MARIE BONAPARTE
EDGAR POE
EINE PSYCHOANALYTISCHE STUDIE
MIT EINEM VORWORT VON SIGM. FREUD
BAND III
INTERNATIONALER
PSYCHOANALYTISCHER VERLAG IN WIEN
INTERNATIONAL
PSYCHOANALYTIC
UNIVERSITY
DIE PSYCHOANALYTISCHE HOCHSCHULE IN BERLIN
MARIE BONAPARTE
EDGAR POE
TEIL III UND IV
JOHN ALLAN
(Nach dem Porträt eines unbekannten Künstlers)
(Edgar Allan Poe Shrine, Richmond, Virginia)
EDGAR POE
EINE PSYCHOANALYTISCHE STUDIE
TON
MARIE BONAPARTE
TEIL III
DIE GESCHICHTEN: DER ZYKLUS FATER
TEIL IV
POE UND DIE MENSCHLICHE SEELE
MIT s BILDTAFELN
1934
INTERNATIONALER
PSYCHOANALYTISCHER VERLAG IN WIEN
Autorisierte Übersetzung aus dem Französisdien von Fritz Lehner
Alle Redite vorbehalten
Copyright 1934 by Internationaler Psydioanalytisdier Verlag
Gesellschaft m. b. H. in Wien
Printed in Austria
DruA : Christoph Reisser's Söhne, Wien V
TEIL III
DIE GESCHICHTEN:
DER ZYKLUS YATER
DER ZYKLUS VON DER AUFLEHNUNG
GEGEN DEN VATER
DAS SCHWATZENDE HERZ'
„Wahr ist es: nervös, entsetzlidi nervös "war ich damals und
bin es nodi. "Warum aber müßt ihr durchaus behaupten, daß idi
■wahnsinnig sei?"
beginnt der Held des Schwatzenden Herzens.
"Wie der Erzähler in der Schwarzen Katze oder im
Dämon der Verkehrtheit schickt auch er uns sein
Bekenntnis aus dem Kerker, in den ihn sein "Verbrechen ge-
bracht hat.
„Mein nervöser Zustand hatte meinen Verstand nidit zerrüttet,
sondern geschärft . . . Vor allem hatte sich mein Gehörsinn
wunderbar fein entwickelt. Idi hörte alle Dinge im Himmäl und
auf Erden. Ich hörte viele Dinge in der Hölle, und das sollte
Wahnsinn sein? Hört zu und merkt auf, wie sachlich, wie ruhig
ich die ganze Geschichte erzählen kann."
Der Erzähler, den Poe uns siditlich als Geisteskranken oder
zumindest als einen vom Dämon der Verkehrtheit Besessenen
vorstellen will, und der ein wirklicher querulierender Geistes-
kranker ist, beginnt also seinen Bericht damit, daß er seinen
Wahnsinn ableugnet.
„Idi kann nicht sagen, wann der Gedanke mich zum erstenmal
überfiel. Er war urplötzlidi da und verfolgte mich Tag und Nacht."
"Wir werden bald sehen, welcher Natur diese dominierende
Idee ist.
„Ein widitiges Motiv war nicht vorhanden. Haß war nicht vor-
handen. Ich liebte den alten Mann, er hatte mir nie etwas zu
leide getan. Er hat mir nie eine Kränkung zugefügt. Nach seinem
Geld trug ich kein Verlangen."
i) The Teil-Tale Heart {The Pioneer, Januar 1843; Broadway
Journal, II, 7).
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Das gleicht sehr einer Darstellung der Beziehungen zwischen
Edgar und seinem Adoptivvater Allan durch ihr Gegenteil!
Aber hören wir, welchen Grund unser Erzähler seiner Tat
unterlegt.
„Idi glaube, es war sein Auge! Ja, das war es! Eines seiner
Augen glidi vollständig dem Auge eines Geiers — ein blaßes, blaues
Auge mit einem Häutchen darüber . . . Wann immer es midi an-
blüte, erstarrte mir das Blut. Und so — nach und nach — immer
zwingender — setzte sidh der Gedanke in mir fest, dem alten
Mann das Leben zu nehmen, um mich auf diese Weise für immer
von diesem Auge zu befreien."
Das mit einem Häutdien bedeckte Auge stellt — auch dann,
wenn man durch das Häutchen noch ein wenig hindurchsehen
oder neben ihm sehen kann, da es unvollständig ist — ein
Äquivalent für das ausgestochene Auge dar, und dadurch sind
wir wieder beim Hauptthema der Schwarzen Katze
angelangt. Der Greis wird also aus dem gleichen Grunde zum
Tode verurteilt, aus dem die Katzen verurteilt wurden. Aber
dieser Mord wird wie das im Dämon der Verkehrt-
heit ebenfalls am Vater verübte Verbrechen — dort will der
Sohn ihm sein Gold wegnehmen, hier will er das ausgestochene
Auge wegschaffen — ein durchaus vorsätzlicher Mord sein:
„Idi war nie freundlidier zu dem alten Mann, als während
Vorsicht — und mit wieviel Heuchelei idi zur Sache ging!"
Denn der Vater ist tatsächlidi eine gefährliche Gestalt und
muß mit Vorsicht angegangen werden:
„Ich war nie freundlicher zu dem alten Mann, als während
der ganzen Woche, bevor ich ihn umbrachte. Und jede Nacht gegen
Mitternacht drüdte ich auf seine Türklinke und öffnete die Tür,
oh, so leise! und dann, wenn der Spalt weit genug war, daß idi
den Kopf hindurchstecken konnte, hielt ich eine verdunkelte, ganz
geschlossene Laterne ins Zimmer; sie war ganz zugeschlossen, so
daß kein Lichtschein herausdrang, und dann folgte mein Kopf . . .
Ich bewegte ihn ganz langsam vorwärts, um nidit den Schlaf des
Das schwatzende Herz
alten Mannes zu stören. Ich brauchte eine Stunde dazu, den Kopf
so weit durch die Öffnung zu schieben, daß ich den Alten in
seinem Bett sehen konnte . . . Und dann, wenn ich meinen Kopf
glücklich im Zimmer hatte, öffnete ich vorsichtig die Laterne —
oh, so vorsichtig! ganz sadite, wenn die Scharniere kreischten, öffnete
ich sie so weit, daß ein einziger, feiner Strahl auf das Geierauge
fiel. Und das tat ich sieben Nächte lang . . . aber ich fand das Auge
immer geschlossen, und so war es unmöglich, das Werk zu voll-
enden; denn es war nicht der alte Mann, der mich ärgerte, sondern
sein Scheelauge. Und jeden Morgen, wenn der Tag anbrach, ging
ich kühn zu ihm hinein und spradi mit ihm. Ich nannte ihn
munter und herzlidi beim Namen und fragte ihn, ob er eine gute
Nacht verbracht habe. Ihr seht, er hätte wirklich ein sehr schlauer
alter Mann sein müssen, um zu vermuten, daß ich allnäditlich um
zwölf Uhr, während er schlief, zu ihm hereinsah."
So schlägt der Sohn den Vater durdi Vorsicht und Hinter-
list, mit geistigen "Waffen! Und -wenn man das Bild des jungen
Mannes, der von seinen Mordabsichten ganz erfüllt ist, an-
zusehen versteht, wenn man beobachten kann, wie er den alten
Mann jeden Morgen freundlich in seinem Zimmer begrüßt,
dann glaubt man, den kleinen Edgar vor sich zu haben, der
auch jeden Morgen in das Zimmer seines Pa getreten war, „ihn
munter und herzlich beim Namen" (Pa!) genannt und gefragt
hatte, „. . . ob er eine gute Nacht verbracht habe", ganz so
wie Kinder es tun, die ja auch an den Tagen, an denen sie
böse sind, v/eil sie kurz vorher Sdiläge bekommen haben,
höflich und zärtlich bleiben müssen.
„In der achten Nacht ging ich beim öffnen der Tür mit ganz
besonderer Vorsicht zu Werke. Der Minutenzeiger einer Uhr rückt
gewiß schneller voran als damals meine Hand. Niemals vor dieser
Nacht hatte ich die Größe meiner Macht, meines Scharfsinns so
gefühlt. Ich konnte kaum meinen Triumph unterdrücken. Da war
ich nun hier und öffnete ganz sacht, ganz allmählidi die Tür —
und ihm träumte nicht einmal von meinem geheimen Tun und
Denken. Ich kicherte bei diesem Gedanken, und vielleicht hörte er
mich, denn er rührte sich — wie erschreckt. Jetzt könntet ihr
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
denken, ich sei zurüdcgefahren. Aber nein! Sein Zimmer war ganz
dunkel, denn er hatte die Fenster aus Furcht vor Einbrechern fest
geschlossen; es war pechschwarz. Und ich wußte also, daß er das
öffnen der Tür nicht sehen konnte, und ich fuhr fort, sie langsam,
langsam aufzumachen. Ich war mit dem Kopf im Zimmer und
m.adite mich daran, die Laterne zu öffnen; da glitt mein Daumen
an dem Blechversdiluß ab und der alte Mann schrak im Bett
empor und schrie: ,'Wer ist da?'"
Nun stehen die beiden Gegner einander gegenüber: der im
Dunkeln lauernde Sohn und der bedrohte Vater.
„Ich verhielt mich ganz still und sagte nichts. Eine volle Stunde
lang rührte ich kein Glied, und in dieser ganzen Zeit hörte idi
nicht, daß er sich wieder niederlegte. Er saß noch aufrecht im Bett
und horchte; geradeso, wie ich Nacht um Nacht auf das Ticken
der Totenuhren in den Stubenwänden gehorcht habe."
Nun folgt eine Beschreibung der wadisenden Angst des
Greises. Dann setzt der Erzähler fort:
„Nachdem ich lange Zeit sehr geduldig gewartet hatte, ohne
doch zu hören, daß er sidi wieder niederlegte, beschloß idi endlich,
einen kleinen — einen winzig kleinen Spalt der Laterne zu
öffnen ... bis schließlich ein einziger matter, spinnfadenfeiner
Strahl herausdrang und auf das Geierauge fiel. Es war offen, weit
offen, und ich wurde rasend, als ich darauf hinstarrte. Ich sah es
mit vollkommener Deutlichkeit: nichts als ein stumpfes Blau mit
einem ekelhaften Schleier darüber. Ich erschauerte bis ins Mark.
Aber ich konnte von des alten Mannes Gesicht und Gestalt nichts
weiter sehen, denn ich hatte den Strahl wie instinktiv ganz genau
auf die verfluchte Stelle gerichtet."
Der Erzähler sagt uns nicht, ob der Greis den Lichtstrahl
mit seinem andern Auge oder mit dem Auge, das von einem
Häutchen bedeckt ist und dessen Sehfähigkeit auch weiterhin
ungeklärt bleibt, bemerkt. Tatsache jedoch ist, daß die
Wirkung des Lichtstrahls, der „spinnfadenfein" auf das Geier-
auge fällt, eine ungeheure ist.
„Und nun — habe ich Euch nicht gesagt, daß das, was Ihr
für Wahnsinn haltet, nur eine Überfeinerung der Sinne ist?" (man
Das schwatzende Herz 13
könnte glauben, einen Paranoiker zu hören, der seine auditiven
Halluzinationen verteidigt), „nun, sage ich, vernahm mein Ohr
ein leises, dumpfes, schnelles Geräusdi, ein Geräusch wie das
Ticken einer Uhr, die man mit einem Tuch umwickelt hat. Auch
diesen Laut kannte ich gut. Es war des alten Mannes Herz, das
so schlug/ Es steigerte meine Wut, wie das Schlagen einer Trommel
den Soldaten zu mutigerem Vorgehen anreizt."
Der Mörder nimmt sich zusammen und bleibt noch eine
Zeitlang unbeweglich stehen, heftet „den Strahl so beständig
wie möglich auf das Auge", während „sich das höllisciie
Trommeln des Herzens {The hellish tattoo of the heart)"
steigert. Seine Angst wächst mit der Stärke des Herz-
schlags.
„Das Klopfen wurde lauter und lauter! Ich dachte, das Herz
müsse zerspringen. Und nun faßte midi eine neue Angst: das
Geräusch könnte von einem Nachbarn vernommen werden! Da
war des Alten Stunde gekommen. Mit einem lauten Geheul riß
ich die Blendlaterne auf und sprang ins Zimmer. Er schrie auf —
nur ein einziges Mal. Im Augenblick zerrte idi ihn auf den Boden
herunter und zog das schwere Federbett über ihn. Dann lädielte
ich, froh, die Tat so weit vollbracht zu sehen. Aber noch viele
Minuten hörte ich den erstiditen Laut des klopfenden Herzens.
Das kümmerte midi jedoch nicht. Das konnte nicht durch die
Wände hindurch gehört werden. Endlich hörte es auf. Der alte
Mann war tot. Ich entfernte das Bett und untersuchte den
Leichnam. Ja, er war tot — tot wie ein Stein. Ich legte ihm
meine Hand aufs Herz und ließ sie minutenlang da liegen. Kein
Schlag war zu spüren. Er war endgültig tot. Sein Auge würde mich
nicht mehr belästigen."
Der Mörder beschreibt uns nun die „klugen Vorsichtsmaß-
regeln", die er ergreift, „um den Leichnam zu verbergen" und
die nach seiner Meinung beweisen sollen, er sei nicht -wahn-
sinnig gewesen.
„Die Nacht sdiwand hin, und ich arbeitete eilig, aber in großer
Stille. Ich begann nun ihn zu zerstückeln. Ich schnitt den Kopf
ab, dann die Arme, dann die Beine. Aus dem Fußboden des
14 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Zimmers hob ich drei Dielen heraus und bereitete darunter dem
Toten sein Grab. Dann legte ich die Bretter wieder an Ort und
Stelle. So geschickt, so sorgfältig tat ich dies, daß kein mensch-
liches Auge — nidit einmal das seine! — irgend etwas Auffallendes
hätte bemerken können. Da war nichts wegzuwaschen — kein
Fleds irgendwelcher Art — , nicht das kleinste Blutströpfchen. Dafür
war ich viel zu bedachtsam vorgegangen.
Als ich mit dieser Arbeit fertig wurde, war es vier Uhr — noch
immer schwarz wie Mitternacht. Als die Turmuhr die Stunde
anschlug, pochte es am Haustor ... Es traten drei Männer herein,
die sich sehr liebenswürdig als Polizeibeamte vorstellten. Ein
Nachbar hat in der Nacht einen Schrei vernommen."
Der Mörder ist sehr ruhig. Er lächelt. Den Schrei, erklärt er,
habe er selbst ausgestoßen, in einem Traum. Der alte Mann
sei abwesend, sei aufs Land gereist. Und ebenso ruhig wie
sein Nachfolger, der Mörder der Schwarzen Katze (eine
Geschichte, die wahrscheinlich nach dem Schwatzenden
Herzen gesdirieben wurde), führt auch er nun die
Kommission durch das Haus und fordert sie auf, überall gut
nachzusehen.
„Ich führte sie sdiließlich in sein Zimmer. Idi zeigte ihnen
seine Wertsachen, vollzählig und unberührt. Begeistert über meine
Gewissensruhe bradite ich Stühle herbei und ersuchte die Herren,
sich hier von ihrer Ermüdung zu erholen, während ich, im Bewußt-
sein meines vollständigen Sieges, voll ausgelassener Kühnheit meinen
Stuhl genau dort hinstellte, wo unter den Dielen der Leidinam des
Opfers ruhte."
Audi das erinnert wieder an den Mörder der Schwarzen
Katze, der mit seinem Stock in die Mauer schlägt, es erinnert
übrigens an den Zwang, unter dem so viele Mörder stehen, den
Ort ihrer Untat immer wieder aufsuchen zu müssen.
Und das Opfer antwortet nun, wie es sich gehört, aus der
Tiefe seines Grabes auf die Herausforderung seines Mörders.
Die Statue aus Stein, die über dem Grabe des Kommandeurs
steht, nimmt die Einladung Don Juans an und kommt zum
Das sdjwatzende Herz ij
Rendezvous. Die eingemauerte Katze schreit. Auch der Greis
mit dem sprechenden Herzen antwortet auf seine Weise.
„Die Beamten waren zufrieden ... Sie saßen also, und während
idi fröhlidi Antwort gab, plauderten sie von privaten Angelegen-
heiten. Aber nidit lange, da fühlte idi, daß idi erbleichte, und
wünsdite sie fort. Mein Kopf sdimerzte, und ich glaubte, Ohren-
sausen zu haben . . ." Das Dröhnen in seinen Ohren wächst an —
„bis mir endlidi klar wurde, daß das Geräusch nicht in den Ohren
selbst war".
Die auditive Halluzination ist wieder aufgetaucht.
„Zweifellos: jetzt wurde ich sehr bleich; — aber ich redete noch
eifriger und mit erhobener Stimme. Doch das Geräusch wurde
lauter — und was konnte ich tun? Es war ein leises,
dumpfes, schnelles Geräusch — ein Geräusch
wie das Ticken einer Uhr, die man mit einem
Tuch umwickelt hat. Ich rang nach Atem — und dennoch
— die Beamten hörten es noch immer nicht. Ich spradi schneller
— heftiger; aber das Geräusch wuchs beständig. Ich stand auf . . ."
Und der Unglückliche macht die heftigsten Anstrengungen,
um den immer stärker ansdiwellenden Lärm 2u ersticken.
Aber was immer er auch tut, ob er mit wuchtigen Schritten
hin und her rennt oder mit dem Stuhl auf den Dielen hin und
her kratzt,
„das Geräusch erhob sich über alles und nahm fortgesetzt zu.
Es wurde lauter — lauter — lauter! Und immer noch plauderten
die Männer und lädielten. War es möglich, daß sie nicht hörten?
Allmächtiger Gott! — nein, nein! sie hörten! — sie argwöhnten!
— sie wußten! sie trieben Spott mit meinem Entsetzen!" Und unter
dem Drui dieser Einbildung, und da er nicht mehr länger diesen
Hohn ertragen kann, ruft: unser Mörder aus: „Schurken! ... ver-
stellt Eudi nidit länger! Ich bekenne die Tat! — Reißt die Dielen
auf! — Hier, hier! — es ist das Schlagen seines "fürditerlichen
Herzens".
Das ist der Inhalt dieser berühmten Geschichte, die durch
Stil und Vortrag überaus unmittelbar den Leser ergreifl: und
dadurch eine der modernsten Gesdiichten Poes ist. Durch
i6 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
sie weht bereits ein Vorläufer des Sturmes hindurch, der in dem
großartigen Epos vom Vatermord, im Werk Dostojewskis,
ausbrechen sollte.^
*
Das Schwatzende Herz, das wir zum erstenmal
im Briefwechsel Poes Ende 1842 erwähnt finden, soll unter
dem Einfluß eines ernsten Herzanfalls, den der Dichter im
Sommer des gleichen Jahres, als er von den Saratoga Springs
zurückkehrte, erlitten hatte, geschrieben worden sein." Vielleicht
war diese ernste Attacke (nach Hervey Allen der dritte beun-
ruhigende Herzanfall,'^ den Edgar Poe seit 1834/35 erlitten
hatte) tatsächlich die auslösende Ursache, die Poe dazu ange-
regt hat, die tief in ihm schlummernden Komplexe, welche wir
jetzt studieren werden, gerade durch den von Angst getriebenen
Herzschlag — der auch, als sein Herz noch kränklicher war,
später in dem Gedicht F ü r A n n i e die Ermüdung am Leben
wiedergab — auszudrücken.'' Aber durch eine solche Erklärung
2) Über Dostojewski: Freud: Dostojewski und die
Vatertötung. (Als Vorwort zu der Ausgabe der Urgestalt
der Brüder Karamasoff. Verlag Piper, Mündien 1528.)
3) Lowell an Poe, Boston, 17. Dezember 1842 (V. E., Bd. 17,
S. I2J).
4) Israfel, S. J67.
5) Israfel, S. 540
6} The moaning and groaning,
The sighing and sobbing,
Are quieted now,
With that horrible throbbing
At heart: — ah that horrible,
Horrible throbbing!
Das Ächzen und Krächzen,
Die seufzende Plag'
Ist nun endlich vorbei
Mit dem schrecklichen Schlag,
Mit des Herzens entsetzlichem
Schrecklidiem Sdilag!
Siehe Bd. i, S. 311, 312.
Das schwatzende Herz 17
ist bei weitem nicht alles erfaßt, was sich im Schwatzen-
den Herzen verbirgt.
Wir wissen (eine Erkenntnis, die von der bewußten Men-
talität nicht leicht aufgenommen wird), daß die Funktion der
Organe unseres Körpers in unserer Gesamtpsydie nicht
nach der Wichtigkeit, die sie für das Leben haben, repräsentiert
ist. Die Funktion des Herzens im besonderen ist von derart
vitaler Widitigkeit, daß der Mensch tot ist, sobald es zu
schlagen aufhört; man müßte infolgedessen annehmen, daß der
Herzschlag in unserer Psyche einen starken Widerhall findet.
Dem ist aber nicht so: der Herzschlag belästigt unser Unbe-
wußtes ebensowenig wie die rhythmische Ausdehnung des
Thorax beim Atmen. Diese beiden Ersdieinungen gehören zu
jenen Tätigkeiten des Organismus, weldie sich für ge-
wöhnlich auf dem organischen Territorium abspielen, das sidh
sogar jenseits unserer unbewußten psydiischen Gesamtstruktur
befindet.
Sobald aber ein organisches Leiden das eine oder andere
dieser wichtigen Organe angreift, ja selbst wenn diese nur
unter dem Einfluß einer hysterischen oder hypochondrischen
Konversion stehen, dann kann es dazu kommen, daß jene
Organe uns ganz ausschließlich zu beschäftigen beginnen. Aber
sie beschäftigen uns dabei nie nur durch ihre Funktion an sidi:
sie sind stets mit einer Libidolast überbesetzt. Sie stellen dann
außer ihrer eigenen Funktion noch die Libidofunktion des
ganzen Organismus dar, die dann zum großen Teil auf sie
„verschoben" ist. Und bei diesen psychoneurotischen Störungen,
die nicht bis zu der tiefen narzißtischen Regression zurück-
gehen, welche die Hypochondrie verursacht, kann die libidinöse
Überbelastung des leidenden Organs sogar dazu dienen, die
Objektbeziehungen des Subjekts zu andern Menschen aus-
zudrücken.
Das ist der Fall des Schwatzenden Herzens. Wir
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 2
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
haben im Vorübergehen bereits darauf hingewiesen: der er-
mordete Greis erinnert durch mehr als einen Zug an John
Allan. Aber audi das Symptom des in Angst versetzten Herzens
mußte ihm zugehören: hatte nicht Herr Allan schon 1820, bei
dem Aufenthalt in England, den ersten Anfall von Hydropsie
zu überstehen, jener Krankheit, die mit seinem Alter immer
ärger wurde und 1834 sein Leben beendete? Erinnern wir uns
an die letzte Begegnung zwischen dem Adoptivvater und dem
Adoptivsohn, und an den Stock, mit dem der Kranke den
Eindringling in das Familienheim bedrohte. Die Herzensangst
in der Brust des ermordeten Greises stammt somit wahrschein-
lich unmittelbar von dem schweratmenden, hydropischen, be-
klommenen Herzen des schottischen Kaufmanns, mit dem Poe
unter dem Einfluß der in seiner Psyche ruhenden Komplexe
(die wir noch untersuchen werden) später manchmal sein
eigenes Alkoholiker- und Neurotikerherz unbewußt identi-
fizierte, in jener Identifizierung mit dem Vater, die von allen
Söhnen durchgeführt wird.
Denn die Tatsadie allein, daß Herr Allan wassersüchtig
war, erschöpf! keineswegs die ganze Substanz dieser Angst-
gesdiichte vom Schwatzenden Herzen. "Wenn man
die tiefverborgenen Antriebe, welche die Menschen zu träumen
veranlassen und die Diditer ein Kunstwerk zu schaffen, ver-
stehen will, muß man die ursprünglichen Lebenstriebe, die das
Unbewußte bevölkern, in ihrer ganzen Fülle erfassen.
"Wir haben schon anläßlich des Doppelmordes in
der Rue Morgue und des Mannes der Menge
gesehen: der Sexualinstinkt des Kindes ist viel früher wadi, als
die Erwachsenen glauben. Schon in einem unglaublich frühen
Alter trägt es vorgeformte Triebmedianismen in sich, die es
ihm gestatten, den Sexualverkehr der Erwadisenen, dessen
Zeuge es sein konnte, „aufzunehmen" und in sich „auf-
zubewahren". Daß der junge Edgar Zeuge solcher Handlungen
Das schwatzende Herz 19
gewesen, und zwar in der Zeit, da er mit seiner Mutter, der
armen Wandersdiauspielerin, die Zimmer teilte, wird beinahe
sicher durdi das Verbrechen des Orang bewiesen. Für das gleiche
Verbredien, das sich im Londoner Nebel verbirgt, in dem
Nebel, in dem Frances Allan an einem geheimnisvollen Leiden
erkrankte, wird der Mann der Menge „das Urbild und der
Dämon des Triebes zum Verbrechen" genannt. Denn das an
der Mutter begangene Sexualattentat ist für das Kind in der
Zeit der sadistisdien Auffassung des Koitus das Urbild jedes
Verbrechens.
Aber nur in der Zeit, in der das Kind noch ganz klein ist,
scheuen sidi die Erwadisenen nidbt, sich bei Licht dem Sexual-
akt hinzugeben; wenn es älter wird, schützen sie sich gegen
seine Augen, die erwadien könnten, durch einen Wall von
Finsternis, den sie für undurchdringlidi halten, durdi jene
Finsternis, von der im Schwatzenden Herzen die
Rede ist und durdi die ein Zimmer „schwarz wird wie Pedi".
Die Finsternis ist ja auch sonst der bevorzugte Sdiauplatz für
die Sexualbetätigung des zivilisierten Menschen; er wird durdi
die soziale Zensur, die seine Umgebung ausübt, auf sie ver-
wiesen.
Dem geweckten Sexualtrieb des Kindes gelingt es jedodi,
auch diese Nacht zu durchdringen. Dabei hilfl ihm, was es in
noch früherer Zeit gesehen hat, und wenn audi Gesidits-
eindrücke fehlen, das Gehörte genügt. Der Koitus wird doch
von bestimmten Lauten, rhythmischen Bewegungen, besdileu-
nigter Atmung, die vom beschleunigten Herzschlag abhängt,
begleitet. Und wenn auch das Herz auf Distanz nicht hörbar
ist, das Keuchen, das seinen Schlag regelmäßig begleitet und
das für jeden hörbar ist, bleibt für die im Dunkel der Nacht
lauernden Kinderohren deutlich wahrnehmbar.
Wir sind daher nicht erstaunt, daß im Schwatzenden
Herzen auf einen besonders fein entwickelten Gehörssinn
Die Gesdiichten: Der Zyklus Vater
ausdrücklich hingewiesen wird. Dieser Hinweis dedct wahr-
scheinlich die unbewußte Erinnerung an die Tatsache auf, daß
das ganz kleine Kind in der Nacht Dinge der Hölle'' gehört
hat, die Angriffe des Vaters auf die Mutter. Man findet an der
Wurzel vieler Gehörshalluzinationen des Paranoikers die
gleiche unbewußte Erinnerung.
Der Herzschlag des Greises, dieses „höllische Trommeln des
Herzens", das immer lauter und lauter wird, bedeutet daher
den Trommelwirbel eines Herzens während des Angriffs auf
die Frau. Dieser Angriff ist wohl der Anlaß, der jenes tolle
Crescendo des Herzklopfens hervorruft, eines Herzklopfens,
das zweimal anschwillt, um das erstemal beim Tod des
Greises, das zweitemal bei der ebenfalls zum Tod führenden
Verhaftung des Mörders abzuebben.
Beide Male wird somit das Gesetz der Wiedervergeltung
befolgt, zuerst durch die Bestrafung des Mutter m ö r d e r s,
dann durch die Bestrafung des Mörders dieses Mörders.
Das heißt: im Grunde genommen liegt der Mann der Menge
im Bett des Greises (vom Schwatzenden Herzen)
und empfängt hier die gerechte Strafe für seine Tat. Und so
wie das Verdrängte schließlich in den neurotischen Symptomen
im Verdrängenden wiederauftaucht, ersdieint das Zeichen des
Verbrechens — das während der Lust heftig pochende Herz —
hier in der Strafe wieder: in dem in der Todesangst pochenden
Herzen. Außerdem wird der Greis unter dem Bett, unter
dem Schauplatz seines Verbrechens (des Sexualattentats), er-
stickt. Das Werkzeug des Verbrechens wird hier zu dem
seiner Strafe.
Und in dem Faktum, daß die dichte, pedhschwarze Nacht
— durch die hindurch der schlafende Greis oder das
7) Henri Barbusse: L'enfer. (Librairie Mondiale, Paris, 1908.)
In diesem Werk wird die „Hölle" mit der Sexualität verglichen.
Das schwatzende Herz
sdiwatzende Herz belauert wird — dodi von einem aus der
Laterne kommenden sdiwadien Liditstreif durdibrodien ist,
muß man wahrscheinlich die Wiederkehr des heftigen, instän-
digen Kindwunsches erkennen, trotz der Finsternis zu sehen. Idi
habe einen jungen Mann gekannt, bei dem die Erinnerung an
den belausditen Sexualakt der Eltern in der Analyse in Form
eines Traumes wiederkehrte, in dem er sich selbst sah, wie er
als ganz kleines Kind die Eltern beobachtete und an Stelle
der Augen die mit einer Blende versehenen Objektive einer
Kamera hatte. Zu Poes Zeiten war die Photographie noch in
den Kinderschuhen, die Laterne mußte daher das Objektiv,
Symbol für den Blick, ersetzen. Man weiß, daß die primitive
Auffassung mandier Menschen meint, nicht die beleuditeten
Objekte senden dem Auge ihre Strahlen zu, sondern das
Auge sdbickt seinen Strahl auf die Gegenstände, die es be-
trachtet. Diese primitive Vorstellung vom Sehen ist nun auch
in dem Vorgang enthalten, wie der Mann die Finsternis durch-
schaut und seine Laterne einem Augenlid gleich öffnet. Stellen
wir dieses Element der Geschichte zu dem andern, zentralen,
des klopfenden Herzens, dann haben wir eine vollständige
Wiederkehr der visuellen und zugleich auditiven Sehnsucht des
kleinen Edgar vor uns, der noch im Haus der Allan die Szenen
wiedersehen wollte, die er in der Zeit Elizabeths hatte beob-
achten können.
Aber die Sohn-Gestalt verurteilt die Vater-Gestalt in dieser
Geschichte aus einem ganz anderen Grund zum Tode. Der
Erzähler erklärt, den alten Mann zu lieben, „er hatte mir nie
etwas zu leide getan", — „er hat mir nie eine Kränkung zu-
gefügt" — „nach seinem Geld trug ich kein Verlangen": wir
haben es mit lauter Darstellungen der Beziehungen Edgars zu
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
seinem „Pa" John Allan durch das Gegenteil zu tun.* Die Be-
hauptungen des Erzählers sind gewiß auch ein wenig Heuchelei;
und die Gesdiichte vom Schwatzenden Herzen, in
der die Ambivalenz der Gefühle gegen den Vater hätte sidhtbar
werden sollen, ist vor allem eine Geschichte des Hasses. Aber
der Grund, warum der Junge den Alten haßt, ist einzigartig:
der Greis wird wegen seines Auges gehaßt. „Ich glaube, es war
sein Auge! Ja, das war es! Eines seiner Augen glich vollständig
dem Auge eines Geiers — ein blasses, blaues Auge, mit einem
Häutchen darüber." Wir wollen uns hier nidit bis zur Be-
hauptung vorwagen, der Geier sei unleugbar eine Anspielung
auf die Mutter, trotzdem der Geier bei den Ägyptern und auch
anderswo ein klassisches Muttersymbol war, ein Symbol, das
dann in der Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci auf-
tauchte." Man wird jedoch nicht ableugnen können, daß das
Auge des Greises unmittelbar an das Auge der Katzen, der
mütterlichen Toterntiere in der Schwarzen Katze, er-
innert. Das Häutchen auf dem Auge schließt zwar keineswegs
unbedingt den Verlust des Sehens in sich ein, aber es hat
diesen Verlust häufig zur Folge oder suggeriert ihn wenig-
stens. Der „Vater" im Schwatzenden Herzen wird
8) Ebenso ist in Du bist der Mann! (Thou Art the Man,
Godey's Lady's Book, November 1844) der ErbnefEe, der den
überaus bezeichnenden Namen eines armen Sdariftstellers, Herr
Pennifeather, führt, unschuldig wie ein Lamm an der Ermordung
seines reidien Onkels, des Herrn Shuttleworthy; bloß ein Doppel-
gänger dieses Onkels, ein schlechter Kerl, der ebenfalls in die Reihe
der Väter, der heudilerischen John Allan gehört und ironisch Old
Charley Goodfellow heißt, ist einer soldien Tat fähig! Es gelingt
Goodfellow, den Unschuldigen verhafi:en und zum Galgen ver-
urteilen zu lassen, aber durch ein Poesches "Wunder (der Leichnam
des Opfers steigt aus einer Weinkiste hervor) wird er demaskiert
und geriditet: er stirbt und der freigelassene Pennifeather genießt
in aller Unschuld das Vermögen des Ermordeten.
9) Freud, Eine Kindheitserinnerung des Leo-
nardo da Vinci. Deutidee, Wien 1910 (Ges. Schriften, Bd. IX).
Das schwatzende Herz ^3
also, wie der Wotan der germanischen Mythologie, einäugig
(was so viel bedeutet wie verstümmelt, kastriert) dargestellt."
Und das wegen seiner Missetaten! Der Vater ist in seinem
Verhalten der Mutter gegenüber der Urtypus des Verbrechers.
Das gleiche gilt von seinem Verhalten gegenüber dem Sohn.
Hat nicht er den Sohn von der Mutter getrennt und ihn mit
der Kastration bedroht? Und gerade darin liegt der Haken!
Die Mutter zeigt ihrem Sohn an ihrem eigenen Körper, daß
die sdirecklidie Möglichkeit, einem Lebewesen könne der Penis
fehlen, tatsächlidi besteht; der Vater jedoch, durch den und
zu dessen Gunsten dann die ödipusverbote geschaffen
wurden, ist schließlich die Gestalt, die von alters her und im
Unbewußten dem Sohn droht, er werde zur Strafe für^ seine
schuldbeladenen Wünsciie den Penis verlieren. Und weil der
Vater an seinem Sohne jenes Verbrechen begangen hat,
kastriert ihn dieser, sobald er zur Macht kommt, zur Strafe
für das gleiciie Verbrechen, für das der Sohn hätte kastriert
werden sollen: für den Besitz der Mutter. So kastrierte der
erwaciisene Zeus seinen Vater Kronos, welcher wieder Ka-
strator seines eigenen Vaters Uranos gewesen war.
Diese zwei großen, ewig menschlichen Themen sind der
tiefere Grund, warum die Leser der kleinen Geschichte Poes
von der Erzählung so gepackt werden. Die beiden
Fundamentalkomplexe, durcii welciie die ganze Menschheit und
lo) In The Encyclopaedia Britannica, Artikel Odin, steht: dem
„alten Mann mit dem einzigen Auge" wurden bei den alten Völkern
häufig die Kriegsgefangenen geopfert. „Die gewöhnlichste Methode
der Opferung bestand darin, daß die Opfer an einen Baum gehängt
wurden, und in dem Gedicht von Hävamil wird der Gott selbst
als auf solche Weise geopfert dargestellt." Man muß auch in der
Tatsache, daß Wotan, der kastrierte Vater, in einer Art ironisdier
Kompensierung ganz ebenso wie die Sdiwarze Katze, das Unge-
heuer, welches gleichfalls nur ein Auge hat, aufgehängt, das heißt
rephallisiert wird, mehr als ein zufälliges Zusammentreffen
sehen.
24 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
jedes Mensdienkind hindurch ging und gehen, bilden ihr Mark
und ihre Substanz. Hier sind die ödipalen Todeswünsdie des
Sohns gegen den Vater verwirklicht: der Vater wird wegen
des einen Verbrechens bestraft, die Mutter besessen zu haben,
und wegen des anderen, durch die Drohungen, die er seinem
Sohn gegenüber ausstieß, besonders aber durch die Tat selbst,
die verfluchte Kastration in die "Welt eingeführt zu haben!
Wenn nämlich der Sohn entdeckt, daß die Frau kastriert ist,
schreibt er die Tat gewöhnlicii dem Vater zu; und das Kind,
in dem die Erinnerung an die beim Koitus überraschten Eltern
stark nachwirkt, glaubt, daß die Mutter nur um den Preis jener
Wunde, die wie die des Amfortas ewig bluten wird, der
sadistischen Aggression des Vaters entgangen sei. Und es sieht
die Menstruen der Frau als Beweis für seine Meinung an.
Nun sind aber beide Eltern an der Freveltat, die Kastration
auf die Erde eingeführt zu haben, ohne die alle Lebewesen
ganz wären, auf ihre Art schuldig: die Mutter, weil sie
sie geduldet hat, der Vater, weil er ihr sie zufügte. Darum
müssen beide bestraft werden: die Katzen werden aufgehängt
oder eingemauert, der Greis wird unter seinem Bett erstickt.
Und beide tragen das Zeichen ihres gemeinsamen Verbrediens
an sich: die Katze das ausgestochene Auge, und der Greis ein
Häutdien über dem Auge.
Hier müssen wir uns nun fragen: ist der Greis des
Schwatzenden Herzens wirklich einäugig? Poe
spricht sich darüber nicht aus, er scheint sogar zuzugestehen,
daß das „blinde" Auge trotz des das ganze Auge bedecienden
Häutchens sehen kann. „Wann immer es mich anblickte",
schreibt er zu Beginn der Erzählung, „erstarrte mir das Blut."
Und später, als der verstümmelte Leichnam nach dem voll-
brachten Verbrechen unter dem Boden lag: „Dann legte ich
die Bretter wieder an Ort und Stelle. So gesdaickt . . ., daß
kein menschliches Auge — nicht einmal das seine! — irgend
Das schwatzende Herz 25
etwas Auffallendes hätte bemerken können." Hier wird also
diesem Auge sogar eine Sehfähigkeit von außerordentlicher
Sdiärfe zugewiesen. Darin steckt irgendwie ein Widerspruch,
denn wenn audi das Häutchen und das Sehen im Notfalle
nebeneinander bestehen können, so war dieses Auge im Un-
bewußten Poes unleugbar ein blindes Auge wie das des
„Vaters" "Wotan in der Sage.
Wir wissen aber, daß Widersprüche im manifesten Inhalt
von Träumen oder Sagen einen Gedanken, der in ihrem
latenten Inhalt vollkommen kohärent ist, verraten. Hängen
diese Widersprüdie, die hier zwischen dem Häutchen und dem
Auge, das ganz ausgezeichnet sehen könnte, obwohl es doch
im Grunde ein blindes Auge bleibt, nicht mit der Tatsache
zusammen, daß der Vater in dieser Geschichte für zwei ver-
schiedene, deutlidi voneinander getrennte Missetaten bestraft
wird: für das Verbrechen, mit der Mutter den Sexualakt be-
gangen, und für das andere, durch diesen Akt in der Person
der Mutter die Kastration auf der Erde eingeführt zu haben?
Um nun die Kastration auf der Erde einzuführen, braucht man
eine Waffe, den Penis; der Vater war daher im Augenblick
dieser Tat nidit kastriert, er wird erst später verstümmelt sein,
zur Strafe für sein Verbrechen. Das Auge des Greises, der
sehen und nicht sehen kann, verdichtet also in sich einen sdiein-
baren Widerspruch, es gibt zwei aufeinanderfolgende Zustände
des verbrecherisdien Vaters wieder: den ersten, in dem er mit
seiner Waffe die Missetat vollführt, den zweiten, in dem diese
Waffe ihm aus Strafe für seine Missetat weggenommen wird.^^
11) Man könnte in dieser Geschidite nodi einen andern Wider-
spradi aufdecken: Das Geräusch des Greisenherzens wird hier mit
dem Ticien einer Uhr verglidien, die außerdem in ein Tuch gehüllt
ist. Nun sind die Uhren und ihr Ticktack (im Gegensatz zum
i6 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Es gibt eine ältere Geschichte Poes, in der die Kastration des
Vaters auf eine andere Art dargestellt wird, und zwar so,
daß die Todesstrafe nicht mit der Strafe für die Kastration
vermengt ist. Im Mann, der aufgerieben worden
w a r," hat der General-Major John A. B. C. Smith im Lauf
eines ultraheroischen Feldzuges fast alle möglichen Verstümme-
lungen durch Wilde, die Kickapoos und Bugaboos, erleiden
müssen! Der Erzähler der Geschichte, der dem General in vor-
nehmer Gesellschafl: begegnet, ist zuerst verblüfft über das
stattlidie Aussehen, die schöne Stimme dieses Offiziers und
über die Sicherheit, mit der dieser in Gesellschafl: auftritt. Der
General fällt nämlich besonders dadurch auf, daß er ein Löwe
bei den Damen ist. Man flüstert aber, es umgebe ihn ein
Geheimnis, und dem Erzähler gelingt es nicht, den Vorhang
zu heben. Um die Wahrheit an der Quelle zu schöpfen, begibt
er sich eines schönen Tages zum General selbst. Der General
ist beim Ankleiden; der Erzähler wird trotzdem vorgelassen.
Beim Eintritt in das Zimmer stolpert er über ein unförmiges
Paket, aus dem eine leise Stimme kommt. Das Paket ist der
General: der fällt nämlich in diesen Zustand zurück, sobald er
die verschiedenen künstlichen Teile abgelegt hat, die Wunder
moderner mechanischer Erfindungskunst sind und durch die er
großartigen Pendelschwung, von dem wir später sprechen werden)
im menschlichen Unbewußten klassische Symbole für das weibliche
Organ und den Pulsschlag der kleinen Klitoris in ihrer Falte
während der Erregung. Bevor nun die Herzschläge des Greises so
laut geworden sind, daß sie einen recht männlichen Höllenlärm
machen, setzen sie, und zwar zweimal, con sordino nach dem
weiblichen Schema ein. Man könnte darin eine Dualität sehen,
die der des Auges mit dem Häutchen analog ist, das zu gleicher Zeit
sieht und nicht sieht, das heißt zugleich übermännlich und
kastriert ist.
12) The Man that was Used Up. A Tale of the Late Bugaboo
and Kickapoo Campaign. {Burton's Gentleman's Magazine, August
1839; 1840; 1843; Broadway Journal, II, 5.)
Das sdjwatzende Herz 27
alle seine Verstümmelungen wettmacht. Die wichtigste Ver-
stümmelung wird zwar nicht erwähnt; man kann sich aber vor-
stellen, daß auch sie nidit fehlen wird, und daß die Kickapoos
und die Bugaboos, die auf so generöse Weise den Helden seines
Armes beraubt haben, seines Beines, seiner Sdiultern, seiner
Brust, seines Skalps, seiner Zähne, seines Auges, der Wölbung
seines Gaumens und sieben Achtel seiner Zunge, daß sie ihm
audi den Penis nidit ließen! Die Kastration der Gefangenen
steht übrigens auch bei andern wilden Völkern als bei den
Kickapoos und den Bugapoos in Ehren.
Wenn der Mörder des Schwatzenden Herzens
seinem Opfer den Kopf, die Arme und Beine wegschnitt, bevor
er es unter dem Fußboden beerdigte, so „kastrierte" er dadurch
wenigstens nur einen Leichnam. Die Behandlung, welche der
General erdulden mußte, ist eine symbolische, richtige Kastra-
tion. Das Kastrationsthema (Entziehung des Penis) ist zwar
mit dem Todesthema (Entziehung des Lebens) verwandt, aber
sie sind nicht miteinander identisch; das wird im Mann, der
aufgerieben worden war, sehr deutlich gezeigt.
In dieser Geschichte wirkt schließlidi auch die Erinnerung
Poes an die Zeit nach, in welcher er bei der Armee war und
seine Vorgesetzten für ihn die Stelle des Vaters einnahmen,
den er verlassen hatte, als er aus dem Hause Allans floh.
Bevor wir diese Studie über das Schwatzende Herz
abschließen, wollen wir nodi an den Zügen des ermordeten
Greises zu bestimmen versuchen, welche Väter Edgars sich in
ihm spiegelten.
Die unbewußte Erinnerung an den Sexualakt der Eltern
mußte, wie wir bereits gesehen haben, zu jener Zeit zurück-
kehren, in welcher das Kind mit der wirklichen Mutter
während der Tourneen der Truppe Placide dasselbe Zimmer
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
bewohnte. Damals war David Poe der Vater, bald aber folgte
ihm, wie wir vermuten, irgendein anderer Mann, der geheimnis-
volle X, der Vater Rosaliens. Dieser unbekannte Liebhaber
lieferte dann wahrsdheinlich in erster Linie das Thema vom
Crescendo des Herzens. Und die Tatsadie, daß der Mann
mit der Laterne, als er das letztemal in das Zimmer des Greises
eintrat, sich dadurch verriet, daß er zu husten begann und an
der Laterne herummanipulierte — Fehlhandlungen, weldie
vom "Wunsch, sich zu verraten, diktiert sind — , enthält wahr-
scheinlich die Wiederkehr eines häufig eintretenden Ereignisses:
das lauernde Kind gefällt sich ofl: darin, den Sexualakt der
Eltern aus Eifersucht zu stören, indem es schreit, unter dem
Einfluß der ansteckenden Erregung das Bedürfnis zu urinieren
hat, oder sidi auf irgendeine andere Weise bemerkbar
madien will.
Alle diese frühzeitig von dem Kind aufgenommenen und
von ihm aufbewahrten Eindrücke wurden dann in der Zeit
der Allans en bloc auf Allan selbst übertragen, auf einen In
höherem Maß Ehrfurcht einflößenden Vater, der auf das
heranwadisende Kind einen unauslösdilichen Eindrudi gemacht
hat. Es besteht wohl kein Zweifel darüber, daß Poe gerade im
Bürgerhause des schottischen Kaufmannes die Verdrängung
seiner frühreifen infantilen Sexualität anbefohlen wurde. Dort
wurde also für ihn der Kastrationskomplex, der Schöpfer
unserer Moral, wirksam. Daher gehört das mit dem Häutdien
bedeckte Auge des Greises, das Auge des Geiers, dem Herrn
Allan. Die ganze ödipuswut des Kindes muß nämlich an Allan
fixiert gewesen sein, weil Allan der gegenwärtige, harte, unter-
drückende Vater und audi der Besitzer und Henker der neuen
Mutter war und blieb. Die Herzschläge sind demnach zum
mindesten dreifach determiniert: wir agnoszieren sie zuerst
als das Keudien beim Koitus, das während der Nacht vom
Kind armer Sdiauspieler in ihrem Quartier gehört werden
Das schwatzende Herz 29
konnte; dieses Keudien wurde dann unter dem Einfluß der
Erinnerung an das beklommene Herz des hydropisdien Vaters
John Allan zu dem Herzklopfen in Beziehung gebracht; und
in der aktuellen Realität war das Alkoholiker- und Neurotiker-
herz des Sohnes Edgar das Echo zu diesem kranken Herzen.
Diese kranken Herzen sind nun alle schuldige Herzen, und
schuldig am gleichen Verbrechen: die Mutter begehrt zu haben.
Ihre Krankheit und ihr Klopfen waren daher im Unbewußten
Edgars zugleich der Ausdruck für das Verbrechen und für die
Strafe.
Der Zwang, unter dem der Mann mit der zu öffnenden
Laterne stand, als er Nacht für Nadit zur Tür des Zimmers
ging, um den schlafenden Greis in seinem Bett zu beobachten,
muß also als die Wiederkehr der Erinnerung an realste
Ereignisse aus der Kindheit Edgars angesehen werden. Es ist
allerdings kaum wahrsdbeinlich, daß John Allan, der für die
Adoptierung eines Waisenkindes, des Kindes von Wander-
schauspielern, wenig eingenommen war, gestattet hatte, daß
das Kind — auch dann nicht, wenn es krank war — im Schlaf-
zimmer des Ehepaars wohne, und sei es auch nur, um seiner
Frau, die das schöne Kind abgöttisch liebte, einen Gefallen zu
erweisen. Außerdem gehörte das Haus der Allan wohl-
habenden Bürgern: sie hatten Sklaven. Und das Kind war
einer schwarzen Kinderfrau, seiner „mammy" anvertraut,
neben der es schlafen mußte.^^
Vielleicht erlebte es nun im Schatten der Nacht, die so
schwarz war wie Pech oder wie die Negerin, durch diese selbst
in neuer Auflage den elterlichen Koitus wieder, den es jetzt
nur durch das Dunkel hindurch hatte hören können — wie der
Mann mit der Laterne das Herz des Greises. Die Libido des
Kindes war aber — was durch die Geschichten und die Bio-
13) Israfel, S.61, ein Hinweis auf diese „Mammy"
30 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
graphie Poes bewiesen wird, in der die Negerin keine Rolle
j' spielt — nach dem klassischen "Wiederholungszwang überaus
" stark an die Adoptivmutter fixiert, die ebenso sdiön und weiß
j war wie früher einmal seine wirklidie Mama. Die kindlichen
l' Wünsdie zielten daher trotz allem vor seinem Einschlafen nadi
ihrem Zimmer, weil es sie liebte, sie begehrte, und aus Eifer-
sucht sehen wollte, was ein anderer dort machte.
Der andere war John Allan, den das Kind sicher im Ver-
j dadit hatte, die gleidien Attentate zu begehen wie die, welche
1 früher, vor seinen Augen, an seiner wirklichen Mutter be-
ll gangen worden waren. -Wenn also der Mann mit der Laterne
'■ sich gezwungen fühlt, eine Nacht nach der andern den Greis
in seinem Zimmer zu belauschen, dann realisiert er dadurch
wahrsdieinlich, was das Kind, welches wider seinen Willen von
der Kinderfrau in dem kleinen Bett zurückgehalten worden
war, damals in seiner Ohnmadit nicht hatte durchführen
können. Wenn auch die Gestalt der Mutter hier wie im M a n n
derMenge unterdrückt ist, so wird trotzdem um ihretwillen
der Vater erst zu einem einäugigen Menschen gemacht, dann
getötet.
Der Tod des Greises ist somit der Abschluß des ödipus-
kampfes, dessen Einsatz die Mutter gewesen. Aber die Mutter
ist aus der Geschichte, von der Szene verschwunden, der Greis
liegt allein in seinem Bett, ganz so wie der kleine Edgar
gewünscht hatte, daß John Allan immer allein schlafe. Die
Einsamkeit, die den Greis bei seinem Schlummer umgibt, ist
daher wahrscheinlidi die Erfüllung einer Wunschphantasie des
kleinen Edgar.
Das Herz des Greises jedoch schlägt, obwohl er allein ist,
I im C r e s c e n d o. In diesem Vorfall ist die Negation und Be-
jahung des Vater-Koitus verdichtet, so wie das Auge des alten
Manns zugleidi an den Penis und an das Fehlen des Penis er-
innert. Wir haben hier Darstellungsschemen des Unbewußten
Das schwatzende Herz 31
vor uns, in denen die Gegensätze nebeneinanderliegen, Aus-
drucksweisen, welche zwar von der bewußten Logik zurück-
gewiesen werden, in uns aber trotzdem weiterbestehen, wie alle
Träume (sowohl die normaler Menschen als audi die der Neur-
otiker), alle Sagen, die aus der Phantasie der Menschen
stammen, unaufhörlidi beweisen.
DIE MASKERADEN
Audi im Faß Amontillado^* ersdieint die Mutter,
die Frau nidit persönlidi, und doch wird in dieser Erzählung
voll eisiger Schrecken der Mann ihretwegen getötet.
Poe muß diese Geschichte in der Zeit gesdirieben haben,
in der seine Liebe zu Frau Osgood besonders heftig und seine
Angriffslust sich gegen jene Menschen, die ihn von ihr trennen
wollten, also gegen Frau Eilet, ihren Bruder Lummis und gegen
Thomas Dünn English, besonders stark auszuleben versucäite.
"Wir erinnern uns daran, daß Poe im Frühjahr 1845, bei
Willis, Frances Osgood kennengelernt und sich sofort in die
zarte, schwindsüchtige Dichterin verliebt hatte: sie war die
erste große Leidenschaft seiner letzten Lebensjahre. Im "Winter
184J/46 waren sie ofl: zusammengekommen, aber diese Leiden-
schaft blieb, wie jede andere des Dichters, ebenso platonisch
wie sie glühend gewesen. "Wir besitzen leider keinen der
Briefe mehr, welche die Liebenden miteinander gewechselt
hatten. Im Sommer 1846 suchte die bösartige Frau Eilet eines
Tages Poe in Fordham auf und fand nur Frau Clemm zu
Hause. Nun war Muddy, wie wir bereits erfahren haben, so
unvorsichtig, der Besudierin Briefe der Frances Osgood zu
zeigen. Das führte zu einem großen Skandal unter den
„schreibenden Frauen", und Frances Osgood forderte durch
Frau Eilet ihre Briefe zurück.
Poe erfüllte ihr "Verlangen und schickte auch an Frau Eilet
die Briefe, die er mit ihr gewechselt hatte. Der Bruder dieser
Dame leugnete ab, daß seine Schwester diese Briefe zurück-
14) The Cask of Amontillado. (Godey's Lady's Book, November
1846.)
Die Maskeraden 33
erhalten habe, er soll dann in New York herumspaziert sein,
in den Tasdien Pistolen getragen und Drohungen ausgestoßen
haben: hierauf ersuchte Poe seinen alten Feind Thomas Dünn
English, sein Zeuge zu sein. Dieser aber weigerte sich, ihm zur
Verfügung zu stehen und Pistolen zu leihen, ja er schlug
ihn sogar und warf ihn hinaus. Daraufhin brach zwischen Poe
und English in den Spalten des New York Minor der Streit
der Literati aus. Poe klagte seinen Gegner wegen Verleumdung
und gewann seinen Prozeß.
Inzwisdien hatte die verängstigte Frau Osgood mit ihm ge-
brodien, sie war nach Providence abgereist. Griswold, der
diese Dame ebenso wie Poe verehrte, hatte daher keinen
Nebenbuhler mehr.
Die Haltung, welche Poe Griswold gegenüber während
dieser ganzen Zeit einnahm, war durchaus rätselhaft. In der
Korrespondenz, die er an Griswold sandte, finden wir nur
höflidie Briefe. "Wußte Poe nicht, daß er sein Rivale war?
Oder überkompensierte er durdi diese Höflichkeit seine mehr
oder weniger unbewußte Eifersudit? Stellen wir immerhin die
Tatsache fest, daß nach einem seltsamen und flüchtigen Versuch
einer Annäherung die Aggression Poes zum größten Teile an
Thomas Dünn English abreagiert worden zu sein schien.^''
Und da Poe ein Dichter war, scheint die Aggressionslust,
weldie die Neigung des Sechsunddreißigjährigen für Frances
begleitete, diese Aggressionslust gegen einen Menschen, von dem
er vermutete, er sei sein Rivale, durch das Faß Amontil-
1 a d o voll befriedigt worden zu sein.
Unter dem Einfluß der aktuellen Leidensdiaft für die neue
Frances erwadite auch die alte infantile ödipusrivalität mit
15) Siehe besonders Israfel, S. 702fF. und den Briefwedisel Poes
aus jenen Jahren im Bd. 17 der V. E. Ferner hier Bd. I, S. 227 — 232.
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 3
34 Die Geschichten: Der 2yklus Vater
dem Vater wieder. Wir werden sehen, daß Fortunato, der be-
vorzugte Nebenbuhler des Montresor dieser Geschidite, sowohl
die Züge der Brüder als audi die der Väter trägt, die im Leben
Edgar Poes aufeinandergefolgt sind.
„Alle die tausend kränkenden Reden Fortunatos ertrug
idi", beginnt Montresor, „als er aber Beleidigungen und
Beschimpfungen wagte, schwor idi ihm Rache." Thomas
Dünn English hatte Poe geschlagen — dadurch lebten im Ge-
dächtnis des Dichters wahrscheinlich jene Schläge wieder auf,
welche ehemals sogar nodi dem Jüngling von John Allan ver-
abreicht worden waren. Aber in dem Haus der Allan hatte
das Kind, da es sich vor dem Vater fürchtete, wohl nichts
von seinem Haß verraten. „Ihr werdet dodi nicht annehmen
— ihr, die ihr so gut das Wesen meiner Seele kennt — , daß
idi eine Drohung laut werden ließ. Einmal würde idi gerädit
sein! ... Idi sollte nicht nur strafen, sondern ungerächt
strafen." So wollte gewiß auch Edgar Poe an seinem Adoptiv-
vater handeln.
„Er hatte eine Sdiwädie, dieser Fortunato — obwohl er in
anderer Hinsicht ein geaditeter und sogar gefürchteter Mann war"
(wie der Vater es für sein Kind gewesen). „Er brüstete sidi damit,
daß er ein Weinkenner sei. Nur wenige Italiener besitzen den
wahren Kunstverstand ... Hierin stand idi selbst ihm kaum nach;
ich kannte den italienischen Wein gut . . ."
Beide, der Vater und der Sohn, lieben also den Wein, was
hier auch bedeutet, daß beide nach dem Rausch, in den sie die
Mutter versetzt, Sehnsucht haben; und außerdem symbolisiert
diese Liebe zum Wein die ödipusrivalität, in der sie einander
gegenüberstehen. Es hat dabei wenig zu sagen, daß wir an
Fortunato mehr als einen brüderlichen Zug entdecken können,
vor allem dadurch, daß ihm das gleiche Alter wie seinem
Rivalen zugesdirieben wird: denn wenn diese Gestalt an der
Oberflädie sowohl Griswold als audi English, die verab-
Die Maskeraden 3j
scheuten literarisdien Brüder, darstellt, und außerdem Henry-
Poe, den alkoholliebenden, schwindsüchtigen Bruder, der wie
Fortunato hustet, verkörpert, so hat diese Darstellung vielleicht
den Zweck, ihn an diesen Brudergestalten, die „degradierten"
Vätern entsprechen, ungestraft grausame Rache nehmen zu
lassen. Henry Poe verschmilzt übrigens in der Gestalt des
Fortunato vermutlidi sowohl mit David, dem Vater Henrys,
der ebenso schwindsüchtig und alkoholsüchtig war wie er
selbst, als auch mit John Allan, dem schottischen Kaufmann
und Weinliebhaber — die außerdem alle drei zu der Zeit
bereits tot waren und wie Fortunato im Grabe lagen, als Poe
diese Geschichte sciirieb.
Poe versetzt uns mitten hinein in den Karneval. Kommen
nun die Maskeraden, die in dem "Werk Poes (im F a ß A m o n-
tillado, in Hopp-Frosch, in König Pest, in der
Maske des roten Todes) eine so große und unheilvolle
Rolle spielen und stets im Zusammenhang mit dem Vater-
komplex stehen, aus der Theateratmosphäre, in der das Kind
geboren wurde? Eines Abends, „es war in der tollen Karnevals-
zeit", begegnet der Erzähler an einem dämmerigen Abend
seinem Freund.
„Er begrüßte midi mit übertriebener Wärme, denn er hatte viel
getrunken. Der Mann war maskiert, er trug ein enganliegendes, zur
Hälfte gestreiftes Gewand, und auf seinem Kopf erhob sich die
koniscii geformte Narrenkappe . . . ,Mein lieber Fortunato, es freut
mich, didi zu treffen . . . Idi habe ein Faß Wein bekommen, das
für Amontillado gilt und ich habe meine Zweifel!'"
Fortunato schlägt sofort vor, diesen Wein kosten zu gehen,
trotzdem Montresor, der sich jedoch nur wehrt, um den andern
um so begieriger zu machen, scheinbar nicht will. Montresor
zieht Fortunato in die Weinkeller hinab.
„Ich nahm zwei Facieln . . . gab Fortunato eine davon und
komplimentierte ihn durch mehrere Zimmerreihen in den Bogen-
3^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
gang, der zu den Gewölben führte. Idi schritt eine lange, ge-
wundene Treppe hinab, und bat ihn, mir vorsichtig zu folgen.
Endlich kamen wir unten an und standen zusammen in der feuditen
Tiefe der Katakomben der Montresors."
!iji 'I Denn der seltsame Nadikomme der Montresor hebt seinen
Wein bei den Totengerippen der Familie auf. „Das Faß
Amontillado?" fragt der mit Recht beunruhigte Fortunato.
„Das ist weit hinten", antwortet Montresor, „siehst Du das
weiße Gewebe, das da ringsum von den Kellermauern leucäitet?"
Es ist Salpeter. Als Symbol genommen aber ist es jenes
Weiß, das bereits im P y m am australischen Pol aufgeleuchtet
hat. Das Weiß, der Wein, die Knochen und die Keller zu-
sammen machen nun aus den Katakomben der Montresor eine
der seltsamsten, von eisiger Luft durchwehten Phantasien vom
Innern des toten Mutterleibes, die Poe je erdachte. Das hohe
Familiengrab, das die S c h 1 ä f e r i n erwartet, ist neben
dieser Düsternis ein fröhlicher Ort, und selbst im hallenden,
gepanzerten Zimmer, aus dem Lady Madeline heraustrat, war
es weniger kalt.
Fortunato hustet. Ein Anfall läßt ihn einige Minuten lang
nicht zum Sprechen kommen: wahrscheinlich ein Nachhall der
Familientuberkulose, an welcher Henry und sein Vater David
gewiß noch vor seiner Mutter Elizabeth starb. Um die Zeit, in
der diese Geschichte geschrieben wurde, sollte der gleiche
Husten auch Virginia und Frau Osgood, die zweite Frances,
hinwegraffen. Man dringt eben nicht ungestraft in den Körper
schwindsüchtiger Frauen ein: der Sexualakt zwischen dem
Vater und Elizabeth hat für ihn tödliche Folgen! Wie
Fortunato liebte auch er zu sehr den Wein, zu sehr die Frau,
wie Fortunato hustete auch er und wie er fand er den Tod . . .
im Innern des mütterlichen Körpers. Das kommt in dieser Ge-
schichte mit bitterer, von Montresor gelenkter Ironie zum
Ausdruck; wenn Montresor Fortunato in sein Grab hinabjagt.
Die Maskeraden 37
Fortunato geht durdhi den Keller immer weiter, trotzdem
Montresor so tut, als ob er ihn durch seine Worte zurück-
halten wollte. Man glaubt geradezu, aus dieser Geschichte
heraushören zu können, wie Poe seinen Nebenbuhler verhöhnt,
den Vater, welchem „Fortuna" holder war als ihm: „Du willst
sie! die Mutter, die Frau, nidit idi habe didi hier hinab-
gestoßen! Da hast du sie, nimm sie, dring in die Mutter ein,
in die Tote; inmitten ihrer Knochen, zwischen ihren Beinen
wirst du, in gerediter Strafe, gefesselt und tot liegen bleiben!"
Das Innere des Frauenkörpers, das durch den Keller, in dem
der höchste, begehrteste Rausch herrscht, dargestellt ist, wird
so zum Werkzeug der Rache; ganz so wie die liebkosende,
streichelnde Hand der Frau zum Werkzeug der Qual wird bei
der unwahrscheinlichen Strafe der Liebkosung, die von
Mirbeau^" erfunden wurde. Die beiden Männer steigen nun
immer tiefer in den finstern Keller hinab.
„Wir waren an einer ganzen Reihe aufgestapelter Skelette und
Fässer vorbei bis in den entferntesten Teil der Katakomben
gelangt."
Das Wasser tropft „durch die Skelette", der Keller führt
hier unter den Fluß. Montresor rät Fortunato ein letztes Mal,
wegen seines Hustens zurückzugehen. Er will vielleicht durch
eine solche Warnung für sich die Ausrede bereit haben: wenn
der andere in dem mütterlichen Grabgewölbe bis ans Ende
gegangen ist, dann tat er es, weil e r es gewollt hat. Nachdem
Fortunato sidi aber neuerdings geweigert hat, den Rat Mon-
tr^sors zu befolgen, bietet ihm dieser zum zweitenmal zu
trinken an. „Das ist für dich der Körper der Mutter", scheint
er ihm mit düsterer Ironie zu verkünden, indem er die
untersten Geschosse öffnet; „hier ist für dich die Trunkenheit,
die ihre Brüste verschenken", scheint er hinzuzufügen, indem
16) Jard'm des supplices. Paris, E. Fasquelle, 1899.
3^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
er ihm die Flaschen Medoc und Graves, denen er den Hals
abgebrodien hat, hinreidit. Sie kommen von einer Gruft in die
andere,
„und betraten nun eine tiefe Gruft, wo die Luft so modrig war,
daß unsere Fadceln nidit mehr flammten, sondern nur nodi
sdiwelten".
Sdiließlich kommt noch eine andere letzte Gruft zum Vor-
schein; an der Wand im Hintergrund sind die Knochen weg-
geräumt und zu einem Haufen aufgetürmt,
„inmitten der bloßgelegten Mauer bemerkten wir nodi eine
letzte Höhlung. Sie war etwa vier Fuß tief, drei Fuß breit und
sedis bis sieben Fuß hodi. Sie sdiien nidit zu irgendeinem be-
sonderen Zwedie gemadit worden zu sein, sondern bildete ledig-
hdi den Zwisdienraum zwisdien drei der mäditigsten Stützpfeiler,
die die Wölbung der Katakomben trugen; die Rüdiwand wurde
von einer der massiven Granitmauern gebildet".
Wir sind nun in die letzte Sackgasse geraten, in die die
Alutterkloake mündet. Hier taucht auch die unbewußte Er-
innerung an die beiden Beine selbst auf, die Höhlung öffnet
sich zwischen zwei mäditigen Pfeilern . . .
Zwischen diesen beiden Pfeilern soll Fortunato, auf die
Einladung Montresors hin, den Amontillado suchen, den
Rausch, und zwischen diesen beiden Pfeilern wird er von
Montresor an die Granitwand gefesselt. Dann fordert ihn
dieser Rohling und Sadist ein letztesmal auf, fortzugehen.
Aber der Penis des Vaters ist von nun an captivus: die
Wunschphantasie vom Mutterleib, durdi die jeder Mensch zu
seinem ursprünglichen Glücke zurückzukommen hofft, hat sich
in eine grausame Angst- und Todesphantasie verwandelt.
Nicht ohne Grund, das sieht man hier überaus deutlidi, können
wir uns von der postmortalen Situation nur durch die pränatale
ein Bild machen.
Montresor beginnt nun mit einer Maurerkelle, die er mit-
gebradit hat, den Nebenbuhler in die Höhlung einzumauern.
Die Maskeraden 39
Von Zeit zu Zeit hält er inne, um sich an der Angst des andern
u weiden; er setzt sidi zu soldiem Zweck auf die Haufen
von Knochen. Das Geheul der beiden hallt im Echo der
Katakomben wider. Schließlich ist das Werk der Radie voll-
endet, der letzte Stein wird aufgemauert und der Knochenwall
wieder aufgetürmt.
Seit einem halben Jahrhundert hat kein Sterblidier ihn ange-
rührt. In pace requiescat!"
So endet der ungestrafte Verbrecher seinen Bericht mit
einem Grinsen, das den Gipfel an Ironie enthüllt. Die Polizei-
kommission aus der Schwarzen Katze ist nicht er-
sdiienenj um das Stück Mauer, weldies das Opfer verbirgt,
niederzureißen. Und der triumphierende Sohn thront ungestraft
fünfzig Jahre lang in seinem Palast über den mütterlichen
Knochen, welche den Keller ausfüllen, weiter; es ist kein leeres
Symbol, daß er während der Agonie seines Nebenbuhlers als
Besitzer" auf ihnen sitzt.
Als Poe Das Faß Amontillado — ein Werk, das
hinter seiner romantisdien Dekoration so realistische Laute
hervorklingen läßt — sdirieb, muß seine Aggressionslust in so
hohem Maß entfesselt gewesen sein, daß sie sogar imstande
war, die Äußerung des Affekts von Gewissensbissen zu unter-
drücken. ^
Der Vatermord wird jedodi auch in zwei andern Ge-
sdiiditen nicht bestraft; im König Pest" und im H o p p-
Frosch.^" In der ersten dieser beiden Erzählungen (sie
17) Lat. possidere, franz.: posseder, besitzen: darauf sitzen. Der
kleine Hans sitzt in seiner Giraffenphantasie als Besitzer auf der
mütterlichen Giraffe. (Freud, Analyse der Phobie eines
fünfjährigen Knaben. Ges. Schriften, Bd. VIII.)
18) King Pest. A Tale containing an Allegory. {Southern Lite-
rary Messenger, September 1835; 1840; Broadway Journal, II, 15-)
19) Hop-Frog (The Flag of Our Union, 1849).
4° Die Geschichten: Der Zyklus Vater
gehört den Geschichten des Folio Clubs an), ist
die gleiche dunkle Melodie vorhanden, die wir vorhin gehört
haben; sie wird allerdings von dem burlesken Ton des Beridits
unschwer übertönt. Wer kümmert sich darum, daß der König
Pest — der wieder durch einen schlechten maskierten Schau-
spieler symbolisiert wird - durch eine Falltür hinunterstürzt
und bei seinem grotesken Hinscheiden die Prinzen, seine
Doppelgänger, mitreißt, damit die zwei lustigen Matrosen die
Königin Pest und die Erzherzogin Ana-Peste, ihre Doppel-
gängerin, entführen können?
Hopp -Pro seh ist trotz seines Titels ernster als der
König Pest.
„Die fünf Seiten Prosa, die idi gestern beendet habe", schrieb
Poe im Februar 1849 an Annie,=» „heißen - was glauben Sie? -
Ich bin sidier, daß Sie es nie erraten werden - ,Hopp-
Frosch'. Stellen Sie sich vor, daß Ihr Eddy eine GesdaiAte
schreibt, die einen solchen Titel hat: ,Hopp-Frosd:'! Sie werden
nadi dem Titel, dessen bin idi sidier, niemals das fürditerlidie Sujet
erraten."
Auch diese letzte zu Lebzeiten des bereits berühmten
Autors veröffentlichte Geschichte feiert auf eine schreckliche,
immerhin aber f röhlidiere Art als im F a ß A m o n t i 1 1 a d o
den vollkommenen ödipustriumph des Sohnes.
Hopp-Frosdi ist der Spaßmacher eines großen, fetten
Königs, der nichts liebt als Spaße, und den sieben ebenso große
und dicke Minister und Spaßvögel begleiten. Hopp-Frosch, ein
hinkender und überaus geistreicher Zwerg, der von den Mini-
20) Poe an Annie, Donnerstag, den 8. . . . (wahrsdieinlidi : Fe-
bruar 1849), V. E., Bd. 17, S. 330:
„The five prose pages I finished yesterday are calied — what
do you think? - I am sure you will never guess - ,Hop-Frogi'.
Only think oiyour Eddy writing a story with such a name as
,Hop-Frog! . You would never guess the subject (whidi is a
ternble one) from the tide, I am sure."
Die Maskeraden 41
Stern wegen seines sprungartigen Ganges seinen Namen
erhalten hat, und Tripetta,
ein junges Mädchen von fast ebenso zwerghafter Gestalt wie
selbst (nur daß sie wohlproportioniert und eine wunderbare
Tänzerin war), waren aus ihrer Heimat gewaltsam in benachbarte
Provinzen verschleppt worden, von wo einer seiner stets siegreichen
Generale sie dem König zum Geschenk sandte".
Bei diesen Umständen kann man nichts Außergewöhnliches
darin sehen, daß diese beiden kleinen Gefangenen enge Freund-
schaft schlössen. Tripetta wurde wegen ihrer Anmut und
außerordentlichen Sdiönheit
„allgemein verehrt und verhätschelt; sie hatte also eine große
Macht, und versäumte nie, sich ihrer, sobald es not tat, zugunsten
Hopp-Froschs zu bedienen".
Das stellt sich uns so dar: Hopp-Frosch ist neuerdings Poe
selbst, das Kind Poe (Hopp-Frosch ist ein Z w e r g), das früh-
zeitig vom heimatlichen Herd durch Allan entführt worden
war, durch den schlechten Vater, der hier durch den König
verkörpert wird, einen Vater, der sich außerdem in den
schlechten Ministern siebenfach spiegelt. Aber das Waisenkind
ist hier nicht allein verschleppt worden: Tripetta, die zarte
Sylphide, begleitet ihn, Tripetta, seine Beschützerin, welche der
ins winzige übersetzte Geist der Tänzerin Elizabeth Arnolds
zu sein scheint. Der Größenunterschied zwischen dem Kind
und der Mutter ist jedoch zum Teil trotzdem gewahrt:
Tripetta ist w e n i g e r zwergenhaft als ihr Freund, der Narr.
Der König beschließt, einen Maskenball zu geben. Bis zum
letzten Augenblick weiß er nicht, welche Verkleidung er für
sich und die Minister wählen soll. Er läßt nun Hopp-Frosch
und Tripetta rufen. Diese erscheinen und „fanden . . . ihn mit
den sieben Mitgliedern seines Kabinettrates beim Wein sitzen".
Der König, der weiß, daß Hopp-Frosch den Wein nicht liebt,
und daß „das Trinken stets den armen Krüppel bis zum Wahn-
sinn aufregte", zwingt ihn zu trinken. Kann man darin nicht
42 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
eine Erinnerung an jene Zeit sehen, in der John Allan den
kleinen Edgar, der auf den Tisch des Speisezimmers geklettert
war, einen Toast ausbringen ließ, und einen Vorwurf, den der
jetzt vom Delirium tremens bedrohte Edgar seinem Vater
machte, weil er ihn bereits damals zum Trinken ermuntert
hatte? Die Trunksudit Poes kam allerdings (wie wir schon
gesagt haben und später nodi deutlicher zeigen werden) aus
jenen anderen und tieferen Wurzeln, die bis in den Vater-
komplex hinabreidien; hier aber will es uns sdieinen, daß in
der erwähnten Szene audi das früher erwähnte biographisdie
Element wirksam wurde.
Wie nun der Zwerg vor dem zweiten Bedier, den ihm der
König aufzwingen will, zurückschreckt, geht Tripetta, die
blaß ist wie ein Leichnam (dessen Verkörperung sie allerdings
darstellt), bis zum Platz des Königs, fällt vor ihm auf die Knie
und bittet für ihren Freund.
^ „Der Tyrann war von ihrer Kühnheit verblüfft. Einen Augen-
blidc lang sah er sie verwundert an . . . Endlldi stieß er sie wortlos
zurüd und sdiüttete ihr den ganzen Inhalt seines Bediers ins
Gesicht."
Die Weinflecken ersetzen die Flecken von Sperma und Blut;
auf solche Weise vollführt der König seine sadistische
Aggression gegen die Mutter.
Daß diese Tat im Grunde ebenso schwer wiegt wie der
Schnitt mit dem Rasiermesser in der Rue Morgue oder
der Schlag mit der Hacke in der Schwarzen Katze,
wird durch die Art bewiesen, in der der Narr auf sie reagiert.
^ „Das arme Mäddien erhob sich sdiwankend . . . Eine halbe
Minute lang herrsdite Totenstille ... Da tönte in das Sdiweigen
ein leiser, doch sdiarfer und anhaltender knirsdiender Ton, der zu
gleidier Zeit aus allen Ecken des Raumes hervorzuknarren schien."
Er wird durch das Zähneknirschen des Zwerges hervor-
gerufen, denn hier ist der Narr, die Sohn-Imago, mit den
fürchterlichen, kastrierenden, mordenden Zähnen versehen.
Die Maskeraden 43
In diesem Augenblick fällt dem Narren ein, in welcher Ver-
kleidung der König auf dem Ball ersdieinen soll: er sieht die
ganze Gesellschaft plötzlich als Orang-Utans — wie den
Mörder in der R u e M o r g u e!
Der Ball findet statt. Hopp-Frosdi bekleidet selbst die
hohen Persönlichkeiten mit anliegenden, teergetränkten Trikots,
auf die er eine dicke Schidit Hanf klebt. Er fesselt sie schließ-
lich mit Ketten aneinander und punkt Mitternacht vollzieht
sich vor den entsetzten Damen der Einzug der gefesselten
acht Orang-Utans — die fast ebenso unheimlich ge-
fesselt sind wie Fortunato in seinem Keller. Hopp-Frosch, der
dafür gesorgt hat, daß jede der an der Wand aufgestellten
Karyatiden eine brennende Fad^el bekommt, und daß die
schwere Kette des Kronleuchters (der selbst weggenommen
wurde) mit dem Gegengewidit draußen auf dem Dach von
einer hohen Kuppel herabhängt, nähert sich unter dem Vor-
wand, er müsse sehen, wer sich unter den Masken verberge, mit
einer Fackel in der Hand den verkleideten Gestalten, und
hängt den Haken der Kette des Kronleuchters an die Kette,
durch welche die Orangs aneinandergefesselt sind: die Ver-
kleideten erheben sich plötzlidi in die Lufl:. Durdi die über-
menschliche Kraft seiner Arme, welche die Schwäche seiner
Beine kompensiert, gelingt es dem Narren, vom Kopf des
Königs weg die Kette des Kronleuchters entlang zu klettern,
der mit der Menschentraube belastet immer höher hinaufsteigt,
da er von Tripetta draußen hinaufgezogen wird. In diesem
Augenblick steckt Hopp-Frosch den Hanf des königlichen
Orangs in Feuer: die acht Würdenträger gehen in Flammen
auf, Tripetta ist gerächt und Hopp-Frosch und seine Freundin
entwischen über die Dächer. ^^
21) Man sieht, daß sich Poe in dieser Erzählung von einem
wirklichen Ereignis inspirieren ließ, dem Bai des Ardens, von dem
uns Froissart berichtet. Karl VI., welcher seit einem Abenteuer im
44 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Hervey Allen meint,^^ die Geschichte vom Hopp-
Frosch enthalte eine Allegorie, die für gewöhnlidi über-
sehen wird und trotzdem deutlich durch die Handlung durch-
scheint. Hopp-Frosch soll nach seiner Meinung die dichterisdie
Einbildungskraft darstellen, Tripetta die Phantasie, und der
König ist die prosaische Wirklichkeit, weldie diese beiden
Kräfte sich dienstbar machen möchten; aber diese befreien sich
sdiließlidi und rädien sidi an dem Tyrannen auf die grausame
Art, von der wir eben berichtet haben. Eine solche Deutung
ist gewiß durchaus möglich — aber es ist auch sicher, daß
hinter einem solchen recht oberflächlichen und gar zu abstrakten
Sinn der Geschichte (vorausgesetzt, daß er im Bewußtsein
Poes tatsächlich gegenwärtig war), daß also hinter dieser
Deutung, die zu kalt, zu „allegorisch" ist, um das Interesse
begreiflich zu machen, das von dieser seltsamen Geschichte
ständig ausgeht — ein anderer, tieferer Sinn sich regt, der
von lebenden Trieben genährt wird. Hopp-Frosch ist der
existierende, konkrete Poe selbst, nicht bloß eine abstrakte
Imagination seines Wesens; Tripetta ist die von ihm beweinte
Mutter, die leichtfüßige Tänzerin und nicht bloß die Phan-
tasie, die von ihr, der zarten Künstlerin, „abgelöst" wurde;
der König, der im Nam en der prosaischen Welt tyrannisiert,
Walde von Le Mans zeitweilig dem Wahnsinn verfallen war, brauchte
Zerstreuungen. Man entschloß sich, einen großen Maskenball zu
veranstalten. Mehrere Tänzer, unter ihnen der König, hatten den
Einfall, sich mit Ketten aneinanderzuschließen und den Körper
mit Pech und Werg zu überziehen. Einer der tanzenden Edelleute
kam an seinen Diener an, der eine Fackel trug, und das Werg
begann zu brennen. Alle Edelleute verbrannten, nur der König
nidit, da die Herzogin von Berri, seine Tante, ihn in die lange
Schleppe ihres Kleides eingewidtelt hatte.
Man vermutete, der Herzog Louis von OrMans sei an der Sache
nidit unbeteiligt gewesen. Dies war vielleicht gar nicht der Fall
gewesen: aber die unbewußte Logik des Volkes sdirieb ihm die
Rolle eines Hopp-Frosch zu.
22) Israfel, 8.641.
Die Maskeraden 45
ist nur in dem Maße prosaisch, in dem auch der sdiottisdie
Kaufmann es gewesen. Diese Erzählung riditet sidi noch
weniger gegen ein abstraktes, vom prosaischen Menschen los-
gelöstes Verhalten als etwa das berühmte Gedicht A n d i e
Wissenschaft gegen die abstrakte Wissenschafl; geriditet
war, welche von Poe beschuldigt wurde, die Feindin der Poesie
zu sein; diese Anklage kam nämlich bei ihm, wie wir an
anderer Stelle bereits dargelegt haben, der Besdiuldigung gegen
den Vater gleich, der Feind der Mutter zu sein.^'
Hopp-Frosch ist vor allem eine typische ödipus-
gesdiiciite, in welcher der Sohn siegreich seine Schwäche, die
wahrscheinlich die Impotenz des Autors symbolisiert, kom-
pensiert: der hinkende Zwerg besitzt Arme, die stärker sind
als die aller andern Menschen und durch die er die Kette ent-
lang höher als alle anderen gelangen kann; dadurch gelingt es
ihm, den König zu töten und mit seiner Schönen zu fliehen.
Hopp-Frosch ist dadurcäi eine typische ödipusgeschichte,
daß der Sohn in ihr triumphierend die zwei großen Wünsche
realisiert, welche den Ödipuskomplex begründen: einerseits
tötet Hopp-Frosch den Vater zur Strafe für die schuldige,
urethrale, phallische Erotik des Königs, welcher die Kleidung
des siiion einmal als Verbrecher aufgetauchten Orang-Utans
trägt und mit seinen sieben Ministern, die alle Doppelgänger
der zentralen Königsgestalt sind, in Flammen umkommt;
andererseits entflieht Hopp-Frosch ungestraft mit der Tänzerin
Tripetta, seiner Beschützerin und Komplizin, der zarten Mutter
Poes „in ihr Heimatland...; denn beide wurden nie mehr
gesehen".
Man würde sich aber täuschen, wollte man annehmen, daß
diese Geschichten, in denen der Sohn triumphiert, keine Moral
enthalten. Der mordende „Sohn" im Hopp-Frosch und
23) Siehe Bd. I, S. 97 ff.
4^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
au
idi der im Faß von Amontillado gehen zwar
straflos aus, aber nur deshalb, weil sie die Rolle des R ä c h e r s
übernommen haben. Das sieht man besonders deutlich im
H o p p - F r o s c h, wo der Narr die einem anderen
zugefügte Beleidigung rächt, was seine schrecklichen Gegen-
maßregeln auf ein moralisdies Niveau hebt. Aber auch Mon-
tr^sor tötet bei seiner persönlichen Rache im Keller einen
Schamlosen, einen Angreifer: daran ändert audi die Tatsache
nichts, daß die Aggression und die Replik darauf (die aller-
dings zur Aggression in keinem rechten Verhältnis steht) zeit-
lich weit auseinanderliegen. Wir können übrigens ganz allge-
mein die Frage stellen, ob nicht jeder Angreifende, jeder
Verbrecher sich das Recht zuschreibt, seinen Angriff, sein
Verbrechen durchführen zu dürfen. Die Verbrecher aus Leiden-
schaft nennen das sich Recht verschaffen, und selbst
der gewöhnliche Einbrecher soll — wenn er es vielleicht auch
nicht immer sagt — mehr oder weniger den Eindruck haben,
an den Besitzenden in einer schlechtgefügten Gesellsciiaft, in
welcher der Besitz ungerecht verteilt ist, das Recht der Wieder-
an-sich-Nahme ausüben.
Vielleicht erlaubt es in vielen dieser Fälle (wie im H o p p-
Frosch) der überwiegende Einfluß eines von der Mutter
herkommenden Über-Ichs, welches wie die Tripetta im H o p p-
Frosch der Komplize des Sohnes ist und vorübergehend oder
dauernd den Einfluß des vom Vater stammenden Über-Ichs er-
setzt, dem Kind, ohne Hindernis seine Wünsche zu realisieren.
Denn es läßt sich nicht leugnen, daß, phylogenetisch und
ontogenetisch genommen, gewöhnlich der Vater den Wünschen
des Sohnes gegenüber weniger nachgiebig ist als die Mutter,
daß im allgemeinen der Vater für das Kind der Begründer
der Moral ist und bleibt, so viele Freiheiten er auch sich
selbst, dem Herrn, gewähren mag.
Die Maskeraden 47
Manchmal werden also die Väter für ihre Orgien bestraft:
das haben wir imKönigPest, imFaßAmontillado
und im Hopp-Frosch gesehen. Die Söhne aber entgehen
für ihre Orgien einer sicheren und grausamen Strafe noch
weniger als diese, denn der Vater herrsdit selbst nach dem
Tode weiter, wie uns nach dem Vorbild der Geschichte der
Menschheit die des Prinzen Prospero in der Maske des
Roten Todes^' aufs deutlichste beweist.
Diese Geschichte ist wahrsdieinlich unter dem ganz aktuellen
Eindruck der ersten Hämoptoe Virginias geschrieben worden.
Wir erinnern uns: diese dramatische Episode fand im Januar
1 842 statt und der Rote Tod erschien im Mai desselben
Jahres in Graham' s. Mehr als irgendeine andere Geschicäite Poes
steht diese unter dem Zeichen des Blutes:
„Lange sdion wütete der Rote Tod im Lande; nie war eine
Pest verheerender, nie eine Krankheit gräßlidier gewesen. Blut war
der Anfang, Blut das Ende — überall das Rot und der Schrecken
des Blutes. Mit stedienden Schmerzen und Schwindelanfällen setzte
es ein, dann quoll Blut aus allen Poren, und das war der Beginn
der Auflösung. Die scharlachroten Tupfen am ganzen Körper der
unglücklidien Opfer — und besonders im Gesicht — waren des
Roten Todes Bannsiegel, das die Gezeichneten von der Hilfe und
der Teilnahme ihrer Mitmensdien ausschloß; und alles, vom ersten
Anfall bis zum tödlidien Ende, war das Werk einer halben Stunde."
Audi die Hämoptoen dauern nicht lange, sie kommen plötz-
lich herbei und das Blut quillt auch hier „besonders", auf seine
Weise aus dem Gesicht.
„Prinz Prospero aber war fröhlidi und unerschrocken und weise.
Als sein Land schon zur Hälfte entvölkert war, da wählte er sich
unter den Rittern und Damen des Hofes eine Gesellsdiaft von
tausend heitern und leichtlebigen Kameraden und zog sich mit ihnen
m die stille Abgeschiedenheit einer befestigten Abtei zurück. Es
24) The Mask of the Red Death. (Graham's Magazine, Mai
1842; Broadway Journal, II 2.)
4 8 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
war dies ein ausgedehnter, prächtiger Bau, eine Schöpfung nach
des Prinzen eigenem exzentrischem, aber vornehmem Gesdimack.
Das Ganze war von einer hohen, mächtigen Mauer umschlossen,
die eiserne Tore hatte . . .", deren Riegel man von innen zuschweißt.
„Da die Abtei mit Proviant reichlich versehen war und alle erdenk-
lichen Vorsichtsmaßregeln getroffen worden waren, glaubte die
Gesellschaft der Pestgefahr Trotz bieten zu können. Die Welt da
draußen mochte für sidi selber sorgen! Jedenfalls schien es un-
sinnig, sich vorläufig bangen Gedanken hinzugeben. Auch hatte der
Prinz für allerlei Zerstreuungen Sorge getragen. Da waren Gaukler
und Komödianten, Musikanten und Tänzer — da war Sdiönheit
(heauty) und Wein. All dies und dazu das Gefühl der Sidberheit
war drinnen in der Burg — draußen war der Rote Tod."
So glaubt der Prinz Prospero, der sidi wie die Erzähler des
Decamerone gegen das Eindringen der Pest hinter den
Mauern seines Schlosses verschanzt hatte, den Roten Tod
aus seinem Reich verbannt zu haben, den Roten Tod, dieses
blutige Symbol der Kastration und des Hinscheidens, und im
Innern seiner Burg eine Welt geschaffen zu haben, aus der
diese Geißeln für immer verjagt sind.
Da also jene zwei großen Strafen ausgesperrt sind, durch
die den aufrührerischen und keine Ordnung aditenden Söhnen
der mensdilichen Urhorden vom Vater die Moral auf-
gezwungen wurde, arteten die Vergnügungen zügellos aus!
„Im fünften oder sechsten Monat der fröhlichen Zurüdcgezogen-
heit versainmelte Prinz Prospero — während draußen die Pest nodi
mit ungebrochener Gewalt raste — seine tausend Freunde auf einem
Maskenball von unerhörter Pradit. Reiditum und zügellose Lust
herrschten auf dem Feste."
"Wir werden sehen, welch seltsamen Begriff sich Poe von
einem Gemälde der Wollust {voluptuous scene) machte! Ein
anderer Schriftsteller hätte zum Beispiel einige nackte Frauen
bei dem zügellosen Prospero eingeführt. Hier trifft das Gegen-
teil zu: jedermann ist fest vermummt, und wir werden noch
später sehen, wie! Auf diesem prächtigen Ball gibt es zwar
Die Maskeraden 49
"Wein", aber nicht das geringste laszive Element. Beim Prinzen
Prospero herrsdit eben die Keuschheit. Die Wollust wird
hier wie bei ihrem Schöpfer nach einem anderen als dem geni-
talen Schema erlebt.
Zuerst werden nun die Säle beschrieben, in denen das Fest
sich abspielt, und schon sind wir mitten drin in der Atmosphäre
Poescher „Wollust". Die Philosophie der Wohnungs-
einrichtung^^ scheint hier zur n-fachen Potenz erhoben
zu sein. Die Säle:
„es waren sieben wahrhaft königliche Gemächer. Im allgemeinen
bilden in den Palästen solche Festräume . . . eine lange Zimmer-
fludit, die einen weiten Durdiblick gewährt. Das war jedoch hier
nidit der Fall . . . Die Gemächer (waren) vielmehr so zusammen-
gegliedert, daiS man von jedem Standort immer nur einen Saal
zu erschauen vermochte. Nach Durchquerung jedes Einzelraumes
gelangte man an eine Biegung, und jede dieser Wendungen brachte
ein neues Bild. In der Mitte jeder Seitenwand befand sich ein
hohes, schmales gotisches Fenster, hinter dem eine schmale Galerie
den Windungen der Zimmerreihe folgte. Die Fenster hatten Scheiben
aus Glasmosaik, dessen Farbe immer mit dem vorherrschenden
Farbenton des betreffenden Raumes übereinstimmte. Das am Ost-
ende gelegene Zimmer zum Beispiel war in Blau gehalten, und so
waren auch seine Fenster leuchtend blau".
Von Ost nach West folgen einander Zimmer, die purpurrot,
grün, orange, weiß, violett sind.
„Die Wände des siebenten Zimmers aber waren dicht durch
schwarzen Sammet verhüllt (shrouded), der sich auch über die
Deiienwölbuhg spannte und in schweren Falten auf einen Teppich
von gleichem Stoffe niederfiel. Und nur in diesem Räume glich die
Farbe der Fenster nicht derjenigen der Dekoration: hier waren die
Scheiben scharlachrot — wie Blut.
Nun waren sämtlidie Gemächer zwar reich an goldenen Zier-
gegenständen, die an den Wänden entlang standen oder von der
25) The Philosophy of Furniture, {Burton's Gentleman' s Maga-
zine, Mai 1840; Broadway Journal, I, 18.)
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 4.
5° Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Dede herabhingen, kein einziges aber besaß einen Kandelaber oder
Kronleuditer . . . Statt dessen war draußen in den an den Zimmern
hinlaufenden Galerien bei jedem Fenster ein schwerer Dreifuß auf-
gestellt, der ein kupfernes Feuerbedken trug, dessen Flamme ihren
Schein durch das farbige Fenster hereinwarf und so den Raum
schimmernd erhellte. Hierdurdb wurden die phantastischen Wir-
kungen erzielt. In dem westlidien oder schwarzen Gemaci aber
war der Glanz der Flammenglut, der durch die blutigroten Scheiben
in die sdiwarzen Sammetfalten fiel, so gespenstiscii und gab den
Gesicitern der hier Eintretenden ein derart erschreckendes Aus-
sehen, daß nur wenige aus der Gesellschaft kühn genug waren, den
Fuß über die Schwelle zu setzen."
Man glaubt, schon beim Lesen dieser Beschreibung erstidcen
zu müssen. In diesen Räumen fehlt es an Luft, kein Fenster
führt ins Freie: in diesen Sälen gibt es auch kein anderes Licht
j 1 als den Schein, der durch die zum überwiegenden Teil überaus
:i reich gefärbten Fensterscheiben dringt; und die Räume führen
j I m Krümmungen, aus denen man nicht mehr heraus kann, wie
iil in einem Alptraum, hin und her. So sieht eine Wohnung aus,
|! die Poe für „woUusterwecfkend" hält.
[ii Erinnern wir nun jedoch an ein in den Träumen der
i| Mensciien und den verschiedenen Scäiöpfungen ihrer Phantasie
: häufig auftauchendes Symbol, das sidi als Paläste, Schlösser,
|||,|i Häuser, unterirdische Gänge und Geschoße, als Behausungen
|l! im allgemeinen darstellt. Diese Paläste sind durchweg Ü b e r-
IjJ tragungen der ursprünglichen Wohnung, in der wir
,is;|l uns beim Beginn unseres Lebens aufgehalten haben: des mütter-
l'!; liehen Körpers. Diese Symbolik ist schon in den versdiiedensten
jV Geschichten Poes ans Tageslicht getreten: was im besonderen
die Schlösser bedeuten, haben wir bereits bei dem unheilvollen
! ' Hause Usher gesehen. Die Symbolik der befestigten
j\. Abtei ist nicht weniger leicht zu deuten: der vom Roten Tode
|lj — einer neuen und fürchterlichen Verkörperung des Vaters,
!«i des Verbrechers — bedrohte Prinz Prospero hat sich in seine
jL befestigte Abtei, in Wirklichkeit in den mütterlichen Uterus,
Die Maskeraden ji
geflüditet. Diese ganze Symbolik herrscht hier natürlich in
den tiefsten ardiaisdiesten Schiditen des Unbewußten; und der
mütterliche Uterus wird durch die Eingeweide der Mutter
dargestellt. Sdion der Keller Montr^sors in der Geschichte
vom Faß Amontillado und die Krümmungen der
schwarzen Schluchten auf der Insel Tsalal im P y m hatten
den gleichen Sinn: die düstere Folge der im Zickzack hin und
her führenden Säle Prosperos erinnert nun an diesen Keller
und an diese Sdiluchten. In allen dreien entdecken wir eine
Symbolik, die das Innere des mütterlidien Körpers nach dem
intestinalen Sdiema darstellt; eine Darstellung, die mit den
analen infantilen Geburtstheorien in Beziehung steht, an die,
vielleicht, alle Kinder einmal geglaubt haben.
Ich bin eines Tags einer alten Dame begegnet, die mir
erzählte, sie sei in Unschuld aufgezogen worden und habe mäx
der Defloration nicht genau untersdieiden können, ob sie aus
dem Anus oder aus der Vulva blute. Ganz ebenso ist der
siebente Saal der Abtei Prosperos, der westliche Saal mit dem
analen Sdiwarz ausgespannt, aber vom Blut der Scheiben
überflutet: das Blut der mütterlichen Menstruen tritt hier zu-
gleidi mit den mütterlichen Hämoptoen auf, das Ganze steht
in einem kloakischen Rahmen, wie er einzig in der Phantasie
des Kindes existiert. Auch hier ist, wie in den Träumen, Phan-
tasien und Sagen, die Topographie nichts als eine Übertragung
anatomisdier Verhältnisse, so wie sie sicli wenigstens der
ursprünglichen Phantasie vorstellen.^^
Aber während Pym der Gefahr und dem Massaker
26) Man kann fast sidier sein, daß ein Schüler, der Geographie
nidit erlernen kann, seinen infantilen Kastrationskomplex schledit
gelöst hat. Und es ist wahrscheinlich, daß die Trauer so vieler
Mäddicn um den Penis die Inferiorität verursadit, die Frauen der
Geographie gegenüber so häufig aufweisen. Sie wollen die Topo-
graphie nidit sehen.
J2 Die Geschichten; Der Zyklus Vater
zweimal entging, das eine Mal, indem er sidi im Kielraum des
Schiffes versteckte, das zweitemal, indem er sich in eine Gebirgs-
höhle verkroch, sdieint die Abtei des Prinzen Prospero, ganz
wie die Keller Montresors, kein sehr sicherer Uterus zu
sein! Ein düsteres Zeichen benachrichtigt davon die umher-
schwirrende Gesellschaft: im westlidien Gemach, in dem
schwarzen und scharlachroten Zimmer
„befand sich an der westlidien Wand auch eine hohe Standuhr
in einem riesenhaften Ebenholzkasten. Ihr Pendel sdiwang mit
dumpfem, wuchtigem, eintönigem Sdalag hin und her. Und wenn
der Minutenzeiger seinen Kreislauf über das Zifferblatt beendet
hatte, und die Stunde schlug, so kam aus den ehernen Lungen der
Uhr ein voller, tiefer, sonorer Ton, dessen Klang so sonderbar
ernst und so feierlich war, daß bei jedem Stundensdilag die
Musikanten des Ordiesters, von einer unerklärlidien Gewalt ge-
zwungen, ihr Spiel unterbrachen, um diesem Ton zu lausdien. So
mußte der Tanz plötzlidi aussetzen, und eine kurze Mißstimmung
befiel die heitere Gesellschaft . . ."
Sobald der letzte Nachhall vorüber ist, lächelt man, man
blickt sich wieder an, man verspridit sich, in der folgenden
Stunde keine Angst mehr zu haben,
„allein, wenn nach wiederum sedizig Minuten (dreitausendsechs-
hundert Sekunden der flüditigen Zeit) die Uhr von neuem ansdilug,
trat dasselbe Unbehagen ein, das gleiche Bangen und Sinnen wie
vordem".
Der dumpfe, wuchtige, eintönige Pendelschlag der riesigen
ebenholzschwarzen, trauernden Standuhr erinnert auf das
seltsamste an ein anderes Geräusch: an das „leise, dumpfe,
schnelle Geräusch, ein Geräusdi wie das Ticken einer Uhr, die
man mit einem Tucäi umwickelt hat", an das Sdilagen des
Schwatzenden Herzens. Die Uhrmacherei spielt in
den Geschichten Poes eine große und immer die gleiche Rolle.
Wir werden dieses Thema gelegentlich von Wassergrube
und Pendel noch gründlich studieren: dort stellt es sich
i
Die Maskeraden J3
"mlidi heraus, daß auch ein Gefängnis nicht immer ein sidierer
Uterus ist! Hier genügt uns der Hinweis: die gigantische Uhr
1 Roten Todes macht mit ihrem Pendel, das wie ein
Herz schlägt, und ihren ehernen Lungen {brazen lungs) den
Eindruck eines lebenden Organismus. Wir finden hier sogar
das Wort „Lunge", wobei dieses Wort mehr als eine leere
Metapher ist. Die gigantische Uhr in dieser Erzählung nimmt
die Stelle des Greises mit der Sidiel ein, der in der Phantasie
des Volkes unseren Vater Kronos verkörpert und in W a s s e r-
grube und Pendel eine so unheimliche Rolle spielt. Des-
halb zittern die Höflinge (diese Doppelgänger des Sohnes, die
aber hier nodi nidit der Gefahr ausgesetzt sind, sich ohne
Verteidigung, wie der von der Inquisition Verurteilte, von der
Sense mähen lassen zu müssen) vor dem Hersdilag, der Stimme,
dem Atem der ehernen Lungen, die, wie im Verlorenen
Atem, Symbole der väterlichen Mannespotenz sind. Sie
glauben, in dem mütterlichen Abteikörper vor dem Kastrator,
dem Töter, gesdiützt zu sein; vor der Anwesenheit des ge-
fürchteten und rächenden Vaters können sie sich jedoch nicht
flüditen, auch nicht in den tiefsten Abgrund des mütterlichen
Körpers.
„Doch wenn man hieven absah, war es eine präditige Lust-
barkeit . . . Die Einrichtung und Ausschmückung der sieben Gemächer
waren eigens für dieses Fest fast ganz nadi des Prinzen eigenen
Angaben gemacht worden, und sein eigener, merkwürdiger Geschmack
hatte auch den Charakter der Maskerade bestimmt. Gewiß, sie war
grotesk genug. Da gab es viel Prunkendes und Glitzerndes, viel
Phantastisches und Pikantes — vieles, das man seitdem in Hernani
gesehen hat."
Aber die Pracht bei Poe sieht anders aus als die bei
Victor Hugo!
„Da gab es Masken mit seltsam verrenkten Gliedmaßen, die
Arabesken vorstellen sollten, und andere, die man nur mit den
Hirngespinsten eines Wahnsinnigen vergleichen konnte. Es gab viel
^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
I T'
Schönes und viel Üppiges, viel Übermütiges und viel Groteskes
und auch manches Schaurige, — und überaus vieles, was wider-
wärtig war."
Wahrhaftig, dieses Maslienfest ist „ein Bild zügelloser Lust"!
Die Uhr in ihrem Ebenholzkasten hört nidit auf, jede
Stunde zu schlagen, „und eine kurze Weile herrschte eisiges
Schweigen". Aber da die Nacht fortschreitet, „wagte sidi
niemand (in das westlichste der Zimmer) hinein". Zwisdien
den Stunden und in den andern Zimmern geht das Treiben
weiter, „jetzt aber mußte der Schlag der Uhr zwölfmal er-
tönen." Alles steht still und schweigt. Die zwölf Sdiläge er-
tönen
„und daher kam es, daß jenen, die in diesem Kreis die Nach-
denklichen waren, nodi trübere Gedanken kamen, und daß ihre
Versonnenheit noch länger andauerte. Und daher kam es wohl
audi, daß, bevor nodi der letzte Nachhall des Stundensdilages
erstorben war, mandi einer Muße genug gefunden hatte, eine
Maske zu bemerken, die bisher nodi keinem aufgefallen war. Das
Gerüdit von dieser neuen Ersdieinung sprach sidi flüsternd herum,
und es erhob sidi in der ganzen Versammlung ein Summen und
Murren des Unwillens und der Entrüstung - das sdiließlidi zu
Lauten des SdireAens, des Entsetzens und hödisten Absdieus
anwuchs.
Man hatte in dieser Nadit der Maskenfreiheit zwar sehr weite
Grenzen gezogen ... (aber) einmütig sdiien die Gesellsdiaft zu
empfinden, daß in Tradit und Benehmen der befremdenden Gestalt
weder Witz nodi Anstand sei. Lang und hager war die Ersdieinung,
von Kopf zu Fuß in Leidientüdier gehüllt. Die Maske, die das
Gesidit verbarg, war dem Antlitz eines Toten täusdiend nadige-
bildet. Dodi all dies hätten die tollen Gäste des tollen Gastgebers,
wenn es ihnen audi nidit gefiel, hingehen lassen. Aber der Ver-
wegene war so weit gegangen, die Gestalt des Roten Todes
darzustellen. Sein Gesidit war blutbesudelt und seine breite Stirn,
das ganze Gesidit war mit dem sdiarladiroten Todessiegel befleit!
Als die Blidce des Prinzen Prospero diese Gespenstergestalt ent-
dedten, die, um ihre Rolle nodi wirkungsvoller zu spielen, sidi
langsam und feierlidi durdi die Reihen der Tanzenden bewegte,
^
i
^H Die Maskeraden 55
^H ah man, wie er im ersten Augenblidc von einem Schauer des Ent-
^H etzens oder des Widerwillens gesdiüttelt wurde; im nädisten
^1 Moment aber rötete sidi seine Stirn im Zorn. .Wer wagt es', fragt
^B er mit heiserer Stimme die Höflinge an seiner Seite, ,-wer wagt es,
" uns durch solch gotteslästerlidien Hohn zu empören? Ergreift; und
demaskiert ihn, damit wir wissen, wer es ist, der bei Sonnenauf-
eang an den Zinnen unseres Sdilosses aufgeknüpft werden wird!'
Es war in dem östlichen, dem blauen Zimmer . . ., in dem der
Prinz stand, umgeben von einer Gruppe bleidier Höflinge."
Niemand wagt es, seinem Befehl zu gehorchen. Mit würde-
voll gemessenem Sdiritt kommt die Maske
„bis didit an den Prinzen heran — und während die zahl-
reiche Versammlung, zu Tode entsetzt, zur Seite wich und sich in
allen Gemächern bis an die Wand zurückdrängte, ging (sie) unan-
gefochten (ihres) Weges, mit den nämlichen, feierlichen und gemes-
senen Schritten wie zu Beginn. Und sie schritt von dem blauen
Zimmer in das purpurrote — von dem purpurroten in das
gcüne — ..." und so weiter, „ehe eine entscheidende Bewegung
gemacht wurde, um sie aufzuhalten".
Der Prinz Prospero durcheilt „rasend vor Zorn und Scham über
seine eigene, unbegreifliche Feigheit die sechs Zimmer . . . Den Dolch
in der erhobenen Hand, war er in wildem Ungestüm der weiter-
sdireitenden Gestalt bis auf drei bis vier Schritte nahegekommen,
als sie, die jetzt das Ende des Sammetgemadies erreicht hatte, sich
plötzlich umwandte und dem Verfolger gegenüberstand. Man hörte
einen durchdringenden Schrei — der Dolch fiel blitzend auf den
schwarzen Teppich und im nächsten Augenblick sank auch Prinz
Prospero im Todeskampf zu Boden".
Die Gäste stürzen herbei, ergreifen „den Vermummten, dessen
hohe Gestalt aufredit und regungslos im Schatten der sdiwarzen
Uhr stand. Doch unbesdbreiblich war das Grauen, das sie befiel,
als sie in den Leichentüchern und hinter der Leichenmaske, die sie
mit rauhem Griffe packten, nichts Greifbares fanden — sie war
leer . . .
Und nun erkannte man die Gegenwart des Roten Todes.
Er war gekommen wie ein Dieb in der Nacht. Und einer nach
dem andern sanken die Festgenossen in den blutbetauten Hallen
ihrer Lust zu Boden und starben . . . Und das Leben in der Eben-
^ g'g Geschichten: Der Zyklus Vater
hokuhr erlosdi mit dem Leben des letzten der Fröhlichen. Und
die Gluten m den Kupferpfannen verglommen. Und unbeschränkt
herrschte über alles mit Finsternis und Verwesung der R o t e T o d".
*
ImMannderMenge wurde der Vater als Verbrecher
vorgestellt, im Schwatzenden Herz und im Hopp-
Frosch gerechterweise für seine Taten bestraft; in der
Maske des Roten Todes kommt er, nicht weniger
berechtigt, als Rächer zurück.
Die den Tod verbreitende Maske kann nur der Vater sein.
Sem Sohn, Prinz Prospero, hat ein Verbrechen begangen: er
hat sich nämlich, ohne sich um die Epidemie zu kümmern,
welche seine Untertanen vernichtet, in der Abtei verschanzt
und führt dort mit tausend Höflingen ein fröhliches Leben.
Er glaubt, hier vor jeder Gefahr geschützt zu sein und denkt
nur an Festlichkeiten und Orgien {reveUy Bei diesen
Orgien scheint zwar die Unzucht zu fehlen; doch die Symbolik
der Abtei spricht laut und deutlich davon, daß hier die Frau
die Mutter, „besessen" wird, eine Tatsache, die nur aus dem
gleichen Grunde übersehen werden kann, aus dem man
manchmal auf einer geographischen Karte gerade den Namen
des Landes oder Kontinents übersieht, der mit großen, weit
auseinanderliegenden Buchstaben über das ganze Blatt hin-
geschrieben ist.
Die Art, auf welche die Frau, die Mutter, besessen wird,
kann aus einzelnen Vorkommnissen auf diesem Ball heraus-
gelesen werden. Die eigentliche Unzucht ist zwar aus-
geschlossen, aber „da gab es Masken . . ., die man nur mit den
Z7) Revel, Orgie, Zechgelage, lärmende Festivität, stammt nidit
umsonst von rebellare ab. Tatsädilich sted.t die Idee von dnt
sZ ff" '^"Tf 5' S^S«" den Vater, der die Moral der
Sohne sdiafft, ursprünglich in dem Begriff von der Orgie.
I
Die Maskeraden j/
Hirngespinsten eines Wahnsinnigen vergleidien konnte, es gab
viel Groteskes und audi manch Schauriges — und überaus
vieles, was widerwärtig war". Die Phantasie des Prinzen
Prospero, der dies alles angeordnet hat, ist nun sadistisch; die
prächtige Maskerade gleidit irgendeiner schrecklichen Kinder-
phantasie, die nur am Grausen Gefallen findet, ohne jedodi
die Genitalität des Erwachsenen bereits zu kennen. Die Mutter-
Abtei wird also nach dem sadistischen und kloakischen Schema
besessen, das die düstere Folge von Sälen und die Gesichter
sdineidenden Masken so deutlich heraufbeschwören.
Das ödipusverbrechen ist jedoch hier so dargestellt, als ob
seine beiden Teile schon in Erfüllung gegangen wären: die
Mutter wird besessen und der Vater, der zu diesem Zwedi hat
entfernt werden müssen, ist bereits getötet worden.
„All dies und dazu das Gefühl dejr Sidierheit war drinnen in
der Burg — draußen war der Rote T o d."
Der Rote Tod ist der mordende und ermordete Vater.
Der mordende Vater: der Rote Tod tötet wie der Mann der
Menge, wie der Orang der Rue Morgue oder der Besitzer der
Schwarzen Katze — er tötet so wie John Allan die Frances,
wie David Poe oder der Unbekannte Liebhaber die schwind-
süchtige Elizabeth getötet haben. Der getötete Vater: ge-
rade wegen jenes Verbrechens hat nun der Sohn (nidit bloß als
Nebenbuhler, sondern auch als Rächer) den Vater getötet.
So hat Orestes (wobei die Eltern die entgegengesetzten Rollen
spielen) als Rächer seines Vaters Agamemnon seine Mörderin-
Mutter Klytämnestra umgebracht. Aber die Erinnyen — eine
Verkörperung der Mutter — kommen wieder und strafen ihn
ganz so wie der Rote Tod, der in die Abtei wiederkehrt, den
Sohn straft:. Die Wiederkehr des rächenden ödipus- Vaters ist
nämlich, wie noch viele andere Beispiele beweisen, eines der
ewigen Themen der Menschheit. Die Statue des Komturs
£^ D'-e Geschichten: Der Zyklus Vater
kommt zurück, um Don Juan in die Hölle hinabzuziehen; die
Hand Gottes sdireibt beim Festmahl des Belsazar ihr „Mene,
Tekel, Upharsin" an die Wand, und in der gleichen Nacht
wird Belsazar, der König der Chaldäer, getötet.^^«
Bei dieser Gelegenheit muß audi die Poe-Parabel vom
Schatten,^« eine der Geschichten des Folio
Clubs, erwähnt werden, eine Erzählung, die ebenfalls
während einer Epidemie spielt. Freunde sind bei einem Gelage
versammelt.
„Das Jahr war ein Jahr des Schreckens gewesen ... und fern
und nah ... hatten sidi die schwarzen Schwingen der Pest ausge-
spannt ... Wir saßen nadits, unser sieben, bei einigen Flaschen
roten Wernes in einer edlen Halle der düsteren Stadt Ptolemais . . .
eine tote Last drüdcte auf uns . . . Dennodi laditen wir und waren
frohhd, auf unsere Weise ... Obgleid, der purpurne Wein uns an
Blut gemahnte. Denn da war nodi ein Gast in unserem Gemach
in der Gestalt des jungen Zoilus. Tot und in seiner ganzen Länge
lag er da, in seinem Leidientudi (enshrouded) — der Geist und der
Dämon der Szene." Er, sieht sie mit seinen Augen an, „in denen der
Tod die Glut der Pest nur halb gelösdit hatte".
Und obwohl der Grieche Oinos (was so viel wie Wein
bedeutet), der Erzähler dieser düsteren Geschichte, fühlt, daß
der Blick des Toten auf ihn geriditet ist, singt er. Aber
„aus den sdiwarzen Behängen, darin die Töne des Liedes
erstarren, kam ein dunkler und unbestimmter Schatten hervor ...
und kam schließlidi auf der Fläche der erzenen Pforte in voller
Sidit zur Ruhe ... Und das Tor, auf dem der Schatten ruhte,
war ... genau gegenüber den Füßen des eingesargten jungen
Zoilus ..."
Der Sciiatten beginnt endlich zu spreciien, er sagt, daß
27 a) Daniel, V, 2j und 30.
28) Shadow. A Parable. {Southern Literary Messenger, September
1835; 1840; Broadway Journal, I, 22.)
Die Maskeraden J9
er von den Feldern am Charon komme. Die sieben Trinker
springen bebend auf,
denn die Klänge in der Stimme des Schattens waren nicht die
Klänge irgendeines Wesens, und . . . trafen . . . dunkel an unser
Ohr in unvergeßlichem, vertrautem Tonfall vieler lausender dahin-
gegangener Freunde!"
Diese Vielzahl von Stimmen, über die der Sdiatten ver-
fügt, ist vermutlich mehr als ein Plural der Majestät: sie ist
sidierlich die ins Allegorisdie transponierte unbewußte Er-
innerung Poes an die vielen, die drei „Väter" seiner Kindheit.
Der junge Zoilus ist (wie Prospero) der schuldige und vom
Sdiatten des Vaters bestrafte Sohn. Als Poe den Schatten
sdirieb, war das Thema von der Bestrafung des Sohnes auf
das seltsamste durch die Realität seines Lebens wieder gewedct
worden: im Jahre 1831 starb nämlich in seinen Armen sein
Bruder Henry an derselben Sdiwindsucht, an der sowohl sein
Vater David als auch seine Mutter Elizabeth gestorben waren.
Daher zitterte Oinos-Edgar, der Trinker-Sänger, beim An-
blick des Zoilus-Henry, des toten, mit der Pest infizierten
Trinkers, und identifizierte sich mit ihm aus Angst vor den
Vergeltungsmaßnahmen, welche der väterliche Schatten durch-
führen konnte!
Welche Tat will nun der väterliche Schatten bei seinem
Wiederauftauchen in allen Sagen, in denen der Vater Rache
übt, rächen? Das ödipusverbrechen in seiner Gesamtheit und
Dualität, den Vatermord und den Inzest, welche vom Sohn
in der Wirklichkeit oder in der Phantasie begangen wurden.
Don Juan hat den Komtur, dem er die Tochter, den Mutter-
ersatz, in der Realität geraubt, in der Realität getötet. Belsazar
hat sich der geweihten Gefäße aus dem Gotteshause bedient,
um bei dem Gelage aus ihnen zu trinken und sie zu ent-
weihen. Gefäße sind jedoch als Symbole für die Frau, die
Mutter, bekannt, denn sie sind Gefäße, die Gott allein, dem
^ -D2f Geschichten: Der Zyklus Vater
gepriesenen Vater, gehören! Prospero sdiließlidi hat sich in die
Abtei Mutter geflüchtet, er glaubt, sie ungestört besitzen zu
können, — aber alle, Don Juan, Belsazar, Prospero und sogar
Oinos, werden mitten im Gelage, und was noch mehr ist,
mitten in einem Trinkgelage, vom Tod überrascht. Alle
begehen das gleiche Verbrechen, sie besitzen die Mutter nach
dem gleichen oralen Schema: sowohl der trunksüditige Held
der S c h w a r z e n K a t z e als auch der K ö n i g P e s t, der
in grotesker Haltung vor seinem Glas Punsch sitzt, der König
im Hopp -Frosch, der den sich weigernden Narren
zwingen will, so wie er zu trinken, und Fortunato in dem
FaßAmontillado. Beim Prinzen Prospero bekam man,
wie uns ausdrücklich gesagt wird, Wein unter anderen Köst-
lichkeiten; in der ptolemaischen Orgie des Zoilus und Oinos
mit dem symbolischen Namen stand der Wein gar allein im
Mittelpunkt des Gelages! Belsazar trank Wein aus den Ge-
fäßen, die Gott gehörten, und Don Juan hat die Schandtat
begangen, den Komtur einzuladen, mit ihm bei einem Gelage
Wein zu trinken, was, symbolisch genommen und ironisch aus-
gedrückt, soviel bedeutet wie: den Vater einladen, mit ihm die
Mutter zu teilen. Denn wir haben schon an verschiedenen
Stellen darauf hingewiesen, daß das Verlangen nach Wein,
nadi Alkohol, nach einem Getränk (wie stark dieses Verlangen
auch die homosexuelle Färbung aufweisen mag, die es später
angenommen hat), in erster Linie von der Sehnsucht nach dem
ersten wirklichen Getränk abstammt, das dem Menschenkinde
geboten wird: wir haben es mit dem Verlangen nach der Milch
zu tun, die die Mutter dem Säugling gibt, indem sie ihm die
Brust reicht. Man könnte sich sogar fragen, ob nicht in dem
Emfall vom Wein, der purpurrot war wie das Blut
des Schattens, ebenso wie in dem vom blutroten Wasser
der Hüsse auf der Insel Tsalal, die Spur einer noch tiefer
gehenden imaginären Regression zu entdecken ist; an die Stelle
Die Maskeraden 6i
1 jgj. Milch tritt vielleidit hier und dort das Blut, weil der Fötus
lim pränatalen Stadium durch die mütterlidie Plazenta mit
I Blut, nidit mit Milch genährt wird . . .
Die Mutterleibsphantasie, die Flucht des Prinzen Prospero
in seine Abtei, muß jedenfalls de facto als Äquivalent für
den Mutter-Inzest auf der prägenitalen Stufe angesehen
werden. So wenigstens wird die Tat des Prinzen aucii von dem
aus dem Schloß entfernten Vater, der durch die rächende
Maske dargestellt ist, interpretiert, und darum bestraft er den
Sohn gerade an dieser Zufluchtsstätte. Und er bestraft ihn
doppelt für ein zweifaciies Verbredien: mit dem Tod (was
eine Vergeltung für den Vatermord wäre) und der Kastrierung
(was eine Vergeltung für den Inzest darstellt). In dem Augen-
blick nämlich, in dem der Prinz Prospero mit aufgehobenem
Dolch die Maske niederstechen will, dreht sicii diese um: „man
hörte einen durchdringenden Schrei — der Dolch fiel blitzend
auf den sdiwarzen Teppich und im nächsten Augenblick sank
auch Prinz Prospero im Todeskampfe zu Boden". Der Tod
konnte durch den Dichter in seiner wirklichen Form vorgeführt
werden, die Kastration jedoch nicht; sie wird aber in einer
nicht mißzuverstehenden Weise symbolisdi durcJi den Dolcii
— ein Äquivalent für das Rasiermesser der Rue Morgue
und die Hadce der Schwarzen Katze — vorgeführt,
der schon beim Blick des Vaters zu Boden fällt, so daß der
Sohn entwaffnet dasteht. Die Maske des Roten Todes,
das Gespenst des rädienden Vaters, bestraft so den sdiuldigen
Sohn unmittelbarer als seine Ersatzgestalten, die Polizisten des
Schwatzenden Herzens oder der Schwarzen
Katze, ihn bestraft haben. Diese Maske braucht niciit die
Gerichtskommission: sie braudit auch nicht Gefängnisse,
Gerichtshöfe, Galgen, es genügt, daß sie sicii umwendet. Und
schon fallen nicht nur der Prinz, die unmittelbare Verkörpe-
rung des Sohnes, sondern auch die Höflinge, seine Dubletten,
:f .
62 Die Geschidoten: Der Zyklus Vater
tot zu Boden: denn wenn im Schatten der Vater ins Un-
endliche vervielfältigt ist, haben wir hier eine Vielzahl der
Söhne vor uns.
„Und einer nadi dem andern sanken die Festgenossen in den
blutbetauten Hallen ihrer Lust zu Boden und starben . . ."
Nach diesem Rachewerk ist die sadistisch-phallisdie Tätig-
keit des Vaters von selbst beendet: „Und das Leben in der
Ebenholzuhr erlosch mit dem Leben des letzten der Fröhlichen."
In dem westlidien Zimmer ist die Sonne — oder der Vater
dieser Welt wirklidi schlafen gegangen. Eine Art „Phan-
tasie vom Weltuntergang", wie man sie bei mandien Sdiizo-
phrenen findet, sdiließt diese Rachegesdiidite, eine Phantasie
jedodi, in der der Vater, der blutende Kastrator und Töter,
der schredcliche und ewige Gott, allein über die für immer
ewige Leere regiert: „und unbesdbränkt herrschte über alles
mit Finsternis und Verwesung der Rote T o d".
„Mein ist die Räch e", sagt der Herr.^^
29) Deuteronomium, XXXII, 35, zitiert von Matthäus, 39, und
von Paulus im Römerbrief, XII.
VERWETTE NIEMALS DEM TEUFEL
DEINEN KOPFso
EINE GESCHICHTE MIT EINER MORAL
Als Poe den Titel dieser Gesdiidite und die zwei ersten
Absätze der Einleitung niederschrieb, glaubte er nur, sich über
jene Kritiker lustig gemacht zu haben, die behaupteten, jede
literarische Schöpfung müsse eine Moral enthalten und enthalte
tatsädilidi eine. Darum legt er —
„in der Absidit, mein Todesurteil aufzuhalten" (die in Frage
stehenden Kritiker warfen ihm vor, seine Gesdiiditen seien jeder
Moral bar) — „und die wider midi erhobenen Besdiuldigungen zu
mildern, die folgende traurige Geschidite vor, eine Gesdiidite, über
deren offenkundige Moral keine Zweifel erhoben werden können,
denn der Leser erfährt sie ja sdion in den fetten Budistaben, die
die Übersdirift der Gesdiichte bilden".
Poe wußte nicht, wie wahr er sprach. Denn in dieser
Geschidite taucht noch deutlicher als in der Maske des
Roten Todes der genetisdie Zusammenhang auf, welcher
die Moral mit den Sanktionen verbindet, die der Vater, der
seit urdenklidien Zeiten der Kastrator und Töter seiner rebel-
lisdien Söhne ist, durdiführt.
Der verstorbene Toby Dammit (das heißt: Toby, den
Gott verdammen möge) ist seit seiner Kindheit der
Freund des Erzählers dieser Geschidbte gewesen. Dieser er-
innert sich sogar daran, gesehen zu haben, wie sein kleiner
Freund von der Mutter geschlagen wurde, ohne daß sich der
Junge deshalb auch nur im geringsten gebessert hätte. Schlug
30) Never Bet the Devil Your Head. A tale with a moral.
{Graham's Magazine, September 1841; Broadway Journal, II, 6.)
64 öie Gesdiichten: Der Zyklus Vater
ihn die Mutter „wider den Stridi", weil sie linkshändig war?
„Die Frühreife im Laster" des kleinen Dammit macht
„unheimlidie Fortsdiritte. In einem Alter von fünf Monaten
ließ er sidi von Leidensdiaflen hinreißen, die er nidit einmal aus- .
spredien konnte. In seinem sedisten Monat traf ich ihn dabei, wie
er einen Padt Spielkarten zernagte. Mit sieben Monaten hatte er
die unverbesserlidie Gewohnheit, kleine Mädchen zu fangen und
abzuküssen. Mit adit Monaten v^reigerte er sich beharrlich, seine
Unterschrift unter ein Temperenzmanifest zu setzen. So steigerte
sich seine Sdilechtigkeit von Monat zu Monat, bis er am Ende
seines ersten Lebensjahres nicht nur darauf bestand, einen
Schnurrbart zu tragen, sondern sich audi angewöhnt hatte,
zu fluchen und zu sdiwören und seine Versidierungen mit "Wett-
geboten zu bekräftigen".
So war Dammit wie sein Schöpfer Poe ein frühreifes Kind,
das sich von Leidensdiaflen hinreißen ließ, das Spiel und
Getränke liebte und sidi gegen jede Autorität auflehnte. Ein
Psydioanalytiker wird Poe niemals vorwerfen, daß er seine
Neigung zu Zornesausbrüdien, seine Freude am Spiel (Ersatz
für die Masturbation), besonders aber die Tatsache, daß sein
Held Dammit das Getränk liebte, in eine so frühe Zeit zurück-
verlegte, in eine Zeit, in der das Kind noch in der Wiege lag;
auch nidit, daß die ursprünglidie Sexualneigung des kleinen
Kindes für das weibliche Wesen — die Mutter wird indirekt
durch die Jagd des kleinen Dammit nach kleinen Mädciien er-
wähnt — so frühzeitig auftritt. Edgar hatte übrigens sehr bald
eine kleine Schwester bekommen. Die Identifizierung des früh-
reifen Knaben mit dem Vater krönt schon am Ende des ersten
Jahres alles auf das präditigste: in diesem frühen Alter wollte
|||i:i Herr Dammit bereits einen Schnurrbart tragen, dieses
männliche, phallische Attribut, über das sicii Poe so lustig
machte, und damals sciion lehnte der Junge sich gegen die
Autorität auf, indem er si6i angewöhnte, zu fluchen und zu
schwören, Blasphemien gegen Gott — oder gegen den Teufel — ,
die beide Ersatz für den Vater sind, auszusprechen.
Wh
t
I
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf 65
Infolge dieser äußerst unfeinen Angewohnheit (zu wetten) ging
Tobias Dammit schließlich zugrunde, wie ich richtig vorausgesetzt
hatte." Diese Gewohnheit „w uchs mit ihm heran und
wurde mit seinem körperlichen Gedeihen immer
stärker: sdiließlich, als er ein Mann war, konnte er kaum einen
Satz aussprechen, ohne ihm eine Herausforderung zu einer Wette
anzufügen."
Der Einsatz bestand nie aus Geld, denn Herr Dammit war
entsetzlich arm". Und das war, wie der Erzähler uns sagt,
ein anderes Laster, mit dem ihn das anormale körperliche
Gebrechen {peculiar physical deficiency) der Mutter Dammit
begabt hatte". (Man bedenke, daß auf diese "Weise die arme
und kranke Schauspielerin mit der Verantwortung für alle
konstitutionellen Laster ihres Sohnes beladen wird.) Es ist
daher zu verstehen, daß Herr Dammit niemals sagt: „Ich
wette einen Dollar mit Ihnen", sondern daß er sich mit der
Wendung begnügte: „Ich wette mit Ihnen, was Sie wollen"
oder „Ich wette mit Ihnen, was Sie dransetzen wollen" oder
„Ich wette eine Kleinigkeit" oder gar das so bezeichnende:
„Ich verwette dem Teufel meinen Kop f."
Dammit gefällt diese Redensart derart gut, daß er schließlidi
keine andere mehr gebraucht. Sein Freund fühlt sich jedoch
durdi diese Redensart beunruhigt, obwohl er annehmen kann,
daß Dammit gerade bei dieser "Wette am wenigstens verlieren
würde, weil er einen kleinen Kopf hat, „und so wäre der
Verlust nidit groß gewesen"; er versucht den Lästerer dennoch
davon abzuhalten, den Hang zum Bösen hinabzugleiten, ver-
gebens! Nun resigniert der Freund und schweigt, bleibt aber
trotzdem ein seltsam treuer Gefährte des Dammit.
„Eines sdiönen Tages spazierten wir Arm in Arm umher und
gelangten an den Fluß. Da war eine Brüdce, und wir beschlossen,
sie zu überschreiten. Sie war gegen die Unbill der "Witterung mit
einem Schutzdadi versehen; der Gang hatte nur wenige Fenster
und war unheimlidi düster. Gleidi als wir eintraten, wirkte der
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 5
I
.11
!■
66 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Untersdiied zwischen dem lachenden Sonnensdiein draußen und
dem in dem Gang herrsdienden Düster bedrückend auf mein
Gemüt. Nicht so auf das des unglücklichen Dammit, der dem
Teufel seinen Kopf verwettete, daß ich melandiolisdi wäre (hipped).
Er schien ungewöhnlich guter Laune zu sein. Er war äußerst Hebens-
würdig; so sehr, daß ich weiß nicht was für ängstlichen Verdacht
schöpfte ... Er zappelte und sprang umher, rief bald laut, lispelte
dann wieder, gebrauchte allerlei seltsame leise und laute Worte und
bewahrte dabei die ganze Zeit über die ernsthafteste Miene von
der Welt . . . Inzwischen näherten wir uns dem Ende des Brücken-
ganges und sahen uns mit einem Male einem Hindernis gegenüber,
das uns den Weg versperrte; es war ein Drehkreuz von ziemlicher
Höhe. Gelassen bahnte ich mir durch dieses meinen Weg, indem
ich es wie üblich mit mir vorwärtsdrehte. Aber die Drehung des
Kreuzes entsprach nicht der Drehung Mr. Dammits. Er bestand
darauf, das Drehkreuz zu überspringen, und erklärte, er könne
in der Luft einen Taubenschwung reinsten Stils darüber machen . . .
Ich setzte ihm . . . auseinander, daß er ein Prahlhans sei und mehr
behaupte, als er ausführen könne. Später hatte ich Grund, dies zu
bereuen, denn er verwettete sofort dem Teufel seinen
Kopf, daß er den Sprung machen könne."
In diesem Augenblick bemerkt der Freund in einem „Winkel
im Fadiwerk der Brücke" einen kleinen, alten, hinkenden
Herrn von würdevollem Aussehen, der sich durch ein leises
Husten „A h e m!" bemerkbar madit. Er ist ganz in Schwarz
gekleidet, seine Wäsche ist tadellos weiß,
„sein Haar war in der Mitte gescheitelt wie das Haar eines
Mädchens. Die Hände hielt er nachdenklich über der Magengrube
gefaltet, seine Augen blickten zu seinem Scheitel empor. Als ich ihn
näher betrachtete, bemerkte ich, daß er über seinem Anzug eine
Schürze von schwarzer Seide trug und wunderte mich darüber".
Der alte Herr hustet noch einmal ahem!; der Freund
macht Herrn Dammit auf ihn aufmerksam.
Dammit jedoch ist plötzlich auffallend erschrocken, und
„nachdem er die Farbe öfter gewechselt hatte wie ein Pirat,
der von einem Kriegsschiff verfolgt wird", fragt er seinen
Freund:
J
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf 67
„Sind Sie sicher, daß er das (A h e tn) sagte? Nun, auf jeden
Fall nehme idi die Herausforderung an und werde ebenso unver-
sdiämt entgegnen. Aufgepaßt! Ahem!"
Dem alten Herrn sdieint diese Herausforderung zu gefallen,
er kommt graziös hinkend näher und drückt Dammit die
Hand.
„Idi bin sidier, daß Sie gewinnen werden, Dammit . . . Freilidi
sind wir, wie Sie selber gestehen werden, verpfliditet, den Beweis
zu liefern. Lediglich der Form halber."
Dammit legt den Mantel ab, seufzt, identifiziert sidi von
diesem Augenblidc an mit dem alten Mann und vermag nur
mehr „ahem!" zu seufzen.
„Der alte Herr nahm ihn jetzt beim Arm und führte ihn etwas
tiefer in den Schatten des Brüdcenganges zurüdc; sie standen wenige
Sdiritte vom Drehkreuz entfernt. ,Mein lieber Junge', sagte er,
.verlassen Sie sidi darauf, ich werde Ihnen diesen prachtvollen
Sprung ermöglidien. Warten Sie hier. Idi werde midi bei dem
Drehkreuz aufstellen, damit idi dafür sorgen kann, daß Sie in
guter Form und transzendental darüber wegkommen. Lassen Sie
beim Taubenschwung ja keinen der Sdinörkel weg ... Idi werde
zählen: eins— zwei — drei — los! Aditen Sie darauf, daß
Sie bei dem Wort »los« starten'."
Der alte Herr stellt sidi nun neben das Drehkreuz, über-
legt einen Augenblidk, „blickte dann in die Luft empor und
lädielte heimlich, wie mir schien. Dann band er sich die Sdiürze
fester" und endlich gibt er das Zeichen.
Dammit beginnt nun zu laufen. Das Drehkreuz ist weder
sehr hoch, noch sehr niedrig. Der Freund nimmt sich jedoch
vor, den Sprung nicht zu unternehmen, auch wenn der alte
Herr ihn darum bitten würde! Es ist ihm gleidigültig „u n d
wenn es der Teufel w ä r e" ! Die Brücke, welche „ein
überwölbter und gar seltsam überdeckter Gang" ist, läßt seine
letzten Worte in einem hödist unerwünsditen Echo widerhallen.
W'ii
H
68 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
In diesem Augenblick
„in weniger als fünf Sekunden nach dem Start war mein armer
Tobias abgesprungen. Ich sah ihn noch behend anlaufen und mit
einem Satz vom Boden der Brücke emporschnellen; er schlug mit
den Beinen die verrücktesten Schnörkel, als er in die Höhe flog.
Hoch in der Luft bemerkte ich ihn in einem erstaunlidien Tauben-
schwung über dem Drehkreuz; dodi seltsam sdiien mir, daß er
nidit darüber wegflog. Der Sprung war Sadie eines Augenblidjs;
ehe ich Gelegenheit fand, eingehendere Reflexionen anzustellen, fiel
Herr Dammit auf derselben Seite des Drehkreuzes, wo er abge-
sprungen war, auf den Rücken. Im nämlichen Augenblick aber sah
ich den alten Herrn in höchster Geschwindigkeit davonlaufen,
nachdem er zuvor in seiner Schürze etwas aufgefangen und ein-
gewickelt hatte, das aus dem Dunkel des BrUtkengewölbes über
dem Drehkreuz schwer hineingefallen war".
Der Freund läufb zu dem gestürzten und unbeweglidi da-
liegenden Herrn Dammit hin und bemerkt, daß ihm ... der
Kopf fehlt. Eine flache Eisenstange, welche ungefähr fünf Fuß
über dem Drehkreuz mit der Schneide in horizontaler Lage an-
gebracht war, hat ihm den Schädel weggeschnitten. Als der alte
Herr lächelnd emporgesehen, hatte er gewußt, warum er es tat!
Herr Dammit „überlebte den peinlidben Verlust nicht
lange". Selbst die Homöopathen hatten bei ihm kein Glüdi.
„Schließlich versdilimmerte sich sein Zustand und er starb zur
Lehre aller derer, die da im Übermut leben {riotous livers)."
Sein Freund vergießt an seinem Grabe Tränen und läßt
auf seinem "Wappenschild eine unheilverkündende „Eisen-
stange" dazu malen. Nachdem die Transzendentalisten (die
Poe so verachtete) sich geweigert hatten, für die Begräbnis-
kosten aufzukommen, läßt der Freund Herrn Dammit sofort
wieder ausgraben und verkauft seinen Leichnam als Fraß für
Hunde.
In dieser seltsamen Geschichte erscheint zum tausendsten
Male, seit der menschliche Geist sich Geschichten ausdenkt, der
i
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf 69
Teufel im Zusammenhang mit einer Brücke wieder. Nun gibt
unzählige Brücken, weldie Teufelsbrücke heißen. Erinnern
• JJJJ3 beispielsweise an die bekannte Schweizer Sage von der
Teufelsbrücke über die Reuß (bei Andermatt). Ein Mann wollte
• Brücke über den Sturzbach bauen, es gelang ihm aber
nicht. Da erschien der Teufel und bot ihm an, er werde die
Brüdse fertigbauen. Und der Preis für diese Hilfe? Der Teufel
verlangte die Seele des ersten Lebewesens, das die Brücke über-
sdireitet. Der Handel wurde abgesdilossen ! Der Teufel be-
endete sein Werk in einer Nacht. Der Mensdi ließ einen Hund
als erstes Lebewesen über die Brücke laufen. Der genarrte
Teufel zog kleinlaut ab und der Mensch blieb triumphierend
im Besitz der Brücke."
In dieser Sage hat es der Teufel allerdings mit einem ab-
gefeimteren Gegner als mit Herrn Dammit zu tun! Das kommt
daher, daß die Psychosexualität des Schöpfers oder der
Sdiöpfer dieser Sage wohl anders als bei dem impotenten Poe
ausgesehen hat.
Bevor wir jedoch den besonderen Fall des Herrn Dammit
analysieren, müssen wir uns darüber Klarheit verschaffen, was
die Brüdiensymbolik im allgemeinen bedeutet. Mit ihr haben
sich bisher nur wenige Arbeiten beschäftigt, natürlich keine
vor der Psychoanalyse. Aber auch seither hat, so viel uns
bekannt ist, nur Ferenczi, und zwar in zwei interessanten
Sdiriften dieses Thema behandelt.^^
Die große klinische Erfahrung Ferenczis bei Neurotikern
und Normalen führte ihn nadi zahlreichen Analysen von
31) Julius Tischendorf, Die Länder Europas. Ernst
Wunderlidi, Leipzig, 1926.
32) Ferenczi, Bausteine zur Psychoanalyse, Bd. II :
Die Symbolik der Brücke — Die Brückensym-
bolik und die Don-Juan-Legende. (Int. PsA. Verlag,
Wien 1927.)
7° Die Geschichten: Der Zyklus Vater
1
■i|h
Träumen und Symptomen zu folgender Einsicht: die Brücke
ist gewöhnlich ein Symbol für das väterliche Mannesglied,
das zwei Teile der Landschaft wie zwei Körper miteinander
verbindet, indem es eine Brücke zwischen ihnen schlägt. Die
zwei Teile der Landschaft stellen symbolisch die beiden Eltern
dar, die durch einen riesigen Brü<i:en-Penis während des
Sexualaktes miteinander verbunden sind, und die großen Maße,
die ihnen hier zugeschrieben werden, stammen aus der kind-
lichen Vision, die Eltern in Gestalt von Riesen zu sehen. Der
Fluß, das Wasser, über das die Brüde geschlagen wird, stellt
nach einer allgemein auftretenden Symbolik wieder die Mutter
dar, die Amnionswasser, aus denen wir alle gekommen sind.
In der Brückensymbolik ist daher die Mutter zweimal re-
präsentiert: in der zu erreichenden Landschaft, in dem zu über-
querenden Wasser.^'
Ferenczi berichtet nun außerdem von einem Fall, den er
analysiert hat, und bei dem der Patient an einer Brücken-
phoble und zugleich an Ejaculatio retardata litt. Alle von
Brücitenphobie befallenen Neurotiker leiden an Potenz-
störungen; aber dieser Kranke ermöglichte es Ferenczi, die
Brückensymbolik noch tiefer als vorhin zu erfassen. Die
Analyse führte nämlicii in das Gedächtnis des Kranken
folgende Szene wieder herauf: seine Mutter (eine Heb-
amme), die er sehr liebte, konnte sich, obwohl er damals
33) Ini antiken Rom war der Titel der höchsten religiösen
Würdenträger der des Pontifex, was soviel wie „BrüdiLenmacher"
bedeutet {Pontifex = pontem facere). Daß der Pontifex anfangs
wirklich Ingenieur war, eine Funktion, die er übrigens bald
nicht mehr ausübte, widerspridit nidit der Tatsache, daß der
römsche Pontifex, diese Vater- Image par excellence, schon durdi
seinen Namen im Unbewußten des bauenden Volkes, als das wir
die Römer ansprechen können, mit diesem wichtigen Sexualattribut
des Vaters, wie es sich in der Brüdtensymbolik ausdrüdct, begabt
wurde.
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf yi
schon neun Jahre alt war, nicht entsdiließen, ihn selbst in der
Nadit aus ihrem Zimmer zu entfernen, in dem sie seine
Schwester zur "Welt brachte. Er hatte nidits gesehen, aber alles
gehört, auch die Bemerkungen der Personen, weldie die Mutter
pflegten, Bemerkungen, die sidi auf die Tatsadie bezogen, daß
der Kindskopf auftauchte und immer wieder verschwand. Die
Angst, welche mehr oder minder alle Zeugen einer Entbindung
ergreift, padite natürlicii auch den kleinen Jungen, und er iden-
tifizierte sidi mit dem kleinen Lebewesen, das sich stundenlang
in jenem physiologischen Angstzustand befand, der dazu be-
stimmt ist, das Urbild aller unserer künftigen Angstzustände
zu werden, und das lange hin und her schwankte, ob es zur
Welt kommen oder in den Mutterleib zurückkehren solle.
Die Brückenphobie des Kranken hatte in jener Szene ihre
Wurzeln. In dieser Phobie stedite aber audi eine furditbare
Todesangst. Nun ist der pränatale Aufenthalt im Körper der
Mutter das Bild, nach dem sich der Mensch, der an seine Ver-
nichtung nidbt glauben will, auch das Weiterleben vorstellt.
„Die Brüdke überschreiten" bedeutete also im Unbewußten
dieses Kranken „in den Tod zurückkehren", wovon sicli
Ferenczi überzeugen konnte, als er die Reaktionen des Kranken
beobaditete, mit dem er eines Tages über eine Donaubrücke
ging. Der Kranke klammerte sich an ihn während des ganzen
Hinwegs, aber bloß während des halben Rückwegs, da die
Angst in dem Augenblick verschwand, in dem er von neuem
in die Nähe des Ufers kam, welciies das Leben repräsentierte.
Er klammerte sicii in der Realität an seinen Analytiker, die
Vatergestalt, wie der Neurotiker sidi in seiner unbewußten
Phantasie an den Penis des Vaters anklammert, damit er nidit
in das mütterliciie Wasser, d. h. in den Tod, wieder zurück-
fällt. Der Tod ist also hier zweimal dargestellt: durch eines
der Ufer und durch das Wasser. Die Mutter zweimal: als
ganze Gestalt durch das andere Ufer, als das mütterliche
t
72 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Genitalorgan durch das Wasser. Und auch der Vater zweimal:
der ganze Körper durch eines der Ufer, das männliche Genital-
organ durch die Brücke.
Und die doppelte Symbolik, welche Ferenczi den Brücken
zusdireiben zu können glaubt, ergänzt sidi in ihren Teilen:
wenn die Brücke einerseits den väterlichen Penis darstellt,
welcher die beiden Eltern miteinander verbindet, und anderer-
seits der Übergang aus dem Nicht-Leben (Fötalzustand oder
Tod, was im Unbewußten einander gleichkommt) ins Leben
und umgekehrt, so gibt es zwischen diesen beiden Begriffen
doch keinen Widerspruch. Denn der Penis des Vaters, die
Brücke, ist tatsächlich das Mittel, durch das wir alle aus dem
Nidit-Leben in die Existenz gelangen können.
In seiner zweiten Arbeit berichtet Ferenczi von einer
Episode aus dem Leben Don Juans. Dieser soll einmal über
den Guadalquivir hinweg seine Zigarre an der des Teufels
angezündet haben. Ferenczi sieht darin eine Bestätigung seiner
Auffassung von der Brückensymbolik, die Zigarrenbrücke
repräsentiert auf eine nodi deutlichere Weise als bisher den
kolossalen, in Erektion befindlichen Penis des berühmten
Frauenjägers sowohl durch ihre Form als auch durch ihr Feuer,
welches das Feuer des Verlangens symbolisiert.
Das ist die These Ferenczis. Man kann sich ihr nicht ent-
ziehen, fühlt aber zugleidi, daß sie irgendwo eine Lücke hat.
Ich kenne eine Frau von sehr männlidier Persönlichkeit, die
als Kind häufig von einem Brückentraum gequält wurde. Sie
befand sich auf einer Brücke, welche die Seine überquerte, und
ging langsam, von einem unwiderstehlichen Zwange getrieben,
weiter, ohne zurückgehen zu können. Je weiter sie aber fort-
schritt und je mehr sie sich der Mitte des Flusses näherte, um
so deutlicher hatte sie den Eindruck, die Brücke sei zerstört.
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf 73
Die Geländer auf einer Seite begannen zu fehlen, die Bretter
der Brückendecke — sie war seltsamerweise in diesem Augen-
blÜ mit Brettern gedeckt — fielen auseinander und durdi
sie hindurch sah man das reißende "Wasser. Schließlidi
blieben nur mehr ein oder zwei Bretter übrig, die ins
Leere führten, und das Mädchen erwachte mit dem Gefühl
unsagbarer Angst.
Die Analyse dieser Frau zeigte nun, daß die Brücke in
ihrem Unbewußten zwar den Phallus repräsentierte, jedoch
nicht den Phallus des Vaters, sondern den der Mutter — nodi
genauer gesagt, den der Amme, da das Kind seit seiner Geburt
von der Mutter her verwaist war und die Amme die Stelle der
Mutter eingenommen hatte. Diese Frau hatte nämlich die
Gewohnheit, das Kind rittlings auf den Fuß zu setzen und
hüpfen zu lassen, eine Handlung, die ihm unleugbar Sexual-
sensationen verschaffte. Die Brücke war demnach zu gleicher
Zeit der Fuß und der Penis der Frau, sie hörte im Leeren
auf wie der Fuß der Amme, wenn das Kind auf ihm
rittlings saß und während der Sexualsensationen nicht
zurückweichen konnte. Dieser Traum tauchte bei dem kleinen
Mädchen — wie übrigens alle Angstträume bei Kindern — erst
auf, als sidi die Verdrängung der zweiten Periode der infan-
tilen Masturbation, die zwischen dem dritten und fünften oder
sedisten Lebensjahr anzusetzen ist, unter dem strengen Einfluß
der Kinderfrau, weldie auf die Amme gefolgt war, gefestigt
hatte. Das Kind entdeckte damals den Unterschied der Ge-
sdilechter, eine Entdeckung, welche die Mädchen sehr be-
drüdct, und hauptsächlich unter dem Einfluß dieser Entdeckung,
zu dem die Verbote der neuen Erzieherin kamen, verzichtete
es, wie so viele Mädchen, auf die infantile Klitorismasturba-
tion, bei welcher jedesmal von neuem das Gefühl der Er-
niedrigung anschwillt, daß die Klitoris nur ein schredclidh
verstümmelter Penis ist. Die zerfallene Brücke des Alptraums
74 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
gibt also den Gedanken wieder, daß der Phallus der Frau,
die Klitoris, nur ein abgestumpfter Penis ist.
Aber weder hier noch in andern Brückenträumen oder
-phobien darf vernacUässigt werden, daß das kleine Mädchen
seinen eigenen „Penis" mit dem der Amme, weldier durcii die
Brücke repräsentiert ist, identifizierte. Als die Amme das Kind
auf dem Fuß hüpfen ließ, verhielt es sich nodi passiv; bald aber
ging diese P a s s i v i t ä t in ein Verlangen nach Aktivität
I über, eine Haltung, die der des Knaben analog ist und die
[i! beim Mädchen dank der ihr eigenen kleinen männlichen
1 1 Klitoris einsetzen kann.^* Aber dieses kleine Organ reicht nidit
li aus, wenn man die Mutter, die Frau, besitzen will! Daß das
kleine Mädchen über keinerlei männlidie Potenz verfügte, war
an der zerstörten Brüdie zu bemerken, die es ihm unmöglidi
:; machte, das andere Ufer zu erreichen. Das einzige, was das
\ Kind hätte realisieren können, wäre ein Rückfall in das "Wasser
gewesen, aus dem es gekommen war, eine Rückkehr in den
Mutterleib, ein Wunsch, der sich, wie das häufig der Fall ist, in
l| Angst verwandelte. „Die Phantasie der Rückkehr in den
I, Mutterleib (ist) der Koitusersatz des Impotenten (durch die
I Kastrationsdrohung Gehemmten)", hat Freud gesagt.^^ Und
f der Traum unseres kleinen Mädchens, ein Traum nach masku-
': linem Schema, war in "Wirklichkeit ein Impotenztraum. "Welche
'1 Impotenz kann denn schlimmer sein als die des Mädchens, das
:! um den Penis trauert! Die ursprüngliche Bisexualität aller
Lebewesen, von der in verschiedenem Grade die Spuren sowohl
': in unserem Körper als auch in unserer psychischen Struktur
weiterbeharren, madit es dem Mäddien möglich, sich tatsächlich
I 34) J. Lampl-de Groot: Zur Entwicklungsgeschichte
des Ödipuskomplexes der Frau. (Int. Ztschr. f. PsA.
;! XIII, I9V)
[ 35)Heminung, SymptomundAngst. (Int. PsA. Verlag,
!i 1926, S. 85.)
I
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf 75
oldier männlidier Haltung hinzugeben, wie sie es dem Knaben
estattet, entsprechende feminine Haltungen einzunehmen, Tat-
sachen die wir später nodi bei anderen Geschichten Poes
genauer untersuchen werden.
Der Fall der Frau, von dem wir eben berichtet haben, ist
nun ein überaus interessanter Beitrag zur Deutung der Brücken-
svmbolik im allgemeinen, er ermöglicht es uns aber audi, eine
der Lücken, die wir bei den Abhandlungen Ferenczis zu ent-
decken geglaubt haben, auszufüllen.
Ferenczi scheint nämlidi zu wenig auf der Identifi-
zier u n g s tendenz bestanden zu haben, weldie nadi unserer
Meinung in allen Brückenträumen oder -phantasien eine be-
deutende Rolle spielt. Das Kind hat die Sexualvereinigung der
Eltern in der Wirklidikeit oder Phantasie gesehen, und der
Sohn strebt voll Ehrgeiz danadi, seinen Penis mit dem des
Vaters zu identifizieren, wie er eine Brücke zu
schlagen. Infolge seiner infantilen Schwäche kann er
jedoch nodi nichts anderes tun, als sich an den Penis des
Vaters klammern, um den gleichen kühnen Weg wie der Vater
zu gehen. Aber in der Brückenangst des Impotenten spiegelt
sidi nicht nur das Zurückbleiben auf einer Stufe infantiler
Schwäche, es steckt in ihr wahrscheinlich auch das ödipus-
verbot des Vaters: es ist dem Kind untersagt, wie der Vater
eine Brücke zur Mutter zu schlagen. Während nun in den
Brückenphobien die Frau vor allem darunter leidet, daß
sie sicii, eben weil sie eine Frau ist, nicht mit dem Vater
identifizieren kann, leidet der erwachsene Mann, dessen
Organe diese Identifizierung ermöglichen würden, besonders
darunter, nicht das Recht zu solcher Handlung erworben
Izu haben. Der ursprüngliche Inzestwunsch nach der Mutter
verwandelt sidi dann in Angstgefühle: man fürchtet sich vor
dem, was man in Wirkliciikeit wünschen würde, nämlicii
davor, in das Wasser des Flusses zu stürzen; man hat Angst
!
7^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
vor dem Übergang über die Brüdse, der den gewünsditen
Besitz der Frau symbolisiert. Denn gerade das ist verboten,
und man gefährdet durdi Übertretung dieses Gebotes sowohl
sein Leben als audi den Penis. Der Kranke Ferenczis, der
übrigens der Sohn eines Schneiders war (man beadite die Rolle
des Schneiders im Struwwelpeter, in dem jener den
Knaben den Daumen abschneidet), hatte eine ganz besonders
ausgeprägte Kastrations- und Todesangst; und beim Übergang
über eine Brücke verliert Herr Dammit sowohl den Kopf als
audi das Leben.
*
Damit sind wir aber nach langem Umweg wieder zu
unserem Ausgangspunkt zurückgekehrt: zur Geschichte Poes,
in welcher der Teufel, die Brücke und Herr Dammit ihre
vorherbestimmten Rollen spielen.
Während nämlich Don Juan in der großartigen Episode von
der Zigarre, dem Teufel und dem Quadalquivir triumphierend
seine Zigarre an der des Teufels selbst (eine klassische Vater-
Imago!) anzündet, sich dadurch siegesbewußt mit dem Vater
identifiziert und ihn, was seine Mannespotenz angeht, als
gleidiwertigen Gegner betrachtet (wir erfahren nicht, welche
Zigarre einen größeren Weg über den Quadalquivir hat
zurücklegen müssen, um die andere zu erreidien), blüht Herrn
Dammit angesichts der gleichen diabolischen Vater-Imago ein
ganz anderes Schicksal.
Die Brücke der Gesciiichte ist außerdem eine ganz besondere
Brücke: sie ist eine gedeckte Brüdce, auf der es ganz finster ist.
Sie entspricht also nicht genau dem väterlichen Penis, der
über den mütterlichen Fluß geschlagen wurde: man möchte
eher sagen, wir haben es mit einer Vagina zu tun, die über
die ganze Flußbreite reicht und die Brückenfunktion zwisdien
den ursprünglichen Gestalten der sich paarenden Eltern erfüllt.
Das erinnert mich an den Traum eines Mannes, der an
I
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf
77
Ejaculatio praecox litt (wie die Analyse bewies: aus Angst vor
der kastrierenden Vagina dentata), ein Traum, in dem die
Frau an der Stelle der Vulva eine Art vorspringender Röhre
aus Glimmer hatte, welche als Kopulationsfalte dienen sollte.
Unter dem Einfluß der unbewußten Erinnerung an die phalli-
sdie Frau, an welche alle kleinen Knaben, jeder zu seiner Zeit,
geglaubt haben, war die Vagina der Frau auf diese Weise
extravertiert, sie stellte eine Art Kompromiß dar zwischen
Vagina und Penis.
Die Brücke, die Herr Dammit betritt, scheint ebenfalls eine
extravertierte Vagina der Mütter zu sein. Diese besondere
Darstellung der durch die Brücke bestehenden Gefahr würde
übrigens sehr gut zu der Angst vor der Vagina dentata passen,
die für Poe so charakteristisch ist und in seinem Werk immer
und immer wieder auftaucht. Die Geschichte Verwette
niemals dem Teufel deinen Kopf würde daher
auf vollkommene Weise die Aufteilung der Rollen illustrieren,
weldie im Unbewußten Poes die kastrierenden Eltern spielten.
Herr Dammit dringt wie ein Narr in die vaginale Brücke ein,
gerät in höchste Erregung, was selbstverständlidi ist, wenn
der Penis in die Vagina eindringt, er springt, hüpfl umher und
frohlodkt. Aber am Ende der Brücke und gerade in dem
Augenblick, in dem er das andere Ufer durdi den beab-
siditigten Sprung (der vielleicht das Symbol für die den Akt
finalisierende Ejakulation ist) erreichen will, taucht der Teufel
auf. Herr Dammit hat sozusagen den Streich gewagt; die
Wetten, die er ununterbrodien anträgt, stellen die Gefahren
dar, denen er sich dadurch aussetzt, daß er sich der Mutter
trotz des Vaters nähert. Diesmal aber nimmt ihn der Vater
beim Wort: wenn der Sprung mißlingt, gehört ihm der Kopf
— der Penis des Sohnes. Und da er mißlingt, fällt der Sohn
ohne Kopf zu Boden, noch bevor er die andere Seite des Dreh-
kreuzes hat erreichen können. Die Vagina dentata der Mutter
1
7^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
(die kopfabsdineidende Eisenstange ist nur eine der Quer-
stangen, welche die ganze Brücke entlang das Gebälk halten)
wird zum durdiführenden Organ der Kastration, sie steht im
Dienst der vom Vater ausgehenden ödipusverbote.^"
Und führt den Tod herbei. Ohne daß Herr Dammit
das andere Ufer erreichen oder in den Fluß stürzen muß, geht
sein Wunsdi, in den Mutterleib zurückkehren zu können, in
den Leib, der durdi dieses Ufer, dieses Wasser und den Tod
symbolisiert ist, in Erfüllung.
Ferenczis Auffassung von der Brückensymbolik sowie die
unsrige wird daher in dieser Gesdiidite auf ihre Weise be-
stätigt: einerseits identifiziert sidi Herr Dammit, indem er die
gedeckte vaginal-mütterliche Brücke betritt, mit dem Penis des
Vaters, der dem gleichen Weg gefolgt war (die Identifizierung
mit dem Vater ist außerdem durch die A h e m s des Teufels,
die Dammit aufnimmt, gekennzeichnet. Laute, die den Seufzern
des Mannes beim Koitus entsprechen können); andererseits iden-
tifiziert sich Dammit mit dem Fötus, der es gewesen, der auf dem
gleichen Wege hervorkam, und nun, wie der Penis des Vaters,
im umgekehrten Sinn den Weg wieder zurückgeht, um wieder
in den Mutterkörper zu gelangen, eine Symbolik, bei der der
pränatale und postmortale Zustand ineinander übergehen. Wenn
nun Herrn Dammit nicht das höchste Glücic widerfährt, die Erde
oder die mütterlichen Wasser zu erreichen, sondern knapp vor
dem Ziel, in der Vagina selbst, armselig niederstürzt, so mag
man darin ein besonders verzweiflungsvolles (in tragikomischer
Form einbekanntes) Geständnis der Impotenz Poes sehen.
36) Im übrigen trägt auch der Teufel Zeichen der Kastration
an sich: er hinkt und trägt das Haar gescheitelt wie ein Mädchen.
Das Hinken des Teufels steht wie das fehlende Auge Wotans in
Beziehung zu dem ausgestochenen Auge des Schwatzenden
Herzens. In der Gestalt des Teufels wird gewissermaßen der
ödipale und der durch den Wunsch seines Sohnes kastrierte Vater
gemeinsam dargestellt.
9!l
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf
79
Herr Dammit wird übrigens für seine Tat nach drei
j.^aisdien Sdiemen bestraft, nach denen der Urvater — wie
wir uns durdi das Studium der Phylogenese überzeugen
können — gegen die revoltierenden Söhne vorgeht. Herr
Dammit wird kastriert; Herr Dammit wird getötet; sdiließlidi
wird Herr Dammit aufgefressen: sein Leidmam soll den
Hunden vorgeworfen werden, Tieren, die in den Phobien der
Mensdien sehr oft ursprüngliche Totemtiere ersetzen.
Wir müssen unsere Analyse noch durdi einige Bemerkungen
über den Freund-Erzähler ergänzen, der vielleicht neben einen
anderen „Begleiter" in einer andern Gesdiichte gestellt gehört:
neben den Montr^sor aus dem Faß Amontillado. Mon-
tr&or spielt allerdings eine aktive Rolle, während der Freund
Dammits nur Zuschauer ist. Dieser Zusdiauer verkauft zwar
das Fleisch des Dammit als Fraß für Hunde, sonst aber
begnügt er sich damit, zu beobachten, wie sein Freund durch
den Teufel-Vater mit Hilfe der mütterlichen Brücken-Vagina
untergeht.
Es gibt nun einige Züge, die beweisen, daß zwischen diesen
beiden Gestalten eine nähere Verwandtschaft bestehen muß.
Beide entgehen nämlich der Gefahr, und zwar durdb ihre
Mäßigung: der eine entkommt dem Keller, in dem er den
betrunkenen und liederlichen Vater-Bruder, der im "Wein zu
sehr die Mutter liebte, begraben hatte; der andere gelangt bis
ans andere Ende der Brücke, auf der sein Freund starb, der über
das Drehkreuz sprang,^^ weil er selbst ordentlich seines Weges
gegangen war. Beide sind kluge Doppelgänger der in Frage
stehenden "Wagehälse, sie beweisen, daß Verzicht der "Weg zur
37) Der Sprung ist ein geläufiges Sexualsymbol. Siehe im
Französisdien: sauter une femme.
8a Die Geschichten: Der Zyklus Vater
\
Sicherheit sei. Poe konnte sich also von seinem Gesichtspunkte
aus sagen, er habe weise gehandelt, indem er impotent blieb.
Die Doppelsymbolik der Brücke findet man übrigens, und
zwar sozusagen von oben nach unten gewendet, auch im F a ß
Amontillado wieder. Erst nachdem Fortunato unter „dem
Bett des Flusses" hinweggegangen ist, unter jener Stelle des
Kellers, unter der die Feuchtigkeit zwisdien den Knodien hin-
durchtropft, erreicht ihn sein unheilvolles Schicksal.
Und schließlich haben auch bestimmte Ereignisse aus Poes
Kindheit ihre Spuren in der Geschichte Dammits hinterlassen.
Poe kam in einem Theatermilieu zur Welt: seine Mutter und
sein Vater waren nicht nur Schauspieler, sondern audi Tänzer,
und sogar der vermutliche Liebhaber seiner Mutter, Herr X,
dürfte den gleichen Beruf ausgeübt haben. Nun verwettet Herr
Dammit seinen Kopf wegen eines Taubenschwungs und findet
seinen Tod bei dem Versuch, ihn auszuführen. Durdi den
Beruf der Eltern Edgar Poes wurde hier aus dem Sprung, der
ein Symbol für den Sexualakt im allgemeinen ist, ein Tauben-
schwung, das besondere Symbol für das Verhalten Poes,
welcher der Sohn von Tänzer-Schauspielern war.
Außerdem könnte die unheilverkündende Eisenstange, mit
der der Freund am Schluß der Geschichte, scheinbar um einen
Spaß zu machen, post mortem das Wappenschild der Dammits
schmückt, — eine Eisenstange zeigt für den Heraldiker den
Bastard an — eine Anspielung auf das Faktum sein, daß ver-
mutlich wenigstens ein Kind der Elizabeth Arnold illegitim
gezeugt wurde, nämlicJi Rosalie, mit der sich hier Edgar, indem
er die Tugend der Mutter verdächtigt, in der Gestalt des
Dammit zu identifizieren scheint. ^y
Wir haben im Verlauf der letzten Kapitel die Geschichten
an uns vorüberziehen lassen, aus denen man den Ton der
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf
Si
Auflehnung gegen den Vater heraushört: Geschichten, in denen
diese Auflehnung triumphiert, und andere, in denen sie besiegt
wird. Nirgends aber wird sie so vollkommen niedergeschlagen
wie in der tragikomischen — im Grunde allerdings nur tragi-
schen — Geschichte von der Brücke, dem Teufel und Dammit.
Der besiegte Sohn wird hier — was selbst einem Prospero
erspart blieb — den Hunden vorgeworfen.
Diese Geschichte enthält nun in Wahrheit, wie Poe das zu
Beginn der Erzählung und im Untertitel angekündigt hat —
eine Moral. Diese Moral besagt, daß der Vater den revol-
tierenden Söhnen gegenüber immer mehr oder minder mächtig
bleibt, daß er sie zwar nicht alle, wie im Falle Poe, dazu
verdammt, impotent zu sein, sehr häufig aber eines großen
Teiles ihrer Potenz und männlichen Freiheit beraubt. Das ist
das Lösegeld, womit jenes soziale, kostbare und zugleich auch
bedrückende Gut bezahlt wird, welches die Menschheit mit
Hilfe immer wieder verausgabter Bestrafungen und durdi
äußeren Zwang mühselig im Laufe der Jahrhunderte errungen
hat und das Moral heißt.
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV.
e
VI
DER KONFLIKT
MIT DEM GEWISSEN
6*
WILLIAM WILSON
William Wilson'"' stellt nicht mehr den Konflikt
zwischen Sohn und Vater dar: die Introjektion der väterlichen
Verdrängungsinstanz scheint hier vollkommen durchgeführt zu
sein. Dieses Mal befindet sich der Held der Geschichte mit
einem Teil seines eigenen Wesens in Konflikt, nämlich mit
I jenem
Teil, der von den Verboten des Erziehers herkommt
und unser Moralgewissen oder Über-Ich darstellt.
Die Erzählung beginnt damit, daß uns William Wilson ein-
' gesteht, er sei der abscheulichste aller Menschen, die letzten
Jahre seines Lebens hätten seine Seele mit Schändlichkeit be-
lastet. Er will uns jedoch den Bericht über seine Taten ersparen
und sich damit begnügen, uns — da sein Tod naht — nur von
den Umständen Mitteilung zu madien, die zu dem Schluß
geführt haben, daß er „aus verhältnismäßig geringer Schleditig-
keit mit Riesenkraft zu den Ungeheuerlichkeiten eines Helio-
gabalus auf(wuchs)".
„Idi bin", beginnt er, „der Abkömmling eines Geschledites, das
Lsidi von jeher durdi starke Einbildungskraft und ein leichterreg-
bares Temperament auszeichnete; und schon in frühester Kindheit
bewies ich, daß ich ein echter Erbe dieser Familienveranlagung bin."
Schon die Beschreibung des Helden, mit der die Geschichte
einsetzt, beweist, daß sie unter allen Erzählungen Poes jene
sein dürfte, die sich am offenkundigsten auf biographi-
sche Elemente stützt.
Edgar tut hier aber so, als ob er immer bei jenen nach-
sichtigen Eltern geblieben wäre:
38) William Wilson (Burton's Gentleman's Magazine, Oktober
1839; The Gift, 1840; Broadway Journal, II, 8).
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
I
„Ich wurde eigensinnig, ein Sklave all meiner -wunderlidien
Leidenschaften. Meine -Willensschwächen Eltern, die im Grunde an
denselben Fehlern litten wie ich, konnten wenig tun, meine bösen
Neigungen zu unterdrücken."
Poe konnte nicht deutlicher aussprechen, wen er für sein
"Wesen verantwortlich machte.
"Wir kommen nun nach Stoke Newington in England, in
jene alte Manor House School, in der Edgar zwei oder drei
Jahre seiner Kindheit, die Zeit zwischen seinem achten und
elften Lebensjahr, verbracht hatte.
„Meine ersten Erinnerungen an einen regelmäßigen Unterricht
sind mit einem großen, weitläufigen Hause in einem düsteren Städt-
chen Englands verknüpft, wo es eine große Menge riesiger knorriger
Bäume gab und alle Häuser uralt waren. Ja, wirklich, es war ein
Städtchen wie in einem stillen Traum; alles dort wirkte ehrwürdig
und beruhigend. Jetzt, da ich das sdireibe, fühle ich wieder im
Geist die erfrischende Kühle seiner tiefsdiattigen Alleen, atme den
Duft seiner tausend Büsche und Hecken und ersdiauere von neuem
unter dem tiefdunkeln Ton seiner Kirchenglodcen, die Stunde für
Stunde mit plötzlichem Dröhnen die Sonnennebel durchbrachen,
in die der verwitterte gotische Kirchturm sdilummernd ein-
gebettet lag.""^"
"Wir erkennen die „gotische" Atmosphäre wieder, der wir
den Rahmen verdanken, in dem die Berenicen, Ligeien, Made-
linen an uns vorüberschweben. Poe setzt dann auf das ge-
naueste die Beschreibung der Landschaft fort und besdiwört vor
unseren Augen „das Haus . . . von weitläufiger, unregelmäßiger
Bauart", das große Grundstück, welches es umgibt, den
Festungswall, der es einschließt, das „noch gewaltigere" Tor,
das „mit Eisenstangen verriegelt und von Eisenspießen überragt
wird", ein Tor, das sich nur „für die drei regelmäßig wieder-
kehrenden wöchentlichen Ausgänge" öffnet. Dann erhebt sich
4
38a) Siehe Bd. I, S. 32.
William Wilson
87
. yjjs die Silhouette des Doktor Bransby, des Schulleiters und
1 Kirchenpastors, hinter seinem Katheder:
Konnte diese verehrungswürdige Person mit dem so besdieidenen
I j gütigen Gesicht, in ihrem glänzenden Kleide mit der auf das
genaueste gepuderten Perücke der gleidie Mensch sein, der eben
' mit einem bissigen Gesicht und in von Tabak beschmutzten Kleidern
it der Peitsdie in der Hand die drakonischen Schulgesetze durch-
hren ließ?"
Es wird erzählt, daß Bransby, der ehemalige Schulvorsteher
'und Pastor der Manor House School, sich keineswegs darüber
I gefreut haben soll, in W i 1 1 i a m W i 1 s o n mit seinem vollen
'Namen in solcher Beleuchtung aufzutreten.^^ Das Bild, das
von ihm hier gegeben wird, entspridit tatsächlich nicht ganz
'der Wirklichkeit: der Reverend John Bransby war zum
Beispiel nicht Doktor, er ließ auch seine Sdiüler nicht aus-
peitschen, im Gegenteil, er war ein junger und lustiger Mensch,
' Liebhaber des Sports und der Jagd, und seine Pensionäre ver-
ehrten ihn.*"
Der Reverend konnte natürlich nicht verstehen, warum sein
'^ Sdiüler ihn verleumdet hatte, er konnte nicht wissen, daß er
in unserer Geschichte automatisch zur Vater-Imago geworden
und daher seine wirklidie Güte außerstande war, zu ver-
hindern, daß sich in dem „Doktor" Bransby des William
W i 1 s o n die nidit auszulöschende Gestalt des John Allan (die
ja in der Familie des Helden der Geschichte fehlt) mit der
keines Lehrers vermengte, der, mit Tabak besdimutzt (smujfy),
wie der Kaufmann Allan mit der Rute drohte, und von
seinem Katheder herunter die moralisierenden Vorschriften
des „heudilerischen" John vortrug.
Nun war der gleiche John Allan, der mit der Peitsche in
^der Hand seinem Mündel die Moral eintrichterte, selber keines-
39) Israfel, S. 83.
40) Siehe Bd. I, S. 32.
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
\
wegs moralisch! Befand sidi nicht in der Zeit, in der der kleine
Edgar vor seiner Fahrt nadi Europa noch in Richmond war,
in der gleichen Schule wie er ein Kind John Allans, das dieser
außerhalb der Ehe gezeugt hatte? Wir wissen außerdem, daß
William Erwin im November 1817 aus Richmond an John
Allan in England schrieb, er möge ihm die Pension für diesen
Sohn Edwin Collier" schicken, und in der gleichen Schule
dürfte auch der junge Edgar vor der Abreise der Allans nadi
England (i8ij) gewesen sein. Später soll Herr Allan noch
andere außereheliche Kinder gehabt haben.''^ Es kann uns
daher nicht in Erstaunen versetzen, daß Poe angesichts dieser
nur gepredigten, jedoch mit so viel verborgenem „Laster" ver-
hafteten „Tugend" vor dieser Verwandlung des Dr. Bransby
ausgerufen hat: „Oh, ungeheuerliches Paradox, dessen Unge-
heuerlichkeit jede Lösung ausschließt!"
Nachdem Poe- Wilson auf das genaueste alle Winkel und
Kreuzwege des alten Hauses und den langen und düstern
Studiensaal beschrieben, betrachtet er einen Augenblick lang
mit bewunderndem Staunen die Entwicklung, welche seine j
eigene Psyche damals erreichte: H
„Ich muß allerdings annehmen, daß meme geistige Entwidslung
eine ungewöhnliche, ja fast krankhafte" gewesen ist. Die meisten
Mensdien haben in reifen Jahren selten noch eine frische Erinnerung
an die großen Ereignisse aus ihrer frühen Kindheit. Alles ist
sdiattenhafb grau — wird sdiwach und unklar empfunden — , ein
unbestimmtes Zusammensuchen matter Freuden und eingebildeter
Leiden. Mit mir war es anders. Idi muß sdion als Kind mit der
Empfindungskraft eines Erwachsenen alles das erlebt haben, was
noch jetzt mit klaren, tiefen und unverwisdibaren Sdiriftzügen, wie
die Inschriften auf karthagisdien Münzen, in meinem Gedäditnis
eingegraben steht."
41) Israfel, S.j6i.
42) Israfel, S. j8 und Anmerkung S. 90.
43) Im Original: outre, wie das Verbredien des Orang
William Wilson
Aus diesen Zeilen hören wir heraus, wie stolz Edgar Poe
auf seine Intelligenz und seine Frühreife war. Und was er
Mgt stimmt, wenn auch bewußtes und unbewußtes Gedächtnis
hier miteinander vermengt werden und Poe jenem mehr
Tugenden beimißt als diesem. In seinem Hochmut stellt er
sich außerdem als eine Ausnahme hin, welche über der
Mensdiheit thront, obwohl man von allen Lebewesen sagen
könnte, daß sie in ihrer Jugend „mit der Empfindungskrafl:
eines Erwachsenen" gefühlt (nicht gedacht) haben, auch
wenn diese Zeit, zu der unsere stärksten und entscheidensten
Empfindungen gehören, regelmäßig durch die Ver-
drängung mit einer Schichte „grauen Schattens" bedeckt ist,
die sie „sdiwach und unklar" erscheinen lassen.
Nun setzt das eigentliche Drama ein. William Wilson fällt
unter den Kameraden auf, er bekommt über sie alle Macht,
ausgenommen über einen.
„Diese Ausnahme war ein Schüler, der, obwohl er kein Ver-
wandter von mir war, doch den gleichen Vor- und Zunamen trug
wie idi — ein an sidi unbedeutender Umstand. Denn ungeachtet
meiner edlen Abkunft trug ich einen Namen, der in unvordenk-
lidien Zeiten durch das Recht der Verjährung für jedermann frei-
gegeben worden sein mochte. Ich habe mich also hier in meiner
Erzählung William Wilson genannt — ein Name, der von dem
wirklichen Namen nicht allzu sehr abweicht."
^H Steckt nicht in dieser Bemerkung über den erfundenen
^V Namen die mehr oder minder unbewußte Erinnerung an die
^1 Tatsache, daß Edgar in Stoke Newington (nach dem Zeugnis
^B Bransbys)** sowie auch in andern Schulen und zu Hause Allan
^1 genannt wurde, also einen andern Namen trug als den seinigen?
^m Und wird nicht in dem Einfall von der Identität mit dem
^^ zweiten, der mit dem Helden in keiner Weise verwandt ist,
^H dem aber Poe wie einem Über-Bruder den gleichen Tauf- und
44) hrafel, S. 83.
90 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Familiennamen gibt, die Wiederkehr der Erinnerung an jenen
„Bruder" enthalten sein, mit dem Edgar Poe, der Adoptivsohn
Allans in die Schule von Richmond ging, eine Erinnerung an
Edwin Collier, dem in einem Ehebruch gezeugten Sohn John
Allans?*'* Aber in der Geschichte vom William Wilson
und seinem Doppelgänger ist, wie wir sehen werden, nodi
manches andere enthalten.
Tatsache ist, daß der zweite William Wilson schon in
diesem frühen Alter den ersten zu ärgern beginnt.
„Von allen Kameraden nun, die bei unseren Spielen meine
Bande bildeten, wagte es mein Namensvetter allein, sowohl im
Unterridit als audi im Sport und Spiel mit mir zu wetteifern,
meinen Behauptungen keinen Glauben zu sdienken, sidi meinem
Willen nidit unterzuordnen — kurz, sidi in allem gegen meine
ehrgeizige Oberherrsdiaft aufzulehnen."
Auf diese Weise erscheint, nach außen projiziert, der innere
Konflikt Poes — die Spaltung seiner Persönlichkeit. Daß diese
Spaltung eine innere Spaltung ist, wird die Fortsetzung
der Gesdiichte beweisen.
„Dodi wurde diese Ebenbürtigkeit in Wahrheit nur von mir
selbst bemerkt; unsere Kameraden schienen in unerklärlidier Blind-
heit diese Möglichkeit nicht einmal zu ahnen. Auch äußerten sich
seine Nebenbuhlerschaft und sein hartnäckiger Widerspruch weniger
laut und aufdringlich als insgeheim. Man konnte glauben, daß nur
das launisdie Vergnügen, mein Erstaunen zu erwecken oder midi
zu ärgern, seine Nebenbuhlerschaft veranlasse; trotzdem gab es
Zeiten, wo ich voll Verwunderung, Beschämung und Trotz wahr-
nehmen mußte, daß er neben seinen Angriffen, Beleidigungen und
4j) Man hat auch behauptet, daß David Poe nicht in Norfolk im
Oktober 1810 gestorben (wie allerdings bloß durdi einen einzigen
Zeitungsausschnitt bewiesen wird), sondern mit einer Schottländerin
durdigegangen sei, mit der er einen Sohn hatte, der mit Edgar
Poe in der Schule in Irvine gewesen, eine Tatsache, die Edgar in
der Folge zum William Wilson inspiriert haben soll. Aber
diese Legende ist durdi gar nidits bewiesen {Israfel, S. 13).
i
William Wilson
91
■ffi^'derreden eine gewisse unangebrachte und mir durchaus uner-
ünsdite Liebenswürdigkeit, ja Zuneigung verriet. Ich konnte mir
'n Betragen nur als die Folge ungeheuren Dünkels erklären, sidi
■ überlegenes Wohlwollen zu kleiden."
jvlan kann weder das stürmische Eindringen des streit-
süditigen Über-Ichs, des die Ruhe störenden Moralgewissens,
• Jas Leben des Kindes, noch die Genesis dieses Über-Ichs,
das der tyrannischen und gleichzeitig quälenden und zärtlichen
Vaterinstanz entspringt, besser beschreiben und darstellen,
als es hier geschieht. Frau Allan war zweifellos zu nachsichtig
gewesen und hatte zur Entstehung des Über-Ichs ihres ver-
hätsdielten Kindes nur wenig beigetragen; das Sdiicksal über-
antwortete daher dem rücksichtslosen und kampferprobten
lohn Allan diese Sorge, und es wird uns also nicht über-
rasdien, wenn wir am Doppelgänger des William "Wilson,
welcher, wie wir später sehen werden, eine Introjektion der
vom Vater ausgehenden Moralverbote ist, eine Mischung von
Verfolgerleidenschafl:, Grausamkeit und Zärtlichkeit ent-
decken. Auch Allan hatte nämlich, besonders in früherer Zeit
und trotz seiner Strenge, den kleinen Edgar auf seine Art
geliebt. Er ist es also, den wir zum Teil im Doppelgänger
Wilsons, in der Gestalt des Moralgewissens verkörpert sehen.
Und die Tatsache, daß der kleine sechsjährige Edgar Poe
in der Schule mit dem jungen Edwin Collier (der sicher
einige Jahre älter war als er), daß er also mit dem außer-
ehelichen Sohn seines „Pa", der dadurch sozusagen sein
„Bruder" gewesen, die Schule besuchte, dürfte das Zwischen-
glied der Gedankenkette sein, durch die die Verbote des Vaters
auf den Bruder übergingen. Die älteren Schulkameraden der
beiden Wilson halten sie übrigens, da sie den gleichen Namen
tragen und gleich aussehen, für Brüder. Sie konnten tatsächlidi
Zwillinge sein: sie sind beide am 19. Januar 1813 geboren
worden. Warum hat sich nun Poe in dieser biographischen Ge-
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
1
schichte — wie übrigens auch anderswo — um vier Jahre ver-
jüngt? Soll sidi hinter dieser Geschichte des Gewissens die
Annahme verbergen, daß er im Alter von vier Jahren und
nicht früher in das Haus der Allans aufgenommen wurde
in dem Alter, in dem sein Über-Ich wirklich entstehen sollte?
„Es mag seltsam erscheinen", setzt unser Erzähler fort, „daß
ich, trotz der fortgesetzten Angst, in die mich die Rivalität Wilsons
versetzte, und trotz seines unerträglichen Widerspruchsgeistes, mid]
nicht dahin bringen konnte, ihn wirklich zu hassen."
Sich selbst kann man tatsächlich nur schwer hassen, und der
Doppelgänger "Wilsons ist zwar durch die Gestalt des hem-
menden Bruders hindurch mit John Allan verwandt, aber er
ist ein introjizierter, ein auf die Substanz seines Mündels hin
umgeformter John Allan, kurz er ist ein integrierender Teil
Edgar Poes geworden: sein persönliches Moralgewissen, sein
Über-Ich mit den diesem innewohnenden kategorischen
Imperativen.
„Für Seelenkenner wird es unnötig erscheinen hinzuzufügen, daß
Wilson und ich die unzertrennlichsten Gefährten waren."
Wir werden auch nidit erstaunt sein, wenn wir das
Folgende erfahren:
„Ich konnte tatsächlich nur einen wunden Punkt an ihm ent-
decken; es war eine persönliche Eigenheit, die vielleicht einem
körperlichen Übel entsprang und wohl von jedem andern Gegner,
der nicht wie ich am Ende seiner Weisheit angelangt gewesen,
geschont worden wäre. Mein Rivale hatte eine Schwäche der Spredi-
organe, die ihn hinderte, seine Stimme über ein sehr leises
Flüstern zu erhebe n."
Wir haben es mit der Stimme des Gewissens zu tun, die
zwar befiehlt, aber leise spricht.
Der Doppelgänger rächt sich, indem er William Wilson
unaufhörlich die Identität ihrer beiden Namen ins Gedächtnis
ruft. Es ist nun allgemein bekannt, daß man nicht gerne von
J
William Wilson
93
einem andern hört, der den gleichen Namen trägt wie man
selbst;*" diese psychische Tatsache hängt irgendwie mit einer
Kränkung unseres Narzißmus zusammen, durch den wir uns
für einzig in unserer Art halten. Bei William Wilson erreidit
nun dieses peinliche Gefühl, wie man verstehen kann, beinahe
die Ausmaße eines Verfolgungswahns. Der Doppelgänger be-
gnügt sidi nämlich nicht damit, die Identität der Namen zu
unterstreichen.
„Mein durdi diese Umstände hervorgerufener Verdruß nahm bei
jeder Gelegenheit zu, bei der eine geistige und leibliche Ähnlidikeit
zwischen meinem Nebenbuhler und mir zutage trat. Mit einem
Wort, nichts konnte mich so ernstlich verletzen, ja sogar be-
unruhigen . . . wie irgendein Wort darüber, daß wir miteinander
an Geist und Körper oder Betragen ähnlich seien."
Diese absolute Ähnlidikeit wird übrigens nur von den zwei
Interessierten, nicht aber von der Umgebung bemerkt. Und
jeder dieser beiden bedient sich dieser Tatsache, um den andern
zu quälen.
„Die Rolle, die er spielte, bestand in einer bis ins kleinste
vollendeten Nachahmung meines Ichs im "Wort und Tun, und er
spielte sie zum Bewundern gut. Meine Kleidung nachzuahmen, war
ein Leichtes; meinen Gang und meine Haltung eignete er sich ohne
Schwierigkeiten an; abgesehen von dem Hemmnis, das ihm sein
Sprachfehler in den Weg legte, entging nicht einmal meine Stimme
seiner Nadiahmungskunst. Wirklich laute Töne konnte er selbst-
redend nicht wiederholen, aber sein Tonfall wurde ganz der meine,
und sein eigenartiges Flüstern wurde zum voll-
kommenen Echo meiner eigenen Stimm e."
Die Kameraden bemerken jedoch nichts von dieser bis ins
kleinste vollendeten Nachahmung; daran mag schuld gewesen
sein, daß sie nur allmählich vor sich ging. Tatsächlich bildet
46) Freud, Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Berlin,
S. Karger, 1904, und Gesammelte Schriften, Bd. IV, S. 31.
94 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
I
li :',
sich das Über-Idi erst allmählich im Lauf der Kindheit und
die Vaterinstanz wird bloß in stufenweiser Steigerung ein-
verleibt, sie nimmt sogar die Farbe unseres Ichs an.
Daß das Moralgewissen Edgar Poes tatsächlich vom Vater
dem Erzieher, dem Moralisierenden, kurzum von Allan her-
kam oder, anders gesprochen, vom Doppelgänger "William
"Wilsons, geht aus folgendem wichtigen Absatz deutlidi
hervor:
„Ich habe bereits mehr als einmal davon gesprodien, welch ab-
scheuliche Beschiitzermiene {disgusting air of patronage) er mir
gegenüber aufsetzte und wie vorwitzig er gegen meine Anordnungen
Einspruch erhob. Seine Einmisdiungen geschahen oft in Gestalt von
Ratschlägen — nicht offen gebotenen, aber heimlich angedeuteten.
Ich nahm sie mit einem 'Widerwillen entgegen, der mit den Jahren
immer heftiger wurde. Doch heute, nach so langer Zeit, muß idi
ihm jedenfalls die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß idi midi
keiner Gelegenheit erinnere, wo die Einflüsterungen, ja man kann
sagen die beabsichtigten Suggestionen meines Rivalen eine üble oder
leiditfertige Richtung genommen hätten, wie sie von seinem unreifen
Alter, seiner scheinbaren Unerfahrenheit wohl zu erwarten gewesen
wäre. Idi muß ferner gestehen, daß zumindest sein sittliches Fühlen,
wenn auch nicht seine allgemeine Begabung, weit stärker war als
das meine, und daß ich heute wohl ein besserer und darum glüdc-
licherer Mensch sein könnte, hätte ich die Ratschläge, die sein
bedeutsames Flüstern andeutete, weniger oft zurüdigewiesen; aber
ich haßte und verachtete jedes Wort, das aus seinem Munde kam."
Daher verwandeln sich schließlich mit fortschreitendem
Alter die Gefühle "Wilsons gegenüber seinem Doppelgänger,
die ursprünglich „leicht hätten in Freundschaft ausreifen
können", „in wirklichen Haß".
Eines Tages glaubt der Erzähler im Verlaufe einer Aus-
einandersetzung zwischen den beiden "Wilson, die etwas
heftiger gewesen war als gewöhnlich, im Tonfall, in der Miene
und in der ganzen Erscheinung seines Gegners etwas zu ent-
decken,
William Wilson
9i
das mich zuerst verblüffte, und dann tief fesselte. Erinnerungen,
Vorstellungen aus meiner frühesten Kindheit — seltsame, verwirrte
und einander überstürzende Vorstellungen aus einer 2eit, in der
mein Gedäditnis noch nicht geboren war, überfielen meinen Geist",
Erinnerungen, die wahrsdieinlidi aus jenen von der
Infantilamnesie zugedeckten Jahren stammten, in denen das
Über-Icfa Poes gerade im Entstehen war. "Wilson hat den
Eindrudi, das vor ihm stehende Lebewesen „vor langer Zeit
einmal, ja vielleicht in unendlich ferner Vergangenheit" ge-
kannt zu haben.
Und hier tritt die entsdieidende Szene ein, in der Poe-
Wilson entsetzt vor dem Wunder zurückweicht, das die in
ihm introjizierte Vatersubstanz darstellt, jene Substanz, welche
ein Teil seiner eigenen Substanz geworden war, trotzdem er
sie haßte:
„Eines Nachts, gegen Ende meines fünften Schuljahres und kurz
nadi dem vorhin erwähnten Wortwedisel, erhob idi mich, als alles
sdilief, und sdilich, mit einer kleinen Lampe in der Hand, durch
ein Labyrinth von Gängen nach der Schlafkammer meines Rivalen",
und er tut dies zu dem eingestandenen Zweck, dem andern
einen bösen Streidi zu spielen. Er läßt die Lampe draußen,
überzeugt sidi davon, daß sein Rivale fest eingeschlafen ist,
geht nodi einmal hinaus, um die Lampe zu holen und kehrt
von neuem zum Bett zurück.
„Es war von Vorhängen umschlossen . . . das helle Licht der
Lampe traf den Sdiläfer ... Ich blidste — und Betäubung, eisige
Erstarrung befiel mich . . . waren dies die Züge "William "Wilsons?
Lag es denn wirklich im Bereich des Möglichen — konnte das,
was ich jetzt sah, lediglich das Resultat seiner spöttischen
Gewohnheit, mich nachzuahmen, sein?"
"William "Wilson glaubt, sich selbst zu sehen, sein geliebtes,
im Über-Ich, diesem Sohn der gehaßten Vaterinstanz ver-
körpertes Ich. „Mit wachsendem Schauder" lösdit er das Lidit
96 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
1
aus, verläßt er das Zimmer und flieht er „die Hallen jenes
alten Schulhauses, um sie nie wieder zu betreten."
Aber ebensowenig wie Edgar Poe, der mit achtzehn
Jahren aus dem Haus der Allans floh, kann William Wilson
durch das Verlassen der alten Schule vor sich selbst fliehen
diesen Teil seiner eigenen Substanz von sich loslösen, die
Stimme des Moralgewissens, die eine Tochter der Stimme
unserer Erzieher ist, und uns unser ganzes Leben hindurch ver-
folgt, abtöten.
Vergebens und voll Verzweiflung versucht "William Wilson
sich gegen sein Über-Ich aufzulehnen: seine in zwei Wesen
gespaltene Persönlichkeit ist weder imstande, sich entschieden
gegen das Über-Ich aufzulehnen, noch auch dazu, sidi diesem
Über-Ich gänzlich zu unterwerfen. Beobachten wir nun, wie
sein Ich, das anfänglich glaubt, von jedem Zwang befreit
zu sein, den leidenschaftlichen Forderungen der Triebe nadi-
zugeben beginnt: „Nach Verlauf einiger Monate, die ich daheim
im Nichtstun verbrachte, kam ich als Student nach Eton."
Übersetzen wir diesen Satz: Poe wurde von Allan an die Uni-
versität von Virginia geschickt, die hier, wie es scheint, zwei-
mal, erst durch Eton, später durch Oxford dargestellt wird.
„Die kurze Zeit hatte genügt, um die Erinnerung an die Ereig-
nisse im Hause Doktor Bransbys abzusdiwächen . . . Idi fand jetzt
Zeit, den Wahrnehmungen meiner Sinne zu mißtrauen . . . Der
Strudel gedankenloser Tollheit, in den idi sogleidi und gründlidi
hinabtauchte, wusch von meinem vergangenen Leben alles bis auf
den Sdiaum ab . . .
Ich beabsichtige aber nicht, hier näher auf meine Verworfenheit
einzugehen . . . Drei tolle Jahre . . . hatten mir nichts gebradit als
lasterhafte Gewohnheiten, die meiner körperlichen Erziehung aller-
dings sonderbarerweise vorteilhaft gewesen waren. Nach solch einer
Woche gehaltloser Zerstreuungen lud ich einmal eine Anzahl der
lockersten Vögel, Mitstudenten, zu einem geheimen Zechgelage auf
meinem Zimmer."
William Wilson
97
Gerade so benahm sich auch Poe, wie uns die Chronik mit-
teilt im Zimmer dreizehn, West-Range der Universität von
Virginia.
Wir versammelten uns zu später Naditstunde, denn die Völlerei
sollte bis zum Morgen ausgedehnt werden. Der Wein floß in
Strömen, und es fehlte nicht an anderen und vielleidit gefährlicheren
Verführungen . . ."
Diese „gefährlicheren" Verführungen gelangen zwar durch
eine diskrete Anspielung in unsere Geschichte, sie sind aber nie
in das Zimmer dreizehn gedrungen! "Wein allerdings floß hier
und dort in Strömen, und hier wie dort sind die Helden der
wirklichen oder in der Phantasie ausgedachten Orgien bei
Wein und Kartenspiel von tollster Ausgelassenheit. Die
' Morgendämmerung bricht nun an und als William Wilson
darauf beharrt, „einen ungewöhnlich ruchlosen Trinksprudi
auszubringen", da wird seine Aufmerksamkeit plötzlich
„auf das heftige öffnen einer Tür und die dringliche Stimme
eines Dieners hingelenkt . . . Der Mann sagte, es wolle mich jemand,
der es anscheinend sehr eilig habe, draußen im Vorzimmer sprechen".
Wilson stürzt „in fröhlicher Weinstimmung" hinaus. „In dem
niedrigen und schmalen Raum hing keine Laterne und er war
gegenwärtig überhaupt nicht beleuchtet — abgesehen von dem sehr
sdiwachen Morgengrauen, das durch das halbrunde Fenster drang.
Als ich den Fuß über die Schwelle setzte, gewahrte ich die Gestalt
eines jungen Mannes von etwa meiner Größe, der, ganz meiner
momentanen Kleidung entsprechend, einen nach neuestem Schnitt
L gearbeiteten Hausrock aus weißem Kaschmir trug. So viel enthüllte
mir das matte Tageslicht, seine Gesichtszüge konnte ich nicht er-
kennen. Bei meinem Eintritt kam er eilig auf mich zu, ergriff mich
mit heftiger Ungeduld am Arm und flüsterte mir die Worte ,William
Wilson' ins Ohr. Ich wurde sofort vollkommen nüchtern."
Wilson hat seinen Doppelgänger, der sofort wieder ver-
sdiwindet, erkannt. Kehrt vielleicht in dieser Episode die
Angst vor dem Faktum wieder, daß die Gelage im Zimmer
dreizehn durch die Lehrer, die jederzeit das Redit hatten dort
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 7
!
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
1
einzutreten, unterbrochen werden konnten oder wurden? Und
haben wir es außerdem mit einer Erinnerung an die stur-
mische Ankunft Allans an der Universität von Virginia zu
tun, der sein verschwenderisches Mündel zurückholte? Dies
alles wurde natürlich nach dem Innern Schema umgebildet,
im flüsternden Ton des Moralgewissens vorgetragen, das von
allen jenen hemmenden Instanzen geformt wird, welche in das
Ich selbst introjiziert, in seinen Körper selbst eingedrungen
sind, um dort jenes Über-Ich zu bilden, das sich wieder nadi
außen in den Doppelgänger William Wilsons projiziert, ein
Vorgang, der einer „treuen" Rückkehr zu seinem Ursprung
entspricht.
Aber trotz des inhaltsschweren feierlichen Verweises, „der
in der eigenartigen, leise gezischten Äußerung lag", und „ob-
gleich der Eindruck, den dieses Erlebnis auf meine zügellose
Phantasie machte, ein sehr tiefer war, blieb er doch nicht von
langer Dauer". Nach hartnäddgem Nachforschen erfährt unser
Held, daß der andere William Wilson infolge eines „plötzlich
eingetretenen Familienereignisses" am Nachmittag desselben
Tages die Schule des Bransby verlassen hatte, an dem auch er
geflohen war.
„Nadi kurzer Zeit aber ließen meine Gedanken von dieser Sache
ab, da meine beabsichtigte Übersiedlung nadi Oxford mich vollauf
in Ansprudi nahm. Bald darauf führte ich diese aus, und die Frei-
gebigkeit meiner Eltern verschaffte mir eine Ausstattung und einen
jährlichen Wechsel," der es mir ermöglichte, in all dem mir schon
unentbehrlich gewordenen Luxus zu schwelgen und in der Ver-
schwendungssucht mit den hochfahrenden Erben der reichsten Graf-
schaften Großbritanniens zu wetteifern."
Hier haben wir deutlich eine großartige retrospektive
Wunschphantasie vor uns, in welcher der geizige Allan, der
47) The uncalculatin$ vanity of my parents furnishing me with
an outfit and annual establishment . . ., sie gaben ihm gerade das,
■was John Allan Edgar verweigerte.
William Wilson
99
■ em Adoptivsohn bei dessen Aufenthalt an der Universität
, Qgld so sparsam zugemessen hatte, durch freigebige
Fltern ersetzt wird, die ihrem Kind jede Verschwendung und
'nen geradezu königlichen Luxus ermöglichten!
^5C■ir erfahren jedoch, daß der Erbe unersättlich ist. Er wird
icht nur durch seine „reichen Mittel" zum Laster angespornt,
erfindet immer neue Schandtaten.
Und doch ist es wohl sdiwer zu glauben", setzt er fort, „daß
• r sogar sd weit gekommen war, mir die gemeinsten Schliche der
Gewohnheitsspieler anzueignen und meine Erfahrung in ihrer ver-
äditlidien Wissenschaft dazu zu benutzen, auf Kosten meiner harm-
losen Mitstudenten meine ohnedies ungeheuren Einnahmen zu ver-
erößern. Aber es war so; und dieses unerhörte Hohnsprechen auf
alle Ehre und Manneswürde wäre zweifellos der Hauptgrund, ja,
wohl der einzige Grund, daß ich straflos ausging."
Von dieser Stelle an begnügt sich Poe nicht mehr damit, die
Tollheiten zu beschreiben, die er wirklidi an der Universität
von Virginia begangen hat: das Trinken und das Kartenspiel
— er fügt auch jene hinzu, zu denen ihn sein Unbewußtes auf-
gestadielt haben würde, wenn nicht sein Über-Ich, statt in
dem zeitweise auftaudienden Doppelgänger William Wilsons
projiziert zu sein, in seiner eigenen Brust gehaust hätte. So
zum Beispiel wird nirgends erwähnt, daß Poe je beim Spiel
gesdiwindelt habe. Oder hat er einmal geschwindelt, ohne
entdeckt zu werden? Wir wollen eher annehmen, der arme
enterbte Erbe des reidien John Allan, welcher in der Hoffnung
spielte, sidi ein wenig Geld zu versdiaffen, habe nur die
Versudiung gefühlt ...
Aber William Wilson ist weniger von Gewissensbissen
geplagt als Poe. Nachdem er zwei Jahre hintereinander, ohne
entdeckt zu werden, falsch gespielt hat, beschließt er, mit Hilfe
seiner Kniffe einem Neuankömmling, der für sehr reich gilt,
sein Geld wegzunehmen. Er läßt den Lord Glendinning zuerst
beträditliche Summen gewinnen, um dessen Mißtrauen einzu-
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
schläfern, und wie der Tag der Durchführung seiner Absidit
gekommen ist, lädt er ihn ein, den Abend mit ungefähr zehn
andern jungen Leuten bei einem Kameraden Preston zu ver-
bringen.
„Unser Beisammensein hatte sich schon bis tief in die Nadit
ausgedehnt, als es mir gelang, Glendinning als einzigen Partner zu
bekommen . . . Die andern nahmen so lebhaften Anteil an unserem
Spiel, daß sie selbst die Karten beiseitegelegt hatten und uns als
Zuschauer umringten."
Glendinning, der betrunken ist, verdoppelt und vervierfadit
semen Einsatz, und verliert immer größere Summen. Er wird
nervös und immer blasser,
„(da) machten mir ein paar Äußerungen der hinter mir Stehenden
und ein Ruf der Verzweiflung seitens Glendinnings klar, daß ich
seinen vollständigen Ruin herbeigeführt ..." (Glendinning war
weniger reidi, als man geglaubt hatte.)
Inmitten des allgemeinen Schreckens wurden „die großen,
sdiweren Flügeltüren ... auf einmal mit heftigem Ungestüm auf-
geworfen, so daß wie mit einem Zaubersdilag die Lichter im Raum
erloschen. In ihrem Hinfladcern sahen wir noch, daß ein Fremder
eingetreten war; er hatte ungefähr meine Größe und war eng in
einen Mantel gehüllt". (Der Fremde steht aufrecht in der Finsternis
und spricht:)
„, Meine Herren', sagte er in einem leisen, deutlichen und wohl-
bekannten Flüsterton, der mir bis ins Mark drang, ,meine Herren,
ich versuche nicht, mein Auftreten zu entsdiuldigen, denn ich komme,
um meine Pflicht zu erfüllen. Sie sind zweifellos über den wahren
Charakter des Herrn, der heute Nadit beim Ecarte dem Lord
Glendinning eine große Summe abgewann, nicht unterrichtet. Idi
will Ihnen daher mitteilen, wie Sie sich rasch und sicher die nötigen
Aufklärungen verschaffen können. Bitte, untersuchen Sie nur gründ-
lich das Futter seines linken Ärmelaufschlags und die verschiedenen
kleinen Päckchen, die sich in den reidilidi großen Taschen seines
gestickten Hausrocks finden werden.'"
Der gleiche Geständniszwang, der den Mörder der
Schwarzen Katze dazutrieb, an die Mauer, an das
William Wilson
lOI
Grab seines Opfers, zu schlagen, der Zwang, der den Mann
•f jgj- Laterne nötigte, den Polizisten vom Schwatzenden
Herzen zu erzählen, das unter dem Fußboden schlägt,
und den Vergifter im Dämon der Verkehrtheit, vor
der Menge auf der Straße öffentlich sein Verbrechen einzu-
gestehen, zwingt nun den Doppelgänger William "Wilsons
zu seinem Geständnis, das darum nicht weniger ernst zu nehmen
ist weil es geflüstert wird. Das Moralgewissen spricht hier auch
zu den andern in seinem wirklichen Tonfall, in einem nur
innen hörbaren Ton; es findet ein Mittel, sich den andern
Menschen ohne die Vermittlung der normalen menschlidien
Stimme oder des symbolischen Schreis einer Katze verständ-
lidi zu machen.
Der Doppelgänger verschwindet, die Lichter werden wieder
angezündet, man packt den Falsdispieler, durchsucht seine
Tasdien und findet im Ärmelfutter „alle zum Ecarte ge-
hörigen hohen Karten und in den Tasdien meines Hausrocks
eine Anzahl Kartenspiele . . ., die man mit einem Fachausdruck
als die abgerundeten bezeichnet". Daraufhin verädit-
lidies Schweigen, William Wilson ist von den Kameraden ver-
stoßen. In diesem Augenblick bemerkt er, daß der kostbare
Pelzmantel, den man ihm reicht, weil man glaubt, es sei der
seine, eine Replik seines Mantels ist: der Doppelgänger hat
ihn vor seinem Verschwinden fallen lassen.
„Am andern Morgen . . . vor Tagesanbruch" flieht Wilson
aus Oxford „nach dem Kontinent . . ., gehetzt von Scham und
Entsetzen."
Aber, sagt er uns, „ich floh vergeben s". Nadi
Paris, Rom, Wien, Berlin, Moskau, Ägypten, überallhin folgt
ihm sein Doppelgänger — der hier nur ein Teil seiner selbst
ist, überall tritt er seinen verbrecherischen Absichten entgegen:
seiner Rachsucht, seinem Ehrgeiz, seiner leidenschaftlidien Gier
oder Liebe. „Wer ist er?" fragt Wilson sich wiederholt.
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
„"Woher kommt er? und was sind sein Absichten? Und warum
versteckt er immer sein Gesicht?"
Nun tritt eine Wandlung im Verhalten "Wilsons seinem
"Verfolger gegenüber ein.
„Bis jetzt hatte ich tnidi seiner Herrsdiaft blindlings unterworfen.
Die tiefe Ehrfurdit, mit der idi gewohnt war, den überlegenen
Charakter, die göttliche "Weisheit, die scheinbare Allgegenwart und
Allmacht "Wilsons anzusehen, hatte, gemischt mit dem Entsetzen
mit dem gewisse andere Züge seines "Wesens mich erfüllten, midi
von meiner eigenen Schwäche und Hilflosigkeit überzeugt, und eine
vollständige, wenn auch widerstrebende Unterwerfung unter seinen
despotischen "Willen herbeigeführt. In letzter Zeit aber hatte idi
mich ganz dem "Wein ergeben, und sein aufreizender Einfluß auf
mein ererbtes Temperament machte mir dieses Überwachtsein immer
unerträglicher ... Sei dem, wie ihm wolle, ich begann jetzt zu
fühlen, daß brennende Hoffnung in mir erwachte, und nährte in
meinen geheimsten Gedanken den festen und verzweifelten Ent-
schluß, meine sklavische Unterwerfung abzuschütteln."
So träumt "Wilsons Ich, das über das tyrannische Ver-
halten seines moralischen Über-Ichs verzweifelt ist, davon,
sich seiner zu entledigen, und wir werden diesem Kampf
zwischen dem Sohn und dem introjizierten Vater, dem wir in
der Maske des Roten Todes, hn Hopp-Frosch
oder im Faß Amontillado beigewohnt haben, neuer-
dings im Rahmen einer Maskerade zusehen können.
„Es war in Rom, als ich im Karneval des Jahres rS . . einem
Maskenfest im Palazzo des neapolitanischen Herzogs di Broglio
beiwohnte. Ich hatte noch reichlicher als sonst dem "Weine zuge-
sprochen . . ."
und wir wissen, daß der Alkohol die Kraft der Moralzensur
schwächt und die Triebhemmungen verringert.
„Auch die Schwierigkeit, mit der ich mir durch das Gewühl der
Gäste meinen "Weg bahnen mußte, trug nicht wenig dazu bei,
meine Stimmung reizbar zu machen; denn ich suchte (laßt midi ver-
sdiweigen, aus welch unwürdigem Grunde), suchte eifrig die junge
und fröhlidie und wunderschöne Frau des alten kindischen Narren
William Wilson 103
,■ Broglio. In ihrem sorglosen Vertrauen hatte sie mir verraten,
elches Maskengewand sie tragen werde, und nun hatte idi sie
rspäht und eilte, in ihre Nähe zu gelangen. In diesem Augen-
hlick fühlte ich eine leichte Hand auf meiner Schulter und in
meinem Ohr das unvergeßliche, verwünschte Flüstern.
In einem wahren "Wutanfall wandte ich mich dem Störer zu
und ergriff ihn heftig beim Kragen. Er war, wie ich es erwartet,
in genau das gleiche Gewand gekleidet wie ich selbst": in einen
soanischen Mantel aus blauem Samt, mit einem karminroten Gürtel,
er trug Rapier und schwarze Maske.
Schurke!' schrie ich . . . ,du wirst mich nicht zu Tode hetzen!
Folge mir, oder ich steche dich hier auf der Stelle nieder!'
Und idi bahnte mir aus dem Ballsaal einen Weg in das an-
grenzende kleine Vorzimmer und zog ihn mit Gewalt mit mir.
Als idi dort eintrat, schleuderte ich ihn wütend von mir fort. Er
sdiwankte gegen die "Wand, ich schloß fluchend die Tür und gebot
ihm, den Degen zu ziehen. Er zögerte nur einen Augenblick; dann
seufzte er leise, zog den Degen und stellte sich in Bereitschaft.
Der Zweikampf war kurz genug ... in wenigen Sekunden
drängte ich ihn gegen die "Wand zurück, und da ich ihn nun ganz
in meiner Gewalt hatte, stach ich ihm die "Waffe in viehischer Gier
wieder und wieder durchs Herz.
Da versuchte jemand, die Tür zu öffnen. Ich eilte hin, um eine
Störung fernzuhalten, kehrte aber sofort zu meinem sterbenden
Gegner zurück. Doch welche menschliche Sprache kann das Erstaunen
— das Entsetzen wiedergeben, das mich bei dem Schauspiel erfaßte,
das sich nun meinen Blicken bot. Der kurze Augenblids, für den
idi die Augen abgewendet, hatte genügt, um drüben am andern
Ende des Zimmers eine Veränderung zu schaffen. Ein großer Spiegel
— so schien es mir zuerst in meiner Verwirrung — stand jetzt da,
wo vorher keiner gewesen war; und als ich im höchsten Entsetzen
zu ihm hinschritt, näherten sich mir aus seiner Fläche meine eigenen
Züge — bleich und blutbesudelt — meine eigene Gestalt ermatteten
Sdirittes."
Aber das ist nur ein flüchtiger Schein. Tatsächlich ist es
"Wilson, der Doppelgänger,
„der da im Todeskampfe vor mir stand . . . Kein Faden an
LSeinem Anzüge — keine Linie in den ausgeprägten und eigenartigen
'°4 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
\
Zügen seines Antlitzes, die nicht bis zur vollkommenen Identität
mein eigen gewesen wären! Es war Wilson; aber seine Sprache
war kein Flüstern mehr, und ich hätte mir einbilden können, ich
selber sei es, der da sagte: ,Duhastgesiegt, undichunter-
liege. Dennoch, von nun an bist auch du tot — tot
für die Welt, den Himmel und die Hoffnung! In
mir lebtest du — und nun ich sterbe, sieh hier im
Bilde, das dein eigenes ist, wie du dich selbst
ermordert hast."'
Von dem Augenblick an, in dem William Wilson sein
Über-Ich, sein Moralgewissen getötet hat, sieht er, wie „alle
Tugend in einem Augenblick..., gleich einem Mantel" von
ihm abfällt und sein "Wesen „aus verhältnismäßig geringer
Schlechtigkeit" — „mit Riesenkraft zu den Ungeheuerlichkeiten
eines Heliogabalus" aufwächst, über den uns übrigens nichts
anderes gesagt wird, als daß sein Name durch „die empörten
Winde seine Schmach bis in die entlegensten Länder der Erde
getragen" wird, und daß er ein Objekt des „Abscheus und Ent-
setzens" ist. _^
q
Es scheint, daß Poe den symbolischen Sinn dieser Er-
zählung zum Teil wenigstens selbst erfaßt hat, und das
dürfte auch der Grund sein, warum William Wilson, trotzdem
diese Geschichte meisterhaft geschrieben ist, einen geringeren
Eindruck macht als die meisten der anderen großen Ge-
schichten des Dichters. Das Symbol, dessen Wesen darin
besteht, unbewußt zu sein, d. h. lebenswarm, lebendig, ver-
wandelt sich hier in manchen Augenblicken zum Teil in
Allegorie, die bewußter Natur, also gewollt, kalt ist. Poe
hat nur zu gut verstanden, was er niederschrieb, besser
jedenfalls — was immer er selbst auch darüber gesagt haben
mag — als damals, da er den Raben dichtete. J|
Er war allerdings, ebenso wie viele Leser dieser Geschichte, '
weit davon entfernt, den tieferen Sinn, der im William
*
William Wilson loj
■^ i 1 s o n verborgen ist, klar zu erkennen. Was alles mit dem
illcemeinen Thema vom Doppelgänger zusammen-
hängt und über das Thema vom Gegensatz zwischen dem
hemmenden Moralgewissen und dem vom Trieb beherrsditen
Idi hinausgreift, konnte von ihm natürlich nicht bewußt durch-
sdiaut werden.
Die sdiöne Arbeit Otto Ranks über den Doppelgänger**
soll uns nun dazu verhelfen, in das Dunkel unserer Erzählung
Licht zu bringen. Sie setzt damit ein, daß Rank die zahlreichen
literarisdien "Werke aufzählt, in denen vom Doppelgänger in
der einen oder andern Form die Rede ist.
Er geht dabei von einem Film aus, der nach dem
Studenten von Prag von Hanns Heinz Ewers gedreht
wurde und in dem der Held von seinem Doppelgänger gefolgt
und verfolgt wird: er tötet schließlich sich selbst, indem er auf
den andern zielt. Rank studiert hierauf das Doppelgänger-
motiv in den Geschichten von Hoffmann, geht dann auf den
Peter Schlemihl von Chamisso über, auf den Mann,
der seinen Schatten verloren hat, kommt zum Schatten von
Andersen, kehrt wieder zu Hoffmann zurück, wendet sich Jean
Paul, Raimund, Oscar Wilde (Das Bildnis des Dorian
Gray) zu, studiert den H o r 1 a von Maupassant, die N u i t
deDecembre von Musset, den William Wilson von
Poe und sdiließlich den Doppelgänger von Dostojewski
(Goliadkin) in einem der Jugendromane des Dichters. Das
Thema bleibt im Grunde immer das gleiche, ob nun der
Doppelgänger in der Form des Schattens, der vom Körper
projiziert wird, erscheint oder als Bild, weldies das Wasser oder
der Spiegel zurückwirft, oder in der Form eines andern Lebe-
wesens, das mit dem ersten identisch ist.
48) Otto Rank, Der Doppelgänger. (Int. PsA. Verlag.)
(Audi: Imago, 1914.)
io6 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Rank zeigt dann, in welchem Maße die Schriftsteller, weldie
dieses Thema gewählt haben, dissoziierte Persönlichkeiten
gewesen sind, und behandelt schließlich den Ursprung und
das Wesen dieses Themas.
Er zeigt, daß zuerst der vom menschlichen Körper ge-
worfene Schatten die Idee von dem Doppelgänger, der
dem Körper folgt, hat hervorrufen müssen. Dieser Doppel-
ganger mußte frühzeitig auch zur ersten Darstellung der Seele
v/erden, die den Körper überleben soll, den schlafend oder tot
daliegenden Körper, der allein, traurig und zusammengesunken
zurückbleibt, nachdem der Schatten oder die Seele entflohen
sind. Unser Spiegelbild im Wasser oder Spiegel wird phylo-
genetisch eine analoge Rolle gespielt haben; von ihm geht
wahrscheinlich auch der Aberglaube aus, daß ein zerbrochener
Spiegel Unglück bedeutet, da einen Spiegel zerbredien so viel
heißt, wie sich selbst töten.
Die "Wurzel unseres Themas scheint im menschlichen Nar-
zißmus zu stecken. Das Kind konzentriert seine Libido zuerst
auf sich selbst, bevor es sie auf andere Gegenstände projiziert;
es liebt zuerst sich selbst, seinen eigenen Körper und in diesen
großen ursprünglichen Behälter will die Libido, sobald sie in
der äußeren Welt ein Hindernis findet, immer wieder zurüds-
kehren. Die Helden aller Geschiditen, in denen der Doppel-
gänger auftaucht, sind immer mehr oder minder in ihn ver-
narrt, obgleich sie von ihm verfolgt werden, und auch William
Wilson gesteht uns: „Ich sagte schon, daß in den ersten Jahren
unserer Schulkameradschafl; meine Gefühle für ihn leicht hätten
in Freundsdiafl: ausreifen können . . ."
Aber die Ambivalenz, die wir alle uns gegenüber auf-
bringen, und in der die Verteidigung gegen den Narzißmus
durchbricht, wird gerade in dem nidit weniger regelmäßig auf-
tretenden Haß sichtbar, welchen alle diese Helden gegen ihren
Doppelgänger- Verfolger hegen. Man kann darin auch eine
William Wilson 107
■Wiederkehr des Bruderkomplexes erkennen, wobei der Bruder
der Rivale bei der Mutter, der Frau ist, welche jedesmal, wie
Rank beobachtet hat, die Ursache des Untergangs unserer
Helden wird. Um der schönen Herzogin di Broglio willen tötet
■^ilson seinen Doppelgänger und dadurdi den edelsten Teil
seiner eigenen Natur. Aber der fundamentale Narzißmus des
mensdilichen Lebewesens bleibt fons et origo des Doppel-
gänger-Themas.
Tatsache ist, daß der Doppelgänger, der ursprünglich von
den Menschen nach dem Bild, das sein Spiegel oder sein
Schatten bietet, geschaffen wurde, um wenigstens jenen Teil
seiner selbst zu retten, welcher die vom Tod — den der Mensch
nicht akzeptieren will — unabhängige Seele darstellt, daß
also dieser gleidie Doppelgänger nach dem wohlbekannten
Sdiema, daß das Verdrängte im Verdrängenden wiederkehrt,
in mehr als einer Geschichte selbst zum Ankündiger des Todes
■wird. So wie der Narzißmus in der Form des Doppelgängers
wiedererscheint, sobald die Sexualliebe ihn ernstlich zu be-
drohen beginnt,'"' und unsere Helden alle beim Auftauchen
einer Frau unterliegen, so kehrt, wie Rank schreibt, „auch bei
der Todesbedrohung die ursprünglich mit dem Doppelgänger
abgewehrte Todesvorstellung in ihm selbst wieder, der ja nach
allgemeinem Aberglauben den Tod ankündigt, oder dessen
Verletzung das Individuum schädigt".''"
Wenn wir nun mit Rank der Darstellung des Doppelgängers
bei den verschiedenen Autoren folgen, so kommen wir zur
Konstatierung der Tatsache, daß der William Wilson
Poes in dieser Reihe einen besonderen Platz einnimmt.
Zwar erscheinen alle widitigen Züge des Mythos audi hier:
49) „Die Liebe", schreibt Turgenieflf einem Freunde, „ist eine
von den Leidenschaften, die unser eigenes ,Ich' verniditen" (siehe
Rank).
50) Rank, siehe oben, S. 163.
!l"1!
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
die Identität des Namens, der Gesichtszüge, der Kleidung, die
Erscheinung der Doppelgängerspiegelung des Helden in einem
Spiegel, der Störenfriedcharakter des Doppelgängers und sein
Tod, der auch den des Helden erfordert, und dadurch einem
Selbstmord gleidikommt: „In mir lebtest du", erklärt der
sterbende zweite Wilson. Bei keinem andern Doppelgänger
der Literatur scheint jedoch der moralische, Achtung hervor-
rufende, höhere Charakter des Doppelgängers so unterstrichen
zu sein wie hier. Im Gegenteil, der Doppelgänger ist meistens
sdilimmer als sein Original: der Doppelgänger des Stu-
denten von Prag tötet einen Gegner, den der Student
selbst hatte schonen wollen; der Schatten in der Geschichte
von Andersen läßt seinen Herrn und Rivalen ins Gefängnis
werfen, um dessen Verlobte zu heiraten; und der Doppelgänger
Goliadkins bei Dostojewski stiehlt seinem Urbild ohne Ge-
wissensbisse seine Stellung, seine Clara und läßt ihn schließlidi
als Wahnsinnigen einsperren, während er selbst im Bösen
triumphiert.
Um diese Verschiedenheiten verstehen zu können, müssen
wir uns daran erinnern, daß das Ich — wie wir durch Freud
wissen — sich zwischen andere Instanzen einschaltet, deren
eine das E s ist, das Reservoir, in dem sich alle unsere wilden
Triebe befinden, und die andere das moralische Über-Ich,
weldies von einer Introjektion unserer Erzieher herkommt
und unser ganzes Leben hindurch uns mit der gleichen
Autorität, die jene geliebten und gleichzeitig gefürchteten
Erzieher für das Kind hatten, beherrscht. Die Spaltung der
Persönlichkeit, von der der Begriff des Doppelgängers ab-
stammt, kann nun nach der einen oder nach der anderen
Richtung hin zustande kommen: entweder projiziert das mit
dem moralischen Über-Ich verbündete Ich seine schlechten
Tendenzen nach außen in einem unmoralischen verführerisdien
Doppelgänger, der damit zu einer Verkörperung des Es wird
1
i
William Wilson 109
__ nadi Rank die ursprüngliche Form des Themas — oder
aber (das ist eine später auftretende Variation) das Ich, ein
entschlossener Komplize des Es, offenbart sich als „sdilecht",
und dann ist es das moralische Über-Ich, das in dem unheil-
vollen Doppelgänger verkörpert wird. William Wilson
ist nun vermutlich ein Extremfall der letzteren Kategorie, zu
der auch das Bildnis des Dorian Gray gehört.
Während sich Dorian Gray allen Lastern hingibt, nimmt sein
Bild allein alle verwerflichen Züge an. Aber dieser Doppel-
gänger, der keine andere Aufgabe hat, als dem unwandelbar
sdiönen Gesidit Dorians seine scheußliche Seele zu offenbaren,
hat noch nicht den höheren Charakter, die ehrfurchteinflößende,
majestätische Klugheit des Doppelgängers William Wilsons an-
genommen, der in einem weitaus höheren Grade als jener das
Moralgewissen darstellt.
Aber ob nun der Doppelgänger seinem Wesen nadi haupt-
sädilich das Es oder Über-Ich darstellt, er steht immer gegen
uns in Opposition. Wenn er daher regelmäßig das Wesen ver-
folgt, dessen Spiegelung oder Schatten er ist, dann geschieht
dies, wie Rank bemerkt, wahrsdheinlidi nach dem gleichen
Mechanismus, der in der Verfolgungsparanoia" das ursprüng-
lidi geliebte Wesen in einen Verfolger verwandelt, indem alle
die Gefühle, die man für es hatte, ins Gegenteil verkehrt
wurden: die Haß gewordene Liebe wird aus uns selbst hinaus
in ihn projiziert.
Wen haben wir nun mehr geliebt, als uns selbst? Wer kann
nadi diesem Mechanismus mehr als wir selbst zu unserem hart-
näckigen Verfolger werden?
Hier streift das Doppelgänger-Thema das wichtige und
universelle Problem der Homosexualität. Unser Doppelgänger
51) Freud: Psychoanalytische Bemerkungen über
einen autobiographisch beschriebenen Fall von
Paranoia: „Sehr eher". Gesammelte Schriften, Bd. VIII.
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
1
muß natürlich das gleiche Geschledit haben wie wir, und die
gleiche narzißtisdie Wurzel führt sowohl zum Doppelgänger
als auch zu den manifesten oder latenten homosexuellen An-
ziehungen. "Weldie Bedeutung diese Bemerkung gerade in den
Fällen annimmt, in denen der Doppelgänger nicht mehr bloß
unsere bösen, nach außen projizierten Triebe darstellt, sondern
die Verkörperung unseres Über-Ichs geworden ist, kann man
am Beispiel des William Wilson sehen. Denn wir haben es schon
am Beginn unserer Betrachtung gesagt, und müssen nun, beim
Abschluß, noch einmal darauf hinweisen: wenn der Doppel-
gänger Wilson-Poes im wesentlichen ein Teil des nach außen
projizierten Poe- Wilson ist, dann ist er gerade jener Teil, der
sich gebildet hatte, als Poe seinen äußeren Erzieher, den
„Vater" John Allan, sozusagen „verdaute", wobei aber die
Passivität des Adoptivsohns gegenüber dem Vater, trotz aller
Auflehnung, bestehen blieb. Die Moralverbote, die Hem-
mungen, welche er seiner Erziehung verdankte, hinderten Poe
daran, selbst wie William Wilson zu werden, in ihm beharrte
nämlich die moralische Passivität gegenüber seinem gehaßten
Erzieher. Aber noch mehr blieb erhalten: eine im eigentlichen
Sinne homosexuelle passive Hingabe an den „Vater", wie die
Geschichten, welche wir in dem nächsten Kapitel analysieren
wollen, zeigen werden.
J
VII
DER ZYKLUS VON DER PASSIVEN
HINGABE AN DEN VATER
i!n
!if
lEDLOE, WALDEMAR UND DER ENGEL
DES SONDERBAREN
August Bedloe wohnt, wie seinerzeit ■William Wilson oder
Edgar Poe, in einer Universitätsstadt, und zwar in der gleidien,
in der Poe studiert hat: in Charlottesville in Virginia. Dort
inadit der Erzähler der Erinnerungen des Herrn
August Bedloe^^ die Bekanntschaft jener mysteriösen
Persönlichkeit, von deren Familie oder Herkunft man nidbts
weiß, und die, obgleich sie jung ist, manchmal den Eindruck
madit, „an hundert Jahre alt" zu sein. Herr August Bedloe
wird uns folgendermaßen vorgestellt:
„Er war auffallend hodi gewadisen und mager. Seine Haltung
war gebüdit. Seine Gliedmaßen waren außerordentlich lang und
dünn; seine Stirn war breit und niedrig, seine Hautfarbe voll-
kommen blutlos. Sein Mund war groß und sehr beweglidi, und
seine Zähne waren kräftig, standen jedoch so unregelmäßig und in
so großen Zwisdienräumen, wie idi das nodi bei keinem andern
Mensdien bemerkt hatte. Sein Lächeln war keineswegs unangenehm,
wie man vielleicht hätte annehmen können, doch blieb es sidi
immer gleidi. Es war voll tiefster Melancholie, voll gleidimäßiger,
immerwährender Trauer. Seine Augen waren ungewöhnlidi groß
und rund, wie die einer Katze; und wie bei einer Katze erweiterten
und verengten sidi die Pupillen, je nach der Lichtstärke, die sie
traf. In Augenblidcen der Erregung trat in seine Augen ein fast
unbegreiflidier Glanz, ein Leuchten und Strahlen ging von ihnen
aus, wie von einer selbständigen Liditquelle. Sie warfen nicht einen
empfangenen Glanz zurück, sondern erstrahlten in eigenem,
lebendigem Feuer wie das Licht einer Kerze oder die Glut der
52) A Tale of the Ragged Mountains. (Godey's Lady's Book,
April 1844; Broadway Journal, 11, 21.) "Wörtlich: „Eine Gesdiidite
von den Zerrissenen Bergen." Die Ragged Mountains gehören zum
Blue Ridge, dem östlidaen Teil des Alleghany-Gebirges.
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 8
114 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
\
Sonne. Gewöhnlich aber erschienen seine Augen erlosdien, ver-
sdileiert und trüb, man konnte sich einbilden, es seien die Augen
eines sdion lange in der Erde ruhenden Toten."
Diese Beschreibung könnte uns auf den Gedanken bringen
es handle sidi um einen älteren und sdiwindsüditigen Bruder
Edgar Poes.
„Diese Eigentümlichkeiten seiner persönlichen Erscheinung"
waren ihrem Besitzer, der früher einmal sehr scäiön gewesen
und durch „eine große Anzahl neuralgisciier Anfälle" in seinen
gegenwärtigen Zustand versetzt worden war, höchst unan-
genehm.
„Seit vielen Jahren sdion wurde er von einem Arzt namens
Templeton, einem alten Herrn von vielleicht siebzig Jahren, be-
gleitet; Bedloe war ihm zuerst in Saratoga begegnet, wo ihm seine
Behandlung sehr wohltuend gewesen, oder wenigstens so erschienen
war. So kam es, daß Bedloe, der wohlhabend war, mit Doktor
Templeton ein Abkommen getroffen hatte, demzufolge sidi dieser
gegen ein bedeutendes Jahresgehalt bereit erklärte, seine Zeit und
ärztlidie Erfahrung aussdiließlidi in Bedloes Dienst zu stellen."
Aber weldier Therapie bedient sich dieser Arzt? "Wir er-
fahren es sogleich:
„Dr. Templeton war in seinen jungen Jahren viel gereist und
in Paris zum gläubigen Anhänger der Lehren Mesmers geworden.
Lediglich mit Hilfe magnetischer Mittel war es ihm gelungen, die
akuten Sdimerzanfälle seines Patienten zu lindern ... Ich will
damit sagen, daß zwisdien Dr. Templeton und Bedloe naci und
nach ein ganz bestimmter und strengbegrenzter Rapport gewachsen
war, daß also zwischen ihnen eine magnetische Beziehung bestand.
Ich will zwar nicht behaupten, daß dieser Rapport über das ein-
fache Resultat, daß der Arzt den Patienten einzuschläfern ver-
mochte, hinausging . . .",
aber dieses Ergebnis ist jedenfalls in der Behandlung mit-
inbegriffen, wie man in der Fortsetzung der Geschichte sehen
wird: man kann sich schwerlich eine absolutere Abhängigkeit,
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 115
Cfbertragung, vorstellen als die, welche zwischen Bedloe
und Templeton bestand.
„... Der Wille des Patienten (unterlag) sehr sdmell dem des
Arztes, und damals, als idi die beiden kennenlernte, genügte der
bloße Gedanke Templetons, um Bedloe, selbst wenn dieser von
der Gegenwart des Arztes nidits wußte, sofort in Sdilaf zu ver-
setzen."
Allerdings war „Bedloes Temperament ... im höchsten Grade
empfindsam, reizbar, enthusiastisdi. Seine Einbildungskraft war er-
staunlidi lebhaft und schöpferisdi und wurde noch durch den
gewohnheitsgemäßen Genuß von Opium gesteigert",
was wahrscheinlich in gewissen Perioden auch bei Edgar Poe
der Fall war. Bedloe nimmt Opium in großer Menge zu sidh;
er kann ohne dieses Gift das Leben nidit ertragen.
„Es war seine Gewohnheit, jeden Morgen gleich nadi dem
Frühstück eine große Dosis zu sich zu nehmen — oder vielmehr
gleich nach dem Genuß einer Tasse schwarzen Kaffees, denn am
Vormittag aß er nidits — und dann allein, nur von seinem Hund
begleitet, spazieren zu gehen; er machte große Wanderungen durch
das wilde und düstere Hügelgelände, das sich im Westen und
Süden von Charlottesville hinzieht und dem man den Namen
Ragged Mountains verliehen hat."
Im Verlauf eines dieser Spaziergänge, die unter dem Ein-
fluß des Opiums unternommen wurden — unter dem Einfluß
einer Droge, die für gewöhnlich zur Unbeweglidikeit ver-
leitet! — , stößt Herrn Bedloe ein außergewöhnliches Aben-
teuer zu.
„An einem warmen nebligen Tage gegen Ende November, zu
einer Jahreszeit also, die man in Amerika den ,indianisdien
Sommer' nennt, machte sich Herr Bedloe wie üblich auf den Weg
nadi den Hügeln. Der Tag verging, und noch immer kehrte er
nidit zurüdt."
I Seine Freunde sind beunruhigt. „Gegen adit Uhr abends"
aber taudit er wieder auf und erzählt folgende seltsame Ge-
sdiidite:
!
8*
]
n6 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
„ ,Sie werden sich erinnern . . . daß es etwa neun Uhr morgens
war, als ida Charlottesville verließ. Idi lenkte meine Schritte sogleid,
den Bergen zu und gelangte gegen zehn Uhr in eine Schlucht, die
mir ganz unbekannt war. Ich folgte den Windungen des Engpaßes
mit großem Interesse . . . und erfreute mich vor allem durdi
ihre vollständige Einsamkeit. Hier war geradezu jungfräulidier
Boden . . .'" Die Schlucht war derart wild und verborgen, der
Eingang zu ihr lag so verstedit, „daß es durchaus nicht unmöglicJi
ist, daß idi wirklidi der erste war, der erste und einzige Aben-
teurer — der je in diese Schlucht kam".
Der dichte, seltsame, schwere Nebel des indianiscien
Sommers hüllte alles ein und ließ die Sonne nidit durdi. Man
konnte kaum weiter als ein paar Meter sehen, und bald
verlor man jeglidie Orientierung. JH
„Inzwischen wirkte das Opium wie gewöhnlich: die Erscheinungen
der äußeren Welt wurden für mich von tiefstem Interesse . . ." (Wir
sagen richtiger: wir projizieren auf diese äußere Welt unsere inneren
Träume.) „Das 2ittern eines Blattes . . ., das Schimmern eines Tau-
tropfens — das leise Wehen des Windes — die sanften Düfte vom
Walde her — alles brachte mir eine Welt von Einbildungen, eine
heitere, närrische Fülle unzusammenhängender krauser Gedanken."
Bedloe geht nun mehrere Stunden lang durcäi diese Tag-
träume und diesen Nebel, der schließlicii derart diclit wird, daß
man den Weg nur mehr „tastend" finden kann. Ein unbe-
schreibliches Unbehagen bemächtigt sich seiner, er erinnert sich
an die Sagen, welche über die Ragged Mountains im Umlauf
sind, an „fremde, wilde Menschenrassen, die in den Grotten
und Höhlen dieser Berge hausen sollten". Plötzlich wird seine
Aufmerksamkeit durch ein lautes Trommelsciilagen gefesselt.
„Meine Bestürzung war natürlich grenzenlos . . . Aber etwas
Neues und noch Verwirrenderes folgte. Es näherte sich ein rasselndes,
klirrendes Geräusch, wie der Klang eines großen Schlüsselbundes
— und im selben Augenblici jagte ein dunkelhäutiger, halbnadster
Mann mit einem Schrei an mir vorüber ... In der einen Hand trug
er einen Gegenstand, der aus vielen stählernen Ringen zu bestehen
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 117
cdiien und den er im Laufen heftig sdiüttelte. Kaum war er im
Nebel versdiwunden, als mit offenem Radien und flammenden
Augen ein großes Untier hinter ihm her keudite. Ich irrte midi
nidit, es war eine Hyäne."
Vergißt Poe hier, daß sich die Hyäne besonders von
toter Beute nährt? Die Hyäne, die in dieser Szene auftaudhit,
sdieint die klassische Rolle vieler Tiere in den Kinderphobien
zu spielen, in denen der Sohn zu gleidier Zeit wünscht und
fürchtet, vom Vater „gegessen" zu werden.^^ Beim Anblick
dieses afrikanischen Tieres glaubt Bedloe zu träumen. Er will
erwadien, er geht schnell weiter, reibt sich die Augen, schreit,
kneift sich ins Fleisch, benetzt die Hände, den Hals und den
Kopf an einer nahen kleinen Quelle mit Wasser. Dann setzt er
,ruhig und besonnen" seinen „unbekannten Weg" fort.
Endlich aber, als er „vom Wandern sehr ermüdet war und
eine seltsame Dichtigkeit der Atmosphäre" ihm die Luft: be-
nahm, setzt er sich unter einem Baum nieder. Ein schwacher
Sonnenstrahl dringt durch den Nebel „und der Schatten des
Baumes zeichnete sich schwach, doch deutlich im Grase ab".
Aufs höchste erstaunt, blickt Bedloe auf diesen Schatten, dann
hebt er die Augen: „der Baum war eine Palme."
„Die Hitze wurde auf einmal unerträglidi . . . ein leises, un-
unterbrochenes Gemurmel, wie das Rauschen eines sanft daher-
J3) Siehe zum Beispiel den Wolfsmann (Freud: Kranken-
gescjiiditen, Bd. VIII der Gesammelten Schriften) und den Ginger-
breadman (Freud : Hemmung, Symptom und Angst).
Hier wird uns von einem kleinen Jungen beriditet, der an einer
sdiredilichen Phantasie Gefallen fand, in welcher ein Mann im
Ingwer vorkam, der von einem Araber, weldier ihn fressen wollte,
f verfolgt wurde. Der Araber war die Vaterfigur, der Mann im
[Ingwer das Kind selbst und die Phantasie stellte eine passive
Ihomosexuelle "Wunschphantasie nach dem oralen Modus dar.
[Gegessen werden entspricht in solchem Falle immer geliebt,
Igestreichelt werden. Man sagt doch auch: aus Liebe
ifressen, zum Fressen gern.
"^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
j
strömenden Flußes, drang an mein Ohr, vermischt mit dem eigen-
tümlichen Summen zahlloser Menschenstimmen."
Plötzlich hebt ein Windstoß „den lastenden Nebel wie mit
einem Zauberstab. Ich fand mich am Fuß eines hohen Berges, und
vor mir kg eine weite Ebene, durch die sich ein majestätisdier
Strom wand. Am Ufer des Flußes lag eine morgenländisdie Stadt
— eine Stadt, wie wir sie aus Tausend und eine Nacht
kennen . . ."
Dann folgt die Beschreibung dieser Stadt mit den zahllosen
Straßen, Baikonen, Säulenhallen, phantastisdien Minaretts.
Kaufläden stellen ihre Reichtümer aus; wir sehen Tragsessel
und Elefanten in den Straßen. „Millionen schwarzer und gelber
Menschen — Menschen in Turban und Prachtgewand und mit
wehenden Barten — " drängen sich in den Gassen, auf den
Plätzen, während der Fluß selber, zu dem viele Treppen
hinabführen, „sich nur mit Mühe zwischen den endlosen Reihen
schwerbeladener Schiffe, die ihn weit und breit bedediten, einen
Weg zu bahnen" scheint.
Hier unterbricht Herr Bedloe seinen Beridit, um uns zu
versichern, er sei sich damals dessen gewiß gewesen, er träume
nicht, weil ihn der Verdacht, daß er träume, nicht geweckt habe,
was doch in einem solchen Falle, wie er meint, die Regel ist.
„Da ... die Erscheinung von mir angezweifelt und auf die
Probe gestellt worden war, ohne daß idi erwachte, so bin idi
genötigt, sie anders zu klassifizieren."
Dr. Templeton ist gleicher Meinung. Er sagt: „Doch fahren
Sie fort. Sie erhoben sich und gingen hinunter in die Stadt!"
Bedloe ist darüber verblüfft, daß der Arzt auf Distanz wissen
konnte, wozu er sich in seiner Vision entschlossen hatte, und
teilt uns mit, daß er tatsächlich in die orientalische Stadt hinab-
gestiegen sei. Die überaus erregte Menge, die sich in derselben
Richtung weiterbewegt, reißt ihn mit. „Ganz plötzlich ...
wurde ich für diesen Vorgang von tiefstem persönlichen Inter-
esse erfüllt." Er kommt schließlich in die eigentliche Stadt.
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 119
Hier herrschte Kampf und wildester Aufruhr. Eine kleine
Truppe von Männern, teils in indischer, teils in europäischer
Kleidung, die ein Herr in britischer Uniform befehligte, verteidigte
sidi gegen den anstürmenden Volkshaufen. Ich nahm einem ge-
fallenen Offizier die Waffen ab, schloß midi der schwächeren Partei
und schlug wie ein Verzweifelter blindlings darauf los."
Die Kämpfenden der sdiwädieren Partei werden durch die
Übermadit gezwungen, sidi in einen Kiosk zu flüchten, in dem
plötzlifli „ein weibisch aussehender Mensch an einer Strickleiter
fsidi aus einem oberen Fenster) herabgleiten ließ", an einer
Strickleiter, weldie aus den Turbanen seiner Begleiter ge-
knüpft war; er springt in ein Boot.
„Idi richtete an meine Gefährten einige hastige, doch energische
Worte und machte mit denen, die idi für meinen Vorschlag ge-
wonnen hatte, einen kühnen Ausfall . . ."
Die Volksmenge flieht zuerst, stürzt aber bald kämpfend
wieder zurück.
„Inzwischen hatte man uns vom Kiosk weit fortgedrängt, hinein
in enge, unbekannte Gassen, in deren finstere Tiefe die Sonne
niemals einzudringen vermochte. Der Pöbel umringte uns, bewarf
uns mit Speeren und überschüttete uns mit Pfeilen. Diese letzteren
waren sehr eigentümlich und glichen in gewisser Hinsicht dem ge-
wundenen Dolch der Malaien. Ihre Form ahmte die Gestalt der
kriechenden Schlange nach, sie waren lang und schwarz, und ihre
Spitze war vergiftet. Einer von ihnen traf mich an der rediten
Sdiläfe. Ich taumelte und fiel. Entsetzliche Übelkeit erfaßte mich.
Ich wälzte mich — ich rang nach Atem — ich starb."
Hier unterbriciit der Erzähler Bedloe: „Nun werden Sie
kaum nocii darauf bestehen wollen . . ., daß Ihr Abenteuer
kein Traum gewesen sei. Sie wollen doch niciit etwa behaupten,
Sie seien tot?"
Statt zu antworten, zögert Bedloe, er zittert und erbleicht.
■ Und Templeton „saß starr und aufrecht in seinem Stuhl —
^H seine Zähne klapperten und seine Augen drangen fast aus ihren
^H Höhlen". Bedloe schließt dann seinen BericJit:
■
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
\
„Viele Minuten lang . . . war mein einziges Gefühl das de,
Dunkelheit und des Nichtseins bei dem Bewußtsein, daß ich tot sei
Auf einmal durchfuhr meine Seele eine plötzliche heftige Er-
schütterung, wie ein elektrischer Schlag ... Im selben Augenblidj
war es, als erhöbe ich mich vom Erdboden; aber ich hatte keine
Körperlichkeit mehr ... Die Volksmenge hatte sich verlaufen
Unter mir sah ich meinen Leichnam liegen; in der Schläfe stedjte
der Pfeil und der ganze Kopf war unförmig angeschwollen. Dodi
alle diese Dinge fühlte ich nur, idi sah sie nicht . . . Willenskraft
hatte ich nicht, jedoch den zwingenden Antrieb, mich vorwärts-
zubewegen. Ich schwebte zur Stadt hinaus und den gewundenen
Pfad zurüci, auf dem icJi vorher herabgestiegen war. Als ich die
Stelle der Bergschlucit erreichte, wo ich die Hyäne wahrgenommen
hatte, empfand ich wieder einen Schlag wie von einer elektrischen
Batterie; das Gefühl der Schwere, der Willenskraft, der Körperlidi-
keit kehrte zurück. Idi wurde wieder mein früheres Selbst und
lenkte meine Schritte eilig heimwärts — doch das Geschehene blieb
in meinem Gedächtnis mit aller Eindringlichkeit von wirklidi
Erlebtem haften — , und auch jetzt kann ich mein Bewußtsein
nicht einen Augenblick zwingen, das Ganze als einen Traum anzu-
sehen.
,Das war es auch nicht', sagte Templeton mit feierlicher Miene,
.dennoch würde es schwer sein, eine andere Bezeichnung dafür zu
finden. Lassen Sie uns nur dies eine annehmen, daß die Seele des
Menschen von heute an der Schwelle unerhörter psychischer Ent-
deckungen steht . . .'"
und Templeton zeigt nun seinen Freunden eine Aquarell-
zeidinung. Die Zeichnung scäieint ein Bild Bedloes zu sein. Wie
dieser es aber ansieht, fällt er beinahe in Ohnmacht, denn die
vom Jahre 1780 datierte Zeichnung stellt einen verstorbenen
Freund Templetons dar, einen Herrn Oldeb, an den sich der
alte Doktor in Kalkutta während der Regierung Warren
Hastings in seiner Jugend sehr innig angeschlossen hatte.
„Als ich Sie in Saratoga zum erstenmal sah, Herr Bedloe, war
es die wundersame Ähnlichkeit zwischen Ihnen und dem Bildnis
die mich veranlaßte, Sie anzureden, Ihre Bekanntschaft zu suchen
und danach zu trachten, daß Sie mich zu Ihrem beständigen Be
rar 1
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Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren i2i
leiter machten. Zu letzterem trieb mich teilweise — und vielleicht
hauptsäAIidi — ein leidtragendes Gedenken an den Dahin-
ceeangenen, teilweise aber auch eine seltsame, unruhige Neugier in
bezug auf Sie selbst."
Es stellt sich heraus, setzt Templeton fort, daß Bedloe bei
seiner Schilderung der Vision
bis ins kleinste genau die indische Stadt Benares am Ufer des
heiligen Stromes beschrieben (hatte). Der Aufruhr, die Kämpfe, das
Blutbad waren tatsächliche Begebenheiten im Gefolge des Aufstandes
unter Cheyte Sing, der sich 17S0 ereignete und Hastings in Todes-
gefahr brachte. Der Mann, der sich an der Turbanstridsleiter herab-
ließ und flüchtete, war Cheyte Sing selbst. Die Leute im Kiosk
waren Sipahis und britische Offiziere unter Hastings Anführung.
Zu diesen zählte auch ich, und ich tat, was ich nur konnte, um
den voreiligen und verhängnisvollen Ausfall des jungen Offiziers
zu verhindern, der dann in den überfüllten Straßen durch den Pfeil
eines Bengalen getötet wurde. Dieser Offizier war mein liebster
Freund. Es war Oldeb. Und nun sehen Sie (der Sprecher hielt ihm
ein Notizbuch hin, in dem sidi mehrere frischbeschriebene Seiten
befanden), an dieser Niederschrift können Sie ersehen, daß genau
zur selben Zeit, als Sie in den Bergen alle jene Dinge dachten, zu
erleben glaubten, ich hier zu Hause damit beschäftigt war,
sie schriftlich festzuhalte n".
Eine WocJie später erfahren wir durch die Zeitung von
Charlottesville, daß Herr Bedloe gestorben ist; die Nadiridit
ist von folgendem Kommentar begleitet:
„Herr Bedloe war vor einigen Jahren neuralgischen Anfällen
unterworfen . . . Bei einem vor einigen Tagen unternommenen
Ausflug in die Ragged Mountains holte er sich eine Erkältung, die
von Fieber und Blutandrang zum Gehirn begleitet war. Zur Behe-
bung des letzteren schritt Dr. Templeton zur Anwendung von
lokalem Aderlaß. Man setzte dem Patienten Blutegel an die
Schläfen. In erschreciend kurzer Zeit starb der Patient. Man stellte
fest, daß in die Schüssel, die die Blutegel enthielt, versehentlich
einer jener giftigen wurmartigen Blutsauger hineingeraten war, die
hie und da in den benachbarten Weihern gefunden werden . . .
N. B. der giftige Blutsauger von Charlottesville unterscheidet sich
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
\
von dem offizinellen Blutegel durch seine auffallende Schwärze und
vor allem durdi seine sdikngenartigen Bewegungen."
Die Gesdiidite endet mit einer kleinen Auseinandersetzung
zwischen dem Erzähler und dem Herausgeber der Zeitung,
welche in der Mitteilung über Bedloes Tod seinen Namen um
das Schluß-E verkürzt hatte. Lediglich ein Druckfehler, sagt
der Herausgeber. Seltsames und schredieinjagendes Rätsel,
denkt der Erzähler, „denn Bedlo ohne ,e' — was ist es anderes
als jOldeb', umgekehrt?"
"Wir haben es, allem Anschein nach, wieder einmal mit einer
Doppelgängergeschichte zu tun; der Schuldige ist diesmal durdi
die Gleichung Bedlo-Oldeb gegeben. Aber wie anders sieht diese
Geschichte aus als jene vom 'William "Wilson! Hier ist
keine Rede mehr vom Gewissen, von einem Moralkonflikt
zwischen dem Trieb und seiner "Verdrängung, sondern bloß
von einer einfachen Reproduktion von Ereignissen, die über
Zeit und Raum hinweg, wie nach einem Negativ, durdi-
geführt wird.
"Was dem Oldeb fünfzig Jahre vorher zugestoßen war, ge-
schieht dem Bedloe fünfzig Jahre später. "Wir haben nidit einen
Traum vor uns, erklärt uns Templeton, es wäre aber schwer
zu sagen, welcher Terminus dem in Frage stehenden Fall
besser entsprechen würde. Der alte Doktor hat nicht unrecht,
denn in dieser Geschichte spielen gerade die Mechanismen,
welche für das unbewußte Denken und für den Traum so
charakteristisch sind, ihre Rolle. "Wie im Traum oder in Opium-
träumen sind auch hier die bewußten Kategorien des Raums
und der Zeit unterdrücket.
"Was enthält jedoch dieses aus dem Gehirn des Künstlers
und Opiumsüchtigen Edgar Poe hervorgegangene Kunstwerk,
was sagt es von seiner Seele und von seinem Leben aus?
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 123
^ir haben den Verlauf der Geschidite nur selten durch
Bemerkungen unterbrochen: wir greifen daher jetzt auf die
erste unserer Bemerkungen zurück, auf jene, welche durch die
Beschreibung des Aussehens August Bedloes veranlaßt wurde.
Dieses Äußere, schrieben wir, erweckt in uns den Eindruck,
jjß wir es mit einem älteren und sdiwindsüchtigen Bruder
Edgar Poes zu tun haben könnten. Vielleicht war die Er-
innerung an Henry, der unter den Augen seines Bruders in der
armseligen Wohnung der Frau Clemm an der Tuberkulose
starb, der Konzeption August Bedloes tatsädiHdi nicht fremd.
Der frühzeitig nach vorne gebeugte Körper, das blutlose Ant-
litz, die ungewöhnlich leuchtenden Augen sind charakteristisch
für die Schwindsucht. Aber August Bedloe ist nicht nur Henry,
er scheint gleichzeitig auch Edgar zu verkörpern. Wie dieser
irrt er unendlicii lange als Dichter in den Schluckten „der zer-
rissenen Berge" umher; und wie dieser nimmt er Opium zu sich.
Wie beide, besonders jedoch wie Edgar, ist schließlicii auch er
mit „seltsam kräftiger und schöpferischer" dichterischer Phan-
tasie begabt. Es scheint nun, daß anfangs in der Gestalt Bedloes
beide Brüder Poe dargestellt wurden. Am Schluß der Er-
zählung aber fallen diese beiden Elemente, obwohl sie durch
eine übernatürliche Identität in der Dualität Bedlo-Oldeb mit-
einander verbunden sind, wieder auseinander.
Gehen wir nun die Analyse dieser Geschichte von einer
andern Seite an. Die Erzählung wurde von Poe im April 1844
veröffentlicht; durch Hervey Allen erfahren wir außerdem,
daß Poe am Ende seines Aufenthaltes in Philadelphia (1843)
von Verfolgungswahnideen^* heimgesucht war. Er glaubte,
aber zu Unrecht, er werde von seinem alten Freunde Wilmer
verleumdet; den wirklichen Gemeinheiten seines Feindes Gris-
wold hingegen,"'^ bei dem er sogar Geld auslieh, setzte er sich
54) hraiel, S. 569 ff.
J5) hrafel, S. 563.
124 Die Geschiditen: Der Zyklus Vater
so aus, als ob er dabei Lust empfinde. Es geriet also seit
damals ein klar erkennbar paranoisdier Zug in seinen Cha-
rakter; durch Freud wissen wir, daß die Tendenz des Mensdien
der sich von andern Menschen verfolgt glaubt, oder von andern
Menschen verfolgt sein will, die Umkehrung einer nach außen
in den Verfolger projizierten homosexuellen Anziehung inj
Gegenteil ist.^^
Die Gesdiichte von den Zerrissenen Bergen ist
nun ein überaus deutlidies Beispiel für diese Haltung. Kann
ein Mensch von einem andern abhängiger sein als Bedloe von
dem alten Doktor, der ihn hypnotisiert? Durch Freud haben
wir audi erfahren: der hypnotische Einfluß des Hypnotisie-
renden auf den Hypnotisierten ist ein erotisdier Einfluß.
August Bedloe befindet sich daher in einem im eigentlidien
Sinne sexuellen, homosexuellen Abhängigkeitszustand von
Templeton, der Vater-Imago.
Templeton macht mit Bedloe, was er will. Nur zu seinem
Besten, sagt er uns, hat er sich über ihn diese Madit angemaßt,
nur um ihn von seinen Neuralgien zu befreien. Er ist darum
im Grunde nicht weniger sein „Verfolger". Er schidtt ihm
auf Distanz die gleichen furchtbaren Vorstellungen, elektrisdien
Schläge, welche die Verfolger den an Beziehungswahn Er-
krankten schicken, die für Irrenhäuser reif sind. Und ganz so
wie das Leben Oldebs durch einen vom Feind geschleuderten
vergifteten und schlangenartig gewundenen Pfeil beendet
wurde, stirbt Bedloe durch einen vergifteten wurmartigen Blut-
sauger, der ihm von Templeton, dem väterlichen Doktor mit
dem prophetischen Namen,^'^ angesetzt wird, wobei beide, Pfeil
und Blutsauger, durch die Schläfe eindringen.
"Wer mit der unbewußten Symbolik vertraut ist, die uns
durch die Psychoanalyse verständlich gemacht wurde, wird in
56) Siehe Freud, Schreber.
57) Englisdi temple: „Schläfe".
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 12 j
dieser Sdilange, dem Pfeil oder Blutegel ein Symbol für den
indringenden Phallus erkennen, im Gift: das klassische Symbol
für dis Befruchtung durch das Sperma, und in den elektrischen
Sdilägen ein Äquivalent für die eigentlich erotischen Gefühle,
jn den Irrenhäusern finden wir im Überfluß Beispiele für
diese Symbolik (die Schlangenphobien, Giflphobien, die elektri-
schen Ströme der Hysteriker und Paranoiker) und sie werden
iniiner auf die gleiche Weise interpretiert. Man braudit aber
nidit einmal die Irrenhäuser zu bemühen: man entdeckt diese
Symbolik auch mitten unter uns, an Mensdien, die sidi in
Freiheit befinden.
Die homosexuelle Fixierung Bedloes an Templeton mani-
festiert sich nun auf vielfache Weise: der alte Doktor dringt
in den Jungen Mann durch seine magnetische Ausstrahlung
ein,^* der wie die Erotik auf die Nerven einwirkt, sdiließlich
durdi den Sdilangen-Blutegel-Phallus, und dadurch auch durdi
sein Gifl-Sperma. Auf diese "Weise wurde Oldeb getötet und
dann Bedloe, beide starben durch den vergifteten und
sdilangenartigen Pfeil eines Feindes: man weiß außerdem, wie
ofl im Unbewußten der Feind eine Darstellung des Vaters
ist. Wir sehen also in diesem ganzen Bilde die klassische Dar-
stellung einer passiven homosexuellen Bindung an den Vater
nadi dem sadistisch-phallischen Schema, die Darstellung einer
Haltung, die beinahe alle Knaben einmal in ihrem Leben einge-
nommen haben und die im Unbewußten manches Mannes be-
harrlidi weiterlebt. Die Einschußstelle an der Sdhläfe ist dabei
als eine klassisdie Verschiebung von unten nach oben anzu-
sehen, die durch die Zensur hervorgerufen wurde. Und der
Feind mit dem vergifteten Pfeil und der Dr. Templeton stellen
58) Siehe den bereits (auf S. 109, Anmerkung 51) zitierten Fall
Sdireber, die Wolluststrahlen, die Gott dem Präsidenten Sdireber
sendet, und die dieser die „Nerven" Gottes nennt. Bedloe wird
übrigens von Templeton wegen „Neuralgie" behandelt.
120 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
beide eine ebenso enge, diesmal aber väterliche Identität dar
wie die zwei „Brüder", der ältere Oldeb und der jüngere
Bedloe, welche beide der unseligen Liebe zum Doktor zum
Opfer fallen.
Von hier aus können wir wieder zur Biographie Poej
zurückkehren. Die doppelte Vaterschaft Templetons hatte für
Poe in der Realität ein wirklidies Urbild: Edgar besaß
ja tatsädilich einen Bruder, Henry. Der kränkliche, alkohol-
süchtige und schwindsüchtige Henry war wie Oldeb vor
seinem Bruder und in sehr jungen Jahren gestorben (Oldeb
mit zwanzig Jahren, Henry mit vierundzwanzig Jahren). I(j,
glaube nun, daß die in der Beschreibung Bedloes angedeutete
Lungenphthise die passiv feminine Einstellung
dem Vater gegenüber anzeigt: tatsädilich hat der
kleine Edgar vor allem seine Mutter an dieser Krankheit
sterben sehen; und seine schwindsüchtige Mutter war es wohl
auch, die er im Arm irgendeines Mannes, des Herrn X, des un-
bekannten Liebhabers der Elizabeth, liegen gesehen hatte. So
konnte der schwindsüchtige und sterbende Bruder durch seine
Krankheit mit der Mutter identifiziert werden, und Edgar
konnte in der Geschidite von den Zerrissenen Bergen
dieses Schema einer vermittelnden Identifizierung mit einem
analogen und schon verschwundenen Bruder anwenden, um sein
passives Verhalten gegenüber dem Vater auszudrücken.
Zur Stütze unserer Behauptung wollen wir noch auf eine
andere Geschidite Poes hinweisen, auf Die Tatsachen
im Falle Waldema r,^^ in der die „magnetisdie"
Passivität gegenüber dem Vater besonders deutlich vorgeführt
wird.
J9) The Facts in the Case of M. Valdemar. (American Whig
Review, Dezember 1845; Broadway Journal, II, 24.)
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 127
Als Poe diese Gesdiidite schrieb, war er wahrsdieinlidi
bereits der Nebenbuhler Griswolds bei Frau Osgood."" "Willis
hatte ihn ihr im Frühling 1845 vorgestellt, und im Dezember
des gleichen Jahres erschien unsere Geschidite. Diese Situation
trägt vielleicht auf interessante Weise zur Erklärung der
Tatsachen bei, die sich im Falle Waldemar vor uns
abspielen.
Der Erzähler der Geschichte ist ein neugieriger Geist. Er
interessiert sich für den Magnetismus. Er hat „vor ungefähr
neun Monaten" sidi mit folgendem Gedanken beschäftigt:
warum ist noch niemand in articulo mortis magnetisiert
worden? Er ist auf der Sudie nadi einer Persönlichkeit, die
sidi ihm für ein solches Experiment zur Verfügung stellt.
Deshalb, sagt er,
„fiel mir mein Freund Herr Ernst "Waldemar ein, der bekannte
Bibliothekar der Bihliotheca forensica und (unter dem Pseudonym
Issadiar Marx) Verfasser der polnischen Ausgaben des Wallen-
stein und des G a r g a n t u a. Herr "Waldemar . . . war besonders
auffallend durch seine unerhörte Magerkeit und durch die weiße
Farbe seines Badsenbartes, der mit dem schwarzen Haupthaar
seltsam kontrastierte, so daß man glauben modite, er trage eine
Perüdie. Er war sehr reizbar . . ."
Trotzdem gelingt es dem Erzähler nur zwei- oder dreimal,
ihn zu magnetisieren.
„Meinen Mißerfolg in dieser Hinsitht sdarieb ich immer seiner
zerrütteten Gesundheit zu; denn einige Monate, ehe ich mit ihm
bekannt wurde, hatten seine Ärzte ihn für unrettbar schwindsüditig
erklärt. Es war übrigens seine Gewohnheit, von seiner bevor-
stehenden Auflösung als von einer unvermeidlichen Tatsache, die
nidit bedauert werden sollte, zu sprechen . . ."
60) Israfel, S. 682: „Aber Poe hatte neben sich einen Rivalen in
dem Dr. Griswold, den sie (Frau Osgood) eine Zeitlang in einen
leidensdiaftlichen Dichter verwandelte", sagt Stoddard.
128 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Man kann sidi der Vermutung nidit erwehren, daß wir es
bei diesem bekannten Bibliothekar mit Rufus Griswold, dem
damaligen Rivalen Poes, zu tun haben. Die Beziehungen
zwisdien Poe und Griswold waren immer sehr seltsam, ein
eigenartiges Gemisdi von Anziehung und Haß auf selten des
einen, von Sdimeidielei und Haß auf selten des andern. Das
sind typisdi ambivalente Beziehungen, wie wir sagen würden
Beziehungen, auf welche die Ambivalenz gegenüber dem Vater
Poes — gegen John Allan — zum Teil verschoben zu sein
sdieint. Die Versdiiebung ging so weit, daß Poe, der sein ganzes
Leben darunter gelitten hatte, nicht der „Erbe" Allans gewesen
zu sein, durdi eine seltsame Umkehrung der Situation den
Feind Griswold zu seinem Universal-„Erben", zum Voll-
strecker seines literarischen Testaments, machte.
Im Falle des Herrn "Waldemar scheint nun die
Situation Griswold-Poe bei einer analogen Umkehr angelangt
zu sein. Der Erzähler der Geschichte ist Poe selbst; "Waldemar
ist Griswold, Poes Nebenbuhler bei einer Frau und in der
Dichtkunst, eine ödipale Vater-Imago. Aber hier ist dieser,
Waldemar, schwindsüchtig — so wie Elizabeth Arnold früher
und Frances Osgood jetzt schwindsüchtig gewesen waren —
und „passiv" in seinem Verhalten gegenüber dem Vater, der
nun von Poe, man weiß auf welche makabre und abstoßende
"Weise, gespielt wird. Man hat den Eindruck, daß in unserer
Geschichte diese sich auf den Vater, seinen Magnetismus, sein
Nervenfluidum beziehende erotische Passivität (eine Passivität,
die es sogar dulden würde, daß er durch den Vater den Tod
erleidet) dem Vater zurückgegeben, gegen ihn verwendet wird,
daß sie nach dem hier neu auftauchenden magnetischen Schema
mit dem ursprünglichen ödipusverbrechen verschmilzt.
Denn man weiß, was der Freund unter dem Vorwand, das
Leben des sterbenden Herrn Waldemar zu verlängern, mit
ihm macht. Er wird von dem Sterbenden einen Tag vor dessen
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 129
Tod ans Lager gerufen, hypnotisiert ihn und verzögert da-
durdi das Eintreten des furchtbaren Augenblickes. Der Tod
komnit trotzdem. Aber: die Auflösung ist aufgehalten worden.
Sieben Monate hindurch kann der Tote noch seine schwarze,
angesdiwoUene, scheußliche Zunge bewegen und mit seiner
Stimme aus dem Jenseits sprechen. Sobald man ihn jedoch aus
seinem langen Trancezustand erwecken will, zerfällt in weniger
als einer Minute sein ganzer, verfaulter Körper. „Auf dem
Bett vor uns lag eine ekelhafte, stinkende Masse." So kann sidi
der Wunsch nach der Auflösung des Vaters, eine Variante
des Todeswunsches, ins Gegenteil verwandeln: in den Wunsch,
den Vater vor der Auflösung zu bewahren. Hinter diesem
Wunsch verbirgt sich die gleiche Heuchelei des Unbewußten
wie hinter der Sage vom Ewigen Juden, in weldier das
Verlangen, den Vater zu töten, durdi sein Gegenteil aus-
gedrückt wird: er möge ewig umherirren und leben.
Die Analyse dieser Geschichten bezweckte, jene Passivität
gegen den Vater, für die Templeton und Bedloe ein deutliches
und unmittelbares Beispiel liefern, evident zu madien. In der
Erzählung vom Herrn Waldemar scheint das Thema zwar mit
verkehrten Vorzeichen versehen zu sein, aber es ist in ihr
trotzdem enthalten, mit allen erotischen Strömungen, die von
ihm ausgehen, und mit seinem erotischen Magnetismus.
Der Engel des Sonderbaren"^ hat einen Unter-
titel: An extravaganza; aber diese Extravaganz ist — wie alle
Träume mit absurdem, manifestem Inhalt — überaus sinnvoll,
wenn wir ihren latenten Inhalt betrachten.
Der Held unserer Geschichte sitzt an einem November-
nachmittag nach einer guten Mahlzeit allein im Speisezimmer
61) The Angel of the Odd. {Columbian Magazine, Oktober
1844.)
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 9
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13° Die Geschichten: Der Zyklus Vater
vor dem Kamin. Neben ihm stehen „etlidie Flaschen Wein
Sdinaps und Likör". Eine Zeitung fällt ihm in die Hand und
er liest folgende Notiz:
„Mannigfalt und sonderbar sind die Wege zum Tode. Wir ent-
nehmen einem Londoner Blatt den Beridit vom Ableben eines
Mannes, der durch eine außergewöhnlidie Ursache herbeigeführt
wurde. Er spielte puff the dart, ein Spiel, das darin besteht, daß
man einen langen Nadelbolzen durch ein Blasrohr nadi der Ziel-
scheibe bläst. Er steckte nun den Bolzen in das verkehrte Ende des
Rohres und holte tief Atem, um den Pfeil mit voller Lungenkraft
aus dem Blasrohr zu treiben. Da fuhr ihm die Nadel in den
Sdilund. Sie geriet in die Lunge, und schon nach wenigen Tagen
war der Mann eine Leidie."
Daß ein Fremdkörper in die Lunge eindringt, kommt zwar
selten vor, ist aber keineswegs unwahrsdieinlich. Unser Leser
glaubt trotzdem nicht an diese Möglichkeit und gerät bei der
Lektüre, ohne genau zu wissen warum, in eine rasende Wut.
Er glaubt nicht an alle diese sonderbaren Zwischen-
fälle, von denen die Zeitungen berichten! Wir aber er-
innern uns an den Pfeil und an den Blutegel Bedloes und er-
kennen sofort, daß sich etwas im Gefühl unseres Erzählers
gegen diese nach dem oralen (fellatio) und sadistischen (Tod
durdi Eindringen des Bolzens) Schema vorgetragene passive
homosexuelle Phantasie auflehnt.
Eine unwahrsdieinlidie Stimme ist in diesem Augenblid
neben ihm zu hören: „Kott, was fir Essel du sein dann!"
Nachdem der Erzähler zuerst vergeblich gesudit hat, woher
sie kommt, entdeckt er schließlich neben sich bei Tisch eine
phantastische Gestalt.
„Ihr Leib war ein Weinfaß, eine Rumtonne oder etwas Ähn-
liches und bot ein durchaus Falstaffsches Aussehen. Am Unterleib
befanden sich zwei Fäßchen, die offenbar die Stelle der Beine ver-
treten sollten. Anstatt der Arme baumelten von der oberen Hälfte
des Rumpfes zwei Flasdien von ausreidiender Länge mit den
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 131
Hälsen nach unten an Stelle von Händen. "Was idi für den Kopf
des Scheusals halten mußte, war eine jener hessischen Schnapstrinker-
flasdien, die wie Sdinupftabaksdosen mit einem Loch in der Mitte
jes Deckels aussehen. Diese Schnapstrinkerflasdie (obenauf saß ein
Trichter, der wie eine Sportmütze ins Gesicht gezogen war) stand
mit der Kante auf der Tonne, die Mündung mir zugekehrt; und
durdi diese Öffnung, die verkniffen schien wie die Lippen einer
jehr empfindsamen alten Jungfer, stieß das Geschöpf jene
rumpelnden und brummelnden Töne aus, die ohne Zweifel eine
verständlidie Redeweise darstellen sollten."
Wir haben in dieser Person, die nur aus Wein oder Likör-
behältern besteht, eine richtige Alkoholphantasie vor uns! Aber
man kann in ihr noch mehr entdecken: schon früher konnten
wir zu verschiedenen Malen bemerken, daß das Verlangen nadi
Alkohol bei Poe, wie bei allen Trunksüchtigen, seine älteste
und tiefste Wurzel in der Oralerotik des Säuglings habe, der
von der Frau gestillt wird. Hier sehen wir nun, wie der
Alkohol zu seiner Quelle zurückkehrt, der integrierende
Bestandteil eines zwar phantastischen, aber beseelten Körpers
wird. Das Faß Amontillado und das nidit weniger
symbolische Faß, auf dem in der Schwarzen Katze der
Nachfolger Plutos thront, ist zum sprechenden, gehenden Faß
geworden, das Flaschenarme hat, welche schweren Brüsten
gleichen, die ihre Hälse anbieten.
Aber der Engel des Sonderbaren, der auf so
archaische Weise die Quelle der Trunksucht Poes verkörpert,
ist noch etwas anderes als nur die Mutter. Er ist unserer
Meinung nach zugleich auch der Vater. Die Regression, welciie
diese Geschichte bezeugt, greift nämlich sehr weit zurück, bis in
jene Zeit, in welcher der Säugling noch nicht die Geschlechter
unterscheiden konnte. Dadurch wurde es möglidi, daß in dieser
seltsamen und einzigen Gestalt beide Eltern verdichtet sind.
Tatsächlich benimmt sich dieser euphemisch so genannte „Engel"
seinem Gegenredner gegenüber mit ganz väterlicäier Brutalität.
13^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Er erinnert dadurch an Allan. Er besdiimpft den Erzähler, wirft
ihm bei jeder Gelegenheit vor, daß er besoffen sei wie ein Faß
Ja, er schlägt ihn sogar und mehrere Male gibt er ihm, wie
Allan, mit dem Hals einer seiner langen Flaschen eins über
den Schädel und madit mit dem kläglidien Herrn, der seinen
Diener herbeiläuten will, um sich von diesem Phantom zu
befreien, und der dem „Engel" ein Salzfaß auf den Kopf zu
werfen versucht hat, was er machen will.
Wir erinnern uns nun an die Notiz mit dem Bolzen. Die
Flaschen-Arme des Engels des Sonderbaren stellen
zweifellos die Mutterbrüste und zugleich den väterlidien Penis
dar — nicht zu vergessen das Zwischenglied, den mütterlidien
Penis, an den das männlidie Kind seinerzeit geglaubt hat."^
Alle diese Körperanhängsel, an denen man saugen kann,
spielen eine wichtige Rolle in der unbewußten Genesis der
Trunksucht und tauchen hier gemeinsam auf.
Die vollständige Passivität unseres Helden gegenüber seinem
Besucher ist jetzt erreicht. Da er geschlagen wird, beginnt er
wie ein kleines Kind zu weinen. Hierauf wird der „Engel"
freundlicher und tröstet ihn. Er rät ihm an — Heuchelei! — ,
nicht mehr so viel zu trinken, Wasser in den Wein zu gießen
und gießt in das Glas, das „etwa zu einem Drittel mit Port-
wein gefüllt war", eine farblose Flüssigkeit, „die er aus einer
seiner Armflaschen ausgoß". Diese Flüssigkeit ist ein Körper-
sekret, Milch, Urin, Sperma (auf der Flasche klebt allerdings
eine Etikette, auf der K i r s c h w a s s e r steht), jedenfalls ein
Liebesbeweis.
In diesem Augenblick nährt also der Engel, wie eine Mutter,
mehrere Male das Kind mit seiner Ausscheidung, und unser
Held seinerseits findet wie ein gesättigtes Kind endlich seine
Ruhe wieder.
62) Siehe z. B. Freud: Eine Kindheitserinnerung
des Leonardo da Vinci (Gesammelte Sdiriften, Bd. IX).
J
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 133
per Engel erklärt dann seinem Gegenüber, „daß er der
Geist sei, der über alle unangenehmen Zwischen-
fälle der Mensdiheit herrsche, und daß seine Tätigkeit darin
bestehe, all die sonderbaren Vorkommnisse in
Szene zu setzen, die immer die Verwunderung des Skeptikers
hervorrufen". Er selbst duldet keinen Widerspruch und wird
bei dem geringsten Zeichen von Unglauben rot vor Zorn.
Darum sdiweigt unser Held und begnügt sich, während er mit
geschlossenen Augen diesen Reden in seinem Fauteuil zuhört,
damit) „Rosinen zu knabbern und die Stielchen davon im
Zimmer umherzuschnippen." Der Engel erhebt sich nun „in
großer Erregung" und geht mit drohenden Worten fort.
Dann setzt eine Reihe sonderbarer Vorkomm-
nisse im Leben unseres Helden ein. Er soll seine Ver-
sidierungspolizze gegen Feuersbrunst, die am selben Tag um
sechs Uhr erlischt, erneuern, sciiläft jedoch zu einem kleinen
Nidcer ein, nachdem er konstatiert hat, daß die Uhr erst halb
sedis zeigt. Aber die Uhr steht: das Glas des Zifferblattes ist
durch das Salzfaß zerbrochen worden, das den Kopf des
„Engels" verfehlt hat, und im Schlüsselloch steckt eines der
Rosinenstielchen, die unser Held durcäi das Zimmer geworfen.
Am Abend schläft: unser Held im Bett bei einem Budi ein, das
DieAllgegenwartGottes (d. h.: des Vaters) betitelt
ist. Er träumt davon, daß der Engel des Sonderbaren ihn in
einem Ozean von Kirschwasser ertränkt, welcher unaufhörlich
aus einer der Flaschen mit dem langen Hals, die ihm als Arme
dienen, herausfließt. Von Entsetzen gepeinigt, erwacht er
gerade in dem Augenblick, in dem eine Ratte die brennende
Kerze zu ihrem Loch trägt. Das Haus geht in Flammen auf,
sein Besitzer rettet sich über eine Leiter, aber bevor er den
Boden erreicht hat, wirft: ein riesenhafter Kerl, der wieder an
den Engel des Sonderbaren erinnert, die Leiter um, unser Held
fällt und bricht sich den Arm.
134 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Er hat durch diese Folge von sonderbaren Vor-
kommnissen sein Haus verloren, die Versicherung gegen
Feuersbrunst wird nidit ausbezahlt und auch seine Haare sind
von den Flammen versengt.
Er sudit jetzt Tröstung in der Frau. Er gefällt einer
reidien "Witwe. Aber wie er ihr zu Knien Hegt, verwidjeh
sich seine Perüdte in die Haare der Dame, die ihn wütend
davonjagt.
Er verlobt sich ein zweitesmal. Er begegnet seiner Ver-
lobten in einer vornehmen Straße, und in dem Augenblick, in
dem er sie grüßen will, fällt ihm ein Fremdkörper ins Auge, so
daß er plötzlich wie erblindet dasteht. Die Dame ist beleidigt,
daß er sie nicht gegrüßt hat, der Fremdkörper hat also
unseren Helden um seine zweite Braut gebracht. Der Engel des
Sonderbaren kommt zwar herbei, aber zu spät; er befreit ihn
mit ironisdier Aufmerksamkeit von dem Staubkörnchen.
So hat unser Held, ganz wie William Wilson, zweimal bei
Frauen keinen Erfolg. Er war auch sdion vorher einmal, an-
läßlich der urethrisdi-phallischen Autoerotik, die im Thema
von der Feuersbrunst steckt, erfolglos geblieben. Es sieht ganz
so aus, als ob Poe uns hier gestehen wollte: sein passives Ver-
halten gegenüber dem Vater sei eine der Ursachen seiner Im-
potenz gewesen. Und der Fremdkörper im Auge bildet ein
würdiges Pendant zu dem Bolzen in der Lunge und dem Pfeil
in der Sdiläfe.
Nun beschließt unser verzweifelter Held, zu der Mutter auf
dem einzigen Weg zurückzukehren, weldier dem Impotenten
zugänglidi geblieben ist, nämlldi in einer Mutterleibsphantasie.
„(Idi) trat den Weg zum nächsten Flusse an. Hier entledigte
idi midi meiner Kleider (denn ich sehe keinen Grund, warum
man nicht sterben sollte wie man geboren wurde) und stürzte
mich kopfüber in den Strom." Eine betrunkene Krähe ist der
einzige Zeuge dieser Tat: sie fliegt „mit dem unentbehrlichsten
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren 135
einer Kleidungsstücke", mit der Hose unseres Helden davon.
Dieser kann diese Pseudokastration nicht ertragen, er steigt
US dem Wasser, schlüpft mit seinen Beinen in die Ärmel seines
RoAs und verfolgt den Vogel. Beim Laufen sieht er in die
Luft fällt in einen Abgrund und ergreift gerade rechtzeitig die
Hängeleine eines vorüberfliegenden Ballons.
Er hält sidi an ihr mit einem einzigen Arm fest, da der
andere gebrochen ist. Der Ballon fliegt immer höher; unser
Held schreit um Hilfe. Niemand hört ihn. Er faßt bereits den
Entschluß, sich ins Meer fallen zu lassen. In diesem Augenblick
hört er eine hohl tönende Stimme: er blickt empor und erkennt
den Engel des Sonderbaren, der „sich über den Rand des Korbes
mit einer Pfeife im Mundwinkel" herauslehnt. Der Engel
kümmert sich aber nicht um den Unglücklichen, welcher unten
am Ende des Taues hängt. Er läßt ihm sogar eine große
Flasche Kirschwasser auf den Kopf fallen und bedroht ihn mit
einer andern. Unter diesem Zwang ergibt sich der Unglück-
lidie ganz dem Engel des Sonderbaren. Er glaubt an das
Sonderbare, an den Engel, an alles. Aber er kann nidit
— und das fordert der Engel zum Zeidien der voll-
kommenen Unterwerfung — die rechte Hand in die linke
Tasdie seiner Hose stedien, weil der redite Arm allein gesund
geblieben ist (der andere ist ja gebrochen) und weil er keine
Hose hat.
Der Engel schneidet nun das Tau ab, an dem der Unglück-
lidie hängt; der fällt köpf abwärts durch den Kamin seines neu-
aufgebauten Hauses, das sich gerade unter ihm befindet, in das
Speisezimmer hinein. Dieser Sturz erinnert an den des Hans
Pfaal, der kopfabwärts aus seinem Ballon heraushängt und
an dessen Geburtsphantasie. Der Engel des Sonderbaren
sdineidet wie ein Geburtshelfer die Nabelschnur des Neu-
geborenen durch, nachdem von dem Kind die Allmacht des
Vaters anerkannt worden ist.
136 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
I '
Und das Faktum, daß diese Geschichte „extravagant"
nannt wird und tatsächlich so ist, übersetzt wahrscheinlidi den
folgenden latenten Gedanken in den manifesten Inhalt der
Gesdiichte: es ist tatsächlich eine Extravaganz, daß man den
Vater der Mutter gleichstellt, den Alkohol der Milch, und daß
die Fixierung an den einen mit der Fixierung an den andern
Elternteil verschmilzt!
Die drei Erzählungen, weldie wir soeben analysiert haben,
und die alle drei auf der Grundlage einer Passivität gegenüber
dem Vater aufgebaut sind, wurden 1844 oder 1845 veröffent-
licht und sidher nicht lange vor dieser Zeit gesdirieben. In dem
Maße nun, in dem die paranoischen Züge am Charakter Poes
mit dem fortschreitenden Alter deutlicher sichtbar wurden,
scheint dieses Thema in seinem "Werk stärker in den Vorder-
grund gelangt zu sein; am vollständigsten entfaltete es sich in
seiner letzten großen Prosakomposition: in Heureka. Aber
bevor wir Heureka besprechen, müssen wir noch jene Ge-
schichte studieren, in welcher das passive Verhalten des Dichters
seinem Vater gegenüber am großartigsten dargestellt wurde:
"Wassergrube und Pendel.
WASSERGRUBE UND PENDEL«'
Der von der Inquisition Verurteilte, ein Opfer des Sadismus
der Väter, beginnt, ohne uns jedoch zu sagen, für welches Ver-
bredien er ihnen ausgeliefert wurde, folgendermaßen seinen
Bericht:
„Ich war krank — ersctöpft und todkrank infolge der langen
Todesangst — und als man mir die Fesseln löste und mir erlaubte
niederzusitzen, fühlte ich, daß mir die Sinne schwanden. Das Urteil,
das entsetzliche Todesurteil war der letzte Ausspruch, den meine
Ohren deudich vernahmen. Hiernach schmolzen die Stimmen der
Riditer in ein traumhaftes, ununterbrochenes Summen zusammen . . ."
Der Verurteilte fällt schließlich in Ohnmacht. „Dann war meine
Welt nur Sdiweigen und Stille und Nadit. . . . dodi kann ich nicht
sagen, daß mein Bewußtsein geschwunden war. Wieviel davon noch
Wieb, versudie ich nicht zu enträtseln oder zu beschreiben; dodi war
nidit alles geschwunden. In tiefstem Sdilummer — nein, im
Delirium — nein, in Ohnmacht und Betäubung — nein, im Tode
— nein! selbst im Grabe ist nicht alles Bewußtsein geschwunden.
Sonst gäbe es keine Unsterblidikeit. Aus dem tiefstem Schlummer
erwadiend, zerreißen wir das Spinngewebe eines Traumes; aber
eine Sekunde später — so zart ist das Gewebe oft — wissen wir
sdion nicht mehr, daß wir geträumt. Bei dem Erwadien aus einer
Ohnmacht gibt es zwei Stadien: zuerst das Gefühl geistigen oder
seelischen — dann das Bewußtsein körperlichen Daseins. Es ist
wahrsdieinlich, daß wir, falls es uns gelänge, im zweiten Zustand
die Eindrücke des ersten zurüdizurufen, diese Eindrücke voll fänden
von Erinnerungen aus dem Abgrund des Jenseits. Und dieser
Abgrund ist — was? Wie sollen wir seine Schatten von denen
des Grabes unterscheiden? Wenn nun aber die Eindrücke dessen,
was ich den ersten Zustand nannte, nicht willkürlich hervorgerufen
werden können, kommen sie nicht — nach langer Pause oft —
ungerufen und uns befremdend? . . ."
63) The Pit and the Pendulum. (The Gift, 1843; Broadway
Journal, I, 20.)
138 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
I
'k
Wir haben die ganze Stelle, in der vom »Abgrund
des J e n s e i t s" die Rede ist, zitiert, weil es keine geeigne-
tere Einführung in die folgende Erzählung gibt als diesen
Absatz, der eine Einführung in einem wesentlich präziseren
Sinne ist, als Poe glaubte. Denn was Poe durcheinander mit
dem Delirium (mit jenem Zustand, in dem das Unbewußte
herrscht) zitiert: der Schlaf, die Ohnmacht, der Tod, das Grab,
das sind im Unbewußten Regressionen zur pränatalen Stufe
hin. Die Unsterblichkeit, von der alle Mensdienwesen träumen,
und die vernichtet wäre, wenn im Grabe alles unterginge, stelh
sicherlich vor allem die Projektion jenes Unsterblidikeits-
gefühles, das allem Lebenden zugehört, in die Zeit über den
Tod hinaus dar, sie ist wahrscheinlich der Ausdruck der Tat-
sache, daß sich das psychische und biologische Gedächtnis der
Lebenden nur an die Zeit des Lebens erinnern kann. Aber
vor dem Leben, das wir führen, seit wir das Licht gesehen
haben, gab es eine Zeit, in der wir schon lebend waren, aber
noch nicht in dem gewohnten, von Lufl umgebenen, irdischen
Leben existierten. Wir waren zu dieser Zeit in dem tiefen
Obdach des mütterlichen Körpers begraben. Und da das
Unbewußte sich die Vernichtung, das Nichts, nicht vorstellen
kann, beginnt seine Psyche sich jener Tatsache zu bedienen, um
das Nichts, von dem das Bewußte spricht, abzuleugnen, und
zwar von dem Augenblick an, in dem das kleine menschlidie
Lebewesen Kenntnis von dieser ersten seiner Behausungen er-
halten hat, eine Kenntnis, zu der ihm eine Art verschwommener
Trieb oder biologische Mneme verhilfl. Der Zustand nach dem
Tode entspricht daher dem Zustand vor der Geburt, das
Weiterleben im Grabe dem fötalen Vorleben. Obwohl wir noch
nicht Bürger der Welt waren, lebten wir im Mutterkörper ein
geheimnisvolles Leben außer der Welt, außerhalb der Zeit, im
Unendlichen und im Unterirdischen: dem wird auch unser
Leben nach dem Tode gleichen. Daher verlegten die primitiven
Wassergrube und Pendel 135
früheren Religionen den Aufenthalt der Verstorbenen unter
die Erde, wie in einen riesenhaften Uterus; die elysäischen
Gefilde waren wie der Tartarus unterirdisdie Landsdiaften, die
jenseits des Styx lagen. Erst eine zweite Verarbeitung hat das
Paradies in den Himmel projiziert und der Erde nur das Grab
und die Hölle gelassen.
Besdiäftigen wir uns jetzt mit der Fortsetzung der Poesdien
Erzählung. Wir steigen mit dem in Ohnmacht gefallenen Ver-
urteilten, der durch diese Ohnmacht in einen halbfötalen Zu-
stand geraten ist, in eine wirkliche Unterwelt hinab:
„Bei meinen häufigen bewußten Anstrengungen, midi zu er-
innern, bei meinen gewaltsamen Mühen, irgendein Merkmal aus
dem Zustand sdieinbaren Niditseins, in den meine Seele entglitten,
ins klare Bewußtsein herüberzuretten, gab es Augenblidie, in denen
idi ein Gelingen träumte; es gab kurze, sehr kurze Momente, in
denen idi Erinnerungen heraufbesdiwor, die mir in der hellen Ver-
nunft späteren völligen Wachseins als unbedingt jenem Zustand
sdieinbarer Bewußdosigkeit entstammend erschienen. Diese Schatten
eines Erinnerns redeten undeutlich von hohen Gestalten, die mich
aufhoben und sdiweigend abwärts trugen, hinab — hinab — und
tiefer hinab, bis ein furditbares Schwindelgefühl mich erfaßte bei
dem bloßen Gedanken der Unendlichkeit des Niedergleitens. Sie
redeten audi von dumpfem Schredigefühl im Herzen, weil dieses
Herz so unnatürlich still war. Dann kam ein Empfinden völliger
Unbewegtheit aller Dinge, als ob die, die mich trugen — ein
gespenstischer Zug — , in ihrem Abwärtsdringen die Grenzen des
Grenzenlosen überschritten hätten und nun ausruhten von der
Mühsal ihres Werkes. Hiernach erinnerte ich midi an ein flach aus-
gestreutes Liegen, an feuditen Dunst; und dann war alles Wahn-
sinn — Wahnsinn eines Bewußtseins, das sich mit dem Unfaß-
baren, dem Verbotenen abmühte."
Der Verurteilte erwacht, sein Herz beginnt wieder heftigst
zu sdilagen, er wird sidi der Tatsache, daß er existiert, wieder
bewußt und schließlidi — oh, Schrecken! — findet er auch seine
Denkfähigkeit wieder.
14° Die Geschichten: Der Zyklus Vater
„Bis dahin hatte idi die Augen nidit geöffnet. Ich fühlte, daß
ich ungefesselt auf dem Rücken lag. Idi streckte die Hand aus, und
sie fiel sdawer auf etwas Feuchtes und Hartes. Da ließ idi sie einige
Minuten liegen, während idi versuchte, mir vorzustellen, wo und
was ich wohl sei. Ich hätte gerne die Augen geöffnet, aber [A
wagte es nidit. Ich fürditete den ersten Blick auf meine Umgebun»
Es war nidit Furcht, etwas Entsetzlidies zu erblicken, sondern das
Grauen, nichts zu sehen. Endlich, mit wilder Verzweiflung ita
Herzen, öffnete idi schnell die Augen. Meine sdilimmsten Ahnungen
bestätigten sich. Schwarze, ewige Nadit umgab midi. Die Diditig.
keit der Finsternis lastete auf mir und ließ mich erstarren. Die
Luft war unerträglich dumpf . . ."
Wie großartig ist dieser — in unserem Fall gewiß gerecht-
fertigte — Anfall von Klaustrophobie geschildert! Die infan-
tile Angst vor der Finsternis, das Gefühl des Erstidcens,
die Feuchtigkeit, die Einsamkeit und das Eingekerkertsein
in einem geschlossenen Raum, all dies trägt dazu bei, um aus
dem Inquisitionsgefängnis eine vollkommene Mutterleibsphan-
tasie nach dem Angstsdiema zu madien. Zu dieser Interpreta-
tion gehört audi, wie wir schon hier erwähnen wollen, daß
bei all den Torturen, die der Verurteilte erdulden muß,
niemals die Kälte erwähnt wird, obwohl das Gefängnis sehr
feucht und tief ist und der durch die erlittenen Leiden und
durch das Fasten erschöpfte Gefangene, wie wir später er-
fahren werden, nur mit einem Kleid aus grober Wolle be-
kleidet war. Beaditen wir ferner, wie sehr in dieser ganzen
Gesdiidite das Thema Schlaf dominiert.
Der Unglückliche, der zuerst ganz unbeweglidi liegen bleibt,
versucht nun, über seine Lage nachzudenken:
dennoch nahm ich keinen Augenblick an, daß ich tot sei."
Er weiß, daß am Abend des Tages seiner Verurteilung
ein Autodafe, eine seltene Festlichkeit, stattgefunden habe.
Warum, fragt er sich, ist er nicht mit den andern hingerichtet
worden?
W asser gruhe und Pendel 141
„Ein fürdbterlidier Gedanke trieb plötzlich mein Blut in Wogen
zum Herzen, und für kurze Zeit sank ich von neuem in Bewußt-
losigkeit. Als ich mich erholt hatte, sprang ich sofort auf die Füße;
Jeder Nerv in mir zuckte. Ich streckte die Arme in die Höhe und
rundherum nach allen Seiten. Ich fühlte nichts und fürchtete mich
dennoch, einen Schritt zu machen, aus Angst, an die Mauern eines
Grabes zu stoßen ... Ich machte viele Schritte vorwärts, doch noch
immer war alles Finsternis und Leere. Ich atmete freier, es war offenbar,
daß meiner wenigstens nicht das scheußlichste Geschick harrte."
Der Eingesciilossene bewegt sich wie ein Kind in dem
Mutterleib und überzeugt sich auf diese Weise davon, daß er
wenigstens nicht lebend beerdigt ist. Die Angst vor dem Ge-
danken, lebend beerdigt zu sein, — die bei Poe so stark ent-
widcelt war — stammt, wie jede Analyse beweist, unmittelbar
aus dem unbewußten, unter dem negativen Zeichen von Angst
ausgedrückten Wunsch, in den Mutterleib zurückzukehren.
Und den Mutterleibsangstphantasien wird unser Gefangener
tatsächlich nicäit entgehen.
„Und nun, während ich mich vorsichtig weitertastete, drängten
sidi tausend unbestimmte Gerüchte über die Schrecken von Toledo
meinem Gedächtnis auf . . . Hatte man mich für den Hungertod
in dieser ewigen unterirdischen Nacht bestimmt; oder welches, viel-
leidit nodi gräßlichere Schicksal erwartete mich? Daß das Ende Tod
sein würde, und zwar ein Tod von mehr als gewöhnlidier Bitternis,
sdiien mir, der ich den Charakter meiner Richter kannte, gewiß.
Die Art und die Stunde des Sterbens waren das einzige, was midi
noch beschäftigte und noch beunruhigte."
Der Gefangene beschließt nun, sein Gefängnis abzumessen,
indem er die gleichmäßigen Mauern abtastet. Um seinen
Ausgangspunkt wiederzufinden, will er das Messer irgendwo in
die Mauer stechen, aber man hat es ihm mit der Kleidung, die
„gegen eine Umhüllung aus grober Wolle vertausdit"
war, weggenommen. Er reißt nun ein Stück von seinem
Kleidersaum ab, legt ihn auf die Erde und geht auf Ent-
dedcungen aus.
14^ Die Geschichten: Der Zyklus Vater
\
„Aber idi hatte weder mit der Ausdehnung des Kerkers noch
mit meiner eigenen Schwädie gerechnet. Der Boden war feucht und
schlüpfrig, ich war eine Zeitlang vorwärts getappt, als ich straudielte
und fiel. Eine ungeheure Müdigkeit zwang mich, ausgestreckt Hegen-
zubleiben, und bald befiel mich in dieser Lage der Schlaf.
Als ich erwadite und den Arm ausstreckte, fand ich neben mjf
ein Stüds Brot und einen Krug Wasser. Ich war zu erschöpft, n^
über diesen Umstand nachzudenken; sofort aß und trank ich gierig."
So wird unser Gefangener wie der Fötus, allerdings weniger
liebevoll als ein solcher, in seinem „Gefängnis" von der un-
sichtbaren Vorsehung genährt. Er setzt dann, ein wenig ge-
stärkt, die Reise um sein Gefängnis herum fort, und glaubt zu
entdecken, daß dessen Umfang, wobei viele Mauerwinkel ge-
rechnet sind, fünfzig Yards beträgt.
Er besdiließt nun, den Raum zu durdhqueren. Der Boden
ist sdilüpfrig; der Rest des zerrissenen Saums seines Kleides
verfängt sidi in seinen Füßen. Er fällt mit voller "Wudit aufs
Gesidit . . .
„In der ersten Verwirrung bemerkte ich nidit sogleidi einen
befremdenden Umstand, der jetzt, ein paar Sekunden später und
während idi nodi ausgestreckt dalag, meine Aufmerksamkeit erregte.
Es war folgendes: mein Kinn ruhte auf dem Boden des Kerkers,
meine Lippen aber und der obere Teil des Kopfes, die meinem
Gefühl nadi tiefer lagen als das Kinn, berührten nichts. Gleidizeitig
sdiien meine Stirn in klebrigen Dämpfen zu baden, und der unver-
kennbare Geruch verwesender Schwämme drang mir in die Nase.
Ich streckte den Arm aus und schauderte, als idi fand, daß idi
genau am Rande einer kreisrunden Schachtöffnung hingefallen war,
deren Umkreis festzustellen natürlich gegenwärtig nidit in meiner
Macht lag. Es gelang mir, von dem feuchten Mauerrand ein Stein-
chen loszubrödceln; ich ließ es in den Abgrund fallen. Viele Sekunden
lang lai sdite ich dem Widerhall, den sein Anschlagen an die Stein-
wände verursachte; endlich hörte idi ein dumpfes Aufklatschen im
Wasser, dem ein vielfältiges Echo folgte."
So entdeckt der Verurteilte den einzigen Ausgang aus
seinem Gefängnis, den schreckeinjagenden Brunnensdiadit, der
Wassergrube und Pendel 14J
in den Abgrund hinunterführt und dessen symbolischer Sinn
an, Schluß der Geschichte noch deutlicher erfaßt werden wird.
Eine Tür, die sidi bei dem Aufklatschen im "Wasser schnell
über dem Kopf des Gefangenen geschlossen und geöffnet hat,
bringt ihm nun zum. Bewußtsein, wie sdiarf er beobachtet wird.
„An allen Gliedern zitternd, tastete ich meinen Weg zur Mauer
zurüd. Ich war entsdilossen, lieber dort zu sterben, als mich in
die Sdiredcen der Grube zu wagen. Meine Phantasie malte sich jetzt
aus, daß ihrer viele hier im Raum verteilt seien. In anderer Seelen-
verfassung hätte idi vielleicht den Mut gehabt, mein Elend durch
einen Sprung in soldi einen Abgrund zu beenden, jetzt aber war
idi der Feigste der Feigen. Audi konnte ich nicht vergessen, was
idi über diese Brunnen gelesen: daß das plötzliche Auslösdien des
Lebens keineswegs in der Absicht derer lag, die diese entsetzlichen
Wassergruben angelegt hatten."
Erregung und Angst halten den Unglücklichen lange Zeit
wach, schließlich aber schlummert er doch ein. Beim Erwachen
steht von neuem ein Krug "Wasser neben ihm, daneben liegt
ein Brot. Da er vor Durst vergeht, leert er den Krug in
einem Zug. ("Wir begegnen hier wieder den Durstqualen im
P y m.) Aber
„dem Wasser mußte ein Schlafmittel beigemengt sein, denn kaum
hatte idi es getrunken, als midi unwiderstehliche Schlafsudit befiel.
Idi sank in tiefen Schlummer, in eine Art Todesschlummer. Wie
lange er währte, weiß ich natürlidi nidit, als ich aber wieder die
Augen öffnete, waren die Dinge um mich her sichtbar. Ein seltsamer
sdiwefliger Glanz, dessen Ursprung ich zunächst nicht feststellen
konnte, gestattete mir, den Umfang und das Aussehen meines
Kerkers wahrzunehmen".
Der Verurteilte entdeckt, daß sein Gefängnis ungefähr halb
so groß ist, als er angenommen hatte. Dieses Detail beginnt ihn
zu beunruhigen, denn seine Seele „nahm ein merkwürdiges
Interesse an Kleinigkeiten". Er begreift schließlich, daß er bei
seiner Forschungsreise durch das Gefängnis, nachdem er vor
Ersdiöpfung an der Mauer eingeschlafen, denselben "Weg
144 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
1
zurüdigegangen war und infolgedessen alles doppelt gezählt
hatte.
„Auch über die Form des Gefängnisses hatte idi midi getäuscht.«
Es ist weniger unregelmäßig, als er geglaubt, und die "Winkel, Jij
der Gefangene im Dunkel abgetastet hatte, waren „nidits als leidite
Vertiefungen, die der Zahn der Zeit in unregelmäßigen Zwischen-
räumen in die Mauer gefressen hatte. Die Grundform des Gefän».
nisses war ein Viereck. "Was ich zuerst für Steinmauern gehalten
sdiien mir jetzt Eisen oder sonst ein Metall zu sein, dessen große
Platten da, wo sie aneinandergenietet waren, die leichten Ver-
tiefungen bildeten. Die ganze Flädie dieser erzenen "Wände war mit
groben Zeidmungen bemalt, mit all den abscheulidien und ab-
stoßenden Darstellungen, wie der Aberglaube der Mönche sie er-
funden. Drohende Teufelsfratzen auf Totenskeletten und andere
noch viel gräßlichere Gestalten bedediten und verunzierten die
"Wände."
Die Farben scheinen fledcig geworden zu sein. Der Fuß.
boden ist aus Stein.
„In der Mitte gähnte das runde Brunnenloch, dessen Sdilund
{jaws, Kinnbacken) idi entronnen . . . Nur undeutlich und mit vieler
Mühe konnte ich dies alles erblicken, denn während meines Schlafes
hatte sich meine Lage sehr verändert. Ich lag jetzt langausgestredst
auf einer Art niedrigem Holzrahmen. Idi lag auf dem Rüien und
war mit einem langen Riemen, der einem Sattelgurt glidi, an das
Holz festgebunden. Der Riemen war mir viele Male um Leib und
Glieder geschlungen und ließ nur dem Kopf und dem linken Arm
so viel Bewegungsfreiheit, daß idi mich mit vieler Anstrengung aus
einer irdenen Sdiüssel am Boden mit Nahrung versehen konnte."
Der Krug ist fort, der vom Durst gepeinigte Gefangene
findet nur ein Mahl
„aus sdiarfgewürztem Fleisch vor".
„Aufwärtsblickend betrachtete ich die Decke meines Gefängnisses.
Sie war etwa dreißig bis vierzig Fuß hoch und aus demselben
Material wie die Seitenwände. Auf einem der Deckenfelder erregte
eine sonderbare Figur meine ganze Aufmerksamkeit. Es war eine
gemalte Gestalt der Zeit, so wie sie gewöhnlich dargestellt wird,
Wassergrube und Pendel 145
daß sie anstatt der Sidiel etwas in Händen hielt, was idi auf
j gi-sten Blick als ein gemaltes Pendel ansah, dergleidien man oft
uf alten Uhren findet. Dennodi war da etwas in der Ersdieinung
des Instrumentes, das mich veranlaßte, es aufmerksamer zu be-
traditen. Während ich nun senkrecht hinaufstarrte — denn es befand
sidi genau über mir — , bildete idi mir ein, daß es sich bewege . . .
Seine Sdiwingungen waren kurz und selbstredend langsam . . ."
Nadidem der Gefangene einige Minuten lang die langsamen
und ihn ermüdenden Pendelschwingungen beobachtet hat,
wendet er den Blick von ihnen weg, andern Dingen zu. Riesen-
hafte Ratten, die aus dem Brunnen hervorgekommen und von
dem Geruch des Fleisdies angelockt und nach ihm gierig sind,
beginnen ihn zu beschäftigen und
„es bedurfte vieler Mühe und Aufmerksamkeit, sie von der
Sdiüssel fernzuhalten".
„Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, vielleicht sogar
eine ganze Stunde . . ., als ich meine Augen wieder aufwärts
wandte . . . Die Schwingungen des Pendels hatten an Ausdehnung
fast um einen Meter zugenommen. Als natürliche Folge war auch
die Schnelligkeit viel größer; was mich aber hauptsächlich beun-
ruhigte, war die Tatsache, daß es sich merklich herabgesenkt hatte.
Ich bemerkte jetzt mit namenlosem Schrecken, daß sein unterer Teil
in einem Halbmond aus blitzendem Stahl bestand, der von einem
Hörn zum andern etwa einen Fuß maß; die Hörner waren nach
oben gerichtet und die untere Kante schien scharf wie ein Rasier-
messer. Das Pendel schien auch so massiv und schwer wie ein solches,
denn es verdickte sich nach oben zusehends. Es hing an einem didken
Messingstab und das ganze zischte, pfiff beim Durchschneiden der Luft.
Ich konnte nicht länger zweifeln, welche neue Todesmarter die
in Grausamkeiten so erfinderischen Mönche für mich ausgewählt
hatten . . ."
Der Unglückliche ist dem Brunnen, diesem Höllenpfuhl nur
entronnen, um die Beute einer nocii ausgeklügelteren Strafe
zu werden. Wir werden den latenten Symbolsinn dieser Er-
eignisse später genauer untersuchen und begnügen uns hier mit
dem bloßen Bericht.
Bonaparte; Edgar Poe. III u. IV. 10
'4^ Die Geschichten; Der Zyklus Vater
1
„Was nützt es, die langen, langen Stunden übermensdilijjj.
Entsetzens zu schildern, in denen idi die sausenden SAwingunge
des scharfen Stahles zählte." "
Er hat hier nichts, womit er die Zeit messen kann. Dg,
Pendel senkt sich mit marternder Langsamkeit herab . . .
„Es können viele Tage gewesen sein — ehe es so didit übe
mich hinfegte, daß midi sein heißer Atem fächelte. Der Gerudj
des scharfen Stahls drang mir in die Nase . . . Idi wurde toll und
rasend und strengte mich an, soviel ich konnte, um midi dem
Schwung der fürchterlichen Sdineide entgegenzuheben. Und dann
wurde Idi plötzlich ruhig und lag und lächelte auf zu dem
glitzernden Tod, wie ein Kind wohl ein seltsames Spielzeug an-
lächelt."
Der Gequälte fällt in Ohnmacht. Beim Erwachen bemerkt
er, daß er trotz seiner grauenhaften Angst Hunger leidet. Er
steckt daher die Reste der Nahrung, welche ihm die Ratten
gelassen haben, in den Mund. In diesem Augenblick „durdi-
zuckte es mich wie eine Ahnung von Freude — von Hoffnung",
ohne daß er klar erfassen kann, was er von ihr halten soll.
„Die Schwingungen des Pendels liefen reditwinkelig zu meiner
Körperlage. Idi sah, daß der Halbmond bestimmt war, mir quer
durchs Herz zu schneiden. Er würde den Stoff meines Kleides
sdilitzen; er würde zurückschwingen und den Schnitt wiederholen
— wieder und wieder. Ungeachtet seiner schredtlidi weiten Schwin-
gung (einige dreißig Fuß oder mehr) und der pfeifenden Gewalt
im Niedersausen, die wohl sogar diese Eisenwände zu durdisdmeiden
vermodite, würde das Pendel dodi minutenlang nur meine Kleider
sdilitzen."
Inzwischen steigt das Pendel immer tiefer und tiefer und
tiefer herab.
„Ich sah, daß weitere zehn oder zwölf Schwingungen den Stahl
nun tatsädilidi in Berührung mit meinen Kleidern bringen würden,
und bei dieser Beobaditung überkam meinen Geist ganz plötzlidi
die klare, gesammelte Ruhe der Verzweiflung. Zum erstenmal seit
vielen Stunden oder vielleidit Tagen dachte ich. Ich gewahrte jetzt,
daß die Riemen und Gurte, die mich umschlangen, aus einem
Wassergrube und Pendel 147
einzigen Stüdc bestanden. . . . Der erste Schnitt des rasiermesser-
sdiarfen Halbmonds würde also meine gesamten Fesseln derart
lösen, daß ich sie mit Hilfe meiner linken Hand abwinden konnte."
Vergebliche Hoffnung! Der Gequälte hebt den Kopf so
hoch, daß er seine Brust überblicken kann.
„Die Gurte umwanden Glieder und Körper nach allen Rich-
tungen — nur nicht in der Schnittbahn des zerstörenden Pendels!"
Aber das unbestimmbare Gefühl, die Hoffnung, die ihn
vorhin, als er die Nahrung zu sich genommen, beglückt hat,
taucht wieder auf.
„Seit vielen Stunden wimmelten die Ratten um den niedrigen
Holzrahmen, auf dem ich lag. Sie waren wild, frech, zudring-
lidi . • • Mit den Stückchen des fettigen und starkgewürzten Fleisches,
das mir nodi geblieben, rieb ich nun die Gurte überall da ein, wo
sie mir erreichbar waren; dann zog ich die Hand zurüdi und lag
atemlos still."
Zu den Ratten, die ihn bereits umkreisen, kommen nun
neue Sdiaren aus dem Brunnen hinzu und stürzen sich auf den
Gequälten. Ein unsagbares Ekelgefühl packt ihn bei dieser Be-
rührung; aber, meint er,
„idi hatte mich in meiner Berechnung nicht geirrt, idh hatte nidit
umsonst ausgehalten. Ich fühlte endlich, daß idi frei war. Die
Gurte hingen in Fetzen um meinen Leib. Aber das schwingende
Pendel berührte schon meine Brust. Es hatte den Stoff meines
Kleides gesdilitzt. Es hatte das Hemd durchschnitten. Zwei weitere
Sdiwingungen machte es, und ein stechender Schmerz zuckte mir
durdi alle Nerven. Aber der Augenblick der Befreiung war ge-
kommen . . ."
Ruhig und vorsiclitig entgleitet der Verurteilte „den um-
sdilingenden Bändern und dem Bereich der stählernen
Sdineide". Dann ruft er aus: „Für den Augenblick wenigstens
war ich frei!" Aber die Inquisition wacht.
„Idi war kaum von meinem hölzernen Marterbrett auf den
Steinboden der Zelle getreten, als die Bewegung der Höllenmaschine
148 Die Ceschidoten: Der Zyklus Vater
l
aufhörte und idi gewahrte, wie sie von irgendeiner unsichtbaren
Kraft zur Decke emporgezogen wurde . . ."
Weldie neue Qual, denkt der Unglückliche voll Entsetzen
wartet jetzt auf mich?
„Irgendetwas Ungewöhnlidies — eine Veränderung, die idi zu.
nächst nidit genau feststellen konnte — hatte unverkennbar hier
(in dem Raum) stattgefunden."
Der Gefangene bemerkt nun, daß die Eisenwände des
Gefängnisses durch eine Spalte „von etwa eines halben Zolles
Breite" vom Boden getrennt sind: von dorther dringt der
sdiweflige Lichtschein durch. Da „. . . begriff ich auf einmal die
geheimnisvolle Veränderung des Raums". Die Farben der
Wandfiguren, die vorher
„verblaßt und unklar schienen . . ., erstrahlten jetzt von Augen-
blick zu Augenblids in immer stärker werdendem Glänze . . . Seltsam
gespensterhafte Augen . . . glühten in schauerlichem Glänze eines
Feuers, das hinter den Wänden flammen mußte, sosehr idi mir audi
einzureden Versuchte, es bestände nur in meiner Einbildung.
Einbildung! Bei jedem Atemzug drang in meine Nase der
Dunst von glühendem Eisen. Ein erstickender Geruch beherrschte
den ganzen Raum . . . Ein satteres Karmin ergoß sidi über die
blutigen Gemälde. Ich keudite. Ich rang nach Atem. An der Absidit
meiner Peiniger war nicht zu zweifeln ... Ich flüchtete vor dem
glühenden Metall in die Mitte der Zelle. Gegenüber der Vernidi-
tung durch das Feuer, die meiner wartete, erschien mir der Gedanke
an die Kühle des Brunnens wie lindernder Balsam. Ich eilte an
seinen gefahrvollen Rand; ich spähte gespannt hinunter. Der Glut-
schein von der glühenden Dedse erleuchtete seine verborgensten
Winkel. Dennoch — eine verzweifelte Minute lang — sträubte sich
mein Geist, den Sinn dessen zu erfassen, was ich da unten sah.
Doch endlich zwang — wand es sich in meine Seele . . . ,Alle andern
Sdirecken, nur nidit diese!' ächzte ich und stürzte schreiend vom
Brunnenrande fort, vergrub das Gesicht in die Hände und weinte
bitterlich."
So groß ist die Angst vor dem Brunnen selbst bei dem vom
Feuer bedrängten Gequälten.
i
Wassergrube und Pendel 149
Die Hitze nahm zu, und wiederum hob idi den Blick, halb
ahnsinnig, zur Deiie. Eine neue Veränderung hatte sidi vollzogen,
■ Veränderung in der Form der Zelle . . . Der Raum war qua-
rfratisdi gewesen. Jetzt sah ich, daß zwei seiner Eisenedken spitz-
«rinkelig. die anderen folglidi stumpfwinkelig geworden waren,
nie schredcliche Veränderung ging mit leisem Knarren immer weiter
vorwärts. Einen Augenblick später hatte der Raum die Gestalt
eines schiefen Vierecks. Aber die Bewegung hielt hier nicht inne
^ ich hoffte und wünscäite dies nicht einmal. Ich hätte die rot-
glühenden Wände an meine Brust ziehen mögen wie ein Gewand
ewiger Ruhe. ,Tod!' sagte ich, ,willkommen jeder Tod, nur nicht
der im Brunnen!' Narr, der ich war! Mußte ich nicht wissen, daß
der Brunnen nötig, ja daß es der einzige Zweck des brennenden
Eisens war, mich in den Brunnen zu drängen? . . . Und jetzt —
enger und immer enger schob sich das Viereck zusammen mit einer
Sdinelligkeit, die mir keine Zeit zum Überlegen ließ. Seine Mitte
und also auch sein weitester Raum bildete sich genau über dem
»lühenden Abgrund. Ich wich zurück . . . Endlich gab es für meinen
wunden, zuckenden Körper keinen Zoll Raum mehr auf dem festen
Boden. Ich kämpfte nicht länger, aber die Todesangst meiner Seele
sdirie auf in einem einzigen, langen, lauten, verzweifelten Schrei.
Idi fühlte, wie ich auf dem Brunnenrande wankte — ich wandte
die Augen ab —
Ein verworrenes Geräusch wie von Menschenstimmen! Ein lauter
Ton, wie gewaltiger Trompetenstoß! Ein Dröhnen und Kraciien
wie tausendfacher Donner! Die feurigen Wände wichen zurück!
Ein Arm packte den meinigen, als ich ohnmächtig in den Abgrund
zu fallen drohte. Es war der Arm des Generals Lasalle. Die fran-
zösische Armee war in Toledo eingezogen. Die Inquisition befand
sich in den Händen ihrer Feinde."
So sciiließt diese Geschichte mit einer Art Kaisersdinitt, die
zum Wohl des Gequälten vom General Lasalle in Person, von
der Verkörperung des guten Vaters, der zu den
schlechten Vätern, den Inquisitoren, im Gegensatz
steht, durcJigeführt wird.
im
15° Die Geschichten: Der Zyklus Vater
„Hier haben wir", wird mandier Leser nach der Lektür
dieser Inhaltsangabe sagen, „eine Geschichte vor uns, die es
nicht nötig hat, daß man ihr einen latenten, verschrobenen
komplizierten Sinn unterlegt. Die Phantasie Poes, eine sadisti-
sche Phantasie — das geben wir zu! — fand eben Gefallen
daran, Schrecken und Qualen zu erfinden, und das gelang ihr
ganz vorzüglich. Es ist uns unverständlich, warum wir das alles
mit den absurden Mutterleibsphantasien in Verbindung bringen
müssen, auf die bereits zu Beginn dieses Kapitels hingewiesen
wurde, und wahrsdieinlich mit noch ärgeren, unser Gefühl ver-
letzenden Phantasien, die uns nicht erspart bleiben werden!"
Wassergrube und Pendel ist jedoch, gleich allen
Nacht- und Tagträumen der Menschen, tatsächlich einem Ge-
sang in zwei Tonlagen zu vergleichen.
Es ist natürlich durchaus möglich, daß raffinierte Henker
sidi w i r k 1 i c h ein Gefängnis mit geheizten Eisenwänden, mit
einem schwindelerregenden Brunnen, mit einem langsam herab-
steigenden und zisdienden Pendel ausdenken, den Raum, in
weldiem unser Verurteilter im Sterben liegt. Dies alles ist an
sich also wirklidi möglich, und jene Qualen und Torturen sind
gewiß imstande, uns Angst und Schrecken einzujagen.
Aber alle diese Wirkungen würden nicht zur Erklärung der
Tatsache ausreichen, warum das Hirn Poes unter allen dem
Menschen zugänglichen Angstthemen gerade diese besonderen
Themen gewählt hat, und warum gerade diese Ansammlung
von gehäuftem Schrecken uns nicht kalt läßt wie viele ähnlidie
Ausgeburten der Phantasie, sondern bis in die Knochen frieren
macht.
Ein solches Ergebnis konnte nur dadurch erreicht werden,
daß diese mit Grausamkeiten geschmückte Erzählung für Poe
selbst mit jener tief in ihm verankerten und unbewußten Libido
besetzt war, die allein es möglich macht, das Unbewußte des
Autors in einem Kunstwerk — also auf Wegen, die dem
Wassergrube und Pendel iji
Bewußtsein fremd bleiben — mit dem seiner Leser kommuni-
zieren zu lassen.
Und wenn audi die höhere Tonlage des Gesangs vom
Sdirecken, jene Lage, in der vom Gefängnis und von den durch
die Inquisition erfundenen Qualen die Rede ist, sidi ober-
flädilidi durch sidi selbst zu erklären scheint, ist es unsere
pflidit als Analytiker, die tiefer liegende Strömung des Gesanges
von der Angst, die allein der grauenhaften Harmonie ihre Be-
deutung und Größe verleiht, hörbar zu machen.
Nun sdieinen zwei große latente Themen, die aus der Tiefe
von Poes Unbewußtem hervorbrechen, den Diditer zu
Wassergrube und Pendel inspiriert zu haben: einer-
seits entdecken wir in dieser Gesdiidite, und das haben wir
sdion erwähnt, eine Mutterleibsphantasie nadi dem Angst-
sdiema, mit dem sie hier, aber das muß nidit immer der Fall
sein, verbunden ist; andererseits begegnen wir — ein Faktum,
das wir bei der Nacherzählung der Gesdiichte noch nicht be-
rührt haben — der homosexuellen, masochistischen Passivität
des Sohnes gegenüber dem Vater, die hier gleidifalls nach
dem Angstschema ausgedrüdkt wird.
Und nodi ein drittes Problem istinWassergrubeund
Pendel verborgen: das große Fundamentalproblem vom Ur-
sprung der Angst, das bisher allerdings weder biologisdi nodi
analytisch gelöst ist.
Wir besdiäfligen uns nun mit dem ersten Thema: die Ein-
kerkerung des Verurteilten in sein unheimliches Gefängnis ist
von uns tatsächlich ohne weiteres als eine Mutterleibsphantasie
erkannt worden.
Die Mutterleibsphantasien sind Erbgut der gesamten Mensdi-
heit. Alle Erwadisenen schaffen diese Phantasien in ihren
Träumen, in den verschiedensten Äußerungen ihres Un-
bewußten, alle Kinder verraten bis in ihr Benehmen hinein, daß
sie diese Phantasie kennen. Man darf diese Phantasie jedodi
IJ2 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
l
keineswegs mit der biologisdien Tendenz einer Regression in
den Fötalzustand verwechseln, mit einem Bestreben, das wahr-
sdieinlidi allen Tieren gemeinsam ist, welche in ihrer Frühzeit
ein amniotisdbes Leben geführt haben.^* Eine deutliche Mani-
festierung dieser Tendenz ist in der Tatsache zu sehen, daß
diese Tiere das Bedürfnis haben, periodisch in einem Ruhe-
zustand, im Dunkeln, häufig sogar in einer pränatalen Körper-
haltung zu schlafen. Eine andere Äußerung der gleidien
Tendenz läßt sich im Koitus erkennen, in der partiellen Rüci-
kehr in den Körper des "Weibchens, die jedodi wirklich und
vollkommen nur den Spermatozoiden gelingt. Der Penis führt
bloß eine teilweise und temporäre Rückkehr durch; der ganze
Körper erlebt durch die "Wollust, die ihn durciidringt, nur eine
sozusagen per procura durchgeführte Rückkehr zum pränatalen
Glück.
"Wir sehen aber von dieser biologisdien Seite des Phänomens
ab und kehren zu unserem eigentlichen Thema zurück, zu den
Mutterleibs phantasien, den psychischen Gebäuden —
denen die Biologie allerdings, wie allen Phänomenen unserer
psychischen Gesamtstruktur, die Unterlage bietet — , zu jenen
Phantasien also, welche das Kind zu träumen beginnen kann,
sobald es seinen früheren Aufenthalt im Mutterkörper ahnt.
Im Gegensatz zu dem, was Rank in seinem Trauma der
G e b u r t^^ — einem Buch, von dem wir später noch spredien
werden — behauptet hat, sind nun die von der Phantasie des
Erwachsenen oder Kindes geschaffenen Mutterleibsphantasien
keineswegs notwendig mit Angst besetzt. Es gibt viele
solcher Phantasien, die geradezu glückliche Träume sind. Idi
64) Zu dieser Stelle und dem Folgenden: das sdiöne Buch von
Ferenczi, Versuch einer Genitaltheorie (Int. PsA,
Verlag 1924).
6j) Rank, Das Trauma der Geburt (Int. PsA. Verlag
1924).
Wassergrube und Pendel ij3
habe zum Beispiel ein kleines Mädchen gekannt, dessen Lieb-
lingsspiel darin bestand, zu Hause mit Stühlen und Tüchern,
jjg es über die Stühle warf, kleine Häuschen, kleine ver-
sdilossene und gut abgeschlossene Schlupfwinkel zu bauen, in
denen kaum Licht und Lufl eindringen konnten; dort ver-
brachte es viele glücklidie Stunden. So sehr man sich nun
bemühte, die Kleine aus ihrem Versteck herauszuholen und ins
Freie, an die Sonne zu führen, man hatte keinen Erfolg: das
Kind verließ nur ungern die geschlossenen Räume und hielt
sich auch weiterhin am liebsten in ihrem Innern auf.
Die Analyse, die später bei dem zur Frau herangereiften
Mädchen durchgeführt wurde, zeigte, daß dieses Kinderspiel
eine diarakteristisdie Phantasie der Rückkehr in den Mutterleib
war. Bloß in diesen kleinen symbolischen Häuschen fand sie
Ruhe, das Obdach in der Mutter — wobei zu betonen ist, daß
sie die Mutter frühzeitig verloren hatte. Diese wirklich erlebten
und ihrem Ursprung treu gebliebenen Phantasien waren mit
tiefstem Glück besetzt und von jeder Angst frei. Es gibt sehr
viele, von der Imagination des Kindes, ja sogar von der des
Erwachsenen erschaffene Mutterleibsphantasien, die ebenso mit
Glück besetzt bleiben wie die hier zitierte.
Warum ist nun, fragen wir uns, die Mutterleibsphantasie,
von der ihrem Ursprung nach nichts anderes ausgehen sollte
als Ruhe, Süße, Glückseligkeit, so häufig mit Angst besetzt,
daß sie schließlich zur Angstphantasie par excellence wird?
Tatsächlich entdecken wir diese Phantasie bei der "Wurzel der
versdiiedenen Klaustrophobien; und sie ist es auch, die sich
in jener Phantasie verwirklicht, der man sozusagen den ersten
Preis für Angstphantasien verleihen könnte, in der Furcht,
lebend begraben zu werden, in dieser Angst, die gerade Edgar
Poe heimsuchte und ihm die grauenhafte und großartige
154 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
1
Vision, die Gesdiidite Lebendig begrabe n'^ eingab-
alle Gräber der Erde sind zugleich geöffnet, die Toten
bewegen sidi in ihnen im phosphoreszierenden Leuditen ihrer
Zersetzung.
Rank hat geglaubt, auf diese Frage im Trauma der
Geburt eine entsprediende Antwort geben zu können. Wir
streben alle, sagt er, nach einer Rüdikehr in jenen Zustand der
U r 1 u s t, als den wir den Aufenthalt des Fötus im Mutterleib
anspredtien müssen, in einen Zustand, in dem uns jede ver-
wirrende und bedrückende Aufregung, die von der äußeren
Welt kommt, noch erspart geblieben war, und in dem wir wie
in paradiesischer Seelenruhe badeten. Aber auf dem Weg, den
diese Regression geht, steht ein Hindernis: die Erinnerung
an das Ereignis, das jenen Zustand katastrophal beendet, uns
aus dem Paradies verjagt hat, nämlich das Ereignis der Ge-
burt und der Affekt, der damit verbunden war und der
unsere Urangst bildet. Jedesmal nun, wenn die Erinnerung
an dieses verlorene Paradies im Mutterleib uns wieder heim-
sudit, erwacht gleichzeitig die Erinnerung an das Hindernis,
das regressiv jener Rückkehr im Wege steht. Die Erinnerung
an das Paradies ist daher jedesmal automatisch mit Angst
besetzt: in das ursprünglidi paradiesische Gefängnis
strömt sozusagen die Angst zurück, die in dem engen
Brunnen der Angst erlebt wurde, durdi den man hinaus
mußte.
Das läßt sidi, wird man sagen, ganz vorzüglich auf unseren
Verurteilten der Inquisition anwenden, bei dem die Angst vor
dem Brunnen dominiert, eine Angst, die ihn jeden andern Tod,
und sei es der Tod durchs Feuer, dem Tod durch den Brunnen
vorziehen läßt, in dem Augenblick, in dem sich die brennenden
66) The Premature Burial. (Zuerst ersdiienen: August 1844,
in einer unbekannten Zeitschrift Philadelphias; Broadway Journal,
I, 24.)
k
Wasser grübe und Pendel rjj
T0(7ände des Raumes wie die "Wände des Uterus um ihn
zusammenziehen, eine Bevorzugung, die rational genommen,
uns denn doch in Erstaunen versetzt.
Die Möglichkeit einer psychologischen Erinnerung
an die Angst bei der Geburt muß jedoch bezweifelt werden.
Freud hat daher die kühne, aber allzu einfache Theorie Ranks
inHemmung, Symptom und Angst einer kritisdien
Untersuchung unterzogen.
Der Gedanke, daß die physiologischen Phänomene bei der
Geburt: Störungen im Rhythmus des Herzschlags, ja sogar
Asphyxie usw. das Urbild der Angstphänomene des ganzen
zukünftigen Lebens bilden, ging von Freud aus. Er hat ihn in
dem Kapitel über die Angst in der Einführung in die
Psychoanalyse und an einigen andern Orten ausgeführt.
Aber Rank trennte sich von Freud durch den Einfall, daß
er aus der Geburtsangst eine psychologische Erinnerung
hat machen wollen, daß er also nicht mehr bloß eine physio-
logische Tatsache in ihr gesehen hat, eine Erinnerung,
die uns unser ganzes Leben hindurch heimsuchen würde. Man
kann nun Rank, wie mir Freud sagte, von der Stelle an nicht
mehr folgen, wo er behauptet, der Fötus e r i n n e r e sich derart
an den Durchgang durch die mütterliche Vagina, daß das weib-
iidie Organ für alle menschlichen Wesen für immer mit Angst
besetzt bleibt. Rank verweist dadurch die im Zentrum stehende
Kastrationsangst in den Hintergrund, er relegiert dadurch eine
Angst, die gewiß eher als die Geburtsangst jene immer offene
Wunde mit Angst besetzt, durch die im Unbewußten aller
Mensdien das weibliche Organ dargestellt wird.
Man kann übrigens in den Mutterleibsphantasien, wenn sie
mit Angst besetzt sind — was, wie wir wissen, nicJit immer
der Fall sein muß — , audi andere Angstelemente entdecken
als es jene sind, welche von der „Erinnerung" an die Geburt
herkommen. Der Erwachsene, ja sogar das Kind, die diese
1
ij6 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Phantasien erzeugen, haben im Verlauf ihres Lebens audi andere
Angstgefühle als die bisher genannten erlebt — nämlich jene
weldie Freud in Hemmung, Symptom und Angst
in chronologischer Reihenfolge aufgezählt hat: der Geburtsangst
folgt bald die Angst der Trennung von der schützenden Mutter
die jedesmal auftaucht, wenn sie abwesend ist, dann kommt die
große Kastrationsangst, die ihm von den Erziehern zugefügt
wird in Verbindung mit dem Zurückdrängen der infantilen
Sexualität, dann erleben wir die Gewissensangst, die von der
Introjizierung der Drohungen jener Erzieher herkommt, als
letzte schließlich die Todesangst, die Angst des Idis, das narziß-
tisch für seine Existenz zittert, wenn es von der Möglidikeit des
Sterbens erfahren hat, weldie dem Unbewußten immer ver-
borgen bleibt.
Zu der Mutterleibsphantasie können nun durdi Regression
alle diese Angstzustände hinzukommen und es ist im ersten
Augenblick sdiwierig, zu unterscheiden, was von dem einen
oder von dem andern ausgeht, da diese Gefühle meistens auf
das innigste miteinander verknüpft sind.
Gehen wir nun an die eigentliche Analyse der Poeschen
Angstphantasie in "Wassergrube und Pendel heran.
Ein Unglücklidier wird durdi die Sdilechtigkeit der Väter,
die nichts anderes als der ins Unendliche, in einen Plural
der Majestät vervielfältigte Vater sind, verurteilt, weil er nidit
blind an sie geglaubt hat, weil er sich ihnen nicht unterworfen
hat, kurz, er wird wegen des Verbrediens der Ketzerei, das er
gegen den Vater begangen, zu irgendeiner sdirecklichen Strafe
verurteilt, deren Ende der Tod sein soll. Aber der Tod und
seine Vorläufer nehmen hier die — für das Unbewußte aller-
dings klassische — Gestalt der Rückkehr in den Mutterleib an,
der Rückkehr in den ursprünglichen Fötalzustand, nach dem
I
Wasser grübe und Pendel ij7
sidi die Phantasie des Mensdien den endgültigen postmortalen
Zustand vorstellt. Der Verurteilte ist in einem tiefen, unter-
irdischen, dunkeln, feuchten Gefängnis eingeschlossen, aus dem
sonderbarerweise das Gefühl der Kälte ausgeschlossen zu
sein sdieint — was umsomehr auffällt, als es am Sdiluß der
Gesdiidite von dem Gefühl der brennenden Hitze abgelöst
wird, die von den roten Wänden ausgeht, welche sich wie
ein riesiger Uterus zusammenziehen, um den Fötus in den
Itloakisdien Geburtsbrunnen zu drängen.
Wir wollen aber nicht vorgreifen! Der Verurteilte entrinnt
auf wunderbare Weise ein erstes Mal einer, wie man sagen
könnte, vorzeitigen Geburt, dem Brunnen. Er bleibt in dem
Angstuterus, der sein unheimliches Gefängnis ist, eingeschlossen,
er wird dort beherbergt, beschützt. Und dies alles, alle diese
beunruhigenden Ereignisse werden von Episoden, die eine
Art Rüdkehr in den Fötalzustand darstellen, abgelöst, von
Rückfällen in tiefe, traumlose Schlafzustände, aus denen der
Gefangene immer wieder hungrig, besonders aber durstig
erwacht. Vielleicht steckt darin (wie in der Erzählung Pyms)
eine Erinnerung an die Qualen, welche der schlechtgenährte
kleine Edgar hat erleiden müssen, als er an der Brust der
sdiwindsüchtigen Mutter nur wenig Mildi fand.
Aber nachdem der Gefangene ein erstes Mal dem kloakischen
Geburtsbrunnen entronnen ist, erwadit er. Er ist von einem
sdiwefligen Leuchten umgeben, das es ihm möglich macht, die
fürchterlichen, grimassenschneidenden Gestalten zu sehen, die
auf die Mauern des Gefängnisses gezeichnet sind. Diese scheuß-
lidien Dämonen erinnern an die Totemtiere, an jene Darstel-
lungen des Vaters durch die primitive Phantasie, und wenn der
Gefangene die Augen aufwärts richtet, entdeckt er gar die
eigentliche Gestalt des kastrierenden Vaters: er sieht die Zeit
mit ihrer Sense. Wenn nun auch unser Verurteilter in der
Finsternis seines Gefängnisses allein bleibt, in seiner Verzweif-
158 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
1
lung von jeglicher Hilfe verlassen ist, wenn die Angst vor der
Finsternis auch zum Teil dem entspricht, was Freud" über die
Angst des Kindes vor dem Dunkel gesagt hat (von der Mutter
getrennt, von der Beschützerin verlassen), so ist die Einsamkeit
unseres Opfers der Inquisition dodi nicht eine wirkliche Ein-
samkeit: von allen Seiten her wachen die schrecklichen Augen
unsichtbarer Väter über ihn, die geringste seiner Bewegungen
wird, man weiß nicht woher, belauscht, und die Zeit mit ihrer
Sense, der kastrierende Vater, ist da, anwesend, und be-
herrscht ihn.
Das Thema von den Pendeln, den großen Uhren mit den
mörderischen Stahlgewichten erscheint übrigens hier nicht zum
erstenmal im "Werke Poes. Sdion bei der Signora Psydie
Zenobia in Ein schlechter Paß — Die Sense der
Zeit"* waren die Augen aus ihren Höhlen herausgedrüAt
worden und der Kopf wurde durch den großen Zeiger einer
Kathedraluhr abgesdinitten. Wir haben es dabei gleich mit zwei
klassisdien Kastrationssymbolen zu tun, die übereinandergelegt
und — wie in der Schwarzen Katze — auf eine Frau
angewendet wurden. Die große, unheimliche Uhr im Roten
Tod mit ihrer düsteren Stimme, dem sdiweren Pendel, eine
Doublette des Totengespenstes, das neben ihr stand, war ein
Vater-Symbol, das den Untergang des Sohnes anzeigt. Nirgends
aber ist der Sohn so entwaffnet und dem Vater so masochistisdi
ausgeliefert worden, wie in der Strafe, die das Pendel im
Inquisitionsgefängnis an ihm durchführen soll. Denn bei dieser
6y) Siehe Vorlesungen zur Einführung in die
Psychoanalyse, S. 474, Int. PsA. Verlag, 19 17. Ein Kind,
das sich in einem finstern Raum befindet, in dem es Furdit hat,
bittet seine Tante, mit ihm zu spredien. „"Wenn jemand spridit",
sagt es, „wird es heller."
68) A Predicament. The Scythe of Time (The American Museum,
Dezember 1838; 1840; Broadway Journal, II, 18).
Wassergruhe und Pendel ijj
Vision ist der Sohn wie ein Neugeborener geknebelt und ein-
gewickelt, unbeweglich wie ein Fötus liegt er auf der niedrigen
hölzernen Wiege, um ihn herum die Wände des Gefängnisses,
ein Ersatz für den mütterlichen Körper, und über ihm die Zeit,
die ihr Sensenpendel sdiwingt.
Woran erinnert uns nun diese Phantasie? An Phantasien,
denen wir im Verlauf klinischer Analysen begegnen, wobei es
ganz gleichgültig ist, ob es sich um die Analysen von Frauen
oder Männern handelt. Alle diese Phantasien reproduzieren, so
seltsam dies auch dem erscheinen mag, der die phantastische
■^elt des Unbewußten nidit kennt, eine bestimmte, gleidie
Phantasiesituation: die des Kindes, das sich einbildet, noch im
Mutterleib eingeschlossen und dort beim Koitus seiner Eltern
zugegen zu sein. Man nennt diese Phantasie, mit einem ana-
lytisdien Terminus, eine intrauterine Koitusbeob-
achtung. Man kann dabei natürlich nicit von einer
„Erinnerung" sprechen! Es handelt sich zweifellos um eine
Phantasie, die gewiß erst geschaffen wurde, nachdem das Kind
Gelegenheit hatte, den Koitus der Erwachsenen zu beobachten,
den es nun regressiv in die Vergangenheit projiziert.
Aber welcher Trieb regt denn diese Phantasie an, durch
weldien unbewußten Wunsch wird sie hervorgerufen? Diese
Frage ist deshalb berechtigt, da es ebensowenig eine unbe-
gründete Phantasie gibt wie einen unbegründeten Traum. Der
unbewußte Wunsch, der eine solche Phantasie erzeugt, ist, wie
man nicht anders erwarten kann, sexueller, libidinöser Natur.
Das Kind, welches dem Koitus der Großen beigewohnt hat,
identifiziert sich im Laufe dieses Schauspiels (was einem vor-
geformten Triebmechanismus entspricht) mit dem einen und
dem andern der beiden Partner, öfters aber mit dem einen
oder dem andern, je nachdem das maskuline oder feminine
Element in ihm dominiert. Man würde nämlich fehlgehen,
wollte man annehmen, jeder einzelne unter uns sei, biologisch
1
i6o Die Geschichten: Der Zyklus Vater
genommen, ausschließlich männlich oder weiblich. Die Bisexua-
lität steckt mehr oder weniger stark in jedem Lebenden, in,
Mann beharrt mehr als ein feminines Element, so wie in der
Frau mehr als ein maskulines. Diese Tatsache wird durch die
Forschungen der Embryologie, der Anatomie, der Physiologie
glaubhaft gemacht; zu diesen Zeugnissen kommen noch die Ent-
deckungen der Psychoanalyse oder Tiefenpsychologie, bis die
Endokrinologie das entscheidende Wort gesprochen haben
Das Verhältnis jedodi, in dem sich das Männliche mit dem
Weiblichen vermengt, ist bei jedem von uns ein anderes. Es gilt
aber als eine wesentliche Bedingung für die Gesundheit des
Mannes, daß seine Konstitution das Maximum an Männlichkeit
enthält. Diese Bedingung scheint bei Poe überaus sdiledit
erfüllt worden zu sein: wir wissen bereits, wie schwächlich sidi
bei diesem psychisch gehemmten Impotenten die Männlichkeit
verteidigt hatte, und die Phantasie des Gequälten unter dem
Pendel bietet dafür einen neuerlichen Beweis.
Poe schrieb nun diese erste der Geschichten, weldie von seiner
Passivität gegenüber dem Vater sprechen, in jener Zeit, in der
die Anfälle von Paranoia — die nach Freud immer auf Homo-
sexualität basiert sind — einsetzten."^
Daß die Pendelphantasie homosexuellen Charakters ist,
erscheint uns evident: das Pendel ist ein durchsichtiger Ersatz
für den Vaterphallus, mit seiner Hin- und Herbewegung beim
Koitus. Das Kind im Mutterleib wird hier oder ist hier zu
gleicher Zeit wie die Mutter vom väterlichen Penis besessen,
durchdrungen: dank seiner bisexuellen Konstitution kann sidi
68a) Maranon, La evolution de la sexualidad y
los estados intersexuales. Madrid, Morata 1930.
65) Israfel, S. 569: die Briefstelle (Poe an Tomlin, 28. August
Z843), in c'^r Poe seinen Freund "Wilmer der Verleumdung ver-
däditigt und durdi die übelsten Beinamen besdiimpfl.
J
Wassergrube und Pendel 161
nämlich '^^^ Kind in dieser Gesdiidite mit der Frau identifi-
zieren und den väterlichen Penis nach femininem Schema in
der Phantasie erleben. Aber diese Phantasie wurde bei Poe von
einer tiefgehenden Regression und auch von einer starken Miß-
billigung begleitet, weil er doch zum größten Teil im Verlauf
seiner libidinösen Entwicklung auf der analsadistisdien Stufe
stehengeblieben, auf der er als noch nidit ganz Dreijähriger
seine Mutter verloren hatte, und außerdem, weil er, was das
Sexuelle im allgemeinen anbelangt, durch seine Erziehung
überaus moralisch geworden war. Daher äußert sidi bei ihm
der Einfall, er werde vom Vater auf eine überaus grausame
masochistische und strafende Weise besessen: der Penis des
Vaters wird zu einem menschentötenden stählernen Halbmond,
der in den Sohn eindringt und sein Herz verstümmeln
(kastrieren) wird, das schlagende Herz, weldies schon in so
vielen Erzählungen Poes das Symbol für die phallische, sexuelle,
verbotene Tätigkeit war, die bestraft werden muß. In dieser
Phantasie werden daher sowohl die libidinöse Passivität gegen-
über dem Vater als auch das Gefühl von einer sdiuldbeladenen
Sexualität ganz großartig befriedigt. Und hier finden wir
wieder das Angstproblem. Welches ist also der Ursprung der
Angst, von der diese ganze Geschichte erfüllt ist? Die Geburts-
angst würde zur Erklärung nicht ausreidien, trotzdem in der
ganzen Geschichte das Grauen vor dem Brunnen dominiert;
auch die Trennungsangst nicht, trotzdem der Verurteilte in der
Finsternis allein isoliert ist. Ich glaube, daß diese Geschichte
von der Kastrationsangst beherrscht wird, von der übrigens
audi mehr oder minder die Gewissensangst und sogar die
Todesangst herkommen. Die langsame Kastrierung des Herzens
— das durch Verschiebung zu einem phallischen Organ ge-
worden ist — droht dem Gequälten von dem funkelnden,
stählernen Halbmond. Der Schrecken vor dem Brunnen kann
gleidifalls zum großen Teil von der Furdit vor der Kastration
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 11
102 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
herkommen, da für Poe die Vagina der Frau verboten, ge-
fürditet, gezahnt und kastrierend war.
Diese ganze Geschichte beweist also, daß Poe unter dem
Druck der Kastrationsdrohung vor dem geträumten Inzest
seiner Kindheit und der Sexualität im allgemeinen ständig
zurückwich. In Freuds Hemmung, Symptom und
Angst'" befindet sich nun eine Stelle, welche unsere Angst-
gesdiichte derart beleuchtet, daß wir sie ganz zitieren müssen.
Nachdem Freud ausgeführt hat, daß in allen Fällen die Angst
— und zwar sowohl die neurotische als auch die real zu
nennende Angst — durch die Wahrnehmung einer wirk-
lichen Gefahr erzeugt wird, wobei diese Gefahr von innen
aus dem das Ich bedrohenden Trieb (neurotische Angst), oder
von außen, durdi eine Drohung, weldie von der äußeren Welt
(real zu nennende Angst) ausgeht, herkommen kann, fügt er
hinzu, indem er im besonderen von der Kastrationsangst
spridit: „Ein vollberechtigt scheinender Gedankengang von
F e r e n c z i'^ läßt uns hier die Linie des Zusammenhanges"
(der Kastrationsangst) „mit den früheren Inhalten der Gefahr-
situation deutlich erkennen. Die hohe narzißtische Einschätzung
des Penis kann sich darauf berufen, daß der Besitz dieses Organs
die Gewähr für eine Wiedervereinigung mit der Mutter (den
Mutterersatz) im Akt des Koitus enthält. Die Beraubung dieses
Gliedes ist soviel wie eine neuerliche Trennung von der
Mutter, bedeutet also wiederum, einer unlustvollen Bedürfnis-
spannung (wie bei der Geburt) hilflos ausgeliefert zu sein. Das
Bedürfnis, dessen Ansteigen gefürclitet wird, ist aber nun ein
spezialisiertes, das der genitalen Libido, nicht mehr ein be-
liebiges wie in der Säuglingszeit. Ich füge hier an, daß die
70) Hemmung, Symptom und Angst, S. 85.
71) Bezieht sidi auf den schon zitierten Versuch einer
Genitaltheorie. Siehe S. i j2, Anmerkung 64.
IM
Wassergrube und Pendel 163
Phantasie von der Rückkehr in den Mutterleib der Koitus-
ersatz des Impotenten (durch die Kastrationsdrohung Ge-
hemmten) ist. Im Sinne Ferenczis kann man sagen, das
Individuum, das sich zur Rückkehr in den Mutterleib durch sein
Genitalorgan vertreten lassen wollte, ersetzt nun regressiv dies
Organ durch seine ganze Person."
Wenn nun jemand durch Kastrationsdrohung gehemmt war,
dann war es Edgar Poe! Es kann daher niemand überraschen,
daß es in seinem Gesamtwerk von Mutterleibsphantasien,
diesen „Koitusersatz des Impotenten", nur so wimmelt, und
daß diese Phantasien in der bezeidinendsten und größten unter
allen, in Wassergrube und Pendel kulminieren . . .
Wie wir aber bereits gesagt haben, spricht diese Erzählung
nidit nur von der Rüdckehr in den Mutterleib, der durdi das
tiefe Gefängnis, den kloakisdien Brunnen, und die sich zu-
sammenziehenden Wände symbolisiert ist. Die der Verdrän-
gung des Inzests innewohnende Angst besetzt gewiß einen Teil
der Geschichte: die Genitalgefahr, welche von der Mutter, der
Frau, ausgeht, verrät sich hier in der Ausdrucksweise des
Impotenten, der Poe war — in pränataler Sprache. Und diese
der Mutter zugewendete Seite der Erzählung ist mindestens
ebenso mit Angst besetzt — vor dem Brunnen fürchtet sich der
Gequälte am meisten — wie die andere, dem Vater zugekehrte
Seite. Es darf jedoch die beängstigende Rolle, weldhe hier audi
der Vater spielt, keinesfalls unterschätzt werden.
Im übrigen trug wahrscheinlich auch die FurcJit vor der ihm
untersagten Mutter, vor der Frau, dazu bei, die Libido Edgar
Poes auf den Vater zu verweisen, wobei sie sidi der überaus
starken Bisexualität seiner Konstitution bediente. Poe entging
also dem Brunnen nicht nur fiktiv, sondern audi real bloß zu
dem Zweck, um unter dem Pendel geknebelt zu werden. Aber
auch hier konnte er der Kastrationsdrohung nicht entkommen,
welcher er beim Brunnen hatte entrinnen wollen; die Regungen
104 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
seiner unzulänglichen Sexualität waren sein ganzes Leben hin-
durdi dazu verurteilt, zwischen dem Brunnen und dem
Pendel hin und her zu schwanken, wobei jeder dieser
beiden ihn lockte, aber auf seine Art einen Kastrator darstellte
Um bei der Frau erotische Befriedigung finden zu können
hätte er dem Brunnen trotzen müssen, der "Wassergrube, die
durdi ein infernalisches Genie — die Väter, Gott, der Schöpfer!
— so angelegt wurde, „daß das sofortige Auslösdien des
Lebens keineswegs in (ihrer) Absicht lag", d. h. er gab zu
verstehen, der Brunnen sei mit Messern, schneidenden Gegen-
ständen gespickt, von denen man zerfetzt wird oder an denen
man hängen bleibt — kurz, wir haben es mit einer „Cloaca
dentata" zu tun. Um aber beim Mann Befriedigung zu finden
hätte er sich wie ein kastriertes Wesen, wie eine Frau betragen
und es dem stählernen Pendel gestatten müssen, das Herz,
den Phallusersatz, zu spalten; der ganze männliche Narzißmus
Poes wehrte sidi jedoch gegen ein solches Verhalten. Daher
waren beide Möglichkeiten der erotisciien Befriedigung, die sidi
der unbewußten Phantasie Poes infolge seiner Bisexualität
boten, für den „durch die Kastrationsdrohung Gehemmten"
im gleichen Maß mit Angst, genauer gesagt mit Kastrations-
angst besetzt. Und die angeblich phantastische Dichtung
Wassergrube und Pendel ist in Wirklichkeit der
treue und biographische Bericht von den Schwankungen der
Poeschen Bisexualität zwischen männlichem und weiblichem
Verhalten, Schwingungen, die hier und dort an die Kastrations-
drohung wie an unübersdireitbare Mauern anstießen.
Der Verurteilte entwischt ein erstesmal dem Brunnen nur
zu dem Zweck, um geknebelt unter dem Pendel zu liegen.
Dann entgeht er dem Pendel wieder nur, um neuerdings,
diesmal (durch die „uterine" Zusammenziehung der Gefängnis-
mauern) scheinbar unausweichlidi, in die unheilvolle Wasser-
grube zu geraten. Der General Lasalle allein — in dem viel-
d
Wassergrube und Pendel 165
leicht im Unbewußten Poes der gute französisdie General La
Cgyette, der damit zum Gegensatz des schlechten John Allan
wird, wieder auflebt, — der gute Vater allein, deus ex
machina, der durch eine Art Kaiserschnitt mit seinem Arm die
yjammengezogenen Mauern auseinanderzwängt, rettet den
Verurteilten aus höchster Not: eine "Wunschphantasie Poes, der
in Wirklichkeit zwischen den beiden Formen seiner Bisexualität
hin und her gestoßen wurde und nicht hoffen durfte, ihnen je
entgehen zu können.
Denn in seinem Leben wurde Edgar Poe, der wegen seiner
Verse und poetischen Ergüsse für einen leidenschaftlidien
Frauenfreund galt, im Grunde genommen immer wieder von
der ekstatischen Verlockung durch die Frau zu einer libidinösen
Unterwerfung unter den Mann getrieben, so sehr sich audb
seine Virilität dagegen zu wehren versuchte. Der zärtliche und
keusche Gatte der sterbenden Virginia verließ ihr Lager nur,
um durch plötzliche, manchmal lang dauernde Fluchtversuche
ins Wirtshaus und zu den Saufbrüdern zu geraten. Und was
noch bezeichnender ist für die psychische Verfassung dieses
Paranoikers: der verfolgte Poe blieb an seine Verfolger ge-
bunden (dies ist übrigens die Regel), er ging sie sonderbarer-
weise immer wieder um ihre Freundschaft an. Wir erinnern uns
an den kläglichen Besuch, den er seinem Feind Thomas Dünn
English machte, um ihn inständig zu bitten, sein Zeuge zu sein;
und wir haben auch nicht vergessen, daß gerade sein nieder-
trächtigster und hartnäckigster Feind, Rufus Griswold, dem er
mit Grund hätte mißtrauen sollen, von ihm zum Testaments-
„vollstrecicer" (ein Terminus, der wörtlich zu nehmen ist)
ernannt wurde.
So sah die Passivität aus, die der erwachsene Poe allen
Derivaten des „Vaters" gegenüber bewahrte; so sah die Wen-
dung aus, die seine Seele im Haus der Allan und in seiner
Kindheit durch die Berührung mit dem strengen und mächtigen
i66 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Vater genommen hatte, den er zugleich gefürchtet, gehaßt, be-
wundert und geliebt. Die konstitutionell redit bisexuelle Libido
des Kindes schwankt zwischen der zärtlichen Frances und dem
rücksichtslosen John hin und her; denn auch der Haß schafft
eine libidinöse Fixierung, und John Allan, so wie jeden späteren
Vaterersatz, mit der Kraft hassen, die Poe für seinen Haß
bereit hatte, war im Grunde genommen audi nur das Ge-
ständnis unlösbarer Anhänglichkeit.
HEUREKA"
In dem großen Hause, das John Allan 1825, nachdem er
seinen Onkel William Galt beerbt, gekauft hatte, gab es, wie
nian sich erinnern wird, geschlossene Balkone, und auf dem
Balkon des obersten Stockwerkes befand sidi außer einer
„herrlidien Schaukel", welche die Freude der Kinder war,
ein Fernrohr, durch das der junge Edgar gerne in den warmen
und klaren Näditen Virginiens die Sterne beobachtete.'^
Edgar war damals ungefähr vierzehn Jahre alt, und in dieser
durch die Pubertät getrübten Zeit, in der er schon ein Jahr
vorher den Tod seiner „Helen" erlebt hatte, projizierte der
Jüngling nach einem Mechanismus, der im Raum der Sexual-
verdrängung gültig ist, seine Seele in die Sterne. Die Kinder
und jungen Leute, die eine Leidenschaft für die Astronomie
manifestieren, versuchen auf solche Weise, unter dem Druds
der Erziehung, der Heftigkeit ihrer „schuldbeladenen"
Sexualität zu entfliehen und die Glut, die sie erregt, zu
besänftigen, indem sie im unendlichen Räume untertauchen.
Die gleidhe Flucht diktierte dem jungen Soldaten auf der
Insel Sullivan das Astralgedicht AI A a r a a f.
Als Poe im Januar 1847 in Fordham seinen armen Sdiutz-
engel Virginia verloren, als seine kleine Kind-Frau ihren
letzten Seufzer in den Himmel verhaucht hatte, packte ihn
wieder die Sehnsucht nach den Sternen. Wir wissen nicht, ob
es wahr ist, was uns ein Zeitgenosse Poes''* bezeugt, nämlich
72) Eureka. A prose poem. (New- York, Geo. P. Putnam, 1848.)
73) Siehe Bd. I, S. 48.
74) C. C.Burr (nach Israfel, S.73 1/732). Siehe auch hierBd.I,S.242f.
t.
i68 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
daß er oft „nach dem Tode seiner geliebten Frau sich in der
tiefsten "Winternacht fast erfroren im Sdinee bei ihrem Grab
aufhielt, wohin er . . . weinend und jammernd gekommen war"
Die romantische und elegisdie Mode jener Zeit hat wahrschein-
lich auch hier, wie sdion beim Bericht über den Jüngling am
Grabe der Frau Stanard, das Zeugnis beeinflußt, das Tatsädi-
liche entstellt. Sicher aber ist, und das wird durch die Zeugnisse
der Frau Clemm und anderer bewiesen, daß auf den Tod
Virginias erst eine sdiwere Depressionskrise, dann der große
Erregungszustand folgte, in dem Heureka gesdirieben
wurde.
Von Frau Clemm haben wir erfahren: Poe konnte damals
nidit sdblafen, er hatte entsetzlidie Angst vor der Finsternis
und Einsamkeit der Nädite, Muddy mußte stundenlang bei
seinem Bett sitzenbleiben und die Hand auf seine Stirne halten.
„Neben dem Haus", sdireibt Hervey Allen,"* „befand sidi ein
felsiger Abhang mit Ahornbäumen, den Poe ganz besonders gern
aufsudite. Und es gab einen Spazierweg, der einen Aquädukt
entlang führte und plötzlidi die Erde zu verlassen sdiien, um den
Granitbögen zu folgen: tagsüber konnte man dort weithin über die
Landsdiaft blicken, in der Bäume im Wind standen, weiße Dörfer
und "Wiesen zu sehen waren, die nadi Norden bis zu den Anhöhen
und zu den Inseln um die Pelham Bay reiditen, oder nach Osten
zu dem in der Ferne liegenden und leuchtenden Spiegel des Sound
hinabführten, den die Sdileppen der Dampfer streiften, und über
den Segler fuhren. Dort, in dem kleinen Friedhof, der zu seinen
Füßen lag, schlief Virginia unter Zypressen und Pinien. Über dem
Meere hinter Long Island ging der Mond auf."
Auf diesem "Wiesenweg neben dem Aquädukt irrte der
"Witwer im Sommer 1847 nächtelang unter dem Sternenhimmel
umher; dort träumte er von U 1 a 1 u m e und Heureka.
Von U 1 a 1 u m e haben wir schon gesprochen. Dieses
Gedicht, das nadi einem sideralen symbolischen Schema bekennt,
75) Israfel, S. 732; siehe audi hier Bd. I, S. 262.
Heureka i6p
flrarum Poe niemals zu einer Frau kommen konnte, war be-
stimmt vor Heureka geschrieben worden. Astarte leuchtet
am Himmel; aber während der Dichter die Zypressenallee
entlang auf sie zugeht, wird er „durdi die Tür eines Grabes"
aufgehalten, in dem seine geliebte Tote liegt. Wir wissen
bereits, welche Tote für Edgar dort drinnen ursprünglidi
begraben war: seine Mutter, aber ihre Ersdieinung war damals
durdi die der ebenfalls zarten und schwindsüchtigen Vir-
ginias verdeckt. Die Versuche, sich von der Frau zu ent-
fernen. Versuche, zu denen die verzweifelten Anstrengungen
kamen, sich der „Astarte" zu nähern, füllten die zwanzig
Monate aus, die Edgar noch erleben durfte.
Auf der einen Seite, in seinem Leben, sehen wir Marie
Louise Shew, Helen Whitman, Annie Richmond, Elmira
Shelton an ihm vorüberziehen — alle aber sollten, wie die
Astarte, für ihn unerreichbar bleiben. Auf der andern Seite,
in seinem Werk, sehen wir neben einigen Gedichten, in denen
er jene Frauen besang, die große kosmische Phantasie
Heureka emporsteigen. In H e u r e k a ist die endgültige
Flucht vor Astarte geglückt.
„Er war ungern allein",
erfahren wir von Frau Clemm^" an einer Stelle, die wir
schon zum Teil zitiert haben,
„und idi blieb gewöhnlich bei ihm. Manciimal bis vier Uhr
morgens; er saß bei seinem Schreibtisch und schrieb und idi schlief
beinahe auf meinem Stuhl ein. Als er Heureka schrieb, spazierten
wir miteinander im Garten auf und ab, er hatte seinen Arm um mich
geschlungen, ich den meinen um ihn, bis ich so müde war, daß idi
nid« mehr gehen konnte. Jeden Augenblick blieb er stehen, um mir
seine Ideen zu erklären, und er fragte mich, ob ich ihn verstehe. Ich
saß immer neben ihm, wenn er schrieb, und alle ein oder zwei
Stunden bekam er eine Tasse mit warmem Kaffee.™ * Zu Hause
76) Israfel, S. 73J und hier Bd. I, S. 262 f.
7Sa) Israfel, S. 735.
I/o Die Geschichten: Der Zyklus Vater
J
war er gut und herzlich wie ein Kind, und ich erinnere midi nidit
daß er während der Jahre, die er mit mir verlebte, es je vergesse
hätte, vor dem Sdilafengehen seine ,Mutter' — so nannte er midi ■—
zu küssen."
Trotzdem nun Poe hier bei einer Frau — allerdings bei
einer Frau, die nichts von einer Astarte an sidi hatte! — eine
Zufluchtsstätte gesudit und gefunden, war das Werk, das der
von seiner Muddy so zärtlich behütete Eddy verfaßte, Fludit
und Verneinung der Frau im allgemeinen.
An der Spitze von Heureka steht folgende Widmung:
„Den wenigen, die mich lieben, und die ich liebe, denen Fühlen
über Denken steht, den Träumern und denen, die an Träume als
an die einzigen Wirklichkeiten glauben, widme idi dies Budi der
Wahrheiten, nicht in seiner Eigenschaft als Wahrheitsträger, sondern
der Schönheit wegen, die seiner Wahrheit entströmt — die es zur
Wahrheit macht. Diesen weihe ich das Werk; als Kunstwerk, meinet-
wegen als Märchen, oder, wenn der Anspruch nicht zu hodi gegriffen
ist, als Gedidit. Das hier Vorgetragene ist wahr: darum kann es
nicht sterben; selbst wenn es durch irgendwelche Ereignisse jetzt
niedergetreten würde, so daß es stürbe, wird es ,wieder auferstehen
zu ewigem Leben'. Immerhin wünsdie ich, daß dieses Werk nach
meinem Tode einzig und allein als Gedicht beurteilt werde."
Auf diese Weise vermengt Poe das Schöne mit der Wahr-
heit, die Intuition mit dem Wissen, die Bejahung mit dem
Beweis; schon aus diesen ersten Zeilen von Heureka geht der
Größenwahn hervor, welcher ihn (in einem späteren Brief)"
zu der Behauptung drängte, der von dem großen französischen
Astronomen Laplace erfaßte Raum verhalte sich zu dem von
seiner Theorie erfaßten wie ein Bläschen zu dem Ozean, auf
dem es schwimmt . . .
77) Poe an C. F. Hoffman (V. E., Bd. 17, S. 302), wo er nadi
dem Auszug aus der Poe-Biographie von Rufus Griswold zitiert ist.
Heureka 171
„Idi will", erklärt Poe schon auf der ersten Seite von
Heureka,
„von dem physischen, metaphysischen und m a t h e-
ni a t i s c h e n, vom materiellen und geistigen "Weltall
spredien; von seinem Ursprung, seiner Schöpfung, seinem
gegenwärtigen Zustande, seinen zukünftigen
Schicksalen. Außerdem werde idi so kühn sein, mir Folgerungen
anzumaßen, und so tatsächlich den Sdiarfsinn dieser großen und
niit Redit hochgesdiätzten Gelehrten in Frage zu stellen".
Und einen Absatz später:
„Also, meine allgemeine Behauptung ist: in der ursprüng-
lichen Einheit des ersten Wesens liegt die sekun-
däre Ursache aller Dinge, zugleich der Keim
ihrer unvermeidlichen Vernichtun g."
Diese Stelle ist auch im Englischen durch den Druck hervor-
gehoben und sämtliche Hauptwörter sind mit der im Engli-
sdien sonst nicht verwendeten Majuskel versehen — ein den
Psydiiatern wohlbekanntes Symptom. Hierauf erklärt Poe ganz
schlidit:
„Zum Zwedc klarer Anschaulichkeit schlage ich vor, sich einen
soldien Überblidc über das "Weltall zu versdiaffen, daß der Geist
imstande ist, einen persönlichen Eindruck zu erhalten und zu
empfinden."
Er läßt sich nun in einen seltsamen „Discours de la
tnkhode" ein, aus dem deutlich hervorgeht, wie wenig er im-
stande ist, wissensdiafllich zu denken. Seine Freude am hoax,
am Journalistenulk, gibt ihm den barocken Einfall ein, durch
irgend jemanden einen in einer Flasche eingeschlossenen und
aus dem Jahre 2848 datierten Brief auf dem Mare Tenebrarum
finden zu lassen. Nun hat uns Poe weiter oben erklärt:
„Es gibt, in dieser "Welt wenigstens, kein soldies Ding, wie
einen ,Beweis'."
Der seltsame Korrespondent vom Mare Tenebrarum bemüht
sidi jetzt, diesen Satz zu beweisen. „Weißt du, mein lieber
172 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
:i
Freund", sagt der Schreiber in seinem offenbar an einen Zeit-
genossen gerichteten Brief,
„weißt du, daß es kaum mehr als adit- oder neunhundert Jahre
her ist, seit die Metaphysiker sich dazu herbeiließen, das Volk von
dem seltsamen Wahne zu befreien, daß es nur zwei brauchbare
Wege zur Wahrheit gäbe?"
Poe meint mit diesen zwei Wegen die Deduktion und In-
duktion, wobei er die erstere der Sdiule des Aristoteles- (weldier
hier Aries Tottle oder Ram, Widder heißt) zuschreibt, die
zweite hingegen der des Bacon (der hier den Beinamen Hog,
Schwein, bekommt). Wir überschlagen einige Seiten, auf denen
jene Denker recht schwerfällig ironisiert werden, und lesen
dann:
„Nun beklage ich mich über diese früheren Philosophen nid«
so sehr deswegen", fährt der Briefschreiber fort, „weil ihre Logik
wertlos, phantastisch unbegründet . . ., als vielmehr wegen ihrer
dreisten und protzenhafben Äditung aller andern Wege zur Wahr-
heit, als der beiden verdrehten und gewundenen Wege, wobei einer
der des Sdaleichens, der andere der des Kriechens ist, zu weldien
sie in ihrer unwissenden Verkehrtheit die Seele zu zwingen wagten,
die doch nichts so sehr liebt, als sich zu jenen Regionen unbe-
grenzter Intuition aufzuschwingen, zu denen kein Pfad führt.
Nebenbei, mein lieber Freund, ist es nidit ein Beweis für die
geistige Sklaverei, die ihr Hog und ihr Ram diesen voreingenom-
menen Leuten hinterlassen hatten, daß keiner von ihnen, trotz des
ewigen Geschwätzes ihrer Gelehrten über die Wege zur Wahrheit,
auch nur durch Zufall, auf den Weg verfiel, den wir jetzt deutlidi
als den breitesten, geradesten und brauchbarsten aller Wege — als
den großen Durchgang, die stolze Hauptstraße des Beständigen
{consistent) erkennen? Ist es nidit merkwürdig, daß sie es ver-
säumten, aus den Werken Gottes den hochwichtigen Schluß zu
ziehen, daß eine vollkommene Dauerhaftigkeit {con-
sistency) eine absolute Wahrheit sein müsse?"
Nun erklärt Poe durdi seinen angeblichen Korrespondenten,
daß die Laplace und Kepler nichts anderes waren als große
Intuitive, was keine so schlechte Beobachtung wäre, wenn nidit
i
Heureka 173
Poe durdi diese Behauptung die induktiven und deduktiven
Sdiritte ausschließen würde, die allein es diesen großen Geistern
möglidi machten, die Intuition ihres Genies der Kontrolle
durdi die Realität als höchsten Richter auszusetzen und da-
durch diesen Intuitionen in der Wissenschafi: Bürgerrecht zu
versdiaffen. Als echter Dichter verwechselt Poe hier die verifi-
zierbare Hypothese mit dem nicht verifizierbaren Träumen.
Tatsächlich kann die Intuition audi zum Träumen führen und
nichts hat stärkeren Bestand als ein Träumen, das zum Beispiel
durch irgendeinen systematischen Wahn hervorgerufen wird.
Nach dieser methodischen Abschweifung kommt Poe wieder
zu seinem ursprünglichen Thema: „Das Universum" zurück.
„Unsere These stellt die Wahl zwischen zwei Diskussionsmög-
lidikeiten frei: wir können aufsteigen oder absteigen . . ."
Die „üblichen Abhandlungen über die Astronomie" führen
[ascend, steigen) im allgemeinen von der Erde ins Weltall; Poe
nimmt sich im Gegenteil dazu vor, hinabzusteigen
(descend), d. h. er will vom Unendlichen und von Gott aus-
gehen.
Es folgt eine Diskussion über das Unendliche (infinity), die
Unmöglichkeit, es zu erfassen; dann meint Poe, es sei auch
unmöglich, sich das Endliche (limited) vorzustellen. Hierauf
fordert uns der Autor von Heureka auf, den Begriif vom
Sternenall klar von dem des eigentlichen Weltalls zu unter-
sdieiden. Der zweite Begriff allein, das „als Raum betrachtete
Weltall", entspridbt der Definition Pascals:
„es ist eine Kugel, deren Zentrum [centre) überall, deren Umkreis
(circumference) nirgends liegt".
Nach dieser Einleitung zeichnet Poe endlich das Bild seiner
eigenen Kosmogonie.
„Als unseren Ausgangspunkt wollen wir uns die Idee von der
Gottheit (Godhead) zu eigen madien. Nur der ist kein Tor, nur
174 -D/'^ Geschichten: Der Zyklus Vater
1
der ist nidit gottlos, der über diese Gottheit {in itself) niditt
äußert. ,Nous ne connaissons rien', sagt der Baron von Bielfelj
,nous ne connaissons rien de la nature ou de l'essence de Dieu-
pottr savoir ce qu'il est, il faut etre Dieu meme.' (,Wir wissen aa.
nichts von der Natur und dem Wesen Gottes: um zu verstehen
was er ist, müßten wir selbst Gott sein.')
,W ir müßten selbst Gott sein!' Selbst trotz dieser
erschütternden Äußerung, die fortwährend in meinen Ohren nadi-
klingt, wage ich es, zu fragen, ob diese jetzige Unkenntnis der
Gottheit der Zustand ist, zu dem die Seele auf immer und
ewig verdammt sein wird. Von Ihm {Hirn) also, dem jetzt
nodi Unbegreifbaren, von Ihm, wenn wir Ihn als geistiges
Wesen {Spirit) annehmen, das heißt als Nicht-Materie
{not Matter) . . . von Ihm, der als geistiges Wesen besteht, sind
wir ... erschaffen oder aus Nidits gemacht — von irgend-
einem beliebigen Punkt des Raumes durch die Gewalt seines Willens
den wir als Zentrum annehmen, in einem Zeitraum, nach dem wir nidit
näher forsdien wollen, aber der auf alle Fälle ungeheuer weit zurüdt-
liegt; von ihm also wollen wir uns erschaffen denken, als — was? . . .
Wir haben nun einen Punkt erreicht, wo nur die Intuition uns
weiterhelfen kann . . ."
Nachdem uns Poe seine Definition der Intuition noch einmal
ins Gedächtnis gerufen hat:
„Sie ist nichts als die Überzeugung, die aus
jenen Induktionen und Deduktionen entspringt,
deren Vorgänge so in Dunkel gehüllt sind, daß
sie unter unserer Bewußtseinsgrenze liegen .. .",
behauptet er, daß „eine unwiderstehliche, wenn auch unausspredi-
liehe Intuition" ihm „den Schluß aufzwingt, daß, was Gott ursprüng-
lidi schuf, daß diese Materie, die Er durch die Gewalt seines
Willens zuerst aus seinem geistigen Wesen oder aus dem Nidits
machte, nichts anderes sein konnte, als Materie im eigentlichen Sinn
des Wortes, im ureigentlichsten Zustande der — Einfachheit
{simplicity)."
„Wir wollen uns jetzt bemühen, zu begreifen, was die
Materie ist oder wäre, wenn sie in einem Zustande absoluter Ein-
fachheit sich befände. Hier wendet sich der Gedanke sofort
ihrer Ungeschiedenheit {imparticularity) zu; einem Teilchen
i
Heureka i^j
(^ partide), einem einzigen (one) Teilchen, einem Teildien
einer einzigen Art (o/ one kind), von einem Charakter,
einer Natur, einer Größe, einer Form, einem Teildien also,
formlos und leer' {without form and void), kurz: dem Atom an
sidi, dem absolut einzigartigen, individuellen, ungeteilten, doch
„icht unteilbaren, denn der, der es kraft seines Willens
geschaffen hat, hat selbstverständlich auch, kraft derselben Gewalt
seines Willens, ja einer viel kleineren, die Madit, es zu teilen. Ein-
beitlidikeit (Oneness) Ist also das einzige, was ich von der ursprüng-
lidi gesdiaffenen Materie aussage. Aber ich stelle mir zur Auf-
gabe, zu zeigen, daß der Begriff der Einheitlichkeit
völlig genügt, um Entstehung (Constitution), gegen-
wärtige Erscheinungen (existing phenomena) und die
ganz unvermeidbare Vernichtung (annihilation)
wenigstens des materiellen Universums {material
Universe) in der Zukunft zu beweise n."
Was später noch zu beweisen sein wird. Hier begnügt Poe
siA damit, einige genauere Aufklärungen über den sdiöpferi-
sdien Akt Gottes, des Vaters, zu geben.
„Indem der Wille von diesem Atom {primordial Partide) Besitz
ergriff, hat er den Akt, genauer gesprochen: die Empfängnis
(conceptiori) der Schöpfung vollendet ... Die Gestaltung des Welt-
alls hat nun auf dem Wege stattgefunden, daß das ursprünglich
und daher audi normalerweise Einheitliche (One) in den abnormen
Zustand der Vielheit {Many) gezwungen wurde . . . Die Annahme
einer absoluten Einheit {absolute Unity) im Ursein {primordial
Partide) sdiließt die der unendlidien Teilbarkeit ein {infinite divisi-
bility). Nehmen wir also an, daß das Atom durch die Verbreitung
{diffusion) im Räume nicht gänzlidi ersdiöpft sei. Stellen wir uns
ferner vor, daß von diesem Atom als Zentrum, sphärisdi, nach
allen Richtungen hin, bis zu praktisch unmeßbaren, wenn auch
endlidien Entfernungen im vorher leeren Räume eine gewisse unaus-
drüdsbar große, wenn auch begrenzte Anzahl von unvorstellbar,
wenn audi nicht undenkbar winzigen Atomen ausgestrahlt werde."
Und dann verwickelt sich Poe in eine lange und dunkle
Auseinandersetzung über die Art und Weise, in der Gott im
Weltall die heterogene Vielfalt verwirklicht.
176 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
„Nun, was für Eigenschaften können wir bei diesen Atomen
die entweder zerstreut sind oder sich in der Zerstreuung befinden'
ich sage nicht vermuten, sondern voraussetzen, wenn wir sowohl
ihren Ausgangspunkt als auch den Plan ihrer Verbreitung [„
Betracht ziehen? Da Einheit ihre Quelle ist, und Abweichun»
von der Einheit (dijference from Unity) im Plan der Zer-
streuung liegt, so müssen wir als gewiß annehmen, daß dieses
Ziel, wenigstens im allgemeinen, auch gemäß dem Plan durdj.
geführt werde, das heißt, daß die Zerstreuung einen Teil des
Planes selbst bildet. Wir werden also Abweichungen von allen
Punkten der Einheit und Einfachheit des Ursprungs bemerken.
Dürfen wir aber aus diesen Gründen uns die Atome als heterogen
ungleidiartig, ungleich groß und ungleich voneinander entfernt vor-
stellen? Und ist das vom Ursprung an so gewesen?"
Nein, sdiließt Poe, man muß den Gedanken zurüdsweisen,
„daß Überproduktion, ... als dem göttlidien Willen ent-
sprediend, anzunehmen ist". Gott hat sich damit begnügen
müssen, bei der ersten Zerstreuung der Atome ihnen eine
Formverschiedenheit {dijference of form) mitzu-
geben, „alle anderen Unterschiede", Natur, Größe, Entfernung
der Atome voneinander, „entstehen von selbst aus diesen beiden
vom ersten Moment der Konstitution der Materie an".
Hier greifen wir zurück. Wir erinnern uns an das, was der
Dichter behauptet hat, als er zum erstenmal von der ab-
normalen Vielheit sprach, die aus der ursprünglichen und
normalen Einheit hervorgeht.
„Eine Aktion von solcher Natur", sagte er, „sdiafft aus sidi
heraus eine Reaktion. Die Zerstreuung hat nur bedingt stattge-
funden, das heißt sie entfaltete in sidi selbst das Streben, zur Ein-
heit zurüdizukehren — ein Streben, das erst mit seiner Erfüllung
zerstört wird. Aber ich werde erst später mich über diesen Gegen-
stand ausführlicher äußern.
Er äußert sich nun tatsächlich über ihn und setzt uns aus-
einander:
„Wenn nun audi das unmittelbare und beständige Streben
(tendency) der Atome (die ihre Ursprungseinheit eingebüßt haben)
Heureka 177
dahingeht, ihre ursprünglidie Einheit {normal Unity) wiederzu-
gewinnen, so ist, wie erwähnt, dodi klar, daß diese Tendenz, so-
lange ihre Zerstreuung dauert, resultatlos, das heißt eine bloße
Tendenz bleibt, bis die Zerstreuungsenergie (diffusive energy) auf-
Ijijrt und das Streben auf diese Weise freie Bahn gewinnt. Da
wir nun die göttlidie Aktion als begrenzt betrachten und annehmen,
daß sie nadi der Durdiführung der Zerstreuung aufhört, so ist
klar, daß sofort eine Reaktion eintritt, deutlicher gesagt: daß
das Streben der zerstreuten Atome nach der Ursprungsein-
heit wieder aktiv wir d."
Aber das Weltall wäre ebenso sdinell verniditet wie ge-
schaffen, wenn dieses Streben sofort befriedigt sein könnte. Die
göttlidie Absicht, „die größtmögliche Summe von
Beziehungen zu schaffen" {the utmost possihle Re-
lation), wäre gefährdet, noch bevor sie erfüllt ist. Daher denkt
Poe an eine dritte Krafl, die mit der Zerstreuungs- und An-
ziehungskraft zusammen eine Art dynamischer Trilogie des
Weltalls darstellt; er nennt sie Repulsionskraft (Repulsion).
Die Repulsionskraft ist nadi Poe ein Etwas, das den
Atomen
„gleichzeitig die Annäherung . . . erlaubt, aber ihre Verschmelzung
verhindert, mit einem Worte: ein Etwas, das, bis zu einem
bestimmten Zeitpunkte, die Macht besitzt, ihrer Ver-
sdimelzung (coalition) vorzubeugen, aber in keiner Weise und in
keinem Grade die, ihr Streben nach Vereinigung (coalescence) zu
hemmen".
Das letzte Ziel, dem das vollendete Weltall zustrebt, ist
darum nidit weniger die endgültige Rückkehr zur Einheit oder
zu Gott, was ein und dasselbe ist. Die Repulsionskraft dient
nur dazu, diese Rüdekehr zu verzögern.
„Daß das repulsive .Etwas' in Wirklidikeit existiert", setzt Poe
fort, „sehen wir. Der Mensch kennt und verwendet keine Kraft,
zwei Atome in eines zu versdimelzen. Es handelt sich hier um die
festgestellte Lehre von der Undurchdringlichkeit der Materie."
Poe sieht das Prinzip in einer Betrachtung „rein geistiger
Natur" und fühlt,
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 12
1/8 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
„daß hier, aber eben nur hier, Gott selbst sich zwisdien uns und
das Problem stellt, weil hier, aber eben nur hier, der Knoten so
geschürzt ist, daß die Einmischung Gottes sidi als nötig erweist"
„Während wir nun tatsächlidi", erklärt Poe, „in der geschilderten
Vereinheitlidiungstendenz der Atome sofort das Prinzip der Newton-
sdien Gravitation erkennen, kann das, was idi von der Repulsions-
kraft sagte, die die Aufgabe hat, der momentanen Befriedigung der
Atome Grenzen zu setzen, als das verstanden werden, was wir
jetzt bald Hitze, bald Magnetismus, bald Elektrizität nennen-
durdi die schwankenden Bezeidmungen, durdi die wir dieses Etwas
auszudrücken versuchen, wird am besten gekennzeichnet, wie sehr
wir unfähig sind, seine geheimnisvollen und ehrfurchtgebietenden
Eigenschaften genau zu umschreiben."
Nun folgen einige Betrachtungen Poes über die Elektrizität
die zu folgendem Gesetz führen:
„Die Menge von Elektrizität, die durch den
Kontakt zweier Körper entwickelt wird, ist
proportional der Differenz der respektiven
Atomsummen, aus denen die Körper gebildet
s i n d."
Poe sdireibt der „Elektrizität" . . . verschiedene physikalisdie
Vorgänge, Lidit, Hitze, Magnetismus zu, glaubt aber, audi
berechtigt zu sein, „diesem rein geistigen Prinzip die haupt-
sädilichen Ersdieinungen . . . : Vitalität, Bewußtsein, Denken"
zuschreiben zu können. Dann schließt er:
„Wenn wir nun die beiden zweideutigen Ausdrücke Gravi-
tation und Elektrizität beiseite lassen, so können wir die
treffenderen AusdrUdce Attraktion und Repulsion dafür
einsetzen. Erstere ist der Körper, letztere die Seele; die eine ist
das materielle, die andere das geistige Prinzip des Universums.
Andere Prinzipien gibt es nicht. Alle Erscheinungen
müssen dem einen oder dem anderen oder beiden vereinigten Prin-
zipien zugesdirieben werden. Es ist so unumstößlidi wahr, so absolut
feststellbar, daß Attraktion und Repulsion die einzigen Eigen-
schaften sind, durch weldie wir das Universum erkennen, mit anderen
Worten: durda welche die Materie sich dem Geiste offenbart, daß
wir das volle Recht haben, zu behaupten, daß die Materie nur
Heureka lyc,
gls Attraktion und Repulsion existiert, daß Attraktion und
p.epulsion Materie sind, da es keinen Fall gibt, in dem wir nidit
gd libitum die Worte Materie, Attraktion, Repulsion zusammen-
genommen als gleichbedeutende und daher wediselseitig austausdi-
bare Begriffe gebrauchen können."
-fr
„Ich habe oben gesagt", setzt Poe dann fort, „daß, was ich als
Streben der verstreuten Atome nach ihrer ursprünglichen Einheit
genannt habe, als das Prinzip des Newtonsdien Gravitationsgesetzes
aufgenommen werden müsse . . ."
Und nun geht er von der Überlegung a priori zu der
a posteriori über.
„Jetzt wollen wir nadiprüfen, ob die sidieren Fakta des Newton-
sdien Gravitationsgesetzes uns nidit a posteriori einige rechtfertigende
Induktionen liefern können.
Was stellt das Newtonsdie Gesetz fest? Daß alle Körper ein-
ander mit einer Kraft anziehen, die den Quadraten der Entfer-
nungen proportional ist . . ." '*
Poe sdilägt uns nun vor, diesem Gesetz „eine philosophisdi
bestimmtere Fassung" zu geben:
„Jedes Atom jedes Körpers zieht jedes Atom
des eigenen oder eines andern Körpers mit einer
Kraft an, die sich umgekehrt zu den Entfernungs-
quadraten zwischen dem anziehenden und dem
angezogenen Atom verhäl t."
Nadidem Poe dann auseinandergesetzt hat, daß der Blidc
Newtons und seiner Nachfolger durch eine Art optisdien
Irrtums, einem Fehler in der Perspektive, getrübt gewesen, was
der eigentlidien Erdgravitation zuzuschreiben ist, der sie unter-
lagen, — spricht er die pathetischen Worte:
78) Ein Irrtum der Griswoldsdien Ausgabe, da es „verkehrt
proportional" heißen muß. Dieser Irrtum ist dadurdi ent-
standen, daß Griswold einen Satzteil der Originalausgabe Poes ver-
gessen hat: „ . . . with forces proportional to their quantities of
matter and inversely proportional to the Squares of their distances."
{V. E., Bd. 16, S. 215, und die Bestätigung, Bd. 16, S. 322 f.)
12*
i8o Die Geschichten: Der Zyklus Vater
„Möge der Leser mit mir an dieser Stelle einen AugenbliA
rasten und die wunderbare, unbesdareiblidie, völlig unfaßbare Ve
Wicklung der Beziehungen betrachten, die die Tatsache in sich
birgt, daßjedesAtomjedesandere Atomanzieht,
und dies in einer soldien Überfülle an Atomen, daß allein die-
jenigen, die in der Zusammensetzung einer Kanonenkugel gebunden
sind, wohl an Zahl die Sterne übertreffen (exceed probablyX (j;.
das Weltall zusammensetzen . . .
Wenn ich versuche, die Einwirkung eines einzelnen Atoms in
einem Sonnenstrahl auf sein Nadibaratom festzustellen, so kann id,
meinen Zweck nicht erreichen, ohne vorher alle Atome des Welt-
alls zu zählen und abzuwägen und die genaue Lage eines jeden
einzelnen in einem bestimmten Augenblick festzustellen. Wenn idi
es wage, das mikroskopisch kleine Stäubchen auf meiner Fingerspitze
auch nur um ein Billionstel eines Zolles zu verrücken, was ist die
Wirkung der Tat, die ich zu unternehmen wagte? Ich habe eine
Tat vollbracht, die den Mond aus seiner Bahn schleudert, die die
Sonne zwingt, nicht mehr Sonne zu sein, und die für immer das
Schicksal der unzählbaren Myriaden von Sternen verändert, die vor
dem hehren Angesiciit ihres Sciiöpfers dahinrollen und strahlen."
Aber kehren wir zu Gott, dem Vater des Universums,
zurücjk.
„Weist eine so klar erkennbare Verbrüderung der Atome nidit
auf einen gemeinsamen Ursprung hin? Läßt solch alles besiegende,
unausrottbare, völlig unabhängige Sympathie nicht eine gemeinsame
Quelle, eine gemeinsame Abstammung (paternity) vermuten? . . .
Mit einem Wort: ist es nicht vielleicht, gerade weil die Atome in
einer gewissen, unendlich weit zurückliegenden Zeit sogar mehr
als vereint waren (more than together), ist es nicht, weil
sie ursprünglich und daher normalerweise eine Einheit {One)
bildeten, daß sie jetzt unter allen Umständen, an allen Punkten,
in allen Richtungen, durch alle nur möglichen Arten der An-
näherung, in allen Beziehungen und um jeden Preis versuchen, zu
dieser völligen, unabhängigen, bedingungslosen Einheit zurück-
zukehren?"
Und nun diskutiert Poe, ob die Atome auf ein Zentrum
zustreben oder nicht.
„Ich antworte, daß sie dies tun . . ., aber daß die Ursadie,
Heureka
die sie dahin treibt, ganz und gar unabhängig ist von dem Zentrum
,1s solchem. Sie streben alle in gerader Linie einem Zentrum
y auf Grund der sphärischen Gesetze, mit denen sie in den Raum
geschleudert worden sind."
Hier taudit der Gedanke vom sphärischen Weltall auf, den
Poe später deutlicher ausführen wird.
„Jedes Atom, das einen Teil eines allgemein gleidiförmigen
Globus von Atomen bilden hilft, findet natürlicherweise in der
Riditung nach dem Zentrum mehr Atome, als in irgendeiner andern
Richtung, und wird daher, ebenso naturgemäß, audi nach jener
Riditung hingezogen. Aber es wird nicht deshalb dorthin gezogen,
weil das Zentrum sein Entstehungspunkt ist. Es gibt keinen
Punkt, an den die Atome gebunden wären, keine Räumlichkeit
konkreter oder abstrakter Natur. Nichts, was man mit dem Aus-
druck Räumlichkeit (locality) bezeidinen kann, ist als ihr
Entstehungspunkt aufzufassen. Ihr Ursprung Hegt in dem Prinzip
der Einheit (Unity). Dies ist ihr verlorener Erzeuger (this is
their lost parent).
Diese Einheit suchen sie immer, unmittelbar, in allen Rich-
tungen, wo immer sie nur Teile von ihr finden mögen, und be-
sdiwichtigen dadurch, bis zu einem gewissen Grade, ihre unaus-
rottbare Tendenz, daß sie sich auf dem "Wege zu ihrer endgültigen
Befriedigung befinden."
Der Punkt, auf den also die Atome zustreben, ist nidit ein
örtlidi fixiertes Zentrum, sondern ein allgemeines Aus-
strahlungszentrum. Wir werden jetzt sehen, daß das Newton-
sche Gesetz von der Universalattraktion nach Poe nichts
anderes ist als das Gegenspiel zum Poesdien Gesetz der Aus-
strahlung, und daß die Atome nach dem gleichen Schema zu
Gott zurückkehren, nach dem sie von ihm ausgegangen sind.
„Ob wir nun zur Idee der absoluten Einheit, der Quelle aller
Dinge" auf dem einen oder auf dem anderen Wege gelangen,
priori oder a posteriori, „immer steht die einmal gefaßte Idee
mit einer andern Idee, der von dem Zustand des Sternenweltalls,
so wie wir es jetzt auffassen, in untrennbarem Zusammenhang, das
heißt, mit der Annahme unendlicher Zerstreuung (diffusion)
im Räume. Nun kann aber ein Einklang zwischen den beiden Ge-
iSz
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
danken Einheit und Zerstreuung nidit bestehen, wenn nid,
als dritter Gedanke die Vorstellung einer Ausstrahlun
(radiation) hinzutritt. "Wenn unter absoluter Einheit der zentral
Wille verstanden wird, so ist das bestehende Sternenweltall A
Resultat der Ausstrahlung aus diesem Zentrum.
Nun sind die Gesetze der Ausstrahlung bekannt. Sie bilde
einen integrierenden Bestandteil der Sphäre. Sie gehören H
Klasse der unbestreitbar geometrischen Güter an
Aber was sagen diese Gesetze? Wie, auf welche Weise bewe«
sidi die Ausstrahlung von einem Zentrum in den Raum?
Von einem leuchtenden Zentrum strömt das Licht durdi
Ausstrahlung aus; und die Lichtmengen, die von irgendeiner gege-
benen Ebene, welche wir uns in wechselnder Stellung bald näher
bald ferner vom Zentrum gelegen vorstellen, aufgefangen werden*
nehmen im gleichen Verhältnis ab, in dem die Quadrate der Ent-
fernungen zwischen der Ebene und dem Leuditzentrum zunehmen
und nehmen in gleichem Verhältnis zu, wie die Quadrate abnehmen!
Die Fassung dieses Gesetzes kann auf folgende Weise verallge-
meinert werden: die Anzahl der Lichtteilchen, oder, wenn man
will, die Anzahl der Lichteindrücke, die die bewegte Fläche empfängt,
steht im umgekehrten Verhältnis (inversely) zu den Quadraten
der Entfernungen der Fläche. Um noch weiter zu verallgemeinern,
können wir noch sagen, daß die Zerstreuung, die Verteilung, mit
einem Worte die Ausstrahlung den Quadraten der Entfernungen
direkt proportional ist."
Dann folgt eine Zeichnung und Erklärung, die das Gesetz
der Ausstrahlung konkreter nahe bringen will.
„Wenn wir also im allgemeinen behaupten, daß die Ausstrahlung
m direkter Proportion zu den Quadraten der Entfernung steht,
so gebrauchen wir die Bezeichnung .Ausstrahlung', um den Grad
Heureka i8j
der Zerstreuung anzugeben, je nadidem wir uns vom Zentrum
entfernen. Wenn wir nun die Sache umkehren und das Wort
Konzentration anwenden, um den Grad der Zusam-
menziehung {the drawing together) zu bezeichnen, wie wir
uns jeweils dem Zentrum von einer außenliegenden Stellung nähern,
so können wir sagen, daß Konzentration im umgekehrten Verhältnis
jXi den Quadraten der Entfernung steht. In andern Worten: wir
sind zu dem Schlüsse gelangt, daß bei Annahme der Hypothese,
daß die Materie ursprünglich vom Zentrum ausgestrahlt worden
ist, und jetzt zu ihm zurückkehrt, die Konzentration bei der Rück-
kehr ganz genau so verläuft, wie wir es von der
Gravitationskraft wisse n."
So sieht die findige und trotzdem einfältige kosmisdie
Phantasie Poes aus: das Newtonsche Gravitationsgesetz wäre
nach ihr nur das Gegenteil des Poeschen Ausstrahlungsgesetzes.
Poe wendet sich nun den Sternen zu.
„Schon ein oberflächlicher Überblick über den Himmel reicht
aus, zu zeigen, daß in der Verteilung der Sterne über jene Raum-
region, in der sie gemeinsam und in ungefähr sphärischer Anord-
nung gruppiert sind, Gleichförmigkeit und eine gewisse Gleichheit
der Entfernungen vorherrscht . . ." Und an einer andern Stelle: „Auf
den ersten Blick hin werden wir dazu gedrängt, mit dem Begriff
einer Ausstrahlung die (nie davon getrennte und anscheinend
überhaupt nicht zu trennende) Vorstellung der Verdichtung um ein
Zentrum zu verbinden, wobei die Zerstreuung mit dem Grad der
Entfernung fortschreitet; kurz, die Idee, daß die ausgestrahlte
Materie sich ungleichmäßig im Raum verteilt."
Der Gedanke von der Ausstrahlung scheint nun mit dem,
was man bei der direkten Beobaciitung der Sterne entdeckt, in
Widerspruch zu stehen. Aber gerade hinter einer solchen
Trübung, einer solchen „Wolke" muß der Schlüssel des
Mysteriums zu finden sein. Der unfehlbare Analytiker Poe
bezieht sicii hier auf das Vorgehen des Polizisten Dupin in der
Angelegenheit der Rue Morgue.
„Durch die hier entstandene Schwierigkeit", ruft er aus, „durch
die Absender lichkeit springe ich mit einem Satz in das
Geheimnis ..."
1^4 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Der gewöhnliche BegrifF von der Ausstrahlung ist vom
Licht mit seinem ununterbrochenen Ausfluß von Strahlen-
strömen aus einem Zentrum genommen worden. Nun ist abe
Gott oder die Einheit kein Zentrum dieser Art! Gott hat sich
behauptet Poe, begrenzter Ausstrahlungen (determinate radia.
tion) bedienen müssen.
„Es sei mir erlaubt, den einzig möglidien Modus zu besdireiben
der es begreiflidi madit, daß die Materie durdi den Raum ausge-
streut wurde, so daß sie zu gleidier Zeit die Bedingungen der
Ausstrahlung und der im aligemeinen gleidiförmigen Verteiluno
erfüllte. *
Zur klaren Veransdiaulidiung des Vorganges wollen wir uns
zunädist eine hohle Kugel aus Glas oder anderem Stoff vorstellen
die wir an Stelle des Raumes setzen, in dem die Weltmaterie durdi
Ausstrahlung von der absoluten, unabhängigen, unbedingten Par-
tikel, die im Zentrum der Kugel sidi befindet, gleidimäßig ver-
streut worden ist.
Eine gewisse Spannung der zerstreuenden Madit (als die wir
hier den götdidaen Willen annehmen), mit anderen "Worten, eine
gewisse Kraft, deren Maß die Menge von Materie, das heißt die
Anzahl der ausgesandten Atome, ist, strahlt diese bestimmte Anzahl
von Atomen aus, und zwingt sie nadi allen Ridatungen hin aus
dem Zentrum heraus. Während dieses Vorganges vergrößert sidi
der Zwisdienraum von einem zum andern immer mehr, bis sie zum
Sdiluß in die innere Flädie der Kugel verteilt sind.
Wenn nun die Atome diese Lage erreidit haben oder zu
erreichen streben, sdileudert eine zweite Spannung derselben Kraft,
oder eine zweite, sdiwädiere Kraft desselben Charakters, wieder
durdi Ausstrahlung eine zweite Sdiidit von Atomen fort . . ., bis
diese konzentrisdien Schiditen, die immer schwädier und sdiwädier
werden, zum Sdiluß bis zum Zentralpunkt reidien und die zer-
streute Materie zugleidi mit der zerstreuenden Kraft völlig
ersdiöpft ist."
Auf solche Weise wird eine gleichmäßige Aus-
strahlung und Verteilung erreicht. Poe will nun das so ver-
wirklichte Universum der Atome untersudien.
Heureka jgj
„Sie liegen in konzentrischen Schichten. Sie sind gleidiförmig
in der Kugel verstreut. Sie sind durdi Ausstrahlung in diese Stellung
(rekommen.
Da nun diese Atome gleidiförmig verteilt sind, . . . (verhält sich)
die Anzahl der Atome, die auf der Fläche Jeder dieser konzentri-
sdien Kugeln liegen . . ., gerade proportional zur Ausdehnung dieser
Flädie.
Aber in jedem System konzentrischer Kugeln
sind die Flächen den Quadraten der Entfernun-
gen vom Zentrum proportional.
Darum ist die Anzahl von Atomen in jeder Schicht dem Quadrat
der Entfernung dieser Schidit von dem Zentrum proportional.
Aber die Anzahl von Atomen jeder Sdiidit ist das Maß der
Kraft, die diese Schicht ausgeschleudert hat . . .
Darum ist auch ... die Kraft der Ausstrahlung . . . den
Quadraten der Entfernungen direkt proportional gewesen."
Hier geht Poe auf die Reaktion über und erinnert uns
daran, daß die „Reaktion, soweit uns der Begriff zugänglidi
ist, nidits anderes (ist) als umgekehrte Aktion", woraus hervor-
geht, „daß dieses Gesetz der Rückkehr genau die Umkehrung
des Gesetzes vom Ausgange sei", d. h. die Gravitation ist das
Gegenteil des Begriffs der Ausstrahlung.
Dann folgt eine Abhandlung über das Gute und das
Sdiledite, in der seltsame Zusammenhänge zwischen der Moral
und der Kosmogonie hergestellt werden. Die Einheit wird dem
Guten gleichgestellt, die Vielheit entspricht dem Schlechten,
Deutungen, durch welcäie die Tatsache erklärt werden soll,
warum alles zur Einheit zurückstrebt und warum die Gravita-
tion „die stärkste aller Kräfte ist". Poe wiederholt sich dann,
er erklärt uns bis zum Überdruß, daß die Atome „diesen Punkt
nidit als Punkt" suchen, sondern bloß als die Möglichkeit,
zur Einheit wieder zurückzufinden. Er weist hierauf drei Ein-
wände zurück:
„Man könnte erstens sagen: ... daß die Kraft der Ausstrahlung
sidi direkt proportional zu den Quadraten der Entfernungen ver-
hält, beruht auf einer unbewiesenen Annahme."
i86 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Diesen Einwand widerlegt Poe durch die Behauptung,
„daß eine Wirkung der Maßstab ihrer Ursadie ist . . . Der zweit
mögliche Einwurf hat etwas mehr Ansprudi auf Antwort: ... ^■
ist es . . . möglich, . . . daß meine erste oder äußerste Atomsdiidi,
ihre Bewegung an der Innenflädie der angenommenen Glaskugel
einstellt, wenn eine zweite, nicht bloß angenommene Kraft nicht in
Erscheinung tritt, um dieses Einstellen der Bewegung zu erklären'"
Denn die Einstellung der ersten Bewegung ohne eine Gegen-
kraft ist nadi den Gesetzen der Dynamik unmöglich, Poe zieht
sich hier aus der Klemme, indem er sagt, im Augenblick, da sidi
Gott der ersten Ausstrahlung bedient hat, gab es noch keine
Prinzipien.
„Der U r a k t (primary act)", erklärt er uns, „die Ausstrahlung
aus der Einheit, muß von allem unabhängig gewesen sein, was die
Welt jetzt mit dem Ausdruck Prinzip bezeidinet ... Ich sage
U r akt; denn die Erschaffung der materiellen Ureinheit ist eigent-
lich riditiger als Empfängnis denn als Akt im gewöhnlichen
Sinn des Wortes zu betrachten."
Poe teilt uns dann mit, daß die „Prinzipien" von der
Reaktion herkommen, und daß es ratsam sei, -
„die Anwendung dieses Wortes auf die beiden unmittelbaren
Resultate des Aufhörens des göttlichen Willens zu besdiränken,
nämlich auf die beiden Kräfte — Attraktion und R e p u 1-
s i o n".
Dann geht er auf den dritten Einwand über, „daß der be-
sondere Modus der Verteilung der Atome, den ich angenommen
habe, nichts weiter als eine ,Hypothese' sei". Auf diesen Ein-
wand erwidert er sehr nadidrücklich, daß sich ihm alles das,
was er behauptet hat, „notwendig in einer Reihe von Vernunft-
schlüssen aufgedrängt (habe), die so streng logisch auf-
gebaut sind wie irgendeine euklidische
Beweisfolge" und infolgedessen unwiderleglich. Alles,
was er behauptet hat, beruht auf der „Augenscheinlichkeit der
Verhältnisse", dem Prinzip des „logischen Axioms", von dem
er uns im folgenden ein Beispiel gibt:
Heureka 187
„Mein Urpartikel ist die absolute Beziehung s-
losigkeit. Um zusammenzufassen, was ich gesagt habe: idi bin
davon ausgegangen, daß ich einfach als gegeben nahm, daß der
Anfang nichts hinter oder vor sich habe; daß es in der Tat ein
Anfang und nichts weiter als ein Anfang war, kurz, daß dieser
Anfang das war — was er wa r."
Poe weist nun audi die zurück, welche an eine „unendliche
Ausdehnung der Materie" im unendlidben Raum glauben. In
einem solchen Fall gäbe es keine Strebung der Atome zur
Rückkehr nach einem Zentrum, denn wenn die Atome ins
Unendliche des Universums verstreut sind, dann
„bestehen gleichviele Tendenzen zur Einheit vor wie hinter dem
zur Bewegung sich anschidcenden Atom, so daß es ein Unfug ist,
zu behaupten, daß eine unendliche Linie länger oder kürzer sei,
als eine andere unendliche Linie ... So muß also besagtes Atom
für immer und ewig an seinem Platz verbleiben. In den unmög-
lichen Verhältnissen, die wir hier einzig und allein um der Erörte-
rung willen anzunehmen uns bemüht haben, würde es kein Aggregat
der Materie, weder Sterne nodi Welten geben; lediglich ein ewig
atomisches und vernunftwidriges Weltall.
Wenn wir uns aber vorstellen, daß die Atome in einer Kugel
verteilt sind, so begreifen wir sofort eine Tendenz zur Vereinigung,
die befriedigt werden kann. Da nun das allgemeine Resultat der
Tendenz jedes zu jedem eine Tendenz gegen das Zentrum hin ist,
so beginnt der Vorgang der Kondensation oder Annäherung durdi
eine gemeinsame und gleichzeitige Bewegung sofort mit der Zurück-
ziehung des göttlichen Willens . . .
Was ich dem Leser ganz besonders einprägen möchte, ist
folgendes: es entstanden sofort (nach der Zurückziehung der zer-
streuenden Kraft, also des göttlichen Willens) an unzähligen
Punkten durdi die ganze Kugel des Universums hin, entspringend
aus dem beschriebenen Zustand der Atome, zahllose Anhäufungen,
die durch unzählbare spezifische Unterschiede in Form, Größe,
Wesensart und gegenseitigen Entfernungen charakterisiert werden.
Die Entwicklung der Repulsion (Elektrizität) muß naturgemäß
gleichzeitig mit den ersten besonderen Bemühungen zur Einheit
begonnen haben und muß im Verhältnis zur Zusammenwachsung, das
heißt zur Verdichtung oder zur Heterogenität sich gesteigert haben.
1
i88 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
So geben sich also im engsten Zusammenhange die beiden
eigentlichen Prinzipien, Attraktion und Repulsion, Materielles und
Geistiges, die Hand. So schreiten Körper und Seele vereinigt dahin."
Nachdem uns nun Poe die widitigsten Grundsätze seiner
eigenen Kosmogonie vorgeführt hat, resümiert er die Nebular-
theorie von Laplace.
Dann spielt er sidi so auf, als ob sein System sich mit „der
prachtvollsten aller Theorien", mit der Kosmogonie von
Laplace begegne; einige Zeit lang ist er mit Laplace einer
Meinung, schließlich aber rückt seine Betrachtung wieder von
ihm ab. Dabei wird unsere Überlegung vorerst mit einer
recht dunklen Behauptung versorgt, die sich auf die Re-
pulsion (elektrische Influenz) und Attraktion (Gravitation)
bezieht, oder anders gesagt, auf den Körper und die Seele, die
vereinigt dahinsdireiten, und zwar in dem Augenblick, in dem
die Sonne im Begriff ist, die verschiedenen Ringe zu bilden,
welche zu Planeten werden, eine Behauptung, die natürlidi
nicht bei Laplace zu finden ist, sondern bei Poe. Dann erfahren
wir von unserem Dichter:
„Da die Kondensation minimal und bei keinem Körper als
völlig abgeschlossen betrachtet werden kann, so können wir vor-
aussehen, daß in jedem nadiprüfbaren Fall die Sternenkörper, ob
es sich nun um Monde, Planeten oder Sonnen handelt, Anzeichen
von Leuchtkraft aufweisen werden."
Hierauf führt Poe das Leben selbst auf eine höhere Mani-
festierung der Elektrizität zurück, die ihrem Repulsionsprinzip
gleichgesetzt wird. Und wir erfahren,
„daß die Entwicklung der Erd-Vitalität im
gleichen Verhältnis mit der E r d- Ko n d e n sa t ion
fortschreite t".
Dann fragt er sich — indem er diese Annahme aus der
Theorie von Laplace deduziert — , ob die aufeinanderfolgenden
Generationen neuer Tierarten, diese immer vollendeteren
Heureka
.Rassen nidit mit den aufeinanderfolgenden Planetabstoßungen
Jer Sonne im Zusammenhang stehen, wobei diese Sonne
jedesmal, wenn sie sich eines der verhärteten Ringe entledigt
hat, in ihrem nackten und befruchtenden Glanz neu ersdieint.
Die Tatsadie, daß damals eben das Teleskop von Rosse eine
große Zahl sogenannter „Nebulae" als einen Haufen von
Sternen hat erkennen können, eine Tatsache, durdi weldie für
viele Wissenschaftler die Theorie des Laplace erledigt wurde,
sdieint für Poe im Gegenteil eine Bestätigung dieser Theorie zu
sein. Denn wenn die Poesdie Idee einer Aussendung aller Atome
des Universums durch Gott aus der Urpartikel der Wirklidi-
keit entspricht, dann müssen diese ersten Maßnahmen Gottes in
einer so weit zurückliegenden Zeit stattgefunden haben, daß
vor unserem Auge nirgends mehr die ursprüngliche gasartige
Nebularsubstanz ersdieinen kann. Laplaee jedodi hat an die
Aktualität der ursprünglichen gasartigen Nebelmassen ge-
glaubt, er hat an die Unendlichkeit des Atomuniversums
geglaubt!
„Die am wenigsten berechtigte Annahme von Laplace besteht
darin, daß er den Atomen eine Bewegung gegen das Zentrum
zusdireibt, trotzdem er offenbar der Meinung ist, daß die Atome
in unbegrenzter Folge sich durch den Weltenraum hin verbreiten",
eine Bedingung, die nadi Poes Meinung jede Bewegung ver-
hindern müsse. Der Diditer gesteht dem Gelehrten jedoch zu,
daß der „an das Wunderbare grenzende mathematisdie
Instinkt" Laplace bei seiner Nebularkosmogonie
„mit verbundenen Augen durch ein Wirrsal von Irrtümern zu
einem der leuditendsten und wunderbarsten Tempel der Wahrheit
geführt"
habe.
So beurteilt Poe, der das Rätsel des Universums hiemit
endgültig entziffert, seinen allzu schüchternen, zurückhaltenden
Vorgänger. Die Astrophysik des zwanzigsten Jahrhunderts hat
190 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
ihrerseits überaus radikal einen Teil der Nebularhypothese
des Laplace verworfen, da das ursprüngliche Sonnensystem
nadi ihrer Meinung sich niemals schnell genug um sidi selbst
gedreht habe, um die Aussendung der Planeten zu ermögljdien
und auch deshalb, weil der Maßstab unseres Systems zu klein
ist, als daß die nach der Hypothese von Laplace von der Sonne
ausgeworfene relativ kleine Menge an Materie sidi nicht im
Räume verloren hätte. Die Nebularhypothese kann sidi daher
nur mehr auf die „Nebulae" beziehen, weldie die Millionen
Sonnen hervorgebracht haben, nicht aber auf die Planeten-
systemeJ*
Die Kritik Poes konnte natürlidi nicht diese modernen Er-
kenntnisse vorwegnehmen. Im Grunde genommen wirft Poe
Laplace, dem Gelehrten, der gesagt haben soll, er benötige
für die Himmelsmechanik diese Hypothese (Gott) nidit, vor,
die intuitive Vision eines Gottes, der die Urpartikel, den
Ursprung des Universums, aussendet, habe bei ihm gefehlt.
*
Dann malt Poe die große Freske des von ihm geschauten
Universums.
„Fassen wir also unser Sonnensystem als den allgemeinen oder
ungefähren Typus aller anderen auf, so sind wir so weit vorge-
sdiritten, daß wir das Weltall als einen kugelförmigen Raum an-
sehen können, durdi den mit nur rein prinzipieller Gleidimäßigkett
79) James Jeans, The Universe. (Französisdie Ausgabe bei Payot,
Paris 1930.) Die Hypothese, weldie augenblidilidi versudit, die
Nebulae bei der Bildung unseres Systems zu ersetzen, ist die
Gezeitentheorie. Sdion Buffon hat sie aufgestellt, ohne sie
jedoch mathematisdi beweisen zu können. Nadi dieser Theorie sollen
die Planeten ihr Entstehen dem Durchgang eines Sterns durdi die
Nähe der Sonne verdanken, wobei ein Teil der Sonnensubstanz
in der Form einer langen Flosse oder von Materiefaser, die sidi
dann zu voneinander getrennten Planeten zerteilt hat, mitgerissen
wurde. Daraus ginge hervor, daß die Bildung von Planeten einen
im "Weltall selten vorkommenden Unfall darstellt (S. 196 ff.).
J
Heureka lat
eine gewisse Anzahl von Systemen mit rein prinzipieller Ähnlidi-
l6i ausgestreut ist.
Wir -wollen jetzt unsere Vorstellung erweitern und jedes dieser
Systeme als ein Atom in sich betrachten, was es ja tatsädilich auch
jst, wenn wir es nur als eines der unzähligen Myriaden von
Systemen betrachten, die das "Weltall bilden. Wenn wir sie nun
alle als riesenhafte Atome betrachten, jedes von der unausrottbaren
Tendenz zur Einheit erfüllt, die die wirklichen Atome, aus denen
es besteht, charakterisiert, so kommen wir mit einem Schlage zu
einer neuen Ordnung von Gruppierungen. Die kleineren Systeme,
die sidi in der Nachbarschaft eines größeren befinden, werden sich
unbedingt mehr und mehr diesem nähern müssen. Hier werden
tausend, dort eine Million, an anderer Stelle vielleicht eine Trillion
sich versammeln und rund um sich unmeßbare Leeren im Räume
lassen. Und wenn man mich jetzt fragt, warum ich bei diesen
Systemen, bei diesen wahrhaft titanischen Atomen (ich spreche nur
von einer Versammlung, aber nicht, wie im Fall der positiven
Atome, von einer mehr oder weniger verdichteten Körperbindung)
_- wenn man mich nun fragt, warum ich meine Vermutung nicht
bis zu ihrem richtigen Schlüsse durchführe, warum ich nicht an
diesen Ansammlungen von Systematomen erläutere, wie sie ihrer
Konsolidation zu Sphären zueilen, wie jedes sich zu einer pracht-
vollen Sonne verdichtet, so antworte ich: [xsUovra taÜTO, ich habe
nur einen Augenblici lang auf der erhobenen Schwelle der Zukunft
gezögert. Im jetzigen Stadium nennen wir diese Versammlungen
Haufen und sehen sie im Anfang ihrer Konsolidation; ihre absolute
Vereinigung liegt noch in der Zukunft.
Nun sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir das Weltall
als einen kugelförmigen Raum betrachten, in dem Sternhaufen
ungleich zerstreut sind. Ich bitte, das Augenmerk darauf zu richten,
daß idi hier das "Wort ungleich der früher gebrauchten Redens-
art ,mit nur rein prinzipieller Gleichmäßigkeit' vorziehe. Es ist
selbstverständlich, daß die Gleichheit der Verteilung in dem gleichen
Verhältnis abnimmt, in dem die Agglomeration zunimmt, das heißt
die Dinge an Zahl abnehmen. So kann also die Zunahme der
Ungleichheit, eine Zunahme, die bis zu dem mehr oder weniger
fernen Zeitpunkt fortschreiten wird, wo die größte Agglomeration
alle anderen absorbieren wird, nur als ein bestätigendes Symptom
der Tendenz zur Einheit betrachtet werden."
192 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Das heißt, daß für Poe der gegenwärtige Zustand des
Universums der in Bewegung befindlichen Rückkehr dj. 1
Materie zur Einheit entspricht. Nadi der Meinung Poes be-
stätigt die teleskopische Beobaditung seine Ansidbt: sie erlaubt
es uns,
„zu sehen, daß das wahrnehmbare Weltall als System unter
den ungleichmäßig verstreuten Systemen exi-
stier t".
Und nun läßt Poe vor unseren Augen die Sterne vorüber-
ziehen: erst sehen wir die Mildistraße, die Poe sich als eine
von einem Ring umsdilossene „linsenartige Versammlung von
Sternen" vorstellt, dann kommen jene Räume hinter ihr, weldie
von den Haufen, die man ungenau „Nebulae" nennt, bevölkert
werden und die nach Poe nichts als Anhäufungen von Sternen
sind. Er betraditet den Himmel und entdeckt dort, was man
damals zu sehen glaubte, nämlidi ein Band von Nebelflecken,
„ein Band von ungleidier Breite, das sich von einem Horizont
zum andern zieht und im rechten Winkel zur Durdischnittsriditung
der Milchstraße steht". „Dieses Band", ruft er nun aus, „ist der letzte
Haufe der Haufen; dieser Gürtel ist das U n i v e r s u m."
Und einige Zeilen später: „Es gibt keinen unhaltbareren, ... astro-
nomischen Irrtum als die Behauptung einer absoluten Unbegrenzt-
heit des Sternenweltalls . . . Wenn die Sternenfolge endlos wäre,
so wäre der Hintergrund des Himmels gleichmäßig beleuchtet, wie
wir das bei der Mildistraße finden, da kein einziger Punkt
im ganzen Hintergrunde zu finden wäre, wo kein
Stern sich befand e."
Das Gegenteil ist aber wahr, unsere Teleoskope finden „in
unzähligen Richtungen" leere Räume. Das sind
„Ausblicke durch die Grenzwälle des Sternenweltalls in das hinter
jjlj ihm drohende, unbegrenzte All der Öde . . .
' So begreifen wir also die Inselnatur unseres Universums ...
Aber darf man schließen, daß wirklich kein materieller Punkt
jenseits der erreichten Grenze liegt, weil wir durch die Begrenztheit
unserer Sinne gezwungen sind, an den Grenzen des Sternenweltalls
haltzumachen? Haben wir oder haben wir nicht das Recht, durdi
Heureka 193
Analogie den Schluß zu ziehen, daß dieses wahrnehmbare Universum,
dieser Haufe der Haufen nur ein Teil einer Reihe von Haufen
jjef Haufen sei, deren übrige uns unsichtbar bleiben . . . wegen der
Entfernung ..."
An dieser Stelle verteidigt sich der Dichter, mit anderen eine
mensdilidie Schwäche zu teilen und an das Unbegrenzte zu
glauben.
„Das menscblidie Gehirn hat offenbar eine große Neigung für
das Unendliche und spielt gerne mit diesem Phantom . . .
Trotzdem mag es ja eine Klasse von höherstehenden Intelligenzen
geben, für die diese Durchschnittsanlage alle Anzeidien einer Mono-
manie trägt."
Aber die Antworten, die uns Poe nun auf seine Fragen
gibt, zeigen seine Abhängigkeit von der Idee des Unendlichen.
„Haben wir das Recht, eine unendliche Reihe von Haufen
der Haufen oder von U n i v e r s a mehr oder weniger ähnlicher
Art anzunehmen oder vielmehr uns auszudenken? Ich antworte,
daß das Recht in einem soldien Fall ausschließlich von der
Kühnheit der Einbildungskraft abhängt, die sich an diese Frage
wagt. Idi möchte hier nur erklären, daß ich, was midi betrifft,
mich sehr zu der Einbildung hingezogen fühle (ich wage hier
keinen anderen Ausdruck zu gebrauchen), daß eine endlose Folge
von Universa existiert, die mehr oder weniger demjenigen ähnlidi
sind, das wir kennen, demjenigen, das allein wir jemals kennen
werden, wenigstens bis die Rückkehr unseres eigenen Universums
zur Einheit erfolgen wird. Wenn aber solche Haufen von Haufen
bestehen — und sie bestehen — , so ist es reichlich klar, daß sie,
da sie keinen Teil an unserem Ursprung hatten, auch keinen Anteil
an unseren Gesetzen haben. Sie ziehen uns nicht an, und wir ziehen
sie nicht an. Ihre Materie, ihr Geist ist nidit unserm gleidi, gehören
nidit zu dem, was in irgendeinem Teile unseres Universums Ein-
fluß und Wert besitzt. Sie können weder unsere Sinne, noch unsere
Seele beeinflussen. Zwischen ihnen und uns, wenn wir sie alle für
einen Augenblick gesammelt betrachten, gibt es keine gemeinsamen
Einflüsse. Jedes existiert allein und unabhängig im Schöße
seines eigenen und besonderen Gotte s."
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 15
194 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Dann folgt eine Art Hymnus auf die Größe der Sdiöpfun»
d. h. auf die zeugende Madit des Sdiöpfers, der Körper aus-
gesandt hat, deren Inhalt, Gewicht und Abstand die Bered-
samkeit eines Erzengels herausfordern würde! Hierauf werden
die Keplersdien und Bodesdien Gesetze und mehrere großg
astronomisdie Zahlen zitiert.
Wir wollen uns aber hier nicht lange damit aufhalten, auf
die wissenschaftlichen Irrtümer Poes hinzuweisen; wir be-
sdiränken uns darauf, der Entwicklung seines Gedankens zu
folgen. Sein Ziel ist, uns die „absolute Genauigkeit der An-
passung Gottes" bewundern zu lassen, und er zitiert uns
als Beispiel für diese universale Anpassung, für die Möglidi-
keit, die Ursache an die Stelle der Wirkung einzusetzen, die
Tatsadie, daß im Polarklima, dort wo „die mensdiUdie
Maschine, um ihre animalische Wärme zu erhalten, . . . eine
große Menge stickstoffhaltiger Nahrung, wie z. B. Fischtran"
{sie) benötigt . . ., „der Tran der Robben und Walfisdie fast die
einzige Nahrung ist, die die Natur dem Menschen bietet", was
„eine absolute Gegenseitigkeit der Anpassung"
darstellt. Man sieht hier und auch an andern Stellen, sdiließt
Poe, daß „die göttlichen Pläne . . . vollkommen" sind, im
Gegensatz zu den Plänen der Mensdien, und daß „das Welt-
all ... ein göttlicher Plan" ist. Auf solche Art wird der so
oft siditlidi wunderbare Endzustand, in dem sich der lebende
Organismus befindet, ein Finalismus, der wahrscheinlidi eine
Folge tausendjähriger durch unsere Nervenzentren gelenkte An-
passung an das Milieu ist, von Poe in die anthropomorph
gesehene Gesamtheit des Universums projiziert und auf die
allwissende und alles voraussehende Weisheit des sdiöpferi-
schen Vaters bezogen.
Gerade an dieser Stelle aber verteidigt sich Poe gegen die
Neigung des menschlichen Geistes zu Analogieschlüssen, als ob
er gegen die unbewußt erfaßte Tatsadie protestieren wollte,
I
Heureka ijj
daß auch seine Überlegungen nadi jenem Schema vor sidi
gehen. Man darf nicht glauben, sagt er, daß die Sterne im Un-
gudlidien um immer größere Globen, die aktuell existieren,
sidi drehen! Das wäre ein falscher, auf Analogie aufgebauter
Sdiluß. Man darf nicht den gleichen Irrtümern verfallen wie
Mädler, der einen enorm großen, jetzt finsteren Globus im
Zentrum der Milchstraße postuliert hat. "Was tatsädilidi vor-
geht, ist anderer Natur. Zeigt uns nidit das Teleskop, daß in
den kreisförmigen Nebelflecken Hersdiels
„an jeder Seite Sternenmassen sidi befinden, die sich nadi
außen zerstreuen, als wenn sie, angezogen durch
eine Riesenmacht, einer großen Zentralmacht
zustürzen wollten?"^"
Hier haben wir, sozusagen dem Leben entnommen, die
Rüdckehr der Materie zur Einheit vor uns, eine Rückkehr, die
schon begonnen hat, aber vom Ende ncdi weit entfernt ist. In
der Zukunft aber wird die Konzentration jeglicher Materie in
einem kolossalen Globus stattfinden, und das ist der vorletzte
Akt des Dramas. Um sich von dieser Endkonzentration einen
rediten Begriff zu madien, bedarf man nidit des Hinweises auf
eine Hypothese, nach der der Äther die Himmelsbewegungen
verlangsame. Gott genügt. Es wäre eine Gottlosigkeit sonder-
gleidien, anzunehmen,
„daß das Ende weniger einfadi, weniger unmittelbar, weniger
selbstverständlich, weniger künstlerisch herbeigeführt werden könne,
als durch die Reaktion auf den S c höp f u n g s ak t".
Und nun entwirfl; Poe ein Bild vom gegenwärtigen Zustand
des Universums:
„Kehren wir also zu einer unserer früheren Annahmen zurüde
— die Systeme, die Sonne mit ihren Planeten wollen wir nur als
ein titanisches Atom auffassen, das im Raum vorhanden ist, begabt
80) Hier verwediselt Poe (nach Dr. Nidiol) wahrscheinlich die
siditbare Auswerfung der Nebularsubstanz mit dem, was er pro-
gressive Annäherung nennt.
13*
196
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
mit derselben Neigung zur Einheit, die im Anfang die editen Atom
nach ihrer Ausstrahlung durch die Weltallkugel kennzeichneten "
Unter dem Einfluß dieser Neigung streben die „System-
Atome" zu ihren Aggregationszentren oder Haufen zurüde und
die Haufen selbst zu einem gemeinsamen Zentrum. Das wäre
nadi Poe „die sdirecklidie Gegenwart". Aber unser mit den
Sternen jonglierender Prophet will nun ein Bild der Zukunft
entwerfen :
„Eine rationelle Analogie kann uns helfen, eine Hypothese der
Zukunft zu bilden, die nodi schredilidier ist. Da das Gleidigewidit
zwisdien den zentripetalen und zentrifugalen Kräften jedes Systems
notwendigerweise zerstört werden muß, sobald es sich bis zu einem
bestimmten Grad dem Kern des Haufens nähert, zu dem es gehört
so muß daraus eines Tages ein diaotisdier oder wenigstens scheinbar
chaotischer Sturz der Monde auf die Planeten, der Planeten auf
die Sonnen, der Sonnen auf die Sterne erfolgen; und das allge-
meine Resultat dieses Sturzes muß die Agglomeration der Myriaden
jetzt am Firmament stehender Sterne in eine fast unendlich kleinere
Zahl von fast unendlich größeren Kugeln sein . . . Dann werden
in unermeßlichen Abgründen unvorstellbare Sonnen aufstrahlen,
aber das ■ alles wird nur ein prachtvoller Höhepunkt sein, der das
große Ende einleitet . . . Während ihrer Konsolidation haben sich
die Haufen mit erschreckend wachsender Geschwindigkeit ihrem
allgemeinen Zentrum zugestürzt, und bald werden mit einer tausend-
fach verstärkten elektrischen Geschwindigkeit, wie sie ihrer mate-
riellen Größe und der geistigen Heftigkeit ihrer Einheitsneigung
entspricht, die majestätischen Überbleibsel der Sternenmasse in allge-
meine Umarmung stürzen. Die unvermeidliche Katastrophe ist da.
Aber was ist nun diese Katastrophe? Wir haben gesehen, wie
die Kugeln vereinigt wurden. Müssen wir von jetzt an annehmen,
daß diese materielle Kugel der Kugeln, diese einzige
materielle Kugel, das ganze Universum bildet und es fülle?
Soldi eine Vorstellung stände in vollständigem Widerspruch zu
allen in dieser Abhandlung ausgesprochenen Annahmen."
Denn diese Kugel der Kugeln würde, wie wir sehen werden,
nicht bestehen können. Poe glaubt, dies durch folgende spitz-
findige Argumentation zu beweisen: Wir haben, sagt er,
Heureka 157
die elektrisdie Einwirkung als Repulsivkraft aufgefaßt, die
allein der Materie möglich mache, in dem Zustand der Zer-
streuung zu existieren, der zur Vollendung ihrer Schidcsale not-
wendig ist . . ■"■
Nehmen wir das göttliche Prinzip einer Gegenseitigkeit der
Anpassung als gegeben an, dann ist es uns
„umgekehrt . . . auch erlaubt, die Materie als einzig und allein
zugunsten dieser Einwirkung, zur Sicherung der Ziele
dieses geistigen Äthers, eingesetzt zu betrachten. Durch die Materie
und mit ihrer Hilfe durdi die Kraft ihrer Heterogenität wird dieser
Äther offenbar, wird der Geist individualisier t",
so weit, daß er schließlidi den Gedanken zeugt. Nun muß
„jedes Werk, das einem göttlichen Einfall entsprungen ist, mit
seinem ihm zugehörigen Ziele existieren und mit dessen Erreidiung
dem Nichts anheimfallen",
die Materie muß mit dem Leben und dem Denken sterben,
nadidem sie das Leben und das Denken konditioniert hat —
„und ich zweifle nidit daran, daß die meisten meiner Leser,
wenn sie die Z w e c k I o s i g k e i t der letzten Kugel der Kugeln
erfaßt haben, meiner Folgerung beistimmen werden: so kann sie
also nidit mehr bestehen".
„Wenn also nadi Vollendung ihrer Zwecke die Materie zu
ihrer ursprünglichen Einheit zurüdcgekehrt sein wird, zu dem
Zustand, der die Austreibung des trennenden Äthers voraussetzt . . .,
wenn also, wie ich sagte, die Materie nadi Austreibung des Äthers
zur absoluten Einheit zurückgekehrt sein wird, so wird die Materie
(um etwas paradox zu spredien) ohne Attraktion und Repulsion
bestehen — mit anderen Worten: Materie ohne Materie, oder keine
Materie sein. Wenn sie in die Einheit versinkt, so wird sie zu-
gleidi in jenes Nichtsein versinken, das für alle endliche Vor-
stellung mit der Einheit identisdi sein muß; in jenes materielle
Nidits, aus dem allein sie hervorgegangen, aus dem allein sie durch
den Willen Gottes erschaffen worden sein kann.
Ich wiederhole also: bemühen wir uns zu begreifen, daß dieser
letzte, aus allen andern zusammengesetzte Globus augenblülich
versdiwinden wird, und daß nur Gott allein als All im All
bestehen wird.
198 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Aber sollen wir hier stehenbleiben? Durchaus nidit. Aus die
Agglomeration und Auflösung des Weltalls kann, wie wir unsdiw '
begreifen können, eine neue Reihe von Zuständen hervorgehe
eine neue Sdiöpfung und eine neue Ausstrahlung, die in sidi selb '
zurücikehrt, eine neue Aktion des göttlichen Willens mit sein
Reaktion. Wenn wir unsere Vorstellungskraft von jenem oberst
aller Gesetze, von dem Gesetz der Periodizität leiten lassen, sind
wir dann nicht mehr als berechtigt, den Glauben zu hegen — sage
wir lieber, uns der Hoffnung hinzugeben — , daß die Vorgang
die wir hier zu betrachten gewagt haben, immer und immer uni
immer wieder erneuert werden könnten? Daß ein neues Weltall
ins Dasein tritt, und dann seinerseits ins Nichts versinkt — [,.•
jedem Schlage des Gottesherzens?
Und was ist nun das Gottesherz? Es ist unser eigenes Herz"
ruft Poe aus, dessen heiliger Eifer auf diesen letzten Seiten
immer stärker anwädist. „Laßt nicht die nur scheinbare Unehr-
erbietigkeit dieses Gedankens eure Seelen . . . abschrecken" und
wendet euch nicht ab von der tiefen Ruhe der Selbstbeobach-
tung, durch welche diese Wahrheit aufscheint. Denn tatsächlidi
„wandeln (wir) durdi die Geschicke unseres Weltdaseins, um-
geben von schattenhaften, aber immer gegenwärtigen Erinnerungen
an ein größer gestaltetes, in früher Vergangenheit weit zurüdc-
liegendes und unendlich furchtbares Geschick.
Die Jugend, die wir erleben, ist besonders heimgesudit von
soldien Träumen, die wir jedodi niemals als Träume ansehen.
Wir erkennen Erinnerungen in ihnen . . . Solange diese Jugend
andauert, ist das Gefühl unserer persönlichen Exi-
stenz, das natürlichste von allen unseren Gefühlen . . ., (und)
daß es hätte sein können, daß wir niemals zu einer Exi-
stenz gekommen wären, das sind Betrachtungen, die uns in
der Jugend wahrlidi schwerfallen. Von allen Fragen scheint
uns, bis wir erwachsener sind, die Frage am schwersten
zu beantworten, warum wir vielleicht nicht hätten existieren können.
Bis zu diesem Alter scheint die Existenz, die persönliche Existenz,
die Existenz zu jeder Zeit und selbst in der Ewigkeit, uns ein
normaler und fragloser Zustand — es scheint uns so, weil
es so ist.
I
Heureka 199
Aber dann kommt die 2eit, da eine konventionelle Weltweis-
Ujit uns aufweckt und der Wahrheit unserer Träume entzieht.
ZweiWj Überraschung und Unbegreiflichkeit stellen sidi im selben
Augenblidie ein. Sie sagen: ,Du lebst, und es gab eine Zeit, wo
du nidit lebtest. Du bist geschaffen worden. Es gibt eine höhere
Intelligenz als deine, und nur durch diese Intelligenz lebst du
überhaupt . . .'
Es gibt keinen denkenden Menschen, der nicht in einem gewissen
liditen Augenblicke seines Gedankenlebens sich in ein Chaos frucht-
loser Versuche verloren gefühlt hätte — in Versuchen, zu begreifen
oder zu glauben, daß etwas Größeres bestehe als seine
eigene Seel e".
Das ist ganz gut beobachtet, es stimmt nur nicäit, daß
diese Sensationen des Größenwahns gerade mit den erleuch-
tetsten Einsichten unseres intellektuellen Lebens zusammen-
fallen. Aber diesem Anfall von narzißtischem und paranoidem
Mystizismus, unter dessen EindrucJk Poe Heureka beendet,
ist durch Kritik nicht beizukommen.
„Die vollständige Unmöglichkeit, die für die Seele jedes ein-
zelnen besteht, sich tiefer als einen andern stehend zu betraditen;
die intensive, überwältigende innere Empörung, die die Seele beim
Auftauchen dieses Gedankens ergreift, dieses und das alles beherr-
sdiende Verlangen nadi Vollkommenheit sind nur der Ausdruck
des geistigen, mit dem materiellen zusammenfallenden Ringens mit
der ursprünglidien Einheit."
Denn „jede Seele (ist) zum Teile ihr eigener Gott, ihr eigener
Schöpfer; . . . Gott, der materielle und geistige Gott, (der) jetzt
einzig und allein in der zerstreuten Materie und dem zerstreuten
Geiste des Weltalls existiert" und „die Wiedervereinigung dieser
Materie und dieses Geistes allein (kann) den rein geistigen und
individuellen Gott wiederherstellen".
Damit ist ausgesprochen, daß hier die Rollen endlich ge-
wechselt wurden, und daß der Schöpfer, bei der gesetzmäßigen
Rückkehr der Dinge aus dem Jenseits — oder aus dem Dies-
seits — von seinen Geschöpfen wieder erzeugt wird. Man darf
aber deshalb doch nicht glauben, daß diese Gott schaffende
^°° Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Konzentration unsere persönliche Individualität ohne Ko
pensierung wieder aufsauge. In einer Schlußbemerkungsi j,"
Heureka sdireibt Poe:
„Die Trauer, in die uns die Betrachtung, daß wir unsere indi
viduelle Identität verlieren werden, versetzt, hört sofort auf, ^^ '"
wir überlegen: der oben beschriebene Vorgang ist ja nicht meh"
und niAt weniger als die Aufsaugung aller andern Intelligenze '
(d. h. aller im Universum befindlichen Intelligenzen) durdi jede
individuelle Intelligenz. Damit Gott ganz in allem sein kann, muß
jeder Gott werden",
das heißt: die kosmologische Phantasie von Heureka
führt zu dem Ende, daß Poe sich Gott gleichsetzt.
Schließlidi ergreifen die Erinnerungen in einer hodi-
trabenden Prosopopöie das Wort:
„Es war einmal eine Zeit in der Nacht der Vergangenheit,
da gab es ein noch bestehendes Wesen — eines aus einer unend-
lichen Zahl ähnlicher Wesen, die die absolut unendlichen Bezirke
des absolut unendlichen Raumes bevölkern. Es lag und liegt nidit
in der Macht dieses Wesens, so wenig es in deiner eigenen liegt,
in tatsächlidiem Wachstum die Freude seines Daseins zu erweitern
und zu vermehren; aber . . . jenes göttliche Wesen (bringt) ... so
seine Ewigkeit in beständigem Wechsel zwischen seinem konzen-
trierten und seinem fast unendlich zerstreuten Selbst hin. Was du
das Weltall nennst, ist nichts weiter als seine jetzige ausgedehnte
Existenz ... Alle diese Gesdiöpfe — sowohl diejenigen, die du
als belebt bezeichnest, wie audi diejenigen, denen du das Leben
absprichst, aus keinem andern Grunde absprichst, als weil du es
nidit in seinen Äußerungen beobachten kannst — , alle diese
Geschöpfe haben in höherem oder geringerem Grade eine Befähi-
gung zur Freude oder zum Schmerze; aber die Summe ihrer
Empfindungen stellt genau die Summe des Glücks dar,
die rechtmäßig dem göttlichen Wesen zukommt,
wenn es sich in sich selbst zurückgezogen hat.
Diese Geschöpfe sind außerdem alle mehr oder weniger bewußte
Intelligenzen; sie sind sich, erstens, ihres eigenen Selbst bewußt,
8i) V.E., Bd. i6, S. 336.
Heureka 20T
zweitens mittelst flüchtiger Erleuditung . . . ihrer Identität mit
Gott. Von diesen beiden Arten von Bewußtsein stellen wir uns
vor, daß die erste schwächer, die zweite stärker werde im Lauf
der langen Zeitfolge, die vergehen muß, bevor die Myriaden
individueller Intelligenzen — bevor die strahlenden Sterne sich
vermisdien und übergehen in das allgemeine Eins. Wir müssen uns
vorstellen . . ., daß der Mensch zum Beispiel unmerklich aufhört,
sich als Mensch zu fühlen, und mit der Zeit jene erhabene,
triumphierende Epoche erreichen wird, wo er sein Dasein als das
Jehovas ansehen wird. Bis dahin müssen wir dessen eingedenk sein,
daß alles Leben ist — Leben, Leben im Leben — das Geringere
im Größeren — und alles im göttlichen Geiste."
Mit diesem pantheistischen Hymnus schließt das Werk.
r
Mehr als ein Schriftsteller unserer Tage hat ausgesprochen,
wie sehr er Heureka von Poe bewundere. Das Werk wurde
jedodi nicht bloß als Gedicht begrüßt, man fand auch, daß
Theorien der modernen Physik in ihm auf geniale Weise
vorausgeahnt wurden. Valery zum Beispiel meint, Poe habe
den Carnotschen Kreisprozeß^^ vorweggenommen. Tatsächlidi
hat Poe — es scheint, daß auch wir in das Lob der andern mit-
einstimmen müssen — in einer Zeit, in der die These Nichts
geht verloren, nichts wirdgeschaffen souverän
galt, folgenden Satz auszusprechen gewagt:
„Es ist so unumstößlidi wahr, so absolut feststellbar, daß
Attraktion und Repulsion die einzigen Eigenschaften sind, durch
82) „In Heureka ist eine Vorahnung des Carnotschen Prinzips
und der Darstellung dieses Prinzips durch den Mechanismus der
Zerstreuung enthalten ..." (Paul Valery, Variete. Gallimard, Paris
1928, S. 126, in seinem Essay „Au sujet d'Eureka".) Carnot hat
zwar bereits 1824 seine Reflexions sur la puissance motrice du feu
et sur les machines propres ä developper cette puissance veröffent-
lidit, aber seine Gedanken und Einsiditen waren 1848, als Heu-
reka geschrieben wurde, in weiteren Kreisen kaum schon bekannt.
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
welche wir das Universum erkennen, mit andern Worten: durA
welche sich die Materie dem Geist offenbart, daß wir das voll
Redit haben, zu behaupten, daß die Materie nur als Attraktion und
Repulsion existiert, daß Attraktion und Repulsion Materie sind H
es keinen Fall gibt, in dem wir nidit ad libitum die Worte Materie
Attraktion, Repulsion zusammengenommen als gleichbedeutende und
daher wechselseitig austausdibare BegriiJe gebrauchen können."
Wenn man dies liest, denkt man an die aktuelle elektro-
magnetische Theorie von der Materie, und wenn Poe an anderer
Stelle sdireibt, man müsse jedes Sternensystem wie ein ein-
f adies riesengroßes Atom ansehen, das im Raum mit der gleidien
Neigung zur Einheit existiert, welche zu Beginn die wahren
Atome nadi ihrer Ausstrahlung in die "Weltsphäre charakteri-
sierte, dann könnte man beinahe annehmen, sein Genie habe
vorausgesehen, was wir heute denken: daß eine Analogie be-
stehe in der Struktur zwischen dem Atom und jedem Stern-
system, die beide nach den gleichen Gesetzen gelenkt werden,
ob nun die Körper, welche um ihren Kern herum ihre Bahn
beschreiben, riesengroße Planeten sein mögen oder unendlidi
kleine Elektronen. Und auch von der Idee, „daß in jedem
nachprüfbaren Fall die Sternenkörper, ob es sich nun um
Monde, Planeten oder Sonnen handelt, Anzeichen von Leucht-
kraft aufweisen werden", könnten oberflächliche Beobachter
meinen, er habe hier die Radioaktivität erraten, während
besser informierte behaupten würden, er habe die Tatsache
vorausgeahnt, daß die Materie Ausstrahlungen verschiedener
Natur aussende, solange sie nicht beim absoluten Nullpunkt
angelangt sei. Und die Phantasie, nach der sich Poe vorstellt,
der Mond sei aus seiner Bahn geschleudert, die Sonne ge-
zwungen, „nicht mehr Sonne zu sein, (eine Tat) die für immer
das Schicksal der unzähligen Myriaden von Sternen verändert,
die vor dem hehren Angesicht ihres Schöpfers dahinroUen und
strahlen", und zwar deshalb, weil er es wagte, „das mikro-
skopisch kleine Stäubchen" auf seiner Fingerspitze um ein
Heureka 203
Billionstel eines Zolles zu verändern, diese ganze ultranarziß-
tisdie und sicherlich auch einigermaßen größenwahnsinnige
Phantasie, welche an die unmäßige Macht des Worts^^
als Schöpferin der Sterne erinnert, — all dieses könnte auf
Parallelen in der modernen Astrophysik hinweisen. In dem
schon zitierten Buch über das Universum schreibt James Jeans:
^Jedesmal, wenn ein Kind ein Spielzeug aus seinem "Wagen
wirft, stört es die Bewegung der Sterne im "Weltall."^*
Wir begnügen uns mit diesen Proben und raten unserer
eigenen Bewunderung^^ vorsichtig zu sein, weil man sich wohl
hüten muß, eine "Wolke für einen Berg oder ein Schloß zu
nehmen, auch wenn ihre Konturen zusammenfallen.
83) The Power of Words. (Democratic Review, Juni 1845;
Broadway Journal, II, 16.
84) In dem bereits auf S. 150 zitierten Werk von Jeans, S. 168.
85) Edmond Bauer, außerordentlidier Professor für Physik am
College de France, hatte die Freundlichkeit, dieses Kapitel über
Heureka mit mir durdizulesen und mir folgende Bemerkungen
in einem Schreiben zur Verfügung zu stellen:
„In den folgenden Zeilen präzisiere ich nodi einmal, was idi
in meinem Gesprädi mit Ihnen geäußert habe und ergänze es in
einigen Punkten. Zuerst zwei allgemeine Bemerkungen:
i) Vom wissensdiafblidien Standpunkt aus gesehen, enthält
Heureka einige Behauptungen und theoretische Einsiditen, die
wir heute nodi für richtig oder wahrscheinlich halten; es enthält
aber audi eine große Anzahl Irrtümer und unklarer und kindlidier
Sdilußfolgerungen. Unter den Gedankengängen, die heute noch
gelten, befindet sich jedoch kein einziger, dessen Vaterschaft; man
Edgar Poe zusdireiben könnte.
Sein Werk ist ein Gedicht von ergreifender, häufig audi mit-
reißender Diktion; es ist aber auch ein überaus unklarer meta-
physisdier Essay. Wenn es gar ein Essay über wissensdiaftlidie
Philosophie sein will, dann kann nicht verschwiegen werden, daß
es ein wirres Herumreden über Gedanken ist, die schon seinerzeit
allgemein bekannt waren.
2) Auffallend erscheint mir die Tatsache, daß sein Autor eine
der widitigsten Eigensdaafl;en der Materie nicht zu kennen scheint,
nämlidi jene, weldie die Lehre von der Medianik geradezu als
204 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Seit der mensdiliche Geist lebt und metaphysische — oder
physikalische — Weltbilder erzeugt, folgt er den gleidien
Gesetzen, projiziert er die gleichen Komplexe nach außen. In
der Metaphysik bleiben zwar diese Hypothesen ungeprüft, die
Physik hingegen fordert einen Beweis für ihre Existenz-
trotzdem kommen beide Arten von Hypothesen aus der
gleichen Quelle: aus der menschlichen Seele. Wenn nun das
Universum manchmal die Güte hat, unsere Vermutungen, Didi-
tungen, zu sanktionieren, indem es sie mit der Realität
zusammenfallen läßt, so können auch wissenschaftliche Hypo-
thesen wenigstens durch den Ausdruck, den sie annehmen, oft
mit metaphysischen Träumereien verwechselt werden. Daher
Definition der Materie ansieht, er kennt die T r ä g h e i t nicht. Daher
kennt er auch die Bewegungsgesetze nidit, es geht ihm, mödite idi
sogar sagen, jeglidier Instinkt für das Dynamische ab; jene primäre
Unwissenheit madit es auch erklärlich, daß die Begriffe Energie,
Triebkraft, Bewegungsquantität gänzlich fehlen, Begriffe, die sdion
Leonardo da Vinci, Descartes, Leibniz angewendet haben; sie madit
es auch erklärlich, daß die Begriffe von der Ausbreitung der Materie
(das heißt der Bewegung) und der Ausstrahlung (das heißt der Fort-
pflanzung von Lidit oder Strahlung) untersdiiedlos verwendet
werden.
Zum Einzelnen wäre zu sagen:
Seite 176 ff., 201 f.: Für Edgar Poe ist die Materie Attraktion
und Repulsion; er braucht die Repulsionskräfte, um die Undurdi-
dringlichkeit der Materie zu erklären.
Das sind Ideen, welche dem 18. Jahrhundert durdiaus geläufig
waren. Sie werden besonders deutlidi durch den Anhänger der
Atoralehre, Boscovich, ausgesprochen: die Atome sind die
Zentren attraktiver und repulsiver Kräfte, die Attraktion wirkt
auf große Distanzen, die Repulsion auf kleine.
Seite 178, 212: Repulsion = Elektrizität. Grober Irrtum, da die
Elektrizität sowohl attraktive als audi repulsive Kräfte entwidcelt.
Auf dieser Seite wird jedodi ein interessanter Gedanke vorge-
tragen: die Naturkräfte werden auf nur zwei ursprüngHche zurüds-
geführt, auf Elektrizität und Gravitation. Das ist audi der moderne
Standpunkt.
S. 178, 252: Das Gesetz in Sperrsdirift hat keinen Sinn. Die Über-
Heureka 20j
sehen Dichtung und Hypothese wie Verwandte aus, was sie
audi — als Kinder des gleichen menschlichen Geistes — sind;
und daher können dann die H e u r e k a s von oberflächlichen
und nicht sachkundigen Beobachtern als Werke von Vor-
gängern angesprochen werden.
Dabei sind diese Heurekas doch nichts anderes als Lufl-
sdilösser.
■ff
Poe scheint daher in Heureka eher ein Nadifolger zu
sein als ein Vorläufer, der Nachfolger aller jener Propheten
und Theosophen, die, seit der Mensch, das nach Religion
dürstende Wesen, grübelt, Kosmogonien gezeugt haben.
legung Poes sdieint mir unverständlich zu sein. Man ahnt zwar, daß
er auf das Gesetz von Volta anspielt. Wie drückt er sich aber
dabei aus!
Seite 179: Die „philosophisch bestimmte Fassung" Poes (in Sperr-
sdirift) ist nicht originell, sie findet sidi bei allen Anhängern der
Atomlehre nach Newton.
Seite 181: Erster Absatz: hat in der Physik gar keinen Sinn.
Seite 181 fF.: Das Newtonsche Gesetz als Reaktion auf das Gesetz
von der Ausstrahlung (der Photometrie). Man müßte hinzufügen:
das ist die findige, aber einfältige und nur aus Worten gebildete
kosmisdie Phantasie Poes.
Es ist nicht einzusehen, warum die zwei Gesetze über die Um-
kehrung des Quadrats der Entfernungen, durch Aktion oder
Reaktion, miteinander verbunden sein müssen. Wir wissen heute,
daß jedes dieser beiden Gesetze auf einen andern Ursprung zurück-
geht (abgesehen von den Gesetzen des Elektromagnetismus, von
denen manche eine analoge Form haben).
Seite 187 und 191: Einwände gegen die unendlidie Ausdehnung
der Materie: dynamischer und optischer Einwand. Sie stammen vom
Astronomen Olbers, Ende des i8. Jahrhunderts. In der Epoche
Poes waren sie bereits klassisch.
Heute scheinen sie nicht mehr völlig sdilüssig zu sein. Sie haben
jedoch in den Arbeiten Einsteins und de Sitters über das endlidie
Weltall eine gewisse Rolle gespielt.
Seite 188: Die Worte „Nebulartheorie von Laplace" sind Sdiul-
ausdrüde; der Satz über die „Anzeichen von Leuditkraft" ist sehr
2o6 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Die aus der Ausstrahlung, Attraktion und Repulsion be-
stehende Poesdie Trinität hat viel Ähnlichkeit mit Trimuni
der hindustanisdien Trinität, bei der Brahma das sdiöpferisdie
Schiwa das zerstörende, Wisdinu das bewahrende Prinzin
darstellt. „Brahma blieb der sdiöpferisdie Gott. Aber vor ihm
erhob sidi der zerstörende Gott, Sdiiwa. Sdiiwa läßt die Blätter
verdorren, das Alter nimmt den Platz der Jugend ein, der Fluß
wird vom Meere verschlungen, das ermattete Jahr geht zu
Ende. "Wenn dieser Gott des Todes sich ausleben könnte, wäre
die Welt bald vernichtet; zu unserem Glück beschützt eine
alles Zerstörte wiederaufbauende Krafi: die Welt, d. h. der
dunkel und idi glaube kaum, daß man ihm einen Sinn unterlegen
kann.
Die Behauptung, daß die Entwidilung „der Erd- Vitalität im
gleidien Verhältnis mit der Erd-Kondensation fortsdireitet", ist
bestimmt falsdi: das Leben ist nur zwisdien geringen Grenzen von
Temperatur möglich, bei zu großer oder zu geringer Wärme kann
es nicht gedeihen. Das Leben ist vielleicht nur eine seltene Aus-
nahme.
Seite 189: Die Hypothese vom Urnebel ist nodi nidit vollständig
aufgegeben worden. Man läßt sie nodi für das gesamte "Weltall
oder für die Milchstraße gelten. (Siehe Jeans: Les etoiles dans lern
course. Paris 1931, Hermann, Kapitel VII, S. 143 ff.)
Die Theorie von der Ausschleuderung der Planeten durdi die
Zentrifugalkraft hingegen scheint wenig Wahrsdieinlichkeit an sidi
zu haben.
Seite 190 f.: Die Einteilung des Weltalls in Haufen und Systeme
ist eine auch heute noch zulässige Hypothese. (Siehe Jeans, Kapitel
VIII, S. 147 ff.) Sie befindet sich schon bei Kant.
Seite 192: Die Nebelfledce spielen heute eine bedeutendere Rolle
als zur Zeit Poes. Man kennt eine weitaus größere Zahl, als man
damals gekannt hat, man weiß heute auch besser, wie sie im Raum
verteilt sind. Man hat jedodi noch keinen gesicherten modernen
Standpunkt finden können, da sich die beobachteten Tatsachen nur
schwer miteinander vereinen lassen.
Seite 196 — 202: Dieser ganze Absatz über die Aufeinanderfolge
von Untergang und Wiederauferstehung des Weltalls ist sehr sdiön.
Man könnte in ihm eine Vorhersage der modernen Theorie über
den Carnotsdien Kreisprozeß und seine Reorganisation sehen. Aber
Heureka 207
bewahrende und rettende Gott, Wisdinu",'*'' — mit andern
Porten, wir haben das Poesdae Prinzip der Repulsion vor
uns, das sich der unheilvollen Wirksamkeit einer Rückkehr,
der Poeschen Attraktion, widersetzt, also dem Gott Sdiiwa.
Man könnte die Poeschen Begriffe audi mit den Gedanken
vom Hervorgang der Dinge aus dem Urgrund und deren Um-
wandlung bei dem Neuplatoniker Plotin vergleichen, nadi dem
die Welt durch ebenfalls immer sdiwädier werdende Emana-
tionen aus Gott hervorgegangen sein soll (hier hat Plotin wahr-
sdieinlich das Carnotsche Prinzip vorausgedadht) und nadi dem
gleichen Maßstabe wieder in ihn zurückgekehrt, obwohl bei
Plotin (im Gegensatz zu Poe) die Betonung mehr auf den Geist
als auf die Materie gelegt wird.
Wir könnten also zwischen der Kosmogonie Poes und
mandiem anderen philosophischen oder religiösen System Ana-
logien suchen und finden. Begnügen wir uns jedoch mit den vor-
geführten Beispielen, die dafür als Beweis dienen sollen, daß
das menschliche Gehirn (das darin jedem anderen Organ des
Körpers gleicht), wo immer und wann immer es fühlt und
denkt, analoge Erzeugnisse abzusondern bestrebt ist.
Nun sind alle vom Menschen ausgedachten Kosmogonien
selbstverständlich nach dem Urbild des Menschen geschaffen
worden. Ebensowenig wie wir selbst, sdieint es uns, konnte das
Universum immer bestanden haben: unsere nach Analogien
dort, wo Poe Gott dazwisdientreten läßt, lassen Boltzmann und
Maxwell den Zufall dazwischentreten.
Leider steht dies alles schon bei Kant in
seinem Essay über die Kosmogonie (1755, glaube ich).
Das Carnotsdie Prinzip wurde im Gebiet der technisdien
Wissensdiaft durdi Clapeyron (1834) popularisiert, und besonders
von Lord Kelvin (1848) und Clausius (i8jo) weiterentwidcelt.
Idi sehe bei Poe nur eine sehr unklare Idee von dem Carnotsdien
Kreisprozeß."
86) Alfred Fouille6. Histoire de la Philosophie. Paris 1926, Dela-
grave, 17. Auflage, S. 6.
2o8 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
sdiließende Logik ist daher gleichsam gezwungen, einen Anfan»
fordern zu müssen, und bei diesem Anfang muß ein Vater
zugegen gewesen sein, der diese Welt — wie unser Vater uns
— aus dem Nichts zog. Dieser gepriesene Vater ist Gott, der
Schöpfer, — welchen Namen immer man ihm, der Epoche
und dem Breitegrad entsprechend, auch geben mag.
Diese Analogie zwischen dem Schöpfungsakt, den der
metaphysische Gott durdiführt, und dem Zeugungsakt des
menschlidien Vaters wird übrigens mandimal sehr weit ee-
trieben. Das Uratom Poes, dieser ausdrücklich als ungeteilt
besser gesagt als einzellig bezeichnete Urorganismus, erinnert
sogar an das Spermatozoid.
Und der Einfall von der Rüdikehr aller Dinge zu Gott, der
in seinem Innern alle wieder aufnimmt, die aus seinem Wesen
hervorgegangen sind, diese Sehnsucht, in Gott wieder einzu-
gehen, weldie, nach Poe wie nach Plotin alles Existierende emp-
findet, scheint uns gewissermaßen eine (nadi metaphysisdiem
Schema durchgeführte) Übersetzung der Sehnsucht nadi dem
Vater zu sein, an den der Sohn mit seiner Libido fixiert ge-
blieben ist. Und wenn Poe vom Prinzip der Einheit, mit
andern Worten vom Gottesprinzip spridit, dem alle Atome zu-
streben, sagt er nicht ausdrüdtlich: „Dies ist ihr verlorener
Erzeuger"? Im englischen Text steht: „parent", was ebensogut
Vater wie Mutter, aber nichts anderes bedeuten kann.*' Wir
haben hier — wie Baudelaire in seiner Übersetzung —
„parent" mit Vater, „Erzeuger", übersetzt, weil eben dieser
Vater, nach der Verdrängung der Mutter, infolge der Ersetzung
der Mutter durch den Vater, bei Poe wie bei Plotin, ja wie bei
vielen anderen Mystikern das Bild beherrsdit.
87) Siehe S. 181: This is their lost parent.
Heureka 209
Unsere nächste Aufgabe besteht nun darin, die eigentlidie
gntwicklung der latenten Gedanken Poes in Heureka
genauer zu verfolgen. Zuerst haben wir den manifesten Inhalt
wiedergegeben, wie Poe ihn seinen Lesern bietet, und uns davor
oehütet, durch eingeschobene Deutungen das an sich genügend
dunkle Bild noch unverständlicher zu machen. Ebenso wie m
den Abenteuern Pyms müssen wir jetzt audi bei diesen neuen
Abenteuern (die ins Weltall führen!) die tiefer liegende
Melodie des Liedes in zwei Lagen herauszuhören versuchen.
Als unseren Ausgangspunkt wollen wir uns die Idee von
der Gottheit zu eigen machen." Die Situation ist nun
klar: am Anfang war Gott, der Vater, und nichts anderes. Die
Mutter scheint aus dieser Kosmogonie gänzlich entfernt worden
zu sein. Wir haben es also beim ersten Anhieb mit einer Andro-
gonie zu tun. In der Genesis befruchtete Gott mit seinem Atem
wenigstens das Chaos, die Mutter-Imago. Hier wird das Chaos
nidit einmal erwähnt, auf der einen Seite ist Gott, auf der
andern nichts. In diese Leere sendet Gott die erste Aus-
strahlung der Materie aus, das Uratom, mit andern Worten
das göttliche Spermatozoid.
„Indem der Wille von diesem Atom Besitz ergrifF, hat er den
Akt, genauer gesprodien: die Empfängnis (conception) der Sdiöpfung
vollendet."
In dieser androgonen Auffassung von der Welt bedarf
es keiner Verbindung des göttlichen Spermatozoids mit der
Ovula, um den Gottessohn, das Universum, zu zeugen: denn
dieses „absolut einzigartige, individuelle, ungeteilte" Atom ist
dodi nicht unteilbar,
„denn Der, der es krafl Seines Willens gesdiaffen hat, hat selbst-
verständlidi audi, kraft derselben Gewalt Seines Willens, ja einer
viel kleineren, die Macht, es zu teilen".
Die Zellteilung, welche in der biologischen Realität durch
die Vereinigung der Ovula mit dem Spermatozoid hervor-
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 14
^^° Die Geschichten: Der Zyklus Vater
gerufen wird und welche die Bedingung für das Wachstu
jeglichen Organismus ist, setzt nun hier von selbst ein.
„Die Annahme einer absoluten Einheit im Ursein sdiließt d"
der unendlichen Teilbarkeit ein. Nehmen wir also an, daß d'^
Atom durch die Verbreitung im Räume nidit gänzlich erschöpft sei'
Stellen wir uns ferner vor, daß von diesem Atom als Zentrum"
sphärisch, nadi allen Richtungen hin, bis zu praktisch unmeßbaren'
wenn auch endlichen Entfernungen im vorher leeren Raum ein'
gewisse unausdrückbar große, wenn auch begrenzte Anzahl von
unvorstellbar, wenn audi nidit undenkbar winzigen Atomen aus-
gestrahlt werde."
Auf solche in das Metaphysische verschobene Art stellt sidi
die Phantasie Poes — natürlich ohne zu verstehen, wovon sie
träumt — die Zellteilung vor, welche (nach anthropomorphem
Schema) dem Bilde des menschlichen Körpers entsprechend den
Organismus Universum schafft.
Aber obwohl die Zellteilung von einer einzigen Urzelle
ausgeht, zeugt sie in unserem Körper doch eine große Mannig-
faltigkeit verschiedenartig konstituierter Organe. Diese latente
Beobachtung diktiert Poe hier seine verworrene manifeste Ab-
handlung über die Pluralität, die heterogene Vielfalt der
Atome.
„Da Einheit ihre Quelle ist, und Abweichung von der
Einheit im Plan der Zerstreuung liegt, müssen wir als gewiß
annehmen, daß dieses Ziel, wenigstens im allgemeinen, audi
gemäß dem Plan durdigeführt werde, d. h. daß die Zerstreuung
einen Teil des Planes selbst bildet."
Das Unklare und Verworrene der dann folgenden Bemer-
kungen spiegelt vielleicht die Tatsache wieder, daß Poe audi
über die Embryologie nur sehr unklar Bescheid wußte.
Indessen bleibt die Einheit, d. h. die Einheit in Gott oder
die Wiedervereinigung mit Gott, die Sehnsucäit aller Atome,
in ihrer mannigfaltigen Versdiiedenheit, und diese Sehnsucht
tritt gleich nach der ersten Ausstrahlung auf, d. h. die Libido
Heureka
jes Sohnes bleibt vom Ursprung an und für ewige Zeiten
an den Vater fixiert und trachtet danach, wieder in ihm auf-
zugehen. Dieser Wunsch entspringt wohl auch dem Seelen-
zustand des Witwers der Virginia, des Autors von Heureka,
jer sidi bemühte, von der Frau loszukommen, als er unter
den Sternen beim Aquädukt von Fordham unablässig umher-
irrte.
Die Newtonsche Gravitation, die nach Poe der Ausdruck
für diese Tendenz der Rückkehr zu Gott ist, wird infolgedessen
erotisiert und der mystischen Liebe 2;u Gott, anders aus-
gedrückt, der Liebe des Sohns zu seinem Vater, gleidigestellt.
Dabei muß aber daran erinnert werden, daß alle Beziehungen
des Kindes zu seinem Vater eine sekundäre Verschiebung der
ursprünglichen Beziehungen zwisdien dem Kind und seiner
Mutter sind.'*^ Die Beziehungen Poes zu seiner Mutter waren
sdiließlidi, wie wir wissen, die eines trauernden Waisenkindes
zu einem Leichnam. Die Rückkehr zur Mutter bedeutete daher
für Poe, noch viel realer und nachdrücklicher vom Leben be-
stätigt als bei jedem von uns, die Vereinigung mit dem geliebten
Objekt im Tode, ein Zustand, mit dem sidi schon im Unbe-
wußten ganz allgemein der pränatale Fötalzustand paart.
Diese von einer Leidbe „abgezogenen" Eigenschaften der Mutter
gingen in Heureka durch Übertragung auf den Vater, auf
Gott über, und die Rückkehr des ganzen Universums in ihn
entspridit gerade bei Poe sowohl einer Vereinigung in der Liebe
als auch einer Vereinigung im Tod.
Deshalb stellt Poe der Attraktionskraft, die in Heureka
den Todestrieben entspricht, die Repulsionskraft gegenüber,
|die den Lebenstrieben entspridit. Wie definiert Poe diese
Kraft?
1 e
•Li'
tU) Idi verdanke die Kenntnis dieses widitigen Gesetzes einer
mündlidien Mitteilung Freuds. Er hat es später in Über dif
weiblicheSexualität erwähnt (Int. Ztschr. f. PsA. 1931, 3)
\
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
„Was idi von der Repulsionskraft sagte, die die Aufgabe W
der momentanen Befriedigung der Atome Grenzen zu setzen" ia-
Atome streben danach, in Gott oder in der Einheit aufzugehend
„(kann) als das verstanden vi^erden, was wir jetzt bald Hitze'
bald Magnetismus, bald Elektrizität nennen; durch die schwan-
kenden Bezeichnungen, durch die wir dieses Etwas auszudriidten
versuchen, wird am besten gekennzeichnet, wie sehr wir unfähio
sind, seine geheimnisvollen und ehrfurchtgebietenden Eigensdiaftcn
genau zu umsdireiben". Und dann erklärt er uns: „Die Menge
von Elektrizität, die durch den Kontakt zweier
Körper entwickelt wird, ist proportional der
Differenz der respektiven Atomsummen, aus
denen die Körper gebildet sin d."
Und er sdiließt:
„Der Elektrizität . . . können wir mit gutem Recht versdiiedene
physikalische Vorgänge — Licht, Hitze, Magnetismus — zusdireiben;
allein wir gehen sicherer, indem wir diesem rein geistigen Prinzip
die hauptsächlichen Erscheinungen zuschreiben: Vitalität, Bewußtsein,
Denke n."
Wir haben diese Stellen neuerdings zitiert, weil sie von
ganz besonderer Widitigkeit sind. Aus ihnen kann nämlidi
geschlossen werden, so seltsam dies auch im ersten Augenblidt
aussehen mag, daß die Repulsion Poes ungefähr der Libido ent-
spricht. Die Repulsion ist nämlich durch den Charakter des
Geheimnisvollen und Furchtbaren gekennzeichnet: Lidit,
Wärme, Magnetismus, Elektrizität. Wir wissen nun, was die
Elektrizität, der Magnetismus, die Strahlungen, denen die
Paranoiker eine so deutliche Realität zuschreiben, wenn sie sidi
von ihren Feinden verfolgt und gequält glauben, als Symbol
allgemein bedeuten.^' Diese Strahlungen entspredien der realen
Sexualerregung, und wenn der Nerveninflux, wie mandie
Physiologen meinen, tatsächlich mehr oder weniger elektrisdier
89) Siehe die Gottesstrahlen Sdirebers. (Freud: Kranken-
geschichten. Gesammelte Schriften, Bd. VIII.)
Heureka 213
TsFatur ist, dann hätten auch die Paranoiker, auf ihre Art aller-
dings) nidit so sehr unrecht.
^enn nun bei Poe die Berührung zweier Körper Elektri-
ität erzeugt, was man sogar vom Gesichtspunkt der Libido aus
mit Recht annehmen kann, so darf diese Elektrizität doch nidit
so weit gehen, daß sie sich in einen Funken entlädt und ver-
niditet! Denn nur unter dieser Bedingung kann sich, für Poe,
die aufgespeidierte Elektrizität audi in Vitalität, Bewußtsein,
Denken verwandeln. In dieser dunklen Textstelle dürfte nun
gin Reflex des Sexualverhaltens Poes verborgen sein. Die
Elektrizität muß bei ihm ein absolut geistiges Prinzip bleiben
d. h. platonische Liebe; um solchen Preis könnte er nämlich
seine „Elektrizität" bewahren (die sich dann als Gedanke,
als Kunstschöpfung sublimiert), vor allem aber könnte er
um diesen Preis sein Leben erhalten. Tatsächlich scheint im
Unbewußten Poes die Vereinigung mit dem Liebesobjekt
nidit nur mit dem nekrophilen, sondern auch mit dem
thanatophilen Akt gleichwertig zu sein, d. h. er selbst muß
ein Toter werden. Bei Poe gab es daher nicht nur eine Eroti-
sierung des Todes, sondern auch eine Thanatisierung der
Libido (wenn man sich dieses Ausdrucks bedienen darf). Den
Sexualakt ausführen bedeutete, wenigstens für sein Unbewußtes,
sich in Todesgefahr begeben, da er in jeder Frau die tote
Mutter wiederfand, das erste, verlorengegangene Liebesobjekt,
mit dem sich zu vereinigen ihn die Sehnsucht trieb. Da nun
für Edgar Poe der Sexualakt derart gefährlich sein konnte, daß
er sowohl die Kastration (wie wir bereits gezeigt haben) als
auch den Tod mit in sich begriff (wie wir hier sehen), bäumte
sidi sein überaus stark entwickelter Narzißmus gegen diese
beiden Gefahren auf und stellte der ursprünglichen, aber gefähr-
lichen „Attraktion" jene „Repulsion" gegenüber, die physische
Entfernung von der Frau, von jegliciiem Liebesobjekt, ein
Verhalten, das allein es ihm möglich machte, seinen Phallus,
^'4 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
I
seine „Elektrizität" und vielleicht sogar sein Leben zu
halten.
Das Universum in Heureka handelt nidit anders, ß-
Attraktion ruft es sehnsüchtig zu seinem ersten Liebesobjek
zurück, zu dem "Wesen, aus dem es hervorgegangen war
hier zum Vater, der die Mutter ersetzt. Aber da diese Ve""
einigung in der Sdilußekstase ein riesiges Aufflammen, ein Ver-
lösdien, den unmittelbaren Tod des Universums im Ursprung-
liehen Schöpfungsschoß hervorrufen würde, unterwirft sidi da
Weltall den Forderungen der Repulsion und bewahrt somit
noch für einige Zeit — für die Zeit seiner Existenz — seine
Elektrizität und seine Vitalität.
Später verläßt Poe den Begriif von der Repulsion, er ver-
sucht auf eine recht zwanghafte Weise sowohl die Vatersdiaft
Gottes als auch das Verlangen des Universums, seines Sohns,
in ihn zurückzukehren, mathematischen Formeln zu unter-
werfen. Er bemüht sich aufzuzeigen, und zeigt es nach seiner
Meinung auch auf, daß das Newtonsche Gravitationsgesetz
„Umkehrung des Gesetzes vom Ausgange" ist, des Urgesetzes,
welches die geniale, einem Laplace und Newton überlegene
Intuition Poes entdeckt hat! Damit soll vielleicht der Satz auf-
gestellt sein, der Sohn müsse mit der gleichen libidinösen Glut
dem Vater zustreben, mit welcher der Vater ihn gezeugt hat . . .
Im Verlauf seiner Beweisführung vergleicht der Dichter den
Raum, in dem die Weltmaterie ausgestreut werden mußte, mit
einer hohlen Kugel
„aus Glas oder anderem Stoff . . ., die wir an Stelle des Raumes
setzen, in dem die Wehmaterie durdi Ausstrahlung von der abso-
luten, unabhängigen, unbedingten Partikel, die im Zentrum der
Kugel sidi befindet, gleidimäßig verstreut worden ist".
Diese imaginäre Kugel erinnert an eine Art Gebärmutter,
m der das Weltall gewachsen sein würde — an die Gebär-
mutter der Mutter oder des Vaters, da nochmals die Eigen-
Heureka 2.1$
yiaften der Mutter auf den Vater übertragen sind. Im übrigen
wird hier nadi dem Bestreben, das diesen Teil von Heureka
beherrscht, nämlidi alles zu „mathematisieren", die Vision ganz
seltsam schematisiert, „geometrisiert", und Poe unterwirft die
durch den Schöpfer bei der Sdiöpfung eingeleitete Bewegung
der Atome außerdem außernatürlichen Bedingungen der
Pynamik. In seiner Vorstellung füllt Gott die Gebärmutter mit
Atomen, die in aufeinanderfolgenden, abgestuften Ausstrah-
lungen im Innern von konzentrischen, immer kleiner werdenden
Sdiiditen abgelagert werden; diese Ausstrahlungen werden
aufgehalten, die Schwierigkeit besteht nur darin, zu erfassen,
was die erste dieser Aussendungen aufhielt, da es doch damals
nur die absolute Leere gab. Unser Dichter umgeht jedoch
sdinell diese Schwierigkeit, indem er sagt, bei dieser ersten Aus-
strahlung — oder Ejakulation — Gottes gab es noch keine
Prinzipien.
„Der U r - A k t", erklärt er, „die Ausstrahlung aus der Einheit,
muß von allem unabhängig gewesen sein, was die "Welt jetzt mit
dem Ausdrude Prinzip bezeichnet . . . Idi sage U r -Akt; denn
die Ersdiaffung der materiellen Ur-Einheit ist eigentlidi riditiger
als Empfängnis (conception) denn als Akt im gewöhnlidien
Sinne des Wortes zu betrachten."
Auf diese seltsame und abseitige Weise verneigt sich hier
der Dichter vielleicht vor dem unerforschten Geheimnis vom
Ursprung des Lebens, das durch kein einziges der physikali-
sdien Prinzipien, die bis zum heutigen Tage vom Menschen
in der Natur entdeckt wurden, hat tatsächlich enträtselt werden
können.
Wenn sich Poe gleich nachher gegen jene auflehnt, die an die
„unendliche Ausdehnung der Materie" im unendlichen Raum
glauben, und wenn er meint, die Unmöglichkeit einer soldben
Annahme durch den Hinweis beweisen zu können, daß nun die
Attraktionstendenz zur Rückkehr ausgeschlossen sei, so muß
2iS Die Geschichten: Der Zyklus Vater
man darin vielleicht den manifesten Ausdruck für folgenden
tiefer ruhenden latenten Gedanken sehen: das in der (mütter-
lichen oder väterlichen) Gebärmutter empfangene lebende
Wesen kann weder während der Zeit, da es in ihr eingesdilossen
ist, noch später ins Unendlidie wachsen — eine biologisdie
Binsenweisheit. Der Gedanke von der Begrenztheit des Sternen-
weltalls, von dem Poe so viel hält, und den er mandimal
überaus gereizt und wütend verteidigt, ist bei ihm gewiß tief in
seiner unbewußt anthropomorphen Auffassung vom Weltall
verwurzelt, in dem Weltall, das durdi Poe (ohne daß er es
weiß) mit dem Sohn, also mit ihm selbst, mit Edgar, gleidi-
gestellt wird.
Und Poe erinnert uns daran, daß das Bestreben, nadi dem
Ursprung zurückzukehren, daß also die Attraktion gleich mit
der ersten Aussendung einsetzen mußte, d. h. schon nach der
ersten Zellteilung des Organismus Weltall. Das ist auch das
Schema, nach dem Poe die große, ursprüngliche Sehnsucht des
Sohnes nach seinem Erzeuger begreift. Vergessen wir jedodi
nicht, daß dieses Verlangen für Poe gleichzeitig die Sehnsudit
nach dem Tode ist. Daher muß
„die Entwiddung der Repulsion (Elektrizität) . . . naturgemäß
gleichzeitig mit den ersten besonderen Bemühungen zur Einheit be-
gonnen haben, und muß im Verhältnis zur Zusammenwadisung,
d. h. zur Verdidatung oder zur Heterogenität sidi gesteigert haben.
Das Sohn-Universum muß nämlich 1 e b e n, um sein Schicksal
zu erfüllen, und das ist der Grund, warum die Lebenstriebe
(Repulsion, Elektrizität . . .), wie in der wirklichen Natur so
auch hier, sich wenigstens eine Zeitlang als Gegengewicht gegen
die Todestriebe (Attraktion, Tendenz zur Rückkehr in uterum,
in die Einheit . . .) betätigen. Die Attraktion und Repulsion
sind übrigens, nach Poe, die beiden einzigen Prinzipien des
Weltalls, da der schöpferische Akt und die erste Ausstrahlung,
die ihn verlängert, jenseits jeglichen Prinzips bleiben und in
Heureka, 217
Jen Geheimnissen des Lebensursprungs inbegriffen sind. Poe
Aließt hier mit der Konstatierung, daß „die beiden eigent-
lidien Prinzipien, Attraktion und Repulsion, Materielles und
Geistiges", sich im engsten Zusammenhang die Hand geben.
So schreiten Körper und Seele vereinigt dahin." Vielleicht
soll auf diese Weise auch ausgesprochen werden — denn im
Unbewußten können zwei versdiiedene Gedanken sich sehr gut
in einem einzigen Symbol aussprechen — , daß sich im Kind in
dem Maße, in dem es wächst, die seelisdie Energie, die Libido,
zugleich mit dem Körper entwickelt.
Wenn Poe dann die Theorie von Laplace vorführt, können
seine unbewußten Komplexe nicht mehr wie bisher ans Tages-
lidit dringen, da die bewußte und rationale Arbeit eines
Referats beinahe die ganze Zeit im Vordergrund seiner Dar-
legungen steht. An manchen Stellen jedodi entdeckt man auch
hier eine Lücke, die tiefer Liegendes sehen läßt, zum Beispiel in
der Bemerkung Poes, „daß in jedem nachprüfbaren Fall die
Sternenkörper, ob es sich nun um Monde, Planeten oder Sonnen
handelt, Anzeichen von Leuchtkraft aufweisen werden". Ich
glaube, daß diese Bemerkung, die weit davon entfernt ist, etwa
eine geniale Voraussage der Radioaktivität oder, was richtiger
wäre, eine Vorhersage des „Tods" der Materie, beim absoluten
Nullpunkt, zu sein, und nur ein zufälliges ZusammentrefFen
mit objektiven physikalischen Phänomen enthält, eher etwas
überaus Subjektives, nur Poe Zugehöriges ausdrückt, das bloß
aus seiner Lebensgeschichte heraus erklärt werden kann. Die
Leuchtkraft der Materie Poes in Heureka scheint nämlich
eine der wenigen Zeichen zu sein, die im androgenen Weltall
direkt von der Mutter sprechen. Wir kennen bereits den von
Gespenstern belebten Teich beim Hause U s h e r, der eine
faulige und phosphoreszierende Atmosphäre ausatmet, und über
^i8 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
den wie über Sümpfen, in denen organische Substanzen ve
faulen, Irrlidbter tanzen können. Die Materie in Heurek
bei der die Verdiditung durch Bestimmung, wie wir nodi'
sehen werden, niemals ihr Ende erreicht — d. h. ihren end-
gültigen Tod, die Vernichtung — , versendet ihr Leuditen
so lange, als die Zersetzung des "Weltkörpers dauert. Nun ist
dieser Körper zweifellos mit dem Körper identisdi, der sdion
einmal (in „Hans Pfaall") dem Mond gleichgestellt war, iden-
tisch mit dem geliebten und zerfallenden Mutterkörper der
Schauspielerin Elizabeth Arnold.
Die Tatsache, daß das Universum in Heureka im all-
gemeinen den Sohn darstellt, kann nicht verhindern, daß di^
Materie, aus dem dieses Universum gebildet wurde, für das
Unbewußte manchmal auch die Mutter bedeutet. Denn im
Bereich dieses Unbewußten, das die Gesetze unserer bewußten
Logik nicht kennt, ist darin kein Widerspruch zu sehen.
le
Nachdem Poe das System des Laplace, in dem es keinen
Platz für den Vater, für Gott, gibt, und das Sternenweltall als
unendlich angenommen wird (was gleichfalls eine Gottesläste-
rung ist), — nachdem also Poe dieses System vorgeführt und
kritisiert hat, trägt er eine Vision des aus Sonnensystemen zu-
sammengesetzten Universums vor, aus Sonnensystemen, weldie
sich anhäufen und dann ihrerseits die Haufen der Haufen
oder Milchstraße, das Universum also, bilden. Aber wenn audi
Poe von neuem darauf besteht:
„Es gibt keinen unhaltbareren, aber audi keinen eigensinniger
festgehaltenen astronomisdien Irrtum, als die Behauptung einer
absoluten Unbegrenztheit des Sternenweltalls . . .",
so stellt sich doch zwei Seiten später sein Verstand, der jene
anthropomorphe Auflehnung überlebt, folgende Frage:
„Aber darf man schließen, daß wirklich kein materieller Punkt
jenseits der erreichten Grenze liegt, weil wir durch die Begrenzt-
J
Heureka 21g
heit unserer Sinne gezwungen sind, an den Grenzen des Sternen-
[ Weltalls haltzumachen?"
Und er schließt, daß es tatsächlich einen soldien materiellen
rpunkt gibt, daß es einen soldien geben muß und daß in den
Wüsten des unbegrenzten Raumes eine nicht weniger unbe-
grenzte Folge von Weltallen verstreut ist.
„Wenn aber soldie Haufen von Haufen bestehen — und sie
bestehen — , so ist es reichlich klar, daß sie, da sie keinen Teil
an unserem Ursprung hatten, auch keinen Anteil an unseren
Gesetzen haben. Sie ziehen uns nicht an, und wir ziehen sie nicht
an ... Jedes existiert allein und unabhängig im Schöße
seines eigenen und besonderen Gotte s."
Wie soll man nun diese neue, erweiterte kosmische Phantasie
interpretieren? Poe stellt sich jetzt gar mehrere Universa vor,
deren jedes in sich geschlossen ist und seinen eigenen Gott im
Unendlichen des unendlichen Raumes hat. Das aus dem ersten
Weltallsystem Poes verjagte Unendliche kehrt hier im Triumph
zurück, man sieht, daß es nur ein einfaches Wortspiel ist, ob
man die endlose Gesamtheit dieser Universa Universum nennt,
oder diese Bezeichnung für jeden der Haufen der Haufen
aufspart.
Sehen wir davon ab, daß die Wahrhaftigkeit dieser Hypo-
these nicht verifiziert werden kann, so haben wir in ihr
wahrscheinlich eine Übersetzung der menschlichen Tatsaciie zu
sehen, daß auf Erden jeder Sohn nur einen einzigen Vater hat
und biologisch gesehen nur an ihn gebunden ist. Poe gibt allen-
falls zu, daß es im Weltallraum nodi andere Universa, d. h.
noch andere Söhne gibt. Aber er verweist sie jenseits der
Sternenwüsten, noch weiter weg also als seine Schwester
Rosalie, die bei den Mackenzies, und sein Bruder Henry, der in
Baltimore lebte, verwiesen waren, während er allein im Hause
der Allans aufwuchs. In dieser großen kosmischen Phantasie
stedit wohl auch die ins Unendliche projizierte Eifersucht auf
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
den Bruder. Und wahrsdieinlich enthält sie noch ein Drittes-'
jedes Universum, mit andern Worten jeder Sohn, kennt hier
nur einen einzigen Gott, einen einzigen Vater, der für alle
andern Söhne, alle andern Weltalle bis in die Ewigkeit ein
Fremdling ist. Daher kann nur dem sich mit unserem Uni-
versum identifizierenden Poe allein der Vater, der eigentliche
Gott unseres Sternenvaterlandes, ganz zu eigen gehören. Aus
diesem Traum von einem einzigen und ausschließlich ihm ge-
hörenden Vater kann man nun vielleicht eine auf einen alten
Kummer reagierende "Wunschphantasie herauslesen ; mußte nidit
der kleine Edgar dreimal nacheinander seine infantile Libido
von einem Vater auf den nädisten übertragen: von David Poe
auf X, den vermutlidien Liebhaber der Elizabeth, und sdiließ-
lich auf John Allan, den fürchterlichsten und höchsten Vater
und Gott?""
Und nun zeigt uns Poe in einer Art Schlußapokalypse sein
Weltall, das auf dem Rückweg dahinrast. Bei dieser end-
gültigen Konzentration genügt Gott allein: es wäre Gottlosig-
keit anzunehmen,
„daß das Ende weniger einfach, weniger unmittelbar, weniger
selbstverständlich, weniger künstlerisdi herbeigeführt werden könne,
als durch die Reaktion auf den Schöpfungsak t",
als durch das Verlangen nach dem Vater, aus dem wir ent-
standen sind.
Diese Konzentration hat für das gegenwärtige Weltall zwar
erst begonnen, es ist uns jedodi jetzt bereits möglich, einen
prophetischen, erleuchteten Blick auf die Zukunft, auf die
fürchterliche Zukunft zu werfen: es wird
90) Die Tatsache, daß audi andere Köpfe analoge Theorien
ausgedacht haben (die Weltallinseln Swedenborgs usw.), kann am
Ergebnis der biographisdien Interpretierung der Poeschen Phantasie
Heureka nichts ändern. Die Allgemeingültigkeit der mensdi-
lichen Komplexe ist ein bekanntes Faktum, und jeder „nimmt", wie
Moli^re, „sein Gut dort wieder, wo er es findet."
Heureka
eines Tages ein chaotisdier . . . Sturz der Monde auf die
I Planeten, der Planeten auf die Sonnen, der Sonnen auf die Sterne
|,j.folgen. ••• Dann werden in unermeßlichen Abgründen unvor-
l stellbare Sonnen aufstrahlen, aber das alles wird nur ein pradit-
[ voller Höhepunkt sein, der das große Ende einleitet . . . Während
I ihrer Konsolidation haben sidi die Haufen mit erschreckend
I wadisender Geschwindigkeit ihrem allgemeinen Zentrum zugestürzt,
und bald werden mit einer tausendfach verstärkten elektrischen
i Gesdiwindigkeit, wie sie ihrer materiellen Größe und der geistigen
I Heftigkeit ihrer Einheitsneigung entspricht, die majestätischen Über-
; bleibsei der Sternenmasse in allgemeine Umarmung stürzen. Die
unvermeidliche Katastrophe ist da. Aber was ist nun diese Kata-
fstrophe?"
Der Prophet verkündet es: die letzte Riesen k u g e 1 der
[Kugeln wird in dem Augenblick, in dem sie sich bildet,
[auch schon vergangen sein. Denn die Attraktionsmaterie war
[ nur dazu da, der repulsiven Elektrizität als Stütze zu dienen.
[Da nun die Repulsion aufgezehrt ist, also nicht mehr gestützt
[werden muß, wird die Materie unnötig und es bleibt ihr
[nichts mehr übrig, als unterzugehen. In der unendlichen Leere
ist nichts mehr vorhanden als die Vereinigung des Sohns
mit dem Vater, die durch diese Art apokalyptischen
[Orgasmus, als den wir die allgemeine Umwälzung der Welten
[und Sterne ansehen müssen, bewirkt wurde. Denn es versteht
Lsich von selbst, „daß nur Gott allein als All im All bestehen
fwird", in dem der Sohn in einer höchsten Ekstase aufgeht.
Die Frage liegt nahe, ob diese Vision vom endgültigen
[Untergang der Materie, die eine der Vorstellungen der
modernen Physik anzukündigen scheint und dadurch bei
manchem Leser den Eindruck hervorruft, von hohem objektiven
[Wert zu sein, nicht von neuem dem Diditer durdi die ihm
I zugehörigen persönlidisten und subjektivsten Komplexe ein-
j^ gegeben wurde. Wir haben oft genug wiederholt, daß Poe seine
lutter als ganz kleines Kind verloren, daß er die Mutter über-
1 lebt hat. Die Materie, die hier einem endgültigen Tod zur
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
Beute fällt, nachdem sie so lange mit ihrem Sdiein geleuditetl
hat — erinnern wir uns an die faulige Phosphoreszenz , ^[A
tote Materie, die nur dazu diente, die lebende Elektrizität!
zu stützen, welche selbst wieder der individualisierte Geist 1
der Gedanke ist, diese Materie geht zur gleichen Zeit wie dieser!
Gedanke unter. Versteckt sich nicht hinter diesem Bild die]
Poesche Phantasie einer Vereinigung im Tode mit der in früher!
Zeit verlorenen, niemals aber für immer versdiwunden ge-
haltenen Mutter, einer Vereinigung, die in dem Augenblids
eintritt, in dem der auf der Erde gebliebene Sohn (der als!
Geist, Genie, Gedanke lebt) in ihren Armen sterben kann? Eine i
solche Phantasie von der Vereinigung des Sohnes mit der i
Mutter im Tode würde ein bescheidenes Pendant zu jener i
andern leuchtenden und großartigen Phantasie bilden, die hienj
von einer letzten Heimkehr des Sohnes in den väterlidien]
Schoß berichtet.
„Aber sollen wir hier stehenbleiben? Durchaus nidit." Gott
wird hier nicht stehenbleiben! Wenn dieses Universum wieder '
in ihn zurückgekehrt ist, wird er bald ein anderes aus-
senden. Der Sohn wird in Ewigkeit immer und immer wieder
neu gezeugt werden. Vergebens wollte Poe zuerst dem Leben
seines Weltalls ebenso wie dem Leben des Menschen räumlidie
und zeitliche Grenzen zuweisen. Von allen Seiten dringt die
Unendlichkeit wieder in sein System ein; im Bereich des Raums
tauchte sie wieder auf, mit den unzähligen Universen, die im ;
Raum verstreut sind, im Bereich der Zeit erscheint sie wieder
durch die endlose Aufeinanderfolge göttlicher Schöpfungen.
Denn das Unbewußte hält sidi für unsterblich und fähig, ewig
wieder aufzuerstehen. Daher wird unaufhörlich „ein neues
Weltall ins Dasein" treten „und dann seinerseits ins Nichts"
versinken, — „bei jedem Schlage des Gottesherzens".
Und dieser Herzschlag erinnert uns wieder an das
Schwatzende Herz. In dieser Geschidite haben wir
Heureka 223
das Herz des Greises, der eine Imago des Vaters ist, das
Herz, dessen ungeheuer lautes Schlagen in der Nacht den Haß
und die Wut des Mörder-Sohnes aufs stärkste reizten, dem
mäditigen väterlichen Phallus gleichgestellt. Wir finden nun
hier, in Heureka, das gleiche väterliche phallische Herz
in dem schlagenden und zeugenden Herzen Gottes wieder.
Aber während im Schwatzenden Herzen die Hal-
tung des Sohnes, des Mörders, einer positiven ödipuseinstellung
entsprediend aggressiv war, ist sie in Heureka anders:
in einer gleichsam fassungslosen Vaterleibsphantasie wirft er
sich voll Liebe an das väterliche Herz.
Aber die Rivalität zwischen Vater und Sohn läßt sich auch
hier nidit ganz unterdrücken: denn der in den Vater heim-
gekehrte Sohn besiegt ihn sdbließlich, indem er nun in höchster,
letzter Identifizierung, wie wir gleich sehen werden, zum Vater
selber wird.
„Und was ist nun das Gottesherz?" ruft Poe aus. „Es ist
unser eigenes Herz."
Der Dichter kehrt also zu sich selbst zurück, um sich einer
intensiven, eifrigen Innenschau zu widmen, mit deren Hilfe er
Gott wieder in sich finden wird.
„Wir wandeln durch die Gesdiidte unseres Weltdaseins, umgeben
von sdiattenhaften, aber immer gegenwärtigen Erinnerungen an ein
größer gestaltetes, in früher Vergangenheit weit zurüdtliegendes
und unendlidi furchtbares Gesdijdk. Die Jugend, die wir erleben,
ist besonders heimgesucht von solchen Träumen, die wir jedodi
niemals als Träume ansehen. Wir erkennen Erinnerungen in
ihnen . . . Daß eine Zeit war, in derwir nichtexistierten,
oder daß es hätte sein können, daß wir niemals zu einer
Existenz gekommen wären, das sind Betrachtungen, die uns in
derjugend wahriich schwerfallen. Von allen Fragen scheint uns,
bis wir erwachsener sind, die Frage am schwersten zu
beantworten, warum wir vielleicht nicht hätten existieren können.
Bis zu diesem Alter sdieint die Existenz, die persönliche Existenz,
die Existenz zu jeder Zeit und selbst in der Ewigkeit, uns ein
224
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
normaler und fragloser Zustand — es scheint uns so, we'l
es so i s t."
Die Wahrnehmung von der Unsterblichkeit, die dem Un-
bewußten eigentümlich ist, für das der Begriff der Zeit absolut
nicht existiert, kann nicht besser dargestellt werden, als dies
hier geschieht. Nur das Ich erwirbt, und zwar in dem Maße
in dem es sich bildet, die intellektuelle Vorstellung von der
Zeit und vom Tode.
Nun findet dieses Gefühl von der Ewigkeit, das im Tiefsten
eines jeden Menschen schlummert und von den verschiedensten
Religionen in ihren Unsterblidikeitsdogmen nach außen pro-
jiziert wurde, — nun findet dieses Gefühl von einem Leben
jenseits dieses Lebens auch in der Vergangenheit einen realen
Stützpunkt, eine Tatsache, die Poe zwar verworren, aber
durchaus richtig ahnte. Denn bevor das Kind ans Licht geboren
wurde, lebte es schon eine nichtvergessene Zeit, ein traumhaftes
intrauterines Leben. An der Wurzel aller Phantasien von
einem früheren Leben muß wohl die gleiche Erinnerung
oder vielmehr Erinnerungsphantasie zu finden sein,
die wahrscheinlich auch der großen, im Bereich der platonisdien
Ideen angesiedelten Theorie des Erkennens nicht fremd war.
Diese Phantasie von einem früheren Leben"^ wird dann leid«
auf die von einem Weiterleben nach dem Tode übertragen.
Und diesen Schritt machte auch Poe in Heureka mit.
Bei dieser Gelegenheit bricht sein größenwahnsinniger
Narzißmus aus. Als der Zweifel, die Überrasdiung und Un-
begreiflichkeit dem älter werdenden Kind zurufen: „Du lebst,
und es gab eine Zeit, wo du nicht lebtest. Du bist gesdiaffen
worden. Es gibt eine höhere Intelligenz als deine, und nur
durdi diese Intelligenz lebst du überhaupt", wehrt sidi Edgar
gegen einen solchen Zuruf. Wie, das intrauterine Leben hat
92) Siehe Baudelaire in Les Fleurs du Mal: La Vie Anterieure.
Heureka 22 j
für ihn einen Anfang haben können, und der Vater hat ihn
aus dem Nichts herausziehen müssen?! Die Intelligenz Gottes
ist dabei sichtlich ein euphemisdies Symbol für seinen Phallus.
Schließlich geht Poe während der Steigerung seiner Paranoia,
in der Heureka geschrieben wurde, so weit, daß er jede
generische Abhängigkeit vom Vater, von Gott,^ leugnet. Er ist
ebenso groß wie Gott, er ist zu allen Zeiten gewesen und wird
wie Er ewig sein! Denn wer könnte „in einem gewissen lichten
Augenblicke seines Gedankenlebens", und bei einem solchen
war die Seele Poes (nach Poes Meinung!) gerade angelangt,
zugeben, wer könnte begreifen oder glauben, „daß etwas
Größeres bestehe als seine eigene Seel e"?
Und man fühlt mit Recht so, verkündet Poe.
„Jede Seele ist zum Teil ihr eigener Gott, ihr eigener Schöpfer."
Denn „Gott, der materielle und geistige Gott (existiert) jetzt einzig
und allein in der zerstreuten Materie und dem zerstreuten Geiste
des Weltalls" und „die Wiederzusammenziehung, die Wiederver-
einigung dieser Materie und dieses Geistes allein (kann) den rein
geistigen und individuellen Gott wiederherstellen".
So zeugt nun der Sohn den Vater und wird in seinem
paranoisciien Narzißmus seinerseits der Vater selbst. Der
Mensch — d. h. Edgar Poe — wird Gott und, höchste Identi-
fizierung, ihm stößt nun zu, was vorher Gott geschehen ist: er
beginnt das ganze Universum aufzusaugen.
„Die Trauer, in die uns die Betraditung, daß wir unsere indi-
viduelle Identität verlieren werden, versetzt, hört sofort auf, wenn
wir überlegen: der oben beschriebene Vorgang ist ja nicht mehr
und nidit weniger als die Aufsaugung aller andern Intelligenzen
(d. h. aller im Universum befindlichen Intelligenzen) durch jede
individuelle Intelligenz. Damit Gott ganz in allem sein kann, muß
jeder Gott werden."
Man muß hier an die Konsubstantialität von Vater und
Sohn im christlichen Dogma denken. Immer wieder haben die
Träume aller Söhne die gleichen Phantasien einer Vereinigung
und Identifizierung mit dem geliebten und gefürchteten Vater
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 1,;
i
220 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
hervorbringen müssen. Denn der Sohn ist nidit nur der männ-
lidie Aufrührer im Ödipuskomplex; er ist gleichzeitig audi
durdi die homosexuelle Kraft der Liebe der dem Vater ergebene
und anhängliche Sohn.
In der Art und Weise, in der der Sohn in Heureka die
Rückkehr zu Gott begreift, sind beide Haltungen miteinander
vereinigt: das Universum Sohn verliert sich zwar in einer Art
Vaterleibsphantasie an Gott; aber durch das gleidie Mittel
steht der vernichtete und dennodi triumphierende ödipussohn
wieder auf und wird nun selbst zum Vater, zu Gott. Die
Haltung Poes gegenüber seinem Gott ist daher weit davon ent-
fernt, passiv zu sein. Die Vaterleibsphantasie, der man in
gewissen Analysen begegnet, ist übrigens immer durdi sekun-
däre Verschiebung von der Mutter auf den Vater übertragen.
Das erste Objekt dieser Mutterleibsphantasie (die, wie Freud
gesagt hat, der Koitusersatz des Impotenten ist), ist natürlidi
die Mutter. Wir haben sdion an anderer Stelle gesehen, wie
häufig diese Phantasien im Werke des gehemmten Poe auf-
treten, und sind daher keineswegs überrasdit, sie (allerdings
auf den Vater übertragen) in Heureka wiederzufinden, im
letzten Werke Poes, das eine Flucht des Dichters vor der Frau
zum „erlösenden" Vater darstellt.
Ein zweites Beispiel: Richard Wagner, dessen Sexualleben
so viele innere Hemmungen aufzuweisen scheint, und dessen
Riesenwerk ein einziger Sdirei nach der „erlösenden" Frau ist,
sdiloß den Kreis seiner Sdiöpfungen mit dem P a r s i f a 1.
Nachdem Parsifal Kundry, die Frau, die Mutter (überbringt
Kundry nicht Parsifal den Kuß der toten Mutter?) zurüdc-
gewiesen hat, tritt er glühend vor Gottesliebe in einer Art
Vaterleibsphantasie triumphierend in die Gralsburg Monsalvat,
Symbol für Gott, den Vater, ein.
Man kann nidit ohne Liebe leben, und wenn es allzu streng
verboten ist, die Mutter zu lieben, dann wendet sidi die unzer-
Heureka
2^7
störbare Libido des Menschen unvermeidlidi dem Vater zu.
piese Bindung an den Vater kann dann, wie das bei allen
Trieblodungen der Fall ist, entweder nach dem passiven
Sdiema (Wassergrube und Pendel) oder nach dem
aktiven (Heureka) ausgedriida werden, wobei sie in
bezug auf das Objekt homosexuell gerichtet bleibt. Und
wenn wir uns fragen, was dieses Hin und Her der Haltung
möglich macht, dann müssen wir wieder auf die fundamentale
Bisexualität aller Lebewesen hinweisen, welche die Biologie
und Psychologie täglich deutlicher beweisen, auf die Bisexua-
lität, welche durch Ereignisse in der Kindheit bei dem einen
Lebewesen verstärkt, bei dem andern aber geschwächt wird.
Wie stark war nun der konstitutionelle bisexuelle Faktor
bei Edgar Poe daran beteiligt, daß er für immer von der Frau
entfernt wurde? Das wissen wir natürlich nicht. Aber wir
müssen annehmen, daß der zweite Faktor, der Faktor der
infantilen Ereignisse einen günstigen Boden gefunden haben muß,
um sidi so stark auswirken zu können, wie er es tatsächlich
getan hat. Der klassisdie Mechanismus, nach dem der vom
allmächtigen Vater bei seiner ersten erotischen ödipalen Be-
geisterung für die Mutter beeinträchtigte Junge auf den hem-
menden Vater selbst den Fluß seiner Libido hat zuströmen
lassen, muß beim kleinen Edgar ganz besonders intensiv
wirksam gewesen sein. Das wird durch das Leben und das
Werk Edgar Poes bewiesen.
Über diesem Leben stehen also, wie über diesem Werk, die
drei großen Kategorien von Konflikten, welche die Seele der
Mensdien beunruhigen. Zuerst einmal müssen wir, um leben zu
I können, uns den Gesetzen der Realität unterwerfen, die sich
jum unser ursprüngliches und hartnäckiges Verlangen nadi Lust
Inidit kümmern; das Realitätsprinzip, das von den Befehlen
>5'
228 Die Geschichten: Der Zyklus Vater
der äußeren Welt ausgeht, steht in Opposition zum Lust-
prinzip, das von unserer Geburt an bis zu unserem Tod in
unserem Unbewußten herrscht. Aus soldi ursprünglichem Ant-
agonismus, den bereits der Fötus kennt, wenn die Realität ihn
zwingt, den warmen Schutz des mütterlichen Körpers zu ver-
lassen, um geboren zu werden (ein Zwang, gegen den er durdi
sein Schreien schon zu protestieren scheint), aus diesem ur-
anfänglidien Konflikt geht der zweite der Konflikte, die unsere
Seele peinigen, nur als besonderer Fall hervor. Denn die Forde-
rungen unserer Erzieher, welche den erotischen und Aggressions-
trieben des heranwachsenden Menschen die Moralverbote auf-
zwingen, sind tatsächlich nur Befehle, die von außen, von der
Realität herkommen. Aber diese Verbote besitzen in unserer
hochentwickelten Gesellschaft eine derart zivilisatorische und
gleichzeitig pathogene Bedeutung, daß ihr Zusammenstoß mit
unseren oft ungehorsamen Trieben, selbst wenn sie verdrängt
sind, diesen Verboten einen besonderen Platz einräumt. Zu
diesen beiden Konflikten: zu der Realität, die unseren Trieben,
welche nicht gewillt sind, zu verzichten, unversöhnlich gegen-
übersteht; zu der Sozialmoral, die mit den gleichen Trieben
kämpfl:, kommt noch ein dritter hinzu: der Konflikt zwischen
dem Mann und der Frau, die biologisch in uns nebeneinander
bestehen. Denn je nachdem die Lebenswaage in jedem von
uns die Schale nach der Seite des einen oder des andern Ge-
schlechts gesenkt hat, protestiert das geopferte Geschlecht und
fordert sein Recht. Es gibt sich nicht immer vollständig
zufrieden mit der Form und der Funktion, welche die Natur
unseren Organen aufzwingt; aber der bisexuelle Konflikt, der
die anatomische, die physiologische Realität nicht in Rechnung
stellen will, bildet dadurch auch seinerseits nur einen besonderen
Fall des allgemeinen Konflikts zwischen dem Lustprinzip, das
im Innern des Unbewußten herrscht, und dem Realitätsprinzip,
das in der äußern Welt herrscht, zu der auch (für unser Un-
l
Heureka 229
[^wüßtes) die Darstellung unseres eigenen Körpers gehört.
Per Umfang, den der Mangel an Anpassungsfähigkeit an die
erotisdie Realität""" erreicht, ist eine veränderliche Größe
und in verschieden starkem Maße krankheitserregend, wobei
es für das Maß dieses Mangels gleidigültig ist, ob er aus der
Konstitution des Kindes oder aus Zwischenfällen, die sich in
Jer Kindheit ereignet haben, herkommt. Die vollkommene
Harmonie eines Menschen mit sich, die von diesem Gesichts-
punkt aus darin bestehen müßte, nichts als ein Mann oder
nidits als eine Frau zu sein, sdieint ein Ziel darzustellen, nadi
dem zwar das Leben strebt, das jedoch nie vollständig erreicht
wird, obwohl in vielen Lebewesen das Gleichgewicht praktisch
hergestellt zu sein scheint.
Edgar Poe nun war von der Kindheit an bis zum Tode
diesen drei Konflikten zu gleicher Zeit ganz besonders aus-
geliefert. Zwar verzichteten seine Triebe vor den Moralforde-
rungen der Erzieher im Hause der Allans auf die im höchsten
Maß perversen Befriedigungen, die zu sudien die düstern Er-
eignisse der Kindheit, weldie auf die unbeständige Konstitution
eines erblidi belasteten Alkoholikers aufgepfropft waren, ihn
zwangen. Aber der Sexualtrieb läßt sich nicht ungestraft
in solchem Umfang verdrängen — er rächt sich. Er machte
Poe in weitestem Maße unfähig, die Realität zu ertragen,
er drängte ihn zur Giflsucht, zur Flucht vor der Realität,
zu regressiven Befriedigungen einer unentwickelten Libido,
und ließ ihm zu wirklicher Realisierung nur den Weg der
sdiöpferischen Phantasie offen — dieser Weg allerdings war
93) Ich entlehne diesen Ausdruck Ferenczi (Entwicklungs-
stufen des Wirklichkeitssinnes in Int. Ztschr. f. PsA.,
I, 1913, und Bausteine zur Psychoanalyse, Int. PsA.
Verlag^ 1927, Bd. I). Ferenczi verwendete ihn für die Suche nach
dem Liebesobjekt. Ich wende ihn hier in einem weiteren Sinn auf
die Anpassung des Subjekts selbst an die psycho-physiologischen
Forderungen seines Gesdiledits an.
1
230
Die Geschichten: Der Zyklus Vater
wirklidi königlich! Er madite aus ihm einen psydiisd.
Kranken, so wie die traurige Erbsdiaft von den Eltern h
aus ihm einen physisdien Kranken gemacht hatte: die beid
Einflüsse gingen ineinander über und wirkten sidi
manchmal als Ursadie, mandimal als Wirkung aus.
Die Heftigkeit und auch die angeborene Sdiwäche des Poe.
sehen Sexualtriebs, der sich nicht gegen die Unterdrückungen
der Erzieher wehren konnte (was dem Trieb bei andern
Mensdien wohl glückt), standen wahrscheinlidi auf der Grund-
lage einer überaus starken konstitutionellen Bisexualität. Diese
Tatsache machte es Poe möglich, einem Übermaß von Moral-
forderungen zu gehorchen, vor der Mutter, vor der Frau im
allgemeinen, so stark zurückzuweichen, wie er es getan hat, und
seine literarische Laufbahn mit der homosexuellen kosmisdien
Phantasie Heureka zu beenden.
Wir brechen hier die Untersudiung der Erzählungen Edgar
Poes ab. Wir haben unter ihnen jene Didbtungen ausgewählt,
die unserer Meinung nach für sein Werk, seine Psyche, sein
Leben besonders typisch und illustrativ zu sein scheinen. Der
Analytiker, der diese Arbeit gelesen hat, wird audi in den
Geschichten, die wir nicht studiert haben, die Spuren der
Fundamentalkomplexe ihres Autors wiederfinden, die siditbar
zu machen unsere Aufgabe war.
TEIL IV
POE UND DIE MENSCHLICHE
SEELE
.ikIW/l' ^>"*'''W-'^"
I / '■^o e*>- ^
SIGMUND FREUD
(Nach einer Radierung von F. Schmutzer, 1926)
m
3
ÜBER DIE ARBEIT AM LITERARISCHEN
KUNSTWERK UND ÜBER DIE FUNKTION
DER DICHTUNG
Bevor wir daran gegangen waren, die Erzählungen Edgar
Poes zu analysieren, haben wir geschrieben: „Die literarisdien
und künstlerisdien "Werke der Menschen enthüllen das Intimste
ihrer Psyche und sind, wie Freud gezeigt hat, nach Art unserer
Träume aufgebaut. Die gleichen Mechanismen, die der Ver-
arbeitung unserer stärksten, wenn audi verborgensten "Wünsdie
— und das sind häufig jene, die unser Bewußtsein am heftigsten
zurückweist — im Traum oder im Nachtalp dienen, leiten
audi die Arbeit am Kunstwerk." Auf einem andern "Weg, in
Der Dichter und das Phantasieren^ hat Freud
gezeigt, was den Tagtraum des Jünglings oder des Erwachsenen
— diesen nahen "Verwandten des Schlaftraums — mit dem
Kinderspiel verbindet: beide sind fiktive "Wunschrealisierungen.
In der gleichen Schrift läßt er uns auch die Ähnlichkeit erfassen
zwischen dem Tagtraum und der literarischen Schöpfung, in
der die tieferen, archaischen, infantilen, unbewußten "Wünsche
des Künstlers nadi einem fiktiven und mehr oder weniger ver-
kleideten Schema ihre Befriedigung finden. Je nachdem nun
die literarischen "Werke mehr oder weniger mit Subjektivität
gesättigt sind, könnte man sie wie in einer Skala neben-
einanderstellen. An dem einen Ende würde man die "Werke
finden, bei denen (wie bei Zola oder Maupassant) die Persön-
lichkeit des Autors hinter der Erzählung gänzlidi zu ver-
i) Neue Revue 1908; Gesammelte Sdiriften, Bd. X.
^34
Poe und die menschliche Seele
schwinden scheint, sich mit der Rolle eines Zuschauers begnü
"" dem die andern Menschen vorüberziehen: wir haben
an
es
sozusagen mit den Werken genialer „Voyeurs" zu tun. Trotz
dem diese Dichtungen beim ersten Anblick mit dem Trau
oder mit der Träumerei im allgemeinen in Widerspruch z
stehen scheinen, ähneln sie gewissen außergewöhnlichen Tag-
träumen. Man müßte übrigens bei jedem Fall im besondern
untersuchen, inwieweit die Spaltung der Persönlidikeit des
Autors, deren psychische Komponenten danach streben, sich in
verschiedenen Gestalten zu verkörpern, es ihm ermöglicht hat
in den von ihm beobadiieten Personen sich selbst wieder dar-
zustellen. Auch in den mythischen Themen, welche dodi dem
Dichter oder Dramatiker von außen zugekommen zu sein
scheinen, und welche die phylogenetischen und kollektiven Tag-
träume der Menschheit darstellen, finden die ontogenetischen
Komplexe jedes Autors immer wieder ein Mittel, sich in der
Wahl des Themas und durch die Varianten, die der Diditer
anzubringen versucht, zu manifestieren.
Kehren wir aber zu unserer Skala der literarischen Werke
zurück, auf der das Ausmaß an Subjektivität aufgezeichnet ist.
Durch alle möglichen Übergänge, über alle Grade von Ab-
stufungen hinweg finden wir von der ansdieinend größten
Objektivität zu der vollkommen subjektiven Leistung zurück,
in der sich der ursprüngliche, fundamentale Typus der literari-
schen Schöpfung zu realisieren scheint. In diesen subjektiven
Werken werden die Komplexe des Autors selbst mehr oder
weniger offen oder verkleidet in das Werk projiziert.
Diese ganz subjektiven, ganz mit den unbewußten Erinne-
rungen (wir würden sagen: Komplexen) ihres Schöpfers ange-
füllten Werke verraten deutlich ihre Verwandtschafl:, sie sind
nicht nur den „Tagträumen" junger Menschen ähnlidi, sondern
auch den „Schlaf träumen" aller Menschen. An das äußerste Ende
einer soldien Reihe könnte man einen Edgar Poe oder einen
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 235
E. Th. Hoffmann stellen, aber nidit nur deshalb, weil bei ihnen
die Arbeit am Kunstwerk der Arbeit ähnelt, weldie unsere
'Träume schafft, sondern auch, weil die äußere Haltung ihrer
Erzählungen, ja sogar ihre Form häufig die unserer Alp-
träume ist. Wahrscheinlich war ihre Süditigkeit an diesem
Phänomen beteiligt.
Wir glauben, im Verlauf dieser Arbeit bereits aufgezeigt
zu haben, aus weldien tiefen infantilen Quellen der Diditer
die Inspiration zu seinen Werken geschöpft hat. Unsere weitere
Aufgabe besteht nunmehr darin, an den Geschichten des
Dichters die eigentlichen psychischen Medianismen aufzuzeigen,
weldbe im allgemeinen die Arbeit am literarischen Werke leiten.
In der Traumdeutung,^ dem Werk, das der neuen
Psychologie, der einzigen Psychologie, die diesen Namen
verdient und ins Unbewußte dringt, eine feste Grundlage
gegeben hat, sdireibt Freud beim Abschluß des Kapitels über
die Traumarbeit: „Sie läßt sich erschöpfend beschreiben,
wenn man die Bedingungen ins Auge faßt, denen ihr Erzeugnis
zu genügen hat. Dieses Produkt, der Traum, soll vor allem
der Zensur entzogen werden und zu diesem Zwecke bedient
sich die Traumarbeit der Verschiebung der psychi-
schen Intensitäten bis zur Umwertung aller psychi-
sdien Werte; es sollen Gedanken ausschließlich oder vorwiegend
in dem Material visueller und akustischer Erinnerungsspuren
wiedergegeben werden, und aus dieser Anforderung erwächst
für die Traumarbeit die Rücksicht auf Darstell-
bar k e i t, der sie durch neue Verschiebungen entspridit. Es
sollen (wahrscheinlich) größere Intensitäten hergestellt werden,
als in den Traumgedanken nächtlich zur Verfügung stehen,
2) Freud, Die Traumdeutung. Deutidie, Leipzig und
Wien 1900; Gesammelte Schriften, Bd. II III, S. 430.
flf Poe und die menschliche Seele
l
und diesem Zweck dient die ausgiebige Verdichtung
die mit den Bestandteilen des Traumgedankens vorgenommen
wird. Auf die logischen Relationen des Gedanken
materials entfällt wenig Rücksicht; sie finden schließlich i„
formalen Eigentümlichkeiten der Träume eine verstedcte
Darstellung. Die Affekte der Traumgedanken unterliegen
geringeren Veränderungen als deren Vorstellungsinhalt Sie
werden in der Regel unterdrückt; wo sie erhalten bleiben, von
den Vorstellungen abgelöst und nach ihrer Gleichartigkeit
zusammengesetzt. Nur ein Stück der Traumarbeit, die in ihrem
Ausmaße inkonstante Überarbeitung durch das
zum Teil geweckte Wadidenken, fügt sich etwa der Auf-
fassung,^ welche die Autoren für die gesamte Tätigkeit der
Traumbildung geltend madien wollten."
Wir wollen nun von dieser Zusammenfassung der Bedin-
gungen, denen der Traum genügen muß, und welche die zu
semer Bildung leitenden Vorgänge einschließen, ausgehen, um
zu zeigen, daß diese Vorgänge (wenn auch anders dosiert) die
gleichen sind, durch die im literarischen Werk der vom vor-
bewußten Denken vermittelte Inhalt des Unbewußten in das
bewußte Erzeugnis, als das wir das geschriebene Werk ansehen
müssen, gelangen kann. Das wird uns aber keineswegs über-
raschen, da ja diese Mechanismen, diese Gesetze ganz allgemein
die Mechanismen und Gesetze sind, die unter allen Himmels-
stridien in der ganzen Welt, im Innern der menschlidien
Psyche herrschen.
*
Aber bevor wir die verschiedenen Prozesse, die sich bei
der Arbeit am literarischen Werk abspielen, studieren, wollen
wir versuchen, uns eine etwas genauere Vorstellung von jenen
verschiedenen Zuständen der Psyche, von denen wir eben ge-
sprochen haben, zu verschaffen.
Vor allem, was soll man unter einer unbewußten Erinne-
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 237
rung, unter einer unbewußten Vorstellung, einem unbewußten
Affekt verstehen? Das sind Begriffe, die, täuschen wir uns nicht,
in diesem Zustand vom Bewußten absolut nicht erfaßt oder
auch nur erahnt werden können, so unverständlich dies auch
erscheinen mag. Die frühesten infantilen Erinnerungen unseres
Lebens bleiben mit den ihnen zugeordneten Vorstellungen
immer in diesem Zustand erhalten, sie bilden, gemeinsam mit
unseren ererbten Trieben, den Kern dessen, was man unser
Unbewußtes nennt. Bloß die unbewußten Affekte können, auf
andere Objekte übertragen, wieder im Vorbewußten auf-
tauchen, und von dort aus beherrscht unser infantiles Un-
bewußtes unser Leben weiter, indem es ihm die Wahl der zu
dieser Übertragung geeignetsten späteren Vorstellungen auf-
zwingt.
Vorbewußt sind jene Vorstellungen, die zwar für den
Augenblidk unbewußt, jederzeit aber fähig sind, ins Bewußt-
sein zu dringen, wenn die Gelegenheit dazu günstig ist. Daher
untersdieidet man in Wirklichkeit zwei Arten des Unbewußten:
einerseits das eigentlidie Unbewußte, das niemals herauf-
beschworen werden kann, und das aus dem Reservoir unserer
angeborenen Triebe und unserer frühzeitigsten Erfahrungen
gespeist wird; andererseits das im Augenblick unbewußte Vor-
bewußte, das jederzeit herbeigerufen werden kann, und durdi
später in unserem Leben erworbene Erinnerungen und Vor-
stellungen gebildet wird.
Und der bewußte Zustand? Er spielt, trotzdem die Psycho-
logie ihm früher alles, was sidi im Bereich unserer psychisdien
Struktur ereignet, zugeschrieben hat, bloß eine bescheidene
Rolle in unserem Leben. Diese sdieint nur in unserer Apper-
zeptionsfähigkeit zu bestehen, die sidi aber diesmal dem Innern
unserer Psyche zuwendet. Und so wie unsere äußere Apper-
zeptionsfähigkeit, die sich der Sinne bedient, nur die Phäno-
mene erfassen kann, ohne in das eigentliche Wesen der Dinge
^3 8 Poe und die menschliche Seele
1
zu dringen, zeidinet auch unsere innere Apperzeptionsfähiake'
nidits als die Bewegungen und Spiegelungen auf der Oberfläd,e
ab, ohne in die nicht zugänglichen Tiefen unseres Unbewußten
eindringen zu können. Daher ist unser bewußtes Ich nie meh
als der mehr oder minder wachsame Zuschauer unser selbst
Bei der Traumarbeit, der Arbeit am literarischen Kunst-
werk, ebenso wie bei der an verschiedenen anderen psychischen
Erzeugnissen, spielt sich nun im allgemeinen folgendes ab-
Etwas, das der äußeren Welt angehört, wird von uns wahr-
genommen. Aber im Laufe des Tages muß unsere Aufmerk-
samkeit, um verwendbar zu bleiben, von einem Objekt auf
das andere übergehen. Nun versdiwinden die Endglieder
mantJier Assoziationsketten, den Tag über, ins Vorbewußte.
Dort entwickeln sie sich weiter, bis ihr Affekt sich verteilt
zerstreut und verliert. Oder aber, sie stoßen auf irgendein'
Kettenglied, das sie über eine Assoziation, die durch die
Ähnlichkeit mit irgendeiner andern unbewußten Erinnerung
hervorgerufen wurde, bis ins Unbewußte hinabführt. Die ganze
vorbewußte Kette wird dann ins Unbewußte hinabgezogen und
dort mit jener mächtigen Energie besetzt, die den alten, ver-
drängten Affekten eigen ist, welche gegen jegliche Abnützung
gefeit sind, da sie dem Bewußtsein entzogen wurden. Von
hier aus gelangt diese durch den alten Affekt gestärkte Kette ins
Bewußtsein, in der Form eines Tagtraums zum Beispiel, oder
eines Schlaftraums. Aber bei diesem Untertaudben ins Unbe-
wußte, und vor dem Auftauchen in einer neuen Gestalt
machen die vorbewußten Gedanken jene eigenartige Umwand-
lung mit, deren Gesetze von denen des logischen Denkens sehr
abweichen und mit der wir uns nun beschäftigen wollen.
Vorher noch eine wichtige Bemerkung. Obwohl uns die
Sprache dazu zwingt, vom Untertauchen ins Un-
bewußte, vom Übergang des Unbewußten in das Vor-
bewußte zu sprechen, muß man sich hüten, sich das Un-
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 239
bewußte, Vorbewußte oder Bewußte als verschiedene ö r t-
1 i c h k e i t e n der Psydie vorzustellen. Es handelt sidi nur
uni verschiedene Zustände.
Durch das Untertauchen ins Unbewußte erwerben die Vor-
stellungen vor allem die Fähigkeit, dort ihre Affekte zu ver-
lieren, sie auf mehr oder minder benadibarte Vorstellungen
übergehen zu lassen.
Beispiele für diese Verschiebung der psychi-
schen Intensitäten sind in den von uns analysierten
Gesdiiditen so zahlreich vorhanden, daß sie gleichsam den Ein-
sdiuß im Werk des Erzählers bilden. Wir heben aus ihnen
nur die auffallendsten heraus. Im Zyklus der tot-
lebenden Mutter besdiränkt sich die Versdiiebung ge-
wöhnlidi darauf, die Affektbetonung, die ursprünglidi der
Mutter zugehörte, auf imaginäre Frauen zu übertragen, weldie
mit Attributen, die der Toten gehören, begabt werden. So sind
beispielsweise Berenice, Morella, Ligeia, Madeline totkrank,
verhauchend wie Schwindsüchtige im letzten Stadium, um ihre
Sylphidenbewegungen schwebt bereits der Geruch der Ver-
wesung. Diese elementare Verschiebung genügt: daß sich hinter
diesen verdächtigen Sylphiden Elizabeth Arnold versteckt,
hat weder Poe selbst erkannt, noch irgendeiner der vielen
Menschen, die seit einem Jahrhundert seine Geschichten lesen.
Im besten Falle hat man erraten, daß hinter jenen Frauen
Virginia zu stehen scheint, die ja selbst nur eine Übertragung
der Elizabeth Arnold war.
Im Untergang des Hauses Usher zieht eine
nodi bedeutendere Verschiebung unsere Aufmerksamkeit an.
Die tot-lebende Mutter wird hier nicht nur mit den mensch-
lidien Zügen der Madeline dargestellt, sondern audi in der
Gestalt eines Gebäudes: sie ist das Schloß mit seinen Mauern
^4° Poe und die menschliche Seele
und seiner Atmosphäre der Verwesung. Um die für ih
wichtige Versdiiebung durdifiihren zu können, bedient sich Po"
emes von der gesamten Menschheit gern angewandten Symbol
das darin besteht, die Frau durch ein Gebäude darzustellen'
Im M e t z e n g e r s t e i n ist die Mutter gar durdi ei '
Totemtier, ein Pferd, repräsentiert, auf das der libidinöse
Inzestwunsch, der einzig und allein ihr gilt, verschöbe
wird. Wer hätte diesen Vorgang ohne den Schlüssel, den die
Traumdeutung bietet, durchschauen, diesen Vorgang mit
dem Intellekt erfassen können? Denn daß diese Geschichten uns
so fesseln, ist ja ein Beweis dafür, daß unser Unbewußtes
sehr wohl erkannt hat, was für ein tiefgehendes, latentes
Drama sich in ihnen und hinter den oft kindlichen manifesten
Details abspielt.
Im Zyklus von der Mutterlandschaft
kommt in die Verschiebungen der psychischen
Intensitäten eine größere Vielfältigkeit, da diese Ver-
schiebungen in größerem Maßstab durchgeführt werden. Unser
ursprüngliches Bestreben, das ganze Weltall narzißtisch zu
annektieren, madit es nämlich unseren libidinösen Besetzungen
tatsächlich möglich, sich auf alle, die kleinsten und die größten,
Objekte zu stürzen, die um uns herum unsere Sinne reizen:
Meereswogen, die Tiefen der Erde oder die Sterne des Himmels
können solche Objekte sein. Und die Mutter, das erste Objekt,
das wir als nicht zu unserem Körper gehörig haben unter-
scheiden können, diese Mutter wird nun (in der Geschichte vom
P y m zum Beispiel) nicht nur durch Schiffe, durch die Weiße
des seltsamen Totemtieres Tekeli-li dargestellt, sondern
auch durch eines der verbreitetsten Symbole, durch das Meer.
Im P y m (in der Verschüttungsphantasie), noch ausschließ-
lidier aber im Goldkäfer, wird die Mutter sogar durch die
Erde symbolisiert, die Eingeweide der Erde entsprechen dann
denen der Erzeugerin j imHansPfaall dient der Mond,
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 241
t
\ der bleiche und kalte Stern, die tote Mutter des Dichters dar-
I zustellen. Die Sehnsucht des Sohnes nach diesen symbolischen
Müttern verrät sich auch durdi die Leidenschaft, mit der die
verschiedenen Helden Poes die Erde, den Himmel, das "Wasser,
durchforschen und von ihnen Besitz ergreifen, das "Wasser, in
dessen Riesenstrudel (in den drei Seegeschichten Poes) der Sohn
im Taumel dorthin zurückkehrt, woher er gekommen ist.
Wir sind daher nicht erstaunt, wenn wir entdecken, daß
sich Poe auch im "Verlorenen Atem, in dieser seltsamen
Gesdiichte, in welcher er auf eine ganz abseitige "Weise seine
sexuelle Impotenz beichtet, mannigfacher und verschieden-
artiger Beispiele für die Verschiebung bedient. Als wichtigste
Verschiebung ist in dieser Geschichte die Übertragung des
Interesses, das jeder Mann ganz natürlich für seine Mannes-
potenz hat, auf das Interesse, das der Held der Geschichte für
seinen Atem, seinen Haudi hegt, anzusehen. Poe hat sich hier
wieder eines der Symbole bedient, weldies die ganze Menschheit
kennt: schreiben nicht die verschiedensten Theogonien dem
Atem ihrer Götter schöpferische Macht zu? "Wir haben nicht
die Absicht, an dieser Stelle noch einmal alle andern Ver-
schiebungen aufzuzählen, von denen es in dieser Geschichte nur
so wimmelt: wir erinnern nur an die ursprünglich „schuld-
beladene" Sexualaggression des Herrn Mang el-an- Atem, die
hier natürlich durch die "Wortaggression ersetzt ist, für die er
mit dem Verlust des Atems bestraft wird; der kastrierende
Vater fügt ihm diese Strafe durch Herrn "Windenough (Genug-
Atem), den Dieb des Atems, zu, ferner durch den dicken Herrn,
der ihn in der Postkutsche erdrückt, dann durch den Chirurgen,
der ihn seziert, und schließlich durch den Angestellten der
Leidienbestattungsanstalt, der eine Schraube in ihn hinein-
bohrt. Die "Wiederbegabung mit dem Phallus (Rephal-
1 i s i e r u n g) wird durch das Henken repräsentiert. Die
Erektion wird in dieser Geschichte durch das grenzenlose An-
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 16
^4^ Poe und die menschliche Seele
schwellen des Körpers unseres Helden nadi dem HenW^.
n.«f;;l,,. A..r j; t^._. ■ , . ™ 'Vor-
geführt. Auf diesen Körper ist der ganze dem Phallus
gehörige Libidoakzent verschoben, der schließlich das Gegen^l
der Wollust, also Angstgefühle, hervorruft; so groß "^^
nämlich die Angst, welche Poe vor dieser Erektion hatte. Nur
die Briefe, welche von der schuldigen Liebe der Elizabe K
Arnold sprechen, tauchen hier wieder als Briefe auf, und di
ist vermutlich deshalb möglich geworden, weil sie in der ve"
änderten Umgebung, in der Isolierung, in der sie hier
stehen, nicht wiedererkannt werden können. Und der Affekt
der zu dieser Geschichte drängte, die das tragischste Drama aus
dem Leben Edgar Poes, seine männliche Impotenz beichtet, ist
hier mit dem entgegengesetzten Vorzeichen versehen, wir haben
es mit einem Drama zu tun, das im burlesken Ton vorgetragen
wird. Die Erzählung wird also von einer Darstellung durdi das
Gegenteil beherrscht; in ihr ist verkleidet, was man nicht ins
Gesicht zu sagen wagt (davon soll noch später die Rede sein),
und nicht ohne Grund wird hier die Wiederbegabung mit dem
Penis durdi das ironische Schema eines hängenden, fallenden,
schlaffen Körpers repräsentiert.
Auch im Zyklus der ermordeten Mutter ist
die Verschiebung der AfFektwerte leicht zu erkennen. Der
Mörder-Vater der infantilen sadistischen Auffassung des
Koitus trägt hier die geheimnisvollen Züge des Unbekannten
an sich, „das Urbild und der Dämon des Triebes zum Ver-
brechen", der durch die Menge schleicht; anderswo erkennen
wir ihn im Orang der Rue M o r g u e. Dort wird der in
den Körper der Frau eindringende Phallus durch den Doldi
symbolisiert, hier durch das Rasiermesser. Und auch darin ist
eine Verschiebung zu sehen, daß in der gleichen Rue Morgue
das verschlossene Zimmer ebenso wie die alte Madame L'Espa-
naye die Mutter darstellt; und schließlich ist der Kamin, in
den die Tochter hineingezwängt wird, ein Bild der Mutter-
i
Üher die Arbeit am literarischen Kunstwerk 243
liloake. Überall Verschiebungen: das ausgestochene Auge der
schwarzen Katze ist ein Symbol für die Kastrations-
■BTunde, das Aufhängen der Katze schafFt den Phallus wieder
und die Katze selbst ist, wie so häufig, ein Symbol für die
Frau und ihr Organ.
ImZyklusVater wird der auf den Phallus hinweisende
psychische Akzent auf das Schwatzende Herz über-
tragen, im Faß Amontillado werden die Eingeweide
des Mutterkörpers durch die Keller Montresors repräsentiert.
Aber auch alle Darstellungen der Eltern unserer Kindheit durch
die Persönlichkeiten eines Fürsten- oder Königshofs im Hopp-
F r o s c h oder in der Maske des Roten Todes sind
Verschiebungen; sie dienen dazu, die wahre Natur dieser
Personen unkenntlich zu machen und sie in der Folge, ohne
daß sie verdächtig werden, ihre „sdhuldbeladene" libidinöse
Rolle spielen zu lassen. ,^,.
Der Teufel des Herrn Dammit, der ihm bei einer Wette den
Kopf abgewinnt, die symbolische Brücke mit den Eisenstangen,
auf der diese Hinrichtung stattfindet: alles Verschiebungen,
das eine Mal eine Darstellung des rächenden Vaters, das andere
Mal eine der Vagina, die zu durchqueren eine Gefahr be-
deutet, und der furchtbaren Zähne, mit denen sie bewaffnet ist!
Die Zahl der Verschiebungen, auf die sich der Alp von
Wassergrube und Pendel aufbaut, ist Legion: wir
haben hier das Gefängnis, diesen zusammenziehbaren Mutter-
uterus, einen vaginalen Brunnen, den phallischen Pendel der Zeit.
Und wir wollen schließlich nicht die Verschiebung der
Androgonie in H e u r e k a in die Sterne vergessen, auch nicht
die seines Gottes, welcher, wie alle großen Götter, eine Ver-
schiebung des Vaters ins Unendliche ist, ferner die der Ur-
ejakulation Gottes, des Uratoms, des ursprünglichen Spermato-
zoids, aus dem das Universum Gottessohn durch Ausstrahlung
oder Zellteilung entstanden ist. "Wir wollen aber hier keine
16*
244
Poe und die menschliche Seele
weiteren Beispiele für die Verschiebung, wie wir sie in d
bereits analysierten Erzählungen vorgefunden haben, an?pK»
wir mußten sonst unser ganzes Buch von neuem schreib
Denn die Verschiebung der psychische"
Intensitäten ist unter all den Mitteln, dessen sich die
Traumarbeit bedient, wahrscheinlich jenes — wir nehmen ei
einziges aus — , dessen sich die Arbeit am Kunstwerk am
stärksten bedient. Das hängt gewiß damit zusammen, daß die
Verschiebung größtenteils durch die Moralzensur be-
fohlen wird, die unser Wachdenken noch stärker beherrscht als
das Denken während des Schlafens. Der Autor ist, während
er dichtet und schreibt, wach und er darf unter keinen Um-
ständen erraten, um was es sich bei seiner Arbeit im Grunde
handelt.
Wie wir eben gesehen haben, bedient sich die Moralzensur
der Verschiebung, um vor den Augen des Autors wie vor
denen des Träumers die wahre Natur der Triebe zu ver-
schleiern, die sich im Traum oder Kunstwerk Geltung ver- :
schaffen. Eine zweite Forderung, der das literarische Werk,
genügen muß, eine Forderung, die allerdings im Traum
oder etwa in den plastischen Künsten in größerem Ausmaß
ihre Befriedigung findet, ist die Rücksicht auf D a r-
s t e 1 1 b a r k e i t, die „neue Verschiebungen" nach sich zieht,
wie Freud in dem vorhin zitierten Absatz sagt. Diese Ver-
schiebungen finden im Traum um Begriffe herum statt, die
im Bereidi der latenten Gedanken ein gar zu abstraktes Antlitz
hätten, als daß sie der von der Traumbildung geforderten
Rücksicht auf Darstellbarkeit entsprechen könnten. Im
Literaturwerk hingegen können selbst Verkettungen abstrakter
Gedanken, die der Traum nidit gern dulden würde, bestehen,
so zum Beispiel die Überlegungen Dupins, mit denen die Er-
zählung in der R u e M o r g u e einsetzt, oder die Deduktionen
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 245
Legrands im Goldkäfer. Der Traum hätte, im ersten Fall,
den Vergleich zwischen dem bloß „einfallsreichen" Schachspieler
yjid dem höherstehenden „analytischen" Whistspieler zum
Beispiel vielmehr auf die Weise dargestellt, daß er uns die
Schachspieler und Whistspieler nacheinander oder gleichzeitig
bei Tisch sitzend vorgeführt und die Überlegenheit der letzteren
über die ersteren durdi die entsprechende Auswahl der Personen
zum Bewußtsein gebracht hätte. Das Bestreben, abstrakte Ge-
danken durch sinnliche, besonders aber durch visuelle Bilder
zu ersetzen, dringt jedoch schließlich auch im literarischen Werk
durch. Die Ankunft des RotenTodes im Palast des Prinzen
Prospero, die doch das Eindringen einer Epidemie anschaulich
machen soll, wird durch den Eintritt einer Maske in mensch-
licher Gestalt, welche vom Blut ganz scharlachrot besprenkelt
ist (ein übervisuelles Kennzeichen der vorzuführenden Krank-
heit), dargestellt. Der Engel des Sonderbaren
„visualisiert" auf seine Art die unbewußte Erinnerung an die
wirkliche, flüssige Nahrung, die das Kind vom Mutterkörper
bekam, ja er „visualisiert" zu gleicher Zeit durch einen V e r-
dichtungs mechanismus, von dem wir noch später sprechen
werden, auch das Verlangen nach anderer imaginärer, vom
Körper gelieferter Nahrung, die das Kind später gern von dem
dann geliebten Vater erhalten hätte, und für die der in Gesell-
schaft von Männern getrunkene Alkohol im Unbewußten Poes
der Ersatz war. Da dies alles nidit offen ausgesprochen werden
kann, wird es durch das nach einem visuellen Schema gebildete
Aussehen des Engels ausgedrückt, der ganz aus Flaschen und
Tonnen besteht. Diese Flaschen sind mit nährenden Flüssig-
keiten angefüllt, die der Engel dem Erzähler zu gleicher Zeit
wie die Schläge (eine Erinnerung an die Maßnahmen des Er-
ziehers John Allan) austeilt.
Im Metzengerstein wird die inzestuöse Vereinigung
des Sohnes mit der Mutter auf das großartigste visualisiert in
dem Reiter, der glühend vor ErregunR an sein A U
Pjerende. symbolisches Pferd fiW isT : Hin f^^"^"
Maelstroem nimmt die Rückkehr in H '"">
Uterus die Riesenproportionen ^^Hj!:.^.^^
Sturzes m emen inmitten des Wassers sich öffnenden AK
an. So könnten wir in allen Erzählungen Poes Tn dt '
;ntens:v visuellen Berichten die verschLena ^ ten d? T
lungselemente verfolgen und entdecken '"''■
Bevor wir uns jedoch einem andern Problem zuw. ,
müssen wir darauf hinweisen daß von A "'""^ . ^"^^"den.
j; xr , . "^weisen, aais von den vier Beisoielen (■■
dx Verschiebung, durch die der Rücksicht an
stel barkeit Genüge geleistet werden sollfe u d ^cL
- en .tiert haben, nid.t weniger als drei eine d" d?
^b». .m Grunde fc ,^„j„, Ddip„„„e,, d„ naSl °
W.dervergel,„„g,g„e« arBdigekehr, is, ™ „„„ .
den Sokn zu tötm. smepscts
desvonT 2 """^^^ .'j^'-^^"'^" ^^^ ^'^ i- Dienste
stehel -befohlenen Verschiebungsmedanismus
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 247
r
^T Unsere Leser könnten nun bei der Lektüre dieser Analysen
I meinen, daß wir Mißbrauch treiben mit einer Symbolik, -welche
ganz einförmig alle Objekte des Weltalls auf menschlidie Dar-
stellungen des Vaters, der Mutter, des Kindes oder ver-
schiedener Teile unseres Körpers, besonders der Genitalorgane,
zurückführt. Dieser Vorwurf trifft uns jedoch nicht!! Wir sind
nicht schuld an der Monotonie im menschlichen Unbewußten,
in dem unsere archaischen Instinkte, unsere primitivsten Erinne-
rungen als alleinige Herren herrscäien.
Von den beiden großen Trieben, die uns leiten, Liebe und
Hunger, hat nun der Hunger viel weniger als die Liebe mit
der P s y c h o I o g i e zu tun. Das hängt wahrscheinlich damit
zusammen, daß der Nahrungstrieb nicht lange unterdrückt
werden kann. Wer nicht ißt, stirbt; dieser herrschsüchtige Trieb
muß daher mehr oder minder befriedigt werden, er hat infolge-
dessen nur in kleinerem Maße Gelegenheit, psychischen Ersatz
zu liefern. Der libidinöse Trieb hingegen, die Libido, wird
nicht nur deshalb zum psychologischen Trieb par excellence,
zu dem Trieb, dessen Derivate, Ersätze, die ganze Psyche
ausfüllen, weil er leicht „zusammengedrückt" werden kann
(der Mensch kann schließlich leben, ohne seine Erotik zu be-
friedigen), sondern zweifellos auch durch die biologische Tat-
sache, daß die Libido ebenso wie die Psyche zwei wahl-
verwandte Produkte des gesamten Nervensystems zu sein
scheinen. Die Verbindung zwischen Eros und Psyche ist so
tiefgehender Natur, daß man sie ofl kaum voneinander trennen
kann, die Energien des Eros gehen leicht auf die der Psyche
über, eine Tatsache, die durch das Universalphänomen der
Sublimierung, die Grundlage aller unserer zivilisatorischen
Bestrebungen, bewiesen wird.
Die ursprüngliche Autoerotik des Säuglings, der sich in
I ausgedehntem Maße zu befriedigen sucht, führt zu der narziß-
tischen Stufe, auf der das Kind sich selber als das erste Liebes-
24*
Poe und die menschliche Seele
^
Objekt ansieht. In diesem Stadium kann das Kind nod, -^
-nen Körper von der nährenden Brust, dem gut ?]
warmen Körper der Mutter, unterscheiden; die Mutter .1
erst sekundär für ihn zur ersten Wahrnehmung der uß "'
Wt. Der Vater, die Geschwister, die ganze äußer t?
taod.en dann hinter der Mutter auf, sie müssen nach und It
unter dem wachsenden Druck der Realität vom Kind a
nommen werden. Aber das menschliche Unbewußte weiß'S
für dxese Entthronung der menschlichen Allmacht zu räch
d.e äußere Wt, welche die ursprüngliche, narzißtische, mS*
W Illusion vernichtet hat, wird vom Unbewußten zur S'
vanche narzißtisda besetzt. Und das Kind, das darin ont
genet.sch unserem Urahn gleicht, kommt in das Stadium ^
Ammismus, als dessen unentwurzelbaren Sprößling wir de
Symbolwelt, d,e von da an in der Seele eines jeden Menschet
d« pnm.t:vsten und geistig entwickeltsten, herrscht, anzusehen'
So „bevölkern" der menschliche Körper, der Körper' der
Muter es Vaters, ihre Genitalorgane und unsere eigenen
m Symbolen das Unbewußte der Menschheit, sie werden in
alle Erzeugnisse der menschlichen Seele projiziert, ob diese
Seele nun schläft oder wacht. Denn sämtlicJ^e, in sämtlidl
Bezxrken des Ge.tes aufgefundenen Beispiele bezeugen es, daß
man für den Traum nicht eine besondere Art symbolisier
Tätigkeit des Geistes annehmen muß,
»der Traum (bedient) sieh solcher Symbolisierungen weldie
im unbewußten Denken bereits fertig enthalten sind'fuld ztt
deshalb „we.I sie wegen ihrer Darstellbarkeit, zumeist audiwelen
XS '" Anforderungen der Traumbildung bes'^
Die Symbole verstehen es, jene beiden Bedingungen zu er-
!!^!!!!lZ!!^!1_^!!J:!!!^^^ den
3) F^^ToTTTTTTii^T^T^^^^^^T^;;^^;
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 249
porderungen der Moral und sie sind konkret; daher sind sie
audi in der Sage, in der Kunst, in der Religion wie im Traum
reichli'^ vorhanden.
Das Werk Poes, das dem Traum so nah ist, wie nur
irgendein im Wachen komponiertes "Werk sein kann, ist nun
ganz besonders reich an Symbolen; sie tragen dazu bei, ihm
jene intensive und visuelle Beredsamkeit zu verleihen, welche
unmittelbar vom Unbewußten zum Unbewußten spricht.
Im Gegensatz zur Verschiebung scheint die Ver-
dichtung (der zweite ursprüngliche Medianismus der
Traumarbeit) bei der Arbeit am literarischen Kunstwerk eine
geringere Rolle als bei der am Traum zu spielen. Man findet
dort im besondern viel weniger häufig jene verwirrenden Er-
zeugnisse, welche die Logik herauszufordern scheinen, und die
dem Traum seinen Ruf, er sei sinnlos, verschafft haben, jene
Erzeugnisse, die aus starker Verdichtung zusammenstimmender
und selbst auseinanderliegender Gedanken hervorgegangen
sind. Dieser Unterschied wird zweifellos durch die Tatsache
hervorgerufen, daß das literarische Kunstwerk eine Schöpfung
der sidi im Wachzustand befindenden Psyche ist. Im Wach-
zustand dominieren nämlich die vorbewußten und bewußten
Gedanken mit ihrem Verlangen nach Logik und dedsen das
eigentliche Unbewußte mit einer dicken Schichte zu. Die Ver-
dichtung wirkt sich jedoch bloß im Unbewußten aus, nur das
Unbewußte ist der Sdimelztiegel, in dem die vorbewußten
Gedanken, sobald sie dort hineingeworfen werden, gleichsam
automatisch jene unvorhergesehenen und mandimal so spaß-
haften Legierungen eingehen, welche wir Verdichtungen nennen.
Es kann uns daher nicht überraschen, daß wir in den Ge-
sdiichten Poes eine geringere Zahl von Verdichtungen
entdecken als in den Träumen der Sdiläfer, obgleidi
2J0
Poe und die menschliche Seele
diese Erzählungen den Traumerzeugnissen manchmal so nah
stehen.
Die Verdichtung taucht jedodi auf, wenn sidi unter
den bewußten Gedanken der Geschichte ein tiefer liegend
unbewußter Prozeß auswirkt. Die Gestalten der „von einer
übernatürlichen Wolke" umgebenen Frau verdichten in sich
wie wir gesehen haben, mehrere der von Poe verehrten Frauen'
Berenice, Madeline, Eleonora tragen ebenso die Züge der
klemen Cousine Virginia an sich wie die der Mutter Eliza-
beth; und die Marchesa Aphrodite im Stelldichein
verdichtet in ihrer marmorgleichen Erscheinung sowohl die
Frau Stanard als auch Elmira und Frances Allan und Elizabeth
Arnold in sich. Der Marchese di Mentoni, der düstere Radier
welcher auf der Treppe seines Palastes steht, erinnert sowohl
an den Richter Stanard als auch an John Allan. Der Greis
im Schwatzenden Herzen scheint in seiner Gestalt
sowohl die David Poes als auch die seines Nachfolgers X, des
Liebhabers der Elizabeth, und die des John Allan zu ver-
diditen. Wir könnten noch eine Fülle von Beispielen vorführen,
aus dem Werk Poes alle zusammengesetzten Gestalten heraus-
suchen, welche (durch Überdeterminierung, Verdichtung, Ver-
schmelzung der Attribute vieler Gestalten zu denen einer ein-
zigen) zu einer allgemeinen Verstärkung der Züge, zur
Schaffung jener packenden, gleichsam mythischen väterlidien
und mütterlichen Gestalten beitragen, welche dann die Ein-
bildungskraft heftig beschäftigen. Es ist tatsächlich der Zwedi
der Verdichtung, noch stärkere Intensitäten zu erzeugen, als es
jene sind, die man in den latenten Gedanken findet, sie sammelt
und konzentriert zu diesem Zweck bei Ihrem Untertaudien
ins Unbewußte die im Vorbewußten verstreuten Gedanken.
Wir begnügen uns damit, an jene Gestalt zu erinnern, die
am äußersten Ende dieser Reihe zu stehen scheint, an den
Engel des Sonderbaren, in dem sich sowohl der
1
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
2JI
Gedanke an den Vater (die Schläge des John Allan) als auch
der an die Mutter (die Flaschen-Brüste) und an die Milch
(Alkohol) und an die verschiedenen männlichen oder weiblichen
Körpersekrete (ebenfalls der Alkohol) zu konzentrieren scheint,
und gehen nun zu anderen Verdichtungstypen über.
Die Marchesa Aphrodite, die zusammengesetzten Figuren
im allgemeinen werden nach dem Verfahren erzeugt, „nach
welchem Galton seine Familienporträts erzeugt" hat;
er projizierte nämlidi zwei Bilder
„aufeinander, . . . wobei die gemeinsamen Züge verstärkt hervor-
treten, die niditzusammenstimmenden einander auslöschen und im
Bilde undeutlich werden."'
Die Verdichtung kann jedoch auch Trugbilder, Chimären
und Hippogryphen hervorrufen: das phantastische Tier
Tekeli-li^ zum Beispiel aus der Erzählung Pyms erinnert durdi
seinen Katzenkopf an die Mutter und ihr Genitalorgan, durch
seine Weiße an deren Milch, durch seine Zähne und die
scharlachroten Krallen an die kannibalischen Wünsche des
Kindes, das Zähne bekommt, und daran, daß sich die Mutter
für dieses schuldige Verlangen durch die Zähne ihres Mundes
rächen könnte, ja sogar durch die ihrer Vagina, wobei die
Strafe allerdings nicht mehr die kannibalischen, sondern die
Inzestwünsche trifft; der lange und auffällige Rattenschwanz
kommt bestimmt von dem Penis her, den das Kind seiner
Mutter zuschrieb, die Hundeohren dieser seltsamen Katze sind
vielleicht dem mütterlichen Hunde Pyms, Tiger, entlehnt.
Bei andern Beispielen wieder kann ein einziges und das
gleiche manifeste Element mehrere andere latente darstellen:
der verlorene Atem des Herrn Mangel-an-Atem zum Beispiel
repräsentiert gleichzeitig sowohl die schöpferische Mannes-
4) Freud, Die Traumdeutung. S. 201.
j) Siehe Bd. II, S. 180, 190 ff.
^ Poeund die menschliche Seele
Potenz als auch den Flatus. Im Go 1 dk ä f e r ist der Sd.
besonders überdeterminiert, durch ihn sind ganze Reihen T''
PkZ T"fT '^"^"^^^'" ^"^ ^P^^^^^^ -f> '- Funket
des Kxddschen Schatzes die Phantasie vom wirklichen Reichtu:
den der unglückliche Edgar, das Kind armer Schauspieler 7'
zuerst von John Allan aufgenommen, dann enterbt wurde' 7
träumen müssen. Aber unter dieser Oberfläche, hinter dilsem
Funkeln entdeckt der Blick tiefere unbewußte Schichten, dur!
die das Schatzthema so wirksam und packend wird. Die un
bewußte Erinnerung an die kleine Schwester Rosalie, die knaon
vor der Zeit geboren wurde, in welcher der kleine Edgar zum
erstenmal in seinem Leben mit seiner Mutter die gleichen Ufer
von Carolina sah, an denen der Goldkäfer umherläuft, außer
dem die Erinnerung an die Gedanken des kleinen Bruders der
über diese Geburt nachzusinnen begann, beleben von unten her
die Schlußfolgerungen Legrands; und der Schatz, der durdi
diese Folgerungen schließlich in der Erde entdedu wird, scheint
em Ersatz für das Kind, die kleine Schwester zu sein, deren
Existenz im Mutterleibe schon seinerzeit erraten wurde Der
Reichtum selbst aber, das Gold, die Steine enthüllen sich als
die ersten mfantilen „Geschenke", deren Symbole sie geworden
sind: als die Fäkalien, die das Kind von der Mutter als Gegen-
geschenk haben wollte, da es seiner Mutter gegenüber nach dem
gleichen Schema „freigebig" gewesen war. Die symbolischen
Mutter-Tiere machen in der Geschichte von der Esels-
h a u t und m vielen andern Märchen Gold. Ebenso wollte audi
Edgar von Frances Allan solche Analgeschenke haben, die in
der Geschichte nadi einem klassischen Symbolschema durdi
Edelsteine und Gold ausgedrückt werden. Aber das Gold ge-
horte mcht der Frances Allan, es war das Eigentum des John
Allan; wenn Frances ihr kleines Adoptivkind mit Geschenken
überhäufte, so konnte sie diese nur von dem nehmen, was sie
von John, dem Vater, bekommen hatte. Das Kind, das ur-
1
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
253
w
'^ sprünglich nur die Freigebigkeit der Mutter selbst kannte,
I niußte bald aus Anlaß einer Szene, eines Wortes, einer Geste
erkennen, daß das Gold, das diese Freigebigkeit möglich machte,
itn Grunde dem Mann gehörte. Daraus folgt die Gleichstellung
des Goldes mit väterlicher, männlicher Potenz, mit dem Penis
des Mannes.
So konnte sie in einer geradezu vorbildlich zu nennenden
Geschichte die altbekannte und allgemeingültige Gleichung
fCot = Gold = Kind = Penis, die in dem einzigen Element
Sdiatz innig verdichtet ist, mit Hilfe besonderer, aus der
Kindheit und dem Leben Edgar Poes stammender Elemente
manifestieren.
Ein weiterer psychischer Vorgang, die Spaltung einer
einzigen Persönlichkeit in mehrere, ein Vorgang, der das Gegen-
teil der Verdichtung zu sein scheint, taucht im literarischen
Werk noch regelmäßiger als im Traum auf.
In Morella, Ligeia und E 1 e o n o r a spalten sich die
manifesten Gestalten der ersten Gattinnen, nachdem sie vorher
die beiden Bilder der Elizabeth und der Virginia in sich ver-
dichtet haben, und geben nun, von neuem deutlich unter-
schieden, die beiden ursprünglich getrennten Bilder der latenten
Gedanken der Geschichte wieder. Der Vorgang, auf den wir
hier anspielen, ist daher in diesen Fällen nur scheinbar an
der Arbeit beteiligt, da der zweite Akt, der uns die zweite
Morella, Rowena oder Ermengarde restituiert, eine erste Ver-
diditung wieder aufhebt.
In der Schwarzen Katze hingegen ist die Spaltung
der Muttergestalt in mehrere Personen tatsächlich durchgeführt:
die Frau des Mörders, Pluto und die zweite Katze führen
wirklich alle drei ein einziges Urbild vor. Natürlich sind auch
hier, wie immer, im Innern des Unbewußten die verschiedenen
Mechanismen der psychischen Arbeit gleidizeitig am "Werk.
n
2J4 Poe und die menschliche Seele
Die Verschiebung hat den auf die Mutter bezogene
psychischen Akzent auf die unkenntlichen Katzen oder d'
anonyme Frau des Märtyrers verschoben. Die V e r d i c h
t u n g hat in jeder der drei Gestalten die Mutter des Dichters
Elizabeth, und seine Frau Virginia zusammengefaßt und zu
zweien von ihnen noch außerdem die Katze Poes, Catterina
hinzugefügt. Aber gleichzeitig wirkt auch der S p a 1 1 u n g s-
mechanismus, der eine einzige Person in mehrere teilt, auf diese
Produkte der Verdichtung ein: die Mutter, mit der andere
Elemente bis zur Aufgabe ihrer selbst verschmelzen konnten
wird in drei Teile gespalten. Und jede einzelne dieser drei
Mütter hat neben gemeinsamen hier ihre besonderen Züge:
so haben alle drei ein verstümmeltes Auge oder Geschledit
und erinnern dadurch daran, daß sie alle drei die Mutter sind.
Pluto jedoch erlebte eine Zeit, in der er männlicher war als
die andere Katze, obz;war sie wie er männlichen Geschlechtes
ist, denn seine beiden Augen waren damals noch unverletzt!
Die drei Bilder der Mutter, welche die Geschichte enthält,
stellen daher zwar jedes die Mutter dar, aber von verschiedenen
Gesichtspunkten aus. Pluto ist zuerst die phallische Mutter, die
Mutter aus der Zeit, da der kleine Junge wirklich an den
mütterlichen Penis glaubte. Aber nachdem Pluto durdh den
Mann kastriert, nachdem die Mutter dafür bestraft werden
mußte, daß sie in ihrer Person das Bild von der Kastration auf
der Erde eingeführt hatte, erscheint die zweite Katze mit dem
großen weißen Fleck auf der Brust. Diese zweite Katze stellt
die nährende Mutter dar, die Frau, die dadurch, daß sie a u f
die Milch hinweist, dadurch, daß sie Brüste hat und
keinen Penis, Verzeihung erlangen möchte. Schließlich taudit
in der Frau des Mörders sogar die ursprünglich menschliche
Form der Mutter hinter den Totemtieren, den Katzen, auf,
ganz so wie bei den antiken Göttern die ursprüngliche Gestalt
des Vaters hinter den primitiven Totemdarstellungen auf-
1
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 25 j
tauchte. Und der Doppelmord, der Mord an der Frau nach der
Ermordung Plutos, zeigt, wer bereits in der Gestalt der Katze
getötet worden ist.
Und was den Vater anlangt: er erscheint bei Poe eher ver-
vielfältigt als gespalten durch die Gestalten der aufeinander-
folgenden kastrierenden Väter im Verlorenen Atem.
jn der Erzählung Pyms hingegen wird die Vatergestalt ge-
spalten, wir haben die zwei klassischen Reihen vor uns: die
guten und die bösen Väter; auf der einen Seite stehen die
guten, aber schwächlichen Kapitäne Barnard und Guy, auf der
andern der aufrührerische Maat und Too-Wit, beide gewalt-
tätige Kerle, aber ebenso wie der böse, mit dem Stock bewaff-
nete Großvater schließlich zur Impotenz verdammt. Nur Pym
bleibt mit Peters, der vom Ich des Autors abgespalten wurde
und sozusagen sein heroisches Idiideal darstellt, am Leben.
Aber die Vatergestalt verfügt bei diesem Mechanismus
nicht über die gleichen Möglichkeiten wie die Muttergestalt:
der Vater kann nicht wie die Mutter mit der Materie im all-
gemeinen, mit der Erde und dem Wasser gleichgestellt werden.
Die Mutter erscheint im Untergang des Hauses
U s h e r, wie wir gesehen haben, in zweierlei Gestalt, als
Madeline und als Schloß; in der SchwarzenKatze wird
sie nicht nur durch die Frau und die beiden Katzen, sondern
auch durch das Haus und den Keller dargestellt; bei den
Morden in der R u e M o r g u e ist sie sowohl eine Frau, die
ermordete alte Dame, als auch ein Zimmer, das Zimmer mit
den verschlossenen und trotzdem aufgebrochenen Öffnungen.
Im P y m erreicht diese Verteilung der mütterlichen Wesenheit
auf alle Objekte vielleicht ihr Höchstmaß: die Mutter, welche
in ihrer wirklichen menschlichen Form nur als weißes Phantom
am Schluß auftaudit, ist dafür auf allen Seiten der Erzählung
in alle Naturobjekte „gespalten": sie ist das Meer mit seinen
Wellen, die Erde mit ihren Bächen, ihren Schluchten, der Hund
1
^5^ Poe und die menschliche Seele
Tiger und das Tier Tekeli-Ii, sie ist das symbolische Sdiiff
alles Darstellungen der Mutter, deren Eigenheiten bei jedem'
einzelnen dieser Symbole anders vorgebracht werden.
Wenn aber die „Auseinanderlegung" ein solches Ausmaß er-
reicht hat, dann muß man sich fragen, ob man hier noch von
emer Spaltung im eigentlichen Sinne sprechen darf, ob
man nicht diesen Ausdruck den Spaltungen in Personen vor-
behalten soll, da sonst dieser besondere psychische Mechanismus
wie ein Fluß mit beschränktem Lauf in den großen gemein-
samen Ozean der Symbolik führt.
Dazu kommt noch, daß die Spaltung der Persönlichkeit
weniger der Darstellung des Vaters oder der Mutter zu dienen
scheint, als vielmehr einer mannigfaltigen Darstellung des Idis.
Freud schrieb in der T r a u m d e u t u n g: ^
„Es gibt auch Träume, in denen mein Ich nebst andern^
Personen vorkommt, die sich durch Lösung der Identifizierung \
wiederum als mein Ich enthüllen ... Ich kann also mein Idi in
einem Traum mehrfach darstellen, das eine Mal direkt, das
andere Mal vermittels der Identifizierung mit fremden Per-
sonen.""
Und in Der Dichter und das Phantasieren
steht: „Nodi in vielen der sogenannten psychologischen Romane
ist mir aufgefallen, daß nur eine Person, wiederum der Held,
von innen geschildert wird; in ihrer Seele sitzt gleichsam der
Dichter und schaut die anderen Personen von außen an. Der
psychologische Roman verdankt im ganzen wohl seine Be-
sonderheit der Neigung des modernen Dichters, sein Ich durdi
Selbstbeobachtung in Partial-Ichs zu zerspalten und demzufolge
die Konfliktsströmungen seines Seelenlebens in mehreren
Helden zu personifizieren."^
6) Die Traumdeutung, S. 221.
7) Freud, Der Diditer und das Phantasieren. Gesammelte Sdiriften,
Bd.X, S.236f.
1
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
257
Man kann zwar Poe nicht eigentlich als „psydiologisdien
Romanschriftsteller" ansprechen, trotzdem aber findet man bei
diesem überaus egozentrisdien Erzähler viele Beispiele für die
Spaltung des Ichs.
Zuerst im "W i 1 1 i a m W i 1 s o n. Bei der Analyse dieser
Geschichte haben wir gesehen, wie deutlich hinter den beiden
William Wilsons Poe selbst durchscheint: der eine personifiziert
seine tiefen Triebe, sein E s, der andere sein Über-Ich oder
Moralgewissen, das der Introjektion des Vaters Allan ent-
spricht. Der Fall ist beinahe sdiematisch durchgeführt, und die
Tatsache, daß der Autor zum Teil bewußt gefühlt hat, was er
niederschrieb, erklärt, warum diese Geschichte uns stellenweise
kalt läßt. Interessanter sind die Spaltungen des Ichs in der
Geschichte von der Rue Morgue, weil sie unbewußt durch-
geführt wurden. Wir haben dort gesehen: der unfehlbare
Raisonneur Dupin ist Poe, der Löser von Rätseln und Ent-
zifferer von Geheimschriften, ein Poe, der sich auf einem
scheinbar rein intellektuellen Boden für das Mißlingen der
infantilen Sexualforschung revanchiert. Aber auch der Freund
Dupins, der Erzähler, der den unfehlbaren Raisonneur beob-
achtet und bewundert, ist Poe; diesmal sieht er sozusagen von
außen her seinem eigenen Triumph zu. In der Seele dieses
Erzählers sitzt also — wie in der des Erzählers vom G e-
heimnis der Marie Roget, vom Entwendeten
Brief und vom Goldkäfer — der Autor selbst, von
dort aus beobachtet er die anderen Personen, die Schauspieler
der Erzählung, die Mutter, den Vater oder die „Partial-Ichs".
Und auch der Seemann, der Besitzer des Orang, ist Poe;
diesmal ist er der infantile Beobachter des Elternkoitus, den er
nach dem sadistischen Schema auffaßt. Ein Teil von Edgars Idi
ist sogar auf den väterlichen Orang übergegangen, und zwar
jener Teil, der durdi den Wunsch einer Identifizierung mit dem
Vater, dem Herrn der Mutter, auf diesen übertragen wurde:
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 17
1
^5^ Poe und die menschliche Seele
mit
len
dieser Zug ist jedoch nur durch eine Anspielung zu erraten
durch die Jugend des Tieres.
Wir könnten noch eine große Zahl solcher Spaltungen d
Ichs in den Geschichten Poes vorführen: denn sie sind eines der
Darstellungsmittel, welche die literarische Sdiöpfung n
Vorliebe verwendet. An der Basis dieses Mechanismus find^.
wir übrigens V e r s c h i e b u n g e n, die sich ihnen zur Ve'il
fügung gestellt haben, um dadurch der Rücksicht auf
Darstellbarkeit zu dienen. Denn diese Spaltungen
machen es möglich, eine Form des Seins, eine Eigensdiaft des
Ichs konkret, sichtbar, Gestalt werden zu lassen. In der Er-
zählung von der R u e M o r g u e ist auf diese Weise in dem
Matrosen die infantile Neugierde Poes sichtbar geworden, in
Dupin der infantile Forschungseifer und im Erzähler selbst eine
zweifellos frühreife Tendenz zur Selbstbeobachtung . . .
Bis jetzt haben wir bei der unbewußten literarischen Sdiöp-
fung die gleichen klassischen Mechanismen wie bei der Traum-
arbeit am Werk gesehen, wenn sie dort auch anders dosiert
waren: die Verdichtung, die Verschiebung, die
Rücksicht auf Darstellbarkeit, wobei diese
letztere sich ebenso wie die Moralzensur der Ver-
schiebung bedient, um zu ihrem Zweck zu gelangen. Die
Spaltung einer einzigen latenten Persönlichkeit, des Idis
des Autors im besonderen, in mehrere Persönlichkeiten haben
wir als eine der Ausdrucksweisen erkannt, die der Rück-
sichtaufDarstellbarkeit dienen, die selbst wieder
vom Verschiebungsgesetz abhängt.
Dehnen wir aber die Untersuchung darauf aus, wie sidi die
literarische Schöpfung benimmt, um die logischen Rela-
tionen zwischen den verschiedenen manifesten oder latenten
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
259
r
^H Gedanken, aus denen das Kunstwerk besteht, auszudrücken,
^H (lann entdecken wir, daß hier ein fundamentaler Unterschied
^P zwischen Kunstwerk und Traum besteht. Das literarische
^erk ist nämlich ein Ergebnis des Wachdenkens, die Vernunft
kann hier regieren, die logischen Relationen können bestehen
bleiben.
Und so sieht es von außen her auch tatsächlich aus. Der
Traum, meinen wir, besaß kein direktes Mittel, logische Rela-
tionen darzustellen;** das literarische Kunstwerk hingegen ver-
fügt über alle Bindewörter und Vorwörter der Sprache. Daher
sdieint das literarische Werk im allgemeinen den Gesetzen der
Logik unterworfen zu sein, und es gibt Werke, die sehr weit
gehen, was logische Zusammenhänge anbelangt.
Man darf jedoch nicht vergessen, daß das literarische Werk
zwar eine bestimmte, manifest zusammenhängende Geschichte
erzählt, zu gleicher Zeit aber noch eine andere, geheime, unter
der Oberfläche in der Tiefe wirkende, die mit der anderen,
oberflädilidien verschmilzt und ihren tieferen Einschuß bildet.
Wenn nun der Text der oberflädiigen Geschichte für gewöhn-
lidi den Forderungen der Logik gehorcht, so bleibt dodi der
tiefere Einschuß seinen eigenen Gesetzen unterworfen.
Das Kunstwerk gleicht übrigens dadurch allen übrigen
Erzeugnissen der menschlichen Psyche, in der die beiden großen
tätigen Mächte, das Vorbewußte und das eigentliche Unbe-
wußte, die im Innern unserer Psyche herrsdien, gleichzeitig,
wenn auch in verschiedenem Maße, am Werk sind. Schon
Freud^ hat darauf hingewiesen, daß die vorbewußten latenten
Gedanken des Traums zum Beispiel, die immer zusammen-
hängend und logisch sind, im Widerspruch zu stehen scheinen
mit der inkohärenten, alogischen Art, in der dieselben Ge-
8) DieTraumdeutung, S. 212 ff.: DieDarstellungs-
mittel des Traums.
5) Die Traumdeutung, S. 446.
n
^^° Poe und die menschliche Seele
danken nach ihrem Untertauchen ins Unbewußte im l^ r
der Traumarbeit behandelt werden. Dieser Gegensatz besteht
auch beim literarischen Werk, und die an sich zusammen-
hängenden latenten Gedanken werden in dem Ausmaß nach
emem inkohärenten Schema behandelt, in dem sich das "Werk
dem Schlaftraum nähert. i
Nun gehört das Werk Poes gerade zu den Kunstschöpfungen
die im besonderen Ausmaß die Zeichen des Traums und Alps
an sich tragen. Wir sind daher nicht überrasdit, wenn wir 1
manchmal sehen, wie die oberflächlichen logischen Fäden der
Erzählung sich lockern und der alogische tiefere Einschuß
der vom Unbewußten herkommt, mit seinen seltsamen Dar-
stellungsmitteln auftaucht.
In L i g e i a zum Beispiel wollen die vorbewußten latenten ^|
Gedanken der Geschichte folgende Ideenrelation ausdrüdken: ^1
„Weil ich an meine Mutter fixiert geblieben bin, kann idi I
keine andere Frau lieben!" Aber diese vorbewußten Gedanken
sind, noch bevor sie dargestellt werden konnten, ins Unbewußte
hinabgetaucht, wo sie — nach dem ardiaisdien, infantilen
Wunsch, die Mutter wiederzufinden, die für immer dort wohnt,
ein Wunsch, mit dem sie sich verbunden — die Kraft erlangt
haben, in bildhafter Form, als Kunstwerk, wieder ans Licht zu
treten. Nun wird aber die logische Relation zwischen jenen
beiden Sätzen (ganz so, als ob es sich um einen Traum mit
seinen halluzinatorischen Mechanismen handeln würde) nur
mehr in der figürlichen Form ausgedrückt, daß am Ende der
Erzählung das Bild der wiederkehrenden Ligeia das der toten
Rowena ersetzt. „Weil ich immer da bin", scheint die Mutter
zu sagen, „sind für dich alle Frauen gleichsam unterdrüdst",
und das bedeutet für Poe das gleiche, als ob er erklären wollte:
„Weil ich an meine Mutter fixiert geblieben bin, kann idi
keine andere Frau lieben." Die literarische Sdiöpfung hat sidi
also hier eines klassischen Mechanismus der Traumbildung
1
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
261
bedient, auch im Traum wird eine Person durdi eine andere
ersetzt, um die Relation zwischen "Wirkung und Ursache aus-
zudrücken. „Die Verursachun g", schreibt Freud, „(wird
im Traum) dargestellt durch ein Nacheinander, einmal
durch das Aufeinanderfolgen der Träume, das andere Mal
durch die unmittelbare Verwandlung eines Bildes in ein
anderes."^" So verwandelt sich Rowena-Virginia in Ligeia-
Elizabeth, die erste Berenice, jene, die in der Bibliotheksszene
die blühende, braune kleine Cousine war, verändert sich plötz-
lich in die leichenblasse Berenice mit den erschreckenden
Zähnen, den gelben Haaren, welche die Farbe des Lebens
i m T o d e an sich tragen. In beiden Fällen will die Verwand-
lung die gleiche Kausalrelation, das gleiche Verbot, sich der
Frau zu nähern, anzeigen, die ihm durch die Fixierung an die
Mutter, durch das gleiche "Weil anbefohlen worden war.
In dem Absatz aus der Traumdeutung, den wir
soeben zitiert haben, stellt Freud dar, daß die Verur-
sachung im Traum auch durch die Aufeinander-
folge zweier Träume sich ausdrücken kann, von denen der
erste, der kleinere, sozusagen den Prolog für den zweiten dar-
stellt. Ein Beispiel für diese Darstellung der Kausalrelation
dürfte in dem Doppelmord in der Rue Morgue
enthalten sein. "Wir erinnern uns daran, daß die Episode mit
Chantilly scheinbar ganz willkürlidi dem Bericht vom Ver-
brechen des Orang vorausgeht. Durch mehrere Indizien er-
kennt Dupin, daß sein Freund, der Erzähler, in diesem Augen-
blick an Chantilly denkt. Diese Indizien führen ihn, ohne daß
der Erzähler seine Gedanken verrät, zu dem lächerlichen Schau-
spieler. Nun haben wir Chantilly mit dem mittelmäßigen
Sdiauspieler David Poe, dem Vater des Dichters, identifiziert.
David Poe wird auf diese "Weise, in der Gestalt Chantillys, als
10) Die Traumdeutung, S. zi6.
1
2^^ Poe und die menschliche Seele
bar
ein in jeder Hinsicht Impotenter vorgeführt. Unmittelba
darauf, und ohne Übergang, folgt der Beridit von dem Ver-
brechen, dem die Frauen l'Espanaye zum Opfer fielen. Di
tiefere logische Kausalrelation zwischen diesen beiden Teile
der Geschichte, von denen der eine nur das Vorspiel zum
zweiten ist, scheint also unterdrückt zu sein: das einzig sichtbare '
Bindeglied zwischen ihnen besteht darin, daß in beiden Fällen J
Dupin den gleichen Scharfsinn entwickelt.
Die Aufeinanderfolge repräsentiert aber auch hier zweifellos 1
die Verursachung: man muß nur zwischen die Chantilly. 1
Episode und dem Bericht vom Verbrechen des Orang, der un-
mittelbar darauf folgt, ein „weil" setzen. Die vorbewußten
Gedanken Poes, die beim Untertauchen ins Unbewußte dort
ihr logisches Vorzeichen verloren haben, sehen daher ungefähr
so aus: „weil mein Vater David impotent war, hat sidi
meine Mutter dem potenten X hingegeben." Wir haben
gesehen, daß der Orang vermutlich wirklich diesen X dar- ^|
stellen sollte, und daß das Rätsel der Verbrechen in der Rue |
Morgue wahrscheinlich eine Verschiebung des Rätsels darstellte, "
das dem kleinen Edgar durch die angezweifelte eheliche Ab-
stammung seiner kleinen Schwester Rosalie aufgegeben
worden war.
Der Doppelmord in der Rue Morgue bietet
uns aber noch andere interessante Beispiele für die inkohärente
Behandlung solcher kohärenter Ideen, die sowohl ihrem
latenten Grund nach als auch durch ihren manifesten Ausdrude,
das heißt, die sowohl ihrem Ausgangspunkt nach als audi
durch ihr Ziel, also nach den beiden äußeren Enden ihrer Ver-
arbeitung hin, wenn auch auf verschiedene Weise, kohärent sind.
Gibt es etwas anscheinend Logischeres als die Tatsache, daß
eine alte Dame ein Zimmer bewohnt? Aber sowohl die alte
Dame als aucJi das Zimmer repräsentieren, wie wir gesehen
haben, in den latenten Gedanken der Gesdhichte eine einzige.
1
r
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
263
dieselbe Gestalt: die Mutter, und es scheint sinnlos zu sein, daß
eine Person sidi selbst bewohnt.
Das Unbewußte kennt aber den Widerspruch nicht; und
die Nebeneinanderstellung, ja selbst die Übereinanderlegung
von Elementen ist für das Unbewußte nur eine der Arten, in
der eine wirklidie Relation zwischen diesen Elementen sicii
ausspricht. Das Zimmer, das im allgemeinen die Frau sym-
bolisiert, stellt hier im besonderen, da es ein Hohlraum ist, ihre
Organe dar, jene inneren Organe, in die der Affe dadurch
eingedrungen ist, daß er das Fenster vergewaltigte. Daraus
ergibt sich eine im Unbewußten häufig auftretende Umkehrung:
der Inhalt nimmt den Platz des Enthaltenden ein. Die Frau
wird im Innern dieser Kloake repräsentiert, die in "Wirklichkeit
in ihrem Innern ist; die Maße ihres eigenen Innern werden
dabei ins Riesige vergrößert, als ob das, was im Vorbewußten
den größten psychischen Akzent getragen hat, hier besser ins
Licht gestellt werden sollte: die weiblichen Organe sind
wichtiger als die Frau.
Doch die Kloake erscheint noch einmal im Text wieder: als
der Kamin, in den Fräulein l'Espanaye hineingezwängt worden
war. Die Mutter ist daher hier dreimal dargestellt, einmal in
einer menschlichen Gestalt, zweimal durch Cöcher im Gebäude.
Aber diese beiden Male stellen wieder nicht die gleiciie Kloake
dar. Das Zimmer war die vergewaltigte Kloake, so wie die
enthauptete alte Dame die kastrierte Mutter war; der Kamin
ist die geschwängerte Kloake, so wie Fräulein l'Espanaye
selbst das Ergebnis der durch den phallischen Arm des potenten
Mensch-Affen hervorgerufenen Schwängerung ist.
Wir sehen hier einen Isolierungs meciianismus am
Werk, durch den jeder Begriff aus einem Zusammenhang, jeder
Moment einer gleichen Darstellung für slcii allein wiedergegeben
wird, ein Mechanismus, der alles nur durch Neben-
einanderstellungen oder Übereinander-
n
^^4 Poe und die menschliche Seele
lagerungen miteinander verbindet. Die Kategorien Zeit
Raum entstehen erst im Vorbewußten. Die Nebeneinanderstel-
lungen, die Übereinanderlagerungen, die aus der Behandlung
der latenten Gedanken im Unbewußten hervorgehen, kümmern
sich demnach weder um Widerspruch noch um Logik, weder
um Zeit noch um Ort, sie schaffen auf diese Weise, wenn man
sich über den verborgenen Sinn der Geschichte Rechenschaft
gibt, Ausdrucksmodalitäten von absurdem Äußern. Aber einer-
seits sind diese Absurditäten aus der manifesten Geschichte
verschwunden; es ist keineswegs sinnlos, daß eine alte Dame
ihr Zimmer bewohnt und daß dieses Zimmer einen Kamin
besitzt, es ist sogar möglich, daß ein Mensch-Affe die Tat
begeht, deren man den Orang nadi den Ereignissen in der Rue
Morgue beschuldigt. Und andererseits sind die vorbewußten
tieferen, die Geschichte zeugenden Gedanken, die durch die
seltsamen Arbeitsmechanismen, welche wir beschrieben haben,
eine Möglichkeit fanden, sich auszusprechen, auf ihre Weise
durchaus zusammenhängend. Man könnte sie folgendermaßen
formulieren: „S o wurde meine Mutter das Opfer
derAggressioneinesMannes (X), derdenEin-
gang zu ihren Organen mit Gewalt sprengte
und dort mit seinem potenten Penis meine
Schwester einpflanzt e."
Wir wollen nun beobachten, wie im Unbewußten jene
Formen des bewußten logischen Denkens behandelt werden,
die eine Negation, den Begriff des Gegenteils und
der Identität ausdrücken.
Enthalten die latenten, vorbewußten Traumgedanken einen
Widerspruch, einen Gegensatz, so verlieren sie beim Unter-
taudien ins Unbewußte die Krafl:, diesen Widerspruch direkt
auszudrücken, denn das Unbewußte kennt die Negation nidbt.
1
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
i6s
Tedesmal, wenn bei einer literarischen Schöpfung (ebenso wie
bei der Schaffung neurotischer Symptome) der infantile unbe-
wußte Wunsch eine Folge vorbewußter Gedanken zu sidi ins
Unbewußte hinabzieht, um sie dort der entsprechenden Be-
handlung zu unterziehen, können wir beobachten, daß diese
Gedankenfolge, wenn sie im bewußten Inhalt wieder auftaucht,
ihre negativen Relationen abgestreift hat.
Ein Beispiel für diese Behandlung finden wir im Ver-
lorenen Atem und in der Schwarzen Katze: im
Thema vom Henken. Der aufgehängte Körper stellt den Penis
dar; der Gehenkte repräsentiert auf diese "Weise in beiden
Geschichten den Einfall, daß ein Impotenter den Phallus
wiederbekommt, im ersten Fall der Autor selbst (in der Gestalt
des Herrn Mangel-an-Atem), im zweiten die Mutter (die
Katze). Der Gehenkte kann um so leichter den Phallus re-
präsentieren, weil ihm die Phantasie des Volkes ganz allge-
mein eine Erektion in extremis zuschreibt. Aber die Tatsache,
daß der Körper des Gehenkten hängt, stellt auch die Un-
fähigkeit dar, zu einer Erektion zu gelangen, das heißt, sie ist
das Negativ der Potenz. Im Thema vom Henken sind demnach
zwei einander diametral gegenüberstehende Gedanken ver-
dichtet, die Mannespotenz und die Negation dieser Potenz.
Wir denken hier an den Gegensinn, der in ein und dem-
selben Wort im archaischen Wortschatz versdiiedener Sprachen
enthalten sein kann. Die alten Ägypter besaßen mehrere solcher
Wörter, aber auch in unseren modernen Sprachen sind Spuren
dieses ursprünglichen Vorgangs, Gegensätze in einem Element
zu verdichten (was eine Art Assoziation durch Kontrast dar-
stellt) vorhanden.^^ Sowohl die literarische Arbeit als auch der
1 1) Freud, Über den Gegensinn der Urworte. Jahr-
buch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen,
Deuticke 1910; Gesammelte Schriften, Bd. X. Freud zitiert hier eine
1884 erschienene Arbeit des Philologen Abel.
n
^^^ Poe und die menschliche Seele
Traum verstehen es nun, diesen im menschlichen Unbewußte
vorgeformten Mechanismus zu benützen. Im Verlorene
Atem und in der Schwarzen Katze gibt er sidi
allem Anschein nach sogar dazu her, eine tiefe Ironie aus-
zudrücken. Das Henken der Frau und des Impotenten sagt
zwar einerseits als "Wunschphantasie: Warum ist das nicht so?!
Aber andererseits ist die Tatsache, daß sowohl der Katze wie'
auch dem Herrn Mangel-an-Atem der Phallus wiedergegeben
wird (Repräsentierung durch das im gleichen Element ent-
haltene Gegenteil, der Mechanismus der Ironie) ein wenig wie
die Sitte zu werten, dem hintergangenen Ehemann aus Spaß
Hörner, das phallische Heldensymbol, aufzusetzen-^^
Ebenso stellt das ewige Wandern, das den schuldigen
Vätern, dem Mann der Menge, dem ewigen Juden, dem
fliegenden Holländer oder dem wilden Jäger zugeteilt wird,
durch das Gegenteil, nämlich durch die Unsterblichkeit, dari
wie innig der Sohn ihren Tod wünscht.
Die Umkehrung einer realen Situation im manifesten
Inhalt einer Erzählung in ihr Gegenteil kann, wie in den
Träumen, dazu dienen, den Wunsch nach einer wirklichen Um-
kehrung der Situation auszudrücken, etwa so: Warum ist nidit
das Umgekehrte der Fall?! Das schönste Beispiel dieser Art,
das uns in den Geschichten Poes geliefert wird, ist sicher das
von der Hypnose in artkulo mortis des Herrn Waldemar, bei
der der Vater- Waldemar-Griswold, hier im Zustand einer voll-
kommenen Passivität, vom Sohn beherrscht, dargestellt wird;
der Sohn läßt ihn nur am Leben, um ihn besser töten zu
können — in Wirklichkeit aber verhielt sich nicht der Vater
Poe gegenüber, sondern dieser seinem Vater gegenüber passiv.
Die Geschichte sagt dann beinahe unmittelbar, durch ihr
Bildschema, aus, was sie sagen will. Die Verschmelzung
12) Marie Bonaparte, Symbolik der Ko p f tro phäen.
(Int. PsA. Verlag, Wien, 1328.)
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
267
mehrerer Gestalten in ein einziges Bild, jene Verschmelzung,
w^eldie die zusammengesetzten Bilder ergibt — zum Beispiel
das der Mardiesa Aphrodite, in der Frau Stanard, Frances
Allan, Elmira Royster und Elizabeth Arnold verdichtet sind — ,
drückt gleichfalls nach dem Bildsdhema die wirkliche Identität
aus, wobei die verschiedenen Gestalten, aus denen das Bild
zusammengesetzt ist, für die Psyche des Erzählers miteinander
verbunden werden. Gerade um die Identität ausdrücken zu
können, scheint das Unbewußte, dank der Verdichtung, die es
anwendet, besonders gerüstet zu sein.
"Wenn aber einander widersprechende Elemente in einer
Geschidite sogar in ihrem manifesten Inhalt erscheinen, wie
zum Beispiel im Stelldichein? Erinnern wir uns an den
Inhalt dieser Erzählung: die Marchesa Aphrodite, eine zärt-
liche Mutter, in Tränen aufgelöst, weil ihr kleines Kind in den
Kanal gefallen ist, wird in dem Augenblick wieder lebendig,
in dem ihr Verehrer, der „Fremde", das Kind rettet — und
sie beschließt, aus Dankbarkeit mit dem Retter, aber von ihm
getrennt, zur gleichen Stunde am nächsten Morgen zu sterben.
In diesem Inhalt steckt eine manifeste Sinnlosigkeit: denn die
Marchesa überläßt durch ihre Handlung den geliebtesten Schatz,
ihr Kind, dem alten, hartherzigen Gatten, was mit der Haltung
einer Niobe, die sie zuerst angenommen hat, gar nicht über-
einstimmen will. Und eine zweite Absurdität der Erzählung:
der Fremde, der sich ins Wasser stürzt, um das Kind zu retten,
bleibt während dieser Tat in einen großen Mantel gehüllt! Bei
der Analyse dieser Geschichte haben wir aber bereits gesehen,
daß diese scheinbare Absurdität der entstellte Ausdruck für ein
durchaus zusammenhängendes kritisches Urteil des Vor-
bewußten ist. Die Rettung des Kindes aus dem Wasser ent-
spricht im Unbewußten der Tatsache, daß der Liebhaber der
^^S Poe und die menschliche Seele
1
Mardiesa ein Kind schenkt. Nun ist der Fremde Poe selbst und
die Mardiesa stellt die Mutter dar. Daher drückt diese Sin -
losigkeit des manifesten Inhalts auf ihre Art das in de
latenten Gedanken eingeschlossene Urteil aus: „Es ist sinnlo
zu glauben, ich hätte ein Kind von der Mutter haben können
Wir konnten uns nur im Tode vereinen." Der Fremde und die
Marchesa vereinen sich auf diese Weise, aber auf Distanz, so
sehr lastet das Inzestverbot auf ihnen.
Dieser Art, ein kritisches Urteil auszudrücken, begegnet man
im Traum überaus häufig;" man sieht, daß sie auch im literari-
schen Kunstwerk heimisch ist. Hier erscheint sie ganz unab-
hängig davon, daß das gesdiriebene Werk, welches dodi im
Wachzustand geschaffen wurde, in seinem manifesten Text be-
wußte Kritiken und Urteile enthält.
Im übrigen darf man vor allen Dingen nicht glauben, daß
alle kohärenten Urteile, die in einem Werk, besonders aber
in den Geschichten Poes enthalten sind, wirklich lauter an sidi
gültige Überlegungen darstellen. Die Urteile über die ver-
schiedenen Arten von Scharfsinn, mit denen die Geschichte von
derRueMorgue beginnt, und in denen verschiedene Arten
des Scharfsinns, die sich beim Schachspiel oder in der Mathe-
matik zeigen, dem analytischen Geist entgegengestellt werden,
wobei der analytische Geist als die höhere Fähigkeit angesehen
wird, die es möglich macht, durch sichere und subtile Beob-
achtung die Gedanken, Gefühle und Handlungen anderer
Menschen zu erraten: diese Urteile dürfen uns nicht blenden.
In diesen bewußten Überlegungen (die außerdem nur zum Teil
richtig sind, da das Sdiachspiel im besondern nichts mit der
Mathematik zu tun hat) taudit zwar der Gedanke von der
Teilung des Geists in einen esprit geometrique und einen
esprit de finesse auf, aber in ihnen spiegelt sich noch ein anderer
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
269
Gedanke: die Erinnerung an die infantile Sexualforsdiung des
kleinen Edgar. Damals allerdings hätte das Kind jene höhere
analytische Fähigkeit, die Dupin zugeschrieben wird, gebraucht,
ujn die Gefühle und mysteriösen Handlungen der Großen
zu erfassen. Aber so sehr es auch nach dieser Fähigkeit mit
all seiner Neugier strebte, es konnte sie nidit erlangen. Und
das teilweise Mißglücken der kindlichen Sexualforschung, an
die sich Edgar erinnert, wird hier durch den Triumph, den
der unfehlbare Dupin feiert, gerächt.
Man sieht also, daß die Urteile und Überlegungen, die wir
im Werk Poes verstreut vorfinden, nicht wörtlich als das zu
nehmen sind, wofür sie sich geben und daß zum Beispiel die
Leidenschaft für die Geheimsciirift, welche Poe und Legrand so
stark beseelte, etwas ganz anderes darstellen kann. Wir be-
greifen nun, wie sehr die Vernunftsdilüsse im literarischen
Kunstwerk, aber auch im Leben, von unbewußten Erinne-
rungen, die dem scheinbar unbeeinflußten Urteilen an sidi
fremd sind, durchsetzt sein können.
Und nun wollen wir das Schicksal der affektiven Zustände,
der Affekte, wie wir sagen, im Traum und literarischen
Werk miteinander vergleichen.
Die Analyse der Träume lehrt uns sehr oft, „daß die Vor-
stellungsinhalte Verschiebungen und Ersetzungen erfahren
haben, während die Affekte unverrückt geblieben sind".^* So
kann ein Traum mit einem manifesten Inhalt, der angst-
einflößend sein müßte, trotzdem von jedem schreckeinjagenden
Affekt befreit sein, wenn nur die latenten, auf diese Elemente
verschobenen Traumgedanken selbst von angenehmer Farbe
14) Die Traumdeutung. (Kapitel VI: Die Affekte
im Traume, S. 312. Das Folgende ist diesem Kapitel entnommen.)
^7° Poe und die menschliche Seele
sind: das ist der Fall in dem (von Freud zitierten) Traum
jener Dame, welche drei Löwen auf sich zukommen sah und
sich doch nicht fürchtete, und zwar deshalb, weil die drei
Löwen im Grunde nur ihren reizenden Vater darstellten
dessen Bart das Gesicht wie eine Mähne umrahmte, ferner die
Englisch-Lehrerin Miß Lyons, und den Komponisten Loewe,
dessen Balladen sie soeben zum Geschenk bekommen hatte. Ini
Gegensatz dazu kann ein scheinbar bedeutungsloses Element des
manifesten Traumes einen mächtigen Affekt befreien, wenn die
latenten Gedanken, welche dieses Element darstellt, ursprüng-
lich mit Affekt beladen waren. Der Affekt taucht hier wie
eine konstante, aber labile Belastung auf, die im Traum die
Assoziationswege entlang sich frei verschieben kann, ohne sidi
zu verlieren.
In andern Fällen scheint aber der Affekt auf dem Wege
verlorengegangen zu sein. Die latenten Gedanken waren zwar
überaus erregende Gedanken: der manifeste Traum ist jedodi
jedes Affekts entblößt. (Der umgekehrte Fall tritt übrigens nie
em.) Die Affekte waren nämlich miteinander in Konflikt
geraten und hatten sich gegenseitig neutralisiert. „Es ist wie die
Ruhe eines Leichenfeldes; man verspürt nichts mehr vom Toben
der Sdilacht", schreibt Freud.
Eine andere Art des Verhaltens der Affekte, die in den
latenten Gedanken enthalten sind, besteht in der Affekt v e r-
k e h r u n g. Das Gesetz von der Assoziation durch den Kon-
trast schafft diesem Mechanismus eine breite Basis: die Zensur
und auch die "Wunscherfüllung wissen sich dieses Mechanismus
zu bedienen. Auf diese Weise können verletzende Affekte in ihr
Gegenteil verwandelt werden und peinliche Affekte in gefällige.
Ich will hier nicht Beispiele von Träumen vorführen, in
denen sich diese Mechanismen auswirken; ich verweise den
Leser auf das früher zitierte Kapitel im Buche Freuds. Idi
begnüge midi damit, aufzuzeigen, daß wir diese Mechanismen
s
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
271
auch in der literarisdien Schöpfung, in den Geschichten Poes,
wiederfinden können.
Der verlorene Atem bietet ein typisches Beispiel
für die Affekt verk e hrun g. Gibt es für den Impotenten
etwas Traurigeres als den Verlust der Potenz? Trotzdem ist
die Geschichte, in der Poe von seinem Verlust beichtet, ganz
mit einem burlesken Affekt besetzt. Dieser burleske Ton klingt
allerdings stellenweise recht falsch; der ursprüngliche, tragische
Affekt dringt durch.
Selbst der überaus düstere Affekt, der bei Poe das Thema
Trunksucht begleiten sollte, und alles, was dieses Thema an
tieferen infantilen Fixierungen, getauschten ursprünglichen
Neigungen zudeckte, selbst dieser Affekt wird im Engel
des Sonderbaren, in dieser Gesdiichte, die burlesk, extra-
vagant sein will und es mit mehr Erfolg als Der ver-
lorene Atem auch ist, ins Gegenteil verkehrt. Man kann
ganz allgemein sagen, daß alle Geschichten, in denen Poe
burlesk sein will, auf der Verkehrung eines tragischen Affekts
in sein komisdies Gegenteil beruhen. Man muß aber kon-
statieren, daß diese Verkehrung Poe gewöhnlich nur schledit
gelingt; sein Lachen ist niemals fröhlich, er lacht mit ver-
zerrtem Gesicht. Die völlige Umwandlung eines tragischen
Affekts in einen gefälligen ist also nicht seine Stärke.
Die Affekt Unterdrückung hingegen, ebenfalls ein
Traummechanismus, ist, allerdings zum Sdiaden der dramati-
sdien "Wirkung, recht gut in dem Geheimnis der Marie
R 6 g e t realisiert. Die Ursache dieses Gelingens mag vielleicht
darin zu suchen sein, daß diese Geschichte die einzige ist, in
der Poe offen ein sexuelles Thema behandelt hat. Der mäditige
Gegner, der Trieb, ging hier zu unverhüllt vor, daher wurden
alle Kräfle der Zensur mobilisiert und ein Kampf mit gleichen
Kräften folgte. Die Folge für diese Geschichte war: „. . . die
Ruhe eines Leichenfeldes . . ." Darum lesen wir die Geschichte
^
272 Poe und die menschliche Seele
von der kleinen, erdrosselten und geschändeten Parfurn-
verkäuferin, ohne sie besonders interessant zu finden, während
wir in der Erzählung aus der Rue Morgue von den
mächtigen Aifekten des Triebes gepackt werden, denen es da-
durch gelungen ist, der Zensur zu entgehen, daß alle Hand-
lungen auf einen Affen übertragen, also verkleidet wurden.
Vielleicht ist das Geheimnis, warum mehr als ein Kunst- ^H
werk (obwohl es in der Glut der Inspiration empfangen) ^^
wirkungslos ist, den Leser kalt läßt, darin zu sehen, daß seine
Wirkung durch einen ähnlichen Konflikt einander entgegen-
gesetzter affektiver Bestrebungen neutralisiert wurde.
Aber der Mechanismus der Affektbehandlung, der bei Poe
besonders in den größeren Geschichten am häufigsten auftaucht,
ist ganz anderer Art.
Bei der Traumarbeit sehen wir regelmäßig die Verschiebung
der unbewußten, ursprünglich mit wichtigen, verdrängten Dar-
stellungen verbundenen Affekte auf Repräsentanzen, die ge-
wöhnlich vom vergangenen Tag herkommen. Diese neuen
Repräsentanzen werden sehr häufig gerade wegen ihrer Be-
deutungslosigkeit gewählt, was zu allen Zeiten die Aufmerk-
samkeit jener Forscher auf sich gezogen hat, die sich mit dem
Traumproblem beschäftigt haben. Freud hat nun gezeigt, daß
diese "Wahl gerade deshalb von der Zensur diktiert zu sein
scheint, um das Verstehen irrezuführen. Natürlich muß der
Tagesrest, der auf diese Weise mit unseren ältesten, stärk-
sten und verdrängtesten Wünschen assoziiert wird, über irgend-
einen Assoziationsappell verfügen können, der den tiefer
liegenden Wunsch heraufrufl:, mit dem er sich dann vereinigt.
Nun ist es aber unbedingt nötig, daß im Werk Poes, wie
wahrscheinlich im Kunstwerk im allgemeinen (das ja dazu
bestimmt ist, die Affekte aus dem Unbewußten des Künstlers
gleichsam in das Unbewußte dessen zu übertragen, der das
Werk genießen will — genauer gesagt, dazu bestimmt ist, beide
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 273
r
^B Unbewußten im Gleichklang vibrieren zu lassen) — nun ist es
^H aber unbedingt nötig, daß der siditbare Sektor dieser Über-
tragung dem tieferen Affekt, der übertragen werden soll, so
verwandt sei als nur irgend möglich. Dadurch entsteht eine
Summation der Affekte, die gleichzeitig audi der Zensur dient,
indem sie es ihr möglich macht, den einen der Affekte für den
andern zu nehmen. Kein Beispiel beleuchtet diesen Vorgang
besser als Wassergrube und Pendel. Die unbewußten
Affekte, die bis ins Unbewußte des Lesers gelangen sollen, sind
in Realität mit ganz besonderen infantilen und verdrängten
Darstellungen verbunden: sie sind Wunschphantasien über den
Besitz der Mutter nach innerkloakischem Sdiema, sie sind eine
passive homosexuelle Wunschphantasie, die sich auf den Vater
bezieht. Diese Phantasien (welche die Geschichte von innen her
beleben und zweifellos die ursprüngliche Quelle der Inspiration
sind) können nicht ohneweiters auf den Leser übergehen, der
Leser würde wegen der eigenen Verdrängungen vor ihnen
zurückweichen, statt verführt zu werden, ganz so, wie wohl
viele Leser vor unseren Deutungen zurückweichen mußten.
Die Zensur fordert nun eine Verschiebung, aber jene Instanz
— von der noch gesprochen wird — , die im Halbschlaf die
sekundäre Bearbeitung des Traumes fordert und bei Tag
mit unserem vorbewußten Wachdenken verschmilzt, diese
Instanz wählt eine Verschiebung auf Objekte, die mit Affekten
begabt sind, welche zum tieferen Affekt, der auftauchen soll,
eine Analogie bilden. Die neuen manifesten Repräsentanzen
verraten zwar noch — für den, der sehen kann — , wer die
ursprünglichen tiefen Repräsentanzen gewesen sind: der schwin-
gende Pendel ist phallisch, der Brunnen eine Kloake. Aber die
ursprünglichen, mächtigen Wunschaffekte, die an jene Dar-
stellungen gebunden sind, können nach ihrem Durchgang durch
die Verdrängung nur mehr mit dem negativen Zeichen der
Angst versehen auftauchen. Daher müssen der gewünschte
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 18
t.
2/4 Poe und die menschliche Seele
Pendel, der geträumte Brunnen bereits selbst mit Angst besetzt
sie müssen das Objekt eines Sdireckens sein, der durchaus wirk-
lich sein kann. So kommt die Summation der Affekte am besten
zustande: in der manifesten Geschichte gibt es dann eine Art
Vor angstpr ämie, die der Köder ist, auf den sich die
tiefe, unbewußte und auf diese Weise befreite Angst stürzt, '\
um sich explosiv zu entladen. Dadurch aber wird gleichzeitig
die Zensur beachtet, ihr gedient, denn man kann nun annehmen
daß die von dieser Geschidite ausgehenden Angstgefühle ganz
einfach jene sind, die jeder von uns in den Kerkern der
Inquisition empfinden würde.
Dabei müssen wir jedoch auf eine Erscheinung hinweisen
die der analog ist, welche bei der Bildung mandber neurotisdien
Symptome auftritt. Ein von einer Phobie Befallener, der es zum
Beipiel nicht wagt, die Straße aus Angst vor den Automobilen
zu überschreiten, hat zum Teil damit recht: Autos sind zer-
schmetternde Geschosse. Er hat ein Mittel gefunden, durdi das
die Qualität seines Affekts für berechtigt erklärt ist. Aber
die Quantität dieses Affekts wird durch die manifeste Re-
präsentierung eines sehr problematischen Unfalls nicht mehr
gerechtfertigt, seine Stärke kann nur durch einen Affekt, der
aus den tiefen und unbekannten Quellen des Unbewußten
kommt, verständlich gemacht werden.
Der Angstakzent, mit dem alle großen Geschichten Poes
souverän besetzt sind, stammt aus einer solchen Quelle. Das
Vorbewußte wählte jedesmal die entsprechende, reale und pein-
liche, manifeste Repräsentanz aus, und dank dieser Vor-
angstprämie kann die tiefer liegende unbewußte Angst
sich entladen. Nach diesem Schema wurden jene mächtigen
Affekte befreit, die zum Beispiel aus der B e r e n i c e,
L i g e i a, dem Hause Usher, dem Doppelmord in
der Rue Morgue, dem Schwatzenden Herzen
und der Schwarzen Katze hervorbrechen.
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
275
Von dem letzten Faktor der Traumbildung, der sekun-
dären Bearbeitung, muß gesagt werden, daß er bei der
literarischen Schöpfung ganz mit der Arbeit des vorbewußten
■Wachdenkens verschmilzt; die sekundäre Trauminstanz ist doch
nidits anderes als ein mehr oder minder wacher Rest des Nach-
denkens im Innern des Schlafes. Die sekundäre Bearbeitung, die
im Traum (wenn sie kann) die auffallendsten Absurditäten
wegschafft, errichtet zwischen den verstreuten latenten Ge-
danken einen neuen manifesten Zusammenhang, der sehr häufig
redit verschieden ist vom ursprünglichen latenten Zusammen-
hang, kurz, sie unterwirft den Traum der Zensur des logischen,
kritischen Denkens. Beim Kunstwerk aber leitet das vor-
bewußte Wachdenken selbst die Kohärenz der Gedanken, es
wählt die von der unbewußten primären Bearbeitung der
latenten Gedanken vorgeschlagenen Elemente aus, weist ab,
was ihm nicht taugt, entfernt alles allzu Sinnlose und allzu
Verletzende, errichtet zwischen den zurückbehaltenen Elementen
neue, logische Verbindungen, kurzum, es ist unaufhörlich dabei,
zu kritisieren und vor unseren im Tiefsten verborgenen ver-
drängten Wünschen jene bewußte, logische und ästhetische
Fassade zu errichten, nämlich das Literaturwerk zu sdiaffen,
das unserem Blick — vergessen wir diese Tatsache nicht —
sehr oft einen neuen Zusammenhang bietet, eine neue
Kohärenz, die ganz verschieden ist von jener andern, welche
die primitiven vorbewußten Gedanken, die den Künstler zum
Kunstwerk inspiriert haben, beherrschte.
Obwohl die literarische Schöpfung von der Traumschöpfung
wesentlich verschieden ist, die Gedanken im Kunstwerk weniger
stark regredieren als im Traum (diese psychische Regression
visualisiert alle, selbst die abstraktesten Gedanken in Hallu-
zinationen), obwohl der Egoismus im Kunstwerk sich viel
besser verbergen kann als im Traum, und die Vorlustprämie
18*
^
^^^ Poe und die menschliche Seele
der ästhetischen Form es dem verdrängten Wunsch mödiA
macht, sich ungestraft zu manifestieren und ebenso ungestraft
von der Gesamtheit der übrigen Menschen empfunden
werden, trotz aller dieser Unterschiede, die aus dem literarisdieü
Kunstwerk im Gegensatz zum Traum ein s o z i a 1 e s Produb
machen, an dem alle Menschen teilnehmen können, _ habe
der Traum und das Kunstwerk im Bereich der menschlichen
Isyche analoge Funktionen zu erfüllen. Beide wirken w'
Sicherheitsventile, welche die allzu verdrängten Triebe Z
Menschen benötigen.
In der Nacht, wenn wir im Schlaf unbeweglich liegen
können wir ohne nachteilige Folgen für die anderen und für
uns von all dem träumen, was das Leben uns verweigert und
was wir begehren - auch von Inzest oder Mord. Am Tag
können wir uns, ebenfalls unbeweglich daliegend, Wachträumen
hingeben, während deren Dauer jede gefährliche Bewegung
unterbleibt. Einige Menschen haben nun durcii eine mysteriöse
Gabe die Macht bekommen, diesen Tagträumen, diesen fiktiven
Befreiungen ihrer Triebe eine Form zu geben, die es den
andern Menschen möglich macht, mit ihnen gemeinsam zu
träumen. Durch welche Mittel sie dies erreichen, welcher Natur
diese Prämie der Schönheit der Form ist, die dazu dient
ihresgleichen anzulocken, bleibt ein Problem der Ästhetik das
noch nicht gelöst werden konnte. Auch die Psychoanalyse hat
die letzte Lösung noch nicht finden können; dieses schwierige
Problem entzieht sich sogar ihrer tiefschürfenden Forschung
Freud^= macht uns jedoch darauf aufmerksam, daß das
ästhetische Empfinden der erotischen, hier natürlich sublimierten
auf '^^ ''="J"«,"^^7n^^«feIhaft, daß der Begriff des S c h ö „ e n
aut dem Boden der Sexualerregung wurzelt und ursprünglich das
Trat IT"^ (.die Reize') bedeutet. Es steht im Zusammenhang
sexu le P dze Genitalien selbst, deren AnbliA die stärkst
sexuelle Erregung hervorruft, eigentlidi niemals ,sehön' finden
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk 277
Erregung verwandt zu sein scheint. Das hat auch sdion Plato
geahnt, besonders im P h a i d r o s, in dem die Liebe zu schönen
Jünglingen als erste Stufe auf der Leiter, die zur Liebe des
Schönen führt, angesehen wird.
Nun hat uns die Psychoanalyse gelehrt: wir machen in
unserem ganzen affektiven Leben nichts anderes, als in Varianten
die Erlebnisse unserer Kindheit zu wiederholen. Auch der
Künstler, der Schöpfer der Schönheit, entgeht diesem Gesetz
nidit; er entgeht ihm schon wegen der Mitgift, des starken
Narzißmus, die er für das Leben mitbekommen hat, noch
weniger als irgendein anderer Mensch. "Wir dürfen daher auch
bei ihm die Annahme wagen, daß die ersten Neigungen seiner
Kindheit auf seine besondere Ästhetik abgefärbt haben. Nun
war für alle Lebewesen die Amme, die Mutter, das erste
Liebesobjekt. Wir werden daher nicht überrascht sein, wenn
wir sehen, daß das ästhetische Ideal eines so nekrophilen
Künstlers wie Poe in den Farben des Muttertodes gemalt ist.
Jede Schönheit, Schönheit der Frau oder Schönheit der Erde,
der Gestalten und Landschaften ist daher für ihn von den
Wangen seiner geliebten, sterbenden und toten Mutter „ab-
gezogen" worden.
Es gibt allerdings Künstler, deren ästhetisdies Ideal weniger
direkt von den konkreten Eigenschaften eines infantilen Ob-
jekts herzukommen scheint, bei denen man also nicht bis zum
Ursprung dieses Ideals vordringen kann. Und außerdem muß
das ästhetische Interesse nicht von der Mutter allein her-
kommen. Auch die Liebe, die ein Kind mehr oder minder bald
seinem Vater bezeigt, kann sein ästhetisches Ideal beeinflussen,
können." (Freud, Drei Abhandlungen zur Sexual-
theorie. Deuticke, Wien 1920, 4. Auflage, S. 23, Anmerkung i.)
Freud ist auf diesen Gedanken in der gleidien Arbeit nodi einmal
zurüdigekommen und hat ihn im zweiten Kapitel des Unbe-
hagens in der Kultur wieder aufgenommen (1930).
1
^7^ Poe und die menschliche Seele
sie verleiht ihm kräftigere, männlichere Züge, an denen es auch
im Werk Poes nicht fehlt.
Noch eine andere Tatsache darf nicht übersehen werden:
jede Liebeserregung verlangt zwei Partner, das geliebte Objekt
und das liebende Subjekt. Wir haben bisher nur von den
_ Qualitäten gesprochen, die das ästhetische Ideal jedes Schöpfers
den geliebten Objekten seiner Kindheit entlehnt hat. Es kommt
aber auch darauf an, auf welche Art das Subjekt liebt: sie wird
durch seine Konstitution, sein gesamtes Erbteil gebildet, aber
auch durch alle Ereignisse aus seiner Kindheit, welche auf die
innere Entwicklung seiner Libido eingewirkt haben, also durdi
die mehr oder weniger seinem Wesen angeborene Kraft der
einen oder anderen Komponente seiner Libido, sei sie nun
Sadismus, Voyeurtum oder anderes. Man muß daher zwischen
der Art und Weise, nach der sich die ästhetische
Erregung bei einem bestimmten Künstler ausspricht, und
der Natur des ästhetischen Ideals beim gleichen
Künstler zu unterscheiden wissen.
Das erste Element entzieht sich allerdings fast gänzlich
unserer Forschung, da es in seiner Gegebenheit ganz unzugäng-
liche Tatsachen enthält: die ursprüngliche Intensität der Libido,
die ihrer Komponenten, mit ihrer unter dem Druck der Er-
ziehung stehenden, mehr oder weniger starken Widerstands-
kraft oder Plastizität; ihre mehr oder minder große Fähig-
keit,, sich zu sublimieren, kurzum, alle biologischen Faktoren
des Geschlechtes, der Konstitution und der Erbmasse, vor
denen die psychoanalytische Forschung haltmachen muß.
^ Aber welcher Natur immer die urprüngliche Konstitution
eines Künstlers, und welcher Art immer auch seine Ästhetik sein
mag, dieser glänzende Schleier, den er für uns über seine im
Tiefsten hausenden Triebe — das sind nicht selten die, welche
5
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
^79
die landläufige Moral am stärksten zurückweist — -wirft, die
Arbeit an der Dichtung und die Funktion des Kunstwerks
bleiben einander immer gleich.
Wir haben von den Mechanismen, welche der Arbeit an der
literarischen Sdiöpfung dienen, ausführlidi gesprochen. Über
ihre Funktion haben wir gesagt, daß sie als eine Art Sicher-
heitsventil gegen die allzu drängenden Triebe der Menschen
anzusehen ist. Wir müssen nur noch am Beispiel Poe zeigen,
daß dieses Ventil für den Wachzustand ebenso funktioniert
wie jenes andere, der Traum, der unsere Triebe, wenn wir
sdilafen wollen, befreit.
Wir nehmen zu diesem Zweck den berühmten Vergleich
Freuds auf, der sidi auf die Traumbildung bezieht. Die
jüngsten Ereignisse aus dem Leben des Träumers — wir
nennen sie Tagesreste — sind gleichsam die Unternehmer
eines Traumes. Aber was vermag ein Unternehmer ohne
Kapital? Das Kapital wird ihm nun von den alten, archaischen,
infantilen Wünschen geliefert, die ins Unbewußte des Träumers
verdrängt sind, von alten Wünschen, welche durch die aktuellen
Tageswünsche geweckt wurden, und ohne die selbst die be-
wußten lebhaftesten aktuellen Wünsche nichts unternehmen
könnten. Auf die gleiche Weise entsteht auch das Kunstwerk.
Während uns aber bei vielen Geschichten Edgar Poes jene
Elemente des Diptychons entgehen müssen, die wir als aktuellen
Anreiz zur literarischen Schöpfung ansehen, kann bei anderen
dagegen das Diptychon in voller Klarheit gezeigt werden.
Es ist ganz evident, daß die B e r e n i c e, M o r e 1 1 a,
Ligeia unter dem Einfluß der aktuellen Versuchung ge-
schrieben wurden, die von der kleinen Cousine Virginia aus-
ging, welche Poe bei seiner Tante Frau Clemm fand. Aber
wenn ein anderer Virginia begegnet wäre, sie hätte ihn trotz-
dem nicht zu einer Dichtung inspiriert, er hätte weder Lust
gehabt, sie zu heiraten, noch wäre er auf den Gedanken ver-
2 So
Poe und die menschliche Seele
fall,
en, die Berenice oder Li g ei a zu schreiben Virei •
war hier der „Unternehmer" des Kunstwerks. Aber T
Kapital zu diesem Unternehmen konnte nur aus dem reich ^'
Vorrat an sadistischen und nekrophilen infantilen Erinn'''
rungen geliefert werden, die mit dem Leichnam der Mutter im
Tiefsten von Poes Unbewußtem vergraben waren.
Das gleiche sehen wir bei der Schwarzen Katz
Die aktuellen Ta g e s r e s t e des Alptraums, den diese Ge''
schidite wiedergibt, lieferte das Privatleben eines Menschen
Poes, neben dem seine Frau Virginia starb. In seinem Landhaus
von Fordham sah er täglich Virginia und die Katze Catterina
und wenn im Winter kein Feuer mehr im Ofen war und die
arme, schwache und blutspuckende Schwindsüchtige das Bett
hüten mußte, legte sich das Tier auf sie nieder, als ob es sie
warmen wollte.- Aber dieses rührende und mitleiderregende
Schauspiel hatte an sich keineswegs die S c h w a r z e K a t z e
hervorgebracht; seine besondere Aufgabe bestand darin den
in der Seele des Dichters verborgenen Schatz an alten sadisti-
sdien Antrieben, die mit der sterbenden und gestorbenen
Mutter des Dichters verbunden waren, heben zu helfen, - dem
aktuellen Unternehmen Virginia-Catterina wurde das in
früheren Zeiten angehäufte Kapital zugeführt.
Der aktuelle Anreiz zur Geschichte vom Goldkäfer
wurde Poe sichtlich durch seine Armut geliefert und durch das
Verlangen, aus dem Elend herauszukommen. Er schrieb diese
Gesdiichte eingestandenermaßen zu dem Zweck, um einen Preis
von hundert Dollar zu gewinnen, und gewann ihn auch tat-
sächlich. Aber selbst die aktuellen Wünsdie eines armen
Dichters, reich zu werden, hätten nidit genügt, um dem Sdiatz
Kidds seinen blendenden Glanz zu verleihen, wenn nicht an
diesen Schatz ein latenter Sinn, der den ursprünglichsten
i6) Bd. I, S. 236.
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
Trieben nahestand, gebunden gewesen wäre: hinter der Er-
innerung an die Freigebigkeit der Mutter Frances Allan lauerte
nodi die Erinnerung an das Rätsel der Geburt einer neu-
geborenen Schwester Rosalie, mit der der kleine Edgar in
Begleitung seiner geliebten Mutter in die gleiche Gegend (an
den Strand von Carolina) gekommen war, in der Kidd seinen
Schatz vergraben hatte.
So erweist sich das Kunstwerk, wie der Traum, als ein
mächtiges Phantom, das über unserem Leben steht, mit einem
Fuß in der Gegenwart, mit dem andern in der Vergangenheit.
Das Antlitz des Phantoms sieht dabei in die Zukunft, dank
dem tiefen Wunsch, den es verkörpert und der stets einer
der Antriebe unserer Tätigkeit ist. Daher kann der Traum
wie eine Prophezeiung aussehen, wenn es unseren mehr oder
minder unbewußten Anstrengungen gelingt, den Wunsch, den
er ausdrückt, zu realisieren. Aber da diese Wünsche häufig von
außen her aufgehalten, noch häufiger aber von innen her
zurückgewiesen werden, gehen nur wenige Träume in Er-
füllung! Die gleichen Verbote schweben über dem Kunstwerk.
Der Goldkäfer konnte seinem Dichter hundert Dollar und,
neben dem Raben, den größten Erfolg seiner Schriftsteller-
laufbahn verschaffen, aber den Antrieb zum Mord und
Sadismus, der den Schwarzen Kater beherrscht, konnte
Poe im Leben nicht realisieren. Der beschauliche Nekrophile
Edgar Poe fand jedoch dadurch, daß er die zur Schwindsucht
neigende Virginia zur Frau wählte, das Mittel, sich das sadisti-
sche Schauspiel einer Agonie zu verschaffen, das dem glich,
welches seine infantile Phantasie fasziniert hatte, und dadurch
wieder kann der Eindruck hervorgerufen werden, er habe in
der Berenice, Morella, Ligeia, Madeline oder Eleonora den
künftigen Tod seiner geliebten Frau prophetisch besungen.
n
282
Poe und die menschliche Seele
Poe war sich gewiß niemals darüber klar, was für P
innerungen er in seinem Werk besang, noch welch furchtbarr
Natur seine Sexualität war. Er sprach wohl manchmal von
emem „furchtbaren Geheimnis", das ihn bedrückte. Aber übe
das Geheimnis selbst blieb er sich im unklaren. Und sein
Sexualität verleugnete er, indem er jegliche reale Manifestierune
am Objekt unterdrückte und den makabren Charakter dieser
Sexualität gleichsam ätherisch machte.
Die andern Menschen aber, obwohl auch sie nicht klar
sahen, haben sehr wohl empfunden, was in seinem Werk im
Grunde verborgen war. Wenn auch dieses Werk die Keuschheit
predigte, so schien es trotzdem vielen eine Verkörperung des
Bösen, der Perversion, des Verbrechens zu sein. Mandie
blickten Edgar Poe beinahe so verächtlich an, wie sie sonst
nur emen Sträfling ansehen. Ein Beispiel für eine solche auf-
richtige Reaktion des Unwillens bietet das Verhalten des ehe-
maligen Clergyman Rufus Griswold; hier kam allerdings dazu
daß em unfähiger Dichter einen begabten beneidete und beide'
einmal Mann gegen Mann um die ätherische Gunst der Frau
Osgood kämpften.
Diese Tatsadien können als mildernder Umstand heran-
gezogen werden, wenn wir an die Gemeinheit denken, die Gris-
wold dadurch beging, daß er den Ludwig Article^^ am Tage
nach dem Tod Edgars veröffentlichte, und an die Abfassung
des giftspeienden Memoirs," mit dem Griswold in seiner Eigen-
schaft als Testamentsvollstrecker Poes die Veröffentlichung der
Gesamtausgabe des Verstorbenen begleitete.
Im übrigen aber übten gerade die verbotenen Triebe, die
Poe ohne zu ahnen, was er tat, in seinem Werk feierte,' und
welche jenseits der erlaubten Befriedigungsmöglichkeiten der
^ '7) R.W. Griswold: The „Ludwig Article". (New York Tribüne
Evening Edition, 9 Oktober 1849.) V. E.. Bd. I S. 348-359
18) Siehe Bd.I, S.303, Anmerkung 188.
über die Arbeit am literarischen Kunstwerk
283
Erostriebe liegen, auf die Phantasie der Menschen einen der-
artigen Zauber aus, daß schon zu Lebzeiten des Dichters ein
Riesenschwarm von Bewunderern sein Werk begleitete.
Die Frauen wurden erobert, wie sie ja häufig durch den
Sadismus erobert werden; Frau Whitman, Frau Shelton hätten
den Raben gern geheiratet, Frau Shew, Frau Richmond hegten
und trösteten ihn.
Und sogar über den Ozean hinweg schwebte das sadistisch-
nekrophile Genie eines Edgar Poe auf seinen Flügeln und
weckte in andern Herzen und andern Ländern die gleichen
mächtigen und ewigen Triebe der Menschen, die sich in ihm
erkannten.
POES BOTSCHAFT AN DIE MENSCHHEIT
„ . . . Ich könnte Ihnen etwas überaus Seltsames und beinahe
Unglaubliches mitteilen",
schrieb ein Franzose um 1860.
„Im Jahr 1846 oder 1847 lernte ich einige Teile aus dem Werk
Edgar Poes kennen: idi empfand dabei eine ganz ungewöhnlidie
Erschütterung. Da seine vollständigen Werke erst nach seinem Tod
m einer einzigen Ausgabe gesammelt erschienen, brachte ich die
Geduld auf, mich mit in Paris lebenden Amerikanern in Ver-
bindung zu setzen, um mir bei ihnen die Zeitschriften auszuleihen,
die von Poe geleitet worden waren. Und da fand ich, ob Sie es'
nun glauben wollen oder nicht, Gedichte und Novellen, deren
Gedanken ich selbst unklar, verworren, ungeordnet gedacht, und
die Poe miteinander in Verbindung zu bringen und vollkommen
zu gestalten verstanden hatte." ^^
Baudelaire, von dem dieser Brief ist, hat uns also selbst ge-
standen: er glaubte, nicht nur die Themen, sondern auch die
Sätze, die er gedadit hatte, vor sidi zu sehen . . .
19) „. . . Je puis vous marquer quelque chose de plus singulier et de
presque incroyable. En 1846 ou 1847, j'eus connaissance de quelques
fragments d'Edgar Poe: j'eprouvai une commotion singuliere. Ses
Oeuvres completes n'ayant ete rassemblees qu'apres sa mort, en une
edition ^unique, j'eus la patience de me Her avec des Americains
vivant ä Paris, pour leur emprunter des coUections de journaux qui
avaient ete diriges par Edgar Poe. Et alors, je trouvai, croyez-moi
si vous voulez, des po^mes et des nouvelles, dont j'avais eu la pensee,
mais vague et confuse, mal ordonnee et que Poe avait su combiner
et mener k la perfection." Aus einem Brief Baudelaires an Armand
Fraisse, den Eugene Crepet in seinem Charles Baudelaire,
Paris, Albert Messein, 1928 (von Jacques Crepet durchgesehene, ver-
besserte und vervollständigte Ausgabe), S.95, zitiert. Alle Daten
und Tatsachen aus dem Leben Baudelaires, die wir im folgenden
geben, sind dieser grundlegenden und meisterhaften Arbeit ent-
nommen.
IT }
Poes Botschaft an die Menschheit
28s
Die Bewunderung, die Liebe Baudelaires für den amerikani-
sdien Schriftsteller sollte, nach den "Worten seines Freundes
Asselineau, zu „einer wirklichen Besessenheit" werden. „Baude-
laire konnte an nichts anderes mehr als an Poe denken, von
nidits anderem als von Poe sprechen." Er machte sich wieder
an das Studium des Englischen, das er seit seiner Kindheit
vernachlässigt hatte, denn er wollte Edgar Poes Werk den
Franzosen schenken.
"Wir haben nicht die Absicht, den ganzen Verlauf dieser
pietätvollen Arbeit zu verfolgen, von den 17 Jahren zu be-
richten, die Baudelaire der Übersetzung Poes widmen sollte.
Uns interessiert hier nur das Problem der psychischen „Con-
cordance" zwischen diesen beiden genialen Menschen, der Blitz,
von dem Baudelaire getroffen wurde, als er Poe entdeckte.
Bevor wir aber diese Untersuchung durchführen, weisen wir
in Kürze auf die wichtigsten Daten und Tatsachen aus Baude-
laires Leben hin.
Charles Baudelaire wurde am 9. April 1821 in Paris ge-
boren. Sein "Vater, Franjois Baudelaire, war damals mehr als
60 Jahre alt. Er war unter dem alten Regime Erzieher bei den
Choiseul-Praslin und kam dadurch viel mit Philosophen und
Künstlern des vergangenen Jahrhunderts zusammen. "Während
des Empire wurde er Bürochef im Senat, nach dem Sturz
Napoleons ging er in Pension und widmete sich von nun an
nur mehr der Malerei. Er liebte den Sohn, den ihm seine junge
Gattin in zweiter Ehe, Caroline Archlmbaut-Dufays, eine
"Waise, die vierunddreißig Jahre jünger war als der Sechzig-
jährige, geschenkt hatte.
Als der Sohn gehen konnte, nahm Franjois Baudelaire
ihn auf seinen Spaziergängen mit, er erzählte ihm die schönsten
Geschichten im Jardin du Luxembourg, neben dem die Baude-
laires damals wohnten. Wegen der weißen Haare, die sein
286
Ws Gesicht un.rahH,ten, hielt man Frangois eher fü. .
Großvater als für den Vater des Kindes. Und wie ein" T
vater verschwindet er bald. Er stirbt in. Februar Jlr f'
- Jitwe und gehört nun gan. den. kleinen 1 ^^^^^^^^^^
sechsjährigen Charles, in dem bereits da, ,'*"*' S^nz
eines Liebhabers schlägt. eifersüchtige Herz
MuS steL^rif ^^^f ' »"- d« Dichter später .einer
schaftliA liebte; WTuS it ohl ^ U '" ^^ ^^* ^"'i-
nie etwas davon gesagt, t ll^ ^tZTsJ? Jt^ ^^'
Jagen; Du ka«st aus eine« Krankenh^ ^ das dT f ^^
gewesen warst, und Du zeigtest mir V.^ J, ^«bannt
«ich gen^adit hattest, um r^ ,„ . ""^f""^^"' *^ ^^ für
Sohn gedaAt. Habe iinTitl^M-r' '^'^ °" ^" ß""«
«^ani die Place Saintl':;Sa::Att'?S^^^^^ "^
gange, Zärdidikeiten ohne Ende' Tri, . ■.' ^' ^P^^'«'
die am Abend so traurig waren It-T"" "f - UWaßen,
Zeit, in der Du, Mutter zTrZ t ^" ^"' ""^ *^ ^"te
Verzeihung, daß i* enJ 2 t fu t n "" TV" '"^^ °'* "-
b^^e war. Aber da.als ^Z^Z^^lt^JZ^^lTt''''
me souviens d'une p omenade en fi "' '" "' ^"'"^'^ '^"^ ^it. Je
sant^ oü tu avais ^^rlgut et tZ' '" """^ '^'"'^^ "^^'-^ ^e
que tu avais pens^ , ton^l^" LlsTräu""" "^ ^™"^^^
faits pour moi. Crois-tu oue i'J. ' P^"™^ ^1"= '" avais
la place Saint-AndrI-Lrts' rNeXT", ''"''''' ^^"^ ^^^''•
des tendresses perp^tuelles ' Te m. .n • ' ^ °°^"'' promenades,
tristes le soir. Ah- gi% tur ^r, J'"! "^^ '^"'"' "5"' ^^^'«"^ »^
maternelles. Je te demande pTrdon H ^°"/^«P^ ^es tendresses
ete Sans doute mauvaTs pour tof M ^?''- ' ^°" ''""?' "1"^ q« a
tu etais „niquement l « . Tultl^f k T""" "■!,^? ^" '^^
camarade. Tu seras peut-^tre L ' °'' ""^ '''°^c et un
Passion d'un temps si recule" MoT^""'' ■?"' '' ^"'''^ P^^^^^ avec
etre parce que j'ai concu „n f • ^ '° ™" ^^°'^"^- C'est peut-
les Aoses anci nne "e 'peknen? """' ^' ^^"^ ''^ ^^ «°«. q-
Charles Baudelaire, i;,;rSL" ''''''r\'^^-^ -o« esprit."
^.^S (Auszug aus dem BrlfoT 6 ZTs7; s"4'°"' ^°"^^'^'
Poes Botschaß an die Menschheit 287
Du wirst vielleicht erstaunt sein, daß ich mit solcher Leidenschaft
von einer so weit hinter uns liegenden Zeit sprechen kann. Auch
mich setzt das in Erstaunen. Vielleicht erscheinen diese alten Dinge
deshalb so lebhaft in meinem Geist, weil ich wieder den Tod herbei-
wünsche."
Die gute Zeit, von der hier mit einer Leidenschaft ge-
sprochen wird, welche man im ganzen Werk des Ätherikers
Poe vergeblich suchen würde, ist die Zeit, in welcher der kleine
Odipus nach dem Tode des alten Laios triumphierte. Und in
diese Zeit der mütterlichen Witwenschaft fällt auch jener
Sommeraufenthalt in Neuilly, den der Dichter später wie ein
verlorenes Paradies besingen sollte:
Idi habe unser weißes Haus nicht vergessen,
Es lag in der Nähe der Stadt, war klein, aber ruhig;
Die Pomona aus Gips und die alte Venus,
Die in einem armseligen Wäldchen ihre nadcten Glieder versteckten;
Und die Sonne, die abends, rieselnd und herrlich.
Hinter der Scheibe, an der sidi ihr Lichtbündel brach.
Mit weitoffenem Auge, das durdi den neugierigen Himmel sah.
Unsere langen, schweigsamen Mahlzeiten zu betrachten schien.
Und ihre schönen, leuchtenden Reflexe breit
Auf den besdieidenen Tisch und die Vorhänge aus Serge fallen ließ.^^
Dieses Gedicht gibt aber weniger Erinnerungen eines Sohnes
wieder, es ist vielmehr der Sehnsuchtsschrei eines Verliebten.
Dieser Sohn war nun tatsächlich ein leidenschaftlicher Ver-
21) Je n'ai pas oublie, voisine de la ville,
Notre blanche maison, petite mais tranquille;
Sa Pomone de plätre et sa vieille Venus
Dans un bosquet chetif cachant leurs membres nus.
Et le soleil, le soir, ruisselant et süperbe,
Qui, derriere la vitre oii se brisait sa gerbe,
Semblait, grand cell ouvert dans le ciel curieux,
Contempler nos diners longs et silencieux,
Repandant largement ses beaux reflets de cierge
Sur la nappe frugale et les rideaux de serge.
Les Fleurs du Mal: Tableaux parisiens", XCIX.
Poe und die menschliche Seele
en
le
len
liebter, wobei wir dieses Wort in der ganzen psychisdiei
Bedeutung des Ausdrucks, in dem auch die sexuellen Wünsdi,
enthalten sind, genommen wissen wollen.
Mußte er nicht später jene, das Wesentliche verschleiernde,
Zeilen schreiben, die trotz allem seine Sinnlichkeit verraten.
„Der frühreife Gesdimack der Frauen. Ich verwechselte de
Gerudi des Pelzwerks mit dem Gerudi der Frau. Idi erinnere
midi ... Idi liebte schließlich meine Mutter wegen ihrer Eleganc
Idi war also ein frühreifer Dandy." ^^ ^'
Übersetzen wir Dandy mit Verliebter.
Selbst Mariette, „das Hausmädchen mit dem weiten
Herzen" {Ja servante au grand coeur"), die das Kind pflegte
und auf die Frau Baudelaire „eifersüchtig" {„jalouse") war,
konnte mit diesem Duft und dieser Eleganz nicht rivalisieren;
sie kam gegen die Mutter nicht auf, obwohl sie den kleinen
Jungen mit der Zärtlichkeit eines ergebenen Hundes umgab,
die in seinem Herzen besonders aus Bedauern darüber einen
unauslöschlichen Eindruck hinterlassen sollte, daß die Mutter
ihm^ so bald untreu geworden war und ihn daher nicht mehr
allein lieben konnte.
Denn im November 1828 heiratete Caroline den Major
Aupick. Das heißt: die Mutter hat den Sohn hintergangen,
trotzdem sie mit ihm zärtlich gewesen, mit ihm gelacht hat,
trotz der Sommersüße jener Liebe in Neuilly! Mit einem Schlag
hat irgend etwas im Herzen des kleinen Charles das Gefühl,
für immer erstorben zu sein: selbst seine Liebe zur Natur ist
entehrt, die Liebe zu jener andern Mutter, die ihn noch gestern,
in dem Landhaus, durch den täuschend en Glanz, mit dem sie
22) „Le gout precoce des femmes. Je cofondais l'odeur de la
fourrure avec l'odeur de la femme. Je me souviens . . . Enfin, i'aimais
ma mere pour son ^Mgance. J'^tais donc un dandy prkoce."
tusees, XXL (In Charies Baudelaire, CEuvres Posthumes et
l^orrespondances mSdites; eingeleitet durch eine biographische Studie
von Eugene Cripet, Paris, Quantin, 1887.)
CHARLES BAUDELAIRE
1821 — 1867
(Nach einer Photographie von Nadar)
Poes Botschaft an die Menschheit
die Liebe des Kindes umgab, so wie die andere betrogen hat!
Von nun an muß Charles die Bäume hassen, die ganze Natur.
Schmerz, Rachsucht und Eifersucht sammeln sich im tief-
eekränkten Herzen des Kindes. Und nicht ohne besonderen
Grund hat er später die Anekdote erfunden, er habe am Hoch-
zeitsabend die Sdilüssel des Brautgemachs abgezogen und in das
Bassin im Stadtpark geworfen. Eines Tagös schrieb er sogar,
er habe, als Kind, diese Dinge mit der Heftigkeit der Gefühle
eines Mannes erlebt. Und das ist wahr, wenn auch Baudelaire
nicht, wie er in seinem Künstlerstolz glaubte, dadurch etwas
Außergewöhnliches erlebte. Wie groß dieser Schmerz des
kleinen siebenjährigen Jungen gewesen ist, wird durch das
ganze "Werk Baudelaires bewiesen.
Meine Leser erfahren hier gewiß nichts Neues. Man hat
sdion immer die Bitternis, von der sein Leben, vor allem aber
sein Werk erfüllt sind, durch das unablässig ein Schrei klingt,
der von Sdimerz, Haß und Radie wegen einer getäuschten Liebe
beriditet und audi die Feindseligkeit, mit der Baudelaire
Frauen gegenübertrat, der Tatsache zugeschrieben, daß seine
Mutter ein zweitesmal heiratete.^"
23) Siehe besonders das Budi von Fransois Porche, La vie
douloureuse de Charles Baudelaire (Paris, Plön, 1926; deutsdi bei
Rowohlt, Berlin 1930), und die psychoanalytische Studie von Dr. Ren^
Laforgue, L'edoec de Baudelaire (Denoel et Steele, Paris 193 1, in
deutscher Ausgabe, „Der gefesselte Baudelaire", im Internationalen
Psydioanalytischen Verlag, Wien 1933), in der eine These gestützt
wird, die von der hier vorgebrachten ein wenig abweicht. Nadi
Laforgue, der übrigens die heftige Reaktion des Sohnes auf die
mütterlidie "Wiederverehelichung nicht leugnet, wäre Baudelaire auch
ohne Aupidc Baudelaire geworden, da die früheren Sexualerlebnisse,
die ursprünglichen Traumen, welche seinen Charakter und seine
Neurose determinierten, zweifellos vor der "Wiederverehelichung
Carolinens eingetreten waren. Ich bin natürlidi, wie jeder Ana-
lytiker, der Meinung, daß die Ereignisse in der frühesten Kindheit
das Leben eines Menschen determinieren, und glaube auch, daß
man die Konstitution des Subjektes nicht übergehen darf; ich meine
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV.
19
^9° Poe und die menschliche Seele
Caroline war sanft, liebenswürdig, feinfühlend, aber .nicht
sehr intelligent; sie war unbedeutend und voll bürgerlicher Vor-
urteile. Sie liebte den Sohn zärtlich, verstand aber nichts von
seinem Wesen, das allerdings an Leidenschaft und Intelligenz
weit über ihren Verstand hinausging. Aupick, ihr Gatte, war
ein pünktlicher und rechtschaffener Offizier, dem ein unbot-
mäßiger Dichter nicht gefallen konnte, obwohl audi er seinem
Stiefsohn alles zukommen ließ, was die Pflicht von ihm
forderte.
Charles wurde von ihm als Internist in ein College gesteckt.
Der Offizier glaubte natürlich an den heilsamen Einfluß der
strengen Disziplin, die in den damaligen Schulen herrschte.
Charles erwies sich aber in Lyon und in Paris als ein mittel-
mäßiger und undisziplinierter Schüler und erreichte es, daß er
mit achtzehn Jahren das Lycee Louis-le-Grand verlassen mußte.
Nachdem er das Baccalaureat erworben hatte, erklärte er
seinen Eltern, daß er sich der Sdiriftstellerlaufbahn widmen
wolle. Die Folge: Verzweiflung bei Aupick und Caroline,
Streit. Aber nichts hilft, die Absichten Charles sind nicht zu
erschüttern.
Er ist nun fast nie zu Hause anzutreffen. Er spaziert in den
Straßen umher, gibt sich Frauen hin. Aber was für Frauen!
Die Mutter, die Frau, deren Zärtlichkeit versprochen und ge-
logen, hat nicht umsonst den Siebenjährigen enttäuscht, ge-
täuscht, als sie sich wegen eines Mannes „prostituierte". Er
hat von nun an das Bedürfnis, die Frau zu verachten, Mutter
und Prostituierte eins sein zu lassen, und sucht infolgedessen
Maitressen, die man verachten muß. In dieser Zeit hat die
aber trotzdem, daß man im allgemeinen recht habe, wenn man in
der mütterlidaen Wiederverehelidiung jenes Ereignis sieht, weldies
sowohl für das Leben, als audi den Charakter Charles Baudelaires
am nadidrüddidisten zum Trauma wurde und sein Wesen deter-
minierte.
1
Poes Botschaft an die Menschheit
291
schielende Sarah, eine „scheußliche Jüdin", „in ihren beiden
Händen mein Herz wieder erwärmt", dann kamen Frauen
gleichen Kalibers. Und auch die Syphilis.
Der Aufruhr im Herzen des Dichters wächst an. Eines
Abends während eines Festessens weist Herr Aupick den
jungen Mann öffentlich wegen einer unpassenden Bemerkung,
die er gemacht hat, zurecht. Charles erhebt sich, und bleich
vor "Wut, aber äußerlich kühl, erklärt er: „Mein Herr, Sie
haben sich ernstlich gegen mich vergangen. Das verdient eine
Strafe, und ich werde die Ehre haben, Sie zu erdrosseln." Herr
Aupick ohrfeigt nun Charles, der einen Nervenanfall be-
: kommt. Der Familienrat beschließt, den Schuldigen zu ent-
fernen.
Charles Baudelaire reist auf höheren Befehl über das Meer
nadi dem Süden; er landet auf der Insel Mauritius. Und es
stellt sich heraus, daß diese Reise, die er unternehmen sollte,
um moralisch gebessert zu werden, einem andern Zweck dient:
sie verschafft ihm nicht nur die Vision der exotisdien Länder,
die über seinem ganzen "Werk leuchten sollte, sondern audi das
erotische Erwachen des so tief in ihm verankerten Sadismus. Er
sieht nämlich, wie man eine Negerin wegen eines unbedeu-
I tenden Diebstahls öffentlich peitscht. Die Szene stieß ihn
damals, als er sie sah, eher ab; aber als er nach Frankreich
zurückkam, trug er die Erinnerung an sie mit sich herum. In
Frankreidi
„kommen dem Reisenden alle Einzelheiten des Bildes wieder in
den Sinn; das Groteske vermengt sich hier mit der Grausamkeit,
und diese mit der Unanständigkeit. Aus diesem komplexen Gemisch
entsteht eine nachträgliche, unstillbare, hartnäckige Begierde..."^'
24) Porche, S. j/. Alle Einzelheiten dieser Reise nach der Insel
Mauritius, auch die Episode von der gepeitschten Negerin bei
E. Crepet (XX"VI). Die Bedeutung ciieser Ereignisse für die Ent-
t Wicklung der Sexualität Baudelaires wurde jedodi erst von Porche
hervorgehoben.
19»
^^^ Poe und die menschliche Seele
Charles ist nun großjährig. Er bekommt die fünfundsiebzis-
tausend Francs, welche ihm als Erbteil nach dem Vater zu-
stehen. Endlich ist er frei! Er flieht aus dem Haus und hinter-
läßt der Mutter statt jeder Erklärung nur einen kurzen Brief
— er zahlt ihr auf diese "Weise zurück, daß auch sie ihn einmal
„verlassen" hat.
Kurze Zeit nachher entdeckt er in dem kleinen Theätre du
Panth&n: Jeanne Duval. Jeanne ist eine große, geschmeidige
Mulattin, mit einer schmalen Taille, breiten Hüflen, die seine
Sinne plötzlich wild entzünden. Die Szene auf der Insel
Mauritius ist durch diese Begegnung reaktiviert, jene Züdi-
tigungsszene, die den in der Tiefe von Baudelaires Seele
schlummernden Sadismus der Rache geweckt hatte, der im
Herzen des so früh vom Weib enttäuschten Mannes seit seiner
Kindheit hauste.
Es kommt zur Liaison mit Jeanne Duval, zu jener Ver-
bindung, die bis zum Tode des Dichters dauern sollte, zu dem
von Stürmen durchtobten Verhältnis mit einem dummen und
tierischen, ungetreuen Geschöpf, das „ihn nicht bewunderte".
Der Haß und die Verachtung gegen die Frau, die über Baude-
laire gekommen waren, als seine Mutter ihn verraten hatte,
werden durch die Wahl der Gefährtin, die der Erwachsene
vorgenommen, hundertfach gerechtfertigt.
Die Erbschaft Charles ist bald derart zusammengeschmolzen,
daß vom Gericht ein Vormund für ihn ernannt werden muß.
Und die Briefe an seine Mutter enthalten nun ständig die Bitte
um Geld, so daß sie wie die Briefe eines Bittstellers aus-
sehen. Aber hinter diesen Bitten um Geld verbirgt sich, wie wir
Analytiker wissen, die flehentliche Bitte um Liebe. Liebe und
immer wieder Liebe verlangt Charles von seiner Mutter. Wenn
er sie bittet, ihm fünfzig oder hundert Francs zu schicken,
dann wird hier die Liebe nach dem analen Sdiema durch Geld
ausgedrückt: die Mutter soll das Kind weiter ernähren. "Was
1
Poes Botschaft an die Menschheit
293
liegt daran, daß das Geld Aupick gehört, die Mutterliebe muß
darin bestehen, es dem wegzunehmen, den man am wenigsten
liebt, um es dem zu geben, den man am innigsten in sein Herz
eingeschlossen hat! Und außerdem sind diese Bitten ein Mittel,
die Mutter zu quälen, sie nach dem sadistischen Schema Baude-
lairescher Liebe zu quälen. Und schließlich auch ein Mittel,
durch "Wiedervergeltung selbst gequält zu werden, dadurch
nämlich, daß man zurückgewiesen werden muß und auch
weiterhin weder Geld noch Liebe bekommt.
Denn die Begegnungen zwischen Mutter und Sohn, die wie
bei heimlich Liebenden, je nach der Jahreszeit, im Schatten der
Museen oder unter der Sonne in öffentlichen Gärten statt-
fanden, genügten natürlich der leidenschaftlichen Sehnsucht des
eifersüchtigen Sohnes nicht. Jeanne löschte nur den Durst der
Sinne und das vielleicht noch herrschsüchtigere Verlangen, das
in ihm steckte, die Frau zu verachten. Auch der Tabak, der
Alkohol, das Haschisch oder das Opium, alle diese „künst-
lichen Paradiese" sind nur Ersetzungen der infantilen Ekstasen,
die früher am Mutterkörper selbst „getrunken" wurden. Und
auch die Gedichte, in denen die Liebe und der mit ihr ver-
strickte Haß großartig besungen werden, so daß der allzu
starke Druck der Triebe nachläßt, blühen nur mühselig auf
den Oasen einer selten zu Diensten stehenden Inspiration in-
mitten riesengroßer Wüsten der Impotenz, des Spleens, der
Langeweile, jenes Ennui, den Baudelaire besser als irgendein
anderer zum Ausdruck bringen konnte.
In jener Zeit nun, im Jahre 1846, entdeckt Charles, bei
heftigster Gemütserschütterung, wie er sagt: Edgar Poe. Er
glaubt, in ihm einen Bruder seines Schicksals und Genies zu
finden; er beginnt, ihn zu übersetzen. Und dieser Bruder be-
gleitet ihn fast bis zum Ende seines Lebens, da die letzte Über-
setzung {Histoires grotesques et serieuses) 1865, zwei Jahre
vor Baudelaires Tod, erschienen ist.
5'
^94 Poe und die menschliche Seele
Inzwischen (1848) begeistert sidi Baudelaire für die Revolu-
tion, allerdings nur in der Hoffnung, daß der General Aupids
getötet werde! Dann wird er wieder konservativ, er hängt am
Vergangenen, eine Haltung, die ihm als Reaktion gegen seine
eigenen aufrührerischen Triebe, und vielleicht auch aus Treue
zum Andenken an seinen wirklichen Vater Frangois, der immer
Ancien Regime gewesen, eher gemäß war.^^
Die Zeit geht weiter. Jeanne ist gealtert und durch Krank-
heit und Alkohol ganz stumpf geworden. Charles, der sie
einmal, als sie sich stritten, beinahe mit einer Konsole er-
schlagen hätte, gibt schließlich das gemeinsame Leben auf, ohne
aber deshalb seine schwarze Venus zu verlassen. Manchmal
besucht er die gewöhnlichsten Prostituierten, deren „gute
Adressen" das „Liebesnotizbudi" uns aufbewahrt hat; die bis
auf den Grund gehende Spaltung, welche seine Sexualität
lenkte, wird jedoch bei vielen Gelegenheiten deutlich sichtbar.^«
Neben den „niederen" Liebschaften steht jene Reihe „hoch-
stehender" Neigungen, aus denen jede Sexualität verbannt zu
sein scheint. Baudelaire, der „Verderbte", ist also ebenso wie
sein Bruder Poe fähig, platonisch zu lieben: das sieht man aus
seinen Beziehungen zu Marie Daubrun, einer jungen Schau-
spielerin, oder zu „Marie", einem kleinen Modell, das nadi
einem Gespräch mit ihm den Entschluß gefaßt hatte, nicht mehr
Modell zu stehen. Baudelaire war in solchen Fällen nicht nur
dazu fähig, in Reinheit zu lieben, er war absolut unfähig,
anders zu lieben, eine Tatsache, die Aglae-Apollonie Sabatier
2j) Während seines ganzen unsteten Lebens führte er von einem
Hotel zum andern stets ein großes Porträt Franjois Baudelaires
mit sich. (Nach Jacques Crepet.)
26) Freud: Über die allgemeinste Erniedrigung
des Liebeslebens. (Beiträge zur Psychologie des
Liebeslebens, IL In: Jahrbuch für psychoanalytische und
psychopathologische Forsdiungen, 1912. Ferner: Gesammelte Schriften,
2"- V.)
i
Poes Botschafl an die Menschheit
29 J
(jene schöne, reizvolle Frau, die fünf Jahre hindurch das Ziel
der poetischen Sendungen ihres Anbeters war) erfahren sollte,
als sie am Tag nach dem Prozeß wegen der Fleurs du Mal
glaubte, ihn dadurch zu beglücken, daß sie sich ihm anbot.
In dem gleichen Jahr 1857, in dem die Fleurs du Mal zu
blühen begannen, starb der General Aupick. Caroline ist
wieder Witwe; Charles, den Jeanne nicht mehr zurückhält,
kann endlich mit seiner noch immer geliebten Mutter leben;
sie räumt ihm in Plonfleur in dem „Spielzeughaus" {maison
joujou), in das sie sich zurückgezogen hat, ein Zimmer ein und
wartet auf ihn. Aber er kommt nicht dazu, sie aufzusudien;
immer wieder hält ihn dies oder jenes, das er zu tun hat und
doch nicht tut, in der Ferne. Der Haß, die Radisucht, der
Groll, die ehemals durch den mütterlichen Verrat erzeugt
worden waren, wollten allem Anschein nach nicht ver-
schwinden, trotzdem alle Wege offen waren, auf denen Charles
zur Mutter zurückkehren konnte.
Die Briefe des Sohnes an die Mutter werden zwar nach dem
Tode Aupicks immer inniger, zärtlicher. Aber nur ein einziges
Mal kann er sich dazu zwingen, sechs Monate ununterbrochen
in Honfleur zu bleiben. 1864 errichtet er sogar eine Grenze
zwischen sich und der Mutter, er reist nach Brüssel ab. Daß
ihn Geldsorgen zu dieser Reise getrieben haben, ist möglich,
vielleicht sogar gewiß; aber auch die Tatsache, daß er seinen
Besuch immer wieder verschiebt und dann die Flucht selbst
sprechen eine offenkundige Sprache.
In Belgien fühlt sich Baudelaire unglücklicher als je.
Niemand versteht ihn dort; die Arbeit ruht. Er ist auch krank.
Seit 1860 wurde er, wie es scheint, von verschiedenen Anfällen
heimgesucht, die alle Vorläufer der Krankheit waren, die ihn
hinwegraffen sollte. Nun leidet er unausgesetzt an „Rheuma-
tismus". Die Krankheit greift um sich; furchtbare Kopf-
schmerzen kommen dazu. Eines Tages, im März 1866, besudit
^
^96 Poe und die menschliche Seele
Baudelaire mit Freunden die Kirche Saint-Loup in Namur; er
bricht dort zusammen. Man bringt ihn nach Brüssel, und der
durch Gehirnsyphilis" einseitig Gelähmte, der Sprache Be-
raubte ist endgültig verloren. Seine Mutter und Freunde
führen ihn nach Paris zurück, wo er im nächsten Jahre in
einem Krankenhaus stirbt.
*
So sah der Mensch aus, der in Edgar Poe einen Bruder
zu erkennen glaubte.
Hatte er mit semer Annahme recht? Die Antwort auf diese
Frage soll es uns ermöglichen, audb das Problem dieses Kapitels
lösen zu helfen: was hat Poe der Menschheit zu sagen? Durdi
den Umweg über Baudelaire, bei dem wir scheinbar unser
Thema verlassen haben, kommen wir daher nur um so nadi-
drücklidier zu ihm wieder zurück.
Zuerst wollen wir darauf hinweisen, daß Baudelaire, der
so stark und so richtig fühlte, wie verwandt seine Psyche
mit der Poes sei, dennoch die wahre Natur dieser Verwandt-
schaft nicht verstand. Dazu hätte er sich selbst verstehen
müssen. Er hat übrigens nirgends diese Verwandtschaft zu
erklären versucht.
Außerdem hat Baudelaire^« in den zwei kritischen Studien,
die er Edgar Poe widmete, von dem Modell in der Ferne zwar
ein intensives und packendes, aber auch verändertes, ideali-
siertes, romantisches Bild gezeichnet. Nach ihm ist Edgar Poe
eine Art unverstande ner Sänger gewesen, der einsam inmitten
27) Diese Diagnose hat, wenn man das Alter und das Vorleben
des Kranken berüdcsichtigt, die meiste Wahrsdieinlidikeit für sidi.
Audi Laforgue, dem sie von Dr. Logre bestätigt wurde, hat sie in
seiner bereits erwähnten Arbeit akzeptiert.
28) Edgar Poe, sa vie et ses ceuvres, von Ch. B. (als Vorwort
zur Übersetzung der Histoires extraordinaires). — Notes nouvelles
sur Edgar Poe, von Ch. B. (als Vorwort zu den Nouvelles histoires
extraordinaires).
\
A
BAUDELAIRE
(Nach einer Originalzeichnung Baudelaires
im Besitz von Armand Godoy)
I
Poes Botschafl an die Menschheit i^y
jener „großen mit Gas beleuditeten Barbarei",^'* dem damaligen
Amerika, lebte — in einer Atmosphäre, die seine ganzen
Krankheiten verschuldet haben soll — und der in dem Glas
voll Alkohol die feindliche Welt vergessen wollte, deren Spiel-
zeug und Opfer er war, und aus dem er außerdem durch einen
überlegten Willensakt sogar Inspiration schöpfte.
Auf diese "Weise wird die Verantwortung für das Unglück,
das auf dem Leben der unglücklichen Dichter lastet, zurück-
gewiesen, in die sie nicht verstehende Außenwelt projiziert;
dadurch erlangen sowohl Baudelaire als audi Poe Absolution
— Absolution für alle jene Fehler, für alle jene „Sünden",
die Charles Baudelaire in die Knie zwangen.
Die Absolution jedoch, welche die Psychoanalyse, die
Tiefenpsychologie, allen bedrückten Mensciien, den kleinsten
und den größten, gewährt, indem sie ihren Innern Determi-
nismus nicht nur nicht leugnet, sondern versteht, ist bei weitem
gerediter und weitherziger.
»
Inwieweit hatte also Baudelaire recht, als er in Edgar Poe
seinen Bruder sehen wollte?
Wir beantworten diese Frage auf die Weise, daß wir zuerst
auf die äußeren Ähnlichkeiten, dann auf die Verschiedenheiten
hindeuten, welche diese beiden Existenzen aufweisen.
Die Ähnlichkeiten springen einem gleichsam ins Auge. Bei
beiden finden wir „Väter", die ihre Söhne nicht verstehen (und
die außerdem beide nicht die wirklichen Väter der Diciiter
sind), Väter, deren praktischer, bürgerlicher, prosaischer Geist
die poetische Berufung der Söhne nicht zulassen kann. Bei
beiden war die Mutter eine zärtliche, aber schwache Frau, ob
sie nun Frances oder Caroline hieß; sie waren Mütter, die es
^ Poe und die menschliche Seele
nicht verstanden, ihr Kind zu verteidigen. Auch darin er-
leben die beiden jungen Meuterer das gleiche Schicksal, daß sie
aus der Wohlhabenheit zweier reicher Häuser und ungefähr
im gleichen Alter im Namen der Unabhängigkeit und der
Dichtkunst fliehen; für beide kam dann das gleiche Elend; und
sie sind schließlich auch darin einander ähnlich, daß der gleiche
glühende, unerschütterliche, selbstlose Kult der Schönheit, der
Kunst für die Kunst, sie bis zu ihrem Tode beherrschte', ein
Kult, der der schönste Wesenszug an diesen beiden Schick-
salen ist.
Trotz dieser Übereinstimmungen bestehen aber Unter-
schiede schon im äußeren Leben dieser beiden Dichter, be-
sonders im Bereich der überaus wichtigen eigentlichen Sexua-
lität. Hier muß der Hinweis auf die beiden Namen Jeanne
und Virginia genügen, um den Unterschied aufscheinen zu
lassen.
Audi von Baudelaire hat man behauptet, er sei impotent
gewesen.^ä Aber man müßte wissen, was man sich in seinem
Falle unter Impotenz vorstellen soll. Denn der Dichter der
Fleurs du Mal kannte gewiß die vollkommene Hemmung und
das Versagen nicht, die zweifellos auf dem Autor des Ver-
lorenen Atems lasteten.
Baudelaire hat zwar in seinen Journaux intimes geschrieben:
29) „Intime Freunde des Diditers, besonders Nadar und Louis
Menard, mehrere seiner Verehrer, der Prinz Ourousof, Leon
Deschamps, Jean de Mitty, haben die Meinung, Baudelaire sei als
virgo gestorben, verteidigt oder wenigstens zugelassen." (Eugene und
Tacques Crepet, S. ja, Anmerkung i.)
^In einem Vortrag in der Salle Pleyel (am 18. Juni 1931) hat
Leon Daudet von einer Bemerkung F^licien Rops Mitteilung
gemacht, nadi der Baudelaire Jeanne Duval niemals besessen
habe.
Idi neige in dieser Angelegenheit eher der Meinung zu, weldie
1 orche und besonders Laforgue in den bereits erwähnten Büdiern
vorgetragen haben.
i
Poes Botschaft an die Menschheit
299
„Je mehr der Mensch die Künste pflegt, desto weniger f . . . t er.
Es vollzieht sich eine fühlbare Scheidung zwisdien dem Geist und
der Bestie. Nur die Bestie f . . . t gut, und die Umarmung ist die
Poesie des Volkes.
K ■ • • n ist das Bedürfnis, in einen andern einzudringen, der
Künstler aber geht niemals aus sich heraus."™
Aber diese bitteren "Worte dürften zu einer Zeit auf-
gezeichnet worden sein, in der das Opium die physische Glut
Baudelaires beträchtlich, wenn nicht bereits gänzlidi gelöscht
hatte; man darf sie nicht wörtlich nehmen, man kann nicht
über das Zeugnis, das uns durch das ganze Werk Baudelaires
geboten wird, über die Tatsache, daß er vor seinem zwanzig-
sten Lebensjahr eine Syphilis erworben hatte, und über das
Notizbuch mit den „guten Adressen" einfach hinweggehen und
diese Beweise dadurch gleichsam annullieren.
Die Realität wird so ausgesehen haben: wenn auch Baude-
laire im letzten Teil seines Lebens unter dem wachsenden
Einfluß des Opiums wahrscheinlich vollständig impotent ge-
worden war, so darf man doch nicht ernstlich glauben, er sei
es immer gewesen. Die „Madonnen" Marie oder Apollonie
liebte er gewiß nur platonisch, aber die Prostituierten, mit
denen er verkehrte, und auch Jeanne hat er, wenigstens In der
ersten Zeit ihrer Verbindung, gewiß nicht nur angesehen,
obwohl er ein großer Voyeur war.
Seine Sinnlichkeit war wahrscheinlidi derart perverser Natur,
daß er sie auf normale "Weise nicht hätte befriedigen können.
"Welche Forderung jedoch diese perverse Sexualität ihn an das
Fleisch zu stellen zwang, können wir niciit genauer angeben.
30) „Plus l'homme cultive les arts, moins il bände. II se fait un
divorce de plus en plus sensible entre Tesprit et la brüte. La brüte
seule bände bien et la fouterie est le lyrisme du peuple. Foutre, c'est
aspirer ^ entrer dans un autre, et l'artlste ne sort jamais de
lui-meme." Mon cceur mis a nu, das ich im Manuskript, welches sidi
im Besitz des Herrn Armand Godoy befindet, habe einsehen dürfen
(Blatt 70, S. 39 des Hefles).
300 Poe und die menschliche Seele
Der in der Tiefe seiner Psyche verwurzelte Sadismus, mit
dem sein ganzes Werk durchsetzt ist, gestattet jedoch die An-
nahme, daß auch die realen Manifestationen seines Sexuallebens
von ihm einigermaßen beeinflußt waren. Wir wissen natürlidi
nicht, ob und von wem im Alkoven Jeannes Geißelungen ver-
abreicht oder erlitten worden sind, wir wissen auch nicht, ob
sdion sadistische Phantasien, die dem Akt vorangingen oder ihn
begleiteten, genügten, ihn möglich zu machen. Vergessen wir
jedoch nicht: die dunkle Haut Jeannes verführte Charles nur
deshalb, weil sie ihn an die gepeitschte Eingeborene erinnerte. Und
diese blutig gesdilagene Mauritierin hätte den jungen Menschen
nicht ohne den in ihm präexistierenden, in der Tiefe seiner
Psydie verankerten Sadismus (der seit der Kindheit, aus Radie,
gegen eine andere Frau gerichtet war) in Erregung versetzt.
Die gepeitschte Negerin war also nur das schwarze Ketten-
glied, das es der ursprünglichen Perversion des Dichters mög-
lich machte, von der Mutter seiner Kindheit auf das dunkle
Fleisch der Jeanne Duval überzugehen.
Wir verlassen nun das reale Leben unserer Dichter
und gehen zum Studium jener nicht weniger realen "Welt
über, die aus dem psychischen Leben mit seinen Phantasien und
Träumereien besteht.
Die Reflexe dieses psydiischen Lebens sind uns in ihrem
Werk erhalten geblieben. Und wollen wir uns unmittelbar von
dem Unterschied überzeugen, der trotz aller Ähnlichkeit
zwisdien der Psychosexualität eines Baudelaire und der eines
Edgar Poe existierte, dann genügt es, nach den Außer-
gewöhnlichen Geschichten die Blumen des
Bösen aufzuschlagen.
Wir sehen sofort: dieses Böse ist nicht das Poes! Baudelaire
mußte, um Baudelaire zu sein, nicht auf Poe warten, und Poe
3
Poes Botschaft an die Menschheit
301
hätte niemals audi nur eines der Gedidite des Franzosen ge-
schrieben, so wie übrigens Baudelaire nie auch nur eine der
Geschichten des Amerikaners hätte schreiben können.
Erstens ist Poe keusch, Baudelaire nicht. Die Gedichte
Baudelaires wurden wegen Obszönität und auch wegen
Sadismus vom Gericht verurteilt, das heißt sie wurden ver-
urteilt, weil sie ein Gemisch aus Erotik und Aggression dar-
stellten. Das ergibt ein anderes Bild als bei Poe, bei dem zwar
auch der Schrecken herrsdht, aber ein entsexualisierter.
Wer könnte (außer dem Psychoanalytiker) in dem Mörder
aus der R u e M o r g u e oder ausderSchwarzenKatze
einen Mörder aus erotischen Gründen erkennen? Niemand
jedoch verkennt die Natur der tiefen Triebe des Dichters, der
folgende Verse an Apollonie schickte:
So möchte idi, eines Nachts,
Wenn die Stunde der 'Wollust sdilägt,
Zu den Schätzen deiner Person
Wie ein Feigling, leise, hinkriedien,
Um dein fröhlidies Fleisdi zu züditigen,
Um deine verziehene Brust zu verletzen
Und deiner erstaunten Hüfte
Eine weite und tiefe Wunde beizubringen.
Und, schwindelerregende Süße!
Durch diese neuen,
Leuditenderen und schöneren Lippen
Dir mein Gift einflößen, Sdiwester!"^
31) Ainsi, je voudrais, une nuit,
Quand l'heure des voluptes sonne,
Vers les tresors de ta personne,
Comme un lädie, ramper sans bruit,
Pour chätier ta diair joyeuse,
Pour meurtrir ton sein pardonni.
Et faire a ton flanc etonne
Une blessure large et creuse,
^
3°2 Poe und die menschliche Seele
Wenn wir zeigen wollten, wo im Werk Baudelaires sadisti-
sche Züge zu finden sind, müßten wir beinahe das ganze Werk
zitieren. Denn im Gegensatz zu Poe, bei dem nichts als die
Aggression und die Sehnsucht nach dem Totendüstern, nach
dem schon eingetretenen Tod, eingestanden wird, während die
Erotik sich schüchtern hinter ätherischer Zärtlichkeit versteckt
hißt Baudelaire hoch und stolz die Fahne seines Sadismus.
Hinter der Grausamkeit sieht man bei ihm immer wieder die
Erotik hervorschauen. „Grausamkeit und Wollust", hat er ge-
schrieben, „identische Sensationen, so wie die äußerste Hitze
und die äußerste Kälte."^^
Poe war, wie wir gesehen haben, im wesentlichen ein
Nekrophiler. Baudelaire war ein wahrer Sadist; der eine zog
die tote oder schon vom Tod berührte Beute vor (trotz der
Schwarzen Katze), der andere die lebende oder zu
tötende (trotz La Charogne).
Wie war es nun möglich, daß der Sadist Baudelaire im
Nekrophilen Poe, obwohl jeder von ihnen eine andere Sexual-
natur besaß, seinen Bruder erkannte? Welche Saite schwang
in ihm mit, als er bei Poe Gedichte und Novellen zu entdecken
Et, vertigineuse douceur!
A travers ces levres nouvelles,
Plus eclatantes et plus belies,
T'infuser mon venin, ma soeur!
Les Fleurs du Mal: A celle qui est trop gaie, CXXIX, ein
Gedicht, zu dem Baudelaire von Frau Sabatier inspiriert wurde.
Es gehört zu den im Prozeß um die Fleurs du Mal kassierten
Stücken. Die Richter haben, ganz zu Redit, gefunden, diese Strophen
hätten einen sadistischen Sinn!
32) „Cruaute et volupte, sensations identiques, comme l'extreme
chaud et l'extreme froid." Mon cceur mis ä nu XVII (Baudelaire,
CEuvres Posthumes et Correspondances inedites. Siehe S. 288, An-
merkung 22).
^
Poes Botschafl cm die Menschheit
303
^B glaubte, die er selbst, wenn auch nur undeutlich und verworren,
^1 geplant, und auch Sätze entdeckte, die er gedacht hatte?
^H Mit dieser Frage sind wir bei einem besonderen Problem
angelangt, nämlich bei dem der allgemeinen Beziehungen
zwischen dem Sadismus und der Nekrophilie, bei einem
Problem, das wir, ohne auf die Trieblehre näher einzugehen,
nicht lösen können. Wegen seiner primären Wichtigkeit be-
handeln wir den Sadismus zuerst.
Die Beziehungen, die in allem Lebenden zwischen dem
Lebenstrieb und dem Todestrieb bestehen, gehören zu den
dunkelsten Rätseln, die der Biologie und der Psychologie auf-
gegeben sind.^'' Auf der einen Seite entdecken wir in jeder
lebenden Substanz einen Drang zum Leben, zur Bewahrung,
Fortsetzung und Übermittlung dieses Lebens, der das eigent-
liche Wesen der Libido ausmacht. Aber auf der andern Seite
strebt ein früherer Zustand durch ein Prinzip, welches die
ganze Natur, besonders aber das Reich der Triebe befehligt,
immer wieder von neuem dazu, sich zu reproduzieren: wir
nennen diesen Vorgang den Wiederholungszwang
der Triebe.
Nun war jede Materie, bevor sie die Form des Lebens
annahm, unbeseelt, und zu diesem anorganischen Zustand
will jede Materie zurückkehren. Diese Tendenz wirkt in allem,
was lebt; aus ihr gehen der Verbrauch, das Alter, der Tod
der Zellen und der Organismen hervor; Freud nennt sie den
Todestri e b.
Der Todestrieb tritt allerdings nicht so geräuschvoll auf wie
der Lebenstrieb; wenn er mit Sicherheit arbeitet, dann gewiß
33) Freud: Jenseits des Lustprinzips. (Int. PsA.
Verlag, Wien 1920.) — Das ökonomische Problem des
Masochismus. (Int. Ztschr. f. PsA. X, 1924.) — Das Un-
behagen in der Kultur. (Int. PsA. Verlag, Wien 1930.)
304 Poe und die menschliche Seele
im Dunkeln, so lange wenigstens, als er sich nur mit dem
Organismus beschäftigt, der ihn trägt. Das junge Lebewesen, die
Pflanze oder das Tier, muß aber, wenn audi nur um zu leben,
sich nähren, mehr Platz fordern, und daher die Umgebung
töten. Darum wendet sich der Todestrieb, der ursprünglidi
im Innern des Organismus eingesdilossen und gegen das Innere
des Organismus geriditet war, audi nadi außen. Der Todestrieb
ist auf solche "Weise zum Aggressionstrieb geworden, und
dadurdi sogar in den Dienst des Lebenstriebs geraten.
Inwieweit sich der Todestrieb, wenn er sich unter dem
Druck des Lebenstriebs nach außen wendet, von jeder innigeren
Verbindung mit dem Lebenstrieb reinhalten kann, das heißt,
wie lange er reine Aggression sein kann, ohne
Sadismus zu werden, ist ein nodi ungelöstes Problem.
Idi bezweifle, daß dieser reine Aggressionszustand je existiert,
daß die erotische Lust an der Aggression je bei der Aggression
selbst fehlen kann (ich nehme dabei natürlidi den Terminus
Erotik in dem breiten Sinn, den er bei Freud hat). Um aber
das Tatsächliche des Problems besser zu fixieren, wollen wir
neben das Schema der Entwicklung der mensdilichen Aggression
parallel das der Entwicklung der menschlichen Libido stellen.
Das neugeborene Kind sucht Nahrung. Es saugt an der
Brust, die sich ihm bietet. Das ist die erste orale Phase der
Libido, jene, in der die Lust am Saugen vorherrscht. Die
Aggression des Kindes, die vorerst nur embryonal vorhanden
ist, begnügt sich damit, nach Maßstab seiner Mittel die
Mutterbrust, die er noch nicht von der äußeren "Welt unter-
scheiden kann, leerzutrinken.
Bald aber bekommt der Säugling die ersten Zähne. Er ist
kräftiger geworden, herrschsüchtiger, eigensinniger, sobald er
Hunger hat. Und jetzt versucht er mit den Zähnen in die
Brust zu beißen, und wenn man ihn nidit daran hinderte,
würde er das Fleisch ebenso gerne verzehren, wie er die Mildi
1
JEANNE DUVAL
(Zeichnung Baudelaires)
1
Poes Botschaft an die Menschheit 305
trinkt. Das ist die zweite orale Phase der Libido, die
Phase, in der die Aggression kannibalisdien Charakter an-
genommen hat, und aus der durdi nachträglidie Versdiiebung
zum Teil das Verlangen nach Fleisch hervorgeht, das auch
späterhin ein Verlangen der mensdilidien Spezies bleibt.
Hierauf kommt das Kind in jene Phase, die durch das Primat
der analen Zone beherrsdit wird und durdi die erotische Lust,
die das Kind dadurch empfindet, daß die Fäkalien durdi seine
anale Zone hindurchgehen und sie berühren. Diese Phase hat
Freud die analsadistisdie genannt. Man kann nun fragen, warum
diese Phase für das sadistische Stadium -par excellence gehalten
wird. Dafür können zwei Gründe angegeben werden. Als erster
kommt die Tatsache in Betradit, daß das Muskelsystem des
Kindes, welches um diese Zeit ungefähr das Ende des zweiten
Lebensjahrs erreicht hat, sdion bedeutend entwickelt ist; und
das Muskelsystem ist dodi das "Werkzeug der Aggression par
excellence. Ferner sind die Fäkalien, die sich vom Körper los-
lösen, das erste unbeseelte materielle Objekt, welches das Kind
von seinem Körper unterscheiden lernt, sie sind das erste „Ge-
sdienk", das es seiner Mutter madien kann, das Urbild für
jedes „kostbare" Objekt und dann für die verschiedensten Erden-
güter, nach denen die menschliche Gier streben wird — die
kindliche Aggression, welche von den Gegenständen Besitz er-
greifen will, entsteht in diesem Stadium. In dieser Phase be-
ginnen also die Kinder auch um den Besitz eines Spielzeugs in
Streit zu geraten. Aber alle diese Tatsachen würden nidit ge-
nügen, diese Phase als sadistisch und anal zu qualifizieren,
ihr würde der Ausdruck aggressiv und anal besser zu-
stehen.
Freud hat jedoch richtig erkannt, daß „eine der Wurzeln des
sadistischen Triebs ... in der Beförderung der sexuellen Er-
regung durdi Muskeltätigkeit ... zu erkennen" ist. Ferner
schreibt er: „Tatsache ist aber, daß eine Reihe von Personen
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. ao
^
3°6 Poe und die menschliche Seele
berichten, sie hätten die ersten Zeichen der Erregtheit an ihren
Genitalien während des Raufens oder Ringens mit ihren Ge-
spielen erlebt." Daher kommt es, daß „für viele Individuen
die infantile Verknüpfung zwischen Raufen und sexueller Er-
regung mitbestimmend (wird) für die später bevorzugte Rieh-
tung ihres Geschlechtstriebes". =>* Aber der Sadismus schlägt in
mehr als einer Region der mensdilidien Landschaft seine
Wurzeln. Denn wenn die Lust, Materien durch die anale Zone
hindurchgehen zu fühlen, wie wir erwähnt haben, unmittelbar
erotisdi ist, was sind diese Materien anderes als die Rückkehr
organischer Substanzen, die wir in uns eingeführt hatten,
zum anorganischen Zustand, zur Materie? Man könnte
sagen, das Kind fühle in der analen Phase durch eine Art endo-
psychischer "Wahrnehmungsfähigkeit jenes große Gesetz, das
aus jedem Verdauungsapparat ein Grab, einen „sarcophage"
macht, und das seine Verdauungsfunktionen lenkt. Erfaßt es
nicht jetzt mit Hilfe einer von Tag zu Tag stärker erwachten
Intelligenz zum erstenmal, was es vorher nidbt wußte: nämlidi
welches Schicksal den geliebten Dingen vorbehalten ist, die
früher einmal seiner Oralerotik schmeichelten, damals nämlich,
als er sie sich einverleibte, ohne zu überlegen, was sie in ihm
werden würden? Der Tag, an dem das Kind begreift, daß die
Mildi, die Mildispeisen, der Zucker oder das Fleisch, kurz, daß
das, was es am meisten liebt, nachdem es von ihm verzehrt
wurde und durch seinen Körper hindurchgegangen war, zu
Fäkalien, zu einer zerstörten Sache wird, dieser Tag ist ein
bedeutendes Datum in der Geschichte der psychischen Kon-
stitution des Menschen. Wenn das Kind auch nodi weiterhin
narzißtisch diesen losgelösten Teil seines Körpers, die Fäkalien,
liebt, die später, unter dem Druck der Erziehung zur Sauber-
34) Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Ge-
sammelte Schriften, Bd. V, S. jy f.
1
keit, mit Ekel besetzt werden, so fühlt es sich gewiß sdion
jetzt als eine Art zerstörenden Gott, als kleinen Schiwa, es
kann sich bereits jetzt in seiner Psyche, wenn auch nur dunkel,
über die Kraft freuen, welche die Dinge zerstört, die es am
meisten liebt, und die im Innern seines eigenen Körpers
herrscht. Diese Lust am Zerstören kann es schon von diesem
Zeitpunkt an dank seiner jungen und stets wachsenden Muskel-
kraft:, die sidi gerade jetzt recht in ihm entwickelt, nach außen
zu projizieren beginnen.*"^
Inzwischen ist frühzeitig — denn diese Phasen, die hier
um der bessern Übersicht willen, klar voneinander getrennt
sind, durchdringen einander in "Wirklichkeit — , sehr frühzeitig,
die phallische Zone, die erogene Zone par excellence, erwacht.
Die Möglichkeit, den Orgasmus zu erleben, ist natürlich
dem Kind noch nicht von vornherein gegeben, sie taucht je
nach dem Fall früher oder später um den Beginn der Puber-
tät herum auf, und es ist überaus schwierig, hier ein
genaueres Datum anzugeben. Die phallische Zone erwadit
jedoch sdion lange vorher, und zwar noch zu der Zeit, da
das Kind in der "Wiege liegt, also mitten in den Oral-
phasen. Das Kind selbst entdeckt sie sehr oft, während es
an der Brust saugt, eine Tatsache, die eine reale Beziehung
zwischen der Genitalerregung und der Erregung der Oralzone
herstellt. Diese Beziehung lebt im Kuß weiter. Aber wenn das
Kind schließlidi gelernt hat, im Gedanken dem Übergang vom
Nahrungsmittel in Kot zu folgen, und dadurch verstanden
hat, daß sein Körper zerstören kann, beginnt es diese De-
3j) Idi behandle hier nidit die „lebenden" unbewußten Äqui-
valente für die Fäkalien, Kot = Penis = Kind. Ich beschränke
mich, da der Text sich ausschließlich mit den Beziehungen zwischen
der Analphase und dem Aggressionstrieb besdiäftigt, auf die „toten"
Entsprediungen: Kot = Geschenk ,= Gold, oder mit der noch
ursprünglicheren: Kot = zerstörte Sache = Leidmam.
E
3o8 Poe und die menschlidie Seele
struktionsfähigkeit durdi den Muskelapparat nadi außen zu
projizieren, es überträgt sie bald auf das erigierbare Organ
seinen kleinen Phallus, der mit eigenen Bewegungen und be-
sonderen, angenehmen Gefühlen begabt ist.
Tatsädilich scheint der Penis durdi sidi selbst, durdi die
Erektion, die ihn größer und steif werden läßt und ihm das
Verlangen mitgibt, nadi vorwärts zu stoßen, in etwas einzu-
dringen, unter allen Körperorganen — ausgenommen sind die
Zähne und Finger — das besondere Werkzeug, die eigentliche
Waffe der Aggression zu sein.
Zu dieser Beobachtung kommt noch die andere hinzu, daß
das Kind gewöhnlich mitten in der anal-phallisdien Phase
(im Alter von ungefähr 2 Jahren), also in der Zeit, in der
sich die Analerotik voll entfaltet hat, und die phallische
Erotik im Anwadisen ist, den Koitus der Erwadisenen beob-
achten kann, einen Vorgang, den es (wie Freud gezeigt hat),
regelmäßig als sadistischen Angriff des Mannes auf die Frau
interpretiert, wobei (seiner Meinung nach) der Mann die Frau
mit Gewaltanwendung besiegt und mit Hilfe seines mordenden
Penis in ihren Anus eindringt.
Diese sadistische Auffassung des Koitus hinterläßt im Un-
bewußten jedes Kindes, das ihn hat beobaciiten können, aber
auch in dem anderer Kinder (die Fiunde oder andere Tiere
beobachtet haben), jene unauslöschliche Spur, die dazu beiträgt,
die ursprüngliche, in jedem von uns bestehende Verbindung
zwischen den erotischen Trieben und den Trieben der Grau-
samkeit noch zu verstärken.
Was erfahren wir durch diesen summarischen Überblick über
die Entwicklung der menschlichen Libido und Aggressionslust?
Daß es schwierig ist, diese beiden Grundtriebe voneinander zu
trennen. Und was das Leben nicht vermag, gelingt auch nicht
der Beschreibung.
Aber das Leben versucht es wenigstens, diese Trennung
1
Poes Botschafl an die Menschheit
309
durdizuführen, und zwar schon in unserer Kindheit. Wir
■wissen, daß das Kind in seinem fünften Lebensjahr die volle
Entfaltung seiner infantilen Libidoorganisation erreicht und
im gleichen Augenblick auch das volle Aufblühen des auf
die Objekte, auf die seine Libido gerichtet ist, zielenden
Ödipuskomplexes. Es scheint nun, daß dem Ödipuskomplex
unter anderen eine besonders ursprüngliche Aufgabe bei der
Entwicklung unserer Triebe zugeteilt ist.
Dem männlichen Kind, in dem das Geschlecht nun seine
bestimmte Form gefunden hat, stehen nämlich deutlidi zwei Ob-
jekte einander gegenüber: die Mutter, die von ihm erotisdb
begehrt wird, der Vater, der unangenehme Nebenbuhler, den
es entfernen mödite. Es kommt daher zu einer Art Sonde-
rung der Triebe: die Libido wendet sidi an die Mutter, die
Aggression gegen den Vater.'^'^ Diese Sonderung zwischen
libidinösen und aggressiven Trieben wird übrigens nie absolut
durchgeführt: der Vater zieht immer auch einen Teil der Kindes-
liebe an sich, und ein Teil der aggressiven Libidokomponenten
bleibt an die Mutter fixiert. Der Versuch einer Sonderung
dieser beiden Triebe wird aber trotzdem unternommen.
Dem Ödipuskomplex scheint nun die schwierige Pflicht
vorbehalten zu sein, die bis ins Tiefste hinabreichende und
ursprüngliche Ambivalenz unserer Gefühlseinstellung
aufzulösen und zu „entmischen".
Die letzte Entwicklungsphase (Freud hat sie im Gegensatz
zur phallisch-infantilen als die eigentliche Genitalphase be-
zeichnet),'" die Phase, welche sich erst in der Pubertät, nach
dem Wiederaufleben des UrÖdipuskomplexes einstellt, diese
35 a) Eine ähnliche Vermutung hat Herr Dr. Charles Odier in
seinem Vortrag „Note sur un cas de nevrose grave sans complexe
d'Oedipe" auf dem 12. Int. Psychoanalyt. Kongreß in Wiesbaden,
September 1932, ausgesprochen, als diese Zeilen schon geschrieben waren.
36) Freud : Die infantile Genitalorganisation.
Int. Ztschr. f. PsA. 1923 und Gesammelte Schriften, Bd. V.
31° Poe und die menschliche Seele
Phase müßte nadi Abraham" tatsächlich durch den Verlust der
Ambivalenz diarakterisiert sein, die eine aus Haß und Liebe
zum gleichen Objekt vermengte Gefühlseinstellung ist. Dieser
Zustand der reinen Liebe, zu dem der Ödipuskomplex der
Kindheit nur ein Vorspiel darstellt, ist übrigens gezwungener-
maßen ein Ideal, dessen Erfüllung vielleicht niemals erreidit
werden kann. Und ich glaube, daß, bis zu einem gewissen
Punkt, nur ein starker, entschiedener Ödipuskomplex allein
die Liebe von den Aggressionsgefühlen zu lösen vermag, die
zuerst mit ihr vermengt waren. Denn die Aggression wird,
im Gegensatz zur Libido, weder verdrängt noch sublimiert,
sie kann nichts anderes als das Objekt wechseln, eine andere
Verwendung finden. Die Aggression, die ursprünglich sowohl
mit der Liebe zur Mutter als auch mit der zum Vater ver-
mengt war, sondert sich in dem Maß von der Liebe zur Mutter
ab, in dem sie auf den Vater allein lossteuert, und öffnet auf
diese Weise die Wege zu einer nicht mehr bloß phallischen,
sondern im eigentlidien Sinne genitalen Liebe.
Welches Schicksal diesen abgeleiteten, auf den Vater zu-
strebenden Aggressionstrieben in der Zivilisation bestimmt ist,
hat Freud in Totem und Tabu und in seinem letzt-
erschienenen Werk über das Unbehagen in der
Kultur dargestellt. Ist die Erziehung des Kindes erfolgreidh
gewesen, dann hat sich diese Aggressionslust in genügender
Stärke nach rückwärts und, ohne übermäßig erotisiert zu sein,
gegen das Subjekt selbst gewendet, um dort zum Ober-Ich oder
Moralgewissen zu werden. ^^
37) Abraham: Versuch einer Entwicklungs-
geschichte der Libido (Int. PsA. Verlag, Wien 1924).
38) Idi habe hier die Entwiddung der Libido und der Aggression
nur beim Knaben, nidit bei dem kleinen Mäddien behandelt. Die
Entwicklung beim Mädchen geht zuerst mit der dargestellten
1
Poes Botschaft an die Mensdiheit 311
^V Aber diese Entwicklung ist vielen "Wediselfällen ausgesetzt
^1 und die infantilen Sdiicksale unserer Triebe können zu den
^1 mannigfaltigsten Ergebnissen führen. Bei dem sozialen, dem so-
^m genannten normalen Mensdien, spielen sidi die Dinge ungefähr
V auf die beschriebene Art ab. Beim Neurotiker wendet sich die
erotisierte Aggression in einer Art Hypermoral gegen das Sub-
jekt selbst. Beim Verbrecher hingegen behält der Trieb, be-
sonders der Aggressionstrieb, eine freiere Beweglichkeit, und
darum lassen wir zur Illustrierung des eben Gesagten die
hauptsächlidisten Verbrechertypen an uns vorüberziehen.
Es gibt drei große Kategorien blutiger Verbredien: es gibt
Verbrecher aus Leidenschaft, Raubmörder und Lustmörder. Ver-
brechen aus Leidenschaft finden zwischen Männern statt, die
sidi um eine Frau streiten, zwischen Frauen, die um einen
Mann kämpfen; in diese Kategorie gehören auch die Ver-
brechen, bei denen ein verlassener Geliebter oder eine verlassene
Geliebte aus Eifersucht das geliebte "Wesen tötet. Bei der ersten
Gruppe dieser Verbrechen (Mann steht gegen Mann) ist diese
Aggression am wenigsten mit Erotik vermengt; sie stammt in
direkter Linie von der vatermordenden ödipusaggression ab,
von der der Mann als Kind geträumt hat. Hier sieht man
deutlidi, daß alle Fixierungen durcäi den Wiederholungszwang,
der in ihnen steckt, unheilvoll werden können, sowohl jene
Fixierungen, die aus einer zu starken, als aucii jene, die nur
aus einer scäiwachen Zustimmung zum Ödipuskomplex her-
kommen, da die fehlende Bindung eine Regression auf die
ursprünglichen und perversen Positionen der Libido, von der
wir jetzt sprechen werden, begünstigt.
Die Raubmörder sind sdion viel weniger „ödipisiert" als die
Mörder aus Leidenschaft. Diese Diebe nehmen vermutlich,
parallel, dann werden die Beziehungen zum Objekt umgekehrt.
Eine Studie über diese Verhältnisse würde zu einem eigenen Buch
werden.
3" Poe und die menschliche Seele
im allgemeinen, das, was ihnen in ihrer Kindheit nicht ge-
nügend gegeben wurde: Liebe und die materiellen Beweise
der Mutterliebe, Nahrung zum Beispiel und verschiedene Ge-
schenke, die sie in den prägenitalen Phasen hatten haben
wollen. Und sie können töten, was sidi dieser nachträglichen
und in ihren Augen durchaus legitimen Besitzergreifung nidit
fügen will; die Gesellschaft wird im Unbewußten der prä-
ödipischen Mutter gleichgestellt. Man sieht, daß hier das
Anale, aber das auf alle Objekte verschobene Anale (wodurdi
beinahe eine Sublimierung der Analerotik erreidit ist) mit
der Gleichung Nahrung =r Kot = Geschenk = Gold das
Bild beherrscht.
Die dritte Gruppe der Mörder interessiert uns hier am
meisten. Sie ist die an Zahl kleinste unter den dreien. Sie um-
faßt jene Individuen, die an die primitivsten Phasen der
Libido fixiert (oder zu ihnen regrediert) sind, bei denen der
Aggressionstrieb und die Erotik miteinander verstrickt ge-
blieben und die S o n d e r u n g der Triebe besonders miß-
glückt ist: wir sprechen von den Lustmördern.
Diese trotz allem sehr selten auftretende Perversion, der
mordende Sadismus, muß zweifellos eine besonders starke kon-
stitutionelle Prädisposition zur Voraussetzung haben. Auf einer
solchen angeborenen Grundlage scheint sich nun im großen die
den Sadisten eigene infantile Libidoentwidilung abgespielt zu
haben: die Kinder gelangen in die ödipusphase, nachdem sie
wahrscheinlich mit großer aggressiver Heftigkeit die prä-
ödipalen Phasen ihrer Libido durdigemacht haben. Nun stößt
die gegen den Vater gerichtete Aggression auf eine Gegen-
aggression von gleicher Kraft,^^ und diese Gegenaggression
39) Die gleidien Medianismen wirken sidi gewiß auch in den
Besserungsanstalten aus, weldie von den aggressiven Elementen, die
allerdings mdit immer bis zum Sadismus regredieren, viel angriffs-
lustiger verlassen werden, als sie vor dem Eintritt waren
Poes Botschafi an die Menschheit 313
lenkt aus Angst vor der Kastration die eigentlidie Aggression,
ohne sie jedoch zu unterdrücken, von der ödipalen, vater-
mordenden Richtung ab, und läßt sie auf die präödipalen,
libidinösen Positionen und Objektbesetzungen zurückfluten;
oder aber, die ödipale Aggression gegen den Vater kann
dadurch, daß die entsprechenden Triebe sich aus konstitutio-
nellen, affektiven Gründen verspäten, niemals gänzlich ent-
stehen. Der Ödipuskomplex des Lustmörders muß immer auf
die eine oder andere "Weise unvollkommen entwickelt geblieben
sein. Niemals ist, so viel ich weiß, der Lustmörder gleichzeitig
auch Vatermörder.^"
Wie immer dem aber audi sein mag, in dem manifest
gewordenen Sadismus des erwachsenen Mörders taucht nun
folgendes auf: der Lustmörder, der gewöhnlidi Frauen oder
Kinder oder sehr junge Leute attackiert, die zweifellos häufig
Ersatzpersonen für die in der Kindheit eifersüchtig beneideten
Brüder und Schwestern sind, reproduziert in der Wirklidikeit
die infantile Auffassung des Koitus auf Grund der Beob-
40) Franz Alexander, dessen psydioanalytisdie Arbeiten über
Verbredier bekannt sind (siehe: Alexander und Staub, Der Ver-
brecher und seine Richter, Int. PsA. Verlag, Wien 1929),
sagte mir gelegentlich eines Gesprädis, das ich mit ihm in Wien
im Sommer 193 1 führte, daß, seiner Auffassung nach, die Lust-
mörder immer Feiglinge sind, welche vor der ödipalen Aggression,
Mann gegen Mann, zurückgewichen sind. Zu diesem negativen, auf
den Vatermord bezüglichen Tropismus des Lustmörders muß der
starke positive Tropismus hinzugefügt werden, der für seine Libido
durch die ursprünglidien präödipalen Positionen hervorgerufen
wurde, in denen die Aggression und die Erotik miteinander ver-
strickt blieben, und welche durdi die infantile, sadistische Auffassung
des Koitus beherrscht wurde.
Bei dieser Gelegenheit muß auch die Arbeit von Hanns Sachs
(Zur Genese der Perversionen, Int. Ztschr. f. PsA. 1923)
zitiert werden, in welcher der Autor deutlich gesehen hat, daß bei
allen Perversen im allgemeinen eine Art Bündnis zwischen der vor-
herrschenden Partialkomponente der Libido und der Tendenz zur
Verdrängung des Ödipuskomplexes besteht.
I
3^4 Poe und die menschliche Seele
aditung, bei der das Kind der Vereinigung zwisdien Vater
und Mutter zusah. Er ist der Zuschauer, der früher einmal einer
auf dem Theater vorgeführten erdichteten Tragödie bei-
gewohnt, an die Wirklichkeit dieser Diditung geglaubt hat
und sie nun in seinem Leben spielt.
Das erotisdi-phallisdie Element dieser infantilen Vor-
stellungen wird dabei häufig durch das symbolische Messer
oder durdi die Symbolik, die in irgendeinem andern Mord-
instrument steckt, dargestellt. Der Lustmörder ist ein Mensch,
der diese Symbolik wörtlich nimmt: das Messer zum Beispiel,
das bei ihm zu einem wirklichen Fetisch im sexuellen Sinne
geworden ist, scheint ihm zu seinem Körper zu gehören. Der
Lustmörder ist für gewöhnlich beim normalen Koitus impotent,
und erst die Hinundherbewegung des in das Fleisch seiner
Opfer eindringenden Stahles versetzt ihn in jene anschwellende
Erregung, die in die Ejakulation übergeht und beim normalen
Mann an die Bewegungen des Penis in der weiblichen Vagina
gebunden ist.
Auch das oralerotische "Element steht bei ihm dem infan-
tilen Ideal nahe. Die mordenden „Verliebten" berauschen sich
nämlich gern an dem Blut ihrer Opfer oder beißen sie ins
Fleisch, ja sie fressen sogar häufig das Fleisch ihrer Opfer, ganz
so wie der Säugling Milch saugte, in die Mutterbrust biß und
sie fressen wollte; sie tun dies alles, statt die Objekte ihrer
Leidenschaft, wie andere Verliebte, zu küssen.
Das analerotische Element schließlich wird hier in seiner
unverhülltesten, am wenigsten veränderten Form dargestellt.
"Während beim Dieb das Gold, der begehrte Besitz, bereits eine
„Verschiebung", beinahe eine Sublimierung der infantilen
Fäkalien darstellt, scheint der Lustmörder auf der Stufe stehen-
geblieben zu sein, auf der das Kind die in seinem Innern ver-
borgene Destruktionsmacht erkennt und sie vermöge der nun
bereits entwickelten Muskeln in einer Art Schiwa-Rausch
1
Poes Botschaft an die Menschheit 31 j
auf die Objekte der Umgebung nadi außen projiziert. Und
ebenso wie sich in der Kindheit der Phallus, das erigierbare
Organ par excellence, in den Dienst dieses Zerstörungsverlan-
gens gestellt hat — wobei die sadistische Auffassung vom
Koitus, den das Kind beobaditen konnte, mithilfl: — , wird der
Penis des Mörders mit Hilfe des Fetischs aus Stahl, seiner
Dublette, indirekt zum ausführenden Organ der erotisierten
Aggressionslust.
"Während also der Mörder aus Leidensdiafl; ein zweiter
ödipus ist, der Raubmörder hingegen einen ganz degradierten,
auf die prägenitalen Stufen der Oral- und Analbegierde re-
gredierten ödipus darstellt, bietet der Lustmörder das Bild der
ursprünglichsten Verstrickung unserer beiden größten Triebe:
des erotisdien Triebs und des Aggressionstriebs, des Lebentriebs
und des Todestriebs.'^
*
Es ist nun überaus charakteristisch, wie die Menschen auf
die eben vorgeführten drei Arten von Verbredien reagieren.
Die Mörder aus Leidensdiafl: genießen im allgemeinen die
Sympathie und Nachsicht des Publikums und der Ge-
sdiworenen, weil sie ihre Tat uneigennützig begehen, und jeder
erwachsene Mensch, ohne sich zu schämen, fühlt, ein Mörder
aus Leidensdiafl: stecke audi in ihm selbst.*^
41) Siehe bei E. Wulffen, Der Sexualverbrecher
(Langenscheidt, Berlin 1928), die Stellen, die vom Sadismus handeln
und sehr instruktiv sind.
42) Die Königsmörder hingegen, eine Abart der typischen
ödipusmörder (sie „verschieben" ihre Aggression vom Vater auf das
Staatsoberhaupt), genießen für gewöhnlich nidit die Sympathie des
Volkes. Man könnte annehmen, daß die Mitbürger das Bedürfnis
haben, sich durdi diese Abneigung gegen die in ihrem eigenen Innern
schlummernde Aggression gegen die Vorgesetzten zu verteidigen. Der
Prozeß, die Sachverständigen und das Todesurteil gegen den Mörder
des französischen Staatspräsidenten Doumer, Gorguloff, der ofFensidit-
lich ein Paranoiker war, haben dafür einen neuerlichen Beweis geliefert.
^
316 Poe und die menschliche Seele
Die Raubmörder hingegen madien gewöhnlich einen ab-
stoßenden Eindruck, der mit der besonders starken Ver-
drängung, die alles Anale in uns findet, harmoniert. Man
mödite sagen, sie riechen schledit. Sie stehen erst dann in
vollem Glanz da, wenn sie die abenteuerliche Größe der
früheren Wegelagerer angenommen haben oder die der gegen-
wärtigen „Gangsters" in Amerika, und zwar wahrscheinlich
deshalb, weil diese ihr Leben aufs Spiel setzen oder setzten und
dadurch ein wenig den kriegerischen Eroberern gleichen, bei
denen die Gier reichlich durch die phallische Männlichkeit
kompensiert wird.
Ganz anderer Natur ist die Wirkung, die von den Lust-
mördern ausgeht. Wenn irgendwo einer dieser sonderbaren,
extrem perversen Menschen, die nur um der Lust willen töten
(Vadier,*^ Kürten**), auftaucht, ist jeder bis ins Tiefste der
43) A. Lacassagne, Vacher l'Eventreur et les Crimes sadiques.
A. Storck & Cie., Lyon, Masson & Cie., Paris 1 899. Der Landstreicher
Joseph Vadier gestand, elf Lustmorde zwischen 1894 und 1897 be-
gangen zu haben. Er wurde am 31. Dezember i8g8 in Bourg hin-
geriditet.
44) Peter Kürten, der Düsseldorfer Mörder, wurde 1883 geboren;
er war das Kind eines brutalen, trunksüchtigen Vaters und einer
sanftmütigen, passiven Mutter, und der älteste überlebende Sohn von
zehn Kindern. Die ganze Familie bewohnte ein einziges Zimmer, und
Kürten erinnerte sich daran, Zeuge des elterlichen Sexualverkehrs
gewesen zu sein, der, nach seiner Meinung, Schändungen glidi.
Sein Vater behandelte ihn mit unglaublicher Härte, versuchte die
Aggression seines Sohnes durch eine Gegenaggression gleicher Stärke
zu vernichten, wobei er aber nur die Aggressionslust des Kindes
verstärkte. Als Kürten neun Jahre alt war, ertränkte er zwei seiner
Kameraden im Rhein. Als er dreizehn Jahre alt war, wurde sein
Vater wegen eines Inzests mit der ältesten Toditer, dem das Kind
wohl ebenfalls zugesehen hatte, zu eineinhalb Jahren Gefängnis
verurteilt. In diesem dreizehnten Lebensjahr beging Peter zum
erstenmal, an Schafen, eigentlich sadistische Handlungen. Als er
siebzehn Jahre alt war, versuchte er zum erstenmal ein junges
Mädchen, dem er zufällig begegnet war, zu strangulieren. Er ver-
bradite vierundzwanzig Jahre seines Lebens im Gefängnis, haupt-
Poes Botsdia fl an die Menschheit ■^ly
Seele aufgewühlt, und zwar nicht bloß wegen der fürditer-
lidien, grauenhaften Beunruhigung, den jene Taten hervor-
rufen, sondern auch wegen des seltsamen Interesses, mit dem
der in unserer Tiefe schlummernde Sadismus auf den ihrigen
antwortet. Ja, man könnte sogar sagen, daß wir alle, unglück-
liche zivilisierte Mensdien mit den verdrängten Trieben, diesen
großen, uneigennützigen Verbrechern irgendwie dankbar sind,
daß sie uns von Zeit zu Zeit das Schauspiel einer endlich ein-
getretenen Verwirklichung unserer ursprünglichsten und sdiuld-
beladensten Wünsche bieten.
Wir fühlen dunkel, wagen es aber nidit, uns dieses Gefühl
einzugestehen, daß vielleicht sie den größten, ungehemmten
erotischen Genuß gekannt haben. Die Natur kennt nämlich den
Finalismus nidit, und spät erst tritt die Libido in den Dienst
der Fortpflanzung. Je mehr jedodi eine Befriedigung bei ihrem
sädilidi wegen Diebstahls. Im Gefängnis gab er sidi sadistischen
Tagträutnen hin, die ihm zum Orgasmus verhalfen. Sobald er die
Anstalt verließ, versudite er nun, diese Träume zu realisieren.
Kürten, der bald Brandstifter, bald wieder Lustmörder war, beging
seinen ersten Lustmord im Jahre 19 13 an einem kleinen Mäddien,
das er bei einem Einbrudisdiebstahl sdilafend vorfand. Da er aber
wieder wegen Diebstahls ins Gefängnis kam (der Mord war nidit
entdedct worden), begann erst 1929 jene Reihe von Lustmorden,
unggfähr^reißig, die während eines ganzen Jahres Düsseldorf in
A<igst versetzten. Kürten verheiratete sich 1923 mit einer Frau,
die drei Jahre älter war als er, die er aditete, aber bei der er sehr
wenig potent war. Beim normalen Koitus mit einer Frau verlor
sein Glied im allgemeinen sdinell die Erektion. Bloß der sadistische
Akt konnte sie ihm wiedergeben. Durch die Aggression aber kam
er selbst ohne Erektion zum Orgasmus. Er kannte keine stärkere
Möglichkeit, sexuell gereizt zu werden, als die, Blut fließen zu
hören und es zu trinken. Da das Gesetz eine abnormale sexuelle
Konstitution nicht als mildernden Umstand ansieht, wurde Peter
Kürten am 2. Juli 193 1 hingerichtet. (Siehe: Karl Berg, Der
Sadist. Gerichtsärztlidies und Kriminalpsychologisches zu den
Taten des Düsseldorfer Mörders. Deutsche Zeitschrift für die gesamte
geriditlidie Medizin. Julius Springer, Berlin 1931, Bd. 17, 4—5.)
3^^ Poe und die menschliche Seele
^
Triebursprung geblieben ist, desto lebhafter ist sie. Die Lust-
mörder haben nun, wenn auch um den Preis ihres Lebens, in
einem einzigen Wollustrausch die Befriedigung der beiden
hödisten, die Welt beherrschenden Triebe gefunden: die des
libidinösen Lebenstriebs und die des aggressiven Todestriebs.
„Was liegt dem an der ewigwährenden Verdammung, der in
einer Sekunde die Unendlichkeit des Genusses gefunden hat?"«
Das Volk fordert, daß der Kopf des Lustmörders falle,
damit dieser gestraft werde, vielleicht audi, weil sie ihn be-
neiden — gewiß audi aus Sadismus. Aber darum bleibt dodi
die Tatsache bestehen, daß das seltsame Schauspiel, das der
Lustmörder bietet, für den friedlichen, zur Tugend und
Sanftmut genötigten Bürger zu einer Art großartiger
Katharsis wird.
Denn im Grunde eines jeden menschlichen Herzens hausen
latent die drei Arten von Verbrechern, die wir soeben an uns
vorüberziehen haben lassen. Der Mörder aus Leidenschaft, der
in uns schlummert, ist dabei wohl jener Verbrecher, der vor
dem Tribunal unseres eigenen Gewissens, wie vor dem der
Gesellschaft am meisten auf Sympathie und Nachsicht redinen
kann. Der Raubmörder hingegen ist schon eher gebrandmarkt
als jener erste: während viele Männer zugeben würden, sie
wären durchaus fähig, einen Nebenbuhler umzubringen, gibt
es unter ehrlichen Leuten sehr wenige, die sich, selbst unter
günstigsten Umständen, für fähig halten, auch nur einen Dieb-
stahl zu begehen. Der Lustmörder schließlich ist bei einem
Menschen mit vollentwickelter Libido schon derart in die Ver-
gangenheit gerückt, derart verdr ängt, daß die meisten meiner
4j) „Qu'importe l'eternitd de la damnation h. qui a trouv^ dans
une seconde l'infini de la jouissance!" Baudelaire: Petits poimes en
prose. IX: Le mauvais vitrier.
Poes Botschafl an die Menschheit
319
Leser sidi hartnäckig gegen die Behauptung wehren werden,
ein verdrängter Lustmörder hause auch in ihnen.
Und dodi ist dies Tatsache. Die ursprünglidie Verstrickung
des erotischen Triebs mit dem Aggressionstrieb in den infan-
tilen, prägenitalen Libidophasen scheint ein Gesetz der Biologie
zu sein. Ebenso regelmäßig taudit auch die infantile, sadistische
Auffassung des Koitus auf, jenes Bild eines mörderischen
Kampfes, bei dem die Frau besiegt wird und von dem jeder
von uns in seinem Unbewußten eine Art Negativ auf-
bewahrt hat.
Im Verein mit der Homosexualität, welche durch die
fundamentale Bisexualität aller Lebewesen bedingt wird, ist
somit der Sadismus oder vielmehr der Sado-Masochismus (denn
der Sadismus kehrt gern zum ersten der Objekte des Todes-
triebs, dem Ich zurück) der fundamentalste und universalste
perverse Bestandteil der Libido jedes mensdblichen Wesens.
Der Sadismus kann jedoch im Bereidie unserer Gesellsdiaft
nicht nach dem ursprünglichen realen Ansprudi befriedigt
werden. Damit er nun bei uns Bürgerredit erlangt, muß er sich
umformen, sublimieren, seine grob-erotische Färbung verlieren,
er muß etwa zu dem Bedürfnis werden, die Frau oder den
Ruhm zu erobern oder Kenntnisse zu erlangen, er muß sich
nachx^diesem oder jenem sozialen Schema das "Weltall unter-
werfen. Auf solche Weise kann der grausame Gott mit dem
erhobenen Messer unkenntlich gemacht und angebetet werden.
Am besten gelingt es dem Sadismus, die Anbetung seiner
Getreuen zu erzwingen, wenn er, wie bei den Zwangsneur-
otikern, die Heudilermaske der Sozialmoral vornimmt. Die
Moral wird nämlidi, wie Freud*^ gezeigt hat, im wesentlichen
durch die Rückkehr der als Moralgewissen in jedem Mensdien
lebendigen Aggressionslust zu der eigenen Person begründet.
46) Das Unbehagen in der Kultur.
310 Poe und die menschliche Seele
Wird nun diese Aggression zu stark erotisiert, dann haben
wir das Bild einer Zwangsneurose mit allen ihren Symptomen
vor uns, mit all den Zweifeln, den übertriebenen Gewissens-
bissen, mit denen der Zwangsneurotiker sich und seine Um-
gebung quält. Sadismus und Masodiismus sind eben ein einziger
und gleicher Trieb, nur das Objekt wechselt.
Aber der mensdiliche Sadismus findet (wie alle unsere
Triebe) manchmal auch eine unmittelbarere Art, sidi zu be-
friedigen, und doch innerhalb des Erlaubten zu bleiben; audi
hier kommt uns, wie jedesmal, wenn wir durch unsere ver-
drängten Triebe gar zu heftig zu leiden haben, die Kunst zu
Hilfe. Besteht nicht die Funktion der Kunst darin, mit Hilfe
einer Prämie, der ästhetischen Vorlust, andere, intensivere
Möglichkeiten von Lustgefühlen frei zu machen, solche nämlich,
die an einer Scheinbefriedigung überaus schuldbeladener und
verdrängter Wünsche gebunden sind? In der ersten Reihe dieser
Wünsche steht der Sadismus, bei dem sowohl der Aggressions-
trieb als auch die Erotik sich ungehindert ausleben. Wir sind
daher nicht überrasdit, daß in unserer Zeit, in der die Triebe
nach Befreiung schreien, viele unserer Zeitgenossen sowohl
Lamartine als auch Musset und Victor Hugo für langweilig
oder sentimental halten, und Baudelaire zum größten französi-
schen Dichter des neunzehnten Jahrhunderts ernennen.
Nicht nur die vollkommene Form der Blumen des
Bösen verhilfl uns zu einem ästhetischen Lustgefühl seltener
Qualität, auch der innere Gehalt dieser Gedichte, die In-
spiration, aus der sie hervorgegangen sind, spredien eine
Sprache, die man bei Lamartine, Musset oder Hugo vergeblich
suchen würde. Die warme, tiefe, herzergreifende Melodie, die
aus den Dichtungen Baudelaires tönt, die des Sadismus, ist
aber aucJi mehr als nur eine Farbe der Fleurs du Mal, als eine
Tönung der Poemes en Prose: sie ist ihr eigentliches Wesen,
ihre Substanz.
Poes Botschaft an die Menschheit 321
Es war natürlich nicht nötig, daß diese Visionen, zum
Beispiel die, wo er ins Herz seiner Madonna die sieben Messer
warf oder jene andere, in der er davon träumte, der Hüfte
ApoIIoniens „eine breite und tiefe Wunde" beizubringen und
dort, „schwindelerregende Süße!", sein „Gift" einzuflößen, daß
also diese Vorstellungen bei Baudelaire von Erektionen be-
gleitet waren — allerdings wissen wir auch nichts davon. Aber
die Lust, welche jene Darstellungen begleitete, war darum nicht
weniger erotischer Essenz, weil sie vielleicht nur zerebral ge-
wesen; audi heute noch ist dies bei den Lesern, denen die Fleurs
du. Mal gefallen, nicht anders.
Und wenn schließlich der Sadismus der Phantasie, der in
uns durdi das Kunstwerk befreit wird, auch weniger intensiv
ist als der Sadismus der Aktion, und wenn er auch nicht in
einen physischen Orgasmus mündet, wie jener, so gewinnt
dieser literarisdie Sadismus doch durch die Dauer und
Qualität des Genusses, was er an Intensität verloren hat.
*
Auf diesem langen Umweg in die Bezirke der Trieblehre,
durch diese Rückkehr zu Baudelaire, sind wir ganz nahe an
unser Ziel herangekommen. Denn wenn der universale
Sadismus, der in den Herzen der Menschen sdilummert, die
glänzende /Wirksamkeit eines Künstlers wie Baudelaire er-
klärbar liiadit, so erklärt er gleichzeitig auch, wie wir sehen
werden, den tieferen Grund, warum Poe sowohl auf Baude-
laire als auch auf uns alle einen so tiefen Eindruck hervor-
rufen mußte.
Aber eine Einwendung steht immer noch auf unserem Weg.
Poe war im wesentlichen nidit ein Sadist, sondern ein Nekro-
philer! Geht nun von der Nekrophilie der gleiche schicksalhafte
Zauber für die menschliche Psyche aus wie vom Sadismus?
Die Nekrophilie ist im manifesten Zustand anscheinend
noch seltener anzutreffen, sie ist aber audi noch scheußlicher
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 21
322 Poe und die menschliche Seele
als der Sadismus; wenn ein großer manifester Nekrophile auf-
taucht, Bertrand''^ oder Ardisson*^ zum Beispiel, dann ruft er
beim Publikum einen womöglich nodi heftigeren Widerstand
hervor als ein Sadist, da er sowohl das Gewissen als auch den
ästhetischen Sinn der Menschen beleidigt und zur Empörung reizt.
Ein kurzer Überblick über die in der Literatur zitierten
seltenen Fälle von Nekrophilie zeigt uns nun, daß es an-
scheinend drei Arten dieser Perversion gibt.
Zur ersten gehört die Ardissons. Sie steht auf der tiefsten
Stufe: diese Nekrophilie kennt keinen Unterschied zwischen
dem lebenden und toten Geschöpf. Wir wissen aber, daß
Ardisson, ein schwachsinniger Mensch, keinen Gerudisinn besaß
(Anosmie). Der Geruch, den seine Partnerinnen ausströmten,
belästigte ihn daher nidit, und da er außerdem Totengräber-
gehilfe war, konnte er sich die „Gelegenheit" zunutze machen,
kurz, er entschädigte sich an der toten und immer gefügigen
Frau dafür, daß die lebenden ihn verachteten, zurüdkwiesen
und sich über ihn lustig machten.
47) Der Sergeant Bertrand, ein Soldat von freundlichem und
angenehmem Äußeren, wurde 1849 vom zweiten Kriegsgeridit in
Paris zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil er wiederholt Leichen
auf den Friedhöfen von Paris gesdiändet hatte. Er war auf dem
Friedhofe Montparnasse ertappt worden. (Siehe: Affaire du sergent
Frangois Bertrand, du y4^ de ligne, devant le 2« Conseil de Guerre
de Paris, Gazette des Tribunaux, 11. Juli 1849; Lunier: Examen
medico-legal d'un cas de monomanie instinctive: ajfaire du sergent
Bertrand, Annales medico-psydiologiques, Tome XIII, 1849, Bd. I,
S- 3JI — 389; Midiea, Des deviations maladives de l'appetit venerien.
Union m^dicale, 17. Juli 1849.)
48) Victor Ardisson, ein Debiler, Totengräbergehilfe in Muy
(Var), hat wiederholt Gräber erbrochen und Leidien gesdiändet; er
wurde auf Grund des geriditsärztlidien Befundes 1901 in Pierrefeu
(Var) interniert, wo er noch lebt, und wo idi ihn am 22. Sep-
tember 193 1 sehen konnte. (Siehe: Michel Belletrud u. Ed. Mercier:
Contribution ä l'etude de la necrophilie. L'affaire Ardisson. Paris
1906, Steinheil; Epaulard, These sur le vampirisme. Lyon 1901,
A. Stords et Cie.).
Poes Botschaft an die Menschheit 323
Zur zweiten Art von Nekrophilie scheint die Bertrands
gehört zu haben; leider besitzen wir über sie, wegen der
Prüderie, die in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts
herrschte, nur wenig Tatsachenmaterial. Bertrand, der allem
Anschein nadi eine ausgesprochene Vorliebe für weibliche
Leichen hatte, fand ein besonderes Vergnügen daran. Tote zu
verstümmeln, mit dem Messer auf sie loszustechen, den Körper
(so wie die Lustmörder die Lebenden) aufzusdilitzen, und erst
dadurch, wieder so wie die Lustmörder, zum Genuß zu kommen.
Anläßlich ähnlicher, überaus typisdier Fälle von Nekrophilie
schrieb sdion KrafFt-Ebing sehr riditig, nachdem er sie den
ersteren, die vor allem die Gefügigkeit ihrer Partnerin sudien,
gegenübergestellt hatte: „Vielleicht schreckt ein Rest moralischer
Bedenken von der Vorstellung grausamer Akte am lebenden
Weibe ab, vielleicht überspringt die Phantasie den Lustmord
und hängt sidi gleich an sein Resultat, die Leiche."*"
Es dürfte daher zwischen den unverfälschten Lustmördern
und den/sadistisdien Nekrophilen ungefähr der gleidie Unter-
schied ^bestehen, wie zwischen dem Löwen, der die lebende
Beute angeht, und der Hyäne, die sicJi für gewöhnlich mit
toter Beute begnügt.
Die Nekrophilen scheinen tatsächlich nidits anderes als
schüchterne oder eingeschüchterte Lustmörder zu sein. Aber
das ist nicht alles, was die Psyciioanalyse über sie zu sagen
weiß. Die Psychoanalyse hat uns auch gelehrt, daß die Beob-
achtung des Erwadisenen-Koitus durch die Kinder bei diesen
stets die Vorstellung geweckt hat, der Mann habe sich gegen die
Frau gewalttätig benommen. Nun haben sowohl die Lust-
mörder als auch die Nekrophilen, ja übrigens beinahe alle
Menschen, in ihrer Kindheit diese Beobachtung gemacht. Aber
49) R. von Krafft-Ebing: Psychopathia sexualis.
F. Enke, Stuttgart 1912, 14. Auflage, S. 84.
324 Pos und die menschliche Seele
die Lustmörder und die sadistisdien Nekrophilen — die beide
an die prägenitalen Phasen des Triebes fixiert oder zu ihnen
regrediert sind und zu der sadistischen Auffassung des Koitus,
die diese Phase beherrsdit — untersdieiden sich wahrscheinlich
dadurdi voneinander, daß jeder von ihnen an eine andere
Stelle der gleichen Szene des mordenden Erwachsenen-Koitus
fixiert war.
Während nämlidi die Sadisten, deren Aggressionstriebe
konstitutionell wesentlidi stärker und widerstandsfähiger zu
sein scheinen, später in ihren Handlungen eine vollkommene
Identifizierung mit dem mordenden Vater durchzuführen
wagen, begnügen sich die Nekrophilen, die von Geburt aus
sciiüciiterner und tatsäciilich eingeschüchtert sind (Bertrand war
ein sanfler, verdüsterter, schüchterner Mensch), damit, sich zur
Mutter zu schleichen, zu der vom Schicksal — diesen erhabenen
Vater — bereits getöteten Frau. Dort bemäciitigen sie sich des
Opfers, das der Vater zurückgelassen hat, oder (und das ist der
typischere Fall) sie reproduzieren, aber auf einer Leiciie, auf
einem Schattenbild der Lebenden, die Handlungen des
mordenden Vaters, wobei sie mancäimal bis zu der kannibali-
schen Regression des Lustmörders zurückgehen. Dadurch er-
sparen sie sicii auch, zugleich mit der mörderischen Aggression,
das Henken.
Bei der dritten Art von Nekrophilie müssen wir uns fragen,
inwieweit und wie ofl sie in der Realität überhaupt manifest
wird, denn sie ist schwerer nachzuweisen als die andern. Es
handelt sidi hier um die Nekrophilie aus Treue, um jene
Nekrophilie also, über die wir bei Edgar Poe bereits aus-
führlich gesprochen haben.
Wie ofl wird sie nun manifest? Wie ofl gescliieht es, daß
ein in Tränen aufgelöster Liebhaber seine Geliebte noch
nach dem Tode besitzt, da Liebe nicht verzichten will, und
so in einer letzten Aufwallung den eingewurzelten Ekel, den
Poes Botschaft an die Menschheit 3zy
der lebende Mensdi, das lebende Fleisch vor dem toten hat,
überwindet? Das kann man unmöglich wissen.
Tatsadie ist, daß die von Autoren zitierten Fälle dieser Art
von Nekrophilie hauptsädilidi dem Bereidi der Legende anzu-
gehören scheinen. „Die normalste (unter den Nekrophilien)",
schreibt Jones,^" „scheint kaum etwas anderes zu sein als eine
Ausdehnung der Rolle, welche von der Liebe während der
Trauer gespielt wird: sie wehrt sich auf das entschiedenste da-
gegen, das Ereignis anzuerkennen und sich für immer vom ge-
liebten Objekt zu trennen." Er zitiert nun mehrere Fälle dieser
Art von Nekrophilie, die er bei antiken Schriftstellern findet:
nach Herodot soll der Tyrann Periander selbst nach dem Tod
seiner Frau Melissa zu ihr in Beziehungen gestanden sein, der
König Herodes soll seine Frau Mariamne noch sieben Jahre(!),
nachdem er sie hatte ermorden lassen, besessen haben; ähn-
liche Legenden werden auch von dem König "Waldemar IV.
oder von Karl dem Großen erzählt. Dann weist Jones
darauf hin, daß dieses Thema besonders in der modernen
Literatur häufig verwertet wurde: unter anderem von Hein-
rich V. Kleist in der Marquise von O., von Otto
Ludwig in seiner Marie, von Heine in seiner B e-
schwörung, von Zacharias Werner in den Kreuzes-
brüdern, von Brentano in den Romanzen vom
Rosenkranz, von de Sade in seiner J u 1 i e 1 1 e. Wir er-
gänzen diese Liste durch Victor Hugos Notre-Dame de
Paris, wo sich Quasimodo ins Grab der Esmeralda schleicht,
um sich an der Leiche der Hingerichteten der Leidenschaft, die
er für die lebende Tänzerin empfand, hingeben zu können.
Aber gerade die Tatsache, daß diese Art von Nekrophilie
im Märchen und in der Literatur auftaucht, weckt_un^ere
50) On the Nightmare. Leonard & Virginia Woolf, London,
„The Hogarth Press", 193 1, S. iii.
c.
3^6 Poe und die menschliche Seele
Aufmerksamkeit. Sie mußte nämlich, um zu der Ehre zu
gelangen, Mythos zu werden, einem im Mensdien prä-
existierenden Ideal entsprechen, und dieses Ideal ist jene Liebe,
welche den Tod überlebt, jene Treue, die über den Tod hinaus
nicht vergeht. Das sind die mildernden Umstände, durdi welche
die Nekrophilie für die Ästhetik und Moral annehmbar, durch
welche sie poetisch werden konnte: der Nekrophile dieser
letzten Kategorie wurde zum Liebhaber kat' exochen.
Man kann nun leicht sehen, daß in Edgar Poe, natürlidi
nach einem latenten, sein ganzes Leben hindurch von einem
Objekt auf das nädiste übertragene Sdiema, zwei Arten von
Nekrophilie nebeneinander vorhanden waren: die Nekrophilie
aus Treue und die eigentliche sadistisdie Nekrophilie. Die eine
schließt dabei tatsächlich die andere nidit aus, und die Treue
zum Liebesobjekt kann ja auf die verschiedenartigste Weise
zum Ausdruck kommen.
Bei Baudelaire zum Beispiel sdiloß der sadistisdie Haß auch
treue Liebe nicht aus. Darum war das Werk Edgars imstande,
die Seele Charles so vielfach zum Mitklingen zu bringen.
Einerseits konnte der tief in Baudelaire verwurzelte Sa-
dismus sich in der sadistischen Nekrophilie Edgar Poes bis auf
wenige geringe Unterschiede wiedererkennen. Für den Sadisten
Baudelaire stellten sowohl das Leben als auch das Werk
Edgar Poes, des Nekrophilen, eine Art Ideal dar. Während
nämlich die Mutter Charles, die geliebt und zugleich gehaßt
worden, am Leben und für die sieben Messer des Sadismus
ihres Kindes unerreichbar geblieben war, hatte das Schicksal im
Leben und Werk Edgars das realisiert, wonach der Sadismus
Charles strebte: den wirklichen Tod der Mutter, den Tod mit
dem ganzen Trauerzug von Verwesung, der ihm folgte. Daher
Poes Botschafi an die Menschheit 327
konnte sidi Charles in den "Werken seines „Bruders" leidit
am Verwesungsdunst berauschen, welcher den mütterlidien
Leichnam, der so gebührenderweise besessen und bestraft
worden war, umschwebte.
Aber audi das zweite Element, die Nekrophilie aus ewiger
Treue, die aus der Fixierung an die Mutter der Kindheit ent-
standen war und das ganze Werk Edgar Poes inspiriert hatte,
mußte im Herzen Baudelaires ein starkes Echo finden. War
nicht audi Charles, trotz Jeanne und trotz Loudiette, seiner
Mutter verzweifelt treu geblieben? Auch darum also konnte er
Edgar als einen „Bruder" jenseits des Ozeans begrüßen.
Daher sdiwebte dem Dichter Baudelaire an den Abenden,
an denen es den Liebhaber Jeannes vor der Mulattin ekelte,
der Gatte Virginias als eine Art Idealmensch vor, weil Charles
nicht erkannte, die ätherisdie Liebe Poes sei Impotenz; un-
bewußt hat er es aber vielleicht geahnt. Poe hatte seine Gattin
in reiner Zärtlichkeit lieben können, eine Gattin, die, weitaus
besser als Baudelaires Jeanne, im Gatten, wenn auch nur durch
die Sdiwindsucht und das Blutspucken, die Erinnerung an die
Mutter der Kindheit wiedererweckt hatte, an eine Mutter, die
das Sterben der Wiederverheiratung vorgezogen hatte.
Sdhließlidi bot das Leben Poes dem französischen Diditer
auch noch die Verwirklidiung eines andern infantilen Ideals.
Wurde nicht Edgar, selbst nach seinen schlimmsten Streidien,
wie ein Kind von der in Maria Clemm wiedergefundenen
„Mutter" auf das zärtlichste geliebt und gepflegt, und hat sie
ihm nicht immer verziehen? Daher klingt auch in der ihr von
Baudelaire zugedachten ehrerbietigen Widmung, die der Über-
setzung der „H istoires extraordinaires" voran-
gestellt ist, ein Ton auf, der einem Schrei nach Caroline durqi-
aus ähnlidi ist, und in die Worte übersetzt werden kann:
„Mutter, warum bist Du nicht so!"
32.8 Poe und die menschliche Seele
^
■Wir haben den Einfluß Poes auf Baudelaire nur deshalb so
ausführlich behandelt, weil es keinen deutlidiei-en, sdilagen-
deren Beweis gibt für das, was im Werk Poes das Herz aller
Menschen ergreift:, als die Wirkung, die es auf den französi-
schen Diditer ausgeübt hat.
Die beiden Arten von Nekrophilie, welche die eigentlidie
Substanz der Poeschen Inspiration bilden, finden nämlich auch
in anderen Seelen als in der des unverfälschten Sadisten Baude-
laire ihr Echo. Beweis dafür: die Tatsache, daß seit dem Tode
des armen Eddy, also seit fast hundert Jahren, unzählige
Ausgaben der Geschichten in allen Sprachen und in
allen Ländern verbreitet wurden.
"Wir haben auch schon über den in jedem menschlichen
Herzen schlummernden Sadismus gesprochen; und was die
Treue anlangt, jeder meiner Leser wird gerne zugeben, daß sie
eines der edelsten Ideale der Menschen ist. Ja, sie ist sogar
noch mehr: dieses Ideal ist in stärkerem oder scJiwächerem
Maße die Wiedergabe unserer allgemeinen Fixierung an die
Neigungen unserer Kindheit. Wir alle bleiben ihnen im
Grunde unserer Seele treu, und zwar in einem Ausmaß, dessen
Umfang wir deshalb nicht richtig erkennen können, weil sidi
die Untreue bemüht, uns manchmal in unserem Leben der
Treue zu entreißen. Wir finden diese Treue wider Willen
in jeder neuen Liebesbeziehung wieder. Und wer je mensch-
liciie Geschöpfe analysiert hat, weiß auch, daß gerade diese
ursprüngliche Treue, diese unbewußte Fixierung an unsere
ersten Liebesbeziehungen, denen wir uns nidit entziehen
können, das größte psychische Leiden des mensdilichen Ge-
schlechtes bedingt, was die Geschichte jeder einzelnen Neurose
klar beweist.
Das kann uns nicht in Erstaunen versetzen. Die mensdiliche,
auf die Vergangenheit bezogene Treue ist nämlich nur ein
besonderer Fall des Wiederholungszwangs, der das Triebleben
Poes Botschaß an die Menschheit 329
und im übrigen das ganze Leben beherrscht, ein Zwang, der
seinerseits wieder aus dem Trägheitsgesetz hervorgeht, das die
ganze Natur regiert.
Daher sind mit Recht die Menschen aller Zonen von dem
großartigen Gemälde fasziniert, das Edgar Poe gezeichnet hat;
sie können sidi seinem Zauber einerseits deshalb nicht entziehen,
weil es die unwandelbare Treue zur Vergangenheit, zu dem
geliebten, verlorenen Wesen, zur Voraussetzung hat, anderer-
seits aber wegen des in der Tiefe schlummernden Sadismus, den
es verrät, und der auch in jedem von uns, solange wir leben,
in Bereitschaft steht, wieder lebendig zu werden.
Der große kathartisdie Wert eines Werkes, wie es das Poes
ist, wird aber noch deutlicher siciitbar, wenn man daran denkt,
wie universal jenes Gefühl auf allen Menschen lastet, das
Schopenhauer den Weltschmerz genannt hat.
Es ist gewiß schön, ein Optimist zu sein, wie die Jugend
immer nach vorwärts zu schreiten, an die Güte, an die Sdiön-
heit des Lebens zu glauben. Aber eine solche Vision ist nur eine
der Illusion, nicht eine der Realität. Bloß die Pessimisten haben
recht. Denn „es ist eine fürchterliciie Sache, fühlen zu müssen,
wie alles dahingeht, was man besitzt", hat Pascal gesagt, und:
„Der letzte Akt ist blutig, so schön das Spiel im übrigen auch
sein mag."^^
Die Religionen haben nun ein Mittel gegen den Weltschmerz
gefunden: sie verschieben das Glück, mit dem Leben, in die
Ewigkeit. Die Religionen wurden im Unbewußten des Menschen,
der sich für unsterblich hält, gezeugt, noch heute ist es ihr
Komplize geblieben.
51) C'est une diose horrible de sentir s'ecouler tout ce qu'on
poss^de," — „Le dernier acte est sanglant, quelque belle que soit
la comedie en tout le reste."
33° Poe und die menschliche Seele
Aber immer mehr verstummt für die bedrückten Mensdien
dieses „alte Lied", das ihr Elend wiegte. Und audi der
sozialistische Tribun, von dem dieses "Wort stammt, hat das
Paradies auf Erden nicht errichten können, auch irgendeiner
seinesgleidien, selbst in Moskau nicht! Der letzte Akt des
Spiels wird auf Erden immer blutig sein, und das genügt, um
die Meinung der Pessimisten zu rechtfertigen.
Gegen den Weltschmerz gibt es nun bloß zwei Mittel. Das
eine hat Freud im Unbehagen in der Kultur vor-
geschlagen: der persönliche Narzißmus des Menschen wird auf
die Gesamtheit verschoben; für diese größere Einheit, unsere
Gattung, muß man leben und arbeiten, ohne sich um seine
eigene Vergänglidikeit zu kümmern. Aber zu solcher Sublimie-
rung sind nur wenige Seelen fähig, und der Weltschmerz bleibt
bestehen.
Zum Glück für den Menschen, der sich der Welt der
Schmerzen, in der er leben soll, anpassen muß, ist diese Lösung
nicht die einzige, die sich ihm bietet. Es gibt noch ein anderes
Mittel gegen den Weltschmerz, so wenig sdiön es audi
aussehen mag: es ist in der erotisierten Aggression, mit einem
Wort im Sadismus enthalten. Der zivilisierte Mensch kann
nämlich, obwohl er in seinem äußeren Verhalten gehemmt
und sanftmütig ist, den Anblick des Unglücks, das ihn umgibt
und sogar bedroht, sehr wohl und leicht „genießen". Er „ge-
nießt" nämlich, audi wenn er es nicht zugeben will, in der
Phantasie mehr oder weniger intensiv die verschiedenartig-
sten Weltkatastrophen — und dies, obwohl er sie bewußt
beklagt und bedauert. Und wenn er sidi über sie freut, so
gesciiieht dies zu seinem Nutzen, weil er gerade durch dieses
Verhalten leben und sterben, mit einem Wort sich mit der ihn
umgebenden Atmosphäre des Unglücks abfinden kann.
Das allgemeine Interesse an Zeitungen, in denen es an
Beriditen über verschiedenartigste Katastrophen und Grausam-
3
Poes Botschaft an die Menschheit 331
keiten nur so wimmelt, ist ein eklatanter, deutlidier Beweis
für den allgemein auftretenden „zusdiauenden" Sadismus des
Menschen. Die jüngste Leidensdiafl der Mensdien, das Inter-
esse am Kino, bestätigt neuerlidi die gleiche Neigung. Und
es ist sdion lange her, daß Aristoteles die tiefere Natur
der Katharsis, des Abreagierens durchschaut hat, die in
der Seele des Zuschauers durdi die griechische Tragödie geweckt
wurde.
Ein Kunstwerk, aus dem alles Unglück ausgeschlossen ist,
und in dem es nur Sanftmut und Glück gibt, macht immer
einen mehr oder weniger langweiligen Eindruck. Die libidinösen
Triebe drängen sich unabweislich der Kunst auf, aber auch die
Aggressionstriebe bleiben an Stärke nicht hinter ihnen zurück.
Darum müssen der Held oder die Heldin meistens sterben.
Und unter den Künstlern, diesen Auserwählten, die
dazu beauftragt sind, den andern Menschen die Abfuhr
(Katharsis) ihrer verdrängten Triebe möglich zu machen,
nehmen jene einen besonderen Platz ein, die große Schriftsteller
und zugleich latente, aber unverfälschte Sadisten sind und die
erotische Aggression gegen das erste aller Opfer, gegen die
Mutter, die Frau, zu besingen verstanden haben. Daher werden
die Menschen, solange es Menschen gibt und BücJier, bezaubert
auf den „makabren Lichtstrahl" blicken, der bei den Poes und
bei den Baudelaires auf „dem Himmel der Kunst" aufleuchten
durfte. Und sie werden beim Lesen dieser Diditer jenen
„Schauer" fühlen, den Victor Hugo zu unrecht für einen
„neuen" hielt, wo er doch so alt ist wie der Sadismus, das heißt
wie der Mensch.
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2^ Conseil de guerre de Paris. Gazette des Tribunaux, 11. Juli
1845.
1
REGISTER
Die Indizes wurden vom Übersetzer des vorliegenden Werks nadi
den von Herrn Sello Frenkel hergestellten Verzeichnissen der
französischen Ausgabe für die deutsche bearbeitet. Das Literatur-
verzeichnis der Originalausgabe wurde von Herrn Cl. Reizler
verfaßt.
A. BIOGRAPHISCHER, LITERARISCHER UND
BIBLIOGRAPHISCHER INDEX
In diesem Index sind die in diesem Werk genannten Personen,
Autoren und zitierten Werke verzeichnet. Die Titel von Veröffent-
lichungen sind kursiv gedruckt, die Titel der Werke Poes, weldie
in dieser Liste erwähnt werden, in Versalien.
Abbott, Edward: I 352.
Abel, Karl: III 26J.
Abraham, Karl: II 20, 16S, 416, III 310.
Ada (Gestalt aus TAMERLAN): I 66, 67.
Addison, Joseph: I 35.
Ägäus (BERENICE): I 135, II n— 21.
Agamemnon: III 57.
Ahasver: II 322—327, 335, 336, III 123, 266.
Alec: siehe Crane, Alexander.
Alexander, Franz: III 313.
Alexander' s Weekly Messenger: I 162.
Allan Sc Ellis: I 31, 33.
Allan, Frances Keeling, geb. Valentine („Ma"), Adoptivmutter Edgar
Poes: I 14, ij, 18, 20, 22, 24, 25, 30, 36, ji, 77, 78, 79, 80, 91,
92, 93> 99' 100 — io6> 110. 113, 142. 149, 282, 335, 342, 344;
erzieht Edgar: I 24, 25, 28; mit Edgar in der Kirche: I, 24, 32;
krank: I 31, 32, 39, 62; bestärkt Edgar in seiner dichterischen
Sendung: I 37; nach der Galtsdien Erbschaft: I 45; erfährt von
der Untreue ihres Gatten: I ji; begleitet Edgar nach Charlottes-
ville: I 52; das Weihnachtsfest für Edgar: I 60; schickt Edgar
Geld, und versucht vergebens, ihn mit John zu versöhnen: I 65,
66; Frau Allan im Sterben: I 76, 77, 78, 79; und der Tod Vir-
ginias: I 240; und ULALUME: I 251, 2j6; und LIGEIA: II, 35,
39, 40, 42; und DAS STELLDICHEIN: II 91, 93; und METZ-
J
Register
341
ENGERSTEIN: II 100, 102, 104, 109; und PYM: II 136, 178,
212; und DER GOLDKÄFER: II 237, 238; und DER VER-
LORENE ATEM: II 299—303; und DER MANN DER MENGE:
II 315, 318—321, 326; und die RUE MORGUE: II 367, 375;
und DIE SCHWARZE KATZE: II 378, 394; und DER ENT-
WENDETE BRIEF: II 417; und DAS SCHWATZENDE HERZ:
III 18, 22, 29; und DER ROTE TOD: III J7; und WILLIAM
WILSON: III 91; und WASSERGRUBE UND PENDEL: III
i6y, und Das literarische Kunstwerk: III 249, 252, 253, 267,
281, 297.
Allan, Jane (Schwester John Allans): I 29.
Allan, John (Adoptivvater Poes): I 9, 16, 20 — 23, 46, 47, 48, 105,
III, 123, 128, 131, 133, 138, 190, 262, 282, 325, 34j; seine
illegitimen Kinder: I 13, 92, 125, II 102, III 90, 91; sein Ein-
fluß auf Edgar: I 24; er schlägt Edgar: I 16, 37, II 299, 316,
III 34, 132; in Staunten: I 26; seine Neigung zu Edgar: I 29;
Rückkehr nach Schottland: I 28 — 30; läßt sich in London nieder:
I 30; mit Frances in einem Badeort: I 31; sdilechte Geschäfte
und der Anfall von Wassersucht: I 32, II 317; Abreise nach New
York: I 33, 34; gibt Edgar in die Sdiule: I 35; Geldverlegenheit:
I 36; mißbilligt die poetischen Neigungen Edgars: I 37, 38, 82;
will Edgar aus seinem Haus entfernen: I 39, j2; sein Brief an
William Henry Poe: I 45, J2, II 254; bezweifelt die eheliche
Geburt Rosaliens: I 45, ji, j2, 90, 91, 222, II 2J4; beerbt
William Galt: I 45, 46, III 167; Rüikehr nach Amerika: I 49;
mißbilligt die Gefühle Edgars für Elmira Royster: I jo, 57, 60;
Pläne für die Laufbahn Edgars: I 50, III 98; besaß die Briefe
Elizabeth Poes: I ji, 222; Veröffentlichung der Briefe Poes an
Allan I 55, j6; Allans Geiz: I 56, j8, 59, 85, 90, 91, 94, iio,
II 31J; weigert sidi, die Schulden Poes zu bezahlen und nimmt
ihn von der Universität: I 58, 59, 83, 138, III 98; Bruch mit Poe:
I 61 — 63, 64 — 66, IIO, 113, II 132; nimmt wieder Fühlung mit
Poe: I 73 — 7j; läßt Poe, jedoch zu spät, ans Totenbett seiner
„Ma" kommen: I 77, 78, 80, $^, II 237, 238; gibt Poe die Er-
laubnis, in West Point einzutreten: I 81, 82; sein Empfehlungs-
sdireiben: I 83, 84; weigert sich, AL AARAAF zu finanzieren:
I 8j, 86; läßt Edgar nach Richmond kommen: I 90; der Brief
„Bullys": I 91, 109, 110; enterbt Edgar: I 91, 122, II 236; will
Miß Valentine heiraten: I 92, 93; heiratet L. G. Patterson: I 93,
100; antwortet nicht mehr auf Edgars Briefe: I 9j, 112, 115, ii6,
123; und AN DIE WISSENSCHAFT: I 99; widersetzt sich
einer Heirat Edgars mit Mary Devereaux: I 120; verjagt den
nach Richmond zurückgekehrten Edgar: I 122, 125; sein Tod: I
125, II 316; und DER RABE: I 225; und ULALUME: I 253,
342 Register
^
256; und DAS STELLDICHEIN: II 89, 52; und METZENGER-
STEIN: II 100 — 102, 104; und PYM: II 125, 132, 136, 137^
156, 191, 202; und DER GOLDKÄFER: II 216, 217, 236—239;
und DER VERLORENE ATEM: II 247, 253, 268, 298— 303^
304, 305; und DER MANN DER MENGE: II 315—321, 327I
und die RUE MORGUE: II 367, 372, 374, 375; und DIE
SCHWARZE KATZE: II 378, 383, 393; und DER ENT-
WENDETE BRIEF: II 417; und DAS SCHWATZENDE
HERZ: III 10, II, 18, 22, 28—30; und DIE MASKERADEN:
III 34, 3j, 41, 42, J9; und WILLIAM WILSON: III 87, 90,
91, 92, 94, 96, 98, $% iio; und WALDEMAR: III 128, 132;
und WASSERGRUBE UND PENDEL: III 164, 165; und
HEUREKA: III 167, 219, 228; und Das literarische Kunstwerk:
III 24J, 2J0— 252, 2J7.
Allan, Loujsa Gabriella, geb. Patterson (zweite Gattin John Allans):
I 91, 100; beschuldigt Edgar der Veruntreuung: I 83, 91, 110; ihr
Streit mit Edgar: I 122; ficht das Testament Allans an: I i2j.
Allan, Mary (Schwester John Allans): I 30 — 32, II 319, 320.
Allbreath: II 292.
Allen, Hervey (Biograph Poes): siehe Israfel.
Ambler, C. A.: I 27.
American Museum, The: II 28, III 158.
American Whig Review, The: I 198, 246, III 126.
Amfortas: III 24.
Analyse der Phobie eines ^jährigen Knaben von Freud: II 63, 389,
III 39.
Ancient Mariner, The, von Coleridge: I 157, II 15 — 17.
Andersen, Hans Christian: III 10 j, 108.
Andromeda: II 63, 413.
Annabel Lee (ANNABEL LEE): I 21J— 226, 257, II 64.
Annie: siehe Richmond, Annie.
Antäus: II 276, 281.
Anthon, Prof. Charles: I 194.
Aphrodite, Marchesa di Mentoni: siehe DAS STELLDICHEIN.
Apollonie: siehe Sabatier, Aglae Apollonie.
Appleton's Journal: I 346.
Aranda- und Loritja-St'dmme in Zentralaustralien, Die, von C. Streh-
low: II 260.
Archer, Robert: I yy.
Arcturus, von Frau Whitman: I 299.
Ardisson, Victor: III 322.
Ardisson, L'affaire. Contrihution a l'etude de la necrophilie, von
M. Belletrud und Ed. Mercier: III 322.
Aristophanes: II 274.
5
Register 343
Aristoteles: I 264, II 260, 16z, III 172, 331.
Arnold, General Benedict: I 45, 96.
Arnold, Elizabeth: siehe Poe, Elizabeth.
Arnold, Elizabeth (geb. Smith, Frau Henrys, GrolSmutter Poes
mütterlidierseits): I 10, 16.
Arnold, Henry (Großvater Poes mütterlicherseits): I 10.
Arvede Barine: I 281.
Äsdiylos: II 274, 279.
Asselineau, Charles: III 285.
Astarte: I 141, 251, 260, 276, 277, 281, II 240, III 169, 170.
Astor Library, The: I 203.
Atkinson's Casket: I 169, 170, II 329.
Augustinus, Der heilige: II 2J7, 260.
Aupick, Caroline: siehe Baudelaire, Caroline.
Aupidc, Jacques (Stiefvater Baudelaires): III 2S8, 290, 294, 295.
Babylonisches im Neuen Testament von Jeremias: II 232.
Bacon, Francis of Verulam: I 264, II 30, 31, III 172.
Balthazard, Victor: II 277.
Baltimore North American, The: I 49.
Baltimore Saturday Visiter, The: I 123, II 121.
Baltimore Sun, The: I 349.
Barbusse, Henri: III 20.
Barine Arvede: siehe Arvede Barine.
Barnabay Rudge, von Dickens: I 173.
Barnum's Hotel, Baltimore: I 120.
Baslini, Dr.: II 278.
Bathhursts, Die: I 236.
Baudelaire, Caroline (Mutter Baudelaires): II 210, III 285 — 290,
292, 293, 29J, 296, 297, 300, 327.
Baudelaire, Charles: I 9, j8, 66, 140, 141, 178, 303, II 8, 47, 75,
116, 128, 210, III 208, 224; und das Werk Poes: II 8, III 284 — 302,
318, 320, 321, 326 — 328, 331; zu seiner Übersetzung der
Diditungen Poes (ausgelassene Stellen, irrtümliche Übertragung):
II 6^, 72, 73, 75, 210, III 208; Angaben über Baudelaires Leben:
II 285—296.
Baudelaire, Charles, von E. Cr^pet: III 284, 291.
Baudelaire, Charles: Oeuvres posthumes et correspondances inedkes,
von E. Cr^pet: III 288, 302.
Baudelaire, Charles: Lettres inedites ä sa mere: III 286.
Baudelaire, Joseph Franjois (Vater Charles Baudelaires): III 285,
294.
Bauer, Edmond: III 203 — 207.
Bausteine zur Psychoanalyse, von Ferenczi: II 232, III 69, 229.
344 Register
Bayrisches Sagenbuch, von A. Kinzinger: II 324.
Beadle's Monthly: I 350.
Becket, Der Heilige Thomas: II 257. '
Beiträge zur Psychoanalyse des Liebeslebens, von Freud: III 294.
Belle au Bois dormant, La, von Perrault: II 21, 395.
Belletrud, Michel: II 322.
Benton, Sergeant: I 75.
Berenice (BERENICE): I 19, 135, 144, 249, II 11— 21, 44, 45, 53,
69, 78, 104, 192, III 86, 2JO, 261, 280.
Berg, Karl: III 317.
Berri, Herzogin von: III 44.
Bertrand, Sergeant: I 144, III 322, 323.
Beschwörung, Die, von H. Heine: III 325. ■ ■■
Bibel, Die: II 120, 259, 321, III 58, 62.
Bildnis des Dorian Gray, Das, von O.Wilde: III 105.
Bisco, John: I 198, 200, 204.
Blackwell, Miss: I 285.
Blackwood' s Magazine: I 47.
Blakely Kate (Flirt der Brüder Poe): I 114, 139.
Blakey J. M.: I 346, 348.
Bliss, Elam; I 109, 112.
Bloch, Oscar: II 406.
Bode, Johann E.: III 194.
Boleyn, Anne: I 31.
Boltzmann, Ludwig: III 207.
Bonaparte, Marie: II 360, 382, III 266.
Bonaparte, Marie-Laetitia (Mutter Napoleons): II 2jj, 256.
Bonaventura, Der heilige: II 2J7.
Boscovich, Roger J.: III 204.
Boston and Charleston Comedians: I 10.
Brahma: III 206.
Bransby, Reverend John: I 31, 32, II 320; und WILLIAM WIL-
SON: I 32, II 320, III 87, 88, 89, 98.
Brennan, Martha: I 195, 196. ■ f
Brennan, Patrick: I 194, 195, 212.
Brentano, Clemens: III 32J.
Brett, G. S.: II 262.
Brewer, E. Cobham: II 323, 32J.
Briggs, Charles F.: I 197—200, 204, 228.
Broadway Journal, The: I 50, 98, 197—200, 204, 20f, 228, II 11,
11, 22, 28, 65, 69, 7j, j^, 97, 113, 121, 24J, 273, 283, 290, 371,
III 9, 26, 39, 47, 49, j8, 63, 85, 113, 126, 137, IJ4, ij8, 203;
Poe als Mitarbeiter und Herausgeber: I 197 — 205.
Brooks, Nathan E.: I 348.
^
Register 34 j
Brouardel, Dr.: II 277.
Brown, Charles Brockden: I 47.
Brown, Thomas: I 160.
Browne, Architekt: I 1S4.
Browne, Hablot Knight („Phiz"): II 292.
Brückensymbolik und die Don-]uan~Legende, Die, von Ferenczi:
III 69.
Brünhilde: II 63. .
Buffon, Georges: III 190.
„Bully": siehe Graves.
Burke, William: I 44, jo, 52, II 91.
Burling, Ebenezer (Jugendfreund Poes): I 3J, 6j, 66; und PYM:
II 128—133, 139.
Bums, Robert: I 29, 47.
Burr, ehester Chauncey: I 329, 331, III 167.
Burton, 'William Evans: I 161 — 163, 169, II 309, 329, 331, 366.
Burton' s Gentleman' s Magazine and American Monthly Review.
I 161, 162, 169, II 22, 46, 309, 329, III 26, 49, 8j.
Byron, Lord: I 47, 58, 65, 95, II 80, 81, 82, 83, 87, 91, 159.
Cabell, Julia Mayo: I 336.
Cabell, Robert L. (Bob), (Jugendfreund Poes): I 128, II 91.
Caddy: I 281.
Caesar, Caius Julius: I 47.
Campbell, Major John: I 83.
Campbell, Thomas: I 47.
Canova, Antonio: I 47.
Caprara, Dr.: II 278.
Carey, Lea & Carey: I 86, 87, 126, 131.
Carnot, Nicolas: III 201, 207.
Caroline: siehe Baudelaire, Caroline.
Carter, John: I 336, 338, 346, 350.
Casper, Dr.: II 278.
Catterina: I 164, 175, 193, 194, 272, 273, 376, 378, 379, 381, 386,
III 254, 208; Catterina und Virginia: I 183, 236, II 386, III 280.
Charakter und Analerotik, von Freud: II 232.
Charleston Players, The: siehe Boston and Charleston Come-
dians, The.
Charogne, La, von Baudelaire: III 302.
Chatterton, Thomas: I 70. '
Childs Harold's Pilgrimage, von Byron: II 80.
Chivers, Thomas Holley: I 203, 227, 232.
Choiseul-Praslin, Herzog von: III 28j.
Chonez, R.: II 341.
34^ Register
^
Churdi Home in Baltimore, The: I 35:3.
Cicero: I 47.
Civitas Dei des heiligen Augustinus: II 260.
Clapeyron, Benoit: III 207.
Clark, Lewis Gaylord: I 203, 228.
Clarke, Joseph: I 35, 37, 44.
Clarke, Thomas C; I 188, 189, 190, 191, 204, 324.
Clausius, Rudolf: III 207.
Cleland, Thomas W.: I 132.
Clemm, Henry (Sohn der Maria Clemm): I 87, 115.
Clemm, Maria, geb. Poe (Tante und Schwiegermutter Poes,
„Muddy"): biographisdie Angaben: I 87, 88; nimmt Poe auf:
I 87, 93, 114, II 10; Poe endgültig bei ihr: I 114, iij; sie
schreibt an John Allan: I 115, 116; zieht um: I 127, 133, 186,
194; einzige Stütze Poes: I i2j; die Heirat Virginias: I 126,
128, 130, 131, 132; will eine Pension eröffnen: I 131; und die
Beziehungen zwischen Poe und Virginia: I 137; pflegt Poe nadi
seinen Trunkenheitsexzessen: I 149, 152, II 380; in New York: I
ij6, 193, 325, 326; wartet auf Poe bei den Grahams: I 172, 173;
und die Hämoptoen Virginias: I 175; auf der Sudie nach Poe:
I i8j, II 363; holt Poe ab: I 190; wieder Näharbeiten: I 132,
192; bei den Brennans; I 194; und DER RABE: I 195; sudit
Arbeit für Poe: I 196; fördert die Beziehungen zu Frau Osgood:
I 201; sie und Lowell: I 203; ging nie mit Poe aus: I 212; und
der Brief Poes an Virginia: I 214; sdiickt Poe Geld: I 214; und
die „Sternschwestern": I 229; sie wird von Frau Nidiols be-
sdirieben: I 232 — 234, 236, II 376, 377; das Elend in Fordham:
I 234, 23j; und Frau Shew: I 237, 241, 243 — 24J, 272, 273;
schneidet Zeitungsartikel aus: I 238; und der Tod Virginias: I
240, 241; wird von Frau Weiß beschrieben: I 261; schildert Poe:
I 262, 268; und TO MY MOTHER: I 274, 275; allein mit
Edgar: I 274, 277; die verzweifelten Briefe Poes: I 329 — 330,
331 — 334; Poe sdiicit ihr Geld: I 332; und die Verlobung Poes
mit Frau Shelton: I 338 — 340, 343, 344, 347; und der Brief des
Dr. Moran: I 351, 352; und der Tod Poes: I 3J3; ihr Tod:
I 353; Frau Clemm und ELEONORA: II 66; und DAS
STELLDICHEIN: II 79; und PYM: II 121, 131, 175; und DER
GOLDKÄFER: II 234; und die RUE MORGUE: II 331, 361,
363; und DIE SCHWARZE KATZE: II 376, 377, 378; und
DIE MASKERADEN: III 32; und BEDLOE: III 123; und
HEUREKA: III 168; und Das literarische Kunstwerk: III 279,
327; und die Zerstörung der Briefe Elizabeth Poes: I 51, 222,
II 253, 368; ferner: I 118, 119, i2j, 132, 162, 164, 181, 246,
26J, 267, 283, 296, 300, 304, 317, 319, 322, 326, 337.
Register 347
Clemm, Virginia Eliza: siehe Poe, Virginia Eliza.
Clemm, Virginia-Maria (Tochter des William Clemm): I 87.
Clemm, William (Gatte der Maria Clemm): I 87.
Clemm, Reverend W. T. D.: I 3J2.
Coleridge, Samuel Taylor: I 46, 58, 113, 157, II 15 — 17, 160, 161;
als Opiumesser: I 147.
Collier, Edwin (illegitimer Sohn Allans): I 22, zj, II 320, III 87,
90, 91.
Collier, Frau (Mutter Edwins): I 22.
Columbian Magazine, The: II 116, III 129.
Compiegne (Diözese): II 406.
Complete Poems 0} Edgar Allan Poe, The, herausg. von J. H.
Whitty: I 139, II 131.
Complete Works of Edgar Allan Poe, The, von James A. Harrison:
siehe Virginia Edition.
Contribution d l'etude de la necrophilie, L'affaire Ardisson, von
M. Belletrud und Ed. Mercier: III 322.
Converse, Reverend Amasa: I 132.
Cooke, Philip Pendieton: I 219.
Cooper, James Fenimore: I 47.
Cooth & Sergeant's Tavern (Baltimore): I 350.
Court House Tavern (Ridimond): I 63, 132.
Crabbe, George: II, 289.
Crane, Alexander T. (Alec): I 20 j, 206.
Cr^pet, Eugene: III 284, 288, 291, 298.
Crepet, Jacques: III 284, 294, 298.
Critical Review of Annais of Literature, The, London: I 47.
Cromwell, Susan: I 235.
Crooker, Pastor: I 300.
Cuvier, Georges-Leopold: I 160.
Cybele: II 240.
Cyrus: II 271.
Dab (Sklave der Allans): I 65, II 217.
Daniel, Prophet: III 58.
Daniel, John M.: I zSj, 338.
Dante, Alighieri: I 47.
Darley, Felix O. C: I 188.
Darwin, Charles: II 173.
Daubrun, Marie: III 294, 299.
Daudet, Leon: III 298.
Decamerone, von Boccaccio: III 48.
Dejaneira: II 158.
Democratic Review, The: III 203.
t
34^ Register
Demosthenes: II 251.
Descartes, Rene: III 204.
Desdiamps, Leon: III 298.
Deuteronomiiim: III 62.
Deutsche Vaterland, Das, von J. Tischendorf: II 324.
Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin: III 317.
Devereaux, James (Onkel Marys): I 121.
Devereaux, Mary (von Poe geliebt): I 118, 119, 139 — 141, 348, II
361, 363, 364; schildert das Benehmen Poes: I 120 — 122, 184, 185;
das Verhalten des Liebenden: I 140, 147, i8j; verläßt Edgar: I
150; sucht Edgar: I i8j, II 363; und Virginia: I 238 — 241.
Devereaux, Frau (Mutter Marys): I 121, 140.
Devergie, Dr.: II 278.
Deviations maladives de l'appetit venerien. Des, von Midiea: III
322.
Diana: I 2J2, II 211.
Diary, The, von E. Oakes Smith: I 210.
Dichter und das Phantasieren, Der, von Freud: III 233, 256.
Dickens, Charles: I 174, 180, II 292.
Dictionnaire etymologique de la langue frangaise: II 406.
Dollar Newspaper, The: I 192.
Doppelgänger, Der, von Dostojewsky: III 105, 108.
Doppelgänger, Der, von O. Rank: 11 loj — 109.
Dornröschen: II 21, 39 j.
Dostojewsky, Fjodor: II 16, 105, 108.
Dostojewsky und die Vatertötung, von Freud: III 16.
Doumer, Paul: III 315.
Dow, J. E.: I 189, 190.
Doyle, Arthur Conan: II 333.
Dubourg, die Fräulein: I 31, II 319.
Duncan Lodge (Besitz der Mackenzies): I 284, 332, 336, 338, 34J.
Dupin, C. August (von Poe erdadite Gestalt): I 173, II 218, 231;
und die RUE MORGUE: II 330—354, 367, 372, 373, III 183,
244, 257, 258, 262, 269; und DAS GEHEIMNIS DER MARIE
ROGfiT: II 361; und DER ENTWENDETE BRIEF: II 415
bis 417.
Duval, Jeanne (Geliebte Baudelaires) : III 292 — 295, 298, 299, 327.
Duyckinck, Evert A.: I 207, 208, II 28.
Earl House, The (Providence) : I 301.
Eaton, Major John: I 83. •
Ebertz, Dr.: II 278.
Ediec de Baudelaire, U, von R. Laforgue: III 289, 296.
Eddy (Eddie): siehe Poe, Edgar Allan.
Register 349
Edgar: I 10.
Edgar Allan Poe, His Life, Letters and Opinions, von J. H. Ingram:
I 9, 13, 224.
Edgar Allan Poe Letters tili now unpublished, herausg. von N.
Stanard: I 9, 5$, 61, 63, 6j, 75, 76, 78, 91, 94, 100, iio, 112,
iij, 116, 123, 133.
Edgar Allan Poe, A Study in Genius, von J. W. Krutdh: I 39,
137, 141.
Edgar Poe and His Critics, von M^e "Whitman: I 246, 288, 289.
Edgar Poe, medecin legis te, von R. Piedelievre und R. Chonez:
II 341.
Edgar Poe, sa vie et ses ceuvres, Einleitung zu den Histoires extra-
ordinaires, von Ch. Baudelaire: I 141, 178, II 8, III 296.
Edgar Poe, sa vie et son ceuvre, von E. Lauvri^re: I 15, 138, 224,
346.
Edinburg Review. I 47.
Einführung in die Psychoanalyse, Vorlesungen zur, von Freud: III
IJ5, 158.
Einstein, Albert: III 205.
Eitzen, Paul von: II 322.
Eleonora (ELEONORA): I 19, 136, II 55—74, III 2jo, 281.
Eleutherius, Der heilige: II 258.
Elgin, Lord Thomas Bruce: I 32, 41.
Elizabeth, Königin von England: I 32.
Elizabeth: siehe Poe, Elizabeth.
Eilet, Elizabeth, geb. Lummis: I 229, 230, 238, III 32.
Ellis, Charles: I 20, 34, 36, 49, II 92, 299.
EUis, Josiah (Onkel Charles' Ellis): I 21.
Ellis, Senator Powhatan: I 93.
Ellis, Oberst Thomas H. (Sohn des Charles Ellis): I 37, 83, II 92,
^99-
Ellis & Allan (in Ridimond): I 20, 21, 33, 47, 61, 70.
Ellis & Allan Paper s, The (Library of Congress, Washington): I 9.
Elmira: siehe Royster, Sarah Elmira.
Empfängnis der Jungfrau Maria durch das Ohr, Die, von E. Jones:
II 2J7.
Encyclopaedia Britannica: II 324, III 23.
Enfer, U, von H. Barbusse: III 20.
English, Thomas Dünn: I 172, 19J, 228, 230, 231, 329, III 32, 33;
von Lane geschildert: I 228; weigert sidi, Poes Zeuge zu sein:
I 230, III 33, i6j; verliert den Prozeß gegen Poe: I 231, III 230.
Entwicklungsgeschichte des Ödipuskomplexes der Frau, Zur, von
J. Lampl-de Groot: III 74.
Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes, von Ferenczi: III 229.
3 jo Register
Epaulard, Dr.: III 322.
Epikur: II 33J.
Epistel an die Römer (Paulus): III 61.
Erinnyen: III 57.
Ermengarde, Lady (ELEONORA): II 71, III 253.
Erwin, ■William: I 25, II 320, III 88.
Eselshaut, Die, von Perrault: II 233, III 2j2.
Esmeralda {Notre-Dame de Paris, von V.Hugo): III 326.
Essai sur la peinture sur verre, von Langlois: II 258.
Estelle: siehe Lewis, S. A.
Eveleth G. W.: I 176, 177, 266, 322, 324, 325, II 363.
Evening Mirror, The: I 196, 197.
Evolution de la sexualite et les etats intersexuels, U, von G. Ma-
ranon: III 160.
Ewers, Hanns Heinz: III loj.
Examen medico-legal d'un cas de monomanie instinctive, von Lu-
nier: III 322.
Examiner: siehe Richmond Examiner, The.
Facts of Poe's Death and Burial, The, von Snodgrass: I 3J0.
Fay, Theodore S.: I 131.
Ferenczi, Sandor: II 232, III 6g, 70, 72, 7J, y6, 78, ij2, 162, 163,
229.
Fichte, Johann Gottlieb: 11 274. •■ ■■
Flag of Our Union, The: I 274, 310, III 39.
Fleurs du Mal, Les, von Ch. Baudelaire; III 224, 287, 29J, 300, 301,
320, 321.
Flowerbanks (Besitz der Galt); I 29.
Foe, Daniel de: II 132.
For the North American, von William Henry Poe; I 51.
Fordham Cottage, The: I 212, 213 — 275, 281, 283, 286, 287, 293,
296—300, 304, 317, 318, 324, 325, 331, 340, 343, 346, II 376,
378, III 32, 167, 211, 280. . . ,
Fort Independance: I 69, 70, 138, II 21 j.
Fort Moultrie: I 70 — 75, 138, II 21J, 217, 229.
Fort Sumter: I 71.
Fouill^e, Alfred: III 207.
Fourberies de Scapin, Les, von Moliere: II 166.
Fowlds, Frau (Schwester Allans); I 29, 31.
Fraisse, Armand: III 284.
Frances; siehe Allan, Frances.
Francis, John Wakefield: I 231, 243, 270, 271.
Franklin, Benjamin: I 159.
Franklin Lyceum, Providence: I 300.
J
Register 3jj
Freud, Sigmund: Vorwort, I 144, 260, II 7, 21, 63, 14J, 1J4, ijg,
159. 173. 230. 232. -236, 260, 299, 3J9, 374, 389, 394, 398, III i6,
22. 39. 74. 93. 109. 124. 132, iJJ, ij8, 160, 162, 211, 212, 226,
233. 235, 244, 2j6, 2J9— 261, 265, 269—272, 277, 279, 294,
303—306, 309, 310, 319, 330; über den Kannibalismus als Ver-
geltung: II 21; über die Symbolik des Sdiatzes: II 230, 231;
über die Symbolik des Henkens: II 279, 398.
Froissart, Jean: II 43.
Füller („Fuller's Hotel"): I 189.
Fusees, von Ch. Baudelaire: III 288.
Gaines, General E. P.: I 82.
Galenus: II 262.
Galt, James (Vetter Poes): I 30, 81, 128, II 318.
Galt, Jane: II 320.
Galt, William (Onkel John Allans): I 20, 29, 36, III 168; sein Tod
und die Erbschaft: I 45, 50, 74.
Gama, Vasco da: II 323.
Gargantua, von Rabelais: II 258, III 127.
Gazette des Tribunmx: III 322; und die RUE MORGUE: II 336,
338, 343-
Genesis: II 120, 259, 321, III 209.
Genese der Perversionen, Zur, von H. Sachs: III 313.
Gent's Mag.: siehe Burton' s Gentleman' s Magazine and American
Monthly Review.
Georgica, von Virgil: II 260.
Gericault, Theodore: II 159.
Gesammelte Schriften, von Freud: I 260, II 63, 154, 232, 299, 413,
III 22, 9i, 109, 233, 23J, 26J, 294, 309.
Geständniszwang und Strafbedürfnis, von Reik: II 383.
Gift, The: II 65, 6% 71, 121, 41J, III 8j, 137.
Gil Blas de Santillane, Histoire de, von Le Sage: I 47, 6j.
Gilderslive, Basil C.: I 336.
Gill, William Fearing (Biograph Poes): I ij, 327.
Glenn, W. J.: I 338.
Godey's Lady's Book: I 227, II 290, III 22, 32, 113.
Godoy, Armand: III 299.
Goldsmith, Oliver: I 35, 47.
Gorguloff, Paul: III 31J.
Götz, Dr.: II 278.
Gowans, William: I ij6, 159.
Graham, George Rex: I 169—173, 182, 183, 192, 331, II 309, 329,
366.
Graham, Frau: I 171.
^
352 Register
Graham, Lorimer: I 107.
Graham' s Lady's and Gentleman' s Magazine {Graham' s Magazine):
I 41, 103, 170, 171, 172, 173, 182, 183, 192, 269, II 75, 113, 121,
215, 237, 274, 329, 363, 383, III 47, 63.
Graves, Sergeant Samuel („Bully"): I 75, 76, 85, 91, 92, 109, no.
Gray, Das Bildnis des Dorian, von Wilde: III loj.
Greely, Horace: I 204.
Grey, Edward S. T. (Pseudonym für Poe): I 287.
Griffith, Sergeant: I 75.
Griswold, Hauptmann H. W.: I 83.
Griswold, Reverend Rufus Wilmot (Testamentsvollstrecker Poes): I
172, 182, 183, 198, 221, 230, 246, 274, 303, 310, 32J, 346, II 12,
69. 75. 97^ 273, 317, III 33, 34, 123, 127, 128, 165, 170, 266, 282;
biographische Angaben: I 181, 182; ersetzt Poe bei Graham' s
Magazine: I 182, 183, II 363; schildert Poe: I 191, 192; seine
Beziehungen zu Frau Osgood: I 201, III 33, 127.
Giuccioli, Gräfin: II 80.
Guyon, Dr.: II 277.
Gwynn, William: I 24.
Haeckel, Ernst: II 168.
Haggard, Henry Rider: II 71.
Halleck, Fitz-Greene: I 174.
Hansen, Dr.: II 278.
Häphaistos: II 259.
Harper & Brothers: I 131, 157, 160, 194, II 121.
Harrison, Gabriel: I 197.
Harrison, Prof. James A. (Virginia Edition): I 9, 13, 327, 348,
II 109.
Harrison, General William H.: I 168, 174.
Hartmann, Heinz: I 154. ■
Haswell, Barrington & Haswell: I IJ9.
Hatch & Dunning: I 89.
Haven, „Old Benny": I loi, in.
Heine, Heinrich: III 32J.
Helen: siehe Whitman, Helen.
Helen, siehe Stanard, Helen.
Hemmung, Symptom und Angst, von Freud: II 154, 413, III 74,
117, 15J, 162.
Henry: siehe Poe, William Henry Leonard.
Hera: II 259.
Herkules: II ij8, 201.
Hernani, von V. Hugo: II 87, 9j, III 53.
Herodes: III 325.
J
Register 353
Herodot: III 32$.
Herring, Die (Vetter und Cousine Poes): I 17J.
Herring, Frau (Smith), Cousine Poes: I 146, 186, 239.
Herring, Eliza, geb. Poe (Gattin Henrys, Tante Poes): I 89.
Herring, Henry (Onkel Poes): I 89.
Herring, Henry (Vetter Poes): I 350, 352.
Herschel, J. F. W.: III 195.
Hewitt, Mary E.: I 237, 300.
Hirst, Henry Beck: I 179— 181, 188, 191, 228.
Histoire de la Philosophie, von A. Fouille: III 207.
Histoires extraordinaires, von Ch. Baudelaire: I 141, 178, 303, II 8,
III 296, 327.
Histoires grotesques et serieuses, von Ch. Baudelaire: III 293.
History of Psychology, A, von G. S. Brett: II 262.
HofFman, Charles Fenno: I 263, III 170.
Hofimann, E. Th. A.: I 117, III loj, 235.
Holländer, Der fliegende, von R. Wagner: II 327.
Home Journal, The: I 237, 245, 246, 279, 310.
Home Life of Poe, The, von S. A. Weiß: I 261.
Homer: I 47.
Hooper, Sergeant: I 75.
Hopkins, C. D. (erster Gatte Elizabeth Poes): I 10, II 296.
Hopkins, Elizabeth: siehe Poe, Elizabeth.
Horaz: I 47.
Horla, Le, von Maupassant: III loj.
Hörne, R. H.: II 371
House, Oberst James: I 76, 82.
Howard, Leutnant: I 74, 76, 82, 83.
Hugo, Victor: II 9j, III 53, 320, 325, 331.
Humboldt, Alexander von: I z66.
Indian Queen Tavern, The, Ridimond: I 13, ij.
Infantile Genitalorganisation, Die, von Freud: III 309.
Ingram, John H. (Biograph Poes): I 9, 13, 176, 224, II 91.
Ingram, Suzan: I 344.
Irving, Washington: I 47.
Israfel, von H. Allen: I 9, 11, 12, 13, 15, 19, 30, 34, 43, 4$, 46,
51. J7. 84, 92, 103, 113, 118, 135, 137, 140, 160, 163, 176, 192,
201, 206, 210, 214, 222, 227, 234, 23 j, 236, 242, 243, 261, 263,
266, 269, 270, 278, 319, 323, 326, 327, 334, 338, 344, 348, 350,
II 83, 88, 89, 91, 102, 131, 151, 217, 2J2— 2J4, 256, 296, 300,
31J, 318, 319, 361—363, III 16, 29, 33, 44, 87—90, 123, 127,
160, 167 — 169.
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 25
354 Register
Jadtson, Andrew: I 156.
Jahrbuch der Psychoanalyse: II 257.
Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen:
III 265, 294.
J ardin des Supplices, von O. Mirbeau: III 37.
Jean, Paul: siehe Richter, Jean Paul.
Jeanne: siehe Duval, Jeanne.
Jeans, James: III 190, 203, 206.
Jefferson, Thomas: I 44, 49, J3, jj, 58.
Jehovah: I 264, II 207, 259, III j8, 200.
Jekels, Ludwig: II 256.
Jenseits des Lustprinzips, von Freud: III 303.
Jeremias: II 232.
Joe Miller's Jests, von John Mottley: I 47, 65.
Johnson, Samuel: I 35, 113.
Jokaste: II 394, 395.
Jones, Ernest: I 31, II 257—267, 319, III 32J.
Journal: siehe Diary.
Journaux intimes, von Ch. Baudelaire: III 298.
Juan, Don: III j8, 60, 72, 76.
Juan, Don, von Byron: II 159.
Jude, Der ewige: siehe Ahasver.
Julie ou La Nouvelle Heloise, von J.-J. Rousseau: II 247.
Juliette, von Marquis de Sade: III 325.
Junior Morgan Riflemen: siehe Ridimond Junior Volunteers.
Kain: II 321.
Kaiphas: II 322.
Kainszeichen, Das, von Th. Reik: II 321.
Kant, Immanuel: II 274, III 207.
Karl VI. von Frankreich: III 43.
Karl der Große: III 325.
Keats, John: I 29, 47, j8.
Kelvin, Lord: III 207.
Kennedy, John P.: I 123, 124; hilft Poe: I 126; Brief Poes an ihn:
I 129, 143.
Kent, Charles W.: I 67.
Kepler, Johann: III 172, 194.
Kidd, William (Kapitän Kidd): II 227, 231, 23J, 236, 239, 418.
Kilmarnodi, Lord: I 31.
Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci, Eine, von Freud: II 260,
III 22, 132.
Kinzinger, Albredit: II 324.
Kleist, Heinrich von: III 325.
Register 3 5 j
Klytämnestra: III 57.
Knickerbocker, The: I 131, 170, 203.
Krafft-Ebing, R. von: III 323.
Kreuzesbrüder, Die, von Z. Werner: III 325.
Kronos: II 20, 173, III 23, 53.
Krutdi, Joseph "Wood (Biograph Poes): I 39, 137, 141.
Kürten, Peter: II 384, III 316, 317.
Lacassagne, Jean: III 316.
La Fayette, Marquis de: I 10, 44, 4J, 51, jj, 114, III 165.
Laforgue, Rene: III 289, 296.
Laios: II 326, III 287.
Lamartine, Alphonse de: III 320.
Lampl-De Groot, Jeanne: III 74.
Länder Europas, Die, von J. Tischendorf: III 6g.
Lane, Thomas H.: I 228.
Langlois, Jean-Charles: II 258.
Laplace, Pierre Simon: I 263, III 170, 172, 188 — 190, 205, 214, 218.
Latrobe, J. H. B.: I 123, 124, II 121.
Lauvrike, Emile (Biograph Poes): I ij, 138, 179, 224, 321, 346.
Lay, John O.: I 74.
Lea & Blanchard: I 162, 165.
Lee, Isac: I 160.
Lee, Zaccheus Collins: I 352.
Lefebvre, Der Fall, von M. Bonaparte: II 382.
Legrand, William: siehe DER GOLDKÄFER.
Leibniz, Gottfried W.: I 263, III 204.
Leicester, Lord: I 32.
Lenore: I 141, 198, 211, 226, II 16.
„Le Poer": I 299.
„Le Rennet, Henri": I 66.
Letters of a British Spy, von W. Wirt: I 86.
Lettres inedites ä sa mere, von Ch. Baudelaire: III 286.
Lewis, Sarah Anna („Estelle"): I 229, 322 32J, 326, 347, 353.
Lewiston Journal Co., The: I 210.
Liebesleben, Beiträge zur Psychologie des, von Freud: II 294.
Life of Edgar Allan Poe, The, von W. F. Gill: I 15, 327.
Life of Edgar Allan Poe, The, von G. E. Woodberry: I 14.
Ligeia (LIGEIA): I 19, 13J, 142, 240, 249, 257, 354, II 28— 4j,
47, $6, 72, 78, 209, 332, 386, III 86, 239, 260, 280; ihre Augen:
I 224, 2J2, 2J3, 316, II 31—33; in AL AARAAF: I 73, 98, 102,
II 240.
Lippard, George: I 180, 329.
„Literati", Die: I 196, 198, 206, 209, 237, 279.
23*
35^ Register
Littre, M. {Dictionnaire de la langue frangaise): II 406.
Locke, Frau (Schwägerin der Frau Osgood): I 279.
Loewe, Carl: III 270.
Logre, Benjamin: III 296.
London Ladie's Magazine, The: I 47.
Longfellow, Henry W.: I 171, 174; „Krieg" mit Poe: I 193.
Loud, Saint-Leon: I 342.
Loud, Frau: I 342, 347.
Lowell, James Russell: I 188, 197, 202, III 16.
Ludwig Artide, The, von R. Griswold: III 282.
Ludwig, Otto: III 325.
Lummis (Bruder der Frau Eilet): I 230, 231, III 32.
Lune offensee, La, von Ch. Baudelaire: II 210.
Lunier, Dr.: III 322.
Lyle, Hauptmann John: I 45.
Lyndi, Anna C. (Frau Botta): I 234, 277, 278.
Lyttleton Barry (Pseudonym für Poe bei DER VERLORENE
ATEM): II 296.
„Ma": siehe Allan, Frances.
Mabbott, Dr. Thomas Olive: I 50.
Macaulay, Thomas Babington: I 47.
Mac-Farlane: I 29J.
Mac-Intosh, Maria: I 279, 285, 287.
Mackenzie, Jane: I 37.
Mackenzie, John (Jade): I 17, 3j, 37, 43, 284.
Mackenzie, Mary: I 17.
Mackenzie, Frau 'William: I 16, 17, 18, 52.
Mackenzies, Die (Adoptiveltern von Poes Schwester): I 23, 52, 81,
90, 123, 128, 134, 289, 332, 333, 338, II 229, 2J3, III 219.
Madeline (Hans Usher): I 19, 146, 175, II 47, 52 — 64, 78, 104, 108,
III 36, 86, 239, 250, 255, 281.
Madonna's conception through the ear, The, von E. Jones: II 257.
Maedler, Johann Heinridi: III 195.
Mahäbhärata : II 258.
Maldius: II 322.
„Mammy" (schwarze Bonne Poes): I 24, II 109, III 29.
Manor House School (des Reverend Bransby): I 31, II 39.
Maranon, Gregorio: III 160.
Marbeuf, Louis Charles Rene: II 2j6.
Maria von Magdala (Plastik), von Canova: I 47.
Mariamne: III 325.
Marie (Geliebte Baudelaires): III 294.
Marie, von Otto Ludwig: III 325.
I
J
Register
iS7
Mariette (Hausmäddien bei Baudelaire): III 88.
Marquise von O., Die, von Kleist: III 325.
Mary (Adoptivtochter der Valentines): I 240, 241.
Mathews: I 54.
Matthäus, Apostel: III 61.
Maupassant, Guy de: III 105, 233.
Maxwell, James Clerk: III 207.
Mayflower, The: II 383.
Mayo, Die: I 344.
Melissa: III 325.
Memoir, von Griswold: siehe Works of the Ute Edgar Allan Poe
with a memoir by Rufus Wilmot Griswold and notices of his
Life and genius by N. P. Willis and ]. R. Lowell: I 303, III
282.
Menard, Louis: III 298.
Mentoni, Mardiese von: siehe DAS STELLDICHEIN.
Mercier, Ed.: III 322.
Messenger: siehe Southern Liter ary Messenger, The.
Metropolitan: II 116.
Midiea, Dr.: III 322.
Miller, James H.: I 123.
Mills Nursery Company, Philadelphia: I 61.
Milton, John: I 47.
Mirbeau, Octave: III 37.
Mirror: siehe Evening Mirror, The.
Mitdiell, John Kearsley: I 175, 187.
Mitty, Jean de: III 298.
Moliere: II 166, III 220.
Mon cceur mis ä nu, von Ch. Baudelaire: III 299, 302.
Monotheistische Strömungen innerhalb der babylonischen Religion:
II 232.
Monroe (Festung): I 75, 76, 82, 83, 91, 109, 138, II 237.
Monticello (Besitz des Th. Jefferson): I 52.
Moore, Thomas: I 46, j8.
Moralische Ansichten, von Novalis: III 2.6'j.
Moran, J. J.: I 350—352.
Morella (MORELLA): I 19, 142, II 22—27, 35. 4°. 43. 108, III
239, 253, 281.
Morgan Legion: siehe Ridimond Junior Volunteers.
Mott, Dr. Valentine I 243.
Moyamensing Prison: I 328, II 211.
„Muddy": siehe Clemm, Maria.
Müller, Priedridi M.: II 264.
Musset, Alfred de: III 320,
^
3j8 Register
„Myra": siehe Royster, Sarah Elmira.
Mythologie Asiatique lllustree: II 211.
Mythus von der Geburt des Helden, Der, von O. Rank: II 90, 158.
Nadar (Felix Tournadion): III 298.
Nancy, Tante: siehe Valentine, Anne Moore.
Napoleon I.: II 2jS.
Neal, John: I 89.
Nergal: 11 232.
Nesace (AL AARAAF): I 72, 98, 102, 144, II 240.
Nessus: II 158.
Neue Revue: III 233.
Newark Courier, The: I 137.
Newman, Mary: I 119.
Newton, Isaac: I 263, III 178, 179, 183, 20J, 211, 214.
New York Mail and Express, The {New York Express): I 237.
New York Mirror, The (Mirror): I 231, III 33.
New York Sun, The: I 193.
New York Tribüne, The: I 119, 216, 221, 303, III 282.
Nichol, Dr.: III 19J.
Nichols, Mary Gove: I 229; sdiildert Poes Leben in Fordham:
I 232—234, II 376, 377.
Nightmare, On the, von E. Jones: III 325.
Norddeutsche Sagen, von Kuhn v. Sdiwarz: II 325.
Norman Leslie, von T. S. Fay: I 131.
North American: siehe For the North American.
North American Review, The: I 170.
Notes nouvelles sur Edgar Poe, Einleitung zu den Nouvelles histoires
extraordinaires, von Ch. Baudelaire: III 296.
Novalis: II 365.
Nuit de decembre, von Musset: III 105.
Ode on a Grecian Flute, von R. H. Stoddard: I 20J.
Odier, Charles: III 309.
Odin: siehe Wotan.
ödipus: II 391, 394, 395, 397, III 287. Siehe auch Index C:
Ödipuskomplex.
Ökonomische Problem des Masochismus, Das, von Freud: III 303.
Olbers Mathias: III 20J.
„Old Benny": siehe Haven.
Old Swan Tavern, The, Richmond: I 333, 338.
Ontogenie des Geldinteresses, Zur, von Ferenczi: II 232.
Oquawka Spectator, The: I 323.
Orestes: III J7.
Register 3 59
Orfeo, von Politien: II 84, 90, 93.
Orfila, Dr.: II 278.
Origenes: II 260.
Orion: II 33J.
Orleans, Louis, Herzog von: III 44.
Osgood, Frances, geb. Lodie: schildert Poe und wird von ihm ge-
sdiildert: I 200 — 202; seine Beziehungen zu ihr: I 206, 207, 209,
210, 214; Ende dieser Liebe: I 229, 230; und ULALUME: I
249— 2 J4; und ELEONORA: II 73; und DER GOLDKÄFER:
II 234; und DIE MASKERADEN: III 32, 33, 36; und WAL-
DEMAR: III 127, 128; und Das Uterarische Kunstwerk: III 282.
Ferner: I 237, 276 — 279, 306, 310, II 8.
Osgood, Samuel S. (Gatte der Frances Osgood): I 201.
Ourousof, Prinz: III 298.
Outis: I 199.
Pabodie, W. J.: I 296, 301 — 303.
Paradis artificiels, Les, von Ch. Baudelaire: II 7$.
Paris-Medical, Le: II 341.
Parsifal, von R. Wagner: III 226.
Partisan Leader, The, von B. Tucker: I 14.
Pascal, Blaise: III 173, 329.
Patterson, Edward Horton Norton: I 284, 323, 337.
Patterson, Louisa Gabriella: siehe Allan, Louisa Gabriella.
Paulding, John K.: I 157, II 121.
Paulus, der Apostel: III 62.
Pedder, James: I 159.
Pellereau, Dr.: II 278.
Pellier, Dr.: II 278.
Percy, Lord: I 31.
Periander: III 325.
Perrault, Charles: II 21, 233, III 252.
Perry, Edgar A. (Poes Name als Soldat): I 69, 77, 82.
Perseus: II 63, 179.
Peter Schlemihl, von A. Chamisso: III 10 j.
Peterson, Charles J.: I 171, 192, 269, 331; sein Streit mit Poe:
I 182, 183.
Petits poemes en prose, von Ch. Baudelaire: III 318, 320.
Phaidros, von Plato: III 277.
Phelps, Frau: I 137.
Philadelphia Dollar Newspaper, The: II 215.
Philadelphia Saturday Courier, The: I 116, 12 j.
Philadelphia Saturday Museum, The: I 41, 188.
Philadelphia United States Saturday Post, The: II 376.
3^0 Register
Phillips, Frau: I 15—18, II 286; und ANNABEL LEE: I zzi.
„Phiz": siehe Browne, Hablot Knight.
Piedeli^vre, Rene: II 277, III 341.
Pilatus: II 322.
Pinkney, Edward Coote: I 47.
Pioneer, The: I i88, III 9.
Placide: I 17, 18, 22, II 252, III 28.
Plato: II 65, III 224, 277.
Plinius: II 260.
Plotin: III 207, 208.
Pluto: siehe DIE SCHWARZE KATZE.
Poe and Opium, in The Life of Edgar Allan Poe, von G. E. Wood-
berry: I 147.
Poe, Miß: I 147.
Poe, „General" David (Großvater Edgars): I 9, 54, 69; La Fayette
verneigt sich vor seinem Grab: I 45; und der Oberst House:
I 76; und der Empfehlungsbrief John Allans: I 84; sein Ruf: I 84;
und die RUE MORGUE: II 330.
Poe, David (Vater Edgars): I 9, 10, 11, 15, 63, 88, 143, 152, 153,
320, 321; sein Versdiwinden und die Legende von seinem Tod:
I II, 16, II 94, 212, 229, 252, 301, III 90; und ANNABEL LEE:
I 218; und ULALUME: I 253; und DAS STELLDICHEIN: II
94; und METZENGERSTEIN: II 105; und PYM: II 136, 156,
191; und DER VERLORENE ATEM: II zji— 2J4, 298—303;
und die RUE MORGUE: II 33J, 336, 358, 367, 368, 374, 37J;
und DER ENTWENDETE BRIEF: II 417; und DAS
SCHWATZENDE HERZ: III 28; und DIE MASKERADEN:
III 35, 36, 59; und VERWETTE NIEMALS...: III 80; und
WILLIAM WILSON (die Inspiration zu diesem Werk): III 90;
und HEUREKA: III 220; und Das literarische Kunstwerk: III
250, 262.
Poe, Elizabeth, geb. Cairnes (Großmutter Edgars): I 84, 87, 88,
114; ihr Tod: I 127.
Poe, Elizabeth, geb. Arnold (Mutter Edgars): I 10 — 19, 21, 22, 26,
38, 39, 42, 66, 72, y% 80, 93, ^6, 99, 100, 102, 104, 105, 106,
107, 134, 135, 136, 137, 141— 146, 186, 211, 226, 250, 251, 252,
253, 256, 304, 309, 310, 320, 328, 329, 354; die Anmerkung über
ihr Geburtsdatum: I 13; Beschreibung ihres Äußeren: I 14; ihre
Briefe und ihre Untreue: I 16, 19, 51, j2, 222, II 253—255,
256, 368, 369, III 242 (siehe auch X.); ihr Tod: I 18, 19; und
„der glütklidie Tag" Edgars: I 68, 69; ihre Augen: I 14, 223,
224, 241, 253, 316, 342; und die Hämoptysie Virginias: I 175,
179, 184; und Frau Osgood: I 241, 242; und ANNABEL LEE:
I 218 — 225; und der Tod Virginias: I 240; und ULALUME:
Register jfii
I 250—254, 256, 257, 259—261; und der Tod Edgars: I 354;
und BERENICE: II ii- 17, 19; und MORELLA: II 23—27;
und LIGEIA: II 29, 30, 31—40, 42, 43, 45; und DAS HAUS
USHER: II 52—54, 57—59, 62—64; und ELEONORA: II 66,
68—70, 73; und DAS OVALE PORTRÄT: II 76, 78; und DAS
STELLDICHEIN: II 92—94; und METZENGERSTEIN: II
9y, IOC, 104, 105, iio; und LANDORS LANDHAUS: II 116;
und DIE INSEL DER FEE: II 119; und PYM: II 128, 129,
151, 154, 166, 167, 204, 211, 212; und DER GOLDKÄFER:
II 229, 230, 234, 236, 237, 239; und DER VERLORENE ATEM:
II 252—256, 285, 286, 287, 291, 296, 298, 300—303; und DER
MANN DER MENGE: II 325; und die RUE MORGUE: II
358, 365, 366, 368—375; und DIE SCHWARZE KATZE:
II 386, 389, 393, 399, 403; und DER ENTWENDETE BRIEF:
II 417; und DAS SCHWATZENDE HERZ: III 19, 27, 28, 29;
und DIE MASKERADEN: III 36, 41, 44, 45, 57, 59; und
VERWETTE NIEMALS...: III 64, 84; und BEDLOE: III
126; und WALDEMAR: III 128; und HEUREKA: III 217,
220; und Das literarische Kunstwerk: III 239, 240, 250, 252, 253,
260, 261, 264, 267, 277, 280, 281, 327.
Poe, Edgar Allan: Frühe Kindheit: I 9—19; Tod der Mutter: I 18;
die Erbschaft: I 18, 19, II 253, 368; adoptiert von den Allans:
I 18, 20—22, II 253, 298; seine Adoptiveltern: siehe Allan John
und Allan Frances; in der Sdiule von Richmond: I 25; in der
Schule von Irvine (Dr. Robertson): I 30, 31, II 318; in der
Pension der Dubourgs: I 31, II 319; beim Reverend Bransby in
Stoke Newington: I 31, 32, II 39, 320, III 86—91, 96; Auf-
enthalt in New York: I 33, 34, 156, 158, 159, 193, 194, 325 (siehe
auch Inhaltsverzeichnis); in Richmond: I 34, 59, 60, 78, 84, 85,
90, 91, 122, 125, 283, 332, 333, II 216 [siehe audi Inhaltsverzeichnis);
im Trinity College von Dublin: I 35; schläft außer Haus bei
Burling: I 36, II 132; Begegnung mit Helen: siehe Stanard, Helen;
Leutnant bei den Richmond Junior Volunteers: I 44; im neuen
Zimmer: I 47; seine Lieblingsdichter: I 47; die achatne Lampe:
I 47, 103; Begegnung mit Elmira: siehe Royster, Sarah Elmira;
auf der Universität von Virginia: I 52 — 59; Schulden: I 56, 57;
Orgien an der Universität: I 55, 56 — 58, III ^y, 99; Rückkehr
von der Universität: I 59 — 61, 63; er sucht eine Stellung: I 61;
die wichtigste Entscheidung seines Lebens: I 62, 63; aller Mittel
entblößt: I 64, 65, 85, 112, i6o, 235, 236; Appelle an Mildtätig-
keit: I 237, 238, 284; bei der Armee: I 69; auf der Insel Sullivan:
I 71, 72, II 216, 217; Deckname Edgar A. Perry: I 69, 77, 82;
will auf die Offiziersschule nach West Point: I 74; Sergeant-
Major: I y6; die Beerdigung Frances Allans: I 77 — j^; darf nach
I
3^2 Register
West Point: I 8i; der Brief „Bullys": I 83, 91, iio; die Hilfe
Allans: I 83, 84; in Baltimore, bei Frau Clemm: I 84, 8j, 87,
88; Frau Clemm: siehe Clemm, Maria; Vorsprache im Kriegs-
ministerium: I 84; endlich in West Point aufgenommen: I 93; in
West Point: I 94— iii; verläßt West Point: I iii; bemüht sich
um Kate Blakely: I 114, 139, II 361; -von Sdiuldhaft bedroht:
I ijy, Begegnung mit Mary Devereaux: siehe Devereaux, Mary;
seine Beziehung zu Virginia: siehe Poe, Virginia; der Brief des
Verzweifelten an Kennedy: I 129, 143, 145; von White entlassen
und wieder angestellt: I 129, 130; die Konfession Poes: I 131,
352; Streit mit Petersen: I 182; der Skandal bei den Saratoga
Springs: I 187, 191, II 73; kann die Anstellung bei den Zollbehörden
nicht eriangen: I 174, 187, 188; das Abenteuer in Washington:
I 188—191; er verläßt Philadelphia: I 192; sein Leben in
Bloomingdale Road: I 194, 195; der Brief an Duyckinci: I 207,
208, II 29; der „Skandal" wegen Frau Osgood: I 206, 229, 230,
II 32; gewinnt den Prozeß gegen English: I 230, 231, III 32, 33;
seine Begegnung mit Frau Shew: siehe Shew, Marie-Louise; mit
Helen: siehe Whitman, Helen; mit Annie: siehe Ridimond, Annie;
sein Duell mit Daniel: I 28j; sein Abschied von „Stella": I 326;
wegen Trunkheit arretiert: I 328, 329; Begegnung mit Elmira:
siehe Royster, Elmira; die letzte Reise nach dem Norden: I
346—348; die Wahlen: I 348, 349; bewußtlos ins Spital ein-
geliefert: I 350; Poes Tod: I 352.
Poes Interesse an Astronomie: I 48, 73, 262 (siehe auch
HEUREKA); der Sportler: I 27, 32, 35, 38, 164, II 83, 91, 92;
der Musiker: I 52; seine Berufung zum Dichter: I 36, 37, 58, 73,
76, 8i, 82; Druck des ersten Buches (T AMERLANE ...) : I 65;
Pseudonym Henri Le Rennet: I 66; Versuche, AL AARAAF zu ver-
öffentlichen: I 8j— 87; zweites Buch (AL AARAAF. . .): I 89; Er-
folg dieser Veröffentlichung: I 90; über die Gedichte in diesen Büchern:
I 97 — 109; die Kadetten subskribieren ein neues Werk: I 109;
POEMS: I 112, 113; das Vorwort, ein erstes kritisdies Werk (BRIEF
AN B.): I 113; erste Prosaarbeiten (GESCHICHTEN DES
FOLIO CLUBS): I 116 — n8; preisgekrönt beim Preisausschreiben
des Baltimore Saturday Visiter: I 123, 124; Einsendungen an den
Southern Literary Messenger: I 126, 127; in der Redaktion des
Southern Literary Messenger: I 127 — 129; entlassen und wieder
aufgenommen: I 129, 131; dort Kritik an Norman Leslie: I 131;
neuerdings entlassen: I 133; Aufruf für Reynolds: I ij8, 3J1,
354; das Handbuch für Conchologie: I 159, 160, 194; beim
Burton's: I 161 — 164; des Germanismus beschuldigt: I i6j — 167;
Erscheinen der TALES OF THE GROTESQUE . . . : I iSj; beim
Graham's: I 169—182; Griswold an seiner Stelle: I 182, 183,
Register 363
II 363; in Washington wegen des Stylus: 1 187—190, II 380;
im Weißen Haus: I 189, 190, 191; ein Narr?: I 191; beim
Evening Minor: I 196, 197; beim Broadway Journal: I 197;
DER RABE: I 198; alleiniger Besitzer des Broadway Journal:
I 204, 205; die „Sternsdiwestern": I 210 — 212; die „Literati":
I 227, 230, 231, III 33; Erfolge in England, Schottland, Frank-
reidi: I 238; der Stylus soll endlich erscheinen: I 306, 323 — 324.
Poes Vorträge: vor den „Literati": I 198, 199; in Boston: I
208; in Lowell: I 266, 280, 292, 301; in Providence: I z66, 300,
301; in Richmond: I 337, 343, 345; in Norfolk: I 343; über
HEUREKA: I 16$, 266; über das DICHTERISCHE PRINZIP:
I 266, 280, 326, 337, 343, 34J.
Poe, der Dipsomane: I 146, 149 {siehe auch Index C: Alkohol-
sucht); der Opiumsüchtige: I 146 — 148 {siehe auch Index C:
Opiumsucht, Sucht); herzleidend: I 187, 270, III 16; geisteskrank:
I 232, 265, 270, 321, 327—334, II 362, 363, III 165; Angst vor
Makabrem: I 25, 26, II 209; Visionen: I 328, 330, 353, 354; die
kalte Marmorhand: I 43, II 29, 43; Diagnose seiner Krankheit:
I 320, 321; Darstellung seines Zustandes im Brief an Eveleth:
I 176, 177; an Duyckinds: I 207, 208; sein Sexualideal (Virginia):
I 150, iji, 179, 181; seine Keuschheit: I 148 — 150, 181, 186, 2J7,
378, 11 163, 164, 301; seine Fluchten: I 30, j2, 63, 15c, ij2,
153, 176, 179, 181, 184—186, 190, 202, 214, 254, 283, 343, II
100, 129, 132, 136, 144, 146, 268, 319, 363, 364, 380, 381,
III 96, 163, 169, 170, 229, 230; das Wesen dieser Fluditen:
I 178, 179, 181, 185 — 186; die Frauen um Poe: siehe Poe, Eli-
zabeth; Allan, Frances; Stanard, Helen; Poe, Rosalie; Potiaux,
Catherine; Royster, Elmira; Poe, Virginia; Clemm, Maria; Blakely,
Kate; Devereaux, Mary; Osgood, Frances; Shew, Marie-Louise;
Whitman, Helen; Richmond, Annie; die Reihe der „Sdiwestern": I
24, 49, 118, 207; Poes Beziehungen zu Körperteilen: zu den Augen:
I 201, 202, 252, 2J3, 316, 342, II 14, 15, 17, 23, 31, 32, 36, 39,
43, 44, 50, 141; zu den Haaren: I 119, 201, 202, II 15 — 17, 23,
3°. 31. 39. 40j 50. Jij 71. 72> ni 261; zu den Zähnen: II ij, 17,
19, 20, 21, 43, 104, 141, 148, 155, 168, 169, 176, 185, 186, 191,
192, 193, 208, III 42, 261.
Poe, geschildert von: Griswold: I 191, 192; Martha Brennan:
I 19J, 196; G. Harrison: I 197; Frau Osgood: I 200, 201;
Saunders: I 203; einer „Sternschwester" : I 210, 211; Lane: I 228,
229; Frau Nichols: I 232 — 234; Miß Cromwell: I 235; Frau
Weiß: I 261; Frau Clemm: I 262, 263; Frau Shew: I 269, 270;
Sarah, der Schwester Annies: I 292; Frau Whitman: I 29 j, 296.
Siehe auch die Beziehungen zu anderen Personen und Ereignissen,
Index B und C und das Literaturverzeichnis.
1
3^4 Register
Poe, Eliza: siehe Herring, Eliza.
Poe, George (Vetter Poes): I 89.
Poe, Mosher (Vetter Poes): I 8j.
Poe, Neilson (Vetter Poes): I 126, 128, 352.
Poe, Rosalie (Rose, Schwester Poes): Angaben über ihr Geburts-
datum: I 12, 229, II 2J4, 256; Poe und die Geburt Rosaliens:
I 223, II 93, 94, 236; Zweifel an der ehelichen Geburt: I 12,
16, 22, ji, 222, II 94, 2J4, 2J5. 29J. 301. i6S, 372, III 262, 281;
bei Frau Philipps: I 18; sie wird von den Madjenzies adoptiert:
I 18, 19, 23, 174; ihre Erbsdiaft: I i8, 19, 240, II 2J3; im Pen-
sionat Madcenzie: I 37; Botin zwischen Poe und seinen Freun-
dinnen: I 37; sie und Elmira: I jo, ji; sieht Poe wieder: I 90,
123, 284, 333, 336; sie und Virginia: I 134; Poe bittet sie um
Morphium: I 147; und ANNABEL LEE: I 21J, 217, 218, 219,
222, 223, 309; überreicht Miss Talley ein Manuskript von FÜR
ANNIE: I 345; und MORELLA: II 25; und LIGEIA: II 37; und
DAS STELLDICHEIN: II 93, 94; und PYM: II ijo; und DER
GOLDKÄFER: II 229, 230, 236; und DER VERLORENE
ATEM: II 2J3— 2J7, 291, 29 j, 301; und die RUE MORGUE:
II 372, 373; und DAS SCHWATZENDE HERZ: III 28; und
VERWETTE NIEMALS...: III 80; und HEUREKA: III 219;
und Das literarische Kunstwerk: III 252, 262, 264.
Poe, Virginia, geb. Clemm, Virginia-Eliza (Gattin Poes): Geburt:
I 87; äußere Erscheinung: I 88; Botin zwisdien Poe und Mary
Devereaux: I 119, 139, 238; Heiratspläne und Poe: I 126; man
will sie vor Poe entführen: I 128; geheime Heirat und Poe:
I 130; sie folgt Poe nach Richmond: I 130; öffentliche Heirat:
I 131» 13^; ihre Beziehungen zu Poe: I 133 — 146; bevorzugtes
Objekt von Poes Sexualwahl: I ijo, iji, 179, 183; Virginia in
New York: I 156, 193; und Frau Graham: I 172; ihre Hämo-
ptoen: I 175, 176, 179, 181, 183, 184, 200, 209, II 237, 362—364,
3^^» 375. III 47; leidend: I 194, 195, 200, 209; ermutigt Poe bei
seinen Beziehungen zu Frau Osgood: I 201, 206; und die „Stern-
schwestern": I 210, 211; Virginia =:Lenore: I 211; bei den Bren-
nans in Fordham: I 212; der Brief Poes: I 213, 214; die Sterbende:
I ;^3_4._ 23J. 23Ö. 237, 238; und Frau Shew: I 237—241, 267;
Virginia erhält anonyme Briefe: I 238; stirbt: I 240, 241; sie
wird geschildert von Frau Niciiols: I 232, 236; von Miss Crom-
well: I 235; Virginia und ANNABEL LEE: I 217—219, 224,
261, 309; und ULALUME: I 234, 245, 246, 249—253, 258—261;
und BERENICE: II 10—14; und MORELLA: II 24, 25; und
LIGEIA: II 40—42, 45; und DAS HAUS USHER: II 53, 56,
57, 63; und ELEONORA: II 65—68, 70, 72, 73; und DAS
OVALE PORTRÄT: II 75, 78; und DAS STELLDICHEIN;
Register 365
II 79; und METZENGERSTEIN: II 104; und PYM: II 121;
und DER GOLDKÄFER: II 21 j, 234; und DER VERLORENE
ATEM: II 248; und die RÜE MORGUE: II 330, 362—366,
375; und DIE SCHWARZE KATZE: II 376—378, 380, 381,
386; und DIE MASKERADEN: III 36, 47; und WASSER-
GRUBE UND PENDEL: III i6j; und HEUREKA: III 167—169,
211; und Das literarische Kunstwerk: III 239, 250, 253, 261,
279—281, 327.
Poe, William (Vetter Poes): I 16, 142, II 25 j.
Poe, William Henry Leonard (Bruder Poes): Geburtsdatum: I 11;
bei den Großeltern: I ii, 218, 222, 11 229, III 219; der Brief
John Allans über Rosalie: I 45, 52, II 2J4; The Pirate: I 49, 50;
sieht Edgar in Ridimond: I 51; bei der Handelsmarine: I ji;
Edgar eignet sidi seine Erinnerungen an: I 90, 95, II 132; mit
Edgar bei Frau Clemm: I 87, 88, 114; Rivale eines Thomas:
I 168; Rivale seines Bruders (Kate Blakely): I 114, II 361;
sein Tod: I 114, II 14, 175, 361; und BERENICE: II 14; und
PYM: II 131, 132, I7J, 214, 229; und DER VERLORENE
ATEM: II 2J4, 257; und MARIE ROGET: II 361, 375; und
DIE MASKERADEN: III 35, 36; und BEDLOE: III 123, 126;
und HEUREKA: III 219.
Poe's Brother, The Poems of William Henry Leonard Poe, von
Allen und Mabbott: I 48, 49.
Poetes et nevroses, von A. Barine: I 281.
Poets and Poetry of America, Anthologie, von Griswold: I 182.
Politien, Angelo Cini: II 8 j.
Poore, Frau: I 128.
Pope, Alexander: I 35.
Pordae, Franfois: III 289, 291.
Potiaux, Catherine Elizabeth (erste Liebe Poes): I 25, 38, 284.
Power, Frau Nidiolas (Mutter der Frau Whitman): I 295, 296, 299,
300, 302, 337.
Power, Sarah Helen: siehe Whitman, Sarah Helen.
Precis de Medecine legale, von V. Balthazard: II 277.
Preston, Oberst James P.: I 85.
Prose Writers of America, von Griswold: I 199.
Protestantismus: II 365.
Psalmen (Davids): II 259.
Psyche (ULALUME): I 252—259, 275.
Psychischen Wirkungen der Rauschgifte, Die, von S. Rad6: II
280.
Psychoanalyse, Jahrbuch der: II 257.
Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobiographisch beschrie-
benen Fall von Paranoia, von Freud: III 109, 124, 125, 212.
366 Register
Psychoanalytische und psychopathologische Forschungen, Jahrbuch
für: III 265, 294.
Psychopathia sexualis, von Krafft-Ebing: III 323.
Psychopathologie des Alltagslebens, Zur, von Freud: I 92.
Punch: II 292.
Puppe, Dr., II 278.
Putnam, George P.: I 266, III 167.
„Quarles" (Deckname für Poe): I 198.
Quasimodo: III 326.
Quichotte, Don, von Cervantes: I 47, 65.
„Rabe" (Name für Poe): I 278, 281, 290, 300, III 283.
Rabelais, Frangois: II 258.
Radcliffe, Ann Ward: I 180, II 97.
Radeau de la Meduse, Le (Gemälde), von Gericault: II 159.
Rad6, Sdndor: II 280.
Ragged Mountains, The: I 54, 6y, II 222, 239.
Raimund, Ferdinand: III 105.
Rank, Otto, II 90, 158, III 105 — 109, 152 — 155.
Rawlings, George: I 333.
Reader's Handbook, The, von E. C. Cobham: II 323, 325.
Reflexions sur la puissance motrice du feu et sur les machines propres
ä developper cette puissance, von Carnot: III 201.
Reformation: II 365.
Reik, Dr. Theodor: II 321, 383.
Reynolds, J. N.: I ij8, II 178, 212; wird vom sterbenden Poe
gerufen: I 3J1, 3J4.
Ridiardson, C. A. (Taverne der Frau R.): I 65, II 132, 133.
Ridiardson, William (Lehrer in Richmond): I 22.
Richmond, Annie (Gattin Charles Richmonds): und ANNABEL
LEE: I 220; in Lowell: I 279; sie wird von Poe beschrieben:
I 279, 280; Poe wohnt bei ihr: I 281, 292; ihr Reiz: I 282, 320,
330, 348; der Konflikt Poes, Annie oder Helen: I 281, 283, 289,
292, 304 — 307; die Briefe Poes an sie: I 293, 294, 300, 301, 319,
320, 322; Skandal um Annie und Poe: I 299, 324; Annie und die
Gedichte Poes: I 307; und FÜR ANNIE: I 309—317; und das
Mißtrauen des Herrn Richmond: I 318; und die Verlobung Poes
mit Elmira: I 340 — 342; und der Tod Poes: I 3J2, 353; und
LANDORS LANDHAUS: II 116; und HOPP-FROSCH: III
40; und HEUREKA: III 169; und Das literarische Kunstwerk:
III 283.
Richmond, Charles (Gatte Annies): I 282, 298, 318, 340.
Richmond Examiner, The: I 28$, 338, 342.
Register 367
Ridimond Junior Volunteers: I 44, 55, 69.
Richter, Jean Paul: III loj.
Ricketts: II 130, 131.
Rime of the Ancient Mariner, The, von Coleridge: I 157, II ij, 16,
ifio. 177. 178-
Roberts: II 362.
Robertson, Dr.: II 319.
Robinson Crusoe, von D. de Foe: I 35, II 132.
Röheim, Geza: I 21, 323 — 326.
Romanzen vom Rosenkranz, von C. Brentano: III 325.
Rops, Felicien: III 298.
Rosalie: siehe Poe, Rosalie.
Rosalie Lee, von P. P. Cooke: I 219.
Rosenbadi: I 163.
Rosse, William Parsons: III 189.
Rousseau, Jean- Jacques: I 44.
Rowena (LIGEIA): I 81, 13J, 142, 242, II 39-4J, 56, 72, 104,
192, 209, III 253, 260.
Royster, Sarah Elmira (Myra, Gattin des Herrn Shelton): bio-
graphisdie Angaben: I 49; verlobt sich mit Poe: I 52; die auf-
gefangene Korrespondenz: I j2, 60, 81, 33J; heiratet Herrn
Shelton: I 60, 81; begegnet Poe: I 128; Möglichkeit einer Heirat
mit Elmira: I 187; neue Beziehungen: I 334—347; Verlobung:
I 336; Elmira und TAMERLANE: I 58, 68; und TO SARAH:
I 130; und DAS STELLDICHEIN: II 88, 91, 93; und
HEUREKA: III 169; und Das literarische Kunstwerk: III 250,
267, 283.
Royster (Vater Elmiras): I 50, 57, 60, 81, 33J.
Ryan's Fourth Ward PoUs: I 349.
Sabatier, Aglae-Apollonie: III 294, 301, 302, 321.
Sadis, Hanns: III 313.
Sade, Marquis de: III 325.
Sadist, Der, von K. Berg: III 317.
Sadler: I 346, 348.
Saint- John (Friedhof): I ij6.
Samoanische Märchen, von O. Sierich: II 260.
Sarah (Sdiwester Annies): I 282, 298, 317; schildert Poe: I 292.
Sarah („Louchette", Geliebte Baudelaires) : III 291, 327.
Sartain, John (Freund Poes): I 147, 172, 181, 182, 221, 327—329,
247.
Sartain' s Union Magazine: I 216, 221, 327.
Saturday Evening Post, The: I 170.
Saturday Museum: siehe Philadelphia Saturday Museum, The.
368 Register
Saunders: I 203.
Schutzinsel, Die, von Stevenson: II 241.
Schiwa: III 206, 207, 307, 314.
Sdiopenhauer, Arthur: III 329.
Sdireber, Daniel Paul: III 109, 124, 125, 212.
Sdhwarz, Kuhn von: II 325.
Scott, Walter: I 47, II 322.
Scott, General Winfield: I 37, 93, 243.
Sermo de Tempore des heiligen Augustinus: II 257.
Sexualverbrecher, Der, von E. Wulff en: III 31J.
Shakespeare, William: II 52J.
She, von H. Haggard: II 71.
Shelley, Percy: I 47, 58.
Shelton, A. Barrett (Gatte Elmiras): I 57, 60, 81, 108, 128, 334,
335. n 88. _
Shelton, Sarah Elmira: siehe Royster, Sarah Elmira.
Sherlodc Holmes (von Conan Doyle): I 173, II 333, 372.
Shew, Marie-Louise: I 277, 307, 310, 322, 336, III 169, 283; bio-
graphische Anmerkung über sie: I 237; hilft, unterstützt Poe:
I 237, 240, 24J, 267, II 234; und die Briefe Poes: I 239, 268,
271, 272; und der Tod Virginias: I 240, 267; sie sammelt für
Poe: I 243; der Brief der Frau Clemm: I 243, 244; und ULA-
LUME: I 249; sie berichtet von Poe: I 269, 270; und DIE
GLOCKEN: I 269, 270, 307; von Poe vergessen: I 273.
Shoioe (Friedhof): I 40, 78.
Siegfried: II 63.
„Sissy" („Sis"): siehe Poe, Virginia.
„Sisterhood, The starry": I 209—212, 229, 230.
Sitter, de: III 205.
Smith: I 188.
Smith, Frau: siehe Herring, Miß.
Smith, Edmund: I 3J2.
Smith, Elizabeth: siehe Arnold, Elizabeth.
Smith, Elizabeth, geb. Oakes: I 210, 211, 229, 325, 326.
Smith, William Robertson: II 173.
Snodgrass, Dr. James Evans: I 162, 349, 350, 352.
Snowden, Frau: I 10.
Snowden's Ludy's Companion: II 360.
Society Library, The, New York: I 265.
Sons of Temperance, The: I 338, 346.
Southern Literary Messenger, The: I 14, 41, jo, 98, 126, 127,
128—133, 139. 154. i57> ij8, iSi, 198, 216, 221, 283, 337, 24J,
II II, 22, y% 91, 97, 120, 121, 178, 245, 283, III 39, 58.
Spirit of the Times, The: I 231.
I
Register 369
Stanard, Jane, geb. Stith (Gattin Robert Stanards, „Helen"): I
34—43. 49> 68, 78—80, 98, 59, 104, io6, 142, 256, 268, 284,
288, 291, 317; ihr Tod: I 40; Poe bei ihrem Grab: I 40, 243,
288, III 167; und der „glücklichste Tag, die glücklichste Stunde"
Poes: I 68; und Nesace: I 98; und der Tod Virginias: I 243;
und Frau Whitman: I 291; und LIGEIA: II 42; und DAS
STELLDICHEIN: II 87—89; und HEUREKA: III 167, 168;
und Das literarische Kunstwerk: III 2jo, 267.
Stanard, John C. (Neffe Robert Stanards): II 91.
Stanard, Mary Newton: I 9; siehe auch: Edgar Allan Poe Letters
tili now unpublished, The.
Stanard, Robert: I 38, II 88, 89, III 250.
Stanard, Robert Craig (Sohn Robert Stanards, „Bobby"): I 38, 128,
284, 291, II 91, 378.
Staub, Hugo: III 313.
„Stella": siehe Lewis, Sarah Anna.
Stevenson, Andrew: I 83.
Stevenson, Robert Louis: II 241.
Stoddard, Richard Henry: I 205, III 127.
Strehlow, Carl: II 260.
Stryker's Bay Tavern, New York: I 195.
Student von Prag, Der, von H. H. Ewers: III loj, 108.
Study in Scarlet, A, von C. Doyle: II 333.
Sully, Robert (Rob), Freund Poes: I 35, 284.
SuUy, Thomas: I 172, II 83.
Swedenborg, Emmanuel: III 220.
Sychel, Elijah van: I 172.
Symbolik der Brücke, Die, von Ferenczi: III 69.
Symbolik der Kopftrophäen, von M. Bonaparte: II 360, III 2.66.
Talavera: I 336, 345.
Talley, Susan Archer: siehe "Weiß, Susan Archer.
Talleys, Die: I 336, 345.
Tardieu, Dr.: II 278.
Terre, La, von E. Zola: II 50.
Testament im Lichte des alten Orients, Das Alte, von Jeremias:
II 232.
Thayer, Oberst: I 109, 114.
These sur le vampirisme, von Epaulard: III 322.
Tholnot, Dr. L.: II 277 — 279.
Thomas, Calvin F. S.: I 66.
„Thomas Done Browne": siehe English, Thomas Dünn.
Thomas, Frederick 'William (Freund Poes): I 168, 174, 187-190;
Poes Briefe an Thomas: I 306, II 240.
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 24
370 Register
Thompson, John R.: I 284, 345.
Thor: 11 264.
Tischendorf, Julius: II 324, III 63.
Tomlin, John: III 160.
Totem und Tabu, von Freud: II 156, 173, III 310.
Trauma der Gehurt, Das, von O. Rank: III ij2.
Traumdeutung, Die, von Freud: III 235, 248, 2JI, 256, 259, 261,
268, 269.
Tribüne: siehe New York Tribüne.
Triebumsetzungen, insbesondere der Analerotik, Über, von Freud:
I 232, 236.
Trimurti: III 206.
Trinität, Hindustanische: siehe Brahma, Sdiiwa, Wischnu.
Trinity College, Dublin: I 35.
Tubbs, Charles: I 10, 15.
Tucker, Beverly: I 14.
Tucker, Prof. George: I 53.
Tucker, Thomas Goode: I 57.
Tudor, Die: I 31.
Turgenjefl: III 107.
Turtle Bay (Poe und Familie in): I 235.
Tyler, John, Präsident der Vereinigten Staaten: I 174, 187, 188.
Tyler, Robert (Sohn John Tylers): I 174, 187, 188.
Über fausse reconnaissance, von Freud: I 260.
Über die weibliche Sexualität, von Freud: III 211.
Unbehagen in der Kultur, Das, von Freud: III 277, 303, 310, 319,
33°-
Union Medicale: III 322.
United States Military Academy ("West Point): I 54, 74, 82, 83, 84,
86. 93> 94— III. 136. 138, 149. 150. 154-
Universe, The, von J. Jeans: III 190, 203.
Untergang des Ödipuskomplexes, Der, von Freud: II 299.
Uranos: II 173, III 23.
Urworte, Über den Gegensinn der, von Freud: III 265.
Usher: I 10.
Usher, Roderick (DER UNTERGANG DES HAUSES USHER):
I 146, II 46 — 64, 79, 108, 209, 218.
Vacher, Joseph: III 315.
Vacher, l'eventreur et les crimes sadiques, von A. Lacassagne: III
315-
Valentine, Anne Moore, Schwester der Frances Allan („Tante
Nancy"): I 20, 24, 29, 30, 34, 39, 60, 65, 66, 92, 93, 283; weist
Register 371
Allans Heiratsantrag zurück: I 92, 93; schickt Poe Geld: I 123;
und ANNABEL LEE: I 220; und DER MANN DER MENGE:
II 318.
Valentine, Edward (Vetter der Frances Allan): I 25, 26, 242, 298,
II 109.
Valentine (Hausbesitzer in Fordham): I 241.
Valentine Museum Poe Letters, The: siehe Edgar Allan Poe Letters
tili now unpublished, The.
Valery, Paul: III 201.
Vampirisme, These sur le, von Epaulard: III 322.
Variete, von P. Valery: III 201.
Veden, Die: II 263.
Venus: II 78.
Verbrecher und seine Richter, Der, von Alexander und Staub: III
313-
Verne, Jules: II 241.
Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido, von K. Abraham:
II 416, III 310.
Versuch einer Genitaltheorie, von Ferenczi: III 152, 16z.
Victoria I. von England: und der RABE: I 203.
Vie douloureuse de Charles Baudelaire, La, von F. Porche: III 289,
291.
Vinci, Leonardo da: II 260, III 22, 204.
Virgil: I 47, II 260.
Virginia: siehe Poe, Virginia.
Virginia (Universität): I jo, 53 — 59, 60, 81, 94, 149, II 315, III
9^—99, 113.
Virginia Players, The: I 10, 15, 16, II 336.
Volta, Alexander: III 205.
Wagner, Richard; II 77, 327, III 226.
Waldemar IV. von Dänemark: III 325.
Walker, Joseph W.: I 349.
Wallace, William R.: I 195.
Wallenstein, von Schiller: III 127.
Walsh, John: I 116.
Wartburg, W. von: II 406.
Washington, Bushrod: I 37, II 300.
Washington, George, Präsident: I 44.
Washington Hospital, The, Baltimore: I 350.
Watzmann: II 323 — 326.
Webster, Noe: I 233.
Webster' s New International Dictionary of the English Language:
I 233.
372 Register
Weiß, Susan Ardier, geb. Talley: I 261, 345; und die ANNABEL
LEE: I 217, 309; beschreibt das Leben Poes in Fordham: I 261;
und ULALUME; I 261; und FÜR ANNIE: I 345.
Wendepunkt im Leben Napoleon I., Der, von L. Jekels: II 2j6.
Werner, Zacharias: III 32 j.
West Point: siehe United States Military Academy.
White, Eliza, Tochter des Thomas White; I 128, 132, 201, 240.
White, Henry Kirke: I 47.
White, Thomas Wylkes: I 125, 129, 149, II 91; entläßt Poe und
engagiert ihn wieder: I 129, 130; trennt sich von Poe: I 133.
Whitman, Sarah Helen, geb. Power: I 207, 276 — 278, 281, 292, 310,
318, 335, III 169, 283; und ULALUME: I 246, 260; ihre Verse
an Poe: I 278, 279, 285, 286; Poes Brief an sie: I 286 — 288;
geplante Heirat: I 289 — 291, 292, 301; BrudimitPoe: I 301 — 303;
und ELEONORA: II 73.
Whitty, J. H.: I 139, II 131.
Wickliffe: I jj.
Wilbert, Veterinaire-Colcnel: II 328.
Wilde, Oscar: II 116, III 105.
Wilde Jagd, Die, von G. Röheim: II 323, 325.
Wiley & Putnam: I 209.
Willis, Nathaniel Parker: I 172, 196, 197, 237, 241, 265, 32J, III
32, 127.
Wills, Elizabeth (Maitresse John Allans): I 21, 125, II 102.
Wilmer, Lambert A.: I 191, III 123, 160.
Windham, William: II 292.
Wirt, William: I 86.
Wischnur III 206, 207.
Woodberry, George E. (Biograph Poes): I 9, 13, 69, 87, 117, 137,
147. 33°. 348, II 121, 296-
Wordsworth, William: I 47, 58, 113.
Works of the late Edgar Allan Poe with a memoir by Rufus Wilmot
Griswold and notices oj his life and genius by N. P. Willis and
I. R. Lowell (Memoir, von Griswold): I 303, III 282.
Worth, Oberst: I 83.
Wotan, Odin: II 324, III 23, 2j, 78.
Wulffen, Erich: III 315.
Wyatt, Prof. Thomas: I 160.
X. (der präsumptive Liebhaber Elizabeth Poes): I 222, 223, II
2J4 — 256, 296, 302, 368, 373, 374, 416, III 28, 59, 80, 126, 220,
250, 262, 264.
Xerxes L; II 127, 326.
Register 373
Yanke and Boston Liter ary Gazette, The: I
Yarrington, Frau: I 130, 131.
Zeus: II 21, 173, 264, III 23.
Ziemke, Dr.: II 278.
Zola, Emile: II 50, III 233.
Zopyrus: II 271.
B. INDEX DER WERKE POES
In dieser Aufzählung sind nur die Titel der Werke Poes enthalten,
die im Verlauf unserer Arbeit verwertet wurden. Eine vollständige
Liste findet der Leser bei H a r r i s o n (Virginia Edition, und in der
auch gesondert herausgegebenen Biographie [Band I der Virginia
Edition], die unter dem Titel Life of Edgar Allan Poe in New York
bei Thomas J. Crowell & Co. 1902/03 veröffentlicht wurde) und
beiWoodberry (The Life of Edgar Allan Poe, Boston and New
York, Houghton Mifflin Company, The Riverside Press Cambridge,
1909). Die deutschen Titel wurden aus der von uns im Text zitierten,
im Propyläenverlag zu Berlin (herausgegeben von Theodor Etzel)
erschienenen Ausgabe übernommen. Genaue bibliographisdie Angaben
über die einzelnen "Werke befinden sidi im Text der vorliegenden
Studie auf der Seite, die in diesem Index mit einem * versehen ist.
a) ALPHABETISCHES VERZEICHNIS DER DEUTSCHEN TITEL
Gedichte
Abendstern (Evening Star).
AI Aaraaf.
An — (To — ).
An die ■Wissenschaft (To Science).
An Eine im Paradies (To One in Paradise).
An Helene (To Helen).
An Mary (To Mary).
An meine Mutter (To my Mother).
An Sarah (To Sarah).
Annabel Lee.
El Dorado (Eldorado).
Eroberer Wurm (The Conqueror Worm).
Eulalia (Eulalie. A Song).
Für Annie (For Annie).
Geister der Toten (Spirits of the Dead).
Das Geistersdiloß (The Haunted Palace).
374 Register
Die Glocken (The Beils).
Israfel.
Das Kolosseum (The Coliseum).
Lenore.
Der Rabe (The Raven).
Die Schlafende (The Sleeper).
Schweigen (Silence).
Der See (The Lake).
Die Stadt im Meer (The City in the Sea).
Das Tal der Unrast (The Valley of the Unrest).
Tamerlan (Tamerlane).
Träume (Dreams).
Traumland (Dream-Land).
Ein Traum (A Dream).
Ein Traum in einem Traum (A Dream within a Dream).
Ulalume.
Die Geschichten
Berenice.
Bon-Bon.
Die Brille (The Spectacles).
Der Doppelmord in der Rue Morgue (The Murders in the Rue
Morgue).
„Du bist der Mann!" (Thou Art the Man!).
Der Duc de l'Omelette (The Duc de l'Omelette).
Eleonora.
Der Engel des Sonderbaren (The Angel of the Odd).
Der entwendete Brief (The Purloined Letter).
Eine Erzählung aus den Ragged Mountains (A Tale of the Ragged
Mountains).
Das Faß Amontillado (The Cask of Amontillado).
Gaffy.
Das Geheimnis der Marie Roget (The Mystery of Marie Reget).
Der Goldkäfer (The Gold-Bug).
Eine Geschichte aus Jerusalem (A Tale of Jerusalem).
Das Gespräch zwisdien Eiros und Charmion (The Conversation
of Eiros and Charmion).
Der Herrschaflsbesitz Arnheim (The Domain of Arnheim).
Hinab in den Maelstroem (A Descent into the Maelström).
Hopp-Frosch (Hop-Frog).
Die Insel der Fee (The Island of the Fay).
König Pest (King Pest).
Landors Landhaus (Landor's Cottage).
Die längliche Kiste (The Oblong Box).
Lebendig begraben (The Premature Burial).
Register 37 j
Der Löwe (Some passages in the Life of a Lion. — Lionizing).
Der Lügenballon (The Ballon-Hoax).
Der Mann, der aufgerieben worden war (The Man that was
Used Up).
Der Mann der Menge (The Man of the Crowd).
Das Manuskript in der Flasdie (Manuscript found in a Bottle).
Die Maske des Roten Todes (The Masque of the Red Death).
Metzengerstein.
Morella.
Das ovale Porträt (The Oval Portrait).
Der Schatten (Shadow).
Die schwarze Katze (The Blaci Cat).
Das schwatzende Herz (The Teil-Tale Heart).
Das Stelldichein (The Assignation).
Die Tatsachen im Fall Waldemar (The Facts in the Gase of
M. Valdemar).
Die 1002. Nacht der Scheherazade (The Thousand-and-Second Tale
of Sheherazade).
Der Teufel der Verkehrtheit (The Imp of Perverse).
Der Untergang des Hauses Usher (The Fall of the House of Usher).
Die unvergleichlichen Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall (The
Unparalleled Adventures of One Hans Pfaall).
Vier Tiere in einem (Four Beasts in One).
Der verlorene Atem (Loss of Breath).
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf (Never Bet the Devil
Your Head).
Wassergrube und Pendel (The Pit and the Pendulum).
William Wilson.
Des wohlachtbaren Herrn Thingum Bob liter. Werdegang (The
Literary Life of Thingum Bob, Esq.).
Das Zwiegespräch zwischen Monos und Una (The CoUoquy of
Monos and Una).
Romane
Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym (The Nar-
rative of Arthur Gordon Pym).
Das Tagebuch des Julius Rodman (The Journal of Julius Rodman).
Szenen aus einem Drama
Politian.
Philosophische und kritische Werke
Heureka (Eureka).
Die Philosophie der Komposition (The Philosophy of Composition).
37^ Register
Das poetische Prinzip (The Poetic Principle).
Rationale of Verse, The.
Literati, The.
Brief an B. — (Letter to B. — ).
Philosophie der Wohnungseinrichtung (Philosophy of Furniture).
Lehrbuch der Conchologie (Conchologist's First Book).
b) ALPHABETISCHES VERZEICHNIS DER ENGLISCHEN TITEL
Address on the Subject of a Surveying and Exploring Expedition to
the Pacific Ocean and South Seas, Artikel über Reynolds: II 178.
AI Aaraaf: I 72, 73, 85, 86, 87, 89*, 90, 98; II 212, 240; III 167.
Vorlesung in Boston: I 208.
AI Aaraaf, Tamerlane and Minor Poems; I 89*, ^g.
American Parnassus, The, eine geplante Anthologie: I 227.
Angel of the Odd, The: III 113, 129* — 136, 245, 250, 271.
Annabel Lee: I 215, 2i6"' — 226, 2J3, 257, 261, 303, 307, 317, 330,
345; II 79.
Annie: siehe For Annie.
Assignation, The, früher unter dem Titel: The Visionary: I 117;
II 79'' — 96, 108; III 2J0, 267, 268.
Balloon-Hoax, The: I 193*.
Bedloe: siehe Tale of the Ragged Mountains, A.
Beils, The: I 307, 308, 324; erste Fassung I 269.
Berenice: I 117, 118, 127, 146; II 11* — 21, 28, 47, 75, y% g^;
III 274, 279, 280.
Black Cat, The: I 118, iji, 154, 183; II 20, 108, 122, 239, 269, 272,
^79y 374> 375*— 415; MI 9. 1°' i4> i5. ^2. 39> 4^' 60, 61, 100, 131,
158, 243, 253, 254, 265, 266, 274, 280, 281, 301, 302.
Bon-Bon: I 117.
Cask of Amontillado, The: III 32* — 39, 40, 47, 51, 60, 79, 80, 102,
,243;
City in the Sea, The (1831 unter dem Titel: The Doomed City;
1836 unter dem Titel: The City of Sin): I loi*, 106.
City of Sin, The; siehe City in the Sea, The.
Coliseum, The; I 117*, 124.
Colloquy of Monos and Una, The: I 102, 173; II 274*.
Conchologist's First Book: or, A system of Testaceus Malacology:
I IJ9*, 160, 194.
Conqueror Worm, The.
Conversation of Eiros and Charmion, The: I 161*, 162.
Descent into the Maelström, A: I 117, IJ7; II 120, 121*, 214, 246.
Domain of Arnheim, The (zuerst: The Landscape Garden): II 114,
115, 116*.
Register ■,-,-,
Doomed City, The: siehe City in the Sea, The.
Dream, A: I 67*.
Dream within a Dream, A: I 67*.
Dreatn-Land: I 338.
Dreams: I 67"".
Duc de rOmelette, The: I 117.
Eldorado: I 307, 308.
Eleonora: II 65*— 74, 99, 114, 115; III 253.
Eulalie. — A Song: I 258*; II 16.
Eureka: I 102, 24J, 263—267, 277, 284, 330; III 136, 167*— 230,
243; Entstehung: I 263—267; III 167—170, 225; der Vortrag Poes
über E.: I 266.
Evening Star: I 67*.
Facts in the Gase of M. Valdemar, The: I 210; III 126*— 129, 266.
Fall of the House of Usher, The: I 117, 161; II 28, 46''-— 64, 65,
176, 207; III 50, 217, 239, 25J, 274. Siehe auch Index A: Usher,
Roderick.
For Annie: I 226, 304, 306, 307*— 317, 321, 330; 11 7% III i6.
Four Beasts in One; The Homo-Cameleopard: I 117.
Gaffy: I 58.
Gold-Bug, The: I 71, 72, 184, 192; II 89, 198, 21J*— 241, 269, 418;
III 240, 245, 252, 253, 257, 280, 281.
HansPfaall: «e/ie Unparalleled Adventures of One Hans Pfaall, The.
Happiest Day, the Happiest Hour, The: I 68*.
Haunted Palace, The: I 162, 182; II 59.
Hop-Frog: III 35, 39'-— 46, 47, j6, 60, 102, 743.
Hymn: I 130.
Imp of the Perverse, The: II 383*, 384; III 9, 10, loi.
Introduction: siehe Romance.
Irene: siehe Sleeper, The.
Island of the Fay, The: II 113— 119.
Israfel: I loi*, 107, 108*, 109.
Journal of Julius Rodman, The: I 169*; II 122.
King Pest: I 117, 290, 291; III 35, 39*, 40, 47, 60.
Lake: To — , The: I 67"-.
Landor's Cottage: I 279—281, 292, 297; II 114, 116*.
Lenore (zuerst: A Pean): I loi*, loj, 106, 136, 141, 308; II 16.
Letter to B. — , die erste kritische Arbeit Poes: I 113.
Life in Death: siehe Oval Portrait, The.
Ligeia: I iig, 2J7; II 28*— 4j, 47, 122, 211; III 253, 260, 274, 279,
280. Siehe auch Index A. LIGEIA.
Lionizing: siehe Some Passages in the Life of a Lion.
Literary America: siehe American Parnassus, The.
Literary Life of Thingum Bob, Esq., The: I 50*.
3/8 Register
Literati, The, Kritiken von Poe: I 227, 230, 231; III 33.
Loss of Breath: I 117, 24J*— 305, 336, 368, 389, 394, 39J, 419;
III 53, 241, 251, 255, 265, 298.
Maelzel's Chess-Player: I 132.
Man of the Crowd, The: II 309*— 328, 329, 332, 3J4, 367, 375,
391, 419; III 18, 30, 56, 266.
Man that was Used Up, The: I 161; III 26*, 27.
Manuscript (MS.) Found in a Bottle: I 117, 124, 1J7; II 120, 121"-,
178, 214.
Masque of the Red Death, The: I 183; II ijo; III 3J, 47* — 58,
61, 6z, 102, 158, 243, 245, 246.
Metzengerstein: I 117; II 97*— iio, 123, 14J, 159, 387, 419; III 240,
24J, 246.
Morella: I 117, 127, 146, 161; II 22*— 27, 28, 47, 65, j^; III 2J3,
279. Siehe auch Index A.
Murders in the Rue Morgue, The: I 10 j, 174; II 319, 329*— 375. 39i.
417, 419; III 18, 42, 43, J7, 61, 183, 242, 244, 2J5, 257, 2j8, 261
bis 264, 268, 269, 272, 274, 301.
Mystery of Marie Roget, The: I 183; II 360*— 366; III 257, 271,
272.
Narrative of Arthur Gordon Pym, The: I 35, 132, 157— ij8, 354;
II 57, 122*— 214, 235, 240, 241, 290, 361, 399, 403; III 36, 51,
52, 143, 157, 209, 240, 251, 255, 2j6.
Never Bet the Devil Your Head: III 6y' — 81, 243.
Oblong Box, The: II y^, 108.
Oval Portrait, The (zuerst: Life in Death): II 75* — 78, 93, g% 104,
117. 274-
Pean A: siehe Lenore.
Penn, The, von Poe geplantes Magazin: I 162, 163, 168, 170, 187;
II 331-
Philosophy of Composition, The: I 80*, 167, 22S, 232, 266; II 34.
Philosophy of Furniture, The: I 267; II 89; III 49*.
Pirate, The: siehe Index A: Poe's Brother.
Pit and the Pendulum, The: I 184; III j2, 53, 13S, 137* — 166, 227,
243. 273.
Poetic Principle, The: I z66, 279, 326, 337, 343, 34J.
Politian: I 116'', 130.
Power of Words, The: III 203*.
Predicament, The Scythe of Time, A: III 158*.
Preface: siehe Romance.
Premature Burial, The: III IJ4*.
Purloined Letter, The: II 333, 415* — 418; III 257.
Pym: siehe Narrative of Arthur Gordon Pym.
Rationale of Verse, The: I 284*.
Register 379
Raven, The: I 68, 168, 192, 193, 194, 195, 198, 200, 209*, 210, 212,
284, 338; II 240; III 104; die Kollekte nach der Vorlesung: I 192;
Veröffentlichung und Ruhm: I 198, 199; und Frau Osgood: I 200;
und die Königin Victoria: I 203; und die Vorlesung in Boston:
I 208; und Annabel Lee: I 22 j, 226; und die Philosophy of
Composition: I 266; siehe auch Index A.
Report of the Committee on Naval Affairs, to whom were refered
memorials from sundry Citizens of Connecticut interested in the
whale fishing, praying that an exploring expedition be fitted out
to the Pacific Ocean and South Seas. March, 21, 1836 (Artikel
über Reynolds): II 178.
Romance (1829 unter dem Titel: Preface; 1831: Introduction) : I 42*,
loi, 107, 108.
Sarah: siehe To Sarah.
Shadow: I 117; III j8*— 61.
Silence. A Fable: I 117*.
Sleeper, The (zuerst: Irene): I loi"", 104, io8"', 136; III 36.
Some Passages in the Life of a Lion (Lionizing): I 117, 283*.
Spectacles, The: II 371*.
Spirits of the Dead (zuerst: Visit of the Dead): I 67*.
Stanzas: I 6y'''.
Stylus, The (von Poe geplantes Magazin): I 187, 188, 191, 204, 265,
266, 283, 284, 286, 287, 298, 306, 337; soll endlich erscheinen:
I 322—324.
„Sylvio": siehe To Sarah.
Tale of Jerusalem, A: I 117*.
Tale of the Ragged Mountains, A: III 113* — 126.
Tales of the Folio Club, The: I 117*, 126, 130; II 11, y^, 83, ^j,
121, 245; III 40, j8.
Tales of the Grotesque and Arabesque: I 117, 165* — 167.
Tamerlane: I 58, 66, 6^''.
Tamerlane and other Poems: I 66, 6y'''.
Tell-Tale Heart, The: I 154, 184; II 384; III 9*— 31, J2, 56, 61,
78, loi, 223, 243, 2J0, 274.
Thou Art the Man!: III 22*.
Thousand-and-Second Tale of Sheherazade, The: II 290*.
To : I 6f.
To Helen (1831): I 40, ^r', 98, loi*, 102, 103, 104, 106, 256; II 87.
To Helen (nach 1849): I 277.
To Mary: I 121, 130*.
To my Mother: I 274*, 275.
To One in Paradis: II 84, 8j.
To Sarah (zuerst unter dem Pseudonym „Sylvio" erschienen): I 130,
139*.
jSo
Register
To Science: I 97, 58*, 99.
Ulalume: I 141, 186, zz6, 234, 245 — 261, 277, 317; II 305; III 168,
246''''.
Unparalleied Adventures of One Hans Pfaall, The: I 117''', 124, 240,
241; III 13J, 218, 240, 241.
Valdemar: siehe Facts in the Gase of M. Valdemar, The.
Valley of Unrest, The (zuerst: The Valley Nis): I 30*, loi*, 106.
Vislonary, The: siehe Assignation, The.
Visit of the Dead: siehe Spirits of the Dead.
William Wilson: I 31, 32, 161, 162% 255; II 182, 320; III 85* — no,
122, 134, 257.
C. INDEX DER PSYCHOANALYTISCHEN BEGRIFFE
In diesem Index sind die wichtigsten psychoanalytischen Tatsachen
und Begriffe verzeichnet, die im Verlauf der vorliegenden Studie auf-
gezeigt und verwertet werden konnten.
Absurdität (manifester Unsinn):
II 92, 152, 296; III 264,
267, 268, 275.
Affekt: II 127, 153, 409; III 39,
154, 238, 239, 242, 269 bis
27J-
Affektverkehrung: III 270,
271.
Unterdrückung des Affekts:
III 271.
Aggression, sexuelle: II 20, 63,
193, 238, 246, 265, 297,
355. 359. 37°. 373. 380,
383; III 20, 24, 39, 228,
241, 300, 301, 304—321,
323. 331-
Akt: siehe Sexualakt.
Alkoholsucht: I 16, 57, 58, loi,
120, 121, 130, 133, 142, 143,
145.
146,
149-
-IJ5.
162,
172.
173.
177.
180,
181,
182,
183.
184,
186,
189,
190,
214,
228,
269,
270,
284,
302,
303.
320.
321.
326-
-330.
338.
348-
-3J2!
II 34, 129, 132, 133, 138,
144, 170, 214, 362—365,
377, 3S0; III 18, 29, 41, 42,
60, 97, 102, 131, 132, 165,
229, 245, 251, 293; ihre
Rolle im Leben Poes: I 149
bis 155; der heftigste Anfall
bei Poe: I 133, 334; siehe
auch Symbole für die A.
Alpträume: I 43, 117, 157, 305;
II 8, 16, 29, 56, 59, 138,
143, 163, 281, 282, 364,
380, 406, 407; III 72, 73,
235, 260, 280; siehe auch
Symbole der A.
Ambivalenz: III 106, 128, 309.
Amnesie: I 249, 260; II 18, 39,
119; III 95; siehe auch
Symbole für A.
Analerotik: II 197, 208, 231 bis
235, 248, 261 — 265, 266,
297. 302, 393, 400; III ji,
161, 252, 292, 305, 312,
31J; siehe auch Symbole
für A.
r
Register 381
Anamnese: II 359.
Beobachtung, intrauterine, des
Angst: II J2, j8, iio, 144, 154,
Koitus: II 287; III 1J9.
IJ9, 204, 282, 302, 40J,
Beschneidung: II 271, 272.
406, 412, 413; III 18, 20,
Besetzungen:
39. 71. 72. 73. 74. 75. 140.
B. mit Angst: II 28t; III
150. 153—164. 242, 273,
153. 274-
274; die fünf ursprünglichen
libidinöse B.: II 24; III 17,
Ängste: II 412, 413, 414.
240.
Entwöhnungsangst: II 413.
präödipale B.: III 313.
Geburtsangst: II 413; III 152,
Bildtechnik der Traumarbeit: II
154, 156, 161.
404; III 266.
Gewissensangst: II 413; III
Biologisches: 11 21, 38, 90, 283;
156.
III 138, iji, IJ2, IJ9, 209,
Kastrationsangst: II 413; III
216, 219, 227, 228, 247,
76, ij6, 163, 164.
278, 319. 328-
neurotische Angst: II 155; III
Bisexualität: III 74, 159, 160,
162.
163, 164, i6j, 166, 227,
Todesangst: II 414; III 20,
228, 230.
76, 1^6.
Darstellbarkeit, Rücksicht auf:
Trennungsangst: II 413; III
III 235, 258.
ij6, 161.
Depression: I 142, 14J, 151, 1J2,
Siehe auch Besetzungen und
154. 155-
Urangst.
Dipsomanie: I 140, 143, 145,
Angsthysterie: II 52.
146, 147, IJ4, 177, 190,
Animismus II 127; III 248.
202, 320, 348; II 144, 145,
Anosmie: III 322.
y99-
Anthropromorphismus: II 114,
Ejakulation: II 246; III 70,-77,
116, 119, 126, 184, 185,
215, 243, 314; und das
260; III 194, 210, 216, 218.
Henken: II lyj—iy^, 395;
Anus: II 197, 261, 360; III 51,
siehe auch Symbol für die E.
308.
Entwicklungsstadien der Libido:
Assoziation durch Aneinander-
II 20, 21, 168, 233— 23J,
grenzen: II 102; durch Kon-
304—310, 314, 315.
trast: II 102; III 270.
Entwöhnung: II 14 j, 1J4, 155,
Ausscheidung (Exkretion): II
162, 166, 170, 282, 413,
262, 357.
414.
Autoerotik: III 134, 247.
Entwöhnungsangst: siehe Angst.
Bearbeitung, sekundäre: I 232,
Entwöhnungstrauma: II 145,
III 273, 27J.
170.
Beerdigung, vorzeitige: II 1J4;
Epilepsie, larvierte: II 18.
III 153.
Erektion: II 277—283,295,359;
Befruchtung (Konzeption) : II
III 72, 242, 265, 308, 315,
257 — 266; siehe auch Sym-
317, 321; und das Henken:
bole für die B.
11 277—280, 397; III 265.
382
Register
Erotik: II 19, 102, 123, 168,
206, 233, 261, 286, 357,
383. 387. 389. 393. 399; III
45, 125, 129, 131, 164, 211,
227, 228, 247, 276, 291,
301 — 321, 330; siehe Anal-
erotik, Oralerotik.
Erregung, sexuelle: III 276, 305,
307, 314, 317; ästhetische
E.: III 278.
Ersatz (Substitute) für:
Blut (rotes Wasser der Fluß-
läufe von Tsalal): II 184;
(Wein): III 60, 61.
Bruder (Ebenezer Burling); II
131.
Brüder und Schwestern (Frauen,
Kinder, junge Leute) : III 3 1 3 .
Ekstasen, infantile (künstliche
Paradiese): III 293.
Fluidum des zeugenden Phal-
lus (Atem): II 261.
Genitalsprache (Intestinal-
sprache): II 248, 249.
Kind (Schatz): III 252.
Koitus (Mutterleibsphantasie) :
II IJ4; III 74, 163, 226.
Liebeskrampf (Spasmen bei
einer Vergiftung): II 96.
Masturbation (Bettnässen): II
102; (Spiel): III 64.
Milch (Alkohol): II 145, 155,
170; III 60, 61, 245;
(weißer Fleck): II 403, 404;
(Wasser): II 174.
Milchhaut (Schwarte): II 145.
Mutter (Frau Allan): I 283;
(Erde): II 23 j; (Tochter):
III 59; (Frau): III 163;
(Vater): III 208, 21 j.
Mutterleib (Wände des Ge-
fängnisses): III IJ9.
Orgasmus (toxikomanische De-
lirien): II 280.
Penis (Nase): II 283, 284.
Phallus (Kopftrophäen): II
360; (Pendel): III 160.
Totemtiere (Hunde): III 79.
Vater (verschiedene Männer):
II 156; III 165; (Bruder):
II 325; (Polizisten): III
61; (Gott, Teufel): III 64.
Wesen, mystisches (Poes Land-
schaften): II 114.
Wollust (hysterische Anfälle):
II 20J, 206.
Ersetzung einer Gestalt durdi
eine andere (Traummedia-
nismus): III 261, 269.
Es: II 384; III 108, 257.
Exhibitionismus: II 383, 384,
411.
Fäkalien: II 231— 23 j, 264; III
2J2, 305— 3°7. 315. 314;
siehe auch Konzeption und
Befruchtung und Symbole
für die F.
Fehlleistung: III 28.
Fixierung an die Mutter: I 79,
136. 137.. 144. 145. 185.
223, 2J4, 256; II 19, 25, 16,
34. 35. 63. 93. 100. 207,
208, 248, 302; III 136, 260,
261, 327.
Flaccidität: II 279, 397, 405;
III 242.
Flagellation: III 291, 300.
Flatus: II 261—266; III 2J2;
siehe auch Symbole für
den F.
Fötus: II 197, 214, 231, 287,
411, 413; III 61, 78, 137,
141, 142, 152, 154— IJ9,
211, 228.
Geburt (infantile und unbewußte
Sexualtheorien): II 57, 92,
102, 103, 197, 198, 230,
231, 236, 287, 371, 412;
Register
383
III 281; Kaisersdanitt: III
149; siehe auch Symbole für
die G.
Geburtsangst: siehe Angst.
Gegenteil (Darstellung im Un-
bewußten): II 403; III 264,
265.
Gehör und Sexualakt: II 265,
357; III 19, 20, 28, 29.
Gehörshalluzination: siehe Hal-
luzination, auditive.
Genuß, sinnlicher: II 24J, 247;
siehe auch Urlust.
Geständniszwang: siehe Zwang.
Gewissensangst: siehe Angst.
Gewissensbisse: I ij2, 1J3, 154,
338, 352; II iji, 157, 174,
384, 411; III 39.
Gonorrhöe: II 319, 320.
Größenwahn: I 203, 263; III
170.
Halluzination, auditive: III 15,
20.
Haschisch: II 293.
Hemmung: I 137, 144, 147; II
90, 154, 381; III 92, 98,
102, 110, 160, 163, 164,
226, 227, 298, 330.
Henken: II zy6—ij^, 394—398;
III 26^, 266; siehe auch
Ejakulation, Erektion und
Symbole.
Heredität: II 52.
Homosexualität: I 149, 181; III
60, 109, 110, 117, 124, 12 j,
130, 151, 160, 2z6, 230,
273. 319-
Hymen: I 271, 308; III 396.
Hypochondrie: III 17.
Hysterie: II 52, 205; III 17,
125.
Ich: II 83, 87, 303, 356, 414,
417; III 94—110, 162, 224,
238, 2JJ— 2j8.
Ich-Ideal: II 83, 255.
Identität: II 264, 267.
Impotenz: I 137, 148, 251, 257;
II 19, 36, 92, 143, 158, 163,
234. 245— 30J. 325, 33Ö.
358, 364, 368, 370, 390,
394. 397. 405. 417; in 69,
74> 75. 80, 81, 134, 160,
163, 226, 242, 265, 266,
271, 293, 298, 314, 327;
siehe auch Symbole für
die I.
Impotenz- Alp-Traum: II 163.
Introjektion des Moral Verbotes:
III 91, 156.
Inzest: I 142, 2j6; II 2j, 33,
40. 57. 63. 91. 95. 9Ö, 105,
107, HO, 128, 206, 394; III
59. 61, 75. 163. 24°. 245.
2JI, 268, 276, 316.
Isolierung: III 263.
Kannibalismus (Stadium der
Libidoentwicklung) : II 20,
21, 145, 168, 16% 173, 176;
III 251, 305, 324.
Kastration: II 20, 21, 176, 192,
193, 269, 270—272, 278,
299. 304. 325. 360. 370.
371. 39°— 4°J. 409. 412,
413. 414. 418; III 23—27,
42, ji, 61, 62, 77—79, 13 j,
156, 157. 161—164, 213,
241, 243, 2J4, 263, 313;
siehe auch Symbole für die
K. und Kastrationsangst.
Keuschheit: I 149, ijo, 181, 186,
257. 270, 318; III i6j.
Klaustrophobie: III 140, 153.
Klitoris: II 282, 396, 416; III
26, 73, 74; siehe auch Sym-
bol für die K.
Koitus: siehe Sexualakt.
Komplexe:
Bruderkomplex: III 107.
384
Register
Infantiler Komplex: II 17J.
Kastrationskomplex: siehe Ka-
stration.
Mutterkomplex: II 34, 167.
Ödipuskomplex: I ji, 105,
113, 153, 222, 223, 256; II
63. 91. 92. 93' 94. i°5. 10^.
107, 108, ij6, 161, 176,
299, 300—303, 304, 326,
327. 328, 393, 394, 397,
398, 413, 416; III 23, 28,
30. 33. 34. 40. 45. 57. 59.
128, 223, 226, 246, 309,
310, 311 — 31J; siehe auch
Symbole für die ödipus-
rivalität und Index A:
ödipus.
Vaterkomplex: III 33, 34, 40.
Konflikt: Zentralkonflikt im
Leben Poes: II 28.
Konzeption: siehe Befruditung
und Symbole für die B.
Körpersekret: III 132, 251.
Leben im Tod: II 15—18, 43,
44, 56, 64, 76, 97, 104, 162,
274; III 261; siehe auch
Symbole für das L.
Leben vor der Geburt: III 138.
Lebend begraben: II 187; III
138, 141, 154.
Liebesverlangen: II 40, 325, 327.
Libido: I 304, 307; 11 20, 24,
2j, iio, 206, 248, 249, 261,
265, 280, 3°i— 303. 395.
416; III 17, 29, 106, ijo,
IJ9, 162, 163, 165, 166,
208, 210, 212, 213, 217,
227, 229, 240—243, 247,
278. 303. 3°4. 311— 315.
317—319, 331; Definition
der Libido: II 168; siehe
auch Besetzung und Ent-
wicklungsstadien der L.
Lustprinzip: siehe Prinzipien.
Mannespotenz, Männlichkeit:
siehe Virilität.
Masochismus: II 383; III 151,
158, 320; siehe auch Sado-
masochismus.
Masturbation (Onanie): II 102,
109, 206, 281, 282, 302,
39°. 391. 396. 413; m 64,
73; siehe auch Ersatz und
Symbole für die M.
Megalomanie: II 203, 224.
Menstruen: 11 192, 366; III 24,
JI-
Mneme: II 356; III 34, 138.
Morphium: II 215.
Mutter-Imago: I I4j; 11 104,
108.
Mutter-Kloake: II 57, i8j, 198,
204, 207, 372, 415; III 38,
JI. 57. 157. 163. 242. 263.
273.
Mutterleibsphantasie: II 57, 154,
155, 187, 188, 197, 209,
214, 240, 286, 304; III 36
bis 38, 61, 74, 78, 134, 150
bis 154, 163, 226.
Narzißmus: I 109, 307; II 68;
III 17, 93, 107, 110, 15S,
162, 164, 199, 203, 213,
224, 240, 247, 277, 306,
330.
Nebeneinanderstellung (Traum-
mechanismus): I 179, 340;
II 155; III 263.
Nekrophilie: I 42, 43, 68, j^,
80, 106, 107, 144, 223, 252;
II 33, 78, n6— 118, 135;
III 213, 277, 280, 281, 302,
321, 328; die drei Arten der
N.: III 322 — 326.
Nekrophilie, sadistische: I 150,
151, 155, 179, 186, 214;
II 19, 300, 364; III 281,
323. 324-
Register
385
Negation: III 264, 265.
Neurose: II 33, 64, 1J9, 359;
III 17, 20, 29, 31, 69—72,
265, 274, 289, 311, 320,
328; siehe auch Psycho-
neurose.
Neutralisierung der Affekte: III
270, 272/
Obszönität: III 301.
ödipusinzest: II 91.
Ödipuskomplex: siehe Komplex.
Onanie: siehe Masturbation.
Ontogenetisdies: II 298; III 248.
Opiumsucht: I 118, 137, 146 bis
149. iji. 173. 1S6, 187,
225, 270, 321; II 12, 29, 38,
41—43. 45. 51. 75. 76. 99.
143. 274. 275. 276, 280,
282, 283, 286, 304; III iij,
122, 123, 293, 299; ihre
Wirkung: I 137, 147; II
283.
Oralerotik: II 145, 167—170,
204, 206, 233, 261, 280,
28S, 302, 399, 400; III 60,
117. 130. 131. 3°5— 308,
314. 3IJ-
Orgasmus: II 26J, 280; III 221,
3°7. 317. 321; siehe auch
Ersatz und Symbole für den
O.; alimentärer O.: II 280;
pharmakotoxisdier O.: II
280.
Paranoia: I 200, 228; III 20,
109, 122, 125, 136, 160, 165,
199, 213, 22J.
Penis: II 236, 166, ijj—ij^,
281, 282, 283, 359, 388, 390,
395—398. 405. 416, 418;
III 23, 2j, 27, 30, 38, 51,
7°—79' 132, 152, 160, 161,
162, 248, 251, 253, 264, 307,
308, 314; siehe auch Ersatz
für den P.
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV.
Perversionen: I 144; III 282,
300, 312, 313, 322.
Perversität: I 42, 144; II 145,
160, 228, 382—384, 392,
410; III 86, 229, 300, 316,
319.
Phallus: I 2J7; II 241, 261, z66,
268, 279, 280, 283, 286, 291,
304, 360, 371, 387, 389, 391,
395—398, 400, 403, 404,
411. 41J, 416, 418; III 45,
62, 64, 73, 125, 134, 161,
164, 213, 223, 22J, 241, 242,
243, 248, 2J4, 263, 265, 266,
273. 3°7— 310. 313. 314;
Ph. und das Henken: II
^77 — 279; siehe auch Ersatz
für den Ph. und phallische
Symbole.
Phantasien, unbewußte: I 224,
250, 330; II 7, 19, 20, 34,
53. 64, 74, 79, 89, 91, 94,
96, 108, 204, 206, 209, 210,
211, 214, 216, 233, 237, 2J2,
2JJ, 274, 28J, 287, 289, 297,
300, 304, 331, 3JJ, 3j8, 3J9,
3^9. 377. 380, 396—398,
403, 407; III 30, ji, 62, 74,
117, 131, 13;, 1J3, 159, i6o,
i6j, 169, 200, 202, 219,220,
223, 224, 226, 229, 240,252,
266, 273, 300; Aggressions-
phantasien: II 380; Alko-
holphantasie: III 131; Ge-
burtsphantasie III 135;
künstlerische Phantasie: II
289, 300; III 31, 51, 229;
Reichtumsphantasie: II 216;
III 252; sadistische Phan-
tasie: III 300; Schreckphan-
tasie: III 153, 159, 160;
Vorwurf sphantasie: II 403;
Verschüttungsphantasie: III
240; Wiedergeburtsphan-
25
386
Register
tasie: 11 204; siehe Mutter-
leibsphantasie und Vater-
leibsphantasie.
Phasen: siehe Entwidslungs-
stadien der Libido.
Phobie (Trauerweidenph.) : II
79' i97-' III 11$, 274;
Brückenphobie: III 70 — 75;
siehe auch Klaustrophobie.
Piatonismus: I 136, 137, 200,
202, 270, 271, 318; II 90;
III 213, 294. 299.
postmortaler Zustand: III 78,
157-
pränataler Zustand: III 78, 138,
154. 163.
Prinzipien:
Lustprinzip: I 98, 226; III 228.
Realitätsprinzip: I 98; III
228.
Projektion: I 145, 320, 328; II
115; III 98, 99, 10 j, 108,
116, 124, 139, 159, I94> "4.
297> 307. 315-
Prostitution: III 290, 294, 299.
Psydioneurose: I 43; II 12; siehe
auch Neurose.
Psychopathie: I 42, 144; II 233.
Psychosexualität: I 251, 254;
III 300; siehe auch Sexua-
lität.
Rationalisierung: I 266, 347.
Realitätsprinzip: siehe Prinzip.
Regression: II iij, 169, 206,
249, 280, 286, 287, 367; III
17, 60, 131, 138, 151, 163,
229, 27J, 312, 313, 324; De-
finition: II 169.
Relaktifizierung: II 403.
Rephallisierung CWiederbega-
bung mit dem Phallus): II
280, 304, 395—397. 403.
404, 411, 41J, 418; III 23,
241, 242, 265, 266.
Sadismus: I 183, 185; II 33, 63,
77, loi, 238, 246, 248, 265,
297, 326, 35J, 359, 362, 363,
364, 373. 378. 380. 381, 383.
393, 400; III 19, 24, 38, 57,
62, 125, 130, 137, 150, 161,
242, 2J7, 278, 280, 281, 283,
291, 292, 300 — 308, 311 bis
321, 328—331.
Sadomasodxismus: II 135; III
319; siehe auch Masodiismus.
Schändung: II 191, 283, 300,
360, 365, 370, 371; III 263,
272, 316.
Schizoid: II 11, 18.
Schizophrenie: III 62.
Schuldgefühl: II 20, 173, 369;
III 161.
Sekret: siehe Körpersekrete.
Selbstbeobaditung: III 256, 257.
Selbstbestrafung: I 190.
Selbstmordversudie Poes: I 147,
293. 294. 319. 328, 329, 343.
Selbstzerstörung: I 320.
Sexualakt (Koitus): II 154, 238,
264, 265, 286, 321, 356 bis
360, 368, 370—372; III 18
bis 21, 24, 25, 27—30, 36,
74. 75. 78. 80, 152, 159 bis
163, 213, 242, 257, 300, 308,
313. 314.317. 319. 323. 324;
Geheimnis des S.: II 360;
III 308, 312, 313; S. und
Lustmord: III 313; siehe
auch Ersatz, Symbole für
den S.
Sexualforschung, infantile: II
35. 197. 198. 231. 236, 374;
III 257, 269.
Sexualideal: I 179.
Sexualität: I 150, 151, 179, 181,
183, 202, 214, 250, 251, 2J4
bis 255, 282; II 18, 2j, 35,
3a. 57. 94. 9^. i°2, 109,
Register
387
123, 128, 197, 206, 231, 279,
299. 321. 326, 357—3^°.
362, 364, 371, 374.393.413;
III 18, 28, 73, 107, 124,
15^. 159 — 162, 167, 212,
213, 226, 227, 228, 229,257,
269, 276, 282, 288, 289,291,
294, 300 — 318; siehe auch
Psychosexualität und Sym-
bole für die S.
Sexualtheorien, infantile : siehe
Geburt.
Sonderung der Triebe: III 309,
312.
Spaltung einer Persönlidikeit:
III 90, 2J3 — 258.
Spasmen: I 329; II 96; III 318;
siehe auch Ersatz für Sp.
Sperma: II 102, 231, 260, 359;
III 42, I2J, 132; und das
Henken: II 277 — 279.
Spermatozoid: III 152, 208, 209,
243.
Sterilität: II 236, 320.
Sublimierung: I 144, 154, 184,
223; II 7; III 213, 247, 276,
^77' 310. 3". 314. 319.330-
Sucht: I 130, 146 — 149, 177;
II 280; III 229, 235; vom
medizinischen Standpunkt
aus: I 177.
Summation der Affekte: III 272,
273-
Symbole:
Abreise: II 327.
Abtei: III 52, J3, j6, 61.
Alkohol: III 131— 133, 251.
Alptraum: II 138.
Atem: II 249, 2J7, 2^^—268,
^97> 394; ni 53, 241, 2JI,
252.
Aufflug: II 282.
Axt, Hacke: II 411; III 61.
Besitz: I 335, 387.
Blenden: II 391, 418; III 243,
2J4.
Blick: II 2j.
Blumen: I 314.
Blutegel: III I2j, 130.
Boot: II 123.
Brief: II 416, 418.
Brücke: III 69 — 76, 79, 80,
243.
Brunnen: siehe Wassergrube.
Burg: III 226.
Dolch: III 61, 242.
Draciie: II 63.
Eindringen in eine Behausung:
II 63.
Eingeweide, Herausreißen der:
II 270, 299.
Elektrizität: III 125, 213.
Erde: I 313, 314; II 235, 238,
239, 321; III 78, 240, 2J5.
Fee: II 117.
Feuer: II 102, 308.
Flamme: II 308.
Flatus: II 262.
Flügel, auf der Erde schlei-
fende: I 256.
Flug: I 257.
Flugzeug: II 124.
Gänge, unterirdische: III jo.
Gartenlandschafl: II 117.
Gebäude: III 239.
Gefängnis: III ijo, 1J7, 158,
163, 243.
Gefäße: III $9.
Gehen, Laufen, Wandern: I
250, 2J2; II 123, 321—328;
III 266.
Geier: III 22.
Geld: I 282; III 292.
Gestade, heimatliches: II 161.
Gift: 11 166, 167; III 125.
Gold: II 232 — 23J; III 2J2,
253, 292.
Gott: II 225.
388 Register
Symbole:
Mund: II 259.
Grab: I 259; 11 411, 415.
Nagel, zerbrochener: II 370.
Haarbüscheln, Ausreißen von:
Nase: II 283, 284.
II 358.
Natur: II 113, 115, 117, 128.
Haare, gelbe: II 16.
Ohr: II 257—259.
Haus: III 50, 153, 25J.
Palast: II 54; III 50.
Henken, Hängen: II 239, 276
Pendel: III 52, 53, 158—160,
bis 282, 304, 394—398, 403,
243. 273-
404, 40J, 411, 41J, 416; III
Pfeil: III 125, 130.
241, 242, 265;, 266.
Pferd: II 108, 109, 159; III ;
Herz, schlagendes: III 16 bis
240.
21, 28, 29, 30, 223.
Pneuma: II 262 — 264, 266.
Himmel: II 113.
Pol: I 158, 249, 354; II 211,
Hinken des Teufels: III 78.
212.
Hörner: III 266.
Rabe: I 225.
Insel: II 102, 117, 123, 197.
Rasiermesser: II 359, 360,
Intelligenz Gottes: II 225.
371; III 61, 242.
Kamin: II 371, 411, 414, 416;
Rettung eines Kindes: II 90,
III 242, 263.
92; in 267, 268.
Katze: II 386—390, 393, 395,
Riß, Spalt: II 49, 50, 207,
399—405; III 243, 253,
209.
254, 255; Miauen der K.;
Sattel, im S. sitzen: II 102.
III IIO.
Schiff: II 123, 124, 154, 158,
Keller: II J7, 414; III 36, 37,
159, 167, 191; III 240, 256.
49. 50. 243. 255-
Schlange: III 125.
Knochen: III 36, 37.
Schloß: II 54, 57, 59, 62; III
Krokodil: II 266.
50.
Küste: II 161.
Schlucht, schwarze: II 235;
Lampe aus Achat: I 104.
III 255.
Landschaft: II 113, 119.
Schraube: II 281, 282; III
Laterne: III 21.
241.
Leichenzug: II 287.
See: I 6y, 248.
Magnetismus: III 212.
Seefahrt: II 159.
Maul, rotes: II 411.
Sonne: II 95, 235.
Maus: II 388.
Spalt: siehe Riß.
Meer: I 158, 225, 248, 249;
Spindel: II 395, 396.
II 120, 122, 123, 124, 138,
Sprung: III 80.
153, 166, 240, 361; III 240,
Stadt, Einnahme einer: II 246.
255-
Sterne: II 240.
Messer: III 314.
Sturz: II 240.
Milch: II 205, 206, 207, 208,
Süßwasser: II 174.
403, 404.
Tod: I 251; II 214; III 78,
Mond; I 223; II 241; III 218,
214-
240, 241.
Tod, gleichzeitiger: II 94, 95.
Register
389
Symbole:
Trauerweide: II 397.
Ufer: III 78.
Uhr: III 2j, z6.
Vermögen: I 335, 387.
Verstümmelung: II 358, 359;
III 26, ly.
Verwesung, Fäulnis: II 176.
Wagen: II 286, 287.
Wasser: II 113; III 70, 78.
Wassergrube: III 143, 163,
243. 273-
Weiße: II 57, 205, 206, 208
bis 210, 400, 401, 403, 414;
III 36, 240, 2JI, 254.
Wind: II 259—261.
Wissenschaft: I ^^.
Zigarre: III 72, 76.
Zimmer: II 371; III 50, 242,
2J5, 262.
Symbole für: Analerotik: II 57,
292; Amnesie: II 18; Be-
fruchtung: III I2j; Ein-
dringen des Penis: II 359;
III 242; Ejakulation: III
7j; Fäkalien: II 231 — 236;
III 252, 253, 292; Flatus:
II 261; Frau: II 49, 50,
246. 259. 371; III S9, 239.
240, 243, 263; Gebärmutter:
III 214, 215; Geburt: II
240, 241, 371; III i3j; Ge-
schwister: II 128; Impotenz:
I 257; II 266; III 45; Ka-
stration: II 269, 270, 277,
27S, 299, 358, 359. 370.371.
390. 391. 397. 412. 418; III
25, 26, 27, 48, 61, ij8, 241;
Kind: II 231, 233; III 252;
Klitoris: II 396, 416; III
26; Leben im Tod: II 16,
17; Liebe, fleischliche: I 140,
249, 250; Mann 259; Männ-
lichkeit: siehe Virilität; Ma-
sturbation: II 396; Milch:
II 174, 405; III 60; Mutter:
I 67, 104, 158, 223, 22J,
248, 249, 259, 354; II j4,
57. 59. 62, 102, 109, 113,
iij, 117, 119, 120, 122,124,
128, 138, IJ3, ijj, 158,159,
167, 178, 184, 191, 192,211,
212, 235, 238, 325, 326; III
22, 51, 56, 59, 78, 151,
153, 163, 240, 241, 250,251,
253, 254, 255, 256; Defini-
tion der Symbolik: II 123
bis 128; Mutterübertragung:
II 25; ödipusrivalität: II
51; III 34; Orgasmus: II
265; Phallus: I 256; II 160,
388. 391. 395. 396. 397.403.
405, 411, 416, 418; III 125,
223, 241, 242, 314; Sexual-
akt: I 257, 308; III 78, 80;
Sexualität: II 387; III 80,
161, 248; Sohn: II 54; Un-
treue: II 16; Uterus: II
155, 288; III 52, 139; Va-
gina: II 261, 371, 388, 391,
411; III 26; Vagina den-
tata: II 193; Vater: I 225;
II 63, 128; III 158, 226,
247, 248, 250, 255; Virilität
(männliche Potenz): II 249,
257, 261, 266, 297, 387; III
53; Wollust: II 404, 405.
Syphilis: II 401; III 291, 296,
299.
Tabu: II 156, i8i, 191, 192,
193. 203, 208, 210,213,282;
III 310.
Tagesrest: III 272, 279, 280.
Thanatisierung (der Libido): III
213.
Tiefenpsychologie: I 179; III
297.
Todesangst: siehe Angst.
390
Register
Todestrieb: siehe Trieb.
Totemmahl: II 169, 173.
Totemtier: II 104, 156, 160, 179,
386, 391, 397, 406; III 22,
79y 157. 239. 254. 310; "e^f
auch Ersatz für T.
Toxikomanie: siehe Sucht.
Traum: I 148, 250; II 7, 73, 90,
98, 124, 143, 174, 178, 213,
214, 228, 234, 256, 281 bis
283, 286, 326, 356, 380, 391,
403, 404, 406, 412; III 2J,
$0, 51, 70, 73, 74, 76, 129,
151, 198, 220, 225, 233 bis
239, 244, 248, 249, 256, 261,
264, 266, 269 — 281, 300,
317; latenter Trauminhalt:
II 90, ^$, 214; siehe auch
Alp.
Trauma: I 42, 145, 170, 271;
III 289.
Traumarbeit (Mechanismen und
Tedinik): siehe sekundäre
Bearbeitung; Bildtechnik;
Rücksicht auf Darstellbar-
keit; logische Relationen
(Negation, Gegenteil, Iden-
tität, Verursachung); Ver-
dichtung; Verschiebung der
psychischen Intensitäten;
Zensur.
Traumfragmente, vergessene: II
99-
Trennungsangst: siehe Angst.
Treue (der Mutter gegenüber):
I 92, 136, 144, 150— IJ4,
256, 261, 304, 3J4; II 25,
38, 40, 58.
Triebe:
Aggressionstrieb: I 15:2, 15;;
III 303, 309, 310, 311, 315,
319, 324, 331.
Destruktionstrieb: III 306,
314. 3IJ-
erotischer Trieb: I 320; III
31J-
Lebenstrieb: I 2jo; III 303,
^ 304. 3i5> 318.
libidinöser T.: III 247, 310,
318, 331.
Nahrungstrieb: III 247.
Partial triebe: III 2j6, 257.
Todestrieb: I 320; III 303,
304, 315, 319, 331.
verdrängter T.: I 27; III 331.
Siehe auch Sonderung der
Triebe.
Triebumsetzung: II 232.
Tropismus: I 347, 348; III 313.
Übereinanderlagerung: II 104;
III 263.
Über-Ich: I 255; III 46, 85, 91,
92, 95, 96, 98, 99, 102, 108
bis 110, 257, 310.
Übertragung: I 14J, 150, 151,
168, 204, 317, 342; II 24,
2J. 28, 39, 40, 48, 55, 57,
73. I5i> 193. 207' 375; in
51, iij, 211, 215, 220, 226,
237, 239, 272, 326.
Unbewußtes: I 63, 93, $$, 102,
105, 106, 117, 134, 141, 151,
ij8, 183, 191, 204, 219,220,
222, 223, 224, 232, 253,256,
257, 282, 309, 320, 340, 342,
347; II 7, II, i8, 19, 20,
21, 35. 45. 53. 57. 64, 90.
94, 95, 96, 100, loi, 102,
119, 124—126, 135, 153,
154, 157, 163, 167, 169, 173,
176, 184, 206, 211, 228,235,
236, 237, 238, 246, 248, 252,
255, 256, 257, 261, 264, 269,
274, 277, 278, 285, 286,287.
289, 296, 299, 300, 301, 302,
321, 327, 355, 3j6, 360,366,
369. 371. 372. 378. 380, 387,
391. 393. 399. 401. 402, 408,
Register
391
412, 414, 417, 418; III 17,
18, 20, 23, 26, 27, 29, 31,
38. 51. 59. 71. 72.77.89.99.
104, 122, 125, 129, 132, 138,
141, 150, iji, ijj, ij6, 159,
165, 216, 217, 218, 224, 228,
233—240, 247— 27J, 279,
28p, 308, 319, 326—329.
Untreue (der Mutter gegenüber) :
siehe Treue; siehe auch
Symbole für die Untreue.
Unzucht: III 56.
Urangst: II 1J4.
Urethralerotik: II 102, 103.
Urin: II 102, 389; III 28, 132.
Urlust: II 1J4.
Uterus: II 197, 214, 231, 286;
III 51, 52, 139, IJ4, IJ7,
164, 224, 243, 246; siehe
auch Symbole für den
Uterus.
Vagina: II 197, 231, 3J9, 371,
390, 396, 411; in 76, 77,
78, 155, 162,. 243, -it^; siehe
auch Symbole für die V.
Vagina dentata: II 19 — 21, 184,
185, 193. 198, 390; in 77,
162, (cloaca dentata) 164,
243, 251; siehe auch Sym-
bole für die V. d.
Vampirismus: II 384; III 31S,
317. 3"-
Vater- Imago: II 95, 268, 270,
294; III 87, 124, 128.
Vaterleibsphantasie: III 223,
226.
Verbrechen (Kategorien): III
236, 249—253, 258.
Verdichtung: III 236, 249 — 253,
258.
Verdrängung: I 27, 144, ij2,
214, 219, 257, 282; II 33,
45. 57. 63. 9J. 96, 119. 128.
135, 232, 261, 267, 279,281,
282, 298, 300, 302, 355,362,
367. 378. 383. 396.40j.412;
III 20, 28, 89, 107, 167,
208, 228, 229, 238, 272 bis
27J. ^79> 31°. 313. 316,318,
331-
Verfolgungswahn: I 181, 191,
203, 248, 327—329; III 93,
106, 109, 123, 160, 165,
213.
Verkehrtheit: siehe Perversionen.
Verkehrung der Affekte: II 193,
281, 283, 392, 402, 414; III
80, 124, 128, 226, 270, 271,
310, 319.
Verneinung (im Traum): siehe
Negation.
Verschiebung der psychischen In-
tensität: n 20, 33, 34, 185,
193, 261, 266, 281, 285, 374,
396. 397; III 17. 125. 161.
226, 235, 239—249, 254,
258, 269, 272, 273, 305,314,
330; von unten nach oben:
II 185, 261; III 125; von
oben nach unten: II 185,
193; III 80.
Verursachung (im Traum): III
261.
Virilität (Mannespotenz): I 152;
II 249, 283, 298, 304, 395,
417; III 26, 64, 72, 74, 75,
81, 160, 164, 198, 223, 226,
241, 251, 252, 253, 316;
siehe auch Symbole für
die V.
Vorangstprämie: III 274.
VorbeviTußtes: I 232; II 280; III
237 — 239, 249, 250, 260 bis
264, 267, 273, 274, 275.
Voyeurtum: II 367, 368, 372;
III 234, 278, 299.
Vulva: II 358, 391; III 51, 7j.
Wachdenken: III 259, 275, 276.
392
Register
Wiederholungszwang: I yg, 141,
224, 250, 282, 307, 33 j; II
26, 27, 57; III 30, 277, 303,
311, 328.
Wiedervergeltung: II 19, 20,
108, 157, 173, 174, 193, 397.
404, 414; III 20, 61, 246,
251, 293.
Wollust: I 224, 225, 252; II 84,
281, 2S2, 283, 286, 304, 399,
405; III 48, 49, 50, 125,
152, 242, 302, 317, 318;
siehe auch Ersatz und Sym-
bole für W.
Wunschphantasie: siehe unbe-
wußte Phantasien.
Zensur (Mechanismus der Traum-
arbeit): III 244, 246, 258,
270, 271, 272, 273, 274,
275-
Zwang: I 153; II 214, 382, 384;
Exhibitionszwang: II 410,
411; Geständniszwang: II
161, 383, 384, 410, 414; III
100, 101; Strafzwang: II
384.
Zwangsneurose: III 319, 320.
Zyklothymiker: I 143, 196.
GESAMTINHALTSVERZEIGHNIS
BAND I
Stiw
Vorwort von SigmundFreud j
I. TEIL: LEBEN UND DICHTUNG
Edgars Eltern o
Der Tod der Mutter 14
Die Adoptiveltern 20
Die erste Erziehung Edgars 24
Edgar in Großbritannien 28
Helen ,j
Der Besuch Lafayettes und die Erbsdiaft William Galts .... 44
Elmira ^^
Auf der Universität von Virginia jj
Bruch mit John Allan 60
Bei der Armee 70
Nach dem Tode der Frances Allan 7g
In West Point. Die Morgenröte der großen Dichtungen ... 94
In Baltimore bei Frau Clemm. Die ersten Erzählungen .... 112
In Richmond. Der Kritiker des „Southern Literary Messenger".
Die Heirat mit Virginia 128
In New York und Philadelphia. Der Redakteur von Burton's
Gentleman's Magazine. Grotesken und Arabesken 156
In Philadelphia. Der Redakteur von Graham's Magazine. Vir-
ginias geängstigter Gatte 170
In New York. Der Rabe und der Ruhm 193
In Fordham. Vor dem Tod der Virginia. Annabel Lee .... 213
In Fordham. Nach dem Tod der Virginia. Ulalume und
Heureka 242
Providence und Lowell. Helen und Annie 276
Philadelphia, Ridimond und Baltimore. Die letzten Flucht-
versuche ,22
Bonaparte: Edgar Poe. III u. IV. 26
BAND II
II. TEIL: DIE GESCHICHTEN: DER ZYKLUS MÜTTER
Seite
Einleitung 7
I, Der Zyklus der tot-lebenden Mutter
Berenice 11
Morella 22
Ligeia 28
Der Untergang des Hauses Usher 46
Eleonora 65
Das ovale Porträt 7J
Das Stelldichein 79
Metzengerstein 97
II. Der Zyklus der Mutterlandschaft
Die Gartenlandschaften und Die Insel der Fee 113
Die Seegesdiichten: Die denkwürdigen Erlebnisse des
Arthur Gordon Pym 120
Eine Geschichte von der Erde: Der Goldkäfer 21 j
III. Geständnis der Impotenz
Der verlorene Atem 245
IV. Der Zyklus der ermordeten Mutter
Der Mann der Menge 309
Der Doppelmord in der Rue Morgue 329
Die schwarze Katze 376
BAND III
III. TEIL: DIE GESCHICHTEN: DER ZYKLUS VATER
, Seite
V. Der Zyklus von der Auflehnung gegen
den Vater
Das sdiwatzende Herz
Die Maskeraden ,^
Verwette niemals dem Teufel deinen Kopf 6^
VI. Der Konflikt mit dem Gewissen
William Wilson
8j
VII. Der Zyklus von der passiven Hingabe
an den Vater
Bedloe, Waldemar und der Engel des Sonderbaren ... 113
Wassergrube und Pendel i^.
Heureka jg_
IV. TEIL: POE UND DIE MENSCHLICHE SEELE
Über die Arbeit am literarischen Kunstwerk und über die
Funktion der Dichtung 233
Poes Botsdiaft an die Menschheit 284
Literaturverzeidinis ,,2
Register:
A. Biographischer, literarischer und bibliographisdier Index . . 340
B. Index der Werke Poes ,,,
C. Index der psychoanalytischen Begriffe 380
GESAMTVERZEICHNIS DER BILDTAFELN
BAND I
Edgar Poe (Daguerreotypie „Whitman") Titelbild
vor Seite
Karte der Ostküste der Vereinigten Staaten . 9
nach Seite
Elizabeth Poe, geb. Arnold 16
Frances Keeling Allan, geb. Valentine 24
Das Wohnhaus Allans in Richmond 40
Sarah Elmira Royster 4^
Die Universität von Virginia zur Zeit Poes 56
John Allan 64
Maria Clemro, geb. Poe 88
Edgar Poe (Um 1840) 176
Rufus W. Griswold 200
Faksimile einer Manuskriptseite aus „Annabel Lee" 116
Frances Sargent Osgood 224
Das Landhaus Poes in Fordham 232
Virginia Eliza Poe, geb. Clemm 240
Faksimile des Briefes Edgar Poes an Mrs. Shew 272
Sarah Helen Whitman, geb. Power 288
Edgar Poe (Daguerreotypie Mac-Farlane) 296
BAND II
Elizabeth Poe, geb. Arnold Titelbild
BAND III
John Allan Titelbild
vor Seite
Sigmund Freud 233
nadi Seite
Charles Baudelaire (Photo Nadar) 288
Baudelaire (Selbstbildnis) 296
Jeanne Duval 304
Von
MARIE BONAPARTE
sind im Internationalen Psychoanalytischen Verlag ferner folgende
Werke erschienen:
Über die Symbolik der Kopftrophäen
1928. 48 Seiten. In Leinen Mark 3.30
„Der Deutsche Jäger": In der Studie der Prinzessin Marie von
Griechenland (veröffentlicht unter dem Mädchennamen der Ver-
fasserin) wird das Problem, warum das Geweih das Attribut des be-
trogenen Ehemannes ist, mit Mitteln der modernen Tiefenpsy-
chologie gelöst. Im Kapitel „Magische Hörner" werden Hörner als
Amulette gegen den bösen Blick behandelt. Das Kapitel „Jagd-
trophäen" geht vom königlichen Weidwerk, der Parforcejagd,
aus, deutet die Herkunft aus dem kollektiven Menschenopfer und
stellt ihr die individuelle Hirschjagd, das Pirschen, gegenüber.
Der Fall Lefebvre
Psychoanalyse einer Mörderin
1929. 54 Seiten. Geheftet Mark 2.40, in Leinen Mark 3.80
„Vossische Zeitung": Marie Bonaparte, die Prinzessin von Grie-
chenland, hat den Fall Lefebvre in einem schmalen Band dargestellt,
in welchem sie das Verhalten der sittsamen Spießbürgerin, die be-
kanntlich seinerzeit eines Tages ohne jegliche Präliminarien ihre
Schwiegertochter auf einem Ausflug in Gegenwart ihres Sohnes er-
schoß, motivisch wenigstens soweit aufgeklärt, als es das spärliche
Material zuläßt. Es ist wohl so ziemlich das erstemal, daß ein
Kriminalfall eine systematische analytische Darstellung erfährt.
Aus der Analyse einer mutterlosen Tochter
• Zwei Beiträge zur psychoanalytischen Kasuistik
1931. 31 Seiten. Geheftet Mark i. —
„Deutsche medizinische Wochenschrift": Selbstdarstellung
der Pariser Psychoanalytikerin im Sinne der Lebensbeeinflussung
durch Identifizierung mit der verstorbenen Mutter (Ödipuskomplex)
und eine kurze kasuistische Mitteilung über eine kleptomane An-
wandlung.
Die Sexualität des Kindes
und die Neurosen der Erwachsenen
Sonderheft (V/io) der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik
193 1. 44 Seiten. Geheftet Mark i. —
Inhalt : Die Verbreitung der Neurosen — Die infantile Sexualität und ihre Verdrängung —
Die Sexualität der Erwachsenen und ihre Schädigungen — Einige Vorschläge zu einer
Reform der Erziehung
80:N APA p-, .-•
MARIE BONAPARTE
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Von
MARIE BONAPARTE
sind im Internationalen Psychoanalytischen Verlag ferner folgende
Werke erschienen:
Über die Symbolik der Kopftrophäen
1928. 48 Seiten. In Leinen Mark 3.30
„Der Deutsche Jäger": In der Studie der Prinzessin Marie von
Griechenland (veröffentlicht unter dem Mädchennamen der Ver-
fasserin) wird das Problem, warum das Geweih das Attribut des be-
trogenen Ehemannes ist, mit Mitteln der modernen Tiefenpsy-
chologie gelöst. Im Kapitel „Magische Hörner" werden Hörner als
Amulette gegen den bösen Blick behandelt. Das Kapitel „Jagd-
trophäen" geht vom königlichen Weidwerk, der Parforcejagd,
aus, deutet die Herkunft aus dem kollektiven Menschenopfer und
stellt ihr die individuelle Hirschjagd, das Pirschen, gegenüber.
Der Fall Lefebvre
Psychoanalyse einer Mörderin
1929. 54 Seiten. Geheftet Mark 2.40, in Leinen Mark 3.80
„Vossische Zeitung": Marie Bonaparte, die Prinzessin von Grie-
chenland, hat den Fall Lefebvre in einem schmalen Band dargestellt,
in welchem sie das Verhalten der sittsamen Spießbürgerin, die be-
kanntlich seinerzeit eines Tages ohne jegliche Präliminarien ihre
Schwiegertochter auf einem Ausflug in Gegenwart ihres Sohnes er-
schoß, motivisch wenigstens soweit aufgeklärt, als es das spärliche
Material zuläßt. Es ist wohl so ziemlich das erstemal, daß ein
Kriminalfall eine systematische analytische Darstellung erfährt.
Aus der Analyse einer mutterlosen Tochter
■ Zwei Beiträge zur psychoanalytischen Kasuistik
193 1. 31 Seiten. Geheftet Mark i. —
„Deutsche medizinische Wochenschrift": Selbstdarstellung
der Pariser Psychoanalytikerin im Sinne der Lebensbeeinflussung
durch Identifizierung mit der verstorbenen Mutter (Ödipuskomplex)
und eine kurze kasuistische Mitteilung über eine kleptomane An-
wandlung.
Die Sexualität des Kindes
und die Neurosen der Erwachsenen
Sonderheft (V/io) der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik
193 1. 44 Seiten. Geheftet Mark i. —
Inhalt : DieVerbrekung der Neurosen — Die infantile Sexualität und ihre Verdrängung —
Die Sexualität der Erwachsenen und ihre Schädigungen — Einige Vorsdiläge zu einer
Reform der Erziehung
MARIE BONAPARTE
EDGAR POE
BAND III
MARIE BONAPARTE
EDGAR POE
EINE PSYCHOANALYTISCHE STUDIE
MIT EINEM VORWORT VON SIGM. FREUD
BAND III
INTERNATIONALER
PSYCHOANALYTISCHER VERLAG IN WIEN