegel, welche
teils rund mit 17 1 /* cm Durchmesser, teils quadratisch mit 17 1 /* cm Seitenlange
und alle ohne Stempel waren; sie werden unter No. 13738 im Museum aufbewahrt.
Man wiirde irren, wollte man sie zu Hypokausten gehorig ansehen. Die Homer
fuhrten ahnliche Anlagen aus, nur um den Fussboden ihrer Wohnungen trocken
zu halten, ohne die Absicht sie zu heizen. Eine solche Anlage haben wir in
einer Villa bei Homburg, Annal. XVII, pag. 126, beschrieben, dercn Kanale bei
29 cm lichter Weite gleichfalls nur 20 cm Hohe hatten, ohne dass der klar
vorliegende Plan eine Heizkammer noch Rauchabziige zeigte.
In der Marktstrasse ergab die Griindung des Hauses No. 12 einen 2 m
tiefen, aufgeschutteten Boden, in welchem sich unter anderen auch solche Wolb-
topfe fanden, welche die Romer unjl das Mittelalter bis zu unserer Zeit zum Bau
der Topferofen verwandten und welche wir Annal. XIV, pag. 127 beschrieben
und abgebildet haben. Auch eine kleine romische Bronzebiiste, wie sie zu Mobel-
griffen und als Gewichte dienten, fand sich in dem Schutt.
In der Metzgergasse kam man bei der Neugriindung des Hauses No. 36,
es liegt im ehemaligen Graben vor der durch das Haus No. 35 voriiberziehenden
Heidenmauer, auf Schutt, der reich an Terra sigillata-Scherben war.
Die Heidenmauer. Bei den in neuerer Zeit vor derselben ausgefuhrten
Terrassenmauern wurde ein ohne Zweifel urspriinglich ihr zugehoriger Zinnen-
Deckstein von gelblichem Sandstein eingemauert, doch so, dass man ihn im
Profil noch sehen und messen kann. Er stellt einen Halbkreis von 58 cm
Durchmesser und 29 cm Hohe dar und giebt uns daher die gleiche Starke der
Zinnenmauer und, da die Hauptmauer 2,15 — 2,20 cm dick ist, zugleich auch die
Breite des Wehrganges zu 1,52 — 1,57 cm an. (Annal. XH, pag. 317; XIV, pag. 406;
XVH, pag. 140. Grenzwall pag. 178.)
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Bei dem Bau des Hauses fur die barmherzigen Briider, in der Ecke, welche
die Heidenmauer mit der Hirschgrabengasse macht, fand sich 3 m vor jener
Mauerverlangerung die Mitte eines dreieckigen Grabens von 1,25 m Tiefe und
2,50 m Breite, vor welchem und 11 m vor der Heidenmauer die Mitte eines 6 m
breiten und 3 m tiefen Grabens lag, welcher parallel der Heidenmauer steil
abfiel, sowie auch vor seiner Contrescarpe das Gelande steil abfallt (vgl. Grenz-
wall pag. 179). Beide Graben wurden re'chtwinkelig durchschnitten durch den
Abbruchsschutt der bei der Saalgasse erwahnten alten Stadtmauer.
In der Saalgasse stosst das Grundstiick des Hinterhauses von No. 32
43 m von der Nerostrassenecke und 42 m von der Strassenfront auf die Stadt-
mauer vom Anfang des XVHI. Jahrhunderts. Am Pusse derselben fanden sich
gute Terra sigillata-Scherben, eine mit dem Stempel SECVNF, und zwischen
jener und der Strassenfront lagen im Moorboden menschliche Gerfppe, die den
alten Hospitalskirchhof auch hier bekundeten (vgl. Otto in AnnaL XV, pag. 81).
Auch in den Hintergebauden des Herrn Herber, No. 36, und denen des Herrn
Feix, No. 28, hatte man 1873 ahnliche Beobachtungen gemacht.
VII.
Die kleine Steinkammer bei Erdbach.
Von
A. v. Cohausen.
Uber die kleine Steinkammer bei Erdbach (Annal. XIX, pag. 174)
schreibt uns Herr Seminarlehrer H. Miiller in Stade, selbst ein Erdbacher
Kind, wie er sagt, dass, als er noch Lehrer in seinem Heimatsorte war, er in der
genannten Hohle drei grosse Steinblocke, welche den inneren Eingang zu dem
Schlupfgang versperrten, mit Dynamit gesprengt habe. Die Schuljungen glichen
mit den Triimmern eine Vertiefung aus, auf der die Madchen das Mooslager
bereiteten, das wir erwahnt haben. Die Griffel aber, urn kommende Anthropo-
logen nicht irre gehen zu lassen, seien noch in den 60 er Jahren von der Schul-
jugend einem Thonschieferfelsen in Erdbach, hinter J. P. Wissenbachs Haus,
entnommen und von ihnen selbst hergerichtet worden.. Eine dritte Hohle sei das
Puchsloch, links der kleinen Steinkammer, mit Epheu bewachsen; der Eingang sei
so niedrig, dass man ihn nur auf dem Bauch durchkriechen konne. Die Hohle
erweitere sich aber kurz darauf sehr und schliesse, zumai wenn die Eingangssohle
Erde ist, ihre vorgeschichtliche Benutzung und weitere anthropologische Funde
nicht aus.
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VIII.
Die Eirihorn-Legende in ihrem Ursprung
und ihrer Ausgestaltung.
(Mit einer Tafel in Farbendrnck.)
Von
Dr. Friedrich Schneider
an Mains.
Die katholische Pfarrkirche zum heil. Martin in Ober-Lahnstein befand
sich bis in die neueste Zeit im Besitz einer mittelalterigen Bildstickerci
(vgl. Lotz-Schneider, Bau-Denkmaler des Reg.-Bezirks Wiesbaden, 1880, S. 351),
welche dem Vereinsvorstande bedeutend genug erschien, um sie fur die Zwecke
der Vereinsschriften in Farbendruck abbilden zu lassen. Das ehrwiirdige Stuck,
welches wahrscheinlicli als Stiftung ursprunglich schon der Pfarrkirche zu Ober-
Latnstein zugewandt worden war und jedenfalls seit unvordenklicher Zeit der-
selben gehorte, ist bedauernswerter Weise in den letzten Jahrcn veraussert
worden; angeblich soil es seinen Weg in eine offentliche Sammlung gefunden
haben. Bleibt der Yerlust selbst zu beklagen, so ist die Erinnerung an das alte
Eunstwerk fur seine friihere Heimat und deren Forschungskreis wenigstens im
Bilde bewahrt. Der Einladung des Vereinsvorstandes, die Abbildung mit einigen
Worten zu begleiten, komme ich um so lieber nach, als die Lahnsteiner Bild-
stickerei mich zur Zeit viel besch&ftigte, indem ich auf Veranlassung des 1873
verstorbenen Baronet Sir John Sutton fur die Kirche zu Kiedrich, welche er
bekanntlich mit reichen Stiftungen jeder Art bedachte, eine getreue Wiederholung
der alten Nadelarbeit anfertigen liess und bei dieser Gelegenheit, wie auch spater,
mit dem Inhalte der Darstellung und einschlagigen Erscheinungen mich mehrfach
befasste. Der Gegenstand ist zwar ofter behandelt worden; indess fanden dabei
einerseits die Vorstufen weniger Berucksichtigung, anderseits sind in der neuesten
Zeit bis dahin nicht bekannte oder minder beachtete Darstellungen hinzu-
getreten, so dass es in der That nicht uberfliissig erscheint, an das vorliegende
Blatt anknupfend die ganze Entwickelungsreihe der Darstellungen selbst in
gedrangter Kiirze zusammenzufassen.
Ihrer Bestimmung nach diente die in Rede stehende Stickerei als Altar-
behang. Dem Mittelstucke waren schmale Seitenstreifen spater hinzugefugt worden,
die ihrerseits jedoch gleichfalls einer mittelalterigen Nadelarbeit entnommen und
zerstuckt hier angesetzt worden waren; sie schienen sogar etwas alter als die
Hauptdarstellung selbst. Diese war in der Art hergestellt, dass die Zeichnung
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aller Einzelheiten aus verschiedenfarbigen Stoffen ausgescbnitten und entsprechend
mittels Stickerei auf einem Grund von rotem Tuch zu einem farbenprachtigen
Gesamtbilde verbunden war (Applikations-Technik). Goldene und dunkle Umrisse
wechselten miteinander; bald waren die Lichter, bald die Schatten in Seide und
Gold aufgesetzt, wie es die bewegliche kunstgeubte Hand am wirkungsvollsten
zu gestalten wusste.
Nach Inhalt der Darstellung wie nach der Pormengebung des Ganzen, der^
Gestalt der Schriftziige und sonstiger Einzelheiten gehorte das Stuck noch dem
ausgehenden Mittelalter, vielleicht den ersten zwei Jahrzehnten des XVI. Jahr-
hunderts an. Die zu beiden Seiten wiederkehrende Zahl 1627 kann sich nur auf
eine damals vorgenommene Herstellung beziehen, wofur in der That die unzwei-
deutigsten Belege sich vorfanden: so waren betrachtliche Uberarbeitungen an
den Gewandern der Hauptfiguren erkenntlich; Stoff uiid Arbeit kundeten das
bestimmt. Auch sonst liessen Erganzungen sich verfolgen, welche die Annahme
einer spateren Herstellung und eben in der durch die Inschrift naher bestimmten
Zeit rechtfertigten.
Die Darstellung selbst hat zum Gegenstand die sogen. himmlische Jagd,
eine kindliche, dabei siftnvolle Umdeutung der Tierfabel yom Einhorn auf die
Menschwerdung Christi. Wie das Mittelalter gewohnt war, die ganze Weltordnung
in ihren gesetzmassigen wie in ihren sittlichen Erscheinungen auf den Heilsplan
Gottes zur Rettung der gefallenen Menschheit zu beziehen, so kniipfte man
sowohl auf dem Gebiete des Wissens wie der Kunst an die Tierfabel an und gab
ihr mannigfache Ausdeutungen, welchen teils malerische Ausschmiickungen des
Inhaltes selbst, teils mystische Beziige der heil. Schrift zu Grunde liegen. Die
vorliegende Darstellung der Einhorn-Legende stellt dieselbe in ihrer letzten Ent-
wickelung vor und bezeichnet zugleich die Hohe ihrer Ausgestaltung.
Schon das Altertum kniipfte an thatsachliche oder vermeintliche Eigenschaften
•von wirkhchen wie sagenhaften Tieren Beziehungen geheimnisvoller Art. In den
christlichen Gedankenkreis herubergenommen, ergaben sich von selbst zahlreiche
Verkniipfungen mit dem Heilsplane. Von dem Konig der' Vogel, dem Adler, wurde
berichtet, dass er, alt geworden, sich verjiinge; er ward um deswillen Sinnbild
des auferstehenden Heilandes. In gleicher Weise wurde der Schlaf des jungen
Lowen gedeutet, den nach drei Tagen das Gebriill des.alten zu Leben und Bewegung
erwecken sollte. Dem Pelikan mass man die Eigenschaft bei, dass er mit seinem
Herzblute seine Jungen nahre: ein Bild von Christi erlosendem Tode und dem
Altarsakrament. Oder es waren sagenhafte Tiere, wie der Phonix, der, aus den
Plammen aufsteigend, die Auferstehung Christi versinnbildete.
Der gesamte Stoff dieser fabulosen, symbolischen Tiergeschichte ist in den
sogen. Physiologi vereinigt: die gemeinsame Quelle derselben reicht ohne Prage
hoch in das christliche Altertum hinauf, wie denn die griechische Rezension teils
auf Chrysostomus, teils auf Epiphanius zuriickgefuhrt wird (Pitra, Spicileg. Solesm.
H et III, Auctores de re symbolica); fur die lateinische Version ist die Handschrift
des Stiftes Gottweih aus dem XI. Jahrhundert (veroffentlicht von G. Heider, Archiv
zur Kunde osterr. Gesch.-Quellen V, S. 541 ff., auch Sonderausg. 1851) von
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besonderer Bedeutung. t)as XII. und XHI. Jahrhundert forderte eine Reihe teil-
weise gereimter Fassungen in lateinischer, wie in der Volkssprache zu Tage (die
deutschen erwahnt bei Heider a. a. 0.; die franzosischen bei Cahier und Martin,
M&anges d'Arch6ol. Ill; siehe auch deren Arbeit: Sur quelques points de Zoologie
mystique etc. Fragment. Paris 1842).
In die Reihe dieser sagenhaften Tiere gehort auch das Einhorn. Die Alten
glaubten sicher an dessen Wirklichkeit ; noch der beruhmte Palastina-Reisende
des ausgehenden Mittelalters, der Mainzer Domdekan Bernhard von Breidenbach
(Sanctar. peregrination, opusc. 1486, Fol. 102 a), vermeint es auf dem Wege nach dem
Sinai gesehen zu haben, und selbst Cahier will von dem Gedanken an dessen Dasein
nicht recht lassen. Es wird als ein edles, gazellenartiges Tier von blendend weisser
Farbe, mit starkem gewundenem Horn auf der Stirn, geschildert. Man glaubte,
das unzahmbare Tier lasse sich nicht erjagen; wenn es aber eine Jungfrau sehe,
lege es sich friedsam in deren Schoss und werde so die Beute des Jagers. Schon
Gregor der Grosse (Moral. XXXII, cap. 15) verwertet die Fabel vom Fang des Ein-
horns mit Bezug auf die Menschwerdung Christi aus der Jungfrau. Die Sage mit
ihrer Anwendung pflanzt sich bei den kirchlichen Schriftstellern des fruhen Mittel-
alters ohne nennenswerte Anderung fort, wie Isidor von Sevilla (Orig. XH, cap. 2)
beweist; er sagt: Rinoceros tantae est fortitudinis, ut nulla venantium virtute
capiatur — virgo puella proponitur, quae venienti sinum aperit, in quo ille omni
ferocitate deposita caput ponit, sicque soporatus velut inermis capitur.
Der Physiologus von Gottweih (bei Heider, a. a. 0. S. 546), der, wie
bemerkt, dem XI. Jahrhundert angehort, bietet die Legende und deren Deutung
in folgender Fassung:
111. Monoceros. — Virgineis digitis capienda fit hie fera mitis
Qui mundum salvum facit intrat virginis alvum.
Est autem animal quod graece dicitur monoceros latine vero unicornis.
Physiologus dicit hanc unicornem habere naturam et quod sit pusillum animal,
et est hedo simile, acerrimumque habet in capite unum cornu atque nullus
venatorum eum capere potest Sed hocargumento capiunt ilium, ducunt puellam
virginem in ilium locum ubi moratur, et dimittunt earn ibidem solam; ille autem
mox ut viderit earn salit in sinum virginis et complectitur earn sicque comprehenditur
et perducitur ad palatium regis.
Sic et dominus noster ihs christus spiritualis unicornis, de quo dd. dicit . et
dilectus sicut filius unicornium et rursum. Exaltabitur sicut unicornis cornu meum.
Et Zacharias . suscitavit eum in nobis cornu salutis in domo dd. Et in deuteronomio
moyses benedicens tribu Joseph dicit, filius primitius meus . thuari species ejus
cornua rinocerotis cornua ejus. Quod autem unum cornu habet . significat hoc
quod christus dicit. Ego et Pater unum sumus. Capud (sic!) autem christi deus.
Acerrimum autem quod dicit eum id est quem neque. principatus . neque potestates .
non throni nee dominationes .intelligere potuerunt nee infernus tenere valuit [Fol.3b].
Pusillum est animal . propter incarnationis ejus humilitatem dicente eo. Discite a
Annaleu d. Ver. f. Nus. Altertumsk. u. Geschichtif. XX. Bd. 3
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me quia mitis sum et humilis corde. Qui in tantum est acerrimus ut subtilissimus
diabolus intelligere et investigare incarnationis ejus misterium non valet Sed sola
voluntate patris descendit in uterum virginis et verbum caro factum est et habitavit
in nobis. Quod autem similis sit hedo unicornis . significat salvatorem qui ut
apostolus ait . factus in similitudinem carnis peccati . damnavitque in carne peocatum.
Die alteren Scholastiker, wie Alanus von Lille, der das XII. Jahrhundert
ausfiillte, begnugen sich noch mit dieser allgemeinen Vorbildlichkeit, wie auch
die bildende Kunst bis dahin einfach bei der Darstellung der Jagdscene verblieb.
Gleich den fliichtig hingesetzten, bildlichen Beigaben der Gottweiher Handschrift
giebt das franzosische Bestiaire (bei Martin et Cahier III, pi. XXI) nach der
dem XHL Jahrhundert angehorigen Handschrift der Bibliothek des Arsenals
den Vorgang noch so, dass ein Jager, von rechts kommend, das ungeschlacht
aussehende Tier, welches zur sitzenden Jungfrau niederbeugt, " von riickwarts
hinter dem Blatt trifFt 1 ); eine zweite, ebenfalls dem XIII. Jahrhundert angehorige
Handschrift in der Art der Concordantia caritatis der National-Bibliothek zu
Paris (M8S. lat. 2780) zeigt die Scene nur durch einen zweiten Jager erweitert
Mit dem Ausgang des XIH. Jahrhunderts scheint in kiinstlerischen Darstellungen
sich indess die Ausgestaltung nach der mystisch-allegorischen Seite vollzogen zu
haben. "Wiewohl die ganze Ric.htung der Zeit einer solchen Bereicherung der
Darstellungsweise giinstig war, so sind doch Nachweise in dieser Hinsicht ausserst
sparlich. Einem gliicklichen Zufall ist es zu danken, dass vor wenigen Jahren
in unserer Gegend ein kleines Kunstwerk auftauchte, das, in den Anfang des
XIV. Jahrhunderts gehorend, eine Liicke ausfiillt und die Legende in einer neuen
und bis dahin kaum vertretenen Fassung bietet. Auf einer Emailplatte (von mir
beschrieben im Anz. f. Kunde d. deutschen Vorz. 1883, Sp. 133 fF.), deren Ursprung
sehr wohl in Frankreich zu suchen sein konnte, vollzieht sich die Jagd in der
Art, dass der Jager von einem Baume herab dem Einhorn, das mit Kopf und
Vorderleib auf dem Schoss der Jungfrau ruht, die Verwundung beibringt, indess
die Jungfrau mit der Rechten eine flache, tellerartige Schale erhebt. Neu ist
hier, dass die Jungfrau das Blut des Einhorns in der Schale auffangt und sie
erhoben halt. Dass die Jungfrau, die Gottesmutter und in dritter Linie die
Kirche in der Legende Wechselbegriffe . sind, ist bekannt. Wenn nun in der
fraglichen Darstellung die Jungfrau die Schale mit dem Blute erhebt, so liegt
sicher der gleiche Gedanke zu Grunde, welcher die Gestalt der Kirche beim
Kreuze stehend das Blut Christi auffangen lasst: die Kirche als Bewahrerin der
Heilsmittel, welche in dem Blute Christi ihren eminenten Ausdruck finden. Im
vorliegenden Falle also ware nebst der Opferung Christi die bleibende Bewahrung
der Erlosung8gnade in der Kirche an die ursprungliche Einhorn-Legende als
Erweiterung angeknupft. Beachtenswert ist der Umstand, dass es nicht ein
Kelch ist, den die Jungfrau emporhebt, sondern eine tellerartige Schale von der
Gestalt einer liturgischen Patena, eine Besonderheit, worin sehr wohl eine
Beziehung auf den heil. Gral anklingen durfte. Eine hier einzureihende Darstellung,
l ) Eine Darstellung nah verwandter Art aus dem XIY. Jahrhundert in dem bildgeschmuckten
Konsol des Kreuzganges von Kloster Neuberg in Steiermark. Vgl. Mitt. d. Cent.-Comm. I, S. 7.
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die bis jetzt in der Legende noch kaum verwertet worden, findet sich auf einem
elfenbeinernen Brautkiistchen des XIV. Jahrhunderts, franzosischen Ursprungs, im
South Kensington Museum zu London (vgl. Ancient and mediaev. Ivories in the
South Kensington Mus. London 1872, 146, 66, pag. 65), wo die Jungfrau dem
Jager, der das Einhorn in der uberlieferten Weise erlegt, einen aus Rosen
geflochtenen Kranz iiberreicht. Schriftstellerische Belege zu dieser erweiterten
Fassung der Legende fehlen zwar; indess beweist das Vorhandensein einer
kiinstlerischen Gestaltung, dass der Gedanke selbst in Umlauf gesetzt war.
Wie in der dramatischen Kunst das spatere Mittelalter seine edelsten
poetischen Motive der vorausgegangenen Zeit entlehnte, sie erbreiterte und
namentlich durch Hinzufugung von scenischem Beiwerk der Schaulust mund-
gerecht machte, so baute sich auch die Einhorn-Legende von dem einfachen
mystischen Vorgang zu einem reich entwiekelten Jagdbilde aus, zu dem, ahnlich
wie auf der Vorbiihne bei den Mysterien- oder Mirakel-Spielen, die alttestament-
lichen Vorbilder hinzutraten. Gleich den biblischen Vorg&ngen ward die Jagd-
scene im Sinne der Zeitgewohnheit dargestellt. Wie man beispielsweise den
Aufzug der drei Konige mit allem Prunl^ des ritterlichen Lebens ausstattete, so
umkleidete man die Einhorn- Jagd mit alien Erfordernissen des Waidrechts:
Hifthorn und Jagdspeer, Hunde, gross und klein, von verschiedenen Namen und
Zwecken, fanden imBild ihre Stelle; mit dem mystischen Sinn verkniipfte man die
Allegorie, indem man den Jager unter der Gestalt des Engels der Verkiindigung,
Gabriel, unter dem mythischen Frauenbilde die Jungfrau der heil. Geschichte,
Maria, darstellte, so dass aus dem Vorgang der Jagdfabel nunmehr der biblische
Vorgang der Verkiindigung der Menschwerdung Christi herausgebildet wurde.
Wie die Zeit sich iibrigens im weitschichtigen Ausdeuten iiberhaupt gefiel
und in Kunst und Wissenschaft in Kreuz- und Querziigen der seltsamsten Art
sich erging, so spitzte man unsere Legende noch weiter zu und liess weitere
Beziige darin sich kreuzen. Nicht*sowohl der geschichtliche Vorgang der Ver-
kiindigung sollte darin veranschaulicht werden, als vielmehr der gottliche Ratschluss
der Erlosung selbst: unter dem Bilde des Engels, des Dieners und Gesandten
ist gleichzeitig Gott Vater gemeint; im Einhorn ist der Sohn versinnbildet, und
im Mittelgrunde schwebt der heil. Geist. Macht sich auch in den verschiedenen
Darstellungen eine gewisse Schwankung geltend, so ist doch die „himmlische Jagd"
nunmehr vollig ausgestaltet und zum Abschluss gediehen. An der Entwickelung
des Bildes haben die hofischen Dichter gewiss betrachtjichen Anteil, wie Konrad
von Wiirzburg beweist. Den Kern des Vorgangs fasste er in seiner „Goldenen
Schiniede" (Ausg. v. Grimm, 1840, V. 263 ff.) also zusammen:
ich meine do der hiraelj^ger,
dem untert&n diu riche sint,
jagte sin eingebornesz kint
ilf erden nach gewinne.
Das Bild der Jagd ward um die Mitte des XIV. Jahrhunderts auf Vorgange
des Seelenlebens uberhaupt angewendet, wie Hadamar von Laber mit seiner
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Allegorie vom Liebeswerben beweist, die mit grossem*Beifall aufgenommen ward
und vielfach nachgeahmt wurde. Ihm ist darin sein Herz der Hund, der ihn
auf die Spur des Wildes bringt. Desgleichen werden Freude, Bestandigkeit,
Treue, Lust und andere Gemiitskrafte als Hunde dargestellt und so unter dem
Bilde der Jagd eine kleine Herzensgeschichte veranschaulicht. In verwandtem
Sinne und offenbar daher entlehnt, werden die Hunde in die „himmlische Jagd tf
eingefuhrt; Spruchbander bedeuten die Vorstellungen, welche man an sie geknflpft
hat Die vier Hunde sind namlich als die Motive aufzufassen, welche sowohl im
Ratschlusse Gottes die Menschwerdung bestimmten, wie auch als die Vollkommen-
heiten und Gnaden, die sich in der Menschwerdung, in der Person des Erlosers
und in seinem Werke ofFenbarten: Veritas, die ewige Wahrheit (Joh. 14, 6),
welche in Christus der Welt sich eroffnet, als ein Licht zur Erleuchtung der
Volker (Luc. 2, 32); justitia, die ewige Gerechtigkeit (Ps. 118, 142), welche durch
Cfyristus versohnt (I. Jo. 4, 10) uns als Gerechtfertigte wieder aufgenommen hat
(I. Cor. 1, 30); pax, der Friede Gottes, der mit der Geburt des Erlosers verkiindet
ward (Luc. 2, 14), wodurch vereint wurde, was getrennt war (Eph. 2, 14);
misericordia, die Barmherzigkeit, mit der Gott die Welt in seinem Sohne heim-
gesucht (Luc. 1, 78) und uns erlost hat (Tit 3, 5). In der erbaulichen Schrift:
aDer beschlossen gart des Rosenkrantz Maria von der Menschwerdung Gottes",
Nurnberg 1505, II. T., Bl. 10b, wird die Darstellung der „himmlischen Jagd a
bezuglich der Hunde also erlautert: „Die vier Winden wasen die barmherzigkeit,
die wahrheit, die gerechtigkeit und der frid, solte aber das einhorn gefangen
werden durch die vier hond, oder wind, so musten alleweg zwen und zwen
zusammengebonden sein. Wie wol von erst die barmherzigkeit und die wahrheit
ser wider einander wasen, so werden sie doch zu dem letsten vereinigt [vgl.
Barmherzigkeit und Wahrheit begegneten sich, Ps. 84, 11] zu fasen das einhorn/
Die Zahl der Hunde wechselt; es erscheinen hie und da nur drei, wo sie dann
als charitas, Veritas, humilitas oder als Veritas,- misericordia, iustitia bezeichnet sind.
Der „be8chlos8en gart tf (a. a. 0. Bl. 9 b) gedenkt auch noch eines besonderen
„leithindlein mit namen ein stoberlin; das spyrend aufftryb das einhorn von
seiner stat u .
Der ganze Vorgang ist in unserer Darstellung innerhalb eines von Mauern
und Zinnen umgebenen Gartens verlegt, der als [h]ortus conclusus, der ver-
schlossene Garten des Hoheliedes bezeichnet ist (Cant. 4, 12); auf der anderen
Seite steht die Anrufung der Fiirbitte Mariae: B[eat]a . dei . genitrix . ora .
pro . no[bis]. Im Hintergrunde uber der Mauer sind die symbolischcn Bilder des
Alten Bundes angebracht: manna coeli, die in der Wiiste vom Himmel gespendete
Gabe (I. Mois. 16, 33); vellus Gedeonis, das Vliess Gedeons (Judic. 6, 40); porta
vestibuli, das Thor des neuen' Tempels (Ezech. 44, 2); virga Aaron, der Altar
mit den zwolf Staben, wo von der des Aaron allein griinte (TV. Mois. 17, 5); fons
signatus, die versiegelte Quelle des Hohenliedes (4, 12); rubus igneus, der brennende
Dornbusch (H. Mois. 3, 2). Auch im Kreis der symbolischen Beigaben kommen
mancherlei Abweichungen vor. Im vorliegenden Falle ist deren Zahl keineswegs so
gross, wie in anderen Darstellungen (vgl. Katholik, 1876, H, pag. 312 ff.). Der Vorgang
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selbst ist zuweilen auch derart angeordnet, dass die Jungfrau mit dem Einhorn in
dem Garten sich befindet und der Jager durch das geoffnete Thor ihm nacheilt.
Auffallend haufig erscheint die Darstellung in Stickereien und Webereien
behandelt, die ubrigens alle fast der gleichen Zeit, dem Ausgang des Mittelalters,
angehoren. Ohne eine vollstandige Aufzahlung zu beabsichtigen, mogen hier
folgende verzeichriet sein : in St. Gothard zu Brandenburg (Bergau, Bau- und
Kunstdenkm. d. Pro v. Brandenburg pag. 246, Otte, Kunst- Archaol. I, pag. 512);
bei Bock, Liturg. Ge wander III, Taf. VI; bei Kraus, Anfange d. christl. Kunst zu
pag. 216, Fig. 51 ; Kunsthistor. Ausstellg. zu Frankfurt 1875, Taf. 41 (ehem. dem
Odilienberg gehorig). In einem grossen Wandbilde vom Jahre 1518 endlich ist
der Stoff in der Vorhalle des Domes zu Merseburg behandelt.
Wie seltsam der spateren Zeit der Ausgang und vielgestaltige Inhalt der
ganzen Legende und ihrer Entwickelung erscheinen mag, so hat die Erscheinung
doch ihren eigenartigen Reiz, indem von schlichten, unkiinstlerischen Anfangen
das Bild in seinem geistigen Gehalte, wie in seiner Veranschaulichung in den
verschiedensten Kunstgebilden eine Reihe von Wandlungen durchmachte, an denen
ebensowohl der mystisch fromme Zug der mittelalterigen Theologie und Askese,
tyie die Kunst nach der dramatischen und bildnerischen Seite sich beteiligte:
in der Zeit gewiss vielen zur Erbauung und zum geistigen Genuss.
IX.
Zur Schonauer Reimsage.
Von
Dr. W. Saner,
K6nigl. Archivrat zu Wiesbaden.
In der Abhandlung iiber die Schonauer Reimsage, Annalen XVIII, pag. 33 fF.,
macht Dr. Widmann Mitteilungen aus den Aufzeichnungen des Joh. Plebanus,
Pfarrers zu Welterod, uber die Kirche zu Lipporn. Aus diesen Aufzeichnungen
geht hervor, dass der genannte Pfarrer etwa 1609 in der Kirche zu Lipporn ein
altes Kruzifix mit dem Bilde eines Priesters und der Inschrift: Rudolphus
prepositus Lepornensis auffand.
Inzwischen hat sich in Akten des Staatsarchivs ein von Johann Plebanus
1608 erstatteter Synodalbericht gefunden, durch welchen jene von Widmann
benutzten, erst viel spater, namlich 1634, und ofFenbar aus dem Gedachtnisse
niedergeschriebenen Aufzeichnungen erganzt und berichtigt werden.
Plebanus sagt in diesem Synodalbericht von 1608, dass bei Fortraumung
des Weiberstuhles unter der Kanzel der Kirche ein messingenes, ehemals
vergoldetes Kruzifix gefunden sei, auf welchem oben, unten und an beiden Seiten
die vier Evangelisten, mit ihren Attributen, in der Mitte aber der Name:
Rupertus praepositus Lippornensis angebracht sei.
Von besonderer Bedeutung ist, dass durch diesen Fundbericht der Name
des Propstes Rupert erwiesen wird.
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X.
Die Ostgrenze des Schlossborner Pfarrsprengels 1 )/
Ein Losungsversuch und topographische Studie.
Von
J o s. B o n n ,
Pfarrer.
Im Jahre 1Q43 war die schon unter Erzbischof Willigis erbaute holzerne
Kirche zu Schlossborn durch eine steirierne ersetzt worden. Bei dieser Gelegenheit
wurde der von Willigis festgestellte Umfang der Pfarrei Schlossborn urkundlich
rekapituliert, und vielleicht giebt es ausser der Termineibeschreibung von Bleiden-
stadt wenig topographische Urkunden, fiir welche das Interesse der Altertums-
forscher sich grosser zeigte, als gerade fiir diese. Trotzdem aber bietet dieselbe
Schwierigkeiten, die bisher, soweit mir bekannt, niemand allseitig befriedigend
gelost hat, und gerade darin mag wohl viel von dem Interesse fiir dieselbe liegen.
Insbesondere ist es die Beschreibung der Ostseite des Pfarrsprengels, vor
welcher bisher jedermann mit einer gewissen Scheu Halt machte, und wenn
einer die Schwierigkeit um jeden Preis uberwinden wollte, so geschah es durch
einen salto mortale, dessen Ergebnis nicht befriedigte und zugleich der Urkunde
mehr oder minder Gewalt anthat. Wenn auch nur Dilettant in der Altertums-
wissenschaft, glaubt der Schreiber dieses doch bei seinem Versuche diese
Schwierigkeit losen zu helfen, Gehor zu verdienen, da ihm mehrere giinstige
Umstande fordernd zur Seite standen.
Derjenige Passus dieser Pfarrbeschreibung, der hierher gehort, ist folgender:
. . . Et inde in fontem, qui dicitur Selebrunon et sic in rivulum, qui dicitur
Buochbach ac totum prgdium Geroldi in loco qui dicitur Laresbach et sic des-
cendendo in fluvium, qui dicitur Cruofdera et eum fluvium descendendo *) usque
ad eum locum ubi Duosna influit et illud flumen ascendendo usque in ejus
fontem
Was soil man aus diesen Worten machenP Ich gestehe, dass ich selbst,
belehrt von Vogel und Schliephake, bis vor kurzem nicht anders glaubte, als
Lorsbach habe seiner Zeit zum Pfarrsprengel von Schlossborn gehort, obwohl mir
der Gedanke daran immer ein leises Kopfschutteln verursachte. Sed juravi in
l ) Anm. d. Red. Dieser und der folgende Aufsatz uber die Ostgrenze des Schlossborner
Pfarrsprengels, welche in ihren Resultaten auseinandergehen, kommen nacli einer zwischen
Herrn Pfarrer Bonn und Herrn Archivrat Dr. Sauer getroffenen Verabredung zusammon zum
Abdruck. — a ) Bei Schliephake und, wahrscheinlich diesem folgend, in dem Nassauischen
Urkundenbuch findet sich nach diesem descendendo eingcklammert ascendendo, um einen vermeint-
lichen Schreibfehler des Originals zu verbessern; mit wolchem Rechte, werden wir spater sehen.
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verba magistrL In der That, dem Wortlaute nach geht die Grenze von Selbom
dem Buochbach nach auf Laresbach, d. h. Lorsbach, und von da den Bach hinab
(aber wohin denn?) und dann nochmals hinab (hier nun haben die Altertums-
forscher statt descendendo verbessert ascendendo, also den Bach hinauf) bis zum
Einflu8s der Duosna (Daus oder Dais) in die Kriiftel und dann die Duosna weiter
hinauf bis zu ihrer Quelle.
Kein verminftiger Mensch kann leugnen, dass diese dem Wortlaut ent-
sprechende Ubersetzung einen Unsinn entEalt, der auch nicht einmal durch die
Verbesserung ascendendo statt descendendo ganz gehoben wird, und der die
topographischen Kenntnisse und praktische Seelsorgsweisheit der damaligen
Kirchenbehorden in ( keinem gunstigen Lichte erscheinen lasst. Sollte denn wirklich
die Mainzer Kirchenbehorde, die die Urkunde konfinnierte und bestatigte, sollte
der Pfarrer von Schlossborn, den das Aktenstiick so nahe anging, das St. Stephans-
stift in Mainz, dem die Pfarrkirche mit allem Nutzen zugewiesen war, und alle
anderen Beteiligten oder Besiegler der Urkunde den Unsinn, wenn einer vorhanden
war, nicht gemerkt und auf Remedur in diesem so wichtigen Aktenstucke
gedrungen haben P Da dieses nicht anzunehmen ist, so mussen wir die Urkunde
verbotenus als richtig ohne alle Anderung annehmen und uns suchen mit ihr
abzufinden, so gut wir konnen.
Nun legt Schliephake in seiner Geschichte von Nassau I, pag. 366 nach
dem Vorgange Vogels die Sache sich in folgender Weise zurecht, indem er das
letzte Descendendo in ascendendo andert:
„Von da zu der Quelle Selebrunon (Selborn) und so in das Bachlein Buochbach
(Fischbach, der westlich von Konigstein her zur Kriiftel hinabfliesst, in welche er
dicht unter Eppstein miindet)". Und bemerkt dazu unten in der Anmerkung:
„Der Buochbach tragt seincn Namen von einer Buchenwaldung, was sich ebenso
erklart, wie der heutige Name Fischbach; dass am Eichkopf, von welchem die
Quellen des Fischbachs kommen, vorziigliche Buchenwalder gehegt wurden, ist
aus spateren Nachrichten zu ersehen" *).
Dann schreibt er 1. c. pag. 367 weiter: „Wenn schon die Ost- und Siid-
grenze des Schlossborner Pfarrsprengels nicht genau nachgewiesen werden kann,
so steht doch so viel fest, dass derselbe die heutigen Pfarrorte Reifenberg mit
Schmitten, Schlossborn mit Glashiitten und Ehlhalten, Fischbach mit Ruppertshain
und Eppenhain, endlich Oberjosbach mit Vockenhausen, Niederjosbach, Niedern-
hausen, Konigshofen und Engenhahn, welche dem katholischen Bekenntnis
angehoren, ferner Dorfweil, Arnoldshain, Lorsbach und Niederseelbach mit Ober-
seelbach und Lenzhahn, welche evangelischen Bekenntnisses sind, in sich begriff" 2 ).
l ) O si tacuisses ! Friiher waren an dem Bach viele Buchen, jefczt sind darin viele Fische,
folglich hiess er friiher Buochbach und jetzt Fischbach, und das soil eine Erklarung sein, warum
die fruhere Buchbach jetzt Fischbach heisst! Hat denn der Mann gar keinen Begriff gehabt
von der ZShigkeit, mit der sich solch einmal eingeburgerte Namen bewahren? — a ) Da haben
wir den salto mortale! Man bemerke die Schlussfolgerung : Weil man nichts bestimmt nach-
weisen kann, also steht die Grenze fest. Nein, gar nichts steht dann fest! Ebenso gut hatte
man noch Munster und Bremthal hineinbringen konnen. Und wie stent's mit Eppstein? Es
ist doch sonderbar, dass Schliephake gerade diesen Ort auslasst!
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Dazu beraerkt er in der Anmerkung: „Bei Lorsbach tritt sie (scil. die
Schlossborner Grenze) an die Ostseite des Konigssundragaues, zu welchem, wegen
seiner Lage an der rechten Seite der Kriiftel, Lorsbach selbst schon gehorte, was
durch die Angabe des Bleidenstadter Schenkungsbuches vpm Jahre 995 bestatigt
wird 1 ). Das Grundeigentum Gerolds zu Lorsbach, wovon die Urkunde redet,
muss an dem linken Ufer jenes Baches gelegen gewesen sein 2 ). Die Besitzungen
dieses Herrn scheinen sich in beide Gauen, Niddagau und Konigssundra, erstreckt
zu haben
Wir denken uns die Ostgrenze des Pfarrsprengels zwischen Brunhildenbett
und Lorsbach so gezogen, dass Konigstein, Schneidhain, Hornau und Kelkheim
ausserhalb, hingegen Glashutten 8 ), Ruppertshofen 4 ) und Fischbach innerhalb
derselben fallen.* 4 Und Eppstein und Lorsbach?
Man sieht deutlich, Schliephake weiss mit der urkundlichen Fixierung der
Schlo8sborner Ostgrenze nichts anzufangen. Stat pro ratione voluntas. Er nimmt
ein Lineal, zieht einen Strich von Brunhildisbett nach Lorsbach und sagt: So viel
steht fest, dass das die Grenze ist. Jawohl, wenn's nur wahr ware, aber leider
klappt die Sache nicht.
Ich bestreite, dass der Buochbach von damals jetzt Fischbach genannt wird
und der Fischbach ist.
Ich bestreite, dass die Grenze der Schlossborner Pfarrei sich von dem Feldberg
bis nach Lorsbach zog 5 ), und bestreite daher auch, dass die Orte Fischbach,
Ruppertshain, Eppenhain und insbesondere Lorsbach nebst anderen in dem Schloss-
borner Pfarrsprengel je gelegen haben.
Im allgemeinen stelle ich folgende Satze auf, die mir ein in kirchlich-
katholischen Verjialtnissen und Urkunden Bewanderter nicht bestreiten kann
und wird:
1) Ohne Not und ohne sehr triftige Grunde hat die katholische Kirche im
Mittelalter die historischen Pfarrsprengel, die sich an die Verwaltungs- und
Gerichtsbezirke anschlossen, nicht verandert. Jede Veranderung und deren Ursache
muss sich nachweisen lassen.
2) Es ist eine kirchliche Unmoglichkeit, dass in dem umschriebenen Pfarr-
sprengel Schlossborn sich zu derselben Zeit eine andere Pfarrkirche mit selbst-
standigem Pfarrer oder Teile eines anderen Pfarrsprengels befunden haben.
3) Der Einbezug von Lorsbach im Konigssundragau in den Pfarrsprengel
Schlossborn im Niddagau ware ein kirchliches Unicum gewesen.
l ) Die Errichtung eines Pfarrsprengels Schlossborn mit Lorsbach als Filiale wfire auch
selbst Anno 1042 ein Unsinn gewesen. Das merkt aber Schliephake nicht. — 2 ) Die Urkunde
zieht nicht einen Ort Laresbach, sondern nur ein praedium Geroldi in loco qui dicitur Laresbach
in den Pfarrsprengel. Wenn nun dieses praedium an der linken Seite also Lorsbach gegenuber
lag, wie kann denn Schliephake behaupten, der Ort Lorsbach habe nach Schlossborn gehort ?
Wfire dann aber nicht die Pfarrumgrenzung noch curioser gewesen? — s ) Hat damals noch
nicht existiert. — 4 ) Soil heissen Ruppertshain. — 6 ) Nebenbei bemerke ich, dass, wenn mit dem
Laresbach der Urkunde Lorsbach bezeichnet werden sollte, die in diesem Falle so notwendige
und in jener Zeit gewdhnliche Bezeichnung „gelegen im Konigssundragau", welche man hfttte
erwarten dflrfen, fehlt.
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4) Es existiert keine Urkunde, keine Tradition, kein Vertrag oder Rechts-
verhaltnis Dach dem Jahre 1043, wodurch man irgend eine Verbindung der Pfarrei
Schlos8born mit Lorsbach oder mit seinem gegenuberliegenden Ufer zu irgend
einer Zeit nachweisen konnte.
Gehen wir nun zum Wortlaute der Urkunde tiber und suchen wir, da ja
die Lage und der Name des Selborn seit 1043 feststeht, den Buochbach, dessen
Ermittelung und die Eruierung seines Laufes uns, wie ich hoffe, der Losung dieser
Frage ein gutes Stuck naher bringen wird.
Die Behauptung also, der Buochbach sei der Fischbach, weU. in seiner Nahe
Buchen stehen oder standen, wie Schliephake meint, halte ich nicht einer Wider-
legung wert.
Es konnen hier nur funf Bache in Betracht kommen.
1) Der Liederbach, der ja im Selborn selbst seinen TJrsprung hat;
2) der Fischbach, der in dem Winkel, in welchem Eichkopf und Rossert
rectius Atzelsberg zusammenstossen, oberhalb Ruppertshain seinen Anfang nimmt;
3)' der Roderser- rectius Retterser Bach; gleichwie
4) das sogen. Albusbachlein, welche beide dem Eichkopf entquellen, zwischen
Liederbach und Fischbach liegen und in letzteren munden; endlich
5) der sogen. Diethelshainer Bach, der in der Nahe des Selborn entspringt.
Von diesen funf Bachen scheiden aber sofort drei aus, namlich Liederbach
und Fischbach, deren Namen schon vor dem Jahre 1000 feststanden und sich
bis jetzt nicht geandert haben, sowie das Albusbachlein, das, zwischen Retterser-
und Fischbach gelegen, ebenfalls stets seinen Namen bewahrt hat, auch obendrein
vermoge seiner Lage und Beschaffenheit nicht geeignet sein konnte als Grenz-
bestimmung zu dienen.
Es bleiben also nur zwei Bache zur Losung der Frage ubrig:
a) Der Retterser Bach, der augenscheinlich seinen fruheren ursprunglichen
Namen verloren hat und seinen jetzigen dem erst 1149 an seinem Ufer entstandenen
Kloster Retters verdankt. Nimmt man hinzu, dass eine Linie, vom Selborn auf
Lorsbach gezogen, ziemlich genau mit dem Laufe des Baches zusammenfallt, so
hat der Gedanke, in dem Retterser Bach die Buochbach zu suchen und zu finden,
etwas Bestechendes fur sich.
Diesem aber stehen zwei gewichtige Bedenken entgegen:
1) Wir sehen in der ganzen Grenzbeschreibung, wie dieses auch in der
Bleidenstadter Urkunde der Fall ist, das Bestreben, da, wo im Fortgang der
Grenze sich ein hervorragender Punkt zeigt, oder in der bisherigen Qualitat der
angegebenen Grenze eine Anderung eintritt, dieses sofort zu bemerken und als
neues Grenzmal anzuzeigen, und zwar ruckt dieser Fortgang immer in Angabe
von massig weiten und deutlich erkennbaren Grenzpunkten voran. Auf diese Art,
Grenzen zu beschreiben, macht schon Schliephake bei einer anderen Gelegenheit
aufmerksam (I, pag. 118 u. 119).
Nun kann man aber vom Selborn bis zum Retterser Bach 2 Stunden in
der Luftlinie uber Berg und Thai rechnen. Wie ist es moglich zu glauben,
dass die sonst so exakte Grenzbeschreibung fur diese lange und verschiedenartig
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gestaltete Grenze gar keine Grenzmerkmale fixiert hatte? Ja, was noch eigen-
tumlicher ist, der Retterser Bach fallt in den Fischbach, der Fischbach in die
Kriiftel, und die Grenzbeschreibung sollte von diesen charakteristischen Punkten
keine Meldung.gethan haben, trotzdem sie uns doch den Punkt meldet, wo die
Duosna in die Kruftel fallt?
Dieser Mangel macht mir den Retterser Bach sehr verdachtig.
2) Ein noch wichtigerer Grund notigt mich, von dem Retterser Bach ganz
abzusehen. Eine halbe Stunde von Fischbach, aber in seiner Gemarkung, stand
im Mittelalter, urkundlich schon im XIIL Jahrhundert, in einem einsamen Thale
eine Kirche, Gimbach genannt. Ein in den Ruinen aufgefundener Grabstein,
dessen in den Mass. Annalen fur Altertumskunde XIII, 1874 gedacht ist, soil
nach der Erklarung von Munz und Prof, pecker der vorbonifatianischen christ-
lichen Zeit angehoren. Wenn es sich wirklich so verhalt, dann ware damit der
Beweis etbracht, dass vor dem Jahre 800, als von einer Pfarrei Schlossborn
noch gar keine Rede sein konnte, in der Gemarkung Fischbach schon christlicher
Gottesdienst stattfand. Aber selbst in dem Falle, dass jene beiden Manner geirrt
hatten, belehrt uns eine Urkunde bei Schannat, Trad. Fuld. pag. 108, dass schon
im Jahre 813 in Fischbach ein monasterium bestanden hat 1 ).
Mag man nun unter monasterium ein Zusammenleben von Regularklerikern
oder von Weltpriestern verstehen, jedenfalls hatte Fischbach und seine TJmgebung
schon 813, lange vor Errichtung der Pfarrei Schlossborn, seine geordnete Seelsorge.
Dazu kommt die weitere Thatsache, dass, wenn auch bis jetzt keine Urkunde
iiber den Umfang der Fischbacher Pfarrei aus jener Zeit bekannt ist, doch der
Pfarrer zu Fischbach schon vor der Reformation nicht nur die Orte Eppenhain
und Ruppertshain, sondern auch jenen Teil des Dorfes Ehlhalten pastorierte, der
diesseits des Baches lag und wie von Eppenhain und Ruppertshain, so auch von
dem Ackerfeld des Dorfes Ehlhalten, das diesseits des Baches lag, den Zehnten
bezog. Diesfc Tatsache aber ist bei vorliegender Ffage von grosster Wichtigkeit,
ja sie entsfcheidet die Frage. Diesseits des Baches war stets Pfarrei Fischbach,
jenseits Pfarrei Schlossborn, und der Bach selbst bildet die Grenze. 1st dieses
aber der Fall, dann sind wir beziiglich des Buochbaches auf den
b) Diethelshainer Bach als einzig moglichen beschrankt und hingewiesen.
Derselbe entspringt, wie schon bemerkt, in der Nahe des Selborn, lauft nicht
X J Anno 813. Ego in Dei nomine Imma. Cogitans pro remedium animae meae ut in futuro
veniam aliquem promerire merear de peccatis meis, trado ad situm Bonifatium et ad reliquiae
ejus, mancipia III in ea vero ratione ut Ego ipse dum in hoc seculo sum, in usu h abeam
Potegtatem; post obituni vero meum, ut per singulos annos censum persolvant ad ipsum
monasterium ad missam scti Bonifatii, hoc est unusquisque III denarios in cera per singulos
annos solvant et quidquid elaborare potuerint et nunc habent elaboratum ad ipsius ecclesiam
perveniat. et hec nomina Mancipiorum. Ortwin. Ratuvin. Fridurat et hec certa fir ma et stabilis
permaneat omni tempore, stipulatione subnixa. Acta carta in monasterio, quod dicitur Fisgibach
sub Luitfrido comiti III Idus Januarias Ajino XLV Eegni Dni nostri Caroli Imperatoris
t Imma qui hanc cartam fieri rogavit; f Luitfrid comis; t Milo; t Gisalpraht; t Buogalah;
t Ramvuolt; t Theotmann; t Huomo; f Rimistein; f Ermanolt; f Hugibald; f Hruodheri;
£go Reginprahtus rogatus subscripsi.
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nordlich wie die Ems, nicht siidlich wie der Liederbach, sondern westlich, rectius
siidwestlich durch ein enges Wiesenthal, in welchem an einer etwas weiteren
Ausbuchtung der Berge seiner Zeit das jetzt ausgegangene Dorfchen Diethelshain
gestanden hat, das zur Zeit seines Besfehens dem vorbeifliessenden Bachlein
seinen jetzigen Namen gab. Eine miindliche Tradition, wie das Bachlein vor
Entstehung des Dorfchens Diethelshain geheissen habe, ist nicht vorhanden. Da,
wo dieses Bachlein dem Dorfe Schlossborn am nachsten kommt, fliesst es* durch
einen Thalkessel, der Schlossborner Miihlengrund genannt, in welchem sich noch
einige.kleine Zufliisse mit ihm'vereinigen und der Diethelshainer Bach dann den
Namen Silberbach annimmt. In dieser Gegend befanden sich noch zwei weitere
jetzt ausgegangene Dorfchen. Der Silberbach aber drangt sich durch zwei hohe
Berge, in welchen im vorigen Jahrhundert, vielleicht auch schon friiher, ein
schwunghafter Bergbau auf Silber betrieben wurde, und ergiesst sich dann bei
Ehlhalten in die an dem Glaskopfe iiber Waldkroftel entspringende und nach
Siiden fliessende Kriiftel, Cruofdera unserer Urkunde.
Hier stehen wir am Kernpunkt der Frage, und die Losung liegt in der
Deutung des Wortes Laresbach der Urkunde (Praedium Geroldi in loco, qui
dicitur Laresbach).
So lange man den Ort Laresbach fiir Lorsbach im Konigssundragau halt
und erklart, ist jede verniinftige und richtige Erklarung der Urkunde unmoglich.
Nun sage ich, es sind nur drei Falle moglich:
Entweder steht gar nicht in der Urkunde Laresbach oder, wenn doch,
dann ist es entweder ein Schreibfehler, was ich am w r enigsten annehme, oder
aber es gab eben zwei verschiedene Orte, die den Namen Laresbach fiihrten.
Fassen wir, um letzteres zu begriinden, die bisher gewonnenen Ergebnisse
zusammen.
1) Von den oben genannten fiinf Bachen kann nur der Diethelshainer Bach
den Namen Buochbach gefiihrt haben. Derselbe fliesst unter dem Namen Silberbach
nach Ehlhalten.
2) Der Ehlhaltener Bach bildete von jeher die Grenze der Pfarrei Schlossborn,
der Pfarrei Fischbach gegeniiber.
3) In Ehlhalten miindet die Fortsetzung des Buochbach in die Cruofdera.
Hier haben wir also die Stelle, wo nach den Worten der Urkunde die
Buochbach descendendo an dem praedium Geroldi vorbeigeflossen in die Cruofdera
miindet.
Halten wir dieses fest,.dann ist es interessant zu sehen, mit welcher Leichtig-
keit, Klarheit und Sicherheit wir der Grenzbeschreibung unserer Urkunde zu folgen
vermogen. Vom Selborn die Diethelshainer Bach herunter Buochbach. Entweder
schon in Diethelshain oder, was ich eher glaube, im Schlossborner Miihlengrunde
das praedium Geroldi in loco Laresbach, mag dieses Wort nun nur einen Ort oder
auch einen Bach bedeuten. (Vielleicht der Silberbach vor ErofFnung der Silber-
bergwerke?) Das praedium Geroldi wird wohl deswegen besonders erw r ahnt worden
sein, wahrend sonst sorgfaltig alle Besitznamen vermieden sind, weil es, wenn es
in dem Schlossborner Miihlengrunde sich befand, nach Beschaffenheit des Terrains
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nicht wohl auf der rechten (Schlossborner) Bachseite lag, sondern auf der linken
(Fischbacher Pfarrei) Seite, trotzdem aber zu Schlossborn gezogen wurde.
Axis der Diethelshainer Bach descendendo in die Silberbach, descendendo bei
Ehlhalten in die Cruofdera et eum fluvium descendendo, nicht ascendendo 1 ), bis
an jenen Ort, wo die Duosna influit (an der Silberschmelze oberhalb Eppstein) et
illud flumen namlich die Duosna ascendendo bis zu seiner Quelle. Dasselbe Resultat
erhaltdn wir, wenn wir dieTrobe auf das Exempel machen, indem wir den Grenz-
gang von der entgegengesetzten Seite beginnen und folgerichtig jedes descendendo
mit ascendendo und umgekehrt vertauschen.
Dann stellt sich klar heraus, dass das praedium Geroldi oberhalb Ehlhalten
liegt; dann gehort Eppstein nicht in den Pfarrsprengel Schlossborn; Lorsbach im
Eonigssundragau ist beseitigt, und yon dem Fischbach als Buochbach kann keine
Rede mehr sein.
Die auf diese Weise bestimmten Grenzpunkte zeigen nirgendwo eine Lucke;
in massiger Distanz sind jedesmal genau erkennbare Grenzpunkte angegeben,
dem Text der TJrkunde braucht keine Gewalt angethan zu werden, der historischen
Wahrheit wird treu geblieben, und die praktische Seelsorge hat wenn auch ein
grosses, doch immerhin eher zu ubersehendes Feld als bei jeder anderen Deutung.
Die Pfarrei Schlossborn verliert ihren kometartigen und marchenhaften Schweif
nach Lorsbach, den sie nie besessen hat; die Bestimmungen und Anordnungen
der kirchlichen Oberen erscheinen in einem anderen Lichte; die Teilung Ehlhaltens
in den Schlossborner und Fischbacher Teil findet seine naturliche Erklarung, und
Schlossborn selbst behalt seinen historischen Pfarrsprengel, der freilich spater im
Laufe der Jahrhunderte sich verengerte.
Allerdings konnte man einwenden, dass nach dieser Losung sich die Schloss-
borner Pfarrgrenze im Osten zu eng gesteckt zeige, wahrend sie doch im "Westen
ungebiihrlich weit erscheine, und das mache vorliegende Losung yerdachtig.
Allein diese Thatsache hat man schon fruhzeitig empfunden und einiger-
massen Abhilfe in der 1196 vollzogenen Errichtung einer mit Schlossborn unierten
Pfarrei Oberjosbach, wohin der Schlossborner Pfarrer zu binieren hatte, gesucht.
Wie dem auch sei, gerade in den yon mir angegebenen Grenzen im Osten und
Suden hat die Pfarrei Schlossborn, verbunden mit Oberjosbach, vor wie nach der
Reformation Jahrhunderte lang bis 1718 bestanden. Eine apodiktische Gewissheit
beanspruche ich nicht fur die Richtigkeit meiner Losung. Mir geniigt es, einmal
das Marchen, der Buchbach sei der Fischbach, die Pfarrei Fischbach sei wie
Lorsbach ein Filial von Schlossborn gewesen, griindlich ins Wanken gebracht zu
haben. Weitere Untersuchungen mogen jene anstellen, denen mehr Quellenmaterial
zur Verfiigung steht als mir.
l ) Hier kommt der Text zu seinem Recht und zeigt sich die Verkehrtheit der Korrektur.
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XI.
Bemerkungen zu dem Aufsatze: Die Ostgrenze
des Schlossborner Pfarrsprengels.
Von
Dr. W. Saner,
KCnigl. Archivrat *u Wiesbaden.
In dem vorbezeichneten Aufsatze wird die Deutung, welche Schliephake I,
pag. 366 der bekannten Urkunde von 1043, in welcher der Zehntbezirk der Pfarrei
Schlossborn festgestellt wird, gegeben hat, bestritten, insbesondere die daselbst
versuchte Emendation ascendendo usque ad eum locum ubi Duosna influit —
statt descendendo. Bei dem Abdrucke dieser Urkunde (Nass. Urk.-Buch I, No. 117)
bin ich Schliephake gefolgt, indessen nicht lediglich auf dessen Autoritat hin,
sondern, soweit es mir damals moglich war, nach eingehender Priifung des Sach-
verhalts. Somit kann ich den vorhergehenden Aufsatz auch als gegen mich
gerichtet betrachten und sehe mich dadurch zu einer Entgegnung veranlasst.
Ich gebe dieselbe um so lieber, als eine eingehende Erorterung des Inhalts dieser
wichtigen Urkunde in dem Urkundenbuche selbst nicht angebracht erschien.
Zunachst mogen die in dem Aufsatze aufgestellten Grunde ihre Wiirdigung
finden.
Die Emendation Schliephakes fQhrt dazu, descendendo in der Urkunde auf
einen Schreibfehler statt ascendendo zuruckzufuhren ; dass dieses Versehen des
Schreibers ein auffallendes ist, kann gern zugegeben werden, doch in den Bereich
der Unmoglichkeit gehort dieser Fehler um so weniger, als der Schreiber der
Urkunde im ganzen funf Mai nacheinander ascendendo und descendendo von
dem Konzepte abzuschreiben hatte und ein Versehen also vorkojnmen konnte.
Der von Schliephake gemachte Versuch, die Worte Buochbach und Esgenestruot
zu erklaren, 1 wird in vorstehendem Aufsatze mit Recht als sehr unglucklich
bezeichnet.
Wenn dann gesagt wird, es sei eine kirchliche Unmoglichkeit, dass zu ein
und derselben Zeit im Schlossborner Pfarrsprengel sich eine zweite Pfarrkirche
[namlich Fischbach] befunden habe, so ist dies richtig. Die Folge wird aber
zeigen, dass die Annahme der Existenz dieser zweiten Pfarrkirche Fischbach
nicht richtig ist.
Dann wird bestritten, dass in den Schlossborner Pfarrsprengel, dessen Haupt-
bestand dem Niddagau angehort, mit Lorsbach ein Stuck des Konigssundragaues
hatte hineingezogen werden konnen. Ohne auf diese Frage, insbesondere das
Prinzipielle derselben, naher einzugehen, soil nur bemerkt werden, dass schon
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durch die sonstige Zusammensetzung der Pfarrei Schlossborn diesem Einwand
jeder Boden entzogen ist. Wenn zu der im Niddagau belegenen Pfarrei Schloss-
born mit der Herrschaft Reifenberg und anderen Stiicken die Sudostspitze dea
Niederlahngaues — unter Uberschreitung des Pfahlgrabens — gehoren konnte,
warum denn nicht auch ebensogut ein Grenzort des Konigssundragaues?
Die Annahme Schliephakes, der Buochbaqh sei der Fischbach, ist zweifellos
unhaltbar, doch kann hier den weiteren Ausfuhrungen des vorhergehenden Auf-
satzes nicht beigctreten werden, wenn auch das Resultat derselben eine Losung
sein wiirde, welche den Text der Urkunde unangetastet lasst und eine Emendation
iiberfliissig macht.
Fur die Entscheidung der Frage ist es mit Recht zunachst als entscheidend
anzusehen, ob Fischbach zum Zehntbezirk des Stiftes S. Stephan gehorte oder
nicht. Schliephake nahm dies an, in dem vorstehenden Aufsatze wird dies
bestritten; wie weit die Griinde fur die letztere AufFassung beweisend sind,
wollen wir zunachst sehen. Angefiihrt hierfur wird : 1) dass schon in friihchrist-
licher Zeit zu Gimbach in der Gemarkung Fischbach eine Kirche gestandeh
habe; 2) dass zu Fischbach selbst schon 813 ein monasterium nachweisbar sei
und dass seitdem dort eine Pfarrkirche bestanden habe, mehrere Kirchen in
demselben Bezirke aber nicht denkbar seien. Es ist hierauf schon vorhin hin-
gewiesen.
Ich halte beide Griinde fur verfehlt.
Beziiglich der Kirche zu Gimbach soil Beweis sein die Annal. XIII, pag. 194
ausgesprochene Meinung, dass die alteste Kirche von Fischbach zu Gimbach an
der Stelle der spateren Wallfahrtskapelle bei dem jetzigen Hofe Gimbach
gestanden habe, deren Alter bis in das V. Jahrhundert hinaufreiche. Beweis
hierfur ist ein bei dem Hofe Gimbach gefundener altchristlicher Grabstein,
welcher der einzige sein soil, der aus der jedenfalls betrachtlichen Anzahl alter
christlicher Grabsteine der durch die nassauische Regierung in neuerer Zeit
veranlassten Zerstorung entgangen sei. Indessen — alles dieses ist blosse Ver-
mutung; die Annahme, dass dieser Stein ein Grab auf einem altchristlichen
Begrabnisplatze bei der Kapelle gedeckt habe, ist durch nichts zu beweisen. Es
ist gewiss mehr wie eine Veranlassung denkbar, durch welche dieser Stein zu
der Zeit, als die Kapelle gebaut wurde, an Ort und Stelle gelangt sein kann.
Ubrigens scheint der Verfasser des vorstehenden Aufsatzes, wie seine Worte
zeigen, selbst nicht viel Zutrauen zu diesem seinem Beweisgrunde gehabt zu
haben. — Zur Aufklarung der Sache soil nebenbei bemerkt werden, dass die
Kapelle zu Gimbach, deren Abbruch doch durch andere Veranlassung herbei-
gefuhrt wurde, als Annal. a. a. 0. angedeutet wird, doch nur neueren Ursprungs
ist und — ebenso wie die bekannte Wallfahrtskapelle bei Hofheim — lediglich
fur die Zwecke der Teilnehmer an der grossen Wallfahrtsprozession nach Walldurn,
wie die Akten beweisen, errichtet ist. Die weitere Geschichte der Kapelle
gehort nicht hierher.
Wichtiger ware der weitere Einwand, dass die schon 813 nachweisbare
Existenz einer Kirche zu Fischbach die Zugehorigkeit dieses Ortes zu dem Zehnt-
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bezirke des Stephanstiftes ausschliesse, wenn derselbe zu begrunden ware. Den
Beweis soil eine Fulder Tradition von 813 Januar 11, Dronke, C. d. No. 279,
abgeben, welche verhandelt ist „in monasterio quod dicitur Fisgibach, sub Liut-
frido comiti etc. a . Vogel, pag.850, bezieht diese Tradition auf Fischbach in Nassau;
ihm folgt neuerdings Draudt, Forschungen XXTTT, pag. 462. Bei Bearbeitung
des I. Bandes des Urkundenbuchs kamen mir Zweifel beziiglich der Richtigkeit
dieser Deutung, die mich daraals veranlassten, die Tradition nicht aufzunehmen.
Ich glaube auch jetzt noch, dass dies richtig ist und unser Fischbach nicht gemeint
ist, sondern vielmehr das sehr alte monasterium S. Mariae zu Fischbach in der
Pfarrei Hochspeyer, vergl. Schannat, Ep. Wormat. I, pag. 163, Remling, Speyrer
Kloster II, pag. 273. Alle Fulder Traditionen aus dem Ende des Jahres 812 und
dem Anfange des Jahres 813, welche gleich wie jene von 813 Januar 11 meistens
von demselben Reginpraht geschrieben sind, sind in Orten in dor Nahe von Worms
und Speyer ausgestellt, vergl. Dronke, C. d. No. 281, 282, 283; es ist somit kein
Grand vorhanden, den Reginpraht, der im Januar 813 bei Worms urkundet, am
11. Januar desselben Jahres vereinzelt im Niddagau auftreten zu lassen. Die
Person des Grafen Liutfrid kann diese Auffassung nicht in Frage stellen, vergl.
Forschungen a: a. 0. und pag. 478.
Hierdurch ist wohl ,zur Genuge erwiesen, dass weder die Kapelle zu Gimbach
noch die Pfarrkirche zu Fischbach, welche erst mehr wie 300 Jahre spater zum
erstenmale urkundlich genannt wird, bis in jene Zeit zuriickreichen, in welcher
das Stift S. Stephan den Pfarrsprengel von Schlossborn als geschlossenes Territorium
besa88. Es fallt damit auch die auf die entgegengesetzte Annahme gestiitzte
Behauptung, dass die Pfarrei Fischbach nicht habe zum Sprengel von Schlossborn
gehSren konnen, zusammen.
Beziiglich Laresbach wird in dem vorhergehenden Aufsatze bestritten, dass
dieses das jetzige Lorsbach sei. Als Grund hierfur wird, abgesehen von der
Zugehorigkeit des Orts zu dem Nachbargau, angenommen, dass aus spaterer
Zeit keine urkundlichen Nacbrichten uber eine Verbindung zwischen Schloss-
born und Lorsbach vorliegen. Die weiter hieran gekniipften Vermutungen sind
fur die Sache ohne Belang, da jener Grund sich gleich als nicht stichhaltig
erweisen wird.
Dass die Zugehorigkeit v<5n Lorsbach zu dem Nachbargau ohne Bedeutung
fiir die Sache ist, ist schon vorhin erwiesen. Dann aber liegt der direkte urkund-
liche Beweis dafur vor, dass Fischbach und (das jetzige) Lorsbach ebenso wie
andere, in dem vorhergehenden Aufsatze angezweifelte Orte zu dem Schlossborner
Zehntbezirke des Stephanstiftes gehort haben. Dem in einer deutschen Uber-
setzung etwa> aus dem Jahre 1299 erhaltenen Lehnsbuche der Herrschaft Eppstein
ist ein Anhang beigefiigt, aus welchem ich im nachfolgenden im Auszuge die in
der Hand8chrift selbst rubrizierte Hauptiiberschrift, sowie die Ortsnamen mitteile,
da die Angabe der einzelnen Gefalle an jedem Orte wohl nicht erforderlich ist.
Es heisst im Lehnsbuche pag. 49:
Is ist zu wissen, dass dysse sint die zinse, die man uns bezalt von dem
eygenthum der kirchen sancte Stephans zu Menze. TJnd synt zum ersten zu
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merken die zinse adder guide der zehenden daselbes, darnach sie dan vorjuhen
waren anno domini dusent zweyhundert und LXXXX iare.
Von Burnen.
Zu Waltcrufftel.
Zu Nythusen.
Zu Lentingeshain.
Von Algozesmole.
Von Ober Goysbach.
Zu Nydder Goysbach.
By Eilhelden.
Von Vockenhusen.
Von Molhusen.
Zu Eppenhain.
Zu Bremedail.
Zu Burnen.
Zu Ruprechteshain.
Zu Widellensassen.
Zu Medenbach.
Zu Vischebach.
By Soden und Nuenhain.
Zu Bremedail.
Zu Lairsbach. (Gerade hier werden
die einzelnen Zehntpflichtigen, sowie
eine Anzahl von Grundstucken unter
Angabe der Fluren genannt; es ist
hier vollstandig ausgeschlossen, mit
dem vorhergehenden Aufsatze ein
ausgegangenes Lorsbach oberhalb
Ehlhalten anzunehmen.)
u. 8. w.
Zu Eppenstein.
Von eyme zehenden by Bremedail
Zu Rodde.
Hie sy men merken die underhaffer
und in dem recht (?) Goysbach.
Es folgen die cappenzinse, unter welchen wiederum das bestrittene Lairs-
bach aufgefuhrt ist.
Diese Auszuge genugen vollstandig, um die entgegengesetzten Behauptungen
des vorstehenden Aufsatzes zu widerlegen; sie erweisen klar, dass Fischbach und
Lorsbach zu den Orten des dem Stifte S. Stephan zehntpflichtigen Bezirks von
Schlos8born gehort haben. Die spatere Geschichte dieser Zehnten kommt hier
nicht in Betracht, eine genauere TJntersuchung wird wohl das Resultat ergeben,
dass die Herrn von Eppenstein, welche 1290 mit diesen Zehnten belehnt waren,
dieselben schliesslich ganz an sich gerissen haben.
Im grossen und ganzen ist die Frage hiermit zu Gunsten der Emendation
von Schliephake entschieden. Freilich bleibt beziiglich der Details der Grenzen
noch manches unentschieden und mag es u. a. unterWeiben, beziiglich des streitigen
Buochbach eine bestimmte Meinung aufzustellen. Vielleicht ist der Retterser Bach
gemeint. Fur die hier in Betracht kommenden Bezirke lassen uns die "Weistttmer,
eine sonst hochwichtige Quelle, fast vollig im Stich, wie Schliephake I, pag. 366
dies richtig bemerkt Die wenigen uns erhaltenen einschl&gigen Weistfimer reichen
selbstverstandlich nicht (iber das Ende des XV. Jahrhunderts hinaus; zwischen
ihnen und der Schlossborner Grenzbeschreibung liegen 400 Jahre! Ich habe die
in Betracht kommenden Weistumer wiederholt und genau durchgesehen und ist
es mir gleichfalls nicht gelungen, Angaben in denselben zu finden, welche Licht
in die Urkunde von 1043 bringen konnten, mit Ausnahme eines, fur diese Frage
bisher nicht beachteten Weistums, namlich des der Sulzbacher Mark x ).
l ) Das bei Grimm I, pag»572, V, pag. 718 mitgeteilte Weistum von Sulzbach betrifit nicht
die Sulzbacher Mark, wie Draudt, Forschungen XXIII, pag. 460 annimmt, sondern das Dorf Sulzbach.
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In der Sulzbacher Mark waren Mitmarker und berechtigt: Thai Konigstein,
Sulzbach, Soden, Neuenhain, Altenhain, Schneidhain und der Hof Beidenau. Die
Angabe der Grenzen dieser Mark liegt in zwei Fassungen vor, deren kurzere lautet:
Die Sulzbacher Mark geht an in der Braubach auf der Wiese und den
Ackern unter dem Hainberg, zieht den alten Weg hinaus, stosst an die Lieder-
bacher Mark bis Dietzelshain, geht von Dietzelshain bis an den Floss bei dem
Staufen, von dem Floss herauf bis an die alte Limburger Strasse bei dem kleinen
Seelborn, von dieser Strasse herab nach Konigstein „gleich den weyhelsborn in
den schmittrodern", daselbst endet die Mark gegen die Konigsteiner Terminei
und zieht weiter „die Bruebach herein bis uf die lohemule", von der Lohmiihle
die Hege herab bis nach Schneidhain, von Schneidhain hinaus bis auf die Wiesen
und Acker in der Braubach. Die spatere Redaktion von 1581 nimmt einen
anderen Ausgangspunkt. Hier beginnt die Mark im Dorfe Schneidhain, geht den
Wiesengrund hinauf nach dem Rupertshainer Weg inwendig der Hege zwischen
dem Wald und der Hege hin und wird hier die „bonhard a genannt, vom
Rupertshainer Weg bis an die Sandkaut und den Roneberg hin dem Floss nach
bis an die vorderste neue Wiese, von dort iiber die Schmitroder Wiesen stracks
zum Weilsborn; oberhalb des Weilsborn hart iiber der Reifenberger Strasse
steht ein Markstein, von dort geht die Scheide stracks herauf bis auf die alte
Hege, die ehemals die Scheide zwischen dieser und der Cronberger Mark gewesen,
aber jetzt scheidet die Hege die Reifenberger Strasse hinauf Konigstein und die
Mark, doch zuletzt im hohen Buchenwald scheidet die Hege noch Cronberger
und Sulzbacher Mark bis an das hinterste Floss, das zwischen der Sulzbacher
Mark und dem Glashain herunter nach den Tranktrogen fliesst, dem Floss nach
bis an den hintersten Tranktrog auf der Escherstrasse, sodann an den Trank-
trogen dem Floss nach bis zur Kalbshecke urn den Dietzelshainer Kirchhof so
herujn, dass dieser gegen Born liegen bleibt, vom Dietzelshainer Kirchhof stracks
iiber den Grund dem hohen Wald nach bis an die Keesebuche, von der Keese-
buche den Lochbaum zwischen der Liederbacher Mark herunter bis an den
Rupertshainer Weg, von dort dem Lochbaum nach bis in die Braubach.
Besonders durch dieses zweite Weistum, welches durch eine weitere, sehr
detailliert aiisgefiihrte Grenzbegehung, sowie durch einzelne urkundliche Angaben
erlautert wird, scheineti doch einige Angaben der Schlossborner Urkunde von 1043
Aufklarung zu erhalten. Wenn nicht alles triigt, finden wir in diesem Weistume
in der Westgrenze der Sulzbacher Mark dieselben Grenzpunkte angegeben, welche
die Urkunde von 1043 fur die Ostgrenz$ des Schlossborner Bezirks aufweist, und
konnen wir demnach als wahrscheinlich annehmen, dass die 89 Grenzen auf
der Strecke vom Feldberg ab bis zur Braubach (in welchem Kloster
Retters, jetzt Hof Roders liegt) zusammen,fallen.
Im einzelnen ware dann folgendes zu bemerken. Die Schlossborner Grenze
uberschritt den Pfahlgraben bei dem roten Kreuze, um die Siidostspitze des
Niederlahngaues, Reifenberg, Hatstein, Dorfweil, Arnoldshain aufzunehmen. Von
hier ging dieselbe auf den Feldberg und von dort den Weg hinab zur Esgene-
struot an die Quelle des Ronebachs.
Annalen d. Ver. f. Nass. Altertumsk. a. Geschiohtsf. XX. Bd. 4
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In Esgenestruot, fur welches Schliephake die in vorhergehendem Aufsatze
mit Recht getadelte Erklarung versucht, mocbte ich, dem Weistume folgend,
Besdehungen zur alten Escherstrasse oder Limburger Strasse finden, die von Konig-
stein uber Esch nach Limburg fiihrte. Die jetzt folgende Quelle des Ronebach ist
nachst dem Brunhildenbett der erste fest bestimmbare Punkt; der Ronebach ist der
jetzige Rombach, der siidlich vom oberen oder grossen Seelborn in nachster Nahe
der ebengenannten Escherstrasse entspringt, bei Eonigstein vorbeifliesst und bald
darauf den Namen Liederbach annimmt *). Der jetzt folgende bodenhart ist der
urkundlich sehr haufig genannte Walddietrikt Bomhard; derselbe liegt bei dem
Hinterstaufen zwischen dem Borner Wald und dem Walde Rumberg in Konig-
steiner Gemarkung, gehort aber noch zur Schlossborner Gemarkung. Vom Bomhard
geht die Grenze der Escherstrasse folgend bis ad eum locum, ubi scamna posita
sunt. Es liegt nahe, diesen Punkt fur ebendenselben zu halten, an welchem nach
dem Weistume und sonstigen aktenmassigen Angaben „die Tranktroge stehen*.
Von dort zum Wazzonis mons und zur Quelle Selenbrunnon. Der mons
Wazzonis kann nicht, wie angenommen wird, der Feldberg sein; mit Sicherheit
ist derselbe nicht zu bestimmen, jedenfalls aber war er ein bemerkenswerter
Punkt und ist es wohl nicht irrig, ihn fdr den Punkt zu halten, in welchem
die Gemarkung von Schlossborn mit den Sulzbacher und Cronberger Marken
zu8ammenstiess, namlich fur den Fuckstein, jetzigen Fuchsstein. Ein Marken-
protokoll von 1614 sagt von demselben: Der Fuckstein ist ein Berg und geht der
Reifenberger Weg daselbst nach Konigstein und terminieren sich daselbst drei,
namlich Mainz, Cronberg und Sulzbacher Mark, die Sulzbacher fangt an zur
Rechten, allda ein mit Steinen viereckig eingefasster Brunnen, dabei ein runder
steinerner Tisch steht, am Ende des Staufen, nahe bei dem kleinen Seelborn am
Wege stehend. Der hier genannte Staufen ist der vorhin genannte hintere
Staufen; die weitere Angabe beziiglich des kleinen Seelborn stellt die Quelle
Selenbrunnon der Urkunde von 1043 fest; dieser kleine Seelborn ist nicht zu
verwechseln mit dem mehr nordlich an dir Reifenberger Strasse belegenen
Seelborn, aus welchem die Ems kommt und in dessen Nahe der Ronebach-
Liederbach entspringt. In dem vorhergehenden Aufsatze sind diese beiden gleich-
namigen Quellen verwechselt und ist hierdurch ein wesentlicher Irrtum herbeigefuhrt
Der jetzt folgende Buochbach wird vermutlich der Retterser Bach sein, doch
bestimmter hieriiber mich auszusprechen, muss ich Anstand nehmen, da es mir
an dieser Stelle an der erforderlichen genauen Ortskenntnis fehlt. Weiter abwarts
fallt die Grenze dann mit der der Gemarkungen Hornau und Miinster zusammen.
Dass auf dieser weiteren Strecke die Detailangaben uber die Grenze aufhoren,
ist keineswegs so auffallend, wie in vorhergehendem Aufsatze angenommen wird.
Wenn wir Fischbach zu dem Schlossborner Sprengel ziehen, so ist fur die Grenz-
beschreibung nur die Angabe der Abgrenzung gegen Hornau hin erforderlich,
nicht mehr aber gegen Munster, da dieses ebenfalls dem Stephanstifte gehorte.
Wir finden dann die beiden grossen Pfarreien Born und Liederbach, welche beide
l ) Freundliche Mitteilung des Herrn OberfSreters Schwab zu KSnigstein.
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dem Stephanstifte gehorten, in dem naturgemassen Zusamraenhange. Wurde
jedoch, wie dies in dem vorhergehenden Aufsatze geschieht, Fischbach ausge-
schlossen, so hatte zwischen den beiden grossen Pfarreien des Stephanstifts
ein herrenloser Bezirk bestanden. Ein solches undenkbares Verhaltnis wurde
das Stift gewiss bald beseitigt haben.
Nach allem diesem scheint die Emendation Schliephakes gerechtfertigt und
doch nicht so griindlich ins Wanken gebracht, wie in dem vorhergehenden Aufsatze
angenommen wird.
XII.
Die Ruders-Kapelle im Cronberger Wald.
Von
A. v. Cohausen.
Im Feuilleton der „Post a vom 12. Februar 1887 finden wir in den
Wanderungen im Taunus von Ernst Boetticher eine Nachricht, welche wir zur
ferneren Untersuchung hier niederlegen wollen.
Im Cronberger Wald Ruders (die Generalstabskarte hat irrtiimlich Bflders)
liegt nordlich dem Burgel und 2 km nordwestlich von Cronberg unter acht hohen
Tannen ein altes Gemauer, kaum 1 bis 1,50 m umfangend, dessen Grundplan, als
wir mit dem genannten Verfasser am 14. August 1886 die Stelle besuchten, sich
uns als der einer mit dem Chor nach Osten orientierten Kapelle ergab; 1? m
lang, 9 m breit, ist sie durch einen Waldweg von einem ebenso breiten und 5 m
tiefen, westlich davor liegenden Baureste getrennt, das wir als Einsiedler- oder
Kiister-Wohnung ansehen. Nord warts und siid warts davon erstreckt sich ein
vorzugsweise mit Eschen bestandener Streifen; einst Acker und Garten, war er
zum Schutze gegen das Wild mit einer Trockenmauer umgeben, deren 1 m
breite tJberreste man verfolgen kann bis zu ihrem Anschluss an das Burgel
(Annalen XV, pag. 352). Unfern der Kapelle fliesst ein klares Wasserlein,
welches einst die Bedurfnisse des dort Wohnenden befriedigt haben mag und
jetzt nach Cronberg geleitet wird. Herr Hauptmann Boetticher verdankt die
Ab8chrift von 12 Urkunden, die sich auf diese Kapelle beziehen, dem Herrn
Stadtpfarrer Ritsert in Darmstadt. Danach war sie schon 1550 zerfallen, und
der Ruters- Altar wurde in die Cronberger Stadtkirche iibertragen. Die Benennung
des Altars nach dem Hain, worin die Kapelle stand, lasst vermuten, dass der
nech 1340 erscheinende Name Antonius-Kapelle vergessen war. 1339 wurde die
Kapelle in dem Ruthards-Hain, hinter Cronberg, von Walter, Ritter von Cronberg,
und Elsa, seiner Hausfrau, neu erbaut. Daraus folgt (?) nach zahlreichen Analogien,
dass die einsame Waldkapelle in jene friihen Zeiten zuruckreicht, in denen
heidnische Kultusstatten durch christliche Kirchen und Kapellen geheiligt wurden.
4*
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XIII.
Archivalische Mitteilungen.
Von
Arohivrat Dr. W. Saner
su Wiesbaden.
1. Rechnung des Zollschreibers Paul von Geisenheim zu Lahnstein 1344—1345. — 2. Zinsregister
des Klosters Clusen 1394. — 3. "Weistum der Vogtei Weidenhan 1476. — 4. Seelbuch
des Geschlechts von Langenau. — 5. Regesten zur Geschichte des Geschlechts Hilchen
von Lorch. — 6. Zur Geschichte des Klosters Bleidenstatt, insbesondere Zus&tze zu
der Beschreibung desselben bei Lotz Kunstdenkmaler.
1. Rechnung des Paul yon Geisenheim, Zollschreibers zu Lahnstein,
fflr die Zeit von 1344 Oktober 1 — 1345 Oktober 1 *).
Distributum mei Pauli de Gysynheym cellerarii ac theolonarii in Laynstein
a prima die mensis Octobris, que fuit dies beati Remigii, anni XL quarti usque
in eundem diem anni XL quinti eiusdem mensis.
Pro . . domino. — Primo dedi et exposui in expensis amicorum domini
ab VHI* die mensis Decembris anni XLHII* 1 usque in TTTT am diem mensis
Februarii anni XLV tl in guerra contra Bavaros septingentas lb. hi., XXXVILL
lb. h. XtT sol. hi. iiii- hi. faciunt in pecunia XXXVl lb. grossorum, XVHI. sol. g.,
Vlt g., VtfcC hal. Item dedi domino preposito Xanctensi nomine domini archi-
episcopi Moguntini in Cena domini anni XLV U X lb. g. tur. ad quitanciam predicti
domini prepositi. Item dedi et exposui in expensis pro domino in Laynstein
factis sub anno XL quinto a dominica proxima post ascensionem Domini usque
in feriam quartam ipsam dominicam proxime subsequentem mane inclusam
XI lib. g. Xll sol llil g. Item eodem in tempore dedi domino ad quitanciam
eius II lb. g. tur. Item venit dominus Laynstein dominica post festum beati
Jacobi, que fuit vigilia beati Petri ad vincula anni XL quinti, et expendidit in
pecunia XXV lb. g. tur. XI sol. g. Vili g. ad quitanciam eius. Item eodem
tempore dedi domino ad manus eius I lb. g. tur.
Summa LXXXVII lb. g. 11 sol. g. VII g. VIE hL
Distributa pro domino scolastico sanctorum apostolorum Coloniensi.
Primo dedi domino scolastico sanctorum apostolorum Coloniensi ipsa die
beati Severini episcopi anni XLllll* 1 XL lb. g. tur. ad quitanciam eius. Item
eidem domino scolastico V ta die mensis Decembris anni XLIIIF dedi X lb. g. tur.
') Diese Rechnung ist um so wichtiger, als die Abrechnung fttr dieses Rechnungsjahr
fehlt und flberhaupt aus demselben nur eine Zahlungsanweisung auf die Zollkasse, Nass. U.-B. II,
No. 2393, erhalten ist.
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53
Summa L lb. g. tur.
Di8tributa pro domino Xanctensi.
Primo dedi domino Xanctensi XIX a die mensis Novembris, que fuit in octava
beati Martin episcopi anni XLIIII", V lb. gros. tur. ratione unius grossi in dicto
theolonio nobis cedentis ad quitanciam eius. Item dedi eidem domino preposito
Xanctensi feria secunda proxima post nativitatera Christi anni XLIIII" Vtt lb.
gr. tur. Item dedi predicto domino per manus Heynnci pastoris de Oyrnmuze
XIH a die mensis Februarii anni XLV" I lb. g. tur. Item dedi Stykero famulo
domini Xanctensis X sol. g. de mandato domini prepositi Xanctensis. Item dedi
et misi domino preposito predicto II a die mensis Marcii anni XL quinti IIH lb. g.
ad quitanciam eius. Item misi eidem domino per nuncium suum dominica qua
cantatur Letare anni XLV" II lb. g. V sol. g. tur. ad quitanciam eius. Item
dedi prenotato domino in vigilia beate Margarete virginis anni XLV" ttt lb. g.
tur. ad quitanciam ut supra. Item dedi prefato domino V ta die mensis A\igusti
I lb. g. ad quitanciam eius. Item dedi sepedicto domino preposito Xanctensi
in crastino beati Mathei apostoli II lb. g. tur.
Summa XXV lb. g. XV sol. g. tur.
Distributa pro domino Theoderico de Sleyda.
Primo dedi domino Theoderico de Sleyda XIX a die mensis Novembris
anni XLllll", que fuit in octava beati Martini episcopi, XVI lb. g. tur. ad
quitanciam eius cum domino preposito Xanctensi. Item dedi eidem domino
Theoderico de Sleyda ipsa die Circumcisionis domini anni XLV" Xtt lb. g. tur.
ad quitanciam ut supra scilicet ipsorum dominorum predictorum. Item dedi
predicto domino de Sleyda penultima die mensis Aprilis anni XLV" XII lb. g.
nomine domini Johannis de Sleyda et Lyse eius uxoris ratione institucionis trium
grossorum ut supra. Item dedi prefato domino in die beati Pantaleonis anni
XLV" till lb. gross, ad quitanciam ipsorum predictorum. Item
Summa XLIIII lb. g. tur.
Distributo pro domino comite de Virrinburg.
Primo misi comiti de Virrinburg per famulum suum ipsa die Ealixti pape
anni XLIIII 11 XI sol. g. ad quitanciam domini comitis. Item dedi domino comiti
de Virrinburg IIII a die mensis Novembris anno XLIIII", que fuit quinta feria
proxima post festum Omnium sanctorum, Hi lb. g. ad quitanciam eius ratione
institucionis unius grossi. Item dedi prefato domino comiti XI a die mensis
Novembris anni XLIIII" II lb. g. Xttt sol. g. tur. Item eidem domino V* die
mensis Decembris anni XLIQI" ttt lb. g. tur. ad quitanciam Johannis de Virrin-
burg filii sui. Item predicto domino comiti de Virrinburg XH a die mensis Decembris
anni ut supra, tt lb. g. tur. ad quitanciam eius. Item eidem domino feria secunda
post nativitatem Christi anni XLIIII" III lb. g. tur. ad quitanciam. Item antedicto
domino comiti VIII a die mensis Februarii anni XL quinti tt lb. g. X sol. g. tur.
Item dedi domino Hermanno militi de Bassinheim sabbato proximo post Epi-
phaniam domini anni XLV" Vltl marcas tttt sol. d., faciunt IX sol. g. tur. IX
g. tur., nomine domini comitis de Virrinburg ad quitanciam predicti domini Hermanni.
Item dedi ei domino comiti de Virrinburg V a die mensis Martii anni XL quinti,
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54
que fuit sabbato proximo post dominicam qua cantatur Oculi mei It lb. g. tur.
Item dedi prefato domino feria tertia proxima post dominicam Palmarum anni
predicti II lb. g. tur. Item misi domino comiti de Virrinburch sabbato post
dominicam qua cantatur Quasimodo geniti I lb. g. tur. Item misi predicto domino
de Yirrinburch dominica proxima ante Penthecosten 11 lb. g. tur X sol. g. tur.
ad quitanciam eius. Item dedi predicto domino VI a die mensis Julii anni XLV tl
I lb. g. ad quitanciam eius. Item dedi domino Hermanno de Bassinheym TTTT ft
die mensis Augusti VIII marcas tttt sol. d., faciunt IX sol. g. 9*/2 g., nomine
domini comitis de Virrinburg. Item dedi domino comiti de Virrinburg dominica
die ante Mychahelis 11 lb. g. X sol. g. tur. ad quitanciam eius.
Summa XXVHI lb. g. XH1 sol. g. V g. tur.
Distributa pro domino de Westirburch.
Primo dedi Gerhardo capellano domini de Westirburch ipsa die beati
Clementis pape anni XLIIQ" I lb. g. tur. Item dedi eidem Gerhardo in vigilia
apostolorum Symonis et Jude anni XLIUP* 5 x /a lb. g. tur. Item dedi predicto
Gerhardo in die Circumcisionis domini "anni XLV U V lb. g. tur. nomine domini
Reynhardi de Westirburch. Item dedi sepedicto domino Gerhardo capellano feria
tercia proxima post Circumcisionem domini I lb. g. tur. nomine predicti. Item
prefato Gerhardo XVH a die mensis Februarii dedi 11 lb. g. tur. Item dedi
domino de Westirburch per manus Reynbuldi de Resa militis XXHI a die mensis
Martii 11 lb. g. VI sol. g. Ill g. tur. ad quitanciam Reynoldi predicti.
Summa XVll lb. g. Vi sol. g. Ill g. tur.
Indorsat: Computacio cellerarii et theolonarii in Lonsteyn 1344.
2. Register der Zinsen des Klosters Clusen (unter Johannisberg) zu Lorch,
Lorchhausen, Caub, Oberheimbach und Niederheimbach. 1394.
Census dominarum in Klusen conscripti sub anno incarnacionis domini
millesimo CCC mo nonagesimo quarto.
Primo in Lorche. Henne Leyendecker git 1. marg geldes von eyme huise
und von eyme garten zu gaessen und von eyme wingarten gelegen in dem
nederflure.
Item Wickel Wormisser und Dylman Walther gebent 1. marg von eyme
wingart zu bottindal, dye Syman Rudewins erfein und Johan Walther vormals
gabin.
Item der spedal zu Lorche git */* marg von drin wingarten gelegen in
babinthal, dye Dyetsche foit und sine gesellin gaben.
Item Peder Knauff und sine gesellen gebent nil schilling penninge von eyme
wingarten zu forthelden, dye Walmilechers erbin vormals gabin.
Item Heintze Pletz zu Husen git 1. schill. pennige von eyme wingarten zu
pedegrund, den Frederich Malbode vormals gab.
Item Heintze Pletz von Husen git V. schill. pennige.
Item her Johan Kutzewanst git VIH. schill. heller von eyme wingarten zu
oiczenpade, dye valient off unser frauwen tag annunciacio.
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Item Henne Lorz von Husen git VII. schill. pennige von eyme huse, das
der Byaderschen vormals was, der zins fellit off unser frauwen tag annunciacio.
Item dye kinde von dem . . Ryede gebent VM. marg von sehs wingarten,
der eyne liget zue beche by den herren von Erbach in dem gninde, der ander
liget by Menkin in dem oberflur, der dritte liget zu . . geiderstal by Frischenstein,
der virde liget an secsilberge by Syman duchscherer, der funffte liget an dem
Kobel, by Henne Pinkernel, der sehstin wingart liget (die Angabe fehlt).
Item der presencien meister I. sch. pennig von Hebel Bapparten garten zu
endersgassin.
Item Wilbelm von Scharpenstein I. marg von eyme wingarten in dem
nederflure by der stegen, die her Otte von Scharpenstein gab.
Item . . Jacob Hugelnheimer git I marg von eyme wingarten off leren,
die her Engelmans dochter gab.
Item Henne Kolben son git it. marg von eyme wingarten off mannendals
wege, die Henne Kolbe sin vader gab; derselbe wingart vormals was Syman
duchscherers.
Item Henne Lorz von Husen git I. marg von eyner wesen in Huser dal,
die da was iuncfrowen Patzen, die Schetzel von Husen gab. [Diz hurit zu den
Eerindal, Randbemerkung von anderer Hand.]
Item Rueleman git X. pennige von eyme wingarten gelegen off leren.
Item dye herren von Erbach gebent tL sch. pennige von eyme huse gelegen
nehste an ir porten.
Item Jacob Hugelheimer git XXVH. pennige von eyme wingarten off des
Marschalkes were, dye Dylman duchscherer vormals gap.
Item Henne Kern und Peder Rosenbecher gebent unnerscheidelich HI. marg
von eyme wingarten, ist geheissen fuer wingart, und von eyme wingarten zue
kaderacht, denselbin zins Peder Spiren eyden von Stege und Elgin wedewyen
Henne Wellen gabin.
Item Wilhelm von . . Glimental git t. marg von Jagedufels hobe, dye
Peder Beyer gab.
Item Henne Zippel der becker git XV. sch. pennige von dem backhuse an
der steyngassen daz Stollen was.
Item Wernher Wyers dochter git XIX. tornose von eyme wingarten off
Bylsteiner, dye ir vader vorg. gab.
Item Wickel . . . a ) git . . b ) tornose dye mag er losen bit HI gulden.
Item Jeckel Ferenkorn zue Cube git n. marg. von zwein wingarten, der
eyne heissit strecke, der ander heisset das rat.
Item Henne Snider zu Obirheinbach XXI. sch. heller und Henne Mus-
winde XHL sch. heller und Clas Romunt VI. sch., den vorg. zins git Henne
Murwinde vorg. un miteynander von drin wingarten, der eyne liget an den
breyden weren, der ander liget an der holeyen, der dritte an dem langen wingarten.
Item Henne Dudehenn und Henne Berkenhusen von Obernheinbach gebent; X,
punt geldes.
a ) Der Zueatz durch Rasur entfernt. — b ) Ebenfalls.
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Item Henne Godelman van Heinbach git XI. sch. heller ane ILL heller von
sime wingart an dem strevart.
Item zue Nedernheinbach Henne Omilginschen son git V 2 marg von eyme
wingarten an dem strevart, die Agnes Omelschen gab.
Item Henne Ruleners son git 1. marg geldes von eyme huse, liget neben an
Henne Merkeln sone, und von eyme huse gelegen neben an Nopgin, die selbe
marg Henne Gise und Henschin gaben.
Einige Zus&tze yon spaterer Hand, nur zum Teil noch lesbar, sind als unwesentiich nicht
mitgeteilt Or. in Munchen.
3. Weistnm der Togtei and des Gerichts zu Weidenhan (Lehen der
Hilchen von Lorch zn Dernbach) — 1476 Dezember 13.
Wir Scheffen der faethey und gerichts zu Weydenhain hernach geschriben
mit nahmen Heypel von Otzingen, Hen Welter von Wedirges, Conrad Hiiltzgen
von Leutenrode, Cuntzgen Gronnau von Wirges, Peter Langenwesen, Peter Hert-
weins, Henn von Wirges und Peter Knebel von Wirges thun kunth und bekennen
an disen dffen briff, dass von unsern vorfahren und eltern uff uns komen undt
also herbracht ist, so das wir unsern faitherrn zwo beede under die faithleuth in
das vorgenante faithgericht und in diese nachgeschrieben bezirkelth fadey gehorig,
ein zum May, die ander zu herbst setzen, iede bede ein undt zwantig gulden, ie
ein und zweintzigist halben weiszpfenningh vor den gulden, unserm faitherrn
zweintzig und einem scholthesen, der die beede hebt und bescheit, einen giilten,
so fehr uns unser vatherr daran mit gnad erthuet, als sie dan itzunth ein zeith
langh gethan haben, dat wir ihn dan freunthlich danken, welche obgen. beede
wir unserm faithherrn geben, ihnen dienen undt ihren gebotten wie zu alien
zeiten gehorsam sein sollen undt unser, welcher daran seumigh und ihnen
ungehorsam wurde, den undt die haben die obgedachte unsere faitherren undt
die ihren von ihretwegen zu hanthaben, zu pfenden, zu straflfen undt zu recht-
fertigen, wo und wie die in diser obgenanten und hernach bezirkelter fatheyen
gesessen seinth, in ungefreyten pletzen, darin zu ziehen, ihnen auch von urfsern
faitherrn gewerth mag werden, undt das alles, so wir vorgenanth ohn allermenig-
lichs inlegen oder widersetzen stendt ist. Dise nachgeschrieben die bezirkelungh.
Die freiheith, dass unser faitherrn guth macht haben zu iagen, zu schiessen, zu
fischen in obgedachter fathey undt des gerichts zu Windishain, dan wir dan so
scheffen uber seinth, die dan zu Pottenhan angeheth undt die Strass herin mit
uf die brucken zu Helligerede, undt von der bracken heraus mit uf die steinen
briicke zu Armenhausen undt von dannen oben der Stath zu Monthabur auss
biss uf die Coblentzer strass, die man nent die gehauwen strass. Die strass in
bis zu Miihlem im Thall in den Rhein, wie man wirft mit einem huffhammer.
Item zu Pottenhain a ) wider ahn biss zu Mittelawer undt dardurch hin biss zu
Ober-Otzingen undt von dannen biss zu Helperskirchen biss ahn die Kirchmauer
a ) Hierzu von anderer Hand hemerkt: „Pottenhan hatt gelegen zwischen Talen undt
Girodt, alda noon beide dorffer echQtzen halten".
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undt von dannen forth durch Nerdorf und dem heringsberg ussen durch Maxein,
undt von dannen farther oben uff die hohe strass durch Bonderode hin und von
Boderoth strack oben hin mit zu der Aldeck zu undt die strass durch die Aldeckh
innen der furt biss zu Eherlicherfarth in den Rhein alss man werffen kan. Undt
dat diss wahr 1st und von unsern vorfahrn undt altheren uff unss so herkommen
und bracht ist, undt wir auch nit anderst wissen, das nemmen wir uff die eyde,
die wir unsern faitherren undt dem scheffenstull gethan haben. Dess zu urkunth
haben wir die scheffen obgenanth mit fleiss gebetten den strengen edelknecht
herrn Friderich von Muderspach ritter und den ehrsamen Gernant von Berteshan,
das sie ihre ingesigell zu ruckh diss brieffs getruckt haben, unss in aller diser
obgeschriben sachen zu bezeugen. Dass wir Friderich und Gernat obg. bekennen
und von bitte wegen der vorgl. scheffen gern versigelt haben. -
Datum anno domini CCCC°LXXVl, uf s. Luciae tagh.
Abschr. im Familienbuche der Hilchen von Lorcli zu Dernbach bei Montabaur, im
Germani8chen Museum zu Ntirnberg.
4. Seelbuch des Geschlechts von Langenau.
fol. 1. Memoria mortuorum dominicis diebus et quatuor temporum.
Dyt ist daz selebuch der ganerben von Langenauwe und hait her Johan
von Langenauwe daz dun machen, uff daz man alle sondagis und besunder in
den viere fronefasten, dye in dem iare gelegin sint, aller der gedencken, dye hye
inne beschrieben sint und dye auch uffentlichen in der capellen also gelesen
werden und wer eyn capellain zu Langenauwe ist, der hayt da von, daz er dyt
selebuch lesit als vorgeschrieben ist sondagen und fronefasten, ye zu der frone-
fasten eyn par schoe und dye sal eyn buwemeyster, de der capellen buwemeister
ist, yme bezalen.
Myne lieben frunde Cristi, duyt wale durch gotz wyllen und helffet mit
byeden vor der ganerben selen von Langenauwe, der namen hernae geschrieben
steent, abe dye selen sin in eyner pyne dez vegefurys, daz sye der almechtige
got ire pyne wolle kurtzen und dar usz nemen und ine geben ewige rast und
ewige ruwe.
1. Item vor hern Hylgers von Langenau*) eyns rytters, der eyn anheber
was zu Langenauwe und daz buwete und syner huysfrauwen und
irer kinder.
2. Item vor hern Hylgers eyns ritters, der oiraniche waz hern Johans von
Langenauwe und fader was hern Friederichs von Langenauwe, hern
Johans rechte aniche.
2. Friedrich und dessen Frau Alheidis 1259—1302. Vgl. 3, 21, 34—37, 39, 43.
3. Item vor frauwen Aylheiden Schencken von Lebensteyn, hern Friede-
richs huysfrauwen.
4. Item vor hern Johaas eyns ritters ires sonis und frauwen Heylken von
Lurinburg syner huysfrauwen.
4. Vgl. Annal. XVI, pag. 56.
a ) Langenau auf Rasur von spaterer Hand nachgetragen.
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5. Item vor hern Winrichs von Langenauwe eyns ritters de* Bone waz
hern Friederichs von Langenauwe.
6. Item vor frauwen Byngeln von Crpnenberg Byner husfrauwen.
7. Item vor Wynrichen iren soyne.
8. Item vor frauwe Aylheiden von Sapwylheym ir dochter.
9. Item vor hern Herman Copps.
10. Item vor eyne Jutten der vorgenanten frauwen Aylheyden und hern
Hermans dochter.
11. Item vor hern Poysz von Rudinsheym und vor Erwyn Cryegis, dye
auch eliche huyszwirte waren frauwen Aylheyden.
11. Foys von Rudensheim erscheint 1869 ale Verwandter Johanns and Wynriehs.
12. Item vor eyne Demude.
13. Itfem vor eyne Elsz.
14. Item vor eyne Aylheide,
dye alle kinder waren hern Wynriehs von Langenauwe und
frauwen Bingeln.
15. Item vor hern Hylgers eyns ritters von Langenauwe, der eyn bruder
waz hern Fryderichs von Langenauwe vorgenant.
16. Item vor frauwen Cryssem syner huysfrauwen.
16. Annal. XVI, pag. 63.
17. Item vor frauwe Gertrude irer dochter; dye yntzuntgenante frauwe
Gertruden muder waz hern Gyselbrechtz und hern Heynrichs von
Katzinelenbogen rittere und waz auch muder frauwen Crissem von
Crummenauwe, hern Heynrichs wyb von Crummenauwe.
17. Annal. XVI, pag. 72.
18. Item vor eyne Katherinen eyner iunfFrauwen zu Brunenburg,
19. Item vor eyne Lyse dye von Brunburg in dye Berpach quam,
20. Item vor eyne Jutten dye eyne iunffrauwe waz zu Pedernach
und alle kinder waren frauwen Gertruden, hern Hyldigers obge-
nante dochter.
21. Item vor hern Wynriehs, der eyne apt waz zu Arnsteyn und waz
bruder hern Friederichs und hern Hyldigers obgenant von Langenauwe.
21. Abt Winrich 1291—1297. Vgl. 2.
22. Item vor hern Friederichs eyns pryesters zu Arnsteyn und
23. hern Hyldigers syns bruders, der eyne duytz here was,
hern Friederichs sone.
fol. 2. 24. Item vor frauwen Annen von dem Steyne, die huysfrauwe waz hern
Johans von Langenauwe, hern Winrichs sonis seligen.
25. Item vor eynen Hennen,
26. Item vor eyne Bingeln,
27. Item vor eyn Winrich,
28. Item auch vor eynen Winrich,
dye kinder waren hern Johans und frauwen Annen vorgenant.
29. Item vor Aylheide von Brye
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30. Item vor eyn Conraidt und
31. Johann irer sone und ander irer kinder.
29.— 31. Vgl. ADnal. XVI, pag. 166*
32. Item vor eyne Elsen, eyner iunffrauwen zu Beselich,
33. Item vor eyne Demude und
34. Jutten, iunffrauwen zu Affeholderbach,
35. Item vor eyne Fykel eyner iunffrauwen zu Beselich,
36. Item vor eyne Beningen und
37. Gertrude zu Brunburg,
dye alle gesusterde waren und kinder waren hern Friederichs von
Langenauwe, der hern Johans von Langenauwe aniche waz.
34.-37. VgL No. 2.
38. Item vor eyne Jutten eyner iunffrauwen zu Affholderbach, dye suster
waz hern Friederichs von Langenauwe vorgenant.
39. Item vor hern Daniel von Langenauwe, der bruder waz hern Hildigers,
hern Johans oiranichen, und frauwen Lysen von Katzenelenbogen, syner
huysfrauwen.
39. Bruder von 2.
40. Item vor hern Dyemen und frauwen Cecilien syner huysfrauwen von
Nesen,
41. Item vor hern Daniel von Langenauwe,
42. Item vor hern Friederich der eyn here waz zu Erbach,
42. Urkundlich als Kellner zu Eberbach 1330.
43. Item vor frauwen Meckeln von Nassauwe hern Enolf Muselins huys-
frauwe,
dye alle viere kinder waren hern Daniels obgenant, der bruder
waz hern Hildigers, oiraniche waz hern Johans von Langenauwe.
43. Vgl. 2.
44. Item vor hern Hildigers eynes ritters ires sonis,
45. Item vor hern Hildigers eyns ritters, dez intzunt hern Hildigers sonis, und
46. eyner Metzen syner suster,
dye vorgeschrieben alle kinder und enckeln waren hern Enolf
Muselins.
47. Item hern Daniels von Langenauwe, der sone was hern Daniels, hern
Dyemen bruder von Langenauwe, und frauwen Nesen von Bassenheym
syner huysfrauwen.
47. Daniel, Nese von Bassenheim dessen swigerfrau, dessen Sohn Hildeger
und snurchen Hille 1361, Daniel und Agnes 1384.
48. Item vor Hennen iren sone.
49. Item vor Elsen und
50. Nesen ire dochter.
51. Item vor hern Hildigers, hern Daniels bruder, und Aylheide syner
huysfrauwen und
52. Aylheyde irer dochter.
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60
53. Item vor hern Johans von Langenauwe, hern Dyemen seligen sonis,
und frauwen Grethen von Byffenberg syner huysfrauwen.
54. Item vor Johan iren sone,
55. Cecilien syner sustern.
56. Item vor Hyldiger, der bruder waz hern Johans vorgenant,
57. Item vor frauwen Lysen von Bubinheym und
58. frauwen Katherinen von Gymmenich, dye sustern waren hern Johans
vorgenant hern Dyemen sone.
59. Item vor hern Diederich von Lurinburg und Sophyen syner huysfrauwen,
60. Item vor hern Dyederich eyns ritters, ires sonis, den man nante den
bierben heren Diederich.
61. Item vor heren Buchers, eynes ritters von Lurinburg, und heren Buchers,
der eyn apt waz zu Arnsteyn, und frauwen Beningen, irer muder
von Lurinburg.
61. Abt Bucher scheint sonst nicht bekannt zu sein.
62. Item vor frauwe Gertrude ire dochter, dye suster was hern Buchers
63. Item vor Friederich, der auch von Langenauwe waz, und waz hern
Johans sone von Langenauwe.
fol. 3. 64. Item vor hern Heynrich eyns ritters von Langenauwe, der den zehenden
zu Langenauwe zu der cappellen gaff byt wyllen und gehengnisse
eyns ertzebischobes von Collen, von dem das slosz Langenauwe und
der zehende zu lehende rurit.
64. 1244, 1260. Die Kapelle wurde 1244 geweiht.
65. Item vor eyn Dyderich von Bubenheym, der suster hatte hern Johans
von Langenauwe.
66. Item vor hern Johan von Langenauwe und vor frauwe Ketter sin
huysfrauwe.
67. Item vor Gertruden von Langenauwe hern Johans seligen dochter.
68. Item vor hern Hyldiger auch ire sone, der eyn hefre waz zu Arnsteyn.
69. Item vor Friederich auch ire sone.
70. Item vor hern Wynrich hern Johans seligen bruder von Langenauwe.
71. Item vor eyne Byngel, auch hern Johans suster, die eyne iunffrauwe
was zu Beselich.
72. Item vor Wynrich von Langenauwe hern Johans seligen sone und vor
Kungunt von Eynenberg und Landescrone, syner huysfrauwen.
73. Item vor Johan von Langenauwe, Wynrichs seligen bruder, und Gute
von Kellenbach, syn huysfrauwe.
73. Beide 1445, Johann 1453, 57 Aratmann zu Diez.
(Von anderer Hand aus dem Ende saec. XV.)
74. Item vor Hilger von Langenauwe Wynrichs selgen sone von
Langenauwe a ).
a ) Zwiachen 74 und 75, 75 und 76, 76, 77 und 78 sind Eintragungen durch Rasur entfernt.
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75. Item vor Nesgyn Nuwer, Hilgerse eliche huisfrauwe.
76. Item vor Engen von Nassauwe, Hilgers eliches huiszfrauwe.
(Von einer Hand aus dem Ende saec. XV.)
77. Item vor Engen von Modersbach, Wynrichs eliche huisfrauwe.
(Von einer Hand aus dem Ende saec. XV.)
78. Item vor Katrine, Wyrichs eliche huisfrauwe.
(Von einer Hand saec. XVL)
79. Item vor Margreten, Eckarten von Langenawe elichen hausfrawen.
80. Item vor Wirichen von Langenawe irhen sone.
81. Item vor Enchin von Modersbach, des obgedachten Wynrichs eliche
hausfrawe.
82. Item vor Engin von Karben, Hilgers von Langenawe eliche hausfrawe.
(Von anderer Hand saec. XVI.)
83. Item vor Even von Uttingen, Hilgers von Langenauwe elige husfrawe.
83. Eva 1494. Hilger 1500 Amtmann zu Stolzenfels.
(Von einer Hand saec. XVI.)
84. Item vor frauwen Claren von Langenau.
85. Item vor Eckarten von Langenauw.
85. Eckard Amtmann zu Nassau 1468—1491.
(Von einer Hand aus dem Ende saec. XVI.)
86. Item vor Winrich von Langenauw, Hilgers von Langenauw seligen sone.
(Von anderer Hand aus dem Ende saec. XVI.)
87. Item vor Jengel von Langenauw, Wyrich von Langenaw selych son.
fol. 4. (Von erster Hand.)
88. Item vor Clays von Lorich, den man nennet Kytzche, bestediget hait
eyne dinstags misse zu Langenauwe.
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Handschrift etwa aus der Mitte saec. XV, Kleinfolio, im Staatsarchive.
Vorstehender Abdnick ist nur in wenigen Fallen mit Anmerkungen versehen,
da nur dann die urkundliche Fixierung der einzelnen Personen erfolgt ist, wenn
dieselbe zweifellos feststand. Besonders in den Fallen, wo es sich urn die so haufig
wiederkehrenden Namen Daniel, Dymo, Hildeger und Winrich handelte, ist
hiervon abgesehen worden, da die zu Gebote stehenden TJrkunden nicht ausreichen,
die einzelnen Personen dieses Namens festzustellen, wie dieses auch Becker in
seiner Ausgabe des Arnsteiner Nekrologs, Annal. XVI, nur bei einzelnen in dieses
Nekrologium eingetragenen Gliedern dieses ausgedehnten Geschlechts gelingen
konnte. Dass dieses Seelbuch eine ausserst wichtige Quelle fCLr die Geschichte
der an der unteren Lalin gesessenen Adelsgeschlechter ist, braucht kaum bemerkt
zu werden; eine eingehendere Ausbeute wird in demselben manche wichtige
Erganzung urkundlicher Nachrichten, auch manche Beitrage zur Erlauterung des
eben genannten Arnsteiner Nekrologiums, bei dessen Herausgabe das Seelbuch
nicht berucksiehtigt ist, ergeben. So werden z. B. ausser mehreren Konventualen
zu Arnstein hier die Abte Winrich von Langenau und unter No. 61 Bucher
von Laurenburg, der nicht bekannt zu sein scheint, wenigstens in dem Ver-
zeichnisse der Abte bei Becker, Annal. XVI, pag. 258 ff., fehlt, aufgefuhrt.
Als Verfasser nennt sich Johann von Langenau, vielleicht der unter No. 73 auf-
gefuhrte, mit Jutta von Kettenbach verheiratete, der urkundlich seit 1453 als
Amtmann zu Diez erscheint. Fur die Zusammenstellung scheint er mehr die
Traditionen seiner Familie, vielleicht auch einschlagige Aufzeichnungen, benutzt
zu haben, als TJrkunden, woher sich erklart, dass seine Aufzeichnungen liber die
altesten Generationen des Geschlechts ausserst durftig sind und erst gegen Ende
der ersten Halfte des XIV. Jahrhunderts vollstandiger werden; so fehlen z. B.
der bei Guden. Ill, pag. 7 in einer Urkunde von 1302 genannte Pfarrer Arnold
zu Dietkirchen, ferner die 1333 erwahnte Ludgardis reclusa in reclusorio Aren-
berch. Die Vollstandigkeit des Seelbuchs ist uberhaupt bei dem Mangel urkund-
licher Nachrichten nicht zu kontrollieren. Beziiglich der Anordnung der einzelnen
Eintragungen ist zu bemerken, dass der Verfasser die Nummern 1 — 58 streng
systematisch nach den Generationen ordnet, wahrend von No. 63, wo die Auf-
fiihrung der ihm gleichzeitigen Personen folgt, diese systematische Ordnung zu
fehlen scheint.
Den bis einschliesslich No. 73 gehenden Aufzeichnungen erster Hand folgen
weitere, dem XV. und XVI. Jahrhundert angehorige Erganzungen.
Da Johann von Langenau seinen Aufzeichnungen bis No. 58, wie bemerkt,
die Ordnung nach den Generationen zu Grande gelegt hat, ist es leicht, fur diese
Nummern 1 — 58 die Stammtafel des Geschlechts herzustellen, wie diese im
Anschlusse hier folgt. In derselben sind nur die Sohne, welche das Geschlecht
fortpflanzten oder sonst von Bedeutung waren, und verheiratete Tochter mit
Namen genannt, fur die sonstigen Sohne, die Tochter, die Gatten und die
Descendenz ^rerheirateter Tochter nur die Nummern der einzelnen Teile des
Seelbuchs eingesetzt. Von der Fortfuhrung der Stammtafel iiber No. 58 hinaus
ist Abstand genommen.
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5. Regesten zur Geschichte des Geschlechts Hilchen yon Lorch,
Tom Jahre 1400 ab.
Uber das Geschlecht der Hilchen von Lorch, welches zu den bedeutendsten
des mittelrheinischen Adels gehorte, finden wir zerstreute Nachrichten in den fur
das bezeichnete Gebiet in Betracht kommenden Urkundenbiichern, besonders im
Mittelrheinischen Urkundenbuche, in Baurs Hessischem Urkundenbuche, Rossels
Eberbacher Urkundenbuche, bei Roth pontes; im Nass. Urkundenbuche sind die
Urkunden des Geschlechts, soweit solche die Besitzungen des Geschlechts im
ehemaligen Herzogttfm betreffen, bis zum Jahre 1400 aufgenommen. In Betracht
kommen ferner die Mitteilungen Bodmanns in seinen Rheingauischen Altertumern,
die Urkunden und Matrikeln des deutschen Ordens beziiglich jener Glieder des
Geschlechts, welche dem Orden angehorten, die von Topfer, Urkundenbuch der
Vogte von Hunolstein, besonders III, pag. 249 ff. gesammelten Urkunden, des
Caspar Lerch von Dirmstein Series antiquitatis des Klosters Rupertsberg, die
von Helwich gesammelten, in verschiedenen Kirchen und Klostern zerstreuten
Grabdenkmaler, welche im wesentlichen bei Zaun, Landkapitel Rheingau
pag. 323 ff. und im Hessischen Archiv VIII, pag. 323 ff. mitgeteilt sind, endlich
die bei Humbracht befindliche Stammtafel.
Zu diesen Nachrichten sollen die folgenden Regesten, welche im Anschlusse
an die im Nass. Urkundenbuche gedruckten oder noch zu veroffentlichenden
Urkunden die Zeit von 1400 ab umfassen, eine Erganzung bringen. Entnommen
sind dieselben den Lehnsurkunden des Geschlechts im Staatsarchive, dem Archive
des Herrn Freiherrn von Hausen zu Lorch, dem jetzigen Besitzer der bedeutenderen
Guter der Hilchen zu Lorch (liber das Hilchenhaus daselbst vgl. Lotz pag. 307),
dem Stadtarchive zu Lorch, dem von Johann Wilhelm Hilchen von Lorch ange-
legten Hausbuche, jetzt im Germanischen Museum zu Niirnberg befindlich, u. a.
Der leichteren Ubersicht wegen sind die Regesten nach den wichtigeren Besitzungen
und Lehen des Geschlechts, welche sich erst vom Jahre 1400 mit Bestimmtheit
iibersehen lassen, geordnet.
I. Haus und Hof zu Lorch, sowie das Kirchheim-Bolandische
Lehen daselbst.
Die altesten Nachrichten iiber Lehen der Hilchen betreffen ein Lehen zu
Rudesheim und den Gauchsberg in Lorcher Gemarkung, von den Herrn von
Bolanden lehnriihrig.
Das Sponheimer Lehnsbuch bekundet:
Item her Herman Hillichen von Lorche ist unser man von dem gude daz
er hat von der herschaft von Bolanden zu Rudesheim.
Sodann besagen Eintragungen des Jahres 1370:
Item Fritze Hilgin und sin Bruder hant von uns zu lehin den berg der da
heiszet gausberg in Lorcher mark.
Item Henne June von Lorche hat von uns zu lehen den gauchesberg
gelegen in Lorcher jnarken.
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Item Frytsche, Frytsche Hilchins selgen son von Lorche, hat von uns zu
lehen daz lehen deilgutes, daz do ist gelegen uff dem gausberge in Lorcher
marken und dryffet sich daz teil iares an ein fuder wins, zwey, dru, viere, funf
oder sechs, darnach daz daz geiwe ist.
Sodann liegt eine ahnliche Eintragung aus dem Jahre 1382 vor.
In einer undatierten, etwa in 1370 zu setzenden Urkunde gab Fritz Hilchen
dem Grafen Heinrich von Sponheim einen — und zwar den ersten erhaltenen —
Revers beziiglich dieses Lehns am Gauchsberge.
1393 (ipso die s. Barbare) Dezember 4, nachdem die Herrschaft Bolanden
in den Besitz des Grafen Philipp zu Nassau-Saarbriicken gelangt war, gab der
Edelknecht Philipp Hilchen von Lorch diesem den Lehnsrevers.
1430 (samztag den h. phingstabent) Juni 3 giebt Philips Hilchin von Lorche
der alte dem Grafen Georg von Henneberg Revers bezuglich der Lehen in Lorcher
Gemarkung, in welchen er in Gemeinschaft mit seinem Vetter Friederich Hilchin
sitzt — — zum ersten von Wickel Erwin an under dem gauchsberger wege
teylet ez uns bit an den iungen Jeckeln Syboden wingart, der da teylet Hennen
von Glymmendaile und so herabe bit off die vom Riede off eyne syte und off
die ander syte neben herrn Bechtolffs Schetzels erben herabe bit off den weg.
Item an Mus wingart, der am gauchsberger wege lyt, an off dem saume hin bit
an Stoffels wingart, der swester Minten war, und off Mus Hennen wingart neben
Richwin van Cube uszen und off Richwin von Cube neben Steinbisz offen und
off Steynbisz neben Wendel Peter uszen und neben blumeshelder ecken uszen
bit an daz feylt bit an Herten Gerdrut, die Hennen von Glymendail deilet, under
dem rinderpade und off dem rinderpade bit an boszenesel, zinst uns an boszenesel,
der teylet Hennen von Hennen von Glymendail, und oben bit an Ortliep.
Diese Urkunde von 1430 ist die erste, welche eine genaue Angabe der
Pertinenzien dieses Lehens, welches zu den bedeutenderen der Hilchen von Lorch
zahlt, enthalt; diese Lehnsbeschreibung ist fast wortlich in die spateren Lehn-
briefe, bis in unsere Zeit hinein, iibergegangen.
Das Lehen ist im Besitze der Hilchen bis zu deren Aussterben geblieben,
spater auch in den Mitbesitz resp. Besitz des Geschlechts Vogt von Hunolstein
iibergegangen. Folgende Lehnbriefe liegen — und zwar meistens im Staats-
archive — fiber dieses Lehen und sonstige bedeutendere Guter zu Lorch vor:
1. 1431 Juni 7 entlasst Graf Georg von Henneberg Philipp Hilchin von
Lorch seiner Lehnspflicht und verweist ihn an die Grafen Philipp und Johann
zu Nassau, welchen er die Herrschaft Kirchheim mit der zugehorigen Mannschaft
verkauft hat.
2. 1431 August 10 fordern die Grafen von Nassau Philipp Hilchin von
Lorch auf, die Lehen zu empfangen.
3. 1432 November 13 giebt Philipp Hilchin von Lorche dem Pfalzgrafen
Stephan, Herzog in Bayern, als Pfandinhaber der Herrschaft Kirchheim Lehnsrevers.
4. 1439 Juni 3 giebt Philipp Hilchin dem Herzog Stephan den gleichen
Lehnsrevers.
Annalen d. Ver. f. Nan. Altertamsk. a. Geichfchttf. XX. Bd. 5
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5. 1468 Mai 18 belehnt Graf Johann zu Nassau -Saarbrucken, Herr zu
Heinsberg, nach dem Tode des bisherigen Lehnstragers Philipp Hilchen dessen
Bruder Johann Hilchen von Lorch, der unter demselben Tage den Lehnsrevers giebi
6. 1474 belehnt Graf Philipp zu Nassau die Vettern Johann und Friedrich
Hilchen.
7. 1481 Oktober 12. Kurfiirst Philipp von der Pfalz verbietet, Friedrich
Hilchen in das Schloss Rheinberg, welches er gegen Graf Philipp zu Nassau und
die von Miehlen gebrauchen wolle, einzulassen, da Graf Philipp sich zu Recht
vor ihn erboten habe.
8. 1501 Marz 3. Graf Ludwig zu Nassau-Saarbrucken belehnt die Vettern
Johann und Philipp Hilchin zur Gemeinschaft. Hierzu Revers der Lehnstrager
von demselben Tage.
9. 1504 Dezember 20. Johann Hilchen und seine Frau Elsgin verschreiben
dem Stifte Bleidenstatt eine Giilte aus einer Wiese bei Lorch.
10. 1511 Juni 12. Johann Hilgin von Lorch und seine Frau Elsgin ver-
pachten einen Weingarten im Obernthal zu Lorch, neben Junker Johann von Espach.
11. 1516. Philipp und Johann Hilchen vergleichen sich mit der Stadt Lorch
wegen der Viehtrift in einer Wiese.
12. 1520 Juni 1. Johann Hilchin von Lorch schliesst unter Vermittlung
seiner Schwager Heinrich Mossbach von Lindenfels und Endris von der Leyen
einen Tausch mit dem Kloster Berbach; er tritt dem Kloster sein oberes Haus
mit Hof, Kelterhaus, Garten und sonstigem Zubehor, an der Schulgasse gelegen,
ab und erhalt dafiir des Klosters Haus.
13. 1529 Oktober 8. Die Bruder Adam und Friedrich Hilchen von Lorch
willigen ein, dass Graf Philipp zu Nassau-Saarbrucken auf Verlangen ihres Vetters
Johann Hilchen ihr gemeinsames, von der Herrschaft Bolanden ruhrendes Mann-
lehen in ein Weiberlehen verwandelt.
14. 1529 November 18. Ehepakten zwischen Adam Vogt zu Hunolstein und
Maria, der Tochter des Ritters Johann Hilchen von Lorch und der Dorothea von
Riidesheim.
15. 1530 Marz 3. Graf Philipp zu Nassau-Saarbrucken belehnt Johann
Hilchen fur sich und seine Vettern, die Bruder Adam und Friedrich Hilgen.
Hierzu Revers des Johann Hilchen von demselben Tage.
16. 1531 September 1. Kurfiirst Ludwig von der Pfalz belehnt die Gemeiner
des Schlosses Rheinberg, unter welchen Johann und Adam Hilchen. Hierzu
Burgfrieden von Rheinberg von demselben Tage.
17. 1532 Februar 22. Ritter Johann Hilchen von Lorch wird Rat des
Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg gegen 100 Gulden Dienstgeld.
18. 1543 April 4. Ritter Johann Hilchen von Lorch und dessen Vetter
Adam Hilchen prasentieren dem Propste von S. Mauritz zu Mainz fur den durch
den Tod des Ambrosius N. erledigten Altar Trium regum in der obersten Kapelle
S. S. Mariae et Georgii zu Lorch den Kilian Sobernheira.
1616 September 24. iibertragt Johann Wilhelm Hilchen von Lorch zu
Dernbach diesen durch Resignation des bisherigen Inhabers Heinrich Hartrad
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von Metternich vakanten Altar an Anton Schneit, Kanonicus von S. Simeon zu
Trier. — Im Dernbacher Hausbuche bemerkt Johann Wilhelm Hilchen hierzu,
dass dieser Altar eine Familienstiftung der Hilchen, die stets das Prasentations-
recht beseBsen hatten, sei. Vgl. Zaun, Landkapitel Rheingau pag. 326.
1636 pr&sentieren die Vormunder des Johann Adam und Johann Wilhelm
Hilchen den Caspar Falk, Kanonicus von 8. Castor zu Coblenz, der 1650 noch
im Besitze ist.
1654 prasentiert Johann Wilhelm Hilchen zu Dernbach den Franz Meurer.
1692 prasentiert Philipp Ludwig Hilchen den Leonard Schlipchen.
1702 prasentiert derselbe den Peter Bogel.
1722 Dezember 28 prasentiert Sophia Maria von Erfa den Anton Digitolo.
19. 1548 Adam Hilchen Schuljunker zu Lorch.
20. 1550 August 7 vergleicht Friedrich Hilchen sich namens der Kinder
seines verstorbenen Bruders Adam wegen des Wehrs in der Wisper an dessen
Miihle an der Gassenpforte.
21. 1560 Marz 24, Aschaffenburg, vergleicht Kurfurst Daniel von Mainz die
Friihmesserei zu Trechtlingshausen mit Ritter Johann Hilchen von Lorch wegen
der Gefalle zu Walderbach bei Algesheim.
22. 1560 November 19. Graf Albrecht von Nassau-Saarbrucken belehnt,
nachdem der inzwischen verstorbene Adam Hilchen, spater auch Friedrich Hilchen
ihre Zustimmufig zu dem Vertrage 1529 Oktober 8 und der Belehnung von 1530
Marz 3 zuruckgezogen haben, aber Johann Vogt zu Hunolstein namens seiner
Mutter Maria, des Johann Hilchen Tochter, die Mitbelehnung verlangt habe,
Philipp Hilchen als altesten fur sich, und seine Briider Johann, Craft Wilhelm
und Bartholomaeus Hilchen, sodann als Vormund der Friedrich und Melchior
Hilchen, des verstorbenen Friedrichs Sohne. Hierzu Revers des Philipp Hilchen,
des verstorbenen Adams Sohnes.
23. 1575 Marz 29. Die Briider Johann und Bartholomaeus Hilchen bevoll-
machtigen ihre Briider Philipp und Craft Wilhelm zum Lehnsempfang und
Au8stellung der Reverse.
24. 1583 September 27. Erzb. Wolfgang von Mainz befiehlt auf die Klage
seines Mundkochs, dass er an den verstorbenen Craft Wilhelm Hilchen aus dem
letzten Kriegszuge gegen Frankreich noch einen mehrmonatlichen Sold zu fordern
habe, aber weder von dem inzwischen verstorbenen Bruder Philipp noch von
dessen noch lebender Witwe etwas erhalten konne, dem Vizedom Hans Georg
von Bicken die Untersuchung der Sache.
25. 1594 Februar 3. Junker Johann Adam Hilchen von Lorch giebt dem
Saalmeister Kegler zu Lorch Weinberge und 125 Gulden im Tausch gegen ein
Haus an der Kuhpforte und zwischen beiden gemeiner Gassen zu Lorch.
26. 1606 September 2. Ursula von Walbrun, Witwe des Philipp Hilchen,
vermacht Johann Wilhelm Hilchen, des Friedrich Sohn, die nicht zu den Lehen
der Familie gehorigen Guter zu Lorch und Camp.
27. 1615 August 14. Graf Ludwig von Nassau belehnt Johann Wilhelm
Hilchen, Friedrichs Sohn.
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28. 1619. Werner Roist von Were, Kammergerichtsassessor zu Speier,
klagt wegen Einhaltnng der ihm zustandigen Gefalle zu Lorch. 1633 sind desseh
Haus nnd Hof am Rhein und sonstige Guter mit Ausnahme des zu Camp,
welches der Frau von Lorch erblich zugefallen, mit Beschlag belegt.
29. 1654 Juni 19. Graf Johann zu Nassau -Saarbriicken belehnt Johann
Wilhelm Hilchen von Lorch. Hierzu Revers des Johann Wilhelm Hilchen.
30. 1681 April 12. Graf Johann Lud wig zu Nassau belehnt Philipp Lud wig
Hilchen von Lorch, kurtrierischen Obristwachtmeister und Eommandanten von
Trier, des Johann Wilhelm Sohn, als altesten fur sich und seine Briider Friedrich
Christoph und Gotfrid Sittig Hilchen. Hierzu Revers des Philipp von Hilchen.
31. 1692 Januar 15 belehnt Furst Walrad von Nassau -Usingen dieselben.
32. 1707 Marz 23 belehnt Graf Friedrich Lud wig von Nassau den. trierischen
Obristen Philipp Ludwig und dessen Bruder Gotfrid Sittig Hilchen.
Durch die vorhin unter No. 13 aufgefuhrte XJrkunde hatte Johann
Hilchen versucht, seinem einzigen legitimen Kinde, seiner mit Adam Vogt zu
Hunolstein vermahlten Tochter Maria, die Folge in seinen Lehen zu sichern, ein
Versuch, der trotz des spateren Einspruchs der Agnaten, die anfangs beigestimmt
hatten, gelang. Da die Freiherrn und Grafen Vogt von Hunolstein sich bis in
unsere Zeit im Besitze dieser Lehen befanden, und wegen derselben stets zur
Ritterschaft des Rheingaues gehorten, mogen die einschlagigen Urkunden, soweit
solche noch nicht gedruckt sind, besonders bei Topfer, Urkundenbuch des Herrn
von Hunolstein, fehlen, folgen.
32 a. 1549 Marz 12. vergleicht Maria Hilchen, des Adam Vogt zu Hunolstein
Witwe, sich mit der Stadt Lorch wegen des Thores an der Schulgasse, der
Miihle an der Gassenpforte u. a.
33. 1557 April 13. leiht Maria Hilchen, Vogtin zu Hunolstein, der Stadt
Lorch 1000 Gulden zur Zahlung der vom Markgrafen von Brandenburg aus-
geschriebenen Kriegskontribution. — 1582 Januar 23. cediert die Karthause bei
Mainz die Obligation, welche sie von dem verstorbenen Johann Vogt zu Hunolstein
in Zahlung angenommen, an Christoph Molstetter zu Mainz.
34. 1561 Januar 3. Graf Albrecht von Nassau-Saarbrucken belehnt Johann
Vogt zu Hunolstein fur seine Mutter Maria Hilchen auf Grund des Lehnbriefs
von 1530 Marz 3. (oben No. 15) mit den Lehen, welche die Hilchen von Lorch
von der Herrschaft Kirchheim haben (vgl. die XJrkunde von 1430). Hierzu Revers
des Johann Vogt.
35. 1565 Juli 13. Vergleich zwischen der Stadt Lorch und Johann Vogt
zu Hunolstein wegen des Miihlenwehrs an der Wisper. — Bezuglich dieser Urk.
findet sich in der Stadtrechnung von 1566 die Eintragung: XH. albus dem
schreiber geben, so zwen bergamenter versiegelter brieff uber des von Honolstein
miillenwher verfertigt.
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36. 1614, 1618, 1620, 1622, 1624, 1627, 1629 ist Johann Adam Vogt zu
Hunolstein Mitglied des Ausschusses dcr Haingeraits.
37. 1637 Juni — Otto Philipp Vogt zu Hunolstein und dessen Frau
Sophia Barbara von Degenfeld verpfanden genannten Burgern zu Lorch eine
Wiese daselbst.
38. 1645. Renovation der Johann Adam Vogt zu Hunolstein gehorigen
Weing&rten zu Lorch (1693 Renovation der Weingarten des Freiherrn Ernst
Ludwig Vogt zu Hunolstein).
39. 1648 Marz 18. Otto Philipp Vogt zu Hunolstein verkauft eine Wiese
im Pfaffenthal zu Lorch.
40. 1660 Mai 25. Otto Philipp Vogt zu Hunolstein vergleicht sich mit der
Stadt Lorch wegen des Muhlenwehrs.
41. 1661 April 23. Graf Johann zu Nassau- Saarbrucken belehnt den
Freiherrn Johann Wilhelm Vogt zu Hunolstein und dessen Vettern Otto Philipp,
Johann Georg, Otto Wilhelm Ernst und Otto Christoph Vogt zu Hunolstein.
42. 1662 Marz 2. Graf Johann zu Nassau belehnt Otto Philipp, Johann
Georg, Otto Wilhelm Ernst, Otto Christoph und Felix Vogt zu Hunolstein.
43. 1675 Marz 21. und 1676 Mai 31. ubernachten die Kurfiirsten von Mainz
und Trier, 1686 Juni 21. der Kurfurst von Mainz im Hunolsteiner Hofe zu Lorch.
2
44. 1684 August y~- Nachdem Maria Sybilla von Gemmingen, Gemahlin
des Ernst Ludwig Vogt zu Hunolstein, auf das ihr verschriebene Wittum ver-
zichtet hatte, um der Familie die Guter zu Lorch, auf welche Georg Christoph
von Wachenheim durch Urteil des Reichskammergerichts wegen der von seiner
Mutter Anna Margarete Vogt zu Hunolstein, Vatersschwester des Ernst Ludwig, her-
ruhrenden Erbschaftsforderung die Immission erhalten hatte, zu rettcn und dies durch
5
einen Vergleich mit dem von Wachenheim von Juni ^ d. J. gelungen, dann
um die Abfindung der von Walbrun zu ermoglichen, erkennen Johann Georg
Vogt zu H. und dessen Sohn Georg Wilhelm den Anspruch der Maria Sybilla
auf Entschadigung fur begrundet an und genehmigen, dass Ernst Ludwig derselben
5800 Gulden auf Haus und Hof zu Lorch verschreibt. — Spater cedierte Maria
Sybilla mit Zustimmung der Agnaten diese Obligation an den Kanzler von
Sohlern.
45. 1687 Oktober 7 belehnt Graf Johann Ludwig »von Nassau - Saarbriicken
Johann Georg, Ernst Ludwig, Otto Wilhelm Ernst, Georg Wilhelm und Franz
Vogt zu H.
46. 1690. Nach dem Tode des Otto Philipp Vogt zu H. erhalt Philipp
Adam von Dienhcim, Amtmann zu Hochst, wegen seiner Forderung an dessen
Sohn Ernst Ludwig Vogt von 6300 Gulden die Ermachtigung, die Gefalle desselben
zu Lorch mit Beschlag zu belegen, worauf des Otto Vogt Witwe die ihr auf
das Gut durch ihre Wittumsverschreibung von 1650 zustehenden Rechte auf
ihren Schwiegersohn Friedrich Ekbrecht von Durkheim iibertragt.
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47. 1697 Mai 29. Ernst Ludwig Freiherr Vogt zu Hunolstein schenkt dem
Johann Reyling einen oden Muhlenplatz an der Wisper, seiner eigenen Muhle
gegenuber, neben dem Gronauer Hofe.
48. 1700 April 24 und 1700 Juli 13 beauftragen Ernst Ludwig Vogt und
dessen Frau Maria Sybilla von Gemmingen ihren Kellner Reyling zu Lorch mit
dem Verkaufe ihres Guts daselbst.
49. 1700 Juli 9 giebt Jfthann Georg Vogt seinem Vetter Ernst Ludwig den
Konsens zur Aufnahme einer Hypothek auf das Haus zu Lorch; desgleichen
1700 Juli 11 der Graf Franz Hermann Vogt, 1700 August 10 Freiherr Otto
Ludwig Vogt.
50. 1700 Juli 15 verpfandet Ernst Ludwig Vogt an AAton von Sohlwn sein
Haus und Hof zu Lorch fur 6000 Gulden auf 5 Jahre.
51. 1700 September 21. Philipp Adam von Dienheim, Amtmann zu Hochst,
quittiert dem Freiherrn Ernst Ludwig Vogt iiber die Zahlung seiner Forderung
von 6300 Gulden.
52. 1713 Januar 10. Ernst Ludwig Vogt uberlasst dem Saalmeister Perabo
zu Lorch Wiesen beim h. Kreuz zu Lorch gegen zwei Obligationen seines Vaters
Otto Philipp Christoph Vogt d. d. 1648 Oktober 22 und Oktober 28.
53. 1718 Februar 17 verkaufen die Vormiinder der minderjahrigen Kinder
des Eckbrecht von Diirkheim deren bei der freien unmittelbaren Ritterschaft zu
Friedberg immatrikuliertes, freiadliges Gut zu Lorch, wie solches 1717 nach dem
Tode des Ernst Ludwig Vogt zu Hunolstein inventarisiert ist, namlich Haus und
Hof zu Lorch zwischen den Hausern des von Sickingen und des von Rost, mit
der Fischereigerechtigkeit, der hohen und niederen Jagd, der Mitgliedschaft der
Schuljunkerschaft, der Erbleihmiihle zu Lorch, einer Au im Rhein, sowie mit
bezeichneten Gefallen, Landereien und Weingarten, sowie den Hofen und sonstigen
Giitern zu Vendersheim und Hanheim fur 21100 Gulden.
54. 1729 August 3. Graf Carl August zu Nassau -Weilburg belehnt Franz
Leopold Vogt zu H. und dessen Agnaten mit den von der Herrschaft Kirchheim
hernihrenden Lehen nach Massgabe des Lehnbriefs von 1530 Marz 3.
55. 1807 Dezember 15, desgleichen Lehnbrief des Herzogs Friedrich August
fur den Freiherrn Carl Philipp Vogt und dessen Agnaten.
56. 1818 August 12, desgleichen Lehnbrief des Herzogs Wilhelm fur den
Freiherrn Ernst Christian Vogt und dessen Agnaten.
II. Die vom Erzbischofe von Mainz herriihrenden Lehen zu Lorch.
A.
1. 1420 Marz 9. Bingen. Erzb. Conrad IH. belehnt Philipp Hilchen von
Lorch fur sich und seine Ganerben, des verstorbenen Friedrich Hilchen Kinder,
die mit ihm in rechter Gemeinschaft sitzen, zu Mannlehen mit dem Dritteil des
Weinzehntens zu Genzingen, dem Weinberg Wanelberg zu Lorchhausen, neben
Johann Saneck von Waldeck, mit 4 1 /* Malter Korn, welche alle Jahr geben
Friedrich Hilchens Witwe, Kloster Eberbach, Conrad von Randeck und Conrad
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Winter zu Rudesheim, Domherr zu Mainz von Ackern und Wiesen im Unterthal,
die friiher dem Ritter Bechtolf Schetzel von Waldeck und Simon von Scharfen-
stein horten, dann mit einem Weingarten und Garten an der Wisper neben des
Erzbischofs Wiese.
2. 1432 Juli 13. Lehnsrevers des Friedrich Hilchen fur Erzb. Conrad III.
nach Absterben seines Vetters Philipp.
3. 1435 April 4. Lehnbrief des Erzb. Dietrich fur Philipp Hilchen und die
Kinder des Friedrich Hilchen.
4. 1439 Juni 9, desselben Lehnbrief fur Philipp, des verstorbenen Philipp
Hilchen Sohn.
5. 1460 Dezember 3. Lehnbrief fur Philipp Hilchen den altesten und
Friedrich Hilchen.
6. 1464 Marz 17, desgl. fur die Briider Johann und Philipp Hilchen und
Friedrich Hilchen.
7. 1478 Juni 19. Lehnsrevers des Johann Hilchen von Lorch, Johanns sel.
Sohn, fur sich und seine Briider Otto und Philipp iiber die Mannlehen, welche
ihr Vater Johann und dessen Bruder Philipp sel. besessen und in welchen Friedrich
Hilchen mit ihnen in rechter Gemeinschaft sitzt.
8. 1485 Juli 7. Lehnbrief fur Johann Hilchen und dessen Bruder Otto,
sowie Friedrich Hilchen.
B.
1. 1433 Juli 20. Conrad Bomtzin von Leyen, des Henne von Leyen sel.
Sohn, bittet den Erzb. Conrad III., den Philipp Hilchen von Lorch in seine Mann-
lehen, namlich drei Weingarten auf den Rodcrn, welche friiher der Edelknecht
Steben von Gerhartstein hatte, aufnehmen zu diirfen. Hierzu Revers des Philipp
Hilchen.
2. 1435 April 4. Lehnbrief fur Philipp Hilchen.
3. 1439 Juni 9. Lehnbrief fur Philipp Hilchen.
4. 1460 Dezember 3. Lehnbrief fiir Philipp und Johann Hilchen, Bruder,
und Friedrich Hilchen.
5. 1464 Marz 17. Lehnbrief fiir dieselben.
6. 1506 Dezember 19. Lehnbrief fiir Johann Hilchen den jiingeren, Johanns
des alteren sel. Sohn, in Gemeinschaft mit Philipp Hilchen, Friedrichs Sohn.
7. 1513. Lehnbrief fiir Johann Hilchen den jungeren, Johanns des
alteren Sohn.
C.
1. 1443 August 12. Erzb. Dietrich belehnt Philipp Hilchen zu Mannlehen
mit Wiesen zum Wert von 50 Gulden im gundail obenwendig zu pfaffinau bei
Lorch, die an den herrschaftlichen Forst stossen.
2. 1464 Marz 17, desgleichen fiir Johann und Philipp, Bruder, und Friedrich.
3. 1506 Dezember 19. Fiir Johann Hilchen den jungeren und Philipp,
Friedrichs Sohn.
4. 1513, desgleichen fiir Johann Hilchen,
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III. Das Lehen der Dompropstei zu Mainz, an die Vogt
zu Hunolstein gefallen.
(Die alteren Lehnbriefe far die Hilchen von Lorch bei Topfer, Urkundenbuch der Herrn yon
Hunolstein III, pag. 256 ff.)
1. 1597 September 15. Belehnung fur Johann Adam Hilchen von Lorch.
2. 1613 Januar 22. Dompropst Georg Friedr. von Greifenclau belehnt
Johann Wilhelm Hilchen, weiland Johann Adams Sohn, zu Gemeinschaft mit den
Vogten zu Hunolstein. Hierzu Revers des Johann Wilhelm Hilchen.
3. 1618 Juni 20. Belehnung der minorennen Kinder des Johann Wilhelm
Hilchen von Lorch.
4. 1628 August 17. Belehnung des Johann Adam und Johann Wilhelm
Hilchen, des Johann Wilhelm Sohne.
5. 1669 Juli 4. Belehnung des Johann Wilhelm Hilchen von Lorch.
6. 1674 November 19. Belehnung des Johann Wilhelm Hilchen, trierischen
Oberforstmeisters.
7. 1699 Mai 12., desgleichen des Philipp Ludwig Hilchen, trierischen Obersten
und Kommandanten zu Coblenz, und dessen Bruders Gotfrid Sittig.
8. 1716 Marz 26., desgleichen des Philipp Ludwig Hilchen.
9. 1721 Februar 13. wird auf Bitte des Obersten Philipp Ludwig von
Hilchen dessen Schwester Eleonore Charlotte Hilchen, sowie die Tochter der
«
zweiten, verstorbenen Schwester Marie Sidonie, Sophia Maria von Erfa, belehnt.
10. 1574 Dezember 30 wird Johann Vogt zu Hunolstein in Gemeinschaft
mit Philipp, Johann Craft und Bartholomaeus Hilchen, Briidern, belehnt
11. 1581 April 29, desgleichen die minderjahrigen Bander des Johann Vogt,
in Gemeinschaft mit Philipp und Bartholomaeus Hilchen.
12. 1584 Juni 23 dieselben.
13. 1597 September 16. Johann Schweikard, Wilhelm und Hans Adam
Vogt zu H., Briider.
14. 1609 Dezember 16. Johann Adam und Johann Schweikard Vogt, und
die minderjahrigen Kinder ihres Bruders Wilhelm.
15. 1628 August 17. Johann Adam Vogt und dessen Agnaten.
16. 1669 Juli 4. Otto Philipp Vogt und dessen Agnaten.
17. 1674 November 19, dieselben.
18. 1700 Juli 22 wird dem Freihcrrn Ernst Ludwig Vogt die Aufnahme
einer Hypothek auf das Lehen gestattet.
19. 1716 Marz 26. Belehnung des Freih. Ernst Ludwig Vogt und seiner Agnaten.
20. 1721 August 6, desgl. des Freiherrn Franz Leopold Vogt.
21. 1726 Februar 19, desgl. dasselbe.
22. 1743 Dezember 28, desgl. des Grafen Franz Leopold Vogt.
23. 1752 Marz 12, desgl. des Grafen Philipp Carl Vogt.
24. 1808 Mai 6, desgl. des Freiherrn Carl Philipp Vogt.
25. 1818 August 12, desgl. des Freih. Ernst Christian Vogt und dessen Agnaten,
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73
IV. Lehen des Stifts S. Maria ad gradus zu Mainz.
Etwa 1400 wird Philipp Hilchen von Lorch vom Stifte ,mit der Vogtei zu
Langenseifen belehnt. 1467 August 18. ersucht der Erzbischof das Stift, das
durch den Tod des Philipp Hilchen erledigte Lehen dem Gerhard Loner von
Laurenburg zu verleihen. 1467 November 28 bittet Johann Hilchen von Lorch
der altere den Erzbischof um seine Verwendung bei dem Stifte wegen des Lehens.
1468 Januar 26. verwenden sich die Bruder Otto und Dietrich von Diez fur ihren
Schwager Johann Hilchen, der endlich nach langeren Verhandlungen das Lehen
erhielt und 1470 November 14. den Lehnsrevers ausstellte. Nachdem Johann
Hilchen von Lorch ohne Sohne gestorben, erklarte das Kapitel das Lehen fur
eroffnet. Hierdurch entspann sich ein langerer Streit zwischen dem Kapitel und
den Erben des Verstorbenen, insbesondere dessen Schwicgersohne Johann Vogt
zu Hunolstein. Nachdem in der Sache unter dem 27. Oktober 1567 ein Spruch
des Reichskammergerichts ergangen war, verglich sich das Stift am 8. April 1568
mit Johann Vogt, der gegen Zahlung von 2500 Gulden, sowie einer weiteren
Entschadigung von 700 Gulden an das Stift von neuem belehnt wurde.
V. Lehen des Stifts S. Victor zu Mainz.
(Nachrichten hierilber Bodmann pag. 405, 876.)
VI. Lehen vom Erzbischofe von Trier.
A. Haus Dernbaoh und das Gut zu Camp.
1. 1426 Januar 21. Erzb. Otto gestattet den Tochtern des verstorbenen
Dietrich von Grenzau, Alheid, Frau des Friedrich Hilchen Yon Lorch, und Grete,
Frau Wilhelms von Staffel des jungen, die Folge in den Lehen ihres Vaters,
namlich Haus und Hof zu Dernbach bei Montabaur, welches Dietrich von Philipp
von Dernbach gekauft und dem Stifte zu Lehen aufgetragen hatte, sowie Haus,
Hof und Weingarten in Boppard.
Dernbacher Hausbuch; Gegenurkunde bei Gttnther, C. d. IV, pag. 268.
2. 1430 November 16. Lehnsrevers des Philipp Hilchen von Lorch und
Wilhelm von Staffel fiber Haus und Hof Dernbach, eine Hafergtilte und Geld-
rente zu Montabaur, eine Muhle daselbst und Haus und Hof zu Boppard, wie
ihr Schwiegervater Dietrich von Grenzau und dessen Bruder Ude besessen.
3. 1457 Juni 24. Lehnsrevers des Friedrich Hilchen und seiner Frau Alheid,
sowie des Wilhelm und der Grete von Staffel.
4. 1484 Marz 13. Lehnbrief fur Philipp Hilchen und Dietrich und Wilhelm
von Staffel.
5. 1542 Mai 31. Verzeichnung der Waldungen, welche Friedrich Hilchen
von Lorch, die vom Stein und die von Reifenberg zu Weltersburg in der
Gemarkung Braubach haben.
6. 1578 Juli 25. Lehnbrief fur Friedrich Hilchen, dessen Bruder Johann
Melchior und Vettern Philipp und Bartholomaeus Hilchen iiber die unter 2.
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angegebenen Lehen, sowie die Muhle zu Diepach, das Gut zu Bedendorf und
den Kirchensatz zu Engers und Bedendorf, der friiher der Herrschaft Hammer-
stein zustand.
7. 1584 Februar 21. desgleichen.
8. 1600 September 15. desgleichen.
9. 1604 Mai 10 befiehlt Erzbischof Lothar dem Keller zu Montabaur, einen
Mann aus Leudesdorf, der der Hexerei verdachtig war und sich im Hause
Dernbach verborgen hielt, zu verhaften, doch ohne die adlige Freiheit des
Hauses zu verletzen. Der Keller lasst deshalb Haus Dernbach bewachen, doch
gelingt es dem Verfolgten, unter dem Schutze Johann Adams und Johann
Wilhelms Hilchen zu entkommen und nach Lorch zu entfliehen.
10. 1613 Februar 10. bis Marz 7. Bericht iiber die Vorgange bei der
Belehnung des Johann Wilhelm Hilchen von Lorch.
Die vielfachen Interessen, welche den Adel in den geistlichen Furstentiimern
mit den aus ihrer Mitte hervorgegangenen Landesfiirsten verbanden, und die
Abhangigkeit, in welcher sich der Adel diesen gegeniiber befand, werden im
allgemeinen kaum eine Opposition gegen deren in den meisten Fallen mit
umfassendstem Erfolg innegehaltenes Bestreben, ihre nachsten Angehorigen und
Familienglieder durch Zuwendung von Lehen und Giiterbesitz, mit Rocht oder
Unrecht, mit oder ohne Gewalt emporzubringen, haben aufkommen lassen.
Aus jenen Griinden werden wir auch kaum Aufzeichnungen der geschadigten
Familien iiber Gewaltthaten dieser Art haben, in welchen das Verfahren der
Landesfiirsten so durchsichtig und lebendig geschildert wird, wie der nachfolgende
Bericht, welcher erzahlt, wie Lothar von Metternich, Erzbischof von Trier, die
Hilchen von Lorch durch anfangliche Verweigerung der Belehnung zwang, ihr
Gut zu Camp an seine Familie zu verkaufen und obendrein das Kaufgeld einstrich.
Der interessante, von Johann Wilhelm Hilchen von Lorch zu Dernbach in seinem
Hausbuche niedergeschriebene Bericht iiber diesen Vorgang, an dessen voller
Richtigkeit wohl nicht zu zweifeln ist, folgt wortlich:
Ungefehrer bericht aus beyder Junckern Johann Wentz von Nider-Lanstein
undt Juncker Johann Wilhelm Hilchen von Lorch befehligh durch Johann Wolff
Widerholt, graffl. Rentmeister zu Scheuweren undt adelichen Hilchischen Keller
verzeichneth worden, was und wie sich die sachen zugetragen bey der Hilchischen
Lehen empfengnus zu Wittlich von Ihr Churf. Gd. Ertzbischoffen zu Trier
Lothario von Metternich, d. 10. Febr. ao. 1613.
AU d. 10. Febr. ao 1613 der woledel gestreng Johann Wilhelm Hilchen
von Lorch zu Dernbach zuvor von Ihr Churf. Gn. zu Lehen empfengnus be-
schriben worden, zu Wittlich einkommen beneben den wolledlen gestrengen
Junckern Adam vom Stein undt Johann Wentzen von Nider Lanstein als hierzu
erbettene freundt, haben sich alsbalth die Junckern bey der Cantzley, wie
breuchlich, den iungsten Lehenbrieff eingeben, ist befohlen worden, man soil mit
der belehnung nicht forth fahren. Die Junckern solten zur Mittagstaffel kommen,
nach dem essen wolten Ihr Churf. Gd. mit ihnen reden, als auch geschehen undt
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erstlich gesagt: Ihr seith erschienen uff unser fordern, die Hilchischen Lehen zu
empfangen, nun sein alle Lehen versessen undt nicht zu rechter zeith gesucht
worden, deswegen seint wir nicht gemeint, einigh Lehen zu geben. Dargegen die
Junckern geantworth, sie seyen bericht worden von Ihr Churf. G. Amptman zu
Coblentz Anthon Cratzen von Scharfenstein als Hilch'schem Vormunth, das der
underschiedtlich umb die Lehen empfengnus angehalten, der indult ist alzeit
geweigert, bitten deswegen underthenigh, wass etwan wider verhoffen der vor-
munth versaumbt, den minderjahrigen nicht entgelten lassen. Ihr Churf. Gn. aber
starckh uff vorigem proposito verpliben, sich bis den andern tagh gnedigst be-
dencken wolt und ist selbiger tagh weiter nichts mehr verricht worden.
Sambstagh 1 ) d. 11. Februarii haben sich die Junckern widerumb bey der
Cantzley angeben, ist ihnen under andern angezeiget, dass Ihr Churf. Gd. von
Ihrcr vorigen meinungh nicht konten oder wolten abstehen, sonderlich weil das
Schloss Dernbach wie auch die Muhl gantz verfallen, welche nothwendigh muste
wieder gebauwet werden, dass den Hilchen viell zu schwer fallen wurde, Dero-
wegen Ihr Churf. Gd. das haus zu sich nemen mit alien darzu gehorigen, was
Trieri8ch Lehen sey, undt mit andern Lehen zu bclehnen gnedigst seye ent-
schlossen. Hatt man darvor wider underthenig gepetten, aber Ihr Churf. Gd.
darvon gantz nicht weichen wollen, ist man also wider abgetreten. Nachmittagh
haben Ihr Ch. Gd. die Junckeren wider fordern lassen undt gesagt, es kont
anders nicht sein, das Haus Dernbach muss man fahren lassen, sonsten konte kein
belehnungh geschehen. Hat Juncker Adam vom Stein geantworth, so muss Hilchen
sich dessen ahm vormunth crhohlen, den ein vormunth kont oder solt seinem
pflegkinth nichts verseumen noch begeben. Darauf Ihr Churf. Gd. gesagt, dass wollen
wir nicht gestatten, er wolte sich mit dero amptmann bereden undt ein andern
tagh beschreiben. Undt seintt die Junckern unverrichter sachen wider heim gereist.
Gegen d. 4. Martii ist Juncker Hilchen wider nach Wittlich zur Lehen
empfengnus beschrieben worden undt seinen beystanth mitzubringen, weilen aber
der vom Stein krankh gewescn, ist Juncker Wentz nur mittgeritten.
Den 4. Martii seinth sie uff die Cantzley gangen und verhoft, gute ver-
richtung zu erlangen. Hatt Ihr Churf. Gd. Lotharius vorige wort abermall
widerholt: Die Lehen seien einmall verfallen, man soil das haus Dernbach aus
dem Lehen fahren lassen. Hat der Juncker underthenig davor gebeten, ess sey
die beste rosen im Crantz, so solt mans zu mahnlehen ahnnemmen. Hat sich
der Juncker dessen hart geweygert, sagt Ihr Churf. Gd., es sey wie es woll, das
haus sey verfallen, er kont es nicht wieder bauwen, wolt er nicht, so soil er
wider hinziehen.
Als beyde Junckern wider zu dero Losament gangen in meinung, wan nichts
auszurichten, sey es unnothig, gelt zu verzehren, ist Secretarius Milar in die
herbergh kommen vorgebenth, der Juncker solt was fahren lassen, dan mogt es
besser werden, man solt so nicht eylen, es must ein mittel getroffen werden.
Juncker Hilchen gesagt, ich bin nun zum zweiten mall beschrieben, mit grossen
unkosten heruffer gereist, uf 60 Dhaler verzerth, Ihr Churf. Gd f wollen das Haus
l ) Vieljnehr Montag,
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Dernbach haben, ehe ich das fahren lass, will ich keins haben; sagt Milar, wass
wolt Ihr thun, Juncker, es ist gegen den Strom iibel zu schwimmcn, Ihr Churf.
Gd. wollen etwas von den Lehen haben, es ist ein hoff zu Camp, den lass man
dem Fursten keuflich, ich weiss, es wirth besser werden, es ist besser ein halb
ey eh ein ledige schall.
Wie es nicht anderst hadt sein konnen, hat der Juncker einwilligen mussen.
Welches Secretarius Milar Ihr Churf. Gd. angezeigt, ist alsobalth ein Cammer-
diener kommen, die Juncker sollen nicht uf die Cantzley, sondern in Ihr Churf.
Gd. gemach kommen. Als die Junckhern darin kommen, hat Er gesagt: Wir haben
vernommen, du wollest einen hoff zu Camp gern verkauffen, wan das dein
Meinung ist, setz dich undt schreib ein supplication, dass wir unsern gdsten
consens, weils Lehen ist, darin geben. Welchso alsbalth der Juncker thun mussen,
ist daruff Wilhelm von Metternich ins gemach kommen, welcher den glten hoff
kauffen wolth. Hat Juncker Wentz zu Juncker Hilchen gesagt: Vetter, es wird
hart hergehen, pitt underthenig, ob Ihr noch ein freundt dorft beym kauf haben,
welches gdigst bewilligt worden. Ist Juncker Hilchen heraus gangen, alsbalth
Johann Philips Cratzen von Scharfenstein antroffen, den gebetten, er hab ein ey
zu schelen, ob er dar beystanth wolt sein, welcher alsbalth willigh mit ins gemach
gangen. Ist Ihr Churf. Gd. unwillig worden und gesprochen: Hastu kein andern
beystanth? Doch ist man zur handtlung geschritten, den hoff vor tausenth dhaler
angeschlagen, daruf ein kaufbrieff verfertigt, welches von Wilhelm Metternich als
keuffern, von Junckern Hilchen von Lorch aber und seinen Vettern als verkeuffer
underschriben worden, dass gemelt geldt uff den Tisch gezalt. Bin ich als ein
unschuldiger diener herbey getretten nach gepiihrender reverenz, das gelt in
meinen Mandelzipfen wollen streichen. Hat es Ihr Churf. Gd. zu sich genommen
zur straff, kont sonsten kein belehnung gestatten; vermahnet ich mich und sagt:
mein Junckher ist ein iunger angehenter Man, Ew. Churf. Gd. lassen dem
Junckern gdigst etwas, wurden alsbalt hunderth* Dhaler gezalt und mir geben.
Hat also Metternich das guth und auch das gelth. Patientia.
Daruff d. 7. Martii alsbalt ist der Juncker mit alien Lehnen wie sein vor-
und Eltern vermogtt alter Lehenbrieff belehnt worden, mit austrucklichen worden :
Wir belehnen dich auch mit haus und hoff zu Camp, welches dein Vetter Johann
Adam Hilchen von Uns zu Lehen gehabt, undt wollen dich auch darbey manu-
teniren. Undt ist alsbalth dem Scholtheis zu Bopparth Johanni Philippo ein
befelchschreiben uberschickt, den Juncker Hilchen in das Churfurstlich Lehen
zu Camp einzusetzen. Welches auch, sobalt der Juncker von Wittlich nach
Camp kommen, geschehen ist. Daruff ihme dem scholtsen ein hiipscher becher
vom Junckern verehrt worden.
Alsbalt darnach hat Johann Werner Host von Wers als Hilchischer zu Lorch
eygenthumbs Erb obglt Campisch Lehen bey Ihr Churf. Gd. streittig gemagt
mit vorwendung, es sey eygen undt kein Lehen, underthenig gebeten, das ein
arrest daruf geschlagen mogt werden. Welches Ihr Churf. Gd. alsbalt gethan
uf dero eigenthumb, und des Junckern Lehen, als der Juncker das innen worden,
hat er so bait an Ihr Churf, Gd. geschriben und underthenig gepetten, den arrest
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widerumb zu relaxiren, aber nitt erhalten konnen; sondern gdigst befohlen, der
Juncker solt mit dem von Rost zu Speyer darumb rechten undt habe Ihr Churf.
Gd. albereith einen doctor zu Coblentz, ein gelehrten man, bestelt, nemblich doctor
Johann Wilhelm Philippi, der den Junckern in der sachen zu Speyer gegen
Rosten dienen solt, welches aber der Juncker nicht eingehen wollen, sondern
gesprochen: „Ich kan Ihr Churf. Gd. eygenthumb nicht verfechten a . 1st also
bis noch darbey pliben, was vor ein ausgangh erreichen wirth, stehet bey Gott.
Nach des Junckern Johann Wilhelm Hilchen von Lorch seel, tott haben
die herren Vormunder Juncker Adam und Johann Gottfrid beyde vom Stein vor
die beyde iunge Hilchen ao 1618 neben andern Trierischen Lehen das streitigh
Lehen zu Camp wiederumb von Ihr Churf. Gd. Lothario von Metternich, Ertz-
bischoffen zu Trier, empfangen undt Juncker Adam vom Stein damals zu Ihr
Churf. Gd. gesagt: Ich hab nun mein Lehenspflicht wegen meiner Enckeln, der
iungen Hilchen, geleist, wan aber Ew. Churf. Gd. sie nicht bey dem Campisch^n
manuteniren kan undt das Hilchisch eygengiiter sindt, pitt ich underthenigst,
solches aus dem Lehenbrieff zu lassen. Daruf dan Ihr Churf. Gd. geanth worth:
„Wir haben euwer Enckel so woll als ihren Vetter mittbelehnet und solches aus
unserm Manbuch, wollen sie auch darbey hanthaben, allein wir wollen mit der
sachen sanft umbgehen, der von Rost ist ein verstendiger man undt assessor zu
Speyer, kan uns und unsern Ertzstifft noch woll bedienth sein, habt ihr nicht sorg. tt
Und endet sich hiermith Johann Wolf Widerholten bericht, welcher dis also
gehort und selbsten mitt zu Wittlich gewesen ist.
Uber dieses adlige Haus zu Camp finden sich in dem Hausbuche folgende
weitere Angaben:
Das adliche Haus zu Camp, welches die Hilchen von Lorch zu Dernbach
von Trier zu Lehen trugen, wird im Burgbuche folgendermassen beschrieben:
Das Haus ist dreistockig, hat um sich einen viereckigen, mit einer Mauer
eingefassten Platz, in welchem sich ausser dem Brunnen ein kleiner Pferdestall
befindet, das iibrige ist mit Baumen besetztes Gartenland. Es stosst obenzu an
die Junker von Lewenstein zu Osterspai gegen den Weingartsberg, unten zu gegen
den Rhein an das Hilchische Haus, welches an Wilhelm von Metternich verkauft
und jetzt [1646] an Graf Cratz zu Scharfenstein iibergegangen ist.
Dazu gehort ein Garten, an drei Seiten mit einer Mauer umgeben, stosst an
den Rhein, oben gegen das Dorf, wo er keine Mauer hat, an Rost von Wers,
unten an die Gasse, gegen dei* Berg an den Pferdestall des Grafen Cratz. Der
Garten ist im November 1618 von dem verstorbenen Obristen Philipp Cratz gegen
den Hilchen'schen Garten eingetauscht. Graf Cratz hat damals der verwitweten
Prau Maria von Hilchen, geb. vom Stein, in Gegenwart ihres Bruders Gotfrid vom
Stein zugestanden, dass den Hilchen ein freier Gang durch seinen Hof in jenen
Garten bleiben solle und geht deshalb eine Thiir aus dem Hilchen'schen Hause
in den Cratz'schen Hof. Die Gerechtigkeit besteht jetzt [1646] noch.
In dem Lehnbriefe des Erzbischofs Lothar fur die Briider Johann Melchior
und Friedrich Hilchen, sowie deren Vetter Hans Adam d. d. Coblenz 1600
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September 15. wird das Haus als ganz baufallig bezeichnet; in dem neben demselben
stehenden steinernen „strunckh u habe weiland Junker Craft Hilchen von Lorch
seine Wohnung gehabt. Das Haus sei zweistockig mit Speicher und gewolbtem
Keller fur 14 Fuder, daneben ein Stall fur Pferde und Vieh zugleich.
Die Halfte der Lehngiiter zu Camp ist 1613 durch Kauf an die Metternich
und von diesen durch Heirat an die Cratz von Scharfenstein gekommen. Mit
der anderen Halfte wurden die Hilchen von Lorch weiter belehnt, diese aber
ihnen von Johann Werner Rost von Wers seit 1614 streitig gemacht.
Zu dem Hause gehorte eine grosse Anzahl von Weingarten zu Camp, Zehnt-
giiter daselbst und zu Camperhausen ; sodann der Zehnten zu Kestert. Diesen
hatte Dietrich Hilchen von Lorch 1510 Februar 3. [Sonntag nach Purif.] von
seinem Schwager Eberhard von der Arcken fur 138 Gulden gekauft. Seine
Sohne Adam und Friedrich Hilchen teilten in der Erbteilung von 1531 Juni 1.
[Donnerstag nach Pfingsten] diesen Zehnten, sodass die Hilchen zu Dernbach nur
die Halfte empfingen, bis die Witwe Ursula Hilchen, geb. von Walbrun, als
nach dem Tode ihres Sohnes die andere Linie erloschen war, 1607 in ihrem
Testamente der Dernbacher Linie die andere Halfte vermachte.
11. 1613 Marz 30. Wittlich, Johann Wilhelm Hilchen von Lorch verkauft
Wilhelm von Metternich, kurtrierischem Amtmann zu Meyen, Monreal und Kaisers-
esch, fur 1000 Thaler naher bezeichnete Lehngiiter zu Camp.
12. 1619 Februar 7. Lehnbrief fur Johann Adam und Johann Wilhelm
Hilchen.
13. 1624 Juli 6., desgleichen fur die Genannten.
14. 1646 Mai 19., desgL des Anton Newener von Montabaur fur seinen Stief-
sohn Johann Wilhelm Hilchen von Lorch.
15. 1654 April 15., desgl. fur Johann Wilhelm Hilchen.
16. 1681 Februar 22., desgL fur den Obristwachtmeister Philipp Ludwig
Hilchen, zugleich fur dessen Bruder Friedrich Christoph und Gotfrid Sittig.
B. Lehen zu Persoheid.
1. 1467 Mai 16. Lehnsrevers des Johann Hillgin von Lorch.
2. 1470 Februar 20. Belehnung des Johann Hilchen von Lorch.
O. Rente von 4 Mark aus der Kellerei Montabaur.
1. 1489 August 20. Lehnsrevers des Philipp Hilchen.
2. 1512 Dezember 29. Lehnsrevers des Philips Hilchin iiber die 4 Mark, mit
welchen sein Vater Friedrich von neuem begnadet war.
3. 1578 Juli 26. Belehnung fur Friedrich Hilchen und dessen Bruder Johann
Melchior, sowie Vettern Philipp und Bartholomaeus Hilchen mit dem Lehen, wie
Friedrichs Grossvater Friedrich hatte.
4. 1624 Juli 6. Belehnung fur die minderjahrigen Johann Adam und Johann
Wilhelm Hilchen.
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VII. Die Lehen zu Utzenhain, Patersberg, S. Goarshausen
und Urbar.
Uzenhain.
Das Erblehen zu Utzenhain bestand nach den Lehnbriefen au& dem Zehnten
zu Utzenhain, zwei Hofen zu Dentzenhain, dem Tempelhof bei S. Goar mit
Zubehor, dem Frucht- und Weinzehnten zu Patersberg, den Philipp von Rheinberg
ehedem gehabt, sodann einem Hause zu Patersberg, einer Hofstatt unten an
S. Goarshausen und sechs Gulden Gelds zu Urbar.
1546 Mai 4. lasst Junker Adam Hilchen von Lorch durch seinen Schultheissen
und die Schoffen zu Utzenhain ein Weistum uber seine Rechte im Dorfe und
der Gemarkung von Utzenhain geben — Erstlieh fahe an seine gerechtigkeit vor
Sent Gewers walth an undt Nuweroder strass hinaus bis ahn den Lantgraben
und von dem Lantgraben hinab bis zu der Wolfshecken zu undt zu der hoeveltz-
wisen und von der hoeveltzwisen bis zu dem Rodenburn undt die bach hinab bis
ahn die hochfelter stege week undt von dem stege dan vor den wait hinuff bis
ahn den welberg Kiimpel . Die Bestrafung der Forst- und Feldfrevel steht
dem Junker zu nach Erkenntnis der Hiibener, vor deren Gericht die Frevel zu
bringen sind. Poenen und Bussen setzen Amtmann oder Zollschreiber zu S. Goar,
ein Drittel davon erhalt der Fiirst von Hessen, ein Drittel der Junker, ein Drittel
die Hiibener. — Die Lehngiiter werden von dem Junker empfangen. Von jeder
Lehnsempfangnis hat der Schultheiss neun Pfennig, die Hiibener ein Viertel
Weins. Item den weinkauf von ieglichen gulden dem gericht vier pfenningh.
So dick undt vill ein best heupt falleth, hat der lehenmann zu kiesen oder zu
wehlen. — Jede Feuerstatte giebt dem Junker ein Fastnachtshuhn. Den Zehnten im
Felde hat der Junker, ebenso den kleinen Zehnten von Hahnen, Lammern und
Ferkeln, vom Honig den zehnten Pfennig. Wenn der Junker in Geschaften nach
Utzenhain kommt, geben die Hiibener Rauhfutter. — Der Junker besitzt im Dorfe
zwolf Hofsgiiter. — Bei Feindschaft des Junkers sollen die Hiibener das Dorf
nach Moglichkeit schiitzen.
1603 August 3, Hunchenroth, Weistum des Vogts und der Schoffen zu
Pfalzfeld uber die Hilchen'schen Gerechtsame zu Utzenhain, auf Veranlassung des
hessischen Amtmanns von Berlepsch.
Was im Dorf Utzenhain buss- und bruchfallig ist, wird von Altersher auf dem
Gericht zu Pfalzfeld angebracht und gerichtet und auf den Wettetagen zu S. Goar
die Busse dariiber gesetzt, geteidigt und dem Keller daselbst geliefert. Ausser
diesem halt der Schultheiss der Hilchen von Lorch drei Dingtage, aber mit Erlaubnis
und in Gegenwart des Vogts zu Pfalzfeld; auf diesen Dingtagen wird der Land-
graf zu Hessen als oberster Grundherr anerkannt, dann die Hilchen von Lorch
nach dem Weistume. Alle bruchfalligen Sachen sollen nach einer vor 40 Jahren
getroffenen Bestimmung bei dem Hofgericht zu Pfalzfeld angebracht werden.
Auf den Dingtagen miissen die Hiibener den Junker mit 2^2 Pferd, und fur das
halbe Pferd mit einem Maulesel, welcher den Sack tragt, verkostigen.
In dem Dorfe Biber hinter der Festung Rheinfels haben die Hilchen
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jahrlich als Eigentum, nicht als Lehen, acht Hahnen von einem Feld, das
Hahnenfeld genannt
S. Goar.
Der Tempelhof zu S. Goar ist Lehen vom Stifte Prum und giebt den Hilchen
von Lorch jahrlich Geldzins.
Extract axis dem S. Goarer Gerichts-Bcweisthumb.
21. soil ein Graff zu Catzenelnbogen oder ein Herr der ieder zeith das
Schloss Rheinfels inhat, die Seiten der Kirche, so zum Schloss zu stehet, im bauw
undt dach halten. Zum andern sollen die Hilchen zu Lorch sampt ihren Mit-
erben oder wer ieder zeith den zehenten im Patersbergh in der Hellen inhatt, als
ein Lehentrager vom Abt zu Prum die seitt ahn der Kirchen zur Schule zu im
bauw undt tag halten. Item unser g. F. undt Herr, so nunmehr die Abtey alhier
inhatt, das corpus der kirchen in dach und bauw halten. Die Canonici den Chor,
die Gemein aber den Thurm undt Ercker im bauw undt tag halten.
Bezuglich des Weingartens in der Hellen heisst es [im Burgbuch 1646],
derselbe sei Hilchensch Lehen, ehemals auf 800 Fl. geschatzt, jetzt aber Driesch.
Patersberg.
Hier haben die Hilchen den Zehnten von Weizen, Korn, Hafer, Erbsen
und Linsen; ebenso den Weinzehnten in der Helle, sodann von jedem Haus-
gesessenen jahrlich einen Hahn. Dagegen sind dieselben zur Haltung des Reit-
ochsen verpflichtet und geben der Kirche jahrlich einen Gulden.
Der Zehntbezirk ist durch Weistum vom 15./25. Dezember 1628 festgestellt.
S. Goarshausen.
Hier haben die Hilchen eine Hobstatt.
Urbar, im Weseler Reich gelegen.
Hier wurden den Hilchen friiher 6 Gulden jahrlich entrichtet. Die Abgabe
ist seit Philipp Hilchen und Johann Adam Hilchen auf 1 Rthlr. 12 Alb. und
zwei Hiihner ermassigt.
Mit dem vorbezeichneten Lehen wurden belehnt:
1) Johann Melchior Hilchen, dessen Bruder Friedrich und Vetter Hans Adam
vom Erzbischofe Lothar von Trier d. d. Coblenz 1600 September 15.
2) Johann Wilhelm Hilchen zu Dernbach vom Erzb. Lothar d. d. Wittlich 1613
Marz 28.
3) Die Vormiinder der minderjahrigen Bruder Johann Adam und Johann
Wilhelm Hilchen vom Erzb. Philipp Christoph d. d. Coblenz 1624 Juli 6.
Dernbacher Burgbuch.
VIII. Lehen von Nassau-Wiesbaden.
A. Lehen zu Leibersheim.
1. 1407 Februar 8. Revers des Philipp Hilchen wegen des Lehens, welches
nach dem Tode seines Schwagers Henne Reyde von Schonenburg auf ihn gefallen
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B. Lehen aus der Kellerei Nassau.
1. 1448 Juni 1. Lehnbrief des Grafen Johann zu Nassau fur Friedrich
Hilchen, mit 8 Gulden jahrlich aus der Kellerei zu Nassau.
2. 1484 September 24. Lehnbrief des Grafen Adolf fur Philipp Hilchin.
3. 1509 Juni 18. Lehnbrief des Grafen Adolf fur Philipp Hilchin den jungen.
IX. Lehen von Nassau-Katzenelnbogen (Hadamar).
Vogrtei Weidenhan.
1. 1449. Die Grafen Johann und Heinrich zu Nassau belehnen Friedrich
Hilchen und Wilhelm von Staffel mit der Vogtei Weidenhan.
2. 1485 November 9. Graf Johann zu Nassau belehnt Philipp Hilchen.
3. 1537 Juli 20. Lehnsrevers des Friedrich Hilchen von Lorch.
4. 1619. Graf Wilhelm Ludwig zu Nassau belehnt Johann und Johann
Wilhelm Hilchen.
5. 1622, desgl. Graf Johann.
6. 1624 September 5 Graf Ernst Casimir.
7. 1633 Juni 6. Graf Johann Ludwig belehnt Johann Adam und Johann
Wilhelm Hilchen mit der Vogtei Weitenhan, die von der Herrschaft Hadamar
zu Erblehen ruhrt, die friiher Dietrich von Grenzau, dann die Hilchen in Ge-
meinschaft mit denen von Staffel gehabt.
X. Lehen vom Stift S. Lubentius zu Dietkirchen.
1. 1523 Februar 7 werden Friedrich und Adam Hilchin, Bruder, mit dem
Zehnten zu Gerodt, zu Holbach und Sesperoth belehnt.
2. 1606 Januar 4 Friedrich Hilchen und dessen Sohn Johann Wilhelm.
3. 1614 August 2 Johann Wilhelm Hilchen.
4. 1622 Februar 21 dessen Sohne Johann Adam und Johann Wilhelm.
5. 1627 Februar 4, diesfclben.
Nach dem Tode des Obersten Philipp Ludwig Hilchen zog das Stift das Lehen ein. Vgl.
Annal. XV, 262.
XI. Lehen vom Stift S. Florin zu Coblenz.
1. 1555 Marz 30 werden Friedrich Hilchen und die Sohne seines Bruders
Adam, namlich Philipp, Johann, Craft und Bartholomaeus, mit den Zehnten zu
Filbach, Oberndorf und Quermbach belehnt.
2. 1612 Januar 14 Johann Wilhelm Hilchen.
3. 1618 Februar 8, dann 1629 September 12 Johann Adam und Johann
Wilhelm Hilchen.
XH. Lehen von der Herrschaft Isenburg-Grenzau.
1. 1555 April 29. Lehnbrief fur die Bruder und Vettern Friedrich, Philipp,
Johann, Barthel und Craft Hilchen, mit Dorf und Gericht Winterborn und dem
Zehnten zu Bachheim, beide auf dem Einrich.
Annalen d. Ver. f. Nags. Altertumsk. u. Geschichtif. XX. Bd. 6
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2. 1575 April 8, desgl. fur die Bruder Philipp, Johann, Bartholomaeus und Craft
Hilchen, sowie deren Vettern, die Bruder Friedrich und Johann Melchior Hilchen.
3. 1618 Mai 29 belehnt Graf Ernst von Isenburg Johann Adam und Johann
Wilhelm Hilchen.
4. 1730 Oktober 14 belehnt Erzb. Franz Georg von Trier Sophia Maria
von Erffa und Eleonore Charlotte Hilchen.
Nach dem Tode der Sophia Maria von Erffa zog Kurtrier dieses, sowie die sonstigen
Leben unter dem 20. Januar 1746 ein.
Nach dem Hausbuch von Dernbach hatten die Hilchen von Lorck zu
Winterborn, spater Winterwerb genannt, ein Hubengericht, welches dreimal
jahrlich abgehalten wurde, am Donnerstag nach dem achtzehnten Tage, am
zweiten Donnerstag nach Ostern und Donnerstag nach Johann. Bapt.; von Bussen
und Strafen hat der Junker zwei, der Fiirst von Hessen den dritten Teil; der
Junker erhalt von den Hubenern das Besthaupt bei Anfall, ausserdem jahrlich
auf Martini von jedem Hubener 6 Malter Korn, 6 Malter Hafer und ein Huhn.
1595 Juli 3/13. Weistum der Schoffen zu Winterborn liber die Rechte
der Hilchen von Lorch daselbst. Wahrend der Verhandlung verliest Johann
Adam Hilchen ein 1584 Januar 16/26 in Anwesenheit des Barthel Hilchen,
Kantors zu Bleidenstatt, verfasstes Weistum, in welchem es heisst:
„Der Hilchen hoff im dorf Winterborn hat solche herliche freyheit, dass
wofern er viereckigt were und stunde uf einer ieden ecken ein pfosten und were
alsdan von den vier pfosten von iedem einem zu dem andern ein seiden faden
gezogen und bey die vier pfosten an faden ein schellen gehengt und einer aus
frevel solchen faden oder der schellen eine anriirt, der were dem Junkern mit
einer hand oder fusse verfallen. — Ein Morder oder Todtschlager, der eine der
Schellen fassen oder den Hof erreichen kann, ist einen Tag und eine Nacht
gefreit und soil durch einen vierherrischen Schultheissen frei geleitet werden und
kann laufen, wohin er will".
Dies Asylrecht wird in einem Weistum von f639 Januar 15 anerkannt.
Die Hilchen hatten den Hof von denen von Cronberg gekauft, Ursula
Hilchen, geborne von Walbrun, vermachte denselben nach dem Tode ihres Sohnes
der anderen Linie.
Zu Dachsenhausen hatten die Hilchen einen Hof, zu Oberbachheim die Zehnten.
xm.
Das Dernbacher Hausbuch fuhrt noch einzelne kleinere Lehen auf.
1607 Juli 23 werden Johann Wilhelm Hilchen, dann 1641 Februar 22
dessen Sohne Johann Adam und Johann Wilhelm Hilchen von den Grafen von
Manderscheid-Blankenheim mit Weinbergen zu Heinbach und Blankenheim belehnt,
welche deren Vater und Grossvater Friedrich zuerst zu Lehen trug.
1609 September 28 belehnen Friedrich von Roltzhausen und Christina
Katharina von Helfenstein Johann Wilhelm Hilchen mit Gulten zu Filbach und
Nordhofen.
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Nach dem Aussterben der Herrn von Helfenstein wurden die Herrn von
Hunolstein Lehnsherrn.
1626 Mai 24 belehnt Graf Friedrich Ludwig zu Lowenstein-Wertheim die
minderjahrigen Johann Adam und Johann Wilhelm Hilchen mit dem Hofe
Falkenborn und dessen Zubehor im Braubacher Gericht, wie Diedrich Hilchen
nnd Adam Hilchen solchen von den Grafen von Yirneburg zu Lehen getragen
und die alten Lehnbriefe dies ausweisen.
Der Hof Falkenborn im Braubacher Gericht, genannt der Untere Hof,
86 Morgen gross, war zur Halfte Lehen der Grafen von LSwenstein, zur anderen
Halfte von den Hilchen gekauft. Der Hoftnann der Hilchen musste vier Rhein-
fahrten thun. Vgl. Vogel pag. 647.
XIV.
1518 besass Junker Johann Hilchin den fronenhof zu Lorch und gab von
demselben zu Bede XII albus.
6. Zur Geschichte des Stifts Bleidenstatt, insbesondere Zusatze
zu der Beschreibung der Kirche desselben bei Lotz.
L Das bei Lotz pag. 37 erwahnte Wappen mit linkslaufenden Schragbalken
ist das des Geschlechts von Hattstein.
H. Die Wappen an dem daselbst beschriebenen Wandschrank sind:
a) Drei Lilien zeigend; dasselbe wird dem Konventualen Nikolaus von
Sulzbach gehoren, der urkundlich 1446, 1458 erwahnt wird, auch im Bleiden-
statter Nekrologium, Will pag. 41, eingetragen ist.
b) Das zweite zeigt nicht vier Andreaskreuze, wie Lotz meint, sondern einen
gegitterten Balken, dariiber ein Stern, und gehort dem urkundlich 1459 und
sonst genannten Konventualen Johann Specht von Bubenheim, der nach dem
Nekrologium bei Will pag. 41 im Jahre 1483 starb.
c) Das dritte hat nicht drei mit den Spitzen zusammenstossende Blatter, wie
Lotz meint, sondern drei im Dreipass gestellte Herzen; es gehort dem Kon-
ventualen Gerlach Lesch von Muhlheim; urkundlich 1459 erwahnt, starb nach
der eben angefuhrten Stelle des Nekrologiums gleichfalls 1483.
d) Der vierte Wappenschild zeigt zwei gekreuzte Schwerter; ich vermag
die Zugehorigkeit nicht zu bestimmen.
HI. Vollstandig iibersehen hat Lotz den Grabstein des ersten Propstes
Eckhard Kliippel von Elkerhausen. Derselbe deckt das dem Hochaltare gegen-
iiber befindliche Grab; auf der Platte ist der Verstorbene in ganzer Figur in
geistlicher Kleidung dargestellt, auf der Platte die Ahnen und zwar:
a) an erster Stelle, rechts vom Haupte der Figur, das Wappen der Kliippel;
b) links vom Haupte ein Schild, den Lowen des Geschlechts von Schonborn
zeigend. Nach Humbracht war des Eckhard Mutter Anna von Schonborn;
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c) rechts am Fussende, Wappen, ein Adler. Nach Humbracht war Gross-
mutter vaterlicherseits Isengard von Asserhausen;
d) daselbst links eine nach rechts schreitende Gans, Wappen der Gross-
mutter miitterlicherseits Anna Gans von Utzberg.
Die Umschrift lautet:
Anno domini MCCCCCIH die IHI Decembris obiit reverendus pater dominus
Eckardus Kluppel de Elkerhusen primus huius ecclesie sancti Ferrutii propositus
cuius anima requiescat in pace.
IV. In dem jetzigen Pfarrhause, der friiheren Dechanei, findet sich in den
Zimmerdecken in Stuck, sowie im Garten das Wappen des Mainzer Domdechanten
Franz Wilhelm Emmerich von Bubenheim, welcher nach der am 7. Juni 1692
erfolgten Resignation des bisherigen Dechanten von Bleidenstatt, des Erzbischofes
Anselm Franz, am 23. Juni zum Dechanten erwahlt wurde. Derselbe starb 1707
November 18. Derselbe ist demnach der Erbauer der Dechanei.
V. Die etwa vom Jahre 1650 ab vollstandig erhaltenen Kapitelsprotokolle
ergeben einzelne Notizen beziiglich der neueren Baugeschichte der Kirche.
1653 April 30 wird in einer Verhandlung des Kapitels Johann Bucher zu
Bleidenstatt, mit welchem das Stift ofter in Konflikt geriet, als derjenige
bezeichnet, welcher im schwedischen Kriege das Stift zu Bleiden-
statt eingeaschert habe.
1651 wird der Beschluss gefasst, nachzusehen, ob ein Inventar der Reliquien
vorhanden. Weiteres hieriiber findet sich nicht, es scheint demnach, dass damals
die Reliquien, insbesondere die des h. Ferrucius, verloren waren. Nur 1657 wird
berichtet, dass sich in einem Altar zu Bleidenstatt einige Reliquien gefunden
haben, welche wieder geborgen wurden.
1652 April 3 fordert der Erzbischof das Stift auf, mit der Wiederherstellung
der Kirche zu beginnen.
1653 Januar 4 bittet die Gemeinde Neuhof um eine Glocke aus dem Stift und
erhalt leihweise die Glocke in dem Beinhause, welche nicht mehr gebraucht wird.
1670 erhalt der Dechant fur die Dauer des Kirchenbaues ein Stuck Wein
jahrlich zugelegt zur Bewirtung von Stiftsbedienten und Handwerkern, welche
ihn in Veranlassung des Baues haufiger aufsuchen.
1671 bittet das Stift das Domkapitel zu Wurzburg, die Grafen von Wert-
heim, den Grafen von Hanau, die Stadte Frankfurt und Schweinfurt um Erlass
des Zolles fur das Bauholz zum Kirchenbau.
1671 Juni 26 ist der Bau der Kirche fast ein Stockwerk hoch gefuhrt und wird
beschlossen, dahin zu wirken, dass der Bau zu Winter unter Dach gebracht wird.
1673 Juni 23 zeigt der Dechant im Generalkapitel an, dass der Bau der
Kirche beendet sei und der regelmassige Gottesdienst an Sonntagen in derselben
eingerichtet sei.
Die bei Vogel pag. 562 und bei Lotz, hier allerdings nicht als bestimmt
hingestellte Angabe, die Kirche sei 1685 erbaut, ist demnach nicht richtig.
VI. Im Staatsarchive befindet sich eine aus Bleidenstatt stammende Blech-
tafel, die zum Schutze des Stifts in der Zeit des dreissigjahrigen Krieges wahr-
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scheinlich am Thore angebracht war. Dieselbe enthalt die Worte: Kayserliche
Salva Guardia-Ritterstift Bleydenstatt, sodann den kaiserlichen Doppeladler, in
der rechten Klaue Zepter und Schwert, in der linken den Reichsapfel haltend.
Von Interesse ist der Wappenschild auf der Brust de8 Adlers; derselbe ist l&ngs
geteilt, die rechte Halfte hat in goldenem Felde einen roten, mit drei weissen
Schwalben belegten Schragbalken, ohne Zweifel das Wappen des Gernand
Philipp von Schwalbach, der nach 1631 Dechant von Bleidenstatt wurde und als
solcher 1647 Januar 15 starb; zu beachten ist, dass die Tinkturen des Wappens
andere sind, als die, welche bei von Goeckingk, Nass. Adel pag. 37, als die richtigen
angegeben sind. Die linke Halfte hat ein goldenes Feld, in demselben oben eine
kreisrunde blaue Scheibe mit drei goldenen Lilien, darunter funf ( : . : ) rothe Kugeln.
Die Deutung dieses Wappens ist schwierig, es soil nur als Vermutung hingestellt
werden, dass in demselben die Wappen zweier Kapitulare zusammengeschoben
sind; die funf Kugeln konnten das Wappen des 1633 gestorbenen Kapitularen
Johann von Sickingen sein. Freilich sind in dem Wappen der Sickingen die
Kugeln anders gestellt, auch die Farben anders, doch dies konnte ein Versehen
des wohl fliichtig arbeitenden Malers sein, der, wie soeben angegeben, auch dem
Wappen des Dechanten von Schwalbach abweichende und wohl unrichtige Farben
gab. Welchem Kapitular der zweite Schild, drei goldene Lilien in blauem Felde,
gehort haben kann, ist wohl nicht zu ermitteln, da die Diirftigkeit des Bleiden-
statter Archivs gerade fur die Zeit von 1630 bis 1650 selbst nicht einmal die
Namen der Kapitulare feststellen lasst. Fur die Annahme, dass hier die Wappen-
schilder zweier Kapitulare zusammengeschoben sind, spricht der Umstand, dass
wir das Wappen nicht wohl als ein einheitliches ansehen konnen. Um den Schild
hangt an rotem Bande das Stiftskreuz, ein achtspitziges rotes Kreuz mit
goldener Einfassung und an goldenem Ringe.
7. Bacharach 1394 Oktober 9. Ordnung des Pfalzgrafen Ruprecht
des alteren fur Caub.
Wir hertzoge Ruprecht der elter han bestalt zu halten von unsern burg-
mannen zu Cube ufF eyne syte und unsern burgermeistern, rat und burgern
gemeynlich unser stad zu Cube off die ander syte umb diese nachgeschr. stucke
in der maszo als hernach geschrieben stet.
1. Zum ersten umb daz ungelt zu Cube. Daz sollen unser burgmanne daselbs
auch geben als unse burgere daselbes auch dunt ane hindernisse und wiederrede
diese nehsten zehen iar und wanne diese zehen iare vergangen sint, so mochten
ygliche partye dan ire recht daran fordern als hude dis tages.
2. Item wir befelen auch und heiszen unsern burggraven zu Cube, daz er
von unsern wegen die gebot und eynungen uber die welde daselbes, als auch
alle gebot und eynunge daselbs unser sint zu machen, zu yme nemen sal, so er
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die gebode und eynungen machen und sezen wil, zwene unsere burgmanne, die
seszhafftig da sint, und unsern ratd zu Cube jind wie dan unser burggrave daz
gebot und eynunge uber den wait macht und sezt zum besten und glichsten und
auch an welchem ende unser burggrave den wait erleubet zu hauwen dasselbe
iar, daz sollent unse seszhafft burgmanne und auch unse burgere zu Cube also
veste und stede halten und des gehorsame sin, also daz unsere burgmanne
dieselben gebode und eynungen also wol halten sollent als unsere burgere.
3. Und waz eynunge dar inne verbrochen werden und da von gefallent,
sollent unser zwene burgermeistere zu Cube yglichs iars innemen und die sollent
auch yglichs iars unserm burggraven daselbes rechenunge da von tuen; der sal
auoh zu yme nemen zu der rechenunge zwene unser seszhafftige burgmanne und
unsern vaid zu Cube, daz die selben eynungen gewant werden zu dem buwe
und gemeynden nuetze unser statd zu Cube und nergent anders.
4. Item in derselben maszen sal auch unser burggrave daselbes die eynungen
uber grasen und kruden und anders soliche dinge sezen zum besten und glichsten
yglichs iars und zu ym nemen zwene burgmanne und unsern vaid zu Cube in
der maszen als vorgeschrieben stet und waz da von gefellet, daz sollent auch
unsere zwene burgermeistere daselbs innemen und unserm burggraven rechenunge
da von tun in der masze als vorgeschrieben stet und sal in unser stadt buwe zu
Cube gewant werden in der maszen als vorgeschrieben stet.
5. Item daz wingart lesen, daz das by dem gebode blibe sten und gehalden
werde als bisher.
6. Item als man auch von unsers gebots wegen keynen fremden wyn zu
Cube sal infuren als bis her gewonlich gehalten ist, daz sal man aber also da
halten von unsers gebots wegen. Geschee iz aber not, daz zu etlichen zyten
des iars gebreste und mangel were, daz man zu Cube nit so viel wins haben
mochte, daz man redelichen feilen kauff und drangk haben mochte, so sal unser
burggrave daselbs an unser statd des iars zu derselben zyt, so des also not ist,
unserm ratde daselbes erleuben, daz sie als dann redeliche wine zu drancke zu
unser stat notdurft anderswo her mogent dar furen und den laszen schencken
und waz gewynnunge da von gefellet, daz sollent sie auch wenden an unser
stat buwe daselbs und unserm burggrave daselbs da von rechenunge tun in der
maszen als vorgeschrieben stet.
7. Item ob unsere burgmanne zu Cube unsern burgern ader burgersin
daselbes icht schulde schuldig weren, die schult sollent sie gutlich richten als
billich ist. Wo sie yn aber daz verziehen wolten, wan dan unse burger ader
burgersin daz fordern an unsern burggraven zu Cube, so sal er unsern burgern
von dem ader denselben burgmannen in den nehsten achtagen darnach unver-
zogelichen gulte ader rechte helffen und schaffen und sollent des unser burgmanne
also gehorsam sin vor unserm burggraven daselbs.
8. Item waz aber ist umb erbe und umb eigen, daz sal man handeln an
unserm gerichte zu Cube, dar ez umb erbe und eygen hyn gehoret
9. Item waz aber ist umb mannelehen, daz gehoret vor uns und unsere
mfume,
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10. Item waz aber ist umb burglehen, daz gehoret vor unser burgmanne und
burggraven.
11. Auch 8ollent alle obg;enante stucke von unsern burgmannen und burgern
zu Cube also gehalden werden in der maszen als vorgeschrieben stet bis uff
unser und unsere erben wiederruffen und beszerm wolgefallen.
Datum Bacharach, in die beati Dyonisii, anno domini M°.CCC°. XC°. quarto.
Gleiohzeitige Absohr. im St.-A. zu Dusseldorf. Pfaizor Copialbuch, Carlsruhe.
XIV.
Romische Mainbrucken.
Von
A. v. Cohausen.
Nachdem die Wasserbaubehorden die Uberreste von solchen Briicken bei
Gross-Krotzenburg und bei Steinheim und auch bei Hochst entdeckt haben,
konnen wir jetzt zuriickkommen auf eine vierte bei Biirgel, auf deren Existenz
Herr Dr. Lotz vor 2 oder 3 Jahren hingewiesen, indem er die Strassen angab,
welche von der Nidda zu diesem Punkte hinliefen und jene Briicke zur Voraus-
setzung hatten; es sind: der Diebsweg mit seinem Abstieg bei Seckbach, die
Ulmenriicken8tras8e, die unterhalb Bonames uber die Nidda geht, und der von
VUbel nach Mainkur fuhrende Weg.
Von dieser Mainbrucke hat nun Herr Pr. Kofler Mauerreste, die auf Pfahlen
ruhen, bei Burgel, 20 bis 25 Schritt vom rechten Ufer, nachgewiesen. Vom
Schiffer gefurchtet, werden sie von ihm eiserner Mann genannt. Auch dem linken
Ufer naher soil ein solcher Mauerklotz vorhanden sein. Von dieser Stelle fuhren
Wege nach Hanau, Seligenstadt und Dieburg, die auf alten Romerwegen zu
liegen scheinen.
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XV.
Zur Geschichte Johanns des Alteren von
Nassau-Dillenburg.
Von
Direktor Prof. Spies s.
Ein in den Saarbriicker Akten des hiesigen Archive befindlicher, von Herrn
Archivrat Sauer ans Licht gezogener Faszikel, welcher Mitteilungen aus der
nassau-dillenburgischen und oranischen Geschiehte der Jahre 1572 und 1584
enthalt, ist mir durch die dankenswerte Gtite dieses Herrn zur Benutzung iiber-
lassen worden. Obwohl der Inhalt dieser Schriftstiicke, besonders der den Tod
Wilhelms von Oranien betrefFenden, zum grossen Teil bekannt ist, und auch # der
noch nicht bekannte bedeutende Aufschliisse nicht enthalt, so bietet derselbe
doch insofern Interesse, als er vervollstandigende Zflge zu dem Charakterbilde
Johanns des Alteren von Nassau-Dillenburg enthiillt, und besonders den Anteil,
den derselbe an der Befreiung der Niederlande genommen, klar hervortreten lasst.
Unter den fiinf Sohnen Wilhelms des Reichen und der Juliane von Stolberg
ist Johann der Altere der einzige gewesen, welcher nach langer Lebens- und
Regierungszeit eines natiirlichen Todes gestorben ist, wahrend seine Briider
Ludwig, Adolf und Heinrich im Kampfe fur die Befreiung der Niederlande in
der Blute ihrer Jahre auf dem Schlachtfelde den Tod gefunden, und Wilhelm,
das Haupt der ganzen Bewegung, der Vater des Vaterlandes, wie ihn noch heute
die Hollander nennen, durch die Hand eines Meuchelmorders gefallen ist Aber
Johann hat, wenn er auch nicht Martyrer der guten Sache im Befreiungskampf
geworden, doch grossen Anteil an demselben gehabt. Nicht allein, dass er an
dem ersten Zuge Wilhelms in die Niederlande im Jahre 1568 teilgenommen,
dass er der hervorragende Mitbegriinder der Utrechter Union gewesen ist und
3 Jahre lang die Statthalterschaft von Geldern verwaltet hat: grosser ist das
Verdienst, das er sich als Erbe und Besitzer der deutschen Stammlande erworben,
indem er von Anfang des Kampfes an, unter mehreremale drohender Kriegsgefahr
fur diese Stammlande, reichlich an irdischen Giitern fur den grossen Zweck
geopfert hat. Es ist bekannt, dass er im Jahre 1568 300,000 Gulden zu den
Kosten des Kriegszugs Wilhelms beisteuerte, indem er zur Aufbringung dieser
Summe einen grossen Teil seiner Lander verpfandete, und dass er bei dem
zweiten Feldzug 1572 abermals gegen 300,000 Gulden fast den ganzen Rest
seiner Besitzungen in Pfand gab, dazu sich seiner und seiner Familie Kleinodien
entausserte und aus seinem Haushalt sein ganzes Silbergeschirr in Koln zq
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8000 Kronen hat umpragen lasscn. Und bei alien den Opfern, die er sich
auferlegte, war seine Opferwilligkeit noch nicht erschopft. Er trat auch als
Ttfitburge auf, als sein Bruder Wilhelm die Kleinodien, das Silbergeschirr und
die Tapezereien versetzte, die er nach Dillenburg von den Niederlanden mitgefiihrt
hatte. Wie er besorgt gewesen ist, die verpfandeten Gegenstande wieder aus
den Handen der Kaufleute zu bringen und sie wenigstens beim Hause Nassau
zu erhalten, daruber giebt uns ein eigenhandig unterzeichneter Brief an den
Graf en Albrecht von Nassau-Saarbriicken Auskunft:
„Mein freuntlicb ganz guttwillige Dienst jederzeit zuvor, Wolgeborener
freuntlicher lieber Vetter. E. L. kann Ich freuntlichcr meinung nicht verhalten,
welchermassen der Herr Printzs die verschinen Jar uber in seiner Gnaden noten
allerhandt Mobilia, als Silbergeschirr, Kleinodien und Tapezereien, bei welchem
auch allerhandt schone Umbhenge von guldinen, silberin, samett und seidig
gewanndt umb wende, ufF tisch, betth und anders seind, hin unnd wieder verpfenden
und versetzen hatt mtissen, welche Ich furters, damit sie den Kaufleutten ausser
Henden bracht, und seiner Gn. noch dero freundtschaft zu schimpff, hohn und
spott verechtlich umbgetragen wiirden, an mich geloset und bracht hab, in
Hoffung 8n. Gn. sachen sollten sich dahin in kurtzem geschicket und angelassen
haben, das sie mir solich geltt furderlich hetten erstatten und die versatztten
gueter wiederumb an sich losen und bringen mogen.
Wan es sich aber nhun damit eine gute weil und fiber Zuversicht ettliche
Jar hero verzogen, und Ich dann uber das sonsten ein merkliches vor I. G.
bezaltt und ausgeleget, darzu auch dieselbe beneben dero gemahel, Kinder und
gantzen HofFgesindt nhun ins funfte Jar in meinem Hoffe hab gehaltten, und
noch furters so lang, bis der Almechtige besserung verleihen und mir moglich
sein wiirdt, muss underhaltten —
Als bin Ich demnach iJedachtt, fernere Beschwerung zuvorkommen, solche
Mobilia, welche Ich einestheils geloset, einestheils von wegen das beneben seinen
Gnaden Ich vor ettliche summe geltts mich verschrieben unnd dieselbige nach
beschebener uffkiindigung itzo in Kurtzem zu bezalen bab, noch losen und ab-
legen muss, wiederumb wo Ich kan, zu geltt zu machen, und also durch deroselben
hinlassung und vereusserung, den jerlichen Zinss, so ich darfur bishero bezallt,
damit etlicher massen zu kurtzen und abzulegen; damit es nhun bei E. L.
und anderen nicht das ansehen haben mochte, als ob ich solche stattliche
Mobilia, deren ettliche lange Zeit beim Hauss gewesen, unbedechtig und ohne
Noth umb ein geringes hingeben und dieselbige dem Herrn Printzen und der
freundtschafft zu schimpf, hon und Spott vereussern oder dieselbe den freunden
weniger als frembden gonnen wollte,
Als habe Ich nicht underlassen mogen, E. L. dieser gelegenheitt zu berichten
und dieselbe vor endtlicher Vereusserung solicher gueter umb Iren Ratth,
anweisung unnd befurderung, wie diese ding am besten und ohne geschrey und
verweisslicher Nachreden des Herrn Printzen und unser aller zu nutzen zu bringen
sein mochten, mit vleiss zu bitten, tbue derohalben E. L. bierbei verwartt ein
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verzeichnus von solchen stucken, wie die astimirt und versetztt gewesen, vertrau-
lichen iiberschicken, mitt abermals ganz freuntlicher bitt, da E. L. dem Herrn
Printzen oder una alien zu guten hierinnen eine gutte anweisung zu thun wiisteir
oder auch yon diesen stucken fur sich ettwas zu behaltten und anzunehmen
bedacht weren, sie wollen mich desselben zu ehister gelegennheitt zu verstendigen
unbeschwert sein.
Solches bin umb E. L. Ich hinwieder zu verdienen gantz geneigt und guttwillig.
Datum Dillenberg 17 Januarii 1572.
E. L. dienstwillig ajlzeii
Johan, graff zu Nassau Catzenelnbogen (Eigenhandig).
So auch E. L. von Tapezereien ettwas zu behalten gemeint, wollte Ich
innsonderheit gerne sehen, auch darumb gebetten haben, das sie den stamb Nassau,
welches eine schone Tapezerey ist, behalten woltten, damit dieselbe beim hauss
bleiben und nicht in frembde hende moge kommen. ut supra."
Dem Briefe sind in den Akten Verzeichnisse aller dieser Eostbarkeiten
beigefugt, insbesondere des Silbergeschirrs, „so Graf Philippsen von Hanau-
Lichtenberg" (wohl durch Vermittelung des Grafen Albrecht von Saarbrucken)
„itziger Zeit in Henden hat". Obwohl das vergoldete Silbergeschirr in nur 38
und das unvergoldete in 39 Nummern aufgefiihrt ist, so bildet dasselbe doch
einen sehr reichen Schatz, da in den einzelnen Nummern oft eine ansehnliche
Zahl einzelner Stiicke enthalten ist So sind in 3 Nummern 22 grosse silberne
Schiisseln und weitere 28 und 21 silberne Schiisseln aufgefiihrt, die ersten mit
dem Wappen von Sachsen und Hessen, die zweiten mit dem Wappen von Sachsen,
Hessen, Meissen und Thuringen (also aus der Mitgift der Anna von Sachsen),
die letzten mit des Prinzen Wappen versehen. Von den iibrigen Silberger&ten
seien nur npch die 84 silbernen Teller, 12 hohe silberne Schalen fur Konfekt und
Obst, 26 Tischbecher erwahnt, meist wie die iibrigen Geratschaften mit Wappen
verziert, unter denen wir das nassauische und stolbergische, das nassau-dillen-
burgische und beilsteinische, das vianden'sche und dietzische nebeneinander
finden. Auch andere getriebene Arbeit zierte einzelne Stiicke, so vergoldete
Schalen die Schopfung der Welt und die historia Orphei. Ubrigens erhalten
wir aus dem Verzeichnis einen Beleg fiir den hohen Wert des Geldes in damaliger
Zeit, da das vergoldete Silbergeschirr zu 13,331, und das unvergoldete zu
9,448 Gulden veranschlagt ist.
Auch die iibrigen Verzeichnisse zeugen davon, wie reich der furstliche
Haushalt Wilhelms von Oranien gewesen ist. Da begegnen wir einer bedeutenden
Anzahl von Betten, deren XJmhange hochst kostbar, von rotem Damast, „Cremosin a ,
und einer Borde von „giildenem Tuche" oder von w golttuch, gebordirt mit
rothem und griinem Sammet und goldenem und silbernem Passement a , oder von
ngiildenem Tuche a mit Borden von Gold und roter Seide u. s. w. gewesen sind.
Die Tapezereien, welche die Wohnung Wilhelms auf Dillenburg, das sogen.
Prinzengemach, geziert, stellten die Historia des Ulysses, Historia von Abraham,
gPiscaria oder Vischereien", Historic von Adam und „Noye a , und „Nassau a dar;
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auf letzterer, die in Arras gefertigt war, erschienen alle hervorragenden Glieder
des Hauses Nassau ; sie gait fur einen kostbaren Familienschatz, weshalb sie auch
Johann dem Grafen von Saarbriicken ganz besonders empfahl.
Mehr noch als diese Geratschaften und dieser Zimmerschmuck geben uns
die in 28 Nummern aufgefuhrten Kleinodien einen Begriff von dem Reichtum
des Prinzen. Unter ihnen ist ein Halsband aufgefuhrt mit drei „Dehamanten-
taffeln" und vier „Rubintaffeln a , mit sechzehn kleinen Diamanten und zwolf
kleinen Rubinen, sechzehn Perlen mit einem Kreuz von einem „Dehamant a
und den daran hangenden dreien Perlen, welches auf 2500 Kronen geschatzt ist;
ein anderes mit einem Smaragd, vier „Fackeln a von Rubinen und sechzehn Perlen,
ist auf 500 Kronen, ein drittes mit fiinf „Dehamanten tf und vier „Rubintaffeln a ,
mit zwanzig kleinen Rubinen, sechzehn kleinen Diamanten, mit zwanzig grossen
und neunzehn kleinen Perlen „ist auf 400 Kronen zum geringsten geschatzt", ein
viertes mit einem Smaragden, zwei Diamanten, zwei Rubinen und zwolf Perlen
ist auf 1800 Kronen veranschlagt, eine Perlenschnur von 151 Perlen, „deren jede
geacht zum wenigsten auf 50 Kronen", ist zusammen auf 7550 Sonnenkronen
geschatzt, ein mit 17 Diamanten geschmiickter Zobel auf 800 Kronen; endlich
sind eine grosse „Taffell a mit einem Dehamanten in Gold gefasst, und ein „Kreuz
von Dehamant" mit fiinf Perlen, jedes auf 12,000 Kronen veranschlagt.
Noch in demselben Jahre wandte sich Johann abermals im Interesse Wilhelms
von Oranien an den Grafen Albrecht von Saarbriicken. Ein Brief, welchen dieser
am 26. Juni 1572 an seinen Bruder, „den wolgeporenen Philipsen, Grafen zu
Nassau, zu Saarbriicken und Saarwerden, Herrn zu Lahr", richtet, enthalt die
Mitteilung, dass sein „freuntlich lieber Schwager", Graf Johann zu Nassau-
Katzenelnbogen, ihm berichtet, „der Herr Printz wolle gerne in eille uffsein und
sich naher den Niederlanden begeben. Es seien aber s. G. mit notigem Gelde
noch zur Zeit nicht zum besten versehen. „Derowegen a , fahrt er fort, „woler-
melter mein schwager Johann mich ersucht und gebethen, E. L. zu schreiben
und bei deroselben freundtliche Befurderung thun, dass E. L. hochermelten Herrn
Printzen etwan ein vier oder funfftausend Gulden nach gelegenheit und vermogen
vorzustrecken unbeschwert sein wollen. Dargegen seien Grave Johans Liebden
erbothig, E. L. dessenthalben genugsam zu versichern und nahe nothurfft zu
assecuriren, sich auch der Summen halben, so E. L. Inen Gn. vorstrecken wiirden,
als Hauptschuldnern zu verburgen und zu verschreiben".
Die aus dem Jahre 1584 stammenden, zum Teil sehr umfangreichen Akten-
stficke, funfzehn an der Zahl, beziehen sich samtlich auf den Tod Wilhelms
von Oranien. Doch enthalten dieselben hauptsachlich nur die Erzahlung der
allbekannten Einzelnheiten der Katastrophe, sowie die der Hinrichtung des
MSrders, ferner das Konzept eines langeren Briefs Johanns an den Grafen
Albrecht von Nassau -Saarbriicken, in welchem er unter anderem die Grunde
angiebt, warum er nicht sogleich zur Ordnung der Familienangelegenheiten des
Prinzen in die Niederlande gehen konnte, einen Brief Moritz' von Oranien an den
Grafen Albrecht von Nassau -Weilburg, unwesentlichen Inhalts, datiert vom
84. Juli 1584 ? eine Abschrift des lateinisch geschriebenen arztlichen Berichts ube?
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den Leichenbefund Wilhelms, sowie die Kopie des iiber Qerart gefallten richter-
lichen Urteils. Weniger bekannt diirfte der in einem Aktenstiicke erwahnte
Selb8tmord des Trabanten sein, von dem Gerart das Mordgewehr gekauft hatte,
und der, als er vernommen, zu welchem Zweck es gebraucht worden war, sich
mit den Worten einen Dolch in den Leib bohrte: „Nun muss es Gott erbarmen,
dass mein getreuer und frommer Herr, dem ich doch nun zuvor gedient, mit
meinem Gewehr hat miissen umbgebracht werden. Nun beger ich nit einen
Augenblick auf dieser Welt zu leben a . — Der Extrakt aus des Konigs Don
Anthonj von Portugal Schreiben an seinen Oratoren (in Vlissingen) vom 22. Juni
aus Paris stylo novo giebt uns Kunde uber einen von einem P'ortugiesen
geplanten Mordversuch auf Wilhelm von Oranien. v Anhero ist gelangt den Weg
durch Nantis ein Portugues, der sich nennt Francisco de Catnallo, welchen wir
etwa uffhalten wollen, hat eine Wunde iiber das linke Auge, schwartz von
Angesicht, ziemlich stark von Leib, aber nicht sonders lang, fast in unserer grosse,
in Gesellschaft eines Flemings, so vor der Zeit in des Printzen Dienst gestanden,
beide zur Intention herausgekommen, den Printzen zu vergeben, oder sonst wie
sie konnen, umbzubringen ; wissen nicht welcher? glauben aber, dass derjenige,
so ein klein Biichslein, darin gifft, bei ihm tragt, sein soil; sind auf Anweisung
eines Engellanders, der bei dem Printzen in Dienst, herausgekommen, dessen Ihr
den Herrn Printzen zu verstendigen." —
Aus dem Aktenstiicke, „wolcher Gestalt und durch wen der Herr Printz
Hochloblichen gedachtnusses umbbracht sei worden", erfahren wir, dass, nacbdem
Gerart sich das Vertrauen Wilhelms erschlichen, er von diesem und den Staaten
dem Burgermeister Bruck Carone genannt, welcher zu dem Herzog von Alenzon,
dem Bruder des Konigs, nach Frankreich geschickt worden, als Diener zugeordnet
worden war, sich aber bald wieder, urn seinen Plan durchzufuhren, nach Delft
zuruckbegeben. „Als nun gedachter Burgermeister in Frankreich kommen, ist
der von Alenzon gestorben, darauf der Hochburgunder an dem Burgermeister
begert, dass er mochte zuruckziehen und dem Herrn Printzen die Zeitung bringen,
welches ihm der Burgermeister zugelassen."
Dass iibrigens Johann von Nassau mit der Politik seines Bruders nicht in
alien Stucken einverstanden war und namentlich auch die Verbindung mit
Frankreich, welche derselbe zu erneuern beabsichtigte, missbilligte, geht aus
einem Briefe an seine damals in den Niederlanden befindliche Tochter hervor,
der, einem anderen Faszikel entnommen, als charakteristisch fur die Sinnesweise
des Schreibers, hier eine Stelle finden mag:
„Hochgeborene freintliche liebe Dochtter, nach vleissig erbietung aller
beharliche^ undt moglicher Dienstleistung mag derselben ich freintlichen nicht
verhalten, welchermassen ich gegenwertigen Botten zu meinem Herrn den Printzen
und e. L. darumb hinunter abgefertigt, damit ich doch dermalleins von s. Gn.
e. L. undt derselben gantzen gesellschaft wie ingleichen auch von den nieder-
lendischen Sachen etwas gewisses erfahren moge. Dan ich nunmehr seither den
9 Novembris weder von s. g. noch von e. L. einig schreiben oder gewissheit
vernommen, injnittelst aber so mancherley undt seltsam geschrey undt redeu
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gehoret, dass es mich vorwahr oftmals bedriickt undt perplex gemacht, undt
sonderlich, dass man so bestendig davon gesagt undt geschrieben, dass der Herr
Printz nachmalen die Handtlung mit dem von Alanzon so hefftig treiben undt
denselben wieder in die Niederlandt zu bringen alien vleis verwenden soil,
daruber sich fast menniglich, sonderlich aber alle Religionsverwandten zum
hochsten verwundem und alle guthertzige besorgen, gleichwie L Gn. nach der
Zeit, als der von Alanzon in die Niederlandt kommen, nie kein Gluck gehabt,
sondern alle derselben Sachen zuriick undt ubell gangen, dass also nachmalen
dabey nit viell heils undt guttes sein werde, sondern Gottes zorn undt straff
soviell damehr undt gewisser zu erwartten, dieweil man sich mit solchen Gottlosen
dem Wortt Gottes zuwieder uber so vielfaltige beschehene warnung und Exempell
einlasset und also von Gott dem Herrn abweicht undt ahn demselben undt seiner
gottlichen Allmacht zu zweifelen ahnfehet, da er doch den Herrn Printzen undt
die Nieder(lande) undt bisz daher aus so mancher gefahr undt nott so wunder-
bahrlich uber alle menschliche zuversicht undt vermuttung manchmallen errettet
undt erhalten hatt.
Weil sich dann mit Gott dem Herrn nit scherzen lest undt er weniger nit
leiden kann, noch mit etwas hoher erziirnett wirdt, dan wan man sich von Ihm
keret, Ihm nit allerding vertrauen vndt seine geburliche ehr geben, sondern
neben Ihm andere in seinem wortt verbottene mittel undt also neben- undt
abgotter suchen undt gebrauchen will, alss bitt ich e. L. wollen hierinnen
das beste thun, fiir solchen menschlichen undt unverantworttlichen rath undt
anschlegen, soviel ahn Ihr ist, steuern undt wehren helffen, und wann es
geschehen kann, nit allein * mit dem Herrn Printzen undt seiner gemahlin,
sondern auch mit dem von Aldegonde undt anderen, so, wie man sagt, s. Gn.
hierzu bereden undt in diessem Irrthumb bestetigen sollen, darvon reden. E. L.
haben Gottlob in der Bibell undt heil. Schrifft nunmehr soviel gelesen, undt
sonderlich was Gott der Herr ahn solchen undt dergleichen Bundtniissen fur ein
gefallen hat, auch daruf iederzeit fiir gliick ervolgett, das es bei derselben keiner
weittern ausfhiirung bedarff. So haben sie es auch aus der erfarung, wie oben
gemelt, leider an dem Herrn Printzen selbsten zu spiiren undt abzunehmen.
Wolahn, es ist noch zeitt undt mehr den zeitt, das man sich bedenke, erkenne
undt wende undt zu Gott dem Herrn bekehre, von sunden ablass undt um
verzeihung bitte, dan es nit seltzam undt den allerfrommsten undt heyL auch
offtmals begegnet, das sie sich underweilen verstossen undt wan sie es ahm
besten zu dreffen gemeinet, ahn Gott vergriffen haben, aber gleichwohl allemall
wider zu gnaden uff- undt ahngenommen worden, sobald nicht (sie?) Gott den
Herrn wiederumb gesucht, demselben Ihren Fall klagt undt ahn Ihn sich gehalten
haben. E. L. Ihnen ferner nachdencken; Ich schreib es nit ohne ursach.
Wie es mit uns diesser ortt beschaffen undt hin undt wieder alle sachen
stehen, das habe Ew. L. Ich im nechstverschienen November mit dem Collnischen
Botten, welcher E. L. Schreiben mit zubracht, freuntlichen zu verstehen geben,
weis derhalben e. L. diesmals weitteres davon nit zu schreiben, dan es noch
fast in demselben standi undt wesson ist, ohn allein, dass die gefahr mit dem
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Collnischen Krieg mir je lang je mehr uff den Halss undt so nahent kombt,
dass ich des feindes mich alle stundt zu befahren.
D. Schwartz undt Herr Andreas, mein gewesener Hoffprediger seindt
innerhalb acht Tagen im nechst verschienenen decembri gestorben; weis sonst
von sonderlicher verenderung, welche sich dieser ortt seither zugedragen, nit zu
erinnern, noch sonsten E. L. etwas schreibwiirdiges zu verstendigen, will deshalben
hiemit etc.
Dat. Dillenberg den 19 Januarij Anno 84.
E. L. D. getreuer Vatter
Johann.
Von den iibrigen Schriftstucken des Aktenfaszikels sind noch zwei an
Johann gerichtete Schreiben bemerkenswert, das eine von den oranischen
Raten, in welchem sie ihn um seine Fursorge fur die Familie Wilhelms bitten,
das andere von den „Landst&nden der geunirten Niederlandischen Provinzen",
das der Trauer um den Tod des Prinzen und der Hoffnung, die dieselben in so
schweren Zeiten auf Johann den Alteren setzen, Ausdruck giebt.
„Wolgeborner Graff E. G. seind unsere underthanigs dienst jeder zeit
zu vor, gnediger Herr, wiewol wir in keinen Zweiffel stellen, es werden E. G.
unsere vorgehende Schreiben, worinnen derselbigen wir den leidigen mordt ahn
dem durchlauchtigen hochgebornen fursten Hern Wilhelmen Printz zu Uranien,
graven zu Nassaw-Catzenelnbogen, unserm gnedigen Hern begangen, zu erkenpen
hatten geben, nunmehr zukommen sein, So haben wir doch in ahnsehung des
grossen Verlust, so diese Lande ingemein und besonderlich die der wahren
evangelischen Lehr zugethan, an diesem erbarmlichen und claglichen Fall gelitten
haben, nicht umbgehen mogen, E. G. unser herzenleidt und betriibnis abermals
zum hochsten zu clagen und daneben underthenig zu bitten, dieselbige wollen
dieses Hauses jetzigen betriibten stand und wesen gnedig beherzigen und Ihr zu
gemiith fuhren, mit was beschwerung sich die hochgeborne furstin unsere gnedige
fraw als eine verlassene witwe mit vielerley underschiedtlichen heuflein jungen
Hern und frewlein umbringet findet, daneben auch wie hochlich sie der nechsten
freundtschafft hulff und beystandt vonnotten, ohn welche mehrermeltes hauss
geschaffen in grossen missverstandt und unordtnung zu fallen.
Und dieweil dan die nechste verwandten hochermelter hern und frewlein
und bevorab E. G. nunmehr loco patris als ein gemein bandt der freundtschafft
von gott und den rechten gestelt und gecoren ist, also wollen wir gentzlich
verhoffen, E. G. werden Ihr diese sachen zu sondern gnaden befohlen sein lassen
und in erwegung obangeregter ursachen sich bester gelegenheit nach so viel
bemuhen und in Persohn allhie erscheinen, oder aber solche gequalificirte
Persohnen dazu abfertigen, die nach erheischung dieses hauses itzigen zustandes
und notturft alsolche Ordtnung und versehung zu stellen wissen, wie dasselbig
in hochermelter Erben besten nutzen dienlich soil erfunden werden. Hieneben
bitten E. G. wir underthenig, sie wollen dieses, da sie es rathsamb finden, ahn
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unsern gnedigsten und gnedige Hern den Churfursten zu Sachsen und Landt-
graven zu Hessen samt andern hern und verwandten, die E. G. dazu bequem
sollen finden, gleiehfals in unserem nahmen gelangen lassen und uns dero guten
willen und meinung, wessen sie hiezu resolvirt, zu erkennen geben. Was wir
mitlerweil zu befurderung des dienstes und nutzens dieses hauses und erhaltung
guter ordtnung und einigkeit thun mogen, daran wollen wir ahn unserm vleiss,
ernst und vermogen gar nichts sparen, und thun E. G. dero wir underthenige und
willige Dienst zu erzeigen geneigt seindt, dem Almechtigen zu erhaltung langwieriger
gesundtheit und allem glucklichen zustandt und uns dero zu Gnaden befehlen.
Datum Delfft ahm 28 Juli a. 1584.
E. G.
underthenige ganz dienstwillige furstlich uranische Rathe.
J. Milander."
„TJnser freundlich dienst und alles guts zuvor, Wolgeborener besonder lieber
Herr und freundt, nachdem sich heute durch zulassung des Almechtigen in dieser
Stadt zugetragen, dass ein junger Mann, Balthaser Gerard genannt von Willessens
in der Grafschaft Burgund bxirtig, sich soweit vergessen, dass er den durch-
lauchtigen hochgeborenen Fiirsten Herrn Wilhelmen Printzen zu Uranien, Graven
zu Nassau -Catzenelnbogen, unsern vielgeliebten, auch gnedigen Herrn, hoch-
loblicher Gedachtnus, zwischen einer und zweien Uhren nachmittage, eben als
seine L. und G. vom tisch uffgestanden, mit einem feuerrohr, wie er gesagt, dem
Eonig von Hispanien zu Dienst, durchschossen und vom leben zum todt
gebracht, nicht ohne unser unaussprechliches Leidwesen, schmerzen und betrubnus,
also haben wir nicht underlassen wollen, E. L. dasselbe ahn stundt ahn zu wissen
zu thun, uff dass sie sich vor so unglucklichem Zustand und barbarischer Tyrannei
(darfur sie dann der Almechtige bewahren wolle) desto besser huten und vorsehen
mogten, dieselbe E. L. darneben gantz freundlich bittende, sie wollen dero guetem
zuneigen nach, die sie bis dahero zu diesen Landen getragen, uns wegen dieses
unversehentlichen Unglucks nicht underlassen oder in Vergess stellen, sondern
uns desto mehr zu alien Gunsten und guetem Willen bevohlen halten und in Iren
Schutz und Schirm nehmen, dann wir durch diesen geschwinden und schadlichen
Zustand nicht allein die Hulff und Beistandt E. L., sondern auch aller anderen
Fiirsten und Potentaten, die der wahren reformirten Religion zugethan, hochlich
von nothen, damit wir den Konig von Hispanien, welcher nicht ablasset mit aller
Gewalt und geschwinden tyrannischen Praktiken uns ahn aller Orten anzufechten
und griindlich zu verderben, desto bessern Widerstand thun mogen, und das
desto mehr, weil er des endlichen Vorhabens, nachdem er uns nun zumahl
underworffen, das er alsdann alle anderen Fiirsten und Potentaten, so die wahre
Religion handthaben, moge verheren imd underdriicken. Dargegen sollen E. L.
vor gewiss davor halten, das wir unserem aussersten Vermogen nach alsolche
Ordnung zu unsern Sachen stellen wollen, damit wir unserm gemeinen Feinde
desto bessern Wiederstandt thun mogen, auch das wir unserm geringen vermogen
nach nicht underlassen wSUen, E. L., da es die noth erfordern wiirde, in gleichem
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fall alle nachparliche Hiilff und treue zu erzeigen. Und dieweill wir der
trostlichen hoffhung und zuversicht, es werden E. L. als ein Beschirmer des worts
Gottes (dero wegen wir diesen pilligen und rechtmassigen Erieg angefangen)
uns dieser unserer bitt freindlich gewehren, wollen wir hiermit E. L. dero wir
freundlich und willige Dienste jeder Zeit zu erzeigen geneigt seind, dem
Allmechtigen zu erhaltung langwieriger Qesundheit und alien glucklichen Zustande
bevehlende.
Datum Delfft den 10 July a. 1584.
, E. L.
dienstwillige die verordnete Landstende der geunyrten
Niederlandischen Provinzen.
auss Bevelch derselben M. Henri cus.
An unsern gnedigen Herrn Grave
Johannen zu Nassau-Catzenelnbogen, den
eltern.
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XVI.
Beitrage zur Geschichte des Kreises Hochst.
Von
Dr. W. Eobelt.
I. Schwanheim im XVII. Jahrhundert.
(Nach den BCLrgermeister-Rechnuugon.)
Wie in den meisten Ortschaften des im dreissigjahrigen Kriege so arg
mitgenommenen Maingaues sind auch in Schwanheim Kirchen- und Gemeinde-
biicher erst vom Ende des Krieges an vorhanden. Die Tradition meldet, dass das
Dorf im Kriege vollstandig zerstort worden sei, dass es damals an einer anderen
Stelle gelegen habe, die heute noch das Altdorf genannt wird, und dass nur
15 Personen den Krieg iiberlebt und nach demselben ein neues Dorf an der
jetzigen Stelle gegrundet hatten. Dem widersprach freilich der Umstand, dass
der das Dorf umziehende Haingraben, der erst im vorigen Jahrzehnt beseitigt
wurde, schon 1466 angelegt wurde, wie eine im Frankfurter Archiv befindliehe,
von Scharff (Das Recht der Dreieich) erwahnte Urkunde beweist; das Dorf lag
also damals schon an der heutigen Stelle. Ferner wird in den Gemeinderech-
nungen die alte Linde vor der Porte, dem einzigen Ausgange iiber den Hain-
graben, erwahnt; sie ist 1698 so alt, dass sie gestiitzt werden muss. Endlich tragt
ein Haus in Schwanheim an dem Balken iiber der Thur die Jahreszahl 1619.
Diese Widerspriiche veranlassten mich, einmal genauer im Gemeinde -Archiv
nachsehen zu lassen, und zu meiner freudigen Uberraschung fanden sich nicht
nur eine ganze Anzahl Burgermeister-Rechnungen von 1653 an, sondern auch eine
zufallig der Vernichtung entgangene Rechnung von 1598 und ein Verzeichnis der
Einnahmen und Ausgaben von 1627, das aber nicht ordnungsmassig abgeschlossen
ist. Die Rechnungen sind bis 1692 in Quart ausgestellt und es wird der Gulden
zu 30 Albus gerechnet; in 1692 beginnt, nachdem schon seit 1686 das Stempel-
papier eingefiihrt, die Rechnung nach Gulden und Kreuzern und die Verwendung
von Folioformai Die Rechnungen geben uns ein getreues Bild der Zustande in
Schwanheim und auch fur weitere Kreise diirfte es ein lebhaftes Interesse haben
zu sehen, wie sich die Wellen der Volkergeschichte in den Jahresrechnungen
einer kleinen Landgemeinde fiihlbar machen.
Wir wissen aus anderen Quellen, dass die mainzischen Lande unter Johann
Schweickardt zu Anfang des XVII. Jahrhunderts sich in einem bliihenden
Zustande befanden. Der Erzbischof suchte namentlich die Viehzucht zu heben;
wir finden ihn um 1608 mit dem Plane beschaftigt, das Schloss Goldstein in
Annalon d. Ver. f. Nass. Altcrtumsk. u. Goachichtaf. XX. Bd. 7
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der Schwanheimer Gemarkung, seit 1552 Ruine, von Frankfurt gegen den
Antoniterhof in Nieder-Erlenbach zu erwerben und dort eine grossartige
Schweizerei einzurichten ; er veranlasste die Regulierung der Qrenze gegen
Niederrad und die Teilung des sogen. Schwanheimer Bruches. Nach Scharff
waren 1606 in Schwanheim 66 Familien, welche Vieh in den Frankfurter Wald
trieben und dafur Andreashafer gaben, in 1608 sogar 68, darunter wohlhabige
Bauern mit 4 und 6 Pferden. Demgemass finden wir in der Rechnung von 1598
auch das Dorf in gedeihlicher Entwickelung. Es heisst auch auf der Rechnung
noch Schweinheim; erst nach dem Kriege ist man prude und gebildeter
geworden und schreibt Schwanheim, und wenn von dem lieben Borstenvieh die
Rede ist, setzt man ein S.V. davor. Die Burgermeister *) sind Paulus Merkell
und Jacob Hipp.
Die Rechnung beginnt in Einnahme mit dem Rezess aus dem vorigen Jahre,
10 fl. 12 alb., welche die vorigen Burgermeister der Gemeinde noch schuldig
geblieben. Dann folgen 29 fl. fur ein Stuck Weidt im Wald, das, wie alljahrlich
vorher und noch lange nachher, an die Keltersbacher verpachtet worden ist 2 );
man hat fur verschiedene Bauzwecke von Eilian Henrich ein Darlehen von 49 fl.
aufgenommen. Das alte Backhaus und das Wachthaus an der Porte sind fur
9 fl. auf den Abbruch verkauft worden, ferner fur 13 fl. Holz aus dem Gemeinde-
wald; die Weiden am Main werden genau in denselben Abteilungen, wie heute
noch, versteigert und tragen 68 fl. ein. Die Betrage fur Schatzung und Bede —
letztere seit Jahrhunderten 89 fl. — werden nicht angegeben, aber bei der
Erhebung sind 19 fl. 3 alb. tJberschuss gemacht worden. Ferner werden an
Gemeindezinsen eingenommen 6 fl.; die Gemeindeschmiede ist verpachtet und der
Schmied giebt 1 fl. 13 1 't2 alb. ab, der Gemeindeschafer zahlt 3 fl. 22 alb. Weidt-
geldt. Gemeindesteuern werden nicht erhoben — wie eben auch nicht — , aber
verschiedene Leute geben, anscheinend als freiwillige Beitrage — je 5 fl., zu-
sammen 30 fl. „in die Nachparschaft". Die Gesamteinnahme betragt 275 fl. 22 alb.
In der Ausgabe steht obenan der Abendmahlswein, drei Mass k 6 alb.
Dann kommen Gemeindebauten. Die Gemeinde hat ein neues Wachthaus an der
Porte bauen lassen, ein neues Backhaus errichtet und den alten Backofen wieder
ausbessern lassen, und einen Backer aus Sindlingen engagiert, welcher gegen einen
bestimmten Jahrgehalt die Ofen zu beaufsichtigen und in Ordnung zu halten hat.
Ausserdem ist vor der Porte ein kleines Wachthaus mit einem Schlagbaum
errichtet worden und man hat eine Glocke auf die Porte gesetzt, zu welcher der
Gemeindeschmied den Schwengel gemacht hat. Am Thore ist eine offentliche
Mehlwage aufgestellt und deshalb dort ein Stuck gepflastert worden, eine gemein-
niitzige Einrichtung, welche erst die neueste Zeit wieder gebracht hat; der
Inhaber zahlt dafur 5 fl. Leihgeld. Eine Schule ist vorhanden; auf das Schulhaus
l ) Die Burgermeister, die jfthrlich wechseln, haben ganz die Punktionen der Gemeinde-
rechner und entsprechen den Heimburgen der filteren "Weistumer ; neben ihnen fungiert der
Schultheiss. Diese Einrichtung hat rich in den frankfurtischen Ortschaften bis in die neueste
Zeit erhalten. — 2 ) Yermutlich die sogen. Rietwiese, die sp&ter ganz in die Hande der Bewohner
yon Eelsterbach flbergegangen ist.
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1st eine neue Kammer gesetzt worden und die Gemeinde steuert 10 fl. zum
Schulgeld. Die Nacheckern im Frankfurter Wald sind fur 25 fl. gepacbtet
worden, die Biirgermeister sind darum einigemal in Frankfurt gewesen und
haben dabei 1 fl. 18 alb. verzehrt Ausserdem ist, wie alljahrlich, der Gemeinde-
brunnen gefegt worden und die Gemeinde hat durch einen fremden "Wiesenbauer
(Sielgraber? Sechgraber? oder Seegraber?) neue Graben auf den Wiesen ziehen
lassen und dafiir 39 fl. bezahlt. Die Gesamtausgabe betragt 278 fl. 6 alb. 5 /5j
So war es 20 Jahre vor dem Beginn des Krieges. Dieser sollte sich scbon
in den ersten Jahren schwer fiihlbar machen. Um den Spaniern unter Spinola
entgegentreten zu konnen, sammelten sich die Truppen der protestantischen Union
im August 1620 um Frankfurt und lagerten unter dem Grafen von Solms und
dem Markgrafen von Anspach teils auf dem Galgenfeld, teils vor Sachsen-
hausen. „Den 16. August haben des Marggrafen Reuter das Viehe, Haussratb,
Frucht und alles zu Schwanheim genommen und den Flecken ausgebrannt*
(Lersner II, pag. 518). Die Chronik meldet weiter, dass damals die Frankfurter
Burger die Gelegenheit in einer nicht gerade freundnachbarlichen Weise benutzten;
sie gingen taglich ins Lager, fiihrten Wein, Bier und anderes hinaus und
„kaufften das geraubte Vieh, Haussrath und anderes umb ein Schandgeld, ein
gut Schwein, etwann umb ein oder zwei Gulden, einen Hammel umb sechs
Batzen, eine Kuh umb drei Gulden, ein Stier umb ein Gulden". — Die Schwan-
heimer haben vielleicht aus zweiter Hand manches wieder zuruckerworben, aber
1622 brachte durch den tollen Braunschweiger neue Zerstorung ! ). Schwanheim
scheint die unseligen Pfingsten besser uberstanden zu haben als Hochst und
Nied, und unter den funfzehn Flecken, welche der Herzog am 9. Juni mit ent-
setzlicher Unparteilichkeit ohne Riicksicht auf ihren Besitzer und die Konfession
ihrer Bewohner niederbrennen liess, wird Schwanheim nicht genannt Vielleicht
liess ihn der rasche Anmarsch Tillys es nicht ratlich erscheinen, seine Truppen
jenseits des — offenbar damals angeschwollenen 2 ) — Maines zu lassen, vielleicht
waren auch die Bewohner mit ihrem Vieh und ihrer besten Habe in den sumpfigen
Wald gefliichtet; jedenfalls ersehen wir aus den Frankfurter Rechnungen, dass
sie im Herbste desselben Jahres wieder die Nacheckern im Frankfurter Wald
pachten, also noch mehr Schweine besitzen, als sie in ihrem eigenen Walde
masten konnen. 4
Der Sieg der kaiserlichen Generale brachte dem churmainzischen Orte einige
Erleichterung, wahrend die Bewohner der protestantischen Ortschaften 1626
scharenweis mit Hab und Gut nach Frankfurt fluchteten. Doch muss auch
Schwanheim arg gelitten haben; denn wir sehen es nach der Rechnung von
1627 ehrlich bemuht, die neu erlittenen Kriegsschaden zu bessern und zu heilen.
*) Lersners Chronik berichtet die Sohlacht zweimal, einmal in 1622 und einmal in 1623;
allem Anschein nach hat der Verfasser den Herzog yon Braunschweig und den Bischof (richtiger,
Administrator) von Halberstadt fflr zwei verechiedene Personen gehalten. — ^Lersnerl. c. sagt
ausdrucklich, dass unter 'den Flflchtenden die fiber den Main gesohlagene Brflcke gebrochen
und ihrer viel ersoffen seien. — Die Bruoke befand aioh unmittelbar unterhalb Hdchat am
sogen. Euhturm.
7*
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Wie oben bemerkt, ist von diesem Jahre nur das (wohl vom Schulmeister gefuhrte)
Notizbuch der Burgermeister Johann Buss und Kilian Merkel erhalten. In den
Einnahmcn stehen voran die Verpachtung des Wasens (die Wiesen langs des
Main heissen heute noch so) an der Martinskirche urn 21 fl. und gegen Hochst
fiber um 18 fl. 15 alb.; die Weiden werden fur 28 fl. verkauft; dann haben
die Keltersbacher wieder fur 28 fl. Weide im Wald gekauft, auch etwas Holz ist
verkauft worden, aber die Gemeinde hat zweimal Geld zusammenschiessen mussen,
zusammen 126 fl. 21 alb., und hat man ein Stuck der Neuenwiesen an Kilian Acht,
den Gemeinde wirt, fiir 344 fl. verkauft. — 1627 war fur unsere Gegend nach
dem schweren Notjahr 1626 ein etwas besseres; das Achtel Korn ging von
6 l J2 fl. auf 2 herunter, der Weizen von 8 fl. auf 4 fl.
Aus der Ausgabeseite ersehen wir, dass die schwersten Schaden aus dem
vergangenen Jahre stammen. Der Erlos fiir die verkaufte Wiese wird sofort den
beiden Biirgermeistern des vergangenen Jahres iiberwiesen fur ihre Auslagen und
sie erhalten noch 10 fl. „zu den gekauften Rindern, so noch zu bezahlen". Mehr-
fach finden sich Vergiitungeu fiir Boten aus den Nachbarorten, namentlich aus
dem an der wichtigen Strassenkreuzung gelegenen Morfelden, welche melden
miissen, wenn Kriegsvolk heranzieht. Einquartierung auf Einquartierung muss
vergiitet werden, die Bettelei ist furchtbar arg geworden, alle Augenblicke
sprechen Vertriebene und Abgebrannte an und erhalten ein paar Albus. Trotzdem
wird das Backhaus wieder aufgebaut und sogar ein Stiick Strasse gepflastert.
Auffallend gegen friiher ist die jedesmalige Angabe, wieviel Weinkauf gegeben
werden musste, und es ist nicht wenig. Bei den Grasversteigerungen werden
2 — 3 fl. erlegt, bei der Weidenversteigerung 6 fl.; die Burgermeister haben bei
ihrerWahl 11 fl. 15 alb. zum besten gegeben, von denen 4 fl. 15 alb. bei Kilian
Acht, der Rest bei Hans Schreiber vertrunken wird. Als Kilian Acht die Wiese
kauft, muss er 12 fl. geben, von denen die Halfte bei ihm, die andere bei seinem
Kollegen vertrunken wird. Diese Zunahme der Genusssucht findet sich wahrend
des Krieges durch ganz Deutschland; was der Bauer vertrunken, konnte ihm
kein Soldat mehr nehmen.
Aus 1629 ist eine Vormundschaftsrechnung erhalten geblieben, die, an
Papier und Schrift ganz gleich, jedenfalls zufallig unter die Gemeinderechnungen
geraten ist. Wir ersehen aus ihr, dass damals Palliumsgeld erhoben wurde
und dass, was wenigstens von lokalem Interesse ist, die sogen. Feldbiische,
die immer unter eigenem Rechte standen und weder Jakobskorn noch Bede
zahlten, wie die 30 Iluben des Dorfes, damals schon unter die Gemeindeburger
erblich verteilt waren.
Nun folgt leider eine grosse Lucke und wir bleiben im Unklaren daruber,
wie es der Gemeinde in der Jammerzeit von der Nordlinger Schlacht bis zum
Friedensschluss crgangen. (Fiir Nied und Griesheim habe ich interessante
Dokumente vorgefunden, die weiter unten folgen.) Die erste wieder vorliegende
Rechnung datiert von 1650 und ist wieder in aller Form gestellt, aber bei der
Ausgabe ist ausdriicklich bemerkt, dass sie 1651 geschrieben ist; die Rechnung
wurde iiberhaupt erst 1655 mit der von 1653 zusammen von dem Amtmann
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von D alb erg abgehort uiid genehmigt; erst mit 1655 beginnen also wieder die
geordneten Zustande in unserer Gegcnd.
Die Rechnung steht aber in schroffem Widorspruch mit der Tradition und
zeigt una durchaus nicht eine verwiistete und auf den Tod erschopfte Gemeinde,
die sich erst wieder an einer neuen Stelle ansicdcln muss. Wir sehen sie viel-
mehr ausser der neu aufgelegten Kontribution von 144 fl. und dem „lctzten
Friedensgeld" von 88 fl. 15 alb. noch 144 fl. 10 alb. aufbringen, urn ein Kapital
in Frankfurt und ein kleineres beim Wirt in der Rose in Hochst zu tilgen.
Es ist wieder ein Lehrer da; das Schulhaus scheint freilich zu Grunde gegangen
zu sein, denn man hat ihm ein Zimmer in Jakob Reitzen Haus gemietet; er
wird alljahrlich gedingt und dabei gehfcn 1 fl. 10 alb. darauf an WcinkaufF.
Die Porte steht n,och und wird ausgebessert, die Glocke darauf ist gerettct
und erhalt ein neues Seil ; das Backhaus bekommt wieder ein Dach, der Gemeinde-
brunnen wird gefegt und durch Hincinwerfen von zwci Sechtern Salz gereinigt.
Die Kirche steht noch, sie hat auch ihre Glocken behalten und die Jungknechte
werden dafiir bezahlt, dass sie die Walpurgisnacht hindurch zur Abwehr der
Unholdinnen lauten. — Kurzum, wir sehen die Gemeinde allerdings durch den
Krieg schwer geschadigt, aber durchaus noch lebensfahig und munter darauf
aus, sich so behaglich wie moglich wieder einzurichten. Die Weide ist freilich
fur die Gemeinde zu gross geworden, einen Teil hat sie an den Hofmann auf
dem Sandhof verpachtet; er zahlt dafiir Weidegeld und hat auch der Gemeinde
100 fl. zu 5 °/o vorgestreckt. Von der grossen Bede ist in dieser Rechnung noch
nicht die Rede.
In 1653 hat die Erholung Fortschritte gemacht, aber die Kontribution ist
auf 345 fl. erhoht und wird unerbittlich eingetrieben. Dem Bartholomausstift
in Frankfurt werden „vor etlichen verflossenen Jahren" 16 fl. 20 alb. Grundzins
nachbezahlt und von da ab tritt der Bartholomauszins w r ieder regelmiissig in den
Rechnungen auf. Die Kriegslieferungen sind noch nicht zu Ende; in Sossenheim
liegen Reiter, dcnen Stroh und Heu gegeben werden muss ; die Fuhrleute erhalten
dafiir 5 fl. Auch auswartige Frohnden sind zu leisten; ein Mann wird nach
Ileidersheim gesandt, den Weiher fegen zu helfen, ein anderer nach Marxheim,
den Graben zu fegen; ferner werden 12 fl. bezahlt, den Maintzer Berg zu roden,
lauter Lasten, von denen das alte Recht nichts weiss. Die Gemeinde regt sich
tuchtig; die Wiesen „aussen vorm Wald tt werden wieder neu angelegt, ein
Wiesenbauer kommt dazu und erhalt fur seine Arbeit 27 fl. 2 alb., der Schreibcr
und die beiden Burgermeister gehen mit hinaus und helfen messen. Man ist
sparsam geworden; die beiden Baume, die Frankfurt nach altem Herkommen
bei der Erhebung des Andreashafers zu liefern hatte, werden zum allgemcinen
Besten verkauft. Vielfach wird die Gemeindewohlthatigkeit in Anspruch genommen;
abgebrannte Studenten, verarmte Edelleute, auch Sammler fur Kirchenbauten
sprechen zu und erhalten einige Albus. Ein fremder Strohschnitter ist zugezogen
und zahlt 3 fl. Beisitzergeld. Das bare Geld ist aber immer noch schr rar und
Wiesen und Weiden haben in diesem Jahre nur 11 fl. 10 alb. eingetragen.
Aus dem Jahro 1655 hat ein glucklicher Zufall uns die Liste der steuer-
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zahlenden Nachparn in Schwanheim erhalten und wir sehen, dass es noch
37 Familien sind, welche den Krieg iiberdauert haben, also doch mehr als die
Halfte der gesamten Bevolkerung. Mancher der alten in den Weistiimern
und Gerichtsverhandlungen vorkommenden Namen sind verschwunden, die
Schrimpe, dieSchelle, aber andere, wie Peter, Herber, Bertz, Henrich,
haben sich erhalten; auch Brandbeck, Schlaud, Busch, Neubecker,
Gaubatz, Burgel, die heute noch bluhen, kommen vor. Sie mussen wieder
345 fl. Kontribution aufbringen, daneben 11 fl. Besoldung fur den Amtsschreiber
in Hochst, 4 fl. 5 alb. fiir den Rittmeister in Munster, 1 fl. 15 alb. dem neu-
bestellten Karbiner-Reiter, lauter neue Lasten, welche den "Ubergang von dem
alten herkommlichen Recht zu der neuen despotischen Regiemngsfonn andeuten.
Kommi88-Korn muss in natura geliefert werden und nur die Fracht dafiir erscheint
darum in der Rechnung; 11 Malter Hafer werden dagegen fur 8 fl. 12 alb. gekauft.
— Ungeachtet dieser Lasten hat die Gemeinde eine Uhr angeschafft und ein Uhr-
hauslein machen lassen ; der Schlosser von Hochst halt sie in Ordnung und erhalt
dafiir jahrlich 1 fl.; Aufziehen und Schmieren besorgt der Schulmeister gegen
eine Entschadigung von 15 alb. Der Schlosser liefert auch eine offentliche
Mehlwage und erhalt dafiir 4 fl. Der Gemeindebullen ist an Jakob Schlaud
verpachtet worden; die Gemeinde hat sich derweilen, wohl um die Rasse zu
verbessern, einen anderen von einem Burger in der Schnurgasse in Frankfurt
geliehen und zahlt dafiir 3 fl. 15 alb. — Der Ferger an der Mainfahre bei
Hochst erhalt jahrlich einen bestimmten Betrag, dafiir hat er die Biirgermeister
und etwaige Boten uberzufahren. Frohnleichnam wird mit Glanz begangen und
tuchtig dabei geknallt; zum erstenmal erscheinen in der Rechnung 22 alb. fiir
Pulver, ein Posten, der bis heute durchlauft.
In 1656 finden wir die Kontribution noch ebenso hoch und dazu kommen
28 fl. 25 alb. Dienstgeld, um von da an auch nicht mehr zu verschwinden.
Auch die lange ausser Ubung gekommene grosse Bede, welche die 30 Huben
in Schwanheim dem Abt von St. Jakob (schon seit dem XI. Jahrhundert) zahlen,
erscheint nun wieder mit 89 fl. Die Gemeinde hat sich aber in den paar Friedens-
jahren schon wieder hiibsch erholt. Nach der Frohnleichnamsprozession wird
dem fl jungen Gesind tf etwas zu vertrinken gegeben, die Kirmes wird wieder
gefeiert und von dem erhobenen Kirmesgeld bleiben der Gemeinde 20 alb. Uber-
8chuss. Dem Rosen -Wirt in Hochst werden 20 fl., „so man ihm noch vom
Kriegswesen her schuldig gewest", bezahlt, das Backhaus — es ist nur noch von
einem die Rede — wird renoviert, ein Briicklein auf der Schaftrift gemacht und
ein Gemeindebullen angeschafft. Zum erstenmal wird der Unterbruch (die spatere
Herrnwiese) in Frohnde gemaht, das Heu gemacht und nach Hochst gefiihrt;
dafiir zahlt der Zollschreiber 20 fl., die diesmal in die Gemeindekasse fliessen,
spater aber unter die Nachparn verteilt werden.
In 1657 finden wir ausser dem Strohschnitter auch einen Tagelohner und
einen ledigen Schneider als Beisassen, in 16 61 auch einen Korbmacher und einen
Weissbinder. Die Gemeindcangelegenheiten gehen ihren ruhigen Gang weiter
ujid das sicherste Zeichen fiir die eingetretene Erholung ist, dass bei jeder
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Pestlichkeit der Gemeinde wieder etwas zum Vertrinken gegeben wird. In
1663 wird die Kontribution von 67 fl. 27 alb. im Vierteljahr auf 54 fl. 25 alb.
ermassigt; es werden noch einmal neue Wiesen angelegt, alles dcutet auf die
Ruckkehr normaler gesunder Zustande.
Aber dieses Jahr bedeutet zugleich einen Wendepunkt; mit 1664 beginnt
eine neue schwere Zeit, die bis zum Ende des Jahrhunderts dauern sollte. Die
Lothringer Reiter lagern 3 Monate lang in der Gegend und es miissen ihnen
92 fl. Kontribution bezahlt werden. Einmal fliichtet die ganze Gemeinde vor
den Pliinderern auf den frankfurtischen Hof Goldstein, wo eine Salvaguardia
liegt, und die dreifachen alten Graben noch Schutz gewahren. Um kleinen Strcif-
partieen Widerstand leisten zu konnen, wird die Porte ausgebessert und der
Haingraben neu ausgehoben. Dann kommen mainzische Volker durch; sic
erhalten ein Fass Bier *), das man in Frankfurt fur 8 fl. 26 alb. gekauft und
das ein Schiffer fiir 26 alb. nach Schwanheim gef&hrt hat. Der Gemeinde-
schweinhirt wird bei Verteidigung seiner Herde von einem Wolf furchtbar
zugerichtet und stirbt, obschon man den Bader von Hochst kommen lasst und
ihm 10 fl. dafur bezahlt; die Beerdigung erfolgt auf Gemeindekosten; der Leich-
korb kostet 10 alb. die Bord, 10 alb. zu machen. — In diesem Jahre tritt zum
erstenmal die Ausgabe fiir den Schornsteinfeger auf.
1665 liegt der Oberst Weibnehm 3 Monate in Schwanheim und seine
Verpflegung kostet 111 fl., die eines Reiters vom Obrist Cronberger 25 fl. 20 alb.,
auch die Lothringer lagern wieder in der Gegend und vielfach kommen
einzelne Soldaten durch und fordern Nachtquartier. Ein „tobender Wolf 4 wird
erschlagen und mit zwei Hunden, die er zerrissen, begraben. Die Gemeindewiesen
werden in dieser Zeit allem Anschein nach nicht verpachtet, sondern unter die
Nachparn verteilt; nur Reststiicke erscheinen mitunter in der Rechnung.
Die Rechnungen von 1667 und 1668 zeigen uns die Gemeinde noch schwer
belastet, aber doch noch in der Lage, die Kontribution und die Bede aufzubringen.
Es findet ein Zuzug aus anderen Gegenden statt, sechs neue Burger werden auf-
genommen, darunter drei heute noch bluhende Familien Heiser, Helfenbein und
Lehn. Aber 1669 kommen nut noch zwei Quartale Kontribution mit 166 fl. zur
Verrechnung und 1672 sind die beiden Quartale auf 139 fl. 6 alb. 4 $i gesunken.
Daneben wird ein Zehntel als Extrasteuer zu den Landkostengeldern erhoben, der
Bede wird nicht gedacht. In 1673 kann nur einViertel der Kontribution aufgebracht
werden und eine Petition um Nachlass der Steuer wird aufgesetzt und nach Mainz
gebracht. Was geschehen ist, k6nnen wir nur aus einer unscheinbaren Notiz ahnen :
„6 alb. seind vor Zehrung darauff gegangen, als der Gemeindt die verbrendten
Sachen aufgeschrieben worden". Vielleicht lasst sich die Petition in den Mainzer
Archivakten noch einmal auffinden und wirft ein genaueres Licht auf die Vor-
*) Vom Apfelwein, dem heutigen Nationalgetrank der Gegend, ist in den Rechnungen so
wenig die Rede wie in den aiteren Urkunden. Dass man seine Beroitung kannte, zeigen ein
paar Stellen bei Lersner, aber man scheint ihn nur zur Zeit von Obstuberfluss gemacht zu
haben, und er hatte nicht mehr Bedeutung, als heute Stachelbeerwoin und Johannisbeerwein ;
es wird ausdrUcklich verboten, ihn unter den Wein zu mischen. Die Apfelweinbereitung in
gro88em Massstab wurde hier um 1790 von einem Besitzer des Goldsteins eingefuhrt,
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gange dieses Jahres; allem Anschein nach ist Schwanheim von einer Turenne-
schen Streifpartei iiberfallen und niedergebrannt worden. Auch die Kirche, welche
den grossen Krieg iiberdauert, muss zerstort worden sein; denn es geht „wegen
der Kirch" eine Deputation nach Frankfurt, welchem als Patronatsherrn die
Unterhaltung der Kirche oblag.
In 1674 dauern die schweren Kriegslasten fort; es werden zwei Steuer-
quartale erhoben, aber nur eins gelangt zur Ablieferung; dagegen miissen ohne
die Abgaben in natura den durchmarschierenden Truppen fiber 150 fl. gezahlt
werden. Uhr und Glocken sind nach Hochst gefliichtet, eine Zeit lang hat die
Gemeindc sich cinen Hochster Soldaten als Salvaguardia — gegen die befreundeten
Truppen — genoramen und die Hochster Konstabler bekommen einen Rekompens
dafur, dass sie manchmal nachts eine Kanone abfeuern, die Marodeure zu
schrccken. Aber aus der Rechnung des folgenden Jahres ersehen wir, dass
die Gemeinde auch einigemal auf dem Goldstein Zuflucht suchte und den Frank-
furter Soldaten dafur ein Trinkgeld gab.
1675 sind die Zustande wenig besser. Das tieferschopfte Amt Hochst
lasst durch die Burgermeister von Wicker und "Weilbach eine Eingabe an die
kurfurstliche Regierung machen und bittet urn Steuernachlass, aber umsonst.
Drei Quartale werden eingetrieben und ausserdem noch 60 fl. zur Montiarung
eines Landreiters, der zunehmenden Unsicherheit zu steuern. In 1676 werden
aber unerbittlich 1 1 J2 Quartale Steuern erpresst; der neue Erzbischof, fur den
auch das Palliumsgeld bezahlt werden muss (Anselm Franz?), beginnt seine
Regierung gleich in wiirdiger Weise. Auch die Bede wird wieder eingefordert,
daneben werden noch 180 fl. fur Verpflegung durchziehender Soldaten bezahlt.
Die Ausgaben belaufen sich auf 1004 fl. 22 alb. 5 /9j, die Gemeinde kann sie
natiirlich nicht aufbringen; der Zollschreiber in Hochst streckt 100 fl. vor, der
alte Pfarrherr Heinrich Banus 60 fl.
Die Rechnung fur 167 7 fehlt; in 1678 sehen wir die traurigen Zustande
noch fortdauern; neben der vollen Kontribution werden 80 fl. Palliumsgeld erpresst
und mehrere hundert Gulden fur die Truppen.
Mit dem Frieden von Nymwegen in 1678 haben die Drangsale wohl nach-
gelasssen, wir konnen dariiber aber nicht urteilen, da die Rechnungen der nachsten
7 Jahre fehlen. Von Interesse ist, dass man mitten in den Kriegsdrangsalen
den Versuch mit der Einfuhrung einer neuen Kultur, des Tabaks, gemacht hat;
in 1673 wird den Hirten, die wohl aus einer tabakbauenden Gegend stammten
und den Sandboden der Schwanheimer Gemarkung fiir tauglich halten mochten,
fur 2 fl. ein Stuck Land uberlassen, um einen Versuch mit seiner Anpflanzung
zu machen. Er muss aber nicht sonderlich gelungen sein; denn der Posten kehrt
in den Rechnungen nicht wieder. Auch ein anderer Posten deutet auf einen
Aufschwung der Landwirtschaft, den der Krieg unterbrach; in 1673 begegnen uns
zum erstenmal die Feldgeschworenen in der Rechnung; es werden fiir sie
zw r ei Feldruten und ein Cirkhel fiir 18 alb. angeschafft. Ein besoldeter Feld-
schiitz mit 4 fl. Jahresgehalt findet sich zum erstenmal 1686.
Die Rechnung von 1686 ist die erste, die auf Stempelpapier ausgestellt ist;
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dem Kurfiirsten Anselm Franz gebiihrt also die zweifelhafte Ehre, diese Be-
8teuerungsform in unserer Gegend eingefuhrt zu habeu. Auch sonst zeigt
sich dieser Landesvater, der spiiter Mainz den Franzosen ausliefertc, in keinem
schonen Licht; die Gcmeinde muss neben den laufenden Ausgaben sieben Steuer-
quartale mit 480 fl. aufbringen, die Ruckstande werden unbarmherzig beigetrieben,
der Hof braucht Geld. Beed, Dienstgeld und Bartholomaizins werden bezahlt;
Geld fur das „Wachtohl u zu Hocht ist als neuc Steuer eingefuhrt worden und
der Landreiter muss unterhalten werden. Trotzdem ist von Schulden nicht viel
zu spiircn; nur von zwei Kapitalien mit je 100 fl. werden die Zinsen bezahlt. —
Das Jahr 1686 ist fur Schwanheim insofern von besonderem Interesse, als die
neue Kirche, die heute noch dient, erbaut wurde. Da Frankfurt die Kosten zu
bestreiten hatte, war die Angelegenheit lang hinausgezogen worden und die
Gemeinde hatte schliesslich den Erzbischof zu Hulfe gerufen. Kosten erwuchsen
ihr aus dem Bau nicht viel, nur 30 fl. werden gespendet und daneben einige
kleinere Betrage als Weinkauff bei Verdingung der Bauarbeiten und bei frei-
willigen Fahrten verzehrtes Geld.
Wieder fehlen vier Jahresrechnungen; die nachste, die von 1691, entrollt
uns ein entsetzlich trauriges Bild. Die Pfalzverwiister sind ins Land gebrochen,
der Erzbischof hat ihnen das feste Mainz, den Schliissel zum Mainland, in die
Hande geliefert, sie haben die Festung Riisselsheim genommen und sind sengend
und brennend bis gegen Frankfurt vorgedrungen. Schwanheim, als kurmainzisch,
ist wohl dem Schicksal entgangen, das in der Neujahrsnacht 1688 — 89 Oberrad
und den Sandhof, und kurz darauf auch Niederrad betraf, aber um so schwerer
hat es unter den Bedruckungen seines Landesvaters gelitten. Der Schreiber der
Rechnung hat das wohl empfunden; denn er hat die Steuern und Verpflegungs-
kosten gesondert gestellt und mit grosser Schrift darunter die Ziffer 1320 fl.
11 alb. 1 3\ gesetzt. Dabei miissen wir immer noch bedenken, dass das nur
das bare Geld ist, das durch die Hande der Biirgermeister ging; die Natural-
lieferungen, die Einquartierungen und was die Soldaten raubten, kommt in den
Rechnungen nicht vor. Und so ist es schon ein paar Jahre gegangen; denn die
Gemeinde hat dem Carpenwirt H. P. Hemmerich in Hochst 22 fl. 15 alb.
Zins zu zahlen und an andere Personen 17 fl. 15 alb., hat also gegen 800 fl.
Schulden machen miissen. Auch Krankheit muss gewutet haben ; denn es findet
sich ein Posten, „den Gemeindehirten undt edlich arme so allher gestorben, zu
begraben", mit einer einzigen Ausnahme die erste Spur von Ortsarmen, die
sich in den Rechnungen zeigt. —
Mit 1692 beginnt eine andere Art der Rechnungsstellung, aber das Bild
bleibt gleich traurig. Umsonst geht eine Deputation von vielen Gemeinden des
Amtes nach Aschaffenburg, einen Nachlass zu erbitten; der Erzbischof braucht
Geld und 806 fl. werden von der verarmten Gemeinde erpresst; daneben noch
184 fl. „Krieg8C08ten a , besonders veranlasst durch die kurstichsischen Truppen,
die in unserer Gegend ihr „refraichir quartir" genommen. — 1693 bringt insofern
eine Erleichterung, als die Truppendurchmarsche eine Zeit lang aufhoren und
die „Kriegscdsten tt auf 22 fl. sinken, aber die voile Kontribution von 800 fl.
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muss wieder bezahlt werden, und ebenso in 1694, obwohl da die Kriegskosten
sich wieder mit 382 fl. angesetzt finden. Der Gemeinde wird insofern eine
Erleichterung, als „unser Herrgott ein gut Eckern im Wald bescheert"; nicht
nur die Nachparn in Schwanheim konnen ihre Schweine gut und billig masten,
auch aus der ganzen Nachbarschaft werden sie zugetrieben, woraus der Gemeinde
eine Einnahme von 200 fl. erwachst. Auch werden ein paar Stamme aus dem
Wald fur 100 fl. verkauft, ein Geschaft, welches das Amt zu einem Monitum
veranlasst, ob dabei auch die neuen forstpolizeilichen Vorschriften befolgt worden l ).
Fur die Schweine wird im Wald eine Steige, eine Einzaunung errichtet; der
Ausdruck, welchem die beiden Forsthauser im Frankfurter Wald ihren Namen
verdanken, war damals also noch gebrauchlich.
Erst in 1696 finden wir eine Wendung zum Besseren; es werden nur funf
Monatsziele erhoben, der Rest auf gehabte schwere Einquartierung angerechnet.
Das Wunder wird durch eine folgende Rubrik erklart, es wird Palliumsgeld
gefordert, der Erzbischof ist gestorben und sein Nachfolger schlagt andere Batmen
ein. Wohl mag die Einquartierung schwer auf den Leuten gelastet haben, in
der Gemeinderechnung erscheint sie nur mit 44 fl. und manche kleine Umstande
beweisen, dass die Schwanheimer wieder neuen Lebensmut fassen. Die Wiesen
werden wieder in Ordnung gebracht, Entwasserungsgraben angelegt und Briicken
dariiber gebaut, auch eine neue Wiese wird ausgerodet und mit Graben versehen,
die wieder von einem fremden Seegraber angelegt werden. — 1698 dauerri die
giinstigen Verhaltnisse noch fort; 4 Monate Schatzung sind erlassen worden, die
Gemeindemehlwage wird wieder ausgebessert, der Brunnen gesaubert, die
Gemeindelinde vor dem Thor wird vom Zimmermann eingefasst und gestiitzt,
es werden Ruhebanke im Feld (zum zeitweiligen Absetzen der auf dem Rucken
getragenen Lasten?) errichtet und die Wege neu gemacht. Die Turmuhr
ist schadhaft geworden; der Uhrmacher von Dietenbergen kommt zweimal und
doktert daran herum, kann sie aber nicht in Ordnung bringen und schliesslich
muss „der grosse Uhrmacher von Frankfurt genannt Caspar Wiltpret" kommen
und gut machen, was durch den Dietenberger daran verdorben. Die Kriegs-
kosten sind bis auf riickstandige 4 fl. 40 alb. verschwunden, und wenn auch die
Gemeindeschulden noch unvermindert bestehen, sind doch die letzten Jahre des
Jahrhunderts fiir die schwer gepriifte Gemeinde die erfreulichsten, die sie seit
1620 erlebt. —
Nicht ohne Interesse ist, dass auch am Ende des XVII. Jahrhunderts das
„ungeboden Ding", das eigentlich zwischen den Jahren zu halten war, und das
l ) Diese Stelle ist in einer Beziehung ftir Schwanheim sehr wichtig; sie zeigt uns die
Gemeinde im freien Besitz ihres Waldes, wahrend in den Weistumern der Abt von St. Jakob
anscheinend als Grundeigentumer und die Gemeinde nur als mitberechtigt auftritt. Es muss
sich das nur auf einen Teil des "Waldes bezogen haben, vielleicht auf den Bruch, der auch heute
nicht Gemeindeeigentum ist. Entsprechend heisst es auch schon im Weistum von 1421, dass
die Bussen aus dem hohen Waldo der Gemeinde allein zufielen, wahrend an die aus dem Bruch
auch dor Abt und der Vogt Anspruch hatten. Die Regierung hatte es gewiss nicht unterlassen,
ihren An teil zu vorlangen, wenn der Wald nicht von altorshor freies Gemeindeeigentum
gewesen wfire.
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Maygericht ganz nach alter Sitte abgehalten werden, wenn ihre Wichtigkeit
auch langst verschwunden ist. Am Januargericht, das gewohnlich auf 18. Januar
abgehalten wird, werden der Hirt und die Gemeindediener gedingt, aber dabei
werden immer noch die alten, schon im XV. Jahrhundert kaum mehr verstandenen
Spriiche und Fonneln wieder hervorgeholt, deren Kenntnis erst der jungsten
Generation abhanden gekommen ist. Bis dahin wurden sie, nachdem die
Gemeindegericht8barkeit langst verschwunden, jedes Jahr bei der Hebung des
Andreashafers, die auch in der schlimmsten Kriegszeit kaum jemals unterbrochen
worden sein mag, wiederholt, wenn ihr Sinn wohl auch langst nicht mehr ver-
standen wurde.
II. Nied im dreissigjahrigen Krieg.
Im Archiv der Burgermeisterei Griesheim a. M. befindet sich ein altes Buch,
das mir ganz zufallig einmal vor die Augen kam und das manches Interessante
nicht nur fur die Angehorigen der damals gemeinschaftlich von einem graflich
hanauischen Schultheissen verwalteten Nachbarorte Nied und Griesheim allein
enthalt. Auf dem Titelblatte steht: Protocollum zue Nidda und Gries-
heim, angefangen den 1. May Anno 1639, gehalten durch mich Georg Nutzel,
Schultheysen daselbsten. Deus est mihi solus Asylon. — Es ist w r enigstens im
Anfang in klarer deutlicher Handschrift geschrieben, offenbar von einem tuchtigen
gebildeten Mann, den die graflich hanauische Regierung, als Lehenstragerin des
Gerichts vom Bornheimer Berg Oberherrin zwischen Main und Nidda, in die
verwustete Gegend setzte, um wieder geordnete Zustande zu schaffen. Wir
ersehen aus dem Buche, dass das notig war; denn seit der Nordlinger Schlacht
war in der Gegend eine vollige Anarchic eingerissen und keine Gemeinderechnung
mehr aufgestellt und abgehort worden seit 1632. Der neue Schultheiss hat sein
Buch ordentlich und gewissenhaft gefiihrt, obschon er in seinem Amte wenig
Freude erlebte, bis er nach 4 schweren Jahren Gelegenheit fand, in Isenburg-
Meerholz'ische Dienste zu treten und als Keller nach Meerholz uberzusiedeln.
Sein Nachfolger Johann Valentin Horneck hat das Protokollum leider nicht in
derselben Weise weiter gefiihrt und sich auf recht magere Eintrage beschrankt.
Gleich das erste Blatt giebt einen deutlichen Beweis von dem Elend,
welches der Krieg uber die Gegend gebracht. Von etwa 40 Pamilien ist die
Nachparschaft zu Nied herabgesunken auf 13, dabei eine Witwe, und von
diesen 13 werden 3 weitere als in den nachsten Jahren verstorben bezeichnet.
Griesheim hat noch 12 Burger, darunter 3 Witwen. In welchem Zustande die
Gemeinde Nied war, mag folgender wortlicher Auszug aus dem Protokollum
beweisen :
„1640 den 6. July hab ich auss Befehl Herrn Oberschultheissen uff der
Gemeindt zu Nidt Friichten einen arrest gelegt, dergestalt, dass sie Keine ver-
fuhren sollen, bis so lang sie erstlich mit dem Herrn Oberschultheisen der
hinderstendigen — und dann dem Herrn Keller der ferndigen Herrn Renthen
balber einen Willen gemacht haben.
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Hierauff hatt die Gemeindt undt ein Jeder absonderlich angelobt innerhalb
14 Tagen von dato ahn zu rechnen, ein Jeder so schuldig 8 fl. uff abschlag, das
iibrig aber ins Kunfftige, wann Gott seine Gnad verleihen wirdt, dass die Gemeindt
Schwein in Waldt bekompt, zahlen wollen. Es ist etwas bezahlt worden, wie
in dem Register de anno 1638 zu sehen ist, das iibrige hatt nicht erhoben werden
konnen, weil die Gildehasische Yolker nacher Nidt und Griessheim kommen und
uff zehn Tag allda gelegen, und die Sommerfriichten auch biss auf ein Handvoll
all verfuttert und verderbet haben. tt
„1640 den letzten Augusti mich mit Hrn. Oberschultheissen wegen der
binderstandigen Herrn-Renthen, so die Gemein zu Nidt noch schuldig ist, und
was ich wegen der Gemein gezahlt hab, berecbnet, dass nehmblich dieselbe vom
Jahr 1037 vollig und die de anno 1638 zu verschieden mahlen bezahlt sindt bis
uff Siebentzig fiinff Gulden laut Quitt."
„Den 2 Novembris haben die Biirgermeister zu Nidt im Beysein meiner
des Schultheissen von diesem 1640 8ten Jahr mit dem Keller Bornheimer Bergs,
Herrn Johann Denharden, wegen der Herrn Renthen abgerechnet und ahn
den 132 V* fl., so es dass Jahr ertragen thut, bezahlt J /±» nemblich 33 fl. 4 alb.
Die iibrigen 3 /4 thl. aber hat gniidige Fiirstin uff underthaniges Suppliciren auss
lauter furstlicher Milde und Gnade der Gemein wegen erlittenen ^rossen Schadens
nachgelassen und geschenckt. Ist also dass 1640 8te Jahr nunmehr wass die
Renthen anlangt gantz richtig und bezahlt laut dem Biirgermeister Jacob Branden
gegebener Quittung.
Dessgleichen die Rauch und Leibhiiner seindt auch richtig und damahls
bezahlt worden, laut erstgedachter Quittung/
„1641. Den 10 Januarii kompt die gantze Gemeindt zu Nidt clagent, weil
sie nun seit der Nordlinger Schlacht nicht ein Vierthel Jahr biss dato im
Flecken wohnen konnen, auch nun mehr die noch wenig iibrige Heusser gantz-
lichen von denen in Hochst bis dahero gelegenen Soldaten abgerissen und daselbst
hin getragen worden, sey Ihnen ohnmoglich die Nachparschaft zu Nidt langer
zu unterhalten undt sonderlich dafern unsern Gn. Herrschaft Ihnen an den
standigen Herrngeldern, wie auch der wochentlich angesetzten Contribution
nicht einen Nachlass theden, angesehen da vor diesem 40 und mehr, jetzt aber
nur 10 Nachparn wehren. Es miisste ein jeder sehen, wo er hinkiime, und seyn
bestes suchen."
Der Schultheiss macht davon miindlich dem Oberschultheissen Bornheimer
Bergs Mitteilung und erstattet auch der Regierung einen schriftlichen Yorbericht,
welcher die Angaben der Gemeinde bestatigt. Es werden verschiedene Nachparn
nach Hanau citiert, und sie errcichen, dass die Regierung ihnen die aufgelaufenen
Ruckstande bis ultimo Decembris 1640 erlasst und sich fur 1641 mit der Halfte
der Ronton begnugen will, „versehe sich aber dieses Jahr fordersamster Erlegung".
— Die ruckstandigen Zahlungen der Gemeinde und des Kirchenbaues (Kirchen-
fonds) an den Schulverwalter zu Hanau von 1634 an mit 28 resp. 21 fl. werden
der Gemeinde aber nicht erlassen, sondern weiter zur Last geschrieben.
Die Erleichterung war iibrigens fur die Gemeinde durchaus ungeniigend,
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und so finden wir am 13. Oktober desselben Jahres, wo der Burgermeister die
Rechnungen von 1632 — 1638 zur Abhorung bringt, eine neue Beschwerde,
folgenden Wortlauts:
„Den 13 Octobris hatt sich die Gemeindt zu Nidt beclagt, dass ins Kiinfftig
Sie die Nachparschafft daselbsten zu halten nicht vermochten, auss denen Uhr-
sachen, weil die standige Gelder sich so hoch belieffen, Ihrer aber iiber fiinff
nicht, so sich der Gemeinschafft recht annehmen; ist derwegen nachfolgendes
Herrn Dr. Geisseln iibergeben worden, als folgt.
Pro memoria.
bey Vorlegung undt Abhorung der Gemeinde-, auch Kirchenbau-Rechnungen
zu Nidt wird hiermit ahnstatt Berichts erinnert, und zu M. Gnadigen Herrschaft
forderlichster resolution gestelt, weil periculum in mora, indeme die wenigen
Underthanen sich sonsten verlauffen, oder anderwerts niederlassen, weilen Sie aus
desperation die schwere Last nicht ertragen konnen:
1) Ist diese Gemeindt vorhin bis in 40 Mannschaften stark bewohnt und
mit guten Mitteln versehen gewesen, da sie dann unserer Gn. Herrschaft in
Hanauw Jahrlichen an Beedhe standig — 50 fl., Atzgeldt — 45 fl., stlindig Ungeldt
— 25 fl., beneben dem unstandigen Dienstgelt, namlich jeder Nachpaar — 1 fl.,
und ein Wittfrauw — 12 ^ entrichtet.
2) Ob nun wohl in Anno 1622 der Flecken mehrentheils durch die Braun-
schweigischen Yolker abgebrandt, so haben Sie jedoch sich understanden, wiederumb
etliche Wohnheusser uffzurichten, biss ins Jahr 1634 undt forthehn folgende
Jahr sie endlich also durch verschiedene Kricgs-Volcker, so wohl auss Hochst
und darin liegender Guarnison, als anderen stattigen IJberzugen so vielfaltig
bedrangt worden, dass nicht allein die AVohnheusser bis auf ein eintziges gantz
umbgerissen undt verbrant, sondern auch die Underthanen und Inwohner biss uff
fiinf paar Eheleuth undt etliche wenige ledige Persohnen ubrig seindt, so obige
Last und Renthen einer Gn. Herrschaft nicht entrichten konnen, undt da sie
derentwegen nicht uff ein gewissen Fuss undt gute Zeit so erleichtert undt dessen
schriftlich versichert wern, dass sie wiederumb bawen, undt bey guten Leuthen
umb Hulff bewerben konnen, auss Noth und Unvermoglichkeit wider Ihren
Willen sich anders wohin begeben mussen. Weil nun dieser Ortt gleichsam ein
Grentzstein undt in den Actis bei meiner Gn. Herrschaft Cantzley genugsamb
erscheint, wie mann sich der Mayntzischer Hochster Zunothigung vielmals, so
gut jedesmahls moglich gewesen, setzen und legen musse, ihre gesuchte Eingriffe
zu verhiiten, undt derentwegen notig, dass man sich angehorter massen, umb
auch angezogener Uhrsachen gegen die Underthanen erclart, damit Sie wieder-
umb zusammengebracht undt so viel moglich ein Gemeinschafft uffgericht werde.
3) Wirt ferners berichtet, dass nach aussweissung dess Kirchenbauwrechnung
sich zwar albereits jetzo ein ziemblicher Recess befindet, so dahero erwachsen,
auch hinfiiro taglich je langer je mehr wachst undt von Jahren zu Jahren
grosser wird, weil derselbe jedesmahl fortgeschrieben undt doch wenig oder fast
nichts einkompt, denn die Fenige, so Pension, Zinss oder Pfacht in Bauw geben,
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110
mehrentheils verstorben, dahero die Giiter wiist liegen undt also nichts zu erlangen,
umb welches willen dann der bias dato gewesene Baumeister auch erleichtert,
undt wie es inskunfftig damit gehalten sein soil, beschieden sein will.
So iibefgeben Hanauw den 15 Octobris 1641.
Johannes Schwartz
(Oberschultheiss).
Den 25 9bris hat der Bornheimer Bergk undt under andern auch die beyden
Flecken Nidt*und Griessheim dem hochwolgeborenen Graffen zu Hanauw
und Rieneck, Herrn zu Miintzenberg und dero eltestem Sohn und Vormund
gehuldiget und hat im Nahmen Ihrer Gnaden die Huldigung empfangen Hr.
Rottlebe und Ihrer Gnaden Secretarius. Und uff dero Abgesandten begehren
sindt die beiden Gemeinden uffgezeichnet und iibergeben, um wegen vorge-
schriebenem iiberlieffertem Memorials, selbiges in gnedige Consideration zu ziehen,
im Verzeichnus kiirzliche Anregung von mir dem Schultheis gethan worden.
Undt seindt die^Nachparn beyder Flecke der Zeit gewesen, alss folgt:
Nidda:
HanBS Schneider.
Hanss Edel.
Hanss Bingel.
Caspar New.
Philips Hermann.
Caspar Fischer.
Jacob Brandt
Johann Simon.
Johann Bonn.
Hanss Simons W.
Peter Engels W.
Adam Bingels W.
Griessheim:
Philips Biedenbenner, Zentgraf.
Andreas Nock.
Samuel Heberling.
Georg Matthes.
Hanss Stubenrecht.
Thonges Wilhelm.
Hanss Mergenthumb.
Georg Rain.
Hanss Schneider der alt.
Hanss Schneider der jung.
Philips Engels W.
Hans Matthesen W.
Aus anderen Stellen des Buches geht hervor, dass ein Pfarrer zu Nied
langst nicht mehr existierte; das Pfarrgut wird 1640 von dem Pfarrer Adam
Breuel in Bockenheim auf 3 Jahre an Jakob Brand in Nidt verpachtet gegen die
Halfte des Fruchtertrages und einen Teil des Losholzes; Wiesen, Weidenvorth
und Krautgarten erhalt er umsonst dazu.
Aber auch von einem Hirten zu Nied ist keine Rede mehr; die Garnison
in H6ch8t hatte schon dafur gesorgt, dass es kein Vieh mehr zu huten gab.
Etwas besser muss es in Griesheim ausgesehen haben, denn die Gemeinde hat
noch einen Hirten; er heisst Caspar Henckel und ist natiirlich damals schon ein
Fulder. Als er wegen eines Vergehens nebst seiner Lisbeth ausgewiesen werden
soil, verwendet sich aber die ganze Gemeinde fur ihn, w sintemal er sehr getreu
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Ill
und fleissig bei dem Viehe sei, auch die auss Hochst taglich ausstreifenden Reiter
mehrentheils kenne, so dass desswegen sie sich nicht so sehr zu beforchten hatte tf .
Auch wolle er sich mit seiner Lisbeth jetzt religiose kopulieren lassen. Es ist
erfreulich zu horen, dass die Regierung diesem Verlangen allergnadigst stattgab.
Wie selten damals das Zugvieh fast in ganz Deutschland geworden, ist
bekannt; in vielen Gegenden zog der Bauer selbst den Pflug. In unserer Gegend
bildete sich damals der Gebrauch heraus, dass wohlhabende Leute dem Bauer
das Vieh oder Geld zu dessen Ankauf liehen und dafiir die Halfte der Ernte
erhielten. Es muss hier allgemein gebrauchlich gewesen sein; denn in einem
uber ein solches Geschaft aufgenommenen Protokoll sagt der Schultheiss aus-
driicklich: „undt weil es itzund im Land brauchlich, wenn Jemandt einen Ochsen
oder Pferd gibt, derjenige, dem es geliehen wirdt, dem Verleyher umb die Halfft
bauen muss tf . War der Verleiher wohlwollend, so iibernahm er wohl die Halfte
des Risikos, dass das Vieh von Soldaten geraubt werde, „ welches doch Gott
gnedig abwenden moge tf , und, wenigstens in einem der vorliegenden Protokolle,
bei Tod des Viehes durch Erkrankung den ganzen Schaden, bei Fahrl&ssigkeit
dagegen musste der Entleihende aufkommen und dafiir Acker zum Pfand setzen.
Ein paar Ochsen wird mit 90 fl. angesetzt. Dagegen erwirbt ein Frankfurter
Burger und Handelsmann, Herr Cornet, der sich damals einen Hof in Griesheim
zusammenkaufte, eine Hofstatte in diesem Dorf mit alien Rechten und 14 1 /* Morgen
Land um 140 fl.
Es ist eine traurige, schwere Zeit, die wir aus dem Promemoria der Nieder
erkennen; aber es war noch nicht die schlimmste; denn 1644 brachte einen
neuen Eampf um Hochst und eine noch argere Verwiistung der Gegend. Und
dennoch hat der Bauer alle die Schrecken uberdauert und immer und immer
wieder seinen Acker zu bauen versucht, bis ihm endlich der westfalische Priede
eine wenn auch vorubergehende Erleichterung brachte. Wirkliche Ruhe ist
fur unsere Gegend ja erst mit dem Ende des Jahrhunderts eingetreten. Von
den Familien aber, welche uns das Verzeichnis des Schultheisen von 1641 vor-
fiihrt, haben sich die meisten in Nied und Griesheim bis auf unsere Zeit erhalten.
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XVII.
Graf Walrad von Nassau -Usingen bei den ober-
rheinischen Kreistruppen im Turkenkriege 1664.
Nach archivalischen Quellen dargestellt
Ton
Dr. Hermann Forst.
Die verschiedenen Linien des alten graflichen Hauses Nassau sind bekanntlich
erst im XVII. Jahrhundert in den Reichsfurstenstand erhoben worden und
verdanken diese Auszeichnung nicht sowohl der Grosse und Bedeutung ihrer
vielfach zersplitterten Territorien, als vielmehr der hervorragenden Thatigkeit,
welche einzelne ihrer Mitglieder im Dienste des Kaisers und des Reichs entfaltet
haben. Ein solcher Mann war Walrad, Graf von Nassau-Usingen, seit 1688
Reichsfiirst, gestorben 1702 als kaiserlicher und zugleich hollandischer General-
feldmarschall, Gehiilfe des grossen Oraniers Wilhelm III. im Kampfe gegen
Ludwig XIV. Diese Stellung Walrads verleiht seiner Biographie ein allgemein
historisches Interesse, wahrend er in der nassauischen Territorialgeschichte zugleich
als Stifter der erst 1816 erloschenen fiirstlichen Linie von Usingen besondere
Beachtung verdient. So durfte der Versuch, das erste Auftreten Walrads im
Reichsdienste auf Grund archivalischen Materials eingehender zu schildern, nicht
iiberflussig erscheinen.
Walrad *) war als siebenter Sohn des Grafen Wilhelm Ludwig von Nassau-
Saarbriicken am 25. Februar 1635 geboren. Sein Vater hatte gleich den anderen
w 7 etterauischen Grafen bei dem siegreichen Vorgehen des Schwedenkonigs Gustav
Adolf 1631 ein Biindnis mit diesem geschlossen und hielt als eifriger Protestant
mit seinen Briidern auch fest daran, als 2 Jahre nach dem Tode des Konigs
das schwedische Heer 1634 bei Nordlingen geschlagen wurde und der Kurfurst
von Sachsen 1635 mit dem Kaiser den fur die Protestanten so nachteiligen
Prager Frieden schloss. Infolge dessen mussten die Bruder, darunter Wilhelm
l ) So lautet sein Name sowohl in den vorliegenden Akten als auch bei HagelganR,
Geschlechtstafel dos walramischen Stammes pag. 72 — 73, w&hrend andere Schriftsteller des vorigen
Jahrhunderts, wie Berger, Durchlauchtige Welt II, pag. 93 und der Verfasser des Artikels
w U8ingen a in Zedlers Universal-Lexikon LI, pag. 861 ff., die Form Volradus resp. Volrath
gebrauchen. — Die ausfulirlichsten biographischen Notizen iiber Walrad linden sich meines
Wissens bei Hagelgans a. a. 0. Was Kollner, Geschichte von Saarbrucken pag. 335 ff. sagt,
beruht ganz auf Hagelgans. Bei Menzel, Geschichte yon Nassau VI, wird Walrad nur
gelegentlich erwShnt.
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113
Ludwig, noch im September desselben Jahres vor den anruckenden Raiserlichen
nach Metz unter franzosischen Schutz fliehen. Ihre Besitzungen wurden unter
katholi8che Fursten und Edelleute verteilt; Saarbriicken und Saarwerden erhielt
der Herzog von Lothringen 1 ). Wilhelm Ludwig starb schon nach 5 Jahren,
1640, im Exil zu Metz; seine Witwe leitete die Erziehung der Kinder. Erst
durch den westfalischen Frieden erhielten die nassauischen Grafen ihre Lander
zuruck. Im Jahre 1651 nahmen sie eine neue Verteilung derselben vor 2 ). Dem
16jahrigen Walrad fiel dabei die Herrschaft Usingen zu 8 ). Er ging zunachst
aber nach Frankreich zuruck, studierte 1652 zu Saumur und trat dann als
Rittmeister in franzosische Dienste. Bald aber nahm er wieder seinen Abschied,
da seine Hoffnung, ins Feld zu kommen, sich nicht erfullt hatte. Er bereiste
nun verschiedene L&nder, kehrte um 1659 in die Heimat zuruck und nahm seinen
Wohnsitz in Usingen. Da eroffnete sich ihm 1663 eine neue Gelegenheit, seine
kriegerischen Neigungen zu befriedigen.
Bekanntlich hatte im XVI. Jahrhundert die turkische Macht ihre weiteste
Ausdehnung nach Westen hin erreicht. Die grosse niederungarische Tiefebene
war dem osmanischen Reich e unmittelbar einverleibt; Paschas residierten in
Temesvar und Ofen. Nur ein schmaler Landstrich im Westen und Norden mit
Pressburg als Hauptstadt, Raab, Neuhausel und Eperies als Grenzplatzen, gehorchte
als „Konigreich Ungarn" dem Hause Habsburg. Siebenbiirgen, welches sich
damals in nordlicher Richtung bis nach Kaschau erstreckte, war ein Vasallenstaat
der Pforte; der Fiirst wurde vom Lande gewahlt, aber vom Sultan bestatigt.
Da nun in der Regel mehrere Pratendenten um den Fiirstenstuhl stritten, so
bildete sich leicht eine Partei, welche, durch die Entscheidung des Sultans verletzt,
bei Osterreich Schutz und Hiilfe suchte. Anderseits fehlte es im Konigreich
Ungarn nicht an Elementen, welche, mit der habsburgischen Herrschaft unzufrieden,
sich den Tiirken zuwandten. Dazu kamen bestandige Grenzverletzungen : turkische
Irregulare fielen pliindernd in das kaiserliche Gebiet ein, ungarische und kroatische
Scharen vergalten dies durch Raubziige ins osmanische Land 4 ). Die Bemiihungen
der kaiserlichen Diplomaten in Constantinopel vermochten diese Ubelstande
nicht zu beseitigen; jeder Friedensschluss rief neue Irrungen hervor. Kam es
aber zum Kriege, so war der Kaiser nicht imstande, mit den Kraften seiner
Erblande allein den Osmanen ,die Spitze zu bieten; er musste die Hiilfe des
Reiches in Anspruch nehmen. Fur das Reich hinwiederum war es eine Lebens-
frage, die Tiirken nicht bis an seine Grenzen vordringen zu lassen, wollte man
nicht schliesslich das Schicksal der Balkanlander und Ungarns teilen. Darum
waren seit dem Jahre 1529 mehrfach Reichsheere gegen die Unglaubigen ins
Feld gezogen, jedoch im ganzen mit geringem Erfolge. Im Gefechte freilich
zeigten sich die deutschen Landsknechte und Reiter den Janitscharen und
Sipahis gewachsen; aber auf turkischer Seite war tJberlegenheit an Zahl, ein-
*) Keller, Drangsale des nassauischen Volkes pag. 253 ff. Schliephake-Menzel VI, pag. 506.
— 2 ) Schliephake-Menzel VI, pag. 511. — s ) Definitiv erst bei einer neuen Teilung 1659
(Hagelgans a. a. O.). — 4 ) tJber diese Verhaltnisse vgl. Zinkeisen, Geschichte des osmanischen
Reiches III, pag. 643 ff.; IV, pag. 865 ff.
Anualen d. Ver. f. Naaa. Altertamsk. a. Gcschicbtsf. XX. 8d. 8
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heitliche Leifcung und strenge Disziplin. Der Ausbruch des 30jahrigen Krieges
endlich machte ein gemeinsames Auftreten des Reiches gegen Osten unmoglich.
Zum Gluck war die Pforte in der ersten Halfte des XVII. Jahrhunderts durch
Kriege gegen Persien und Venedig, sowie durch innere Unruhen gelahmt und zu
grosseren Unternehmungen gegen den Kaiser unfahig. Erst im Jahre 1661
brach ein neuer Krieg zwischen beiden Machten aus. Die Turken hatten mit
Erfolg versucht, Siebenbiirgen, welches unter seinen letzten Fiirsten sich ziemlich
selbstandig gemacht hatte, wieder unter ihre Botmassigkeit zu bringen; die
nationale Partei des Landes rief dagegen osterreichische Hiilfe an und kaiserliche
Truppen riickten ein, vermochten jedoch nicht, der Ubermacht des Peindes zu
widerstehen. 1662 waren die Turken Herren des Fiirstentums und im folgenden
Jahre, 1663, drang der Grossvezier Achmed Koprili mit einem Heere von
200,000 Mann in das Konigreich Ungarn selbst ein. Neuhausel wurde nach
langer Belagerung am 26. September genommen; die Tataren streiften pliindernd
und verheerend nach Mahren hinein bis in die Nahe von Olmiitz; der kaiserliche
General Montecuculi, der nur 6000 Mann zur Verfiigung hatte, musste sich
darauf beschranken, Raab und Pressburg zu decken. Mit Anbruch des Winters
zogen die Osmanen sich zuriick; doch war fur das kommende Jahr ein neuer
Angriff zu erwarten *)•
In dieser Not hatte der Kaiser die Hiilfe des Reiches angerufen. Aber
der Regensburger Reichstag verhandelte das ganze Jahr 1663 hindurch, ohne
zu einem festen Beschlusse kommen zu konnen. Erst das selbstandige Vorgehen
einzelner Reichsstande riss die iibrigen mit fort. Der grosse Kurfiirst Friedrich
Wilhelm von Brandenburg hatte bereits im September Hiilfstruppen nach Ungarn
geschickt 2 ); dann stellte die Rheinische Allianz, jener zwischen den drei geistlichen
Kurfiirsten und einigen anderen westlichen Reichsstanden unter franzosischer
Protektion geschlossene Bund, ein Corps von 6500 Mann auf, welches Ende
Dezember in Ungarn eintraf 8 ). Endlich, im Januar 1664, einigten sich auch
die Kollegien des Reichstages dahin, eine Reichsarmee aufzubringen, welche
ohne die bereits im Felde stehenden Kontingente und ohne die Kaiserlichen
selbst 4037 Mann zu Pferde und 16956 zu Fuss zahlen sollte 4 ).
Um ein solches Heer zu sammeln, bestimmte man zunachst, wieviel jeder
der neun in Frage kommenden Reichskreise zu stellen hatte. Dabei wurde
eine aus dem XVI. Jahrhundert stammende Matrikel, welche die Leistungeri
der einzelnen Reichsstande regelte, zu Grunde gelegt. Die Kreise verteilten dann
ihren Anteil nach derselben Matrikel auf ihre einzelnen Mitglieder (Fiirsten,
Grafen, freie Stadte), setzten den Termin fur die Musterung und den Abmarsch
der Truppen fest und ernannten die Offiziere. Die Anwerbung der Soldaten
geschah durch die einzelnen Kreisstande. Diese hatten ihre Mannschaft selbst
l ) Montecuculi, M^moires (franzosische Ausgabe, Strassburg 1735) pag. 387—412. —
s ) Droysen, Geschichte der preussischen Politik III, 3, pag. 33. — a ) Theatr. Europ. IX,
pag. 966 ff. Vgl. Droysen a. a. O.; Bohm, Der Kheinbund und seine Geschichte, in der Zeit-
schrift fur Preussische Geschichte und Landeskunde V, pag. 217 — 252. Das Werk von E. Joachim
behandelt leider diese Zeit nicht mehr. — 4 ) Beilage A. Theatr. Europ. EX, pag. 1100 ff.
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auszuriisten und wahrend der ganzen Daiier des Feldzuges zu unterhalten, indem
sie den Sold, sowie einen bestimmten Satz fur Proviant und Munition an die Kreis-
kasse zahlten, worauf letztere das Weitere besorgte. Ausserdem wurden von alien
Beitrage fiir den Gehalt der Stabsoffiziere und der vom Reich ernannten Generate,
sowie fiir die Artillerie und andere Ausgaben allgemeiner Art verlangt.
Die walramischen Linien des Hauses Nassau (Idstein, Weilburg, Saarbriicken)
gehorten zum oberrheinischen Kreise, hatten also zu dessen Truppen ihr Kontingent
zu stellen. Graf Walrad und sein Bruder Gustav Adolf von Saarbriicken hatten
sich bereits im Winter 1663 an den Pfalzgrafen von Simmern, den einen der
kreisausschreibenden Fiirsten, mit der Bitte um ein Kommando, und zwar Walrad
bei der Kavallerie, Gustav Adolf bei der Infanterie des Kreises, gewandt. Der
Pfalzgraf teilte ihren Wunsch seinem Kollegen im Kreisdirektorium, dem Bischof
von Worms, Johann Philipp von Schonborn (der damals zugleich Erzbischof von
Mainz und Bischof von Wiirzburg war) mit und erhielt eine zusagende Antwort *).
In gleichem Sinne scheint Walrad an die anderen bedeutenderen Fursten des
oberrheinischen Kreises geschrieben zu haben 2 ).
Bei dem schwerfalligen Geschaftsgange der zu Regensburg (neben dem
Reichstage) beratenden Kreisversammlung dauerte es langere Zeit, bis Walrads
Stellung geregelt war. Die Unterhandlungen fur ihn fiihrte der gemeinsame
Abgeordnete des wetterauischen Grafenverbandes, Joachim Hagenmeier. Die
Thatigkeit dieses Mannes musste sich allerdings sehr zersplittern, da er die
Interessen so vieler kleiner Herren zu vertreten hatte. Am —pr-^J^r- konnte
6. Mai
er berichten, dass Walrad als Oberst die Reiterei des Kreises fiihren sollte 8 ).
Die spateren Beschlusse der Kreisversammlung brachten jedoch fiir Walrad
einigen Verdruss mit sich. So bewilligte der Kreis dem Obersten eine fiir die
damaligen Verhaltnisse nur geringe Anzahl von Reit- und Packpferden; auch
wurde der Termin zur Musterung der Kreistruppen auf den ^tt Juni hinaus-
geschoben, wahrend die Regimenter der anderen Kreise bereits im April each
Ungarn abmarschierten 4 ). Der Hauptgrund dieser Verzogerung scheint darin
gelegen zu haben, dass die von den einzelnen Standen an die Kreiskasse zu
zahlenden Beitrage sehr langsam und unvollstandig eingingen.
Die Werbungen selbst wurden bereits seit Anfang April eifrig betrieben.
Ein Schreiben des weilburgischen Beamten Hedeman an Graf Walrads Rentmeister
Schmidborn vom 8. April a. St. (18. April n. St.) giebt dariiber nahere Auskunft 5 ).
Danach stellte Weilburg den daselbst angeworbenen Reitern Pferde, Waffen
und Ausriistung, den Infanteristen das Gewehr, alien ausserdem Handgeld und
Wartegeld bis zum Abmarsch. Wir besitzen ferner ein Protokoll vom 27. Mai
a. St. iiber die in Nassau-Idstein fiir die Infanterie des Kreises geschehenen
Werbungen. Nassau-Idstein hatte dazu 23 Mann aufzubringen. Es wurde nun
den einzelnen Gemeinden auferlegt, bis zu einem bestimmten Termin einen oder
l ) Beilage Bl. — 2 ) So an Fulda, Beilage B2. Vgl. auch den Brief der Landgr&fin von
Hessen, Beilage CI. — 3 ) Beilage Dl. — 4 ) Beilage D2. — 6 ) Beilage C2.
8*
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lie
zwei Mann anzuwerben und den graflichen Beamten zur Einkleidung vorzufuhren.
Unter den so zusammengebrachten Leuten befinden sich verhaltnismassig wenige
Landeskinder; meist sind es fremde Handwerksburschen und Knechte. Wir
finden darunter drei Wallonen, einen Lothringer, einen Elsasser, einen Bayer,
einen Tiroler, einen Niederosterreicher, einen Ungarn 1 ).
Abenteuerlust, Arbeitsscheu, Hoffnung auf ein ungebundenes Kriegerleben
und auf Beute mochten die meisten dieser Gesellen zu den Fahnen locken.
Doch auch andere Motive fuhrten dem Heere Ereiwillige zu. So meldete ein
Hoftrompeter aus Kassel sich bei Graf Walrad zur Teilnahme am Kriege, weil
er nach den Statuten seiner Genossenschaft wenigstens einen Feldzug niitgemacht
haben musste 2 ).
Die Starke des Reiterregiments war auf 300 Kopfe angesetzt. Es sollte
ursprunglich in vier Kompagnieen zerfallen, wurde jedoch schliesslich in fiinf
geteilt, um auch dem Grafen Heinrich von Solms, der sich nachtraglich um eine
Rittmeisterstelle beworben hatte, eine solche zu geben. Den Etat einer dieser
Kompagnieen zeigt ein undatiertes, anscheinend kurz vor der Musterung abgefasstes
Konzept. Die nassauischen Lande stellten zu dieser Kompagnie den Rittmeister
(Graf Walrad selbst, da er als Oberst zugleich die erste Kompagnie zu fiihren
hatte), zwei Korporale, einen Musterschreiber und 26 Reiter 8 ).
Es gab indessen auch Dinge, die ihrer Natur nach von mehreren Kreis-
standen gemeinsam beschafft werden mussten, so der bei jeder Kompagnie
erforderliche Proviant- und Krankenwagen. Unterm 5. Juni a. St. ersuchte
Walrad den Grafen Friedrich von Hanau, den betreffenden Wagen fur die aus
dem hanauischen und solmsischen Kontingent zu bildende Kompagnie zu beschaffen.
Graf Friedrich aber lehnte dies ab mit dem Bemerken, dass er bei der Kurze
der Zeit (es war 5 Tage vor der Musterung) die notigen Umlagen auf seine
Unterthanen nicht machen konne, um den Wagen bis zum angesetzten Terrain
zu stellen; seinen Beitrag dagegen wolle er nachzahlen 4 ).
'Am 2q' Juni war der grosste Teil der Truppen bei Frankfurt versammelt;
l ) St.-A. Nassau - Usingen, Kriegssachen 1664. Die Schultheissen der verschiedenen
Gemeinden stellen die von denselben angeworbenen Leute yor: Gemeinde Ram bach und
Sonnenberg hat den Jakob Schneider aus Steinberg bei Giessen geworben; Gemeinde
Erbenheim den Hans Georg Schraut von Eettich bei Koblenz; Gemeinde "Wiesbaden den
Georg Eder aus Osterreich, 2 Meilen von "Wien, einen Zimmermann, und Benedikt Bftrtel aus
Tirol, Zimmergesell; Gemeinde A ur in gen: Andreas Hoffmann von Walsdorf; Gemeinde
Bierstadt: Michel Burger von Klemburg in Ungarn; Gemeinde Dotzheim: Hans Peter
Schwartz von Elsasszabern ; Gemeinde Schierstein: Georg Dasen von Audena aus Flandern;
Gemeinde Biebrich-Mosbach: Franz von Ostin aus Niepern in Flandern; Gemeinde
Kloppenheim: Hans Georg Konigsfeld von Sonnenberg; Gemeinde Wehen: Kaspar Hans
Heinrich Bucheit von Bierstadt; Gemeinde Burgschwalbach: Jean de Force aus Mergen in
Flandern und Johannes Meurer aus Ailsdorf bei Nied; Gemeinde Id stein: Johann Wilhelm
aus Nomeny in Lothringen; Gemeinde Hefftrich: Wolfgang Hafher von "Wassenberg in
Bayern. — 2 ) Beilage CI. — s ) Beilage Elb. Wie die Zahl 26 hineinkommt, ist nicht klar.
Ursprunglich sollte das Gesamthaus Nassau nur 4 Reiter stellen (Beilage El a, wo der Etat
des Regiments nach dem ursprunglichen Anschlage zu finden ist) ; bei der Musterung aber waren
von Nassau 12 Reiter vorhanden, wofUr eine Anzahl Infanteristen fehlten. — *) Beilage E 2, 3.
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117
die noch fehlenden langten in den folgenden Tagen an. Auch die Deputierten
des Kreises erschienen, urn die Musterung abzuhalten. Aber sofort zeigte sich
eine grosse Schwierigkeit: in der Kreiskasse war kein Geld, da die erforderlichen
Beitrage nicht eingegangen waren. Und doch konnte man ohne Geld die Truppen
nicht abmarschieren lassen. Sie mussten also mehrere Tage in der Umgegend
im Quartier bleiben 1 ). Durch eine auf den Namen des Kurfiirsten von Mainz
gemachte Anleihe wurden endlich die notigsten Mittel beschafft. Nun fand am
14
sj Juni zuerst die Musterung des Regiments zu Pferde statt. Es zahlte 298 Kopfe
und zerfiel in fiinf Kompagnieen. Die erste oder Leibkompagnie, 54 Kopfe, fuhrte
Oberst Graf Walrad selbst; die zweite, 74 Kopfe, der Oberstwachtmeister Wolf
Menzinger; die dritte, 58 Kopfe, befehligte der Rittmeister Friedrich Wilhelm
Graf zu Wittgenstein; die vierte, 61 Kopfe, Hans Peter Pfleger; die funfte,
51 Kopfe, Graf Heinrich von Solms-Braunfels. Die vierte Kompagnie war
ausschliesslich von der Stadt Frankfurt gestellt. Sofort nach der Musterung
setzte sich das Regiment in Marsch nach Osterreich 2 ). Das Fussvolk wurde
17.
3 Tage spater, am ^ -' Juni, besichtigt. Es zerfiel in zwei Regimenter; das erste,
780 Mann, stand unter Walrads Bruder Gustav Adolf von Saarbriicken, das
zweite, 793 Mann, unter Graf Philipp von Solms.
Uber die Schicksale Walrads und seines Regiments in dem Feldzuge geben
die vorliegenden Akten nur einige Andeutungen. Zunachst findet sich da ein
Bericht des Kreiskommissars Christian Calenberger, der die Truppen begleitete
und die Funktionen eines Zahlmeisters und Intendanten versah. Derselbe war
mit der Infanterie nach Regensburg marschiert und von da zu Schiflf nach Wien
19.
gekommen. Das Regiment zu Pferde langte am Q( r ! Juli in Wien an und zog
gleich am folgenden Tage weiter nach Ungarisch-Altenburg, wahrend das Fussvolk
wieder zu SchifF nach Pressburg gebracht wurde. Calenberger deutet an, dass
die Reiterei unterwegs zu Klagen Anlass gegeben hahe*).
Die oberrheinischen Kreistruppen kamen zu spat, um noch an den ent-
l ) "Walrads Brief Beilage F 1. Im Staats-Archiv. Nassau-Usingen, Oberrheinische Kreis-
sachen 1664 findet sich eine Druckschrift : „Recess des Oberrheiniechen Crayses Fursten und
St&ndte Deputirter wegen gehaltener Musterung deren Oberrheinischen Crayss yolcker zu Ross
und Fues a , ein Bericht uber die Musterung und die fur den Feldzug getroffenen Einrichtungen.
Darin heisst es: „Dieweil aber die V51cker in termino nicht erschienen, noch einige Mittel bey
der Creys cassa einkommen oder vorhanden gewesen, hat man die Musterung mit grossem
Schaden deren benachbarten Stande, denen die zum theil ankommende Yolcker uber den Halss
gelegen, differiren und die Mittel durch Ihr. Churfurstl. Gn. zu Maintz interponirten Credit
allererst mit grosser Ungelegenheit, Kosten und Zeitverlihrung zu wege bringen mussen". —
2 ) n welches dan sobald nach seiner Musterung auffgebrochen und den geraden "Weg durch
Boheim in Ungarn genohmen". Recess a. a. 0. Die Stfirke und Einteilung des Regiments ist
im Recess pag. 15 — 19 angegeben. Bei der fiinften Kompagnie ist jedoch die sogen. prima
plana nicht mitgereohnet, welche 13 K5pfe betrug (vgl. den Rapport Beilage H 2), vielleioht weil
diese nicht vom Kreise, sondern von Graf Solms selbst unterhalten wurde. Vgl. Beilage F 2.
Boi der dritten Kompagnie scheint ein Junker v. Meysenbuch Fahnrich gewesen zu sein.
Beilage E2a. — 8 ) Beilage G.
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118
scheidenden Ereignissen teilnehmen zu konnen. Am 1. August (=22. Juli alten
Stils) hatte Montecuculi die tiirkische Hauptarmee bei St. Gotthard an der Raab
derart geschlagen, dass der Grossvezier alsbald mit den kaiserlichen Ministern
in Wien Friedensunterhandlungen ankniipfte. Montecuculi erfuhr zunachst nichts
davon. Als die turkisehe Armee nach Norden abzog, folgte er ihr auf dem
linken TJfer der Raab in gleicher Richtung. Bei Odenburg stiess Ende August
ein Corps von Reichstruppen unter dem Prinzen Ulrich von Wurtemberg zu
ihm. Die Tiirkeri wichen immer weiter nach Norden aus; das christliche Heer
iiberschritt bei Pressburg die Donau und ging auf die Waag los. Der ganze
Monat September verlief so unter Marschen und bestandiger Beobachtung des
Feindes. Fur den 1. Oktober beabsichtigten die christlichen Generale einen
allgemeinen Angriff; da kam unerwartet von Wien der Befehl, die kriegerischen
Unternehmungen einzustellen. Bald darauf wurdederFriede von Vasvargeschlossen 1 ).
Wann Graf Walrad mit seinem Regimente zum kaiserlichen Heere gelangte,
ist aus den vorliegenden Akten nicht zu ersehen. Wahrscheinlich befand er
sich bei dem Corps des Prinzen von Wurtemberg. Am -^r September stand er
in Tyrnau, muss also damals bei Montecuculi gewesen sein. Damals sandte er
an den Pfalzgrafen von Simmern einen Brief, worin er sich uber das Ausbleiben
des Soldes fur seine Leute bitter beklagte. Eine undatierte Abschrift dieses
Briefes findet sich in den Akten 2 ).
Auf den Zustand des Regiments werfen zwei erhaltene Rapporte ein Streiflicht.
Dieselben sind beide vom 1 5. September datiert und betreffen die vierte und funfte
Kompagnie. Die erstere, von Graf Solms gefuhrt, hatte 6 Kranke, 7 unberittene,
10 schlecht berittene Leute; ausserdem war ein Mann desertiert. Da sie beim
Ausmarsch mit Einschluss der Chargierten 64 Kopfe zahlte, so waren noch
40 Mann dienstfahig. Die funfte Kompagnie, die Frankfurter, hatte 3 unberittene,
6 schlecht berittene Leute und 7 Kranke, also noch 44 Dienstfahige 3 ). Durfen
wir diesen Massstab auch auf die drei anderen Kompagnieen anwenden, so kann
das Regiment damals wenig uber 200 gefechtsfahige Leute gezahlt haben.
Am schwersten litten die Truppen durch das Ausbleiben des Soldes und
die mangelhafte Verpflegung. In den Akten findet sich ein Protokoll, welches
die Aussagen der von Nassau-Idstein angeworbenen Infanteristen enthalt. Danach
haben die Leute wahrend der 6 Monate, die sie im Felde standen, iiberhaupt
keinen Sold bekommen und so wenig Lebensmittel, dass sie Obst von den B&umen
stehlen und verkaufen mussten, um sich Brot kaufen zu konnen 4 ). Bei dem
Kavallerieregiment diirfte es nicht viel besser gewesen sein.
') Montecuculi, Mem. pag. 458—464. — 2 ) Bcilage HI. — 8 ) Beilage H2, 3. Die
Numerierung dieser beiden Kompagnieen hatte also seit der Musterung gewechselt. t)l)rigen8
scheinen in den Rapporten manclie Reiter doppelt, unter den Kranken und unter den Unberittenen,
aufgefuhrt zu sein, sodass der wirklicho Abgang etwas geringer war. — *) 8t.-A. Nass.-Us., Kriegs-
sachen 1664. In dem Protokoll heisst es u. a.: „Georg Otter auss Ostreich geworben von den
Wissbadern ist wieder da. Bespondet: es were schlecht hergangen, hette nur zu Regenspurg
2 fl. und zu Wien auch nur zween fl. empfangen, undt schlecht genug Commiss dazu bekommen,
in 3, 4 tagen nur 1 brodt. Zu Gttllendorflf hetten sie lange Zeit im Feldt gelegen und hiernechst
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119
Im November marschierten die Truppen in die Heimat zuriick. Als Graf
Walrad mit seinem Regiment in das coburgische Gebiet kam, besass er keine
Mittel mehr, um der Reichsverordnung gemass Quartier und Lebensmittel, sowie
den Vorspann fur die Gepackwagen zu bezahlen. Er und seine Offiziere mussten
deswegen dem Herzog einen Revers ausstellen, worin sie auf Kavaliersehre
spatere Zahlung versprachen *).
Nach erfolgter Heimkehr wurden die Truppen verabschiedet und es blieb
den einzelnen iiberlassen, ihre Soldanspruchc bei den Standen, von denen sie
geworben waren, geltend zu machen. Fur Graf Walrad verging das ganze Jahr 1665
in fruchtlosen Korrespondenzen uber diese Frage. Laut einer von seinem Rent-*
meister am 30. November (a. St.) 1665 dem Sekretar des Kurfiirsten von Mainz
uberreichten Rechnung hatte Walrad von dem oberrheinischen Kreise zu fordern 2 ):
an Besoldung fur sich als Obersten und fiir den Regimentsstab wahrend
der 6 Monate vom ^ Juni bis ^ ~ Dezember (monatlich 636 fl.) 3816 fl.
fur die Offiziere und Unteroffiziere der Leibkompagnie (monatlich 355 fl.) 2130 »
endlich fur die Offiziere und Unteroffiziere der von Graf Wittgenstein
gefiihrten Kompagnie (monatlich 102 fl.) 612 »
Im ganzen . . 6558 fl.
Aber er kam nicht zu seinem Rechte. Die Finanzlage des oberrheinischen
Kreises muss geradezu trostlos gewesen sein. Der Geldmangel hatte schon den
Ausmarsch der Truppen verzogert; dann hatte der Kreiskommissar in Wien
eine neue Anleihe aufnehmen miissen, um seinen Verpflichtungen fur den Augen-
blick nachkommen zu konnen; auf seine dringende Bitte um Geld erhielt er
nichts. Wohl erliessen die kreisausschreibenden Fiirsten Mandat auf Mandat an
die saumigen Stande mit der Mahnung, doch die Beitrage zu zahlen; aber die
Briefe fruchteten nicht viel. Das Wenige, was ab und zu in Frankfurt bei der
Kreiskasse eingezahlt wurde, musste zur Deckung der gemachten Anleihen
verwendet werden 8 ). Erst am 8. Dezember 1665 konnte Walrad seinen Rentmeister
anweisen, von einer ihm abschlagsweise seitens des Kurfiirsten von Mainz bewilligten
Summe von 500 Rthlr. gewisse Kriegsschulden zu bezahlen 4 ).
umb Freyst&ttel, were unter der Leibcompagnie gewesen, undt hetten doch die andern vor ihnen
was bekommen. Johannes Fischer so zuvohr Corporahl gewesen seye durchgangen. — Wie das
Regiment herauss gangen, weren die Compagnien von einander gangen, und weren die
Hanawischen und Vollmarischcn abgedanckt worden. Der Obristlieutenandt were reich geworden,
Capitainlieutcnandt aber hette das seinige verspiilt Hans Peter Schwartz von Elsass-
zabern von den Dotzheirabern geworben sagt, es sey wohl und tibel hergangen, hetten manch-
mahl in drey 4 Wochen kein brodt uberkommen, hetten selbst zusehen miissen wie sie was
uberkamen, und desswegen seyen die Knechte so verdorben, hette nur 4 fl. empfangen ... In
der Aussage eines andern Soldaten findet sich die Stelle: „seye Tag und Nacht hinauss gelauffen
und Obst geholt und verkaufft und dafflr Brodt kauflV 4 . Alle Aussagen stimmen darin uberein,
dass die Soldaten nur fur einen Monat Sold bekommen hatten und dass die Verpflegung sehr
mangelhaft war.
J ) Beilage J. — 2 ) St.-A. Nassau-Usingen, Kriegssachen. — s ) Beilage K. Zahlreiche
andere Schriftstiicke fiber diese Angelegenheit finden sich in den von mir bonutzten Akten, —
*) St. -A, Nassau-Usingen, Kriegssachen,
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120
Hiermit schliessen die vorhandenen Akten iiber Walrads Beteiligung an
dem Reichskriege von 1664. Es ist kein erfreuliches Bild, welches sie von der
damaligen Wehrverfassung des Reiches geben. Da8 System, Mannschaften und
Geld von den einzelnen Standen nach Massgabe ihrer Territorien aufbringen zu
lassen, fiihrte zu zahllosen Reibungen und Verzogerungen; mit unbesoldeten und
schlecht verpflegten Truppen waren keine grossen Erfolge zu erringen. Dabei
lernten Offiziere und Soldaten einander erst kurz vor der Musterung kennen;
man musste froh sein, wenn ein monatelanger Marsch bis zum Kriegsschauplatze
Gelegenheit zur Einiibung der neugeworbenen Mannschaften gab. In der That
> hatten sich bei St. Gotthard die Kreisregimenter am schlechtesten gehalten. Den
oberrheinischen Truppen war zu ihrem Gliicke diese Probe erspart geblieben.
Graf Walrad aber trat Ende 1665 in den Dienst des Herzogs von Liineburg,
der sich damals riistete, urn in den zwischen dem Bischof von Miinster und der
Republik der Niederlande ausgebrochenen Krieg einzugreifen.
Beilagen.
Die nachfolgenden Aktenstiicke sind samtlich dem Koniglichen Staats-
Archive zu Wiesbaden entnommen. Sie finden sich daselbst in der Abteilung
„Nassau-Usingen, Generalia" unter den Rubriken „Oberrheinische Kreissachen
1664" und „Kriegssachen 1664—5".
Die Sprache der Originale ist genau beibehalten; dagegen ist die Orthographie
des leichteren Verstandnisses wegen etwas modernisiert x ).
A.
Ohnpraejudicirliche Specification der ubrigen Crayssvolcker, welche bey
19
heutigem Reichsgang den -^ Februar 1664 von denen furstl. Directoriis auf-
gesetzet und verlesen worden, worin die Herren Alliirte 2 ) nicht mit begrifFen.
Oesterreichischer per se.
Churrheinischer Crayss 90 zue Pferd, 415 zue Fuss 3 ).
Burgundt . . 360 » > 1662 >
Franckische 524 » » 1731 » »
Bayerische 547 » » 1914 » »
(1521 zue Pferd, 5722 zue Fuss.)
! ) Zur Rechtfertigung dieses Verfahrens darf wohl auf die Ausfuhmngen der Herausgeber
der ^Urkunden und Aktenstiicke zur Oeschjchte des Grossen KurfQrsten" (z. B. Bd. I, Vorr.
pag. XX) verwiesen werden. — 2 ) Zur Rheinischen Allianz gehorten damals Kur-Mainz, Kur-
Trier, Kur-K61n, Pfalz-Neuburg, Wurtemberg, Hessen-Kassel und Darmstadt, Liineburg, Waldeck,
Schweden (fur die Herzogtumer Bremen und Verden). — 8 ) Dieser Kreis atellt hier so wenig
Mannschaft, weil die drei geistlichen Kurfiirsten ihre Truppen bereits mit dem Heere der
Rheinischen Allianz nach Ungarn geschickt hatten, mithin fQr die Kreisarmee nicht mehr heran-
gezogen wurden. Obige Mannschaft war fast ganz von Kur-Pfalz zu stellen.
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121
(Ubertrag . . . 1521 zue Pferd, 5722 zue Fuss.)
Schwabische 500 * » 3000 »
Oberrheinische 300 » » 1200 » » *)
Westphalische 450 > » 2000 »
Obersachsische 750 > » 3200 *
Niedersachsische 516 » » 1834 »
4037 zue Pferd, 16956 zue Fuss.
(St-A. Oberrh. Kreissachen f. 25.)
B.
1. Johann Philipp, Kurfiirst von Mainz, Bischof von Wiirzburg,
po8tulierter Bischof von Worms, an den Pfalzgrafen Ludwig
Heinrich von Simmern.
Wiirzburg, 14. November 1663.
„ . . . Aus Ew. Ld. Tins wohl zukommenen Schreiben vom 30**" Octobris
nechsthin haben Wir ablesend verstanden, welchergestalt Sie Uns den Grafen
Gustaven von Nassau-Saarbriicken zu dem End, damit er bey Einrichtung der
gemeinen Verfassung 2 ) zu einem Regiment zu Fuss in Oberrheinischem Creis
gelangen moge, bestens recommendiren wollen. Wie Uns nun nit weniger dessen
gute Qualitaten und Dapfferkeit bekannt, als auch von andern Orten geruhmt
worden, also haben Wir auch Unsers Theils ihme hier zu ebener Gestalt die
Zusag gethan, gleichwie dann auch jungst uberschriebener Massen seinem Bruder 3 )
gern vorhilfflich sein werden, damit derselbe mit einem Regiment oder Squadron
zu Pferd, wie man sich dessen im Creis wird vergleichen, accommodirt werden
moge; wofern auch etwann zwey Regimenter oder Squadronen zu Pferd, wie
Wir nicht zweiflen, in Oberrheinichem Creis sollten eingerichtet werden, so wird
Uns lieb sein, wann nit weniger der Rheingraf 4 ), als deme Wir auch schon
jungst uberschriebener Massen darzu Vertrostung geben, mit einem oder andern
vereehen werden konne . . . tt
(Kopie. St.-A. KriegBsaohen f. 2.)
2. Graf Walrad an Abt Joachim von Fulda.
Usingen, 2. Januar (= 12. Jan. neuen Stils) 1664.
„ . . . Es ist nun, wie Ew. Gnd. wissend, dahin kommen, nachdem der
Erbfeind christlichen Namens die WaflFen wider Teutschland ergreiffen will,
dass sich das Rom. Reich auf noch wahrendem Reichstag resolvirt, fernern
l ) Die StlLrke der Infanterie wurde spater auf 1700 Mann erh5ht (pag. 124). Wieviel bei
der Musterung erechien, ist oben (pag. 117) angegeben. — *) D. h. Kriegsverfassung. — •) "Walrad.
— 4 ) Der Rheingraf Johann Ludwig bekam dann eine Stelle als Oberst bei den Truppen der
Rheinisohen Allianz. Eine Abschrift seiner Eapitulation findet sioh bei den Akten in demselben
Fascikel.
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122
Ein- und Vorbruch zu erwehren, eine gemeine Verfassung kreisweis zu richten.
Gleichwie nun jeder Patriot sich wird schuldig erachten, das Seinige darbei zu
thun, also hab ich mir auch vorgesetzet, sofern ich werde capable erachtet
werden, die Ehr bei demjenigen Kreis, dem ich ohne das von Herkommens
wegen obligirt, zu suchen und demselben meine Dienst zu praesentiren. Sintemal
ich mich dann darbei erinnert, dass Ew. Gnd. in demselben ein vornehmes
Mitglied sind, deren Stimm vor andern viel gelten thut, so hab ich zu Derselben
das sonderbare Vertrauen gefasst, dass Sie mir zu solchem meinem Intent so
favorable sich erweisen werden, als ich zu andern Oberrheinischen Mitstanden
gleichmassiges Vertrauen genommen, auch die Vertrostung empfangen, mir von
dem Regiment zu Pferd, welches der Kreis werben wird, zur Obersten-Stelle bei
nachster des Kreis oder anderer Zusammenkunft beforderlich zu sein. Gleichwie
ich nun Ew. Gnd. umb eine solche Beforderung durch Dero Kreis-Stimm hiemit
dienstlich ersuche, also erbiete ich mich auch sowohl die gemeine Reichs- als
des Kreis sonderbare Dienste mit gottlicher Hiilf dergestalt mir angelegen lassen
zu sein, dass alle Interessirte mit mir sollen zufrieden sein; werde ich auch eine
solche Gratification gegen Ew. Gnd. insonderheit verdienen konnen, haben Sich
Dieselbe gegen mir nach allem Vermogen dessen zu versichern . . . tf
(Reinschrift, jedoch ohne Unterschrift und Siegel, also nicht abgesandt. St-A. Kriegs-
sachen f. 8. Woshalb die Absendung unterblieb, ist nicht ersichtlich.)
c.
1. Hedwig Sophie, werwitwete Landgrafin von Hessen-Kassel,
Vormunderin und Regentin, an Graf Walrad.
Cassel, 8. AprU (== 18. Apr. n. St.) 1664.
„ . . . TJns hat Bringer dieses, Thomas Schleicher, unterthanigst zu ver-
nehmen geben lassen, welchergestalt, nachdem weyland Unsers herzgeliebten
Herrn und Gemahlen hochseligen Andenkens Ld. ihn die Trompeterkunst lernen
lassen, er sich zwar obligirt fande, TJns und Unserem furstl. Hause bevor
anderm gehorsambste ufwartung zu leisten, worzu er dann auch bereits den
Anfang gemacht; weilen jedoch ihre "der Trompeter habende Privilegia und
Gesetze vermochten, dass ein jeder zum wenigsten einen Feldzug thun miiste,
und er darzu jetzo, da der Herr Graf Sich als Obrister gegen den Erbfeind
gebrauchen lassen wiirde, vermittelst Unserer Vorschrift zu gelangen und bey
demselben accommodirt zu werden verhoffte, wollte er Uns unterthanigst gebeten
haben, ihme zu solchem Feldzug nicht allein gnadigst zu erlauben, sondern auch
zu solchem Ende ihn an den Herrn Grafen zu verschreiben.
Wann Wir dann Impetranten in Ansehung seiner loblichen Intention gerne
an Hand gehen wollten, so ersuchen Wir den Herrn Grafen hiermit gehorig,
Er wolle Sich denselben zu guter Beforderung recommendirt seyn und ihn dieser
Unserer Vorschrift, da es Seine Gelegenheit leiden will, worcklichen Genuss
verspuren lassen . . . u
(Original. St.-A. Kriegssachen f. 30.)
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123
2. Konrad Hedeman, Rentmeister zu Weilburg, an Graf Walrads
Rentmeister Schmidborn in Usingen.
Weilburg, 8. April (= 18. Apr. n. St.) 1664.
Edcl, insonders hochgeehrter Hcrr Gevatter.
Aus Dessen Beliebten J ) habe ersehen, was vor Nachricht wegen jetziger
Auxiliarwerbung begehrt wird; ohnverhaltc darufF antwortlich, dass wir alhier
sothane Werbung auch stark fortsetzen; allein haben wir auf das Land noch
keine Austheilung gemacht, sondern den Verlag aus den Renten ergriffen; sobald
aber als die hiesige Anzahl complet und der Ueberschlag, was selbige gekostet,
gemacht sein wird, soil aldann die Austheilung darnach ufs Land gemacht und
solcber Verlag dadureh ersetzt werden.
Belangend aber die Werbung an sich selbst, und zwaren erstlich die Reuterey,
so stellen wir alhier die Mondirung an Pferden, Gewehr, Sattel und Zeug, Stiefel
und dergleichen selbsten und geben einem Reuter danebenst 10 Thlr. in den
Sackel, doch nicht ehender bis sie marchiren 2 ), indessen bekombt einer die
Woch 2 fl. Wartgeld. Einem zu Fuss stellen wir das Obergewehr und geben
ihme darzu 4 Thlr. auf die Hand, darvon wird anfangs 1 Thlr. bey der Werbung,
die iibrige 3 Thlr. wann sie marchiren ihnen zugestellet und inzwischen jedem
wochentlich ein Thlr. Wartgeld gegeben. Wie sie aber nachgehends, wan sic
abmarchirt sein werden, verpflegt werden sollen, darvon 1st alhier noch kein
gcwisser Schluss gemacht, sondern wird Anstand haben bis mein gndr. Herr
wiederumb alhier anlanget. So zu begehrter Nachricht dienstlich ohnverhaltc
und nechst gottlicher Empfehlung verbleibe etc. . . . a
(Original. St.-A. Kriegssachen f. 31.)
D.
la. Bericht des Kanzlers Hagenmeier an Herrn Kolbe 3 ).
Regensburg, den ~ fi ~M^~ 1664.
Wohledler.
Desselben jiingstes vom 16 ten jetzigen Monats Aprilis ist mir sehr angenehm
gewesen, und sein die beygeschlossene Schreiben gehoriger Orten ausgehandiget
worden. Anjetzo berichte in hochster Eil, dass diesen Morgen in dem Ober-
rheinischen Kreisconvent nach vielen verdriesslichen.Difficultaten die vorhandene
Volker folgendermassen eingetheilet worden: lhr hochgrafl. Gn. zu Nassau-
Usingen bekommen under eines Obristen Titul die Squotron 4 ) zu Pferd von
l ) erg.: Schreiben. — *) Bei FremdwSrtern pflegte man damals die Orthographic der
Ursprache beizubehalten. Daher Squadron (italienisch), favorable, marchiren, Marche, Trouppen etc.
— 3 ) Kolbe scheint Beamter des Grafen Gustav Adolf von Saarbrficken gewesen zu sein. —
4 ) Der Ausdruck „Squadron a wird hier wie in dem Briefe des Erzbischofs von Mainz (B. 1) fast
identisch mit „Regiment u gebraucht, um eine selbstfindige, von einem Stabsoffizier gefuhrte
Kavallerie-Abteilung zu bezeichnen. Bei Montecuculi dagegen bezeichnet er lediglich die
Gefechtsformation der Reiterei.
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124
300 Kopfen, davon 4 Compagnien gemacht werden, doch mit dem Reservat und
Vorbehalt, dass die verhoffte Reuterey von Lothringen und Savoyen hie zue
stossen soil. Die Fussvolker als ungefehrlich 1700 werden in 2 Regiment mit
dem Obristen-Praedicat zwischen Herrn Gustav Adolphen zue Nassau-Saarbriicken
und Herrn Philippsen zue Solms hochgrafl. GG. in gleicher Anzahl repartirt.
Die monatliche Besoldung aber auf gewisse Mass und Weis auf 200 fl. gesetzet.
Was ich bey diesem Werck etliche Wochen hero vor Bemuhung gehabt,
ist H. Grafen Walraden zue Nassau hochgrafl. Gn. gnadig bekannt, und werden
Sie ausser Zweifel die iibrigen Umbstande selbsten berichten. Meinen hoch-
geehrten Herrn ersuche hiermit dienstlich, Ihr hochgrafl. Gn. zue Saarbrucken
nebst meiner unterthanigen Recommendation hiervon ohn Verzug Part zue geben
und dieselbe aller gehorsambsten Aufwartung ferner zue versichern.
Zum Rendevous ist gegen Ultimo Mail die Stadt Frankfurt benannt, von
der die Fussvolker auf Regensburg, die Reuterey aber durch Bohmen nacher
Oesterreich gehen dorffen.
(Es folgen dann Nachrichten iiber verschiedene andere Reichsangelegenheiten.
Zum Schlusse heisst es in Bezug auf den Krieg):
Die bekannte Vestung Canisa 1 ) ist von dem Hn. General Grafen von
Serin 2 ) mit 30,000 Mann Teutschen und Ungarn formaliter belagert; Gott verleihe
guten Success.
(Kopie. St.-A. Oberrh. Kreissachen f. 12.)
lb. Joachim Hagenmeier an Rentmeister Schmidborn.
9.
Regensburg ^ Mai 1664.
„ . . . Ich zweifele nicht Ihr hochgrafl. Gnd. werden nunmehro zu Haus
gliicklich angelanget sein, wornach mich sehr verlanget. Gegenwartiges Schreiben 8 )
wolle der Herr ohne Verzug aushandigen, und im Fall Ihro hochgrafl. Gnd. nicht
zur Stell sein sollten, kann es durch einen Expressen nachgeschicket werden,
weilen unter andern darin enthalten, dass das Rendevous der Oberrheinischen
Kreisvolker aus gewissen Ursachen bis auf den ^ Junii fortgerucket . . . tt
(Original. St.-A. Kriegssachen f. 45.)
2a. Bericht Hagenmeiers an Graf Walrad.
19.
Regensburg, den ^ Mai 1664.
v . . . Ew. hochgrafl. Gnd. werden meine vorige Schreiben in Unterthanigkeit
wohl geliefert sein. In denen Oberrheinischen Kreissachen hat man wegen der
Prima plana 4 ) und anderen Sachen Abrede genommen, davon mit gestriger Post
*) Dam als tflrkische Grenzfestung, in Ungarn, sudwestlich vom Platten-See gelegen. Die
Belagerung war orfolglos. — 2 ) Nikolaus Graf von Zriny, Banus von Kroatien, zeichnete sich
namentlich als Fuhrer der irregulSren Truppen im kleinen Kriege aus. — 3 ) Das betr. Schreiben,
offenbar ein an Walrad selbst adressierter Bericht, findet sich nicht mehr unter den Akten. —
4 ) Unter Prima plana verstand man, wie die Berechnungen (E 1 a, b) zeigen, die samtlichon
Chargierten eines Truppenteils, Offiziere und Unteroffiziere.
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125
aus Saarbriicken unterthanigen Bericht erstattet mit Begehren Ew. hochgrafl. Gnd.
bey der Zusammenkunft von allem Part zu geben. Einem Obristen werden bey
einem Regiment nicht mehr als 8 Pferde passiret, damit die Ilnkosten soviel
immer moglich bey diesem schwachen Kreis eingezogen werden mogen. Dee
Herrn ErzbischofFen zu Salzburg 1 ) hochfiirstl. Gnd. reisen morgen oder iiber-
morgen nach dero Residenz, haben unterdessen den Herren Standen Vertrostung
gethan, sich zu Ende nachfolgenden Monats Junii wiederumb einzustellen.
Vorgestern sein Herrn Georg Friedrichen zu Waldeck 2 ) hochgrafl. Gnd.
per postam anhero kommen, werden bis kiinftige Wochen verbleiben und darauf
en passant der Rom. Kaiserl. Majestat zu Linz allerunterthanigst aufwarten.
Die Pestung Canisa halt sich noch, und thut der darin liegende Tiirkische
Bassa grossen Widerstand; im Fall man solchen Ort nicht bald occupirt, wird
besorget, dass der Erbfeind seine ganze Macht zum Entsatz anwenden werde.
Bey morgender Post werden mehrere Specialia mit allerseits hochstem Verlangen
hier erwartet . . . u
(Original. St.-A. Kriegssachen f. 46.)
2b. Graf Walrad an Hagenmeier.
Usingen, 26. Mai (5. Juni n. St.) 1664.
19
„Au8 Desselben vom ^ an Uns erlassenen haben ersehen, dass einem
Obristen zu Pferd gleich einem zu Fuss mehr nit als 8 Pferd von des Ober-
rheinischen Kreises Standen wollen passiert und hierinnen mit anderen des Reichs
Kreisen grosse Ungleichheit gehalten werden. Nun aber nit wohl moglich mit
geringer Anzahl Pferden bei diesem beschwehrlichen Feldzug zu subsistiren, des-
wegen Wir uns bereits mit 50 sowohl Reit- als Bagagepferden versehen, als
wollen verhoffen es werde Uns gleich andern Obristen wenigst 17 Pferd passiert
und zwischen einem Obristen zu Pferd und einem Obristen zu Fuss ein Unter-
schied gemacht werden.
10 ten
So vernehmen auch ganz ungern, dass es mit dem den 9 ^ Junii angesetzten
Termin zum Bendewous nachmahlen sein Verbleibens haben soil, hatten selbigen
umb deswillen lieber befordert gesehen, weilen den Trouppen nachgehends in Eyl
zu marchiren nit allein fast beschwehrlich, sondern auch dadurch ein gut Theil
der Pferde besorglich werden ruinirt werden.
Weilen auch Ilnseres Wissens wegen der Verpflegung annoch kein Aus-
schreiben ergangen, gleichwohl der Termin zum Marche herbeirucket, als ersuchen
hiemit den Herrn, Er wolle bei dem Directorio iiber eines und anders behorige
Erinnerungen zu thun nit underlassen, und dahin zu cooperiren, dass obgesetzte
Anzahl Pferd sowohl zur benothigter Subsistance als auch zu des Kreises und
unser eigenen Reputation passiert und dann das Ausschreiben an die Stande
befordert werden moge . . ."
(Konzept. St.-A. Kriegssacbeii f. 47.)
J ) Guidobald, Graf von Thun, Erzbischof von Salzburg 1654—1668, war kaiaerlicher
Kommissar am Reichstage. — 2 ) Der Oraf von Waldeck war Generalleutnant der Reicbsarmee.
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3a. Hagenmeier an Graf Walrad.
Regensburg, den y^- Juni 1664.
•
„ . . . Ew. hochgrafl. Gnd. gnadiges Schreiben sub dato den 26. abgewichenen
Monats May habe den 31. ejusdem zu Recht erhalten, und ist das beygeschlossene
an Ihro hochgrafl. Gnd. von Fiirstenberg nacher Miinchen recommendirt worden.
Was beira Oberrheinischen Kreis den 28. May jungsthin ferner beschlossen
worden, ist aus beygehendem Prothocoll mit mehrerem zu erselieii, und demnach
in voriger Wochen von dem Wormsischen Directorio ohn der grafl. und anderer
Stande Gutheissen der Stadt-Colmarischer Abgeordneter nacher Mainz geschicket
worden, stehet dahin wie weit die Marche durch dessen Ankunft befordert werden
dorffe. In allerweg will nothig sein, zu Erkaufung des unentbehrlichen Proviants
fur die Mannschaft die verwilligte 4 Romermonate ad Cassam zu liefern.
Der Franzosische Succurs *) wird kiinftigen Mittwoch, Donnerstag und Freytag
und also zu dreyen verschiedenen Malen allhie erwartet, gestalt dann gestern
Abend MonsT Gravell 2 ) von Donauworth, woselbst die Volker eingeschifft, wieder
anhero kommen.
Die Turcken stehen mit ihrer Macht unweit Serinwar, unterdessen sollen
heutigem Bericht nach die vor Canisa gelegene Armee unter Commando des H.
Feldmarschalls Sparren mit 12,000 Mann verstarkt sein; allem Ansehen nach
wird bey dieser Campagne wenig niitzliches wider den Erbfeind verrichtet werden
kcinnen.
(Original. St.- A. Kriegssachen f. 71.)
3b. Protokoll der Beschlusse des Oberrheinischen Kreistages.
Regensburg, Samstag den y- 1 ^ — - 1664.
„Ist im Oberrheinischen Kreis von denen bey dem Kreis-Corpo concurrirenden
Standen beide den ~—^^ — und c . l '— ^ — per dictaturam communicirten Aufsatz
24. May 28. May F
sowohl wegen des Proviants als auch der Munition und anderen Notturften zur
Armatur und Fortschickung der Oberrheinischen Kreisvolker wider den Turcken
nicht weniger der Beytrag zu hochstbenothigten Unkostens unentbehrlichen 4 ton
Romermonats neben denen allbereit hiebevor ausgeschriebenen 3 en Romermonaten 3 )
x ) Ludwig XFV. hatte dem Kaiser zu diesem Kriege ein Httlfscorps geschickt, welches
sich bei St. Gotthard sehr auszeichnete. — *) Der franzosische Kriegs-KommisBSr. — 3 ) Der
sogen. Rdmermonat war die Einheit, nach der die Steuern ffir Reichskriege bemessen wurdo.
Nach der Matrikel von 1521 betrug ein Rdmermonat fur das ganze Reich 128,000 fl. Gewdhnlich
wurden mehrere erhoben. Da sich jedoch viele Stande allmShlich der Zahlungspflicht entzogen,
so war um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts der Ertrag eines Romermonats auf 58,000 fl.
herabgesunken (Schulte, Deutsche Rechtsgeschichte pag. 319). Nach einigen im Staats-Archiv
(Oberrhein. Kreissachen 1664 und 1665) vorhandenen Rechnungen hatten die walramischen
Linien des Hauses Nassau in jener Zeit zu einem Romermonat zusammen 336 fl. aufzubringen.
Die eigentflmliche Bezeichnung ^Romermonat" ruhrt daher, dass man als Steuersimplum den
monatlichen Sold far das zur Romfahrt des Kaisers ndtige Heer angenommen hatte (Schulte a. a. O.).
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127
nach dem Puss der Matricul auf kiinftige Abrechnung und Repartition sub sperata
ratificatione allerseits Herren Principalen respective approbirt und angenommen,
und solche unversaumlich an dieselbe ubersandt. Sodann in einem Kreisaus-
echreiben die Inditlon des 4 teu Romermonats neben Beziehung auf beide vor-
gedachte Aufsatz begriffen und solches Ausschreiben unverzuglichen alle interessirte
Kreisstande zue forderlichst und unausbleiblicher Einbringung desselben 4 ten sowohl
als auch zuvor verwilligten 3 en Romermonaten in die Kreis-Cassam zu Frankfurt
fortgeschickt werden solle".
(St.-A. Beilage zu dem vorhergehenden Schreiben Hagenmeiers).
la. Anschlag des Regiments zu Pferde.
Aus „Eintheilung der Oberrheinischen Kreises ausser der Alliance stehenden
Churfiirsten und Stande Volker in gewesenen Regimentern und Compagnien zu
Ross und Fuss".
13
Regensburg, den ~ Mai 1664.
Das Regiment zu Ross.
Oberster Herr K 1 ) Graf zu Nassau.
Die 1. oder Leib-Compagnie.
(Mann)
Hanau-Miinzenberg 30
Hanau-Lichtenberg 18
Solms 24
Nassau 4
76
2. Compagnie.
Herr N. Wolff 2 ) Major und Rittmeister.
Stadt Strassburg 50
Colmar 8
Schlettstadt 8
Landau 4
Oberehnheimb 4
Stadt Speyer 3
3. Compagnie.
Herr Graf von Wittgenstein Rittmeister,
Fulda 51
Ysenburg 18
Wittgenstein 7
Summa . . .
77
76
229
l ) Walrad. — a ) Wolf Menzinger.
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128
4. Compagnie.
Hans Peter Pfleger Rittmeister.
tJbertrag . .
Frankfurt 60
Sponheimb 6
Simmern 6
Veldenz 4
229
76
Summa in allem
305
Prima plana *) von 1 Compagnie zu Pferd und deroselben Verpflegung nach
des heil. Reichs geschlossenen Ordonance.
Rittmeister 75 fl. 2 )
Lieutenant 30 »
Cornet 25 »
Wachtmeister 12 »
3 Corporal It 10 fl 30 »
Quartiermeister 10 »
Musterschreiber 10 fl.
Peldscherer 10 »
Trompeter 10 »
Schmid 9 »
Sattler 9 »
Blattner 3 ) 9 »
Summa
. 239 fl.
Gemeine Reuter 9 fl.
Regiments-Stab zu Pferd und derselben Unterhaltung wie solche von den
interessirten Kreis-Standen placitirt und resp. verglichen worden.
Obrister 200 fl.
Obristwachtmeister .... 25 »
Quartiermeister 24 »
2 Geistliche, 1 Cathol. und
1 Evangel 36 >
(St.- A. Oberrh. Kreissachen f. 18—22).
Secretarius 10 fl.
Adjutant 10 »
Wagenmeistcr 9 »
Heerpauker 9 »
Profoss mit seinen Leuten . 24 »
Summa
350 fl. 4 )
lb. Entwurf eines neuen Anschlags fiir eine Kompagnie des
Regiments zu Pferde.
Undatiert. Wahrscheinlich Anfang Juni abgefasst.
„Die Kreis-Compagnie zu Pferd, wie sie gegenwartig nacher Ungarn marchiren
soil und muss, und Nassau, Solms und Wittgenstein zu stellen haben, bestehet
folgender:
x ) Vgl. die Anmerk. zu D 2 a. — 2 ) Nfiralich monatliche Besoldung. — s ) Der Blattner
hatte die Schutzwaffen, Helm und Karass, in Stand zu halten. — 4 ) Die Addition ergiebt nur
347 fl.
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1 Rittineister 75 fl.
1 Lieutn 42 »
1 Cornet 36 »
1 Wacht- oder Quartiermeister 15 »
3 Corporals k 12 fl 36 »
1 Musterschreiber
1 Feldscherer . . .
1 Trompeter . . .
50 Einspennig *) k 9 fl
zum Proviantwagen
60 Kopf.
Zur Halft dieser Compagnie nun stellet Nassau:
129
12 fl.
12 »
10 »
450 »
24 »
1 Rittmeister 75 fl.
2 Corporals je 12 fl 24 »
1 Musterschreiber 12 »
26 Reuter je 9 fl. thut
zum Wagen . . . .
712 fl.
234 fl.
11 »
Solms stellet hierzu:
1 Lieutn 42 fl. j 1 Trompeter 10 fl.
1 Quartier- oder Wachtmeister 15
1 Cornet 36
1 Corporal 12
1 Feldscherer 12
17 Reuter a 9 fl 153
zum Riistwagen .... 13
Wittgenstein :
7 Reuter k 9 fl.
63 fl.
Summa
356 fl.
Nota. Wittgenstein muss zu diesen 13 fl. zum Wagen geben 2 fl. 11 kr.,
wofern sie aber einen Corporal anstatt eines Reuters halten, wie sie wiircklich
haben, muss hingegen Nassau ersetzen und dann anstatt 2 nur 1 Corporal und
27 gemeine Reuter stellen.
(St.-A. Oberrh. Kreissachen f. 305.)
Anmerkung. Keiner dieser beiden Anschl&ge ist wirklich durchgeftthrt worden. Bei
der Ulusterung zu Frankfurt fehlten die Kontingente der Stadt Speyer, der Grafschaften Spon-
heim und Veldenz; die Hanauer Linien hatten statt 48 nur 42 Mann, die Ysenburger statt 18
nur 15 Mann gestellt. Dagegen hatte Nassau 12 Mann statt 4, und ausser den 24 Mann der
solmsischen Hauser brachte der Graf Yon Solms-Braunfels uoch 12 Mann, die er besonders
angeworben hatte. Ausserdem stellte noch der Graf von Vehlen einen Reiter. Daher zfihlte
das Regiment bei dor Musterung nach den Angaben des gedruckten Recesses (die sich iibrigens
mit den Kompagnierapporten vom 15. September nicht ganz in Einklang bringen lassen) 298 Mann.
2a. Abt Joachim von Fulda an Graf Walrad.
Fulda, 5. Juni (= 26. Mai alten Stils) 1664.
„ . . . Wir haben von Wiederbringern deme von Meysenbuch Euer anderwartig
Schreiben vom 23. May st. vet. wohl empfangen und daraus in Freundschaft
vernommen, was Ihr in Wiederantwort bey Uns ferner memoriren wollen.
Gleichwie es nun wegen ihme von Meysenbuch 2 ) versprochenen Estandarts
] ) Alter Ausdruck fur gemeine Reiter, ursprunglich die geworbenen Knechte im Gegensatz
zu den Rittern bezeichnend. — 2 ) Da dieser sich speziell bei dem Abte von Fulda um die Stelle
bewirbt, so woUte er wahrscheinlich in die dritte Kompagnie, zu der das fuldische Kontingent
gehfirte, kommen.
Annalen d. Ver. f. Nass. Altertumik. u. Gei«chichtgf. XX. Bd. 9
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130
sein Verbleiben hat, also ist Uns auch zue gnadigem Wohlgefallen gereichet,
dass seine Person sich bey Uns gehorsamblich sistirt und eingefunden hat.
Und was Wir mit ihm ferner geredet, darvon wird er Euch gebiihrliche
Relation erstatten; verbleiben Euch beneben zu Erweisung angenehmer Freundschaft
und allem guten jederzeit geneigtwillig.
(Original. St.-A. Kriegssachen f. 68.)
2b. Graf Walrad an den Abt von Fulda.
Usingen, ~- Juni 1664.
„ . . . Als ich vorgestern in ein und ander Angelegenheit, bevorab wegen
eigentlicher Erkundigung des letzthin hinausgesetzten Termins zu des Ober-
rheinischen Kreises Volker zu Frankfurt bestimbtem Rendezvous, nacher Mainz
zu J. Churf. Gd. abgereist, habe von dero unterthanigst verstanden, wie dass
J. Kais. Majestat an dieses Kreises ausschreibende Fursten jungsthin allergnadigste
Erinnerung gethan, dass die zusammengcbrachte Tronppen langer nit zuriick-
gehalten, sondern soviel moglich deren Marche naclier Ungarn befordert werden
sollte, deswegen von hochstgedachter J. Churf. Gnd. mir gniidigst anbefohlen
10 teu
worden, ein solches denen Mitstanden, und dass es bei dem den ^ dieses zu
Frankfurt assignirten Rendezvous allerdings sein .Verbleibens habe, gebiihrend zu
notificiren, deme dann zu unterthanigster Folge E. Gnd. hiemit nachrichtliche
Part zu geben nit unterlasse und benebens gehorsamblich ersuche, Dieselbe
geruhe die gnadigst gewisse Verordnung zu thun, dass Dero Mannschaft nechst-
10 ten
kiinftigen Freytag 9 ~ dieses gleich friiher Tagzeit zu Frankfurt ankonimen
und bei dem Rendezvous sich einfinden mogen.
Was wegen Eintheilung des Proviants und Ammunition, sodann dass von
jedwedem Stand 4 Romermonat ohnverziiglich ad cassam geliefert werden sollen,
nunmehr zu Regensburg verglichen und geschlossen worden, davon werden
Ew. Gd. ab dem derentwegen von dem Directorio ergangenen Ausschreiben ehist
zu vernehmen haben. Ich werde zwar bei heutiger Post von Regensburg
berichtet, dass erstgedachtes Ausschreiben bereits abgangen, solches aber ist
mir noch nit zu Handen kommen, sonsten ich hiemit zugleich davon Part zu
geben nit unterlassen hatte. Thuc damit Ew. Gd. gottlicher Obhut zu selbst
desiderirenden hohen Fiirstl. Wohlstand treulich empfehlen und verbleibe etc/
(Konzept. St.-A. Kriegssachen f. 65).
3a. Graf Walrad an Graf Friedrich von Hanau.
Usingen, 5. Juni (= 15. Juni n. St.) 1664.
„ ... In meinem heutigen Schreiben *) habe vergessen Ew. Ld. zugleich
zu berichten, welchergestalt nothig befunden worden und verordnet, dass bei
l ) Das betr. Schreiben findet sich nicht mehr in don Aktcn. Sein Inhalt ergiebt sich aus
der folgenden Antwort des Grafen von Hanau.
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131
jede Compagnie ein Wagen, mit vier Pferden bespannet, bestellet und selbiger,
umb die kranken und beschadigte Soldaten, auch ander Notturft darauf zu laden,
nachgefuhret werden solle; weilen ich nun der Hoffnung bin, Ew. Ld. Sich nit
zuwider sein lassen werden Ihr Contingent hierzu gleich den Solmsischen, welche
sich das ihre dabei zu thun bereits erboten, mit beyzutragen, als werden Ew. Ld.
den Anstalt zu machen wissen, dass alles hierzu fertig und der Wagen zu dem
Rendezvous mit fortgeschickt werden moge . . . tt
(Konzept. St-A. Kriegssachen f. 67.)
3b. Graf Friedrich von Hanau an Graf Walrad.
Hanau, den 6. Juni (= 16. Juni n. St.) 1664.
„ . . . Beyde Ew. Ld. angenchme Schreiben vom 4 ton und 5 ton hujus haben
mir mit mehrerm zu vernehmen gegeben, wasmassen nicht allein das Rendezvous
10 tcn
zu des Oberrheinischen Kreises Auxiliarvolkern annoch uff den 9() hujus zu
Frankfurt seinen Fortgang haben, und Ew. Ld. zu Exercirung meiner Yolker
den Rittmeister Koppen *) annoch zuvor alhero abschicken wollten, sondern was
auch Dieselbige ferner wegen eines bey jeder Compagnie notigen Wagens ver-
melden, wie nicht weniger welchergestalt Ew. Ld. Sich zu Ersetzung der Stelle
eines von den meinigen durchgegangenen Reuters erbietig machen, doch dass
die Montirung von mir angeschafft werde.
Gleichwie nun des Rendezvous halben ich mich darnach richten und mir
angelegen sein lassen werde, dass mcinc Volker uff den bestimpten Termin sich
einstellen mogen, auch der Hoffnung lebe, es werde die Elsassische Mannschafft
immittelst auch alhier anlangen, also hat es auch wegen vorhabendcr Exercirung
meiner Volker dabey sein nachmahliges Verbleiben, dass solche morgen alhero
kommen sollen, welchem nach zu Ew. Ld. Belieben stehet, wann Sie ermelten
Rittmeister zu solchem Ende alhero abordnen wolle. So viel aber die Stellung
eines Wagens und nachmahliger Montirung des hinweggerittenen Reuters betrifft,
wollte ich mir zwar beydes nicht zuwider sein lassen, dafern mir solches nur wegen
Kurze der Zeit moglich fiele, und die Austheilung der darzu erforderten Spezen
uff meine Unterthanen immittelst beschehen konnte. Dieweil aber darmit in
solcher Eyl uffzukommen schwer fallen wird, so werde nicht unterlassen hier-
nechst sowohl mein Contingent zu dem erforderten Wagen mit beyzutragen, als
auch die Zahl meiner Reuter wiederumb zu versetzen . . . "
(Original. St>A. Kriegssachcn f. 70.)
F.
1. Graf Walrad an Markgraf Leopold Wilhelm von Baden 2 ).
Frankfurt, 13. Juni (= 23. Juni n. St.) 1664.
„ . . . Ew. Gnd. soil hiebei gehorsamlich zu berichten nit unterlassen, dass
zwar dieses Oberrheinischen Kreises Trouppen zu dem Rendezvous in gesetztem
l ) Kopp erscheint nachher bei der Mustcrung nicht unter den Rittmeigtern des Regiments,
scheint also nicht zu demselben gehort zu haben. — a ) Der Markgraf war General in der Reichsarmee.
9*
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132
termino alhier ankommen, wobei auch die Deputirte 1 ) einer den Tag zuvor der
ander den Tag hernach aich eingefunden, hat aber aus Mangel Gelds und nothigen
Anstalts der Marche bis dato nit befordert, sondern die Volker mit grosser Be-
schwerde theils contremandirt, theils hierumb verlegt werden mussen. Es geben
aber gemelte HH. Deputirte diese Vertrostung, dass uf morgen 2 Monat Sold
denen Trouppen zahlt und das Regiment zu Pferd alsdann marchiren sollen, deme
das Pussvolk in ein Paar Tagen werde folgen konnen, dergestalt ich verhoffentlich
dieses Verzugs wegen entschuldigt sein, und nunmehr bei erfolgendem Marche
die Gnad und Ehr haben werde, Ew. Gnd. in kurzem gehorsamblich ufzuwarten,
und Dero Ordre und Befelch zu empfangen: die ich damit Gottes gnd. Obhut
zu selbst desiderirenden Prosperitaten treulich empfehle etc."
(Konzept. St-A. Kriegssachen I 73.)
2. Graf Heinrich von Solms-Braunfels als Rittmeister.
(Aus der Druckschrift: „Recess der Oberrheinischen Kreises Fursten und Stande Deputirter
wegen gehaltener Musterung etc." S. 3.)
^Und demnach Herr Graf Henrich von Solms-Braunfels sich offerirt, 20 Reuter 2 )
sambt der ganzen Prima plana auf seine Kosten ohn alle des Kreises Beschwerde
zu werben und zu erhalten, hingegen man denselben beim Regiment fiir einen
Rittmeister erkennen und aus denen 4 Compagnien soviel Mann zugeben solle,
dass er daraus eine und also die funfte Compagnie formiren konne, so hat man
solches des Herrn Grafen Erbietung auf Gutbefinden Ihrer Churfiirstl. Gna. zu
Maintz angenommen, die funfte Compagnie formirt."
(Druckschrift. St-A. Oberrh. Kreissachen f. 117—136.)
G.
Auszug aus dem Berichte des Kreiskommissars Christian Calen-
berger an den Rat von Frankfurt uber den Marsch der Truppen
nach Ungarn.
Wien, den 21. Juli (= 81. Juli n. St.) 1664.
„Wir seindt mit denen 2 Regimentern zue Fuss zue Wien gottlob ankommen,
29
in die drey tag uff einer an der Donau gelegenen Insull campirt und den Tq Jtdii,
x ) Die zur Musterung abgesandten Deputierten des Kreises waren nach dem Recess (St.- A.,
Oberrh. Kreissachen): Johann Werner Freiherr von Plittersdorf fur Kur-Mainz; Quirin Mertz
fQr den Furstbischof von Speyer ; Johann Ernst Varnbiihler fQr den Grafen von Hanau ; Andreas
Causs ebenso; Dr. Antonius Glock und Heinrich Wilhelm Kollner fQr die Stadt Frankfurt;
Hans Georg Gembser unbestimmt. Die Abgeordneten von Pfalz-Simmern fehlten, da ihr Herr
mit Kur-Mainz fiber Formfragen beim Kreisdirektorium in Streit lag. — 2 ) Bei der Musterung
hatte Graf Solms statt 20 nur 12 von ihm selbst angeworbene Reiter mitgebracht. Nach dem
Recess wurde seine Kompagnie formiert aus diesen 12 Mann, ferner 24 Mann, von den iibrigen
Linien des Hauses Solms gestellt, und 15 Mann von den Grafen Ysenburg, also zusammen 51 Mann.
Damit stimmt jedoch der Rapport vom 15. September nicht (H2). Jedenfalls ist im Recess, der
auch sonst manche Unklarheiten enthftlt, die Prima plana nicht mitgerechnet, da diese nicht
vom Kreise, sondern von Graf Solms selbst besoldet wurde. Ausserdem aber scheint w&hrend des
Marsch eg nach dem Kriegsschauplatze eine Neuformation der Kompagnieen stattgefunden zu
haben, da Graf Solms in seinem Rapport die Reiter von Landau und Oberehnheim, welche nach
dem Recess zur zweiten Kompagnie gehdrten, bei seiner Kompagnie anfUhrt.
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133
auf Ordre Ihrer furstl. Gnd. Bischof zue Minister 1 ), so drey Hauser von mir
logiret, und bey deroselben zum drittenmal ich erfordert und gar gnadige Audienz
gehabt und bey andringender Notturft allezeit haben soil, mit Bezahlung der
Schiffleut k 449 fl. uff unsern mitgebrachten Regensburger Schiffen gegen Press-
burg im glaidt fortgangen. Das Regiment zue Pferd ist vorgestern wohl conditionirt
ankommen und gestriges Tages umb 9 Uhr iiber die Donaubriicken gleich an
dem Graben der Stadt Wien mit jedermennigliches Lob, uff Ungarisch-Altenburg
beordert, fortgajigen, haben sich nicht so wohl, wie man sagt, als die Fussvolker
unterwegs gehalten. Im iibrigen muss ich mit Wehemuth und Bestiirtzung
klagen und sagen, dass man mir gesagt, ich wiirde in Regensburg fur mich
2000 Rthlr. und zue Wien wieder 2000 iibermacht finden, aber an keinem Ort
einigen Kreuzer gesehen, wie eifrig ich auch bey alien Kaufleuten in Wien nach-
gefragt, ob nichts Remittirts vor mich vorhanden, dass ich mein in Regensburg
gegebenes Wort halten mochte; Gott, dem ich jetzt mehr als niemals vertraue,
hat mir dann alhier in meinen Aengsten Geld und Hulf geschafft; denen HH.
Dorville und Crainsseyssen, wie auch HH. Fuchsischen hat der hochlobl. Ober-
rheinische Kreis viel zu danken, dass Dero Volker nicht schwierig worden und
gar von einander gangen, weilen sie mir zue Erhaltung der Stand Ehr und Hoheit
an die 2000 Rthlr. treuherzig vorgeschossen ; was ist aber das unter so viel, bey
so ohnverhofften Extraordinari-Spesen, da auch der geringste Schritt und Tritt
in Wien muss iiberteuer bezalt sein. Meine Verrichtung sonsten betr. hab ich
das Gliick gehabt, von einem Prager Kutscher, so Proviant aus Bohmen bracht,
Wagen und 6 Pferd, sambt einer Winten und aller Zugehor abzuekaufen zum
Stuck- Ammunition -Wagen, ingleichen 8 Pferd mit Schieff und Geschirr vor die
Frankfurter Stiick 2 ); diesen Morgen gehet es mit Pass J. furstl. Gnd. zue Munster
iiber Land nacher Pressburg, dahin die 2 Regimenter zue Fuss bis uff weitere
Ordre stehen bleiben sollen; habe hierbey meinen Sohn Capitain Fischer gelassen,
ein aufsehendes Aug zue haben und Proviant und andere Nothwendigkeiten stets
nach Erforderung von mir zue gewarten; allein zue verrichten ware mirs so ohn-
moglich als schadlich.
Des hochlobl. Oberrheinischen Kreises Chur:Fursten und Stande wissen
selbst, was uff ein Monat gehorig, darnach Sie mit den Wechseln eingerichtet
20
sein muss; nun sind den ^ Augusti 2 Monat herumb, darzu ist mir, sambt den
unsaglichen Unkosten, so zue Wien erschrecklich, nur 2000 Rthlr. zue Frankfurt
in die Hande kommen. Man schaffe mir erkleckliche Mittel, oder ich muss bald
den Abschied in Unterthanigkeit bitten, wo ich mir nicht den Hals brechen lassen
will. Meine Hochgeehrte HH. schreiben vor mich an Ihrc Churf. Gnd. zue Mainz
und Furstl. Dlt. zu^immern, oder schicken Copiam von diesem meinem Schreiben,
dass Executiones ergehen, oder mir nur ein Creditiv ubersendet werde an hiesige
Kaufleut, so will ichs wohl machen.
(2 Kopieen. St- A. Kreissachen f. 79 sqq.)
l ) Der Bishof von Miinster, Christoph Bornhard von Galen (namentlich bekannt duroh seine
Teilnahme an dem Kriege von 1672), gehorte zu den Direktoren des Reichskriegsrates. —
*) d. h. Geschiitze.
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H.
la. Graf Walracl an den Pfalzgrafen von Simmern.
Undatiert. (Aus der Antwort des Pfalzgrafen ergiebt sich, dass der Brief am
September von Tyrnau abgeschickt war).
„ . . . Wiewohlen Ew. Furstl. Gnaden wie auch Ihro Churfiirstl. Gnadcn
zu Mainz als ausschreibenden Fursten ich jungsthin den Zustand meines unter-
habenden Regiments der Schuldigkeit nach in Unterthanigkeit verschiedene Mai
berichtet, aber bishero gar keine Antwort erhalten; als nehme ich nochmalen
mit unterthanigem Respect die Kiihnheit Ew. Furstl. Gnaden ferner unterthanig
zu berichten, dass es bishero mit der richtigen Zahlung langsamb und unrichtig
hergangen, • — da eine Compagnie das Ihrige bekommen, die andern aber das
Nachsehen gehabt, und dadurch nicht allein ein grosses Nachtheil und Schaden
den Ermanglenden daraus erwachsen, und erregt es desto grossern Unwillen
sowohl bey Officiren als Soldaten, da alle iibrige Kreis den Ihrigen nit allein
ihren Sold nur monatlich, sondern von 10 Tagen zu 10 Tagen richtig zahlen
lassen, und dazu die meisten Kreis zu 3 und 4 Monaten anticipando iibermacht
und zu Wien hinterlegt, also dass es genugsam hieraus scheinet, dass die Ober-
rheinische Kreisvolker allein so ungliicklich, — unterthanigst gehorsambst bittend,
gnadig zu befehlen, dass hinfiiro zu Entrichtung der Schuldigkeit und was so
teucr versprochen, der Anstalt moge gemacht werden. In Ausbleibung dessen
wird nichts anders daraus erfolgen, als dass die grosse Unkosten vergebens werden
angewendet sein, und bey so gestalten Dingen Ihro Kais. Maj. und dem Heil.
Romi8chen Reich wenig Dienst werden verrichtet werden konnen; so Ew. Furstl.
Gnaden unterthaniger Pflichtschuldigkeit nach nicht bergen sollen, dieselbe zu
allem Furstl. selbst erwiinschten Wohlergehn, mich zu Dero bestandigen Gnad
treulich empfehlend etc."
(Kouzept. St.-A. Kriegssachen f. 106.)
lb. Pfalzgraf Ludwig Heinrich von Simmern an Graf Walrad.
Sobernheim, den 12. Oktober (= 22. Okt. n. St.) 1664.
„ . . . Wir haben aus Desselben Schreiben unter dato Tyrnau den
JJten
^p Septembris ersehen, was der Herr Grafe wegen des seinem Regiment aus-
stehenden Solds und was Er derentwegen zu verschiedenen Malen berichtet,
nochmalen erinnert und gebeten. Wir geben Ihme darauf hiemit wiederantwortlich
zu vernehmen, dass, ob Wir zwar zwey Monat lang von Hause gew T esen, auch
Unsere hinterlassene Regierung sich von des Herrn Grafen vorigen Schreiben
keinem zu erinnern weiss, selbige jedoch ratione Unsers mittragenden aus-
schreibenden Furstenampts bey den Standen zu Beyschaffung ihrer Contingenten
mit wurklicher Ausschickung der Exekutoren an ihnen nichts ermanglen lassen,
und haben Wir gute Nachricht, dass die meiste Stande das Ihrige bereits vor-
langsten zur Kassen geliefert, und also der geklagte Mangel bey den Ober-
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rheinischen Volkern verhoffentlich seithcro ersetzt worden sein wird ; werden auch
nieht ermanglen, wegen desjenigen, so jungsthin zu Regcnsburg bey dem Kreis
zu bester und richtiger Unterhaltung der Volker abermalcn vor gut bcfunden
worden, die Notturft mit Chur-Mainz verordnen, und verblciben dem Herrn Grafen
zu angenehmer Freundschaft willig."
(Original. St.-A. Kriegssachen f. 114.)
2. (Rapport iiber die Kompagnie des Grafen Solms.)
„4 tc Compagnie.
15. Sept. 1664.
Rolla des Grafen Ilenrichen von Solms Compagnie zue Pferd,
so sich belauft die prima plana darin gerechnet 64 Pferd.
Die Prima plana wird vom Rittmeister selbsten erhalten, so
bestehet in 13 Pferden.
Die gemeinen Reuter so 51 seind 51
64
werden von nachfolgenden Standcn gegeben und unterhalten, wie hernach folgt.
Von Pfalz-Simmern 6
Von Solnis-Braunfels 6
Von Solms-Greifenstein 4
Von Solms-Hungen 2
Von Solms-Laubach 3
Von Solms-Rodelheim 3
Von Solms-Hohensolms 2
Von Solms-Lich 2
Von Ysenburg-Offenbach 3
Von Ysenburg-Birstein 3
Von Ysenburg-Budingen 7
Von Ysenburg-Ronneburg 1
Von Oberstein 1
Von Vohlen 1
Von der Stadt Landau 4
Von der Stadt Obernhain 3
Summa . .51 Pferd.
Von diesen vorgesetzten seind krank:
Von Solms-Braunfels 1
Von Solms-Greifenstein 1
Von Solms-Hungen 1
Von Solms-Laubach 1
Von Solms-Hohensolms 1
Von Vohlen hat das Bein gebrochen 1
Summa aller Kranken . . 6
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136
So unberitten seind:
Von Solms-Laubach 1
Von Solms-Rodelheim 2
Von Ysenburg-Budingen 1
Von Vohlen so auch das Bein gebrochen 1
Von der Stadt Landau 2
Summa der Unberittenen . . 7
Die so schlecht beritten seind:
Von Solms-Rodelheim 1
Von Solms-Hohensolms 2
Von Ysenburg-Birstein 1
Von Ysenburg-Budingen 1
Von der Stadt Landau 2
Von der Stadt Obernhain 3
Summa der ubel Berittenen . .10 Pferd.
Ausgerissen :
Von Solms-Greifenstein 1
(Original. St.-A. Oberrh. Kreissachen f. 102.)
„5 te Compagnie.
15. September.
Eolla uber die Compagnie der Stadt Frankfurt, commendirt durch H. Ritt-
meister Pflegern unter Ihro grafliche Gnaden von Nassau.
Empfangen von der Stadt Frankfurt in allem mit primo plan . Kopf 60,
die primo plan bestehet in 10 Kopf, — und 50 Reuter.
Habe noch sollen haben 16 Reuter, namblichen von Ihre Durchleucht von
Simmern 6, von Veldenz und Sponheim 10, welche ich aber nicht bekommen,
sondern nur empfangen von der Stadt Frankfurt wie oben gemelt . . 60 Kopf
Von diesen seind zu Fuss 3
sehr schlecht beritten und keine Dienst thuen konnen seind . . 6
kranken seind 7 *)
Summa . . 16
Als finden sich noch 36 Reuter und die primo plane, 10 Kopf, thut und
bestehet die Compagnie in allem so effective Dienste thuen konnen . Kopf 44.
J. Pfleger,
Rittmei8ter.
(Original, von Pflegers Hand. St.-A. Oberrh. Kreissachen f. 104.)
*) 7 ist sp&ter ausgestrichen und von anderer Hand dafiir 9 eingesetzt.
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tetf**
137
J.
Revers der Offiziere des Oberrhcinischen Kreisregiments zu
Pferde gegen den Herzog von Coburg.
Undatiert.
„Des hochloblichen graft, nassauischen Regiments zu Pferd wir endsunter-
8chriebene Officirer hiermit und in Kraft dieses urkunden und bekennen, dass,
nachdem uff der hochloblichen Reichs-Generalitat und unserer gnadigen Herrn
Principalen Ordre wir aus Ungarn wieder zuruck marchiret und des Durchlauchtigsten
Hochgebornen Fiirsten und Herrn Friederich Wilhelm, Herzogen zu Sachsen, Giilich,
Cleve und Berg, Landgrafen in Thiiringen, Markgrafens zu Meissen, gefursteten
Grafen zu Hcnneberg, Grafens zu der Mark und Ravensburg, Herrns zu Raven-
stein, Coburgische Lande und Furstenthumb betroffen, wir in solchem mit not-
turftigen Lebensmitteln ganzlich versehen, mit Rauch- und Glattfutter vor Pferd
und viel mitgetriebenes Viehe versorget, auch zur Notturft der Bagage und
Kranken mit Wagen und Anspann fortgebracht worden. Ob nun wohl der Reichs-
Execution-Ordnung, absonderlichen der Rom: Kais: Maj. Patent, den Reichs-
Conclusis und unserer gnadigsten Principalen Ordre gemass wir alles dankbarlich
bezahlen sollen, massen wir Geisel ausgeliefert und uns verbundlich reversiret,
der Zeit aber aller Mittel bloss, dieses zu praestiren, uns nicht moglich, als
obligiren wir uns hiermit, alle vor einen und einer vor alle, bey unsern wahren
Worten, Treuen und Glauben, als ehrliche Cavaliers und Soldaten, hochstgedachter
S. Fiirstl. Durchl. Lande, vermoge erwartender Liquidation, die gleich jetzo nicht
zur Stelle gebracht werden konnen (welcher ohne Noth zu beweisen, oder eidlich
zu bestarken, Glauben zu geben) gleich bey unserm Nachhauskommen ehrlich
und redlich zu bezahlen und in Dero Gewahrsam, wohin dasselbe begehrt wird,
zu liefern treulich und ohne Gefiihrde. Geschehen und geben im Quartier zu
den . . Novembris 1664.
(Konzept. St.- A. Kriegssachen f. 115.)
K.
1. Rcntmeister Schmidborn an den Stadtschreiber Hoffmann
zu Frankfurt a. M.
Usingen, den 27. Januar (6. Febr. n. St) 1664.
„Edel vest und hochachtbarer sonders hochgeehrter Herr.
Nachdem der hochgeborne mein gn. Graf und Herr nicht geringen Anlauf
von denen Stabspersonen ihrer Bezahlung wegen bekommt, und sehr verdriesslich
dass nicht allein Ihro hochgrafl. Gn. fur sich, sondern auch ged. Bedienten mit
so geringen Ausstanden also lang uffgehalten werden, in Erwegung alle andern
Kreises Obristen und Stabspersonen zu genugen contentirt worden sind, als habe
gestrigen Tages gn. Befehl erhalten, bey m. Hh. mich eigentlicher BeschafFenheit,
wie es in Cassa stehe, woran die Auszahlung gehindert, und welcher gestalt,
weilen Kreises Commissarius Calenberger todlich verblichen, solche gesichert
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138
werden musste, dariiber dan Dcssen gedenken ohnbeschwert zu eroffnen bitte.
Zwar haben Prinz von Simmern fiirstl. Dlt. vor wenig Zeit dessen Vertrostung
gethan, dass zu fordersambster Contentirung behorigc Anstalt gemacht und von
den Standen deswcgen einige Monetcn erhoben werden sollten; ob nun solches
geschehen oder man mit denen im Work begriffen, ware in allem umb beliebige
Nachricht zu bitten. Die Zahlung ist an sich selbsten billig, gereicht auch solchc
Erholung zu des Krcises mehrern Reputation, umb der chndcr dann solches zu
beschehen verhoffen will. Verbleibe etc. a
(Konzept. St.-A. Kriegssachen f. 120.)
2. Stadtschreiber Hoffmann an Rentmeister Schmidborn.
Frankfurt, 30. Januar (9. Februar n. St.) 1665.
„Edel und vester hochgeehrter Herr.
Meines hochgeehrten Hh. Schreiben, von Usingen den 27. hujus datirt, habe
zu Recht empfangen; berichte ohne unnothige Wiederholung der contentorunu
dass zwar die Herren Stande des Lobl. Oberrheinischen Kreises zu eincm Beitrag
a 4 1 / , 2 Romermonath, wovon die Stabspersonen vom Hochsten bis zum Niedrigsten
meines Eraclitens bezahlt werden sollten, angewiesen worden, woran auch einc
ziemliche Parthey eingangen, andere aber in mora; demnach aber bey Uffricht-,
Vorstell-, Muster- und Abfuhrung der Regimenten, item den Schiffskosten zu
Regensburg, Proviant und andern die Cassa ganzlich ersckopft, Hire Churfiirstl.
Gnd. zu Mainz auch, welche dem Kreis in 7000 Rthlr. vorgcsetzt, das Ihrige,
wann etwas einkombt, jure crediti erheben, so ist uff die Cassa, in statu quo,
jetzmahlen keine Rechnung zu stellen; und wenn auch viel oder wenig bey der
Hand oder in Cassa, so hab ich doch dariiber umb nichts, vermog des Recesses,
zu disponiren. Ihre Churfiirstl. Gn. haben zwar Monitoria und Comminatoria
ergehen lassen, es will aber nicht fruchten. Ich trage die Sorg, weilen Calenberg
todt, es musste ein anderer Zahlmeister verordnet werden. Ob, wie und w r ann
nun dieses entweder zu Regensburg oder bey absonderlichem Kreis - Convent
hiernachst beschehen wcrde, wird die Zeit geben. Verbleibe ete. tt
(Original. St.-A. Kriegssacheii f. 126.)
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XVIII.
N e k r o 1 o g
des am 16. November 1886 verstorbenen
Herrn Max Heckmann,
Die Geschichts- und Altcrtumsforschung des Mittelrheins und insbesondere
auch unserc Annalen haben in Max Heckmann einen fleissigen und geschatzten
Mitarbeiter verloren. Geboren in Sinsheim im Kraichgau am 19. Dezember 1829
als zweiter Sohn des Advokaten F. Ch. Heckmann und der Isabelle geb. Lichtenauer,
brachte er seine Unterrichtszeit auf der niederen und hoheren Burgersehule dort
zu, als der Pfarrer Wilhelmi als. der erste eine rationelle Untersuchung der alten
Graber und ihre Verwertung fur die Landcskulturgeschichte einfiihrte. Als Freund
seines elterlichen Ilauses wusste er auch in ihm den Sinn fiir altertumlichc
Forschungen zu erwecken und ihm damit einen uber die Alltagsgeschafte erhebenden
Begleiter furs Leben mitzugeben.
Heckmann widmete sich dem Handelsstand und trat 1858 in das Calorifer-
Geschaft von Kaufmann Bayer & Komp. in Ludwigshafen ein. Im Jahre 1863
begrundete er mit Zehnder & Komp. ein iihnliches Geschaft in Mainz, in welchem
er mehr den technischen und die Reisen, jener mehr den kaufmannischen Teil vertrat.
Immer kehrtc er auch mit reichen Notizen, besonders iiber Stadt- und Burg-
befestigungen zuriick, die er bald dem Unterzeichneten zur Verfiigung stellte.
In jener Zeit schrieb er mit E. Worner im Korrespondenzblatt der deutschen
Geschichts- und Altertumsvereine 1878, No. 6 iiber die Hinkelsteine, wozu er
namentlich auch die Zeichnungen machte. Daselbst ist die Litteratur iiber diese
interessanten Steindenkmaler beigebracht. In Nassau haben sich wenigstens als
Flurnamen Hinkelsteine in den Gemarkungen von Hallgarten, Geisenheim und
Schwanheim und bei Homburg der Glocken- oder Gluckenstein selbst erhalten.
In demselben Blatt, 1879, No. 3, 4, 7, 8, und mit demselben Mitarbeiter
veroffentlichte er mit guten Zeichnungen vcrsehen mehrere Renaissancebauten in
Mainz, und gab mit ihm 1884 ein mit etwa 20 Holzschnitten versehenes Schriftchen:
„Ort- und Landesbefestigungen des Mittelalters", Mainz bei Fr. Frey, heraus,
welches eine sehr beifallige Aufnahme fand.
In unseren Annalen XVII, pag. 130 schrieb er iiber die Belagerung von
Rheinberg an der Wisper 1279, indem er die zu diesem Zweck errichteten Gegen-
burgen im Gelande ringsum aufsuchte und nachwies. Er gehorte zu denen, deren
schriftliche Arbeiten nicht im Behagen der Schreibstube, sondern unter den
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Strapazen der Wanderungen entstanden. Zu seinen liebsten Ausflugen und Aufent-
halten gehorte das Wisperthal ; er hat dasselbe in humoristisch-historischer Weise
und mit flotten Handzeichnungen versehen beschrieben und fur Freunde drucken
lassen, wie er denn uberhaupt liebte das gesprochene und geschriebene Wort mit
fliichtigen und cbarakteristischen Handzeichnungen zu begleiten. In dieser Art
hatte er schon 1874 eine Wanderung durch die Ostheiiner Cent, am Main,
beschrieben und zahlreiche Aufsatze iiber Lokalaltertiimer in Zeitschriften ver-
offentlicht. Dem Unterzeichneten hat er immer seine Gunst auch dadurch erwiesen,
dass er ihn mit interessanten schriftlichen und gezeichneten Notizen versah, die
ihre dankbare Verwertung fanden und, so Gott will, noch finden sollen. Wie viele
Gange durchs Land haben wir zusammen gemacht; immer war er bereit und
willkommen, stets ein auftnerksam und nuchtern sehender, klar und richtig
zeichnender Begleiter. Er war nie verheiratet. Im Jahre 1883 hatte er sich wegen
Kranklichkeit, Asthma und Krampfhusten aus dem bliihenden Geschaft zuriick-
gezogen und ganz seinen Lieblingsstudien gelebt. lm Friihjahre 1886 suchte er,
stets noch sammelnd, am Genfer See und bei Bern Linderung seines Ubels,
allein vergeblich. Nach Mainz zuriickgekehrt, konnte er die Stube bald nicht mehr
verlassen und starb, mit den Trostungen der katholischen Kirche versehen, am
16. November 1886.
A. von Cohausen.
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Vereinsnachrichten.
I. Bericht des Konservators pro 1886.
Indem ich diesen Bericht der Generalversammlung des Nassauischen Geschichts-
und Altertumsvereins vorlege, spreche ich zuerst den gutigen Gebern und Gonnern
den Dank fur manche dem Museum zugewandte Geschenke aus.
Zuerst der Freifrau Riedesel zu Eisenbach fiir eine papstliche und eine
portugiesische Goldmiinze; einer anderen Dame, welche ihr Wohlwollen immer
von neuem bethatigt, fur ein Stuck Gobelin (verdure) (13820) und verschiedene
Terracotten (13825 u. 13826) und eine Anzahl aus Italien mitgebrachter Glaser (13746
u. 13747), welche nicht wegen ihrer Farbenpracht allein, sondern auch in manuell-
technischer Hinsicht ein grosses Interesse beanspruchen. Dies erregt auch eine neue
Henkelflasche (13827), sowohl wegen der auch von den Alten angewandten gardinen-
formigen Verzierung, als auch wegen des ebenso guten Henkelansatzes; geschenkt
von Herrn O. Rauter, Direktor der Rheinischen Glashiitte in Ehrenfeld bei Koln.
Ich erwahne hier gleich funf schone und wohlerhaltene Glasschalen, Becher
undKuppen aus frankischen Grabern des Mittelrheins (13828, 13829, 13830). Der
Koniglichen Regierung, bezw. den Herren Wasserbaubeamten dankt das
Museum mehrere Funde aus dem Main, der Lahn und dem Rhein; insbesondere
dem leider verstorbenen Regierungsbaumeister Kahl einen zweiten, bei Hochst
gefundenen Einbaum, den ich im Museum anzusehen bitte. Nachdem derselbe
dort die Uberreste einer romischen Mainbriicke entdeckt hatte, hat auch der
Hanauer Altertumsverein, welcher eine solche schon friiher bei Grosskrotzenburg
gefunden hatte, nun auch noch eine dritte romische Mainbrilcke bei Philippsruhe
entdeckt.
Auch von der 1869 von mir theoretisch bestimmten Caesarischen Rheinbrucke
bei Neuwied glaubt der Herr Regierungsbaumeister Isphording eine Anzahl
von entsprechend gestalteten Pfahlen aufgefunden zu haben; Proben derselben,
denen auch ich denselben Ursprung zuschreibe, hat er dem Museum ubergeben
(No. 13816).
Der Herr Regierungsbaumeister Imroth, dem wir schon mehrere sch5ne
Funde danken, hat bei Eltville ausser einigen urweltlichen Zahnen und anderen
Anticaglien auch ein mittelalterliches Zweihand-Schwert ausgebaggert.
Der Aufmerksamkeit des Herrn Oberforsters Holzerkopf in Weilburg
danken wir einiges Eisenwerk und mehrere gotische Ofenkacheln von der langst
zerstorten Burg Graveneck.
Uberhaupt kann ich nicht genug meinen Dank dafur aussprechen, wie sowohl
die k8niglichen als die Beamten des kommunalstandischen Verbandes, der Weisung
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ihrer hohen Behorden entsprechend, mir von jedem Funde durch Brief oder
Postkarte sofort Nachricht geben und denselbcn dem Landesmuseum zuzuwenden
bemiiht sind.
Von Herrn 6. Dieffenbach in Friedberg empfing das Museum einige
sogen. Chattische Gefasse (13738) aus seinen Ausgrabungen bei Nauheim.
Sehr merkwiirdig sind die wesentlichen Bruchstucke eines Topfes (13743)
aus dem Sehrezheimer Walde bei Ellwangen, welcher in urtumlicher Weise zur
Destination des in alten Grabern vielfach gefundenen Birkenharzes gedient zu
haben scheint.
Durch Vermittelung desselben gutigen Gebers, des Herrn Professor
C. M. Kurtz, empfingen wir von Herrn II. Steinhard aus den alemannischen
Grabern bei Pfahlheim das Bruchstuck eines Hufeisens (13744), welches, da ich
an romische Hufeisen nicht glaube, das iilteste ist, welches ich meines Erachtens
zu Gesicht bekommen habe.
Aus jener Gegend wurden mir auch zwei gusseiserne weibliche Statuetten
als romisch vorgelegt; da ich aber auch an romisches Gusseisen nicht glaube,
empfahl ich Nachfrage in Wasseralfingen und hatte die Genugthuung, dass
die Direktion dieses beruhmten Hiittenwerkes unter ihren alten Modellen auch
die jener Statuetten auffand und die Freundlichkeit hatte, neue Abgiisse davon
anfertigen und dem Museum zugehen zu lassen.
Von Herrn Major von Langendorf empfingen wir einige Thongefasse
(13823) aus Posen'schen Grabern ; von Herrn Dompriibendaten Dr. Fr. Schneider
einige sechseckige Mosaiksteine (13773) aus einem grosscren Mainzer Fund;
von Herrn Dormann die Thonform eines Kruzifixes (13G92) und einige Terra
sigillata-Gefasse ; von Herrn Zimmermeister Jacob eine mit einer Lilie
und W 1646 bezeichnete sechseckige Bodenplatte (13736) von Sonnenberg.
Dem Direktor der Merziger Thonfabrik, Herrn Spangenberg, dankt das
Museum ein treffliches Modell der Igler Saule (13748) und den Schadel aus
einem voralemannischen Grabe von Laubenheim in der Pfalz (13832). Dem Herrn
Dr. Lotz in Frankfurt eine Anzahl von Marmorstucken (13771) aus der durch den
in Darmstadt befindlichen Mosaikboden bekanntcn Villa bei Vilbel, der einzigen
auf dem rechten Mainufer, die sich eines solchen Luxuses erfreute. Wir fiihren
ferner noch die Gabe eines sich stets gleichbleibenden Freundes unserer Sammlung,
des Herrn Buschbaum in Hamburg, an, in Gestalt eines Willkomms und
einer Kanne von Zinn. Dieses Metall hat das Altertum in seiner Bronze
so massenhaft, aber so selten ungemischt verwandt, wiihrend es zur Zeit der
Renaissance bis in den Anfang unseres Jahrhunderts als Tafel- und Trinkgeschirr
keinem gediegenen Hausstaate fehlen durfte. Von Herrn R. Wolff empfingen
wir, in Koln gefunden, zwei Silberspiegel (13814); von Herrn T. W. Klein in
Limburg ein Paar sehr schone Ladenbeschlage (13772) aus der dortigen Burg.
Wie Sie wissen, beschaftigt uns schon langere Zeit die Frage nach der
Konstruktion der Ringwalle; wie dieselben mit Hilfe von Holzeinlagen ausgefiihrt
worden sind : dafiir haben wir nicht nur in den Angaben Caesars, den Darstellungen
der Trajanssaule und den in den Wallen des Altkonigs vor 3 Jahren auf-
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gefundenen Fachwerksspuren, sondern auch in den Schlacken, die beim Verbrennen
des Holzes entstanden, die besten Belege. Einen neuen hat uns der Herr
Generalleutnant von Seydlitz von den Ringwallen des Donnersbergs (13824)
mitgebracht. Wir haben ausser diesen jene drei Holz-Stein-Konstruktionen in
Modellen hier aufgestellt, welche der Vereinsdiener A. Week ausgefuhrt hat; das
der Trajanssiiule und des Altkonigs waren schon fruher hier aufgestellt, das dritte,
welches nicht nur nach der so oft missverstandlichen Auslegung des Caesarischen
Textes, sondern auch nach den Ausgrabungen auf dem Mont Bavrai bei Autun
ausgefuhrt ist, zeigt eine Masse von Holz, welche auch noch schwerer schmelzbares
Gestein als den Feldsteinporphyr des Donnersbergs erweichen konnte. Auch bei
unseren diesjtihrigen Nachgrabungen in der Umwallung der Huhnerburg
kommen wir wieder auf verschlacktes Gestein. Diese nur 2 1 /* km nordlich von
Cronberg gelegene, ringsum abfallende Hochplatte, die ich in Gesellschaft mit den
Herren Sanitatsrat Dr. Florschiitz und Hauptmann E. Botticher untersucht habe,
sei hiermit auch wegen ihrer landschaftlichen Schonheit den Touristen empfohlen.
(ber dies Refugium, iiber einen Abschnittswall, welcher den Riicken zwischen
dem Staufen und der Hofheimer Kapelle sperrt, und einige andere Befestigungen
im Eppsteiner Thai, welche wir diesen Sommer aufgenommen haben, ist in
diesem Annalenband berichtet worden. Als ebenfalls der altesten Zeit angehorig
sollen hier noch erwahnt wcrden ein schones Chloromelanitbeil (13801) von Cronberg
und einige andere Stein werkzeuge (13725 — 13727), sowie drei Bronze-Celten (13759,
13760, 13761) aus der Gegend von Mainz. Von zwei sogen. Celten von Eisen (13609
u. 13700) aus dem Rhein lassen wir es dahin gestellt, ob es nicht moderne Palzer
sind, welche die Flosser noch heute zum Aufholen gesunkener Stamme anwenden.
Die Thonindustrie der Romer ist vertreten durch die Topferstempel (13694
und 13695) APRIANVSF und OCAMNVSF, vier Lampen (13766—13769), ein
Hahnchen und Huhn (13764 und 13765), das Votivbild einer Mater (13736), einen
Jupiterkopf mit dem Modius und einige Hypokaustenziegel, welche in der
Webergasse No. 23 in situ gefunden wurden. Eine schone Nachahmung der
romischen Terra sigillata-Gefasse (13833) haben wir von Ilerrn Geh. Kommerzienrat
Boch in Mettlach crhalten.
Reichlieher vertreten ist die romische Metall-Industrie durch ein 31 cm
hohes Bronze-Standbild eines Cymbeln schlagenden Satyrs (13750), der mit
dem rechten Fuss das Scabellum (eine Art von Cri Cri) tritt und durch Vermehrung
des klassischen Larmens die Vergangenheitsmusik der Zukunftsmusik naher
bringt. Eine gleiche, jedoch in Marmor, 1,40 m hohe Darstellung befindet sich
in der Gallerie von Florenz, wie sich denn iiberhaupt diese Cymbeln schlagenden
und tanzenden Faune oder Sartyre haufig im Altertume finden, das Original des
unsrigen selbst dem Praxiteles zugeschrieben wird. Clarac IV, 252.
Ein kleines, 9 cm hohes Standbild eines Legionars (13700), ein phalischer
Zwerg (13703), ein behelmter bartiger Kopf, der etwa als ein Mobelbeschlag
gedient hat (13821), eine Faunsbiiste als Hangebuchschen (13742). Eine goldene
la Tenefibel, gefunden an einem Ort, von wo wir schon seit 16 Jahren sehr
interessante Goldsachen erhalten haben (13775).
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Drei Armbrustfibeln (13729—13730, 13731, 13733), verschiedene andere
romische Fibeln (13710—13713, 13743, 13793, 13794), eine in Gestalt eines
Taubchens (13754). Ferner Nachbildungen in Silber von vier auf der Saalburg
gefundenen Fibeln (13803 — 13806), von dem Goldarbeiter J. Sauer in Homburg,
desgl. die Nachbildung dreier in Heddernheim und auf der Saalburg gefundener
romischer Schlosser (13807, 13808, 13809) von Schlosser W. Merle in Homburg.
Wir freuen uns der aus der alten der neuen Industrie gegebenen Anregung.
Wir machen aufmerksam auf ein Paar Ohrringe und deren architektonischen
Aufbau, aus zwei gekuppelten Fenstern mit dem schuppenverzierten Tympanon,
umsaumt mit kleinen echten Perlen (13798), angeblich bei Kaltengers gefunden,
daran schliessen sich andere Ohr- und Fingerringe von geringerem Wert (13753
bis 13762). Ein kleiner Kandelaber mit vier Taubchen auf der Schale (13741).
Chirurgische Instrumente: ein Schropfkopf (13707), Sonde und Spatel (13707—13708,
13713). Verschiedene als Pferdegeschirrbeschlage zu bezeichnende Bronze, zwei
Sattelbocke von Eisen vom Rochusberg. Wir haben vier gleichartige Bronze-
knaufe (13751 und 13752) aufgestellt, iiber deren Zweck wir nichts Bestimmtes
wissen. Ein sogen. Opfermesser (13702) und drei Schlussel, von denen zwei mit
verzierten Griffen (13751, 13716, 13750). Auch ein Fingerhut (13831) hat sich
unter anderen romischen Antiquitaten gefunden, obschon kein alter Schriftsteller
seiner Erwahnung thut und erst im XII. Jahrhundert die heilige Hildegard ihn
zum erstenmal nennt.
Es folgen noch einige in Gesellschaft mit anderen romischen Antiquitaten
gefundene Lanzen und Pfeilspitzen (13996,13997, 13998), sowie die Rekonstruktion
des pilum grave (13792) durch das romisch-germanische Museum.
Von frankischen Metallgegenstanden haben wir ausser den gewohnlichen
Scramasaxen, Lanzen- und Pfeilspitzen, die auch nicht mehr seltenen, aber immer
in anderen Mustern vorkommenden silbertauschierten eisernen Gurtelbeschliige und
Fibeln (13781 — 13788) erworben, denen wir ein graues, ebenfalls mit Silber
tauschiertes Gefass (12417), eine indische sogen. Bidri- Arbeit, an die Seite stellen.
Die Zinkkomposition ist dunkelgrau geatzt, so dass die Silberauflage, welche durch
die Atzung nicht angegriffen wird, desto heller vorleuchtet. Ohne Zweifel haben
auch die Franken ihre Eisenarbeiten briiniert, um einen Farben-Gegensatz mit dem
Silber hervorzurufen. Bei diesen alemannisch-frankischen Metallarbeiten kann man
eben so wenig, wie bei den Thon- und Glaswaren einen Niedergang der Industrie
durch das Hereinbrechen der Barbaren in die romische Kultur wahrnehmen. Die
Glaser werden nicht minder kunstlich, die Thongefasse mit ihren Formen, Henkeln
und Ausgussen eher zweckmassiger, wahrend die Luxuswaren der Terra sigillata
bei den Romern zu Ende ihrer Herrschaft schon immer schlechter geworden waren.
Wir haben hier noch eine Degenklinge aus Cronberg (13802) mit
dem Wolfzeichen und der Jahreszahl 1414, ein Paar Sporn (18790) aus dem
XVII. Jahrhundert, wie sie die franzosischen Mordbrenner in der Pfalz trugen,
und einen arabischen Zaun (13791) zu erwahnen, ehe wir zu den Belegen einer
anderen Industrie ubergehen: ein Stuck Gobelin von unserer schon oben
genannten Gonnerin, und ein sehr merkwurdiges Stuck Haute lisse-Weberei (13819).
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Westlich von Luxor in Agypten liegen namlich im stets trockenen Sande des
lybischen Wiistenrandes alte Totenfelder, in welchem die Leichen allerdings ver-
trocknet und ihre Gewander und Einhullungen in Stoffzeichnung und Farbe sich,
wie Sie sich hier uberzeugen konnen, vollkommen erhalten haben. Sie gehoren
dem V. Jahrhundert nach Christus und ihre Darstellungen grossenteils noch deni
heidnischen Bilderkreis an. Im XV. Annalenbande haben wir in einem Aufsatze
iiber das Spinnen und Weben bei den Alten hingewiesen auf die nunmehr ver-
mehrten Belegstucke, welche unser Museum in Erfullung seiner praktischen Auf-
gabe, z. B. eines Vortrag iiber die textilen Kunste, bieten wurde.
Wir haben schliesslich noch das hubsche Geschenk des Gymnasiasten
George Zahn zu erwahnen: das aus Eberbach stammende Wachs-Bild (13818)
eines Kurfursten (?).
Ausser den erwahnten haben wir noch Miinzgeschenke zu verzeichnen von
Herrn Oberstleutnant v. Bernuth, Herrn Tendlau und Herrn Hofrat Lehr.
Das Altertumsmuseuni war wiihrend der Sommermonate von 5564 Personen
be8iicht. Die in diesem Jahre zum erstenmale versuchte Einrichtung, auch an
den Sonntagen das Museum geoffnet zu halten, hat sich insofern gut bewahrt,
als, wahrend der Besuch an den Werktagen 2296 Personen betrug, der an den
Sonntagen 3268 Personen stark war. Es ist die Absicht, im Museum einen
tragbaren Ofen aufzustellen, so dass der Aufseher sich auch im Winter einige
Stunden da aufhalten und dem Publikum der Besuch ermoglicht werden kann.
IT. Bericht des Sekret&rs.
(Vom Januar 1886 bis Marz 1887.)
Der XIX. Band der Annalen wurde den verehrlichen Mitgliedern unseres
Vereines im April 1886 zugestellt; zugleich mit ihm kam das dritte und
abschliessende Heft des Pfahlgrabenwerkes von Herrn Oberst von Cohausen
zur Verteilung.
Die Zusammenkunfte des Vereines, welche am ersten Samstag jedes Monats
im Winter stattfanden, waren zahlreich besucht und legteti Zeugnis ab von dem
regen, fur die Altertumswissenschaft vorhandenen Interesse. In ihnen wurden
folgende Vortrage gehalten:
1) Am 9. Januar 1886: Vortrag des Herrn Professor Dr. J. Grimm „iiber
das Dorfrecht in Schwanheiin".
2) Am 6. Februar 1886: Vortrag des Herrn Regierungs- und Baurats Cuno
„iiber die Geschichte des Hansabundes* 4 ; daran schloss Herr Professor Dr. Grimm
eine Auseinandersetzung iiber die Hansa vom rechtshistorischen Standpunkt aus;
sodann referierte Herr Professor Otto w iiber eine Abhandlung Sickels", welche
die Unechtheit eines angeblich von Karl dem Grossen ausgestellten Privilegs
beweist, und machte Mitteilung von einigen unbekannten Briefen Wallensteins.
3) Am 13. Marz 1886 : Vortrag des Herrn Majors Freiherrn
Annalen d. Ver. f. Nass. Altertumsk. u. Geechiohtsf. XX. Bd. 10
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von Wangenheim „ iiber die Belagerung von Rheinfels durch die Pranzosen
im Jahre 1692"; sodann regte Herr Professor Otto eine Diskussion iiber die
etymologische Entstehung und Bedeutung des Namen Biebrich an.
4) Am 6. November 1886: Vortrag des Herrn Gymnasiallehrers Wed ewer
„iiber den dritten Kreuzzug und besonders die Belagerung von Akkon". Darauf
legte Herr Professor Otto eine kurze Auseinandersetzung iiber den Namen
Arminius vor.
5) Am 4. Dezember 1886 auf der Generalversammlung: Vortrag des Herrn
Professor Otto „ iiber den Ritter und Kaiserlichen Feldmarschall Johann Hilchen,
den Freund und Waffengenossen von Franz von Sickingen.
6) Am 8. Januar 1887: Vortrag des Herrn Archivars Dr. Hagemann „ iiber
die Reunion der Grafschaft Saarwerden mit Frankreich im Jahre 1793. Daran
schloss Herr Professor Otto eine Auseinandersetzung uber die Loreleisage.
7) Am 12. Februar: Bericht des Herrn Oberst von Cohausen „iiber die
Generalversammlung der Gesehichtsvereine zu Hildesheim und Vortrag des Herrn
Majors Schlieben „uber den Hufschutz im Altertum und die ersten Anfange
des Beschlages mit Nageln im Mittelalter".
Von offentlichen Vortragen ist nur einer zu nennen : der auf der General-
versammlung am 4. Dezember 1886 von Herrn Professor Otto „ fiber Johann
Hilchen a gehaltene. Weitere offentliche Vortrage fanden nicht statt, da sich
niemand zu solchen erbot; da in unserer Stadt durch Vortrage der verschiedensten
Art hinreichend fur die Popularisierung wissenschaftlicher Ergebnisse gesorgt ist,
so glaubte der Vorstand auch von der weiteren Anregung zu denselben absehen
zu durfen.
An gemeinsamen Ausflugen ist gleichfalls nur einer zu verzeichnen: dieser
wurde am 16. Juni 1886 nach Hochst unternommen. Unser dortiges Vereins-
mitglied, Herr Amtsgerichtsrat Stifft, iibernahm die Fiihrung durch die sehr
altertiimliche katholische Kirche; Herr Professor Dr. Grimm gab interessante
historische Nachrichten zur Geschichte derselben; die Besichtigung der
protestantischen Kirche, der Gelatinefabrik von Heinrich und der Mainbauten
schlossen den Ausflug. Die andauernde schwiile Hitze des Nachsommers, der
Umstand, 'dass ein grosser Teil unserer Mitglieder auf langere Zeit wahrend
desselben von Wiesbaden abwesend war, und die infolge davon vorauszusehende
geringe Beteiligung bewogen den Vorstand, die Veranstaltung weiterer Ausfliige
zu unterlassen.
Mit den auswartigen Vereinen wurde der hauptsachlich im Schriftenaustausch
bestehende Verkehr in der hergebrachten Weise fortgesetzt und dadurch eine
erfreuliche Vergrosserung unserer Bibliothek erzielt; zu den 142 Vereinen, mit
denen wir schon im Austnusch standen, sind hinzugekommen : der historische
Zweigverein des Strassburger Vogesenklubs, die historical society des Staates
Nebraska zu Lincoln, der Geschichts- und Altertumsverein zu Eisenberg, die
Bibliothek zu Kornik in Posen, der Geschichtsverein in Dusseldorf. — Eine
weitere Bereicherung erfuhr unsere Bibliothek durch zahlreiche Ankaufe und
durch Schenkungen. Der Huld Seiner Kaiserlichen und Koniglichen
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Hoheit des Kronprinzen des deutschen Reichs und von Preussen
verdanken wir auch den vorjahrigen siebenten Band des Jahrbuchs der preussischen
Kunstsammlungen; ferner wandten uns Geschenke zu die Herren: Archivar Dr.
Ausfeld, Buschbaum in Hamburg, Oberst von Cohausen, Freiherr von Eberstein
in Berlin, Gymnasiallehrer Fritze, Medicinalrat Dr. Genth in Schwalbach, Land-
gericht8rat Keira, A. Meyer in Berlin, Professor Otto, Major Freiherr von Troltsch
in Stuttgart, Major Freiherr von Wangenheim. Ausserdem iiberwiesen uns wert-
volle litterarische Erscheinungen das Koniglich preussische Kultusministerium in
Berlin und die Landesdirektion zu Wiesbaden. Allen gutigen Gebern sei hiermit
der Dank des Vereins noch einmal offentlich ausgesprochen!
Die General versammlung der deutschen Geschichtsvereine fand vom
5. — 9. September in Hildesheim statt; die Vertretung unseres Vereines bei der-
selben ubernahm der Konigliche Konservator Herr Oberst von Cohausen.
Die Zahl der Vereinsmitglieder hat gegeniiber dem vorhergehenden Jahre
cine wenn auch unerhebliche Abnahme erlitten. Teils durch den Tod, teils durch
freiwilligen Austritt schieden aus dem Verein folgende Mitglieder:
Herr W. Schwenck, W.
» Dr. Krebs, Gymnasiallehrer, \V.
Frau Generalin von Thompson, Rom.
Herr Wendenius, Badewirt, W.
» En gel, Gutsbesitzer, Griesheim.
» Schneider, Steeten a. d. Lahn.
* Alefeld, Hofrat f, W.
* von Gartner, General f, W.
» von Biiltzingslowen, Generalleutnant fi W.
» Dr. Spiess, Gymnasial-Oberlehrer, W.
» Pagenstecher, stud, phil., W.
» Dr. Bodemer, W.
» Jiingst, Fabrikant f 1 Herborn.
» Munzel, Banquier f> W.
» Zeppenfeld fi Oberlahnstein.
» C. Beckel t, W.
» Dr. A. Duncker, Oberbibliothekar f» Cassel.
» von Skopnik, Oberstleutnant, \V.
> Professor Lade, W.
» Pfarrer Hell bach f? Caub.
» A. Souchay, Frankfurt.
» Dr. Hermanni, Pfarrer, Rodelheim.
» Dr. Heymach, Gymnasiallehrer, Corbach.
» Berckenkamp, Landgerichtsdirektor f, W.
» M. Heckmann f? Mainz.
» A. D. Kimmel, Rentner t> W.
y F. Knauer, Rentner f, W.
» Nicol, Verlagsbuchhandler, W.
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Herr Freiherr von Holzhausen, W.
» Dr. Paehler, Gymnasial-Direktor, W.
» Freiherr von Pelser-Berensberg, W.
» Ulrich, Koniglicher Bergrat, Diez.
Unter den Verlusten, die der Tod diesmal dem Verein gebracht hat, hat
derselbe besonders zu beklagen denjenigen des Herrn Oberbibliothekars Dr. A.
Duncker in Cassel; war auch dessen Thatigkeit in den letzten Jahren seit
seiner t)bersiedelung nach Cassel vorzugsweise der Erforschung der Geschichte
seines hessischen Heimatlandes gewidmet, so hat er doch auch die Ziele unseres
Yerein8 als Yorstandsmitglied und Sekretar desselben in den Jahren 1878 — 1880
in hervorragender Weise gefordert. Auch den Tod zweier Ehrenmitglieder haben
wir zu beklagen, der Herren:
Geh. Rat Dr. M. Duncker, Oberbibliothekar in Berlin.
Geh. Rat Professor Dr. Waitz, Berlin.
In den Verein traten seit Januar 1886 ein:
Herr von Scheven, Botschaftsbeamter a. D., \V.
» Dr. Schambach, Professor, Altenburg.
» H. Riedel, Restaurateur, W.
» 0. Mendelsohn, Kaufmann, W.
» von Trott zu Solz, Konigl. Landrat, Hochst.
» W. Jung, Pfarrer, Soden.
» W. Schilo, Pfarrer und Schulinspektor, Idstein.
» E. Botticher, Hauptmann a. D., \V.
>■ II gen, Kapitan in der niederlandischen Armee, z. Z. in W.
Hecker, Gerichtssekretar, Nassau.
» L. H. Br of ft, Frankfurt a. M.
» Friedrich, Pfarrer, W.
Bei Abschluss dieses Berichts zahlt der Verein 10 Ehrenmitglieder, 10 korre-
spondierende Mitglieder und 383 ordentliche Mitglieder.
Durch seine anderweitigen Arbeiten zu sehr in Anspruch genommen, legte
Herr Archivar Dr. Ausfeld im Anfang des Oktober 1886 zu grossem Bedauern
des Vorstandes und Vereines sein Amt als Sekretar nieder. Durch Vorstands-
beschluss trat an seine Stelle der Unterzeichnete.
Die General versamm lung des Vereines fiir das Jahr 1886, welche am
4. Dezember 1886 stattfand, verlief in herkommlicher Weise.
Nachdem die drei statutengemass ausscheidenden Vorstandsmitglieder durch
Akklamation wiedergewahlt worden waren, setzte sich der Vorstand aus folgenden
Mitgliedern zusammen:
Vereinsdirektor : Fr. Otto, Prof., Prorektor am hiesigen Konigl.
Gymnasium.
Vereinssekretar: Dr. phil. H. Schmitt, Hiilfslehrer am hiesigen
Konigl. Gymnasium.
Konservator des Konigl. Museums: von Cohausen, Oberst z. D.
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Cuno, Regierungs- und Baurat.
von Eck, Justizrat.
Hohn, Polizeirat.
Lehr, Hofrat.
Lenders, Forstmeister.
Dr. pliil. Paehler, Direktor des Konigl. Gymnasiums.
Dr. phil. Sauer, Archivrat.
Weldert, Direktor.
E r s a t z m a n n e r :
Gaab, Rentner.
Labes, Oberst z. D.
Freiherr von Wangenheim, Major a. D.
Die Rechnungsprufungs-Kommission besteht aus den Herren:
Dr. Adam, Gymnasialoberlehrer.
Cuno, Regierungs- und Baurat.
Streitberg, Amtsgerichtsrat.
Eine Anderung in der Zusammensetzung des Vorstandes ist zunachst dadurch
erfolgt, dass Herr Professor Otto, der langjahrige, hochverdiente Leiter des
Vereins, durch Schreiben vom 29. Januar 1887 dem Vorstand die Mitteilung
machte, er 6ehe sich aus Griinden, die fiir ihn personlich entscheidend seien,
veranlasst, das Amt eines Direktors des Vereins niederzulegen. Nachdem die
Beimihungen des Vorstands, Herrn Professor Otto dem bisher von ihm ver-
walteten Amte zu erhalten, vergeblich gewesen waren, wurde Herr Justizrat
von Eck von dem Vorstande zum stellvertretenden Direktor ernannt.
Ausserdem erklarten ihren Austritt aus dem Vorstand die Herren Polizeirat
Hohn, Direktor Dr. Paehler, Archivrat Dr. Sauer. An ihre Stelle traten die
Herren Rentner Gaab, Oberst Labes, Major Freiherr von Wangenheim.
Wiesbaden, im Marz 1887.
Dr. Sehmitt
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Bemerkung zu: Die Ruders-Kapelle iro Cronberger
Wald (pag. 51).
Die Kapelle im Ruthartshain findet ihre Erwahnung in den Regesten des
Solms-Rodelheimischen Archivs in unseren Annalen XIII, pag. 49 unter den
Nummern 36, 38, 39, 43, 44, 46, 47, 51, 52, 53, 58, 74. v. C.
Nachtrag zu dem Jahresbericht des Konservators.
Am 19. Juli wurde zwischen dem Rheinufer und dem Wasserturm der
Cementfabrik Amoneburg in etwa 2 m Tiefe und mit anderen Quadern verbaut
ein Sandstein-Altar gefunden und von Herrn R. Dyckerhoff unserem Museum
verehrt. Er tragt die Inschrift:
H DD
N M AVG
HAS IFERII
SIVEPASToR
coNsis^rr
ESKASTELLO
MATrlACORVM
ESVOPOSVE
VKT-VIIII-KA L
APRILE S
LIANOETCRI
PI NOCO
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In honorem domus divinae
numini Augusti
hastiferii
sive pastores
consistent
es castello
Mattiacorum
e suo posue
runt nono (die) Kalendas
Apriles
Juliano et Cri-
spino consulibus.
App. Claudius Julianus und C. Bruttius Crispinus waren Consuln im Jahre
224 n. Chr. (Klein, fasti consulares pag. 97). v. C.
Wiesbaden. L. Sehellenberg'ache Hof-Buchdruckerei.
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rfT*
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I) r U Ck 1 v C Kruf Koffsr. frnkfrt * M
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Ftilirer durcli das Altertums-Museum zu Wiesbaden.
Von
A. v. Cohausen*
Einleitung.
Im Jahre 1821 wurde der Veroin fur Nassauische Altertumskunde und
Geschichtsforschung gegrimdet, mit ihm und durch ihn das Altertums-Museum.
Dasselbe ist Eigentum des Staates und erlmlt von diesem seine Dotation; der
Konservator ist Staatsbeamter.
Es wuchs an durch Schenkungen, Ankaufe und die bei Ausgrabungen
erhobenen Fundgegenstande, sodass es gegenwartig etwa 18000 Nummern
aufzuweisen hat. Die ausgestellten Gegenstande stammen der grossten Zahl
nach aus dem ehemaligen Herzogtum Nassau.
Es teilt sich ein in ein Museum fiir Altertiimer, eine Sammlung von
Munzen und Siegoln und eine im Entstehen begriffene ethnographische Ab-
teilung. Die nachfolgenden Blatter beschaftigen sich nur mit der Sammlung
von Altertumern, welche im Sommer Sonntags und an drei Wochentagen :
Montag, Mittwoch und Freitag naclimittags dem Publikum unentgeltlich zu-
gangig ist.
Die Gegenstande im Museum sind, soweit dies die unzulanglichen Raume
gestattet haben, chronologisch geordnet. Gerne hatte man sie innerhalb dieser
Reihenfolge auch noch nach den technischen Gruppen, welchen sie angehoren,
eingeteilt und so dem Museum zugleich das Interesse eines geschichtlichen
Gewerbemuseums verschafft, wenn nicht eben der Raummangel hindernd in den
Weg getreten ware. Doch hoffen wir, dass dem am Ende dieser Schrift bei-
gefCigten, nach Ffichern eingeteilten ^technischen Fuhrer a folgend, auch
der Techniker ohne zu grosse Schwierigkeit das seinem Fache Angehorige
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herausfinden wird, sodass neben der Absicht, durch das Museum das allgemeine
Interesse fittr unsere Vorzeit und fur unser Vaterland zu erwecken, auch jene:
den materiellen praktischen Bestrebungcn der Neuzeit zu dienen, erreicht wird.
Denn es muss hier ausgesprochen werden, dass eine Altertumssammlung,
welche nicht vorwaltend der Kunst gewidmet ist, die naturliche
und notwendige Vorhalle jedes Gewerbemuseums ist, und dass kein
Gewerbe und keine Kunst erbluhen kann, welche nicht ihre Wtirzeln
eingesenkt hat in die Leistungen der Yorzeit.
Dies darzulegen bedarf es freilich nicht aller im Museum aufgesammelten
Gegenstande. Viele von ihnen sind nur von Wert fur die eingehenden Studien
der Fachgelehrten, welche ganz spezielle Fragen zu losen und weitgreifende
Folgerungen zu ziehen beabsichtigen; die andern sind aufbewahrt als Beleg-
stiicke zu Abhandlungen in den Annalen des oben genannten Vereins und
sonstigen Fachschriften, oder zum Nachweis von Ortlichkeiten, durch welche
sie fur die Landesgeschichte von Belang sind. Fur die Zwecke des „Fuhrers tf
genugt eine in der Masse der vorhandenen Gegenstande getroffene Auswahl;
sie wird dem Beschauer die auf einander folgenden Kulturperioden ausreichend
charakterisieren und ihn ohne allzu grosse ErmQdung durch dieselben hindurch
geleiten.
Die ausgewahlten Gegenstande sind mit grossen Zahlen auf gelben Tafelchen
bezeichnet und unter diesen Nummern im Fiihrer aufgenommen. Die an ihnen
angebrachten kleingedruckten Zahlen auf orangefarbenen Zettelchen beziehen sich
auf einen Haupt-Zettelkatalog, in welchem jedes Objekt nach Art und Material,
Herkommen, Geschenkgeber und Litteraturhinweis aufgenommen ist. Sie werden
nur vereinzelt im Fiihrer herangezogen.
Zum Verstandnis des im Museum Gebotenen erschien es niitzlich, an
geeigneten Stellen einige Erklarungen iiber Geschichte, Anfertigung und Gebrauch
gewisser Gruppen von Gegenstanden zu geben. Dieselben wollen den in
archaologischen Ereisen ziemlich allgemeingiiltigen Anschauungen entsprechen
und wollen, selbst ohne Polemik, auch keine hervorrufen.
Mehr als zwei sehen vier Augen: deren hattc sich auch der „Fiihrer a
zu erfreuen, da sein Manuscript von meinem Freunde, dem Sanitatsrat
Dr. Florschiitz, durchgesehen und druckbereit gestellt worden ist. Sollten
wir hier und da geirrt haben, so trostet uns die Erfahrung, dass auch der
Irrtum, wenn er unbemantelt ausgesprochen wird, zur Wahrheit fuhrt.
Vielen Nummern ist ein Hinweis auf Schriften beigefiigt, in welchen das
Nahere iiber den betreffenden Gegenstand eingesehen werden kann. Vorzugsweise
sind dazu die Annalen des Nassauischen Altertumsvereines gewahlt.
Die im Fiihrer zur Sprache gebrachten Altertflmer sind aufgestellt:
in den Anlagen des Warmen Dammes, dem Museum gegenuber: romische
Steindenkmaler;
in der Museumshalle: vorwiegend romische Grabdenkmaler und Inr
schriftsteine.
Im Museum selbst finden sich in
Raum I: vorgeschichtliche Altertumer der Stein- und Bronzezeit;
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Raum II: agyptische, griechische, unteritalische Thon- und Glasgefasse,
Waffen, Gewandnadeln, Lederreste und Gewebe;
Raum III: Munzen und Schriftproben , Mithrasbildwerke, romische
Keramik und Werkzenge;
Raum IV: romische Bronze- und Schnmckgegenstande, Schlussel und
Schlosser;
Raum V: alemannisch-frankische Grabfunde — bestehend in Schadeln
und Skeletten, Waffen, Schmuck, Topfereien und Glasern;
Raum VI: romische Inschriftsteine und Bildwerke; altchristliche Grab-
platten;
Raum VII: rSmische Haumaterialien, besonders Ziegeln mit Legions-
stempeln; Modelle romischer Bauuberreste; Topfereien des Mittelalters
bis zur Gegenwart; mittelalterliche Kleingerate; Teppiche;
Raum VIII: mittelalterliche Altare und Bildwerke, Glasfenster, Ofen
und Gerate.
Im Hofraum ein Brunnenbau von Heddernheim, Steinsiirge und zahlreiche
gusseiserne Ofenplatten.
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Verzeiohnis der Abbildungen.
Plan des Museums.
Grabstein eines Legionars in der Halle.
Rdmische Glaser zu Raum II
Frankische Glaser „ „ V
Bitterstandbild des 15. Jahrhunderts „ „ VIII
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Warmer Damm.
Schon Yor dem Eintreten in das Museum gewahrt der Beschauer auf dor
gegeniiberliegenden Seite der Wilhelmstrasse, dem warmen Damm, eine Gruppe
romischer Alterttimer.
Ihr Hauptstiick 1st eine Saule von Syenit; sie entstammt den romischen
Steinbruchen des Felsenmeeres an der Bergstrasse, wo heute noch die
8,25 m lange Riesensaule uiid andere bearbeitete Felsstflcke liegen. Die vor-
stehende Saule hat eine Hohe von 3,35 m und 40 resp. 46 cm Durchmesser.
Eine grosse Anzahl gleicher Saulen von denselben Abmessungen findet sich noch
im Rheinlande zerstreut. Ihrer hundert sollen nach Ermoldus Nigellus den
Palast Karls d. Grossen in Niederingelheim geziert haben; drei von ihnen kamen
nach Heidelberg, wo sie um den Brunnen im Schlosshof stehen — eine weiterc
nach Kloster Eberbach, von wo sie durch Herrn Dr. Schalk an das hiesige
Museum und dann an ihren jetzigen Standort gelangte. [„Die romischen Stein-
briichc an der Bergstrasse* 4 von von Cohausen und E. Wornor, Darmstadt,
bei Brill, 1876. Annal. XIII, 365.]
Yon minderem Interesse sind die um die Saule aufgestellten Gegenstande:
cin sehr beschadigter Altar mit einem Mercur von Heddernheim;
eine attische Base, mit Plinthe, aus dem Schiitzenhof in Wiesbaden; und
von derselben Fundstelle weiter
ein toskanisches Kapital mit Abacus,
ein korinthisches und ein romisches Gesimse und
ein urnenformig ausgearbeiteter Stein.
Halle des Museums.
Beim Eintreten in die Halle des Museums findet der Besucher zunachst
auf der rechten (Nord-)Seite neben dem Eingang in die Gemalde-Gallerie
eine Sammlung romischer Holzwerke, namlich Pfahle und Pfahlsohuhe von funf
romischen Brucken des Mittelrheins. Die Pfahle sind von aussen verwittert,
ihr dunkelbraun oder schwarz gefarbter Kern aber ist noch so gesund und fest,
dass das Holz vielfach zu feinen Tischlerarbeiten benutzt werden konnte.
1. ft. 8. Pfahle aus der wahrscheinlich* schon im ersten Jahrhundert bei
Mainz erbauten Rheinbrucke, Geschenk des Grossherzoglich Hessischen Finanz-
ministeriums; die eisernen Schuhe teils in Form von Tuten, teils aus vier
Schienen zusammengeschweisst und mittelst Federn und Nageln befestigt.
[Fr. Schneider, Korrespondenzblatt des Gesamtvereins, 1881, 10. 11. 12.
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158 Halle.
J. Grimm: Der romische Briickenknopf in Kastel und die dortigc Romerbriickc,
1882. T. von Pollnitz: Die romische Rheinbriicke bci Mainz, 1884.
B. Hammeran: Zeitbestimmung der romischen Briicke. Westdeutsche Zcit-
schrift. B. W. Velke: Romische Rheinbriicke bei Mainz, 1887.]
4. Ein breiter Spundpfahl von der romischen Briicke bei Heidelberg,
Geschenk von Herrn K. Christ. [Bonner Jahrbiicher LXII von K. Christ; ebenda
LXTV von E. Hubner; Herm. Bar: Die romische Neckarbrucke bei Heidel-
berg, 1877.]
5. 6. Zwei Pfahle von der romischen Briicke iiber die Mosel bei Coblenz,
Geschenk der Konigl. Regierung zu Coblenz 1867. [Bonner Jahrbiicher XLII, 1.]
7. Ein Pfahlstuck der Caesar'schen Rheinbriicke bei Neuwied, Geschenk
des Herrn Regierungsbaumeister Isphording in Neuwied. [Centralblatt der
Konigl. Bauverwaltung 1886, No. 25 u. 28. Bonner Jahrbiicher 1886, kXXXII 30.
Caesars Rheinbriicken von v. Cohausen, Leipzig bei Teubner.]
8. 9. 10. Drei Pfahlschuhe der romischen Mainbriicke bei Hochst, teils
tutenformig, teils aus vier Schienen zusammengesetzt. [Annal. XIX, 167 u. 184.]
Unter den Pfahleu und neben denselben beginnt eine Reihe romischer
Grab- und Inschriftsteine und anderweitiger Ueberreste rdmischer Steindenkmaler,
welche wir von rechts nach links fortschreitend verfolgen.
1. Grabstein: ein Mann auf dem Ruhebett, vor demselben ein Tischchen mit
Speisen und ein dienender Knabe. Die Inschrift lautet: CAPITO AUGURI FILIUS
VETERANUS EX COHORTE II RAETORUM ANNORUM Lll HERES FIERI
CURAVIT, und sagt uns, dass dem Capito, dem Sohne des Augurius, demVetc-
ranen der 2. Cohorte der Ratier, nach 52 Dienstjahren, sein Erbe diesen Denkstein
machen liess. Gefunden bei Laubenheim bei Mainz. [Annal. V, 1, 46. Corp.
inscr. Rhen. 935.]
2. Ein Mann auf einem Ruhebett, davor ein Sklavc und ein Krcdenz-
tischchen, darunter ein Pferd und ein Stallknecht. MURANUS EQUES ALAE
PRIMAE FLAVIAE ANDIOURI FILIUS CIVIS SEQUANUS STIPENDIORUM
VIGINTI DUORUM ANNORUM, d. h. Muranus, Reiter des ersten flavischen Gc-
schwadcrs, des Andiourus Sohn, von 22 Dienst- (und .... Lebensjahren) liegt
hier begraben. Gefunden am Eranzplatz zu Wiesbaden. [Annal. IV, 358. Inscr.
Nass. 60. C. I. R. 1523.]
8. Ein Mann auf einem Ruhebett, davor ein Sklave und Kredenztisch, darunter :
BLANDINIUS CIVIS . . . MILES COHORTIS II RAETORUM ANNORUM
... V STIPENDIORUM XX HERES FACIENDUM CURAVIT. Gefunden am Kranz-
platz zu Wiesbaden. [Annal. Ill, 3, 213. Inscr. Nass. 57.]
4. Ein Mann auf dem Ruhebett, vor ihm ein Knabe. TITUS FLAVIUS
CELSUS VETERANUS EX ALA SCUBULORUM CIVES SAPPANUS ANNORUM
LI EX SENTENTIA HERES FECIT. Titus Flavius Celsus, Veteran des Geschwaders
der Scubuler, Burger von Sappae, 51 Jahre alt; der Erbe liess nach dessen
Wunsch den Denkstein anfertigen. Scube war eine Stadt in Thracien und im
Mittelalter der Sitz der Serbischen Konige; Sappae eine Stadt und Volkerschaft
in Thracien, Thasos gegenuber. Der Stein wurde gefunden am Kranzplatz zu
Wiesbaden. [Annal. Ill, 3, 212. Inscr. Nass. 59. Corp. inscr. Rhen. 1524.]
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Halle. 159
Von besonderem Interesse sind die drei folgenden Grabsteine von Soldaten,
weil sie deren Bckleidung und Bewaffnung mit realistischer Genauigkeit — nicht
idealisiert, wie z. B. auf der Trajansstiule — darstellen.
5. Ein Legionar in voller Bewaffnung. GAJUS VALERIUS GAJI FILIUS
BERTA MENENIA (TRIBUS) CRISPUS MILES LEGIONIS VIII AUGUSTAE
ANNORUM XL STIPENDIORIUM XXI FRATER FACIENDUM CURAVIT. Zu
deutsch: Dem Gaius Valerius, dem Sohn des Gaius aus der (macedonischen Stadt)
Berta und zu der menenischen Tribus gehorig, 40 Jahre alt und im Dienste
bei der VIH. augustaiBchen Legion, hat sein Bruder diesen Grabstein setzen
lassen. Gefunden am Kranzplatz zu Wiesbaden 1841. — Die romischen Burger
wurden in 4 stadtische und 31 landliche Tribus geteilt, und letztere entwecjer
nach ihrer Ansassigkeit oder nach einem vornehmen Gonner benannt; so gibt
C8 cine Tribus Menenia und eine Tribus Claudia. [Annal. Ill, 2, 237. Inscr.
Nass. 50. Corp. inscr. Rhen. 1515.]
Der Legionar zeigt sich bekleidet init dem Lederpanzer, lorica, welcher
mit Kappen auf den Schultern verstarkt ist; dicselben sind mehrfach geschlitzt,
damit der Arm unbehindert gchoben werden kann. Der Gurtel, cingulum, urn
die Hufto geschnallt, ist mit Metallbeschlagen verziert und verstarkt, und vorn
mit einem Scburz aus scchs herabhangenden, gleichfalls mit Metallbeschlagen
besetzten und beschwerten Ricmen versehen. Von beiden Beschlagen haben
sich viele erhalten. (Siehe Raum II, 168.) Der Legionar tragt kurze, nur bis an
die halben Schenkel reichende Hosen, welche mit Metallschuppen versehen
sind. Das an der rechten Seite getragene Schwert, gladius, hangt nicht an
dem cingulum, sondern an einem Bandelier, balteus, das von der linken
Schulter zur rechten Hiiftc reicht. Bin alter und ein nachgebildeter gladius
findet sich Raum II, 166 u. 162.
Der auf der linken Seite getragene Dolch, pugio, (Raum II, 166) ist an
unscrer Figur durch den grosscn, halbcylindrischen Schild, scutum, verdeckt.
Letzterer war von Holz in mchreren Lagen, mit Leder iiberzogen, und an Ecken
und Randern mit Metall beschlagen; in der Mitte ist der Schildbuckel, umbo,
in dessen Hohlung die Linkc greift. Mit der Rechten fasst der Krieger die Wurf-
lanze, das welterobernde pilum. Dassclbe ist hier verkurzt dargcstellt, in
Wirklichkeit aber 1,75 m lang und besteht in einem Holzschaft von halber
Lange, welcher nach oben zu einem kcgelformigen Stempel, pilum, verdickt ist;
auf letzteren ist eine ebenso lange, dunne Eisenstange aufgesetzt, welche in
eine gestahlte Spitze auslauft. Der Vorteil dieser Konstruktion bestand darin,
dass durch die Lange und Schwere der Wurfwaffe ihre Flugbahn eine ziemlichc
Zeit fast wagrecht blieb und auf funfundzwanzig Schritte sicher und kraftig
traf. Sobald ihre Spitze den Schild des Gegners durchdrungen hatte, konnte sie
wegen der widerhakigen Verdickung derselben nicht herausgezogen werden; die
dunne Eisenstange bog sich krumm und erschwerte daher den Gebrauch des Schildes,
an dem sie festhing, so bedeutend, dass der Gegner es vorzog, den Schild wegzu-
werfen und schutzlos zu fechten. Auch konnte der krumme Wurfspeer nicht wieder
zuriickgeworfen werden. Nach einer vonMarius erfundenen Konstruktion wurde die
Eisenstange nur mit leicht zerbrechlichen Holzstiften an dem Holzschafte befeetigt-
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160 Halle.
Der Krieger tragt einen Helm, cassis. Derselbe war von Eisen und
befindet sich ein solcher in Raum IV. Er deckte mit seinen Backenstiicken das
Gesicht so weit als moglich, tragt einen Kauim, crista, und eine Spitze als
Helmschmuck. Man hat auch Helme mit maskenartigen Visiren gefunden.
6. Der mit zwei Lowen auf den Ecken geschmiickte Grabstein zeigt
eine nischenformige Vertiefung, in welcher ein gewaffneter Reiter einen zu Boden
liegenden Gegner tiberreitet. Darunter steht die Inschrift: DOLANUS ESBENI
FILIUS BESSUS, EQUES EX COHORTE IV THRACUM, ANNORUM XXXXVI
STIPENDIORUM XXIV HIC SITUS EST. Zu deutsch: Dolanus, des Esbenus Sohn,
ein Bessier von Geburt, Reiter der 4. Cohorte der Thracier, 46 Jahre alt und
24 Jahre im Dienst, liegt hier begraben. Gefunden am Kranzplatz zu Wiesbaden
1841. [Annal. IE, 3, 210. Ins. Nass. 58. Corp. Ins. Rhen. 1523.]
Der Reiter ist bekleidet mit dem Lederkoller, lorica, mit den Schulterklappen,
mit ledernen Hosen, bracae, die bis zur halben Wade reichen, mit oder ohne
Sandalen und ohne Sporn. Auf dem Kopf hat er den Helm mit den Backen-
stiicken und dem Frontispiz iiber der Stirne. Er sitzt auf einer Decke, welchc
hinten und vorne in einen Wulst aufgerollt scheint und von cinem ledernen, mit
Mctallringen, phalerae, geschmuckten Vorder- und Hinterzeug und einem Gurte
gehalten ist. Mit der Linken streckt der Reiter seinen sechsseitigen Schild vor;
er tragt das halblange Schwert und schwingt mit der Rechten den Wurfspiess.
Links hinter dem Reiter steht nach germanischer Sitte sein Knappe mit zwei
Speeren, welche er ihm nachtragt und zureicht, indem er sich bei rascher Gang-
art am Hinterzeuge des Pferdes festhalt und mitlauft. Auch hat er seinem Herrn,
wenn dieser herabfallen sollte, wieder aufs Pferd zu helfen. Das Pferd ist
mit ciner einfachen Trense gczaumt; von Steigbugeln ist bei den Romern, cbcnso
wie von Hufeisen bei ihren Pferden, nirgends die Rede.
7. In einer Nische, auf deren linkem Rande zwei Speere dargestellt sind,
steht ein Krieger barhaupt mit dem hinten herabhangenden Mantel (sagum).
Darunter die Inschrift:
LICAIUS SERI FILIUS MILES EX COHORTE I PANNONIORUM ANNORUM
XXX STIPENDIORUM XVI HIC SITUS EST FRATER OPUS PECUNIA SUA FECIT.
Die Inschrift sagt uns, dass des Verstorbenen Bruder ihm dies Denkmal auf eigne
Kosten errichtet habe. Gefunden am Kranzplatz zu Wiesbaden 1842. [Annal.
Ill, 3, 212. Insc. Nass. 54. Corp. Inscr. Rhen. 1519.] Der dargestellte Krieger
tragt den gladius rechts, links den pugio ; mit der rechten Hand halt er die auf dem
Rande des Steines abgebildeten Speere. Seine linke Hand stiitzt sich auf den
Schild, in dessen Inneres wir hereinsehen und den Handgriff, clavus, im hohlen
Schildbuckel erkennen.
8. Grabstein an der Westseite der Halle aufgestellt. Zwei ver-
schlungene Delphine; darunter die Inschrift: LUCIUS VALERIUS LUCII FILIUS
FABIA SECUNDUS BRIXIAE MILES LEGIONIS ... Zu deutsch: Lucius Valerius
Secundus, des Lucius Sohn aus der Pabischen Tribus, von Brixia (jetzt Brescia),
Soldat der . . . Legion . . Gefunden siidlich von der Artilleriekaserne in Wies-
baden 1862. [Annal. VH, 294. Corp. Ins. Rhen. 1528.]
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Halle. 161
9. Zwei Manner in faltigen Gewandern, der eine mit einer Schriftrolle
(dem Testament), der andere mit einer ahnlichen Rolle und mit dem Rebstock
des Centurio (Hauptmanns). Darunter die Inschrift:
GAJUS JULIUS GAI FILIUS
CLEMES FORO JULII VETERANU8
ANNORUM SEXAQINTA
GAJUS JULIUS SARNUS FILIUS CEN
TURIO COHORTIS SECUNDAE RAETORUM
CMS ROMANUS ANNORUM VIGINTI QUINQUE
SEPULCRUM TESTAMENTI FORMULA JUSSI HEREDES FACIENDUM
CURAVERUNT. Verdeutscht: Cajus Julius, des Cajus Sohn, Clemes vom Forum
Julii (Cividale), Veteran, alt 60 Jahre, — Cajus Julius Sarnus, dessen Sohn,
Centurio der II. Cohorte der Ratier, romischer Burger, 25 Jahre alt (liegen
hier). Nach der Vorschrift des Testamentes liessen die Erben das Grabmal er-
richten. Gefunden am Kranzplatz zu Wiesbaden. [Annal. Ill, 3, 211. IV,
Ins. Nass. 55, V. 44, Abbildung. Corp. Inscr. Rhen. 1520.]
10. IN HONOREM DOMUS DIVINAE APOLLINI TOUTIORIGI LUCIUS
MARINUS MARINIANUS CENTURIO LEGIONIS VII GEMINAE ALEXANDRIANAE
VOTI COMPOS. Verdeutscht: Zu Ehren des gottlichen (d. h. des kaiserlichen)
Hauses hat dem Apollo Toutiorix der Lucius Marinus Marinianus, Centurio der
VII. Legion, der verdoppelten Alexandrinischen, sein Gelubdc gel5st. Toutiorix
ist cin gallischer Heilgott , dessen Eigenschaften auf Apollo ubertragen wurden.
I)a die VII. Legion unter Alexander Sevcrus den Beinamen Alexandriana orhielt
und dieser Namen von den Anhangern seines Nachfolgers Maximinus auszuloschcn
vcrsucht wurde, muss dieser Weihestein noch zu Lebzeiten des ersteren, 222—235
nach Christ., errichtet worden sein. [Annal. IV, 375. Ins. Nass. 48. Corp. Ins.
Rhen. 1529.]
Frei vor den letzterwahnten Steinen, dem Grabstcine der Raetier gerade
gegeniiber, ist eine kleinc Gr uppeaufgestellt, bestehcnd aus cinem roh bossierten,
aber mit abgedrehtem Astragal (Saulenreif) versehenen Kapital, welches mit
anderen romischen Triimmern tief im Gasthof zum weissen Ross, zunachst des
Kochbrunnen, in Wiesbaden gefunden wurde. Darauf ein alter Taufstein aus dem
Kloster Eberbach und in diesem eine romischc Saule mit flachem, weitausladen-
dem Kapital und Abacus (Deckplatte) nach romischer Werkweise abgedreht. Sic
stammt aus dem zweiten, im Jahre 1826 in Heddernheim aufgefundenen Mithracum.
[Annal. I, II u. in, 189.]
An der Sudseite, unter der Treppe
11. Ein Sandsteinsarg mit Deckel, am Fussende schmaler wie am oberen
Ende, mit gardinenformigem Schlage, Viertelrundstaben in den Winkeln und
Arkadenverzierung im Inneren. Dabei ein kunstliches Loch im Boden. Auf
dem Deckel selbst flache Leistenverzierung. Der Sarg ist merkwiirdig, weil er
zu einer langen Reihe ahnlicher gehort, welche aus den Steinbriichen der Urn-
gegend von Miltenberg am Main entstammend, diesen Fluss entlang iiber Seligen-
stadt, Frankfurt, Lorsch, Dietenberge, Mainz, weiter langs des Rheines fiber Bonn
und Coin bis in die Marschen an der Jahde und zu den Halligen der Schles-
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162 Halle.
wig'schen Westkiiste vorkommen. In den letztgenannten Gegenden dienten sie
fort und fort, urn die Leichen und Gebeine aller Vcrstorbencn einer Familie
gegen die Meereswogen, in Westfricsland auch einst gegen die Wolfe zu schiitsjen.
Sie reichen bei una bis in die Merowingische Zeit, doch mogen sie an einzelnen
Orten bis in das 12te, ja vielleicht noch bis in spatere Jahrhunderte in Gebrauch
geblieben sein. Der vorstehende Sarg wurde bei der jetzt verschwundenen
Heiligen Grab-Kapelle bei Diedenberge (1722 u. 1828) ausgegraben. [Annal.
I, 2, 307. Bonner. Jahrb. L u. LI, 108 mit Abbildung. Taf. V, 1.]
12. Darstellung eines Mannes und einer Frau, zwischen welchen ein Altar
ateht, auf dem sie opfern. Ohne Inschrift. Vergl. Gcschichte der Gemeinde
Mosbach, an deren Kirche der Denkstein bis 1831 eingemauert war. An
den Seiten Kreuzstabe mit Rankenwerk. [Annal. II, 2, 205.]
18. Yon dem auf diesem Grabsteine urspriinglich befindlichen Bildwerke
sind nur noch die Fiisse erhalten. Der Stein tragt die Inschrift: BREUCUS
BLAEDANI FILIUS MILES EX COHORTE I PANNONIORUM NATIONE BREUCUS
ANNORUM XXXVI STIPENDIORUM XVI HIC SITUS EST HERES POSUIT.
Wir crsehen aus dersclben, dass Breucus, des Blaedanus Sohn, Soldat in der
I. Pannonischen Cohorte, vom Stamme der Breucer (im sudostlichen Ungarn
an der Save), nachdem er 36 Jahre alt geworden und 16 Jahre gedient hatte,
hier begraben und durch seinen Erben durch dies Grabmal geehrt worden ist.
Gefunden bei Bingcrbruck 1861. [Per. Bl. 1861, 482 u. Corp. Ins. Rhen. 740.
Bonner Jahrbucher XXX, 207.]
14. IN HONOREM DOMUS DIVINAE NUMINI AUQUSTI HASTIFERII SIVE
PASTORESCONSISTENTESCASTELLO MATTIACOF*UM E SUO POSUERUNT
NONO (DIE) KALENDAS APRILES JULIANO ET CRISPINO CONSULIBUS.
Wir sehen daraus. dass die „Lanzentrager odcr Hirten", Angehorige von Kastcl
gegeniiber Mainz, zu Ehren des Kaiscrlichen Hauses und seines Schutzgeistes am
24. Marz 224 diesen Denkstein gesetzt haben, und ist es sehr wahrscheinlich,
dass der genannte Tag, an welchem die Magna mater gefeiert wurde, auch fur
sie selbst ein Feiertag gewesen ist. Ebenso diirfen wir aus der Inschrift ver-
muten, dass die Hirten zur Verteidigung gegen Rauber und Raubtiere
Lanzen trugen, aus welchen sich spaterhin der Hirtenstab mit seinem Schippchen
entwickelt zu haben scheint. [Annal. XX, 150; vergleiche auch VIII, 51.]
15. LUCIUS VETURIUS SPURII FILIUS VOTURIA (TRIBUS) PLACENTIA
PRIMUS VETERANUS EX LEGIONE Xllll GEMINA HIC SITUS EST. Der
Vcrstorbene war ausPiacenza zu Hausc und diente in der 14. Legion, ehe dicse
im Jahre 43 nach Britannien ging, weil sie sich dort noch den ehrenden Bei-
namen victrix, die siegrciche, erwarb. Gefunden am Kranzplatz zu Wiesbaden
1840. [Annal. III. 238. Ins. Nass. 51. Corp. Ins. lihcn. 1516.]
16. QUINTUS VIBIUS AUGUSTUS RAETUS MILES COHORTIS II
RAETORUM ANNORUM XXX STIPENDIORUM XIII HERES FACIENDUM CURA-
VIT. Gefunden am Kranzplatz zu Wiesbaden 1841. [Annal. Ill, 239. Ins. Nass.
56. Corp. Ins. Rhen. 1521.]
17. DASIUS DAETORIS FILIUS MAESEIUS MILES COHORTIS QUINTAE
DELMATARUM ANNORUM XXXV STIPENDIORUM XVI HIC SITUS EST.
[Annal. Ill, 210. Ins. Nass. 53. Corp. Ins, Rhen. 1518.]
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Halle. 163
18. 19. Zwei Meilenstcine zu beiden Seiten dcr in das Museum fuhrcndcn
Thiire; sic wurden 1859 bei Salzig im Rhcin gefunden.
Der praklische Sinn der Homer, welcher sehr wohl die militarischen Plane
mit Verwaltungs- und Handelszweckcn zu verbinden wusste, voranlasstc sic,
ein ausgedehntes Strassennctz anzulegen, welches noch langc im Mittelaltcr,
ja tcilweise bis auf den heutigen Tag in Benutzung geblieben ist. Dicse
romischen Strassen bestehen wie unsere Landstrassen aus einer Steinstuckung
oder mehrfachen Plattung, auf welcher, durch Bordsteine begrenzt, die Bekiesung
ruht. Sic haben zu beiden Seiten Fusspfade und Graben und ziehen vorzugs-
weise auf der Wasserscheide hin, woselbst sie die wenigsten Wasserlaufe zu
uberschreiten haben. Von Meile zu Meile, d. h. alle 2000 Schritte (1000 Doppol-
schritte, zu je 5 romischen Fussen berechnet), oder alle gallischen Meilen
weit (3000 Schritte gleich 1500 romischen Doppelschritten), nach welchen letzteren
damals bei uns gerechnet wurde und welche wir als Leuken bezeichnet finden,
waren die Strassen mit saulenformigen Meilensteinen bcsetzt, auf welchen die
Entfernung vom Hauptortc (hier von Mainz aus) und der Name des Kaisers,
untcr dessen Regicrung der Stein gesetzt worden war, eingchauen wurden. Da
nun nach einer erhalten gebliebenen romischen Wegkartc, der Peutinger'schen
Tafel, Boppard 30 Leuken von Mainz cntfernt ist, und unsere Steine 1 Leukc
oberhalb des Kastelles von Boppard bei Salzig gefunden wurden und in nachstcr
Nahe auch gcstanden haben miissen, so mussten sie mit 29 Leuken bezeichnet
scin — und dies ist in der That auch mit dem Steine 18, rechts von der
Thiire, der Fall. Bei dem andereu links stehenden Steine 19, ist das Zahl-
zcichcn nur bis XXV zu erkennen, hiess urspriinglich aber jedenfalls XXVII,
da wir annehmen miissen, dass er, spater gesetzt, die Bezeichnung zwar fur den-
selben Standort, aber auf Grund einer genaueren Wegmessung ftihrt — wie eine
solche auf cinem bei Tongern gcfundenen Meilenstein korrekt angcgeben ist.
Der Stein 18 ist unter Caracalla um das Jahr 220, der anderc dagegen ctwa
funfzig Jahre spater, zwischen 270 und 275 unter Aurellan, errichtet worden.
Der Name des Caracalla ist, als dieser Kaiser missliebig wurde, von den Romcrn
sclbst ausgeloscht worden, und auch der des Aurelian auf der anderen Saule
ist nicht vollstandig erhalten; aber doch sind beide Kaiser aus der beigefugtcn
Angabe ihrer iibrigen Aemter und verwandtschaftlichen Verhaltnisse unzweifelhaft
zu erkennen.
Die Inschrift auf No. 18, rechts der Thiire lautet in ihrer Erganzung:
IMPERATORI CAESARI (CARACALLAE) DIVI MAGNI ANTONINI Pll FILIO DIAI
SEPTIMII SEVERI NEPOTI MARCI AURELIO ANTONINO PIO FELICI AUGUSTO
PONTIFICI MAXIMO TRIBUNITIAE POTESTATE III CONSULI DESIGNATO
III PATRI PATRIAE PROCONSULI A MOGONTIACO XXIX.
19. lautet: PERPETUO IMPERATORI LUCIO DOMITIO AURELIANO
PIO FELICI AUGUSTO PONTIFICI MAXIMO TRIBUNITIAE POTESTATE
CONSULI PATRI PATRIAE PROCONSULI A MOGONTIACO XXVII. [Corp.
Ins. Rhen. 1938 u. 1939. Annal. VI, 2, 287.]
«0. DIIS MANIBUS TITO FLA VIO GERMINO VETERANO LEGIONIS XXII
PRIMIGENIAE PIAE FIDELIS NATIONE BATA- VUS ANNORUM L ULPIUS
ARVATIUS HERES FACIENDUM CURAVIT. Die Inschrift weiht den Stein den
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164 Halle.
Schattengottern; dem Titus Flavius Germanicus, Veteran der XXII. Legion,
des zuerst geworbenen, frommen, treuen; der Nation nach ein Bataver (Hollander).
Lucius Arvatus, sein Erbe Hess das Denkmal setzen. Gefunden am Kranzplatze.
[Ins. Nass. 62. Corp. Ins. Rhen. 1517.]
An der Ostseite der Halle befindet sich, nicht zugehorig aber nicht an
derweitig unterzubringen,
21. Grabstein mit geharnischtem Ritter und derlnschrift; Der wolgeborne
grave und her Philips Grave zu Nassau Her zu Wisbaden und zu Itzstein ist
in Got verschieden am Tag 3. Januarii, dem Got gnet und der allmachtige
Got verleihe im eine selige uferstehung amen. — Der Graf Philipp von Nassau
war geboren 1516, kam zur Regierung 1558 und starb am 3. Jan. 1566
auf seiner Burg Sonnenberg. Sein Bruder und Nachfolger Balthasar Hess ihm
das Grabmal von dem Bildhauer Christoffel von Andernach aus dem Trass- oder
Weiberstein jener Gegend fertigen. Dasselbe wurdc zu Wasser nach Eltville
und von da nach Wiesbaden in das Neue Kloster (Clarenthal) gebracht. Aus
dem Schutt der 1850 abgebrannten Mauri tiuskirche kam der Stein durch den
Konservator Dr. Rossel in das Museum. [Denkmaler aus Nassau I, 26.]
22. In der Fensternische daneben ein Vier-Gotter-Altar in zwei wieder
zusammengefundenen Bruchstiicken. Er zeigt Hercules, den Lowen wurgend,
Minerva, Mercur und ? Die Inschrift heisst etwa: IMPERATORI (DOMINO
NOSTRO) QORDIANO AUQUSTO ET POMPEIANO CONSULIBUS. (241n.Chr.)
[Ins. Nass. 29.]
23. Ein kleiner Votivaltar mit der Inschrift: JOVI OPTIMO MAXIMO
JUNONI LUCIUS VALENS VOTUM SOLVIT LIBENS LAETUS MERITO.
Gefunden i. Heddernheim. [Annal. XVIII, 298.]
24. Die in schonen grossen Buchstaben ausgefuhrte Inschrift lautet:
DIIS MANIBUS MEMORIAE SECUNDI AGRICOLAE NEGOTIATORS ARTIS
CRETARIAE AGRICOLIA AGRIPINA FILIA PATRI PIENTISSIMO FACIENDUM
CURAVIT. Den Schattengottern! Dem Andenken des Secundus Agricola, Kunst-
topfereihandlers, ihres teuersten Vaters, liess seine Tochter Agricola Agripina
dieses Denkmal anfertigen. — Wir lernen demnach hicr den Grabstein cincs
Mannes kennen, welcher mit seiner Topferwaare, also mit terra-sigillata-Gefassen,
wohl auch mit Votivstatuetten von Thon handelte. Terra-sigillata-Gcfasse mit
seinem Namensstempel finden sich in Tours und in Wiflis in der Westschweiz;
vielleicht ist es nur ein Zufall, dass bei uns noch keine derselben gefunden
worden sind. — Der Stein ruhrt vom Kranzplatze her. 1842. [Annal. Ill, 209.
Ins. Nass. 62. Corp. Ins. Rhen. 1526.]
Erwahnt seien noch die interessanten eisernen Vorthuron an den
Eingangen in die Raume des Museums; sie stammen von den Treppengelandern
des 1660—1662 erbauten und 1873 abgebrannten Schlosses zu Usingen; und
der Abguss eines Saturnkopfes iiber der ersten Thiire, das Original aus dem
Jahrc 1743 im Dome zu Mainz.
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Raum I.
Die Steinzeit.
Man pflegt die Vorgeschichte einzuteilen in die Steinzeit, die Bronze-
und die Eisenzeit, und spricht zunachst von einer Steinzeit, weil die aus den
Sltesten Perioden menschlicher Thatigkeit uns erhaltenen Fundgegenstande una
belehren, dass die Menschen, ehe sie Metalle auszuschmelzen und zu verwenden
verstanden, sich der Steine bedienten, die sie zu Werkzeugen und Waffen
auswahlten und herrichteten. Man unterscheidet zwischen einer alteren, palaeo-
lithischen, Periode, in welcher man die Steine durch Behauen hergerichtet, und
einer neueren, neolithischen, in welcher man ihnen durch Schleifen die ge-
wiinschte Form gegeben hat. Hier schon beginnt der Streit der Meinungen:
Nicht ohne Grund sagt man, dass bei richtiger Auswahl der von den Fluten
abgerollten Steine es leichter, also auch schon fruher, geechehen sei, diese durch
Schleifen nach Wunsch zu gestalten, als durch Behauen. Ein ahnliches Ver-
fahren tritt uns fiir die Bearbeitung von Knochen und Geweihen entgegen,
wahrend Holz und Horn kaum eine Spur hinterlassen haben.
Ganz hiilflos finden wir den Menschen nie, und wenn auch seine Gebeine
in vielen Fallen nicht mehr nachzuweisen sind, lernen wir aus seinen Arbeiten,
seinen erhaltenen Werkzeugen und aus den Ueberresten von kiinstlicher Feuer-
wirkung auf setn einstiges Dasein schliessen.
Die Htihlen von Steeten.
Bei uns konnen wir die Funde in den Hohlen von Steeten an der
Lahn an die Spitze der Vorgeschichte stellen. Aus ihnen wissen wir, dass
unser Land einst belebt war von Tieren, deren Verwandten wir jetzt nur mehr
in den tropischen Landern begegnen : von dem Mammuth, dem Rhinoceros, dem
Lowen, der Hyane. Durch Funde im sudlichen Frankreich, durch Zeichnungen
von diesen Thieren auf Knochen, ist es wahrscheinlich, dass mit ihnen gleichzeitig
schon der Mensch dort lebte. Auch bei uns liegt diese Moglichkeit und Wahr-
scheinltchkeit nahe, denn wir finden in den Steetener Hohlen neben menschlichen
Gebeinen auch bearbeitete und verzierte Knochenstiicke jener Tiere.
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166 Raum I.
An und in dem Glasschranke in Mitte des Raumes sind aufgestellt*.
1. Ansicht der Hohlen von Steeten. [Annal. XV, 304. XVII, 73.]
2. Backenzahn und Bruchstuck des Stosszahnes des Mammuths.
S. Vom Rhinoceros tichorhinus ein Unterkiefer und ein Halswirbel.
4. Knochen, Zahne und Kiefer des Hohlenbaren, Ursus spelaeus.
5. Knochen, Hufe und Zahne des Pferdes.
6. Geweihe, Unterkiefer und Klauen des Edelhirsches.
7. Unterkiefer der Hohlenhyane, Hyaena spelaea.
8. Gespaltene und benagte Knochen. Spalten kann nur der Mensch die
Knochen; Tiere benagen und zerbrechen sie in der Quere.
Da sich aber neben den Knochen der siidlichen Tiere auch die Gebeine
und Geweihe des Rentiers (9) ergeben haben, welches nur an der. Schnee-
und Eisgrenze gedeiht, so mussen wir annehmen, dass auch unser Land einmal
ein derartiges Klima besass, kalt genug, urn auch dem Rentiere und anderen
nordischen Tieren die Existenz zu ermoglichen. Es hat deswegen die
Annahme sehr ihre Berechtigung, dass der Mensch vielleicht doch erst zu dieser
spateren, der „Rentierzeit", auf unserem Boden aufgetreten ist und nur die
noch im Eis erhaltenen Kadaver jener siidlichen Tiere vorgefunden hat, (wie
sich solche noch bis auf unsere Tage an der Mundung der Lena erhalten haben),
deren gefrorenes Fleisch er nach Art der Jakuten verwendet und vor allem
die Knochen und Zahne — das Elfenbein — sich nutzbar gemacht hat.
9. Geweihstiicke des Rentieres. Mehrere dieser Art auf der Tafel 112
daneben an der ostlichen Wand. Des Vergleiches wegen ist ein ganzes, allerdings
neues Geweih auf dem Glasschrank aufgestellt.
10. Ein Stuck Brustbein des Schneehuhnes, Lagopus albus, das gleichfalls
nur in den Schneeregionen lebt; ein ganzes Brustbein des noch lebenden
Schneebuhns liegt dabei.
U. Unterkiefer des Wolfes.
12. Ein Teil des Oberkiefers des Luchses.
Hieran schliessen sich einige Artefacte, welche sich' der Hohlenmensch
aus den Knochen und Zahnen dieser Tiere gefertigt hat:
IS. Bearbeitete Knochen und Mammuthzahne.
14. Dolch aus einem Beinknochen des Mammuths.
15. Gitterverzierte, falzbeinartige Werkzeuge aus Mammuthzahnen und
Mammuthrippe.
10. Im Zickzack verzierter Vogelknochen.
17. Durchbohrte Pferdezahne und Steine, vielleicht Schmuckgegenstande.
Nur dem Menschen wohnt der Trieb zur Zierde, zur Kunst inne.
Perner als anderweitige Uberreste und Artefacte:
18. Kohlen und Brandspuren. Nur der Mensch versteht es, Feuer anzu-
ziinden und zu unterhalten.
19. Wohlerhaltener Topf, ohne Standboden, mit durchbohrten Warzen,
um ihn ttber Feuer zu hangen, mit wagrechten und schragen Einkratzungen,
sowie mit nach Art der Schilfblatter eingekratzten und mit weissem Thon aus-
gefiillten Verzierungen.
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Raum I. 167
20. Verzierte Topfscherben mit Wiilsten und Eindrttcken von Fingerhageln
und anderen Gegenstanden; andere durch Warzen und von diesen radial aus-
gehende Einritzungen und Tupfelungen ausgezeichnet.
91. Schwarze Kieselschiefer (Lydit)-Werkzeuge mit Elfonbein und anderen
Knochen zusammen gekittet.
22. Steinspahne und Steinmesser aus Lydit, Calcedon, Pechopal und
gefrittetem Sandstein. Der Feuerstein fehlt unserem Lande.
23. Steelier aus Pferde- und Hasenknochen.
24. Bernsteinstuck von der Grosse einer kleinen Faust.
25. Pfeil aus Kupferblecb, der jedoch weit spater als die bisher genannten
Gegenstande in die Hohle gekommen sein mag.
Die Menschen, welche die HShlen bewohnten und in denselben bestattet
waren, finden wir in ihren Schadeln und ehizelnen Skeletteilen vertreten.
26. Dolichocephaler (Lang-) Schadel.
27. Gypsausguss desselben.
28. Dolichocephaler mannlicher Schadel.
29. Brachycephaler (kurzer) mannlicher Schadel.
50. Dolichocephaler weiblicher Schadel.
51. Abgu8s des auf einer weit tieferen Stufe stehenden Neanderthal-
schadels, geschenkt von Hrn. Prof. Schaafhausen.
32. Flache, platyknemische, Schienbeine.
SS. Oberarmknochen, welche von Natur iiber der Ellenbogenrolle durch-
bohrt sind.
Derselben Hohlengruppe gehort der Hasenbackofen an, darin drei Schadel
227, 228 und 229; zwei Schienbeine, von denen das eine, 231, platyknemisch
ist, ein Wolfsschadel mit Unterkiefer, 232; zwei Mammuthsrippenstiicke, ,233,
das eine meisselartig zugescbarft, das andere mit einem Lyditspahn versintert,
ein roher Topfscherben, 234, und daneben die Bruchstiicke eines Mammuthstoss-
zahnes, 235. Ferner gehoren zu dergleichen Gruppe der Wildkeller, daraus Frag-
mente eines menschlichen Unterkiefers mit einem verirrten Weisheitszahn und
fotaler Menschenknochen, 236; Topferei mit Henkelansatzen und eisernem
Messer, 237; gespaltene tierische Rohrenknochen, 238, und der Schenkel-
knochen eines Pferdes, 239.
Erwabnt mag hier auch der dortige 7,30 m tiefe, 1,10 m weite Gletscher-
topf werden.
Auf der Hochflache uber den Steetener Hohlen, 1, befindet sich ein
halbkreisformiger Abschnittswall, welcher vielleicht einst die Rentierherde
der Hohlenbewohner eingepfercht hat. Doch hat sich hier oben von diesen
Tieren nichts mehr erhalten und wir finden daselbst nur die tlberreste von
Tieren der Gegenwart und Topfscherben im Wallburgcharakter:
84. Reste vom Hirsch, Reh, Schwein und Pferd.
85. Topfscherben im Wallburgcharakter durch Finger- und Nageleindrucke
verziert.
Bei Niederwalluf fanden sich weitere, gleichfalls in sehr eigentiimlicher
und aufiSlliger Weise verzierte
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r
168 fcaum I.
96. Topfscherben, zusammen mit
S7. Feuersteinmesser und
88. Knochensteeher, sowie
89. die Scbale einer bei una ausgestorbenen Flussmuschel, Unio sinuatus, und
40. ein Hirschgeweih.
Aus einer vorgeschichtlichen Fischerstation bei Schierstein ge-
langten als Geschenk des Herrn B. Jacob dahier ausser einem Mahlstein von
Mendiger Lava noch folgende Gegenstande in das Museum:
41. Netzbeschwerer aus schwach gebranntem Thon.
42. Ein Steinbeil.
Bei den Fundamentierungen des Archivgebaudes und des Schlacht-
hauses fand man in alten Wohngruben (Mardellen) folgende Ueberreste meist
vorgeschichtlicher Zeit (grossenteils Geschenke des Herrn Archivar Dr. Sauer):
48. Topfscherben in Wallburgcharakter.
44. Ein eigentumliches, fast kreuzformiges Gebilde aus Thon, wie man
ein ganz ahnliches von ebenso ratselhafter Verwendung in den Grabern von
Hallstadt gefunden hat.
Jedoch kam in den Fundamenten des nahe gelegenen Schlachthauses
auch vor:
45. Ein eisernes, sabelformiges Messer, wie solche in den der Romerzeit
kurz vorhergehenden La T6ne-Hiigelgrabern gefunden werden. Denselben
Mardellen beim Schlachthause gehoren die TSpfe 127 und die Funde auf
Tafel 128 an.
Aus den Schleussenbauten imMain sind hier mehrere der vorhistorischen
Zeit angehorige Fundstiicke zu verzeichnen:
46. Ein Beinknochen des Urstiers, Bos primigenius, und
47. ein Unterkiefer des Torfschweines, welches auch in den Schweizer
Pfahlbauten vorkommt. (Ein daneben liegender Biberschadel gehort einer spliteren
Zeit an).
Gleichfalls aus der Mainkanalisierung sind, als Geschenke des Herrn Re-
gierungsbaumeisters Wehrburg, an der ostlichcn Wand zu oberst angebracht:
Der Kopf und darunter zwei Hornzapfen des Urstiers, Bos primigenius.
Unterhalb dieser
der Kopf des Auerochsen, Bos priscus, und
drei Stosszahne des Mammuths.
Auf dem darunter angebrachten Tragbrette folgen, samtlich den
Steetener Hohlen entnommen:
Drei Schulterblatter des Mammuths,
zwei Schulterblatter und mehrere Beinknochen des Rhinoceros.
Auf dem Glasschranke selbst liegen:
48. Ein neues Rentiergeweih, sowie ein Stosszahn und ein Backenzahn
des Mammuths.
Unter dem Tragbrette an der Ostwand sind angebracht:
Links: Knochen und Geweihstiicke des Edelhirsches No. 225.
Darunter: solche des Rentieres; No. 226.
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Raum I. 169
Rechts: Knochen, Halswirbel und Zahne des Hohlenbaren; No. 223.
Darunter: Steinspahne und Feuersteinmesser; No. 224.
49. Im Schranke daneben Feuersteinspahne aus den mit Bimsteinsand
iiberdeckten Lavaspalten bei Andemach, also Artefacte von Menschen,
welche zur Zeit oder schon vor der Zeit der Ausbruche der Etfler Vulkane dort
gelebt haben.
Ringw&lle. Schlackenwfille.
Der Streit urn das Mein und Dein ist so alt als das Menschengeschlecht
Immer war es Bedurfnis, sich und seine Habe zu schutzen, seine Wohnung
oder seinen Zufluchtsort zu sichern und zu befestigen. Dies geschah teils durch
Waldverhaue und Holzbauten, welche verschwunden sind, teils durch
Pfahlbauten, die von Wasser umgeben waren, teils endlich durch Ring-
und Abschnittswalle von Stein oder von Erde.
Wir finden im Taunus und in vielen anderen Gegenden die Berggipfel
mit einem oder mehreren Steinwallen umgeben, und dadurch zu verteidigungs-
fahigen Zufluchtsorten fur die Umwohner, ihr Vieh und fahrende Habe her-
gerichtet. Diese Walle waren einst senkrechte, unersteigliche Mauern. Da man
aber vor den Romern den Kalkmortel bei uns nicht kannte, so legte man,
wo die Steine nicht lagerhaft waren, Holzer ein, welche sie ausglichen und
zusammenhielten. Als spater das Holz vermoderte, sturzten die Mauern ein —
so wie wir sie jetzt sehen. Wurde aber das Holz angeziindet, so mussten sie
gleichfalls zusammensturzen, aber es bildeten sich, wenn das Gestein mehr oder
weniger schmelzbar war, oder mit Hulfe der reichlichen Asche verschlackte
Massen.
An der Sudseite des Raumes sind rechts von der Thiir drei Modelle
solcher Steinwalle aufgestellt:
50. wie Caesar de bello gallico die Bauart der gallischen Mauern beschreibt,
und wie sich solche tJberreste bei Autun, im alten Bibracte, erhalten haben ;
51. wie auf der Trajanssaule derartige Mauern mit Holzeinlagen dargestellt
sind, und
52. wie die Eonstruktion der Mauern auf dem Altkonig im Taunus, bei
welchen das Holz vermodert ist, sich bei den Nachgrabungen ergeben hat.
Alle Steinwalle, wie wir sie jetzt finden, sind eingestiirzte Trockenmauern
mit oder ohne Holzeinlagen; auch die Erdwalle entbehrten nicht der Einlage oder
der Bekleidung von Holz, um sie senkrecht und dadurch unersteiglich zu machen.
Links und in der Thiire geben die Tafeln 113 und 114 eine Darstellung des
jetzigen Zustandes zahlreicher Ringwalle in unserem Bezirke, ebenso das vom
Maler Herrn Th. Reifenstein geschenkte Aquarellbild 112.
Als Fundstiicke aus den Ringwallen sind in dem Glaskasten in der
Mitte des Raumes aufbewahrt:
53. Glasierte Quarzite vom Altkonig. Das an sich unschmelzbare Gestein
ist durch die Asche der verbrannten Holzeinlagen an einigen Stellen mit Glasur
iiberzogen. Ferner von ebendaher:
54. Grobe Topfscherben im Wallburgcharakter; ein Spinnwirtel.
12
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170 ftaum 1.
55. Ein eisernes Messer.
. 56. Eine Bronze-Tierfibel mit einst mit Schmelz gefullten Gruben. Dieselbe
gehort der, der Romerherrschaft vorausgegangenen, la T&ne-Periode an und
macht es wahrscheinlich, dass die Ringwalle wahrend dieser Zeit angelegt und
benutzt worden sind.
57. Ahnliche Tierfibeln aus Hugelgrabern. Topfscherben und Spinn-
wirtel aus den Ringwallen
58. der Gickelsburg und
59. der Dornburg.
60. Schlacken yon dem Ringwall Monreal bei St. Medart am Glan, welche
aus mehr oder weniger verwittertem Melaphyr entstanden sind.
61. Schlacken aus dem Abschnittswall von Kirn-Pischbach an der Nahe,
aus Melaphyr und Weissliegendem entetanden. An vielen Stellen erkennt man
an der schwarzen einst fliissigen Masse die Eindriicke yon Holzkohlen mit ihren
Langsrissen und konzentrischen Markstrablen.
62. Schlacke aus Grauwackegestein von dem Abschnittswall Hiihnerkuppe
bei Blankenburg in Thiiringen, Geschenk des Herrn Rentamtmann Kiesewetter
daselbst.
68. Schlacken von den Steinwallen auf dem Donnersberg, Geschenk des
Herrn Generallieutenants von Seydlitz.
Pfahlbauten.
Siidwand. Glassturz links der Thur.
Bei dem tiefen Wasserstand des Ziiricher Sees im Jahre 1854 entdeckte
man zahlreiche PfShle und zwischen diesen im Schlamme eine Kulturschicht,
welche allerlei Gebrauchsgegenstande entbielt, die man einer sehr fruhen, mit
den Metallen noch unbekannten Zeit zuschreiben musste. Auch in anderen
Seen und in Moorgrunden ergaben sich ahnliche Erscheinungen. Man schloss
hieraus, dass auf den Pfiihlen einst uber dem Wasserspiegel Wohnungen,
n Pfahlbauten tf , gestanden haben, von welchen jene Dinge zufallig oder bei
einem Brande ins Wasser gefallen sind. Perner konnte man wahrnehmen, dass
wahrend metallische Gegenstande in der Ostschweiz ganz fehlten, sie in der west-
lichen Schweiz, besonders im Neuchateller und Bieler See, sehr haufig waren.
Wenn wir in den Steetener Hohlen noch das Rentier fanden, so fehlt
dieses ganzlich in den Schweizer und in den siidlich der Alpen gelegenen Pfahl-
bauten. Dagegen ist in diesen wie in der Hohle der Steinkammer unfern Herborn
der noch lebende Bar, Ursus arctos, nachzuweisen. Der Zeit nach wiirden
Steeten, die Pfahlbauten der Ostschweiz, Steinkammer und dann die
Pfahlbauten der Westschweiz sich aneinander reihen.
Die hier ausgestellten Fundstiicke der Pfahlbauten sind fast alle aus dem
Pfiifficonsee bei Robenhausen. Es sind
64. Steinbeile; davon eines
65. in Hirschhorn, als Ilandhabe, gefasst.
66. Ein Netzbeschwerer und ein Netzschwimmer.
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Kauro I. 171
67. Ein Kornknirscher (Kornquetscher) und Reibsteine.
68. Ein Schleifstein.
69. Bruchstiicke von Thongefassen, teilweise im Wallburgcharakter
verziert.
70. Gespinnste, Geflechte und Gewebe, eines nach Art der Fischnetze.
71. Meisel, Kratzer, Stecher und Messer aus Hirschhorn und Knochen.
72. Bruchstiick des Oberkiefers vom Auerochsen.
78. Uberreste von gedorrten Apfeln und von Brot, Bowie Samereien,
Haselniisse, Wasserniisse.
74. Spinnwirtel aus den Pfablbauten von Auvergnier im Neuchateller See.
75. Angesagtes Hirschgeweih, rechts neben dem Glaskasten an der Thiir.
76. Thonscherben von Schussenried, wo die Pfahlbauten jetzt im trockenen
Torf stehen, und zuerst von Herrn Revierforster Frank untersucht und be-
schrieben wurden. Geschenke dieses Herrn.
Weitere Funde ohne Eentierspuren und ohne Metalle.
Wenn wir bei uns auch keine Pfahlbauten nachweisen konnen, so giebt
es in unserem Lande doch Platze, deren Fundstiicke jenen von dort sehr ahnlich
sehen. Wir erwahnten bereits die Fischerstation bei Schierstein (41 u. 42),
den alten Wohnplatz bei Niederwalluf (36 — 40) und die Mardellen in der
unmittelbaren Nahe von Wiesbaden (43 — 45), obgleich daselbst nicht aus-
schliesslich in diese Abteilung Gehoriges gefunden worden ist. Ferner stehen
derselben Periode nahe die Funde in den metallleeren Grabern von Eddersheim
126, in den Sonnenberger Fichten 129, bei Hohr 134, bei Bilkheim 138,
in der Kohlhecke bei Dotzheim, bei Sossenheim 151, welche ausser den
Topfereien nur verbrannte menschliche Gebeine und Steinwerkzeuge, aber keine
Metalle enthielten. Weiterhin schliesst sich hier an ein grosser Teil der an der
Sudwand in demselben Glassturz ausgestellten Gegenstande.
77. Ein Kelt aus dem Schulterblatt des Rindes nach dem Vorbild eines
solchen von Bronze, gefunden im Romerkastell zu Wiesbaden.
78. Feuersteinmesser von dem Heidenberg bei Wiesbaden.
79. Verschiedene Pfriemen und Stecher.
81. Eberh'auer, einer zum Anhangen eingerichtet.
82. Bearbeitetes Hirschgeweih.
88. Pfeifenformig bearbeitete Hirschzinken von unbekanntem Gebrauche,
aber grosser Haufigkeit. Vielleicht dienten sie bei Korb- und Zaunflechterei.
Sie sind zum Anhangen durchbohrt.
84. Rehgeweihe aus Fundstatten romischer und vorromischer Zeit.
85. Schalen von Unio sinuatus, welche, jetzt ausgestorben, fruher und wahr-
scheinlich noch zur Zeit der Romer gefunden und verarbeitet wurde und zwar zu
86. Berloken, Scheibchen und Perlen. Fundort Heddernheim.
87. Austernschalen aus romischen Fundstellen.
An der Slid- und Westwand sind zahlreiche Steinwerkzeuge aus-
gestellt: Messer, Keile, Meisel, durchbohrte Beile, Dolche, Lanzen- und Pfeilspitzen.
12*
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172 Raum I.
Sie gehoren der grossten Zahl nach der metalllosen, der Steinzeit an, deren
verschiedene Fundstucke wir bisher aufgefuhrt haben. Allein sie werden so
haufig ganz vereinzelt, ohne zeitbestimmende Beigaben, und andererseits doch
auch wieder mit andern Gegenstanden aus der Steinzeit zusammen gefunden
und besitzen nebenbei so mancherlei Eigentumlichkeiten, welche augenscheinlieh
mehr von ihrem Material und vom Gebrauche, als von der Zeit abhangig sind
— dass wir sie am besten fur sich zusammenfassen und betrachten.
Die Steinmesser sind alter als [die Steinbeile, da wir solche an Ortlich-
keiten und unter Umstanden, z. B. in den Steetener Hohlen fanden, wo zweifellos
auch Steinbeile waren gefunden worden, wenn man sie bereits in Gebrauch
gehabt hatte.
Bei der Schwierigkeit, Feuerstein zu schleifen, zumal es da, wo er vor-
kommt, an Sandstein fehlt, wird man ihn noch lange zurecht geschlagen haben
(sog. palaeolithische Periode), wahrend man weichere Steine, z. B. Serpentin
und Qrauwacke schon langst hatte schleifen gelernt (sog. neolithische Zeit).
Wurde doch uberhaupt das Schleifen durch die Auswahl gunstig gestalteter Ge-
schiebe an die Hand gegeben und erleichtert.
Das Bohren wird man sich mittelst einer Knochenrohre und Sandes vor-
zustellen haben. Eine senkrechte Welle, die mit einem Seil umwickelt bald
links- bald rechtsherum gequirlt wurde, vermittelte die Rotation eines in der
Verlangerung befestigten Rohrenknochens; derselbe liess, wenn die Arbeit nicht
ganz zu Ende gefiihrt wurde, einen Steinzapfen stehen.
Manche Steinbeile konnen nur nach dem Vorbilde metallener Beile ange-
fertigt und ihre Bohrung auch nur mittels metallener Bohrer ausgefuhrt worden
sein — woraus der Fortgebrauch des Steingerates, auch als man schon Metalle
besass, erweislich ist.
An der westlichen Wand sind auf 18 und an der siidlichen auf 6
Tafeln verschiedene Stein -Waffen und Werkzeuge ausgestellt.
88. Mit Ausnahme der schonen Casse-tete, No. 1043, welcher wahr-
scheinlich aus Neuseeland stammt, ruhren alle iibrigen Stiicke aus Nordamerika
her. Als charakteristisch fur diesen Ursprung werden Steinbeile mit umlaufender
Nute angesehen ; doch besitzen wir auch von Ems und aus der Wetterau ahnliche
Formen.
89. Pfeilspitzen aus Feuerstein und einigen anderen Gesteinsarten aus
Nordamerika.
90. Feuerstein -Waffen und Werkzeuge aus Siidschweden, geschenkt durch
Herrn Oberjagermeister Sjokrona auf Wegeholm in Schweden.
91. Feuerstein- Dolche, Lanzenspitzen und Sage aus Schleswig-Holstein.
98. Waffen, Keile, Pfeilspitzen.
93. Meisel und Beile aus demselben Materiale.
94. Desgl., meist geschliffen, aus Rugen und Schleswig-Holstein.
95. Feuersteinbeil, (No. 1540) von Stephanshausen im Taunus, geschenkt
von Herrn Fr. Kofler; Feuersteinbeile, (No. 1463 — 1467,) bei den DQppler
Schanzen gesammelt und dem Museum geschenkt von Herrn Major Krock;
Hornsteinbeil als Texel gefasst, (No. 808), aus der Wetterau; Basaltkelt als Beil
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Raum I. 173
gefasst, (No. 601); Hornsteinbeil nach Art der Eingeborenen dor Ostkiiste
von Neuholland, angefertigt von Mr. G. Fairholm, der lange dort gelebt hat.
Daneben ein Hirschgeweih ah Hacke hergerichtet und ini Kastell Wiesbaden
gefunden.
96. Gebohrte Steinbeile; darunter mehrere durch ihre geschweifte
97. Form an Metallbeile erinnernd. Oft sind die Schaftlocher so eng,
98. dass der Holzstiel zu schwach erscheint und das Beil nur als Satzkeil
gedient haben kann. Andere Beile sind wieder so klein, dass sie nur zu feinen
Arbeiten, wenn nicht etwa als Amulet zum Umhangen gedient haben. Alle
sind so stumpf, dass sie das Holz mehr zermalmt und zerfasert, als in Form
von SpShnen losgelost haben konnen. Oft mag das zu verarbeitende Holz an
seiner Oberflache erst mit Feuer behandelt, immer von neuem verkohlt und dann
die Kohle mit Hiilfe der Steinwerkzeuge abgeschabt worden sein, bis die
gewunschte Form zu Stande kam.
99. 100. 101. 102. 103. Steinkeile, welche erst durch die Schaftung,
wie auf Tafel 95 dargestellt, zu Beilen oder Texel oder Hacken wurden.
Die Steinart ist teils Basalt, teils Lydit, teils Thonschiefer, seltener Griinstein
oder Serpentin. Die meisten stammen aus der Wetterau und aus Oberhessen.
104. Keile und Beile aus der Umgegend von Wiesbaden; darunter auch
ein Feuersteinknollen zur Anfertigung von Steinmessern und Keilen, gefunden
im Kastell von Wiesbaden. Ein Feuersteinbeil, No. 898, auf der Platte gefunden
und geschenkt durch Herrn Forster Weimar.
105. Beile und eigentiimlich gestaltete Steingerate, meist aus der
Umgegend von Wiesbaden: von Kirberg, geschenkt von Herrn Lehrer Rautcr;
von Wiesbaden, geschenkt von Herrn Lugenbiihl; cine lange, viereckige Stein-
leiste zu unbekanntem Zwecke aus der Gegend von Mainz; ein Steinbeil mit
umlaufender Nute, wie diese den amerikanischen eigen ist; ein schwerer
Hackhammer von Mainz.
106. Meissel und Keile, welche sich durch ihre Kleinheit auszeichnen.
107. Dergleichen und andere Steingerate von schildformiger und
cylindrischer Form; ein Beil mit umlaufender Nute aus der Wetterau.
108. Steinbeile verschiedenen Herkommens.
109. Desgleichen.
110. Steinmeissel, halbcylindrisch und schrag angeschliffen, sodass sie als
Hohlmeissel dienen konnten.
111. Steinbeile von Gesteinsarten, deren Vorkommen in Europa noch
nicht geniigend nachgewiesen ist und um deren Studium sich vor alien Professor
Fischer in Freiburg verdient gemacht, auch die vorlicgenden Exemplare
bestimmt hat. Die Beile bestehen meist aus Jadeit und Chloromelanit, teils
auch noch von anderen zu Steinbeilen selten verwandten Gesteinen. (Nephrit
und Jadeit von H. Fischer, Stuttgart 1875).
lift. In der Thur daneben hangt das bereits erwahnte Aquarcllbild, die
Ringwalle des Altkonig darstellend, von Herrn Maler Th. Reifenstein und
an der sudlichen Wand, links von der Thur
113. Grundriss und Profilzeichnungen der Ringwalle des Altkonigs, und
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174 Raum I.
114. eino Ubersicht der Ringwalle in Gebieten dee Nass. Altertums-
Vereines. Vergleiche das oben liber die Ringwalle Gesagte und die Nummern
50-53. [ADnal. XV, 343. Annal. XVII, 107. Annal. XVIII, 208.]
An derselben Siidwand finden wir weiter auf Tafeln befestigt:
115. Topfereien aus der Mark, der Lausitz und von Usedom. Darunter
116. Funde aus der kleinen Steinkammer, einer Hohle westlich von
Herborn. Unter ihnen ist der sehr kunstreich getriebene Halsring, sogenannter
Wendelring, ein Armring und mehrere grosse und kleine Ohrringe von Bronze,
mit Glasperlen und Bernstein, sowie die im Wallburgcharakter verzierte Topferei
bemerkenswert. Der dabei gefundene Zahn gehort nicht, wie in den Steetener
Hohlcn, dem Hohlenbaren, sondern dem jetzt noch lebenden kleineren, braunen
Baren, Ursus arctos, an. Einen Ziegenknochen hatte man begonnen, zu einer
Pfeife herzurichten, wie wir dergleichen auch aus der romisehen Zeit besitzen.
[Annal. XVIH, 300 u. Annal. XIX, 174, 176.]
117. In der Mitte ein Grabfund von Bronze und Steinrcstcn aus Kothen,
geschcnkt von Herrn Munzmeister Zollmann;
rechts daneben Grabfunde aus Kurland, Geschenk der Frau Baronin
von Horner;
links daneben Grabfunde aus Sirmien, Geschenk des Herrn Grafen zu Eltz;
daruber Grabfunde aus der Oderniederung, von woher auch die Topf-
scherbcn. Geschcnke des Herrn Generallieutenants von Boeder.
118. Einc Zusamraenstcllung von bronzenen Nadcln, moist aus Hiigelgrabern.
Mahlsteine.
Die alteste Art Gctreidc in Mehl zu verwandcln bestand darin, dass man
dassclbe auf einem flachen Steine mit Hulfe cines anderen zerrieb. Spatcrhin
geschah dies der Art, dass die Frau, welcher die Mehlbereitung oblug, gestreckt
auf der Erde sitzend einen, wegen seiner Form von den Landleuten Bonapartshut
genannten, Stein zwischen den Beinen hielt, und mit einem zweiten — vielleicht
gleichen — die aufgestreuten Korner durch Hin- und Herreibcn zerknirschte,
sodass das Mehl und die Eleie ihr in die Schurze fielen.
In folgenden Zeiten — und so bei den Romern — gab man zwei Steinen
einc runde, scheibenformige Gestalt und indem man den oben aufgelegten in
drehende Bcwegung brachte, zerrieb man die durch das Mittelloch cingestreuteil
Korner, urn rings am Umfange das Mehl in Empfang zu nehmen.
Kegel- und trichtcrformige Mahlsteine, wie man sic in Pompeji sieht,
kommen bei uns nicht vor. Bei den Romern wurden die Miihlen durch Sklaven
und durch Tiere in Bewegung gesetzt, grossere aber auch schon durch
Wasserkraft.
Fast alle bei uns aufgefundenen Mahl- und Muhlsteinc, auch schon die
Bonapartshiite und einzelne altere Reibsteine, entstammen dem harten, poren-
reichen Gesteine aus den Lavabriichen von Niedermendig bei Coblenz.
Zur Aufstellung gelangten:
119. Reibsteine altester Art; untcr ihnen das Bruchstuck eines Mahlsteines
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Raum I. 175
aus Kreuznacher Porpbyr aus einem Hugelgrab bei Schierstein. Kleine Stiicke
von Reibsteinen fanden wir haufig in Hiigelgrabern, wohl mit der symbolischen
Bedeutung, jenseits gleichem Zwecke zu dienen. [Annal. XIV, 166.]
Ferner liegen unter der Bank langs der Slid-, West- und Nordwand:
120. Die „Bonapartshute" aus Mendiger Laya.
121. Runde, romische Handmuhlsteine aus dem gleichen Materiale.
122. Runde, norddeutsche Handmuhlsteine aus Granit, von der Oder-
niederung, als Geschenke des Herrn Generallieutenants von Rocder.
123. Verschiedene Steinmorser, toils der Romerzeit, teils bereits dem
Mittelalter angehorig.
Die Tfipferei (Keramik).
Ein paradiesischer Zustand, in welchem der Mensch, von Frtichten lebend,
des Feuers und des Kochtopfes nicht bedurfte, lasst sich fur die tropischen Lander
wohl denken; im Norden aber ergab es sich anders, und der Spruch: „Nach dem
Schopfer kommt gleich der Topfer", bestatigt sich nicht nur durch die biblischo
Tradition, dass Gott Thon gebrauchte, um den ersten Menschen zu formen,
sondern auch dadurch, dass so hoch hinauf wir den Menschen verfolgen, wir in
seiner Hinterlassenschaft fast ausnahmslos den Thonscherben und die Kunst, ihn
zu verzieren, sowie mit ihm den Gebrauch des Feuers finden. Schon durch diese
drei Dingo ist zwischen dem Menschen und dem AfFen ein Abstand gesetzt,
der uniiberschreitbar ist.
Die altesten Thonscherben sind roh und dick; der Thon voll kleincr
Steine, schwarz, kohlenhaltig und nur schwach gebrannt. Aber immer ge-
brannt, denn "ungebrannt wird der Thon in der Feuchtigkeit wieder zu form-
lo8em Schlamm. Die GefSsse sind zwar rund, aber nicht auf der Topferscheibe
aufgedreht, sondern aus Wulsten und kleinen Ballen von Thon allmahlich auf-
gebaut. Meist sind sie gross und besitzen keinen oder nur einen kleinen Stand-
boden; Henkel sind sehr selten. Sie sind mit aufgelegten Wulsten, mit
Finger- oder Nageleindrucken oder Strichen verziert, oft auch wie mit einem Besen
rauh gemacht; sie scheinen am ofFenen Feuer oder wie in einem Kohlenmeiler
gebrannt. Der Zusatz von kleinen Steinen und Krystallen zur Thonmasse
aber bewirkt, dass dieselbe beim Trocknen und Brennen, sowie beim Gebrauch
iiber dem Feuer nicht reissen.
Mit ihnen zusammen treten bald kleinere und feinere, glanzend schwarzc
GcfSsse auf, welche wir als Trinkgefasse bezeichnen. Sie laufen zu unterst
spitz zu oder sind eingedallt, ohne eigentlichen Standboden. Da diese kleinen
und feineren Gef&sse meist neben oder in den groben und grossen gefunden
werden, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass letztere auch die Kapseln gebildet
haben, in welcben jene gebrannt wurden.
Die schwarze Farbe ist teils durch den Rauch entstanden, welcher sie beim
Brennen umgab und in dem sie erkaltcten, teils ist sie hervorgerufen durch
einen Anstrich und eine Impragnierung mit Harz, namentlich Birkenharz, welches
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176 Raum I.
den schwach gebrannten, porosen Thon erst wasserdicht machte. Ein Farben
mit Graphit kommt in hiesiger Gegend nicht vor. [Annal. XIV, 158.]
Als massgebende Artenbeispiele diescr vorgeschichtlichen Topferei be-
merken wir:
An der nordlichen Wand, oben, am Fenster beginnend.
124. Thongefasse aus den Hugelgrabern bei Rambach. (Die weiteren
Funde aus diesen Grabern enthalt der Glasrahmen 206 an derselben Wand
links). [Annal. YI, 211.]
125. Thongefasse aus einem Grabe auf der Nordseitc des Kurweihers
zu Wiesbaden; der Platz ist durch einen Stein mit den Buchstaben DM bezeichnet.
Sie zeigen deutlich den allmahlichen Aufbau des GefSsses ohne Topferscheibc
und eine Verzierung durch Wiilste und Fingereindriicke.
126. Unterteil eines grossen Gefasses, gefunden 1839 bei Eddersheim
und geschenkt von Herrn Reg.-Rat Schapper. Es zeigt den Aufbau aus einzelnen
Thonkliimpchen bei Mangel der Topferscheibe. (Weitere zugchorige Funde Tafel
127.) [Annal. HI. 2, 176.]
127. Glockenformige Topfe mit Seitenstollen als Handstiitzen, ebenso mit
Fussstollen, aus den Fundamenten des Archivgebaudes und Schlachthauses zu
Wiesbaden.
128. Zahlreiche Bruchstiicke von Thongefassen ebendaher mit ver-
schiedcnen Verzierungen, mit Eindrucken und weissen Thoneinlagcn, mit
durchbohrten Warzen zum Aufhangen der Topfe an Schnuren liber dem Feuer.
Ein Feuersteinspahn. Bruchstuck eines durchbohrten Steinbeiles. Ein Mahl-
oder Reibstein. Schalen von Unio sinuatus. [Annal. XIV, 380. Annal. XVII, 140.]
129. Bruchstucke eines wahrscheinlich cylindrischen GefSsses; sie zeigen
den absichtlichen grossen Zusatz von Quarzkornern zu der Thonmasse. Es
war die einzige Beigabe in einem Hiigelgrab in den Sonnenberger Fichten.
[Annal. XV, 389.]
Bruchstiicke von Gefitssen vom Landgraben bei Mosbach ; desgleichen mit
Wulsten und Fingereindriicken von der Villa des Herrn von Bertouch, siidlich
der Adolfsallee, und von der Villa des Herrn vonGockingin der Gartenstrasse.
[Annal. XV, 389.]
130. Thongefassbruchstiicke und Eisenlanzenspitze aus einem Hiigelgrab
im Walddistrikte Ehr zwischen Gondershausen und Halsenbach auf dem Hunds-
riicken. Mehrere Scherben zeigen als Verzierung das sogenannte Schnurmuster,
d. h. Eindriicke von einem rechts und links gewundenen Bronzering.
An der nordlichen Wand, links von der Thur oben.
131. Thongefasse aus den Hugelgrabern am Weissen thurm im Rheingau;
unter ihnen ist besonders beachtenswert das flaschenformige GefSss mit einem
cingeritzten Blatterkranze auf seiner Schulterflache. Dazu gehorig ein Knochen
(tibia) vom Auerochsen und die darunter auf Tafel 200 befindlichen Fundstttcke
mit tjberresten ei^erner Waffen. [Annal, VH. 2, 195.]
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Kaum I. 177
132. Grosse Urne aus Fundamenten dcr Karlstrasse zu Wiesbaden,
Geschenk von Herrn Dormann. Hierzu gehorig die beistehenden funf kleinen
Urnen.
133. Schiissein aus den Hugelgrabern im Kammerforst im Rheingau.
Ihr Boden ist eingedallt. (Dazu gehorig die Gegenstande im Glasrahmen 207.)
[Annal. XH. 241.]
An der westlichen Wand finden wir zu oberst zwei aus ausgehohlten
Baumstammen gefertigte Kahne, Einbaume, (240), die altesten Kahne. Die-
selben wurden bei der Mainkorrektur bei Hochst gefunden und dem Museum
durch den Regierungsbaumeister Kahl ubergeben. [Annal. XIX, 184.] Darunter
134. eine grosse Urne vom Bierhaus bei Hohr. Zu demselben Funde gehoren
die am anderen Ende der Wand stehenden Urnen 189 und 140, drei Sehalen
und zwei Trinkgeschirre. Anderweitige Beigaben waren nicht vorhanden. In
der Thonmasse erkennt man Bimssteinfragmente und kleine Krystalle von Augit
und glasigem Feldspath. [Annal. XVII, 101.]
135. Thongefasse aus den Hugelgrabern von Schwanheim. Wahrend die
grossen Gefasse meist zerdriickt waren, haben sich die kleinen Trinkgeschirre
gut erhalten. (Dazu gehorig die Bronzen und das bearbeitete Bernsteinstiick
im Glaskasten 179 an der nordlichen Wand neben dem Fenster. [Annal.
XVIII, 200.]
136. Grosse schwarze Urne von Erbenheim mit eingekniffenen Wulst-
verzierungen, und mit einer Schale bedeckt. Dergleichen grosse Gefasse mogen
zur Aufbewahrung von Getreide und Mehl zum Schutz gegen Mause gedient
haben. Dazu gehoren die kleinen Urnen (1324 u. 1328), sowie zwei Teller.
(Ebenso das Bronzemesser (1325) im Glaskasten 178 an der Nordwand.)
[Annal. XII, 319.]
137 u. 138. Eine Reihe von 17 Urnen und Sehalen aus den Grabern
von Bilkheim. Sie enthielten nur Knochenasche und keinerlei Beigaben von
Bronzen oder anderweitigem Material und sind zum Teil Geschenke des
Herrn Grafen v. Walderdorff. [Annal. HI, I, 91 u. IU, II, 3.]
139 u. 140. Grosse und kleine Gefasse vom Bierhaus bei Hohr, bereits
unter No. 134 mit aufgefuhrt. [Annal. XVII, 101].
Siidliche Wand, rechts oben.
141. Urnen, Sehalen und Trinkgefasse aus Hugelgrabern im Braunfelsischen.
(Dazu die Bronzen im Glaskasten 193.)
141*. Urnen aus einem Hugelgrab im Wald von Rodheim siidlich des
Dunsberges, dazu
142". eine einzige Bronzenadel.
142. Verschiedene Topfereien aus der Wetterau, sowie ahnliche aus un-
bekannten Pundorten. Die nachweisbaren Fundstatten sind Langd, Hungen,
Faurbach.
Siidliche Wand, links oben.
143. Urne von Weisenau, Urnen, Sehalen und Napfe von Waldlaubersheim,
Heiraersheim, Odernheim und Langenlohnsheim. [Annal. XIV, 331.]
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178 Raum 1
14S\ Urne aus der Lausitz mitBuckeln, Geschenk des Herrn Obcrforstcr
Preiherr von Huene.
144. Urne aus einem Hugelgrab von Hadersleben, geschenkt von Herrn
Katasterkontroleur Earst.
145. Urne und sonstige Gefasse aus sogenannten Wendengrabern bei
Kalau, geschenkt von Herrn Lieutenant v. Blumenthal, und aus den „Wendcn-
kirchhofen" von Sorau und Zfillichau, eingetauscht vom Markischen Museum
in Berlin.
1 46. Schwarze Urne und andere Thongefiasse von Reitwein in der Oder-
niedcrung, geschenkt von Herrn Generallieutenant von Boeder. Dazu gehorig
ein Teil der Gegenstande auf Tafel 117. [Annal. XII, 326.]
147. Urnen und Topfc aus den sogenannten Wendenkirchhofcn von
Mondschutz bei Wohlau in Schlesien. Geschenk des Herrn Rittmeister von
Kockritz daselbst.
Im Glasschrank mitten im Raume, obere Reihe.
148. Schwarze Urne mit feingewirktem Grund ornamentiert. Im Jahre
1824 auf dem Rochusberg bei Bingen ausgegraben.
149. Schwarze Urne vom Michelsberg bei Wiesbaden.
150. Schwarze, verschiedentlich verzierte Urnen vom Siidwestende von
Wiesbaden (Rheinstrasse und Schicrsteiner Weg.)
151. Rotlichc Urne mit kteinen Henkeln, mit eingeritzten Linien und
blutcnahnlichen Punkten verziert; die Miindung fehlt. Sie war mit dem daneben
liegenden flachen Stein bedeckt, und fand sich neben ihr ein Grunsteinbeil und
ein Feuersteinspahn. Daneben ein ahnlicher, gefunden in einer Lehmgrubo
westlich von Sossenheim. Geschenk des Herrn Dr. Schulcr in Hochst.
152. Bodenstuck einer Urne mit durchbohrten Hangewarzen und schr
eigentumlichen Verzierungen. Sie wurde zusammen gefunden mit den beiden da-
neben liegenden Steinkeilen in Wiesbaden, an der Ecke der Karl- und Rheinstrasse.
153. Kleiner, gut erhaltener Topf mit Verzierungen, welche eine gewissc
Ahnlichkeit mit der Ornamentik der vorhergehenden und nachstfolgenden Urne
haben. Gefunden unfern der eben erwahnten Stelle und geschenkt von Herrn
und Frau Feix.
154. Flache, schr b^schadigte Urne mit Eindrucken von rechts- und links-
gewundenen Bronzeringen. (Dazu gehorig ein sabelformiges, eisernes Messer,
bronzenc Armringe und Dolch, und ein Feuersteinspahn.) Gefunden in Grab-
hiigeln bei Waldlaubersheim. [Annal. XIV, 331.]
155. Schwarze Urnen gefunden unter den Frankengrabern bei Erbenheim
einer vorromischen Zeit angehorig. [Annal. XIII, 319.]
156. Schale mit eingedriickten Dreiecken, welche teilweise noch mit
weissem Tbon ausgefiillt sind. Mit Schalen und Trinkgefassen zusammen in
den Hugelgrabern bei Camberg im Goldenen Grund gefunden. [Annal. XIV, 154.]
157. Kleine, rot ubermalte Urne, Miindung und Henkel beschadigt.
Aus den Hfigelgrabern im Scheidwald bei Liesenfeld auf dem Hundsriicken.
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Baum I. 17$
Die Bronzezeit.
Auf die bisher erwahnten Fundstatten, in welchcn ausser Topfereien nur
Gcratc von Stein und Bein vorkommen, folgen solche, in welcher die Topfereien
begleitet sind von Waffen, Werkzeugen und Schmuck aus Bronze, nicht aber
aus Eisen. Man schloss aus dem Fehlen dieses letzteren Metalles, dass die
Menschen die Bronze fruher als das Eisen darzustellen und zu verarbeiten ver-
standen hatten. Gegen diese Annahme ist aber das wichtige technische Bedenken
zu erheben, dass man gerade das Eisen ohne grosse Schwierigkeit unmittelbar
aus seinen allgemein verbreiteten Erzen gewinnen und Schmieden kann (ganz
abgesehen vom kaum nennenswerten Meteoreisen), wahrend die Bcstandteile
der Bronze: das Kupfer und zumal das Zinn nur in ziemlieli seltenen Erzen
vorkommen, davon jedes fiir sich ausgeschmolzen und — (durchschnittlich im
Verhaltnis von 90 Teilen Kupfer zu 10 Teilen Zinn — ) mit dem anderen
zusammengeschmolzen werden muss, um dann erst Bronze zu erzeugen. Die
Fabrikation der Bronze setzt demnach schon hoch entwickelte metallurgische
Erfahrungen und Verkehrsverh<nisse voraus, und ist man desswegen jetzt der
Ansicht, dass bei uns und im Norden die iiberwiegende Mehrzahl der bronzenen
Fundgegcnstande als auslandische Handelsartikel betrachtet werden muss, welcho
den mit Gewinnung der Metalle noch unvertrauten Volkern zugebracht wurde.
Und cs darf dabei vor allem nicht vergessen werden, dass die Bronze viel
daucrhafter ist als das Eisen ; sobald sie sich zu Anfang mit einer grunen Oxyd-
schicht, — der Patina, aerugo nobilis — uberzogen hat, vermag sie der Einwirkung
der Feuchtigkeit durch Jahrtausende hindurch zu widerstehen, wahrend das Eisen
immer weiter, selbst noch in den Museen, rostet und seine Oxydc durch
kohlensaurehaltige Feuchtigkeit aufgelost und entfuhrt werden, sodass es mit
der Zeit spurlos verschwinden kann, wahrend die Bronzen neben ihm in demselben
Grabo sich wohl erhalten. Man kann es nun dahingestellt sein lassen, ob zu der
Zeit, aus welcher unsereal testen Bronzefunde datieren, das Eisen bei uns iiberhaupt
noch ganz fehlte, oder zwar beigegeben war, aber nun durch die lange Zeit
vollstandig absorbiert ist. Fiir uns wahrt die Bronzezeit so lange und beginnt
die Eiscnzeit erst da, wo wir das Eisen wirklich finden, da wo es also noch
nicht ganz zerstort ist, oder wo es die Waffen und Werkzeugc aus Bronze ver-
draijgt hat. Diesen Zeitpunkt aber haben wir etwa auf 1000 v. Chr. (oder vor
den Beginn der Romerherrschaft am Rhein, welche annahernd mit dem Anfange
unserer christlichen Zeitrechnung zusammenfallt) zu setzen.
Wahrend um diese Zeit, die eigentliche Bronzezeit, ibr Ende erreicht,
da von nun ab auch Eisenfunde neben den Bronzen auftreten, erheischen
doch die weiterhin bis zur Romerherrschaft vorkommenden Bronzen nicht minder
unser Interesse. In aufsteigender technischer Vollendung schliessen sie sich,
trotz ihrer immer haufigeren Vergesellschaftung mit Eisen- Werkzeugen, der
iil testen Bronzezeit fortlaufend an, sodass wir fiir unser Land sehr wohl
von einer allgemeinen vorromischen Bronzezeit reden konnen und in diesem
Sinne auch die bronzenen Fundgegenstande im Raum I zusammengestellt haben.
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180 Raum I.
Eine genaue Sonderung dieser Funde nach bestimmten Kulturperioden hat
wegen Mangels irgend welcher schriftlicher Quellen ihre grossen Schwierigkeiten.
Doch hat man eine solche versucht, indem man gewisse, durch Zeitangabe
fixierte italische Funde in Vergleich zog. Und man konnte dies mit vollem
Rechte, da man wohl erkannt hatte, dass eine grosse Zahl der aus unseren
Grabern und anderweitig erhobenen Schmuck- und Waffenstucke aus den
Kulturl&ndern des Mittelmeeres, namentlich aus Mittelitalien, durch Handler
iiber die Alpen zu uns gekommen ist. Spater, etwa seit 300 v. Chr., geschah
dies von Gallien aus, bis dann die Romer durch die Eroberung Galliens und
der Rheinlande den Handel an sich rissen. Erst mit ihrer Niederlage, um das
Jahr 300 n. Chr., erstarkte dann die Industrie bei den Alemannen und Franken
so, dass diese nunmehr sich und den Markt mit Waffen und Schmuck, mit
Thonwaaren und Glas selbst versorgen konnten.
Man ist fibereingekommen, in Anlehnung an jene italischen Bronzen, welche
eine annahcrnd zuverlassige Bestimmung ihres Alters gestatten, die Kulturperioden
dor vorromischen Zeit auf unserem Boden nach den Fundplatzen jencr typischen
Formen zu benennen. Und wir sprechen demnach von einer
Periode der Terramare, im Pothale,
der Villa nova bei Bologna,
der Certosa bei Bologna und
der la Tene im Neuchateler See.
Samtliche Bronzen dieser italischen Fundstatten sind auch bei uns
vertreten und gestatten deswegen auch fur unsere in den Bronzen reprasentierte
Vorgeschichte wenigstens eine annahernde zeitliche Bestimmung. Freilich
bleibt eine solche trotzdem immer mit manchen Unzulanglichkeiten verbunden.
Je schwieriger ein Land vom Ursprungsorte der Fundstiicke, der Bronze-
waaren, zu erreichen war, und je langsamer seine Bewohner — im Gegensatz
zu denen von Oberitalien, Steiermark und der Westschweiz — im Standc waren,
dem dortigen Geschmacke zu huldigen, desto mehr gemischt miissen wir naturlich
diese Modeartikel in demselben einheimischen Grabe bei einander finden. "Und
da ist eine Sonderung derselben nach typischen Mustern und massgebenden
Fundstellen, in welchen die Dinge oft auch schon mehr als angenehm durch-
einanderlaufen, in vielen Fallen nicht ohne Gewaltthatigkeit zu ermoglichen.
I. Periode der Terramare im unteren Pothale, etwa von
2000—1000 v. Chr. Dieser Periode entsprechen die Pfahlbauten der Ost-
schweiz, in welchen nur Bronze, kein Eisen sich erhalten hat. Italische
typische Formen fehlen unserem Museum. Um diese Zeit mogen bei uns
beginnen :
Die Bronze-Nadeln mit Anschwellung, Kugel und Petschaftahnlichem Kopf ;
die Bronze-Kelte;
die Bronze-Sicheln;
die geschweiften und kreisformigen Messer;
die dreieckigen Dolche in ihren altesten bei uns auftretenden Formen (84);
die Bronzeschwerter, deren Klingen an den Griff angenietet sind (88);
die Bronze- Lanzen- und Pfeilspitzen (75);
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Kaum I. 181
die Thongefasse, welche nicht auf der Topferscheibe angefertigt sind, und
keinen oder nur einen kleinen Standboden haben.
Auch die Reste von Torfschwein und Auerochsen gehoren dieser Zeit an.
Als interessante Fundstucke fuhren wir an:
158. Bronzekelte, deren Form noch ganz der von Stein werkzeugen gleicht,
aus dem Rhein unterhalb Engers; von Mariaborn; eines von unbekannter
Herkunft ist aus Eupfer gefertigt.
159. Prachtkelt mit Spiralen und eingehauenen Ornamenten; Fundort
unbekannt.
160. Kelte mit Randleisten, durch welche die Befestigung an den Holzschaft
erleichtert wird, aus Kreuznach; aus dem Rhein bei Mainz; von Giessen und
aus Westfalen.
161. Bronzekelte mit Laschen, welche sowohl die Befestigung erleichtern,
als das Aufreissen des Holzschaftes verhindern. Darunter einer von Presberg
und Gr. Gerau; ersterer durch Herrn Regierungsrat Fonk.
162. Desgleichen mit Laschen und Ohr zur Befestigung mittels einer
Schnur.
168. Bronzekelte mit Schafttullen, welche einen grossen Fortschritt in der
Mctallformerei bezeichnen.
164. Bronze-Sicheln.
II. Periode von Villa nova bei Bologna, von 1000 v. Chr. an. Den
dortigen Funden entsprechen die alteren von Hallstadt in Steiermark.
Aus dieser, sowie aus den folgenden Perioden ist eine Reihe typischer italischer
Fundstucke, hauptsachlich charakteristisch durch die fortschreitende Aus- und
Umbildung der Gewandnadel, Fibula, in dem Rahmen 170 ausgestellt.
165. Die halbkreisformige Fibel.
166. Die halbkreisformige Fibel mit Schlussstiick.
167. Die kahnformige Fibel, teils massiv, teils hohl, mit kurzem und
mit langem Fusse.
168. Die kahnformige Fibel mit Vogelkopfen.
169. Die Schlangenfibel mit langer Nadelscheide und Schlussknopf. Bei
uns mogen in dieser Zeit beginnen:
Die Radkopfnadeln (118);
Die Arm- und Fingerringe in Form von Cylinderspiralen (ISO);
Die Schwanheimer Grabfiinde (179);
Glatte Hals- und Armringe (199, 2©1);
Ohrringe mit Glasperlen (116);
Bernsteinperlen (179);
Grosse Thongefasse, nicht auf der Topferscheibe gemacht, im Wallburg-
charakter verziert. Die kleinen mit Kieseinlagen.
HE. Periode der Certosa bei Bologna, den jungeren Funden bei
Hallstadt entsprechend. Sie charakterisiert sich durch:
1758. Die Certosafibel im Rahmen 170.
Derselben Zeit mogen bei uns angehoren die im gleichen Rahmen
befindlichen
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182 Raum I.
171' Sicherheitsnadeln mit Soheibenspiralen. Ferner
Armbander und Fingerringe mit Scheibenspiralen (188 und 194);
Gewundene Hals- und Armringe (116);
Gurtelbleche (ISO);
Hals- und Fussringe mit Gusszapfen (199);
Eiseriie Schwertklingen in Myrtenblattform (190);
Eiserne Messer (182);
Schwerter und Ringe mit eisernen Einlagen;
Topfwaaren in Wallburgcharakter verziert; daneben kleinere, schwarz und
feiner in Masse und Ansehen.
IV. Periode von La T&ne (einer Untiefe im Neuchateller See), etwa von
400 v. Chr. bis zu Christi Geburt oder bis zur Besitzergreifung Galliens
und des Rheinlandes durch die Romer. Hierher gehoren auch die gallischen
Funde aus der Belagerung von Alesia.
Der Rah men 170 enthalt unter anderem aus dieser Zeit:
178. Einige La Tene-Fibeln von Eisen.
174. Eine T-formige Fibel von Silber.
Bei uns entsprechen dieser Periode ferner noch:
Die sabelformigen, eisernen Messer (200, 204);
Die Tierfibeln, oft mit Schmelz, im mittleren Glaskasten 91.
Die Oenochen (Raum IV, 5);
Kunstreiche, hohlgearbeitete Hals-, Arm- und Ohrringe (219);
Andere fein verzierte oder getriebene Hals- und Armringe (220);
Absichtlich zerbrochene Bronzeschwerter und verbogene Eisenschwerter
(Raum V, 78).
Die Kulturperioden der vorromischen Zeit erhalten mit dieser La T&ne-
Periode ihren Abschluss. An sie schliessen sich in den folgenden Raumen
die Fundgegenstande
aus der Romerzeit, von Christi Geburt bis etwa 400, und
aus der Zeit der Alemannen und Franken,
mit deren Christianisierung die Grabesbeigaben allmahlich aufhoren, sodass wir
statt dieser auf die wenig zahlreichen Kirchenschatze und Bildwerke angewiesen
sind, wenn wir einen Einblick in die damaligen materiellen Kulturzustande
gewinnen wollen.
Wir folgen jetzt wieder der durch den Raum gebotenen Anordnung
der Bronzegegenstande und bemerken:
An der nordlichen Wand rechts, in Rahmen.
175. Bronzene Lanzenspitzen mit Tiillen.
176. Flache, mit Nieten versehene Klingen, welche wohl auch als Lanzen-
spitzen dienen konnten.
177. Pfeilspitzen mit und ohne Widerhaken, oder mit Giftkanalen.
178. Bronzemesser, zum Teil geschweift. Das rqnde, sowie das ge-
schweifte mit dem viereckigen Aufsatz werden als Rasirmesser angesehen. —
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Rauro I. 188
1?9. Bronzefunde aus den Grabhiigeln voji Schwanheim, deren Topfereien
unter 12 an der West wand oben aufgestellt sind. Es sind zwei Fussringe,
zwei Armringe mit Scheibenspiralen, zahlreiche Armringe als Cylinderspiralen.
Nadeln mit Radkopfen, welche den Sicherheitsnadeln vorausgehen; sie kommen
meist paarweise auf der Brust der Leiche liegend vor und waren der Sicherheit
halber wohl durch eine lockere Schnur miteinander verbunden. Sie dienten in
der Regel zum Zusammenhalten des Gewandes, mogen aber wohl auch hie
und da als Haarnadeln benutzt worden sein. Ferner eine Pfcilspitze aus Bronze,
zahlreiche konische, hohle Nagelkopfe als Gurtelschmuck, mehrere Fingerringe
mit Scheibenspiralen und ein mehrfach durchbohrtes Stiick Bernstein, wohl um
Perlschnure auseinander zu halten, [Annal. XVIII, 200.]
180. Grosse Armspiralen unbekannten Ursprunges;
Armbander mit Scheibenspiralen;
Bruchstuck eines Bronzegurtels, wie er z. B. an der Nahe vorkommt.
181. Armbander mit Scheibenspiralen von Dienheim in Rheinhessen;
bugelformige Armringe; Armspiralen; Radkopfnadeln; Henkeltasse von Thon.
182. Bronzeringe und Steinbeil aus Rheinhessen, und zwar aus Monsheim
und Winterheim, Geschenk des Herrn Dr. Dettweiler in Falkenstein; aus
Wolfsheim, Langenjohnsheim und Waldlaubersheim. [Annal. XIV, 331.]
188. Bronzeschwerter, an welchen die myrtenblattformige Verbreiterung
der Klinge, sowie der Umstand beachtenswert ist, dass letztere mittelst Nieten
an dem, fur eine germanische Faust viel zu kleinen, Griff befestigt ist, dass sie
nie schartig, nie nachgeschliffen, iiberhaupt nie gebraucht, sondern als Parade-
stucke erscheinen. Teils sind sie aus dem Rheine gebaggert, teils stammen
sie aus der Rheinpfalz.
184. Bronze-Dolche, zum Teil spitz-dreieckig, wie sie schonauf Assyrischen
Bildwerken vorkommen. Sie stammen aus Gaubockelnheim, Waldlaubersheim
und von Fischbach im Taunus. Die Verzierungen sind teilweise (1904) so scharf
eingravirt, dass sie stahlerne "Werkzeuge voraussetzen. Im Griffe des einen
Dolches (1908) tritt ein eiserner Kern zu Tage.
185. Bronze -Armringe und ein grosses Steinbeil aus Hiigelgrabern
von Johannisberg im Rheingau.
186. Grabfunde von Oberwalluf:
Zwei geperlte bronzene Armringe mit eisernem Kern;
Armring, durch Feuer beschadigt;
Giirtelhaken im la Tene-Charakter aus einem Grab bei Regensburg;
zwei ahnliche, unbekannten Ursprungs.
187. Armband? von Ingelheim.
188. Aus Grabhiigeln bei Struth:
Zwei Armbander mit Spiralscheiben; desgleichen aus Cylinderspiralen;
eine RadknopfnadeL [Annal. XV, 386.]
189. Aus Grabhiigeln von Adamsthal:
Armspiralen; eine Nadel; konische Hohlnagelkopfe.
190. Eiserne Schwertklinge in der bei Bronzeschwertern gewohnlichen
Myrtenblattform. Von Wiesbaden, Schiersteiner Weg.
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184 Raum I.
191. Aub Grabhugeln in der Fuchsenhohl unfern Bfirbach:
Schadelbruchstucke mit einem HalsriDge (einem mit Bronzeblcch uberzogenen
Eisenring); [Annal. XV, 382.]
Stiick einer eisernen Lanzenspitze nebst einem Feuerstein;
Verschiedene Topfereien, sowie ein der Gegend fremdes Stuck Lava, wie
solche zu Mahlsteinen benutzt wurde.
192. Aus Hugelgrabern im Schiersteiner Wald Pfuhl:
Bronze- Armringe, der eine geschlossen, der andere verdruckt, von spiral-
formiger Gestaltung; [Annal. XIV, 166.]
Topfscherben mit reicher Kieseleinmengung;
Stuck eines Mahlsteines von einem rotlichen Porphyr, den man an der
Nahe bricht.
19S. Aus Hugelgrabern in der Wetterau:
Ein hohler Armring mit zwei scharfen, aufrechtstehenden Scheiben; sehr
merkwurdig.
194. Aus einem Grabe bei Regensburg:
Armbander und Fingerringe mit Spiralscheiben ;
Cylinderspiralen als Fingerringe, Armringe und Nadeln.
195. Eigentiimliches Tiergebilde mit Hornern, unbekannten Zweckes
und unbekannter Bedeutung und Herkunft.
196. Streitkolben ; der grosse mit Spiralornamenten.
197. Sogenannte Sehnenspanner. Zweck unbekannt.
198. Brillenformige Fibel mit zwei Spiralscheiben von Augsburg.
199. HalsriDge, an denen noch die Gusszapfen sichtbar sind, als Beweis
roher einheimischer Arbeit. Die meisten aus der Wetterau.
Nordliche Wand links von der Thiir.
200. Aus Hiigelgrabern am Weissenturm im Rheingau:
Eiserne Lanzenspitze, Schwertbruchstiicke und sabelformige Messer. Eiserne
Ringe. Die dazu gehorige Topferei 181. [Annal. VII, 2, 195.]
201. Eben daher diinne Armringe aus Bronze, darunter ein D-formiger,
ein Halsring mit Oese und Kopf. [Annal. Vn. 2, 195.]
SOS. Eiserne Waffen, Schwert, Lanzenspitze und sabelformiges Messer,
aus Grabhugeln bei Geisenheim.
208. Glaskastchen mit Grabhiigelfunden aus Nasttitten, Brandoberndorf
und dem Heringer Wald. [Annal. XVH, 102, 103. XIX, 179.]
204. Aus Hugelgrabern am Weissenturm:
Sabelformige Messerbruchstucke;
Lanzenspitzen; Schlussbeschlag eines Messerheftes.
205. Bronzehalsringe, teils mit teils ohne Enopfschluss, teils mit
petschaftformigem Schluss. Fundort unbekannt.
206. Aus den Hugelgrabern von Rambach. Die zugehorigen Topfereien
an der Nordwand rechts oben, 124. [Annl. VI. 2, 211.]
Ein Halsring mit Gusszapfen;
zwei Fussringe mit durch den Gebrauch entstandener Ausschleifung;
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Raura I. 185
Armringe;
zwoi Ohrringe mit griiner Glasperle;
rohe Bernsteinperlen. [Annal. VII. 2, 211.]
207. Aus den Hiigelgrabern im Kammerforst ira Rheingau:
Drei Halsringe, davon einer hohl, vielleicht einst mit Holzeinlage oder
Eisenkern;
drei Fussringe mit Gusszapfen;
Pingerringe;
ein menschlicher Backzahn, durch Kupferoxyd erhalten und gefarbt, wahrend
alle andero Knochen aufgezehrt sind;
cin s&belformiges Messer; eine Lanzenspitze.
Die dazu gehorige Topferei befindet sich dariiber, 188. Die Schale siehe
164. [Annal. XII, 241.]
208. Bronzene Armringe von meist unbekannten Fundstatten, teils mit
offenstehendem, teils mit petschaftformigem Schlusse, unter ersteren wohl auch
einige aus Frankengrabern bei Selzen und Hechtsheim. Armringe aus einem
Hiigelgrab bei Fischbach und beim Weissenturm. [Mitteil. 1867. 5, 6 p. 8,
Annal. VII, 195.]
SOO. Bronzearmringe, teils halb, teils ganz hohl; einzelne maesiv. Sie
sind offen und zeigen einen ubergreifenden oder petschaftfthnlichen Schluss.
Ein Armring D-formig.
2 10. Bronzeringe von unterhalb der Marxburg und vom Weissenturm;
die Bruchstiicke sind wegen der Technik und des Verschlusses von Interesse.
211. Fussringe, wegen ihrer Abnutzung an zwei gegeniiberliegenden
Stellen bemerkenswert; andere Fussringe von Schwanheim, Rambach, dem
Kammerforst. [Annal. XVIII, 206.]
212. Bronzearmringe, meist geperlt und mit Petschaftschluss; andere aus
Hiigelgrabern in der Kohlhecke im Frauensteiner Forst. [Annal. I, 1, 37.]
218. Armringe aus dem Rtidesheimer Walde Horwit und dem Geisen-
heimer Wald an der Antonius-Kapelle; einzelne aus viereckigen Drahtstaben
gedreht.
214. Armringe mit verschiedenen Schlfissen, einer noch die Armknochen
umfassend; Armring mit verschiebbarem Verschluss, mit Scheibenspiralen , mit
Haken- und Osen- Verschluss.
215. Halsringe, der eine (1865) aus Nastatten, Geschenk des Herrn Born.
216. Als Hiigelgraberfunde hohle Bronzehalsringe, ursprunglich mit einer
Holzeinlage; von Kreuznach, zwischen dem Weissenturm und Gladbacher Forst-
haus, von Burg Liebenstein. Geschenk des Herrn Justizrat Forst. Zwei Arm-
ringe von eben daher, sieben hohle Ohrringe aus dem Riidesheimer Stadtwald.
Elf runde Scheibchen von einem Halsschmuck und zwei Nadeln von Naurod.
Ein ahnliches Scheibchen von Wiesbaden, Dotzheimer Weg. Nadel und Messer
von Oberliederbach, und Bronzering von Schierstein.
217. Weibliches Skelet, gefunden bei Florsheim am Mainufer, mit etwas
ver8chobenem Schadel und schwachem Gliederbau. Das Skelet tragt einen
gewundenen Halsring, zehn Armringe und zwei Fussringe. Es gelangte durch die
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186 Raum 1. •
Aufmerksamkeit des dortigen Burgermeisters Herrn Schleidt ins Museum.
[P. B. 1858, 134.]
218. Bronzehalsringe mit Verzierungen , Petschaftverschluss mit auf-
rechtstehendem, balusterartigcn Zapfen am Schlusse, und ineinander verschrankten
Schlussknopfen.
219. Hohle dicke Armringe aus Hessen; weite, geperlte Ringe; eiserne
Schmuckringe, von denen einige aus Hessen.
220. Aus einem Grab bei Eschborn ein geschweiftes Messer und das
Bruchstilck ernes anderen; Bruchstucke aus Bronzegeiftssen; Bruchstucke eines
schon in alter Zeit gewaltsam zerbrochenen Bronzeschwertes, das stellenweise
geschmolzen ist. Geschenk des Herrn Dr. Schuler in Hochst; dabei einige
Scherben, einer mit Henkel, ebendaher. [Annal. XVII, 19.]
Auf dem unteren Brette der Siidwand sind
221. Die Modelle von Hiigelgrabern in Wiirttemberg und im
222. Kammerforst zwischen Riidesheim und Lorch aufgestellt. [Annl.
XII, 241.] Daneben und darunter die sehon erwahnten Mahlsteine.
An der Ostwand.
228. Uberreste vom Baren, Ursus spelaeus, aus Steeten.
224. Lyditspahne eben daher.
225. Uberreste vom Hirsch und vom
226. Rentier eben daher.
Auf der Sudseite des Glaskastens.
227. 228. 229. Drei Schadel aus dem Hasenbackofen (Steetener Hohlen).
280. 281. Zwei Schienbeine, 281 platyknemiscli.
282. Wolfsschadel mit Unterkiefer.
288. Stiicke von zwei Mammuthsrippen, das eine meisselartig zugescharft,
das andere mit einem Lyditspahn versintert.
284. Rohe Topfscherben.
285. Bruchstucke eines Mammuthstosszahnes.
286. Fragmente eines menschlichen Unterkiefers und fotale Menschen-
knochen.
287. Topferei mit Henkelansatz (und eisernem Messer).
288. Gespaltene tierische Rohrenknochen.
289. Schenkelknochen vom Pferde — samtliche Gegenstande aus den
Steetener Hohlen.
Auf der Westwand hoch oben.
240. Die erwahnten Einbaume.
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Raum II.
Agyptische, griechische, rSmische Altertiimer and neaere Glfiser.
Westliche Wand mit drei Schranken.
Der erste Schrank enthaltin seinenunteren Abteilungen agyptische,
in den oberen griechische Altertiimer.
Die agyptischen Altertfimer sind Geschenke des Herrn Dr. v. Hoffmann,
des agyptischen Oberbaurats Franz Pascha, des Fraulein Anna v. Wehrmann
und anderer; mehrere sind durch Vermittlung des Herrn Reinglass dahier
in das Museum gekommen.
Alle vor 1877 hierher gelangten hatte Herr Professor Dr. Alfred Wiede-
mann die Giite zu bestimmen; Herr Brugh Pascha', und Herr Professor
Lepsius haben sie gleich falls durchgesehen und spatere Erwerbungen bestimmt.
Das agyptische Altertum reicht mit den beriihmten Pyramiden von Giseh
bis in den Anfang des 3. Jahrtausends v. Chr. Die grosste Pyramide zu Giseh
wurde gerade Platz haben zwischen der Wilhelmsstrasse und der Ostfront des
Kurhauses, und von der Siidfront der neuen Kolonnade bis zur Trinkhalle
(240 u. 240 m). Ihre Hohe von 150 m wiirde erreicht, wenn auf den Haupt-
turm der evangelischen Kirche noch einer ihrer Portalturme aufgesetzt ware.
Wir beginnen zunachst mit einer Sammlung von agyptischen Bau-
materialien.
Die Pyramiden und Tempel sind aus ungebrannten Ziegeln, aus feinem
Sandstein und aus Nummulitenkalk des westlichen Randgebirges erbaut. Obe-
lisken und Bildsaulen bestehen aus harteren Gesteinsarten Oberagyptens: aus
Granit, Syenit, Porphyr und einem Kalksinter, welcher nicht ganz korrekt als
agyptischer Alabaster bezeichnet wird.
1 u. 2. Zwei Ziegel mit dem ovalen Konigsstempel des Tutmes III. Ra-
men-cheper, d. h. Herr der Macht, der seine grossen Eroberungskriege und
seine machtigen Bauten zwischen 1600 und 1566 v. Chr. ausfuhrte.
3. Ein Ziegel mit der Konigskartusche von Amenhotep II. Aa-chepru-ra,
dem Sohn des ersteren, welcher etwa von 1566 bis 1533 v. Chr. regierte. Die
Ziegel sind, wie die, wegen deren die Juden um 1300 v. Chr. aus Agypten
auszogen, aus Nilschlamm, mit etwas Stroh gemiseht, nicht gebrannt, sondern
nur an der Sonne getrocknet und haben sich bei dem trockenen Klima
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188 Raum II.
Agyptens vortrefflich erhalten. Sie sind im April 1881 unter Beihiilfe von
Franz Pascha durch Fraulein Anna v. Wehrmann den 30 m dicken Mauern
von Theben entnommen worden.
4. Bruchstucke von Sandstein.
5. Nummulitenkalk von den Pyramiden von Giseh.
6. Granit aus den Ruinen von Earnak.
7. Syenit, sogen. schwarzer Granit, eben daher.
8. Porphyr.
9. Agyptischer Alabaster.
Wenden wir uns nun zu den agyptischen Gotterbildem.
Die Religion der Agypter verehrte in den Mysterien zwar die Einheit Gottes,
stellte aber seine einzelnen Eigenschaften unter bestimmten, in sich abgeschlossenen
Formen figurlich dar, welche — an verschiedenen Kultusstatten von verschiedenem
Charakter — die scheinbare Vielheit ihrer Gotter entstehen liessen. Von
derartigen Gotterbildem erwahnen wir:
10. Osiris, Herrscher der Unterwelt, mit Krone, Krummstab und Geissel,
und dem Halsbande Usech. Er gelangte zur Verehrung entweder in der Form
eines Stieres, Apis (in Memphis), oder in menschlicher Gestalt mit dem Stierkopf.
Er personifiziert den Nil, der Niederungen und Thaler befruchtet. Sein Bruder
ist Typhon, 22; die zerstorende Naturkraft, der Wustenwind.
11. Isis, des Osiris Gemahlin, die Venus und Ceres der Romer. Sie ist
meistens dargestellt mit ihrem Sohne Horus auf dem Schoos. auch mit Kuh-
hornern, zwischen welchen die Sonnenschcibe angebracht ist. Sie ist die
empfangende und nahrende Natur.
12. Horus, ihr Sohn, auch Harpocrates genannt, als Knabe, Schweigen ge-
bietend. Oft ist er mit dem Sperberkopf oder selbst als Sperber dargestellt.
Er schweigt, weissagt und heilt; er ist der Lichtgott.
18. Horus, als Sperber.
14. Nepthys, Sch wester des Osiris und Gemahlin des Typhon, vertritt
den Wustensand. Doch steht auf No. 2335 in Hieroglyphen: „Es spricht Nepthys,
die Sch wester des Gottes: sie giebt jedes Leben, jedes Wohlergehen und jede
Freude. a
15. Thot, der Hermes der Griechen. Er ist der Vermittler, und wird
dargestellt mit dem Kopfe des Ibis. Er misst die Zeit und tragt deshalb
die Bilder von Sonne und Mond auf dem Kopfe. Auch wird er dargestellt
als hundskSpfiger Affe.
16. Ma, die Gottin der Wahrheit.
17. Chnum, der widderkopfige Gott.
18. Anubis, Sohn der Nepthys, mit dem Schakalskopf, auch selbst als
Schakal. Er ist der Gott der Einbalsamierung, des Totenkultus; der Wachter
der Toten und der Lebenden.
19. Pacht, die katzenkopfige Gottin, vertreibt alle schadlichen Tiere. Ihr
war die Katze heilig.
20. Ptah ist der Osiris in der Darstellung von Memphis (Stier.)
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Raum II. 189
21. Bes, mit merkwiirdigem Kopfputze. Vielleicht aus einem Negerfetisch
heriiber und in den agyptischen Kultus aufgenommen.
22. Typhon (Mars), der Bruder des Osiris, als Nilpferd, an anderen Orten
auch als Krokodil, dargestellt. Er bestraft die Bosen.
23. Bronzebild der grossen Mef-Krone, welche Amon-Ra als oberster Gott
des Himmel8 und der Erde, und welche der Pharao als Herr der Erde tragt.
24. Amon-Ra. Wir besitzen nur Bruchstiicke von seiner Darstellung: einen
Kopf und den Kopfputz eines kleinen Steinbildes des Gottes.
Nachst dem Gotterkultus herrschte in Agypten ein sehr ausgebildeter
Kultus der Toten, welche man in verschiedener Weise aufzubewahren und
flir die Ewigkeit zu erhalten suchte. Wir erwahnen nur die bekannteste Methode
der Einbalsamierung und verweisen dabei auf die in zwei Glaskasten in der
untersten Abteilung des Schrankes aufbewahrten Mumien und Mumienteile.
Der Vorgang bei der Einbalsamierung war folgender:
25. Auf der linken Seite der Leiche wurde mit einem Feuersteinmesser
ein Schnitt gemapht, durch welchen die Eingeweide herausgenoramen werden
konnten. Die edleren derselben wurden mit Natron behandelt, in einer Kanope
(54 und 55) aufbewahrt. Die Korperhohle aber ftillte man mit fliissigem
Asphalt oder mit Natron und wohlriechenden Holzspahnen. Die Hirnmasse
entfernte man durch die Nasc, wic die geoffneten Naseneingange des Schadels,
26, noch erkennen lassen, und ftillte aui demselben Wegc den Schadel mit
Asphalt. Der durchgesagte Mumicnschadel 27 zeigt dies in anschaulicher "Weise.
Die erwahnte Behandlung mit Asphalt (Erdpech) hat alien Korperteilen eine
tief braun-schwarze Farbung mitgeteilt; wie die daneben liegenden, sehr
zierlichen Frauenhande, 28, zeigen.
War die Leiche auf diesc Weise bereitet und vor Verwesung geschiitzt,
so legte man ihr ausser anderen Schmucksachen einen Scarabaeus (83, 34)
auf die Brust, an Stelle des Herzens, das man ihr entnommen hatte. Auf den
scitlichen Schnitt aber, welcher die Herausuahme der Eingeweide crmoglieht
hatte, befestigte man ein Uta-Auge, das hcilige Auge des Osiris, das alles iiber-
wacht. 29 u. SO. Dann wurden noch verschiedene kleine Statuetten beigeftigt,
Uschebtis (35).
Hierauf wurde der Korper dicht mit einer genau passenden Hiilse von
grundierter Leinwand iiberzogcn; die letztere wurde dem menschlichen Korper
entsprechend bemalt und mit den Emblemen des kiinftigen Lebens -— ebenfalls
in Malerei — verziert, wie abgerissene Teile, 31, es zeigen. Darauf wurde
der Korper in einen und daruber oft noch zweiten in ahnlicher Weise bemalten
Sarg vom Holze des Sykomorc, der agyptischen Feige, gelegt. Ein solches
Holzstuck liegt vor, 32. Dieser Holzsarg wurde bei vornehmen Toten in einen
Sarkophag von mehr oder weniger edlem Gestein geborgen, welcher mit teils
vertieften oder vertieft erhabenen, teils auch mit erhabenen Hieroglyphen ver-
sehen ist.
Nachdem die Leiche in solcher Weise einbalsamiert, mit Beigaben versehen
und eingesargt war, wurde sie, wenn einem Konige angehorig, in den Pyramiden
beigesetzt oder in den Konigsgrabern, den Grabkammern, welche in den Pels-
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190 Raum II.
wanden unterhalb der Pyramiden am westlichen Ufer des Niles ausgehauen
sind. Andere weniger vornehme wurden in die Erde versenkt und ihr Grab mit
mehreren eigentiimlichen Grabkegeln, 47 u. 48, — gleichsam unterirdischen
Grenzsteinen — umgeben, welche jede Stoning der Ruhe des Toten verbieten
sollten.
33. Scarabaeen. Darstellung einer Kaferart, welche unserem schwarzblauen
Rosskafcr gleicht. Sie sind aus Halbedelsteinen: Jaspis und Lapis lazuli, oder
aber aus Granit, oft auch aus hartgebrannter Thonmasse hergestellt. Die Scarabaeen
waren den Agyptern ein Symbol der Welt, weil der Kafer die Kotkugeln, die
er zu8ammenballt, vor sich her walzt, und auch ein Bild der Portdauer, weil er
seine Eier in sie legt, durch die er von neuem ersteht. Sie waren der Sonne
und dem Ptah geheiligt. Die auf den Scarabaeen angebrachten Hieroglyphen
beziehen sich auf die Gotter oder auf die Verstorbenen, oft enthalten sie Gebete.
34. Interessanter Scarabaeus. Auf den Fliigeldecken die Bilder des Ra
und des Osiris, auf dem Brustbilde in der Mitte Sonne und Mond, zu beiden
Seiten jc ein Uta-Auge. Unten Osiris mit Krone, Herrscherstab und Geissel
zwischen den beiden Gottinnen der Wahrheit, welche das Henkelkreuz, das Zeichen
des Lcbens, in der Hand halten und auf dem Zeichen der Bestandigkeit sitzen.
35. Einige Uschebtis. Dieselben sind Statuetten von blauglasiertem Thon ,
von rotem Thon, von Holz oder Bronze und stellen den Toten dar mit
der Hacke, dem Pflug und dem Sandsack, mit dem er den Flugsarid von Ostcn
nach Westen tragt. Sie sollen ihm im Jenseits seinen Acker bestellen helfen.
Ihrc Inschriften enthalten den Namen des Verstorbenen und das 6. Kapitel
des Totenbuches.
36. Ein Uschebti des koniglichen Flottcnfuhrcrs Psemtek-ptah-meri. Der
Name Psemtek ist, weil identisch mit dem des zur Zeit lebenden Konigs, mit
der K6nigskartu8che umgeben.
Die Kanopen, 54 und 55, in welchen die edlen Teile des Verstorbenen
aufbewahrt wurden, standen auf den vier Ecken des Sarges. Ihre Deckel haben
die Gestalt von Kopfen und symbolisicren damit die Genien der Untcrwelt: Des
Amesthi durch den Kopf des Menschen, des Amset durch den des HundeaJTen,
(Hapi) des Satmet durch den Kopf des Schakales, den Namses durch den des
Sperbers. Wir besitzen hier durch die Giite der Frau von Jasmund Witwe
des ehemaligen preussischen Generalkonsuls in Agypten zwei Kanopen, mit
dem Menschen- und Schakalskopf und den
87. Deckel einer Kanope mit dem Menschenkopf.
38. Mumienleinwand.
39. Ein noch mit der Mumienbindc umwickeltcr menschlicher Kopf.
40. Ein ebenso behandelter Fuss.
41. Mumie einer Katze.
42. Mumie eines Ibis.
43. Mumien von sieben kleinen Krokodilcn.
Abgesehen von den erwahnten religiosen Symbolen wurden den Mumien,
d. h. den Einbalsamierten, noch mancherlei Dinge beigegeben: Stiicke von be-
8chriebenem Papyrus (deren Text meist dem Totenbuch entnommen ist) und
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Raum II. 191
nebenbei Gegenstiinde, welche dem Toten im Leben lieb gewesen waren, so
z. B. die auf Schnure aufgereihtcn Amulete (58) und
44. ein Dambrettkasten mit hieroglyphischer Inschrift, dargebracht durch
den Kunstmeister des Pharao dera Gotte Amon-Ra, dem Gotte Harmaehu
von Heliopolis und dem Gotte Thot, damit -— insbesondere der letztere —
geben moge einen guten Grabesplatz auf der Westseite der Necropole von Helio-
polis und erhalten moge das Holz des Sarges.
45. Eine loffelformige Schmuckschale von Holz.
46. Papyrusfragment. Der Papyrus — die erste Papierart — wurde bereitet
aus dem Bast der binsenartigen Papyrusstaude, welcher in mehrfacher Kreuzung
fiber einander gelegt und gepresst wurde. Der Text unseres Fragmentes enthalt Teile
aus dem agyptischen Totenbuch und ist wie dieses schwarz und rot geschrieben.
Von den erwahnten Grabkegeln sind zwei aufgestellt:
47. Grabkegel des Siegelbewahrers und Priesters 4. Klasse des Amon Ka-
em-amen und
48. ein anders gestalteter Grabgrenzstein, dessen Stempel nicht entziffort ist.
Die Bildsaulen und Standbilder der Agypter, oft von kolossalen Di-
mensionen, waren — zumal die lctzteren — aus den 4—9 aufgefuhrten Stein-
materialien hergerichtet. Ihre kleinen und kleinsten waren entweder aus Stein,
meistens Halbedelsteinen, geschnitten, aus Bronze gegossen oder aus einer kunstlich
dargestelltcn Masse, oft auch nur aus Holz gefertigt.
50. Statuettcn aus Halbedelsteinen, als Carneol, Jaspis, Lapis lazuli —
daneben solche aus Quarz, Obsidian und Granit.
51*. Standbilder aus Bronze, teils voll, teils hohl gegossen. Die Bronze
besteht aus 90 Teilen Kupfer und 10 Teilen Zinn.
51. Fabrikate aus Dina, der inodernen feuerfesten Masse von 90 Teilen
Sand und 10 Teilen Thon entsprechend. Diesc Masse ist sehr wenig plastisch,
geniigte aber denAgyptern vollstandig, urn aus ihr jene zahllosen Uschebtis
mit ihren anliegenden Armen und Beinen herzustellen und ihnen durcb den
Brand eine blaue oder blaugrune Glasur (ohne Kobalt, nur mit einem durch
Kupferoxyd gefarbten Natronglas) zu geben; derselben Fabrikation gehoren die
blaugrunen Melonenperlen an, Siidwand 142, die so btiufig in den Funden der
Romerzeit bei uns vorkommen.
52. Eine Figur aus einer Paste, welche zwischen Glas und Porzellan
steht, eine Art Frittporzellan, bald blau, griin, schwarz gefiirbt, bald selbst mit
anderen eingebrannten Farben verziert. Die Holzfiguren haben unter 13 und
21 bereits Erwahnung gefunden.
Etruskische und griechische AltertUmer.
Westliche Wand. Obere Halfte desselben Schrankes I.
Im mittlercn Italien, in Etrurien, gingen die etruskischen Gcfiisse den
griechischen voraus. Sie sind nicht auf der Topferscheibe gefertigt, sind schwarz,
nicht glanzend und nicht bemalt, aber mit Reliefs verziert, welche zum Teil sehr
fein sind und kleine figurliche Darstellungen bringen.
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192 Raum II.
61. TrinkgefSss mit Maske und einem Helm aus den Grabern von
Cervctri; ebendah^r das dreifussige Pfannchen.
62. Stamnos, Weinkrug aus Etrurien (Vulci, Chiusi).
68. Bruchstucke sogen. Bucchero-Gefasse mit vielen kleinen menschlichen
Figuren und Vogeln verziert. Alles Geschenke von Frau Thierry-Preyer.
Die beriihmten Vasen und Gefasse aus den Grabkammern des alten Etrurien,
Campanien und Apulien wurden friiher als etruskisches, spater als campanisches
Fabrikat bezeichnet. Wir wissen jetzt, dass sie alle aus Griechenland oder
wenigstens aus griechischen Eolonien in Unteritalien herstammen. Sie sind
samtlich auf der Topferscheibe gefertigt. Wir unterscheiden vier verschiedene
Entwicklungsstufen dieser Gefasse.
I. Die altestcn, welche vor das 6. und 7. Jahrhundert v. Chr. zuriick-
reichen, verraten einen asiatisohen oder cyprischen Styl ; man nennt sie tyrrhenisch-
phoenicisch. Masse und Grund sind gelb; die Zeichnungen bestehen teils aus
geometrischen eingeritzten Figuren, teils aus Tieren mit dunkelbrauner, purpurner
Bemalung. Wegen dieser Tierdarstellungen werden die GefSsse auch wohl
therikleische genannt. Die unsrigen sind durch Prinz Emil zu Wittgenstein
in der Nahe von Korinth ausgegraben und dem Museum geschenkt wordcn.
Zu ihnen gehort uuter anderen
64. Lekythos, eine einhenklige, schlanke Vase mit geometrischen, einge-
ritzten, hell- und dunkelbraun, sowie purpurn gehaltenen Verzierungcn. Ferner:
65. Sackformiges Flaschchen mit zwei hahnenartigen Vogeln.
66. Ein gleiches mit wolf- und fuchsahnlichen Tieren, Geschenk des
ehemaligen Bibliothekars, Herrn Zimmermann.
II. Nach dem 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. zeigen die Gefasse rote
Masse und roten Grund und auf diesem in schwarzer Malerei Gotter, Menschen
und Tiere, alle in steifer und ceremonieller Haltung: Archaischer Styl. Die
schwarze Farbe ist ein eisen- und manganoxydhaltiges Kiesel-Natron-Glas.
67. Zehn, dieser Periode angehorige Gcfiisse.
III. Das 5. Jahrhundert ist die Blutezeit der griechischen Vasen, sowohl
in Formen als in Malereien. Die ursprunglich rote Masse ist jetzt glanzend
schwarz grundiert, die Figuren sind rot ausgespart, die inneren Kontouren mit
feinen schwarzen Linien gezeichnct. Die Fleischpartien der weiblichen Gestalten
sind weiss aufgemalt. Menschen und Tiere erscheinen in schoner freier Bewegung.
Sie wurden in Unteritalien auf der Westseite, in Campanien mit den Fabrik-
orten Nola, Cumae, Capua (St. Agata de Goti) und auf der Ostseitc in Apulien
mit den Orten Tarent und Rubia gefertigt.
68 u. 69. Geschenke des Prinzen Emil zu Wittgenstein.
70. Geschenke des Herrn E. Boch in Mettlach.
IV. Im 4. Jahrhundert v. Chr. sank die Fabrikation der gemalten Vasen,
sie wurden nicht mehr den Grabern beigegeben. Letztere erhielten nunmehr
Grabsteine mit plastischer Ausschmiickung.
71. Zwei Frie88tucke aus Stuckmasse, von den Grabern dieser Periode.
Ihnen wurden, gleichsam als Ausdruck der wieder auflebenden Kunst und
Thonbildnerei, die beriihmten Tanagra-Figiirchen aus dem Ende des 4. und
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Raum II. 193
dem 3. Jahrhundert beigegeben. Sie stammen aus Boeotien und sind nach der
Hauptstadt dieses Landes benannt. Im Jahre 1873 wurden die ersten, stets in
Grabern entdeckt.
72. Tanagra-Figur.
Auf den Schranken der Westwand stehen die Abgusse einiger Kopfc aus
dem Kampf der Kentauren und Lapithen von Alkamenes, Schulcr des Phidias,
welcher den Wcstgiebel des Jupitertempels zu Olympia schmiicktc.
GUteer.
Westwand. Schrank II und III.
Beim Ausschmelzen der Erzc ergaben sich ausser den Metallen auch
Schlacken, von deren glasigen, buntgefarbten, zahen Masse Tropfen abficlen
oder sich entnehmen und deren nachziehender Faden sich, auf ein Stabchen
von Metall oder von Holz aufgewickelt, zur Perlc gestalten liess, dienlich zum
Anhangen und zum Schmuck. Und aus der Lust am Schmuck, der Mutter aller
Kunst, entwickelte sich nicht nur die Fertigkeit Glasperlen zu machen, sondern
iiberhaupt der Antrieb, das glasige Material immer besser kennen zu lernen
und zu verwenden, indem man auch das Aufblahen der Schlacken kiinstlich
bewirkte und Glas blies.
Schon in den Gemalden von Beni-Hassan in Agypten, alter als das Jahr
3800 v. Chr., sehen wir Glasblaser bei ihrcr Arbeit dargestellt; auf einer in
Theben gefundenen Glasperle erkennen wir die Kouigs-Kartusche des Amun-
m-het, welcher urn das Jahr 1450 v. Chr. lebte. Die Kunst der Agypter in
der Glasdarstellung ging endlich so weit, class sie in machtigen Abmessungen das
Glas zu Saulen und Obclisken gosscn und es zu Sargen bliesen.
Als Agypten um das Jahr 26 n. Chr. unter die Herrschaft der Romer
gekommen war, empfingen diese einen Teil des Tributes in Alexandrinischcn
Glasern; obschon selbst bereits vorher mit der Glasfabrikation bekannt, gclang
es den Romern doch erst unter Nero, weisses Glas darzustellen.
Das antike Glas besteht, wie noch das meiste der Gegenwart, aus 67 — 69
Teilen Kiesel, 6—13 Teilen Kalk und 14—15 Teilen Natron; die Bestandteile
mussen vollstandig rein sein, um ein weisses, d. h. farbloses Glas zu erzielon.
Die antiken G laser haben mit wenigen Ausnahmen nicht die Durchsichtigkeit,
die Glatte und den Glanz der modernen, sondern sind teils matt, teils schillern
sie in den lebhaften Farben des Regenbogens und der Metalle. Diese Erscheinung
— Iris genannt — hat ihren Grund in einer chemischen Zersetzung, welchc
teils von einem grosseren Alkali- oder Kalkreichtum der Glaser, teils von den
Einwirkungen der Umgebung, in welcher sie Jahrhunderte lang gelegen haben,
abhangt. Diese Zersetzung dringt allmahlich in das Inuere der Glasmasse, indem
sie feine Blattchen von der Dunne der Seifenblasen abhebt, welchc dann wie
diese iridisieren.
76. An der Nordwand. Bruchstiicke alter Glaser, welche dieses prachtigc
Farbenspiel zeigen; Geschenk der Fr. Thierry-Preyer, welche dieselbe aus
Italien mitgebracht hat.
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194 Raum II.
Die neuere Industrie hat versucht, wenn auch nicht erreicht, dies Iri-
disieren kunstlich hervorzurufen, indem man das noch gluhende Glas Baryt- und
Strontiandampfen aussetzte.
77. In Schrank II der Westwand. Nachahmungen solcher iridisierenden
Glaser, welche die Herren Tacchi Nachfolger in Frankfurt a. M. aus ihren
bohmischen Fabriken dem Museum gegeben haben.
Von antiken Glasern besitzt das Museum zunachst eine Reihe von
Formen, welche zwar am Rhein in romiscben Steinsargen gefundcn worden sind,
aber jedenfalls — mit Wein oder wohlriechenden Flussigkeiten gefullt — aus
Agyptcn importiert waren. Sie zeichnen sich durch ihre cylindrische Gestalt
und den Ansatz ihrer flachen Henkel aus, welche erlaubten, jedes Glasgefass
in einem viereckigen Holzkastchcn zu verpacken. Ganz ahnliche cylindrische
Flaschen mit agyptischen figiirlichen Darstellungen befinden sich in Mainz. Das
Glas ist farblos.
78. Cylindrische Flaschen dieser Art von agyptischem Ursprung.
79. Yiereckige, einhcnklige Flaschen, in gleicher Weise zu gleicher Ver-
packung eingerichtet; in ihrem Boden Kreise und Sterne und eine unleserliche
Inschrift. Auch eine sechseckige dieser Art ist ausgestellt. Sie lehren uns,
dass man das Glas auch in Holzformen zu blasen verstand. Das Glas ist
grtin. Die Gefassc sind in Kastel, Zahlbach, Heddernheim und hier ebenfalls
in Steinsargen gefunden.
Bei den nun folgenden Kannen und Henkelflaschen ist zu beachten die
schone und mannigfaltige Form ibres Korpers, ihre handlichen und ungezwungenen
Henkel und deren Ansatz. Die Henkel sind namlich wie Blattstiele oder wie
gcwisse Maschinenteile durch 3 bis 4, selbst bis 20 hohe und schmale Rippen
verstarkt, welche sich unten als scharfer Pratzen an den Gefassbauch ansetzen,
dann mit dem Henkel in gefalliger Biegung nach oben verlaufen; hier haftet
derselbe, durch einige Faltungen auf die richtige Lange gebracht, zierlich am
Hals an.
80. Interessante Formen dieser Bildungcn; vergl. ebenso 174 an der
Ostwand.
81. Andere Henkelformen mit rundcm Querschnitt; sie verflachen sich
nach unten zu einem hochkantigen Halbblatt, das sich, mit Zacken durchbrochen,
an dem Bauch ansetzt.
82. Zwei sackformige Kannen mit zwar unsymmetrisch angesetzten, aber
handlich geschwungenen Hcnkeln und eigenttimlicher Garnierung der weiten
Miindung.
88. Langhalsige Henkelflaschen, bei welchen die Mittelrippe des Henkels
nach unten verlangert und hahnenkammartig eingekerbt ist.
84 u. 85. Umwicklung der GefSsse mit einem Glasfaden, eine besonders
bcliebte Verzierung. In grSsscrer Dicke dient derselbe auch zur Nachahmung
einer gewundenen Kannelierung.
86. Ein besonders zierliches Kannchen mit beschadigter Unterschale, ver-
ziert mit blauen und opak-weissen Glasffi,den. Minder geschmackvoll ist das
daneben liegende Riechflaschchen zu einer hasslichen Maske verbildet.
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Raum II. 195
87. 88. Von der Kunst, das Glas in Formen zu blasen giebt uns das
sechseekige Flaschchen (87) mit glatten und bartigen Masken, sowie der schlichte
Becher (88) Zeugnis. Auf letzterem sind Kampfc von Gladiatoren dargestellt,
daruber befinden sich deren schwer lesbare Namen.
Oft ist die Glasmasse mit einer so grossen handlichen Fertigkeit geformt,
als ob sie nicht heiss gewesen und nicht kalt geworden ware. So verstand man
z. B. in der Glasflache hohle Wiilste zu erzeugen.
89. Ein in dieser Weise hergcstellter Teller nebst ahnlichcn Bruchstiicken.
90. Verschiedene Glasteller und Schalen.
Die in diesen Schalen und Tellern stehenden Kuppen sind denselben nicht
immer zugehorig, doch ist bei beiden Formen entschieden eine grosse Dunne
dcs Materiales beliebt gewesen.
91. Ein derartiges dunnes Gefass, das wir wohl zu den „geflugelten tf ,
pteroi, rechnen diirfen.
92. Ein eingefalteltes und eingedalltes dunnes Glas. Daneben ein
weitercs mit blaucn und braunen Nuppen verziert.
Diesc Eiudallung und Faltclung, welche wir in gleichcr Weise bei diinnen
Thonbechern finden, ziert die oben angefuhrto, mit Glasfaden umwickelte
Flasche, 84.
93. Eingcfaltelter schVrarzer Becher, wclchcr bei durchgehendem Lichte
griin erscheint.
94. Beachtenswerte blauc Tasse (urspriinglich eine zweihenklige Vase)
mit Rand von weissem Opakglas.
Man verstand, den Kannen und Vasen durch Auszwickung der Haut Rippen
zu geben.
95. Ausgerippte Gefasse; auch mit Knopfchen.
96. Weisse Kugelflaschen ohne Henkel.
97. Weisse, zweihenklige Kugelflaschen.
98. Weisse Kugelflaschen mit Trichterhals. Samtliche Kugelflaschen
scheinen zu praktischen Zwecken verwandt worden zu sein. Sie giessen sich lcicht
voll und trinken sich leicht aus.
99. Kleine kurzhalsige, griine Kugelfliischchen, walirscheinlich Balsamarien.
100. Rohrenformige, 505 mm lange Flasche, welche man neben einer
Leichc, bis an ihre Nase heranreichend auffand. Als Riechflasche zu deutcn.
101. Eine Sammlung sogen. Thranenflaschchen. Mogen als Riechflaschchen
bescheidenen Anspriichen geniigcnd, ihren Namen aber daher erhalten haben,
dass man sie auf den Darstellungen von Leichenkondukten in der Hand odor
vor dem Gesichte der Leidtragenden abgebildet fand. Sie haben nicht zum
Auffangen der Thranen gedient, sondern w r ohlriechende Essenzen en thai ten,
welche man wegen des ublen Geruches der Leiche vor und wahrend der
Verbrennung sich unter die Nase hielt. Sie gehoren zu den haufigsten Glas-
funden und zeichnen sich technisch haufig dadurch aus, dass ihr Rand nach innen
in Form einer Hohlnaht umgelegt ist, wahrend die heutigen Glasblaser den
Mundungsrand der Flaschen nach aussen umlegen, oder ihn einfach absprengen
und stumpf schmelzen.
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196 Raum II.
102. Kleines, blau und weiss gezacktes Alabastron, ein aXapTj, henkelloses
Gefass fiir Salben, nach welchem man eine Gypsart, aus der man diese Salb-
flaschchen anzufertigen pflegte, Alabaster nannte; wahrscheinlich aus Agypten
stammend. Seine interessante Werkweise ist uns nicht verloren, wie die von
Herrn 0. Rauter (Glashiitte Ehrenfeld bei Koln) geschenkte Fksche, 1858, zeigt.
108. Kelch (Schale) mit muschelformiger Kuppe, aus Bergkrystall ge-
schlifFen. Er fand sich 1812 in einem Sarkophag bei Eastel.
104. Patene, Hostienteller, auf drei Ftissen, aus den Katakombcn von
Rom, Geschenk der Frau Thierry-Preyer.
105. Glaserner Fiscb aus rSmischen Grabern, gefunden bei der Spelzmtihle
bei Wiesbaden, und wieder hergestellt von dem Museumsaufseher Week, davor
ein Schwan mit fehlendem Kopf, gleichfalls aus einem romischen Grabe und viel-
leicht auch als Riechflasche benutzt.
106. Bruchstiicke von Millefiorigefassen ; Glasern, welche aus Biindeln von
verschieden gefarbten Stiibchen und vollen Rohrchen zusammengesctzt sind,
dercn Hirnenden in der Glasflache in bunten Farben sich t bar werden und als
Musterung sich wiederholen. Schalen aus Millefioriglas kommen schon in den
etruskischen Grabern vor, sind aber in ganzen Exemplaren sehr selten und
ko8tbar. Ihre Bliitezeit ist das 3. Jahrhundert n. Chr.
107. Braun und weiss marmorierte Glaser mit hohen, iiber die Dicke des
Glases vorspringenden Rippen. Der Rand der Kuppen ist matt und rauh, als
sollte er beklebt oder verkittet werden.
108. Bruchstiicke einer Vase, matt mit eingeschliffenen DaJlen.
Fensterglas kommt schon in Herculanum vor.. Caligula befahl, dass die
Fenster eines Saales mit hellem Glase verschlossen werden sollten, urn Licht
einzulassen, und Wind und Hitze abzuhalten. Das Fensterglas ist in der Villa
der Saalburg, 109, und in denen der Kastelle Holzhausen a. d. Haide, Einingen
a. d. Donau, Kreuznach und bei Alzei durch Funde nachgewiesen. Es wurde
gegossen, daher ist es auf seiner Unterseite matt, wahrend die Oberseitc
molkig und die Rander rundlich sind. Man erkennt, dass die dickfliissige
Glasmasse mit einem Werkzeuge in die Ecken der viereckigen Form gedrangt
worden ist. (Vor der Erfindung des Glasfensters bediente man sich des Gyps-
spathes Marienglas, Lapis sepecelaris, 110.)
109. Bruchstiicke von Fensterglas der Saalburg.
HO. Marienglas aus den Ruinen auf der Westkiiste der Sinai-IIalbinsel,
Geschenk des Herrn Maler Schirm.
Die Fabrikation von Fensterglas mag lange in dieser einfachsten Weisc
betrieben worden sein; noch unter den farbigen Glasern des Mittelalters finden
wir die altesten samtlich gegossen, und erst spat gelangte man dahin, runde
Glasscheiben (Butzenscheiben) und Halbmondglas zu fertigen, indem man Glas-
kugeln blies, sic unten oflFhete und durch Rotation in eine Ebene streckte.
Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts konnte man das Glas in Cylinder blasen,
aufschlitzen und im Kiihlofen flach strecken. Die grossen Scheiben unserer
Schaufenster sind wieder gegossen, glatt gewalzt und geschlifFen.
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Raum II. 197
Wollen wir auch der Spiegel fliichtig gedenken, so ist zu sagen, dass
dieselben urspriinglich aus einer sehr harten Weiss-Bronze (67 Cu. 25 St. 8 B.)
in Form von runden und viereckigen Handspiegeln, zum Teil mit dem Hand-
griff zusammen, gegossen wurden. Sie waren fein poliert und wurden auf der
Riickseite mit figurliehen Darstellungen oft in klassischer Ausfiihrung verziert. Sie
wurden fruher als etruskisch bezeichnet und befindet sich eine Sammlung derselben
im Glaskasten inmitten des Raumes IV. Schon frtih aber wurden Spiegel aus
Obsidian geschliffen oder aus schwarzen oder geschwarzten Konvex-Glaser in
Form von Uhrglasern, die dunklen Glaser mit Pech oder ahnlichen Massen,
die hellen auf der Konvexseite mit Zinn, belegt. Derartige Spiegel fanden sich
zahlreich bei Regensburg und auch auf der Saalburg ergaben sich ahnliche,
grobere und feinere Bruchstflcke mit Zinnfolie, sowie ein besonders fein ge-
8chliffenes mit Goldfolie belegt.
Wir haben noch hinzuweisen auf die Nachahmungen antik'er Gefasse
aus Glas in unserem Museum, welche H. Tacchi's Nachfolger zu Frankfurt a. M.
in ihren bohmischen Fabriken haben anfertigcn und teilweise mit einem Anflug
des Iridisierens versehen uns uberlassen haben.
111. Griiner Henkelkrug, in dessen Bauch ein kleines Kruglein einge-
schmolzen ist, nach dem Vorbild eines gleichen antiken Kruges im Wormser
Museum. Derselbe ist ein Geschenk der Herren Villeroy und Boch in Wad-
gassen, und in folgender, jedenfalls der alten durchaus entsprechenden Weise
hergestellt : Gleichzeitig mit dem kleinen Kruge wurde namlich auch der grosse,
aber mit weitem Halse, geblasen, abgesprengt, und dann das kleine mit dem
Hefteisen in den Boden des grossen eingedriickt. Der grosse aber wurde mit
dem Boden auf das Hefteisen befestigt, angewarmt und nunmehr sein Hals
verengt. Dann wurden wie gewohnlich die Henkel und die Nuppen angesetzt
und der Krug vom Hefteisen gelost.
Eine vorziigliche Nachbildung alter Technik ist auch das von Herrn
O. Rauter, dem Direktor der Rheinischen Glashutte zu Ehrenfeld bei Koln
geschenkte Henkelkruglein 182, mit der schon von den Alten erfundenen
Gardinenverzierung und sehr gut angesetztem Henkel.
Schrank III.
An die romischen Glaser miissten sich chronologisch die frankischen an-
reihen, doch wurde vorgezogen, dieselben mit den anderen allemannisch-
frankischen Altertumern zusammen im Raum V aufgestellt zu lassen. Schrank III
enthalt deswegen die Glaser des Mittelalters, der Renaissance und
Neuzeit in treffenden Beispielen.
112. Eine Einsatzflasche, wie sich eine solche in einem 1490 in Geln-
hausen erbauten heiligen Grabe, mit Jordanwasser gefullt, vorfand, als dasselbe
im Jahre 1825 niedergelegt und in Homburg v. d. H. wieder aufgeftihrt wurde.
Bruchstucke derartiger Glaser kommen vielfach vor; die Gefasse dienten
wohl zur Aufnahme sudlicher Weine.
118. Ein Romer in der Form eines sehr verkiirzten Rom-Pilgerstabes, mit
eingeschliffenen Ranken.
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y
198 Baum II.
114. Deutscbes Passglas mit Nuppen.
115. Deutsches Trinkglas mit Nuppen.
116. Bruchstiicke von Zwiebelglasern mit der Miindung nach der Seite,
sodass man sie ebenso legen wie anhangen konnte. Sie wurden auch Angster
oder Kritrolf genannt und dienten dazu, feine Weine sich von oben in den
offenen Mund zu giessen.
117. Zwei grime Trinkglaser, angeblich in einem Romersarg bei Wiesbaden
gefunden.
118. Zwei moderne Vasen von Opal- und Achatglas, Geschenke des
Herrn Dr. Salviati in Venedig.
119. Zwei Teile eines Kronleuchters aus dem 17. Jahrhundert vom
Kloster Eberbach.
12©. Humpen — grosses Trinkglas — weiss, mit einem eingeschliffenen
Zug von Reitern und Fussgangern; im Hintergrunde eine Stadt. Dem St. Ferrutius-
stift in Bleidenstadt gewidmet von Baron v. Hohneck im Jahre 1783, dem
Museum geschenkt von Herrn Justizrat Forst.
121. Venetianisches Fliigelglas.
Sodann Nachahmungen alterer venetianischer Glaser, Geschenke der Herren
Dr. Salviati und Tacchi.
1858. Schaustuck in Form eines Schiffes mit Tackelage, einem im Louvre
befindlichen und Karl IV. von Fugger geschenkten Glase nachgebildet.
128. Fliigelglas, retiniert (mit netzformigen Zeichnungen.)
124. Teller mit eingeschmolzenen weissen, violetten und Aventurier-
Streifen.
125. Schale mit Fuss von Petinettglas; eine andere von Eisglas.
126. Rot und blau uberfangene Glaskannchen und vergoldete Glaser.
Ferner
127. Gravierte Glaser, mit anderen geschenkt von Herrn Rauter in
Ehrenfeld b. Koln.
128. Gepresste Glaser, Teller, Seidel; desgleichen durch Sandblaserei
mattierte Glaser und Seideldeckel.
129. Gesprenkelte Glaser mit aufgelegten Masken. Geschenke der Herren
Salviati und Rauter.
ISO. Zackig gelb und weiss gebandertes Glas nach Art des agyptischen
Alabastron, geschenkt von Herrn Nathan Hess.
181. Glasflaschchen mit verteilten Luftblaschen, geschenkt von Herrn
Tacchi.
182. Glasbrocken mit Ausscheidungen, welche sich wahrend einer durch
sechs Wochen fortgesetzten Abkiihlung gebildet haben. Geschenk des Herrn
Rauter.
183. Glasbrocken mit eigentumlichem Blattergefiige, dessen Entstehung
noch nicht erklart ist, aus dem Brandschutte der Mauritiuskirche in Wiesbaden.
134. Glasflaschen, welche durch eine vier- bis funfwochentliche Ab-
kiihlung in einem Ziegelofen zu RSaumur'schem Glase umgewandelt sind.
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Raum It. 1^9
185. Kugeln, teils von Millefiori-Glas, teils von Bergkrystall als Ziersttick
(die eine hing an einer frankischen Fibel) oder zur Kiihlung der Hand.
186. Butzenscheiben, geschenkt von Herrn Algeyer von Uberlingen,
und durch Herrn Dr. Schirch.
137. Moderne Butzenscheiben.
188. Kathedralglas, geschenkt von Herrn Wisthoff in Konigsteele*
139. Mosaik-Material von Herrn Dr. Salviati in Venedig; vielfarbig; Gold
und Silber ist mit verschieden gefarbtem Glas iiberfangen.
140. Mosaik-Material von Mettlach.
141. Geschliffene Glasscheiben.
In demselben Schranke befinden sich noch unter 141' einige Schadel
und Beigaben aus romischen Grabern eine Anzahl verschiedener romischer
Glasgefasse.
Die alte Glasindustrie fuhrt uns iiber zur Betrachtung der alten Perlen;
zunachst
Siidwand; rechterseits zwei Rahmen.
Perlen (Beerle, kleine Beere) wurden zuerst durch die Agypter und
andere Kulturvolker des Mittelmeerbeckens angefertigt und auf weit ausgedehnten
Handelswegen verbreitet. Schon in unseren altesten Hiigelgrabern finden wir
in Gesellschaft von Feuersteinmessern, Bronzekelten und Dolchen, neben Hals-,
Arm- und Fussringen von Bronze, Perlen aus trubgriinem Glasfluss, haufig durch
einen Bronzedraht als Ohrring gefasst. Mit ihnen zusammen erheben wir Bern-
steinperlen, welche teils formlos, teils kugel- oder muhlsteiniBrmig gestaltet sind.
142 u. 143. Alte Bernsteinperlen.
Zur Romerzeit treten melonenfermige, griine Sandfrittperlen auf, deren
Material an das der agyptischen Uschebti-Figiirchen erinnert und welche mit
diesen gleichen Ursprunges sein mogen. Auch Schmuck aus schwarzer Glaspaste,
Jet, und aus Gagat wird beobachtet; er erscheint mit dem Auftreten der Romer
am Rhein.
Nordwand; linkerseits zwei Rahmen.
144. Die von den Agyptern und Romern geiibte Kunst der Fabrikation
des Millefioriglases kommt auch in den Perlen zur Geltung, am besten in denen
der Frankengraber. Gerade die letzteren sind zum Teil sehr kunstreich und
von interessanter Technik. Man kann sagen, dass die Franken an den Perlen
ihre keramischen Studien gemacht haben. Mit verschiedenfarbigem natiirlichem
Thon und mit gefarbten Einlagen in denselben, und durch einen Brand,
welcher die Masse frittete, und durch viele Proben sie dem Porzellan und
Chromolith nahe brachte, ahmten sie die Glasmillefiori nach. Es standen ihnen
ausser schwarz und weiss, auch rotbraun, hellrot, orange, schwefelgelb, grfin,
blaugriin und blau zur Verfugung, welche sie sich wohl aus romischen Mosaiken
verschafft haben mogen. Formen, Einkerben, Einlagen, Zickzack, Tupfen, Wellen,
Augen wurden auf nassem "Wege ausgefiihrt. Die Formen waren runde und
langliche Kugeln, sechseckige Ringelchen, kleine Ringe, flachgedriickte Gersten-
korner. Ihre Grossen wechseln von 2 bis zu 40 mm. Letztere, da haufig in
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200 Raum II.
den Frauengrabern gefunden, dfirfen jedoch nicht mehr als Perlen, sondern als
mehr oder minder elegante Spinnwirtel angesehen werden.
145. Rahmen mit Perlen, wie diese jetzt noch in Venedig fur Afrika
fabriziert werden, zum Vergleich mit den Perlen unserer Vorzeit.
Da mit der Einffihrung des Christentums die Sitte aufhorte, den Toten
Beigaben mit in das Grab zu legen, sind wir, wie fiber den allgemeinen Stand
der damaligen Qewerbe, so fiber die weiteren Leistungen der Glasmacherkunst
vom 4. bis 9. oder 10. Jahrhundert weniger unterrichtet, wie fiber denselben
Betrieb aus frtiherer und spaterer Zeit. Wir wissen nur, dass die Glasfabrikation
nach Vertreibung der Romer noch einige Zeit, und zwar mit eignen und be-
zeichnenden Formen fortbestand, um dann zu erloschen. Ffir den Bedarf an
Schmuck, speciell an Glasperlen, spater auch an Rosenkr&nzen, sorgten von da
ab die Flfichtlinge, welche im 5. Jahrhundert Venedig gegrfindet hatten. Ihre
Kunst- und Handelsthatigkeit brachte die Perlen, conteria genannt, ins Abend-
land und mit ganzen Schiffsladungen in den Orient. Hatte Marco Polo ihnen
um 1520 den Weg nach dem Innern Asiens eroffnet, so geschah dies durch
Kolumbus ffir die neue Welt.
Doch wurden ursprfinglich auch Halbedelsteine, Amethyste, Achate und
andere, wie heute noch, zu Perlen verarbeitet und als Schmuck getragen.
146. an der Nordwand zeigt solche von Oberstein und Idar an der
Nahe. Langlich zurecht gehauene, roh geschliffene (nicht polierte) Perlen mit
langen, dfinnen Bohrlochern, welche oft zu beiden Seiten angesetzt und deswegen
nicht ohne technisches Interesse sind.
Heute noch versorgen die Achatschleifereien jener Gegend, gerade wie in
TIrzeiten in roherer Form unsere genfigsameren Vorfahren, mit verschieden ge-
formten, in der Farbe kfinstlich vermannigfaltigten kleinen Schmuckstficken
die Negerinnen 147, von Senegambien, welche dieselben in fibergrosser Menge
tragen und ihrer Kalte wegen dem Glasschmuck weit vorziehen.
Es bestand eine ausgedehnte romische Glasindustrie an der Nahe, in
Lothringen, und zumal in der Eifel auf der Hochmark bei Cordel; man hat Grund,
die letztere ffir eine Officina Frontiniana zu halten. Dort fand man Glashafen
mit glasigem Bodensatz und die verschiedensten Glaserzeugnisse. Die Franken
ffihrten die Glasindustrie noch eine Zeit lang fort, in besonderen Formen, welche
wir bei den Romern nicht kennen. Hatten doch schon diese diesseits der Alpen
andersartige Glasformen ausgeftihrt, als die sind, welche wir jenseits der Alpen
und in Sfidfrankreich antreffen. Gerade die Glasfabrikation zeigt die Industrie
der Romer in ihrer hochsten Entwicklung, und es ware ein Fohler, fiber ihren
militarischen Thaten die Ausserungen ihrer gewerblichen Thatigkeit, ihren aus-
gedehnten Handel und ihre Zollinteressen, welche oft genug der eigentliche Grund
fiir ihre Kriege und Eroberungen waren, zu vergessen.
Aus den Glashtitten an der Nahe mag die Mehrzahl der erwahnten Glaser
herrfihren, ebenso die schonen, zweihenkligen Glasurnen, welche sich in Stein-
kistengrabern untadelhaft erhalten haben.
Wir finden an der Nordwand, links, auf antikem steinernen Tische
(von Heddernheim)
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Rail in H. 201
149. eine Glasurne. Dieselbe enthalt ausser einer Goldmiinze yon Vespasian
eine durch den Leichenbrand besch&digte Bulla von Gold, d. i. ein Anhfinger,
wie ihn Knaben aus vornehmen Hausern trugen, bis sie dio Toga erhielten;
ferner eine Bronzelampe und vier ausgezeichnet schone Glaser als Beigaben.
[Annal. IH, 3. Taf. IE— VI.]
An der Slid wand, gerade gegeniiber und ebenfalls auf antiker Steinsaule
150. eine ahnliche Glasurae mit Beigaben. [Annal. Ill, 3. Taf. Ill— VI.]
An der Ostwand steht
148. eine Steinkiste, in der Nahe von Planig bei Kreuznach gefunden.
Sie enthalt eine gedeckelte Glasurne mit Knochenasche und war umstellt mit
anderen schonen Glasern und einer Bronzelampe. [Annal. Ill, 3, p. 179.]
151. Steinkiste mit Kreuzdach-Deckel von Langenlohnsheim aus der
Nahegegend. Sie enthalt aber statt der Glasurne einen Bleikasten mit Knochen-
asche und hatte ursprunglich eine Beigabe von Glasern, welche aber zerschlagen
und nicht mit abgeliefert worden sind. Daneben
152. drei romische Brandgraber gewohnlichster Art aus dem Salzbachthal
bei Wiesbaden. Derartige Graber waren entweder ungeschiitzt in die Erde ein-
gelassen oder mit Ziegeln oder naturlichen Steinplatten umstellt und gedeckt.
Sie enthalten eine Urne, oft auch nur ein Bruchstiick einer solchen mit den
durch den Brand veranderten Knocheniiberresten, und als Beigabe ein rundes
KrOglein, ohne Zweifel fiir ein Getrank, manchmal ein Trinkgefass, einen Teller
mit Speiseresten, ein Lampchen, einen Schliissel und die Beschlaguberreste
eines Kastchens, ein sogen. Thranenflaschchen — von dessen Bedeutung schon
oben gesprochen wurde — und endlich eine Mtinze, Obolus, als tJberfahrtsgeld
in die Schattenwelt. Nie finden sich Waffen in Romergrabern, nie sind Homer
bei uns unter Hiigeln gebettet.
153. Weitere Fundstucke aus diesen Grabern, aufTafeln fiber denselben
befestigt. Daneben noch
174. einige Bruchstiicke von Glasern, welche fiir die romische Glas-
fabrikation und besonders fiir den Ansatz des Henkels von Interesse sind.
Vergl. SO.
An der Sudwand:
154. Inhalt eines Leichengrabes, das sich am Mainufer gegeniiber Frankfurt
vorfand. Ein wohl erhaltener Schadel, drei gewohnliche, runde Kriige, ein
Lampchen und eine Munze von Trajan.
155 u. 156. Kleine Gefasse, welche man den Kindern als Spielzeug
ins Grab mitgab: eine Klapper, ein Huhnchen oder Hahnchen von Thon, auch
wohl eine Milchflasche mit seitlichem Auslauf, welcher, mit einem Lappchen
iiberbunden, als „Schnuller tt dienen konnte. Ahnliche Gefasse finden wir auf
den Tafeln
157 u. 158. an der Nordwand, mit spitzem Auslauf und aus Glas
hergestellt. Dieselben schliessen wie die anderen, auf derselben Tafel befestigten
Gefasse mit abweichenden Formen des Auslaufs den Gebrauch als Milchflaschen
aus und sind vielmehr als Tropfflaschchen, Guttus, zu Libationen beim Opfer
oder zum Olen, oder auch als Rhytion, um den Wein von oben herab in
u
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202 R«um It.
den Mund zu giessen, vielleicht auch bei genugend schliessendem Dochte als
Lampchen in Gebrauch gewesen. Interessant ist ihr Gebrauch als „Malhorn tf ,
um eine zahe Farbe oder Thonschlicker langsam ausfliessen zu lassen und auf
diese Weise zur Dekoration von Thongefassen zu benutzen. Die Zuckerbacker
bedienen sich noch heute ahnlicher Apparate zur Dekoration ihrer Waren, und
hat Herr Hofkonditor Roder mit einem solchen Spritzflaschchen, No. 5291, die
beiden runden Kriige No. 480 u. 434 nach dem daneben haugenden antiken
Vorbild mit einer Jagdscene dekoriert. [Annal. XV, 272.]
Grosse romische Thongefasse an der Nord-, Ost-
und Sfldwand, oben.
Obschon die Romer sehr wohl Fasser, Cupae, zu fertigen und zu gebrauchen
verstanden, bedienten sie sich doch zur Aufbewahrung von Wein und 6l im
Keller auch der
159. Amphoren, welche an der nordlichen und ostlichen Wand,
und der
160. Dolien, welche an der sildlichen Wand, dem Boden und auf
den Schranken der Westseite aufgestellt sind.
Die Amphora hat an ihrem unteren Ende eine Spitze, mit welcher sie in
den Sand gesteckt wurde, und oben zwei Henkel, durch welche eine Eette ge-
schlungen und an der sie mittelst einer Stange leicht von zwei Leuten getragen
werden konnte.
161. Die Dolien waren kugelformig, sodass sie — in einem Sandbett ruhend
— leicht geneigt und ausgegossen werden konnten. Dolien und Amphoren waren
haufig im Innern ausgepicht. Auf dem Boden steht das Bruchstiick einer solchen.
Zur Kellereieinrichtung scheinen auch hohe, einfussige Steintische gehort
zu haben, auf welche man bei der Weinprobe die Glaser stellte. Bin solcher
steht in der Mitte des Raumes; andere an der Nord- und Sudwand.
BSmische Waffen.
Dieselben sind im Ganzen selten, weil sie nicht wie bei den Germanen
den Verstorbenen in das Grab beigegeben wurden. Doch haben sich immerhin
genugende Fundstucke aus Bautriimmern ergeben, und wir sind ausserdem durch
ihre bildlichen Darstellungen auf Grab- und anderen Denkmalern und die Be-
schreibungen der klassischen Schriftsteller soweit uber dieselben unterrichtet,
dass wir eine genugende Eenntnis von ihnen besitzen. Auf die in den Bild-
werken der Vorhalle dargestellten Waffen und Riistgegenstande haben wir
bereits dort aufmerksam gemacht.
An den Schranken der West wand bemerken wir:
162. Nachahmung eines romischen Schwertes, gladius, nach dem 1840
in Mainz aufgefundenen Original, dem spater nach England gebrachten sogen.
Schwert des Tiberius.
168. Nachgeahmte leichte Wurfianze der Romer, pilum.
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ttaum It. 203
An der Nordwaiid befinden sich Nachabmungen
164. von einem schweren Pilum,
165. einer Lanze, hasta, mit Originalspitze und erganztem Schafte und
183. einem Wurfspeer. contus, mit Originalspitze und erganztem Schafte
mit dem Amentum, einer Lederschlinge, durch welche die Kraft des Wurfes
noch erhoht wurde. Daneben in dem Schaukasten:
166. die Originale eines Schwertes und eines Dolches, gefunden bei
Kempen am Rochusberg; eine Pilumspitze, welche zusammengebogen in einem
Kanal in dem Kastell von Hofheim gefunden wurde; eine Gladius-Scheide, aus
dem Schlamme eines Kanales in Wiesbaden und ein Dolch aus Heddernheim.
167. Schone Dolchklinge aus dem Maine bei Mainz erhoben; ein Schwert-
knauf (ob romisch?); ein Marciobarbulus, d. i. ein mit Blei beschwerter Pfeil mit
Widerhaken, gefunden bei Hofheim oder Heddernheim; eine Anzahl von Pfeil-
und Bogenspitzen von der Alteburg bei Delkingen sudlich von Ellwangen, Geschenk
des Herrn Professor C. M. Kurtz in Ellwangen. Die Bogen, welche wir
aus dem Nydamer Moorfund kennen, waren gerade, an dem einen Ende mit
einer eisernen Spitze versehene Stangen, welche erst durch die Sehne ge-
krummt wurden, sonst aber als Lanzen zu gebrauchen waren. (Eine Analogic
bietcn unsere Plinten mit dem Bajonett.)
168. Legionshelm mit wenig sichtbaren Bronzeverzierungen. Gefunden
in Wiesbaden und durch das Rom.-germanische Museum wiederhergestellt, wie wir
uberhaupt diesem und seinem hochverdienten Direktor Dr. L. Lindenschmit,
unserem hochverehrten Meister und Freund, viel zu danken haben.
Fiinf verschiedene romische Schildbuckel (umbo), davon zwei reich verziert;
gefunden bei der Josephsschanze zu Mainz, der kegelformige im Kastell Wiesbaden.
Ein Gurtelstiick aus eisernen Panzerringchen von der Bingerbruck.
[Annal. XIV, 416.]
Ein Stuck Schuppenpdnzer (lorica serta), gefunden im Rheine am Diemeserort
bei Mainz. Mit solchen Schuppen sind auch die kurzen Hosen des Valerius
Crispu8 besetzt, dessen Grabstein in der Halle (No. 5) steht.
Sechs Schleuderbleie mit Inschriften aus Oberitalien. Sie tragen den
Zuruf: Feri = triff! und andere. Sie kommen unter Rheinischen Fundstiicken
nicht vor, sondern gehoren den Kampfplatzen des Sklavenkrieges in Sicilien,
132 v. Chr., dem Bundesgenossenkrieg, 92—93 v. Chr. und der Belagerung von
Perusia, 43 v. Chr. an. Dr. Bergk, Bonn. Jahr. LV, V, VI, 1.
RBmische Lederwaren und Zeuge.
Gegenstande sowohl organischer als metallischer Natur erhalten sich am
besten in vegetabilischem Schlamme unter Wasser oder gleichbleibender Feuchtig-
keit. So Leder, Wollengewebe, Knochen, aber auch Bronze und Eisen. Davon
zeugen
169, 170 u. 171. Lederarbeiten und Abfalle, welche mit den ver-
schiedensten Dingen — darunter ein Steinbeil, ein Rehgehorn, ein Anhanger
aus Zinn, welcher eine Sandale darstellt — zusammen unter dem Reichspost-
14*
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204 Raum II.
gebaude in Mainz gefunden worden sind. Ebenso auch die inmitten des Raumes
ausgestellten
171*. Sandalen. Die Alten trugen in der Regel, zumal im Suden, nur
Sohlen, solea, oder Sandalen, welche, mehr oder weniger zierlich ausgefuhrt, mit
Riemen an dem nackten Fuss befestigt wurden. Diese Sohlen waren bald fein,
bald dick, mittelst Holzzwecken oder Vernahung verdoppelt und mit eisernen
Nageln beschlagen. Frauen und elegante Herren trugen auch Schuhe mit
Oberleder und Halbstiefel, calceus, und Damenstiefelchen, calceolus, mit ge-
schlossenem, feinem Oberleder. Auf der Sc£ne (im Theater), wohl auch in
Schnee und Kot bedienten sie sich des Kothurns. Der Abguss einer solchen
in einem Brunnen der Saalburg gefundenen Hochsohle liegt neben den Sandalen.
Die Web ere i und ihre Produkte betreffend, machen wir zunachst auf-
merksam auf das auf dem Glassturze liber den Sandalen aufgestcllte
181. Modell eines aufrechten Webstuhles, mit welchem die an der Siid-
wand 172 u. 17S ausgestellten Gewebe, sowic auch die in den Pfahlbauten
vorkommenden Gewebe ausgefuhrt werden konnen. Auf dem Modelle sind statt
der Faden Litzen senkrecht aufgespannt, sie bilden die Kette und wurden durch
Thongewichte, deren eines im Original beiliegt, straff gehalten. Mittelst anderer,
als Schuss oder Einschlag dienender Litzen ist ein gemustertes Gewebe ange-
fangen. — Uber Spinnen und Weben bei den Alten findet sich eine Abhandlung
in den Annalen XV, 23.
182. An der Nordwand sind in Bezug hierauf Wirtel und Spindeln
ausgestellt. (Im Raum VIII Kunkel, Spindeln und Spinnrad.)
An der Slid wand auf den Tafeln
172 u. 173. Reste von Wollengewebe, welche sich 16 Fuss tief im
Moorgrunde auf dem Schillerplatz in Mainz gefunden haben. Sie gehoren
Stoffen an, welche in der gewohnlichen Taft-, Batavia- und Koperbindung gewebt
sind. Die Patronen (die Muster dieser Bindungen) sind, im grossen in Papier-
streifen ausgefuhrt, daneben gestellt. Beigefiigt sind noch Proben von Mumien-
binden: Flachsleinen in gewohnlicher Taftbindung. Daneben im Kasten
184. Stuck eines Teppichs, und zwar ein Bruststiick oder Latus clavus,
ausgegraben aus dem ewig trockenen Sande der lybischen Wuste, westlich von
Luxor aus einem koptisch-christlichen Friedhofe, in welchem die Leichen nur
in Leinenumhiillung liegen. Die auf dem Bruststucke erkennbare Darstellung
eines Centaurs ist noch ganz heidnisch; die leinene „Kette a ebenso wie der
Wolleneinschlag sind auch in der Farbe — besonders auffallend in der grunen
— merkwiirdig gut erhalten.
Rtimische Fibula, Gewandnadel (Sicherheitsnadel).
Die Romer bedurften der Nadeln zum Festhalten und Anschliessen der
Gewander umsomehr, als sie keine Knopfe und Knopflocher an denselben kannten
und dies vielleicht deshalb, weil sie ihre iiberhaupt wenig geschneiderten Kleidungs-
stiicke durch Walken zu reinigen pflegten, bei dieser Bearbeitung aber angenahte
Knopfe misslich gewesen waren.
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Raum II. 205
Die einfachen, meist beinernen Nadeln, die wir bei ihnen finden, wurden
nicht zu diesem Zwecke gebraucht; sie dienten zum Haarputz der Prauen. (Eine
grosse Menge derselben im Rahmen 175.) Desto haufiger aber verwandten die
Romer die kompliziertcn Fibulae nach dem System derjenigen, welehe uns
bereits aus den vorromischen Perioden von Hallstadt und la Tene (Raum I)
bekannt gewordcn sind.
Die Fib el, nach dem Prinzip unserer modemen Sicherheitsnadel gebaut,
bcsteht aus Bugel und Nadel, welehe gegeneinander beweglich sind. Sie ist ein-
glicdrig, wenn beide aus einem Stiicke gearbeitet sind, zweigliedrig, wenn
jedes fur sich hergestellt ist. Die Verbindung zwischen Bugel und Nadel ist durch
eine Drahtfeder, in spatercn Zeitcn durch cin cinfaches Charnier, wie an
unseren Brochen, vermittelt. Wir unterscheiden am Biigel Kopf, Hals und
Fuss. Der Kopf tragt die Feder oder das Charnier, der Fuss den Nadelhalter,
in wclchem die Spitze der durch den Biigel und die Gewandfalte verdeckten
Nadel ruht. Der Hals nimmt die Gewandfalte auf und ist zu diesem Behufo
gewolbt. Der Bugel ist bei den meisten Fibeln zu einem wahren Schmuckstiick
geworden, welches durch semen ausserordentlichen Formenreichtum zu den man-
nigfaltigsten Klassifikationen Veranlassung gegeben hat. Auch die Entwicklung
des Nadelhalters ist eine sehr vcrschiedenartige, immer aber ist durch ihn
die Nadelspitze so gesichert, dass sie weder Jemand verletzen noch sich von
selbst losen kann. Gegon das Verlieren der Gewandnadeln, welehe mit dem
Kopfe nach unten getragen wurden, sicherte man sich unter anderem auch
wohl dadurch, dass man dieselben haufig paarweise, durch eine Schnur oder
ein kleines Kettchen verbunden, fuhrte.
Bei uns am Rheine finden sich die romischen Fibeln in grosser Anzahl
und Mannigfaltigkeit und urn vieles haufiger wie in Italien und namentlich
in der Umgegend von Rom. Dabei zeigen sie bei uns so vielc Formen, welehe
dort ganz fehlen, dass wir in den hiesigen einen provinziellen Geschmack aus-
gesprochen sehen, der sie als romische Provinzial fibeln kennzeichnet. Ihre
Gestaltungen sind dabei oft so allmahlich, oft aber so plotzlich incinander iiber-
gehend und so zu sagen ubereinander ubergreifend, dass wir es dem Beschauer
iiberlassen mussen, die ausgestellten Fibeln unter sich zu vergleichen und nach
selbst gewahlten Kategorien Formen aneinander zu reihen, welehe nach anderen
Kategorien weit auseinander zu stellen waren. Wir versuchen nur folgende
allgemeine Eintcilung nach Tischler:
Die alteste romische Provinzialfibel (bis zum Ende des 2. Jahr-
hunderts). Diese Form schliesst sich nicht an die in Italien gemeine Fibel an,
wie man erwarten sollte, sondern entwickelt sich aus der Gewandnadel der la
Tene-Periode, bei welcher Bugel, Feder und Nadel aus einem StQcke gearbeitet
sind. Die Bewegung der Nadel ist nur durch die Feder ermoglicht. Der
Rahmen
176. zeigt uns u. a. solche alteste Provinzialfibeln. Sie sind dadurch
gekennzeichnet, dass das die beiden Enden der Spiralfeder verbindende Draht-
stuck, die Sehne, oberhalb der Spiralrolle lauft und durch einen Haken gehalten
wird; der Nadelhalter ist dreieckig, mittelst Durchbrechung ornamentiert (3252
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206 Raum II.
bis 3258) oder selbst durch eine viereekige Platte gebildet, 3270. Der Bugel
ist entweder schmal und hochkantig, rund, durch Knoten verziert, nach oben
und vorne (der Bugel ist stets dem Beschauer zugekehrt) trompetenartig ver-
breitert, oder er ist flach und endet am Fuss wie ein Entenschnabel (Rahmen
180, 3059, 3086).
Einer jiingeren Periode gehoren die Distelfibeln an (Rahmen 177, 3360
bis 3370), gleichzeitig wohl mit den meist paarweise auftretenden Fibeln mit
dreieckigem Zipfelblatt iiber einer runden Scheibe.
Als nachste Periode haben wir die der Armbrust fibeln zu bezeichnen,
welche im Gegensatz zu den la Tene-Fibeln eincn nicht nach vorn und oben,
sondern nach innen und ruckwarts gekriimmten Fuss haben und durch denselben
zugleich die Nadelhulse bilden. Ihre Sehne befindet sich unterhalb des Biigels
(Rahmen 176, 3262). Als spatere Unterarten dieser allgemeinen Gattung
sind die
Armbrustfibeln mit kurzem, einseitig offenem Nadelhalter, welcher eine
einzelne Nadelscheide bildet (Rahmen 177, 3377) und die
Armbrustfibeln mit Charnier, ohne Spiralfeder, zu bezeichnen. (Rahmen
177, 3371—3381 u. 3384—3392.)
Die Mehrzahl der Armbrustfibeln zeigt eine sehr komplizicrte Arbeit
und tragt vielfach Bronzeknopfe. Zumal die letztere Unterart ist haufig reich
verziert und mit zwci oder drei Zwiebelknopfen versehen; bisweilen, wenn
auch selten, findcn sich selbst Schrauben zur Feststellung der Nadel. Oft sind
diese Fibeln vergoldet oder nielliert, meist sehr gut und geuau aus Bronze-
blech zusammengesetzt. Von den 18 Stiickcn unserer Sammlung sind 7 in dem
von den Romern schon urn 300 verlassenen Wiesbaden gefunden worden. Ihre
Form findet sich auch auf cincm Diptychon des Kaisers Valentinian (und des
Actius) 425 — 455. Auf der Saalburg, welche seit etwa 280 nicht mehr in
romischen Ilanden war, wird diese Armbrustfibel nicht gefunden.
Wir diirfen annehmen, dass die Armbrustfibel mit umgeschlagenera Fuss
bis annahernd 250, ihre beiden Unterarten abcr bis Ende des vierten Jahr-
hunderts resp. bis zur Mitte des fiinften sich crhalten haben.
Als letzte Form haben wir endlich die runde, schcibenformige Fibel
zu ncnnen. Die Rahmen
178 u. 179. bringen uns eine Auswahl derselben; und wurden sic ebenso
in spatromischer wie in frankischer Zeit getragen. In ersterer wurden sie mit
Schmelz, in letzterer mit gefassten Edelsteinen, Glasflussen und Filigran verziert.
Bci den romischen Scheibenfibeln ebenso wie bei anderenFormen der Gewandnadeln
sind die Schmuckfliichen in mannigfaltige geometrische Muster geteilt, um dem
bunten Schmelz geeignete Felder zu bieten. Uber die dabei angewendete
Technik siehe „R6mischer Schmelzschmuck." [Annal. XII, 211.] Interessant
wegen ihres Hamatitschmelzes sind die Fibeln 3159, 3160 u. 3161 in Rahmen
178. Erwahnt sei bei dieser Gelegenheit auch die altere Fibel 3263 im Rahmen
176 wegen der Edelkoralle an ihrem Fusse.
Bemerkenswert sind die Fibeln mit sonderbaren Tierformen im Rahmen
179, mit Gitterwerk (Rahmen 176, 3222, 3237 u. a.) und mit geometrischen
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Raum II. 207
Figuren (Rahmen 178, 3163—3170), wie denn uberhaupt die letzte Art von
Gewandnadeln sich durch den grossten Formenreichtum und reiche Abwechslung
auezeichnet.
Die Scheibenfibel geht, wie erwahnt, in die ftankische Zeit hiniiber, wo
sic neben neuen Formen und mit neuen Verzierungen auftritt.
Von alien unseren romischen Fibeln tragt nur eine einzige einen Fabrik-
stempel: NERTOM(A)RI (Rahmen 178, 3154); manehe andere sind so fein und
von so diinnem Metall (Rahmen 176, 3271, 3279), dass sie nur fur feine Linnen
und Gaze der Frauenkleidung gedient haben konnen.
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Raum III.
Mtinzen,
Der inmitten des Raumes III stchende Miiuzsehrank mit seinem reichen,
von Herrn Oscar v. Lade gesammelten Schatz romiseher Munzen ist cine Stiftung
des Herrn E. v. Lade zum Andenken an jenen semen Sohn.
Da sich aber Munzen nur wenig zur Ausstellung vor dem Publikum
eignen, so haben wir aus dieser, sowie aus der schon vorhandenen, alteren
Miinzsammlung eine Reihe von Stucken ausgewahlt und auch hier aufgelegt,
als Beispiele, welche fiir die Miinzgeschichte und Technik von besonderem
Interesse sind.
Der altestc Handel war Tauschhandel, zumal mit Yieh, fur welches man
dann Wertzeichen schuf, welche das Bild cines Ochsen fiihrten und daher
Pecunia — von Pecus — genannt wurden.
1. Naehbildung eines solchen Stuckes, As flatum,
2. zwei As grave,
3. kleines reduziertes As — samtlich aus Unteritalien odcr aus dem trasi-
menischen See.
Diese Munzen waren gegossen.
4. Einige Thonformen fiir den Guss von romischen Munzen, bei Trier und
bei Birkenfeld gefunden, veranschaulichen diese Werkweise.
Doch schon frtih, in Griechenland wie in Itelien, verfiel man <}arauf, das
linsenformig gegossene Stuck durch Pragung zu munzen, indem man mittels
Stempel und Hammer ein Zeichen darauf schlug.
5. Ein solcher Miinzstempel, allerdings aus neuer Zeit, von einem Thaler.
6. Eine Munzzange, durch welche zwei Stempel, Avers und Revers, mittels
eines Hammerschlages sich auf der Miinze abdriickten, und
7. Zwei Stempel, welche in ein Walzwerk eingesetzt und gegen das
Metall gepresst wurden. Beide Apparate geben eincn Bcgriff von dem alteren,
noch im vorigen Jahrhundert geiibten Miinzverfahren. Jetzt ist dasselbe durch
Fallwerke sehr vervollkommnet.
Die grosse Kraft, mit welcher die Metallstucke (Schrotlinge) gepresst
werden, ist der Grund, weshalb die Stempel so oft springen und so haufig
erneuert werden miissen.
In der zweiten Abteilung des Schaukastens sind ausgelegt:
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Raum in. 209
Erste Beihe.
8. Eine agyptische,
9. eine atheniensische,
10. eine macedonischc Miinze;
11. zwei Regenbogenschusselchen aus Gold und Silber, erstcres von einem
grossen unfern Marburg gefundenen Schatz, letzteres aus dem Ringwall der Dorn-
burg, nahe Hadamar.
12. Eine gallische Miinze.
Zweite Beihe.
13. 14. 15. Romische Familienmunzen aus der Zeit der Republik in Gold-
und Silber, die letzte mit gezahneltem Rande.
Dritte Beihe: rttmische Kaisermttnzen.
16. Goldmiinzc: Nero und seine Mutter.
17. Medaillon von Augustus.
18. Zwei Silberdenare von Augustus.
19. Quinar von Augustus.
20. Denar der Julia Domna.
21. Medaillon von Marc Aurel.
22. 23. 24. Gross-, Mittel- und Eleinerz von Antoninus Pius.
25. Mittelerz von Augustus mit Kontremarke, welche der Miinze wieder
Gultigkeit verschaffte.
Vierte Beihe.
26. 27. Denare von Karl dem Grossen und Ludwig dem Frommen.
28. Bracteate von Goslar. — Bracteaten sind Miinzen aus diinnem Silber-
blech, deren Bild und Schrift von der Kehrseite heraus gotrieben, auf dieser
also vertieft ist.
29. Zwei Kaiserbracteaten.
30. Zwei Goldmiinzen: Kaiser Ludwig der Bayer auf dem Thron
(1314—1357).
31. Goldgulden von Cuno v. Falkenstein, Kurfurst von Trier (1362—1388).
Fttofte Beihe.
32. Ein Groschen von Prag. *
33. Tournose von Philipp von Prankreich.
34. Medaille von Anselm von Ingelheim, Kurfurst von Mainz (1679—1695).
35. Medaille zum Gedachtnis der landwirtschaftlichen Ausstellung zu
Wiesbaden.
36. Medaille von Papst Clemens XII.
87. Kontributionsthaler von 1797 aus dem Silber der Kirchen und der
Burger von Frankfurt a. M.
38. Doppelthaler von Isenburg 1694.
39. Thaler der fttnf Vettern von Nassau 1687.
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210 ' Raura III.
40. Ein Thaler von Georg Friedrich von Sayn-Kirchberg mit der Dar-
stellung von Bergwerken 1740.
41. Sechs-Albus von Hanau, hergestellt mit dem Walzwerk.
42. Notmunze von Landau, wahrend der Belagerung 1713.
43. Frankfurter Handelpfennige, darauf eine Hand gepragt.
Sechste and siebente Reihe.
44. Sterbethaler Friedrichs d. Grossen, 17. A. 86.
45. Siegesthaler Konig Wilhelms, 1866.
46. Munze von Japan.
47. Miinze von China.
48. Franzosi8che Assignate: Dix mille Francs.
49. 50. Falsche romische Miinzen von Becker in Homburg.
Schrift- und Druckwerke.
Inmittcn des Raumcs, hinter dem Miinzschranke
sind cinige wenige Urkunden und Drucksachen aufgelegt, welche als Belege zu
einer Geschichte des Schriftwesens beniitzt werden konnen.
Das Schriftwesen reicht in ein unbekanntes Altertum hinauf. In Raum II,
Schrank T, 46 haben wir auf einen Papyrus — das alteste Schriftstiick, das
unser Museum besitzt — aufmerksam gemacht. Das nachstalteste tragbare
Stiick ist in Raum IV, 86: ein romisches Militardiplom, von dem wir dort zu
sprechen haben und hier nur sagen wollen, dass es aus zwei Bronzeblechtafeln
bestcht, auf deren In- und Aussenseite dieselbe Ausfcrtigung angebracht ist.
Der Inhalt des Innern, durch die Siegel der Zeugen gesichert, konnte wenn
Zweifel entstandcn, durch Losung der Siegel mit dem aussercn Texte verglichen
werden, ohnc dass im Tempel des Augustus in Rom, wo gleichfalls eine Aus-
fcrtigung aufbewahrt wurde, nachgesehen werden musste. Von dieser Zweiteilung
eines Aktenstiickes tragt die ganze diplomatische Disziplin ihrcn Namen.
Das gelaufigste Schreibmaterial der Romer fiir allerlei Aufzeichnungen,
Briefe, Rechnungen waren die in Holzrahmen eingegossenen Wachstafeln, welche
mittelst Ringen zu zweien — Diptychon — oder dreien — Triptychon — zu-
sammenhingen. Man schrieb auf sie mit einem spitzen Stift und loschte das
Ge8cnriebenc wieder durch ein Schiippchen am anderen Ende des Stiftes. In
Raum IV ist ein solches Tafelchen aufgehangt (174 a ). Im Ubrigen haben
dicse Wachstafeln sich zum Teil bis auf unsere Zeit crhalten.
Zu den altesten, auf uns uberkommenen schriftlichen Aufzeichnungen sind
noch zu rcchnen die Sgraffiti: Einkratzungen auf bestimmte Gegenstande, z. B.
auf eine Thonschussel von Seiten ihres Besitzers (Raum III, Schrank V, 6J4),
obenso wie die Stempel, rait welchen der Topfer sein Fabrikat, der Legionar seine
Ziegeln bezeichnete. In gleicher Weise sind die Trinkspriiche bemerkenswert,
welche wir auf vielen Bechern finden.
In Griechenland schrieb man schon friih auf Leder; zur Zeit Herodots
schon auf Papyrus (siehe agypt. Abteilung). Als dessen Ausfuhr verboten
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Rauta III. 211
wurde, erfand man in Pergamos in den Jahren 197—158 v. Chr. das Pergament.
In China wusste man bereits in sehr entlegenen Zeiten aus Baumwolle und aus
Lcinenfasern Papier zu fertigen; dieses gelangte um 704 n. Chr. an die Araber
in Damascus; die Griechen fertigten es im 10. Jahrhundert und im 13. war es
schon allgemeiner als das Pergament. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurde
Papier bereits aus Lumpen von Baumwolle und Leinenzeug hergestellt, so bei
den Arabern aus den Mumienbinden , welche sie in unendlicher Menge den
Grabern entnahmen. Durch die Araber kam die Papierfabrikation nach Spanien
und Italien. Die erste deutsche Papierfabrik bestand 1320 in Mainz. Es war
selbstvorstandlich Handpapier, welches hergestellt wurde; das Maschinenpapier,
1797 erfunden, kam erst in der ersten Halfte unseres Jahrhunderts in grossere
Aufnahme.
Die Alten schrieben mit Sepia-Tusche, Plinius mit ciner Mischung von
Gummi und Russ. Dann fertigten sie Tinte, tincta, atramentum, aus Gallapfeln
mit Kupfervitriol (spatcr Eisenvitriol) und Gummi. Die Tinte wurde in einem
kleinen Kuhhorn, das am Schrcibpult hing, aufbewahrt. Auch rote Tinte hing
oft danebcn. (Tintenfasser in Raum III, Schrank II, 43, 83* 84 und Raum
VIII, 20.)
Man schrieb gewohnlich mit einer Schilfrohr-Feder, doch hatten die Romer
auch schon nach Art unserer Stahlfedern solchc von Bronzeblech. Die gothischcn
Konige schrieben mit Schwanenfedern. Wir fiihren die Stahlfedern seit dem Ende
der drcissiger Jahre.
In altester Zeit wurde das beschriebene Blatt aufgerollt und war auch
dementsprechend eingeteilt. (In England geschieht dies mit koniglichen Erlassen
noch heute.) Der Papyrus eignete sich besser zum Rollen, wahrend Pergament
und Papier gefaltet und zu Bucbern gebunden werden kann. Dies thaten auch
schon die Romer, obschon z. B. in Herculanum, vor 79 n. Chr., viele Rollen,
aber keine Biicher gefunden worden sind.
Im Mittelalter legte man grossen Wert auf Einbande. So schenkte
Karl dor Grosse dem Kloster St. Denis einen Wald mit der Jagd, damit cs
genug Hirsch- und Rehfelle fiir Einbande erhielte. Die „Brudcr vom gemeinen
Leben u stellten es sich zur Aufgabe, alles was zur Erzeugung von Buchcrn
gehorte, auch die Einbande und Beschlage selbst auszufiihren. Die Bucher-
deckel waren von Holz mit Leder oder Pergament, in Lederschnitt und Pressung,
iibcrzogen; auch Elfenbeinreliefs wurden verwandt. Damit die Einbande nicht
durch Abnutzung verdarben, hatten die Biicher auf den Ecken und in* der Mitte
der Deckel Metallbeschlagc rait Nuppen oder Buckeln, und auch diese waren
oft wieder mit Edelsteinen und Kameen verziert. Der Ubcrzug des Einbandes
stand wphl auch oben fiber, sodass er beutelformig zusammengefasst werden
konnte: er bildete so einen Buches- oder Bocksbeutel. Sehr wertvollc Biicher
durften nicht mitgenommen, sondern mussten an Ort und Stelle gelesen werden,
woselbst sie mit Ketten angeschlossen waren.
Die Urkunden des 8. Jahrhunderts sind nur in kleinen Buchstaben,
Minuskein, geschrieben. Vom 10. Jahrhundert kommen auch die Majuskeln,
grossen Buchstaben, in Urkunden fiir die Anfange in Verwendung. Die Buchstaben
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212 Raum IIL
sind im 12. Jahrhundert lang und stehen schmal nebeneinander; sie werden im
13. breiter und erhalten kraftigere Grundstriche, welche Eigenschaftcn im 14.
Jahrhundert noch zunehmen.
Die TJncial-Buchstaben sind mindestens einen Zoll, ein zwolftel Fuss,
gross; jedenfalls aber doppelt so gross als die folgenden Buchstaben. Im
13. Jahrhundert tritt statt der italischen die gothische Schrift, statt der Antiqua
die Fraktur auf.
Schon die Agypter schrieben auf dem Papyrus die Anfangsbuchstaben
rot. Die Monche der ersten christlichen Jahrhunderte behielten diese Farbe,
rubrum, fiir Anfange und Abteilungen bei. Daher der Ausdruck Rubrik. Im
13. Jahrhundert wechselte das Rot mit dem Blau. Das Rot bestand aus Zinnober
oder aus rotem Bleioxyd: Mennige, Minium. Die Personen, welche damit die
grossen Buchstaben ausmalten, waren moistens andere als diejenigen, welche den
Text schrieben. Sie hiessen daher Miniatoren und die in die Buchstaben ein-
gemalten Bilder wurden Miniaturen genannt. Besonders ausgebildet war diese
Kunst im 14. Jahrhundert und erhob sich im 15., zumal in Gebetbiichern, zu
wahren Kunstwerken. Dann tritt sic mit naturalistisch behandelten Pflanzen-
und Tierbildern in die Renaissance ein.
Der Buchdruck wurde 1440 erfundeu. Der al teste Druck ist die um
1455 gedruckte Gutenberg'sche Bibel. —
Wir haben leider nur wenige Belege zur Geschichte des Schreibwesens
(in welcher wir Wattenbachs Geschichte desselben, Leipzig 1871, gefolgt sind)
aufzuweisen. Die ausgelegten Gegenstande sind mit Zettcln versehen, welche
das Notige besagen.
Pergamenturkunde von 1145.
Desgl. vom 13. Jahrhundert mit daran hangender papstlichcr Bleibulle.
Pergament mit Nuppen, 13. Jahrhundert.
Chorbuch von Eberbach, 14. Jahrhundert, mit schonen Initialcn.
Pergamenturkunde von 1442 mit Kaiserlichem Majestatssiegel in Wachs.
Bericht fiber die Belagerung von Rhodus, 1488 (unser altestes Druckwerk).
Gedrucktes Stammbuch der Kurfiirsten von Sachsen, von 1598.
Stammbuch des Georg Birckel von 1600—1615, mit vielen ausgemalten
Wappen.
Mcssbuch von Eberbach, mit gepresstem und mit Messing beschlagenem
Ledereinband; 14. Jahrhundert.
Verschiedene Drucke von 1524, Reformationsflugblatter von Hartmudt
v. Cronberg.
Wappenstickereien in Gold und Seide aus dem 17. Jahrhundert und ge-
stickter Biichereinband von 1611, geschenkt von Herrn Oberbaurat Hoff-
mann, hier,
Gesellenbrief von Wiesbaden, 1769.
Lehrbrief von Wertheim a. M., 1788.
In dem Schranke unterhalb der soeben aufgefuhrten Auslagen werden
Proben von romischen Baumaterialien : Marmor, Syenit, Estrichstiicke, Reste
von Wandanstrichen aufbewahrt.
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Raura III. 213
Den vornehmsten Plate des Rauraes III nimmt
1. das Mithraeum ein.
Nach der Lehre von Zoroaster, welche erst im Seerauberkriege aus
Persien nach Rom kam und sich, mit israelitischen und babylonischen An-
schauungen gemischt, in der zweiten Halfte des 1. Jahrhunderts dort und in den
Provinzen rasch verbreitete, vertritt Ormuzd die guten und Ahriman die feind-
lichen Naturkrafte. An der Spitze der menschenfreundlichen Qenien aber steht
der Lichtgeist Mithras. Er befordert alles Gute und Schone, zumal audi die
Fruchtbarkeit der Erde. Er ist der aus Felsen geborene, unbesiegbare Sonnengott,
dessen Mysterien in Felsgrottcn oder in die Erde versenkten Nachahmungen
von solchen gefeiert wurden. In den einst von den Romern beherrschten
Qegenden sind bis jetzt an funfzig Bildwerke bekannt geworden, welche auf
den Mithraskultus hinweisen; drei Kultusstatten sind allein in Heddernheim,
eine am Schutzenhof in Wiesbaden aufgefunden.
Das vor uns stehende grosse Mithrasbild stammt aus einer der Kapellen
zu Heddernheim, welche in ihren Aussenkanten gemessen 12,5 m Lange und
8,16 m Breite besass. (Ihre Ausdehnung ist auf dem Fussboden aufgezeichnet.)
Sie bestand aus drei Schiffen: zwei seitlichen von 1,88 m und einem Mittelschiff
von 2,82 m Breite. Zu dem ersteren fuhrten 6 Stufen, zum letzteren 8, welche
wahrscheinlich die 8 Grade der Einweihung ausdrucken sollten. Die Seitenschiffe
scheinen nur durch eine Briistungsmauer, vielleicht auch nur durch Saulen
und Vorhange von dem mittleren getrennt gewesen zu sein. Am Ende des
Mittelschiffes befand sich ein kleines Chor, aber gross genug, um die Bildplatte
aufzunehmen und deren Drehung zu gestatten, damit auch das Bild der Ruck-
seite von der Versammlung, welche hochstens 120 Personen betragen konnte,
gesehen wurde. Ausserdem fanden sich im Schutt der Kapelle noch sieben Altare
und sechs grossere oder kleinero Figuren; auch ein skizzenhaftes Modell eines
Mithrasbildes wurde hier gefunden.
Unser Bildwerk nahm als Altarplatte den kleinen Chor fast ganz ein;
es besteht aus einer festen Umrahmung und einer Mittelplatte, welche durch
zwei Zapfen sich um eine Mittelaxe drehen und so auch die Riickseite zur
Anschauung bringen liessen, was sonst nicht moglich gewesen ware.
Auf dem Hauptbild hat sich Mithras mit fliegendem Mantel auf den Stier
geschwungen, dem er mit der Linken in die Nustern greift und den er, mit dem
rechten Fuss auf den des Stieres tretend, bandigt, um ihm das Schwert in den
Hals zu stossen. Ein aufspringender Hund hilft seinem Herrn und will das Blut
des Stieres lecken. Der hochgeschwungene Schweif des Tieres endet in drei
Ahren; auf dem Mantel sitzt ein Rabe. Unter dem Stier sehen wir eine Vase,
eine Schlange und einen Skorpion, denen ein kleiner Lowe ruhig zuschaut.
Rechts und links dieser Darstellung stehen Knaben mit Mantel und phrygischer
Mutze. Sie haben hier und uberall auch auf andern Denkmalern, wo sie vor-
kommen, die Beine gekreuzt und eine gesenkte oder eine erhobene Fackel in
Handen. Hinter dem mit erhobener Fackel steigt ein Baum auf, in dessen
Laubwerk sich eine Schlange zeigt.
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214 ftaum lit
tJber diesem Hauptbild w6lbt sich im Korbbogen der Tierkreis, gleichsam
den Sternhimmel vertretend, so wie er auch bei uns noch dargestellt wird;
doch beginnt er wie das Jahr und die wieder erwachende Natur mit der
Tag- und Nachtgleiche, dem 20. Marz und dem Sternbild des Widders; es
folgt am 20. April der Stier, dann die Zwillinge, der Krebs, und mitten in der
heissesten Jahreszeit, vom 23. Juli bis 23. August der Lowe, dann die Jungfrau
und symmetrisch gelagert eine andere Jungfrau, welche die Waage halt; dann
der Skorpion, der Schiitze in Gestalt eines Centauren, der Steinbock, der Wasser-
mann und endlich vom 20. Februar bis zum 20. Marz, das Jahr abschliessend,
die Fische.
In den beiden Zwickeln des Bogens sehen wir Mithras als Jager zu
einemManne aufsteigen, welcher vor einer Felsgruppe, einer Mithrasgrotte, kniet.
Hieriiber breitet sich ein langliches Rechteck, welches durch drei Baume
fur vier Darstellungen abgeteilt ist: einen aus einem Baume herauswachsenden
Mann; Mithras, wie er den Stier, vor welchem eine Schlange flieht, an den
Hinterbeinen gefasst hat und hinter sich herschleppt; Mithras, wie er die
Strahlenkrone des Sonnengottes beruhrt; endlich eine knieende Gestalt, welcher
Mithras die Hand reicht.
Damit ist das Hauptbild skizziert und wir wenden uns zu dem Rahmen,
welcher dasselbe als breite Leiste an alien vier Seiten umzieht. Derselbe
zeigt auf seinen vier Ecken die gefliigelten, zum Teil blasenden Kopfe der
vier Hauptwinde. Der obere, wagrechte Rahmen ist wieder durch Baume abge-
teilt und zeigt links den herbeieilenden Mithras, welcher vom Sonnengott ein-
geladen wird, den mit zwei Pferden bespannten, aufwarts fahrenden Wagen
zu besteigen. Rechts im zweiten Bilde sehen wir die Mondgottin ihren Wagen
abwarts lenken. Wir mogen darin die Andeutung von Morgen und Abend
erblicken.
Die beiden senkrechten Rahmenstucke sind in je vier Bilder geteilt,
welche mit Profilkopfen beginnen und endigen. Den ersten deuten wir als
Flora, den letzten als Isis; die ubrigen versuchen wir nicht zu deuten.
Wir kommen nun zur Ruckseite der einst drehbaren Platte, welche
bei der Auffindung im Acker nach oben lag und zumal in ihrem obersten
Drittel durch die Pflugschar beschadigt worden ist. Wir erkennen hier nur
noch Uberreste des kurzen Gewandes und die Fiisse eines Jagers, welcher von
Wild und Hunden umgeben, auf dem flachen Gewolbscheitel steht, unter dem
das zweite Hauptbild sich gruppiert. Es zeigt den getoteten Stier, hinter
welchem wie eine Trophae die phrygische Mutze, von einer Strahlenkrone um-
geben, aufgerichtet ist. Daneben und hinter dem Stier steht auf der einen Seite
eine bekleidete Figur mit dem Jagdspeer in der Linken, wahrend die Rechte dem
auf der anderen Seite stehenden Mithras eine Traube anbietet. Dieser, durch
die Miitze, den fliegenden Mantel und das Jagdhorn gekennzeichnet, scheint
die Gabe abzulehnen. Auch in diesem Bilde nehmen zwei Genien die Seiten
ein, doch halten sie nicht Fackeln, sondern Korbe voller Friichte.
Durch den Tierkreis und durch die in den anderen Darstellungen thatigen
Wesen werden wir auf den Himmel und auf die dortigen Vorgange den Eintritt
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RauDi in. 215
der Sonne in jene Sternbilder hingewiesen und deren Einfluss auf die Erde
und das Menschenleben angedeutet.
Wenn durch den Stier die Erde und durch ihre VerwunduDg durch den
Pflug im Fruhjahr ihre Fruchtbarkeit erweckt wird, bo sehen wir auf der
Ruckseite die Erzeugnisse des Feldbaues fiber der Erde, d. h. fiber dem hin-
gestreckten Stier dargebracht. Nach Vollendung der Sommermonate, wenn die
Sonne in das Zeichen des Schutzen tritt, beginnt, im Gegensatz zu dem Ackerbau,
der zur hoheren Gesittung fuhrt, das Jagerleben, das auf der Kehrseite des
Bildes, in den Zwickeln uber dem Tierkreis und in den oft dargestellten Hunden
vertreten ist. Unter dem Stier bewegen sich die sonst in der Erde versteckten
Skorpion und Schlange , als schadliche Tiere. Feindlich und verfiihrerisch wie in
der Mosaischen Sage zeigt sich die Schlange in dem Baume des Lebens hinter dem
eine Fackel emporhaltenden Knaben. Dem auf dem Mantel sitzenden Raben
m5chten wir wie in der nordischen Sage auch hier die weissagende und be-
ratende Rolle zuteilen. So wenig wir imstande sind, die ganze Bildersprache
dieses merkwfirdigen Denkmals zu deuten, ja so wenig wir uns anmassen, auch
nur eines jener Bilder mit Sicherheit erklaren zu konnen, so leuchtet uns doch
aus ihrer Symbolik eine hohere Weltanschauung, ein reinerer Glaube entgegen,
als sie der Gotterverehrung der Griechen und Romer innewohnt; und wir ffihlen,
dass der Mithrasdienst einem Bediirfnis entgegenkam, das erst das Christentum
befriedigen konnte.
Demselben Ideenkreise gehoren die meisten Bildwerke an, welche sich
in den erwahnten Mithraen und deren Umgebung gefunden haben:
ft. 8. Genien mit Fackeln.
4. 5. Manner, welche aus Baumen oder Felsen wachsen.
6. Ein kleiner Lowe.
Daneben Kopfe mit phrygischen Miitzen von zerschlagenen Figuren her-
ruhrend, Weihealtare — unter ihnen ein minimaler
7. Votivaltar: der Fortuna geweiht durch Tacilus, Reiter der ersten
Flavischen Miliarala; auf seiner Riickseite Mithras, welcher den Stier hinter
sich herschleift.
8. Ein anderer, sechseckiger Altar, welcher fast die Einrichtung eines
Kochherdes zeigt, indem seine Opferschale sich zu einer trichterformigen Offnung*
vertieft, welche zu einem viereckigen Hohlraum im Steine fiihrt, der nach
der einen Seite offen ein Pfannchen enthielt. Seine Inschrift lautet: DEO IN-
VICTO MITHRAE MARCVS TERTIVS SENECIO PECVNIA SVA POSVIT
und sagt uns, dass Marcus Tertius Senecio diesen Altar dem unbesiegten Gotte
Mithras auf seine Kosten gesetzt hat.
9. Ein hiibsches Weihebild zeigt uns Minerva, Vulkan und Merkur und
daruber die Brustbilder der Gotter der sieben Wochentage.
10. Denkstein mit folgender Inschrift: KARVS TAVNENSIS MONITV
DEI POSVIT LVBENS LAETVS MERITO : Karus, ein Bewohner des Taunus-
iandes hat auf gottliches Geheiss den Weihestein gern und freudig und nach
Gebiibr gesetzt.
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216 Raiim III.
11. Inschrifttafel auf einem dreieckigen, ein Portal darstellenden Stein,
den Muttergottinnen gewidmet.
In Anschluss an den Mithraskultus verdient eine kleine Platte No. 46
im Schrank VI noch besondere Erwahnung, welche statt einer Zeichnung das
Modell eines Mithraischen Altarbildes uns erhalten hat. Sie enthalt, wie es
scheint, die wesentlichsten Darstellungen dieses Kultus. Die Platte besteht aus
Colombino, einer italienischen Marmorart, aus welcher die Alten Tafeln fertigten
und mit typischen Darstellungen der Gotter-, Troja- und Aeneassagen den Schul-
kindern in die Hande gaben. Vergl. Griechische Bilder-Chroniken von Otto Jahn,
Bonn 1873. 4°.
Recht8 und links der Thfire in der nordlichen Wand sind drei Stein-
bildwerke aufgestellt, Tiere darstellend, welche ein anderes Wesen fiberwaltigt
unter sich liegen haben.
12. Lowe uber einem Manne; Pundort unbekannt.
13. Schwein mit einem unterliegenden Mann, aus dem RSmerkastell bei
Liitzel-Wiebelsheim im Odenwald; und weiterhin an der Nordwand
14. ein mit einer gewissen Virtuositat ausgeffihrter Lowe, welcher ein Wild
zwischen den Vordertatzen halt. Ein langliches Loch im Rucken des Lowen
zeigt, dass er einst mittelst der eisernen Keilvorrichtung eines Wolfes auf
einem hoheren Standort aufgestellt worden war. Ob derselbe in Heddernheim
oder aber in der Saalgasse von Wiesbaden aufgefunden worden ist, bleibt zweifelhaft.
tlberwaltigungsgruppen dieser Art sind sowohl im rSmischen als auch im christ-
lichen Altertum vielfach aufgestellt worden; man hat sie in dem einen Fall
als Siegesdenkmale einer als machtiges Tier symbolisierten Legion oder sonstigen
Truppenkorpers, auch wohl des Imperators selbst fiber einen niedergeworfenen
Germanen gedeutet, in den spateren Fallen aber wohl auch als eine ideenverwandte
Darstellung des hornen Siegfried oder auch des St. Georg mit dem uberwundenen
Drachen erkennen wollen.
Im Anschluss hieran, weil ebenfalls in dem Kastell Liitzel-Wiebelsheim
gefunden, sei
15. ein halberhabenes Bildwerk erwahnt, welches eine in einem Tympanum
stehende Victoria darstellt.
Rttmische Eisenindustrie.
Wir haben bei Betrachtung der Fundgegenstande in Raum I bereits
darauf hingewiesen, dass die Bronze schwieriger und deswegen spater als das
Eisen bereitet und verarbeitet worden sei.
Die Alten erzeugten das Schmiedeeisen nicht wie wir aus Roh- oder
Gusseisen. Sie kannten dieses nicht, da sie die Hitze, die zu seiner Schmelzung
notig ist, nicht hervor zu bringen imstande waren, weil es hierzu kraftiger,
durch Wassergefalle, spater durch Dampfmaschinen bewegter Blasebalge oder
Geblase bedurfte, fiber welche sie gleichfalls nicht verfugten.
Erst seit dem 15. Jahrhundert versteht man Gusseisen aus den Erzen zu
schmelzen und zu giessen und aus dem Gusseisen Schmiedeeisen zu machen.
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Raiim III. 217
Die Bereitimg des Schmiedecisens geschah in alteren Zeiten in kleinen
Wolfs- oder Rennherden. Es waren dies 50 cm weite und etwa 1 m hohe,
in die Berg- oder Schlackenhalde etngesenkte Vertiefungen, welche im Boden
derartig von Steinen umstellt waren, dass zwischen letzteren 3 oder 4 Winddiisen
einmiindeten; die Wande selbst waren mit Lehm bestochen. Diese Ofen wurden
mit dera klein geschlagenen Eisenerz und etwa viermal soviel Holzkohlen
beschickt und durch Blasbalge aus Tierfellen mit Hand- und Pussbetrieb in Glut
versetzt. Das Ergebnis war zusammengesintertes Eisen, welches durch Hammern
von den Schlacken befreit und zu einem zweispitzen Korper, der Rohluppe
oder der Qans zusammengeschweisst wurde. Diese Ganse, in der Schwere
von 4 bis 5 l /s kg, waren durch diese Form am leichtesten transportabel und
dadurch am besten fur den Handel geeignet. Die Schlacken aber blieben bei
dem sehr mangelhaften Verfahren noch so eisenhaltig, dass sie in unserer Zeit
wie Erze yon neuem yerhuttet werden.
16. Am ersten Fenster der Ostwand liegt eine Anzahl solcher Luppen.
Dennoch brachten die alten Waldschmiede sehr respektable Leistungen zu-
stande, wie
17. ein bei der Saalburg gefundener Ambos zeigt (Gypsabguss). Ein solcher
Ambos entstand durch das allmahliche Zusammenschweissen jener kleinen
Luppen. Da man nun Stucke solcher Ambose, sowohl in den Resten der nahen
Waldschmiede am Dreimuhlenborn r als auch in den romischen Heizanlagen der
Saalburg eingebaut gefunden hat, so geben sie Zeugnis, dass schon zur Zeit
der Romer diese Eisenindustrie hier betrieben worden ist. Im iibrigen belehrt
uns die Form dieser Ambose, dass dieselben nicht wie heutzutage aus einem
schweren Eisenklotz auf einem Holzblock bestanden; sie waren nogelformig und
steckten zur Halfte im Boden, in welchen der Sage nach Siegfried einen solchen
mit einem Hammerschlag ganz eintrieb; — eine Kraftprobe, welche vor unsern
Ambosen niemanden einfallen, noch weniger gelingen wurde.
17 a . Grosses Bruchstiick von einem grossen Ambos.
18. Schlacken und Eisenstucke vom Dreimiihlenborn. Beck und
v. Cohausen: Beitrage zur Geschichte der Eisenindustrie. [Annal. XIV, 317
u. XV, 124 mit Abbildungen.]
An der Nordwand in Schrank XI
sind romische Werkzeuge und Geratschaften aus Eisen aufgestellt.
a) Landwirtschaftliche Gerttte.
19. Schippen und Eisenbeschlage von holzernen Schippen.
20. Breithacken.
21. Karste.
22. Sense.
28. Schmale Sichel. Im Gegensatz zu der kurzen und breiten von Bronze,
mit welcher man nur die Ahren abschnitt.
24. Hippe.
25. Eggenzahne.
15
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218 Raura III.
26. Kulter oder Sech, darttber eine Pflugschar.
27. Wagenbeschlage.
28. Ringe zur Verbindung der holzernen Brunnendeicheln.
29. Radlune.
30. Fleischhaken.
31. Zahlreiche Glocken aus Eisenbleeh; sie zeugen vom Weidegang der
Herden.
32. Rodhauen.
33. Gartenhacken.
Zum Fischfang dienten:
34. Fischlanzen und Dreizacken mit Widerhaken.
b) Handwerkliohe Gerttte.
35. Grosse und kleine Dexel (Querbeile); vielleicht auch Schusterhammer (P).
36. Schmiedezangen.
37. Meissel.
38. Beile.
39. Kellen mit eisernem Griff. Die romische Mauerkelle ist klein und
nicht zum Schopfen, sondern nur zum Vorstreichen des Mortels geeignet.
40. Senkel.
41. Axte.
42. Streifaxt.
43. Verschiedene Zirkel; einer aus Bronze mit der Inschrift: IONINCI.
44. Messer zum Lederschneiden.
45. Kleiner Ambos.
46. Nagel verschiedener Form und Grosse.
47. Schifferhaken.
48. ThonschlSgel fur Topfer.
49. Pfahlspitzen.
Daneben an der Ostwand:
50. Zwei Kesselhaken. Die sageformigen, welche man jetzt noch 'hie
und da auf dem Lande findet, seheinen erst spater in Auinahme gekommen
zu sein.
51. Zwei Feuerschieber, zur Regulierung des Feuers und des Warmeab-
zuges in den Hypokausten (Heizraumen).
BSmische TSpferei.
An der Westwand im Schrank V sind Fabrikate romischer Topferei
zusammengestellt.
Die romischen Topfer verarbeiteten zunachst weissen, gelblichen, rotlichen
und roten Thon.
1. Weisser Krug von Wiesbaden.
2. Gelblicher Krug vom Niederrhein.
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Raum IN. 219
3. RotHcher und
4. roter Thonkrug.
Natiirliche Thonarten, welche im Brande andere lebhafte Farben, wie z. B.
blau, griin oder schwarz annehmen, giebt es nicht.
Wohl aber wussten die romischen Topfer durch Zusatze die Thonmasse
zu verandern. Zunachst durch Rotel (rubrum), wodurch sie ein schones lebhaftes
Rot nach Art der Terra sigillata, oder die Terra sigillata selbst darstellteD.
5. Roter Krug mit konischem Mundansatze von Bingerbruck.
Oder sie hemmten den Luftzutritt beim Brande, wodurch sie das Feuer
erstickten, den Brennraum mit Rauch erfiullten und so durch Einschwalen eine
grauschwarze Farbung erzielten.
6. Entsprechende TJrne von Bingerbruck.
Oder die Thonmasse wurde durch Zusatz von Sand verandert, weniger
plastisch, aber feuerfester gemacht; ein Beispiel giebt:
7. kleine TJrne, oder vielmehr Kiichentopf von Bingerbruck.
Oder endlich liebten sie vulkanischen Sand und vulkanische Schlackenteile
beizuraischen, der beim Brand etwas schmolz. Die Natur dieses Zusatzes: Sand
mit Augit oder glasigem Feldspath -r- Krystallen und Glimmern, giebt uns auch in
der Feme einen Fingerzeig tiber die Herkunft soldier Topferei und verweist
dieselbe in die Qegend, in welcher dieser Sand der Eifler Vulkane abgelagert ist.
8. Kleiner, mit vulkanischem Sande durchsetzter Topf.
Die Romer liber fa rbten manchmal die noch ungebrannte Ware.
Sie farbten sie rot, um sie der Terra sigillata ahnlicher zu machen, indem
sie die Gefiisee in einen dunnen roten Brei eintauchten, „zumpten u oder „ango-
bicrten"; oft sieht man noch die funf Stellen der Finger, welche das Stiick
hielten.
9- Ein derartig behandeltes Stiick, bei welchem sich die tlberschlemmung
fast ganz verloren hat und die schlechte Masse zu Tage tritt.
10. Gefass mit gut erhaltener, glfinzender Uberschlemmung.
11. Kumpe mit geraddertem Reife aus einem 1825 bei Kastel aufge-
fundenen Grabe. Man erkennt an derselben die Fingerspuren.
12. Die Farbung ist auch wohl mittelst Pinsels in Form eines Reifes
aufgestrichen.
13. Krug mit gekniffener Miindung, mit einem wilden, rotlichen und
dunkelbraunen Muster.
14. Krug, im Jahre 1823 einem Grabe bei Kastel entnommen. Er lasst
erkennen, wie er mit Hulfe eines Schwammes durch' Betupfen und Beplatschen
gefarbt worden ist.
Oft wurde das Gefass vor dem Brennen ganz oder teilweise mit einer
schwarzen, feuerfesten Farbe ubergossen.
15. Eine derartig behandelte Urne, welche fiber ihrer durch Schwalung
gewonnenen grauen Farbung die Ubergiessung mit einer tropfenformig abfliessen-
den, schwarzen Farbe erkennen lasst. Diese Farbung geschah mit Thon und
gemahlenen eisenreichen Schlacken, wie sie in den damaligen unvolikommenen
Waldschmieden ubrig blieben.
15*
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220 Raum III.
16. Gefass mit rauhen Tkonkornern bestreut, um leickter festgehalten werden
zu konnen.
17. In Sknlicker Weise wurden die Gefasse mit Glimmerbl&ttcken bestreut
und ihnen dadurck eine Art von Vergoldung gegeben; aucb wurden, wie die
beiliegenden Scherben zeigen, bei derartigen Topfereien runde Punkte von innen
aus getrieben, vielleicht um den Goldglimmer hierdurck besser zur Geltung
zu bringen. Kaiser sprickt in seinem Oberdonaukreis II, 81 vom „Goldfirnis u
der Gefasse von Gnotzkeim, der wokl gleicker Natur war.
Eine Farbung durcb Grapkit, welcke in Niederbayern und Salzburg vor-
kommt, ist am Rkeine unbekannt. Die Sckwarzfarbung gesckiekt am Rkeine
nur durck Einsckwalen oder durck einen Beguss.
Die Herstellung der Tkonwaren gesckak bei den Romern, wie
18. deutlick erkennen lasst, durck Aufdreken auf der Topfersckeibe.
Die Gefasse wurden nicbt gereifelt und erkielten keinen eingekniffenen Fups
wie spater gebraucklick war; sie wurden wie keutzutage mit dem Drakt von
der Sckeibe abgescbnitten, was kaufig zu erkennen ist.
19. Die kalbtrockenen Stiicke wurden „abgedrekt" mit Meisseln oder
angcsckarften Bleckstreifen.
20. Abdrekung bis zu ausserordentlicber Peinkeit und Dunne.
Oder aber die Gefasse wurden in Gyps- oder Tkonformen kergestellt.
21. Eine derartige Form; in welcke die Tkonkucken auf der Topfersckeibe
fast eingedriickt wurden.
Der Gestaltung nack untersckeiden wir folgende kauptsacklicke Formen:
22. Teller mit Rand.
28. Offene Sckalen.
24. Kumpen.
25. Trickterformige Tassen in mekrfacker Grosse.
26. Tassen mit einer Hoklkekle.
27. Tasse mit einem senkreckten Rande.
28. Trickterformige Tasse mit TJntertasse. (Nackakraung aus der Fabrik
von Mettlack.)
Tassen mit Henkel sind selten, wie denn die Romer iiberkaupt bei
ibren Topfereien nickt so kaufig und so kukn angesetzte Henkel, wie die
Franken, anwenden.
29. Reibscbale von Terra sigiilata mit Hoblrand und Ausguss, im Innern
mit eckigen Quarzsteincken bestreut, um darin Korner von Gerste, Mobn etc.
mittelst einer Holzkeule zu zerreiben. Sckalen der Art zum Reiben von Mobn
werden in Scklesien durck ein gezakntes Instrument vor dem Brennen und
Glasieren sckarf und rauk gemackt. Eine solcke ist in Sckrank X aufgestellt.
SO. Desgl. grober, von gewoknlicker Topfererde.
31. Trinkbecker, fast cylindrisck, von Terra sigiilata.
32. Desgl. sckwarz mit aufgespritzter weisser Verzierung und dem auf-
gemalten Zuruf: ave, bibe, vivas, misce, imple, vinum, merum.
33. Trinkbecker in Fassckenform mit Henkel, rot beplatscbt.
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Raum III. 221
34. Salbgefasse, eingefaltelt, wie man das auch bei Glasern findet. Sie er-
fordern eine sehr feine und plastische Masse.
95. Salbgefasse, toils mit Thonkornern bcstreut, toils durch Sand rauh
gemacht, damit man sie auch mit angcfottcter Hand festhalten konntc.
36. Romische Kochtopfc. Sie werden vielfach als Urnen in den Sammlungon
aufgestellt, ohne eine sepulcrale Bedcutung zu haben, selbst wenn sie in Grabern
gefunden werden. Ihr enger Bodcn, auf die Erde oder auf eine Steinplattc
zwischen offenem Holz- oder Holzkohlenfeuer aufgestellt, liess den grosston Teil
der unteren Bauchflache fur die Feuereinwirkung frei. Bei uns besteht das
umgekchrte Verhaltnis, da wir auf untcrfeuerton Eisenplatten kochen und des-
wegen unsern Kochtopfen einen recht breiten Boden geben.
87. Sieb aus hartgebrannter, gelblicher Erde.
88. Urnen.
39. Gesichtsurnen.
40. Blumenvase von Terra sigillata mit Spritzverzierung.
41. Flache Vase fiir Blumen oder Friichte? Sie kommt oft in eben dieser
rohen Form vor, die an jener Benutzung zwcifeln lasst.
42. Farbentopf? Die enge Offnung in dem tief zuriickgezogenen Oberteil
eignet sich wenigstens fur cin Abstreichen des Pinsels bei Zuriickfliessen der Farbe.
43. Tintenfass aus Terra sigillata, atramentarium, durch den Brand schief
gezogen* Leider ohne bekannten Fundort.
44. Krug mit engem Hals, rot beplatscht.
45. Henkel einer Amphora mit der nach dem Brande eingegrabenen
Inschrift: 3. L. P. VII XIII geschenkt von Herrn Metzger Mayer in der Kirch-
hofsgasse zu Wiesbaden, wo er gefunden wurde.
46. Grabkruglein. (Brongniart bezeichnet diese Gefasse wohl auch richtig
als Rcisekruglein.) Sie finden sich fast in jedem romischen Grabe, daher das
Museum ungefahr 300 derselben besitzt. Einige zeigen Backrisse, sodass sie
nie gebraucht werden konnten und also leer und nur in symbolischer Bedeutung
in das Grab beigelegt worden sein konnten.
47. Ein Wolbtopf fiir Topferofen. [Annal. XIV, 127.]
48. Eine Spritzflasche. Vergleiche Raum II, 157 und 158. [Annal.
XV, 272.]
49. Lampc. Siehe Raum III, Schrank VI.
50. Votivbild einer Mater. Diese Votivbilder sind moistens aus weissem, bei
Vallendar vorkommenden Thon. Raum IH, Schrank VI.
51. Henne, als Kinderspielzeug, von demselben Thon.
Die Ausschmuckung (Dekoration) der romischen Topfereicn geschah
nie durch Malerei, stets nur durch erhabene oder vertiefte Zierrate. Es scheint,
als seien die prachtigen griechischen Vasen ganz aus der Mode oder in Vergessen-
heit gekommen.
52. Entweder waren die figurlichen Ausschmuckungen und Darstellungen
schon veitieft in der Form vorhanden, in welcher das Gefass selbst geformt wurde,
und sie nun erhaben wiedergab; oder
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222 Raum III.
58. sie wurden in einer besonderen Form ausgedriickt und aus freier
Hand auf das glatte Stuck aufgelegt.
Die dargestellten Gegenstande waren meist Jagdscenen oder erotische
Bilder, oft auch Statuen unter Arcaden. Sie finden sieh nur auf Kumpen und
sind nach oben durch einen stets gleichen Eicrstab abgegrenzt, iiber welchem
noch der 2 bis 3 Finger breite glatte Rand aufsteigt.
54. Statt der figurlichen Darstellungen findet man oft, zumal auf schwarzcn
Urnen, ein Band von vier Reihen abwechselnd nach links und nach rechts
schraffierter Rechtecke, welche wahrscheinlich mit dem Radchen (Roulette) ge-
fertigt sind.
Eine hiibsche Dekoration ahmt die Schuppen eines Pinienapfels nach. Sie
entsteht, wenn man Thonkugelchen mit dem Finger auf einer Seite flach auf-
driickt.
55. Kleine, schwarze Schale und grossc, graue Urne, welche in dieser
Weise ausgeziert worden sind.
56. Gefasse rait Reliefs, welche mittelst der Spritzflasche erzeugt sind.
Dcssclben Instrumentes bedienen sich noch unsere Topfer als Malhornes, und
in anderer Form, aber bei gleicher Technik, die Zuckerbacker. [Annai. XV,
272.] Es wurden in dieser Werkweise langstielige Blatter, dem Epheu- und
Pfeilblatt ahnlich, hochbeinige, langgeschwanzte Vogel,. Jagdstucke mit Hasen,
Hirschen und Rehen von Hunden verfolgt — selten menschliche Figuren. an-
gebracht. Samtliche Darstellungen sind mit Schwuug und grosster Sicherheit
nicht nur auf Gefasse von Terra sigillata und nigra, sondern auch auf grob-
sandige graue, grosse und kleine Urnen hinge worf en. (Barbotingefasse).
57. Oft sind Streifen, Perlstabchen oder bunte Schraffierungen mit dem
Radchen ausgefiihrt.
58. Unregelmassigc Schraffierung, hervorgerufen durch eine vibrierende Bc-
wcgung des dunnen und flachen Abdrehwerkzeuges. („Raddern u der Topfer.)
59. Wie in der Stcinzeugindustrie des 16. bis 18. Jahrhunderte durch
netz- und rautenformige Einschnitte in das halbtrockene Gefass das sogenanntc
geschnittene Werk entstand, finden wir bei den romischen Topfern die gleichc,
wicwohl seltene Behandlung von TeiTa sigillata.
60. Schwarze Trinkbecher mit weissen Buchstaben (Trinkspruchen), Ranken,
Tupfen und Blumen. Alle sind aufgespritzt und dtirfen trotz ihres Zusatzes von
Rotel, welcher ihnen einen roten Ton giebt, nicht als Malerei betrachtet werden.
Wcgen schwachen Brandes konnen sie leicht abgewaschen werden.
61. Fast ausschliesslich sind nur Vasen von Terra sigillata mit Topfcr-
stempeln gezeichnet. Die vorliegende Schussel ist in Masse und Ausfiihrung gleich
vorziiglich. Glanzend und klingend hart gebrannt und mit dem Radchen und in
Spritzmanier mit Ahornblattern und mit Ranken verziert, wurde sre 1823 bei
Arnsheim in Rheinhessen in einem Grabe gefunden. Sie tragt auf dem Innen-
boden den Stempel SENICIO FE (cit.)
Solche Topfernamen sind meist in eine Vertiefung erhaben eingedruckt, ofter
im Aussen- als im Innenboden. Manchraal sind sie vertieft auf einem Spruch-
band zwischen den Verzierungen angebracht. Sie gebeu iramer die Firma,
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Raum III. 223
meistene nur bei gut en Waren, und finden sich dieselben Topfernamen an den
entfemtesten Orten, sodass wir auf einen sehr umfangreichen Handel im Gebiet
dcr romischen Keraraik schliessen durfen.
So findet sich z. B. der Name Strobil nicht nur in der Umgegend von
Wiesbaden und Mainz, sondern auch in Strassburg, Koln, Xanten, Nymwegen,
London und selbst in Rom und Pompeji und Nordafrika. Und der auffallige
Umstand, dass noch in unseren Tagen eine Topferfamilie Strobel in der Unter-
maingegend lebt, deren Vorfahren immer Topfer gewesen, legt die Vermutung
nahe, dass die Urahnen dieser Familie in den erwahnten Topferstompeln schon
genannt sind.
Lcider ist uns die Fabrikationsweise der Terra sigillata-Gefiisso heute eine
noch unbekannte; wir konnen den matten Glanz der schoncn Ware noch nicht
nachahmen. Obschon man Formen genugsam gefunden hat, in welchen solchc
Gefasse gebildet wurdon, und trotz zahlreich aufgedecktcr romischer Topferofen
in Wcstcrndorf, Heidelberg, Rheinzabern, Heddcrnhcim und an anderen Orten
ist an diesen Stellen nebcn vcrschicdencr anderer Topferei wohl feinc schwarze
Ware, aber noch menials Terra sigillata gefunden worden.
62. Gefass mit Sgraffiti, Schriftzugen, welche nach dem Brande einge-
kratzt wurden. Wahrscheinlich bcdeuten diese Aufschriften meistens den Namen
des Bcsitzcrs, so z. B. die eines Schcrben, welcher in eingekratzter, archaischer
Schrift als Besitzerin die Centime des Maxi Ripani — M/\XI RIPANI zeigt. Er
wurde im Kastell von Wiesbaden gefunden.
63. Henkelkriiglein aus weisscm Thou, durch den Brand schief gezogen,
mit kanneliertem Bauche und dem misslungenen Versuche einer grunlichgelben
Glasur aus kupferhaltigem Bleioxyd. Dcrartige Glasierungen finden sich auf dem
rechten Rhcinufer sehr selten, was dafur spricht, dass sie iiberhaupt nicht vor
dem Ende des drittcn Jahrhunderts am Rhein eingefuhrt worden sind. Ua-
gegen kommen in Trier und Koln (und in Pompeji selbst 79 v. Chr.) grun
und blau glasierte Terracotteu, sowic rotglasierte Lampen vor. (Siehe Terra-
cotten Pompcji's von H. v. Rhoden 1880.) Das Kriiglein ist in Wiesbaden
in dem Totenfclde sttdlich von der Artilleriekaserne um 1830 gefunden worden.
Das Museum besitzt ein ahnlich geformtes, aber nicht glasiertes Gefass von
Heimershcim in Rhcinhessen.
64. Zwei kleine Kriige, reichlich mit Rauten und Blumen verziert aus einem
Grabe bei Heimersheim. Form und Verzierung auffallend.
65. Weisses Kruglein in Form eines Pinienzapfens.
66. Brauner Trinkbecher aus einem Grabe bei Kastel.
67. Leuchter (?) von roher Masse und Arbeit. Ein haufig vorkommendes,
wenig zerbrechliches Stiick, welches mit einer Votivkerze besteckt, mit mehrercn
reihenweise in die entsprechenden Locher einer Latte eingesetzt und auf diesc
Weise im Sacellum (der Kapelle) aufgestellt war.
68. Kumpe mit Relief, eine schlechte Nachahmung von Terra sigillata,
da die rote Uberfarbung fast iiberall verschwunden ist.
69. Kleine Schiissel und Teller, mit dem Schwamme rot iiberfarbt, beide
in einem Grabe bei Kastel gefunden.
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224 Raum III.
70. Schiisselchen, nur auf seiner oberen Seite rot uberfarbt, wahrend die
untere Flache roh geblieben ist; aus Heddernheim.
71. Amphorenhenkel mit Maske, dunkelrot uberfarbt, Innenflache roh
belassen.
72. Zweihenkliger Krug mit kegelfBrmiger Mundung, mit dem Schwammc
rot uberfarbt; aus Bingerbriick.
78. Schwarz eingeraucherte Tasse von Terra sigillata; aus eincm Grabe
von Kastel.
74. Schono kleine Schale von schwarzer Farbe (Bingerbriick); in ihr drei
schwarze, metallisch glanzende Scherben.
75. Trinkbecher, durch das Radchen mit Reifen verziert, schwarz uberfarbt,
in der Masse rot.
76. Zwei Schusseln mit weit eingeschlagencm Hohlrand; gute Arbeit von
unbekanntem Zwecke. Das schwarz geschwalte wurde in Eastel gefunden, das
rote in Wiesbaden, sudlich von der Artilleriekaserne.
77. Cylindrische Trink-, vielleicht auch Wurfelbecher, lebhaft rot iiber-
farbt, vom selben Fundorte in Wiesbaden.
78. Schwarz iiberfarbtes Salbgefass, dunn, scchsfach gefaltelt und mittelst
des Radchens verziert.
79. Feiner schwarzer Trinkbecher, mit dem Radchen verziert, aus cinem
Grabe bei Kastel.
80. Rotes, trinkbecherformiges GefSss, schon auf- und abgodreht, vor
dem Brande poliert und 6owohl mit dem Radchen, als ausserdem noch aus freicr
Hand mit schraffiertcm Zickzack verziert. Sein obercr Teil ist schwarz uberfarbt.
Stammt aus Andernach, wo diesc Form allein vorzukommen scheint.
81. Wcisse Kanne mit aufgemalten roten Reifen. (Bingerbriick? Eifel?)
82. Echinusformige Farbtopfe von rotem und graurotem Thone, aus Wies-
baden, gefunden bfei der Artilleriekaserne.
88. Tintenfass oder Farbtopf, gefunden in Alzei.
84. Tintenfass aus Terra sigillata, beim Brennen krumm gezogen.
85. Tintenfass von schoner Terra sigillata.
86. Kleine weisse, schwarz iiberfarbte Schale.
87. Reiseflasche in Form eines Fasschens, am Spunde einc Mundung,
mit 2 Henkeln. Sie war rot uberfarbt.
88. Reiseflasche mit kegelformiger Mundung, schon rot, der Terra sigillata
ahnlich, uberfarbt; schief gebrannt.
89. Grauc, schwarz iiberfarbte Urne, sauber abgodreht, mit vier Reifchen
aus schraffierten Rechtecken, gefunden zu Bingerbriick.
90. Kleine, rotschwarz iiberfarbte Urne mit aufgespritzten Schuppen und
Perlen und abgedrehtem Fusse.
91. Weisse, gelblichrot iiberfarbte Urne mit aufgespritzten, spitzen, lang-
stieligen Blattern und Tropfen.
92. Topf aus grauer, sandiger Masse, wie solche fifr Kochtopfe geeignet
ist, mit aufgespritzten, langstieligen Tropfen, gefunden bei Bingerbriick.
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Raum III. 225
93. Topf auf engem Fusse mit hoch aufgespritztor Jagdscene: Hasen,
Rehe und Rehgeis in weisscr, schwarzbraun uberfarbter Masse; aus Bingerbriick.
94. Topf mit engem Fusse, hoch aufgespritztes Jagdstiick: Reh und
Hund; weisse schwansiiberfarbte Masse.
95. Topf auf engem Fuss mit aufgcspritzten, langsticligen Blattcrn und
Tropfcn; von Beulich auf dem Hundsriicken.
96. Terra sigillata-Yase mit aufgcspritzten, langsticligen Pfeilblattern aus
den Grabern bei Zahlbach (Mainz).
97. Schwarzes, kugelffirmiges Gefass mit aufmodcllierten, schwarzen Rippen;
aus Bingerbriick.
99. Kleine Schale mit missgliickter, schwarzcr Uberfarbung und auf-
modellierten Rippen.
99. Zweihenkliges Topfchen von graucr Masse mit weissen, aufgcspritzten
Punkten verziert; aus Bingerbriick.
100. Kleine Urne von sehr guter Terra sigillata mit eigentumlichen, teils
aufgcspritzten, teils modellierten Verzierungen.
101. Graue, schwarz liberlXrbte Urne, mit Tupfen in Hufeisenform
verziert; aus einem Grabe bei Kastel.
102. Graue Urne, in Zickzackform mit Tupfen verziert.
108. Schale von Terra sigillata mit eingcschnittenen Verzierungen; aus
einem Grabe bef Kastel.
104. Rotes, schwa*z iibcrfarbtes Topfchen mit weiss aufgetragenen Wellen
und Tupfen.
Die in den Nummern von 1 bis 104 aufgefiihrten Thonfabrikate gcben
die vorbildlichen Formen und Werkweisen fur die in grosser Anzahl in den
nacherwahnten Schranken enthaltenen romischen Gefasse; namlich:
An der Nordwand im Schrank IV sind zumeist aufbewahrt: schwarze
Trinkbecher, mit und ohne Schrift; gefaltelte und rauh besandelte SalbgefSsse;
Thonformen, Bruchstiicke von Amphoren, zumal von Henkeln; rohe Leuchtor.
Gegenuber an der Slid wand in Schrank VII Reisekruge, grosso und
kleine von verschiedener Form, und ebenso Kannen mit Ausgussmundung.
An derselben Wand in Schrank VIII schwarze und andereUrnen, mit
schraffierten Rechtecken, aufgespritzter Blatter- und Schuppenverzierung. Bc-
achtenswert ist eine schwarze, hohe Urne mit aufgesetztem, hohen Humpcn.
Schrank IX enthalt Terra sigillata-Gefasse aller Art.
Schrank X Tassen aus Terra sigillata mit Untertassen, flache, rohe Vasen,
Reib8chalen und ordinares Geschirr: als Topfe, Teller und Scbiisseln zum
Kuchengebrauch.
Im Schrank VI an dejrWestwand endlich sind aufbewahrt obenThonlampen,
darunter Votivbilder und Kinderspielzeuge aus Thon, Mithraische Bild-
werke, Kopfe aus Marmor, Thonmasken und
zu unterst Gesichtsurnen und Urnen mit eingekratzter Schrift.
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226 Raum III.
Beleuchtungsmittel der Alten.
Die Beleuchtungsmittel im Altertum waren ausscr dcm offenen Herdfeuer
der Kienspahn (ein Spahnhalter im Raum VII), die Pechfackel und Kerze aus
Wachs oder Talg. Letztere wurden auf kleinen Leuchtern gebrannt, von denen
wir oben Beispiele zeigten. Die Kleinheit derselben bewcist uns, dass auch
die Kerzen diinn und klein waren. Oder aber die Kerzen wurden auf einen
Mctallstachcl gesteckt, und hat sich diese Befestigungsweise durch das ganze
Mittelalter, bei Kirchenleuchtern noch bis in die Neuzeit erhalten. Doch gab es
auch Einrichtungen, bei welchen die Kerzen in einen seitlichen Stachel eingedriickt
wurden.
Die zahlreichen Lamp en aus Thon und Bronze, welche sich unter den
romischen Altertumern befinden, belehren uns, dass besonders 01 in grosser
Masse gebrannt worden sein muss. Die Olfriichte Dcutschlands, besonders am
Rheinc, beschrankten sich auf Bucheckern und Haselniisse; Wallniisse sind, ob-
sehon ziemlich zahlreich auf der Saalburg gefunden, dort jedenfalls erst dureh
die Romer eingefiihrt worden. Die eigentlichcn, 01 liefernden Pflanzen, wie Reps,
Hanf und Mohn, sind noch spater importiert, und konnte als einheimische Olpflanze
hochstcns noch der Flachs erwahnt werden. So werdcn wir vorzugswcise auf
das Olivenol hingewiesen. Der Verbrauch des 01s als Beleuchtungsmaterial und als
Salbe zur Hautpflege muss ein sehr grosser gewesen sein, denn zu letzerem
Zweck begann im ersten Jahrhundert erst die Seife — als pilac Mattiacae,
Wicsbadener Seifenkugeln — ihren Weltlauf.
Naturlich war die Beleuchtungsart mittelst Lampe ohne Zug, ohne Cylinder
eine sehr unvollkommene, und mussten ihre Mangel um so unangenehmer
empfunden werden, da man bei kaltem Wetter auch bei Tage die Laden vcr-
schliessen und dadurch die Riiume verdunkeln musste. Von Glasfenstern fanden
wir (Raum II, Schrank II 109) eben die ersten Anfiange, welche die bis dahin
gcbrauchlichen, nur durchscheinenden Tierhaute, die Horn- und Marienglasscheiben
crsetzen sollten.
61. Die Lampen sind sehr mannigfaltig, mit einer, zwei, drei und sclbst
mit sieben Lichtoffnungen und mit Ansatzen, um sic aufzuhangen und um sic
bequem zu tragen. Als Trager fur mehrere dient ein einfacher oder mehrarmiger
Kandelaber. Bei den Lampen besteht der Griff meist aus einem einfachen
Ring oder einem Blatt, einer Buste oder dergleichen. Ihre Form ist meist rund
mit einem vortretenden Lichtschnabel, doch ahmt sie auch einen menschlichen Fuss,
einen Gladiatorenhelm u. dergl. nach. Auf ihrer Oberflache, in welcher sich das
Loch zum Eingiessen des Oles befindet, sind verschiedenartige Verzierungen an-
gebracht: Masken, Laubgewinde, mancherlei scenische Darstellungen oft erotischer
Art; aber auch christliche Embleme, das Kreuz oder der Namen Christi sind beliebt.
Unter der Lampensammlung finden wir in demselben Schranke eine
Reihe von kleinen, kunstlosen Stand- und Votivbildern.
Dieselben sind, meist hohl, alle von weissem Thon, und werden daher
an den Orten, wo dieser vorkommt, in der Rheinpfalz oder in der Gegend von
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Raum III. 227
Vallendar, fabrikmassig gefertigt worden sein; 8ie wurden zur Bekraftigung von
Opfern und Gebeten an Kultusorten, in Terapeln und Kapellen aufgestellt; in
kiinstlerischcn Bezichungen reichen sie nicht entferat an die Figuren von Tanagra.
62. Eine Venus gcnetrix, vicle Kinder unter ihrem Schleier umfassend, um
welche sie vielleicht gebeten wurdc. Andere Venusdarstellungeu ohne dieso
Beigabe sollten vielleicht nur den Besitz einer schqnen Frau ertlehen.
68. Minerva.
64. Vulkan, entsprechend der grossen Eisenproduktion im Rheinland.
65. Mehrere Gcnien mit dem Fullhorn, welche ein Unternchmen, einen Ort
segncn mogen.
66. Statuetten der Matres oder Matronae, schiitzender Erd- oder Mutter-
gottinnen. [M. Ihm in Bonn. Jahrb. LXXXIIL]
67*. Eine Flora oder Pomona.
68. Bcschadigte Figur einer zu Pferde sitzenden Epona und mehrerer, unter
ihren Schutz gestellten Pferde. Diesclbc Epona auf sehr charakteriatisch in Sand-
stein gearbeitetem Pferde steht im letzten Fenster der Ostwand; eine andere mit
zwci Pferden daneben.
69. Einige Pferde und Lowen, ein Pfau und
70. Hiihner, Hahne und Tauben; Hirschc, welche rasscln etc.; in diesen
alien ist Kinderspielzeug zu erkenncn.
71. Bcsonders bemerkenswcrte Statuetten einer Mater, einer Venus und
einer Nymphc, welche bei Ntederbiber an einer Quelle oder einem Quellen-
heiligtum am Fuss des dortigen Kastells gcfunden worden sind.
72. Eine der oft wiederholten Gruppen ist „derLiebendcn Abschied." Von
dcnselben ist eine bei Windhausen auf dem Hundsriick gefutiden und von Frau
von Rosenkranz dem Museum geschenkt worden.
78. Zwerg mit Schriftrolle, angethan mit einem cuculus, Kapuzcnkleid.
74. Mehrere Biisten.
75. Affe und Schakal. Alle aus weisser, gipsahnlichcr Erde.
76. Zwei Serapis- oder Jupiterbiisten mit dem Modius, dem Fruchtmass
auf dem Haupte, der eine von Cervetri, der andere von Rom und geschenkt von
Frau Thierry-Preyer. Sie haben zweifellos als Lampengriffe gedicnt.
77. Maske, in ihrer obercn Partie beschadigt, aber mit rupelhafter Nase.
Sie imig als wirkliche Maske gedient haben. [Annal. V, 11, 35.]
78. Anderweitige Masken, welche wie Phallen undSchellcn an den Baumen
aufgehangt wurden, um ihre Fruchtbarkeit zu befordern. Gesichtsmasken von
O. Bendorf. Wien 1878.
79. Einige Kopfe von Genien mit phrygischer Miitze; einer der Mithras-
kapellen angehorig.
80. 81 u. 82. Kopfe aus Marmor. Ein jugendlicher Hirte; weiblicher
Kopf; behelmter Kopf.
88. Jugendlicher Bacchuskopf von roter Terracotta auf hohem Fuss;
Geschcnk des verstorbenen Dr. Rossel.
84 u. 85. Zwei Kastchen mit Munzgussformen, ohne Zweifel fur Falsch-
miinzerei, da die'^Romer die Miinzen in der Regel nicht gosscn, sondern pragten.
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228 Raum III.
Dieselben sind teils in Heddernheim, toils in Trier zwischen dem Amphitheater
und dem Kaiserpalastc mit etwa 500 Stuck Munzcn gcfunden worden.
86. Das schon oben besprochene Mithras -Mod ell aus Colombino.
Im untercn Fache des Schrankes stehen:
87 u. 88. Gesichts-TJrnen und Urnen mit eingekratzten Inschriften. Die
erstcrcn hielt man einige Zoit fiir eine EigentCimlichkeit aus Pomerellen am linken
Ufer dcr untern Weichsel, allein im hiesigen Museum werden sechs, im Saalburg-
Museum sieben, wenn auch in Brucbstficken aufbewahrt. Ob sie cine tiefere
Bedeutung beanspruchen oder nur cine ungeschickte Verzierung sind, ist noch
unentschieden. Die eingekratzten Inschriften, Sgraffiti, beziehen sich ohne Zweifel
auf die Besitzer der Gefasse.
Auf den Schranken schliesslich stehen viele, zumal urnenartige Gefasse, die
meisten aus Bingerbriick und von Wiesbaden, aus dem Totenfelde sudlich der
Artillerieka8ernc. Si6 sind alle in dcr vorvcrzcichnetcn Mustersammlung im
Schrank IV vertreten.
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Raum IV.
In dem Raum IV befinden sich hauptsachlich romische Bronzen.
Die Bronze der Alten besteht aus 90 Teilen Kupfer und 10 Teilen
Zinn; sie schmilzt leichter, giesst sich feiner, lasst sich besser hammern und
treiben als das reine Kupfer. Durch einen Zusatz von Zinn wird die Bronze
heller und harter. Eine Abart ist das Spiegelmetall, bestehend aus 68 Teilen
Kupfer, 24 Teilen Zinn und 8 Teilen Blei; dasselbe ritzt weiches Eisen. Das
ihm verwandte und haltbare Weissmetall, welches die Romer und Franken zii
Schmucksachen verwendet haben, besteht aus 76 Teilen Kupfer, 7 Teilen Zinn
und 16 Teilen Blei, mit 1 Teil Zink und Eisen. Die gegenseitige Wirkung dieser
Metalle in den einzelnen Mischungen ist noch nicht geniigend erklart. Die
schlechte graue Bronze einer Statue auf der Saalburg enthalt 70 Teile Kupfer,
9 Teile Zinn und 21 Teile Blei. Erst im 2. Jahrhundert n. Chr. lernte man
das Zink benutzen und aus 86 Teilen Kupfer, 2 Teilen Zinn, 1 Teil Eisen und
1 1 Teilen Zink das Messing anfertigen. (Die Kunst, Eisen zu giessen, begann,
wie schon erwahnt, erst im 15. Jahrhundert.)
Unter Einwirkung von Peuchtigkeit oxydiert die Bronze und nimmt eine
griine Farbung an, welche unter Mitwirkung der. Kohlensaure zur glanzenden
Patina, dem Edelrost, wird. Silber, welches nie kupferfrei ist, wird ebenfalls griin
oder schwarz; nur das Gold bleibt blank. Die Patina schiitzt die Bronze gegen
weitere Zerstorung, wahrend beim Eisen unter dem Roste die Zerstorung um
so rascher vor sich geht. Statt des Edelrostes kann sich die Bronze, zumal
wenn sie in Kalkschutt lag, mit einer rauhen, graugriinen Decke liberziehen;
oder sie wird blau, wenn sie inGrabern bei Leichen lag; unter anderen Umstanden
kann sie, nur wenig angegriffen, eine rotbraune Farbung annehmen. Manchmal
bleibt die Bronze auch ganz blank, wenn sie in feuchten Mooren, in Schlamm
von Kloaken oder mit Wasser bedeckt geblieben war, ja sie kann hierbei gold-
glanzend werden, als hatte sie Phosphor auf nassem Wege aufgenommen. In
unserer durch Steinkohlenrauch mit schwefliger Saure erfullter Atmosphare nimmt
die Bronze statt der schonen griinen Patina eine schmutzig schwarze Farbe an.
In sehr mannigfacher Weise verstanden die Alten ihre Bronzen, sowie
die Metalle im allgemeinen, zu behandeln.
Zunachst durch Giessen in Formen, welche aus geeignetem Steinmateriale:
Thonschiefer, Gneis, Lavezstein etc. ausgearbeitet waren. Sie stellten auf diese
Weise ihre Kelte, Dolche, Schwerter, Lanzen und Pfeilspitzen her. Kunstlichere
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230 Raura IV.
und feinere Gegenstande, als Vasenhenkel, Gewandnadeln, kleine und grosse Stand-
bilder modellierten sie und formten dariiber die Gussformen aus Thon. [Annal.
XX, 1.]
Fur die Standbilder war der Guss meist hohl und von grosser Feinheit.
Gegossene Gefasse wurden auf der Drehbank abgedreht, fein profiliert
und erhielten am Boden erhabene Kreise.
Statuen und Reliefs wurden ciseliert; ihre Umrisse, Haare und Gewand-
falten dadurch verscharft.
Durch Gravieren, Punzen und Tremulieren wurden Inschriften, Ranken-
werk und zarte Verzierungen auf den Metallflachen eingegraben.
Man verstand Bleche zu hammern; das Walzen kam erst in unserem
Jabrhundert auf. Ebeuso " wusste man die Metalle zu treiben, d. h. durch
Hammern zu mannigfaltigen Gegenstanden, Ornamenten und Reliefs, ja selbst
zu grossen Standbildern zu gestalten.
Kleinere, wiederholt vorkommende Ornamente wurden durch Stanzen
ein- oder aufgetrieben.
Wenn man auch den Drahtzug, wie behauptet wird, noch nicht kannte, so
verstand man doch durch Schneiden und Feilen Draht zu machen und ibn niclit
nur in edlen Metallen* sondern auch in Bronze zu Filigranen zu zwirnen und
zu Ranken zu verarbeiten, welche in Verbindung mit gekornter (granulierter)
Arbeit auf den zierlichsten Schmuckgegenstanden Verwendung fanden.
Die Alten wussten sehr wohl zu 16 ten; da aber das Lot immer leicht-
fliissiger und daher auch leichter zerstorbar ist, als die zu verbindenden Metall-
stucke, so hat sich jenes im Lauf der Zeiten aufgelost. Und so fmden wir z. B.
zahlreiche und kunstvolle Henkel, welche einst an Vasen befestigt waren, voll-
standig abgelost vor, wahrend diese wegen ihrer dunnen Wandungen leichter als
ihre massiven Henkel zerstort worden sind.
Ausser der Verbindung durch Loten bestand eine viel solidere durch
das Vernieten. Durch feine Locher in beiden zu verbindenden Stiicken wurden
Stifte getrieben und deren Kopfe breitgeschlagen. Diese Stifte bestanden ent-
weder aus Drahtstiickchen, oder es waren Hohlnagel oder Wickelnieten, d. h.
tutenformig gespitzte Blechabschnitte, welche in derselben Weise vernietet wurden.
Sehr haufig geschah die Verbindung mittelst des Splintes, eines einerseits mit
einem Kopfe, andrerseits mit einem langlichen Querloch versehenen Bolzens, welcher
durch Eintreiben eines Keiles in sein Querloch scharf angezogen wurde.
Die Schraube war den Alten zwar auch bekannt, wie chirurgische Tn-
strumente aus Pompeji und gewisse armbrustformige Fibulae aus Fundstucken
am Rhein erkennen lassen, allein sie dienten noch, und zwar noch fur laiige
Zeit, niclit als Verbindungsmittel, da sie nicht mittelst einer Hulfsmaschine,
sondern miihselig mit der Feile hergestellt wurde.
Die Alten verstanden zu vergolden und zu versilbern, sowohl mittelst
aufgelegter Blattchen von Goldschaum, als auch im Feuer mittelst Quecksilber.
In gleichem wussten sie zu plat tier en, indem sie namentlich feine Silber-
tafeln auf das blanke, geringere Metall auflegten und festpressten ; sie haben
diese Methode bei iljrer offiziellen Falschmunzerei oft angewandt.
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Raura IV. 231
Vielfach wurde von den Romern und nach ihnen von den Franken das
Niellieren ausgeiibt, d. h. das Einschmelzen einer schwarzen Masse in die
kunstlich erzeugten Vertiefungen eines zu verzierenden Silber-, seltener Bronze-
stuckes. Das Niello ist eine Verbindung von Schwefel mit Silber, Kupfer und
Blei, welche durch ihr tiefes, glanzendes Schwarz mit dem weissen Silber, z. B.
der frankisehen Gewandnadeln, einen schonen Gegensatz bildet. Der Hildes-
heimer Silberschatz weist keine Schmelz-, aber viele Niello -Verzierungen auf.
Mit dein Plattieren steht im nachsten Zusammenhange das Tauschieren,
bei welchem Blattchen, Streifen und Drahte von Silber oder Bronze als Ornamente
in die Oberflache des Grundmetalles eingelegt und festgehSmmert wurden. Diese
Kunst erreichte bei den Franken eine hohere Bliite als bei den RSmern.
Geradezu unerschopflich sind die aus solcben verschlungenen Riemen und Linien
gcbildeten Verzierungen, welche die. Gewandnadeln und Gurtelbeschlage der
Franken zieren. Da aber das weisse Silber auf dem blanken Eisen nur einen
geringen Effekt machen kann, ist zu vermuten, dass der Eisengrund nicht hell,
sondern durch eine Oxydation entweder blau angelaufen, oder, weil diese
Farbung nux wenig haltbar war, briiniert wurde. Auch in Hyderabad in Indien
werden die sogen. Bidriwaaren zunachst aus einer grauen Zinkkomposition
gegossen, darauf werden Ornamente eingraviert, Silberfolien werden aufgelegt
und eingehammert, wobei die Folie sich an den gravierten Randern abschneidet,
wahrend sie sich in die Vertiefungen fest einlegt. Dann wird das Zink schwarz
geatzt, wobei das Silber selbst weiss bleibt. So etwa werden wir uns auch die
Anfertigung der frankisehen Gurtelbeschlage aus silbertauschiertem Eisen zu
denken haben.
Die Verzierung der Metalle mit Schmelz haben wir schon bei Raum II be-
sprochen; wir werden auf ihre verschiedenen Arten unter 11 St — 125 zuriick-
kommen.
Ostliche Wand. Schrank XII.
1. Ein romisches Feldzeichen (signum), teils Eisen, teils Bronze; gefunden
bei Schlettstadt im Elsass. Die Zeichnung einer Rekonstruktion (von Blell)
daneben. Ein ahnliches Feldzeichen im Musee d'artillerie zu Paris ist abgebildet
bei Demin, Kriegswaffen, pag. 203.
2. Kanne aus Bronze, kanelliert; getriebene Arbeit aus Heddernheim.
9. Krater (Mischkrug) aus Bronze; der Rand mit gravierter Darstellung von
Eroten und Seeungeheuern, gefunden zu Heddernheim und deshalb besonders
merkwiirdig, weil sich in romischen Grabern bei Haven in Mecklenburg unter
anderen ein ganz ahnlicher und fast gleich verzierter Krater gefunden hat.
[Mecklenb. Jahrb. XXXV, 145 u. XXXVII, 209.]
4. Rand eines ovalen Bronzegefiisses mit flach erhabenen, gegossenen und
ciselierten Jagdscenen, Masken, Baumen und Grenzsaulen; Fundort Heddernheim.
5. Oinochoen, Schenkkruge. Das eine Exemplar (6570) bei Urmitz unfern
Koblenz gefunden, das andere aus Italien. Am Henkelansatz unten eine Palmetto,
oben ein Paar Panther. Solche OinQchoen haben sich in ziemlicher Anzahl in
vorromischen Grabhiigeln auf dem Hundsriicken im Hochwald, eine bei der
Fasanerie unfern Wiesbaden und anderwarts diesseits der Alpen mit ihren Bei*
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232 Raum IV.
gaben gefunden. Sie weisen auf etruskischen Handel und die la T£ne-
Kultur hin.
6. Kanne in Form eines Junglingskopfes; wahrscheinlich Nachahmung einer
Antike. Der Angabe nach aus Pompeji.
7. Kannen, cassis, zum Teil mit schonen Henkelansatzen, aus Heddernheim,
Kastel und Oberingelheim.
8. Zahlreiche Bronzehenkel, welche, da sie massiv gegossen sind und
angelotet waren, sich besser als ihre zugehorigen GefSsse erhalten haben. Sie
bieten zum grossen Teile schone, nachabmungswerte Muster.
9. Bronzeschiissel.
10. Leuchter (candela), fiir diinne Wachs- oder Talgkerzen. Nur bei
wenigen hat sich die eingelotete Tiille erhalten.
11. Lampen. Die meisten aus Bronze, zwei von Eisen. Eine sieb^n-
flammige mit silbernen, tauschierten Sternen. Die Griffe teils halbmondfSrmig,
teils in Blattform. Die Lampen sind teils geschlossen, teils offen; oft mit An-
satzen zum Aufhangen an einem Kettchen, daran ein Schiirhaken (arcus) (21);
eine andere mit eiserner Stangenkette.
12. Kandelaber zum Aufstellen oder Aufhangen von Lampen; einer
mit vier Taubchen; ein anderer in Gestalt eines auf einer Schildkrote stehenden
Kranichs.
18. Zwei Votivtafelchen zum Aufhangen in einem Heiligtum (sacellum)
aus der Nahe von Mariaborn unfern Mainz. Die Inschrift des einen:
MARTI LEVCETIO
T TACITVS CENSORINVS
V. S. L. L. M.
und des anderen:
CVRTEUA PREPVSA
MARTI LOVCETIO
V. S. L. L. M.
sagt uns, dass dem Leucetischen Mars T.' Tacitus Censorinus und (seine FrauP)
Curtelia Prepusa diese T&felchen zur Losung eines Gelubdes gern und freudig
und nach Gebiihr weihten.
14. Votivanhanger mit elf Kinderfiguren (davon einige restauriert); ge-
kauft in Rom und von Frau Thierry-Preyer dem Museum geschenkt.
15. Harnischspangen, welche auf das leinene oder lederne Gewand auf-
genaht wurden.
10. Pfannenstiele, alle in derselben vorliegenden Form.
17. Vasenhenkel mannigfachster Art.
18. Bronzeschellen (tintinabulum); meist viereckig (wie auch die eisernen
fiir die Herden). Sie wurden als Votive an die Baume gehangt zur Beforderung
ihrer Fruchtbarkeit und zum Verscheuchen der Vogel.
19. Vasenhenkel und Fusse.
20. Zwolfflachiger Wurfel (?), Pentagon-Dodecaeder. Zwei Bruchstiicke
und der Gipsabguss eines guterhaltenen Exemplares aus Leyden, geschenkt
von Herrn Dr. Lehmann daselbst.
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Raum IV. 283
21. Lampe mit Kettchen.
22. Grosse und kleine Siebe. DaruDter ein solches aus einer halben
persischen Raucherkugel und einem antiken romischen Stiel vom Handler
zusammengesetzt und so belassen. r
23. Pfanne oder richtiger Schopfkelle und 9ieb, genau zusammenpassend,
ein haufiges Vorkomnien. Sie wurden zusammen in den Mischkrug (Krater)
eingetaucht, in welchem der Wein mit Wasser und wohl auch Gewurzen gemipcht
war; daraufwurde dasSieb abgenoramen und in die Untersatzschale gelegt, mit
der Kelle aber der Wein in den Schenkkrug (oinochoe) oder direkt in die
Becher (poculum) oder Schalen (cantharus) der Zecher eingegossen.
24. Untersatzschalen und Schusseln.
25. Randstuck einer Bronzeschiissel mit getriebener Verzierung in Masken-
manier, von einem Grenzwallkastell bei Dalkingen, geschenkt von Herrn
Professor C. M. Kurtz in Ellwangen.
26. Vier Schopfloffel, bestimmt, kleine Mengen Fliissigkeit aus Gefiassen
mit enger Miindung zu entnehmen.
27. Flache Bronzebiichse, darin 18 bunte Spielmarken (latrunculi) von
Glasfritte; kleine Glocke, innen durchdie Nahe der Leiehe blau gefiirbt; Hasseln
einer Tambourine (tympanum); eine Trinkschale und ein Becher, beide von ge-
schwarztem Thon. Samtliche Gegenstande fanden sich als Beigaben eines romi^
schen Grabes auf dem Hauptstein zu Mainz.
28. Olla, Kochtopf, von Bronze, innen verzinnt, mit drei Griffen, einem
Auslauf und einem Halbdeckel.
29. Amphora von Bronze mit beweglichem Henkel, dessen Enden schnabel-
formig auslaufen und in ahornblattformige Osen greifen. Sie steht in einer
Schiissel (lanx).
30. Einige gegossene, dreibeinige Bronzckessel, wie sie auch durch das
ganze Mittelalter und sptiter aus Gusseisen bis zur Gegenwart gefertigt wurden.
Auch in Thonmasse war diese Form beliebt.
SI. Kugelformiger getriebener Bronzekessel.
Siidwand.
32. 33 u. 36. Drei Glasrahmen mit beinernen Haarnadeln, welche —
wie noch heute in der Gegend von Bellinzona — von den Frauen facherformig in
die Haare des Hinterkopfes gesteckt und mit diinnen Strahneu umflochten wurden.
Sie gehoren zu den allerhaufigsten Fundstiicken aus der Romerzeit und scheinen
daher der Landestracht eigen gewesen zu sein. Sie kommen weder vorher, noch
nachher in der Frankenzeit vor.
34 u. 35. Glasrahmen mit einer Anzahl von Vasen- und Kastenhenkeln.
Wir haben bereits unter 8 uber dieselben gesprochen und sie als kuustgewerb-
liche Motive empfohlen.
37# Gebeine eines wilden Kaninchens, welche sich in einer Bratpfanne
(6647) im Schutte eines Hauses bei Heddernheim vorfauden. Man konnte sich
ausmalen, wie der Besitzer just vor der Mahlzeit durch einen chattischen Uber-
fall von seinem Braten verscheucht wurde.
16
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234 Raum IV.
Zwischen Schrank und Thiir der Westwand
zwei sich nach Zeit und Herkunft sehr fernstehende Dreifiisse von Bronze.
88. Romisch-etruskischer Dreifuss, im Jahre 1851 bei Saarbrucken ge-
funden und von der Feuerversicherungsgesellschaft Colonia dem Museum verehrt.
89. Chinesischer Bronze-Kessel , welcher als Opfervase — Ting — zum
Kultus der Voreltern diente. Die flachen Reliefs zeigen phantastische, kon-
ventionell behandelte Wolken und Blitze, sowie zwei Augen (gelbes oder geheimes
Auge) eines in der Verzerrung seiner Formen kaum zu erkennenden Tigers,
durch welche vor unmassigem Essen gewarnt werden soil, damit man statt
dessen besser iiben konne : die funf Tugenden, der Wohlthatigkeit, Gerechtigkeit,
Sittenreinhcit, Redlichkeit und Klugheit. Die Vase gleicht, obschon reichlicher
verziert, einer solchen in Wien befindlichen, welche dem Jahre 1428 v. Chr. zu-
geschrieben wird. [Mitt. d. osterreichischen Museums v. Pr. Lippmann, 1870.]
Schrank XIII.
In dem Schranke XIII sind vorziiglich kleine Bronzestandbilder der
romischen Zeit und der Renaissancezeit aufgestellt; letztere sowohl ffir sich,
wie auch als Kopien bekannter antiker Bildwerke von Interesse.
In der obersten Reihe stehen Bronzegusse von Tieren, sowie einige schmiede-
eiserne, menschliche Gestalten. Von ersteren haben
40. 41. Pferd und Esel am meisten archaischen Charakter.
42. Eine eiserne Eidechse mit Inschriften in hebr&ischen und in lateinischen
Buchstaben, crstere ubersetzt: Ihr seid verdorben, letztere aleamatatox ffir uns
ohne Sinn. Vielleicht zur Ausftihrung von magnetischen Zauberkfinsten.
48. Der bartige Mann, das Weibsbild und der Teufel — letzterer aus
Bronze — mogen als Ornamente an Schmiedearbeiten der Renaissance oder spater
gedient haben, und erinnern an sardinische Falsifikate.
44. Zweite Reihe mit kleinen Brustbildern , Magken, Caryatiden und
Atlanten, welche als Schmuck und Griffc an romischen Mobeln, oder auch als
Gewichte gedient haben mogen.
45. Bronzegewichte fiir einschalige Wagen.
40. Kindlicher Kopf von guter, antiker Arbeit.
Die dritte Reihe wird durch antike oder der Antike nachgebildete Statuetten
eingenommen.
47. Priapus, als Gott der Fruchtbarkeit.
48. Alter Fischer oder badender Greis — ein im Altertum hauflg dar-
gestellter Vorwurf.
49. Speerwerfender Meleager mit Eberhelm.
50. Trajan als Imperator und Redner.
51. Nackter Krieger, nur behelmt, auf baumendem Rosse den Speer werfend.
52. Marcus Aurelius nach dem auf dem Platze vor dem Kapitol stehenden
antiken Original, welches schon 1187 am alten Lateran und 1583 von Michel
Angelo auf dem jetzigen Platze aufgestellt worden ist. Das Original war ver-
goldet; Reiter und Pferd haben Portr&tahnlichkeit. — Daneben zwei kleine
Nachahmungen.
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Raura IT. 235
58. Der rSmische Ritter Marcus Curtius, der sich in den Erdschlund sturzt.
In der vierten Reihe sind Faunen, Genien, Victorien und Herkulesstatuetten
aufgestellt.
54. Sitzender Faun mit FQllhorn und Muschelschale. Ein genau gleiches
Stiick wurde 1771 in Trier gefunden und war in der Renessischen Sammlung
aufbewahrt. Ob antik oder Renaissance? Charakteristisch fur die Faunen sind
die Bocksfusse, wahrend die Satyrn in menschlicher Bildung mit spitzen Ohren
und einem kleinen Pferdeschwanz dargestellt wurden.
Hieran schliessen sich zwei weitere Faunen, wahrscheinlich aus Italien.
55* Mehrere Genien, insbesondere Darsteliungen des Genius loci, des
Schutzgeistes eines Ortes oder einer Genossenschaft. (6733 im Kastell Wiesbaden
gefunden.)
56. Genius, wohl auch als Ceres (?) Abundantia oder Concordia — wie
solche auf Munzen vorkommen — gedeutet.
57. Ein Pocillator oder Pincerna, Schenkknabe. Er eilt mit dem Calix,
der flaohen Trinkschale, und dem Rhytion, dem unten offenen Trinkhorn, herbei.
Ganz ahnliche Figuren finden sich in Florenz und im British Museum.
58. Bacchus oder Bacchant.
59. Zahlreiche Statuetten von Herkules mit Keule und Lowenhaut; oft
fehlt die Keule. Ein Herkules mit dem Apfel der Hesperiden.
00. Zwei Victorien, geflOgelt-schwebend; die eine auf einer schwankenden
Kugel stehend, die andere mit dem Sieges-Kranze.
61. Funfte Reihe mit Darsteliungen yon Amor, Merkur, Kriegern und
Athleten*
62. Mercur mit dem geflugelten Petasus (Filzhut) und dem Geldbeuiel;
besonders haufig vertreten.
68. Romischer Krieger in der Idealtracht der Trajanssaule.
64. 65 u. 66. Ein Imperator als Redner; ein kleiner Mars; ein Athlet.
Das folgende Fachbrett zeigt:
67. Kleine Statuetten der Venus, die eine nach dem Vorbild der
Medizeischen Venus in Florenz (ein Werk des Kleomenes in parischem Marmor).
68. Venus von Bronze, an mehreren Stellen durchbohrt, wahrscheinlich
zu einer kleinen Wasserkunst gehorig.
69. Venus oder Nymphe mit erhobener Rechten und gesenkter Linken.
70. Venus mit Delphin.
71. Venus libitina mit gesenkter Fackel, als Vorsteherin bei Leichen-
feierlichkeiten.
72. Venus und Adonis.
78. Zierliche weibliche Gewandfigur. Muse.
74. Flora.
75. Pandora.
76. Madchen mit Blumen und Fruchtkorbchen, nackt und nur mit
Kopfputz.
77. Dahinschwebender Greis als Symbol der flttchtigen Zeit.
78. Actaeon oder Apollo.
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286 Raam IV.
79. Apollo.
80. Juno auf Sockel mit der Inschrift: JUNONI REGINAE PLATEA DEX-
TRA EUNDI NIDAM TITUS VETERIU8 ATTESSA8 ET SEXTU8 MASCIU8
CONCESSUS DEDICANDO FECERUNT.
81. Abguss ernes etwas grosseren Bronzesockels, daneben gefunden (das
Original im Mainzer Museum). Seine Inschrift lautet: JOVI OPTIMO MAXIMO —
PLATEAE DEXTRAE EUNDI NIDAM - ADJUTORI SEXTUS - LIBERALIS
8PERATUS - ET AMM0NIU8 SE - CUNDANUS MILITES - DE 8U0
FECERUNT.
Dieser Sockel trug also ein kleines Standbild des Jupiter. Beide Stttcke
fanden sich in Kastel, wo ohne Zweifel rechts der Romerstrasse, die nach
Nidda fuhrt, ein beiden Gottern geweihtes Heiligtum stand.
82. Jupiter mit dem Fulmen (Blitz).
88. Der Dornauszieher (Original im Vatikan).
84. Junger Hirt einschenkend.
85. Dreieckige Bronzeplatte und Bruchstucke einer ahnlichen, dem Jupiter
Dolichenus geweiht. Der Beiname Dolichenus ruhrt von der alten syrischen
Stadt Doliche her, unfern dem Euphrat in der Provinz Commagene gelegen,
dem Aushebungsbezirk der 1. flavischen Cohorte, welche auch am Rheine stand
und ohne Zweifel den heimatlichen Kultus dahin mitgebracht und verbreitet hat.
Jupiter steht, mit der Rechten die Doppelaxt schwingend, und in der Linken
das Fulmen haltend auf einem Stiere. Unter ihm steht auf einer Hirschkuh die
Juno Dolichena mit dem agyptisehen Sistrum. Beide Figuren sind von zahl-
reichen Sinnbildern : Sol und Lunus, Sonne und Mond, der im syrischen Kultus
ein Mann ist, und anderen umgeben, wie es die im 2. und 3. Jahrhundert
eingerissene Glaubensvermengung mit sich brachte, und wie wir dieselbe auf
zahlreichen Altaren und Votivsteinen dargestellt finden.
Die Bronzetafeln wurden 1842 bei Heddernheim gefunden und vom Herzog
von Nassau dem Museum geschenkt. [Vergl. Jupiter Dolichenus, Bonner Winkel-
mannsfest 1852. Annal. Ill, 3 176 u. IV, 390. Seidel: Uber den Dolichen-Kultus,
Wien 1854.]
Daneben, von einem Holzr&hmchen gehalten
86. Bruchstuck einer Bronze tafel: eines Militar-Diploins. Dasselbe
wurde 1839 im Kastell zu Wiesbaden an der Stelle des jetzigen stadtischen
Krankenhauses gefunden und von Dr. Rossel, Annal. V, 1 beschrieben und erklart.
Es besteht aus zwei Bruchstiicken, welche zusammen etwa die Halfte
einer ganzen Tafel ausmachen. Zwei solcher Tafeln waren mittelst einer durch
die Locher gezogenen und besiegelten Schnur (oder Drahtes) fest verbunden;
eine Kopie ihres Inhaltes war in Rom auf dem Kapitol niedergelegt. Die Tafel
enthalt folgendc, durch anderweitig bekannte Diplome zu erganzende Inschrift,
welche wir deutsch wiedergeben, nicht ohne auf die grosse Anzahl der Hiilfs-
truppenkorper (nicht Legionen), von welchen wir die Mehrzahl in den Limes-
kastellen vertreten linden, aufmerksam zu machen, deren Veteranen nach 25 Feld-
zfigen der Kaiser Trajan zugleich entliess und ihnen und ihren Frauen (aber stets
nur einer) das romische Biirgerrecht verlieh.
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Raum IV. 287
„Der Iraperator Caesar, des vergotterten Nerva Sohn, Trajanus, der Beste,
der Erhabene, der Germanische, Dacische, Partische. Oberster Priester, mit
tribunicischer Gewalt zum 20. Mai, Imperator zum 13. Mai, Prokonsul, Konsul
zum 6. Mai, Vater des Vaterlandes,
hat den Reitern und Fussgangern, welche gcdient haben in zwei Reiter-
regimentcrn und in 17 Cohorten, die da heissen:
1. die I. Flavische gedoppelte;
2. die I. der Scubuler und
1. die I. der Germanen, romischc Burger;
2. die I. Flavische der Damascener;
3. die I. der Ligurer und Hispaner, romischer Biirger;
4. die der romisphen Burger;
5. die I. der IturaeerP;
6. der aquitanischen Veteranen;
7. der I. aquitanischen BiturigierP;
8. der I. thracischen, romischc Btlrger;
9. der II. Augusta von Cyrenaica;
10. der II. des hispanischen? Fussvolkes;
11. der II. ratischen, romischc Biirger;
12. der III. vespasianischen Aquitaner?;
13. der III. des delmatischen Fussvolkes;
14. der IV. der Aquitaner;
15. der IV. der VindelicerP;
16. der V. der Delmater;
17. der VII. der Rater;
und stehen in Obergermanien unter dem Befehl des Kanuleio? welche, nachdem
sie funfundzwanzig Feldzuge ausgedient, entlassen sind mit ehrenvollem Militar-
Abschied — deren Namcn unten hin geschrieben stehen — ihnen selber, ihren
Kindern und Nachkommen das Biirgerrecht verliehen und Ebrenrechte mit den
Frauen, die sie damals gehabt haben mochten, als das Biirgerrecht ihnen ver-
liehen worden, und wenn einzelne unverheiratet sein mochten, mit denen, die sie
spater heiraten wiirden, iibrigens jedoch fiir je einen nur einmal.
(Am 8. September 116 n. Chr.)
Unter dem Konsulate des Cn. Minicius Faustina und des (unbekannten)
Mitkonsuls.
Fiir die II. Cohorte der Rater, romischer Burger, deren Befehlshabcr
C. Licinius C . . ist.
(Fiir den Fusssoldaten). Cn. Cornelius und Pr . . . . (seine Sohne).
Abgeschrieben und verglichen mit der ehernen Original-Urkunde, welche
hinterlegt ist zu Rom hinter dem Tempel des vergotterten Augustus zur
Minerva.* 4
87. Capricorn, eigentlich Seebock, als Vortragezeichen einer Cohorte der
22. Legion, welche m\t demselben Zeichen auch die von ihr gefertigten Ziegel
stempelte. Gefunden 1834 im Walde bei der Platte. Daneben ein ahnlicher,
aber viel kleinerer Seebock.
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238 Raum IV.
88. Bronzehand mit zwei Seitenringen als Manipelzeichen, gefunden bei
Heddernheim.
89. Eisengestell eines Reiterfahnchens, vexillum, gefunden im Kastoll Zug-
mantel; abgebildet und beschrieben in Eos 8 el's Grenzwehren im Taunus. Strass-
burg 1874.
90. Bleirohren aus der romischen Warmwasserleitung im Schiitzenhof
in Wiesbaden. Sie tragen den Stempel der 14. Legion, welche vom Jahre 12
v. Chr. bis zum Jahre 43 n. Chr. in Wiesbaden stand. Die Rohren sind nicht
wie heute durch Pressen gefertigt, sondern aus einer gegossenen Bleiplatte
birnenformig zusammengebogen und an der Beriihrungssteile durch aufgegossenes,
uberhitztes Blei zusammengelotet.
Inmitten des Raumes steht am Nordrande des Glaspultes
91. ein kleines Bronzestandbild auf einer Drehsaule, eine antike Nachahmung
des „cymbelschlagenden Fauns", dessen Original, dem Praxiteles zuge*
schrieben, sich in den Uffizien von Florenz befindet. Der Faun tritt mit dem
rechten Fusse das Krupezion, wahrend seine beiden Arme und Hande im
Begriff sind, die Cymbeln zusammenzuschlagen. Das Marmororiginal wurde von
Michel Angelo restauriert, und zwar soil er den dabei gefundenen Kopf wicder
aufgesetzt, die beiden Arme aber erneuert haben. Die Hande unserer Figur,
deren Linkc die Cymbel an einer Riemenschlaufe halt, wahrend die Rechtc
mittelst eines Ringes oder Riemens nur fiber dem Zeigefinger mit der Cymbel
vcrbunden ist, lassen vermuten, dass der grosse Meister auch diese Teile vor sich
hatte, weil seine Restauration dieselbe Yerbindung mit den Cymbeln aufweist.
In technischer Beziehung ist unser kleines Standbild von grossem Interesse,
weil es erkennen lasst, wie der innere Thonkern desselben, um den Hohlguss zu
bewirken, mittelst eiserner Stifte schwebend in der Form gehalten wurde. Die
Eisenrostflecken und die Stifte selbst sind an dem Standbild sehr wohl zu be-
merken. [Ausfuhrliches in den Annal. XX, 1 : der cymbelschlagende Satyr.]
In dem Glaskasten in der Mitte des Raumes, zunachst dem Fenster
sind ausgestellt
auf der Ostseite
101. Metallspiegel, teils blank, teils mit Oxyd uberzogen, mit und ohne
Griff, da letzterer haufig aus einem anderen, nicht so sproden Metall gefertigt war
und dann leicht verloren ging. Die Ruckseite ist vielfach mit figurlichen Dar-
8tellungen, welche oft wie auf griechischen Vasen von grosser Schonheit sind,
verziert. Doch sollen derartig verzierte Spiegel noch nie in Deutschland gefunden
worden sein, und auch in Italien nicht fiber 100 v. Chr. zuruckreichen. Der
kleine Bronzespiegel 13289 stammt aus Wintersheim in der Rheinpfalz und
ist ein Qeschenk des Herrn Sanitatsrats Dr. Dettweiler in Falkenstein
a. T., die beiden Silberspiegel 13814 aus Koln, Geschenke des Herrn Wolf
daselbst.
Doch hatten die Romer auch schon Glasspiegel. Uhrglasformige bcfinden
sich in Regensburg; Bruchstucke solcher, so wie das Fragment eines kleinen Plan-
spiegels aus geschliffenem Glase mit Goldfolie wurden auf der Saalburg erhoben.
102. Striegeln, strigillum, von Bronze und von Eisen, um die Haut beim
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Raum IV. 289
Baden zu reinigen, was um so notiger war, als man dieselbe, so Iange man
die Seife noch nicht kannte, mit Fett und 01 salbte.
108. Romischer silberner Loffel aus Mainz. Der Schopfer liegt bei den
romischen Loffeln stets unter der Verlangerung des Stieles. Gabeln werden
so selten gefunden, dass man lange zweifelte, ob die Alton ausser den grossen
Fleiscbgabeln in der Kiiche, solcber sich auch beim Essen bedienten.
104. Quadratisches Steintafelchen. Dasselbe trfigt auf der einen Seite
das Siegel zweier Augenarzte T. Livius und M. Catulus, auf der anderen den
Namen des Apothekers T. Martius Servandus und des nach einem ohne Zweifel
beruhmten anderen Augenarzte Apollinaris benannten Mittels: A T R atramentum
sutorium, d. i. Eupfervitriollosung. Derartige Siegel von Augenarzten kommen
mehrfach vor; man kennt deren 126 oder 127 Stuck.
105. Reibtafelchen yon Glas, in Bronzeblech gefasst, nebst Wasser-
napfchen.
106. Tafelchen yon Marmor, zum Anreiben von Medicamenten oder
Farben.
107. Bronzegriffe und Fusse; nachahmungswerte Muster.
108. Leopardin, welche irgendwie als Griff gedient hat. Aus der Gegend
von Wadern im Hochwald.
109. Bronzeschale mit Widderkopfen, in der Mitte ein Medusenhaupt,
umgcben von Delphinen, Palmetten und Epbeuranken. Angeblich aus Saar-
brucken.
110. Pyxis aus Elfenbein, wahrscheinlich aus einem Kirchenschatz, obschon
selbst noch aus heidnisch-romischer Zeit stammend. Die Darstellung zeigt ein
Gastmahl von drei Personen, welchen ein Diener eine, wie es scheint, frohe
Botschaft, vielleicht aus Agypten bringt, da auf der anderen Seite der Nil
durch einen Sphinx und Papyrusstauden kenntlich gemacht ist.
111. Abguss eines jetzt in Muncben befindlichen Elfenbeinkammes, welcher
einst in Rupertberg und dann in Eibingen bei Riideeheim aufbewahrt und der
heiligen Hildegard (f 1179) zugcschrieben wurde. Der Kamm selbst aber, mit
der Abbildung dreier romischen Krieger und eines Wagenrennens, ist weit
alter und gehort dem 5. oder 6. Jahrbundert an. Derartige Kamme dienten bei
der Konsecration der Bischofe und bei der Einkleidung der Klosterfrauen. [Abbild.
von Hefner. Alteneck I, Taf. 38.]
Auf der Westseite des Glaskastens sind einige (112 — 125)
Email- oder Schmelzarbeiten zusammengestellt, um von alien Zweigen
dieser Technik Beispiele zur Anschauung fur diejenigen zu bringen, welche sich
aus BCichera oder grosseren Sammlungen damit bekannt zu machen wiinschen.
Dass die Assyrer und Agypter nicht nur Gegenstande aus Thon (Ziegel,
Uschebtifigiirchen Raum II, 85), sondern auch aus Metall mit Glas zu uber-
ziehen verstanden, ist durch Funde zweifellos. Diesen Uberzug pflegt man bei
Thonwaren Glasur, bei Metallen Schmelz oder Email zu nennen.
Beide Kiinste gerieten in Yergessenheit. Die Romer machten erst gegen
Ende ihrer Herrschaft am Rhein wieder Versuche, Thonwaaren zu glasieren
und, etwas fruher schon, Metalle mit Schmelz zu verzieren. Die Anregung zu
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240 Raum IV.
letzterem Fabrikationszwcige scheint diesmal nicht von Osten, sondern von den
westlichen Barbaren ausgegangen zu sein, welche an Schtnuck und Schwertgriffen
Gruben aushohlten und mit Schmelz ausgossen (Raum I, 56 u. 57). Daher
finden wir romische Schmelzarbeiten im Westen: in Britannien, Gallien und
am Rhein viel zahlreicher als im Osten und in Italien. In Raum II haben wir
untcr 178 u. 179 eine reiche Auswahl provinzial-romischer, geschmelzter Schmuck-
nadcln ausgestellt.
Schmelz von einiger Dicke bedarf wegen der Verschiedenheit seiner eigcncn
Ausdehnungsfiahigkeit und der seiner Metallunterlage nicht nur eine oberflachliche,
sondern audi eine seitliche Anheftung. Es wurden daher in die zu verzierende
Metallplatte Vertiefungen eingegraben und mit Schmelz ausgefiillt (Gruben-
schmelz, email champleve), oder es wurden zu diesem Zwecke durch aufgclotete
Metallstreifen Zellen fur den Schmelz hergestellt (Zellenschmelz: email cloisonne).
In unserer Gegend, wie iiberhaupt im romischen Nordwesten, finden wir stcts
nur Grubenschmelz.
Die Schmelzmasse bestand aus farbigcm Glaspulver, welches fein gemahlen
in Form von Schlamm in die Vertiefungen gefullt und dem Feuer ausgesetzt
wurde, wobei es zu glanzendem, aber undurchsichtigem Glas schmolz.
Die Schmelztechnik erhob sich bis zu den buntesten Farbenleistungcn uud
dem feinsten, fast mikroskopischen Millefiori- und Mosaikschmelz, verschlechterto
sich aber rasch mit dem Zusammenbruche der Romerherrschaft am Rheine, und
horte hier im 4. oder 5. Jahrhundert ganz auf.
Die ostlichen Volker: Chinesen und Japanesen (wie friiher die Byzantiner)
arbeiten nicht in Gruben-, sondern in Zellenschmelz und uberziehen mit dem-
selben prachtvolle, kolossale Vasen und Schalen. Urn die Art der japanesischcn
Fabrikations^eise zu zeigen, ist eine Reihenfolge von 6 Tellern ausgestellt, welche
die Entwicklung der Email-cloisonne-Arbeit vom Anfang bis zur Vollendung
verfolgen lasst.
114a. Uer kupferne, reingeatzte Teller mit der Zeichnung.
b. Teller mit den aufgeloteten Stegen zur Bildung der Zellen.
c. Die Zellen mit Farbenschlamm gefullt und zum crsten Male ge-
brannt, wodurch sich die Schmclzfarbc senkt.
d. Die Zellen nochmals mit Farbschlamm nachgefullt und von ncuem
gebrannt.
c. Der Teller roh abgeschliffen uud endlich
f. glatt poliert.
Wir machen ausser auf die Schonheit und Reinheit der Farben auch auf
den Goldflimmer in clem griinen Schmelz aufmerksam, welcher durch kleine, aus
dem grunen Kupferoxyd reduzierte Kupferwiirfelchen entstanden ist. Aber
nicht nur Metall, sondern auch Porzellan vcrstehen jene Volker des Ostens als
Grundlage zu nehmen und auf demselben in noch nicht aufgeklarter Weise
die Metallstege zu befestigen und die so gebildcten Zellen mit Schmelz aus-
zufiillen.
Wahrend man in Konstantinopel schon im 10. Jahrhundert prachtvolle
Zellenschmelz-Arbeiten, zumal zu kirchlichen Geraten und Behaltern, anfertigte,
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Raum IV. 241
und diese auch nach Westen sich verbreitetcn (man findet solche z. B. in dem
Kirchenschatz zu Limburg a. d. L.) wurde in Deutschland, namentlich in Koln, seit
dem 11. Jahrhundert in Grubenschmelz gearbeitet, welcher von da nach Frankreich
und besonders nach Limoges gelangte. Hier aber wurde in der zweiten Halfte des
15. Jahrhunderts die seitliche Anheftung des Schmelzes verschmaht und die
ganze Flache des zu verzierenden Gegenstandes mit einem diinnen Schmelzgrund
iiberzogen. Auf diesen wurde sodann, erst grau in grau, spater in alien moglichen
bunten, undurchsichtigen Farben wie auf Porzellan gemalt. (Die Uhrzifferblatter,
sowie das jetzt in Gebrauch gekommene sogen. emaillierte Kochgeschirr gehoren
zu dieser Art der Schmelzbehandlung.)
Diese Darstellungsweise, welche vor allem in Limoges bltthte, fand weite
Verbreitung; die beigelegten kleinen Proben aus Russland, 11260, und aus Ntirn-
berg, 3838, geben nur eincn schwachen BegriflP der weithin geiibtcn Technik.
Eine vierte Art der Schmelzbehandlung finden wir in einem durch-
schcinenden Schmelziiberzug gcgcbcn, durch welchen man den Mctallgrund wie
eine Folic durchscheinen sieht, und alle figiirlichen Erhabcnheitcn mit glanzenden
Farben uberkleidet erscheincn. Email translucide.
Benvenuto Cellini spricht von einer noch weitcren, funften Art von
Schmelzarbeit. Es ist dies der Filigranschmelz, bei welchcm die Maschen cines
Filigrannetzes mit verschiedenfarbigen GlasflCisscn zuge3chmolzen werden, durch
welche das Licht scheint — eine Arbeit, welche nach seiner Angabe sehr grossc
Miihe und Genauigkeit erfordert. Die Reste einer solchen Technik sind in dem
Lockenhalter, 7940, noch zu erkennen.
Von antiken Schmelzarbeiten sind hier ausgestellt:
112. Romischer Pferdeschmuck mit Grubcnschmelz;
118. ein desgleichen, verwittert. — Andere Arbeiten dieser Art finden
sich in Raum II im Schaukasten 179 u. 180.
116. Nachahmung derartiger Arbeiten, geschenkt von dem Fabrikanten
Ilerrn G. Witt in Aachen.
117. Vergoldetes Bronzeschiilchen mit Grubenschmelz. Nachahmung.
118. Nachahmung einer romischen Fibula aus unserem Museum. Beide
Imitutionen sind Geschenke des Fabrikanten Herrn G, L. Ravene in Berlin.
119. Bronzeschale mit Siebausguss, mit Grubenschmelz verziert, aus dem
12. Jahrhundert. Derartige Schalenpaarc, die eine zum Ausgiessen, die andere
zum Auffangen des Wassers, pflegten bei vornehmen Gastmahlen die Pagen uebst
llandtwehl den Gasten darzureichen.
120. Mantelschliessc mit Grubenschmelz, gefunden bei Vucovar in Syrmien
und geschenkt von Herrn Grafen zu Eltz.
121. Chinesische Bronzeschale mit Zellenschmelz uberkleidet.
122. Chinesische Porzellantasse mit Zellenschmelz.
123. Bronzering mit Grubenschmelz.
124. Email- oder Schmelzmalerei. Eine russische Heilige, und eine Rococo-
dame. Auch die Riickseite ist geschmelzt (Gegenschmelz, contre-email).
125. Kleine weibliche Gewandfigur aus vergoldeter Bronze, ziemlich ent-
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242 Raum IV.
blosst, mit einem Almandin auf der Brust und einer Perle ira Haar. Sie ist mit
durchscheinendem Schmelz (email trauclucide) (iberzogen.
126. Zwei sonderbare, herzforraigo Gebilde, welche man far einen Hut-
oder Turbanschmuck halten mochte. Eine Qoldplatte ist mit undurchsichtigem
und durchsichtigem Schmelz und mit innen vergoldeten, gezwirnten Glasrdhrchen
verziert. In ihrer Mitte befindet sich ein stark vortretendes Gesicht mit Satyr-
ohren, aus weissem Schmelz mit schwarzen Augen, umgeben von Palmctten
und Blattern aus blauem und weissem Schmelz, auf welchem griinblaue, rote
und goldene Perlen oder Tropfen sitzen. Die konkaye Ruckseite ist mit einem
Netz von Glasrohrchen uberzogen, in welchen feiner Messingdraht steckt und
sie vor dem Zerbrechen schiitzt.
1J87. Schlafenringe: Spiralringe, einer von Gold mit Schmelz verziert, zwei
andere von Silber, ebenso im ostlichen Deutschland wie in Griechenland, Troja
und Etrurien bei den Leichen in der Nahe der Schlafe gefunden und deswegen
Schlafenringe oder Lockenhalter genannt. [Helbig, Homerisches Epos, IV.]
128. Hochinteressanter Goldschmuck, w&hrend einer Reihe von Jahren
nach und nach in den Besitz des Museums gekommen. Derselbe besteht zunachst
aus einem Pectorale, welches ahnlich wie das der Hohenpriester auf der Brust
getragen wurde. Dasselbe ist aus feinem Golde mit tafelformig geschliffenen
Hyacinthen, welche mit einer flachen Goldfolie unterlegt und mit Schwefel in
dem Gehause vergossen sind. Mit den nachfolgenden Gegenstanden im Jahre
1870 in Ilheinhessen gefunden, ist es durch die sassanidische Inschrift: Artachs-
hater d. i. Artaxerxes (226—240 v. Chr.) als persischen Ursprungs festgestellt. Da
nun der Kaiser Alexander Severus, in Syrien geboren, in Persien gegen die
Sassaniden kommandicrte, und 235 in der Gegend von Mainz ermordet worden
ist, liegt der Gedanke nahe, dass der Schmuck ihm als Beutestuck angehort habe
und auf diese Weise an seine Fundstelle gekommen sei. Von derselben Fundstelle
gelangte ins Museum ein goldener Armring, wie wir ebenso gestaltete aus Silber
und Bronze zahlreich aus den frankischen Grabern besitzen, ein aus drei Stucken
zusammengesetzter, hohler, goldener Halsring im Style etruskischen Gold-
schmuckes, eine goldene Fib el im Charakter der la Tene-Periode und eine dickc
Bernsteinperle.
Hierzu kommen noch aus derselben Fundstelle 115 vier frankische Gold-
funde; namlich eine schwere Giirtelschnalle mit funf Hyacinthen und ver-
wittertem Schmelze; eine kleinere Goldschnalle mit sechs rautenformigen
Hyacinthen, einekleine Goldschnalle, und endlicheine Goldmiinze von Valens
(gcb. 328, f 378). Der ganze aus vielen Jahrhunderten zusammengetragene Schatz
macht den Eindruck der Kriegsbeute, welche der dort Begrabene aus der PlCin-
derung von Mainz unter Rando im Jahre 367 heimgetragen haben mag.
1589. Zwei ornamentierte Goldplatten, welche mit einer Bronzenadel und
mehreren etruskischen Thonscherben, Raum I 5348—5359, in einem Grabe zu
Worms gefunden worden sind.
130. SchlusB8tuck eines goldenen Arm- oder Halsringes mit Filigran-
spiralen, gefunden im Ringwall der Dornburg.
131. Genaue Nachahmung eines Armringes aus vergoldetem Silber, mit
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Raura IV. 243
Filigran und Granulierimg verziert, durch Herrn Goldschmied Olson dahier
nach einem im Rheine bei Mainz gefnndenen goldenen Originate, angefertigt.
132. Herzformige Amulette aits Serpentin gegen Schlangcnbiss, das andere
von Korallenkalk, Geschenk des Herrn Platzhof dahier.
133. Ein in Silber gefasster Jaspis mit der Inschrift:
Tstvarcap
'oyfraXjiov
Xcjxov 6$a>
[Annal. Vin, 561. Heidelb. Jahrb. 1867, 116. Bonner Jahrb. XLIV, 259;
auch Uias E, 291].
134. Genaue Nachahmung von vier silbernen Gewandnadeln durch Herrn
Silberarbeiter J. Sauer in Homburg v. d. H. nach den auf der Saalburg gefundenen
Originalen gefertigt.
135. Gemmen, Intaglios, Cameen und Binge.
l)ic Alton schliifen ihre Schmucksteinc nicht wie wir mit Facetten, die das
Licht in vielen Flachen brechen, sondern sie liesscn sie entwedcr in der ur-
sprilnglichen Krystallform (z. B. den Smaragd als sechsseitige Saule), oder sie
schliffen, zumal Steine wie Almandine von intensiv dunkler Farbe, zu flachen
Plattcben, oder gaben ihncn cinen rundlichen, muglicben Schliff (caboche). Sie
fassten ihre Steine mit einem rund umlaufenden Rahmen, an dcssen Stelle die
byzantinischen Goldschmiede des 10. Jahrhunderts einzeln stehende Palmetten
anwandten; auch wohl zum grossern Schmuck die Steine auf Stiihlchen oder Pilze
stelltcn. Im 13. Jahrhundert griff man den Stein mit kraftigen, unverzierten
Klauen, statt deren man jedoch auch den iiberstehenden Rand des Kastchens
(chaton) an passenden Stellen zusammenkniff, wie es auch jetzt noch geschieht.
Der Edelsteinschliff ging von ihrer Krystallform aus, z. B. von dem
sechsseitigen Saulchen des Smaragds, oft wurden sie durchbohrt. Auch die muglich
geschliffenen Steine wurden der Lange nach, oder nach der Quere an einem
Ende durchbohrt. Dunkle Steine, wie Almandine und Granaten wurden flach
geschliffen und von den Franken mit gewaifelten Goldfolien, die man irrtiimlich
fur Seidenlappchen ansah, unterlegt. Im 14. Jahrhundert begann man den
Edelsteinen Facen anzuschleifen, die man im 16. Jahrhundert von den Randkantcn
zu den Dachkanten fortsetzte, sodass Rosotten, Rosensteine, entstanden. Im 17.
Jahrhundert begann man durch die Initiative des Kardinals Mazarin den vielfacigen,
modernen Schliff.
Das Hochste leisteten die Alten im Steinschnitt, der Glyphik, der Kunst, die
Steine vertieft, Intaglio als Siegel, oder erhaben (Cameo) als Schaustiick zu
schneiden.
Mittelst ciner rasch rotierenden, runden Eisenblechscheibe, deren wenig
eingehackter Rand mit Diamantpulver und 01 bestrichen wird, werden die
hartesten Steine in Scheiben geschnitten. Mit einem feinen Metallradchen oder
Kolbchen, gleichfalls rasch rotierend und mit Diamantpulver und 01 bestrichen
(sogen. Steinzeichern), werden die feinsten Schriften und die zartesten Vertiefungen
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244 Raum IV.
ausgeschliffcn und die Erhabenheiten ausgespart; bezeichnend fur das Altertum
ist die glanzendste Politur. Die Alten bedienten sich bei der Arbeit eincs klaren
GlastropfeDs oder einer mit Wasser gefullten Glaskugel als Vergrosserungsglases,
welches auch wir zur bewundeniden Betrachtung bedurfen.
Es sind vorzugsweise Carneole, Calcedone, Agate, aber auch verschieden
gefarbte Glasfliisse, welche sic verarbeiteten. Von zweifarbig gestreiften Steinen
oder Glaspasten, Onyxen, benutzten sie die eine Parbschichte zum Grund, die
andere zu den Vertiefungen oder zu den Erhabenheiten.
Unter den ausgestellten Gemmen sind auch einige modern und drei Gips-
abgiisse, darunter einer, der cymbelschlagende Satyr, dessen Bronzestatuette
am Ende des Schaukastens steht.
Im Deckel des Schmuckkastchens liegen folgende Gemmen: Intaglio in Glas-
paste: vier trauernde Personen, dabei eine feine unleserliche Inschrift; desgl.
der Borghesische Fcchter; Carneol-Intaglio: jugendlicher Kopf; desgl. weibliche
Gewandfigur; desgl. cine nackte Figur mit fliegendem Mantel unterstutzt eine
andere 7965, mit der Inschrift: AAMON; Intaglio in Paste: Laokoon; Carneol-
Intaglio: Amor mit Pfeil und Bogen vor einem Dreifuss; Paste: Paris, Schrift
nicht entziffert; Onyx, auf grunem Grundc, weisse Intaglioarbeit: drei Pferde;
desgl. schwarzes Intaglio auf weissem Grunde: gekronte mannliche Figur mit
Stiefelchen und Geissel; weisser Stein 7972: CXTHE VV; blaue Paste: behelmter,
bartiger Kopf; desgl. weiblicher, verhullter Kopf; grune Paste nebst zuge-
horigcrn Gypsabgusse: weibliche, an eine Saule gelehnte Gcstalt, in der Hand
Helm und Speer; gelbe, auf der Hinterseite facetticrte Paste: kahler, bartiger
Kopf; Onyx nicolo Intaglio: Aesculap und Hygiea beschutzcn ein Kind, gefunden
an der Zahlbacher Schanze bei Mainz. Gipsabgiisse von Camcen: cymbel-
schlagender Satyr; ein Stier; ein gefliigelter Genius, welcher vier Pferde bandigt.
Ausserdem ein Bronzescheibchen mit Amor und Hund und der Inschrift: la
fidelite me guide, und Kessel mit Kanne: Periculosa societas, gefunden am Mapper-
hof und geschenkt von Herrn Schultheiss Gerheim in Weilburg.
Ausserhalb des Schmuckkastchens liegen:
186. Camee, 40 a 32 mm, als Medallion gefasst. Weiblicher Kopf mit
Diadem und verschleiertem Hinterhaupte: Domitia.
187. Camee 50 k 45 mm, aus dunkelgrunem Jaspis; die Hinterseite konkav
geschlifiFen. Auf der Vorderseite ein Eber, unter welchem ein kleiner Hund
springt.
188. Bruchstuck einer Camee aus Calcedon. Auf unebenem und un-
reinem Grunde eine milchweisse Reliefbiiste des jiingeren Drusus oder Antinous.
189. Intaglio in Bergkrystall: weiblicher Kopf mit Diadem und Ahrenkranz.
140. Dreieckig abgerundete Camee aus Aventurin oder einem ahnlichen,
briiunlichen Achat: bartiger Kopf mit Lorbeerkrone im schuppigen Kriegs-
gewande mit der Aegis, auf der Schulter eine Lanze. Ohne Zweifel Probus.
[Vergl. Clarac S. 1063, Fig. 3385.]
141. Bruchstuck einer Glasscheibe mit weissem Rande, Intaglio einer
Amazonenbuste mit Beil,
j^jf
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Raura IV. 245
142. Bruchstiick eines getriebenen , feinen Bronzebleches: ein nackter
Mann und zwei Knaben zwischen gewundenen Saulen, wahrscheinlich einst
als Zierstiick einem Kastchen oder dergl. aufgeheftet; desgl. ein bartiger, be-
helmter Kopf, vor sich eine Gans, jedenfalls von gleicher Yerwendung.
148. Calcedon-Onyx als Medallion in vergoldetes Silber gefasst: Achilles
sitzt init gesenktem Haupte, den Patroclus beweinend, daneben ein Gefahrte,
an eine Saule gelehnt; hinter ihnen zwei Krieger yor einem Grabeingaog.
Modern.
Eine zahlreiche Sammlung von Abgiisscn von Cameen wird in dem
Schranke unter diesem Schaukasten aufbewahrt.
144. Kleine, goldene Statuette, 15 mm hoch, Amor? auf Marmorsockel,
gefunden in Wiesbaden auf dem Heidenberg.
145. Calcedon-Rundwerk: Osirisbuste mit Hieroglyphen auf Marmorsockel,
wahrscheinlich romische Arbeit. Aus dem Museum Borgia in Veletri, spater
in die Gerning'sche Sammlung iibergegangen.
146. Griinliche Thonstatuette des Gottes Bes, 1821 bei Weisenau ge-
funden.
147. Verschiedene Perlschniire: facettierte Carneole und Smaragdsaulchen,
getrennt durch blaue Glasperlchen; Stangenperlen mit kleinen Kugelperlen auf
Draht gefasst; blaue und gelbe Kugelperlen auf Draht gezogen; duukelblaue
Linzenperlen.
148. Anhangebuchlein von vergoldetem Silber. Auf den Deckeln: Quem
queremus adjutorem nisi te sanctus et immortalis. — Media vita in morte sumus
in eo sanctus fortis sanctus Deus, je flinf mit Silberklauen gefasste facettierte
Almandine. Im lnnern die Patrone St. Georg und St. Katharina und auf sechs
silbernen Blattern die Leidenswoche des Heilandes.
149. Gagat-Trauerschmuck; vier Glieder eines Halsbandes und eine
Haarnadel, gefunden bei Bingerbruck, romisch.
150. Bronzenadel mit Vogelchen; Elfenbeinnadel mit Goldknopf; goldene
Kette 580 mm lang mit viereckigen Schaken, gefunden in einem romischen Grabe
bei Kastel.
151. Auch unter den Fingerringen tragen viele geschnittene Steine.
Viele Ringe sind fur sehr dtinne, andere fur verhaltnissmassig breite Finger
berechnet. Von Alters her waren bei den Romern eiserne Ringe beliebt.
Wir zahlen hier die interessantesten Ringe unserer Sammlung auf:
Silberring mit durchbohrtem, natiirlichen Smaragd;
Ring mit zwei sich umschliessenden Handen;
Massiv goldener Ring, achteckig, kaum fiir den kleinen Finger geniigend ;
Bruchstiick mit Carneol-Intaglio : Dreifuss, eine Wage, zwei Ahren,
ein Beil;
moderner Goldring mit antikem Carneol-Intaglio: Silenmaske;
Bronze mit Intaglio in weisser Paste: Bacchus;
moderner Ring aus Gold mit Amethyst -Intaglio: das Triumvirat;
Bruchstiick eines modernen Goldringes mit Carneol-Intaglio: Abundantia.
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246 Raum IV.
moderner Goldring mit antikem Carneol-Intaglio: sitzende, weibliche Gestalt,
vor ihr ein Krieger mit Schild und Lanze;
moderner Goldring mit Onyx: weissverschleierter, weiblicher Kopf auf
braunviolettem Grunde;
antiker Goldring mit Onyx : auf dunklem Grunde halt eine weisse Hand ein
Ohrlappchen, mit der Beischrift: MNEMONEVE — denk daran;
eiserner Ring mit Carneol-Intaglio: Merkurstab und zwei Fullhorner mit
den Buchstaben: q "3 — OMIT;
Bronzering mit einem Auge von Schmelz;
Eisenring mit Achat-Camee: weisser Hundekopf auf rotlichem Grunde;
Eisenring mit Carneol-Intaglio: Ceres; unter dem Stein ein Buchschen
— ob fur Gift? eine HaarlockeP oder ein Amulet? im Pfahlgrabenwall unfern der
Saalburg gefunden und geschenkt von Herrn Oberforsterkandidat Roth;
Fingerring von Kupfer ausgebessert, mit einem schonen Almandin-Intaglio:
weibliche Gewandfigur;
Goldring mit gezwirnten Leisten und Carneol-Intaglio: Merkur;
Bronzering, sehr eng, mit Carneol-Intaglio: eine erotische Scene;
Goldring mit Onyx-Intaglio: Leda mit dem Schwane;
Eisenring mit Nicolo-Satyrmaske;
ditto mit Intaglio in schwarzer Paste: Capricorn (Cohortenzeichen);
Bronzering mit Carneol-Intaglio: Stier;
goldener Zwillingsring mit blau und weisser Paste;
Goldring mit der Inschrift: QVINTV MARTINI;
zwei enge Spiralringe, Gold auf Bronze plattirt;
Elfenbeinring mit der Venus Kallipygos;
Kupferring, flach und eng, einst vergoldet mit eingraviorter, mannlicher Figur,
gefunden auf dem Heidenberg bei Wiesbaden;
Bronzering mit vertieften Hieroglyphen ;
Bronzering mit Inschrift: 10 VE; desgl. mit MAR, und mit NAI;
Bronzering mit dem christlichen Zeichen PX;
vergoldeter starker Bronze-Fingerring mit Glaspaste, Intaglio unkenntlich;
Bronzering mit Schlussel;
BruchstQck eines Eisenringes mit Intaglio: Krieger auf dem Marsch,
gefunden nordlich der Platte;
Breiter Siegelring mit dem christlichen Zeichen PX und der Inschrift:
AUG. NV VICTORE;
Bronzering; FIRMI;
Goldring mit Carneol-Intaglio: ein Kreuz, durch einen Engel gehalten. Mainz;
ditto: Roma sitzend mit der Victoria auf der Hand.
152. Ohrringe.
Obrringe wurden von den griechischen und den romischen Frauen, ebenso
aber auch von den Germanen bereits vor der Romerherrschaft und von den auf
dieselbe folgenden Alemannen und Franken vielfach, und zum Teil in grosser
Abmessung, Schonheit und Zierlichkeit, getragen.
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Raum IV. 247
Die Romerinnen trugen entweder wirkliche Ringe mit Schlussvorrichtung,
oder nur Haken, welche in die Ohrlocher (fenestra) eingehangen wurden. Die
Ringe sind entweder einfach (inauris), oder es hangen an ihnen noch tropfen-
formige oder anders gestaltete Berloken (stalagmia), welche, wenn sie in einer
grossen Perle bestehen, als Elenchi bezeichnet werden. Hangen an den Ringen
mittelst eines Querstabchens mehrere Berloken, so werden diese Crotalia ge-
nannt, weil sie wie Crotalien, Castagnetten, ein der Besitzerin angenehmes
Gerausch hervorrufen.
Zur Ausschmfickung der Ringe sind Glas mit Polien, Silber- oder Gold-
tropfen, achte Steine, als Smaragd und Carneol, ebenso achte Perlen und Glas-
perlen verwendet.
153. Romische Millefioriperle von besonderer Schonheit, jedenfalls auch
Schmuckgegenstand; sie wurde zusammen mit einem Lampchen im Mainzer
Gartenfeld 1887 gefunden.
Inmitten des Raumes, in einem quer stehenden Glaskasten, in
dessen darunter befindlichem Schranke die alljahrlich nen erworbenen Gegen-
stande zunachst untergebracht werden, sind im vorderen Teile Stiicke von
romischen Pferdegeschirren, im hinteren romische Wagen und Gewichte
niedergelegt. Links liegen Phalerae, Zierscheiben, aus Bronze, welche die
romischen Pferde wie unsere heutigen Fuhrmannsgaule trugen, um durch ihr
Geklingel auf engen Wegen entgegenkommendes Fuhrwerk zu warnen. Sie
kommen jedoch auch in Frankengrabern vor und lassen vermuten, dass sie
wohl auch den Menschen als Schmuck dienten.
154. Bemerkenswerte Bronzescheiben mit dem altertfimlichen, vor-
romischen Trompetenmuster.
155. Bronzeplatten verschiedener Form mit aufgcsetzten Ringen zum
Tragen einfacher oder gekreuzter Rieinen, welche sie wohl auch straff hielten;
einzelne waren vcrmutlich auch als Leitseilringe auf das Kummet oder den
Sattel aufgesetzt.
156. Ganze Kummet-Beschlage aus Bronze und andere nicht mehr zu
bestimmende Geschirrbeschlage und Zierrate. Eiscrne Einlagen in Tragesatteln.
Die Frage, ob die Romer ihre Pferde mit Hufeisen beschlagen haben,
ist von verschiedenen Seiten bejaht worden, teils weil Hufeisen, allerdings der
verschiedensten Form, auf romischen Strassen oder anderwarts bei romischen
Altertfimern gefunden worden sind, teils weil die Romer Huf-Wirkmesser, von
denen ziemlich viele sich gefunden haben, in Gebrauch hatten. Dennoch ist
die Frage zu verneinen; kein romischer und kein griechischer Schriftsteller spricht
von Hufeisen, selbst wo er sich mit dem Pferde und dessen krankem Huf be-
schaftigt; und ebenso zeigt keine antike Pferdestatue ein Hufeisen. Wohl
aber brachten die RSmer zur Schonung des Hufes Schuhe von Binsen (soleae
spartae) in Anwendung und fur kranke Hufe die einem verkQrzten Hemm-
schuh ahnliche (solea ferrea). Dieselben verschwinden mit der Einfiihrung des
Hufbeschlages durch die Franken.
157. Eisernes Huf-Wirkmesser. Daneben der trefflich in der Hand
liegende Bronzegriff eines solchen Wirkmessers mit der Minerva Hippia und
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248 Ranm IV.
dem Adler, beide mit silbernen Augen. Ein weiterer Bronzegriff kann jedoch
auch als Endbeschlag einer Deichsel oder einer Tragstange an einem Tragesessel
gedient haben.
158. Romische Wagen und Gewichte auf der Hinterseite des Glas-
kastens.
Die Romer hatten wie wir zweischalige und einschaligo Wagen — Libra
und Statera, letzterc von uns auch Schnell- oder Balkenwagen genannt, weil
dasselbe Gewicht auf dem Balken verschoben und dadurch die Schwere an-
gegeben wird.
159. Gewichte (aequipondium), von Bronze oder Stein in Form einer
zusammengedriickten Kugel, oder als Einsatzgewicht geteilt. Das Hangegewieht
besitzt oft die Form eines Kopfes und ist sogar nicht selten hohl und mit einem
Deckelchen versehen, sodass es durch eingeschuttete schwere Korperchen nach
Art von Schrotkornern schwerer gemacht werden konnte.
160. Steingewichte von 1, l U und Via Pfund.
Die Balkenwagen finden sich bei weitem haufiger als die zweischaligen.
Sie sind oft zum Zusammenlegen eingerichtet, um sie als Miinzwage mit auf Reisen
nehmen zu konnen.
In dem schmalen Glaskasten an der West wand sind ausgestellt:
161. Anhanger -und Amulete, so wie Phallen.
162. Bullae, (Medaillons) in Lampenform, oftmit Schmelz auf dem Deckel
verziert. Wegen der Locher im Boden, durch welche Schnure gezogen werden
konnten, hat man sie auch fur Siegelkapseln angesehen.
168. Schriftstempel aus Bronze; die Inschrift: DVORV IVLIORVM HE-
METIS ET SOTERICHI, der andere: FLAVII PAVLINI X auf Fusssohlenform
kennzeichnet den christlichen Wanderer. Der dritte: C'A'A'F
164. Desgleichen: VABVRCAEDI, Valerii Burcaedi.
165. Verschiedene Biichschen aus Knochen und Elfenbein, und dergl.
166. Pfeifchen aus Knochen (Tibia des Rehes) mit romischen Altertumern
zusammen gefunden. (Ein weiteres, ganz gleiches in der Hohle Steinkammer, mit
vorromischem Schmuck, zusammen gefunden, in Raum I beschrieben.)]
167. Relief aus Mammutzahn, ein Falsifikat, iiber welches getauscht Otto
Jahn eine schone Abhandlung [Annal. VI 1, 1] geschrieben hat.
168. Wiirfel, welche durch Schwund nicht mehr kubisch sind.
169. Zwei Giirtel aus Bronzeblech mit eigentiimlichen Haken. Der eine,
geschenkt vom Prinzen Emil von Wittgenstein, aus Unteritalien, wahrscheinlich
aus einem griechischen Grabe; der andere angeblich aus Schwanheim, wahr-
scheinlich aber ebenfalls aus Grossgriechenland.
In den an derselben Wand aufgehangenen Glasrahmen befinden sich
170. Grosse und kleine Loffel. Bei stumpfer Form und rundem Stiele
sind sie so klein und flach, dass man vermuten mochte, sie haben nicht afs
EssloflPel gedient, und diese seien von Holz gewesen, daher verschwunden.
171. Spielmarken (latrunculi) von Bein und Glasfritte. Sie sind so haufig,
dass man auch auf anderweitigen Gebrauch : als Knopfe in ein Gewand eingeknopft
und als Rechensteinchen (calculi) fiir den Abacus, das Redienbrett, schliessen muss.
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ftaum IV. 249
172. Rohrstiicke von Bein und Elfenbein, fiber deren Gebrauch als
Scharniere man noch nicht einig ist.
An der anstossenden Nordwestwand.
178 u. 174. Schreibgriffel, stilus, mit deren Spitze man auf Wachs-
tafelchen schrieb und mit derem breiten Ende man das Geschriebeno wieder
ausloschte.
174*. Zwei solcher Wacbstafelchen, (cerae) verbunden, duplices, auch
diptycha; Nachbildung. Man schrieb auf die Tafelchen Konzepte, konnte sie
auch mit einer Schnur umwinden, versiegeln und in dieser Form versenden.
175. Kleine Zange, forceps, zum Ausziehen von Splittern, Nachziehen des
Fadens mit vorgestochenen Locbern, beim Nahen, Ausziehen oder Abkneipen der
Haare; einige zusammen mit sogen. Ohrloffelchen, welche zum Glatten der
Nahte oder Aufstreichen von Salben auf kleine Wunden (z. B. nach ausgezogenem
Dome oder Splitter) gedient haben mogen.
176. Nadeln von Metall und Knochen, sowie Fingerhute, waren im Altertum
weit weniger als in jetziger Zeit in Gebrauch, doch notigte unser Klima die
Romer, auch schon geschneiderte Kleider, namentlich Hosen zu tragen. Die
vorliegenden Dinge sind inmitten romischer Altertiimer gefunden. Feinere Nadeln,
welche es ohne Zweifel auch gegeben haben wird, sind von der Zeit zerstort
worden. Vielfach wird man wohl auch, wie heute noch unsere Schuhmacher,
den Faden mit Schweinsborsten gespitzt haben.
177. Sonden, specilla, zur Untersuchung von Wunden.
178. Spateln zum Streichen von Pflastern und Salben. Beide chirurgische
Instrumente sind sehr haufig und lassen auf oft vorkommende Verwundungen
schliessen.
RSmische SchlKsser und Schlfissel.
179. An dem Eckschrank neben der Thiir der Ostseite sind die
Modelle verschiedener romischer Schlosser zur Anwendung gebracht.
Mit dem Besitze erwuchs auch das Bestreben, sich denselben zu erhalten
und vor Unberufenen abzuschliessen; es fuhrte zur Erfindung von mancherlei
Verschliissen und Schlossern, welche nur durch den Besitzer des Schliissels, mit
dessen Anwendung oft noch geheime KunstgriflPe verbunden waren, geofFnet
werden konnten.
Zur Geschichte der Schlosser und des Schlosserhandwerks liefert unser
Museum reichliche Belege und der XIII. Band unserer Annalen, 135 einige
Vorarbeiten.
Als Hindernis, damit eine Thiir oder ein Deckel nicht ohne weiteres ge-
offnet werden kann, dient der Riegel, welcher sich vor- und zuruckschieben lasst
durch den Schlussel, der seinerseits die Sperrung fur den Riegel und damit
diesen selbst lost und ihn durch eine schiebende oder drehende Bewegung vor-
oder zuriickbewegt. Bei uns ist fast nur noch die letztere Form, der DrehschlQssel
in Gebrauch, wahrend die Romer mehr die Schiebe- oder Stechschlosser fuhrten.
Bei den Schiebeschlossern wird der Riegel durch mehrere bewegliche
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250 Raum IV.
Stempel, welche in bestimmte, im Riegel vorbereitete Lucken einfallen, an seinem
Platze erhalten. Durch den Schlussel aber werden die Stempel aus den Lucken
gehoben und der Riegel frei geniacht, sodass er vom Schltissel vor- oder zurttck-
geschoben "werden kann.
180. Die einfachste Form dieses Mechanismus zeigt das holzerne Schloss
mit gerader Schlusselleiste, wie es auf dem Lande besonders an Garten- und
Scheunenthuren, weil es nicht rostet, noch ublich ist, namentlich auf dem Hunds-
ruck, dem Wcsterwald und Odenwald, in Nordfranken und Siebenburgen,
Norwegen; aucb in Agypten.
181. Holzschloss aus dem Odenwald.
Auf demselben Mechanismus beruht das altere romische Schloss mit den
hakenfermigen Schusseln, von welchen letzterer
182. auch als Fingerring getragen werden konnte.
Die Homer fuhrten auch holzerne Schlosser, zu welchen die
188. groben, eisernen Schlussel gehorten.
184. Das heute noch gebrauchliche Sceckler (Siebenburger) Schloss kann
nur geoflhet werden, indem man mit der Hand durch ein Loch neben der
Pforte hineinfahrt und mit dem Schlussel, der innen hangt oder den man mit-
gebracht hat, den Riegel ergreift und zuruckzieht. Es verlangt dies nicht
bios eine Vertrautheit mit der Einrichtung selbst, sondern auch mit dem Hofhund,
der neben der Thur angekettet ist, und das Beginnen einer fremden Hand nicht
wohl gestatten wiirde. Eine Anekdote in Apuleius Metamorphosen IV lehrt
uns, dass bei den Alten schon eine ahnliche Einrichtung im Gebrauch war.
Durch ein solches — nicht durch ein Schlusseloch — steckte der Rauber die
Hand und bemuhte sich tastend, den Riegel zuriickzuziehen; aber es bekam ihm
iibel, denn der Hausherr stand schon bereit und nagelte ihm mit einem grossen
Nagel die Hand an der Thur fest, sodass die Spiessgesellen ihm den Arm ab-
hauen mussten, urn ihn nicht in Gefangenschaft geraten zu lassen. Dem Modell
haben wir einen antiken lakonischen (?) Schlussel beigegeben.
185. Schloss aus Norwegen mit ganz ahnlichem, wenn auch in anderer
Weise zu gebrauchendem Schlussel; wir verdanken dasselbe Herrn IngvaldUndset.
186. Rdmische Schlussel mit zwei und drei Barten und ausserst kom-
plizierter Form. Oft ist es schwierig, sich von den zugehorigen Schlossern eine
richtige Vorstellung zu machen. Herr Oberst Labes hat zu dem Schlussel 13308
das beigegebene Schloss entworfen und ausfiihren lassen, Herr Dil linger (Wien)
nimmt fflr diese Schliisselform Schlosser mit Sperrfedern an.
187. Mit einem eigentumlichen Haken wird auf agyptischen Bildwerken
Osiris dargestellt; als Schlussel betrachtet passt das Instrument zu dem hierzu
angefertigten Schlosse.
188. Griechische Priesterinnen , KXeiSoo/at, Schliisselhaltende, sehen wir
mit einem bajonettformigen Werkzeug abgebildet oder ihre Grabsteine damit
ausgezeichnet. Es ist mit Taenien (Binden) geschmiickt und man hat es daher
wohl auch fur Spinnrocken gehalten; es ist aber ein Tempelschliissel, der sowohl
den unteren wie den oberen Riegel zuruckschiebt, wenn er die geniigende Lange
besitzt. [Dr. H. Heydemann in Zeitschrift fur Numism. Ill, 113.]
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Ratim IV. ^ £51
In dem Glaskasten an der 6s t lichen Wand sind noch weitere
190. Schlussel und Schlossteile, Schliesskasten, Ziernagel u. s. w., sowie
191. drei Nachahmungen antiker in Heddernheim und auf der Saalburg
gefundener Schlosser aufgelegt, zwei davon Drehschlosser, ein drittes Schiebe-
BClll088.
Wir haben hier noch der Federschlosser zu erwahnen, in welchen das
Hindernis in einer gespannten Feder besteht, welche durch den Schlussel zu-
sammengedruckt wird und auf diese Weise das Schloss ofFnet. Ein solches ist das
192. kleine chinesische Schloss von Messing, welches uns Herr Geh.
Rat Reuleaux mitgebracht hat; ferner
198. Schloss aus ein&n alten Grabe bei Labiau, von Herrn Blell
rekonstruiert und dem Museum geschenkt.
Federschlosser wurden oft als Vorhange- (Vorlege-)schlo8ser, und, in Ver-
bindung mit Ketten, fur Reiseranzen benutzt.
194. Glaskasten mit mehreren alten Fcderschlossern, sowie Bestand-
teilen derselben.
An der nordlichen und ostlichen Wand befinden sich
195 u. 196. in Glasrahmen eine Anzahl mittelalterlicher Drehschlussel,
teils voll, teils hohl, mit mehr oder weniger zierlichen oder praktischen Griffen.
Daneben auch Ringschlussel.
197. In Glasrahmen Riegel und Federn von romischen Schlossern und
sonstige Schlossteile.
198. Grobe eiserne Schiebe- und lakonische (.') Schlussel, etwa fur Scheunen-
thore und Stallthuren.
199. Feinere romische Schiebeschliissel, zuerst ein leistenfiirmiger von
Knochen, auf dem Heidenberg bei Wiesbaden gefunden.
200. Weitere Schlossteile, Schlossbleche und Uberwiirfe.
201. Romische Drehschlussel. Die GriflPe sind von Bronze, raeist recht
zierlich in Form^ einer Palmette, einer Hand oder eines sonstigen Ornamentes,
und samtlich wohl erhalten, wahrend der Schliisselschaft und Bart von Eisen
meistens zerstort ist.
202 u. 203. Zwei Glasrahmen, Ketten mit verschieden gestalteten
Schaken.
Drei daneben an der Nordseite des Raumes pultformig aufgestellte
204. 205 u. 206. Glasrahmen enthalten Beschlagstucke von Thiiren
und Kastchen, Randverzierungen, Schlossbleche, Ausziehringe und Griffe (als
letzterer scheint auch eine Bronzebuste mit silbernen Augen gedient zu haben),
Henkelhaften und Henkel, Fiisse von Kastchen und eine grosse Anzahl von napf-
kopfigen Ziernageln und Splinten.
Der Glaskasten daneben enthalt
210. alten schwedischen Bauernschmuck und dergleichen Stilcke aus
Schleswig, welche wir Herrn Goldarbeiter Olson verdanken.
Daruber an derselben Wand
211. 212 u. 213. eine Anzahl romischer Urnen und Thonlampen,
welche anderwarts nicht untergebracht werden konnten.
IT
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262 Raum IV.
207. Kleinere Fundgegenstande.
208. Verschiedene Funde vom Heidenberg; 209. zwei silberne Fibeln,
ein Kainm, eine Nadel in Beilform, ein Ring mit der Inschrift: PULVERE
ZESAIS .
Auf besonderen Sockeln stehen zwei Marmorstatuetten:
214. Apollo Kitharoedes, wie er im Altertum mit dieser Gewandung und
Beigabe haufig dargestellt wurde, und
215. Mucius Scaevola, wie er die Hand ins Feuer legt.
Auf dem Schranke 14 der westlichen Wand steben Gypsabgiisse
antiker Busten, ebenso auf dem Schranke der ostlichen Wand, und auf
dem Eckschrank ein Apollokopf von Marmor. '
In der westlichen Thilrleibung sind
216 u. 217. die halb erhabenen Kopfe von Augustus und Liyia in
Medaillonform angebracht. Ebenso der Abguss einer Schale von dem Hildes-
heimer Silberfund, darstellend die Dea Roma mit dem Steuer gegeniiber dem
durch eine Eule gekennzeichneten Cap Sunium, zur Erinnerung an die von
Augustus dort gewonnene Seeschlacht.
218 u. 219. Die halb erhabenen Marmorbildnisse von Platon und
Aristoteles.
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Raum V.
Raum V ist ausschliesslich den Altertiimern gewidmet, welche die im
Besitz unseres Landes den Romern gefolgten Alemannen und Franken hinter-
lassen haben. In den Fundstiicken dieser beiden Volksstamme ist kein Unter-
schied zu erkennen. Hire Graber, der aufgehenden Sonne zugewandt, sind wie
die derGegenwartReihengraber und in Friedhofen vereinigt. Einen Gegen-
satz zu ihnen bilden die Hugelgraber, deren Beigaben wir im Raum I vorgelegt
haben. Sie haben sich nur hier und dort in Wald und Haide erhalten; wir nennen
sie Htinengraber und bezeichnen sie vorzugsweise als germanisch, — in unserem
Lande wiirde man sie genauer als chattische und mattiakische Grabhugel be-
zeichnen konnen.
Die Bronzewaffen und Schmuckstiicke, die wir in ihnen finden, und die
man friiher den Kelten zuschrieb, sind allerdings auch nicht durch germanische
Stammc, und noch viel weniger durch weiter nordwarts wohnende Volker an-
gefertigt; nur die Topfereien, ein Teil der eisernen Waffen und Schmucksachen,
auch wohl manche iibel geratene Bronzeringe, sind vaterlandische Arbeiten.
Diese Bestattungsweise horte soweit der Romer Macht reichte auf, an
ihre Stelle traten die wenig Raum erfordernden romischen Brandgraber, und nur
fur Vomehme Begrabnisse in Steins«argen.
Als aber zu Ende des 3. Jahrhunderts zuerst die Alemannen in den rechts-
rheinischen Besitz der Romer einfielen und dann zu Ende des 5. Jahrhunderts
die Franken jene wieder vertrieben und sich bleibend in dem Landstrich fest-
setzten, horte der romische Leichenbrand auf, die Toten wurden, wie wir oben
gesagt, der Erde ubergeben, und erhielten die Beigaben, welche in dem Raum V
ausgestellt sind.
Diese Begrabnisweise erstreckt sich bei uns nicht weit, nicht iiber den
Pfahlgraben hinaus ins Land hinein; und es scheint daher, dass auch die Franken,
wenigstens bis zu ihrer Bekehrung zum Christentum, sich nicht weiter, als iiber
das von den Romern kultiviertc Land zwischen den Rhein- und Mainufern
bis zum Kamm des Taunus, des Rheingauer und des rheinischen Gebirgs, aus-
gedehnt haben.
Der in der Mitte des Raumes stehende Glaskasten enthalt die Beigaben
von Frankengrabern von Erbenheim, und rheinabwarts bis Riidesheim.
An der Ostwand zahlreiche Frankenschadel und unterhalb derselben Gesamt-
beigaben aus Grabern: Schmucksachen, Waffen und Werkzeuge.
In einem Glasschrank an derselben Wand sind frankische Glaser und Perlen,
sowie Messer, Pfeil- und Lanzenspitzen ausgestellt.
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254 Raum V.
Die Westwand zeigt oben frankische Topfereien, unterhalb diefier Waffen
und Werkzeuge und im Glasschranke Bronzeschusseln, WafFcn, einige Topfereien,
Schildbuckel u. a.
Ostwaud.
Wir beginnen mit der Betrachtung der frankischen Schadel, welche
Virchow untersucht und gemessen hat. Sie gehoren mit wenigen Ausnahmen
der naheren Umgegend vod Wiesbaden, und dem 4. bis 6. Jahrhundert an. Es
sind mehr weibliche als mannliche Schadel, und konnte man aus diesem Um-
stande wohl auf zablreiche Kriegszuge und den Tod vieler Manner ausser Landes
schliessen. Samtliche Schadel haben eine grosse Kapacitftt, die mannlichen durch-
8chnittlich 1456 ccm, die weiblichen 1250 ccm Hirnraum. Sie gehoren eineni lang-
schadlichen, dolichocephalen Volke an. Ihre Lange verhalt sich namlich zur Breite
im allgemeinen wic 100 zu 74,9. Wir nennen einen Schadel dolichocephal, wenn
sein Langen-Breiten -Verhaltnis unter 75 bleibt, brachycephal, wenn es 80 iiber-
steigt. [Annal. XIII, 352.]
Man erkennt eine an der Wurzel tief eingcschnittene, nicht breite Adler-
nase zwischen hohen, schon geformten Augenhohlen, iiber denen die starken
Augenbraunwiilste den Mannern einen etwas finsteren und wilden Ausdruck geben.
Die Backenknochen treten nicht stark vor, sodass das Gesicht ein langliches
Oval mit individuell bald breitem energischem, oder mit schmalem und feinem
Kihne und Kinnbacken bildet, und im Zusammenhalt mit den Berichten der
alten Schriftsteller, einen schonen, edlen und tapferen Eindruck macht. Wir
bezeichnen diese Schadelbildung, welche in alien Reihengrabern zwischen den
Alpen und der Donau, von der Ostgrenze Bayerns bis jenseits des Rheines und
ihm entlang bis zur Nordsee, durch das nordliche Frankreich hindurch wie jenseits
in Britannien an der Themse, dem Trent und dem Avon, uberall mit ver-
schwindenden Ausnahmen gleichmassig auftritt, als den eigentlichen gcrmanischen
Typus. Und wie die Schadel, so sind auch die Grabesbeigaben in alien ger-
manischen Reihengrabern gleichartig und ziemlich dieselben.
Die Korpergrosse der Aleinannen und Franken, obschon die der Sudlander
iiberragend, ist von unserer heutigen nicht verschieden. Ausser dem voll-
standigen Skelette, welches mit Schmuck und Watfen, urn eine allgemeine Uber-
sicht frankischen Wesens zu geben, auf dem mittleren Glastische ausgestellt
ist, sind in der Schublade desselben Tisches noch verschiedene Arm- und
Beinknochen, unter ihnen einzelne mit interessanten Verletzungen und Hcilungen,
aufbewahrt.
Den Hinweis auf die frankischen Waff en beginnen wir mit Bo gen
und Pfeilen. Nur von letzteren haben sich die eisernen Pfeilspitzen (87,
59 u. 60) erhalten. Dieselben sind entweder mit einer Angel versehen und
wurden in den Schaft gesteckt, oder mit einer Tulle, in welche der Schaft ein-
gelassen wurde, was bei weitem die haufigste Art ist. Sie sind vier-, seltener
dreikantig und immer viel schmaler und spitzer, als die mittelalterlichen Bolzen,
oder flach, und zwar rauten- oder blattformig mit einer Mittelrippe oder mit
Widerhaken, selten auch mit einem Loch im Blatte, zum Einknupfen einer
brennenden Lunte, versehen. Pfeil und Bogen dienten als Eriegs- und Jagdwaffe.
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Raum V. 255
Der Speer oder Ger, 24, hat sich in seinen Spitzensehr zahlreich und in
den mannichfaltig8ten Formen erhalten. Die Speere dienten zum Wurfe, die
starkeren auch zum Stosse und zum Niederhauen des Feindes. Immer waren
sie spitz, und die als Beil und Hacke gebrauchten Kelte der vorgeschichtlichen
Zeit haben nichts mit ibnen gemein. Die Form der Spitzen ist bald lang
und schmal, bald blattformig und oft mit einer die Tulle verlangernden Mittelrippe
versehen, 25. Manche haben zu beiden Seiten einen hakenformigen Vorstand,
urn ein zu tiefes Eindringen und dadurch erschwcrtes Herausziehen zu vermeiden.
Ausser diesen Speeren fuhrten besonders die Vornchmen auch noch den,
dem romischen Pilum nachgebildeteu Angon (die Angel ist ein kleiner gebogener
Angon). Agathias II, 5 sagt: dass, sobald derselbe geworfen ist und den Schild
durchdrungen hat, der Franke vorspringc, den Speerschaft niedertrete und so
den Schild des Gegners hinabziehe, um den nun Deckungslosen mit einem
anderen Speere oder der Axt zu toten. Durch einen derartig gefiihrten Axt-
hieb scheint der im sudlichen Glaskasten aus den Erbenheimer Reihengrabern
ausgelegte Franke getotet worden zu sein.
Das Beil oder die Axt: das Wurfbeil oder Franciska, 76, hat meist
eine charakteristisch geschwungene Form, welche im Mittelalter nicht mehr vor-
kommt. Sie scheint als steter Begleiter der rheinischen Franken sowohl zum
hauslichen Gebrauch wie auch als Streit- und Wurfaxt gedient zu haben; doch
finden wir auch noch manche anders gestaltete Axtformen in den Frankengrabern.
Das Messer oder der Sax, 21, kommt in kleiner, in der Seitentasche trag-
barer, aber nie zusammenlegbarer, sowic in grosserer, zu jedem Gebrauche und
selbst zum Wurfe geeigneter Form vor.
Der Scramasax, das kurze einschneidige Hauschwert, zeigt einen langen
Stiel, wodurch er mit beiden Handen gefuhrt oder zur Vermehrung der Wucht
des Hiebes am Ende mit einer Hand gefasst werden konnte.
Die Spat ha, 7©, das Langschwert, ist zweischneidig; ein schones Exemplar
mit Silberbeschlagen 71, befindet sich unter den Beigaben eines Grabes von
Igstadt. Eine sehr schone, damaszierte (wurmbunte) Klinge, 72, erinnert aber
daran, dass die Kunst des Damaszierens aus Asien stammt. Der Knauf ist oft
sehr gross und wie die Scheide mit Gold und Edelsteinen besetzt; so an Childrichs
Schwert aus seinem 1656 in Tournay entdeckten Grabe.
Der Schild war rund und aus doppelten dtinnen Holzlagen gefertigt,
welche mit Rindshaut iiberzogen waren. In seiner Mitte befand sich der eiserno
Schildbuckel (umbo) mit Schmucknageln befestigt, ein Meisterstiick der Schmiede-
und Treibkunst. In seiner Hohlung fasste die Hand den Schildgriff, welchen
lange Beschlage festhielten und zugleich dem Schilde grosse Widerstandskraft
gaben. Auf der Aussenflache war der Schild farbig angestrichen und bunt
bemalt. Eine Nachbildung solcher Schilde mit einem antiken Umbo, 127, an
der Ostwand, verdanken wir dem ausgezeichneten Waffenkenner und Sammler,
Herrn Blell, in Villa Tiingen in Lichterfelde bei Berlin. Die Zeichnung der darauf
dargestellten sonderbaren, geschnabelten Tiere ist einer Zierplatte im Glastischc
unseres Raumes entuommen.
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256 Raum V.
Der frankische Krieger trug den Oberkorper bloss, die Beine in kurzen
Leinen- oder Lederhosen. Das Haupt blieb ohne Helm und war nur durch
den eigenen Haarschopf geschutzt. Nur die Vornehmsten trugen Helme und
Briinen. In den Grabern unseres Landes haben sich beide Stucke nieht gefunden.
Die Sporen bestehen nach Art der romischen aus einem Bugel niit kaum
1 cm langer Spitze. Wie der romische trug auch der germaniscbe Reiter nur
einen Sporn und zwar am linken Fuss, um das Pferd an die Schwertseite
zu treiben. Siehe Raum VII im Qlaskasten 14, 153.
Den Steigbugel, Stegreif, kannten die Franken s6 wenig wie die Romer.
Der freie Aufschwung verstand sich von selbst; erst im 8. Jahrhundert kam der
Steigbugel aus Byzanz ins Abendland. Man ritt in der Regel auf der Decke,
doch kamen schon im 4. Jahrhundert geschmiickte Sattel auf. Ihnen sowie dem
Zaumzeug sind mancherlei Zierstucke zuzuschreiben.
Das Pferd, eine kleine, zahe Rasse, wurde manchmal mit dem Herrn begraben;
so fand man auf dem Friedhofe von Beckum in Westphalen 17 Pferdeskelette; doch
fehlen auch hier, wie bei den Romern, die Hufeisen. Das Fussvolk iiberwog an
Wichtigkeit und Zahl und auch an volkstumlichem Vertrauen bei weitem die
Reiterei.
Wenn die Romer bessere Bronzearbeiter waren, auch durch ihren Weltvcr-
kehr besseren Stahl besassen und zu ihren Waifen zu verschweissen wussten, so
waren die Franken geschicktere Eisenschmicde, und verstanden das Eisen besser
und mannichfaltiger zu bearbeiten, indem sie durch Kaltschmieden und Dangeln
ihm eine Harte und Zahigkeit gaben, die der des Stahles nahe kam, wenn
sie ihn auch an Elasticitat nicht erreichten. Aber sie hatten die Fertigkeit, ihr
treffliches Eisen zu treiben, wie die Schildbuckel beweisen, und zu feinen
Schmuckarbeiten, GKirtelbeschlagen, Gurtelketten zu verschmieden und zu
schweissen, und durch Niello und Tauschierung zu veredeln.
Wenden wir uns zur Korperpflege und der Kleidung der Franken,
so finden wir in Manner- und Frauengrabern meist den beinernen Kamm, 36,
oft hiibsch verziert, auch zum Einschlagen eingerichtet, 48. Ebenso finden sich
haufig Scheeren, immer in der Form der jetzigen Schafscheere, und die kleinen
schon friiher geschilderten Zangen zum Abkneipen oder Ausziehen der Haare,
bczw. vielleicht auch zu chirurgischen Zwccken und beim Nahen.
Nur der freie Mann trug lange, bis zur Schulter reichende Haare; der
Unfreie ging geschoren.
Von der Kleidung, welche am nachsten jener der Bergschotten gleichen
mochte, findet sich nichts in unseren Grabern, hochstens ein Abdruck des Gewebes
auf Eisen oder Bronzestiicken. Doch wiesen wir, dass die Franken einen
Mantel trugen und mit einer Gewandnadel festhielten, und dass sie ihre Unter-
beinkleider mit Binden umwickelten. Ihre Schuhe, welche wir uns ahnlich den
Sandalen und dem Schuh unter dem Glassturz in Raum II vorzustellen haben,
wurden mit Riemen befestigt, deren Endbeschlage aus Bronze im Glasschranke
der Ostwand aufliegen, woselbst auch die Gtirtelbeschlage und Schnallen aus-
gestellt sind.
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Raura V. 257
Viel reicher war der Giirtel durch grosse Schnallen, Zierscheiben
und Riemenbeschlage geschmiickt. Von ihm herab hing wie bei den romischen
Kriegern ein aus annahernd zwolf Riemen bestehender Schurz, dessen Teile
gleichfalls mit Endbeschlagen beschwert waren.
Die weibliche Tracht bestand der Hauptsache nach aus einem armellosen
Hemde, das zum Teil an den Schultern offen war und erst durch Spangen
zusammengehalten wurde. Nach allerdings spateren Bildwerken zu urteilen,
mogen die Frauen Mantel, welche schleierartig voin Kopf zu den Fussen hinab-
reichten, die spateren Regentiicher, getragen haben. Das Haar war lang herab-
hangend und von Bandera umwunden oder geflochten, oder aber durch Nadeln,
welche sich zahlreich erhalten haben, im Schopf durchstochen. Sie sind aus
Bronze, Silber und Gold, ihr Knopf in Vogelsgestalt oder in sonstiger Art aus-
gebildet, mit Almandinen besetzt und mit Filigran verziert. Die Radnadeln
(Raum I, 152) haben langst aufgehort.
DieOhrringe, 5, sind einfache Reife, an welchen vieleckige Korper mit
Almandinen oder Glas besetzt, Perlen, Fritten, Bernsteine oder Metallzindeln
angebracht sind. Manche sind als geradezu prachtvoll zu bezeichnen.
Den Hal 8 schinuckten Perlenschnure aus Glas, Fritten und unbearbeitetem
Bernstein, 35. Daran hangen als Erinnerungsstiicke und Amulette Seemuscbeln,
Fischwirbel, romische Munzen und gallische Bracteaten.
Armringe, 16, sind meist schlichte, nach der offenen Stelle verdickte
Ringc yon Bronze, Silber oder Gold, zum Teil noch die aus der vorromischen
Zeit uberkommenen Bronzeringe, auch Perlschnure, wie die am Hals getragenen.
Die Fingcrringe, 5, sind ebenfalls aus Bronze, Silber oder Gold mit
und ohne Stein oder Glasfluss, mit einem Schildplattchen oder statt dessen mit
einer Munze versehen.
Da die Frauen spannen und webten, so finden wir in ihren Grabern
auch die Spinnwirtel, von Thon und Bein, oft auch sehr elegante aus ge-
bandertem Glase.
Die Gewandnadeln, 5, 6, 7 u. 8, zeigen einen von etwaigen romischen
Uberlicferungen ganz unabhangigen Stil. Die Nadel mit der Nadelberge ist
gedeckt entweder
von einer spangenformigen oder
scheibenformigen Platte in Kreuz- oder Sternform oder aber
von einer Zierplatte in Tier- (Fisch od. Vogel) Form.
Dieselben sind nicht mehr durch Schmelz, sondern durch Edelsteinc, Niello,
Tauschierung oder Filigran geschmuckt.
Giirtelhaken und Kettcben. Wie die Frauen im Mittelalter an Kettchen
oder Bandera an der Seite tief herabhangend eine Tasche mit allerlei Notwendig-
keiten, oder jetzt wohl die Hausfrauen den Schlusselbund oder die Naherinnen
ihre Scheere tragen, so trugen die frankischen und alemannischen Frauen an
drei vom Giirtelhaken herabhangenden Ketten gleichfalls verschiedene Hab-
seligkeiten: ein Zangelchen, ein kleines Messer, eine Nadelbiichse, ein Paar Munzen,
einen Eberzahn oder als Amulet fur einen reichen Eindersegen eine Hirsch-
krone, weil diese alljahrlich mit dem Geweih sich eraeut.
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258 Raum V,
Die Siidwand nimmt
1. die frankische Keramik ein. Die frankischen Topfcr scheinen zwar
die romischen Topferofen benutzt zu haben, allein die Formen ihrer Gefasse
crinnern mehr an die der Hiigelgrabcr, als an romische Vorbilder. Der Bauch
der Gefasse tritt nicht als sanfte, vom Fuss zum Hals sich wolbende Rundung,
sondern eckig mit einer Kante vor, welche das Gefass in zwei Halften teilt,
deren untere unverziert bleibt, wahrend die obere durch tief eingedruckte Holz-
stempel viereckige Punkte, grossere Vierecke, Rundverzierungen und Rosotten
aufweist. Reliefverzierungeu, wie sie die Romer fonnten und aufspritzten, kommen
nicht mehr vor. Die frankischen Topfereien im hiesigen Lande sind teils ziegelrot,
teils, und bei weitem iiberwiegend, grauschwarz durch Einrauchern. Dadurch
sowohl, wie durch cinen reichlichen Zusatz von Ziegelmehl und Sand sind sie
besser zum Kochen brauchbar, als die meisten romischen. Durch einen breiteren
Standboden, durch kraftige, etwas profilierte Henkel, und durch den am Rande
ausgekniffenen Auslauf, der vielfach sogar in Form einer Tulle angesetzt ist,
werden sie zu wahren Kannen und zu jedem Hausgebrauche geschickt. Dabei
fehlt es nicht an Schalen und an enghalsigen, kugelformigen Kannen, welche
meist nicht schwarz, sondern ziegelrot sind. Der Standboden ist immer
flach, nie bombiert oder gar zugespitzt, wie wir sie in den Hugelgrabern haufig
finden.
Im Glasschranke an der Ostwand sind oben
58. Glaser aus frankischen Grabern, zumeist aus der Nahe von
Wiesbaden aufgestellt. Man erkennt, dass die Glashutten aus der Romerzeit
bestehen blieben; den Glasern aber wurden Formen gegeben, welche die Romer
nicht kannten.
3 (u. 123.) Namentlich die Trinkhorner und die Trinkglaser mit bom-
biertem, ja selbst mit einer Spitze versehenem Fusse, welche man nicht nieder-
stellen kann, sondern austrinken musste, sind vorher nicht beobachtet, nur den
Franken eigen. Auch niedere Kuppen und offene Schalen zeigen diesen unsicheren
Stand. Von grossem Raffinement des Zweckes wie der Technik zeugen gewisse
4. Glaser, welche ringsum mit kleinen Zipfelmiitzen, Nektarien, besetztsind,
welohe sich gleich falls mit Wein fiillen und in den letzten Tropfen dem Zecher
die Blume des Weines geniessen, die Nagelprobe aber kaum machen lassen und
daher wie alle Gefasse mit fehlendem Standboden zum Weitertrinken auffordern,
bis auch dem Zecher der Standboden abhanden kommt. Selbstverstandlich
kann hierbei nur von Wein die Rede sein, und dass dieser nicht in Rohheit
wie Bier eingeschuttet, sondern mit Bedacht und feinem Verstandnis getrunken
wurde, dafiir sorgen die feinen, leicht zerbrechlichen Glaser.
Nur eiuzelne Glaser scheinen noch aus der Romerzeit (iberkommen.
Die Glaser bestehen aus Quarz und dem von feme hergebrachten Natron ;
nicht, wie man erwarten sollte, aus der einheimischen Pottasche. Und zwar
enthalten die romischen wie die neueren Glaser durchschnittlich, von einigen
verunreinigenden Nebenbestandteilen abgesehen, 68 Teile Kiesel, 17 Teile Natron
und 6 Teile Kalk, welch' letztercr in den neueren noch reichlicher vertreteu ist.
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Raum V, 259
Unterhalb der Glasersammlung sind
5. Frankische Schmuckgegenstande ausgestellt. Der bunte Scbmelz-
schmuck der Roiner hat der tcchnisch allerdings viel leichter anzufertigenden
Einlagc von Edelsteinen und Glasflussen weichen miissen. Die Edelsteine sind
fast ausschliesslich Almandine und scheinen massenhaft in flachen, nicht
facettierten Tafelchen aus dem Orient an den Rhein und in das ostliche
Gallien eingefuhrt worden zu sein; sie haben merkwiirdigcr Weise oft treppen-
formige Umrisse. Sie wurden mit einer gewaffelten Goldfolie unterlegt und
in gleichen Ebenen in Gold oder Silber gefasst. Zu ihnen treten noch gruno
und blaue Glasflttsse, auch wohl Perlmutter und Elfenbein, und zwischen ihnen
ist gezwirnter und filigranierter Golddraht, sowie granuliertes Gold aufgelotet.
Auf dieser Tafel zeichnet sich besonders ein Paar Ohrringe von Kaltengers aus.
Ihre Form erinnert an ein Paar gekuppelter romanischer Bogenfenster mit schuppen-
formig verglastem Tympanon. Die Quasten, welche die Saulchen vertreten,
sind, wie (iberhaupt die ganzo Grundlage, von hohl gepresster und vergoldeter
Bronze, ihre Kapitale sind muglich geschliffene Granaten. Das Tympanon ist
mit weissen Glasschuppen ausgefullt und alle Bogen sind von Goldperlen urn-
schlossen, ausserhalb deren noch eine Scbnur kleiner achter Perlen herumzieht.
Dieser Ohrenschmuck hangt an nicht minder reichen Ringen, welche mit Gold-
und achten Perlen umgeben sind.
Darunter zwei Paar Ohrringe von Silber mit regelmassig viereckigen, mit
Steinen besetzten Berlocken; Goldzinteln und andere einfache Ohrringe.
Scheibenformige Gewandnadeln, darunter eine mit roten, griinen
und blauen Steinen oder Glasflussen, welch 1 letztere wohl noch von romischen
Glasmosaiken herruhren mogen, daneben Filigran- und Goldringelchen. Eine
ahnliche unter den Funden von Engers.
Kleino scheibenformige Fibeln von Silber, dicht mit flachen Almandinen
besetzt, welche zur Erhohung ihres Glanzes mit gewaffelter Goldfolie unterlegt
sind. Runde, viereckige und halbmondformige Scheiben.
Vier silberne, oder mit vergoldetem Silber plattierte Stiicke in Gcstalt von
Falken sind mit Almandinen besetzt.
Eine kleine Gewandnadel von Silber, zum Teil vergoldet und mit vier
Almandinen besetzt.
Zwei Gewandnadeln von Silber in S- oder Schlangenform.
Drei Anhanger von Feingold mit Filigran; die Steine sind ausgebrochen;
in der Mitte ein Bar oder dergl.
Ein anderer von Gold; ein solcher von Bronze.
Auch der Wirtel von griinem Porphyr, den die Romer bei Prachtbauteu als
Mosaikstein verwandten, aus einem Frankengrab bei Kerlich auf dem Maifeld
mag eher als Anhanger, denn als Spinnwirtel gedient haben.
Fingerringe. Ein goldener mit kreuzweise eingesetzten Almandinen, go-
funden beim Fundamentieren eines Hauses am Eochbrunnen. Andere Rings
aus Bronze mit kronenformiger Fassung eines Steines oder Glasflusses, oder mit
gravierten Schildplattchen u. s. f.
Nadel mit hohler Kugel aus vergoldetem Silber.
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260 Raum V.
6. Die spangenformigen Gewandnadeln scheinen inimer paarwoise
getragen worden zu 6ein. Sie sind meist von schlecbtem, mit der Zeit schwarz
oder griin gewordenem Silber, oft auch vergoldet Die vertieften Verzierungen
erinnern an Holzschnitzwerk, bei welchem Material Stechmeissel die Zeicbnung
bedingen. Die Vertiefungen sind oft in
7. Niello, d. h. mit eingeschmolzenem Schwefel, Silber und Blei ausge-
fullt. So bei der absichtlich rait der Innenseite nach aussen umgelegten, mit
menschlichen Gesichtern geschmiickten Fibel von Oberlahnstein, No. 13650.
8. Viele dieser Gewandnadeln sind mit Almandinen besetzt; ihr Silber
tritt haufig erst beim Putzen zu Tage.
9. An einer Gewandnadel hangt ein runder Blutstein als blutstillendes
Mittel. Ein rund geschliffener Bergkrystall und ein runder Schwefelkies mogen
zu ahnlichem Zwecke oder als Amulette gedient haben.
Wahrend die Gewandnadeln der Frankenzeit nie aus Eisen hergestellt
wurden, finden wir die
10. Giirtelschnallen und Beschlage sehr haufig aus diesem Metalle
gearbcitet und oft mit Tauschierungen reich und geschmackvoll verziert. Die
Werkweisc des Tauschierens besteht darin, dass die Zeicbnung von Ornamenten
mit scharfen Meisseln in das Metall eingeschlagen und die so entstandenen Ver-
tiefungen mit Silberdraht oder Silberlan (feinen Blechstreifen) ausgcfulltj diese
aber durch Beihammern der Randcr und Breitschlagen des Silbers bcfostigt
wurden. Ausser dem Silber wurde auch Messing zu den Einlagen benutzt. Da
aber das Silber auf dem blanken Eisen wegen der Ahnlichkeit der Farbe nur
einen geringen Kontrast hervorruft, so ist es wahrscheinlich, dass das Eisen
bruuiert wurde oder man es blau anlaufen liess.
Viele Giirtelschnallen und Beschlage sind von Bronze und haben sich, zumal
die aus weisser Bronze, oft vorziiglich und noch vollkommen blank crhaltcn
[Berl. Anthr. Ztsch. 15. Nov. 1884 und Annal. XII, 322], anderc sind aus Bronze
und mit Silber plattiert.
158. Silberplattierte Gurtelschnallc aus Bronze.
13. Goldene Schnalle, genau gleich den Schnallen im Grabc Childerichs I.
zuTournay; Geschenk des Herrn Oppenheim zu Frankfurt a. M. Hierhin gc-
horen auch die goldenen Schnallen in Raum IV, 115.
14. Die Schnallen, in der Kegel von sehr kraftiger und wohldurchdachter
Konstruktion, hingen mittelst eines verzierten Beschlagstiickes mit dem Leder-
riemen zusammen.
15. Eine Anzahl von Beschlagstucken zur Befestigung der Seitentasche,
des Sax, Scramasax und des Langschwertes.
16. Tafeln der zweiten Reihe, hinter den eben genanntcn Fundgegenstanden.
Sie enthalten Armringe, zunachst zwei sehr einfache von Silber, im Charakter
der Frankenzeit verziert; zwei aus Bronze, in gleicher oruamentaler Ausfiihrung;
einen spiralformigen aus verziertem Silberblech; verschiedene kleinerc Hinge und
Anhanger aus alterer Zeit, welche sich in die Frankengraber verloren haben.
17. Tafel mit einfachen und Doppel-Knopfen, zum Teil von kolossaler
Gros8e. Darunter auch drei in Form spitzwinkliger Parallelogramme.
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Raum V. 261
18. Erne Nachlese zu den beschriebenen Gegenstanden, darunter zahlreiche
verzierte Beschlage von Riemenenden. Eine gewisse Art schwerer Knopfe, 9 — 12
Stuck, scheinen dem oben erwahnten Riemenschurz anzugehoren.
19. Eiserne Giirtelschnallen und Beschlage, unter deren Rostkruste vielleicht
noch zierliche Silbertauschierungen versteckt sind.
2©. TJhrglasformige Kapseln aus Weiss-Bronze, welche wir als Spiegel
anzusehen haben; drei Bronzeschellen, Sonden und Zangelchen.
An der Ostwand im Glasschranke
befinden sich unterhalb der oben besprochenen Glaser und Schraucksachen
aus frankischen Grabern gesammelte
21. kleine Messer;
22. Scheeren;
23. Scramasaxe;
24. langere und kurzere Lanzenspitzen, darunter
25. solche mit Aufhaltern am Ende der Tulle (s. oben).
An der Ostwand unterhalb der Schadelsammlung
26. ein Zinnteller mit in den Rand eingelegtem Eisendraht. Wir wissen,
dass Zinn in der Bronze sehr stark vertreten ist, fur sich allcin aber zu den
seltensten Altertumsfunden gehort. Das ausgestellte, mit punktierten Yerzierungen
versehene Stuck fand sich in einem frankischen Grabe bei Wiesbaden. Die
Seltenheit von zinnernen, wie von kupfernen Gegenstanden, spricht auch fiir die
nicht einheimische Fabrikation der Bronzegegenstande.
27. In diesem Rahmen sind besonders beachtenswert eine mit Steinen
besetzte goldene Gewandnadel, eine hohle Bronzekugel (bulla), das mit Faden
umsponnene, verzierte Trinkglas und die fur die Frankenzeit bezeicbnenden,
nach den offenen Enden hin sich verdickenden, im Ubrigen ganz schlichten
Armringe.
28. Scramasaxe (kurze Haumesser) und Lanzenspitzen.
Der Inhalt beider Rahmen 27 u. 28, aus Frankengrabern ostlich von Engers,
gelangte durch die Aufmerksamkeit von Herrn von Braunmuhl daselbst in
das Museum.
29. SO u. 31. Fundgegenstande aus einem Graberfeld bei Niederursel,
Geschenk des Herrn Moldenhauer. Beachtenswert sind namentlich die Schild-
buckel; daneben Glaser, lange Lanzenspitzen, verzierte graue Kannen und Koch-
geschirre und ein noch der romischen Industrie angehoriger Schmelzschmuck, ein
Hammerbeil und verzierte Kamme.
32. Funde aus Grabern auf Bornholm, welche der bekannte Bischof
Dr. Munter aus Kopenhagen im Jahre 1829, in welchem er sich hier aufhielt,
dem Museum verehrt hat. Die Gegenstande sind dieselbcn, wie die, welche
wir den vorromischen Hiigelgrabern, den romischen und frankischen Grabern
entnehmen, und geben Zeugnis von den Seefahrten und Raubereien jener
Insulaner und Wickinger zur Zeit oder nach der Zeit der Franken, als sich die
Normannen bis Bingen und bis Trier die Fliisse herauf wagen konnten.
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262 Raum V.
33. Mehrere Exemplare von Stampf-Messern aus Frauengrabern. Sie
dienten wahrscheinlich zum Kleinschneiden von Ruben, Fleisch, Speck zur Wurst-
bereitung, was wir jetzt mit dem Wiegemesser thun.
34. Eigentumlich geformte Messer, darunter ein neu erganztes, wie sie
wohl zum Beschneiden der Reben und Obstbaume und zum Abschneiden von
Flechtweiden brauchbar waren und wohl auch verwendet worden sind.
35. Thon- und Frittperlen als Hals- und auch als Armschmuck fur Frauen.
Bei ihrer Harte, ihrem Glanze und Farbenreichtum muss man sich nur wundern,
dass sie nicht zu einer rascheren und hoheren Entwicklung der Thonfabrikate,
namentlich auch der Gefassbildnerei, gefuhrt haben. Es sind sow oh 1 weisse
Porzellane als bunte Chromolithe, sowie auch farbige Bemalungen dabei, und
wer weiss, wic viele zerstorte romische Glasmosaiken zu ihrer Fabrikation
benutzt wurden? Sie sind hie und 4a untermischt mit Glas- und romischen
Millefioriperlen, sowie mit formlosen, durchbohrten Bernsteinen, von den an
den Perlschniiren haufig bfingenden Amuletten sprachen wir oben. Siehe auch
die im Sudende des mittleren Glaskastens liegenden Schmuckgegenstande.
36. Kamme ausKnochen; ein schmaler aus einem Stucke gearbeitet, die
anderen aus einzelnen Stucken znsammengesetzt, welche durch verziertc Leisten
vereinigt gehalten werden; darunter auch solche, welche wie ein Taschenmesser
zusammengeklappt werden konnen.
37. Pfeilspitzen ; darunter eine mit besonders langen Widerhaken, andere
sehr feine dreischneidige.
38. Sammlung sogenannter Kelte aus Eisen. Manche von ihnen mogen
allerdings mittelst einos Hakenastes geschaftet als Beile gedient haben, andere
aber als Palzer, deren sich die Flosser noch heute bedienen, um im "Wasser
vereunkene Holzer wieder an die Oberflache zu bringen.
An der Westwand unterhalb der frankischen Topfereien sind in
26 Rahmen die eisernen Werkzeuge und Waffen der Franken ausgestellt.
39 u. 39*. Lanzenspitzen.
40 u. 41. Hippen und Hauwerkzeuge, wie sie ahnlich auch bei uns noch
auf dem Lande in Hecken und Baumgarten gebraucht werden.
42. Fleischmesser.
43. Scheeren, immer in der Form unserer federnden Schafscheeren.
44 u. 45. Verschiedene Messer.
46. 47 u. 48. Grossere und kleinere Scramasaxe, bei welchen die ein-
schneidige Klinge und die sehr lange Griffangel zu beachten sind.
49 — 57. Grossere Sammlung von Lanzenspitzen mit teils breiten und flachen,
teils langen und schmalen Klingen; cine stumpfe vielleicht als Pfeil fur einen
Katapult geeignet. An einer Lanzenspitze im Rahmen 57 hat man die dabei
gefundenen Perlen, Spinnwirtel und rSmische Munze befestigt.
58. Gabel- und hakenformige Gerate von unbekanntem Gebrauche. Man
wiirde sie fur modern halten, wenn sie nicht in verschiedenen Frankengrabern
bei Wiesbaden gefunden waren.
59 u. 60. Pfeilspitzen, darunter dreikantige, runde und solche mit sehr
langen Widerhaken.
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Raum V. 263
01. Gesamt-Fund frankischer Grabesbeigabe vom Michelsberg in Wies-
baden, geschenkt von Herrn Walther. Darunter zwei siltierne Gewandnadeln ;
Ohrringe mit Glasperlen; viele Perlen aus Glas, buntem Thon und Bernstein,
sowie zwei verwitterte Edelkorallen, als Produkte der Ostsee und des Mittel-
meeres, an einer Schnur.
62. Beigaben aus Grabern von der Dotzheimer Strasse bei Wiesbaden:
Fingerringe, Armringe; unter letzteren und den vier Fussringen befinden sich auch
solche aus viel alterer Zeit.
63. Glasschrank mit verschiedenen Bronzen. Besonders beachten&wert
die zu oberst stehenden:
64. Bronzeschiisseln, ziemlich dtinn, von getriebener Arbeit mit angelotetem,
jetzt abgelostem Fusse.
65. Runde und ovale Eimer (das Holz restauriert) mit zierlichen Bronze-
beschlagen. Sie zeigen, dass die rheinischen Franken so gut wie die Homer
das Kuferhandwerk betrieben, und lassen auch auf die Anfertigung von Fasser
schliesscn.
66. Eine Anzahl von Angonen, frankischer Wurflanzen, welche dera
romischen Pilum (Raum II, 163) nachgebildet sind.
Unter den dabei ausgestellten Topfereien ist
67. ein dreibeiniger Kessel von Andernach und eine Feldflasche von
Gondorf a. d. Mosel beachtenswert.
68. In diesem Glaspulte liegen links die Funde aus einem alemannischen
Grabe von Pfullingen in Wiirttemberg: ein gewaltiges Langschwert, zu Schwaben-
streichen wohl geeignet, ein kleiner Scramasax, Gewandnadeln, eiserne Gurtel-
schnallen und Bruchstiicke solcher mit Messing- und Silbertauschierung, Perlen
von Glas, Millefiori und Bernstein. Alles, wie es sich auch in den Franken-
grabern hiesiger Gegend findet. '
69. Bruchstiick eines Hufeisens aus einem Alemannengrab bei Pfahlheim
bei Ellwangen; Geschenk des Herrn Steinhardt daselbst. Im Fall weiterer
Bestatigung als eines der ersten Vorkommen des Hufbeschlages zu beach ten.
70. Langschwerter aus Frankengrabern bei Wiesbaden; eines darunter
mit einer Munze von Vespasian zusammen gefunden; ein anderes, 71, mit
hammerformigem Knaufe, bei Ems in der Lahn gefunden;
72. ein ahnliches mit breiter damascierter Klinge und von Lindenschmit
restauriertem Griffe. Geschenk des Herrn Bauinspektor Haas in Diez.
73. Einstweilen hier ausgelegt: drei der la Tene-Kultur angehorige Lang-
schwerter mit eiserner Scheide, Gurtelhafte und leierformigem Ortansatz des
Griffes; sie sind in Wiesjbaden gefunden. Ferner aus derselben Zeit
74. zusammengebogene Schwertklinge, im Jahre 1820 bei Heimersheim
in Rheinhessen gefunden. 73 u. 74, sind gute Vergleichsobjekte fur die
Frankenschwerter.
75. Eine Anzahl verschieden gestalteter Schildbuckeln.
76. Eine Anzahl von Francisken, gross und klein und von mehr oder
weniger geschwungener Form; hinter ihnen verschiedene Hippen, zum Teil wohl
modernen Ursprungs.
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264 Raum V.
77. Im unteren Fache endlich eine Anzahl Langschwerter, Spathae. Hinter
ihnen wieder einige Hippen, um Hecken zu hauen. Teilweise wohl modem.
Der Glastisch zunachst dem Fenster enthalt nur Gegenstande aus dem Franken-
friedhofe beiErbenheim, welcher bei Gelegenheit des Bahnbaues 1878 entdeckt und
dann weiter ausgebeutet wurde.
78. Skelett eines frankischen Mannes, auf schwarzem Brette in der Mitte
des Glasschrankes ausgestreckt, umgeben ausschliesslich von den in demselben
Grabe gefundenen Beigaben. Der Bestattete hatte einen tangentialen Hieb uber
der rechten Stirnseite und dann einen Axtbieb, welcher ihm das Vorderhaupt
vom Hinterhaupte spaltete, empfangen. Er war ein kraftiger, nicht uber 40
Jahre alter Mann von gewohnlicher Grosse. Er ist mit alien militarischen und
hauslichen Ehren in einem, wie es scheint aus Brettern kastenartig zusammen-
genagelten Sarge etwa 1 m tief beerdigt worden. Zu seiner Rechten hat er
bis zum Haupte reichend das
79. allerdings sehr verwitterte Langschwert. Zur Linken liegt
8©. der Ango, das Pilum der Franken, und die Spitze einer Stosslanze.
81. Einige Beschlage, als Uberreste seines Giirtels und seiner Seitentasche.
Am Knie lag
858. das Wurf beil, die Franciska, mit dem Stiel nach oben, so dass es leicht
zu fassen war; auf den Schienbeinen aber der runde Schild, von dem sich
88. der Schildbuckel und die Kopfe der bronzenen, zum Teil gold-
tauschierten Nietnagel erhalten haben, mit welchen der Buckel auf dem mit
Rindsbaut iiberzogenen Holzschild befestigt war. Vergl. Schild 127 an der
Sudwand.
84. Bronzeschiissel zu Fussen der Leiche (Speise- oder Waschschussel?)
Jedenfalls lag in ihr der Eamm.
85. Oben zur Linken des Oberkorpers stehen die ohne Zweifel einst ge-
fiillten GefSsse fur Speise und Trank; von Thon eine Schiissel, ein Topf und eine
Kanne; von Glas eine schone Schale.
Die anderen, um diesen Grabfund verteilten WafFen und Gerate sind
weiteren Grabern desselben Friedhofs entnommen. Zu ihnen gehoren:
86. Ein grosser und ein kleiner Scramasax;
87. drei Schildbuckel, der eine mit Handgriff und sichtbaren Holzspuren;
88. mehrere Lanzen- und Speerspitzen;
89. drei Francisken;
90. mehrere Messer;
91. Pfeilspitzen mit Widerhaken;
92. Scheeren;
93. Wurstmesser (vergl. 33);
94. verschiedene Giirtel- und Riemenbeschlage, einige mit Silber-
tauschierung;
95. Gehange an Frauengurteln ; an ihrem Ende befanden sich Zaugelchen,
Scheeren, Buchschen u. s. f.;
96. Ohrringe.
97. Kamme.
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Raum V. 265
98. Feuersteine zum Feuermachen. Auch Feuerstahle haben sich ofters ge-
funden, Bind aber moistens durch den Rost zerstort.
99. Vier Phalerae, Zierscheiben, von denen die letzte als Motiv fur
die Verzierung des Schildes, 1587, gedient hat. [Lindenschmit, AltertUmer
III, 1, 6 Figur 4].
100. Muschel, Cyprea tigrina, welche nur im roten Meere vorkommt.
Sie diente einer frankischen Frau als Anhangeschmuck, ebenso wie der Eber-
zahn, die Hirscbkrone u. s. w.
101. Eine silberplattierte und eine schmelzverzierte Gewandnadel.
102. Fingerring mit unverstandlicher Verzierung auf dem Schildchen.
103. Perlen von Thon, Glas, Bernstein und Muschelscheibchen, daneben
eine melonenformige romische und eine von Bergkrystall.
*1©4. Mehrere Spinnwirtel von Thon, einer von gebandertem Glas.
105. Romische Bronzemiinze von Domitian und der Abdruck eines in
diesen Grabern gefundenen angelsachsischen .Scaeters (aus dem 6. oder 7. Jahr-
hundert); der letztere ist fur das Alter der betreffenden Graber bestimmend.
Ein angelsachsischer Scaeter ist beigelegt, aber nicht hier, sondern in Holland
bei Duerstedte gefunden und von dem Grafen Nahuys dem Museum geschenkt.
106. Sieben Trinkglaser von Becher- und Schalenform; alle ohne Stand-
boden, verschiedene Topfereien von schwarzgrauer, gelber und roter Masse
mit Zusatz von Sand und von Schlackenkornern, durch welche eine Art von
Frittung erzeugt wurde. Sie zeigen sich teils mit, teils ohne Henkel, und sind
durch Reifelung und durch Eindrucke von meist gewurfelten Holzstempeln
verziert.
Der zweite Glastisch enthalt, ausser mehreren Schadeln, welche den schon
geschilderten gleich sind, eine reichliche Auswahl von Beigaben aus Franken-
grabern des Rheingaues. Charakteristisch fiir alle frankischen Mannergraber
ist die Beigabe der Waffen, fiir die Frauengraber der zahlreiche Schmuck. Von
der schonen Ubereinstimmung beider Geschlechter zeugt das Weinglas, das beiden
ins Grab gefolgt ist.
107. In diesem von Herrn Aug. Engel geschenkten Funde von Nieder-
walluf ist der an beiden Enden verdickte, sonst aber ganz schlichte Arraring
bemerkenswert, ebenso zwei schone Millefioriperlen und
108. eine unbestimmbare Silbermunze.
109. Funf Schildbuckel-Nietnagel von Rudesheim.
110. Runde eiserne, silbertauschierte Fibel von Rudesheim.
111. Bronzesiegelring mit einem Kreuze, ebendaher.
112. Ohrringe mit Zindeln, dabei Hals- und Armring und Nadel ebenso,
wie sie in Hiigelgrabern vorkommen.
118. Schadel mit Unterkiefer, dabei Speer und Scramasax, ein Glas und
ziegelrote Speisetopfe.
114. Funde aus drei Mannergrabern bei Ostrich mit schoner, im Boden
verzierter Glasschale, Zangelchen, einem ungewohnlich gestalteten Beil (Streif-
axt zum Beschlagen von Balken), Langschwert und Lanzenspitze.
115. Grabfund von Biebrich, darunter ein Langschwert.
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266 Raum V.
116. Aus einem Frauengrab zu Ober-Olm in Rheinhessen. Perlenschnur
mit einem schonen Wirtel von Glas.
117. Verzierte Hirschkrone aus demselben Grabe, als Amulet fur
Fruchtbarkeit.
118. Ohrringe, Kamm und Messer; auch fehlt nicht das Weinglas. Eine
Zeichnung des Grabes liegt bei.
119. Aus einem Mannergrab von Geisenheim: Franciska, Lanzenspitze,
Scramasax, Riemenbeschlage; zwei schone schwarze, wenn auch zerbrochene
Topfe und Kamme; drei rote Topfe.
120. Aus mehreren Mannergrabern vom Westende von Wiesbaden an
dem ehemaligen Schiersteiner und Dotzheimer Weg. Ein grosser Schildbuckel
zeigt schone Eisenschmiedearbeit; zwei Langschwerte, drei Scramasaxe, eine Fran-
ciska, eine Gurtelscbnalle.
121. Fundstucke aus einem Frankengrabe bei Igstadt, beim Bahnbau
entdeckt und durch Herrn Ingenieur Kraus in das Museum gebracht. Ausser
dem Schadel mit Unterkiefer ein schones, silberbeschlagenes und an der Ge-
bangose mit Almandinen besetztes Langschwert nebst Scheide.
122. Silberne Schnallen.
123. Glasernes Trinkhorn zum Anhangen.
124. Schildgriff.
125. Mittelfussknochen eines Ochsen, unter den Skelettresten aufgefunden,
zweifellos als Speiserest.
126. Kamm. 121 bis 126 zusammen aus einem Grabe.
127. An der Sudwand der oben beschriebene Schild.
128. Eine Trophae, aus frankischen Waffen zusammengestellt. Zwei
restaurierte Francisken, ein Ango, ein Speer, Langschwert und Scramasax.
An der nordlichen Wand sind auf einem Plane von Wiesbaden die
verschiedenen Fundstellen cingetragen, und zwar sind die Fundstatten vorromischer
Altertiimer mit einem grunen, die romischen, auch das Kastell und die romische
Stadtmauer, (Heidenmauer), mit roter, die frankischen endlich mit blauer Farbe
eingezeichnet.
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Rauin VI.
Dieser Raum beginnt links mit einem schonen, seltenen Fymdstucke, einer
1. Gitterthur aus Bronze, welche 1845 in der Albanschanze zu Mainz
gefunden, von den Arbeitern verheimlicht und zerschlagen, verteilt, verkauft
und stiiekweise fiir das Museum wieder angekauft worden ist. Eine Nachahmung
dieser Thiir haben wir am Graberhaus der Saalburg angebracht.
Es folgen die wenigen Gypsabgusse von Antiken, welche wir besitzen
und welche sich dem Platze anpassen liessen.
58. Apollo von Belvedere im Vatikan zu Rom. Das Original selbst eine
Nachbildung einer griechischen Bronzestatue, ist von weissem italienischem
Marmor undwurde 1495 bei Antium gefunden. Nach Winckelmann, Botticher
u. a. ist hier Apollo als Hekatebolos, der die Siinden straft, mit Bogen und
einem PfeQ in der Linken, und zugleich als Katharsios, der den Sunder mit
dem Lorbeerwedel, den er in der Recbten halt, siihnet, dargestellt. Es ent-
spricht diese Auffassung jener Scene aus den Eumeniden des Aschylos, in
welcher Apollo erscheint und Orest gegen die verfolgenden Eumeniden mit
dem Bogen schiitzt, seinen Schutzling aber mit dem Lorbeerwedel von der
Schuld reinigt. Nach anderer Ansicht stellt dagegen die Statue Apollo als
Boedromios, den zu Hilfe eilenden dar, welcher in der Linken die Aegis vor-
streckt als Abwehr gallischer Horden, welche (279 v. Chr.) das delphische
Heiligtum bedrohten. Er ist mit der Chlamys bekleidet.
3. Torso eines Eros, des griechischen Amor. Original aus weissem
Marmor im Vatikan, wahrscheinlich ein Werk des Praxiteles und gefunden in
Centocelli auf dem Wege von Rom nach Praeneste.
4. Adorant: betender Knabe, Bronze, gefunden in der Tiber und von
Clemens II. dem Prinzen Eugen von Savoyen geschenkt, an den Prinzen Lichten-
stein vererbt, von Friedrich d. Grossen fur 10000 Thaler angekauft und in
Sanssouci, jetzt aber im Berliner Museum aufgestellt. Der Guss ist so diinn,
dass ein Mann die Figur bequem tragen kann.
5. Ceres, Marmor im Vatikan, beruhmte Gewandfigur. Die Gottin tragt
in der restaurierten Linken Ahren und Mohn; triige sie eine Rolle, wiirde man
sie als Clio bezeichnen.
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268 Raum VI.
6. Apollo sauroktonos, der Eidechsentoter; Original im Vatikan. Plinius
erzahlt, dass Praxiteles einen solchen gefertigt habe. Es ist daher moglich,
dass die vatikanische Statue das Werk dieses beruhmten Kunstlers oder wenigstens
eine antike Nachbildung desselbeo ist.
7. Standbild einer Muse aus Marmor, uber dessen Ursprung, ob aus Italien
oder aus Heddernheim, die Nachrichten auseinandergehen.
An der gegeniiberstehenden nordlichen Wand
7\ Gruppe von St. Ildefonso. Hadrian und Antinous sehworen sich
Treue, indem sie den Gottern der Unterwelt (Persephone am Granatapfel
kenntlich) opfern. [Botticher, Berlin: Antike Gypsabgiisse, p. 637].
RSmische Votivsteine und Bildwerke.
8. Votivstein, dessen Inschrift uns mittheilt, dass dem Jupiter, dem besten
und grossten Gott, der Sentillius Ursulus sein Geliibde gem und freudig gelost
habe.
9. Votivstein, welcher einen Genius trug, von welchem nur die Fiisse un3
ein kleiner Altaransatz, sowie eine Inschrift erhalten ist, welche aufgelost lautet:
IN HONOREM DOMVS DIVINAE GENIO CENTVRIAE AVITI GENTIANO ET
BASSO CONSVLIBVS und uns sagt, dass zu Ehren des gottlichen, d. h.
kaiserlichen Hauses, dem Genius der Centurie des Avitus wahrend des Consulates
des Gentianus und Bassus der Stein gesetzt worden sei. Dieses Consulat fSllt
in das Jahr 211 n. Chr. Der Stein ist gefunden im Pfahlgrabenkastell Zugmantel,
ebenso die beiden folgenden. [v. Cohausen: Grenzwall, 161. Dr. Rossel: Grenz-
wehr 106, 107. Taf. VIII, Fig. 1.]
10. "Weihestein aus ganz unbehauener Grauwacke; er tragt auf seiner
naturlichen Kopfflache eine in Cursivschrift eingemeisselte Inschrift, welche
uns mitteilt, dass eine Abteilung Trier'scher Fusstruppen, unter dem Crescen-
tinus Respectus, Centurio der achten augusteischen Legion, 96 romische Schritte
eines nicht genannten Bauwerkes ausgefiihrt oder wiederhergestellt hat. Dies
Bauwerk ist aber wahrscheinlich eine Langseite des Kastells Zugmantel, welche
genau diese Lange hat. [v. Cohausen: Grenzwall, 161. Rossel: Grenzwehr
107, Taf. VIII, Fig. 2].
11. Dritter, ebendaselbst gefundener und allem Anscheine nach auf dieselbe
Mauer beziiglicher Inschriftstein. Er erganzt sich trotz der Liicke und des aus-
gemeisselten Namens des 235 ermordeten Kaisers Alexander Severus, wie folgt:
IMPERATORI CAESARI (MARCO AURELIO SEVERO ALEXANDRO) PIO FE-
LICI AVGVSTO PONTIFICI MAXIMO TRIBVNITIA POTESTATE CONSVLI
PATRI PATRIAE PRO (CONSVLI) (COHORS) TREVERORVM (ALEXANDRIANA)
EO DEVOTA MVRVM A S (OLO) RESTITVIT MAXIMO ET AELIANO CON-
SVLIBVS d. i. 223 n. Chr. Wir ersehen aus der Inschrift unter anderem, dass
urns Jahr 223 das Kastell in romischen Handen war und auch noch nach dem
Tode des Kaisers, dessen Namen ausgeloscht wurde, sich in romischem Besitz
befand. [v. Cohausen: Grenzwall. Dr. Rossel: Grenzwehr 104, Taf. VIII, Fig. 3.]
Der warmen Quelle und ihren Heilgottern ist der bereits bei den Stein-
denkmalern der Halle beschriebene (212)
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Raum VI. 269
12. dem Apollo Teutiorix dargebrachte Stein gewidmet, so wie der
13. der Sirona gewidmete, welchen C. Julius Restitutus, Kurator des
Tempels, aus eigenen Mitteln gesetzt hat, und
14. ein zweiter, welchen wahrscheinlich derselbe Restitutus mit noch
einer grossen Anzahl Gleichgesinnter dem Heiligtum der Quelle gewidmet hat.
15. Weihestein, von vielen Votanten, zu Ehren der kaiserlichen Familio
gesetzt.
16. Hiibsche Darstellung, wenn nicht eines Bacchanten, doch eines trauben-
scbneidenden Winzers, gefunden in Heddernheim. Vergl. Clarac, pag. 34 u. 35.
17. Altar von Trassstein, einem Gestein, das schon zu Romerzeiten als
Hau- und Mauerstein, nicht aber als Zusatz zum Mortel, wie jetzt, in der
Gegend von Andernach gebrochen wurde. Er ist von der dort beschaftigten
Legion durch den Centurio M. Statilius dem Herkules Saxanus gewidmet worden.
18. Ein der Fortuna geweihter Altar. Ihn setzte Lucius Cornelius Arator,
Centurio der XIV. gedoppelten marsischen siegreichen Legion, gern und nach
Gebiihr.
19. Grabstein, der Tochter und dem Schwiegersohn von der Mutter gesetzt.
2©. Marmorplatte, in Ems gefunden. Ihre Inschrift besagt, dass sie zu
Ehren des kaiserlichen Hauses und fur das Heil des Kaisers Septimius Severus
(wie aus dessen Beinamen hervorgeht) gesetzt worden sei.
581. Zwei sitzende Figuren, wohl Mann und Frau, wclche dem Merkur,
dem Gott der Markte diesen (in Bierstadt gefundenen) Stein geweiht haben.
22. Ebenfalls dem Merkur, der hier den Beinamen Cissonius fuhrt, ist
dieser Stein gewidmet; ein anderer, 89, dem Merkur der Geschaftsleute, nego-
tiatores. Uberhaupt ersieht man aus diesen und der grossen Mehrzahl von
Merkursteinen den regen Ilandelsverkehr der Romer in unserem Grenzlande,
und gleichermassen aus den zahlreichen Genien des Ortes, d. h. den lokalen
Schutzgeistern, auch die Unsicherheit dieser Platze und Strassen.
28. Altar mit dor Inschrift: IN HONOREM DOMVS DIVINAE PLATEAE
PRAETORIAE ARAM QVINTANAM ET GENIVM SATTONIVS GRATVS DAT
DEDICAT IMPERATORE ALEXANDRO AVGVSTO III ET DIONE CONSVLIBVS.
Der Sinn ist etwa folgender: Zu Ehren des kaiserlichen Hauses und zur Feier
der Eroffnung der Pratorianischen Strasse ist auf ihrem Kreuzungspunkte mit
der Quintanstrasse dieser Altar und ein Bildnis des Schutzgeistes durch Sattonius
Gratus, unter dem dritten Konsulate des Kaisers Alexander und des Cassius
Dio (229 n. Chr.) aufgestellt worden. Ein Jahr spater wurde der folgende
aufgestellt.
24. Dieser Altar stellt gleichfalls einen Genius vor mit Fullhorn und
Opferschale; seine Inschrift sagt wieder, dass er zu Ehren der kaiserlichen
Familio von einem Krieger der XXII. Legion und seinen Briidern an einer
Strasse der neuen Vorstadt in einer Kapelle aufgestellt worden sei. Alio dabei
Benannten sind romischo und taunensische Burger. Dies gcschah im Jahrc
230 n. Chr. Das Standbild mit Inschrift wurde 1768 bei Heddernheim gefunden
und 1823 durch Herrn v. Breitbach dem Museum geschenkt.
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270 Baum VL
25. Ein in einer Nische stehender und opfernder Genius mit dem Fiill-
horn tragt eine Inschrift, laut welcher zu Ehreji des kaiserlichen Hauses dem
Schutzgeist der Strasse der neuen Vorstadt (von Artaunon bei Heddcrnheim) der
Taunenser Aemilius Barbicio sein Geliibdc gern und freudig, wie es sich gehort,
erfiillt habe.
26. Der darunter befindlicbe Stein ist der untere Teilrest eines grossen
Monumentes, gefunden bei Heddernheim, und wegen der Fussbekleidung, der
spitzen Caligae, von Interesse.
27. Vier-Gotteraltar, der Juno, Minerva, dem Herkules und dem Merkur
geweiht. Darauf ein korinthisches Kapital, auf welchem
28. Jupiter mit dem Fulmen in der Rechten, in der Linken den hoch-
gehobenen Herrscherstab, und den Adler zur Seite, auf dem reich verzierten
Throne sitzt. Dem Zeus des Phidias zu Olympia nachgebildet. Er war wahr-
scheinlich mit dem Kapital auf einer Saule aufgestellt, ahnlich einem in der-
selben Haltung in Heddernheim gefundenen Jupiter, welchen das Museum zu
Frankfurt a. M. besitzt, und einem anderen aus Trier im dortigen Museum.
[Annal. XV, 1 u. Frankft. Neujahrsblatt fur 1885/86.]
30. Vierseitiger Altar mit den erhabenen Bildwerken der Juno, der Viktoria
und des Herkules an den Seiten geschmuckt. Auf ihm durch uns aufgelegt eine
29. Sonnenuhr, im Schutzenhof zu Wiesbaden gefunden. [Annal. IX, 368
u. Annal. XX.]
31. Achteckiger, den 7 Wochengottern geweihter Altar, welcher wahr-
scheinlich in Heddernheim gefunden, langere Zeit einem Metzger in Frank-
furt a. M. als Hauklotz gedient hat. Auf ihm liegt der oben beschriebene
rohe Inschriftstein 10.
32. Altar, dem Jupiter und der Juno von Gajus Junius Secundinus ge-
weiht, auf den Seiten Darstellungen der Juno und des Merkur.
33. Ein im Schutzenhof zu Wiesbaden gefundenes kleines Steinrelief, und
34 u. 35. zwei Gypsabgusse nach in Mainz gefundenen Originalen, die
gallische Epona, Schutzpatronin der Pferde, darstcllend.
Darunter an die Wand gelehnt drei lebensgrosse
36. 37 u. 38. Standbilder, ohne Zweifel einen Mann und seine beiden
Frauen darstellend. Sie sind leider ohne Inschrift, aber von Interesse wegen
ihrer Grossc und ihrer Kleidung. Zwischen Niederingclheim und dem Kheine
gefunden wurden sie 1853 von dem dortigen Gutsbesitzer Herrn Rook dem
Museum geschenkt. [Annal. XII, 325.]
Unter diesen, vielmehr unter 38
38*. Denkstein, welcher ein mit Ehrenzeichen bedecktes Sagum darstellt,
. gesetzt von einem Soldaten, welcher der nur sehr kurze Zeit im hiesigen Lande
stehenden Legion XVI angehorte.
39. Das bereits erwahnte Marmorbild, der Merkur.
39*. Zu den zahlreichen Merkursteinen gehort auch dicser Votivsteiu, den
zu Ehren des gottlichen Hauses eine Julia Secundina dem Merkur zur Er-
fiillung eines Gelubdes gesetzt hat.
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Raum VI. 271
Links von der Thiire an der nordlichen Wand
eind hauptsachlich altchristliche Denkmaler aufgestellt.
40. Ein Sand8tein8arkophag, „den Schattengottern des Maximinus Victor
Junior, ihres sussen Kindes, das nur 1 Jahr 2 Monate und 22 Tage lebte, hat
der Vater und die Mutter dies Grab bereitet." Trotz der heidnischen Ein-
gangsformel entspricht die eingehende Altersangabe dem christlichen Qebrauche.
Der in Mainz ausgegrabene Sarkophag war schon friiher verwcndet gewesen,
denn er tragt auf dem Deckel eine fast unleserliche Inschrift. Auf ibm steht
41. dasModell eines romischen Kaltbades aus dem hiesigen Rome r-Kas tell,
angefertigt von Museumsaufseher Week,
42. eine Sandsteinplatte, auf welcher in halberhabener Arbeit ein Vogel
dargestellt ist, welcher Kirschen in eine Vase tragt. Obwohl romische Arbeit,
wurde sie doch zu Haupten eines weiblichen Frankengrabes mit Bronzehalsring,
Bernstein- und Frittperlen auf dem Michelsberg zu Wiesbaden gefunden.
43. Glasrahmen mit Beigaben aus einem Grabe an der Schwalbacher
Strasse, wo auch sonst christliche Graber gefunden wurden. Zu ihnen gehort die
auf den Grabplatten stehende schwarze Urne.
44. Simsbrett mit acht christlichen Grabsteinen; alle in Wiesbaden ge-
funden. Sie tragen ganz wie die der Katakomben in Rom das Monogramm
Christi: o^o), zwei Taubchen oder Pfauen und eine Inschrift von der Form
der folgenden: HIC QVIESCIT IN PACE MVNICERNA QVI VIXIT AN I . .
Hier ruht in Frieden Municerna, welche ein Jahr lebte. Die Namen sind teils
romische, wie Municerna, mehrenteils aber schon germanisch, wie EPPOQV,
RVNAQVIV, INGILDO, QVALAQVI und VOTRILO .
45. Gypsabguss einer in der Kirche von Fischbach bei Eppstein einge-
mauerten Steinplatte mit der christlichen Inschrift: t IN HVNK TETOLO
REQVIESCIT BENE MEMORIA ROTELDIS RODOBERTO QVI VIXIT IN PACE
ANNVS XXXV. [Annal. XIII, 179—195.]
Zur Zeitstellung dieser christlichen Grabplatten sei an folgende That-
sachen erinnert. Um 150 etwa fasste das Christentum in Mainz Fuss. Um 292
oder 306 wurde die Leiche des christlichen Kriegers Ferucius in einer Kapelle
bei Kastel beigesetzt (spater, 755, wurde sie nach Bleidenstadt gebracht). Um
340 lehrte der christliche Sendbote St. Lubentius an der Lahn und griindete
dort auf einem Felsvorsprung Dietkirchen.
Munzen mit dem christlichen Monogramm von Konstantin II. (337 — 340)
und von Magnentius (350 — 353) wurden als Beigaben in Grabern zu Wiesbaden
gefunden.
Um 357 iiberfallen die Alemannen unter Rando wahrend eines christlichen
Festes die Stadt Mainz, und um 405 wird der Bischof Aureus mit vielen
Christen in Mainz von den Hunnen erschlagen. Um 550 lehrte St. Goar auf
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272 Raum VI.
dem Einrich. Um 760 kam der heil. Bouifacius nach Deutschland und begann
sein grosses Bekehrungswerk.
Die vorgenannten Grabplatten gehoren nach Text und Bildwerk dem
5. bis 7. Jahrhundert, d. i. der Zeit an, wo nach der Schlacht bei Ziilpich,
396, die Franken den christlichen Glauben annahmen.
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Raum VI L
Gegenstande, welche sich auf das romischc Bauwesen beziehen.
Topfereien vom friihen Mittelalter bis zur Gegenwart. Kleingerate
des Mittelalters und der Renaissance.
Wegen der Beschranktheit und Dunkelheit des Raumes kann hier nur
auf die besonders in die Augen fallenden Gegenstande hingewiesen werden.
Den hinteren Tisch inmitten des Raumes nimmt ein Modell des
Kastells Wiesbaden ein, welches sich an der Stelle, die jetzt das stadtische
Krankenhaus inne hat, befand und mit seiner Nordostseite langs der Kastell-
strasse hinzog. Es war 210 a 191 Schritto gross und besass, wic gewohnlich
die romischen Kastelle, vier Thore und abgerundete Ecken; zeichnct sich aber
durch seine 28 Turme, welche nicht nach aussen, sondern nach innen vortraten,
aus. [Anna!. VI, 2, 1. Der romische Grenzwall von v. Cohauscn 169, Taf. XXII.]
Davor steht das Modell ciner romischen Villa bei Marienfels, 35 km
nordwestlich von Wiesbaden. Dieselbe sctzt sich wie die meisten romischen Villen
aus rechtwinkligen, runden, und rechtwinkligen mit halbrunden Ausbautcn ver-
sehenen, grosstenteils heizbaren Gemachern (Hypokausten) zusammen. In dem
Modell ist, der Natur entsprechend, in der linken unteren Eckc ein Wasser-
behalter dargestellt, zu wclchem eiuige Stufen hinabfuhren, und in welchem man
ein kaltes, oder wenn man warmes Wasser aus der Kuche herbeibrachte, ein
warmes Bad nehmen konnte. Der zunachst liegendc runde Raum konnte durch
Uberheizung und verschuttetes Wasser als Schwitzbad, die drei anderen Raume
aber als gut durchwarmte Wohnstuben dienen.
Unter dem Tisch stehen die Originalbcstandteiie 183 dieser unserem
Klima angepassten romischen Ilcizeinrichtung. Statt der aus Ziegel aufgebauten
Pfeiler .dienen auch runde Saulcn aus gebranntcm Thon, wie die 70 cm hohen,
hier als Tischfussc verwendeten. Die Fussboden waren aus Estrich, wohl auch
mit Mosaik vcrziert, wovon alte und ncue Bruchstiicke unter dem Tisch Platz
fanden.
Im Anschluss an diesc Uberreste romischer Heizvorrichtungcn diirftc eine
kurze allgemeinc Geschichte der Heizung der Wohnraume am Platze sein;
als weitere Belege^ fiir dieselbe werden uns die mittelaltcrlichcn Ofenkacheln
(Raum VIII) dienen.
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274 Ranm VII.
Zur Geschichte der Heiaung yon Wohnr&umen.
In den Steetener Hohlen waren schichtenweise die mehr langen als
breiten, nicht seharf begronzten Feuerplatze zu erkennen, auf welchen mit dem
Holze auch die Knochen von Baren und anderen Tieren verbrannt worden
waren.
In den Pfahlbauten finden wir den Holzboden durch eine breite Stein-
platte geschutzt, auf wclcher das Feuer brannte.
Man entdeckte in Norddeutschland Feuerplatze mit Granitblocken um-
legt, welche den Windzug unter das Feuer gestatteten und den fusslosen Topfen
als Untersatze dienten, zugleich aber auch den Vorteil hat ten, in der Nacht,
wenn das Feuer erloschen war, ihre Warme in den Hiittenraum auszustrahlen.
Auch fand man runde Gruben, in welchen das Feuer allerdings mit geringem
Luftzuge brannte, aber desto langer anhielt, den Hiittenraum zu erwarmen. In
alien Fallen suchte sich der Rauch seinen Ausweg durch die Thiir oder durch
ein Loch im Dach.
So etwa werden es die Romer gefunden haben, als sie nach Deutschland
kamen. Sie hatten aber in Italian mit dem Luxus ihrer Bader eine Heizmetode
ausgebildet, die sich auch auf trockene Stubenheizung anwenden Hess: die unter-
irdische, die Heizung mittelst Hypokausten. Wir diirfcn nicht annehmen,
dass die Romer in unseren Landen, wo ihnen das Warmen naher lag als das
Waschen, allenthalben Bader angelegt haben; ist doch die Konstruktion eines
wasserdichten Bassins, in welchem Wasser durch darunter angebrachtes Feuer
heiss gemacht werdefi soil, eine technische Aufgabe, deren Schwierigkeit mit
der Grosse und Tiefe des Bassins steigt. Wohl aber konnte man die Ein-
richtung der italienischen Schwitzkammern (caldarium und sudatorium), auf deren
von untcn erwarmten Boden man Wasser spritzte, um durch dessen Verdampfung
den, welcher sich da aufhielt, in Schweiss zu versetzen, sehr gut auch fur die
Stubenheizung benutzen, ohne jene schweisstreibenden Mittel und Zwecke. Und
so geschah es in der That in alien jenen Villen, welche in Britannien, Gallien
und Germanien ausgegraben worden sind; sie sind alle keine Bader, sondern
wohlheizbare Wohnungen. (Vergl. die Villa von Marienfels, die unter diesem
Modelle wieder aufgebauten Hypokausten und das Stuck moderner Mosaik hinter
demselben; ebenso Annal. XVII, 116.)
Der Fussboden war durch einen dicken Estrich gebildet und manch-
mal durch Mosaik verschonert. Er ruhte auf grossen Ziegelplatten, welche durch
Ziegelpfeilerchen von 20 bis 60 cm Hohe getragen wurden. Durch die auf solche
Weise gebildeten Hohlraume zog das in einem Vorraum, praefurnium, unter-
haltene Feuer, welches in der Regel Holzkohlenfeuer war, denn wir finden selten
einen Russabsatz, wie er bei Holzfeuerung unvermeidlich ist, und die Abziige
sind fur dieses Brennmaterial zu eng. Der dicke Estrich konnte allerdings nur
langsam erwarmt werden und nur spat seine Warme an die Wohnraume ab-
geben; man mochte daher, wenn man am Montag zu heizen anting, wohl erst am
Ende der Woche auf warme Fusse zahlen, allein desto langer wabrte und desto
angenehmer war die Warme; und wenn die Schiiroffnungen geschlossen wurden,
so mochte sie auch ohne Feuer noch lange anhalten.
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Raum VBL 275
Doch gab es noch ein anderes Mittel, die Warme der Hypokausten in den
Wohnraumen zu verbreiten: Man Hess das Feuer ausgehen, offnete bestimmte,
bis dahin rait einer Platte bedeckte Locher im Fussboden und schloss mittelst langer
eiserner Schieber die Rauchrohren in den Wanden ; so zog die Luft durch die er-
hitzten Hypokausten und gelangte erwarmt in die Wohnraume. War dann auch
das Kohlenfeuer noch nicht ganz erloschcn, so hatte das Kohlenoxydgas und ctwas
Aschcnstaub bei schlecht schliessenden Thuren und den zum Teil offenen Fenstern
nicht viel zu bedeuten.
Wir besitzen einige dieser langen Schieber in Raum III und zahlreiche
Rauchrohren, mit und ohne Inschrift. VII, 12.
Die Alemannen undFranken, welche die Romerherrschaft bei uns zcrschlugen,
werden nur wenig baulichen Luxus in ihre Zeit heriibergebracht, sondern
wieder von vorn angefangen haben. Erst die Kloster, z. B. St. Gallen, und
etwas spater die Deutschordensburgen, wie Marienburg, griffen die Heizweise
mittelst Hypokausten wieder auf, teils vollstandig, teils in der Weisc, dass sie
Steinblocke in einem Feuerraum erhitzten und dann Luft uber dieselben in
die Wohnraume streichen liessen. Es war dies eine Luftheizung rohester Art,
die selbst auf die Steinheizung prahistorischer Hutten zuruckgriff.
Was wir in wenigen opulenten Biirgerhausern finden, ist wieder ein offenes
Feuer in einer an die Wand gedruckten Feuerseite (Kamin, chemine) mit einem
Schlot, durch welchen der Raucb, dam it aber auch der grosstc Teil der Hitze
jagte, wahrend die kalte Luft durch Thur und Fenster eingesogen wurde, und
man sich nur der strahlenden Warme erfreute.
Wie man endlich zu den Ofen gelangte, welche nicht durch die Strahlen
des Feuers, sondern wie die Hypokausten durch die Erhitzung ihrer Um-
schliessung Warme verbreiten, konnen wir bei den primitivsten Ofen, wie sie
z. B. in Sirmien noch in Gebrauch sind, wahrnehmen: Aus lockerem Weiden-
geflechte wird ein runder oder viereckiger Korb an der Mauer zwischen Stubc
und Kttche aufgefuhrt, und sowohl von innen wie von aussen mit Lehm verschmiert
(verputzt). Von der Kiiche aus erhalt der so entstandene Ofen eine Offnung, durch
welche Schilf oder Maisstroh eingeworfen und verbrannt wird, da das Holz in der
Saveniederung fehlt. 1st der Lehmbeschlag getrocknet und einigermassen hart
gebrannt und scheint der Ofen warm genug, go wird die Schiir- und Rauchoffnung
geschlossen und verschmiert, und mag so die Stube einen Tag uber genugend
erwarmt werden.
In der Schweiz und Tirol finden wir ahnliche Ofen dadurch verbessert und
verschonert, dass von der Stube aus Teller und Schusseln in den Lehmverputz
gedriickt werden, so dass sie ihre schonere Seite zeigen, ihre Bodenseite aber un-
mittelbar vom Feuer beleckt wird. Man sieht, wir sind hier dem Kachelofen schon
ziemlich nahe. Um zwischen den Schusseln den Lehm ganz zu verbergen, werden
die Schusseln vom Topfer zwar rund aufgedreht, dann aber zu regelmassigen
Quadraten gedriickt, wie eine solche im Raum VIII, 48 auf dem Ofensimse steht.
Weiterhin wurden die Kacheln als Cylinder aufgedreht, in zwei Halften geschnitten,
in eigens zu diesem Zwecke bestimmte Formen gepresst und hierdurch eine
Jfischenform erzielt und mitschonen Verzierungen versehen. (Raum VIII, 56.
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276 Raum VII.
57 u. 58). Die Kacheln reichen in dieser praktischstcn Gcstalt noch bis in
die Spatgothik dee 15. Jahrhunderts. Von da ab aber wurden sie immer flacher
(Raum VIII, 46. 47 u. 48).
Die Kacheln wurden schon anfangs glasiert und, als die weisse Zinnglasur bei
uns eingefuhrt war, selbst ihre reichen Reliefs bunt bemalt (Raum VII, 99),
sonst aber war das Schwarzen mit Graphit und Glanzendreiben im allgemeineu
Gebrauch.
Etwa zur selben Zeit der Renaissance, als die geformten Ofenkacheln auf-
kamen, lernte man auch den Herdguss von Eisenplatten kennen, die man
mit biblischen Darstellungen und Wappen zierte. Aus ihnen setzte man vier-
eckige Kasten zusammen, welche den Unterbau und den eigentlichen Feuer-
raum bildeten. Auf ihm erhob sich der Turmbau aus Thonkacheln. Wahrend
der eiserne Feuerkasten der Hitze und den hineingeworfenen Holzkloben wider-
stand und seine Warme unmittelbar an die Stube abgab, flackerte das Feuer in
den weiten und hohen Hohlraum hinauf und fand sein reichlicher Rauch einen
Abzug in dem weiten Schlot. In noch einfacherer Art wurden die etwa 1 m
breiten und 80 cm hohen Gussplatten im Trier'schen und Lothring'scben Lande
zur Heizung der Wohnstube zugleich durch das Kiichenfeuer benutzt. Zwischen
Stube und Kuche war die Mauer durchbrochen und durch eine solche Platte, der
Taken genannt, geschlossen, sodass diesc von der einen Seite durch das Feuer
des niederen Kuchenherdes erwarmt, nach der anderen Seite ihre Warme an die
Stube abgab.
Auch ganz eiserne Ofen, Kanonenofen, nach denselben Anschauungen
konstruiert, heizten im ersten Vicrtel des Jahrhunderts noch unsere Wohnungen,
ohne dass von einer Regelung des Zuges und einem Hin- und Herleiten der Hitze,
um diese ganz auszunutzen, die Rede war.
Die Verbesserungen in unserer Zeit brauchen nicht besprochen zu werden.
[Vergl. Annal. XVIII, 116 u. XIX, 164.]
Rtfmisches Ziegelwerk.
An derNord- undWestwand und unter dem Modell vonMarienfels.
Die Romer fabrizierten Ziegel in grosser Masse und zu verschiedenen
Zweckcn. Jedoch verfertigten sie diesseits des Rheines keine flir Mauerarbeiten,
wie §ie dies z. B. in Trier und in Italien thaten; ihr bei uns gefundenes Ziegel-
werk diente durchweg Einrichtungen, welche ein hoheres Behagen der Haus-
bewohner ermoglichten. Sie fertigten
1. Ziegel zur Dachbedeckung : Rand- und Hohlziegel;
2. Flatten zur Bekleidung der Stubendccken ;
3. Platten mit vier Zapfen zur Bekleidung der Wande;
4. Ziegel fur ihre Heizeinrichtungen, Hypokausten, und zwar
kleine Ziegel fur die Pfeiler, 17 — 20 cm im Quadrat;
Ziegelplatten zur Uberdeckung dieser Pfeiler, bis zu 60 cm im Quadrat;
und
vierseitige Rauch- odcr Heizrohren zur Lcitung der Hitze und zur
Abfuhrung von Rauch und Dunat,
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Raura Vlt. 277
Eine Dachbedeckung durch Ziegcl finden wir an der Westwand
aufgestellt. Die romischen D&cher waren zum grossten Teil mit Stroh, Schilf
oder Schindeln gedeckt, die besseren mit Ziegeln oder auch mit Schiefer. Ein
solches Schieferdach ist neben dem Ziegeldach ausgefuhrt, die Stcine sind 2 cm
dick, sechseckig und mit je zwei Nageln befestigt. Die Ziegel bestehen aus
flachen, mit zwei Randleisten versehenen Randziegeln, tegulae, undausHohl-
ziegeln, imbrices, welche die Fugen der ersteren deckten. Da sie sehr flach
liegen und von bedeutender Schwere sind, bedurften sie keiner Befestigung; sie
waren nicht eingespeist und mogen gegen Schnee-Einwehungen nicht sehr geschiitzt
haben. Vielleicht waren sie manchmal in Moos gelegt oder ihre Fugen damit
ausgestopft. Diese Randziegel kommen nach der Romerzeit in Deutschland nicht
mehr vor, und es weist deswegcn das Bruchstiick eines Randziegels stets iind
unbedingt auf romisches Bauwerk hin.
Unter dem Dache befindet sich eine Sammlung romischer Ziegel, welche
durch ihr gutes Material und zum Teil durch ihre Grosse, von z. B. 65 zu
44 cm, auffallen. Unter ihnen treffen wir zahlreiche Platten zur Bekleidung
der Stubendecken. Dieselben sind, wie alle Ziegel, an welchen der Mortel
festhaltcn soil, mit rauten- oder wellenformigen Einkratzungen versehen und
wurden mit ankerformigen Nageln an den Deckenbalken befestigt und dann ver-
putzt. Eine eigene Ziegelform zeigt napfchenformige Vertiefungen, welche unten
durchstochen sind, 182; sie kommen auch in Trier vor, doch ist ihre Bedeutung
nicht aufgeklart.
Verwandt mit diescn Randziegeln und wohl auch aus ihnen geschnitten
sind die tegulae mammatae, 181, welche vier Zapfen besitzen, durch welche
bei der Bekleidung der Wande ein Hohlraum geschaffen wurde, den sie trockeh
hielten. Auch hat man durch dieselben oft den Fussboden auf ahnliche Art wie
durch Hypokausten, wenn auch nur um wenige Zoll Hohe hohlgelegt, um das
Aufsteigen der Feuchtigkeit zu verhindern. [Quaestiones Pompej. v. R. Schoene.]
Neben den erwahnten Ziegeln sind noch viele Brunnenrohren ausgestellt,
welche auf der Topferscheibe aufgedreht, in einander gesteckt und verkittet wurden.
Sie unterscheiden sich durch nichts von den mittelalterlichen, bis diese als Stein-
zeug hart gebrannt wurden. Uber denselben sind thonerne und steinerne
Schleuderkugeln und Beschwersteine fur Weberei und Fischerei aufgelegt.
Ziegel fur Hypokausten haben wir bereits unter dem Modelle der Villa
Marienfels kennen gelernt. Es sind dort einzelne Pfeilerchen aus den kleinen
zugehorigen Ziegeln rekonstruiert und mit den grossen Ziegelplatten, auf welche
dann der Estrich zu liegen kam, Ciberdeckt. Die vierseitigen Heizrohren
oder Kacheln, welche zur Erwarmung der Wande und zur Abfiihrung des
Rauche§ und Dunstes fiber, vielleicht nur unter das Dach, dienten, finden wir
in grosser Anzahl wieder an der Westwand, neben den vorhin geschilderten
Dach- und Wandziegeln und Brunnenrohren unter dem Modell des Trier'schen
Kaiserpalastes, 186. Die Heizrohren zeigen zwei eingeschnittene Seitenlocher
zur gegenseitigen Kommunikation, sowie gleichzeitig zum festen Halt in der
Mauer; zum Teil sind ihre Flachen verziert und mit dem Legions- oder Kohorten-
stempel versehen.
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278 Raum VFI.
Diese Stempelung der Ziegel mittels des Namens einzelner Truppenteile
war sehrbeliebt, ja fast Kegel; eine reichhaltige Sammlung der verschiedensten
Stempel bietet die Westwand ftir die Kohorten, und die Nordwand fur die
Legionen.
Man nahm bisber an, dass die Ziegel an Ort nnd Stelle, wo wir sie finden,
von den Legionen oder Kohorten, welehe ihren Namen darauf eingedruckt haben,
gefertigt worden seien, und sah in diesem Stempel das untriigliche Zeichen, dass
der betreffende Truppenteil ebendaselbst als Besatzung gelegen habe. Diese
Ansicht ist im einzelnen zwar erschuttert worden, bleibt aber doch ira ganzen
noch bestehen. Die Ziegelstempel an der nSrdlichen und westlichen Wand
ergeben, dass folgende Legionen und Kohorten in hiesiger Gegend gestanden
haben:
Legio I adjutrix; jedenfalls nur fur kurze Zeit, um das Jahr 100.
Legio VIII augusta; nach dem Jahre 72.
Legio XIIII gemina martia victrix, wahrscheinlich die Erbauerin des
Kastells Wiesbaden. Sie hatte um das Jahr 12—9 v. Chr. unter Drusus das
Kastell Mainz angelegt, war 14—16 n. Chr. unter Germanicus am Rhein, wurde
42 nach Britannien geschickt und kehrte von da mit dem ehrenden Beinamen
martia victrix um das Jahr 66 zuriick, blieb aber nur bis etwa 96 hier. Da wir
nun ihre Ziegelstempel ohneund mit jenem Beinamen hier finden, so konnen
wir die Bauzeit der Anlagen, zu welchen sie verwendet wurden, entweder vor 42,
oder nach 66 bestimmen.
Legio XXI rapax.
Legio XXII primigenia pia fidelis; sie hat am langsten hier gestanden,
wahrscheinlich vom Jahre 43, als die Legio XIIII nach Britannien ging, bis zum
Sturz der RSmerherrschaft, etwa 270 n. Chr. Es giebt kein Regiment unserer
Armee, welches so alt ware, noch weniger eines, welches so lange in einer
Garnison gestanden hatte. Ihre Ziegel nehmen daher auch fast doppelt so
viel Raum in der nordlichen Wand ein, wie alle anderen zusammengenommen.
Ziegel mit Stempeln von Kohorten sind links neben der westlichen Thur
au%estellt, und zwar von der
Cohors IIII Vindelicorum,
Cohors II Raetorum,
Cohors III Dalmatorum,
Cohors III Trevirorum und vom
Numerus Catharensium.
Die Formen der Stempel sind ausserordentlich wechselnd. Auch sind uns
die Namen von Ziegelmeistern der XXII. Legion erhalten: Helvius montanus
(10041), Strabo (10094), Justum (10243), Julius primus (10246) und Man-
candi (10252.
Auf langem Regale sind uber den Legionsziegeln an der nordlichen
Wand TSpfereien ausgestellt, welehe zum grossten Teil in die Zeit zwischen der
Christianisierung der Franken und der Erfindung des Buchdruckes fallen, also
einer Zeit angehoren, in welcher man den Toten nichts mehr ins Grab mit-
gab, sodass dieser wesentliche Anhalt fiir die Datierung der Topferwaren
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Raum VII. 279
fehlt; bis dann im 15. und 16. Jahrhundert die Steinzeugindustrie zu so
hoher Bliite gelangte.
Die Masse der Topfe ist meist schwarzgrau, wie sie bei den Franken war;
auch rot, immer sandig und hart bis zur Frittung und zum Zusammensintern
gebrannt. Haufig sind die Gefasse kugelformig, selbst ohne Standboden, und
wagrecht gereifelt. Der Fuss ist eingekniffen, um bei dem starken Brande nur
mit wenigen Punkten auf dem Herdboden zu stehen und daher nicht anzubacken.
Die Auslaufe sind oft klein, rohrenfSrmig, auch die Henkel klein und kunstlos.
Es kommen kugelformige Kessel mit Stollenfussen vor (10721); auch beginnen die
kleinen Trinkkriiglein mit weiter trichterformiger Miindung, ebenso sehen wir
kugelformige Reiseflaschen, aus zwei gereifelten Halbkugeln zusammengesetzt.
Die Topfe besitzen bis dahin keine Qlasur.
Zu Ende der Romerherrschaft, nicht vor dem 4. Jahrhundert, wurden
zwar schon Versuche gemacht, die Topferwaren zu glasieren. Es geschah mittelst
Blei und ergab eine fleckige gelbe, auch etwas grunliche Glasur, auf welche wir
im Raum III No. 63 hingewiesen haben. Dieselbe wurde jedoch im Laufe des
4. Jahrhunderts schon sehr vervollkommnet, wie eine Anzahl von unzweifelhaft
romischen, grun und gelb glasierten Gefassen in den Museen zu Trier und Koln
beweisen. Allein mit dem Sturz der romischen Macht und Kultur ging auch
diese Kunst verloren und wurde nicht mehr von den Franken geiibt, welche ihre
Gefasse durch harten Brand undurchdringlich machten und ihnen hierdurch
sowie durch den Aschenanflug ein zwar nicht glattes, aber sehr dichtes Gefuge
gaben. Erst im 12. Jahrhundert erscheinen wieder Glasurtropfen und Flecken
und finden sich Gefasse, die oft nur teilweise im Innern und am Rand gelb oder
grtin glasiert sind; um 1245 wird ein Topfer in Schletstadt als Erfinder der
Glasur bezeichnet. Da man aber zumal in Norddeutschland schon vor 1240
schwarz und grun glasierte Ziegel gefertigt hat, raiissen wir wohl auch fiir die
Glasur der Topfe ein friiheres Datum ansetzen.
In zwei Schrankfachern (16a) an der Ostwand haben wir die
hauptsachlichsten Typen dieser Topfereien von der Franken- bis zur Renaissance-
zeit zu8ammengestellt, da eine raumliche Anordnung alter diesem Zeitraum an-
gehorigen Keramik nach ihrer periodischen Entwicklung durch den Mangel an
Platz unraoglich wurde. Die einzelnen Typen werden dem Beschauer geniigend
Anhalt fur die Zeitstellung der iibrigen Stiicke der Sammlung geben.
Von den frankischen Topfereien konnen wir annehmen, dass dieselben,
dem alten Gebrauche folgend, immerhin und wenigstens noch bis zum Jahre
600 den Toten beigegeben wurden, und als Musterstiicke bis zu dieser Zeit
anzusehen sind, obschon mit dem Ubertritt der Franken zum Ghristentum nach
der Schlacht bei Ziilpich, 496, samtliche Grabbeigaben, namentlich auch von
Topfen, offiziell aufhoren sollten. Aus jener Periode haben wir, an die in Raum V
aufgeffihrten frankischen Topfereien anschliessend, vier typische "Stiicke ljier
ausgestellt.
1. Schwarzer Topf, welcher noch die germanische Tradition: den scharfen
Knick im Bauch beibehalten hat, durch welchen die untere Halfte recht eigentlich
zur Aufnahme der Hitze vom Kohlenfeuer, die obere zu Verzierungen geeignet war.
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280 Raum VII.
58, Schwarzer Topf mit zusammengekniflFener Tfille und mit Henkel. Um
den gerundeten Bauch befinden sich eingedriickte Verzierungen.
3. Gelblicher, naturfarbener Topf, dessen Masse viel Sand zum besseren
Widerstand gegen die Hitze zugesetzt ist.
4. Rote, naturfarbene Kanne mit Henkel und zusammengekniflFener
Mundung.
Die Typen 1 u. 58 aus Niederursel und Wiesbaden horen mit der Pranken-
zeit auf; 3 u. 4, obschon aus Frankengrabern, von Engers und Wiesbaden, sind
von weit spateren, selbst mittelalterlichen und neuen Gefassen, kaum mehr zu
unter8cheiden.
Wir nehmen an, dass noch um das Jahr 600 zum Kochen schwarze, hart-
gebrannte, kugelformige Gefasse benutzt wurden, welche ihrer Form nach der
Hitze am besten widerstehen konnten.
5. Kochtopf von Trier, zunachst dem Dome ausgegraben.
6. Desgl. von einer sehr alten, lang betriebenen Topferei am warmen Damm
zu Wiesbaden.
7. Schwarzer gereifelter Topf ebendaher, mit diinnem Auslauf und zwei
kleinen Henkeln. Die gleiche Form kommt in rotbrauner Farbe, also ohne
Russ-Impragnierung durch ersticktes Feuer, vor. Es scheint, dass diese Topfe
zur Salzbereitung gedient haben, so unpraktisch sie auch fur die Verdunstung
waren, denn in einer Salzquelle zu Mettlach hat man ebenfalls viele Topfe der-
selben Form gefunden.
8. Feldflasche vom warmen Damm zu Wiesbaden.
9. 10. 11. Henkelkrug und Trinkkannchen, alle von sebr roher Arbeit,
braun, gereifelt und noch ohne Salzglasur, aber doch schon, wegen der Gefahr des
Anbackens, mit gekniffenem Fuss.
158. 13. Weiss und gelbliche, schwacher gebrannte Gefasse vom ehemaligen
Ftirstenberger Hof in Mainz.
14. Ein No. 158 ahnliches Gefass, gleich falls gereifelt, aber im Inneren
bereits glasiert, vom Kloster Thron (gestiftet um 1243). Daneben ein trichter-
formiges, aussen gereifeltes und innen glasiertes Gefass aus Wiesbaden.
15. Teilweise glasiertes Gefass, ebenfalls etwa dem 13. Jahrhundert an-
gehorig.
16. Steinzeug von Frechen, sogen. Bartmann, Geschenk des Prinzen Loz
Corswarem.
17. Desgl. hoher Krug mit dem Wappen von Wilhelm von Reifenberg
und Anna von Battenberg (1604).
18. Desgl. Ringelkrug.
19. Steinzeug von Raeren, siidlich von Aachen. Krug mit Bauerntanz.
580. Siegburger Steinzeug, sogen. Jacoba-Kannchen von Burg Klopp bei
Bingen.
581. Desgl. mit Rosetten und Relief.
5858. Desgl. Steinzeug, gesclmitten und eingedruckt.
583. 584. Siegburger „Schnelle a mit Abrahamsopfer und mit Joseph und
Potiphar. .
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ttaum Vlt. 281
25. Nassauer Steinzeug: „gedrCicktes Zeug u , unbctnalt. Wilhelui III.
v. Oranien u. Nassau heiratet Marie v. York, 1577.
Von weiterem nassauer Steinzeug:
26. Kugelformiger, kurzhalsiger Krug mit eingedriickten Blumen, violett
und blau.
27. Desgl., eingeritzt und geblaut.
28. BirnfSrmiger, weithalsiger Krug, geritzt und geblaut.
29. Bruchstuck mit durchbrochener Verzierung, violett gemalt.
30. Creussener Trinkkrug und Kanne, schwarz mit bunten Schmelzfarben
und Gold, daneben ein ungemalter Apostelkrug, ebendaher.
81. Sogen. Trauerkrug, grau mit blau und weiss bemalt, aus Franken.
Nach diesen hauptsachlichen Vertretern der Topferei von der Frankenzeit
bis zur Erfindung der Fayence machen wir noch auf einige andere, in dem-
selben Schranke 16 a aufgestellte GefSsse aufmerksam.
32. Zwei Wolbtopfe, mittels deren durch kranzformiges Ineinanderstecken
sowohl romische, als bis in die neueste Zeit die Seulberger Topferofen uber-
wolbt waren.
33. Ordinare Topfe aus dem Huzulenland am siidostlichen Ende der
Karpathen. Eine Wurstflasche; Teller mit eigentiimlich stilisierten, aufgemalten
Verzierungen.
34. Ordinare Topferware von Marburg, zum teil mit aufgelegten, in
der Masse gefSrbten Blumen, zum teil mittels des Malhorns verziert.
35. Zwei Malhorner, eines von Marburg, das andere von Topfer Mollath
in Wiesbaden. Es wird hier an die rdmischen Malhorner in Raum II, 157 und
158 erinnert. [Annal. XV, 272.]
36. Grosses Spulbecken von Fayence, vom Kloster Tiefenthal.
37. Schwarzer, amphorenartiger Krug, ganz in antiker Form, aus Sirmieii,
wo sie noch angefertigt werden und in Gebrauch sind. Geschenk des Herrn
Grafen zu Eltz.
38. Bruchstucke von Kropfhalskrugen aus den Mineralquellen von SchwaU
heim und Niederrosbach. Ein im Kropf befindliches Kiigelchen schloss die
Offnung, wenn der Krug stand,* und offiiete sie, wenn er zum Eingiessen wag-
recht gehalten wurde.
39. Formen von Thon und von Holz fur Reliefauflagen und zum Ein-
driicken in Steinzeug.
Im folgenden Schranke, 16b:
40. Oben links eine kleine Sammlung von verschiedenem Frechener
Steinzeug.
41. Vier- und sechseckige Apothekerbiichsen aus nassauer Steinzeug.
42. Drei Schiisseln, Nassauer Steinzeug.
43. Desgl. blaue Flasche mit den Wappen von Anselm von Ingelheim,
Kurffirst von Mainz, 1679—1695.
44. Becher von Grenzau mit: „Tenor ich heb empor. 1590."
45. Desgl. mit Doppelwappen.
46. Siegburger Kannen und Schnellen (grossenteils Abgiisse).
19
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282 Raura VII.
47. Siegburger Kanncn in gedriicktcr Ware.
48. Siegburger Kelch mit der Umschrift: VERBVM DOMINI PERSTAT IN
ETERNV. 1575.
49. Siegburger geschnittene Ware.
Yerschiedene nassauer gcritzte und geblaute, auch gedriickte Ware:
50. Krug mit schlanker Dame in der Tracht des 16. Jahrhunderts.
51. Krug mit vergittertem Hciligenhauschen.
52. TintenfSsser.
53. Tellerchen.
54. Einige Scherben aus Arizona (Mexico), Geschenkc des Herrn Professor
v. Franzius. Dieselben sind hier eingeschaltet, weil sie vollkommen unserem
Steinzoug gleichen, nur sind sie mit Ornamenten in schwarzer Farbe verziert,
welche unsere Steinzeug-Industrie nicht kannte.
Nicht nur im Kannenbacker Land, siidlich und nordlich der Montabaurer
Ilohe, sondern auch auf dem Einrich, zwisclien der Baderstrasse und dem Rlieine
wird eine der sogen. nassauer gleiche Ware gefertigt; unter anderen:
55. Geritzte, gedriickte und geblaute Kriige aus Casdorf.
56. Desgl. von Himmighofen und
57. von Zorn.
58. Brastbild eines Johannes aus Steinzeug; dabei weisen wir hin auf die
50. Darstellung des Erzengels Michael aus Steinzeug, aus einer Kapelle in
Vettel8chloss bei Linz a. Rh. Das Bild ist in der Leibung der Thiir zu
Raum VIII aufgehangt.
60. Steinzeugkrug neuen Fabrikates aus Regensburg.
61. Giebelspitze von Steinzeug (Hohr oder Grenzhausen Johannes Mennecke
anno 177 . .).
62 u. 63. Kruge aus Casdorf, mit dem dreimaligen Wappen des Constantin
von Nivenheim 1644.
64. Taschenformiges Gefass aus braun glasiertem Topferthon mit ANO 16 L
(1650), aus dem Rheingau, geschenkt von Herrn Neumeyer in Eltville. Dcr-
gleichen Gefasse dienten zum Ziehen der Talglichter.
65. Einige nassauer Kriige.
66. Lampen und Lampenstander aus nassauischem Geschin % und aus
ordinarem Thon.
Wahrend die vorhergehenden Schranke 16a u. 16b Topfereien enthiclten,
welche durch eisenhaltigen Lehm, durch Salzanflug und durch Bleioxyd glasiert
sind, finden wir in
Schrankl6c schwachgebrannte, mit zinnhaltiger und daher undurchsichtiger
Glasur bedeckte Topfwaren: die Fayencen; ferner die mit Feldspathglasuren
iiberaogenen Porzellane, und gefarbten, nicht glasierten Chromolithe.
Die zinnhaltige Glasur kam erst im 14. Jahrhundert in Gebrauch, obschon
das Zinnoxyd schon bei der romischen und frankischen Glasfabrikation als weisse
Streifung sichtbar wird. Die Perser und Araber wandten zuerst das Zinnoxyd
zur Glasur an, d. h. machten Fayencen. Die Araber brachten diese Kunst
nach Spanien, von wo sie nach Majorca kam und die Gefasse den Nanien
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Kaum VII. 283
Majolika erhiclten. Dicselben wurdeu anfangs des 15. Jahrhunderts in ltalicn
bekannt; Luca de la Robbia iiberzog um 1415 seine Thonbildwerke, um sie
wetterbestandig zu machen, mit einer Zinnglasur, welche den gelben oder roten
Thon weiss iiberdeckte und audi bemalt wurde. 100 Jabre spiiter wurde diese
Qiasur in Pesaro bei Schiisseln und Tellern angewandt, welche vor dem zweiten
Brande bemalt wurden. Von hier gehen die schonen Majolikamalereien zuerst aus.
Das Porzellan wurde angeblicli schon 163 v. Chr., sicher aber 462 n. Chr.
in China erfunden und seit 1518 von den Portugiesen nach Europa gebracht.
Man suehte es um diese Zeit in Delft in Fayence nachzuahmen. Nicht minder
bemiihte man sich, das wirkliche chinesische Porzellan nachzumachen. Es gelang
zuerst Bottcher in Meissen 1703 ein rotes Porzellan, welches jedoch eher
ein Chromolith war, und endlich 1709 ein weisses, hartes Porzellan zu stande
zu bringen und aus Kaolin, einer bis dahin zu Puder verwandten Erde erst
durch schwachen und dann durch starken Brand mit einer Feldspathglasur ein
dem chincsischen Porzellan gleiches Fabrikat zu licfern. Bald entstanden trotz
des angstlich gehutetcn Geheimnisses mehrere Fabriken in Deutschland, indem
man sich die Direktoren und Arbeiter entfuhrte. So in Wien 1720, in Hochst a. M.
1740, Nyraphenburg 1754, Ludwigsburg 1758, Berlin 1750—1763, Limbach im
Thiiringer Wald 1772, Frankenthal 1775 u. s. w. In Frankreich begann man
zuerst 1639 ein weiches, sogen. Frittporzellan aus kunstlich zusammengesetzten
Bestandteilen und erst 1765 ein wirkliches Porzellan in Sevres zu machen. Ein
Topfer, P. Hannung, der in Hagenau Porzellan fabrizieren wollte, wurde dort
. vertrieben und grundete unter Karl Theodor von der Pfalz die Fabrik in
Frankenthal.
Von den meisten dieser Fabriken haben wir wenigstens Proben mit Marken
hier ausgestellt.
Nach den chemischen Bestandteilen ist das Steinzeug ein unreines graues,
durch Salzanflug glasiertes Porzellan, das Chromolith aber ein in der Masse blau,
griin u. dergl. gefiirbtes, in der Kegel nicht glasiertes Porzellan.
Die obere Reihe des Schrankes 16c enthalt:
67. Fayence von Delft.
68. Desgl. aus Franken. Ein Krug, mit Blumen bemalt und der Auf-
schrift: „Was du nit kanst miden soltu geduldig liden 1778 Jahr. a
Es folgen drei Majoliken, 168 aus Mittelitalien, 15. Jahrhundert; 169
grotesk bemalt, aus Urbino, 16. Jahrhundert, und 170 von Castelli bei Neapel,
um das Jahr 1700.
69. Ein Theepot mit aufgelegten und gemalten Blumen und dem Zeichen
P H (des oben genannten Paul Hannung, welcher die Frankenthaler Fabrik
eingerichtet hat).
70. Vexierkrug, wahrscheinlich von Kunersberg in Schwaben, Geschenk des
Herrn Buschbaum in Hamburg.
71. Kaffeepot und Milchpot von Wedgwood, geschenkt von Frau Heitz,
Wiesbaden.
71*. Fayence von Weilburg a. d. L., Geschenk des Herrn Grafen Schwerin
daselbst.
19*
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284 Raum Vlt.
72. Flaschc von rotglanzendem Thon mit gcschnittcncm Deckel, modora-
iigyptisch, der romischen Terra sigillata sehr ahnlich. Gescbenk des Herrn
E. Boch in Mettlach.
73. Zwei Topfe, modern-agyptisch, und eine Form, geschenkt von Herrn
Dr. v. Hoffmann. Die Topfe dienen zum Kuhlen des Wassers, indem das-
selbe durchschwitzt und verdunstet; der eine ist mit einem Sieb versehen.
74. Ein Paar hohe Vasen mit Palmetten-Malerei und Goldliister nacb
Art mancher Majoliken; aus Madrid.
75. Fayenceteller von Rhodus, Anfang des 15. Jahrhunderts, angeblich dureh
persische Gefangene gefertigt. Gescbenk des Herrn Guido Oppenheim in
Frankfurt a. M.
76. Chinesische Theebuchse von rotem Porzellan, der fehlende Deckel
mit Bajonettverschluss.
77. Kleiner cbinesischer Theepot von rotem Porzellan.
78. Desgl. von hellbrauner Steinmasse.
79. Sebr wertvolle Theebuchse aus Bottcher'schem roten Porzellan, ab-
geschliffen und mit eingeschliffenen Blumen.
80. Chinesiscber Teller, Topferware, reich dekoriert. Die Chinesen ver-
stehen es, Fabrikationsfehler zu einem neucn Schmuck auszubilden, so bier das
Zu8ammenlaufen und das Abblattern der Farben. Die halbabgelosten und auf-
gerollten Farbblattchen sind in gefalliger Weise mit schwarzen Randstrichen
umzogen u. s. w.
81. Chinesische Porzellanschalchen; ihre Durchstechungen sind mit Glasur
erfiillt und geben ein durchscheinendes Ornament.
82. Chinesische Vasen auf geschnitztem Holzsockel; geritzelt, craquele.
Es ist nicht die Glasurschicht, welche geritzelt (fandilliert) ist, sondern eine weisse
Thonschicht (Beguss, engobage,) unter derselben. Die Risse sind mit brauner
Farbe erfiillt und dann das Ganze glasiert; man erkenut namentlich auch an der
blau und weissen Blumenbemalung, dass die Glasur ohne Ritze und Risse ist.
Gros8feldige Craquelage wird fur schoner als die kleine gehalten.
83. Blauverzierte Vase von chinesischer Form, geschenkt von Herrn A. Zais.
84. Japanische Vase, flaschenfoimig blau bemalt, geschenkt von Herrn
Dr. Ladner in Trier.
In der dritten Reihe stehen:
85. Flache chinesische Schiissel, bunt bemalt. Geschenk des Herrn
Schwei8sgut.
86. Suppenschussel von chinesischem Porzellan, stichsisch bemalt. Geschenkt
von Herrn A. Zais.
87. Porzellan von Hochst, mit dem Mainzer Rad gezeichnet.
88. Desgl. zwei Kompotschusselu.
89. Desgl. Kredenz.
•O. Desgl. Eisschale.
91. Desgl. Tasse und Untertasso, bemalt.
92. Desgl. bemalte Teller.
93. Flacher Kumpen mit Blumen bemalt, von Frankenthal.
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Raum Vn. 285
94. Bemalter Theepot von Ludwigsburg.
95. Theepot, Zuckerdose und Theebiichse von Berlin, geschenkt von
Fraulein Rullmann.
96. Suppenschiissel, japanisches Fabrikat. Geschenk des Herrn A. Zais.
97. Schale, vergoldet mitBlumen und Schaferscenen bemalt, mit unbekannter
Marke.
98. Viereckiger Prasentierteller mit Blumen bemalt, Fayence, geschenkt Yon
Herrn A. Zais.
99. Ofenkachel mil bemalten Figureu: Potestas, Nobilitas, Libertas.
Schweizer Fabrikat.
Des Raumes wegen wurden hier eingefiigt:
100. Holzkriige mit Zinneinlagen, interessant durch die Behandlung der
Blumen und Blattfelder mittels Tremolierstich, Punzen und Schraffierung.
101. Willkomm-Humpen aus Zinn mit dem Zimmermannszeichen und
der Jahrcszahl 1751. Geschenk des Herrn Buschbaum in Hamburg.
102. Zinnerne Kaffeekanne, gewunden, geschenkt von Herrn Buschbaum.
108. Flasche und Schiisscl aus Lavezstein (Topfstein), reich geschnitten,
aus Khorassan in Persien.
104. Weitere Gefasse aus Lavezstein und Serpen tin.
105. Sonderbares, ganz mit Stacheln besetztes Thongebilde: ein Ehron-
stiick des Ordens vom Stachelschwein, anno 1582. [Annal. XV, 140.]
106. Fayencekrug vom Kloster Gottesthal, blau bemalt, eine Topferscheibc
und: den 22 augusti anno 1517. „Leonhart Kuhn bacte und sein gespann. u
Geschenk des Herrn Oberinedicinalrat Dr. Reutcr, Wiesbaden.
107. Verschicdenc Kriige, Vasen, Schiisseln von Chromolith von Mettlach,
Geschenkc des Herrn Boch zu Mettlach.
108. Bauern-Majoliken von Villingen (No. 11510); von Nion am Genfcr
Sec, Geschenke des Herrn Buschbaum (No. 11511 und 11512); von Thun
(No. 130 20), Geschenk des Herrn von Cohauson.
109. Formplattchen fur Lebkuchen. Der Wolf predigt den Gansen.
[Annal. XIX, 71.]
110. Fussboden-Platten, glasiert und unglasiert. Formen fur Zuckerbacker
und Lebkuchler.
An der Ostwand iiber den Schranken 16 a, b u. c befindet sich unter No.
Ill eine grosse Menge romischer Kriigleiu und von Wolbtopfen.
Vor derselben
1 12. ein Renaissance-Balkongelander mit dem nassauischen Wappeu aus dem
Schlosse Usingen, erbaut 1662, abgebrannt 1873.
An der Sudwand finden wir, von der Thiire ausgehend, in dem Glas-
kasten 14a:
118. Die galvanoplastische Nachbildung eines Reliquiars in der ehemaligen
Abtei Mettlach, der Salvator mundi mit den die vier Evangelisten vertretenden
Tierbildern. Auf dem Abschnitte dariiber sind sechs Geistliche, zum Teil mit
den Stiftungen, die sie gemacht, angebracht; auf dem untern Abschnitt vor-
nehme Ehepaare, gleichfalls Geschenke d. h. Dorfer und Villen darbringend.
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286 Raum VII.
Zwci Kleriker zu Fiissen des Heilands halten die Kapscl mit den Partikcln
des heiligen Kreuzes, welche das Reliquiar einst umschloss. Die dargestellten
Stifter und Geschenkgeber gehoren dem 10., die beiden Kleriker sowie das
ganze Reliquiar dem Anfange des 13. Jahrhunderts an.
114. Nachbildung eines Prachtkammes aus der crsten Hiilfte des 15.
Jahrhunderts. Auf der eineu Seite turnierende Ritter, auf der anderen cine
Scene, worin Tristan und Isolde sich an einer Quelle finden, aber gewarnt
werden, da sie in derselben das Spiegelbild des Konigs Marke sehen, der im
Baum sitzt.
115. Nautilus-Becher mit indischen Zeichnungeu. Diese Becher dieuten
zur Zeit der Renaissance als Tafelschmuck.
116. Eiserne Kassette mit eingravierten Jagdscenen aus dem 16. Jahr-
huudert.
117. Eiserne Kassette mit geatzten Verzierungen aus dem 17. Jahrhundert.
118. Kassette aus verschiedenfarbenem Bernstein, gefertigt von Mcister
Jeorge Scheweke 1695. Geschenkt yon Frau Adele Preyer.
119. Orientalische Raucherkugel, darin ein Pfannchen, das immer wug-
rccht bleibt, vvie man auch die Kugel rollt.
120. Wachterhorn aus Thon aus dem Schlosse von Alzei. Die Topfer waren
oft verpflichtet, solche abzugeben. „Iteni soil iglicher Euluer (Topfer) dem Sehloss
in Rodheim alle Jalire machen zwei Horner uflf die Wachte, sodass an sie gc-
fordert wird 1454. tf [Bodmann, 481. J
121. Musikalische Instrumente aus Elfenbein aus iiberseeischen Liinderu,
geschenkt von Herrn Platzhof.
122. Cymbeln, wahrscheinlich aus nassauischen Klostern.
123. Pulverhorn, 16. Jahrhundert.
124. Ratselhafte Bleifigur aus Frankreich, angeblich aus einer Sammlung
Napoleon III.
125. Alabastergruppe : Raub der Sabinerinneu, nach Johannes von
Bologna.
126. 127. Weibliche nackte Figuren aus Elfenbein, die eine mit einer
Mandoline, die andere mit einem Papageien.
128. Hammer und Kelle, mit welchen Herzog Wilhelm 1816 zur In-
fanteriekaserne, und Herzog Adolf 1853 zur protestantischen Kirche den Grund-
stein gelegt hat.
Im folgenden Glaskasten 14b:
129. Holzschnitzwerk. Zwei durch eiueKetteverbundene Loffel, auf dcren
Stiel Musikanten und Liebende dargestellt sind.
130. Desgl. der englische Gruss, 17. Jahrhundert.
131. Desgl. Kranz aus verschrtinkten Holzern; dieselben dienen in Fries-
land als Untersatz fur heisse Topfe.
132. Desgl. Christus amOlberg; Geschenk vom Prinzen Loz Corsvarem f
133. Zwei Madonnen aus Elfenbein.
134. Zwei gothische Bronzeleuchter.
135. Romanischer Bronzeleuchter,
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Raum VII. 237
136. Bronzetaube als cwige Lampc aufzuhiingen.
137. Bronzeschellen und Abgiisse von dergleichen.
138. Romanisches Rauchfass von Bronze.
139. Gothischer Abendmahlskelch vom Hohenstein bei Schwalbach.
140. Krote von Schmiedeeisen (Bermutter), Votivbild aus Bay em.
141. Silberne Haarnadel vom Maifeld. Diese Nadeln sind alle nur im
Reuaissancestyle; es giebt keine gothische Formen und scheint es, als sei der
Kopfputz, zu dem sie gehoren, erst im 16. Jahrhundert eingefuhrt worden.
142. Bronzerosetten mit verschiedenen Dai'stellungen aus der alten
Geschichte; z. B. Curtius sturzt sich in den Erdschlund, Reitergefechte und der-
gleichen. Sie werden haufig, da sie sehr zahlreich sind, fur romisch ausgegcbcn,
gehoren aber alle zum Pferdeschmuck der Renaissance.
143. Getriebenes Bronzerelief: turnierender Ritter, gefunden bei der
Burg von Ellar.
144. Silberner Loffel von Burg Kronbcrg, daneben mehrerc bleicrne. Sic
zeigen meistens am Ende dcs Stielcs ein Liebespaar odcr ein Heiligcnfigurchen.
Dabei ferncr Messcr und Gabel. Mittelalter.
145. Votivfigurchen aus weisscm Thon und aus Gyps: Christkind, Kind
in der Wiege etc., teilweisc aus der zerstorten Liebfrauenkirche am Reichcn-
scheid bei Westerburg.
146. Votivgaben vom Heiligenborn auf dem Mahlberg, eine Stundc ostlich
vou Monfcabaur. St. Antonius mit dem Christkind, Darstellung des Wunders
vom hciligen Blut in Wallduren und anderes.
147. Kruzifixe aus der romanischen, gothischen und spateren Zcit.
148. Bleibullen (Siegel), von Papst Innocens VI., 1352 bis 1362, und
von der Kirchenvcrsammlung in Basel 1434—1439.
149. Bronzebildwerke, getrieben und gegossen.
150. Bronzeblattchen von einein kleinen slavischen Haus- Altar.
151. Bruchstuckc einer vergoldeten Monstranz, welche gestohlen, zer-
schlagen und versteckt wurde und als wertlos liegen blieb.
Glaskasten 14c. Sporen und Steigbiigel.
152. (No. 10882—87) Romische Sporen mit kurzem Stachel. Man trug nur
an einem (dem linken) Fuss einen Sporn.
153. (No. 10888—91) Frankische Sporen mit pyramidalem Stachel.
154. Spatere Form; der pyramidale Stachel sitzt auf langerem Stiele.
155. Schrag aufgerichteter Stielstachel; um 1200 n. Chr.
156. (No. 10897, 11059—63) Sporen mit Radchen; 14. Jahrhundert.
157. Desgl. Zweite Halfte des 14. Jahrhunderts.
158. Desgl. Ubergang vom 13. zum 14. Jahrhundert.
159. Desgl. 15. Jahrhundert.
160. (No. 11072-76, 13256) mit langerem Hals, Mittc des 14. Jahr-
hunderts.
161. (No. 11077-84) nach 1500.
162. (No. 11085-89) nach 1600.
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288 Raum VII.
168. Ein Paar Prachtsporen aus der Zeit Ludwig XIV., urn 1700. Daneben
verschiedene andere Sporen, auch Damensporen.
164 u. 165. Steigbiigel.
Die Romer hatten keine Steigbiigel; die Fiisse hiDgen frei herab. Erst
zur Zeit des byzantinischen Kaiserreiches, Ende des 6. Jahrhunderts, werden
sie zum ersten Male erwahnt. „Der Reiter solle zwei Paar Steigbiigel am
Battel haben, um einen verwundeten Kameraden hinter sich aufs Pferd nehmen
zu konnen. a Vorher hatte man einen Steg am Lanzenschaft, auf den man trat,
um auf das Pferd zu steigen. Die ersten Steigbiigel waren Lederschleifen,
dann gerundete Dreiecke von Metall. Auf einer Tapete des 11. Jahrhunderts
haben schon alle Pferde Bugel. Die hier ausgestellten schweren Steigbiigel mogen
dem 15. Jahrhundert angehoren. Ob die Biigel fur Reit- oder Zugpferde ge-
dient, welchen Landstrich und welcher Zeitperiode sie angehort, lasst sich bei
nicht ornamentierten Stiicken nur selten bestimmen.
166. Ein Kappzaum.
167. Schwere Trenso von Burg Grenzau.
Neben dem Glaskasten ist an der Ostwand cine
168. Sammlung verschiedenartiger Hufeisen angebracht; ob und welchc
man fur romisch erklaren wollc, bleibt anheimgestellt.
An der Sfldwand neben der Tbiire
169. Zwei Rahmen mit Schlusseln aus gothischer und spatcrcr Zeit und
zum Teil von gewaltiger Grosse. Sie haben sich im Laufe der Jahrc als
dankbar genommene Geschenkc angesammelt.
An der Thur sind
170. Schlosser und Beschlage befestigt. Ein Paar dergleichen aus
der Burg von Limburg, ein Gescheuk des llerrn W. Klein, sind an der Thiire
zum Hof angebracht.
In dem Glasschrank No. 15 unter dem Glaskasten befinden sich
171. Verschiedene alte und neuere Schlosserarbeiten. Kassetten
mit geschnittenem Leder iiberzogen und mit hiibschen Beschlagen, eine von
Holzschnitzwerk, zum Teil erganzt; Sparbiichse; Vorhangeschlosser, verzierte
Schiisseln von Venedig in sogen. gesprengter Arbeit; Abgflsse von Elfenbein-
schnitzwerken, Glasmalerproben, Morser, Dambrett, verschiedene Schuhschnallen.
Ferner
Feuerzeuge.
In altester Zeit suchte man das Feuer unter der Asche zu bewahren;
der Nachbar teilte es dem Nachbar mit. Die Vestalinnen mussten es von
Staatswegen unterhalten. Die Griechen und Romer erzeugten, wie heute noch
die wilden Volker, das Feuer durch Reiben verschiedener Holzer auf einander:
Igniarium bei Plinius (H. N. XVI, 40 u. 36, 19), der jedoch auch weiss, dass
man durch Zusammenschlagen eines Feuersteines mit einem Nagel Funken
hervorrufen und diese in Schwefel, trockenem Schwamme oder Blattem auffangen
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Raum VII. 289
kann. Stahl und Stein haben sich unter romischen Alter tiiinern noch nicht
gefiinden. Als ein aussergewohnliches Mittel, Feuer anzuziinden erwahnt Plutarch
(Numa, 9), dass die Vestalinnen ihr Feuer, wenn dies durch ein Ungliick erloschen
war, mittelst eines trichterformigen Hohlspiegels von Bronze aufs neue entziindet
haben. ArchimedeB soil mit Brennspiegeln die feindliche Flotte vor Syracus in
Brand gesetzt oder wohl nur anzuzunden versucht haben, und Seneca fiihrt die
Eigenschaft einer mit Wasser gefullten Glaskugel an, wie ein Brennglas zu
wirken. Aber all dies waren merkwiirdige Ausnahmefalle, welche den Haus-
gebrauch eines Reibholz-Feuerzeuges nicht ersetzten.
Die Franken aber bedienten sich, wie wir noch vor kurzem, des Stahles
und des Feuersteines, sowie auch des Pyrits, eines harten messingfarbenen
Schwefelkieses (Schwefeleisen), der noch im vorigen Jahrhundert zu diesem
Zwecke vorzugsweise gebraucht wurde. Stahl und Stein haben die Franken
uns in ihren Grabern hinterlassen (Raum V, 98), und wir mussen vermuten, dass
sio cbenso wie die Romer auch den Schwamm (Zunder) und Schwefel gebrauchten.
Wir benutzten ausser dem Schwamm auch verkohlte Zeuglappen zum Auf-
fangen des mit Stahl und Stein erzeugten Funkens, und man konstruierte urn das
Fcuerschlagen zu erlcichtern, ein Fouerschloss, ahnlich dem einer Pistole. Wenig
Aufnahme fand ein pncumatisches Feuerzeug, in wclchem die Luft in einem
Cylinder durch einen Stempel zusammcngcpresst wurde und sich dadurch so
crhitzte, dass sich ein am Stempel befcstigter Schwamm cntzundeto. Die Fort*
schritte in der Chemie brachten in der crsten Halfte unseres Jahrhunderts rasch
einc Menge Ncuerungen, von denen wir wcnigstens das Doebereiner'sche Wasser-
stoff-Fcuerzcug hier aufbewahrt haben. Phosphor-Feuerzeugc und solche, bei
welchen der Schwefel durch chlorsauros Kali und Schwefelsaurc crhitzt einen
Holzspahn entziindet, sind jetzt kaum mehr zu finden, da die wcit bequemeren
Reibzundholzer und die schwcdischcn Streichfcucrzcuge den Markt beherrschen.
Mit den Lichtputzen, deren man bcdurfte, um den verkohlten Docht des
Talglichtes abzuschneiden, ist es derselbe Fall. Das oft hochelegante Instrument
mit seinom Tellerchen ist der jiingcren Generation selbst dem Namen nach
nicht mehr bekannt.
Von alteren Feuerzeugen und von Lichtputzen haben wir hier einige zu-
sammengestellt.
172. Zwei Taufbecken von getriebenem Messing. St. Georg und der
englische Gruss. Schrift unleserlich.
Muster venetianischer, gemalter und vergoldeter Ledertapeten. Die
ersten Ledertapeten nehmen ihren Ursprung unter den Mauren zu Cordova in
Spanien im 12. Jahrhundert. Auch in Deutschland war ihr Gebrauch stark,
besonders im 17. Jahrhundert. Das Leder wurde auf seiner ganzen Oberflache
mit Blattsilber versilbert und erhielt durch einen gelben Firniss Goldglanz, durch
Pressung mittelst Holzformen empfing es Zeichnung und Relief und wurde
schliesslich aus freier Hand bemalt.
Holzformen zum Pressen von Ledertapeten.
Formen aus Holz und Messingstiften zum Kattundruck.
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290 Raum VII.
Holz- und Messingstockc zum Biicherdruek.
Gypsabgiissc von Photographien auf Gelatine.
Kastchen in Boulmanier.
Zinnteller mit den Wappen der Schweizcr Kantonc.
Reliefstudicn u. dergl. in Wachs, Thon und Marmor.
Alto Spitzen und Photographien von dergleichen, geschcnkt von Frau
A. Preyer.
178. Glasierte Ofenkacheln des 15., 16. und 17. Jahrhuuderts, crstere
aus dem Haus de Foro in Riidesheim, die anderen von der Burg Gravencck
a. d. Labn. Geschenke des Herrn Jung in Riidesheim und des Herrn Ober-
lorster Holzcrkopf in Weilburg.
Gobelins.
Die sogen. Gobelins haben ihren Namen von eincr Pariser Farberfamilie,
welche 1440 einc Fabrik flir Tcppichwebcrei griindete. Ludwig XIV. ubernahm
sic 1662 mit Beibehaltung des Namens fur Rechnung des Staates. ; Ihre Fabrikate
sind ganz dicselben, welche bereits im 14. Jahrhundert in Flandern (Briisscl und
Arras) und in Deutschland zu Schwabach gefertigt worden waren. Die Bindung
ist gewobnliche Leinwand- oder Tafft-Bindung, d. h. die Einschlagfiiden krcuzen
die Kettenfiiden regelmassig uach jedem Faden, bald voru bald hintcn. Der
Kettenfaden besteht aus starkem Leinengarn, der Eiuschlagfaden aber aus
Stiicken Wollegarn, welche von der Liinge und Farbe abhangig sind, die das
Original vorschreibt, und deckt die Kette vollstandig.
Die Arbeit unterscheidet sieh nur darin, ob sie in einer senkreehtcn oder
in einer wagrechten Ebene ausgefiihrt wird. Im ersten Fall sind die Ketten-
faden senkrecht gespannt, und die Litzen (lisses), durch welche sie abwechselnd
hervorgezogen werden, befinden sich iiber dem Weber: Haute lisse. Der
Weber steht auf der Riickseite des Teppichs und die bildlichen Darstellungen
entstehen von den Fussen allmahlich bis zum Haupt.
Bei der Basse-lisse-Weberei, welche in einer wagrechten Ebene ausgefiihrt
wird, sind die KettenfSden so gespannt, dass sie die Figuren rechtwinklig durch-
schneiden und der Einschlag von der einen (liuken) Seite zur anderen (rechteu)
voranschreitet. Die schone Teppichseite liegt uach unten, wahrend der Weber
auf die linke Seite blickt, auf welcher auch die Fadenenden des Einschlages
vorstehen.
Die aufgehaugten Teppiche sind Basse-lisse-Gcwebe, wahrend der von
Luxor in Raum II, 184 Haute-lisse-Arbeit ist. Von der gewohulichen Weberei
unterscheidet sich die Haute- und Basse-lisse-Weberei dadurch, dass die Ein-
schlagfaden nicht durch die ganze Breite des Zeuges durchgehen, sondern nur
aus Stiicken bestehen, welche nur so lange sind als das Farbmuster verlangt.
174. Grosser Gobelin an der Siidwaud iiber dem Glasschranke; er ist
aus Italien hierher gelangt und stellt den Abschied des Antonius von Kleopatra
dar; Antonius wird im Vordergrund unten durch einen Hasen verspottet,
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R*um VII. 291
welchen Araoretten festhalten wollen^ wahrend anderc Amoretten das Netz
offnen, in das er zu seinem Verderben rennt. Der Wert dieses Tcppichs ist
auf 30000 Mark geschatzt; derselbe ist wahrscheinlich mit der Gerningin'schen
lliuterlassenschaft aus Neapel an das Museum gekoinnien.
175. Daneben im Winkel an der Ostwand ist ein anderer Gobelinteppich,
wegen der vorwaltenden griinen Baume Verdure genannt; auf ihm sind Jagd- und
Fischereiscenen zu erkennen. Er ist vielfach zerrissen und geflickt, dadurch
aber in seiner Technik leichter zu verfolgen.
176. Teppich stuck, welches dem Kostum der darauf diu'gestellten Personcn
entsprechend dem 15. Jahrhundert angehort. Eine weibliche Gcstalt ist zum
Toil uoch zu erkennen, welche durch einen Mann in geteilter Kleidung mit dem
Schwert hingerichtet wird, wahrend eine Dame mit Diadem uud Scepter und
ein bartiger Mann, beide zu Pferde, zusehen. Jcde Farbe hat nur drci
.Nuanccn, welche aber, wo es erforderlieh, als Schraffierung ineinander ubcrgreifen,
uud so einen mittlereu Ton ergeben.
177. (In der Leibung der Thiir zu Raum V11I) Teppich von sirmischer
J[au8iudustrie, geschenkt vom Grafen zu Elz. Die seukrechteu Kcttenfadcu
sind in Tafftbindung durch den Einschlug verbunden; da dieser aber umkehrt,
wo die Farbe aufhoren soil, entsteht hier immer eine uuverbundene Stelle, ein
zwolf Einschlagfiaden hoher Schlitz. Das gleiche Verhalten gilt auch fur die oben
erwahnten Kunstteppiche, nur sind diese Schlitze hier mehr verteilt und durch
Nachnahen unschadlich gemacht.
Es eriibrigt noch, auf einige Modelle aufmerksam zu machen, welche
im Raum VII aufgestellt sind.
Von den Modellen des Kastells Wiesbaden und der romischen Villa
bei Marienfels inmitten des Raumes ist bereits gesprochen worden. Neben dem
Tische, auf welchem diese aufgestellt sind, steht
184. das Modell der von Caesar iiber den Rhein (bei Xanten und bei
Xeuwied) geschlagenen Briicke; eine Beschreibung (Caesars Rheinbriickeu
philologisch, militarisch und technisch beschrieben von v. Cohausen) liegt bei.
185. Auf dem Tisch Modell der Igeler Saule, des 22 m hohen Secundiner
Monumente8 bei Trier. Geschenk des Herrn Fabrikdirektor Spangenberg zu
Merzig. Auf einem Glastische zunachst der westlichen Thiir ein
186. sehr gutes Modell des Kaiserpalastes (friiher porta alba, dann Bader
genannt) zu Trier.
Ilinter der sudlichen Thiir ist aufgestellt
187. Modell des prachtvollen romischen Stadtthores, der Porta nigra, in
Trier; geschenkt von Herrn Metzler. Darunter
188. Modell der Fundamente der Briicke iiber die Nidda bei Heddernheim
und darunter
189. Modell eines romischen Topfer-Ziegelofens, welcher in Ems ausge-
graben wurde.
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292 Raum ¥11.
Schliesslich erwahnen wir noch in der Leibung dcr Thtire zu Raum VIII
cin bemaltes Gestell fflr vier Sanduhren 179, wie solche in den protestantischen
Kirchen der Landgrafschaft Homburg an der Kanzel befestigt waren, urn den
Prediger auf die Zeit aufmerksam zu machen. Geschenk des Herrn Pfarrer
R. Eibach in Oberstedten. Daneben, 180, ein eiseraer Wandlcuchter aus der
Gegend von Ehrenbreitstein.
An der Westwand hangt uber dem Ziegeldach eines jener berilchtigten
Falsifikate aus Rheinzabern. Es wurde dem Museum, als der JJetrug schon
bekannt war, von Herrn H. Hess geschenkt und zur Warnung aufgehangen.
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Rauin VIII.
An der nSrdlichen Wand ist das Hauptstllck, ein
1. Gothischer Flfigelaltar, welcher bis zum Jahre 1830 in der Abteikirche
zu Marienstadt aufgestellt war. Der Altar diente zur Aufbewahrung von Re-
liquien, sowohl in der gitterartig durchbrochenen Predella, als in den Hauptem
der heiligen Jungfrauen: Ursula, Lucia, Cordula, Juliana, Katharina, Barbara,
Agatha, Agnes, Brigitta und Caecilia. Ein Brustbild tragt die Inschrift:
VIRQINALIS MILICIE NOBILISSIME PROSAPIE, d. i. ein Hinweis auf die 11000
Jungfrauen vornehmer Herkunft, mit welchen nach der Legendc die heil. Ursula
in Koln gelandet ist. Ein Haupt ist ohne Inschrift. Uber dieser Reihe sind
die kleinen Standbilder der zwolf Apostel aufgestellt, von denen das eine
fehlende, St. Mathias, schlecht ersetzt ist. In der Mitte dieser Reihe tritt ein
baldachinartiger Vorbau vor, in welchem die Kronung Mariae durch Christus in
einer sehr schonen Gruppe dargestellt ist. In dem vergitterten Raum darunter
befanden sich ohne Zweifel einst gleichfalls Reliquien in kostbarer Fassung von
Edelmetall. Er diente also nicht als sogen. Sacramentshauschen zur Aufbewahrung
der hi. Eucharistie. Der Stil des Stabwerkes, wie der Figuren, weisen den
Altar unbedingt der ersten Halfte des 14. Jahrhunderts zu, in welcher, namlich
1324, auch die prachtvolle Kirche geweiht worden ist. Ja, die Apostelstatuetten
gloichen in Haltung, Gewandung und Ausdruck so sehr den grossen Standbildern
im hohen Chor des Kolner Domes, dass sie zu diesen sehr wohl als Modelle
gedient zu haben scheinen.
Die Aussenseiten sind auf Leinwand in Kreidegrund bemalt mit Dar-
stellungen aus dem Leben Jesu in einer Weise, welche an die niederrheinische
Schule und an den Meister des beruhmten Dombildes, Stephan, erinnern.
[Annal. IX, 330 u. II, II, 212.1
Auf dem Altartisch steht
2. das holzgeschnitzte Wappen des Kardinals und Kurfursten von Mainz :
Albrecht von Brandenburg, 1514 — 1545. Geschenk des Geistlichen Rates Herrn
Zaun in Kiedrich.
3. Das Modell der Oberburg zu Rudesheim, aus Kork gefertigt durch
Buchbinder Kilian. [Annal, XX, 11.]
Auf dem Mittelbau des Altars
St. Georg; bemaltes Holzschnitzwerk aus dem Kloster Tiefenthal.
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204 Raiim VIIT.
Darfibcr zvvei Fahnen mit dem nassauischen Lowen und den Buch-
staben A W C.
Rechts davon Wetterfahnen, die eine vom Uhrturm zu Wiesbaden, die
andere von Kriftel bei Hattersheim.
Olgemalde: die Feuerprobe der heil. Kunigunde. Darunter
Stiick einer Walfischrippe aus dem Rathaus von Hattenheim, gesehenkt
von der dortigen Gemeinde, und Bruchstfick eines Untcrkiefers vom Walfisch,
ein sogen. Riesenknochen , welches einst in Ketten fiber dem Burgthor von
Eppstein hing; Qesehenk des Herrn Sandberger.
4. Zeiehnung von Konigstein wiihrend der Blokade im Nov. 1792 von 400
Franzosen durch den konigl. preuss. Generalmajor v. Pfau. Gezeiehnet und
gesehenkt von L. Schmidt in Usingen, 1854. Daruuter
5. Heilige Barbara, Steinbild, gesehenkt von Herrn Obermedicinalrat Zais.
6. An der Thtire verschiedene Maucranschlage, welche das vorige und
den Anfang unseres Jahrhunderts kennzeichnen.
Sampt Hessen — Graden Weinzoll 1739.
Hessen-Darmstadt — Hier gibt man Zoll.
Name eines Diebes am Schandpfahl.
Urteil8spruch und Stab, der fiber eine Verurteilte gebrochen worden,
welche dann mit gltihender Zange dreimal gegriffen, mit dem Scliwert ge-
richtet und endlich aufs Rad gelegt wurde; 9. Juli 1653.
Grenzpfahlanschlag: Rheinischer Bund. Confederation du Rhin. Daruber
Degenscheide Napoleons I., welche dieser 1805 in Mainz bei dem Schwert-
feger Berbenich, der ihm eine neue fertigte, hinterliess. Gescheuk des Herrn
Obermedicinalrat Dr. Reuter.
Um den Altar herum stehen
7. ffinf Ffillungen von Eichenholz, welche noch mit zwei ahnliehen, die
der an West- und Sudwand aufgehangt und bunt bemalt sind, unter den Fenster-
brtistungen des alten Rathauses von Wiesbaden angebracht waren. Sie stellen
dar die Cliaritas, Spes, Prudentia, Temperantia und Fortitudo. Die bemalten
zeigen fiber der stidlichen Thfire
8. das eigenttimlich blasonierte graflich nassauische Wappen: im Herz-
schild Gerolseck und Malberg, oben links Nassau, rechts Mors, unten links
Saarwerden, rechts Saarbrticken. Daneben der Pelikan, als Zeichen der viiter-
lichen Gfite.
9. Das andere bemalte Schnitzwerk, an der West wand, gibt das Stadt-
wappen : im blauen Feld drei goldene Lilien und als Herzschild den nassauischen
Low en; daneben als Sinnbild des wieder erstandenen Bauwerks der edle Vogel
Phonix; das Baujahr 1609.
lOu. 11. Zwei holzerne Schrifttafeln an der Sfidwand, ebenfalls vom
alten Rathaus, sagen uns, dass Ludwig der Grosse von Nassau dieses Grund-
stfick der Stadt gegeben, deren Rat und dankbares Volk den Rathausbau
ausgeffihrt, sowie dass die Verse der Badearzt Fr. Weber gemacht habe. 1609.
Auf der den Fenstern zugekehrten Seite des Altars steht ein
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Kaum VIII. 205
12. Zinnsarg aus dor Gruft der cinst tiuf dcm Mauritiusplatz in Wiesbaden
stehenden, im Jahre 1852 abgebrannten Mauritiuskirche. Er gehorte der Wild-
und Rheingrafin Philippa Barbara, geb. 1583, gest. 1634, an.
13. Die darauf liegeude Bleiplatte fand sich ebendaselbst. Sie nennt einen
Ludwig Anton von Wackerbart, Freiherrn zu Kogel, kgl. grossbritann. Oberst-
lieutenant und Kommandant uber ein Regiment zu Fuss, geb. 1687, gest. 1735.
An der West wand selbst lehnt
14. eine eiserne Thur, angeblich vom Schlosse zu Homburg. Daran ein
Lallenkopf, der, wenn man offnet, die Zunge herausstreckt.
An der ostlichen Wand sind zumeist Heiligenfiguren von Holz ange-
bracht; zuoberst none Wappenschilder, welche sicli audi um die sudlichc Wand
herumziehen. Es sind, von links beginnend, die Wappen von Eppstcin, Witt-
genstein, Hans Bernhard von Langeln, Amtmann zu Wiesbaden, Anselm Casimir
Wambold von Umbstadt, Kurfiirst von Mainz, 1620 — 1647, Diez, Weilnau.
Und weiter auf der Slid wand das Wappen von Nassau, das des Abtes Adolf
H. von Eberbach, gest. 1795, rait der Ilmschrift: SVAVITER ET FORTITER.
Unter dem Wappeji
15. sein Bildnis, Gescbenk des Herrn Gail in Eberbach.
Dann folgt weiter im silbernen Feld der rote Lowe von Katzenelnbogen,
nochmals ein Schild von Nassau -Saarbriicken und zuletzt in Gold der blaue
Lowe von Solms.
Darstellungen von Heiligen an der Ostwand.
16. St. Johannes, ein sehr schones Holzbildwerk aus dem 15. Jahrhundert
vom Kloster Wallsdorf, welchem audi
17. St. Martin zu Pferd, seinen Mantel mit einem Armen teilend, angehorte.
18. Johannes der Ttiufer, aus der 1842 abgebrannten Marcuskapelle in
Lorch. In dem Ziegenfell, das ihn bekleidet, stecken noch die Beinknochen.
19. Krucifix aus dem 15. Jahrhundert, ebendaher, sowie
20. Johannes der Evangelist mit dem beachtenswerten Schreibzeug am
Gttrtel.
21. Der heilige Martin, ein sehr geringwertiges Stiick aus der Kirche
zu Lorch.
22. St. Petrus, sehr schones Werk aus der Klosterkircbe zu Wallsdorf.
Vier Holz-Basrelieftafeln aus der Kirche von Oberauroff; Geschenke dos
Herrn Dr. Krauss:
28. Der englische Gruss;
24. Christi Geburt;
25. Anbetung der Magier;
26. Beschneidung. Auf dem Mantel des heil. Joseph steht der Name
des Bildschnitzers Joseph Auring.
Inmitten der Wandflache:
27. Christus am Olberg, polzbildwerk aus der Kirche von Strinz-Trinitatis.
An derselben Wand befinden sich links
28 u. 29. Zwei Rahmen mit Pfeilspitzen aus rhemischen Burgen, geschenkt
von Herrn Justizrath Forst. Zwischen ihnen
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296 Rftum VIII.
30. Fcderzeicbuung, ausgefuhrt und gcschcnkt von Hcrrn Arcbitekten
Lukow. Darstellung der jetzt wieder uiugebauteu Lahnbrucke bei Diez, wclcho
auf die Trunimer einer alten Briicke aufgesetzt war.
31. Holzbildwerk: St. Victor, Ritterstatue des 15. Jahrhunderts. Da das
Museum kerne Ritterharnische besitzt, gibt dieses in der Mitte des 15. Jahr-
hunderts getreu der damaligen Bewaffnung ausgefiihrte Standbild Veranlassung,
auf die Einzelheiten dieser Schutzwaffen aufmerksam zu machen:
Bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts wurde das Panzerhemd, die Briine,
cotte de maille, getragen, in welche schon zur Zeit der Romer einige ihrer Hulfs-
volker gekleidet waren. Dasselbe war aus kleinen, ineinander geschlungenen
Eisenringen gebildet; ein Muster des Materiales und der Art seiner Zusammen-
setzung ist in Raum II, 168, ausgestellt.
Diese Kettenpanzer schiitzten zwar gegen Pfeilschiisse, konnten aber
kraftigen Schwertstreichen und Lanzenstossen nicht widerstehen. Man versah
teils zum Schutz teils zum Schmuck die Brust mit verzierten Platten, welche
sich dann zu ganzen Brustplatten und schliesslich zu Brustharnischen ver-
grosserten. An diese schlossen sich im 15. Jahrhundert ,die Arm- und Bein-
schienen an, wahrend das Drahtgeflecht nur als Vorder- und Hinterschurz und
am Helm als Halsbriine blieb.
Unser Standbild tragt die Kesselhaube, welcher von unten die Barthaube
cntgegenkommt, zwischen beiden deckte beim Kampf das hier aufgeschlagene
Visir das Gesicht und erlaubte nur durch die wagrechteu Spalten zu blicken.
Beim Turnier deckte auch der Schild, die Tartsche, Hals und Brust und wurde
zu diesem Zweck selbst an den Helm angeschraubt. Der Schild war von
Holz, mit Leder uberzogen und in bunten Farben mit Emblemen und Wappen
bemalt.
In vorstehendem Bildwerk schliessen sich an den gestreiften Brustharnisch,
welcher als gothisch zu bezeichnen ist, nach unten die Bauchplatten und die
Huftstiickc an. Die Armschienen mit der Achsel- und der Ellenbogenkachel
endigen in einem mit schiitzenden Platten gedeckten Handschuh. Die Beine
sind durch die Schenkelschienen, Kniekacheln und Beinschienen geschQtzt und
pflegen in Plattenschuhen ihren Abschluss zu finden, welche hier fehlen.
Rechts von der Olberggruppe
32. Madonna mit dem Jesuskind und dem Scepter in der Rechten.
Eine kleeblattformige Fibula ist herausgebrochen, das Oanze ein reich und fein
bemaltes Holzbildwerk des 14. Jahrhunderts aus dem Kloster Tiefenthal.
33. Sitzende Portriitfigur eines Qeistlichen aus Stein, bemalt. Sie stammt
aus dem 14. Jahrhundert; unbekannt wer und woher.
34. Darstellung der Dreifaltigkeit (die Taube fehlt); aus der Kirche von
Strinz Trinitatis.
35. St. Johannes, der Evangelist, aus derselben Kirche. Beides tuchtige
Arbeiten des 15. Jahrhunderts.
Daneben unter Olas und Rahmen:
36 u. 37. Reliquien in feiner Klosterarbeit mit Seide und Filigran
umhiillt, aus dem Kloster Tiefenthal.
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Raum VIII. 297
38. Rahmen mit dcm wachsbossierten und gemalten Bildnis des Dom-
probstes Hugo von Eltz aus Mainz, geschenkt von dem Gymnasiasten G. Zahn.
Die Arbeit ist ausgefiihrt von J. Chr. Haselmeyer in Tubingen, 1770.
39. Madonnabild in Bauern-Majolika vom Jahre 1723 aus Kloster Eberbach,
geschenkt von Herrn Kaplan Widmann.
An der sud lichen Wand des Raumes fallt zunachst ein grosser Kaohel-
ofen ins Auge. Auf ihm steht ein Spinnrad, einst im Gebrauch der preussischen
Prinzessin Friederike Eleonore, Kurfurstin von Hessen. Geschenk von Fraulein
Eleonore Kaiser.
An beiden Seiten des Ofens lehnen zwei Fahnen, diejenige links von
blauer Seide rait den Wappen von Nassau und von der Stadt Wiesbaden, die
andere rechts von weisser Seide zeigt in bunter Applikationsstickerei eine Palme,
welche einen Miihlstein tragt mit der Inschrift: SVRQIT SVB PONDERE
PALM A, nach der Sage, dass die Palme im Wachstum einen Miihlstein heben
konne.
Links vom Ofen:
40. Kleine Webelade zum Anfertigen von Bandern, aus Sigmaringen.
41. Kunkel mit Woken, Wokennadel und Spindeln aus Sigmaringen.
Eine Sammlung von Wirteln ist an ihr aufgehangt.
42. Der Ofen selbst ruht auf romanisch verzierten Fussen und besteht aus
einem aus Gusseisenplatten zusammengesetzten Feuerkasten und einem aus Thon-
kacheln turmartig aufgebauten Aufsatz, in welchen die Holzflamme ohne kiinstliche
Circulation hinaufschlug, wahrend der Rauch durch ein Rohr seinen Ausweg
in den weiten Schornstein fand. Auf dem Sims des Ofens:
43. Rund aufgedrehic, viereckige gedriickte Ofenkachcl altester Form
(12. Jahrh.) aus der alten Synagoge in Worms. Weiter folgen grossere und
kleiuere Kacheln und sonstige Ofenbestandteile aus der spatgothischen bis zur
Rokokozeit.
44. 45. Christus und Maria.
46. Die Gerechtigkeit.
47. Weibliches Brustbild mit der Unterschrift: Leopold DGRR!
48. Reiter mit Beischrift: KVRKELEN. Darunter
49. Gesimsstiicke von schoner Zeichnung, geschenkt von Herrn Jung in
Riidesheim.
50. Desgl. mit Medaillon: „K. von Gunzenhausen. a
51. 52. 53. Renaissanee-Saulchen; Engelkopf; Eckleiste.
54. 55. Zwei Kacheln mit dem Wappen von Solms-Laubach und von
Wied, mit der Schrift: Friedrich Magnus Graff zu Solmis und Herr zu
Mintzenbork 1555 und Agnisa ghebornne Greffin von Widt 1555. Geschenk
des Grafen Solms-Laubach 1881.
56 — 58. Drei grunglasierte Kacheln aus dem Haus der Bromser de Foro
in Riidesheim, erbaut um 1494, und mit demselben gleichzeitig. Geschenk der
jetzigen Besitzer Herr und Frau P. Jung 1883, nach dem dortigen grossen
Brand. Die erste, 56, zeigt in einer Nische unter gothischem Kreuzgewolbe
einen Jungling mit Sohnabelschuhen, weloher einem alten Mann in fakigem Ge-
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298 Raum VIII.
wand einen gedeckelten Kelch reicht. 57 stellt eine mit reichem Masswerke
verzierte Nische dar, liberspannt durch eincn gothischen Bogen und mit Laub-
werk ausgekleidet, in dem ein Vogel mit einem Spruchband sitzt. 58 ist
nur mit reichen gothischen Laubranken verziert.
59. ZweiEckkacheln: Engel mit derTuba und derTrompete. Zwischen ihnen
60. eine kleinere Kachel: weibliche Gestalt mit einer Bassgeige.
61. Eingerahmte, schlecht bemalte Relief kachel: St. Paulus, angeblich aus
Jtalien.
62. Engel mit Fullhorn, geschenkt von Herrn Gerhard.
63. Aufgerichteter Lowe von der Burg Grenzau.
64. Christus mit der Samariterin, darunter der Name des Pormschneiders
Hans Berman 1562, welcher sich auch an dem Ofen von Katzenelnbogen unter
St. Bernhard, ebenso wie auf Kacheln in den Sammlungen zu Miltenberg, auf
dem Desibodenberg, zu Frankfurt a. M. und Weimar findet.
Zwei schwarz glasierte Kacheln, geschenkt von Herrn Ferd. Muller.
65. Ein knieender Krieger schwort einem vor ihm stehenden Mann in
weitem Gewand, im Hintergrund eine Stadt.
66. Konig David mit der Harfe beobachtet Bathseba im Bade.
Uber den Ofenkacheln sind Waffen aufgehangt:
67. Eine Radschlosspistole; daneben ein Jagdmesser.
68. Armbrust; daneben Pandurenklinge; Radschlosspistole; ein Radschloss.
69. Armbrust.
70. Armbrustwinde.
71. Radschlosspistole.
72. Armbrust.
73. Dolch und Jagdmesser in durchbrochenem Eisenkocher, gefunden
in Balduinstein; daneben Radschlosspistole wie die vorigen; ein Messer.
74. Streithammer.
75. Morgenstern mit kurzem Griff.
Unter den Ofenkacheln
76. Turniersattel vom Ende des 15. Jahrhunderts aus Schloss Vollrads.
Die Hohe des Sitzes iiber dem Widerrist des Pferdes ist beachtenswert.
77. &wei Reuterstiefel aus dem Anfang des 18. oder Ende des 17.
Jahrhunderts. Die Befestigung des Sporns iiber dem Absatz ist zu beachten.
Zu beiden Seiten der Thure sind Helme angebracht.
78. Kesselhaube, mit Pech ausgegossen, mit Visir von Kreuznach;
79. Burgunderhelm aus dem Schloss Dillenburg, Geschenk des Herrn
Hofgerichtsrates Herborn in Dillenburg, 1841. [Annal. Ill, 2, 217.]
79 a . Silbertauschiertes Kappengestell.
80. Burgunderhelm aus Dillenburg.
81. Kesselhaube oder Topfhelm, gefunden in der Lahn bei Limburg.
(Man beachte dabei auch Helm und Hamisch des St. Viktor an der Ostwand, 31.)
Es folgen zwei Tafeln mit den Spitzen von Stangen-Waffen.
82. Tafel mit Lanzen etc. Spitzen;
Hellebarde, geschenkt von Herrn W. Hohl;
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Raum VIII. 299
desgl. von Windesheim bei Kreuznach;
desg]. mit langer Spitze, gefunden bei Weilmtinster, Geschenk (Jes Hcrrn
Bauinspektor Haas in Diez, 1845.
Schwere Lanzenspitze, geschenkt von Herrn Hess;
Grosses Kriegsfangeisen von Bingerbriick;
desgl. von Alzei;
kleinc Speerspitze von Wiesbaden;
grosses Kriegsfangeisen ;
Hellebarde oder Korsccke von Sponheim;
zwei desgl., kleiner;
zwei Lanzenspitzen von Giessen;
schmale Lanzenspitze, jener der Ulanen ahnlich;
Lanzen- oder Fahnenspitze;
Lanzenspitze von Burg Kirberg;
Lanzen- oder Fahnenspitze;
Spiess mit Widerhaken; zum Salmenfang?
Bauem-Pike;
Einsteck-Bajonettmesser, der Ansatz abgebrochen, geschenkt von Herrn
Eug. Meyer;
Partisane oder Sponton mit der Chiffer F L und Krone, gofunden auf der
Burg Neukatzenelnbogen bei St. Goarshausen.
88. Tafel mit zwei Hellebarden mit Iangem Spiess, wie gewohnlieho
Hellebarden, einer sehweren Lanzenspitze u. s. f.
Ferner in der Fcnsterccke
84. 85. zwei geschaftete Hellebarden, die eine aus Dorf Erbenheim, von
der Art, wie sie die Dorfwachter noch bis zur neueren Zeit trugen.
86. Partisane mit dem Wappen der Frankfurter Patrizierfamilie Ncuhaus,
ausgestorben 1066.
87. Ausgeschmiedetes Scch oder Colter, angcblich aus dem Bauernkrieg,
geschenkt von Herrn Gerhard.
88. Richtbeil;
89. Richtrad;
90. Geige, in welcher der Dieb mit dem corpus delicti an den Pranger
gestcllt wurde. Alle drei Stiicke stammen aus dem Rathaus von Weilburg und
wurden 1879 von dem dortigen Stadtrat dem Museum geschenkt.
91. Altarschrein aus der Burgkapelle von Burg Schwalbach aus dem
Anfang des 16. Jahrhunderts, geschenkt von Herrn A. II. Metzler in Frank-
furt a. M. Auf der ausseren Seite derThiirflugel: Die Messe von Bolzena und
der englische Gruss; auf den inneren Seiten links St. Barbara und St. Katbarina,
rechts St. Elisabeth und St. Margarctha. Im Innern die Muttergottes mit dem
Kinde, links St. Johannes Evangelista, rechts St. Gregor.
92. Uber dem Schrein die Uberreste einer Trnhe in reicher Tischler-
arbeit des 17. Jahrhunderts.
20+
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300 Baum VIII.
Fensterwand.
In der Fensternische links
93. Das Wappen des Dietrich I., Grafen von Erbach und Kurfursten
von Mainz, 1434 — 1459, in Tuffstein; aus der Stadtmauer von Oberlahnstein,
deren Bild daneben hangt.
94. Eiserne Pforte aus dem Kassengcwolbe des abgebrochenen Uhr-
turmes in Wiesbaden. Die Kasse selbst, aus einem Eichbaum ausgestammt und
mit drei Schlossern versehen befindet sich im Steinschuppen.
95. Doppelthur mit reichen Eisenbeschlagen und dem Mainzer Bad aus
dem Schloss in Oberlahnstein.
96. Pforte mit reichen Eisenbeschlagen, ebendaher.
97. Hals- und Handfessel, sogen. Geigc, aus dem Rathaus in Hattenheim ;
Geschenk des Gemeinderates, 1860.
98. Strafmaske, mit welcher Verbrecher an den Pranger gestellt wurden.
99. Daumschrauben, urn Gestandnisse zu erpressen, aus Hessen.
100. Vier Hundehalsbander, als Schutz vor Wolfen und starkeren Hunden.
Geschenk des Herrn Forster Ilgen, 1860.
In der Fensternische rechts unten
Zwei Schlusssteine aus dem 1551 — 58 erbauten, 1873 abgebrannten
Schloss zu Usingen; die Wappen Philipps II. von Nassau-Usingen und seiner
1541 angetrauten Gemahlin Amalie von Isenburg-Budingen darstellend. Aus
deni&elben Schloss sind die beiden eisernen Thiiren am Museum und das Eisen-
gelander im Raum VII. Daneben Wappen von Nassau von der HubersmCihle
im Wellritzthal.
Quer vor den Fenstern hangen sieben gemalte Fensterteile:
101. mit einfarbigem Flechtornament vom Kloster Eberbach;
102. Verglasung eines Spitzbogens mit Nase;
vier Fensterteile aus Kloster Tiefenthal;
108. Wappen: Lamm mit Traube, als Wappenhalter ein Engel;
. 104. Wappenschild mit Hausmarke, als Wappenhalter ein wilder Mann;
105. Judas vcrrat den Herrn;
106. Auferweckung des Lazarus.
107. Das Wappen derer von Cronberg liegt anf dem Deutsch-Ordens-
schild mit der Umschrift: „Waltter Cronberk zu Frankfurt und Maintz. Deutsch
Ordens 1574." Aus dem Kirchturm von Igstadt.
Geschichte der Glasmalerei.
Beim Anbeginn der christlichen Kunst waren die kleinen Kirchenfenster,
wenn iiberhaupt, mit weissem oder grunlichem Glas geschlossen. Ihre erste Ver-
zierung erhielten sie durch Bleifassung und eingebranntes Schwarzlot, welches
noch lange (unter dem Namen Grisaille) angewendet wurde. Mit den ersten
bunten Glasern wurde der Anfang der Glasmalerei um das Jahr 1000 im Kloster
Tegernsce gemacht. Obschon die Agypter und Romer bereits Uberfangsglas
gefertigt, d. h. in der Hutte weisses Glas mit einer diinnen, aber intensiv gefarbten
Glasschicht iiberzogen batten, so musste diese Kunst doch erst zu Ende des
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Raum VIII. 301
14. Jahrhunderts von ncuem erfunden werden. Man gewann dadurch sehr reinc,
lcuchtende Parben und konnte durch Abschleifen des Uberfangs (z. B. bei der
Darstellung cines weisscn Lowcn in rotem Peld) einen wcissen oder anderen
Farbton an desscn Stelle setzen.
Als am Schlusse des 13. Jahrhunderts an die Stelle des romanischen der
gothische Styl trat, wurden mit seinen Fenstern die Glasgcmalde immer grosser
und grossartigcr. Im 14. und 15. Jahrhundert wurde dieser Schmuck auch den
Profangebauden, zumal in Wappen, gegeben. Iin 16. Jahrhundert begann man
statt mit Schwarzlot auf bunte Hiittenglaser auch auf wcisscs Glas mit Parben
zu malcn, und konnte so auch kleine Gemalde ausfuhren; doch blieben dic-
selben, obgleich immer mehr Farben erfunden wurden, stumpf und wenig trans-
parent und hatten nichts von dem Feuer und der Leuchtkraft der Hfittenglaser.
In der Mittc des 17. Jahrhunderts kam die Glasmalerei aus der Mode. — Erst
mit dem Aufleben der Porzellanmalerei in der Mitte des 18. Jahrhunderts kam
mit deren Technik und Farben die kleine Glasmalerei wieder empor. Einen hoheren
Aufschwung nahm sie aber erst, als in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts
Konig Ludwig I. von Bayern einc Glasmaler-Werkstatte grundete und konigliche
Glashtttten eine sehr umfangreiche Farbenskala von Hiittenglasern den Malern
zu Gcbot s tell ten. Mit Hulfe derselben werden jctzt uberall in Deutschland
untcr kiinstlerischer Leitung trefflichc Kirchen- und Profanfenster hergestellt.
Uber den gemalten Fensterteilen hangt die scidene Fahne des Land-
sturmes der Bataillone von Idstein und Wehen von 1814.
Die Mittc des Raumes nehmen ein
links der Grabstein von Diether IV., Grafen von Katzenelnbogen, gcb. 1273,
gest. 1315. Aus dem Kloster Reichclaren in Mainz, abgebildet in v. Hefher-Alten-
cck: Trachten II, 118 und I 68. [Annal. II 2, 206.]
rechts der Grabstein von Diether III., Graf von Katzenelnbogen: Anno domini
1276 in octava Epiphaniae obiit Comes Duther de Kazinelenbogen; abgebildet
wie der vorhergehendc.
Zwischen beiden sind zahlreiehe Fussbodenplatten eingelegt: Eine Run-
dung in alexandrinischem Werk aus der Basilica des Klosters Dirstein, jetzt
Oranicnstein bei Dicz, urageben von Fussbodenplattchen von Dirstein, Clarenthal,
Mariathron, Bornhofen, Altenburg, Kiedrich, Marienstadt, Arnstein, Augst, Eber-
bach, Greifenstein, Lorch, Konigstcin, Budenheim, Mauritiuskirche zu Wiesbaden,
Metzgergassc zu Wiesbaden, Schloss Marburg und Hofheim. Auf den Platten steht
108. ein Paltstuhl (Faltistorium) vom Ende des 14. Jahrhunderts aus dem
Dom zu Limburg. Dariiber hangen
109. eine jiidische Sabbathlampe und
110. ein Kronleuchter in Form eincr Jungfrau in Hirschgewoihc ausgehend.
Sie tragt ein gezatteltes Kleid und einen langen gewundenen Zopf, stutzt sich
auf zwei Adler und sitzt uber drei noch nicht gedeuteten Wappen. Der Kron-
leuchter stammt von Burg Scharfenstein bei Kiedrich und ist ein Geschenk des
Geistlichen Rats Herrn Zaun in Kiedrich, 1876.
Vor den Grabsteinen befinden sich
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302 Rauui VIII.
111. eine eiserne Zunftkiste (lode) mit 19 Riegeln, welche sich mittels cincr
Schliisseldrehung bewegen,
112. fiinf Vexierschlosser aus dem 16. und 17. Jahrhundert und cin Meister-
etuckschlussel.
Das Schwertgestell tragt folgeude Stiicke:
113. Schwert aus dcra 12. Jahrhundert, gefuudeu bei Dorrscheid durch
Herrn Forster Nick uud geschenkt von Herrn Oberforster Schulz in Caub, 1882.
114. Schwert mit dickem rundem Eisenkuopf und gewundener Parier-
stange; 11.— 12. Jahrhundert. Geschenk des Herrn Bauinspektor Haas in
Diez, 1844.
115. Schwert des 12. Jahrhuuderts, ini Rhein gefundeu. Es wurde einige
Zeit wegen der gefialschten Inschrift: ACN. HA als Schwert des Kaisers Adolpli
f 1298 ausgegcben. Geschenk des Herzogs Adolph von Nassau, 1856. [Annal.
VI 2, 369.]
116. Schwert mit herzforniigem Messingknopf und grader Parierstange,
mit Resten von goldtauschicrten Arabcsken, gefundeu beim Tunnelbau bei
Wcilburg.
117. Schwert des 15. Jahrhuuderts, gefundeu im Rhein bei Rudesheim
durch Schiffer Kaiser, 1882.
1 18. Schwert mit rundem dickeu Knopf und dem, in Messing tauschierten
Klingen-Schmiedezeichen eines spriugeuden Pferdcs. Gefunden in der Lahn bei
Oranien8tcin und geschenkt durch Herrn Markscheider Beyer in Diez, 1874.
119. Kurzes Schwert des 17. Jahrhunderts, gefunden in den Ruinen
Stockheim bei Usingen. Geschenk des Herrn Peter auf dem Stockhcimcr llof.
120. Einschneidiges Schwert mit grader Parierstange und Biigel.
120*. Infanterie-Seitengewehr mit liohlem Eisengriff, gefunden in der Ober-
burg in Rudesheim. Geschenk von Herrn J. B. Sturm.
121". Stossdegen mit durchbrochcncm Messing-Stiehblatt.
121. Stossdegen mit eisernem, fein durchbrochenem Stichblatt, Kuauf uud
Parierstangenknopfen ; 17. Jahrhundert. Gefunden unfern Weissentliurm 1843,
beim Bau der Rheingaustrasse.
122. Rappier oder deutscher Reiterdegeu mit durchbrochenem, vergoldetem
Stichblatt. Auf der dreischneidigen Kliugc: Soli Deo gloria. 1647. Fredericus
D. G. Priuc. Atir. com. Nassau. Cat. um ein Bildnis in der Tracht jeuer Zeit.
Dann: Peter Dinger me fecit. Solingen. Geschenk des Herrn Hofgerichtsprasi-
denten Dr. Klip stein zu Giessen, 19. September 1859. Letzterer schricb dazu an
den Museumsvorstaud: „Ich habe diese Waffe in dem Jahr 1815 oder 16 bei
eineni Schwertfegcr in Darmstadt gefunden. Die Klinge hatte damals die der
Scheide entsprechende Ltinge (98 cni) und Breite. Auf der Universitiit 1817 und
18 liess ich sie in eine Schlagerklinge umwandelu, verkiirzeu und in einen
Schliigerkorb fiigeu. Sie schien von einem besonderen Gliick begiiustigt, deun
Jeder, welcher sie beim Zweikampfe gebrauchte, blieb Sieger. Von meinen
Freunden sehr gesucht, wurde sie bald gtiuzlieh abgenutzt. Ich fugtQ sie darum
wieder in ihren alten Korb eiu. a
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Raum VIII. 303
123. Degen niit langer Klinge, sehr schadhaftem Korb und loser Draht-
umwicklung; Knauf lang-eiformig; 16. Jahrhundert. Gefunden und geschenkt
von Herrn J. B. Sturm in der Oberburg zu Riidesheim.
124. Degen mit schadhaftem Eselshuf korb ; 16. Jahrhundert.
125. Deut8cher Degen mit schadhaftem Eselshuf korb; 16. Jahrhuudert.
Gefunden bei Niederselbach 1860.
126. Degen mit Eselshuf korb und halb abgebrochener Klinge; 16. Jahr-
hundert.
127. Desgl. aus dem 17. Jahrhundert; gefunden in der Gustavsburg,
gegenuber Mainz.
128. Degenklinge mit dem Zeichen cines Wolfes und -f- 1414 4-; ge-
funden in Cronberg unter dem Dach des Hohlhofes; der Korb spater angesetzt.
129. Degen mit Eselshufkorb, mit dem eingeschlagenen Drachen der
Reichsritterschaft vom Drachenfels, 16. Jahrhundert; gefunden im Bay thai gegen-
iiber der Burg Waldeck auf dem Hundsriicken und geschenkt von Herrn Kreis-
physikus Dr. He user in Boppard.
130. Dolch vom Schloss Dillenburg; 13. Jahrhundert.
131. Dolch odcr Jagdmesscr von Kempten. [Vergl. Lindenschmit
1, 2, 43.]
Die Erfindung des Pulvers (lurch Berthold Schwarz wird ins Jahr 1320
gesetzt. Es wurde urspriinglich zur Sprengung von Minen angewandt, dann aber
in offener Feldschlacht, zuerst in der Schlacht bei Crecy, 1346, mit Kanonen
benutzt. Letztcre, damals Kammerbiichsen genannt, bestanden aus zwei Teilen:
dem Rohr und der Kammer. Das Rohr war sehr lang und wurde daher auch
Schlangc genannt. Es bestand der Lange nach aus zwei Lagen von Eisenstaben,
deren Fugen sich deckten; sie waren uber einen Dorn geschmiedet und durch
acht oder mehr Ringe fest zusammengehalten. Die Kammer Oder Biichsc wurde
fur sich geladen und dann in einer massiven Lade durch Keile fest an das Rohr
gedriickt.
Man schoss damit Stcinkugeln oder auch Bleikugeln, Klotze genannt,
iudem man das Pulver am Ziindloch mit der Luntc entziindete. Unserc Biichse,
137, zu welcher leide*' das Rohr fehlt, ist in Adolphseck bei Schwalbach aus-
gcgraben; sie hat eine Seelenweite von 7 cm, und da die Rohre meist 22 bis
23 Kaliber lang waren, so wird unser ganzes Geschiitz 1,86 bis 2 m lang
gewesen sein.
Die Hakenbiichsen bestehen aus einem etwa 1,27 m langen Rohr und
der etwa 79 cm langen eisernen Handhabe, welche als Schwanzschraube das
Rohr schlics8t. Spater trat eine Holzschaftung ein. Das Rohr tragt auf der
unteren Seite einen Haken, welcher ihm den Namen gab und dazu diente, ein-
gehakt zu werden, urn dadurch den Ruckstoss aufzunehmen. Es wurde an der
Aussenseite der Zinne oder Scharte, oder auch an einem inmitten der Scharte
eingemauerten Holzsprosec eingehakt. Die Hakenbuchse hatte 20—30 mm Seelen-
weite und schoss Bleikugeln. Sie wurde ebenso wie die Schlangen aus freier
Hand mittels der Luute abgefeuert, bis man die Lunte in einer Art von Hahn
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304 R«um VIII.
befestigte und durch einen Abzug auf die Zundpfannc senkte. Dieso Einrichtung,
das Luntcnschloss, wurdc im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts erfunden. Das
Rohr ciner unserer Hakenbiichsen 1st geplatzt, andcre zcigen bcreits Zapfen zur
Befestigung in Holzschaften.
Man hatte auch leichtere Hakenbiichsen, welchc man halbe Hakcn odcr
Handrohre nannte; zu ihnen gehorte ein oben gegabelter Stab, welchen man
in die Erde steckte, um das Rohr auf die Gabel zu legen. Diese Buchsen mit
Oabeln wurden von den Hakenschiitzen oder Arkebusiern gcfiihrt.
Um 1515 wurdc in Nurnberg das Radschloss erfunden. Es besteht aus
einem gerippten Stahlrad, welches sich gegcn einen mittels Hahnvorrichtung
darauf gesenkten Feuerstein in rascher Drehung rieb und Funken in die Ziind-
pfanne warf, nachdem es vorher durch einc Kurbcl rttck warts gedrcht und die
Spannung durch den Abzug gelost war.
Ende des 16. Jahrhuuderts erfand man das Schnapphahnschloss und nannte
nach ihm gewisse Kriegsstrolche Schnapphahue. Der heftig vorschlagende Hahn
mit dom Feuerstein schlug Funken aus der verstahlten Batterie, welche er gleich-
zeitig offnet, sodass das Pulver auf der Zundpfannc entzundet wurdc. Dies blieb
das wesentliche System aller Gewehrschlosser, bis mit den StofFen, welchc schou
durch einen Stoss entziindct werden, auch das Percussionsschloss erfunden wurde.
Es geschah dies zwar schon im Anfang unscres Jahrhunderts, doch wurde die
Erfindung zunachst nur auf Jagdgewehre uud erst in den dreissiger Jahren auch
auf die Hecresbewaffhung angewendet.
132. Hakenbiichse mit Eisenstiel aus Westphalen.
133. Gesprungene Hakenbiichse.
134. 135. 136. Hakenbiichsen von Wiistems.
137. Kammer eines Hinterladers.
138. Zehn Steinkugeln, gefunden in Wiesbaden.
Neben der Thiir
139 u. 140. Zwei Radbiichseu vom Groroder Hof im Rhcingau, mit
Selbstschuss-Einrichtung. Sie waren in Brusthohe wagrecht neben dem Eingang
befestigt, quer iiber welchen ein in ihrcr Schusslinie gespanntcr Draht, sobald
gegen ihn gcdruckt wurde, den Abzug in Bewegung setzte und den Schuss
auf den Eindringling abgab. Pistolen mit Radschloss, sowie ein solches Schloss
selbst haben wir unter 67 u. 71, sowie Armbruste (68, 69 u. 72) und cine
Spannwinde, 70, an der ostlichen Wand aufgehangen uud bereits besprocben.
Diirfen wir an dieser Stelle bei Betrachtung der Geschosse noch einmal
zuriickgreifen, so erinnern wir an den Stein, als altestes und einfachstes der-
selben; seine Fernwirkung und Wucht wurde durch hohc Aufstcllung und durch
die Schleuder sehr vergrossert. An die Stelle des Steins trat das schwerere Blei,
aus welchem die Romer ihre Schleuderbleie (Raum H, 168) fertigten. Die
Feuersteinpfeile (Raum I, 89 u. 92) belehren uns, dass schon zur Steinzeit mit
Pfeil und Bogen geschossen wurde. In der sogen. Bronzezeit wurden die Pfeil-
spitzen (Raum I, 177) sehr verbessert; sie wurden in feiner Form mit Wider-
haken, ja vielleicht selbst mit einem Behalter fiir Gift versehen.
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Raum VITL 305
Die Homer und ihrc Ilulfsvolker bcdientcn sich ebenfalls der Pfeile, wie
zahlreicbe Funde (Raum II, 167) beweisen, und riistetcn ihre Bogenschiitzeu
mit dunnen, biegsamen Lanzenschaftcn aus, welchc ebensowohl als Bogcn wic
als Lanzen dienen konnten, Sie gaben ciner gewissen Art von Pfeilen, dom
ilarciobarbulus, durch einen Bleiumguss mehr Wucht und Beharrungsvcrmogen.
Auch die Frankengraber, uberhaupt die Griiber der merowingischeu Zeit
siud reich an Beweisen, dass Pfeil und Bogcn, vorzugsweise als Jagdwaffe,
viel in Gebrauch waren.
Schon die Romer hatten in der Arcubalista, einer Art von Armbrust,
einc Verbesserung des Bogens erzielt, welchc durch die Byzautiner vervoll-
kommnet, zur Zeit der Kreuzzuge ins Abendland kam. Die Armbruste oder
Ballastre hatten Bogen von Eibenholz oder Stahl und wurden mit einem Gais-
fuss oder einer Kurbclwinde gespannt. 8ie schossen Bolzen und Pfeile, deren
Schafte mit Fliigeln von Holz oder Lcder versehen, durch eine kleinc Windung
dem Pfeile eine Rotation um seine Achsc gaben. (Raum VIII, 28.) Die Pfeile,
auch Strahle genannt, waren blattformig oder dreikantig spitz, die Bolzen wenigcr
spitz und vierkantig. Mit den Ballastren wurden auch Kugeln von Stein oder
Blei geschosseu. Die Sehne war einc doppelte und wurde durch zwei Stabchen
auseinander gehalteu; sie hattc in der Mitte ein netzartiges Sackchen, in welches
die Bleikugel gelegt wurde. Der Schuss war, weil die Kugel nicht durch ein
Rohr oder eine Rinne gefiihrt war, sehr unsichcr. Als Korn diente eine zwischen
zwei Eisenzinken schwebende und durch eine Saite fixicrte Perle.
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Teehnischer Fuhrer.
I bedeutct Kmim I. S eQdliclie Wand. M in Mitten des Raumet. 1 Nummcrn auf
gelbon BISttohen.
i. Steiu-Genite u. Schmuck. 9. Blci.
2. Geritte und Schmuck aus 10. Zinn.
Knocheu etc. 11. Silbcr.
3. Thouarbciten. 12. Gold.
4. Spinncn und Webcn. 13. Glas.
5. Ledcr und Pferdegeschirr. 14. Bauweseu.
6. Waffen u. Befcstigungcu. 15. Feuer und Licht.
7. Eisen. 10. Munzwcscn.
8. Bronze. 17. Schriftwcsen.
An hang.
18. Anthropologic. 10. Ilechtsaltertumer.
1. Stein-Gerate und Schmuck.
Die Steinzeit und die Stcctener Hohlen p. 17.
Spahne von Feuerstein: Lydit und auderem Gestein von Stceten, I M
21, 22, 233; von Niederwalluf M 151; aus Lavaspaltcn bci Andernach M 49;
aus Wiesbaden wit ciner Urne M 151; vom Romerkastell daselbst 8 78; roher
Feuerstein ebendalicr S 104; vom Arehivgebaude daselbst S 128; aus Agyptcu
II W 25.
Feuerstein mit Stahl aus Frankengrabein V M 98; an eineni Pistolen-
feuerzeug VII S 171; an Itadschlossern VI II S 67, 71, 139, 140.
Waffcu und Werkzeugc aus Stein: Aus Norddeutschland und Schweden
I W 90—94; aus Amerika und anderen uberseeisehen Landern I W 88, 89;
geschaftete Steinbeile I W 95; gebohrte Steinbeile I W 96 — 98; Steinbeile aus
der Wetterau I W 99 — 103; aus der Unigegend von Wiesbaden I W 104,
105; cigentiimlich geformte Steinbeile I S 105, 107; Steinmcisel I W 106, 110.
Nephrit und verwandtes iGrestein I S 111; Steinbeile verschiedenen
und unbekannten Herkommens I W 108, 109, 117; aus Pfahlbauten I S 64, 65.
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TcchniHclier Fiihrer. 807
Reib- und Mahlsteine: Die tiltesten aus Lava unci Porphyr I S 119;
aus Pfahlbauten I S 67, 68; Bonapartshiite I S 120; romische Muhlstcine IN
121; Muhlstcine von Granit aus der Oderniederung I N 122; Morser IW 123;
Augeuarzt-Sterapel IV M 104; Farbenreibsteine IV M 106; Schlcifstein I S 68.
Schrauck8teine: Lyditperlen und Anhauger aus den Steetener Hohleu
I M 17; Jaspis, Lapislazuli, Calcedon, Achat unter den Amuletten und Scarabiieu
II W 33; Achatperlen aus romischer Zeit I N 146; Achat-Negerschmuck I N 147.
Cameen von Calcedon IV M 136, 138; von Jaspis 137; von Aventurin
140; Amulet mit Schrift 133; geschnittene Ringsteine von Carueol u. dcrgl. IV M
135; Osirisbuste von Calcedon 145; Perlschnure von Carneol, Smaragd 147.
Bernstein: Klumpen I M 24; aus Hugelgrabern I N 179, 206. II S. 142,
143; Einzelperle IV M 128; Schmuckkastchen VII S 118.
Gagat. Romischer Trauerschmuck : Armband und Nadol IV M 149.
Edle Koralle, durch Verwitterung weiss, II S 176; mit Fritt- und Bern-
steinperlen IV N 118.
Hyacinthen und Almaudine an persischem Schmuck IV M 128; an audern
Sehmuckstucken 125, 148, 152; an fraukiseheu Schmuekstueken V 5, 9, 27.
Serpentin, Ophit: Amulet IV M 132; Getasse aus Lavezstein (Serpentin)
VII O 104; dcsgl. geschnittene Flasche und Schale von Khorassan VII 103.
Falschc Steine: Glasintaglios IV M 135; an schwedischem Bauernschmuck
IV N 210; an runden fraukiseheu Fibeln V O 5, 27.
2. Gerfite und Schmuck aus Knochen, Elfenbein, Geweihen,
Muscheln, Holz.
Knochen: Steelier I M 23, 38. S 79; Dolch I M 14; verziertcr Vogel-
knochen I M 16; verzierte Rippen I M 15; Knochencclt I S 71; Ilaaruadeln
IV S 32, 33, 36; Spiel- und Rcchenmarkcn IV W 171; Cylinder luibekannten
Gebrauches IV W 172; Sohlussel IV O 199; Wurfcl IV W 168; Kammc V M
97. O 31, 36.
Elfenbein: Verziertes Falzbein 1 M 15; Schwertscheidenschuh. assyrischy
II \V hinter 52; Kamm IV M 111; Pyxis IV M 110; Relief (falsum) aus ver-
wittertem Mammutzahn IV W 167; Musikinstrumente VII S 121, 122; Sta-
tucttcii VII S 126, 127, 133.
Durchbohrter Pferdezahn ; M 17. Desgl. Eberzalm I S 81, V M 100.
Hirschgeweih: I M 34, 40. I S 75; Geweihstuck als llacke I W 95;
pfeifenformige Zinkeu I S 83; llirschkrone als Amulet V M 117; Pulverhorn
VII S 123.
Muscheln: Unio sinuatus I M 39. S 85; Berlockeu aus derselben I S 86.
V M 103; Austern I S 87; Cyprea tigrina V M 100; Nautilus VII S 115.
Holz: Agyptische Statuetten II W 21, 15, 13, Dambrett II W 44; mittel-
alterliches Relief VII S 132; Loffel S 129; Kranz S 131; Dambrett 8 171;
Kassette S 171; Formeu fiir Kattundruck S 172; fur Ledertapeteri S 172; fiir
Karten und Bilderdruck S 172.
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308 Technischer Fahrer.
3. Thonarbeiten.
Uber Thonarbeiten p. 30, 53, 88, 139.
Grabstein eincs Handlers mit feinen Thonwaren Halle O 24; Thonarbeiten
aus den Steetener Ilohlen I M 19, 20; diesen ahnliche I M 36, 43, 44, 54; aus
Pfahlbauten IS 69, 76; aus Hiigelgrabern, nicht auf dcr Topfcrsehcibc gefcrtigtc
I N 124—133. W 134-140. S 141—147. M 148—157.
Agyptische ungebrannte Zicgcl I W 1, 2, 3; Orabkegcl II W 47, 48;
Uschebtifigurcn II W 35— 3G.
Etruskische Gefiisse (Bucclicro) II W 61, 63.
Griechichc Gcfasse und Terracotta II W 64 — 70; Tanagrafigur W 72.
Romische Amphoren und Dolien II N 159. O 160. S 161.
Romische Spritzflaschen und Verzierungen mittels derselben II N 157, 158.
Romische Thonarbeiten aller Art p. 88 III W 1 — 140, in und auf alien
Schranken des Rauines III, Fortsetzung Urnen und Lampen IV N 211, 212, 213.
Uber frankische Thonarbeiten p. 139, 145.
V W der ganzen Westwand entlang ; vereiuzclt in den Rahmen dcr Ost-
waud und in den Mittcltischcu.
Romische Zicgcl mit Lcgious-Stcmpel nchmen die ganzc nordliche Wand
des Raumcs VII und die mit Kohorten-Stempel eincn Teil dcr Westwand ein,
dcrcn anderer Teil besetzt ist mit Dachziegeln, tegulae und imbrices, darunter
mit Ziegeln von grossen Abmessungen, mit Reifeln fur Deckenbekleidung und
Ziegeln mit durchbohrten Napfchen VII W 182; Heizrohren VII W; Brunuen-
rohren VII W; tegulae mammatao VII W 181.
Uber mittelaltcrlichc Topfcrei p. 166.
Topfe dieser Zeit stehen auf dem Simsbrctt dcr nordlichen Wand und
einige in dem ersten und zweiten Schrank der Ostseitc VII: und zwar Stiicke
dcr Topferei der Frankcn VII O 1, 2;
des fruhen Mittelalters O 3 — 6;
des fruhesten braunen Steinzcugs O 7 — 12;
Anfange glasicrtcr Ware O 14—15;
Steinzcug von Frechen O 16, 17, 18;
Steinzeug von Raeren O 19;
Steinzeug von Siegburg O 20 — 24;
Steinzeug aus dem Kannenbackerland, Nassau O 25 — 29;
Steinzeug von Kreusscn; zwei bemalto und ein unbemalter Krug O 30;
ein Trauerkrug 31.
Gemeine glasiertc Topferware, aus dem Huzulcnland O 33, von Marburg 34
und von anderwarts 36.
Als Erganzungen hicrzu: schworze, nicht glasiertc Amphorc aus Sirmien 37.
Malhorner 35; vcrgl. II N 157, 158.
Wolbtopfe VII O 32; mehr dcr Art auf dcr Empore VII O.
Der zweite Schrank VII 16 b enthalt weitere Erganzungen, darunter
Steinzeug aus Arizona 54,
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Techni8cher Ftthrer. 309
Der dritte Schrauk VII 16c enthalt Payence und Porzellan; Delfter und
frankische Fayence 67, 70; Fayence von Weilburg a. d. Lahn 71*; Fayence
init Malerei von Rhodus 75; einen merkwurdig bemalten Teller von chinesischem
Topfergeschirr 80.
Majolika p. 172, 168, 169, 170.
Spanische Goldliistervasen 74.
Rotes chinesisches Porzellan 76 — 78; dcsgl. von Botticher geschliffeno Thee-
biichse aus rotem Porzellan 79.
Weisses Porzellan von Hochst 87 — 98, von Frankenthal 93, von Ludwigs-
burg 94, von Berlin 95, von Japan 96, von China 85, 86.
Rote und gemeine agyptische Topferei VII 72, 73.
Chroniolith von Mettlach 107.
Bauern-Majolika aus der Schweiz, aus deni Schwarzwald, aus Sachsen 108;
Madonna VIII 108.
Ofenkacheln, glasierte und unglasierte VII O 99, 173. VIII S 42—66.
Antikes und modernes Material II W 140.
4. Spinnen and Weben.
Spinnwirtel fanden sich keine in den Steetener Hohlen, wohl aber in den
Ringwallen des Altkonigs I M 54, der Dornburg I M 59, der Gickelsburg M 58
und in den Pfahlbauten I S 70, 74, am Schlachthaus bei Wiesbaden M 44,
iiberhaupt in den Dberrcsten der Romer II N 182, der Franken VM 104 und
durch das gauze Mittelalfcer bis auf unsere Zeit. Die Kunkel hinter dem Ofen
VIII, daselbst auch Spindel und Spinnrad.
Gespinnste und Gewebe: Nctze aus den Pfahlbauten I S 70; romische
und agyptische Gewebe II S 172, 173; koptische Gewebe II S 184; sirmischer
Teppich in der Thttr von VII zu VIII 177; Gobelins VII S 174, 175, 176;
Modell eines alten Webstuhls II M 181.
Spitzen, Formen fur Kattundruck VII 172.
5. Leder und Pferdegeschirr,
Geschirr an den Reiterbildwerken in der Halle.
Schuhwerk an den Bildwerken daselbst und VI 26; Sandalen und Zinn-
modell von dergl. II N 169—171 und 171 a ; Stiefel und Sattol VIII S 76, 77.
Kuinmet, Leitseilringe IV M 155, 156.
Pferdeschmuck IV M 112, 154. VII 8 142.
Hufeisen und Wirkmesser p. 125. IV M 157. V W 69. VII 168.
Sporn, Gebiss und Bugel VII S 152-167.
Napoleons Degenscheide VIII an der Ausgangsthiir.
6. Waffen und Befestigungen.
Ringwiille p. 22. I S 113, 114, 112; Gallisehe-, Dazische-, Altkonig-Mauern
I S 50, 51, 52.
Romisches Kastell Wiesbaden VII M; romisches Thor, Trier VII S 187.
Mittelalterliche Burg VIII N 3.
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310 Toclinisclior Kiilirer.
Beile, Lanzen- und Pfeilspitzen von Stein I W.
Dolch von Knochen I M 14.
Schwerter, Dolche, Lanzen- und Pfeilspitzen aim Bronze I N 183, 184.
W 220. M 25. N 175, 176, 177.
Romische Bewaffnung uberhaupt p. G7.
Grabsteine in der Halle. Gladius II W 162. N 166; Haata II N 165; Pilum
II W 163. N 164; Pfeilspitzen II N 167; Bogenspitzen II N 167; Marciobarbuli
II N 167; Schleuderbleie II N 168; Dolch II N 166, 167; Helm II N 168;
Schild II N 168; Sehuppen- und Kettenpanzer II N 168; Legions-, Kohorten-,
Manipel-, Turma-Zeichen IV O 1. IV W 87, 88, 89.
Frankische BewaflFnung p. 135 V S 128.
Langschwert V M 121, 114. W 68, 71, 72; Scramasaxe V M 86. W 46-48.
28, 23. Sax V M 86, 90, 44, 45; Ango V M 80. W 66; Lanzenspitzen V O
24, 25. W 39, 70, 77. M 88; Pfeilspitzen V O 37. W 49-57, 59, 60. M 91 ;
Franeiska V W 76. M 82, 89; Schild V S 127. M 120, 124, 109, 87, 83. W 75.
Uber mittelalterliche BewaflFnung p. 188.
VIII O 31; Schwert VIII M 113-29; Dolch VIII S 73. M 130—131;
Lanze, Spiess und Hellebarde VIII S 82-86; Armbrust p. 200. VIII S 68, 69,
70, 72; FeuerwaflFe p. 198, 200; Kammcrgeschutz VIII M 137; Hakenbuchse
VIII M 132-136; Radbiichse S 67, 71; Selbstschiissc VIII S 139, 140; Streit-
hammer V11I S 74; Morgenstern VIII S 75, 78-81, 31; Holm VIII S 78;
Kappengestell VIII S 79\
7. Eisen.
Uber Eisen und Bronze p. 35; uber Schmiedeeiscn p. 86, 137.
Waldschmieden: Ambos III W 17, 18; Rennofen und Produkte 18% 17 a ;
Gtinsc W 16.
Mit Stahlmeisel bearbeitete Bronze I N 183, 184; Eiseneinlage in Bronze
1 N 191, 186, 184.
Schwerter: I N 200, 202; blattformiges I N 190; romischer Gladius: Bild-
werke in der Halle UN 166; Nachahmung II W 162; frankische Schwerter V M
120, 121, 128, 115. W 70, 71; mit damascicrter Klingc V W 72; mit zusammen-
gebogener Klinge V W 74; alemannisches Schwert V W 68; aim christlicher Grab-
statte VI N 43; la Tene-Schwerter V W 73; mittelalterliche Schwerter und
Degen VIII M 113, 129.
Scramasaxe V O 23, 28. W 46—48. M 86.
Sabelformige Messer 1 N 200, 202, 204, 207. M 45.
Messer vom Altkonig I M 55; frankische V 21. W 42, 44, 45, 40; zum
Wurstmachen V O 33; zum Rebenschneiden V O 34.
Dolch, romischer II N 166, 167; mittelalterliche VIII S 73. M 130, 131.
Pilum und ango II W 163. N. 164. V M 80. S 128. W 66.
Hasta und Wurfspeer II N 165, 183.
Bogenspitzen, romische II N 167.
Lanzenspitzen aus Hugelgrabern I N 191, 200, 202, 204, 207; romische in der
Halle an Bildwerken II N 167; frankische V O 28-31. W 24, 25, 39, 52-57.
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Tcchnisohor Pahrer. 311
Pfeilspitzen, romische II N 167; frankische YW 59; mittelalterliche mit
und ohnc Schaftung VIII 28, 29.
Scheeren V W 43.
Wirkme8ser fur die Hufpflege IV M .157.
Ilelme, romische II N 168; mittelalterliche VIII 78, 79, 80, 81, 31.
Eisenkappengestell VIII S 79*.
Schildbuckel, romische II N 168; frankische V 29, 30. \V 75. M 83.
S 127, 128.
Spom und Zaun VII S 152—167. VIII S 77.
Ilandwerkzeug III N Schrank 11 von 19 — 49.
Hammer und Kelle (Stahl und Silber) VII S 128.
Schliissel und Schlosser romische, IV W 190—201; mktelaltorliche VII S
169, 170.
Thur- und Kastenbeschlage: romische, IV W 204, 205, 206; mittelalter-
liche VII S 170; und an der Thur zum Ilof VII W; an den alten Thuren
VIII W 95 u. 96.
Balkon- und Treppengelander umgearbeitet VII O 112. Eingangsthuren
von der Halle in das Museum.
Zunftkiste und Vexierschlosser VIII M 111, 112.
Ketten romische, IV N 202, 203; Hundehalsketten VIII W 100.
Wandleuchter und Sanduhrgestell in der Thurleibung VII. VIII 179, 180.
Kassctten, gravierte und .geatzte VII S 116, 117.
Geschutze, Hintcrlader, Ilakenbuchsen VIII M 132, 137.
Buchsen, Pistolen und Radschlosser VIII S 67, 71. S 139, 140.
Armbruste VIII S 68, 69, 70, 72.
Statuetten IV W 40, 43; Votivkrote VII S 140.
Oussplatten VIII am Ofen und an der Westmauer im Ilof.
8. Bronze.
Die Bronzezeit p. 35, 101; Romer und Pranken p. 137.
Pfeilspitze von Kupfer I M 25; Lanzenspitzen I N 175, 176, 177.
Kelt, glatte, mit Schaftrand, mit Schaftlappen mit Tiille IN 158—163.
Schwerter und Dolche I N 183, 184. W 220.
Messer und Sicheln I N 164, 178. W 220, 216.
Armringe aus Hugelgrabern I N 181, 207—210, 212 bis 214, 217, 219,
frankische V 16; hohl mit aufrechten, schneidenden Schciben I N 193.
D-formigc I N 209.
HalsringelW 215, 216, 218. N 205, 207, 208, 219. VO 112; Wendel-
ring I S 116; mit Gusszapfen I N 206.
Fussringe I W 207, 211, 217.
Spiralen an Armringen, Hals- und Fingerringen und Fibeln IN 194, 198,
179, 180, 181, 188.
Eisen von Bronze aberkleidet I N 186, 191, 184.
Hohlguss, Armring IN 193; agyptische Standbilder II W 19, 23, 49;
romische IV 91 und in dem Schrank IV \V.
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312 Techniacher Fahrer.
Lampen, Leuchter, Schellen UN 149. S 150. IV 10, 11, 12 VII S
134, 135, 136. VIII M 109.
Nadeln, vorromische p. 37. I S 118. ]S r 179, 189, 181. IW 165—174;
rSmischop. 70. IIS 176-179. IV W 208; frankische p. 139, 141. VO 5—9
32. W 68. M 110, 112; Renaissance VII S 141.
Rauchfass, Raucherkugel VII 8 138, 119.
Bronzeblech, glatt und gctrieben p. 102. II 166, 168. IV W 86, 169
5, 13, 22—27.
Schusseln V M 84. W 64. IV O 2; verzinnt IV 28; Taufschussel
VII 8 172.
Kanne IV 4, 5, 6, 7.
Vasenhenkel IV 8. S 34—35. M 107, 108.
Chinesischer Kessel IV W 39; romischer Dreifuss IV W 38; romische Kessel
IV 30, 31.
Schlussel und Schlosser p. 128. IV O 179—201.
Beschlage IV N 204—206.
Bronze-Thiir VI S 1.
Pferdegeschirr und Schmuck IV M 154—156. VII S 142.
Plattieren, versilbcrn, niellieren, tauschieren, p. 103, p. 142. IV N 108 209
Y W 9—19.
Weisse Bronze p. 101. V O 10.
Spiegel p. 113. IV M 101;
Geschichte des Schmelzes p. 115. IV M 112—125.
9. Blei.
Schleuderblei II N 168; Marciobarbuli II N 167.
Romische Bleirohren, ihre Technik p. 112. IV W 90.
Ratselhafte Bleifigur VII S 124. Votivgaben VII S 146.
Orabplatte VIII N 13. Bleibullen VII S 148.
10. Zinn.
Uber Zinn p. 144.
Modell einer romischen Sandale II N 171.
Zinnteller frankisch V O 26; Schweizer VII S 172; Loffel VII S 144.
Kanne VII O 101; Holzkruge mit Zinneinlagen O 109.
Krugbeschlage und Deckel VII O 46.
Zinnsarg VIII N 12.
11. Silber.
Gewandnadeln I N 174; Nachahmung romischer IV M 134; frankische Y W
6, 7, 8, 61.
Tauschierung auf Eisen V O 10; desgl. Kappengestell VII) S 79 a .
Plattierung auf Bronze V 12.
Schlafering IV M 127.
Loflfel, romischer IV M 103; mittelalterliche VII S 144^
Gebetbuchlein mit Silberdecken und Blatter IV M 148.
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Tcclmischer Fflhror. 313
12. Gold.
Gewandnadel IV M 128; persisches Pectorale, Anh&nger 128; Halsring
128, 130; romischer Armring 131; frankischer Armring 128; Schnalle V 13;
Zierplatten IV M 129; Statuetten, Schmuek, Ring, Kette etc. 150; Goldmosaik
II W 139.
13. Glas.
Uber Glas p. 55.
Glasperlen: grune in Ohrringen I N 206. S 116; andere alte Perlen II N
144. VM 85, 106, 107, 113, 114, 118, 123; desgl. neue II N 145; frankische
V O 2, 3, 4, 27, 29, 31 35.
Hohlglaser agyptische II W 78, 102; romische II W 76, 80-98; mittel-
alterliche II N 112-121; neuere II W 77 111, 122. VII S. Frankische V O
2, 3, 4. M 85, 106, 123.
Planglaser, romisches Fensterglas II W 109; Marienglas II W 110; Butzen-
scheiben II W 136, 137; Kathedralglas II W 138; geschliffene Scheiben II W
141; gemalte Fenster VIII 101 — 107. Geschichte der Glasmalerei p. 194.
Iris und neuere Nachahmung derselben II N 76.
Gebandertes Achat- und OpalglasII W 107, 102, 124, 125, 130; Perlen und
Spinnwirtel V M 104, 116. O 5. II W 135. N 144.
Reaumurisches Glas aus Ziegelofen II W 134; geblattertes II W 133; mit
Ausscheidungen II W 132; Glaspasten IV M 135.
Millefiori-Bruchstucke II W 106, 135. II N 144. IV M 153.
Mosaikmaterial II W 139.
Uniichte Steine in frankischen Fibeln V O 5, 27, 28; schwedischer Bauern-
schmuck IV W 210; Glasarmringe V O 2.
Gljiser von der Glasblaserlampe, romisclie II W 105; fremde IV M 126.
14. Bauwesen.
Briickenpfiihle und Pfahlschuhe in der Halle N 1, 2, 3, 4.
Zwei Einbaume I W.
Ringwalle p. 22; Zeichnungen I S 113, 114 und am Westende des Glas-
schrankes, Aquarell in der Thurleibung I II 112; Ringwallmodelle, Mauern:
Gallische I S 50; dazische I 8 51; des Altkonigs I S 52; Schlacken von funf
Ringwallen I M 53, 60, 61, 62, 63; Funde I M 63.
Agyptische Bauten p. 47. Baumaterialien, ungebrannte Ziegel II W 1,
2, 3; natiirliches Gestein II W 4 — 9.
Romische Bauten. Modelle p. 182: Villa Marienfels VII M; Kastell Wies-
baden VII M; Igler Saulo VII M 185; Porta Nigra und Kaiser-Palast in Trier
VII S 187. W 186; Briicke uber die Nidda VII S 188; Caesars Rheinbrucken
unter dem Mitteltisch VII.
Geschichte der Stubenheizung p. 160. Romische 178 VII in und unter dem
Modell von Marienfels, Heizrohren unter dem Modell des Kaiserpalastes VII W.
Romische Dachdeckung in Schiefer und Ziegel VII W.
Ziegel aller Art, Napfziegel W 182; tegulae mammatae W 181.
Romische Wasserleitungen, Rohren und Schlammkasten VII W.
21
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314 Tochnischer Fillirer.
Modell der Oberburg in Riidesheim VIII N 3.
Zeichnung von Konigstein VIII N 4; der Lahnbrucke bei Diez O 30.
Fussbodenplatten des romischen, gotischen und Renaissancestils VIII M.
Thiiren, von Bronze VI S 1; von Eisen VIII W 94, 14.
Gelander und Oitterthiiren von Eisen VII 112 und Halleneingang zum
Museum.
Schliissel und Schlosser IV W 190—201. VII S 169, 170 an der Thur.
Fenster und Fensterglas II W 109, 110, 136, 137, 138, 141. VIII W
101-107.
IS. Feuer und Licht.
Feuerzeuge p. 179; Heizung p. 160; Feuer in der Steetener Hohle III 18;
Hypokausten VII M; Kachelofen VII S 173 und VIII S 42-66. Eiserne Ofen-
platten im Hof.
Beleuchtungsmittel p. 98; Kienspahnleuchter VII S 171; Pech, Wachs,
Talg; romische Leuchter III W 67. IV 10; mittelalterliche Leuchter VII 8
134, 135; Wand- und Kronleuchter VII— VIII 180. VIII M 109, 110; Lampen:
romische II N 149. S 150. Ill W 61. IV W 211, 212, 213; mittelalterliche
Lampen VII S 136. O 66. VIII M 109.
16. Mlinzwesen.
Belege zur Geschichte desselben III M 1 — 50.
17. Schriftwesen.
Hieroglyphen II W 46 und mehr.
Romische Inschriftsteine in der Halle, im Raum III und VI zerstreut.
Christliche desgl. VI N 44, 45.
Romische Bronzeinschriften; Gewandnadel mit dem Fabrik-stempel NER-
TONI II S 178; Militardiplom IV W 86; AUarinschrift W 80; Votivinschrift
O 13; Stempel IV W 163.
Schleuderbleie II N 168.
Stempel der Augenarzte IV M 104.
Topferstempel III W 61; Sgrafitti III W 62.
Legionsstempel VII an der nordlichcn Wand.
Kohortenstempel VII an der westlichen Wand.
Stempel auf Heizkacheln ebendaselbst.
Mittelalterliche Inschriften auf Ilolztafeln VIII N 7. W 9. S 10, 11; auf
Ileiligenbildern und auf dem Rcliquien-Altar VIII N 1. S 91; Joseph Auring
VIII O 26.
Grab8chrift Philipps von Nassau in der Halle 21; zweier Grafen von Katzen-
elnbogen VIII M auf einem Zinnsarg und auf einer Bleiplatte VIII N 12, 13;
auf einer Ofenkachel Hans Berman 1562 VIII S 42; auf einer Fussbodenplatte
Swig und Lid VIII M.
Inschriften und Zeichen auf Schwertern VIII M 115, 122; Wolf 128, Pferd
118, Drachen 129.
Hellebarde mit Wappen der Neuhaus f 1668. VIII S 86.
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Technischor Ftthrer. 315
Gemalte Fenster mit: Walter v. Cronberg 1574 VIII W 107.
Schrift- und Druckproben von Anno 1145 an und alto Drucke von 1488
an; ausgemalte Stammbticher; Bucheinbiinde III M.
Ankang.
18. Anthropologic.
Der Glaskasten inmitten des Raumes I enthalt namentlich Gegenstande
aus den Hohlen von Steeten an der Lalm. Schadel M 26—30; Neanderthals-
schiidel im Abguss M 31; platyknemische Schienbeine M32; perforierte Ellen-
bogengelenke M 33.
Skelett mit Bronzeschmiuck W 217.
Agyptische Mumienschadel II W 26, 27; und Hande W 28.
Romische Schadel II W 141*. S 154.
Zahlreiche Frankenschadel V 0; auch zerstreut auf dem Mitteltisch, in
dessen Schubladen andere Knochen, zum Teil mit Frakturen aufbewahrt sind.
An der Ostwand ein Plan von Wiesbaden mit Einzeichnung der vorromischen
(griin), der romisehen (roth), der fWinkisehen (blau), Fundstellen.
19. Bechtsaltertttmer.
Agyptische Grabgrenzkegel II W 47, 48.
Militardiplom IV W 86.
Richtbeil, Richtrad, Geige VIII S 88, 89, 90; Hals- und Handfessel, Straf-
maske, Daumschraube W 97, 98, 99 ; Todesurteil mit gebrochenem Stab, Grenz-
und Zollanschliige, Galgenanschlag, Confederation du Rhin an der Thiir in der
nordlichen Wand.
Anm. Den Qrundriss des Museums sowie einige Abbildungen s. im Anhang.
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Romische Sonnenuhren in Wiesbaden
und Cannstadt.
Von
Schlieben,
Major a. D.
Der durch die Tlmdrehung der Erdc hervorgerufene Wechsel von Lieht
und Fin8tcrni8 ist cine so in die Augen fallende Erscheinung, class wir die Be-
griffe von Tag und Nacht zu den urspriinglichsten, alien Volkern gemeinsamen,
rechnen und es ganz natiirlich finden, das Qberall klcinere Zeitabschnitte naeh
Tagen gezahlt wurden. Daneben machte sich bei den sehr einfachen Lebens-
verhaltnissen, mag nun Ackerbau, Jagd oder Viehzucht die Hauptbcschaftigung
gebildet haben, der Einfluss der langeren Zeitraume von Sommer und Winter
nicht minder deutlich bemerkbar, da die Fruchtbarkeit der warmeren Jahreszeit
den Lebensunterhalt fur Mensch und Vieh lieferte und die Nahrungssorgen der
kalteren beseitigte. Nur die Mondphasen kamen in ahulicher Weise zum Be-
wusstsein und hatten den Vorzug kurzere und wieder von selber in vier Teile
zerlegte Perioden zu bilden. Es rechneten daher viele Volker ursprunglich
nach Mondjahren, welche teils nur einen einmonatlicheu, teils einen viermonat-
lichen, in der Kegel aber einen zwolfmonatlichen Zeitraum umfassten 1 ), andere
Volker aber brachten dieses sogenannte freie Mondjahr durch Einschaltungen
mit dem Sonnenjahr in Einklang, wie die Athener und die Juden.
Das Mittel, die Wiederkehr des Jahres, welche schon durch das Erwachen
der Natur, die Fruhlingssttirme, die Wiederkehr der Zugvogel, das Jungewerfen
der Schafe, Kiihe, Ziegen 2 ) und anderes ungefahr angedeutet wurde, mit hin-
reichender Genauigkeit festzustellen, bot allein der Fruhaufgang (ortus heliacus)
einzelner Gestirne, oder der Zeitpunkt des Jahres, in welchem irgend ein auf-
gehender Stern in der Morgendammerung gerade noch sichtbar ist. Es geschieht
dies bei griisseren Sternen, wenn die Sonne noch zehn Grad unterm Horizonte
steht. Die Sonne am Tage zu beobachten ist fur Naturvolker in heissen Erd-
! ) Tdeler, Lehrbuch der Chronologic I, 93 und 61. — *) Weil diese Haustiere in der
genannten Reihenfolge werfen, formierten die Chaldaer die drei ersten Tierkreiszeichen als
Widder, Stier und Ziegen; far letztere wurden spSter die Zwillinge gesetzt.
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317
strichen unmbglich, da Diemand in di& Sonne sehen kann und ihre Stellung
nur indirekt durch den Schatten ohne Unbequemlichkcit wahrzunehmen ist. Am
friihen Morgen odcr am spatcn Abend allein ist es moglich ihren Ort direkt
zu bcobachtcn.
Die Agypter ricliteten ihr Augenmerk auf den Friihaufgang des Sirius
oder Sothis, cr fiel ctwa auf den 20 Juli unscrer Zcitrcchnung. Sie fingen ihr
Jahr mit dicsem Zcitpunktc an, weil dann das fur sie wichtigstc Ereignis, das
Steigcn des Nils, scincn Anfang nahm. Die Griecbcn bcobachteten den Friih-
aufgang und Untergang dcr Plciadcn und fingen zu Herodots Zcit den Sommer
und Herb8t zu eiucr Zcit an, wclcho unscrm 11 Mai und 26 Oktober cnt-
sprecben wiirdc. *)
Wir, die wir in den Anschauungcn des (Jopcrnicanischcn Systems auf-
gowachscn sind, konnen tins kaum cincn Begriff von den Schwierigkeitcn macben,
welchc den mit wunderbarcm Scharfsinn ausgestattcten Gclehrtcn des Altcrtums
das Verstandnis der Himmclserscheinungcn machte. Der Begriff des Pols war
lange unbekannt, xoXo; hiess ursprunglich uicht Pol, soudern dcr tagliche Krcis,
welchcn cin Gcstirn am Himmcl beschrieb, *) es gab damals kcinen Polarstern,
unser Polarstern ist erst allmahlich an dicse Stellc gcriickt und stcbt audi jctzt
nocb andertbalb Grad vom Pol entfernt. Dcr Begriff des Aquators fehlte lange
vollstandig, 8 ) die Sonncnwcnde oder die Scbicfe dcr Ekliptik warcn nicbt vor
Thalcs gemesseu, 4 ) (in China schon 1100 v. Clir.), die Nachtglcichen ganz un-
sicher bestimmt, 5 ) kurz die notwendigen Elcmcnte zur Zeitbcstimmung waren
toils ganz unbekannt, toils fehlcrhaft festgcstcllt und vor alien Dingen fehlte
lange Zeit cine brauchbarc Vorstcllung vom Zusammenhangc unscrcs Sonnen-
systcms.
Trotzdem glauben die Erklarer Homers die Stellc dcr Odyssec 6 ), in welcher
von den t^ottou 7jeXio:o auf der Insel Syros, ciner dcr Cycladcn, die Rede ist,
so verstehen zu diirfcn, dass dort irgend welchc Einrichtungcn schon zu
Zeitcn Homers oder riclitiger des trojanischen Krieges besfcinden, um die
Andcrungen in der Deklination dcr Sonne zu beobachtcn. Sie haben die
wunderbarsten Erkliirungcn vcrsucht, um iiber dicscn Auachronismus hiuwcg
zu kommen.
Will man die von mir am Schlusse dieses Aufsatzes vorgctragenc Losung
nicht gelten lasscn, so licgt die Ansicht Ottfried Miillcrs 7 ) nahe, dass namlich
der Vers mit dieser Notiz spatcr cingeschoben ist, nachdem, wie Martini schon vcr-
mutet, Pherekydes 8 ) der Sohn des Babys, welcher auf Syros zur Zeit des Thalcs
*) Idolor a. a. 0. I, 242. Aratus, Phrconomena 264. Plinius XVIII, 25. — *) (Jcllius
III, 10; Schaubacb, Geschiohte der Astronomic der Grioohen pag. 151. — 3 ) Plutarch do plac.
plulos. II, 12. — *) Diogenes Laertius I, 23. — 5 ) Plinius XVIII, 25. Schaubach a. a. O.
pag. 352. — •) Horn. Odyss. XV, 404.
NyjOo; ziz Eop»i?] xtxXYjoxsTat, el rcoo ixoociCj
Es wd eino Insol Syria genonnt, wenn du vielleicht davon hortcst, nordwcgtlich von Ortygia,
wo die Sonnenwenden sind. — 7 ) Ottfried Mttller, Orchomenos 326. — 8 ) Strabo X, 3; Martini,
die Sonnenuliren der Alten pag. 27—35.
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318
lebte, sein beriihmtes Heliotropium dort aufgestellt hatte. Dann w£re also im
Homer nicht von einer derartigcn Bcobachtung an eincm Instrument zur Zeit
des Odysseus die Rede, denn dazu gehortcn astronomische Kcnntnissc, welche
den Griechen damaliger Zeit ganzlich fehlten und selbst, wcnn wir annahmen,
dass Phonicier oder andere seefahrendo Volkcr die Urheber cincs solchen Kunst-
werkes gcwesen, ganz otwas ausserordentlichcs waren.
Die Griechen batten lange Zeit koine festen Unterabtcilungcn wcdcr des
Jahre8, noch des Tages, nicht einmal der Mittag war scharf bestimmt, bci
Homer ! ) wird er scltcn erwahnt und noch zu Xcnophons Zeit kanntc man den
Begriff der Stunden nicht.
Dagegcn hatten die Babylonicr sehr friihzeitig schon die Teilung des Tages
in zwolf Stunden, ob aus eigener Erfindung oder durch Entlehnung von den
Agyptern, blcibc dahingestellt. Schon die Genesis 1 ) cnthalt einc Stellc, in der
Joseph in Agypten vom Mittagc spricht. Selbst wenu der Verfasscr dieses Buchcs
bei Erwahnung des Wortcs Mittag (zacharaim) vielleicht nur cincn seiner Zeit
gclaufigen Begriff auf die des achtzehntcn Jahrliundcrts, in wclchcm Joseph lebte,
iibertrug, so wiirde man doch immcr bestimmt schliessen kcinncn, dass zu seiner Zeit,
im ncunten oder zchntcn Jahrhundcrt, der Begriff des Mittags in Palastina feststand.
Morgen und Mittag werden von Jeremias 8 ), wclchcr im siebentcn Jahrhundcrt
8chricb, Morgen, Mittag und Abend in cinem Psalm 4 ), der von cinigen Erklarcrn
cbenfalls dem Jeremias, von anderen David zugeschrieben wird, erwahnt.
Jedcnfalls waren die Babylonier und Agyptcr im Bcsitze uraltcr astronomischer
Kenntni8sc und Beobachtuugcn, auch friihzeitig im Bcsitze mcchanischcr Ililfs-
mittcl, welche ihncn die Teilung des Tages und Jahrcs moglich machten.
Das vorziiglichstc derselbcn war die Sonncnuhr, welche von ihncn aus bci
anderen Volkcrn Eingang und Verbreitung fand.
Schon in der Bibcl 5 ) ist von einer Sonncnuhr des Konigs Alias, wclcher
im achtcn Jahrhundcrt rcgicrte, die Rede, an wclchcr der Prophet Jesaias ein
trotz aller Erklarungsversuche immcr noch unvcrstandlichcs Wunder bewirkte.
Er Hess namlich vor den Augen des Konigs Hiskias und seiner Umgcbung den
Schattcn zchn Stufcn zuruckgehen. Nun ist zwar nirgend von einer Uhr die
Rede, auch das Wort Zeigcr, welches Luther hincingebracht hat, steht nicht
da, Bondern es hcisst nur „zchn Stufcn an den Stufen (ba mahaloth) des Ahas, a
nichtsdestoweniger durfte die Stellc so zu vcrstehen sein, dass man an dem
Schattcn, den irgend ein Gcgcnstand auf die etwa zum Palastc fuhrenden Stufcn
warf, den Stand der Sonne und die Tageszeit abschatzte, wenn cs auch immcrhin
zweifelhaft bleibt, ob von einer wirklichcn Sonncnuhr hicr die Rede ist, mit
anderen Worten, ob die Stufcn cigens so gcbaut waren, dass sic als Zcitmcsscr
dicnten solltcn.
Nach Ilerodots Zeugnis 6 ) kam die Kcnntnis der Sonncnuhrcn durch Anaxi-
mander im sechsten Jahrhundcrt nach Gricchenland; er zeigtc die erste Sonnen-
J ) Horn. Odyss. VII, 288 und Uias XXI, 111 ist mit jiioov rftutp nicht die genauc Mitto
desTagcs in unserem Sinne gemeint. — *) I Mosis 43, 16. — 3 ) Jeremias 20, 16; Psalm 55, 18.
— *) Psalm 55. DeJitzsoh, Psalmen I, 407. — *) 2 Kdnige 20, 9—11 ; Jesaias 38, 8. — 6 ) Herodot
II, 109.
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319
uhr zu Sparta oder verbesserte wenigstens eine schon vorhandene. Mit der
Sonncnuhr lcrntcn die Gricchen die Tagescintcilung in zwolf Stundcn kennen.
Trotzdem maehtcn sic noch Jahrhundertc lang von dicscr Teilung keinen Ge-
brauch, sclbst das Wort wpa hattc langc Zcit noch nicht die Bedeutung Stunde. f )
Erst mit der in Alcxandricn crfolgten Vervollkominnung der Sonnenuhren ging
die bis dahin unfruchtbar gebliebenc Teilungsart ins Leben fiber, erst Hipparch
140 v. Chr., braucht wpa fur Stunde. Nach der Erobcrung von Catina in
Sicilicn 2 ), 263 v. Chr., kam die crstc Sonncnuhr nach Rom und war dort
99 Jahre im Gebrauch, obglcich sic, fur cine anderc Polhoho bestimmt, natiir-
lich falsch zcigtc, bis Marcius Philippus eine anderc richtig zcigendc danebeu
stellte. Seit der Zeit wurdo der Gebrauch der Sonnenuhren und die Teilung
des Tagcs in zwolf Stundcn ganz allgcmcin in Rom sowohl, wic in den
Provinzcn. Auf offentlichen Platzen, in den Villcn der Vornchmcn und an
andcrcn Ortcn gab cs Sonnenuhren und mehrere dcrsclbcn sind auf uns
gckommen. In Deutschland abcr wurden bishcr nur zwei gefunden, welche
ganz verschicdcncr Konstruktion sind, die eine in Cannstadt, die anderc in
Wiesbadcu.
Es ist kaum zu glaubcn, dass, wic wir sahen, die Alten so langc Zeit
hindurch kcin Mittcl ausfindig gemacht haben solltcn, um die Tages- oder
Jahrcszcit auch nur ungefiihr zu bczcichncn, abcr wir finden nichts dariiber in
ihren Schriftcn oder doch nur sehr unbestimmtes. So erzahlt Strabo, 3 ) dass in
Sycnc in Agyptcn ein Brunncn sci, iibcr dem zur Zeit der Sommcrsonncnwcndc
die Sonne senkrecht stche. In Mcroe, sagt er an ciner andcrer Stcllc, stcht
die Sonne 45 Tagc vor der Sonnenwcndc senkrecht. Ganz richtig sind diese
Angabcn nicht und kaum gceignet die Sonnenwcndc ganz grob zu bczcichncn.
Einigc haben auch die Saulen Jachim und Boas, wclchc vor dem salomonischen
Tcmpcl standen, 4 ) fur Zeitmcsser angeschen, obglcich allc Bcwcise dafiir fehlcu ;
cbenso stcht es mit der Vermutung, dass die Bildsiiulen des Belus, welche
Herodian 5 ) als einfachc Kegel beschreibt, Stundcnzciger gewescn seicn, durch
vicle Schriftstcller bezcugt ist dagegen der bcim Landvolke noch Jahr-
hundertc n. Chr. Geburt andaucrndc Gebrauch die Tageszeit nach der Lange
des mcnschlichcn Schattcns zu bestimmen. 6 ) Noch Palladius im zweiton
Jahrhundert n. Chr. gicbt am Endc jedes Monats, den cr in scinem
Buchc iibcr die Landwirtschaft abhandelt, cine Tabellc, aus welchcr der
Landmann, der kcinc Sonncnuhr aufs Fold mitnehmen kann, die Tages-
zeit nach der Lange des Schattcns bemessen soil. Die Tabellc zcigt natiir-
lich wegen der sich andcrnden Deklination der Sonne in jedem Monat anderc
Zahlcn, es ist jedoch bis jctzt nicht gclungcn das richtigc Vcrstiindnis
dafiir zu finden. Wenn Autoritatcn, wic Idclcr, 7 ) daran vcrzwcifclten , so
wird der romische Landmann auch nicht besser zum Ziclc gckommen und
! ) Martini, Sonnenuhren der Alten pag. 12. — ») Plinius H. N. VII, 68. — 3 ) Strabo
II, 1 und 7; XVIII, 107. Ebenso Win. II. N. II, 75. — 4 ) I Konigc 7, 15; II Konigc 25, 17;
II Chronica 3, 15. — 6 ) Herodian V, 3, 5. — 8 ) Aristoph. Eccles. v. 652 ed. Dindorf, in
anderer Au8g. v. 680 oder 625. Ausftthrliches bei Bilfinger: Die Zeitmesser der antiken Volker
pag. 10 u. f. — 7 ) Ideler a. a. 0. II, 261. —
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320
der Ausspruch des Petavius 1 ) gerechtfertigt sein: Falsa est itaque Palladii tota
ilia descriptio.
Mit dcr Verbrcitung der Sonnenuhren wurde, wic schon crwahnt, auch
die StundcneinteiluDg bckannter, aber die Alton teiltcn nicht ctwa den ganzen
Tag in 24 gleiche Stunden, sondcrn nur die Zeit vom Aufgang bis zum Untcr-
gang der Sonne, den sogenannten natiirlichen Tag, in 12 gleiche Teilc ohne
Riicksicht darauf, ob die Tage lang odor kurz waren, sodass also im Sommcr
die Stunden langer, im Winter kiirzer ausficlen, als zur Zeit dor Aquinoctien.
Diesc Stunden hiesscn home tcmporalcs, &pxi xatptxai und wcrden spiitcr in
altcn deutschen und lateinischen Schriftcn iibcr Gnomonik auch babylonischc
Stunden genannt, im Gcgensatz zu den horac aequinoctialcs wpat LsTjiisp'.val, wclchc
wic bci uns, gleich dem vierundzwanzigstcn Toil des ganzen biirgcrlichen Tagcs
waren und den Wort cincr hcutigen Stunde hattcn. Sie wurden nur von
Astronomen gcbraucht. Der Unterschied beidcr Arten von Stunden wuchs mit
der zunchmenden geographischen Brcitc und lag fur die Sommcr- und Wintcr-
solstiticn bcispiclswcise fur Rom zwischen 75'/ 2 und 44 V a Minutcn, fur Wiesbaden
welches acht Grad nordlicher licgt, zwischen 81 und 39 Minutcn.
Die Altcn beganncn im allgcmcincn auch nicht, wic wir, den Tag mit
Mitternacht oder, wie die Astronomen scit Ptolcmacus, mit dem Mittagc, denn
beide Begriffe fehltcn ihncn ursprunglich. Die Babylonicr begannen ihn, wic
alio Sonncnanbctcr, mit Sonncnaufgang, die Athcncr und wahrschcinlich alio
Griechcn, wie noch hcutc die Judcn und Mohamedancr, mit Sonncnuntergang,
weil sic ihrc Zeit nach dem Monde teiltcn, dessen crstc Sichcl in dcr Abcnd-
dammcrung wahrgenommen wird, nur die Umbricr begannen ihn, wic die Astro-
nomen, mit dem Mittag und nur die romischen Pricstcr, wic die Agyptcr, mit
Mitternacht, cin Verfahrcn, welches, wenn cs genau geschehen soil, erst nach
Erfindung der Uhren moglich 1st. Die libyschen Nomadcn endlich, wie die
Deutschen und Gallicr, nach Caesars und Tacitus Versichcrung, *) ziihltcn nicht
die Tagc, sondcrn die Nachtc und fingen den Tag, sozusagen, mit dcr Nacht
an; auch bci den Griechcn hicss dcr biirgcrlichc Tag voytbflispov, die cnglische
Sprachc hat den Ausdruck a fortnight fur cincn vicrzehntiigigen Zeitraum
bewahrt.
Infolgc dicscr Abwcichungcn finden wir auch die Stunden andcrs gczahlt,
als bei uns ublich ist. Die crstc Stunde begann bci den Romcrn mit dem Auf-
gange der Sonne, der Schluss dcr sechstcn oder der Anfang der siebentcn cnt-
sprach genau unserem Mittag und die zwolftc schloss mit Sonnenuntcrgang.
Wird so der natiirliche Tag in 12 Stunden gcteilt, so bekommen wir fiir Horn, 3 )
welches unter 41° 50' n. Br. liegt fur den langstcn Tag 15 Stunden 6 Minuten,
fiir den kurzesten 8 h 54', fur Wiesbaden, welches unter 50° licgt, die Tages-
langen von 16 h 10' resp. 7 h 50' und im cinzelnen folgcndc Tabelle fiir die
romischen Stunden zur Zeit der Solstitien:
') Petavii var. diss. VII, 7. Anders Bilfinger, Zeitmessor der antiken Volker 8. 67. —
*) Caesar b. Gall. VI, 18; Tacit. Germ. II. — 8 ) Far Rom nach Becker, Gallus II, 353.
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Endo
Fur Rom.
Fiir Wiesbaden.
dor
Summer
Wintor
Sommor
Winter
Stun den.
die
Stundozu 75 'V
zu 44 'V
zu 81'
zu 39'
Sonnen Attfgang.
4 h 27'
7' 1 33'
3 h 55*
8 h 5'
I
5 h 42' 30"
8 h 17' 30"
5 h 16'
8" 44'
IT
6 b 58
9 h 2'
6 U 37'
9 h 23'
III
8 h 13' 30"
9 h 46' 30"
7 h 58'
10 h 2'
IV
9 h 29'
10 h 31'
9 h 19'
10 h 40'
V
10 1 ' 44' 30"
ll h 15' 30"
10 u 40
11 h 21
VI
12 h
12 h
12 h
12 h
VII
l h 15' 30"
12 h 44' "30"
l h 20'
12 h 39'
Yin
2 h 31'
l h 29'
2 h 41'
l h 18'
IX
3»' 46' 30"
2 h 13' 30"
4'' 2'
l h 57'
X
5 h 2'
2" 58'
5 h 23'
2 h 36'
XI
6 h 17' 30"
3 h 42' 30"
6 h 44'
3 h 15'
XII
7 h 33'
4 h 27'
8 h 5'
3 h 55'
Es fing also beispiclsweise die zchnte romische Stunde in Wiesbaden um
4 Uhr 2 Minuten, resp. um l h 57' nacli imscrcr Zeit an und cndete um 5 h 23'
resp. um 2 h 36'. In den Aquinocticn waren diesc Stunden den unsrigen ganz
gleich, weil dann die Sonne iibcrall um 6 Uhr auf- und untcrgeht, in dcr Zeit
zwischen den Aquinocticn und Solstiticu nahmen die Stunden mit den Tagen
au Langc zu und ab.
Dieser Gewohnheit, den Tug zu jeder Jahrcszeit in 12 gleichc Stunden
zu teilcn, mussten die Uhren der Alien entsprechen, 1 ) sic untcrscliciden sich
daher wcsentlich von den unsrigen. Wir finden diesc wcchselnden Stunden
noch bci denArabern im zelmten Jahrhundert, 2 ) erst mit Einfiihrung der Radcr-
uhren verschwanden sie allmiihlich. Am Regcnsbnrger Uom befindct sich noch
cine Sonncnuhr mit unglcichcn Stunden aus dem Jahre 1487 und die Konstruktion
solchcr Uhren wird noch in den Biichern ilber Gnomonik aus dem 17. und 18.
Jahrhundert angefuhrt.
Ausscr den crwahnten Sonncnuhren hattc man aber auch Wasscruhren,
clepsydrae, hauptsachlich zum Gebrauch wahrend der Naclit, welchc in vier gleich*
langc Nachtwachcn geteilt wurdc, und vor Gericht, wo den Redncrn cin grossercs
oder geringcres Mass Wasser bewilligt wurde, welches durch cine clepsydra lief
und den Redcfluss des Advokaten mit dem lctzten Tropfen vcrsiegen licss.
Sie wcrden zuerst von Aristophanes 8 ) crwahnt, wirklichc horologia hydraulica
aber wurden erst in dcr Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. von Ktcsibius
in Alexandrien erfunden und bald darauf cine solche von Scipio Nasica in Rom
aufgestellt.
Wahrend nun die Wasscruhren auf den langsten Tag rcgulicrt waren und
durch Verklcben dcr Ausflussoffnung mittels Wachses fiir die iibrigc Zeit unge-
J ) Vitruv. IX, 3. — *) Delambre, astron. anc. II, 512. Verb, des hist. V. von Obor^
pfttlz und Regcnsburg Band XII. — 3 ) Aristophanes Aoharn. 693; Vesp. 93.
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322
fahr in Ordnung gehalten wurden , ), konstruierte man bei den Sonnenuhren dureh
Verbinden dor Teilungspunkte des langsten und kurzcsten Tagcs Linien, auf
welche der Schattcn fallen musste, urn den Tag in 12 gleichc Teile zu teilen.
Der Schattcn, welchcr nicht wie bei uns von oiner unter der Polhohe des
Ortes schrag aufgestclltcn, in der Richtung der Erdachse stchenden Stange,
sondern von einem scnkrechten Stift ausging und dahcr audi nicht wie bei
uns vom Fussc jcner Stange aus radienartig auf odcr zwischcn die Stundenlinicn
fiel, sondern jcne andcrs konstruierten Stundcnlinien schnitt, zcigte gleichzcitig,
wenn die Zeichnung danach angelegt war, mit den Stunden audi die Jahrcs-
zcitcn an.
Von den viclen Arten von Sonnenuhren, welche Vitruv 2 ) zwar anfuhrt,
jedoch nicht beschreibt und die uns daher grosstentcils unbekannt geblieben
sind, interes8iercn uns hauptsachlich die zwci Arten, welche in Dcutschland
gefunden und durch das Wiesbadcncr und Cannstadter Exemplar vcrtreten sind.
Die Wicsbadencr Uhr wurde im Jahre 1867 in dcm romischen Bade,
dem jctzigcn Schiitzenhof, gefunden. 3 ) Ihrc Zeichnung cntspricht der Form,
welche Vitruvius als raXs%tvo<;, Schwalbcnschwanz, odcr reXsxoc, Beil, bczcichnet 4 ),
weil jedc zur Seite der Mittcllinic liegendc llalftc einem Beil ahnlich sicht.
Es war einc Ilorizontaluhr, wie uns ahnlichc vom Turin der Windc in Athen,
in cincr Villa in Pompcji und an andercn Orten erhaltcn sind. Auf einem
grob zugerichtetcn Stein, welchcr nach Angabe des Hcrrn Oberst v. Cohausen,
von dcm ich iiberhaupt erst auf diese Uhr aufmerksam gcmacht wurde, genau
derart ist, wie sic hicr im Wiesbadener Schulbcrge gefunden werden, ist die
in der Abbildung, Fig. I, vcrzeichnete Uhr schr roh ausgehauen. Offenbar sind
die Linien nicht aus cincr Konstruktion hervorgegangen, sondern empirisch nach
Bcobachtungcn gezcichnct, vicllcicht das Ganzc auch hur die Nachbildung cincr
auf diese Weisc gefundencn Zeichnung. 4 )
Der senkrechte Zeigcr fehlt, doch ist die Ausbohrung zu sehen, in welcher
er gestanden hat. Es gilt nun zu untersuchen, fur welche Polhohe die Uhr
gezeichnct ist und ob sic fur Wiesbaden gepasst hat.
Bei unseren hcutigen horizontalen Sonnenuhren ist der Zeigcr die Kathete
eines rechtwinkligcn Dreiecks und macht mit der im Meridian liegenden und
bis zur Aquinoctiallinic rcichcndcn Hypotenuse cinen Winkel, welchcr gleich
der geographi8chcn Brcitc odcr Polhohe des Ortes ist. Wir wollcn dieses Drcicck
ein fur allcmal das Fundamcntal-Drcicck und jenen Winkel <p nennen. Fig. II.
*) Aeneas tact. pag. 22. — 2 ) Annalcn d. nass. Altert. V. IX Band, pag. 358. —
3 ) Wocpkc, disquisitiones archacol. mathem. pag. 22. u. f. Avellino descrizione di una casa
Pompeiana tab. Ill, Fig. 5 u. pag. 60; Dclambrc II, 488. — 4 ) Die beiden ausgezogenen
k rum men Linien, die obero und die untere, sind die Hypcrbeln ffir den Stand der Sonne im
Krebs resp. im Stcinbock, die punktierten Linien sind die Hyperbeln fur den Stand der Sonne
in den iibrigen Tierkreiszoichen, sie fchlcn im Original und sind hicr nur abgebildet zur Kon-
trolle der Richtigkeit der Uhr, von welcher sogleich die Rede soin wird. Die ausgozogene
Grade, welche auf der Original-Uhr zu sehen, ist die Aquinoctiallinic fiir den Stand der Sonne
im Aquator. Die Linie PZ stellt den im Original nicht mehr vorhandenen Zeigcr vor, sie
muss in P senkrecht zur Uhrfl&che gedacht werden, ihre Spitze Z wirft den Schatten, welcher
die Stunde anzeigt.
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323
Der Zeiger der antiken SoDnenuhren war das von der Spitze des rechten Winkels
auf die Hypotenuse gcfallte Perpendikel ZP. Er sollte zugleich mit den Stunden
die Jahreszeiten zeigen, es gait daher nur der Schatten seiner Spitze; soil der
schrage Zeiger unserer Uhren dasselbo thun, so muss cr entweder am Scheitcl
des rechten Winkels endigen odcr dort einc Markc haben. Wahrcnd bci unsereu
Uhren also der Stundenwinkel, welchen der Schatten des ganzen Zeigers mit
dem Meridian bildct, in Betracht kommt, sahen die Alten nur auf den Sehatten-
punkt, wclchcr der Spitze des Stiftcs angchorte und je nach der Dcklination
der Sonne mehr oder wenigcr wcit in die Uhrflachc hincin fiel, liesscn abcr
die Schattenrichtung des senkrechten Stiftes, wclche das Azimut angicbt, ganz
ohne Bcachtung.
Unser schrager Zeiger lauft, da er im Meridian untcr dem Winkel der
Polhohc, den Scheitcl nach Suden, crrichtet ist, der Erdachse parallel und kann
bci dem im Vcrhaltnis zu der grossen Entfcrnung der Sonne von zwanzig
Millioncn Meilen schr gcringon Halbmcsser der Erde als vollig in der Erdachse
und somit auch in der Wcltachsc licgend angesehen werden. Nehmcn wir nun
an, Fig. Ill, die Sonne hattc cine nordlichc Dcklination -}-S = 23 1 /* Grad
(Schicfc der Ekliptik), standc also im Zeichcn des Krebses (@), so muss der
Schatten der Spitze jenes Stiftes bci der schcinbaren taglichcn Umdrehung der Sonne
urn die Erde cinen Kegel K l beschrciben, dessen Achsc der Stift ist und dessen
Scitcn mit dicser Achsc cinen Winkel von 90° — 8 bilden. Dieser Schatten-
kcgcl wird abcr von der horizontalcn Uhrflachc geschnitten und ist dcslialb
nicht vollstandig sichtbar, da die Sonne einen Teil ihres Laufes uuter der im
Horizont licgenden Uhrfliiche zuriicklegt. Steht die Soune nach cincm halben
Jahrc mit gleicher sudlicher Dcklination ( — S) im Zeichcn des Stcinbocks (/$),
so beschrcibt der Schatten der Spitze den Ocgcnkegcl K und in der Zwischcn-
zeit, wahrcnd die Sonne den Raum zwischen Krcbs und Stcinbock durchlauft,
wird sic auch ciumal im Aquator stchen und ihr Schatten, da 8 dann gleich
Null ist, kcincn Kegel, sondern nur cine Kreisfliichc beschrciben, wclche die
Uhrflachc in eincr graden Linic schneidet. Fur die geographischen Breiten der
gemassigten Zone schneidet die Kegclachse die Uhrebenc in alien Fallen so,
dass cp<d90° — 8 ist und also die cntstchcndcn Kcgclschnitte nach den Gcsetzcn
der Mathcmathik Hypcrbcln sind. Bckanntlich gehorcn iminer zwei Hypcrbeln
zusammen, die des Kegels und seines Gcgcnkegels, sic sind congruent und cnt-
sprechen gleichen niirdlichen und siidlichcn Deklinationcn, cs sind also die
Hypcrbcln fur Krebs und Stcinbock vollig gleich. Die Schnitte werden inn so
flacher, jc naher die Sonne dem Aquator steht und fallen, wenn dicser wirklich
eiTcicht ist (Yodor^:), in eine grade Linie zusammen, wclche die Aquinoctial-
linic hcisst. Die zu den drci Stcllungen der Sonne im Krebs, Aquator und
Stcinbock gehorenden Schnitte bilden nun die Elcmcntc fur die Entscheidung
der Frage, fur welche geographische Brcitc die Uhr passt.
Auf alien Sonnenuhrcn der Alten, welche dicsc Konstruktion zeigen, sind dicsc
drciLinien, namlich diebcidenHyperbelnfiirdieSolstitien und die grade Aquinoctial-
linie zu sehen; aus dem Verhaltnis der Abstande derselben voneinander kann man
die Grossc des Winkels 9 oder die geographische Brcitc des Ortcs bestimmen.
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324
Zur geometrischcn Losung dieser Frage bedarf es einer kleinen Hilfs-
konstruktion. Sind, Fig. IV, A, M und B die gegebeuen Schnittpunkte jener
Linien init dem Meridian, so halbicrt man A B in D, erriehtet dort ein Perpen-
dikcl imd legt in B einen Winkel von 90° — 47° = 43°, dem Koinplcment
zur doppelten Schiefe der Ekliptik, an, desscn Schcnkel die Senkrcchtc in K
schncidet, beschrcibt von K als Centrum einen Kreis, in wclchem AB Seline
ist, vcrbindet B mit 72, dem Schnittpuukt des Pcrpcndikcls und der Krcis-
periphcrie, so ist <' DKB = 47° und <; DRB als Periphcriewinkcl V» DKB
= 23 , /»° = 8. Halbicrt man nun den Bogen AB in V, zieht VM bis zur
Peripheric nach Z, zieht RZ, wodurch < HZV als Winkel im Halbkrcise
= 1 11 wird und verlangcrt R Z bis zum Meridian in C, so ist Z die Spitze,
C der Fuss des schragen Zeigcrs GZ und, wenn man ZP senkrecht CB zieht,
P der Fuss des senkrechten Zeigcrs PZ und cudlich <)' ZCB der verlangte
Winkel <p = der Polhohc. Es sind jetzt auch die Winkel AZV= VZB jedcr
= 23 7*°, wcil sic als Periphericwinkel auf denselbcn gleichen Bogen stehen,
wie die Winkel ARV=VltB.
Praktisch kommt man auf folgende Wcisc ohnc diese Konstruktion zum
Ziele. Man koustruiert sich das sogen. Analcmma 1 ), Fig. V, von wclchem schon
Vitruv 8pricht. Es ist dies cin Krcisausschnitt, desscn Centriwinkcl gleich der
doppelten Schiefe der Ekliptik und so gctcilt ist, dass die einzelucn Winkel
der Dcklination der Sonne in den zwolf Zcichcn des Tierkreiscs cntsprechen.
Der Schcnkel, welcher der Dcklination ± 0, odcr der Stellung im Aquator cut-
spricht und mit Y bczeichuct ist, halbicrt den ganzen Ausschnitt. Zcichnen
wir dieses Analcmma, indem wir ims auf die drei Linien fur @, Y und %
beschranken, auf durchsichtiges Papier und legen es so auf die Punkte A, M, B,
dass alle drci Punkte von jencn drei Strahlcn gcschnittcii werden, so finden
wir, ganz wie vorhin, die Zcigcr und den Winkel 9, wenn wir durch die
Spitze Z des Analemmas cine Senkrcchtc zur Aquinoctiallinic ZM ziehen und
das Pcrpendikel ZP fallen. Es ist namlich
AM:BM=PM—PA:PB-PM =
= tang 9 — tang (9 — 8) : tang (9 + 8) — tang 9 .
So bckommen wir durch llechnung fur 9 = 50° und 8 = 23 7*° das Ver-
haltnis AM: MB = 1:3,1 und dies stimmt genau fur unsere Uhr. Dieselbe
ist also fur 50° nordlichcr Breitc, fur Wiesbaden, konstruiert. Fur andcre
Breitcn bekommt man andcre Zahlcn. Zur Priifuug der Ocuauigkcit dieses
Vcrfahrcns ist es ncitig, die Rechnung weitcr auszudchncn. Man findct dann,
dass sich das Vcrhaltnis wic folgt iindcrt:
Far 9 = 45° crhalt man AM: MB = 1 :2,5
„ 9 = 48° „ „ „ „ =1:2,8
„ cp = 50° „ „ „ „ =1:3,1
„ 9 = 50,5° „ „ =1:3,2
„ 9= 61° „ „ „ „ = 1:3,3
„ ? = 52 w „ „ „ „ =1:3,5
„ cp==55° „ „ „ „ =1:4,3.
») Vitruv. IX, 8,
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325
Ein Fehler von 0,1 wurde also den Bestimmungsort etwa nach Neuwied,
vielleicht in das dortige Lager verlegen. Obgleieh nun bei der rohen Art, in
der die Uhr hergestellt ist, ein so kleiner Fehler in der Messung wohl vor-
kommen kann, so ist doch kein Grund vorhanden, einen anderen Ort als
Bestimmungsort der Uhr anzunehmen, da der Stein selbst auch auf Wiesbaden
hinweist, wir werden aber auch sehen, dass fur diesc gefundenen Elemente die
Ilyperbeln richtig konstruiert sind und dass auch die Teilung der Aquinoctial-
linie und die ungleichen Stunden der Breite von 50° entsprechen und konnen
dann mit Bestimmtheit sagen, dass die Uhr fur ihren Fundort Wiesbaden eigens
angefertigt wurde.
Um die Hyperbeln nach einer der bekannten Methoden zunachst nur fur
die Solstitien zu konstruieren, muss man ausser den gegcbenen Entfernungen
AM und MB noch die Brennpunkte kennen, und da sie nicht gegeben sind,
ermitteln. Zu diesem Zweck sucht man, Fig. Ill, den auf CZliegenden Mittel-
punkt desjenigen Kreises, welcher die Kegelseiten AZ und ZG und den Meridian
AC beruhrt, der Fuss F des von ihm auf CA gefnllten Perpendikels ist der
eine Brennpunkt, der andere, F 1 , liegt uber B hinaus, sodass AF = BF 1 ist.
Hat man nun die beiden Ilyperbeln fur die Solstitien konstruiert, so gilt
68 zunachst auf der Aquinoctiallinie, welche eine unbegrenzte Grade ist und
den Meridian senkrecht schneidet, die zwolf gleichen Stunden — nicht Teile
— abzuschneiden. Es geschieht dies in der bei alien Konstruktionen von Sonncn-
uhren iiblichen Art.
Man schlagt mit ZM, Fig. VI, der zu <p gehorenden Sinuslinie, von einem
im Meridian liegenden Punkte E einen Halbkreis, sodass die Aquinoctiallinie
Tangentc davon wird und der Meridian ihn halbiert, teilt dcssen Peripherie in
12 gleiche Teile, welche die Aquinoctialstunden vorstellen — erforderlichen-
falls auch in 24, 48 und mehr Teile, wenn man auch halbe, viertel u. s. w.
Stunden haben will — und verlangert die Teilungslinien bis zum Durchschnitt
mit der Tangente. Diese Durchschnittspunkte mit dem Fusse des schragon
Zeigers verbunden entsprechen dem Schatten der Weltachse von Stunde zu
Stunde und geben auch die Punkte an, auf welche der Schatten der Spitze
des graden Zeigers zur Zeit der Aquinoctien fiillt. Sucht man jetzt mit Hilfe
dieser Uhr die Punkte auf den beiden Hyperbeln auf, welche der Lange der
Wiesbadener Stunden nach romischer Art entsprechen und verbindet die zu-
sammengehorenden durch grade Linien, so gehen diese auch durch die be-
treffenden Punkte der Aquinoctiallinie, und man erhalt so die fur Wiesbaden
passende romische Sonnenuhr 1 ).
Will man diese Konstruktion vermeiden, so bcrechnet man die Winkel,
welche die zu den romischen Stunden gehorenden Schatten des schrcigen Zeigers
in C mit dem Meridian bilden. Ist ein solcher Winkel = <|>, so ist
tang »]> = sin ty . tang s
l ) E« ist diese Verbindung in Fig. VI nn einer Stelle dureh punktierte Linien und zwar
fflr die X. Stunde, welche nftch der Tftbello im Wintersolstitium um II Uhr 36', in den Aqui-
noctien um IV Uhr und im Sommersolstitium um V Uhr 23' schliesst, hergestellt.
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f
326
wobei s die in der Tabellc enthaltene Lange der romischen Stunden ist. Die
erste Stunde nachmittags, also die siebente Tagesstunde endete beispielsweiso
urn l h 20' im Sonimer- und urn 12 h 39' im Wintersolstitium, also
tang <J> = sin 50 ° . tang 1 h 20' und tang <[/ = sin 50 ° . tang 39'.
i h 20™ Zeit ist aber im Bogen gleich 20° und 39 m Zeit sind im Bogen
gleich 9° 45'; setzt man diese Werte ein, so ergiebt sich <j> = 15°34', <|/ = 6° 26'.
Tragen wir diese Werte in C an den Meridian an, so bekommen wir in den
Durchschnittspunkten mit den beiden Hyperbeln die Endpunkte der siebenten
romischen Stundenlinie fur Wiesbaden. Die in Pig. I und VI eiugeschriebenen
Zahlen bedeuten den Anfang der romischen Stunden nach unserer Zeit, wie er
in der Tabelle angegeben; die Romer schrieben keine Zahlen in ihre Sonnenuhrcn.
Berechnet man in dieser Weise auch die Winkel fur die anderen Stunden
— grosse Genauigkeit ist nicht notig — , so findet man fur die rechts und
links vom Meridian aufzutragenden Winkel, C als Seheitel genommen, fur die
beiden Solstitien:
Sommer Ende der Stunden: Winter
VII u. V y' = 7° 30'
VIII u. IV y' = 15° 10'
IX u. Ill <p' = 23° 13'
X u. II ?' = 31° 49'
XI u. I <p' = 410 8'
XII u. Tagesanfang <p' = 51° 37'.
Konstruiert man auch die zu den ubrigen Tierkreiszeichen gehorenden
Hyperbeln, deren es noch vier giebt, weil immer zwei Zeichen gleiche Dekli-
nation haben, so liegen die Schnittpunkte fur den Schatten der gleichen Stunden
alle in nahezu graden Linien, der Fehler betragt nach Delambre 1 ) hochstens
einige Sekunden, niemals eine Minute. Da eine solche Genauigkeit bei Sonnen-
uhrcn nicht wohl moglich ist, so finden wir iiberall grade Linien verzeichnet.
Dass bei unserer Sonnenuhr von Genauigkeit uberhaupt nicht viel die
Rede sein konnte, sieht man aus der rohen Anfertigung. Offenbar batten die
Linien fur die nachsten Stunden vor und nach Mittag im Sommer nicht ge-
stimmt, sie sind deshalb korrigiert, der Stein ist aber so ungeschickt nach-
gehaucn, dass man die richtige Lage nicht mehr erkennen kann. Es ist, wie
schon gesagt, nichts konstruiert, sondern alles ausprobiert, deshalb haben auch die
Hyperbeln stellenweise eine ganz wunderbare Form, obgleich sie im allgemeinen
ganz richtig sind.
Verzeichnet man ein genaues Bild unserer romischen Sonnenuhr in natiir-
licher Grosse 2 ) (die Fig. I zeigt nur ein Viertel dcrselben) mit farbiger Tusche
s> =
1
15° 34'
¥ =
32° 58'
¥ =
53° 33'
? =
78°
9 =
104° 14'
? =
128° 23'
') Delambre, astron. anc. II pag. 482. — 2 ) Es ist dazu ein genauer Abdruck vom
Original erforderlich, wie er sich auf Fliesspapier leicht herstellen lSsst. Tn Fig. I ist dies fGr
die linke Seite unserer Sonnenuhr also fOr die romischen Stunden von VI bis XI durch die
punktierten graden Linien und die liegenden Kreuze angedeutet, wahrend die rechte Seite
die romische Uhr, die Stunden I bis VI, so zeigt, wie sio auf dem Stein zu sehen ist. Die punk-
tierten krummen Linien sind die Hyperbeln t'tir die beigeschriebeuen anderen Tierkreiszeichen,
die Enden der Stunden sind nach unserer Zeit beigesetzt. Es liegt in der Natur der Kou-
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327
und daruber die mathematisch genaue Konstruktion mit alien Hyperbeln in
schwarzer Farbe, so kann man sich durch einen Blicl^ iiberzeugen, wie weit
beide ubcreinstimmen, und man wird finden, dass dies in ziemlich hohem Grade
der Fall ist.
Ich bemerke nur noch, dass weder bei dieser noch bei irgend einer anderen
romischen Sonnenuhr die Zeitgleichung beriicksichtigt werden darf, denn die
Alten kannten nur den wahren Mittag und wussten nichts von der ungleich-
formig schnellen jahrlichen Bewegung der Sonne. Unser sogen. mittlerer Mittag
ist erst durch Einfiihrung der Raderuhren Bedurfnis geworden. Die ganze
Ausfuhrung unserer Uhr ist iibrigens der Art, dass ein Fehler von einer Viertel-
stunde, wie er durch Vernachlassigung der Zeitgleichung Anfang Februar und
November hochstens entstehen kann, nicht sonderlich ins Auge fallen wiirde.
Die Cannstadter Uhr. Das zweite in Deutschland gefundene Exemplar
einer romischen Sonnenuhr wurde im Jahre 1843 bei Hofen, unweit Cannstadt,
an den Abhangen des Neckar ausgegraben, welcher in jeuer Gegend an beiden
Ufern zahlreiche Spuren romischer Niederlassungen zeigt. Man fand damals
aber nicht eine vollstandige Sonnenuhr, sondern nur sieben oder acht Stucke,
welche so gut es gehen wollte, zusammengesetzt wurden. In den Jahrbuchern ! )
des Vereins fur Altertumskunde des Rheinlandes befindet sich eine Beschreibung
und Abbildung der zusammengesetzten Stucke und im Mainzer Museum ein
Abguss dieses Originals, von welchem ich durch die Gute des Herrn Professor
Lindenschmit eine Kopie erhaltcn habe. Aber Bild und Kopie stimmen nicht
miteinander uberein, der in der Zeichnung leer gelassene mittlere Teil ist in
der Kopie ausgefullt, auch zeigen die Abmessungen des Ganzen und der einzelnen
Teile einige Abweichungen.
Das Ganze besteht aus einem nahezu halbkugelfiirmig ausgehohlten, fast
cylindrischen Stein von 8,5 cm Hohe, 19,8 cm unterem und 22 cm oberem Durch-
messer. Von diesem Stein, Fig. Vila u. b ist der Rand auf etwa zwei Drittel
des Umfanges abgeschlagen. Ausserlich hat der Cylinder die durch den fehlenden
Rand unvollstandige, schon eingeschnittene Inschrift . . . INIVSTA . . . auf der
inneren Hohlung aber ein Netz von urspriinglich 11 Stundenlinien, welche bis
auf zwei wenigstens stiickweise noch zu sehen sind. Dieses Netz wird von
zwei Kreisen, welche offenbar die Wendekreise vorstellen, geschnitten, sodass
die Zeichnung, abgesehen von der ganz anderen Konstruktion, durchaus der
auf der Wiesbadener Uhr entsprechen wurde, wenn auch die Aquinoctiallinie
verzeichnet ware.
Ware diese Hohlung im mathematischen Sinno halbkugelformig, so wiirde
die Bestimmung des Ortes, fur welchen die Uhr gepasst hat, sehr erleichtert
werden. Es ist dies aber nLcht der Fall, vielmehr erscheint die Hohlung etwas
struktion, doss die ftusserstcn Stunden im Winter am wenigsten .stimmen. Die unterste Hyperbel
muss noch der punktierten Linie korrigiert und die Linie ZP, der Gnomon, in P senkrecht
zur Uhrfianho im Meridian stehend gedacht werden, da die Spitze Z derselben den massgebenden
Schatten wirft. Die Konstruktion wird nach Anleitung von Fig. VI. oder bequemer mit Hilfe
der soeben gegebenen Winkeltabelle bewirkt.
! ) Jahrb. d. V. far Rheinland u. Wstf. IV^oag. 90.
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328
flach, der grossere Radius scheint 8 cm, dor kleinerc 7 em gewesen zu sein,
der erstere passt fur die obere Offnung und ungefiahr audi fur den Meridian,
der letztere fur die Tiefe von oben nach unten, die Hohlung ist also nicht so
tief, wie sie bei einer genauen Halbkugel sein musste. Das grosste intakt
erhaltene Stiick der Peripherie ist in der Figur mit I bezeichnet; fasst man
dieses allein ins Auge, so ergiebt sich ein Radius von 8,4 cm fur die obere
Offnung. Wenn die Beschreibung ganz allgemein 7 cm ergiebt, so durfte dem
Berichter8tatter die Verschiedenheit cntgangen sein.
Es ist nicht anders moglich, als dass bei der Wiederzusammensetzung
grosse Fehler vorgekommen sind, denn sonst wiirden die Wendekreise, soweit
sie vorhanden, genau parallel laufen, die Stundenlinien wurden in den einzelnen
Wendekreisen iiberall gleiche Abstiinde haben und immer zwei und zwei, zu
beiden Seiten des Meridians gleich lang sein, auch wurden sie nicht, wie es
hier der Fall ist, in den Nahten gebrochen erscheinen, vielmehr sich samtlich
im Ilorizonte, da wo er mit dem Meridian zusammentrifft, schneiden. Ware
dies der Fall, so hatte man Mittel genug, sowohl den Radius der ganzen Halb-
kugel, als auch den Ort genau zu bestimmen, fur welchen die Uhr gepasst hat.
Man konntc dies aus der Lange der zwischen den Wendekreisen liegenden
Stucke der Stundenlinien, welche von der doppelteu Schiefe der Ekliptik bis
zur doppelten Grosse der Morgen- oder Abendweite wachsen, oder aus letzterer
allein, oder aus dem Winkel, unter welchem die Wendekreise den Horizont
schneiden und welcher gleich der Polhohe ist, oder durch Rekonstruktion des
Aquators, welcher durch die Stundenlinien in zwolf gleiche Teile geteilt werden
muss, oder endlich, wenn der Radius sicher bestimmt ware, einfach durch Messen
des Abstandes der Wendekreise vom Horizonte und zwar im Meridian. Da
nun aber diese Voraussetzungen grossentcils fehlen, so mussen wir uns mit
einer annahernden Bestimmung der geographischen Breite begniigen. Wir wurden
auch kaum ein genaueres Resultat erlangen, wenn es geltinge, durch Zerlegung
des Originals in die urspriinglichen Stucke und abermalige bessere Zusammen-
setzung einige jener Ubelstande zu beseitigen, da die einzelnen Stucke unzweifel-
haft erkennen lassen, dass die Uhr sehr mangelhaft und ohne Verstiindnis
angefertigt ist; ihr Urheber mochte ein ganz geschickter Topfer gewesen sein,
wie die schon geschnittene Inschrift erraten lasst, aber ein Mathcmatiker war
er nicht.
Annahernd lasst sich aber auch jetzt noch die Polhohe finden. Nehmen
wir, Fig. VIII, den Umfang des unteren Randes, welcher noch zu drei Viertclu
erhalten ist, und bestimmen dessen Radius, so erhalten wir 9,5 cm, suchcn wir
den Punkt o im Meridian, welcher genau iiber t/, dem Mittelpunkt des unteren
Randes liegt und nehmen an, dass in dieser beide Punkte verbindenden Linie
auch der Mittelpunkt m der Halbkugel liegt, so wiirde zu der messbaren Sehne
oN= 11,4 cm des Quadranten Nmo, wie vorhin angegeben, ein Radius von
8 cm gehoren. Tragen wir nun vom Punkte o aus die im Meridian gemessencu
Entfernungen der beiden Wendekreise mit 15° resp. 70° ein, so wiirde die
doppelte Schiefe der Ekliptik 70 — 15 = 55° betragen, mithin die einfache
Schiefe der Ekliptik -~ = 27 , / a ° selbst nach Ptolemaeus Annahme noch 4 Grad
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329
zu gross sein, aber doch, da der Fehler sich nach beiden Seiten verteilt, mog-
licherweise einen richtigen Aquator geben, dessen Abstand vom Punkte o die
geographische Breite dss Ortes gleich 277* + 15 = 4272° crgeben wiirde, eine
Zahl, welche ziemlich genau der Polhohe von Rom entsprioht. Rom ware also
der Ort, fiir welchen die Uhr gepasst hat, oder die Uhr ist nach dem Vorbilde
einer romischen Schablone gemacht worden.
Es scheint namlich, dass die meisten alten Sonnenuhren nur von Hand-
werkern nacli feststehenden Schablonen angefertigt, nicht aber, jede besonders,
durch Beobachtuugen ausprobiert wurden. Zu einer solchen Beobachtung gehorte
mindestens die Zeit eines halben Jahres, von einem Solstitium zum andern, und
wenigstens in der Nahe dieser Zeitpunkte Sonnenschein, denn wie eine be-
liebte alte Inschrift auf Sonnenuhren sagt: horas non numero nisi serenas.
Es hatte aber gewiss nicht ein jeder Lust, so lange auf eine Sonnenuhr
zu warten, es lasst sich daher annehmen, dass in grosseren Stadten Modelle
vorhanden waren, nach welchen die Handwerker arbeiteten, auch wenn der
Ort, fiir den die Uhr bestimmt war, nur ungefahr die gleiche Breite hatte.
Es ist gewiss nicht zufallig, dass die gefundenen Sonnenuhren vorzugsweise der
geographi8chen Breite grosser Stadte entsprechen, in welclien, wie wir zum Teil
bestimmt wissen, namhafte Qelehrtc ansiissig waren, welche solche Modelle her-
stellen konnten. Ohne Zweifel hangt dies mit der bei den alteren Geographen
iiblichen Einteilung der Erde in gewisse Klimate zusammen, welche durchaus
keine bestimmte Breite hatten, sich viclmehr eng an die Lage der grosseren
Stadte anschlossen, wobei jedoch stets eine gewisse, wenn auch nicht immer
ganz richtige Stundenlange des h'ingsten Tages in Aquinoctial-Stunden aus-
gedriickt, zu grunde gelegt war. So fiihrt uns Strabo 1 ) sieben Klimate vor,
wie sie bis Ptolemaeus'), welcher zuerst streng nach der Tageslange von Viertel-
zu Viertelstunde teilte, ublich waren; sie lehnen sich unter anderen an die
Sh'idte Alexandrien, Rhodus, Rom und Neapel, Byzanz und Massilia und die
Oegend urn die Mundung des Borysthenes unter 45° Breite an, welcher in
Italian Venetien entspricht. Er giebt dabei uberall die Tageslangen, oft auch
das Verhaltnis des Gnomon zu seinem Schatten an. Vitruv 3 ) fiihrt, wo er von
den Sonnenuhren und ihrer von der Polhohe abhangigen Konstruktion spricht,
als Typen grade Alexandrien, Athen, Rom und Placentia, letztere Stadt fiir die
Breite von 45° an, und ein anderes Mai, wo er die Polhohen dieser Orte durch
die Tangenten der Winkel bestimmt, welche der Sonnenhohe entsprechen, wieder
Alexandrien, Rhodus, Athen, Tarent und Rom. Seine Zahlen sind zum Teil
unrichtig und wenn man bedenkt, dass jemand, der iiber Sonnenuhren schreibt,
mit fahchen Elementen rechnete, so kann man wohl schliessen, dass andere
Leute noch weit geringere Anforderungen stellten. Diese wichtigsten Breiten
sind dieselben, welche Vitruv unter der Bezeichnung ^rpcx; ta t<3rofjo(>{teva bei
seinen Sonnenuhren versteht. Plinius 4 ) sagt uns, dass man den Zeiger der
l ) Strabo II 5, fol. 134. C. — 2 ) Ptolemaeus geogr. I, 23. Cellarius, orbis antiqu. I pag. 22.
— 8 ) Vitruv. ed. Bipont. IX, 1 u. IX, 5. — 4 ) Plinius h. n. II, 74; audi seine Angaben fur
Ancona sind unrichtig.
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Sonnenuhren alle 300 bis 500 Stadien (V 2 bis 8 / 4 Grad cntsprcchend), welche
man nach Norden fortschreitet, andern musse und fuhrt ebenfalls als Beispiele
an: Agypten, womit er Alexandrien meint, Rom, Aucona und Venetien, welches
der Breite von Placentia oder 45° entspricht. Auch er denkt also nur an eine
ungefahr richtige Uhr. Der Fehler war auch nicht allzu gross, wenn eine Uhr
auf einer um wenige Grade unrichtigen Polhohe gebraufcht wurde, er ist zur
Zeit der Aquinoctien gleich Null und wachst mit der zunehmenden Deklination
der Sonne. Eine fur Rom richtige Uhr wiirde in Wiesbaden einen Fehler von
5, fur Cannstadt sogar nur von 4 Minuten zeigen, d. h. soviel wiirden die
romischen Stunden fur Wiesbaden resp. Cannstadt im Sommer zu kurz, im
Winter zu lang sein, was zwar bei den einzelnen Stunden nicht viel sagen will,
den halben Tag liber zur Zeit der Solstitien aber immerhin eine halbe Stunde
betWigt.
Es ist also moglich, dass irgcnd ein vornehmer Romer, dessen mathematische
Kenntnissc, wie so oft der Fall, im umgokehrtcn Verhaltnisse zu seinem Reichtum
standen, in dem Glauben, eine Sonnenuhr musse ihre Dienste uberall gleich
gut verrichten, das zierliche mit einer Inschrift versehene Stuck aus Italien mit
nach Cannstadt nahm. Aber woher kam dieser Romer? Die auf der Uhr vor-
handenen Linien konnen uns diese Frage, wie wir sahen, nicht beautworten,
bedenkt man aber, dass ungefahr 140 Grad vom Umfange erhalten sind und
darauf sieben Buchstaben stehen . . . INIVSTA ... so erhalt man in demselben
Verhaltnis fiir den ganzen Umfang oder 360 Grad die Zahl von achtzehn Buch-
staben, erganzt man also die Schrift in naheliegender Weise zu Licinius Taren-
tinus, so haben wir darin vielleicht den Nnmen des Besitzers und seines friiheren
Wohnsitzes, oder, wenn wir noch ein D (dedit) hinzufugen, die Dedikation eines
Freundes, welcher die Uhr geschenkt hat. Die Zeit, aus welcher die Uhr
stammt, wird durch die mit ihr gefundenen Miinzen, welche samtlich dem zweiten
Jahrhundert n. Chr. und zwar von Trajan bis Septimius Severus angehoren,
bestimmt, sic weisen auf den Anfang des dritten Jahrhunderts hin. Das Material,
aus dem die Uhr besteht, soil nach den Annalen fein zerstossener und wieder
zu einer festen Masse vereinigter Bimstein sein; ich vermute, dass es sogen.
kretische Erde ist, welche so vielfach in jener Gegend verwendet wurde, dass
es, wie wir aus dort gefundenen Inschriften 1 ) erfahren, eigene negociatores artis
cretariae gab. Ein solcher negociator handelte mit feinen Erdarten, aus welchen
die sehonen Geschirre, Urnen und Figuren gefertigt wurdeu und war oft auch
der Kiinstler, welcher diese Sachen herstellte. Wahrscheinlich schlugen alle
Artikel aus Gyps, Thon, Cement, also auch unser Stuck, in sein Fach. Wurden
solche Uhren durch Abgnss hergestellt, so ist es wohl sicher, dass sic nach
vorhandenen Schablonen gemacht wurden, wenn es auch moglich ist, dass nur
die fur alle Polhohen ganz gleiche Form hergestellt und die Linien, fiir die
betreffende Polhohe passend, spater eingeschnitten wurden.
Ganzlich verkohrt und unrichtig ist, was in den Jahrbiichern iiber die
Theorie dieser Uhren gesagt ist: „Wird die Uhr a , heisst es da, „in die Aquator-
J ) Staelin, wiirttemberg. Gesch. I, 106; v. Jaumann, colonia Sumlocenne pag. 173.
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flache gestellt, so wirft der Rand der Scheibe die Schatten auf die Stunden-
linien." Dies ist geradezu ganz unrnoglich. Nur Aquinoctial-Uhren werden in
die Aquatorflache gestellt; wiirde dies hier geschehen, so wiirde im Herbst und
Winter, wo die Sonne unter dieser Ebene steht, der Rand gar keinen Schatten
in die Hohlung werfen und selbst im Friihling und Sommer wiirde der Schatten,
statt auf die Stundenlinien zu fallen, diese vielmehr schneiden, besonders des
Mittags, wo die Sonne im Meridian steht. Nicht der Rand der Uhr, sondern
nur die tiusserste Spitze eines Zeigers, Gnomon, der hier nicht mehr vorhanden,
wirft bei dieser Konstruktion den Schatten und dieser Zeiger, er mag horizontal,
vertikal oder sonst wie angebracht sein, muss unbedingt so stehen, dass seine
Spitze sich genau im Mittelpunkte der Hohlkugel befindet.
Das Prinzip, auf dem die Uhr beruht, ist einfach. Denkt man sich unsere
Erde vollkommen durchsichtig, aber mit einer undurchsichtigen Achse versehen,
so wird letztere, wenn die Sonne scheint, in jedem Augenblick einen Schatten
auf die der Sonne abgekehrte Erdkugeloberflache werfen und dieser Schatteu
wird, genau wie die Sonne, in jeder Stunde immer 15 Grad weiterriicken und
in 24 Stunden die Rundo machen. Ebenso muss jede durch den Mittelpunkt
einer Hohlkugel gehende, mit der Erdachse parallele Stange auf der inneren
Kugelfljiche einen Schatten werfen, welcher jede Stunde 15 Grad fortschreitet,
da es wegen der grossen Entfernung der Sonne gleichgiltig ist, ob diese Hohl-
kugel im Mittelpunkte der Erde oder auf der Oberflache sich befindet; der
Unterschied betragt nur einen Winkel von 8 Sekunden, er ist namlich gleich
der Parallaxe der Sonne. Denkt man sich die obere Halbkugel fort, sodass
die Achse in der Schnittflache liegt, diese also mit dem Horizonte den Winkel <p
bildet, so kann man, wahrend die Achse unveriindert bleibt, durch eine durch
den Mittelpunkt gelegte, mit dem Horizonte parallele Ebene auch noch das
(iber dieser Ebene liegende Stuck fortfallen lassen, ohne dass etwas Wesent-
liches geiindert wiirde. Wenn ich endlich den Schatten nicht von der ganzen
Achse, sondern nur von ihrem Centrum werfen lasse, so bleibt fur die Aqui-
noctien, wo die Sonne sich im Aquator befindet, abermals alles unverandert,
hat aber die Sonne nordliche oder sudliche Deklination, so fiallt der Schatten
des Centrums einfach ebenso viele Grade sudlich oder nordlich vom Aquator
und beschreibt fur die Tage der Solstitien die beiden Wendekreise, welche auf
unserer Uhr zu sehen sind; der untere gilt fur den Sommer, der obere fur
den Winter. Teilt man diese Bogen, welche die Tagesliinge (/) reprasentieren
und durch die Formel
sin — = 6 h ± tang . 8 . tang . <p
berechnet werden konnen, in 6 gleiche Teile und verbindet die entsprechenden
Punkte in alien drei Kreisen (der dritte ist der hier fehlende Aquator, welcher
in der Mitte liegt) durch Bogen, welche den Schnittpunkt des Meridians und
des Horizontes zum gemeinschaftlichen Durchschnittspunkt haben, und grossten
Kreisen der Kugel angehoren, so hat man die Linien, welche die romischen
Stunden bezeichnen. Es gehort dazu aber notwendig ein Gnomon, dessen Spitze
genau im Centrum der Kugel befindlich ist, der Fuss mag stehen, wo er will.
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Diese Teilung ist in unserer Uhr sehr mangelhaft ausgefuhrt; das Netz
hat dem Ansehen nach Ahnlichkeit mit der Wiesbadener Uhr, welcher sie aber
an Richtigkeit nicht entfernt nahe kommt.
So viel uber die beiden einzigen in Deutschland gefundenen romischen
Sonnenuhren. Es hat ausser diesen Arten noch viele andere Koustruktionen
gegeben, in Griechenland, in Italien, in der ganzen alten Welt sind solchc ge-
funden worden. Die Einteilung der Tages und des Jahres ist fur ein Kultur-
volk von der grossten Wichtigkeit und man kann sich das Aufsehen, welches
Anaximander mit der ersten Sonnenuhr in Lacedaemon erregte, wohl erklaren,
wenn man gesehen hat, wie heute noch abgelegene Gebirgsdorfer, welche im
Winter fast gar keinen Verkehr mit anderen Orten haben, den grossten Wert
auf eine, wenn auch noch so roh gearbeitete Sonnenuhr legen. Denn die in
sehr weuigen Exemplaren schlechtester Konstruktion vorhandenen Raderuhren
konnen hochstens fiir die Teilung eines einzelnen Tages in leidlich gleiche
Stunden genugen, aber nach Wochen und gar nach Monaten weichen sie von
der mittlereu Ortszeit sehr bedeutend ab. Selbst eine einfache Mittagslinie,
auch wenn sie nicht sehr genau ist, recbnen die Bewohner jener Gegenden fiir
eine grosse Annehmlichkeit, weil sie ein sicheres Mittel ist wieder einen M it-tag
zu bekommen, der selbst bei Vernachlassigung der Zeitglcichung immer noch
richtiger ist, als ihn ihre Raderuhren nach langerer Zeit anzugeben pflegen.
Man findet daher auch fast in jedem Gebirgsdorfe, namentlich in Tirol, cine
Sonnenuhr, meistens weil solche am bequemsten von weitem zu sehen, eine
vertikale. Allein dabei lasst es der Gebirgsbewohner nicht bewendon; er be-
obachtet mit vieler Aufmerksamkeit den Auf- und Untergang der Sonne, mit
der er sich erhebt, um als erstes Geschaft die Frage: „was wird es fur
Wetter geben?" durch Umschau zu erledigen. Er merkt sich sehr bald die
Bergspitze, uber der sie am Mittage steht oder hinter welcher sie am langsten
oder kurzesten Tage auf- oder untergeht und benennt sie darnach als Mittags-
horn, Mittagsspitz, Mittagskegel, Dent du midi, dann als Sonnenwendjoch, Sonnen-
wendstein, Wendelstein und wie ich im hohen Suldener Thai unterm Ortler
gefunden, als Vertainspitze, ein Name, der in der sogen. romanischen Sprache,
vom latcinischen vertere stammend, dasselbe wie Sonnenwendjoch bedeutet.
Ich habe etwa zwanzig derartige Bezeichnungen fast nur von Oberbayern und
Sud-Osterreich zusammengestellt. Man hat in diesen Benennungen alte, vielleicht
noch aus heidnischer Vorzeit stammende Namen, doch ist es nicht immer leicht
den Ort aufzufinden, fiir weichen die Bezeichnung grade zutrifft. Die Bezeich-
nung Vertainspitze passt fiir den einzigen in der Nahe liegenden Ort Sulden
zur Zeit der Sommersonnenwende ganz genau. Bedeuteten ein solches Sonnen-
wendjoch vielleicht auch die oben besprochenen tporcai TjeXioto des Homer? Wurde
die Beobachtung vielleicht von den Bewohnern der heiligen, grade an dieser
Stelle unter dem synonymen Namen Ortygia ausdriicklich erwahnten Insel Delos,
der Geburtsstatte des Sonnengottes Phoebus Apollo gemacht? Grade hinter den
unter 23 V, Grad nach Nordwesten gelegenen Bergen des Nordrandes dieser
Insel musste am 21 Juni den Bewohnern von Delos die bis dahin nach Norden
fortschreitende Sonne untergehen, um in den folgenden Tagen ihren Lauf wieder
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nach Siiden zu nehmen. So erklart, enthalt die Stelle keinen Anachronismus
und braucht nicht eingeschoben zu sein, auch passt sehr gut dazu, dass die
Griechen den Tag, wie wir sahcn, mit Sonnenuntergang anfingen.
Die Kunst, Sounenuhren zu verfertigen, bildete im ganzen Mittelalter einen
eigeuen, namentlich in Italien vicl kultivierten Zweig der Astronomie und es
bcstelit eine sehr grosse gnomonisehe Litteratur, welche hochst interessante Er-
tindungen und sehr sinnreiche niathematische Kombiuationcn aufzuweisen hat.
Im Nationalnni8eum zu Miinchen befiuden sich 76, in Insbruck 27, im Gewerbe-
Muscum in Berlin 30, in Niirnbcrg und andcren Orten eine grosse Anzahl zum
Toil sehr sauber und kiinstleriscli ausgcfiihrten Sonnenuhren aller Art. Jetzt
hat die Gnomonik nur nocli fur Liebhaber Wert, da unsere vortrefflichen, iiberall
vcrbreiteten Iladeruhren, welche Tag und Nacht, bei gutem und schlechtem
Wetter, auf festem Laudc und auf schwankendcm Schiff ihre Schuldigkeit thun,
die armen wetterwendisehen Sonneuuliren vollstandig verdriingt haben. Nichts-
destoweuiger kann man auch heute noch, ohne die Sonne zu fragen, keine richtig
gehendc Uhr haben, nur sio giebt die Elcmente, nach dencn sich unsere Zeit
richtet, da sie allcin direkt den Moment des wahrcn Mittags bcstimmt.
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Die Hufeisen-Frage.*)
(Eine archaologisoho Musterung.)
Von
Schlieben,
Major a. D.
Die Frage, ob die Alten den Hufbeschlag mit Nageln gekanut haben, ist
bereits unzahlige Male aufgeworfen und bald im bejahenden, bald im verneinenden
Sinne beantwortet worden. Wenu ich es hier unternehme, sie nochmals hervor-
zuziehen, so geschieht es nicht urn sie endlich zu entscheiden und fur immer
aus der Welt zu schaffen, sondcrn urn das, was in vielen Schriften zerstrcut
ist, soweit es ohne grosse Weitlaufigkeit moglich ist, fiir diejenigen zusammen-
zufasseu, welche einen Uberblick fiber den Stand der Sache gewinnen mochten.
Da die bis jetzt angestellten Untersuchungen einen befriedigenden Abschluss nicht
gefunden haben, so werde ich mir erlauben die Aufinerksamkeit auf eine neue
Hypothese hinzulenken, zu deren wciterer Begruudung ich auf die freundliche
Mitwirkung derjenigen recline, welche eine umfassende Kenntnis der gcmachtcn
Funde bcsitzen.
Im allgemeinen kann man sagen, dass diejenigen, welche das Vorkommen
des Huf beschlages verneinen, das Ilauptgewicht auf die schriftlichen Nachrichten,
diejenigen, welche es bejahen, auf die gemachten Funde legen. Gabe es eine
einzige wohl verbiirgte Nachricht dariiber, oder einen einzigen sicheren Fund
aus einer ganz bestimmten Zeit, so wtiren alle Zweifel gehoben, da dies aber
nicht der Fall ist, so muss man aus dem Fehlen der Nachrichten und aus dem
Schweigcn der Schriftsteller auf das Nichtvorkommen schliessen, was natiirlich
nur so lange gelten kann, bis jemandem durch einen iicht scheinenden Fund
*) Naohdem ich schon im Februar 1887 diosos Thema zu cinom Yortrage im Vcrein
der Altertumsfrounde in Wiesbadon gewahlt hattc, ist mir uouordings in den Jahrbiichern des
rheinischen Voreins, licit 84, die Abhaudlung dcs Herrn Professor Sckaaffhausen zu Oesicht
gekomnion, welcher dasselbo Thema in anderer Weiae behandelt und zu ganz entgegengcsetztcn
Resultaten gelangt, ich glaubte daher, dieser Untersuchung eine grSssere Verbreitung gebeu
und unbefangenen Kritikern die Entscheidung anheimstellen zu sollen. Beide AufsStze zusammen
cnthaiten so ziemlich alle wichtigen Punkte, welche in dieser Frage zur Sprache gebracht
siud. Herrn Oberst v. Cohausen, welcher mich in meiner Ausicht bestftrkt und mit allorlei
wertvoliem Material versehen hat, sage ich hiermit meiucn bosten Dank.
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der Gegenbeweis gefuhrt zu sein scheint. Ich werde versuchen alle die Um-
stande, aus denen man auf die Unbekanntschaft der Alten mit dem Beschlage
geschlosseii hat und aueh diejenigen vernieintlichen Thatsacheu vorzufiihren,
welche das Gegenteil beweisen sollen.
I.
Der Hufbeschlag ist eiu unentbehrliches Ubel. So lange das Pferd in
der Wildnis lebt und sich nach Gefallen auf zusagendem Boden bewegen kaun,
braucht es keine Eisen, sobald es aber anhaltend auf schlechtem Boden gehen
oder laufen muss und der Huf auf rauher Unterlage fortwahrcnder, durch
schwere Lasten noch vermehrter Reibung ausgesetzt ist, wird selbst das
festeste Horn, besonders bei Niisse sich stark abnutzen und das Pferd
schliesslich zeitweise oder dauernd lahm und unbrauchbar werden, wenn nicht
zur rechten Zoit geeignete Mittel angewendet werden, um den schadlichen Ein-
flusscn das Gegengewicht zu halten.
Solche Vorkehruugen hat man nun in der That schon im friihesteu Alter-
tum getroffen. Die crsten Spuren finden w in Agypten, obgleich grade dieses
Land seines meist weichen Bodens wegen gewiss nicht den ersten Austoss zur
Erfindung cines permanenten Hufschutzes gegeben haben diirfte, ebcusowenig,
wie die altesteu Bewohner der Mark Brandenburg, in welcher Sand, Bruch und
leichter Boden abwechseln, ein Bediirfnis dazu empfinden konnten.
Aber die Agypter fiihrten Kriege und die benachbarten Lander hatten
barton und steinigen Boden, wir diirfen daher erwarten, derartige Vorkehrungen
bei Strcitwagenrossen in den bildlichen Darstellungen auswartiger Kriegsziige
umso eher zu finden, als bei der Anspannung mittels des Joches die Leistungs-
fahigkeit des ganzen Gcspannes sofort vollig aufgehoben wird, wenn eines der
Pferde Schaden leidet und grade die meiste Gefahr den Hufen der Pferde durch
zufalb'ge und absichtliche Vcrletzung droht. So finden wir denn auch sowohl
bei Champollion als bei Kosellini in den Abbildungen agyptischer Streitwagen-
rosse unverkennbare Vorkehrungen zum Hufschutz. Freilich reichen diese Nach-
richten nicht bis zu den Zeiten des alten Reiches hinauf, da das Pferd iiberhaupt
erst seit dem Einfalle der Hyksos in Agypten vorkommt und wir erst seit der
18. Dynastie Pferdebilder in den Konigsschildern finden. Das Pferd war ur-
spriinglich in Agypten nicht heimisch und wurde wahrscheinlich aus Asien ein-
gefuhrt. Die Rosse von Ramses II u. Ill, im 14. Jahrhundert v. Chr., haben
auf ganz deutlichen, farbigen, dem Palaste von Medinet-Abu entnommenen Ab-
bildungen teils nur an den Vorder- 1 ), teils nur an den Hinterfiissen 2 ), aber auch
an beiden zugleich 8 ) Schuhe oder Gcflechte, Fig. 28 a, b, c; an einem grossen
Original-Relief imDirektionszimmer des agyptischen Museums zu Berlin 4 ), scheinen
l ) Rosellini monuments histor. pluncho 133. — *) Ebeudas. pi. 136; die vorderen Fiisse
ftihlen. — 3 ) Ebendas. pi. 84. Vorder- und Ilinterfiisse siud verachieden ausgefuhrt. Cliarupollion
descript. de TEgypto. Autiqu. Vol. II, pi. 10. — *) Eiu aicheres Urteil ist aus diescm Vor-
komranis nicht zu entnehmen, da, wie mir von sachverstdndiger Seite niitgeteilt wurde, die
Zeichner oft unrichtige Linien korrigiert und die Fehler duroh Kitt verdeckt haben, welcher
in it der Zeit herausfallt und dann die talsche Linie nebeu der richtigen sehen lftsst, ganz
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sie sogar mit eiiier Platte zum Schutze der Sohle verseheu zu sein. Man sagte
mir, class die Zeichner bei ganz gleich auszufuhrenden Stcllen oft die eine ganz
fertiggcstellt, die andere dagegeu behufs spaterer Ausfuhrung nur angedcutet
hattcu, demuach wiirde die eine der oben erwahnten Zeichnungen, in welcher
Vorder- und Hinterfiisse vcrschieden aussehen, vielleicht nur an einer von
beiden Stellen genau sein. Ob wir es hier nun mit einer Umwickclung von
spartum oder mit einem ausscrlicli mit blauken Metallplatten besetzten Leder-
schuh zu thun haben, wie Fig. 28 b verniuten lassen konnte, ist nicht zu ent-
scheiden, jedenfalls aber waren die Hufe bekleidet.
Vielleicht war diesc Sitte schon mit den Pferdcn aus Asien eingefuhrt
worden, denn wenn unsere Nachrichten auch aus wescntlich spiitcrcr Zeit datiercu,
so wissen wir dock bestiramt, dass bei alien alten Volkern der Gebrauch bestand
die Hufe der Pferde und ebenso der Maultiere, Esel, Kamele und Ochseu mit
Geflcckten von Bast oder Ginster (spartum), mit Schuhen von Pilz oder Leder,
welche mit Riemen festgebunden wurden, zu umgeben. 1 ) Xenophou 2 ) schreibt
vou den Armenieru, dass sic den Pferden lcderne Beutel tiber die Hufe zogen,
urn sie gegen das zu tiefe Einsinken in den Schnec zu schiitzen, Aristoteles
und Plinius 3 ) sagen, dass man den Kamelcn im Kriege und auf Reisen, wenn
sie Schmerzen aussertcn, Scliuhc (*appaTtva<;) anzog. Naeh Reiske 4 ) sollen Huf-
schuhe auch im Hiob Erwahnung finden, seine AuslegiiDg, welche der Vulgata
uud Luthers Ubersetzung durchaus widerspricht, bcruht jedoch auf einer eigeu-
inachtigeu Vertauschung zweier hebraischer Buchstaben, durch welche der Sinn
vollig verkehrt wird. Auch aus dem Avesta 5 ) darf man schlicssen, dass die
Hufe der Pferde mit einer Art von Schuhen bekleidet wurden. Es heisst dort
von den weissen Rossen dcsMithra: „Ihre Vorderhufe siud mit Gold bekleidet,
ihre Hinterhufe mit Silber" (also verschicden wie in Agypten). Das Wort, welches hier
mit „ bekleidet 44 iibcrsetzt ist, heisst eigentlich w aiigezogen a und wird von Schuhen
gebraucht. Dicse Stelle des Avesta darf man jedoch nicht fur uralt haltcn, sie
ist hoch8tens in der letzten Zeit der Achaemeuiden, also im vierten Jahrhundert
verfasst.
Der diesem Brauch zu Grunde liegende Gedauke ist so einfach und natur-
lich, dass man wohl annehmen kann, dass er im allgemeinen liberal], sobald
unzwcifclhat't abor hat der untersto dor vior Vordorhuto uud vielleicht auch der oberbte ciuo
doppelte Linie an der Sohle, welche erne Sohutzplatto bezeichueu konnte; die Hufe sohcineu
iibrigeus sonst unbekleidet zu sein.
*) Yegetius mulom. I, 26; II, 58 u. 45; III, 18. Columella VI, 14 u. 11. Artemidori
oncirocrit. IV. 30. — a ) Xenophou auab. IV, 5, 36. — 3 ) Aribtot. h. a. II, 2, 6; Pliu. h. n.
XI, 45. — *) Reiske zu Constant. Porphyrog. pag. 502 fiber lliob XXI, 10; er Host janil statt
jagil. — 5 ) Spiegel, Avesta aus dem Gruudtext Qbersetzt, Band III, Khorda-Avesta, XXVI,
31, 125: „te para-safanho zaranaena paitismuchta. tf Der Herr Professor Justi in Marburg hatte
die Gate, mir uber diese Stelle folgendes zu schreibeu: Das Verbum muc heisst loslassen,
aber mit der Proposition paiti(s) auziehen, wie auch im Sanscrit rauk loslassen, pratimuk an-
ziohen, daher noupersisoh mozah der Schuh, Stiefel, balutschi muzagh, armenisch moucak,
Pantoffel. Im Jascht der Anahita (bei Spiegel III S. 52) ist die GSttin mit goldenen Schuhen
bekleidet: nizanga aothra paitismuehta, am Fuss mit (einem) Sohuh bekleidet, es wird also
fiir die Hufbekleidung (horse-shoe) dasselbe Zeitwort wie fur den Schuh gebraucht.
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sich das Bedtirfnis einstellte, ohne Ubertragung von A r oIk zu Volk zur Aus-
fiihrung kam und eben, weil er uralt war, konnte cr schon in die mythische
Zeit zurtickverlegt werden. Wir finden bereits in den Gottergeschichten bci
Homer und Apollodor 1 ) eine Erzahlung, wie Hermes die Spuren der gestohlenen
Oehsen dadurch uukenntlich macht, dass er (>7co8r}|j.ata verwendet, d. h. ihneu
ctwas unter die Ftisse bindct. Ocschah dies hier audi nicht urn den Huf zu
schiitzcn, sondern nur um die Spur unkenutlich zu machen und ist dafc Wort
t>7rtf§Yj|j,a bei Apollodor hier auch nicht in der spiitercn Bedeutung von Schuh
zu verstchcn, so ist doeh die Idee des Unterbindens vollstiindig vorhanden.
Ileute noch finden wir im Orient ahnliche Eiurichtungeu zum Hufschutz,
wie die von Aristoteles cnvahnten, Fig. 1, namentlich in der Mougolei und in
Japan. 2 ) In letzterem Lande umwickelt man die Hufe in it Stroll, da abcr ciu
soleher Schuh sehr bald durchgetreten ist, muss man sich auf laugeren Itcisen
mit niehreren versehen. Nach Pott 3 ) bezeichnet man daher in Japan allgemcin
die Eutferuungeu nach Pferdeschuhen. Diese Strohschuhe werden auch in der
Keiscbc8chrcibung Isabella L. Bird's angefuhrt, welcher dieses primitive Gerat
im Oebirge Nikko einen endlosen Aufenthalt verursachte. Der Araber umwickelt
die Ftisse seiner Kaiuele mit Kiemen aus Kamelshaut, um sie gegen das Wund-
werdcn und besonders gegen das Ausdorreu durch den gliihendeu Wustensaml
zu solititzen. Ich will noch daran erinncrn, dass die Pariser Scharwache, guet
a cheval, bei ihrcn Pfcrdeu ebenfalls Ledcrschuhe, welchc mit Filz ausgeschlageu
waren, im Oebrauch hatte, wodurch sie sich unhorbar und vollig iiberraschend
in den Strasseu bewegen konnte. Das Wort marechaussee leitet davon seinen
Urspruug ab. Nach Lcunis 4 ) ist das zu diesen Schuhen von den Alten ge-
brauchte spartum nicht das heute spartum iunccum benannte, sondern stipa
tenacissima; crsteres wuchs in Italieu und Griechenland nicht, sondern wurde
aus Spauien und Carthago bezogen, wiihrend die stipa einheiniisch war.
Die geringe Haltbarkeit der blossen Umwickeluugen und selbst der Leder-
schuhe liess eine Verbesserung wiinschenswert erscheinen, man begann daher
die Sohle dieser Lederschuhe mit Mctallniigeln oder mit Metallplatten zu belegen.
Solche Schuhe oder auch nur die Unterlegeplatten hicssen soleae ferrcae 5 ), weun
Eisen dazu verwendet wurde, wir finden aber auch andere Mctalle erwahnt,
denn Nero verwendete statt des Eisens Silber und seine Gemahlin Poppaea bci
ihreu weichlichcn Maultieren sogar Gold. 6 ) Ob nun die massive untero Platte
vou Gold war, oder, wie Beckmann 7 ) vermutet, nur der obere Toil des Schuhes
mit Metallplatten belegt war, oder ob nur ein vergoldetes Geflccht darunter
verstandcn ist, welches Xiphilinus 7 ) im.yywx o^af/cia nennt, hat fur uusere Unter-
suchung weniger zu sagen, jedenfalls musstc jene untere, in der Kegel eiserne
•) Horn. hymn, in Mercur. 75; Apollodor HI, 10, 2. — 3 ) Ritter, Ei-dbesclir. II, 213.
Schneider, Index zu den script, rei. rust, unter soloa. — 3 ) Pott, sprachlicho Beziehungeii von
Mass und Zahl in der Zcitschrift fur Volkerpsychologic Band XII S. 137. — ') Lcunis Botaii.
§. 322. Beckmann, Gesch. d. Erfdg. Ill, 1, 6 pag. 125. — 5 ) Catull XVII, 2G. — 6 ) Sueton,
Nero 30. Plin. h. n. XXXIII, 11, 49. — 7 ) Beckmann, Gesch. d. Erfdg. Ill, 1, 6 p. 127. —
7 ) Dio Cassius (Xiphilinus) 62, 28. Ahnlich liess Commodus die Hufe seines Pferdes vergolden.
Dio Cass. 73 pag. 1228.
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Platte dauernd an dem Schuh befestigt sein und dies war am einfachsten durch
Nagel zu bewerkstelligen, welche von aussen nach innen durch das mit Lochern
versehene Eisen nnd die Lederplatte hindurch geschlagen waren. Die Eisen-
platten mussten zu diesem Zweck ungefahr ebenso zugerichtet sein, wie wirk-
liche Hufeisen, sie konnten einfache Locher oder Falzrinnen haben und mussten
umso besser festhalten, wenn die Locher moglichst nahe dem ausseren Rande
sassen. Aus der Verwechselung solcher oft noch mit eisernen Nageln versehenen
Platten, welche die allein iibrig gebliebenen Reste romischer soleae sind, deren
Lederteile im Laufe der Jahrhunderte durch Faulnis zu Grunde gingen, mit
wii'klichen Hufeisen, mag mehrfach der Glaube von der Bekanntschaft der Alten
mit dem Nagelbeschlage entstanden oder gestutzt w r orden sein. 1 ) Es gilt dies
fur Pferde wie fur Maulticre und ist um so wahrscheinlicher, als die Grosse
sowohl wie die Starke der gefundenen Eisen allgemein als sehr gering angegeben
wird. Eisen fur grossere Pferde, welche bis zur Romerzeit zuriickdatiert werden
konnten, sind bisher ubcrhaupt nicht gefunden worden. Dass diese Ilufschuhe
nicht unpraktisch waren, geht daraus hervor, dass noch vor weuigen Jalireu
ein solcher Lederschuh mit darunter geheftetem Scharniereiscn, welcher zum
Ersatz fur verlorene Eisen auf Rciscn dienen soil, bis sich Gelegenheit zum
Beschlage bietet, in England patentiert worden ist. 3 ) (Fig. 2.) Diese oben er-
wahnten soleae kamcn aber audi ohne den Lederschuh zur Anwendung und
wurden daun, wie Fuudstuckc bcwcisen 3 ), wie Sandalen untergebunden; sie
hiessen dcshalb t)7Co5r]|i,ata, ein unbeschlagener Esel heisst bei Luciau 4 ) avo^oSirjtoc.
Wenn diese untergebundenen Eisen auch unsercm Beschlage in ihrer Wirkung
ahnlich waren, so sind sic doch keiueswegs das, was wir unter Hufeisen ver-
stehen, denn diese werden durch Nagel direkt an der Hornwand befestigt, sind
weit dauerhafter und bleiben unter Umstanden vier bis sechs Wochcn uuterin
Huf liegen, ohne dass einc Erneuerung notwendig ist, wogegen die soleae oft
ersetzt werden mussten, wahrend der Fahrt an geeigneten Stellen angelegt und
wieder abgenommen wurden und dadurch jedesmal einen langeren Aufenthalt
verursachten. Einen solchen Fall erzahlt Sueton 6 ) vom Kaiser Vespasian, dcssen
Fuhrmann abspringt, um die Maultiere zu beschuhen (calceare) und dadurch
einem Prozessfiihrcr Gelegenheit giebt, dem Kaiser sein Anliegen vorzutragen.
Einen wirklichen Hufbeschlag nach unserer Art kannten die Alten nicht und
alios, was dafiir aus alten Schriftstellern angefuhrt worden, ist entweder iniss-
verstanden, oder doch ohne beweisende Kraft.
Zunachst hat man aus den Beiwortern, welche Pferde bei Dichtern fuhren,
schliessen wolleu, dass sie beschlagen waren. Bei Aristophanes 6 ) heisst es
yaXxoxf/kwv "meow xwros, es kann aber dieser Erzklang ebenso gut auf die
') Ob die in England goi'uiideuon Eisen mit umgouietctcn Nilgeln aolohe Flatten waren,
kanu ieh uieht sagen, da ich sie nicht gesehen habe und eine niihere Bosehreibung nicht vor-
licgt. Jahrb. d. Rh. A. V. Heft 84, Aufsatz von Schaaffhausen pag. 50. — *) Leisoring
u. llartmauu ed. Langwitz: der Fuss des Pierdes 11 pag. 311. Ahnliches gilt von Percivals
Patent- Pan toffel, welcher in Dinglers Polyt. Journ. XXX pag. 289, Jahrg. 1828 beschrieben
ist. — 3 ) Jahrbuch d. Rh. A. V. XXXVIII S. 174. — 4 ) Lucian Lucius 16; Artemidor oneirocr.
IV, 30. — 5 ) Sueton Vespas. 23. — °) Aristoph. hipp. 552; /aXxsaii onXa:; Piud. Pyth. IV, 402.
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Zierrate an den Ziiumen und Sattelzeugen, die frena sonantia Virgils, bezogen
werden, als auf den Klang der Hufe, ebenso wie vuo&ovoxpoio; bei Euripides. 1 )
Bei Homer 3 ) heissen die Pferde yaXxorcoSes und wenn man dies mit „erzhufig a
ubersetzt findet, so konnte man wohl an Hufeisen denken, aber Dichter und
selbst Prosaiker geben diese Bezeichnung auch Gotterpferden, wclche (lurch die
Luft und iiber Wasser fliegen und dazu keine Hufeisen brauchen, ja sogar
Hirschen und wilden Stieren, welche gewiss nicht beschlagen waren. Diese
Beiworter beziehen sich vielmehr nur auf die Gute und Starke der Hufe, wie
die gleichwertigen xpatsptovtr/ss, oispedTioSec, im Gegensatz zu [wtXaxdiroSe? bei
Apsyrfcus und sonipedes bei Virgil 3 ), womit diescr Dichter an den von Xcnophon 4 )
als normal hingestellten festen, unteu hohl geformten Huf erinnert, weleher auf
hartemBoden einen Klang wie ein Beeken (x'jjipaXov) geben soil. In gleichcm Sinne
heissen die Pferde bei Homer 6 ) w|fljx ££ ^ Jesaias 8 ) sagt, die Hufe der assyrischen
Rosso glichen Kieseln; iihnlich vergleicht noch im 10. Jahrhundert der arabische
Dichter Ibn Doreid einen harten Huf mit einem Dattelkern und Firdusi lasst den
Sohrab sagen : ein Ross muss ich haben festen Tritts, dessen Stahlhuf Marmor zer-
bricht. Viel bestimmter scheint auf den ersten Blick Homer an einer anderen Stelle 7 )
vom Ilufbeschlage zu sprechen, weil unmittelbar hinter TtoSeg ixjtcov die Worte yaXxq*
Syjiocdvtss stehcn. Aber diese Worte sind trotz der unmittelbarcn Folge doch
kein Zusatz zu erstcren, sie beziehen sich vielmehr gar nicht auf diese, sondern
auf die vorher geuannten ft££ot und imrfjec gemeinschaftlich, cs ist also nicht von
den alles zertretenden Pfcrden mit ehernen Hufeisen, sondern von der ver-
derbeubringenden Thatigkeit der Fuss- und Wagenkanipfcr die Rede.
Nun wird noch mit besonderem Nachdruck eiue Stelle aus Plinius 8 ) ins
Gefecht gefiihrt, welche das Vorkonimen des Hufeisens erweisen soil: Vestigium
equi, excussum ungula, ut solet plerumque, si quis collectum reponat, singultus
remedium esse rccordantibus, quonam loco id reposuerint. In dem erwahnten
Aufsatzc des Professor SchaafFhausen ist dies folgendermassen ubersetzt: Das
Hufeisen des Pferdes, ohne den Huf, wenn jemand es findet und aufhebt, soil
u. s. w. Aber vestigium bedeutet hier durchaus nicht „Hufeiscn u , sondern die
Spur im Sande. Wenn diese gesammelt (es steht colligere, nicht tollere) und
an irgend einem Ort niedergelegt wird, so soil sie unter Umstanden ein Mittel
gcgen den Schlucken sein. Schon in der nachsten Zeile ist von vestigium lupi
die Rede und der Wolf war doch gewiss nicht beschlagen.
Dass der Aberglaube aber an der Spur haftete, sieht man daraus, dass
auch bei der Wolfsspur ein soloher vorkommt, es heisst: rumpi equos, qui
vestigia luporum sub equite sequantur und an einer anderen Stelle lupi vestigia
calcata equis afferunt torporem. Ahnliches sagt Aclian. 51 ) Was sollte auch ut fieri
') Virg. Georg. IU, 184; Eurip. Rhos. 384. — *) Horn. II. VIII, 41; XIII, 23; Philostr.
koii. irnag. I, 8. Aeripedes tauri Ovid. Met VII, 105; Ileroid XII, 93; acripes cerva Virg. Acu.
VI, 803. — 3 ) Apsyrtus op. 106; Virg. Aen. IV, 135; XI, 600 u. 638. — 4 ) Xeiiophon hipp.
I, 5. Ahnliches enthaltcu die Stelleu: Virg. Aon. VIII, 596; XI, 875; Huraz cpod. XVI, 12;
Jercniias XLVII, 3; Richter V, 22; Ncmes cynog. 259. — 6 ) Horn. II. XXIII, 27; V, 772. —
6 ) Jesaias V, 21. — 7 ) Hom. II. XI, 150—153. — 8 ) Plinius h. n. XXVIII, 20, 263. — 9 ) Plin.
h. ii. XX VII, 20; VIII, 44. Aeliau b. a. I, 36.
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340
solet heissen? Wenn Plinius sagen wollte, dass das Eisen gewohnlich verloren
ginge, so hat cr doch gewiss keinen Nagelbe6chlag im Auge gehabt, soudern
hochstens cinen Schuh oder cine solea, die dieseu Fchler allerdings besass.
Darin liegt cin sicherer Beweis, dass hier vestigium nicht mit Hufeisen — mit
aufgenageltem Hufeisen — iibersetzt werden kann.
Das Hauptbestrcben der Alten ging dahin, die Hufe moglicbst fostzumaehen.
Columella 1 ) im ersten Jahrhundert n. Chr. verlangt die Pferdo mit duris uugulis,
et altis et concavis rotundisque, einc gleiche Anforderung stellen fast alio
alteu Fachschriftsteller und geben auch Mittel an dies zu erreichen. Es war
ihnen bekannt, dass fortwahrende Nasse und feuchter Boden den Huf verdcrbeu,
dagegen troekener und fester Boden ihn hiirten. Sie empfehlen daher Xenophons 2 )
Vorschrift, das Pferd auf einem mit etwa pfundschweren Feldsteinen bedecktcn
Platzc stehen zu lassen, da durch fortwahrenden Druck die Sohlc hart werdc.
Vegetius 3 ) empfiehlt den Stall mit starken Bohlen von Steineichen zu be-
lcgeu, indem er dieser Holzart einen ganz besonders guustigen Einfluss zuschreibt.
Andre 4 ) raten allerlei Medikamente an, wie Pech, Eselmist, Raute, 01, Essig,
Epheusamen, Knoblauch und das Wasser des reatinischen Sumpfes. Vegetius 5 )
empfiehlt aber auch das Ausschnciden und Reinigen der Hufe, worauf im Altertum
grosser Wert gelegt wurde. Es unterliegt keinem Zweifel, dass man zur Kaiser-
zeit das Wirkmesser kannto und zwar genau in der Form, wie sie heute noch
bei uns iiblich ist. 6 ) In einem Edikt des Kaisers Diocletian vom Jahre 301 wird
die Taxe vorgeschricben, welche die Rossarzte, zu deren Beschaftigung das
Ausschueiden der Hufe gehortc, erhebeu durften. Unser Museum besitzt ein
sehr schoncs Exemplar eines solcheu Mcssers. Aus spaterer Zeit will ich noch
beilaufig erwahnen, dass auch auf einem Steiubilde des heiligen Eligius 7 ), des
Selwtzpatrons der Schmiede, welcher den Pferden die Fusse einzeln abnahm,
auf dem Ambos beschlug und wieder ansetzte, unter dem Handwerkzeug ein
Wirkmesser abgebildet ist.
Fur das bestc Mittel bei abgelaufenen Hufeu gait Tecr (pix liquida). 8 )
In der Hygiene-Ausstellung der koniglichen Lehrschmiede zu Berlin im Jahre 1883
war cine aus Pech und Colophonium hergestellte Sandale ausgestellt, welche
am Hufe festklebte und sich durch die Warme desselben geschmeidig erhielt. 9 )
Es sollte eine Kopie nach einem romischen Original sein, iiber welches ich leider
nichts naheres angeben kann, ich kann jedoch aus eigener Erfahrung versichern,
dass dieses Mittel vortreffliche Dienste leisten kann. Diese Mittel zum Hart-
machen der Hufe waren dringend notwendig, weil man eben die Hufeisen, welche
besseres leisten, nicht kannte; waren sie imGebrauch gewesen, so wiirden nicht
so viele Klagen iiber die Abnutzung der Hufe, worunter Alexander der Grosse,
Hannibal, Mithridates und andere litten, zu finden sein. 10 )
J ) Columella VI, 28. Hartcn der Hufe VII, 36 am Scliluss. — *) Xcnophon hipp. IV, 4;
mag. equit. I, 16. — 8 ) Vegct. muloni. I, 56; II, 55 u. 58. — 4 ) Pliu. li. n. XXXI, 2, 8. —
5 ) Vegot. mul. I, 56; Pollux I, 11, 10; Aelian h. a. Ill, 2. - *) Ginzrot tab. 89, m; Revuo
arch. 17. Jahrg. 32. Band pag. 17 unter boutoir romain. — 7 ) Millin Atlas tab. XI, 3. —
") Cato do re rust. 72; Colum. VI, 15; Plin. XXIX, 20; Vegot. II, 58. — 9 ) Im Katalog
unter I, 2. — 10 ) Diodor XVII, 94; Polyb. Ill, 79, 7; Curtius VIII, 3; Appian do bello Mithrid.
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341
Teh bin in diesem Punkte absichtlich etwas ausfuhrlich gewesen, we'll ich
in der Thatsache, dass Vegetius, welcher wahrscheinlich im 4. Jahrhundert
n. Chr. schrieb, diese Mittel zum Teil unter gleichzeitiger Anwendung von Huf-
schuhen, noch empfiehlt und immer davon sprieht, dass die Hufe vom Qeben
abgenutzt werden 1 ), einen ganz sicheren Beweis dafiir sehe, dass Hufeisen in
unserem Sinne ihm nicht bekannt waren, da er sonst grade im Gegenteil auf
Mittel bedacht gewesen ware, den Huf weich und gescliraeidig zn maehen. Wenn
von jemand, der weitlaufig, wenn auch vielleicht ohne eigenes Verstiindnis und
nur nach griecbischen Quellen, iiber Tierhcilkunde schreibt, der so ungemein
wichtigen und zweckmassigen Hufeisen auch nicht mit einem Worte Erwahnung
geschieht, so muss noch zu seiner Zeit der Beschlag mit Nageln nicht nur
nicht verbreitet, sondern gradezH unbekannt gewesen sein.
Dass man den Hufbeschlag in Rom zu Anfang des vierten Jahrhunderts
noch nicht kannte, geht indirekt auch aus dem schon erwahnten Edikte Diocletian**
vom Jahre 301 hervor, durch welches das Maximum der von einem Mulomedicus
zu beanspruchenden Gebiihren festgesetzt wird. Es ist darin, wie schon gesagt,
nur vom Beschneiden, nicht vom Beschlagen der Hufe die Rede, welche Operation
doch hochst wahrscheinlich auch in den Wirkungskreis jener Leute gehorte.')
Es giebt schlie8slich noch einen Punkt, welchem eine gewisse Beweiskraft
zukommt. Es ist in alien Schriftstellern mit alleinigcr Ausnahme von Artemi-
dorus 3 ) in der Mitte des zweiten Jahrhunderts, nur von beschuhten Maultieren,
niemals von Pferden die Rede. Dies kommt zum Teil daher, dass Maultiere
sich das Beschuhen besser gefallen lassen als Pferde, dass sie geduldiger sind
und leicht mit iiberstehenden Eisen marschieren lernen, ohne sich zu streichen.
Sie lernen breitbeinig gehen, die Pferde, wenigstens die temperamentvolleren,
nicht. Deshalb beschuhte man Pferde seltener, als Maultiere; hatte man den
Nagelbeschlag gekannt, den die Pferde ebenso gut vertragen, so wiirde diese
Trennung von Maultieren und Pferden nicht vorkommen. Zum Teil ist auch des-
halb ofter von Maultieren, als von Pferden, die Rede, weil jene fast ausschliesslich
zum offentlichen und privaten Fuhrwerk und zum Arbeitsdienst verweudet
wurden.
Ich glaube auf diese Weise den Zeitpunkt, bis zu welchem die Hufeisen
mit Nagelbeschlag den Romern unbekannt waren, festgestellt zu haben, namlich
bis zum vierten Jahrhundert, in welchem Vegetius schrieb, es bleibt nur noch
(ibrig die Grunde anzufuhren, welche dem bisher gewonneuen Resultate zu
widersprechen scheinen und die Zeit zu ermittelu, zu welcher der Beschlag
aufkam.
Ich muss jedoch vorher noch ein nicht gerade seltenes Fundstiick erwahnen,
welches zwar nicht die Dienste eiuer solea leisten konnte, welches aber wahr-
scheinlich auch zum Hufsehutz verwendet wurde, namlich die eisernen Huf-
schuhe oder Hipposandalen, Mulosandalen, Boosandalen, je nach ihrer Ver-
75; Apuleii met. VIII: asinus extritis ungnlis debilis; Plaut. nsin. II, 2, 73; Job. Cinnami de
reb. gest imporat. ed. Tollii IV pag. 194.
*) Veget. mul. I, 56 u. 28. — *) Gurlt u. Hertwig, Magazin far Tierheilk. 11. Jahrg.
pag. 5 u. 22. Jahrg. pag. 259. — s ) Arteraidor oneirocr. IV, 23.
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342
wenduDg, die sabots en fer, wie sie die franzosischen Archaologen neuncn. Sie
sind in vielen Schriften, z. B. in der des Abbe Cochet uber das Grab Childerichs
abgebildet und angeblich teils romischen, teils frankischen Ursprungs. Zwei
Originale und zwei Kopien befinden sich im Mainzer Museum (Fig. 8 u. 9),
ein auf der Saalburg gefundenes (Fig. 3), in unseren Annalen 1 ) abgebildetes
Exemplar, in Homburg, ein oft erwahntes, in Zazenhausen gefundenes (Fig. 4),
in Stuttgart, drei angeblich aus Thiiringen stammende, sehr leichte Stucke im
Berliner Volker- Museum, andere in verschiedenen Sammlungen.*) Es giebt
vielleicht heute noch Viele, welcho der Meinung sind, dass diese zum Teil sehr
grossen und plumpen, zum Teil wieder sehr kleinen Gerathe den Zugtieren
und sogar den Reitpferden untergebunden wurden, um ihnen beim Zuge odor
gar beim Laufcn und Springen als eine Art Hufeisen zu dienen. Meiner Ansicht
nach ist eine solche Annahme ganz unmoglich. Die Reibung in den unge-
schickten Schuhen muss fast so gross, als auf der Strasse gewesen sein und
nach kurzer Zeit musste das Tier von den Riemen, mit welchen der Schuh
festgebunden war, wund gescheuert sein. War der Huf empfindlich, so musste
das Tier sich bei jedem Tritt wehe thun und, wenn es nicht sehr breit gestellt
war, iiberdies streichen. Professor Rueff in Hohenheim 8 ) ist daher der Meinung,
dass sie nur fur kranke Hufe im Stalle gebraucht wurden, vermutlich wenn
dieselben mit dicken Bandagen zum Festhalten eines Fmschlages versehen waren
und es ist nicht zu leugnen, dass einige dieser Schuhe, wie der in Zazenhausen
gefundene, ihren Zweck im Krankenstall, auch wohl bei einer notwendigen
Ortsveranderung erfiillen konnten, wenn sie bei sehr weit gestellten Pferden,
Maultieren oder Ochsen zur Anwcndung kamen. Ich stimme auch darin bei,
dass sic fur Pferde nur ausnahmsweise gebraucht wurden und hauptsachlieh
fur Ochsen und Maultiere bestimmt w T aren. Letztere lernen sehr bald, sich mit
uberstehenden Eisen und wohl auch mit solchen Schuhen bewegen, ohne sich
zu streichen, wahrend Pferde dies nicht thun; ob jene aber auch, wenn die
Schuhe an den Vorderfussen gebraucht wurden, damit gehen lernten, ohne sich
zu greifen, mochte ich bezweifeln. Die Verwendung war daher wohl auf die
Hinterfusse beschrankt, wenn nicht etwa die steil aufwarts stehenden Schuabel
einzelner Arten (Remennecourt und Scrupt, Fig. 5 u. 6) der Riickseite ange-
horten und gleich den Aufstiilpungen anderer Exemplare (Vieil-Evreux, Fig. 7),
wie sie Cochet in dem oben erwahnten Werke anfuhrt, zum Abweisen des
IIinterfusse8 bestimmt waren.
Den Archaologen haben diese Schuhe yiel Kopfzerbrechen gemacht und zu
verschiedeuen, sehr wenig iibereinstimmenden Deutungen Veranlassung gegeben.
Einige haben sie fur Lampenhalter (porte-lampes), andere fur Hemmschuhe oder
fur Unterlagen eines Schleppbauines, welcher als Ersatz fur ein zerbrochenes
*) Ann. d. Naas. Altert.-V. Band IX, pag. 166, tab. 7. — *) Lindenschmit, Altertumer
der heidnischen Vorzeit T t 12, 5, 1—6. Cochet: La Seine inf^rieure pag. 337 zJlhlt 29 Stack
auf, welche in Frankreich und der Schweiz gefunden wurden, eine grosse Anzahl sind auch
in den Publications de Luxembourg, 1855, Band XT pag. XCIII aufgefOhrt. — 8 ) Rueff zur
Gesch. des Hufbeschlages S. 16 und Lindenschmit Bemerkungen fiber Fundgegenstfinde in
tomischen Gebauden pag. 35.
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343
Had zeitweise angewendet wird, zwei gelehrte Franzosen sogar fur alte Steig-
biigel gehalten. 1 ) Aber Steigbugel sind audi nichts romisches; ibre erste Er-
wahnung findet sich bei Leo dem Taktiker*) im achten Jahrhundert. Zu Karla
des Grosscn Zeit waren sie bei vornehmen Personen in Deutsehland, Italien.
und Byzanz iiblich, im grossen bei der Reiterei erst spater. Auch ich hatte
die Idee die eine Art dieser Schuhe, welche sich durch den langen, sehr flach
angesetzten Schnabel auszeichnet, als Hemmschuhe anzusehen und habe einen
solchen mit Hilfe eines holzernen Unterlageklotzes, den ich fiir ein notwendiges
Zubehor halte, und zweier eiserner Klammern (Fig. 10) einem Rade angepasst.
Die gewiss richtige Bemerkung des eben angefiihrten englischen Journals, dass,
wenn die Stiicke diesem Zwecke gedient hatten, Streifen und Schrammen in
der Langsrichtung sich zeigen mussten, vorausgesetzt, dass der Rost dies zu
sehen gestattet, wird durch Hinzufugen jenes Unterlageklotzes, den unsere Bauern
heute noch zur Schonung des Eisens anwenden, hinfiillig. Auch an die Ver-
wendung bei den zur Abrichtung im Passgehen notwendigen Spannstricken 3 )
oder fur Fussfesseln habe ich gedacht, muss aber schliesslich gcstehen, von
meinen Versuchen nicht befriedigt zu sein und immer noch nicht zu wissen,
was ich aus diesen Fundstiicken machen soil. Der Baron Zigesar 4 ) hat gleich-
falls an Fussfesseln gedacht und gemeint, die Pferde seien mit diesen Schuhen
bekleidet und dann der Schuh an den Piketpfahl gebunden word en. Es ist
bekannt, dass im Lager und auf der Weide Spannstricke im ganzen Altertum,
mit Ausnahme der Homerischen Zeit, durchaus iiblich und noch im Mittelalter,
wio heute bei den Orientalen, in Gebrauch waren, wahrend man sich im Stallo
der Halfter bediente 5 ); man wird aber mit Recht fragen, weshalb erst der
eiserne schwere Schuh als lastiges Zwischenglied eingeschoben werden sollte,
da ein Gurt oder Riemen und wenu die Pferde daran gewohnt waren, notigen-
falls ein einfacher Strick ohne den Schuh diesen Zweck weit besser erfullte.
Wenn aber ein Herr G. Fischer 6 ), Tierarzt in Cessingen, behauptot, dass der-
artige sabots en fer heute noch in Holland ganz allgemein in Gebrauch seien,
so ist nur zu bedauern, dass er nicht ganz genau augiebt, wo er dergleiehen
in Holland gesehen hat, da meine in einer Versammlung von Hollandern, deren
mehrere ihr Land ganz genau kannten, angebrachte Anfrage, auf allgemeineu
TInglauben stiess. Ich mochte es schliesslich der ErwJigung unserer Herren
Tieriirzte anheimstellen, ob diese Schuhe und namentlich die mit den langen
Schnabelu nicht in Verbindung mit einer langeren, sich der Gestalt des Fusses
anschmiegenden Eisenschiene, jihnlich wie dies in neuererZeit geschieht (Fig. 11)
bei Muskelzerreissungen am Unterschenkel des Ilinterfusses gedient haben konnen
i) Cochet, le tombeau de Childeric pag. 152, A. 1 u 164, A. 2. — Procedings of the
society of Antiquaries Vol. Ill, 1887, N. 21 pag. 212. — 2 ) Leo tactic, ed. Ktichly u. RCistow
II, 2. pag. 318; Reiske zu Cinnamus V, 7, pag. 366. — 3 ) Berenger, Oeschichte des Reitens,
Cbers. v. Heubel pag. 204, tramels. — 4 ) Publications etc. de Luxembourg 1854, Band XII
pag. 163. — 5 ) Xenoph. Cyrop. Ill, 3, 26; Anab. Ill, 4; Horat. Sat. I, 5, 19; Virg. Aen. IX,
353; Lex Salic. 27, 23; Horn. II. VIII, 544; X, 475; Odyss. IV, 41. Die Stclle Ilias XIII, 36,
wo von Fesseln dio Redo ist, ist wahrscheinlich unftcht, s. Grasboff pag. 8, Anmkg. 7 ; Beckmann,
Gesch. d. Erfindg, III, 147. — e ) Publications do Luxemboucg 1855, Band XI pag. XCII.
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344
und dann natiirlich bei alien Arten von Zugtieren gleich gute Verwendung
finden konnten. Zwar kannten die Romer, nach dem oft unverstandlichen
Vegetius zu urteilen, diese Kur nicht, und ob die Deutschen oder Gallier sie
kannten, scheint nicht bekannt zu sein, aber fur romisch kann ich diese Sehuhe
auch durchaus nicht halten.
Es ist mir natiirlich nicht moglich, bei jedem Einzelnen die Grunde, aus
welchen er fur ein romisches Fundstuck gehalten wird, zu priifen, da solche
in der Regel iiberhaupt nicht angegeben sind, aber ich vermute, dass bei naherer
Untersuchung das Vertrauen, welches sie bisher genossen, erschuttert werden
konnte. Bei dem erwahnten Schuh aus Zazenhausen wird beispielsweise als
Legitimation angefuhrt, dass er in einem romischen Bade gefunden sei. Aber
was hat ein Hufschuh im romischen Bade zu thun? Ich wiirde im Gegenteil
daraus schliessen, dass er dorthin verschleppt sei. So lange dass Bad im
Gebrauch war, befand sich der Pferdeschuh gewiss nicht darin, und wer weiss,
nach wie langer Zeit er schliesslich dorthin gelangte, denn wahrscheinlich hat
doch das Bad noch Jahrhunderte lang nach der romischen Zeit als offene Ruine
dag08tanden, bis es schliesslich mit Erde uberdeckt wurde. Fiir romisch halte
ich diese Sehuhe hauptsachlich deshalb nicht, weil einmal in den ausfuhrlichen
Mitteilungen beim Vegetius und den Schriftstellern iiber den Landbau und die
Hippiatrik nichts zu finden ist, was auf diese Gerate zu deuten ware und dann
weil, soweit mir bekannt ist, dcrgleichen Stiicke nur nordlich der Alpen ge-
funden sind.
II.
Mogen nun aber diese Sehuhe so alt sein, als sie wollen und auch zum
Hufschutz in irgend einer Weise verwendet worden sein, so viel steht fest,
dass sie nicht mit Niigeln befestigt, sondern hochstens untcrgebunden wurden.
Die ersten schriftlichen Nachrichten iiber das Vorkommen des Nagelbeschlages
finden sich nicht, wie iiberall angegeben wird, beim Taktiker Leo, weleher
im 8. Jahrhundert lebte, sondern, wie ich schon vor Jahren mitgeteilt habe,
wahrscheinlich bereits bei dem sogenannten Byzantiner Anonymus 1 ), einem
Kriegsschriftsteller, weleher im 6. Jahrhundert unter Justinian schrieb, Er sagt,
man sollo die Ilufe mit eiserncn Flatten r3tSvjpoi<; wetaXot?, also mit vollen Eisen
beschlagen, damit sie nicht leicht von Fussangeln und dergleichen verletzt
werden. Erst zwei Jahrhunderte spater heisst es dann bei Kaiser Leo IV und
ahnlich bei seinem Sohne Constantinus Porphyrogeneta , welche beide iiber
Taktik geschrieben haben: 7t^8tXa osXYjvata aiSrjpa jista twv xafxftcov aotcov, halb-
mondftrmige eiserne Sohlen, mit ihren Niigeln. 2 )
Wenn wir nur diese schriftlichen Quellen batten, dann ware die Erfindung
und Verbreitung des Hufbeschlages sehr gut stimmend zwischen Vegetius und
dem Anonymus, oder zwischen dem vierten und sechsten Jahrhundert zu suchen.
Nun kommen aber die in halb Europa in Gnibern, in Villen, in alten Brunnen,
') Schlieben, die Pfcrdc des Altertums, pag. 137; Byzftntiner Anonymus ed. K5chly u.
Riistow XVII, 4 png. 106. — *) Leo tact. Y, 4 pag. 51; Constant, tact. pag. 11. Beckmann
III, 147 will tts8tx).a, Fu8sfesse1n, lesen und nimmt QeX^vata fiir Hufeisen.
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auf Schlachtfeldern, auf Romerstrassfcn und wo immer gemachten Funde von
Hufei8en und scheinen alles fiber den Haufen zu werfen. Die Funde sollen
allein beweisen. Konnte die Geschichte davon schweigen, tausend Eisen sollen
redend zeugen, die man aus dem Schooss der Erde grabt. Aber ihr Zeugnis
ist wenig zuverlassig, da sie kein Ursprungsattest bei sich haben. Jeder Finder
datiert sein Eisen je nach seiner Sachkenntnis oder nach seiner Liebhaberei
als romisch, gallo-romanisch, merovingisch, frankisch, alemannisch und wenn
es gar zu modern ist, wie die allermeisten , mindestens als Schwedeneiseu.
Aber das will noch gar nichts sagen, der Archaolog Quiquerez 1 ) fand im Jura
in einer Torfgrube unmittelbar neben Pferdegebeinen Hufeisen (Fig. 12), deren
Alter er unter Berechnung der darfiber gelagerten Erdschichten bis ins sechste
Jahrhundert, nach Beck 2 ) sogar bis fibers zweite Jahrtausend v. Cbr. Geburt
zurfickdatierte, ohne zu bedenken, dass schwere Qegenstiinde in Torfmooren
von selber immer tiefer sinken, wie die Steine auf Gletschern. Solche Resultate
mfissen ein gerechtfertigtes Misstrauen gegen alio Beweise durch Ausgrabungen
hervorrufen, wodurch auch wohlbegrundete Falle in Mitleidenschaft gezogen
werden. Besondere Vorsicht ist bei Funden in alten Brunnen und Lochern
notig, w f eil diese oft in ziemlich spiiter Zeit ausgeffillt, sowie bei Romerstrasseu,
die noch Jahrhunderte lang benutzt worden sind, nachdem schon der letzte
Romer heimgegangen war. Auch ein Fund neben unzweifelhaft romischen
Stficken ist nicht immer ein Beweis fur die romische Herkunft, da nach einem
Jahrhunderte langen Aufenthalt der Romer in den betreffenden Liindern und
einem in friedlichen Zeiten gewiss sehr vertrauten Verkehr zwischen den Ein-
wohnern und ihren ungebetenen Gasten ohne Zweifel Sitten und Gewohnheiten
der letzteron auf jene fibergingen, und ebenso viele Gebrauchsgegenstiinde aus
dem Besitz des einen Volkes in den des andern kamen. Als die Romer langst
aus Germanien verschwunden waren, konnen ticht romische Stficke noch massen-
weise zurfickgeblieben, auch durch den Handel wieder ergtinzt worden sein,
und manchem ehrlichen Germanen konnten ffir die Reise ins Jenseits romische
Schmuck- und Gebrauchsgegenstiinde, an denen sein Herz hing, mitgegeben
werden, welche, wenn wir keine anderen Beweise batten, uns in den Glauben
versetzen konnten, dass wir es mit romischen Uberresten zu thun haben.
Das Endrcsultat dieser Betrachtung gipfelt ffir mich darin, dass ich zweifle,
ob man fiberhaupt bis jetzt auch nur ein einziges achtes, romisches Hufeisen
gefunden habe. Im Museum zu Rom und im Museo Borbonico zu Neapel sind,
wie ich mich selbst tiberzeugt habe, und wie Professor Schaaffhausen bestatigt,
keine romischen Hufeisen vorhanden und alles, was sonst daffir ausgegeben
wird, kann auch die Platte einer solea gewesen sein, die auch nicht anders,
als ein Hufeisen ausgesehen haben kann, auf welche allein der Ausdruck induero
des Plinius anzuwenden ist, wtihrend er sonst nicht passen wfirde. Wir werden
aber noch eine andere Erkliirung kennen lernen. Da das Neapler Museum die
Fundstticke aus Pompeji enthalt, so kann man ganz bestimmt behaupten, dass
bis zum Jahre 79 n. Chr noch keine Hufeisen mit Nagelbeschlag bekaunt waren.
*) Lungwitz, Gesch. d. Hufbeschlages, 1884, pag. 5. — 2 ) Beck, Gesch. d. Eisens I t pag. 876,
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Wo hat man dcnn die sogenannten romischen Hufeisen gefunden? In
Germanien, in Gallien, in der Sehweiz, in Britannien, kurz nordlich der Alpen,
nicht aber in Italien, in Griechenland und in sudlichen Landem. Sollten denn
siidlich der Alpen nicht ebenso viele Hufeisen verloren worden sein, als nSrdlich
derselben, wenn dort der Hufbeschlag ebenso verbrei tet war, wie hier? Grade
aus diesem Umstande folgt ganz sicher, dass der Beschlag in Italien, also bei
den Romern, nicht bekannt war und dass, wenn wir es auch vorlaufig uu-
bestimmt lassen, ob ihn die nordischen Volker hatten und ob die gefundenen
Eisen jener Zeit angehoren, jedenfalls die moisten Eisen, wenn nicht alio, nicht-
romischen Ursprungs sind.
Betrachten wir etwas naher, was von Funden bekannt ist.
Napoleon 1 ) erzahlt in seiner Ausgabe J. Caesars, dass cine grosse Menge
kleiner Hufeisen in der Nahe von Alesia gefunden worden, welche von dem an
der Vingeanne im Jahre 52 v. Chr. zwischen Caesar und Vcrcingetorix statt-
gehabten Gefechte herriihren. Sollte dies richtig sein, so konnte die bekannte
Thatsache, dass die meisten gallischen und mehr noch die germanischen Pferde
kleiner Art waren, damit gut in Einklang gebracht werden und es wiirde sich
dann hauptsachlich um nichtromische Eisen handeln, da die romischen Pferde
von grosserem Schlage waren. 2 ) Die Eisen wurden nicht etwa verloren, sondern
mit den lebenden Tieren im Flusskies und an anderen Orten begraben, oft mit
Knochen von Menschen und Pferden, mit Schmucksachen und keltischen Topf-
scherben zusammen gefunden. Die Eisen sind von ausgezeichnetem Metoll, mit
Falzrinnen und noch mit den umgenieteten Nageln versehen. Eins davon hat
sogar cinen eigentiimlichen Stempel. Man scheint diesen Umstand noch nicht
ausgebeutet zu haben und doch ist er ungemein wichtig.
Ebenso massenhaft wurden nach der ofter erwahnten Zusammenstellung
von Professor Schaaffhausen, an dessen Aufzahlung wir die folgenden Bc-
merkungen kniipfen, seit dem Jahre 1880 dergleicheu Eisen bei Horn in Wcst-
falen gefunden. Ein solches ist in den Verhandlungen der Berliner anthropo-
logischen Gesellschaft abgebildet 3 ), diirfte aber nicht einem Maultier, sondern
einem Pferde angehort haben, allerdings aber ein Eisen fur Nagelbeschlag ge-
wesen sein. Auch Fig. 13 stellt ein beiHoni gefundenes Eisen dar, welches aber
von jenem sehr bedeutend abweicht. In der Nahe der Fundstelle soil die
Varus-Schlacht stattgefunden haben. — Ein dritter Ort, an wclchem grosse
Mengen von Eisen gefunden wurden, ist Niewensluis* an der Vccht, woriiber
Baron Sloet geschrieben, welcher den Romern die Kenntnis des Hufbeschlages
zur Zeit ihres Vordringens nach Norden abspricht. — Ahnliche Funde werden
noch von mehreren anderen Orten berichtct. De la Croix fand bei Alaise
achtzehn Eisen von Pferden und Maultieren bei einem gallischen Streitwagen.
Aus diesen und anderen Massenfunden hat man den Schluss gezogen, dass
die Bewohner jener Landstriche den Hufbeschlag zur Romerzeit kannten. Die
! ) Napoleon III: Jul. Cfpsnr, dcuteche Ausg. II, pag. 285, zu Ca*8. Gall. VII, 69. —
*) Ctesar b. G. IV, 2; VII, 64 u. 65; Tacit. Germ. 5 u. 6. Sclilieben, Pferde d. Altert. p. 65.
— 3 j Schierenberg, Verh. der anthropol. Ges. Berlin 1886, pag. 318.
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dagegen vorgebrachten Zweifel stiitzcn sich besonders darauf, dass jcne Volker
Mangel an Eisen gehabt hatten, weil nicht einmal alio eisernen Schwerter und
Lanzenspitzen in genugender Menge gehabt und doch gewiss zuerst fiir ihre Bewaff-
nung und dann erst fiir den Pferdebeschlag gesorgt haben wurden. Den letzten
Grund konnen wir vorweg nehmen und darauf erwidern, dass der Hufbeschlag
wichtiger sein kann, als die Waffen, da eine Kavallerie mit den besten Waffen,
aber huf kranken Pferden ganz unbrauchbar ist, mit gesunden Pferden aber audi
bei schlechter Bewaffnung vor nichts zuriickzuschrecken braucht.
Dass die nordischen Volker zum Teil nicht reich mit Eisen vcrsehen waren,
ist nacli den Berichten der Schriftsteller nicht zu leugnen. Die Asthier uud
Fennen 1 ) hatten fast gar kein Eisen, sie kommen aber hier audi nicht in Betracht,
die Stelle aber im Tacitus 2 ), wo Germanicus seineu Soldaten Mut machen will
und ihnen vorredet, dass die Gennanen nicht Stand halten wurden und nicht
einmal eisenbeschlagene Schilde hatten, kann man nicht ernst nehmen. Es
scheint indessen richtig zu sein, dass das keltische und germanische Eisen weich
und biegsam war. Im dritten Jahrhundert v. Chr. waren die Schwerter so
weich und schon nach einem Hiebe so verbogen, dass sie mit dem Fusse wieder
grade getreten werden mussten 3 ), dasselbe war bei den Galliern unter Brennus
der Fall. Dicse Ubelstiinde verschwanden jedoch mit der Zeit; nach Plutarch 4 )
hatten die Cimbern zu Marius Zeit sehr gutc Waffen, eherne Panzer, lange ge-
wichtige Schwerter und Speere mit doppelter Spitze. Die Gallier hatten in
einzelnen Strichen gradezu Uberfluss an Eisen, sodass sie Schuppenpanzer,
Sensen, und anderes sogar nach Italien ausfiihrten. 5 ) Dabei fochten doch viele
bis zum Gurtcl ganz unbekleidet und ohne Helm. Ungiinstiger stand es allerdings
bei den Germanen, welche nicht grade Uberfluss hatten, denn nicht alle sollen
eiserne Schwerter oder grossere Lanzen gefiihrt haben; indessen widersprechen
sich die Angabeu bei Tacitus. 6 ) Die geringe Mengc des Eisens wiirde sie aber
wohl nicht gezwungen haben auf den Hufbeschlag zu verzichten, eher noch die
geringe Giite. Es sind mit der Zeit cine Menge sogenannter Waldschmiedeu,
die nicht von Romern, soudern von Eingebornen betrieben wurden und bis in
die prahistorische Zeit zuruckreichen, aufgedeckt worden, eine sogar unmittelbar
an unserer Saalburg, jenseits des Pfahlgrabens. Das Eisen, das sie lieferten,
war aber in den altesten Zeiten weich und konnte aus diesem Grunde zum
Ilufbeschlage nicht gut vervvendet werden. Eine eiserne solea, die man ab-
nehmen und wieder grade biegen konnte, liess sich eher daraus machen. Ob
nun zu Caesars Zeit und noch spater, so lange nicht einmal die Waffen der
zu Fuss Kampfenden iibcrall von Eisen waren, eine so allgemeine und aus-
gedehnte Verwendung von Hufeisen stattgefunden, wie die angefuhrten Funde
bei einem gleichen Gebrauch im ganzen Lande beweisen wurden, durfte doch
bezweifelt werden miissen.
') Tacit. Gcrni. 45 u. 46. — *) Tacit. Annal. II, 14. — 3 ) Polyb. II, 43; Polyaen. strn-
tegm. VIII, 7, 2; Holzmann zu Tacit. Germ. VI, pag. 141. — *) Plut. Mariiis 25 u. 27. —
B ) Tacit. A. Ill, 43; Liv. XXII. 46; Ca?s. G. Ill, 13; Plin. XVIII, 28; Diodor V, 30. Aua-
fiihrlich dariiber Beck, Gesch. des Eisens I, 506 u. f. — 6 ) Tacit. G, 5; A. 1, 64; II, 21.
23*
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Napoleon selbst ^eist auf die Moglichkeit hin, dass die von ihm erwahnten
Eisen einer spateren Zeit angehoren konnen. Hatte man nur den erwahnten
Fabrikationsstempel naher ins Auge gefasst. Einstweilen liegt in den angefiihrten
Thatsachen kein Grund die gefundenen Eisen in die Romerzeit zu versetzen,
wohl aber sprechen ausser den erwahnten Unwahrscheinlichkeiten allgemeine
Qriinde dagegen. Wttrden wohl die romischen Feldherrn, wiirde Caesar die
Vorteile des Nagelbeschlages, wenn er ihn bei den Galliern oder Germanen
bemerkt hatte, verkannt und fur die eigene Kavallerie von der Hand gewiesen
haben? Caesar, der alles bis zu den kleinsten Einzelheiten anfuhrt, wenn es
irgend von Einfluss ist, sollte uber diese Neuerung, die einem lange beklagten
Krebsschaden abhalf, geschwiegen haben? Undenkbar! Das Gleiche gilt von
den spateren Feldherrn und sicher auch von Tacitus, der seine Eenntnis von
Germanien durch eigenes Beobachten gewann und Gelegenheit hatte, diese
Neuerung in seinen Schriften zu erwahnen. Das Schweigen ware nur erklarlich,
wenn den Romern der Nagelbeschlag eine langst bekannte und gewohnte Sache
gewesen ware, und dies anzunehmen verbieten uns die friiher gefiihrten Er-
orterungen. Es wird also wohl nichts iibrig bleiben als anzunehmen, dass die
erwahnten Eisen einer spateren als der Romerzeit angehoren, wozu bei den
unzahligen Gefechten, die im Laufe der Zeit in jenen Gegenden vorfielen, Ge-
legenheit genug gegeben war.
JNun giebt es aber, abgesehen von diesen Massenfunden, noch eine Menge
anderer Eisen, welche unter Umstanden ausgegraben wurden, welche auf den
ersten Blick einen Zweifel an dem romischen Ursprung nicht wohl zu gestatten
scheinen. Sie sind in dem mehrfach erwahnten Aufsatze von Schaaffhauseu
aufgezahlt und damit ist der Sache wesentlich genutzt, ob jedoch alles Gefundene
angefuhrt ist, weiss ich nicht, da das Vorhandene bisher nur einzelnen Sammlern
bekannt war. Ohne irgend einer Autoritat zu nahe treten zu wollen, muss
ich gleichwohl, soweit dies ohne nahere Kenntnis der Umstande moglich ist,
auf einige bedenkliche Punkte aufmerksam machen, welche gegen die romischc
Herkunft der Funde zu sprechen scheinen.
Als eins der am sichersten den Romern zuzuschreibenden Fundstucke gilt
das Maultiereisen von Ochtendung (Fig. 14), welches im Innern eines Berges,
umhullt von sogenanntem Krotzenstein, gefunden wurde, in welchen es beim
Ausbruch der Lava eingeschlossen sein soil. Aber wer hat denn von Lava-
ausbriichen seit der Romerzeit gehort? Das Eisen wird ausdriicklich 1 ) deshalb
fiir romisch erkliirt, weil zahlreiche Funde bezeugen, dass die Romer in jener
Gegend Bergbau trieben und weil sie den Maulesel als Lasttier brauchten. Das
Eisen soil einem Maul tier angehort haben, weil es jetzt ahnliche Maultiereisen
in Frankreich giebt, aber konnen denn nicht friiher die Eisen fiir die kleinen
Pferde auch so ausgesehen haben, wie heute jene Maultiereisen? Das alles
sind keine zwingenden Grunde, sie wurden es erst einigermassen sein, wenn nach-
gewiesen wtirde, dass nur die Romer dort Bergbau getrieben und nur die Romer
Maultiere gehabt hatten und dass das Eisen nicht von einem Pferde herruhrt.
! J A. a. 0. pag. 48.
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349
Dass auch den auf der Saalburg gefundenen Eiseu nicht durchweg zu
trauen ist, geht schon aus dem oinen Funde in dcm flachen (jfrabe hervor, in
welches jenes Eisen nach der Erklarung des Oberst von Cohausen in spaterer
Zeit cinfach hineingetreten sein soil. Wenn an hundert Stuck gefunden wurden
(Fig. 15, 16, 17, 18), so ist dies allerdings sehr bedeutend, aber auch sehr
auffallcnd. Da sic sehr abgenutzt sind, besondcrs an der Zehe — was ubrigens
immer der Fall ist — zum Teil auch nur noch in Stiicken gefunden sind, so
sind es vermutlich unbrauchbare Eisen, welche die Bewohner der vor dem
Kastell befindlichen Hauser gesammelt und aufgehoben hatten. Denn es konnen
doch nicht alle Eisen gerade auf dem kleinen Raume, den die Saalburg ein-
nimmt, zufallig verloren worden sein, der Fuhrmann wiirde sie doch in den
meisten Fallen aufgehoben und mitgenommen haben. Einzelne aus ganz schlechtem
Eisen gefcrtigte mogen also weggeworfen sein, andere in Kellern, im Bauschutt,
also in Hausern gefunden, auf der Strasse gesammelt und aufbewahrt sein. Es
ist ja bekannt, dass aus alten Hufeisen guter Stahl gemacht wird, das weiche
Eisen ist abgenutzt und das harte iibrig geblieben. Schon die Celtiberos 1 ) ge-
wanncn den besten Stahl dadurch, dass sie Eisenplatten in die Erde gruben
und von Host so lange zcrfrcssen liessen, bis nur noch das harteste Eisen iibrig
war. Aus diesem Grunde werden die Eisen gesammelt sein, nicht nur hier,
sondcrn auch anderwarts. Merkw r iirdig ist es jedenfalls und auch schon von
Lindenschmit bemerkt, dass man hiiufig eine ganze Anzahl Eisen beisammen
fiudct, wie in Mainz, Luxemburg und an andercn Orten beobachtet ist. Sie
sind gesammelt und von ihrem ersten Fundort verschleppt; man weiss, dass
in den Ituinen der Saalburg zu alien Zeiten allerlei Gesindel gehaust hat. Aber
wann ist dies alles geschehen? darauf kommt es an. Die Romerstrasse hat
sicher noch viele Jahrhunderte nach der RSmerzeit bestanden und ist in dor
langen Zeit von alien Fuhrleuten benutzt worden. Vielleicht hat spater, als
der Hufbeschlag langst bekannt war, in der Nahe des einstigen Romerkastells
eine einsame Schmiede bestanden, deren Besitzer bei dem grossen Verkehr auf
der immer schlechter werdenden Strasse, seine gute Nahrung hatte. Die im
Brunnen gefundenen Eisen und Knochen wurden doch wohl erst hineingeworfen,
als der Brunnen nicht mehr benutzt wurde, vermutlich also nach der Romerzeit
und sogar wohl erst nach dem ganzlichen Einsturz der vor dem Thore gelegenen
Hauser. Nun ist aber auf der Saalburg ein Stuck eines Hufeisens sogar unter
der romischen Mauer hervorgezogen und in Regensburg sind andere unter der
alten Romerstrasse gefunden worden 2 ), sie konnten also aus dem Ende des
ersten oder der Mitte des zweiten Jahrhunderts herruhren, sie sollen beim An-
fahren von Bausteinen verloren, also romisch sein. Die Romer bedienten sich
aber doch wahrscheinlich des Fuhrwerks der Eingeborenen bei ihreu Bauten,
demnach wurden also die Eisen nicht romisch sein, und miissten die Eingeborenen
den Beschlag besessen haben, wenn die Beobachtungen wirklich durchaus sicher
und zuverlassig sind. Mir ist nicht bekannt, dass man genaue chemische Unter-
suchungen an den Eisen vorgenommen hatte, es ware dies vielleicht ein Mittel,
v ) Diodor V, 33. — *) A. a. O. pag. 34 und 44.
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350
das importierte romische Eisen von dem einheimischen und friiheres von spaterem
zu unterscheiden.
Da die Hauptstucke untcr den in jencm Aufsatze erwahnten Eiscn dcm
Ochtendunger Exemplar gleichen und aus diesem Grunde gleichcr Herkunft sein
sollen, diese aber beim Ochtendunger Eisen keineswegs als romisek nacligewiescn
ist, so ist auch bei alien ihm gleiehen Eisen der romische Ursprung ebenso
zweifelhaft. Wenn ferner gesagt ist, dass der in der Abhandlung dcs Baron
Sloet besprochene Hufeisenfund in Schloss Niewensluis deshalb den Komern
zuzurechnen sei, weil der mit denselben gefundene, zum Kahn ausgehohlte
Baumstamm, auf die romische Zeit deute, da Velleius Paterculus sage, dass
der Einbaum bei den Germanen ein gewohnlichcs Fahrzeug sei, so kann ich
das Zwingendc dieses Grundes auch nicht einsehen, denn der Einbaum wird
heute noch in vielen Gegenden Deutschlands ebenso wie zu Velleius und Plinius
Zeiton gebraucht 1 ); der Fund deutet also durchaus nicht unbedingt auf die
romische Zeit. Leider habe ich den Aufsatz dcs Baron Sloet nicht zu Gesicht
bekommen, wenn die in dem Bericht gcgcn seine Ansicht aufgefiihrtcn Griindc
aber alles sind, was sich dagegen sagen liisst, so bin ich durchaus gcneigt, die
gefundenen Eisen fur nichtromische zu halten.
Das bei RoisdorP) gefundene Eisen scheint mir cincr solea angchort zu
haben, da es rundherum mit Nagellochern versehen war, was zur Bcfestigung
auf einer Lcderplatte ganz zweckmiissig war, aber nicht fur den Beschlag. Was
unter der dabei erwahnten Wulst verstandcn wird, ob sie viellcicht, wenn die
Eisen, wie die in Strass-Paulin bei Trier gefundenen, zum Anschnallen bcstimmt
warcn, die Riemen schiitzen sollte, kann ich aus der vorliegeuden Angabc nicht
beurteilen. Dass es auch Eisen gab, welche ohne Vermittelung eincs Lcdcr-
schuhes untcr den Huf gebunden wurdcn, scheint zwcifcllos festzustchen ; auch
bei Cochet ist ein solches abgebildet 3 ) (Fig. 27).
Wenn an andercr Stelle 4 ) gesagt ist, dass die in Sachscn in einer Furt
der Wyhra gefundenen Maultiereisen genau dem Ochtendunger Eisen glichen
und, obgleich ausdrucklich erwahnt ist, dass 1295 dort schwabisches Kriegsvolk
mit vielen Maultieren (iberging, die gefundenen Eisen trotzdem fur romische
ausgegeben werden, so konnte man, scheint mir, mit weit grosserem Rechto
das Ochtendunger Eisen dcm dreizehnten Jabrhundcrt zurechncn.
Die bei Polzig im Altenburgischen bei Offnung von llunengrabern gefun-
denen zwei Eisen, welche auch dem Modell Ochtendung entsprechen und mit
Stein- und Bronzegegcnstandcn zusammenlagen, werden doch wohl sicher nicht-
romisch sein.
Obgleich nun an vielen Stellen in Dcutschland, Frankreich, den Kicder-
landen, England und der Schweiz einzeln und massenweisc Ilufeisen gefunden
wurden, welche sicher nicht alle romischen Ursprungs sind, auch wohl nicht
alle nur Flatten einer solea ferrea, obgleich ferner in Italien und Griechenland
auch nicht ein einziges gefunden wurde, so wird in jenem Aufsatze doch
l ) A. a. 0. pag. 46, Velleius Paterc. II, 170; Plin. XVI, 40. — 8 ) Ebenda pag. 49. —
a ) Coohet, tomboau de Childerie. — *) Ebenda naeh Lungwitz pag. 52.
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351
schliesslich die Bekanntscliaft der Germanen, Gallier u. s. w. mit dem Beschlage
in Abrede gestellt und beinahe jedes gefundene Eisen als cin romisches in
Anspruch genommen. Schade, dass man nicht alle in dem Bericht erwahnten
Eisen auf einem Fleck zusammensehen und genaue Fundberichte dariiber nach-
lesen kann, ich glaube, weder die Form noch die Berichte wiirden dem Beschauer
die Ansicht aufnotigen, dass die Romer den Beschlag zu uns gebracht habcn.
Die Romer hattcn bekanntlich Pferde aus alien Landern 1 ) und darunter aueh
grosse Tiere, die aueh den Galliern und selbst den Germanen nicht ganz fehlten,
warum wurden denn diese nicht bcschlagen und warum haben diese grossen
Pferde aueh nicht cin einziges Eisen verloren? Die gefundenen Eisen sind alio
ohne Ausnahme kleiu, wic der Schlusspassus ausdriicklich hervorhebt, sie ge-
hortcn daher, wenn man ihnen cin so hohes Alter zugestehen will, da wenigstens
bei den Germanen Maultierc selten waren, wahrschcinlich nicht diesen, sondern
den kleinen Pferden des Landes an.
Napoleon fiihrt bei Besprcchung der erwahnten Eisen an, dass alle mit
eincr Falzrinne verschen waren. Diese Rinne kann unter Umstanden zur Schar-
fung des Beschlages mit beitragen, hauptsiichlich aber hat sie den Zweck, die
Nagelkopfe besser zu schiitzen, als dies bei gewohnlichen, nicht versenkten
Lochern der Fall ist. Sie schcint deshalb schon ciuen Fortschritt in der Bc-
schlagskuust zu bedcuten; ich wiirde Eisen mit nicht versenkten Lochern fur
alter halten, Schaaffhauscn crklart dagegen die Falzrinnen fur cine Eigcntiim-
lichkeit aller der gallo-romauischcn Zeit angchorenden Eisen, also schon der
allererstcn, uns einstweilen noch zweifelhaftcn Periode. Die Eisen werden aber
von Napoleon aueh als sehr gut bezcichnet. Das einheimische Fabrikat war
aber, wie wir sahen, zu Caesars Zeit noch schlecht. Um diesen Einwand zu
entkrafton, weist man auf die Mythologie und die Heldensage hin, diese sind
ja voll von Lobescrhebungen tiber die wundervollcn Schwerter und die unuber-
treffliche Schmiodekunst, man darf nur an Mime, Wieland, Siegfried erinnern.
Aber den in diesen Sagen beriihrten Thatsachen kann man gar kein bestimmtes
Alter zuweisen, einzelne dcutcn bis in die Urzcit zuruck, anderc sind viel
spiiteren Datums, als die hier in Rede stehende Zeit und uberdies darf man
diese Angaben nicht fiir historische Fakta halten. Die mythologischen Pcrsonen
wurden mit wunderbaren Eigenschaften und Schatzen ausgestattet, weil der
hochstc Wunsch der Lcbenden auf solche Dinge gcrichtet war. Man dachte
sich jene starker, vermogender, listiger, als man selber war und es war, wenn
irgendwo, hier der Wunsch der Vater des Gedankens.
Wenn man darin, dass einzelne Eisen einen wellenformigen Rand zeigen,
ein Zeicbcn ihrer llerkunft aus der Romerzcit sehen will, so ist aueh dies nicht
zutreffend. Noch heute schenkt sich mancher Dorfschmied die Mehrarbeit, diese
Bogcn zu beseitigen, wozu immerhin Aufmerksamkeit und Geschicklichkeit gc-
horen. Sie entstehen immcr, sobald das Eisen gelocht wird. Friiher war der
Ilofbauer oft sein eigencr Schmied oder hielt sich einen Schmiedckuccht und
es wurde wenigcr Wert auf Schonheit, als auf Schnelligkcit der Arbeit gelegt.
l ) Sohlieben, die Pf. dos Altert. pag. 186 imd 74.
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Das Endresultat dieser langen Betraehtung ist fiir mich, dass ich an alien
diesen Fundeu nichts entdecke, was zu der Annahnie zwiugt, dass diese Eisen
der Romerzeit angehoren, noch viel weniger aber, dass sic romische Eisen sind.
Ich kommc nun zu den Beweisen, wclche aus Munzen, Gemnien, Stempcln
gefiihrt werden. Eine Miinzc im Munzkabinet zu .Dessau 1 ), wclche dcni ersten
Jahrhundcrt n. Chr. angehoren soil, zeigt angeblich zwei von cincr Schlango
umgebene Hufeisen. Mein erster Gedankc war, dass die Schlauge cine gluck-
liche durch Erfindung oder Anwendung der Hufeisen herbcigefuhrtc Hcilung
eines kranken Pferdes bedeuten konntc; Eckhel dcnkt an einen Sieg in der
Rennbahn, den, wie man weiter schlicsscn konnte, ein Pferd, welches wcgen
schlechter Hufe auf einen Sieg nicht rechnen konnte, mit Ililfe guter Hufeisen
crrang. llerrn Professor von Sallet dankc ich einen vorziiglichcn Abzug dieser
Munze und bin jetzt durchaus der Mcinuug, dass hier von Hufeisen keine Rede
ist; was man fiir Nagellocher gchalteu, sind Vcrzierungen in Form gebogener
Linien. Bci der Kleinhcit des Stiickes, etwa 15 mm im Durcbmesscr, hat die
Phantasie viel Spiclraum, ich denke daher an Ehrenzcichen 2 ), nicht an Hufeisen.
Nicht besser diirfte es mit dem in der Saalburg gefundenen Ziegelstempel
Fig. 15 bestcllt sein, auf dem man ebcnfalls ein Hufeisen crkenncn will. Er
enthalt allerdings eine derartigc Zeichnung, welche zehn deutliche Punkte zeigt,
die man fiir Nagellocher halt, dazu die Umschrift Leg. XXII P. R. P. Was soil
aber das Hufeisen auf dem Ziegelstempel? Ich sehe hier kein Hufeisen, sondern
den Buchstaben C und darin zehn Punkte, wclche zusammen cohors decima
bedeuten. Die Sachc leuchtet sofort ein, sobald man den Stcmpel nicht so,
wie er von Professor Schaaffhauscn abgebildet ist, sondern, wie hier, so vor
sich hinlegt, dass die Zahl XXII nicht rcchts oder links, sondern unten steht,
dann sieht man eben ein C und kein Hufeisen mit ganz unzweckmassigen
Nagellochern; der fruher im Kolner Museum befindlichc Legionsstempcl mit der
Zahl II im C und ein ahnlicher, auch im Bericht erwahntcr scheinen mir dcut-
lich darauf hinzuweisen, dass jene Punkte in unscrcm Falle ebcnfalls cine Zahl
und z war zehn bedeuten sollen, obgleich bekannt ist, dass die Cohortc gewohnlich
anders bezeichnet wird.
Ein anderer Bewcis konntc sich auf eine Bemcrkung in dem Katalog
der Berliner Gemmen von Toelken') stutzen, wo es hcisst: „Mann im Begi'iff
ein Pferd zu bcschlagen etc." Der Stein gehort der guten romischen Zeit an
und wurde, wenn Toelken richtig geschen hatte, von Bedcutung sein. Er stellt
ein Pferd vor, dessen einen Vorderfuss ein Mann aufhebt, wclcher mit dem
Gcsichte nach vorn gekehrt neben der Mitte des Pferdes steht, wahrend ein
anderer etwas vor dem Vorderfusse in knieender Stellung mit dem Gesichtc
nach riickwarts gekehrt sich an dem anderen Fusse zu schaffen macht. Offenbar
handelt es sich nicht um den Beschlag des aufgehobenen Hufes, da von einer
solchen Beschaftigung iiberhaupt nichts zu sehen ist, auch beide Manner nach
unserer Praxis unzweckmassig gestellt wiiren und ihre Rollen tauschen miissten,
') Eckhel, doctr. nuium. vet. Vill pag 306. Colien dcacript. hist, des mommies 1862,
T. VI pag. 543. — 2 ) Vielleioht waren es eine Art lunulae. — 3 ) Toolken VI N. 22.
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sondern urn ein Geschaft an dem stehenden Fusse. Nur daniit das Pferd still-
halten soil, ist dcr andere Fuss aufgehoben, wie es heute uoch bei alien un-
ruhigen Pferden geschieht. Es ist also einc Darstellung, welche die Thatigkeit
eincs Mulomedicus betrifft, wolcher sich biickt, urn einen kranken Fuss zu
untersuchen und also die Benierkung Toclkens ganz ungercehtfertigt. Hatten
die Homer den Hufbcschlag gekannt, so \viirde statt dieser unbestimmten
Thatigkeit wahrscheinlich die wcit charakteristischcre Ausfuhrung eines Nagel-
beschlages auf dem Stein abgcbildet sein.
Noch weniger Olauben werden die phantasiereichen Entdeckungen eines
selion vorhcr crwahnten Herrn Fischer finden, welche Mr. Namur der Mitteilung
Avert erachtet. 1 ) Er sagt, ohne jedoch seine kostbare Quellen zu verraten, eine
cirkassische Pferderace, die shallock, fuhrten als Gestiitszeichcn ein rundes Huf-
eisen, von eincr solchcn Form, dass es sich in Wirklichkcit mit drei Aufziigen,
deren Spitzen sich in das Hufhorn eindruckten, hiittc befestigen lassen. Ein
ganz gleiches Eisen will er auf altcn lycischen Munzcn entdeckt haben, nur
mit dem Unterschiede, dass dicse Eisen Nagellocher hatten und angenagelt
wurden. Dicse Munzcn sollcn die bekannten Triquetra sein. Von den cir-
kassischen Eisen soil das rundc arabische Eisen abstammen, welch letzteres
jedoch angenagelt wurde und die Stammform fiir unserc Hufcisen mit zwei
Sehcnkeln gebildet habe. Er ftigt noch die leider ganzlich unerwiesene Notiz
bei, dass d'apres les recits de la plus haute antiquite die alten Kcltcn (welche?)
ihre Maulcsel in Lycien gckauft hatten. Ich weiss nur, dass die Bewohner von
Tyrus ihre besten Maulticre aus Thogarama 2 ) in Cappadocien bezogen und dass
dieses Land, wie ganz Kleinasien einen grossen Reichtum davon hatte 3 ), weil
derEsel, welcher aus dem semitischen Telle Kleinasiens nach Griechenland kani 4 ),
und das Pferd dort sehr verbreitet waren; aber Cappadocien ist nicht Lycien,
wenn audi die dortigen Lander sehr oft nicht streng unterschieden werden und
spezicll von letztcrem ist mir dcrartiges nicht bekannt. Die Triquetra aber,
welche zum Teil allerdings aus dem funften Jahrhundert v. Chr. stammeu,
zcigeu durchaus keine Hufeisen, sondern eine Scheibe mit drei Haken (Fig. 20),
welche sich entweder ahnlich wie der Dreizack auf Poseidon beziehen 5 ), oder
Anker oder sonst irgend etwas bedeuten, deren Scheiben aber bisher von keincm
Numismatiker fiir Hufeisen gehalten wurden. — Alle hier vorgefiihrtcn sogc-
nannten Bcweise aus Miinzen und Steincn wurden nur dann von einigem Werte
sein, wenn sie als eine Bestatigung von Resultaten dienteu, welche durch eine
andere sichcrc Methodc gewonnen sind, konnen aber der grossen Willkiir der
Deutung wegen nicht umgekehrt verwertet werden und beweisen nichts fur
das Vorkommen des Nagelbeschlages.
] ) Publications de la 8oc. do Luxembourg 1855, Band XI pag. XCII. — 2 ) Ezchiel 27, 14.
— *) Strabo XI, 13, 8 fol. 525 C; Aristot. VI, 24 und 29. Uias II, 852; Scblieben, Pfordo
des Altertums pag. 63, 72, 97, 105 u. a. Das Wort -fyi-ovos steht oft, wo zahme oder wilde Esel
gemeint sind. Moglicherweise liegt eine Yerwechselung der Heneter in Cappadocien mit den
Henetern am adriatischen Meere vor. Strabo XV, 1, fol, 212 u. 215 C. — *) Helm, Haustiere
pag. 70. — 5 ) Gerhard, arch&olog. Zoitung 9. u. 10. Jahrg. pag. 381.
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Ich komme nun zu dem angeblich altesten Hufeisen, dem aus dem Grabe
des 481 gestorbenen frankischen Konigs Childcrich I. Das mit vielen Kostbarkeiten
gofiillte Grab wurde am 27. Marz 1653 zu Tournai aufgefunden und iiber deu
Inhalt eine Abhandlung Anastasis Childcrici, Antwcrpen 1655 von Chiflet vcr-
offcntlicht. Im Jahre 1859 hat dann der Abbe Cochet 1 ) eine kritische Wiirdigung
clieser Schrift verfasst, aus der wir entnehmen, dass das beriihmte Eisen(Fig. 21),
wenn es vollstandig ware, acht versenkto Nagellocher zeigen wiirdc. Leider
aber ist nur ein ganz kleines, nur zwei Lochcr umfassendes Stiickchen desselben,
sehr stark verrostet, iibrig und es ist uberhaupt ganz unsicher, ob darin der
Rest eines ehcmaligcn Hufeisens vorliegt. Cochet selbst bczweifclt es und man
glaubt jetzt allgemein, dass man es ehcr mit einem Stiick von cincm Sattcl-
bcschlage oder dergleiehen zu thun habe. Es ist im Grabe nur der Schtidel
des Pferdes, nicht das ganzc Skelett und nur ein angeblichcs Hufeisen gefunden,
wiihrend das Pferd, wenn es uberhaupt beschlagen war, deren doch mindestens
zwei gehabt hat. In den Ilundortcn von Grabern, in welchen sich Pferde-
skelette befanden, sind sonst niemals Hufeisen gefunden worden, die Frankeu-
uml Alcniannengriiber zeigen den grossten Roichtum an eiserncn Waffen und
Ueraten, aber kein Hufeisen. Auf keiner Statue, auf keinem Bildwerkc finden
sich Hufeisen und bei der bisher als cntschcidendcs Beweisstiick bewunderten
Figur im Londoner Museum hat sich gczeigt, dass grade der eine Fuss, welcher
ein Eisen zeigt, unacht und von einem phantasiereichen Kunstlcr ergiinzt ist. 2 )
Nun kann man sagen: Man findet aber an Statucn auch keine Hufschuhe, die
doch unbestritten im Gcbrauch waren. Bei den tigyptischen Bildcrn findet man
sie, wie wir schen, allerdings und wenn man sio bei gricchischen und romischen
Figuren nicht findet, so liegt der Grund in dem veredelten Geschmack, da Huf-
schuhc die Fiisse entstellen, Hufeisen aber batten wie hcute unbeschadet der
Schonhcit angebracht werden konnen. In spiiterer Zcit geschah dies auch,
wenn ni\\)jx bei Nicetas 3 ) Hufeisen bedeutet. Als namlich die Lateiner 1204
Byzanz genommen hatten, zcrstorten sic die Statue des Bellerophon, welcher
auf dem Pegasus sass. Sie schlugcn mit Hammcrn das linke Vorderciscn ab
und fanden darunter ein mcuschliches Gesicht. Fur unscren Zweck wirdaber
durch die8e Nachricbt nichts bewiesen, da man die Zeit nicht kennt, zu welcher
die Statue augefertigt wurde.
') Cochot, lo tombeau dc Childeric I. op. V pag. 149 u. f. — *) Ahnlich steht cs mit
einem Bildo auf dor Traiansstiulc, Schaaffhausens Bericlit pag. 50 und dem Bildo eines Scythen
bei Montfaucon IV, I, pag. 79, tab. XXXI, 3. Auch der Abguss eines in Trastcverc gefundenen,
im Kapitolinischeii Museum befindlichen Bronzepferdes im Berliner Museum (Fr. Woltcrs 1697)
zeigt am rechten Hintcrfussc nur scheinbar ein Eisen. Welche Bewandnis es mit anderen dem
Obelisken des Theodosius in Konstantinopel (urn 400 n. Chr.) und einem Wiener Marmor
romischer Arbeit, welcher die Amazouenschlacht darstcllt, entnommenen Abbildungen von Pforden
mit Hufeisen bei Montfaucon Toil IV, 1 hat und ob die Zeichnungen ttberhaupt zuvorlilssig
sind, konnte ich noch nicht crmitteln; der Zeit nach konoten auf dem Obelisken, wie wir
spater schen werden, Hufeisen wohl vorkommen. — 8 ) Nicetas, urbs capta, ed. Becker pag. 849.
Beckmann Gesch. der Erfindg. Ill pag. 147 bringt einen ganz anderen Sinn heraus.
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HI.
Aber wo in aller Welt sollen wir denn nun die Anfango dcs Hufbeschlages
suchen? Fast scheint es, als wenn die Kultur, welche in Europa sonst moistens
von Griechenland und Rom ausgegangen ist, diesmal den umgekehrten Weg
eingescblagen habe, wir wollen unsern Blick dahcr etwas nach dem Nordcn
richten.
In der Eclda 1 ), und zwar in der altercn, ist von ungcschiirften, o bryddum,
wortlieh „ nicht mit brodd versehenen" Rossen auf schlupfrigem Eise die Rede.
Man spricht nicht von ungeschiirften Hufen, wenn man keine gcscharften kennt.
Nun ist die Edda ja nicht uralt, sie wurde im 12. Jahrhundert gesammelt und
ilire einzelnen Stiicke reichen bis ins sechste, siebente, achtc Jahrhundert zuriiek,
vicle Angaben aber, besondcrs einzelne Namen und Anschauungen in der nor-
dischen Gottcrsage fiihrt man mit grosser Wahrscheinlichkeit auf dunkle Eriuue-
rungen an die Herkunft der Indogermanen aus Asien zuriiek. Davon kann
hier natiirlich nicht die Rede sein, es soil vielmehr nur gesagt werden, dass es
nicht unmoglich ist, dass jene Worte auf eine friihe Bekanntschaft mit dem Huf-
bcschlag hindeutcn. An einer anderu Stellc*) ist von goldhufigen Rossen die
Rede, welche man traben horte, als Giukis Sohnc in den ychlosshof ritten. Da
besonders hervorgehoben wird, dass man sie horte, so konnten ihre llufe wohl
mit Metallplatten, vielleicht von Brouzc, da von goldhufigen Rossen die Rede
ist, beschlagcn geweseu sein. Wir findeu also schon in der Edda wenigstens
Spuren eines Beschlages, ganz bestimmt tritt una derselbe aber in dem soge-
nannten brodd entgegen.
Ich habe nicht ermangelt genaue Nachrichten iiber ihn eiuzuziehen und
niich zu diesem Zwcck mit den llerren Professor Pierson-Bendz in Alnarp
(Schweden), mit Professor 0. Rygli, Dircktor der Altcrtumer-Sammlung der
Universitiit zu Christiania und mit Herrn F. Thaulow ebendaselbst in Verbindung
gesetzt. Sie haben die Gutc gehabt, mir ausfiihrliche, durch Zeichnungen (Fig. 22,
23, 24) unterstutzte Angaben zu machen, von denen ich einiges hier mitteile.
Der Eisnagel 3 ), brodd, (Pluralis broddar), wurde 1880 im Schiffsgrabc zu Sandefiord
in zwei Exemplaren gefunden, iihuliche broddar kennt man aus vielen Griibem
der Wikinger Zeit (etwa 800 — 1000 n. Chr.), sowohl in Schweden als in Nor-
wegen. Allein aus Norwcgen hat Rygh dreissig Beispiele notiert; die llaufig-
keit erklart sich dadurch, dass es damals Sitte war, Pferdc mit den Verstorbeneu
zu bestatten. Die broddar sind etwa 2 cm breite Eisenplatten, welche den
Zehcurand des Hufes auf eine Lange von 3 — 6 cm schiitzen, in der Mitte eincn
starken Dorn und an den Enden zwei nagelartigc Spitzen haben, welche durch
das Horn geschlagen und dann nicht, wio bei uns, nach unten, soudern nach
der Mitte zu, also horizontal, umgelegt wurden. In Fiunland werden sic noch
heute unter dem Namen viskari gebraucht und auch wir schlagen bei plotzlich
! ) Edda, tJbers. von Simrock, Havamal v. 89. — 2 ) Oddruns Klago pag. 208. — s ) The
Viking-ship, discovered in Norway by Nicoleysen, Christiania 1882 pag. 52. O. Rygh, Norske
Oldsage, Christ. 1882. P. v. Moller, vermisohte Beitrage zur Gcsch. der schwed. Landwirtsoh.
Stockholm 1881.
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eintretender Glatte, wenn durchaus keine Zeit oder Gelegenheit ist die Pferde
scharf zu machen, einige Eisnagel ein, die allerdings keine Platte, sonderu nur
einen scharfcn Kopf habcn. Die broddar werden in ahnlicher Form in mehrcren
Gegenden Schwedens noch bei Ochsen verwendet (Fig. 25) und heissen dann
taugskor (Zangeneisen). Hochst wahrscheinlich ist dieser Beschlag mit dcm
brodd genau derselbe, wic ihn die Edda andeutet.
Eine Stelle in Dio Cassius 1 ) sagt von den Jazygen, einer scythischen Volker-
sehaft, welche im Jahre 173 n. Chr. von Marc Aurel besiegt wurde und etwa
im heutigen Ungarn wohnte, dasse ihre Pferde gewohnt waren auf glattem Eise
zu laufen und dass sie dies aueli auf der zugefrorencn Donau vortrefflich aus-
fuhrten. Sollten sie vielleicht auch mit dem brodd beschlagen gewesen scin?
Von den romischcn Pferden wird an derselbcn Stelle ausdriicklich gesagt, dass
sie nickt imstande waren auf dem Eise zu gehen, sie waren also ohne scharfcn
Beschlag. Vielleicht verhtilt es sich tihnlich mit dem Siege, welchen Neopto-
lemus, der Feldherr des Mithridates Eupator im Jahre 112 v. Chr. uber die
Barbaren in einem Kavalleriegefechte auf der zugeforencn Uberfahrt von Pan-
ticapseon (Kertsch) uach Phancgoria am Hypanis erfocht. 3 ) Die Naehbarn der
Jazygen waren die Geten, Daker und Saker, welche Grimm fiir die Vorfahren
der Goten, Danen und Sachsen hielt. Wenn diese Ansicht auch nicht durch-
gedrungen ist, so finden wir doch die damals an der Donau ansiissigcn Volker-
scbaften sptiter im Norden und Westen wieder. Es ist also moglich, da die
Natur ihres Winters 3 ) sie vorzugsweise auf einen scharfcn Beschlag hinwies,
welchen die Romer nicht brauchten, dass sie damals schon den brodd anwendcten
und dass diese Erfindung, die sie vielleicht auch erst bei anderen Volkern kennen
gclernt hatten, sich von ihnen aus allmahlich nach Germanien, Gallien und
weiter verbreitete.
Auf diese Weise — ich stelle dies indessen ausdriicklich nur als Hypothese
auf, die ich durch das Nachfolgende nur etwas wahrscheinlicher machen mochte
— wiirden wir zu einer Losung unserer Frage gelangen. Ich nehme an, dass
der gewohnliche Beschlag aus dem scharfen hervorgegangen ist. An alle
nordischen Volker, und dazu rechne ich alle, welche nordlich der Alpen wohnten,
bei welchen der Winter viel langer dauert und viol strenger auftritt, als bei
den Bewohnern des milden Siidens trat die Notwendigkeit gebieterisch heran,
ein Mittel zu suchen, um den Gebrauch der Pferde wahrend der langen Zeit,
wo die Erde mit Schnee und Eis bedeckt ist, zu ermoglichen. Man wird mit
Strohschuhen angefangen haben, aber bei fortschreitender Geschicklichkeit in der
Bearbeitung des Eisens unter Benutzung der Erfahrung, dass der Pferdehuf
einen Nagel ohne Schaden aufnehmen kann, schliesslich den brodd angewendet
haben. Wie aus den gefundenen Exemplaren zu ersehen, hatten die Nordlander
die Platte bis zu 6 cm Lange ausgedehnt, sodass das Eisen die ganze Zehc
schutzte. In der Erkenntnis, dass auch im Sommer die Zehe am meisten leidet,
da sie immer zuerst den Boden beriihrt, und dass dies am Vorderfuss, obgleich
l ) Dio Cassius 71, 7. — *) Strabo VII 3, pag. 307. C. Vergl. Herodot IV, 28. — 8 ) Ovid.
Ep. ex Pont. I, 2, 25 u. 82.
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er starkeres Horn an der Zehe hat, als der Ilinterfuss, am meisten dor Fall
ist, wird man zuerst an der Zehe auch im Sommer einen Eisenschutz angebracht und
sogenannfce Halbeisen angewendet haben. Der Huf dehnt sich jedesmal beim
Beruhren des Bodens aus und zieht sich beim Verlassen wieder zusammen,
jedes Eisen aber, welches festgenagelt ist, nimmt dem Huf diese Fahigkeit und
zwangt ihn ein. In dem Bestreben dies zu vermeiden ist der Grund zu suchen,
dass man zeitweise die nur einseitige Nagelung versucht hat, stets aber auf
der inneren Hufwand weniger Nagel, als auf der ausseren, einschlagt. Die von
diesem Ubelstande fast ganz freien Halbeisen sind unter Umstanden ein vor-
trofflicher Beschlag. Wenn sich nun solche Eisen unter den Fundstucken nach-
weisen liessen, so wiirde die Vermutung der Erweiterung des brodd zum Halb-
eisen dadurch unterstiitzt werden. Und in der That sind solche Funde gemacht
worden. Professor Schaaffhausen 1 ) berichtet von einem in Westfalen in der
Nahe von Hamm gefundenen flachen, sichelformigen Eisen mit 5 Nagellochern
und wellenformigen Randern, welches nur den Zehenteil des Hufes zu scbutzeu
bestimmt war. Ahnliche Eisen sollen nach Gross in Torfmooren bei Neuveville
gefunden sein. Ich gestehe jedoch offen, dass ich nach den blossen Angaben
nicht beurteilen kann, ob diese Stucke meine Ansicht zu unterstutzen geeignet
sind, wenn das bei Hamm gefundene dasselbe ist, welches in dem oft erwahnten
Bericht (Fig. 26) abgebildet ist, so werde ich wohl auf diese Hilfo verzichten
miissen.
Ob das im markischen Provinzialmuseum zu Berlin unter No. 1619 ver-
zeichnete im Ruppiner Kreise gefundene Stiick aus prahistorischer Zeit stammt
und ein solches Halbeisen ist, bedarf noch einer naheren Untersuchung.
Wenn sich nun aber dieser Ubergang durch andere mir nicht bekannte
Funde nachweisen liesse, so ware auch ein Zusammenhang mit den schriftlichen
Nachrichten leicht hergestellt. Wie ich oben angefuhrt habe, sprechen die Kaiser
Leo und Konstantin im 8. und 9. Jahrhundert von Hufeisen und Nageln dazu,
welche sie zu den Requisiten eines Reiters rechnen, mit den Worten rc£8».Xa
SsXrjvata c'-Srjpa d. h. eiserne mondformige Sohlen. Da nun bekanntlich bei alien
Mondphasen die Linie, welche die Spitzen der Horner verbindet, ein Durchmesser
der Mondscheibe ist, so werden die so benannten Eisen, wenn man sich die
Hornerspitzen etwas breiter denkt, ungefahr die Halfte eines Kreisringes gebildet
haben. In dieser Form entsprechen sie aber ganz den Halbeisen, es ist also
moglich, dass die it&d'Xv. ;sXy]vate Halbeisen waren. Dann wiirde auch
schliesslich angenommen werden konnen, dass Tryphiodorus*), welchcr zwischen
dem dritten und sechsten Jahrhundert gelebt haben soil, in der kaum zu ver-
stchenden Stelle seines Gedichtes von der Eroberung Troias, von Hufeisen
spricht und eine ihm, wenn auch nicht den Troianern, bekannte Sache ge-
meint habe.
An vortrefflichem Eisen kann es den Volkern an der Donau nicht gefehlt
haben, denn das norische und rhatische 3 ) war wegen seiner Giite und Menge
l ) JahrbOcher d. Vor. d. Altert.-Fr. in Rh. u. W. LXXXII (1886) S. 196. — ") Tryphio-
dorus v. 86. — 9 ) Plin. h. n. XXXIV cp. 4t n. Beck Gesch. d. Eisens I pag. 507 u. f.
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beriihmt. An der Donan entlang ging die Haupthandelsstrasse vom Herzen
Deutschlands bis zum schwarzen Meere und nach Byzanz, welches im Krieg and
Frieden, die fortwahrend wechselten, in steter Verbindung mit den Volkern an der
unteren Donau stand. Reichen die Anfange der Erfindung in fruhe Zeiten
zuruck, etwa wie oben vermutet wurde, zu den Jazygen, oder noch weiter, so
musste durch das Yerschieben der Volker naeh Westen und Norden spatestens
wiihrend der Volkerwanderung die Kenntnis dieser Beschlagart sich iiber ganz
Europa verbreiten und sowohl in den hochsten Norden, als auch nach Italien
gelangen, wenn sie in dieses Land nicht schon iiber Byzanz gedrungen war.
Aber schon in der Zwischenzeit mochte sic durch irgend welche jetzt nicht
mehr nachzuweisende Umstande dem einen Volke friihor, dem anderen spater
bekannt geworden sein, man wird aber bestimmt anuehmen mussen, dass eine
gewisse Geschicklichkeit in der Bearbeitung des Eisens vorhergehen musste,
wenn die Einwohner nicht durch schlimme Erfahrungen bei ihren Pferden an
der Brauchbarkeit der Neuerung irre werden sollten. Es ist sehr moglich, dass
Gallier und Gcrmanen viel fruher den Hufbeschlag kennen lernten, als die
Romer, welche sicher zu Vegetius Zeiten noch nichts davon wussten.
Wenn man sich auf ein Basrelief im Museum zu Avignon beruft 1 ), an
welchem ein vollstiindiger Beschlag mit umgenieteten Ntigeln an einem Maultier
deutlich zu sehen ist und dieses Bild ins dritte oder vierte Jahrhundert verweist,
so wird diese Datierung zwar von Villcfossc und anderen bestritten, sie konnte
aber nach dem oben Gesagten ganz wohl moglich sein.
In der Geschichte des Eisens von Dr. L. Beck 2 ) durfte man eine ein-
gehende Ausserung iiber die Hufeisenfrage erwarten. Der Verfasser spricht sich
denn auch, hauptsachlich bewogen durch die Funde, welche er nicht anzweifelt,
dahin aus, dass die Romer den Hufbeschlag bei den nordischen Volkern vor-
fanden, ihn aber selbst nicht annahmen. Mir scheinen die aus den schriftlichen
Nachrichten entnommenen und die allgemeinen, im ersten Teile angefiihrten
Griinde dagegen zu sprechen, dass die Romer so friih den neuen Beschlag
kennen lernten, ich bin vielmehr der Ansicht, dass der Beschlag erst gegen Ende
der Romerzeit in dem grossten Teile von Germanien und Gallien Eingang fand.
Vermutungen, dass der Hufbeschlag von Alemannen, Hunnen, Turken,
Kelten, Galliern oder sonst jemand erfunden sei, linden sich hiiufig, aber raeistens
ohne Versuch dies zu begriinden oder auch nur wahrscheinlich zu machen, da
Beweise einstweilen nicht zu erbringen sind. Wenn indessen Dr. Rueff 8 ) meint,
dass diejenigen Volker, welche, wie die Germanen, Pferdefleisch assen, den
Pferdehuf genauer kennen mussten, als die, welche dies nicht thaten, so kann
man dem entgegenhalten, dass die Volker, welche nicht nur Pferdefleisch assen,
sondern auch Schuppenpanzer aus dem Horn der Hufe machten, wie die Scythen
und Parther 4 ) und wahrscheinlich auch unsere Jazygen und ihre Nachbaren,
doch wohl noch besser den Huf kannten, da sie ihn in die kleinsten Stiicke
zerlegen mussten, w r iihrend die Fleischesser schwerlich grade den Hufen einen
J ) Roach Smith, collectanea antiqua Vol. Ill, 128 u. VI, 21. Revue des soc. sav. 5 Ser.
VI pag. 260, T. 35. — 2 ) L. Beck, Gesch. d. Eisens I, pag. 877 u. f. — 8 ) Rueff, Gesch. d.
Hufbeschlages bei Lungwitz u. a. O. — *) Pausanias, I, 21, 8.
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besonderen Wohlgeschmack abgewonnen haben diirften. Wenn Tomaschek
meint, den Hufschlag hatten Hunnen und Turken erfunden, im Beschlagen seien
bekanntlich die Zigeuner Meister, so konnte dies der Gegend nach auf unsere
Yermutung herauskommen, die Zeit aber diirfte um mindestens 1000 Jahre zu
spilt angesetzt sein.
Um also das Endresultat deutlich auszusprechen, so bin ich der Meinung,
dass der Hufbeschlag ira zweiten Jahrhundert n. Chr. bei irgend einem der in
der Niihe der untereu Donau wohnenden Volker aufkam und sich ziemlicli
sehnell verbreitete, dass Gallier und Germanen ihn sehr bald annahmen und
dass die altesten der gefundenen Eisen aus dieser Zeit herriihren.
Wenn ich einstweilen an dieser Hypotbese festhalte, so wunsche ich, dass
diejenigen Herren, welche die Fundstiicke mit eigenen Augen gesehen, vielleicht
selbst erhoben haben, und eine grossere Belesenheit, als ich besitzen, entweder
fiir oder wider weiteres Material zusammentragen mogen, denn ich bilde mir
nicht einen Augenblick ein, dass diese Frage hiermit zur Ruhe kommen wird.
Ich mochte nun noch die altesten Nachrichten aus der Zeit hinzufugen,
zu welcher der Hufbeschlag vollig bekannt war. Leider lassen uns fur diese
Zeit die Quellen so gut wie ganz im Stich. In den altesten Schriften, welche
die Monumenta Germaniae enthalten, ist fast nichts zu finden, man wird sie
vergebens durchsuchen, vielleicht dass in den Kirchenschriftstellern, in den Acta
Sanctorum u. dergl. noch ungehobene Schatze ruhen, indessen pflegen die Berg-
leute, die dort graben, dergleichen als taubes Gestein beiseite liegen zu lassen.
Erst auf das neunte Jahrhundert bezieht sich eine Nachricht des Pater Daniel 1 ),
der jedoch die Quelle, aus der er geschopft hat, nicht angiebt. Er spricht vom
Hufbeschlag als einer vollig bekannten Sache. Wo er von Ludwig dem Frommen
spricht, heisst es: „ Der Frost nach den Herbsttagen hatte die Fusse der Pferde
so verdorben, dass man sie nicht beschlagen lassen konnte, besonders in einem
Lando, das so sehnell feindlich wurde. tt Es ist wohl glaublich, dass zu jener
Zeit der Beschlag bei einer pliitzlichen Mobilmachung bedeutende Schwierig-
keiten machte.
In Byzanz waren die Hufeisen zur Zeit des Constantinus Porphyrogeneta,
am Endc des achten Jahrhunderts, noch durchaus nicht allgemein im Gebrauch,
wie man aus Reiskes Kommentar 5 ) ersieht. In Brunos Sachsenkrieg 3 ) wird
erziihlt, dass Ritter Godebald 1076, als er sehen wollte, ob seinem Pferde das
Hufeisen richtig sitze, einen Schlag vor die Stirn erhielt und daran starb.
Die 982 gegebenen Leges civitatis Argentinae 4 ) (Strassburg) zahlen genau
auf, wie viele Eisen der Bischof zu seinen Reisen vom Burggrafen erhalten soil,
namlich bei grosseren fiir 24, bei kleineren fiir 12 Pferde. Diese wurden von
den fabris erhoben. Die Pferde wurden also audi hier nur, wenn sie zu Reisen
gebraucht werden sollten, beschlagen und gingen fiir gewohnlich ohne Eisen.
Dass der Beschlag im 11. Jahrhundert in Frankreich vollig bekannt war,
erhellt auch aus einer Stelle des Gottesfriedens 5 ), welcher 1027 in der Franche-
! ) l'ater Daniel, hist, de France I, 566. Ginzrot II, 522. — s ) Reiske, Komment. zu
Const. Porphyr. pag. 267 u. 501. — 3 ) Bruno, Sachsenkrieg cp. 79 zura Jahre 1076. — *) Corp.
iur. Germ. v. Walter III pag. 795. - B ) Cochet, tombeau de Childeric pag. 164.
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Comte beschworen wurde: Je n'enleverai pas la jument non force, ni son pou-
lain indomte.
Im 12. Jahrhundert gab es in Mailand bereits eine offentliche Taxe fur
den Huf beschlag. *)
In einer Stelle des Kinnamos 2 ), eincs Byzantiners, welcher die Thaten
seines Zeitgenossen, des Kaisers Manuel Comnenus im 12. Jahrhundert, be-
sehreibt, wird noch ausdriieklich angefuhrt, dass die Reiterei in Klein-Asien
bei ihren Pferden durch die Abnutzung der Hufe zu leiden hatte, dagegen
sollen nach einem Citat 3 ), welches ieh leider seiner Unbestimmtheit halber nicht
kontrollieren konnte, von dem ich also auch nicht weiss, auf welche Zeit es
sich bezieht, bei einer anderen Reitertruppe, welche von Saracenen nach Sicilien
zu Hilfe gerufen wurde, alle Pferde derart beschlagen gewesen sein, dass die
Pussangein der Feinde ihnen nichts schaden konnten, also mit vollen Eisen,
wie es der Byzantiner Anonymus verlangte. Solche ganz voile Eisen sind jetzt
noch bei den Turken iiblich, der hintere Rand ist zum Schutz der Ballen, wie
man es bei vielen deutschen Eisen hauptsachlich des 12. Jahrhunderts findet,
hinten etwas nach oben aufgebogen. 4 )
Auf das 11. Jahrhundert bezieht sich ferner die Nachricht, dass Bonifazius,
Markgraf von Toskana, bei seiner Hochzeit mit Beatrix seine und seines Ge-
folges Pferde mit Silber beschlagen liess. Spater wiederholt sich derartiges.
In der vita Malthildis vom Jahre 1115 ist ebenfalls von silbernem Beschlage
die Rede und zwar mit unvernieteten Nageln, damit die Eisen, oder vielmehr
das Silber leichter verloren gehen und dem Volke zur Beute werden mochte.
Auch Papst Alexander VI. 8 ) hatte mehrere mit Silber beschlagene Pferde im Stalle.
Im Walthari-Liede 8 ) soil Hildegund auf den Hufschlag der Rosse horchen:
Seu saltern ferrata sonum daret ungula equorum. Das Lied stammt aus dem
10. Jahrhundert.
In der Saga Hakonar 7 ) kommt Othin im Jahre 1203 zu einem Schmied,
um sein achtfussiges Ross Sleipnir beschlagen zu lassen, da nehmen die Eisen
zum Entsotzen des Schmiedes iiber der Arbeit von selbst eine kolossale rosso
an und passen schliesslich dcnnoch.
Im Sachsenspiegel 8 ), welcher um 1230 entstand, findet man mehrfach er-
wahnt, dass die Pferde aus irgend einem Orunde beschlagen werden solltcn,
aber nur an den Vorderfussen. So in dem Abschnitt: Wie, wa, wo ein Obir
den andern orteil vinden muge, wo es heisst : un sal sie vorne beslan. Ahnlich
im Feudalrecht. Auch damals beschlug man, wie noch heute vielfach geschieht,
nicht immer, sondern nur im Kriege, auf Reiseu und bei besonderen Gelegen-
heiten, meistens auch nur vorn.
Ich fuge nun noch einige Worte iiber die Verbreitung des Hufbeschlages
in England hinzu. Ob man aus dem Umstande, dass das Hufeisen heute noch
! ) Raumer, Oesch. d. Hohenstaufen V S. 292, nach Beck, Qesch. d. Eisens pag. 878.
— 8 ) Kinnamos IV, 17. — 8 ) Lungwitz u. a. 0. — *) Ein solches befindet sich im Post-3fusoum
zu Berlin unter No. 28. — 5 ) Du Cange 5. v. ferrea. — 6 ) "Waltharius bei Grimm, lat. Gedichte
des 10. u. 11. Jahrh. v. 1203. — 7 ) Saga Hakonar, Guttorms ok Inga cp. 20. Ersch u. Grubor,
Encykloptidie unter Hufbeschlng. — 8 ) Sachsenspiegel II, 12, 4. Feudalrecht 34, 15.
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horse-shoe heisst, als wenn dem Pferde jetzt noch wie zur Romerzeit Schuhe
angezogen wurden, auf die spate Einfuhrung des Beschlages, etwa erst nach
Verbreitung der jetzigen Sprache, schliessen darf, muss ich Fachmannern liber-
lassen. Wilhelm der Eroberer soil bei seiner Ankunft auf der Insel den Huf-
beschlag schon vorgefunden, nach anderen erst eingefiihrt haben. Er schenkte
einem gewissen Simon de Liz 1 ) die Stadt Nordhampton und die auf vierzig
Pfund geschiitzte Jagd von Fakley unter der Bedingung, ihm alle Hufeisen,
deren er bediirfe, zu lieferm Ein gewisser Gamelhere erhielt von ihm Lande-
reien in der Grafschaft Nothingham gegen die Verpflichtung, des Konigs Reit-
pferde auf alien vier Fiissen zu beschlagen, so oft er auf sein Landgut nach
Mansfield reiste. Henri Ferrers, welcher mit Wilhelm nach England kam,
wird ein ahnliches Amt, etwa das eines praefectus fabrorum, der auf dem Kon-
tinent Marescalc hiess, gehabt haben, denn er fiihrte sechs schwarze Rosseisen
im silbernen Felde seines Wappens; aus einem ahnlichen Grunde mag das
franzosische Haus Ferri&res seine acht im Kreise verteilten goldenen Eisen
fuhren. Bei beiden Familiennamen durfte das im ganzen Mittelalter fiir Huf-
eisen libliche Wort ferrum nicht zu verkennen sein.
Der Marescalcus war dem ganzen Stalle eines hohen Herren vorgesetzt.
Er musste das Futter und Geschirr beschaffen, den Beschlag und die Kuren
besorgen. In den Gesetzen Jacobus IP), Konigs von Maiorca, vom Jahre 1337
heisst es: Er soil mit Nageln und Eisen bei der Hand sein, besonders in
Kriegszeiten.
Welchen Wert man im Mittelalter auf den Hufbeschlag legte, kann man
aus dem Sprichwort ersehen, welches sich aus jener Zeit erhalten hat 8 ): Ein
Nagel erlmlt das ganze Land, denn er erhalt das Eisen, dieses das Ross, das
Ross aber den Ritter, der Ritter die Burg und die Burg das ganze Land. Einen
Ausftuss dieser Wertschatzung finde ich audi darin, dass das Hufeisen auf
mancherlei Art in die Legende und Sage iibergegangen ist. Bei der Erzahlung
von Petrus und dem Hufeisen bei Goethe 4 ) kann es sich nach dem vorhin
Gesagten hochstens um die Eisenplatte einer solea, vermutlich fur Esel oder
Maultiere handeln, welche im gelobten Lande vorherrschten. Vom heiligen
Eligius 5 ) habe ich schon gesprochen, es ist selbstverstandlich, dass die kanonische
Heiligengeschichte nichts von seinem Huf beschlage weiss. Der heilige Bernhardt
war so gefallig, dass er sogar von seinem eigenen Pferde die Eisen abnahm,
um den Fremden damit auszuhelfen. Der heilige Georg soil beim Kampf mit
dem Drachen von seinem Pferde ein Eisen verloren haben, welches heute noch
in der Nicolai-Kirche zu Leipzig angenagelt ist. Dieser Heros vertritt durchaus
den Siegfried, den Lindwurmtoter; die Sage spielt deshalb auch in der alten
slavischen Lindenstadt Lipzko, Leipzig. Das Eisen flog in die Linde und ging
auf die Kirche fiber, welche spater auf jener Stelle errichtet wurde. 7 ) Die
Sage wiederholt sich in anderer Form auch an anderen Orten. In Heilsberg
*) Archeologie published by the soc. of antqu. London 1786, Vol. III. op. 10. Ersch u. Gruber
unter Pferd. Ginzrot II, 525. — *) Acta Sanctorum, Junii III pag. 23 F. -— 8 ) Ersch u. Gruber
unter Pferd, pag. 370. — 4 ) Goethe II pag. 124. Cottasche Ausg. 1840. — 8 ) Jahna, Ross und
Reiter I, pag. 368. — 6 ) Acta Sanctorum II April. 244 P. — 7 ) Jfthns a. a. O. I pag. 312 u. 367.
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wird ein Eisen vom Pferde des Bonifazius, in Wexioe in Schweden vom Pferde
Othins in der Kirche aufbewahrt. Von Wieland dem Schraied besteht in Berk-
shire in England eine sonst nicht bekannte Sage. 1 ) Dort wohnte bei einem
alten Steindenkmal ein unsichtbarer Schmied Weyland; hatte ein Reisender von
seinem Pferd ein Eisen verloren, so brachte er das Pferd dorthin, legte ein
Geldstuck auf den Stein und konnte ersteres, nachdem er sich auf kurze Zeit
entfernt hatte, gut beschlagen wieder mitnehmen.
Hierher gehoren auch unzahlige Sagen von Hufeisenspuren in Felsen, die
schliesslich alle mythische Beziehungen und Anknupfungen an Wotan aufweisen. 2 )
Der wilde Jager liess sogar den in Wolkenrosse verwandelten Hexen und bosen
Weibern Eisen aufschlagen, ob aber der Teufel auf seinem Pferdefuss auch ein
Eisen tragt und wann er zum Nagelbeschlage iibergegangen, dies zu ermitteln
will ich in bescheidener Selbstbeschrankung mir versagen, da der Beigaben schon
iibrig genug sein diirften.
*) Grimm, zur deutschon Heldensage, pag. 323. — *) Jahns, Ross u. Reiter I, 364 u.
412. Das Buch ist eine reiche Fundgrube filr alles, was sieh auf Pferdo bezieht.
Erklarung der Abbildungen.
Fig. 1. Japanischer Pferdeschuh, Ginzrot II, 514.
„ 2. Englischer Notschuh mit Scharnier-Eisen, nach Lungwitz.
„ 3. Hufschuh von Eisen aus der Saalburg. Nass. Annal. XIX.
„ 4. Hufschuh aus Zazenhausen, nach Leiseriog und Hartmann, der Fuss des Pferdes.
n 5. do. aus Scrupt, nach Cochet, tombeau de Childeric.
„ 6. do. aus Remennecourt, nach Cochet, Seine inferieure.
„ 7. do. aus Vieil-Evreux nach Cochet, ebendaselbst.
„ 8 u. 9. do. yom Dimeser Ort bei Mainz, nach Beck, Gesch. d. Eisen 8.
„ 10. do. aus Zazenhausen, nach Leisering und Hartmann.
„ 11. Modernes Verbandeisen bei Muskelzerreissungen am Unterschenkel des Hinterfusses.
Dazu gehort eine eiserne Schiene, welche in dem Loch der Spitzo befcstigt wird und
sich an den Hinterschenkel anlegt, nach Direktor Michaelis.
„ 12. Eisen von Bellelay, nach Quiquerez 2000 Jahre alt, nach Beck.
„ 13. Eisen in Horn gefunden, nach Zeichnung vom Besitzer Dr. Mertens in Kirchborchen
bei Paderborn.
„ 14. Eisen von Ochtendung, nach Schaaffhausen, Jahrb. d. V. fur Rheinl. u. West. 1887.
„ 15. Eisen von der Saalburg, Elteste und hSufigste Form, nach Beck.
„ 16. 17. 18. do. wahrscheinlich jiingere Formen, nach Beck.
„ 19. Legion88tempel, Jahrb. wie bei 14.
n 20. Triquetra von lycischen MQnzen.
„ 21. Eisen Childerichs, nach Cochet, tomb, de Ch.
„ 22. 23. Broddar aus der Wikinger-Zeit, nach Prof. Rygh.
„ 24. Brodd vom Wikinger-Schiff bei Gokelar in Norwegen, nach Prof. Bendz.
„ 25. Tangsko filr Ochsen von Ostgotland, nach Bendz.
n 26. Halbeisen bei Hamm gefunden, Jahrb. wie bei 14.
„ 27. Eiseu zum Unterbinden, nach Cochet, tomb, de Ch.
„ 28 a, b,c. Agyptische Hufschuhe.
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Zusatze und Berichtigungen
zu den
archivalisehen Mitteilungen XX 57 ff; No. 4 (Seelbuch des Geschlechts
voa Langenau und Abte von Arnstein) und No. 6 (zur Geschichte
des Stifts Bleidenstatt).
Von
Archivrat Dr* W* Sauer*
in Wiesbaden.
I.
Das Seelbuch des Geschlechts von Langenau habe ich nach der
im Staatsarchive befindlichen Handschrift in den Annalen 1887 S. 57 ff. ver-
uffeutlicht. Herr Bischof Dr. Klein zu Limburg hatte daraufhin die dankens-
werte Giite, mir aus dem Archive des bisch5flichen Ordinariats daselbst eine dem
1G. Jahrhundert angehorige, und wie sich gleich zeigen wird, vor 1587 von
ein und derselben Hand geschriebenen Kopie des Seelbuchs mitzuteilen. •
Die Limburger Abschrift enthalt zunachst die Nummern 1 bis einschliess-
lich 87 des von mir a. a. O. veroffentlichten Originals. No. 88 fehlt, dann folgen
die nachstehend unter 89*- 1 abgedruckten Erganzungen. Diese Erganzungen
sind von Interesse und Erheblichkeit, sie vervollstandigen die Mitteilungen,
welche das a. a. O. mitgeteilte Seelbuch uber die altere Linie des Geschlechts
hat, und geben sodann ziemlich vollstandig die Deszendenz der jungeren Linie
von Wyrich von Langenau und Kunigunde von Eynenburg-Landscron ab. An
der Zuverlassigkeit der Angaben ist nicht zu zweifeln. Als Verfasser haben
wir einen Beamten des 1587 gestorbenen Heinrich von Langenau anzusehen,
vielleicht auch dessen Hausgeistlichen; er nennt Heinrich „seinen Junker".
Die nachfolgende Stammtafel ist nach den Angaben dieser Erganzungen
aufgestellt und ist bei den einzelnen Namen durch die hinzugesetzten Zahlen
sowohl auf die vorjahrige wie auch auf die diesmalige Publikation hingewiesen,
in Klammern () sind des Verstandnisses wegen einige Erganzungen aus der
Stammtafel bei Humbracht heriibergenommen worden. Hinsichtlich der jungeren
Generationen stimmt Humbrachts Stammtafel mit der folgenden, nicht aber be-
24*
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364
ziiglich der alteren, wie sich auch die folgende Tafel in die Humbraehts nicht
einfiigen lasst. Dasselbe ist schon bei der angefiihrten, im vorigen Jahre von
mir aufgestellten Stammtafel bemerkt worden; hier wie dort konnen zuverlassige
Feststellungen erst durch eingehendere urkundliche Forsclmngen gewonnen werden.
89 a. Item vor Jochim von Langenauwe, Daniels von Langenauwe
seligen son
— b. Item vor Mergen von Langenauwe, Daniels von Langenauwe
selige dochter, die gehabt hat ein von Heppenberg.
— c. Item vor Daniels von Langenauwe hausfrauw, die war eine von
Daun, hiess Anna, der Got gnade.
— d. Item vorLeysen von Karben, Arnolts von Langenauw hausfrauw.
— e. Item vor Hilger von Langenauwe, der war Hilgers seligen son,
dem Got genade.
— f. Item vor Mergen von Langenauw, do des Hilgers eheliche haus-
frauw, der Got gnade, die war eine von Masbaeh.
— g. Item vor Kynges iungfraw von Langenauwe, die war Hilgers seligen
dochter, der Got gnade.
— h. Item vor Hansen von Langenauwe, der war Hilgers von Lange-
nauwe seligen son, dem Got genade.
— i. Item Weyerich von Langenauwe, ist gewesen hern Johanns seligen
son, hat gehabt eyn frauwe, hat geheysen Kuengcn von Ennen-
berg und Landtscron.
— k. Item Hilger von Langenauwe, ist gewesen Weyerichs seligen son,
der hat gehabt zwo frauwen.
Item die erst ist gewesen eine von Neuer, hat geheysen Ness, von
derselben frauwen hat er gehabt Weyrich von Langenauw, Daniels
und Joachims anhern.
Item die andere ist gewesen eine von Nassau, hat geheysen Enchen,
mit der hat er gehabt Hilgern von Langenauw, der ein vatter
war Heynrichs von Langenauwe, meynes Junckern.
— 1. Item Hilger von Langenauwe, meynes Junckern vatter, hat gehabt
3 frauwen.
Item die erste war eine von Karben, Enchen hies sie, hat er
kein kinder mit
Item die ander war eine von Uthingen, Eve hies sie.
Item die dritt war eine von Mosbach, mit der hat er gehabt
meinen Junckern Heynrich von Langenauwe.
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366
H.
Gerhard Bncher yon Laurenburg,, nicht Gerhard Bnrset,
Abt too Arnstein.
Bei dem Abdrucke des Seelbuchs des Geechlechts von Langenau habe
ich den daselbst unter No. 61 aufgefuhrten Abt Bucher von Arnstein als
bisher nicht bekannt bezeichnct und a. a. 0. S. 62 diese Meinung erlautert.
Diese Ansicht soil hier berichtigt werden, ebenso die nicht richtige Auffuhrung
des Namens des Abtes in dem, der Ausgabe des Nekrologs des Klosters Arnstein
beigefugten Verzeichnisse 1 ) der Abte Annal. XVI, 255 ff. Der an letzterer
Stelle S. 264, 265 unter No. 21 aufgefuhrte Abt Gerhard Burchet ist mit dem
im Seelbuche genannten Abte Bucher identisch. Der Abt Gerhard Burchet, wie
der Name in dem eben angefuhrten Verzeichnisse lautet, wird in* den altcren
Abfskatalogen Burset oder Burschet genannt. Diese ungenaue Namensform
ist wohl einem Lesefehler Capp's, der das al teste erhaltene Verzeichnis der
Abte verfasste, zuzuschreiben. Capp las in der beziiglichen Stelle des Nekrologs
den Namen des Abtes unrichtig Burssett, was Spatere nachschrieben. Zu einer
Untersuchung dieser Stelle des Nekrologs, durch welche, in Vcrbindung mit
der angezogenen Stelle des Langenauer Seelbuchs der Name Gerhard Bucher
von Laurenburg sich als der richtige Name des Abtes ergab, fuhrte einc
neu aufgefundene Urkunde des Klosters Arnstein vom 28. Marz 1368, in welcher
die Au8steller, die Ritter Rorich Muckel und Gysc Bucher, Briider, und ihre
namentlich genannten weiteren Genossen den Abt Gerhard von Arnstein ihrcn
Neffen nennen.
Hier mag dann vermutungsweise hinzugefugt werden, dass den Wappen
nach zu urteilen, die Geschlechter von Langenau, Cramberg, Laurenburg und
Bucher von Laurenburg Zweige ein und desselben Stammes sind, der wohl
ursprunglich zu den Burgmannern auf der Laurenburg gehorte. Aus dem Langen-
auer Seelbuch erfahren wir, was die von Langenau betrifft, wenigstens, dass
dem Verfasser desselben die Erbauung der Burg Langenau und die hiermit in
Zusammenhang stehende Griindung seines Zweigcs des Gesamtgeschlechtes recht
wohl bekannt war, und zwar wahrscheinlich durch Familientradition.
III.
Znr Geschichte des Stiftes Bleidenstatt.
(Zu Annal. XX, 83 ff.)
Das von mir a. a. O. S. 83 dem Geschlechtc von Hattstein zugeschriebene
"Wappen ist hochst wahrscheinlich das des urkundlich 1573 genannten Stifts-
herrn Euno von Reifenbcrg.
! ) Zu diesem Verzeichnisse derAbto, Nr. 30, S. 266, 267, sowio dem Abdrucke der Ein-
tragung im Nekrolog zu Januar 20 und der dort hinzugefQgten Anmerkung, daselbst S. 51, ist
weiter zu berichtigen, dass der Todestag des Abtes Folbert von der Hees nicht auf den 20. Januar
1479, sondern — nach der Trierer Rechnung — auf diesen Tag des Jahres 1480 zu setzen
ist. Die Wahl des folgenden Abtes fand 1480 statt.
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367
Die Seitc 85 beschriebene Salva-Guardia-Tafel gehort nicht in die Zeit
des dreissigjahrigen Krieges, sondern ip. die Zeit des siebenjahrigen Krieges;
die durch dieselbe veranlassten Benierkungen iiber das AVappen sind denmach
als irrig zu streichen. Die fruheren Mitteilungen mogen dann durch ein bisher
nicht bekanntes Verzeichnis der vom Kloster im Jahre 1336 verpachteten Giiter
und Zehnten des Klosters Erganzung finden.
Item nota, quod anno domini M° CCC XXXVI concessimus dc-
cimam nostram in Kemmede') vicedomino et colonis nostris ibidem
pro LXXII maldris siliginis et octo maldris tritici. Item concessimus
curiam nostram superiorem Arnuldo pro XXXVI maldris siliginis et
1111°' maldris tritici. Item concessimus curiam nostram inferiorem Ruloni
pro XXXVIII. maldris siliginis et VI. maldris tritici et ambe curie
dabunt XIII. maldra avene. Summa in tritico et annona huius ville
extendit se ad CLXIIII maldra.
Item concessimus decimam nostram in Wal 1 a 2 ) Gerlebo et Henrico pro
duceutis maldris siliginis cum septuaginta V. maldris siliginis et pro quarta
parte straminis, pro quibus fidem dictus Drussesse, Folkeuandus et Nyco-
laus dictus Mangult. Item concessimus curiam nostram Henrico colono
uostro ibidem pro LXVIII maldris siliginis et XVI saccis avene. Item
concessimus Gerlebo curiam nostram pro XL VIII maldris siliginis et
XVI saccis avene. Item concessimus decimam avene ibidem pro octoginta
saccis avene et duobus maldris pisarum. Summa in annona huius ville ex-
tendit se ad CCC L XXXXI. maldra in avena, extendit se summa ad
centum cum XII. saccis.
Item concessimus decimam nostram in Werstorf 8 ) domino camme-
rario et Kichwino pro quadraginta sex maldris siliginis et XII1I maldris
tritici Limpurgensis mensure et XV. maldris avene Edechensteinensis men-
sure et I. maldro pisorum, pro quibus fidem frater noster Markulfus,
Henricu8 de Szusinbach, Fridericus Ockelere et iunior Ulinus. Item
concessimus Kichwino curiam nostram pro VIII maldris siliginis et uno
maldro tritici et nostra porcione avene.
Item concessimus decimam nostram in Holzhusen 4 ) dicto Mollis-
bergerc pro XXIIII or maldris siliginis et VI. maldris tritici et pro octo
maldris avene et II. maldris pisorum. Item concessimus nostram curiam
ibidem pro decern maldris siliginis et IHI or maldris avene.
Item concessimus decimam nostram inEdechensteyn 6 ) camerario
et Friderico Ockelere ac in Wolfisbach 6 ) pro XXIIII or maldris sili-
ginis et IIII or maldris tritici et decern maldris avene et 1° maldro pisorum.
Item concessimus decimam nostram in Wene 7 ) Hermanno et Hille
pro quadraginta HII or maldris siliginis et XVI. maldris avene.
Itein concessimus decimam nostram in Dorstdorf 8 ) dicto Rodcn
et filio suo pro quadraginta et quatuor maldris siliginis etXII. maldris avene
domino Johanni militi de Kazzenilbagen, pro quo fidem dictus Korzhals. 9 )
*) Kempten. — *) Wallau. — 8 ) Worsdorf. — 4 ) Holzhausen fiber Aar. — 6 j Idstein.
— e ) Wolfsbaoh bei Id stein. — 7 ) Wehen. — 8 ) Ddrsdorf. — 9 j Arischeinend unvolUtfindige
Aufzeichnung.
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Item concessimii8 decimam nostram in Heverode 1 ) et in Irs-
husen 2 ) dicto Gerumen pro XXIIII OT maldris siliginis et VI. maldris
avene.
Item concessimus decimam nostram in Aldendorf 3 ) et in Ebbirs-
husen 4 ) eidem pro XXVIII maldris siliginis et octo maldris avene.
Item concessimus curiam nostram in Kugilbach 6 ) dicto Gerum-
men pro XII. maldris siliginis et VIII. maldris avene.
Item concessimus decimam nostram in Blidenstad Wigando molen-
dinario pro quinquaginta maldris siliginis et decimam Ottonis in Hayn")
pro decern maldris siliginis. Item concessimus decimam avene ibidem
opilioni nostro pro XX. maldris avene.
Item concessimus curiam nostram in Kamberg pro IIII of maldris
siliginis et tribus maldris tritici et pro quinque solidis Coloniensibus.
Item concessimus curiam nostram in Husenberg pro XXVIII.
maldris siliginis.
f ) Herold, vergl. Vogel 8. 627. — *) Die bei Vogcl 8. 626, 627 genanntcn zwei aus-
gegangenon Orte Etschusin und Ergeshausen si rid doch wohl cin und dersclbe Ort. — 3 ) Allcn-
dorf. — 4 ) Ebertehausen, Vogel 8. 626. — ft ) KJingclbach. — *) Hahn.
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Hohlen.
Von
A* v* Cohausen und Geh. Rat Prof. Dr. Schaaffhauseru
Dazu Tafcl XVI u. XVII.
Wir haben in den Annalen schon verschiedene in unserm Bereich gelegone
Hohlen besprochen: Das Wildweiberloch bei Wasenbach XVII, 17. Das Wild-
frauenhaus bei Langenaubach XVII, 23, 114. Die grosse und kleinc Stein-
kammer bei Erdbaeh XVII, 23. XIX, 174. Die Hohle am Daubhaus,
Kreis Biedenkopf XIX, 173. Die Hohle auf dem Staufen XVII, 114 und die
Hohlen von Steeten XIII, 379. XV, 305. XVII, 73 und 80. Wir haben hier
noch eine Hohle bei Schupbach zu erwahnen und auf die bei Steeten zuruek-
zukommen.
Die Hohle bei Schupbach licgt 500m sfidostlich von diescm Dorf im
Wiesenthal der Kerkcrbach. Es tritt hier als Uuterlage einer der vielen Hugel-
vorspriinge, die den vielgewundenen Lauf des Baches bestimmen, cine Klippe,
Kalkkopfchen gcnannt, von Stringocephalenkalk auf, desselben Qesteins, welches
den schwarzen Schupbacher Marmor umschliesst.
Durch den Herrn Bergwerksbesitzer Stippler auf die dortige Hohle auf-
merksam gemacht, habe ich dieselbe im April 1887 untersucht. Ich fand
einen im Streichen des Gebirgs von Nordcn nach Suden sich hinziehcnden, wag-
rechten Hohlengang, der im Anfang 1,70 wcit und lm hoch sich nach 3,80 m
auf einen 50 — 60 cm schmalen Gang mit ziemlich parallelen Wanden vcrengt,
aber stcllcnweise 1, 2 ja 6 m Hohe hat. Er miindet plotzlich mit eincr 10 — 15 cm
wciten Rohre wieder ins Freie, von woher man den Schall horen kann. Nirgends
war eine Spur menschlicher Arbeit oder menschlicher Uberreste zu finden. Die
wenige Erde, die den Boden bedeckte, enthielt nur neuere, von Raubzeug cin-
geschleppte Knochen. Wir erwahnen der Hohle nur, urn etwa crneuerten nutz-
losen Untersuchungen zuvorzukommen.
Die Steetener Hohlen dagegen haben wieder von ncuem StofF zu
Untersuchungen gegeben.
Auf den Wildpiitz haben wir zuerst Annal. XV, 324 aufmerksam gemacht,
ihn als Gletschertopf bezeichnet und XVII, 77 naher beschrieben und abgebildet.
Wir haben ihn dann von 3,33 m unter dem Mundloch bis —6m vertieft und
auf — 4,60 einen seitlichen Ausgang yon 55 cm Hoho und 1,60 m Lange ge-
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funden, durch welchen wir die Erde hmausgeschafft haben, und durch welchen,
wie wir vermuten, das von oben herabstiirzendc und wirbelnde Wasser seincn
Ausgaug gefunden haben wird. Denn wir halten es fur unmoglich, dass das
in einen 5 m hoch mit Wasser gefiillten, 1,10 m wciten Cylinder stiirzendc
Wasser, wie es bei den Gletschcrtopfen der Schweiz beschrieben wird, auf dem
Boden noch die Kraft haben sollte, Steinen eine drehende Bewegung zu geben,
und doch zu der Miindung oben wieder hinauszustromen.
Als wir im Jahre 1887 die Arbeit wieder aufnahmen, stiesscn die Arbeiter
zu ihrem Schrecken auf eine kaum mit 30 cm Boden bedeckte Leiche eines neu-
geborencn Kindes, das in eine Sehurze eingewickelt nicht wohl uber cin Jahr
hier eingescharrt worden war. Erst auf — 7,30 m erreichten wir den Felsgrund,
ohnc andere Fundc gemacht zu haben ; auch grossere Steine, durch wclche etwa
der Gletschertopf ausgemahlen sein moclite, fanden sich nicht. Gerichtliche Unter-
suchungen betreffs der kleinen Leiche fuhrten zu keinem Ergebnis, sondern bestiitig-
tcn nur den unheimlichen Ruf, welchen die finstere Schlucht im Volksmund hat.
Dazu trug auch cin anderer Fund bei: In einer kaum 6 m vora Wildpiitz
am Fuss der Felswand sichtbaren Offnung vermuteten wir den Eingang zu
einer bisher unbekannten Hohle, und fanden in der That, als wir einen 1,80 m
jangen Schlupfgang ausgeraumt, cine gleichfalls mit Erde gefullte runde Hohle
von 1 ,88 m Weitc und Hohe, von der drei ungangbare Rohren nach verschiedenen
Richtungen in das Gcstein fuhrten. Ihrc Enge, sowie die naturlichc Rauhcit der
Wande der Hohle und ihres Zuganges zeugten, dass hier keine menschliche
Arbeit gewaltet, wohl aber Menschen sic beuutzt hatten. Wir fandeu, wie zur
Bestatigung des unheimlichen Charakters des Ortes mehrere diinnc kindliche
Schadeldecken und ein fotales Kcilbein, dazu noch mehrere menschliche und
tierische Gebeine, die wir einer prahistorischen Zeit zuschreiben. Namlich einen
halben (linken) Unterkiefer, in welchem sich der Weisheitszahn einer argen Vcr-
irrung schuldig gemacht hat, indem er 2 cm uber dem ihm gebiihrenden Platz
nach innen aus dem Kinnbacken hervorzubrechen begonnen hat; ferner noch
einen ganzen Unterkiefer, den Oberschenkel des Pferdes und eine Anzahl ge-
spaltener Jfuochen, sowie einige dicke Thonscherben mit Henkelwarzen im pra-
historischen Charakter. Eine dabei gefundene eiserne Messerklinge muss wohl
spater dahin gelangt sein.
Uber jenen Unterkiefer sagt der Geh. Rat Dr. Schaaffhauscn: es ist
ctwas mehr als die linke Halfte von ihm vorhanden. Die Zahne sind zu einem
Drittteil abgeschliffen. Der Korper ist niedrig, ein Kinn ist vorhanden, ebenso
eine Spina mentalis interna. Sehr tief ist an der Iunenseite der Sulcus niylo-
hyoideus, der durch einen Knochenvorsprung gleichsam in zwei Gruben geteilt
ist. An der Innenseite des aufsteigenden Astes erscheint 5 mm unter dem bogen-
ffirmigen Ausschnitt zwischen dem Kronen- und Gelenkfortsatz der letzte Back-
zahn iiber dem Foramen maxillare internum. Seine Krone hat den Knochen
durchbrochen. Das ist gewiss cin sehr auffallendes Beispiel einer Retention
eines Zahnes. Derselbe ist hier der Schwerc entgegen hinaufgewandert. Es ist
kaum anders denkbar, als dass der Muskeldruck beim Kauen den konisch ge-
formten Zahn, dessen normaler Durchbruch gehindert war, hinaufgetrieben habe.
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Ausserdem wiirde das Keilbein eines neugeborenen Kindes gefunden, ohne
die grossen Flugel. Der Korper des Keilbeins ist mit den kleinen Fliigeln nocli
nicht vollstandig verwachsen; das Kind konnte also vor der Geburt schon
gestorben sein.
Der Hasenbackofen heisst eiue Felskuppe, welche 200 m wcstlich der
Leerschlucht hinabblickt auf Steeten imd das schoue Lahnthal, dessen Ufer-
bcrgc gekront sind durch Burg Dchren, die Kirchc von Dietkirchen, den Doiu
von Limburg und in der Feme durch das Schloss Schamnburg. Wir gedenken an
dieser Stelle mit Frcude des Besuches aus Limburg, des Herrn Landgerichts-
prasidenten Koppen mit Gemahlin, des ersten Staatsanwaltes Hcinzmann und Gc-
mahlin, des Frauleins Klara Clos, der llerren Landgericlitsdirektor Dcuhard,
Justizrat Ililf und Sohn, Staatsanwalt von Bleul, Amtsrichter Malmros, des
Ingenieurs der Kerkcrthalbahn Brants und des Kalk- und Sandstcinfabrikanten
Hubaleck von Neuwied.
Der Name Hasenbackofen und eine klcinc dreieckige Offnung liess audi
hier auf eine verschiittetc Hohle hoffen ; sie zeigte sich bald als ein knieformiger
Gang, der nach einer Erstreckung von 7,70 m auf der anderen Seite des Fels-
kopfes wiedcr ins Freie mundetc. Die Hohle war vom Felsgrund gemessen
1,50 bis 2 m hoch, anfangs 3 m, spiiter durchschnittlich 1,50 bis 1,70 m breit.
Nachdem wir eine 90 bis 100 cm starke Schichte von dunklem und
steinigem Humus und Ackererde wcggeraumt, stiessen wir auf den auch aus den
anderen Stcetener Hohleu bekannten gelben Loss, der bis auf den 1,35 m tiefen
Felsgrund reichte. Auf dem Loss lagen drei vollstandige Leichen hingestreckt v
iiber welche Geh. Rat Schaaffhausen ein Gutachten beigefiigt hat. Die Leichen
hatten keine Beigabe, und wie die Grenze zwischen dem aufgcflossten Acker-
boden und dem Loss nicht ganz scharf war, so kann auch nicht gesagt werden,
ob die Leichen in dem Loss eingcbettet lagen und ihm angehorten, oder nicht.
In der Lossschichte und zwar mit Steinen untermischt, fanden sich ein
Wolfschadel mit den Kinnbackcn, fcrner gespaltenc Knochcn, ein Jjyditspahn
und vom Mammut Bruchstiickc eines Stosszahnes und einer gespaltenen Rippe.
Untersuchung der Menschenreste aus dem Hasenbackofen bci Steeten,
welche mir von Herrn Oberst v. Cohausen am 10. Mai 1887 zugcsandt
worden sind.
1. Die drei Schadel. Von dicsen hat der Schadel A ein kurzes Gesicht,
kleine viereckige Augenhohlen, die massig vorgewi)lbten Arcus superciliares
vereinigen sich in der Glabella. Der Schadel ist ctwas prognath. In geringem
Masse ist ein Stirnkiel vorhanden. Die Stirnbeinhocker treten vor, in der Mitte
der Stirn ist cine 8 mm grossc Vertiefung vorhanden, die, wie es scheint, von
einem Schlag im Leben herriihrt. Die Nascnbeine sind mit den Oberkiefer-
fortsatzen verwachsen. Der Schadel ist leptorrhin. Der obcre Teil der Hintcr-
hauptsschuppe ist kugclig vorgewolbt. Diese Bildung sowie der flache Scheitel
und die vortretenden Tubera pariatalia, die gradaufsteigende Stirn, die kleinen
Zitzenfortsatze, die schwache Hinterhauptsleiste, die nach vom zugcspitzte Form
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des Gaumens, die schwache Linea temporalis, die iibrigens bis an die Tubera
hinaufreicht, sprechen fur das weibliche Geschlecht des Schadels. Der Orbital-
fortsatz des Stirnbeinfortsatzes ist wie an rohen Schadeln vor der Wangcn-
beinnaht verdickt. Es zeigt sich um den ganzen Schadel hiuter der Coronalis
cine leichte Einsenkung, auch die vordere untere Ecke des Scheitelbeins ist ein-
gedriickt. Die Zitzenfortsatze stehen ebenso tief ein wie die inneren Rander der
Gclenkfortsatze des Hinterhauptbeins, der Gaumen ist flach, der obere Rand
der Schlafenschuppen ist kreisformig gebogen, wahrend er bei rohen Schadeln
meist grade verlauft.
Die Achsen der Gelenkgruben fur den Unterkiefer weisen auf die Mittc
des Foramen magnum, bei den Schadeln B und C auf den vordern Rand desselben.
Es ist eine alveolare Prognathic vorhanden. Die Alveolen sind klein, die Zahne
waren bis auf 4 resorbierte Alveolen vorhanden und waren klein. Zwischcn
den Schneidezahnen befinden sich Zwischenraume. Vier Alveolen sind infolgc
von Caries nach aussen durchbrochen. Die Alveole des vorletzten Backzahns
links ist geschlossen, der letzte Backzahn hatte 2 Wurzeln. Die Sagittalis ist
cinfach und zum grosstcn Teil geschlossen, die Lambdoidea geschlangelt ohne
Nebenzacken, die Coronalis ist festgeschlossen, ebenso die Nahte des Pterion.
Die Vorderwand des Centrum Highmori ist atrophisch verdiinnt und durchlochert.
Stellt man den Schadel auf die Frankfurter Horizontale, so ist er nach vorn
gencigt und die Ebene des Foramen magnum steht horizontal. Die natiirlichc
Horizontale des Schadels entspricht der Broca'schcn Alveolo-Condylen-Linie.
Die Masse sind die folgenden: L. 1 ) 179, B. 150. W 136, H n 137, K S. 97,
W. 108, W* 93 ; 0. 64, FN. 98. G(j. 85 mm. Die Kapazitat des Schadels ist
1390 ccm, sein Gewicht 875 gr.
Der Schadel B zeigt eine engere und mehr liegende Stirne, die Arcus
supcrciliares sind besonders in der Glabella vorspringend. Die Crista nasofacialis
ist besser gebildet als beim vorigen Schadel. Hinter der Kranznaht bilden beidc
Scheitelbcinc eine vertiefte Umschniirung. Das Hinterhaupt ist vorgewolbt, die
Linea semicircularis sup. bildct eine nicht sehr hervorragende Querleiste.
Die Alveolen sind grosser, die Zahne waren alle vorhanden, fehlen abcr.
Die Sagittalis ist ganz geschlossen, die Coronalis zum grossten Teil, auch die
linke Lambdoidea. Die Horizontale ist nahe dieselbe wie bei A. Auf der
Frankfurter Linie steht das Hinterhauptloch horizontal. Die natiirlichc Horizoutale
schneidet das untere Drittel der Nasenoffnung. Der obere Rand des Joch-
bogens steigt dann etwas aufwarts. Die Masse dieses mannlichen Schadels sind:
L. 189, B. 140, H d 128, 7^ n 128, K 8. 94, W. 112, W* 92, 0. 72, FN. 99,
Gg. 95 mm. Die Kapazitat des Schadels ist 1375 ccm, sein Gewicht 670 gr.
l ) L. ist die grosste Lftnge des Schadels zwischcn Glabella und Hinterhaupt, B. die
grosstc Breite, H. die Hohe auf der deutschen und auf der natiirlichen Horizontale gemessen,
K S. die kleinste Stirnbreite, zwischen dem vordersten Punkt der Schl&fenlinien gemessen, W.
Wangenbreite, von der Mitte der Wangenbeine, W A zwischen den Wangenbein-Oberkiefernfthten
gemessen, 0. Oesichtslange von der Nasenwurzel bis zura Alveolarrand, F N. vom Foramen
magnum zur Nasenwurzel, L&nge der SchSdelbasis, G g. Abstand der Mitten der Gelenkgruben
fflr den Unterkiefer,
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373
Der Schadel C ist wie der vorige nicht nur heller von Farbe als der
Schadel A y sondern auch die Oberflache des Knochens ist glatter, weniger durch
feine Abschurfungen uneben und ohne einen AnfaDg der Dendritenbildung, die
jener zeigt. Dieselbcn schcinen aus diescm Grunde von einer jiingeren Bestattung
herzurfthren. Dieser mannliche Schadel C ist der am meisten prognathe, er
gleicht einem Alemannenschiidel, den ieh besitze, und ist etvvas skaphoid. Er
ist durch tiefe Wangengruben von den beiden andern verschieden und zeigt
eine schwache Querleiste am Hinterhaupt. Die Crista nasofacialis ist etwas herab-
gezogen, die Arcus superciliares sind miissig gross. Die Nasenbeine liegen bei
alien drei Schadeln nicht flach, sondern sind massig gehoben.
Die Nasenoffnung ist 45 mm hoch, 24 breit, ihr Index also 53.3. Die
Alveolen der letzten 2 Molaren sind resorbiert, die iibrigen vorhandenen Zahne
sind abgeschliffen. Die Sutura sagittalis beginnt sich zu schliessen, die Nahtc
des Pterion sind geschlossen. Die Schadelnahte an B. und C. sind besser ent-
wickelt als an A. Der Schadel hat dieselbe Horizontale wie die andern. Das
Hinterhaupt ist ahnlich wie bei A. gebildet. Er hat folgende Masse: L. 184,
B. 140, H* 142, H* 140, K S. 98, W. 108, W d 87, 0. 63, FN. 98, Gg. 95 mm.
Die Kapazitat ist 1470 ccm, das Gewicht 775 gr.
2. Die iibrigen Skelctteile vom Hasenbackofen. Ein linkes Femur, 405 mm
lang, deutet auf eine Korperlange von etwa 1 m 4. Die Eichtung des Schenkel-
kopfes weicht um 40° von der Querachse des unteren Gelenkes nach hinten
ab. Der obere Teil eines zweiten Femur mit grosserem Kopfe. Der Kopf
eines rechten Femur. Eine rechte Tibia ist 315 mm lang, sie ist platyknemisch,
in der Hohe des Gefassloches ist der mediane Durchschnitt 34, der quere 22 mm
gross, in der Mitte des Knochens sind diese Masse 32 und 18. Wenn man die
obere Gelenkflache des Schienbeins horizontal stellt, so neigt der untere Teil
desselben zuriick, das Knie ist etwas nach vom gebeugt. Steht die Achse der
Tibia senkrecht, so ist die obere Gelenkflache um 15° nach hinten geneigt.
Es sind 3 rechte Eadii und 1 linker Radius von Erwachsenen vorhanden und
der von einem Kinde; da zwei zusammengehoren, deuten sie auf 3 erwachsene
Individuen. Dieselben sind 230, 240, die beiden zusammengehorenden 225 mm
lang, der des etwa 9jahrigen Kindes misst 155 mm. Dazu ist noch ein Stuck
Ulna von diesem Kinde vorhanden, die wahrscheinlich 160 mm lang war. Diese
kindlichen Knochen zcigen auf ihrer Oberflache denselben schwarzlichen Anflug
wie der Schadel A. Es sind endlich noch 3 rechte und 2 linke Ulnae mit-
geschickt worden, diese deuten, da nur 2 zusammengehoren, auf 4 Individuen.
Die beiden Ulnae sind 230 und 245 mm lang. Die 6 Fibulae bieten kein be-
sonderes Merkmal dar.
Da die Skelette unmittelbar auf der gelben mit Mammutresten und ge-
spaltenen Knochen erfiillten Erde bestattet waren und in der schwarzen Erde,
mit der sie uberschiittet waren, recente Tierknochen und Steingeschirr lagen,
sind sie fur jiinger als die Mammutzeit zu halten. Doch mochten sie nach ihren
auatomischen Merkmalen vor den Anfang unserer Zeitrechnung zu setzen sein.
Schaaffhausen.
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Hiigelgraber in der Halbehl bei Fischbach.
Von
A* Yt Cohausen*
Nordlich von Fischbach, das man in *U Stunden von der Station Eppstein
erreicht, liegt auf einer zwischen Feld und Wiesen halbinselartig vortretenden
Anhohe ein Buschwald. Er hat den eigentiimlichen Namen Halbehl, wahrend die
nordlich hinter ihm liegenden Wiesen „Albus a und das Feld vor ihm das „Heiden-
feld a heissen; dasselbe zieht sich bis zu dem kaum 300 Schritt ostlich liegenden
Diskauischen Schlosschen und Hof Retters. Der Wald birgt auf einer 300 Ar
150 ra grossen Flache eine grosse Zahl (etwa 30) Grabhiigel von 1 bis 2 m Hohe.
Bereits im Jahre 1865 wurden hier unter der Leitung des Herrn Bibliothekars
Dr. Schalk und unter Aufsicht des Museumsdieners Week fiinf Hiigel auf Rech-
nung des Nassauischen Altertumsvereins durchgraben. In alien fandeu sich
Aschenlagen, sparliche Kohlen, aber nicht das geringsteBruchstiickvonTopfereien.
Der eine Hiigel enthielt ein von West nach Ost gerichtetes Grab, das aus hoch-
kantig gestellten und daruber gelegten Platten des benachbarten Grauwaeke-
Gesteins errichtet, obschon es noch unberiihrt war, nichts enthielt. In einem
zweiten Hiigel fand sich eine 20 cm lange Dolchklinge von Bronze und
in dem dritten ein quergereifelter massiver Armring, gleichfalls von Bronze
(beide Stiicke sind im Altertums-Museum in Wiesbaden aufbewahrt); die Dorf-
tradition hatte wahrend der seitdem verflossenen 22 Jalire einen kupfernen
Degen und ein goldenes Armband daraus gemacht. Seit den letzten 10 Jahren
hat sich auf die Aufsuchung von Altertumera und auf den Handel mit denselben
nicht nur ein wahrer Sport, sondern eine sehr thatige Spekulation geworfen,
welche deren Erwerbung fur offentliche Sammlungen sehr erschwert und ihrer
Verschleuderung ohne irgend welchen Gewinn fur die Wissenschaft Thur uud
Thor offnet. Es war daher eine von den deutschen Geschichts- und Altertums-
vereinen eifrig angeregte Pflicht der Staatsregierung, dagegen einzuschreiten,
soweit dies ohne Verletzung von Privatrechten moglich war. Dies geschah durch
die Eriasse der dabei beteiligten Minister des Kultus, der offentlichen Arbeiten,
des Krieges und der Laudwirtschaft. Danach diirfen Ausgrabungen auf Staats-,
Gemeinde- und kirclilielieu Gruntlstueken erst dann vorgenommen werden, nach-
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375
dem dem Koniglichen Regierungs-Prasidenten, bezw. dem Koniglichen Konservator
davon Nachricht und letzterem dadurch Gelegenheit gegeben ist, sich bei den
Nachgrabungen zu beteiligen. Nach Erfiillung dieser Vorbedingungen hat Herr
Baron Reinach vom Staufen am 3. August 1887 mit freundlicher Zuziehung
des Konservators einen Grabhiigel im westlichen Teile des genannten Wald-
distriktes untersucht. Es geschah in gewissenhafter Weise mittcls konzentrischer
Graben durch 12 Arbeiter. Der Hiigel hatte in sanft nach Siidosten geneigter
Lage bei 14m Durchmesser eine Hohe von 1,23 m, der gewachsene Boden
lag in einer Tiefe von 30 cm unter dem Rasen. — Und was fand man wahrend
der lOstiindigen anstrengenden und aufmerksamen Arbeit? Eine steinlose Erde,
hier und da ein Stiickchen Eichenkohle, mehrere Aschenlagen von 5 bis 10 cm
Dicke und 50 cm Ausdehnung, nicht das kleinste Topfscherbchen, von Bronze
oder sonstigen Altertiimern keine Spur. Nur eins war, was den Altertiimlern
Trost gewShrte: eine reizende Corona umstand ihren Arbeitskreis. Zuerst
Frau Baronin Reinach und Fraulein Marie von Cohausen, dann Frau von
Diskau vom Hof Retters mit ihrem bliihenden Tochterchen, Frau Roden-
wald gleichfalls mit zwei liebenswurdigen Tochtern, Fraulein Wilt, hinter
welchen sich die Herren von Diskau, Pfarrer Hain von Eppstein und Rodewald
reihten. — Welch ein Abstand gegen die armen Urahnen, die hier bestattet
lagen und deren Angehorigen nichts hatten, ihnen mitzugeben, als sie sie ver-
brannten und ihre Asche mit dem Erdhugel iiberschutteten, nichts was sich
erhalten hat — wenn auch ihre Pietat ihnen Korbe voll Speisen, Eimer voll Met
und ein Buffelhorn als Becher zur Fahrt nach Walhalla mitgegeben haben sollte.
Und doch war es fur die Umstehenden nicht als eine Enttauschung anzusehen, wenn
sie keine glanzenden Fundstucke hoben, — sondern nur eine Thatsache fanden:
namlich, dass eine bedurfnisarme, vom Weltverkehre feme Bevolkerung zwischen
den Jahren 1000 und 500 in diesem freundlichen Taunusthale gelebt und selbst
den Topf noch entbehrt hat, um den die Hausfrau die Jager und Hirten ver-
sammelt und mit ihm den Grund zu hoherer Gesittung gelegt hatte.
Grabhugel bei Rodheim a. d. Bieber.
Von
A. v* Cohausen.
Taf. XVIII.
Nordwestlich von Giessen, zwischen dieser Stadt und dem Dunsberg liegt
am Fuss des Vetzberges das langgestreckte Dorf Rodheim. In seinem Gemeinde-
wald, 1250 m siidwestlich dem Dorf, befindet sich ein ziemlich unscheinbarer
Grabhiigel, der Gegenstand unserer Untersuchung. Der Weg dahin ist der,
welcher weiter iiber Naunheim und Nieder-Girms nach Wetzlar fiihrt. Zu An-
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376
fang, an einer kleinen Schanze aus dem siebenjahrigen Kriege voriiber, gelangen
wir 14 Schritt weiter, und 30 Schritt links zu dem Hugel. Er hat bei 16 und
82 cm Hohe iiber dem nach Siiden abhangenden Grund einen Halbmesser von
3,50 m. Dieser gait bei der Untersuchung mittels konzentrischer Graben fur
den ersten, 2,50 m fiir den zweiten, 1,50 fur den dritten und 0,50 m fur den
inneren Rand des letzten Ringgrabens. Da vorltiufig alle Steine liegen blieben,
so ergab sicli eine ungleiche Pflasterung aus Basalt und Grauwacke von der
Abbild. XVIII dargestellten Form, 1 3 bis 60 cm unter dem Gipfel und durch-
schnittlich 13 cm unter der Erdoberflache; die Steine, nicht gross, sondern leicht
tragbar, auf die Hochkante gestellt, deckten zwei Urnennester A u. B, sowie
eine 3 cm starke Brandschicht zwischen beiden, die wir als Verbrennungsplatz
der Leichen ansehen, deren verbrannte Knochen in die Urnen gescharrt waren.
Wie vielen Leichen sie angehorten, war wegen der starken Brand wirkung nicht
festzustellen, wahrscheinlich aber mehr wie zweien. Die Rohrenknochen zeigten
eine, wohl auch bei andern Brandgrabern gefundene Eigentumlichkeit schuppen-
formiger Risse.
Nach Beseitigung der Steine, die zur Zertrummerung der Urnen das ihrige
beigetragen hatten, konnten diese schon und rein aus dem umliegend ange-
schiitteten Boden und aus dem steinigen Untergrund, in dem sie 7 bis 10 cm
tief eiugesetzt waren, los prtipariert, gemessen und gezeichnet werden. Nur
die kleineren standen in den grossen Knochenurnen, die grosseren urn sie her;
sie sind wie die grossen, zu denen sie gehoren, mit A u. B bezeichnet. Letztere
allein bargen Knochen, B auch noch eine verbogenc Bronzenadel 15 5, sonst
aber keinen Gegenstand von Bronze, keine Perlen. Ihre Masse war die gewohn-
liche schwarze. Ihre schief nach einer Seite hangende, nicht genau kreisftrmige
Gestalt und der Mangel an wagrcchten Drehstreifen zeigte, dass sie nicht auf
der Topferscheibe gemacht waren.
Wir erfreuten uns wahrend der Untersuchung der gastlichen Aufnahme
und der thatigen Mithilfe des Herrn von der Hoop auf seinem Landsitz Schmitten
bei Rodheim. Unter seiner Fiihrung und der des Herrn Oberforsters Baumann
und Bauinspektor Lauth bestiegen wir den Dunsberg, dessen Ringwalle aufzu-
nehmen hoflfentlich nicht nur ein guter Vorsatz bleiben soil. Wir stiessen an
seinem Fuss und am Himberg auch auf neuere Verschanzungen, iiber deren eine
im folgenden Abschnitt berichtet werden wird.
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Denkmal des Grafen Wilhelm zu Lippe-Schaumburg.
Von
A* y* Cohausen und Major Freiherr y* Wangenheim*
Taf. XIX.
Allen Denkmalern, welche durch die Dankbarkeit oder die Bewunderung
der Mit- und Nachwelt nach deren Wahl des Platzes und mit deren Geld-
mitteln errichtet sind, Ziehen wir diejenigen vor, welche durch die geschicht-
lichen Begebenheiten selbst an Ort und Stelle entstanden sind und das Andenken
der dabei Beteiligten treu und unbefangen verewigen; wenn auch wenig glanzend,
sprechen sie doch eine ganz andere, ergreifendere Sprache, als jene oft sinnreich
gereimten und ungereimten Inschriften in Stein und Erz, die jene gemachten
Denkmaler zu erklaren notig befunden worden sind.
Die Denkmaler, die wir meinen, sind durch die geschichtlichen Ereignisse
selbst geschaffen, und haben alles miterlebt, was seitdem an ihnen meist auch
nicht spurlos voriibergegangen ist.
Wenn sie auch keinen Platz in der illustrierten Tageslitteratur bean-
spruchen, so schienen sie uns wohl einen solchen in einer historischen Zeitschrift
zu verdienen.
Ein solches Denkmal fanden wir am Himberg, 7600 m westlich von Giessen:
es ist ein Erdwerk, ein bastioniertes Funfeck, ganz in der systematisch korrekten
Weise ausgefuhrt, wie es den gelehrten Artillerie- und Ingenieur-General Wilhelm
Graf zu Lippe-Schaumburg kennzeichnet. Derselbe war in London 1724 geboren,
machte in englischen Diensten 1743, 27. Juni die Schlacht bei Dettingen bei
Aschaffenburg mit, ubernahm 1748 die Regierung seines Landes, wurde beim
Ausbruch des siebenjahrigen Erieges Feldzeugmeister und legte als solcher die
Postierungen der Alliierten an, die sich vom Busecker Thai bis in die Gegend
von Wetzlar zogen, darunter auch das bastionierte Werk, das wir als sein Denk-
mal ansehen. Auch im Steinhuder Meer legte er eine kleine Festung an und
griindete daselbst die Artillerie- und Ingenieurschule, aus der unter andern be-
deutenden Mannern Scharnhorst hervorging. Als Generalfeldmarschall 1761 durch
Pombal nach Portugal berufen, organisierte er die Armee, und legte die Festung
Elvas an, 1763 nach Biickeburg zuruckgekehrt, widmete er sich seinem Lande
und der von ihm gegriindeten Schule bis zu seinem Tode am 10. September 1777.
In den nachfolgenden Zeilen geben wir nach dem bekannten Werke
„Renouard, der Krieg in Hannover, ] lessen und Westfalen 1757 — 1763 tt II. Teil
und indem wir auch auf den vierten Jahresbericht des oberhessischen Vereins,
Giessen 1883, Seite 16 verweisen, in Kiirze die Kriegslage, durch welche jene
Verschanzungen in der Gegend von Giessen hervorgerufen worden waren.
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378
Am 2. Januar 1759 hatte sich die franzosische Armee unter dem Herzog
Broglio hinterlistiger Weise in den Besitz von Frankfurt a. M. gesetzt und in
dem« sudlichen Teil der Wetterau festen Fuss gefasst. Gegen diese Stellung
eroflheten die Alliierten (Englander, Hannoveraner, Hessen-Kasseler und Biicke-
burger) unter dem Befehle des Herzogs Ferdinand von Braunschweig die Offensive.
Diese scheiterte zunachst an dem misslungenen und verlustreichen Angriff auf Bergen
am 13. April. Herzog Ferdinand musste ganz Hessen, das siidliche Hannover,
sowie einen Teil Westfalens raumen und dem siegreichen Feinde iiberlassen.
Erst die glanzenden Siege am 1. August (bei Minden des Herzogs iiber
den Marschall Contades und bei Gohfeld des Erbprinzen iiber den Herzog von
Brissac) anderten die Kriegslage, und die Franzosen wurden unter mehrfachen
Gefechten genotigt den Riickzug nach dem Main anzutreten und die von ihnen
schwach besetzten Festungen (Kassel am 19. August, Ziegenhain am 23. August
und das festeSchloss zu Marburg am 12. September) den nachdringenden Alliierten
zu iiberlassen. Herzog Ferdinand folgte dem in verschiedenen Kolonnen zuriick-
gchenden Feinde, der erst gestiitzt auf die reich verproviantierte Festung Giessen
Stellung nahm, und hier der alliierten Armee Halt gebot.
Der Herzog beschloss mit seinem Heere zunachst auf den Hohen nordlich von
Giessen ein Lager zu beziehen und den Feind durch geschicktes Manoverieren, Be-
drohen seiner Flanken und Ruckzugslinie, zum Yerlassen der Stellungen zu notigen.
Nach den anstrengenden Marschen vom Schlachtfelde bei Minden bis in
die Wetterau, war der alliierten Armee eine langere Ruhe notig und gebot auch
die bei der damaligen Kriegsfuhrung iibliche Magazinsverpflegung einen langeren
Aufenthalt im Lager, das zu sichern zahlreiche Befestigungen angelegt wurden,
deren Spuren wir teilweise heute noch finden. Diese Befestigungen wurden
unter dem Schutze der Vorposten ausgefuhrt, deren Dienst damals fast ganz in
den Handen der leichten Truppen (Jager und Husaren) lag, welche unter fort-
wahrenden Scharmiitzeln Fiihlung mit den Feinden hielten, wahrend die Haupt-
armee verhaltnismassig unbelastigt zu den erwahnten Arbeiten zur Verfugung blieb.
Die Stellungen der leichten Truppen waren nach Renouard am 10. Sep-
tember folgende: Linkg der Lahn
In Allendorf, Londorf, Nordeck und Treis a. d. L. schwarze Husaren
und Frei-Bataillon von Frumbach (Preussen) hannov. Jager-Comp. von Biilow,
he8s. Jager-Comp. von Dalwigk. In Stauffenberg, Mainzlar und Daubringen
das Schiitzen-Corp8 Stockhausen (Hannoveraner). In Kirchberg und Lollar: die
Freytag'schen Jager. R ec hts der Lahn.
In Ruttershausen der Rest der Freytag'schen Jager (Braunschweiger).
In Salzboden hannov. Jager-Comp. Roden. In Grumbach 1 Escadroji preuss.
Husaren. In Hohensolms a. Erda Luckner Husaren und 2 hannov. Jager-
Comp. unter Friedrichs.
Am 17. September marschierte General von Wangenheim bis Hohen-
solms, der Prinz von Bevern nach Damm; die Hauptarmee unter Herzog
Ferdinand ruckte am 18. September in das Lager zwischen Fronhausen und
Ober-Walgern, wahrend Prinz Holstein bei Odenhausen die Lahn uberschritt und
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379
bei Ruttershausen Stellung nahm. Eine Jager-Abteilung besetzte Wismar und
Launsbach, wahrend links der Lahn ausser einem Detachement von 450 Mann
in der mit 6 Kanonen armierten Redoute bei Wolfshausen, nur 1 Escadron
schwarzer Husaren und eine Jager-Compagnie zuriickblieben.
Wahrend der Herzog am 18. September in das nach seinem Hauptquartier
benannte Lager von „Crofdorf tt einriickte, wurde General von Wangenheim nach
Hermannstein und Wetzlar detachiert, um die franzosischen Verbindungen lahn-
ab warts zu storen.
Herzog Ferdinand, die von der Bodengestaltung des Lagers bei Crofdorf
gebotenen Vorteile mit denen der Kunst verbindend, hatte, wie bereits erwahnt, deu
Oberbefehlshaber der gesamten Artillerie der Verbiindeten, den Grafen Wilhelm
von Lippe-Biickeburg mit der Befestigung desselben beauftragt. Demzufolge
erhoben sich auf dem mit den Hohen des Vetz-, Glei-, Wette- und Tins- (Diins-
berges besetzten Plateau nach alien Richtungen Batterien und Redouten, welche
unter sich durch zahlreiche Kommunikationswege verbunden waren. Solche eben-
falls von dem Grafen angelegte Wege durchschnitten auf alien Seiten der Auf-
stellung der Armee das Gelande und waren die nach der Lahn abfliessenden
Bache an den betreffenden Ubergangen iiberbruckt.
Das im Rucken der Stellung, d. h. in der Richtung von ^pllingshausen
und Ober-Walgern bewaldete Gelande wurde durch eine grosse Redoute auf
dem Dims- (Tins)berge beherrscht, wahrend sudwestlich von dem am Bierbeck-
(jetzt Bieber)bache gelegene Dorf Rodheim, vorwarts des rechten Flugels der
Armee, eine ahnliche Redoute oder vielmehr ein bastioniertes Fiinfeck auf der Hohe
des Lausertwaldes zur Beherrschung der Gegend nach Wetzlar errichtet wurde.
Andere Werke und zwar in noch bedeutenderer Ausdehnung befanden sich auf
dem weit gegen Suden hingestreckten Abhange des Wetteberges westlich von
Launsbach, ohnweit der Lahn; weiter nordwarts aber auf den hier und da be-
waldeten Hohen, die sich von dem Wetteberge abzweigen, — stand mit jenen
grosseren Werken eine Menge von Fleschen in Verbindung, welche mit ihren
Geschiltzen das Lahnthal von Lollar bis sudlich von Wismar bestrichen. —
Beide Heere standen wochenlang einander ziemlich unthatig gegenuber,
nur hier und da fanden Vorpostengefechte und einige grossere Demonstrationen,
die resultatlos verliefen, statt. Am meisten hatten die Truppen unter den Un-
bilden der Witterung zu leiden, denn von Anfang November regnete es fast
unaufhorlich, die Wege wurden grundlos, die Verpflegung geriet ins Stocken.
Dem Regen folgte eine heftige Kalte, wodurch der Aufenthalt im Lager immer
unbehaglicher und fBr den Gesundheitszustand verderblicher wurde. Die Kavallerie
ward deshalb meist aus dem Lager in die benachbarten Dorfer verlegt.
Die Franzosen, als geschlagene Truppen hatten unter diesen ungiinstigen
Verhaltnissen noch mehr zu leiden, wie die Allierten, und der Herzog von
Broglio, dem an Stelle des Marschalls von Contades der Oberbefehl ubertragen
war, hob am 5. Dezember das Lager bei Giessen auf und trat mit dem Haupt-
heere den Riickmarsch auf Butzbach und Friedberg an, in Giesseu nur eine
kleine Besatzung zurucklassend.
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Zur Topographie des alten Wiesbadens.
Von
A* v, Cohausen*
Zu der Topographie des alten Wiesbadens haben wir nur wenig bei-
zubringen, doch ist das Wenige doch interessant genug: Es zeigt uns, dass
der Thermalsee, der dem Warmen Damm den Namen gegeben, sich einst west-
warts fortgesetzt hat bis zum Marktplatz, und hier den Sinter abgesetzt hat,
den wir jetzt in den Abflussen unserer Thermen finden. Dieser rostfarbene
Quellensinter fand sich namlich in einer Starke von 10 bis 30 cm in einer Tiefe
von 4 m unter dem Strassenpflaster vor dem Rathaus, und hat sich ohne Zweifel
wagrecht bis zu dem hohen ansteigenden Gelande der Langgasse verbreitert.
Er liegt unmittelbar auf einer 3 m starken Schicht von gelbem Kies, welcher
durch eingetagerte blaue Lettenschichten wasserundurchlassig geworden war.
Es spricht die ununterbrochene Starke des Sinters fur einen sehr langen ruhigen
Niederschlag, wahrend einer Zeit, in der die in unserm Thalkessel zusammen-
kommenden Bache nicht durch diesen See liefen und also keine Gelegenheit
hatten, ihre Sand- und Gerolltiossungen in ihm abzusetzen. Damals lief die
Wellritz, welche spater zum Miihlenbetrieb, langs der Emser- und Michelsberg-
strasse durch die Stadt geleitet wurde, noch in der Thalmulde links und rechts
der heutigen Friedrichstrasse und verband sich am Austritt der Luisenstrasse,
mit den aus dem Nero- und Sonnenberger-Thal herabkommenden Bachen im
Salzbachthal ostlich der Wilhelmstrasse.
Von den Bewohnern, die vor der Romerzeit am Ufer dieser Gewasser
gehaust, haben wir verschiedentlich b^richtet.
Sie haben sich mit Knocheniiberresten, Thongeschirren und Steinbeilen
verewigt. So haben wir erst kurzlich bei Bauanlagen im Kasino (Friedrichstrasse
No. 22) in einer 3,50 m tiefen und weiten Grube ausser den Brand- und Knochen-
resten, Topfscherben gefunden, welche mit denen der Hiigelgraber gleichzeitig sind.
Aus der kleinen Schwalbacherstrasse, durch welche der Graben der zweiten
Stadterweiterung im Anfang des 16. Jahrhundert ging, auf welchem derHinterbau
No. 19 steht, erhielten wir durch die Aufmerksamkeit des Besitzers, Herrn Gottwald,
verschiedene zum Teil romische Topfereien.
An der Ecke der Markt- und Kirchgasse No. 19 fand man in 2 m Tiefe
zwei Leichen ohne Beigaben, welche wahrscheinlich ausser dem Kirchhofbering
der Mauritiuskirche begraben worden waren. Ebenso fand man in der Saal-
gasse hinter dem Haus No. 32 zahlreiche Leichen, welche der Verlangerung
des Hospitalkirchhofes angehort haben.
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Bcrthold Reinhard Vogel
wurde am 2, September 1821 zu Marienberg geboren als zweiter Sohn deb
damaligen 2. Pfarrers daselbst, des 1852 zu Kirberg verstorbenen hochgeschatzten
nassauischen Topo-Historiographen C. D. Vogel. Nachdem er die Volksschulen
zu Schonbach (Amt Herborn) und Wiesbaden, spater die Padagogien zu Wies-
baden und Hadamar besucht hatte, entschloss er sich, da er keinen Beruf zu
einem wissenschaftlichen Studium in sich verspiirte, Kunstdrechsler zu werden.
Nach bestandener Lehre arbeitete er langere Zeit in dem Atelier von Geismar
zu Wiesbaden, besonders in Elfenbein. Nach weiteren praktischen Studien zu
Munchen und Innsbruck war er von 1841 bis 44 behufs Ausbildung als Bild J
hauerzogling der Kunstakademie zu Berlin. Hier wurde der alte Gonncr und
Frcund des Vaters von Dillenburg her, President von Meusebach 1 ), auch sein
Gonner, Berater und Beschutzer. Zwei in Elfetibein graviertc Bilder, Lcssings
Ezzelino und ein mit einem Monchc Schach spielender Ritter, welche auf einer
Kunstaustellung zu Berlin sehr gefallen batten, wurden Von President Vollpracht
Sr. Hoheit dem Heritage Adolf zu Nassau vorgelegt, worauf dieser zu weiterer
Ausbildung in Rom ein Stipendium auf drei Jahre bewilligte. Zu Rom, wo er
Endc 1845 anlangte, war R. Vogel Zeuge der crsten Glanzperiode Pio IX;
doch machten die Stiirmc des Jahres 1848 seinem dortigen Aufenthalte ein
vorzeitiges Ende.
Nach seiner Ruckkehr arbeitete er zu Wiesbaden in einem ihm im altcn
Schlosse auf dem Marktplatz eingeraumten Atelier im Auftrage des Herzogs
die Statuen einiger (?) Apostel fur die katholische Kirche in Wiesbaden, welche
jedoch nicht ganz nach Wunsch ausfielcn. Urn so erfreulicher war es fur ihn,
dass eine im Auftrage des Erzherzogs Stephan in carrarischem Marmor zu Paris
ausgefuhrte, auf Schloss Schaumburg befindliche Gruppe (Hund mit einem schla-
fenden Kinde) den ungeteilten Beifall des hohen Auftraggebers fand. Letztercr
gestattetc ihm in einem ausserst huldvollen Handschreiben, diese Gruppe erst
nach dem verabredeten Termin abzuliefern, urn diesclbe vorher noch in Paris
zur Ausstellung bringen zu konnen, und bemerkte gelegentlich dem iilteren
Bruder Reinhards: „Nun konnen Sie sagen, dass Sie einen wirklichen Kiinstler
zum Bruder haben. tt Auf Empfchlung des Erzherzogs erhielt er seitens der
Grossfurstin Konstantin von Russland einen ahnlichen Auftrag, dessen Aus-
fuhrung (zu Wiesbaden i. J. 1856) nicht minder befriedigte.
1853 verehelichte sich R. Vogel zu Paris mit Antoinette, einer Tochter
des kaiserlich russischen Hof-Architekten Jacot, die ihm nach mehrjahrigem
l ) Aus der Zeit dieses Verhaltnisses zwischen C. D. Vogel und K. H. 0- v. MeusebuoH
stamnien die EfWHlinungen in den Annul en XV, 357 u. 391.
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Siechtum schon 1859 in einem Alter von 28 Jahren durch den Tod entrissen
wurde. Das einzige Kind dieser Ehe, ein Sohn, welcher von Vater und Mutter
reiche kunstlerische Anlagen ererbt hatte, trug leider auch den Keim dor Krank-
heit der Mutter in sich und erlag derselben bereits im 19. Lebensjahrc, als
viel versprechender Zogling der Dresdener Malerakademie.
Nach zweijahrigem Aufenthalte zu Frankfurt a. M. wohntc R. Vogel von
1856 an in Wiesbaden. Etwa wahrend des lctzten Jahrzehnts seines Lebens
beschaftigte ihn vorzugsweise die weitere Vervollkommnung einer von ihm gc-
machten Erfindung: Herstellung einer zur Nachbildung der antiken Qemmen
auf dem Wege des Gusses geeigneten Masse. Da er oft tagelang der Glut-
hitze eines fur diese Versuche eigens konstruierten Ofens ausgesetzt war, scheint
hierdurch seine sonst sehr kraftige Gesundheit untergraben worden zu sein und
sein Korper die friihere Widerstandskraft eingebiisst zu haben. Er starb nach
nur mehrtagigem Eranksein infolge eines einfachen Bronchialkatarrhs am 7. Aug.
1876. Diesem unerwarteten und raschen Ende ist cs auch zuzuschreiben, (lass
er das Geheimnis der erwahnten Erfindung mit ins Grab genommen hat. Letz-
teres befindet sich, neben dem von ihm mit der „Mutterliebe u geschmiickten
Grabe der Gattin und des Sohnes, auf dem alten Friedhofe zu Wiesbaden,
rechts vom ersten Eingangsthor, an der der Landstrasse zunachst gelegenen
Umfa88ungsmauer.
Unser Museum besitzt von ihm eine Sammlung der hier erwahnten Gemmen
(Cameen) aus einer gefarbten poraellanahnlichen Chromolitmasse, die Marmor-
biiste der Herzogin Pauline von Nassau, gest. 1856 und die galvanoplastische
Buste seines Vaters L. D. Vogel, geb. 20. Januar 1789, gest. 20. Januar 1852.
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Vereinsnachrichten.
Aus dem Bericht des Sekretiirs Dr. Schiuitt,
vorgetragcn in der General versammlung am 15. Dezember 1887.
Nachdem im ersten Hefte dieses Bandes iiber die Vereinsthatigkeit im
Winter 1886/87 bereits berichtet ist, bleibt fur die darauf folgende stillere Zeit
nur noch wenig nachzutragen.
Am 9. Juli unternahm der Verein einen Austiug nach Idstein zur Bcsich-
tigung der dortigen evangelischen Kirche und des alten Residenzschlosses der
Grafen Nassau-Idstein -Wiesbaden.
Mit den auswartigen Geschichtsvereinen wurde der Schriftenaustausch fort-
gesetzt. Die Zahl der • Vereine, Bibliotheken und Museen, mit welchen ein
solcher Schriftenaustausch erfolgt, stieg auf 152. Es traten namlich zu den
bisherigen hinzu: der Altertumsverein zu Mannheim, die Societe d'archeologie
et d'histoire de la Moselle, das Nordbohmische Gewerbemuseum zu Reichenberg,
das Museu Nacional zu Rio de Janeiro und der Altertumsverein fur Zwickau
und Umgegend. Auch erfuhr die Bibliothck des Vereins durch Schenkungen
einc erfreuliche Bereicherung. Der Huld des Kronprinzen Friedrich Wilhelm
verdankt der Verein wiederum den diesjahrigen achten Band der Jahrbiicher
der preussisehen Kunstsammlungen. Ausserdem wandten dem Verein Geschenke
zu die Hcrren : Buschbaum in Hamburg, Oberst von Cohausen, Justizrat von Eck,
Freiherr von Eberstein in Berlin, Oberlchrer Hillebrand in Hadamar, Jasper, Ingenicur
Naher in Strassburg, Amtsrichter de Niem, Major Freiherr von Wangenheim, Walch
in Hochheim und der Mainzer Altertumsverein. — Den gutigen Gebern spricht
der Verein seinen Dank aus.
Einem Wunsche des Vereinsvorstandes freundlichst entsprechend, hat das
Konigl. Provinzial-Schulkollegium den hoheren Lehranstalten des Regierungs-
bczirkes Wiesbaden den Beitritt zum Vereine empfohlen, worauf auch eine
Anzahl dieser Anstalten dem Vereine beigetreten ist. — Durch Vermittlung
der Herren Landrate suchte der Vereinsvorstand auch die Kreisausschusse als
Vereinsmitglieder zu gewinnen und so eine Kontinuitat in den Beziehungen des
Vereins zu den betrefFenden Landesteilen herzustellen.
Die Zahl der Vereinsmitglieder hat sich seit Marz im ganzen ein wenig
verringert. Es schieden teils durch Tod, teils durch freiwilligen Austritt folgende
Mitglieder aus:
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Herr von dem Knesebeck, Generalmajor f, W.
„ Kegel, Gymnasial-Oberlehrer, Dillenburg.
„ Pfarrer Jung, Soden.
„ Dr. med. Basting, f Worms.
„ Nilkens, Gutsbesitzer, Eltville.
„ Freiherr von Preuschen-Liebenstein, Oberappellationsgerichtsrat
a. D. f, Schloss Liebenstein bei Camp.
„ Hildebrand, Major a. D., W.
„ Bradc, Premierleutnant a. D., W.
„ Colombel, Oberlehrer a. D. f, Hadamar.
„ Ebbecke, Buchhandler, W.
„ Dr. jur. Heintzmann, Bergwerksbesitzer, W.
„ Freiherr von Berkheim, Excellenz, Wirkl. Geh. Rat, Weinheim.
„ von Kaufmann, Regierungsrat, W.
„ Heymann, Postmeister a. D., Wied-SelterB.
„ O. Mendelsohn, Kaufmann, W.
„ Geyer, Reg. Hauptkasse-Kassierer, W.
„ A. Koch, Kaufmann, W.
Die Bibliothek der Universitat Gottingen.
Herr Normann, Oberstleutnant a. D., Darmstadt.
„ Riedel, Restaurateur, Mainz.
Perner verlor der Verein ein Ehrenmitglicd in HerrnGeh. Rat Dr. Walter,
Direktor d. Grossherz. Kabinetsbibliothek zu Darmstadt.
Dagegen traten in den Verein seit Marz ein:
Der Kreisausschuss des Unterlahnkreises zu Diez.
Herr Rabe, Landrat in Limburg.
„ Musset, Landgerichtsrat in Limburg.
„ Malmros, Amtsrichter in Limburg.
„ Fromme, Landrat in Dillenburg.
„ H. Bouffier, Zeichenlehrer, W.
„ J. Baehr, Landwirt, Frauenstein.
Konigl. Gymnasium zu Wiesbaden.
Realprogymnasium zu Ems.
„ „ Biedenkopf.
Herr B. Goltz, Hauptmann, Mainz.
Konigl. Gymnasium zu Hadamar.
Herr Freiherr von Eberstein, Oberst z. D., W.
,, von Kietzell, Oberstleutnant a. D., Diez a. d. Lahn.
Die Gesamtzahl der Mitglieder am heutigen Tage belauft sich somit auf:
7 Ehrenmitglieder, 9 korrespondierende Mitglieder und 375 ordcntliche Mitglieder.
Nach den in dieser Generalversammlung statutcngemass vorgenommenen
Wahlen bilden den Vorstand:
Vereinsdirektor: Direktor Professor Dr. Spiess.
Vereinssekretar: Dr. H. Schmitt, Hilfslehrer am hies. Kgl. Gymnasium.
Konservator des Konigl. Museums: von Cohausen, Oberst z. D.
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Dr. Adam, Oberlehrer.
Cuno, Eegierungs- und Baurat.
von Eck, Justizrat.
Oaab, Rentner.
Labes, Oberst a. D.
Dr. Stodtke, Generalarzt.
Freiherr von Wangcnheim, Major a. D.
Weldert, Direktor.
Ersatzmanner:
Dr. Fleischer, Sanitatsrat.
Keutnet, Landgerichtsrat.
Wed ewer, Gymnasiallehrer.
Die Rechnungsprufungs-Kommission besteht aus den Herren:
Dr. Adam, Oberlehrer.
Cuno, Regierungs- und Baurat.
Streitberg, Amtsgerichtsrat.
Bericht des Konservators Oberst von Cohausen fiber die Erwerbungen
des Altertums-Museums in Wiesbaden w&hrend des Jahres 1887.
Indem ieh meinen Geschaftsberieht erstatte iiber die Erwerbungen, welche die
Vereins-Sammlung gemacht, und iiber die Untersuchungen und Nachgrabungen, die
wir angcstellt haben, wiinsche ich zuerst denen unseren Dank auszusprcchen, welche
uns hierbei teils durch Schenkungen teils durch Rat und That untcrstiitzt haben.
Die Rheinkorrekturen, welche in der „grossen und kleinen Gies a
unter der Oberleitung des Herrn Regierungsbaurat Cuno durch den Ilerrn Wasser-
baumeister Imroth ausgefiihrt worden sind und zur Freude des Rheingaus zu
so guten Resultaten gefuhrt, haben durch die grossen Baggerarbciten auch uns
zwar nicht den Nibelungenhort, aber doch mancherlei Waffen und sonstiges
Gerate gebracht: ich nenno einen trefflich erhaltenen, viclleicht nie gebrauchten
Getrcide-Reibstein von Mendiger Lava 13842, einen sogenannten Bonapartshut
von auffallend flacher Form, einen durchbohrten Steinhammer und ebensolchen
Hirschzinken 13975 und. 13944, wohl cin urtiimliches Korbflechte-Werkzeug,
ein Schwert, einen Ilirschfanger, eine Lanzenspitze 13843.4.5. — Auch cin
Schwert mit Messingknauf und der Gqldinschrift „min Swert tt , ein anderes mit
IIolzgriflF, cine8 mit Korb, sowic ein Do Ich mit Besteck in silberner Scheide
13971 — 74 kamen aus demRhein. Dazu eine Anzahl unverganglicher Sigburger
Stcinkruge 13846,8,9, 13945, und eine terra-sigillata-Schale, in der sich der
Topfer COSTNIVS wohl etwas unorthographisch fiir Constantius verewigt hat.
Andero Sigburger Gefasse, diu'eh Technik und Ornamentik interessant, danken
wir dem Herrn Dr. Widmann in Oberlahnstein.
Auch der Main bei Kostheim gab durch den Herrn Wasserbaumeister
Rauh in einem Hirschgeweihhammer 13872 uns seinen Tribut. Wiesbaden hat
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seinen Euf als Fundstatte bewahrt: durch die Aufmerksainkeit des Herrn Stadt-
baumeistcr Israel gingen uns aus den Fundamenten des Rathauses ein schones
mittelalterliches Passglas (Dornbecher), eine ausgezeichnete frankische Perlo, ein
Kesselhaken und ein romischer Bronzewagebalken 13899, 13900, 13939, 13940
zu. Sehr erwahnenswert ist hier, dass ein Teil des Rathauses in einer 10 bis
30 cm starken Sinterschicht steht, welche 4 m unter dem Biirgersteig auf einer
Kiesschichte lagert. Sie lasst uns einen in der Urzeit ungezahlte Jahre lang
hier ruhig stehenden See von Thermalwasser sehen. Wir hoffen derartige
fur die ehemalige Physiognomie unseres Thalkessels interessante Beobachtungen
allmahlich noch mehr sammeln zu konnen. Fiir diese sind zahlreiche, oft an
und fiir sich unbedeutend scheinende Funde von nicht minderem Werte.
Fast uberall finden wir hier einen wasserreichen, thonigen Untergrund, in
dem jene Funde eingebettet liegen. So danken wir der ununterbrochenen
Aufmerksamkeit des Herrn Gottwald wahrend der Fundamentierung seines
Hinterbaues an der Eleinen Schwalbacher Strasse verschiedene Topfereien,
welche in dem hier durchziehenden altestcn Stadtgraben liegen, namentlich
einen wohlerhaltenen gefaltelten schwarzen Salbenbecher, zahlreiche Bruchstucke
von terra-sigillata-Gefassen, die unser Firmenregister romischer Topfer um einen
CINNAMVSF, ALBVSFE, CELADIMAN, LMIA, HELENVSF, (? OCENVSF ?)
vermehrt haben. Herr Erdbauuuternehmer Emmel lieferte dazu einen SECVNF
(Secundus), dessen Adresse er im Qraben fand hinter der letzten Stadtumschliessung
in der Saalgasse No. 32, welcher dem Civilhospital als Begrabnisplatz gedient
hat. Herr Maurermeister Ph. Dormann ist schon seit vielen Jahren ein sorg-
faltig fiir uns bedachter Beobachter der Baugruben, aus dem alten Grabeu vor
der Heidenmauer und aus dem Trudenbach, zwischen der Lang- und Metzger-
gasse, brachte er die Topferstempcl FAVNOF, IVTINVSF (Justinus) an uns.
(Von Andernach crhielten wir ein SVAVIM.) Diese Topfernamen sind von
Interes8e wegen ihrer Verbreitung und wegen der grossen Gleichmassigkeit
ihres Fabrikats, der terra sigillata, im ganzen romischen Reich. Aus jcnem
Stadtteile zwischen Lang- und Metzgergasse gingen uns durch den obcn
Genannten noch mancherlei, auch mittelalterliche Funde zu, von denen wir nur
sehr geschmackvolle Ofenkacheln nennen wollen. Eine sehr stattliche dieser
Art 13959 erhielten wir aus den Mitteln eines langjahrigen Freundes des Vcreins,
Herrn Buschbaum in Hamburg. Wir haben daneben ausgestellt drei griinc
gotische Ofenkacheln aus Riidesheim, die wir zwar schon lange, aber in sehr
defektem Zustande besassen, die aber jetzt Herr Bildhauer J. Kunz, wie Sie
sclbst urteilen mogen, vortrefflich erganzt hat.
Von Herrn Otto Cornill, dem Konservator der Altertumssammlung in
Frankfurt, erhielten wir drei Thonkiigelohen mit XXVI, LVIII und LXXXVI
wohl zum Zwecke des Rechnens oder eines Spiels bezeichnet, es fand sich eine
gros8e Zahl derselben in Heddernheim beisammen. Von eben daher empfingen
wir von Herrn Rechtsanwalt Dr. Heberlein in Frankfurt ein gefalteltes Salbgefass
mit einem Untersatzring, - das im Topferofen zu hartem Steingeschirr gebrannt
war. Von Herrn Bauinspektor Lauth in Biedenkopf empfingen wir eine kraftige
eiserne Lanzenspitze 13931, die am Fusse des Diinsbergs gefunden worden war.
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Seitens des Kunstgewerbe-Museums in Berlin gelangten wir durch
einen von Herrn Professor Lessing eingeleiteten Tausch in liberalster Weisc zu
drei Kreusener Kriigen und drei Majolika-Tellern — Gegenstande, die unserem
Museum bis dahin gefehlt batten 13964 — 69.
Ein sehr wertvolles Stuck erhielten wir durch die Gute des Herrn
R. Dyckerhoff; es ist der im 20. Annalenbande zu Ende erwahnte „Hirtenaltar a ,
auf dem sich die Hirten Hastiferi nennen, weil sie in jenen unruhigen Zeiten
(statt der jetzt gebrauchlichen Schaferstabe mit Schippchen) Lanzen trugen.
Auch andere Folgerungen lassen sich aus der intcressanten Inschrift ziehen.
Wir haben sie im Abklatsch hier aufgestellt. Daneben ein gleichfalls von
Week geinachter Abguss der altchristlichen Inschrift vom Hofe Gimbach, welche
im 13. Annalenbande 195 besprochen ist.
Von den Hinterbliebenen des Bildhauers Vogel (Sohn unseres Historio-
graphen) empfingen wir die Marmorbiiste der Herzogin Pauline von Nassau,
die wir unter der Bedingung, sie zuriickzugeben, wenn sich eine wurdigere
Stelle fur sie findet, annahmen. Aus der Hinterlassenschaft desselben Bild-
hauers besitzen wir eine Anzahl hiibscher, aus einer Porzellanmasse angefertigter
Cameen. Aus der Untersuchung eines Grabhiigels bei Rodheim am Fusse des
Dunsberg brachten wir cinige andcrs wie die im Taunuslande gestaltete Urnen
mit und hattcn uns dabei der angenehmsten Beihilfe und Gastfreundschaft des
Baron von der Hoop, sowie der Dienstbeflissenheit des Herrn Gerichtsschreibers
Friedemann zu erfreuen. Ausgrabungen, welche Herr Baron von Reinach unter
meiner Assistenz in Grabhugeln bei Fischbach anstellte, waren nicht weniger
angenehm, aber ohnc jegliches Fundergebnis. Die Hohlen von Steetcn be-
schaftigten uns auch in dicsem Jahre mehrerc Tage. Sie betrafen die Vertiefung
des fruher schon entdeckten Glctschertopfes (er hat bis auf den Felsgrund
7,30 m Tiefe bei einem Durchmesser von 1,10 m), und zwcier bis dahin un-
bekannter Hohlen: des Wildkellcr und des Hasenbackofen. Die Ausbeute an
menschlichen, an Mammuts- und sonstigen Gebeinen wird im nachstcn Annalen-
hefte von Herrn Professor Dr. SchaafFhausen und uns beschrieben wcrden.
Dergleichen Untersuchungen gaben stets ein Resultat, wenn auch nicht immer
ein im Museum aufstellbares, indem sie uns die Vorgeschichtc und deren Hintcr-
las8enschaften im Lande kennen lehren, durch die „Annalen tt festhalten und
verbreiten, andererseits aber dem Vereine neue Mitglieder zufuhren, wie sie
solche am 28. April dieses Jahres von Limburg nach Steeten gefuhrt hat.
An der Spitze unserer kauflichen Erwerbungen stehen drei angeblich aus
Rheinhessen stammende schwergoldene Schnallen; die grossere mit vier Hyazinthcn
und etwas verwittertem Schmelz, eine kleinere mit sechs Hyazinthen und die
kleinste unverziert. Der Fund ist einigermasscn datiert durch eine Goldmiinze
von Valens, der von 364 bis 378 Mitkaiser war. Seine Miinzen konnten sehr
wohl urns Jahr 367 in Mainz kursieren. In diesem 'Jahre geschah es, dass der
Alemannen-Herzog Rando Mainz wahrend eines christlichen Festes iiberficl und
ausraubte, so mag wohl der Besitzer jener — und noch anderer an derselben
Stelle gefundener Goldsachen, die unser Museum bewahrt, den Raubzug mit-
gemacht und jene Beutestiicke mitgebracht haben.
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Wir haben ferner hier noch ausser cinem Bronzemcsser 13882 aufzufiihren
folgende romische Dinge. Von Glas einen Ring, zwei Schalen, eine kleine
Amphore, einen Trinkbecher und eine Vase 13888.89, 13932.33. Eine
Millefiore und eine Calzedone-Perle 13838, 13890. Ein, Andernach eigenes,
halbrot, halbschwarzes terra §igillata-Gefass 13883, einige Lampen 13884.5,
Kinderrasseln von Thon mit Hirschkopf und ahnlichem 13862.3. Allerlei kleine
Spielereien von Bronze, wie wir sie heute als Charivari an der Uhr tragen
wurden; drei Beile, eine Flasche, ein Texel, eine Leiter, eine Heugabel, Hund
und Hase, eine Krote 13891, 13803 — 12, ferner einen Schropfkopf von Bronze
13887. — Aus frankischer Zeit ein schones Nektaricnglas 13918 und andcre
Weinglaser. Verschiedene romisch-frankische Schmucksachcn : Silberring
mit Stein, ein Anhanger, eine kleine runde Fibula mit blauem Stein u. s. w.
13865 — 13875, eine frankische Lanze und ein Einschlagkamm von Erbach
13946 — 47. Aus der Wetterau erhielten wir zwei Stein-Beile aus kostbarem
StofFe: Nephrit und Chloromelanit. 13902, 13901.
Es haben sich in unsercm Museum allmahlich mancherlei emailliertc Stiicke
angesammelt, welche wir als Belege zu einer Geschichtc des Emailles zu-
sammengestellt haben, indem darin sowohl die „barbarische tf (vorromische), als
die romische, dann die romanisch-rheinische, aus der sich die Emaille von Limoge
entwickelt hat, vertreten sind, wir waren daher veranlasst, die Reihc durch die
japanische und chinesische Zellenschmelze auf Metall und auf Porzellan zu er-
ganzen. Wir machen besondcrs auf sechs Teller (13881) in japanischem
Zellenschmclz aufmerksam, in welchen die Fabrikation Schritt fur Schritt
verfolgt werden kann. Eine chinesische* Thonschussel 13917 ist deshalb
interessant, weil gewisse Fabrikationsfehler an ihr sehr sinnreich zu neuem
Schmuck benutzt sind.
Sie leitet uns iiber zu unserer kleinen ethnographischen Sammlung.
Dieselbc hat einen sehr schonen Zuwachs erhalten durch die hier weilende
Gemahlin des belgischen Vicekonsuls Hcrrn Mannheimer in Monrovia, der Haupt-
stadt der Negerrepublik Liberia an der afrikanischen Westkiiste. Indem ich
der geehrten Dame den besten Dank ausspreche, mache ich nur aufmerksam
auf das Schwert und den Dolch in trefflich gearbeiteter Lederscheide und andere
Ledcrarbeiten, dann aber auch auf die eiserne Lanzenspitze und den Kelt am
unteren Schaftende — es sind einheimische Schmiedearbeiten. Es ist namlich
in Afrika — quer durch Afrika — die Kunst Eisen auszuschmelzen und in
zum grossen Teile sehr schwierige, grausam aussehendc Waffen auszuschmieden,
eine uralte, ursprungliche, wahrend die Bronze, namentlich Messingdraht, von
den Kulturlandern eingefiihrt wird.
Nicht mit Unrecht beharrt ein ^grosser Teil der deutschen Archaologen
auf der Meinung, dass es bei uns nicht anders war, dass unsere Vorfahren das
Eisen schmiedeten, lange ehe ihnen die Bronze zugefuhrt wurde, da das Eisen
viel leichter aus den Erzen herzustellen war, als Zinn und Kupfer auszuschmelzen
und zu Bronze zu verbinden. Da aber Eisen in der Feuchtigkeit rasch rostet,
aufgelost und entfuhrt wird, wahrend die Bronze, einmal mit der Patina iiber-
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zogen, fast unverganglich ist, so finden wir in den altesten Grabern diese, aber
jenes nicht mehr. Man schliesst daraus, dass der Bronzezeit eine Eisen-
zeit voranging, nicht umgekehrt. Dass dies so in Afrika geschah, haben wir
vor Augen.
Noch einige Worte haben wir fiber den Zuwachs unserer Miinz- und
Siege! 8ammlung und den giitigen Gebern unseren verbindlichen Dank zu
sagen. Es sind unser Vorstandsmitglied Herr Gaab, der uns zwei schone Me-
daillen gab, Herr Maurermeister Ph. Dormann, von dem wir 7 romische und
13neuere, meist in Wiesbaden gefundene Munzen erhielten, sowie Herr Tapezierer
Wilh. Gallade, der uns einen im Rheinsande gefundenen Constantin schenkte.
Herr Dr. Selz in Neuss gab uns den Bleiabdruck eines sehr seltenen Neusser
Thalers. Von Frau Professor Kurtz in Ellwangen erhielten wir einen Silber-
batzen von (1508) ihrer Vaterstadt Isni. Fraulein Amalie Held hier erfreute
uns durch eine ansehnliche Sammlung von 8 historischen Silbermedaillen, 8 Silber*
und 34 neueren Kupfermunzen. Herrn Landrichter Diissel, der uns immer mit
wertvollen antiquarischen Notizen versieht, danken wir jetzt auch ein Wachs-
siegel von Wetzlar und 16 altere Amtssiegel aus der Umgegend von Neuwied.
Das Museum war vom 24. April bis 16. Oktober an 101 Tagen den
Besuchern offen und letztere betrugen 3924 Personen; unter diesen haben 2731
das Museum an den Sonntagen und 1193 an den Werktagen besucht; durch-
schnittlich kamen an Sonntagen 105, an Werktagen 15 bis 16 Besucher.
Druck von Bud. Beehtold & Comp., Wiesbaden.
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r
Druckfehler.
1. S. 325, Zoile 4 von unton lies: tang »}» = sin y. tang s.
2. S. 326, Zeile 17-22 lies Uberall 4 statt 9 und -y statt 9*.
3. S. 360, Zeile 3 von untcn, Anmerkung 5, lies s. statt 5.
4. S. 262, Zeile 19 von unten, Fig. 10, streiche: do. aus Zazenhausen etc. und setze
dafur: Versuch No. 6 als Hemmschuh anzusehen.
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Grundriss des Museums.
Taf. I
Friedrichsstrasse
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Romischer Krieger.
Taf.H
■'CjOT* 1 '
Halle
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Fundstiicke aus den Steetener Hohlen.
Tailll
Raum I
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Romische Glaser.
Taf.IV
Raum II
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Mithras Bildwerk.
Taf.Y
/
Raum III
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Cymbelnschlagender Satyr.
Taf.YL
Raum IV
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Frankische Glaser.
Taf.W
Raum V
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Jupiter von Igstadt.
Christliche Grabplatten von Wiesbaden.
Taf. Wl
HICSACETvl
Raum VI
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Romische Villa bei Marienfele.
Taf.IX
ornmies*
Durchschiutt de s Hypocausiums. f ;|
Raum VII
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Ritter in Plattenhamisch.
Taf.X
Raum VIII
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Romische Sonnenuhren.
Taf.XE
FifJ. fr
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Romische Sonnenuhren.
Taf.XE
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Fig. M a
Romisohe Sonnenahren.
Taf.xnr
Fig.YE 1
Fig. YHL
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1
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Die Hufeisenfrage.
Taf.Xffi
16
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Die Hufeisenfrage.
Taf.XZ
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Annal d. Vereins f. Nass. Mlert. u. Gesch. Bd 3K'
Taf.JXSI
Der Wild-Piitz A und der Wild-Kelier B
bei Steeten.
ab = 1,90 m. fg — 1,88 m.
ac = 6,10 m. dh = 0,59 m.
ad= 1,80 m. ik = 1,80 m.
ae±= 4,00 m.
Massskib 1 cm=l m.
des Einganges.
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II *
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Coogle
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Anna! d. Vereins f. Hass. Altert. u. Gesch. Bd UK
Taf.XOr
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Aruial. d Vereins f. Nass. Allert. u. Gesch. Bd JK
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Annal d. Vereins f. Nass. Altert. u. Gesch. Bd JK.
Taf.XUL
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YD 187%
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